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Full text of "Zeitschrift für pädagogische Psychologie und Jugendkunde"

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7.  Jahrgang.  1 905  Heft '  1 . 


Zeitschrift 


f 


für     . 

PtldadOdUcbe  Psycholodie/ 

m 

PatbolodU  tittd  Ijlydieiie* 

Herausgegeben 

von 

Ferdinand  Kemsies  und  Leo  HirschlaTf. 

Inhalt  von  Heft  1.  -^ 

Original-Artikel. 

heo  Hirschlaff,  Der  Schimpanse  Konsul;  ein  Beitrag  zur  vergleichenden 

Psychologie.     CMit  einer  Illustrationsbeilage.) 
Marx  Lobsien,  j^Experimentier-Pädagogik". 
Otto  Wendtlandt,  Das  Kinderzimmer. 
Franz  Medicus,  Zur  Frage  des  Ziehkinderwesens. 

Siizongsberichte. 

Psychologische  Gesellschaft  zu  Berlin. 

Berichte  and  Besprechnngen. 

Schroedels  pädagogische  Klassiker,  Bd.  XIV.  —  A.  Sicklnger,  Organisation 
grosser  Volksschulkörper.  —  J.Moses,  Das  Sonderklassensystem  der  Mannheimer 
Volksschule.  —  Jahresbericht  über  den  Stand  der  städt.  Schulen  in  Mann- 
hciim  1903/04. —  F.Förster.  Kind  und  Alkohol. — A.  Damaschke,  Alkohol  und 
Volksschule.  —  R.  Schenk,  Lehrbuch  der  Geschichte  für  höhere  Lehranstalten, 2. .Aufl. 

—  O.  Bismarck,  Das  Kartenzeichnen,  3.  Aufl.  —  Schreibers  künstlerische  Wand- 
bilder 1.  Lfg.  —  Monatsschrift  für  Kriminalpsychologie,  I,  1.  —  Meyers 
grosses  Konversations-Lexikon. 

Mittelinngen. 
Neue  Schulbauten.    —    Die  soziale   und  politische  Bedeutung  der  Schulreform.  — 
Der  kluge  Hans.    —    lieber   den  Einfluss-  des  Alkohols  auf  die  Schiesstüchtigkeit 

—  Das  Phonogrammarchiv.  —  Ueberbürdung  der  Schüler  im  lateinischen  l'nter- 
rfcht.  —  Berliner  Gemeindeschulen. 

BIbllottaeca  pfldo- Psychologien. 


BERLIN  S.W., 

Hermann  Walther  Verlagsbuchhandlung 

G.  m.  b.  H. 

Jährlich  erscheinen  6  Hefte  h  5—6  Bogen. 
Preis:  L  u.  II.  Jahrgang  ä  Mk.  8.—.    HI.  Jahrgang,  u.  ff.  ä  Mk.  10.  -. 


Zeitschrift 

^  für 

pädagogische  Psychologie. 

Patbolodic  und  l^ygUne. 

Herausgegeben 

von 

Ferdinand  Kemsies  und  Leo  Hirschlaff. 


VII.  Jahrgang. 


Berlin  W. 

Hermann  Walther  Verlagsbuchhandlung  G.  m.  b.  H. 
1905. 


Zeitschrift 

fQr 

Püdagogiscbe  Psychologie, 

Pathologie  und  l^ysicne. 

Herausgegeben 

von 

Ferdinand  Kemsies  und  Leo  Hirschlaff. 


VII.  Jahrgang. 


Berlin  W. 

Hermann  Walther  Verlagsbuchhandlung  0.  m.  b.  H. 
1905. 


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Inhalt  des  siebenten  Jahrganges. 

1905. 
A.  Abhandlungen. 

Leo  Hirschlaff,    Der    Schimpanse    Consul;    ein    Beitrag    zur    ver- 
gleichenden Psychologie i — 22 

Marx    Lobsien,    „Experimentier-Pädagogik**         ........       23 — 30 

Otto  Wendtlandt,   Das   Kinderzimmer    ...........      31 — 40 

Franz  Medicus,  Zur  Frage  des  Ziehkinderwesens    .......       41 — 45 

Elisabeth  Kölling,  Charakterbilder  schwachsinniger  Kinder    .     .  81 — 99 

Viktor  Lowinsky,  Hypothesen,  Methoden  und  Anwendungen  in  der 

Hallschen    Kinder-Psychologie  loc — 125 

Theodor    Benda,    Besonderheiten    in    Anlage    und    Erziehung    der 

modernen  Jugend,  I     .     . 126 — 141 

Beiträge    zur    Psychologie    imd    Pädagogik    der    Kinderlügen    und 

Kinderaussagen,   I,    II,   III,   IV,  V 177 — 205 

Theodor    Benda,    Besonderheiten    in    Anlage    imd    Erziehung    der 

modernen    Jugend,    II  . 206 — 218 

Emil  Reuschert,  Moritz  Hill  in  seinem  Leben  und  Schaffen    .     .     .  249 — 266 
L.  William  Stern,   Ueber  Beliebtheit  und  Unbeliebtheit  der  Schul- 
fächer       .....  267 — 296 

Gustav  Lindner,  Neuere  Forschimgen  und  Anschauungen  über  die 

Sprache    des    Kindes 337 — 392 

Marx   Lobsien,   Kinderzeichnung  und  Kunstkanon       ......  393 — 404 

Hans    Zimmer   und    Theodor    Fritzsch,    Die   Geschichte    der   Päda- 
gogik im  Jahre    1905  405 — 452 

B.  Sitzungsberichte. 

Psychologische  Gesellschaft  zu  Berlin. 

Paul   Möller,   Die   Grundlagen  des  psychol.  Experiments       46 — 49,  142 — 143 
Albert    Moll,    Die    Analyse    des    Geschlechtstriebes         .....       50—54 

Max   Dessoir,   Gemeinempfindungen        54 — 56 

Arbeitsplan    Sommer-Semester    1905  142 

Albert  Moll,  Psychologie  und  Kurpfuscherei 297 — 299 

Fritz  Leppmann,  Unzucht  verbrechen  an  Kindern      .......  300 — 305 

Weddigen,    Goethe    als    Begründer   des   modernen  psychologischen 

Romans  305 — 306 

Eysen,  Symbolik  der  menschlichen  Gestalt 307 — 308 

Otto     Gramzow,     Anthropologbmus    in     der    Feuerbachschen     Re- 
ligionsphilosophie . 308 — 311 

Verein  für  Kinderpsychologie  zu  Berlin. 

Sanunelbericht  über  die  Sitzungen  vom  Nov.  1903  bis  Febr.   1905   143-155 


ß 


VI 

Komitee  für  Kinderforschung  in  Budapest« 

Sammelbericht 155 — 159 

Berliner  Verein  für  Schulgesundheitspflege. 

Ferdinand  Kemsies,  Ferienordnung  imd  Schulpensum      .....  220—221 

Wassermann,    Schule    und    Infektionskrankheiten        ......  221 — 224 

Weinberg,  Perlewitz,  Wulk,  Ferienordg.  u.  Schulpensum  224 — 230,  231 — 233 
V.   Ziegler,   Die  Kurzsichtigkeit  der  Schüler  höherer   Lehranstalten 

eine   Gefahr  für  die   Landesverteidigung       .......  230 — 231 

Erziehungs-  und  Fürsorgeverein  für  geistig  zurück- 
gebliebene (schwachsinnige)  Kinder. 

Müder,  Ueber  psychopathische  Minderwertigkeiten  in  der  Volks- 
schule      453—454 

Mertelsmann  I,  Ueber  den  Affekt  und  seine  Verhütung  bei  schwach- 
sinnigen   Kindern    ..........     455 — 456 

W.   Fürstenheim,    Ueber   den   Veitstanz     ..........  457 — 459 

C.  Berichte  und  Besprechungen. 

Schwedeis    pädagogische    Klassiker,    Bd.    XIV                  56 — 57 

A.  Sickinger,  Organisation  großer  Volksschulkörper       .....  57 — 58 

J.  Moses,  Das  Sonderklassensystem  der  Mannheimer  Volksschule  59 — 60 
Jahresbericht  über  den  Stand  der  städtischen  Schulen  in  Mannheim 

1903/04 60 

F.    Förster,    Kind    xmd    Alkohol                                                         .     .  60 — 61 

A.  Damaschke,  Alkohol  und  Volksschule                61 

R.   Schenk,   Lehrbuch   der   Geschichte   für  höhere    Lehranstalten  61 

O.    Bismarck,    Das    Kartenzeichnen                   62 

Schreibers    künstlerische   Wandbilder          62 — 63 

Monatsschrift  für   Kriminalpsychologie 63 — 64 

Meyers  großes  Konversationslexikon                     64 — 65 

Lemlust,  eine  Komeniusfibel 160 

Göbelbecker,   Das   Kind  in   Haus,   Schule  und  Welt       .....  160 

Kind  und   Kirnst,   Jahrg.    1905                 160 — 161 

E.  Ebert  und  E.  Meumann,  Ueber  einige  Grundfragen  der  Psycho- 
logie der  Uebungs Phänomene 234 — 235 

J.  Marcinowski,  Im  Kampf  um  gesunde  Nerven  235 — 230 

W.  Preyer,  Die  Seele  des  Kindes      . 236 

M.  W.  Shinn,  Körperliche  und  geistige  Entwicklung  eines  Kindes  236 — 237 
H.    Pudor,    Die    neue    Erziehimg  237 — 238 

B.  Brückmann,  Die  Formenkunde  in  der  Volksschule  .....  238 — 239 
J.   Spieser,   Ein   Klassenversuch  mit  der  begrifflichen   Methode  im 

ersten    Leseunterricht  239 

E.  Müller,  Ueber  mehrdimensionale  Räume     .    ^. 312 

S.  Exner,  Ueber  den  zentralen  Sehakt     , 312 — 313 

R.  Goldscheid,  Ueber  die  Notwendigkeit  willenstheoretischer  Be- 
trachtungsweise  313 — 314 

R.  Eisler,   Der  Wille  zum  Schmerz 314 — 315 

Th.  Elsenhans,  Die  Aufgabe  einer  Psychologie  der  Deutung  .  .  315 — 316 
O.  Lipmann,  Der  Einfluß  einz.  Wiederholungen  auf  Assoziationen  316 — 317 
Bär,    Ueber    jugendliche    Mörder  317 — 320 


J.  Bierens  de  Haan^  Die  Bedeutung  der  Hypnose  und  Suggestion 

für   die   Erziehung  . ^     .     .     .    .  320 — ^321 

J.  A,  Gheorgov^  Die  ersten  Anfänge  des  sprachlichen  Ausdrucks  321 
A.   M.    Sk:hniidt,   Aufbau  luid  Entwicklung  des   menschlichen  Ge- 
schlechtslebens           f 321 — ^322 

M.  C.  Schuyten,  Sur  les  petits  bonshommes  dessines  par  les  6coliers 

Auversois .     .    ^ 322 — 323 

— ,  Sur  les  variations  de  la  memoire  des  6coliers      , 323 

— ,  Sur  la  droiterie  et  la  gaucherie  des  enfants  .......  323 — 324 

— ,  Ueber  das  Wachstum  der  Muskelkraft  bei  Schülemi      ....  324 

— ,  Les  variations  de  la  force  musculaire  324 

— ,  Les  ^coliers  de  parents  Auversois   etc.   .........  324 — ^325 

F.  PoUe,  Wie  denkt  das  Volk  über  die  Sprache 325 

Rhenius^   Wo   bleibt   die   Schulreform  325 — ^327 

Th,  Ziehen,  Ueber  die  Beziehimgen  der  Psychologie  zur  Psychiatrie  327 — 328 

0.  Domblüth,    Gesunde    Nerven  328 

H.  Bosma,  Nervöse  Kinder  328 — 329 

Baumgarten,  Der  Katechismus  der  Gesimdheitslehre    ......  329 — 330 

Fünfzig  Jahre   Pensionserziehüng .  330 

Enderlin,   Erziehung  durch   Arbeit 330 — 331 

D.  Mitteilungen. 

Neue  Schulbauten      .    , 66 — 68 

Die  soziale  imd  politische  Bedeutung  der  Schulreform     ......      68 — 71 

Der  kluge   Hans  71 — 72 

Ueber  den  Einfluß  des  Alkohols  auf  die  Schießtüchtigkeit    ...  73 

Das    Phonogrammarchiv  73 

Ueberbürdung  der  Schüler  im  lateinischen  Unterricht      .....      73 — 74 

Berliner    Gemeindeschulen 74 

Ueber  die  gemeinsame  Erziehung  der  Geschlechter     ......  162 — 164 

Zur  Frage  der  gemeinsamen  Erziehung  beider  Geschlechter    .    .     .  164 — 165 
Bekämpfung  des  Alkoholgenusses  bei  Schulkindern     ......  165 — 167 

Die  Kommission  für  Jugenspiele  und  Wanderfahrten    ......  167 — 168 

Der  Verein  für  Freunde   Herbartscher  Pädagogik     ......  168 — 169 

Für  Lehrer  und  Lehrerinnen  an  Hilfsschulen  240 

Internationaler    Jugendaustausch 240—241 

Ausstellung   von    Lehrmitteln    in    Leipzig  241 — 244 

Neue   Weihnachtsgaben   für   die   Jugend 332 — 334 

Die  Selbstmorde  in  Preußen  während  des  Jahres  1904    .....  334 — 336 
Kongreß  für  Kinderforschung  und  Jugendfürsorge  1906 .    460 — 462,  472 — 474 

Kurs    der    medizinischen    Psychologie 462 

Kongreß    für    experimentelle    Psychologie      .....    462 — 463,  471 — 472 

Berliner  Verein  für   Schulgesundheitspflege  .........  463 

Familienerziehung   und   Anstaltspflege    ...........  463 — 464 

Berliner    Gymnasiallehrerverein 464 — 465 

Kinderausflüge 465 — 467. 

Ueber  die  Charlottenburger  Waldschule 467 — ^468 

Centralverband  zur  Bekämpfung  des  Alkoholismus  (Berlin)  .          .  468 — 471 
Centrale    für    private    Fürsorge 474 — 475 

E.  Bibliotheca  paedo-psycholos^ica. 

1.  . 75~8o 

II 170—176 

III.    . 245—248 


22  Leo  Hirschlaff. 

9.   Signor   Domino.      Dressierte    und    Dresseare.      Berlin,    S.    Fischer, 
1895.    247  S. 

10.  Charles  Darwin.  Der  Ausdruck  der  Gemütsbewegungen  bei  dem 
Menschen  und  den  Tieren.  Aus  dem  Englischen  übersetzt  von  J.  Victor  Carus. 
Stuttgart,  E   Schweizerbart'sche  Verlagshandlg.  1874.    375  S. 

11.  Karl  Georg  Leroy.  Philosophische  Briefe  über  die  Verstandes-  und 
Vervollkommnungsfähigkeit  der  Tiere,  samt  einigen  Briefen  über  den  Menschen. 
Aus  dem  Französischen  übersetzt  von  D.  Johann  Antou  Müller.  Nürnberg,  Jobst 
Wilhelm  Witt  wer.     1807.    238  S. 

12.  Th.  Zell.  Ist  das  Tier  unvernünftig?  Neue  Einblicke  in  die  Tier- 
seele. Stuttgart,  Kosmos,  Gesellschaft  der  Naturfreunde.  Franckh'sche  Verlags- 
handlg.    198  S. 

13.  Julius  Frauenstädt.  Das  Seelenleben  der  Tiere,  verglichen  mit  dem 
des  Menschen.     81  S. 


30  Marx  Lobsien. 

allerdings  ein  ^undefinierbares  Etwas**  —  und  dieses  Etwas  be- 
gegnet nun,  wo  Weber  darzutun  versucht,  was  er  will,  häufiger. 
Ich  kann  mich  bescheiden,  dieses  »Etwas**  durch  einige  Aus- 
lassungen des  Verfassers  selbst  zu  illustrieren. 

Keiner  von  den  exaktpsychologischen  Pädagogen  wird  die 
Didaktik  ergründen,  weil  ihm  das  Organ  für  das  zu  Erforschende 
abgeht.  Nur  wesensverwandtes  kann  das  undefinierbare  Etwas 
finden.  „Die  Ergebnisse  unserer*)  Kinderpsychologie  werden 
kommen  wie  plötzliche  Sonnenblitze,  sie  werden  durchleuchten, 
indes  wir  mitten  im  brauenden  Gewölk  des  Schaffens  stehen; 
aber  sie  werden  uns  Blicke  tun  lassen  in  das  Ureigentliche  der 
Kindesseele,  Blicke,  die  uns  mehr  zeigen,  als  alle  Statistiken  zu- 
sammengenommen.** —  Da  haben  wir  das  neue  Evangelium;  es 
ist  sehr  sonnenhaft  geraten.  Wann  wird  denn  der  wieder  auf- 
leben, der  die  Kunst  verstand,  aus  dem  Barte  die  Blitze  zu  blasen? 
Ist  er  selbst  oder  sein  Johannes  in  München  schon  erschienen, 
oder  sollen  wir  eines  anderen  warten?  Wird  er  auch  das 
brauende  Gewölk  durchbrechen  oder  sich  mit  einem  Muspelli 
bescheiden? 

Und  doch  steckt  in  diesem  Mass-  und  Formvergessen  ein 
Quentchen  Wahrheit  —  das  von  altersher  anerkannt  wurde:  der 
pädagogische  Takt  ist  nicht  lehrbar,  er  wird  gleicherweise  vod 
den  Göttern  verliehen,  wie  die  Gabe  des  Künstlers,  der  in  Holz 
oder  Stein  arbeitet  Aber  die  Götter  waren  noch  nie  verschwen- 
derisch. Und  wenn  nun  diejenigen,  an  denen  ihr  „Sonnenblitz* 
vorbeiglitt,  sich  in  ehrlichem,  echt  wissenschaftlichem  Bemühen 
versuchen,  sich  das  Rüstzeug  zu  erwerben,  das  der  „Gottbegnadete" 
intuitiv  anwendet  —  na,  da  muss  doch  Freude  sein  im  Himmel ! 


1)  Von  mir  gesperrt!     L. 


Zur  Frage  des  Ziehkinderwesens,  45 

Dagegen  ist,  abgesehen  von  den  organisatorischen  Hindernissen 
bezüglich  der  Ueberwachung  der  Kostkinder,  die  Tatsache  nicht 
zu  vergessen,  dass  auch  die  strengste  Beaufsichtigung  bei  gemüt- 
und  gewissenlosen  Ziehmüttern  nicht  viel  fruchten  wird,  weil 
sie,  wenn  auch  täglich  beobachtet,  genug  Gelegenheit  finden 
werden,  an  den  Kindern  zu  sündigen.  Hinwiederum  wird  ohne 
Zweifel  eine  gewissenhafte  Person  durch  zu  häufige  Kontrole  in 
ihrem  Ehrgefühl  gekränkt  und  in  ihrer  Arbeitsfreudigkeit  be- 
einträchtigt werden. 

Das  Kostkinderwesen  stellt  bei  unseren  heutigen  Verhält- 
nissen ein  beachtenswertes  Kapitel  für  den  Sozialpolitiker  und 
Volksbygieniker  dar.  Tausende  von  Menschenleben  sind  schon 
der  bisherigen  Ausserachtlassung  dieser  Frage  zum  Opfer  ge- 
bllen,  und  noch  steigern  wird  sich  dieser  Verlust  an  Nachwuchs 
jährlich  für  den  Staat,  wenn  bei  dem  stetigen  Emporblühen  der 
Industrie  und  dem  dadurch  bedingten  Umsichgreifen  des  Kost- 
Underwesens  die  Festsetzung  gesetzlicher  Bestimmungen  hinaus- 
geschoben würde. 


Sitzungsberichte. 


Psychologische  Qesellschaft  zu  Beriln. 

Sitzung  vom  19.  Januar  1905. 

Beginn  8V4  Uhr. 
Vorsitzender:  Herr  Moll, 
Schriftfahrer:  Herr  Martens. 

Nett  aafgenommen  die  Herren:  Dr.  Münzer,  Dr.  Frieden 
Dr.  Munter,  Oberstabsarzt  Dr.  Adrian,  Verlagsbuchhftndler  Bc 
Fräulein  Gütschow. 

Nett  angemeldet:  Frau  Buttmann,  die  Herren  Zahnarzt  B< 
und  Dr.  Jon  Lehmann. 

Herr  Paul  Möller  hält  den  angekQndigten  Vortrag: 
^Die    Grundlagen   des   psychologischen   Experime 

Das  psychologische  Experiment  hat  sich  entwickelt  aus  dem  { 
logischen.  Die  ersten  Anregungen  zu  psychologischen  Experimenten 
Webers  Untersuchungen  Qber  ^^Tastsinn  und  GemeingefOhl*  (i^S^) 
dieser  Gnmdlage  ist  das  Gebiet  weiter  ausgebaut  worden  von  Fee 
Wundt,  Helmholtz  u.  a.  Alle  diese  wie  auch  die  neueren  Fo 
arbeiteten  jedoch  gewissermassen  vereinzelt,  ohne  dass  über  die  gi 
samen  Bedingungen  der  psychologischen  Experimente  eine  Verstän 
herbeigeführt  worden  ist.  Die  Vergleichbarkeit  der  Ergebnisse  dfli 
dessen  dadurch  beeinträchtigt  sein.  Eine  Einigung  über  die  grundleg 
Bedingungen  psychologischer  Experimente  erscheint  daher  wünscheo 
Dieselbe  käme  auch  einer  experimentellen  Bearbeitung  zu  gute,  ^ 
von  L.  W.  Stern  in  seinen  .Beiträgen  zur  Psychologie  der  Aussa 
Gestalt  von  „Arbeitsgemeinschaften*  vorgeschlagen  worden  ist  I 
gebnisse  derartiger  gemeinschaftlicher  Forschungen  können  nur  von 
sein,  wenn  die  gleichen  wissenschaftlichen  Grundbedingungen  der 
rimente  gewährleistet  werden.  Diese  Erwägungen  lassen  es  als  ber 
und  wünschenswert  erscheinen,  die  grundlegenden  Bedingimgen  d< 
chologischen  Experimentes  einer  Untersuchung  zu  unterziehen.  £ 
stellte  Aufgabe  soll  nicht  abschliessend  und  erschöpf end  behandeh  w 
Es  besteht  im  wesentlichen  die  Absicht,  die  Diskussion  Über  strittige  1 
anzur^en.  Der  Einzelne  kann  auf  diesem  Gebiete  naturgemäss  nu 
träge  liefern.  Vom  allgemeinen  Begriff  des  Experiments  aasgehe 
dasselbe  als  ein  Komplex  von  Bedingungen  zu  betrachten,  welche  kc 


58  Berichte  und  Besprechungen, 

Wenn  die  Forderungen  der  Erziehung:  Gewöhnung  an  intensh 
Arbeit  und  die  der  Schulhygiene:  Schonung  der  jugendlichen  K 
heitUch  formuliert  werden  soll,  so  lautet  das  Ergebnis:  die  in  c 
richtsarbeit  verlangte  Leistung  muss  zu  der  vorhandenen  Leistui 
angemessenem  Verhältnis  stehen.  Für  diesen  Ausgleich  zwische 
und  Schonung  muss  das  Einzelindividuum  in  Betracht  gezogen 
Die  Möglichkeit  der  ErfüUung  dieser  Forderung  ist  der  höheren  S 
eher  als  der  Gemeindeschule  gegeben.  Soll  auch  die  Gemd 
dieser  Forderung  nachkommen,  so  mQssen  die  in  einem  I 
einem  Lehrer  zu  unterrichtenden  Kinder  ungefähr  auf  gleicher 
stufe  stehen,  das  zu  unterrichtende  Kollektivwesen  muss  gewisi 
individuellen  Charakter  annehmen.  Dieser  Forderung  kamen  im 
1900/01  erst  aoO/0  der  in  der  Abgangsstatistik  enthaltenen  StI 
Einen  erfreulichen  Schritt  vorwärts  in  dieser  Bewegung  hat 
Berlin  mit  der  Einrichtung  ihres  achtstufigen  Systems  getan,  ¥ 
e«  in  der  ersten  Zeit  schien,  als  wären  die  Elrfolge  geringer.  - 
gebnis  der  Untersuchungen  Sickingers  ist,  dass  Aber  die  I 
Kinder  anter  den  jetzigen  Verhältnissen  ein-,  zwei-,  drei-  und  sc 
mals  Schiffbruch  leidet,  infolgedessen  mit  einer  unzulänglich 
bUdung,  ohne  Gewöhnung  an  intensive  geistige  Arbeit  und  ohne 
auf  die  eigene  Kraft  hinanstritt  ins  Leben.  —  EKe  Antwort  anf 
nach  der  Vereinigung  der  obigen  beiden  Forderungen,  der  päda 
and  der  hygienischen,  will  die  Schrift  geben.  Da  selbst  unter 
Mig$ten  Bedingungen,  einem  Stoffplan  von  verhältnismässig  gern 
fange  bei  einer  Klassenfrequou  von  nur  38  bis  39  Köpfen,  dod 
aller  Schüler  dem  uniformen  Unterricht^ange  nicht  gewachsen  s 
eine  Reform  eintreten,  wdche  der  Qaahttt  der  Lernenden  ihre 
merksamkeit  luwendet  und  die  auf  dem  Wege  der  Differenz 
tekht  wird.  Nach  diesen  theoretischeh  Erörteningen  gibt  der 
auch  Rat$chli^«  diesen  Erkenntnissen  etne  praktisclie  Verwirk! 
{^eben«  die  durchaus  im  Rahmen  der  Möglicbkeit  hegt.  In  eine 
mit  Nuraial-  und  NebenkUssen  iKlassen  für  krankhaft  scfawad: 
wie  $ie  Dr  S.  nennt>  fordert  er  Khwsm,  «dK  einen  Rildongswe} 
unter  MiiK^^  lebiungis^fikhi^n«  at>a^  nicht  abnorm  sdiwadien  S 
wie  die  att$  äu^s^eren  Gründen  anre^efanissig  geförderten  Elemei 
^^hrei^n  haben*.  Verfasser  webt  weiter  hin:  anf  die  Einreibni 
mlMkki^^en  in  den  GesamtschoIkCcper  v^hnich  wie  <fie  Xeb« 
und  |^\U  die  Fv%e  einer  Dreiteilnng  des 
V>Mäläi«Ki^  Weitgehendste  Arbekstett—^ 
4ar  hpX^htitiMii  Eani^dtuuis:  brini:^;  «k  wirksamste  Faktofen 
Viialühraii^L  ^^  ^*:k<iarnc:^  omi  die  ste^ 
iMix^lMeiik  IVr  WwüKsic^  da$$  4ie  XtsseamiaehKa^  aeiur  nad  mA 
bKit\>,h;^h^,*^xui^L  w^rvSe;.  ist  a;ack  ort  cflfe$«re«  awi  wir  rwcü 
VN««»  \^  ^H^ftciSt  ^^uren  T«^  x^u*  Ert-^lSkSai^  bekrasea  wenie. 

We"*^e^*ee.  Doki 


Beruhte  und  Besprechungen,  g5 

in  eiBfirBeihe  von  Bildnisüen  ozib  entgegentritt,  nnd  ^der  Artikel  „Griechische 
liteittar^.  Die  schönen  Künste  und  vor  allem  die  Konstindastrie  sind 
•wtietaD  durch  die  Artikel  „G-laskonstindostrie'S  „Glasmalerei",  „Gk)ld- 
fduniedekonst^',  „Graphische  Künste",  die  sich  schon  änsserlich  durch  die 
prSchtig  gelungenen  farbigen  und  schwarzen  Tafeln  herausheben.  Auch 
dam  Artikel  Hamburg  ist  ein  solcher  Schmuck  in  der  Tafel  „Hamburger 
Bauten*'  beigegeben,  um  den  Charakter  imd  den  Kunstsinn  der  Stadt 
kenntlich  zu  ^oachen.  Auch  bei  den  andern  Grossstädten  ist  diese  Methode 
mit  Erfolg  angewendet.  —  56  Beilagen  zieren  das  schöne  Werk  neben  gegen 
zw€ikxmdert  Textillustrationen,  eine  grosse  Beihe  davon  sind  ganz  neu.  Die 
Anaführong  ist  eine  durchaus  mustergiltige,  wie  wir  es  bei  den  Verlags- 
werken des  Bibliographischen  Instituts  ja  gewöhnt  sind. 


2tttMlirlfl  fOr  pidacogiiclie  Ptydiolofk,  Pathologie  und  Hygiene. 


Mitteilungen. 


K««e  Sdivlbaiten  ■■d  die  kirperUche  AwMMoiff  der  imgmL 

Vnstn  ötTeniHchen  Schulen  sind  Erziehungsanstalten  und  sollen,  da  der 
Mensch  aus  Körf^er  und  Geist  besteht  nicht  bloss  den  Geist  aosbflden,  sooden 
auch  dem  Leibe  ein  gewisses  Mass  von  Fürsorge  zuwenden.  Eine  Anerkennong 
dieses  Orundsatfes  enthalt  die  Einfuhrung  des  obligatoriscfaen  Scfaoltuniens.  Dis 
Schuiturnen  Yern;ag  jedv>ch  seine  Aufgabe  nicht  genügend  zu  erfüllen,  wenn  ibs 
nicht  die  Mittel  zu  seiner  vollen  Entfaltung  gewährt  werden.  Man  kann  in  (kr 
fumKalle  keine  so  ausgi^ige  Lungengrmnastik  treiben,  wie  sie  der  Lauf  und 
das  Sftel  un  Fmen  eriTi^oglichen;  man  kann  in  ihr  nicht  die  Biicksdiulang  uod 
Handg«!SchN:kIichk!K:    erreichen,    die    das    Ballspiel   auf  dem  freien  Platze  bevifkt 

Solchen  Eie;7achrjngea  begegnet  z^an  jetzt  husdcrtfach  in  den  VcrsaflUB' 
^;5^ce^,  und  P.'^bUuerr.  der  H\-gies4er  vo=  Berai.  der  Freunde  der  VoOcsgesnod- 
^s«tt.  der  rurtser  und  Tumlehrer.  Aber,  obgleich  zun  sie  Jahr  ein  und  Jahr  «"* 
VNfen  vvier  j<*en  kann,  so  sind,  wenn  es  darauf  ankocht,  zu  beweisen,  dass  «■* 
:!\^  stt;gecr,jL$se  Eriesntn:s  lüiren  Weg  auci:  zu  öesen  gefsndca  habe,  die  duWoit 
«ur  r*:  ;::rjKÄer  tonnen,  ct^rrjus  ebesi  c»  Hirres  näcii:  zs  Hasse,  auf  &  ts  tf- 
kvvnts::  l\inn  «ä:  mj^ncSfcn  c>e  rar»  5^-cfcsci:  auf  ieo  Gc&ibestcl  der  Ceii«* 
S>her.  m:*  i»  F.ir5v*o»  f..r  d*  Herfien.  Lur^es  uad  Xer 
?-,^jCtoc  IXÄrn  "^noen  u*r  jlu:'  de=r  S'-iite,  wc  rrajn 
uÄd  K'^wr  Nv>>er«^KC  VrrsÄ>uSB?  äu  s:icber 
K*rcC^e«*vic:T^;  \'!trr*<3C>.?«c 

V^ase  Sc^^ije  5c^,  t»*u  «rrcttec  w«öer    .\Mr 
»teu»  eHha-^tcfc.     >or^^:r^    w*d   HftjqcssceLx    sc    u3i  sc  vä  GrasJlidhe  Br  ^ 

Sc^<*.^p«^,^^t.  ■\;^  c:«  <r^vd«f^x-iwc  W,•^.rr*^":^e^  fir  3ä  7:srTJ^'itr>  ßr  ämSd^ 

:$^r«4>^|Si*:s '     »;>a*  v.-t««  rc  x-c:  * 

IV    Vf  sc>*Ts;*  t^*    T«   esw    Jer   rt 


Bibliotheca  paedo-psychologica 

von 
Leo  Hirschlaff. 

Literatur  des  Jahres  1901. 

B.  Speclelle  Klnderpsycholos^le. 

c)  Schulhygiene   und    -pathologie. 

PortMtzung. 

1866.  Kaste rsky:    Gespräche   über   Schulhygiene.     (Russ.)     Moskau,    1901, 

kl.  9>f  52  S.  m.  Zeichn.  u.  Taf. 
^7.  Kasowsky,  A.  D.    Zur  Frage  nach  dem  Zusammenhange  von  Träumen 

und  Wahnvorstellungen.    Neurol.  Centralbl.,  1901,  10. 
1^  Keesebiter:     Zwei  Fälle   von  UeberbQrdung    unsrer  Schüler.    Pädago» 

gisches  Wochenblatt,  11.  J.  No.  5. 
^«  T.   Khuenberg,    S. :     Weibliche    Schulärzte.     Dokumente   der   Frauen, 

5.  B.  S.  217-220.    1901. 
^•Kelling,J.      Heizung    und    Lüftung    fQr   Krankenhäuser    und    Schulen. 

Haue,  C.  Marhold,  1901,  gr.  8^,  23  S. 
^l  Kellner:    Ueber  Kopfmaasse  der  Idioten.     Allg.  Ztschr.  f.  Psychiat,  1901, 

LVm.  61—78. 
^-  Kellogg,   J.    H:     Körperliche    Ausbildung   der   Kinder.     Pädagogisches 

Archiv  für  die  Interessen  des  Realschulwesens,  S.  827 —  830.     1901. 
^  K  e  y ,  E. :    Die  Seelenmorde  in  den  Schulend    Die  Wage,  No.  25.  1901. 
^^  Kielhorn,  H.    Die  Fürsorge  für  geistig  Minderwertige.    Jugendfürsorge 

1901,  H.  VII.  18  S. 
1^.  K 1  ä  b  e ,  K. :     Ueber   die   Auswahl   der   Schwachbegabten   Kinder   für   die 

Hilfsschule.     Zeitschrift  für  SchulgesundheiUpHege,  14,  S.  97—102.  1901. 
^^  Klein,  N. :    Scbuluntersuchungen    in  Teplitz-Schönau    in    Böhmen.     Zeit- 
schrift für  Schulgesundheitspüege,  S.  722-726.     1901. 
^7.  Kleinsasse r.     Hygienische  Anforderungen  an  Erziehungsanstalten.     Das 

Oesterr.  Sanitätswesen,  1899,  12,  S.  110.* 
1868.  Klinke,  0. :    Wie   kann   ein   besseres   Verständnis   dfen    Geisteskranken 

gegenüber   angebahnt  werden?    Deutsche  Praxis,  S.  140—145,  178—182» 

218-288.    Dasselbe:    Bayrisches  ärztliches  Correspondensblatt,  S,  42,47« 

Dasselbe;  Aerztliche  Rundschau.  S.  102.    1901. 


76  Bibliatheca  paedc-psychologica, 

1809«  Knudsen,  K.  A.  Die  ntue  däniBche  Gymnastik.    Zeitadir.  t,  Scbulgespfi. 

1901,  XIV,  1. 
1870.  Koch.     Abnorme  Charaktere.    Grenzfragen    des   Nerven-  o.   Seetentobens, 

H.  5.  Wiesbaden,  Bergmann,  1900,  39  S. 
1H71.  K  ö  c  h  1  i  n  g ,  K. :   Ein  Beitrag  zur  Symptomatologie  der  ZwangsvonteUuBgen. 

Diss.  Giessen  1900,  86  S. 

1872.  K  o  d  i  8.    T.    The   Electrica!  Resistance   in  Dying   Musde.     Amer.  Joorn. 

of  Psychol.  V  (6),  267—278.    1901. 
1H78.  Kölle,  K.:     Wie  sind  Erziehung  und  Unterricht   in    den  HUfiiklusen  für 

Schwachbegabte  und  Schwachsinnige  zu  gestalten?    Zeitschrift  ßir  Schiü- 

gesundheiUpflege,  S.  468—478.    1901. 
1H74.  K  ö  1  i  e  ,  K.    Der  erste  Unterricht  bei  Schwachsinnigen.    Kinderfdiler  VI  (3) 

101-112.    1901. 
1875.  K  ö  1 1  e  ,  Th.  Ueber  Alkoholwirkungen  bei  Epileptischen  und  Schwachsinnigeo. 

Zeitschr.  f.  d.  Behandlung  Schwachsinniger  u.  Epilept,  1900,  XVI,  IL 

1K76.  König:     Idiotismus,   Imbecillitfit,   Cretinismus.     Jahresbericht  aber  Lei* 

stungen  und  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Nettrolofie,  S.  946—954.  J9(L 

1877.  Königshöfer.     Die    Prophylaxe    der    Funktionsstörungen    des  Ang» 

Deutsche  Praxis,  1900,  IH,  625-689. 
1H78.  Kotelmann,  L.    Ein  Fall   von  UeberbQrdung  im   klassischen  Aitertua 

Zeitschr.  f.  Sohulgespfl.,  1901,  XIV,  1. 
1879«  KoTalevsky,  P.    Epilepsie,   traitement,   assistance   et  medecine  l^tle* 

Paris,  Vigot  fr^res,  1901.    Pp.  290. 
1880.  Kraepelin,   E.:     Einführung   in   die   psychiatrische   Klinik.    dO  Vo^ 

lesungen.  (828  S.)    Leipzig  1901,  J.  A.  Barth. 
t88U  Krafft-Ebing,  R.  v.    Psychopalhia  aexoalis.    Mit   besonderer  BerOdE- 

siohUgUQg  der  contriren  Sexualempfindong.    Eine  medidnisch-geridillid» 

Studie  fOr  Aerste  und  Juristen.  (11«  Aufl.)  Stuttgart,  F.  Bnke,  19DL  Pp.419. 
I8^\  Krafft-Ebiog,  R.   Y.    Psychopathia   SexwÜB,   witfi  Espccial  Refettnoc 

10  Antipathie  Sexual  Instinct     A  Medko-Foceniic   Study.    (On^  Antbor. 

EngU  Ttans.  of  tentii  Gtrman  Ed.)    Chicago,  W.  T.  Keener  &  Ok  1^   ' 

P^  58^ 
1888.  Krafft-Sbing ,  R.  yoo.    FlageUatio  puenun  als  AaMlmck  des  larrirti» 

Sadismus  tiats  patdopbilen   CoiitrirMXQalea.     Aüg.  Ztach.   f.  Pftjrchi^ 

lÄU,  LVnU  ^4^-»7. 
I8(»i  Y.  Kraffl^BbiBf.R.:  Neue  Stndita  auf  desBi  Gebiet  der  Homosexnalit^ 

Mir^ttch  (ir  stxueUt  ZwhdMiisliifiM»  &  J.  S.  1— a6L    190L 
l88^  Y.  KraffI   Sbiag .  R.:  SexueUt  NiTtiiioia.    Die  dentadis  KKaik  ^ 

Üji^Mig  «iea  SM.  Jahrhiuitets»  ^  R.  ^  AbleOiii^  S^  118—151.    1901- 

IMv  Kraft.     lM«r  «nttkte  UMsrsychRti«ts   tob  Kiwicn  in   LaadaGhtii^ 

SK^wMsrv  RL  U  Gesfd.  1^01«  XW  S-& 
l«^7   Kramet.  W.  0.    TIm  bstloMK«  of  A«e  upw  tte  Ptodaelioa  of  Nenroii« 

IX^eaM«.    AtttiL  Jt  \««iraL.  I^W  XXL  tMä-^SSfi 
^^^^  Kvaua«  $.:    $sviak  U^t  itr  Scimttinitr  ia  <>miiins,k>    Zcitsdirift   ^ 

Sijlfc^Vw>t»J>rtil«p<l^<.  Sw  ^^47.  iM.    19I.U. 
\9^^  Kvuke«^tr«.a:    l?^ib<r HsmisiüHibi  <ar kOcysrikibr »>  ttiH%r  Krflpp^' 


78  BMicihica  paedo-psychologUa. 

1909.  Leonardo,   B. :      Trattato   di   psichiatiia   ad   uso   dei   medici  e  degf 

studenti.  Fase  I.    Napoli,  Pasquale.    Pp.  170. 

1910.  Leroy,  S.:    Le   mutisme   hyst^rique    dans  l'histoire.    Arch.   de  neuro' 

1901,  Xn,  2e8.,  72. 

1911.  Leyasseur,  S. :    Psychologie  des   maladies   mentales.    Ann.  de  Phile 

Chr^t,  1901.  XLI\^  427-445. 

1912.  L  e  ▼  y ,  A.  S. :    Au  attempt  to  estimate  fatigae  of  tlie  cerebral  cortez  wti' 

caused  by  electrica!  excitation.  Jonrn.  of  Phjrsiol.  26  (8, 4),S.  210—228.  lf<l 
1918.  L  6  V  y ,  G. :    Des  entendants  muets.    (Tbte.)    Lyon,  1900. 
1914.  L  e  Y  y ,  M. :    Ererbte  Mitbewegungen.  NeuroL  CentralbL,  1901,  XX,  605-t9C 
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Pathologie.  Ausbau  im  diagnostischen  Apparat  der  klinischen  Medic 
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Sons,  1900.    Pp.  177. 

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gtAhcter  Entwürfe  öSent).  $chuR>anten  mit  Berikkachtignng  der  VeiiiiKiii> 
«if  dem  Lande«  in  kleinen  und  gronen  St&dten.  Stattgait,  Witfcver,  1^ 
gr.  FoL,  28  TU:  mit  10  S.  Text. 

I9av  Lai:    Bredila  ed  alcoottsma    .\nn.  di  NeTroL,  1300^  XVm,  aS-44. 


80 


BibÜoiheca  paedo-psychoiogica. 


1953. 
1954. 


1955. 
1956. 
1957. 
1958. 

1959. 

i960. 
1961. 
1962. 

196a 


1964. 
1965. 
19b6» 
1967, 


196a 
1969 


1971V 
1971 


Moll,  .\. :     Ueber  eine  wenig  beachtete  Gefahr  der  PrOgdstimle  bei  Emdem.  | 
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Krankheitsanterscheidung.   240  S.  Aus  :  Miniatur-Bibliothek.  Nr.  886—340. 1 
Leipzig  1901,  Verlag  fQr  Kunst  und  Wiwenschaft, 

Möller,  W.:    Wie  weit  geht  die  Aufgabe  der  Schule  besOgliGfa  der  kOr-  j 

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Allgemeine  Wiener  medicinische  Zeitung,  S.  209,  220.    1901.  1 

M  o  n  t  i ,  A. :    Krankheiten  des  Gehirnes  und  seiner  Hiate.    86  S.  Kinde^J 

heilkunde  in  Einzeldarstellungen.    Vortrige,   gehalten   an  der  aUflcmriiwI 

Poliklinik.     15.  HfL     Wien,  Urban  u.  Schwarzenberg  1901.  ] 

M drehen,  Fr.:     Ueber  Dämmerzustände.    Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  d« 

pathologischen    Bewusstseinsrerändeningen.    Dies.  Marburg  1901.     82  &| 

N.  G.  El^-ert's  Verl. 
M  o  r  r  o  w ,  E.  P.    The  Effect  of  Public  School  Life  iq>on  the  Eye«  of  Childm» 

Cleveland  J.  of  Med.,  1900.  V,  115—118.  | 

M  o  s  9  o ,  U. :    Der  Einfluss   des  Zuckers   auf  die  Muskelarbeit.  —  BerttOf  | 

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Müller,  Roh. :    Verlauf  der  ErmQdungsreihe  des  quergestreiften   FkoaGh-  j 

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S.  425-432.    1901.  ' 

Mansterberg:    Verbreitung   des  Schwachsinns,    (nach  A.  W.    Bnfhr^ 

Jugendfürsorge,  S.  699—701.     1901. 
Muskat,  G. :    Hysterische  SkoUose.    Centralblatt  fOr  die  Grenigebiete  d« 

Medicin  und  Chirurgie,  S.  232.     190L 
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8S.  B,  S.  5i)l-506.     1901. 
N  o  y  e  s ,  W.  B.     .\n  Introduction  to  the  Psychological  Stody  of  Backward 

l'hildren.     N.  Y.  Med.  J.,  IWl.  LXXni.  KTTe—lOSO.       .e^,        ,  ,^ . 


0«hriM*itanf  i  F.  R«m«iw,    WtiMtiMM^  Küain-CliavHM  6  u.  L. 
RababaramiT.  A.  —   Vwlat  ^rtia  H«nMaa  WaltiMr.  V« 
B*rliB8.w^  KomnaadaalMiatr  14.       V«4rMitw^ott!ieh  Ar  ^,..,-.... 
laaMmto)  Fr.  Piiaiioh*«1WrUa.   -  Draok:  J.&rr9aM.B«tliB&W..  K 


Hermann  Walther  Verlagsbuchhandlung  G.  m.  b.  H. 

Berlin  S.W.,  Kommandantensir asse  14. 

Geschichte  der  Philosophie 

für 

6ebiiaete  und  Studierende. 

Von 
Professor  Dr.  A.  Rothenbucher, 

Lehrer  an  der  Militärtechnischen  Akademie  und  an  der  Vereinigten 

Artillerie-  und  Ingenieurschule. 

ISS  Bogen  kl.  8". 
Preis:  brosch.  Mk.  2,50,  in  biegsamem  Leinwandband  Mk.  3,—. 


fiese  Geschichte  der  Philosophie  des  Professor  Rothenbucher  ist 
das  Resultat  von  Stadien  und  ErwflgunKcn  eines  langen  Lebens  im 
Inlande  und  Auslande.  Die  grossen  Denker  behandeh  er  gross, 
ausführlich,  die  kleineren  kurz»  oft  nur,  um  den  Zusammenhang  zu  zeigen. 
Hinvreise  auf  frühere  und  spätere  Philosophen  schärfen  den  Blick  für  das 
allmflhlicbe  Werden  der  Gedankenwelt.  Uebcrall  ist  die  Beziehung,  Verwandt- 
schaft oder  der  Gegensatz  zu  heutigen  Lehren,  Zuständen  oder  Einrichtungen 
angedeutet.  Natürlich  geht  es  dabei  nicht  ohne  Kritik  ab,  die  oft  scharf 
genug  ist,  aber  stets  auf  dem  sichern  Fundamente  einer  festgefügten  und 
vorurteilsfreien  Welt-  und  Lebensauffassung  ruht.  Alle  Scholastik,  alles. 
-was  nicht  in  die  Wissenschaft  gehört,  alle  Spiele  der  Phantasie  sind  unnach- 
sichtlich  abgewiesen.  Dem  fortgeschrittenen  Teile  der  Menschheit,  der  mit 
dem  Verfasser  ernstlich  die  Wahrheit  sucht,  wird  das  Ruch  ein  treuer 
Freund  und  Berater  sein. 


Diese  Geschichte  der  Philosophie  ermöglicht  trotzt  aUer  Knappheit 
eine  umfassende  Kenntnis  des  behandelten  Gebietes ;  sie  ist  daher 
nicht  nur   für  Studierende,    sondern  auch    für  jeden  Gebildeten 

ein  brauchbares  Hilfsmittel. 


84  EÜsabeih  KölUng. 

setzend.  Tagelang  weinte  er  ununterbrochen.  Es  isi 
9V|jahrigen  und  beschrankten  Knaben  ausserdem  audi 
Sache*,  der  .Dovenschule*"  so  bald  wie  möglich  zu  ei 
Dieser  Wunsch  macht  den  Knaben  eifiig  im  Lesen  und  \ 
E.  geht  in  der  Pause  von  selbst  an  die  Rechenmaschine, 
mit  den  Würfeln  des  Tillichschen  Rechenkastens,  Ii 
selbst  Es  ist  wahrhaft  rührend,  wie  er  allen  Schwie 
gegenüber,  die  ihm  erschwerte  Auffassung,  Kurzsichtig 
zuverlässiges  Gedächtnis,  die  schwer  zu  dirigierenden 
Organe  bereiten,  unverzagt  bleibt  Der  tapfere  kleine 
wird  aber  voraussichtlich  nie  an  das  2el  seiner  Wün 
langen.  Gegen  andere  Wissenszweige  verschloss  E.  si 
Zeit  grundsätzlich.  Er  war  der  Meinung,  es  genüge  rect 
lesen  zu  können,  um  versetzt  zu  werden.  Religion 
schauung  gingen  ihn  absolut  nichts  an.  Seine  Gedankt 
schwer  zu  fesseln^  noch  sch¥rerer  zusammenzuhalten.  S 
oder  schweiften  umher.  Heut  ist  E.  geistiger  Sammk 
mehr  unfähig.  Es  bedurfte  unerbittlicher  Straflheit  d 
um  E.  zum  Aufmerken  zu  zwingen.  Endlich  erwachte 
an  Dingen»  Personen,  Geschehnissen. 

Während  E.  anfangs  eigensinnig  und  ungehorsan 
er  jetzt  willig  und  fügsam.  Die  Neigung,  sich  abzusoi 
ihm  noch  eigen.  Am  wohlsten  fühlt  er  sich  allein  od 
Nähe  seiner  Mutter.  Elr  wird  wohl  immer  etwas  , 
k«lirtes^  behalten.  Doch  verhält  er  sich  nicht  mehr  a 
gtes^n  das  Spiel  mit  anderen.  Er  sucht  die  Anderen  ni 
sieh  aber  finden.  Zu  eixählen  hat  er  sich  ünmer  no 
mit  anden^n  Knaben.  Er  hat  keinen  Freund.  Wohl  a 
er  die  Khre  zu  würdigen«  die  Gunst  eines  grosseren  S 
I^Miiessen.  Selten  hüpft  oder  springt  er  im  Hofe.  ] 
keinen  Frohsinn.  Früher  geriet  E.  leicht  in  Zorn  i 
Handelte  in  seiner  Wut  die  ältere  Sdiwester  und  den 
Rr^hier.  Die  Schwester«  der  er  instinktiv  kein  Elrzieh 
einräumt«  wird  er  wohl  nie  lii^iien.  Za  dem  jüngere 
besteht  eine  Art  Zuneigung:.  Wenn  es  sich  fügt  dftss  d 
für  beide  Rn^ler  tu  gleicher  Zeit  aus  ist  dann  war 
den  jüi^i^^rad  Hruder«  und  Hand  in  Hand  wmndem 
Hau$e.  Nach  Aussai^  der  Mutter  kommt  EL  jetzt  t 
«einen  iV^^ciiwi^lefti  au^  Er  ist  ruh^s^er  jpewtuden,  Me 
\^b  er  ^eine«!  Vater  lieb  habe,  beantwwtet  E.  mit  «■ 


88  Elisabeth  Kölling. 

scheinung  und  Bewegung    und   das    teils   angenommene,  teik 
natürliche  Wesen. 

K.  hat  üppiges  Negerhaar,  eng  nebeneinanderstehende, 
dunkle  Augen,  die  wie  schwarze  Schlitze  wirken,  grosse  Stirn- 
höcker,  dicke,  breite,  weist  rüsselförmig  verzogene  und  sehr  be- 
wegliche Lippen.  Die  Stirn  ist  meist  quergeninzelt  Das  dreist- 
harmlose Posieren  kennzeichnet  sich  durch  Neigen  des  Kopfes, 
Rollen  der  Augen,  Verziehen  des  Mundes  und  anhaltendes 
Schweigen  bei  der  Aufforderung  zum  Sprechen.  Die  Augm 
blicken  verstohlen  unter  gesenkten  Augenlidern  hervor,  vct* 
kriechen  sich  in  die  Augenwinkel,  bewegen  sich  lebhaft  hm  und 
her.  Die  oft  naive  Kindlichkeit  und  Zutraulichkeit,  der  Eifer, 
dessen  das  Mädchen  fähig  sein  kann,  besiegten  nach  und  nach 
alle  Abneigung  gegen  dasselbe. 

Verhängnisvolle    Neigungen    des    Mädchens    erfüllen  die 
Eltern  mit  Besorgnis  und  stellen  ihre  und  der  Lehrerin  Geduld 
auf  harte  Proben.    K.  ist  zeitweise  nur  mit  Mühe  zum  Sprechen 
zu  bringen.    Manchmal   gelingt  es   überhaupt  nicht    Sie  zitt^ 
sie  weint.    Teils  sind  es  echte,  teils  erlogene  lYänen.    Güte  und 
Strenge  müssten  sich   bei   dem  Mädchen   erschöpfen.     K.  expe- 
rimentiert mit  der  Lehrerin.    Es  ist  Eigensinn.    Es  scheint  aber 
auch,  als  handle  das  Mädchen   unter  einem  Zwange.    Wenn  es 
sich  endlich  dazu  entschliessl.  das  beharrliche  Schweigen  aufea* 
geben,   so   werden    die   Worte   zitternd   und   geflüstert  hervor- 
gebracht.   Ofllziell  spricht  K.  stets  leise.    Wenn  sie  sich  unbe- 
obachtet weiss,  spricht  sie   recht  laut.     Ausserordentliche  Härte 
gegen    dieses    Kind    anzuwenden,    muss   den   Eltern    überlassen 
werden. 

Ausserordentliche  unerwartete  Freude  brach  kürzlich  ein- 
mal sehr  schnell  Eigensinn  und  Schwäche.   Elin  kleiner,  mit  Bast 
ums|H>nnonor  Stehrahmen,  den  ich  in  die  Schale  mitgenommeB» 
sollte  bei  den  Kindern  die  Lust  an  derartigen,  nach  den  FeiieB 
beginnenden  Arlnnten  wecken.    K.   hatte  grosse  FYeode  an  dei» 
Rähmohon.    loh  gab  ihr  dasselbe  gegen  das  Gelöbnis,  von  jctx^ 
an  immer  artig  ru  lesen     -  und  sie  las  gegen  ihre  nrsprünglicb^ 
Al>sicht    und    etwaigen    Zwang   überwindend.      Sie   hatte  ci©* 
grenreuKv^e  U'^rtnule.    Ein  Erinnern  an  Rahmen  und  Versprecht 
l>eidt>s  wiix)  natürlich  vergossen    -  haben  einigemale  gend^ 
sich  der  Anonlnung  der  Lehrerin  tu  fugen.    Nach  einiger  2««* 
hatte  der  Rahmen  seine  /^ulverkraft  eingebüsst 


1* 


'MV/A%  «ueh  «tuen  in  WHrtea.    Er 
^#'  ^nmm  iHkf  7^rl€i|e»  bück. 

riM>«^  4tomiiie  RhijjWtaiMfaM  gririMih  socb 
mK«^  f^  warr  iHMaer  nock  eioe  Sfieaey  die  e 
irMlf^  Immm^  wgPT  ein  lokfa  ttiiMr»,  nidit  ^ollca 
firf^  aWv  ,^K#^  ntM:r  M4!4i  weitet,  and  P.  war  toa  einer  gei 
fhhftunnn  0ff1MU  %tAn  Ebrgefähl  bekmidetc  o^  andi 
/l«NHi  #f  4m  im  Winter  gespendete  Frohstnck  mit  Be 
HtifHthm  Vtm  irinem  Mitücbuler  nahm  er  erst  anf  mei 
^ftf0f9  thmtfn  nn.  R  war  dankbar  für  Freundlichkeit  i 
/f^M^  nm  l#fi#'.hte)iten  willig  zu  machen  zum  Goten  i 
rm/l  tUfuMn  Kr  hatte  Verständnis  fmr  Rücksichtn 
^fOfih^h.  Kr  hrAchte  es  trotz  körperlicher  Schwerfallig! 
«I^tf  iiflUiitrhtir  XII  bewegen.  Für  Mitgefühl  war  er  i 
HtnitUhUlU^U  llle  Klnsegnung  hat  P.  in  gewissem  Grad* 
hu\iUiiu\ni,  Kr  M  Icfilhollsch.  Der  vorbereitende  Unt< 
Ml  i\hi  HvUuU^  itfH'tigek hingen.  Das  Wort  Sünde  spiel 
h\hi^  Himm^  Holle»  in  urlnen  Heden. 

l^idllMki^li  lioM  («liarakters  ist  bei  dem  Knaben  ni 
WhhIimIi  NIoIiI  wollig  wirkten  neben  der  geistigen  Min 
ki«ll  MIniMi»  iitiil  llaiis  stüremi  auf  das  Bemühen  d< 
Nhi'Ii  IhliM*  Ali  koiiule  im  der  Mutter  nicht  gelingen, 
hiiliiii»  iIm  tti«h\UI  tier  Liebe  xu  sich  zu  erwecken.  So  1 
hiiHlioii  ilev  H^imte  lloru  Uuhe  bringenden  tieferen  Ei 
\\\\  iU«i  H  \\W\\\  wwK'WxyA^w^iWlx  war,  verschlossen«  Oefl 
%\\A\  M^UUnvi  uu\(  MttUeher  Huokgang  bei  R  bemeri 
^^'U\^^(WUh\  \\\  in^UvtMU  li  Jahrt^s  P.  wird  immer  der 
\^\t^n^\^(V^\  UMK'u  Siciu  ualüriiohe$  Gefühl  für  I 
^^H^v\'(\t  K<^\\M  iUm  \mWr  \iiMi  «iMchikkften  Va 
^^\SS^^\  «^v\%^\^\'h^^^\Wu  Sch^U  is<«!^n  dhf  Stünne  des  1 
\MKK\vH       \\\'HV|i>'^      \v^^«^ui^>\>tl     bl     die     aii¥ol 

vw^  ^^^v^\   <[V^  sW^  t^s(^^  Wk^il:;!^     Kkv^ss^iiA»  u»£  Fe« 
\^¥^^  V^NV^  Vx^^^V^I^  4^^>^  H|^<  ^^;n^  TiiC&^l 


106  Victor  Lawinsky. 

heranzuziehen.    Aber  das  genügte  Hall  entfernt  nicht  Psycho- 
logie soll  nach  ihm  durchweg  die  Grundlage  der  Schule  bilden, 
und  so  bedarf  er  ihrer   ständigen  Mitarbeit  für  alle  Fragen  des 
kindlichen   Seelenlebens.     Sehen  wir  selbst  von   den  aussäen 
Schwierigkeiten    ab;    der   weitgehenden    Dezentralisierung  des 
amerikanischen  Schulwesens,    der  Stellung  eines  schlecht  be- 
zahlten, heute  zu  75  Prozent  weiblichen  Lehrerstandes,  der  nach 
heute  trotz  seiner  Hebung,  durch  die  Hall  sehe  Arbeit,  seinen 
Beruf  vielfach   nur  als  Notnagel  ansieht.     Es  blieb  doch  der 
innere  Widerspruch:   dass  die  Grundlagen  erst  aus  empirischen 
General isationen  gewonnen,  und  dennoch  die  Schule  sich  sofort 
zum  Versuch  bereit  stellen  sollte.    Nun  ist  von  vornherein  klar, 
dass  die   absolute  Versuchsschule  ein  pädagogischer  Unfug  ist, 
den  z.  B.  Tolstois  Experimente  ad  absurdum  bewiesen  haben. 
Voraussetzungen  braucht  der  Lehrer,  die  für  ihn  den  Wert  des 
Ideals    haben   müssen,  erst  recht,  wenn  er  die  glatte  Bahn  des 
Versuchs  betreten  soll.    Hall  gab  sie  ihm  in  seinen  Ideen  über 
praktische  Bildung,  die  ihm  zuerst  die  Leiter  der  normal  schools, 
der   Lehrerbildungsanstalten,   dann   auch   eine    steigende   Zahl 
kommunaler  und  staatlicher  Schulbehörden  zuführten.    War  so 
einmal  Bresche  gelegt,  so  förderte  gerade  die  Dezentralisiemiig 
den  Mut  zum  Versuch,  da   ihn  keine  Einheitlichkeit  des  Schol- 
plaps«   keine   behördlich   heilig  gesprochene  Methode  einengte. 
Welche    Ideen    waren    das?    Erstens    die  Grundvoraussetzimg: 
einzige  Richtschnur  des  Lehrers  ist  die  natürliche  Anlage  desza 
Belehrenden.    Damit  steht  noch  vor  der  Feststellung  dieser  An- 
lagen der   methodische   Grundsatz  fest»  dass  die  Eiziehnng  tof 
der   Linie   des  geringsten   Widerstandes    vorzugehen  habe.    So 
wird  das  demokratische  Creiio,  das  selbst  in  England  vor  dem 
Bakol    ehrfurchtsvoll   verstummt  auch  den  Kindern  gegenüber 
aufrecht  erhalten;  Freiheit  winl  die  Losung^  Wörter  wie  DiszipliOi 
gleichförmige  Methode,  Einheitsschule  werden  leerer  Schall,  und 
bereits  sehen  wir  in  den  Jugendrepubliken  dieses  Ideal.za  seinen 
Äussersten    Folgen   gediehen,  ein   Ideal,   dem  Professor  Dewey 
einmal  den  Ausilruok  gegeben  hat :  es  sei  wie  die  Tat  des  Köper* 
nikus;   der  Sch>veq>unkt   der  alten  Erziehung  habe  im  Lehrer 
gelegen,  ilio  neue  tinde  ihn  im  Schüler. 

Oas  Zweite  ist  das  Ziel  der  Erziehung:  es  ist  nach  Hall 
der  praotioal  man,  der  Mensch«  den  seine  Schulbildung  be- 
fähigt, jede  I.clKnslage  zu   üln^rsichauen.  zu  eiigreifen  und  zn  be- 


108  Victor  Lounnsky. 

schem  Spiel  und  Nachahmung  weckenden  Lebensschilderungei, 
Religion  in  Jugend  verbänden  mit  ihm  verständlichen  etfaiflcfaen 
Zwecken,  und  Märchen,  Mythos  und  Geschichte  sollen  immer 
nur  Vorbilder  liefern,  die  möglichst  schnell  in  Spiel  und  Enut 
zu  lebendiger  Tat  werden  müssen.  Das  Formale,  wie  neben 
Lesen  und  Schreiben  besonders  das  Rechnen,  werden  sehr  nach- 
drücklich in  die  zweite  Stelle  gerückt. 

Noch  aber  fehlt  ein  Wichtiges:  die  Richtschnur,  die  angibt, 
in  weicher  Reihenfolge  und  Verbindung  diese  Tätigkeiten  im 
Laufe  der  Erziehung  aufzutreten  haben.  Die  Ergänzung  wird 
von  zwei  Seiten  her  gewonnen.  Einmal  aus  dem  psychophys- 
schen  und  physiologischen  Studium  der  Muskelentwicklung; 
zum  zweiten  aber  aus  einer  anthropogenetischen  Hypothese,  die 
ein  KoroUar  zu  Hacke Is  biogenetischem  Grundgesetz  ist,  der 
Hypothese  nämlich,  dass  das  Individuum  in  abgekürzter  Fom 
alle  Lebensweisen  wiederhole,  die  auf  dem  Wege  zum  Knltia^ 
zustand  die  ganze  Menschheit  in  fester  Reihenfolge  habe  dordi* 
laufen  müssen.    Wir  kommen  darauf  zurück. 

Damit  ist  der  Kreis  der  theoretischen  Unterlagen  geschlossa 
und  das  damit  aufgestellte  Erziehungs-  und  Bildungsideai  hat 
auch  alsbald  in  den  amerikanischen  Industrieschulen,  einen 
sehr  eigenartigen  Schultypus,  den  reinsten  Ausdruck  gefunden» 
indem  diese  aber  zunächst  für  alle  Elementar-  und  Mittelschulen, 
also  für  die  gesamte  Erziehung  bis  zum  13.  und  14.  Lebensjahre, 
ausilrücklioh  als  Vorbilder  hingestellt  wurden,  traten  ganz  nene 
und  j^n^sse  Forderungen  an  die  Lehrkräfte  heran.  Denn  ei 
konnte  Hall  und  den  Seinen  gamicht  darum  zu  tun  sein,  dem 
I. ohrer  etwa  so.  wie  er  sich  bis  dahin  einen  Vorrat  von  Wissen 
eingephigt  hatte«  nun  ein  System  von  Verrichtungen  auf  den 
Weg  :\\  geben  ungeHihr  in  der  Art  wie  die  Kindergärtnerin  sich 
die  Frö beischeu  Spiele  aneignet.  Der  Lehrer  soll  sich  bewosit 
sein«  dass  er  nicht  Wissen  verkauft«  sondern  einen  Teil  der 
elterlichen  Funktionen  und  laichten  auf  sich  genonunen  hati 
denn  cIhmi  das  Kreu/  unserer  Pädagogik.  Lehren  und  Erziehen 
xu  versöhnen,  soll  ja  in  Halls  erziehendem  Unterricht  beseitig 
sein.  Si>  niuss  alles  was  nach  Handwerk,  Routine,  Mechanismitf 
schmeckt,  um  der  kindlichen  Freiheit  willen  vermieden  werden- 
So  nuiss  der  LehixT  in  erster  Linie  nicht  gegenständliches 
Wisscr.  una  FerU^^keiten  in  seinen  Beruf  bringen,  sondern  d^ 
Kind    soll    er    kennen,    i^onerell    und    individuell,    mit  andere«* 


HO  Victor  Lawinsky. 

gnüge.  Man  könnte  darum  fürchten,  dass  Halbbildung  der 
Lehrenden  und  Verfiachung  des  Unterrichts  sich  einstellen 
müssten.  Da  aber  die  neue  Lehrweise  den  Lehrer  in  stete  per- 
sönliche Berührung  mit  dem  Schüler  bringt,  so  fühlt  jener  in 
jedem  Augenblicke,  wo  die  Unterweisung  Lücken  hat,  erweitert 
und  vertieft  werden  muss,  sodass  das  Lembedürfhis  in  ihm 
selbst  stets  wach  bleibt  und  seine  Kenntnisse  lebendig;  während 
nach  dem  alten,  und  im  ganzen  auch  nach  dem  deutschen  Ver 
fahren,  der  Lehrer  wohl  mit  einem  über  die  Schulbedürfnisie 
weit  hinausgehenden  Wissen  ins  Amt  eintritt,  aber  erstens  den- 
jenigen Teil  davon,  den  er  lehrend  mitteilt,  nicht  zu  kontrollieren 
und  erNveitem  braucht,  den  andern  aber,  das  Mehr,  ohne  Schaden 
vergessen  kann,  da  es  ja  zu  dem  ersten  meist  nur  eine  Zugabe  ut, 
keinerlei  innerliche  Beziehung  hat.  So  mag  die  neue  Methode 
durch  die  Anregung,  die  sie  in  sich  trägt,  das  Minus  an  pon- 
tivem  Wissen  leidlich  ersetzen.  Scheint  von  dieser  Seite  die 
Ausbildung  erleichtert,  so  bleibt  auf  der  nun  wichtigsten,  der 
psychologischen,  umsomehr  zu  tun,  soviel,  dass  die  Anfor 
derungen  gegen  das  ganze  System  bedenklich  nouichoi  and 
schliesslich  zu  einer  Abhilfe  von  zweischneidiger  Güte  gefuhrt 
haben. 

Zunächst  das  Bedenken.  Halls  Ideal  der  freien  und 
individuellen  Erziehung  gipfelt  in  der  Lehre,  dass  man  vom 
Kinde  lernen  müsse,  wie  es  erzogen  werden  wolle.  Der  Erzieher 
sei  also  vor  allem  Beobachter;  kann  er  es  aber  an  sich  nidit 
beim  Zusehen  bewenden  lassen,  um  wieviel  weniger  in  dem 
heutigen  Jugendzustand  der  Kinderps^^chologie.  Seine  psst^ 
Ausbildung  soll  ihn  dazu  bringen,  selbst  zu  forschen,  mit  fireier 
Beherrschung  des  Rüstzeugs  der  experimentellen  Psychologmi 
gleichzeitig  aber  müsste  er  doch  alle  seine  Funde  doch  auch  in 
die  Praxis  umsetzen  können.  Offenbar  Chimäre.  Selbst  in  der 
Einzelerziehung  drängt  die  Not  des  Augenblicks  zu  Massnahmen» 
die  nicht  aus  allseitiger  Kenntnis  des  Zöglings  und  umCusender 
Erwägung  des  Erfolges  hervorgehen  —  und  nun  erst  in  der 
Massenerziehung.  Sind  also  auch  fernerhin  der  individatb" 
sierenden  Abschätzung  der  Begabung  und  der  Sonderttlenls 
recht  enge  Grenzen  gezogen«  aus  Mangel  an  Zeit  und  Arbeü»* 
kraft  des  Erziehers,  so  fragt  sich  doch  auch,  ob  die  Psychologie 
und  Psyciiophsyik  Methoden  und  Sjnithesen  genug  bieteD,  n* 
die   erzieherische  Ausbeute   ihrer  Resultate  zu  gesimtlen.    ^ 


124  ila^r  Umimsky. 

'\%\  nein  Verdienst  nicht  blo»  ein  natioiinlcsu    Seme  HsllplfMd^ 
runn^  die  Grundla^n  der  Erdehnng  im  Kinde  selbst  n  todiai, 
knüfiff    ihn   an  die  Ton   Ronssean  ansgehende    Riditmig  an* 
Atier   in   ihr  hemchte  der  Gesicfatsponkt,  das  Kind  ab  Nodi* 
niehterwsehsenen  schonend  an  die  Anfgaben  heranzofahien,  deren 
Sinn  und  Ziel  ihm  verborgen  blieben,  sodass  man  meist  nur  er- 
mittelte, was  es  noch  nicht  könne,  ohne  m  fragen,  was  ihm 
eigentümlich  sei.    Man  ging  von  aussen  nach  innen*  Hall  sadit 
den    umgekehrten  Weg.     Das  Kind  soll   sich  frei   aussprechen 
un<l  der  Erwachsene  soll   der  Rede  der   jungen  Seele  mhören* 
nicht  unterbrechen,  sondern  zu  verstehen  suchen,  was  sie  irilL 
Diese»  soll  er  kräftigen  und  fördern,  von  der  Ueberzeugnng  ge* 
leitet,  das»  es  gut  sei,  auch  auf  die  Gefahr  hin,  dass  seine  eigenen 
Ideale  dabei   in  die  Brüche  gehen.    Das  Kind  hat  Recht;  denn 
da»  Kind  ist  die  Zukunft.   Das  ist  der  gründlichste  Gegensatz  xu 
Kückerts  rohem  Gleichnis.  Der  zu  erziehende  Mensch  ist  dieser 
PAdiigogik  kein  Stein,  der  zu  einer  ihm  fremden  Form  behauen 
werden   hiukh,  sondern   ein   nach   eigenen  Gesetzen   wachsender 
OrffiiniMmuH.    Während  also  freilich  der  Sammelmethode  der  Vor- 
wurf nicht  erspart  werden  kann,  dass  sie  einen  schlechten  Demo- 
krttÜHniuH  fördere,   findet  doch   in  dem  Ideal  der  Schule   das 
Individuum  seine  Anerkennung.    Dementgegen   bewegt  sich  die 
deutsclu'!   ICrr.iehung,   nachdem   sie  das  zwar   individualistische« 
aber    philiströse    und    wirklichkeitsfremde    klassizistische    Ideal 
otwiis  brüsk  und  undankbar  verabschiedet  hat,  jetzt  in  dem  Fahr- 
wiiKHor  oinos  ödon,  manchesterlichen,  künstlich  nationalgefarbten 
NiÜ/.liohkiMtsprinzipes.  Da  man  aberzehn  gegen  eins  wetten  kann, 
(Ihhs  duH«  wHs  doni  Mann  nützlich  sein  wird,  das  Kind  quält,  so 
wiixl  b'rcudlosi^koit  das  Schandmal  des  Schulalters.    In    unsem 
Sci\ulru  hori^oht  tlio  Tatsache;  in  der  Schule  nach  dem  Herzen 
Halls   alu'r  dio  Tat,  und  zwar  die   mit  Lust   geübte  Tätigkeit 
l'nst'iv  Volkssohulo  drillt  zu  Fertigkeiten  und  bemisst  die  auf- 
#u\vrudoudc/oit  nach  dorn  gewünschten  Mass  dieser  Fertigkeiten, 
Hall  will  fivios  Spiel  der  Tätigkeiten  und  bemisst  den  Zeitpunkt 
t\U'  eine  jtHio  nach  dem  psyohoph\^ichen  Vermögen  der  jeweiligen 
AUerK'dufe.    Soweit  unsere  Schule  Anschauungen  vermittelt,  zielt 
xie  auf  Kenntnisse«  Hall  sieht  auch  hier  überall   aufis  Können. 
W  i%sen  ist  Macht ;  das  ist  aln^r,  wenn  Wissen  nicht  auch  Machen  ist, 
nur  eine  UailH^Finsiebt.  die  unsdenliöttendienstdersicherenKennt- 
niNW  lM^'(vheli  hat«  ^euahii  durch  Visitatioos-  und  Eaamensnöte. 


HaUsche  Kinder  •  Psychologie,  125 

Was  Hall  treibt,  die  Ehrfurcht  vor  dem  Individuum,  sollte 
der  Pol  aller  Pädagogik  sein.  Die  Art  freilich,  wie  er  diesem 
Ideal  Leben  gibt,  ist  so  eigentümlich  amerikanisch,  dass  sie 
von  ihrer  werbenden  Kraft  für  uns  Deutsche  viel  einbüsst  Dass 
das  Ziel  aber  zeitgemäss  ist  und  einer  tiefen  Sehnsucht  entgegen- 
kommt, beweisen  die  Bestrebungen  der  Erziehung  zur  Kunst,  in 
denen  wir  das  gleiche  Problem  deutsch-unpraktisch  am  hinteren 
Ende  anfassen.  Lustvolles,  freies  Schaffen  ist  wohl  gut;  aber  was 
der  Künstler  tut,  den  Dingen  lauschen  und  Erlebtes  nachschaffen, 
ist  das  Feinste  und  Letzte,  und  im  Leben  bleibt  vorerst  das 
Wichtigere,  die  Dinge  zu  brauchen  und  zu  schaffen,  um  das 
Erleben  zu  beherrschen.  Auf  dieser  Einsicht  steht  Halls  natio- 
nale Schule. 


r 
I 


k 


Besonderheiten  in  Anlage  und  Erziehung 

der  modernen  Jugend. 

Von 
Theodor  Benda. 

Wenn  auch  nicht  zu  verkennen  ist,  dass  gewisse  gemei^' 
samo  Zü^o  die  gesamte  Jugend  unserer  Zeit  charakterisien?^ 
so  l>e\lin^  doch  andererseits  die  Verschiedenheit  der  Leber^^ 
\>^rhältnisse  so  tiefgreifende  Unterschiede,  dass  eine  gemeinsai^^ 
Behandlung  der  Kinder  der  höheren  Stände  und  der  Kinder  d.^^ 
Volkes  beiden  nicht  gerecht  werden  könnte.  Auch  das  KxC^ 
der  höheren  Stände  ist  ein  anderes  auf  dem  Lande  oder  in  d^^^r 
kleinen  Stadt,  ein  anderes  in  den  grossen  Centren derBildongondd^^^ 
Verkehrs,  loh  will  meine  Ausfuhrungen  im  wesentlichen  hier  a'^Q^ 
das  Kind  der  höhen^n  Stände  in  der  Grossstadt  beschränken;  s^^^' 
köqHTt  dieses  doch  am  reinsten  den  Beprifl  des  modenien  Kind^s^ 

IVr  Mensch   ist   das  lYixlukt  aus  Anlage  und  Egxiehm  mCi 
beides  im  Nxcitestcn  Sinne  genommen. 

Die  Anlage  nun  wirxl  von   den   mannighlligstm  Faklui    ^^ 
bestimmt    Ka:«s$>en-  und  Volksaeigentiimlichkeitcii.  klimatisrfae  Vl^^ 
fS\\K\^,'S^lxt  Verhältnisse«  Besaonderfaeiten  der  Epoche^  die  Eig^^^n- 
^K^hafttn  der  Vortahren,  vielleicht  aucb  Eäadracke  wahrend  ^^^ 
Kon^^ion  uik:  während  ik^  Fötallebe9fe&  rieUeacfat 
bihcr..  d)e  s:ch  7:00k  un$aeI>^r  Kenntnis  entzielieBL 
see^iÄ^hc    v.iHi    kvSrperiich?  Vexifessun^  de* 
itt  d^CÄ^ti  phx-SHVopÄThexi  Kin^üssaen  aber  b 
^thollCMTi^'^her  Ar:   h;r^c     Isl  a)2ch  d>e  direkle  VcitriHi^g  ^ 

wv^bcÄcr  F^jj^r.schiftrr.       v,T>4i  ru  d)es«x  geboicm  audi  aol^^^'** 
k::fc:RkhaÄ5rr  \*^*:r        T»ci:  i^Tifeihaft.   «>  steht  dodi  fed,  d— — -•*' 
<^.i>r  i'^^srcs.tLor,  n:  ^w-wjscr.  E^:asckaflem.  «^^k^oU  phywi^*'^ 
<:^$chor   ais  a^NTh   v^ith^vACTTSk-^her  Xatatr.   aitf  die  > 
sc>>A,'^  ,;bcr^^h; 


134  Theodor  Benda. 

ist.     Das  Schaufenster   mancher  Buchhandlung   gibt  ein  voll- 
ständiges   Register   aller   sexuellen   Anomalien.     Oft  unter  der 
Maske  wissenschaftlicher  Abhandlungen,  meist  mit  hy^eniachm 
oder  psychologischem  Titel  spekulieren  diese  Erzeugnisse  tof 
die  perversesten  Triebe  in  der  Menschennatur.    Dieser  Litentor 
steht  die  darstellende  Kunst  würdig  zur  Seite,  die   die  gleidien 
Ziele  verfolgt.    Insbesondere  die  ganz  neu  erstandene  Industrie 
unsittlicher  Ansichtskarten  ist  geeignet,  grosse  Verbreitung  unter 
der  Jugend  zu  finden. 

Kine  ebenfalls  durchaus  ungesunde  geistige  Nahrung  bietet 
dem  Kinde  die  Zeitung,  auch  die  ernsteste  und  gediegenste. 

Wie  sehr  sich  der  Charakter  der  Zeitnngslektüre  in  dei 
letzten  WS  Jahren  gewandelt  hat,  zeigt  ein  Vergleich  zwischen 
einer  Nummer  der  damals  einzigen  Zeitung  Berlins,  der 
Vossischen  vom  Jahre  1800,  mit  einem  der  modernen  Blätter.  Eil 
Blattchen  in  Quartformat,  das  nur  einige  Korrespondenzen  sns 
eun>paischen  Staaten,  einige  Gedichte,  Hoftiachrichten,  Familien- 
anzeigen^  Theater-  und  Kunstanzeigen  enthält,  genügte  den  da- 
maligen Ansprüchen. 

Die  heutigen  Tagesblätter  aber,  von  elwm  zehnfachem  Um- 
fange, enthalten  eine  verwirrende  Fülle  von  Einzelheiten  ans 
allen  Gebieten  des  Lebens^  auch  aus  den  fernsten  Weltteilen;  ii 
dorn  Vnterhaltungsteil  meist  realistische  Darstelliingen  oder 
psychologische  Analysen;  in  den  ernsten  Artikeln  ein  Uebe^ 
blicken  und  Zusammenfassen  weiter  Gebi^e  —  schon  für  den 
Krwachsenen  eine  n^pektable  geistige  Leistung.  Um  wieviel  mdr 
für  das  Kind«  bei  dem  die  Bahnen  noch  nicht  ansgetrelen  sindi 
in  denen  der  Geist  des  gebildeten  Erwachsenen  sich  mitLeiditig' 
keit  l^^wt'gt.  Gewiss  werden  nicht  viele  Kinder  die  ZeitaBg 
i:run\lUoh  lesen,  aber  schon  ein  Uebeifliegen  weckt  eine  nncn- 
liche  Zahl  von  tiedankenreihen.  die  um  so  verwiireiider  wirket 
w>nüen.  je  mehr  das  Material  fehlt  sie  zn  Ende  za  denka 
AiHierer^ils  wtrxi  durvh  das  cAterflächUche  Insidiaii&iduncB 
w^  allerl^'i  \Yissenshi\x^ken  eine  Haibtnldang  craeogL  die  kicU 
\k«i  Glauben  «tes  Viel-  xind  Allesverslehems  in  den  uueifea  Kopien 
wtvkt;  uikI  ein  ^tes  Teil  der  Selhstubeisclkalniig;  nail  weldicr 
die  jüngste  Genemtion  über  alte  IHn^  n  nrteüen  nntemimnif 
6iUt  \)er  «Vttuii^rslektünr  rar  Ijasi.  At>cli  ist  der  rittirilige  Parto- 
slaiKt|H:nkt  WMci  wachem  aus  jece  Zeituig  die  Wdtvoiijpmge 
beurtt^it  See>$net.  ^«i  Kiwie.  dus  hmsI  nur  die  Zfftmg  einer 


Sitzungsberichte. 


Psycliologische  Qesellscliaft  zu  Berlin. 

Arbeitsplan  Sommer-Semester  1905. 

i)    4.  Mai.  Herr  Dr.  Eysen,  Symbolik  der  menschlichen  Gesta.  1 

(Mit  LichtbUdem); 
a)    i8.  Mai.  Herr  Dr.  Fritz  Leppmann,  Die  Unzuchtverbrech^ 

an  Kindern; 

3)  8.  JunL  Herr   Dr.  Weddigen,    Goethe    als   Begründer    d^ 
modernen  psychologischen  Romans; 

4)  22.  Juni.  Herr  Rechtsanwalt  Dr.  Löwenstein,  Die  psychische 
Einflüsse  der  Untersuchungshaft; 

5)  29.  Juni.  Herr  Dr.  Gramzow,  Der  Anthropologismus   in  d  « 
Fe  uerbachschen  Religionsphilosophie; 

6)  20.  Juli.  HerrDr.LeoHirschlaff,  Zur  Psychologie  des  Urtei.  1 

Die  Sitzungen  finden  im  kleinen  Saal  des  Langenbeckhauses,  Zieg^ 
Strasse  10/11,  abends  8  Uhr  statt  Anfragen  sind  an  den  Vorsitzenden  <!< 
Psychologischen  Gesellschaft,  Berlin  W.,  Blumeshof  9,  zu  richten. 


Im  Anschluss  an  den  auf  S.  49  dieses  Jahrganges  verOffentlicli.te 
Sitzungsbericht  der  Psychologischen  Gesellschaft  vom  19.  Januar  x^. 
ersucht  uns  Herr  Dr.  Möller  um  den  nachträglichen  Abdruck  folgende 
Ausführungen,  die  als  Schlusswort  der  Diskussion  über  seinen  Vortrag:  „I>i< 
Grundlage  des  psychologischen  Experimentes*  anzufügen  sind : 

Herr  Möller  (Schlusswort):  Es  wird  zugegeben,  dass  einige  der  ifl) 
Vortrage  angeführten  Bedingungen  des  psychologischen  Elxperiments  auch 
auf  andere  Experimente  anwendbar  sind.  Der  Vollstftndigkeit  wegen  er- 
schien es  indessen  notwendig,  sämtliche  Grundlagen  des  psychologischen 
Experiments,  auch  die  allgemeiner^ Natur,  einer  Besprechung  zu  unter'- 
ziehen.  Wenn  es  nicht  in  allen  Fällen  möglich  sein  wird,  beim  exakten 
Versuch  die  individuellen  Verschiedenheiten  und  realen  Verhältnisse  in 
vollem  Umfange  zu  berücksichtigen,  so  sollte  man  sich  doch  stets  darüber 
klar  sein,  dass  ohne  diese  Berücksichtigung  die  experimentellen  £rgebniaBe 
nicht  unbedingt  Wirklichkeitswerte  darstellen.  Die  Notwendigkeit,  die  ge- 
nannten Momente  zu  berücksichtigen,  haben  in  letzer  Zeit  u.  a.  die  Erg^ 
nisse  der  Aussageforschung  und  die  dabei  zu  Tage  getretenen  Fehler 
•quellen  besonders  in  die  Erscheinung  treten  lassen. 


144  Sitsungsberühte. 

Sitzung  vom  15.  Januar  1904. 

Vorsitzender:  Herr  Kemsies, 
Schriftfflhrer:  Frau  Wegscheider-Ziegler. 

Vortrag  des  Herrn  Dr.  Waise  mann:  „Ueber  Zahlanschaou 
nach  den  Ergebnissen  einschlägiger  Experimente" 
Der  Vortrag  wird  in  der  folgenden  Sitzung  fortgeführt. 

Sitzung  vom  12.  Februar  1904. 

Vortrag  des  Herrn  Dr.  Wals emann  über  ,Anschauungsle] 
der  Rechenkunst  mit  Benutzung  von  Zahlkörperapparaten*. 

Der  Vortras:,  der  die  Darlegung  des  vorigen  Vortrages  im  S: 
der  praktischen  Verwendung  im  Rechenunterricht  ergänzte,  erregte  • 
lebhafte  Diskussion: 

Herr  Kemsies:  Das  Vorgetragene  gehört  seinem  Inhalte  nach 
psychologischen  Pädagogik.  Im  Rechenunterricht  wird  seit  Pestalozzi 
Zahl  versinnlicht  durch  Vorzeigen  von  Fingern,  Knöpfen,  v  Steinen  u.i 
Aber  sehr  bald  verlässt  man  die  Anschauung  und  geht  zum  Zahlenrecl 
über,  d.  h.  zu  den  nach  Regeln  geformten  Zahloperationen,  und  lässt  enc 
den  Charakter  der  Zahl  zum  Symbol  herabsinken.  Vielleicht  ist  das  Fa 
lassen  der  Anschauung  zu  bedauern,  doch  erscheint  es  notwendig, 
chologisch  kann  man  fragen:  darf  man  mit  dem  Vortragenden  Zahl 
straktion  und  Zahl-Konkretion  unterscheiden?    K.  verneint  diese  Frag< 

Herr  Pfungst  weist  die  Unterscheidung  ebenfalls  zurück. 

Herr  Möller:  Die  Veranschaulichung  der  Zahlen  und  eine 
Zahloperationen  wird  wesentlich  Gegenstand  des  Rechenunterrichtes 
beiden  ersten  Schuljahre  sein.  Bei  der  Entwicklung  des  Versi 
nisses  von  Brüchen  und  Bruchoperationen  auf  einer  späteren  Stuf< 
ebenfalls  die  Veranschaulichung  notwendig  und  im  Sinne  des  Herrn 
tragenden  wohl  anwendbar.  Nach  der  Entwicklung  des  Verständni 
wird  es  immer  Aufgabe  des  Rechenunterrichtes  sein,  feste  Zahl-  und 
griffsassoziationen  zu  bilden.  Bezüglich  der  paarweisen  Anordnung 
Zahlanschauungsbilder  sind  auf  dem  gleichen  Prinzip  beruhende  köi 
liehe  Veranschaulichungsmittel  bereits  vorhanden,  z.  B.  an  der  Idic 
anstalt  in  Idstein. 

Herr  Fischer  lenkt  die  Aufmerksamkeit  auf  die  Arbeit,  die 
Kinder,  sobald  sie  einige  Zahlenbegriffe  erworben  haben,  ohne  Lei 
leisten;  diese  müsste  zunächst  noch  genauer  beobachtet  werden.  So 
schäftigte  sich  sein  sechsjähriger  kleiner  Sohn  mit  Strassennummem. 

Herr  Schumann  fragt  beim  Vortragenden  an,  ob  er  VersudMI 
gestellt  hat,  um  zu  zeigen,  dass  seine  Methode  des  RechenuntM||| 
andern  Methoden  überlegen  ist. 

Herr  Pappenheim  sucht  die  Notwendigkeit  der 
auch  auf  höheren  Stufen   des  Unterrichtes  aus  dem  Beisiiidt 
phischen  Unterrichtes  klar  zu  machen. 

Herr  Fischer  bezweifelt   die  Anwendbarkeit  d 
Grundbegriffe  als  Beispiel  für  den  Zweck  des  Vortragi 


Siisungsbcrichie.  149 

desselben,  eine  £nqu6te  über  Kinderlügen  zu  veranstalten,  angenommen 
warde  und  nach  Entgegennahme  des  Kassenberichts  die  Wahl  des  Vor- 
sUodes  stattfand. 

I.  Vorsitzender:  Herr  Direktor  Dr.  F.  Kemsies,  Weissensee  b.  Berlin. 

a.  Vonritzender:  Herr  Privatdozent  Dr.  K.  L.  Schaefer,  Gr.  Lichter- 
felde-Ost 

1.  Schriftführer:  Frau  Dr.  Wegscheider-Ziegler,  Berlin  W.  50. 

2.  Schriftführer:  Herr  Oberlehrer  Dr.  W.Pappenheim,  Gr.  Lichterfelde. 
Kassenwart:    Herr  Rektor  Gusinde,  Berlin  W. 


Sitzung  vom  2.  Dezember  1904. 

Vorsitzender:  Herr  Schaefer, 
Schriftführer:  Frau  Wegscheider-Ziegler. 

Vortrag  des  Herrn  Privatdozenten  Dr.  H.  Neumann  über:  Die 
fanktionellen  Nervenkrankheiten  des  Kind  es  alters. 

Unter  funktionellen  Nervenkrankheiten  sind  solche  zu  verstehen, 
bd  denen  pathologisch-anatomische  Veränderungen  des  Organes  nicht 
vorlumden  sind.  Die  abnormen  Funktionen  können  ausgelöst  werden  i. 
<lQrch  Gifte,  2.  ohne  erkennbare  Ursache,  3.  durch  grobe  Veränderungen.  So- 
^  die  normalen  Reize  des  Lebens,  als  auch  die  physiologische  Steige- 
nmg  der  LebenstAtigkeit  (Schulperiode,  Entwicklung  der  Geschlechtsreile) 
Qod  abnorme  Inanspruchnahme  des  Nervensystems  (durch  Onanie,  lieber- 
snstrengung  oder  Krankheiten)  können  Nervenkrankheiten  auslösen. 

Als  abnorme  Reaktion  auf  Reize,  die  durch  Vermittlung  der  Aussen- 
vtk  tn  das  Kind  herantreten,  treten  auf:  Leichtes  Erschrecken,  Zittern. 
Die  Kinder  werden  weinerlich,  wütend,  reizbar,  bis  zu  Krämpfen. 

Die  Anstrengung  und  Qual  des  Lebens,  die  im  allgemeinen  miss- 
QQtig,  ängstlich,  übelnehmisch  macht,  erzeugt  Phobien,  Schlafstörungen, 
Bcwegungsunnihe,  Migräne  und  ähnliche  Zustände. 

Durch  Ueberanstrengung  werden  hauptsächlich  Gefühlsleben  und 
Babüdungskraft  getroffen,  die  Einbildung  überreizt  das  Gefühlsleben: 
Ust  an  Lügen,  Irresein  in  den  verschiedensten  Formen  ist  die  Folge. 

Der  Vortragende  weist  darauf  liin,  dass  die  Behandlung  eine  nega- 
^  beschützende,  aber  auch  eine  positive  durch  Uebung  und  Stärkung 
fa  gtnzen  Organismas  sein  müsse. 

Diskussion: 

Frau  Wegscheide r  hält  die  Nervosität  der  Matter  für  eine  viel- 
Ui  vorkommende  Ursache  der  nervösen  Störungen  bei  Kindern  und 
pUiert  in  solchen  Fällen  für  eine  ausserhäusliche  Erziehung. 

Herr  Professor  Neumann  weist  das  als  in  den  seltensten  Fällen 
••«ftüirbar  zurück. 

Sitzung  vom  20.  Januar  1905. 

Vorsitzender:  Herr  Kemsies, 
Schriftführer:  Herr  Pappen  heim. 
Vortrag  des  Herrn  Professors  Dr.  A.  Bag  ins  ky  über:  Zwei  Fälle 
▼onHystero -Epilepsie. 


150  SitzungsberkhU. 

V 

Diskussion : 

Herr  Kemsies  erinnert  an  seinen  Vortrag  Über  Klinderlügen 
LQgenkinder,  worin  er  die  Lügenhaftigkeit  als  Begleiterscheinung  c 
Symptom  bei  Hysterie  und  Epilepsie  beschrieben  habe.  Das  ' 
dem  Vortragenden  entworfene  Schema  der  reflektorischen  subkortiks 
und  kortikalen  Vorgänge  erscheint  ihm  geeignet  zur  Illustration  des  In< 
anderübergehens  derselben. 

Herr  Hammer  fragt,  ob  in  den  angeführten  Fällen  Brom  gewirkt  h 
und  Zungenbisse  bestanden  hätten,  was  beides  für  Epilepsie  sprechen  wtk 

Herr  Baginsky  meint,  dass  Zungenbisse  möglicherweise  vorhan 
gewesen  seien.  Brom  wirke  auch  bei  Epilepsie  nicht  immer.  Dagc 
kämen  die  Dämmerzustände  und  sonstigen  psychopathischen  Erscheinai 
bei  Epilepsie  meist  nach  dem  Anfall,  bei  Hysterie  vorher. 

Herr  Geheimrat  Münch  begrüsst  mit  Freude  als  Konsequenz 
Vortrages,  dass  durch  Erziehung  bei  Kindern  daliin  gewirkt  werden  k< 
und  müssC;  dass  sie  gewisse  Reflexe  und  Vorgänge  durch  Hemmui 
bekämpfen  lernen,  im  Gegensatz  zu  der  im  Publikum  verbreiteten  Mein 
man  solle  Kinder  möglichst  wenig  hemmen,  sie  sich  individuell  ausl 
lassen. 

Vortrag  des  Herrn  Sanitätsrat  Dr.  Ben  da  über:  Besond 
heiten  in  Anlage  und  Erziehung  der   modernen  Jag< 

Diskussion  fand  wegen  der  vorgerückten  Stunde  nicht  stal 

Beide  Vorträge  werden  in  der  Zeitschrift  für  Pädagogische  Ps^ 
logie  abgedruckt  werden. 

Sitzung  vom  10.  Februar  1905. 

Vorsitzender:  Herr  Kemsies, 

Schriftführer:  Frau  Wegscheider-Ziegler. 

Tagesordnung: 
Antrag  Kemsies,  eine  Kommission  von  Fachmännern  (Psychol* 
Juristen,  Pädagogen,  Medizinern)  zu  wählen  für  Sammlung  und  Bearbe 
des  Materials  über  Kinderlügen. 

Herr  Kemsies  beleuchtet  und  begründet  den  Antrag  von  | 
gogischen,  juristischen  und  medizinischen  Gesichtspunkten;  er  zeigt 
Möglichkeit  der  Durchführung  einer  solchen  Enquete  und  legt  die  Sei 
dar,  die  er  zur  Verwirklichung  derselben  bisher  unternommen  habe. 

Für   eine   zweckmässige    Durchführung    der   Untersuchung    ist 
nächst  eine  Begrenzung   und  Teilung   des  Stoffes  nach   prinzipiellen 
Sichtspunkten    herbeizuführen.     Es    wird    die    folgende    Einteilung 
Terminologie   für  Aussagen   überhaupt   und  Lügen   im  besonderen  vo 
schlagen:*) 

I.    Die   Aussage  (A)  stellt   ein   Gewusstes   oder  sachliches  Wissen 
in  hörbarer  oder  sichtbarer  Form   dar,  bestehe   dieses  Wissen 
in  einer  einfachen  Vorstellung,  einem  Begriff,  Urteil,  Schluss  odc 
einer   beliebigen   Verbindung   dieser   Elemente.     Es   kommen  fl 
Aussagen  vor,  bei  denen  ein  sachliches  Wissen  fehlt  (Wo). 


*)  Diese  Einteilung  wurde  in  etwas  abweichender  Form  gegeben. 


Sitzungsberichte,  151 

2.  Das  Wissen  kann  sachlich  richtig  oder  sachlich  falsch  sein  (Wr  oder 
Wf).  Uebei^i&nge  kommen  vor.  Der  Fehler  kann  in  qualitativen 
oder  quantitativen  Bestimmungen  oder  in  beiden  zugleich  liegen; 
dieser  Unterschied  soll  vorläufig  ausser  Acht  gelassen  werden. 

3.  Die  Aussage  kann  wiederum  das  Sachwissen  richtig  oder  falsch 
darstellen  (Ar  und  Af);  Uebergänge  sind  denkbar.  Die  Fälschung 
der  Aussage  wird  unbewusst  in  gutem  Glauben  geschehen  oder  in 
bewusster  Absicht  stattfinden  (Afu  oder  Afb). 

Danach  ergibt  sich  ein  allgemeines  Schema  mit  8  Hauptfällen: 

Ar    I.  Wahre  Aussage. 


Wf  ^  Afu  2.  Aussageirrtura    oder   unbewusste 

Aussagefälschung. 

Afb  3.  bewusste   Aussagefälschung  oder 

Lüge  wider  richtiges  Wissen. 

Ar    ^  4.  Sachirrtum. 


Wf   ^  Afu  5.  Sach-  und  Aussageirrtum. 


Afb  6.  Sachirrtum  mit  Lüge,  Lüge  wider 

vermeintliches  Wissen;  es  kann 
dadurch  eine  sachrichtige  Aussage 
zustande  kommen,  die  gleichwohl 
Lüge  ist. 

A     7.  Geschwätz  oder  leichtfertige  Aus- 
sage. 


Afb  8.  Lüge  ohne  Sachwissen. 

Bei  unserer  Untersuchung  kommen,  falls  wir  uns  auf  das  Gebiet  der 
agendichen  Lügen  beschränken  wollen,  nur  3  Fälle  in  Betracht,  nämUch: 

Lüge  wider  richtiges  Wissen, 

Lüge  wider  vermeintliches  Wissen, 

Lüge  ohne  Sachwissen. 

Sie  enthalten  als  gemeinsames  Merkmal  den  Willen  zur  Unwahrheit 
(dohis),  d.  L  ein  subjektives  volitionales  Moment,  und  die  volle  Erkenntnis 
zwischen  richtiger  und  falscher  Aussage,  daneben  also  ein  subjektives 
intellektuelles  Moment.  Dagegen  unterscheiden  sie  sich  in  Bezug  auf  das 
za  Grunde  liegende  Sachvrissen,  d.  L  das  objektiv  logische  Moment  Die 
I^  ist  an  erster  Stelle  psychologisch,  ethisch  und  juristisch  (als  Falsch- 
^)  stigmatisiert  durch  den  dolus. 


152  SüsimgsberichU. 

Nun  gibt  es  aber  zahlreiche  Uebergänge  von  der  eigentfichen 
zum  Sach-Irrtum  und  zum  Aussage-Irrtum,  weil  das  subjektiv  intdlek 
Moment  der  richtigen  Erkenntnis  schwankt.  Femer  innerhalb  des  ^ 
zur  Unwahrheit  Uebergänge  von  unedlen,  bis  hinauf  zu  moraü 
Motiven.  Endlich  muss  man  trennen  die  Lüge  als  einfachen  morali 
Defekt  von  dem  dauernden  Hang  zum  Lügen,  der  Verlogenheit,  un< 
der  pathologischen  Lügenhaftigkeit,  sowie  von  ihrem  sekundären  Auft 
bei  Vergehen,  Verbrechen  und  krimineller  Geistesverfassung. 

Es  ergeben  sich  mit  Beachtung  dieser  Gesichtspunkte  in  dem  1 
bekannten  Material  (aus  St.  Hall  und  Sully)  etwa  8  natürliche  Gri 
von  Kinderlügen,  die  dem  obigen  Schema  einzureihen  sind: 

I.  Die  uneigentliche  Lüge  im  Spiel:  Komödien,  Kniffe,  Ränke, 

.Stellungen. 
IL  Der    Aussageirrtum,    Sachirrtum    oder    beide    zugleich:    ^ 
nehmungsfälschung,   Urteilsfälschung,   Erinnerungsfälschung 
in.  Die  Lüge    wider  richtiges  Wissen   aus   entschuldbaren  Grü] 

aus  Angst,  Verlegenheit,  Schmeichelei,  Prahlerei  u.  a. 
IV,  Die  Lüge   aus   unedlen   Motiven:   aus   Selbstsucht,   Trotz, 

Rachsucht. 
V.  Die  Lüge  aus  edlen  Motiven:   aus  Scham,  Hingebung  für  ai 

oder  für  eine  Partei,  auf  Befehl  einer  Autorität. 
VI.  Die  Verlogenheit  als  kindlicher   Charakterfehler  (Grenzzusi 
VII.  Die  pathologische  Lügenhaftigkeit:   bei  Hysterie,  Epilepsie,  i 

insanity,  Paralyse. 
VIII.  Die  kriminelle  Geistesverfassung:  bei  Betrug,  Urkundenf&lsc 
Diebstahl,  Einbruch,  Verbrechen  gegen  das  Leben. 
Diskussion:    Herr  Heubner   erklärt   sich  mit  dem  Antrage  ei 
standen.    Namentlich  sei  es  nützlich,  die  Grenzbeziehungen  zwischen 
maier  und   fehlerhafter  Anlage  zu  erforschen.    Er  selbst  will  nicht  i 
Kommission  eintreten,   schlägt  aber  vor,  dass  man  Schulärzte,  z.  B.  1 
Dr.  Bendix  oder  Herrn  Professor  Hartmann,  hineinwähle,  daneben  Psyc 
und  Lehrer. 

Herr  Kemsies  hofft,  durch  dieses  Unternehmen  die  Lehrer 
mehr  als  bisher  für  die  vom  Verein  vertretenen  Interessen  zu  gewi 
Die  noch  junge  Wissenschaft  der  pädagogischen  Psychologie,  die  in  Dei 
land  erst  vom  Jahre  1895  an  datiert,  hat  bei  der  grossen  Mannigfalt 
der  pädagogischen  Interessen  Schwierigkeiten,  sich  durchzusetzen.  £ 
antragt,  zur  Wahl  eines  Bureaus  zu  schreiten.  Der  Antrag  wird 
nommen  und  als  vorläufiges  Bureau  gewählt: 
I.   Psychologen:    i.  Herr  Dr.  Schäfer,   2.  Herr  Dr.  Liepmann,  3. 

Geheimrat  Stumpf,  4.  Herr  Dr.  Stern-Breslau, 
n.  Pädagogen:  5.  Herr   Direktor   Kemsies,    6.    Herr   Rektor    Gusi 

7.  Frl.  Schulvorsteherin   Kaul,   8.  Frl.   Gertrud  Pap 
heim,  9.  Herr  Direktor  Piper  aus  Dalldorf,  lO.  Herr 
schullehrer  Arno  Fuchs. 
III.  Juristen:  11.  Herr  Geh.  Rat  v.  Liszt,  12.  Herr  Geh.  Rat  Kahl. 
VI.  Mediziner:   13.  Herr  Professor  Ziehen,    14.  Herr  Dr.  Navrai 

15.  Herr  Professor  Baginsky,    16.  Herr  Dr.  W.  Be< 


154  Sitzungsberichte. 

denen  gründliche  psychologische  und  pädagogische  Schulung  vorband 
ist.  Will  man  z.  B.  Auskünfte  von  recht  viel  Eltern  erhalten,  so  mc 
die  Einholung  der  Auskunft  und  die  Ausfüllung  der  Bogen  persönlich  u 
direkt  durch  geschulte  Mitarbeiter  der  Kommission  erfolgen. 

C.  und  W.  Stern. 


Literatnran^be. 


Albanel  und  Legras,  les  enfants  menteurs.    Revue  philanth.  et  Sc 

med.  1899. 
Delbrück,  Anton,  Die  pathologische  Lüge  und  die  psychisch  abnonc 

Schwindler.    Stuttgart,  1891. 
D  e  m  o  o  r,  Die  anormalen  Kinder.    Altenburg,  1901. 
D  u  p  r  a  t ,  Le  Mensonge.    Paris,  Alcan^  1903. 
Fön^lon,  Erlebnisse  des  Telemach,  deutsch  von  Rückert. 
Gerock,  Karl,  Illusionen  und  Ideale.    Stuttgart,  1886. 
Groos,  Karl,  Das  Seelenleben  des  Kmdes.    Berlin,  1904. 
Gross,  Hans,  Kriminalpsychologie.    Leipzig,  1905. 
Gross,  Hans,  Handbuch  für  Untersuchungsrichter.    Graz,  1899. 
St.  Hall,   Ausgewählte   Beiträge  zur  Kinderpsychologie  und  Pädago| 

deutsch  von  Stimpfl.    Altenburg,  1902. 
Kant,  Ueber  ein  vermeintliches  Recht,  aus  Menschenliebe  zu  lügen. 
Keller,  H.,  Der  grüne  Heinrich. 
Koch,   Das   Nervenleben   in  gesunden  und  kranken  Tagen.    6.  Aafla 

Ravensberg,  1896. 
Lazarus,  Leben  der  Seele.    Bd.  II.    2.  Aufl.   1878. 
Lobsien,  N.,  Aussage  und  Wirklichkeit  bei  Schulkindern.    Beiträge 

Psychologie  der  Aussage.    Herausgg.  von  Stern.    I.  Folge.    2.  H 

S.  26—89.    Leipzig,  1903. 
Matthias,  Adolf,  Wie  erziehen  wir  unsem  Sohn  Benjamin? 

München,  1897. 
Motet,  les  fauz  temoignages  des  enfants  devant  la  Justice.    1887. 
Plüschke,  Zeugenaussage  der  Schüler.    Rechtsschutz.    1902. 
Richter  (Jean  Paul),  Levana.    Flegeljahre.    Quintus  Fizlein. 
Rousseau,  J.  J.,  Bekenntnisse,  übers,  von  Denhardt.    Reclam. 
Rousseau,  J.  J.,  Emil.    Reclam. 
Sachse,   Ueber  die   Lüge.     Deutsche   Blätter   für   erziehenden   Un 

rieht.    1896. 
Schmidt,  Encyclopädie  der  Pädagogik.    Artikel  Wahrhaftigkeit 
Scholz,  Friedrich,  Die  Charakterfehler  des  Kindes. 
Stern,  William,  Beobachtungen  über  nichtpathologische  Erinnertii 

täuschungen  bei  Schulkindern.    Beitr.  zur  Psych,  d.  Aussage.  I.  H 

S.  121-123. 
Stern,  W.,   Die  Aussage  als  geistige  Leistung  und   als  Verhörsprodi 

Elxperimentelle   Schüleruntersuchungen.      I.    Teil.      Ibid.    L   Fol 

3.  Heft.    1904. 


Sitzung sbericfUe,  155 

Stern,  W.,  lieber  Schätzungen,  insb.  Zeit-  und  Raumschätzungen;  ibid. 
n.  Folge.    L  Heft.    S.  32—72. 

Stern,  Clara  und  William,  Erinnerung  und  Aussage  in  der  ersten 
Kmdheit;  ibid.  D.  Folge.    2.  Heft.    S.  31-67.    1905. 

Sully,  Untersnchungen  aber  die  Kindheit,  deutsche  Uebers.  von  Stimpfl. 

Tepe,  Die   Lüge   und   die  praktischen  Ideen.    Ztschr.  f.   exakte   Philo- 
sophie.   1862. 

Trflper,  Psychopathische  Minderwertigkeiten  im  Kindesalter. 
Gütersloh,  1893. 

Trflper,  Lüge.   Encyclopädisches  Handbuch  der  Pädagogik  von  W.  Rein. 

Weinrich,   Dora,   Kindheitseindrücke.    Ztschr.  f.  Pädag.  Psychologie. 
1904.  

Es  wird   gebeten,   weitere   Literaturangaben    an   Dir.   Kemsies, 
Weissensee  b.  Berlin,  mitzuteilen. 


i 


Komitee  ffir  Kinderforschung  in  Budapest« 

In  Ungarn  entstand  die  Idee  der  Gründung  eines  Vereins  für  Kinder- 
^orsdmng  im  Jahre  1901,  als  auf  Anregung  des  Lehrerseminardirektors 
I«adislaus  N  a  g  y  diesbezüglich  eine  Versammlung  abgehalten  wurde.  Die 
Grflndung  des  Vereins  erfolgte  jedoch  erst  im  März  1903  unter  dem  Titel: 
fKomitee  f  ürKinderf  orschung^S  dessen  Präsident  Graf  Alezander 
Teleki,  Abgeordneter;  leitender  Vizepräsident  Ladislaus  Nagy,  Lehrer- 
scmmardirektor. 

Der  Verein  wird  besonders  durch  das  Publikum,  ferner  durch 
Aerzte  und  Pädagogen  unterstützt. 

Das  Komitee  führte  zur  Orientierung  des  Publikums  die  ö  f  f  e  n  t  - 
liehen  Si  tzungen  f  ür  Kinderf  o  rsch  u  ng  ein,  wo  über  ver- 
schiedene Fragen  der  Kmderforschung  Vorträge  gehalten  und  die 
Wünsche,  Fragen,  Interpellationen  des  Publikums  erörtert  werden.  Bisher 
^»irden  folgende  Vorträge  gehalten: 

Lehrerseminardirektor  Ladislaus  Nagy  „Ueber  Methoden  und  Auf- 
gaben der  Kinderforschung";  Dr.  Paul  Ranschburg  , Definition  der  gei- 
stigen Fähigkeiten  des  Kindes";  Professor  Sigmund  V d r  a d i  „Entwick- 
'^g  des  Sprechens  beim  Kinde* ;  Lehrerseminardirektor  Michael  Lang 
«Instinktmässige  Handarbeiten  des  Kindes* ;  Professor  Anton  Streit- 
^*nn  „Die  Zeichnungen  der  Känder";  Arzt  Julius  Grösz  „Ueber  die 
Physische  Entwicklung  der  Kinder" ;  Professor  Böla  L  a  z  4  r  „lieber  die 
Phantasie  des  Kindes*. 

Das  Komitee  für  Kinderforschung  veranstaltete  im  Jahre  1904  unter 
Leitiing  des  vorzüglichen  Kinderpsychologen  und  Arztes  Dr.  Rausch- 
" ^rg  einen  Kurs  für  Kinderforschung.  Am  Kurse  nahmen 
^W  Lehrer  aus  Budapest  teil.  Derselbe  bestand  aus  einem  zwei- 
monatlichen theoretischen  und  einem  zweiwöchent- 
**ckcn  praktischenKurse.  Ersterer  erörterte  alle  bisher  angewende- 


156  SüKungsberichU. 

ten  Methoden  der  Experimental-Psychologie,  während  am  praktisck^^^ 
Kurse  die  Teihiehmer  Untersuchungen  teils  an  normalen,  teils  an  abm^^ 
malen  (imbecillen)  Kindern  vornahmen  und  einübten.  Aach  nahmen  ^ 
Mitglieder  des  Kurses  an  den  klinischen  Ordinationen  Dr.  Ransc^  \ 
b  u  r  g  s  teil.  Der  Kurs  wurde  vom  Municipium  Budapests  unterstQk.«^ 
Die  gewesenen  Teilnehmer  des  Kurses  bilden  Jetzt  unter  Leitung  des  ;2!> 
Ranschburg  die  Schulabteilung  des  Vereins.  Sekretär  die 
ser  Abteilung  ist  der  Lehrer  G6za  Jablonkay.  Die  Abteilung  bew^x-j^. 
stelligt  ihre  Untersuchungen  nach  festgesetztem  Programme;  der  ^e. 
sammelte  Stoff  wird  gemeinschaftlich  zur  Zeit  mit  Untersuchungen  betreffs 
der  Auffassungsgabe,  des  Vorstellungsinhaltes  und  Woz-t- 
Schatzes  der  Kinder  verarbeitet 

Das  Komitee  für  Kinderforschung  veranstaltet  im  Herbste  laufenden 
Jahres  eine  Ausstellung  der  Kinderkunst  welche  5  Abteilungen  um- 
fassen  soll,    und   zwar:    1.  Kinderforschungs-Abteilung,  i)   instinktmässigie 
Zeichnungen   der  Kinder   und   der  primitiven    Völker,   2)   instinktmftssigc 
Handarbeiten   der    Kinder    und    des   Volkes.    II.    Unterrichts -Abteilimg' 
i)  Zeichenunterricht  der  Volksschule,  2)  Beschäftigungsgeräte  der  Kinde?  ^' 
gärten,  3)   alle  Stufen  des  Handarbeitsunterrichts.     III.   Kunst- AbteilaulSt 
i)  Sammlung  der  Anschautmgsbilder  psychologischen  und   künstlerisch^^ 
Wertes,  2)  Schulzimmer-Modell,  vom  hygienischen  und  ästhetischen  Starm^' 
punkte    aus    musterhaft    eingerichtet.     IV.  Industrie-Abteilung,  Sammln  i^S 
der  vom  psychologischen  Standpunkte  ausgewählten  Gegenstände    der    ^^ 
und  ausländischen  Spielzeugindustrie.  V.  Musik-Abteilung,  Primitive  MosJA 
ebensolches  Spiel  und  Tanz  der  Kinder,  Kinderlieder.    Die    meisten   d* 
Gruppen  sind  international  geplant. 

Das  Komitee   für  Kinderforschung    beabsichtigt,  vom  Jahre  1905   i 
Hefte  für  Kinderforschung  auszugeben. 

Adresse:  , Komitee  für  Kinderforschung",  Ladislaus  Nagy,  leitend 
Vizepräsident.    Budapest,  VIÜ,  Üllöi  üt  16. 


Das  Programm  der  y^Einderkunst-Aiisstelliing^* 

Das  Komitee  für  Kinderforschung  plant  für  September  1905  ^ 
Budapest  eine  internationale  Kinderkunst-Ausstellung  zu  dem  Zweck^^ 
um  für  das  Seelenleben  des  Kindes  die  Aufmerksamkeit  der  Oeff entließ -!> 
keit  zu  erregen;  jene  Merkmale  zu  sammeln  und  zu  pflegen,  welche  d^^ 
innere  Seelenleben  des  Kindes  sowohl  in  der  universellen,  wie  au^^^ 
hauptsächlich  künstlerischen  und  technischen  Erziehung  vervoUkommn 
um  hierdurch  der  nationalen  Erziehung  zu  dienen. 

Die  Gruppen  der  Ausstellung  werden  folgende  sein : 

!•  KInderforschODgg-Klasse. 

Gruppe  A.    Das   instinktmässige   Zeichnen   der  Kinder. 

Diese  Gruppe  umfasst  jene  Zeichnungen,  welche  aus  dem  eigenen 
Instinkt  der  normalen  und  abnormalen  Kinder  entstanden  sind,  und  zwar 
sei  es  während  des  Spieles  oder  aus  dem  Gedächtnis  oder  nach  da*  Natur. 


158  Sitzungsberichte. 

Gruppe  B.    Die  Beschäftigungslehrmittel  der 

Kinderbewahranstalten. 

In  dieser  Gruppe  werden  die  während  des  regulären  Unterrichts 
gefertigten  Arbeiten  der  Zöglinge  ausgestellt 

Die  instinktmässigen,  aus  freiem  Antriebe  gefertigten  Arbeiten  der 
Kinder  sind  von  dieser  Gruppe  ausgeschlossen,  resp.  werden,  wenn  einge- 
sandt, in  die  Gruppe  der  instinktmässig  gefertigten  Arbeiten  eingestellt 

In  dieser  Gruppe  sind  auszustellen: 

1.  Aufbau  der  sogenannten  Baukästen; 

2.  Aufbau  aus  kleinen  Stäbchen,  Obstkemen,  einzelnen  and  mehrec*^^ 
Ringen ; 

3.  Gruppierungen  von  Bauklötzem; 

4.  Papierzusammenlegspiele ; 

5.  Papier-  und  Spänegliederungen; 

6.  Nachahmungen  aus  verschiedenen  Stoffen  und  Materialien,  i^  n- 
fertigung  von  Kinderspielzeugen  (Peitschenschnüren  aus  Bindfaden,  Pupp^  <n 
aus  Werg,  Papier,  Stoff,  Wagen,  Gebrauchsgegenstände  etc.  aus  ver- 
brauchten Zündholzschachteln,  Zwimspulen  etc.; 

7.  Tonmodellierungsarbeiten ; 

8.  Sandmodellierungen,  graphisch  dargestellt. 

Zu  dieser  Ausstellung  wird  die  Landes  Vereinigung  der  Kinderbewa  l^r- 
anstalten  ersucht. 

Gruppe  C.    Handarbeitsunterricht. 

Hier   werden    die   während    des   ordenUichen    Unterrichts   in  den 
Schulen  oder  als  Hausarbeit  aufgegebenen  Handarbeiten  ausgestellt,    Hin- 
gegen ausgeschlossen  sind  hierbei  die  handwerksmässig  hergestellten  Hand- 
arbeiten,  welche   die   Kinder,   die   zam  Lebensunterhalt  gezwungen  sind, 
fertigen. 

Diese  Gruppe  umfasst  die  im  Unterrichtsplan  der  Volksschulen, 
der  Seminare  und  Heilpädagogen-Institute  vorgeschriebenen  Handarbeiten, 
und  zwar: 

1.  Die  Tonmodellierungen; 

2.  Die  Arbeiten  aus  leichtem  Papier; 

3.  Die  Kartonnagenarbeiten; 

4.  Die  Anfertigung  aus  Holz;  weiterhin 

5.  Jene  Gegenstände,  welche  zur  Erlernung  der  Schulhandarbetten 
dienen,  Lehrmittel  und  Abbildungen  von  Schulateliers. 

Zu  dieser  Ausstellung  wird  die  Vereinigung  des  Landes-Handarbeits- 
Erziehungs-Instituts  ersucht. 

8.  Kvnst-Abteiliuig. 

Gruppe  A.    Anschauungsunterrichtsbilder. 
Der  Zweck  dieser  Ausstellung  ist  die  Vorführung  der  in  den  Schulen 
gebräuchlichen  Anschauungsbilder,   fernerhin   die  Ausstellung  der  fOr  die 
Jugend  gefertigten  Illustrationen  und  Bilderbflcher,  wie  auch  derwi  kflnst- 
ierische  Vervollkommnung. 


Sitzungsberichte,  159 

Hier  werden  ausgestellt: 

1.  Zur  Illustration  des  gegenwärtigen  Entwicklungsstadiums  ein  bis 
vci  Bildergruppen,  welche  die  historische  Entwicklungstheorie  kenn- 
admen; 

2.  Zusammenstellung  der  hervorragenden  patriotischen  Wandbilder 
d  guten  Bilderbücher; 

3.  Die  hervorragenden  ausländischen  patriotischen  Wandbilder 
d  Bilderbücher. 

Das  Arrangement  dieser  Gruppenausstellung  übernimmt  das  Komitee 
*  Kinderforschung,  wie  auch  ein  Sachverständigen  -  Konsortium  von 
Dstlem  imd  Kaufleuten. 

Gruppe  B.    Modellunterrichtssaal. 

Zur  Förderung  des  ästhetischen  Gefühls  wird  hier  ein  Unterrichts- 
1  von  schönster  Ausstattung  ausgestellt. 

Diese  Gruppenausstellung  bewerkstelligen: 

Das  Komitee  der  Kinderforschung  und  die  schulärztliche  Fachklasse 
'  Landeshygiene,  unter  Mitwirkung  von  kunstbegabten  Sachverständigen. 

4.  Indnstrie-Abteiluig. 

Im    In-    und   Auslande    gefertigte    Spielzeuge. 

In  dieser  Gruppe  werden  jene  Erzeugnisse  der  Spielwaren-Industrie 
^führt,  welche  für  die  Kinderpsychologie  vom  Unterrichts-  und  künst- 
ischen Standpunkt  von  Interesse  sind. 

Die  Abteilungen  dieser  Gruppe  sind: 

1.  Ausstellung  einheimischer  Spielwaren,  nach  dem  Kindesalter 
ordnet ; 

2.  Ausländische  Spielwaren  ; 

3.  Nationale  Spielwaren,  welche  für  die  erwachsene  Jugend  eines 
»cbigcn  Volkes  erzeugt  werden. 

Diese  Ausstellung  ordnet  die  biographische  Klasse  des  National- 
^ums  und  das  Komitee  der  Kinderforschung,  unter  Mitwirkung  von 
^Verständigen  auf  dem  Gebiete  der  Spielwaren-Industrie. 

5.  Mnsik-AbteUnng. 

Es  werden  ausgestellt : 

a)  Instinktmässig  produzierte  Kinderlieder,  welche  mit  oder  ohne 
'^Uimus,  mit  oder  ohne  Text  beim  Spielen  gesungen  werden ; 

b)  Kindervolkslieder; 

c)  Kunstkinderlieder; 

d)  Liederbücher; 

e)  Rhythmische  Bewegungen  und  Kindertänze. 

Zum  Arrangement  dieser  Ausstellung  wird  das  Komitee  der  Kinder- 
chung  und  die  ungarische  biographische  Gesellschaft  ersucht. 

Budapest,  10.  November  1904. 
Das  Ausstellungs-Komitee  der  Kinderforschnng. 


Berichte  und  Besprechungen. 

Lernlust,  eine  Comenius-Fibel.  Für  den  zeitgemäss  \ 
ten  Sach-,  Sprach-  und  Schreibunterricht  nach  ein 
sandigen  Lehrgang  der  kombinierten  Laut-  und 
Wortmethode  bearbeitet  von  L.  F.  Göbelbecker, 
Mit  60  grossen  Gruppenbildern  und  zahlreichen 
Illustrationen  versehen  von  H.  Lentemann  und 
hervorragenden  Künstlern.  20.  Auflage.  Verlag  O 
nich,  Wiesbaden. 

Die  Comenius-Fibel  zeigt  einen  Lehrgang,  der  sich  als  eii 
nation  der  Schreiblese-  und  Normalwörtermethode  darstellt,  l 
durch  Gruppen  von  Bildern,  deren  Stoffe  dem  Leben  der  Ki 
stammen,  tritt  in  dieser  Fibel  der  Anschauungsuntericbt  ungek 
den  Dienst  des  Leseunterrichts.  Durch  den  anlehnenden  Sacl 
und  die  damit  verbundene  Entwicklung  der  Selbsttätigkeit 
Interesse  der  Schüler  kräftig  geweckt;  die  toten  Buchstaber 
Leben,  sodass  den  Kleinen  das  Lesenlernen  nicht  als  ,,Last*' 
als  ipLust**  erscheint. 

Weissensee.  Be 

f,Das  Kind  in  Haus,  Schule  und  Welt.*^  Ein  Lehr-  und  I 
im  Sinne  der  Konzentrationsidee  für  das  Gesa 
des  ersten  Schulunterrichts,  auf  neuen  Bahnen  b 
und  den  kleinen  Anfängern  gewidmet  von  L.  1 
becker.    3.  Auflage.    Verlag  Otto  Nemnich,  Wiesb 

In  dem  2.  Teile  des  Buches  tritt  als  Neuheit  die  Norma 
gemischte  Schreiblesemethode  auf.  Die  Kinder  werden  im  Am 
die  auf  dem  betreffenden  Gruppenbilde  vertretene  neue  Anzal 
schauungsobjekte  und  Leseübungen  auch  nebenher  in  den  2 
von  I— 10  eingeführt. 

Weissensee.  B€ 


Kind  und  Kunst.  Monatsschrift  für  die  Pflege  der  1 
Leben  des  Kindes.  Verlag  Alex  Koch,  Darmsta 
gang  1905. 

Der  Kampf  ums  Dasein  raubt  uns  oft  die  Begeisterung  ii 
ruf  und   die   ruhige  Betrachtung   der  Dinge.    Um   den   idealen 


Beruhte  und  Beipreehungen. 


161 


■  ♦■»1 


Sc 


k-»-:r 


^^Uie  den  Grosses  nicht  gedacht  und  getan   werden  kann,   zu  erhalten, 
xz&tlsBeii  wir  frflhe  den  unentwickelten  Menschen   zur  Harmonie  mit  sich 
^^bst  und  der  Welt  erziehen,  wir  müssen  ihm  die  Sphäre  der  Schönheit 
^^i^cl  die  Heiterkeit  der  Kunst  zeigen.    Wie  dies  anzufangen   ist,   will   uns 
^cse  Zeitschrift  lehren.   Was  in  ihr  geboten  wird,  ist  mehr  als  beachtens- 
'^^''crt,  ist  wirklich   bedeutsam,    die  Fülle   des  Stoffes  reich,   die  Form  der 
Gabe  anmutig,   stilvoll,   schön.    Erzieher,  Eltern   und  Kinder  finden  darin 
S^löene  Samenkörner.    Neben  gediegenen  Abhandlungen    und   trefflichen 
Pingerzeigen,  glücklich  gewählte  Illustrationen,  die  sicherlich  den  wichtig- 
sten Teil  dieser  Zeitschrift  ausmachen.  Zu  welchen  Resultaten  die  Kinder 
ohne  Lehrmeister  gelangen  können,   zeigt   die  Zeitschrift  in   den  Kuhl- 
mannschen  Schülerzeichnungen  und  den  Zeichnungen  von  Ursula  Falke- 
Hamburg.    Jeder  Vater  kann  seinen  Kleinen  nach   den  obigen  Beispielen 
viele  frohe  Stunden  bereiten,  wenn  er  ihnen  etwas  Zeit  opfert.  Die  Mutter 
findet  in   den  Gedichten   und  Märchen   der  Zeitschrift  geeigneten  Unter- 
bahnngsstoff.    In   dem  Bilder-A-6-C   wird   dem  Kinde   der  Pinsel  in   die 
Hind  gegeben  und  es   aufgefordert,  nach   eigenem  Empfinden   die  Farbe 
uifziitragen.    Eine  erfreuliche  Arbeit   bietet  Hans  Thoma   dem  Kinde  im 
IL  Hefte  durch  Anlegen  einer  Landschaft.  Eng  verwandt  mit  dem  Zeichnen 
md  Malen  ist   das  Schneiden   von  Silhouetten.    Im  I.  Hefte   finden   wir 
bortiche  Märchen-Silhouetten  von  Hollers.    Auch  der  sonstige  Bild-  und 
Onuunentschmack  ist  lobenswert    Alle,   die  an   der  Kindererziehung  be- 
teiligt sind,  können  reichen  Stoff  schöpfen. 

Wir  begrüssen  darum   die   Zeitschrift  mit   Freude   und   wünschen 
ik  gaten  Erfolg. 

Weiasensee.  Jesse. 


Bi 


2cUadirift  ffir  pidagogische  Piychologie,  Pathologie  und  Hygiene. 


Mitteilungen. 


üeber  ite  gemeiume  Bnd«kiiB9  imr  Ctotekleelitar  spricht  Dr.  M» 
Friedrichs   in  der   Halbmonatsschrift  , Allgemeine  Deutsche  Umversititsseituig' 
(Verlag  Aeskulap,  Berlin-Karlshorst)   orgineUe   und  beachtenswerte  Anskhtea  v». 
Zur  '  Begründung    seines     dem    gemeinsamen   Schulunterricht    von   Knaben  all 
Mädchen  günstigen  Standpunktes  führt  er  unter  anderem  folgendes  ans:  D•sVl^ 
häitnis  der  Geschlechter,  wie  wir  es  gegenwärtig   und  besonders  in  den  btimwi 
und  gebildeten  Klassen  haben,  zeigt  eine  eigentümliche  Erscheinung,  die  sward« 
oberflächlichen  Beobachter  nicht  oder  nur  wenig  auffallt,  aber  dem  denkenden  ttod 
sittlich  hochstehenden  Menschen  nicht  verborgen    bleiben  und  vor  seinem  prfiAi- 
den  Geiste   nicht   bestehen    kann.     Während    die  Allmutter  Natur  den  Blaut  und 
das  Weib  als  zwei  verschiedene  Geschlechtswesen  geschaffen  hat  und  beide  gwids 
auf  Grund  dieser  Verschiedenheit    unwiderstehlich   zu    einander  hinzieht,  während 
ferner  Vernunft  und  Gesittung  in  diese  Zusammengehörigkeit  Ordnung  und  Gesets 
bringt,  vor  Zügellosigkeit    und  Ausartung  schützt,    ohne  je  die  naturgewoUte  &* 
sammengehörigkeit   gänzlich    aufzuheben    und    eine  völlige  Entfremdung  zwisdies 
beiden  herbeizuführen,  sehen  wir  leider,  wie  sich  solche  Entfremdung  doch  infolge 
weit  verbreiteter  irrtümlicher  Anschauungen    mehr   und  mehr  ausgebildet  hat  ood 
unser    Kulturleben    nachteilig    beeinflusst.     Um    ein   Beispiel  anzuführen,  so  Ttf* 
gleiche  man  einen  Mann,  der  Gymnasium    und  Hochschule  absolviert  hat  und  vä 
der  Höhe  der  Bildung  seiner  Zeit  steht,  mit  einer  Frau,  deren  ganze  wissenscbift' 
liehe  Ausbildung  in    dem    besteht,    was  die  höhere  Töchterschule  ihr  geboten  tut 
Und  selbst,  wenn    sie    noch    mehr   als  das  empfangen  hat  in  Pensionaten,  Piiv*'' 
zirkeln  und  Seminaren,  so  bleibt  doch  der  Unterschied  zwischen  ihrer  und  saiocf 
Bildung   sehr   gross.      Wir    sehen    selbstverständlich    dabei    von    der  eigentlichst 
Fachkenntnis  gänzlich  ab  und  sprechen    nur  von    der  Summe  der  Erkenntnis,  ^ 
der  Mann  sich  zum  Verständnis    der  Welt   und    des  Lebens,  seiner  Zeit  und  der 
sie  bewegenden  Fragen  anzueignen  pflegt    Er  empfangt  dazu  in  der  Schule  gs^ 
andere  Vorbereitungen,  er  lernt  das  klassische  Altertum  kennen  und  schätzen  und 
häufig  auch  den  Schlüssel,  der  ihm  die  Pforten  desselben  öffnet,  die  alten  SpncheOt 
er  bildet  das    logische  Denken    gründlicher   aus,    sieht    die    Macht   desselben  h«* 
sonders  in  der  Mathematik  in  imponierender  Weise    offenbart  und  lernt  begrab 
wie  allein  diese  Wissenschaft  ein  tieferes  Eindringen  in  die  Natur  ennögUcht;  ihiD 


166  MiiUüungeH. 

keinen  Alkohol    getrunken.    Schnaps    tranken    250  Knaben,    270  Mielchen;  Weit; 
235  Knaben  und  257  Mädchen;  Bier  tranken  tfigUch  109  Knaben,  190  Midchet^ 
—  Die  Körperkonstitution  war  bei  65  Knaben,  87  Madchen  gut,  bei  325  Knab^ 
406  Mädchen  mittel,  bei  127  Knaben,  61  Mädchen  schlecht    Nordhausen:  Doft 
hatten  in  der  7.  Klasse  (siebenjährige  Kinder)  einer  Volksschule   von  49  KinderD 
38  schon  Wein,  40  schon  Schnaps    und  alle  schon,    fum  Teil   regelmässig,  1^ 
getrunken.    In  einer  4.  Klasse  hatten  von  28  Mädchen  27  schon  Wein,  24  sehoo 
Schnaps  und  alle  schon  Bier  getrunken.     Schöneberg:    In    einer  Knabenscfaolt 
tranken    56,2  pCt,   in   einer   Mädchenschule  48,7  pCt  regelmässig  Bier,  30  pCt 
der  Knaben  gegen  32,2  pCt  der  Mädchen  tranken  xeitweise  sonstige  Spirituoiem 

Kein  besseres  Resultat  wurde  auch  an  höheren  Schulen  festgestellt  Wir 
geben  kurx  die  Zahlen  an,  die  Dr.  Keese biter  in  einer  Realschule  im  OiUs 
Berlins  ermittelt  hat  (Veröffentlicht  in:  Gesunde  Jugend,  1904).  Danach  tnakss 
durchschnittlich  Mittags  43  pCt  der  Schüler  regelmässig  Bier,  Abends  64  pCk> 
Die  krassesten  Fälle  sind  folgende:  Abends  erhielten  84  pCt  der  Sextaner,  IIÜ* 
tags  64  pCt.  der  Quintaner  Bier.  Diese  Schüler  sind  durchschnittlich  10- U 
Jahre  alt 

Um  nun  auch  ein  Bild  su  geben,  ¥rie  der  mehr  oder  weniger  rcgelmiaiigt 
Alkoholgenuss  die  Leistungen  der  Kinder  beeinflusst,  erUttben  wir  uns  folg«di 
Statistik  su  geben,  die  Schuldirektor  Dr.  Bayer  in  einer  Wiener  Volksschule  nil 
591  Knaben  und  Mädchen  feststellte: 

Es  hatten  von  den  Schülern  die  Censur 


die  nie  alkoholische  Getränke  genossen 
die  nur  gelegentlich  tranken 
die  täglich  einmal  Bier  u.  s.  w.  bekamen 
dia  täglich  x^^^eimal  Bier  u.  s.  w.  bekamen 
die  täglich  dreimal  Bier  u.  s.  w.  bekamen 

Nicht  minder  unheUbringend   sind   dM  Wirkungen   des  Alkohols   auf  (ko 
jugendhchen  Organismus,  besonders  auf  das  Nervensystem. 

So  wächst  durch  den  regelmässigen  Alkoholgenoss  während  der  Schnlieit  €*• 
alkoholisiertes  Geschlecht  heran,  dem  in  der  gefährlichen  Uebergangszeit  vom  14.bii 
IS.  Jahre  die  ph.vsische  und  moralische  Widderstandskraft  fehlt,  und  das  oftmil* 
in  der  späteren  Lebensieit  seinem  körperlichen  und  sittlichen  Untergange  est- 
gegengeht. 

An  dieser  Tatsache  ^-ird  nichts  geändert  werden,  so  lange  die  Mütter,  wdchi 
das  heranwachsende  Geschlecht  in  körperlicher,  sitthcher  und  hygienischer  Br 
siahung  überwachen,  von  der  Gelahrlidikeit  dieses  Giftes  nicht  unterrichtet 
sind.* 

Der  Verein  hat  lu  diesem  Zwecke  folgendes  Merkblatt  verlasst: 
I«  Alkohol  ist  in  geistigen  Getränken  (Bier  -  Weiss-  und  Brasil 
bier  ^  Wein,  Branntwein  u.  s.  w.;  enthalten.  —  2.  Der  Alkohol  ist  eis 
.:tngift  -  a.  Kr  schadigt  leicht  alte  Organe  und  verursacht  daher  viele  Krask* 
heiten;  Lebtr«,  Nieren-«  Lungen-  and  Henkrankfariiep,  Gidit,  Katanfae  oo^ 
Gci«te«krankheilen,  Kr  raubt  dem  Körper  meistens  seine  Wldefstaodsfüiigk*^ 
ii<^n  anAieckende  Krankheiten«  t.  B.  Tuber^uloae.  —  4^  Alle  Gelehrten  sind  fic^ 
darin  emig«  das*  für  die   heran^^achsende  Jugend  der  Alkobolgenoss  stets  ^ 


gut             ge- 

un- 

nügend 

gen&geod 

41,8  pCt  49,2  pCt 

9  pa 

a4,l     .      Ö6.6     , 

9,6  , 

27,8     .      58,4     „ 

13,7    . 

24,9     „      57,7     „ 

13,8  » 

-     .     33,3     . 

66,6  , 

Mitteilungen,  169 

lieh  tuf  die  thüringischen  Staaten.  Zur  HauptTersammlung  hatten  sich  cirka  200 
Sdmlmlnner  und  Lehrerinnen  aus  verschiedenen  Teilen  des  Reiches  eingefunden. 
l^0ritenTsge  befasste  man  sich  mit  «der  gemeinsamen  Erziehung  beider 
ßeichlechter*;  Berichterstatter  Direktor  Trüper-Jena.  Das  Referat  gipfelte  in 
MgMiden  Leitsitsen,  die  im  wesentlichen  Zustimmung  fanden: 

1.  Die  Vereinigung  der  beiden  Geschlechter  in  allen  unseren  Schulen  ist 
Httriich  und  praktisch,  da  sie  dem  Bau  und  Wesen  der  Familie  und  Gesellschaft 
b|gt  2.  Die  Vereinigung  ist  unparteiisch,  billig  und  gerecht,  da  sie  dem  einen 
iNobtodit  dieselbe  Bildungsmöglichkeit  gewährt  wie  dem  anderen.  3.  Die  Ver- 
ioigoog  ist  sparsam  und  flnanzwirtschaftlich  am  zweckmässigsten,  weil  die  für 
mere  Schulen  bestimmten  Gelder  so  am  nutzbringendsten  verwendet  werden 
flonen.  4.  Die  Vereinigung  wirkt  vorteilhaft  auf  die  Entwicklung  von  Geist, 
iofil  und  Gewohnheiten  der  Zöglinge.  5.  Die  Vereinigung  erleichtert  sowohl 
In  Eltern  wie  den  Leitern  und  Lehrern  der  Schulen  die  Erziehungsaufgaben  und 
•dnÜusst  das  Familienleben  wie  das  Schulleben  und  den  Unterricht  in  günstigem 
ÜBoe. 

Das  Referat  des  zweiten  Tages  lautete:  „Das  Mannheimer  Schul- 
yitem";  Berichterstatter  Direktor  Scholz-Pössneck.  Das  Mannheimer  System 
teibt  bekanntlich  drei  Bildungswege  vor:  für  begabte,  für  mittelmässig  be- 
üliKts  und  für  schwach  begabte  Schüler.  Abgesehen  von  einigen  Modifikationen, 
un  der  Referent  zur  Empfehlung  dieser  Lehrmethoden,  weil  dadurch  die  längst 
■ochte  individuelle  Behandlung  der  Kinder  erleichtert  werde. 

Die  nächste  Hauptversammlung  wird  in  Nordhausen  stattfinden. 

(Berliner  Tageblatt.) 


Bibliotheca  paedo-psycholoj^lca 

von 
Leo  Hirschlaff. 

Literatur  des  Jahres  1901. 

B.  Specielle  Kinderpsychologie. 

c)  Schulhygiene   und   -pathologie. 

(Fortsetzung.) 

1972.  N  o  y  e  s ,  W.  B. :     The  Mental  Diseases  of  Childhood.    N.  Y.  Med.  J.,  19ali 

LXXni,  1132—1136. 

1973.  Obersteiner.  Limites  exactes  des  maladies  nerveuses  dites  fonctionncDfla* 

Rev.  Neurol.,  1900,  Vni,  864—858. 

1974.  0  b  i  c  i  Giulio.     Influenza  del  lavoro  intellettuale  prolungato  e  della  fatic* 

mentale  sulla  respirazione.     Rivista  Sperimentale  di  Freniatria.  190L  V9I- 
XXVII.  p.  1026—1061. 

1975.  O  d  d  o ,  G. :    Etüde    sur  la    localisation    des   symptomes    de   la  chor6e  cS^ 

Sydenham.     Rev.  de  .Med.,  1901,  1901,  XXI,  27—46,  138—180. 

1976.  Ohnemus,  M. :     Hygienische  Betrachtungen  zum  Schulbeginn  der Uein^^ 

Abcschützen.    Unser  Hausarzt,  S.  99.     1901. 

1977.  Ol  ah,  G.  d\     Partielle  Bewusstiosigkeit    mit   totaler  Amn^ie.     C.  R.  I^^ 

Congres  Int  de  Psychol.,  1900  (1901),  579-684. 

1978.  0 1  i  V  e  r ,  T. :    On  the  Physiology  and  Pathology  of  Inheritance,  or  Wh^^ 

do  We  Inberit  fran  Our  Parents?     Lancet,  1900,  11,  1336—1841. 

1979.  Oppenheim,    H. :     Lehrbuch    der   Nervenkrankheiten    für   Aente    jum-^ 

Studierende.    3.  Aufl.,  1220  S.     Berlin  1902,  S.  Karger. 

1980.  Oppenheim,    H. :     Beitrag    zur    Prognose    der    Gehimkrankbeiten   i^^ 

Kindesalter.    Berlin,  klin.  Wochenschr.,  1901,  XXXVOI,  806—808,  844—34^- 

1981.  Oppenheimer,    F. :     Selbstmord  im  kindlichen  Lebensalter.    Die  m»cM* 

Woche,  S.  309.     1901. 

1982.  O  s  e  r  e  t  z  k  o  \v  s  k  y ,    A.,    und    Kraepelin,    E. :      Ueber    die    Beeio' 

flussung     der     .Muskelleistung    durch    verschiedene    Arbeitsbedingungen* 
Kraepelin  III  (4),  587-690.     1901. 


Bibliotheca  paedo^psychologica,  173 

3029.  R  o  s  e  n  f  e  1  d ,  G. :    Der  Einfluss  des  Alkohols  auf  den  Organismus.    266  S. 

Wiesbaden  1901,  J.  F.  Bergmann. 
^090.  R  o  s  8  i  y  Cesare. :  Sulla  duratadelprocesso  psichico  elementare  e  discrimlnativo 

nei  sordomuti.    Rivista  Sperimentale  di  Freniatria.    1901.     Vol.  XXVII.  p. 

999—414. 

^1.  Rothgiesser,    G. :      Einfache    Licht-Messvorrichtung.     (Abdruck   aus: 

Centralseitung  für  Optik.)  Pharmazeutische  Centralhalle,  Dresden,  No.  48.  1901. 

^^.  R  o  u  b  y.     Histoire    d*une   petite    Ülle    assassin.    Arch.    d'Anthropol.  Crim., 

1901,  XVI,  270—281. 
^^.  R  o  u  r  e ,  P.  L.     La  Suggestion  en  pedagogie  et  en  therapeutique.     Et.  Publ. 

p.  Peres  Comp,  de  J&us,  1901,  LXXXVIU,  461—480. 
^^^^  R  o  u  X  ,  J. :    Diagnostic  et  traitement  des  maladies  nerveuses.     Paris,  J.  B. 

Balliere  &  Als,  1901.     Pp.  550. 
^'^^S^-  R  u  b  n  e  r  ,M.  Russbildner  in  unseren  Wohnräumen.  Hyg.  Rundschau,  1900,  X,6. 
^^öö-  R  Q  d  i  n  ,  E. :    Ueber  die  Dauer  der  psychischen  Alkoholwirkung.    PsychoL 

Arb.,  1901,  IV,  1—44. 
*'^ö^.  Saenger,A.:  Diehäuflgsten  functionell-nervösen  Erkrankungen  (Neurasthenie, 
Hysterie  und  Nervosität)  im  Kindesalter.     Monatssch.  f.  Psychiat.  u.  Neurol., 

1901,  K,  821-386. 

Saenger,  A. :     Neurasthenie    und   Hysterie    bei    Kindern.    82   S.   Berlin 

1902,  S.  Karger.     1901. 
Saint-Hilaire,  E.:     La  surdi-mutite,  Ctude  medicale.     Paris,  Maloine, 

1901.  Pp.  355. 
V.  Sallwürk,E. :     Helene    Keller.     12   S.     Aus:     Pädagogisches 
Magazin.  Abhandlungen  vom  Gebiete  der  Pädagogik  u.  ihrer  1  lilfswissenschaften 
Hrsg.  V.  F.  Mann.     Hft.  164.     Langensalza,  H.  Beyer  &  Söhne.    1901. 
^^^^1.  Sanctis,  S.  de:    Psicopatologia    delle   idee    di    negazione.     II  Manicom. 
moderno,  XVI,  8. 

^^^%  Sancti8,S.  de:    I  fondamenti  scientiflci  della  Psicopatologia.     Riv.  di  Sc. 

biol.,  1900,  6-7. 
3^^  Sanctis,    S.   de:     L* Idiomicrocefalia.      Ann.    di    Nevrol.,    1900,    XXIII, 

266—284,  861-399. 
^*Hl  Santesson,  G  G.    Nochmals  Ober  die  Ermüdbarkeit  des  Muskels  und 
seiner   motorischen   Nervenendigungen.     Skand.   Arch.    f.   Physiol.,   1901, 
XI,  888—841. 

M5.  Sarbö,   A.   v.     Statistik    der    an    Sprachstörung    leidenden    Schulkinder 

Ungarns  auf  Grund  der  im  Jahre  1899  eingelangten  Fragebogen.    Monatsschr. 

f.  d.  ges.  Sprachheük.,  1901,  März-April. 
2M6.  S  a  r  d  a.     Heredit^   normale,   h6r6dite    morbide.     Nouv.   Montpellier  M6d., 

1901,  XLIV,  417-429,  481—494,  528-586,  598-607. 
2947.  Schanze,   G. :     Der   Gesundheitszustand   der   ElementarschQler   in   den 

Dresdner     Volksschulen     und     die     Schularztfrage.       Gesunde     Jugend, 

S.  218-228.    1901. 

204&  Schenk,  F. :    Ueber  die  Bestuhlung  von  Schulzimmem.    Verhandl.  d.  Ges. 

deutsch.  Naturf.  u.  Aerzte,  71.  Vers.,  1899.    1900,  2  Th.,  2.  Hälfte,  590-591. 
2049.  Schenke r.:      Der   Alkoholismus    in    Bezug    auf   Idioten    u.   Imbecillen» 

Ztschrft  t  SohulgesundheitspOege,  S.  254.    1901. 


174  Biblwiheca  paedo-psyehM^gica. 

2060.  Schilling.  Behandlang  chronischer  Chorea  durch  hypnotische  Snggestioo. 
MQnch.  med.  Wochenschr.,  1901,  XLVm,  1096 -109a 

2051.  Schmeichler,  L. :   Die  Angenhygiene  am  Eingange  des  20.  Jahriranderti 

Deutschmann's  Beitr.  s.  Augenheilk.,  H.  46.  Hamburg  u.  Leipzig,  L.  Vont 
1900,  gr.  8P,  163  S. 

2052.  Schmi  d-Monnard. :    Ueber  die  Hebung  der  seelisdien   und  geistigst 

Fähigkeiten  bei  minderbegabten  Schulkindern.    Zeitschrift  fflr  Schulgesiuid* 
heitspflege,  S.  331—384.    1901. 

2058.  Schmid-Monnard. :  Ueber  den  Wert  von  Körpermassen  zur  Bfiv- 
teilung  des  Körperzustandes  bei  Kindern.  Jahrbuch  für  Kinderfaeilkufldi 
und  physische  Erziehung,  S.  50—58.  Dasselbe:  Correspondenzblatt  te< 
deutschen  Gesellschaft  für  Anthropologie,  31.  J.  S.  190-132.     1901. 

2054.  Schmidt,   P. :     Bibliographie   des   Alkoholismus    der    letzten   20   Ji 

(1880—1900).  1.  Tl. :  Deutsche  Litteratur.  70  S.  Dresden,  O.  V.  B5hmert 

2055.  Schmidtmann.     Schule   und   Arzt   in    den    deutschen   Bundesstaataf 

Vierte^ahrsschr.  f.  gerichtl.  Med.  etc.,  8.  Folge,  XX,  1. 

2056.  Schmiegelow,  E.:    Beiu^e  zu  den  Functionsuntersuchungen  an  Taab* 

stummen  in  Dänemark.     113  S.  Berlin,  A.  Hirschwald.     1901. 

2057.  Schmuziger,  F. :    Beginn  des  Vormittagsunterrichtes  in  der.Volksschnk. 

Jahresbericht  der  Schweizer  Gesellschaft  fQr  Schulgesundheitspflege,  2.  J. 
S.  1-22.    1901. 

2058.  Schneider,    M.:      Ueber   den    Unterricht   der   Taubstummen.     Org.  d. 

Taubst-Anst  in  Deulschld.,  1901,  47,  9  u.  10. 

2059.  Schoemaker,J. :    Hysterische  Hafthaltung, T]rpus  Wertheim-Salomontoo. 

Zeitschrift  für  orthopädische  Chirurgie  etc..  8.  B.  S.  444—460.    1901. 

2060.  V.   Schrenck-Notzing. :     Litteratur   Aber   Psychologie   und   Psyate* 

Pathologie  der  vita  sexualis.  Zeitschrift  für  Hypnotismus,  S.  274 — 284.  190L 

2061.  Schröer,  H. :  Wie  weit  geht  die  Aufgabe  der  Schule  beztkglich  der  kdrp«- 

lichen  Erziehung?    Monatsschrift  für  das  Turnwesen,  S.  257—262.    190L 

2062.  Schröer,  H. :    Die  Ermüdungsmessungen  und  die  Anwendung  ihrer  E^ 

gebnisse  auf  den  Turnunterricht,  insbesondere  auf  die  Zwisohentomstundefl' 
Monatsschrift  för  das  Turnwesen,  S.  97—108,  110—111,  182^187.    1901 
2068.  S  c  h  u  1 1  z  e  Fr. :    Ein   Fall   von   hysterischer  Taubheit.     Deutsche  Aenti* 
Zcitg.,  1901,  4. 

2064.  Schulz,  Ose. :  Quelle  der  Muskelkraft    Festschrift  für  Prinzregent  Loif^ 

von  Bayern,  Med.  S.  319-338.    1901. 

2065.  Schulze,  H. :  Ueber  moral  insanity.    Diss.     Berlin  1901.    43  S. 

2066.  Schumann,  W. :  Die  Grundzüge  der  pädagogischen  Pathologie.    Weiotft 

R.  Wagner  Sohn,  1900,  108  S. 

2067.  Schuyten,  M.  C. :  Over  de  verandert^kheid  der  spierkracfat  bf]  kindWtB 

gedurende  het  kalender  en  het  schooljaar.  (R^sum6  en  langoe  ftmnfii^' 
Sur  la  variabilite,  de  la  force  musculaire  des  enfants  pendant  las  ano^ 
dvile  et  scolaire.)  Paedologish  Jaarboek  hrsg.  v.  Schuyten.  ü.  S.  \-^V^ 
Antwerpen  1901. 

2068.  S  c  h  u  y  t  e  n  ,  M.  C. :    La  force  musculaire   des   etöves   ä  traTom  ranii^ 

C.  R.  IVe  Congris  Int.  de  Psychol.,  1900  (1901),  482-434. 


176  Biblioihica  paedo-psycholcgUa. 

2090.  Strümpell,  A. :    A  Tezt-book  of  Medicine  for  Stadents  and 

(8d  Amer.  ed.)  New  York,  Appleton,  1901.     Pp.  1242. 

2091.  Sturges,  O. :    Schularbeit  und  Schulzucht  in  ihrer  Bedeutung  >«<«M<«h«i 

der  Entstehung  von  Chorea  infantilis.     Die  Kinderfehler,  S.  22 — 8L 

2092.  S  u  c  k ,  H. :    Hygienische  Streiflichter  zur  Schulbank-Frege.     Zeitadirift 

Schulgesundheitspflege,  S.  478.     1901. 
2098.  S  u  c  k  ,  H. :    Die  „Berliner  Schulbank^*  und  ihre  Konkurrenten.    Dm 
haus,  S.  261-276.    1901. 

2094.  S  u  c  k ,    H. :    Die   Rettigbank    und    ihr    neuester   Konkurrent.     ZeitMhr. 

Schulgespfl.,  1901,  XIV,  455. 

2095.  Sudduth,  W.  X.    Fatigue   in   its  Relation   to  Consciousness.    Alieo. 
Nourol.,  1901,  XXII,  467-474. 

2096.  S  w  i  f  t ,  E.  J.    Some  Criminal  Tendencies  of  Boyhood;  a  Study  in  Adoi 

Ped.  Sem.,  1901,  VIII,  65—91. 

2097.  T  a  1  b  o  t ,    E.   S.    Race   Degeneracy   and    Dental   Irregularities.     AKen. 

Neurol.,  1901,  XXII,  495—499. 

2098.  T  a  1  b  o  t ,    E.    S.    Juvenile  Female  Delinquents.    Alien.    &    Neurol. 

XXII,  689    694. 

2099.  T  a  1  c  o  1 1 ,  S.  H.     Mental  Diseases  and  their  Modern  Treatment    New  T( 

Boericke  &  Runyon  Co..  1901.     Pp.  352. 

2100.  T  a  m  b  u  r  i  n  i ,  A. :     Les  aberrations  de  la  conscience  visc^ale.     C  R. 

Congres  Int.  de  Psychol.,  1900  (1901),  216—220. 

2101.  Taylor,    J.  M.    Medical   Supervision    of  Growing    Children.     BulL 

Acad.  M.,  Easton  Pa.,  1900,  V.  48-52. 

2102.  Tesdorpf,  P. :  lieber  die  Bedeutung  einer  genauen  Definition  von 

f.  die  Beurteilung  derGeisteskranken.  IV.  Intemat.Kongress  f.Ptychol.  Feris 
2108.  Thiersch,  J. :    Neue  Gesichtspunkte    für  die  Untersuchung    der 

die  Schule  eintretenden  Kinder.     Zeitschr.  f.  Schulgespfl.,  1901,  XIV,  8^'; 

2104.  Thomas,    H.    M.     Chorea    with    Embolism    of  Central  Artery   of 

A  Short  Review  of  the  Embolic  Theory  of  Chorea.     BulL  Johns 
Hosp.,  1901,  XII,  321—326. 

2105.  Toulouse  &  Marchand.     La  paralysie  generale  juvenile.     J.  da 

Paris,  1901,  XXI,  117—121. 

2106.  Toulouse  &  Marchand.    Demence    pr^coce   par   paralysie 

Rev.  de  Psychiat.,  N.  S.,  1901,  IV.  1—11. 

2107.  T  o  u  r  a  i  1 1  e ,  E. :    De  l'epUepsie  fonctionelle,  primitive  et  h6r6ditaire^ 

culierement  de  cause  et  d'origine  alcoolique.    (These.)    Paris  190QI, 

2108.  Tourette,  G.    de   la.     Localisation    cerebrale   des   troubles   hystdriquib 

Rev.  Neurol.,  1900,  XVIII,  225—227. 

2109.  Tourette,  G.  de  la.    Des   rapports   de  la  chor6e  de  Sydenhsm  svee  Is 

rheumatisme,   la  pubert^   et  la   chor6e   dite  des  femmes  enceintes.     Rer. 
NeuroL,  1900,  VIH,  542-548. 

2110.  T  r  a  p  e  r  o.     Importancia  de  la  educacion  flsica  en  la  mujer.    Med«  y.  Fumi 

Burgos,  1900,  IX,  569-572. 

^  '  (Schluss  folgt) 

Sohriftleitang:  F.  Kemsiet,  WeisMosee,  Könln-OhaiiMee  6  n.  L.  HlrMhlaA;  BerUnW., 
Habsborfferttr.  6.  —  Verlag  von  Hermann  Walther,  Verlagabnchhandlnna,  O.  m  K  BL 
Berlin  8. W^Kommandantenstr.  14.  —  ^erantwortlioh  fttr  G^esoh&ftllohe  MmeUmicega  «bI 
Inserate:  Fr.  Paasohe-Berlin.  —  Dmok:  J.  &PreiUM,  Berlin  8.W.,  Kommeikdear 


Hermann  Walther  Verlagsbuchhandlung  G.  m.  b.  H. 

Berlin  S.W.,  Kommandantensirasse   14 

Geschichte  der  Philosophie 

für 

äebildete  und  Smaierende. 

Von 
Professor  Dr.  A.  Rothenbucher, 

Lehrer  an  der  Militärteclmischen  Akademie  und  an  der  Vereinigten 

Artillerie-  und  Ingenieurschule. 

1/ 


=—  15 'S  Bogen  kl.  8».  -    — - 
'reis:  brosch.  Mk.  2,50,  in  biegsamem  Leinwandband  Mk.  3,—. 


^i^m0^ 


lese  (Tcschichte  der  Pliilosopliie  des  l'rcfessor  Roilienbiicher  ist 
das  Resultat  von  Studien  und  Erwägungen  eines  langen  Lebens  im 
Inlande  und  Auslande.  Die  gro.sscn  I>enker  boiiandelt  er  gr«)>>, 
usführlich,  die  kleineren  kurz,  nft  nur.  um  den  /usammenhani;  /u  zeigen. 
linweise  auf  frühere  imd  spätere  l'hilusophcn  scliärfou  den  Mlick  für  da$ 
llmfihlicbe  Werden  der  Gedankenwelt.  Lel^eralJ  i.-^t  die  ne/iehiini^,  Verwandi- 
chaft  oder  der  Gegensatz  zu  lieuii;:en  Kehren.  Zuständen  oder  Kinrichtuimeii 
jigedeuict.  Natürlich  gehl  e>  dabei  nicht  ohne  Kritik  ab.  die  dIi  M-liarl 
enusZ  i"^t,  aber  stets  auf  dem  sichmi  Fimdamcnie  einer  fe>ti:jefii:;H'n  uüu 
orurteilsireien  Welt-  und  Lcben>auffassunu  ruht.  All«*  Scliola*«nk,  alles. 
fMS  flicbt  in  die  Wissenscliaft  i^ehört,  alie  .SpjiMe  der  riuinui>ie  mikI  iinnaeh- 
ichtlicli  abgewiesen.  Dem  fortgeschrittenen  Teile  <lei  Men>ehheit,  k\vv  mit 
em  \'erf asser  ernstlich  die  Wahrneii  ^nclit,  wird  tias  l'.ueh  ein  ::i'::«'i 
rcuiiti    und  13erater  sein. 


>iese  Geschichte  der  Philosophie  ermöglicht  trotzt  aller  Knappheit 
ine  umfasseDde  Kenntnis  des  behandelten  Gebietes;  sie  ist  daher 
.icht   nur    lür  Studierende,    sondern  auch    für   jeden  Gebildeten 


ein  brauchbares  Hilfsmittel. 


Hermann  Walther  Verlajjsbuchhandlung  G.  in.  b.  H. 

Berlin  S.W.,  Kommandantcnstrasse  14. 


H.  Idelberger,  Die  Entwicklung  der  kindliciieti 
Sprache.  M. 

Dr.  Kurt  Steinitz,  Rechtsanwalt  am  Oberiandesgericht  in 
Breslau,  Der  Verantwortlichkeitsgedanke  im 
19.  .Jahrhundert  (Mit  besonderer  Rücksicht  auf  das 
Strafrecht).  M. 

Dr.  Robert  Gaupp,  Nervenarzt,  Die  Entwicklung  der 
Psvehiatrie  im  19.  Jahrhundert.  M. 

Dr.  Ferdinand  Kenifties,  Die  Entwicklung  der  pädago  - 
gischen  Psychologie  im  19.  Jahrhundert.        M. 

—  Sozialistische     und     ethische    Flrziehung    im 
Jahre  2000.  M. 

Consistorialrat  Dr.  D.  Carl  von  Hase,  Prof.  d.  Theol.,  Die 
psychologische  Begründung  der  religiösen 
Weltanschauung  im  19.  Jahrhundert.  M. 

Dr.  Heinrich  Sachs,  Nervenarzt,  Privatdoc.  d.  Nervenheilk., 

Entw  icklung  der  (lehirnphysiologie  im  19.  Jahr, 
hundert.    Mir  3  Abbildungen.  M. 

Dr.  L.  William  Stern,  Privatdoc.  d.  Philos.,  Die  psycho- 
logische Arbeit  im  19  Jahrhundert  insbesondere 
in  Deut.-^chland.  M. 

Dr.  phil.  A.  Huther,  Die  psychologischen  Grund- 
prinzipi'Mi  dw  Pädagogik.  M. 

Pastor  M.  Henipric'li.  Die  Erziehung  unserer  männ- 
lichen srh\ilontlassenen  Jugend.  M. 

Dr.  F.  Wollny,  Kritiken  und  Erklärungen.  M. 

—  Naturwissenschaft,  .md  Okkultismus.  M. 

Carl  August,  lue  (irundlnütMi  der  Naturwissen- 
schaf\  M. 


2.- 


1.- 


-.« 


1.- 


1.- 


1.- 


1.- 

1.- 
l.ö( 

—.51 


>(•  ..it»  oxtin.K:  F.  Kerii^uu,  \Vt.s«-iiiS!.»i--    l\u!..i.'-!-i.i..tis-.'<-  u   ;.r..i  L.  HimchlAff,   Berlin  W 

Iihi  .i.-.it!'*rrftr.  »>.  —    Vt-rlftg    %*  ;;    Heiii.ii'n.  W;  IthiT.    Vpt I.t;^,shu(rhbandlung;  0.  m.  Ik  K 

Ri.::ii    -\V.  K"ti.mj«;..lHj«tf.T!-.tr.  U    —   \-.  •  .01!  \\».r:ii  •'•.  •  .1  j»<s  i:ätr]iche  Mitteiluiigiien  niM 

itv:  i'i.  i'.'iA.'x.'hc'lJeuin.  -    'i^'.UsV,.    U  s.  v*n-.\-..  v.w'iv.  "^VV«  KommandMitMistr.  U 


7.  Jahrgang.  1905  Heft  3. 


Zeitschrift 


für 


Püdagodiscbe  Psychologie, 

Patbolodk  Hiia  Hygiene. 

Herausgegeben 

von 

Ferdinand  Kemsies  und  Leo  Ilirschlaff. 

Inhalt  von  Heft  3.     ^ 

OrlKinal-Artikel. 

Beiträge     zur    Psychologie     und    Pädagogik     der    Kinderlügen    und 
Kinderaussagen.     I.  II.  III.  IV.  V. 

Theodor     Benda,    Besonderheiten    in    Anlage    und    Erziehung    der    modernen 
Jugend.  II.  (Schluss.) 

Sitzungsberichte. 

Berliner  Verein  für  Schulgesundheitspflege. 

Berichte  and  Besprechangen. 

E.  Ebert  und  E.  Meumann,  Ueber  einige  Grundfragen  der  Psychologie  der  Uebungs- 
Phänomene.  —  J.  Marcinowski,  Im  Kampf  um  gesunde  Nerven.  —  W.  Preyer, 
Die  Seele  des  Kindes.  6.  Aufl.  —  M.  VV.  Shinn,  Körperliche  und  geistige  Knt- 
wricklung  eines  Kindes.  —  H.  Pudor,  Die  neue  Erziehung.  Essays.  —  B.  Brück- 
mann,  Die  Formenkunde  in  Volkschule.  —  J.  Spieser,  Ein  Klassenversuch. 

Mitteilungen. 

Für  Lehrer  und  Lehrerinnen  an  Hilfsschulen.  —   Internationaler  Jugendaustausch. 

—  .Ausstellung  von  Lehrmitteln  in  Leipzig. 

Bibliottaeca  pädo-psyctaologica. 

BERLIN  S.W., 

Hermann  Walther  Verlagsbuchhandlung 

Ci.  m.  b.  IL 

Jähriich  erscheinen  6  Hefte  a  5—6  Bogen. 

Preis:  I.  u.  IL  Jahrgang  a  Mk.  8.—.     111.  Jahrgang,  u.  fL  a  Mk.  10.—. 


'  .  -' 


.^ 


188 


Firdinand  KemsUs. 


doch  kann  sich  dieser  auch  während  der  Aussage  selbst  erst 
herausbilden,  vielleicht  durch  die  Elnwiricungen  oder  unbewussten 
Einflüsterungen  des  Richters.  Das  Schema  spaltet  sich  jetEt  in 
27  F^älle,  von  denen  nur  9  den  dolus  enthalten. 


SacbricbtigM  Wissen  roll 

Ar  —    I.  in  korrekter  DarsteUung; 

idealer  Fall. 
Auf a.  mit  Aussageirrtimiy 

straffrei 
Abf 8.  mit  Lage,  strafbar. 


Sacbrlchtiges,  jetfock  nasidieres  Wtacs. 

Ar   —   4.  in  korrekter  Darstdlnngi 
gewöhnlicher  FalL 

Auf 5.  mit  Atissageintum, 

straffrei, 

Abf 6.  mit  LOge,  strafbar. 

Sachricht.  Wissen  scf.eif.Uekencsgu«i 

Ar  7.  in  korrekter  Darstdlong^ 

hat  nur  ZofaUswert 

Auf 8.  mit  Anssageirrtnm, 

straffrei 

Abf 9.  mit  Lfige,  strafbar. 


Sacliirrtaa  gegMi  eigeae  Uabtruigm 

Ar   10.  in  korrekter  Darstdlimg, 

straffrei,  gewOhnl  FaE 
als  Zengenauss.  pfllni 
Auf  II.  mit  Aassage-   ^•«  "•*• 

Irrtum,  straffrei. 
Abf la.  mit  Lflge, 

strafbar. 
SacblrrtaH  alt  ZwdfoL 
Ar  —  13.  in.  korrekter  Dantdbngi 

straffrei.  !***?* 

Auf 14.  mit  Au8sageirrtiun,l,jJÜ^ 

straf fret  /mp 

Abf — 15.  mit  Lüge,  straf  barljg» 

Uabtiwaifeltar  Sacbkrtw. 

Ar 16.  in  korrekter  DarstdbiDft 

straffrei. 
Auf  —  17.  mit  Au8saffeiiT-|  ^      "^ 

tum,  strafmL    S 
..  18.  mit  Lflge  I 

strafbar. 


Abf 


Lüge  bei  Kindern  unier  4  Jahren.  205 

sn  Scherz  zu  machen,  was  auch  in  anderer  Weise  reichlich 
ing,  und  als  gelungener  Reinfall  dem  Kinde  deutlich  bewusst 
.  Kurz,  das  Vorspiegeln  falscher  Tatsachen  wurde  im  guten 
im  bösen  Sinne  sportmässig  betrieben,  und  es  war  mir  in- 
»ant,  dies  gerade  bei  einem  Kinde  feststellen  zu  müssen,  bei 

bereits  in  so  jungen  Jahren  die  Kennzeichen  einer  Hysterie 
[eprägt  waren,  einer  Krankheit,  welche  sich  bekanntlich  auch 
{entlieh  durch  eine  eigentümliche  phantastische  Lügenhaftig- 
auszeichnet. 

Also  noch  einmal,  ich  behaupte:  auch  Kindern  unter 
ihren  ist  die  objektive  Unwahrheit  ihrer  Reden  be- 
ist,  und  ich  halte  es  nicht  für  zweckmässig,  den  Begriff  der 
e  so  eng  zu  fassen,  dass  diese  und  ähnliche  objektive  Un- 
rheiten  in  unserer  Arbeit  nicht  mehr  Platz  finden  würden. 


Besonderheiten  in  Anlage  und  Erziehung; 

der  modernen  Jugend. 

Von 
Theodor  Benda. 

(Schluss.) 

Der  modernen  häuslichen  Erziehung  wird   von  einer 
Partei  unter  den  Pädagogen  und  Aerzten  die  alleinige  Schuld  an 
allen   Mängeln  physischer  und  psychischer  Natur,  wie  sie  die  : 
Grossstadtjugend   der    höheren    Stände    aufweist,    zugeschoben. 
Dieser  Partei  steht  eine  andere  gegenüber,  welche  dem  zweiten 
Hauptfaktor  in  der   Erziehung,  der  Schule,  die  Hauptschuld 
gibt.    Die  Wahrheit  dürfte  auch  hier  in  der  Mitte  liegen.   Ohne 
Frage  sündigt  die  häusliche  Erziehung  viel  an  dem  Kinde,  ohne 
Frage  aber  trägt  auch  die  Schule  ein  vollgerüttelt  Mass  an  Schuld. 
Ich  habe  wiederholt   an  anderer  Stelle  darzulegen  gesucht,  in 
welcher  Weise  die  Schule   in  geistiger  und  leiblicher  Hinsicht 
auf  die  Entwicklung  des  Kindes  einwirkt.    Hier  handelt  es  sieb 
nur  darum  festzustellen,    welche   Besonderheiten   die    modern^ 
Schulerziehung  aufweist,  wie  sie  sich  den  vorhandenen  Anlagen 
des  ihr  anvertrauten    Menschenmaterials  und  den  ebenfalls  ge* 
gebenen  allgemeinen  Verhältnissen  anpasst. 

Die  höheren  Schulen  der  Gegenwart  sind,  wie  so  vielem 
andere,  eine  Schöpfung  des  19.  Jahrhunderts.  Das  Gymnasia0 
erhielt  seine  jetzige  Gestaltung  durch  Verbindung  der  humanisti 
sehen  mit  den  Realfächern;  aus  der  alten  lateinlehrenden  Real 
schule  bildete  sich  einerseits  das  Realgymnasium,  anderersdt 
durch  Fallenlassen  des  lateinischen  Unterrichts  die  lateinlo» 
Realschule  mit  ihrer  Oberstufe,  der  Oberrealschule.  Währei» 
aber  in  der  ersten  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts  der  Humanismu 
noch  in  Blüte  stand,  ist  gegenwärtig  ein  siegreiches  VordriiigG 


236  Berichte  und  Besprechungen. 

gänge  vom  Seelischen  spielt  u.  a.  Vielfach  kommt  der  Verfasser  auf  ^t 
Psychologie  des  Kindes  zu  sprechen,  da  er  bei  ihm  die  Wurzeln  der 
Nervosität  sucht.  Erziehungsfragen  und  Schulfragen  sind  ihm  wichtiger, 
als  die  Frage  nach  erblichen  Anlagen,  die  zum  Teil  umbildungsffthig  seien. 
Vor  allem  dünkt  ihm  unsere  jetzige  Unterrichtsmethode  eine  verfehlte, 
denn  die  Entwicklungsgesetze  des  kindlichen  Gehirns  würden  nicht  g^ 
nügend  berücksichtigt,  die  Erziehung  zur  Arbeit  fehle  (Handfertigkeit  u.  a.), 
und  für  theoretisches  Lernen  werde  nicht  die  genügende  Reife  abgewartet 
Seine  Kritik  bestehender  Verhältnisse  ist  wohl  zu  scharf  und  nicht  allgemein 
zutreffend;  doch  ist  die  Forderung  nach  grösserer  Berücksichtigung  psycho- 
logischer Erkentnisse  in  Erziehung  und  Unterricht  etwas,  das  man  gern 
unterschreiben  wird.  Im  ganzen  eine  frische  und  wohltuende  Schrift,  voll 
kräftigem  Idealismus,  die  sich  das  Ziel  steckt,  nervöse  Schwäche  zu  kraft- 
vollerem und  glücklicherem  Dasein,  vor  allem  durch  eine  sittliche  Ver- 
tiefung, umzubilden,  und  darin  unterscheidet  sich  das  Büdilein  von  den 
heute  zu  Dutzenden  erscheinenden  Schriften  populärer  Art  sehr  wesentlich. 
Weissensee  b.  Berlin.  Kemsies. 

W.  Preyer:    Die   Seele   des    Kindes.      Sechste    Auflage. 
Nach    dem   Tode   des   Verfassers     bearbeitet    and 
herausgegeben    von   Karl   L.    Schaefer.      Mit   dem 
Porträt  des  Verfassers.    Leipzig  1905.    XVI  u.  448  S. 
Das  Interesse  für  die  exakte  Erforschung  des  kindlichen  Seelenlebens 
ist  erfreulicherweise  in  stetem  Wachsen  begriffen,  und  die  wissenschaftUchen 
Arbeiten  auf  diesem  Gebiete  nehmen  an  Zahl  mehr  und  mehr  zu.  Preyer 
Werk   ist  aber  wohl   unbestritten   dasjenige,   von  dem   die  meisten  oi^ 
fruchtbarsten  Anregungen  ausgegangen  sind.     Noch  jetzt,  fast  25  Jabre 
nach  seinem  ersten  Erscheinen,  hat  es  kaum  an  Bedeutung  verioren.   ^ 
habe  es  daher,  als  ich  nach  dem  Tode  Preyers  von  der  fünften  Aull^ 
an  die  Bearbeitung  des   Buches  übernahm,   im   Einverständnis  mit  ^ 
Familie  des  Verstorbenen  und  dem  Herrn  Verleger  für  geboten  gehaU^Of 
an  Form  und  Inhalt  so  wenig  wie  mö^ch  zu  ändern.     Nur  wo  durch  ^^ 
Wissenschaft  als  gesichert  anzusehende  neue  Tatsachen  aufgedeckt  si^d 
oder  anderes  sich  als  unzweifelhaft  veraltet  erwiesen  hat,  sind   an  ^^ 
entqfurechenden  Stellen  Aenderungen  vorgenommen  worden.    Hauptsädi^ 
gilt  dies  von  den  Abschnitten,  welche  die  EntwkJdung  der  Sinne  und  ^^ 
Willens  zum  Gegenstande  haben.    Möchte  das  Buch  auch  in  dieser  Aufl^ 
zur  Förderung  der  Paedopsychologie  beitragen. 

Gr.-Lichterfelde  b.  Berlin.  Karl  U  Schaefer« 


Milicent  W  ashbarn  Shinn.     Körperlich«   und    geistig* 
Entwicklung  eines  Kindes  in  biographischer  D  ^^ 
stellang.     Bearbeitet  und  hera  usgcgeben  von  P^^ 
fessor  W.  Glabbach  und  G.  Weber.     Mit  einemF^^ 
träi  der  Verfasserin  and   ihrer    Nichte.     Lamg^l^ 
s  a  1 1  a  i^G^  VUl  u.  645  S. 
l^  erste  Haupiteil  des  Buches  behandeh 

pl^'sMoitiicker  and  psychoicübcber  Benebai^  der 


238  Berichte  und  Besprechtngen, 

Leben  des  Menschen  ist  Sache  der  Erziehung.  Fast  alle  MAngel  der  Bil- 
dung und  Sitte  sind  auf  Rechnung  fehlerhafter  Erziehung  zu  setzen,  dis 
gilt  nicht  nur  vom  privaten,  sondern  teilweise  sogor  vom  öffentÜchen 
Leben.  „Fängt  es  aber  mit  der  Jugend  an,  und  es  wird  gelingen,*  sagt 
Goethe.  Die  Erziehung  von  heute  ist,  wie  von  vielen  Seiten  zugestanden 
wird,  eine  einseitig  formalistische,  die  zu  viel  Unterricht  und  zu  wenig 
wirkliche,  den  Menschen  bildende  Erziehung  gibt.  Sie  ist  einseitig  gastig, 
verstandesmAssig,  zu  wenig  ethisch,  fast  gamicht  leiblich.  Die  harmomscbe 
Erziehung  des  Menschen  ist  das  Programm  des  vorliegenden  Boches, 
„Die  neue  Erziehung^!  Der  „Erweiterung  der  Erziehung"  gelten  die  Ka- 
pitel Jugendspiele,  Handarbeit,  der  Gartenbau  in  der  Schule,  der  Sport  in 
der  Erziehung  und  der  ganze  VIL  Teil  des  Buches  ,J>ie  Erziehung  des 
Leibes".  Als  Autoritäten,  die  eine  solche  Erziehung  in  früheren  Jah^ 
hunderten  vertreten  haben,  werden  im  I.  Teil  Montaigne,  Pestalozzi,  Co- 
menius,  Lagarde  behandelt 

Eäne  fernere,  wesentUche  und  notwendige  Ergänzung  der  Erziehung 
ist  die  „Erziehung  zur  Kunst",  die  im  VI.  Teile  berührt  wird.  Der  Er- 
ziehung zur  Musik  ist  der  folgende  Abschnitt  gewidmet.  Daran  schliesst 
sich  ein  Kapitel  über  Volkserziehung  im  engeren  Sinne,  wie  sie  die  nor- 
dischen Volkshochschulen  schon  in  fast  idealem  Sinne  repräsentieren. 
Endlich  behandelt  der  letzte  Teil  verschiedene  Lebens-  und  Erziehnngs- 
fragen  gesondert,  so  diejenige  des  Weibes,  die  Selbsterziehung,  die  Er- 
ziehung zur  Arbeit,  den  Enthusiasmus  als  Erziehungsmittel  —  gerade  an 
dem  fehlt  es  oft  in  unserer  modernen,  gro&sstädtischen,  bureankratischen 
Erziehung,  obwohl  doch  alle  Welt  weiss,  dass  ohne  Enthusiasmus  noch 
niemals  etwas  Grosses  geleistet  worden  ist 

Berlin.  Heinrich  Pudor. 


Die  Formenkunde  in  der  Volksschule.  Ein  Versuch,  den 
Knaben  -  Handarbeitsunterricht  mit  dem  Anschaunngs-, 
Raumlehre*  und  Zeichenunterricht  zu  vereinigen;  von 
Dr.  B.  Brückmann,  Leipzig,  1905. 

Die  Schule  muss  dem  praktischen  Leben  Rechnung  tragen,  heute 
mehr  als  früher.  Um  unsere  Kinder  mehr  als  bisher  für  die  Praxis  aus- 
zurüsten« bemühen  sich  namhafte  Pädagogen,  die  Knabenhandarbeit  als 
Unterrichtsfach  einzuführen.  Schwierig  ist  es,  ihm  den  richtigen  Platz  im 
Unternchtsbetriebe  und  Lehrplan  anzuweisen.  Brückmann  will  ihn  un 
ersten  und  iweiten  Schuljahre  mit  dem  Anschauungs-,  im  dritten  mit  dem 
Zeichenunterricht  verbinden«  Die  Kombination  ist  kaum  zu  Killigf^n^  deflä 
das  Zeichneu  nach  dem  neuen  Lehrplan  stellt  an  die  Volksschule  Att* 
forderungen»  die  oft  über  di«»  Kraft  gehen  werden;  selbst  wenn  HandaibA 
ein  wirksames  Hilfsmittel  für  den  Zeichenunterricht  wäre,  wie  der  ^^ 
fasser  meint«  lies^^e  sich  die  Verbindung  dieser  Fächer  nicht 
Im  IVutschen  ist  eine  Berücksichtigung  der  Handarbeit  wegcA  _ 
Stv>lfmeiig«  nicht  an^Eängig.  Soll  Handarbeit  gelehrt  wiriki,  diP^  ^ 
selbständiges  Fach»  jiedoch  ist  von  einer  Ueberiastmiip  der  EM  \ 

Vennehrung  der  SiuiMleiitahl  abimebeik    Der  V 


244  Mitteilungen. 

im  Kampfe  gegen  Unkenntnis  und  Aberglauben  wirksam  unterstützt, 
dass  sie  aufklärend  und  belehrend  in  den  weitesten  Kreisen  gewirkt, 
dass  sie  auch  die  ^Laien*  zu  fleissiger  Mitbetätigung  an  dem  grossen 
Ziele  nach  allgemeiner  Volksgesundung  angeregt  hat.  Indem  sie  die 
vorhandenen  Lücken  erkennen  Hess,  gab  sie  auch  die  nötigen  Anregungen 
zur  Vertiefung  und  zum  Ausbau  der  beiden  Unterrichtsfächer,  tat  sie 
zugleich  die  unbedingte  Notwendigkeit  zweckdienlicher  Reformen  im 
gesamten  Unterrichtsgebiete  dar. 

Wohl  gab  die  Ausstellung  ein  anschauliches  Bild  vom  jetzigen 
Stande  des  Lehrmittelwesens,  nicht  aber,  wie  die  Veranstalter  meinten,  von 
der  PQege  der  Menschenkunde  und  Gesundheitslehre  im  Volksschulunterrichte; 
das  konnte  sie  überhaupt  nicht,  weil  der  Unterricht  nicht  abhängig  ist 
von  der  Zahl  und  Güte  der  vorhandenen  LehrmitteL  Diese  beweisen 
nur,  dass  die  Lehrmittelindustrie  auf  den  in  Rede  stehenden  Gebieten  zu  aner- 
kennneswerter  Leistungsfähigkeit  sich  entwickelt  hat,  die  aber  wiederum  nur  zum 
ailerkleinsten  Teile  abhängig  ist  vom  Stande  der  Unterrichtsfacher  in  der  Volks- 
schule, da  zum  Absatzgebiete  dieser  Lehrmittel  die  ganze  grosse  Menge  aller  der 
BUdungsinstitute  gehört,  in  denen  Anthropologie,  Anatomie  und  Hygiene  gelehrt 
werden. 

Vor  allem  müsste  der  Nachweis  erbracht  werden,  dass  die  hauptsachlichsten 
und  für  einen  fruchtbringenden  Unterricht  unentbehrlichen  Lehrmittel  nun  auch 
wirklich  zum  Lehrmittelbestande  jeder  Volksschule  gehören.  Ist  das 
der  Fall?  Und  wenn  dem  so  wäre,  will  man  dann  ohne  weiteres  behaupten,  dass 
sie  von  jedem  Lehrer  gewissenhaft  und  fleissig  benutzt  werden?  Die  Wissenden 
werden  verstehen,  wenn  ich  behaupte:  Es  sieht  recht  kläglich  aus  um  die 
Pflege  der  Menschenkunde  in  unseren  Schulen! 

Und  genau  dasselbe  gilt  von  der  Gesundheitspflege.  Wohl  konstruiert 
man  immerfort  neue  Schulbänke,  die  allen  gesundheitlichen  Anforderungen  ent- 
sprechen, wohl  erfindet  man  immer  neue  Wandtafeln,  staubfreie  Kreiden,  prak- 
tische Federn  und  Federhalter,  Spucknäpfe  und  hygienische  Staubschutzmittel, 
aber  wer  wollte  damit  sagen,  dass  unsere  Schulen  nun  wirklich  allen  hygienischen 
Ansprüchen  genügen?  O,  wie  traurig  sieht's  da  oft  noch  aus  selbst  in  grossen 
Städten,  die  sich  rühmen,  ^Schulstädte*  zu  sein! 

Nein,  nein,  diese  Beweise  konnten  durch  dte  Ausstellung  nicht  erbracht 
werden!  Dazu  gehören  statistische  Nachweise,  die  ich  hiermit  angeregt  haben 
möchte. 

Doch  eins  haben  uns  die  immer  praktischen  Leipziger  mit  dieser  Aus- 
stellung gezeigt:  Die  zukünftige  .Ausgestaltung  des  Lehrroittelaus- 
steltungs Wesens  im  allgemeinen.  Ich  glaube,  wir  befinden  uns  auf  dem 
rechten  Wege,  wenn  wir  unsere  Ausstellungen  so  anlegen,  dass  sie  dem  Studium 
der  Lehrmittel  die  nötige  Ausführlichkeit  und  Uebersichtlichkeit  der 
Objekte  und  die  notwendige  Müsse  und  Geistesfrische  der  Besucher 
versprechen. 

Möge  die   .Ausstellung  zur  .Anbahnung  weiterer  Reformen  dieneo, 
Inhalt  anregend  wirken  auf  die  berufenen  Vertreter  und  Herren  der 
sie  Frucht   tragen    bei  allen,    die   an    ihr   arbeiten,  auf  dass  sie 
aUe,  die  dort  tum  harmonischen  Menschen  gebildet  werden 

Halle  a.  S,  £dtt«r4  S 


Bibllotheca  paedo-psycholog^lca 

von 
Leo  Hirschlaff. 

Literatur  des  Jahres  1901. 

B.  Specielle  Kinderpsychologie. 

c)  Schulhygiene   und   -pathologie. 

(SchluBs.) 

2111.  Treves,  Z. :  Ueber  den  gegenwärtigen  Stand  unserer  Kenntniss  die 
Ergographie  betreffend.  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.  (Pflüger's),  1901, 
LXXXVni,  7-67. 

21 J 2.  Tri  beulet,  H,  et  F.  Mathieu:  L'alcool  et  l'alcoolisme.  Paris, 
G.  Carr^  &  C.  Naud,  1900,  9>,  253  S. 

2113.  Troeger:    Durch  Kopfverletzung  entstandene  Geistesstörungen.    Blatter 

für  gerichtliche  Medicin,  S.  241—205,  366—379.    1901. 

2114.  Tro'itzky,  J.  V:     La  sphygmographie  chez  les  enfants.     Ann.  de  Med* 

et  Chir.  Infant,  1900,  IV,  B94— 904. 

2115.  V.    TroU-Borosthyani,    J. :      Geistesüberbürdung.      Neue    Bahnen, 

2.  H.  S.  42-45.    1901. 

2116.  Trombetta:  Nistagmo  e  canili  semicircolari.  Clin.  Mod.,  1901,  VII,  15 — 19. 

2117.  Trömmer,  E.  :     Das   Jugendirresein    (Dementia   praecox).     Halle   a«    S., 

Marhold.     Pp.  28. 

2118.  Truelle    &    Petit:     Sur   un    cas  d'amnesie  continue  consecutif  a  une 

tentative  de  suicide  par  foxyde  decarbone.  Arch.  de  Neurolf  1901, XII,  86—96. 

2119.  T  r  u  m  p  p ,    J. :      Gesundheitspflege    im    Kindesalter.      Stuttgart,    Moritz, 

1900,  80.  119  S.  m.  5  Abb. 

2120.  T  r  ü  p  e  r ,    J. :      Zur   Frage    der    Erziehung    unserer    sittlich    gefährdeten 

Jugend.     H.  5  der  Beiträge  zur  Kinderforschung.     Langensalza,  H.  Beyer  & 
Söhne,  1900,  8». 

2121.  Tschlehoff,  E.  B:    Das  Gehör  unserer  Kinder  und  ihre  Fortschritte  in 

der  Schule  (Russ.).     Wjestnik  Wospitania,  Apr.  1901. 

2122.  Urbantschitsch,    V. :     Ueber   methodische    Hörübungen    und    deren 

Bedeutung  für  Schwerhörige,  Ertaubte  und  Taubstumme.    Aus :    Lehrbuch 
f.  Ohrenheilkunde,  4.  Aufl.  48  S.  Wien  1901,  Urban  &  Schwarzenberg.   1901. 


248 


Bibliothica  faedo-fsychohgiea. 


2166.  Ziehen,    Th. :     Die  Geisteskrankheiten  des  Kindesalters,  in. 

rücksicht  des  Schulpflicht  Alters.  Aus:  Sammlung  ▼.  Abhandlgn. 
dem  Gebiete  der  pädagog.  Psychologie  u.  Physiologie.  V.  Bd*  1» 
79  S.  Berlin,  Reuther  u.  Reichard.    1901. 

2167.  Ziehen.:  Psychosen  der  Pubertät  Der  Irrenfreund,  39.  J.  S.  107— US.  1^ 

2168.  Zünd-Burguet,  A. :    Rectification  de  la  parole  et  d^veloppeiiieiit 

restes  auditifs  chez  un  sourd-muet    La  Parole,  1901,  XI,  3%— 408. 

2169.  Zünd-Burguet,  A.:    Dela  valeur  comparative  des  proc4kl^ 

ou   chirurgicaux   et   des   exercises  orthophoniques  dans  le  traitemeat 
certains  vices  de  prononciation.    La  Parole,  1901,  XI,  257 — 266. 

2170.  Z  u  n  t  z ,  N. :     lieber  die  Bedeutung  der  verschiedenen  Nährstoife  als 

zeuger  der  Muskelkraft.    Pflüger's  Archiv,  83.  B.  S.  557—572.     190L 

2171.  Congress,   VIII.    internationaler,    gegen    den    Alkoholismus,    Wien,    9< 

IV.    1901.     Inhaltsangaben   der   angekündigten  Vorträge.     148  S. 
F.  Deuticke.    1901. 

2172.  Der  gegenwärtige   Stand    der   Heilerziehung   in  Italien.     Die    Kindi 

S.  132-134.    1901. 

2173.  Die  Ermüdung  im  Lichte  der  Biogentheorie.    Die  Wage  No.  10.    1901. 

2174.  Die  soziale  Lage  der  Schulkinder  in  Oesterreich.    Zeitschr.  f.  Schol 

1901,  XIV,  1,  2,  4  u.  5. 

2175.  Geistige  Ermüdung  der  Kinder,  (nach  Anton).    Die  Umschau,  S.  110.    IS 

2176.  Inwiefern   beeinflussen  innere  Krankheiten   den  Charakter  und  welche 

gaben   erwachsen    dem  Arzt   dabei?    2.  Tausend.    16  S.    Preiburg  i. 
Speyer  &  Kaerner.     1901. 

2177.  Krankhafte  Bewustseinsstörungen.    Psychische  Studien,  S.  486—488.     II 

2178.  Schüchterne  Kinder.    Neue  Gesundheitswarte,  S.  328,  344     1901. 

2179.  Taubstumm-Blind :     Dreifach  gefangen  und  dreifach  befreit    Stimmen 

Maria-Laach,  60.  B.  S.  469-472.    1901. 

2180.  Vorläufige  Ergebnisse  der  ärztlichen  Untersuchung  der  1899  und  1900 

schulpflichtige    Alter    gelangten    Kinder.      Zeitschrift    für    schwei 
Statistik,  S.  457-478.    1901. 

2181.  Wie    beeinflusst    regelmässiger    Alkoholgenuss    in    massiger    Menge 

Gehirntätigkeit?    Schweizerische  Blätter  f.  Gesundheitspflege,  S.  5.     190L' 


SohrifUeitaxig :  F.  Kemaiea,    WeiMensee,  Königg-Ohanasee  6   u.  L.  Hiraohlafl^ 
Habtburgentr.  6.  —  Verlag  von  Hermann  "^^^ther,  Verlagsbnohhandlaii^  O. 
Berlin  äW^Kommandantenstr.  14.  —  Verantwortlich  für  Gesoh&ftliche  IT 
Inserate:  Fr.  Paaache-Berlin.  —  Druck:  J.S.Pren88,  Berlin  S.W.,  Kammaii< 


HERMANN  WALTHER  VERLAGSBUCHHANDLUNG  G.  m.  b.  H. 

BERLIN  S.W.  19,  Kommandantcnstrassc  14. 


Dr.  A.  KTSTRÖM  (STOCKHOLM) 

Das  GescMeclitsleben 
und  seine  Gesetze. 


296  Seiten  gross  8^  Preis:  M.  5,—. 


Aus  dem  Vorwort  des  Verfassers: 

«Ich  habe  viele  Gründe  zu  nachstehender  Arbeil  gehabt, 
vor  allem  jedoch  waren  dies  die  Mitteilungen,  die  mir  von 
meinen  Patienten  über  ihren  Kummer  und  ihre  Leiden. 
die  auf  sexuellen  Ursachen  beruhten,  gemacht  wurden. 
Ich  gebe  auch  zahlreiche  derartige  Mitteilungen  wieder  .  .  .  und 
kann  auf  diese  Weise  die  Kranken  selbst  über  ihre  Krank- 
heits-  und  Leidensgeschichte  reden  lassen. 

Ich  will  die  Gesundheit  ihre  Sprache  sprechen  lassen  und 
die  Krankheit  die  ihrige;  ich  will  das  Evangelium  der  Lebens- 
freude verkünden  für  diejenigen,  die  die  Natur  und  das  Natür- 
liche im  Menschen  verstehen  wollen,  und  die  Verwüstungen 
zeigen,  die  angerichtet  werden,  wenn  die  Grundgesetze  des  Lebens 
nicht  befolgt  werden**. 


Der  Reichs-Medizinalanzeiger  schreibt  darüber: 

Der  Verf.,  der  Direktor  der  Stockholmer  Volksakadeniie, 
wurde  zu  seiner  Arbeit  durch  die  vielen  Klagen  veranlasst,  <lie 
ihm  von  seinen  Patienten  über  ihr  sexuelles  Leben  vorgebracht 
^'urden.  Demgegenüber  hebt  der  Aulor  die  gewaltigen  Züge  von 
Grösse  und  Idealität  hervor,  die  neben  nianeheni  Widerwärtigen 
im  Geschlechtsleben  zu  beobaeblen  sind.  Die  ganze  Dar- 
stellung durchzieht  ein  ernster,  von  wissenschalll  iclieii 
Gesichtspunkten  ausgehender  Ton,  der  sieh  ebenso  frei 
von  Prüderie  wie  von  Leiehtlertigkeit  hält.  .ledenralls  ist  das 
treffliche  Buch  ein  guter  Krsatz  für  die  weitver- 
breitete Schundliteratur,  die  schon  so  viel  l'nheil  bei 
jungen  Leuten  angestiftet  hat.  Möge  es  recht  VvcV^w  Ttv>'$»V 
und  Belehrung  brinf^en! 


D  a  a  a  D  Neue  Erscheinungen  o  a  a  a  o 

aus  dem  Verlage  von  Hermann  Walther  in  Berlin  SW.  19.  * 

August,  (.'..  Die  (JruiidlajLreii  clor  Naturwissenscliaft.    <>J  S.    8^. 

Mk.     1,50. 

Dewey,  John.  Sclnijo  und  üffiMitlit^hos  Leben.  Aus  dem  Englischen 
üln»rs<»tzt  von  KIse  (Jurlitt.  Mit  einleitenden  Worten  von  I*rofessor 
Dr.  L.  (iurlitt.    7J  S.    S».  Mk.     1,50. 

l)ie  verheiratete  Lehrerin.  Verband hm^j^en  der  ersten  int^mationalen 
Lidirerinneii  -  Versamnilun«^  in  Deutscdihmd.  Heraushieben  vom 
Landesven'in  l*ivussisclier  Volkssi-luillebrerinnen.  8ü  S.  i^.     Mk.     1,—. 

Gaupp,  Dr.  Kobert,  Die  Entwi<*klung  der  Psychiatrie  im  11).  Jahr- 
hundert.   2i)  S.    8«.  *  Mk.  -,60. 

von  Hase,  Prof.  Dr.  3).  Carl,  Die  psyehologiselie  Bep:ründun|2r  der 
religiö.sen    Weltansobauun;^ '  im    10.    Jahrhundert.     2f>  S.    8*. 

Mk.  -,8a 

Hather.  Dr.  A.,  Die  psvcholofrisclien  Grundprinzinien  der  Päda- 
ixo^'ik.     i\2  S.    ^^  ^  Mk.     1,—. 

Idelberger,  Dr.  11.  A.,  Die  £nt\vicklun;ij^  der  kindlichen  Sprache. 
87  S.    HO.  Mk.     2.-. 

Kemsics,  Direktor  Dr.  Ferdinand.  Die  Entwicklung  der  pädagogischen 
Psychologie  im  U».  Jahrhundert.     42  S.     8".  Mk.     1.—. 

Moli,  Dr.  med.  Albert,  Nervenarzt,  Der  Einfluss  des  grossstädtischen 
Leben.s   und  des  Verkehrs  auf  das  Nervensystem.     34  S.    8*. 

Mk.     1,-. 

Moll,  Dr.  med.  Ali>eit,  (U'sundbeten,  Medizin  und  Okkultismus. 
47  S.    H«».  Mk.     1,-. 

Moolet,  Alfr. ,  Pioniere  des  sittlichen  Fortschritts.  Autorisierte 
L'ebersetzung  aus  dem  Französi.'<chen  „Le  mouvement  etliiquc*.  Von 
Dr.  1{.  VvuYAir.    VI  u.  Uy2  S.    8«.  Mk.     1,20. 

Nyström«  Dr.  A.,  Das  (Jeschlechtsleben  und  seine  Gesetze.  29(>  Seiten 
;^r«»ss  H'J.  Mk.     5,—. 

Rotheobficher,  IVnf.  Dr.  A.,  (teschichte  der  Philosophie  für  (iebildete 
und  Studierende,     l")»  ^  B<»«rt*n  kl.  8".  Brosch.     Mk.     2,50, 

eleg.  gebunden     Mk.     3,—. 

Sachs,  Dr.  Heinrich.  Nervenarzt,  Privatd(»zent  der  Nervenheilkunde.  Ent- 
\vi«:klun.Lc  di*r  (ieliirnphvsiologie  im  11».  Jahrhundert.  Mit 
:;  Abbil.lun.mMi.     iM»  S.    8".    *  Mk.     1,-. 

Samson-Himinelstjerna,  II.  von,  Anti-Tolstoi.     KJ;)  S.    8».  MJc.     2/)0. 

Schnitzer,  Dr.  Hubert,  (liefarzt  »Um*  Kückenmühler  Anstalten  in  Stettin. 
A  lk(»h«ilisnius  innl  (leist rsst örung.  ( JemeinverstÜn-'Uch  dar- 
P'stfllt.     L*   Untren  8".  »k.   —  ,Ö0. 

Steinitz,  Dr.  Kurt.  Iieihtsanwalt  am  ( )berbinde.Sirericht  in  Breslau,  Der 
Verant  Nvurt  lifbkoit  .«^ireilank»'  im  U*.  Jahrhundert.  (Mit  be- 
somlrnT   llii.'k-irht   auf  das  Strafre.-bt  .     :V2  S.     8«.  Mk.      1,-. 

Stern,  Dr.  L.  Wllliani.  I*iivatd«»z»Mit  der  IMiilns..  Die  psvchologische 
Arl)eit  im  II».  .1  a  h  rhuiuh'rt  insbes«iii<lere  in  I)cntsoUland. 
•IS  S.     .s".  Mk.     1,-. 


i 


Sohriitlfitiiu«;:  K.  Kvinnifs.  Wei.ssensee,  Königfl-UtiauMsoc  *i  u.  L.  Hirichlaff,  BarlinW*, 
Hal>s>ur:;*T.'4?r.  <•.  —  VerlHt;  voti  lluimiuin  \Valthf*r,  Verliij^buchhandlaiiff,  O.,  m  bu  B^ 
lierlin.S.W,  KornmanilHiitensIr.  lt.  --  VerHtif wörtlich  tar  (teschiiftliche  MltteilirngMI  WM 
iDStTHtf:  h'r.  Piuiichb- Berlin.  -    Diuck:  .7.  S.  Pruu!«s,  Ueriin  SAV.,  KommandantcnalkaMi ]4> 


7.  lahisang.  1905.  Heft  4. 


Zeitschrift 


fOr 


PUdadogiscbe  Psychologie, 

Pathologie  und  l)ydieiie. 


Herausgegeben 


von 


Ferdinand  Kemsics  iind  Leo  Hirsrhlaff. 


-     Inhalt  von  Heft  4.   r=r^_ 

Abhandlungen^ 

»       Emil  Reoschert,  Moritz  Hill  in  seinem  Leljen  and  Schaffen. 

L.  William  Stero,   Ueber  Beliebtheit  und  Unbeliebtheit  der  Schnlfächer« 

Mit. 6  Figuren  und  7  Tabellen. 

iSitzungsberichte. 

Psychologische  Gesellschaft. 

Berichte  und  Besprechungen. 

£.  Müller,   Ueber  mehrdimensionale  Räume.   —   S.  Exner,    Ueber  den 

oentralen  Sehact.   —   R.  Goldscheid,   Ueber  die  Notwendigkeit  willens- 

theoreiischer  Betrachtungsweise.  —  R.  Eisler,   Der  Wille  zum  Schmerz. 

—    Th.   Elsenhans,    Die   Aufgabe    einer   Psychologie   der   Deutung.    — 

Forttetnao  anf  der  iweltan  8e  ta  des  Umtohlagt 


BERLIN  S.W. 

IHermann  Walther  Verlagsbuchhandlung 

O.  m.  b.  H. 

Jährlich  erseheinen  6  Hefte  ä  6—6  Bogen. 

Preis:  I,  u.  II.  Jahrgang  k  M.  8.—.    IIL  Jahrgang  u.  fl.  ä  M.  10.—. 


250  Emil  ReuscheH. 

der  Täubstummenbildung  Wege  zu  weisen,  die  noch  jetzt 
schritten  werden.  Dafür  gebührt  ihm  der  Dank  aller  Mensch 
freunde.  Ganz  besonders  sind  es  aber  die  Taubstummenlehr« 
die  das  Andenken  ihres  Altmeisters  stets  in  Ehren  gehalten  hab 
imd  die  jetzt  zu  der  Himdertjahrfeier  ihrer  Ehrerbietung  und 
barkeit  Ausdruck  verleihen  wollen.  Ihre  Fachzeitschriften  sind  voll  ^^^ 
Festbetrachtungen  imd  Hillerinnerungen.  Die  Taubstummenlelm. : 
Oesterreichs  haben  schon  im  April  d.  J.  mit  ihrer  Vereinsversanr^ 
limg  zu  Wien  eine  Hill-Gedenkfeier  verbunden,  für  die  Direktor 
Brunner,  der  Herausgeber  der  ,.Eos*%  die  Festrede  übemomnc».^ 
hatte,  und  jetzt  ist  Hill  in  Weissenf  eis,  der  Stätte  seines  Wirk^xris 
ein  stattliches  Denkmal  aus  Erz  und  Stein  errichtet.  Der  geschah -fs 
führende  Ausschuss  des  deutschen  Taubstummenlehrerbundes  h£fe.'C:t€ 
der  vorgeschrittenen  Zeit  wegen  von  dem  8.  Dezember  AbstajxTid 
genommen  und  den  Termin  der  Enthüllungsfeier  auf  den  28. 
tember  gelegt,  um  einer  grösseren  Anzahl  von  Taubstummi 
lehrem  am  Anfang  der  Herbstferien  die  Teilnahme  an  derselb 
zu  ermöglichen. 

Zu  der  Weihe  des  Denkmals  hatte  sich  ein  erlesenes  Pub 
kum  eingefunden.  Vertreter  der  Behörden,  der  städtischen  KoUegie 
der  Geistlichkeit  beider  Konfessionen  und  des  Offizierkorps  war^^^ 
zugegen.     Von  Bildungsanstalten  waren  ausser  dem  TaubstummetT""^ 
institut  vertreten:  die  städtische  Oberrealschule,    das  Kgl.  Lehre  '^ 
Seminar,  die  höhere  Mädchenschule,  die  Kgl.    Unteroffizierschid^^ 
die  Bürgerschule,    die  Volksschulen  und    aus    dem    benachbartem 
Langendorf  die  Landwaisen- Anstalt.    Schulrat  Walther,  der  Direkte^ 
der  Kgl.   Taubstummen-  und  Taubstummenlehrer-Bildungsansta— 
zu  Berlin,    feierte    als  Vorsitzender    des  Bundes    deutscher  TauB 
Stummenlehrer    in    der   Festrede    die   Verdienste    Hills.      Sodarr 
übernahm  der  Landeshauptmann  Geheimrat  Bartels  das  Denkma 
eine  Schöpfung   des  Bildhauers  Peter  v.  Woedtke    zu  Berlin, 
die  Obhut  der  Provinz  Sachsen;  Seminardirektor  Girardet  begrüss 
die  Festversammlung  im  Namen  der  Kgl.  Unterrichtsverwaltiu 
und  darauf  folgten  die  Ansprachen  der  Vertreter  des  preussisch 
bayrischen  imd  sächsischen  Taubstummenlehrervereins  imd  mehre 
Gauverbände.     Das  Ausland   war  vertreten    durch  Professor 
Gallaudet  zu  Washington,    Professor  Ferreri  zu  Rom   und  T 
Stummenlehrer  Carstensen  aus  Dänemark,    die   gleich    ihren 
rednem  Kränze  am  Denkmale  niederlegten  und  in  ihren  R 
den  Einfluss  Hills  auf  ihre  Methode  in  der  Heimat  hervorh 


252  Emil  Reuschert, 

Mendelssohns  und  Bernhard  Kleins  zu  machen  und   unter   il^  :x^^r 
Leitung  arbeiten  zu  dürfen.     Aber   auch   in   den  WissenschaE-it^n 
suchte  er  sich  zu   vervollkommnen;  zu  diesem  Zwecke   besuch l^^^g 
er  an    der   Universität   Vorlesungen   in    Pädagogik,    Mathema^-fiik, 
Geographie    imd  Geschichte.     Dei  Berliner  Aufenthalt   war   m^^^i^ch 
seiner    eigenen  Aussage    die    schönste  Zeit   seines  Lebens.    Euer 
empfing  er  so  reiche  Anregung,  dass  sich  sein  Blick  weitete    ^u^nd 
sein  geistiger  Horizont  weit  über  den  Sehkreis  seiner  Standes  ^ge- 
nossen ausdehnte.     Durch  den  Verkehr  mit  wissenschaftlich     xüid 
künstlerisch     hervorragenden     und    gesellschaftlich     bevorzug^ten 
Persönlichkeiten  eignete  er  sich  ein  weltmäimisches  Auftreten,     an, 
das  ihn  vor  anderen  seinesgleichen  sehr  auszeichnete. 

Zu  seinem  Leidwesen  fand  diese   herrliche  Zeit  durch    eine 
Versetzung  an  die  Weissenfelser  Taubstummenanstalt  ein  trauriges 
Ende.    Nur  mit  Widerwillen  nahm  er  seine  neue,  ihm  aufgedrungene 
Tätigkeit  auf.     Er  konnte  zunächst  seiner  Arbeit  keinen  Geschmack 
abgewinnen,    sodass   ihn   sein  Vorgesetzter,    Seminardirektor  ID^- 
Harnisch,  ernstlich  zurechtweisen  musste.     Was  er  bis  dahin  ni<^^^ 
aus  Neigung  zu    tun   vermochte,  tat    er  mm  aus  Pflicht,  und      1^ 
länger  imd  mehr   er   arbeitete,    umsomehr   wuchs    sein  Intere^^^ 
an  der  Sache,   der   er   diente,    und    die   ihn  Zeit   seines   Leb^-^^^ 
nicht  wieder  los  liess.     In  einer  langen  Berufszeit  von  44  Jahr^^^ 
ging  er  schliesslich  in  seiner  Arbeit  ganz  auf,  sodass  er  ihr  nic^  ^*^ 
nur   die   pflichtmässigen   Dienststunden   widmete,    sondern   aa"*^^ 
seine  gesamte  Freizeit  zum  Opfer  brachte. 

Es  hat  Hill  nicht    an  Auszeichnungen    gefehlt;    denn   sei 
Verdienste  fanden  nach  oben  wie  nach  imten  hin  volle  Würdigui 

Hill  war  zweimal  verheiratet,  das  erste  Mal  mit  der  Tochi 
des  Oberpfarrers  und  Superintendenten  Schmidt.  Der  berühi 
Literaturhistoriker  Professor  Dr.  Erich  Schmidt  zu  Berlin  ist  ein  N& 
von  ihr.  Die  zweite  Gattin,  eine  geborene  Ramus,  entstamir:^^^^* 
der  französischen  Schweiz.  Beide  Ehen  blieben  kinderlos.  JtJt^ 
starb  am  30.  September  1874.     Seine    zweite  Frau,    die   ihm  -^ 

seinem  Alter  eine  treue  Stütze  war,  ist  ihm  im  Tode  nur  weni 
Tage  vorausgegangen. 

Hills  innerer  Werdegang. 

So  einfach  und  schlicht  und  ohne  bemerkenswerte  Zwisch^^ 
fälle  Hills   äusseres   Leben   verlief,    so    überaus   reich   war  s^^  -^ 
innerer  Entwickelimgsgang. 


254  Emil  Ütutchert, 

wenn  es  früher  überhaupt  ein  bis  in  die  Einzelheiten  hin  a 
gebildetes  Unterrichtsverfahren  gegeben  hat,  war  unter  Petsd 
und  Dr.  GrasshoS  zu  einer  geistlosen  Schablone  herabgesunk 
In  dieser  Verfassung  hatte  Hill  während  seines  Berliner  A 
enthaltes  den  Taubstummenimterricht  flüchtig  kennen  gelernt 

Da  trat  Schulrat  Graser  auf.  In  seiner  Schrift  „Der  dun 
Gesicht  und  Tonsprache  der  Menschheit  wiedergegebene  Tau 
stumme'*  stellte  er  sich  in  direkten  Gegensatz  zu  den  alt 
Berufstaubstummenlehren.  Diese  hatten  in  ihren  Schriften  behaupt 
der  Taubstumme  sei  ein  Wesen,  das  von  hörenden  Mensch 
grundverschieden  sei.  Er  sprach  ihm  dagegen  alle  geistigen  tu 
moralischen  Fähigkeiten  jedes  anderen  Menschen  wieder  zu.  S 
hatten  ihn  von  der  menschlichen  Gesellschaft  isoliert,  er  wi 
ihn  in  diese  wieder  hinein.  Sie  hielten  geschlossene  Anstalt 
für  nötig,  in  denen  er  nach  einem  komplizierten  Verfahren  ai 
gebildet  werden  sollte.  Er  empfahl,  ihn  einfach  mit  den  ander 
Kindern  in  die  Volksschule  zu  schicken  und  mit  diesen  gemeinst 
zu  unterrichten.  Er  stellte  ein  System  auf,  wonach  es  ga 
gleich  sei,  ob  ein  Hörender  die  Sprache  durch  das  Ohr  vemehn 
oder  ein  Taubstummer  sie  ohne  weiteres  durch  das  Gesicht  v 
dem  Mimde  des  Sprechenden  aufnehme.  Man  sieht,  zu  welch 
Übertreibungen  eine  zu  scharfe  Opposition  führen  kann, 
ist  eine  alte  Wahrheit,  dass  sich  Extreme  in  der  Geschichte  • 
ablösen. 

Grössere  Gegensätze  konnte  es  auf  methodischem  Gebi< 
nicht  geben  als  die  Lehrmeinungen  der  2^i^enossen  Dr.  Grassh 
und  Dr.  Graser.  Ersterer  erblickte  das  Heil  der  Taubstunmi 
in  einer  möglichst  weitgehenden  Ausbildtmg  der  Gebärdensprac! 
und  letzterer  schuf  inbezug  auf  den  Lautsprachunterricht  c 
Taubsttunmen  eine  blosse  Utopie.  Waren  auch  Grasers  Vorschll 
nicht  durchführbar,  so  bewirkten  sie  doch  eine  eingehec 
Revision  der  alten  Grundsätze,  nach  denen  man  beim  Unteiri< 
verfuhr. 

Dr.  GrasshoSs  Aufruf,  für  alle  erwachsenen  Taubstumic 
besondere  Kolonien  zu  gründen,  kam  einer  Bankerotterkläru 
der  deutschen  Methode  gleich»  imd  Dr.  Graser  verlor,  als  Philosc 
der  alten  Schule  seinen  spekulativen  Neigungen  folgend,  gs 
den  realen  Boden  unter  den  Füssen.  Seine  Leitsätze  was 
wissenschaftliche  Seifenblasen,  die  danach  angetan  waren,  dw 
ihren  Glanz  anzuziehen,  zu  entzücken  und  zu  bestechen,  die  ab 


Moritz  Hin  in  seinem  Leben  und  Schaffen.  255 

sobald  sie  mit  der  Wirklichkeit  in  Berührung   kamen,    in   nichts 


Hill  war,    als   er  die  bestehenden  Unterrichtsverfahren  einer 
unterzog,    von   keiner    der  Parteien   präokkupiert,   weil  er 
sich     vorher    nur    herzenswenig    um    die    ganze    Taubstummen- 
bildtingsangelegenheit   gekümmert   hatte.     So   war   es   ja  nur  zu 
erklärlich,    dass    weder  Dr.  Grasshoff,    noch   Dr.  Graser   Einfluss 
auf  ihn  gewonnen  hatte.    Wir  finden  es  darum  auch  ganz  natür- 
lich, dass    er   bei   seiner  Prüfung  ohne  jede  Voreingenommenheit 
an  die  Sache  herantrat.    Scharfsinnig  untersuchte  er  die  einzelnen 
Systeme,  imd  fleissig  probierte    er   in    der   Praxis.     Durch    seine 
theoretischen  Erwägungen    und    seine   praktischen  Übimgen  kam 
er    zu    der  Überzeugung,    dass    der   eine    wie   der  andere  in  der 
Irre  ging.     Hatte    er   zuerst  nur  seine  Schuldigkeit  in  der  Schule 
getan,   um  Harnisch,    mit    dem    er    auf   sehr   gespanntem   Fusse 
l^bte,   keinen   Anlass   zu   irgend   welchem  Tadel   zu   geben,   so 
'^gte   sich    nunmehr  in  ihm  der  Forschereifer.     Er  hielt  sich  für 
hexten,    der  Entwicklungsgeschichte  in  ihrem  Laufe  eine  andere 
^ohtung  zugeben.  Er  wollte  Wege  aufspüren,  um  auf  methodischem 
G^tiete  Neuland   zu   gewinnen.     Seine  .ausserordentliche  Energie 
^^'^d   Arbeitskraft    liess    es    sich,    nachdem    einmal    der    Ehrgeiz 
&^V^eckt  war,    nicht   genug  sein,    die  engeren  Berufspflichten,  die 
'^^    normale  Naturen   schon   reichlich   bemessen  sind,  vollauf  zu 
er^tillen,    sondern   er  entwickelte    noch  eine  überaus  rege  schrift- 
s^^^llerische    Tätigkeit.      Zunächst    hielt    er     eine    schonungslose 
A-t^xechnung   mit    den   Vertretern    der   alten    Schule.      An   ihren 
Sotriften   übte  er  eine  geradezu  vernichtende  Kritik*.     Das  alte, 
sclion   morsche  Lehrgebäude   rannte  er  hart  an,   dass  es  in  allen 
^^gen   krachte   und   zusammenbrach,    und    auf    den    Trümmern 
^^chtete   er   ein   neues  Unterrichtsgebäude,    das    für  den  Taub- 
stummen zweckmässiger  war.     Bei  seinen  Arbeiten  kam  ihm  seine 
pädagogische  Allgemeinbildimg   ungemein    zustatten.     Er   war  in 
^er  Atmosphäre  aufgewachsen,  wo  überall  der  Hauch  pestaloz- 
zischen    Geistes    zu    verspüren    war.     Als    er   in   Bunzlau   war, 
wirkten  an  dem   dortigen   Seminar    die   Schulmänner  Hoffmann, 
Henning,    Dreist,   Dr.  Krüger,   Karow  und  Kawerau,    von  denen 
mehrere   direkte   Schüler  Pestalozzis   waren.    In   Berlin   gehörte 
es  auch    zu   seinen  Obliegenheiten,   die  Plamann'sche  Anstalt  zu 


«Reucfaert,  „HiU«  S.  26—48. 


256  Emil  lieuscheH. 

besuchen,    die    auf    Anregung    der    preussischen   Regierung  die 
Bestimmung    hatte,    im   eigenen  Vaterlande  junge  Lehrer  mit  der 
Erziehungs-    und    Unterrichtsmethode     des     grossen    Schweizer 
Pädagogen   vertraut   zu  machen.     In  Weissenfeis  lernte  Hill  den 
Pestalozzianismus   in    modifizierter  Form  kennen.    Harnisch  war 
kein   unmittelbarer  Schüler  Pestalozzis,    deshalb  huldigte  er  auch 
nicht   der   strengen  Auffassimg   inbetreff   des  Grundprinzips   von 
der   formalen   Büdung,    wie   sie  in  Bunzlau  herrschte.     Auf   düe 
Frage,  ob  er  ein  Pestalozzianer  sei,  antwortete  er  auch  nicht  mit 
einem    kurzen,    bedingungslosen    .,Ja'*,    sondern:     „Wenn     man 
danmter   einen   Schulmann   versteht,    der   weder    in   Gedächtnis- 
werk,    noch    in    gegenstandlosen  Verstandesübungen,    sondern  in 
allseitiger  Ausbildung   des    ganzen  Menschen  das  Ziel  der  pesta- 
lozzi'schen  Bestrebimgen  imd  in  der  Liebe  das  Mittel  findet,  um 
es   zu  erreichen**.    War  Harnisch  kein  direkter  Jünger  Pestalozzis, 
der   den   persönlichen  Eindruck  „dieses  Mannes  des  Feuers  und 
der  Liebe**  durch    ein  Zusammenleben    mit  ihm  an  sich  verspürt 
hatte,  so  war  er  doch  ein  begeisterter  Anhänger,  der  im  allgemeinen 
ganz  auf  der  Grundlage  „des  Weisen  von  Ifferten**  stand,  indessen 
in  Einzelheiten   nach   freiem   Ermessen   Veränderungen    eintreten 
Hess.    Für  BüU  bedeutete  es  einen  Gewinn,  den  man  nicht  hoch 
genug   anschlagen   kann,    dass    er   in    Schulanstalten   leben    und 
lehren    durfte,    in   denen   der  Pestalozzianismus  herrschte,   u.  zw. 
in  den  beiden  Hauptrichtungen,  in  der  strikten  und  in  der  freien. 
Dadurch   wurde    es   ihm  vorbehalten,  die  Grundsätze,  die  in  der 
allgemeinen  Menschenerziehung   zur  Geltung  gelangt  waren,  auch 
auf   die   Taubstummenbildung   anzuwenden.     Wie  Pestalozzi  die 
Anschauung   als    das    Fundament    aller   Erkenntnis    bezeichnete, 
so   gründete    auch  Hill    die  gesamte  Sprach-    und  Geistesbildung 
des  Taubstmnmen  auf  die  unmittelbare  Anschauung.     Für  seinen 
Sprechimterricht  war  ihm  die  Entwicklung  der  Muttersprache  bei 
dem  hörenden  Kinde  vorbildlich. 

Jedoch  nicht  nur  das,  was  Hill  in  seiner  unmittelbaren 
Nähe  vorfand,  griff  er  mit  Geschick  auf;  er  unternahm  audi 
Reisen,    um  andere  Erziehungsanstalten  näher  kennen  zu  lemeiL 

Ganz  besonders  vertiefte  er  sich  bei  seinen  Studien  aber  ift 
die  Meisterwerke    der  Pädagogik   imd  ihrer   HilfswissensrhlUlfc- 
imi    die  Schätze,    die    er  aus    ihnen  hob,  für  sein  So»*    *   "*  ^^ ' ' 
gangbare   Scheidemünze    zu   verwandeln.     So   folgte   « 
Gruppierung   des    Anschauungsstoffes    im    grossen  ^ 


Moritz  HiU  in  seinem  Leben  und  Schaffen.  257 

Denzels  Anschauungskreisen,  und  au!  die  Gestaltung  des  Sprach- 

imterrichtes    waren    Beckers    Schriften    (Über   die   Methode    des 

Unterrichts    in    der    deutschen    Sprache.      Schulgrammatik    der 

deutschen  Sprache.    Beide:  Frankhirt  1832)  von  unverkennbarem 

Einflüsse.     Aber   nirgends    handelte    es    sich    bei    ihm    um    ein 

blosses  Nachahmen,  sondern  er  erfasste  alles  mit  lebendiger  Kraft, 

assimilierte  es  und  liess  es  aus  seiner  praktischen  Arbeit  heraus  in 

seinen  Schriften  als  ein  abgeschlossenes  Ganzes  erstehen. 


Hills  Werke. 

V.        Theoretische  Schriften  für  die  Hand  des  Lehrers.     Chrono- 
logische Reihenfolge. 
1.  Leitfaden  für  den  Unterricht  der  Taubstummen.     Sonderab- 
druckaus Diesterwegs  „Wegweiser  für  deutsche  Lehrer.  1838. 

2-  Vollständige  Anleitung  zum  Unterricht  taubstummer  Kinder 

im  mechanischen  Sprechen,  Absehen,  Schreiben  und  Lesen. 
1839. 

3-  Ajüeitung  zum  Sprachunterrichte  taubstummer  Kinder.     Für 
Pfarrer  imd  Lehrer.     1840. 

4-.   Kurze  Nachricht  über  die  Taubstummenanstalt  zu  Weissen- 
fels.     1853. 

3-   Beleuchtung  der  in  preussischen   Gesetzen  enthaltenen  Be- 
stimmungen über  taubstumme  Personen.     1861. 

t>.  Der  gegenwärtige  Zustand  des  Taubstummenbildungswesens 
in  Deutschland.     1866. 

7.   Grundzüge  eines  Lehrplanes  für  Taubstimimenanstalten.   1867 

8-   Die   Geistlichen    und    Schullehrer    im    Dienste    der    Taub- 
stummen.    1868. 

9.  Die  neuesten  Vorschläge  zur  Förderung  des  Taubstummen- 
bildungswesens.    1872. 
lO.  Entwurf    eines  Reglements    für   das  Taubstummenbildimgs- 

wesen.     1874. 
^  Bildersammlimg  für  Taubstvmime.      1841.     (24  Bilderbogen 

mit   je    16  Darstellungen    von    Einzelgegenständen.     Farbig 
und  schwarz). 
:.  Schidbücher  für  die  Hand  der  Kinder.     In  der  Reihenfolge, 

wie  sie  von  den  Kindern  in  der  Schule   gebraucht  werden. 

1.  Lesefibel  für  Volksschulen  und  Taubstununenanstalten.  1853. 

2.  Erstes  Wörter-  imd  Sprachbuch  für  Taubstumme.     1853. 


258  J^9itf{  Reuschert. 

3.  Elementar-Lese-  und  Sprachbuch.     1852. 

4.  Dasselbe.    II.  Bändchen. 

5.  Kleine  Erzählungen  für  Kinder.     1848. 

6.  Lese-    und  Sprachbuch    für  Oberklassen   in  Taubstumm, 
anstalten.     1843. 

7.  Biblische  Geschichten  aus  dem  alten  und  neuen  Testame 
für  Volksschulen.     1853. 

8.  Biblische    Geschichten   des  Alten   und   Neuen   Testameni 
mit  passenden  Sprüchen  versehen,  zunächst  für  Taubsttuni 
1847. 

D.  Abhandlimgen  in  Zeitschriften,  (Darmstädter  Allgem.  Schi 
Zeitung,    Organ    der    Taubstummen-    und    Blind  enanstaltef^^ 
Brandenburger    Schulblatt,    Diesterwegs  Rheinische   Blätte^^'' 
Zerrenners    „Zwanglose  Hefte",  Wissenschaftliche  Zeitschrift 
von  Vieweg  in  Braunschweig,   Deutsche  Allgemeine-,  Han^^ 
növersche-  imd  Breslauer  Zeitung). 

E.  Ein  literarischer  Nachlass  von  vielen  ungedruckten  Aufsätzen. 


Hills  Unterrichtssystem. 

Nachdem  Hill  die  Schwächen  der  alten  Schule  in  rücksichts- 
loser Weise  aufgedeckt  und  die  Rückständigkeit  ihrer  Vertreter 
gegeisselt  hatte,  ging  er  zu  positiver  Arbeit  über.  In  seinen  drei 
ersten  theoretischen  Schriften  errichtete  er  ein  neues  Lehrgebäude, 
das  dem  damaligen  Stand  der  pädagogischen  Wissenschaft  nach 
jeder  Seite  hin  Rechnung  trug.  Im  Leitfaden  entwarf  er  zimächst 
den  Gnmdriss,  und  in  den  beiden  Anleitungen  liess  er  dann  aus- 
führliche Darstellungen  seines  Unterrichtssystems  folgen. 

In  der  kleinen  Anleitung  spricht  Hill  von  dem  Sprachzeichen- 
unterricht, welcher  es  mit  der  äusseren  Auffassimg  und  Nach- 
bildung der  Sprachzeichen  zu  tun  hat,  imd  in  der  grossen  Anleitung 
behandelt  er  den  Sprachunterricht,  in  welchem  in  dem  Schüler 
Vorstellungen  und  Gedanken  erweckt  werden  sollen  und  in  dem 
der  Schüler  seine  Vorstellungen  imd  Gedanken  mittelst  der  Sprach- 
zeichen ausdrücken  und  das  von  anderen  Ausgedrückte  verstehen 
lernen  soll. 

Die  „Vollständige  Anleitung**,  das  erste  Werk,  das  gegen- 
über der  „Anleitung  zum  Sprachunterricht*'  nur  von  geringerem 
Umfang  war,  zeichnete  sich  nach  zwei  Seiten  vor  ähnlichen  Pacli- 
Schriften  aus: 


260  Emil  Reuschert, 

waren   die   beiden  Methoden    grundverschieden.     Die    Franzo^^^ 
unterrichteten  nur  wenige  ihrer  Schüler,  bei  denen  infolge  späte^r^r 
Ertaubung  noch    erhebliche  Sprachreste   vorhanden    waren,  oci 
bei  denen  sich  noch  starke  Gehörreste  zeigten,  in  einigen  besc^ 
deren  Stunden    nebenher   in    der  Lautsprache.     Diese    Uebung"^?"^ 
in  der  Benutzung    des  Sprechinstrumentes    standen    indessen  naait 
dem    eigentlichen    Unterrichte,    den     sämtliche   Schüler    gemeixi- 
sam  genossen,  in  keinem   inneren  Zusammenhange,    ungefähr  ^4:), 
wie    der    Unterricht    eines    Gymnasiasten    im    Flöteblasen    aim-«^li 
ausserhalb  des  Planes    seiner  Lehranstalt   liegt.     Die    AusbildtUÄ^ig 
in  der  Gebärdensprache    war    also   in    der   französischen   Schm-»lc 
Selbstzweck.    In  der  deutschen  war   sie    nur  Mittel   zum  Zwec^lc. 
Wenn  nun  auch  die  Lautsprache  überall  gepflegt  wurde,  so  natoxn 
sie  im  Leben  der  Taubstummen  doch  immerhin  eine  eigenartige 
Stellung    ein.      Sie    konnte    von    dem    Taubstummen    zwar    .s^l^ 
Ausdrucksmittel  seiner  Gedanken,  Gefühle  und  Willensmeinung'^*^ 
benutzt   werden,    aber   es    fehlte    trotzdem    die  Möglichkeit   eic»^^ 
Gedankenaustausches.     Diese  Einseitigkeit  hatte  darin  ihren  Gt\xx%<^- 
dass  die  Taubstummen  wohl  sprechen  lernten,  dass  sie  aber  nic^ti^ 
in  die  Lage  versetzt   wurden,  das  Gesprochene  anderer  Perser»-^** 
(mochten  das    nun  Vollsinnige   oder  Taubstumme    sein)    zu 
stehen.     Man  hielt  in  Wien  das  Sprechlesen,  d.   h.  das  Abseli 
der  Wörter  vom  Munde  des  Sprechenden  einfach  für  nicht  m&^' 
lieh.     Ebenso  war  es  auch  im   deutschen  Westreiche;   denn  3^*^ 
machte  auch  Lachs   in  Berlin    den  Vorwurf,    dass    er   in   sein^^^ 
Heftchen   das  Absehen    gar   nicht   betont   habe.     Weil    nun   cS*^ 
Lautsprache    nur    einseitig   als  Mitteilungsmittel   benutzt   wen 
konnte,    so  waren   die  Taubstummenlehrer  und   ihre  Schüler  ^ 
zwtmgen,  ihre  Worte,    wenn    sie    nicht    an  Vollsinnige   gerichr 
waren,    immer   mit  Gebärden    zu  begleiten.     Da  aber  die  nat^ 
liehe  Gebärdensprache,  was  Umfang  und  Bau  betrifft,  mit  tmseC^  ^ 
Lautsprache  nicht  übereinstimmt,  so  musste  sie  einfach  nach 
Plane  der  Wortsprache   künstlich    umgestaltet   werden.     So 
standen  in  Wien,  Leipzig  imd  Berlin  besondere  Gebärdensystei 
die  nicht  nur  von  dem  französischen  System  wesentlich  abwich  < 
sondern  auch  unter  sich  verschieden  waren.     Eine  Eigentümü^ 
keit  der  HiU'schen  Methode  bestand  nun  darin,  dass  das 
vom  Munde  geübt  wurde.     Dadurch  wurde  erst  ein  lautspfliHitifiiifff 
Verkehr  zwischen  dem  Lehrer  imd  seinen  Schülern  und 
teren  unter  sich  ermöglicht.     Hill  bedurfte  darum  a;K 


Moritz  Hill  in  seinem  Leben  und  Schaffen.  261 

willkürlichen,  unverständlichen  „Wortgebärden**;  er  räumte  nur 
der  natürlichen  Gebärdensprache  einen  Platz  in  seinem  Unter- 
richte ein. 

Bei  der  Wichtigkeit,  die  Hill  dem  Absehen  beimisst,  ist  es 
ganz  selbstverständlich,  dass  er  diesem  Zweige  des  Sprachunter- 
"ichtes  auch  seine  besondere  Aufanerksamkeit  in  seiner  „VoU- 
»täncügen  Anleitung**  zuwendet. 

Der  „Vollständigen  Anleitung**    folgte   im    Jahre  1840  Hills 
„Ajxleitung   zum  Sprachunterrichte   taubstimimer  Kinder**,  die  als 
Fortsetzung  des    ersteren  Schriftchens    anzusehen    ist.     Hill  gibt 
darin    eine    genaue  Darstellimg   des    gesamten  Sprachunterrichtes 
va     der  Taubstummenschule.     Grosse  Gesichtspimkte    bei  peinlich 
minutiöser  Kleinarbeit   sind  Vorzüge    des  Buches,    die  ihm  einen 
dauernden  Erfolg  sichern.     Die  „grosse  Anleitung**,  wie  man  sie 
kurzweg  nennt,  gehört  darum  auch  zu  den  bedeutendsten  Werken, 
die    die  Literatur   des  Taubstxmimen-Bildungswesens   aufzuweisen 
bat.    Von  ihrem  Erscheinen  an  datiert  überhaupt  ein  neuer  Zeit- 
abschnitt  in  der  Geschichte  des  Taubstummenunterrichtes;    denn 
Hill  brach    hier  vollständig    mit    dem  alten  System  und  gab  der 
ganzen  Entwicklung  eine  neue  Richtung. 

Mit  genialem  Griff  fasst  er  den  Inhalt  seiner  Methode  in 
den  Gedanken  zusammen:  Die  Sprache  muss  dem  Taub- 
stummen zur  organischen  Lebenstätigkeit  werden!  Wie  diese 
Forderung  zu  erfüllen  ist,  zeigt  er  nun  in  seinem  Werke  mit 
logischer  Schärfe. 

Seine  Untersuchungen  gipfeln  in  folgenden  Leitsätzen: 

1)  „Der  Taubstumme  entbehrt  beim  Eintritt  in  die  Schule  aller 
imd  jeder  sprachlichen  Vorbildung**. 

2)  „Die  Sprachbildung  hat  es  darum  nicht  nur  mit  der  Zeichen- 
bildung und  der  Verknüpfung  der  Zeichen  mit  den  Vor- 
stellungen zu  tun,  sondern  sie  muss  sich  ausserdem  auch 
die  Entwicklung  der  geistigen  Anlagen  imd  die  Erzeugung 
von  Vorstellungen  zur  Aufgabe  machen**. 

3)  „Da  die  Gebärdensprache  keineswegs  als  eine  solche  betrachtet 
werden  kann,  die  nur  in  die  Lautsprache  übersetzt  zu 
werden  braucht,  da  sie  deshalb  nicht  als  genügende  Grund- 
lage zur  Erlemimg  der  letzteren  erscheint,  und  da  ihre 
Anwendbarkeit  im  Leben  grossen  Beschränkimgen  imter- 
worfen  ist,  so  gestattet  der  Schulzweck,  welcher  ein  durchaus 


262  Emil  Reuschert. 

praktischer  ist,    zwar  die  gelegentliche  Benutzung,  aber  nicht 
eine  künstliche  Erweiterung  und  Ausbildung  derselben'*. 

4)  „Soll  die  Sprachbüdung  des  Taubstummen  die  Bedeutung 
für  ihn  gewinnen,  die  sie  für  den  Vollsinnigen  hat,  soll  sie 
nämlich  trotz  dessen,  dass  sie  in  der  Schule  nur  begonnen 
werden  kann,  auch  ihm  für  das  ganze  Leben  ein  Mittel  zu 
fortschreitender  Geistesentwicklung  und  zur  Beglückung 
seines  Daseins  werden  und  bleiben,  so  haben  wir  dahin  zu 
streben,  dass  ihm  die  Sprache  zu  einer  organischen  Lebens- 
tätigkeit wird". 

Was  ist  darunter  zu  verstehen,  die  Sprache  soll  dem  Taub- 
sttmimen  zur  organischen  Lebenstätigkeit  werden?  Einige  Worte 
mögen  Femerstehenden  als  Erläuterung  dienen. 

Der  Taubstumme,  der  nicht  in  unserer  Sprache  imterrichtet 
wird,  ist  keineswegs  Idiot.  Er  denkt  auch,  aber  von  unseren 
Wörtern  hat  er  natürlich  bei  seinen  Denkakten  keinen  Schimmer. 
Sein  Denken  vollzieht  sich  in  Bildern  und  Szenen.  Sein  Ausdrucks- 
mittel ist  die  Gebärde. 

Wenn   wir   ims    im   alltäglichen  Leben   unserer  Umgebung 
mitteilen  wollen,  so  überlegen  wir  gewöhnlich  vorher  nicht  lange, 
wie    wir  unsere  Gedanken  sprachlich  einkleiden  wollen,   sondern 
mit   den  Begriffen    stellen  sich  von  selbst  auch  zugleich  die  ent- 
sprechenden  Worte    ein.     Der  Taubstummenunterricht   soll  o^^ 
nach  Bülls  Forderung  so  beschaffen  sein,  dass  der  Schüler  gleich- 
falls  befähigt    wird,    seine  Gedanken    ohne  weiteres  in  Worte  ^^ 
fassen.      Der    Taubstumme    soll    also    nicht    mühsam     aus    ^^^ 
Gebärdensprache  in  die  Lautsprache  übersetzen  und  lange  grübele« 
ehe  er  den  geeigneten  sprachlichen  Ausdruck  findet,  sondern  d*^ 
Lautsprache  soll  ihm  zum  unmittelbaren  Ausfluss  seiner  Gedank^^ 
werden,    sie    soll  ihm,    wie   man  zu  sagen  pflegt,  in  Fleisch  ux^^ 
Blut,  übergehen:    sie   soll   ihm   zur    organischen    Lebenstätigk^^ 
werden. 

Das    war   nach    dem   alten    Verfahren    unter    gewöhnlich«!^ 
Verhältnissen  nicht  möglich,  die  einzelnen  Kapitel  der  GramflWtl'^ 
waren  für  den  Fortgang  im  Unterricht  massgebend.    Eine  Sigß!0^-rj^ 
entwicklimg   nach    den  Seiten   einer  Sprachlehre    entspc|^||ig||||||lfe^; 
wie    jeder   aus    eigener  Erfahrung   weiss,    nicht    dem  C 
Natiu. 

Hül    schlug    bei    der    Sprachbildung    seiner 


Moritz  Hill  in  seinem  Leben  und  Schaffen.  263 

iler  einen  Weg  ein,  wie  er  ihm  durch  den  Sprachentwicklungs- 
j  des  kleinen  hörenden  Kindes  vorgezeigt  war.  Er  stellte 
ir  als  oberste  Regel  für  die  Schularbeit  den  Satz  auf: 

„Eittwickle  die  Sprache  in  dem  taubstiunmen  Kinde,  wie 
las  Leben  in  dem  vollsinnigen  Kinde  erzeugt**. 

Daraus  leitete  er  folgende  Unterregeln  ab: 
„Erwecke  in  den  Schülern  das  Sprachbedürfnis  nach  unserer 
Sprache  insbesondere!"     (S.  178). 

„Soll  dies  gelingen,  so  führe  deinen  Schüler  Sachen  vor 
und  schliesse  daran  unmittelbar  imsere  Sprache  an!** 
„Sowohl  bei  Vorfühnmg  des  Sprachstoffes,  als  auch  bei  der 
Einführung  der  Sprachformen  lasse  dich  von  dem  sprach« 
liehen  Bedürfnisse  des  Schülers  und  von  dem  natürlichen 
Entwicklungsgang  der  Kinder  überhaupt  leiten!**  (S.  184). 
Verfolge  im  Sprachunterrichte  des  Taubstummen  stets  folgende 
vier  Zwecke  gleichmässig  nebeneinander: 

a)  die  Ausbildung  der  Geisteskräfte, 

b)  die  Aneignung  von  Sachkenntnissen, 

c)  die  Ausbildimg  der  Sprachfertigkeit,  wozu  auch 

d)  die  Steigertmg  der  mechanischen  Fertigkeit  im  Sprechen, 
Absehen,  Schreiben  imd  Lesen  gehört".     (S.  196). 

„Verweile  vorzüglich  bei  den  Elementen  und  gehe  oft  wieder 

auf  dieselben  zurück*'.     (S.  196). 

„Zerlege   den  gesamten  Unterricht  in  kleine  Ganze,   übe   die 

durchgemachten    Pensa    vollständig   ein    und    stelle    häufig 

Wiederholungen  an!**     (S.  199). 

„Wende    die  Lautsprache   stets    und    überall  an  und  fordere 

die    Anwendung   derselben    auch    vom    Schüler    in    diesem 

Grade!**     (S.  202). 

Schulrat  Walter  schreibt  in  seiner  Geschichte  des  Taub- 
imen-Bildungswesens :  „Durch  diese  Sätze  gab  Hill  dem 
ahren  der  Grammatisten  den  Todesstoss.  In  ihnen  ist  die 
►rm  des  erneuten  deutschen  Unterrichtsverfahrens  ausge- 
eben**. 

Während  Hill  den  Anschauungs-  und  Sprechunterricht  aus- 
iesslich   in    der  Lautsprache    erteilt   wissen  wollte,  liess  er  in 

Religionsunterricht  die  Geberde  neben  der  Lautsprache 
t  nur  zu,  sondern  er  verlangt  sie  ausdrücklich.  So  schrieb  er 
lal:     „Es   widerstrebt   einerseits  der  Natur  des  Taubstummen 

dem  Wesen  des    Religionsunterrichts,    anderseits    verrät   es 


264  Emil  ReuscheH. 

ein  Verkennen  der  „Deutschen  Taubstummen-Unterrichtsmethode", 
beim  Religionsunterricht  nur  das  Wort,  das  gesprochene  oder 
geschriebene,  ohne  die  Unterstützung  durch  die  Mimik  und 
Gebärde  in  Anwendung  zu  bringen.  Nicht  allein  die  innere 
Stellung  des  Lehrers  zu  dem  Lehrstoffe  muss  sich  in  seiner 
Haltung  und  im  Gesicht  erkennen  lassen,  sondern  auch  die 
Durchleuchtung  des  Wortes  durch  Miene  und  Gebärde  muss  • 
stattfinden,  wenn  der  Religionsunterricht  seine  Wirkung  auf  die 
Taubstummen  ausüben  soll". 

Hills  Bedeutung. 

In  dem  zweiten  imd  dritten  Jahrzehnt  des  vorigen  Jahr- 
hunderts war  es  der  eifrigen  Werbearbeit  Schulrat  Grasers 
gelungen,  die  Behörden  tmd  die  Lehrerschaft  für  die  Ver- 
allgemeinerung des  Taubstummenunterrichts  zu  interessieren. 
Seine  Schriften  fanden  demzufolge  eine  überaus  weite  Verbreitung; 
in  dem  vierten  Jahrzehnt  wurden  sie  sodann  von  Hills  Büchern 
abgelöst.  Die  darin  enthaltenen  Ansichten  über  Taubstummen- 
bildimg  fanden  in  überraschend  kurzer  Zeit  die  Zustimmung  in 
den  beteiligten  Kreisen.  Aber  Hills  Verdienste  liegen  nicht  nur 
auf  literarischem  Gebiet.  Er  vereinte  in  sich  den  scharfsinnigen 
Theoretiker  mit  dem  geschickten  Praktiker,  imd  vor  die  Ent- 
scheidung gestellt,  ist  es  schwer,  ob  man  dem  Schriftsteller  oder 
dem  Lehrer  den  Vorrang  einräumen  soll. 

Während  Graser  es  anderen  überliess,  seine  Theorien  i^ 
die  Praxis  umzusetzen,  so  hat  Hill  seine  Ideen  in  seiner  Anstalt 
selbst  praktisch  diirchgeführt  und  damit  am  besten  den  Nachweis 
ihrer  Brauchbarkeit   erbracht.    Weissenfeis   wurde    das    Reiseziel 

• 

aller  strebsamen  Taubstummenlehrer,  um  dort  den  Meister  t^ 
der  Arbeit  aufzusuchen.  Was  die  äusseren  Verhältnisse  anbelaftg^ 
so  sahen  sie  freilich  nur  wenig.  Die  Anstalt  hatte  kein  eigefli^ 
Heim.  Sie  musste  sich  abwechselnd  mit  einigen  dunkd^^' 
engen  Zimmern  des  alten  herzoglich  sachsen-weissenfelsiscb^^ 
Jägerhofes  imd  imzureichenden  Räumen  im  Gasthofe  zum  Raut^^" 
kränz  behelfen.  Die  Tische  xmd  Stühle  darin  waren  von  4^^ 
primitivsten  Art;  einem  Auge,  das  an  die  heutigen  SchuleinricJ*" 
tungen  gewöhnt  ist,  würden  sie  geradezu  vorsintflutlich  erschein»^' 
Dort  stand  der  hagere,  blasse  Mann  über  vier  Jahrzehnte  laui^ 
und  lehrte  unermüdlich  von  früh  bis  spät,  alle  die  Berufsgenosseti# 
die  seinem  Unterrichte  beiwohnten,  bezaubernd  tmd  mit  sich  fo^ 


Moritz  Hill  in  seinem  Leben  und  Sdiaffen,  265 

send.  Keiner  ging  hier  leer  vondannen.  Alle  nahmen  neue 
'egungen  und  neuen  Mut  für  ihre  schwere  Arbeit  mit  nach 
ist.  So  konnte  es  nicht  ausbleiben,  dass  sein  Kuhm  bald 
r  die  deutschen  Grenzen  hinaus  ging;  denn  Vertreter  aller 
Lonen  der  zivilisierten  Welt  strömten  herbei  und  sassen  dem 
ster  zu  Füssen.  Professor  Gmilio  Ferren  zu  Rom,  der  Heraus- 
er  der  Educazione  dei  Sordomuti,  ruft  in  der  Besprechung 
ner  Büll-Festschrift  begeistert  aus:  „Das  Werk  Hills  gilt 
it  nur  Deutschland,  sondern  der  ganzen  Welt  der  Taub- 
Qmen!** 

Ein  Teil  von  Hills  Schriften  wurde  in  die  französische, 
ändische,  dänische,  schwedische  und  finnische  Sprache  über- 
en,  und  seine  Bilder  fand  man  in  England  in  allen  Anstalten, 
nach  dem  Oralsystem  unterrichtet  wurde. 

Es  war  eine  grosse  Zeit  für  das  Weissenfelser  Seminar  und 
damit  verbundene  Taubstummenanstalt,  als  dort  an  dem 
agogischen  Himmel  das  Dreigestim  Harnisch,  Hentschel  und 
.  leuchtete  und  seine  Strahlen  weit  hinaus  in  alle  Lande  sandte. 
;haft  drang  das  Licht  bis  in  die  fernsten  Schulstuben,  wo 
ler  finsterer  Unverstand  in  der  Anwendimg  der  didaktischen 
tel  geherrscht  hatte,  und  wirkte  belebend,  wo  bis  dahin  ein 
;ttötender  Mechanismus  sich  breit  gemacht  hatte.  Auch  als 
nisch  bereits  in  das  Pfarramt  zurückgetreten  war  imd  Hentschel 
.  Hill  allein  als  die  Träger  der  Tradition  jener  glänz- 
en Zeit  weiter  wirkten,  sprach  man  in  Lehrerkreisen  noch 
ye  dankbaren  Herzens  von  dem  dreifachen  grossen  H  zu 
issenfels. 

Ziehen  wir  nun  am  Schlüsse  unserer  Betrachtimg  mit 
zen  Worten  die  Summe  von  Hills  Lebenswerke,  so  lassen  sich 
le  Verdienste  unter  folgende  Pimkte  bringen: 

Durch  Hill  ist  die  deutsche  Taubstumraenunterrichts-Methode 
in  ein  neues  Stadium  ihrer  Entwicklung  eingetreten,  indem 
er  im  Sprachunterricht  der  Gehörlosen  die  bei  der  Sprach- 
aneignung der  Vollsinnigen  geltenden  Gesetze  befolgte. 
Dadurch  hat  er  die  Methode  des  Taubstummenunterrichts 
mit  der  allgemeinen  Pädagogik  in  Verbindung  gebracht. 

Er  hat  insonderheit  einen  geordneten  in  der  Lautsprache  zu 
erteilenden  Anschauimgsunterricht  eingeführt,  in  dem  das 
Sprachbedürfnis  der  Schüler  Berücksichtigung  fand. 

Zcitscluift  fOr  psdagogüche  Psychologie,  Pathologie  und  Hygiene.  ^ 


266  K7nil  Heuachert, 

TU.    Er   hat    durch    das    Prinzip    der   unmittelbaren    Lautspracki- 
assoziation    die    in   Volkskreisen   unverständliche    künstlioh^ 
Gebärde  zu  gunsten  der  Lautsprache  zurückgedrängt. 

IV.  Er  hat  neben  dem  Sprachimterricht  dem  Religions-,  Rechn.^^- 
und  Realienunterricht  die  ihnen  gebührende  Stellung  in  cfL«t 
Taubstummenschule  zugewiesen. 

V.  Er  hat  nicht  nur  ein  theoretisches  Lehrgebäude  aufgebsi-^t 
sondern  seine  Ideen  in  seiner  Anstalt  praktisch  durchgefü'fcÄit 
und  dadurch  die  Vortrefflichkeit  seiner  Methode  am  wiirl- 
samsten  bewiesen. 

VI.    Er   hat   für  die  Ausbreitung  seiner  Methode  Sorge  getrag  ^Ji, 

1)  durch  die  Ausbildung  von  Taubstummenlehrem,  die  dgiyin 
an  anderen  Anstalten  in  seinem  Geiste  weiter  wirkten, 

2)  durch  die  Belehrung  fremder  Taubstummenlehrer 

a)  durch  sein  Vorbild   bei  Gelegenheit  von  vorübergehenden 
Besuchen  seiner  Anstalt, 

b)  durch    eine   Reihe    sorgfältig   geschriebener,    theoretiscl^cr 
Schriften, 

c)  durch  einen  ausgedehnten  Briefwechsel, 

d)  durch  Reisen  an  andere  Anstallen, 

3)  durch  die  Bearbeitung  von  Schulbüchern  für  die  Hand  der 
Kinder,  wodurch  die  Grundlage,  für  einen  Unterricht  im 
Sinne  Hills  gegeben  wurde. 

Die  vorliegende  kleine  Skizze  hat  uns  gezeigt,  wie  bedeutend 
Hills  Einfluss  auf  die  Entwicklung  des  Taubstummen-Bilduxxgs- 
wesens  war,  und  seine  hervorragenden  Leistungen  auf  dieseni 
Spezialgebiete  der  Erziehung  abnormer  Kinder  werden  ihm  f'ör 
alle  Zeiten  einen  Ehrenplatz  in  der  Geschichte  der  Pädagogik 
sichern. 


i 


Ueber  Beliebtheit  und  Unbeliebtheit 

der  Schulfächen 


Eine  statistische  Untersuchung  von 

L,  William  Stern. 

(Unter    Mitwirkung    von    Frau    Oberlehrer   Hanke,    Schulvorsteherin;    Frl.    King, 
Schalvorsteherin;    Frl.    Bauer,    Lehrerin;    Frl.    Gläser,    Lehrerin;    Herrn    Kosog, 
Lehrer;     Herrn  Feuerherdt,  cand.  phil.;  Herrn  Scheifler,  stud.  phil.) 


Inhalt:  L  Das  Verehren.  II.  Allgemeine  Ergebnisse.  III.  Die  einzelnen  Fächer. 
IV.  Die  Altersstufen,  V.  Höhere  und  niedere  Schulen.  VI.  Die  beiden 
Geschlechter.     VI[.  Stadt  und  Land. 


1.  Das  Verfahren. 

1)  Veranlassung. 

Die  Statistik,  über  die  hier  berichtet  werden  soll,  ist  auf 
eigentümliche  Weise,  fast  ohne  meine  Absicht,  entstanden.  Im 
Winter  1904/1906  hielt  ich  ein  Kolleg  über  Pädagogik  imd 
Ejndespsychologie,  dem  einmal  wöchentlich  eine  Diskussionsstunde 
angefügt  war.  In  einer  dieser  Stunden  referierte  ich  über  die 
Arbeit  von  Lobsien  „Kinderideale"  >),  in  der  über  eine  an  500 
Schulkindern  in  Kiel  angestellte  Statistik  berichtet  wird.  Die 
Kinder  waren  nach  ihrem  liebsten  Schulfach,  dem  liebsten  Spiel, 
Buch,  Tier,  dem  schönsten  Gebäude  der  Stadt,  der  sympa- 
thischsten biblischen  und  historischen  Persönlichkeit  gefragt 
worden.  Bei  der  Besprechung  in  erwähnter  Diskussionsstunde 
fand  besonders  das  die  Schulfächer  betreffende  Ergebnis  Interesse. 
Wenige  Tage  darauf  teilten  mir  einige  Studenten  mit,  dass 
sie,  durch  jene  Besprechung  angeregt,  Lehrer,  zu  denen  sie 
in  Beziehimg  standen,  zu  einer  ähnlichen  Enquete  veranlasst 
hätten;    das   Beispiel   fand   Nachfolge    bei  einigen   ebenfalls   am 

1)  Zdtschr.  f.  päd.  Psychol.  V.  323—344  und  457—494*     1903. 

2» 


268  L,  WiUiam  Stern. 

Kolleg   beteiligten,     der   Praxis    angehörigen    Pädagogen   (einerft 
Lehrei*,  2  Lehrerinnen  und  2  Schulvorsteherinnen);    und  so  kam 
im  Laufe  des  Februar  1905  das  Material  zusammen,  das,  einmssiV 
gewonnen,  natürlich  auch  nach  Ausnutzung  verlangte. 

Diesen  unsystematischen  Ursprung  der  Statistik  muss  mm^ 
im  Auge  behalten,  um  zu  ihren  Ergebnissen  die  richtige  Stellar»^ 
zu  finden.  Sie  dürfen  keineswegs  überschätzt  werden.  IhrHauptwe^  ' 
ruht  m.  E.  darin,  dass  sie  die  Gangbarkeit  des  Weges  erweisen 
und  zu  einer  Fortsetzung  auf  einer  viel  umfassenderen 
systematischeren  Grundlage  auffordern.  Gewisse  lohnende  Ei 
blicke  in  das  Interessenleben  der  lündespsyche  gewähren  ab 
auch  schon  die  vorliegenden  Resultate;  imd  gewisse  pädagogisc 
Fragen  rücken  auch  jetzt  schon  in  ein  neues  oder  wenigstens 
ein  schärferes  Licht. 


2)  Das    Schülermaterial. 

In  Folge    des  Zusammenarbeitens    einer  grösseren  Zahl  v 

Personen   verfügen   wir   über   eine   fünffach    so  grosse  Zahl  v 

Prüflingen   wie  Lobsien,    nämlich    über    1461  Knaben  und    10 

Mädchen,    zusammen    2556.      Hierzu   kommen    dann   nach    1  -^^  1 

Schülerinnen  eines  Lehrerinnenseminars.    Während  L.  nur  Schüi^^r 

und    Schülerinnen    einer   bestimmten    Schulgattung,    nämlich   c3L<^r 

städtischen  Volksschule  prüfte,   besitzen   wir  Ergebnisse  von  s^lnr 

verschiedenen   Schulgattungen;    es  sind  nämlich  vertreten:  Voll  "s^  *^- 

schulen    einer  Grossstadt    von    nicht   ganz    einer   halben    MilUL^iJ^n 

Einwohner   und    einer  Mittelstadt   von  30000  Einwohnern,   D 

schulen,   eine  Seminarübungsschule,    die  einer   gehobenen  \*ol 

schule    entspricht,    eine  Mittelschule,    höhere  Töchterschulen, 

Lehrerinnenseminar.      Sehr    zu    bedauern    ist,     dass    die    höh. 

Knabenschule  fehlt,  bei  der  die  Ergebnisse  vermutlich  wieder 

ganz  neues  Bild  zeigen  dürften.      Die  Schulen  liegen  sämtlich 

der    Provinz    Schlesien    und    zwar    in    den    Regierungsbezirk 

Breslau  und  Liegnitz. 

Die   von    uns    geprüften  Altersstufen    decken    sich   bei  ci^^ß 
Knaben    im  Allgemeinen    mit  denen  von  Lobsien  (9. — 14.  Jatu^r;)." 
bei    den  Mädchen    dagegen    sind    auch    solche   von  6 — 8 
(in   sehr   geringer  Zahl)    und   solche  von  15—18  Jahren  mit 
bezogen  worden. 

Wie    sich    das   geprüfte   Schülermaterial    auf    Geschlechtc?/; 


zy 


i 


270  L.  Wiüiam  Stern. 

4)  Die    Verarbeitung. 

Für    die  Verarbeitung    des  weitschichtigen  Materials  stcllteti 
sich    in    dankenswerter   Weise    dieselben    Herren    und    Dam^^ 
zur  Verfügung,  welche  die  Erhebungen  selbst  voi^enommen  od^^ 
veranlasst  hatten.    Zunächst  brachte  jeder  die  von  ihm  gefunden^tv 
Zahlen  in  eine  kleine  Tabelle ;  diese  Tabellen  wurden  nun  von  d^n 
Herren  Scheif  1er  und  Feuerherdt  zu  grossen  „BLaupttabellcKra.''' 
verarbeitet,  welche  hektographiert  wurden  und  ziu*  Grundlage  A^^v 
weiteren    Untersuchungen    gemacht    werden    konnten.      Die   v^^ir- 
schiedenen  Gesichtspunkte,    nach   denen   das  Material  verwertl:^  sur 
erschien,    wurden    unter    die  Mitarbeiter   auf  folgende  Weise  v^^jt- 
teilt      Es    verarbeiteten :    Herr    K  o  s  o  g    die    Unterschiede    dL^t 
Geschlechter,  Frl.  Bauer  und  Frl.  G 1  ä  s  e  r  die  Altersunterschieci^, 
Frau  Hanke  und  Frl.  Klug  den  Unterschied  der  verschiedeai^ii 
Schulgattungen,  Herr  S  c  h  e  i  f  1  e  r  den  Unterschied  von  Stadt-  uxnci 
Landschulen. 

Da  indessen  in  diesen  Einzelbearbeitungen  die  SchemaL"tsi, 
nach  denen  die  Spezialtabellen  angelegt  wurden,  untereinander  asti 
sehr  divergierten,  manche  Ergebnisse  sich  naturgemäss  mehrfstoli 
wiederholten,  und  eine  iVneinanderreihimg  zu  breit  und  bi-irit 
scheckig  geworden  wäre,  so  habe  ich  in  einer  nochmaligem 
Ueberarbeitung  das  Ganze  zusammengefasst,  hierbei  zugleich  die 
Berechnung  erneut  kontrolliert,  die  Tabellen  neu  gestaltet  iJi"rÄd 
durch  graphische  Darstellungen  veranschaulicht. 

5)  Die    Haupttabellcn. 

Aus  typographischen  Gründen  müssen  wir  leider  dar^*-^ 
verzichten,  die  sehr  umfangreichen  Haupttabellen  selber  tx^-^ 
wiederzugeben :    um    aber   für   etwaige   Durchführung     ähnlicl^-  ^ 


Feuerherdt  hat  sich  der  grossen  Mühe  unterzogen,  die  Ergebnisse  dieser 

bei   mehreren  Hunderten  Knaben   und  Mädchen   tabellarisch    zu  ordnen. 

sehen    wir    von    einer  VeröiTentlichung    der    Ergebnisse   ab,    da    die   Methode 

unexakt   ist.     Bei  jeder  einzelnen  Frage   wird  dem  Kind  aufgegeben,  sich  über 

in  Betracht   kommenden  Möglichkeiten  Rechenschaft   zu    geben  und  dann  iniu 

dieser  Möglichkeiten   eine   Entscheidung   zu    treffen,  die  auch  den  ErMrachseneD    ^^^ 

schwer  genug  wird.     Mutet  man  nun  gar  den  Kindern  zu,  binnen  wenigen  VHa^"^ 

aus   8— lO   Gebieten    solche  Vorzugsurteile    zu  fallen,  so  werden  beliebige  Eiiiß*-*^* 

und   wildeste   Willkür    die    Entscheidungen    bestimmen.      Gerade    wenn   man  S9^" 


auf  den    so    schwankenden    Boden    psychologischer   Statistik    begiebt,   mnss 
doppelte  Vorsicht  üben,  nicht  in  die  gefahrliche  Manier  der  amerikanischen  Eaquc^^'' 
zu  verfallen. 


U^er  Beliebtheit  und  Unbeliebtheit  der  Schulfächer,  271 

tiken  einen  Anhalt  zu  bieten,  sei  ihre  Anlage,  wie  sie  sich 
zter  Fassung  darstellte,  kurz  geschildert. 
Es  wurden  6  Haupttabellen  gebildet,  nämlich  je  eine  Bevor- 
igs-  und  Ablehnungstabelle  für  die  Knaben  aus  den  niederen 
en,  die  Mädchen  aus  den  niederen  Schulen  und  die  Mädchen 
en  höheren  Schulen  (nebst  Seminaristinnen). 

Die  Tabellen  enthalten  für  jede  geprüfte  Erlasse  die  absoluten 
n    der  Bevorzugungs-   oder    Ablehnungsteüe,    die    auf  jedes 

gefallen  sind.  Die  Klassen  werden  diu'ch  die  senkrechten 
men,  die  Fächer  durch  die  wagerechten  Reihen  dargestellt, 
^inkt   bedeutet,    dass    das    Fach    in  der  betreffenden  Klasse 

unterrichtet  wird,  eine  O  dagegen,  dass  das  Fach  zwar 
richtet  wird,  aber  als  liebstes,  (bezw.  unliebstes)  nicht  ein 
jes  Mal  genannt  worden  ist. 

Gewisse  Ungleichartigkeiten  in  der  Veranstaltung  der 
mngen  machen  sich  auch  in  den  Tabellen  bemerkbar.  So 
ten  bei  einigen  Schulen  Bruchzahlen  angegeben  werden.  Diese 
•en  sich  daraus,  dass  sich  zuweilen  die  Kinder  nicht  ent- 
tssen  konnten,  ein  einziges  Fach  als  beliebtestes  (oder  un- 
stes)  zu  nennen  und  deshalb  mehrere  hinschrieben.  In  der 
ren  Mädchenschule  Q  ist  dies  Verfahren  auf  Anfrage  den 
erinnen  ausdrücklich  gestattet  worden,  daher  häuften  sich 
diese  Mehrheitsnennungen.  Die  Berechnungen  mussten  in 
en  Fällen  so  geschehen,  dass  sämtliche  von  einem  Kinde 
mten  Fächer  im  Ganzen  als  eine  Nennung  rechneten, 
n  daher  2  Vorzugsfächer  genannt  worden,  so  wurde  jeder 
Iq  in  Anrechnug  gebracht,  bei  3  jedes  mit  Vs- 
Andererseits  kam  es  vor,  dass  sich  Schüler  überhaupt 
einer  Nennung  entschliessen  konnten:  diese  Fälle  sind  als 
itschieden**  gezählt  worden.  Solches  Versagen  fand  sich  bei 
Ablehnungen  weit  häufiger,  als  bei  den  Bevorzugungen,  in 
höheren  Schulen  häufiger  als  in  den  niederen,  am  häufigsten 
eminar,  wo  jede  dritte  Schülerin  die  Nennung  des  unbelieb- 
1  Faches  unterliess. 

Endlich  muss  noch  eine  Ungleichmässigkeit  erwähnt  werden, 
)eim  Fach  „Deutsch"  auftrat.  Es  wurde  hier  nämlich  statt 
allgemeinen  Bezeichnung  „Deutsch**  oft  ein  Spezialgebiet 
deutschen  Unterrichts  genannt,  namentlich  Grammatik  und 
1.  Die  Tabellen  enthielten  die  für  diese  beiden  Spezialfächer 
ten  Zahlen  in  Klammern:  doch  wurden  in  der  Reihe  „Deutsch** 


272  L.  Wüliavi  Stern. 

alle  Nennungen,   die  sich  auf  den  deutschen  Unterricht  beziehea, 
die  allgemeinen  und  die  speziellen,  zusammengezählt. 

6)   Verrechnung  und  Darstellung. 

Auf  Grund  dieser  Tabellen  sind  alle  folgenden  Berechnungen 
ausgeführt  worden.  Diese  sind  stets  prozentuell:  die 
absolute  Zahl  der  Vorzugs-  (+)  oder  Ablehnungs-  (— )  Urteile 
wurde  ins  Verhältnis  gesetzt  zu  derjenigen  Schülerzahl,  die  in 
dem  Fach  unterrichtet  wurde.  Nehmen  wir  ein  Beispiel,  „h 
den  Mädchen-Volksschulen  betragen  die  Werte  für  Geographie 
+  6*Vo  und  —  127«  ®/o**  bedeutet:  Von  allen  Schülerinnen  der 
Volksschule,  die  in  Geographie  unterrichtet  werden,  haben  6*/o 
Geographie  als    liebstes  imd  1 21/2  PA.  ^  unliebstes  Fach  benannt. 

Diese        Berechnung       ist      dadurch       etwas      kompliziert 
dass  die  Schülerzahlen,    zu  denen  die  Urteilszahlen  in  Beziehung 
gesetzt  werden    mussten,  fortwährend  wechselten.     So  wird  z.  B. 
auf     höheren     Töchterschulen     Religion,    Deutsch,    Rechnen    in 
allen   Klassen,    Zeichnen   in    den   5   obersten,    Physik   in    den  2 
obersten,    Naturgeschichte    in  4  oder  5    mittleren    Klassen    unter- 
richtet.    Aber  die  Berechnung  ist  unvermeidlich,  da  man  nur  so 
korrekte  Einblicke   in   den  Beliebtheitsgrad  der  Fächer  gewinnen 
kann.     Eine  Folge   dieses  Wechsels    der  Gesamtzahlen   ist,    dass 
sich  für  eine  bestinmite  Schule  die  Prozentzahlen  der  Bevorzugimgen 
bezw.  Ablehnimgen  nicht  immer  genau  zu  100  summieren. 

Als  klarste  und  anschaulichste  Darstellung  dieser  positiven 
und  negativen  Werte  wählte  ich  die  Form  eines  Diagramms, 
in  welchem  die  Fächer  durch  nebeneinanderstehende,  senkrechte 
Linien  dargestellt  werden.  Von  einer  wagerechten  O-Linie  aus 
erstrecken  sie  sich  nach  oben  und  nach  unten:  die  Länge  des 
nach  oben  gerichteten  Abschnittes  giebt  den  Prozentsatz  der  Be- 
vorzugungen an,  die  Länge  der  nach  unten  gerichteten  Ordinate 
zeigt  die  relative  Ablehnungszahl;  die  Prozentzahlen  und  die 
Fachnamen  sind  jeder  Linie  beigesetzt. 

Nunmehr  können  wir  dazu  übergehen,  die  Ergebnisse  zu 
schildern  und  zu  diskutieren. 

IL  Allgemeine  Er|[ebnisse. 

Das  Interesse,  das  die  Schulkinder  den  einzelnen  Fächern 
entgegenbringen,  wird  durch  eine  ganze  Reihe  von  Faktoren  be- 
stimmt, die  zum  Teil  im  Kinde  selbst,  zum  Teile  ausserhalb  seiner 
liegen.     Zu  der  ersten  Gruppe  gehören  Alter,  Geschlecht  und  be- 


Utber  BetiOitheü  und  UnbOÄebtheii  der  Sehulfäcker.  273 

sondere  B^abung  des  Kindes ;  zu  der  zweiten  Gruppe  Stoff,  Lehr- 
plao,  Lehrmetbode  und  Lehrerpersönlichkeiten.  Bei  einer  solchen 
Buntscbeckigkeit  der  Bedingungen  könnte  man  zunächst  zweifebi. 
ob  eine  Beliebtheitstatistik  mehr  als  blosse  Zufallsergebnisse  zu  zei- 
tigen vermöchte.  Insbesondere  wird  von  vielen  Beurteilem  einer 
der  obengenannten  Faktoren,  die  Persönlichkeit  des  Lehrers, 
ausserordentlich  hoch  eingeschätzt;  der  Schüler  interessiere  sich 
eben  für  dasjenige  Fach,  in  dem  er  einen  Lehrer  habe,  der  es 
interessant  zu  machen  verstehe ;  von  irgend  welchen  allgemeineren 
Gesetzen  der  Beliebtheil  nnd  Unbeliebtheit  könne  demnach  keine 
Rede  sein.  Nun  ist  es  ja  unzweifelhaft,  dass  in  zahlreichen 
Einzelfällen  die  Persönlichkeit  des  Lehrers  das  Urteil  beeinflussen 
wird.  Dennoch  ist  dieser  Einiluss  nicht  im  Stande,  die  Bedeutung 
der  anderen,  allgemeineren,  Faktoren  zu  überdecken.  In  dem 
Nachweis,  dass  es  einen  von  der  Persönlichkeit  des 
Lehrers  relativ  unabhängi  gen  Beliebtheits  wert 
der  Fächer  gibt,  erblicke  ich  eines  der  Hauptergebnisse  der 
vorliegenden  Statistik. 

Da  wir  für  diesen  Satz  in  den  folgenden  Einzelbetrachtungen 
noch  zahlreiche  Belege  finden  werden,  so  sei  hier  nur  ein  Bei- 
spiel gegeben.  Fi^.  1  und  2  enthalten  die  Beliebtheitsprozente  der 
von   Lobsien   geprüften  Volksschule   in  Kiel.  >)     Hiermit   mögen 

V       .<■'  Fig.  i. 


*)  Da  die  L'schen  Tabtllen  in  der  Publikation  mehrere  störende  Dmck- 
fcbl«  entlialteD,  habe  ich  den  Figg,  korrigierte  Tabellen  lu  Grunde  gelegt,  die  mir 
Herr  L.  fmiadliclut  lur  VerfBgnne  steUte. 


L.  WiUiam  Stern. 


die  schlesischen  Volksschulen  verglichen  werden  (Figg,  3   und  4, 
S.  276  u.  277),  und  zwar,  da  Lobsien  nur  die  Beliebtheit  geprÜJ* 
hatte,  lediglich  in  den  nach  oben  gerichteten  Ordinalen.    Es  zeigt 
sich  nun  sofort,  dass  den  selbstverständlich  vorhandenen  Uat«i- 
schieden  doch  überraschend  viel  Uebereinstimmungen  gegeniil>*' 
stehen.     In  den  Knabenschulen  finden  wir  beide   Male  Zeichi*«" 
und  Turnen  an  der  Spitze.    Die  beliebtesten  theoretischen  Fäct»*^ 
der  Knaben  sind  in  Kiel  Rechnen  und  Geschichte,  in  Breslau  CS* 
schichte  und  Rechnen.  Sehr  geringe  Beüeblheitscoeöicienten  bal>*'' 
hier    wie    dort    die     naturwissenschaftlichen    Fächer,     Rel^fic:"'' 
Geographie  und  deutsche  Grammatik.     Die  Mädchenschulen  s'ti*^'" 
men  überein  in  der  vorherrschenden  Bevorzugung  von  Handart»*"' 
und  Rechnen  und  in  der   starken  Vernachlässigung    der  GeogT*^ 
phie,  der  deutschen  Grammatik    und    der   naturwissenschaftlich  ^° 
Fächer. 

Natürlich  dürfen  diese  und  die  anderen  von  uns  gefunden^" 
Uebereinstimmungen  zwischen  verschiedenen  Schulwi  nocb 
nicht  zu  vollständigen  Verallgemeinerungen  benutzt  werden ; 
immerhin  aber  ermutigt  das  Ergebnis  dazu,  eine  solche  .Statistik 
auf  noch  viel  breiterer  Grundlage  (ortzusetzen ;  denn  wir  dürfet» 
□tmmebr  mit  Bestimmtheit  hoffen,  dass  sich  aus  sehr  grosse** 
Zahlen  von  Schulen  und  Schülern  die  in  den  Einzelfällen  vcff 
handenen  Sondereinflüsse  etnigermassen  kompensieren  und  wir!*" 
liehe  Gesetzmässigkeiten  der  Beliebtheits-  und  Unbeliebtheit^- 
Verteilung  herausstellen  werden.  — 


Utber  Beliebtheit  und  Unbeliebtheit  der  Schulfächer.  275 

Eine  zweite  Einsicht  allgemeinerer  Natur  wurde  erst  dadurch 
ih,  dass  wir  den  Beliebtheitsurteilen  die  Unbeliebtheitsurteile 
ügen  Hessen.  So  lange  man  nur  die  Beliebtheit  berück- 
fte,  ordneten  sich  die  Fächer,  wie  Figg.  1  und  2  zeigen,  ledig- 
X  eine  absteigende  Skala.  Nunmehr  aber  scheiden  sie  sich 
2h  in  vier  Gruppen.  Die  erste  Gruppe  wird  gebildet  durch 
Lcher  mit  weit  überwiegender  Beliebtheit:  „positive  Fächer;" 
tzte  Gruppe  durch  diejenigen  mit  weit  überwiegender  Un- 
Iheit :  „n  e  g  a  t  i  ve  Fächer."  Dazwischen  stehen  die  „i  n  - 
e  r  e  n  t  e  n  Fächer**  der  Gruppe  2,  welche  weder  starke  Be- 
5its-,  noch  starke  Unbeliebtheitswerte  zeigen,  und  die  „b  i  p  o  - 
n  Fächer**  der  Gruppe  3,  welche  sowohl  starke  Beliebtheits- 
Jnbeliebtheitswerte  zeigen. 

Dieser  Einteilung  fügen  sich  die  Fächer  in  den  weitaus 
3n  Fällen  ganz  zwanglos,  dennoch  kann  man  hier  imd  da 
renzfällen  zweifelhalt  sein,  zu  welcher  Gruppe  man  ein  Fach 
en  soll.     Ich  habe  daher  in   solchen  Zweifelsfällen  folgende 

inne  gehalten:  Zu  den  eindeutigen  Fächern  (Gruppe  1 
!■)  rechnete  ich  stets  diejenigen,  bei  denen  die  vorherrschende 
mg  mehr  als  5®/o  und  mindestens  den  doppelten  Wert  der 
^engesetzten  Richttmg  betrug  (so  zählte  ich  Englisch  in  der 
en  Mädchenschule  noch  zu  den  „positiven**  Fächern,  da  es  bei 
D  nur  —  2%  zeigte).  Zu  den  „indifferenten**  rechnete  ich  alle 
jr,  bei  denen  keine  Richtung  mehr  als  das  Doppelte  der  an- 

betrug  und  keine  den  Wert  von  10®/o  überstieg.  (So  ist 
lg  an  den  Volksschulen  indifferent  mit  5  ®/o  Beliebtheit  und 
Inbeliebtheit).  Bipolar  dagegen  ist  dasjenige  Fach,  das  nach 
Seite  mehr  als  10®/o  und  nach  der  anderen  Seite  mehr  als 
[älfte  der  überwiegenden  Seite  zeigt.  (Zu  dieser  Gruppe  ge- 
[ast  stets  niu-  ein  einziges  Fach,  dies  aber  in  allen  geprüften 
en:  Rechnen).  In  den  Diagrammen  sind  die  einzelnen 
pen  durch  breitere  Zwischenräume  von  einander  getrennt. 
Aus  dieser  Grruppierung  ersieht  man,  wie  ungleich  lehrreicher 
iesultate   durch    Hinzunehmen    der  'Ablehnungen   geworden 

Während  z.  B.  nach  Lobsien  Rechnen  zu  den  durchaus 
^testen  Fächern  gehörte,  ist  der  Nachweis  der  Bipolarität  des 
enunterrichts  einer  der  wichtigsten  Befunde  unserer  Statistik. 

111.  Die  einzelnen  Ficlien 

Der  Betrachtung  dieses  Abschnitts  sind  durchweg  die 
ramme  Figg.  3 — 6  zu  Grunde  gelegt.     Sie  enthalten  die  Be- 


L.  WÜliam  Stern. 


Hebtheits-  und  Unbeiiebtbeitswerte  von  allen  jenen  Schülemmen  und 
Schülern,  die  nach  b  e  i  d  e  m  gefr:^  worden  sind.  (Diejenigen 
Kinder  also,  von  denen  nur  Beliebtheitsurteile  vorliegen,  sind  hier 
nicht  mitgerechnet.)  Da  den  Ordinalen,  welche  die  einzelnen 
Fächer  repräsentieren,  stets  in  kleinen  Ziffern  die  I^xnentEalilen 
der  Bevorzugung  und  Ablehnung  beigesetzt  sind,  war  hier  die 
Aufstellung  besonderer  Tabellen  überflüssig. 


Ueber  BtUebtheü  and  ÜnbeUel>theit  der  Schulfäcker 


"'  -S)t^  w 


1)  Die  technischen  Fächer. 
Ich  b^inne  mit  diesen,  weil  sie  in  den  meisten  Schulen  die 
weitaus  stärksten  Beliebtheitsprozente  aulzuweisen  haben.  Obwohl 
man  das  ja  im  Allgemeinen  wusste,  ist  dennoch  der  Grad 
dieser  Berorzugusg  überraschend.  In  den  Knaben -Volksschulen 
ialleo  auf  Turnen  und  Zeichnen  allein  mehr  als  die  Hälfte  aller 
positiven  Stimmen;    in  den  höheren  Mädchenschulen  erhalten  die 


278  L.  Wmiam  Stern. 

24-    i-^ 


«i 


Ueber  Beliebtheit  und  Unbeliebtheit  der  Schulfächer,  279 

len  Fächer  immerhin  noch  den  vierten  Teil  der  Stimmen;  in 
Iilädchen- Volksschulen  fällt  jede  dritte  Stimme  auf  Handarbeit; 
wenn  Turnen  hier  nicht  bloss  facultativer  Lehrgegenstand 
esen  wäre^),  hätte  es  wahrscheinlich  auch  eine  ziemliche 
ixnenzahl  auf  sich  vereint,  wie  die  Büeler  Befunde  zeigen.  Im 
igen  ist  die  Übereinstimmimg  mit  Edel  sehr  deutlich.  Den  starken 
orzugungen  stehen  ganz  verschwindend  wenig  Ablehnungen  der 
suinten  Fächer  gegenüber,  nur  das  Lehrerinnen-Seminar  macht 
5  später  zu  besprechende  Ausnahme. 

Worauf  beruht  diese  starke  Vorliebe  der  Kinder  für 
»  Technische?  Vor  allem  wohl  darauf,  dass  das  hier 
>gliche  sensomotorische  Verhalten  der  lündespsyche 
il  adäquater  ist,  als  die  in  den  theoretischen  -Fächern 
rlangte  Hemmung  der  Bewegungen.  Wenn  man  in 
n  letzten  Jahren  (wie  z.  B.  Lay  u.  a.)  betont  hat,  dass  nicht 
ahmehmen,  Auffassen  und  innerliches  Verarbeiten  die  ursprüng- 
(le  Form  des  psychischen  Daseins  ist,  sondern  die  Umsetzung 
n  Eindrücken  in  motorische  Betätigung,  so  ist  imsere  Statistik 
i  Beweis  für  die  Richtigkeit  dieser  Behauptung. 

BKerzu  kommt  dann  aber  noch  als  nicht  zu  imterschätzendes 
)ment,  dass  die  technischen  Fächer  zugleich  diejenigen  sind, 
denen  die  Aufmerksamkeit  der  Kinder  sehr  viel  weniger  in 
ndiger  Anspannung  und  ihr  Gemüt  sehr  viel  weniger  in  ängst- 
lier  Erregung  gehalten  wird,  als  in  den  anderen  Fächern.  Sie 
rden  nicht  gefragt  und  überhört;  sie  haben  eine  \del  grössere 
eiheit  und  Selbständigkeit  des  Tuns. 

Was  die  Einzelfächer  anlangt,  so  ist  über  Turnen  und 
andarbeit  nichts  Besonderes  zu  sagen.  Die  Beliebtheit  des 
len  Faches  bei  den  Knaben,  des  anderen  bei  den  Mädchen  ist 
bekannt.  Dagegen  hätte  man  sicherlich  für  Zeichnen  nicht  einen 
hohen,  für  Gesang  einen  höheren  Beliebtheitscoefficienten 
wartet. 

In  Bezug  auf  Zeichnen  vermute  ich,  dass  vor  einem 
hrzehnt  die  Statistik  einen  weit  geringeren  Wert  ergeben  hätte, 
asere  hohen  Zahlen  darf  sich  wohl  zum  grossen  Teil  die  neue 
jichenmethode,    die  von  Anfang  an  mit  dem  Abzeichnen  oder 


>)  Daher  wurde  es  von  den  Mädchen  überhaupt  nicht  zu  den  richtigen  Schul - 
ihem  gerechnet  und  blieb  ungenannt. 


280  L.  WiUiam  Stern. 

dem  Gedächtniszeichnen  von  Naturobjekten  arbeitet,  als  ihr  Ver- 
dienst anrechnen!). 

Dass  Gesang  nirgends  zu  den  ausgesprochen  positiven 
Fächern,  sondern  stets  zu  den  indifferenten,  in  den  höheren 
Mädchenschulen  sogar  zu  den  deutlich  negativen  Fächern  gehört, 
mag  verwunderlich  erscheinen.  Der  Grrund  wird  wohl  darin  liegen., 
dass  die  sicherlich  sehr  verbreitete  Beliebtheit  des  Gesanges  doch 
nicht  immer  so  stark  ist,  um  eine  Nennimg  als  beliebtestes  Fach 
überhaupt  zu  bewirken  (es  sollte  ja  nur  ein  Fach  genannt  werden), 
dass  dagegen  bei  dem  wirklich  Unmusikalischen  die  Abneigung 
gegen  den  Gesangsunterricht  recht  stark  ist,  so  dass  hier  verhält- 
nismässig oft  dies  Fach  an  der  Spitze  der  unbeliebten  marschiert. 

Schreiben  zeigt  insofern  seine  Zugehörigkeit  zu  den 
technischen  Fächern,  als  es  nirgends  zur  negativen  Gruppe  gehört- 
In  der  Mädchenvolksschule  ist  es  sogar  neben  Handarbeit  das 
einzig  einseitig  positive  Fach,  wenn  auch  mit  weit  geringerem 
Prozentsatz.  Die  Knaben  und  höheren  Schülerinnen  verhalten 
sich  zu  dem  Fach  indifferent. 

2)  Die  theoretischen  Hauptfächer. 

Unter  dem  Namen  „theoretische  Fächer"  fassen  wir  alle  niclit 
technischen  Fächer  zusammen,  also  diejenigen,  welche  die  eigentlioh 
geistige  Ausbildung  zur  Aufgabe  haben.    Die  Beurteilimg   dieser 
Fächer  wird  dadurch  etwas   erschwert,    dass    so    ausserordentlioh 
viel  Stimmen  schon  durch  die  technischen  Fächer  absorbiert  warx^^ 
so  dass  für  die  grosse  Zahl   der   übrigen   Disziplinen   nur  noch 
etwa  die  Hälfte  der  Stimmen  übrig   bHeb.      Bei    einer   künftig^^ 
Statistik  wäre    es    vielleicht    empfehlenswert,    einmal    unter  A*^^' 
Schaltung  der  technischen  Fächer  lediglich    die  Beliebtheits-   ujä^^ 
Unbeliebtheitsverhältnisse  innerhalb  der  geistigen  Fächer  zu  prüf^^- 

Beginnen  wir  mit  den  Hauptfächern :  Religion,  Deutsc^^ 
und  Rechnen,  so  fällt  sofort  das  wenig  erfreuliche  Ei^ebi^-^ 
auf,  dass  wenigstens  in  den  Volksschulen  keines  vo  ^ 
den  dreien  in  die  Gruppe  der  vorzugsweise  b^  " 
liebten  Fächern  gehört.  Sie  verteilen  sich  über  d^* 
drei  anderen  Gruppen  so,  dass  Religion  meist  indifierent.  Rechne?^ 
bipolar  imd  Deutsch  vorwiegend  imbeliebt  ist. 

Religion.     Lobsien    hatte    für   Religion   ein   besonder^ 
ungünstiges  Ergebnis  erzielt,  indem  das  Fach  bei    den   Mädchen 

')  Auch  Lobsien  misst,  wie  er  mir  mitteilt,  die  hohe  Belid>theit  det  Zdchnaif 
in  Kiel  hauptsächlich  der  neuen  Methode  in. 


282  L.  William  Stern, 

19  (also  jede  dritte)  Religion    als  Lieblingsfach    genannt;  in  der 
Dorfschule  I  erhält  Religion   die  Hälfte  aller  Mädchen-  und  den 
vierten  Teil  aller  Knabenstimmen-;  in  der  Knabenschule  D  endlich 
haben  von  den  167  Schülern  der  dritten  Klasse  25  Religion  ge- 
nannt:  Nachfragen  ergaben,    dass  die  Klasse    in   mehrere  Abtei- 
lungen gegliedert  ist  und  jene  25  Schüler  fast  alle   aus  einer  Ab- 
teilung stammten.     In  diesen  Ausnahmeerscheinungen  haben  wir 
fraglos  den  Einfluss  der  Lehrerpersönlichkeit  zu  sehen:  durch 
besondere  Hingebung  an  den  Religionsunterricht  und  besondere 
pädagogische    Begabung    muss    es    hier    der    Lehrer    verstanden 
haben,  die  in  der  Methode  und  der  Stoffmasse  Hegenden  Beliebtheits- 
hemmungen zu  überwinden.     Ueber   den    einen    der    in  Betracht 
kommenden  Lehrer    wird    auch    ausdrücklich    berichtet,   dass   er 
den  Religionsunterricht  mit  besonderer  Inbrunst    erteilt   und  die 
Schüler  hinzureissen  versteht.  — 

Deutsch,  Dasjenige  Fach,  dem  neben  der  Religion  die 
grösste  erziehliche  Bedeutung  beigemessen  wird,  ist  der  deutsche 
Unterricht.  Das  hierfür  vorliegende  Material  ist  dadurch  etwas 
ungleichmässig  geworden,  dass  bald  „Deutsch**,  bald  das  eine 
oder  andere  Partialfach  des  Deutschen,  z.  B.  Lesen  oder  deutsche 
Grammatik,  genannt  wurden. 

Nehmen  wir  zunächst  das  „Deutsche**  als  Ganzes,  so  zei' 
gen  die  niederen  und  höheren  Schulen  ein  entgegengesetztes 
Bild.  In  der  höheren  Töchterschule  und  im  Lehrerinnenseminar 
steht  Deutsch  mit  mehr  als  dem  vierten  Teile  sämtlicher  Vor- 
zugsurteile an  der  Spitze,  in  den  Volksschulen  mit  mehr  als  dem 
vierten  Teil  aller  überhaupt  gegebenen  Ablehnungen  am  anderen 
Ende  der  Skala.  Woher  dieser  Unterschied  ?  Er  liegt  wohl  in  der 
Verschiedenheit  der  zum  Deutschen  gehörigen  Partialfächer.  F^^ 
die  höhere  Mädchenschule  bekommt  Deutsch  durch  die  Literatur- 
geschichte, in  den  Volksschulen  durch  den  Grammatikunterricnt 
sein  Gepräge.  Deshalb  stammen  dort  die  Vorzugsurteile  meist 
aus  den  oberen  Klassen,  hier  die  vielen  Ablehnungen  meist  attf 
den  unteren  imd  mittleren  Klassen.  Innerhalb  der  Volksschule 
wird  dies  Verhältnis  dadurch  bestätigt,  dass  ja  oft  ausdrückS*  ,j 
das  Partialfach  genannt  wurde.  Und  da  sehen  wir  deniit 
die  relativ  wenigen  Vorzugsurteile,  die  auf  Deutsch 
nur  dem  Lesen  gegolten  haben,  dass  dagegen  d  e  u  t  s  '^ 
matik  ein  Fach  von  fast  absoluter  Q 
h  e  i  t  ist    (bei    den   Knaben  —  20>/q   gegen  + 


Ueber  Beliebtheit  und  Vnbeliebtheit  dor  Schulfächer.  283 

Q  —  31%  gegen  +  2V,%).     Lesen  erhält    dagegen    eine 

lassen  erträgliche  Stellung:  bei  den  Knaben  steht  es  auf 

nze   zwischen    den   positiven   und    indifferenten    Fächern 

—  4«/o);  bei  den  Mädchen  ist  es  bipolar  (+  9%,— 12Vo). 

lieh  die  Kieler  Erlebnisse  zeigten  ein  ähnliches  Verhältnis 
immatik  und  Lesen. 

►  sehr  man  sich  im  Allgemeinen  davor  hüten  muss,  in 
)tum  der  Kinder  schon  einen  Richterspruch  zu  sehen,   so 

doch  der  vorliegende  Fall  beinahe  dazu  zu  zwingen : 
aposante  Einhelligkeit  in  der  Ablehnung  des  Grammatik- 
lits  i  s  t  eine  Verurteilung.  Und  die  Ursachen  liegen  nicht 
1,  Der  intensive  so  frühe  Betrieb  und  die  Methode  des 
;hts  in  deutscher  Grammatik  sind  hergeleitet  aus  logischen 
,  vernachlässigen  aber  gröblich  die  psychologische  Be- 
heit  des  Schülers.  Als  der  Volksschulunterricht  seine 
3n  erst  auszubilden  begann,  stand  der  höhere  Schuluntei- 
tion  lange  in  Blüte  und  hatte  seine  fest  eingebürgerten 
mgsweisen:  kein  Wunder,  dass  die  junge  Volksschulpä- 
,  wo  sie    konnte,    dort  Anleihen    machte.     Das    galt    be- 

vom  Sprachunterricht.  Die  Methode,  nach  welcher  man 
Lateinschule  die  fremden  Sprachen  betrieb,  wurde  also 
i  Muttersprachunterricht  der  Volksschule  übertragen  imd 
lie    grammatische  Zergliederung    an    den  Anfang   gestellt. 

aber  ist  zweierlei  übersehen:  1)  dass  die  Anfangsgründe 
ämdsprache  mit  Schülern  einer  höheren  Altersstufe  ge- 
wurden, die  für  die  logischen  Momente  der  Grammatik 
nehr  Fähigkeiten  und  Interesse  haben  konnten;  2)  dass 
tersprache  eine  total  andere  Behandlung  verlangt,  als  eine 
prache.  Denn  die  Fremdsprache  ist  für  den  Anfänger 
;t  noch  eine  Null,  er  baut  sie  sich    langsam  aus  den  Ele- 

und  deren  Verknüpfung  auf;    die  Muttersprache    aber   ist 

Kind,  schon  ehe  es  in  die  Schule  kommt,  lebendiger  Be- 
ir  Ausdruck  seines  Fühlens  und  Denkens;  und  die  Um- 
ag  dieses  Besitzes  in  ein  Aggregat  von  grammatischen 
ten  wirkt  auf  das  Kind,  als  wenn  ein  eben  noch  lustig 
3r  bunter  Schmetterling  ihm  nun  als  fein  secierter  imd 
irter  Leichnam  dargeboten  würde.  Selbstverständlich  soll 
rf  auf  die  logische  Schulung,  die  in  der  granmiatischen 
5  liegt,  nicht  verzichtet  werden;  aber  sie  muss  in  stetem 
aenhang  mit  der  lebendigen  Sprache  bleiben.    Zu  fordern 


284  L.  Wiüicmi  Stern, 

ist  Grammatik  als  eine  innerhalb  des  deutschen  Unterrichts  tszu- 
wendende  Unterrichtsweise,  zu  verwerfen  aber  Grammatik  als  be- 
sonderes unteres  Fach,  namentlich  für  die  jüngsten  Schülergenc- 
rattonen. 

Das  Fach  „Anschauung"  ist  in  den  Volksschulen  augen- 
scheinlich in  Deutsch  mit  einbegriffen  und  darum  nicht  besonders 
genannt  worden ;  dagegen  ist  es  in  der  8.  und  9.  Klasse  der  höheren 
Mädchenschule  besonderes  Fach  und  hat  hier  überraschender 
Weise  eine  sehr  starke  Ablehnung  erfahren.  Von  den  52  Schüler- 
rinnen dieser  Klasse  haben  es  nur  2  als  liebstes  dagegen  10  als 
unliebstes  Fach  bezeichnet. 

Mathematik.  Das  Rechnen  nimmt  eine  Sonder- 
stellung unter  allen  Fächern  ein  durch  seine  Bipolarität.  Diese 
Erscheinung  ist  eine  durchgängige;  in  sämtlichen  DiagranuD^^ 
fällt  sofort  die  eine  Ordinate  auf,  die  sich  nach  beiden  Richtung«^ 
weit  erstreckt;  es  ist  die  Rechenlinie.  Sehen  wir  von  dem 
Lehrerinnenseminar  ab,  so  ist  Rechnen  bei  mehr  als  dem  1^- 
Teile  aller  Kinder  das  liebste,  aber  auch  bei  mehr  als  dem  1^- 
Teile  das  missliebigste  Fach.  Im  Allgemeinen  ist  die  Zahl  d^ 
Ablehnungen  noch  grösser  als  die  der  Bevorzugungen.  Nur  ^^^ 
Mädchen- Volksschulen  zeigen  das  umgekehrte  Bild ;  hier  ist  Rech- 
nen das  Lteblingsfach  jedes  fünften  Kindes,  während  etwa  jed^ 
achte  es  ablehnt. 

Die  Ursache  dieser  Bipolarität  ist  wohl  ohne  Zweifef  ^^ 
Anla^^everschiedcnheiten  der  Kinder  zu  suchen ;  Rechnen  ist  d^^' 
jenige  Fach,  in  dem  Leistungsfähigkeit  und  Interesse  weit  tneh^ 
von  einer  speziellen  Veranlagung  abhängt,  als  in  irgend  einc^ 
anderen  Fach.  Für  die  lünder  mit  rechnerischer  Veranlagu^i? 
ist  Rechnen  eine  ganz  besonders  gern  geübte  Tätigkeit,  für  dt^ 
mathematisch  Unbegabten  dagegen  ist  der  Abstand  von  den  A^' 
deren  und  die  Schwierigkeit,  das  Verlangte  zu  leisten,  so  gro^^ 
dafis  das  Fach  geradezu  verhasst  wird.  ^) 

Sehr   im   Unterschiede   zum   Rechnen    geniesst    der   and^^. 
Zweig  des  Mathematikunterrichts,    die  Geometrie,    gar   krf^^ 
Beliebtheit.     In  den  Volksschulen  gehört  Raumlehre  tM  dett 
Hell    negativen  Fächern  (bei  Knaben  +  ^'j^/o  und  —  9%,  dtf '^ 

*)     Eine  Weiterführunjj  dieser  Untersuchung^  würde  gewiss  Alt'* 
die  Veiteiltxni;  der  mathematischen  Be^^abung  bei  den  Kindern  gtfjb 
dtnn  auch  untersvcben,  inwiefern  sich  s&it  Be(^^Mnig»agf  und  Mk 
jwns  lodere  ptychdogiicht  TjpeBbilder  fcrlttflpiMi. 


i..irj8 


28ö  L.  WiUiam  Stertu 

Umwandlung  begriffen   ist.    Dass  der  Gegenstand  als  solcher 
das  Kind  hohes  Interesse  haben  kann,  ist  ganz  zweifellos;  unsere 
Ergebnisse    müssen    also     auch    hier    wieder    hauptsächlich  der 
Methodik   zugeschrieben   werden.      Vielleicht   wird    noch  immer 
zu    viel    Wert    auf    das   Systematische    und    zu    wenig  auf  das 
Biologische  gelegt. 

Eine  Nachprüfung  gerade  dieses  Resultats  an  einer  grösseren 
Zahl  von  Schulen  erscheint  dringend  geboten. 

Auch  bei  dem  naturgeschichtlichen  Unterricht  zeigt  sich 
ein  dem  obigen  ähnliches  Beispiel  für  die  Bedeutung  des  spezieliea 
Lehrstoffes.  In  Schule  A  erteilt  derselbe  Lehrer  Naturgeschichte 
sowohl  in  la  wie  in  Ib;  aber  in  la  erhält  das  Fach  15  Vorzugs- 
stimmen, in  Ib  keine,  weil  dort  das  höhere  Tierreich,  hier  das 
'niedere  Tierreich,  femer  Kryptogamen  u.  a.  zur  Behandlung  ge- 
kommen waren. 

Geschichte  und  Geographie.  Diesen  beiden  so 
eng  zusammengehörigen  Gebieten  kommt  das  Interesse  nicht 
gleichmässig  entgegen.  Geschichte  gehört  nur  in  den  Mädchen- 
volksschulen    zu     den     unbeliebten     Fächern     (+    3^/o    gegen 

—  9V2®/o)t  sonst  zu  den  positiven;  bei  den  Knaben  (+  Wlt^i* 
gegen    —    3V//o)    und    den    Seminaristinnen   (+    IS^/J^lo    gegen 

—  1  V«®/o)  ist  diese  Beliebtheit  sogar  recht  erheblich ;  massiger  in 
den  höheren  Mädchenschulen  (+  6®/o  gegen  —  3^/o).  Bei  den 
Knaben  ist  Geschichte  das  beliebteste  theoretische  Fach  über- 
haupt. Auf  den  Geschlechtsunterschied  im  Geschichtsinteresse 
komme  ich  weiter  unten  zu  sprechen. 

Anders  Geographie.  Sie  ist  in  den  Volksschulen  bei  beiden 
Geschlechtern  negativ  (Knaben  +  2%  und  —  9V2**/o.  Mädchen 
+  6«/o  und  —  12V4^/o);  ebenso  im  Seminar  (+  2^lo  und  —  WlM'^ 
in  den  höheren  Mädchenschulen  indifferent  (+  8®/o  imd  —  7*.'o). 
Vermutlich  macht  die  starke  Überlastung  des  mechanischen 
Gedächtnisses  mit  Länder-,  Fluss-,  Gebirgs-  und  Städtenamen  die 
Erdkunde  so  unbeliebt. 

Fremde  Sprachen.  In  der  höheren  Mädchenschule 
ist  Englisch  schwach  positiv  (+  6®/o  gegen  —  2®/o),  Französisch 
ziemlich  stark  negativ  (+  6®/o  gegen  —  lAy^^lo).  Natürlich  ist 
das  kein  Ergebnis,  das  allgemeine  Giltigkeit  beanspruchen  dürfte; 
in  anderen  Schulen  wird  sich  vielleicht  das  Verhältnis  umkehren. 
Hier  mag  in  der  Tat  die  Lehrerpersönlichkeit  von    grossem  B^" 


Ueber  Beliebtheit  und  Unbeliebtheit  der  Schulfächer.  287 

5in.    Im  Lehrerinnen-Seminar  sind  „fremde  Sprachen**  ver- 

sie  erfreuen   sich  ziemlicher  Beliebtheit  (+  ll^/o^'o  gegen 

/o). 

idlich    sei    noch  das  nur  im  Seminar  vorkommende  Fach 

i  d  a  g  o  g  i  k    erwähnt,    das,    wie    es    sich    bei   künftigen 

ginnen  gebührt,    mit  dem  dritten  Teil  aller  Bevorzugungs- 

1  und  keiner  Ablehnung,  das  Höchstmass    der  Beliebtheit 


IV.  Die  Altersstufen. 

ne  Einteilung  der  Ergebnisse  nach  Altersstufen  begegnet 
iwierigkeit,  dass  die  Anzahl  der  zu  einem  einzelnen  Jahr- 
ehörigen Individuen  oft  zu  klein  war,  um  eine  Statistik 
üben.  Wenn  sich  die  Ajigaben  von  40  Kindern  über 
ler  verteilen,  so  kann  jeder  Zufall  die  Prozentzahl  für  ein 
;es  Fach  total  verändern.  Es  lag  daher  die  Notwendigkeit 
ehrere  Jahrgänge  zu  je  einer  Altersgruppe  zu  vereinigen; 
/ar  geschah  dies  in  der  Weise,  dass  stets  drei  Stufen 
en  wurden:  eine  Unter-  eine  Mittel-  imd  eine  Oberstufe, 
n  niederen  Schulen  der  Knaben  und  Mädchen,  bei  denen 

zwischen  8  —  14  Jahren  geprüft  worden  waren,  umfasst 
tufe  zwei  Jahre.  (Die  wenigen  Ergebnisse,  die  von 
irigen  vorliegen,  sind  hierbei  ausser  Betracht  gelassen 
).  Bei  den  höheren  Mädchenschulen  mit  ihren  neim 
gen  umfasst  jede  Stufe  drei  Jahre.  Ausserdem  ist  den 
innten  Schulen  noch  das  Lehrerinnenseminar  als  vierte 
ngefügt. 

i  diesen  Berechnungen  sind  nur  diejenigen  Schulen  zu- 
1  worden,  von  denen  mehrere  getrennte  Altersstufen  zur 
[  gekommen  waren,  (daher  mussten  die  Dorfschulen  fort- 
1  werden,  weil  hier  alle  Altersstufen  zusammen  unterrichtet 
)  —  und  nur  diejenigen  Fächer,  die  auf  mehr  als  einer 
ufe  unterrichtet  wurden  (darum  fehlen  Anschauung,  Chemie, 
gik,  welche  nur  in  einer  Stufe  vorkommen).  Da  im  Ganzen 
?hr  Kindern  Beliebtheits-  als  Unbeliebtheitsurteile  gefordert 

waren,   so    sind   bei   diesen  Tabellen   die  Gesamtzahlen, 
len  die  Prozente  gezogen  wurden,  nicht  gleich, 
ie    Tabellen    III — V    enthalten    die    Werte    für    ICnaben, 

Mädchenschulen  und  höhere  Mädchenschulen.  Hieraus 
rieh  folgende  Ergebnisse  ablesen: 


288  L.   William  Stern. 

Bei  den  Knaben  der  Volksschule   bleibt  durch  die 
drei  Altersstufen  ziemlich  stabil  das  positive  Interesse  für  Zeichnen      -^ 
und   das    negative    für  Geographie.     An  Beliebtheit  wachsen  mit 
zunehmendem  Alter   die    naturwissenschaftlichen    Fächer,  (Natux- 
geschichte  und  Physik) ;    eine  Abnahme  der  Unbeliebtheit  zeigen 
Religion,    vSchreiben,    Gesang.     Bemerkenswert    ist   hierbei,  dass 
Religion  gerade  bei  den  jüngsten  Generationen,  (den  8 — lOjährigeJJ^) 
eine   starke   Unbeliebtheit    geniesst.     (+  4^/20/^   gegen    —  21Vo^' 
vermutlich    ein    Zeichen,    dass    die    dem  Rcligionsstoff   ehtgeg^^' 
kommende    geistige  Entwicklung    erst    später  einsetzt,  so  dass     ^^ 
den    ersten  Jahren    der  Religionsunterricht  vorwiegend  als  bloi^ 
Gedächtnisbelastung  empfunden  wird. 

Die  Unbeliebtheit  nimmt  zu  durch  die  drei  Altersstufen 
den  mathematischen  Fächern;  Rechnen  ist  erst  ein  positives  Fa<^^  ^' 
wird  dann  bipolar  und  endlich  fast  negativ  (+  5V»'>/o  g^g^^^ 
—  l%o);  Raumlehre  ist  bei  der  Oberstufe  viel  unbeliebter,  r^ls 
bei  der  Mittelstufe.  Die  Beliebtheit  nimmt  dauernd  ab  h^^* 
Geschichte  —  was  ein  einigermassen  überraschendes  imd  \n^^'" 
leicht  durch  Zufälle  bedingtes  Resultat  sein  dürfte. 

Es  bleiben  nun  noch  zwei  Fächer  übrig,  bei  denen  4  ^^ 
Altersfortschritt  kein  eindeutiger  ist:  Deutsch  und  Turnen.  E>i^ 
Unbeliebtheit  des  deutschen  Unterrichts  ist  zwar  schon  bei  d^^f 
Unterstufe  sehr  stark,  nimmt  aber  in  der  Mittelstufe  noch  beträchi^' 
lieh  zu,  um  dann  in  der  Oberstufe  wieder  zurückzugeben^ 
auf  etwa  den  halben  Wert.  Turnen  bietet  das  Gegenstüc*^« 
Hier  kulminiert  die  Beliebtheit  in  der  Mittelstufe,  wo  es  \cy^ 
jedem  dritten  Kinde  gewählt  wird.  Die  Kleinen  zeigen  nocrh 
sehr  wenig,  die  Grössten  ziemlich  reges  Interesse ;  jeder  vierte 
Schüler  nennt  es  hier. 

Die    Mädchen    der   Volksschule    zeigen  zum  Teri^ 
ein    hiervon    sehr   verschiedenes   Bild.     Bas    erste,     was   in  di^ 
Augen    fällt,    ist  das  ungeheure  Ueberwiegen  der  Handarbeit  a^t^ 
der  Oberstufe   mit  nicht  weniger  als  57*^/0  aller  Stimmen,    üies^^ 
Umstand    wirkte  auf  alle  anderenErgebnisse  ein:  denn  die  säff»** 
liehen  übrigen  Fächer   müssen  sich  hier  in  die  noch  restierend 
43*^/0   der    Stimmen  teilen,    d.    h.    sie   werden   durchweg  auf 
geringe  Zahlen    herabgedrückt;    ein  einigermassen  adäquates 
Bild    ihrer    Beliebtheitsverhältnisse    ist    daher    kaum    mdr  ^^^'i 
erwarten.  *) 

')  Hier  sieht  man,  wie  Dötig  eine  Statistik  wäre,  die  unter  Bei' 
der   technischen  Fächer  nur  nach  den  theoretischea  Wk 


lieber  Beliebtheit  uiid  Unbeliebtheit  der  Schulfächer,  289 

Stabilität  durch  alle  Altersstufen  finden  wir  bei  keinem  Fach 
eisende  Beliebtheit  zeigt  die  schon  genannte  Handarbeit, 
m  Coefficient  auf  der  imteren  und  mittleren  Stufe  ziemlich 
LI  bleibt   und   sich   dann  plötzlich  mehr  als  verdoppelt;  und 

Naturgeschichte,  die  sich  wenigstens  aus  der  absoluten 
^liebtheit  bis  zur  Indifferenz  herausarbeitet.  Eine  schwache 
Lahme   der   Unbeliebtheit   bietet    Geographie.     Das  Verhältnis 

Religion  ist  dauernd  ziemlich  indifferent,  inmierhin  mit  einer 
<ienz  zur  allmählichen  Steigerung  des  Interesses. 

Eine  Sonderstellung    nimmt    Geschichte    ein,    die    in    der 

^Istufe  stark   verhasst    ist,    während   sich    die    Mädchen    der 

crstufe  völlig,    die    der  Oberstufe   ziemlich    indifferent  zu  ihr 
lalten. 

Alle  übrigen  Fächer  zeigen  eine  Abnahme  der  Beliebtheit 
h  oben  hin.  Rechnen  wird  aus  einem  stark  bipolaren  Fach  mit 
Twiegender  Beliebtheit  zu  einem  schwächer  bipolaren  Fach  mit 
rwiegender  Unbeliebtheit.  Bei  Deutsch  stehen  auf  den  beiden 
terstufen  den  starken  Unbeliebtheitscoefficienten  (über  25^/o) 
Derhin  Beüebtheitscoefficientcn  von  über  lO®/o  gegenüber;  in 
Oberstufe  nimmt  der  Unbeliebtheitsgrad  etwas  ab,  die  Beliebt- 
t  schwindet  aber  fast  völlig.  Gegen  die  technischen  Fächer, 
lang.  Zeichnen,  Schreiben,  .die  bei  den  kleineren  Mädchen 
Qerhin  ziemliches  Interesse  finden,  werden  die  älteren  ganz 
chgiltig;  alle  technischen  Interessen  werden  eben  von  Hand- 
eit  absorbiert. 

Die  höherenMädchenschulen  weisen  darin  eine  merk- 
'dige  Uebereinstimmung  mit  den  niederen  auf,  dass  auch  hier 
Oberstufe  durch  das  besonders  starke  Ueberwiegen  eines  Faches 
:ennzeichnet  ist;  doch  ist  es  diesmal  nicht  die  Handarbeit,  son- 
n  das  Deutsche.  Und  der  Prozentsatz  der  Beliebtheit  ist  zwar 
'as  niedriger,  als  dort  derjenige  von  Handarbeit;  immerhin 
räsentiert  er  fast  die  Hälfte  aller  zu  den  Klassen  HI.  II.  1. 
lörigen  Schülerinnen  (47%).  Die  Ursachen  dieser  Erscheinung 
1  ja  bekannt ;  einerseits  die  Schwärmerei  für  deutsche  Literatur, 
lererseits  die  Schwärmerei  für  den  Literaturlehrer.  Merkwürdig 
das  dieser  Hochstand  des  Interesses  für  Deutsch  nicht  durch 
adigen  Aufstieg  erreicht  wird,  sondern  dass  zxmächst  vonderUnter- 
fe  zur  Mittelstufe  eine  deutliche  Abnahme,  und  dann  erst,  also 
ra  mit   dem  Eintritt   der  Geschlechtsreife,    der  plötzliche  Auf- 


290  L,  William  Stern. 

schw\ing  erfolgt.  Im  Seminar  ist  Deutsch  auch  noch  sehr  beliebt, 
muss  aber  einen  grossen  Bruchteil  der  Stimmen  an  das  hier  neu 
auftretende  Fach  der  Pädagogik  abgeben. 

Zunehmende  Tendenz  besitzt  dann  nur  noch  Geschichte,  und 
zwar  stetig  bis  ins  Seminar  hinein.  Alle  anderen  Gebiete  werden 
entweder  ständig  unbeliebter,  oder  ständig  indifferenter.  Die  Un- 
beliebtheit steigt  mit  zunehmendem  Alter  vor  allem  bei  den 
meisten  technischen  Fächern  Schreiben,  Turnen,  Zeichnen  und  (im 
Gegensatz  zu  den  Volksschülerinnen)  Handarbeit ;  die  drei  letzten 
in  der  Unterstufe  fast  total  positiven  Fächer  sind  im  Seminar  total 
negativ  geworden.  Femer  werden  Naturgeschichte  und  Französisch 
von  der  Mittel-  zur  Oberstufe  unbeliebter,  tmd  Rechnen  wird  aus 
einem  stark  bipolaren  ein  stark  unbeliebtes  Fach.  Der  Gang  des 
Interesses  für  Rechnen  ist  also  allen  drei  Schulgattungen,  die  wir 
überblicken,  gemeinsam. 

Ständig  indifferenter  wird  Religion,  ein  Fach,  das  ursprüng- 
lich bipolar  ist,  und  Gesang,  der  ursprünglich  stark  unbeliebt  ist 

Wir  haben  in  Kürze  sämtliche  Ergebnisse,  die  wir  in  Be- 
zug auf  die  Altersstufen  gefunden  haben,  registriert,  möchten  aber 
betonen,  dass  wir  gerade  diesen  Resultaten  am  wenigsten  ADg^ 
meingiltigkeit  zumessen,  da  sie  aus  so  kleinen  Schülennengen 
abgezogen  werden  mussten.  Hier  ist  Erweiterung  des  Materials 
am  dringlichsten  erforderlich. 

V.  Höhere  und  niedere  Schulen. 

Die  schon  mehrfach  erwähnten  Verschiedenheiten  zwischen 
höheren  imd  niederen  Schulen  seien  nun  noch  dadurch  auf  einepfäct" 
sereFassung  gebracht,  dass  wir  ausbeiden  Gruppen  vonSchulgattung^ 
gleiche  Altersgruppen  herausschneiden  und  nebeneinanderstellet 
In  Tab.  VI  kommen  daher  die  Ergebnisse  für  die  9 — Hjähiig^ 
Mädchen  zur  Vergleichung,  die  einerseits  den  niederen,  ändert' 
seits  den  höheren  Schulen  angehören.  In  den  höheren  TöcWcf* 
schulen  sind  hierbei  die  Klassen  HI,  IV,  V,  \l  vereinigt  word^ 
Um  die  Vergleichbarkeit  zu  erhöhen,  sind  nur  die  grossstadtisd^: 
Mädchen  berücksichtigt  worden. 

Das  Hauptresultat  der  Vergleichung    ist   aus   der 
berechnung    am    Schluss     erkennbar ;     das    Inte 
Volksschülerinnen  istviel  mehrder 
motorischen    Seite    des  Unterricht j 


Ueber  Beliebtheit  und  UnhelieWi(it  der  Schulfücher.  291 

[s  technische  Fächer  sind  hierbei  Schreiben,  Gesang,  Turnen, 
icbnen  und  Handarbeit  gezählt).  Die  höheren  Schülerinnen 
ivegen  sich  mit  merkwürdiger  Gleichmässigkeit  für  beide  Ge- 
ito  und  für  Ablehnung  und  Bevorzugung  zwischen  4Wo  und 
Vo.  Bei  den  Volksschülerinnen  dagegen  steht  einer  63®/oigen 
liebtheit  der  technischen  Fächer  eine  nur  48%  ige  für  die  theo- 
iscben  gegenüber,  und  was  noch  auffallender  ist,  eine  nur 
^/mloige  Verhasstheit  der  technischen  eine  80 Vorige  der  theo- 
ischen. 

Bei  genauerem  Hinsehen  zeigt  sich  dann  noch,  dass  sich  die 
^C3ndere  technische  Neigung  der  Volksschülerinnen  auf  Hand- 
^^it  und  die  besondere  theoretische  Abneigung  auf  Deutsch 
ri. zentriert.  Ich  glaube,  wir  stehen  hier  wieder  vor  einem  Er- 
b>iiis  allgemeinerer  Natur.  Ein  Entwicklungsgesetz  geistigen 
fc^ens  beisagt,  dass  das  sensomotorische  Verhalten  eine  niedere, 
s  mehr  intellektuelle  Verhalten  eine  höhere  Entwicklungsstufe 
«^stelle:  und  wie  wir  dieses  Gesetz  bei  den  Altersstufen  im 
X:>ssen  bestätigt  fanden,  so  gilt  es,  wie  wir  jetzt  sehen,  bei 
wichen  Altersstufen  auch  für  verschiedene  geistige  Bildungs- 
Wichten  des  Volkes.  Aus  den  Volksschulen  gehen  hauptsächlich 
^G  körperlichen  Arbeiter,  aus  den  höheren  Schulen  die  geistigen 
»-rbeiter  hervor;  und  man  sieht  jetzt,  wie  diese  Differenzierung 
chon  von  Anfang  an  vorbereitet  ist  in  den  Interesserichtimgen 
Icr  Kinder. 

An  weiteren  Differenzen  sei  dann  noch  erwähnt,  dass  sich 
die  höheren  Schülerinnen  gegen  Religion  und  Rechnen  sehr  viel 
indifferenter  verhalten,  als  die  niederen.  Beide  Fächer  werden 
n  den  Volksschulen  sowohl  häufiger  bevorzugt,  als  auch  häufiger 
ibgelehnt.  Für  Geschichte  ist  die  Neigung  bei  den  höheren 
Schülerinnen  viel  stärker,  ein  ähnliches  Verhältnis,  nur  in  gc- 
ingerem  Grade,  besteht  für  Geographie. 

Endlich  ist  bemerkensv/ert,  dass  die  niederen  Schülerinnen 
üe  gestellten  Fragen  stets  mit  positiver  Nennung  eines  Faches  be- 
mtworteten,  während  die  höheren  Schülerinnen  sich  zuweilen 
ies  Urteiles  enthielten.  4^lo  von  ihnen  konnten  sich  nicht  ent- 
schliessen,  ein  Fach  als  beliebtestes  zu  bezeichnen,  7V«®/o  vet- 
>agten  bei  dem  unbeliebtesten.  Zwei  psychologische  Gründe 
Icönnen  hierfür  herbeigezogen  werden.  Einerseits  sind  die 
Kjnder  des  Volks,  wie  in  ihrem  ganzen  Denken  und  Fühlen, 
so  auch  in  ihren  Interessenrichtungen  einfacher  und  entschiedener. 


292  L.  William  Stern. 

als    die  Kinder    der    gebildeten  Stände,    bei    denen   die   grössere 
Manigfaltigkeit  des  geistigen  Inhalts  das  naive  Stellungnehmen  er- 
schweren kann.     Andererseits  aber  bekundet  sich  in  obigem  Phae- 
nomen  auch  die  grössere  Selbständigkeit  der  Töchterschülerinnen, 
Die  Volkschülerinnen  sahen  in  der  Frage    einen  Befehl,   der  auf 
alle  Fälle  zu  vollziehen  war:  und  so   manche  Antwort  wird  hier 
nicht   Ausdruck    des    wirklichen  Beliebtheits-  und   Unbeliebtheits- 
maximums, sondern  blosse  Wirkung  des  Suggestivzwanges  sein. 
Die  höheren  Schülerinnen  wagen  es  dagegen,  wenn  sie  innedich 
nicht  zu  einer  Entscheidung  kommen  können,    dies  auch  äusserlicb 
durch  ein  ,,ich  weiss  nicht**  zu  dokumentieren. 

VI.  Die  beiden  Gesclilechten 

Wenn  auch  im  Vorangehenden  das  Verhalten  der  Knaben 
und  Mädchen  oft  im  einzelnen  genannt  worden  ist,  so  bedarf  doch 
die  Frage,  ob  sich  Geschlechtsunterschiede  typischer  Art  heraus- 
gestellt haben,  einer  besonderen  Prüfung.  Die  Vergleichung  ist 
bei  unserem  Material  nur  möglich  für  die  Volksschulen  (Fig.  3 
und  4). 

Gemeinsam  ist  beiden  Geschlechtern  die  starke  Vorliebe  für 
die  technischen  Fächer,  die  bei  Knaben,  wie  bei  Mädchen  mehr 
als  50^/ü  aller  Bevorzugungsstimmen  erhalten;  bei  den  Mädchen 
konzentriert  sich  hierbei  das  Interesse  ganz  vorwiegend  auf  Hand- 
arbeit, bei  den  Knaben  verteilt  es  sich  auf  Zeichnen  und  Turnen. 
Gemeinsam  ist  ferner  die  Bipolarität  des  Rechnens,  die  starke 
Abneigung  gegen  deutsche  Grammatik,  gegen  Chemie  und 
Geographie. 

Ein  Unterschied  zwischen  beiden  Geschlechtern  besteht  zu- 
nächst  darin,  dass  Zeichnen  und  Naturgeschichte  bei  den  Knaben 
beträchtlich  höher  in  der  Beliebtheitsskala  stehen,  als  bei  den  Mäd- 
chen, dass  dagegen  Rechnen  fast  doppelt  so  viel  weibliche  Lieb- 
haber findet,  als  männliche  (in  Kiel  betrug  freilich  der  Prozent- 
satz der  positiven  Stimmen  für  Rechnen  bei  beiden  Geschlechtem 
gleicbmässig  14^/o). 

Den  Hauptunterschied  aber  glaube  ich  in  den  Interesaen 
für  Religion  und  Geschichte  zu  sehen.  Hier  verhalten  sich  näm- 
lich die  Mädchen  gerade  umgekehrt  wie  die  Knaben:  In  den 
Mädcheninteressen  spielt  Religion  eine  stär- 
kere Rolle  als  Geschichte,  in  den  Knabeninie- 
ressen     Geschichte     eine     grössere     Rolle    als 


Ueber  Beliebtheit  und  Unbeliebtheit  der  Schulfächei\  293 

i  g  i  o  n.  ^)  Es  scheint  demnach  zwischen  Religions-  und 
^hichtsinteresse  eine  Art  umgekehrter  Proportionalität  zu  be- 
en,  derart,  dass  sich  die  Teilnahme  an  der  menschlichen 
tur,  entweder  auf  ihre  historisch-politische  oder  auf  ihre  religiöse 
e  zuspitzt;  jenes  wäre  dann  mehr  Knabenart,  dieses  mehr 
Ichenart.  Ich  gebe  diese  Deutung  vorläufig  unter  allen  Vor- 
alt, möchte  aber  doch  erwähnen,  dass  noch  manches  andere 
ir  spricht.  So  werden  Märchen  und  Sagen,  die  beiden  frühesten 
stesnahrungen  der  Kinder,  auch  nicht  von  beiden  Geschlechtern 
chmässig  geliebt;  vielmehr  neigen  die  Mädchen  meist  zu  den 
chen,  (die  mit  ihren  Dämonen,  Feeen,  Zwergen  u.s.w.  eine 
litive  Mythologie  oder  Religion  darstellen),  die  Knaben  mehr 
den  Sagen'' (die   ja  die  Urform    aller    Geschichte    sind).     Und 

das  Gleiche  nicht  von  Erwachsenen?  Welches  Geschlecht 
;  die  Kirchen  und  welches  treibt  Politik? 2) 

Zahlenmässig  ist  der  von  uns  in  den  Volksschulen  gefundene 
chlechtsunterschied  namentlich  bei  „Geschichte**  sehr  stark: 
iben-+  14^/o  gegen  ~  3VA,  Mädchen  +  3%  gegen  —  9V«®'o 
te  sich  ein  ähnliches  Verhältnis  auch  bei  weiteren  Statistiken 
lusstellen,  so  wäre  dies  ein,  allerdings  negativer,  Beitrag  zum 
ma  der  Coedukation. 

Endlich    scheint    auch    die    Gruppierung    der   Kinder    nach 

irsstufen    eine    charakteristische    Geschlechtsdifferenz    zu    ver- 

n:    nämlich    in    Bezug    auf    die    Vielseitigkeit    der    Interessen 

den  Knaben  sind  die  Interessen  stets  so  verteilt,    dass   selbst 

beliebteste  Fach  höchstens  Vg  aller  Stinmen   erhält.     Dies  ist 

Fall  auf  der  Mittelstufe  für  Turnen;  auf  der  Oberstufe  ist  die 

teilung  sogar  noch  grösser  geworden ;  kein  Fach  erlangt  mehr 

den   vierten  Teil    der  Stimmen.     Anders    bei    den  Mädchen, 

r  zeigen  Unter-  und  Mittelstufe  stärkere  Verteilung  (kein  Fach 

t  über  25%);  aber  in  der  Oberstufe,  und  zwar  sowohl   in  der 

£S-  wie  in  der  höheren  Mächenschule  vereinigt  sich  das  Inte- 

e  derart^  das  etwa  die  Hälfte  aller  Stimmen  —  dort  etwas  mehr, 

etwas  weniger  —  allein  von  einem  Fach  absorbiert  wird. 

0  In  Kiel,  wo  Religion  durchweg  sehr  imbeUebt  war,  gilt  zwar  der  obige 
nicht  genau,  aber  es  besteht  doch  eine  Annähemng  an  ihn.  Dort  hat  oanüich 
lichte  bei  beiden  Geschlechtem  einen  Beliebtheitsvorsprung  vor  Religion,  aber 
Icn  Knaben  um  8.4O/0,  bei  den  Mädchen  um  nur  4,30/0-  In  <lcn  von  uns  ge- 
en  Dorfschulen  (s,  Tab.  XIII)  hat  wiederum  Religion  bei  beiden  Geschlechtern 
Vortprung.  doch  hei  den  llädchtii  uit  14^/9.  M  des  Kaatm  um  I^/q. 

')  Aeholich  Lobsien,  a.  a.  O.  S.  330. 


294  L.  William  Slern. 

VII.    Stadt  und  Land. 

Ein  letzter  Gesichtspunkt  der  Vergleichung  bezieht  sich  aiai 
das  Verhältnis  der  städtischen  zu  den  dörflichen  Schulen.    Aller-- 
dingfs    ist    die  Zahl  der  Landesschüler  viel  zu  klein  um  eine  ver'— 
allgemeinerungsfähige    Statistik    zu    erlauben    (160   Knaben  ua 
166    Mädchen).      Ausserdem    sind    diese    Kinder    fast    nur  a 
Beliebtheit  geprüft  worden;  nur  von  28  Knaben  und  42  Mädchera 
liegen  auch  Ablehnungen    vor,    bei    denen    sich    natürlich   eirt^e 
Prozentberechnung  vollständig  verbietet.    Die  Beliebtheitsprozenle, 
die    aber   wie    gesagt,    zu  Schlüssen   über  die  geprüften  Schulen 
hinaus    nicht   verwertet   werden    dürfen,    sind  in  Tabelle  VII  zu- 
sammengestellt.      Die     Zahlen     müssen      mit     den      städtischen 
Volksschulen    (Fig.    3    und  4)    verglichen    werden.       Beide  Mal 
handelt  es  sich  um  dieselbenAltersstuf en :  9—14  Jahr. 

Ein  grosser  Unterschied  in  der  Beliebtheitsverteilung  zwischen 
Stadt  und  Land  ist  ja  von  vom  herein  zu  erwarten.  Die  Ver- 
schiedenheit der  Umwelt,  der  Lebensgewohnheiten  und  der 
gesamten  Anschauungskreise,  die  Trennung  der  Geschlechter 
dort,  die  fast  stete  Coedukation  hier,  die  bessere  Stellung  der 
Stadtschulen  hinsichtlich  der  Lehrmittel,  der  Umstand,  dass  die 
Landkinder  zumeist  denselben  Lehrer  in  allen  Fächern  durch 
alle  Jahre  haben,  während  in  der  Stadt  ein  wohltuender  Wechsel 
stattfindet,  endlich  die  verschiedene  Stoff-  und  Stundenverteilung 
—  all  dies  muss  sich  auch  in  den  Interessenrichtungen  der 
Kinder  äussern.  Aber  trotz  alledem  ist  man  doch  nicht  auf  eine 
solche  Grösse  der  Differenz  gefasst,  wie  sie  unsere  Zahlen  ergeben. 
Eine  gewisse  Übereinstimmung  besteht  eigentlich  nur  in  der 
starken  Beliebtheit  des  Rechnens,  der  massigen  Beliebtheit  des 
Schreibens  und  in  der  sehr  geringen  Beliebtheit  der  natur- 
wissenschaftlichen Fächer  und  der  Raumlehre.  Aber  das  Haupt 
Charakteristikum  der  städtischen  Volksschule,  die  starke  Vorliebe 
für  die  technischen  Fächer,  ist  auf  dem  Lande  total  verschwunden. 
An  der  Spitze  steht  nicht  mehr  bei  den  Knaben  Zeichnen  oder 
Turnen  und  bei  den  Mädchen  Handarbeit,  sondern  dort  Deutsch 
und  Rechnen,  hier  Religion  imd  Rechnen.  Während  in  den 
grosstädtischen  Volksschulen  die  technischen  Fächer  45®/o  der 
Knabenstimmen  und  57  ^/o  der  Mädchenstimmen  absorbieren, 
lauten  die  entsprechenden  Zahlen  auf  dem  Lande  34Vso/o  (Knaben) 
und  gar  nur  26Vs^/o  (Mädchen). 


Ueber  Beliebtheit  und  Unbeliebtheit  der  Schul fächer.  295 

Die  Landschüler  verhalten  sich  also  zu  den  Stadtschülem 
ich  wie  sich  nach  unseren  früheren  Befunden,  innerhalb  der 
Lt,  die  Schüler  der  höheren  Schulen  zu  den  gleichaltrigen  der 
eren  Schulen  verhalten.  Demnoch  wäre  es  verfehlt,  den 
srschied  hier  auf  die  gleichen  psychologischen  Gründe 
Lckzuführen  wie  dort.  Die  stärkere  Bevorzugung  der  theo- 
ichen  Fächer  durch  die  Dorfkinder  beruht  sicherlich  nicht 
Liif,  dass  sie  auf  einer  höheren  geistigen  Entwicklungsstufe 
en  als  die  gleichaltrigen  Stadtkinder,  sondern  auf  einer 
le  gänzlich  anderer  Motive.  Erstens  werden  die  technischen 
her  auf  dem  Lande  bei  weitem  nicht  so  gepflegt  wie  in  der 
3t:  sie  erhalten  viel  weniger  Unterrichtsstunden,  verfügen  über 
r   viel    geringere  Lehrmittel    und  sind  vielleicht  auch  noch  in 

Methode  zum  Teil  hinter  den  Stadtschulen  zurück  (was 
lentlich  auf  die  Ergebnisse  für  Zeichnen  eingewirkt  haben 
fte).  Geturnt  wird  im  Winter  auf  dem  Lande  überhaupt 
lt;  und  da  unsere  Erhebxmgen  in  Februar  stattfanden,  so  war 
Turnen  so  ziemlich  dem  Gesichtskreis  der  Schüler  entrückt 
äitens  aber  muss  das  Milieu  eine  Interessenverschiebung 
wirken.  Die  Stadtkinder  haben  fortwährend,  nicht  nur  in  der 
nie,  sondern  auch  auf  dem  Schulwege,  auf  der  Strasse  und 
Hause  eine  abwechselungsreiche  Fülle  geistiger  Eindrücke; 
;  intellektuelle  Aufmerksamkeit  ist  in  ganz  andern  Masse  in 
ve  Spannung  versetzt,  als  es  bei  dem  einförmigen  Land- 
en möglich  ist.  Dagegen  kommen  in  der  Stadt  oft  die 
ken  Bewegungsinpulse  zu  kurz.  Da  wirken  nun  die  tech- 
dien Fächer  als  Gegengewicht;  sie  bedeuten  zugleich  ein 
illektuelles  Ausruhen  und  ein  motorisches  Sich  -  austummeln- 
inen.  Auf  dem  Lande  dagegen  ist  der  Normalzustand  ein 
Qgel  an  intellektuellen  Anregungen  und  Abwechselungen  imd 
;estörte  Bewegungsmöglichkeit  im  Freien;  hier  wirken  dann 
ade  wieder  die  wissenschaftlichen  Fächer  als  das  neue  Besondere, 
Anregung  und  Abwechslung. 

Nun  noch  wenige  Worte  über  einige  spezielle  Ergebnisse. 
5S  das  Religionsbedürfnis  bei  Mädchen  lebhafter  ist  als  bei 
iben,  hatten  wir  schon  in  den  vorangegangenen  Statistiken 
mden;  es  wiederholt  sich  auch  auf  dem  Dorfe,  und  zwar  in 
z  besonders  starken  Masse.  Ist  doch  bei  den  Mädchen 
igion  mit  dem  vierten  Teil  aller  Stimmen  das  beliebteste 
dchenfach  üerhaupt.     Allerdings  hat  an  diesem  Ergebnis  eine 


296  L,  WiUiam  Stetm. 

einzelne  Schule  (J.)  besonderen  Anteil,  der  jedenialls  der  Lehr^  ^^ 
persönlichkeit  zuzuschreiben  ist;  aber  auch,  wenn  man  diese  1>^* 
Seite  lässt  bleibt  Religion  noch  immer  mit  dem  Satz  von  Iff^y^ 
an  der  Spitze  aller  Fächer.  Sonderbarer  Weise  sind  auf  de 
Lande  die  Mädchen  auch  im  Geschichtsinteresse  den  Knabe 
überlegen;  doch  mag  das  ein  reines  Zufallsergebnis  sein. 

Dass  die  in  unmittelbarer  Berühnmg  mit  der  Natur  lebende 
Dorfkinder  für  die  naturwissenchschaftlichen  Fächer  so  weni 
Interesse  übrig  haben,  darf  nicht  Wunder  nehmen;  gerade  di 
allzugrosse  Vertrautheit  und  Selbstverständlichkeit  der  Objekt 
muss  bewirken,  dass  eine  der  Hauptmotive  des  Interesses,  d 
Reiz  der  Neuheit  und  Ungewöhnlichkeit,  hier  wegfällt  >) 

Die  wenigen  Ablehnungen,    die   aus  Dorfschulen  vorliegi 
verbieten    zwar,    wie    gesagt,   Prozentberechnimgen;    doch  kan 
man  schon  die  Vermutung  aussprechen,  dass  nach  der  n^atiy< 
Seite   hin    die  Abweichung   von   den  Stadtschulen  nicht  so 
sein   würde.     Bei    beiden   Geschlechtem    wurden    Deutsch 
Rechnen    relativ   oft    abgelehnt,    bei    den    Mädchen    dann 
Geschichte,  und,  merkwürdiger  Weise,  Zeichnen. 


Ich  schliesse  mit    dem  herzlichen  Dank  an  alle  Damen 
Herren,     die    durch    Anstellung    der    Erhebungen    die    Arb^üf 
ermöglicht     und     durch    Teilnahme    an    der    Verarbeitung    dL«s 
Materials  ihren  Abschluss  gefördert  haben, 


')  Bekanntlich  ist  ja  auch  der  sogenannte  .,Nattirsinn''  bei  dem  DSrOer  yM 
weniger  atxsgebildet  als  bei  dem  StSdter.  Es  sind  dies  mir  SpeiitIflQlff  def  dl- 
gemeincn  Satset,  dass  rom  Sich- wandern -köuen  tine  gewiss«  XHttns  fO* 
Objekt  gdiört. 


Sitznns^sberichte. 


Psychologische  Gesellschaft  zo  Berlin. 

Donnerstag,  den  4.  Mai  1905. 

Beginn  8»/*  Uhr. 
Vorsitzender:  Herr  Martens, 
Schriftfahrer:  Herr  Westmanit. 

Herr  Albert  Moll  spricht  über:  „Ps)chologie  und  Kur- 
P^^^^eherei«. 

Wenn  wir  die  geschichtliche  Entwickelung  der  Psychotherapie  ins 

p, fassen,    so    haben    wir    zweierlei   zu   unterscheiden:     erstens   die 

^^^iiichte  der  praktischen  Psychotherapie  und  zweitens  die  der  theorc- 


^en.    Erstere  umschliesst  alle  psychotherapeutischen  Massnahmen,  die 
"^tr  Praxis  vorgenommen  worden  sind,  letztere  betrifft  die  theoretisdie 


^rbeitung  der  einschlägigen  Fragen.     Beide  Gebiete   haben  zwar  Be- 

^^^^i^ungspunkte  miteinander,  fallen  aber  durchaus  nicht  immer  zusammen. 

^^    mancher   therapeutischen  Massnahme,    z.  B.  bei  vielen  elektrothera- 

"^^>ltischen  Kiu-en,  nahm  man  irrtümlich  lange  Zeit  als  wirksames  Prinzip 


^ti  physischen  bezw.  chemischen  Einfluss  an,    während  man  erst  später 
^^^  psychische  Beeinflussimg  als  das  Wirksame  erkannte.    D.  h.  man  hat 


die  Elektrotherapie  schon  früher  psychotherapeutisch  verwertet,  die 
Psychische  Wirksamkeit  aber  erst  später  erkannt.  (Es  bezieht  sich  dies 
^titriich  nicht  auf  alle  elektrotherapeutischen  Massnahmen.) 

Getrennt  von  der  praktischen  Verwertung  der  Psychotherapie  ist 
deren  wissenschaftliche  Erforschung.  Es  hat  von  jeher  einzelne  Ärzte 
und  andere  Forscher  gegeben,  die  bei  bestimmten  Massnahmen  eine 
psychische  Wirksamkeit  erkannten.  Im  Altertum  fmden  wir  u.  a.  schon 
bei  Hippokrates,  Galen,  Seneca,  in  den  späteren  Zeiten  vielfach  auch  bei 
den  katholischen  Schriftstellern  Massnahmen  empfohlen,  die  als  psycho- 
therapeutische bereits  damals  erkannt  waren.  Ganz  besonders  aber  vnirde 
die  wissenschaftliche  Erforschung  der  Ps)  chotherapie  durch  die  Lehre 
vom  Hypnotismus  angebahnt.     Dieser  bewies  die  Bedeutung  der  Sugges- 

Zeitfchrift  für  pädagogische  Psychologie,  Pathologie  und  Hygiene.  « 


298  Sitzungsberichte. 

tion;  es  zeigte  sich  aber  sehr  bald,  dass  die  Saggesdon  ofci 
Hypnose  Bedeutung  hatte,  und  wir  erkannten  dann  wdia, 
nur  die  Suggestion,  sondern  auch  zahkeiche  andere  psydix 
kungen  therapeutisdi  wirksam  sind.  Hierzu  gehören  (fie  1 
Therapie,  die  Willens-Therapie,  die  Beschäfdgungs-Therapie  i 
andere. 

Die  Beziehungen  von  Kurpfuscherei  und  Psycho^ 
äusserst  zahlreich,  indem  sich  jene  \'ieler  Einwirkungen  bcd 
psvciiische  Bedeutung  sie  leugnet,  bei  denen  aber  die  wiss 
Medizin  eine  psychische  Wirkung  annimmt  Der  Umstand, 
Tatsache  oft  verkannt  wird,  hat  viele  Irrupgen  veranlasst  m 
Zeit  zu  Zeit  immer  wieder  zu  jenen  Vorgängen,  die  in  Fonn 
Epidemieen  in  den  verschiedensten  Ländern  auftreten. 
Epidemie  bildete  bei  uns  erst  vor  wenigen  Jahren  das  Gesa 

Die  Kurpfuscherei  bedient  sich,  wie  schon  ai^egd 
psydiischer  Einwirkungen.  Sie  unterscheidet  sidi  aber  ga 
wissensdiafthchen  Psychotherapie  dadurch,  dass  sie '  den  i 
psydiischen  Wert  dieser  Mittel  leugnet.  Ab  Beispiel  .  r  d 
tung  wollen  wir  den  sogenannten  Heilmagnetismas  wähle 
wir  die  Heilerfolge  der  Magnetiseure  durch  Soggesticm  i 
Einwirkungen  erklaren  können,  müssen  wir  dies  tun.  Eist 
Erklärungsmoghcfakeit  versagt,  haben  wir  das  Redit,  eine 
klärung  zu  suchen.  Nun  behaupten  freilich  die  Heihnagi 
andere  Kurpfuscher,  dass  sie  Heilungen  zu  stände  biii^ 
durch  Suggestion  oder  ähnliche  psychische  Einflösse  eiklaib 
besonders  weisen  sie  mit  Vorliebe,  um  dies  zu  b^rönden^ 
dass  sie  auch  organisdie  Krankheiten  durch  Suggestion  heSe 
hegt  hier  ein  Tnigscfahiss  vor.  Auch  bei  organischen  Krank 
sich  wesentliche  Besserungen  oft  genug  durdi  psycfaisclic 
^neichen«  ohne  dass  man  eine  organische  Verändenmg  de* 
nennen  braucht.  Auf  aDe  Erklärungsversuche  kann  ich  n» 
Ich  erwähne  kurz,  dass  bei  organischen  Krankheiten  die 
weiter  reicht,  als  dem  organischen  Herd  entsprichL  Ohara 
halb  mit  Vorliebe  eine  begleitende  Hysterie  bei  vielen  oi| 
kranknngen  an.  während  andere  nur  eine  .\rt  Shockwiikm 
die  sich  am"  andere  Abschnitte  des  Organismus  eisüeiAl  a 
die  direkt  lädiert  sind.  Diese  Voraussetzung  würde  scboi 
therapeutische  Bessermi^  von  Symptomen  bei  derartigen 
efklären.  Vergessen  wir  femer  nichL  dass  auch  bei  oigani 
beiten  durch  Ablenkung  der  Azinnerksamkeit  und  St^gesd 
minderm^  der  Schmerzen  erreich:  werden  kann.  Jeden£di 
bevor  wir  an  die  Heilung  organisdier  Knnkbeitesi  dnrc 
nugnecism'^  giauben.  eis:  in  dieser  Weise  alle  Mc^ücakeite 
beiuLopcen  ja  die  Heilm  igneti^eure.    dass  sie   das  I 


SüsBungsberichte,  299 

>eweisen  können.  Es  sind  aber  bisher  alle  wissenschaftlich 
''ersuche  misslungen,  und  die  zwei  Heilmagnetiseiure,  die  sich 
ler  betreffenden  Untersuchung  zur  Verfügimg  gestellt  haben, 
rht  im  stände,  auch  nur  das  Mindeste  nach  dieser  Richtung  zu 
Wir  haben  natürlich  nicht  alles  mit  dem  Worte  „Suggestion" 
Kurpfuschern  abziunachen.  Es  kommen,  wie  angedeutet,  auch 
sychische  Einflüsse  hinzu.  Das  moralische  Kontagium,  das  diese 
urch  veröffentlichte  Annoncen  angeblich  Geheilter  vorbereiten, 
e  Rolle;  ebenso  der  Affektzustand,  in  den  die  Patienten  versetzt 
ind  der  durch  die  angespannte  Erwartung  bestimmte  Wirkungen 
e  kommen  lässt.  Es  kommt  weiter  hinzu,  dass  bei  einzelnen 
hem  eine  äusserst  starke  persönliche  Einwirkung  stattfindet,  wie 
lupt  der  Wert  der  Persönlichkeit  im  Leben  ein  sehr  grosser  ist. 
wie  der  eine  Lehrer  stark  auf  den  Schüler  psychisch  wirkt,  so 
Qcher  Kurpfuscher. 

in  darf  femer  nicht  vergessen,  dass  die  meisten  Patienten  von 
ewisser.  Vertrauen  beseelt  zum  Kurpfuscher  kommen.  Dem 
cht  nicht  der  Umstand,  dass  mancher  ohne  blindes  Vertrauen 
pfuscher  geht.  Wenn  auch  das  Vertrauen  nicht  dauernd  imd 
f  sein  mag,  gänzlich  ohne  solches  dürfte  so  leicht  keiner  dort 
t  werden. 

Diskussion: 

;rr  Munter  führt  aus: 

e  Hoffnungslosigkeit  des  Patienten,  der  die  Unheilbarkeit  seiner 
t  kennt,  führt  den  Leidenden  zu  Kiurpfuschem.  Das  Aufgeben 
ges  zum  Leben  ist  etwas  Psychopathologisches.  Die  Suggestiv 
:lche  zur  Erhaltung  des  Lebens  aufgewandt  wird,  kann  eine 
e  Resistenz  gegen  die  schädliche  Krankheit  selbst  schaffen 
organische  Veränderungen  bei  der  Suggestion  können  dturch 
ngen  bei  der  Cirkulation  erklärt  werden,  z.  B.  Stauungen. 
;rr   Moll    erwidert   auf  die   Bemerktmgen    des   Herrn   Munter 


5. 


1  bestreite  nicht,  dass  durch  psychische  Vorgänge  organische 
rungen  bewirkt  werden  können.  Im  Gegenteil,  ich  halte  dies  für 
Ich  verweise  auf  die  Versuche,  durch  Suggestion  die  Wirkung 
asenpflasters  zu  erzielen,  femer  auf  die  Physiognomieen  be- 
Berufe. Ich  glaube  indessen,  es  ist  bisher  noch  nicht  nach- 
,  dass  man  durch  psychische  Einflüsse  gerade  die  zur  Heilung 
panischen  Erkrankung  nötigen  Veränderungen  erzielen  könne. 

Schluss  der  Sitzung:  9 Vi  Uhr. 


300  Süxungsberiehie. 

Donnerstag,  den  18.  Mai  1905. 

Anfang  8V4  Uhr. 

Vorsitzender:  Herr  MolL 
Schriftführer:  Herr  Westmann. 

Ak  Mitglieder  wurden  aufgenommen  die  Herren:  Referendar  Franz 
Heinemanü,  Ludwig  Freiherr  von  dem  Busche  Lehe,  Frta 
Lina  Kats.  Znt  Aufnahme  gemeldet  wurden  die  Herren:  Dr.  Valen- 
tin, Dr.  Maroinowski,  stud.  phil.  Kurt  Burohardt,  FrL  Biren- 
aweig. 

Herr  Dr.  Fritz  Leppmann  spridit  über  „Unzuchtverbrecheo 
an  Kindern.*' 

Es  erregt  Befremden  und  BeunruhigUBg,  dass  Kindersdiändungot 
so  häufig  und  von  Angehörigen  vetschiedenster  Gesellschaftsklassen  Ttr^ 
übt  werden.  Der  Laie  nimmt  an,  dass  nur  besonders  rohe  und  wüsl^ 
oder  aber  geistig  abnorme  Menschen  dazu  im  Stande  seien.  Denn  der 
normale  Geschlechtstrieb  richte  sich  nur  auf  reife  Individuen,  tmd  es  sei 
Gelegenheit  genug,  ihn  auf  rechtszulässige  Weise  zu  befriedigen. 

In  Wirklichkeit  aber  kann  die  Gelegenheit  zu  normalem  Gesdiledito- 
verkehr  sehr  eingeengt,  ja  aufgehoben  sein,  entweder  durch  zufällige  sozbk 
Umstände,  oder  dadurch,  dass  einzelnen  Menschen  diejenigen  Eigensdiafteo 
fehlen,  welche  zur  Erlangung  geschlechtlicher  Gtmst  von  Erwachsenen  not* 
wendig  sind  (körperliche  AnsehnHchkeit,  ein  gewisses  Mass  von  Keck- 
heit, Gewandtheit  oder  dgl.) 

Dagegen  ist  Gelegenheit  zur  Verlockung  von  Kindern  überall  leicht 
gegeben,  da  sich  allerorts  unbeaufsichtigte  Kinder  herumtreiben,  welche 
teils  aus  Unverstand  (jüngere  Kinder),  teils  auch  aus  bereits  erwaditer  ' 
Lüsternheit  (Mädchen  von  12 — 13  Jahren)  den  Männern  folgen,  die  sicfa  j 
an  sie  heranmachen.  Eine  besonders  nahe  Gelegenheit  zur  Verführung  'Z 
von  unreifen  Mädchen  bieten  auch  autoritative  Verhältnisse,  insbesondere  -^ 
das  der  Erzieher  (Lehrer,  Geistliche),  zu  den  Kindern. 

Es  muss  freilich  zu  der  Gelegenheit  immer  noch  der  Reiz  hin-  — 
zutreten.  Es  gibt  aber  mannigfache  Bedingimgen,  unter  denen  auch  unreife  ^ 
Individuen  einen  Geschlechtsreiz  auslösen  können.  Längst  nicht  bei  allen  j 
Menschen  ist  die  Richtung  des  Geschlechtstriebs  auf  erwachsene  Personen  j 
des  anderen  Geschlechts  so  fest  und  unabänderUch,  dass  sie  tmter  allen  :: 
Bedingungen  ausschlaggebend  bliebe. 

Weit  verbreitet  ist  eine  mehr  oder  weniger  vollständige  geschlecht- 
Uche  Wahllosigkeit.  Sie  tritt  am  krassesten  zu  Tage  bei  Geistes*  - 
schwäche  verschiedenster  Entstehung  und  bei  augenbliddicher  Alkohol- 
wirkung. Aber  auch  ohne  solche  grobe  Gehimschädigungen  genügen  för 
viele  Menschen  bestimmte  äussere  Bedingungen,  lun  den  Geschlechtstrieb 
auch  durch  Unerwachsene  auslösbar  zu  machen.  Hierzu  gehört  ins- 
besondere der  Anblick  unbekleideter  oder  wenig  verhüllter  weibUcher 
Körper,  wie  er  zumal  bei  engem  Zusammenwohnen  sich  aufdrängt  [Sehr 


302  Sitzungsberichte. 


£s  gibt  auch  Motive  zu  Sittlichkeitsverbrechen,  welche  ganz  abseits 
vom  Geschlechtsleben  liegen.  Am  wesentlichsten  sind  die  abergläubischeD 
Vorstellungen,  dass  Geschlechtskranke  durch  Verkehr  mit  unbcräbtteu 
Mädchen  geheilt  und  Greise  durch  Beilager  mit  Jimgfrauen  vcijüngt 
werden  können.  Man  darf  aber  nicht  so  weit  gehen,  bei  jedem  n 
venerischer  Ansteckung  des  Kindes  führenden  Schändungsveibredwi 
auf  abergläubischen  Ursprung  zu  schliessen. 

Die  hier  schematisch  auseinandergehaltenen  Motive  pflegen  sidi  in 
Wirklichkeit  vielfach  zu  verflechten,  wie  Vortragender  dies  an  Beispid« 
dartut.  Die  seelischen  Mängel  der  Verbrecher  spielen  in  der  grossen 
Mehrzahl  aller  Fälle,  auch  nach  Abzug  der  auf  Grund  des  §  51  R.StG 
nichtstrafbaren  unzurechnungsfähig  Geisteskranken,  eine  Rolle.  Sie  wiAen 
aber  selten  einseitig  bestimmend,  gewöhnlich  müssen  noch  andere  Ein- 
flüsse hinzukommen,  tun  das  Sittlichkeitsverbrechen  auszulösen.  Kncr 
Häufung  solcher  Einflüsse  bedarf  es  in  der  Regel  bei  der  MindenaU 
den  geistig  vollgesunden  Sittlichkeitsverbrechem.  Neben  der  Augenbüds- 
Wirkung  des  Alkohols  sind  namentlich  die  im  Einzelnen  bereits  oben 
angedeuteten  sozialen  Verhältnisse  von  ausschlaggebender  Wichtigkeit 

An  diese  Ermittlungen  knüpfen  sich  praktische  Folgenmgen  zunächst 
in  strafrechtlicher  Beziehung.     Bei  den  meisten  Kinderschändem  bestehen 
im  Siime    des   geltenden  Rechtes    mildernde  Umstände :    die  Einen  sind 
wegen  seelischer  Defekte  minder  fähig,  ihre  Triebe  zu  zügeln,  die  Anderen 
geraten  ins  Verbrechen  mit  Hilfe  gehäufter  unglücklicher  Zufälle.    Sdion 
von  diesem  Standpunkte    aus    sind  die  ganz  hohen  Strafen  (5  und  mehr 
Jahre)  bedenklich.     Dieselben    sind    aber  auch  unzweckmässig.    Denn 
für  Affektverbrecher  ist  das  bei  langen  Strafen  unvermeidliche  Zusammen- 
leben mit  Gewohnheitsverbrechern  immer  gefährlich,  und  ausserdem  wird 
die  Gesundheit  grade  bei  Personen  von  stärkerer  geschlechtlicher  Erreg* 
lichkeit  durch  lange  Freiheitsstrafen    besonders    gefährdet.     Wenn  sokhe 
Personen  darm    entlassen    werden,    so    sind  sie  sozial  unbrauchbarer  vS 
vor  der  Strafe.     Es  empfiehlt  sich  daher  eine  Strafzeit  von  mittlerer  Dauc^ 
an  welche  —  entsprechend  den  Beschlüssen  des  vorjährigen  KriminalisteO" 
und  Juristentages  —  bei  gemeingefährlichen  Minderwertigen  eine  andeß* 
artige  weitere  Verwahrung  auf  unbestimmte  Zeit  sich  anschliessen  müsste 
Die  neuerdings  wieder  empfohlene  Prügelstrafe  ist  ausser  aus  allgemeine^ 
Erwägungen,  die  hier  zu    weit   führen  würden,    schon  deswegen  zur  Be- 
kämpfung der  Sittlichkeitsverbrechen  ungeeignet,  weil  sowohl  Prügeln** 
Geprügeltwerden  vielfach  geschlechtlich  aufregend  wirkt  und  zu  VeriirtDl'^  i 
des  Geschlechtstriebes  Anlass  gibt. 

Das  Wichtigste  ist  die  Prophylaxe  der  SittlichkeitsverbrechiÄ 
rechtzeitige  Fürsorge    für   jugendliche  Minderwertige,    durdi 
des  Wohnungselends  und    der  Trinksitten,    durch  Fürsonr^ 
Beaufsichtigung   der   Proletarierkinder   und   durch   vemOi 
Erziehung  von  Knaben  und  Mädchen  in  den  EntwiGÜQi 


304  SiUst^g^berid^. 

Ursachen  für  die  Sitüidikeitsverbrechen  bei  Kindern  angeführt  Es  gibt 
aber,  ifne  ich  ergänzend  bemerke,  eine  Anzahl  von  Männern,  bd  denen 
^}^  episodisch,  ganz  vorübergehend  Neigung  zu  Kindern  voil^mmt»  und 
zwar  scheint  dies  durch  eine  Assoziation  einzutreten,  die  durch  ia^  xaxte 
Knabengesicht,  das  ja  dem  Gesicht  des  Weibes  weit  mehr  tthnelt  als  dem 
Männergesicht,  herbeigeführt  wird. 

Die   Gefahren   der  Prügelstrafen    sind   anzuerkennen.     Ich  selbst 
)i^   gerade   über   die   sexuellen   Reizungen,   die  die  Prügelstrafe  leidit 
herbeiführt,   einmal   geschrieben.    Trotzdem   mus»  untersdüeden  werden 
zwischen  einer  gelegentlichen  Prügelstrafe  und  der  methodisch  fortgesetzten 
Prügelstrafe.    Avif  die   erstere  wird  bei  der  Rohheit  vieler  Schüler  nidit 
ganz  verzichtet  werden  können,  und  ich  glaube  nicht,  dass  es  im  Interesse 
der   Disziplin   läge,    den   Lehrern   allzu   strenge   Vorschriften   hierin  r^ 
machen. 

Was  die  Frage  des  Angeborenen  imd  Erworbenen  betrifft,  so  wek^Bt 
ich   auf  folgendes   hin.     Ich  behaupte  nicht,   dass  es  eine  eingebore^^^^ 
sexuelle   Neigtmg   zu   Kindern   gibt;    aber   der   eine  Grund,   der  'umm^'^^ 
wieder    gegen    das    Eingeborene    angeführt   wird,    tmd   den   auch  H^^sn 
Dr.  Fritz  Leppmann  erwähnt  hat,  das  primäre  Auftreten  des  pervers^^**^ 
^mpfmdens,    scheint    mir    heute    nicht    mehr    stichhaltig.      Eingebore^z=^^ 
Neigungen  brauchen    nicht  immer  primär  aufzutreten.     Die  AusfÜhruqg^-  "^ 
über  den  undifferenzierten  Geschlechtstrieb  bei  Beginn  der  Pubertät, 
sie  Max  Dessoir  zuerst  gegeben  hat,  zeigen,  dass  anscheinend  p 
Neigungen   primär   auftreten   und   dass   später  das  Normale  durchbric 
und   zwar   gerade   weil   die  Disposition   zu  den  normalen  zweifellos 
geboren  ist. 

Herr  Westmann  erachtet  langdauemde  Freiheitsstrafen  wegen  ff^  ^^ 
starken  Anreizes  zur  Begehung  von  Sittlichkeitsdelikten  und  w^en  der^^^^ 
Gemeingefährlichkeit  sowohl  vom  Standpunkte  der  klassischen  als  ai^=^-J^ 
dem  der  soziologischen  Kriminalistenschule  bei  Erwachsenen  für 
gebracht. 

Herr  F.  Leppmann:     Herrn  Löwenstein  gebe  ich  zu,  dass 
von  ihm  dargelegten  gesetzlichen  Verhältnisse   an   der  besonderen 
fung  von  „Sittlichkeitsverbrechen''    bei  Personen   tmter    15  Jahren  exhi 
liehen  Anteil  haben.     Daneben  aber  bleibt   bestehen,    wais  ich  über 
Einfluss  der  Pupertät  sagte. 

Im  Anschluss  an  die  AusRlhrungen  Herrn  Munters   bemerke  i 
dass  eine  unzulängliche  gerichtliche  Würdigung   aus   §  51    nach  meiiv-.^° 
Erfahnmgen  am  ehesten  bei  Epileptikern  und  bei  betrunkenen  Scfawa^^' 
sinnigen  vorzukommen  pflegt 

Zu  der  Auffassung  Herrn  Mo  11s  bezüglich  des  undifferepziffrC)^ 
Geschlechtstriebes  wollte  ich  mit  meinen  Darlegimgen  nicht  in  QegpBißM^ 
treten. 


306  Sitzungsberichte. 

Handlung,  Handlung  und  Moral  leiden  unter  Einkleidung  in  das  Gewand 
des  griechischen  Altertums;  schemenhaft,  aber  nicht  lebensvoll. 

Goethe  ist  Schöpfer  des  neuen  Romans  durch  Werthers  Leiden, 
Wilhelm  Meisters  Lehr-  und  Wanderjahre  und  durch  die  Wahlverwandt- 
schaften. 

Werther,  der  empfmdsame  Geist  der  Aufklärungsepoche.  Neu  ist 
die  packende  und  einheitliche  klare  Zeichnimg  des  Innenlebens  eines 
jeden,  alles  ist  aus  der  Seele  der  Menschheit  heraus  geschildert,  nicht 
aus  der  eines  Menschen.  Das  allgemein  Menschliche  ist  zugleidi  mit 
den  charakteristischen  Farben  einer  bestimmten  Zeit  geschildert  Dadmcfa 
wird  auch  das  wertvoll,  was  sonst  bei  Seite  bliebe.  Leidenschaftliche 
Aufregung  gegenüber  der  geltenden  Moral,  herbe  Kritik  der  soriakn 
bürgerlichen  Verhältnisse,  revolutionäre  neue  Zeit.  Wilhelm  Meister: 
Alles  Überzeugung,  Gedanke,  Berechnimg;  Erziehung  zum  Leben,  ein 
Hauptproblem  der  damaligen  Welt.  Reiches  Gedankenmaterial,  Vervoll- 
kommnung in  Sprache  und  Bildung.  Ziel:  Harmonische  Ausbildung  nach 
Aussen  und  nach  Innen.  Soziale  Bedeutung,  der  dritte  Stand  spielt  eine 
Rolle,  Überwindung  gesellschaftlicher  Schranken.  Klar  gezeichnet  sind 
die  Stimmungen  und  Gedanken  über  die  menschlichen  Charakter- 
schilderungen. 

Wilhelm  Meisters  Wanderjahre  sind  lediglich  eine  Folge  von 
Novellen,  sie  stehen  im  Baime  des  reinen  abstrakten  Gedankens,  ein 
Roman  sind  sie  nicht. 

Wahlverwandtschaften:  Gedanken  und  Handlung  sind  zu  einer  Ein- 
heit verschmolzen.  Die  Handlung  ist  die  Durchführung  des  Gedankens 
selbst.  Die  Gedanken  prägen  sich  in  der  Entwicklung  aus.  Die  Hanö- 
lung ist  der  Ausdruck  des  Gedankens,  der  Gedanke  ist  die  Seele  der 
Handlung.  Damit  der  gewaltigste  Schritt  zu  der  Entwicklung  des  deutschen 
Romans  getan.  Die  Konsequenz,  mit  der  das  Thema  von  der  Heiligkeit 
der  Ehe  behandelt  wird,  macht  die  Wahlverwandschaften  zum  ersten 
Roman,  der  der  Idee  des  Romans  entspricht:  ein  einheitliches  in  der 
Handlung  und  nach  den  scharf  erfassten  Gesetzen  seelischer  Anlagt* 
gestaltetes  Abbild  des  Lebens  und  von  Zeitproblemen,  keine  gekünstelte 
Altertümelei. 

Kein    Gegensatz    zwischen    Gesinnung  und  Charakteren,    Begebe^' 
heiten  und  Taten  in  den  Goetheschen  Romanen.     Der  Romanheld  tosß^ 
handeln  und  leiden,    wie  das  Leben  handeln  und  leiden  lässt    Wtf^  ,- 
hat  Streit-  und  Nachahmungsschriften  hervorgerufen,  Wilhelm  Meister  ij^ 
bahnbrechend    für    den    Bildungsroman    des    19.  Jahrhunderts   g 
Haupteinfluss  Goethes  in  der  unbeirrten  Wiedergabe  des 
in  der  Kunst,  Handlung  und  Gedanken  in  eins  zu  schaffen. 

Eine  Diskussion  fand  nicht  statt. 

Schluss  der  Sitzung  9Va  Uhr.  t 
;  i\ 


306  SiteungaberichU. 

schon  darauf  hin;  dass  die  betreffende  KörperbilduDg  gewissermassen 
eine  symbolische  Bedeutung  für  die  entsprechenden  seelischen  ^en- 
schaften  habe. 

Eine  Diskussion  fand  nicht  statt 

Schluss  der  Sitzung  11  7«  Uhr. 


Donneistag,  den  29.  Juni  1905. 

Vorsitzender:  Herr  Mo  IL 
Schriftführer:  Herr  Westmann« 

Beginn  der  Sitzung:  8  Uhr  80  Minuten. 

Als  Mitglieder  wurden  aufgenommen:  Herr  P.  lic.  BohD  «ad 
Herr  stud.  phil.  Lehmann.  Zur  Aufnahme  gemeldet:  Herr  ProieMor 
von  den  Steinen  und  Herr  prakt.  Arzt  Dr.  Holst.  Auagetreten  iit 
Herr  Bechtsanwalt  Dr.  Bieber. 

Herr  Gramzow  hielt  über  den 

»Anthropologismus  in  der  Feuerbachschen  Religions- 
philosophie'' 
einen  Vortrag,  in  dem  er  Folgendes  ausführte: 

Hegel  versucht  den  ganzen  Werdeprozess  der  Welt  mit  öcm 
Gedanken  zu  umspannen,  alle  Einzelheiten  des  „Geschehens**  in  eincD 
einheithchen  Zusammenhang  zu  bringen,  er  tmterscheidet  den  Geist  als 
subjektiven,  objektiven  und  absoluten  Geist.  Der  absolute  Geist  ist  sidi 
seiner  selbst  bewusst:  in  der  Form  der  Anschauung  in  der  Kunst,  ^ 
der  Form  des  Gefühls  in  der  Religion,  in  der  Form  des  Begriffs  in  der 
Philosophie. 

Alle  Entwicklungsstufen,  die  durchlaufen  werden,  existieren  fort  als 
aufgehobene  Momente :  der  Gegensatz,  der  in  dieser  Entwicklungsphase 
sich  kundgibt,  wird  beseitigt,  die  einzelnen  Entwicklungsmomente  weiden 
aufbewahrt.  Jeder  Begriff  erzeugt  sein  Gegenteil,  ein  Begriff  baut  sid^ 
aus  dem  andern  auf.  Die  Religion  ist  eine  Entwicklungsstufe  des 
menschlichen  Geistes,  die  Philosophie  ist  die  höhere  Offenbarung  der 
ReUgion.  Der  Begriff  oder  die  Idee  besitzt  die  Macht,  die  ganze  Wiik- 
lidikeit  der  Natur  und  die  Geschichte  aus  sich  hervorzutreiben.  Wenn 
der  Weltgrund  vernünftig  ist,  muss  die  ganze  Welt  vernünftig  sein  uid 
so  ist  es  möglich,  aus  der  menschUchen  Vernunft  allein  die  ganze  Ab- 
straktion der  Welt  abzuleiten. 

Feuerbach  durchschaut  die  Leerheit  der  Hegeischen  SpekuladoB, 
der  die  notwendige  Grundlage  der  Wirklichkeit  fehle  und  dadurch  der 
Inhalt.    Er  sieht  diesen  Inhalt  im  Anthropologismus: 

Gott  ist  das  Erzeugnis  des  Menschen.  Die  Theologie  ist  Anthro- 
pologie, wie  die  Philosophie.     Der  ganze  Mensch  mit  dem  Intellekt,  dem 


Sitzungsberichte.  311 

•j  Diskussion: 

Herr  Stern  führte  aus,  dass  bereits  Xenophanes  im  6.  Jahr- 
hundert vor  Chr.  den  Satz  aufgestellt  habe,  die  Religion  sei  lediglich  die 
Selbstvergötterung  des  Menschen. 

Herr  Moser:  Feuerbach  habe  die  Trinität  verkannt,  Maria  ge- 
höre nicht  hinein.  Der  Gedanke  der  Trinität  sei  folgender:  Gott  er- 
kenne sich  selbst,  und  indem  er  sich  erkenne  und  ausspreche,  produziere 
er  das  Wort.  Dieses  sein  substanziales  Erkennen  sei  nicht  ein  vorüber- 
gehendes Denken,  sondern  selber  eine  Substanz,  der  Sohn  Gottes.  In- 
dem Vater  und  Sohn  sich  selber  erkennen  und  lieben,  sei  diese  Liebe 
als  substanzial  zu  verstehen  und  sei  der  heilige  Geist,  ausgehend  von 
Vater  und  Sohn.  Es  sei  nicht  ein  zeitliches  Geschehen,  sondern  ein 
notwendiges  ewiges  Geschehen  in  der  Natur.  Gott  sei  nur  der  eine, 
dreifach  in  derselben  Person,  drei  verschiedene  Eigenschaften.  In  der 
griechischen  Kirche  gehe  der  heilige  Geist  nur  vom  Sohne  aus,  Maria 
sei  lediglich  eine  Kreatur  Gottes,  die  den  Vorzug  der  vaterlosen 
Mutterschpift  Jesu  habe. 

Herr  Gramzow  entgegnet,  für  die  rationalistische  Erklärung  Gottes 
sei  die  Trinitätslehre  imbegreiflich  imd  unfruchtbar.  Feuerbachs  Stand- 
punkt führe  vor  allem  zur  religiösen  Toleranz,  die  spiritualistische  Er- 
klärung Gottes  und  der  Trinität  sei  als  Gegensatz  gegen  den  Bilderdienst 
in  den  ^'rsten  beiden  Jahrhunderten  nach  Christi  entstanden,  der  rein 
geistige  •  !ött  des  Judentiuns  sei  den  Bekennem  zu  abstrakt,  nicht  fassbar 
gewesen. 

Herr  Westmann   führt   aus,    der  Anthropologismus  Feuerbachs 

sei    nicht   rein   rationalistisch    entstanden,    sondern    stehe    im  engen  Zu- 

iv 
sammenriang    mit   der  Romantik,    welche    als  Fortbildung   und  zum  Teil 

als  Gegensatz  gegen  den  abstrahierenden  Rationalismus  des  18.  Jahr- 
hunderts plastisch  die  Welt  belebe  und  die  ganze  Natur  beseele  und 
vermenschliche,  er  enthalte  somit  auch  ein  poetisches  Element,  welches 
im  unmittelbarsten,  historischen  Zusammenhang  mit  der  ganzen  Zeit- 
strömung stehe.  Auch  der  Entwicklungsge  ianke  sei  für  die  Erklärung 
des  religiösen  Phänomens  als  heuristisches  Prinzip  von  Feuerbach  an 
gewandt  worden. 

Herr  Gramzow  führt  in  seinem  Schlusswort  aus,  die  Entwicklimg 
des  Mittelalters  sei  aus  dem  Buchstaben,  abb  ikter  Begriffskonstruktion 
und  Weiterbildung  heraus  entstanden,  nicht  dagegen  aus  klaren  Vor- 
stellungen. Die  Trinität  sei  ein  „übervemünftiges"  Dogma,  welches 
lediglich  aus  dem  Verstände  heraus  zu  begreifen  sei. 

Schluss  der  Sitzimg  10  Uhr  10  Minuten. 


Berichte  uad  Besprechuisfeo. 


Emil   Müller.     Ueber    mehrdimensionale    Räume.      Wiss        ob* 

schaftl.  Beil.  z.  17.  Jahresber.  d.  Phil.  Ges.  a.  d.  üniTC^^TB» 

Wien.    ö.  1—14. 

Leipzig,  Barth.  1904.    Pr.  M.  2,—. 

Verfasser  definiert  zunächst  eine  Mannigfaltigkeit  (oder  einen  Ba==iUD) 
▼on  einer  Dimension,  zeigt  dann,  wie  daraus  eine  Mannigfaltigkeit  (c=>der 
ein  Raum)  von  zwei  und  daraus  wieder  eine  solche  Yon  drei  DimensioB^'JiMi 
sieh  ableiten  lässt.  Auf  dieselbe  Weise  nun  gewinnt  man,  wenn  i^taitQ 
Yon  der  räumlichen  Anschaulichkeit  absieht,  Mannigfaltigkeiten  von  ^^vier 
Dimensionen.  Auch  unser  Ansehauungsraum  ist  nur  dreidimendo'^!^ 
wenn  man  ihn  als  P  unkt -Mannigfaltigkeit  betrachtet;  wählt  man  an^^"^ 
Gebilde  als  Elemente,  so  ist  er  yier-  und  mehr-dimensional. 

Der  Nutzen  dieser  Anschauungsweise  für  die  Mathematik  nun  Irn^^C^ 
darin,  dass  man  an  Stelle  der  Raum-  eine  Mannigfaltigkeitslehre  set^^^'^ 
kann.    Hat  man   f&r  eine  beliebige  dreidimensionale  Mannigfaltiglc^'^ 
z.  B.   fQr   unseren  Raum,   einen  Satz  bewiesen,   so  gilt  er  entspreche 
Ar  jede   dreidimensionale  Mannigfaltigkeit,   z.  B.    für  sämtliche  Kr< 
der  Ebene. 

Vom  Standpunkte  der  Denk-Oekonomie  aus  ist  also  „die  Scha^ta^*^ 
einer  (Geometrie  desn-dimensionalen  Raumes*'  anzustreben,  die  es  ermögliob-^^ 
würde,  analoge  Beziehungen   nicht   nur,    wie   eben   gesagt,  in  Manx^^^- 
faltigkeiten    gleicher   Dimension,   sondern   in    allen  Mannigfaltigkdm.4^'^ 
jeder  beliebigen  Dimension  gleichzeitig  aufzuzeigen. 

Berlin.  Lipmann. 


8.  Exner.    üeber  den  zentralen  Sehact.    Wiss.  Beil.  z.  17.  Jah^^res- 

bericht   der   Philos.    Ges.    a.  d.  Unirers.  Wien.    S.  16 •^^« 

Leipzig,  Barth.  1904.     Pr.  M.  2,—. 

Zur  Kenntnis  des  zentralen  Sehactes. 

Ztschr.    f.  Psych,  u.  Phys.  d.  Sinnesorg.    Bd.  36.    S.  19 

212.     1904. 

Verletzt  man  bei  einem  Hunde  die  Grosshimrinde  bepw.  der 
Hemisphäre,  so  tritt  Hemiamblyopie,  d.  h.  Herabsetzung  des  S< 
die  rechte  Hälfte  des  Ghesichtsfeldes  ein.    Herrorgerufen  ist  diep 


ic3- 


320  Berichte  und  Besprechungen, 

als  bei  solchen  Leuten  findet,  die  vom  Lande  stammen  oder,  ausstaifcer 
Lebensbetätigung  herausgerissen,  im  Zochthads,  unter  den  elenden  Ge- 
nossen, ihr  Elend  empfinden  lernen  —  als  psychisch  feiner  organisieite 
Menschen.  —  Besonders  bei  den  jugendlichen  Verbrechern,  die  den 
Grossstädten  entstammen,  fehlt  vielfach  die  sittliche  Regung«  Das  ist 
die  Folge  davon,  dass  das  Milieu,  in  welchem  die  unglüdcseligen  G^ 
schöpfe  aufvrachsen,  gar  oft  ein  erschreckendes  Bild  gewährt  Vater. 
Mutter  tmd  Geschwister  gehen  mit  dem  bösen  Beispiel  der  Roheit  gegen 
Mensch  tmd  Tier,  der  Unsittlichkeit  in  Wort  und  Tat,  der  moralischen 
Verkommenheit  tmd  Versumpftheit  des  Gefühls,  der  Unempfindlicfakeit 
gegen  jedes  Leiden  der  Mitwelt  voran.  Dazu  kommt  vielfadi  noch  der 
Hang  zur  Lüge,  der  ja  bei  den  Kindern  aus  solcher  Umgebung  besondeis 
stark  vorhanden  ist  tmd  entwickelt  wird.  Zum  Schhiss  macht  Baer  aodi 
auf  die  körperliche  Entartung  aufmerksam,  die  in  der  späteren  Kindheit 
durch  die  mangelhafte  Ernährung,  durch  schlechte  Wohnung  und  falsdie 
Lebensweise  erworben  wird. 

Weissensee   bei   Berlin.  Diemann. 


J.    Bierens   de    Haan.        Die    Bedeutung    der    Hypnose 

und    Suggestion    für   die    Erziehung. 
Leipzig.      Max   Altmann.     1905.     Mk.  1. — 

„Zweck  der  Lebens  ist  zuerst  die  Bildimg  des  Charakters*  —  be- 
stimmt durch  Fühlen  imd  Wollen  — ,  „alsdann  die  Persönlichkeit"  —  nodi 
weiter  bestimmt  durch  das  Können.  Damit  ist  auch  das  Ziel  der  Erzi^ 
hung  gegeben:  der  Charakter  wird  gebildet  durch  „geistige  Führung*, 
die  Persönlichkeit  ausserdem  noch  durch  den  Unterricht  Der  Unterridit, 
der  ja  also  auf  die  Erweiterung  des  Könnens,  der  Denkkraft,  des  Vor- 
stellungslebens, abzielt,  hat  sein  Augenmerk  zu  richten  auf  eine  Stärkung 
der  Aufmerksamkeit;  er  erreicht  dies  durch  psychische  Uebung.  Zweck 
der  „geistigen  Führung"  ist  die  Vertiefung  des  Gefühlslebens,  imd  zwar 
des  höheren,  d.  i.  des  ethischen  und  aesthetischen  Gefühlslebens:  ihre 
Methode  besteht  in  der  Erweckung  und  Offenbarung  „dessen,  was  in 
unserer  Seele  schlummert". 

Neben  den  Unterricht  nun  tritt  für  die  Erziehung  des  Vorstellungs- 
lebens, der  Persönlichkeit,  die  Suggestion.  Das  Wesen  beider  ist  die 
Ueberzeugung;  ist  diese  so  stark,  „dass  ihr  Inhalt  nicht  bloss  für  wahr 
gehalten  wird,  sondern  auch  wahrgenommen  oder  erinnert  zu  werden 
scheint",  so  sprechen  wir  eben  von  Suggestion.  Ihre  Wirkung  kann  noch 
verstärkt  werden  in  der  Hypnose.  —  Dagegen  ist  es  völlig  unmöglidi, 
psychotherapeutisch  auf  das  Gefühlsleben,  d.i.  auf  die  Charakterbildung 
einzuwirken.  — 

Damit  hält  Verf.  die  Aufgabe  für  gelöst:  die  übertriebene  Wert- 
schätzung, die  B^rillon  der  hypnothisch-suggestiven  Behandlung  für  die 
Erziehung  beimisst,  ist  auf  ihr  richtiges  Mass  zurückgeführt. 


Berichte  und  Besprechungen,  321 

Ref.  kann  freilich  nicht  in  aUem  dem  Verf.  folgen;  doch  ist  mit 
m  um  so  weniger  zu  rechnen»  als  er  mehrfach  erklärt,  dass  er  nur  die 
Dsicht,  welche  aus  seiner  Lebensauffassung  hervorgeht,  zur  Erwägung  bietet 

Berlin.  Lipmann. 

A.  Gheorgov.  Die  ersten  Anfänge  des  sprachlichen 
Ausdrucks  für  das  Selbstbewusstsein  bei  Kin- 
dern, 
omptes  rendus  du  Ilme  Congr^s  intern,  de  Philosophie, 
Gen^ve,  1904.  S.  520— 536  und  Arch.  f.  d.  ges.  Psychol. 
V.  3/4.  S.  329—404.     1905. 

Verf.  giebt  einen  Ueberblick  Über  die  sprachliche  Entwickelung 
iner  beiden  Söhne.  Besonderen  Wert  legt  er  auf  die  Feststellung  des 
sten  Auftretens  der  Personal-Possesiva  und  Reflexiv-Pronomina,  be- 
»nders  der  ersten  Person.  Während  der  ältere  Sohn,  bevor  er  zur  Be- 
ichnung  seiner  eigenen  Person  das  „Ich"  verwendet  (am  711.  Tage)» 
ch  mit  seinem  Eigennamen  oder  mit  „Er"  bezeichnet,  überspringt  der 
ngere  dieses  Stadium  imd  spricht  von  sich,  sobald  er  überhaupt  von 
ch  redet,  nur  in  der  ersten  Person  (am  586.  Tage).  Diese  Eigentüm- 
:hkeit  seines  jüngeren  Sohnes  hält  Gheorgov  für  begründet  durch  dessen 
m  vornherein  besonders  stark  entwickelten  WiUen.  „Diesen  seinen 
lUen  sehe  ich  eben  schon  früh  in  der  sprachlichen  Entwickelung  durch- 
•echen,  indem  er  schon  frühzeitig  in  der  Sprache  seine  eigene  Person 
ir  Geltung  bringt".  Beachtenwert  ist  auch,  dass  bei  beiden  Kindern 
IS  „Du"  gamicht  zur  Bezeichnung  der  eigenen  Person  verwandt  wurde, 
mer  dass  das  Personalpronomen  eher  erscheint  als  das  Possessiv- 
onomen.  —  Die  Arbeit  enthält  femer  eine  interessante  Uebersicht  über 
e  hauptsächlichsten  bisher  veröffentlichten  diesbezüglichen  Beobachtungen 
der  Entwickelung  der  Kindersprache. 

Berlin.  Lipmann. 

r.  Alfred    M.    Schmidt.       Aufbau    und     Entwickelung 
des       menschlichen       Geschlechtslebens,        ein 
Grundproblem  der  pädagogischen    Psychologie. 
)6S.     Langensalza    1905.     Pr.  3.00  M. 

Verf.  will  einen  Vortrag  zur  Lösung  der  Pädagogik  geben.  Er 
^schränkt  sich  auf  die  Behandlung  zweier  der  umstrittensten  Fragen  der 
idagogischen  Psychologie,  die  nach  dem  kausalen  Zusammenhange  aller 
ewusstseinstatsachen  und  nach  den  physischen  Kräften,  welche  die  Ent- 
ehung  der  Bewusstseinsinhalte  und  den  Aufbau  des  psychischen  Lebens 
jrursachen.  Er  gibt  eine  historische  Darstellung  der  Entwickelimg  der 
ehre  von  der  physischen  Kausalität  imd  im  2.  Hauptteile  eine  Beurtei- 
ng  und  Darstellung  der  pädagogischen  Bedeutung  der  Lehre  von  der 
jychischen  Kausalität  des  physiologisch-psychischen  Mechanismus  und 
*r  freiwirkenden  Causalitäten. 


322  Berichte  und  Besprechungen, 

Verf.  fusst  auf  der  Psychologie  Strümpells,  deren  pragmatisdien 
Wert  er  ungleich  überzeugender  darzulegen  weiss  als  ihre  dieoretisdie 
Fundierung.  Trotz  redlichsten  Bemühens  kann  auch  er  nicht  Überzeugen, 
dass  es  Strümpell  gelungen  sei,  die  Grenze  zwischen  mechaniscfaer  und 
freiwirkender  Kausalität  eindeutig  zu  ziehen.  Dazu  bedurfte  es,  wie  mir 
scheinen  will,  einer  ernsteren  Würdigung  des  stetigen  Fortsdireitens  des 
Mechanisierungsprozesses.  —  Mit  Strümpell  hält  Schmidt  das  Gefühl  für 
die  eigentliche  Quelle  jeglicher  geistiger  Fortwirkung,  doch  diarakterisieit 
er  Wesen  imd  Stellung  der  Kausalität  des  Gefühls  ein  wenig  anders,  als 
Strümpell.  Er  nimmt  in  der  Kausalität  des  GeHihls  eine  das  ganze  Gebiet 
des  psychischen  Mechanismus  erfüllende  Seelenkraft  an,  die  sich  in  Ver- 
bindung mit  den  Empfmdungen  und  deren  mechanischen  Verbindungs- 
produkten äussert,  wobei  die  Gefühlselemente  bald  sekundär,  bald  primär 
auftreten  köimen.  Diese  Gefühlsdokumente  verknüpfen  sich  ganz  nach 
den  Gesetzen  des  psychischen  Mechanismus;  das  Resultat  der  Ver- 
knüpfung ist  das  allgemeine  Wohl-  und  Wehegefühl,  auch  Stimmung. 
Die  Kausalität  des  Gefühls  ist  bis  zu  ihrem  letzten  Erzeugnis,  der  allge- 
meinen Stimmung  hin,  als  eine  schlechthin  mechanisch  ¥drkende  Kraft 
atifzufassen.  Die  Stimmung  aber  lässt  keine  Ruhe,  keine  Stagnation  im 
Innern  eintreten;  solange  sie  da  ist,  ist  in  ihr  stets  ein  Antrieb  da- 
Erst  infolge  der  ersten  Spuren  der  Aktivität  von  innen  aufsteigender 
neuer  Kräfte,  die  durch  die  Wirksamkeit  der  Kausalität  des  Gefühls 
gleichsam  den  Boden  bereitet  bekamen,  und  durch  deren  letztes  GHed, 
die  Stimmung,  zum  Hervortreten  getrieben  wurden,  wird  über  das  blosse 
Allgemeingefühl  hinaus  ein  Fortschritt  erzeugt.  Jeder  weiss,  wie  den 
meisten  Stimmungen  der  instinktive  Trieb  nach  Klarheit  innewohnt,  eine 
formale  Eigenschaft.  Dieser  Klarheitstrieb  wird  bewusst  und  dadurch  erst- 
recht kräftig  (GefUhlsbewusstsein),  wird  aber  dadurch  keine  neue  Qualität- 
Stellt  sich  diese  ein,  so  ist  sie,  die  entweder  logischer  oder  äsüietisdier 
oder  ethischer  Natur  ist,  vorbereitet  zwar  durch  die  Kausalität  des  Ge- 
fühlslebens, tmmittelbar  zu  stände  gekommen  aber  durch  die  logisdie 
bezw.  ästhetische  oder  ethische  Kausalität  —  Trotz  fleissiger  Bezugnahme 
auf  Wundt  mangelt  besonders  Klarheit  über  die  Entwickehing  der 
Willensvorgänge.  —  Die  pädagogische  Beurteilung  der  Psycholog»« 
Strümpels  ist  besonders  wertvoll. 

Kiel.  MarxLobsien. 


M.  C.  Schuyten.     Sur  les  petits  bonshommes  dessin^s 

par  les  ^coliers  Auversois.      R^sum^. 
Paedol.  Jaarboek,    V.     1904.    S.  84— 87. 

Verf.  liess  von  4000  Kindern   auf  Blätter  von   bestimmter  Grösse 
Männchen   zeichnen,    und   zwar   standen  100  Knaben  und  100  Mädcbco 

im  Alter   von  3V«,    100  im  Alter   von  4, ,     100  im 

Alter  von  12  Vi  und  100  im  Alter  von  13  Jahren.      Die  Kinder  wurden 


324  Berichte  und  Besprechungen, 

Da  die  Procentzahl  der  linkshändigen  Knaben  und  Mäddim  nkk 

constant  von  dem  Monat  abhängt,  so  scheint  die  Linkshflndigkett  in  der 

Constitution  m  liegen  und  nicht  nur  ein  Product  der  Endehmig  zu  seia 

(?)  —  Unter  den  weniger  intelligenten  Schulkindern  befinden  sidi  mdir 

Linkshänder  als  unter  den  intelligenteren.  —  Ob  sich  unter  den  Kindtn 

reicher   oder  denen  armer  Eltern  mehr  Linkshänder  befinden»  lässt  aidi 

aus  der  vorliegenden  Untersuchung  nicht  ersehen,  ^  Unter  den  sdnräd)- 

liehen  Kindern  sind  mehr  linkshändig  als  imter  den  kräftigeren.  —  Die 

Linkshändigkeit  scheint  mit  dem  Alter  abzunehmen. 

Berlin.  Lipmann. 

M.    C.    Schuyten.       Ueber   das    Wachstum   der   Muskel- 
kraft   bei    Schülern    während     des    Schuljahres. 
(Z  weite  Mi  tteilung.)    Auszug. 
Paedol.  Jaarboek.    V.     1904.    S.  129— 130. 
Während  Verf.  in  seiner  ersten  Mitteilung  (Paedol.  Jaarboek  1900, 
S.    111 — 112)    über    Versuche    berichtete,    die    er    mit    12 — 15  jährigen 
Kindern    „mit   Stimulanz"    vorgenommen   hatte,    schliesst    er    jetzt  eine 
Untersuchung     daran,     die    sich   auf   10 — 11jährige   Kinder    erstredlc 
und  „ohne  Stimulanz"    vorgenommen   wurde.      Die  Resultate  der  ersten 
Untersuchung  wurden  im  wesentlichen  bestätigt,  d.  h.  auch  hier  fand  sidi, 
dass  die  Muskelkraft  der  Kinder  im  März  die  geringste  ist.  —  Das  Ver- 
hältnis  der  Muskelkraft   des    rechten    zu   der   des   linken  Armes  ist  bei 
Knaben   und  Mädchen   dasselbe    und    auch   durch   die    Stimulanz   nidit 
wesentlich  verändert.  —  Die  social  gut  gestellten  Eltern  haben  kräftigere 
Kinder   als    die    armen  Eltern.    —    Die    intellectuell  höchst  entwickelten 

Kinder  haben  auch  die  höchste  Muskelkraft. 

Berlin.  Lipmann. 

M.C    Schuyten.      Les   variations    de    la   force    muscu- 

laire  et  le  d^veloppement  inteUectuel  des  dl^ves. 

R^  SU  m^. 

Paedol.  Jaarboek.     III.  u.  IV.     S.  153—154.     1902/3. 

Verf.    hat    2    Jahre    hindurch    in    jedem    Monat    die    Muskelkraft 

10  jähriger  Kinder  festgestellt.     Betrachtet  man  die  Kinder  als  die  intelH- 

genteren,    die   in   einer   höheren  Klasse    sitzen    als   gleichaltrige   andere 

Kinder,  so  zeigte  es  sich,    dass  in  jedem  Monat  die  intelligenteren  audi 

die  kräftigeren  Kinder  waren.      Sowohl  unter  den  intelligenten  wie  unter 

den  minder  intelligenten  Kindern    waren    die  reicher  Eltern  denen  armer 

Eltern  an  Muskelkraft  überlegen. 

Berlin.  Lipmann. 

M.  C.  Schuyten.      Les    ^coliers    de    parents    Auversois 
ais^s    sont-ils    musculair  e  men  t    plus    forts    que 
ceuxde     parents  pauvre.s?    R^sumd. 
Paedol.  Jaarboek.     III  u.  IV.     1902/3.     S.  51-53. 


328  Beinchte  und  Besprechungen. 

geworden.  Das  Programm  enthält  neben  diesen  grossen  und  aUgemdnn 
Gresichtspmikten  noch  eine  Fülle  von  Einzelheiten  über  experimoitelk 
Technik  etc  imd  die  Anfgabestellung  in  der  Psychologie. 

Marcinowski. 


Gesunde    Nerven.       Aerztliche    Belehrungen   vonDr 

med.    O.    Dornblüth.      Zweite    Aufla[ge.      Berlin. 

W.  Werther. 
Hygiene    der   Nerven  und    des   Geistes   im  gesunden 

und   kranken    Zustande   von   Prof.  Dr.  Aug.  Forel 

Stuttgart.     C.  H.  Moritz.    Band    9   der   Bibliothek 

der  Gesundheitspflege.     3  M. 

Beide  Bücher  sind  echte  Propheten  imter  vielen  falschen.  Gtmcflh 
verständliche  Belehrungen  über  Lebensführung  für  Nervöse  gibt  es 
unzählige,  aber  gute  nur  vereinzelt.  Dornblüths  Schrift  liegt  in 
zweiter  Auflage  vor,  die  wohl  wenig  gegen  die  erste  verändert  wurde. 
Die  schöne  Gabe  gemeinverständlicher  Schreibweise  neben  reichem  Wissen 
und  gesunden  Anschauungen  haben  der  ersten  ihren  Absatz  gebndil; 
er  wird  auch  der  zweiten  beschieden  sein. 

F  o  r  e  1  s   Buch   hat   in   ganz  anderem  Masse  den  Charakter  eines 
kleinen  Lehrbuches  für  Laien,    und   ich   möchte   es   gerade  deshalb  mit 
Freude   begrüssen,    weil  wir  Forel   seit  vielen  Jahren   als   einen  Meister 
des    scharfen    Denkens    imd    der    kristallklaren    Darstellung    sdiwieriger 
philosophischer   und   psychologischer  (Probleme   verehren.     Ich   erinn^ 
nur   an  die   berühmte  Rede   auf  der  Naturforscherversammlimg:   Ueber 
Gehirn  imd  Seele  l    Ein   grosser  Teil  des  Buches  ist  dem  Bemühen  ge- 
widmet,   diese  Klarheit   in   das   herrschende  Dunkel   imd  Wirrwarr  der 
Laienwelt  zu    giessen.     Wenn  das  grosse  Publikum  mehr  solcher  Lehrer 
hätte,  wir  würden  vom  Standpunkte  des  Pädagogen,    des  Arztes  und  des 
Fürsten  nicht  immer  so  unglaublichen  Anschauungen  als  zähen  Widerstand 
für  notwendige  Reformbestrebungen  zu   bekämpfen  haben.     Idi  halte  es 
für  unsere  Pflicht,  dem  Buche  durch  ständige  Hinweise  zu  einer  raschen 
Folge  vieler  Auflagen  zu  verhelfen.  Marcinowski. 


Nervöse  Kinder.  Medizinische,  pädagogische  und 
allgemeine  Bemerkungen  von  H.  Bosma,  aus  dem 
Holländischen  übersetzt.  Rickerscher  Verlag. 
Giessen  1904. 

Der  Verlag  hat  sich  bereits  einigemale  Verdienste  erworben  durch 
den  Vertrieb  wertvoller  und  gediegener  Aufklärungsschriften.  (Mutter  und 
Kind.  Wie  man  heikle  Gegenstände  mit  Kindern  behandeln  kaim.  -* 
Gesundheit  und  Erziehung  eine  Vorschule  der  Ehe  von  Prof.  G.  Sticker.) 
Auch  das  vorliegende  Heft  enthält  durchweg  gesunde  Gedan- 
ken   und    moderne    Anschauungen    in    des    Wortes    bestem 


330  Berichte  und  Buprtthungwi, 

lischen  Gegenden.    Der  Wille  mag  gut  sein,  aber  die  Musik  ist  sdüedit 
Pädagogen  sind  die  Verfasser  jedenfalls  nicht 

Tegel.  Marcinowski. 


Fünfzig   Jahre   Pensionserziehung.     (April  1852—1902.) 
Ein    Bericht     über    die    Entwicklung    und    die    Grundsitze  des 
.„Rauhen    Hauses**,    welche    bekanntlich    in    der    gruppenwdsen 
Anordnung   einer   kleinen  Anzahl  von  Knaben  gipfeln,   die   sich  um  je 
einen  Erzieher  zu  gemeinsamem  „Familienleben"  scharen.    Der  Gedanke 
hat  sich  bewährt  und  ist  gut,    aber  selbstverständlich  fehlt  seiner  Duidh 
führung  mit  der  sorgenden  Mutter  das  Innige   und  die  Gemütstiefe,  die 
nur  in  einem  Kreise  gedeihen,  der  eine  wirkliche  Familie,  kein  Surrogat, 
darstellt.     Auch  will  mir  aus  dem  Bericht  dünken,   dass  viele   innerüdi 
gesteckten  Ziele  nicht  erreicht  wurden,    weil  die  Einsicht  von  ihrer  Not- 
wendigkeit imd  der  Trieb,   die  rechten  Mittel  und  Wege  zur  Erreichung 
zu  ünden,  nicht  stark  genug  waren.     So  ist  der  ganze  Plan,  die  Knaben 
mittelst  allerhand  einfachen  Handwerksverrichtungen   zu   erziehen  —  er 
könnte  gerade   dort  eine  prächtige  Diu-chführung  erfahren,   und  zu  einer 
gesunden  Grundlage   der  ganzen   Organisation   werden   —    »praktisdien 
Erwägimgen**    (also   nicht  sachlichen   im   pädagogischen  Sinne)   langsam 
zum  Opfer  gefallen.     Damit  hat  sich  das  „Rauhe  Haus"  einer  richtigen 
Handhabe  begeben,  die  es  gerade  seinem  Knabeimiaterial  gegeni&er 
nötiger  brauchte   als   andere  Erziehungsanstalten.     Es  ist  damit  in  der 
Entwicklung  nicht  nur  zurückgebUeben,  sondern  hat  gegen  seinen  Anfang 
entschieden  Rückschritte   gemacht      Das   soll   uns   nicht  blind    machen 
gegen  die  sonstigen  Vorzüge  der  Anstalt    Aber  an  wertvollen  und  aner- 
kaxmten  Erziehungseinrichtungen  stelle  ich  eben  auch  entsprechend  höhere 
Ansprüche. 

Ich  möchte  den  Leitern  des  „Rauhen  Hauses"  dringend  ans  Herz 
legen,    die  folgende  Arbeit  fleissig  zu  studieren  und  danach  zu  handeln. 
Tegel.  Marcinowski. 


Erziehung   durch   Arbeit.     Eine   Untersuchung   über 

die   Stellung   der  Handarbeit   in   der   Erziehung. 

Von  M.  Enderlin. 

Leipzig,    Frankenstein   u.  Wagner. 

Das  kleine  Buch  ist  theoretisch  wie  praktisch  gleich  bedeutsam 
und  erfordert  eine  entschiedene  Stellungnahme  zu  Gunsten  der  darin  ver- 
tretenen Ansichten.  Ich  habe  an  anderer  Stelle  betont,  was  mir  aus 
einem  Gespräch  mit  erfahrenen  Pädagogen  in  Erinnerung  geblieben  war: 
„Aus  der  Lernschule  muss  eine  Arbeitsschule  werden?  So  allein 
erscheint  mir  der  Unterricht  auf  einer  physiologisch  richtigen  Grundlage 
angebaut  zu  sein.  Denn  Unterricht  bedeutet  Gehimentwicklungp  sogar 
im  grob   anatomischen  Sinne.     Diesem  Zusammenhange   wird   der  Ver- 


Berichte  und  Beeprechungen,  381 

fasser  durchaus  gerecht  und  stellt  sich  damit  auf  den  korrekten  »natur- 
wissenschaftlichen'' Standpunkt.  In  interessanter  Weise  bringt  er  selbst 
die  Entwicklung  des  Sprachzentrums  im  Gehirn  mit  der  Ausbildung  der 
Handbetätigungen  in  Verbindung. 

Er  will  vor  allem  statt  der  üblichen,  rein  formalen  imd  intel- 
lektuellen Dressur  des  Kindes  eine  Erziehung  durch  Tun,  durch  eigenes 
Handeln  anbahnen.  Eigene  Erfahrungen  soll  das  Kind  sammeln,  keine 
gelernten  Kenntnisse  fremder  Erfahrung.  Dies  ist  aber  der  wichtigste 
Punkt  in  allen  Fragen  der  Schulreform,  und  das  was  der  Gehimphysio- 
loge,  vulgo  Psychologe,  in  erster  Linie  von  ihr  fordern  muss.  Deshalb 
ist  dem  Verf.  der  Handfertigkeits-Unterricht  auch  nicht  etwa  nur  ein 
»neues  Fach"  in  der  Schule,  sondern  ein  „neues  Prinzip  der  Erziehung 
(S.  38)  und  eine  bessere  Methode",  —  sie  bedeutet  ihm  also  eine  Um- 
wälztmg  der  Schulprinzipien  von  Grund  aus,  imd  das  ist  gutl  Was  er 
erstrebt  ist  die  Bildung  von  Begriffen  und  Vorstellungen  durch  „Umgang 
mit  den  Dingen"  (S.  21)  im  Handeln  und  in  der  Arbeit  mit  ihnen.  Er 
bekämpft  die  blosse  Bildung  von  „gegenständlichen  Vor- 
stellungen" (Hertelsches  System),  in  welchem  nur  Form,  Farbe  und 
andere  sinnliche  Eindrücke  zur  Geltung  kommen.  Er  verlangt,  dass  die 
Zustände  der  Dinge  den  Kindern  zum  Bewustseinsbesitz  gelangen, 
und  das  kann  ntu:  im  Umgang  mit  ihnen  erreicht  werden,  nicht  durch 
Anschauung  im  bisherigen  Sinne. 

Eine  ausserordentlich  wertvolle  und  bedeutende  Schrift. 

Tegel.  Marcinowski. 


6* 


986 

ftUgMMÜMB  euM  sehr  mmomgfMgß;  ^Mk  mai  es  i^iif  rtiiiBiih  mtM 
Mittel,  die  eeüeae  der  Lebenemftdtn  siur  Bgeiiihiing  ilixMi  TorWMBt  k 
Anwendnbg  keinme«,  aftmlich  ia  dar  Aeikeafolge  1er  filofigkeik  ikiei 
AnwendoBg:  Briiiiigen,  firdrosseln  oder  Erwte^en,  Erteftuken,  Enchiienni 
ErBfteefaea,  Schnitt  an  den  Hak,  öüaeoL  der  Adern,  AnfiiclnMiden  den  BmuckM, 
Einnehmen  Ton  Qtft,  Einatmen  giftiger  Gase,  ÜlMrfiüwenlaaaen  dnndi  dit 
Eisenbahn  nnd  Sinn  aas  der  fiöhe.  Da  die  Art  der  SelbsMOteng  ve^ 
nehmlioh  von  der  soaialen  SteUnng  und  den  Qeaehleefate  des  fletol» 
mördeis  abhängig  ist,  so  zeigen  siefti  in  dieser  Hinsicht  Ton  Jdhr  an  lahr 
nnr  geringe  Vesinderongen.  £8  echeiden  sonach  vmi  den  Minnliphin 
Selbatatodem  all|j&hrlich  lortgeaelat  ongeühr  awet  Dsittefie  dareh  Et- 
hängen  ans  dem  Lehen,  während  dies  besüglich  des  weibUchen  Oesehkichti 
mit  nahesn  der  HäHte  der  Fall  Ist;  von  dem  ietsteren  sncht  feiner  ia 
jedem  Jahre  etwas  aber  «in  Drittel  den  Tod  im  Wasser,  wähssnd  von  6m 
männlichen  Selhstmördem  nnr  etwa  ein  Achtel  diese  Todesart  wählt.  In 
§ut  ähnlicher  Gleichmässic^reit  bewegen  sieh  die  Zahlen  bei  dem  Si^ 
schiesseny  Vergifiten,  Erstechen  nsw^  Übeifahxenlaaaen  dnroh  die  "Bisimbsha 
und  StnxB  aas  der  Höhe,  wobei  eastei%g  mehr  von  den  mäanfieheo, 
letaterss  sowie  das  Vergiftai  aAchr  vion  den  weibliohen  Lebensmäden  aor 
Eneichnng  ihres  bedanerliehen  Zieles  gewählt  wird.  Anf  die  fibrjgtn 
Todesarten:  Erdroaaeln  oder  Erwürgen,  Schnitt  in  den  Hala,  öffiaan  der 
Adern«  Anischneiden  des  Banches  and  dnrch  Anwendnng  anderer  lliUal 
entfällt  nnr  ein  geringer  Anteil,  der  0,9  v.  H.  aller  Selbstmorde  nieht 
ftbemteigt. 


:    •  I 


i 


7, 


HERMANN  WALTHER  VERLAGSBUCHHANDLUNG  G.m.b.H. 

BERLIN  S.W.  19,  Koinmandantenstrasse  14. 


Sobfneau's  Rassen- Philosophie. 


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(S[(ai  iur  Flnägalit^  des  races  humaines). 

Ddrgestent" 

von 

Dr.  Paul  Kleinecke. 

t4  Selten  gr.  8*.  Preis:  Mk.  M». 


Magazin  f.  Lltterctnr:  .  .  .  In  kurzen,  übersichtlichen  und  leichtfasslicb«n 
Kapiteln  virerden  wir  in  die  Gedankenwelt  Gobincau's  eingefBhrt;  .  .  .  allen 
denen  empfohlen,  die  Gobineau's  Ideen  kennen  lernen  wollen,  zur  Durcharbeitung 
4es  vierbändigen  Werkes  aber  aus  beruflichen  Gründen  dieZrit  rieht  finden  können 


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Verlag  von  K.  G.  Th.  Scheffer,  Leipzig, 

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7.  Jahrgang.  1905.  H«ft  5/6. 


Zeitschrift 


für 


P(ld(idOdi$cl)e  Psychologie, 

Pathologie  und  I)y9ieii<. 

Herausgegeben 

von 

Ferdinand  Kemsies  und  Leo  Hirschlaff. 


Inhalt  von  Heft  5/6. 

Abhandlungen. 

■ 

(Jii.slav    I.indniir,    Neuere    Forselinnpreii    unil   Ans<'haininffoii    iibfM-   <lio 

Sprache  des  Kind<»s. 
Marx  Lohsien,  Kinderztuchnimjr  und  Kunstkanon. 
Hans  Zimmer  und  Theodor  Fritz.sch.  Die  (Josrhichto  dor  Pädaj^ogik 

im  .lahi-e  190.". 

Sitzan^berichte. 

l']rziohun^.s-  und  Füraor^everein  füi-  ^oisii^*  zuriickgeblifhene 
(st'IiNvachsinni^O  Kindor.     l^äda^o^H^fho  Kommission. 

Mitfellangreii. 

Kon^ro.ss  für  KindiM-forschunir  und  .lujrondfür.'^nr^**  l<>n(».  -.  Fjn 
Kurs  der  medizini?!i'hen  Psycholojrie.  —  Der  nächste  Kon^rcss  für  medi- 
zinische Ps.vcholovric.  -  -  Herliiu'r  Verein  für  Si'huljresundheitsptlo^.  — 
Familienerzie}uin>2:  und  Ansiahsptlcjr«'.  —  Dczemhersitzunv:  i\eü  BtM'iiner 
("Jyninasiallehrerverein*«.  —  Kinderausfliigc.  —  l'eher  die  ( 'harlotton))urger 
Waldscliuln.  Zcnlr;jlvtMl)and  zur  J^okämpfun^  des  Alkoholismu!}.  — 
KonsTC.^s  für  oxperimontt^lh'  l*sycholo«ri«*. —  Konirress  für  Kinderforschung 
und  .Iugi.'ndfiirs.ir^;e.         Zentrale  für  private  l'iirsorge. 

Titel  und  Inhalt  des  siebenten  Jahrganges. 


Berlin  W.  30. 

Hermann  Walther  Verlagsbuchhaudluuv;  Q.  \w.Vn,W, 
Jährlich  erschjgjui^q  6  HeH«  .^  ^— ^  ^^t^«^. 

rrcis:  I.  ri.  IL  JaJirgnnsr  u  M.  8.—.  IW.  AvvXwpvvw;:::  w.  \^. ''ä.  "^^^  V>.— 


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7.  Jahrgang.  1»05.  Heft  5/6. 


Zeitschrift 


für 


pädagogische  Psychologie; 

Patl)ol«di<  vM  l)ygieii<. 

Herausgegeben 

von 

Ferdinand  Kemsies  und  Leo  Hirschlaff. 


Inhalt  von  Heft  5/6. 

Abhandloni^eii. 

(JiistaA'    Lindnor,    Neiiero    Kors4»liunpen    iiiul    Ans4'hji\iun'?tMi    übor    (iie 

Sprache  des  Kiiidt^s. 
Marx  Lobsien.  Kinderze  ich  nun«:  und   Kiinstkanon. 
Hans  Zimmer  und  Theodor  Kritzsi-h,  Die  (M\si'hichlc»  der  I*äiia^)gik 

im  .Jahre  UH)'. 

8itzaii{^berichte. 

Ii]rziehiinps?-  und  l'Tiraorffeverein  fiii-  pMsli^  zurückjjfobliohcno 
(schwachsinni^n^)  l\inch?r.     I'äda>ro^isi.'he  Knininissiou. 

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Kurs  der  medizinischen  Psych j>Io.irie.  —  Der  niielislo  Kons^ress  für  medi- 
zinii^che  J'sycholopc  —  Herliiicr  Verein  für  Schul^esundheitspflejifu.  — 
Familienerzieliunjr  und  Anstallspliepc.  —  Dczemhersitzun«;  des  iJerliuer 
(Gymnasiallehrer Vereins.  —  Kindoraufliliijre.  —  l'ehcr  die  (-harloltcnhurper 
Wahischule.  Zentralvcrhaml  zur  Hekämpfunir  de«?  Alkoludismus.  — 
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Hermann  Walther  Verlaijsbuchhaudliuvjf  Q.  \w.^.V\, 

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7.  Jahrgang.  1905.  H?ft  5/6. 


Zeitschrift 


•    •  •.  r-  I 


für 


Padagodiscbe  Psycbolodie, 

Patbologk  und  l^ygiCMe. 

Herausgegeben 

von 

Ferdinand  Kemsies  und  Leo  Hirschlaff. 


Inhalt  von  Heft  5/6. 

Abhandlangen. 

(tiistav    Lindner,    Neuere    Forsi*lninß"en    und    Anschaiuinp-on    über   die 

Sprache  des  Ivindos. 
Marx  Lohsien,  Kindorzoii.!hnuM«r  und  Kiinstkanon. 
Hans  Zimmer  und  Tln'odor  Fiitzstrh.  Die  (icsrliiohlo  dor  PHtiajropk 

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und  Jugi>ndfüi'<nr^^o.  -      Zentrale  für  privato  l''ürsor«re. 

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Preis:  l.  ii.  ff.  .laln-gniif;  ä  M.  8.—  .  l\\.  AaUvjjivnvt  w.  «.  "a  ^\-  '^^^^ 


360  Gustav  Lindner. 

der  Individualität  jedes  Kindes  die  wunderbare  Tätigkeit  der 
Phantasie  des  Menschen,  ferner  das  geniale  Kind  und  das 
Genie  überhaupt,  vor  allem  aber  die  Anlage  des  Sittlichen 
und  des  Gewissens  im  Menschen.  Ich  verweise  hier  auf  das, 
was  ich  in  meinen  „Beobachtungen  und  Bemerkungen  über 
die  Entwicklung  der  Sprache  des  Kindes"  S.  32 — 33  über 
die  Entwicklimg  des  sittlichen  Willens  mitgeteilt  habe. 

II. 

Nach  dieser  langen  grundsätzlichen  und  grundlegenden 
Auseinandersetzung  mit  meinen  Gegnern  sei  es  mir  gestattet, 
die  oben  zitierten  Werke  derselben  noch  einer  Sonderbesprech- 
ung und  Würdigung  zu  unterziehen. 

Ich  beschäftige  mich  zuerst  mit  Aments  Buche  „Die  Ent- 
wicklung von  Sprechen  und  Denken  beim  Kinde '^ 

A.  untersucht  zunächst  einleitungs weise  Begriff  und  Auf- 
gabe seines  Buches  auf  Vs  Druckseite,  sodann  weist  er  die 
, »Quellen**  der  Erkenntnis  des  kindlichen  Seelenlebens  —  ob- 
jektive Beobachtung  des  Kindes,  Deutung  der  Ausdrucksmittel 
des  Geistes,  nämlich  Gebärde  und  Sprache  und  der  durch  sie 
vermittelten  geistigen  Erzeugnisse  des  Kindes  —  in  aller  Kürze 
auf,  dann  gibt  er  eine  ebenso  kurze  Uebersicht  über  die  Be- 
obachtungsmethoden, nämlich  die  experimentelle,  beobachtende 
und  vergleichende.  Nun  folgt  ein  kurzer  Abriß  der  Geschichte 
der  Kinderforschung  und  im  Zusammenhange  damit  ein  Ueber- 
blick  über  die  kinderpsychologische  Literatur,  der  außerordent- 
lich reich  ausgefallen  ist,  da  er  alle  die  hineinzieht,  welche  über 
ihre  eigene  Kindheitsentwicklung  irgendwelche  Mitteilungen  ge- 
macht oder  Kinder  überhaupt  in  ihren  Werkei\  erwähnt  und 
berücksichtigt  haben.  Daher  findet  man  unter  ihnen  neben 
Goethe  auch  Ranke,  Spielhagen,  Rosegger,  Georg  Ebers  u.  s.  w. 
Auch  die  Reihe  der  eigentlichen  Kinderforscher,  die  er  als 
Philosophen,  Aerzte,  Sprachforscher,  Pädagogen,  Natur- 
forscher und  Rechtsgelehrte  genau  voneinander  geschieden  hat, 
ist  weit  größer  als  man  sonst  anzunehmen  gewöhnt  ist.  Diese 
rein  äußerliche  Gruppierung  der  Forscher  nach  ihren  Berufs- 
ständen  ist  natürlich  wenig  zweckentsprechend,  und  darum  ist 
er  auch  mit  ihr  nicht  ausgekommen  oder  hat  sie  wenigstens 
verlassen;  denn  er  stellt  dann  Preyer  ganz  allein  hin  als  den- 


362  Gustav  Lindner. 

reine,  ohne  Rücksicht  aiif  pädagogische  Interessen.  „Die 
reine  kinderpsychologische  Forschung  den  Psychologen,  ihre 
Resultate  den  Pädagogen**  lautet  sein  Urteil. 

In  dem  Engländer  SuUy  erblickt  er  den  Hauptvertreter 
einer  zweiten  Entwicklimgsstufe  der  Kinderforschung,  nämlich 
der  vergleichenden,  und  in  dem  Amerikaner  Baldwin 
(„Geistige  Entwicklung  des  Kindes  und  der  Rasse**)  die  An- 
fänge zu  einer  dritten,  von  ihm  am  höchsten  geschätzten,  der 
erklärenden.  Als  Absicht  seiner  eigenen  „langen  mühsamen 
Arbeit**  bezeichnet  er  „die  Anbahnung  einer  zielbewußten  er- 
klärenden Forschung  und  die  scharfe  Trennung  einer 
reinen  und  angewandten  Richtimg.** 

Man  sieht,  an  Idealen  imd  Selbstgefühl  fehlt  es  dem  jungen 
Gelehrten  nicht.  Aber  sein  Streben  geht  noch  höher:  er  will 
aus  der  Kinderpsychologie  eine  besondere  Kindersprach- 
wissenschaft ausgeschieden  wissen.  Und  er  stellt  dieser 
neuen  Kinderpsychologie  unter  anderem  als  Ziel  in  Aussicht, 
„daß  sie  selbst  eine  Herrin  unter  den  Wissenschaften  spielen 
darf,  der  die  anderen  Wissenschaften  wünschend  nahen  werden, 
um  sich  Aufschluß  und  Ergänzung  zu  erholen**  (28). 

Nach  diesem  einleitenden  imd  geschichtlichen  Abriß  folgt 
die  eigentliche  Untersuchung,  an  die  man  nach  dieser  An- 
kündigung mit  den  höchsten  Erwartungen  heranzutreten  be- 
rechtigt ist.  Es  kann  nicht  meine  Absicht  sein,  den  ganzen 
weiteren  Inhalt  der  folgenden  11  Bogen  so  eingehend  dar- 
zustellen, als  diese  beiden  ersten,  die  über  Plan  und  Aufgabe 
seines  Buches  belehren  wollen.  Ich  muß  mich  in  der  Hauptsache 
mit  einer  Angabe  der  Gliederung  seines  Stoffes  begnügen. 
Sie  ist  folgende:  Im  i.,  nur  4  Seiten  umfassenden  Kapitel 
untersucht  er  die  Beziehung  zwischen  Sprechen  und  Öenken; 
im  2.,  130  Seiten  imifassenden,  die  Entwicklung  der  Worte 
und  ihrer  Bedeutungen ;  im  3.  die  Entwicklung  der  Sätze 
und  ihrer  Bedeutungen  und  im  4.  die  Entwicklung  der  Sti- 
listik (so  sagt  er  wörtlich  I)  und  die  Gesamtbedeutimg  des 
kindlichen  Denkens  und  der  kindlichen  Weltanschauung.  Das 
3.  und  4.  Kapitel  umfassen  auch  nur  je  13  Seiten. 

Schon  aus  der  Angabe  des  Umfanges  der  einzelnen  Kapitel 
ersieht  man,  daß  der  Hauptinhalt  des  Buches  auf  dem  in 
Kapitel  2  Mitgeteilten  beruht.  Ihm  möge  darum  auch  noch  eine 
besondere  Betrachtungen  gewidmet  sein  I   Es  handelt  zunächst 


364  Gustav  lAndner. 

Wenn  ich  ihn  recht  verstanden  habe,  so  gibt  er  in  dieser 
Uebersicht  eine  Darstellung  des  Bedeutungswandels  der  200 
ersten  sprachlichen  Begriffe,  um  daran  die  nach  seiner  Meinung 
beim  Kinde  vorhandenen  Umfangserweiterungen  und  Umfangs- 
verengerungen  zu  zeigen.  Seine  ganze  mit  großer  Mühe  ge- 
machte Statistik  erscheint  mir  im  gfroßen  und  ganzen  sehr 
unfruchtbar  und  problematisch;  sie  ist  auch  von  Wundt  in 
der  Völkerpsychologie  I,  283,  als  irrtümlich  zurückgewiesen 
worden. 

An  den  mitgeteilten  Beobachtungen  ist  mir  sehr  unwahr- 
scheinlich, daß  das  Kind  das  einmal  erfaßte  Pronomen  „ich" 
für  die  eigene  Person  125  Tage  lang  nicht  wieder  gebraucht 
haben  solle  und  daß  es  mit  757  und  769  Tagen,  also  in  einem 
Alter  von  über  2  Jahren,  noch  gar  kein  Gefühl  für  die  Biegung 
des  Wortes  „ich**  erworben  haben  soll.  Vieles,  worin  er  eine 
Umfangerweiterung  von  Seiten  des  Kindes  erblickt,  erklärt 
sich  für  mich  außerordentlich  viel  einfacher  durch  eine 
andere,  natürlichere  Auslegung  der  selbstverständlich  sehr  oft 
mehrdeutigen  Satzworte  des  Kindes.  Seine  ganze  Ansicht 
über  die  Umfangser Weiterungen  scheint  mir  eine  haltlose 
Theorie  zu  sein ;  denn  die  Sprach-  und  Begriffsentwicklung  der 
Kinder  geht  allermeist  den  entgegengesetzten  Weg:  nämlich 
nicht  der  Umfang,  sondern  der  Inhalt  seiner  Begriffe  erweitert 
sich.  Die  „Urworte**  der  Kinder  sind  Worte  von  dem  denkbar 
größten  Umfang ;  daher  lernen  die  Kinder  auch  sehr  frühe  das 
Wort  „das**,  ebenso  ein  allgemeines  Wort  für  alles  Eß-  und 
Trinkbare,  aber  allmählich  treten  an  die  Stelle  des  einen  sehr 
allgemeinen  Begriffes  durch  genauere  Unterscheidung  des 
Inhaltes  eine  ganze  Menge  Begriffe;  dadurch  verengt  sich  der 
Umfang  jedes  einzelnen  Begriffes,  aber  sein  Inhalt  wird  größer. 
Das  gibt  auch  Ament  selbst  zu  (S.  141)  und  somit  widerstreitet 
er  seiner  eigenen  Theorie  von  der  Umfangserweiterung  der 
kindlichen  Begriffe. 

Noch  weniger  als  die  Uebersicht  der  200  Begriffe 
befriedigt  mich  die  aus  ihr  abgeleitete  Tabelle  der  Wort- 
form in  Rücksicht  auf  Umfangserweiterungen  und  zwar  schon 
ihrer  Terminologie  wegen.  Er  unterscheidet  in  dieser  Tabelle 
in  granmiatischer  Hinsicht  Laute  und  Lautgruppen,  'Substan- 
tiva,  Adjektiva,  Pronomen,  Verben,  Numeralia,  Adverbien, 
Interjektionen  und  Suffixe;  und  stellt  übersichtlich  dar,  Wie 


376  Gustav  Lindner. 

eine  nicht  unwesentliche  Rolle.  Dentiöch  gelang  es  mir  trotz 
detitender  Gebärden  erst  nach  vielen,  vielen  mißglückten  Ver- 
suchen, die  Assoziation  zwischen  SächvorstelKnig  töid  Wott- 
vorstellung  im  Kinde  hergestellt  zu  sehen,  imd  wie  es  mir 
äcJiien,  ohne  inein  tJesonderes  Zutun. 

Der  Bezeichnungsweise  Steinihals  folgend,  untersucht  er 
im  weiteren  das  Verhältnis  zwischen  äußerer  und 
innerer  Sprachform  oder,  wie  wir  kurz  imd  ebenso  ver- 
ständlich sagen  können,  zwischen  Form  utid  Inhalt  oder  Leib 
und  Geist  der  Spraclle.  Fritz  Mauthners  Behauptung,  „daß 
auch  die  allerkleinste  lautliche  Verändenmg  des  Wortes  einen 
Bedeutungswandel  zur  Folge  haben  müsse,**  hätte  er  nach 
meinem  Dafürhalten  viel  einfacher  durch  einen  Hinweis  auf 
die  Geschichte  der  Sprache  widerlegen  können;  denn  daß  das 
nämliche  althochdeutsche  Wort  im  Neuhochdeutschen  infolge 
seiner  ganz  veränderten  Form  auch  seine  Bedeutung  gewandelt 
haben  müsse,  wird  wohl  auch  Mauthner  nicht  im  Ernste  be- 
haupten wollen;  auch  die  abweichende  Form  eines  und  des- 
selben Wortes  in  verschiedenen  Mimdarten  spricht  gegen 
Mauthners  Auffassung. 

Ich  muß  es  mir  versagen,  um  Sie  nicht  allzusehr  zu  er- 
müden, den  weiteren  Inhalt  des  Meumannschen  Buches  einiger- 
maßen erschöpfend  zu  behandeln,  sondern  werde  mich  im 
weiteren  nur  auf  eine  Uebersicht  des  Ganzen  uhd  auf  kurze 
Stichproben,  die  mir  besonders  beachtenswert  erscheinen^  be- 
schränken. 

Er  unterscheidet  bezüglich  der  Entwicklung  deräußeren 
Sprachform,  also  der  lautlichen  Form  des  Wortes  als 
I.  Stufe  die  onomatopoetische  und  als  2.  die  des  Er- 
lernens  vorgesprochener  oder  gegebener  Worte, 
und  als  eine  Art  Zwischenstufe,  die  bei  manchen  Kindern  be- 
obachtete Stufe  der  Worterfindung,  von  der  er  aber 
selbst  nichts  wissen  will.  Die  Wichtigkeit  der  onomatopoetischen 
Worte  für  die  kindliche  Sprachentwicklung  scheint  er  mir  nicht 
genügend  gewürdigt  zu  haben.  Warum  er,  der  eine  eigent- 
liche Worterfindung  des  Kindes  mit  Wundt  imd  Karl  Stumpf 
überhaupt  leugnet,  den  geradezu  romantischen  Bericht  des 
Amerikaners  Gale  (S.  32 — 33)  über  die  Erfindung  einer  eigenen 
Sprache  von  Seiten  zweier  Kinder  nicht  als  das  bezeichnet,  was 
er  für  einen  wirklichen  Kinderforscher  ist  und  sein  muß«  näm- 


380  Gustav  Lindner. 

nach  haben  die  efsten  Worte  des  Kindes  eine  sehr  mannig- 
fache Bedeutung.  Sie  sind  reine  Wunschworte  oder, 
wenn  sie  als  gegenständliche  Bezeichnungen  ver- 
wendet würden,  gälten  sie  nicht  dem  Gegenstände  als  Ganzem, 
sondern  nur  wenigen  Teilen  oder  Sehen  desselben.  Ist  das 
aber  nicht  auch  mit  der  Sprache  der  Erwachsenen  der  Fall? 
Die  Worte  sind  ja  überhaupt  nur  Münzen  von  veränderlichem 
Werte,  der  auch  in  den  einzelnen  sprechenden  Individuen  ein 
sehr  verschiedener  ist  und  sein  muß.  Und  welches  Wort  der 
Spracho  ist  überhaupt  so  umfassend,  daß  es  a  1 1  e  Seiten  eines 
Gegenstandes,  also  einen  logischen  Begriff  desselben  be- 
zeichnen könnte?  Für  mich  ist  zwischen  den  Worten  der 
Erwachsenen  und  denen  des  Kindes  nur  ein  abgestufter,  aber 
nicht  ein  wesentlicher  Unterschied  vorhanden.  Darum  ver- 
mag ich  auch  seine  weiteren  Anschauungen  von  der  Kinder- 
sprache, wonach  das  Kind  bei  Anwendung  der  Sprache  an- 
fangs nur  den  einen  Zweck  derselben,  den  des  Ausdruckes 
erktnne,  nicht  aber  den  der  Mitteilung  und  Bezeich- 
nung, während  beim  Erwachsenen  alle  drei  Zwecke  der 
Sprache  normalerweise  gewöhnlich  zusammenfielen,  nicht  zu 
meiner  eigenen  zu  machen.  Das  zu  behaupten,  erscheint  mir 
außerordentlich  gewagt.  Ich  vermag  nicht  zu  glauben,  daß 
das  so  sehr  von  Antrieben  des  Begehrens  beherrschte  Kind 
isein  Wort  für  „essen**  (bei  meinem  Kinde  apne  lautend)  nur 
ganz  theoretisch  und  platonisch,  gewissermaßen  als  Reflex 
seiner  eigenen  Gefühle  imd  Willensakte  äußert,  sondern 
nach  meiner  Beobachtung  ist  sogar  die  Mitteilung  an  einen 
fremden  Willen  und  mit  ihr  die  Beeinflussung  dieses  fremden 
Willens  in  seinem  eigenen  Sinn  die  Hauptsache  tmd  der 
Hauptzweck  bei  der  Aeußerung  des  Wortes.  Oder  sollte  wirk- 
lich das  Kind,  das  seine  Umgebung  durch  Schreien  und  Ge- 
bärden unzählige  Male  zu  seinen  eigenen  Gunsten  beeinflußt 
hat,  zu  der  Entdeckung,  daß  diese  Beeinflussung  auch  durch 
Worte  geschehen  könne,  so  unsagbar  schwer  kommen  ?  Un- 
möglich ist  natürlich  diese  Auffassung  nicht,  aber  für  mich 
als  Kinderbeobachter  ganz  unwahrscheinlich.  Doch  diese  ganze 
Untersuchung  würde  eine  Abhandlung  für  sich  erfordern, 
wenn  sie  das  von  Meumann  gegebene  und  voh  mir  ganz  anders 
gedeutete  Material  berücksichtigen  wollte. 

Zum  Beweise  für  die  in  den  ersten  Kinderworten  liegende 


384  Gustav  Lindner. 

Worte  zustande  kommea  aus  Beispielen  von  Tracy,  Preyer, 
Sigismund^  Stumpf  und  aus  meineo^i  3uche. 

Weiterhin  gedenkt  er  der  statistischei;i  A^zeichaungen  ame- 
rik^anischer  Sprachforscher  ui;id  Psychologen,  besonders  des 
Horatio  Gaje,  der  nicht  bloß  die  Worte  selbst  aufzeichnete, 
sondern  auch  g:anze  Gespräche  des  Kii^des,  also  eine,  von 
Meumann  eingangs  so  warm  befürwortete  Gebrauchs- 
statistik führte.  Ich  halte  diese  sehr  nxiihevollen  Aufzeichnun- 
gen imgefähr  für  ebenso  wertvoll  als  die  prozentualen  Er- 
hebungen der  orthographischen  Fehler  in  einer  Schulklasse 
im  Sinne  eines  Wertmessers  für  den  geistigen  Zustand  der 
betreffenden  Klasse  oder  Schule,  oder  als  die  Prüfung  des 
Geistesgehaltes  einer  wissenschaftlichen  Arbeit  oder  redne- 
rischen Leistung  auf  Grund  der  prozentualen  Ermittlung  der 
zum  Aufbau  verwandten  Wortarten  oder  Phrasen,  d.  h.  Rede- 
wendungen. Das  war  es,  was  ich  oben  als  geräuschvollen 
KJeinver schleiß  bezeichnete. 

Wenn  Meumann  weiterhin  die  Vermutung  ausspricht,  daß 
alle  Kinder  anfangs  die  grammatischen  Kategorien  durchaus 
nicht  richtig  verwenden,  so  vermisse  ich  hier  den  ebenso 
wichtigen  Hinweis,  auf  den  ich  durch  n;ieine  Beobachtungen 
aufmerksam  gemacht  habe,  daß  das  Kind  schon  verhältnis- 
mäßig frühe  ein  feines  Gefühl  für  die  grammatische  Funktion 
von  Worten  erwirbt,  ohne  daß  ihm  der  Ii;ihalt  des*  Wortes 
begannt  zu  sein  braucht.  Seine  weitere  Vermutung,  daß  die 
echten  Dingwörter  xmd  Tätigkeitswprter  sich  ^us  jgranuna- 
tischen  «Mischprodukten  herausi  ent;v^ickeln, ,  djie  wec^er  4^  edne 
noch  das  ajcidere  sind,  sondern  die  Bedeut,u]ig  von  Interj^tipnen 
^ben,  ist  eine  Folgerung  von  sei^^r  Auf fa^siuig .  der  KiiKler- 
sprache,  .djle  von  einer  künftigen  Beobachtung  scharf  ins 
Auge  zu  £a,ssen  wäre,  auf  die  ich  aber  durch  meine  3epb^ch- 
tungen  früher  niemals  gestoßen  b,in. 

Zmn  Beweise  4afür,  wie  staunen^M(ert  4^^  Q€;istesarbeit 
des  Kindes  in  der  Aneignung .  der  Spij^ctie  sei,  führt  ,er  die 
Statistik  des  Amer^caners  Gale  an,  der  von  einem  seiner 
Kinder  aJm  182.  Tage  des  dritten  Jal;ires  9290  Worte  a.uf- 
.schrieb  imd  von  einem  anderen  I{jt\a|;>en  an  des^n  z)yeitem 
Geburtstage  10507  Worte  zählte,  4^u^unter  751  vei^scjbied^ne. 
Jiiese  Statistiken  übert  auf  mich  ^icjtit  ninr,  eipe  kpiyi j^sgl^e  ,Wir- 
^ung.jaus,  sjOjndern  sie  erscheinen  mir.sjog^r  r^q^t  rl^i^ji^i^cb. 


386  Gustav  Lindner. 

des  zweiten  könnte  ich  nicht  angeben,  ohne  ein  näheres  Ein- 
gehen auf  denselben.  Zum  Schlüsse  gibt  er  noch  einen  Nach- 
trag von  Beobachtungen,  die  während  seiner  Abwesenheit  im 
15.  bis  19.  Lebensmonat  seines  Kindes  von  seiner  Gattin  ge- 
sammelt worden  sindy  und  die  ich  auch  oben  teilweise  berück- 
sichtigt  habe.     Idelbergers   Arbeit   umfaßt    5V2   Druckbogen. 

Da  Meumannimd  Idelberger  Schüler  Wilhelm  Wimdts  sind, 
so  halte  ich  es  für  meine  Pflicht,  auch  noch  kurz  der  hierher- 
gehörigen Arbeit  des  Altmeisters  der  physiologischen  Psycho- 
logie imd  zugleich  des  wichtigsten  Vertreters  der  experimen- 
tellen Psychologie  zu  gedenken.  Wundts  Ansichten  über  die 
Sprache  des  Kindes  finden  sich  in  seiner  Völkerpsycho- 
logie im  ersten  Bande  des  ersten  Teiles,  der  von  der  Sprache 
handelt,  wo  sie  im  Rahmen  des  ganzen,  großangelegten  W^erkes 
nur  reichlich  zwei  Druckbogen  umfassen,  aber  dennoch  zum 
Bedeutendsten  gehören,  was  über  Kindersprache  geschrieben 
worden  ist.  Das  wird  bei  der  Bedeutung  Wundts  um  so  weniger 
überraschen,  ,als  Wundt  nicht  bloß  zu  den  Kennern,  sondern 
sogar  zu  den  speziellen  Forschern  und  Beobachtern  der  Kinder- 
spracher  gehört;  denn  er  hat  zwei  seiner  Kinder  aufs  ein- 
gehendste selbst  beobachtet.  Leider  hat  er  seine  Beobachtungs- 
resultate nur  in  allergedrängtester  Form  mitgeteilt  und  der- 
art zur  Theorie  verdichtet,  daß  eine  Diskussion  darüber  so 
gut  wie  ausgeschlossen  ist.  Aber  aus  dem  wenigen,  was  er 
aus  seinen  Beobachtungen  mitgeteilt  hat,  sieht  man,  ein  wie 
feiner,  scharfer  und  umsichtiger  Beobachter  er  gewesen  ist 
und  wie  er  zuweilen  den  scheinbar  widerspruchsvollen  Ergeb- 
nissen mit  Erfolg  nachging,  bis  es  ihm  gelang,  das  Wider- 
spruchsvolle zu  enträtseln.  Seine  Anschauungen  über  die 
Kindersprache  stützt  er,  außer  auf  seine  eigenen  Beobach- 
tungen, ausdrücklich  und  fast  ausschließlich  auf  die  Beobach- 
tungen Preyers,  für  den  er  eine  viel  höhere  und  gerechtere 
Würdigung  besitzt  als  seine  Schüler  Meumann  und  Idelberger, 
obwohl  ^uch  er  nicht  mit  allem  übereinstimmt,  worauf  Preyer 
liebondcren  |Nachdruck  legen  zu  müssen  glaubte. 

Knapp  imd  kurz  faßt  er  seine  Anschauungen  unter  fol- 
m^iuU*.  fünf  Gesichtspunkte  zusanmien:  i.  Stadien  der 
Laiiihildung  beim  Kinde,  2.  angebliche  Wort- 
en jfiu  düng  des  Kindes,  3.  psycho -physische  Be- 
din^ungcn     der    individuellen    Sprachentwick- 


392  Ouatav  Lindner. 

ausgeklügelt    sein,  sondern   durch  einfache   Grundgedanken, 
die  an  sich  evident  sind/* 

Alles  in  allem  aber  darf  auch  der  Erforscher  der  Kinder- 
sprache nicht  vergessen,  daß  das  Geistes-  und  Empfindungs- 
leben des  Kindes  ganz  ähnlich  oder  noch  viel  mehr  wie  beim 
Erwachsenen  r  e  i  c  h  e  r  ist  als  das  Vermögen,  den  Empf indungs* 
inbalt  der  Seele  auszudrüdken  und  in  Worte  zu  fassen.  So 
wie  wir  Erwachsenen  im  Zustande  höchster  Freude  oder  tief- 
sten Schmerzes  entweder  die  Worte  nicht  finden,  die  der 
Fülle  unseres  Herzens  einen  entsprechenden  Ausdruck  ver- 
leihen könnten,  oder,  die  Worte  sogar  verachten,  da  sie  xmsere 
Gefühle  gewissermaßen  profanieren  würden,  so  hat  auch  schon 
das  kleine  Kind  eine  Art  instinktives  Gefühl  dafür,  daß  oft 
ein  stummer  Händedruck  mehr  besagt  imd  beredter  ist  als 
unsere  beredtesten  Worte.  Die  Sprache  ist  zwar  der  klarste, 
aber  nicht  immer  der  volle  Ausdruck  für  unseren  Seeleninhalt 
—  das  sollte  auch  der  Erforscher  der  Kindersprache  nicht 
außer  acht  lassen. 


/ 


394  Marx  Lobsien. 

hältnisse:     Kopf  zu  Gestalt  =   i:8  (0,125);    Verhältnis   ver- 
schiedener Kopfteile  untereinander,  nämlich  Kinn  zu  Nasen- 
basis,   Nasenbasis  zu  Nasenwurzel,   Nasenwurzel   zu    Beginn 
des   Haarwuchses  =    1:3   (0,333) ;   Armlänge   zu   Länge  der 
Gestalt  =  3:8  (0,375);  Fuß  zu  Gestalt  =  1:6  (0,166);  Hand 
zu  Fuß  =:  2:3   (0,666);   Hand  zu  Angesicht  =   i:i    (1,000). 
Die  Ergebnisse  Schuytens  stelle  ich  kurz  hierher:  Die 
Kinderzeichnungen  offenbarten,  daß  das  Verhältnis  von  Kopf 
zu  Gestalt  von  den  Knaben  besser  annähernd  erreicht  wurde 
alS(    von  den   Mädchen;    die   letzteren  zeichneten    durchweg 
größere  Köpfe  und  kleinere  Gestalten.   Ebenso  näherten  sich 
die    Knaben   bei   der   Darstellung   der  Nase   dem   Verhältnis 
0,333  mehr  als  die  Mädchen.    Das  Verhältnis  von  Armlänge 
zu   Gestalt  ward  übereinstimmend  bei  beiden  Geschlechtem 
nahezu  erreicht,  wenngleich  die  Mädchen  oft  kleinere  Arme 
zeichneten  als  die  Knaben.    Bezüglich  des  Verhältnisses  Fuß 
zu  Gestalt  ist  zu  bemerken,   daß  die  Knaben  .näher  an  die 
Zahl   0,166  herankamen   als   die   Mädchen,   während   sie  bei 
dem  Verhältnis  Fuß  zu  Hand  beinahe  um  das  Zehnfache  von 
der   Zahl   0,666  abwichen.    Das  Verhältnis    i :  i    wird  nahezu 
übereinstimmend  beachtet.  —  Verfolgt  man  diese  Angelegen- 
heit auf  den  verschiedenen  Altersstufen,  dann  gewahrt  man, 
daß  im  6.  Lebensjahre  die  Abweichung  von  den  theoretischen 
Quotienten  am  größten  war,  größer  als  vorher  und  nachher. 
Schuyten  schließt  daraus,  daß  die  Entwickelung  des  Schön- 
heitssinnes um  diese  Zeit  herum  eine  Störung  erleidet,  di« 
auf  den  Einfluß  der  Schule  zurückzuführen  ist.    Die  tieferen 
Ursachen    liegen  allerdings   noch  im  dimkeln.     Die    aufein- 
anderfolgenden Altersstufen  zeigen  allmähliche    Annäherung 
an  die  ideale  Proportion. 

Meine  Untersuchungen. 

Ihre  Methode  unterscheidet  sich  nicht  von  derjenigen 
Schuytens.  Die  Blättchen  hatten  die  gleiche  Größe.  In  Weg- 
fall kam  für  meine  Beobachtimgen  das  Verhältnis  der  ein- 
zelnen Gesichtsteile  zueinander,  weil  ihre  Darstellung  sie 
nicht  in  zureichender  Deutlichkeit  kundgab.  Des  weiteren  ver- 
zichtete ich  auf  Bruchteile  bei  den  Millimeterangaben.  End- 
lich —  es  ist  selbstverständlich,  daß  nur  ein  Bruchteil  der  ge- 
wonnenen Bildchen  eine  durchgehende  Wertung  im  Sinne 


398 


Marx  Lobsien. 


Tabelle    II. 
Mädchen. 


Altor 


1  =  0.125 


qu 


II  =  0,375 


a 


qu 


III  =  0,166 


qu 


IV  =  0,666 


a 


qu 


V  =  1,000 


a 


qu 


8  Jahre 


8  Jahre 


11  Jahre 


11  Jahre 


13/14 
Jahre 


13/14 
Jahre 


Gute  Zeichnerin 


35:119 

0,294 

24:119 

0,202 

7:119 

0,059 

2:7 

0,285 

2 :  32 

16:   65 

0.246 

31:   65 

0,477 

6:  65 

0,092 

4:6      0,066 

4:14 

15:   73 

0.208 

23:   73 

0,315 

5:   73 

0,069 

4:5 

0,800 

4:11 

36:122 

0,295 

36:112 

0,321 

7:112 

0,062 

7:7 

1.000 

7:25 

19:   77 

0,245 

19:  77 

0,247 

9:  77 

0.117 

3:9 

0.333 

3:17 

0.%2 
0,286 
0,363 
0,28») 
0,170 


Schlechte  Zeichnerin 


22 :  95 

0,231 

15:95 

0,158 

9:95 

0.095 

2:9 

0,222 

2:14! 

16:57 

0.281 

14:57 

0.245 

4:57 

0,070 

2:4 

0,500 

2:15 

18:70 

0,257 

18:70 

0,257 

6:70 

0,086 

5:6 

0.833 

5:14 

22:13 

0,236 

14:93 

0.151 

9:93 

0,095 

3:9 

0,333 

3:13 

17:60 

0,283 

19:60 

0,316 

6:60 

0,100 

3:6 

0,500 

3:14 

Gute  Zeichnerin 


13:68 

0,132 

21:68 

0,309 

8:68 

0,118 

3:  8 

0,375 

3:   8 

25:75 

0,333 

23:75 

0.306 

7:75 

0,099 

8:  7 

1,111 

8:22 

11:72 

0,194 

20:72 

0.277 

7:72 

0,097 

5:  7 

0,111 

5:10 

14:65 

0.215 

23:65 

0,356 

8:65 

0,123 

5:  8 

0,625 

5:10 

10:72 

0,139 

23:72 

0,319 

10:72 

0,139 

4:10 

0,400 

10:   9 

Schlechte  Zeichner  in 


14:70 

0,200 

22:70 

0,314 

4:70 

0,057 

3:4 

0,750 

3:14 

15:90 

0,166 

25:90 

0.299 

7:90 

0,078 

4:7 

0,555 

4:11 

20:64 

0,312 

15:64 

0,234 

7:64 

0.109 

7:7 

1.000 

7:17 

10:45 

0,222 

10:45 

0,222 

5:45 

0.111 

3:5 

0.600 

3:   9 

21:88 

0,238 

31:88 

0,352 

8:88 

0,090 

5:8 

0,625 

5:21 

Gute  Zeichnerin 


13:96 

0,135 

15:96 

0.156 

7:96 

0,073 

7:7 

1,000 

7:12 

14:71 

0.197 

17:71 

0,238 

5:71 

0,070 

1:5 

0.200 

1:10 

12:68 

0,176 

22:68 

0,823 

6:68 

0,088 

7:6 

1,111 

7:   8 

14:86 

0.163 

30:86 

0,348 

6:86 

0.069 

5:6 

0,833 

5:10 

Schlechte  Zeichnerin 


16:  82 

0,171 

25:   82 

0,305 

5:  82 

0.061 

5:5 

1,000 

5:14 

15:   96 

0.156 

25:   96 

0,260 

7:   96 

0,053 

— 

-^ 

— 

18:105 

0,171 

33:105 

0,314 

7:105 

0,066 

9:7 

1,286 

9:14 

17:  90   0,188 

18:  90   0,200 

6:   90 

0,066 

2:6 

0,333 

2:11 

23:100 

0.230 

23:100 

0,230 

4:100 

0,040 

3:4 

0,750 

3:14 

15:  77 

0.194 

25:   77 

0,324 

6:  77 

0,078 

3:6 

0.500 

3:10 

0.133 
0,357 
0,231 
0,214 


0,375 
0,365 
0.500 
0,50<3 

l.lll 


0.214 
0.363 
0.411 
0.333 
0.238 


0.583 
0.100 
0.875 
0,500 


0,357 

0.643 
0.187 
0.214 
0.300 


Bei  den   Imbezillen  ließ  ich  durch  eine  Ziffer  angeben, 
wie  weit  sie  von  der  Normalität  abweichen.    Natürlich  handelt 


Kinder  Zeichnung  und  KutuÜcanoa.  399 

63  sich  dabei  nur  um  Schätzungen,  aber  doch  seitens  solcher 
Beobachter,  die  in  stetem  Umgange  mit  derartigen  Schülern 
ihren  Blick  geschärft  haben.  Die  Werte  bewegen  sich  abwärts 
von  Vj  bis  Vi-  Di^  nachfolgende  Tabelle  enthält  eine  neue 
Kolonne,  in  der  diese  Werte  verzeiclinet  sind. 


Tabelle    III. 
Imbezile :    Knaben. 


400 


Marx  Xro6«{eit. 


Tabelle  IV. 
Imbezile :    Mädchen. 


lll 

^1 

1  =  0,125 

II  =  0.375 

m  =  0,166 

IV  =  0.666 

V  =  1.0üO 

a 

^u 

a 

qu 

a 

qu 

a         qu 

a 

qn 

V, 

14 

20:70 

0,286 

22:70 

0,314 

8:70 

0,114 

5:8 

0.625 

5:10 

0,50j 

11 
11 
14 

10:43 
20:50 
18:67 

0,232 
0.400 
0.268 

14:43 
17:50 
26: 67 

0,325 
0,340 
0,388 

5:43 
7:50 
3:67 

0.116 
0.140 
0,045 

6:5 

7:7 
3:7 

1.200 
1.000 
0.428 

6:  8 
7:20 
5:15 

1 

O.TS-J 
0.350 
0,333 

»/4 

15 

16:43 

0.322 

13:43 

0,302 

4:43 

0.093 

2:4 

0,500 

2:10 

0.200 

12 
10 
11 

14 

15:30 

6:30 

10:32 

0.500 
0.200 
0.302 

15:32 
10:30 

0,469 
0,333 

2:30 
4:32 

0.066 
0.122 

2:7 

0.285 

6:7 

O.S57 

V4 

20:65 

0.308 

17:65 

0,261 

3:65 

0,046 

3:3 

1.000 

3:20 

O.IjO 

V4 

9 

13 

9 

13:50 

17:56 

9:29 

0.260 
0.303 
0,310 

15:56 
5:29 

0.268 
0,170 

4:50 
7:56 
3:29 

0.080 
0.125 
0.104 

7:5 
2:3 

1.400 
0.666 

3:20 
5:15 
3:  9 

O.lDÖ 

0,333 
0,333 

Zunächst  will  ich  aus  den  Tabellen  Typenbilder  hervor- 
heben für  die  Altersstufen  und  Geschlechter  der  Normal- 
begabten einerseits  und  die  Imbezillen  andererseits  und  dann 
die  Frage  erörtern,  ob  die  Begabung  für  Zeichnen  von  be- 
sonderem Einfluß  ist. 

I.    Typenbilder  für   die   Geschlechter  und 
Altersstufen  Normalbegabter. 

Ich  begnüge  mich  damit,  die  Verhältniszahlen  allein  her- 
auszuheben. 

Knaben. 


Alter 

1  =  0,125 

n  -  0,375 

III  =  0,166 

IV  =0,666 

V  =  1.000 

8 

0.225 

0,238 

0.101 

0.369 

0.216 

11 

0,261 

0.479 

0.307 

0.633 

0,249 

13/14 

0,227 

0.288 

0.103 

0,624 

0,320 

Relativ  am  genauesten  werden  Verhältnis  III  und  IV 
aufgefaßt,  am  ungenauesten  I  und  V.  Ob  aber  mit  steigen- 
dem Alter  eine  Annäherung  an  den  Kanon  stattHndet,  läßt 
sich  der  Tabelle  nicht  entnehmen. 


Kinderzeichnung  und  Kunstkanon. 


401 


Mädchen. 


Alter 

1  —  0,125 

II  =  0.375 

m  — 0.166 

IV  =  0,666 

V  — 1,000 

8 

0,248 

0.269 

0,085 

0,487 

0,227 

11 

0,215 

0.299 

0,102 

0,475 

0,341 

13/14 

0,178 

0,270 

0.066 

0,668 

0,417 

Auch  hier  finden  wir  relativ  genaue  Schätzung  des  Ver- 
hältnisses IV.  Für  V  und  III  kann  man  mit  zunehmendem 
Alter  eine  steigende  Annäherung  an  die  Maße  der  Wirklich- 
keit festhalten  imd  damit  — ■■■  natürlich  unter  der  oben  be- 
rührten Einschränkung  —  mit  größerer  Wahrschemlichkeit 
eine  Entfaltung  des  Schönheitssinnes  behaupten.  Charakte- 
ristisch für  beide  Geschlechter  ist,  daß  das  Verhältnis  von 
Kopf-  zur  Gestalt  länge  und  von  Hand  zu  Gesicht  stark  ver- 
zeichnet ist:  der  Kopf  wird  durchgehends  viel  zu  groß  ent- 
worfen, dementsprechend  die  Hand  zu.  klein.  Man  darf  zur 
Erklärung  dieser  Erscheinung  auf  ein  doppeltes  aufmerksam 
machen:  i.  erfordert  die  zeichnerische  Darstellimg  des  Kopfes 
unter  allen  Leibesgliedem  die  meiste  Arbeit  und  bietet 
das  meiste  Vergnügen,  weil  auch  die  relativ  einfachste 
Darstellimg  der  Augen,  des  Mimdes  usf.  in  ihren  unvermeid- 
lichen kleinen  Abweichungen  von  Fall  zu  Fall  immer  ein  neues 
Bild,  einen  neuen  Gesichtsausdruck  zur  Folge  haben,  das  zu 
Andeutungen  anregt;  2.  physiologisch  betrachtet  erscheint 
dem  Auge  immer  diejenige  Fläche  als  die  größere,  die 
die  meisten  Teildarstelluiigen  enthält.  Je  öfter  das  be- 
obachtende Auge  2rum  Verweilen  gezwungen  wird,  desto 
größer  erscheint  der  Schätzung  die  umrissene  Fläche. 
Die  ästhetisch  richtige  Darstellung  des  Verhältnisses  vom 
Kopf  zu  den  übrigen  Teilen  des  Leibes  gehört  gewiß 
zu  den  schwierigsten  Anforderungen,  die  an  das  Kind 
zu  stellen  sind.  Haben  wir  doch  in  Zeiten  der  Geschmacks- 
wirrnis allerlei  Bemühimgen  erlebt,  den  Kopf  möglichst  zu 
vergrößern.  (Haartracht  der  Frauen;  der  Zopf,  der  zwar  nach 
der  verkehrten  Himmelsrichtung'  wies;  endlich  auch  jene  Ver- 
längerung in  glänzender  Schwärze,  die  eines  Hauptes  länger 

Zeitschrift  für  pädagogische  Psychologie,  Pathologie  o.  Hygiene,     t  & 


402 


Marx  Lobsien, 


macht  als  alles  Volk  —  der  Kothurn  hat  sich  als  Assistent 
zu  unpraktisch  erwiesen.)  Ein  gewisser  Zusammenhang  in  der 
naiven  Falschdeutung  und  Falschwertimg  besteht,  so  glaube 
ich,  zwischen  hüben  und  drüben.  Endlich  darf  man  aber 
nicht  vergessen,  daß  die  Proportionen  des  kindlichen 
Körpers  wesentlich  andere  sind  als  die  des  erwachsenen, 
besonders  das  Verhältnis  von  Kopf  zu  Gestalt. 

Wenigstens  die  Vermutimg  liegt  nahe,  daß  besondere 
Begabimg  für  Zeichnen  auch  eine  stärkere  Annäherung  an 
den  Kanon  bedingt.  Folgende  Tabellen  zeigen  meine  Er- 
gebnisse. 

Knaben. 


Alter 

1  —  0,125 

II  —  0.375 

111  =  0,166 

IV  —  0.666 

V=  1.000 

»u 

0,302 
0.387 

0.229 
0,245 

0,101 
0.099 

0.432 
0.305 

0.231 
0.1% 

^^  u 

0,258 
0,263 

0,406 
0,570 

0,113 
0.202 

0.720 
0.490 

0.257 
0.237 

13/14  [« 

0,194 
0,246 

0,261 
0,309 

0,108 
0,099 

0.422 
0.825 

0.388 
0,151 

Mädchen. 


Alter 

1  —  0,125 

II  =  0,375 

ni  =  0.166 

IV  =  0,666 

V  =  1.000 

8     i« 

0,257 
0,258 

0,312 
0,225 

0.079 
0,089 

0.497 
0,478 

0.234 
0,216 

11     i« 
\m 

0,203 
0,228 

0,313 
0,284 

0.115 
0,089 

0,244 
0.706 

0.370 
0.312 

^'^n^U 

0,168 
0.185 

0,216 
0,272 

0.075 
0.061 

0.786 
0.574 

0,514 
0,339 

Boraerkua^:    g  =  ^tor  Zeichner;  m  =  sohleohter  Zeiohner. 


Im  allgemeinen  findet  sich  die  Vermutung  bestätigt,  daß 
besondere  Befähigung  für  Zeichnen  auch  größere  Kanonnähe 
bedingt,  aber  keineswegs  durchgehends ;  die  Ueberschätzung 
der  Kopfgröße  bleibt  charakteristisch.    Es  scheint,   daß  die 


Kinderzeichnung  und  Kunstkanon. 


403 


tüchtigen  Zeichnerinnen  ihren  männlichen  Altersgenossen  über- 
legen sind  —  im  Gegensatz  zu  dem  Resultate  Schüytens. 

3.    Zeichnungen   Imbeziller. 

Ich  ordne  die  Zeichnimgen  nach  dem  Maße  der  Imbe- 
zillität und  nicht  nach  dem  Alter  der  Zeichner.  Dazu  halte 
ich  mich  deshalb  berechtigt,  weil  eben  nur  diese  Unterschiede 
unter  sich  und  mit  der  Normalität  verglichen  werden  sollen. 
Die  Verschiedenheit  der  Begabung  fürs  Zeichnen  bleibt  un- 
berücksichtigt.   Folgende  Werte  berechnete  ich: 

• 

Knaben. 


Grad  der 
Imbezille 

1  —  0,125 

II  =  0,375 

m  =  0,166 

IV  =  0,666 

V=  1,000 

'U 

0.319 

0,369 

0,061 

0,958 

0,316 

"12 

0,240 

0,308 

0,091 

0,242 

0.312 

'U 

0,276 

0,287 

0,139 

0,699 

0.434 

Mädchen. 


Grad  der 
Imbezille 

1  =  0,125 

II  —  0,375 

m  =  0,166 

IV  =  0,666 

V=  1.000 

V4 

0,309 

0,215 

0,075 

0,833 

0.242 

Va 

0,286 

0,314 

0.114 

0,625 

0,500 

%^ 

0,303 

0.322 

0.107 

0,900 

0,362 

Vergleicht  man  diese  Tabellen  zunächst  unter  sich,  so 
gewahrt  man  im  allgemeinen,  daß  dort,  wo  die  Imbezillität  am 
größten  ist,  auch  am  stärksten  gesündigt  wird  gegen  das 
richtige  Maß.  Doch  trifft  das  nicht  immer  zu,  wie  bei  dem 
Verhältnis    II   der  Knaben. 


Vergleich  mit   den   Normalen. 

Zu  dem  Zwecke  lasse  ich  die  schlechten  Zeichner  unbe- 
achtet und  lösche  die  Altersdifferenzen  dadurch  aus,  daß  ich 
aus  den  drei  Stufen  das  Mittel  ziehe.  Der  Vergleich  ermöglicht 
sich  am  einfachsten  in  folgender  Zeichnung : 

5* 


Marx  Lobtiat. 


Die  Figur  zeigt,  daß  das  Verhältnis  I,  also  von  Kopf- 
länge und  Gestalt  durchweg  von  Unbegabten  wie  Be- 
gabten —  von  letzteren  weniger  —  überschätzt  wird.  Dem 
Verhältnis  11  (Arm-  zu  Gestaltlänge)  begegnet  das  Umgekehrte, 
doch  kommen  im  allgemeinen  die  Imbezillen  näher  an  den 
Kanon  heran.  Das  Verhältnis  III  (Fuß  und  Gestalt)  wird 
aber  in  annähernd  gleichem  Maße  zu  niedrig  gegriffen.  Die 
beiden  letzten  Daten  werden  von  den  normal  Begabten  zu 
niedrig  angegeben.  Ein  Teil  der  Imbezilen,  V*  und  >/*>  über- 
schätzen IV.  Das  \'erhältnis  endlich  von  Hand  und  Gesicht 
ist  stark  verzeichnet,  alle  geben  das  Gesicht  viel  zu  groß  an; 
das  hängt  natürlich  mit  I  ^us^mlme^. 

Will  man  so  objektiv  werten,  so  kann  man  auf  Grund  des 
vorliegenden  Beobachtungsmateriales  nicht  wohl  sagen,  daß 
die  minder  Befähigten  sich  dem  Kanon  mehr  nähern  als  die 
anderen.  


406  Hans  Zimmer  und  Theodor  FrÜzseh. 

Bayreather  Waisenhauses  (1730 — 69)  mit.  Sie  lassen  deutlicK 
die  Einwirkungen  der  pietistischen  Pädagogik  erkennen.  — 
Einen  Ueberblick  der  geschichtlichen  Entwicklting  des  höhe- 
ren Mädchenschulwesens  in  Bayern  bis  zur  Gegen- 
wart bringt  das  8.  Beiheft  zu  den  Mitteilungen  der  „Gesellschaft 
für  deutsche  Erziehungs-  und  Schulgeschichte"  aus  der  Feder 
Heigenmoosers  (Berlin,  A.  Hofmann  &  Komp.  IV  u,  93  S.  S% 
Er  will  den  Anfang  auf  diesem  Gebiete  machen  und  zu  fleißiger 
Forscherarbeit  ermuntern.  „Was  die  Arbeit  bietet,  ist  der  §  i 
einer  Denkschrift  über  das  höhere  Mädchenschulwesen  in 
Bayern,  allerdings  mit  vielfachen  Erweiterungen;  sie  möge  ge- 
nügen, bis  über  das  Gesamtgebiet  dieser  Schulgattung  mehr 
Licht  verbreitet  werden  kann."  —  In  Heft  i  des  von  ihm  heraus- 
gegebenen  „Archivs  für  schweizerische  Schulgeschichte"  be- 
handelt Ernst  Schneider  „Die  bernische  Landschule  am  Ende 
des  18.  Jahrhimderts"  (240  S.  gr.  8^  4, —  Frcs.;  Bern,  Gusuv 
Grimau).  Er  machte  es  sich  zur  Aufgabe,  die  Stapf  ersehe 
Schulenquete  des  Jahres  1799  zu  einer  Darstellung  der  bemi- 
schen Volksschulen  auf  dem  Lande  zu  verwerten,  und  unter- 
sucht die  Frage,  welche  erzieherischen  Forderungen  der  Staat 
des  18.  Jahrhunderts  an  Kirche  und  Schule  stellte,  mit  welchen 
finanziellen  Mitteln  und  mit  welchem  Lehrermaterial  er  sie 
verwirklichen  wollte.  Hieran  reiht  sich  eine  Schilderung  des 
eigentlichen  Schiilbetriebes  hinsichtlich  des  zu  erreichenden 
Zieles  imd  der  zur  Verwendung  gelangenden  Bildung^smitteL 
Eine  Anzahl  statistischer  Tabellen  sind  den  einzelnen  bemischen 
Landschulorten  gewidmet.  —  Von  Eduard  Trapps  und  Her- 
mann Pinzkes  vielbenutztem  Buch  „Das  Bewegimgsspiel",  das 
in  §  I  seines  ersten  Teils  auch  eine  ganz  knappe  Geschichte 
des  Spiels  vom  griechischen  Altertum  bis  zur  Gegenwart  gibt, 
ist  die  8.  vermehrte  imd  verbesserte  Auflage  erschienen  (XII 
u.  219  S.  kl.  8<^;  Langensalza  1905,  Herrn.  Beyer  &  Söhne.  — 
„Landschulwesen  und  Landschullehrer  im  Herzogtum  Cleve 
\-or  100  Jahren*'  behandelt  W.  Meiners  im  „Ardiiv  für  Kultur- 
geschichte** (IIL  3).  —  Ueber  „Die  sozialpädagogischen  Ziele 
und  Erfolge  der  Comeniiis-Gesellsehaft''  berichtet  L.  Keller 
im  „Archiv  für  Sozialwissenscbaft  imd  Sozialpolitik"  (III,  2). 
—  „Beiträge  zur  Schul-  und  Kirchengeschichte  Dflrens  [in  der 
Rheinprovinz]**  bietet  ein  Anikel  von  A.  Schoop  in  der  ,^eit- 
Schrift  des  Aachener  Geschichts\-ereins"  (Bd.  26),  —  „Beiträge 


408  Hans  Zimmer  und  Theodor  Fritzach, 

erschienen  (VI  u.  154  S.  in  8^  geh.  i, —  Mk.,  geb.  1,25  Mk.). 
Sie  ist,  wie  das  Vorwort  sagt,  aus  Vorträgen  entstanden,  die 
der  Verfasser  im  Marburger  Ferienkursus  gehalten  hat.  „Ge- 
schichte der  Pädagogik  ist  die  anspruchslose  Arbeit  mit  Ab- 
sicht nicht  genannt  worden,  weil  dieser  Name  einerseits  viel 
mehr  verspricht,  als  auf  einem  so  kleinen  Räume  geboten 
werden  kann,  und  anderseits  durch  manche  Veröffentlichung 
in  Mißkredit  gebracht  worden  ist.**  Auf  Literaturangaben 
mußte  bei  dem  bemessenen  Räume  verzichtet  werden,  jedoch 
hat  Knabe  alle  wertvollen  Arbeiten,  auch  die  jüngst  er- 
schienenen, benützt.  So  kann  es  als  zuverlässiger  Führer  aufs 
wärmste  empfohlen  werden,  namentlich  wird  es  allen  denen 
großen  Nutzen  stiften,  die  sich  auf  ein  Examen  vorbereiten. 
Von  allen  Umrissen  der  Geschichte  der  Pädagogik  ist  das  vor- 
liegende Werkchen  an  erster  Stelle  zu  nennen.  Auf  eine  kleine 
Inkorrektheit  sei  aufmerksam  gemacht.  Auf  S.  91  wird  auf  das 
Jahr  2440  hingewiesen,  von  dem  man  die  Verwirklichimg  ge- 
wisser Pläne  erhofft  habe.  Dies  Jahr  entstammt  aber  nicht 
dem  Büchlein  des  Rektors  Fischer  vom  Jahre  1790,  sondern 
einer  Utopie:  „L*an  2440.  A  Londres  1772.**  —  Von  Erwin 
Rauschs  „Geschichte  der  Pädagogik  und  des  gelehrten  Unter- 
richts im  Abrisse"  ist  die  zweite,  „verbesserte  und  vermehrte** 
Auflage  erschienen  (VIII  u.  192  S.  in  gr.  8®,  3,20  Mk.,  geb. 
3,80  Mk.;  Leipzig,  A.  Deichertsche  Verlagsbuchhandlung 
Nachfolger).  Das  Buch  ist  hervorgegangen  aus  Exzerpten  der 
bekannten  Werke  von  Paulsen,  Ziegler  u.  a.  Namentlich  sind 
aber  gewisse  Leipziger  Kollegienhefte  benützt  worden.  So  wird 
es  —  seinem  Zwecke  entsprechend  —  meist  von  Examinanden 
benützt,  und  diesem  Umstände  verdankt  es  seinen  Erfolg. 
Einzelne  Punkte  entsprechen  nicht  mehr  dem  gegenwärtigen 
Standpunkte  der  Wissenschaft.  —  Eine  12.  „verbesserte  und  ver- 
melirtc**  Auflage  ist  erschienen  von  J.  Chr.  Gottlob  Schumanns 
und  Gustav  Voigts  „Lehrbuch  der  Pädagogik.  Teil  i :  Ein- 
leitung und  Geschichte  der  Pädagogik  mit  Musterstücken  aus 
den  pädagogischen  Meisterwerken  der  verschiedenen  Zeiten** 
(XV  u.  484  S.  gr.  8^  4,50  Mk.,  g'eb.  5,20  Mk.;  Hannover, 
Carl  Meyer  [Gustav  Prior]  =  „Pädagogische  Bibliothek**, 
Bd.  I).  —  Von  Kehreins  bekanntem  „Ueberblick  der  Ge- 
schichte der  Erziehung  und  des  Unterrichts  für  Lehrer-  und 
Lehrerinnenseminare**,  bearbeitet  von  Johannes  Kayser,  ist  die 


410  Hans  Zimmer  und  Theodor  Fritzwh, 

nungen  [Klassen]  vorzunehmenden  Anschaffung  der  Tische  und 
Bänke";  er  befürwortet  aus  praktischen  Gründen  die  Beibe- 
haltung der  alten  Sitzbänke  ohne  Lehne  und  Schreibgelegen- 
heit   gegenüber    der    geplanten  Neuanschaffung  von  Bänken 
modernerer  Konstruktion.  —  Hans  Zinmier  hat  in  der  neuen 
Auflage  des  Werkes  von  Hans  Meyers:  „Das  deutsche  Volks- 
tum**, einen  Abschnitt  bearbeitet,  der  die  Ueberschrift  führt: 
„Die    deutsche    Erziehung    und    die    deutsche   Wissenschaft'*. 
Dieser  ist  auch  besonders  erschienen  und  zwar  in  einer  Aus- 
gabe, die  ihm  weiteste  Verbreitung  sichert,  als  No.  141 7 — 142a 
in  Meyers  Volksbüchern.  (277  S.  in  8®,  0,40  Mk.,  Leipzig  und 
Wien.     Bibliographisches    Institut.)     Der    Verfasser,    der   mit 
seiner  „Volkstumspädagogik**  der  Erziehungswissenschaft  ganz 
neue  Wege  gezeigt  hat,  untersucht  in  einem  ausführlichen  ge- 
schichtlichen Rückblicke,  was  in  den  einzelnen  pädagogischen 
Lehren  der  Vergangenheit  wie  der  Gegenwart  an  deutschem 
Gehalte  steckt,  besonders  geschieht  dies  ausführlich  an  Herbarts 
Pädagogik.     Daß    sich    in    Einzelheiten    mit    dem  Verfasser 
rechten    läßt,    ist    bei  der   Fülle  des  verarbeiteten   Materials 
selbstverständlich.    Hoffentlich  wird  uns  nun  recht  bald  eine 
Geschichte   der   Pädagogik  beschert,  die  den  vom   Verfasser 
bereits  beschrittenen  Weg  einschlägt.  —  An  dieser  Stelle  muß 
auch  Fr.  Kretzschmars  „Politischer  Pädagogik  für   Preußen** 
gedacht  werden.    Bis  jetzt  ist  der  erste  der  beiden  Bände  er- 
schienen (XV  u.  607  S.  8^  6, —  Mk.;  Leipzig,  Paul  Schinunel- 
witz);    er    bespricht    die    Erziehungsobjekte,    die    Unterrichts- 
fächer und  die  Schulgattungen.   Dieses  schulpolitische  Hand-, 
Lehr-  und  Lesebuch  vom  Verfasser  des  nützlichen  „Handbuches 
des   preußischen   Schulrechts**   (1899),  d^s  zwar  zunächst  für 
Preußen  bestimmt  ist,  in  Wirklichkeit  aber  für  die  gesamte 
deutsche   Schule   von    Bedeutung   ist,   gibt   in   fleißigster  Zu- 
sammenfassung einen  zwar  nicht  ganz  lückenlosen,  aber  doch 
alles  Wesentliche  klar  imd  bestimmt  darbietenden  Ueberblick 
über  die  realen  schulpolitischen  Verhältnisse  der  Gegenwart. 
Da  diese  das  Produkt  geschichtlicher  Entwicklung  sind,  konnte 
es  nicht  fehlen,  daß  der  Verfasser,  wo  immer  er  eine  Spezial- 
frage  zu  verfolgen  hatte,  auch  die  geschichtüche  Betrachtungs- 
weise zu   Hilfe  rufen  mußte,  und  diese  mehr  oder  weniger 
kurzen  Abschnitte  des  Werkes  sind  es,  die  ihm  hier  eine  Er- 
wähnung  eintrugen.    Als   Materialsammlung  eine   Fundgrube 


412  Hans  Zimmer  und  Theodor  Fritzsch. 

aufgebessert  wurden.  Im  Jahre  1788  waren  in  der  Kurmark 
beispielsweise  44  Landgnadenschulen.  Heute  gehören  sie  der 
Geschichte  an.  Seit  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  verschwin- 
den  sie  allmählich  aus  dem  preußischen  Schulwesen.  „Sie 
wurden  s.  Z.  gegründet,  weil  Zedlitz  keinen  anderen  Ausweg 
wußte,  den  Fonds  zu  verteilen.  So  unpraktisch  auch  ihre  Ein- 
richtimg und  die  Auswahl  der  Orte  war,  so  sind  sie  doch  als 
Musteranstalten  für  Lehrer,  Gemeinde  imd  Patrone  von  Be- 
deutung gewesen.**  Der  Aufsatz  ist  beachtenswert,  da  er  auf 
gründlichen  Studien  beruht.  —  Landschulen  s.  Bern  und 
Cleve.  —  Lehrerstand  s.  Cleve,  Oberlehrer.  —  Als  Fort- 
setzung einer  Artikelreihe  in  No.  13,  19  und  32  des  8.  Jahr- 
gangs der  „Leipziger  Lehrerzeitung**  bringt  Hummel  in  dieser 
(XII,  18)  unter  dem  Titel  „Das  Leipziger  Volksschulwesen 
älterer  Zeit  im  Urteile  auswärtiger  Schulmänner**  einen  be- 
achtenswerten  Abschnitt  aus  J.  C.  Krögners  „Reise  durch 
Sachsen  nach  Böhmen  imd  Oesterreich.**  —  Eine  Festschrift 
zur  350  jähr.  Jubelfeier  des  Kgl.  Comenius-Gymnasiums  zu 
Lissa  ist  Alfred  von  Sandens  Arbeit  „Zur  Geschichte  der 
Lissaer  Schule  1555 — 1905**  (104  S.  mit  Abbildungen  und 
I  graphischen  Tafel,  Lex.-8^  2,50  Mk.,  geb.  4, —  Mk.;  Lissa, 
Friedrich  Ebbeckes  Verlag).  —  Mädehensehnlwesen  s.  Bayern. 
—  Mittelschule  s.  Bayern.  —  „Zur  Geschichte  der  Volks- 
schule im  Mosellande"  liefert  Markgraf  einen  Beitrag  in  der 
Allg.  Deutschen  Lehrerzeitung  (1905,  No.  30).  Er  gibt  einen 
U eberblick  über  die  Entwicklimg  der  Volksschule  von  den 
Anfängen  im  15.  bis  zum  Ausgang  des  18.  Jahrhunderts.  — 
K.  Klärners  Schriftchen  „Die  Simultanschide  des  ehemaligen 
Herzogtums  Nassau"  (24  S.  8^  0,50  Mk.;  Wiesbaden,  Rudolf 
Bechthold  &  Komp.)  ist  wenigstens  in  seinem  Eingang  („Ent- 
stehung, Einrichtung**)  dem  historischen  Gebiete  zugehörig.  — 
Einen  Beitrag  zur  Schul-  und  Kulturgeschichte  des  18,  Jahr- 
hunderts liefert  J.  Grüner  mit  seiner  Schrift  „Das  Schulwesen 
des  Netze-Distrikts  zur  Zeit  Friedrichs  des  Großen  (1772 
bis  1786)**  (XII  u.  135  S.  gr.  8»,  2,—  Mk.;  Breslau,  Ferdinand 
Hirt).  —  Wie  sich  „Der  Oberlehrer  im  Spiegel  der  Dichtung** 
ausnimmt,  untersucht  an  der  Hand  eines  reichen  Materials 
A.  Rosika  in  der  „Zeitschrift  für  den  deutschen  Unterricht** 
(XV III,  10,  1 1).  Wie  Lenz,  der  Maler  Müller,  Salzmann,  Goethes 
Vetter  Ludwig  Textor,  den  rohen,  verbitterten,  lieblosen,  geistig 


414  Hans  Zimmer  und  Theodor  FriUsch. 

einige  wertvolle  Aktenstücke  zur  Reform  des  Abtes  von  Sa- 
gan.    Der  zweite  Anhang  enthält  Auszüge  aus  GymnasiaUehr- 
büchern  jener  Zeit,  die  meist  sehr  selten  geworden  sind,  z.  T. 
auch  in  der  ersten  Auflage  gar  nicht  mehr  aufgefunden  werden 
konnten.  —  Es  scheint,  als  ob  bei  der  Darbiettmg  des  Materials 
zu      wenig      auf      die      Gesamtentwicklung     Rücksicht     ge- 
nommen  ist.     Eine   Verarbeitimg  des  umfangreichen  Stoffes 
wird   zeigen,   daß    in    Oesterreich   dieselben   Gegensätze  auf- 
einanderstoßen wie  in   Norddeutschland;  Vertreter  der  altoi 
Richtung  ist  da  Gratian  Marx  und  der  Neuerer  ist  Felbiger. 
Von    den    „Beiträgen    zur    österreichischen    Erziehungs-    und 
Schulgeschichte**,     herausgegeben     von    der    österreichischen 
Gruppe  der  Gesellschaft  für  deutsche  Erziehungs-  und  Schul- 
geschichte, ist  Heft  6  ausgegeben  worden, (III  u.  279  S.  gr.  8* 
mit   I  Tafel,  8,40  Mk. ;  Wien,  Wilhelm  Braumüller).  —  „Die 
Entwickelung  des  deutschen  Gymnasiums  in  Oesterreich  seit 
1849"  schildert  V.  Thumser  in  der  Zeitschrift  „Das  humanistische 
Gymnasium**  (XVI,  3).  —  In  der  Zeitschrift  „Deutsch-Evan- 
gelisch**   (IV,    3)    bespricht  Braunschweig  „Die  evangelische 
Volksschule   Oesterreichs  in   Geschichte  imd  Gegenwart**.  — 
Eine  umfänglichere  „Geschichte  des  österreichischen   Unter- 
richtswesens**  lieferte  G.  Strakosch-Graßmann  (7,50  Mk. ;  Wien. 
A.  Pichlers  Witwe).  —  Ueber  das  Schulwesen  in  Plauen  i.  V. 
bis  zum  Jahre   1841   gibt  Freytag  Auszüge  aus  einer  Schrift 
Husters  „Alt-Plauen  in  Wort  und  Bild"  in  Justs   Praxis  der 
Erziehungsschule  (19.  Bd.  2.  Heft).  —  „Die  Versuche  einer 
politischen  Unterweisung  in  den  deutschen  Schulen  des  17. 
und   18.  Jahrhunderts**  stellt  Paul  Rühlmann  in  den  „Preußi- 
schen Jahrbüchern**   (CXXII,    i)  zusammen.    Die  letzten  Er- 
gebnisse seiner  sehr  sorgfältigen  Arbeit  faßt  er  selbst  in  die 
Worte:  „Der  Ruf  nach  politischer  Bildung  ist  durchaus  nicht 
neu,  er  ist  bereits  in  Deutschland  schon  einmal  ertönt,  leise 
und    vereinzelt    im    Zeitalter  des  aufgeklärten  Absolutismus, 
lebhafter  und  allgemeiner  unter  der  Herrschaft  des  Merkan- 
tilismus.   Die  äussersten  Grenzen  bilden  die  allerdings  mög- 
lichst approximativ  gedachten  Zahlenangaben  von    1650  und 
1800**  .  .  .     „Die    Staatstheorie    des   17.  Jahrhunderts  fordert 
politischen  Unterricht  nur  für  die  künftig  zur  Regierung  be- 
rufenen Kreise;  die  sich  bildenden  großen  Territorialstaaten 
mit  dem  absoluten  Fürsten  an  der  Spitze  brauchen  technisch- 


416  Hans  Zimmer  und  Theodor  Fritzsch. 

Stiftungen,  Schulsitten,  Schulfeste  usw.  besprochen.  —  „Studien 
zur   Entstehungsgeschichte   der  kursächsischen   Kirchen-  und 
Schulordnung  von  1580**  bietet  Ernst  Schwabe  in  den  „Neuen 
Jahrbüchern  für  das  klassische  Altertum  usw."  (XVI,  4).  — 
„Urkundliche  Beiträge  zur  Geschichte  des  schlesischen  Schul- 
wesens im  Mittelalter"  liefert  Wilhelm  Schultes  Glatzer  Gym- 
nasialprogramm  (28  S.  4®).  —  Adolf  Matthias,  der  bekannt- 
lich seinen  zahlreichen  Verdiensten  tun  das  Schulwesen  und 
die  pädagogische  Wissenschaft  durch  Uebernahmie  der  obersten 
Leitung  der  Gesellschaft  für  deutsche  Erziehungs-  imd  Schul- 
geschichte ein  neues  hinzugefügt  hat,  ist  der  Verfasser  der 
bei  aller  Gedrängtheit  überaus  wertvollen  Studie  „Die  soziale 
und  politische  Bedeutung  der  Schulreform  vom  Jahre  1900" 
(36  S.  8^,  0,75  Mk.;  Berlin,  Alexander  Dimcker).    Der  zweite 
Teil  dieses  Sonderabdruckes  aus  der  von  Lohmeyer  begrün- 
deten   „Deutschen    Monatsschrift"    gehört    —    als    eine  Be- 
sprechung der  sozialen  und  politischen  Bedeutung  der  Schul- 
reform —  nicht  hierher,  obwohl  sein  offener,  gerader  Ton 
wohl  anreizte,  sich  mit  ihm  auseinai;iderzusetzen.  Aber  der  erste 
historische  Teil  ist  desto  ausdrücklicher  von  ims  zu  würdigen. 
Er  gibt  ein  klares,  anschauliches  und  rundes  Bild  der  geschicht- 
lichen Entwicklung  und  hat  keineswegs  bloß  aktuellen  Wert 
als  Behandlung  einer  die  Gegenwart  noch  inuner  durchklin- 
genden Tagesfragen,  sondern  wird  dauernden  Wert  behalten 
als  knappe,  scharfe  imd  geschlossene  Darstellimg  geschicht- 
licher   Verhältnisse    von    hoher    Verwickeltheit :    in    der  ver- 
wirrenden Vielgestaltigkeit  dieser  Schiebungen,  Fort-  imd  Rück- 
schritte, Ansätze  und  Kämpfe  ist  er  ein  sicherer  Führer,  zu- 
gleich übrigens  auch  eine  kurze  Geschichte  der  preußischen 
Schulverwaltung,  der  Berechtigxmgsfrage,  der  Ueberbürdungs- 
frage  usf.   Wir  haben  alle  Ursache,  dem  Verfasser  für  diese 
wertvolle  literarische  Gabe  dankbar  zu  sein.  —  „Der  Deutsche 
Schulverein*'  in  seiner  Entwicklung  von  1880  bis  1905  wird 
besprochen  von  J.  Bendel  in  der  „Wage**  (VIII,  21).  —  Die 
Verhandlungen  im  preußischen  Abgeordnetenhause  über  das 
Schulunterhaltungsgesetz    veranlassen    die    Leipziger    Lehrer- 
zeitung, auf  die  historische  Grundlage  der  Simnltanschnlfrage 
näher    einzugehen.     Paul    Hofmann    veröffentlicht    dort  eine 
Reihe  von  Artikeln  über  „Die  konfessionslose   Staatsschule, 
eine  hundertjährige  Forderung".   Als  Vertreter  der  Idee  der 


418  Hans  Zimmer  und  Theodor  Fritzach. 

Instanz  fürs  Reich  mit  Nachdruck  erhoben  wird.  —  Das  dies- 
jährige Programm  des  Grazer  Ersten  Gymnasiiuns  enthält  den 
ersten  Teil  („Das  Mittelschulwesen  der  Landeshauptstadt") 
von  Jos.  Holzers  Untersuchung  „Die  Entwicklung  des  stei- 
rischen  Mittelschulwesens  seit  dem  Erscheinen  des  „Organi- 
sationsentwoirfes* "  (31  S.  8®).  —  Eine  geschichtliche  Ueber- 
sicht  über  „Das  Schulwesen  des  Bistums  Strassborg  zur  Siehe- 
rung  des  Nachwuchses  für  die  theologischen  Studien  von  1802 
bis  1904**  bietet  (i.  Abschnitt)  mit  Urkunden  und  Tabellen 
F.  Landmann  in  seiner  Programmschrift  (65  u.  13  S.  Lex.-8', 
1,50  Mk. ;  Straßburg,  Agentur  von  B.  Herder).  —  „Beiträge 
zur  Geschichte  des  höheren  Schulwesens  Tflbingens"  enthält 
ein  Programm  R.  Stahleckers  (102  S.  gr.  8^  2,80  Mk. ;  Tübin- 
gen, Franz  Fues).  —  Auf  die  Bedeutung  der  mittelalterlichen 
Handschriften  für  die  Geschichte  des  Unterrichtsbetriebes 
weist  Alfred  Heubaum  in  den  Mitteilungen  d.  Ges.  f.  d.  En. 
u.  Schulg.  (XV.  Jahrg.  i.  Heft)  hin.  Er  fordert  zur  Mitarbeit  auf 
diesem  sehr  vernachlässigten  Forschimgsgebiet  auf.  —  Volks- 
schule, Volksschulwesen  s.  Karlsruhe,  Leipzig,  Moselland, 
Oesterreich,  ferner  Spener.  —  „Das  Schulwesen  im  ehemaligen 
Deutschordensgebiet  des  Königreichs  Wfirttemberg  unter  der 
Herrschaft  des  Ordens  schildert  H.  Schöllkopf  in  den  „Würt- 
tembergischen Vierteljahrsheften  für  Landesgeschichte"  (N.  F. 
XIV,  3).  - 

II.    Persönlichkeiten,  Korporationen, 

Richtungen. 

In  Reinhold  Hofmanns  Monographie  „Dr.  Georg  Agri- 
cola.  Ein  Gelehrtenleben  aus  dem  Zeitalter  der  Reformation" 
(3, —  Mk.;  Gotha,  Friedrich  Andreas  Perthes)  wird  Agricola 
nicht  nur  als  Schöpfer  der  Bergbau-  imd  Hüttenkunde,  als 
Arzt,  Philosoph,  Ratsherr,  Bürgermeister,  Geschichtsschreiber 
und  Staatsmann  besprochen,  sondern  auch  als  hervorragender 
Schulmann  zum  ersten  Male  weiteren  Kreisen  vorgeführt.  Bei- 
gegeben sind  der  Schrift  ein  authentisches  Bildnis  Agricolas 
und  ein  Verzeichnis  seiner  Werke.  —  Aristoteles  s.  Platon. 
—  „Die  pädagogischen  Anschauungen  E.  M.  Arndts  im  Zu- 
sanunenhange  mit  seiner  Zeit"  werden  dargestellt  von  Cle- 
mens   Geißler    im    Pädagogischen   Archiv    (47.  Jahrg.    1905. 


420  Hans  ZinDner  und  Theodor  FriUtch. 

Hipler  war  es  s.  Zt.  nicht  vergönnt,  <len  handschriftlichen 
Fund  jaus  der  Königsberger  Universitätsbibliothek  zu  ver- 
werten, dja  der  Tod  ihn  abrief.  R.  Galle  hat  sich  nun  der 
schwierigen  Aufgjabe  unterzogen,  Täas  Werk  herauszugeben, 
so  daß  jetzt  jeder  in  der  Lage  ist,  sich  mit  der  Pädagogik  Bit- 
schins  bekannt  zu  machen.  Bitschins  Heimat  war  das  gegen- 
wärtige Westpreußen  und  die  Zeit,  in  der  wir  bestimmte 
Kunde  seiner  Existenz  erhalten,  liegt  zwischen  1430 — 1464. 
Da  die  Handschrift  nur  in  einem  einzigen  Exemplare  vorhanden 
ist,  so  muß  man  annehmen,  daß  die  Mit-  imd  nächste  Nach- 
welt von  Bitschins  Werk  keine  Notiz  genommen  hat.  Das 
neue  Licht,  das  von  Italien  her  sich  bald  über  Deutschland 
verbreitete,  stellte  die  fleißige  Arbeit  des  alten  Scholastikers 
in  den  Schatten.  Und  doch  verdient  sein  Werk  Beachtung, 
wenn  es  auch  nicht  den  Anstoß  t\i  neuen  Entwiddungen,  gegeben 
hat,  da  es  die  Pädagogik  systematisch  gestaltet  und  sie  auf 
Ethik,  Psychologie  tmd  Anthropologie  gründet.  Die  Arbeit 
des  Herausgebers  verdient  in  allen  Punkten  das  größte  Lob, 
sie  ist  geradezu  musterhaft.  Auch  die  Opferwilligkeit  des  Ver- 
legers muß  hervorgehoben  werden,  denn  es  ist  doch  immer- 
hin fraglich,  ob  er  bei  dem  kleinen  Kreis  derer,  die  sich 
für  solche  Arbeiten  interessieren  —  selbst  bei  so  hervorragend 
tüchtigen  Leistungen  wie  der  vorliegenden  — ,  auf  seine  Kosten 
kommt.  —  „Die  pädagogisch-didaktischen  Theorien  Charles 
Bonnets'*  untersucht  William  Fritzsche  in  Friedrich  Manns 
„Pädagogischem  Magazin**  (Heft  259;  VI  u.  120  S.  8^  1,50  Mk.; 
Langensalza,  Hermann  Beyer  imd  Söhne).  Bisher  hat  Bonnet 
weder  in  Deutschland  noch  selbst  in  Frankreich  als  Pädagog 
wissenschaftliche  Behandlimg  gefunden :  man  vergaß  den  Päda- 
gogen über  dem  Psychologen.  Daß  er  aber  mit  Fug  und 
Recht  auch  in  der  Reihe  der  Aufklärungspädagogen  ge- 
nannt zu  werden  verdient,  beweist  unwiderleglich  Fritzsches 
vortreffliche  Arbeit,  der  eine  grundlegende  Bedeutung  für  zu- 
künftige Bonnet-Studien  zugesprochen  werden  muß.  Mit  Fleiß 
und  Umsicht  hat  F.  aus  elf  in  Betracht  kommenden  Schriften 
B.'s  dessen  verstreut  niedergelegte  pädagogische  Anschauungen 
zu  einem  einheitlichen  Bild  zusanunengeschlossen,  eine  Auf- 
gabe, die  nicht  wenig  erschwert  war  durch  die  eigentümliche, 
oft  sich  wiederholende  und  oft  auf  Nebensächliches  abirrende 
Dar stellungs weise  Bonnets.    Wenn  man  der  ausgezeichneten 


422  Hans  Zimmer  und  Theodor  FriUsch, 

eines     Sehers     auf     dem     Gebiete    der     Erziehung.**     Wenn 
Kvacala  schreibt :  „Wie  groß  auch  die  Aehnlichkeiten  (zwischen 
Campanella  und  den  Philanthropinisten)  sind^  finde  ich  für  eine 
direkte   Einwirkung   Campanellas  keine   Stützpunkte/*  so  sei 
darauf  verwiesen,  daß  Trapp  Campanella  öfter  erwähnt.  Vgl. 
z.    B.   Th.    Fritzsch,   E.    Chr.   Trapp,   S.    177:    „Trapp   meint 
mit   Campanella,  daß  zu  viel   Sprachenlemen,  zu   viel   Lesen 
und  zu  wenig  meditieren,  eine  Hauptursache  sei,  warum  wir 
von   den  Alten   übertroffen   werden.**   —  „J.    H.    Campe  als 
Jugendschriftsteller**    ist   Gegenstand   einer   Dissertation    von 
Karl  Arnold,  die  im  „Praktischen  Schulmann**  (1905,  Heft  i 
bis    4)   zuerst   gedruckt   ist.     S.   auch   Rousseau.    —    In   den 
von  der  Kirchenväter-Kommission  der  Kgl.  preußischen  Aka- 
demie   der   Wissenschaften    herausgegebenen     „Griechischen 
christlichen  Schriftstellern  der  ersten  drei  Jahrhunderte"  sind 
als  Bd.  I  einer  von  O.  Stählin  besorgten  Ausgabe  von  Clemens 
Alexandrinus    „Protrepticus**    und    „Paedagogus"    erschienen 
(LXXXIII   und   352   S.   gr.   8«,    13,50   Mk.,   geb.    16,—   Mk.; 
Leipzig,  J.  C.   Hinrichs'sche  Buchhandlimg).  —  In  den  Mit- 
teilungen der  Gesellschaft  für  deutsche  Erziehungs-  und  Schul- 
geschichte, die  unter  Alfred   Heubaums  umsichtiger  Leitung 
einen  großen  Aufschwung  genommen  haben,  handelt  Karl'Keni 
über  Sebastian  Coccius,  den  Erzieher  und  Lehrer  des  Prinzen 
Eberhard  von  Württemberg  (1551 — 62).  —  Der  zweite  Band 
von  Joh.  Kvaöala,  „Die  pädagogische  Reform  des  Comenias 
in  Deutschland  bis  zum  Ausgange  des  17.  Jahrhunderts**,  ist 
nunmehr   erschienen.     (Monumenta   Germaniae    Paedagogica, 
Bd.  XXXn.   VII  und  238  S.  in  80.    Berlin,  A.  Hofmann  und 
Comp.)    Schon  im  vorigen  Berichte  ist  über  Kva6alas    grund- 
legendes Werk  ausführlich  berichtet  worden,  so  daß  wir  uns 
hier   mit    einer    Inhaltsangabe    begnügen    können.     Der    vor- 
liegende zweite  Band  gibt  zunächst  einen  historischen  Ueber- 
blick   in  folgender   Gruppierung:    I.   Des   Comenius   geistige 
Anleihe  bei  den  Deutschen.     II.  Erziehungsreform  auf  natio- 
naler und  kirchlicher  Grundlage.     III.   Die  Erweiterung  des 
Arbeitskreises.       Die    Pansophie    als    Ziel    des     Unterrichts. 
IV.  Weltverbesserung  imd  Schulbücherverbesserung.     V.  Die 
Reformbewegung  während  der  zweiten  Verbannung  des  Co- 
menius und  dessen  letzte  Arbeiten.     VI.    Nachklänge.     Zum 
Schluß    betont    Kvaöala,    daß  die   Comenianische   Reformbe- 


424  Hans  Zimmer  und  Theodor 

großen   Böhmen,   so  daß  der  Leser  zum   Verständnis  sov 
pädagogischen  Wirksamkeit  und  Bedeutimg  gelangt.  So  kona 
diese  Bücher  nicht  nur  zur  Vorbereitung  für  Prüfungen,» 
dern  auch  als  sehr  brauchbare  Interpretationen  Comeniamsd« 
Schriften  empfohlen  werden.    Die  graphische  DarsteUungdB 
Lebens    des     Comenius    im     17.    Bande     wird     bald   NaA 
ahmer    finden.    —    Als    Bd.     30    der     ^^Sammliing   der  b6 
deutendsten    pädagogischen    Schriften    aus    alter    und  neuer 
Zeit",  herausgegeben  von  J.  Gänsen,  A.  Keller  und  B.  Schob, 
ist  die  „Didactica  magna"    des  Comenius,  für  den  SchTIlg^ 
brauch  und   für   das    Privatstudium   bearbeitet   von  Wilhelm 
Altemöller,  erschienen  (LXXX  u.  189  S.  8«,  2, —  Mk.;  Pader- 
born, Ferdinand  Schöningh).  —  Von  C.  Th.  Lions  erläuterter 
und  mit  einer  Biographie  versehenen  Ausgabe  Von  Comenias* 
„Großer   Unterrichtslehre"  (Friedrich  Manns   ^,Bibliothek  pä- 
dagogischer Klassiker"  Bd.  10)  ist  die  5.  verbesserte  Auflage 
erschienen  (CII  u.  300  S.  8<>,  3, —  Mk.,  geb.  4, —  Mk.;  Langen- 
salza,   Hermann    Beyer  &  Söhne).    —    Mitteilungen    „Ud)er 
einen  Plan  zur  Herausgabe  der  gesammelten  Werke  des  Co- 
menius"  macht  J.  Kvajala  in  den  „Monatsheften  der  Co- 
menius-Gesellschaft"   (XIV,  4).     Die  geplante,   streng  wissen- 
schaftliche Ausgabe  soll  von  der  Zentralorganisation  der  böhmi- 
schen  Lehrervereine  in   Mähren  ins   Leben  gerufen   werden, 
und  die   Einleitungen   zu  allen,   die   Uebersetzungen   zu  den 
lateinischen  Werken  des  Comenius  sollen  zimächst  in  tschechi- 
scher Sprache  gegeben  werden;  eine  deutsche  Parallelausgabe 
—  die  Texte  bleiben  sich  ja  gleich  —  wäre  sehr  zu  wünschen 
und    verlagstechnisch,    sofern    nur    mit    Stereotypplatten   ge- 
arbeitet wird,  nicht  allzu  schwierig  und  teuer  herzustellen.  — 
Eine   Erlanger   Dissertation   von    Bruno   Druschky   gibt  eine 
„Würdigung  der  Schrift  des  Comenius  ,Schola  Ludus* "  (170 S. 
8^).  -     „Die  Didaktik  des  Comenius  und  der  erziehende  Unter- 
richt" lautet  das  Thema  von  Max  Busses  Programm  (30  S.  4') 
der  2.  Leipziger  Realschule.  —  Eine  Leipziger  Dissertation  von 
Max  Möhrke  behandelt  „Johann  Amos  Comenius  und  Johann 
Valentin  Andrea,  ihre  Pädagogik  und  ihr  Verhältnis  zueinander" 
(165  S.  8  0).    S.  auch  „Meister  der  Pädagogik**,  ferner  Diester- 
weg.  „M.  Phil.  Jac.  Crophius,  Rektor  des  St.  Anna-Gymnasiums 
in  Augsburg  1704 — 1742**  behandelt  eine  Studie  K.  Köberlins 
in  den  „Blättern  für  das  Gymnasialschulwesen"  (XLI,  i).  Cro- 


420  Hans  Zimmer  ufid  Theodor  Fritzsch. 

eines  Bändchens  der  bekannten  Sanxmliing  „Aus  Natur  und 
Geisteswelt**  wird  von  berufener  Seite  das  wichtigste  über 
Friedrich  Fröbel  dargeboten.  Band  82  genannter  Sammlung 
betitelt  sich :  „Friedrich  Fröbel.  Sein  Leben  imd  Wirken.  Von 
Adele  von  Portugall.**  (Verlag  von  C.  G.  Teubner  in  Leipzig, 
geh.  I  Mk.,  geb.  1,25  Mk.  VI  u.  154  S.  S^,)  Es  werden  die 
grundlegenden  Gedanken  von  Fröbels  Methode  dargestellt,  wir 
erhalten  einen  U eberblick  seiner  wichtigsten  Schriften  mit  Be- 
tonung aller  jener  Kemaussprüche,  die  den  Müttern  als  Weg- 
weiser in  Ausübung  ihres  Berufes  dienen  können.  Eine  Lebens- 
skizze ist  vorangeschickt,  und  5  Bildertafeln  sind  dem  Büch- 
lein beigegeben.  Es  wird  Erziehern  in  Schule  und  Haus 
gute  Dienste  leisten.  —  Auch  von  Friedrich  Fröbels  erster 
Gattin  ist  ein  Lebensbild  erschienen:  Wilhelmine  FröbeL 
Nach  Quellenschriften  aus  dem  Fröbel-Museum  bearbeitet  von 
Eleonore  Heerwart.  Mit  einem  Porträt  von  Wilh.  Fröbel  und 
zwei  Ansichten  von  Keilhau.  (Hofbuchdruckerei  Eisenach, 
H.  Kahle.  VI  u.  326  S.  in  8^,  br.  2,50  Mk.).  Der  großen 
Fröbelgemeinde  dürfte  dieses  Buch  eine  willkommene  Gabe 
sein.  Wilhelmine  Fröbel  stand  ihrem  Gatten  von  18 18 — 1839 
zur  Seite.  Ihr  Leben  ist  aufs  engste  mit  den  Schicksalen 
und  Plänen  Fröbels  verknüpft.  So  gibt  das  Buch  auch  über 
manches  Aufschluß,  was  bisher  noch  unbekannt  war.  Auch 
für  weitere  Kreise  hat  das  Buch  Interesse,  denn  es  ist  ein 
treffliches  Lebensbild  einer  edlen  Frau,  die  der  letzten  Zeit 
des  18.  und  ersten  des  19.  Jahrhunderts  angehörte.  —  Als 
Festgabe  zur  Freiburger  Girard-Feier  am  18.  Juli  1905  schrieb 
E.  Lüthi  im  Auftrag  der  schweizerischen  permanenten  Schul- 
ausstellung in  Bern  das  Lebensbild  „Pater  Gregor  Girard" 
(39  S.  gr.  8^  mit  Abbildungen,  i, —  Mk.;  Bern,  Emil  Baum- 
gart). —  „Goethe  xmd  die  Kinderwelt"  macht  O.  Kiefer  zum 
Gegenstand  einer  Studie  in  der  „Deutschen  Kultur"  (I,  5).  — 
Eine  Jenaer  Dissertation  (124  S.  S^)  von  G.  Ronberg-Madsen 
behandelt  „Bischof  N.  F.  Grundtvig  und  seine  Bedeutung 
als  Pädagog".  —  In  Ronberg-Madsens  Schrift  über  „Grundt- 
vig und  die  dänischen  Volkshochschulen"  (Friedrich  Manns 
„Pädagogisches  Magazin",  Heft  253,  VI  u.  124  S.  8«,  1,60  Mk.; 
Langensalza,  Herm.  Beyer  &  Söhne)  ist  uns  eine  wertvolle 
Abhandlung  geboten  worden,  die  Dank  und  Anerkennimg  in 
reichem  Maße  verdient.    Nachdem  er  die  politisch-geschicht- 


428  Hans  Zimmer  und  Theodor  Friizaek. 

bis  1897**  hat  nun  seine  Biographie  erhalten;  Otto  Leisner 
hat  sie  geschrieben  (III  u.  158  S.  gr.  8«  mit  i  Bildnis,  2,50  Mk., 
geb.  3,50  Mk.;  Leipzig,  Arwed  Strauch).  Hempel  war  der 
erste  Leipziger  Schulaufsichtsbeamte,  der  bei  der  Reorgani- 
sation des  sächsischen  Schulwesens  im  Jahre  1873  nach  Leipzig 
berufen  wurde.  Er  hat  aber  durch  seine  Schriften  über  den 
Religionsunterricht  weit  über  Sachsens  Grenzen  hinaus  einen 
Ruf  erlangt.  Insofern  ist  das  Buch'  nicht  nur  von  Bedeutung 
für  die  Schulgeschichte  Leipzigs,  sondern  auch  für  die  Ge- 
schichte des  Religionsunterrichtes.  —  Im  37.  Jahrbuch  des 
Vereins  für  wissenschaftliche  Pädagogik,  herausgegeben  von 
Th.  Vogt,  (Dresden,  Bleyl  &  Kämmerer)  veröffendicht 
Th.  Fritzsch  die  Schlußserie  der  Briefe  Herbarts  an  Drobisch, 
die  freilich  nur  insofern  in  diesen  Jahresbericht  gehören,  ab 
sie  das  Verhältnis  Herbarts  zu  Strümpell  mitberühren.  —  „Wie 
kam  Herbart  zur  Pädagogik?"  Diese  Frage  macht  Johannes 
Kretzschmar  zum  Gegenstand  einer  „kritischen  Studie"  in  der 
Allg.  Deutschen  Lehrerzeitung  1905,  No.  14  u.  15.  Herbart 
sei  erst  Philosoph,  späterhin  auch  Pädagog  gewesen.  „Die 
Selbsttätigkeit  der  pädagogischen  Spekulation  zeigte  sich  nicht 
schon  in  Jena,  auch  noch  nicht  in  Bern,  sondern  erst  einige 
Jahre  nach  der  Hauslehrerzeit,  in  dem  Augenblicke,  als  die 
philosophische  Produktivität  vorübergehend  versagte  —  und 
hervorgerufen  durch  Anregung  von  außen  her!"  Diesem  Er- 
gebnis gegenüber  muß  aber  darauf  hingewiesen  werden,  daß 

—  wenn  auch  keine  aktenmäßigen  Beweise  vorhanden  wären 

—  Herbarts  Berichte  an  Steiger  genügten,  die  bisherige  Mei- 
nung aufrecht  zu  erhalten  und  daß  Willmanns  Ausführungen 
(in  der  Einleitung  zu  seiner  Herbart-Ausgabe)  wohl  den  Tat- 
sachen entsprechen.  Uebrigens  sei  mit  einem  andern  Refe- 
renten (in  der  Zeitschr.  f.  Phil.  u.  Päd.  13.  Jahrg.,  i.  Heft) 
auf  ein  Wort  Herbarts  in  der  Allg.  Päd.  aufmerksam  gemacht, 
welches  Kretzschmar  ganz  übersehen  hat:  „Gelernt  habe  ich 
durch  diese  Erfahrung  nicht  die  Motive;  diese  sah  ich  vor- 
her ;  deutlich  genug,  um  mein  Lehrgeschäft  damit  anzufangen." 

—  „Herbarts  Gedanken  über  das  Verhältnis  der  Erziehung 
zum  Staate**  im  Zusammenhang  darzustellen,  war  ein  glück- 
licher Einfall,  den  H.  Popig  in  den  „Pädagogischen  Studien** 
XXVI,  I  f .  durchgeführt  hat.  —  Unter  dem  Titel:  „Männer 
der  Wissenschaft**  bringt  ein  rühriger  Leipziger  Verleger  (Wil- 


430  Hans  Zimmer  und  Theodor  FriizBch. 

Stube)  gelegentlich  helles  Licht  fällt.  Muthesius  hat  recht, 
wenn  er  sagt:  „Wer  Herder  als  Pädagogen  nur  aus  seinen 
Schulreden  und  Schulbüchern  kennt,  kennt  ihn  nicht  ganz. 
Die  Praxis  seiner  Hauspädagogik  erst  vervollständigt  das 
Bild/*  —  Einen  Vergleich  zwischen  „Herder  und  Kant'*  zieht 
Alfred  Böhme  in  der  Allg.  Deutschen  Lehrerzeitung  (1905, 
No.  7  u.  8).  —  Im  „Archiv  für  die  Geschichte  der  Philo- 
sophie** (XVni,  2  ==  N.  F.  XI,  2)  behandelt  W.  Uebele 
die  geistigen  Beziehungen  zwischen  „Herder  imd  Tetens",  wo- 
bei die  Sprachtheorie  im  Mittelpunkt  des  Interesses  steht.  — 
„Die  pädagogischen  Grundgedanken  Herders**  schildert  Klee- 
spics  im  Programm  des  Zwickauer  Realgynmasiums  (41  S.  4®) 
im  Zusammenhang  mit  Herders  gesamter  Weltanschauung  und 
der  geistigen  Bewegung  seiner  Zeit.  —  Das  20.  Heft  der 
„Lehrer-Prüflings-  und  Informations-Arbeiten**  enthält  einen 
Beitrag  von  N.  Knauf,  betitelt  „Der  Fabeldichter  Wilhelm 
Hey  und  seine  Bedeutung  für  die  Schule**  (3.  Aufl.,  51  S.  8^ 
0,80  Mk.;  Minden,  Alfred  Hufelands  Verlag).  —  Ein  Gedenk- 
blatt zirni  100.  Geburtstag  des  Reformators  des  deutschen 
Taubstummenunterrichts  ist  E.  Reuscherts  Buch  über  „Fried- 
rich Moritz  Hill"  (185  S.  gr.  8»  mit  i  Büdnis,  4,—  Mk.; 
Berlin,  Selbstverlag).  —  Mit  „Michael  Hilsbach",  einem  ober- 
rheinischen Schulmanne  des  16.  Jahrhimderts,  macht  uns 
L.  Pfleger  in  der  „Zeitschrift  für  die  Geschichte  des  Ober- 
rheins** (N.  F.  XX,  2)  bekannt.  —  In  der  „Täglichen  Rund- 
schau** (Unterhaltungsbeilage  15  und  16)  weist  H.  Gersten- 
berg in  seinem  Aufsatz  „Hoffmann  von  Fallersleben  über 
nationale  Erziehung**  imter  Benutzung  von  Gedichten  sowie 
bisher  unveröffentlichten  Tagebuch-  und  Briefstellen  Hoff- 
manns auf  dessen  beharrlichen  Kampf  für  ein  „deutsches** 
Bildungsideal  und  schroffe  Ablehnung  der  altphilologi- 
schen Studien  hin.  Die  gründliche  Arbeit  ist  als  Bei- 
trag m  einer  Geschichte  der  „deutschen"  Pädagogik 
willkommen  m  heißen.  —  Hnmanismns,  s.  Raimundus. 
—  Friedrich  Ludwig  Jahns  und  Ernst  Eiselens  „Deutsche 
Turnkunst**  hat  in  der  „Universalbibliothek**  (No.  4713,  4714; 
192  S.  kl.  8^  0,40  Mk.;  Leipzig,  Philipp  Reclam  jim.)  Hugo 
Rühl  herausgegeben  und  mit  einer  schlichten  Einleitung  ver- 
sehen, welche  die  große  geschichtliche  und  praktische  Bedeu- 
tung der  „Deutschen  Tiimkimst"  klar  hervorhebt  und  vor  allem 


432  Hans  Zimmer  und  Theodor  Fritzeth. 

sehen  Schulmannes"  macht  Ludwig  in  seinem  Programm  des 
Realgymnasiums  am  Zwinger  zu  Breslau  (17  S.  4®)  Mittei- 
lungen über  Cäsar  Albano  Kletke,  der  1836 — 76  erster  Lehrer 
der  genannten  Schule  war.  —  Ueber  „Moritz  Lazarus  als 
Pädagog"  handelt  Bernhard  Münz  in  der  „Wage"  (VIII,  18). 

—  Franz  Proschs  Programm  des  Weidenauer  Staatsgymna- 
siums  „Fürsterzbischof  Jakob  Ernst  Graf  von  Lichtenstein 
und  seine  Stiftungen,  für  das  PiaristenkoUegiiun,  das  Piaristen- 
gymnasiiun  und  den  Markt  Weißwasser**  (24  S.  4  ^)  ist  als  \ox- 
geschichte  des  genannten  Gymnasiiuns  gedacht.  —  J.  Leckes 
Erziehungslehre  beleuchtet  geschichtlich  imd  psychologisch  L. 
Schiller  in  der  Zeitschrift  für  das  Realschulwesen  (30.  Jahrg., 
II.  Heft).  S.  auch  „Meister  der  Pädagogik**.  —  „Briefe  der  Kö- 
nigin Luise  an  ihre  Erzieherin**  teilt  B.  Krieger  im  Januarheft  der 
„Dutschen  Revue**  mit.  —  Luther,  s.  „Meister  der  Pädagogik'*. 

—  Auch  den  Pädagogen  wird  der  Aufsatz  interessieren,  der 
über  den  Theologen  Johannes  Mathesins  (1532  Rektor  in 
Joachimsthal)  in  No.  23  f.  der  „Grenzboten**  im  An- 
schluß an  Georg  Loesches  Ausgabe  „Ausgewählter  Werke 
des  Johannes  Mathesius**  (vollendet  1904)  erschienen  ist.  — 
In  Heusers  Verlag,  Neuwied  a.  Rh.,  erscheint  eine  Sammlung 
von  Heften  unter  dem  Titel:  „Die  Meister  der  Pädagogik 
nach  ihrem  Leben,  ihren  Werken  imd  ihrer  Bedeutung  kurz 
vorgeführt  von  E.  Spielmann.**  Bisher  sind  erschienen :  Luther, 
Comenius,  Locke,  Rousseau,  Pestalozzi,  Herbart,  Montaigne, 
Ratke,  Francke,  Basedow,  Overberg,  Diesterweg.  Jedes  Bänd- 
chen ist  1V2  bis  2  Bogen  stark  und  kostet  60  Pfg.  Die  Büch- 
lein wollen  folgende  Vorzüge  vor  andern  ähnlichen  Unter- 
nehmen besitzen:  i.  Die  Meister  der  Pädagoge  werden  als 
typische  Erscheinungen  ihrer  Zeit,  aus  der  sie  erwuchsen,  be- 
trachtet. 2.  Es  wird  ein  Ueberblick  über  ihr  Werden  und 
Wachsen  in  ihren  Aufgaben  imd  Zielen  an  der  Hand  ihrer 
hauptsächlichsten  Werke  gegeben.  3.  Dasjenige,  was  für  die 
Allgemeinentwicklung  der  Pädagogik  bedeutend  und  bleibend 
war,  wird  hervorgehoben.  4.  Es  wird  Anleitung  gegeben, 
zu  eingehendem  Studium  des  betr.  Pädagogen  durch  den  Hin- 
weis auf  Quellenwerke  und  Bearbeitungen.  —  Man  kann  aller- 
dings dem  Verfasser  das  Zeugnis  nicht  versagen,  daß  er  — 
soweit  es  der  beschränkte  Raum  gestattet  —  seine  Ver- 
sprechungen erfüllt.    Doch  halten  wir  den  Weg,  den  er  den 


450  Hans  Zimmer  und  Theodor  Fritzach. 

sehen  Gesellschaft  m  Halle  a.  S.  gehaltenen)  Vortrag  „Fichtes 
Auffassung  von  der  akademischen  Freiheit"  („Grenzboten", 
No.  35)  das  Thema  unter  Herbeiziehung  von  Fichtes  sechster 
Vorlesung  über  das  Wesen  des  Gelehrten  erschöpfend  be- 
handelt. —  „Ueber  die  Entstehimg  der  Statuten  der  Berliner 
Universität**  handelt  Max  Lenz  in  den  Sitzungsberichten  der 
kgl.  preuß.  Akademie  der  Wissenschaften,  philosophisch- 
historische Klasse  (No.  15).  —  ,yBiirschenschafterbriefe  aus 
der  Zeit  der  Juli-Revolution**  teilt  Otto  Oppermann  in  den 
„Neuen  Heidelberger  Jahrbüchern**  (XIH,  i  u.  2)  mit.  Es 
handelt  sich  lun  einen  Bestand  von  Briefen  aus  dem  Nachlaß 
des  Justizrates  Gerhard  Joseph  Combes,  der  eine  Geschichte 
der  Burschenschaft  zu  schreiben  beabsichtigte  imd  sich  zu 
diesem  Zwecke  auch  die  von  ihm  ausgegangenen  Briefe  zurück- 
geben ließ.  Eine  längere,  sehr  schöne  Einleitimg  Oppermanns 
über  Combes  und  seine  Korrespondenten,  Heidelberger 
Burschenschaftsverhältnisse  usw.  geht  der  wertvollen  Ver- 
öffentlichung voraus.  —  Unter  dem  Titel  „Die  Alma  Mater 
Dorpatensis"  bringt  in  Heft  24  der  „Akademischen  Tum- 
zeitung**  ein  Anonymus  eine  ausführliche  und  fesselnde  Schil- 
derung des  studentischen  Wesens,  wie  es  sich  in  eigenartiger 
Weise  an  der  Dorpater  Hochschule  historisch  entwickelt  hat. 

—  Ueber  „Leibesübungen  an  der  Universität  Erlangen  vor 
100  Jahren**  berichtet  Martin  in  „Körper  und  Geist**  (XIV,  7). 

—  E.  Roths  Artikel  „Die  Frequenz  der  deutschen  Universitäten 
von  ihrer  Gründung  bis  zur  Gegenwart**  in  der  Beilage  32  zur 
„Allgemeinen  Zeitung**  ist  eine  anerkennende  Besprechimg  yoa 
Fritz  Eulenburgs  gleichbetiteltem  Buch  (Leipzig  1904,  B.  G. 
Teubner)  und  stellt  geschickt  die  Hauptergebnisse  von  Eulen- 
burgs mühsamen  Untersuchtmgen  zusammen.  —  Im  „Ergän- 
nmgsheft  I  zum  Archiv  für  Kulturgeschichte**  behandelt  R. 
Fester  den  „Universitätsbereiser  Friedrich  Gedicke  und  seinen 
Bericht  an  Friedrich  Wilhelm  IT*  (3, —  Mk.,  Berlin,  Duncker). 

—  Zwei  Beiträge  zur  Geschichte  der  Universität  Heidelberg 
bietet  F.  W.  E.  Roth  im  „Neuen  Archiv  für  die  Geschichte  der 
Stadt  Heidelberg  und  der  rheinischen  Pfalz**  VI,  2:  „Aus  der 
Gelehrtengeschichte  der  Universität  Heidelberg  1456 — 1572" 
und  „Geleitsbrief  der  Heidelberger  Hochschule**.  —  „Die  Grün- 
dung der  Universität  Helmstedt''  behandelt  eine  Marburger 
Dissertation  von  Hermann  Hofmeister  (74  S.  8^).  —  Heyder, 


1 


462 

Heb»  Ezarncn  in  QevoMark**  < 56  S.  8»,  1^3  ML;  Boxm.  Rohr- 
fchdd  und  TLlbtckt).  —  Zum  Thema  emer  Gxaoer  Rektonts- 
rede  hat  A,  Luschin  von  Ebengreutfa  JOitt  UmrcrBitil)^''  er- 
wählt und  sowohl  einen  Rückblick  wie  einen  AusUkk  gegd». 
—  Zürn   .Schhisse    muß  es  eines  Werkes    £rwähnmig  getan     ] 
werden,  das  zwar  nicht  unmittelbar  in  diesen  Bericht  gehört, 
aber  do^^.h  so  überaus  wertvolles  Material  zur  Ges<^chte  da 
f  8.  Jahrhunderts,  insbesondere  der  Universitäten  —  namentlich 
Leipzig  und  Göttingen  —  liefen,  daß  es  der  pädagogische  Ge- 
schichtsschreiber nicht  übersehen  darf.    Eis  ist  die  deutsche 
Uebersetrung  des  dänischen  Werkes :  „Bemstorffeme  og  Dan- 
mark''  von  Aage  Friis:  „Die  Bemstorffe.  Erster  Band:  Lehr- 
und  Wanderjahre.   Ein  Kulturbild  aus  dem  deutsch-dänischen 
Adels-  und  Diplomatenleben  im  achtzehnten  Jahrhundert.*'  (VI 
und  522  S.  gr.  8^.  Geheftet  10  Mk.,  vornehm  gebunden  12  Mk. 
Leipzig,  Wilhelm  Weicher).   Aage  Friis  hat  sich  die  Aufgabe 
gestellt,  mit  einer  Darstellung  der  Bemstorffschen  Familien- 
geschichte von   1750 — 1835   ^^^'^  Schilderung  der  kulturellen 
Wechselwirkung  zu  verbinden,  die  damals  zwischen  Dänen  und 
Deutschen  bestand  und  bekanntlich  auch  für  die   Pädagogik 
bedeutsam  gewesen  ist.  Weit  über  150000  Briefe  hat  der  Ver- 
fuHser  gesammelt  und  verarbeitet.    So  lernen  wir  das   Leben 
einer  deutschen  Familie  kennen,  wie  es  sich  durch  drei  Gene- 
rationen auf  den   Gütern  in  Norddeutschland,  in  den   Lehr- 
jahren an  verschiedenen  Universitäten,  in  den  Wanderjahren 
in  West-  und  Südeuropa,  und  in  ihrer  diplomatischen  Tätigkeit 
an  den  Höfen  in  Dresden  und  Warschau,  beimReichstag  in  Frank- 
furt und  in  Piiris  entfaltete.  Gerade  diese  Seite  des  deutschen 
Kulturlebens  ist  ja  in  Deutschlands  Literatur  kaiun.  behandelt 
worden.    So  wird  das  Buch  weiteste  Verbreitung  finden.    Die 
Uebcrtragung    ins    deutsche    ist  vorzüglich.    8   Porträts    und 
2  Landschaftsbilder  zieren  das  nach  jeder  Richtung  gediegene 
Werk. 


Sitzungsberichte. 


Erziehungs-  und  FUrsorgeverein 
für  geistig  zurüclcgebliebene  (schwachsinnige)  Kinder. 

Pädagogische  Kommission. 


Sitzung  am  19.  Januar  1905   im  Stadt.  Schulmuseum, 
Stallschreiberstr.   54,    nachmittags   5  Uhr. 

Vorsitzender :  Herr  Rektor  S  t  o  d  t. 
Schriftführer :  Herr  Lehrer  Mertelsmann  I. 

Nach    Begrüßung    der    Versammlung    durch    den    Vorsitzenden,    Herrn 
Rektor  Stodt,  nimmt  Herr  Müder  das  Wort  zu  dem  Vortrage : 

Ueber  psychopathische  Minderwertigkeiten  in  der 

Volksschule. 

Nachdem  der  Vortragende  an  einigen  typischen  Beispielen  in  markanter 
und  interessanter  Weise  eine  Schilderung  psychopathisch  belasteter  Volks- 
schüler gezeichnet  hatte,  verlangte  er  als  einzig  richtige  Behandlungsmethode 
für  derartige  Individuen  die  assoziierende  und  hielt  deshalb  eine  Absonderung 
von  den  Gesunden  für  erforderlich,  wozu  außerdem  die  Gefahr  einer  psy- 
chischen Ansteckung  nötige.  Da  diese  Forderung  jedoch  vorläufig  ein 
frommer  Wunsch  bleiben  dürfte,  so  habe  eine  geeignete  Behandlung  die 
gekennzeichneten  Anormalen  vor  allzu  großem  Schaden  ihrer  Persönlichkeit 
zu  behüten.  Dazu  sei  die  erste  Aufgabe  des  Lehrers  ein  genaues  Studium 
dieser  Kinder,  das  die  intellektuellen  und  moralischen  Fehler  genau  imter- 
suche.  Des  weiteren  sei  Rücksprache  mit  den  Eltern,  Feststellung  der  Be- 
lastungen, gemeinsame  Arbeit  mit  dem  Schularzte  notwendig.  Bei  der  Be- 
strafung solcher  Schüler  sei  körperliche  Züchtigung  ausgeschlossen,  dagegen 
eine  Einwirkung  durch  Ruhe  zu  empfehlen.  In  vielen  Fällen  würden  sich 
psychische   Störungen   durch  geeignete   Vorbeugungsmittel   verhüten  lassen. 

D  iskussion: 

Herr  P  a  p  e  warnt  vor  zu  langen  Lektionen,  um  Nervosität  der  Schüler 
zu  verhüten. 

Herr  Rektor  Stodt  beklagt  die  imgenügende  Größe  der  Schulhöfe 
und  wünscht  für  den  Winter  geheizte  Korridore. 

Herr  Scheibe  hält  Aktenstücke  über  derartige  Schüler,  wie  sie 
Redner  geschildert,  für  wünschenswert,  worauf 


454  8%Uungd)eriMe. 

Herr  Rektor  Schumacher  auf  die  vorgeschriebenen  Ueberwachungs- 
scheine  hinweist. 

Die  Herren  Wulk,  Frauendienst,  Rektor  Henstorf  und 
Scheibe  äußern  verschiedene  Wünsche  über  die  Tätigkeit  der  Schulante, 
von  denen  sie  eine  Besserung  in  den  Zuständen  der  psychopathisch  Minder- 
wertigen erhoffen. 

Herr  Rektor  Rupnow  hält  eine  Aussonderung  der  Kinder  aus  der 
Familie  für  außerordentlich  gefährlich  und  empfiehlt  daher  die  größte 
Vorsicht.  ^ 

Hen  Schulinspektor  Dr.  Lorenz  bittet,  sich  nicht  zu  überstürzen  in 
der  Fürsorge  für  die  Schwachsinnigen;  er  gla\^t,  daß  sich  die  Schale 
noch  viel  mehr  selber  helfen  könne,  als  sie  es  bisher  tue,  und  erwartet  von 
der  Tätigkeit  der  Schulärzte  nicht  allzu  viel.  Von  den  Seminarien  mehr 
zu  verlangen,  hält  er  nicht  für  wünschenswert.  Für  ersprießlich  hält  er  eine 
Herabsetzung  der  ungeheuren  Stoff  menge,  die  im  Lehrplan  vorgeschrieben 
sei,  eine  längere  Einwirkung  des  Lehrers  auf  seine  Schüler,  eine  Herab- 
setzung der  Unterrichtszeit.  Einen  Bericht  über  die  Ausführungen  des  Re» 
ferenten  an  die  Behörden  hält  er  für  wünschenswert. 

Herr  Rektor  Stodt  will  diesem  Wunsche  gern  nacbkommen,  sobald 
die  Anregung  dazu  von  den  Behörden  ausgehe. 

Der  Herr  Referent  spricht  im  Schlußwort  über  die  schädliche  Ein- 
wirkung des  Fachlehrersystems  auf  die  belasteten  Kinder,  empfiehlt  mög- 
lichste Anwendung  der  Selbsthilfe  und  unausgesetztes  Studium  der  Psy- 
chologie. 

Schluß  7  Uhr  40  Min. 

m 

NB.  Der  Vortrag  des  Herrn  Müder  erschien  inzwischen  in  der  „Deut- 
schen Schulzcitung"  (Redakteur  O.  Jankc-Berlin)  1905,  35.  Jahrg.,  No.  34 
und  35. 


Am  18.  Februar  1905  besuchte  die  Päd.  Kommission  die  l.  Schüler- 
werkstatt des  „Berliner  Hauptvereins  für  Knabenhand- 
arbeit*' im  Falk-Realgymnasium.  Der  Vorsteher  dieser  Werk- 
statt,  Herr  Lehrer  F  r  e  n  k  e  1 ,  begriißte  die  zahlreich  erschienenen  Gäste, 
gab  die  Gesichtspunkte  an,  nach  denen  die  Knabenhandarbeit  in  den  Werk- 
stätten betrieben  wird,  und  führte  darauf  die  Besucher  durch  die  einzelnen 
Abteilungen.  Es  wurde  das  Modellieren,  die  Kerbschnitzerei,  die  Papp- 
arbeit, die  leichte  Holzarbeit  und  die  Hobelbankarbeit  vorgeführt;  zugleich 
wurden  die  Zeichnungen  und  Arbeiten  der  Schüler  in  Augenschein  ge- 
nonmien.  —  Für  die  Besucher,  die  wohl  fast  sämtlich  der  Handarbeit  eine 
hervorragende  Wichtigkeit  für  den  Hilfsschulunterricht  zuerkannten,  war 
es  von  besonderem  Wert,  einmal  die  sogenannten  „Brettchenarbeiten**  im 
Betrieb  kennen  zu  lernen  und  sich  auf  diese  Weise  ein  Urteil  zu  bilden 
über  ihre  \>rvicrtbarkeit  für  die  Hilfsschule.  Viel  beachtet  wurden  ferner 
die  von  den  Schülern  gefertigten  Tonmodelle;  sie  bildeten  die  beste  Emp- 
fehlung des  Tonmodellierens  für  den  Unterricht  der  geistig  Schwachen  und 
regten  dazu  an,  diesen  Zweig  der  Handarbeit  in  den  Nebenklassen  mit  in 
berücksichtigen. 


466  8iizung8beriekt€. 

Herr  Sprockhoff  legt  im  Gegensatz  hierzu  das  Hauptgewicht  anf 
die  den  Bestrebungen  der  innem  Mission  nahestehende  Beeinflußung  des 
Elternhauses. 

Herr  Mertelsmann  erklärt,  daß  er  sich  nicht  gegen  diese  Be- 
strebungen ausgesprochen,  sondern  nur  auf  die  Schwierigkeiten  hingewiesen 
habe,  die  sich  ihnen  u.  U.  entgegenstellten. 

Herr  Rennicke  sucht  die  Ansicht  des  Referenten  durch  einen  Fall 
aus  der  Praxb  zu  bestätigen. 

Herr  Schulinspektor  Dr.  von  Gizycki  hält  es  vor  allem  für  nötig, 
darauf  zu  achten,  daß  das  Kind  seitens  der  Eltern  nicht  um  geringfügiger 
Ursachen  willen   in  Affekt   versetzt   werde. 

Herr  Fuchs  gibt  einige  Hinweise  auf  die  Art,  wie  Ziehen  die  Affekte 

exakt  zu  beobachten  versucht  hat. 

Fräalein  Otto  glaubt,   einige  Widersprüche  zwischen   der  Auffassung 

Ziehens  und  der  bisherigen  Anschauung  zu  finden,   und  möchte  femer  die 

beratende  Besprechung  mit  gewissen  Eltern  in  das  Schulhaus  verlegen. 

Schluß:  7  Uhr. 


Sitzung  am  2.  Juni   1905,    nachmittags    5    Uhr, 
im   Saale   des   Schulmuseums. 

Vorsitzender :  Herr  Rektor  S  t  o  d  t. 
Schriftführer:  Herr  Lehrer  A.  Fuchs. 
Der  Vorsitzende  teilt  mit,  daß  die  Kommission  beabsichtige,  in  diesem 
Sommer   die   »»Anstalt   für   Epileptische"   in  Wuhlgarten   zu  besichtigen. 
Darauf  referierten: 

Herr  Fuchs  über  den  äußeren  Verlauf  des  V.  Verbandstags  Deut- 
scher Hilfsschulen  in   Bremen  und  über  das  Thema:  ,,Die  Ausbildung  der 

Hilfsschullehrer  • ; 

Herr  Mertelsmann  I  über :  .,Die  Behandlung  von  Sprachgebrechen 

in  den  Hilfsschulen"; 

Herr  G  r  a  w  e  r  t  über  ».Moralische  .\nästhes:e**  und  ..Berücksichtigung 
der  Schwachsinnigen  im  Sirafrecht  des  Deutschen  Reiches**. 

Das  Referat  des  am  Erscheinen  verhinderten  Herrn  Martini  über 
den  .»gegenwärtigen  Stand  der  Fürsorge"  verlas  Herr  Rektor  S  t  o  d  L 

.\n  der  Diskussion  beteiligten  sich  die  Herren  Stodt,  Zille, 
Fraueudionst.  Wettstädt,  Rennicke,  Hildebrandt  und 
Fuchs,  Coiionsund  der  Diskussion  war:  Schulpflicht  schwachsinniger 
Kinder»  Notwencigkei:  der  Fortbildungskurse  für  Hilfsschullehrcr,  Absonde- 
rung der  Schwachsinnigen  \-on  den  Normalen,  der  zweijährige  Vorkursus 
»chwaihsinniger  Schüler  in  der  Volksschule  u.  a. 

Der   Voisitxende   ixberreichtc   der   X'crsanunlung   .Vniragsformularc   der 

9oyialen  Kommission. 

D:e  Xersammlung  beschloC.  kunftic  die  Siiruaii^a  auf  S   Uhr  abends 

ru  \or.ej:cr.. 

.Tur.:  >chluß  legte  Herr  F  u  c  h  s  cit  neueste  Literatur  über  das  Hüfs- 

9chuhiresen  aus. 


Sitzungsberichte.  457 

Am  30.  Juni  1905,  nachmittags  5  Uhr,  stattete  die  Päd.  Kommission 
der  Erziehungsanstalt  für  jugendliche  Epileptiker  in 
Wuhlgartenbei  Biesdorf  einen  Besuch  ab.    Herr  Inspektor  Dr.  phil. 

Schepp  hatte  die  Freundlichkeit,  die  Besichtigung  zu  leiten.  Besichtigt 
wurden  die  Schulräume,  Schlafräume,  Spielzimmer,  Eßzimmer,  Arbeits- 
zimmer und  Spielplätze  der  jugendlichen  Epileptiker,  sowie  einige  Gebäude, 
Einrichtungen  und  die  Anlagen  der  für  die  Erwachsenen  bestimmten  Anstalt. 
Die  Besucher  überzeugten  sich  davon,  daß  die  Stadt  Berlin  in  dieser  Anstalt 
eine  mustergültige  Einrichtung  geschaffen  hat,  die  wohl  geeignet  ist,  das 
traurige  Los  vieler  hundert  epileptischer  Männer,  Frauen  und  Kinder  so 
freundlich  als  möglich  zu  gestalten.  Allgemein  drängte  sich  bei  den  Be- 
suchern —  besonders  nach  der  Besichtigung  der  Pflegeabteilung  —  das 
Gefühl  der  höchsten  Anerkennung  imd  Wertschätzung  für  alle  diejenigen 
auf,  die  es  sich  zur  Lebensaufgabe  gemacht  haben,  für  diese  bedauerns- 
werten Kranken  zu  wirken. 

In  der  Erziehungsanstalt  betrug  die  Anzahl  der  Kinder  am  i.  4.  1903  =  82 
(52  Knaben  und  30  Mädchen);  im  Laufe  des  Etats  Jahres  1903  wurden  dann 
noch  28  Knaben  und  16  Mädchen  aufgenommen,  von  denen  schon  3  Kinder 
einmal  auf  ärztlichen  Rat  entlassen  worden  waren.  Von  den  im  Laufe  des 
Jahres  entlassenen  Kindern  kamen  13  Knaben  und  5  Mädchen  in  die  Ab- 
teilung für  Erwachsene,  17  Knaben  und  7  Mädchen  zu  ihren  Eltern  nach 
Berlin,    i    Knabe  nach  der  Idiotenanstalt,    i    Mädchen  starb. 

Von  82  Kindern  waren  75  evangelisch,  6  katholisch,  i  dissidentisch. 
Vor  der  Aufnahme  in  die  Anstalt  besuchten  eine  Berliner  Gemeindeschule 
14  Kinder,  eine  Berliner  Nebenklasse  2  Kinder,  die  Idiotenanstalt  Dall- 
dort   5   Kinder,   andere  Schulen   5   Kinder,  keine  Schule    18  Kinder. 

Das  Durchschnittsalter  ging  in  den  letzten  Jahren  zurück;  es  betrug 
im  Jahre  1902  =  13V2  Jahr;  1903  =  12^/9  Jahr;  1904  :=  11V4  Jahr. 

Der  Unterricht  wird  in  sechs  aufsteigenden  Klassen  erteilt;  Klasse  I 
hat  24,  II  und  III  =  22,  IV  und  V  =  19  und  VI  =  11  Stunden  Unter- 
richt. Die  Schule  wurde  am  Schlüsse  des  'Jahres  von  30  Knaben  und 
26  Mädchen  besucht. 

Zum  Schlüsse  der  Besichtigung  sprach  der  Vorsitzende  der  Päd.  Kom- 
mission, Herr  Rektor  S  t  o  d  t ,  Herrn  Erziehungsinspektor  Dr.  Schepp 
für  die  Führung  und  die  bereitwilligst  erteilten  Aufschlüsse  über  Organisation 
und  Betrieb  der  Anstalt  den  herzliclisten  Dank  aus. 


Sitzung  am  8.  Dezember  1905,  abends  8  Uhr, 
im   Saale   des    Schulmuseums. 

Vorsitzender:   Herr  Rektor  S  t  o  d  t. 
Schriftführer:  Herr  Lehrer  A.  Fuchs. 

Der   Vorsitzende   erteilt   sofort    Herrn   Kinderarzt   Dr.   W.    Fürsten- 
h  e  i  m  das  Wort  zu  seinem  Vortrage  über  den 

Veitstanz. 
Nachdem   Ref.    eine   schematische   Uebersicht   über   die    Hauptformen 
unwillkürlicher  Muskelbewegung  gegeben  hatte,  behandelte  er  zimächst  die 


458  Sitzungsberichte. 

ins  Gebiet  der  pädagogischen  Pathologie  fallenden  Bewegungen,  die  teOi 
auf  Erregung,  teils  auf  Hemmungslähmungen  beruhen.  Ref.  führte  dann 
weiter  aus:  Auf  der  Grenze  zwischen  pädagogischer  und  medizinischer  Pa- 
thologie stehen  die  nervösen  Bewegungsgewohnheiten,  die  nach  Entstehung, 
Verlauf  und  Bewegungscharakter  verwandt,  aber  doch  meist  deutlich  zu 
trennen  sind  von  den  sogenannten  Ticzuständen,  die  schon  völlig  in  die 
medizinische  Pathologie  gehören.  Eine  besondere  Rolle  im  Rahmen  unwiU- 
kürlicjier  Muskelbewegung  spielen  die  Veitstanzbewegungen,  die  entweder 
als  Teilerscheinung  anderweitiger  Erkrankungen  des  Nervensystems  auf- 
treten, oder  aber  ein  eigenes  Krankheitsbild,  den  Veitstanz  im  engerea 
Sinne,  ausmachen,  das  sich  im  Gefolge  verschiedener  Infektionskrankheiteiiy 
sehr  häufig  des  Rheumatismus,  entwickelt.  Bei  belasteten,  schwächlichen 
Kindern  genügt  schon  ein  geringerer  Anlass:  Schreck,  Fall  usw.,  um  die 
Krankheit  hervorzurufen.  Für  den  Lehrer  wichtig  ist  die  Kenntnis  de» 
hysterischen  Veitstanzes,  der  sich  auf  dem  Wege  der  Nachahmimg  ver- 
breitet; sämtliche  bisher  in  Schulen  beobachteten  Veitstanzepidenüen  ent- 
puppen sich  bei  genauerem  Zusehen  als  hysterische  Erscheinungen.  —  Der 
Schule  selbst  kommt  bei  der  Entstehung  der  Krankheit  nur  eine  sehr  geringe 
Rolle  zu,  wohl  aber  führt  Unkenntnis  der  ersten  Anfänge,  vor  allem  der 
psychischen  Erscheinungen,  leicht  zu  ungerechtfertigten  Bestrafungen,  die 
den  Krankheitsverlauf  im  ungünstigen  Sinne  beeinflussen.  Besonders  für 
die  Hilfsschule,  die  ja  eine  Ansammlung  schwächlicher  und  belasteter  Kinder 
darstellt,  ist  eine  Vertrautheit  der  Lehrerschaft  mit  solchen  krankhaften 
Zuständen,  deren  Verkennung  in  der  Schule  das  kranke  Kind,  seine  Mit- 
schüler und  damit  den  Schulbetrieb  gefährdet,  dringend  zu  wünschen. 

(Autorreferat) 
Diskussion: 

Herr  Rektor  S  t  o  d  t  spricht  dem  Referenten  für  seinen  mit  grossem 
Beifall  aufgenommenen  Vortrag  den  Dank  der  Kommission  aus.  Er  wünscht 
den  Darlegungen  des  Vortragenden  die  größte  Verbreitung,  nicht 
nur  in  Lehrerkreisen,  sondern  auch  im  Laienpublikum,  da  gerade  hier  — 
wie  ein  Fall  aus  jüngster  Zeit  treffend  beweise  —  sehr  oft  Un- 
kenntnis und  Mangel  an  Verständnis  für  Personen,  die  mit  Veitstanz  oder 
veitstanzähnlichen  Bewegungen  behaftet  sind,  zu  falscher  Behandlung  führten. 

Herr  Dr.  Fürstenheim  wendet  sich,  angeregt  durch  diese  Be- 
merkungen, nochmals  der  Behandlung  der  permanenten  Fälle  zu  und  stellt 
an  die  Zuhörer  die  Frage  nach  Anzahl,  Art  und  Behandlung  der  mit 
Veitstanz  behafteten  Kinder  in   der   Schule. 

Herr  Fuchs  erklärt,  daß  die  ausgeprägte  Form  des  Veitstanzes  in 
der  Schule  (Volks-  und  Hilfsschule)  nur  selten,  dagegen  veitstanzähnlichc  Be- 
wegung öfter,  besonders  in  der  Hilfsschule,   beobachtet  werde. 

Herr  Rektor  S  t  o  d  t  weist  im  Anschluß  daran  auf  die  Angaben  des 
„Berichts  über  die  Tätigkeit  der  Berliner  Schulärzte  im  Jahre  1904/05** 
(erstattet  von  Prof.  Pr.  Hartmann)  hin.  Dr.  P.  Meyer  habe  von  1857 
Kindern  130  (7  0/0)  ^n  nervösen  Affektionen  leidend  gefunden,  darunter 
12  Kinder  (7  Mädchen  und  5  Knaben)  an  Veitstanz. 

Die  Väter  zweier  an  Veitstanz  leidender  Kinder  geben  durch  ihre 


Sitzungsberichte.  459 

Schildening  der  Erscheinungen,  die  sich  mit  den  Ausführungen  des  Refe- 
renten durchaus  deckt, 

Herrn  Dr.  Fürstenheim  Gelegenheit,  nochmals  auf  den  großen 
Tic  und  den  Veitstanz  als  rheumatisches  Aequivalent  einzugehen  und  femer 
eine  ausführliche  Darstellung  des  postepileptischen  Schwachsinns  mit  seinen 
Ausfällen  an  psychischen  Fähigkeiten  zu  geben. 

Herr  Rektor  Wienidke  bestätigt  die  Mitteilungen  des  Herrn  Fuchs 
nut  einigen  Schilderungen  itus  der  Schulpraxis. 

Herr  Dr.  Fürstenheim  hebt  in  seinem  Schlußworte  die  Not- 
wendigkeit der  Einrichtung  yon  Fortbildungskursen  für  Lehrer,  betr.  die 
Grenzgebiete  der  Medizin  und  Pädagogik,  hervor. 

Mitteilungen: 

Herr  Rektor  Stodt  teilt  mit,  daß  sich  die  Geschäftsstelle  des  Vereins 
C.  2,  Spandauerstr.  57  v.  III  Tr.  befinde.  Nach  einem  Beschluß  des  Vor- 
standes werde  die  Bibliothek  dorthin  verlegt  werden. 

Herr  Professor  Dr.  Ziehen  hat  für  das  nächste  Vierteljahr  Vorträge 
für  Lehrkräfte  an  Nebenklassen,  die  in  der  Psychiatrischen  Klinik  abgehalten 
werden  sollen,  freundlichst  in  Aussicht  gestellt,  ebenso  der  Berliner  Fröbel- 
Verein  einen  Kursus  in  Fröbelarbeiten.  Nähere  Mitteilungen  werden  den 
Mitgliedern  des  Vereins  seinerzeit  zugehen. 

Herr  Frauendienst  weist  auf  das  am  5.  Januar  1906  stattfindende 
Wohltätigkeitsfest  des  Vereins  hin,  das  zugunsten  einer  im  nächsten  Jahre 
abermals  auszusendenden  Ferienkolonie  für  schwachsinnige  Kinder  veran- 
staltet wird. 

Schluß:  10  Uhr. 


Mitteilungen. 


Kongreß  fOr  Kinderforschimg  und  Jngendfflnorge  1906w 

Hochgeehrter  Hexrl 

Anbei  senden  wir  Ihnen  einen  Abdruck  unserer  „Vorläufigen  Mit- 
teilungen über  den  Kongreß  für  Kinderforschung  und  Jugendfürsorge*'  mit 
der  ergebenen  Bitte  um  Bekanntgabe  in  den  Ihnen  zugänglichen  und  für 
die  Sache  interessierten  Kreisen.  Zugleich  bitten  wir  um  Ihre  Vorschlage 
für  wünschenswerte  allgemeine  Vorträge,  bezw.  Sonderberichte,  unter  Angabe 
der  dafür  geeigneten  und  bereitwilligen  Referenten. 

Ueber  die  Auswahl  unter  den  überhaupt  zur  Anmeldung  kommenden 
Vorträgen  wird  der  Gesamtvorstand  entscheiden. 

Der  geschäftsführende  prov.  Vorstand. 

Den  letzten  Mitteilungen*)  zufolge  hatte  der  in  Berlin  erwählte  Aus- 
schuß einen  Vorstand  zu  wählen.  Die  Wahl  fiel  —  nach  der  Stimmen- 
zahl aufgeführt  —  auf  die  Herren 

Geh.   Med. -Rat  Prof.  Dr.  Ziehen-  Berlin, 
Institutsdirektor  T  r  ü  p  e  r  -  Jena, 
Prof.  Dr.  Rein-  Jena, 
Geh,   Med. -Rat  Dr.   H  e  u  b  n  e  r  -  Berlin, 
Direktor  Dr.   Klumker-  Frankfurt  a.   M., 
Geh.  Reg.-Rat  Prof.  Dr.  M  ü  n  c  h  -  Berlin. 
Dem   Wunsche     des   geschäftsführenden   Ausschusses    des    deutschen 
Lehrervereins  um  Beteiligung  an  den  Vorarbeiten  des  Kong^resses  und  um 
Einreihung  seines  Vorsitzenden,  Lehrer  R  ö  h  1  in  Berlin,  in  den  vorbereitenden 
Ausschuß    ist    durch    Rundschreiben    mit    allen   gegen   eine    Stimme     statt- 
gegeben worden. 

Der  Vorstand  wählte  aus  seiner  Mitte  für  die  Geschäftsführung  Prof. 
Ziehen  und  Direktor  T  r  ü  p  e  r.  Auf  Vorschlag  von  Prof.  Rein  wurde 
noch  Dr.  A  m  e  n  t  -  Würzburg  als  Schriftführer  hinzugewählt. 

Herr  Prof.  Ziehen  lehnte  aber  den  Vorsitz  ab  und  beharrte  un- 
bedingt bei  seiner  Ablehnung.  Nunmehr  wurde  Geh.  Reg.-Rat  Prof.  Dr. 
M  ü  n  c  h  -  Berlin  an  seiner  Stelle  gewählt. 

Die  Ortsfrage  mußte  aufs  neue  erörtert  werden.  Denn  für  das 
Zustandekommen  des  Kongresses  zu  Ostern  in  Frankfurt  hatten  sich  allerlei 


*)  T  r  ü  p  e  r ,  Ein  Kongreß  für  Kinderforschung  imd  Jugeqdfürsorge. 
Langensalza,  Hermann  ^eyer  &  Söhne  (Beyer  &  Mann).  Wird  vom  Ver- 
leger unentgeltlich  verabfolgt. 


462  Mitteiiungen. 

Die  vorläufige  Anmeldung  von  Vorträgen,  über  deren  Annahme  die 
Entscheidung  dem  Gesamtvorstande  vorbehalten  bleibt,  nimmt  entg^en  u&d 
nähere  Auskunft  erteilt 

der  geschäftsführende  provisorische  Vorstand: 

Geh.  Reg.-Rat  Prof.  Dr.  W.  Münch- Berlin  W.  30,  Luitpoldstr.  22, 

Anstaltsdirektor  J.  Trüper- Jena-Sophienhöhe, 

Privatgelehrter  Dr.  phil.  W.  A  m  e  n  t  -  Würzburg,  Sanderglacisstr.  44, 


Ein  Kurs  der  medizinischen  Psychologie  mit  Bezug  auf  Behand- 
lung und  Erziehung  der  angeboren  Schwachsinnigen*) 
wird  von  Montag  den  2.  bis  Samstag  den  7.  April  1906  in 
G  i  e  s  s  e  n  (Klinik  für  psychische  und  nervöse  Krankheiten)  stattfinden. 

Der  Kurs  wird  folgende   Themata  umfassen: 

1.  Die  verschiedenen  Formen  der  Idiotie. 

2.  Ursachenforschung,  Prophylaxe  und  Therapie  im  Gebiet  der 
Idiotie. 

3.  Untersuchung  der  Schädelabnormitäten  mit  praktischen 
Uebungen. 

4.  Medizinische  Psychologie  mit  Bezug  auf  Behandlung  und  Er- 
ziehung der  angeboren  Schwachsinnigen  mit  psychophysischen 
Uebungen. 

5.  Experimentelle  Didaktik  mit  Bezug  auf  die  angeboren  Schwach- 
sinnigen. 

6.  Das   Hilfsschulwesen. 

7.  Die   Zwangserziehung. 

8.  Die  strafrechtlichen  Beziehungen  des  angeborenen  Schwach- 
sinnes. 

9.  Jugendliches   Verbrechertum. 

10.  Der  angeborene  Schwachsinn  im  MiUtärdienst. 

11.  Die   Anstalten  für   Schwachsinnige   usw.   mit   Besichtigungen, 

Als  Vortragende  werden  außer  dem  Unterzeichneten  und  Herrn  Privat- 
dozenten Dr.  Danncmann-  Giessen  noch  Herr  Prof.  Dr.  Weygandt- 
Würzburg  und  Herr  Seminarlehrer  L  a  y  -  Karlsruhe  mitwirken.  Das  genauere 
Programm  der  Vorträge  und  Uebungen  soll  Ende  Februar  1906  versandt 
werden.  Die  Einschreibegebühr  wird  je  nach  den  Kosten  der  Vorbereitung 
etwa  10  bis  20  Mark  betragen.  Zu  dem  Kurs  sind  alle  an  der  Behandlung 
und  Erziehung  der  angeboren  Schwachsinnigen  ernsthaft  interessierten  Per- 
sonen, besonders  Aerzte  imd  Lehrer  eingeladen. 

Giessen,  Dezember  1905.  Prof.  Dr.  Sommer. 


Der  nächste  Kongreß  für  experimentelle  Psychologie  wird  vom  18. 
bis  21.  April  zu  Würzburg  stattfinden.    Wegen  der  am  20.  imd  21.  April 


*)   Vergl.     Psychiatrisch-Neurologische   Wochenschrift    1905,     No.   20 
und  23. 


Mitteiiungen.  463 

zu  München  stattfindenden  Tagung  des  Deutschen  Vereins  für  Psychiatrie 
werden  diejenigen  Gegenstände,  die  von  größerem  Interesse  für  die  Psy- 
chiater sind,  auf  die  Tagesordniuig  des  i8.  und  19.  April  gesetzt  werden. 
Referate  werden  erstatten :  F.  Krüger  über  die  Beziehungen  zwischen  ex- 
perimenteller Phonetik  und  Psychologie,  O.  Külpe  über  den  gegenwärtigen 
Stand  der  experimentellen  Aesthetik,  F.  Schumann  über  die  Psychologie 
des  Lesens,  R.  Sommer  über  Psychiatrie  und  Individualpsychologie, 
W.  Weygandt  über  die  psychologische  Untersuchung  des  angeborenen 
Schwachsinnes.  Es  wird  gebeten,  Anmeldungen  betreffend  Teilnahme,  Vor- 
träge und  dergl.   an  Herrn  Prof.   Dr.   O.  Külpe  zu  Würzburg  zu  richten^ 


Der  Berliner  Verein  für  Schulgesundheitspflege  beabsichtigt  die 
Begründung  einer  schulhygienischen  Bibliothek  in  Berlin.  Derselbe  bittet 
daher  alle  Autoren,  die  über  schulhygienische  oder  verwandte  (pädagogische, 
psychologische,  hygienische  usw.)  Fragen  Arbeiten  veröffentlicht  haben,  diese 
dem  Verein  einzusenden,  resp.  ein  Verzeichnis  ihrer  Arbeiten  zu  geben 
zur  eventuellen  Anschaffung. 

Auch   werden   die    Herren   Verleger  gebeten,    ein   Verzeichnis   der  in 
ihrem  Verlage  erschienenen  einschlägigen  Werke  einzusenden. 
Sendungen  sind  zu  richten  an 

R.   Schulz, 
Bibliothekskustos  des  Vereins  für  innere  Medizin,  Schönebergerufer  11. 

Der  Vorstand. 


Familiener  Ziehung  und  Anstaltspflege.  Der  Magistrat  und  die 
Stadtverordneten  von  Berlin  haben  sich  in  gemischter  Deputa- 
tion mit  der  Frage  der  Familienerziehung  oder  der  Anstalts- 
pflege der  Berliner  Waisenkinder  beschäftigt.  Die  Berliner 
Gemeinde- Waisenräte  —  Damen  und  Herren  —  haben  in  drei  großen  öffent- 
lichen Versammlungen,  die  im  Sophien-,  Andreas-  und  Askanischen  Gym- 
nasium stattfanden,  zu  dieser  die  öffentliche  Meinung  schon  jahrelang  be- 
schäftigenden Frage  Stellung  genommen. 

Das  große  Interesse  an  dieser  Frage  bekundete  der  zahlreiche  Be- 
such dieser  Versammlungen  und  die  lebhafte  Erörterung.  Unter  den  Er- 
schienenen bemerkten  wir  die  Stadträte  Wirkl.  Geh.  Oberregierungs-Rat 
V.  Friedberg,  Gehricke,  Dr.  Münsterberg,  die  Stadtverordneten  Ulrich, 
A.  Schulze  u.  a.,  Amtsgerichtsrat  Richter,  Amtsrichter  Roeder  und  viele  andere 
bekannte  Personen,  Pastoren,  Rechtsanwälte  usw.  Stadtschulrat  Dr.  Gersten- 
berg hielt  nach  der  Begrüßung  der  Gäste  durch  den  Vorsitzenden  Stadtv. 
Hammerstein  den  einleitenden  Vortrag. 

Der  Vortragende  führte  u.  a.  folgendes  aus:  „Die  Frage  der  Fa- 
milien- oder  Anstaltspflege  ist  so  alt,  wie  die  Waisenpflege.  Besonders  leb- 
haft wurde  sie  erörtert  nach  Aufhebung  der  Klöster,  in  der  Zeit  der  Re- 
formation. Anfang  des  18.  Jahrhunderts,  in  der  Zeit  der  Gründung  der 
ersten  Waisenhäuser  imd  dann  in  der  Zeit  Pestalozzis  wurde  sie  von  neuem 


464  Mitteilungen, 

lebhaft  aufgeworfen.  *Dann  entbrannte  der  Kampf  wieder,  als  aus  der 
staatlichen  Armenpflege  eine  kommimale  wurde,  imd  nun  mit  dem  an- 
tritt in  die  sozialpolitische  Gesetzgebung,  seit  der  Gründung  des  Deutseben 
Reiches  ist  diese  Frage  nicht  von  der  Tagesordnung  verschwunden.  Fast 
durchweg  haben  sich  die  Waisenverwaltungen  und  ihre  Organe  infolge  der 
günstigen  Erfahrungen  der  Familienerziehung  für  diese  ausgesprochen.  Nur 
in  bestimmten  Fällen  glaubt  man  der  Anstaltspflege  nicht  entraten  zu  können. 
Das  Waisenkind  kommt  aus  der  Familie.  Seine  Wurzel  liegt,  wie  bei 
jedem  anderen  Kinde,  in  dieser.  Die  Familienerziehung  individualisieit^ 
die  Anstaltspflege  mit  ihrem  wechselnden  Personal  nivelliert  sehr  oft.  Die 
Untugenden  der  einzelnen  Kinder  werden  in  den  Anstalten  sehr  oft  auf 
die  übrigen  übertragen.  Diese  Gefahren  u.  a.  sind  bei  der  Familienerziehung 
geringer.  Diese  setzt  natürlich  voraus,  daß  die  Kinder  möglichst  früh- 
zeitig in  Famüienpflege  kommen  \md  die  Pflegeeltern  nicht  nur  sorgfältig 
ausgesucht,  sondern  auch  überwacht  werden. 

Das  heutige  System  und  die  Organisation  der  Waisen-Verwahung 
bietet  eine  Bürgschaft  für  eine  gute  Familienerziehung.  Dies  wird  durch 
die  Erfahrungen  bestätigt.  In  Familienpflege  gehören  nur  gesunde  Kinder. 
Andere  sind  besser  in  Anstalten  aufgehoben.  Auch  Kinder  mit  Untugenden 
imd  verbrecherischen  Neigungen  gehören  in  die  strengere  Zucht  einer  An- 
stalt. Diese  ist  für  kranke  Kinder  besonders  eingerichtet  und  mit  einer 
Heilstätte  usw.  verbunden.  Das  Rummelsburger  Waisenhaus  wird  deshalb 
seinen  alten  Ruf  behalten  und  die  dort  untergebrachten  kränklichen  und 
älteren  Kinder  fürs  Leben  vorbereiten.  Diese  Dreiteilung,  Familienerziehung 
für  alle  normalen  Kinder,  Anstaltspflege  für  kränkliche  und  für  solche  mit 
schlechten  Neigungen,  fand  allgemeine  Zustimmung. 

(Nationalzeitung.) 


In    der  Dezember-Sitzong    des   Berliner   GymnasiaUehrer-Vereüs 

sprach  der  Vorsitzende,  Professor  Lortzing,  einige  Worte  der  Erinne- 
rung an  die  Gründung  des  Vereins,  der  im  Dezember  1872  seine  erste 
ordentliche  Versammlung  abgehalten  hat.  Er  begrüßte  dann  die  als  Gäste 
anwesenden  Herren  Ministerialdirektor  Alt  hoff  \md  Geh.  Regierungs- 
rat Reinhardt  aus  dem  Kultusministerium,  Geh.  Regierungsrat  G e n z 
vom  Provinzial-Schulkollegium,   sowie   Stadtschulrat   Michaelis. 

Darauf  hielt  Provinzialschulrat  Dr.  Klatt  einen  Vortrag  über 
„Schülerpensionen,  mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  Provinz  Brandenbur g".  Der  Vortragende,  der  nicht  bloss  ge- 
naue statistische  Nachweise  über  jede  einzelne  höhere  Lehranstalt  benutzen 
konnte,  sondern  auch  eine  sehr  große  Anzahl  von  Schülerpensionen  in  den 
verschiedensten  Teilen  der  Provinz  persönlich  in  Augenschein  genommen 
hat,  setzte  zunächst  auseinander,  welche  einschneidende  Bedeutung  für  das 
gesamte  Unterrichtswesen  des  preußischen  Staates  der  Frage  der  Schüler- 
pensionen zukomme.  Schon  die  für  die  ganze  Monarchie  im  Jahre  1903 
angeordnete  Erhebung  hat  aufklärend  gewirkt  imd  eine  weitere  Unter- 
suchung der  Pensionsverhältnisse  veranlaßt.  Insbesondere  sind  in  der  Provinz 
Brandenburg   die   eingehendsten    Ermittelungen   darüber   angestellt   worden. 


466  Müieüunjfm. 

Unkultur  wirken  zu  lassen.  Die  Kinder  werden  für  die  Aasfluge  ?oq 
den  Rektoren  und  Schulärzten  ausgewählt;  sum  Vorschlag  werden  lolcke 
Kinder  gebracht,  f&r  deren  körperliches  Befinden  ein  öfterer  Aufenthail  m 
Fielen,  ein  tüchtiger  Spaziergang  usw.,  vorteilhaft  erscheint,  oder  solche,  doei 
Eltern  es  durch  ihre  Berufstätigkeit  versagt  oder  durch  ihre  wirtschaftliche  Lage 
unmöglich  ist,  ihre  Kinder  vor  die  Tore  hinauszuführen. 

Für  die  Ausflüge  werden  die  Kinder  in  Gruppen  von  12 — 15,  Koabea 
und  Mädchen  gemeinsam,  gesondert  Jede  Gruppe  wird  von  zwei  soge- 
nannten Helferinnen  geführt,  jungen  Frauen  und  Mädchen,  die  es  begriffet 
haben,  daß  der  Dienst  an  einer  an  Jugendlust  armen  Jugend  nicht  nur 
eine  soziale  Gemeinschaftsplicht,  sondern  auch  eine  Quelle  eigener  schönster 
Befriedigung  ist.  Meist  ist  der  Grunewald  das  Ziel,  das  mit  der  Stadtbahn 
erreicht  wird.  Nach  der  Ankunft  wird  ein  Spaziergang  gemacht,  dann  im 
Freien  gelagert  \md  der  mitgenommene  Proviant  —  belegte  Brote,  Obst, 
Milch  (wozu  jedes  Kind  eine  eigene  Flasche  hat)  —  verzehrt;  gemeinsame 
Spiele  folgen,  manch  munteres  Lied  wird  gesimgen.  Pflanzen  werden  ge- 
sucht imd  erklärt,  zuweilen  wird  auch  aus  einem  geeigneten  Buch  vor- 
gelesen, und  so  vergehen  sehr  schnell  die  Stunden,  bis  die  anbrechende 
Dämmerung  zur  Heimkehr  mahnt. 

Jede  Abteilung  hat  in  den  Monaten  Aphl  bb  Oktober  etwa  dreissi|[ 
Ausflüge  untemonmien;  im  ganzen  waren  bis  jetzt  180  Kinder  an  den 
Ausflügen  beteiligt.  Der  Verein,  den  die  städtischen  Behörden  Charlotten- 
burgs  in  dankenswerter  Weise  durch  einen  namhaften  Jahresbeitrag  unter- 
stützen, will  nach  Maßgabe  der  vorhandenen  Mittel  die  Zahl  seiner  Schutz- 
befohlenen von  Jahr  zu  Jahr  vermehren  mit  dem  Endziel,  aus  jeder  der 
24  Charlottenburger  Gemeindeschulen  etwa  dreissig  Kinder  berücksichtigen 
zu  können. 

Mit  den  bisher  erzielten  Resultaten  können  die  Leiter  des  Vereins 
durchaus  zufrieden  sein:  Die  Kinder  nehmen  mit  großer  Freude  teil,  in 
den  Schulen  übersteigt  die  Zahl  der  Meldungen  um  ein  Vielfaches  die 
Ziffer  der  Mitzimehmenden,  irgendwelche  Störungen  haben  sich  aus  dem 
Zusanmiensein  beider  Geschlechter  nie  ergeben;  die  Eltern  erkennen  die 
Bestrebungen  des  Vereins  dankbar  an  uind  unterstützen  sie  dadurch,  daß 
sie  ihre  Kinder  pünktlich  imd  sauber»  aber  einfach  gekleidet  zu  den  Treff- 
punkten schicken;  die  Helferinnen  bewahren  sich  fast  durchweg  durch 
verständnisvolles  Eingehen  auf  die  Intentionen  das  Vereins,  erfüllen  ihre 
übernommenen  Verpflichtimgen  gewissenhaft  uind  haben  an  ■  dem  Zu- 
sammensein nüt  den  Kindern  die  gleiche  Freude,  wie  diese  selbst.  So 
bat  sich  denn  schnell  ein  Gefühl  der  Zusammengehörigkeit  herausgebildet, 
das  den  Wxmsch  rege  werden  ließ,  auch  für  den  Winter  die  Spaziergänge 
nicht  ganz  ruhen  zu  lassen.  Dementsprechend  machen  alle  Abteilungen 
alle  vierzehn  Tage  im  Winter  einen  Spaziergang  im  Tiergarten  oder  treffen 
«eh  auf  den  dort  belegenen  Spielplätzen;  bei  Anbruch  der  Dunkelheit  be- 
geben sie  sich  dann  in  private  Schulräume,  die  dem  Verein  zur  Verfügung 
gestellt  sind,  wo  nach  eingenonmiener  Erfrischung  Spiele  veranstalte^ 
Frdbelarbeiten  gemacht  werden.  Wachs  und  Ton  geknetet  wird  usw. 

Wir  haben  die  Tätigkeit  des  Vereins  in  dieser  der  solialen  Hygiene 
gewidmeten  Wochenschrift  niedergelegt,  einmal  um  miserem  Untemdmiet 


Mitteilungen.  ^ßl 

n/eue  Freunde  zu  gewinnen,  dann  aber,  um  gerade  in  ärztlichen  Kreisen 
zur  Nachahmung  anzuregen;  die  nach  den  Berichten  der  Schulärzte  ge- 
sundheitlich recht  minderwertige  Schuljugend  imd  deren  bekanntlich  leider 
tausendfältig  schwer  um  ihre  Existenz  kämpfenden  Eltern  würden  es  gewiß 
mit  Freuden  begrüßen,  wenn  tatkräftige  Männer  und  Frauen  jauch  für 
Berlin  eine  ähnliche  Organisation  ins  Leben  riefen. 

Dr.    M.   Cohn-Charlottenburg.    (Med.   Reform.) 


Üeber  die  Charlottenburger  Waldschule  veröffentlichen  Stadtschulrat 
Dr.  Neufert  und  Privatdozent  Dr.  med.  Bendix,  der  Arzt  der  Schule  (im 
Verlage  von  Urban  &  Schwarzenbcrg  in  Berlin)  eine  Schrift.  Ein  besonderes 
Interesse  haben  die  Mitteilungen  über  die  Unterrichtsergebnisse.  Es  wird 
darüber  gesagt,  nachdem  die  in  gesundheitlicher  Hinsicht  erzielten  Erfolge 
dargestellt  worden  sind:  Auch  in  pädagogischer  Beziehung  haben  wir  alle 
Ursache,  mit  dem  Erfolge  der  Waldschule  zufrieden  zu  sein.  Auf  das 
Betragen  des  Kindes  hat  der  Aufenthalt  in  der  Waldschule  einen  günstigen 
Einfluß  gehabt,  besonders  zur  Ordnung,  Sauberkeit  und  Pünktlichkeit, 
sowie  zur  Verträg^lichkcit  untereinander  wurden  die  Kinder  erzogen.  Das 
Leben  im  stillen  Waldwinkel,  fem  von  allen  schädlichen  Einwirkungen,  das 
beständige  Zusammensein  mit  gebildeten  Menschen,  das  lebhafe  Gefühl  für 
das  Gute,  was  an  ihnen  getan  wurde,  alles  das  bewirkte,  daß  die  Kinder 
sich  bemühten,  sich  der  empfangenen  Wohltaten  würdig  zu  zeigen.  Unge- 
zogenheiten kamen  in  den  letzten  Wochen  viel  seltener  als  anfangs  vor. 
Ein  wichtiger  Faktor  war  dabei  auch  der  erziehliche  Einfluß,  welchen  die 
Kinder  aufeinander  ausübten.  Es  erfuhren  z.  B.  Kinder,  die  in  ihrem  An- 
fug  nicht  ganz  sauber  waren  oder  im  Gebrauch  des  Taschentuches  nicht 
auf  der  Höhe  standen,  von  den  Mitschülern  eine  so  kräftige  Kritik,  daß 
sie  sich  bald  der  öffentlichen  Meinung  fügten.  Natürlich  vermochte  ein 
dreimonatiger  Aufenthalt  in  der  Waldschule  nicht  alle  vorhandenen  Lücken 
auszufüllen  oder  gar  aus  einem  unbegabten  Kinde  ein  begabtes  zu  machen; 
aber  das  ist  erreicht  worden,  daß  nahezu  jedes  Kind  am  Unterricht  rege 
teilnahm  und  nach  Kräften  sich  bemühte.  Mit  großer  Einmütigkeit  berich- 
teten am  Schluß  der  Waldschule  die  Lehrer,  daß  mit  der  zunehmenden 
körperlichen  Kräftigung,  die  Aufmerksamkeit  und  Frische  sich  im  Unter- 
richt gehoben  habe;  nur  in  drei  von  120  Fällen  wurde  Klage  geführt,  daß 
ein  Kind  nicht  rege  genug  war.  Dem  entsprechen  auch  die  Leistungen. 
In  weitaas  den  meisten  Fällen  wurde  Genügendes  oder  der  Begabung  Ent- 
sprechendes geleistet.  Nur  bei  fünf  Kindern  äußern  die  Lehrer  ihre  Unzu- 
friedenheit, einmal  allerdings  mit  der  Motivierung,  daß  das  kranke  Kind 
durch  die  Eltern  mit  Zeitungsaustragen  vor  Beginn  des  Unterrichts  sehr 
angestrengt  wurde.  Dafür  wird  aber  in  nicht  weniger  als  13  Fällen  aus- 
drücklich bezeugt,  daß  die  Leistungen  eines  Kindes  in  sämtlichen  oder 
einzelnen  Fächern  ganz  wesentlich  besser  geworden  sind.  Es  ist  vorge- 
kommen, d^  Schüler,  die  ursprünglich  ungenügend  waren,  beim  Schluß 
der  Schule  Genügendes  leisteten,  an  Stelle  eines  Mangelhaft  ist  bei  vielen 
^   Genügend   oder  gar   eine   bessere   Zensur   eingetreten.     Ja,    ein   Kind, 

9* 


468  Mitteilungen. 

welches    die    Lehrer   schon   nach    der    Hilfsschule    überweisen    wollten,  hob 
sich   so   weit,    daß    es    am    Unterricht   mit   genügendem    Erfolg    teilnehmen 
konnte,    auch    nachdem    es    wieder    in    die    Gemeindeschule    zurückgekehit 
war.    Allein  man  könnte  vermuten,  daß   die   Berichte  der  Waldschullehrer, 
welche  die  Schüler  lieb  gewonnen  hatten,  aus  naheliegenden  Gründen  viel- 
leicht zu  schön  gefärbt  sein  möchten:  das  entscheidende   Urteil  könne  erst 
der   Lehrer   fällen,    in   dessen    Klasse    die    Kinder   nach    Schluß    der  Wald- 
schule wieder  einrückten.    Der  Stadtschulrat  hat  sich  daher  wenige  Wochen 
nach  dem  Wiedereintritt  der   Kinder   in   die   Gemeindeschule   bei   den  drei 
Rektoren   verschiedener    Schulen   erkundigt   und   ausnahmslos    günstige  Ur- 
teile über  die  Zurückgekehrten   vernommen;   namentlich   wurde   wieder  die 
größere  Frische  und  regere  Teilnahme  am  Unterricht  hervorgehoben.    An- 
fang Januar  wurden  sodann  von  sämtlichen  Gemeindeschulen   amtliche  Be* 
richte  über  die  Klassenleistungen  der  ehemaligen  Waldschüler  eingefordert, 
namentlich  darüber,  ob  die  Kinder  durch  den  Unterricht  in  der  Waldschule 
derartig  gefördert  worden  sind,  daß  sie  in  ihren  früheren  Klassen  mit  fort- 
konunen.    Nach  denselben  sind  die  Leistungen  nur  in  12  einzelnen  Fächern 
schwächer  geworden,  in  den  übrigen  sind  sie  gleich  geblieben;  in  mehreren 
haben  sie  sich  sogar  gebessert.    Es  ist  hierbei  aber  zu  berücksichtigen,  daß 
inz>\'ischen  leider  in  manchen  Fällen  das  körperliche   Befinden   infolge  der 
ungünstigen    Ernährungs-    und   Wohnungsverhältnisse,    der    zu    großen    An- 
strengung des  4-  bis  5  stündigen  Unterrichts,  zum  Teil  auch  infolge  akuter 
Erkrankungen   ungünstig  beeinflußt  worden   war.    Je4enfalls   geht   aus  den 
Berichten  deutlich  hervor,  daß  das  pädagogische  Ziel,  das  der  Waldschule 
bei  ihrer  Gründung  gesteckt  worden  ist,  daß  nämlich  die  Kinder  bei  ihrer 
Rückkehr   in   die   Volksschule   mit   ihren   ehemaligen   Klassengenossen  fort- 
kommen können,  erreichbar  und  von  dem  weitaus  größten  Teile  der  Kinder 
auch  erreicht  worden  ist.    Dabei  ist  zu  bedenken,  daß  bei  den  zur  Verfügung 
gestellten  Mitteln  doch  nur  die   allerkränksten  Kinder  —  6  v.    T.    der  ge- 
samten  Schülerzahl  —  Aufnahme  finden  konnten.    Sollte  es  dereinst  mög- 
lich   sein,    einen    erheblich    größeren    Prozentsatz    in    Waldschulen    unterzu- 
bringen,   —    nach    überschläglicher    Schätzung     erachten    die    Aerzte    etwa 
4  V.   H.  aller  Schüler  für  waldschulbedürftig  —  und  sollte  durch  ein  fest- 
stehendes  Schulsanatorium   ihnen   Sommer-  und  Winterkur  und    auch    der 
Nachtaufenthalt  ermöglicht  sein,  so  werden  die  Resultate  naturgemäß  noch 

günstiger  werden. 

(Voss.  Zeitung.) 


CentralTerband  zur  BekSmpftiDg  des  Alkoholiitiiiiig  (Berlin). 

WisseDSchaUliche  Kurse  zum  Studium  des  Alkoholismat. 
Abgehalten  in  Berlüi  vom  17. — 21.  Aprü  1906  im  Baracken- Auditorium 
der   Universität   (Eingang   Kastanienwäldchen). 

Die  Alkoholfrage  steht  im  Vordergrimd  des  öffentlichen  Interesses. 
Kein  Einsichtiger  leugnet  mehr,  daß  schwere  Mißstande,  welche  in  den 
Statistiken  der  Irrenhäuser  und  Gefängnisse,  der  Armen-  und  Polisei> 
Verwaltungen,  der  Anstalten  für  Nervenkranke  und  körperlich  und  geistig 


Mitteilungen,  469 

Gebrochene,  der  Kranken-  und  Unfallkassen  und  in  anderen  Untersuchungen 
und   Feststellungen  zum  Ausdruck  kommen,   mit   dem  Alkoholismus   in  ur- 
sächlichem   Zusammenhang   stehen   und    nur   gleichzeitig   mit   ihm   wirksam 
bekämpft   werden   können.    Diese   Mißstände   greifen  so   tief  hinein   in  das 
Erwerbs-  und  Erholungsleben,  in  die  Verhältnisse  der  Gemeinden  und  des 
Staats,   in   die  soziale   und   nationale   Entwicklung  unseres   Volkes,   daß   sie 
nicht  nur  den  einzelnen  Alkoholiker  und  dessen  Angehörige  angehen,  son- 
dern   jeden,    welcher    sich    seiner    sozialen    Verantwortlichkeit    für    das    Ge- 
samtwohl bewußt  ist,  zur  Mithilfe  bei  ihrer  Beseitigung  herausfordern.    Diese 
Erkenntnis  bricht  sich  in  der  Gegenwart  inmier  mehr  Bahn;  dagegen  sind 
die    Kenntnisse   des   Tatsachenmaterials   aus   dem   Gebiet   des   Alkoholismus 
und  die  Ansichten  über  die  geeigneten  Mittel  und  Wege  der  Bekämpfung 
des  Alkoholismus  in  weiten  Kreisen  noch  wenig  geklärt.    Gerade  diejenigen, 
welche,  sei  es  innerhalb  oder  außerhalb  ihres  Berufs,  sei  es  durch  Mitarbeit 
in  Vereinen,  an  der  Lösung  dieser  sozialen  Aufgabe  mithelfen  wollen,  emp- 
finden   das    Bedürfnis,    von    erfahrenen    und    sachkundigen    Vertretern     der 
Wissenschaft   Bereicherung  für  das  Wissen  und  Anregung  für  den  Willen 
imd  das  praktische  Leben  zu  empfangen.    Diesem  Zwecke  werden  auch  in 
diesem   Jahre   die   wissenschaftlichen   Vorlesungen   zum   Studium   des   Alko- 
holismus   dienen,    welche    sich    bereits    vortrefflich    bewährt    haben    und    in 
diesem  Jahre  zum  dritten  Male  veranstaltet  werden.     Mit  der  Ueberreichung 
des    Programms   verbinden   wir   die    Bitte,   an   den   Vorlesungen   teilnehmen, 
für    Bekanntmachung    derselben    Sorge    tragen    und    zum    Besuch    einladen 
zu  wollen.    Die  Teilnahme  ist  unentgeltlich.    Programme  sind  gegen  Porto- 
vergütung   von    Herrn     A.    Kochanowski,    Berlin    O    112,    Samahter- 
strasse  35,  zu  beziehen. 

Der  Vorstand  des  Centralverbandes  zur  Bekämpfung  des  Alkoholis- 
mus :  Dr.  von  Strauß  und  Torney,  Senatspräsident  des  Oberver- 
waltungsgerichts, I .  Vorsitzender  —  Frau  Liska  Gerken-Leitgebel, 
2.  Vorsitzende  —  Alfred  Kubatz,  stud.  phil.,  i.  Schriftführer  —  Dr.  med. 
Waldschmidt,  Stadtrat,  2.  Schriftführer  —  Pfarrer  W a ß m a n n , 
Säckelmeister  —  Dr.  med.  Agnes  Hacker,  Beisitzerin  —  Stadtrat 
S  a  m  t  e  r ,    Beisitzer. 

Programm  der  Vorlesungen:  Dienstag,  den  1 7.  April, 
91/2  Uhr :  Eröffnungssprache  (Geh.  Medizinalrat  Prof.  Dr.  R  u  b  n  e  r , 
Berlin),  10 — 11  Uhr:  Alkohol  als  Nahrungsmittel  (Geh.  Medizinalrat  Prof. 
Dr.  Rubner,  Berlin),  11 — 12  Uhr:  Alkohol  und  Jugend  [hygienisch]  (Prof. 
Dr.  med.  Hartmann,  Berlin),  abends  8 — 10  Uhr:  Alkohol  und  Seelen- 
leben (Hof rat  Prof.  Dr.  med.   K  r  a  e  p  e  1  i  n ,  München).  —  Mittwoch,   den 

18.  April,  10 — 12  Uhr:  Alkohol  und  Jugend  [pädagogisch]  (Direktor  Dr. 
phil.  Bergemann,  Striegau),  abends  8 — 10  Uhr:  Alkohol  und  Arbeiter- 
versicherung (Regierungsrat  Dr.  W  e  y  m  a  n  n ,  Berlin).  —  Donnerstag,  den 

19.  April,  10 — II  Uhr:  Geschichte  der  älteren  deutschen  Mäßigkeits-  imd 
Enthaltsamkeitsbewegung  (Pastor  Dr.  Stubbe,  Kiel),  11 — 12  Uhr:  Ein- 
richtungen und  Veranstaltungen  im  Kampfe  gegen  den  Alkoholismus  (Dr. 
med.  L  aquer,  Wiesbaden),  abends  8 — 10  Uhr:  Die  Wirkungen  des 
Alkohols  auf  die  inneren  Organe  (Dr.  med.  Liebe,  Waldhof-Elgers- 
hausen).    —   Freitag,   den   20.    April,    10 — 11    Uhr:    Geschichte   der   älteren 


470  Mitteilungen. 

deutschen  Mäßigkeits-  und  Enthaltsamkeitsbewegung  (Pastor  Dr.  Stubbe, 
Kiel),  II— 12  Uhr:  Alkohol  und  Rassenhygiene  (Dr.  med.  Ploetz,  ScWad- 
tensee-Berlin),  abends  8—10  Uhr:  Alkohol  und  Strafgesetz  (Oberarzt  Dt. 
Juliusburger,  Steglitz-Berlin).  —  Sonnabend  den  21.  April,  10—12 
Uhr:  Belastung  des  kommunalen  Etats  durch  den  Alkoholismus  (Stadtrat 
Kappelmann,  Erfurt).  Schlußansprache:  Dr.  von  Strauß  und 
Torney,    Berlin,    Senatspräsident    das    Oberverwaltungsgerichts. 

Geheimer   Medizinalrat   Professor   Dr.    Rubner,    Berlin,    Leiter  der 

wissenschaftlichen  Kurse. 

Der  Arbeitsausschuß  zur  Vorbereitung  der  Kurse :  J.  F 1  a  i  g ,  Deutscher 
Verein  für  ländliche  Wohlfahrts-  und  Heimatpflege  —  Liska  Gerken- 
L  e  i  t  g  e  b  e  1 ,  Auskunftsstelle  der  Deutschen  Gesellschaft  für  ethische  Kultur 

—  J.  Gonser,  Deutscher  Verein  gegen  den  Mißbrauch  geistiger  Getränke 

—  Hedwig  Haist,  Allgemeiner  Deutscher  Lehrerinnenverein  —  Dr. 
Juliusburger,  Bund  für  alkoholfreie  Kultur  —  A.  Kochanowski, 
Charitas verband  —  A.  Kubatz,  stud.  phil.,  Verein  abstinenter  Studenten, 
Berlin  —  Anna  Misch,  Mädchen  -und  Frauengruppe  für  soziale  Hilfe- 
arbeit —  Margarete  Schwan,  Verein  Berliner  Volksschullehrerinn«i 

—  Troschke,  Pastor,  Brand.  Provinzialausschuß  für  Innere  Mission  — 
Dr.  Weymann,  Rcg.-Rat,  Deutscher  Verein  ffir  Volkshygiene  —  Martha 
Worms,  Freiwilliger  Erziehungsbeirat  für  schulentl.  Waisen  —  Dr.  Zim- 
mermann, Bureau  für  Sozialpolitik. 

Die  im  Jahre  1905  abgehaltenen  Vorlesungen  der  wissenschafthchen 
Kurse  zum  Studiiun  des  Alkoholismus  wurden  vom  Centralverband  zur  Bc- 
kämpfimg  des  Alkoholismus  herausgegeben:  „Der  Alkoholismus.  Seine 
Wirkungen  und  seine  Bekämpfung",  Bd.  I  und  II.  (Verlag  B.  G.  Teubncr- 
Leipzig,   Preis  des   Bandes  brosch    i. —   Mk.,   gebd.    1.25    Mk.) 

Führung  durch  sozia  1  h  y  gienische  Einrichtungen. 
Am  Nachmittag  des  Dienstag,  17.  April,  Mittwoch,  18.  April,  Donnerstag, 
19.  April  und  eventl.  Sonnabend,  21.  April  finden  unter  sachkundiger  Führung 
Besichtigungen  sozialhygienischer  Einrichtungen  statt.  Hierfür  sind  ins 
Auge  gefasst: 

Arbeiterinnenheim  am  Kottbuser  Ufer, 

Asyl  für  Obdachlose   in  der  Wiesenstraße, 

Ausstellung    für   Arbeiterwohlfahrt    in    der    Fraunhoferstraße 

Berliner   Arbeiterkolonie   in   der   Reinickendorferstraße, 

Gewerkschaftshaus    am    Engelufer, 

Hygiene-Museum  der  Kgl.  Universität  in  der  Hessischen  Straße» 

Kaffee-    und    Spcischalle     (mit    Gesellenheim)     in      der    Schon- 
hauserstraße, 

Meierei  Bolle  in  Alt-Moabit, 

Säuglingsheim    in    der   Kürassierstraße   und   Wöchnerinnenheim 
in  der   Blumenstraße, 

Wohlfahrtseinrichtungen      in      Charlottenburg      (Arbeitergärten, 
Volksbadeanstalt,    Volkslesehalle,    Waldschule), 

Wohnhäuser  des  Vaterländischen  Bauvereins  in  der  Hussitenstr. 


Mitteilungen.  471 

Der  Freitag  Nachmittag  bleibt  frei.  Für  Sonnabend  Nachmittag  wird 
ein  Besuch  der  Heilstätte  Waldfrieden  bei  Fürstenwalde  (Spezialanstalt  für 
Alkoholkranke)  in  Aussicht  genommen. 


Bezüglich  des  nächsten  in  Würzburg  stattfindenden  Kongresses 
fttp  experimentelle  Psychologie  erlauben  wir  uns  noch  folgendes  bekannt 
zu  geben: 

Der  Wohnungs-Ausschuß  besteht  aus  den  Herren  Dr.  Ament  (San- 
derglacisstraße  44)  und  Dr.  Mayer  (Amalienstraße  2).  An  diese  Herren 
bitten  wir  vorläufige  Wünsche  und  Anfragen  bez.  der  Wohnungsverhältnisse 
zu  richten.  Während  der  Dauer  des  Kongresses  wird  im  Hotel  ,,Russischer 
Hof*  (Theaterstraße)  ein  Wohnungsbureau  eingerichtet  sein.  Ein  Empfang 
am   Bahnhof  findet  nicht  statt. 

Mitgliedskarten  zu  10  Mk.  und  Hörerkarten  zu  10  Mk.  (für  in  Würz- 
burg ansässige  Kongreßteilnehmer  um  die  Hälfte  des  Preises,  für  Mitglieder 
der  Gesellschaft  für  experimentelle  Psychologie  unentgeltlich)  sind  im 
Wohnungsbureau  in  Empfang  zu  nehmen. 

Ueber  das  Programm  des  Kongresses  steht  einstweilen  folgendes  fest: 
Dienstag,  den  17.  April  von  7  Uhr  ab  Begrüßungsabend  im  Russischen 
Hof.  —  Mitwoch,  den  18.  Apiil  von  9 — i  Uhr  vorm.  imd  von  4 — 8  Uhr 
nachm.  Sitzungen  (in  der  Vormittagssitzung  die  Sammelreferate  von  Som- 
mer und  Weygandt).  —  Donnerstag,  den  19.  April  von  9 — i  Uhr 
vorm.  und  von  4 — 8  Uhr  nachm.  Sitzungen  (in  der  Vormittagssitzung  die 
Sammelreferate  von  K  r  u  e  g  e  r  und  Schumann).  —  Donnerstag  von 
V2  9  Uhr  ab  Festessen  im  Hotel  zum  Schwan  (trock.  Gedeck  zu  3  Mk.). 
—  Freitag,  den  20.  April  von  9 — i  Uhr  vorm.  und  von  4 — 8  Uhr  nachm. 
Sitzungen  (in  der  Vormittagssitzung  das  Sammelreferat  von  K  ü  I  p  e).  — 
Samstag,  den  21.  April  von  9 — i  Uhr  vorm.  Sitzungen,  —  Samstag  von 
3  Uhr  nachm.  ab  Ausflug  nach  Veitshöchheim.  —  Außerdem  Mittwoch, 
Donnerstag,  Freitag,  Samstag  abends  zwanglose  Zusammenkünfte  im  Rus- 
sischen Hof. 

Mit  der  Abhaltung  von  Sammelrefcraten  sind  von  der  Gesellschaft  für 
experimentelle  Psychologie  betraut  worden:  i.  Krueger:  Beziehungen 
der  Phonetik  zur  Psychologie.  2.  K  ü  1  p  e :  Gegenwärtiger  Stand  der  experi- 
mentellen Aesthctik.  3.  Schumann:  Die  Psychologie  des  Lesens. 
4.  Sommer:  Individualpsychologie  und  Psychiatrie.  5.  Weygandt: 
Die  psychologische   Untersuchung  der  schwachsinnigen  Kinder. 

Ferner  sind  folgende  Vorträge  und  Demonstrationen  bisher  ange- 
meldet worden :  Ach-  Marburg :  Experimentelle  Untersuchungen  über  den 
Willen.  B  ü  h  1  e  r  -  Würzburg :  Experimentelle  Analyse  komplizierter  Denk- 
prozessc.  Dürr-  Würzburg :  Willcnshandlung  und  Assoziation.  Heller- 
Wien:  Ueber  pathologische  Gedächtnisleistungen.  H  u  ghe  s- Soden:  Zur 
Lehre  von  den  einzelnen  Affekten.  L  i  p  m  a  n  n  -  Berlin :  Ueber  die  Wir- 
kung von  Suggestivfragen.  M  a  r  b  e  -  Frankfurt  a.  M. :  Demonstration 
einer  Versuchseinrichtung  für  kurzdauernde  optische  Reize.  Messer- 
G  i  e  s  s  e  n :      Experimentelle      psychologische     Untersuchungen     über    das 


472  Mitteilungen. 

Denken.  Peters-  Wien :  Die  Messung  des  Aufmerksamkeitsgrades. 
Pfeiffer-  Würzburg :  Eine  Methode  zur  Feststellung  qualitativer  Arbeits- 
typen in  der  Schule.  Schnitze-  Würzburg :  Ueber  Wirkungsakzente. 
Specht-  Tübingen :  Die  Divergenz  von  Unterschiedsschwelle  imd  Reix- 
scbwf  Ue  unter  Alkohol.  Stumpf-  Berlin :  Ueber  psychologische  Beob- 
achtung. Veraguth-  Leipzig :  Ueber  den  galvanischen  psychophysischen 
Reflex.  W  i  r  t  h  -  Leipzig :  a)  Ueber  die  Aufmcrksamkeits  -  Verteilung, 
b)  Ueber  das  Ansteigen  der  Sinneserregung.  W  i  t  a  s  e  k  -  Graz :  Metho- 
disches zur  Gedächtnismessung. 

Ein  Projektionsapparat  (ohne  epldiaskopischc  Vorrichtung)  steht  den 
Vortragenden  zur  Verfügung  (Bildgröße  8  oder  8,5  zu  10  cm).  Auch  sonst 
können  für  Demonstrationen  bei  rechtzeitiger  Anmeldung  Hilfsmittel  ge- 
währt werden.  Einige  Mechaniker  beabsichtigen  Apparate  im  Würzburger 
psychologischen  Institut  auszustellen.  Das  endgültige  Programm  mit  ge- 
nauer Verteilung  der  Vorträge  und  Demonstrationen  wird  den  Kongreß- 
teilnehmern bei  der  Ankunft  in  Würzburg  im  Wohnungsbureau  ausge- 
händigt werden.  Möglichst  baldige  Anmeldung  auch  derjenigen  Teilnehmer, 
die  keine  Vorträge  und  Demonstrationen  ankündigen  wollen,  erbitten  wir 
bei  Herrn  Professor  Dr.  K  ü  1  p  e  erfolgen  zu  lassen.  Die  noch  fälligen 
Beiträge  der  Mitglieder  der  Gesellschaft  für  exp.  Psych,  bitten  wir  an 
Herrn  Dr.  A  m  e  n  t  zu  senden. 

Das  Lokalkomitee :  Ament,  Dürr,  von  Frey,  Heß,  Kreiß. 
Kül[)e,   Mayer,   Roetteken,  Weygandt. 


fiongres»  fQr  Kinderforschung  und  JagendfUrsorge. 

Unser  Jahrhundert  hat  als  Erbteil  aus  den  letzten  Jahrzehnten  des  vorigen  Jahr- 
hunderts das  erneute  und  vielseitig  gepflegte  Interesse  für  das  Kind  und  seine  Ent- 
wicklung in  gesunden  und  kranken  Tagen  übernommen.  Wie  in  anderen 
Kulturländern,  so  sind  auch  bei  uns  im  deutschen  Sprachgebiete  vielver- 
zweigte Bestrebungen  auf  zuverlässige  wissenschaftliche  Erforschung  der 
Natur  des  Kindes  nach  der  leiblichen  wie  seelischen  Seite  gerichtet,  sowohl 
in  seiner  Einzelentwicklung  als  im  Zusammenhange  mit  den  Problemen  der 
sog.  Völkerpsychologie.  Allen  diesen  Bestrebungen  fehlt  indessen  bis  jetzt 
eine  gemeinsame  Zentralstätte  und  den  Vertretern  dieser  Forschung  eine 
Gelegenheit  zu  Unmittelbarem  geistigen  Austausch. 

In  gleichem  Maße  ist  aber  auch  das  Interesse  gewachsen  für  die 
großen  praktischen  Fragen  der  Erziehung  des  Kindes  wie  der  gesamten 
Jugendfürsorge,  so  daß  sich  die  Pädagogik,  die  im  1-aufe  des  19.  Jahr- 
hunderts je  länger  desto  mehr  zu  einer  bloßen  Schulpädagogik  oder  gar 
nur  Schuldidaktik  sich  zu  verengen  drohte,  wieder  zu  einer  Erziehungs- 
wissenschaft im  großen  Stil  zu  erheben  strebt.  Ihr  dienen  denn  auch  eine 
Reihe  aufblühender  praktischer  Organisationen  für  Jugendfürsorge  in  mannig- 
fachem Sinne.  Doch  auch  hier  fehlt  die  Möglichkeit  gegenseitiger  Be- 
rührung, Kenntnisnahme  und  Verbindung.  Und  weiter  fehlt  noch  ganz  und 
gar  die  Brücke  zwischen  jenen  forschenden  und  diesen  fürsorgenden    voIks- 


X 


474  Mitteüungtn. 

Der  vorbereitende  Ausschuß  und  Vorstand :  Dr.  W.   M  ü  n  c  h ,  Geh. 
Regierungsrat  u.    Prof.   a.   d.    Universität,   BerUn  W.   30,   Luit- 
poldstrasse  22,  Vorsitzender.  —  J.   Trüper,  Direktor  d.  Er- 
ziehungsheims auf  Sophienhöhe  bei  Jena,  steUvertretender  Vor- 
sitzender.  —  Dr.   W.   A  m  e  n  t ,   Privatgelehrter   in  Würzburg, 
Sanderglacisstraße   44,    Schriftführer. 
Dr.    A.    Baginsky,    Professor    der    Kinderheilkunde    und    Direktor    des 
Kaiserin  Friedrich-Krankenhauses  in  Berlin.    Pastor  Dr.  H  e  n  n  i  g ,  Direktor 
des  Rauhen  Hauses  in  Hom  bei  Hamburg.    Geh.  Med.-Rat  Dr.  Heubner, 
Prof.    der    Kinderheilkunde   imd    Direktor    der    Universitäts-Kinderklinik    in 
Berlin.    Dr.   Chr.   Klumker,  Dir.   d.   Zentr.  f.  priv.   Fürsorge  in   Frank- 
furt a.   M.    Amtsgerichtsrat  Dr.   K  ö  h  n  e ,  Vormundschaftsrichter  in  Berlin. 
Dr.   E.   Meumann,  Prof.   d.   Pädagogik  u.   Psychologie  a.  d.    Universität 
in    Königsberg.     Dr.    Petersen,    Direktor    des    städt.    Waisenhauses    in 
Hamburg.    H.   Piper,  Erziehungsinspektor  der  Idiotenanstalt  in  Dalldorf. 
Dr.   W.   Rein,  Prof.   der  Pädagogik   u.   Direktor  des  pädagogischen  Uni- 
versitätsseminars    in    Jena.     R  ö  h  1 ,    Volksschullehrer    und   Vorsitzender  des 
Ausschusses    des    deutschen    Lehrervereins    in    Berlin.     Dr.    S  i  c  k  i  n  g  e  r , 
Stadtschulrat  in  Mannheim.   Dr.  Sommer,  Prof.  der  Psychiatrie  in  Gießea 
V  a  1 1  e  r ,  Direktor  der  Taubstummenanstalt  in  Frankfurt  a.  M.    W  i  e  d  o  w , 
Direktor   der    Blindenanstalt   in   Frankfurt   a.    M.     Geh.    Med.-Rat    Dr.   Th. 
Ziehen,    Prof.    der   Psychiatrie    und    Direktor    der   psychiatrischen   Klinik 
der  Charit^  in  Berlin. 


Die  „Centrale  fflr  private  Fürsorge*'  in  Frankfurt  a.  M.  veran- 
staltet in  diesem  Jahre  wieder  einen  Ausbildungskursus  in  der 
Fürsorgearbeit.  Zweck  dieser  Kurse  ist,  einer  sachgemäßen  Schulung 
freiwilliger  wie  besoldeter  Hilfskräfte  in  der  Fürsorgearbeit  zu  dienen. 
Organisation  und  Technik  unserer  modernen  Fürsorgebestrebimgen  bUden 
deshalb  den  Hauptgegenstand  der  Kurse.  Um  eine  umfassende  Behandlung 
des  Stoffes  zu  ermöglichen,  werden  in  alljährlich  wechselnder  Folge  Einzel- 
gebiete  der  Fürsorge  ausgewählt.  Dabei  werden  die  wichtigsten  Anstalten, 
wie  sie  in  Frankfurt  und  dessen  Umgebung  die  sehr  vielseitig  entwickelte 
gemeinnützige  Tätigkeit  bietet,  besucht  imd  von  den  Leitern  eingehend 
erläutert.  Im  Anschluß  daran  werden  einschlägige  Fragen  durch  Vorträge 
von  Fachleuten  behandelt  imd  auch  mehrfach  in  mündlichen  Besprechungen 
erörtert.  In  diesem  Jahre  wird  der  Kursus  über  Kinderfürsorge 
vom.  23.  April  bis  5.  Mai  sich  nüt  folgenden  Fragen  beschäft^en:  1.  Säug- 
lingsfürsorge :  Säuglingssterblichkeit,  Wöchnerinnenfürsorge,  Ammenwesen, 
Milchbeschaffung,  Säuglingsheime  und  SäUigUngsberatungssteUen,  Kost- 
kinderwesen, Pflegestellenvernüttlung,  (ärztliche  und  polizeiliche  Aulsicht. 
2.  Vormundschaftswesen:  Uneheliche  Kinder:  ihre  Rechtsverhältnisse,  Eixuel- 
imd  Berufsvormundschaft,  Gemeindewaisenrat,  Fürsorge  und  Aufsicht  dss 
Vormmidschaftsgerichts ;  BerufsausbUdung  imd  Kriminalität.  Elterliche  Ge- 
malt: Kecht  des  Kindes  auf  Erziehung,  Einschränkung  der  Soi^e  f^  4ie 
Person,  Erziehungsverfahren  nach  dem  B.   G.  B.  roxi  ^ry^ff^g^i'ftifflrbwi^ 


Hermann  Waltlier  Verlagsbuchhandlung  G.  ni.  b.  H. 

Berlin  \V.  30.  Nollendorfplatz  7. 


Jtc 


tter^sciraitfe  fTe^rcritt. 


bcr 

crftcn  3ntcrnationaIcn  fcl^rcrinnen^Derfaminlung 

in  Dcutfd^Ianb. 


80  Seiten  8*\ 


mt  l—. 


iriarie  Cifd^ncmsfa,  Slae  bedeutet  die  verheiratete 
Lehrerin  für  die  8d)ule  ? 

Dr.  jur.  ZRarie  Kafd^fc^  Die  red>tlid>eii  Grundlagen  des 
Zölibats  der  Lehrerinnen. 

2lnfprac^en  au^Iänbifdyer  Celjrerinnen  aus  Heio^l^orf,  23u6apoft, 
^lorcnj,  l\opo?tbao;on,  paris,  itcii»5eclanö,  Illitau,  23riftol 

ufn?. 


Die  ^rjicl^ung  = 
unfcrcr  männlid^cn  ^ 
fd?ulentlaffcncn  3u9cnb. 

Unter  yorücffid^tiaiuig  ^or  nouofton 

PorJ^rtitMungeii  vom  ipirtfdHiftlidxMi, 

nationalen  un^  fittlid^en  5tan^^nlnft 

aus  cTitiricfolt  von 

IVlax  ßemprtcb^ 

paftor,  in  Kos IX» ig. 


Mh-  I.— . 


Die  €ntu?icflung  ber 
finMid^en  Spvad^e. 

Don 

Dr.  R.  H.  Idclberger. 

JAU,  2.-  .  

21 11  5   b  e  in   3  "  ^  ^^  1 1 : 

^^eobadMuiuun  über  bas  Perl^älttiis 
bf5  (Scfübls-  M.  IPillcnslebens  5um  Vov^ 
ftellunaslebcii  beim  Kttibe.  -  Seob* 
ad^tungen  über  bie  €neroite  ber  2(ufmerf^ 
famfcit.  —  Das  probleinber  erpeti  Wort- 
bebeutungeii  beim  Ktnbe.  —  Das  probicm 
ber  irortcrfinbuu^.  —  ^  u  ^  a  n  ci :  Die 
tautentiptcffiing  nnb  bereti  Siigerc  73t' 
bin^ungeii. 


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