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In Gemeinschaft mit
j. H. Aubert, S. Exner, H. v. Helmholtz,
E. Hering, J. v. Kri'es, Th. Lipps, G. E. Müller,
W. Preyer, C. Stumpf
herausgegeben von
Herrn. Ebbingliaiis und Arthur König.
Erster Band.
Hamburg und Leipzig,
Verlag von Leopold Vobb.
1890.
HARVARD LWIVMWTY
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Draok der VerUgsa&italt und Druckerei Actien-Geielltchaft
(Tomuai J. F. Sichter} in Hunburg.
Inhaltsverzeichnis.
S«tt«
Zur Einführung 1
Abhandlangen.
H. Y. Helmholtz. Die Störung der Wahrnehinuiig kleinster Hellig-
keitsunterschiede durch das Eigenlicht der Netzhaut 5
E. Hbbikg. Beitrag zur Lehre vom Simultankontrast 18
G. Th. Fechner. Über negative Empfindungswerte. Briefe an
W. Peeyer; herausgegeben von W. Preteb (Dezbr. 1873 —
Febr. 1874) 29
S. EzNEB. Das Verschwinden der Nachbilder bei Augenbewegungen 47
H. AuBBRT. Die innerliche Sprache und ihr Verhalten zu den Sinnes-
wahmehmungen und Bewegungen 52
Th. Lifps. Über eine falsche Nachbildlokalisation 60
F. ScHtJHAKN. Über das Gedächtnis für Komplexe regelmäfsig auf-
einander folgender, gleicher Schalleindrücke 75
K. L. ScHAEFER. Über die Wahrnehmung und Lokalisation von
Schwebungen und Differenztönen ^ 81
H. MüNSTEBBEBO. Die Association successiver Vorstellungen 99
G. Th. Fbuhneb. Über negative Empfindungs werte. Briefe an
W. Pbbyeb; herausgegeben von W. Prbyer (März 1874 —
Juli 1874) 108
W. Uhthoff. Über die kleinsten wahrnehmbaren Gesichtswinkel in
den verschiedenen Teilen des Spektrums ' 155
A. DöRiKO. Die ästhetischen Gefühle 161
J. V. Kries. Über das Erkennen der Schallrichtung 235
Th. Lipps. Zur Psychologie der Kausalität 252
K. L. Sohaefer. Zur interaurealen Lokalisation diotischer Wahr-
nehmungen 300
R. Wähle. Zur Psychologie der Frage 310
H. Ebbihghaüs. Über negative Empfindungswerte. L u. II 320
C. Stumpf. Über Vergleichungen von Tondistanzen 419
H. Ebbinghaus. Über negative Empfindungs werte. III, IV u. Nachtrag 463
W. V. Bezold. TJrteilstäuschungen nach Beseitigung einseitiger Hart-
hörigkeit 486
J. V. Kbies. Nachtrag zu der Abhandlung ^^Über das Erkennen der
Schallrichtung" 488
IV IfihaU8ver9ekhm$.
Litteraturbericht und Besprechimgen.
I. AUgemeines.
Seite
W. pRETEK. Die Seele des Kindes. Beobachtungen über die geistige
Entwickelung des Menseben in den ersten Lebensjahren 208
J. LuBBocK. Die Sinne und das geistige Leben der Tiere, insbesondere
der Lisekten 506
F. Marbach. Die Psychologie d. Firm. Lactantius 234
A. BiACH. Aristoteles' Lehre von der sinnlichen Erkenntnis und
ihre Abhängigkeit von Plato 233
M. Verworn. Psycho-physiologische Protistenstudien 123
II. Anatomie der nervösen Oentralorgane.
H. H. DoNALDSON. Anatomical Observations on the Brain and Sense-
organs of the blind deaf-mute, Laura Bridom an 503
L. Edikger. Bericht über die Leistungen auf dem G-ebiete der Ana-
tomie des Centralnervensystems im Jahre 1889 496
G. Jeloerma. Das Gehirn ohne Balken. Ein Beitrag zur Windungs-
theorie 122
P. K.R0NTHAL. Histologisches von den grofsen Zellen in den Vorder-
hörnern 216
J. Gaule. Zahl und Verteilung der markhaltigen Fasern im Frosch-
rückenmark 213
H. Schiller. Sur le nombre et le calibre des fibres nerveuses du
nerf oculomoteur commun chez le chat nouveau-n^ et chez le
chat adulte 123
A. Delbrück. Zur Lehre von der Kreuzung der Nervenfasern im
chiasma nervorum opticorum 216
ni. Physiologie der nerrösen Oentralorgane.
J. Steiner. Die Funktionen des Centralnervensystems der wirbel-
losen Tiere 121
Rabl-Büokhard. Sind die Ganglienzellen amöboid? Eine Hypothese
zur Mechanik psychischer Vorgänge 216
W. Bechterew. Über Erscheinungen, die nach Zerstörung verschie-
dener Teile des Nervensystems bei neugeborenen Tieren be-
obachtet werden, und über die Entwickelung der Gehirn-
funktionen bei denselben 217
J. Gaule. Physiologische Demonstration 217
A. V. KoRANYi. Über die Folgen der Durchschneidung des Hirn-
balkens 122
H. Matjdslet. The cerebral cortex and its work 507
Inhaliavereeiehnü, V
IV. Siimesempflndiuigen, Allgemeines.
Seite
W. Jerusalem. Laura Bridgman. Erziehung einer Taubstumm-Blinden.
Eine psychologische Studie 605
M. Radakoyi&. Über Fechners Ableitungen der psychophysischen
Mafsformel 128
G, Itelson. Zur Geschichte des psychophysischen Problems 127
H. MüNSTERBERO. Beiträge zur ezpenmentellen Psychologie. (Neue
Grundlegung der Psychophysik.) 199
V. PhyBiologiflche und psychologisclie Optik.
£. WiEDEMANN. Zur Geschichte der Lehre vom Sehen 609
S. P. Lanoley and F. W. Very. On the cheapest form of Light . . 510
O. Schwarz. Über die Wirkung des konstanten Stromes auf das
normale Auge 218
W. Uhthopp. Weitere Untersuchungen über die Abhängigkeit der
Sehschärfe von der Intensität, sowie von der Wellenlänge im
Spektrum 134
A. Schuster. Experiments with Lord Eayleigh's colour-box 510
L. Clark. Testing for Colour-Blindness 219
£. HcRiiro. Eine Methode zur Beobachtung des Simultan kontrast es 219
Prosift. Bemarques sur la Sensation du relief d^aprös une interessante
illusion d'optique 136
O. Satz. Die Augenheilkunde des Galenus 609
Förster. Über Bindenblindheit 507
J. Hirscbberg. Diabetische Kurzsichtigkeit 510
J. LoEB. Der Heliotropismus der Tiere und seine Übereinstimmung
mit dem Heliotropismus der Pflanzen 125
J. LoEB und Th. T. Groom. Der Heliotropismus der Nauplien von
Baianus perforatus und die periodischen Tiefenwanderungen
pelagischer Tiere 220
B. DuBois. Sur la perception des radiations lumineuses par la peau
chez les Protzes aveugles des grottes de la Carniole 344
— Sur le möcanisme des fonctions photodermatique et photo-
gdnique dans le siphon du Pholas dactylus 344
VI. Physiologische und psychologische Akustik.
C. Stumpf. Tonpsychologie. Bd. II 345
£. Dreher. Die Physiologie der Tonkunst 222
H. Spencer. The Origin of Music 511
J. B. Ewald. Der Acusticusstamm ist durch Schall erregbar 352
A. Charpektter. Becherches sur Pintensitö comparative des soiis
d'apr^s leur tonalite 352
A. Eichhorn. Die Vokalsirene, eine neue Methode der Nachahmung
von Vokalklängen 189
VI InhaUavereeichm»,
Seite
L. Hkrmank. Über das Verhalten der Vokale am neuen EoisoNsclien
Phonographen 139
H. PipPiNG. Zur Klangfarbe der gesungenen Vokale 353
E. König. Über Klänge mit ungleichförmigen Wellen 137
H. Dennert. Akustisch-physiologische Untersuchungen und Studien,
verwertet für die praktische Ohrenheilkunde 139
R. König. Über Stöfse und Stofstöne zweier in demselben Körper
erregten Schwingungsbewegungen 137
W. Prbter. Über Kombinationstöne 138
0. Lorenz. Untersuchungen über die Auffassung von Tondistanzen 140
J. B. Ewald. Über motorische Störungen nach Verletzungen der
Bogengänge 352
J. Habermann. Über die Schwerhörigkeit der Kesselschmiede 221
Vn. Die übrigen speciflschen SinneBempflndungen.
a) Muskel- und Gelenk-Empfindungen.
A. GoLDscHEiDBR. Über den Muskelsinn und die Theorie der Ataxie 145
— Untersuchungen über den Muskelsinn 145
BuHPF. Sensibilitätsstörung und Ataxie 149
P. Lanolois et Ch. Btchet. De la sensibilite musculaire de la
respiration 223
A. GoLDSCHEiDER. Über die Empfindlichkeit der Gelenkenden 356
— Ein Bewegungsmesser 223
b) Geruch.
B. Katser. Über den Weg der Atmungsluft durch die Nase 222
pROüHO. Du sens de l'odorat chez les ötoiles de mer 356
c) Geschmack.
Hj. Öbrwall. Untersuchungen über den Geschmackssinn 141
vm. Baum- und Zeitwahrnehmung.
M. Falk. Versuche über die Baumschätzung mit Hilfe von Arm-
bewegungen 357
H. MüNSTERBERO. Beiträge zur experimentellen Psychologie (Zeitsinn,
Schwankungen der Aufmerksamkeit, Augenmafs, Baumsinn
des Ohres) 129
IX. Bewufstsein und UnbewnTstes, Aufinerksamkeit.
J. WoLFF. Das Bewufstsein und sein Objekt 151
A. BiNET. La concurrence des 6tats psychologiques 150
A. PiLZECKSR. Die Lehre von der sinnlichen Aufmerksamkeit 223
H. MüNSTERBERO. Siehe Vm.
InhdU$v§rMeichmt. VII
X. Obung und Association.
Salt«
H. HöFFDiKG. Über Wiedererkennen, Association und psychische
Aktivität 358. 511
J. Paneth. Versuche über den zeitlichen Verlauf des Gedächtnis-
büdes -224
XI. Vorstellnngen und Vorstellongskomplexe.
G. Ballet. Die innerliche Sprache und die verschiedenen Formen
der Aphasie 150
Xn. Gefühle.
A. Mosso. Die Furcht 152
Xm. Bewegungen und Handlungen.
A. BiKET. Becherches sur les mouvements chez quelques jeunes
enfants 359
A. Maogiosa. Über die Gesetze der Ermüdung. Untersuchungen
an Muskeln des Menschen 187
W. T. LoMBABD. The effect of fatigue on voluntary muscular
contractions 187
A. Mosso. Über die Gesetze der Ermüdung. Untersuchungen an
Muskeln des Menschen 187
O. Flügel. Zur Lehre vom Willen 360
E. Mendel. Über reflektorische PupUlenstarre 224
O. Damsch. Über Pupillenunruhe (Hippus) bei Erkrankungen des
Centralnervensystems 225
XI7. Neuro- und Psycliopatliologie.
a) Hypnotismus.
E. Mbkdbl. Der Hypnotismus 154
MoRATCziK. Das hysterische Gesichtsfeld im wachen und hypnotischen
Zustande 220
b) Geisteskrankheiten.
Th. Güktz. Die Geisteskrankheiten. Geschildert für gebildete Laien 225
F. Scholz. Handbuch der Irrenheilkunde 226
Te. Kibchhoff. Grundrifs einer Geschichte der deutschen Irrenpflege 230
Th. Methbbt. Amentia, die Verwirrtheit 227
A. Spbengbb. Mohammed und der Koran. Eine psychologische Studie 232
P. J. Möbiüs. J. J. Boüsbeaus Krankheitsgeschichte 231
YIII Inhaltsverzeichnis.
Eongrefsberlehte.
Selto
Congrfes international de Psychologie physiologique • 208
Zehnter internationaler medizinischer Kongrefs zu Berlin:
I. Sektion für Augenheilkunde 335
II. „ „ Ohrenheilkunde 340
m. „ „ Physiologie 489
IV. „ „ Neurologie und Psychiatrie 491
Bibliographie.
Die psycho-physiologische Litteratur des Jahres 1889 363
Berichtigung 512
Sachregister ^ 513
Namenregister 517
Zur Einführung.
Die Psychologie und die Physiologie des Nervensystems, insbe-
sondere der Sinnesorgane, haben in den letzten Jahrzehnten
erheblichere Bereicherungen und Umgestaltungen erfahren als
vielleicht je zuvor. Beide sind aufserdem aus fast rein theo-
retischen Wissenschaften, die nur den engen Kreis der Fach-
genossen beschäftigten, von Bedeutung auch für eine grofse
Anzahl von Wissensgebieten geworden, welche in das praktische
Leben eingreifen, und daher ist die Anzahl derer, welche sich
föi ihre Weiterentwicklung und ihre Leistungen interessieren,
ja berufsmäisig interessieren müssen, in stetem Wachsen be-
griffen.
Für die Psychologie sind die raschen Fortschritte der bio-
logischen Wissenschaften von gröfstem Einflufs geworden. Zu-
nächst beschäftigt mit der Erforschung der Lebensvorgänge,
haben Physiologen und Zoologen auch die seelischen Erschei-
nungen, auf welche sie allenthalben stiefsen, in den Kreis ihrer
Forschung gezogen und die Erkenntnis derselben in schnellem
Anlauf erheblich gefördert. Hieraus ist der Psychologie reicher
und täglich sich mehrender Gewinn im einzelnen erwachsen;
vor allem aber ist dadurch in der ganzen Art ihrer Behandlung
ein auf ihrem eigenen Boden bereits vorbereiteter Umschwung
beschleunigt worden. Die früher weitaus überwiegende, ledig-
lich auf logischen Distinktionen beruhende und äüfserlich-
ZelUchrlft fOi Psychologie. 1
2 Zur Einführung.
sohematische Gruppierung und Ableitung der Erscheinungen
ist der Untersuchung kausaler Verknüpfungen und der Betrach-
tung wirklicher Entwickelung gewichen. Die ersten gelungenen
Versuche sind gemacht, die psychischen Phänomene und die
Bedingungen ihres Auftretens durch Zählimg und Messung
genau festzustellen imd experimentell zu variieren. Mit einem
Worte, die Erforschung der geistigen Vorgänge hat begonnen,
sich zu einer so weit als möglich exakten Wissenschaft zu ge-
stalten.
Die Physiologie der Sinnesorgane und des Nervensystems im
allgemeinen verdankt ihren Ausbau wesentlich der Vervollkomm-
nung der Forschungsmethoden und der instrumenteUen Hülfs-
mittel. Manche Beobachtimgen und Messungen, an die noch
in der Mitte dieses Jahrhunderts die geübtesten Forscher kaum
zu denken wagten, gehören jetzt zu der täglichen Praxis der
Laboratorien oder können sogar in der Krankenstube ausgeführt
werden. Der umfang des zugänglichen Beobachtimgsmaterials
ist hierdurch fast ins Unbegrenzte gewachsen und dem Fort-
schritt der Theorien eine breitere und zuverlässigere Grundlage
geschaffen worden. Dabei aber sind zunehmend auch die engen
Beziehungen dieser Disciplinen zur Psychologie ins Licht ge-
treten. Die Nervenphysiologie verhält sich zu ihr nicht nur
gebend, sondern auch empfangend ; sie ist, indem sie sie einer-
seits vielfach zu fördern vermag, andererseits wesentUch auf
sie angewiesen. Jene Beschäftigung mit den geistigen Vor-
gängen, zu welcher der Physiologe von so vielen Punkten aus
geführt wird, beruht nicht auf gelegentlichen Übergriffen,
sondern auf einer inneren Notwendigkeit, auf dem Gebrauch
«ines unentbehrlichen Hülfsmittels seiner eigenen Forschung.
Die beiden Gebiete sind sonach von beiden Seiten aus
gleichsam zu einem Ganzen zusammengewachsen; sie fördern
und fordern sich gegenseitig und bilden zwei gleichberechtigte
Glieder einer grofsen Doppelwissenschaft. Unbeschadet aller
der Beziehungen, die sie sonst noch haben, können sie demnach
Zur Einfahrung. 3
erfolgreich auch nur loit steter ßücksicht auf diesen Zusam-
menhang betrieben werden.
Bisher hat den zahkeichen Arbeitern auf diesem Doppel-
gebiet kein eigenes Organ zur Verfügung gestanden; sie pflegen
daher ihre Itesultate je nach ihren sonstigen Beziehungen in
physiologischen, philosophischen, physikalischen, medizinischen
und anderen Zeitschriften niederzulegen. Dadurch wird einmal
mehr als zuträglich das Bewufstsein zurückgehalten, dafs jede
Beschäftigung mit diesen Dingen in ein einheitliches imd durch-
weg zusammenhängendes Ganzes eingreift und dafs sie, um
dieses fördern zu können, wiederum von einer Kenntnis des
Ganzen getragen werden mufs. Aufserdem aber wird durch
jene Zersplitterung ein Überbliok über die Gesamtheit der ein-
schlägigen Arbeiten und dadurch das weitere Fortschreiten
aufserordentUch erschwert.
Die Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgatie
will versuchen, diese Lücke auszufüllen. Sie toidmet sich au^-
sckliefslich der Psychologie und der dazu gehörigen Physiologie des
Nervensystems, soweit letztere Beziehungen zu den geistigen
Vorgängen besitzt, namentlich dem am meisten ausgebauten
Gebiet der Nervenphysiologie, der Physiologie der Sinnesorgane.
Zur näheren Umgrenzung ihres Arbeitsgebietes werden die
Namen der Männer genügen, welche der Redaktion mit grofser
Bereitwilligkeit ihre thätige Mitarbeit und Unterstützung zu-
gesichert haben. Die Aufgaben und Ziele der Zeitschrift liegen
in eben diesen Namen ausgeprägt: sie erstrebt eine Vereini-
gung der Personen und Anschauungen zum wissen-
schaftlichen Dienst an einer einheitlichen grofsen
Sache.
Die Verwirklichung ihrer Aufgabe wird die Zeitschrift in
doppelter Weise zu erreichen suchen. Zunächst und haupt-
sächlich wird sie Originalbeiträge bringen, welche innerhalb
des ihr eigentümlichen Gebiets eine thatsächliche Erweiterung
4 Zur Einführung.
unseres Wissens enthalten. Sodann wird sie in möglichster
Vollständigkeit und möglichster Treue Bericht geben von allen
einschlägigen litterarilschen Erscheinungen, sowohl von den
selbständigen Publikationen, wie von den in Zeitschriften und
Sammelwerken enthaltenen Abhandlungen. Es soU hierdurch
denjenigen, die nur auf einem beschränkten Teile des gesamten
Gebietes thätig sein können, sowie denen, die in der Praxis
z. B. des ärztlichen Berufes oder der Lehrthätigkeit stehen,
Gelegenheit gegeben werden, sich über den Fortgang der theo-
retischen Arbeit im Zusammenhang des Ganzen auf dem Lau-
fenden zu erhalten. Im Hinblick hierauf werden für die Um-
grenzung der in den Beferaten zu berücksichtigenden Gebiete
etwas weitere Gesichtspunkte mafsgebend sein, indem auch das
Wichtigere aus den blofs benachbarten Disciplinen Erwähnung
und Besprechung finden wird.
Die Störung der Wahrnehmung kleinster Helligkeits-
unterschiede durch das Eigenlicht der Netzhaut.
Von
H. VON Helmholtz.
Es ist seit lange bekannt, dals Fbghnbb's Gesetz, wonach
die kleinsten nnterscheidbaren Helligkeitsunterschiede der ganzen
Helligkeit proportional sein sollen, allerdings in einer sehr
weiten Ausdehnung für die mittleren Abstufungen der Hellig-
keit gilt, aber die Empfindlichkeit des Auges sowohl für höchste
Lichtintensitäten, wie auch für niedrigste sich geringer erweist,
als sie nach dem genannten Gesetze sein sollte. Wenn sehr
starkes Licht in das Auge fäUt, wissen wir, dafs dabei objectiv
erkennbare und langsam schwindende Veränderungen in der
Netzhaut entstehen, die für einige Zeit die Empfindungsstärke
der getroffenen Netzhautstelle herabsetzen, und dürfen wohl
darin den Grund für die gleichzeitige Herabsetzung der ünter-
schiedsempfindlichkeit für Helligkeiten suchen. Für die niedrig-
sten Helligkeiten hat schon Fechkeb selbst die Yermuthung aus-
gesprochen, dafs die Störung des Gesetzes durch die subjective
Lichtempfindung der Netzhaut, das sogenannte Eigenlicht
derselben bedingt sei, und Yolkmann hat darauf eine Methode
gegründet, durch die er .die Stärke des Eigenlichts messen
woUte. Er hat dabei aber einen auffallend niedrigen Werth
gefunden, nämlich den der Helligkeit einer Fläche von schwarzem
Sammt, die aus 9 Fufs Entfernung durch eine Stearinkerze
beleuchtet ist. Dafs dieser Werth viel zu gering sei, ergab
sich schon aus der Thatsache, dafs auch im dunkelsten Felde
ein langsam eintretender, im Sehnerven abwärts fliefsender
elektrischer Strom immer noch eine recht merkliche, gleich-
6 H. van Helmholtz,
mäfsige Verdunkelung hervorbringt, so wie auch daraus, dafs
die Flecken des Eigenlichts auf schwach beleuchteten Objecten,
die man noch deutlich erkennen kann, und die viel heller sind
als jene schwarze Sanuntfläche, ganz deutlich hervortreten.
Neuerdings haben nun die sehr sorgfältig und zweckmäfsig
durchgeführten Versuche der Hm. A. König und E. Brodhun*
über die Unterschiedsempfindlichkeit für die Helligkeit von
Spectralfarben sowie von dem unzerlegten Licht eines weifs
glühenden Zirkonplättchens gezeigt, dafs auch der Gang der
Curve der Empfindlichkeit deutlich und sicher abweicht von dem,
der aus Fechner's und Volkmann 's Hypothese sich ergiebt, wenn
man unter der Voraussetzung einer gleichmäfsigen Stärke des.
Eigenlichts rechnet. Nun ist aber in Wahrheit das Eigenlicht nicht
gleichmäfsig über den Q-rund der Netzhaut verbreitet, sondern
wir sehen es stets unregelmäfsig fleckig ; die Flecken sind theils
grofs, theils ganz feinkörnig und einem fortdauernden Wechsel
ihrer G-estalt unterworfen. Ja, was man von dieser inneren
Erregung der Netzhaut unter gewöhnlichen Umständen bei
schwacher äufserer Beleuchtung überhaupt wahrnimmt, sind
wohl nur die localen Unterschiede der Helligkeit in den Flecken,
während man nur ausnahmsweise Gelegenheit hat, die mittlere
Helligkeit des Grundes durch Vergleichung mit noch dimkleren
Feldern abzuschätzen. Die einzigen Mittel solcher Art sind
negative Nachbilder, deren Deutung aber bestritten wird, und
die schon erwähnte Anwendung des absteigenden elektrischen
Stroms.
Dafs die Fleckigkeit des Eigenlichts wirklich das Haupt-
hindemifs für die Wahrnehmung sehr schwach beleuchteter,
namentlich kleinerer Objecto bildet, indem dieselben zwischen
den Flecken des Eigenlichts verschwinden und mit solchen
verwechselt werden, ist bei vielen Gelegenheiten zu erkennen,
und ich möchte hier einige Erscheinungen beschreiben, die
mich lange Zeit geneckt haben, bis ich ihre richtige Erklä-
rung fand.
Mein Schlafzimmer ist durch dichte Vorhänge ziemhch
stark verdunkelt, doch nicht so sehr, dafs ich nicht um die
Zeit des Sonnenaufgangs anfangen sollte, die Umrisse der Fenster
* A. Kövia u. E. Brodhü^t: Sitzher. d. Akad. zu Berlin vom 26. Juli
1888 und 27. Juni 1889.
Bit Störung der Wahmehtnung kkinster Helligkeitsunterschiede. 7
hinter den Vorhängen und die gröfseren Gegenstände im Zimmer
zu unterscheiden. In der Nacht dagegen, selbst wenn drauTsen
der Sternhimmel hell ist, oder der Mond an der abgewendeten
Seite des Hauses am Himmel steht, sehe ich durchaus nichts
von den umrissen der Fenster, die hierbei doch diejenige
Fläche bilden, von welcher alles Licht herkommen müTste,
wenn wahrnehmbares Licht im Zimmer wäre. Natürlich sehe
ich auch nichts von den Gegenständen im Zimmer, sondern
nur die «Flecken meines Eigenlichts. Nun habe ich aber seit
einiger Zeit bemerkt, dafs ich, wenn ich die Arme bewegte,
die Bewegung der sie bedeckenden weifsen Hemdärmel sehen
konnte. Da nach photometrischen Gesetzen jede beleuchtete
Fläche weniger hell sein muTs, als der hellste Theil der beleuch-
tenden Fläche, so schien es mir unmögUch, dafs ich die von den
Fenstervorhängen, welche selbst unsichtbar blieben, her be-
leuchteten Hemdärmel mittels von aufsen kommenden Lichts
sollte sehen können, und ich suchte nach anderen Erklärungen.
Ich dachte zuerst an Licht von Beibimgselektricität. Aber
alle Versuche durch absichtliche Reibung der Leinwand mit der
Hand oder allerlei andern Körpern, die ich in der Nähe hatte,
elektrisches Leuchten zu erzeugen, schlugen fehl.
Daneben war an Phosphorescenz zu denken, da die Lein-
wand möglicherweise Spuren von phosphorescirenden Kalk-
salzen enthalten konnte und überhaupt schwache Spuren von
Fluorescenz, die doch nur eine schnell vorübergehende Phosphor-
escenz ist, fast an allen organischen Stoffen vorkommen, wie
ich aus firüheren Versuchen über die Sichtbarkeit des mtra-
violett wufste. Das Aussehen der Erscheinung erinnerte in der
That sehr an Phosphorescenz.
Andrerseits waren auch die älteren Berichte von mehreren
zuverlässigen Beobachtern zu bedenken, welche lebhaft vorge-
stellte Objekte im Gesichtsfelde gesehen zu haben versichern.
Unmöglich wäre es ja nicht, dafs der VorsteUungsprocefs die
inneren Enden unserer Sinnesnerven in Erregung setzte. Eine
sehr unzweckmäfsige und bedenkliche EigenthümUckeit unserer
Himthätigkeit wäre dies allerdings, wie die vielen pathologischen
FäUe zeigen, wo dergleichen vorzukommen scheint.
Ich suchte zwischen beiden Annahmen zu entscheiden
indem ich die Augen schlofs, und wieder meine Arme bewegte.
Wenn die Vorstellung der Bewegung das dazu gehörige Ge-
8 H, von BehnhoUe.
sichtsbild hervorrufen konnte, mnfste dies auch bei geschlossenen
Augen geschehen können, und ich glaubte in der That zu-
weilen die bewegten Arme auch durch die geschlossenen Lider
hindurchzusehen, aber sie erschienen viel undeutlicher, und der
Versuch mifslang sehr oft, während ich sie bei geöffiieten
Lidern unzweifelhaft bemerkte.
Wie ich hier betreffs dieser Frage über Wirkung der Vor-
stellung gleich bemerken will, fand ich schlieislich, dafs unter
absichtlich fester Fixirong der G^chtsUnie die Erscheinung
bei geschlossenen Augen nie eintrat, und mir ist es also höchst
wahrscheinlich geblieben, dals, wenn zufallig um die Zeit ein
heller Fleck des Eigenlichts in der Mitte der Netzhaut lag, ich
bei dem Versuch die Arme zu sehen, mit dem Auge dem vor-
gestellten Orte derselben folgte, und indem mein heller Fleck
mit den Augen wanderte, er mir den Eindruck der bewegten
hellen Objecto machte, von denen ich wufste, dafs sie da
waren und dafs sie in übereiastimmender Weise sich bewegten.
Ich mufs allerdings gestehen, dafs, wenn man gleichzeitig
darauf zu achten hat, dafs die Lider geschlossen und die
Fixationsrichtung festgehalten wird, die Vorstellung des be-
wegten Arms nicht so ungestört und lebhaft ausfallt, als wenn
man sich ihr ganz hingiebt. Das kann einen Zweifel auf die
von mir vorgetragene Erklärung der Erscheinungen bei ge-
schlossenen Augen werfen.
Endlich aber fand ich, dafs ich mit meinen Erklärungs-
versuchen grofse .Umwege gemacht hatte. Denn als ich nun
die Hand in Bichtung der Fenster ausstreckte und dort hin
und her bewegte, erkannte ich die Hand und selbst die Finger
als dunkle Schatten viel deutlicher, als nach der dunklen
Seite des Zimmers gewendet den Arm. Ich überzeugte mich
also, dafs eine grofse schwaches Licht aussendende ruhende
Fläche vollkommen unter dem Eigenlicht der Netzhaut ver-
schwinden kann, während sie doch genug Licht aussendet, um
von ihr beleuchtete bewegte Objecto erkennbar zumachen. Dafs
man die verhältnifsmäfsig schnell eintretenden Wechsel der
Beleuchtimg, welche Körper von bekannter Form und bekannter
Art der Bewegung in dem formlosen Lichtchaos des dunklen
Feldes hervorbringen, leichter als Bild eines Objects interpretirt
als ruhende helle Flächen, erklärt sich ohne Schwierigkeit. In
d er That haben wir es hierbei mit verhältni&mäf sig schnell eintreten-
Die Störung der Wahrnehmung läemster HeUigkeitsunter schiede. 9
den, durch einen bewiifsten Willensactveranlafsten Erscheinungen
zu thtin, die dadurch deutlich von dem verhältnifsmäfsig lang-
sam und ohne bewirfst gewordene Veranlassung eintretenden
Wogen und Wallen des inneren Lichtes unterschieden sind.
Um zu zeigen, dafs in der That die Fleckigkeit des Eigen-
lichts einen ähnlichen Gang der ünterschiedsempfindlichkeit
hervorzubringen geeignet ist, wie er in den Beobachtungen der
Hm. König und Brodhun sich zeigt, habe ich die folgende
Bechnung angestellt, welche bei dem Mangel ausreichender
empirischer Daten nur eben den Gang der Function erläutern soll.
Versuch einer Theorie des Einflusses der fleckigen
Vertheilung des Eigenlichts der Netzhaut auf die
Gröfse der Unterschiedsschwellen.
Es sei a die objective Lichtstärke, welche nöthig wäre,
um dieselbe Stärke der Erregimg in einer Stelle der Netzhaut
hervorzubringen, wie sie im Eigenlicht derselben sich zu er-
kennen giebt. Da das letztere fleckig erscheint, wird a auf
verschiedenen Stellen der Netzhaut verschiedene Werthe haben
müssen. Der Flächenraum derjenigen Stellen dieser Membran,
deren Eigenlicht dem Litervall « bis (« + da) entspricht, sei
^.da, worin y> im allgemeinen eine Function von a sein wird.
Wir wollen zunächst Bezeichnungen einführen für zwei
Integrale. Es sei a der höchste vorkommende Werth von a.
Wir setzen
}
A ist offenbar der Werth des Flächenstücks der Netzhaut, auf
welches sich unsere Bechnung bezieht. Wir setzen ferner
a
^ . ada = Ä . J \ 1 a
}
Die Gröfse J bezeichnet hiemach den mittleren Werth, den
die Litensität a für die ganze Ausdehnung der Fläche Ä hat.
Die Empfindungsstärke dE für den Helligkeitsunterschied
dr bei der objectiven Lichtstärke r betrachten wir als Summe
10 S. f>on Heknholtz.
aller Einzelwirknngen, die den einzelnen Helligkeitsstufen da
entsprechen, nnd setzen nach Feohneb's Gesetz
dE^dr. C"?^ \2
um diese Integration ansznführen, föhren wir statt a eine neue
Variable s ein, indem wir setzen
Hier bezeichnet € offenbar die Abweichung der einzelnen Flecke
vom Mittelwerth J.
Da a von o bis a steigen kann, kann e von ( — J) bis
{J-\- ä) steigen. Indem wir diesen Werth von a in die Function y
einsetzen, stellen wir diese als Function von € dar.
Wir schreiben dem entsprechend die Gleichung 2)
dE=dr C''~ y*^" J2a
--r;^^^ }
Da die Grenzen der Integration immer dieselben bleiben,
wollen wir sie nicht mehr bezeichnen.
Nun ist identisch
+
«»
J-\-r-\-s Ji-r (J+r)* ' (J--|-r)«.(J'-f r+«)
was leicht zn verificiren ist. Wenn wir dies einsetzen in die
Gleichnng 2a, erhalten wir:
Das erste Integral ist dasselbe wie das der Gleichung 1
und hat also den Werth A. Das zweite dagegen
1^ . €> de = l ^ , {a — e7). da = 0
verschwindet.
Der ganze Werth von dE reducirt sich demnach auf fol-
genden Ausdruck:
,^ . (?r , dr C a> ,€^ .de \ ^
Ä.dr dr f y (« — J)' .du
Die Störung der Wahmehmtmg kleinster Hdligkeitsunterschiede. H
Da in dem letzteren Integrale aUe Factoren in Nenner und
Zähler nothwendig positiv sind, so ist der Werth des Integrals
jedenfalls positiv. Dieser zweite Smnmand im Werthe von
dE verschwindet bei grofsen Werthen von r gegen den ersten,
welcher dem FEOHKER'schen Gesetze bei gleichmäfsiger Inten-
sität J des Eigenlichts entspricht. Für kleine objective Licht-
stärken r dagegen vergröfsert das zweite Glied den Werth von
dE in merklicher Weise, d. h. die Wahrnehmung des Unter-
schieds dr wird deutlicher, als sie nach dem FECHNER'schen
Gesetz für die Intensität des EigenUchts J sein sollte, und der
Schwellenwerth dr kann also kleiner gemacht werden, ohne
ununterscheidbar zu werden.
Das in (2 c) noch vorkommende Integral hat dieselbe Form
wie das in (2 a) enthaltene, mit dem einzigen Unterschiede, dafs
die zusammengesetztere Function
y . €* . d« = 9) {a — J)* . da
unter dem Integralzeichen an Stelle von y> , ds getreten ist.
Man kann das neue Intefiral gerade wie das frühere behandeln,
indem man setzt
S ^ ' {cc — e7)^ . da = A2
S ^ ' {cc — jy , a . da = A2 «Tj,
worin J, wiederum dem Mittelwerth der Function a über die
ganze Fläche genommen, aber für eine andre Vertheilung der
Werthe, wie sie durch y (a — J)* gegeben ist, bezeichnet. Da-
bei werden die mittleren Werthe einflufslos, da für sie
a — J= 0.
So erhält man
dE =
A.dr A^dr dr C^, (« — J^a — J^Y. da
J+7 + (j+r)^ . (J, +r) + (/+ rY (J, + r)U ^+7
Auch das neue Integral ist nothwendig positiv. Man kann
so weiter gehen, und es läfst sich auch zeigen, dafs die ent-
stehende unendliche !Beihe convergent sein mufs selbst für
kleine Werthe von r. Dafs sie für gröfsere Werthe von r
schnell convergiren mufs, ist leicht ersichtlich. Da die Beihe
der verschiedenen A und J durch lauter positive Integrale ge-
geben wird, müssen sie auch alle positiv sein.
12 H, van HdmholU.
Bei Hern bisher gewonnenen Material von Thatsaohen wird
es genügen, dafs wir uns auf die ersten zwei GUeder dieser
Beihe beschränken, um zu zeigen, in welchem Sinne die ge*
machten Annahmen das einfache FECHNER'sche Gesetz verändern.
Setzen wir also
SO ergiebt dies
dE ^^ ^ '''■ LA (/-l- r) (J, + r) -f ^J
J'-l-r
Fl 4i ^1
J-\-r A.
\
Im Nenner des zweiten Gliedes, welches an sich schon klein
ist, wird sich das Glied mit r im Nenner für nicht zu kleine
r ebenfalls vernachlässigen lassen. Dann bleibt nur stehen
är . J-\-r A^
dE "^ Ä A{J^+r)
Betrachten wir hierin r und y als rechtwinkelige Coordinaten, so
ist dies die Gleichung einer Hyperbel, deren eine Asymptote der
y Axe parallel von dieser um J^ nach der negativen Seite hin
abstehend verlaufen würde. In Fig. 1 ist diese theoretische
Curve dargestellt. O ist der Anfangspunkt der Coordinaten,
längs der horizontalen Axe OE sind die Werthe der r auf-
getragen, senkrecht dazu die Werthe der y, welche den Unter-
schiedsschwellen proportional sind, hier aber vergröfserten
Maafsstab haben, um die Zeichnung deutlicher zu halten. AB
und CG sind die beiden Asymptoten der Hyperbel, deren über
OB liegendes Stück den den Beobachtungen entsprechenden
Theil der Curve darstellen würde. Indessen stellt die Hyperbel,
wie oben bemerkt, nur eine abgekürzte Art der theoretischen
Formel dar. In der That würde die vollständigere Formel
eine etwas niedere Führung der Curve dicht bei 0 bedingen,
und in der That lassen auch die Beobachtungen eine Ab-
Die Störung der Wahrnehmung kleinster HelUgheitsunter schiede. 13
weichtuig in diesem Sinne erkennen. Doch ist hier in dem Ge-
biete der schwachen Lichtstärken die Genauigkeit der Beob-
achtungen wohl kaum zureichend, um noch ein weiteres Glied
der Formel zu bestimmen. Die Versuche mit spectralem Licht
zeigen auTserdem, dafs hier Abweichungen zwischen den ver-
schiedenen Farben bestehen, und wahrscheinlich wird auch
das Gesetz durch Mischung verschiedener Grundfarben noch
verwickelter.
Die Lage der Asymptote AB indessen scheint nach den
genannten Beobachtern für alle Farben ziemlich dieselbe zu
sein, während die Lage der zweiten Asymptote und der Ab-
C
stand des Scheitels der Hyperbel vom Scheitelpunkt der Asymp-
toten (d. h. Mittelpunkt der Hyperbel) variiren würden, so
weit eben die Hyperbeln überhaupt einen annähernden Aus-
druck für den Gang der Function zu geben vermögen.
Ich gebe hier noch in Fig. 2 die nach den Beobachtungen
von den genannten Beobachtern construirten Curvenformen
für das spectrale Both (Wellenlänge 670 /i*/i*), wobei die Ordi-
naten im zehnfachen Mafsstabe der Abscissen aufgetragen sind.
Die Curve E gilt fär das trichromatische Auge des Herrn
A. König, B für das dichromatische Auge des Hm. £. Brodhun.
Die Punkte und kleinen Kreise entsprechen den wirklich aus-
geführten Beobachtungen. Die Ähnlichkeit mit hyperbolischen
Bögen ist augenfällig, namentlich in der Curve B. Aber man
14
H. von HelmhdUz.
würde geneigt sein die zweite Asymptote der Corve nicht ge-
rade abwärts, sondern schräg geneigt zu ziehen.
Abweichend von der Deutung, welche die genannten Be-
obachter ihren Curven gegeben haben, würde nach den unsrer
Formel zu Grunde gelegten Voraussetzungen die mittlere Stärke
des Eigenlichts der Strecke AO (Fig. 1) entsprechen, welche
nach der Bechnimg gegen 50 der photometrischen Einheiten
betragen würde, nach denen die Beobachter gerechnet haben.
Dafs die Strecke, welche sie als Stärke des Eigenlichts deuten,
Flg, 2.
0.71-
verhältnifsmäfsig zu klein ist, selbst im Vergleich zu den Flecken
des Eigenlichts, ist für meine Augen unzweifelhaft. Es wäre
noch erst zu ermitteln, ob etwa das {Lebensalter hierin grofse
Verschiedenheiten bedingt. Ich selbst kann keinen gröfseren
Einflufs des Lichtstaubs auf meine ^Sehschärfe erkennen, als
ich seit jeher gekannt habe.
Abweichungen für hohe Lichtstärken.
Die Abweichungen von Fechner's Gesetz , die fürj ' hohe
Werthe der Lichtstärke r entstehen, können wir in der Formel
ausdrücken, indem wir dem ersten und gröfsten Gliede der
Die Störung der Wahrnehmung kleinster Helligkeitsunterschiede. 15
Oleichang (2f ) noch einen mit r steigenden Factor im Nenner
hinzusetzen, wie ich dies schon in der ersten Ausgabe meiner
Physiologischen Optik gethan. Setzen wir also:
,_ • A .dr , J.« . Jg . dr «
dE=-;-zr-i — m T +
(J+r)(l + .r) • (/+r)MJ2+r)
Darin soll € eine verhältniTsmärsig kleine Gröfse sein,
welche für alle Farben, gleichen Werth zu haben scheint, so
weit bisher die messenden Beobachtungen reichen. Da die
letzteren nur für die schwächeren Grade der Blendung ausführ-
bar sind, indem bei höheren Graden der Zustand des Auges
zu schnell sich ändert, so läfst sich in der mathematischen
Formuürung höchstens ein Correctionsglied angeben, was die
kleinen Correctionen der Beobachtungen einigermafsen richtig
darstellt.
Ich gebe in der folgenden Tabelle einen Vergleich der Er-
gebnisse dieser Formel mit den auf spectrales Koth bezüglichen
Beobachtungen von Hrn. A. König. ^ Als Einheit der Licht-
stärke ist hierbei diejenige gebraucht, in der eine mit Mag-
nesiumoxyd über einer Magnesiumflamme überzogene Fläche
erscheint, die in einem Abstände von 1 m von einem Zehntel
Quadratcentimeter schmelzenden Piatinas bestrahlt wird ("W. Sie-
mens' Platinlampe), wenn der Beobachter dabei, um den Ein-
flufs des Wechsels der Pupülenweite zu beseitigen, durch ein
Diaphragma von 1 Quadratmillimeter ÖflEhung bUckt. Bei der
Bechnung ist -4=60,8825 der Einheiten der Lichtstärke r ge-
setzt, J=74,3933, J^=2b. A2=2,51i9. A und -=150000. Um
ein Maafs für die relative Präcision der Beobachtungen zu
geben, die bei Bestimmungen der kleinsten wahrnehmbaren
Unterschiede sich nie sehr weit treiben läfst, habe ich in der
vorletzten Columne für die gröfseren Lichtstärken, bei denen
die verschiedenen Farben nach dem Urtheil der beiden Beob-
achter keine regelmäfsigen Differenzen der Unterschiedsschwellen
zeigen, noch die Mittel der Werthe für die sechs durchgemessenen
Spectralfarben hingesetzt. Die unterste Beihe der Tabelle bezieht
sich auf die Beizschwelle. Hier ist eine gröfsere Abweichung
*■ A, König und £. Brodhuk: Sitzungsher, d. Äkad. zu Berlin. 1888.
26. Juli. S. 922.
16
H. von HehnholU.
vorhanden; aber auch die Abweichung der darüber stehenden
Zahl ist vielleicht nicht zufallig, sondern durch die Vernach-
lässigung der kleineren Glieder unserer Reihe bedingt.
Die letzte Columne giebt aus den nach der Formel be-
rechneten Werthen das Maafs der von mir als ^ Klarheit^ defi-
nirten Gröfse.*
Höhere
Lichtstärke
(r + dr)
Unterschiedsschwelle dr
für Both von der
Wellenlänge 670 fi/i
beobachtet berechnet
Mittelwerthe
für die 6
beobachteten
Spectral-
färben
Maafs
der Klarheit
r
dr
200000
7158,2
8500
27,94
100000
2684
2830
37,26
50000
1050
1080
1150
46,30
20000
320
370
371,2
54,05
10000
156
176
169,75
57,14
5000
88
85,4
82,5
58,55
2000
33
33,8
36,5
59,17
1000
16,9
17,6
18,02
56,82
500
10,1
9,30
9,57
53,76
200
4,40
4,36
4,50
45,87
100
2,92
2,64
2,59
37,88
50
1,88
1,69
29,59
20
0,89
0,98
20,41
10
0,655
0,656
15,25
5
0,459
0,457
10,94
2
0,343
0,316
6,329
1
0,258
0,255
3,921
0,5
0,188
0,240
2,083
0,06
0,060
0,217
1,000
In der leti
zten Colum
ne zei£:t si<
3h das Maxii
cnum der K]
heit bei der Lichtstärke 2000, aber von 500 bis 20000 weicht
es höchstens um ein Zehntel von diesem Maximum ab, also
innerhalb eines Gebiets, dessen obere Grenze die untere 40 mal
an Lichtstärke übertriffb.
' H. y. Helmholtz : Handbuch der Physiologischen Optik, U. Aufl. S. 394.
Die Störung der Wahrnehmung kleinster Helligkeitsunterschiede. 17
Bei dieser Lage des Maximum hat das mit Ag multiplicirte
Glied der Formel 3 kaum nocli Einflufs, und man kann die
Lage des Maximum allein aus dem ersten Gliede bestimmen.
Nach der Definition ergiebt sich der Werth der Klarheit K
dr
Ar
{J + r){l i er)
^ l—sJ Ll+er J+r]
Um das Maximum zu bestimmen, müssen wir den Differential-
quotienten von K nach r gleich Null setzen.
dK
0 =
_ A r J € 1
"" 1 — «jL(J-fr)« (l+«r)«J
Dies giebt das Maximum für
r
V?
Dieser Bechnung nach würde das Maximum der oben be-
rechneten Belhebei r=3022 liegen und den Werth 59,50 haben.
Der "Werth der Empfindlichkeit ist hier merklich kleiner als
man bei anderen Vergleichsmethoden erreicht zu haben glaubte,
vielleicht weil die Felder nicht sehr grofs waren.
SSeitBchrift fttr riychologlc
Beitrag zur Lehre vom Simultankontrast.
Von
Ewald Hering,
Professor der Physiologie an der deutschen Universität in Prag.
Schon in meinen ersten Abhandlungen „2ur Lehre vom
lAchtsinn"' habe ich den Zusammenhang dargelegt, welcher
zwischen den Erscheinungen des simultanen und denen des
successiven Kontrastes, bezw. den Nachbildern besteht. Es
ging daraus hervor, dafs auch der Simultankontrast auf Vor-
gangen beruht, welche im wesentlichen in jeder Hälfte des
nervösen Sehorganes (im weitesten Sinne dieses Wortes *) unab-
hängig von der andern Hälfte ablaufen, wie dies für den suc-
cessiven Kontrast schon längst angenommen war. Im folgen-
den will ich eine Thatsache besprechen, welche dies ebenfalls
darthut und zeigt, dafs das eigentlich Bestimmende für die
Erscheinung des Simultankontrastes nicht die HeUigkeit oder
Farbe ist, welche man wirklich wahrnimmt, d. h. welche eben
ins Bewufstsein tritt, sondern lediglich die ^ durch das äufsre
Licht in jeder einzelnen Hälfte des Sehorganes bewirkten phy-
siologischen Vorgänge. Obgleich diese Thatsachen nur weitere
Belege für etwas, wie ich meine, bereits zureichend Bewiesenes
liefern, so scheint mir doch ihre Mitteilung nicht überflüssig.
Schon vor einigen Jahren teilte mir Herr Professor Bren-
tano mit, wie er einen bis dahin beharrlichen Anhänger der
psychologischen Theorie des Simultankontrastes dadurch bekehrt
habe, dafs er in ein Stereoskop einerseits eine kleine graue
Scheibe auf blauem Grunde, anderseits ein buntmarmoriertes
Papier einlegte, welches jedoch kein Blau enthielt. Als dann
^ Zur Lehre vom Lichtsinn. % 3. Anmerkung.
Beitrag gur Lehre vom SimultankonirasL ]9
der Beobachter beim Blick in das Stereoskop in der Mitte des
marmorierten Papieres einen gelben Kreis auftauchen sah,
ohne dafs er doch irgendwo im Gesichtsfelde Blau bemerkt
hatte, erklärte er sich — freilich etwas voreüig — far be-
kehrt. Etwas voreilig deshalb, weil er nicht an die mögliche
Mitwirkung des Successivkontrastes gedacht hatte. Herr Pro-
fessor Brbntano hatte also gar nicht nötig, den Versuch auch
noch mit jenen Kautelen anstellen zu lassen, durch welche er
sich selbst von der Beweiskraft des Versuches überzeugte. Der
anfängliche Gegner war schon ohnedies bekehrt.
Der Vorfall ist auch insofern von Interesse, als er zeigt,
wie es bisweilen weniger darauf ankommt, dem Gegner ganz
einwurfsfreie und deshalb meist umständlichere Versuche vor-
zuführen, als vielmehr solche, welche far denselben etwas
subjektiv Packendes haben. Ich habe dieselbe Erfahrung an
Einem gemacht, der zwar das Wesen der Streitfrage über den
Simultankontrast recht wohl kannte, aber eigne eingehendere
Beobachtungen nicht angestellt hatte. Als ich demselben zu-
nächst die farbigen Schatten durch alle Töne des Farbenzirkels
hindurch derart vorführte, dafs ihm der subjektiv gefärbte
Schatten in ebensoschön gesättigter Farbe erschien, wie der
objektiv gefärbte, ihn aber nicht darauf aufmerksam machte,
welcher von beiden Schatten der subjektiv gefärbte sei,* und
als er nun anfangs gar nicht zu entscheiden vermochte, welche
Farbe nur subjektiv und welche objektiv vorhanden sei, machte
dies einen so nachhaltigen Eindruck auf ihn, dafs er von einer
psychologischen Erklärung der farbigen Schatten überhaupt
nichts mehr wissen wollte und nun diese Erklärung auch dann
noch verwarf, als ich ihm den Versuch mit völligem Ausschlufs
des Successivkontrastes zeigte, obwohl hierbei die Kontrastfarbe
weniger gesättigt erscheint. Der umstand, dafs ihm eine ganze
Seihe „subjektiver^ Farben genau ebenso schön und eindring-
lich erschienen waren, wie die unmittelbar daneben befindlichen
„objektiven", veranlafste ihn, nun für aUe subjektiven Kontrast-
farben, gleichviel, ob sie mit oder ohne Mitwirkung des Suc-
cessivkontrastes entstehen, eine physiologische Erklärung ebenso
wie für die „objektiven** Farben zu fordern.
* Dem Kundigen verrät die schwache Färbung des weifsen Grundes
die „objektive" Farbe.
2*
20 EwM Hering.
Es besteht noch immer eine aus der Auffassungsweise der
Laien in die Wissenschaft mit hinübergenommene Neigung, die
Scheidung der Phänomene des Gesichtsinns in sogenannte ob-
jektive und subjektive, nicht blofs — und zwar berechtigter-
weise — in Bezug auf ihre Ursachen vorzunehmen, sondern
auch unberechtigterweise in betreff des eigentlichen Wesens
dieser Phänomene gelten zu lassen. Daraus entwickelt sich dann
die weitere Neigung, zwar die durch äufseres Licht oder andere
nachweisbar äuTsere Iteize herbeigeführten Phänomene auf phy-
siologische Änderungen im Sehorgane zurückzufuhren, für soge-
nannte subjektive Phänomene aber zu psychologischen Erklä-
rungen zu greifen, sobald eine physiologische Erklärung nicht
nahe liegt. Dies hat um so leichter dazu geführt, der psycho-
logischen Erklärung gewisser Kontrasterscheinungen den Weg
zu bahnen, als man dieselben meist unter minder günstigen
umständen beobachtet hat, daher sie nicht jene Eindringlichkeit
und sinnliche Frische hatten, welche ihnen unter günstigen
Bedingungen zukommt.
Wie sehr für viele die Mannigfaltigkeit der Bedingungen,
von welchen bei den üblichen Methoden ihrer Erzeugung die
meisten subjektiven Phänomene des G-esichtsinns abhängen, den
Iteiz zu eingehender methodischer Untersuchung derselben
abstumpft, lehren uns keineswegs nur die Erscheinungen des
Simultankontrastes, sondern auch die des Successivkontrastes
und der damit zusammenhängenden Phänomene. So ist es z. B.
bekannt, daiä ein schwaches Nachbild bei Bewegungen des offenen
Auges leicht entweder vorübergehend oder auf die Dauer un-
termerklich wird, und dafs selbst stärker entwickelte Nachbilder
während der sprungweisen Bewegung des Blicks von Punkt zu
Punkt zu verschwinden scheinen, um erst wiederzukommen, so
oft der Blick anhält. Obwohl diese Thatsache mit den Be-
wegungen des Auges an sich, sofern dieselben nicht etwa be-
sonders gewaltsame oder excessive sind, gar nichts zu thun
hat, konnte sie doch dazu führen, dafs ein ganzes grofses
Thatsachengebiet, das für die Physiologie des G-esichtsinnes
von grofser Bedeutung ist und wichtige Schlüsse auf die
Vorgänge in der nervösen Substanz des Sehorganes zu ziehen
gestattet, der weiteren Forschung gleichsam verschlossen wurde-
Ich meine das unter gewissen Umständen ganz gesetzmäfsige,
längere Zeit hindurch periodisch wiederkehrende Verschwinden
Beitrag zur Lehre vom Simtdfankonfrasl, 21
und Wiedererscheinen der Nachbilder und den Wechsel soge-
nannter positiver und negativer Phasen derselben. Man be-
gnügte sich einfach damit, kleine unwillkürUche Bewegungen
des Auges oder der Lider, bezw. andre Zufälhgkeiten dafür
verantwortlich zu machen, wenn ein Nachbild vorübergehend
untermerklich wurde. Damit war die Angelegenheit für die
meisten erledigt. Und doch würde eine einzige Beihe syste-
matisch variierter Versuche hingereicht haben, jeden davon zu
überzeugen, dafs das Verschwinden und Wiederauftauchen der
Nachbilder im eignen Wesen derselben begründet und von den
Augenbewegungen als solchen unabhängig ist. Man versuche
doch nur, ein gut entwickeltes Nachbild bei geschlossenem oder
noch besser bei offenem Auge im dunklen Baume durch Augen-
bewegungen oder Lidschläge zum Verschwinden zu bringen,
oder auch nur seine Deutlichkeit zu beeinträchtigen! Freilich
kann es auch unter diesen Umständen vorübergehend verschwin-
den; aber es wird, wenn es zweckmäfsig erzeugt war, trotz
den Bewegungen des Auges wiederkehren, und zwar unter
günstigen Umständen mit grofser Energie, eventuell sogar
positiv werden, nochmals verschwinden und wieder erschei-
nen etc. Wenn man freilich ein Nachbild bei offiiem Auge
beobachtet und durch Bewegungen des Auges nicht nur die
Netzhautstelle des Nachbildes, sondern die ganze Netzhaut
durch fortwährend wechselnde Lichtreize alteriert, während
überdies die Aufmerksamkeit durch die Mannigfaltigkeit des
gleichzeitig Sichtbaren zersplittert wird, so kann es nicht
wunder nehmen, dafs auch die Merklichkeit des Nachbildes
darunter leidet. Wer Nachbilder auf Papier- oder Sammtflächen
etc. beobachtet, darf nicht vergessen, dafs auch solche Flächen
noch zahlreiche unterscheidbare Einzelheiten darbieten xmd dafs
sich im Umkreise dieser Flächen noch viele andre, die Netzhaut
erregende Dinge befinden. In dem Mafse, als man dafür sorgt,
dafs die Fläche, auf welcher das Nachbild erscheint, nichts
Unterscheidbares darbietet und dafs sie möglichst ausgedehnt
ist, wird auch die Wahrnehmung des Nachbildes bei Bewe-
gungen des Blicks immer weniger gestört, und man bemerkt
es während des ganzen Verlaufes der Bewegung, es sei denn,
dafs es aus anderer, in ihm selbst liegender Ursache bereits im
Verschwinden begriffen ist. Am besten freilich erkennt man
die Unschädlichkeit der Bewegungen, wenn man die ganze
22 Skoald Hering.
«
Netzhaut in gleichmäfsig diffuser Weise beleuchtet, oder in
ganz dunklem Baume beobachtet.
Man hat es auffällig gefunden, dafs ein Stückchen schwarzen
Sammtes, das man auf einer schwarzen Papierfläche verschiebt,
während seiner Bewegung immer sichtbar bleibt, ein negatives
Nachbild aber, das man sich von einem Stückchen weiTsen
Papiers auf schwarzem Grund erzeugt hat, auf dem schwarzen
Papiere bei Blickbewegungen verschwindet, auch wenn zwischen
der scheinbaren Helligkeit des schwarzen Papiers und der des
Nachbildes ungefähr derselbe Helligkeitsunterschied besteht,
wie zwischen ersterem und dem schwarzen Sammt. Wie ver-
schieden aber sind in beiden Fällen die Zustände und Vorgänge
im Sehorgan! Wenn wir auf einem minder dunklen Grunde
ein Stück schwarzen Sammtes bewegen, so verschiebt sich das
Bild desselben auf der Netzhaut immer von neuem, und immer
von neuem führen wir es mittels der Augenbewegung gleich-
sam ruckweise auf die Netzhautmitte zurück. Das Netzhaut-
bild wird also auf der Netzhaut mit mehr oder minder
kleinen Exkursionen hin- und hergeschoben. Dals nun ein so
auf der Netzhaut bewegtes, überdies mit scharfen Konturen
sich absetzendes und viele unterscheidbare Eigenheiten (Fasern,
Stäubchen etc.) enthaltendes Bild sich stärker ins BewuTstsein
drängt und die Aufmerksamkeit mehr fesselt, als das absolut
ruhende und überdies meist verwaschen umrissene Nachbild,
erklärt sich schon aus rein physiologischen Gründen sehr leicht.
Wie leicht ein schwaches Nachbild auf ungleichartigen Flächen
untermerklich wird, selbst wenn der Blick feststeht und nicht
die oben beschriebenen Vorgänge während einer Blickbewegung
die Netzhaut alterieren und die Aufmerksamkeit abziehen, habe
ich an einem andern Orte bereits dargelegt. Ich finde es des-
halb auch unzulässig, das „Verschwinden" der Nachbilder
während der Blickbewegungen unter den genannten Umständen
daraus erklären zu wollen, „dafs bei Beurteilung eines Gesichts-
eindruckes nicht blofs die Beleuchtung, sondern auch der (durch
die Erzeugung des Nachbildes veränderte) Erregbarkeitszustand
der betreffenden Netzhautpartie mit in Betracht gezogen wird."
Durch Urteile oder Inbetrachtziehen von Erregbarkeitszuständen
verschwinden keine Nachbilder, gleichviel, ob man das Auge
ruhig hält oder bewegt. Mit demselben Rechte lielse sich auch
das Entstehen eines Nachbildes psychologisch, z. B. folgen-
Beiirag sur Lehre vom Simultankontrast. 23
derma/äen erklären: Hat man einige Zeit ein weifses Feld auf
schwarzem G-mnde fixiert und blickt dann auf eine gleiob-
mäfsig schwarze Fläche, so vergleicht man unbewufst die von
der bezüglichen Netzhaut jetzt empfundene geringe Helligkeit
mit der gröfseren, zuvor von ihr empfundenen und „der Erfolg
dieser Vergleichung ist nun, daJb der Unterschied der ver-
glichenen Farben (oder Helligkeiten) zu grofs erscheint", und
dafs wir daher den bezüglichen Teil der Fläche für dunkler
nehmen als die übrigen, obwohl er in Wirklichkeit ebensohell
empfunden wird. So wäre dieses Nachbild psychologisch
erklärt und zwar, wie ich meine, mit demselben Hechte, mit
welchem man die Thatsache psychologisch zu erklären pflegt,
dafs ein grauer Streifen auf weifsem Grunde dunkler, auf
schwarzem heller erscheint als auf grauem Q-runde. Dies soll
ja ebenfalls auf einer Vergleichung zweier Helligkeiten (des
Streifens und des Grundes) beruhen, bei welcher der wirkliche
Unterschied der Empfindungen überschätzt werde. Auch der
im folgenden beschriebene doppelseitige Kontrastversuch würde
sich psychologisch erklären lassen, wenn man annehmen wollte,
dafs dabei für jede Hälfte des Sehorganes ein besonderes falsches
Urteil gefallt wird.
Wenn sich auf einem gröfseren, weifslich- violetten Grunde
ein kleines graues Feld von passender Helligkeit befindet,
so eispheint uns dasselbe bekanntUch nicht farblos, sondern
infolge des Kontrastes mehr oder weniger deutUch mit der
Gegenfarbe gefärbt, also grünlich -gelblich. Ein weifslich-
violetter Ghrund läfst sich auch durch binokulare Farbenmischung
herstellen, wenn man eine z. B. nur dem linken Auge sichtbare
rotweifse Fläche mit einer nur dem rechten sichtbaren blauweifsen
Fläche zur binokularen Deckung bringt. Ist nun auf jeder dieser
beiden Flächen je ein kleines, beiderseits ganz gleiches graues
Feld derart gelegen, dafs seine beiden Bilder sich ebenfalls
binokular decken, so sieht man wieder ein einfaches grünlich-
gelbliches Feld. Nach der jetzt üblichen psychologischen Theorie
des Simultankontrastes wäre hier die violette Farbe des Grundes
die Ursache der ungefähr komplementären Färbung des objektiv
grauen Feldes. Bringt man aber die beiden kleinen grauen
24 Ewald Hering.
Felder in eine solche Lage, dafs sie nicht mehr binokular ver-
schmolzen werden können, sondern auf dem in der weifsKch-
violetten Mischfarbe erscheinenden Grunde in geringem gegen-
seitigen Abstände nebeneinander gesehen werden, so ist ihre
Farbe nicht, wie nach jener Theorie wohl erwartet werden
könnte, grünlich-gelblich, sondern die beiden Felder erscheinen
sehr auffallend verschieden gefärbt, nämlich das linke bläulich-
grün,^ das rechte gelb, und zwar bei passender Wahl der Farben
des Grundes und der Helligkeit der grauen Felder sogar gesät-
tigter, als die Mischfarbe des Grundes : Beweis, dafs hier nicht die
Farbe des Grundes, wie man sie eben sieht, das Bestimmende
für die Art der Kontrastfarbe ist, sondern die Beschaffenheit
jedes der beiden Lichter, von denen die beiden Augen erregt
werden. Das linke Auge empfangt ein gelblich-rotes Licht,
und das ihm angehörige Bild des kleinen farblosen Feldes er-
scheint deshalb trotz der violetten Farbe des Grundes blaugrün,
das andre Auge empfängt blaues Licht, und das ihm zugehörige
Bild des grauen Feldes erscheint deshalb gelb, also ebenfalls
nicht gelbgrün, wie es das Violett des Grundes nach der psy-
chologischen Theorie erwarten liefs. Der Versuch hat, zweck-
mäfsig angestellt, ein ganz sicheres und eindringliches Ergebnis,
sofern nur irgend die binokulare Mischung des Bot und Blau
zu Violett zu stände kommt, was nicht leicht ausbleiben kann,
wenn hinreichend weifsliche Farben benutzt werden. Selbst-
verständhoh kann man statt des Bot und Blau beliebige andre
Farbenpaare (auch komplementäre) wählen.
Die folgende, in Fig. 1 schematisch dargestellte Anordnung
des Versuches erwies sich mir schliefslich als die zweckmäfsigste,
besonders für Anfanger : Eine rote (B) und eine blaue (B) Glas-
tafel von möglichst grofser Beinheit und ebenen Oberflächen,
deren jede um eine horizontale Achse drehbar ist. Werden mittels
eines Trägers in solcher Lage über einer Tischfläche gehalten,
dafs sie gleich den beiden Flächen eines Daches nach oben
konvergieren, ohne sich jedoch mit ihren oberen parallel lie-
genden Bändern zu berühren; vielmehr müssen die letzteren
^ Angenommen nämlich, dafs die für das linke Auge gewählte Farbe
vom Tone des spektralen Bot ist, welches nicht rein rot, sondern gelblich-
rot ist. Die Herstellung rein roter Farben ist meist umständlich, während
rote Papiere und Gläser vom Tone des spektralen Rot sehr gewöhn-
lich sind.
Beitrag zur Lehre vom Sinmltankontrast,
25
80 weit voneinandjBr abstehen, dafs die Nase des Beobachters
zwischen ihnen Platz hat, wenn derselbe das annähernd hori-
zontal gehaltene Gesicht dicht an die Gläser bringt, um durch
dieselben auf eine unter den Gläsern auf dem Tische befind-
liche ganz ebene und gleichartige, mattweiTse Papier- oder matt-
geschliffene Milchglasfläche (W) zu blicken. Auf derselben
liegt parallel und symmetrisch zur Medianebene des Kopfes ein
schmaler Streifen (s) von schwarzem Tuchpapier. In passender
Höhe über dem Streifen befindet sich ein kleiner weifser, von
einem Drahte gehaltener Knopf (Ä). Wird derselbe vom Be-
obachter fixiert, so erscheint der Streifen in gleichseitigen
Doppelbildern nach links und rechts von der Medianebene.
K
w.
w
W^ und W^ sind zwei in passender Höhe angebrachte, grolise,
ganz ebene und gleichartige mattweifse Papier- oder Milchglas-
flächen^ welche um je eine vertikale Achse drehbar sind, so dafs
ihnen eine verschiedene Neigung zur Einfallsrichtung des durch
ein Fenster kommenden Himmelslichtes gegeben werden kann.
Jede dieser Flächen spiegelt sich an der ihr zugewandten
Oberfläche des farbigen Glases und sendet daher je nach ihrer
Lage mehr oder weniger weifses Licht in das beztigliche Auge.
Dieses weifse Licht mischt sich mit dem von der weüjsen
Horizontalfläche W kommenden und beim Durchtritte durch das
farbige Glas rot, bezw. blau gewordenen Lichte. Das linke
Auge sieht daher, wenn das rechte geschlossen ist, die Fläche
W rötlich-weifs, das rechte sieht sie bei Schlufs des linken
bläulich-weils. Sind beide Augen offen, so erscheint die Fläche
26 Ewald Hering.
in der Mischfarbe, nämlich violett-weiTs (hell lila). Da die bei-
den Netzhautbilder des schwarzen Streifens (s) nur durch ge-
spiegeltes weifses Licht erzeugt werden, so würden sie farblos
erscheinen, wenn nicht der Kontrast sie färbte, welcher, wie
gesagt, das linksseitige Bild des Streifens blaugrün erscheinen
läfst, das rechtsseitige aber gelb, oder wenn die Farbe des
blauen Glases ins ßötiiche spielt, gelb mit leichtem Stiche ins
Grüne.
Man regelt nun die Neigung der farbigen Gläser und die
Lage der weiTsen Fläche W^ und W^ so, dafs die beiden Kon-
trastfarben der Streifenbilder möglichst schön gesättigt hervor-
treten, wobei man sich aber hüten muls, durch allznsteile
Lage der farbigen Gläser oder durch zu starke Zumischung
weiTsen Lichtes die Schärfe des Umrisses der beiden Streifen-
bilder zu zerstören. Hierauf bedeckt man die weifse Horizontal-
fläche samt dem schwarzen Streifen mit einem schwarzen Tuch-
papier und beschäftigt die Augen längere Zeit mit farblosen
Dingen. Erst jetzt wird zum eigentlichen Versuche geschritten,
indem man zuerst bei der beschriebenen Kopfhaltung den
weiTsen Knopf fixiert und dcmn das schwarze Papier wegzieht:
sofort erscheint auch jetzt, wo jeder Successivkontrast aus-
geschlossen ist, das linke Streifenbild blaugrün, das rechte gelb.
Streng genommen spiegelt bei diesem Versuche jede Glasplatte
nicht nur weifses Licht ins Auge, sondern auch ein klein wenig farbiges,
welches in die Platte eingedrungen imd an der andern Oberfläche reflek-
tiert ist. Ebenso ist der schwarze Streifen nicht absolut dunkel, sondern
sendet ein Minimum von Licht durch das farbige Glas ins Auge. Aus
doppelter Ursache ist also dem weifsen Licht, welches die Streifenbilder
entwirft, eine Spur farbigen Lichts beigemischt. Da der Streifen aber
trotzdem in der Gegenfarbe erscheint, so ist der Versuch nur um so
beweisender.
Der Geübtere kann nun noch folgenden sehr belehrenden
Versuch anstellen: Er fixiere 20 — 30'' lang den weifsen Enopf
und schiebe sodann, während er fort fixiert, ein schwarzes
Blatt über die weifse Horizontalfläche (TF)? so wird er links
ein rotes, rechts ein blaues Nachbüd auf einem schwach oliven-
farbigen Grunde sehen.
Wer mit den Gesetzen der binokularen Farbenmischung noch
nicht genauer vertraut ist, könnte gegen die Beweiskraft des Ver-
suches vielleicht einwenden^ dafs das Bild des grauen Feldes im
linken Auge hier nur deshalb nicht grüngelb, sondern blaugrün
Beitrag zur Lehre vom Simultankontrast. 27
erscheint, weil die korrespondierende Netzhautstelle des rechten
Auges blaues Licht empfangt, daher eine binokulare Mischung der
linksseitigen grauen mit der rechtsseitigen blauen Empfindung
eintrete, und dafs das so entstandene Blaugrau im Kontrast zu
dem umgebenden Violett des Grundes blaugrün erscheine, wie
dies bei einem binokular gesehenen blaugrauen Felde auf vio*
lettem Grunde vorkommen könnte. Ebenso könnte man meinen,
dafs das kleine graue Feld des rechten Auges deshalb nicht
grüngelb, sondern gelb erscheine, weil eine binokulare Mischung
der grauen Empfindung des rechten mit der roten des linken
stattgefunden habe. Es läfst sich aber sehr leicht experimentell
darthun, dafs diese Auffassung irrig wäre.
Zu diesem Zwecke ersetzt man zunächst das blaue Glas
durch ein dem andern Glase ganz gleiches rotes und wieder-
holt den Versuch. Man sieht dann beide Bilder des schwarzen
Streifens blaugrün. SchHe&t man ein Auge, nachdem man die
Streifen eben noch deutlich blaugrün gesehen hat, so ist eine
Änderung an dem Streifenbilde des offnen Auges kaum oder
gar nicht zu bemerken, sofern nur die Konturen des Streifen-
bilds scharf sind. Das Bot auf der korrespondierenden Stelle
des andern Auges kommt also hier gar nicht zur Geltung; sonst
müfste ja, wenn beide Augen offen sind, jeder Streifen etwa grau,
und nur bei Schlufs des einen Auges blaugrün erscheinen. Jedes
Streifenbild erscheint aber, wenn beide Augen offen sind, kaum
merklich weniger grün, als bei Schlufs des einen Auges. Hat
man sich so überzeugt, dafs das Bot im einen Auge nicht im
stände ist, das an der korrespondierenden Stelle des andern Auges
durch Simultankontrast entstandene Grün auszutilgen, so macht
man den analogen Versuch mit zwei blauen Gläsern, um sich
ebenso zu überzeugen, dafs das subjektive Gelb des einen Auges
nicht durch das, die korrespondierende Stelle des andern Auges
beleuchtende blaue Licht vernichtet werden kann.
Dies aUes ist nach den Gesetzen der binokularen Farben-
mischung und des sogenannten Überwiegens der Konturen und
kleiner von scharfen Konturen umgebener Felder nicht anders
zu erwarten. So oft ein kleines, sich hinreichend scharf von
andersfarbigem Grunde absetzendes Feld, das nur einem Auge
sichtbar ist, mit einem Teil des ganz gleichmäfsigen anders-
farbigen Grundes, der sich im andern Auge abbildet, zu bino-
kularer Deckung gebracht wird, empfängt es von der Farbe
28 Ewald Hering.
dieses Grundes entweder gar keine merkliclie oder doch nur
eine äufserst geringfügige Beimischung. Je kleiner das Feld
ist, je schärfer es sich von seinem Grunde absetzt, und je
gleichmäfsiger die entsprechende Stelle des dem andern Auge
sichtbaren Grundes ist, desto weniger leidet die Farbe des
kleinen Feldes. Bei längerer Fixierung kann freilich, wie bekannt,
vorübergehend die Farbe des dem andern Auge erscheinenden
Grundes die des kleinen Feldes mehr oder weniger vordrängen
oder vorübergehend ganz übertönen; dies kann aber unsem
Versuch nicht beeinträchtigen, weil es sich bei demselben nur
um kurz dauernde Fixierungen handeln darf. Denn bei an-
haltendem Fixieren verlischt die Kontrastfarbe und schliefslich
überzieht sich das kleine Feld sogar mit der Farbe des Grundes
(simultane Farbeninduktion).
Ich habe bei Beschreibung des Versuches keine Rücksicht
auf den sogenannten binokularen- Kontrast genommen, weil der-
selbe hier gar nicht ins Gewicht fallt. ^
* Ein zur Anstellung des Hauptversuchs und der Kontroll versuche
zweckmäfsig zusammengestellter Apparat ist vom TJniversitäts-Mechaniker
B. BoTHE (Prag, Deutsches physiologisches Institut) zu beziehen.
tTber negative Empfinduiigswerte.
Von
Gustav Theodor Fbohnbr (f 18S7).
Briefliche Mitteilungen
an
W. Preyer.
In den Jahren 1873 bis 1683 stand ich mit dem Begmnder
der Psychophysik im Briefwechsel, Derselbe behandelt hauptsächlich
einige schwierige Fragen der Myophysik, der Erkenntnistheorie j der
Psychophysik, Fechners die letztere betreffende Mitteilungen zeigen
zum Teil besser als seine veröffentlichten Schriften, wie er die Grund-
lagen seiner inneren Psychophysik zu befestigen wufste, NamenÜich
die Diskussion der negativen Empfindungswerte, zu welchen seine
psychophysische Mafsformel führte hat ein aktuelles Interesse, daher
ich diese hier ohne Kürzung zusammenstelle. Ich habe nur einige
Hinweise unter dem Text hinzugefügt, W. P,
Leipzig, d. 20. Dez. 73.
Es hat mich natürlich nur sehr freuen können, dafs Sie
(nach p. 98) in den Resultaten Ihrer myophysischen Unter-
suchung ^ zugleich eine Unterstützung meiner Ansicht, dafs die
Empfindung logarithmisch von der Bewegung im Nervensysteme
abhängt, gefunden haben, indes Mach und andere, meines
Erachtens ohne zulängUche Grunde, sie vielmehr einfach pro-
portional damit setzen wollen, was das logarithmische Verhältnis
auf die Abhängigkeit der Nervenerregung vom Beize überträgt.
Hiermit fiele der Begriff der Schwelle für die innere Psycho-
^ Das myophysische Gesetz, Von V^« Prster. Jena, 1874 (ausgegeb. 1873).
30 ö^. Th. Fechner.
physik ganz weg, und würde dieselbe überhaupt eine ganz
andere Q-estalt annehmen, als ich ihr in den Elementen der
Psychophysik gegeben. Die üntriftigkeit der BERNSTBiNschen
Hypothese werde ich gelegentlich nachweisen.^
Ihrerseits gestehen Sie zu, dafs das myophysische Gesetz
Grenzen seiner Gültigkeit hat, indem nach p. 93 die Hubhöhe
durch fortgesetzte Steigerung des Beizes nicht über eine ge-
wisse Grenze hinaus zu treiben ist, und nach p. 95 negative
Hubhöhen, auf welche das Gesetz führt, wenn der Beiz unter
die Schwelle fallt, nicht vorkommen ; wie ich meinerseits Gren-
zen der Gültigkeit des psychophysischen Gesetzes in der äuGsern
Psychophysik, also in Bezug auf den äufsem Beiz anzuerkennen
habe. In betreff der obem Grenze der Gültigkeit bemerken
Sie (S. 93 unten u. ff.), dafs dieselbe vielleicht nur scheinbar
sein könne, oder (S. 94) nur von einer Zerstörung des Gewebes
bei hohen Beizwerten abhängen könne, wofür ich eine ent-
sprechende Annahme in der Psychophysik für die obere Grenze
gestellt habe; und jedenfalls kommt man in der Myophysik
wie Psychophysik mit einer solchen Annahme für Erklärung
der obem Grenze aus, da sie sich nicht durch Beobachtung
widerlegen, freilich auch nicht beweisen läfst ; hingegen würde
es doch für beide Lehren unbequem sein, wenn sich darin eine
Diskontinuität in der Gültigkeit des Gesetzes beim Schwellen-
werte nach rationaler Auslegung der negativen Werte zeigen
sollte. Was nun die Psychophysik anlangt, so habeich
die negativen Empfindungswerte unter der Schwelle
als imaginäre gedeutet, weil die Mathematik über-
haupt in Fällen, wo die Verminderung einer Gröfse
unter einen positiven Wert überhaupt nicht möglich
ist, negative Werte dieser Gröfse als imaginäre fafst,
und sonst diese Deutung in den El. d. Ps, (T. 11. S. 39 ff.)
durch verschiedene Betrachtungen zu rechtfertigen
gesucht. Inzwischen finde ich in einer Anmerkung von Ihnen
(S. 95) bemerkt, dafs Dblboeuf Schwierigkeit in der Deutung
deoT; negativen Empfindungswerte gefunden, und muJGs daher
glauben, dafs ihni meine Erörterungen über diesen Punkt nicht
gQjnügi haben. Da ich erst durch Ihre Anmerkung auf seine
Schrift aufinerksam geworden bin, habe ich sie mir erst jetzt
*• Fechneb: in Sachen der Psycho^ysik, 1877. S. 20, 138 ff.
Über negative Empfindungswerte. 31
Yersclireibeii können, und mufs, bis ich sie erhalte, seine et-
waigen Einwände gegen meine Deutung dahin stellen.
Gesetzt nun, sie liefse sich nach den von mir aufgestellten
Gründen doch for das psychophysische Gesetz halten, so würde
ireilich der Hauptgrund, auf dem ich dabei fufse, dafs nämlich
eine reale Abnahme der Empfindungsgröfse unter Null nicht
möglich ist, negative Werte dieser Gröfse also nur imaginäre
bedeuten können, auf die Myophysik nicht direkt übertragbar
sein, weil ein Muskel, vom Schwellenwerte an, sich ebensogut
seiner Natur nach verlängern als verkürzen kann. Aber sollte
nicht vieUeicht die Sache so zu fassen sein? Gehen wir von einem
im gewissen Sinne analogen Fall aus. Ein Körper bewege
sich unter dem Einflüsse einer konstanten schiebenden E!raft
auf einer Ebene fort oder solle mittelst einer solchen fortge-
schoben werden, so wird schon der kleinstmögliche Wert dieser
Kraft hinreichen, eine Bewegung daran hervorzubringen, indem
die Teilchen desselben von denen der Ebene aus, auf denen
sie unmittelbar aufliegen, gegen die nächsten vorrücken (ato-
mistische Diskontinuität der Teilchen dabei vorausgesetzt); aber
wenn die Kraft nicht grois genug ist, werden sie durch die
elastische Gegenwirkung dieser Teilchen in einem gewissen
Abstände von denselben ins Gleichgewicht kommen, ohne über
dieselben hinausgeführt werden zu können, was erst von einem
gewissen Werte der Kraft, dem Schwellenwerte des Schubes, an
der Fall sein kann. Sollte nun eine Formel konstruiert werden,
welche die Geschwindigkeit des Gleitens auf der Ebene in
Abhängigkeit von der schiebenden Kraft und den umständen,
unter denen sie wirkt, angäbe, so dürfte die durch den Wider-
stand aufgehobene Geschwindigkeit bei Kraftwerten unterhalb
der Schwelle auch nicht mit Null, sondern mit negativen Werten
auszudrücken sein, um durch die verschiedene Gröfse dieser
Werte die verschiedene Annäherung derselben an positive
Werte der Geschwindigkeit bei fortbestehendem Gleichgewicht
zu repräsentieren, was anders ist sowohl bei einem Körper,
der ohne treibende und gegenwirkende Kräfte in Buhe ist, als
bei einem solchen, der (wie eine belastete Wagschale durch
eine andere gleichbelastete Wagschale) durch eine gegenwirkende
Kraft in Buhe ist, ohne dafs mit der veränderten absoluten
Qröfse der sich aufwiegenden Kräfte eine Annäherung oder
Entfernung von der Entstehung positiver Werte der Geschwin-
32 ö^- Th' Fechner.
digkeit stattfindet, in welchen Fällen der Euhezustand aller-
dings als Null der Q-eschwindigkeit zu bezeichnen. Die Über-
tragung dieser Betrachtung auf den tetanisierten Muskel ist
leicht. Auch bei diesem wird erst eine gewisse Kraftgröfse
erreicht und überschritten werden müssen, um die Teilchen
zwischeneinander und durch- und übereinander hinauszuschie-
ben; bis dahin werden die Teilchen nach einer Näherung in
verschwindender Gröfse nur in einem dauernden Gleichgewichts-
zustände verharren, und die hierbei aufgehobene Geschwindig-
keit und davon abhängige Hebung hiemach auch mit negativem
Vorzeichen zu bezeichnen sein. Jedoch überlasse ich es Ihnen
zu beurteilen, ob mit diesen Betrachtungen der Schwierigkeit
beizukommen ist, und möchte selbst nicht behaupten, dafs sie
ganz evident sind.
Leipzig, den 13. Januar 1874.
Was die untere Gültigkeitsgrenze Ihrer Formel anlangt,
so hat sich das Blättchen dahin gewendet, dafs ich, nachdem
ich Ihre Auffassung derselben angegriflPen, jetzt vielmehr meine
Auffassung gegen die Ihrige zu verteidigen habe. Sie finden
keinen prinzipieUen Mifsstand darin, dafs die myophysische
Mafsformel unterhalb der Schwelle negative Hebungen, d. h.
Ausdehnungen des Muskels gibt, die sich doch in der Erfahrung
nicht fi.nden, und acceptieren die Vorstellung nicht, die ich zur
Beseitigung dieses Mifsstandes geltend zu machen suchte und
auch jetzt noch geltend mache, nur dafs ich in der Berufung
auf das Beispiel der Reibung statt des übereilt gebrauchten
Ausdrucks, dafs vernichtete Geschwindigkeit mit negativem
Vorzeichen zu bezeichnen sei, vielmehr das, was an posi-
tiver Geschwindigkeit noch fehlt, im Sinne meiner
Vorstellungsweise so zu bezeichnen habe. Doch dies beiseite.
Sie stimmen hingegen Delboeuf in dem Einwurfe, den er gegen
meine Auffassung der negativen Empfindungswerte erhebt, bei
und können dann natürlich auch in der Myophysik nicht von
dieser Auffassung Gebrauch machen. Nun ist mir Dei.bobufs
Schriftchen* erst vor ein paar Tagen zugekommen, und habe
ich es daher noch nicht durchstudieren können, aber doch das,
* Etüde psychophysique par J, Delboeuf. BruxeUea, 1873 (Hayez). Extrait
du tome XXIII des Mimoires pubiiis par VÄcad, roy, de Belgique
über negatwe Empfindungstoerte, 33
worauf es in der hier angeregten Frage ankommt, näher ein-
gesehen und hierüber folgendes zu sagen:
Delboeuf macht wesentlich zwei Einwände, deren ersten,
mit j^Devons nous insister^ etc. auf p. 15 beginnenden ich
glaube, übergehen zu können, teils weil ich vermute, dafs Sie
ihn selbst nicht teilen, teils weil er samt dem daran Geknüpften
unsere Differenz nicht wesentlich angeht. Was aber den andern,
von Ihnen geteilten Einwurf betrifft, der sich direkt gegen
meine Deutung der negativen Empfindungswerte richtet, so
kann ich nur sagen, dafs er auf einem Mifsverständnisse meiner
Auffassung beruht, von dem ich wohl glauben mufs, dafs ich
es verschuldet habe, weil Sie mit Delboeuf darin zusammen-
treffen, aber mich doch befremdet finde, dafs es der Fall ist.
Delboeuf sagt p. 17: j^Nous powrrions a priori rejeter des
sensations negatives, parceque les sensaUons sont necessairement qudque
chasej et que Texpression Sensation negative est tm non-sens
If apres Fechner, une Sensation negative est une Sensation tres faible
dont on n'a pas conscience^ etc. Sie werden das Übrige leicht
aus dem Gedächtnis oder durch Nachschlagen ergänzen; doch
kommt wenig darauf an, weil sich schon hier zeigt, dafs
Dblboeufs Einwurf teils den Gebrauch eines Wortes trifflb,
ohne die unterliegende Sache zu treffen, über die ich mich
deutlich genug ausgesprochen zu haben glaubte, teils gegen
eine Auffassung der Sache gerichtet ist, die ich gar nicht habe.
In der That verstehe ich ausdrücklich unter negativer Em-
pfindung nicht eine sehr schwache Empfindung, von der
man kein Bewufstsein hat, wie mir Delboeuf unterlegt, sondern
eine imaginäre Empfindung, die gar nicht da ist, indes
doch partielle Bedingungen ihrer Entstehung da sind, eine Em-
pfindung, an deren Zustandekommen insofern noch etwas
fehlt, als an den Bedingungen ihres Zustandekommens noch
etwas fehlt, oder kurz, das Fehlende an einer Empfindung
als Funktion des Verhältnisses dessen, was von den Bedingungen
dazu doch da ist, zu dem, was da sein müfste, soUte^ie Em-
pfindung wirklich entstehen. Und wenn man fragt: wie läfst
sich überhaupt noch von einer Empfindung sprechen, wenn
eine solche nicht da ist, so sage ich, in demselben Sinne als
sich von imaginären Gröfsen in der Mathematik sprechen läfst,
ohne dafs eine Gröfse da ist. Auch verwechsele ich negative
und imaginäre Empfindungswerte (die nach den Verhältnissen
Zeitschrift für Psychologie. 3
34 (^' Th. Fechner,
der Empfindung zusammenfallen) eben deshalb nicht mit Null-
werten der Empfindung, weil die Mathematik solche Werte
nicht verwechselt, und sollte meinen, dafs Sie, wenn Sie die
Notwendigkeit solcher Unterscheidung in der Mathematik an-
erkennen, schon durch die Konsequenz sich dann genötigt
finden müfsten, solche auch in der Verwendung der Mathe-
matik in der Psychophysik anzuerkennen, oder mit dieser Ver-
wendung die Psychophysik selbst fallen zu lassen. Aber Sie
finden keinen Anhalt der Vorstellung für eine solche Unter-
scheidung im Empfindungsgebiete. Sie sagen: „Entweder hat
die Ganglienzelle eine Empfindung oder sie hat keine. ^ Und
ich selbst sage: sollte die Empfindung an sich, abstrakt von
ihrer physischen Unterlage betrachtet werden, so wäre jener
Unterschied nicht zu machen oder gleichgültig; aber so ist es
ja nicht, vielmehr ist es gerade die Abhängigkeit des Psychischen
von der physischen Unterlage, womit sich die Psychophysik
beschäftigt, sind es die physischen Entstehungsbedingungen
der Empfindung, die sie durch ihre Formeln unter sich fassen
will. Da aber ist es nicht gleichgültig, ob eine Empfindungs-
gröfse mit Null bezeichnet wird, wo der geringste Zuwachs der
unterliegenden psychophysischen Bewegung positive Empfindung
hervortreten läfst, oder mit gröfseren oder geringeren negativen
Werten, wonach erst gröfsere oder geringere Zuwüchse der
physischen Bedingung dazu nötig sind. Auch gewinnt eine
„Entfernung der Empfindung vom Dasein", die ich als negative
Empfindung fasse, und die bei einer abstrakten Empfindung
keine angebbare Bedeutung hätte, als Funktion der allgemeinen
Daseinsbedingungen der Empfindung und nach dem Zusammen-
hange mit den Entstehungsbedingungen der positiven Em-
pfindung allerdings einen bestimmten Sinn. Sie sagen: man
könne sich unter „negativen Farben, negativen Tönen" nichts
vorstellen. Gewifs nichts unter negativen physischen Farben
oder Tonschwingungen, — die aber in der Psychophysik gar
nicht vorkommen, da selbst den negativen Empfindungen noch
positive Werte psychophysischer lebendiger Kraft zugehören, —
wohl aber unter negativen Empfindungen von Farben,
Tönen, wenn man sie in angegebener Weise fafst.
Meinerseits scheint mir das gerade eine schöne Eigenschaft
der Mafsformel, dafs sie in mathematischem Zusammenhange
mit dem Mafse der wirklich vorhandenen Empfindung zugleich
über negative Empfindungswerte. 35
ein Mafs der Entfernung von dem wirklichen Vorhandensein
oder, anders gesagt, mit dem Mafse der Bewufstseinshelligkeit
ein Mafs der Tiefe des UnbewuTstseins giebt, und zugleich, dafs
sie dem unklar oder in sich widerspruchsvoll erscheinenden
Ausdruck unbewufster geistiger Thätigkeit, den doch die Psy-
chologie kaum missen kann, eine exakte und exakter Ver-
wertung fähige Deutung unterlegt.
Ob ich Sie mit allen diesen Erörterungen zu befnedigen
vermag, weifs ich freilich nicht, da Sie durch die Erörterungen
in meinen Elementen, die im vorigen nur etwas ausgeführt
sind, nicht befriedigt worden sind; doch werde ich dabei be-
harren müssen, so lange ich mich nicht von der Triftigkeit der
Gegenerörterungen zu überzeugen vermag.
Aus dem bisher nur ganz oberflächlichen Einblick in den
übrigen Inhalt der DBLBOEUFschen Schrift sehe ich, dafs er
meine Mafsformel (die ich selbst für prinzipiell streng nur im
Gebiete der inneren Psychophysik ansehe) dahin modifiziert
hat, dafs die untere Abweichung derselben von der Gültigkeit
(die in der äufseren Psychophysik nachweislich ist) im Gebiete
der Lichtempfindung (scheinbar) wegfallt.
Eine nur etwas allgemeinere Formel habe ich schon zu
demselben Zwecke p. 108 und 195 des zweiten Teiles meiner
Elemente gegeben und ziehe bis auf weiteres die meinige vor,
da Delboeufs Formel für den Fall, dafs gar kein Lichtreiz das
Auge trifft, die Lichtempfindung Null werden läfst, indes doch
die Empfindung des Augenschwarz übrig bleibt, die freilich
manche für keine Empfindung halten möchten. Dies wird nicht
hindern, dafs seine Resultate in den Grenzen seiner Versuche
gut genug mit der Erfahrung stimmen, was ich voraussetze,
ohne sie bisher noch darauf angesehen zu haben.
22. u. 23. Jan. 74.
Sie finden es disparat, dafs ich die negativen Empfin-
dungswerte als Entfernungen vom Dasein der Empfin-
dung, die positiven als Empfindungsstärken fasse, was
nicht miteinander vergleichbar sei. In der That aber fasse
ich die negativen Empfindungen nicht als Entfernungen vom
Dasein schlechthin, sondern — trotz Ihrer unten zu be-
trachtenden Bemerkung, als wenn dies auf dasselbe heraus-
käme — als Entfernungen vom Nullpunkte eines Daseins,
3*
36 G. n. Fechner.
was quantitativer Bestimmungen fähig ist, und ebenso die
positiven Empfindungswerte nicht als daseiende Empfindungen
schlechthin, deren Quantität aufser acht fallt, sondern als
Entfernungen von demselben Nullpunkte des Daseins nur in
entgegengesetztem Sinne, mit Rücksicht, dafs Gröfsenbe-
stimmungen überall einer räumlichen Repräsentation fähig
sind, und wüfste nicht, was in all dem Unzuläfsiges oder Dis-
parates läge. Wenn man aber einwendet, dafs Entfernungen
vom Nullpunkte in negativem Sinne überhaupt keine Öröfsen
bedeuten können, so erwiedere ich: doch! in demselben Sinne
als die Mathematik von negativen und imaginären Gröfsen
spricht und sprechen muGs, und ich die Mathematik nun eben
auf Grörsenbestimmungen der Empfindungen anwende; glaube
aber, schon im vorigen Briefe hierüber genug gesagt zu
haben.
Nun sagen Sie freilich: „Setzt man statt des Wortes
„Dasein" das Wort „Nullpunkt", so ist das nur eine verbale
Änderung, keine begriffliche." Und wenn dem wirklich so
wäre, so hätten alle Ihre Gegenbetrachtungen, die diesen
Satz im Hintergrunde haben, recht und wäre es mit der
ganzen vorigen Betrachtungsweise nichts. Aber haben Sie
diesen Satz wohl ernsthaft überlegt? Sollten Sie nicht be-
merken, dafs, wenn es gilt, die quantitativen Verhältnisse
der Empfindung in Abhängigkeit vom Körperlichen unter einen
scharfen Ausdruck zu fassen, es gar nicht gleichgültig ist, ob
ich die Gröfse der Empfindung als positive oder negative
(gröfsere oder geringere) Entfernung vom Nullpunkte des
Daseins oder als Entfernung vom Dasein überhaupt fasse
und räumlich repräsentiere ? Letztere Fassung läfst blofs inso-
fern eine quantitative Bestimmtheit zu, als sie in die erste
übersetzt wird, Sie aber muten der Mathematik zu, die be-
stimmte Fassung durch die unbestimmte zu ersetzen oder be-
grifflich damit zu identifizieren. Hier handelt es sich doch nicht
um den Begriff der Qualität, sondern der Quantität der Em-
pfindung, und nur, wenn es sich um erstere handelte, wäre
Entfernung vom Dasein und vom Nullpunkte des Daseins
dasselbe.
Sie sprechen Ihre Auffassung in der That sehr deutlich
und entschieden aus, wenn Sie sagen: „das Entfemtsein hier
(bei der Empfindung) unräumlich gedacht, kann sich doch nur
über negative Empfindungswerte. 37
auf einen Zustand beziehen. Ist der Zustand erreicht,
dann kann er durch Zunahme der Empfindungsgröfse nicht
noch mehr erreicht werden, als er schon ist." Aber hierin
liegt eben das Proton Pseudos Ihrer Auffassung, dafs Sie auf
dem Begriffe der qualitativen Seite des Zustandes fufsen,
während es sich um die quantitative Seite handelt. Setzeh Sie
einmal statt Empfindung eines körperlichen Zustandes Ver-
mögen in Geld oder Q-eldeswert. Der Begriff des Vermögens
fäUt nicht mit dem von Geldeswert selbst zusammen, aber ist
eine Funktion desselben, worunter auch Schulden als negatives
Vermögen treten. Der Begriff des Vermögens in diesem Sinne
ist nun auch der Begriff eines Zustandes, aber versuchen Sie
doch einmal, Ihre Betrachttmgsweise auf quantitative Be-
stimmungen des Vermögens anzuwenden; Sie werden sie damit
nur unmöglich machen, und zwar nicht minder die des positiven
Vermögens als der Schulden. Es geht nun einmal bei Gröfsen-
bestimmungen nicht, Entfernung vom Nullpunkte des Da-
seins mit Entfernung vom Dasein überhaupt begrifflich zu
identifizieren.
Dies, was ich etwa Ihren Eiuwürfen gegenüber zur Becht-
fertigung meiner Deutung der negativen Empfindungswerte zu
sagen vermöchte, und womit ich nicht umhin kann, dieselbe
auch jetzt noch zu vertreten. Aber ich mufs zugeben, dafs,
die Zulässigkeit derselben in der Psychophysik vorausgesetzt,
die Übertragung dieser Deutung auf negative Geschwindig-
keitswerte (in der Myophysik und Beibungslehre) gewagt er-
scheinen kann, und ich überlasse es gern Ihrer Beurteilung,
ob sie Ihnen hier acceptabel erscheint. Ich selbst gestehe,
nicht ganz klar darüber zu sein. Sie haben ja freilich recht,
wenn Sie sagen: „dafs es dem mathematischen Gebrauche der
Bezeichnungen positiv und negativ nicht entspricht, das, was
einer Geschwindigkeit zur Erreichung eines gewissen Wertes
fehlt, negative Geschwindigkeit zu nennen. Die Bichtung
sei allein mafsgebend." Aber erstens handelt es sich ja hier
nicht darum, das, was einer Geschwindigkeit zur Erreichung
irgend eines gewissen, eines beliebigen "Wertes, der auch posi-
tiv sein könnte, noch fehlt, als negative Geschwiudigkeit zu
fassen, sondern das, was zur Erreichung des ganz bestimm-
ten Nullwertes, wo die Geschwindigkeit eben beginnt,
noch fehlt, so zu fassen, und zwar als Funktion der vor-
38 ö- ^Ä. Techner.
handenen Bedingungen so zu fassen.^ Zweitens kann im all-
gemeinen daran erinnert werden, dafs die mathematische
Deutung der Vorzeichen + und — sich überhaupt den Um-
ständen und Voraussetzungen der Aufgabe anzupassen hat,
wonach sich auch im allgemeinen fragen läfst, ob jene Deutung
auf Gegensatz der Eichtungen bei der Geschwindigkeit unter
allen Umständen unverbrüchlich sei, und ob nicht da, wo es
in der Natur der Aufgabe selbst liegt, vielmehr das Nicht-
erreichen und das Überschreiten des Punktes beginnender Ge-
schwindigkeit in Betracht zu ziehen, als den Gegensatz der
Bichtungen, die von mir vorgeschlagene Deutung Platz finden
kann. Ich wüfste wenigstens mit dem Falle der Eeibung nicht
anders zurecht zu kommen. Doch wie gesagt, ist dies eine
Sache, die zu entscheiden Ihnen näher liegt als mir. Nur
möchte ich noch erwähnen, dafs das von Ihnen bei dieser Ge-
legenheit angezogene Beispiel mit dem Glühen des Platin-
drahtes mir das, wogegen Sie es richten, nicht recht zu treffen
scheint. Gewifs kann der Zustand des Platindrahtes, bevor er
zu glühen beginnt, nicht als negativer bezeichnet werden, aber
warum? weil es fiir den Gebrauch des negativen Vorzeichens
eben nicht darauf ankommt, dafs ein gewisser Wärme-
zustand noch nicht erreicht sei, sondern dafs der Nullpunkt
der Wärmeschwingung noch nicht erreicht sei; dieser ist aber
bei allen nicht absolut kalten Körpern schon überschritten^
und kein Aidafs in der Wärmelehre, von einer Entfernung vom
Nullpunkt noch unterhalb des Nullpunkts zu sprechen, da-
her ein negatives Vorzeichen in Bezug darauf überhaupt keinen.
Platz findet, so lange wir uns in der Physik halten. Treten
wir aber mit dem Beispiele in die Psychophysik über, für
welche erst das Sichtbarwerden des Wärmezustandes als
Sache der Empfindung Bedeutung gewinnt, so geht das
negative Vorzeichen nach den von mir vertretenen Prinzipien
^ Delboeuf glaubt p. 17. 18. seiner Schrift, einen Einwand gegen
meine Aufstellung negativer Empfindungswerte darin finden zu können^
dafs der Nullpimkt der Thermometerskala beliebig verschoben und so
aus negativen positive Temperaturgrade gemacht werden könnten,
warum nicht entsprechend mit der Empfindung? — Deshalb nicht, weil
der Nullpunkt der Empfindungsskala eben nicht willkürlich wie der
der Thermometerskala verschoben werden kann. [F.]
über negative Empfindungstoerte. 39
eben unr auf die Empfindung über, insofern die Wärme-
schwingnng nicht zureicht, sie bis auf den NuUpunkt oder
SchweUenpunkt zu bringen, ohne damit auf die dazu nicht
zureichende Wärmeschwingung selbst überzugehen; und ich
denke, dafs aU das eben nur in der Konsequenz dieser Prin-
zipien liegt.
Wenn Sie bemerken, dafs „nach meiner Auffassung Be-
wuGstseinshelligkeit und Empfindungsstärke solidarisch ver-
bunden seien" , und „einander genau proportional gehen"
müssen, so haben Sie den sehr wesentlichen Unterschied über-
sehen, den ich zwischen der Bewufstseinsintensität mache,
wiefern sie von der Oröfse des Empfindungsreizes (oder der
dadurch ausgelösten psychophysischen Thätigkeit von speciellem
Charakter) abhängt, und wiefern sie von der Aufmerksamkeit
(oder überhaupt einer allgemeinen Bewufstseinsthätigkeit, wo-
für ich einen allgemeineren psychophysischen Prozefs postuliere)
abhängt, worüber ich in dem die innere Psychophysik be-
handelnden Teile meiner Elemente unter Mitberücksichtigung
der Träume sehr ausführlich gehandelt habe. Mag sein, dafs
diese Darstellung anfechtbar ist und darum keine sonderliche
Beachtung gefunden hat, so kann ich danach jedenfalls die
obbemerkte „Solidarität^' nicht als meinen Ansichten entsprechend
anerkennen. Eine Empfindung kann vielmehr danach ebenso
unter die Schwelle des Totalbewufstseins fallen, wenn bei gleich
gehaltenem Empfindungsreize die Aufmerksamkeit (der ihr
unterliegende Prozefs) unter die Schwelle fallt, als wenn
bei gleichgehaltener Aufmerksamkeit der Empfindimgsreiz
(der dadurch ausgelöste eigentümliche Prozefs) unter die
SchweDe fällt.
Sie fragen endlich noch: „Warum soll den B>eizen unter-
halb der Schwelle nicht etwas anderes entsprechen, als Em-
pfindung? aber etwas, was später mit der Empfindung zu-
sammengeht, z. B. Wärme, Änderung der elektromotorischen
Eigenschaften der QanglienzeUe ähnlich wie beim Muskel?"
Verstehe ich Sie recht, so treffe ich hierin ganz mit Ihnen
überein, da ich ja selbst meine, dafs die physischen Ver-
änderungen, die mit der Empfindung über der Schwelle als
wesentliche Bedingungen derselben mitgehen, auch schon
unterhalb der Schwelle nur in unzureichender Stärke zur
Erweckmng der Empfindung vorhanden sind.
40 G, Th. Feckner.
Doch genug, mit der Bitte, dafs Sie diese Bemerkungen
so freundlich als die früheren aufnehmen mögen. Mit vor-
züglicher Hochachtung
der Ihrige
Fbchner.
6. Febr. 1874.
Sie bemerken : in betreff meiner Auffassung der negativen
Empfindungswerte sei insofern nicht mehr mit mir zu streiten,
als ich selbst ,, einräume, von den Vorzeichen 4- und — einen
etwas anderen Gebrauch zu machen, als gemeinigUch in der
Mathematik üblich ist''. Aber weder habe ich dies eingeräumt,
noch räume ich es jetzt ein, wenn ich damit einräumen soll,
dafs ich den Sinn, in welchem die Mathematik diese Vor-
zeichen braucht, in der Psychophysik irgendwie verlasse, da
ich viehnehr immer wiederholt darauf hingewiesen habe, dafs
die Mathematik in einem ganz entsprechenden Falle — nicht
entsprechende, und wären sie noch so zahlreich, kann man
aber doch nicht geltend machen — die Zeichen -{- und —
ganz ebenso braucht als ich. Ihr Ausdruck „üblich'' bezieht
sich eben nur auf die Menge nicht entsprechender Fälle.
Dafs die von mir für gewisse Verhältnisse vorgeschlagene
Deutung negativer Qeschwindigkeitswerte als imaginärer Zwei-
feln unterliegen kann, habe ich schon früher anerkannt, und
es liegt auch zunächst kein Interesse für mich vor, darauf zu
bestehen.
Von anderer Seite jedoch bestreiten Sie aufs neue meine
Auffassung des Verhältnisses zwischen positiven und negativen
Empfindungen aus dem Gesichtspunkte, dafs sich solche mit
dem von mir statuierten Verhältnisse zwischen bewufst und
unbewufst nicht reimen, oder auch, dafs das letztere Ver-
hältnis sich mit dem ersten nicht reime, kurz, Sie finden hier
etwas, was nicht zusammenklappt. Nun gestehe ich offen,
selbst nach wiederholtem Durchlesen kein rechtes Verständnis
Ihres hierauf gehenden Einwurfes haben gewinnen zu können ;
wovon ich den Grund schliefslich in nichts anderem zu finden
weifs, als dafs Sie ebensowenig im letzten als vorhergehenden
Briefe sich auf eine Unterscheidung des Bewufstseins einlassen,
die ich nicht minder zur Präcisierung als Beantwortung des Ein-
über negative Empfindungswerte. 41
Wurfes wesentlich halte ; daher ich mich auch hier wieder werde
wiederholen müssen, indem ich auf diese Unterscheidung zurück-
komme. Ob ich damit Ihren Einwurf eigentlich treffe, weifs
ich freilich ebensowenig, als ob Ihr Einwurf eigentlich meine
Auffassung trifft; doch will ich, bevor ich auf den Versuch
einer Antwort eingehe, schematisch zu zeigen suchen, wie ich
mir's denke.
9eien zwei Punkte übereinander und ein Punkt dazwischen
gegeben; die Bichtung nach oben sei als positiv genommen,
so wird der Zwischenpunkt sich vom untern Punkte in posi-
tivem, vom obem in negativem Abstände finden. Fragt nun
jemand, ob eine gewisse Eigenschaft dessen, was sich am
Zwischenpunkt befindet, solidarisch mit seinem positiven oder
negativen Abstände sei, ohne Unterscheidung, auf welchen
Punkt er den Abstand bezieht, so scheint mir das eine Frage
derselben Art zu sein, als die, der ich in Ihrem Einwurfe be-
gegne. Natürlich kann, was in einem Sinne stimmt, nicht
mehr im andern Sinne stimmen. Doch nun ohne Bild:
Ich meine, man hat ein höheres BewuTstsein zu unter-
scheiden, das der willkürlich richtbaren und verlegbaren Auf-
merksamkeit, der Beflezion, Abstraktion u. s. w. — bleiben
wir hier nur bei der willkürlich verlegbaren Aufcnerksamkeit
stehen — und ein niedres Bewufstsein, das der sinnlichen
Empfindung und ihrer Beproduktion in Erinnerung. So ge-
schieht es schon in der Psychologie und mufs auch in der
Fsychophysik geschehen, indem man ersterer allgemeine,
dieser speciellere psychophysische Prozesse (im Sinne der
Erläuterung im 42. Abschn. meiuer Elemente) unterlegt. Ob
nun Bewufstsein überhaupt da ist, oder, psychophysisch aus-
gedrückt, die Schwelle des Totalbewufstseins überschritten oder
nicht erreicht ist, hängt weder von der Intensität und Schwelle
der einen noch andren jener Thätigkeiten allein ab, sondern
ist eine zusammengesetzte Funktion beider. Sei nun die will-
kürliche Aufmerksamkeit in einem Sinnesgebiete tief unter der
Schwelle, während die durch einen Beiz in diesem Gebiete
erweckte Empfindung über ihrer Schwelle ist,^ mithin jene in
diesem Sinnesgebiete mit negativem, diese mit positivem Vor-
zeichen, bezüglich ihrer respektiven Schwellen, behaftet, so
^ Beispiele dazu finden sich in meinen Elementen, [F.]
42 ' O. Th. Fechner.
kann trotz dieses positivien Vorzeichens der Empfindung doch
das BewuTstsein derselben fehlen, weü es mit dem ganzen
BewuTstsein, dessen Moment es ist, unter die Totalschwelle
fallt, was sich selbst schematisch darstellen läfst, indem man
die Totalschwellenhöhe als Mittel der komponierenden Schwellen-
höhen und die Höhe des Totalbewufstseins der über oder
darunter als (algebraische) Summen der komponierenden Be-
wufstseinshöhen bezüglich ihrer respektiven Schwellen dar-
stellt^ (wobei negative von positiven in Abzug kommen). In-
sofern ist also positiver Wert der Empfindung bezüglich ihrer
Schwelle und Bewufstsein der Empfindung nicht solidarisch,
indem sie dabei doch negativ gegen die Totalschwelle sein
kann, welche für Dasein und Nichtdasein von Bewufstsein
überhaupt den Ausschlag gibt. Aber wenn man die Lehre
von den psychophysischen Verhältnissen der Empfindung für
sich in der Beobachtung verfolgt, kann man es doch nur,
während das Total bewufstsein im betreffenden Empfindungs-
gebiete über der Schwelle ist, und dann ist positiver und ne-
gativer Wert der Empfindung bezüglich ihrer Schwelle aller-
dings solidarisch mit Bewufstsein und Unbewufstsein eben
dieser Empfindung, obwohl nicht solidarisch mit Bewufstsein
und Unbewufstsein überhaupt, denn während eine gewisse
Empfindung unter der Schwelle ist, kann eine andere über der
Schwelle sein, oder eine intensive Aufmerksamkeit sich z. B.
auf das Vernehmen eines Schalles richten, der nicht da ist,
oder man im tiefem Nachdenken begriffen sein. Das alles ist
für mich sehr klar, weil ich mich in diesen Vorstellungskreis
hineingelebt habe, ich finde es aber sehr möglich, dafs es für
Sie noch ebenso unklar bleibt, als mir Ihr Einwurf geblieben
ist, weil ich mich nicht ebenso in Ihren Vorstellungskreis
hineingelebt habe. Also wollen wir miteinander aufheben,
wenn wir uns nicht weiter in der Sache zu verständigen ver-
mögen,
24. u. 25. Febr. 1874.
In betreff* der negativen Empfindungswerte bemerken Sie,
dafs ich selbst zur Erläuterung derselben das Beispiel nega-
* Dies wenigstens die einfachste Repräsentation, woran man den-
ken kann. [F.]
über negative Empfindungswerte. 43
tiver Geschwindigkeitswerte bei der Beibang herangezogen.
In dieser Beziehung täuscht Sie unstreitig die Erinnerung.
Nicht zur Erläuterung negativer Empfindungswerte in der
Psychophysik, wozu ich das Beispiel für untauglich halte,
weil es Schwierigkeiten darbietet, sondern zur möglichen
Erläutenüg der negativen Hebungswerte in der Myophysik
habe ich das Beispiel der Eeibung herangezogen, indem ich
aUerdings meinte, dais sich aU das wohl unter einen gemein-
samen Gj-esichtspunkt fassen liefse, es auch jetzt noch meine,
nur in anderer Weise, als woran ich früher dachte, — wie ich
denn von Anfang hierin mich keiner E^larheit in dieser Be-
ziehung rühmte. Die Schwierigkeit, negative Q-eschwindig-
keitswerte bei der Beibung und negative Hebungswerte bei
Ihren Versuchen als imaginäre zu fassen, liegt nämlich darin,
dafs die Deutung der erstem als Geschwindigkeiten von ent-
gegengesetzter Richtung und der letztem als Verlängerungen
des Muskels näher liegt, eine Schwierigkeit, die bei negativen
Empfindungswerten wegf&llt. Denn unter Null der Empfindung
oder jenseits derselben giebt es eben nichts, was durch negative
Werte derselben bedeutet werden könnte, als imaginäre Werte
derselben, gerade wie beim Baditis vedor der Polarkoordinaten,
daher ich nur auf diesen, nicht auf die Beibung zur Er-
läuterung der negativen Empfindungswerte in den Elementen
der Ps. und andeutungsweise in meinem Schreiben bezug ge-
nommen. Das Beispiel mit der Baddrehung, was Sie heran-
ziehen, tritt aber mit dem der Beibung ganz unter denselben
Gesichtspunkt, und kann ich daher die Parallele mit der
Empfindung, auf der Sie fufsen, nicht als zutreffend zuge-
stehen. Bei der Baddrehung würde man (entsprechend als
bei der Beibung, anders als bei der Empfindung) negative
Drehungswerte als solche von entgegengesetzter Bichtung fassen
können.
Inzwischen glaube ich, dafs sich allerdings in allen diesen
Fällen eine Parallele mit der Empfindung herstellen läfst, wenn
man dabei nur nicht auf negative Geschwindigkeitswerte
rekurriert, wie ich meinte zu können. Gehen wir auf das
Beispiel der Beibung zurück, denken uns einen Körper durch
irgend eine Kraft auf einer Ebene fortgeschoben und stellen
eine Untersuchung an, bei welchem Werte der schiebenden
Kraft ein Teilchen a des Körpers das zunächst vor ihm liegende h
44 (7. 7%. Fedmer.
der Ebene (atomistisch in kleiner Entfernung davon gedacht)
nicht za erreichen und zu überschreiten vermag, so werden
wir dem Sinne der Aufgabe gemäfs die Entfernungen des
Teilchens a von h als negativ oder positiv bezüglich h (als
Schwellenwert) zu betrachten haben, je nachdem h nicht er-
reicht oder überschritten ist, und soUte sich nach Ausdruck
durch eine Formel zeigen, dafs bei nicht sehr starken Kraft-
werten h gar nicht erreicht werden kann, mithin der Abstand
von a bezüglich h negativ bleibt, so hielse das, das Über-
schreiten von h hat einen negativen Wert, es kann zu einem
wirkUchen Gleiten von a über h hinaus nicht kommen, son-
dern blofs zu einer Annäherung an diesen Punkt. So könnten
vielleicht auch bei den myophysischen Versuchen, möchte die
Frage auf das Zustandekommen von Hebung oder Dehnung eines
Muskels gerichtet sein, negative Werte der Hebung oder
Dehnung nur bedeuten, dafs die Kraft zu gering war, um
irgend ein Teilchen nach Längen- oder Querrichtung des Mus-
kels über das andere hinauszuschieben und dadurch eine Hebung
oder Dehnung merklich werden zu lassen. Doch auch das mag
dahingestellt bleiben.
Das in Ihrem früheren Briefe vom glühenden Platindraht
entnommene Beispiel ist wesentlich anderer Art als das bezüg-
lich des Wasserrades.
Sie argumentieren gegen meine Auffassung negativer
Werte aus folgender Parallele:
Der Draht Die Ganglienzelle
1) undurchströmt \ i ungereizt
Kälte \ {keine psychophysische Bewegung
}{
Dunkelheit f \ keine Empfindung
2) schwacher Strom ^ / schwacher Beiz
Wärme > {schwache psychophys. Bewegung
M
Dunkelheit ) l keine Empfindung
3) starker Strom \ / starker Beiz
heiis > {starke psychophysische Bewegung
Lichterscheinung / l Empfindung.
Sie sagen, dafs in dieser Parallelie alles objektiv zu nehmen,
über negatUoe Enipfindungswerte, 45
dajGs das Glülieii ebenso notwendig eintritt, wenn ein gewisser
Temperaturgrad erreiclit ist, als die Empfindung, wenn ein
gewisser Wert der psychophysischen Bewegung erreicht ist.
Aber ich mufs schlechthin in Abrede stellen, und stelle damit
zugleich alle Eonsequenzen, die Sie aus der Parallele gegen
mich ziehen, in Abrede, dafs man mit den Ausdrücken Kälte,
Wärme, Hitze, Dunkelheit, Lichterscheinung physische Zustände
fundamental und objektiv bezeichnen kann, es sind vielmehr
Ausdrücke, welche die gröfsere oder geringere Entfernung des
physischen Zustandes des Drahtes von dem Punkte oder über
den Punkt hinaus, wo er eine gewisse Empfindung zu erwecken
anfangt, unbestimmt bezeichnen; das Glühen das Drahtes tritt
nicht bei einem festen Temperaturgrade des Drahtes ein,
sondern wenn die Temperatur, nachdem sie schon vorher die
Schwelle der Wärmeempfindung überschritten, nun auch die
Schwelle der Lichtempfindung (ihrer Erregung nämlich) zu
überschreiten anfangt, d. i. bei verschiedenen Temperatur-
graden je nach der verschiedenen Empfindlichkeit der Indivi-
duen, und tritt für den Blinden gar nicht ein. Also sind alle
jene Ausdrücke von der linken Seite auf die rechte Seite zu
übertragen, wonach für die Unke zur objektiven Bezeichnung
des physischen Wärmezustandes nur gröfsere oder geringere,
aber überall positive Werte von lebendiger Eraft der Wärme -
Schwingungen übrig bleiben; nirgends ein Nullwert, rücklings
dessen man von negativen Werten der Wärme sprechen kann,
indes man allerdings von negativen Empfindungswerten sprechen
kann, die rücklings bestimmter physischer Wärmezustände unter
Voraussetzung bestimmter Empfindlichkeit eintreten.
Unsere Differenz über Bewufstsein anlangend, so glaube
ich jetzt einzusehen, obwohl ich darüber nicht sicher bin, dafs
sie blofs auf einer verschiedenen Weite, in der wir den Begriff
des Bewufstseins fassen, ruht. Ich sage: kein Bewufstsein ist
da, wenn weder sinnliche Empfindung noch ein höheres Be-
wufstseinsphänomen da ist, wie im traumlosen Schlafe, rechne
aber in meiner weiteren Fassung des Begriffes die sinnliche
Empfindung selbst als eine Bestimmung oder ein Moment des
BewuCstseins, was Sie nicht thun, denn nach Ihnen steigt das
Bewufstsein in keiner Weise, wenn bei höchst gespannter Auf-
merksamkeit eine Empfindung hinzutritt, nach mir steigt es
um die ganze Intensität der Empfindung, wobei ich aber den
46 ^- Th. Fedmer.
niedren BewniGstseinsakt der Empfindung und den höheren
der Aufinerksamkeit unterscheide. Das wäre doch ein reiner
Streit der Definitionen, der sich bei der Unbestimmtheit im
allgemeinen Gebrauche des Begriffes Bewufstsein nicht rein
ausfechten, sondern nur von jedem durch seine eigene Er-
klärung fiir seine besonderen Zwecke entscheiden läfst.
(Fortsetzung folgt im nächsten Heft.)
Das Verschwinden der Nachbilder
bei Augenbewegungen.
Von
Sigmund Exner.
Jedem, der sich mit Nachbildversuchen beschäftigt hat,
ist die Thatsache geläufig, dafs Nachbilder sich am besten bei
starrem Blicke entwickeln, und dafs sie bei Augenbewegungen
zu verschwinden pflegen, um bei neuerlicher Fixation wieder
aufzutauchen. Ich habe es immer für ziemlich selbstverständ-
lich gehalten, dafs die Ursache dieser Erscheinung in dem
ungleichen Verhalten der subjektiven und objektiven Eindrücke
bei Bewegungen des Bulbus liege, habe diese Deutung auch
schon vor Jahren gelegentlich in einer Anmerkung erwähnt *
und sie erst kürzlich im Verlaufe einer Diskussion in der Q-e-
Seilschaft der Arzte zu Wien in folgender Form ausge-
sprochen:^ „Ich mufs daran erinnern, dafs subjektive
Gesichtserscheinungen, deren Ursprung in der Netzhaut ge-
legen ist, z. B. Nachbilder, PuBKiNJEsche Aderfigur, oder die
in Eede stehende Kreislauferscheinung, fast nur gesehen,
werden, wenn das Auge starr nach einem Punkte gerichtet
ist; sowie man eine Blickbewegung ausführt, verschwinden die
subjektiven Erscheinungen. Es hängt das ofienbar damit zu-
sammen, dafs objektive und subjektive Eindrücke nicht als
solche zu unterscheiden sind, so lange das Auge ruht, dafs
sie aber sogleich voneinander unterschieden werden, wenn eine
^ Die mangelhafte Erregbarkeit der Netzhaut fOr Licht von abnormer
Einfallsrichtung. Siteungsher. der Wiener Akad. d. Wies. LXXXVIII.
Abt. ni. 1883.
' Brotokoü d, k. k, Gesellach. d. Ärzte in Wien, 10. Jänner 1890.
Wiener klin. Wochenschr. 16. Jänner.
4S Sigm. Exner.
Blickbewegnng ausgeführt wird, denn dann gehen die subjek-
tiven Erscheinungen mit der Blickbewegnng, die objektiven
verharren an ihrem Orte. Da in unsrem Leben im aUgemeinen
nur die gesehenen äufseren Objekte, nicht die subjektiven Er-
scheinungen ein Interesse haben, letztere uns vielmehr in der
Verwendung des Sinnesorganes hinderlich sind, so ignorieren
wir diese, sobald sie sich überhaupt als solche durch die Blick-
bewegung kenntlich gemacht haben. Dieses Ignorieren der
subjektiven Erscheinungen geschieht aber nicht durch einen
bewuTsten Willensakt, geschieht vielmehr durch einen centralen
Mechanismus,^ der, einer Beflexhemmung nicht ganz unähnlich,
ohne unser Zuthun, ja ohne unser Wissen die betreffenden
Eindrücke dem BewuTstsein entrückt"
Seitdem sah ich, dafs diese Deutung doch wohl nicht so
selbstverständlich ist, wie ich geglaubt hatte. Es haben näm-
lich die Hm. EuG. Fick und A. Gürbbr, angeregt durch
Hm. A. Fick, in einer Abhandlung über Netzhauterholung*
die Ansicht ausgesprochen, dafs das Verschwinden der Nach-
bilder bei Blickbewegungen auf einer plötzlichen, wenn auch
kurzdauernden Erholung der Netzhaut beruhe, diese Erholung
aber dadurch zu stände komme, dafs der Zug der Augen-
* muskeln den intraokulären Druck ändere und dadurch die Zir-
kulation im Auge begünstige. Ähnlich wie Blickbewegungen
wirken Lidschlag und Wechsel der Accomodation. Eine An-
zahl von Versuchen werden zur Erhärtung dieser Erklärung
mitgeteilt.
Eine genauere Erwägung der beiden Deutungsarten, von
denen die letztgenannte jedenfalls den grofsen Vorzug hätte,
konkretere und anschaulichere Vorstellungen zu enthalten,
liefsen mir aber doch keinen Zweifel, dafs die erstere vorzu-
ziehen ist, und da diese Frage, meines Wissens, überhaupt
noch nicht eingehend diskutiert worden ist, erlaube ich mir
einiges von den Gründen, die für mich bestimmend sind, und
die mich zu meiner Auffassung führten, hier vorzubringen.
Das Verschwinden der Nachbilder bei Blickbewegungen
ist ein specieller Fall der allgemeineren Regel, dafs subjek-
* Es mag hier dahingestellt bleiben, ob sich derselbe phylogenetisch
oder ontogenetisch als zweckmäfsiger Apparat entwickelt hat.
* Bericht d. Ophthalmolog. Geseüsch. in Heidelberg. 1889.
Das Verschwinden der Nachbilder bei Augenbewegungen, 49
tive Erscheinungen überhaupt bei Blickbewegungen ver-
schwinden, also auch jene, bei welchen die Erholung der Netz-
haut, die FiCK und Gürber zur Erklärung des Verschwindens
der Nachbilder heranziehen, gar nicht in Betracht kommt. Die
HAiDiNGBRschen Polarisationsbüschel, die Foveafigur,^ die Netz-
hautzirkulation, wie sie bei Anstarren des blauen Himmels gesehen
wird, der MAXWELLsche Fleck und der LöWEsche Bing, die ich
jeden Morgen beim Aufschlagen der Augen an der Zimmer-
decke sehe, in gewissen Fällen die PuREiNJBsche Aderfigur
u. s. w., sie alle verschwinden bei Blickbewegungen, und doch
kann man nicht behaupten, dafs es sich hier um Ermüdung
der Netzhaut handele, die zum Schwinden gebracht werden
mufs, um die Erscheinung zu zerstören. Diese Erscheinungen
haben mit der Ermüdung nichts zu thun. Ja selbst die mouches
volantes sind beim starren Blick am besten zu sehen und
verschwinden bei bewegtem Blicke zum Teile. Sofern sie nicht
verschwinden, gehen sie eben nicht genau mit dem Blicke,
sondern bleiben in bekannter Weise etwas zurück oder sind
im Flusse. Es wird eben alles ignoriert, was die Blickbewegung
genau mitmacht, denn es verrät sich dadurch als subjektiv,
und es werden alle Gesichtseindrücke wie jene der äufseren
Objekte bemerkt, welche nicht Gelegenheit gehabt haben, sich
in dieser Weise als subjektive zu kennzeichnen.
. Auf diesem letzteren umstände beruht es, dafs das Zitter-
licht eines der vorzüglichsten Mittel ist, subjektive Erscheinun-
gen zu beobachten. Sei es, dafs man durch die Speichen
eines rotierenden Bades, oder zwischen den rasch hin- und
herbewegten gespreizten Fingern hindurchsieht, oder nur sehr
rasch hintereinander blinzelt, so sieht man Aderfigur, Fovea-
figur, die Polarisationsbüschel ohne Zuhülfenahme eines Nikols
an den betreffenden Teilen des Himmels u. s. w. Man sieht
unter diesen umständen auch die Nachbilder in der vorzüg-
lichsten Weise, ja ich benützte schon vor Jahren das Zitter-
licht, das durch Blinzeln erzeugt wird, geradezu als Mittel, die
letzten Beste eines Nachbildes noch sichtbar zu machen. Nach
der Erholungstheorie sollte man erwarten, dafs man unter
^ TJm sich von dem Verschwinden dieser beiden Erscheinungen zu
überzeugen, ist es gut, denselben durch Zuhülfenahme eines Kobaltgl^ses
mehr Stabilit&t zu geben.
Zeitschrift für Psychologie. ^
50 Sigm. Exner.
diesen ümständeii gerade die Nachbilder am wenigsten zu
sehen bekomme. Die Ursache aber, ans welcher man die sub-
jektiven Erscheinungen bei Zitterlicht so gut sieht, ist die,
dafis in dem Bruchteil einer Sekunde, durch welche die Objekte
jedesmal gesehen werden, nicht Oelegenheit ist, durch Augenbe-
wegungen Subjektives vx>n Objektivem zu unterscheiden, es ist
also wesentlich dieselbe Ursache, wie beim Fixieren.
In derselben Weise erklart es sich, dafs man so häufig
subjektive Erscheinungen, besonders auch Nachbilder, in dem
ersten Momente zu sehen bekonmit, wenn man von einer
Fixation rasch in eine andre übergegangen ist. Sie blitzen
nur für kurze Zeit auf. In diesem ersten Momente ist eben
Objektives und Subjektives noch nicht getrennt. So haben
HjSkmann, A. Fice, Gübden und ich das Auftreten der Aderfigur
dunkel auf hellem Grunde beschrieben, wenn man des Morgens
beim Erwachen die Augen au&chlägt.
Nach der Erholungsiheorie ist es unverständlich, dafs ein
Nachbild bei geschlossenem Auge nicht schwindet, wenn man
Blickbewegungen macht, auch nicht, wenn man rhythmischen
Fingerdruck auf den Bulbus ausübt, der gewifs grölsere
Schwankungen des intraokulären Drucks erzeugt, als die wiU-
kürlichen Augenbewegungen u. dergl. Die Nachbilder gehen
dann mit den Blickbewegungen. Auch nach meiner Auffassung
könnte man erwarten, dafs sie verschwinden; doch glaube ich,
dafs sie im ersten Falle wohl deshalb nicht verschwinden, weil
nicht nur das Mitgehen mit der Blickbewegung, sondern auch
das Stehenbleiben der objektiven Eindrücke mafsgebend ist,
und letzteres hier wegfallt; deshalb verschwinden auch andre
subjektive Erscheinungen bei geschlossenen Augen durch die
Blickbewegungen nicht, z. B. die in der Umgebung der Fovea
centralis infolge von Druck auf den Bulbus auftauchende Licht-
erscheinung, oder die schon von Gobthe beschriebenen konzen-
trisch eingehenden oder sich ausbreitenden komplementär gefärb-
ten Kreise; im zweiten Falle, wo ein wechselnder Fingerdruok aus
geübt wird, sind zwar thatsächlich Verschiebungen und Drehungen
des Bulbus vorhanden, doch werden dieselben, da sie nicht
durch willkürliche Blickbewegungen hervorgerufen sind, nicht
bemerkt. Damit hängt es auch zusammen, dafs, wenn derselbe
Fingerdruck bei geöffnetem Auge ausgeübt wird, Scheinbewe-
gungen der äufseren Objekte gesehen werden. Ein Nachbild
Dixs Vet^chtoinden der Nachbilder hei Augenhewegungen. 51
aber, das man bei geöffnetem Auge beobachtet, schwindet
nicht oder doch kaum, wenn während der Beobachtung • der
Grund durch diesen Fingerdruck in Scheinbewegung versetzt
wird, schwindet aber wohl, wenn ebenso ausgiebige Augenbe-
wegungen gemacht werden.
Schliefslich will ich noch erwähnen, dafs ich beim Mikro-
skopieren eine Erfahrung gemacht habe, die wohl viele Mikro-
skopiker bestätigen dürften, und die zu der vorgetragenen
Auffassung ein Gregenstück bildet. Man pflegt beim Mikro-
skopieren das Präparat vielfach zu verschieben, und insbeson-
dere beim Unterricht die Hand an das Präparat zu legen,
sobald man das Auge an das Okular bringt. Da habe ich nun
vielfach erfahren, dafs ich es mir ganz abgewöhnt habe, im
Sehfeld irgend etwas zu bemerken, was sich bei Verschiebung
des Objektes nicht bewegt. Oft kommt es vor, dafs der An-
fanger mich nach einem Gebilde fragt, das ihm auf den ersten
Blick aufgefallen ist; ich hatte es nicht bemerkt. Ich mufs
nochmals in das Mikroskop blicken, um es zu erkennen und
dem Schüler zu sagen, es sei eine Verunreinigung im Okular
des Instrumentes. Es hat sich, da es diesem, und nicht dem
Objekte angehört, nicht mitbewegt. Und wie oft ist der
Mikroskopiker erstaunt über die groben Verunreinigungen im
Okular, die er erst bemerkt, wenn er dieses dreht und ihnen
so Bewegung erteilt.
Bei der Benutzung des Mikroskopes interessiert uns nur
das Objekt, und dieses ist dadurch kenntlich, dafs es sich in-
folge der intendierten Handbewegung im Sehfelde vorschiebt.
Deshalb ignorieren wir mit der voUen Macht der Gewohnheit
und, ohne uns dessen bewu&t zu sein, die Gesichtseindrücke,
deren Ursprung im Instrument liegt, und die bei dieser Bewe-
gxmg in Buhe bleiben. — Bei Benutzung unseres Auges inter-
essiert uns auch nur das Objekt, und auch dieses ist dadurch
kenntüch, dafs bei der intendie;ten Blickbewegung sein Büd
über die Netzhaut streift. Was von den Gesiohtseindrücken
auf der Netzhaut in Buhe bleibt, hat sich dadurch als dem
Auge angehörig erwiesen und wird ignoriert.
*1
Die innerliche Sprache und ihr Verhalten zu den
Sinneswahrnehmungen und Bewegungen.
Von
Hermann Aubert.
Dem Bestreben, die physiologischen und psychologischen
Komponenten unserer Sinnesthätigkeit voneinander abzugrenzen,
wird sich auch die Untersuchung komplexer Bewegungsprozesse
anzuschliefsen haben, welche sowohl mit den Funktionen der
Sinnesorgane, als mit Seelenthätigkeiten eng verbunden sind.
Zu diesen Prozessen gehört die Sprache, wenigstens derjenige
Teil, welcher kürzlich von Ballet^ nach dem Vorgange von
Paülhan* als „innerliche Sprache" bezeichnet worden ist, also
die Beziehung der Laut- und Schriftsprache zu den Sinnes-
wahmehmungen, zu dem Vorstellungsvermögen, dem Gedächtnis
für Sinneseindrücke und für gehörte oder gesehene Worte^
sowie zu den zum Sprechen oder Schreiben der Worte erforder-
lichen Bewegungsvorstellungen.
Eine darauf zielende Analyse der Sprachkomponenten ist
schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts von dem eng-
lischen Philosophen David Hartlby' unternommen worden^
welcher unterschieden hat: 1. Die Eindrücke, welche auf das
Ohr gemacht werden; 2. die Wirkungen der Sprachwerkzeuge;
3. Eindrücke, welche durch die Charaktere (Schriftzüge) auf
* Gilbert Ballbt: Die innerliche Sprache und die verschiedenen Formen
der Aphasie, Deutsch von Paul Bongebs. 1890.
' Paülhan: Le langage interieur in Eevue pJUlos. 1886, Janv. pag. 84.
" David Hartley: Observation on man, his frame, his duty and his ex-
spectations. Übersetzung von 1772 Bd. 11, pag. 2—40. (Hartlet starb
1757. Eine neue englische Ausgabe seines Werkes ist in London 184ä
erschienen.
I>ie innerliche Sprache und ihr VerhaUten zu den Sinneswahmehmuugen. 53
das Auge gemacht werden ; 4. Wirkungen der schreibenden
Hand. Hartlby hat über die Associationen der Wörter mit
den Gegenständen und Ideen beim Erlernen der Muttersprache
und fremder Sprachen eine grofse Anzahl treffender Ausein-
andersetzungen gemacht. In neuerer Zeit ist die Untersuchung
der Momente, welche die Vorstellungen unserer Sinnes- und
Denkthätigkeit mit den Bewegungsvorstellungen der Laut-
und Schriftsprache vermitteln, durch die Beobachtungen über
Aphasie und Agraphie wieder angeregt worden, und nament-
lieh die Pathologen haben diese Untersuchungen, deren Bedeu-
tung für die Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane
besonders Stkickbr^ hervorgehoben hat, unternommen und
wesentlich gefördert.
Erst durch die Beobachtungen der Pathologen konnte sicher-
gestellt werden, dafs Aphasie und Agraphie ohne Störungen
des Intellektes oder der Seelenthätigkeit auftreten, dafs sie ohne
Lähmungen der Sinnesnerven, ohne Lähmung der beim Sprechen
und Schreiben in Betracht kommenden Muskeln oder motorischen
Nerven stattfinden, dafs Aphasie vorhanden sein kann, ohne
dafs die Fähigkeit, Empfindungen und Gedanken durch die
Schrifb auszudrücken, irgend beeinträchtigt ist. Dahingehörige
Beobachtungen findet man bei Kussmaul', Bbrnard' u. a.,
meist als „Aphemie" bezeichnet. — In entsprechender Weise
kann eine Unfähigkeit, zu schreiben, eintreten, ein Zustand,
welchen Ballst (1. c. pag. 137) treffend „Aphasie der Hand^
nennt, welcher für gewöhnlich „Agraphie" genannt wird. —
Häufig und genau beobachtet sind Fälle von „Alexie", bei
welchen geschrieben, gesprochen, alle Obliegenheiten des ge-
wöhnlichen Lebens prompt besorgt werden können, nur die
Fähigkeit, Geschriebenes oder Q-edrucktes zu lesen, eingebüfst
ist. Die Alexie wird auch als cecite verbale, als Wortblind-
heit (Kussmaul 1. c. pag. 174, Bernard 1. c. pag. 69, Charoot,
* Stricker: Stitdien über die Sprachvorstellungen. Wien, 1880. pag. 26 — 50
und 92—100.
* Küssmaul: Die Störungen der Stäche, in v. Ziemssena Handbuch
der Spedeüen Pathologie und Therapie, Bd. XII, Anhang pag. 157.
* D^sir£ Bernard : De V Aphasie. 2. Ausgabe. Paris, 1889. pag. 118 u. f.
^ Charcot: Neue Vorlesungen iJiher die Krankheiten des Nervensystems
übersetzt von Freud. Leipzig und Wien, 1886. pag. 124.
54 Herrn. Äübert.
Landolt^) bezeiclmet. — Finden wir endlich, dafs ein Mensch
Gedrucktes und Geschriebenes abschreiben, Fehler, auf die er
in der Abschrift aufmerksam gemacht wird, richtig korrigieren
kann, ohne ein Verständnis davon zu haben, so mufs man
wohl mit Troussbau* sagen: „Ce que la psychologie n'a pas
ose faire, le mal Ta realise."
Folgen wir, ohne hier näher auf die einzelnen Beobach-
tungen einzugehen, den Schematen, welche zur Klassifizierung
der vorkommenden Sprachstörungen von Baginsky,^ Wbrnicke*,
Kussmaul (L c. pag. 182), Charcot,^ Lichtheim® entworfen wor-
den sind, so finden wir im wesentlichen übereinstimmend, wenn
auch im einzelnen sehr verschieden weit ausgeführt, immer
aufser dem perzipierenden Sinnesorgane und dem Intellektcen-
trum (Seelencentrum) das Postulat: 1. eines Sprachcentrums,
2. eines Sprechcentrums, 3. eines Schrift- und 4. eines Schreibe-
centrums, welche teils untereinander, teils mit den Sinnes-
organen und dem Intellektcentrum durch Leitungsbahnen ver-
bunden sind.
Die Worte, aus welcher die Laut- und Schriftsprache ge-
bildet wird, sind konventionelle Zeichen für Empfindungen,
Vorstellungen, Gedanken, Verhältnisse, welche den Dingen
völlig inkongruent sind. Sie werden von Generation zu Gene-
ration überliefert und bilden das Mittelglied zwischen der
Sinnes- und Geistesthätigkeit des einen Individuums zu der
eines anderen. — Wir wollen die Kombination psychischer
Thätigkeit mit Sinnesthätigkeit beiseite lassen und nur eine
einfache Sinnesthätigkeit, die Empfindung des „Blau'' statt-
finden lassen. Dieses Wort setzt aufser der Empfindung im
Sehnerven eine Gehörsempfindung für das gesprochene Wort
voraus — und mit dieser Gehörsempfindung verbindet sich
auf dem Wege des Reflexes ein Bewegungskomplex, durch
^ Landolt: De la cSciU verbale in Feestbundel DoNDEns-Jubileum.
Amsterdam, 1888. pag. 418.
' Trousseau : Bulletin Äcad. imp. de Midecine. T. XXX, 1865. pag. 652.
^ Bagikskt : Berliner Jdiniscke WocJienschrift 1871. No. 36 u. 37.
^ Wernicke: Der aphasiache Symptomenkomplex, Breslau, 1874; und
Lehrbuch der GehimhranTcheiten. Kassel, 1885. Bd. I. pag. 206.
* Charoot : Schema s. bei D. Berkard 1. c. pag. 37 \ind Ballet 1. c.
-pag. 17.
• Lichtheim; Über Aphasie, Deutsches Archiv f. klin. Medicin. 1875.
pag. 203. (cf. Ballet 1. c. pag. 149.)
Die itmerUcJie Sprache und ihr Verhalten eu den Sinneewahmehmungen. 55
welchen das Wort gesprochen wird und nun wiederum als
gehörtes Wort die entsprechende Vorstellung von der Gesiohts-
empfindung „Blau'' erzeugt. Der ganze Vorgang setzt voraus :
1. ein Sehorgan, 2. ein Associationsorgan zwischen Gesichts-
und Gehörsempfindung, 3. ein Beflexorgan zwischen der Ge-
hörsempfindung und dem Bewegungskomplex zum Aussprechen
des Wortes, 4. ein Koordinationscentrum für die Sprechbe-
wegungen. Jedem dieser vier Organe muTs eine Gedächtnis-
vorrichtung zugeordnet sein, wie uns die Beobachtungen an
Aphasischen lehren — denn es kann bei ihnen die Zugehörig-
keit des Wortes zu der Empfindung vergessen worden sein,
oder die Vorstellung für die Anordnung der Bewegungen oder
die Zugehörigkeit der Bewegungsvorstellung zu der Gehörs-
wahmehmung ; im letzteren Falle kann di^s Wort nur unmittel-
bar, nachdem es vorgesagt worden ist, nachgesprochen werden
(Kussmauls Fall 1. c. p. 166).
Was nun die jenen Centren zuzuschreibenden Gedächtnisse
betrifft, so gehen wir auf diese Frage nicht ein, sondern
schlieisen uns der Auffassung Herings^ an, welcher „das Ge^
dächtnis oder Beproduktionsvermögen als ein Grundvermögen
der organisierten Materie^ nachzuweisen sucht — was in Bezug
auf die hier in Betracht kommenden Nervenelemente wohl
kaum in Zweifel gezogen werden dürfbe. Die Ausbildung
derselben ist Sache der Erziehung, und wir lassen es unbe-
stimmt, wie weit eine Prädisposition durch Vererbung mit der
individuellen Entwickelung vergesellschaftet ist.
Wenn wir die genannten Zwischenorgane, das Sprach- und
Sprech-, das Schrift- und Schreibecentrum, welche die Ver-
bindtmg zwischen unserer Seele und unseren Muskeln bewirken,
kurz als „Verständigungsorgane^ bezeichnen, so werden wir
dieselben ihrer physiologischen Dignität nach den Beflex-
mechanismen gleichzusetzen haben: sie sind selbständige Cen-
tra, insofern sie fortbestehen bei den verschiedenartigen
Störungen des Verstandescentrums — aber sie sind beim ge-
sunden Menschen in steter Beziehung mit dem psychischen
^ £. Hering : Über das Gedächtnis als eine allgemeine Funktion der orga-
nisierten Materie. Feierliche Sitzung der Wiener Akad. vom 30. Mai 1870.
pag. 170. — cfr. Galtok: Inqwries into human facuUy; mental imagerp,
London, 1883. pag. 83, und Latcock : A chapter on some organic laws of per-
sonal and ancestral memory in Joum. of Mental Science. 1875. Juli.
56 Herrn. Aubert,
Centnun, von welchem ihnen Erregongen zugehen, weldie dann
Wortvorstellungen oder Bewegungsvorstellungen auslösen, und
umgekehrt. Diese Wechselbeziehungen des Verstandescentrums
und des Yerständigimgscentrums können bei Aphasischen auch
unterbrochen sein — der Kranke verhalt sich dann nach dem
treffenden Vergleich Exnebs^ »wie ein intelligentes Tier, das
die Sprache des Menschen wohl hört, aber nicht versteht^ —
oder wie ein sprechender Papagei, welcher Worte ganz deutlich,
wie ein Mensch, spricht, aber nicht versteht. Der wortblinde
Alexander Spobch (D. Bbrnard L c. pag. 101) schreibt und
korrigiert sogar das Geschriebene richtig , ohne es zu
verstehen.
Die Erscheinungen bei Aphasischen regen femer die Frage
an, ob die Innervation unserer Muskeln und die von ihnen
auszuführenden Bewegungen einer Kontrolle in Bezug auf die
wirkliche Ausfahrung von Seiten unserer Sinnesorgane bedür-
fen. Stricker ' verneint gerade im Hinblick auf die Sprach-
funktion diese Frage. Er will nur ,,motorische Vorstellungen
als Wortvorstellungen^ gelten lassen und spricht den reinen
Wortvorstellungen jede Beimischung von Sinnesvorstellungen
ab. Er macht dafür geltend, dais Sinnesvorstellungen beim
Denken in Worten, z. B. beim stillen, nicht lauten Lesen aus-
geschlossen erscheinen; ebenso bei einem Dialoge, den man „im
Geiste^ mit jemandem führt. Ich wüfste auch nicht, durch
welche Sinnesorgane eine Kontrolle unserer Bewegungen beim
Sprechen geübt werden soll. In dem Falle, welchen D. Ber-
nard (1. c. pag. 75) und Charcot (1. c. pag. 131) mitteilen, scheint
auch für die Bewegungen beim Schreiben eine derartige Kon-
trolle der Sinnesorgane völlig ausgeschlossen zu sein: der
Alektische oder Wortblinde sagt geradezu: „Ich schreibe, als
wenn ich die Augen geschlossen hätte, ich lese nicht, was ich
schreibe.^ Er schreibt seinen eigenen Namen; aufgefordert,
denselben zu lesen, sagt er: „Ich weifs wohl, dafs es mein
Name ist, aber lesen kann ich ihn nicht.'' Der Auffassung
Strickers ganz konform, macht er es indes möglich, zu lesen
dadurch, dafs er einen Buchstaben des Wortes nach dem an-
^ SiGM. Exner: Physiologie der Großhirnrinde in Her manne Handbuch
der Physiologie. U, 2. pag. 344.
' Stbickeb: Studien über die SprachvoreteUungen, Wien, 1880. pag.
26-50.
Die innerUche SpracJ^e und ihr Verhalten zu den Smneswahrnehmungen. 57
dem mit dem Finger nachzieht und gelangt durch diese Be-
wegungen zu der Vorstellung des Wortes, welches er nun richtig
ausspricht. Dieser Herr hat also nur Bewegungsvorstellungen
von dem Worte gehabt — ob wir aber daraus schliefsen dürfen,
dafs überhaupt beim Schreiben eine Kontrolle durch den Ge-
sichtssinn und Tastsinn bedeutungslos ist, mufs ich im Hinblick
auf die ängstlichen Bewegungen der Eänder beim Schreiben-
lemen bezweifeln. Die Selbstbeobachtung, wenn ich schreibe,
läfst es mir freilich unzweifelhaft erscheinen, dafs die motorische
oder BewegungsvorsteUung hauptsächlich mafsgebend ist für
die auszuführenden Handbewegungen, doch sieht meine Hand-
schrift, wenn ich beim Schreiben die Augen schliefse, abge-
sehen von der Dislokation auf der Papierfläche, ganz anders
aus, als wenn ich die Augen beim Schreiben offen halte. —
Charakteristisch für den grofsen Einflufs der Bewegungsvor-
stellung beim Schreiben ist der Ausspruch eines Agraphischen,
welchen Ballet (1. c. pag. 141) nach Pitrbs mitteilt : Aufgefor-
dert, das Wort „Bordeaux" zu schreiben, sagt er: „Ich weifs
sehr wohl, wie das Wort Bordeaux geschrieben wird, aber
wenn ich mit der rechten Hand schreiben will, weifs ich nicht
mehr, was ich machen soll." Den Buchstaben L, den er sehr
wohl erkennt, versucht er zu schreiben, vermag aber nur un-
zusammenhängende Striche zu ziehen, die in nichts an die'
allgemeine Form des Buchstaben L erinnern.
Einen ähnlichen Standpunkt, wie Stricker gegenüber den
Bewegungen beim Sprechen, nimmt in Bezug auf die Augen-
bewegimgen Loeb ^ im Anschlufse an Mach ' ein, indem er von
ihnen sagt : „Das Lokalzeichen eines indirekt gesehenen Punktes
sei nichts anderes, als der Impuls zur Blickbewegung nach
diesem Punkte.^^ Mach hatte schon den Satz aufgestellt:
„Der Wille, Blickbewegungen auszuführen, oder die Innervation,
ist die Baumempfindung selbst." Gerade beim Sprechen und
Schreiben machen wir fast immer die Erfahrung, „dafs die
ausgeführte Bewegung der gewollten genau entspricht", denn
die ausgesprochenen Worte entsprechen genau unseren Wort-
vorstellungen oder „motorischen Vorstellungen" (Stricker), und
ebenso die gesungenen Melodien ; daher würde nach Loeb „der
^ J. Loeb : Untersuchungen über cUe Orientierung im FOhlraume der Hand
und im Bhckraume in Pflügers Arch. f. d. ges. Fhysiol. Bd. 46. 1889. pag. 30.
* E. Mach: Beiträge zur Analyse der Empfindungen. Jena, 1886. pag. 57.
58 Herrn. Aubert.
WiUensimpuls zur Bewegung, aber nicht die bei der Bewegung
ausgelösten Empfindungen für die Ghröfse und Sichtung unserer
willkürlichen Bewegungen mafsgebend sein". Die Bewegungs-
vorstellung würde also dem, was Loeb den Willensimpuls zur
Bewegung nennt, gleich zu setzen sein. Genügt dann aber
die Bewegungsvorstellung zur wirklichen Ausföhrung der Be-
wegung durch die Muskeln, ohne dais eine Kontrolle der
ausgeführten Bewegung durch irgend welche Sinnesorgane
stattfindet ?
Dafs der Bewegungsvorstellung eine genaue Innervation
für den Grad der Zusammenziehung der zugehörigen Muskeln
zu Gebote steht, wird man mit Loeb aus der Kontinuität des
Muskels mit der Nervenzelle folgern können, dafs aber ein
bestimmter Bewegungsimpuls für eine beabsichtigte Bewegung
nach Gröfse, Bichtung und Zeit gegeben werde, und dafs sogar
die JEUchtung der gewollten Bewegung für die Baumempfindung
bestimmend sei entgegen der fehlerhaft ausgeführten Bewegung
wird nicht ohne Übung zu bewirken sein. — Das Erlernen
der Bewegungen wird aber in Bezug auf die Kontrolle durch
ausgelöste Empfindungen wohl zu unterscheiden sein von den
Bewegungen, welche wir nach vielfacher Übung und Erfahrung
auszufahren gelernt haben. Die verschiedensten Arten von
Bewegungen werden zu der Zeit, wo wir sie erlernen d. h.
einüben, nicht so ausgeführt, dafs sie dem Zweck entsprechen,
zu welchem wir sie ausfahren — das tritt u. a. sehr deutlich
hervor beim Spielen musikalischer Instrumente die Vorstel-
lung der Bewegung und die Ausfahrung der vorgestellten
Bewegung harmonieren anfangs sehr wenig, und es ist dann
für den Anfänger (z. B. auf dem Klavier) eine Kontrolle der
Bewegungen durch Gesicht und Getast geboten; erst wenn
unter dem Einflüsse derselben die ausgeführte Bewegung häufig
wiederholt worden ist, gelingt es, die Bewegungsvorstellung
endlich mit einiger Sicherheit wirklich zur Ausführung zu
bringen. — Dann ist aber die eingeübte Bewegung zur Beflex-
bewegung geworden, bei welcher doch immer eine Ausbildung
besonderer Leitungsbahnen vorausgesetzt werden mufs, welche
im ersteren Falle von einer Bewegungsvorstellung auf die zu-
gehörigen Muskelgruppen, im zweiten Falle von einem em-
pfindenden Punkte auf die zugehörige Muskelgruppe führen.
Die Bewegungen des Sprechens und Schreibens werden
Die ifMcrUche Sprache und ihr Verhalten zu den Sinneswahmehmtmgen. 59
aber in einer so frühen Lebenszeit eingeübt, dafs eine Selbst-
beobachtung dabei* noch nicht stattfinden kann ; doch ist nicht
blofs eine individuelle Ausbildung, sondern auch eine Ver-
erbung der ausgebüdeten Leitungsbahnen unzweifelhaft an-
zunehmen.
Inwieweit wir über die wirkliche Ausführung vorge-
stellter Bewegungen durch irgend welche Empfindungen oder
Wahrnehmungen unterrichtet werden, ist für die Bewegungen
beim Sprechen und Schreiben ganz besonders schwierig zu
imtersuchen. Es wird sich empfehlen, weniger komplizierte
Bewegungen zu beobachten, und ich habe schon vor 30 Jahren
bei Gelegenheit von Beobachtungen über den Ortssinn der
Haut» die Erfahrung gemacht, „dafs man bei geschlossenen
Augen für gewöhnlich einen Punkt der Hautoberfläche, welcher
eben berührt worden ist, mittelst der Hand- und Armbewegungen
genauer trifi't, als man nach der Feiuheit des Baumsinnes oder
nach der Gröfse der Empfindungskreise erwarten sollte." —
Derartige Bestimmungen setzen aber nicht blofs eine sehr
genaue Orientierung auf unserer Haut, sondern auch eine ge-
naue Ausführung der Bewegungsvorstellung voraus.
^ AuBBRT und Kaxmler : Untersuchungen über den Druck- und Baumsinn
der Haut in Moleschotts Untersuchungen zur Naturlehre des Menschen.
Bd. V. 1858. pag. 175.
über eine falsche Nachbildlokalisation und damit
Zusammenhängendes.
Von
Th. Lipps.
Das Phänomen, um das es sich im Folgenden handelt, ist
von mir seit lange beobachtet worden. Die erste darauf be-
zügUche Mitteilung findet sich aber, so viel ich weil's, in E. Machs
^Beiträgen zur Analyse der Empfindungen"^ ^ Jena 1886.
Mach berichtet S. 58 der genannten Schrift: „Wir be-
trachten in einem dunklen Zimmer ein Licht A und führen
dann eine rasche Blickbewegung nach dem tieferen Lichte B
AUS. Das Licht A scheint hierbei einen (rasch verschwindenden)
Streifen nach oben zu ziehen. Dasselbe thut natürlich auch das
Licht B^ etc.
Diese Angabe Machs bedarf verschiedener Ergänzungen.
Hier zunächst eine Bichtigstellung ihres Sinnes. Wenn Mach
meint, „dasselbe thue natürlich auch das Licht B^, so kann
dies nicht heifsen, bei der einen und selben Blickbewegung
von A nach B ziehe nicht nur das Licht A^ sondern auch das
Licht B einen Streifen nach oben. Dies wäre weder „natürlich",
noch richtig. Die Meinung kann nur die sein, das Licht B
.ziehe einen Streifen nach unten, wenn der Blick rasch nach
oben, also von B nach A gehe.
Oder allgemeiner gesagt: Jeder leuchtende Punkt oder
Gegenstand, von dem ich meinen nach Blick irgend welcher
Richtung rasch wegwende, scheint einen rasch verschwindenden
Streifen nach entgegengesetzter Bichtung zu ziehen.
Auch diese Behauptung mufs noch verallgemeinert werden.
Jedes von seiner Umgebung genügend sich abhebende Objekt
über eine fdlache NachbilcUokalistUüm und damit Zusammenhängendes. 61
überhaupt scheint bei rascher Wegwendung des Blickes einen
Streifen nach entgegengesetzter Richtung aus sich zu entlassen,
das leuchtende Objekt einen leuchtenden, das weniger leuch-
tende einen schwächeren und verwascheneren hellen, das dunkle
einen verwaschenen dunklen.
Weiter ist keineswegs erforderlich, dafs das Auge das
Objekt erst fixiert und vom fixierten Objekte sich wegwendet.
Auch wenn das Auge eine rasche Bewegung ausführt, die den
Blick von einem indirekt gesehenen Objekte weiter wegführt,
geht aus dem Objekt ein Streifen in der der Richtung dieser
Bewegung entgegengesetzten Bichtung hervor. So scheint,
wenn ich von einem Punkte, der über einer Beihe von Lichtem
sich befindet, meinen Blick rasch nach rechts oder weiter nach
oben wende, jedes der Lichter einen Streifen nach links, bezw.
nach unten zu entsenden.
Freilich muTs ich bemerken, dafs es den meisten sehr
schwer zu fallen scheint, das bezeichnete Phänomen zu beob-
achten. Dies hat gewifs seinen Hauptgrund in der mangelnden
Übung im indirekten Sehen. Darum mufs ich doch für meine
Beobachtungen vollkommene Sicherheit in Anspruch nehmen.
Ich sehe etwa, seit ich mich gewöhnt habe, darauf zu achten,
des Abends von den Strafsenlatemen, wenn ich den Blick weg-
wende, überall die bezeichneten leuchtenden Streifen ausgehen.
Ich sehe sie so deutlich, wie ich die Streifen sehe, die ein
durchs ruhende Gesichtsfeld rasch hindurch bewegter leuchtender
Gegenstand erzeugt; ich habe eine bestimmte Vorstellung von
ihrer Länge und ihrem meist unregelm§,fsig wellenförmigen
bei kürzeren Augenbewegungen gelegentlich auffallend bogen-
förmigen Verlauf.
Mach sieht in dem Streifen ein falsch lokalisiertes positives
Nachbild des gesehenen Objektes und ohne Zweifel mit Becht
Dagegen ist er auf falscher Fährte, wenn er dahingestellt
lälst, durch welche „organischen Einrichtungen" des Auges
diese falsche Lokalisation zu stände komme. Nicht nui* giebt es
sonst nichts, was auf solche besonderen organischen Einrich-
tungen hinwiese. Es scheint mir auch jede solche Erklärung
durch die Natur des Phänomens ausgeschlossen.
Dafjs in der That der leuchtende Streifen, den das Licht
nach oben entsendet, wenn ich den Blick von A nach unten
richte, ein falsch lokalisiertes Nachbild ist, davon habe ich den
62 Th, Lipps.
deutlichsten Eindruck, wenn ich mich bemühe, den BUck nach-
her ebenso rasch wieder zum Lichte A zurückzuwenden. Ich
sehe dann annähernd denselben Streifen noch einmal aufleuchten,
in ähnlicher Form und gleicher Farbe und Leuchtkraft ; zugleich
annähernd an derselben Stelle und ebenso rasch entstehend und
verschwindend. Vor allem wenn ich mehrere Male nacheinander
meinen BUck von dem Lichte weg- und möglichst rasch wieder
zu ihm zurückwende, drängt sich mir die Gleichartigkeit oder
Identität der bei der Abwendung und Wiederkehr des Blicks
auftretenden Streifen auf. Folgen sich beide Streifen sehr
rasch, so erscheint schliefslich das Auftauchen und Verschwinden
des einen und des andern wie ein einziger Vorgang. Es ist
mir, als ob bei der Abwendung des Blicks von dem Lichte
ein Lichtstreifen nach oben schösse, der dann wiederum durch
die Rückkehr des Auges in das Licht zurückgeführt würde.
Es ist aber doch wohl kein Zweifel, dafs der bei der
Eückkehr entstehende Streifen als Nachbild, oder besser als
eine stetige Folge von Nachbildern gefafst werden mufs. Die
Netzhaut des Auges wird bei der Bewegung nacheinander an
einer Reihe von Punkten gereizt, und an jedem Punkte dauert
der Beiz oder die Wirkung des ßeizes eine Zeitlang nach.
Daraus ergiebt sich bei der hier vorausgesetzten Bewegungs-
richtung ohne weiteres die Wahrnehmung einer Lichtlinie,
die nach oben zu herausschiefst und nach unten, nach dem
Lichte zu, verschwindet.
Ebensowohl wird man dann aber auch den bei der Weg-
wendung des Blicks entstehenden Streifen als unmittelbare
ßeiznachwirkung, als „Nachbild^ in diesem Sinne, betrachten
müssen. Auch hier wird ja eine Reihe von Netzhautpunkten,
und zwar annähernd dieselbe Reihe, mit demselben Ausgangs-
und Endpunkt, nacheinander gereizt, und auch die Wirkung
dieser Reizungen dauert nach. Es entsteht also das Nachbild
faktisch. Was sollte dann der in Rede stehende Streifen anders
sein als eben dies Nachbild? Wäre er etwas anderes, so müXste
ja das Nachbüd noch neben ihm gesehen werden.
Dieser Auffassung entspricht es denn auch, dafs wir den
Streifen sich verkürzen sehen, wo die Bedingungen für die
Verkürzung des Nachbildes gegeben sind. Ich stelle etwa das
Licht, das den Streifen aussenden soll, so tief, dafs es bei
einer Bewegung des Kopfes naQh oben sehr bald durch den
über eilte falsche NachbildlokaHscaian und damit Zusammenhängendes, 63
unteren Teil des Gesichts verdeckt wird. Wenn ich dann
vennöge einer Bewegung der bezeichneten Art — während
gleichzeitig die Augen in ihren Höhlen ruhen — den Blick
von dem Lichte wegwende, so kann nur ein kurzes Nachbild
entstehen. Entsprechend sehe ich den Streifen verkürzt.
Nun entwickelt sich freilich das Nachbild, das bei der
Wegwendung des Blickes von einem Gegenstände entsteht oder
richtiger zurückbleibt, in gleicher Sichtung, um in entgegen-
gesetzter zu verschwinden, während bei dem in Hede stehenden
Streifen das Gegenteil stattzufinden scheint. Aber eben in
diesem letzteren umstände besteht die zu erklärende falsche
Lokalisation.
Diese falsche Lokalisation nun giebt sich bei genauerer
Betrachtung des bisher, trotz der gemachten Bemerkungen,
noch nicht genügend genau bezeichneten Phänomens deutlich
als ürteilstäuschung zu erkennen.
Wir setzen im Folgenden auf Grund des oben Gesagten
an die Stelle des MACHschen Lichtes Ä ein beliebiges Objekt 0.
Von ihm denken wir uns den Blick nach oben, nicht, wie
Mach in seiner Mitteilung voraussetzt, nach unten gewandt.
Der Endpunkt der Bewegung heifse P. Die Bewegung nach
oben setze ich voraus, weil mir bei den dieser Darlegung zu
Grunde liegenden Versuchen die Blickhebung weit müheloser
erschienen ist als die BHcksenkung. Wie man weiTs, ist im
Interesse einer nachher zu erwähnenden Lokalisationstheorie
das Gegenteil behauptet worden.
Lidem ich nun von 0 meinen Blick rasch gegen P wende,
mache ich zunächst eine Beobachtung, die das Bild, das Machs
oben citierte Mitteilung in uns erwecken könnte, wesentlich
verändert. Ich sehe nämlich zunächst das 0 selbst, abgesehen
von dem aus ihm hervorgehenden Streifen, um eine Strecke
nach unten rücken. Diese Beobachtung war bei meinen Ver-
suchen so sehr die zuerst sich aufdrängende, dafs sie sich mir
anäknglich ausschlieislich aufdrängte. Ich habe sie in meinen
yjPstfchölogischen Shidien"' im ersten Aufsatze im Interesse meiner
Lokalisationstheorie verwendet, ohne dabei des Streifens, weil
ich auf ihn nicht geachtet hatte, zu gedenken. — Es ist aber
mit der Erklärung dieser scheinbaren eigenen Bewegung des
0 auch zur Erklärung des Streifens das Wesentlichste gethan.
Jene scheinbare eigene Bewegung des 0 habe ich nun
64 Th. Lipps.
schon am eben genannten Orte auf TJrteilstäusolning zurück-
geführt. Ich führe diese Erklärung hier näher aus, um dann
von da unmittelbar zu dem Besonderen unseres gegenwärtigen
Problems weiter zu gehen.
Voraussetzung der Erklärung ist, dafs Bewegungsempfin-
dungen des Auges mit der Einordnung der Gesichtseindrücke
in das Sehfeld, also mit der Wahrnehmung der wechselseitigen
. Lage und Entfernung gleichzeitig gesehener Objekte nichts zu
thun haben. Oben erwähnter Aufsatz giebt — mir noch immer
zwingend erscheinende — Gründe für diese Voraussetzung.
Es ist aber eben die hier in Bede stehende Thatsache, sofern
ihre Erklärung jene Voraussetzung nötig macht, geeignet, sie
zu bestätigen. — Übrigens werde ich auf die Meinung, Augen-
bewegungen bestimmten unser Bewufstsein der Gröfse wahr-
genommener Entfernungen, nachher mit einem Wort zurück-
kommen.
Dagegen geben gewifs Bewegungsempfindungen des Auges,
und nicht minder solche des Kopfes, des Körpers den Mafsstab
ab zur Abmessung der Verschiebungen, welche das ganze
Sehfeld und jeder Punkt desselben innerhalb des uns umge-
benden, als ruhend gedachten Gesamtraumes erleidet; wir
beurteilen nach der Gröfse solcher Bewegungen oder er-
schliefsen aus ihr die Gröfse des Weges, den unser Blick eben
vermöge dieser Bewegungen in dem ruhenden Baume zurücklegt.
Wie dies zugehe, ist leicht verständlich. An sich enthalten
jene Bewegungen nicht die mindeste Hindeutung auf Bäum-
lichkeit, also auch auf Raumgröfsen in sich. Sie selbst sind
ja für unser Bewufstsein nichts als eine Folge rein intensiver
Zustände. Aber sie können durch die Erfahrung dazu ge-
langen, durchmessene Baumgröfsen zu bedeuten. Ich wende
den Blick von einem ruhenden A zu einem ebensolchen JS.
Den Weg von A nach B und seine Gröfse nehme ich wahr,
unabhängig von allen Augen- und sonstigen Bewegungen. Zu-
gleich aber habe ich das Bewufstsein jener stetigen Beihe von
intensiven Zuständen, in welcher die Bewegungsempfindung
besteht. Das Zusammentreffen der beiden Bewufstseinsinhalte
macht, dafs sie sich verknüpfen. So wird die Bewegung zum
Zeichen des durchlaufenen Weges, seiner Bichtung und Gröfse.
Nicht immer habe ich nun aber von diesen beiden Objekten
meiner Wahrnehmung, der Bewegung und der Weggröfse ein
über eine falsche Nachbüdlokaiiaatian und damit Zusammenhängendes. 65
gleicli deutliches BewnCstsein. Niclit immer insbesondere, wenn
ich eine Blickbewegong ausführe, achte ich gleich sorgfaltig
auf die Gröfse des durchlaufenen Weges. Wenn ich von einem
Punkte mein Auge rasch zu einem weiter entfernten wende,
so pflege ich dies zu thun, weil dort ein Objekt ist, das meine
Aufmerksamkeit reizt. Es kommt mir dann darauf an, das
Objekt möglichst rasch zu fassen, nicht aber mir von dem
zwischen beiden Punkten liegenden Weg und seiner Gröfse
Itechenschaft zu geben, und umgekehrt, wenn mein Interesse
darauf gerichtet ist, eine Weggröfse abzumessen und mir ein-
zuprägen, dann fliege ich nicht vom Anfangspunkte zum End-
punkt dieses Weges mögUchst rasch und in einem Zuge, ohne
Anhalt und Beachtung des Zwischenliegenden, sondern gehe
schrittweise, da imd dort thatsächlich oder in Gedanken anhal-
tend, absetzend, verweilend. Ich verfahre so, selbst wenn ich
meine, die Bewegung in einem Zuge auszufahren. Damit
zerfällt die Bewegung jedesmal in eine Beihe mehr oder
weniger abgegrenzter Teilbewegungen, der Weg in eine Folge
von Wegteilen, die jenen Teilbewegungen zugehören. Nicht
die Bewegung als unterschiedsloses Ganzes, sondern diese durch
Haltpunkte geteüte Bewegung wird sonach zum Zeichen des
durchlaufenen Weges oder der Folge von Teilen, in die er
zerfallt, und es leuchtet ein, dafs die Bewegung zu einem
um so sichereren Zeichen für den thatsächhch, d. h. nach Aus-
sage der Wahrnehmung durchlaufenen Weg, zu einem um so
sichereren Mafsstab für die Gröfse dieses Weges werden mufs,
je mehr die Bewegung in Teile zerfiel und jeder Teil mit dem
zugehörigen und für sich aufgefafsten Stück des durchlaufenen
Weges sich verbinden konnte.
In unserem Zusammenhange handelt es sich nun aber um
Bewegungen, die relativ grofs und eben dadurch ausgezeichnet
sind, dafs das sie ausfahrende Auge von einem Funkte zum an-
dern ohne Anhalt fliegt, so dafs die Bewegung, soweit irgend mög-
lich, nur als unterschiedsloses Ganzes zum Bewufstsein kommt.
Um dies zu erhärten, fuge ich hier wiederum den oben ge-
machten Angaben eide ergänzende Bemerkung hinzu. Die
scheinbare Bewegung des 0 -*- wenn ich von 0 nach P gehe — ,
ist bei der ersten Blickbewegung vielleicht wenig merklich.
Sie steigert sich dann, wenn ich die Blickbewegung durch
öftere Wiederholung einübe. Sie wird am gröfsten, wenn ich
Zeitschrift lOr Psychologie. ^
66 Th. Li^pps,
68 80 weit gebracht habe, dafs ich die Bewegung unwillkürlich,
einer Art von Zwang gehorchend, also so leicht nnd anhaltlos
als möglich vollziehe.
Da solche Beweg^nngen dnrch die Erfahrong nicht als
solche zn Zeichen von bestimmten Weggröfsen haben werden
können, so kann ich die Ghröfse des Weges, der dnrch sie
znrackgelegt wird, nnr schätzen nach Analogie der vorhin
bezeichneten „geteilten'' Bewegungen. Wie die Ghröfse unser
„ungeteilten" Bewegungen zur Gröfse dieser „geteilten" Be-
wegungen, so müssen sich die durch beide zurückgelegten Wege
zu einander zu verhalten scheinen. Jene Bewegungen werden
aber im Vergleich mit diesen notwendig unterschätzt. Also
müssen auch die durch jene zurückgelegten Weggröfsen unter-
schätzt werden.
Wir schätzen Zeitgröfsen verschieden je nach der Art
dessen, was sie erfüllt. Die Zeit verfliegt, wenn ein einheit-
licher und stetiger Zusammenhang von Gedanken oder Erleb-
nissen uns beschäftigt, in welchem jedes einzelne Moment nicht
als solches, sondern nur als Durchgangspunkt innerhalb des Gan-
zen in Betracht kommt. Sie schleicht, wenn wir bald dieser, bald
jener äufseren oder gedanklichen Beschäftigung uns zuwenden,
oder wenn verschiedenartige, gegeneinander relativ selbständige
und für sich bedeutungsvolle Erlebnisse sich folgen.
Dieser Unterschied der Schätzung überträgt sich auch auf
Weggröfsen. Der Weg, den ich gehe, wird verkürzt durch
die das Interesse spannende, d. h. die Vorstellungsthätigkeit von
Punkt zu Punkt ohne Anhalt und Unterbrechung weiterfuhrende
Unterhaltung ; er erscheint lang, wenn die Unterhaltung stockt,
immer wieder von neuem und mit neuen Gedanken einsetzt.
In ähnlicher Weise scheint mir unter im übrigen gleichen
Umständen auch der geläufige Weg, den ich von vorn-
herein als Ganzes im Auge habe, kürzer als der neue, der
durch immer neue Wahrnehmungen für meine Auffassung
in eine gröfsere oder geringere Anzahl selbständiger Teile
zerlegt wird.
Auch die Unterschätzung der ununterbrochenen Linie im
Vergleiche mit der durch Querstriche geteilten kann hierher
gezogen werden. Wiederum zerfällt jene für meine successive
Auffassung und Einprägung in eine Eeihe relativ selbständig
auffafsbarer Teile; die Querstriche wirken als Haltpunkte, die
über eine falsche NachbildlokaUsation und damit Zusammenhängendes, 67
dem Zasammenscilrumpfen wehren. Dieser fehlen die Halt-
punkte, darum schrumpft sie in der Vorstellung zusammen.
Nach solchen Analogien nun mufs auch die Bewegung des
Blickes von 0 nach P, also auch der Weg, den ich damit
zurücklege, unterschätzt werden. Zugleich sehe ich doch, wäh-
rend ich die Bewegung ausführe, welche wirkliche Entfernung
zwischen 0 und dem Blickpunkt des Auges allmählich entsteht.
Soweit die Entstehung dieser Entfernung nicht der Bewegung
des Blickes ihr Dasein verdankt, kann sie nur in einer eige-
nen, entgegengesetzt gerichteten Bewegung des 0 ihren
Grund haben. Ich deute also notwendig den Vorgang in
diesem Sinne.
Von hier aus nun kann ich sogleich weitergehen. Jene Deutung
gerät nämlich in Gefahr des Widerspruchs mit der Wahrnehmung.
Wenn 0 eine eigene Bewegung nach unten ausführt, so muLs es
sich auch von P entfernen, es sei denn, dafs auch Pum die gleiche
Gröfse nach unten rückt. Von einer solchen Bewegung des
P bemerke ich aber nichts, solange mir nur daran liegt, von
0 möglichst rasch nach P zu kommen, solange 0 nur Aus-
gangspunkt, P nur Zielpunkt der Bewegung ist. Als Zielpunkt
der Bewegung erscheint mir P fest; und ich denke, es ist
leicht zu sehen, warum. P erscheint fest, weil ich es, eben
als Zielpunkt, in Gedanken festhalte. Dies muTs ich aber thun.
Die Blickbewegung, um die es sich hier handelt, ist eine jedes
Zögern, jedes Schwanken, jede Unbestimmtheit ausschliefsende.
Dies setzt voraus, dafs mein auf die Bewegung gerichtetes
Wollen ein durchaus bestimmtes, eindeutiges, ohne Schwanken
sich selbst gleiches sei. Und deraxt kann mein Wollen nicht
sein, wenn ich mir nicht das Ziel als ein eindeutiges, als un-
verrückbar dasselbe denke. Der Wille zu jener BUckbewegung
schliefst also die Vorstellung der räumlichen Identität des P
mit sich unmittelbar in sich. Der Gedanke dieser räumlichen
Identität ist für mich, indem ich die Bewegung ausführen will
und ausfahre, unvermeidliche Voraussetzung. Ich kann danach,
wenn ich die Blickbewegung unterschätze, nicht P als mir
durch eigene Bewegung entgegenkommend, sondern nur 0,
das durch kein solches Vorurteil an der eigenen Bewegung
verhindert wird, als von mir fliehend betrachten.
Erst wenn ich, statt nur immer — der Absicht nach —
von 0 nach P zu gehen, vielmehr rasch zwischen 0 und P
5*
68 ^»- Lipps.
•
hin und her gehe und nach Möglichkeit auf beide zugleich
achte und ihren wahrgenommenen räumlichen Zusammenhang
festhalte, also die Bewegung auf das feste System 0 P zu be-
ziehen mich bemühe, scheinen mir beide in der meiner Blick-
bewegung entgegengesetzten Sichtung sich zu bewegen. Ich
kann so in der That willkürlich 0 allein oder 0 und P sich schein-
bar verschieben lassen.
Immerhin können auch im letzteren Falle die scheinbaren
Bewegungen von 0 und P nicht die gleiche Gröfse haben.
Ich mag noch so sehr zwischen 0 und P hin und her gehen,
bei jeder einzelnen Bewegung ist darum doch entweder 0 Aus-
gangspunkt und P Zielpunkt oder umgekehrt. Und besteht
überhaupt die Neigung, den Zielpunkt als fest zu betrachten,
so mufs diese Neigung auch hier wirken. Die Bemühung, 0
und P samt ihrer wahrgenommenen räumlichen Distanz festzu-
halten, wird zwar, wenn P Zielpunkt ist, das P, und ebenso,
wenn 0 Zielpunkt ist, das 0 in die scheinbare Bewegung mit
hineinzwingen; aber die der Blickbewegung entgegenkommende
eigene Bewegung des Zielpunktes muss doch immer hinter der
Fluchtbewegung des Ausgangspunktes zurückzubleiben scheinen.
Darnach ergiebt sich iu beiden hier unterschiedenen Fällen
während der Blickbewegung von" 0 nach P der Gedanke einer
Eigenbewegung des 0, durch welche, wenn sie wirkUch statt-
fände, 0 um eine Strecke von P weggerückt, also die Ent-
fernung 0 P um ein Stück vergröfsert werden müfste. Durch
diesen Gedanken nun trete ich in Widerspruch mit der Wahr-
nehmung, derzufolge die Entfernung zwischen 0 und P wäh-
rend des Vorganges sich selbst gleich geblieben ist. Ich sehe
ja, wenn ich bei P angelangt bin, 0 von P soweit entfernt,
als beim Beginn der Bewegung P von 0 entfernt war. Freilich
ist dies Gleichheitsbewufstsein kein absolut sicheres; es schwankt
zwischen gewissen Grenzen. Eine geringe Vergröfserung jener
Entfernung werde ich übersehen, ich werde mir also auch den
Schein einer solchen anstandslos gefallen lassen. 0 wird sogar,
ohne dafs der Widerspruch fühlbar wird, um so weiter schein-
bar nach unten rücken und dabei P hinter sich zurück lassen
dürfen, je gröfser die Entfernung 0 P ist. Und es ist, wie
wir später sehen werden, nicht ohne Bedeutung, dafs es sich
so verhält. — Soweit aber jenes Gleichheitsbewufstsein reicht,
bleibt der bezeichnete Widerspruch in Kraft.
über eine feilsche NachbüdlokäUaatüm und damit Zusammenhängendes, 69
Soweit er nun bestellt und in Kraft bleibt, mufs er ge-
löst werden. Er kann aber gelöst werden, wenn es eine
Wabmehmung giebt, die uns erlaubt, beide einander wider-
sprechende Gedanken, den, dafs 0 nach unten rücke und P
hinter sich lasse, und den andern, dafs 0 dann doch wiederum
annähernd in der ursprünglichen Entfernung von P sich be-
finde, in dem Gedanken der Bückkehr des 0 nach oben zu ver-
einigen. — Eine solche Wahrnehmung nun ist die Wahr-
nehmung des Nachbildstreifens.
Indem wir diesen Nachbildstreifen jetzt in den Kreis der
Betrachtung ziehen, haben wir aber zunächst Folgendes zu
beachten. In dem Streifen widerholt sich von Punkt zu Punkt
das Bild des Objektes. An jedem Punkte haben wir das Ob-
jekt, wenn auch nicht überall gleich deutlich. Unterscheiden
wir dennoch in einem solchen Streifen das Objekt selbst von
dem Streifen, der von ihm ausgeht, oder den es nach sich
zieht, und weisen diesem Objekte an einem bestimmten Punkte
des Streifens seine Stelle an, so müssen wir dafür jedesmal
einen besonderen Grund haben. Wir wissen aber einstweilen
noch nicht, wo wir bei der Eigenartigkeit unseres Phänomens
Grund haben werden, innerhalb unseres Streifens das „Objekt
selbst^ zu suchen.
Danach ist für uns der Streifen, der vom Objekte 0 nach
oben geht, zunächst eben ein Streifen — ohne weiteren Zu-
satz. Er hat ein unteres Ende, das wir Oi, ein oberes, das wir
Ck nennen wollen. Bisher sahen wir infolge der ünterschätzung
der Blickbewegung das 0 nach unten rücken; jetzt verrückt
sich an seiner Stelle der Streifen. Er thut es, indem er nach
oben zu entsteht.
Setzen wir nun die Gröfse, um die wir die Bewegung
des Blickes unterschätzen, also zugleich die Gröfse, um welche
der Streifen nach unten zu rücken scheint = m, die Länge
des Streifens = n, und nehmen an, m sei = n. Dann mufs (h
während der Entstehung des Streifens annähernd in Buhe zu
bleiben und der Streifen von ihm aus nach unten zu entstehen
scheinen.
Der Streifen verschwindet dann wieder und zieht sich in
das Objekt zusanmien. Zugleich fordert, indem wir dem End-
punkt P der Bewegung uns nähern oder nachdem wir bei ihm
angelangt sind, mehr und mehr die Wahrnehmung, dais Oi nicht
70 ^- Lipps.
wesentlich von P sich entfernt habe, ihr Becht und zwingt
uns, den Gedanken, dafs Oi nach unten gerückt sei, rück-
gängig zu machen. Dies können wir nur, indem wir die Be-
wegung des Ol in Gedanken rückgängig machen. Eben dazu
aber bietet uns das Verschwinden des Streifens Gelegenheit.
Dafs der Streifen sich in das Objekt zusammenzieht, und dafs
sein unteres Ende trotz der scheinbaren Bewegung nach unten
nun doch annähernd in seiner ursprünglichen Lage gesehen
wird, dies beides vereinigt sich von selbst zu dem Gedanken,
der Streifen habe sich in der Richtung nach oben ins Objekt
zusammengezogen. Ich deute also, was ich sehe, in diesem
Sinn. Indem ich so den zwingenden, aber der Wahrnehmung
widersprechenden Gedanken der Bewegung nach unten in
meinen Gedanken korrigiere, hebe ich den Widerspruch auf.
Jetzt erst stellen wir auch die Frage nach dem Orte, den
wir dem Objekte selbst innerhalb des Streifens, also während
des ganzen wirklichen und scheinbaren optischen Vorgangs
anweisen.
Da das Objekt selbst, ich meine das an seiner Stelle ge-
sehene und nicht blofs als Nachbild im Auge vorhandene, in
Wirklichkeit immer das untere Ende des Streifens bildet, also
mit Oj zusammenfallt, so sollte man zunächst erwarten, dafs
man es auch während des ganzen Vorganges da zu sehen
glaubte. Es müfste dann das Objekt nach unten zu schiefsen
und den Streifen hinter sich herzuziehen scheinen, um nachher
wieder, während der Streifen verlischt, nach oben zurückzu-
kehren. Und zwar müfste es in der Weise zurückzukehren
scheinen, als ob es von dem sich in sich selbst zusammen-
ziehenden Streifen nachgezogen, sozusagen aufgesogen würde.
In der That ist diese Deutung nicht die naturgemäfse. Ange-
nommen, das Objekt führte jene scheinbaren Bewegungen
wirklich aus, es würde etwa ein Licht vor dem ruhenden Auge
rasch nach unten, dann wiederum ebenso rasch nach oben ge-
schoben, so ergäbe sich ja ein völlig anderes Bild. Da wir
dies Bild nicht haben, sondern nur eben das Verlöschen eines
Streifens wahrnehmen, so müssen wir die entgegengesetzte
Deutung vorziehen, d. h. wir müssen annehmen, das Objekt
bleibe annähernd an seiner Stelle, und entlasse den Streifen
nach unten, um ihn dann nach oben zu wieder in sich zurück-
zunehmen. Diese Deutung ist die widerspruchlosere. Sie ist
über eine faische NcuihbildlohiUsation und damit Zuseanmenhängendes, 71
davon abgesehes, weil sie hinsichtlicli des Verhaltens des Ob-
jektes die einfachsten Voraussetzungen macht, die einfachste.
Es kommt derselben auikerdem zu gute, dafs überall zwischen
Anfang und Ende des Streifens die Bilder des Objektes sich
übereinander schieben und nur oben und unten das Objekt
klarer sich abgrenzt, dafs aber wiederum das untere Ende am
weitesten in das Gebiet des indirekten Sehens rückt, wo die
Bestimmtheit des Sehens mehr und mehr sich yermindert. Wir
sind aber, von andern Gründen abgesehen, gewifs zunächst
geneigt, das Objekt da zu suchen, wo es uns am klarsten und
bestimmtesten entgegentritt. Wir suchen es im übrigen am
naturgem&fsesten da, wo wir es beim Beginn des ganzen Vor-
ganges gesehen haben und am Ende desselben wiedersehen.
Damit ist aber doch nicht ausgeschlossen, dais auch die
thatsächliche und unserer Beobachtung sich nicht völlig ent-
ziehende Identität des Objektes mit 0^ eine gewisse Wirkung
übt. In der That sehe ich, wie bereits betont, das Objekt,
indem es den Streifen nach unten aus sich zu entlassen
scheint, immer zugleich selbst in gewissem Grade nach unten
wegschieisen oder wegzucken. Es ist mir, als ob es eben bei
dieser Bewegung den Streifen sozusagen aus sich herauswürfe ;
nur dafs es dabei doch nicht wesentlich von der Stelle, bezw.
von P hinwegzurücken scheint. Übrigens begegnet es mir auch
gelegentlich, dafs ich, die entgegenstehenden Momente über-
sehend, schwanke, ob nicht doch das Objekt selbst die ganze
Bewegung nach . unten auszufahren und dabei den Streifen
hinter sich herzuziehen scheine.
Dais dann, wenn auch P sich zu bewegen scheint, das
Objekt entsprechend weiter nach unten zu rücken imd da zu
bleiben scheint, und warum das der Fall sei, ergiebt sich aus
früher Gesagtem.
Eine mittlere, nicht allzu grofse Entfernung des P von 0
habe ich bisher in Gedanken vorausgesetzt. Nur bei einer
solchen trifft die bisherige DarsteUungsweise in allen Teüen
zu. Lassen wir jetzt die Entfernung kleiner werden.
Angenommen, die möglichst rasche Bewegung des Blickes
von 0 nach P besäfse bei jeder Gröfse der Distanz OP dieselbe
Geschwindigkeit, so müfste sich immer ein gleich langer Nach-
bildstreifen entwickeln können. Jene Voraussetzung trifft aber
offenbar nicht zu. Ich habe ein deutliches Gefohl, dafs es mich
72 Th' ^PP*'
Mühe kostet, meinen Blick rasch von 0 wegzuwenden nnd die
Bewegung an einem nahe gelegenen Punkte P zu sistieren.
Ich bin subjektiv gewifs, (Jafs die Bemühung, den Blick nicht
weiter fliegen zu lassen, die Bewegung verlangsamt. Darum
wundert es mich nicht, dafs bei kleineren Entfernungen OP
die Länge n des Nachbildstreifens sich verkleinert und schlieiB-
lieh gar kein solcher mehr zu stände kommt. Zugleich ver-
ringert sich auch das Mals, um welches die Bewegung unter-
schätzt wird, also die Ghröfse m, und zwar, wie man erwarten
wird, schneller als n. m wird mehr und mehr kleiner als n.
Geschieht dies nun, so mufs unseren Voraussetzungen zu-
folge das Objekt den rasch verschwindenden Streifen night
blois nach unten, sondern mehr und mehr zugleich nach oben
zu entsenden scheinen, nicht absolut gleichzeitig, sondern so,
dafs der Streifen nach oben in seinem Entstehen und Vergehen
dem nagh unten etwas vorauseilt. Zugleich werden wir augh
hier den Eindruck haben müssen, dafs das Obiekt selbst um
ein Stü,k, nur mn ein inuner ^ringeres Stüi na«h unten
zuQkt. Dies entspricht denn augh meinen Beobachtungen voll-
kommen, und ich sehe darin eine besonders deutliche Bestä-
tigung der Bightigkeit meiner Erklärung.
EndÜQh gelingt es mir auch, obgleich nur SQhwer und nur bei
möglichst kleinen und wohleingeübten Bewegungen, den Streifen
nur nach oben, gelegentlich bis zu P herausschiefsen zu sehen,
während das Objekt ganz kurz nach unten zu zucken scheint.
Hier schwindet die falsche Lokalisation des Nachbildes voll-
ständig, weil die Bedingungen geschwunden sind, auf denen
nach unseren Voraussetzungen das Phänomen beruht.
umgekehrt scheint das Objekt, wenn die Entfernung OP
sich vergröfsert, nicht nur einen längeren Streifen nach unten
zu ziehen, sondern zugleich selbst immer stärker nach unten
zu rücken und da zu verbleiben. Dies erklärt sich daraus,
dafs wir, wie oben bemerkt, uns bei gröfserer Entfernung OP
ein stärkeres Wegrücken des 0 gefallen lassen können, ohne
den Widerspruch zwischen diesem G-edanken und der Wahr-
nehmung des sich gleichbleibenden räumlichen Verhältnisses
zwischen 0 und P zu fühlen.
Noch eine Beobachtung habe ich zu erwähnen, die mir
zuerst an dem ganzen Phänomen als das Merkwürdigste er-
schien. Angenommen, das Objekt, von dem ich meinen Blick
über eine falsche NachbildlokalisaHon und danUt Zuaammenhängendee. 73
rasch nach oben wende, sei ein auf einem Tische stehendes
brennendes Licht. Dann scheint der von dem Lichte nach
unten gehende Streifen über den Tisch hinweg nach unten zu
schiefsen. In solchen Fällen gewinnt natürlich der Eindruck,
dafs wirklich ein vom Objekte verschiedener Streifen nach unten
gehe, besondere Stärke. Der bezeichnete Umstand verliert
aber sein Wunderbares, wenn man bedenkt, dais das Auge bei
seiner Bewegung, ebenso wie das Bild des Lichtes, auch das
Bild des Tisches mitnimmt und das mitgenommene Bild ftlr
das an seiner Stelle gebliebene Objekt hält. Es bewegt sich
also in der That der Streifen über das unbewufst nach oben
verschobene Nachbild des Tisches.
Wie schon eingangs gesagt, finde ich in dem besprochenen
Phänomen eine direkte Bestätigung meines Widerspruches ge-
gen die Theorie, welche die Ausmessung des Sehfeldes mit
Augenbewegungen in Zusammenhang bringt. Unterschätze ich
die Gröfse des Weges, den das bewegte Auge zurücklegt, d. h.
jBchätze ich sie geringer, als sie nach Ausweis der Wahrneh-
mung ist, dann giebt es eine von Augenbewegungen unabhängige
Wahrnehmung von räumlichen Gröfsen. Vielerlei ist ja freilich
zu Gunsten der „Augenbewegungstheorie ^, wie ich sie hier
kurz nennen will, vorgebracht worden. Aber es ist doch wohl
gewüs, dafs alles dies nichts bedeuten kann, wenn auch nur
ein einziger entscheidender Grund dagegen vorgebracht werden
kann. Es schiene mir danach wohl der Mühe wert, dafs man
die Gegengründe sorgfältig prüfte.
VieUeicht erweisen sie sich bei solcher Prüfung als unstich-
haltig. Dann ist noch immer kein Beweis der Theorie gegeben.
Es müfste auch gezeigt werden, dafs die Thatsachen, die zu
ihren Gunsten gedeutet werden können, nicht auch anders zu
deuten sind. Ich erlaube mir daran zu erinnern, dafs ich in
meinen ^^Psychologischen Studien^ und den y^GrundlhaUachen des
SedenUbens^ mich bemüht habe, entscheidende Gründe gegen
die Theorie vorzubringen und mit der Theorie wirklich oder
vermeintlich übereinstimmende Thatsachen auf anderem Wege
vei^ständlich zu machen.
Ich füge aber hier noch einige Bemerkungen hinzu. 1. Eine
Theorie verdient im Grunde erst diesen Namen, wenn sie für
das zu Erklärende einen Erklärungsgrund nicht nur einfach
statuiert, sondern auch zeigt, wiefern er Erklärungsgrund sein
74 1%. L^itps.
kann, d. h. welcher bekannte oder nacli allgemeinen Anscliau-
nngen yerständliche Zusammenliang zwischen dem Erklämngs-
grund und dem zu Erklärenden bestehe. Die Erfüllung dieser
Forderung vermisse ich bei der „Augenbewegungstheorie**.
2. Noch vorher und abgesehen davon mufs die Theorie in
sich selbst klar sein. Dieser Forderung widerspricht jene
Theorie in dreifacher Weise. Ich unterschied oben zwei völlig
verschiedene Arten des Baumbewufstseins, das Bewuistsein der
wechselseitigen Entfernung der Objekte innerhalb des Sehfeldes
und das Bewufstsein der Lage des Sehfeldes oder eines Punktes
desselben im Gesamtraum. Welches Baumbewufstsein meint
die Theorie, welches wird ihr zufolge durch Augenbewegungen
erzeugt? Soviel ich sehe, bald dieses, bald jenes, ohne deut-
liches Bewufstsein des fundamentalen Unterschiedes.
3. Auch wenn es sich nur um Baumgröfsen innerhalb des
Sehfeldes handelt, hat das „Baum- oder Baumgröfsenbewufst-
sein" einen doppelten Sinn. Es kann die wahrgenommene und
die im Vergleich mit andern geschätzte Gröfse gemeint sein.
So sehe ich den Mond gleich grofs im Zenith und am Horizonte.
Ich schätze ihn aber, durch gewisse Erfahrungsmomente ver-
anlafst, gröfser am Horizonte. Ich frage wiederum: welches
GröfsenbewuTstsein meint die Theorie?
4. Die Theorie läfst Entfernungen gröfser erscheinen, wenn
ihre Durchmessung gröfsere Anstrengung oder Mühe erfordert.
Auch diese „Anstrengung'' oder „Mühe'' hat einen doppelten
Sinn. Sie ist Anstrengung aus peripherischen oder Anstren-
gung aus centralen Gründen. Möglichst grofse Seitwärts-
drehung des Auges bei ruhiger Haltung des Kopfes kostet
Mühe, weil sie eine Zumutung ist für den Augenmuskel. Da-
gegen fallt es mir aus psychologischen oder „centralen" Gründen
schwer, das geradeaus gerichtete Auge mit bewufster Absicht um
eine kleine Strecke möglichst rasch zu bewegen; ich bin in Ver-
suchung, die Bewegung weiter zu führen. Ich frage wiederum :
welche Anstrengung oder Mühe meint man?
Mir scheint die Theorie der LokaUsation auf Grund der
Augenbewegungen erst emsthch diskutierbar, wenn diese Fragen
genügend deutlich beantwortet sind.
Aus dem psychologischen Institut der Universität Göttingen.
Über das Gedächtnis für Komplexe regelmäfsig
aufeinander folgender, gleicher Schalleindrücke.
Von
F. Schumann*
Läfst man eine Anzahl einfaclier Gehörseindrücke in be-
stimmten Zwischenpansen auf das Ohr einer Versuchsperson
einwirken und darauf nach einer Pause eine gröfsere, gleiche
oder kleinere Anzahl, so kann die Versuchsperson, auch wenn
sie nicht zählt, bis zu einer gewissen Grenze sehr genau die
Gleichheit bezw. Verschiedenheit der beiden Gruppen erkennen.
Die ersten systematischen Untersuchungen hierüber sind
unter Wundts Leitung von Dibtzb gemacht (vgl. Ffiilosoph.
Stud. ly S. 362 ff.). Derselbe benutzte als Beize die Pendel-
schläge eines Metronoms, dessen Pendel in jeder Endlage durch
einen Elektromagneten arretiert werden konnte. Die zu ver-
gleichenden Gruppen folgten unmittelbar aufeinander und
wurden durch ein mit dem ersten Schlage gleichzeitig ertönen-
des Glockensignal markiert. Dietzb bestimmte nun unter ver-
schiedenen umständen das Maximum der Anzahl von Schlägen,
welche in einer Gruppe enthalten sein konnten, wenn eine
Vermehrung oder Verminderung derselben um einen Schlag
noch in 80 Vo der Fälle genau erkannt wurde. Die Haupt-
resultate seiner Untersuchung sind folgende:
1. Die Genauigkeit der Schätzung hängt wesentlich von
der Geschwindigkeit der Succession der Pendelschläge ab.
Die günstigste Geschwindigkeit liegt bei einem Intervall von
0,2—0,3 See.
76 F. Schumann.
2. Die einzelnen Pendelschläge einer Gruppe werden nicht
vollkommen gleichmäfsig aufgefafst, sondern einzelne unter
ihnen werden rhythmisch betont. ^Eine absolute Unterdrückung
dieser rhythmischen Gliederung ist unmögUch. Der einzige
Effekt, den das Streben hierzu hervorbringt^ besteht in der
Beduktion auf die einfachste Taktform, die des Zweiachtel-
taktes, indem regelmäfsig einfach betonte und nicht betonte
Eindrücke miteinander wechseln."
3. Das Maximum der Anzahl von Schlägen, welche noch
in einer Gruppe enthalten sein können, ist wesentlich abhängig
von der Art der rhythmischen Gliederung. Werden nur 2 Ein-
drücke zu einem Takte zusammengefafst, so beträgt dasselbe
etwa 16 Schläge, während es bei der Zusammenfassung von
8 Schlägen zu einem Takte auf 40 Schläge steigt.
Ich habe nun diese Untersuchungen wiederholt mit etwas
veränderter Versuchsanordnung. An einem um eine horizontale
Axe mit gleichmäfsiger Geschwindigkeit sich bewegenden
Bade waren in gleichen Abständen Platinspitzen befestigt,
welche in ihrer tiefsten Lage einen Quecksilberkontakt schlössen
und dadurch bewirkten, dafs ein kurzer Schlag eines elektro-
magnetischen Hammers, wie er zu Zeitsinnversuchen gebraucht
wird, ausgelöst wurde. Durch eine weitere in den Stromkreis
eingeschaltete Vorrichtung zum bequemen Öffnen und Schliefsen
des Stromes konnte der Experimentator in jedem Augenblicke
die Auslösung der Schläge unterbrechen. Die zu vergleichen-
den Ghnippen wurden durch eine kleine Pause getrennt.
Die unter 1. und 3. angeführten [Resultate Dietzes kann
ich im allgemeinen bestätigen; dagegen mufs ich bestreiten,
dafs eine Unterdrückung der rhythmischen Gliederung unmög-
lich sei. Die verschiedensten Versuchspersonen gaben auf
Befragen an, dafs sie recht gut die Schläge singulär auffassen
könnten, und ich selbst kann ein gleiches von mir behaupten.
Allerdings ist durchaus richtig, dafs durch die Gruppenbildung
das Vergleichen wesentlich erleichtert wird, von einer Unmög-
lichkeit der Unterdrückung einer rhythmischen Gliederung
kann aber durchaus keine Bede sein. Zur Erklärung dieses
Widerspruchs zwischen meiner Erfahrung und derjenigen
DiETZBs können nun zwei Umstände dienen: der Einflufs der
Übung und die Verschiedenheit der Versuchsanordnung. Hat
man sich nämlich erst einmal an eine taktmäfsige Auffassung der
über das Gedächtnis für Kan^lexe gleicher Sehalleindrücke, 77
Schläge gewöhnt, so hält es allerdings schwer, sich von der^
selben wieder freizumachen. So gelang es z. B. einem Herrn,
der sich viel mit Metrik beschäftigt hatte, erst nach einiger
Übung die Schläge singnlär aufzufassen. Zweitens kann auch
die Behauptung Dibtzes dadurch bedingt sein, dafs er mit den
Pendelschlägen eines Metronoms operierte. Bei einigen Probe«
versuchen mit dem Metronom fand ich nämlich ebenfalls eine
grofse Neigung zur Taktbildung, die sich leicht dadurch erklärt^
dafs die beiden Schläge, welche bei den beiden verschiedenen
Lagen des Pendels ausgelöst werden, nicht ganz gleichmäfsig
sind.
Der eigentliche Zweck der Wiederholung der Versuche
war, etwas näheres zu erfahren über das Wesen der psychischen
Vorgänge, welche beim Vergleichen von Gruppen successiver
öehörseindrücke stattfinden. Da ergab sich denn leicht durch
Selbstbeobachtung folgendes: Die einzelnen Schläge des Ham-^
mers begleitet man gewöhnlich mit irgend welchen Gliedbe-
wegungen oder mit Innervationen der Sprachmuskeln, welche
am Kehlkopf lokalisierte Spannungsempfindungen hervorrufen,
u. dgl. m. Werden nun, wie es bei den Untersuchungen von
DiETZE geschah, die Versuche in der Weise angestellt, dafs
öfters hintereinander mit derselben Normalgruppe (die erste
von 2 zu vergleichenden Gruppen sei als Normalgruppe, die
zweite als Vergleichsgruppe bezeichnet) operiert wird, so wird
diese Gruppe, wie sie durch ihre Anzahl charakterisiert ist,
in das motorische bezw. sensorische Gedächtnis aufgenommen.
Während man nämlich im allgemeinen nach jedem Schlage
einen folgenden erwartet und die begleitenden Bewegungen
vorbereitet, hört diese Erwartung und diese Vorbereitung nach
mehrmaligem Operieren mit derselben Normalgruppe unwill-^
kärlich mit dem letzten Schlage der Normalgruppe auf. Bei
der Vergleichsgruppe hört dann ebenfalls die Vobereitung
imd Erwartung auf, sobald die Anzahl der Schläge derjenigen
der Normalgruppe gleich geworden ist. Folgt nun bei der
Vergleichsgruppe noch ein Schlag oder eine Anzahl von Schlaf
gen, nachdem die Erwartung zu Ende ist, oder sind bei der-
selben die Schläge beendet, während die Erwartung eines
weiteren Schlages sich noch einstellt, so hält man die Ver^
gleichsgruppe für gröfser, bezw. kleiner als die Normalgruppe ;
78 F. Schumann,
hören andererseits die Schläge mit dem zuletzt erwarteten auf,
so hält man Normal- und Vergleichsgruppe für gleich.
Eine derartige EinsteUung auf die Anzahl der Schläge
der Normalgruppe tritt natürlich verschieden rasch ein, je nach
der Versuchsperson, ihrer Übung in derartigen Versuchen
und je nach der Anzahl von Schlägen, die zu einer Gruppe
zusammengefafst werden. Nach einiger Übung der Versuchs-
person wird die Einstellung bei Gruppen von 6 — 7 Schlägen
und singulärer Auffassung derselben gewöhnlich schon nach
3 — 4 Versuchen subjektiv deutlich merkbar und die Urteile
fallen auch subjektiv sicher aus, während bei den ersten Ver-
suchen nur sehr unsicher geurteilt wird.
Das von mir durch Selbstbeobachtung Gefundene kann na-
türlich zunächst nur individuelle Bedeutung haben, und es ist
durchaus nicht unmöglich, dafs andere Individuen sich anderer
Hülfsmittel beim Vergleichen solcher Gruppen bedienen. Da
ich femer schon vor Beginn der Versuche vermutet hatte, dafs
das Vergleichen in der oben angedeuteten Weise zustande
komme, so wäre es auch nicht undenkbar, dafs die vorgefafste
Meinung meine Selbstbeobachtung beeinflufst hätte. Ich habe
daher versucht, durch Heranziehen verschiedener Versuchs-
personen hierüber Aufschlufs zu erhalten. Herr Professor
Müller bestätigte meine Erfahrungen. Von den anderen in
Selbstbeobachtung nicht geübten Personen war es dagegen
schwieriger, genügende Aufklärung über die beim Vergleichen
der Gruppen in ihrem Bewufstsein stattfindenden Vorgänge zu
erhalten. Fragte ich nach Anstellung einer Anzahl von Ver-
suchen einfach darnach, so konnten die Versuchspersonen ent-
weder gar keine Antwort geben oder sie gaben Verlegenheits-
antworten wie: „Ich habe das im Gefühl" u. dgl. m. Teilte
ich ihnen dann meine Erfahrungen mit, so bestätigten sie
dieselben teils gleich, teils aber auch erst, nachdem sie bei
einigen neuen Versuchen besonders darauf geachtet hatten.
Nur ein Herr erklärte, dafs bei ihrp die Erwartung mit dem
letzten Schlage der Normalgruppe nicht aufhöre. Derselbe
schätzte aber auch verhältnismäfsig sehr ungenau.
Soll die obige Theorie richtig sein, so müssen sich femer
noch die von Dietzb gefundenen Thatsachen durch dieselbe
erklären lassen, und in der That hat dies auch keine Schwierig-
keiten. So erklärt sich die Erleichterung des Vergleichens durch
über das Oedächtma für Komplexe gleicher Schälleindr&cke. 79
«in taktmäfsiges Auffassen der Schläge leicht, wenn wir be-
denken, dals die zu einem Takte znsammengefaJGsten Schläge
für das Gedächtnis gleichsam eine Einheit bilden, und dafs
daher die taktmäfsig gegliederten Gruppen leichter reproduziert
werden können. Zur Erklärung der Thatsache, dafs ein Inter-
vall von 0,2 — 0,3 Sek. zwischen den einzekien Schlägen das
günstigste für die Vergleichung ist, brauchen wir ferner nur
anzunehmen, dafs dieses Intervall auch für die Aufnahme ins
Gedächtnis das günstigste ist.
Auf einen hohen Gb*ad von Einstellung dürfte femer die
Thatsache zurückzuführen sein, dafs eine meiner Versuchs-
personen, welche früher vielfach bei astronomischen Beob-
achtungen die Schläge einer Sekundenuhr gezählt hatte und
zwar in der Weise, dafs sie immer nur bis 10 zählte und dann
wieder mit 1 anfing, bei den obigen Versuchen jedesmal den
zehnten Schlag genau angeben konnte.
Eine wesentlich verschiedene Ansicht über die Grundlage
des Vergleichens von Gruppen successiver Gehörseindrücke hat
WuNDT (Physiol. Psych. 11, 3. Aufl., S. 248 f.) entwickelt. Der-
selbe schliefst in folfi:ender Weise : ^ Apperzipiert man nämlich
eine Eeihe aufeinander folgender Sinnesreize, so treten bei
jeder neuen. Apperzeption die vorangegangenen allmählich
weiter in den dunklen Umkreis des inneren Blickfeldes zurück
und verschwinden endlich ganz aus demselben. Gelingt es
nun zu bestimmen, welche unter der Beihe vorausgegangener
Vorstellungen soeben an der Grenze des Bewulstseins angelangt
ist, wenn eine neue apperzipiert wird, so ist damit auch für
den Fall aufeinander folgender einfacher Vorstellungen der
Umfang des Bewufstseins ermittelt. Die so gestellte Aufgabe
läfst sich lösen, indem man als Sinnesreize Pendelschläge wählt,
von denen immer eine fest bestimmte Anzahl durch regelmäfsig
aufeinander folgende andere Schalleindrücke z. B. Glocken-
schläge eingefafst wird. Ermittelt man nun, wieviel Pendel«
schlage auf diese Weise zu einer Gruppe zusammengefafst
werden, während für unser Bewufstsein die Gleichheit der
aufeinander folgenden Gruppen noch deutlich bleibt, so ist
damit zugleich ein Mafs für den Umfang des Bewufstseins
gewonnen.^ Gegen diese Schlufsfolgerung erheben sich aber
schwere Bedenken. Was zunächst die Behauptung Wundts
gO F. Sekumatm,
anbetrifflb, dafs bei Apperzeption eines Schalles ein Teil der
vorangegangenen noch mit im Bewnistsein sei, so fuhrt der-
selbe nichts zn ihrer Begröndnng an. Ich vermag nnn diese
Behauptung weder dnrch Selbstbeobachtung zu verifizieren, noch
ist mir irgend eine Thatsache bekannt, zu deren Erklärung
eine solche Annahme durchaus erforderlich wäre. So oft ich
auch bei den obigen Experimenten versucht habe, etwas von
den in den dunkeln Umkreis des inneren Blickfeldes zurück-
tretenden Vorstellungen zu bemerken, so ist es mir doch nie
gelungen und ebensowenig den Versuchspersonen, welche ich
darauf aufmerksam machte. Folgten die Schläge nicht zu
schnell aufeinander, so konnte ich im Gegenteil ziemlich sicher
konstatieren, dafs beim Auftauchen eines Eindruckes im Be-
wufstsein nichts mehr von dem vorangegangenen vorhanden
war, falls nicht etwa ein Erinnerungsbild desselben willkürlich
oder unwillkürlich reproduziert wurde.
Femer beruht die weitere Schluisfolgerung Wondts auf
der nicht ausgesprochenen Voraussetzung, dafs wir Gruppen
einfacher Pendelschläge hinsichtlich ihrer Anzahl nur dsinn
genau miteinander vergleichen können, wenn die Schläge
einer Gruppe gleichzeitig im Bewufstsein vorhanden sind.
Nun ist doch aber bis jetzt überhaupt noch kein ernstlicher
Versuch zu einer Theorie der beim Vergleichen stattfindenden
psychischen Vorgänge gemacht, so dafs eine Voraussetzung
hinsichtlich dieser Vorgänge doch erst eingehend begründet
werden mufs und nicht stillschweigend bei Schlufsfolgerungen
angewendet werden darf. Zur Begründung der Voraussetzung
WüNDTs wüfste ich aber nichts anzuführen.
über die Wahrnehmung und Lokalisation von
Schwebungen und Differenztönen.
Von
Karl L. Sghasfeb,
z. Z. d. Unters. Assistent am Physiologischen Institut in Jena.
I.
Schwebungen.
Für die "Walimeliiiiung von Schwebungen ist") es gleich-
gültig, aus welcher Bichtmig uns die Töne, welche miteinander
schweben, treffen. Dasselbe gilt hinsichtlich der Entfernung
der TonqueUen vom Kopfe des Beobachters, vorausgesetzt, dafs
nicht durch dieselbe die Intensität eines der Töne oder beider
aUzu gering wird. Die Stimmgabeln — nur solche wurden in
der vorliegenden Untersuchoag benutzt — mögen dicht neben-
einander aufgestellt oder durch eine beliebige Strecke getrennt
sein, sich auf derselben oder auf entgegengesetzten Seiten der
unseren Körper in vertikaler Sichtung sagittal halbierenden
„Medianebene^ befinden, stets sind die Schwebungen, wenn auch
in verschiedener Intensität, hörbar. Da dabei in der Eegel jedes
Ohr von beiden Tönen getroflPen wird,^ so müssen auch die
* Gewöhnlich geschieht dies auf dem Wege der Leitung durch die
liuft. Es werden aber die Schwebungen auch sehr deutlich vernommen,
wenn man wie Thompson [Silyanüs P. Thompson. On Binaural Äudition;
Phüosoph. Magaz, Ser. V. Vol. IV. No. 25. pag. 274 fT.] die Gabeln in zwei
durch ein drittes getrennten Zimmern aufstellt und ihre Töne mit Hülfe
von Kautschuckschläuchen je einem Ohre des in einem mit jenen Zimmern
nicht kommunizierenden Baume sich aufhaltenden Beobachters zuleitet;
eine Versuchsanordnung, bei der, zumal wenn die Schläuche mit schlecht
leitendem Material umwickelt und mit leicht in die Ohren einfügbaren
Ansatzstücken armiert sind, eine Überleitung jedes Tones zum anderen
Ohre durch die Luft in der That ausgeschlossen sein dürfte. Thompson
ist der wohl sicher richtigen Ansicht, welcher auch Mach [Archiv f. Ohren-
heilk. Bd. IX. S. 76. 1875] und auf Grund anderer Versuche auch Sbebeck
[Poggendorffs Ännalen, LXVm, 449] beitritt, dafs dieselbe vielmehr in
diesem Falle durch intracranielle Leitung stattfindet.
Zeitschrift fOr Psychologie. 6
82 ^orl L. Schaefer.
Schwebungen von beiden Ohren wahrgenommen werden. Diese
beiden Wahrnehmungen werden jedoch wie andere getrennt
percipierte aber qualitativ gleiche SchaUeindrucke zu einem
einzigen Vorstellungsbilde verschmolzen. Die folgenden Ver-
suche sollen nun die Frage beantworten, in welche Kichtung
wir letzteres verlegen, wenn wir das Intensitätsverhältnis, in
dem die schwebenden Töne zu einander, und das Lageverhältnis,
in dem die Gabeln zu einander und zu dem Kopfe des Beob-
achters stehen, in verschiedenster "Weise variieren.
1. Verstimmt man zwei unisono Gabeln, so daJGs langsame
Schwebungen hörbar werden, und stellt sie an beliebigem
Orte dicht nebeneinander auf, so giebt eine mit geschlosse-
nen Augen dasitzende, völlig unbefangene Versuchsperson stets
richtig an, ob die Stöfse von rechts oder links kommen, wird
sich auch dessen bewufst, dafis dieselben bei verschiedenen
Versuchen aus bald gröfserer, bald geringerer Entfernung das
Ohr treffen. Mit Hülfe von Kopf bewegungen wird dann selbst
die genauere Angabe der Richtung bis auf geringe Fehler
richtig ausgeführt. Fügt aber der Beobachter den entsprechen-
den Resonator in das Ohr der entgegengesetzten Seite, so
erscheinen die Schwebungen nunmehr auf dieser und zwar aus
unmittelbarer Nähe vor dem Ohre, aus dem Resonator selbst,
entspringend.
2. Hält man zwei von ihren Resonanzkasten abgeschraubte
Gabeln, die möglichst gleich stark angeschlagen sind, etwa in
der Entfernung doppelter Handbreite dicht nebeneinander vor
das eine Ohr, so hört man die Schwebungen auf der nämlichen
Seite. Nähert man dann eine der Gabeln, beliebig welche, dem
Kopfe, so kommen auch die Schwebungen aus gröfserer Nähe
und weichen ebenso zurück, wenn die Gabel an ihren Platz
zurückkehrt. Führt der Beobachter dieselbe aber rasch in
nächste Nähe vor die OhröflEhung, so wird, während die Stöfse
nach schnell vorübergehender anfanglicher Verstärkung ganz
verschwinden, nur ihr Ton allein wahrgenommen. Offenbar
wird durch dessen überwiegend grofse Intensität das Ohr phy-
siologisch taub gegen den schwächeren Ton und damit gegen
die Schwebungen.* Diese treten wieder auf, wenn durch An-
^ Bringt man in einem solchen Falle von physiologischer Taubheit
den schwächeren Ton vor das andere Ohr, so werden sofort die Schwe-
LokaJisation von Schwebungen und Differenztönen. 83
legen des Fingers an die Zinken der zu laute Ton rasch ge-^
dämpft wird. Ist er dem Verklingen nahe, so gewinnt man
deutlich den Eindruck, dafs die Stöfse von der entfernteren
Tonquelle ausgehen.
Es mufs bemerkt werden, dafs diese und noch mehr die
folgende Versuchsreihe, um reine Resultate zu Uefem, G-abeln
erfordert, welche nicht allzu rasch und vor allem nicht ungleich
rasch ausklingen. Tiefe Töne sind überhaupt ungeeignet, da
sie ohne Besonanzkasten schon in relativ sehr geringer Ent-
fernung vom Ohre unhörbar werden.
3. Befinden sich beide Gabeln auf derselben Seite von der
Medianebene, und wird die eine unmittelbar vor das Ohr ge-
halten, die zweite aber so, dafs ihr Ton dasselbe aus gröfserer
Entfernung von vom, von oben, von hinten oder von unten
tri£%, oder aus einer Bichtung, die eine Kombination der
genannten darstellt, so ergiebt sich, dafs, wenn die erste Gabel
die lauter tönende ist, die Schwebungen von ihr ausgehen;
dagegen von der entfernteren zu kommen scheinen, sobald die
nähere durch Anlegen des Fingers gedämpft oder so gedreht
wird, dafs eine der vier äufseren Zinkenkanten dem Gehörein-
gang gegenüber steht — wobei bekanntUch aus physikalischen
Gründen die Intensität aufserordentlich sinkt — oder endlich
von vorneherein die relativ leisere^ ist. Dies Resultat wurde
in zahlreichen Versuchen gewonnen, die von mir an verschiedenen
Personen imd von meinem Freunde, Herrn Dr. Axmann, der mir
bei der vorliegenden Untersuchung mit dankenswerter Bereit-
willigkeit seine Unterstützung gewährte, auch an mir angestellt
worden sind.
Ist die vor das Ohr gebrachte Gabel von Anfang an die
leisere, so wird man sich, wenn man die Augen geschlossen
bongen sehr laut hörbar. — Herr Prof. C. Stumpf, dem ich überhaupt
für sein reges und förderndes Interesse an dieser Untersuchung zu
wärmstem Danke mich verpflichtet fühle, bestätigte mir, diese Beob-
achtung ebenfalls schon vor längerer Zeit gemacht zu haben.
* Unter dem relativ leiseren Ton soll hier wie überhaupt im Fol-
genden derjenige verstanden werden, der dem Trommelfelle die geringere
Schwingungsamplitude erteilt, unter dem absolut leiseren derjenige,
dessen eigene Amplitude die kleinere ist. Diese Unterscheidung ist für
die vorliegende Frage wichtig, insofern der absolut lautere Ton häufig
durch den Unterschied in der Entfernung der Gabeln vom Ohr und andere
Momente zum relativ leiseren wird.
6*
84 Korl L. Schaefer.
halt und den Ort der Gabeln nicht kennt, überhaupt nicht der
Anwesenheit einer Tonquelle uiunittelbar vor dem Ohre be-
wnfet; man hört die Schwebimgeii atis viel grölserer Entfernung
entspringen. Bezüglich des ^ Woher 'P'^ kann man bisweilen über-
haupt nicht zu einem Schlüsse kommen; noch öfter aber giebt
der Beobachter eine falsche ^Richtung an. Am meisten richtige
Urteile liefert der Fall, wo der Ton der zweiten Gabel von
vom kommt.
Es scheinen hier ähnliche Täuschungen obzuwalten, wie
sie von Preyer und mir bei früheren systematischen Versuchen
über die Wahrnehmung der Schallrichtung festgestellt sind.^
4. Bringt man eine Gabel mit Itesonanzkasten, etwa c^=5l2
Schw. p. s., in die Medianebene der Stirn gegenüber, so dais ihr
Ton gleich stark beide Ohren trifiBb, und nähert aus gröfserer Ent-
fernung eine Gabel von nahezu derselben Tonhöhe aber ohne
Sesonanzkasten einem der Ohren, so werden anfangs die Schwe-
bungen nur von vom kommend gehört. Bei fortgesetzter An-
näherung der bewegten Gabel gehen sie bald von der einen,
bald von der anderen Gabel aus, bald erfüllen sie die ganze
Begion zwischen beiden, um allmählich ausschliefslich auf die
bewegte überzugehen.
5. Werden zwei auf Besonanzkasten geschraubte Gabeln
zu gleich lautem Tönen gebracht, während sie sich in beliebiger
Entfemung voneinander an verschiedenen, beliebigen Punkten
des Zimmers befinden, so entspringen die Schwebungen, wenn
man sich abwechselnd der Öffnung eines der Kasten nähert,
bei der Mehrzahl der Versuche aus diesem, kommen also von
der relativ lauteren Gabel.
Mit diesem Besultat steht es nur scheinbar in Widerspruch,
dafs zuweilen die Schwebungen ausschliefslich aus einem Kasten
und zwar dem der absolut leiseren hervorgehen, indes vor dem
anderen immer nur sein eigener Ton allein hörbar wird ; oder dafs
man überhaupt nur dann Stöfse hört, wenn man in der Mitte
zwischen den Gabeln steht, nicht aber, sobald das Ohr nahe an
eine von diesen gebracht wird : denn derartige Ergebnisse erhält
man nur dann, wenn ein Ton den anderen so an relativer Intensität
überwiegt, dafs das Ohr physiologisch taub gegen letzteren wird.'
* W. Preyer: Die Wahrnehmung der SchctUrichtung mittelst der Bogen-
gänge. Pflüg er 8 Arch. f. d. ges. Fhysiol Bd. 40.
• Vgl. oben S. 82 Versuch 2.
LokaUsation von Schwebungen und Di fferene tönen. 86
Es kann auch vorkommen, wenn eine der Gabeln rasch verklingt,
dafs, trotzdem man das Ohr dicht an ihren S>esonanzkasten
hält, die Schwebungen von der ferneren herkommen. Dann
ist eben diese die lautere.
6. BosANQUET^ giebt an, die Sohwebungen, welche er beim
gleichzeitigen Anschlagen zweier Gabeln, deren eine nahezu
die höhere Oktave der anderen, erhielt, gingen nur von der
tieferen aus, oder es seien doch wenigstens von der höheren
herkonmiende nur bei Anwendung des S>esonators der letzteren
vernehmbar. Bei diesem Versuche sind oflfenbar — wie er auch
selbst ausspricht — die von der tieferen Gabel ausgehenden
Schwebungen solche des Differenztones beider Töne mit dem
tieferen; die von der höheren entspringenden solche des höheren
Primärtones mit dem Oberton des tieferen. Wir haben also
hier zwei Tonpaare, welche Sphwebungen liefern. Letztere sind
von gleicher Anzahl, aber ungleicher Intensität: und zwar
müssen die Schwebungen des tieferen Tonpaares die lauteren
sein, da die Intensität von Schwebungen eine Funktion der
Intensität der sie erzeugenden Töne darstellt, und in diesem
unserem FaUe der Oberton der bei weitem leiseste der vier Töne
ist, oder doch durch rasches Verklingen sehr bald wird. Dem-
nach dürfte auch in dem BosANQUBTschen Experiment die Inten-
sität der far die Lokalisation von Schwebungen mafsgebende
Faktor sein.
Da Differenztöne von allen Beobachtern in oder wenigstens
dicht vor dem Ohre gehört werden — gleichgültig, aus welcher
Sichtung die primären Töne kommen — , so ist es mit Rück-
sicht auf das sub 3 Gesagte von Interesse zu bemerken, dafs
bei dem in ßede stehenden Experiment die Schwebungen stets
direkt aus dem Resonanzkasten der tieferen Gabel hervorzugehen
scheinen.
7. Werden die Gabeln 480 und 512, vor dem Beobachter
auf dem Tische stehend, gleich laut angeschlagen, und ein Ohr,
etwa das linke, mit dem Resonator von 480 bewaffnet, so werden
die rasselnden Intermittenzen in den Resonator verlegt. Ebenso,
wenn dieser nunmehr in die rechte Ohröffnung gedrückt wird.
Nimmt man statt des Resonators von 480 den von 512, so ist
das Resultat dasselbe. Bei diesen Versuchen darf die Gabel,
* Philosophical Magazine. Ser. V. Vol.Vm. No. 49. pag.290ff.
86 Korl L' Schaefer.
deren Besonator gerade benutzt wird, niclit lauter tönen als
die andere; sonst wird das Ohr gegen diese, da der Besonator
die Intensität jener ja noch bedeutend verstärkt, physiologisch
taub, und es werden keine Schwebungen vernommen.
Fügt man beide Besonatoren gleichzeitig in die Ohren, so
hört man unter günstigen Versuohsbedingungen das Bassein in
der Medianebene innerhalb des Kopfes. Zieht man in raschem
Abwechseln immer einen Besonator aus dem Ohre, während
der andere fest in das seinige gedrückt wird, so wandern die
Schwebungen von Ohr zu Ohr.
8. Es werden die Enden eines etwa 1,5"^ langen KAut-
schuckschlauches fest in die Ohröffnungen gefügt. Setzt man
dann die Gabeln mit ihrem Stiele auf verschiedene beliebig weit
voneinander entfernte Punkte des Schlauches, so erscheinen
die Schwebungen stets auf der Seite der relativ lauteren. Be-
findet sich eine Gabel genau in der Mitte des Schlauches, so
gilt das sub 4 Gesagte. Setzt man beide Gabeln unmittelbar
nebeneinander auf die Mitte des Schlauches, so treten die
Schwebungen in der Mitte des Kopfes auf.
9. Haben zwei miteinander schwebende Gabeln auf Beso-
nanzkasten in einer durch beide Gehöreingänge gehend gedachten
Yertikalebene, die eine vor dem linken Ohre, die andere in gleicher
Höhe und Entfernung vor dem rechten Aufstellung gefunden,
und werden beide ungleich laut angeschlagen, oder nach gleich
starkem Anschlag die eine dem Kopfe genähert, so gehen die
Schwebungen von der lauteren resp. näheren aus. Bei genau
gleichem Anschlag und genau gleichem Abstände vom Kopfe
erscheinen die Schwebungen in der Medianebene vor oder über
dem Beobachter.^ Diese Versuchsresultate, namentlich das
letztere werden noch deutlicher, wenn man vor die Öffnung
eines jeden der Besonanzkasten einen Schalltrichter aufstellt,
die Trichter mit Kautschuckschläuchen armiert und diese mit
ihren anderen Enden in die Ohröffnungen einfügt. Gleiche
Länge der Schläuche und gleiche Intensitäten der Töne vor-
ausgesetzt, haben die Schwebungen in der Mitte zwischen
den Ohren ihren Sitz und gehen von da, wenn ein Schlauch,
zugedrückt wird, auf das Ohr der entgegengesetzten Seite über.
^ Bisweilen auch treten sie aufser in der Medianebene zugleich in
beiden Ohren auf oder längs der ganzen Strecke einer die Mittelpunkte
der Gehöreingänge verbindend gedachten Geraden.
Lokalisation von Schwdmngen und Differenztönen, 87
Dies Ergebnis stimmt mit dem analogen Versuche Thompsons^
vollkommen überein. Setzt man zwei Gabeln ohne ßesonanz-
kasten auf korrespondierende Punkte der SchädeUiemisplLären,
so werden die Schwebungen bei gleicher Intensität ebenfaJls
in die Medianebene verlegt.
10. Es ist eine bekannte, von Kessel^ genauer untersuchte
und begründete Thatsache, dafs, wenn man den Stiel einer
tönenden Gabel oberhalb des einen, also beispielsweise des
linken Ohres in der Gegend der Linea temporahs sup. fest
gegen den Schädel drückt, der Ton auf der anderen Seite, also
in unserem Beispiel auf der rechten gehört wird. Ebendorthin
verlegt man auch die Schwebungen, wenn die zweite Gabel
auf die entsprechende Stelle der rechten Kopfhälfte gesetzt
wird und dabei die leisere ist. Wird sie aber vor das rechte
Ohr direkt gehalten, so sind unter allen umständen die
Schwebungen rechts.
11. Hält man eine der schwebenden Gabeln unmittelbar
vor ein Ohr, während die zweite, gleich laute aus gröfserer
Entfernung dem anderen genähert wird — wobei stets voraus ge-
setzt ist, dafs beide Gabeln in der Verlängerung einer die Mittel-
punkte beider Gehöreingänge verbindenden Geraden liegen — ,
80 gehen die Schwebungen von der näheren, ruhenden aus.
Ihre Intensität wächst bei weiterer Annäherung der bewegten
Gabel und sie selbst verändern dabei ihren Ort, indem sie mehr
oder weniger rasch auf die Seite der letzteren überspringen.
Bei einiger Übung und Aufmerksamkeit ist ihr Hindurchwandem
durch die Medianebene deutlich wahrnehmbar, man kann sie
auch durch Arretieren der Gabel dort fixieren, doch eignet sich
dieser Versuch für ungeübte nicht so gut zur Demonstration
der medianen Lokalisation von Schwebungen, wie etwa der
unter 9. beschriebene.
12. Halte ich vor das linke Ohr zwei Gabeln, deren
S^hwingungszahl gleich 2000 resp. 1500 ist, und wird eine
Gabel 612 auf B.esonanzkasten der Stirn gegenüber in die
Hedianebene gebracht, so schwebt der Ton 512 mit dem
PifFerenzton 500. Dabei höre ich die Schwebungen stets von
* Phiiosophieal Magazine, Ser. V. Vol. IV. No. 25. S. 274 ff. und Vol.
VI . No. 38. S. 383 ff.
' Über die Verschiedenheit der Intensität eines linear-erregten Schalles in
verschied. Bichtungen. Arch. f. Oh renheilk. Bd. 18. S. 129 ff.
gg Karl L. Bchaefer.
vom kommen. Wird dann die Gabel 512 vor das rechte Ohr
gestellt, so treten die Schwebungen ebenfalls rechts auf.
13. Nimmt man ein Paar tiefer Gabeln, welche sich viel besser
als hohe zu dem folgenden Versuche eignen, und setzt eine
auf den Nasenrücken, die andere auf den Hinterhauptshöcker,
so gehen die Schwebungen stets direkt von der lauteren aus.
Ist die Intensität beider gleich, so kommen die Stöfse von
keiner der beiden Gabeln, sondern aus einer nicht genauer
abzugrenzenden Begion zwischen beiden. Bei diesen Versuchen
mufs man stets beide Gabelstiele gleich fest an den Kopf
drücken, da sonst unkontrollierbare Differenzen der relativen
Intensität gesetzt werden.
Die Resultate der vorstehenden Versuche lassen sich nun
in folgenden beiden Sätzen zusammenfassen:
Für die Lokalisation der Schwebungen zweier Töne
ist bei ungleicher relativer Intensität der letzteren
unter allen Umständen die Richtung und Entfernung,
aus der uns der relativ lautere Ton trifft, mafsgebend.
Ist die relative Intensität der Primärtöne gleich,
so gehen die Schwebungen aus der Region zwischen
den beiden Tonquellen^ hervor. (Die Verlegung der
Schwebungen in die Medianebene bei Aufstellung
der Schallquellen rechts und links von derselben
ist ein spezieller Fall hiervon.)
Eingangs dieser Untersuchung wurde besprochen, dafs die
Schwebungen in der Regel doppelseitig percipiert werden. Es
ist nun ohne weiteres klar, dafs die Schwebungen, wenn beide
Gabeln sich auf derselben Seite von der Medianebene befinden,
von dem Ohre eben dieser Seite lauter vernommen werden,
dagegen beiderseits mit gleicher Intensität auftreten, wenn die
Tonquellen in der Medianebene Aufstellung gefunden haben.
Für den Fall aber, dafs die Töne von verschiedenen Seiten
der Medianebene kommen, läfst es sich mathematisch nach-
weisen, dafs bei gleicher relativer Intensität derselben auch
die Intensität der Schwebungen auf beiden Seiten gleich ist,
dagegen bei ungleicher relativer Stärke der Primärtöne die
Schwebungen lauter sind auf der Seite des stärkeren Primärtones.
* In den Versuchen, in denen Resonatoren oder Kautschuckschläuche
in Anwendung kamen, sind natürlich diese, nicht die Gabeln selbst, als
die Tonquellen anzusehen.
Lokalisaiion von Schwebungen und Differenztönen. 89
Hält man diese Überlegungen mit dem eben gegebenen
Sesume der beschriebenen Versuche zusammen, so könnte man
geneigt sein, demselben, statt der oben gewählten, vielmehr
diese Form zu geben:
„Die Schwebungen werden nach derjenigen Seite verlegt,
von deren Ohr sie lauter vernommen werden, in die Median-
ebene aber, wenn sie beide Ohren mit gleicher Intensität
treffen. Für die weitere genauere Feststellung der Richtung
und Entfernung ist dann diejenige des relativ lauteren Primär-
tones bestimmend. Demnach wird die Lokalisation der Schwe-
bungen nach denselben Principien vollzogen, wie diejenige
diotisch perdpierter einfacher Töne und G-eräusche. Denn auch
diese werden (wie Thompson,^ Urbantschitsch,* Kbssbl,' Prbyer*
n. a. fanden) nach derjenigen Seite verlegt, deren Ohr das
stärker erregte ist, resp. in die Medianebene, wenn beide Ohren
mit gleicher Intensität afßziert werden.''
Allein diese Formel würde nicht für alle Fälle Gültigkeit
haben. Z. B. erstens : Wenn eine der schwebenden Gabeln in der
Medianebene fest gegen den Schädel gedrückt, die andere, leisere,
aber vor ein Ohr, etwa vor das rechte, gehalten wird, so sind
offenbar die Schwebungen im rechten Ohr intensiver als links.
Dennoch werden sie an den Ort der lauteren Gabel, also genau
in die Medianebene verlegt; und dies dürfte um so mehr gegen
die in £ede stehende Auffassung sprechen, als nach allen bis-
herigen Versuchen darüber bei der Lokalisation diotisch perci-
pierter SchaUeindrücke Bechts, Links und Median mit gröfster
Präcision unterschieden und auseinandergehalten werden.
Zweitens: Setzen wir den Fall, der eine der Primärtöne
besäfse so überwiegende Intensität, dafs er, beide Gabeln vor
demselben Ohre gedacht, den zweiten übertönen, das Ohr
physiologisch taub gegen denselben machen würde, dann wäre
bei Verteilung der Gabeln vor beide Ohren die Wahrnehmung
von Schwebungen der abzulehnenden Auffassung gemäjGs nur
möglich auf dem Ohre der leiseren Gabel. Denn deren Ton geht
zwar durch Knochen- oder Luftleitung auch auf das Ohr der
* A. a. 0.
* Zur Lehre von der SchaUemp findung. Pflüg er 8 Ar eh. Bd. 24. S. 579 ff.
' Über die Funktion d. Ohrmuschel bei d. Haumwahmehmungen. Arch. f.
Ohrenheilk. Bd. 18. S. 121.
* A. a. O.
90 J^arl L. Scfiaefer.
lauteren Gabel über, kann aber hier, zumal er durch den
Leitungswiderstand noch mehr geschwächt wird, der angenom-
menen Bedinfi:unfi: fi:emärs mit dem andern keine Schwebun£ren
Uefem. In wtkhcÄeit werden indes die Schwebungen gerade
auf die Seite des lauteren Tones verlegt.
Hierzu finden wir übrigens ein Analogen in folgendem Ver-
suche ^: Wenn von zwei unisonen Gabeln die eine dicht vor das
eine Ohr gehalten wird, die andere, gleich laute, in grölserem Ab-
stände vor das andere, so wird nur erstere gehört. Wird nun die
entferntere hin und hergeschwimgen, so kommt der Ton nach
wie vor von der fixen Gabel, aber im Bythmus der Schwingungen
intermittierend. Es werden eben in der Vorstellung beide quali-
tativ gleichen Töne zu einem verschmolzen und dieses Yorstel-
lungsbild, dessen Intensität in jedem Augenblicke durch eine Art
algebraischer Summation der Intensitäten der Gabeltöne be-
stimmt wird, nach der Seite des stärkeren Gabeltones verlegt. So
auch in unserm Falle. Auf der einen Seite hören wir den über-
wiegend lauten Ton rein, auf der anderen hören wir ihn durch
Leitungswiderstand leiser gemacht und (durch Interferenz mit
einem anderen Tone) intermittierend. Das Resultat mufs daher
sein und ist ja auch dasselbe wie in dem FfiCHNERschen Ver-
such: wir verlegen die Intermittenzen auf die Seite der gröfseren
Intensität.
n.
Differenztöne.
Die Intensität eines Differenztones hängt von sehr ver-
schiedenen umständen ab.^ Sie wechselt mit der relativen
Stärke der Primärtöne, mit dem Intensitätsunterschiede derselben
und vor allem mit der Sichtung, aus welcher sie den Beobachter
treffen. Dies illustrieren folgende einfache Versuche (zu welchen,
wenn nicht ausdrücklich das Gegenteil bemerkt ist, stets Gabeln
ohne Sicsonanzkasten verwandt wurden.)
1. Es ist eine bekannte, physikalisch begründete Thatsache,'
dafs, wenn man eine vor das Ohr gehaltene Stimmgabel um
^ Feghner: Über einige Verhältnisse d. binoadaren Sehens. Abhandig.
d. Sachs. Gesellsch. d. Wissenschaften. £d. 7. (mathem. Kl. 5.) S. 561.
* Vgl. auch C.Stumpf: Tonpsychol. T. II. S.245fiF. (erscheint demnächst).
3 Vgl. Abschn. I. Versuch 3. S. 83.
Lokalisation von Schtoebungen und Differenztönen, 91
90 ^ um die Axe ihres Stieles dreht, zweimal ein starkes Absinken
der Intensität eintritt, dem jedesmal unmittelbar ein Wieder-
ansteigen folgt. Ganz dasselbe^ geschieht^, wenn man eine
Gabel von vom nach hinten derart vor dem Ohre vorüberführt,
dafs die Zinken immer parallel sich selbst verschoben werden.
Man hört dann kurz bevor die Gabel der Ohröflfnung gegen-
übertritt und beim Passieren des hinteren Ohrmuschelrandes die
bewufsten Intensitätsschwankungeu.
Stellt man nun einen dieser Versuche an, während gleich-
zeitig eine Gabel, welche mit der bewegten eiuen Differenzton
giebt, unbewegt vor dasselbe Ohr gehalten wird, so macht auch
der Differenzton die erwähnten Intensitätsschwankungen mit.
2. Bringt man beide Gabeln in eine solche Lage vor das
Ohr, welche als Optimum für die Wahrnehmung von Differenz-
tönen betrachtet werden kann, so genügen kleinste Lagever-
änderungen einer der Gabeln, um seine Intensität bedeutend
zu schwächen, eventuell auf Null sinken zu lassen; und schwingt
man eine der Gabeln rythmisch hin und her, so erscheint auch
der Differenzton in demselben Bythmus intermittierend.
3. Macht man den Unterschied der relativen Intensität der
Primärtöne sehr grofs, indem man entweder die Gabeln sehr
ungleich laut anschlägt oder von den gleich laut tönenden die
eine unmittelbar vor die Ohröfinung, die andere weiter ab hält, so
tritt auch hier physiologische Taubheit • gegen den Differenz-
ton ein. Er wird überhaupt nicht gehört und erscheint erst,
sobald man die Gabeln vertauscht oder die lautere zweckent-
sprechend dämpft. Meiner Ansicht nach ist überhaupt möglichst
gleiche relative Intensität der Primärtöne der Wahrnehmung
von Differenztönen am günstigsten.
4. Besonders deutlich höre ich den Differenzton — möglichst
gleiche absolute Intensität der Primärtöne vorausgesetzt — ,
wenn die eine Gabel, etwa 2 bis 3 fingerbreit vom Ohr entfernt,
direkt vor dem Gehöreingang so gehalten wird, dafs die breiten
^ Wie auch Kbssbl schon beobachtete, a. a. O. Arch, f. OhßrenheHk,
Bd. 18. S. 123 f.
' Offenbar auch aus demselben Grimde, denn die Erscheinung bleibt
aus, wenn man die breiten Zinkenflächen immer parallel der Oberfläche
des Kopfes verschiebt, so dafs stets nur die Fläche und nie eine der
Kanten nach der Ohröffiaung sieht.
» Vgl. Abschn. I. S. 82.
92 Karl L. Schaefer.
Zinkenflächen der Medianebene parallel sind, die zweite in
gleichem Abstand vom Kopfe, aber 1 bis 2^°^ weiter nach
Yom so, daJfe ihre breiten Zinkenflachen senkrecht zur Me-
dianebene stehen. Der DifFerenzton ist weniger gut vernehmbar,
wenn beide Primärtöne von vom, und noch schlechter, wenn
beide von hinten kommen.
5. Wird nun die vordere Gabel ans der angegebenen
Stellung vom Ohre weg weiter nach vom gefnhrt, so erlischt meist
der Differenzton, sobald sie den lateralen Orbitahund passiert;
ebenso, wenn sie bei entsprechendem Verschieben nach hinten
in gleiche Linie mit dem Hinterhauptshöcker kommt; oder
endlich, wenn sie die Höhe des Scheitels erreicht beim Anf-
wärtsbewegen, falls dieses in der Weise geschieht, dafs die
Längsaxe der Gabel parallel der Sagittalaxe des Kopfes ver-
schoben wird.
Dem entspricht genau, dafs wenn man, während die eine
Gabel unbewegt vor das Ohr gehalten wird, die andere, oder
genauer gesagt, deren Längsaxe von demselben Ohre aus einen
Cylindermantel um die Vertikal- oder Sagittalaxe des Kopfes
in der Bichtung auf das andere Ohr zu beschreiben läfst, dafs
dann der Differenzton schon verschwindet, bevor die Median-
ebene erreicht wird, jedenfalls nach Passieren derselben auch
bei gröfster Anspannung der Aufinerksamkeit nicht mehr wahr-
nehmbar ist.
Es bedarf wohl kaum besonderer Betonung, dafs man zu
diesen Versuchen Gabeln, welche nicht zu rasch verklingen,
also am besten solche tieferer Tonlagen verwenden mufs.
6. So konstant nun das eben angeführte Versuchsresultat
bei der Benutzung freier Gabeln erhalten wird, so verliert es
seine Gnltigkeit, wenn man solche mit Besonanzkasten wählt.
Thut man dies, dann wird der Differenzton noch gehört, nachdem
die Medianebene bereits von der bewegten Gabel um ein gutes
Stück überschritten worden, erlischt jedoch auch hier stets, ehe
das andere Ohr ganz erreicht ist. In der That wird auch
von allen früheren Autoren (Dove/ Thompson,* Stumpf') ein-
stimmig angegeben, dafs, wenn man unmittelbar vor jedes
* Foggendorffa Anmalen. CVn. S. 653.
» A. a. 0.
' A. a. 0. S. 256 Anmerk. (Bei den hier beschriebenen Versuchen
wurde beiden Gabeln maximale Intensität erteilt.)
Lokalisation wn Schwebungen und Bifferemtönen. 93
Ohr eine der Gabeln hielte, niemals der Differenzton hörbar
würde.
Da nnn aber der G-egem^atz der sab 5 und 6 beschriebenen
Versuchsergebnisse mir nur durch die Annahme erklärt werden
zu können scheint, däfs im ersteren Falle ein der Wahrnehmung
des Differenztones ungünstiges Verhältnis der relativen Inten-
sität der Primärtöne obwaltet — der wandernde ist zu leise — ,
so liegt der G-edanke nahe, dafs das bisher negative Resultat
der Versuche, auch bei Verteilung der Gabeln auf beide Ohren
den Differenzton zu hören, ebenfalls nur die Folge unzweck-
mäisiger Versuchsanordnung war, — um so mehr, als a priori nicht
einzusehen ist, warum der Differenzton im besagten Falle nicht
hörbar sein soUte. Mufs doch auch hier, ebensogut wie bei
der Benutzung miteinander schwebender Gabeln, jeder Ton
auf dem Wege der intracraniellen Leitung beide Gehörorgane
afßzieren. Wenn man
7. eine der Gabeln dicht vor ein Ohr, etwa das linke, hält,
die andere oberhalb desjenigen der anderen Seite, also rechts,
in der Gegend der Linea temporalis sup. fest an den Schädel
drückt, 1 so vernimmt man den Differenzton mit grofser Deut-
lichkeit vor dem Ohre links. Er verschwindet, wenn der
Beobachter die Gabel rechts vom Kopfe abhebt, und kehrt
sofort wieder, wenn dieselbe wieder fest aufgesetzt wird.
Daraus aber, dals man den Differenzton hört, wenn man
die Gabel der rechten Seite direkt auf den Schädel setzt, da-
gegen nicht hört, wenn sie vor das rechte Ohr gebracht wird,
wird der SchluTs gezogen werden müssen: der Ton rechts
werde bei dem Übergang von der Luft resp. dem Ohre auf
die Kopfknochen in seiner Intensität so sehr vermindert, dafs
er, links angelangt, nicht mehr stark genug ist, um neben dem
von dort ungeschwächt das Ohr treffenden hörbar zu sein.
Der Ton links macht eben das Ohr physiologisch taub gegen den
von rechts kommenden, und damit ist natürlich auch die Wahr-
nehmung des Differenztones unmöglich.
Ist das Gesagte richtig, so mufs der Differenzton bei Ver-
teilung der Gabeln vor beide Ohren hörbar werden, wenn eine
der Gabeln um ein bedeutendes lauter tönt , als die andere,
und zwar mufs er dann vor dem Ohre der leiseren auftreten,
* Vgl. oben Abschn. I. S. 87. Versuch 10.
94 Karl L. Schaefer.
wie sich nach den angestellten Betrachtungen von selbst
versteht.
Diese Voraussetzung wird nun durch die Versuche vollauf
bestätigt. Denn nimmt man
8. zwei Gabeln auf Besonanzkasten, deren eine ganz leise
tönt, während die andere mögUchst stark angeschlagen wird,
und deckt die Kasten über die Ohren, so hört man deutlich
den Differenzton aus dem Kasten der leiseren kommen : ^ wenn
es nämlich gelingt, bei dem Versuche gerade das Optimum der
Intensitätsdifferenz der Primärtöne zu treffen. Dies ist einer-
seits sehr schwierig bei Mangel von Gabeln, deren Intensität
sich zahlenmäfsig abstufen und dann konstant erhalten läfst,
andererseits notwendig in Bücksicht auf die bereits besprochene
Abhängigkeit der Intensität des Differenztones von dem Inten-
sitätsunterschied der Primärtöne. Daher denn die sehr häufigen
Mifserfolge der Bichtigkeit der Thatsache keinen Eintrag thun
können.
Es steht im Gegenteil zweifellos fest, dafs der Differensston,
wenn eine der Gabeln unbeweglich vor einem Ohre gehalten
wird, und die andere von dort aus in irgend einer Richtung
um den Kopf herum zum Ohre der anderen Seite wandert, bei
jeder Lage der letztgenannten Tonquelle gehört werden kann.
Die Tartinischen Töne unterscheiden sich also in dieser Bezie-
hung keineswegs von den Schwebungen und haben vielmehr,
wie wir gesehen, auch das mit denselben gemein, dals sie wie
diese ^ am besten hörbar sind, wenn beide Gabeln vor dasselbe
Ohr placiert werden, weniger gut, wenn eine in die Median-
ebene versetzt, und noch schlechter, wenn Verteilung auf beide
Ohren vorgenommen wird.
^ In dieser Beziehung scheinen auf den ersten Blick die Tartinischen
Töne in einen Gegensatz zu den Schwebungen zu treten, von denen
oben (Abschn. I) gesagt wurde, dafs sie unter gleicher Bedingung
auf die Seite des lauteren Primärtones verlegt werden. Indes verliert
dieser Gegensatz den Charakter des Principiellen, wenn man überlegt,
dafs der a. a. O. für die in Eede stehende Lokalisation der Schwebungen
angegebene Grund keine Gültigkeit mehr hat, sobald der Abstand der
Primärtöne rücksichtlich ihrer Höhe hinreichend grofs wird, um an die
Stelle von blofsen Intermittenzen des lauteren derselben einen neuen
Ton, den Differenzton, treten zu lassen.
' Fechner, a. a. 0. S. 541.
Lokalisatian von Schwebungen und Differenztönen. 95
9. Einmal aufmerksam gemacht auf die Thatsache, dafs
zur Wahrnehmung des Differenztones bei Aufstellung der
Gabeln rechts und links vor dem Ohre grofse Ungleichheit der
absoluten Tonintensitäten Bedingung sei, gelang es mir, auch
Differenztöne zu hören, wenn ich G-abeln ohne Besonanzkasten
unmittelbar vor die Ohren hielt. Ich benutzte dazu eine Serie
-von 11 Gabeln, deren Tonhöhe mit je einem Abstand von 100
Schwingungen von 1000 bis 2000 ansteigt. Wurden die Gabeln
möglichst ungleich stark angeschlagen und eventuell, nachdem
sie vor die Ohren gebracht, der Intensitätsunterschied durch
Entfernen oder Drehen der einen um ihre Längsaxe noch
passend modifiziert, so konnte ich in etwa der Hälfte der Ver-
suche den Tartinischen Ton deutlich hören. Die Versuchsanord-
nung war dabei meist die, dafs die Gabeln erst, nachdem ich
sie in passende Lage vor die Ohren gebracht, von einem
Assistenten angeschlagen wurden. Lag der Differenzton sehr
tief (100 und 200), so hörte ich ihn selten; dagegen vernehme
ich regelmäfsig den Differenzton (500) der Gabeln ICXK) und
1500 resp. 1500 und 2(X)0. Sehr störend ist das rasche Ver-
klingen der Gabeln: der Differenzton ist in der Regel nur für
einen Moment hörbar. Auch sei die Intensität des lauteren
Primärtones nicht zu grofs, da es sonst nicht gelingt, die Auf-
merksamkeit vorwiegend auf den leiseren zu lenken. Begünsti-
gend wirkt die ununterbrochene Fortsetzung der Versuche
längere Zeit hindurch; indessen wird die so erworbene Übung,
wie ich in vollster Übereinstimmung mit Stumpf^ finde, sehr
bald wieder verloren.
Um reinere Resultate zu erzielen, gab ich in einer Beihe
anderer Versuche dem Differenzton einen intermittierenden Cha-
rakter, eingedenk der Thatsache, dafs Schwebungen viel eher
und deutlicher gehört werden, als Tartinische Töne.
10. Es wurde demgemäfs eine Gabel 512 mit Eesonanzkasten
in der Medianebene der Stirn gegenüber aufgestellt, während
die Gabeln 2000 und 15(X) vor beide Ohren verteilt waren.
Nachdem alle drei angeschlagen, hörte ich auch aus dem Kasten
kommende Schwebungen der Töne 500 und 512; aber nicht
mit der erwarteten Deutlichkeit. Andere analoge Versuche
» A. a. O. S. 249.
96 Karl L. Schaefer,
ergaben ein gänzlich negatives ßesultat; auch dann, wenn die
Hülfsgabel mit vor ein Ohr gebracht wurde.
11. Eine andere Methode lieferte dagegen sehr gute Erfolge.
Sie bestand in der Anwendung verstinunter Oktaven, wie sie
bei dem oben ^ angeführten Experimente von Bosanqubt benutzt
wurden. Ich wählte zuerst die Gabeln 494 und 1000. Wurden
diese auf beide Seiten verteilt, so hörte ich häufig beide Töne
intermittierend, manchmal aUerdings auch nur den höheren.
Stets aber erloschen die von dem tieferen ausgehenden Stöfse
um vieles eher als die anderen. Schlägt man nun die tiefe
Gabel recht leise, die andere sehr laut an, so hört man nur,
und zwar sehr deutlich, die erstere schweben, da bei leisem
Anschlag ihr erster Oberton entweder überhaupt nicht auftritt
oder doch zu schwach, um mit dem Tone 1000 Schwebungen
zu erzeugen. Die Intermittenzen des tieferen Tones können
aber nur durch Interferenz desselben mit dem Differenzton 506
entstehen und sind mithin ein strikter Beweis für dessen
Wahmehmbarkeit auch bei Verteilung der Primärtöne auf beide
Ohren. Noch an einer Beihe anderer Gabelpaare wurden
zahlreiche Versuche der beschriebenen Art mit genau denselben
Resultaten ausgeführt, deren Dichtigkeit mir von Herrn Dr.
AxMANN bestätigt wurde, als ich einige dieser Experimente —
übrigens ohne vorherige Mitteilung ihres Zweckes — an dem-
selben anstellte. Er konstatierte auch, dafs die Sphwebungen
des tieferen Tones um so deutlicher hörbar seien, je geringer
ihre Anzahl.
Was die Sichtung anlangt, aus der die Differenztöne bei
den verschiedenen angeführten Versuchen zu kommen scheinen,
so kann ich zunächst nur bestätigen, was C. Stumpf' darüber
angiebt.
12. Befinden sich beide Gabeln auf derselben Seite der
Medianebene, so höre ich auch den Differenzton auf eben dieser
Seite und zwar unmittelbar vor dem Ohre, ein wenig von
hinten und unten kommend. Sein Ort macht alle Bewegungen
des Kopfes mit, als ob er an diesen fixiert wäre. Herr Dr.
AxMANN hatte zuweilen eine eigentümliche Tastempfindung in
der Gegend des Trommelfelles, und mehrere andere Versuchs-
* Absclin. I. S. 85. Versuch 6.
• A. a. O. S. 246.
Lokalisation von Schw^Hmgen und Differenztönen, 97
personell gaben mir an^ dals sie den Ort des Differenztones,
wenn auch nicht immer uiunittelbar in oder vor das Ohr, so
doch in eine seitliche Bichtnng verlegten und ihn als deutlich
gesondert von dem der Primärtöne empfönden.
Hierin zeigen also die Tartinischen Töne ein von dem der
Schwebungen durchaus abweichendes Verhalten. Wir sahen,
dafs die Bichtung und Entfernung der letzteren wesentlich
mit der der Primärtöne wechselt.
13. Werden die G-abeln auf symmetrische Punkte der
Schädelhemisphären gesetzt, so tritt bei gleicher Intensität der
Primärtöne der Differenzton im Innern des Kopfes in der
Medianebene auf.
14. Werden dagegen die gleich lauten Gabeln nicht auf
-den Kopf selbst, sondern auf Besonanzkasten gesetzt, welche
>an korrespondierenden Punkten rechts und links von der Me-
-dianebene vor dem Beobachter auf dem Tische stehen, so wird
Ton mir selbst der Differenzton zuweilen längs der ganzen
Strecke einer die Mittelpunkte der Ohröfibungen verbindend
gedachten Geraden gehört, zuweilen in der Nähe der Gegend
der kleinen Fontanelle, von Herrn Axmann dagegen genau in
der Mitte des Hinterhauptes, an der Protuberantia occipitalis.
15. Steht die eine Gabel mit Besonanzkasten in der Median-
ebene vor mir und halte ich die andere ebenfalls median, aber
in unmittelbarer Nähe vor die Stirn oder vor das Hinterhaupt,
so erscheint der Differenzton wiederum an der Stelle der kleinen
Fontanelle. Bei diesem Versuch, ebenso wie bei dem vorigen, er-
probte ich es als besonders zweckmäfsig, die Differenztöne immer
Aur fiir Augenblicke auftreten zu lassen. Je länger ich nämlich
dieselben zwecks Feststellung ihres ürsprungsortes beobachte,
tun so unsicherer pflege ich in dem Urteil darüber zu werden.
16. Werden die Gtkbeln dicht nebeneinander auf die Mitte
eiaea Schlauches gesetzt, dessen Enden fest in die Ohren ein-
gefügt sind, so tritt der Differenzton in der Medianebene im
£opfe auf. Er wandert von dort nach einem der Ohren, wenn
die Gabeln zusammen nach dem in eben diesem Ohre befestigten
Schlauchende zu verschoben werden.
17. Befinden sich Gabeln von ungleicher Intensität auf
verschiedenen Seiten von der Medianebene, so war in den
bisher mitgeteilten hierher gehörigen Versuchen der Differenz-
ton auf der Seite der leiseren zu hören.
Zeitschrift fttr Piyehologie. 7
98 JSTaW i. Sehaefer.
18. Dies findet nun auch statt, wenn die Gabeln — in
diesem Falle wieder auf Besonanzkasten — so weit jederseits
vom Ohre entfernt aufgestellt werden, dass die Primärtöne>
durch Vermittelung der Luftleitung beide Gehörorgane treflten.
Befindet sich dabei beispielsweise die leisere Gabel links und
dämpfe ich den Ton rechts durch Anlegen des Fingers, so dafe
seine Intensität endlich geringer wird als die des anderen, so»
zieht sich der Differenzton entsprechend aus dem linken Ohre^
in das Innere des Kopfes zurück, um allmählich ganz auf das
rechte Ohr überzugehen.
19. Bedient man sich wieder des Kautschuckschlauches wi»
in Versuch 16, und setzt auf ihn rechts und links von der
Mitte eine der Gabeln, welche ungleich laut angeschlagen
werden, so wird, wie Herr Dr. Axmann und ich übereinstimmend
fanden, der Differenzton stets auf die Seite der leiseren verlegt.
Am leichtesten überzeugt man sich hiervon, wenn man die^
Gabeln abwechselnd in kurzen Pausen anschlägt. Im Momente
des Anschlagens springt jedesmal der Differenzton auf das-
Ohr der entgegengesetzten Seite über.
Zum Schlüsse die Ergebnisse der Versuche über die Lo-
kalisation Tartinischer Töne zusammenfassend, finden wir, dafs.
man den Differenzton zwischen die Ohren (in die Medianebene)
verlegt, wenn beide Gabeln in der Medianebene aufgestellt,
sind, oder wenn die Primärtöne von verschiedenen Seiten
derselben kommen, ihre relative Intensität aber gleich ist.
Wenn beide Primärtöne den Beobachter von derselben Seite
treffen, wird der Differenzton in oder unmittelbar vor dem
Ohre eben dieser Seite gehört; dagegen auf der Seite der
leiseren Gabel, wenn der eine Ton von rechts, der andere von.
links kommt, und die relative Intensität beider ungleich ist.
Dafs man ihn in diesem Falle im Gegensatz zu den Schwe-
bungen auf die Seite des schwächeren Primärtones verlegt,,
dürfte seinen Grund darin haben, dass auf dieser Seite ein für
seine Wahmehmbarkeit günstigeres Intensitätsverhältnis der
primären Töne obwaltet und er demgemäfs überhaupt nur oder
wenigstens überwiegend laut auf dieser Seite auftritt: das-
stärker erregte Ohr ist aber bekanntlich bei der Lokalisation
einfacher Töne mafsgebend für die Bestimmung der Richtung*
Aus dem psychologischen Laboratorium zu Freiburg i. B.
Die Association successiver Vorstellungen.
Von
H. Münsterberg.
Die Theorien über Vorstellungsreproduktion divergieren in
hohem Mafse bezüglich der Frage, ob die innere Verwandtschaft
zweier Vorstellungen allein schon veranlassen kann, dafs eine
von beiden die andere ins Gedächtnis zurückruft oder ob zu
der inneren Ähnlichkeit und Abhängigkeit stets noch äulsere
Beziehungen, wie Gleichzeitigkeit oder zeitliche Folge als
Bedingungen der Association hinzutreten müssen. Bezüglich
dieser zweiten Gruppe von Associationsgesetzen befinden sich
die Theorien dagegen in weitreichender Übereinstimmung; jeder-
zeit fast wurde zugegeben, dafs Vorstellungen, welche simultan
oder in unmittelbarer Succession in demselben Bewufstsein
erzeugt werden, sich späterhin gegenseitig reproduzieren. In
der That zeigt es sich ja fortwährend, dafs nicht nur die gleich-
zeitigen Erregungen mehrerer Sinne sich im Gedächtnis mit-
einander verknüpfen, sondern dafs auch die nacheinander
dargebotenen Teile einer Beizreihe sich für das Bewufstsein
derart verbinden, dafs etwa der Anfang einer Tonfolge, einer
Wortreihe, einer Kette von Erlebnissen sofort die Erinnerung
an die Fortsetzung wachruft; alles Auswendiglernen, alle Er-
fahrung beruht darauf.
Trotzdem der Thatbestand dieser Gedächtnisleistung nun
unzweifelhaft ist, dürfte die übliche Deutung derselben doch
nicht unanfechtbar sein; ich glaube, dafs wir nicht berechtigt
sind, die successive Association der simultanen zu koordi-
nieren, dafs es vielmehr eine unmittelbare Association successiver
Vorstellungen überhaupt nicht giebt. Meines Erachtens kommt
7*
100 H. Münsterberg.
die Verknüpfang naclieiiiaiider gebotener Eindrücke a b c d
auf zwei verschiedene Weisen zu stände. Entweder ist a im
Bewufstsein noch nicht erloschen, sobald b eintritt, b noch
nicht verschwunden, sobald c kommt, kurz, obgleich die Beize
succedieren, sind von den entsprechenden Empfindungen min-
destens je zwei stets simultan im Bewufstsein ; nicht die Folge,
sondern die Gleichzeitigkeit wäre dann die Ursache, dafs a nun
b und b wieder c im Gedächtnis hervorruft. Oder zweitens:
jeder Reiz ruft in uns reflektorische Bewegungen hervor, ein
Wortbild beispielsweise Sprachbewegungen, und die Reihe
successiver Reize erzeugt auf diese Weise eine Reihe von Be-
wegungen, resp. Bewegungsantrieben, welche sich, genau wie
andere eingeübte Bewegungskomplexe, miteinander verbinden;
die erste Bewegung löst die zweite, die zweite dann die dritte
aus, und die Wahrnehmung der vollzogenen Bewegung ruft
durch Simultanassociation jedesmal die entsprechende Vorstellung
hervor. Wenn Vorstellung b firüher auf Vorstellung a folgte,
so wird in der Erinnerung jetzt also nicht b von a angeregt,
wie es das Gesetz der successiven Association fordert, sondern
a ruft die Bewegung Ä hervor, Ä löst dann die Bewegung S
aus, die früher ebenfalls nach A durch b hervorgerufen war,
und erst B erweckt die Erinnerung an &; inzwischen hat dann
B schon C ausgelöst, das c mit sich zieht, und so ist der Ab-
lauf der eingeprägten Bewegungsreihenfolge der Anlafs für das
successive Auftauchen der Vorstellungsreihe. Daus aber auf-
einanderfolgende Bewegungen sich in derselben Reihenfolge
leicht wiederholen, wie wir es vom ersten Erlernen des Greifens
und Gehens bis hinauf zur Einübung kompliziertester Technik
wahrnehmen, das hat seinerseits nichts mit VorsteUungsasso-
ciationen zu thun, sondern beruht auf der schnellen Ausbildung
von Reflexbahnen. Folgte einmal auf die Bewegung A die
Bewegung Bj so kann zwischen der centripetalen Erregung,
die bei dem Vollzug der Bewegung A entsteht, und der gleich-
zeitigen centrifugalen Erregung, die zur Bewegung B führt,
auf subkortikalen Bahnen Vermittelung eintreten, derart, dafs
die Ausführung der Bewegung A künftig zum Signal für die
reflektorische Auslösung von B wird.
Welches von diesen beiden Hilfsmitteln, Simultaneität der
benachbarten Glieder oder Einübung der begleitenden Be-
wegungen, im einzelnen Falle das hervorbringt, was gemeinhin
Die Association »uccessiver Vorstellungen, 101
als successive Association aufgefafst wird, läfst sich leicht er-
kennen. Wo der erste Weg betreten war, da wird eine Um-
kehmng der Beihenfolge die Beproduktion kaum erschweren;
wo dagegen die zweite Methode benutzt war, wird wie bei
allen eingeübten Bewegungsreihenfolgen eine Umkehr unmöglich
sein. In häufigen Fällen, z. B. beim Auswendiglernen gelesener
Worte, werden beide Hilfsmittel sich ergänzen, sowohl die
Simultaneität der gesehenen Wortbilder als auch die Einübung
der Sprachinnervationen wird hier die successive Association
ermöglichen. Es erklärt sich daher auch, das Ebbinghaus in
seinen bekanntei;L Untersuchungen über das Gedächtnis eine
nicht unwesentliche Ersparnis für die Lemzeit sinnloser Silben-
reihen auch dann noch fand (S. 154), sobald er die Beihenfolge
der früher erlernten Beihe direkt umkehrte. Dafs solche Er-
sparnis eintritt, resultiert eben daraus, dafs subjektive Simul-
taneität der benachbarten Glieder bei der Einprägung mit-
wirkte; dafs diese Ersparnis dagegen viel geringer ist als die
beim Neulemen in der gleichen Beihenfolge, ergiebt sich dar-
aus, dafs die Mithilfe der Bewegungseinübung wegfiel. Auch
dafs beim Überspringen einzelner Silben die Ersparnis an Lem-
zeit bedeutend abnimmt, ist aus der Veränderung der Be-
wegungsreihenfolge zu erklären; dafs eine gewisse Ersparnis
sich aber dennoch nachweisen läfst (S. 145), dürfte darauf be-
ruhen, dafs unser Auge, schneller arbeitend als der Sprech-
apparat, auch die nicht unmittelbar sich berührenden Silben
gleichzeitig überblickt. Hätte Ebbinghaus die Silbenreihe ver-
deckt gehalten und stets nur jedesmal eine Silbe nach der
andern aufgedeckt, so wäre das Ergebnis in diesem Punkt viel-
leicht ein anderes geworden.
Die dargestellte theoretische Auffassung stützt sich auf
Gründe der verschiedensten Art. Ich habe früher, in meinen
Studien über willkürliche Vorstellungsverbindung, vornehmUch
darauf hingewiesen, dafs schon das Bedürfiiis psychophysischen
Verständnisses unsere Theorie rechtfertigen würde; es mufs
psychophysisch durchaus unverständlich bleiben, wie zwei auf-
einanderfolgende Gehimerregungen eine Disposition zurück-
lassen sollen, der zufolge die Erneuerung der einen Erregung
auch die andre hervorruft. Bei simultaner Erregung zweier
Ganglienkomplexe können wir uns vorstellen, dafs die Erregung
auf die verbindende Leitungsbahn übergeht ; mit der funktioneUen
102 H Münsterberg.
Disposition der G-anglien, einem erneuten Erregungsanstofs
leichter zu folgen, würde dann auch eine Disposition des
Leitungsweges übrig bleiben, die Erregung der einen End-
station als Bahn des geringsten Widerstandes auf die andere
Endstation zu übertragen. Bei zeitlich succedierenden Vor-
stellungen ist dagegen psychophysischer Yeranschauliphung
jeder Anhalt entzogen. Wie sollen wir uns es vorstellen, dafs die
Erregung einer Q-aDglie mit der einer andern sich verbindet,
wenn die eine zu funktionieren aufgehört hat, sobald die andre
anfängt, von einer physiologischen Wechselwirkung beider Er-
regungen mittelst ihrer Verbindungsbahn also nipht die Rede
sein kann. „Unsere Aufinerksamkeit wandert gleichsam vom
Blitzeindruck zum Donner; vom optischen Centrum zum akusti-
schen wandert aber gar nichts; keine Leitungsbahn wird ein-
geübt, und es bleibt rätselhaft, wie etwa die erneute Erregung
des optischen Centralapparates nun auf physischem Wege die-
jenige Erregung des akustischen Apparates hervorrufen soll,
deren psyQhische Begleiterscheinung die Vorstellung des
Donners ist."
Entscheidender aber als theoretische Erwägung erscheinen
mir die Resultate von Experimenten, die ich in meinem
Laboratorium ausgeführt und über die ich hier in Kürze be-
richten möchte. Sie waren zugespitzt auf die Frage, ob die
Association successiver Vorstellungen auch dort
noch möglich ist, wo sowohl die Einübung beglei-
tender Bewegungen als auch die simultane Auf-
fassung benachbarter Grlieder durch die Versuchs-
bedingungen ausgeschlossen ist. Bei den Versuchen,
die iph während der letzten zwei Jahre unter Assistenz ver-
schiedener Studenten in jedem Semester wiederholte, fungierte
ich selbst stets als Versuchsperson. Die einfache Vorrichtung
war folgende. Um eine schwarze Wandtafel war ein schwarzes,
2 dem breites Band ohne Ende horizontal befestigt. Dasselbe
konnte auf- und abgeschoben werden, so dafs eine Zeile auf
der Tafel gesQhrieben und dann bedeckt werden konnte. In
diesem Bande war ein Fenster von der Gröfse eines ndcm.
Wurde nun eine Zeile einzelner, voneinander abstehender Buch-
staben aufgeschrieben und das Band langsam weitergeschoben,
so erschien ein Buchstabe nach dem andern in dem Fenster;
niemals aber war mehr als einer sichtbar. Bei allen unseren
Die Association successiver Vorstellungen. 103
Versuchen wurde von dem Assistenten das Band nun so vor-
wärts bewegt, dals jeder BuQlistabe genau 1 Sekunde sichtbar
blieb; ein Metronom gab die entsprechende Zeit an. Benutzt
wurden alle Buchstaben des Alphabets, die Buchstabenreihen
jedoQh so gebildet, dafs nirgends sich Worte lesen liefsen. Der
Assistent, der gleichzeitig protokollierte, schrieb die Buchstaben
an, ohne dafs igh hinsah. Mein Platz war 3 m vor der Tafel;
erst sobald die Heihe verdeckt und nur der erste Buchstabe
durch die quadratische Öffnung sichtbar wurde, erhielt ich ein
Zeichen, zur Tafel aufzublicken. Meine Aufgabe war jetzt, die
sich hintereinander darbietenden Buchstaben, gleichviel mit
welchen subjektiven Hilfsmitteln, im Gedächtnis zu behalten
und nach der Bedeckung des letzten Buchstabens die Beihe
Aufzusagen.
Wir begannen mit vier Buchstaben, nahmen dann fünf
und schritten mit je zehn Beihen so weit fort, bis die Grrenze
meiner Aufiiahmefähigkeit erreicht war. Es ergab sich, dafs
ich Beihen von 7 oder weniger Buchstaben ausnahmslos richtig
wiedergab imd bei 8 Buchstaben in zehn Beihen durchschnitt-
lich 2 bis 3 Fehler machte, d. h. 2 bis 3 von den gegebenen
^0 Buchstaben durch falsche ersetzte; bei neungliedrigen Beihen
wurde schliefslich ein Drittel der Beihen irgendwie fehlerhaft,
sei es, dafs ich falsche Buchstaben einschob, sei es, dafs ich
einen Teil der Beihe überhaupt vergafs. Zehngliedrige Beihen
ergaben sich als das Maximum der Leistungsfähigkeit. Ein
Hinausschieben dieser Grenze durch Übung konnte ich nicht
bemerken; dagegen machte sich innerhalb jeder Yersuchsstunde
bald Ermüdung geltend, die Versuche wurden deshalb in stets
^wechselnder Beihenfolge angestellt und, wie gesagt, jedes Se-
mester wiederholt. Übersehe ich nun die Gesamtheit der proto-
kollierten Fehler, so tritt das eine deutlich hervor, dafs die Ge-
dächtnisirrtümer sich fast ausnahmslos auf den Inhalt der
Vorstellungen, nicht auf ihre Beihenfolge beziehen.
Es schlüpft also wohl einmal ein falscher Buchstabe mit unter,
fast niemals aber — nur 3% der Fehler — werden auch in
den längsten Beihen die Buchstaben in ihren Stellungen ver-
tauscht. Die Buchstaben, die ich nicht überhaupt vergessen
hatte, tauchen somit fast stets an der richtigen Stelle auf, die
Association ist also eine vollkommene.
Ganz anders sieht es nun in der zweiten Gruppe aus,
104 S. Münsterberg.
tun derenwillen die üntersachung eigentlich angestellt wnrda.
Bei der ersten Gruppe waren alle geistigen Kräfte der Gre-
dächtnisanfgabe untergeordnet; es konnte also jeder Buclistobe
sowohl willkürlich im BewuTstsein festgehalten werden, wenn
er an der Tafel schon verdeckt war, als auch innerlich nach-
gesprochen werden. Beides war in der zweiten Gruppe aus-
geschlossen, insofern die Darbietung der Buchstabenreihe zwar
in gleicher Weise vor sich gingj die ganze Aufmerksamkeit
aber einer anderen geistigen Thätigkeit, dem lauten Kopf-
rechnen, zugewandt wurde. Die Buchstaben konnten mit-
hin weder nachgesprochen noch willkürUch festgehalten werden,
sie wurden lediglich, einer nach dem anderen, wahrgenommen.
Die Bechenaufgaben wechselten; meistens wurde mir von dem
Assistenten gleichzeitig mit dem Signal, den ersten Buchstaben
zu betrachten, eine beliebige Zahl genannt, und ich mufste nun
laut 7 und wieder 7 so lange hinzuaddieren, bis der letzte
Buchstabe vorbei war. Zuweilen mufste ich auch eine gegebene
Zahl fortdauernd mit 2 multiplizieren oder eine grölsere Zahl
quadrieren. In jedem Falle nötigte mich die Aufgabe, meine
Gedanken auf die Zahl zu konzentrieren und ohne Pause laut
zu sprechen. Während ich rechnete, waren die Augen natür-
Ibh auf die Tafel gerichtet.
Das Ergebnis ist folgendes: Die Grenze der Leistungs-
fähigkeit, die vorher bei zehngliedrigen Beihen lag, ist hier
schon bei siebengliedrigen anzusetzen. Von je 7 Buchstaben
waren mir meist 1 oder 2, zuweilen auch mehr ganz entfallen.
Bei 6 Buchstaben ist dagegen durchschnittlich nur in jeder dritten
Beihe ein falscher Buchstabe, in zwei drittel der Beihen sind alle
6 Buchstaben korrekt reproduziert; bei 5 und 4 GHedem sind nur
ganz ausnahmsweise falsche Buchstaben hineingekommen. Auf
10 Beihen von 5 Buchstaben kommt ein einziger falscher.
Dagegen ist nun — und darin scheint mir das Bedeutsame
der Besultate zu liegen — das Ergebnis der Beproduktion ein
durchaus ungünstiges, sobald die Beihenfolge der Buchstaben
beachtet wird. Von 100 viergliedrigen Beihen ist zwar nur
bei 6 Beihen ein falscher Buchstabe untergelaufen,
aber bei 52 Beihen ist die reproduzierte Beihenfolge
der Buchstaben eine falsche. Von 100 fün%liedrigen
Beihen ist, wie gesagt, in jeder zehnten Beihe ein falscher
Buchstabe, falsche Beihenfolge dagegen bei 64 Beihen, und
Die Association successiver Vorstellungen. 105
bei den sechsgliedrigeu Beihen ist die richtige Reihenfolge
schon geradezu eine Ausnahme, 83 Eeihen werden in falscher
Ordnung wiedergegeben. Als Beispiel führe ich hier an : statt
lg h t: hglt\ statt m ip c: mp i c; statt c p i s e: p s i c e ;
statt s mb d vp : s d m v b p. Ein besonderer Typus der falschen
Anordnung läfst sich nicht herausfinden; auffallend ist nur,
dafs häufig die reproduzierte Beihe mit dem vorletzten Buch-
staben begonnen wird und dafs fast immer der letzte Buch-
stabe an seinem richtigen Platze bleibt.
Wir stehen somit vor dem Ergebnis, dafs in der ersten
Gruppe zwar Qedächtnistäuschungen bezüglich einzelner Buch-
staben vorkommen, die Reihenfolge der richtig behaltenen
Buchstaben aber fast ausnahmslos unverändert bleibt, dafs
dagegen in der zweiten Gruppe die falschen Buchstaben ganz
zurücktreten hinter den falsch gestellten; war in der ersten
Gruppe kaum 1 7o der Beihen falsch geordnet, so sind es hier
52 — 83 7o. Wie können wir das erklären? Liegt der Grund
darin, dafs wir das erste Mal die Aufmerksamkeit den Buch-
staben zuwenden, während die Aufmerksamkeit in der zweiten
Gruppe durch das Bechnen abgelenkt ist? Keinenfalls. Die
gröfsere oder geringere Aufmerksamkeit bei der Wahrnehmung
der einzelnen Buchstaben kann doch nur bewirken, dafs uns
die Eindrücke mehr oder weniger fest im Gedächtnis haften.
Nun ist diese Verschiedenheit der Aufmerksamkeitsintensität
bei unseren Zahlen ja deutlich konstatierbar ; konnten bei kon-
zentrierter Aufmerksamkeit 8 und 9 Buchstaben noch ziemlich
zuverlässig behalten werden, so wollen bei abgelenkter Auf-
merksamkeit nicht mehr als 6 im Gedächtnis bleiben, und wäh-
rend in der ersten Gruppe bei 4, 5, 6 Buchstaben niemals ein
Fehler vorkam, werden in der zweiten Gruppe nicht selten
Irrtümer begangen. Berücksichtigen wir nun aber, dafs in
100 viergliedrigen Beihen trotz der vielen Vertauschungsfehler
doch 394 von 400 und in 100 fünfgliedrigen 489 von 600 Buch-
staben richtig behalten wurden, so ist doch evident, dafs die
Ablenkung der Aufmerksamkeit nicht der eigentliche Grund
für die Beproduktionsstörung sein kann. Die verminderte Auf-
merksamkeit reicht noch völlig aus, um jeden Buchstaben
isoliert dem Gedächtnis einzuprägen, sonst würden mehr falsche
Buchstaben unterlaufen, und dennoch wird die Mehrzahl der
Beihen in falscher Beihenfolge reproduziert.
106 H' Münsterberg.
Es bleibt mithin nur eine Erklärong übrig. Die zweite
Omppe nnterscliied sich von der ersten ja nicht nur durch die
Ablenkung der Aufinerksamkeit, sondern auch dadurch, dafs
unser Sprachapparat völlig in BescUag genommen war, die Buch-
staben also nicht nachgesprochen werden konnten, und zweitens
dadurch, dafs infolge der Beschäftigung mit der Kechenauf-
gabe wir nicht willkürlich den einen Buchstaben innerlich
festhalten konnten, wenn uns der nächste sich darbot. Sowohl
simultane Association, wie Einübung von Bewegungsreihen
fielen dadurch fort, und da in der Ablenkung der Aufmerk-
samkeit der direkte örund für die Verschiedenheit der Ergeb-
nisse, wie wir sahen, nicht Uegen kann, so bleibt uns nur
übrig, den Grrund in jenen zwei Faktoren zu suchen; in allen
übrigen Punkten sind die Bedingungen ja in beiden Gruppen
identisch. Können wir simultane Associationen zwischen be-
nachbarten G-liedern bilden und begleitende Bewegungen in
bestimmter Beihenfoige einüben, so bilden sich mithin auch
zwischen successiv gebotenen Eindrücken feste Associationen;
bei unseren Versuchen zum Ausdruck gebracht durch die
richtige Buchstabenreihenfolge in den reproduzierten Reihen.
Können wir aber beides nicht, so nimmt imser Bewufstsein
die succedierenden Eindrücke zwar nicht minder in sich auf
und kann jede Vorstellung auch später wieder aus dem Ge-
dächtnis hervorrufen, jede einzelne aber bleibt isoliert,
zu einer Association derart, dafs eine die andere
erweckt, kommt es nicht; unsere Versuche zeigen es, wie
die Buchstaben dann zwar richtig behalten, aber völlig durch-
einander gewürfelt werden. Nicht ein Buchstabe erweckt hier
den andern, sondern die mit den Buchstaben simultan associ-
ierten Nebeneindrücke rufen bald den, bald jenen Buchstaben
regellos ins Gedächtnis zurück. So war denn auch das Tempo
der [Reproduktion bei der zweiten Gruppe meist langsamer als
in der ersten ; ich mufste erst allmählich einen Buchstaben nach
dem andern hervorsuchen. In der ersten Gruppe erlebte ich da-
gegen nicht selten das Umgekehrte ; ich hatte nach der Bedeckung
des letzten Buchstabens den Eindruck, als wenn ich die ganze
Beihe vergessen hätte, bis die richtigen Buchstaben dann von
selbst auf die Lippen traten, einer stets den andern mit sich
ziehend. Dafs ein solcher Endeffekt den Schein hervorruft,
als wenn es sich wirklich um Association successiver Vorstel-
Die AsHodatUm suceeasiver Vcratelhmgen. 107
luiigen handelt, ist nicht zu bestreiten; prinzipiell muTs aber
daran festgehalten werden, dafs es eine successive Asso-
ciation nicht giebt, sonst hätten in unserer zweiten
Versuchsgruppe die Fehler durch Vertauschung ein-
zelner Glieder nicht 50 bis 80 mal so häufig sein
dürfen als in der ersten Gruppe. Wenn Vorstellungen
ohne begleitende Bewegungen wirklich successiv, nicht simultan
ins BewuTstsein treten, so werden sie isoliert und nicht associiert
ins Gedächtnis aufgenommen.
über negative Empfindimgswerte.
Von
Gustav Theodor Fechner (f 1887).
Briefliche Mitteilungen
an
W. Preter.
(BchlnA.)
Leipzig, d. 16. März 74.
Sie sagen:
„Wenn E=x log k
und i5?=Xi log \p
so ist keineswegs (wie Elemente d. Ps. IL. 429. Z. 11 — 14. v. o.)
gefolgert wird, tp proportional dem X. Auch hier bleibt die
Identität der Konstanten x und x^ zu beweisen." Aber so fol-
gere ich ja gar nicht, sondern so: Wenn E=x log Jl, und
xp=pk, d.Yi.xp proportional A, so ist auch E=x log ^ ;
P
wogegen sich wohl nichts einwenden lassen wird, und wobei
ein Unterschied zweier Konstanten x, x^ gar nicht in Frage
kommt. Dafs die, übrigens nur innerhalb der Grenzen des
gewöhnlichen Sinnengebrauchs von mir in Anspruch genom-
mene Proportionalität von psychophysischer Bewegung mit
Beiz selbst innerhalb dieser Grenzen nur hypothetisch ist, gebe
ich selbst zu.
um von hier aus zu dem einzigen Punkte überzugehen,
über den wir uns in unseren bisherigen Diskussionen noch
nicht ganz verständigt haben, betreffs negativer Werte im
physischen und psychischen Gebiete, so sagen Sie: „Es steht
durchaus nicht fest, dafs es unterhalb der Empfindung Null
nichts Beales, durch negative Werte desselben Ausdrückbares
gebe. Man kann sich die Möglichkeit denken, dafs die Gan-
glienzelle (ihr Protoplasma) bei der Empfindung sich zusam-
über negative Empfindungswerte. 109
menzieht und unter der Empfindung Null sich ausdehnt ....
Ich habe damit nur die Möglichkeit zeigen wollen, dafs
negativen Empfindungswerten etwas Beales entsprechen könne. ^
Nun behaupte ich ja aber selbst, dafs negativen Werten
im Psychischen etwas Beales im Physischen entspreche;
denn der ganze Schwellenbegriff füfst darauf. Und sollte das
physisch Keale, was noch unter der Schwelle der Empfindung
in funktioneller Beziehung dazu fortbesteht, zugleich als negativ
und real zu fassen sein, so würde die dazu funktionell ge-
hörige Empfindung nichtsdestoweniger als nicht real zu fassen
sein, weil sie faktisch eben nicht da ist. Nicht darum handelt
es «ich doch, ob unter der Schwelle der Empfindung von dem
Physischen, wozu es in allgemeiner Funktionsbeziehung steht,
überhaupt noch etwas, sei es mit positivem oder negativem
Vorzeichen real da ist, sondern ob von der Empfindung selbst
noch etwas real da ist, wenn die funktionelle Beziehung auf
negative Werte derselben führt. Vielleicht aber verstehe ich
Ihren Einwurf noch nicht ganz und treffe ihn daher auch mit^
meiner Entgegnung nicht ganz.
Was das aus den photographischen Wirkungen des Lichtes
hergenommene Beispiel anlangt, so kann daraus meines Erach-
tens in keinem Falle ein Einwurf gegen die Deutung der nega-
tiven Empfindungswerte als imaginärer mit der Nebenbestim-
mung gröfserer oder geringerer Entfernung von der WirkHchkeit,
hervor£:ehen ; denn diese Deutunc: beruht auf keinen Analoccien,
sondert auf direkter Betrachtung der Sachverhältnisse im psy^
chophysischen Gebiete, und sollte eine Analogie nicht dazu
stimmen, so würde dies nur ein Beweis sein, dafs der rechte
Gesichtspunkt der Analogie nicht getroffen ist. Das Psychische
tritt in der Psychophysik als Funktion eines anders gearteten
Wertes des Physischen auf; nun kann nur die Frage sein, ob
sich auch innerhalb des physischen Gebietes für sich
etwas Analoges von einem derartigen funktionellen Verhältnisse
finden lasse, dafs Werte einer gewissen Art, welche in funktio-
neller Abhängigkeit von Werten andrer Art stehen, als ima-
ginär mit jener Nebenbestimmung gefafst werden müssen, wenn
sie vermöge der fanktionellen Beziehung einen negativen Wert
annehmen. Ich glaube, dafs es der Fall mit negativen Werten,
beharriichen Abstandes von einem gegebenen Punkte ald
Funktion geäuJfeerter Kraft sei, wenn die Frage auf Nichter-
110 G. Th. Feehner.
reichnng oder Überschreitung dieses Punktes gestellt wird, und
die Abstände in diesem Sinne der Aufgabe gemafs gedeutet
werden ^ negativer Abstand = imaginäres Überschreiten des
Punktes — wie ich am Beispiele der Beibung zu erläutern
gesucht. Aber für die psychophysische Deutung der negativen
Empfindungswerte ist es ganz gleichgiltig , ob diese Analogie
als richtige zatnSt oder als nicht richtige nicht zutrifft, und
möchten Sie auch das Beispiel von dem glühenden Draht, der
Drehung des Wasserrades und der photographischen Platte
noch so sehr variieren, so würde immer dieselbe allgemeine
Antwort darauf zu geben sein, dafs das die psychophysische
Deutung der negativen Empfindungswerte nichts angeht. Führt
die Mafsformel auf negative Empfindungswerte, so können sie
nicht anders, denn als imaginär mit jener Nebenbestimmxmg
gefafst werden; der Zusammenhang von Bechnxmg und That-
sachen läfst es nicht anders zu. Es sei denn, dafs man die
Giltigkeit einer Formel selbst bestritte, welche auf negative
Empfindungswerte fahrt, wie es ja von Dblboeuv geschieht;
dann hört mit den negativen Empfindungswerten natürlich das
Bedürfnis einer Deutung von solchen auf; aber unsre Diskussion
ist auf Grund der Voraussetzung von solchen geföhrt, und für
Ihre myophysische Mafsformel würde doch ein entsprechendes
Bedürfnis noch fortbestehen. Dafs ich übrigens den Dblbobüf-
schen Gbitlnden und seiner Formel mich nichts weniger als
füge, habe ich früher bemerkt.
Sollte nun aber rücksichtslos auf eine Bedeutang für die
Psychophysik, die ich nicht zugestehen kann, das Beispiel der
photographischen Platte in Beziehung auf die Frage für das
physische Gebiet diskutiert werden, so müfste man es meines
Erachtens ebenso wie das Beispiel der Beibung erst auf be-
stimmte Vorstellungen bringen, wonach es mir auch unter
denselben Gesichtspunkt zu treten scheint. Sie sagen: „Bei
einer gewissen Gröfse der Wärmesohwingung beginnt die che-
mische Zersetzung. Nun kann man doch nicht wohl die Ab-
wesenheit der chemischen Zersetzung unterhalb jenes Punktes
eine negative chemische Zersetzung nennen.** Aber was ist unter
chemischer Zersetzung den Wärmeschwingungen gegenüber zu
verstehen? Ich denke, eine bleibende Lagenänderung der Teil-
chen gegeneinander, oder Schwingung um neue Lagen gegen-
einander. Nun hat es ohne solche Klärung der Vorstellung
über negative Empfindungswerte, \\\
freilich keinen klaren Sinn, von einer negativen chemischen
Zersetznng zu sprechen, hingegen wird es m. E. weder unklar,*
noch untriftig sein, zu sagen : so lange die Wärmeschwingungen
nicht eine gewisse Grenze überschreiten, bleiben die Q-leichge-
wichtslagen der Teilchen, um die sie schwingen, dieselben;
wird eine gewisse Grenze überschritten, so ändern sich die
Gleichgewichtslagen. Der Abstand, in welchem die Schwin-
gungen hinter dieser Grenze zurückbleiben, wird bezüglich
derselben als negativ zu fassen und zugleich als Mafs der
Entfernung vom Eintritt einer chemischen Zersetzung zu be-
trachten sein , diese selbst aber als imaginäre bezeichnet werden
können.
Inzwischen, ich gebe Ihnen vollkommen recht, wenn Sie
sagen^ dafs dergleichen „sehr subtil'' ist, und man erst genau
nachdenken mufs, ehe man dergleichen acceptiert, d. h. in
physikalische Betrachtungen einführt; und wenn Sie sagen,
dafs Sie das noch nicht gethan haben, so sage ich meinerseits
dasselbe. Ob mit dergleichen etwas anzufangen ist, kann sich
ja erst in der mathematischen Durchführung zeigen, die im
physischen Gebiete zu versuchen ich nicht für meine Sache
halte, daher ich auch vom Anfange her in das, was ich in
dieser Beziehung vorgebracht, um für eine Schwierigkeit, zu
der Ihre Formel fahrt, eine mögliche Abhilfe zu finden, für
unmafsgeblich erklärt habe. Lassen Sie also, sei es, dafs Sie
hier keine Schwierigkeit anerkennen, oder ihr auf zufrieden-
stellendere "Weise zu begegnen wissen, meinen Versuch in dieser
Hinsicht auf sich beruhen, was ich in der Ordnung finde; nur
damit werde ich mich nicht einverstehen können, dafs Sie
diese Schwierigkeit auf die Psychophysik übertragen, wo sie
nach meiner Fassung und Erläuterung der negativen Empfin-
dungswerte, so weit ich es übersehen kann, nicht besteht.
Leipzig, d. 25. Mai 74.
um noch eines Bestes unsres Streites zu gedenken, so
sagen Sie, dafs die Annahme negativer Empfindungen in meinem
Sinne (in welchem ich aber vielmehr von negativen Empfin-
dungsgröfsen sprechen würde, indem ich mich damit nur
auf die quantitative Seite der Empfindung beziehe), wenn
auch auf bisherigem Wege nicht widerlegt, doch nicht not-
112 G. Th. Fechner.
wendig sei. Ich behaupte allerdings, dafs, wenn die Mafsformel
richtig ist, die Auslegung der negativen Empfindnngswerte,
wozu sie fuhrt, notwendig ist; aber die Richtigkeit derselben
wird ja von Delboeuf und Plateau bestritten; hiergegen
werde ich mich noch zu wehren haben und es allerdings thun,^
da ich nicht in Verlegenheit bin, wie ich es zu thun habe;
doch bin ich immer noch nicht dazu gekommen.
Leipzig, d. 20. Joni 74.
In unsrer Diskussion über die negativen Empfindungswerte
scheint es, dafs wir nicht zum Ziele kommen, indes haben wir
wenigstens das Interesse einer wissenschaftlichen Unterhaltung
darüber. Ich kann nicht zugeben, dafs meine Deutung der
negativen Empfindungswerte, die aus der von mir aufgestellten
Mafsformel fliefsen, irgendwie an einer mir eigentümlichen Auf-
fassung des BewuTstseins hängt, sondern nur an der Thatsache,
dafs die Empfindung erst bei einem endlichen Heizwerte
merklich zu werden beginnt, dafs die Formel diese Thatsache
in sich aufnimmt, hiermit aber zugleich zu negativen Empfin-
dungswerten führt, die dann meines Erachtens gar nicht anders
gedeutet werden können, als es von mir geschieht. Hierbei
kommt die Frage nach dem allgemeinen Begriff des Bewufst-
seins gar nicht in Bücksicht, und wenn ich die negativen Em-
pfindungswerte auch „unbewufste" nenne, so ist dies ein kurzer
Ausdruck, den ich durchaus nicht durch den dabei ganz frei-
gelassenen allgemeinen Begriff des BewuTstseins, sondern durch
rein faktische Verhältnisse erläutere. Natürlich aber, wenn
Formeln aufgestellt werden, in welche negative Empfindungs-
werte nicht eingehen, wie dies mit der DELBOEUFschen und
PLATBAüschen der Fall ist, fällt auch das Bedürfnis einer
Deutung derselben weg; und ich habe ja schon früher erklärt,
dals ich die Notwendigkeit meiner Deutung nur für den
Fall der Eichtigkeit meiner Formel, insoweit überhaupt nega-
tive Empfindungswerte als Funktion unzureichender Reizwerte
darin eingehen, in Anspruch nehme. Die Frage nach der Rich-
tigkeit meiner Formel ist aber doch eine ganz andere, als die
* In Sachen der Psycliophysiky 1877 und Bevision der Hauptpunkte der
Psychophysik, Leipzig, 1882. [P.]
über negative Empfindungewei^te, 113
Trage nach der Richtigkeit jener Deutung im Falle der Rich-
tigkeit der Formel. Hierin ändert sich auch durch die Ansicht
nichts, welche der ungenannte Verfasser einer Schrift,^ auf
die Sie sich beziehen, über die Bedeutung der Schwelle ausge-
sprochen hat. Diese Ansicht, sowie der Name des Autors sind
mir nicht unbekannt geblieben. Nun aber erkennt der Autor
damit entweder die Anwendbarkeit der Mafsformel auf die in*
nem Bewegungsverhältnisse des Gehirns an und macht nur
die negativen Empfindungswerte für das GesamtbewuTstsein,
statt von einer Schwelle direkter Erregung der Ganglienzellen
von einer Schwelle der Leitung zwischen denselben abhängig,
d. h. von einem Zurückbleiben hinter der Schwelle, dann bleibt
auch meine Deutung jener Werte im Rechte und notwendig,
oder er erkennt keinen Schwellenwert der Leitung, hiermit
auch keine negativen Empflndungswerte an, findet hiermit über-
haupt meine Mafsformel innerlich nicht zutreffend, dann fallt
für ihn natürlich mit den negativen Empfindun£:swerten auch
meine Deutung derselben Jg. Um übrigens noch mit ein
paar Worten auf die eigentümliche Ansicht des Verfassers ein-
zugehen, so wül derselbe, wie Sie wissen, nicht blofs den Gan-
glienzellen, sondern jedem Atom Empfindung vindizieren, sta-
tuiert aber keine Schwelle für die Atome, also die kleinste
Bewegung mufs Empfindung geben, sie mufs sich aber auch
den benachbarten Atomen irgendwie mitteilen, oder ich möchte
wissen, worin der Verfasser den Widerstand gegen die Mittei-
lung von Wärme- und Schallschwingungen sucht, wodurch die
Leitung gänzlich unterbrochen werden soll — also mufs eine
Leitung stets durch das ganze Gehirn stattfinden, womit die
Ansicht des Verfassers vom isolierten Bewufstsein der Gan-
glienzellen durch Unterbrechung der Leitung dazwischen sich
von selbst aufhebt, es wäre denn, dafs er wirklich einen Schwel-
lenwert der die Leitung vermittelnden Schwingungen statuierte,
wonach er konsequenterweise einen solchen überhaupt für die
Schwingungen statuieren müfste, hiermit aber seinen eigenen
Voraussetzungen widerspräche. Das ganze Gehirn ist doch
^ Das Unbewufste vom Standpunkt der Physiologie und Descendemiheorie.
Eine kritische Beleuchtung des naturphUosophischen Teils der Philosophie des
Unbewufsten aus natunoissenschafüichen Gesichtspunkten. Berlin, 1872. S. 59.
Zeitfchrlfl Ar Psychologie. 8
114 G. Tk. Fedmtr.
warm und sonst in lebendiger Erregung; meint er, dafs sich
irgendwo ein absolut kaltes Atom zwischen die Oehimzellen
einschiebt?
Mit frenndschafUicher Hochachtung
der Ihrige
Fechütbb.
Leipzig, den 26. Juni 1874,
Hierbei nehme ich zugleich Gelegenheit, unsere Diskussion
über das alte Thema etwas fortzuspinnen.
In meinem vorigen Briefe habe ich gesagt, dafs ich bei
meiner Deutung der negativen Empfindungswerte den Begriff
des Bewufstseins ganz frei lasse, und, wenn ich diese Werte
unbewufste nenne, dies der Kürze wegen thue. In der That
verhält es sich so mit der fundamentalen Deutung dieser Werte ;
doch ist der Ausdruck unbewufst allerdings nicht blofs durch
Kürze motiviert, vielmehr finde ich mich nach jener Deutung,
welche vom Allgemeinbegriff des Bewufstseins ganz abstrahiert,
im stände, das ganze unbewuiste Seelenleben, was man so
nennt, in psyohophysischen Thätigkeiten unter der Schwelle
ablaufend zu denken und dadurch auf einen klaren Gesichts-
punkt zurückzuführen, den ich bisher vermifst habe; es ist
damit etwas aufweisbar, was nicht auf die psychische, sondern
physische Seite der Erscheinung, als unvollständige Bedingung
des Eintrittes der psychischen, fällt. Insofern hat allerdings
der Name „unbewufste*^ Empfindung Beziehung zu den herr-
schenden Ansichten über Bewufstsein; meine Deutung stützt
sich aber nicht darauf, sondern umgekehrt kann sich eine An-
sicht über das Verhältnis von Bewufstsein und Unbewufstsein
auf meine Deutung der negativen Empfindungswerte stützen.
Sie sagen: „Um die — y wirklich zu deuten, mufs man,,
meine ich, irgend etwas angeben, was dem Entfernt-
sein des negativen Wertes vom Nullpunkt entspricht.
Andernfalls verzichtet man auf eine Repräsentation derselben,
und die negativen ^^-Werte sind nichts als Zahlen, nichts als
die Logarithmen von anderen Zahlen mit negativen Vorzeichen."
Aber versuchen Sie doch, mit den Logarithmen der Logarithmen-
tafeln das unbewufste Seelenleben zu repräsentieren, ohne
über negative Empfindungewerte. 115
ihnen die Bedeutung unterzulegen, die ich im Zusammenhange
nach positiver und negativer Seite in der Mafsformel dafür in
Anspruch nehme ; und wollen Sie nur nicht vergessen, dafs die
Mafsformel überhaupt keine rein psychologische Formel ist, sondern
eine Formel, die angeben soll, welches Verhältnis die Empfin-
dung in Abhängigkeit vomßeize hat. Dieses Abhängig-
keitsverhältsnis durch die Beizskala hindurch will sie decken,
und da die Empfindung bei positiven Beizwerten unter der
Schwelle noch nicht da ist, aber sich der Entstehung um so mehr
nähert, je mehr der Beiz dem Schwellenwerte zuwächst, so
wird dies durch immer mehr abnehmende negative Empfindungs-
werte dargestellt. Gröfsere negative Empfindungs-
werte bedeuten insofern eine gröfsere Entfernung
vom Eintritt wirklicher Empfindung, als die
Beizwerte, von denen sie abhängen, von dem Grade,
wo Empfindung beginnt, entfernter sind; sie weisen
also auf diese gröfsere Entfernung hin, lassen die Entstehungs-
bedingungen der Empfindung unter der Schwelle in Zusammen-
hang mit denen oberhalb der Schwelle nach einer gemein-
samen Funktion verfolgen, wonach sie eben unter der Schwelle
ebensowenig als die positiven Empfindungswerte oberhalb
der Schwelle den Beizwerten einfach proportional gesetzt
werden dürfen, was den mathematischen Konnex aufheben
würde. Bein psychologisch genommen, sage ich selbst,
unterscheidet sich eine negative Empfindung nicht von einer
Null-Empfindung, wohl aber psychophysisch, und zwar auf
eine ganz angebbare Weise nach ihrem Abhängigkeitsver-
hältnisse vom Beize oder der psychophysischen Bewegung,
indes Sie das Angebbare im psychologischen Gebiete far sich
aufgezeigt haben wollen, wofür die Mafsformel nicht gemacht
ist. Das ändert sich nicht, wenn Sie für einen Schwellenwert
der Beizung einen Schwellenwert der Leitung in die Formel
substituieren, und irgend einen physischen Schwellenwert müssen
Sie doch darin substituieren, um sie nicht fundamental zu ver-
werfen. Bei jeder Annahme einer Schwelle aber erhalten Sie
notwendig negative Empfindungswerte daraus, und ich frage
nun, welche von der meinigen abweichende Deutung Sie da-
für noch möglich halten, denn Ihre Einwürfe haben mich im
Grunde doch im Unklaren darüber gelassen. Entweder müssen
es wirkliche oder nicht wirkliche Empfindungen oder ein
8*
116 G. Th. Fechner.
Zwischenwert dazwischen sein ; können Sie aber anders als ich
in dieser Hinsicht wählen? Zu dem, was Sie selbst von der
Möglichkeit einer verschiedenen Deutung der negativen Em-
pfindungswerte angeführt haben, kann ich nur die Möglichkeit,
sich die physische Begründungsweise der Schwelle und
mithin der davon abhängigen negativen Empfindungswerte ver-
schieden zu denken, erkennen.
Sie nehmen bei Gelegenheit dieser Besprechung mindestens
bedingterweise die HARTMASVsche Ansicht von der Schwelle
des Totalbewuistseins als bezüglich auf die Leitung zwischen
den Ganglienzellen in Schutz, und ich selbst kann im Prinzip
nichts gegen die Möglichkeit einer solchen Auffassung ein-
wenden, da ich ja selbst in der inneren Psychophysik die Dis-
kontinuität des BewuTstseins zwischen verschiedenen psycho-
physischen Systemen und selbst Teilen eines solchen davon
abhängig mache, dafs die psychophysische Thätigkeit zwischen
ihnen unter die Schwelle sinkt, was recht wohl als ein Sinken
der Leitung zwischen ihnen unter die Schwelle gefafst werden
kann. Ob man eine solche BewuTstseinsdiskontinuität selbst
zwischen den einzelnen Ganglienkugeln z. B. im Schlafe sta-
tuieren wUl, ist Glaubenssache, und fragt sich, was man mit
dieser Hypothese erreichen will und erreichen kann; ich lasse
das hier dahingestellt, werde es aber nicht zu meiner Hypothese
machen. Nur dagegen mufs ich mich prinzipiell erklären, dafs
Habtmann die Schwelle fundamental auf Leitung bezieht, ohne
für die psychophysisch thätigen Grundelemente, wozwischen die
Leitung stattfindet, eine Schwelle anzuerkennen. Wenn die
kleinste Schwingung eines Atoms Empfindung mitführt, so weils
ich nicht, worauf die Unterbrechung der Kontinuität der Em-
pfindung im Gehirn zu irgend einer Zeit beruhen soll, da, wie
ich sagte, das ganze Gehirn mindestens warm ist. Lassen Sie
Fasern zwischen den Ganglienzellen reifsen, so schiebt sich
Flüssigkeit oder sonst etwas ein, was auch warm ist. Hartmann
spricht von einem Widerstände der Leitung, der über-
wunden werden mufs, soll Kontinuität des Bewufstseins be-
stehen; aber es bleibt nicht blofs ganz unklar, was er sich
unter diesem Widerstände denkt, sondern ich halte einen
solchen Widerstand unmöglich, wenn jede kleinste Schwingung
Empfindung giebt; nichts unterbricht dann die Mitteilung da-
von von einem zum nächsten Atom. Mit dem Namen Wider-
über negative Empfindungawerte, 117
stand ist es doch nicht abgemacht, man muTs sich etwas
darunter denken, was anderm, das man gedacht hat, nicht
widerspricht. Abgesehen davon teile ich die Fundamental-
ansicht Hartmanns, die übrigens schon vor ihm von Zöllnbk
in seinem Kometenbuche ausgesprochen ist, dafs jedes Atom
schon für sich Empfindung hat, nicht, sondern halte Bewuist-
sein überhaupt für eine innere Erscheinung der Wechselwirkung
der Materie; dazu gehören aber mindestens zwei Atome. Der
Grund, daüs Zusammensetzungen der Atome kein BewuTstsein
geben könnten, wenn nicht schon die einzelnen solches hätten,
zieht nicht; ebensogut könnte man sagen: wenn nicht schon
in den einzelnen Punkten des Kreises, Vierecks ein Kreis, ein
Viereck steckte, könnte auch aus der Zusammenordnung der-
selben keines entstehen. Verbindung, Wechselwirkung ist eben
etwas Neues, woraus etwas Neues entstehen kann, das auch
seiner Möglichkeit nach nicht in den einzelnen Elementen als
solches enthalten ist. Hierüber aber mag sich streiten lassen.
Leipzig, d. 20. Juli 74.
Ich glaube doch, es wird gut sein, wenn wir unsere Dis-
kussion über die negativen Empfindungswerte endlich ab-
brechen; Sie sehen selbst, sie hat kein Ende. Ich finde auf
alles, was Sie in Ihrem letzten Briefe gegen meine Auffassung
dieser Werte bemerken, etwas zu erwiedem, und Sie werden
auf alles, was ich hier gegenbemerke, wieder etwas zu er-
wiedem finden; ich zweifele nicht daran, aber ich lasse Ihnen
nun endlich, falls Sie es anders ergreifen wollen, das letzte
Wort.
Sie sprechen von einer Sonderung zwischen negativen und
unbewufsten Empfindungswerten, die ich im Widerspruche mit
dem 16. Kap. meiner Elemente mache; doch wüfste ich nicht,
worin diese Sonderung bestände. Statt beides zu sondern, be-
trachte ich dasselbe blofs aus zweierlei Gesichtspunkten, die
sich in der That dann verknüpfen.
Sie kommen dapiuf zurück, dafs „verschiedene Empfindungs-
stärken, d. h. verschiedene Empfindungen, nicht nur nicht ohne
Zuziehung des Bewufstseinsbegriffes gedacht werden können,
118 G. Th. Fechner.
sondern selbst eine fundamentale Bewofstseinserscheinung sind ; ^
solle also die Maisformel, und sollen speciell die — y, die aus
ihr flieisen (psychologisch) gedacht werden, so müsse man
zuvor eine bestimmte Auffassung des BewuTstseins haben"; und
ich komme meinerseits darauf zurück: dais man von Em-
pfindungen sprechen, die Mafsformel in Bezug darauf deuten
kann, ohne schon einen allgemeinen Bewuistseinsbegri£f
dabei vorauszusetzen, dafs man diesen zunächst freilassen kann,
wohl aber nachher den Empfindungsbegriff einem allgemeinen
BewuTstseinsbegriff unterordnen kann, der sich übrigens weiter
und enger fassen läfst, ohne dafs das in der Sache etwas
ändert.
Sie wiederholen, dafs meine Auffassung der negativen Em-
pfindungswerte nur die Bedeutung von Zahlen dafür übrig
lasse. Meinerseits kann ich nur wiederholen, dafs sie im Zu-
sammenhange der ganzen Auffassung der Mafsformel eine reale
Bedeutung für die Entstehungsverhältnisse der Empfindung
haben.
Sie postulieren als Schlufs einer eingehenderen Betrachtung
„für jeden Reizwert unterhalb der Schwelle (ebenso wie über ihr)
einen bestimmten durch die Mafsformel gegebenen psychischen
Zustand" als Bepräsentanten der zugehörigen negativen
Empfindung und nehmen dafür die Privatempfindung der
Ganglienzellen in Anspruch, die sich wegen zu starker
Leitungswiderstände zwischen den Zellen nicht zu einem
Eollektivbewufstsein , unserm Ich - Bewufstsein , zusammenzu-
schliefsen vermöge, sondern ihrer Stärke nach in einem ge-
wissen Abstände von der Stärke, wo sie dies vermöge, also
von der Schwelle des Ich-Bewufstseins bleibe, wodurch die Gröfse
der negativen Empfindung als gemessen angesehen werden
könne, indes die Privatempfindung ihr noch einen realen Inhalt
verleihe. Verstehe ich Sie recht, so ist dies Ihre Meinung.
Nun aber bezieht sich doch die Mafsformel auf Empfindungen
unsers Ich, nicht auf die hypothetischen Privatempfindungen
der Ganglienzellen; also sind auch die — y in Bezug auf jene
zu deuten, nicht auf diese; und mögen diese da sein oder
nicht, die Deutung in Bezug auf jene bleibt ganz
* Vgl. W. Pbeyeb: Elemente der reinen Empfindungslehre, Jena, 1877,
§ 22 („Die negative Intensität und Qualität und der Nullpunkt im Em-
pfindungsgebiet^^ )
über negative Empfindungswerte. 119
dieselbe. Nach Urnen sollen die ^y zweierlei zugleich re-
präsentieren: erstens die positive Privatempfindung der Q-ang-
lienzellen; das scheint mir an sich nicht zu gehen und Ihnen
im Ghrunde doch auch nicht, denn wie kann ein als positiv zu
denkender Wert mit einem negativen Vorzeichen bezeichnet
werden? also sollen sie anderseits nach Ihnen den Abstand
dieses positiven Wertes von einem andern positiven Werte,
dem des Ich-BewuTstseins bedeuten; aber da das ein leerer
Zwischenraum wäre, und die — y doch Empfindung bedeuten
sollen, um nicht blofs eine geometrische oder Zahlenbedeutung
zu haben, so suchen Sie auch den ersten Sinn der — y festzu-
halten. Meinerseits weifs ich das schlechthin nicht zu ver-
einigen, oder Ihrer Yorstellungsweise keine EQarheit abzuge-
winnen, die ich nur in einem Entweder-Oder finden könnte,
wo Sie ein Sowohl-als-auch haben.
Gegen die HAETMANNsche Hypothese von Privatempfin-
dungen der Atome unter den von H. gemachten Voraus-
setzungen hatte ich eingewandt: da das ganze Gehirn warm
sei, alle Atome also darin schwingen und schwingende Nach-
baratome haben, sich also auch wechselseitig ihre Schwingungen
mitteilen müssen, so wisse man nicht, wo ein Leitungswiderstand
zwischen ihnen überhaupt herkommen soll, und so mülsten alle
Empfindungen stets zu einem Gesamtbewufstsein im Gehirn
verflieüsen. Denn wenn nach Hartmanns Voraussetzung schon
die kleinste Schwingung eines Atoms Empfindung giebt, muTs
auch die kleinste Mitteilung davon als Leitung gelten. Ich
mufs mich aber wohl nicht klar genug in dieser Hinsicht aus-
xredrückt haben, da Sie meinem Einwände entireffnen: das
die MitteU^g der 3ch™«ga.g niolt lund.n> W,- eher' kO Je
man in gewissem Sinne die Mitteilung zwischen gleich warmen
Atomen leugnen, absolut gleich warme Atome wird es aber
nicht geben. Den Hauptvorwurf, den ich EEartbiann hierbei
mache, ist, dafs er eine fundamentale Ansicht mit einem ent-
weder fundamental unklaren oder mit seinen Grundvoraus-
setzungen widersprechenden Begriffe, was sein Leitungswider-
stand ist, aufstellen will. Nun gehen Sie nicht mit Hartmann
bis auf Privatempfindungen der Atome, sondern nur der Gang-
lienzellen, zurück; nach Motiven, denen ich nichts entgegenzu-
setzen habe, und ich habe selbst zugestanden, dafs eine solche
120 ö^- Th. Fechner.
Hypothese möglicli ist; Sie dürften aber beim Versncb einer
Ausführung dieser Hypothese doch auch nicht mit dem blolsen
Worte Leitnngswiderstand zwischen den ZeUen operieren können,
sondern sich veranlaist finden, eine bestimmte Yorstellong
darüber darzubieten.
Sie sagen bezüglich einer anderen in unsere Diskussion
eingetretenen Frage: „Bewege ich einen Punkt in einer Kreis-
bahn, so steckt nicht der Kreis in ihm, wohl aber die Mög-
lichkeit, einen Kreis ebenso wie jede andre Figur zu bilden
durch seine Bewegung oder durch Zusammenordnung der Orte
im Baum, die er durchlauft." Das ist sehr wahr, aber dazu
bedarf es doch eben noch anderer Punkte im Baume, die er
durchlaufen kann ; nur durch die Zusammenordnung einer Viel-
heit von Punkten im Baume, nur durch die Beziehung der-
selben zu einander ist die Möglichkeit des Ejreises gegeben;
und so nach meiner Ansicht, nennen Sie es Hypothese, das
Psychische nur durch eine Kraftbeziehung zwischen dem Phy-
sischen, deren das einfache Atom unfähig ist. Kann sich doch
nicht einmal eins für sich allein bewegen. Doch hierüber
wollen wir ja nicht erst einen Streit anfangen, wir würden,
vollends nicht damit fertig werden.
Berichtigung zu den in Heft I abgedruckten Briefen
S. 42 Z. 6 y. o. lies darüber statt der über.
S. 42 Z. 7 y. o. „ Summe ., Summen«
Litteraturbericht.
J. Steineb. Die Funktionen des OentralnerTeneystems der wirbellosen
Tiere. Sitz-Ber. d. kgl preufs, Äkad. d. Wiss, 1890. S. 39—49.
In den Gruppen der Würmer, Mollusken und Arthropoden stellt
das Centralnervensy Stern eine ventral gelegene, mehr oder weniger modi-
fizierte Kette von Ganglien vor (Bauchmark), deren vorderstes, unter
dem Schlund gelegenes (ünterschlundganglion) mit einem über dem
Schlund gelegenen (Oberschlundganglion) durch zwei seitliche, den
Schlund umfassende Kommissuren in Zusammenhang steht. Von mor-
phologischer Seite ist wegen der phylogenetischen Beziehungen der
Würmer zu den Wirbeltieren schon früher vielfach die Frage diskutiert
worden, welcher Teil des Centralnerven Systems der Würmer dem Gehirn
der Wirbeltiere homolog ist, ohne dafs diese Frage bisher eine sichere
Entscheidung erfahren hätte.
Verfasser stellt sich nun in vorliegender Arbeit vom physiologischen
Standpunkt aus die entsprechende Frage, nämlich, welcher Teil des
Centralnervensystems (speciell des Schlundringes) der Evertebraten phy-
siologisch dem Gehirn der Wirbeltiere gleichartig ist. Gestützt auf eine
bereits früher von ihm gegebene Definition, nach der das Gehirn als
die Verbindung des allgemeinen Bewegungscentrums mit
einem oder mehreren höheren Sinnescentren aufzufassen ist,
sucht Verfasser diese Frage experimentell zu lösen.
unter den Arthropoden wurden Krebse, Insekten und Tausend-
füfser untersucht. Sämtliche Versuche ftihrten gleichmäfsig zu dem
Ergebnis, dafs halbseitige Abtragung des Oberschlundganglions und
ebenso halbseitige Durchschneidimg der Längskommissur zwischen Ober-
und Unterschlimdganglion stets eine kreisförmige Zwangsbewegung der
Tiere nach der entgegengesetzten, also unverletzten Seite zur Folge hat.
Da also im Oberschlundganglion der Arthropoden das allgemeine Bewe-
gungscentrum gelegen ist und da femer hier höhere Sinnesnerven ent-
springen, so betrachtet es Verfasser als Gehirn.
Versuche an Mollusken, bei denen die Bauchganglionkette durch
ein einziges Ganglion, das Pedalganglion, vertreten ist, zeigten, dafs hier
Zerstörung resp. Abtragung des Oberschlundganglions die Bewegungen
in keiner Weise beeinfiufst, dafs dagegen die Zerstönmg des Pedalgang-
122 LUteraturherieht
lions die Bewegung sofort zum Stillstand bringt. Bei einer Form, Cym-
bulia, gelang es Verfasser durch Zerstörung der einen Hälfte des Pedal-
ganglions eine Zwangsbewegung in der Bichtung nach der verletzten
Seite zu erzielen, da auf dieser Seite die Lokomotion gelähmt wurde.
Ein etwas abweichendes Verhalten unter den Mollusken zeigten die
Kephalopoden, speciell Octopus vulgaris, wo zwar einseitige Abtrag^ung
des OberschlundgangUons keine Störungen hervorruft, wohl aber beider-
seitige Abtragung, indem nämlich alsdann die normalen Bewegungen
wohl noch ausgeführt werden können, aber nicht mehr spontan, son
dem nur auf Beize wirklich ausgeftlhrt werden. Die so operierten
Tiere verharren in vollkommener Buhe, solange sie nicht gereizt werden,
weichen aber Gegenständen, die ihnen genähert werden, noch ganz
geschickt aus. Nach diesen Versuchen bezeichnet Verfasser das Ober-
schlundganglion der Mollusken nicht als Gehirn, sondern als Sinnescen-
trum, da ihm das allgemeine Bewegungscentrum fehlt. Das Oberschlund-
ganglion der Kephalopoden speciell versieht nach der Ansicht des
Verfassers lediglich die Funktionen des Grofshims der Wirbeltiere.
Bei den Würmern erhielt Verfasser ganz dieselben Besultate wie
an Mollusken, denn die Abtrennung des Oberschlundganglions f&hrte
hier ebenfalls keine Bewegungsstörungen herbei. Verfasser faCst daher
auch das Oberschlundganglion der Würmer nur als Sinnescentrum, nicht
als Gehirn auf.
Bei den Mollusken und Würmern ist es daher im Sinne des Ver-
fassers überhaupt nicht zur Entwicklung eines Gehirns wie bei den
Arthropoden und Wirbeltieren gekommen. Vbbwobn (Jena).
A. V. KoRANYi. Über die Folgen der Dnrcluichiieidiuig des Himbalkeiui.
Pf lüger 8 Archiv, XLVn. 1890. S. 35—42.
Die genau in der Medianebene ausgeführte Durchschneidung des
Balkens bei Hunden ergab dem Verfasser keinerlei merkliche Störungen,
weder der Bewegungen, noch der Sinneswahmehmungen , noch der In-
telligenz. Zuweilen erfolgten Konvulsionen des ganzen Körpers.
Traten bei K's Versuchen Störungen auf, so liefsen sie sich
immer auf Mitverletzung der Hemisphären zurückfähren. Und
zwar betrafen die Störungen bestimmte Funktionen auch dann, wenn
die verletzten Teile sehr entfernt von den jenen Funktionen zugeschrie-
benen Bindengebieten lagen.
So trat auch bei vornliegenden Verletzungen, wenn auch schwächer,
als bei hintengelegenen, homonyme Hemiamblyopie auf.
Sämtliche Störungen waren trotz Durchschneidung des Balkens
vergänglich.
Im Übrigen werden ältere Beobachtungen von Goltz und Lobb
bestätigt. LiBPMANN (Berlin).
G. Jbloerma. Das Oebini olme Balken. Ein Beitrag zur Windungstheorie.
Newrol CentraJbl 1890. No. 6.
Die graue Substanz verbreitet sich auf der Oberfläche des Gehirns
mit einer innerhalb der Art ziemlich konstanten Dicke. Der Baum für
Litteraturbericht. 1 23
das Wachstum des Gehirns ist beschränkt. Wächst der Körper, so
nimmt die Oberfläche mit der zweiten, der Inhalt mit der dritten Potenz
des Radios zu. Es mufs zu einem Mifsverhältnis zwischen grauer und
weifser Substanz kommen. Dieses wird kompensiert durch Vergröfserung
der Oberfläche und Verkleinerung des Inhalts, Faltenbildung. Je gröfser
die Oberfläche und je kleiner der Inhalt, desto zahlreicher und kompli-
zierter sind die Windungen.
Beim Gehirn ohne Balken mufs eine normale Quantität grauer
Substanz sich an einen stark verkleinerten Inhalt accomodieren. Dies
ist möglich 1. durch Ausdehnung der Seiten Ventrikel ; 2. durch vermehrte
Bildung von Gehirn windimgen. Die Flüssigkeit in den erweiterten
Seiten Ventrikeln ersetzt das Minus an Substanz und somit das entstehende
Gavum im Schädelraum. Ist schon normaliter das Volumen der weifsen
Substanz zu gering für den Inhalt des Körpers und entstehen demzufolge
Windungen, so mufs dies noch mehr der Fall sein, wenn die Oberfläche
sich einem noch kleineren Inhalt accomodieren mufs.
Kronthal (Berlin).
H. Schiller. Sur le nombre et le calibre des flbres nenreuBes da nerf
ocnlomotenr commnn ches le chat nonveau-n^ et chez le chat adulte.
Ccmptea retidtts. Bd. CIX. 14.
Die Zählung der Fasern der die Augenmuskeln innervierenden
Nerven ergab für neugeborene und erwachsene Katzen annähernd dieselbe
Zahl (2942 bezw. 3035 im Mittel). Das geringe Plus bei dem erwachsenen
Tier erklärt Verfasser durch die Annahme, dafs bei der grofsen Feinheit
der Fasern der neugeborenen Katze wohl einige Fibrillen nicht mitge-
zählt wiirden.
Nervenfasern und -Zellen gehen während des Lebens weder zu
gründe noch werden sie regeneriert, bemerkt Forbl in einem Zusatz zu
dieser Arbeit. Dies steht auch im Einklang mit der Behauptung von
His und F., nach welcher jede Nervenfaser die Verlängerung einer ein-
zigen Zelle vorstellt und ohne Anastomosen frei endet. F. hebt noch
hervor, wie wichtig die Stabilität der Elemente für die Erklärung der
Erscheinungen des Q-edächtnisses ist. Krokthal (Berlin).
M. Vebwork. Psycliophygiologische Protistenstndien. Mit 6 lithogr.
Tafeln und 27 Abbildungen im Text. 220 S. Jena, Fischer. 1889. M. 10.
Unseres Wissens ist Verwobn der erste Forscher, welcher eine
gröfsere Anzahl Protisten im Zusammenhange genauer physiologischer
Üntersuchimg unterwirft. Nach kurzer historischer Übersicht der bis-
herigen Resultate früherer Forscher, stellt Verfasser die Gesichtspunkte
auf, von denen aus er glaubt das Seelenleben der Protisten beurteilen
zu müssen, nämlich: 1. Die Frage nach der Höhe der Entwicklungsstufe
einer Tierseele im Verhältnis zu der relativ bekanntesten des Menschen
und 2. die Frage nach dem Wesen und dem Zustandekommen der psy-
chischen Funktionen. Von der Voraussetzung ausgehend, dafs jede
124 lAtteraturhericht.
psychische Funktion mit einer Bewegung Hand in Hand gehe und dafs
aufser der Beobachtung der Bewegungen nur etwa die Anwesenheit von
Sinnesorganen Antwort auf diese Fragen geben könne, gelangt Verfasser
zur Anwendung folgender Methoden: 1. Reine Beobachtung der normalen
Lebensthätigkeit. 2. Untersuchung des Verhaltens auf künstliche Beize.
3. Untersuchung nach operativen Eingriffen. Als Material dienten 3
Schizoprotisten, 3 Diatomeen, 1 Desmidiacee, 11 Bhizopoden, 2 Flagel-
laten und 25 Ciliaten.
Indem wir den einzelnen Elapiteln in Kürze folgen, finden wir zu-
nächst eine Beschreibung der spontanen Bewegungen, der sich ein
Kapitel über die Reaktion verschiedener Protisten auf Beize jeglicher
Art anschliefst. Aus der reichen Fülle von sorgfiLltigen Beobachtungen
möchten wir als wesentlich neu die folgenden hervorheben : 1. Abwesen-
heit von Beaktionen auf Lichtreize bei mehreren Protisten. 2. Thermo-
tropismus der Amoeben. 3. Bei Stentoren wirkt nur die positive Tem-
peraturschwankung als Beiz. 4. Bhizopoden reagieren viel weniger auf
mechanische Beize als Infusbrien. 5. Abwesenheit jeglicher Beaktions-
iUhigkeit auf akustische Beize. 6. Manche Stoffe, welche bei höheren
Tieren bewegungslähmend wirken, z. B. Curare bleiben ohne Einflufs
auf die Cilienbewegung. 7. Paramaecium aurelia zeigt Galvanotropismus,
d. h. bei Durchleitung eines galvanischen Stromes durch den sie ent-
haltenden Tropfen sammeln sich die Protisten an der Kathode. Dafs
es sich hierbei um eine Lebensäufserung und nicht um einen physika-
lischen Vorgang handelt, wird durch Ätherisierung der Tiere nachge-
wiesen, bei der nicht die geringste Bewegung mehr stattfindet. Ein
Vergleich der Beizbewegungen ergiebt, dafs die Protisten sehr verschie-
dene Empfänglichkeit für Beize und eine bisweilen weitgehende An-
passung an dieselben besitzen. An diesen an Beobachtungen aufserordent-
lich reichen Abschnitt, schliefst sich ein Kapitel über die sensiblen
Elemente. Licht und Wärme zu percipieren scheint eine allgemeine
Eigenschaft des Protoplasmas zu sein; dagegen sind für die Perception
mechanischer Beize, GelTseln und Wimpern der Flageelaten und Lifusorien
geeigneter als das Plasma; ja es lassen sich sogar in der Perceptions-
iUhigkeit der Wimpern deselben Tieres Unterschiede konstatieren.
Indem Verfasser von Bewufstsein nur da reden will, wo es zur
Unterscheidung eines eigenen Ich von der Umgebung kommt, spricht
er als seine Überzeugung aus, dafs bei den Protozoen von einem Bewufst-
sein in diesem Sinne keine Bede sein könne. Ihre Beizbewegungen sind
nicht bewufste Willensäufserungen, sondern haben lediglich den Charakter
von Beflexbewegungen. Selbst aus den komplizierteren Lebensthätig-
keiten der Nahrungsaufnahme und des Gehäusebaus, zu denen Verfasser
schöne Versuche an Diffiugien beibringt, fand er keine Anhaltspunkte,
die zur Annahme bewufster Thätigkeiten berechtigten.
Um zu untersuchen, ob ein bestimmtes Organ oitd als Sitz des Le-
bens bei den Protisten zu betrachten sei, bedient sich Verfasser der
operativen Methode, und zwar mit gutem Erfolge trotz der Schwierigkeit
der Eingriffe an den unter dem Mikroskop sich bewegenden kleinen
Wesen. Selbst die kleinsten Teilstücke des Protist enkörpers führen,
Litteraiurbtn'icht 125
nach Überwindung eines Eeizstadiilms, genau dieselben Bewegungen aus
die sie im Zusammenhange mit dem Körper ausführten; dasselbe gilt
auch für Bewegungen infolge von Beizung. Aus diesen Resultaten zieht
Verfasser den Schlufs, dafs jedes Protoplasmateilchen selbständiges Cen-
troin für die in ihm auftretenden Seelenerscheinungen sei, und dafs alle
Bewegungen des Tieres Besultat dieser Elementarbewegungen seien ; das
Problem der rhythmisch schlagenden Wimpern, welches dieser Hypothese
KU widersprechen scheint, findet seine Erklärung in der Annahme eines
Peristomwimpermechanismus.
Auf Grund obiger Hypothese und des dieselbe ergänzenden Zu-
satzes, dafs die Bew^egung jedes Protoplasmateilchens Ausdruck der in
ihm stattfindenden Prozesse sei, wird sodann die ganze Lebensthätigkeit
des Protozoons als Konsequenz der Stoffwechselvorgänge abgeleitet und
die Ansicht bekämpft, dafs eine Psyche notwendig an die Existenz eines
morphologisch differenzierten Nervensystems gebunden sei. Dafs endlich
Terf asser die letzten Ursachen primitiver psychischer Vorgänge in die
£i^enschaften der jedes Plasmaelementarteilchen konstituierenden Mole-
kille verlegt und dadurch die Schranken zwischen anorganischer und
organischer Natur niederzureifsen sucht, kann also nicht n^iehr ver wun-
dem, fttr ihn giebt es auch nicht mehr Elementarerkenntnis und Ele-
mentarwillensvorgänge, sondern nur einen psychischen Elementarprozefs,
nämlich die Umsetzung der Erkenntnis in Willen. Den Schlufs des
Buches bildet eine Übersicht über die Entwickelung des psychischen
liebens im Protistenreich, welche mit der morphologischen Ent\^dckelung
Hand in Hand geht. Bürckhardt (Berlin).
J. LoEB. Der Heliotropismns der Tiere und seine Übereinstimmung mit dem
Heliotropismos der Pflanzen, gr. S^ IV u. 118 S. Würzburg 1890. Ü.4.
Der Verfasser hat es sich zur Aufgabe gemacht, für die Abhängig-
keit der tierischen Bewegungen vom Licht in der gleichen Weise Gesetze
zu finden, wie sie die moderne Pflanzenphysiologie für die Bewegung der
Pflanzen festgestellt hat. Durch zahlreiche Arbeiten der Pflanzenphy-
siologen ist bekannt, dafs die Stellungnahme der Pflanzen zum Licht, der
sogenannte Heliotropismus, abhängig ist von zwei Faktoren, einerseits
von der Bichtung der Lichtstrahlen und andererseits von der Wellen-
länge derselben, indem hauptsächlich die kurzwelligen, also die stärker
hrechbaren Strahlen von gewisser Intensität heliotropisch wirksam sind.
Innerhalb des Lichts von bestimmter Wellenlänge stellen die Pflanzen
von radiärem Bau ihre Längsaxe in die Bichtung der Strahlen ein,
während alle Pflanzen oder Organe von dorsiventralem Bau ihre Fläche
senkrecht gegen die Strahlenrichtung einstellen. Freibewegliche Schwärm-
sporen schwimmen demzufolge in der Bichtung der Strahlen entweder
der Lichtquelle zu, sind also positiv heliotropisch oder von ihr weg, sind
also negativ heliotropisch.
Verfasser hat nun in einer gprofsen Anzahl sehr interessanter Ver-
suche, die fast ausschliefslich an Lisekten ausgeführt wurden, den Nach-
weis geführt, dafs dieselben Faktoren, welche die Bewegung der Pflanzen
beim Heliotropismus beeinflussen, auch auf die der Tiere bestimmend wirken.
126 LitteraturberichL
Als typisch können die Versuche an den Baupen von Porthesia
chrysorrhoea betrachtet werden. Zu diesen Versuchen wurden eine
grofse Anzahl der kleinen Baupen iu ein Beagenzglas gebracht und bei
einer Zimmertemperatiu: von 12— 15* C. der Wirkung des durch ein
Fenster einfallenden Tageslichts ausgesetzt. Wurde das Beagenzglas
mit seiner Längsaxe senkrecht zur Ebene des Fensters horizontal auf
eine dunkele Unterlage gelegt, so krochen alle Baupen ohne Ausnahme
an die obere Seite und dem Fenster zu, so dafs der Bauch nach oben
und der Kopf nach vom, beide also dem einfallenden Lichte entgegen
gerichtet waren. Innerhalb 1 — 5 Minuten waren sie sämtlich in dieser
Stellung an der Fensterseite des Beagenzglases versammelt, wo sie
dauernd sitzen blieben. Durch eine Umdrehung des Beagenzglases um
180 ^ konnte jeden Augenblick wieder dieselbe Erscheinung hervorgerufen
werden. Wurde das Beagenzglas mit der Längsaxe parallel dem Fenster
gelegt, so blieben alle Baupen gleichmäfsig über das ganze Beagenzglas
zerstreut, aber kehrten ihre Bauchseite imd den Kopf ebenfalls dem ein-
fallenden Lichte zu; sobald jedoch das Glas mit dem einen Ende ein
klein wenig gegen das Fenster geneigt war, so krochen sämtliche Baupen
in das dem Fenster am nächsten gelegene Ende, wo sie sich in der an-
gegeben Bichtung einstellten. Waren die Tiere an der Fensterseite des
senkrecht zur Fensterebene gerichteten Beagenzglases versammelt, und
wurde die dem Fenster zugekehrte Seite mit einem undurchsichtigen
Kästchen bedeckt, so krochen sie sofort nach der Zimmerseite bis an
die Grenze der Bedeckung. Hier kehrten sie um und blieben mit nach
dem Fenster gekehrtem Kopfe dicht an der Grenze im Hellen sitzen.
Im direkten Sonnenlicht findet die Einstellung und Ansammlung der
Tiere noch viel schneller statt als im difPusen Tageslicht. Die Versuche
zeigen also, dafs die Tiere ebenso wie die positiv heliotropischen Schwärm-
sporen der Pflanzen sich mit ihrer Längsaxe in die Bichtung der Strahlen
einstellen und sich in dieser Bichtimg zur Lichtquelle hin bewegen.
Dieselben Versuche wurden ausgeführt, nachdem die Fensterseite
des senkrecht zur Ebene des Fensters stehenden Beagenzglases mit
einem blauen Glasschirm bedeckt war. Der Versuch hatte genau den
selben Erfolg wie im Tageslicht. Wurde dagegen statt des blauen Glases
rotes Glas angewendet, so blieb die Ansammlimg ganz aus oder dauerte
bedeutend länger ; nur im direkten Sonnenlicht konnte die gleiche Schnellig-
keit erzielt werden. Also auch fttr die Baupen sind wie für die Pflanzen
die kurzwelligen, stärker brechbaren Strahlen die wirksamsten, ohne dafs
bei genügender Intensität den weniger brechbaren die Wirksamkeit ganz
fehlte. Es zeigt sich zugleich, dafs die Orientierungsbewegungen nur
von einer bestimmten Intensität an stattfinden.
Aufser dem positiven Heliotropismus konstatierte Verfasser
bei den Baupen auch negativen Geotropismus, d. h. die Eigentüm-
lichkeit unter Ausschlufs anderer Beize der Wirkung der Schwerkraft
entgegen zn kriechen, ferner eine Art Kontaktreizbarkeit, welche
die Tiere veranlafst, sich an konvexen Ecken der Körper festzusetzen,
und schliefslich einen negativen Thermotropismus, der die Tiere
von einer Wärmequelle fortkriechen läfst. Diesen Erscheinungen mufs
lAtieraturbericht 127
bei der Ausfübrimg der Versuche über den Heliotropismus zur Vermei-
dung von Fehlern Bechnimg getragen werden.
AuTser den Baupen von Porthesia chrysorrhoea hat Verfasser
noch eine grofse Anzahl anderer Insekten auf ihren Heliotropismus
untersucht und dabei stets die analogen Erscheinungen gefunden. Be-
sonders ausführlich behandelt er die Beziehungen des Heliotropismus
der Insekten zu verschiedenen Lebensthätigkeiten. Es ergeben sich bei
diesen Untersuchungen eine Fülle interessanter biologischer Erschei-
nungen. So stellt sich z. B. heraus, dafs die Nachtschmetterlinge, von
denen man bisher glaubte, dafs sie das Tageslicht fliehen, während sie
das Licht einer Kerzenflamme trotz seiner verderbenbringenden Wirkung
aufsuchen, durchaus ebenso wie die Tagesschmetterlinge positiv helio-
tropisch sind, nur mit dem Unterschiede, dafs bei ihnen die Reizbarkeit
durch Licht periodischen Schwankungen unterworfen ist und am Tage
gänzlich fehlt. Bei anderen Insekten zeigt der Heliotropismus Schwan-
kungen von grOfserer Zeitdauer. So ist der sogenannte Hochzeitsflug
der männlichen und weiblichen Ameisen bedingt durch den zur Zeit der
Geschlechtsreife hervortretenden positiven Heliotropismus. Andere In-
sekten, wie die Fliegenlarven sind im Gegensatz zu den bisher besproche-
nen negativ helio tropisch, d. h. sie zeigen dieselben Erscheinungen
in umgekehrtem Sinne, indem sie sich von der Lichtquelle fort bewegen.
Weim der Verfasser aber aus der Thatsache, dafs gewisse augenlose
Muscidenlarven negativ heliotropisch sind, den Schlufs zieht, dafs bei
Tieren „die heliotropische Reaktion Eigentümlichkeit des Protoplasmas
und nicht spezifische Eigentümlichkeit der Augen^' ist, so dürfte diese
Verallgemeinerung eines speciellen Falles, der selbst nicht ganz einwands-
frei ist, doch wohl nicht ohne weiteres anzunehmen sein. Während die
Fliegenlarven negativ heliotropisch sind, ist die Fliege selbst positiv
heliotropisch, doch tritt der Heliotropismus bei ihr nicht so deutlich
hervor, da er durch andere Beizwirkungen leicht verdeckt wird.
Aufser an Insekten wurden vom Verfasser auch an Fröschen, weifsen
Mäusen, Crustaceen, Mollusken und Würmern heliotropische Eigenschaften
gefunden.
Die letzte Konsequenz, welche der Verfasser aus seiner Arbeit
ziehen zu müssen glaubt, dafs nämlich die „heliotropischen Erschein
ntmgen nicht auf spezifischen Eigenschaften des Centralnervensystems be-
ruhen", d. h. nicht als höhere psychische und Beflexwirkungen aufzufassen
sind, und zwar aus dem alleinigen Grunde, weil auch die Tiere, welche
Nerven besitzen, sich ebenso verhalten wie die nervenlosen Pflanzen,
dürfte übrigens nur für einen verschwindend kleinen Teil aller mit einem
Centralnervensystem versehenen Tiere physiologisch haltbar sein, be-
stimmt nicht für die höheren Tiere. Verwork (Jena).
G. Itelson. Zur Gegclüchte des psychophysisclLen Problems. Arch. f.
Oeseh. d, Philosophie, III., 1890, S. 282—290.
Aus älterer und teilweise abgelegener Litteratur stellt I. einige
Erörterungen zusammen über die Mefsbarkeit, bezw. Nichtmefsbarkeit
] 28 IJtteraturbericht.
von Empfindungen. Die Hauptstellen sind: 1. Malebhavche {Rech, de la
VeriU, 11« 6clairc.): ,, . . . On ne peut d6couvrir clairement le rapport qui
est entre le plaisir et la douleur, la chaleur et la couleur; ... on ne
peut d^terminer exactement le rapport "qui est entre le vert et le rouge,
le jaune et le violet, ni mdme entre le violet et le violet." (Alles von
den Empfindungen selbst und nicht von den äufseren Reizen zu ver-
stehen.) 2. Plodcquet (Meihodus cdkulandiin JogiciSy 1763, Einl.): „Quaeritur,
num incrementa lucis et ejusdem decrementa exprimi possint quantita-
tibus arithmeticis vel geometricis. Bespondeo negando. . . . Id enim
quod percipitur in ipsa visione lucis fortioris non est perceptio debilioris
et debilioris. Itaque lucis intensio*qua imago non metienda est ex ad-
ditione minoris et minoris, sed ex intensione unius ejusdemque imaginis,
quae intensio et remissio toto coelo differt a positione et positione, seu
repetitione plurium.^ (Wie J. wahrscheinlich zu machen sucht, beruhen
die bekannten abfälligen Äufserungen Kavts über die Psychologie in der
Vorrede zu den Metaphys. Anfangsgründen d. Natwno, auf Einwirkungen
Ploucqüets.) 3. Galluppi {Saggio filos. aulUi cntica deüa conoacema^ 1819): „. . .
CosL la quantit& appartiene sempre all' oggetto della sensazione, e non
mai alla sensazione.^^
Was diese Reminiscenzen auch für gegenwärtig beliebte Erörterungen
lehren, ist, dafs es mit den einleuchtendsten Umgrenzungen dessen, was
man kann, und den scharfsinnigsten Deduktionen dessen, was man nicht
kann und niemals können wird, eine eigene Sache ist. Es ist im ganzen
zweckmäfsiger, solche Bestimmungen der Zukunft zu überlassen und
dieser von den jeweiligen beschränkten Gesichtspunkten der Gegenwart
aus nicht vorzugpreifen. Ich erbaue mich in dieser Beziehung bisweilen
an ein paar Zeilen in Comtes Philos. etstronomique (Ckmrs de Philos. pas.
XIX« le^., Anf.). Comte will auch, ehe er der Sache zu Leibe geht, „com-
mencer par circonscrire avec exactitude le veritable champ des con-
naissances positives que nous pouvons acquerir k l'^gard des astres.^'
Er findet dann aus den und den Gründen: Nous concevons la possibilit6
de d^ terminer les formes des astres, „leurs distances, leurs grandeurs et
leurs mouvements; tandis que nous ne saurions jamais 6tudier par aucun
moyen leur composition chimique etc. . . . En un mot . . . nos connaissances
positives par rapport aux astres sont n^cessairement limit^es ä leurs
seuls ph6nom^nes g^om^triques et m^caniques, sans pouvoir nullement
embrasser les autres recherches physiques, chimiques etc." Alles voll-
kommen zwingend, gar nicht anders denkbar, noch sehr viel plausibler
als die Nichtmefsbarkeit von Empfindungen — im Jahre 1834; und wie-
derum alles vollkommen antiquiert, gänzlich unfruchtbare Spekulation —
im Jahre 1860. Ebbinohaus.
M. Badakovic. Über Fechners Ableitungen der psychophysiBclLen MaTs-
formel. Vierteljahr sschr, f. wiss. Philos. XIV (1890). S. 1—26.
Bekanntlich werden gegen die Art und Weise, wie Fechner aus den
Beobachtungsresultaten über eben merkliche Unterschiede seine logarith-
mische Formel für die Beziehungen zwischen Beizgröfsen und Empfin-
dungsgröfsen ableitete, immer noch Einwendungen erhoben. Mit Bezug
Litteraturbericht 129
hierauf giebt B. einerseits eine eingehende und sorgfältige Diskussion
der Voraussetzungen, welche den drei verschiedenen von Fbohnbb gege-
benen Ableitungen unausgesprochen zu Grunde liegen, und versucht
andrerseits, um mancherlei hierbei sich ergebende Bedenken zu ver-
meiden, eine neue und strenge Ableitung. Unter den Annahmen, dafs
die Funktion, welche die Abhängigkeit der Empfindung von den Beizen
ausdrückt, stetig und differenzier bar ist, sowie dafs sie zwischen ihrem
Anfang und Ende keine Maxima und Minima hat, sondern ununterbrochen
zunimmt, gelangt er zu der logarithmischen Formel mit Hilfe des Tat-
LOBSchen Satzes, in einer Weise, die eine verkürzte Darstellung nicht
zxdäfst. Ebbinohaüs.
H. MüNSTERBBBo. Beltr&ge zur experlmezitellen Psychologie. Heft 2
Freiburg i. B., Mohr, 1889. 234 S. Jt 4.
Der Vexfasser, Privatdocent der Philosophie in Freiburg, teilt in
den „Beiträgen*' die Besultate von experimentellen Untersuchungen mit,
die er in seinem Privatlaboratorium ausgeführt hat. Die sämtlichen
Untersuchungen sollen ein gemeinschaftliches Ziel haben in der Be-
kämpfung von WuKDTs Apperzeptionstheorie imd in dem Nachweis, dafs
alles, was dort der Thätigkeit des Bewufstseins zugeschrieben wird, auf
psychophysisch verständliche Veränderungen des Bewufstseinsinhaltes
zurückzuführen sei. Dieser Nachweis soll hauptsächlich experimentell
geführt werden. — Nun enthalten zwar die bis jetzt vorliegenden Hefte
wertvolle Versuchsthatsachen, leider aber auch eine grofse Zahl wenig
oder gar nicht begründeter Theorien, welche die Hauptstütze der Beweis-
führung des Verfassers bilden. In dem hier folgenden Beferate über
den Inhalt des zweiten Heftes beschränkt sich Beferent auf die Anfüh-
rung der Versuchsthatsachen und der Hauptpunkte der theoretischen
Erörterungen.
Die erste Abhandlung ^^Der Zeitsinn^^ beschäftigt sich mit den Grund-
lagen der Vergleichung von Zeitintervallen« Der Verfasser will durch
Selbstbeobachtung festgestellt haben, dais die Grundlage für alles Zeit-
schätzen Spannungsempfindungen bilden, und zwar sollen diese Spannungs-
empfindungen in den Muskeln der verschiedensten Organe dadurch her-
vorgerufen werden, dafs sich die Aufmerksamkeit den das Zeitintervall
begrenzenden Eindrücken zuwendet Jeder Eindruck rufe reflektorisch
Muskelkontraktionen hervor, welche eine Adaptation des Sinnesorganes
und dadurch ein Deutlicherwerden der Empfindung bewirkten. Der
Eintritt der so entstehenden Spannungsempfindungen und des Deut-
licherwerdens der Empfindung sei die Aufmerksamkeit selbst. — Von
der Aufmerksamkeit als einem besonderen inneren Vorgange könne er
-durch Selbstbeobachtung nichts wahrnehmen und einen über dem psy-
chophysischen Mechanismus schwebenden rein geistigen Faktor dürfe
man nicht annehmen. Wenn nun noch während des Vorhandenseins
•der vom ersten Eindrucke ausgelösten kontinuierlich abnehmenden
Spannungsempfindung der zweite das Intervall begrenzende Eindruck
eintrete, so habe man an der Intensität der Spannungsempfindung ein
MalB für die Gröfse der Zwischenzeit. Da man ferner voraus wüfste,
Zeitschrift f&r Piychologie. ^
130 LittenUwrherickL
dafs auf den ersten Eindruck ein das Intervall abschlieisender zweiter
Eindruck folge, so rufe das Vorstellungsbild dieses Eindruckes eine vor-
bereitende Muskelspannung hervor, die beginne, sobald die vom ersten
Eindrucke herrtüirende Spannung verschwunden seL Die Intenatät, welche
diese Spannungsempfindung in dem Moment erreicht habe, wo der zweite
Eindruck eintreffe, diene dann als Grundlage f&r die Schätzung etwas
gröüiserer Zeiten« Dem Übelstande, der durch die zeitliche Grenze der
Zunahme der vorbereitenden Spannung entstehe, helfe dann die Atmung
ab. Mit jeder Exspiration lasse die Spannungsempfindung nach, mit jeder
Inspiration nehme sie wieder zu, so dafs auch grOlsere Zeiträume durch
die periodisch zu- und abnehmenden Spannungsempfindungen ausgeftdlt
seien. Auf diese Periodicität sucht dann der Verfasser das für den kon-
stanten Fehler von einigen Beobachtern gefundene Periodicitätsgesetz
zurückzuführen, wobei er noch die Hülfsannahme macht, dafs die Beob-
achter die Einatmung und Ausatmung durch stoüsartiges Absetzen und
Wiederansetzen in mehrere Abteilungen zerlegt hätten«
Das Bisherige sind nur die Hauptpunkte der langen theoretischen
Erörterungen, welche den gröDsten Teil der Abhandlung einnehmen.
Hervorgehoben sei nur noch die sonderbare Behauptung, dals ebenso
wie bei der Augenmaisschätzung eine Synthesis von Gesichts- mit Muskel-
empfindungen vorliege, so auch „die Zeitvorstellung eine Synthese ans
der Wahrnehmung der die Zeitteile abgrenzenden äuüseren Eindrücke
imd den an Intensität zu- und abnehmenden Muskelspannungsempfin*
dimgen^ sei.
Einige nach der Methode der mittleren Fehler angestellten Versuchs-
reihen, welche der Verfasser zum SchluTs mitteilt, sollen den EinfiuTs
der von den Atemzügen abhängigen Spannungen xmd Entspannungen auf
unsere Zeitschätzung beweisen. Er fand bei zwei parallelen Versuchsreihen,
mit Zeiten von 6 — 60 Sekunden, bei deren einer das zweite Signal vom
Assistenten inmier so angegeben wurde, dafs es in derselben Atmungs-
phase der Versuchsperson eintrat wie das erste, während bei der anderen
vom Assistenten keine Bücksicht auf die Atmung der Versuchsperson
genommen wurde, dafs bei der ersteren der mittlere Fehler wesentlich
geringer war. Femer konnte er auch sicher schätzen, wenn er das Inter-
vall mit Spannungen und Entspannungen der Aufmerksamkeit ausflülte,
die von der Bespiration unabhängig blieben.
Referent, welcher sich ebenfalls mit Untersuchungen über den Zeit-
sinn beschäftigt hat, kann die Anschauungen des Verfassers nur zum
kleineren Teil bestätigen. Im allgemeinen hat derselbe wesentlich andere
Resultate erhalten, woüber derselbe an anderer Stelle ausführlich be-
richten wird«
Die zweite Abhandlung „Schwankungen der Aufmerksamkeit*' soll
nachweisen, dafs die Intermissionen eben merkbarer Empfindungen, welche
N, Lange hinsichtlich ihres zeitlichen Verhaltens .näher untersucht hat,
nicht central durch Schwankungen der Apperzeption, sondern peripher
bedingt sind. Der Verfasser hat neue Versuche angestellt und zwar hat
er sich schwacher Lichtreize (eben merkbarer grauer Ring auf dem
weiTsen Hintergrunde einer Drehscheibe) bedient, weil bei Lichtreizen
Litteraturbericht 131
die Bedingungen der Beobachtung sich mannigfaltiger variieren lassen
als bei Schallreizen. Es ergaben sich folgende Besultate an einer und
derselben Versuchsperson: 1. Bei einfacher Beobachtung des Ringes war
die mittlere Zeit einer Schwankung 6,9 Sekunden. 2. Wurden der Ver-
suchsperson in regelmäfsigen Intervallen von je 2 Sekunden zwei gleich
gerichtete Prismen vor die Augen gehalten und wieder weggenommen,
wodurch alle 2 Sekunden eine seitliche Bewegung der Augen hervorge-
rufen wurde, so dauerte eine Schwankung durchschnittlich 11—14 Sekun-
den. 3. Schlofs die Versuchsperson in Intervallen von 1 oder 2 Sekunden
fQr einen Moment kräftig die Augenlider, so trat ein Abschwellen bis
zum Verschwinden überhaupt nicht ein. Wurde dagegen in gleichen
Intervallen für einen Augenblick die fixierte Fläche durch ein graues
Kartonblatt verdeckt, so wurden die Schwankimgen noch häufiger als
bei normalem, ununterbrochenem Fixieren. 4. Bei Fixation eines blanken
Schraubenknopfes in der Mitte der Scheibe und Beobachtung des grauen
Ringes im indirekten Sehen war die Periode der Schwankungen ver-
längert (8,2 Sekunden). 5. Wurde der ganze Apparat langsam hin und
her bewegt, so hörten die Intermissionen ganz auf. 6. Willkürliche Be-
schleunigung oder Verlangsamung der Atmung zeigte sich von Einflufs
auf die Dauer der Schwankungen.
Die Ursache der Schwankungen soll nun in den Fixations- und
Accomodationsmuskeln der Augen liegen. Da bei dem minimalen Hellig-
keitsunterschiede zwischen Ring und Umgebung ein exaktes Fixieren
und eine genaue Accomodation erforderlich sei, so sei die anzuwendende
Mnskelspannung relativ stark und rufe rasch eine von den Muskeln aus-
gehende Ermüdungsempfindung hervor, welche als Reiz zur Entspannung
der Muskeln wirke. Nach kurzer Zeit werde dann dieser Ermüdungsreiz
stärker als der Erregungskomplex (welcher zusammengesetzt sei aus den
von der Scheibe ausgehenden Reizen und aus den dem Gedanken des
Fixierensollens entsprechenden Erregungen) und bewirke so eine Ent-
spannung der Muskeln. Infolge der Entspannung höre aber der Ermü-
dungsreiz auf imd der ursprüngliche Erregungskomplex gewinne wieder
die Oberhand u. s. w. Charakteristisch für die Art und Weise, wie der
Verfasser aus dieser seiner Anschauung die von ihm gefundenen That-
sachen abzuleiten sucht, ist die Annahme, durch momentanes kräftiges
Zudrücken des Lides werde die durch gleichmäfsige Spannung entstehende
Ermüdung des Accomodationsmuskels beseitigt.
In analoger Weise sollen dann auch die Schwankungen minimaler
Gehörsreize zu erklären sein. Die Schwankungen der durch elektrische
Reize ausgelösten Empfindungen, welche wohl schlecht zu der Theorie
des Verfassers passen dürften, werden nicht berührt.
In der dritten Abhandlung „Augenmafs" bringt der Verfasser neues
Material zur Begründung der vielfach ausgesprochenen Ansicht, nach
welcher das Augenmafs seine Grundlage in den Muskelempfindungen hat.
Der Verfasser hat 20 (XX) Versuche über das Augenmafs nach einer Modi-
fikation der Methode der mittleren Fehler mit mannigfacher Variation
der Versuchsumstände angestellt, um zu zeigen, dafs alles, was die
Muskelbewegung erschwert, bez. erleichtert, die scheinbare Gröfse der
9*
132 Litteratwhericht
durchmessenen Distanz vermehrt, bez. vermindert. Verglichen wurden
Pnnktdistanzen (10, 20, 30 .... 200 mm), welche durch weifse Quadrate
von 1 mm Seite auf einer dunkelgrünen Fläche markiert waren und aus
einer Entfernung von 600 mm betrachtet wurden. Die so unter den
verschiedenen Versuchsbedingungen erhaltenen Resultate vermag der
Verfasser zwar nicht im einzelnen mit Hilfe der Annahme von Muskel-
empfindimgen zu erklären, glaubt aber doch im allgemeinen aus den
Resultaten schlieüsen zu können, dafs die Bewegung der Augen einen
entscheidenden EinfluTs auf die Schätzung ausübt. Die Hauptresultate
sind folgende: 1. Die links liegende Strecke wurde im Verhältnis zu der
rechts liegenden Strecke konstant überschätzt. Der Verfasser bringt
dies mit der Thatsache in Zusammenhang, daüs wir beim Lesen und
Schreiben gewohnt sind die Augen von links nach rechts zu bewegen.
2. Beim monokularen Sehen ergab sich im Gegensatze zu dem von Ku¥DT
erhaltenen Resultate, dafs das rechte Auge die rechte Seite, das linke
Auge die linke Seite überschätzte. 3. Wurden Normal- imd Vergleichs-
distanz dem Auge successive geboten, so wurde die Normaldistanz im
allgemeinen überschätzt. 4. Beim successiven Schätzen zeigte sich im
Gegensatze zum simultanen Schätzen, dafs Linien im Vergleich mit
Punktdistanzen nicht überschätzt wurden. 5. Beim Vergleichen von
Linien wurde die Vergleichslinie überschätzt. 6. Senkrechte Distanzen
wurden gegenüber horizontalen nur unter drei Bedingungen überschätzt.
Es mufsten erstens Punktdistanzen sein, zweitens muTste die Vertikale
den rechten Winkel zur Horizontalen nach oben hin bilden und drittens
mufsten beide Augen sich frei bewegen. Die Täuschung hörte auf, wenn
beide Augen den Eckpunkt des rechten Winkels fixierten. Ferner v^nirden
nur kleine vertikale Linien im Verhältnis zu den horizontalen überschätzt,
bei gröfseren Distanzen fand das Umgekehrte statt. 7. Bei den simul-
tanen Schätzungsversuchen mit bewegten Augen schwankte der mittlere
Fehler zwischen 1,1% und 2,3%, dagegen bei den Versuchen mit fixierten
Augen zwischen 3,7 7o und 4,9^7o. In diesem Resultate sieht der Verfasser
einen Hauptbeweis für seine Ansicht. 8. Das WKBEBSche Gesetz ervdes
sioh als annähernd giltig.
Diese Thatsachen sind zwar, wenigstens wenn sie allgemeinere Giltig-
keit haben (was allerdings erst noch zu erweisen ist), sehr interessant
imd wertvoll, aber keineswegs beweisend für die Ansicht des Verfassers.
Ein Einflufs der Augenbewegung auf die Gröfsenschätzung mufs aller-
dings wohl angenommen werden; daraus folgt aber nicht ohne weiteres,
dafs die Muskelempfindung die Grundlage des Augenmafses bildet. Gegen
die letztere Annahme sprechen vielmehr eine Reihe von Gründen (vgl.
z. B. G. E. Müller und Schümann, „Pflügera Arch.*', 46, S. 82 AT.), welche
der Verfasser gar nicht erwähnt hat.
Li der vierten Abhandlung : „Der Raumsinn des Ohres" vertritt der
Verfasser diejenige Ansicht, welche die Wahrnehmung der Schallrichtung
durch die Bogengänge vermittelt werden läfist. Von den Bogengängen
aus sollen Bewegungen des Kopfes und seiner Teile hervorgerufen werden,
durch welche das Auge, bez. die Nase dem Reize zugewendet wird. Die
so auslösbaren Kopf bewegungen sollen dann mittelst des Muskelsinnes
lAtteraturbericht 183
ein „dreifach mannigfaltiges System von Bewegungsempfindungen'' her-
vorrufen, welches die Grundlage unseres Gehörraumes bilde. Ein grofser
Vorzug dieser Theorie ergebe sich aus dem Umstände, dafs sie auch die
bei Beizung der Bogengänge an Tieren beobachteten Kopfbewegungen
zu erklären vermöge. Femer sucht der Verfasser seine Theorie zu unter-
stützen durch Besultate, welche derselbe bei Bestimmung der eben merk-
lichen Bichtungsänderung eines Schalles nach der Methode der Minimal-
änderungen erhalten hat. Bei diesen Versuchen fand die Verschiebung
der Schallquelle auf Kreisen von 1 m Badius statt, deren Mittelpunkt
in der Mitte der Verbindungslinie der beiden Trommelfelle der Versuchs-
person angenommen wurde, und zwar hat sich der Verfasser auf die in
der Horizontalebene, vertikalen FrontfJebene und vertikalen Medianebene
liegenden Elreise beschränkt. Diese 3 Kreise schneiden sich in 6 Punkten,
die wir hier der Kürze halber als den oberen und unteren, vorderen und
hinteren, rechten und linken Hauptpunkt bezeichnen wollen. Für den
Horizontalkreis ergab sich nun, dafs die eben merkbare Bichtungsänderung
eines Geräusches von vom nach hinten regelmäfsig zunahm, und zwar
waren die Ergebnisse für beide Seiten fast genau symmetrisch. Das
Minimum war ca. 1^, das Maximum ca. 6^. Im vertikalen Frontalkreis
lagen Minima der eben merklichen Bichtungsänderung an den 4 Haupt-
punkten dieses Kreises, Mazima in der Mitte zwischen diesen Punkten.
Für den vertikalen Mediankreis ergaben sich 3 Minima: das eine lag in
der Mitte zwischen dem vorderen und dem unteren Hauptpunkte, die
beiden anderen bei dem oberen \ind dem hinteren Hauptpunkte. War
femer das rechte Ohr verschlossen, so zeigte sich im Horizontälkreise
allgemein eine Zunahme der eben merkbaren Bichtungsänderung und
besonders natürlich an der rechten Seite. Über den Einflufs der Ohr-
muscheln auf das Lokalisieren gaben schliefslich noch die folgenden
Versuchsreihen Aufschlufs. Bei der ersten wurde die Aufsenseite beider
Ohrmuscheln durch eine dicke aufgeklebte Wachskappe aufser Funktion
gesetzt. Es trat in diesem Falle eine Erhöhung der Lokalisationsschwelle
nur für Geräusche, die von vom kamen, ein. Bei der zweiten Versuchs-
reihe wurden die Ohrmuscheln ebenfalls mit Wachs beklebt und zugleich
die Hände gewölbt über den Eingang des Ohres gehalten, zuerst nach
hinten offen, dann nach vom. Im ersteren Falle sank die Unterschieds-
schwelle hinten, im zweiten Falle vom tiefer als bei funktionierenden
Ohrmuscheln.
Diese Besultate sollen nun nach dem Verfasser leicht aus der obigen
Theorie abgeleitet werden können, den anderen Hypothesen über den
Batunsinn des Ohres dagegen widerstreiten. So soll z. B. das für den
Horizontalkreis gewonnene Besultat eine Folge der regelmäfsigen Zu-
nahme der Intensität der Bewegungsempfindung vom vorderen zum
hinteren Hauptpunkte sein, da ja mit der Zunahme der Intensität auch
die eben merkbare Intensitätsänderung zunehme.
F. Schumann (Göttingen).
134 LitteraturberichU
W. Uhthoff. Weitere üntenucliiuiceii fiber die Abh&ngigkeit der Seh-
ecUrfe Ton der Intensit&t, sowie Ten der Wellenl&nge im Spekfemm.
Gräfes Arch. f. Opkfhtüm. Bd. XXXVI. (1.)
Frühere Versuchsreihen desselben Verfassers {Gräfes Arch, Bd.
XXXn [1]) bezogen sich bereits auf die Abhängigkeit der Sehschärfe
von der Lichtintensität. Damals wurden aber die Bestimmungen der
Sehschärfe entweder bei weLGsem, d. h. alle Wellenlängen des sichtbaren
Spektrums enthaltendem Lichte oder solchem Lichte, welches von £Etr-
bigen Pigmenten reflektiert war, ausgeführt. Die wesentlichen Mängel
dieser letzten Versuchsreihen bestanden darin, dafs auch bei den besten
farbigen Pigmenten niemals von spektraler Reinheit der Farben die Bede
sein kann und dafs vor allem bei Grün imd Blau nur geringe Intensität
zu erzielen ist.
Es wurde bei den jetzigen Versuchen vermittels eines Hohlprismas
von ungefähr 12 cm Durchmesser, welches mit zinmitsaurem Äthyläther
gefüllt war, und einer entsprechenden achromatischen Linse ein Spektrum
entworfen. In der Ebene des Spektrums, die etwa 2V> m von der Linse
entfernt war, befand sich ein Schirm, der eine kreisrunde öffiiung
von 2 mm Durchmesser enthielt. Blickte man nun durch diese Öffnung
gegen die Linse hin, so sah man diese als eine runde Fläche von unge-
fähr 2^ scheinbarem Durchmesser, erleuchtet in derjenigen Spektralfarbe,
welche durch die kleine Offiiung hindurch in das Auge gelangte. Indem
man den Schirm verschob, konnte jeder Teil des Spektrums eingestellt
werden. Diese Öffnung und die genannte Linse war durch eine Gleitbahn
verbunden, auf der die in Stanniol ausgeschlagenen und zwischen zwei
Glasplatten festgeklemmten Sehzeichen in der altem SNELLENSchen Form
hin- und her geschoben werden konnten. Als Lichtquelle diente meistens
ein Triplex-Gasbrenner, Die Änderung der Intensität geschah durch
Änderung der Breite des dicht vor dieser Lampe stehenden Spaltes.
Die Versuche und die durch sie erhaltenen Ergebnisse lassen sich
in zwei Hauptgruppen sondern.
1» An sechs verschiedenen Stellen im Spektrum und zwar bei den
Wellenlängen 670 /i^, 605 /li^, 575 /«/«, 505 /i^, 470 /i^ und 430 fifA wurde
von der kleinsten noch sicher mefsbaren bis zu der gröüsten in Bezug
auf die Beinheit des Spektrallichtes noch zulässigen Spaltbreite die
Intensität variiert und die Sehschärfe bestimmt.
Die Sehschärfe stieg bei zunehmender Intensität anfänglich sehr
schnell, dann langsamer, bis sie sich endlich asymptotisch einem kon-
stanten Werte näherte, der aber (bei Benutzung des Gasbrenners) kaum
in den hellsten Teilen des Spektrums erreicht wurde. Dieser Verlauf
stimmte völlig überein mit dem früher bei Weifs und bei rotem und
gelbem Lichte erhaltenen. Von den jetzt gefundenen Besultaten seien
die auf Licht von der Wellenlänge 605 fifjt bezüglichen als Beispiel ange-
geben. Die Sehschärfe ist hier in der bekannten und allgemein benutzten
SKELLENschen Einheit gemessen. (Es ist hier also schon eine Umrechnung
der mit den altern Zeichen direkt als Versuchsergebnisse gewonnenen
Zahlen auf die jetzt übliche Einheit ausgeführt.)
Litteraturhericht
Intensität
Sehschärfe
Intensität
Sehschärfe
0.5
0.40
10
2.10
1
1.24
40
2.26
2
1.65
60
2.32
4
1.83
80
2.35
6
1,98
100
2.37
8
1.99
135
Die für die Sehschärfe aDgegebenen Werte sind stets die Mittel
aus mehreren £inzelbeobachtungen.
2. Aufserdem wurde noch bei konstanter Spaltbreite an einer
gröfseren Anzahl von Stellen im Spektrum die Sehschärfe bestimmt.
Indem man nun die Wellenlängen als Abscissen und die erhaltenen Seh-
schärfen als Ordinaten aufzeichnet, erhält man eine Kurve, die man
wohl als Intensitätskurve des benutzten Spektrums bezeichnen könnte,
falls die relative Höhe der Ordinaten, d. h. die Gestalt der Kurve unab-
hängig von der benutzten Spaltbreite wäre. Dieses ist aber, wie schon
aus den unter 1. angefahrten Versuchsergebnissen und der][Thatsache,
dafs die Gröfse, welcher sich die Sehschärfe bei steigender Intensität
asymptotisch nähert, f&r alle Wellenlängen mit sehr grofser Annäherung
die gleiche ist (was durch Benutzung von Knallgaslicht gefunden wurde),
vorauszusehen ist, nicht der Fall; denn verringert man die Intensität
des gesamten Spektrums, so sinkt der bei normalen Farbensystemen im
Gelben liegende Gipfel der Kurve relativ weniger, als die übrigen Teile
der Kurve; dadurch wird diese immer spitzer und es zeigt sich nun,
dafs ihre Gestalt stets ähnlicher wird derjenigen Kurve, welche früher
Brodhün* durch ^Yergleichung der Helligkeit nach ihrem rein subjek-
tiven Eindruck gewonnen hat. Es ist zu erwarten, dafs sie bei noch
g^eringeren Intensitäten, als sie ühthoff aus äufseren Gründen be-
nutzen konnte, völlig damit zusammenfällt. Brodhük hat fernerhin
gefunden, dafs die Helligkeitskurve des Spektrums bei sogenannten
Grünblinden fast zusammenfällt mit derjenigen, welche den Besitzern
normaler trichr omatisch er Farbensysteme zukommt, dafs hingegen so-
genannte Botblinde eine wesentlich anders gestaltete Kurve erhalten.
Uhthoff hat nun eine Beihe von Sehschärfenbestimmungen sowohl
bei einem „Grünblinden" wie auch bei einem „Rotblinden" vorgenommen
und auch hier gefunden, dafs die Kurve der Sehschärfe in der er-
wähnten Weise mit derjenigen der Helligkeitsschätzung im Zusammen-
hang steht.
Die folgende Tabelle giebt für Uhthoff selbst (normales trichro-
matisches Farbensystem) und den untersuchten „Rotbünden" die erhal-
tenen Resultate an.
Es sind darin die Intensitäten Ji > Jii > Jiii > Jiy»
^ Broobuk: Beih'äge zur Farbenlehre. Inaugural-Dissertation. Ber-
lin 1887.
136
JJtiarttiwbenckt.
8 e
hschärfe
Wellenlinse
nonnftl
„nrtbliiMr*
Jl
Ju
/in
Jiv
JlV
660 /</i
1.92
1.03
0.28
—
645„
2.09
1.41
0.77
0.28
0.16
620 „
2.12
1.66
0.96
0.45
0.33
605„
2.16
1.71
1.04
0.47
0.39
690 „
2.17
1.74
1.02
0.43
0.40
575 „
2.17
1.73
0.9S
0.37
0.41
660„
2.1B
1.65
0.89
0.33
—
545,
2.09
1.54
0.74
0.28
0.35
525,
2,02
1.40
0.48
0.20
0.23
505„
1.88
1.11
0.34
0.17
490,
1.66
0.87
0.20
—
470,
1.38
0.53
—
—
460 ,
1.17
0.32
—
430 »
0.89
_ .
— .
Zwei KurventÄfeln, in denen die erhaltenen Werte graphisch ein-
getragen änd, veranschaulichen die Ergebnisse in sehr übersichtlicher
Weise. Aufser der Darstellung der eigenen Versuche giebt der Verfasser
an mehreren Stellen auch noch kurze historische Bückblicke auf das
vor ihm von andern Beobachtern auf demselben oder benachbarten Ge-
biete Gefundene. Abthub König.
Prompt. Bemarqnes snr la Bensatloii dn relief d'apres ime intöressant«
illnsion d'optiQlie. Archives de PhysioL 1890 (I). S. 59—67.
Die neuhergestellte (gegen Westen gerichtete) Fassade des Doms
von Florenz trägt als Bekrönung eine Balustrade, wie der ganze Bau
aus weifsem Marmor, in welcher zur Verzierung rosettenartige Figuren
ausgeschnitten sind. An diesen beobachtet Verfasser folgende Täuschung.
Stellt man sich am Nachmittage so, dais man durch die Bosetten
hindurch den dahinterliegenden blauen Himmel erblickt, so ist es
unmöglich, anschaulich zu sehen, dafs man es mit Löchern zu thun
hat. Man kann natürlich in abstracto diese Vorstellung festhalten,
aber der sinnliche Anblick ist der einer soliden Balustrade, in welche
blaue Mosaiken eingesetzt sind, die mit dem weifsen Grunde in einer
^bene hegen. Beobachtet man dagegen am Vormittage, so ist die Illu-
sion verschwunden und schlechterdings nicht wiederzugewinnen; man
sieht jetzt ebenso anschaulich eine durchbrochene Balustrade vor dem
entfernteren Himmelsgrunde. Als Ursache der Erscheinung erkennt Ver-
fasser zunächst die verschiedenen Helligkeitsverhältnisse. Der Beschauer
sieht von Westen gegen den Osthimmel. Am Vormittage ist dieser
relativ hell und weifslich-blau, während die Domfront im Schatten liegt;
am Nachmittage empfängt die Fassade direktes Sonnenlicht tind der Ost-
himmel ist relativ dunkel. Solche Helligkeitsverschiedenheiten aber
sind, wie Verfasser unter Bezugnahme auf eine früher von ihm aufge
LüteraturberichL 137
stellte Theorie behauptet, mafsgebend für die Art, wie wir bei grOfseren
Entfemungen Belief sehen. Eine weifse Figur auf dunklerem Grunde
sehen wir nach ihm regelmäfsig losgelöst von ihrem Grunde und sich
abhebend, eine dunklere Figur auf hellerem Grunde dagegen ebenso
regelmäfsig nicht losgelöst, sondern in der Ebene ihrer Umgebung
^^^^^^' Ebbinohaüs.
EüDOLPH KöKio. über Stöfse nnd Stofstöne zweier in denuielbeii Körper
erregten Schwingnngsbewegangen. Wiedemanns Ann, Bd. XXXIX.
pag. 395— 402. (1890.)
Im Jahre 1876 hatte K. in Pogg. Ann. 157. pag. 177 ff. darauf hin-
gewiesen, dafs, wenn ein Ton von der Schwingungszahl n mit einem
Tone h.n'\'m gleichzeitig erregt wird , wobei Tinter h eine ganze Zahl
verstanden wird und m-^n ist, zwei Arten von Schwebungen auftreten
können. Einmal kann hn+m mit dem h*«^ Oberton des Tones n Schwe-
bimgen, deren Anzahl = m, geben, welche K. „untere Stöfse'^ nennt;
dann aber auch mit dem (Ä + l)'"» Oberton von n „obere Stöfse", deren
Anzahl = (ä + 1) n — [hn + m] = « — fit = m*. Ist m nahezu gleich —^
so treten obere und untere Stöfse gleichzeitig auf; ist m viel kleiner ^
nur die unteren; ist es viel grOfser, nur die oberen. Unter geeigneten
Bedingungen gehen die Stölse m und m) in Stofstöne über. Verfasser
weist nunmehr experimentell nach, dafs dies Gesetz seine Gültigkeit
behält, wenn die Primärtöne nicht von getrennten Tonquellen, sondern
von ein und demselben Körper ausgehen. Es werden hierzu vierkantige^
an den Enden freie und mit bestimmten Stellen auf zwei Stegen ruhende
Metallstäbe benutzt. Ein solcher Stab giebt, wenn seine Breite und
Dicke verschieden sind und er gleichzeitig in vertikale und horizontale
Schwingungen versetzt wird, bei günstiger Versuchsanordnung zwei
deutliche Transversaltöne nebst Stöfsen resp. Stofstönen.
Bezüglich der an diese Versuche geknüpften, rein physikalischen
Erörterungen mufs auf das Original verwiesen werden.
ScHABFER (Jena).
Rudolph König. Über Erlange mit nngleiclifOnnigeii Wellen. Wiede-
manna Ann, Bd. XXXIX. S. 403—411. 1890.
Giebt man auf verschiedenen musikalischen Instrumenten verschie-
dene Töne an und stellt diese mit den sie begleitenden, die Klangfarbe
bedingenden Tönen in Form je einer Klangkurve graphisch dar , so zeigen
nicht selten (infolge der steten Phasenverschiebung der Teiltöne) die ein*
zelnen Wellen dieser Kurven eine beständig wechselnde Form. Es ist also
die einheitliche Empfindomg des Klanges durchaus nicht an die Kongruenz
der aufeinander folgenden Wellen gebunden.
Indem nun K. aus den Sinuskurven je eines Grundtones und meh«
rerer, entweder unrein harmonischer oder unharmonischer Teiltöne
138 LiUeratmhencfU,
diverse Klangkurven von ungleichförmigen Wellen konstruierte, am
Bande einer Kreisscheibe ausschnitt und diese vor einer Anblasevor-
richtung rotieren liefs, fand er, „dais das Ohr ein Tongemisch, welches
aus einem Grundton und einer Beihe nach der Höhe zu mehr und mehr
verstimmter harmonischer Töne besteht, sehr wohl als einen Klang em-
pfinden kann, und dieses um so leichter thut, als diese Töne eine voll-
ständigere Beihe bilden und ihre Intensitäten sich einer regelmäisigen
Abnahme nach der Höhe zu nähern. Befinden sich dagegen in der Beihe
grofse Lücken, oder haben einzelne dieser Töne eine beträchtlich gröfsere
Intensität als die anderen, so verliert das Tongemisch dadurch mehr
oder weniger seinen einheitlichen Charakter^.
Weitere Versuche zeigten dann, dafs kleine willkürliche Änderungen
der Kurven, wenn nur die Grundform der Wellen intakt bleibt, die Bil-
dimg des Klanges nicht hindern. — Einen Ellang liefern auch aufeinan-
derfolgende Wellen von sehr verschiedener Form, wenn sie gleich lang
sind, ihre Amplituden sich immer wenigstens ziemlich gleich bleiben,
und die Verdichtungs- und Verdünnungsmaxima „isochrone Beihen bilden".
ScHAEFBK (Jena)«
W. Preteb. über Kombinatioimtöiie. Wiedemanns Ann. XXXVm (1889).
S. 131—136.
Diese wichtige Arbeit liefert empirische Belege für die bisher blois
auf theoretischen Vorstellungen beruhende Annahme (y. Hblxholtz), dais
als Entstehungsort der Kombinationstöne das Trommelfell ansnisehen sei.
Dieser Nachweis wird geführt durch Versuche an Personen mit teils
ein-, teils doppelseitigem Defekte oder angeborenem gänzlichen Mangel
des Trommelfelles. Solche Defekte lassen nur die primären Töne wahr-
nehmen. Differenztöne werden ausnahmslos nicht gehört ; wohl aber mit
dem gesunden Ohre bei Einseitigkeit des pathologischen Zustandes. Für
die somit bewiesene Entstehung der Differenztöne im Trommelfelle ist
nur dessen Eigenschaft als „empfindliche (belastete) Membran'^ wesentlich,
nicht seine spezifische histiologische Struktur. Denn die Differenztöne
werden auch gehört, wenn Narbengewebe oder nach Einträufeln von
einigen Wassertropfen in den Gehörgang eine dünne Wasserschicht den
Defekt schliefst. Unabhängig vom Verfasser machte 0,'Luuui:R(^Verhandl.
der phys. Ges. 7. Juli 1886. pag. 66 — woselbst auch das nähere nachzu'
lesen) mit Hülfe dünner Kautschuckmembranen Differenztöne objektiv
hörbar.
Was die Summati onstöne anlangt, so konnte Verfasser experi-
mentell die Hypothese widerlegen, nach welcher die Summationstöne
Differenztöne höherer Ordnung sein sollen [25 — (5 — a) = a + b.]. Es
wurden Stimmgabeln benutzt, deren Obertöne durch Kautschuckringe
gedämpft waren. Trotzdem wurde der Summationston deutlich wahr-
genommen, und damit eine wesentliche Stütze der HELMHOLTZschen Theorie
gewonnen, derzufolge die Summationstöne auf einer objektiven Addition
der Schwingungen beruhen müssen. « (l ^
Litteraturbericht 139
A. Eichhorn. Die Vokalsirene, eine nene Methode der Nachahmimg
YOn Vokalkl&ngen. Wiedemanns Am. Bd. XXXIX. pag. 148-154.
(1890.)
Mit Benutzung der von Lahr in seiner Untersuchung über „Die
Grafsmannsche Vokaltheorie im Lichte des Experimentes*' (Wied. Ann, 27.
pag. 94. 1886) gegebenen Tabellen, berechnete und konstruierte £. mit
möglichster Genauigkeit Klangkurven der Vokale a, äj e, t, o, ö, u, ü.
Jede dieser Kurven — nur ö und e kamen bisher nicht zur Prüfung —
ward nach dem Muster der bekannten KöNioschen Wellensirene in pho-
tographisch verkleinertem Mafsstabe etv^a 20 mal hintereinander am
Eande eines Cy linders ausgeschnitten; letzterer dann in Botation ver-
setzt und während derselben durch einen senkrecht zur Fläche gerich-
teten Luftstrom angeblasen. Die Reproduktion der Vokale a und ä
gelang sehr gut. Weniger deutlich kamen o und u zu G-ehör. Versuche
mit • aber mifslangen ganz, während an Stelle von ü ein u-Laut aufbrät.
Verfasser hofft; indessen bestimmt, mit vervollkommneten Apparaten
auch bessere Erfolge zu erzielen. Schaefeb (Jena).
L. Hermann. Über das Verhalten der Vokale am nenen Edisonschen
Phonographen. {Pflügers Archiv, XLVH, 1890, S. 42—44.)
H. untersucht, ob der Charakter der Vokale sich ändert, wenn sie
mit dem neuen Phonographen bei einer andern Drehgeschwindigkeit re-
produziert werden, als der beim Aufschreiben verwendeten« Er findet,
dafs dies unzweideutig der Fall ist. Bei Steigerung der Beproduktions-
geschwdndigkeit nähert sich E dem J", U dem 0, und schliefslich verlieren
sich alle Unterschiede der Vokalklangfarben. Bei Verlangsamung des
Ganges tritt diese Verwischung noch viel früher ein. H. sieht hierin
einen Seweis dafür, dafs wenigstens einer der Hauptcharaktere der Vo-
kale in festen und nicht in relativen Partialtönen liegt, d. h. in
Partialtönen von absoluter Tonhöhe und nicht in solchen, die wie bei
den Klangfarben der Instrumente mit der Höhe des Grundtons sich
ebenfalls ändern. -ci
Ebbinohaus.
H. Deknert. Akustiscli-physiologlsche üntersnchnngen nnd Stndien,
▼erwertet für die praktische Ohrenheilkunde. Archiv für Ohrenheil-
kunde. XXIX (1889/90). pag. 68-83.
Ob die Schnecke für die Perzeption aller Schalleindrücke ausreicht,
oder ob sie ausschliefslich der Wahrnehmung der Töne dient, und neben
ihr noch ein besonderer Apparat für die Wahrnehmung von Geräuschen
postuliert werden mufs, ist eine noch immer nicht endgültig entschiedene
Präge. Verfasser steht der Annahme eines speciellen Geräuschapparates
ablehnend gegenüber, weil 7,der Beweis ftir die Existenz re^iner Geräuschs
.... nicht erbracht ist'^ Die Unhaltbarkeit der Auffassung, dafs Ge-
rausche und Klänge ganz difierente Schallqualitäten sind, darzuthun,
ist das Ziel der vorliegenden Untersuchung.
140 LitteraturberidU.
Verfasser weist zunächst auf die Schwebungen hin, die bei einer
gewissen Frequenz den Charakter des Schwirrens, Basseins, Knarrens
annehmen, also den Charakter von Geräuschen. Diese Geräusche werden
aber nicht getrennt von den schwebenden Tönen perzipiert, denn mit
Schwerhörigkeit — auch wenn sie nervöser Natur — behaftete Personen,
welche die schwebenden Töne nicht hören, hören auch die geräusch-
artigen Schwebungen nie.
Seine Untersuchungen über die physikalische Beschaffenheit der
zahllosen Beibegeräusche , von denen zunächst die Kurve des Zischens
mit Hilfe der KöHioschen Flamme im rotierenden Spiegel darzustellen
versucht wurde, bezeichnet Verfasser als noch nicht zu völlig befrie«
digendem Abschlufs gelangt. Indessen, „sind die Komponenten irgend
eines Beibungsgeräusches periodische Bewegungen und erfolgen solche
während der einzelnen Phasen der Beibung in genügender Anzahl auf-
einander, um gehört zu werden, so wird auch selbstverständlich ihre
Auslösung in Teilen des Gehörorgans erfolgen müssen, wo die aus perio-
dischen Bewegungen sich zusammensetzenden Klänge ausgelöst werden^.
Die Knallgeräusche, welche beim Zusammenschlagen von Büchern
oder Händen, beim Herausschleudern von Korken aus Windbüchsen und
bei anderen Gelegenheiten entstehen, zeigen alle im rotierenden Spiegel
unter Anwendung der KöKioschen Kapsel mehrere Wellen. Aus diesem
Grunde, und zumal da die Anzahl der wirklich auftretenden Wellenbe-
wegungen mit grofser Wahrscheinlichkeit die der sichtbaren noch über-
trifft, dürfte zuzugeben sein, dafs „die Bedingungen für eine Schallper-
zeption vorhanden sind, ohne die Annahme eines besonderen Geräusch-
apparates^^
Durch Kombination von Tönen verschiedener Qualität und Schwin-
gungsdauer mit Zuhülfenahme von Schwebungen gelang es dem Verfasser
die verschiedensten Geräusche und ihre Übergänge zu Klängen darzu-
stellen, was als weiteres Moment zu Ungunsten der strikten Scheidung
zwischen Klängen und Geräuschen angesehen werden darf. Für einen
specifischen Geräuschapparat kann man auch nicht den Umstand geltend
machen, dafs von manchen Schwerhörigen, welche Töne und Sprache
schlecht perzipieren, knipsende und tickende Geräusche noch gut ver-
nommen werden. Denn bei derartigen Geräuschen handelt es sich um
Schallqualitäten mit relativ geringer Anzahl von Wellenbewegungen,
imd Verfasser konnte in vielen Fällen nachweisen, dafs die Beaktions-
fähigkeit des Gehörorganes auf kurze Beize von Tonqualität durchaus
nicht dem Grade der Hörfähigkeit für Töne überhaupt zu entsprechen
braucht. Die im Anschlufs hieran beschriebenen Hörprüfung^methoden
fUr kurze Beize sind im Original nachzulesen.
ScHAEFEK (Jena).
C. Lorenz. Untersuchimgen über die Anffassimg von TondistaaseiL
Wundts Phüos, Studien, VI. Band. 1. Heft (1890), S. 26—103.
WüNDT erwähnt bereits 1887 in der 3. Aufl. der Physiol. Psychologie
Versuche von Lorenz zur Prüfung des WsBERschen Gesetzes mit der
Fragestellung, welcher Ton zwischen zweien in der Mitte liege. Seitdem
lAtteraturbericht. 141
sind dieselben noch bedeutend (zu mehr als 110000 Einzelversuchen)
erweitert und nun auch vom Urheber selbst veröftentlioht. Es wurden
immer 8 Töne nacheinander gegeben in der Ordnung ihrer Höhe, bald
von unten nach oben, bald umgekehrt. Der mittlere, dem bei gleichen
AuXsentönen noch verschiedene Höhen erteilt wurden, wurde von den
TJrteilssubjekten bald als wahre Mitte, bald als dem höheren oder tieferen
Aufsenton nftherliegend bezeichnet. Die hiemach tabellarisierten Ergeb-
nisse sind dann auf Grund einer eigentümlichen Betrachtungsweise unter
den Begriff von wahren imd falschen Fällen gebracht und umgerechnet.
IjOmskz schliefst mit Wunbt, dals gleichen Unterschieden der Tonempfin-
dungen wahrscheinlich gleiche Differenzen, jedenfalls aber nicht gleiche
Verhältnisse der Schwingungszahlen entsprechen. Bei der außerordent-
lichen Ausdehnung der Untersuchungen und der methodischen wie sach-
lichen Wichtigkeit, welche sie zu beanspruchen hätten, ist um so mehr
zu bedauern, dafs ihnen schwere Bedenken gegenüberstehen, die dem-
nächst eingehend dargelegt werden sollen. Stumpf (München).
Hj. öhbwall [in Upsala]. üntersucliimgen über den OeschmackssixuL.
Upsala ßJcareßrens.forh, 1888—89. S. 353, Skandmav. Archiv für Physio-
logie, Bd. n (1890), S. 1—69. (Selbstanzeige.)
Der Hauptzweck dieser Arbeit ist, einen Beitrag zur Beantwortung
der Frage zu liefern, wie sich die Geschmacksempfindungen zu der Lehre
von den spezifischen Sinnesenergien verhalten. Nach einer einleitenden
Darstellung dieser Lehre sucht der Verfasser sich eine Ansicht darüber
zu bilden, welches die verschiedenen Arten von Geschmacksempfindungen
sind, und nach einer Erörterung älterer und neuerer Anschauimgen schliefst
er sich der Ansicht derjenigen Physiologen an, welche nur Bitter, Süfs.
Salzig und Sauer als solche aufstellen. Der alkalische und der Metall-
geschmack bestehen sicherlich gleichwie der adstringierende aus einer
Mischung von Gefühlssensationen und einer oder mehreren der gewöhn-
lichen Geschmacksempfindungen (Salzig, Sauer, SüTs und Bitter) in wech-
selnder Stärke. Auf Grund eigener Untersuchungen und älterer Angaben
nimmt der Verfasser an, dafs diese vier Kategorien nicht weiter eingeteilt
iverden können. Bittere Substanzen z. B. können beim Schmecken nicht
Toneinander unterschieden werden, aufser durch Verschiedenheiten der
Litensität des Geschmacks oder durch Beimischung von anderen Ge-
schmacks-, Gefühls- oder Geruchsempfindimgen. Der Verfasser sucht
zunächst auseinanderzusetzen, wie die sogenannten Geschmacksarten
sich zu einander verhalten. Wenn es keine verschiedenen Arten der
vier Geschmackskategorien Süfs, Sauer, Salzig und Bitter giebt, dann ist
es offenbar, dass es noch weniger einen kontinuierlichen Übergang von
einer dieser Geschmackskategorien zu irgend einer der anderen durch
eine Serie qualitativ verschiedener Empfindungen giebt, so wie dies der
Pall ist bei verschiedenen Farben oder bei Tönen verschiedener Höhe.
Das Spektrum des Geschmackssinnes ist diskontinuierlich, aus einer
Minderzahl weit getrennter Linien bestehend, welche sich nicht einmal
142 UtUratiuhenckL
in eine bestimmte Ordnung bringen lassen. Die einfachen Geschmacks-
empfindungen Isssen sich auch nicht wie die Farben zu neuen Empfin-
dungen mischen, welche man nicht in ihre einfachen Bestandteile zerlegen
kann. Eine Mischung z. B. von salzig und sauer schmeckt entweder
sowohl salzig als sauer oder nur salzig oder sauer u. s. w. Wir be«
sitzen also das Vermögen, die Geschmacksempfindungen in ihre einfachen
Bestandteile zu zerlegen und der Geschmack gleicht in dieser Hinsicht
dem G«hÖr. Sowohl vom Gesicht als vom Gehör unterscheidet sich aber
der Geschmack durch die Abwesenheit von Über^btigen zwischen den Ter-
schiedenen Geschmackskategorien, und dieser Abwesenheit von Überg&nger
zufolge müssen sie gemäfs der von Hblmholtz angestellten Unter-
schiede zwischen Modalität und Qualität (Die Thatsachen in der Wahr-
nehmung S. 8) nicht als verschiedene Qualitäten desselben
Sinnes, sondern als verschiedene Modalitäten, d. h. ganz und
gar als verschiedene Sinne betrachtet werden. Die Geschmacks-
kategorien müssen als ebenso selbständig im Verhältnis zu einander
angesehen werden, wie die Wärme-, Kälte- und Druckempfindungen, die
auch früher für Qualitäten desselben Sinnes gehalten wurden, welche
aber demselben Grundsatze gemäüs ohne Zweifel als Modalitäten zu be-
trachten sind (innerhalb deren Qualitätsdifferenzen wahrscheinlich ebenso
wenig existieren, wie innerhalb der Geschmackskategorien), und die man
auch allgemein anfängt selbständige Sinne zu nennen.
Die von Helmholtz aufgestellten Unterschiede zwischen Modalität
und Qualität sind von A. Fick angegriffen worden, indem er anzeigt, dafe
man einen vollkommen stetigen Übergang zwischen zweien Sinnesgebieten
angehörenden Empfindimgen herstellen könnte, wenn man z. B. eine
Reihe von Gemengen aus Pfefferextrakt und Kochsalzlösung nach ein-
ander auf die Zunge brächte, in denen der Gehalt an dem einen Bestand-
teil von 0 — 1 variierte; nämlich zwischen Geschmack (nur Kochsalz),
und Tastsinn (nur Pfeffer). Der Verfasser weist nach, dafs in Fick»
Beispiel von zusammengesetzten Empfindungen die Rede ist, während
Helmholtz offenbar nur von einfachen Empfindungen spricht.
Der Verfasser tritt danach verschiedenen Einwänden entgegen, die
gegen die neue von ihm verfochtene Auffassung von den Geschmacks-
kategorien gemacht werden könnten, und stellt dabei fest, dafs die Frage,
welche Sinnesempfindungen zu einem Sinne gezählt werden müssen, eine
physiologische und psychologische Frage ist, und dafs dabei weder ana-
tomische noch histologische Verhältnisse entscheidend werden können.
Ebenso wenig kann die Beschaffenheit des adäquaten Reizmittels der
Klassifizierung der Sinnesempfindungen zu Grunde gelegt werden. [Giuiz
dieselbe äufsere Ursache kann das adäquate Reizmittel für ganz ver-
schiedene Sinne sein, z. B. ein Sonnenstrahl, der auf der Haut eine
Wärmeempfindung, auf der Retina eine Lichtempfindung bewirkt.] In
betreff näherer Details dieser Erörterung muss auf das Original hinge-
wiesen werden. Hier mag nur hervorgehoben werden, dafs der Verfasser
auf Grund einer Kritik älterer Angaben und gemäüs eigener Unter-
suchungen den Nachweis führt, dafs Kontrast- und Kompensationserschei-
nungen zwischen den verschiedenen Geschmackskategorien nicht existieren.
LiUeraturheiicht 143
Zunächst bespricht der Verfasser die bisher gemachten Beobach-
tungen, welche für die Annahme besonderer peripherischer Endappa-
rate fOr die verschiedenen Gattungen der Geschmacksempfindungen,
und dadurch für die Lehre der spezifischen Sinnesenergien, von Bedeu-
tung sind.
Zu Gunsten dieser Theorie spricht der Umstand, dafs gewisse Sub-
stanzen mit zusammengesetztem Geschmack verschiedene Geschmacks-
empfindungen auf der Spitze der Zunge und auf deren Basis verur-
sachen, und weiterhin, dafs die Reaktionszeit für den bitteren Geschmack
auf der Zungenspitze länger ist als für die anderen Geschmacksarten,
auf der Zungenbasis aber für alle Geschmacksarten ungefähr dieselbe.
Wenn die Angabe von Addüco und Mosso sich bestätigte, dafs Kokain
die Empfindlichkeit für den bitteren Geschmack aufhebt, aber nicht für
die übrigen, würde dies eine gute Stütze für die genannte Theorie aus-
machen. Hierbei scheinen indessen individuelle Verschiedenheiten eine
grofse Rolle zu spielen. Bei Versuchen, die der Verfasser mit sich selbst
angestellt hat, zeigte es sich dafs Kokain sämtliche Geschmacksempfin-
dungen aufhob.
Der sogenannt« elektrische Geschmack ist unter den Geschmacks-
empfindungen die einzige, deren Erklärung für die Lehre von den spezi-
fischen Sinnesenergien bisher gewisse Schwierigkeiten geboten hat. Um
diese zu beseitigen, ist Hermann zu der älteren elektrolytischen Theorie
zurückgekehrt, nämlich dafs Säure oder Alkali durch die Einwirkung
des elektrischen Stromes frei wird und die Geschmacksempfindungen
hervorruft. Da aber bei diesen Versuchen, wie es Rosenthal gezeigt
hat, Säure an der Oberfläche der Zunge nicht auftritt, nimmt Hermann
an, dafs die Abscheidimg derselben zwischen Hülle imd Kern der Nerven-
röhren vor sich geht. Der Verfasser weist nach, dafs diese Erklärung
nicht aufrecht erhalten werden kann. Die Säure sowohl wie das Alkali
würde dann ebensowohl die süfs-, bitter- und salzperzipi er enden als die
sauerperzipierenden Fasern angreifen, und die qualitativen Verschieden-
heiten der Empfindungen bei auf- und absteigendem Strom bleiben ebenso
unerklärlich, wie bei der Annahme, dafs der Strom direkt die Nerven
reizt. Der Verfasser nimmt daher an, dafs der Strom direkt die End-
apparate reizt, eine Ansicht, für die er in dem Umstand eine Stütze
findet, dass Kokain auf seiner Zungenspitze nicht nur die Empfindlichkeit
für adäquate Reize aufhebt, sondern auch die Geschmacksempfindungen,
welche vom konstanten Strom gewöhnlich hervorgerufen werden. Es
entstand nur eine Empfindung von Hitze; der negative Pol bewirkte
gleichfalls ein Gefühl von Hitze, aber schwächer und auf eigentümliche
Weise von einem Gefühl von Kälte begleitet. Die Temper aturempfind-
lichkeit war auch bei adäquatem Reiz nicht aufgehoben.
Den Hauptteil der Abhandlung bilden die Untersuchungen des
Geschmackssinns, welche der Verfasser ausgeführt hat nach derjenigen
Methode, mittelst welcher es Bux gelungen ist, in so schlagender Weise
das Vorhandensein besonderer Nervenendigungen für Kälte-, Wärme-
und Druckempfindungen in der Haut aufzuweisen — nämlich die isolierte^
punktförmige Erregung der Sinnesfläche.
1 44 LiUeraturbericht
Mittels in stark schmeckenden Lösungen getränkter Pinsel und unter
Anwendung eines vergröfsemden Konkavspiegels hat der Verfasser
den Geschmackssinn einer Anzahl einzelner Pap. fungiformes an der
Spitze und den Seitenrändem der Zunge untersucht, nachdem er eine
Art von Karte von den betreffenden Partien der Zunge hergestellt hatte,
auf welcher Karte die Papillen bezeichnet, in Gruppen verteilt und nach
ihrer Gröfse numeriert waren.*
Es zeigte sich, dafs nur die Pap. fungiformes, nicht die Pap. fili-
formes schmeckten, dais die Deutlichkeit der Geschmacksempfindimgen
da, wo eine Geschmacksempfindung überhaupt auftrat, gewöhnlich so
grofs war, dafs ein Zweifel Über den Charakter derselben gar nicht auf-
kommen konnte, und dafs die Papillen grofse funktionelle Verschieden-
heiten zeigten. Von den untersuchten 125 Papillen reagierten 27 weder
auf Weinsäure (2—5 7o), chlorwasserstoffsaures Chinin (2 7o), noch Zucker
(40 7o); unter den 98, die überhaupt ein Geschmacksvermögen besafsen,
reagierten 60 sowohl auf Zucker, Chinin als Weinsäure, während unter
den übrigen einige auf Weinsäure und Zucker, aber nicht auf Chinin,
andere auf Weinsäure und Chinin, aber nicht auf Zucker, andere auf
Zucker, aber nicht auf Weinsäure und Chinin u. s. w. reagierten. Alle
125 Papillen waren empfindlich für Berührung, sowie für Wärme und
Kälte. Die Empfindungen, die bei isolierter Erregung entstehen, sind
daher oft sehr zusammengesetzter Natur. Zunächst spürt man die
Berührung des Pinsels und beinahe gleichzeitig oder etwas später eine
Kälteempfindung; darauf die Geschmackssensation, von welcher bei An-
wendung einer Mischung von Zucker und Chinin der süise Geschmack
eher als der bittere auftritt. Ein Verhältnis zwischen Gröfse oder Lage
der Papillen einerseits und ihren funktionellen Eigenschaften anderer-
seits konnte nicht nachgewiesen werden. Bei der elektrischen Beizung
der einzelnen Papillen — ein mit Speichel getränkter Pinsel diente hierbei
als Beizelektrode — bewirkten schwache Induktionsströme, auf den
meisten Papillen sehr zusammengesetzte Empfindungen, unter welchen
ein vibrierendes sowie ein Gefühl von Kitze in den meisten Fällen über-
wiegend war. Gewöhnlich aber traten auch Geschmacksempfindungen
auf, vorherrschend Sauer, aber auch Suis und Bitter; aber nur auf den-
jenigen Papillen, die bei adäquatem Beiz sich als mit Geschmacksvermögen
begabt erwiesen hatten. Bei ähnlichen Versuchen mit dem konstanten
Strom zeigte der positive Pol die stärkste Wirkung und löste beinahe
auf allen sauerschmeckenden Papillen vorzugsweise sauren Geschniack
nebst einem Gefühl von Hitze aus. Der negative Pol erregte vorzugs-
weise süfsen und bitteren Geschmack nebst der Empfindung von Hitze,
zuweilen auch gleichzeitig eine kühlende Empfindung. Schwache Ströme
erweckten nie andere Geschmacksempfindungen als solche, die bei ge-
wöhnlicher Untersuchung mit schmeckbaren Substanzen ausgelöst werden
konnten.
^ Eine nach einer dreifach vererölserten Augenblicksphotographie
gezeichnete Abbildung der Zungenspitze ist der Abhandlung beigelegt.
Litterahirbmeht 145
Die gefundenen funktionellenVerschiedenlieiten zwischen den einzelnen
Papillen können nach der Ansicht des Verfassers nur erklärt werden
durch die Annahme spezifischer Endapparate, welche in relativ verschie-
dener Anzahl auf verschiedenen Papillen vorkommen, und bestätigen
daher auch für die Geschmacksempfindungen das Gresetz der specifischen
Sinnesenergien. Öhrwall (TJpsala).
Zahlreiche Angaben der Abhandlung Öhrwalls werden bestätigt
durch A. Gtoldscheider und H. Schmidt (Centralbh f, Physiol IV, 1890,
S. 10 — 12), auf Grund von gemeinsam angestellten Versuchen aus dem
Jahre 1885. Wie diese Autoren noch fanden, tritt bei wiederholter
Eeizung derselben Papille gelegentlich eine partielle Ermüdung für eine
bestimmte Geschmacksart ein, während die Empfindlichkeit für die
übrigen Geschmacksqualitäten noch fortbesteht. Nur bei Beizung mit
Essigsäure erfolgt Abstumpfung für alle Geschmacksarten.
Alfred Goldscheider: Über den Muskelsiim und die Theorie der Ataxie.
Zeitschrift für hlmische Median. Band XV. 1889, S. 82—161.
Derselbe: XJnterBUcliiingen über den Mnskelsinn. Arch. f Anat. u, Phys.
Phys. Abt. 1889. S. 369— 502. Suppl.-Bd. S. 141— 218. (Selbstanzeige.)
Die Frage nach dem Wesen des Muskelsinns ist eine weitergreifende
als der von Ch. Bell herrührende Name vermuten läfst und erledigt sich
nicht mit derjenigen nach der Muskel-Sensibilität. Wenn auch die
Entdeckung E. H. Webers, dafs wir ein feineres ünterscheidungsvermögen
für gehobene als für lastende Gewichte haben, den Muskel als Sitz eines
besonderen Sinnes erscheinen liefs und Sachs die von Bichat, Spiess,
Schiff angezweifelte Muskel -Sensibilität als vorhanden nachwies, so
wurden doch weiterhin Beobachtungen bekannt, welche berechtigte
Zweifel erregten, nicht nur, ob dieser Muskel -Sensibilität in dem ge-
samten Gebiete der dem Muskelsinn zugeschriebenen Sinnesleistungen
eine alleinige, sondern sogar, ob ihr überhaupt eine erhebliche Bedeutung
zukomme. Leyden beschrieb Fälle, bei welchen trotz des Verlustes der
Muskelsensibilität das Vermögen Gewichte zu unterscheiden und ebenso
dasjenige die Lage der Glieder zu erkennen, in normaler Weise fortbestand.
Es wurde vielfältig diskutiert, inwieweit die sensiblen Nerven der Haut,
femer der tieferen Teile wie Sehnen, Bänder, Gelenke, Knochen für die
fraglichen Sinnesleistungen heranzuziehen seien, und es wurde von manchen
Forschem den ersteren die hauptsächliche Bedeutung zuerkannt, während
andere das gemeinsame Wirken der oberflächlichen und tieferen Sensi-
bilität betonten. Daneben wurde aufgestellt, dafs der motorische Impuls
selbst empfanden werde und dieser Innervationsempfindung teils fttr sich,
teils in Verbindung mit jenen von der Peripherie zugeleiteten Sensationen
eine integrierende Bedeutung zugesprochen. Es kommt nun, wie ich
meine, nicht lediglich darauf an, welches Substrat dem Muskelsinn
diene, sondern gleichzeitig, auf welche Empfindungs- Elemente sich die
komplexen Sinnesleistungen, welche unter diesem Begriff subsummiert
werden, zurückführen lassen. Somit haben die vorliegenden Unter-
suchungen einmal eine Analyse der Empfindungen und weiter eine ent-
ZdtBChrin fttr Psychologie. 10
146 LUteraturhericht.
sprechende Scheidung der Substrate zum Gegenstand. Die erstere scheidet
die gesamten dem Muskelsinn zugeschriebenen Leistungen zunächst in
folgende Kategorien: 1. Empfindung passiver Bewegungen; 2. Empfindung
aktiver Bewegungen; 3. Wahrnehmung der Lage der Glieder; 4. Empfindimg
der Schwere imd des Widerstandes.
Bei der Untersuchimg der Fähigkeit passive Bewegungen zu em-
pfinden, wurde zunächst erstrebt Grenzwerte festzustellen. Die Versuchs-
reihen bezogen sich auf die Gelenke des linken Zeigefingers, das Hand-,
Ellbogen-, Schulter-, Hüft-, Knie- und Fufsgelenk. Unter Fixierung des
proximalen Körper- Abschnittes wurde der distal (nach der Peripherie zu)
von dem betreffenden Gelenk gelegene passiv bewegt, und zwar so, dafs
Erregungen des Druckgefühls der Haut möglichst ausgeschlossen wurden
(durch Bekleidung des zu bewegenden Gliedteiles mit einer mit Wasser
gefüllten Gummimanschette). Die Bewegungen, in Hebung und Senkung
bestehend, wurden bei den gröfseren Gliedabschnitten auf hydraulischem
Wege ausgelöst. Der bewegte Teil verzeichnete seine Exkursion in ver-
gröfsertem Mafsstabe auf einen rotierenden Cylinder, so dafs durch Aus-
messung der Abscissen- und Ordinatenwerte der zeitliche Verlauf und
die Gröfse des Ausschlags bestimmt und zugleich die Gleichmäfsigkeit
der Bewegung kontrolliert werden konnte. Bei maximaler aber noch nicht
Erschütterung erzeugender Geschwindigkeit der Bewegung ergaben sich
nun folgende Schwellenwerte für das Merklichwerden der Gelenk-Be-
wegung:
Zweites Interphalangeal-Gelenk (zw. Nagel- und Mittelglied) . 1,03—1,26®
Erstes Literphalangeal-Gelenk 0,72—1,05®
Metacarpo-Phalangeal-Gelenk (zw. Finger und Mittelhand . 0,34®— 0,48®
Handgelenk 0,26®— 0,42®
Ellbogengelenk 0,40®— 0,61®
Schultergelenk 0,22®— 0,42®
Hüftgelenk 0,50®— 0,79®
Kniegelenk 0,50®— 0,70®
Fufsgelenk 1,15®-1,30®
Bei Variation der Geschwindigkeiten stellte sich heraus, dafs für
diejenigen Gelenke, welche eines geringeren Exkursions -Winkels be-
durften, auch die Geschwindigkeit eine geringere sein durfte. Es liefs
sich ferner eine eigentümliche Beziehung zwischen ElongationsgrÖfse und
Geschwindigkeit ermitteln, derart, dafs mit zunehmender Elongation der
Bewegung die zum Merklichwerden notwendige Geschwindigkeit abnimmt.
Besondere Sorgfalt wurde der Frage zugewandt, ob bei einem und dem-
selben Gelenk die Variation der Ausgangsstellung Verschiedenheiten der
Schwellenwerte bedinge; es zeigte sich, dafs derselben ein nennenswerter
Einflufs nicht zukommt. Bezüglich des Substrates der Fähigkeit Be-
wegungen der Glieder zu empfinden komme ich zu dem Schlüsse, dafs
dieses in der tiefen Gelenk-Sensibilität zu suchen sei, wobei ich
mich namentlich auf Versuche stütze, in denen mittels des unterbrochenen
elektrischen Stromes eine Herabsetzung der Empfindlichkeit erzeugt
wurde. Auf Grund mehrerer hier nicht näher auszuführender Beweis-
momente stelle ich schliefslich den Satz auf, dafs die durch die Ver-
LiUeraturberichL 147
Schiebung der Glieder in den Gelenken entstehende Empfindung in
uns unmittelbar die Vorstellung des Bewegt werdens anspreche ^ dafs es
sich hierbei also um eine der Zustands- Änderung entspringende Be-
wegungs -Empfindung einfacher Art und nicht um eine aus den ver-
schiedenen, Anfangs-, End- und Zwischen -Zuständen abstrahierte Wahr-
nehmung handele, wobei ich mich auf die analoge von mehreren Autoren
vertretene Anschauung von einer Bewegungs- Empfindung der Netzhaut
stütze.
Weiterhin gelangt die Empfindung der Schwere zur Untersuchung.
Bezüglich der Versuchs-Anordnung lege ich Wert auf den Unterschied
zwischen eingliedriger und mehrglledriger Hebung. Bei letzterer, der
gewöhnlichen Art, entstehen fortgeleitete Wirkungen auf alle mitbe.
wegten Segmente, wodurch die Erscheinung kompliziert wird. Die
eingliedrige Hebung dagegen bei Fixierung der proximal vom bewegten
Gelenk gelegenen Segmente gestattete, den Einflufs der Sensibilität des
bewegten Teiles zu prüfen. Hierbei ergab sich, dafs die Empfindlich-
keit der Haut von keinem Belang ist, dafs dagegen eine Herabsetzung
der tieferen Sensibilität in der Gegend des Gelenks die Scj^were-
Empfindung sehr beeinträchtigt und das Substrat der letzteren wahr-
scheinlich hauptsächlich in den Sehnen gelegen ist. Der bei eingliedriger
Hebung entstehende Eindruck unterscheidet sich nun qualitativ von
demjenigen bei mehrglledriger Hebung: während nämlich bei letzterer
die deutliche Vorstellimg von einem aufserhalb des Gliedes befindlichen
schweren Objekt, welches an einer bestimmten Stelle angreift und in
einer bestimmten Baumlage lokalisiert wird, vorhanden ist, so hat man
bei eingliedriger Hebung nur die Empfindung einer erschwerten Bewe-
gung. Bei ersterem Verfahren tritt uns das Gewicht gleichsam plötzlich
entgegen, und wir fQhlen den Widerstand, welchen es uns bietet, ehe
wir es heben; bei letzterem fühlt man nur, dafs die vorher leichte
Bewegung schwerer von statten geht. Geeignete Versuche, bei welchen
mehrgliedrig gehoben, jedoch die Sensibilität der distalen, das Gewicht
haltenden Segmente herabgesetzt bez. die Mitwirkung derselben durch
Schienen ausgeschaltet wurde, zeigten, dafs der geschilderte Unterschied
in der That davon abhängig ist, ob das Gewicht unmittelbar am heben-
den Segment befestigt, oder vermittelst distaler haltender Segmente mit
ihm verbunden ist. Und zwar lassen uns letztere eine von der Schwere-
Empfindung zu sondernde Sensation, die Widerstands-Empfindung,
zukommen, welche nun weiterhin der Untersuchung unterworfen wird.
Es wird nachgewiesen, dafs es sich bei der Perception des Widerstandes
nicht um eine durch das Sistieren der Bewegung ausgelöste Veränderung
der ablaufenden Vorstellungen handelt, sondern um eine positive eigen-
artige Sensation. Als Substrat derselben ergeben sich mit grofser Wahr-
scheinlichkeit die Gelenkenden, welche durch den entstehenden Stofs
erschüttert bezw. gedrückt werden. Dafs die Wirkung von aufsen her
auf die Haut belanglos ist, geht unter anderem aus einer Erscheinung
hervor, welche ich als „paradoxe Widerstands-Empfindung" bezeichne :
wenn man ein an einem Faden hängendes Gewicht in der Schwebe hält
und senkt, so hat man die Empfindung der Schwere; sobald man es aber
10*
148 Litteraiurherieht
während der Abwärtsbewegung auf einen festen Körper aufsetzen läfst,
so hat man eine sehr deutliche Widerstands-Empfindung. Diese Sensa-
tion bedarf natürlich, um die Vorstellung eines äufseren Widerstandes
zu^erwecken, gewisser Verknüpfungen mit anderen Eindrücken und Vor-
stellungen; sind aber diese Bedingungen gegeben, so ist sie in hohem
Grade geeignet, aus der begleitenden Empfindung der erschwerten Be-
wegung die Vorstellung eines aufserhalb befindlichen schweren Objekts
zu entwickeln. Auch die Bruckempfindung dient zur Objektivierung, ist
jedoch entbehrlich. Hiermit ist der Unterschied bei Ausschilufs und bei
Mitwirkimg der distalen Segmente erklärt. Bezüglich der Frage, ob zum
Entstehen einer Vorstellung von der Schwere eines Objekts eine Inner-
vations-Empfindung als erforderlich angenommen werden müsse, führe
ich einen Versuch an, welcher die Wiederholung eines früher von
Bernhardt angestellten Versuches ist und darin besteht, dafs Gewichte
mittelst elektrischer Beizung des Muskels gehoben werden. Es zeigt
sich, dafs hierbei die Schwere-Empfindung gleichfalls zu stände kommt,
trotz Ausschliefsung des Willens -Impulses. Zu demselben Ergebnis
führt es, wenn die Muskel-Kontraktion auf dem Wege des Beflexes aus-
gelöst wird. Gleiches gilt für die Empfindung des Widerstandes. Die
Vorstellungen eines aufser uns befindlichen schweren Objektes oder
eines von aufsen wirkenden Widerstandes sind komplexe Produkte, aber
nicht aus Gliedern, welche die von uns aufgewendete Kraftleistung, so-
wie den Erfolg derselben in Form von Merkmalen, welche auf die Seele
wirken, umfassen, sondern aus solchen, welche von der gesamten Kette
von physiologischen Vorgängen lediglich die Veränderungen und Ein-
wirkungen, welche die der Aulsenwelt gegenübergestellte Peripherie des
Körpers erleidet, enthalten. Ejisuistlsch hat man das Vermögen, Gewichte
zu erkennen, bei herabgesetzter Sensibilität in manchen Fällen bedeutend
herabgesetzt, in anderen auffallend wenig beeinträchtigt gefunden. Dies
erklärt sich daraus, dafs man, wie die Untersuchungen gelehrt haben,
eine Schwere-Empfindung auch haben kann, wenn die AngrifPsstelle der
Last selbst anästhetisch ist, und dafs der funktionelle Ausfall der distalen
Segmente die Schwere-Empfindung zwar abstumpft, aber nicht aufhebt.
Bei der vergleichenden Prüfung dieses Vermögens an verschiedenen
Extremitäten sind bisher die statischen Verhältnisse nicht genügend, die
Mitwirkung der haltenden Segmente so gut wie gar nicht berücksichtigt
worden.
Bezüglich der Wahrnehmung der Lage und Haltung der Glieder
unterscheide ich zwischen der Stereognosie, d. h. der Wahrnehmung
von der Form des einzelnen Segments und der Enklisiognosie, d. h. der-
jenigen von der gegenseitigen Stellung der Segmente. Für beide Fähig-
keiten bilden, wie durch Versuche nachgewiesen wird, peripherische
Sensationen, nur in verschiedenartiger Verwertung, die Merkmale, welche
die betreffenden, durch Erfahrung erworbenen, optischen Vorstellungen
hervorrufen. Die Erörterung dieser verschiedenen Merkmale kann hier
nicht wiedergegeben werden.
Auch für die Perception der aktiven Bewegung konmien im wesent-
lichen von der Peripherie zugeleitete Sensationen in Betracht: so wird
lAUeraturbericht 149
durch Versuche gezeigt, dafs das merkliche Minimum von Exkursion bei
passiver und aktiver Bewegung sich nicht wesentlich voneinander unter-
scheiden. Durch künstliche Herabsetzimg der Sensibilität wird die
Bewegungsempfindung in derselben Weise abgestumpft wie für passive
Bewegungen. Es gelingt endlich, auch untermerkliche aktive Bewe^
.gungen auszuführen, so dafs also ein Übergang besteht von dem blofsen
Vorstellungsbild der Bewegung durch ein Stadium des Zweifels über
eine stattgehabte Willkür-Bewegung bis zum deutlichen Eindruck einer
solchen, ein Übergang, welcher durch die wachsende Elongationsgröfse
der Gelenkbewegung des peripherischen Gliedteiles markiert wird. Die
Vorstellung des aktiven Bewegens kommt dadurch zu stände, dafs eine
von der Peripherie zugeleitete Bewegungsempfindung einer vorher
gefaisten Beweg^ungsvorstellung entspricht. Auch die übrigen bei der
Ausführung willkürlicher Bewegungen uns zugehenden Empfindungen,
insoweit sie die vorher gefafste Bewegungsvorstellung angehen, werden
von uns als Attribute unserer Willensthätigkeit aufgefafst. Indem also
in die primäre Vorstellung einer intendierten Bewegung Bewegungs-
Empfindungen von einer gewissen Intensität, Schwere- und Widerstands-
Empfindungen von einer gewissen Intensität einschneiden, wird die Vor-
stellimg, dafs diese Empfindungen die Folge einer willkürlichen Hand-
lung sind, dahin erweitert, dafs letztere als ein Kraftaufwand von einer
gewissen Stärke gedeutet wird.
GoLDSCHEiDER (Berlin).
BuMPF. SenBibilitfttBStörung nnd Ataxie. Deutsch. Ärch. f. kUn, Med
Bd. XL VI. S. 35. Marburg.
Ataxie nennt man einen Zustand, in welchem die zu einer kompli-
cierten Bewegung notwendig zu innervierenden Muskelgruppen in einer
für die Erreichung des Zieles nicht zweckmäfsig koordinierten Weise
in Thätigkeit versetzt werden. (Defin. d. Eef.)
Nach Letdek, Goldscheide b u. a. kommt die Ataxie durch Störung
der Sensibilität zustande. Verfasser ist auf Grund klinischer Beobachtung
nicht dieser Ansicht. Er hat Fälle hochgradiger Sensibilitätsstörung
ohne Ataxie gesehen. Bei einem Patienten, der beide Erscheinungen
bot, untersuchte B., wie viel die Kontrole der Augen das Gefühl ersetzen
kann. Die Schrift des Gesunden wird durch Schlufs der Augen nicht
geändert. Ist Sensibilitätstönmg vorhanden, so wird die Schrift bei
Augenschlufs gröfser, ist noch Ataxie dabei, so wird sie noch deutlicher
ataktisch.
Verfasser giebt folgende Erklärung : Der Gesunde kontrolliert seine
Schrift mit den Augen. Schliefst er sie, so tritt das Centrum der Em-
pfindungen für die bewegten Apparate ein. Ist die Sensibilität herab-
gesetzt, so müssen die Bewegungen gröfser sein, um percipiert zu werden.
Daher wird die Schrift gröfser, aber nicht ataktisch.
Kronthal (Berlin).
150 LitteriUurbencht
A. BiNET. La concurrence des ^tats psychologiaiies. Beme phüos. F6yr.
1890. 8.138—155.
B. untersucht die Erscheinungen der sog. Enge des Bewufstseins
und zwar so, dafs er sie nach Möglichkeit mit einer graphisch registrier-
baren Aktion der Versuchspersonen verbindet. Er studiert 2 Fragen
1. Wie verändert sich ein einfacher willkürKcher Bewegungsvorgangr
durch das Hinzutreten eines anderen psychischen Vorgangs, wenn die
Aufmerksamkeit beiden möglichst gleichmäfsig zugewandt wird? 2. Was
geschieht, wenn bei möglichst energischer Koncentration der Aufmerk-
samkeit auf einen einzigen Vorgang der Organismus gleichzeitig noch
zu einer einfachen Bewegung veranlagst wird?
Zu 1: Ein mit einer Begistriervorrichtung verbimdener Kautschuk-
schlauch wird von einer Versuchsperson in einem bestimmten Rhythmus
je mehrere Male hintereinander gedrückt und dazu dann eine einfache
geistige Arbeit aufgetragen (Lesen, Bezitieren, Kopfrechnen). Es zeigt
sich, dafs die Bewegungen langsamer werden bis zum völligen Ausbleiben,
dafs die Stärke des Drucks nachläfst, die Anzahl der Drucke und ihre
Form unregelmäfsig wird und dergl. Bisweilen werden die Bewegungen
thatsächlich ausgeführt, kommen aber nicht ordentlich zum BewuTstsein ;
die Versuchsperson weifs nicht recht zu sagen, ob und wie sie gedrückt
hat. Zu 2: Es wird einer Versuchsperson aufgetragen, ihre Aufmerk-
samkeit energisch auf irgend eine Thätigkeit zu koncentrieren, und dann
ihrer Hand seitens des Experimentators eine einfache passive Bewe-
gung erteilt. Läfst der Antrieb des Experimentators allmählich nach,
so fährt die vorher geführte Hand automatisch in der begonnenen Be-
wegung fort. Die Sache gelingt um so besser, je mehr die Versuchs-
person anderweitig beschäftigt wird ; sehr sicher z. B. wenn ihre geistige
Thätigkeit mit lautem Aussprechen verbunden wird. Nur wenn die
Inanspruchnahme in einer komplicierten willkürlichen Bewegung der
einen Hand besteht, ist es nicht möglich, die andere zu einer anderen
automatischen Bewegung zu bringen. Ist die Aufmerksamkeit auf einen
rhythmisch sich abspielenden Vorgang gerichtet, so macht sich der
Rhythmus in automatischen Handbewegungen geltend auch ohne Zuthun
des Experimentators. Ebbinohaus.
G. Ballet. Die innerliclie Sprache nnd die verschiedenen Formen der
Aphasie. Nach d. 2. Aufl. übersetzt von Dr. P. Bongers. Leipzig u.
Wien, Deuticke. 1890. 196 S. m. 12 Abbld.
Das französische Original, eine zusammenfassende Darstellung der
in der CHARCOTSchen Schule herrschenden Anschauungen über den Sprach-
mechanismus, ist der Pariser Fakultät im März 1886 vorgelegt worden,
berücksichtigt daher noch nicht eine Beihe neuerer Arbeiten über den
Gegenstand, wie die von Werkicke und Grashey. Doch hat sich der
"Übersetzer das Verdienst erworben, den Standpunkt dieser beiden Forscher
in einem Anhangskapitel zum Vergleich zu skizzieren. Der Gang des
klar imd fesselnd geschriebenen Buches ist kurz folgender:
Der erste Teil giebt eine psychologische Analyse des normalen
Sprachmechanismus. B. betont die Notwendigkeit der Verbindung der
LittercOurherichL 151
psychologischen Zergliederung mit der klinischen Erfahrung, allgemeiner
der „ideologischen" mit der „biologischen" Mei^hode. Die psychologische
Untersuchung ergiebt das Wort als einen „SammelbegrijßE**, nämlich die
Verknüpfung von vier Bildergattungen, einem Gehörs- (Sprach-), Gesichts-
(Schrift-), Sprech- und Schreibe-Bilde. Sie bilden zusammen die „inner-
liche Sprache", welche unser Denken als seinen „Körper" begleitet. Die
Menschen zerfallen, je nachdem sie sich vorwiegend einer dieser inneren
Sprach Verrichtungen bedienen, in die vier Gruppen der in Sprach-,
Schrift-, Sprech- und Schreibvorstellungen Denkenden. Dazu kommt die
fünfte der „Gemischten". Jeder dieser Typen wird an Beispielen lebendig
charakterisiert.
Die Hauptformen der unter dem Titel der Aphasie zusammenge-
fafsten Sprachstörungen, welchen der zweite umfangreichere Teil gewidmet
ist, bestehen für den Verfasser in dem Verlust einer jener Bildergattungen.
Der Verlust der Sprachbilder ergiebt: Worttaubheit; Erlöschen der
Schriftbilder: Wortblindheit; Einbufse des Sprachgedächtnisses: mo-
torische Aphasie; des Schreibgedächtnisses: Agraphie.
Im Unterschiede von den mehr den Komplikationen des thatsäch-
lichen klinischen Materials nachgehenden deutschen Forschern, legt B.
den Hauptwert auf die scharfe Herausarbeitung dieser vier Idealtypen,
womit er jedenfalls ein durch seine leichte Fafslichkeit für die einfüh-
rende Orientierung sehr geeignetes Schema gewinnt.
Diejenigen Störungen, welche aus einer Unterbrechung der Verbin-
dungen der Bildergattungen untereinander hervorgehen, die sog. Leitungs-
aphasien, werden nur gestreift, als noch nicht so sicher erkannt wie die
„unkomplicierten Fälle". Das LiOHTHEiHSche System wird als »jgeist-
reicher Versuch" beurteilt.
Eine absolute und allgemeine Unterordnung einzelner dieser Funktio-
nen unter andere oder, anatomisch gesprochen, der betreffenden Centren
untereinander, wie sie fast allgemein in Deutschland angenommen wird
(wie des Schreibecentrums unter das Schriftcentrum und beider unter das
Sprachcentrum), will Verfasser nicht anerkennen. Die durch den Sym-
ptomenkomplex häufig angezeigten thatsächlichen Unterordnungen führt
B. auf die geistige, durch Anlage und Ausbildung bedingte Verfassung
der betr. Individuen vor ihrer Erkrankung zurück, wie er überhaupt
den psychologischen Typus eines Individuums (s. oben) weitgehend zur
Erklärung der die Hauptform der Aphasie begleitenden Neben- und
Allgemeinstörungen verwertet.
Zum Schlufs wird jeder der vier Sprachverrichtungen ein Centrum
zugewiesen (den Sprach- und Sprechbildern in der ersten Schläfen- bezw.
dritten Stimwindung als sicher, den Schreib- und Schriftbildern in der
zweiten Stimwindung bezw. dem unteren Scheitellappen als höchst
wahrscheinlich) und eine Anleitung zur Erkennung der verschiedenen
Formen der Aphasie gegeben. Liefmank (Berlin).
J. WoLFP (Prof, d. Philos. a. d. Univ. Freiburg, Schweiz). Das Bewilfst-
sein und sein Objekt. Berlin, Mayer & Müller. 1889. 620 S. JH 12.
Das Buch stellt sich dem Eeferenten dar als eine Wissenschafts-
152 LiUeraturbericht
lehre, in der aber empirisclie Psychologie und Metaphysik sich gegen-
seitig erläutern sollen. Zwar fehlt die Formel der FicHTESchen Wissen-
schaftslehre vom Ich und Nicht-Ich bei Wolff, aber seine Darlegungen
erinnerten den Beferenten an Fichte und so mittelbar auch an Kakts
synthetische Einheit der Apperception. Ist gegen jene „Erläuterung^'
durch empirische Psychologie (wobei Neuere öfter berücksichtigt werden)
nichts einzuwenden, so scheint dem Beferenten gerade zu bedauern, dafs
vielmehr jene andern alten Fragen, aus deren Behandlung nichts Neues
zu erhoffen ist, so viel Baum in Anspruch nehmen.
Läfst sich Bewufstsein zunächst ganz allgemein als „Interesse^'
bestimmen (31. 98), so näher in der Art, dafs es einheitlich ist, also
Fühlen des Fühlens, Wollen des WoUens, nicht reflektiertes Wissen vom
Fühlen u. s. w. Die Doppelheit des psychischen Aktes und das Wissen
davon sind eins (94. 97), das reine Bewufstsein nicht etwas von seinen
Akten verschiedenes (68). Nachdem seine Definitionen geprüft sind (75.
82. 86) und sein Verhältnis zur Aufmerksamkeit (59 f.), wird das psycho-
logisch Unbewofste eingehend bekämpft (101 f. 178). Statt seiner sei
Asscoiation (137. 166. 191) und Gewohnheit (180) zur Erklärung der Phäno-
mene zu benutzen. Nicht einmal „die kleinsten Elemente der Empfindungen^
seien unbewufst (145). Entgegenstehende Thatsachen, wie Beflexbewe-
gungen und Instinkte (161 f.), besonders das Gedächtnis (209 f.) werden
ausführlich besprochen. '
Bewufstsein hat die Seele. Sie ist Substanz oder Substrat (11. 297),
aber ohne besondere „Anlagen'' (203). Ihr Verhältnis zum Leibe 430,
Sitz des Bewufstseins 215, Lokalisierung der Empfindung 411 f. Alle Ein-
heit des Wissens hat ihren Grund im Ich (231. 245. 275. 263).
Das Objekt ist natürlich zuerst ein inneres (315 f.), woraus sich
das äufsere „entwickelt" (332. 350 f.). Dafür ist die Analyse der Leibes-
empfindung von besonderer Wichtigkeit (372 f. 404). Die erste Empfindung
ist die des Baumes (473 f. 494. 500. 513), und zwar ist sie Qualitäten-
Empfindung, so dafs Verfasser hierin weder Kant noch Lotze, sondern
einigermafsen nur Spekceb beistimmt (507 f.).
Ist nun das Objekt als äufseres, inneres (= psychischer Akt in seinen
Modifikationen, Urteil, Gefühl, Wille), auch als Subjekt, das von sich
selbst weifs, betrachtet, so ist noch das Verhältnis des Leibes zur Aufsen-
welt (522 f.), sowie das der Beflexion zum primären Bewufstsein (573.
591), endlich der Wert und die Sicherheit des Wissens selbst (7. 603) fest-
zustellen. K. Bküchhann (Berlin).
A. Mosso. Die Furcht. Aus dem Italien, von W. Fikgeb. Mit 7 Holz-
sehn. u. 2 Lichtdrucktafeln. Leipzig, Hirzel. 1889. 251 S. ü. 5.
Dabwin versuchte bekanntlich die Ausdrucksbewegungen, zwar
nicht ausschliefslich aber doch vorwiegend, als Bewegungen aufzufassen,
die ursprünglich einmal einen irgendwie gewollten Sinn hatten oder mit
absichtlich Gewolltem in engem Zusammenhang standen, und dann durch
Vererbung im Laufe zahlreicher Generationen zu festen Gewohnheiten wur-
den, auch wo der ursprüngliche Sinn verloren ging. Das Aufreifsen von
Augen und Mund z. B. in der Furcht lasse sich verstehen, meint er, als
Litteraturbericht. 153
ein Mittel, in der Gefahr so scharf als möglich zu sehen und so deutlich
als möglich zu hören; Herzklopfen, Schweifs, Zittern u. s. w. aus den
Anstrengungen, dem Gegner zu entfliehen oder sich seiner zu erwehren.
Gewohntermafsen tritt das alles jetzt regelmäfsig ein, wenn wir uns
fürchten, auch wo es gar nichts zu sehen oder scharf zu hören gieht
und ein eigentlicher Gegner gar nicht vorhanden ist.
Gegen diese Auffassimg wendet sich der Grundgedanke des Mosso-
sehen Buches. Die Ausdrucksbewegungen der Furcht sind nichts irgend-
wann wegen seiner Zweckmäfsigkeit absichtlich Gewolltes oder mit einem
gewollten Zwecke irgendwie Zusammenhängendes, sondern lediglich
Beflexbewegungen. Freilich stehen sie, wie alle Eeflexbewegungen, im
Dienste eines bedeutenden Zweckes, aber nicht sie sind das, worauf es
dabei eigentlich ankommt. Sie bilden blofse Nebeneffekte, welche die
Natur sozusagen mit in den Kauf nehmen mufste, indem sie aus anderen
Rücksichten gewisse verwickelte Anordnungen zum Besten des Organismus
schuf. Durchweg die höchste Sorge bei Beizungen des Nervensystems
zeigt die Natur für dessen ausgiebige Ernährung. Selbst bei den gering-
fügigsten Eindrücken verstärkt sie sofort den Blutreichtum des Gehirns.
So auch bei den Eindrücken, die uns fürchten machen; nur besonders
stark in diesem Falle, weil auch die Beizung einen starken Angriff dar-
stellt. Daher die plötzliche Blutleere nicht nur der Haut, sondern des
ganzen übrigen Organismus, sowie die Verstärkung des Herzschlages. Das
Hintreiben des Blutes zum Gehirn geschieht durch Kontraktion der die
Gefäfswände bekleidenden Muskeln. Gefäfsverengerungen sind aber
regelmäfsig begleitet von Kontraktionen der glatten Muskulatur über
haupt. Daher die Zusammenschnürung der Blase imd der Därme, das
Auspressen des Schweifses, die Gänsehaut und das Aufrichten der Haare,
sowie die mit Kontraktion der glatten Muskeln stets Hand in Hand
gehende Erweiterung der Pupille (durch die das Sehen viel undeutlicher
wird, als es durch Aufreif sen der Augen verbessert werden könnte).
Alles das wird begleitet von Veränderungen der Atmung, von Be-
klemmungen und einem Bingen nach Luft; aber auch hierin äufsert
sich nichts Anderes, als was bei jeder stärkeren Beizung, z. B. bei
einem Sturzbade, eintritt. Die mit den höchsten Graden der Furcht
verbundenen Ausdrucksbewegungen, das heftige Zittern, das Wanken
der Knie, die allgemeine Lähmung der willkürlichen Muskeln sind Zeichen
der Schwäche, hervorgerufen durch die von den höchsten Graden der
Beizung verursachte Erschöpfung. Für die Erhaltung des Organismus
sind diese Äufserungen direkt unzweckmäfsig, da sie seine leichtere
Vernichtung durch den Gegner ermöglichen ; sie sind daher geradezu
als Krankheitserscheinungen aufzufassen.
Das Buch ist mit einer behaglichen Breite geschrieben, die an den
Gelegenheiten zu einem kleinen Exkurs nicht vorübergeht. Daraus ent-
springen z. B. in der Einleitung treffende allgemeine Bemerkungen
über die physiologischen Funktionen von Gehirn und Bückenmark,
weiterhin ein (in dem italienischen Original fehlendes) Kapitel über den
Schmerz, mit 16 vortrefflichen Momentphotographien eines schmerzver-
zogenen Gesichts. Ebbivghaus.
1 54 Litieraturberich t
£. Mendel. Der Hypnoüsillllg. Sammlung gemeimerst. wiss. Vartr, v. Virghow
u. WiTTEKBACH. Heft 93, 1890 (38 S.). A 0,80.
Ein einleitender historischer Überblick ergiebt dem Verfasser fol-
gendes : Die heute als „Hy pnotismus^^ bezeichneten Erscheinungen waren
den Menschen seit Urzeiten bekannt. Die Methode des „Anstarrens^
wurde schon von den alten Aegyptern geübt. Selbst die „Suggestion'^
der Nancy er hat ihre Vorgängerin in dem „Dormez^* des Abbe de Faria
(1819). Von jeher wurden die Erscheinungen zu Wimderkuren imd zu
Gunsten eines religiösen Mysticismus benutzt, von jeher von Schwindlern
zu ihrem Vorteil ausgebeutet. Ebenso aber haben stets wissenschaftliche
Kommissionen die Haltlosigkeit der mystischen Verwertung der Phäno-*
mene und die Beimischung offenbaren Betruges konstatiert.
Zu der heutigen Bewegung nimmt Verfasser folgendermafsen Stel*
lung: Von den neueren Untersuchungen dieses Gegenstandes haben wissen-
schaftlichen Wert nur die Charcots, seiner Schule und einiger deutscher
an jene sich anschliefsender Forscher. Die Nancy er Gegner sind durch
Leichtgläubigkeit und Kritiklosigkeit argen Täuschungen verfallen, so-
wohl in der Annahme unglaublichster Wunder, wie durch ihr excen-
trisches Vertrauen zu der Heil- und Erziehimgskraft des Hypnotismus.
Unzweifelhaft ist, dafs sich durch Fixierung und Suggestion Zu-
stände der Anästhesie, Katalepsie, Sinnestäuschungen, Nachahmungsbe-
wegungen u. s. w. erzielen lassen. Sie charakterisieren sich wesentlich
als Zustände krankhaft gesteigerter Einbildungskraft, was aber keine
Erklärung ist, wie überhaupt eine solche bisher fehlt.
Die Erscheinungen sind nur bei nervösen, meist hysterischen
Personen hervorzurufen, und sind als akute Geisteskrankheit aufzufassen»
Nur eine beschränkte Gruppe von Krankheitserscheinungen läfst sich
durch Hypnose beseitigen, meist gelingt es nur Symptome zu entfernen.
Wiederholtes Hypnotisieren wirkt andrerseits häufig durchaus schädi«
gend auf das Nervensystem.
Den Mitteilungen der „Enthusiasten" ist daher mit gröfster Vor-
sicht und kritischer Zurückhaltung zu begegnen. Vor ausgedehnter
leichtfertiger therapeutischer Verwendung der Hypnose ist als geradezu
unheilstiftend aufs dringendste zu warnen.
LiEPMANN (Berlin).
über die kleinsten wahrnehmbaren Gesichtswinkel
in den verschiedenen Teilen des Spektrums.
Von
Dr. W. Uhthoff,
Privatdocent in Berlin.
Über die Grrenzen der Wahnielimbarkeit kleinster Objekte,
resp. den kleinsten Gesichtswinkel, unter welchem das normale
menschliche Auge noch erkennt, liegen eine Reihe von Unter-
suchungen früherer Beobachter vor. Wenn wir von der frühem
Diskussion der Frage, unter einem wie kleinem G-esichts-
winkel 2 Sterne voneinander differenziert werden können
(Hocke, Mabdlbb, Humboldt, Aübert, Maüthner u. a.) absehen,
da Sterne, wie Mauthnbr sehr richtig betont, aus verschiedenen
Gründen sehr ungeeignete Objekte zur Feststellung des kleinsten
Gesichtswinkels für das normale Auge sind und gewöhnlich
viel zu groüse Werte liefern, so beginnen auch hier wieder die
mafsgebenden Experimente mit günstigeren Prüfungsobjekten
mit den Untersuchungen von Tobias Mater {Commentar Soc. reg.
Scientiar. Goettingens. Tom. IV. 1754). Er benutzte schwarze
parallele Linien auf weiTsem Grunde, weiTse' Quadrate durch
«in schwarzes Gitter getrennt, und weifse und schwarze Vier-
ecke im Schachbrettmuster miteinander wechselnd. Hieran
Bchliefsen sich die Untersuchungen von Huege (^Über die
Oreneen des Sehvermögens^^ Müllers Arch, 1840) mit schwarzen
Punkten auf weifsem Grunde, von A. W. Volkmann („flfeAen".
Wagners Handwörterbtich der Physiologie, Bd. HI., pag. 329,
1846) mit 2 Spinnwebf&den, von E. H. Weber {^Über den
Maumsinn und die Empfindtmgshreise in der Haut und im Auge^,
Berichte über die Verhandlungen der Königl Sachs, GeseUsch. der
Zeltschrift fQr Psyclioloffle. 11
l
156 W. ühthoff,
Wissensch. zu Leipzig, matheiQat.-pliysikal. Klasse, 1852), wo
Th. Wbbbr und mehrere andere Untersnchmigen mit paral-
lelen schwarzen Linien mit gleich breiten weiTsen Zwischen-
ränmen anstellten, von C. BEBGifANN {j^Änatomisdies und Physio-
logisches über die Netzhaut des Auges^^ ZeUschr. für rat. Medio.
von Henle und Tfeuffer, 3. Eeihe, Bd. 11., 1868, pag. 83—108)
mit parallelen Linien mit gleichbreiten' Zwischenräumen, von
Helmholtz {j^Physiol Optih^y I. Auflage), von Hirschmann (dito),
mit feinem Drahtgitter, Drähte und Zwischenräume gleich breit,,
von AüBBRT (j^Physiol. Optik^ ^ Handb. d, ges. Augenheük. von
Oraefe und Saemisch) für weiTse und schwarze Quadrate, von C
DU Bois-Rbtmond {^Seheinheit und Meinster Sehwinkd^^ v. Graefes
Ärch. XXXn., Heft 3. 1886) mit siebförmig, regelmäfsig durch-
löchertem Stanniolblatt von Werthheih ii^Uber die Zahl der
Seheinheiten im mitäeren Teile der Netzhaut^ , v. Oraefes Areh,
/. Ophthalm.y XXXTTT. , Abt. 2). Derselbe benutzte die ana-
loge Untersuchungsvorrichtung wie 0. du Bois-Rbymond,
prüfte auch excentrische Netzhautpartien und ebenso in ver-
schiedenfarbigem, wenn auch nicht spektralem Lichte. Die
Resultate dieser Untersuchungen finden sich zum grofsen Teil
tabellarisch geordnet in der 2. Auflage von Helmholt z^ Physiot,
Optik zusammengestellt und ergeben abgesehen von einigen
Versuchsresultaten doch im ganzen übereinstimmende, wenn
auch je nach der individueUen Beschaffenheit des untersuchten
normalen Auges, etwas voneinander abweichende Resultate.
Auch die Bückschlüsse verschiedener Autoren aus diesen Ver-
suchen auf die Zahl und Gröfse der Zapfen im Netzhautcentrom
stehen in ziemlichem Einklang mit den anatomischen Unter-
suchungen über die Gröfse der perzipierenden Elemente
(KoELLiKEB, M. ScHULTZB, H. MüLLEB, Welcbsr u. a.) Und über
die Anzahl derselben in der Netzhautgrube (F. Salzer: Sitz.-
Bericht d. K. Akadetn. d. Wissensch, in Wien, LXXXI., 3. Abt.
1880, Januarheft.).
Li Anschlufs nun an meine ft'üheren Untersuchungen über
das Verhalten der Sehschärfe bei verschiedenen Beleuchtungs-
intensitäten und den verschiedenen Wellenlängen im Spektrum
{v. Graefes Ärch. f. Ophthahn., XXXH. pag. 171 u. XXXVI.,
Heft 1) trat an mich noch die Aufgabe heran, mit möglichster
Schärfe den kleinsten Gesichtswinkel in den verschiedenen
Teüen des Spektrums zu bestimmen und diese Werte unter-
über die lUeinaten wahrnehmbaren G^sichtstoinkel. 157
einander zu vergleichen, Versuche, die bis dahin im reinen
spektralen monochromatischen Lichte noch nicht ausgeführt
worden waren. Die Prüfxmg mit den früher benutzten Snbllbn-
schen Haken schien für diesen speciellen Zweck nicht ganz
auszureichen. Nach Vorschlag von Prof. Kobnio, der mich auch
bei diesen Versuchen in gütigster Weise unterstützte, wurde von
dem Mechaniker Nobhden im physikalischen Institut ein ganz
feines Drahtgitter angefertigt, in welchem die einzelnen feinen
Drähte genau um ihre Dicke auseinander standen. Es wurde
dies in der Weise erreicht, dafs 2 ganz gleich starke Drähte
nebeneinander aufgewickelt wurden, worauf dann später der
eine wieder abgerollt ward. Die Messung mit der Teilmaschine,
welche Prof. EoEKia ausführte, ergab für den einzelnen Draht
und Zwischenraum ein Durchschnittsmafs von 0,0463 imn und
von der Mittellinie eines Drahtes bis zur Mittellinie des anderen
gerechnet, also eine Entfernung von 0,0926 mm. Die Versuchs-
anordnung war im übrigen eine analoge wie die in meiner
letzten Arbeit {v. Oraefes Ärch. f. OpMhaJm, XXXVI., pag. 37)
abgebildete. Vermittelst eines grofsen mit zimmtsaurem Äthyl-
äther gefüllten Prismas und Linsen von entsprechender Qröise
wurde ein Spektrum von etwas mehr als 20 cm Länge erzeugt.
In der Ebene dieses Spektrums befand sich ein verschiebbarer
Metallschirm mit einer ungefähr 3 mm im Durchmesser enthal-
tenden Öffnung. Dem durch die Öffnung hindurch blickenden
Beobachter erschien dann die Prismenfläche in derjenigen
Spektralfarbe leuchtend, welche dem auf die Offiiung fallenden
Spektralteil entsprach. Auf einer Schnurbahn konnte zwischen
Auge und Prisma das oben beschriebene Gritter entfernt und
genähert werden. So war es also möglich, in einem rein
monochromatisch spektral erleuchteten gröiseren Felde den
kleinsten Gresichtswinkel für die Stäbe und Zwischenräume des
Gitters aufzufinden. Im ganzen wurden bei 7 verschiedenen
Wellenlängen des Spektrums auf diese Weise die gröfstmög-
liehen Sehschärfen festgestellt sowohl für das Auge von Prof.
KoBNie als für mein eigenes, natürlich mit jedesmaliger genauer
Korrektion des Auges. Die Helligkeit wurde so gewählt, dais
bei einer weitem Steigerung derselben keine Verminderung
des kleinsten wahrnehmbaren Gesichtswinkels eintrat, wovon
wir uns jedesmal durch den direkten Versuch überzeugten.
Um diese Intensität zu erzeugen, mufste für die Wellenlängen
11*
168
W. Uhthoff.
670, 535, 505, 430, 470 fifi ZirkonUcht, für 605 und 575 /i*/*
konnte jedoch Ghaslicht verwendet werden.
Die Besnltate waren folgende (unter Annahme der Net»-
KoKsriG :
Wellenlänge
Entfern, d. Unter-
such, y. Gitter
Gedchtswijikel KetxhftvtblldgrSfoe
ffir 1 Draht v. 1 Draht
KetKhautbildg.
V. 1 Draht n.
1 Zwischenraum
670^^
300,6 mm
31,7"
0,0023 mm
0,0046 mm
605 „
285,0 „
33,5"
0,0024 „
0,0048 „
575 „
285,8 „
33,4"
0,0024 „
0,0048 „
535 „
293,8 „
32,6 "
0,0023 „
0,0046 „
505 „
290,4 ,
32,8 "
0,0023 „
0,0046 „
470 „
293,4 „
32,5 "
0,0023 „
0,0046 „
430,,
286,8 ,.
33,4"
0,0024 „
0,0048 „
Uhthoff:
670^^
337,6 mm
28,2 "
0,0022 mm
0,0044 mm
605 „
358,6 „
26,6"
0,0019 „
0,0038 „
575,,
358,8 „
26,6 "
0,0019 „
0,0038 „
635,,
340,8 „
28,8 "
0,0020 „
0,0040 „
505 „
342,8 „
27,8"
0,0020 „
0,0040 „
470 „
343,0 „
27,8 "
0,0020 „
0,0040 „
430,,
337,4 „
28,3 "
0,0020 „
0,0040 „
Der Durchschnittswert des kleinsten Gesichtswinkels resp.
des kleinsten Netzhautbildes von 1 Draht oder 1 Zwischen-
raum beträgt somit:
KoENiG :
kleinst. Gesichtsw. = 32,8 " = kleinst. Netzhb. = 0,00234 mm
Uhthoff :
kleinst. „ =27,6"= „ „ =0,002 „
Aus den obigen Tabellen ergibt sich zunächst, dafs der
kleinste Gesichtswinkel resp. die gröfste erreichbare Sehschärfe
in den verschiedenen Teilen des Spektrum im wesentlichen
dieselbe ist, sobald es nur gelingt, ein hinreichend helles spek-
trales monochromatisches Feld herzustellen. Nur die Zahlen
bei Wellenlänge 605 und 575 fifi weichen sowohl bei Koenig als
bei mir etwas von den übrigen ab, und zwar sind sie bei
Koenig etwas kleiner, bei mir etwas gröfser als die andern.
Es erklärt sich diese kleine Abweichung der Besultate wohl
daraus, dafs sie an einem andern Tage gewonnen wurden.
Im übrigen also bestätigen auch diese Gitterversuche meine
früher mit den SNELLENschen Haken im spektralen Licht ge-
über die kleinsten wihrnehmbaren Qesichtsmnkel 159
woimenen Ergebnisse über die Höhe der erreicilbaren Seh-
schärfe in den verschiedenen Teilen des Spektrums. loh er-
innere hier auch an die Angaben Wjsrthheims (1. c), der eben-
£Edl8 einzehie Versuche über die gröfstmögliche Sehschärfe im
farbigen Licht (farbige Gläser) angestellt hat und kurz anfahrt ,
dafs im roten und grünen licht die Sehschärfe im wesent-
lichen dieselbe sei, wie far gemischtes Licht; tax Blau dies
nachzuweisen, war ihm jedoch nicht möglich, da ihm kein
geeignetes homogenes Glas zur Verfügung stand.
Wenn ich mich den Ausführungen von v. Hblmholtz an-
schliefse und nicht den Abstand 2 Drähte resp. die Dicke
1 Drahtes als kleinstes Objekt rechne, sondern die Breite eines
Drahtes und eines Zwischenraumes zusammen genommen, so
beträgt far Koenig der kleinste Gesichtswinkel 65,6 Sekunden,
die dazu gehörige Netzhautbildgröüae 0,00468 mm, und far mein
eigenes Auge Gesichtswinkel = 55,2 Sekunden und dazu ge-
hörige Netzhautbildgröfse = 0,004 mm. Hierbei ist zu be-
merken, dafs bei Prof. KosNia mit einer Myopie von 10 D die
Netzhautknotenpunktdistanz wohl ziemlich sicher gröfser als
der in Bechnung gezogene Wert ist. Wir können daraus nach
y. HsLMHOLTZ den Schlufs ziehen, dafs der Durchmesser der per-
cipierenden Elemente in der Netzhautgrube jedenfalls nicht
kleiner als 0,00234 mm und nicht gröfser als 0,00468 mm für
KoBNiG ist, und für mich zwischen 0,002 mm und 0,004 mm liegt ;
denn der kleinste erkennbare Abstand zwischen den einander
zugekehrten Bändern zweier Drähte beträgt = 0,00234 mm
(Kobnig) und 0,002 mm (Uhthofp) ; würde der Durchmesser eines
percipierenden Elementes noch kleiner sein, so müfste auch
ein noch kleinerer Abstand von einem normalen Auge erkannt
werden, da wir annehmen können, dafs jedenfalls nicht mehr
als 1 percipierendes Element von dem Bilde eines Stäbchens
gedeckt zu sein braucht, um denselben als schwarzen Zwischen-
raum empfinden zu lassen. Auf der andern Seite aber liegt
auf der Hand, dafs der Durchmesser des percipierenden Ele-
mentes gröfser sein kann, als das kleinste Netzhautbild eines
einzelnen Drahtes ; denn, selbst wenn die Oberfläche des perci-
pierenden Elementes noch aus dem dunklen Bilde eines
Drahtes in die benachbarten hellen Bilder der angrenzenden
Zwischenräume hineinragt, so 'wird doch noch eine Empfindung
einer lichtleeren Lücke ausgelöst werden, so lange das be-
160 w. üh^o/f.
treffende Element weniger Licht als seine Nachbarn erhalt;
erst wenn es ebenso viel Licht von den Bildern der angrenzen-
den heuen Zwischenräome erhält wie die Nachbarn, ma£s die
ünterscheidnng des Objektes als Gitter aufhören. Darum
feübrte V. Hblmholtz das Bild von der Mittellinie eines Drahtes
resp. eines Zwischenranmes bis zur Mittellinie des benachbarten
als das kleinste Netzhautbild ein und rechnete auch in seiner
aufgestellten Tabelle in diesem Sinne die Besultate früherer
TJntersucher um. Es ergibt sich also in ziemlicher Überein-
stimmung mit frühem üntersuchem, dafs ungefähr ein G-esichts-
Winkel von 1 Minute der kleinste war, unter welchem noch
erkannt wurde, in den verschiedenen Teilen des Spektrums bei
KoENio etwas grölser, 65,6 Sekunden, bei mir etwas kleiner,
55,2 Sekunden. — Dafs die von Volkmahn für den Baumsinn
gewonnenen Werte so niedrig ausfielen (Gesichtswinkel 147,5^07
liegt wohl zum Teil, wie schon E. H. Wbbeb in seiner Abhand-
lung hervorhebt, daran, „dafs die Spinnwebfaden verhältnis-
mäßig zu ihrer eignen Dicke weitläufig lagen, denn unter
diesen umständen sind wohl die Zwischenräume grols genug,
um sie aus gröfserer Entfernung als die hier angewendete noch
wahrzunehmen, aber die Fäden sind zu dünn, um sie in einer
solchen Entfernung zu sehen. ^ Übrigens erzielte ein zweiter
TJntersucher mit denselben Spinnwebfaden Yolemanns einen
erheblich kleineren Gesichtswinkel (80,4 '0- Auf die von Volk-
HANN besonders betonten Irradiationserscheinungen bei An-
wendung von Gittern und Liniensystemen ist bei unsem Unter-
suchungen, ebenso wie auch von den meisten andern Unter-
Suchern keine besondere Bücksicht genommen. Im übrigen
glaube ich, dafs unsere Yersuchsanordnung für die Auffindung
des kleinsten Gesichtswinkels in den verschiedenen Teilen des
Spektrums eine zweckmälsige war, und dafs dadurch auch
möglichst die von Aubbrt so mit Becht hervorgehobenen
Übelstände bei derartigen Versuchen vermieden waren.
Die ästhetischen Gefühle.
Von
A. DöRINQ.
I.
Es handelt sich hier um das Problem, diejenige Species der
Oefuhle, die als Lust aus dem Schönen und als Unlust aus dem
Häfslichen jedem bekannt sind und im Einzelfalle instinktiv
ziemlich richtig von anderen Grefühlen unterschieden werden,
durch sichere Merkmale von den übrigen koordinierten Species
abzusondern und als eine selbständige G-ruppe innerhalb der
Gefiählswelt aufzuweisen. Dafs ein neuer Lösungsversuch dieses
Problems seine Berechtigung hat, bedarf ftir den, der mit den
vorhandenen Begriffsbestimmungen des Schönen und Häfslichen
vertraut ist, keiner Begründung.
Um überhaupt zu einer fruchtbaren Übersicht und Ghrup-
pierung der Geftihle zu gelangen, sind bekanntUch die den Ge-
fiihlen selbst anhaftenden Verschiedenheiten, wie Stärke, Dauer,
Lust- und Unlustqualität nicht ausreichend. Es bedarf dazu
vielmehr eines Zurückgreifens auf die Gefühlsursachen. Freilich
nicht auf die äulseren Ursachen — das würde zu zoologischen,
meteorologischen und wer weifs was sonst für G-efühlen führen — ,
sondern auf die inneren Ursachen der G-efühle. Li Bezug auf
diese ist der Begriff des Bedürfnisses von fundamentaler
Bedeutung.
Schon der gewöhnliche Sprachgebrauch versteht unter Be-
dürfois nur im abgeleiteten Sinne ein Befriedigungsmittel, ein
äufseres afßzierendes, im ursprünglichen Sinne aber eine Be-
schaffenheit unsrer Organisation, vermöge deren bestimmte
Arten der Affektion Lust, ihr Ausbleiben oder das Eintreten
solcher Affektionen, die zu den lustbringenden im Q-egensatze
stehen, Unlust auslöst. Nicht als ob uns die Bedürfiiisse nach
162 Ä. Döring.
ihrer Beschaffenheit an sich miniittelbar vor Angen lägen oder
erkennbar wären; nnr die durchgängige gegensätsdiche Koordi-
nation gewisser Ghrnppen von äniseren GefELhlsursachen ermöglicht
ihre Erschlielsnng als des inneren Bealgmndes bestimmter
Gruppen von Gefühlen nnd damit eine brauchbare Einteilnng
der Gefohle. Indirekt nämlich bilden die durch das Band dieser
gegensätzlichen Koordination zusammengehaltenen Gruppen der
äufseren Gefohlsursachen, direkt die ihnen entsprechenden
Ghruppen zusammengehöriger Lust- und ünlustgefuhle den Er-
kenntnisgrund bestimmter Bedürfhisse als innerer Geföhls-
Ursachen.
Nach diesem Verfahren der Erschliefsung sind wir in Stand
gesetzt, die primären oder Grundbedürfnisse unsrer Orga-
nisation systematisch aufzustellen. Wir dürfen wohl von vorn-
herein erwarten, wenn wir nicht die noch unentwickelte oder in
ihrer Entwickelung verkümmerte, sondern die normal entwickelte
Menschennatur als mafsgebend zu Grunde legen, unter diesen
primären Bedürfhissen auch dasjenige anzutreffen, dem die
ästhetischen Gefühle entspringen. Die hervorragende Position
der letzteren in der Gesamtheit des menschlichen Gefühlslebens
verbürgt uns dies. Unser Problem würde sich also auf die Frage
zuspitzen: Welcher Gruppe der menschlichen Grund-
bedürfnisse entspringen die ästhetischen Gefühle?
Ich habe in meiner „Phüosaphischen Grüterlehre" (1888) mit
ausführUcher Begründung den Versuch gemacht, die Tafel der
menschlichen Grundbedürfmsse zu entwerfen. Hier soU ein ab-
gekürztes Verfahren platzgreifen. Insbesondere lasse ich die
beiden dort von mir unterschiedenen groisen Ghruppen der Aus-
drucksbedür&isse und des Bedürfnisses der Normalität fremder
Zustände, dem die Mitgeftihle entsprechen, mit BewuTstsein bei
Seite, obwohl allerdings beiden, und zwar ersteren durch den
in ihnen wurzelnden Trieb zur Produktion des Schönen, letzteren
wegen der aristotelischen Theorie vom Mitleid als der Quelle
der Lust am Tragischen eine gewisse Beziehung zum Ästhetischen
beiwohnt.
Nach Absonderung dieser beiden Gruppen ergiebt sich for
die übrigbleibende Masse der auf die eigenen Zustände des In-
dividuums bezüglichen Bedür&isse eine Vierteilung durch Kreu-
zung zweier Einteilungsprinzipien. Einesteils sind sie entweder
körperliche oder seelische, d.h. die ihnen entspringenden
Die ästhetischen Gefühle. 163
Gefühle haften entweder unmittelbar an der Modifikation des
körperlichen Zustandes, ohne dafs zu ihrem Zustandekommen
ein vorgängiger BewuTstseinszustand erforderlich wäre, oder aber
die ihnen entspringenden Gefühle haften als Geftüilston an Be-
wuTstseinszuständen, d. h. an Vorstellungen, Strebuugen oder
auch an anderen Gefühlen, welcher letztere Punkt erst im
weiteren Verlaufe deutlich werden kann.
Nach dem anderen Einteilungsprinzip beruhen die in Bede
stehenden Grundbedürfiiisse entweder auf realen, inhaltlichen
Erfordernissen unsrer Organisation, oder sie sind Funktions-
bedürfnisse, die im Gegensatze gegen die inhaltlichen auch
formale genannt werden können. JDie Thatsächlichkeit dieser
letsteren, für unsre Untersuchung besonders bedeutsamen Be-
dürfnisgruppe muTs nachdrücklich behauptet werden; es mufs
behauptet werden, dafs die zunächst im Dienste der inhaltlichen
oder materialen Bedür&isbefriedigung fungierenden Organe, An-
lagen, Fähigkeiten daneben ein selbständiges Funktionsbedürfnis
besitzen, das sich auch da, wo durch die Funktion einem ma-
terialen Bedürfnis genügt und materiale Lust geschaffen wird,
zugleich in rein formaler, wenngleich nicht deutlich unter-
scheidbarer Funktionslust manifestiert, dafs ferner diese
Fanktionslust auch da vorhanden ist, wo die ma-
teriale Wirkung der Affektion Unlust ist, oder wo
ein materiales Interesse bei der Funktion nicht ins Spiel kommt.
Für den Fall der Nichtbefriedigang des Funktionsbedürfiiisses
hat natürlich jene Lust in einer entsprechenden Unlust ihr
Seitenstück.
Durch Kombination dieser beiden Einteilungsprinzipien
erhalten wir zunächst das Gebiet der materialen körper-
lichen Grundbedürfnisse, das in die Bedürfnisse der
Normalität der Körperreize und der Sinnesreize zerfallt. Nur
diejenige Lust und Unlust kommt hier in Betracht, die unmittelbar
und ausschliefslich dem Beize entspringt. Im empirischen Seelen-
leben kommen diese Gefühle nur in Verbindung mit gleich-
zeitig entspringenden seelischen Gefühlen vor und können nur
durch eine künstliche Abstraktion für die Perzeption isoliert
werden.
Die körperlichen Funktionsbedürfnisse, die die zweite
Gruppe bilden, machen sich nur insoweit gesondert geltend, als
sie nicht schon durch die materialen Prozesse ihre Deckung
164 Ä. Döring.
finden. Im letzteren Falle erzeugt ihre nebenher eintretende
Befriedigung einen — nicht gesondert ins Be wuistsein tretenden —
Zuschuls zur materialen Lustwirkung, zur materialen Unlust-
wirkung aber ein abschwächendes Q-egengewicht. Wird ihnen
in Abwesenheit eines materialen Bedürfoisses G-enüge geleistet
oder nicht G-enüge geleistet, oder gar Hemmung bereitet, so
entsteht rein formale körperliche Lust oder Unlust. Die for-
malen körperlichen Bedürfnisse sind je nach der Art des Organs
und seiner Funktionsweise Bedürfnisse der Erregung oder der
Bethätigung.
Die dritte Gruppe, die der materialen seelischen Be-
dürfnisse, umfaist primär (worauf sich ja unsere Unter-
suchung beschränkt) ausschliefslich Bedürfrusse des Vorstellens,
und zwar des Vorstellens mit der Nebenvorstellung des Vor-
handenseins des Vorgestellten. Das Gefühl kann hier nicht in
Betracht kommen, da es unter dem materialen Gesichtspunkte
nur Folge und Symptom des vorhandenen Gb'ades der Befrie-
digung der Vorstellungsbedürfhisse ist, das Streben nicht, weil
es erst sekundär als Folge vorhandener Unlust oder unzu-
reichender Lust in Aktion tritt. Die somit allein übrigbleibenden
Vorstellungsbedürfnisse zerfallen wieder in zwei Gruppen; sie
betreffen einesteils die Vorstellung des Vorhandenseins des zu
unserm Wohlsein Erforderlichen, die Normalität unsres Schick-
sals, die Übereinstimmung der Welteinrichtung mit den Er-
fordernissen unsrer Organisation, sowohl im grofsen und ganzen,
wie in den wechselnden Einzelfallen der jedesmal vorliegenden
Situation, andemteils als Selbstschätzungsbedürfms die Vor-
stellung des Vorhandenseins oder Nichtvorhandenseins eines
Wertes, einer Bedeutung unsrer Person.
Uneingeschränkt und universell hinsichtlich der Arten der
seelischen Vorgänge sind dagegen die Bedürfriisse der vierten
Gruppe, die seelischen Funktionsbedürfnisse. Jede Er-
regung des Gefühls oder des Vorstellens, jede Bethätigung der
intellektuellen Aktivität oder des Strebens, mag sie aufserdem,
im Sinne eines materialen Interesses verlaufend, einen materialen
Lust- oder Unlustaffekt erzielen oder des materialen Impulses
entbehren, ist rein als solche lustvoll, jede Nichtbefriedigung
oder Hemmung des seelischen Beschäftigungsbedürfnisses rein
als solche unlustvoll. Es entspringt hier z. B., wie ich a. a. O.
des Näheren nachgewiesen habe, ein dreifacher Begriff der
Die ästhetiachen Gefühle, 165
Langeweile, als G-eftUilsleere, intellektuelle Leere und Leere des
Strebens. Ebenso habe ich a. a. 0. zu zeigen versucht, welche
ungeheure Menge der menschlichen Bestrebungen dieser Be-
dürfhisgruppe entspringt und wie grofs daher Uire Bedeutung
fiir unser Wohlsein geschätzt werden mufs. Hier nun erhält
die obige, anscheinend paradoxe, aber für unsre Untersuchung
hochbedeutsame Behauptung von Gefühlen aus Gefühlen ihr
volles Licht. Das durch irgend welche Verursachung entstehende
Gefühl, sei es Lust oder Unlust, ist als seelische Funktion lust-
voU. Wir haben also hier vom primären Vorgang, dem Zu-
stande des Lust- oder Unlustempfindens, einen sekundären, die
Lust aus dem unmittelbaren Innewerden der Funktion als einem
seelischen Bedürfnis Genüge leistend, zu unterscheiden. Bei
der Lust werden diese beiden Elemente imunterscheidbar ver-
schmelzen, bei der Unlust aber läfst der Kontrast die sekundäre
Funktionslust deutlich als etwas Verschiedenes hervortreten.
Ich unterlasse nun kürzehalber den negativen Nachweis,
dafs die ästhetischen Gefühle weder aus den beiden Gruppen
der körperlichen Bedür&isse, noch aus den materialen seelischen
Bedür&issen entspringen, und behaupte kurzweg, dafs ihre
Quelle in den seelischen Funktionsbedürfnissen zu suchen ist.
Dafs die seelischen Funktionen an sich lustvoll, ihr Ces-
sieren oder ihre Hemmung an sich unlustvoll ist, haben wir
gesehen. Für die Verknüpfung der Funktionslust wenigstens
aus der Erregung von Gefühlen mit dem ästhetischen Gebiet
besteht femer eine alte Tradition, für die sich Namen wie
Plato, Aristotblbs, Desoartbs, Dubos, Kant, Schillbb ins Feld
fuhren lassen. Vor allen ist hier Aristoteles als Gewährsmann
zu nennen. Mit einseitiger Ausschliefslichkeit leitet er alle
und jede Lust im Zusammenhange mit seinen metaphysischen
Grundprinzipien dvvagjbig und ivi^e^a aus der ins Bewufstsein
fallenden Bethätigung einer Anlage ab (Eth. Nie. X. 4, 1174
b. 24, 33; VH. 14, 1153 b, 10 ff; Ehet. LH, 1369 b, 33), und
somit steht seine berühmte Lehre von der Katharsis als der
von Lust begleiteten intensiven Erregung der tragischen Unlustr
geftihle im direkten Zusammenhange mit den letzten Prinzipien
seiner Metaphysik. Die tragische Lust ist Lust aus einer
Funktion, aus der Bethätigung einer Anlage. Der alles Werden
umspannende Begriff der ivi^eia bezeichnet die Verwirklichung
des potentia Vorhandenen einesteils alsEntwickelung, andernteils.
166 ^. Döring.
wie in unserem Falle, als Bethätigung, nnd letztere ist es, auf
die Aristotelbs nicht nur die ästhetische, sondern schlechthin
alle nnd jede Lust znrückfahrt. Eine vollbewofste, mit deut-
licher Erkenntnis des Prinzips nnitemommene nnd das ganze
Gebiet der ästhetischen Gefühle umfassende Ableitung der
letzteren aus dieser Bedürfhisgruppe ist jedoch noch niemals
auch nur entfernt yersucht worden ; sie hat die Bewährung der
Hypothese zu bilden.
Ehe jedoch zu dieser Bewährung übergegangen werden
kann, bedarf es noch bedeutender Einschränkungen des weiten
Gebietes, ehe die Begion der ästhetischen Gefühle abgegrenzt
sein wird. Das Gebiet der seelischen Funktionslust ist schlecht-
hin unbegrenzt ; es giebt keinen empirischen Gefühlsvorgang —
die empirischen Gefühlsvorgänge d. h. die Gefühlsvorgänge, wie
sie sich der unmittelbaren innem Erfahrung ohne künstliche
Zergliederung darbieten, sind nämlich sämtlich Gefühlskomplexe
von oft sehr vielfacher und unendlich mannigfaltiger Zusammen-
setzung — an dem sie nicht in irgend einem Mafse Anteil hätte.
Nun giebt es zwar eine Gruppe von Gefühlskomplexen, in der
die aus dem Beschäftigungsbedürfnis entspringenden Gefühle
als das eigentlich Charakteristische, Ausschlaggebende des betref-
fenden Komplexes deutlich im Vordergrund stehen, sei es, dafs das
Beschäfbigejide sich ungesucht darbietet, sei es, dafs das unbe-
friedigte Beschäftigungsbedürfiiis ein Streben nach intellek-
tueller, Wülens- oder Gefühlsbeschäfbigung entfesselt hat. Doch
zeigt ein sehr grofser Bruchteil der hierhergehörigen Fälle
unbeschadet dieses in erster Linie mafsgebenden formalen
Interesses ein sofortiges sekundäres Verfloohtenwerden in ma-
teriale Interessen, eine Verunreinigung des formalen Gefühls
durch materiale Beimischungen und Zusätze. Es handle sich um
ein Gespräch, eine Lektüre, ein Studium, ein Spiel, eine Intrigue,
ein Abenteuer; das ursprünglich mafsgebende Interesse sei
durchaus das der seelischen Beschäftigung : sofort aber erzeugen
tausend herzudringende materiale Interessen sekundärer Art,
das Gelingen oder Mifsüngen, der Gewinn oder Verlust, der
sinnliche Genufs, das Gefördertwerden durch verwandte, der
Konflikt mit widerstreitenden Interessen, die Hebung oder Nieder-
drückung des SelbstbewuTstseins, das Streben nach Beschaffung
' der Mittel und Beseitigung der Hemmnisse solcher Beschäftd-
I gungen, die Sorge um die Möglichkeit, der Schmerz um das
li
Die äslheHsehm Gefühle. 167
Eingetretensein ihres Verlustes u. s. w., ein sekundäres Yer-
flochtenwerden in materiale Interessen und Bestrebungen, die
diesen Teü der aus dem seelischen Beschafügungsbedürfhisse ent-
sprungenen Bestrebungen den von Haus aus materialen Bestre-
bungen ununterscheidbar naherüokt. Sie werden durcb eine Art
von Assimilation in die Sphäre des materialen Lebens hineinge-
sogen und durch die Schlacken desselben verunreinigt. Demgegen-
über muTs fiir die Sphäre der ästhetischen Gefühle als erste
Forderung die der Beinheit und Ausschliefslichkeit des
formalen Interesses gelten. Die Objekte dürfen keine andere
Bedeutung für uns haben, als die, eine seelische Funktion aus-
zulösen. Hier haben wir den wahren Sinn und die zutreffende
Begründung einer mit seltener Einstimmigkeit in der Sache,
wenn auch in verschiedenen Ausdrücken, von den Ästhetikern auf-
gestellten Grundforderung. Das Entspringen der Lust lediglich
aus der seelischen Funktion (der als ihr Gegensatz die Unlust
aus dem Brachliegen oder der Hemmung derselben gegen-
übersteht), ist das, was Kant mit dem interesselosen Wohl-
gefallen meint, SoHBLLme mit der ästhetischen Anschauung,
ScHOPSNHAUEB mit der willensfreien Betrachtung, von Hartmann
mit der Bezeichnmig der ästhetischen Gefühle als „Schein-
gefähle^. Nur sind diese Ausdrücke mehr oder minder unzu-
länglich. Ein interesseloses Wohlgefallen ist, wenn unter Inter-
esse alles und jedes verstanden wird, was einem Bedürfnisse
Genüge leistet, also Lust (Wohlgefallen) erregt, eine contradictio
in adjecto. Wir wissen ja nun wohl, dafs Kant nur an die materia-
len Bedürfnisse denkt ; immerhin aber bleibt seine Bezeichnung
eine lediglich negative; sie bezeichnet nur eine leere Stelle, für
die hier eben durch Nachweis des zugehörigen Interesses die pas-
sende Ausfüllung gegeben werden soll. Der Ausdruck „Scheinge-
f[Lhle" ist wenigstens sprachlich zu beanstanden; ein Scheingefühl
ist das Gegenteil eines wirklichen Gefohls; gemeint ist aber
ein durch den blofsen Schein ausgelöstes Gefahl. An sich
ist der Ausdruck „Schein^ für die Quelle der ästhetischen
Gefühle, auf die auch Schiller mit den Worten: „An dem
Scheine mag der Blick sich weiden^ hinweist, überaus zutreffend ;
das Af£zierende ist, sei es durch einen Akt des Betrachtenden
selbst, sei es durch die Vorschub leistende Vorarbeit des Künst-
lers, der hier wirkt, wie ein guter Vorleser, dem aber doch
wieder eine kongeniale Haltung des Geniefsenden entgegen-
168 A. Dörmg.
kommen mois, ans der Sphäre der realen Dinge nnd Interessen
heransgelöst, nnd seine ganze Wirkung beschränkt sich jetzt
anf die Auslösung seelischer Funktionen und der aus diesen
resultierenden Lust; das ästhetische Verhältnis zu den Objekten
kann, wenn man den Ausdruck nur richtig deuten will, ab
ein unpersönliches bezeichnet werden.
Wir müfsten also der genereUen Bestimmung: ^^Ästhetische
Lust ist die Lust aus der Funktion eines seelischen Vermögens,
ästhetische Unlust die Unlust aus dem Brachliegen oder der
Funktionshemmung eines solchen*^ als erste Bestriktion das
Merkmal anftLgen: ,, vorausgesetzt, dafs diese formalen Gefühle
durch keine materiale Beimischung gefälscht oder vernnreinigt
werden.**
An diesen Punkt knüpft sich wohl die E/ledigung der
Frage an, warum die niederen Sinne keine ästhetischen Wir-
kungen vermitteln können. Ich möchte diese Frage hier nur
streifen. Die Lösung wird wohl dann bestehen, dais bei den
niederen Sinnen die Lust aus der seelischen Funktion zwar
mit erregt, aber fast nie rein und unvermischt erhalten werden
kann. Ganz zwar durfte diese Möglichkeit nicht abzuweisen
sein. Das Erkennen nnd Vergleichen aromatischer Düf)>e und
Gesohmäcke z. B. kann rein als intellektuelle Funktion vor-
kommen. Dagegen dürfen die Associationen, auf die Fechitbr
beim Schönen unter Übergehung der eigentlichen Natur des-
selben ein ungebührliches Gewicht legt, hier nicht herangezogen
werden. Der Duft einer Orangenblüte kann mich an Italien,
der Geschmack einer Speise oder eines Getränkes an ein Fest,
dem ich beigewohnt habe, erinnern, aber das sind rein zufallige
von Individuum zu Individuum verschiedene Associationen,
während doch dem Schönen der Charakter einer gewissen
menschlichen AUgemeingültigkeit zugeschrieben werden mnfs.
Wir müssen aber noch ein zweites einschränkendes
Merkmal beifügen. Das Objekt nämlich, das, um mit Schilleb
zu reden, jeden Zeugen menschlicher Bedürftigkeit ausgestofsen
hat, und nun nur noch in einem einzigen Sinne af&zierend
wirken soll, mufs, um nicht wirkungslos zu bleiben, eine erhöhte,
gesteigerte Wirkungsfahigkeit erhalten. Das einem materialen
Bedürfnisse Genüge Leistende schaffen wir uns, wenn es sich
nicht von selbst einstellt, herbei, Wir setzen es aus seinen
Elementen, die wir aus aUen Ecken zusammensuchen, zusammen
Die äathetiecTten Gefühle, 169
und scbeuen in dieser Beziehtuig keine Mühe. Auch schon
das sekundäre materiale Interesse, das sich dem seelisch Be-
schäftigenden verunreinigend beimischt, ist stark genug, um
allerlei Schwierigkeiten der Perzeption zu überwinden. Das
rein und ausschliefslich seelisch Beschäftigende aber muTs uns,
um wirken zu können, als ein Fertiges und zugleich als ein an-
schauliches Einzelnes entgegentreten, es mufs anschauUch sein, sei
es im Sinne der Perzeption durch Sinnesthätigkeit, sei es als
Objekt der durchs Wort vermittelten Phantasieanschauung.
Hier rechtfertigt sich von unserm Prinzip aus eine zweite
Qrundforderung, die von jeher an das ästhetisch Wirksame
gestellt worden ist: die Forderung der Anschaulichkeit, um
hier nur ein Beispiel beizubringen: Warum verwandelt Schiller
im Binge des Polykrates die Vorgänge zwischen diesem und
Amasis, die bei Herodot durch brieflichen Austausch vermittelt
sind, in einen unmittelbaren Verkehr von Person zu Person,
warum rückt er gleichzeitig die unerhörten Glücksfälle in die
gröfste zeitliche Nähe zusammen ? Aus keinem anderen Ghrunde, '
als um die Vorgänge phantasiemäfsig anschaulich zu machen,
weil nur so die ästhetische Wirkung in genügender Stärke
zu erzielen war.
Wir werden also zu der obigen Definition noch die weitere
Bestriktion hinzufügen müssen, dafs die ästhetische Lust nur
vom fertig dargebotenen anschaulichen Einzelnen ausgehen
kann. Diese Bedingung ist nicht, wie die vorige, eine Bedin-
gung der Beinheit und ünvermischtheit, sondern, die Beinheit
und ünvermischtheit als Postulat vorausgesetzt, eine Bedingung
für die Möglichkeit des Zustandekommens.
n.
Somit wäre denn der erste Teil unsrer Aufgabe gelöst;
wir haben far die Entstehungsbedingungen und damit für das
Wesen, die unterscheidende Eigentümlichkeit, der ästhetischen
Gefühle einen scharfen, bezeichnenden Ausdruck gefunden.
Ob er der richtige ist, das mufs sich ergeben, wenn wir nun-
mehr versuchen, durch Explikation und weitere Einteilung des
gewonnenen Begriffes seinen Inhalt klarzulegen und seine
Leistungsfähigkeit zu erproben. Hierbei mufs sich ja heraus-
stellen, ob alles Ästhetische und nur das Ästhetische in ihm
Baum findet.
170 ^' Donng.
Es wird sich empfehlen, bei diesem G-eschäfbe vorab eine
Zweiteilung vorzonehmen und zuerst ausschlieüalich von der
ästhetischen Lust und dem Schönen, nachher gesondert
von der ästhetischen Unlust und dem Häfslichen zu
handeln. Es soll also zunächst ausschlieislich vom Schönen
die Bede sein. Für die Durchmusterung desselben können uns
die bekannten Eottegorien des empirischen Schönen, wie an-
hängendes und selbständiges Schönes, Schönes der Wirklichkeit
und Schönes der Kunst, keine Dienste leisten, weil das empi-
rische Schöne das ästhetisch Lustvolle stets in einer gewissen
Komplexität, als Zusammensein einer Mehrheit ästhetisch wirk-
samer Momente, darbietet.
Wir müssen uns für die Auflösung des ästhetiBch Lustvollen
in seine schlechthin einfachen Elemente nach anderen Ein-
teilungsprinzipien umsehen. Da bietet sich denn zunächst von
der gewonnenen prinzipiellen Bestimmung des Schönen als des
eine seelische Funktion Auslösenden aus die Dreiteilung nach
den Arten der seelischen Funktionen. Es kann sich um die
Sollicitation einer intellektuellen Funktion, eines Ge-
fühls oder eines Aktes des Strebens handeln. Hinsichtlich
des Gefühls ist hierbei an das bereits Bemerkte zu erinnern,
dafs auch die erregte Unlust qua Erregung sekundär lustvoll
ist. Wir dürfen hinzufügen, dafs das Bedenken, die primäre
Unlust müsse doch diese sekundäre Funktionslust unterdrücken
und ersticken, auf dem ästhetischen Gebiete infolge der Über-
fiihrung aus der Sphäre des Materiellen und Bealen in die des
Scheines und des Unpersönlichen ohne Bedeutung ist. Für die
ästhetische Betrachtung ist nicht nur das Kunsterzengnis, son-
dern auch die Wirklichkeit nur ein Schein, ein illusorisches
Bild, wenngleich in beiden Fällen der Schein ein wahrer, d. h.
die echte Wirklichkeit der Dinge widerspiegelnder sein mulis.
Nur wo die Unterscheidung von Schein und Wirklichkeit nicht
vollzogen wird und die Illusion eine totale ist, wird die Unlust
die sekundäre Lust überwältigen. Es soll ja im Westen der
Vereinigten Staaten vorkommen, dafs nach dem Theaterböse-
wicht mit Bevolvem geschossen wird, und ein kleines Mädchen
rief bei einer Aufführung des Schneewittchen mit lauter Stimme,
dafs es durch das ganze Theater schallte: „Schneewittchen
lals die böse Stiefinutter nicht hinein!"
Dieser Dreiteilung nach den Arten der seelischen Punk-
Die ästhetischen Gefühle. 171
tioaen ist aber eine andere Einteilung überzuordnen, die auf
der Art und Weise beruht, in der das ästhetisch Wirksame
vermöge seiner Beschaffenheit die seelische Sollicitation auslöst.
Diese Auslösung kann nämlich stattfinden entweder sympa-
thisch, d. h. durch unmittelbare Übertragung der im Objekt
wirkhch oder anscheinend sich ausdrückenden seelischen Zu-
stände, oder durch blofse Perzeption, indem die Be-
schaffenheit des Objekts eine solche ist, dafs sie seelische Zu-
stände zwar nicht ausdrückt, aber auslöst. Aufserdem ist noch
ein dritter Fall möglich, indem das Objekt in erster Linie
dm'ch seine Beschaffenheit geeignet ist, seelische Funktionen
auszulösen, aufserdem aber auch solche ausdrückt.
Innerhalb der ersten Gruppe, der des sympathiBch Wirk-
samen, werden wir also zunächst die Untereinteilung nach den
drei Arten der seelischen Funktionen zur Anwendung bringen.
Es kann jedoch hier noch eine vierte Untergruppe statuiert
werden, die Fälle umfassend, in denen das Objekt ohne be-
stimmte Differenzierung der seelischen Zustände mehr nur als
überhaupt beseelt gilt und in diesem mehr unbestimmten Sinne
sympatisch aflS^ierend wirkt.
Innerhalb jedef der so entstehenden vier Untergruppen
des sympatisch Wirksamen aber wird wieder nach dem Ge-
sichtspunkte, ob der seelische Zustand im Objekte wirklich
vorhanden ist oder nur durch ein unbewufstes Hineintragen
in das Objekt hineinverlegt, demselben geliehen wird,
um alsdann rückwirkend zum Subjekte zurückzukehren, eine
doppelte Weise des Wirkens zu unterscheiden sein. Im ersteren
Falle wirkt das Objekt sympathisch durch die Symptome der
wirklich in ihm vorhandenen seelischen Zustände, es wirkt
symptomatisch, im zweiten finden sich an ihm Symptome, die in
•der ästhetischen Betrachtung unwillkürlich, obgleich ohne reale
Berechtigung, nach der Analogie wirklicher Symptome des
Seelischen gedeutet werden und daher seelisch affizierend rück-
wirken; es wirkt analogisch-symptomatisch.
Betrachten wir denn nach diesen beiden zuletzt aufgestellten
Gesichtspunkten zunächst den Fall der Beseeltheit im all-
gemeinen. Symptomatisch-sympathisch wirkt das wirk-
lich Beseelte, indem seine ganze Erscheinungsweise die Beseelt-
heit widerspiegelt. Insbesondere ist es die Physiognomie, die
auch ohne dafs die Symptome bestimmter einzelner seelischer
Zeitschrift f9r Psychologie. 12
172 A. Dörmg.
Vorgänge in ihr unterschieden werden, in diesem Sinne sympa*
thisch affizierend wirkt. Auch die höhere Tierwelt, die Welt
der Säugetiere, vorab der Hund, der seelenvolle Gtefährte des
Menschen, hat an dieser physiognomischen Ansdmcksfahigheit
Anteil. Aber auch abgesehen von diesem besonderen Agena
vermitteln uns unzählige Eindrücke des Ghesichts und Gehörs
das Bild der Beseeltheit am Menschen und an der gesamten.
Tierwelt.
Analogisch-symptomatisch empfangen wir den sym-
pathischen Eindruck der Beseeltheit 2sunächst da, wo die that-
sächlich nur mechanisch wirkenden Kräfte sich verstecken und
für eine nicht wissenschaftlich analysierende Betrachtung der
Eindruck des von innen heraus sich Bethätigenden und Ent-
wickelnden, eines seelischen Prinzips, entsteht. So vorab bei
der Pflanzenwelt. Der älteren Naturbetrachtung erschien so-
gar wissenschaftlich und realiter die gesamte Natur von den
Gestirnen abwärts beseelt; die ästhetische Betrachtungsweise
bleibt, ohne viel zu grübeln oder die Grenzlinie zwischen dem
blois Analogischen und dem realiter Symptomatischen scharf
zu ziehen, dieser Betrachtungsweise mit Vorliebe treu. Aber
diese analogisch-symptomatische Wirkung einer blols geUehenen
Beseeltheit erstreckt sich auch auf Gebiete, wo das Bewulst-
sein ihrer Irrealität gleichzeitig vollkommen vorhanden ist.
Wir reden von der Physiognomie einer Landschaft; von ein-
zelnen Objekten gehört hierher insbesondere der Fall, wo ihre
Formen einen Anklang nicht sowohl an die Ausdrucksformen
bestimmter einzelner wechselnder seelischer Zustände als an
die typischen Erscheinungsformen des Seelischen überhaupt
zeigen, femer die rastlose Beweglichkeit des flieisenden oder
an das Gestade anschlagenden Wassers. Ebenso wird jede an-
dauernde lebhafte, doch nicht in einer besonderen Bichtung
scharf charakterisierte Bewegung, wie das Wogen des Kornes,
das Zittern des Laubes im Winde, den allgemeinen Eindruck
der Beseeltheit hervorrufen. Schon Home bezeichnet treffend
die sympathische Wirkungsweise des Bewegten, indem er sagt,
durch einen sich bewegenden Körper werde die Seele selbst in
eine ähnliche Bewegung versetzt ; man habe das Gefühl, als ob
die Seele fortgeführt werde.
Dieselbe Zweiteilung gilt für die Ausdrucksformen der b e-
sonderen Arten seelischer Zustände, zu denen wir jetzt
Die ästhetischen Gefühle. 17g
übergehen. Die intellektuellen Funktionen sollicitieren
symptomatisch, wenn sie in Miene und Gebärde ihren Aus-
druck finden. Dieser Ausdruck ist ein habitueller im Ant-
Utz und gesamten Habitus des Denkers und Forschers, des
Geistvollen, Feinen, Witzigen u. s. w., ein momentaner z« B.
im sinnenden Ausdruck, in der Gesamthaltung des angestrengt
Denkenden u. dgl. Analogisch-symptomatisoh dürften den
intellektuellen Habitus auslösen einfache grofse Felslandschaften,
die Unendlichkeit der Meeresfläche oder des Sternenhimmels.
Das Gefühl überträgt sich symptomatisch durch die
tmendliche Fülle der Ausdrucksformen, in denen sowohl die
habituellen Stimmungen, als die ganze Skala der wechselnden
aktuellen Gefühlszustände sich ausprägt. Beider an alogisch-
symptomatischen Form der Gefühlsübertragung zeigt schon
der Sprachgebrauch, wie geläufig dem allgemeinen Bewufstsein
diese Form der Gefühlssollicitation ist. Wir reden von einer
düstem Gewitterstimmung, von lachenden Fluren, von einem
munter hüpfenden Bächlein u. dgl. Femer aber darf wohl be-
hauptet werden, dafs die Welt der Töne, auch abgesehen von
ihrem Auftreten als symptomatisches Ausdrucksmittel der Ge-
fühle, eine analogische Wirkung aufs Gefahl besitzt und dafs
eben auf dieser Wirkung ihre Verwendung zum symptomatischen
Ausdruck des Gefühlslebens nicht nur in der eigentlichen
Musik, sondern schon im Gesang der Vögel, im Jodler und
Juchzer des Gebirgsbewohners ihren Ursprung nimmt. Die
Tonhöhe, die Klangfarbe und die Mannigfaltigkeit der Ton-
folgen haben offenbar analogische Beziehungen zum Gefühls-
leben. Der tiefe Ton entspricht mehr der Unlust, der hohe
der Lust, die Klangfarbe büdet ein Analogen zu den mannig-
fachsten Gefahlsschattierungen. Die Tonstärke entspricht vor-
nehmlich der Intensität des Gefühls, bezeichnet aber vielfach
auch qualitative Unterschiede, Freude, Trauer, Gedrücktheit
u. dgl. Auch beim Rhythmus und seinen Modifikationen durch
die verschiedene Gröfse der Zeiteinheit (Andante, Presto u. s. w.,
accelerando, ritardando), sowie beim staccato und seinem Gegen-
teil scheint die analogisch-symptomatische Beziehung zum Gefähl
unzweifelhaft, ich begnüge mich jedoch hier mit dem blofsen
Hinweis. Von den Farben haben unzweifelhaft Schwarz und
Weifs, sowie die Helligkeitsstufen der bunten Farben eine
Analogie zu den Qualitäten des Gefühls ; unter Umständen wohl
12*
174 ^- Döring,
auch die Sättigongsstufen, obgleicli diese ii^ erster Linie wohl
den Intensitätsgraden korrespondieren. Inwieweit die Qualität
der bunten Farben nach Abzug dieser beiden so bedeutsamen
Faktoren eine hierher gehörige Bedeutung hat, ist deshalb
schwer zu bestimmen, weil die Farbe nach Abzug des Hellig-
keits- und Sättigungsgrades ein nicht existierendes Abstraktum
ist und namentlich die Helligkeitsstufe den Gesamtcharakter
einer Farbe total verändert (z. B. Purpur, Ziegelrot, Bosa, ein
ganz helles oder sehr dunkles Violett, Grün, Blau), doch fallt
oeteris paribus unzweifelhaft auch die reine Qualität der Farbe
in dem in Bede stehenden Sinne ins Gewicht.
Für die symptomatische Form der sympathischen Aus-
lösung des Strebens bedarf es besonderer Nachweise nicht,
da es sich hier um die wohlbekannten Ausdrucksmittel in
Mienen und Gebärden handelt. Jedes kräftig ausgedrückte
Streben wirkt sympathisch soUicitierend und dadurch lust-
voll. Analogisch-sympathisch wirkt ebenso zunächst jede
energische, in einer bestimmten Richtung oder auf ein be-
stimmtes Ziel zu vorschreitende Bewegung: die mächtig aus-
greifenden Teile einer arbeitenden Maschine, der majestätisch
dahinroUende Strom, die gegen einen Felsen anstürmende
Brandung, die Rakete, der Sprmgbrunnen, der begierig und
unaufhaltsam abwärts stürzende Wasserfall. Femer aber auch
unbewegtes: der dräuende Fels, der gähnende Abgrund.
Die zweite Hauptmasse umfafst diejenigen Objekte,
die nicht selbst in irgend einem Sinne seelische Zustände aus-
drücken, sondern nur durch ihre Beschaffenheit an sich ge-
eignet sind, solche auszulösen.
Hier scheint nun zunächst der Fall der Auslösung eines
Strebens ausgeschlossen werden zu müssen. Was auf meinen
seelischen Zustand ausschliefslich in dem Sinne einwirkt,
dafs es ein Begehren wachruft, hört damit auf ästhetisches
Objekt zu sein. Das auf ein Objekt gerichtete Streben in mir
ist der Erhebung in die Sphäre des unpersönlichen Scheines
unfähig. Wohl kann ein Objekt, das Begierden (Sinnlichkeit,
Habsucht u. s. w.) wachruft, unter einem andern Gesichtspunkte,
dem einer intellektuellen oder Gefühlssollicitation, ein ästheti-
sches Objekt werden, das ist aber nur durch Beiseiteschiebung,
Eliminierung, Unterdrückung der Begierde möglich. Es bleiben
also hier nur zwei Unterabteilungen.
Die ästhetischen Gefühle. 175
Ein sehr umfassendes Gebiet ist liier das des intellek-
tuell Sollicitierenden. Zu den intellektuellen Funktionen
gehört zunächst die passive, blofs erregungsmäfsige, aber allen
weiteren seelischen Punktionen, nicht nur den intellektuellen
zur Voraussetzung dienende Grundfunktion der Perzeption,
des Bewufstwerdens. Wir müssen nach unserer Voraussetzung
auch dieser Grundfunktion eine ästhetische Lust zugesellen, und
damit erweitert sich das Gebiet der ästhetischen Lust zur
vollen Universalität im Bereiche des bewufsten Seelenlebens.
Jedes Bewufstwerden ist von Lust begleitet. Freilich ist diese
ästhetische Lust aus der blofsen Perzeption von schwächster
Intensität und wird nur für aufsergewöhnlich ästhetisch
empfangliche Naturen überhaupt bemerkbar werden. Ein
Specimen solcher erhöhter ästhetischer Sensibilität, die fast
ästhetische Hyperästhesie genannt werden könnte, bietet das
Gedicht in Leopold Schefebs Laienbrevier:
Mit Ehrfurcht grüfse jedes Menschenhaupt,
Das in der Sonne dir entgegenwandelt.
Der Dichter verlangt im weiteren Verlaufe, dafs auch die
Eose gegrüfst werde und weiterhin (ich citiere nach dem Ge-
dächtnis): „Und wenn du willst, so grüfse auch den Stein,"
wofür als Grund angegeben wird: „Denn er ist." Hier haben
wir offenbar kein anderes, als das bis zur höchsten Sensibilität
gesteigerte ästhetische Interesse am esse-percipi, am blofsen
Aflziertwerden des Bewufstseins durch das im übrigen völlig
indifferente Objekt.
Von den Fällen, wo das Objekt durch seine blofse Be-
schaffenheit eine aktive intellektuelle Funktion (intellektuelle
Bethätigung) herausfordert, nenne ich zunächst diejenige Gruppe,
wo die Perzeption eine unvollständige, zur Ergänzung an-
regende ist. In diesem Sinne erzeugen intellektuelle Bethäti-
gxmgslust z. B. das Fragment, der Torso, der zertrümmerte
Gegenstand, die fragmentarische und zweideutige Bezeichnung
des Objekts im Eätsel. Hierher gehört femer das Interesse
an einem vor uns sich abspinnenden Vorgange oder Bericht,
an einem geschürzten Knoten, soweit es ein blofs intellektuelles
ist; die ergänzende Phantasie, als der hier in Funktion tretende
intellektuelle Faktor, wird gleichsam zur Mitarbeit an dem sich
entwickelnden Vorgange wachgerufen.
176 ^' Döring.
In aufserordentlich mannigfaltiger Weise können Objekte
die intellektuelle Funktion des Yergleichens anregen. Ich
kann vergleichen ein Objekt mit einem andern, oder das Objekt
mit mir oder mit einem anschaulichen Typus, einer Norm, die
bereits ausgebildet in mir vorhanden ist. Ich kann quantitativ
nach extensiver oder intensiver Gröfse vergleichen (die extensive
kann wieder kontinuierliche, Eaum- oder Zeitgröfse, andrerseits
diskrete oder Zahlgröfse sein) ; ich kann qualitativ nach diesen
oder jenen qualitativen Bezügen vergleichen ; ich kann universell
nach der Gesamtheit der quantitativen und qualitativen Merk-
male vergleichen. Selbstverständlich kann die Funktion des
Yergleichens ihren Charakter als lustvoll nur dann bis zu Ende
aufrecht erhalten, wenn sie nicht resultatlos in der Schwebe
bleibt, sondern zu einem formuherbaren Abschlufs gelangt. Das
Verhältnis, das sich zwischen dem Verglichenen in der von
der vergleichenden Thätigkeit eingeschlagenen Richtung heraus-
stellt, mufs ein gewisses Mafs von Deutlichkeit und Bestimmt-
heit haben. Dagegen ist es, wenigstens soweit nur die Lust-
wirkung der vergleichenden Funktion in Betracht kommt,
gleichgiltig, ob das Resultat Gleichheit, vorwiegende Ähnlich-
keit, vorwiegende Unähnhchkeit oder Kontrast ist, wenn nur
ein gewisser Abschlufs erzielt wird. Einige besondere Fälle
sind bei der Vergleichung mit mir selbst die Vorstellung der
eigenen Überlegenheit oder der Überlegenheit des Objekts, bei
der extensiven Vergleichung mit dem Typus oder mit mir selbst
die Vorstellung der abnormen Gröfse oder Kleinheit (der Kiese,
Zwerg, das Kind), bei der universellen Vergleichung mit dem
Typus die Vorstellung der Normalität oder Übereinstimmung
mit dem Typus oder Ideal, die der partiellen Eigenartigkeit
als Abweichung vom Typus oder das Charakteristische, die
der völligen Abnormität u. s. w.
Zur Funktion der Vergleichung gehört auch die Lust aus
der Erkennung des künstlerischen Abbildes im Verhältnis zum
Original, in der für die rohe Kunstbetrachtung des grofsen
Haufe];is, falls nicht noch ein materiales Interesse am Darge-
stellten hinzutritt, meist die ganze ästhetische Wirkung des
Kunstwerks aufgeht. Es ist ein seltsames Müsgeschick, dafs
Aristoteles durch eine, wenigstens in unserem verstümmelten
Texte der Poetik^ ohne Einschränkung dastehende Betonung
gerade dieser intellektuellen Lustwirkung der Kunst fast der
Die ästhetischen Gefühle. . 177
ganzen nachfolgenden Ästhetik und Kunstübung die unglück-
liche Vorstellung eingeimpft hat, als ob diese Lust aus der
Nachahmung des Wirklichen die ganze Bedeutung der Kunst
erschöpfe. Im Gegensatze zu dieser scheinbaren Einseitigkeit
in der Formulierung des Kunstzieles aber zeigt Aristoteles
schon durch seine Theorie der Ghefühlssollicitation durch das
Tragische, dafs er umfassendere und höhere Gesichtspunkte
ftir die ästhetische Lustwirkung besitzt.
Auch das Verhältnis der Teile des Objekts zu einander
fordert die Funktion des Vergleichens heraus. Hier ist, soweit
nur die Funktion des Vergleichens in Betracht kommt, das Resultat
gleichgültig, wenn nur überhaupt ein Resultat möglich ist.
Nun kommt aber, wo es sich um ein einheitliches Objekt
oder doch um eine als Einheit vorstellbare Mehrheit handelt,
aufser der Tendenz zum Vergleichen noch eine andere intellek-
tuelle Funktion in Betracht. Der Verstand hat das Vermögen
und zugleich das Streben, eine sich darbietende Mannigfaltigkeit
zur Einheit zusammenzufassen. Weder das absolut Einförmige,
d. h. der Mannigfaltigkeit Entbehrende, noch das in rein dis-
parater Mannigfaltigkeit Auseinanderfallende bietet diesem Ver-
mögen Gelegenheit zur Bethätigung. Einheit in der Mannig-
faltigkeit hat vielfach geradezu für die das Wesen des Schönen
erschöpfende Formel gegolten; jedenfalls beruht auf der An-
regung der intellektuellen Einheitsfunktion durch ein Mannig-
faltiges in vielen Fällen die ästhetische Lust. Auf ihm beruht
z. B. das Wohlgefällige der Symmetrie. Es gibt eine Symmetrie
der Dimensionen, femer eine numerische Symmetrie der Teile
in Verbindung mit Symmetrie der Anordnung. Ln letzteren
Falle findet die Einheitsbeziehung ihren Ausdruck im Vor-
handensein eines Mittelpunktes, von dem aus die Anordnung
bestimmt wird. Beispiele: die symmetrische Anordnung von
Fenstern, Baugliedem, Dekorationen an einem Gebäude, die
quirlförmige Anordnung der Zweige eines Baumes. Unter Um-
ständen kann die Symmetrie auch mifsfäUig wirken, indem bei
völliger ÜbersichtUchkeit das Moment der Einheit gegen das
der Mannigfaltigkeit zu sehr in den Vordergrund tritt und so
Einförmigkeit und unzureichende Beschäftigung der intellek-
tuellen Einheitsfunktion entsteht.
Vom Gesichtspunkte der Einheit in der Mannigfaltigkeit
aus scheinen auch die Resultate der FBCHNBRschen Experimente
178 ^. BMng.
mit dem goldenen Schnitt und anderen linearen Y^liältBisseu
ihre Erklärung zu finden. Den geringsten Beifall fanden bei
seinen Beurteilem einesteils die einer instinktiven Yerh<nis-
bestimmung am wenigsten zugänglighen komplizierteren Längen-
Verhältnisse, andemteik die völlige Gleichheit, wie bei den
Seiten des Quadrats. Eine ausschlielsliche Bevorzugung gerade
des goldenen Schnittes als solchen hat sich ebenfalls nicht er-
geben. Vielmehr verteilt sich die Bevorzugung auf die Gre-
samtheit der dem Verhältnis von 2:3 sich annähernden Ver-
hältnisse. Das Verhältnis von 2:3 ist aber doch wohl der
einfachste Ausdruck der Einheit im Mannigfaltigen auf dem
Gebiete der Längendimension.
Wohlgefällig ist femer ein Objekt, das der intellektuellen
Funktion der kausalen Erklärung, der Verknüpfung von Ur-
sache und Wirkung, Bethätigung gewährt. Hier sind drei Fälle
möglich. Es können Ursache und Wirkung gegeben sein (der
Blitz zerschmettert einen Baum, der zerstörende Anprall eines
stark bewegten Gegenstandes); es kann nur die Wirkung ge-
geben sein, die Ursache wird hinzugedacht (Gletscherschliffe,,
vom Wasser gegrabene Sinnsale im Wege, die Höhlung unter
der Dachtraufe, die Porosität feuerflüssig gewesener Miueralien^
die Spuren der Geschützwirkung); es kann endlich nur die
Ursache in der Wahrnehmung gegeben sein, während die
Wirkung erst abgewartet oder erforscht werden mufs, in Ge-
danken aber anticipiert wird (das Schiefsen nach der Scheibe,
der ferne Blitz oder das Aufblitzen eines Schusses, wo die Ge-
hörwirkung erwartet wird).
Von entschiedener Lustwirkung ist die Auslösung der Ver-
knüpfung von Mittel und Zweck, die anschaulich hervor-
tretende Zweckmäisigkeit. Hierauf beruht zu einem wesent-
lichen Teile die Schönheit des höheren tierischen Organismus
und die (von Schopenhauer bestrittene) Berechtigung der Be-
zeichnung des schönen Geschlechts. Der Naturzweck des Weibes
ist einesteils einheitlicher, als der des Mannes, andernteils für
die instinktive Erkenntnis mit in die Augen springender Deut-
lichkeit markiert. Im Sinne des Eindruckes bewulster Zwedt-
thätigkeit wirkt femer schon der Eindruck des freien SchaltenB
menschlicher Willkür in der Gestaltung eines Objekts (z. B. eine»
Gebäudes) auch auf Kosten der Symmetrie und selbst wenn
wir dabei einen Zweck nur vermuten, wohlgefällig.
Die äsiheUsehm GtfüTOe, 179
Auf der Vorstelltmg der ZweckmäTsigkeit beruht auch die
^ohlgefUligkeit der Proportioniertheit. In einem zusammen-
geseteten Ganzen, das einer Mehrheit von Zwecken dienen soll,
kann der einzehie Tefl nur dasjenige Grölsenmafs beanspruchen,
das der verhältnismälBigen Bedeutung seiner Funktion entspricht.
In diesem Sinne erscheint ein wagerechter, ziemUch weit vor-
springender Mützenschirm und der Bussel des Elefanten wohl-
gefällig, eine Biesennase, übermalsig lange Arme oder Beine,
übergrolse Hände oder FüTse, Ohren etc. mifsfallig. Der Hals
und die Beine der Giraffe erscheinen uns nur deshalb unpro-
portioniert, weil wir die gewohnten, nicht die uns fremden
licbensbedingungen des Tieres als Mafsstab anlegen. —
Gefühle werden ausgelöst von solchen nicht selbst Ge-
fühle ausdrückenden Objekten, die als bestimmend für das
A^ohl und Wehe fühlender Wesen, insbesondere des Menschen,
als Schioksalsmächte, oder doch als Attribute und Werkzeuge
einer Schicksalsmacht aufgefafst werden. Hierher gehört in
erster Linie die waltende Natur in ihren mannigfachen
«Gestaltungen, sofern sie nach ihrer Bedeutung für das
menschliche Wohl und Wehe ins Auge gefafst wird, bis herab
zum Stillleben; femer die persönliche Schicksalsmacht, im
Grofsen als Gottheit, Heros, geschichtliche Gröfse, aber auch
in bescheidnerem Umfange als ausgeprägte Persönlichkeit über-
haupt, wie sie uns z. B. das Forträt vor Augen stellt. Andern-
teils Embleme und Vorgänge aller Art, die an Schicksals Ver-
hältnisse erinnern, wie Waffen, das Grab, der Leichenzug u. s. w.
Die dritte Hauptmasse des ästhetisch Wirksamen wurde
durch diejenigen Objekte gebildet, die zugleich durch ihre Be-
schaffenheit und sympathisch seelische Funktionen auslösen.
£in solches Zusammensein ist nur dadurch möglich, dafs das
Objekt nicht selbst eine Schicksalsmacht, sondern ein von der
Schicksalsmacht im guten oder schlimmen Sinne Affiziertes, in
einer Schicksalslage Befindliches ist und zugleich dieser Affi-
ziertheit den entsprechenden Ausdruck verleiht. Es wirkt so
sowohl durch seine zuständliche Beschaffenheit, die Schicksals-
lage, als auch sympathisch durch den hinzutretenden Ausdruck.
Durch Beides, die Schicksalslage wie den Gefuhlsreflex derselben,
werden aber von den drei Arten der seelischen Funktionen
endgültig nur die Gefühle ausgelöst, es fehlen daher in
diesem dritten Hauptteil die beiden andern psychologischen
180 ^ mring.
Subdivisionen. Dagegen tritt hier wieder eine der Unter-
scheidung des Symptomatischen tind Analogisch -Symptoma-
tischen entsprechende Zweiteilung hervor. Die sich sympa-
thisch ausdrückende Schicksalslage kann entweder eine wirkliche,
d. h. fühlenden Wesen anhaftende, oder eine nur durch leihende
Hineintragung analogisch vorgestellte sein. In ersterer Hinsicht
ergiebt sich hier nach der Seite der glücklichen Schicksalslage
das Idyllische, nach der Seite der unglückUchen sowohl das Komi-
sche, wie das Tragische, in letzterer diejenige Besonderheit des
Landschaftlichen, bei der nicht fühlende Naturobjekte als von
segensreichen oder schädigenden Kräften afßziert und dieser
Affiziertheit auch den entsprechenden Ausdruck verleihend
analogisch aufgefafst werden.
Nach der an die Spitze dieses Abschnitts gestellten Zwei-
teilung bleiben jetzt noch die ästhetischen ünlustgefühle
und ihr Korrelat, das Häfsliche, zu betrachten. Wir
können uns hier kürzer fassen.
Das nächste und unmittelbarste Gegenstück des Schönen
ist das ästhetisch Gleichgültige, das nach unsem Vor-
aussetzungen mit dem keine seelischen Funktionen Auslösenden
und daher auch keine ästhetische Lust Erzeugenden zusammen-
fällt. Ein absolut ästhetisch Gleichgültiges giebt es nach den
vorhergehenden Ausführungen nicht, soweit wenigstens noch
irgend eine Perzeption stattfindet. Annäherung an das absolut
ästhetisch Gleichgültige findet da statt, wo die Anregung zu
seelischen Funktionen, ja zur elementarsten Funktion der Per-
zeption, auf ein Minimum reduziert ist. Es ist das Öde, Finstre,
Stille, absolut Einförmige. Belativ ästhetisch gleichgültig wäre
das, das für die einzelnen, bestimmten, besonderen seelischen
Funktionen keinen Ertrag liefert; es gliedert und vermannig-
faltigt sich nach demselben Schema, nach dem wir das Schöne
abgehandelt haben.
Damit das ästhetisch Gleichgültige zum Häfslichen
werde, d. h. ästhetische Unlust erzeuge, mufs das Begesein des
Funktionsbedürfuisses und die berechtigte Erwartung einer
seelichen SoUicitation als Vorbedingung hinzutreten. Die Un-
lust des Häfslichen ist die Unlust der Enttäuschung des Funk-
tionsbedürfuisses und der berechtigten Funktionserwartung.
Es giebt hiernach auch kein absolut Häfsliches, sondern nur
Annäherung an dasselbe. Arten des relativ Häfslichen giebt
Die äsiheüschm Gefühle. 181
es so viele, wie es Arten des Schönen giebt. Jedes relativ
HäfsUche, d. h. in der gerade erwarteten Bichtang die Erwar-
tung Täuschende, mag in anderen Beziehungen schön sein,
das wird ihm aber ebensowenig zu gute geschrieben, wie es
dem in einer bestimmten, gerade an dieser Stelle zu erwarten-
den Sichtung Schönen Abbruch thut, dafs es in anderen Be-
ziehungen kein Schönes ist. Und das mit Hecht, sofern die
Auslösung gerade derjenigen seelichen Funktion ausbleibt, deren
Eintreten wir zu erwarten berechtigt waren. In diesem Sinne
ist z. B. das erscheinende Zweckwidrige oder das blofs Unsym-
metrische immer häfslich. Doch kann man wegen der Unmög-
lichkeit eines absolut Häfslichen sagen, dafs sich in gewissem
Sinne das Paradoxon bewahrheitet : Schön ist häfslich, häfslich
schön. Ja man könnte in der Paradoxie noch ein Stück weiter
gehen und behaupten, dals ja das relativ HäfsHche, indem es
gerade durch sein Zurückbleiben hinter bestimmten Erwar-
tungen doch auch wieder intellektuelle Funktionen auslöst, eben
dadurch auch wieder die aus diesen seelischen Funktionen ent-
springende ästhetische Lust erzeuge, und dafs sich somit das
scherzhafte Oxymoron bewähre, es könne etwas durch seine
HäisUchkeit schön sein. Vielleicht beruht auf diesem Zusammen-
hange teilweise die Verwendung des Häfslichen in der Kunst,
welche Verwendung freilich andemteüs in der Kontrastwirkung
ihre Begründung findet, die das Häfsliche als aufgehobenes
Moment im Schönen übt.
Die einzelnen Arten des Häfslichen entsprechen den ein-
zelnen Kategorien des Schönen und sind daraus mit Leichtig-
keit abzuleiten; es bedarf also für unseren Zweck, so interessant
auch die Durchführung der Gliederung des Häfslichen an sich
sein mag, einer besonderen Detaillierung nicht.
Zum Schlüsse dieses Abschnittes stelle ich die etwas
komplizierte Einteilung des ästhetisch Wirksamen ihren Q-rund-
zügen nach in einer Übersichtstafel zusammen.
Das ästhetisch Lustvolle.
A. Das sympathisch Wirkende.
L Allgemein seelische Sollicitation:
1« symptomatisch,
2. analogisch-symptomatisch.
182 Ä Döring.
n. Intellektuelle Sollicitation:
1. symptomAtiflch,
2. analogisch-symptomatisch.
m. Gefühlssollicitation:
1. symptomatisch,
2. analogisch-symptomatisch.
lY. Sollicitation des Strebens:
1. symptomatisch,
2. analogisch-symptomatisch.
B. Das nur durch die Beschaffenheit des Objekts Wirkende.
I. Intellektuelle Sollicitation.
II. Gefühlssollicitation.
C. Das durch die Beschaffenheit des Objekts und sympathisch
Wirkende.
Gefühlssollicitation
1. durch reales Vorhandensein beider Faktoren,
2. analogisch.
Das ästhetisch Gleichgültige und Unlustvolle.
Einteilung nach denselben Kategorien.
ni.
Wir haben somit in allerdings nur flüchtigen Schritten und
ohne Anspruch auf Vollständigkeit das Gebiet des ästhetisch
Wirksamen durchmessen. Wenn auch nach Lage der Sache
der vollständig erschöpfende Beweis des Zutreffens unsrer De-
finition damit nicht erbracht ist, so dürfte doch ein starker
und nachhaltiger Eindruck von der prärogativen Berechtigung
der aufgestellten Hypothese erzielt worden sein. Es erübrigt
noch, zwei Gesichtspunkte, die für die vollständige Durch-
führung einer Ästhetik vom Prinzip der Sollicitation aus von
besonderer Bedeutung sind, wenigstens flüchtig anzudeuten.
Erstens entsteht die Frage, wie sich unter der Herrschaft
dieses Prinzips die Grenzbestimmtmg des selbständigen
Schönen, speziell des bedeutsamsten Hauptteils desselben, der
eigentlichen Kunst, gegen das anhängende Schöne gestaltet.
Diese Grenzbestimmung ist ja im Prinzip durch den Gegensatz
des Anhängenden und Selbständigen gegeben. Das anhängende
Schöne ist das Schöne an einem Objekt, das — auch fiir die
ästhetische Betrachtung — nicht völlig im ästhetischen Zwecke,
der Auslösung seelischer Funktionen, aufgeht, sondern die noch
Bie ästhetischen Gefühle, 183
anderweitige Bedeutung seines Daseins auch der unpersönlichen
Intuition unabweisbar aufdrängt. So beim. Bauwerk und den
verzierten und künstlerisch gestalteten Geräten des Kunsthaud-
werks. Es xnuTs jedoch eine wichtige Konsequenz aus dieser
prinzipiellen Bestimmung noch ausdrücklich hervorgehoben
werden. Es ist nämlich, was freiUch für jetzt nicht weiter
ausgeführt werden kann, nur bei dem das Gefühl Sollicitie-
renden, nicht auch bei dem die beiden übrigen Seelenvermögen
Anregenden, die Möglichkeit vorhanden, restlos als dem ästhe
tischen Zwecke dienend, also als selbständig Schönes, aufzu-
treten. Daraus folgt, dafs das selbständige Schöne und
speziell die eigentliche Kunst nur im Gebiete des das Gefühl
Sollicitierenden gefunden werden kann. Ein Kunstwerk ist ein
Erzeugnis menschlicher Thätigkeit, das keinem anderen Zwecke
dient, als Gefahle zu erregen.
Daraus ergiebt sich femer auch die Grundeinteilung des
selbständigen Schönen. Wir fanden die Gefühlssollicitation
in jedem der drei Hauptgebiete. Das Gefühl koninte sympa-
thisch erregt werden und zwar sowohl symptomatisch, wie
analogisch-symptomatisch: hier haben wir das lyrische Schöne.
Das Gefühl konnte durch die bloXse Beschaffenheit der Objekte
solUcitiert werden, sofern diese Schicksalsmächte darstellten oder
an solche erinnerten; hier haben wir das plastische Schöne.
Es konnte endUch sollicitiert werden durch Objekte, die eine
Schicksalslage samt dem entsprechenden Gefühlsausdruck dar-
stellten: hier haben wir das episch- dramatische Schöne.
Es muTs bei dieser Dreiteilung jedoch dem Müsverständnis
entgegengetreten werden, als sollte mit derselben ein Zusammen-
fallen dieser drei Arten des selbständigen Schönen mit der Lyrik,
der bildenden Kunst und der episch-dramatischen Poesie be-
hauptet werden. Wo bliebe da die Musik? Und wie enge wäre
damit das Gebiet der bildenden Kunst begrenzt! Die Sache
verhält sich so: die lyrsiche Kunst umfafst allerdings die ge-
samte Lyrik, au&erdem aber auch den grölsten Teil der Musik,
soweit diese rein und ausschHefslich sympathisch wirkt, womit
nicht ausgeschlossen ist, dafs es nicht auch eine episch-drama-
tische und vielleicht sogar eine plastische Musik gibt, endlich
auch Elemente der bildenden Kunst, nämlich einen Teil der
Landschaft. Die bildenden Künste können nicht nur plastisch,
sondern auch lyrisch und episch-dramatisch auftreten; die episch-
184 ^ Dönng.
dramatische Kunst nmfafst anfser Epos und Drama auch Be-
standteile der bildenden Kunst und der Musik. Jene Benennung
der drei Hauptarten ist also nur eine Benennung a potiori und
nach der charakteristischen Art der ästhetischen Wirkung, der
sympathischen, objektiven und objektiv-sympathischen. —
Der andere Punkt ist folgender. Man kann gegen meine
Bestimmung des ästhetisch Wirksamen den Vorwurf erheben,
sie entwürdige das Schöne und die Kunst, indem sie ihr eine
so gleichgiltige Aufgabe, wie die blofse Beschäftigung der
seelischen Vermögen, also die Vertreibung der Langeweile, zu-
weise. Ich könnte darauf erwidern: Ist etwa die Befriedigung
eines menschhchen Grundbedürfnisses eine gleichgiltige Auf-
gabe? Ist vielleicht die blofse Natumachahmung oder die Auf-
fassung und Nachbildung der in der Wirklichkeit realisierten
„Ideen^ oder die Flucht aus der gemeinen Wirklichkeit in eine
Welt der Ideale — um nur einige der bekanntesten Theorieu
über den Zweck der Kunst anzuführen — eine wichtigere und
würdigere Aufgabe? Die Verteidigung meiner Auffassung des
Schönen kann aber doch noch auf eine wirksamere Weise ge-
führt werden. Es tritt nämlich hier der Begriff des Stils er-
gänzend ein. Dieser Begriff ist nach meiner Auffassung von
so fundamentaler Bedeutung für die Ästhetik, dafs ihm geradezu
neben dem ersten Hauptteil, der von den ästhetischen Gefühlen
oder vom Schönen handelt, ein zweiter koordinierter und eben-
hurtiger Teil der Ästhetik gewidmet werden muls.
Der Begriff des Stils ist noch nicht hinlänglich fixiert. Der
Gegensatz der idealisierenden und der realistischen, auf Natur-
wahrheit ausgehenden Kunst hat nur indirekt durch die Affi-
nität des einen oder andern seiner Glieder zum einen oder andern
Stil mit diesem Begriffe zu thun. Vergegenwärtigen wir uns
die historische Aufeinanderfolge der Stilarten in der antiken
sowohl wie in der christlichen Welt, denken wir daran, dafe
es ebenso wie für ganze Zeitalter auch für Nationen und In-
dividuen Stüunterschiede und Stilgegensätze gibt, so mufs
schon daraus erhellen, dafs das Wesen des Stils nicht in den
kleinen Aufserlichkeiten und Einzelheiten, die an der Oberfläche
die Stilarten kenntlich machen, aufgeht, sondern dafs der Stil
mit den tiefsten Bezügen und Wandlungen des Kulturlebens
zusammenhängt. Meiner Überzeugung nach, zu deren Begrün-
dung hier nicht mehr der Baum ist, beruht das innerste Ge-
Die äsihetischen Gefühle. 185
liemuiis des Stils auf der Stellung des oder der Produzierenden
2U den Gütern des Lebens, auf dem Werturteil, das sie f&llen,
auf dem Glückseligkeitsideal, dem sie anhängen. Daraus ent-
springen auch die wahren und wesentlichen Stilunterschiede,
die in den historischen, nationalen und individuellen unter-
schieden nur ihre mehr oder minder deutlichen Iteflexe finden.
Es gibt nach dem wahren Wesen des Stils einen hedonistischen
Stil, der auf der ausschliefslichen Schätzung des sinnlich An-
genehmen beruht (Bokoko), einen universaleudämonistischen
Stil mit dem Motto: ,Nihil humani a me alienum puto' und mit
zahlreichen Abarten, je nachdem besondere Arten von Lebens-
gütem oder „Idealen^ (dies Wort im Sinne des SoHiLLERschen
Gedichts „Die Ideale^ genommen) eine stark bevorzugte Schätzung
empfangen (Renaissance und Barock als Ausdruck vorwiegender
Schätzung edlerer Güter und Freuden), einen transcendenten
Stü, der das Glück erst in einer jenseitigen besseren Welt er-
wartet (das Nazarenertum), einen pessimistischen, weltschmerz-
lichen Stil, der die Lehre predigt, dafs es überhaupt keine
Güter gibt (hierher gehört grofsenteüs der heutige extreme
„BeaUsmus"); es giebt endlich, oder könnte doch geben, einen
exklusiveudämonistischen Stil, der in einem einzigen summum
bonum die wahre Lösung der GlückseUgkeitsfrage findet, mit
so mancherlei Abarten, als es Bestimmungen des summum bonum
geben kann. (Für das genauere Verständnis mehrerer der hier
gebrauchten Termini muTs ich auch hier wieder auf meine
„Philosophische CHUerlehre"^ verweisen.)
Nach diesen Voraussetzungen gibt der Stü die eigentliche
Beichte und Konfession des Künstlers: le style c'est Thomme;
nach ihnen ist es der Stil, vermöge dessen die Kunst „der
Spiegel und die abgekürzte Chronik des Zeitalters^ ist; nach
ihnen kann durch den Stil der Künstler Prediger und Prophet,
nicht einer besseren Moral, was nicht Sache der Kunst ist, aber
einer berechtigteren Güterschätzung werden, im Sinne der For-
derung des Aristoteles, dafs die Kunst oQ^dSg x^^Q^^^f oQd'wg ^tkeip
xal fAiifeiVi d. h. richtig schätzen lehren solle, und im Sinne der
ScHiLLBBschen Mahnung an die Künstler:
Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben,
Bewahret sie!
Sie sinkt mit euch, mit euch wird sie sich heben!
186 A, Ddrim^,
also li^^ die wahre Beditfeirtigimg des SdöBfia und
der Kirnet: die Wirkimg auf die geeHechen Venndgeii ist nur
das muTerBell wirksame HilfiBmittel mid Yehikel, dadurch die
fundamentale SteUnng des Menschen m den Oütem des Lebens
nnd so indirekt allerdings anch die Bichtong ihres Strebens
bestimmt wird. Wohin keine Philosophie und keine Predigt
dringt, da ist die Kunst am Werke, depravierend und emiedrigeiid
oder erhebend und veredelnd.
Besprechungen,
1. Ako. Mosso. Über die Gesetze der Errnttdimg. Untersnchongen an
Mnskeln des Menschen. Dubois' Archiv. 1890. S. 89—168.
2. Ark. Maogioba. Über die Gesetze der Ermttdnng. üntersnchungen
an Muskeln des Menschen. Ebenda S. 191—243.
3. Wabben T. Lombabd. The effect of fatigne on voliintary mnscnlar
contractions. American Journal of Psychology, TU (1890). S. 24—42.
Die von Mosso und dessen Schüler Maggioba ausgeführten Unter-
suchungen besitzen nicht blofs für die Physiologie und die Diätetik der
körperlichen Bewegungen, sondern auch für die experimentelle Psycho-
logie eine grofse Tragweite. Das Versuchsverfahren bestand im wesent-
lichen darin, dafs der Mittelfinger einer Hand durch Willensthätigkeit
oder durch elektrische Tetanisierung des betreffenden Nerven oder der
betreffenden Beugemuskeln selbst veranlafst wurde, eine Reihe von
Gewichtshebungen mit nur kurzen Zeitintervallen (in der Kegel 2 Sek.)
zwischen den einzelnen Hebungen auszuführen. In den meisten Fällen
wurde die Beihe der Gewichtshebungen nicht eher beendet, als bis die
Muskeln nicht mehr im stände waren, das gegebene, gewöhnlich als
Überlastung dienende Gewicht zu erheben. Der Gesamtbetrag der
mechanischen Arbeit, welche bei einer solchen Hebungsreihe geleistet
worden war, wurde bestimmt. Variiert wurde aufser der Art der Muskel-
reizung die Dauer des zwischen 2 Einzelhebungen verfliefsenden Zeit-
intervalles, die Gröfse des zu hebenden Gewichtes, der Zustand der
Muskeln bei Beginn der Hebungsreihe u. a. m.
Die von den beiden Forschern erhaltenen Resultate, von denen wir
die für die experimentelle Psychologie bedeutungsvolleren zuerst an-
führen, sind folgende:
1. Wie sich schon aus Versuchen von Fick ergiebt, vermag der
Wille eine höhere Spannung und gröfsere Arbeitsleistung der Muskeln
zu erzielen, als durch maximale elektrische Tetanisierung der Muskeln
selbst oder des zugehörigen motorischen Nerven erzeugt werden kann.
Allein es giebt eine Ermüdung des auf Bewirkung einer bestimmten
Muskelbewegung gerichteten Willens, die sich, nach Mosso, darin zeigt,
dafs der Wille nach einer Beihe von ihm hervorgerufener Gewichts-
hebungen schlief slich gar keine Erhebung des Gewichtes mehr zu erzielen
Zeitschrift fUr Psychologie. 13
1 88 Besprechungen.
vermag, während in eben diesem Stadium die elektrische Reizung der
Muskeln oder des motorischen Nerven noch sehr wohl wirksam ist und
eine nicht unerhebliche weitere Reihe von Gewichtshehungen auszulösen
vermag. Wird der Versuch in umgekehrter Ordnung ausgeföihrt, wird
also zuerst die elektrische Reizung zur Hervorrufnng der Gewichts*
hebungen benutzt und bis zum Unwirksam werden beibehalten und hier-
auf der Wille in Anspruch genommen, so vermag derselbe trotz des
XInwirksamseins der künstlichen Reizung noch eine beträchtliche Reihe
von Gewichtshebungen auszulösen. Dieses Verhalten erklärt sich einfach
daraus, dafs der unermüdete WiUe ein wirksamerer Reiz ist als die
künstliche, elektrische Reizung.
Läfst man durch Willensanstrengung die Muskeln so lange an dem
Gewicht Arbeit leisten, bis die Hebimgen nur noch sehr niedrig ausfallen,
und veranlafst hierauf durch elektrische Nervenreizung die Muskeln zu
einer kurzen weiteren Reihe von Gewichtshebungen, so erholt sich der
Wille während des Zeitraumes, wo letztere Hebimgsreihe stattfindet.
Dies zeigt sich darin, dafs sofort nach Beendigung der durch die elek-
trische Reizung bewirkten Hebungsreihe der Wille bedeutend ausgie-
bigere Hebungen auslöst, als er unmittelbar vor Beginn dieser Hebungs-
reihe bewirkte. Es findet also auch während eines solchen Zeitraumes,
während dessen die Muskeln durch peripherische, künstliche Reizung zur
Arbeitsleistung veranlafst werden, noch eine Erholung der auf eine
Hebungsthätigkeit dieser Muskeln gerichteten Willenskraft statt. Hin-
gegen zeigen Versuche, bei denen in eine Reihe durch elektrische Reizung
hervorgerufener Gewichtshebungen eine kurze Reihe willkürlicher He-
bungen eingeschoben wird, dafs die Muskeln während eines Zeitraums,
wo sie infolge von Willensanstrengung eine Anzahl von Hebungen aus-
führen, für die elektrische Reizung sich nicht erholen.
2. Durch elektrische Tetanisierung des motorischen Nerven oder
der Muskeln selbst können die durch den Willen angestrebten Muskel-
kontraktionen gehemmt werden. Das Minimum der Zeit, das zwischen,
dem Beginn der elektrischen Reizung und dem Erscheinen der Hemmung
verstrich, fand Mosso gleich Vs Sekunde. Mosso teilt nicht die Ansicht
FicKs, dafs es sich bei dieser Hemmung der durch den Willen ange-
strebten Spannungen oder Kontraktionen der Muskeln um eine Reflex-
erscheinung handele. Er glaubt, dafs diese Erscheinung eine tiefgehende
Analogie zu den vom Vagus ausgehenden Hemmungswirkungen besitze,,
und dafs sie mit letzteren Hemmungswirkungen zusammen „imter das
Gesetz falle, welches alle Muskeln und alle Nerven regiert, nämlich,
dafs durch einen übertriebenen Reiz in der Substanz des Muskels Alte-
rationen entstehen, wodurch derselbe unfähig wird, auf seinen natür-
lichen Reiz zu reagieren".
3. Sehr auffallend ist folgendes von Mosso gefundene Versuchs-
resultat. Wird einer Versuchsperson, deren Fingermuskeln durch elek-
trische Nervenreizung zu einer Reihe in konstanten Intervidlen aufein-
ander folgender Gewichtshebungen veranlafst werden, plötzlich die
Oberarmarterie komprimiert, so steigen die Hubhöhen zunächst an^
entsprechend der schon von verschiedenen Forschern festgestellten That--
Besprechungen. Ig9
flache, dafs die Anämie der Muskeln zunächst erhöhend auf die Erreg-
barkeit derselben wirkt.* Wird nun während der Fortdauer der Muskel-
anämie in einem Stadium, wo die durch die elektrische Nervenreizung
erzielten Hubhöhen noch gröfser sind, als sie vor Herstellung der Anämie
waren, die elektrische Beizung sistiert und die Versuchsperson aufge-
fordert, die Fingermuskeln willkürlich zur Gewichtshebung zu kon-
trahieren, so gelingt es derselben trotz aller Anstrengungen nicht, das
Gewicht auch nur um ein Geringes zu bewegen. Hingegen hat die
elektrische Reizung des motorischen Nerven sofort wieder dieselbe
Kontraktion wie vorher zu Folge. Gegen den Verdacht, dafs die Hem-
mung der Willenswirkung von der Kompression des Nerven abhänge,
schützte sich Mosso dadurch, dafs er die Elektroden höher gegen die
Achsel zu anlegte und die Kompression tiefer unten vornahm. „Wenn
die Hemmung von der Kompression des Nerven abhinge, hätte nun nicht
nur die Wirkung des Willens ausbleiben müssen, sondern auch die des
Nervenreizes, was aber nicht der Fall war." Für denjenigen , welcher
die hier in Kede stehende Erscheinung (auf die wir am Schlüsse dieser
Besprechung bei einer allgemeineren Betrachtung noch zurückkommen
Tverden), vom psychologischen Standpunkte aus erwägt, ist vielleicht die
Bemerkung nicht unwichtig, dafs während der Anämie des Armes die
Tastempfmdung in den blutleeren Fingern gut erhalten war, „soweit sich
dies durch den Erfolg einfacher Berühnmgen feststellen liefs".
4. Mosso stellte femer Versuche von der Art an, dafs die Muskeln
bei jeder Kontraktion nur so lange auf das Gewicht wirkten, als ihre
Kontraktion einen bestimmten, für alle Versuche konstanten Grad noch
nicht erreicht hatte; war dieser Punkt erreicht, so vollzog sich die
weitere Kontraktion ohne jede Belastung, abgesehen natürlich von dem
Schreibapparate und Zubehör. Wurden nun bei derartigen Versuchen
die Muskeln durch Nervenreizung zur Kontraktion veranlafst, so ver-
ringerte sich infolge der Ermüdung im Verlaufe der Versuchsreihe die
Strecke, um welche sich die Muskeln nach ihrer Entlastung weiter ver-
* Dieser förderliche Einflufs der Anämie auf die Muskelerregbarkeit
ist vom Referenten {Nachr. v, d. Cfes. d. Wtss. eu Göttmgen, 1889, S. 16z) durch
das von ihm auf Grund einer Analyse der myothermischen Erscheinungen
aufgestellte und als myothermisches Grundgesetz bezeichnete allgemeine
Gesetz erklärt worden, dafs jede Verringerung des osmotischen Druckes,
unter dem der Muskelsaft steht, im Sinne einer Zunahme der Muskel-
erregbarkeit (im Sinne einer Erleichterung der Auslösung der im Muskel-
saffce angehäuften chemischen Spannkräite) sich geltend macht. Nach
physikalischen Gesetzen mufs die Herstellung einer Muskelanämie not-
i^endig von einer Abnahme jenes im Muskelsaft herrschenden Druckes
begleitet sein. Da femer die an der Oberfläche eines ausgeschnittenen
Muskels imter Umständen vor sich gehende Verdimstung gleichfalls im
Sinne einer Abnahme jenes Saftdruckes wirken mufs, so hat Referent
als eine Bestätigung des obigen myothermischen Grundgesetzes schon
früher (a. a. O. S. 151) auch die von Blix festgestellte Thatsache ange-
führt, dafs der Muskel bei der Reizung mehr Wärme entwickelt, wenn
er von trockener Luft umgeben ist, iQs dann, wenn er sich in einer
feuchten Atmosphäre befindet. Hierzu kommt noch als eine weitere,
schöne Bestätigung des obigen Gesetzes die von Kunkel in seinen Unter-
suchungen „ Üaer eine Grundtoirkung von Giften auf die quergestreifte Muskel'^
13*
190 Besprechungen.
kürzten, und mithin auch der Gesamtbetrag der Kontraktion. Wurden
hingegen die Muskelkontraktionen durch den Willen bewirkt, so nahm
jene Strecke und der Gesamtbetrag der Kontraktion allmählich zu.
MoBso glaubt, dafs dieser interessante Unterschied zwischen der
durch elektrische Nervenreizung bedingten und der durch den Willen
bewirkten Kontraktionsreihe „durch den wachsenden Nervenreiz hervor-
gerufen werde, welchen die Centren zu dem Muskel entsenden, je schwie-
riger die materiellen Bedingungen der Kontraktion fdr den Ermüdungs-
prozefs werden^. Beferent glaubt, dafs die hier angedeutete Erklärungs-
weise mindestens etwas unvollständig ist. Die in Bede stehende Erscheinung
dürfte sich in ganz ungezwungener Weise einfach folgendermaisen er-
klären. Die Ermüdung des Muskels durch wiederholte Beizung hat
bekanntlich die Wirkung, den Erreg^ungsprozessen, welche in demselben
entstehen, eine gröfsere zeitliche Dauer zu geben. Eine solche Ver-
gröfserung der Erregungsdauer ist aber, falls es sich um einen Einzelreiz
oder eine nur sehr kurze Zeit dauernde tetanisierende Beizfolge handelt,
innerhalb gewisser Grenzen an und für sich förderlich für die Kontrak-
tionsgröfse. Es ist eben innerhalb gewisser Grenzen mit einer längeren
Andauer des Erregungsprozesses zugleich auch eine längere Andauer der
im Muskel erweckten kontrahierenden Kräfte und hiermit wiederum die
Erreichung eines höheren Kontraktionsgrades verbunden. Durch diesen
Gesichtspunkt hat Beferent bereits früher z. B. die Thatsache erklärt,
dafs nach Versuchen von Heidenhaik, Fick tmd Nawalichik bei fort-
schreitender Ermüdung die Hubhöhe zuweilen eine Abnahme nicht er-
kennen läfst, w^ährend die Wärmebildimg sich deutlich verringert. In
solchen Fällen wird die durch die Ermüdung bewirkte und an der
Wärmebildimg deutlich hervortretende Abnahme der Muskelerregbarkeit
hinsichtlich ihres Einflusses auf die Hubhöhe durch die für letztere
günstige Verlängerung der Erregungsdauer mehr oder 'weniger vollständig
kompensiert. Soll nun unter den oben angegebenen Versuchsbedingungen
durch den Willen eine Beihe von Muskelkontraktionen ausgelöst werden,
so wird allerdings die Erregbarkeit der Muskeln im Verlaufe der Ver-
suchsreihe abnehmen, zugleich werden aber die centralen Impulse in
dem Mafse gesteigert werden, dafs durch diese Impulssteigerung jene
Substanz^ festgestellte Thatsache, dafs Muskelgifte, welche den Wasser-
gehalt der Muskeln verringern, im allgemeinen die Muskelerregbarkeit
und die Zuckungsgröfse steigern, während solche Gifte, welche die
Muskelsubstanz wasserhaltiger machen , die Muskelerregbarkeit und die
Zuckungsgröfse vermindern. In Hinblick auf diesen Thatbestand, sowie
in Hinblick darauf, dafs nach den Gesetzen der Diosmose eine Änderung,
welche der Gehalt des Blutes an Nährmaterial oder Abfallstoffen erfährt,
im allgemeinen zugleich auch eine Änderung des Flüssigkeitsgehaltes
der Muskelfasern und des innerhalb der letzteren bestehenden Saftdruckes
zu Folge haben mufs, erhebt sich die Frage, ob nicht die Änderungen,
welche die Muskelerregbarkeit bei durch geistige oder körperliche Thätig-
keit, durch Fasten, durch Genufs von Speise u. dergl. m. herbeigeführten
Änderungen der stofflichen Zusammensetzung des Blutes er&hrt, zu
einem gewissen Teile auch auf den Einflufs zurückzuführen sind, den
diese Änderungen der Blutbeschaffenheit auf den Flüssigkeitsgehalt der
Muskelfasern und den innerhalb derselben bestehenden Saftdruck ausüben.
Besprechungen. X91
Abnahme der Erregbarkeit hinsichtlich ihres Einflusses auf die Spannung,
mit welcher die Muskeln auf das Gewicht wirken, möglichst kompensiert
wird. Die durch den "Willen bewirkte Erregung und Spannung machen
sich also trotz der fortschreitenden Ermüdung bei allen Hebungen mit
annähernd denselben Werten an dem Gewichte geltend. Da nun aber
die durch den Willen bewirkten Erregungsprozesse infolge der Ermüdung
auTserdem noch an Dauer gewinnen, so muTs die Strecke, um welche
sich die Muskeln nach ihrer Entlastung verkürzen, und der Gesamtbetrag
ihrer Kontraktion im Laufe der Versuchsreihe anwachsen. Werden die
Muskeln durch elektrische Beizung des motorischen Nerven zu den Kon-
traktionen veranlafst, so wird allerdings die Dauer der eintretenden
Muskelerregungen durch die Ermüdung gleichfalls verlängert, aber der
Beiz, der vom Nerven aus auf die Muskeln wirkt, wird nicht im Sinne
einer Konstanterhaltung der anfänglichen Intensitätswerte der Muskel-
erregung verstärkt, sondern bleibt höchstens konstant, imd so kommt
es, dafs infolge der Abnahme der Muskelerregbarkeit (infolge des Ver-
brauches des im Muskel angehäuften erregbaren Materiales) der Betrag
der Muskelkontraktion allmählich abnimmt.
Vorstehendes dürfte genügen, um darzuthun, dafs es mindestens
etwas übereilt sein würde, wenn man den Grund der Eigentümlichkeit
des obigen, von Mosso erhaltenen Versuchsergebnisses sofort in einer
Besonderheit unseres psychologischen Verhaltens, nämlich darin erblicken
würde, dafs unter den obigen Versuchsbedingungen bei fortschreitender
£rmüdung die von dem Willen ausgehenden Impulse mehr gesteigert
w^ürden, als zur Konstanterhaltung der auf das Gewicht einwirkenden
Muskelspannungen erforderlich ist. Die in Frage stehende Erscheinung
erklärt sich ganz ungezwungen auf rein physiologischem Wege durch
den Einflufs der Ermüdung auf die Andauer der Muskelerregungen. Eine
gründlichere Darlegung der im Vorstehenden angedeuteten Auffassung
jener Erscheinung kann nur in engem Anschlüsse an bestimmte theo-
retische Anschauungen betreffs des Wesens der Muskelkontraktion gegeben
werden, wozu hier nicht der Ort ist. Eine experimentelle Prüfung der
hier angedeuteten Auffassung jener von Mosso gefundenen Erscheinung
dürfte verhältnismäfsig leicht, z.B. dadurch möglich sein, dafs in eine
Beihe willkürlicher Muskelkontraktionen, die unter den oben angegebenen
Versuchsbedingungen stattfinden, unvermuteterweise Fälle eingeschoben
inrerden, wo die erregten Muskeln nicht auf das Gewicht, sondern auf
einen Spannungsanzeiger wirken. Es mufs sich zeigen, dafs die durch
den Willen hervorgerufenen, zur Gewichtshebung bestimmten Muske
Spannungen im Verlaufe der Versuchsreihe nicht, wie Mosso zu schliefsen
scheint, zunehmen, sondern annähernd konstant bleiben.
5. Durch unmittelbar vorhergehende angestrengte Geistesthätigkeit
wird die Kraft, welche die Muskeln bei gegebenem Beize entwickeln,
geschwächt, mag der Beiz in Willensimpuls oder ein den motorischen
Nerven oder den Muskel selbst treffender elektrischer Beiz sein. Nach
Mossos Ansicht kommt die hieraus sich ergebende Ermüdung der Mus-
keln durch angestrengte Geistesthätigkeit dadurch zu stände, dafs durch
die gesteigerte Arbeit des Gehirns Zersetzungsprodukte in den Kreis-
192 Besprechungen .
lauf kommen j welche die Muskeln vergiften und sie unfähig machen,
ihre volle Energie zu entfalten.
6. Allgemein sind zwei verschiedene Arten der Ursachen der Er-
müdung oder Schwächung der Muskeln zu unterscheiden, die beide
natürlich auch gleichzeitig nebeneinander vorkommen können. Die eine
Art der Schwäche beruht auf einer Verarmung des Muskels an Stoffen,
deren er zur Arbeitsleistung bedarf. Diese Art von Schwäche wird
z. B. durch Fasten bewirkt. Sie wird in wunderbar schneller Weise
durch den Genufs von Speise beseitigt. Die zweite Art von Muskel-
schwäche wird durch geistige Anstrengpung, durch Nachtwachen, durch
angestrengte Märsche und dergl. bewirkt und beruht wahrscheinlich auf
einer Vergiftung der Muskeln „durch Substanzen, welche das Nerven-
system während seiner Thätigkeit entwickelf^.^ Bei Vorhandensein dieser
Muskelschwäche hat die Speise wenig stärkenden Einflufs. Die volle
'Erholung erfordert unvergleichlich längere Zeit und ist nur dann zu
erzielen, wenn dem Nervensysteme die Buhe durch Schlaf zu teil wird.
Den Beweis dafür, dafs nach angestrengter Muskelthätigkeit giftige
Stoffe im Blute enthalten sind, hat Mosso dadurch erbracht, dafs er das
Blut eines Hundes, welcher fast bis zur Erschöpfung im Tretrade gelaufen
war, einem anderen, im normalen Zustande befindlichen Hunde injizierte.
Letzterer zeigte sofort nach der Injektion die Symptome von Müdigkeit
und Niedergeschlagenheit; oft erfolgte sogar Erbrechen. Hingegen rief
die Injektion des Blutes keine derartigen Symptome hervor, wenn der
Hund, dem das Blut entnommen w^urde, nicht durch körperliche Arbeit
ermüdet war.
7. Dafs durch angestrengte Muskelthätigkeit nicht blols die ange-
strengten, sondern auch noch andere Muskeln, z. B. durch angestrengtes
Marschieren auch die (während des Marschierens möglichst in Ruhe
erhaltenen) Armmuskeln, stark an Leistungsfthigkeit verlieren, und dals
diese Ermüdung im wesentlichen eine Ermüdung der Muskeln und nicht
etwa der centralen Organe ist, zeigt Maogiora durch ausdrücklich hierauf
gerichtete Versuche, bei denen sich angestrengtes Marschieren auch für
die Leistimgs^higkeit der auf elektrischem Wege direkt oder vom Nerven
aus gereizten Fingermuskeln als sehr nachteilig erwies. ^
8. Ebenso zeigte Maogiora durch besondere Versuche, bei denen der
motorische Nerv oder die Muskeln selbst elektrisch gereizt wurden, dafs
die Schwäche, welche durch Fasten bewirkt wird, in der Hauptsache
nicht auf einer geringeren Energie des Gehirns und Rückenmarkes, son-
dern auf einer Schwäche der Muskeln selbst beruht.'
9. Die überraschende Schnelligkeit, mit welcher die durch Fasten
geschwächten Muskeln sich nach einer Mahlzeit erholen — schon V« Stunde
nach einer Mahlzeit, durch welche ein 24 stündiges Fasten beendet wurde
^ Dafs nach angestrengtem Marschieren und anderer körperlicher
Anstrengung diese Giftstoffe nur dem Nervensysteme, nicht auch dea
Muskeln selDst enstammen, ergeben die vorliegenden Versuche nicht.
' Was die Erschöpfung durch Nachtwachen anbelangt, so ist aus
den Versuchsangaben von Magoiora (S. 226) leider nicht mit Sicherheit
zu ersehen, ob die dadurch bewirkte Verringerung der von den Muskelu
Besprechungen. 193
iKraren die Muskeln wieder völlig erholt — lassen in Hinblick auf die
Länge der Zeit^ welche die Verdauung der in den Magen gebrachten
Nahrungsmittel erfordert, Maooioba die Annahme wahrscheinlich er-
scheinen, dafs die durch Nahrungsau&ahme zu stände kommende Erholung
der durch Fasten geschwächten Muskeln „zum Teile auch von der ge-
steigerten Aktivität der Blutcirkulation abhängt, welche auf die Nahrungs-
«u&ahme folgt". Maooiora erinnert an Untersuchungen von Mosso, aus
denen sich ergiebt, dafs nach der Nahrungsaufnahme die Herzschläge
rasch stärker werden und die Tonicität der Blutgefäfse wächst. Die
erwähnte Annahme von Maooiora zeigt sich durch Versuche dieses
Forschers bestätigt, bei denen sich ergab, dafs ein durch Fasten bewirkter
hochgradiger Schwächezustand der Muskeln durch Massage der Muskeln
stark verringert, ja sogar fast ganz aufgehoben werden kann.
10. Die weiteren Untersuchungen der beiden Forscher sind mehr
von rein physiologischem Interesse. Sie betreffen die Kontraktur und
die sogenannten Veränderungen der Muskelelasticität bei der Ermüdung,
den Einflufs der Unterstützung auf die Kontraktionshöhe, den erholen-
den Einflufs der Massage und die Abhängigkeit, in welcher der Ver-
lauf der Ermüdungskurve (im Sinne Kroneckebs) und die Qröfse der
bei einer Hebungsreihe geleisteten mechanischen Arbeit zu verschiedenen
Faktoren (Individualität, Gewicht, Beizintervall, Erholungspause xmd
dergl. mehr) steht. Die Resultate dieser Untersuchungen bestätigen zum
Teil die bereits von anderen Forschern erhaltenen Versuchsergebnisse,
ziim Teil sind sie neu und von Interesse, wenn sie auch dem Beferenten
in theoretischer Beziehung wichtige neue Gesichtspunkte nicht an die
Hand zu geben scheinen. Wenn Mosso (S. 164 ff.) bei willkürlicher Kon-
traktion der Fingermuskeln und auch bei kurzdauernder (Vs Sekunden
dauernder) Tetanisierung des betreffenden motorischen Nerven gar keinen
oder wenigstens keinen sicher eintretenden Einflufs der Unterstützung
auf die Kontraktionshöhe gefunden hat, so kann Referent in Hinblick da-
rauf, dafs jede willkürliche Kontraktion thatsächlich tetanischer Art ist, in
diesem Versuchsergebnisse nur eine Bestätigung der bereits von v. Frey
erhaltenen Versuchsresultate erblicken, welcher beim Tetanus die Unter-
statztmg gleichfalls ohne Einflufs auf die Kontraktionshöhe fand. Mosso er-
achtet ferner in Hinblick auf die von ihm erhaltenen Versuchsresultate vor-
läufig die Annahme für wahrscheinlich, „dafs für den frischen Muskel wäh-
rend seiner ersten Kontraktionen das Gewicht gleichgültig sei, so dafs
derselbe, wenn er einmal zur Kontraktion angeregt wird, eine grofse Ver-
kürzung ausführt, gleichgültig, ob das Gewicht während der ganzen maxi-
malen Kontraktion oder blofs während eines Teiles derselben gehoben werden
soll; wenn aber die Energie des Muskels infolge der Ermüdung abnimmt,
dann gereicht es ihm zum Vorteile, wenn man ihm mittelst der Unter-
stützimg zu Hilfe kommt". Referent möchte bemerken, dafs diese
geleisteten mechanischen Arbeit bei willkürlicher Erregung oder bei
elektrischer Reizung derselben erhalten worden ist. Waren die Kon-
traktionen willkürliche, so ist das Resultat natürlich zweideutig, weil
aulser der Muskelschwächung auch noch die psychische Erschlaffung in
Betracht kommt.
X94 Besprechungen.
vorläufige Annaliine Mossos in direktem Widerspruche zu den von
V, Frey erhaltenen Versuchsresultaten steht, nach denen der unterschied,
der zwischen den Zuckungshöhen des unterstützten und des frei be-
lasteten Muskels besteht, bei fortschreitender Ermüdung sich verrin-
gert und bei hoher Ermüdung es sogar vorkommen kann, daijs die
Zuckungshöhe des frei belasteten Muskels die höhere wird. Alle diese und
andere das Verhalten der Kontraktionshöhe bei variabler TJnterstützungs-
höhe betreffende Thatsachen, insbesondere auch die von Mosso von neuem
festgestellte Thatsache, die denselben zu der soeben erwähnten irrigen
Annahme bewogen zu haben scheint , nämlich die Thatsache , da£3 eine
Steigerung des vom Muskel zu hebenden Gewichtes den förderlichen
EinfluTs der Unterstützung auf die Kontraktionshöhe deutlicher (und zwar
auch bei kurzdauernden Tetanisierungen) hervortreten läfst, erklären
sich ganz ungezwungen aus den vom Referenten früher (a. a. 0. S. 147 f.
und 160) entwickelten Anschauungen. Was die betreffs der Kontraktur
von Mosso erhaltenen Versuchsresultate anbelangt, so erklären sich die-
selben sämtlich im Sinne der vom Beferenten a. a. 0. S. 157 ff. gegebenen
AusfÜhnmgen in ungezwungener Weise als die Folgeerscheinungen einer
im Verlaufe der Versuchsreihe stattfindenden Zunahme der Zähigkeit
des Muskelsaftes. Die von Maggiora (S. 211) gewonnenen interessanten
Versuchsresultate, welche ergeben, dafs die späteren geringeren Kon-
traktionen einer bis zum Versagen des Hebungsvermögens fortgesetzten
Hebungsreihe der Leistungsfähigkeit der Muskeln nachteiliger sind, als
die ausgiebigeren früheren Kontraktionen, möchte Eeferent in Analogie
zu den namentlich von Lükjanow beobachteten Erscheinungen der Er-
holungsmüdigkeit bringen und im Sinne des vom Beferenten a. a. O.
S. 161 f. Bemerkten durch den herabsetzenden Einflufs erklären, welchen
die durch eine starke Ermüdung bewirkte Erhöhung der Zähigkeit des
Muskelsaftes auf den Stoffaustausch zwischen Blut und Muskelfaser-
innerem ausübt. Da bei einer Beihe von Gewichtshebimgen, welche nach
Abschlufs des Blutstromes von den Muskeln stattfindet, die bei den ein-
zelnen Hebungen gebildeten Zersetzungsprodukte sich sämtlich in den
Muskeln ansammeln und die Zähigkeit des Muskelsaftes in ungewöhnlich
hohem Grade erhöhen, so läfst es sich in Hinblick auf den soeben er-
wähnten Einfiufs der Zähigkeitszunahme des Muskelsaftes leicht begreifen,
dafs, wie Maggiora fand, es einer ziemlich langen Buhepause bedarf,
damit die Muskeln nach einer bei Ausschlufs des Blutstromes bis zur
völligen Erschöpfung fortgesetzten Hebungsreihe unter dem Einflüsse
der wiederhergestellten Blutcirkulation die Fähigkeit wiedererlangen,
das Gewicht zu heben. —
Zum Schlüsse möchte sich Beferent in Beziehung auf ein bei diesen
Untersuchungen von Mosso und Maggiora mehrfach zur Anwendung
gebrachtes Versuchsverfahren eine namentlich auch im Interesse der
Psychologie vielleicht nicht ganz unwichtige Bemerkung erlauben. Mag-
giora hebt gelegentlich hervor, welche Wichtigkeit fCbr die experimentelle
Psychologie die bei seinen Versuchen benutzte Methode besitze, die darin
bestehe, durch direkte Beizung der Nerven oder der Muskeln „die Aktion
der nervösen Centren von der der peripherischen Organe, d. h. der Nerven
Besprechungen . 195
und der Muskeln, zu trennen". Wie dem Referenten scheint, ist nun
bei Anwendung dieser Methode ein Punkt nicht zu übersehen, der merk-
würdigerweise in diesen ganzen Untersuchungen von Mosso und Maggioba
auch nicht mit einem Worte erwähnt wird. Nach den zur Zeit herrschen-
den, doch keineswegs ganz aus der Luft gegrifPenen und erst neuerdings
durch die Versuche von Beaunis wieder betonten Anschauungen werden
nämlich bei einer willkürlichen Muskelbewegung im allgemeinen auch
diejenigen Muskeln, welche die Antagonisten der im Sinne dieser Bewe-
gung wirksamen Muskeln sind, in eine hinsichtlich ihrer Stärke und ihres
zeitlichen Verlaufes nach der Art der betreffenden Bewegung sich bestim-
mende Erregung versetzt. Wird also unter gewissen Versuchsbedingungen
bei willkürlicher Erregung der Muskeln ein wesentlich anderes Resultat
erhalten als bei elektrischer Reizimg derselben, so ist der Unterschied
der in beiden Fällen erhaltenen Erfolge nicht ohne weiteres sofort darauf
zu beziehen, dafs der Reiz, der bei der Willensthätigkeit von den ner-
vösen Centren auf die Muskeln ausgeübt werde, von anderer Art sei und
anderen Gesetzen gehorche als die elektrische Reizung, sondern man hat
sich vor allem zu fragen, ob jener Unterschied seinen Grund nicht ein-
fach darin haben könne , dafs bei der willkürlichen Muskelbewegung zu-
gleich auch die betreffenden Antagonisten in Erregung versetzt werden.
So erhebt sich z. B. hinsichtlich der oben (auf S. 142 f.) erwähnten Versuche
Mossos, bei denen sich nach einer Reihe auf elektrischem Wege ausge-
löster Kontraktionen der Wille an den anämisch gemachten Muskeln
anscheinend als unwirksam erwies, während die elektrische Reizung noch
eine erhöhte Wirksamkeit entfaltete, sofort die folgende Frage: Kann
dieses eigentümliche Versuchsresultat nicht einfach darin seinen Grund
haben, dafs die Antagonisten der bei den Gewichtshebungen wirksamen
Beugemuskeln zu der Zeit, wo die Reihe der elektrischen Auslösungen
der Gewichtshebung sistiert wurde und der Wille der Versuchsperson
für die Gewichtshebung in Anspruch genommen wurde, sich in Vergleich
zu jenen Beugemuskeln in einem Zustande beträchtlich höherer Erreg-
barkeit befanden, so dafs die Impulse, welche bei der Willensanstrengung
den Antagonisten zugesandt wurden, hinreichend waren, um die beabsich-
tigte Gewichtshebung ganz zu verhindern? Die Annahme, dafs in jenem
Momente der Inanspruchnahme des Willens die Antagonisten der Beuge-
muskeln sich in Vergleich zu diesen in einem Zustande beträchtlich
höherer Erregbarkeit befanden haben, ist nämlich keineswegs eine ganz
willkürliche. Es ist in Rücksicht zu ziehen, dafs jenem Momente eine
Reihe auf elektrischem Wege hervorgerufener Gewichtshebungen vorher-
gingen, bei denen nur die Beugemuskeln, nicht aber auch ihre Antago-
nisten in Thätigkeit versetzt wurden. In der von Mosso näher mitge-
teilten Versuchsreihe gingen der ersten Inanspruchnahme des Willens
nicht weniger als 99 durch elektrische Reizung hervorgerufene Gewichts-
hebungen vorher, von denen 40 vor und 59 nach eingetretener Kompression
der Oberarmarterie stattfanden. Da nun die Anämie nicht dazu dient,
dafs das im Muskel vorhandene erregbare Material an Menge zunimmt,
sondern nur bewirkt, dafs an demselben derjenige mit Wärmebildung
verbundene chemische Umwandlungsvorgang, den wir als Erregungsprozefs
196 Besprechungen .
bezeichnen, zunächst leichter ausgelöst werden kann, und mithin zunächst
zu Folge hat, dafs der Muskel durch eine gegebene Anzahl von Beizen
bestimmter Art und St&rke mehr an erregbarem Materiale verliert, als
er bei erhaltener Blutcirkulation durch dieselben Beize verlieren würde,
so muJGsten bei dieser Versuchsreihe Mossos die Beugemuskeln durch
jene 99 auf elektrischem Vf^^Q hervorgerufenen und zwar der Mehrzahl
nach bei vorhandener Anämie hervorgerufenen Gewichtshebungen bereits
eine bedeutende Einbufse ihres erregbaren Materiales erfahren haben.
Diese Muskeln mufsten trotz des ümstandes, dafs an ihnen der die Aus-
lösbarkeit der angehäuften chemischen Spannkräfte fördernde Einflufs
der Anämie noch zu Tage trat, sich in Vergleich zu ihren Antagonisten,
die mit der erleichterten Auslösbarkeit der vorhandenen chemischen
Spannkräfte auch noch den Vorzug eines reichlicheren, durch vorherige
Beize nicht geschmälerten Besitzes solcher Spannkräfte verbanden, im
Zustande erheblich geringerer Erregbarkeit befinden. Es erhebt sich
also in der That die Frage, ob jenes eigentümliche Ausbleiben der Ge-
wichtshebung bei Inanspruchnahme des Willens nicht einfach nach Ana-
logie derjenigen pathologischen Fälle (Nothnagel) aufzufassen sei, bei
denen der Wille die Extremitäten infolge übermäfsiger gleichzeitiger
Erregung der Antagonisten nur mit äufserster Anstrengung langsam zu
bewegen vermag. Beferent kann sich bis auf weiteres der Ansicht
Mossos nicht anschliefsen , dafs jene von diesem Forscher beobachtete,
auffallende Erfolglosigkeit der Willensanstrengung „wahrscheinlich den
Beweis für den tiefgehenden Unterschied liefert, welcher zwischen der
Wirkung des Willens und jener der elektrischen Erregimg besteht".*
In ähnlicher Weise, wie in dem Vorstehenden an einem Beispiele
gezeigt worden ist, mufs auch bei Erwägung anderer Besultate, die sich
bei Untersuchungen der hier betrachteten Art im Falle willkürlicher
Muskelerregung ergeben haben, stets vor allem die Frage erhoben werden,
* Wenn man derjenigen Deutung der oben erörterten, von Mosso
gefimd^nen Erscheinung, welche Beferent durch das zur Zeit Vorliegende
nicht für ausgeschlossen hält, die Frage entgegenhalten sollte, weshalb
nach einer Beihe elektrisch ausgelöster Gewichtshebungen der Wille sich
nicht auch dann als unwirksam erweise, wenn die Blutcirkulation in den
Muskeln erhalten bleibe, so kann nur nochmals auf die Besonderheit des
Falles hingewiesen werden, wo durch die Anämie die Auslösbarkeit der
angehäuften chemischen Spannkräfte zwar in allen in Betracht kommenden
Muskeln erhöht worden ist, aber die im Sinne der Gewichtshebun^ wirk-
samen Beugemuskeln unter Benutzung dieser erhöhten Auslösoarkeit
trotz des Ausschlusses der ergänzenden Stoffzufuhr bereits durch zahl-
reiche Beize erschöpft worden sind, während die Antagonisten dem ersten
sie treffenden Willensimpulse eine sowohl durch die Anämie in ihrer
Auslösbarkeit stark geförderte, als auch durch vorhergehende Beize nicht
geschmälerte, reichliche Menge chemischer Spannkräne entgegenbringen,
a diesem Falle mufs zwischen der Erregbarkeit der Beugemuskeln und
derjenigen ihrer Antagonisten ein wesentlich anderes Verhältnis bestehen
als in dem Falle, wo während der Beihe elektrisch ausgelöster Gewichts-
hebungen die Blutcirkulation in den Muskeln erhalten blieb. Versuche,
bei denen neben den Beugemuskeln gelegentlich auch die Antagonisten
auf elektrischem Wege gereizt werden , können hierüber leicht authen-
tische Auskimft geben.
Besprechungen. 197
ob die Eigentümlichkeit der betreffenden Eesultate ihren Grund nicht
einfach in der Miterregung der antagonistischen Muskeln habe. ^
Die gleichfalls im Institute von Mosao angestellten Versuche von
IjOhbäbd stehen in engem Zusammenhange mit den im Vorstehenden
besprochenen Untersuchungen, mit denen sie im wesentlichen auch die
Methode gemeinsam haben. Lombard ergänzte die oben (S. 141) ange-
führten, die Willensermlldung ergebenden Versuchsresultate Mossos durch
den Nachweis, dafs, wenn der Wille durch Herbeiführung einer langen
Beihe von Bewegimgen bestimmter Art ermüdet ist, alsdann diese Willens-
ermüdung sich nur auf die Ausführimg von Bewegungen dieser Art, nicht
aber auch auf Bewegungen bezieht, bei denen andere Muskeln beteiligt
sind. Ferner beobachtete Lombard an sich selbst und zwei anderen Per-
sonen, dafs im späteren Verlaufe einer durch den Willen bewirkten
Hebungsreihe starke, sog. periodische Schwankungen der Hubhöhe ein-
traten. An 6 anderen Personen indessen konnten diese Schwankungen
nicht mit Deutlichkeit erhalten werden. Da diese Schwankungen bei
elektrischer Nerven- oder Muskelreizung nicht auftraten, da femer in
solchen Momenten , wo der Erfolg des Willens ein Minimum war , die
elektrische Beizung beträchtlich gröfsere Hubhöhen erzielte, und da endlich
die Schwankungen der Hubhöhe nach ihrem Auftreten durch Massage
zwar hinsichtlich ihrer Ausgiebigkeit verringert, aber nicht aufgehoben
werden konnten, so glaubt Lombard eine centrale Ursache dieser Schwan-
kimgen annehmen zu müssen. Des Näheren nimmt er als Sitz der Ursache
der Schwankungen diejenigen centralen Teile an, welche speciell der
Ausführung der in Frage stehenden Bewegungen (Gewichtshebungen)
vorstehen, da durch die von ihm gefundenen Resultate die Annahme
ausgeschlossen ist, dafs es sich bei derartigen Versuchen um periodische
Schwankungen einer Ermüdung des Willens für alle möglichen Bewe-
gungsarten handelt und mithin der Sitz der Ursache der Schwankungen
auch nicht in einem Centrum gesucht werden kann, welches für alle
Arten wiUkürlicher Beweg^ungen gleiche Bedeutung besitze. Vom prin-
zipiellen Standpunkte aus mufs man hier den obigen Ausführungen des
Referenten gemäfs die Berücksichtig^ung der Möglichkeit vermissen, dafs
^ Man könnte geneigt sein, von dem hier geltend gemachten Staod-
punkte aus sogar zu bezweifeln, ob durch die oben (auf S. 141) erwähnten
Versuche Mossos überhaupt die Ermüdbarkeit des auf eine bestimmte
Bewegung gerichteten Willens bewiesen sei. Denn wenn nach einer
grofsen Keine willkürlicher Gewichtshebungen der Wille schliefslich ganz
unfllhig sei, eine weitere Gewichtshebung auszulösen, während die elek-
trische B^izunß sich noch sehr wohl als wirksam erweise, so könne jene
eingetretene Imfähigkeit des Willens ja möglicherweise nur darauf be-
ruhen, dafs infolge der viel stärkeren Ermüdung der im Sinne der Ge-
wichtshebung wirksamen Beugemuskeln die Miterregung der Anta&^onisten
verhältnismälsig zu stark geworden sei. Lidessen scheint uns doch die
von Mosso dar^ethane Thatsache, dafs der Wille nach einer starken
Herabsetzimg semer Fähigkeit, eine Gewichtserhebung zu bewirken, durch
Einschiebung einer Beihe auf elektrischem Wege ausgelöster Gewichts-
erhebungen in dieser Fähigkeit wieder gefördert werden kann, zu be-
weisen, oafs hier eine Willensermüdung imd Willenserholimg im Spiele ist.
198 Bt'^prtchungtn.
die gefundene »og. Pertodicität — streng genommen kann man von
Perioden hier nicht reden : denn die Zeiträume zwischen den aufeinander
folgenden Minima oder Maxima zeigen aulserordentliche Variationen —
ihren Grund einfach in dem Wechsel des Verhältnisses gehabt habe, in
welchem die Enegbarkeit der im Sinne der Gewichtshebung wirksamen
Muskeln zu der Erregbarkeit der antagonistischen Muskeln stand. Es ist
klar, könnte jemand sagen, dafs vom Anbeginn der Versuchsreihe an die
ersteren Muskeln zimächst stärker ermüden muXsten als die letzteren,
die nur von schwächeren Impulsen getroffen wurden. 3£acht man -nun
die plausible Annahme, dafs das Stärkeverhältnis, in welchem die den
ersteren und die den letzteren Muskeln vom Willen zugesandten Impulse
zu einander standen, immer dasselbe blieb, so mufste die durch die
Willensanstrengung bewirkte Kraft der im Sinne der Gewichtshebxmg
wirksamen Muskeln in Vergleich zu derjenigen der Antagonisten immer
geringer werden, und es muiste ein Punkt erreicht werden, wo infolge
der verhältnismäfsig starken Gegenwirkung der letzteren Muskeln die
Hubhöhe nur noch minimal war, obwohl ein elektrischer Beiz, der nur
die im Sinne der Gewichtshebung wirksamen Muskeln erregte, noch sehr
wohl fähig war, eine nicht unbeträchtliche Hubhöhe zu erzielen. War
dieser Punkt erreicht, so mufste der weitere Verlauf der Erregbarkeit
in den beiden miteinander kämpfenden Muskelarten einen in komplizierter
Welse verschiedenen Verlauf nehmen, so dafs leicht noch eine groise
Anzahl von Maxima und Minima durchlaufen werden konnte. Denn bei
Erreichung jenes Punktes befanden sich beide Muskelarten keineswegs
in demselben Zustande, und demgemäfs mufste auch der weitere Verlauf
ihrer Ermüdung ein anderer sein. Hierzu kommt, dais dementsprechend
auch der erholende Einflufs des Blutstromes für beide Muskelarten einen
verschiedenen Verlauf nahm. Ferner spielt natürlich auch die Verschie-
denheit der beiden Muskelarten hinsichtlich ihrer Dicke, Länge, feineren
Struktur und dergl. hier eine Bolle u. a. m. Man mufs zugeben, dafs der
hier angedeuteten Erklärung, wenigstens auf den ersten Blick, die That-
Sache nicht günstig ist, dafs Lombard gefunden haben will, dais die
Schwankungen der durch den Willen erzielten Hubhöhe nach Einschiebung
einer Beihe durch elektrische Beizung ausgelöster Gewichtshebungen
zunächst mit etwas geringerer Frequenz auftreten. Indessen ist der
Sprung von dem der experimentellen Untersuchung verhältnismälsig so
leicht und direkt zugänglichen Peripherischen (dem Muskelkomplexe) zu
dem so schwer zugänglichen Centralen ein so gewaltiger, dafs aus me-
thodischen Gründen jede irgendwie denkbare Vermutung, welche die
Ursache der in Frage stehenden Erscheinungen in die an der Peripherie
vorhandenen Verhältnisse verlegt, nach allen Seiten hin in eingehende
Erwägung und Prüfung genommen werden mufs, ehe man sich dazu
entschliefsen darf, zu dem Centrum seine Zuflucht zu nehmen. Im
übrigen ist auch das vorliegende Versuchsmaterial betreffs der hier in
Bede stehenden Schwankungserscheinungen, die sich nach obigem über-
haupt nur an einem Drittel der bisher untersuchten Personen gezeigt
haben, zur Zeit noch zu gering, als dafs ein abschliefsendes Urteil über
die Ursache derselben und über die Beziehung, in welcher dieselben zu
Besprechungen. 199
den in anderen Gebieten der Physiologie und Psycliologie auftretenden
ähnlichen Schwankungserscheinungen stehen, jetzt schon gefällt werden
könnte. G-. E. Müller (Göttingen).
H. MüNSTBBBBBG. BeÜTägo ZOT experimeiitelleiL Psycliologie. Heft 3.
Neue OrundUffung der Psyckophysik. 122 S. Freiburg i. B. 1890, Akad.
Verlagsbuchhandlung von I. C. B. Mohr. Preis M. 3. —
Das Heft ist zerlegt in drei inhaltlich eng zusammenhängende Teile:
I. Theorie der' Empfindungsmessung, 11. Neue Versuche, lU. Das psycho-
physische Gesetz.
M. erörtert zunächst die Frage, ob Empfindungen gemessen werden
können. In den Angriffen eines Boas, ton Kries, Stadler, F. A. Müller,
Zeller, Elsass gegen die Mefsbarkeit der Empfindungen findet M. den
richtigen Grundgedanken, „dafs die starke Empfindung fOr unser Bewufst-
sein nicht das Multiplum einer schwachen Empfindung ist, dafs die starke
Empfindung psychologisch nicht aus schwachen zusammengesetzt ist,
Tielleicht etwas ganz Neues, in gewissem Grade unvergleichbar ist, so
dafs einen mefsbaren Unterschied zwischen starken und schwachen Schall-
empfindungen oder Lichtempfindungen oder Temperaturen u. s. w. zu
suchen, zunächst nicht mehr Sinn hat, als den Unterschied zwischen
salzig und sauer oder zwischen Kopfschmerz und Zahnschmerz mathe-
matisch berechnen zu wollen.'^ (S. 3). Die starken und schwachen
Empfindungen sind „zwei ganz verschiedene Bewufstseinsinhalte, von
denen wir zunächst nichts anderes aussagen können, als dafs sie ver-
schieden, d. h. nicht identisch sind.^' Setzt man die Verschiedenheit
eines Empfindungspaares gleich der eines andern, so wird eiae Eigen-
schaft der physischen Gröfsen auf das psychische Gebiet in ungerecht-
fertigter Weise übertragen. (S. ö). Intensitätsunterschiede sind Qualitäts-
xinter schiede. (S. 6. 25). Eine quantitative (intensive) Unterscheidung
giebt es nicht.
Was ist denn dann aber die Intensität der Empfindungen? M. ant-
wortet, dafs Qualität und Intensität nicht zwei besondere Eigenschaften
(Seiten) der einen Empfindung sind, sondern nur die Eichtungen be-
zeichnen, in welchen die eine Empfindung mit anderen Empfindungen
verglichen werden kann (S. 10). Der Grund der Unterscheidung (Ein-
ordnung in der intensiven Richtung) mufs dann anderswo als in der
Empfindung selbst gesucht werden (S. 12). Denn auch die Erfahrung,
dafs die Beizverstärkungen und -Verminderungen intensive Unterschiede
begründen, reicht zur Erklärung nicht aus, weil umgekehrt erst die
Empfindungsunterscheidung jene Erfahrung ermöglicht (S. 13). Ein
accessorisches Moment also, das zu der Reizwahmehmung hinzutritt,
mufs die Ursache sein (S. 13). Dies accessorische Moment (es besteht
natürlich in Muskelempfindungen) macht die sonst nur qualitativ ver-
schiedenen Empfindungen aber nicht blofs nach ihrer Intensität unter-
scheidbar, sondern auch mefsbar.
Worauf beruht denn überhaupt die Möglichkeit irgend einer Messung?
Alle physikalische Messung beruht, so nimmt M. mit von Kries an, auf
200 Be^prechungem.
Raum-. Zeit- und MaBsevergleichung rS. 11 u Der Grand der Anwendung
gerade dieser liegt darin, dafs wir ^Ramngröfeen untereinander, Zeit-
Strecken untereinander und Gewichte untereinander in unmittelbarer
fmbjektiver Schätzung vergleichen können^ ; „ohne diese subjektive Fähig-
keit wären alle objektiven Mefsinstrumente für uns so sinnlos, wie ein
Mikroskop wertlos wäre ohne Augen" (S. 19;. Keineswegs ist aber die
Vergleichbarkeit von Baum- imd Zeitstrecken untereinander in ihrer
nattkrlichen Anschaulichkeit oder im letzten Grunde in der räumlichen
Anschaulichkeit begründet. Vorstellungen sind gleich beim Messen,
wenn eine bestimmte Empfindung in beiden identisch ist, so sehr auch
die übrigen Elemente der Synthese" (der bei den Vorstellungen vor-
kommenden Empfindungen) „differiren mögen" (S. 21). Diese identische
Empfindung ist Muskelempfindung (und zwar bei räumlichen Grölsen die
durch die Augenbewegungen hervorgerufenen, bei Zeitgrölsen Empfin-
dtmg der Muskeln des Hinterkopfes, des Halses, der Schultern, des
Rumpfes und der Glieder, beim Gewicht die Spannungsempfindung der
den Hub ermöglichenden Muskeln), ^ie einzige psychologische Grund-
lage unserer physikalischen Messungen ist mithin unsere Muskelempfindnng
insofern alles Messen auf Messung der Baum-, Zeit- und Massegröfsen
beruht und eine Beurteilung der in die betreffenden Vorstellungen als
Faktor eingehenden Muskelempfindung möglich ist" (S. 22). Nur diese
hat die Eigenschaft, dafs sie, wenn das Wahmehmungsobjekt zerteUt
wird, in jedem Teile in geringerem Mafse enthalten ist, als im Ganzen.
Zwei ungleich grofse Objekte lassen sich in verschieden viele Teile von
gleicher Gröfse, also von gleicher Muskelempfindung, zerlegen und sind
darum, und nur darum allein, mefsbar (S. 23).
Nun beruht auf derselben Grundlage nach M. auch alle Messung
psychischer Gröfsen, der Empfindungsintensitäten ; und „weil die Grund-
lage dieselbe ist, kommt der psychischen Intensitätsmessung auch die-
selbe Berechtigung zu, wie aller physikalischen Messung" (S. 23). Das
geschieht aber folgendermafsen : Jede Beizwahmehmung ist mit einer
Muskelspannung verbunden, abhängig von der Intensität. Veränderung
der Intensität bewirkt eine andere Muskelspannimg, und „diese Änderung'
tritt als Spannungsempfindung in unser Bewufstsein" (S. 24. 92. 122 und
öfter). Zwei successive Beize von verschiedener Intensität bilden eine
komplexe Vorstellung, die auch jene aus der Änderung der ersten pri-
mären Muskelempfindungin die zweite hervorgehende Spannungsempfindung
enthält. Diese Spannimgsempfindung tritt also an Stelle der Unterschieds-
empfindung (Empfindung der Differenz zweier intensiv verschiedener
Beize) (S. 24 und 122). Nun weifs das Bewufstsein, an was es sich zu
halten hat bei der Vergleichung. Die Analogie der ganzen Erwägung^
mit den berühmten Lokalzeichen liegt auf der Hand. Sie tritt deutlich
genug hervor in folgendem Satze : „So wie wir dem qualitativen Eindruck
durch die psychophysisch bedingte Verbindung mit bestimmten Bewegungs-
empfindungen einen bestimmten Lokalwert geben, so geben Wir dem
qualitativen Eindruck durch die ebenfalls psychophysisch notwendige
Verbindimg mit bestimmten Spannungsempfindungen den bestimmten
Inten sitäts wert" (S. 28). Ohne diesen würden wir nur jene Beihe quali-
Besprechungen. 201
tativer Empfindung haben, es würde jede Intensitätsunterscheidimg un-
möglich sein (S. 29).
Für die Theorie spricht nach M. zunächst ein biologisches Moment
(S. 26). Dies besteht darin, dafs Beize, die zu keiner Bewegung führen,
keine centrifugale Wirkung haben, unzweckmäfsig sind (S. 26). Als ob
nicht das Gedächtnis eine eigene Einrichtung wäre, zeitlich weit zurück-
liegende Beize nachträglich fruchtbar zu machen.
Sodann ein psychophysisches, bestehend in einer weiteren ganz be-
sonderen Eigenschaft der Muskelempfindungen (S. 29). Es liegt nach
M. nämlich keineswegs ein Zirkel vor, insofern jene verschiedenen
Spannungsempfindungen, welche die Intensitätsreihe bewirken, auch ihrer-
seits wieder nur infolge eines besonderen Merkmals in jene Beihe ge-
ordnet werden könnten (ein Einwurf, den übrigens Stumpf, Tonpsychologie I,
8. 350, schon vorweg genommen hat). Vielmehr nehmen die Muskel-
empfindungen eine „völlig exceptioneUe^' Stellung ein; „die schwache
Muskelempfindung ist thatsächlich in der starken enthalten, und beide
sind nicht qualitativ voneinander verschieden, sondern nur durch ihre
zeitliche Dauer und räumliche Ausdehnung (S. 30). Und hier appelliert
M. sogar an die Selbstwahmehmung (S. 32). Sie zeigt, dafs die Muskel-
empfindung erstens nicht „einen Zustand, sondern eine Veränderung zum
Ausdruck bringt'^, und zweitens, dafs sie „in jeglichem Stadium inhaltlich
unverändert bleibt, nur bezüglich zeitlicher und räumlicher Ausdehnung
wechselt^^ „Beim Muskelsinn handelt es sich für jedes Muskelgebiet nur
um einen einzigen inhaltlich bestimmten Bewufstseinsinhalt, der beim An-
wachsen des Beizes, beim Stärkerwerden der Spannung oder Bewegung, nicht
etwa sich ändert, sondern lediglich länger andauert, so dafs dem starken
Beiz eine Empfindung entspricht, welche durch successive Aneinander-
fügung aus den psychischen Bepräsen tauten des schwächsten Beizes
entsteht" (S. 33). Auch beim Übergang einer Empfindung von der Inten-
sität a in die von der Intensität b ist keine inhaltliche Verschiedenheit
der betreffenden Spannungsempfindung möglich von denjenigen, wenn
etwa p in g übergeführt wird ; „in einem Falle wird sie kürzer oder gleich
oder länger andauern, als im andern, aber im übrigen identisch sein und
eben deshalb eine Messung ermöglichen; denn die länger anhaltende
Empfindung können wir ja nun genau so an der kürzeren messen, wie
wir es dann thun, wenn wir Baum- oder Zeit- oder Massegröfsen messen'^
(S. 35). So wird denn also schiefslich von M. die Anschaulichkeit, in-
sonderheit die des Baumes, einfach auf seine Muskelemj>findung über-
tragen und dann geht die Sache.
Schliefslich werden noch einige Einwendungen abgewiesen. Die
Tonschätzimgen, welche als Beispiel unmittelbarer Empfindungsschätzung
angeführt werden könnten, beruhen nach M. ebenfalls auf Muskel-
empfindungen (S. 36—45). Bei den Affekten ist die Intensität der jeweilig
hervortretendsten der Organempfindungen, aus denen der Affekt besteht,
ein Mafs für die Intensität des Affekts (S. 46). Dafs dies nicht immer
Muskelempfindungen sind (Drüsensekretion), wird übersehen. Wichtiger
für die Sache ist, dafs M. betont, dafs wir der Muskelempfindungen, auf
denen alle Messung und Schätzung nach ihm beruht, als solcher nicht be-
202 Besprechungen.
wufist werden. Sie verschmelzen mit den übrigen Empfindungen zu einer
untrennbaren Einheit. „Eine auf Selbstwahmehmung gestützte Behaup-
tung, dafs wir die besprochenen Muskelspannungen als solche gar nicht
wahrnehmen, widerspricht mithin in keiner Weise der skizzierten Theorie"
(S. 49). DafSs bei abgelenkter Aufmerksamkeit die Bichtung der Ungleich-
heit verschiedener und verschieden intensiver Empfindungen oft uner-
kennbar ist, soll sich nach M. nur aus seiner Theorie erklären lassen, inso-
fern dann die Verschiedenheit der eigentlichen Empfindung stark genug ist,
um erkannt zu werden, die Intensität der Muskelempfindung aber nicht grols
genug, um bemerkt zu werden (S. 51). Bisher hat niemand AnstoÜs daran
genommen, die Erscheinung aus den Sinnesempfindungen selbst zu er-
klären. Was für die Muskelempfindung recht ist, mufs für die Sinnes-
empfindung doch schliefslich billig sein. Auch dafs jede exakte Inten-
sitätsvergleichung eine Succession der zu vergleichenden Empfindungen
verlangt, weil sonst keine Spannungsempfindimg entsteht, scheint mir
angesichts der Schattenversuche nicht unanfechtbar zu sein. Und wenn
zuletzt M. meint, das Erinnerungsbild bei Vergleichen sehr schnell
folgender verschieden intensiver Beize sei darum zum Vergleiche ge-
eignet, weil es, wenn auch nicht so stark wie die Wahrnehmung, doch
von gleich starken Spannungen begleitet sein „könne" (S. 55), so steht
dieser Annahme was wir z. B. vom Tongedächtnis wissen direkt ent-
gegen, wenigstens soweit wir die Tonschätzungen nach M. mit den Inten-
sitätsschätzungen in Parallele stellen wollen.
Soweit die Theorie. Es folgen im zweiten Abschnitte die Versuche.
Dieselben sollen beweisend sein, weil sich ihre Möglichkeit und ihr Er-
gebnis nur durch die Theorie erklären lassen soll. Beruht alle Intensitäts-
vergleichung auf Spannungsempfindungen, so müssen sich, sag^ M., zwei
Empfindungspaare auch dann bezüglich ihrer Unterschiedsgröfse ver-
gleichen lassen, wenn sie disparaten Sinnesgebieten angehören" (S. 57).
Denn gleiche Spannungsempfindungen kann es natürlich auch in dis-
paraten Sinnesgebieten geben. Welche Unterschiede in zwei Sinnes-
gebieten gleich sind, kann nur der Versuch selbst ergeben. Keineswegs
ist von vornherein der gleich merkliche Unterschied als gleicher Unter-
schied anzusehen. Die „stillschweigende Identifizierung des gleich merk-
lichen Unterschiedes mit dem gleichen Unterschied ist der prinzipielle
Fehler der ursprünglichen Psychophysik" (S. 58).
Wie M. berichtet, gingen die Versuche subjektiv leicht und ohne
Schwierigkeit vor sich (S. 66). Die gefundenen Zahlen sollen noch keine
absolute Gültigkeit besitzen; es handelte sich zunächst um eine vorläufige
Orientierung (S. 60). Es wurden zuerst (Tab. I, 11, HI, S. 72) paarweise
Lichtintensitäten (je zwei durch rotierende Scheiben hergestellte Hellig-
keiten zwischen 20° weifs und 180« weifs), Druckgröfsen (je zwei
zwischen 50 g und 500 g liegende und an den beiden Zeigefingern auf-
gehängte Gewichte) und Schallstärken (durch den Fall einer 3 g schweren
Kugel von 10 cm bis 50 cm Fallhöhe erzeugt) verglichen mit je zwei
Armbewegungen; die linke war konstant gleich 20 cm, die rechte wurde
der jeweiligen Vergleichsgröfse aus dem andern Sinnesgebiet angepafst.
Überall ergab sich „eine ausnahmslos stetige Zunahme der entsprechen-
Besprechungen, 20?
den Armbewegung bei zunehmender Beizstärke, obgleich die Beize regel-
los zwischen schwachen, mittleren und starken fortwährend wechselten".
Eine zweite Versuchsgnippe (Tab. IV, V, VI, S. 77, 78) umfafst ähnliche
Vergleichungen von Licht-, Gewicht- und Schallpaaren (hier wog die
Kugel 10 g) mit Augenmafsgröfsen (die konstante Punktdistanz war
gleich 50 mm). Dasselbe Besultat. Sodann wurden aus den letzten drei
Tabellen, die den ungefähr gleichen Augenmafsgröfsen entsprechenden
Xiicht-, Schall- und Gewichtspaare berechnet und unter einander gleich-
gesetzt (Tab. Vn, Vm, IX, S. 81), ein Verfahren, das in der voraus-
gesetzten Gleichheit der betreffenden Muskelempfindung wohlbegründet
ist; und endlich wurde jedes der letztgenannten drei Beizpaare mit jedem
auch direkt im Versuch verglichen (Tab. X bis XV, S. 82, 83). Auch
hier ergab sich stetige Zunahme der Durchschnittsvergleichszahlen.
Vergleicht man die durch Berechnung gefundenen Werte mit den durch
Versuch gefundenen, so sind die letzteren durchweg etwas gröfser als
die ersteren. M. folgert daraus aber nichts gegen die Verläfslichkeit der
Muskelempfindungen, sondern nimmt die Zeitfolge für die Erklärung in
Anspruch ; der Unterschied des ersten Beizpaares wird nach ihm überall
überschätzt (S. 84).
Es werden endlich in Tab. XVI und XVll (S. 85) Vergleichungen
von je zwei Gewichtsreihen untereinander hinzugefügt. In Tab. XVI
stieg das erste Beizpaar von 30 g bis 200 g in Stufen von 20, 25 und
50 g und das konstante Anfangsgewicht des zweiten Paares war 300 g;
in Tab. XVII wechselte umgekehrt das erste Beizpaar zwischen dem
regelmäfsigen Anfangsgewicht von 300 g bis 2000 g in Stufen von 200,
250 und 500 g, und das konstante Anfangsgewicht des zweiten Beizpaares
^betrug 30 g. Wieder sind die Vergleichsreihen stetig ansteigend. Bildet
man aber die Quotienten der sich entsprechenden Vergleichsgpröüsen mit
den Anfangsreizen (die relativen Unterschiede), so entsprechen keines-
w^egs den gleichen Verhältniszahlen des ersten Beizpaares gleiche Ver-
hältniszahlen des zweiten. Vielmehr entspricht der gleichen Quotienten-
reihe des ersten Beizpaares (— , -^, -^, -q-, -^, -q-) das eine Mal,
wenn das erste Beizpaar aus den kleinen Gewichten gebildet wird die
^ .^ 296 431 688 871 1223 1704 , , ^ vr i ^i-
^^^^300» ^OÖ» 3ÖÖ-' lÖÖ' ^ÖÖ' -300 ^d das andere Mal, wenn die
^oisen Gewichte die erste Beihe bilden, die Beihe -j-zr, -ö^, -s^, -^
-^zr-, -^^r-. M. schliefst aus diesen Zahlen aber nicht, dafs, wenn man
^ui ihnen das WEBERSche Gesetz messen will, von einer Gültigkeit des-
selben nicht mehr gesprochen werden kann, sondern dais derselbe relative
übermerkliche Unterschied bei schwachen Beizen kleiner erscheint als
bei grofsen. Auch wie dieser „selbe relative Unterschied", der doch eine
Muskelempfindung ist, so verschieden erscheinen kann, wird nicht erklärt.
An die Versuche schliefst sich noch eine Berechnung, wie grofs
durchschnittlich der relative Lichtzuwachs (Schallzuwachs, Gewich tszu-
~wachs) sein mufs, um demselben Bewegungszuwachs gleichgeschätzt zu
Zelttohrift für Piyeholoffie. ^^
204 Besprechungen.
werden. Das vorhandene Material wird zu 6 Gleichungen zwischen je
einem Gewicht-, Schall- und Lichtverh<nis benutzt. Sodann wird der
Zuwachs in jeder Dreigleichung in Procenten des Grundreizes ausge-
drückt, die Summe in jeder Bubrik gezogen und die sich so ergebende
Gesamtgleichung durch den kleinsten der Summenwerte dividiert.
£s ergeben sich die Zahlen 2,0 und 1,0 tmd 1,24. Diese besagen nach
M., dafs unter den vorliegenden Bedingungen Gewichtszuwachs, Schall-
zuwachs und Lichtzuwachs einander gleich erscheinen, wenn sie durch-
schnittlich sich wie 2: 1: 1,24 verhalten. Dasselbe Verhältnis (von einer
unbedeutenden Abweichung abgesehen) ergiebt sich aus dem Vergleich
derselben Beize mit Punktdistanzen. Wie wenig diese schöne Überein-
stimmung ein Beweis für die Genauigkeit des Besultates ist, ergiebt sich,,
abgesehen von der Willkürlichkeit bei der Wahl der Anfangswerte^
aus dem Vergleich des Durchschnittsverh<nisses mit den einzelnen
Beihen. Diese müfsten, die Bichtigkeit der Theorie vorausgesetzt^
sämtlich wenigstens annähernd das gleiche Verhältnis zeigen. Es finden
sich aber unter den 12 benutzten Gleichimgen die 6 folgenden: 2,5: 1:
0,7; 2,3:1:0,8; 1,3:1:1,3; 4:1:2; 1,7:1:1,1; 1,8:1:1,3. Wenn auch
M. selbst seinen Zahlen keinen endgültigen Wert zuspricht, so hätte
doch die innere Übereinstimmung derselben gröfser sein müssen, um die
Ziehung eines allgemein verwendbaren Durchschnittswertes zu berech-
tigen. Schliefslich stellt M. in den drei genannten Beizklassen noch je
einen einzigen eben merklichen Unterschied fest und findet wieder das
gleiche Verhältnis der relativen Beizzuwüchse (S. 90). Auch diese drei
Zahlen können angesichts des Widerspruches, in dem sie sich mit den bis-
herigen sorgfaltig festgestellten Thatsachen befinden, und infolge der
Willkürlichkeit bei der Wahl gerade dieser Beizgpröfsen nicht den ge-
ringsten Wert beanspruchen.
Eine kurze Erörterung bespricht im dritten Teile das Verhältnis
des neu Gefundenen zu den bisher bekannten Thatsachen (S. 95 — 122).
Was folgt vor allen Dingen für das WESERsche Gesetz? Es wäre von
vornherein nach M. nicht unmöglich gewesen, dafs das WssERSche Ge-
setz sich auf Sämtliche disparate Sinnesgebiete hätte ausdehnen lassen.
Dann hätten zwei Beizpaare überall als gleich verschieden erscheinen
müssen, falls sie in demselben Verhältnis zu einander standen. Die ge-
nauer untersuchten Klassen (Licht, Schall, Gewicht) ergeben aber einen
jeweilig verschiedenen Verbal tniskoefficienten für den gleich erschei-
nenden relativen Beizzuwachs. Wohl soll sich aber nach M. das
WEBERSche Gesetz im allgemeinen innerhalb des gleichen Sinnesgebietes
bestätigt haben. Er folgert dies aus den schon charakterisierten Tabellen
XVI und XVII. Dasselbe heifst bei ihm: „Je zwei Beize rufen dieselbe
Änderung der reflektorisch erregten Muskelspannung und dadurch die-
selbe als Mafs der Empfindung benutzte Spannungsempfindung hervor^
wenn das Verhältnis der Beize unverändert bleibt" (S 100). So wäre
das WEBERsche Gesetz gerettet. Eine innere Beziehung desselben zur
Unterschiedsschwelle besteht aber nach M. nicht. Diese gehört zunächst
ganz in das sensorielle Gebiet (hat also mit Muskelspannungen nicht»
zu thun). Es ist ein Zufall, dafs der eben merkliche Unterschied ebenfalls
BeaprecJMngm. 205
gleichen Reizrerhältnissen entspricht. Der Punkt der eben merkbaren
Verschiedenheit deckt sich keineswegs mit demjenigen, bei welchem der
kleinste m eis bare Empfindnngsunterschied wahrgenommen wird, also
mit dem Punkte, wo die zur Messung notwendigen Spannungsem-
pfindungen auftreten. Die Vernachlässigung dieser Unterscheidung soll
nach M. der Hauptgrund zu der UnregelmäTsigkeit der Versuchsergebnisse
beim WEBSBschen G-esetz bilden (S. 109). Der genannte Zufall ist aber
die glückliche Veranlassung, die Muskelspannungstheorie noch zu ver-
allgemeinern. So ganz unabhängig sind die Verschiedenheitsschwelle
und die Schwelle der musk. TJnterschiedsempfindung voneinander doch
nicht. Auch die Empfindung einer Reizverschiedenheit beruht auf einer
Muskelempfindung (S. 111). Jeder wirkliche Bewufstseinsinhalt verlang^
Muskelempfindung. Während also anfangs nach M. ohne die Muskel-
empfindung die Welt in eine Summe blofs qualitativer Empfindungen,
oder wie es dort heifst „Reizen**, zerfiel (S. 24), so heifst es jetzt: „Wo
keine Muskelempfindung in den BewuTtseinsinhalt eingeht, da verschwindet
überhaupt jedes bewufste Erlebnis** (S. 112). Damit glaubt M. diejenige
Theorie fest begründet zu haben, welche, von aller Metaphysik sich fem
haltend, jegliche psychische Veränderung nicht als Veränderung des
Bewufstseins, sondern als Veränderung des Bewufstseinsinhaltes auffafst
imd jede Änderung des Bewufstseinsinhaltes als Begleiterscheinung eines
physisch bedingten Gehimvorgangs ansieht.**
Wir haben bisher lediglich die Ansichten M.s berichtet, nur einige
Einwände einschaltend, welche innerhalb • des Gedankenkreises M.s nötig
erschienen. Wir bedauern nunmehr hinzufügen zu müssen, dafs wir auch
nicht einem einzigen Punkte der neuen Aufstellungen M.s beistimmen
können imd dafs ims auch die Versuche nicht geeignet erscheinen, irgend
eine der von ihm daraus gezogenen Schlüsse zu bestätigen.
Bereits der Grundbegriff der blofs qualitativen Empfindungsreihe
bei M. ist anfechtbar. Auf Worte soll kein Wert gelegt werden. Die
Frage ist aber, ob z. B. ein Ton von bestimmter Höhe ein empfindbares
imd unterscheidbares Moment enthält, wenn er das eine Mal schwach,
das andere Mal stark angeschlagen wird. Ist dies der Fall, so ist diese
Empfindungsverschiedenheit der Töne und ihre Ähnlichkeitsgrade jeden-
falls der Grund für das Bewufstsein, die intensive Reihe herzustellen und
nichts anderes. M. könnte sagen, diese Verschiedenheit rühre eben von
den Muskelempfindungen her, die mit der Empfindung jedesmal ver-
bunden sind. Dann wäre die Muskelempfindung die metapsychologische
Ursache der Verschiedenheit; denn als solche, als Muskelempfindung,
soll sie nach M. nicht zum Bewufstsein kommen. Aber sei dies so.
Nun soll die Muskelempfindung die Eigenschaft haben, qualitativ stets-
inhaltsgleich zu sein; nur räumliche Ausbreitung und zeitliche Dauer
bringen nach M. Unterschiede hervor. Das pafst schon nicht mehr auf
jenes wirklich im Bewufstsein vorhandene Moment, durch welches der
schwache und starke Ton von gleicher Höhe sich unterscheidet; denn
dies hat eine von der Beizdauer und nicht von der Stärke des Tones
abhängige Dauer ; es ist eng mit der Höhenempfindung verbunden. Schon
hier r also steht die Theorie ganz im Imaginären. Denke ich mir einen
14*
206 ^ Betpreelmmgm,
Ton aUmAblich an Intensität zunehmend, so kann ich mir eine Anncht,
welche die Zunahme auf die Daner des Beises und die dadurch bewirkte
räumliche Ausdehnung desselben schiebt, wenigstens yorstellen, wenn
auch der Unterschied zwischen einem dauernden in der Stärke gleich-
bleibenden Tone und einem dauernden in der Stärke anwachsenden un-
erklärt bliebe; nicht aber bei zwei intensiv verschiedenen Tönen von
gleicher bestimmter Dauer; es wären sonderbare physiologische Vor-
stellungen, zu denen man auf diese Weise gelangte. Aber auch die
Muskelempfindungen selbst, soweit sie wirklich und unterscheidbar be-
wuist werden, sind nicht^durchaus gleichartig; ebenso ist es bei den
Druckempfindungen. Und endlich ist auch der Zirkel nicht vermieden!
gegen den sich M. verwahrt. Beruht die Auffassung räumlicher und
zeitlicher Verschiedenheiten auf Muskelempfindungen, so kann man nicht
die Verschiedenheiten der Intensität wieder auf räumlich und zeitlich
verschiedene Muskelempfindungen zurückf&hren wollen.
Aber auch von allen diesen Bedenken abgesehen, wttrde die Theorie
zweitens zu weit einschneidenderen Forderungen in betreff der Intensitäts-
vergleichung zwingen, als die von M. gestellten und in seinen Versuchen
verwirklichten sind. Erhält jede Empfindung erst infolge einer Muskel-
empfindung eine bestimmte und durch die eigne Natur der Muskelem-
pfindung mefsbare Intensität, so muis bei der vorausgesetzten Gleich-
artigkeit der Muskelempfindungen sich notwendigerweise jede einzelne
Empfindung von einer bestimmten Intensität als jeder andern entweder
gleich oder ungleich erweisen« Wir müTsten dann im wahren Sinne des
Wortes einen Ton von bestimmter Stärke einem bestimmten G-ewichte
oder einer bestimmten Lichtintensität gleich finden, oder es müXsten sich die
gesamten Sinnesempfiadungen in einer intensiven Reihe ordnen lassen.
Dafs dies nicht der Fall ist, dafs es schwierig ist, für Vergleichungen
disparater Beize einen geeigneten Anfang zu finden, zeigen gerade die
Versuche M.s, und es ist dies fCür ähnliche Unternehmungen als positiver
Nutzen derselben festzustellen. Dais die Willkürlichkeit des Anfangs
jenen Versuchen und den sich an sie anknüpfenden Berechnungen allein
schon jeden Boden entzieht, wurde bereits hervorgehoben.
So bleibt denn dem Referenten nur noch die eine Aufgabe, zu er-
klären, wie die Versuche M.s überhaupt möglich gewesen sind. Es soll
dies möglichst kurz geschehen. Die neue Theorie der Intensitätsmessung
(denn darum und nicht um eine „neue Grundlegung der Psychophysik"
handelt es sich im Grunde in unserem Buche) geht aus von dem auch
uns richtig erscheinenden und schon oft hervorgehobenen Gedanken, dals
eine Empfindung von gewisser Stärke sich nicht in eine bestimmte An-
zahl einzelner Empfindungen von einer als Einheit dienlichen geringem
Stärke zerlegen läTst. Man kann dies zugeben und doch das WEBBSsche
Gesetz anerkennen; nur die FzcmraBsche Differentialformel muTs jener
Auffassung der Unzerlegbarkeit der einzelnen intensiven Empfindung
weichen. Das WEBEBSche Gesetz bezieht sich auf die e. m. Unterschiede.
Die relative Unterschiedsschwelle ist nach unserer Ansicht die Funda-
mentalthatsache der Psychophysik, eine wirkliche Empfindungsgrund-
thatsache, welche die wirkliche Beziehung von Reiz imd Empfindung
Bespredmngen. 207
ziiin Ausdruck bringt. Erst die Verallgemeinerung der, soweit es sich
um das WEBERSche Gesetz handelt, bildlichen mathematischen Darstellung
des Funktionsyerhältnisses zwischen Beiz und Empfindung ftüirt zu den
gerügten bedenklichen Konsequenzen in Bezug auf die Messung psychi-
scher Gröfsen. Die Thatsache der TJnterschiedsschwelle zwingt nun zu der
Folgerung, dafs von irgend einem Anfangspunkt innerhalb der Beizskala
an bis zu irgend einem Endpunkt nur stets eine ganz bestimmte Anzahl
intensiv abgestufter und aufeinander folgender Empfindungen möglich
(merkbar) ist, während die Beize in kontinuierlicher Weise anwachsen.
Zwischen je zwei übermerklichen Empfindungsunterschieden liegt nur
eine jedesmal bestimmte Anzahl von Empfindungsmöglichkeiten. Dieselbe
kann sich vervielfachen, wenn man sich den Anfangspunkt ein wenig
nach oben oder unten verrückt denkt, jedoch so, dafs der neue Anfangs-
punkt noch unter der Schwelle des ersten Anfangspunktes liegt. Nun
heifse der Zwischenraum zwischen zwei verschieden intensiven Em-
pfindungen irgend eines Sinnesgebietes eine psychische Strecke, ein Be-
griff, der sich ebenso für die qualitativen Unterschiede der Empfindung
verwenden läfst. Dann ist das natürliche MaTs der Strecke die durch
die Unterschiedsschwelle bestimmbare Anzahl^ der möglichen in sie
fallenden Empfindungen. Je gröfser die Anzahl, um so gröüser die
Strecke. In diesem Sinne kann man von den Versuchen M.s sagen, dafs
b.ei ihnen verschiedene psychische) Strecken miteinander verglichen seien.
Eine solche Vergleichung ist notwendig ungenau. Sie könnte nur dann
genau sein, wenn es überall nur einen bestimmten Anfangspunkt zur
Peststellung der Empfindungsmöglichkeiten gäbe. Es ist dies der Grund,
welcher mir denj Wert der Methode der mittleren Abstufungen noch
immer geringer^ erscheinen lassen^ will, ^ als die auf dem e. m. U. be-
ruhenden* Mafsmethoden. Dafs M. trotzdem zu stets kontinuierlichen
Vergleichsreihen gelangte, erklärt sich dadurch leicht, dais er nur mit
verhältnismäfsig wenigen und sehr deutlich unterschiedenen Beizpaaren
arbeitete. Ebenso wie mit Bewegungsempfindungen oder Punktdistanzen
hätte M. seine Intensitätenreihen mit Tonhöhen oder mit Farbennuancen
vergleichen können. Auch da hätte er voraussichtlich stetige Beihen er-
halten, und es wäre weder aufiallend, noch für unsere Kenntnis des
psychischen Lebens von fundamentaler Bedeutung gewesen.
Götz Mabtitjs (Bonn).
Litteraturbericht.
W. Pretbr. Die Seele des Kindes. Beobachtnngen ftber die geistige
Entwickelung des Menschen in den ersten Leben^ahren. Dritte
vermehrte Auflage. XVI und 539 S. Leipzig 1890, Th. Griebens
Verlag (L. Femau). Preis Mt. 9. — Selbstanzeige.
Die erste Auflage erschien Ende 1881, die zweite 1884. Die dritte
unterscheidet sich von beiden durch mehrere Zugaben und Weglassungen.
Zu jenen gehört eine chronologische Übersicht der wichtigeren £nt-
Wickelungsmerkmale (S. 479 — 621) nebst drei Zeittafeln zur Alters-
bestimmimg in Tagen, Wochen, Monaten. Das Sachregister, welches
der zweiten Auflage fehlte, ist ausführlicher als das der ersten. Fort-
geblieben sind die Berichte über das Sehenlemen Blindgeborener. Statt
dessen sind die SchluTsfolgerungen des Verfassers daraus in den Ab-
schnitt über das Sehen des Kindes übergegangen. Desgleichen wurden
die Beilagen über die wortlose Sprache taubsttunmer Kinder, über das
Fehlen der Sprache bei Mikrocephalen und über das Sprechenlemen
normaler in- und ausländischer Elinder mit yielen neuen Zusätzen that-
sächHchen und theoretischen Inhalts dem Texte einverleibt. Dieser
selbst hat eine sehr genaue Revision erfahren und ist an mehreren
Stellen umgearbeitet worden. Namentlich der Abschnitt über die Aphasie
und die anderen Sprachstörungen Erwachsener ist mit Bücksicht auf
neuere klinische und pathologisch-anatomische Beobachtungen lungeformt,
die Erörterung des kindlichen Wortschatzes durch neues Material be-
reichert worden. Fast allen Kapiteln wurden neue psychogenetisch be-
merkenswerte Einzelthatsachen eingefügt. Dagegen blieben viele ältere
Angaben, welche zur Begründung der Besultate nicht mehr erforderlich
sind, fort. Im ganzen ist die ursprüngliche Einteilung in drei Teile
(1. Sinne, OrgangefOhle und Emotionen; 2. Wille und Bewegungen;
3. Verstand, Sprache und Ichbeg^ff) beibehalten worden. Durch die an-
gegebenen Änderungen wurde das Buch zum Nachschlagen brauchbarer
gemacht und auch zum Lesen bequemer eingerichtet.
Oongrto international de Psychologie phTsiologitine. Campte rendu prisent^
par la SocUU de ipeyehoJogie physiciogique, 157 S. Paris 1890. Bureau
des Bevues.
Obwohl dieser erste psychologische Kongrels bereits vor einem
Jahre stattgefunden hat, wird es doch bei dem Interesse, welches sich
Litteraturbericht 209
an manche seiner Verhandlungen knüpft, gerechtfertigt erscheinen, wenn
wir ihm an der Hand des ehen erst erschienenen offiziellen Berichts noch
einen kurzen Bückhlick widmen.
Die Teilnehmer des Kongresses, unter denen sich manche be-
deutende Namen befanden, waren in ziemlich grofser Anzahl erschienen
und vertraten fast alle Länder der Erde. An Stelle des Präsidenten
OHAacoT, der sich von dem Kongresse fernhielt, begrüfste Eibot sie in
der ErOfinungsversammlung. Er wies auf die vielen und bedeutenden
Leistungen hin auf dem Gebiete der Psychologie in den letzten zwanzig
Jahren, er betonte, dafs das Studium des Nervensystems das Bindeglied
bedeute zwischen Physiologie und Psychologie, dafs die . Forschung mit
letzterem eine objektive, experimentelle geworden wäre, — und schlois
mit dem Wunsche, der erste Kongreis möge nicht auseinandergehen,
ohne Zeit und Ort fClr den zweiten bestimmt zu haben.
Ch. Biohet, der Generalsekretär und vortre£Pliche Organisator des
Kongresses, stellte dann in sehr sympathischen Worten das Programm
fest: Li den allgemeinen Sitzungen sollten folgende Fragen be-
handelt werden: 1) Statistik der Kallucinationen, 2) Vererbung
und 3) Hypnotismus.
Daneben bildete sich eine Anzahl von Sektionen, von denen eine
jede für sich ein bestimmtes Thema zu beraten hatte; aufser den drei
genannten u. a. noch den Muskelsinn, das Hören in Farben (au-
dition color^e) und die Organisation eines internationalen Ver-
bandes sämtlicher psychologischer Gesellschaften.
Wie es bei dem zur Zeit heftig entbrannten Streit der „Schule von
Nancy" und der „Schule von Paris'' nicht anders zu erwarten war,
drängte sich der Hypnotismus in den Vordergrund des Literesses.
Einige der wichtigsten Ergebnisse der zum grofsen Teil sehr interessanten
Vorträge und Diskussionen seien hier erwähnt.
Ch. Bichet hatte vorgeschlagen, sich über die Bedeutung der auf
diesem Gebiete gangbaren Ausdrücke zu einigen. Bei Gelegenheit der
Besprechung des Automatismus wurde festgestellt, dafs sich zwischen
automatischem Akt, Beflexakt und Willensakt keine scharfe
Grenze ziehen läfst.
Bezüglich der Unterscheidung zwischen tierischem Magnetis-
mus und Hypnotismus einigt man sich, dafs ersteres Wort der
Wissenschaft beigelegt werden soll, welche sich mit den gewöhnlich
unter diesem Begriff verstandenen nervösen Erscheinungen beschäftigt
und diese letztere anders als durch Suggestion erklärt. Das Wort Hyp-
notismus dagegen soll diejenige Wissenschaft bezeichnen, welche die
bezüglichen nervösen Erscheinimgen auf Suggestion, Autosuggestion und
ähnliche Beaktionen der Versuchsperson zurückführt. Diese Erklärungen
dürften sich wohl kaum einer allgemeinen Zustimmung erfreuen; sie
sind zu allgemein; aufserdem ist, was Forel hervorhob, der Gedanke an
die Fluidums-Theorie von Mbssmeb von der Auffassung des tierischen
Magnetismus imzertrennlich«
Zur Suggestion gehören nach Beekhbdc — imd so wurde es auch
vom Kongrefs acceptiert , — drei Dinge: 1. Einführung einer Idee in das
210 LUUratmHferiekt
Gehirn, 2. Annahme derselben und 3. Verwirklichung derselben, und
zwar so, dals auch der Versuch der Realisation von selten des In-
diTiduums schon für den Begriff der Suggestion genügt.
Die Auffassung des Somnambulismus (somnambulisme proYoqu6)
als eines hypnotischen Zustandes mit mehr oder weniger voll-
kommener Amnesie nach dem Erwachen (BcBVBSDi) ist wohl all-
gemein anerkannt.
OoHOBOwicz brachte die Frage der hypnotischen Empfäng-
lichkeit zur Diskussion. Das ganze Thema, welches einen enormen
Umfang hat, konnte natürlich nicht besprochen werden. Besonders
interessierte die Frage, ob Hypnotisierbarkeit und hysterischer
(neuro pathischer) Zustand insoweit identisch wären, dals der eine
Zustand den andern in sich schliefse und umgekehrt. Die Frage wurde
besonders in Anbetracht der reichen gegenteiligen Erfahrungen, die
Bbbvhsdc zur Geltung brachte, allgemein verneint. — Die Hypnotisier-
barkeit, so lieis sich die Ansicht des Kongresses weiter vernehmen,
ist nur wenig geknüpft an die Individualität der Rasse, und sie hängt
ebensosehr ab von dem Geschick und der Übung des Hypnotiseurs wie
von der allgemeinen und sogar auch augenblicklichen Stimmung des
Individuums. — Die Bedeutung des von Ochorowicz demonstrierten
Hypnoskops, eines ringf5rmigen Magneten, zur Erkennung der
Hypnotisierbarkeit durch gewisse an dem betr. Individuum aus-
geloste motorische und sensible Beizerscheinungen wird von Delbobuf
u. a. mit Recht angezweifelt. Aus andern von Mme. Sidowick (London),
Cb. Richet, Mtebs (London) u. a. geäufserten Erfahrungen scheint un-
zweifelhaft hervorzugehen, dafs gerade die Individualität des Hypnoti-
seurs eine ungemein wichtige Rolle spielt.
Von Ochorowicz wurde femer die Frage aufgeworfen, ob alle Er-
scheinungen des hypnotischen Zustandes allein als durch
Suggestion hervorgerufen erklärt werden könnten.
Ochorowicz stellte sich auf den Standpunkt, daJGs eine rein physi-
kalische Mafsnahme (z. B. Auflegen der Hände auf den Kopf u. s. w.)
Hypnose herbeiführe, er betonte auch die Thatsache, dais sich als
Folge einer Hypnose häufig Zustände einstellen, die der Hypnotisierende
durchaus nicht hervorzurufen beabsichtigt hatte, z. B. später Schlaf —
— bei vorausgegangener Schlaflosigkeit — nach einer Hypnose, in der
nur die Suggestion gegeben war, dafs eine Neuralgie oder dergL ver-
schwinden solle. Bbbvhbim dagegen meinte — und Forbl stimmte ihm bei — ,
dafs zwischen die physikalische Einwirkung und den in der eingetretenen
Hypnose, dem Aufhören von Schmerzen u. s. w. sich äufsemden Erfolg
ein psychischer Vorgang trete, welcher die Vermittelung zwischen beiden
übernehme ; an jede physische Einwirkung, meint er, knüpfe sich zuerst
eine Idee bei dem beeinflufsten Individuum (Autosuggestion), durch
welche dann erst weitere Wirkungen ausgelöst würden.
In einer andern Sitzung präzisierte Babivski auf Ersuchen des Prä-
sidenten die Lehren der CHARCOTSchen Schule: Die wichtige Rolle der
Suggestion wird anerkannt, aber die Unabhängigkeit gewisser hypnotischer
Zustände, wie der 3 Stadien des grand hypnotisme, von der Suggestion
Litteraturbericht. 21 1
aufrecht erhalten; man hätte sonst diese drei Stadien experimentell
hervorbringen können , was noch niemand gelungen wäre. Gewisse
physische Mittel könnten ganz allein für sich hypnotisierend wirken;
auch bei der neuromuskulären Erregbarkeit hätte die Suggestion nichts
zu thun. Die Wichtigkeit somatischer Symptome wie des eben angedeuteten
bezüglich der Simulationsfrage wird von B. besonders hervorgehoben,
Die Schule der Salpdtri&re bleibt dabei, dafs der hypnotische Zustand
ein pathologischer sei, was mit groiser Einmütigkeit in der Diskussion
bestritten wird.
LoMBROso (Turin) teilte mit, dafs es ihm nur gelungen wäre, 20 Vo
Hypnotisierbare herauszufinden, woraus er gegenüber den bei weitem
bessern Besultaten von Bebnheim und Fobel auf endemische Dispositionen
in Nancy und BurghÖlzli schlieist. L. bricht eine Lanze für die „schöne
Entdeckung^ der Polarisation, welche er selber bei vielen Versuchen
hätte bestätigen können, und konstatiert, im Gegensatz zu Bernhedc, dafs
das hypnotisch-hallucinatorische Bild ein reelles wäre und durchaus den
Gesetzen der Optik folge.
Eine Mitteilung von Prof. Dakilewskt (Charkow) bezog sich auf die Hyp-
nose der Tiere. Es ist gelungen, Frösche, Eidechsen, Krokodile, Schlangen,
Schildkröten, verschiedene Vögel und Fische, Krabben, Krebse, Hummern
u. s. w. in Hypnose zu versetzen. Von höhern Tieren ist Meerschweinchen
imd Kaninchen hypnotisierbar, während beim Hund leider alle Versuche
gescheitert sind. Die Hypnose wird in der Weise eingeleitet, dals man
dem betr. Tier irgend eine anormale Stellung (z. B. Itückenlage) gibt und
es durch sanften Händedruck darin so lange erhält, bis es jede Wider-
stands- und Fluchtbewegung aufgibt. Ein hypnotischer Frosch
zeigt eine allgemeine Anästhesie der Haut und der tiefer gelegenen
Organe, selbst auch der Sinnesorgane; die Abwehrbewegungen, welche
der Frosch normalerweise jedem äufsem Reiz entgegensetzt, kommen
nicht zu Stande. (Aufhebung der Eeflezerregbarkeit.) Ein an-
deres Experiment soll zeigen, dafs auch eine Lähmung des Willens
stattgefunden hat: ein Stück befeuchtetes Fliefspapier, dem normalen
Frosch auf die Nase gelegt, wird sofort durch eine schnelle Patten-
bewegung weggeschleudert. Werden die Patten angenäht oder fest-
gebunden, so entsteht eine Art asthmatischen Anfalls und lebhafte Un-
ruhe des Tieres. Am hypnotisierten Frosch wird die Pattenbewegung
zur Befreiung des Atmungsorgans vermifst. Der Vorgang bei derselben
erscheint dem Verfasser zu kompliziert, um ihn als Jßeflex auffassen zu
können; er sieht darin eine willkürliche Bewegung imd in dem Nicht-
zustandekommen derselben eine Willenslähmung.
Bemerkenswert ist, dafs bei einem hypnotisierten Frosch,
"welcher seines ganzen Gehirns beraubt ist, die Anästhesie
nicht zu Stande kommt und der asthmatische Anfall viel
schwächer auftritt. Aus dem Eintreten der Anästhesie beim hyp-
notisierten normalen und dem Wegfall der Anästhesie beim hypno-
tisierten enthimten Frosch schliefst D., dafs das Gehirn im hypnotischen
Zustand eine aktive Bolle spielen mufs, dais es sich in dem speciellen
Falle um keine lähmende Wirkung der Hypnose handeln kann.
212 Litteratufberiau,
D. erwähnt weiter, dafs oft wiederholte Hjpnotisationen hei Tieren
häufig Gesundheitsstörungen, wie Appetitmangel, Ahschwächung der
willkürlichen Bewegungen und Stumpfsinn hervorhringen. Im ührigen
hetont er die Analogie zwischen der Hypnose des Menschen und
der Tiere: heim Menschen stelle, die Hypnose nur einen etwas kom-
plizierteren Vorgang dar; heim Tier werde durch die Hypnotisations-
methode (Festhalten mit der Hand in unnatürlicher Lage) das Gefühl der
Ohnmacht, sich zu verteidigen und der Nutzlosigkeit jedes Yerteidigungs-
versuches erweckt, nur der Willensimpuls werde unterdrückt. Bei der
Hypnotisierung des Menschen würde der körperliche durch einen
psychischen Zwang ersetzt; hei manchen Methoden indessen, z. B. hei
den sogen. MsssMERschen Strichen, sei die Analogie vollständig.
Auf die vielen Einzelheiten üher die Eigenheiten des hypnotischen
Zustandes andrer Tiere, wie der Schlange u. s. w., kann hier nicht näher
eingegangen werden.
Die von demKongrefs gelieferten Beiträge zur Entscheidung der Frage
nach dem Wesen des Muskelsinns brachten nichts besonderes Neues.
Bezüglich der von der Society for psyehical reaearch in London an-
geregten Sammelforschung üher die Hallucinationen bei normalen
Menschen wurde die Einsetzung eines permanenten Komitees be-
schlossen, in welches Sidqwick, Mtebs, James, Gbotb und Mabtllibb ge-
wählt wurden.
An demselben Tage entspann sich auf Anregung von Charles Bichet
eine Diskussion über die Gedankenübertragung ohne äuTsere Hülfsmittel,
welche vorher auch die Sektion für Hypnotismus beschäftigt hatte.
Mtebb, SmowiCK, Ch. Richet und Oohobowicz erklärten, auf Grund ihrer
Experimente zu der festen üeberzeugung gelangt zu sein, dafs es eine
solche Übertragung wirklich gebe. Allerdings hätten die Phänomene,
wie namentlich Mtebs auseinandersetzte, etwas Kapriciöses. Bisweilen
gelängen die Experimente bei Beobachtung aller erdenklichen Vorsichts-
mafsregeln in einer jede Möglichkeit des blofsen Zufalls ausschliefsenden
Häufigkeit, bisweilen, und zwar mit denselben Personen und anscheinend
unter ganz denselben Umständen, gelängen sie nicht. Man könne also
nicht ohne weiteres zu den Zweiflern sagen : kommt und sehet. Dblboeüf
giebt das üeberraschende der Serien von Erfolgen zu, erklärt aber, infogle
ebenso frappanter Miiserfolge, seinerseits Skeptiker geblieben zu sein.
In der Kommission, welche die Frage der Heredität zu behandeln
hatte, wurde von Galton (London) mit Hinweis auf sein neueres Werk
„Naturtil tnheritanc^ und die diesbezüglichen VeröfiPSentlichungen im Journal
de Ja SocUU entomologique ausgeführt, dafs man bei planmälsigen Züchtungen
von Tieren sein Augenmerk hauptsächlich darauf zu richten habe, in wie
weit sich erworbene Gewohnheiten vererbten, und welche Veränderung
die „Gröise'' der Tiere erlitte, sei es, dafs man vorher eine Zuchtwahl
getroffen oder die Mischung der Geschlechter dem Zufall überlassen habe.
Um der Frage der Vererbung beim Menschen näher zu treten,
beschlois der Kongrefs die Aufstellung eines von Galtoh proponierten
einfachen Fragebogens, der den Familien zur Ausfüllung übergeben
werden soll. Berücksichtigt wird darin 1. Vater mit Geschwistern,
Litteraturbericht 213
3. Mutter mit Geschwistern, 3. Sölme und Töchter (auch Stief-Söhne oder
-Töchter väter- oder mütterlicherseits). Gewünscht wird Angabe des
ausführlichen Namens, Datum der Geburt oder des Todes, „Augen'',
„Ähnlichkeiten (dem Vater oder der Mutter)'', „unterscheidende Züge
jedes Mitgliedes einer Gruppe". Die Anweisung, welche zur Ausfüllung
dieses Fragebogens gegeben wird, ist höchst dürftig.
Im AnschlujCs daran soll noch Auskunft erbeten werden (mit der
Feststellung des endgiltigen Planes wird die SocUtS de Psychologie physio-
ioffique betraut) über physische und psychische Ähnlichkeiten der väter-
lichen Gruppe, Übertragung der erworbenen Gewohnheiten, technische
Fertigkeiten u. s. w. In zweiter Beihe soll festgestellt werden, inwie-
weit der Volksglaube berechtigt ist, dafs körperliche oder geistige Er-
schütterungen der Mutter zur Zeit der Schwangerschaft besondere Zeichen,
Merkmale oder Anlagen in dem Kinde entwickeln — im Sinne der For-
schung von Darwins Vater.
Gbote (Moskau) will die Fragebogen noch ausführlicher aufgestellt
und beantwortet wissen.
Von den zahlreichen sonstigen interessanten Vorkomnmissen des
Kongresses erwähne ich nur, dafs y. Schbbnck-Notzino (München) Photo-
graphien von Hypnotisierten in dramatischen Stellungen vorlegte, die
allseitiges Interesse erweckten und von denen auch Schauspieler manchen
Nutzen ziehen könnten.
Zum Schluis noch ein Wort über die Thätigkeit der sogen. Commission
tPorgamsaHon, welche die Aufgabe hatte, einen Plan über die Fortführung
des begonnenen Werkes aufzustellen. Ihren Vorschlägen gemäfs wurde
beschlossen, den nächsten Kongrefs unter dem Namen: „Kongrefs für
experimentelle Psychologie" im August des Jahres 1892 in London
abzuhalten. Um das Programm für denselben vorzubereiten, wurde eine
Kommission gewählt, welche sich im Dezember 1891 zu einer beschluTs-
fassenden Sitzung vereinigen soll. Mitglieder dieser Kommission sind
für Frankreich: Beatthis, Bebnhbih, Bebtrakd, Espinas, Febbabi, Gley,
Mabit.t.teb, Ob. Bichet, Bibot; für England: Galtok, F. Myebs, Sidowick;
für die Vereinigten Staaten: James; für Deutschland: Mubnstebbebo,
y. ScHBEKCK-NoTznro, Speblino; für die Schweiz: Fobel und Hebzen; für
Italien: IioicBBOso;fÜr Biil^and: Danilewski, Ochobowicz, Gbote, NEioLiCKf ;
für Belgien: Delboeuf; für Osterreich: Benedikt; für Bumänien: Gbvbeb.
Speblino (Berlin).
J. Gaule. ZaU und Verteilung der markhaltlgen Fasern im FroBch-
rttckenmark. Abhandh d, Sachs. Ges. d. Wissensch. Math.'phys. Kl.
Bd. XV. No. 9. S. 737—780. Mit X Tafeln. Leipzig 1889, Hirzel.
(Selbstanzeige.)
Diese Arbeit hat ein doppeltes Gesicht. Einerseits löst sie eine
rein thatsächliche Aufgabe. Es wird ermittelt die Zahl der Nervenfasern,
T^elche sich in der weiisen Substanz des Froschrückenmarks befinden.
Zu diesem Zwecke werden 5 Querschnitte durchgezählt, die den ver-
schiedenen Abschnitten entnommen sind, nämHch von dem Übergang
zur med, oblongata, von der Mitte der Armanschwellung, aus der Mitte
214 LiOerainrbmcht
des Brustxnarks, yom Anfang der Lendenanscbwellnng und von jenseitA
der letzteren. Es wurden gefunden:
Übergang s. med. obl. Armaoicfawellg. Bmetmark LendeiuuiBeliwellg.
56674 74699 41825 61058
Jentelto dertelbeii unter dem IX. Herr.
16313.
Was Laben diese Zahlen fCür einen Sinn? Zwei Hypothesen, die
s. Z. in der Wissenschaft eine Bolle spielten, vertragen sich mit den-
selben absolut nicht. Die erste derselben meinte, dals dieselben Fasern
sich durch die ganze Länge des Bückenmarks fortsetzten — dann müi}3t6n
die Zahlen in allen Höhen gleich sein — , die zweite nahm an, dafs die
in den Wurzeln der peripheren Nerven enthaltenen Fasern sich dem
Bückenmark anschlössen — dann müTsten die Zahlen von unten nach
oben stetig wachsen. Beides ist nicht der Fall. Moderne Theorien auf
physiologischen, pathologischen und entwicklungsgeschichtlichen Beob-
achtungen fuisend, haben längst angenommen, dafs die Fasern der weilsen
Substanz eine mannigfaltige Bedeutung haben, dafs sie verschiedenen
Systemen angehören. Beschränkt man sich auf die physiologische Über-
legung, so wird man dem heutigen Stand unserer Kenntnisse schon ent-
nehmen können, dafs jede in den hinteren Wurzeln zum Bückenmark
gelangende Erregung mindestens 3 Wirkungen haben kann. Sie kann
einen Beflex hervorbringen in dem Glied der gleichen oder der gekreuzten
Seite, oder der Beflex kann sich weiter ausdehnen und auch das andere
Gliederpaar mit betreffen, oder die Erregung kann hinauf wandern zu den
höchsten Abschnitten und dort eine bewuTste Empfindung auslösen. Auf
der andern Seite wird die Erregung, die in einer motorischen Faser
dem Muskel zuströmt, sich kombinieren mit Erregungen der gleichen Art,
so dafs es sich nur um die Bewegung eines Gliedes handelt, oder es
können * beide Gliederpaare zu einer Bewegung vereinigt sein, endlich
kann diese Bewegung unter dem Einflufs der höchsten Abschnitte des
Nervensystems geschehen oder auch ohne diesen« Damit haben wir ein-
gesehen, dafs die centralen Enden der motorischen wie der sensiblen
Faser oder vielleicht vorsichtiger die Teile der grauen Substanz, in
welche sich die vorderen wie die hinteren Wurzeln hineinbegeben,
mindestens dreifache Verbindungen haben müssen, 1. mit dem gesamten
Bezirk, der als ein Ganzes sich bewegt oder reflektorisch erregt werden
kann, also z. B. die Einmündungsstellen der von und zu einem Glied hin-
gehenden Nervenfasern untereinander, 2. die Verbindung der verschiedenen
Bezirke untereinander, hauptsächlich die Verbindung der centralen Enden
für das untere Gliederpaar (Lendenanschwellung) mit dem oberen (Arm-
anschwellung), 3. die Verbindung mit dem Gehirn. Jede dieser Ver-
bindungen wird aus gleichseitigen und gekreuzten, aus aufsteigend und
absteigend leitenden Fasern bestehen, jede kann einfach oder mehrfach
vorhanden sein. Dafs unsere Zahlen einer solchen Ahnahme günstig
sind, lehrt schon ein Blick auf die gewaltige Zu- und Abnahme, die sie
in der Lenden- und Armanschwellung zeigen, wo die vielen kurzen Ver-
bindungen der ersten Art hinzukommen. Aber eine viel genauere Prü-
fung läfst sich anstellen, wenn man die Zählung zu Hülfe nimmt,, welche
lAtteratwrherieht 215
Herr Biugb vor einigen Jahren unter meiner Leitung von den Fasern
der vorderen und hinteren Wurzeln des Frosches anstellte. »Dieselbe
gestattet festzustellen, wie viel Wurzelf asem in irgend einer Höhe
des Bückenmarks aus demselben ein- oder ausgetreten sind. Wenn man
-vrOiste, wie viele Verbindungen jede dieser Wurzelfasern haben muJB,
könnte man berechnen, wie viel in jedem Querschnitt man Fasern in der
weiTsen Substanz zu erwarten hat. Eine Überlegung der physiologischen
Bedingungen, sowie der Zahlen selbst führt zu der Hypothese, dafs 8
kurze Verbindungen (2 absteigend, 2 aufsteigend und die gleiche Zahl
auf der gekreuzten Seite), 1 mittlere zur Verbindung mit dem andern
Oliederpaar und zwei lange zur Verbindung mit den höheren Abschnitten
zu jeder Wurzelfaser gehören.
Berechnet man danach die Zahlen für die 5 untersuchten Quer-
schnitte, so erhält man:
Übeig. sar med. obl. ArmaiuchweUg. Brostmark. Lendenanschwellg. Unter IX. Nerv.
56000 74000 45600 60500 18000
die wirklich geflindenen Zahlen sind
56674 74699 41825 61058 16313
Diese Übereinstimmung ist eine genügende, um die Hypothese zu
beweisen, und damit ist eine Vorstellung von der Natur und den Auf-
gaben der Fasern der weifsen Substanz gewonnen, welche sich für eine
Heihe von physiologischen Betrachtungen nützlich erweisen kann.
Der zweite Gesichtspunkt wird in dem „Zweck" überschrieb enen
Abschnitt auseinandergesetzt. Er knüpft an die Betrachtungen an,
"welche ich unter dem Titel „Der Okus der Zellen" als Beitrag zu
der Cabl Ludwig gewidmeten Festschrift veröffentlichte. Dort war ge-
sagt worden, dafs nicht blofs morphologische Verhältnisse das Objekt
unserer mikroskopischen Durchforschung sein können, dafs das eigent-
liche Band, welches die Zellen zum Organismus zusammenbinde, der ge-
meinsame Stoff- und Kraftwechsel sei.
Sieht man die Zellen aber an, nicht blofs als die morphologischen
Sausteine, sondern als die Kraftquellen und Kraftcentren des Organismus,
80 folgt, dais auf das Verhältnis ihrer Zahlen alles ankommt. Denn das
Gesamtleben des Organismus erscheint als das Problem des Gleichgewichts,
der von den einzelnen Elementen ausgeübten Kräfte, imd dieses Gleich-
gewicht ist daran gebunden, dafs die verschiedenen Kraftquellen, also
die verschiedenen Zellenarten in einem bestimmten Mengenverhältnis
vorhanden sind. Eine gewisse Anzahl von Ganglienzellen fordert also
eine entsprechende, sagen wir kurzweg eine äquivalente Anzahl von Nerven-
zellen, Muskelzellen, Blutzellen u. s.w. Das Gesetz des Okus (d. i. Haushalt),
-wie es hier formuliert wird, kann angesehen werden als entsprechend
dem Aquivalentgesetz der Chemie. Wie in dem organischen Molekül die
Zahlenverhältnisse der Atome die Natur und den Charakter der Ver-
bindung bestimmen, so wird hier das lebende Wesen durch die Äquivalent-
mengen der dasselbe aufbauenden Zellen charakterisiert. Natürlich hat
jede Art die ihr eigentümlichen Zahlen, ihre Formel, wenn man so sagen
darf, und die Aufgabe eines zukünftigen Fortschreitens der Physiologie
-wird es sein, diese quantitative Analyse der Organismen durchzuführen
216 lAUeraturberic?U.
und die Gesetze des Gleiobgewicbts der Kräfte der Elementarteile zu ent«'
wickeln. Zu dieser Lösung aber wird hier ein thatsäcblicher Beitrag
geliefert, indem festgestellt wird, dafs jeder Faser der Wurzeln eine
bestimmte Anzahl von Fasern in der weiTsen Substanz entsprechen, und
gezeigt wird, welche physiologische Bedeutung diesem Yerh<nis inne-
wohnt. Julius Gauls (Zürich).
P. Krokthal. HlBtologisclies von den grofsen Zellen in den Vorder-
liömern. Neural. Centralbl 1890. No. 2. Selbstanzeige.
An frischen in einer eigentümlichen Art gefärbten Zellen aus den
Vorderhömem des Bückenmarks erkenne ich deutlich die fibrilläre Stuktur
der Fortsätze und massenhafte Fibrillen, die sich im Innern der ZeUe
kreuzen. Stellenweise gelingt es eine Faser zu verfolgen, welche
durch einen Fortsatz in die Zelle eintritt, dieselbe durchsetzt und in
einem anderen Fortsatz verläfst. Ich vermute als Sinn dieser Ein*
richtung, dafs die der Zelle durch eine Faser zugeführte Erregung, die
jedenfalls Bewegung ist, in ihr den sämtlichen sie durchsetzenden übrigen
Fasern mitgeteilt werde.
Babl-Eückharo. Sind die Ganglienzellen amöboid? Eine Hypothese zur
Mechanik psychischer Vorgänge. Neurohg. Centrdlblatt 1890. No. 7.
8. 199.
Ausgehend von der Annahme, dafs das Protoplasma in seiner höch-
sten Differenzierung, wie sie uns in den Hirnzellen entgegentritt, G-e-
dächtnis hat und dafs unsere ganze höhere geistige Thätigkeit nur die
stets wechselnde Kombination der in den Molekülen der Ganglien auf-
gespeicherten Einzelvorstellungen ist, möchte Verfasser als einen „hin-
geworfenen, vielleicht fruchtbaren Gedanken'' die in Betreff ihrer Mög-
lichkeit vorerst nicht anzuzweifelnde Hypothese aufstellen, dafs die
Protoplasmafortsätze der höheren Ganglienzellen, aus denen das nervöse
Netzwerk (Neurospongium Waldeters) im Gehirn hervorgeht, dem Spiel
amöboider Veränderungen unterworfen seien und auf diese Weise durch
eine wechselnde Verbindung untereinander den Austausch und die Kom-
bination der verschiedenen Einzelvorstellungen vermittelten. Ein ab-
gerissener Gedankenfaden würde dann zum abgerissenen Protoplasma-
faden einer Gedächtniszelle, eine geistreiche Kombination wäre die Ver-
bindung verschiedener Ganglienzellen, deren Protoplasmafortsätze mit
besonders lebhaften amöboiden Bewegungen ausgestattet wären etc. —
ein mechanisches Verständnis psychischer Vorgänge wäre damit an-
gebahnt. Peretxi (Bonn).
A. Delbrück. Zur Lehre Ton der ELrenzung der Nervenfasern im chiasmA
neryormn opticoram, Archiv f. Psychiatrie u. Nervenhrankh. 1890. Bd. XXI.
Eine genauere anatomische Untersuchung eines Falles läist den
Verfasser auch mit der Mehrzahl der Forscher den Standpunkt ver-
treten, dafs sich die Fasern des Sehnerven nicht vollständig kreuzen,
sondern ein Teil ungekreuzt zur gleichseitigen Netzhaut gelangt.
Kronthal (Berlin).
lAUeraturhericht 2 VI
J. Gauls. PliyBiologlBclie Demonstration. Correspondetu^l f. Schweiger
Ärzte 1890. No. 10.
Der „Gesellschaft der Ärzte inZürich'^ stellte Prof. Gaülb in
der Sitzung vom 8. März einen Hund vor^ dem er nach dem Vorgange
von G^LTZ die Poci (vnlgo Centren) der Vorder- und Hinterpfoten ezstirpiert
hatte. (Die Foci waren durch Aufsuchen der durch den galvanischen
Strom erregbaren Stellen festgestellt worden.)
Der Vortragende teilte mit, daXs das Tier durch halbjährige Dressur
den Einflufs der Intelligenz auf seine Bewegungen wieder-
erlangt habe. In der That gab der Hund auf Kommando die gewünschte
Pfote, bediente sich beim Ausgraben von versteckten oder eingewickelten
Fleischstückchen beider Pfoten mit gleicher Leichtigkeit und gab noch
eine Beihe anderer Proben von durchaus intelligentem Gebrauch seiner
Vorderpfoten. Allerdings waren seine Bewegungen, wie immer in solchen
FäUen, plump und von zahlreichen zwecklosen Mitbewegungen begleitet.
In der Analyse des Phänomens kam .G. zu dem Schlufs, dafs, da
erstens an der Grofshimrinde als dem Sitze der Intelligenz festzuhalten
sei, zweitens aber eine restitutio in integrum ezstirpierter Teile er-
fahrungsgemäfs nicht einträte, andere Teile unter Bildung neuer
Verbindungsbahnen die Bolle der verlorenen Foci über-
nommen haben müfsten.
Gegen diese Ansicht wurden vornehmlich zwei Bedenken erhoben.
Das eine richtete [sich gegen die Ausbildung neuer Nervenfasern unter
Hinweis auf die zahlreichen, gewöhnlich nicht benutzten Beservebahnen
des Gehirns, die nur „ausgeschliffen" zu werden brauchten (Honeooer). Das
zweite gab dem Zweifel Ausdruck, ob hier wirklich die ganze motorische
Bindenregion der Pfote entfernt sei. Vermutlich sei ein Teil nicht nur
der Pyramidenbahn, sondern auch der zugehörigen Binde, vor allem
des wegen seiner tiefen Lage der Beizung und Entrindung schwer zu-
gänglichen sulcus calloso-marginalis stehen geblieben. Demnach läge
keine Bildung neuer Faserverbindungen vor, sondern nur eine Wieder-
au&iahme der Thätigkeit seitens jener durch die Operation vorüber-
gehend funktionell (cirkulatorische Störungen) geschädigten Begionen
(V. MOKAKOW).
Der Vortragende erklärte, unter Aufrecht^rhaltung seiner Ansicht,
den Hauptwert darauf legen zu wollen, dais von den Leistungen des
Hundes Akt genommen werde. Was anatomisch wirklich im Gehirn
vorläge, werde er durch nochmalige Absuchung des Gehirns mittelst des
elektrischen Stroms und durch postmortale mikroskopische Untersuchung
feststellen. Alfr. Lewandowski (Berlin).
W. Bechtbrer. Über Erscheinungen, die nach Zerstörung yersebiedener
Teile des Nervensystems bei neugeborenen Tieren beobachtet werden,
und über die Entwickelung der Qehimfnnktionen bei denselben.
Medieinskcfje Ohosrenje 1890. No. 4. (Bef. i. Neur. CetUralbl. v. Bosekbach).
Die Operationen an markhalt igen Teilen des Gehirns von neuge-
borenen bringt dieselben Effekte hervor, wie bei erwachsenen Tieren,
an den marklosen Teilen aber fehlen sie häufig oder sind gemildert.
218 lAtteraturberieht
Aus dieser Thatsache wie auch aus dem Umstand, dafs die marklosen
Partien fUr den elektrischen Strom nicht erregbar sind, schliefst Ver-
fasser, dafs sie, solange sie kein Mark haben, überhaupt nicht an den
Fimktionen des Nervenapparates teilnehmen.
Die Markentwickelung erfolgt übrigens sehr rapid in den ersten
Lebenstagen, die Funktionen der Sinnesorgane und Bewegungsapparate
treten im gleichen Verhältnisse mit der Markentwickelung auf.
Kbokthal (Berlin).
O. Schwarz. Über die Wirkniig des konstanteii Stroms anf das nor-
male Auge. Ärchw ßr PsycIUatrü, Bd. XXI, 2. 1889.
Die eigenen Versuche des Verfassers ergaben zunächst in Überein-
stimmung mit dem Besultate der Untersuchungen von Helmholtz', dafs
die Netzhaut durch den galvanischen Strom partiell erregbar sei und daüs
die im Gesichtsfelde genau zu lokalisierenden Lichterscheinungen durch
direkte Wirkung auf die Netzhaut entstehen. Zugleich brachten die
Versuche den Beweis, dafs diese partielle galvanische Erregung nicht in
der Nervenfaserschicht, sondern nach aufsen von ihr und zwar in den
radiären Netzhautelementen, wahrscheinlich in der Zapfenschicht zu
Stande kommt. Die betreffenden Elemente kommen in Katelektrotonus
bei der Bichtung des Stroms von den Ganglienzellen zu den zugehörigen
Zapfen (bei Schliefsung des aufsteigenden und Öffnung des absteigenden
Stroms) und in Anelektrotonus bei entgegengesetzter Stromrichtung.
Eintritt in Katelektrotonus (oder Austritt aus Anelektrotonus) erzeugt
bei nicht zu schwachen Strömen eine von einer „kurzwelligen Farbe"
begleitete Lichtempfindimg, welche auch die Empfindung des objektiven
Lichts beeinflufst. Eintritt in Anelektrotonus (oder Austritt aus Kate-
lektrotonus) bewirkt eine Herabsetzung der Erregbarkeit, die sich in Ver-
minderung der Empfindung des Eigenlichts der Netzhaut und in einer
geringen und rasch vorübergehenden, aber deutlichen Herabsetzung der
Empfindlichkeit für objektives Licht kundgiebt. Die Eintrittsstelle des
Sehnerven weicht in Bezug auf die Erscheinungen von der übrigen Netz-
haut ab, nach von Helmholtz vermutlich infolge ihres durch anatomische
Verhältnisse bedingten, abweichenden Leitungswiderstandes. — Ob stär-
kere Ströme auch in den Nervenfasern der Netzhaut und des Sehnerven
eine Erregung bewirken, was ja an sich zu vermuten wäre, läfst sich
erst nach Untersuchimg geeigneter pathologischer Fälle feststellen.
Die im zweiten Teile der Arbeit besprochenen Untersuchungen über
den Einflufs des konstanten Stroms auf die Empfindlichkeit der Netzhaut
gegen objektives Licht in Beziehung auf Sehschärfe, Licht- und Farben-
sinn und die Nachbilder führten zu dem Eesultate, dafs der konstante
Strom im stände ist, einen langdauemden Folgezustand im Sehorgane zu
bewirken, der sich in einer Erhöhung der Empfindlichkeit für objektives
Licht verschiedener Qualität, wenigstens in der Peripherie der Netzhaut
LUteratturbencht, 219
seigt. Wie der Zustand bewirkt wird, durch direkte Einwirkung auf ädß
I^etzhautelemente oder auf das centrale Sehorgan oder durch Beein-
flussung des Kreislaufs, ist noch nicht zu entscheiden, ebensowenig ob
dieser Folgezustand von der Stromrichtung abh&ngig ist. Bbib (Bcoin).
£. Hbbikg. Eine Methode znr Beobachtung des Simnltankontrastes.
Pflügers ÄrcMv, XLVII, 1890. S. 236—242.
Beschreibung eines einfachen Verfahrens, welches sowohl eine in-
struktive Beobachtung der Kontrasterscheinungen an sich gestattet, als
auch die Berücksichtigung einiger Nebenxunstände, die fUr die Erklärung
des Phänomens von Bedeutung sind. Man denke sich zwei aneinander
^enzende Farbenflächen A und B, Etwas entfernt von der Trennungs-
linie und senkrecht zu ihr liegt auf Ä ein schmaler Streifen von B
xmd auf B ein schmaler Streifen von Ä. Das Ganze wird durch ein
doppelbrechendes Prisma betrachtet, und zwar so, dafs die Streifen senk-
recht zu ihrer Längsrichtung zu Doppelbildern auseinandergeschoben
T^erden, die mindestens um ihre eigene Breite voneinander getrennt sind.
Physikalisch enthalten dann sämtliche Streifen gleichgemischtes Licht;
nichtsdestoweniger sehen die auf dem einen Grunde liegenden Doppel-
bilder durch Kontrast ganz anders aus, als die auf dem andern Grunde.
Zur Beinheit des Versuchs gehört Vermeidung von Augenbewegungen,
*was durch Anbringung einer Fixationsmarke leicht erzielt werden kan^.
TTm die bekannte Frage zu prüfen, ob die körperliche Selbständigkeit
der aufeinander wirkenden Farben von Einflufs auf den Kontrast sei,
legt man die Streifen nicht direkt auf die Farbenflächen, sondern be-
festigt sie an Drähten und bringt sie so an, dafs sie sich sichtlich ober-
halb des farbigen Grundes befinden. Die Kontrastwirkung zeigt sich
liierdurch durchaus nicht geändert. EBBDfOHATrs.
Latdcbb Clabk. Testing for Oolonr-Blindness. Letter to the Editor. Natwe
1890, 12. Juni, S. 147.
Der bekannte Physiker, der sich als partially colour-blind bezeichnet,
hat beobachtet, dafs manche Blumen, wie z. B. Epilobium (Weidenröschen)
^mgustifolium, die ihm in der Natur bläulich oder purpurfarben erscheinen,
in illustrierten botanischen Werken entschieden rötlich und ganz anders
^s in der Wirklichkeit aussehen. Er folgert daraus, dafs Farben, die
für das normale Auge identisch sind, von dem Farbenblinden unter Um-
frtiänden unterschieden werden können.
Wäre das so ohne weiteres richtig, so wäre es sowohl neu als theo-
retisch unerklärlich. Die Sache verhält sich aber vermutlich folgender-
mafsen. Für jeden sog. Farbenblinden existiert ein gewisses Grün, welche s
Ihm farblos, d. h. grau, erscheint. Ebenfalls grau erscheint ihm natürlich
die Komplementärfarbe jenes Grün, nämlich ein gewisses bläuliches Bot.
AUe übrigen Farben sieht er entweder blau oder gelb. Die Farbe von Epilo-
bium (etwa die des gewöhnlichen roten Wiesenklees) liegt nun für Latimeb
Olabk ganz in der Nähe des von ihm neutral gesehenen Bläulichrot, nur
ein wenig nach Blau hin. Dafs bei der Nachbildung einer natürlichen
Farbe durch den Druck ganz derselbe Farbenton getroffen wird, ist
Zeitsolnlfk fUr Psychologie. 15
220 LiUendufheridU.
höchst selten, in der Begel findet eine kleine Verschiehnng statt. Sieht
man die beiden Farben, von denen die eine die Wiedergabe der anderen
sein soll, unmittelbar nebeneinander, so sieht man sofort den unterschied;
sieht man sie nicht nebeneinander, so fUlt die Abweichung im allgemeinen
nicht weiter anf, wenn nur auf die nachgebildete Farbe noch einiger-
mafsen die allgemeine Bezeichnung der vorbildlichen (rot, gelb u. s. w.)
anwendbar ist. Nur für den Farbenblinden kann allerdings auch in einem
solchen Falle die Abweichung sich noch bemerkbar machen; dann näm-
lich, wenn die Verschiebung Über die von ihm neutral gesehene Farbe
hinausgeht. Es ändert sich für ihn dann der Farbenton, imd das ist bei
dem Vorhandensein von nur zwei Farbentönen etwas sehr Auffallendes»
So verhält es sich offenbar in dem Falle L. C's. Die künstlich nach-
gebildete Farbe liegt von seinem neutralgesehenen Bot etwas nach Rot
hin, wie die natürliche etwas nach Blau hin. Der Unterschied ist so
gering, dass er bei der blofs gedächtnismäfsigen Vergleichung von dem
Normalsehenden nicht bemerkt wird; L. C. aber sieht das eine Mal eine
bläuliche, das andere Mal eine gelbliche Farbe Man darf deshalb nun aber
nicht sagen, dafs der Farbenblinde unter Umständen Farben unterscheiden
kann, die das normale Auge identisch sieht, denn identisch sieht das
normale Auge solche Farben in keinem Falle; sondern man muTs sagen^
dafs schwache Farbenunterschiede, die für den Normalsehenden nichts
Aufsergewöhnliches haben, für den Farbenblinden unter den oben be-
stimmt angegebenen Umständen etwas so Frappierendes gewinnen können,
dafs er sie selbst bei blofs mentaler Vergleichung noch bemerkt.
Ebbivghaus.
Mroatczik. Das hysterische Gestchtsfeld im wachen und hypnotischen.
Zustande. Neurolog. Centralblatt 1890. No. 8. S. 230.
Verfasser beobachtete bei einer Hystero-Epileptischen, dafs äufsere
Reize, wie Hiechen von Äther, Bestreuen der Zunge mit Salz, Reizung
des Gehörnerven durch eine schwingende Stimmgabel, Applikation von
Wärme oder Äther auf die Hand konstant eine bedeutende Erweiterung
des an sich konzentrisch verengten Gesichtsfeldes herbeiführten. In der
Hypnose war das Gesichtsfeld um mehrere Grade gröfser, als im wachen
Zustande, und peripherische Reize hatten ebenfalls die erwähnte Wirkung.
Übereinstimmend mit den Beobachtungen Thomsens und Oppenheims und
ScHiELES von dem Einflüsse der Gemütsstimmung auf die Ausdehnung
des Gesichtsfeldes fand Verfasser bei suggerierter Freude eine Erweiterung,
bei suggeriertem Leid eine Einengung des Gesichtsfeldes.
Peretti (Bonn).
J. Loeb und Th. T. Groom. Der HeliotropismiiB der Nanplien von
Balanns perforatus nnd die periodischen Tiefenwaadernngen pelagi-
scher Tiere. Biolog. CentralblaU. Bd. X. No. 5 u. 6. 1. Mai 1890.
S. 160—178.
Im Anschlufs an seine früheren Untersuchungen über den Helio-
tropismus der Tiere (s. diese Zeitschr. I. S. 126) stellte Verfasser an
den Larven (Naupliusstadium) gewisser niederer Crustaceen (Baianus
Litteratwrberieht. 221
perforatus), die in grofsen Scharen im Meere pelagisch leben, eine Anzahl
von Versuchen an, welche einerseits zur Feststellung derselben Erschei-
nungen fahrten, die schon vom Verfasser bei seinen früheren Versuchen
gefunden waren, andererseits aber noch die interessante Erscheinung
der Ümkehrung des Heliotropismus aus positivem in negativen und
umgekehrt wahrnehmen liefsen, in ganz genau derselben Weise, wie
sie Strasbübgvb früher für manche Algenschwärmer nachgewiesen hat.
Während nämlich die Nauplien morgens ganz früh sämtlich positiv helio-
tropisch waren (d. h. sich zum Lichte hin bewegten), wurden sie mit
zunehmender Helligkeit nach und nach alle negativ heliotropisch. Tiere,
die mittags aus dem Dunkeln in das Licht gebracht wurden, zeigten sich
ebenfalls zuerst alle positiv heliotropisch und wurden erst nach einiger
Zeit, bei gröfserer Lichtintensität schneller als bei geringerer, negativ
heliotropisch. Es geht also daraus hervor, dals die Umkehr nicht auf
einen periodischen Wechsel der Empfindlichkeit bei Tag und Nacht be-
ruhen kann. Bei einer gewissen sehr geringen Lichtintensität scheinen
die Tiere dauernd positiv heliotropisch zu bleiben.
Aus diesem Verhalten ergiebt sich mit Notwendigkeit die eigen-
tümliche Thatsache, dafs die Nauplien nachts sich an der Oberfläche
des Meeres aufhalten, während sie bei Tage bis in eine gewisse Tiefe
hinabsteigen, um gegen Abend wieder die Oberfläche aufzusuchen etc.
Auch die Jahresperiode der Tiefenwanderung könnte event. auf diese Er-
scheinungen zurückzuführen sein. Eine Verallgemeinerung der heliotro-
pischen Ursache für die Tages- und Jahresperioden der Tiefenwanderungen
aller pelagischen Tiere dürfte indessen vor der Hand noch nicht am
Platze sein. Verwobn (Jena).
J. Habbrmakn. über die Schwerhörigkeit der KeBselBchmiede. Arch. f.
Ohrenheük., Bd. XXX (1890). S. 1-25.
Verfasser untersuchte 31 Kesselschmiede auf das Gehör und wies
bei allen eine Schwerhörigkeit verschiedenen Grades nach, die durch die
Einwirkung der intensiven Geräusche bei der Arbeit entstanden war.
Bei allen XJntersuchungspersonen war das Gehör besonders für hohe Töne
hochgradig herabgesetzt; eine ähnliche Beobachtung stellte Büreneb an
Lokomotivführern an, ferner GRADSinGO an 2 Steinmetzen und 2 Müllern,
Bezold an Scheibenschützen, Sohwabtzb nach einem Lokomotivpfiff. Be-
sonderes Interesse bietet der Befund dar, den Habjbbicakn an den beiden
Schnecken eines 75jährigen Kesselschmiedes vorfand: die Untersuchung
der Schnecke ergab nämlich an beiden Gehörorganen einen Schwund der
Nerven in der Schneckenbasis, der gegen das untere Ende der Schnecke
zunehmend stärker erschien; es wurden daselbst nur wenige Ganglien-
zellen im Canalis ganglionaris angetroffen und nur spärliche, dünne
Nervenfasern, bei vollständigem Fehlen des Oortischen Organes. Weiter-
nach aufwärts dagegen, der Schneckenspitze zu, zeigten sich die Ganglien
zeUen in zunehmender Anzahl, die Nervenstämmchen nur etwas ver-
schmälert, sonst normale Verhältnisse. Da nun die höchsten Töne von
16*
222
der Sohneckenbasis, die tieferen von den oberen Sk>hneGkenwinduiigen
aiks zur Perception gelangen, so stinunt dieser histologische Befund mit
dem nachweislichen Ausfall der höchsten Töne bei Keeselsoluiiiedmi
vollst&ndig überein. Die Ursache dieses Neryenschwundes dttrfte in der
besonders starken Einwirkung der hohen Töne bei Kesselschmiedarbeiten
sm suchen sein, vielleicht in der besonderen Empfindlichkeit, die unser
Ohr gegen hohe Töne aufweist, derzufolge die Einwirkung eines starkeat
Schalles überhaupt, ohne Bücksioht auf die Tonhöhe, auf den basalen
Teil der Schnecke vorzugsweise schädlich einwirken dürfl;e.
UBBAHcsoHcrseH (Wien).
EüOEK Dbxhkr. Die Physiologie der Tonkunst. Halle a. S, 1889 , C. E.
M. Pfeffer (Bobert Stricker). Preis JL 2.40.
Den ersten Teil dieser über 100 Seiten umfassenden Abhandlung
durchzieht als roter Faden die Aufzählung der fundamentalsten That-
Sachen der Akustik, z. B. der, „dafs die Luftteilchen in der Bichtung
des Schallstrahles (longitudinal) erzittern'^ ; dais, wenn die Schwingungs-
zahl zu grofs oder zu klein ist, jede Tonwahmehmung ,,schweigt^; dats
hinreichend tiefe Töne auch die Tastnerven „erzittern lassen" u. s. w.
An diese Erörterungen knüpfen sich dann überall physikalische, physiolo-
gische und psychologische Auseinandersetzungen. Von diesen sei nur
folgendes erwähnt. Dr. bezeichnet das „Herausfühlen" der Partialtöne
einer schwingenden Saite als eine akustische Täuschimg (S. 61). Die
Möglichkeit, durch Besonatoren die Teiltöne hörbar zu machen, sei kein
Beweis für ihre objektive Existenz, „da die Besonatoren nichts weiter
aussagen können, als dafs sie verhältnismäfsig stark von der sie treffen-
den Lufbwelle erschüttert werden" (S. 60). Auf die durch eine derartige
Auffassung mehr als nahegelegte Frage, warum bei jedem Klange nur
bestimmte und nicht beliebige Besonatoren angesprochen werden, geht
Verfasser nicht ein. S. 45 — 47 wird der, dem Beferenten leider nicht
ganz verständlich gewordene Nachweis geführt, da£s, wenn Grundton
und Oktave zusammenklingen und gleichsinnige Schwingungsrichtung
am Anfang jeder Sekunde statthat, ein Kombinationston auftritt, dessen
Schwingungszahl um 1 von der Differenz der Schwingungszahlen der
Primärtöne verschieden ist. Wäre dieser Schluüs richtig, so müfsten
offenbar unter den in Bede stehenden umständen Schwebungen hörbar
werden, was aber bekanntlich nicht der Fall ist. — Der zweite Teil der
Physiologie der Tonkunst ist lediglich ästhetischen Betrachtungen gewidmet.
ScHAEFER (Jena).
B. Katser. Über den Weg der Atmungslvft durch die Nase. Zeitschr.
f. Ohrenheilk., Bd. XX (1889).
Aus den experimentellen Untersuchungen Paülsstb an Leichen-
köpfen ergab sich, dafs der in die Nase eindringende Luftstrom die
Bichtung nach aufwärts einschlägt, entlang dem Nasendache verläuft
und nach unten bogenförmig abfällt; der untere Nasengang bleibt voaoi
Luftstrom unberührt.
223
Katsxb stellte an Lebenden Versuche mit Einatmung von Magnesia-
pulveor dturcH die Nase an und fand hierbei in Übereinstimmung mit
Pauisik den unteren Nasengang frei von Pulver. Stark best&ubt erwies
sich das vordere Ende des Septums, ca. IVt cm von der Nasenspitze ent-
fernt, und ferner der vordere Rand der mittleren Muschel. Die Ent-
fernung der unteren Nasenmusehel ergab dasselbe Resultat betreffs des
Pulvemiederachlages. Bei stofsweiser Aspiration fliegen die Pulverkömer
aahlreicher als bei ruhiger Atmung in die oberen Partien der Nasenhöhle
und liefern also die experimentelle Erklärung für die beim Schnüffeln
stärkere Geruchswahmehmung, wobei übrigens auch das beim Schnüffeln
vermehrte Eindringen von Riechstoffen in Betracht kommt. Verfasser
hebt femer die Bedeutung der bogenförmigen Luftstromrichtung in der
Nase für die Zurückhaltung des Staubes hervor.
ÜRBANTSCHITSCH (Wien).
A. G0LD8OHEIDER. Bin BewegimgsiiieMer. BerUner kUn. Wochemehr. 1890.
No. 14.
Beschreibung eines kleinen Instruments zur bequemen Messung der
Bewegungsempfindlichkeit imserer GUeder, sowohl für klinische wie
normale Prüfungszwecke. Eine gepolsterte Schiene, die auf das zu be-
wegende Glied fest aufgelegt wird, trägt ein leicht bewegliches aber
schweres Pendel, welches also bei Elevationen des Gliedes lotrecht
hängen bleibt. Hinter dem Pendel bewegt sich ein mit der aufgelegten
Schiene fest verbtmdener Kreissektor, an dem die Elevationswinkel bis
au halben Graden abgelesen werden können. Der Sektor kann auch
senkrecht zur Längsrichtung des Gliedes gestellt werden und dient dann
zur Ablesung der Gröfse von Rotationsbewegungen des Gliedes.
Ebbikohaüs.
P. Langlois et Ch. Richet. De la sensibilit^ musculaire de la respiration.
Bevue phiha. 1890. No. 5. S. 557—559.
Vorläufige Versuche, die Feinheit des sog. Muskelsinns bei Atem-
bewegungen zu bestimmen. Die Verfasser lassen beim Ausatmen den
Druck einer Quecksilbersäule von verschiedener Höhe überwinden und
ermitteln, bei welcher Veränderung dieses Drucks die Widerstands-
änderung für das Bewufstsein eben merklich wird. Sie finden, dafs dies
bei mäfsigen Druckstärken bereits bei einer Änderung von 1 mm Queck-
silber der Fall ist und fügen zum richtigen Verständnis dieser Zahl hin-
zu, dafs der stärkste überhaupt überwindbare Druck 100—120 mm beträgt.
Ebbinohaus.
A. PiLZBCKEB. Die Lehre von der sinnlielien AnCmerkBamkeit. CHiUmger
Inmig,'IH88trt, 1889. 84 S.
Diese imter Leitung von G. E. Müller entstandene Abhandlung
giebt eine Übersicht über die gesamte, die Lehre von der sinnlichen
Außofterksamkeit betreffende Litteratur. Nach einer kurzen Zosammen-
flteUung der Ansichten dor älteren Philosophen imd Physiologen werden
die Ausführungen von Lotze, Fechneb, Ribot, Wukdt und N. Lavoe aus-
224 LUteraturbencht
fahrlicher wiedergegeben und kritischen Betrachtungen unterworfen.
Femer wird die Theorie der willkürlichen sinnlichen Aufmerksamkeit
Yon G. £. Müller gemäfs den modernen psyohophysischen Ansichten
modifiziert und weiter ausgeftlhrt. Es wird unterschieden zwischen
einer qualitativen Bichtung der Aufmerksamkeit, einer lokalen und einer
Bichtung der Aufmerksamkeit auf bestimmte Intensitäten der Sinnes-
eindrücke. Zum Schluis wird das Verhalten der Aufmerksamkeit bei
den Beaktionsversuchen erörtert; insbesondere wird gezeigt, dafs man
weder durch die DovDSBSsche noch durch die WuvDTSche Methode die
reine Erkennungszeit erhalten kann. Schumavk (Göttingen).
J. Paiteth. Versnehe über den leitlielien Verlauf des Gedftchtniabildes.
Mitgeteilt von Siom. Exver. CmtrcM. f. Physiol, TV, 1890. S. 81—88.
P. prägte sich zeitliche Intervalle von Bruchteilen einer Sekunde
bis zu mehreren Sekunden ein und versuchte diese nach einer gewissen
Pause (bis zu 6 Minuten) durch Niederdrücken einer Taste zu reprodu-
zieren, um so die abnehmende Schärfe des Gedächtnisbildes als Funktion
der Zeit zu ermitteln. Es ergab sich, dafs die Schärfe des Gedächtnis-
bildes solcher Zeitintervalle im Laufe von 5 Minuten nur um so Geringes
abnimmt, dafs die Abnahme mit den angewandten Methoden nicht sicher
erkannt werden konnte.
Wie E. richtig hinzufügt, ist dieses scheinbar überraschende Be-
sultat so zu erklären. Ein sinnlicher Eindruck rein als solcher schwindet
ziemlich schnell, und wenn man ihn lediglich passiv erlebt hat, so ist
man nur wenige Sekunden lang im stände, sein Erinnerungsbild noch zu
reproduzieren. Hat man dem Eindruck aber in einer bestimmten Absicht
die Aufmerksamkeit zugewandt, so wird er in Verbindung mit bereits
bestehenden Erinnerungen gebracht, er wird gleichsam an einer g^ewissen
Stelle des vorhandenen Vorstellungsschatzes eingetragen und rubriziert.
Wir sind dann später im stände, nicht sowohl den Eindruck als solchen
wieder hervorzurufen, als vielmehr uns jenes Ortes und jener Beziehungen
zu erinnern, die er in unserem Gedächtnisschatz zugewiesen bekommen
hat, und hierbei ist es dann ziemlich gleichgültig, ob das 5 Sekunden
oder 5 Minuten nach dem Sinneseindruck geschieht. Ebbikohaus.
E. Mekdbl. Über reflektorische Papillenstarre. Deutsche mediz. Wochen-
schrift 1889. No. 47.
Fällt Licht auf die Betina, so erweitert sich die Pupille. Es muls
also im Hirn ein Beflexbogen existieren vom Opticus zum Oculomotorius.
Diese Bahn wurde allgemein so konstruiert: Tractus opticus, Vierhügel,
MsTNBBTSche Fasern, Sphinkterencentrum im Oculomotoriuskem, Oculo-
motorius, trotzdem Versuche von Kvoll imd von Guddek nicht dafür
sprechen. Diese Forscher zerstörten nämlich die Vierhügel und fanden
keine Störung der Pupillenreaction.
Zerstört man bei einem neugeborenen Tier ein Org^n, so bleibt der
dieses Organ versorgende Teil des centralen Nervensystems in der Ent-
Wickelung zurück. Auf Grund dieser Erfahrung wurden bei einer grofsen
LUteraturbericht 225
Anzahl neugeborener Hunde, Kaninchen und Katzen bald nach der Ge-
burt gröüsere Partien der Iris auf einer Seite entfernt. Die Operation
hatte nur bei wenigen Tieren den gewünschten Erfolg, da bei der Mehr-
zahl das Auge zu gründe ging. Die geeigneten Tiere wurden nach
mehreren Monaten getödtet, die Q-ehime in lückenlose Serien geschnitten.
Die Vergleichung der beiden Himh&lften mufste nun Differenzen ergeben.
Es zeigte sich eine geringere Entwickelung des G-anglion habenulae auf
der operierten Seite. Das Q-anglion habenulae ist eine Ansammlung von
2ellen in einem dreieckigen Felde — trigonum habenulae — welches
lateral der hinteren Kommissur anliegt.
Nach früheren rein anatomischen Untersuchungen gehen Pupillar-
fasern in das Ganglion habenulae und in die Glandula pinealis. M. hält
nunmehr ersteres für das reflektorische Centrum der Pupillenbewegung.
Ein Teil der hinteren Kommissur stellt auch die Verbindung zwischen
den beiden Ganglien habenulae dar. In dieser Kommissur fehlten an
der dem atropischen Ganglion anliegenden Seite Fasern. Dies deutet
den Weg zum Sphincterenkem. Da der Oculomotoriuskem stets gesund,
der GvDDBvsche Kern aber zwei Mal erkrankt gefunden wurde, stellt M.
die Beflexbahirso dar: Nervus opticus, Tractus opticus, * Gunglion habe-
nulae derselben Seite, hintere Kommissur, GuDDZvscher Kern, Oculomo-
torius. Kroitthal (Berlin).
O. Damsch. Über Pnpillennnnüie (Hippas) bei Erkrankungen des Central-
nerrensystems. Neural. Centralbl. 1890, No. 9.
Kleine Oscillationen der Pupillen sind auch beim gesunden Menschen
zu beobachten. Stärkere Schwankungen der Pupillenweite (Hippus) hat
D. bei einigen Erkrankungen des Nervensystems gesehen. Es handelt
sich also um Steigerung einer physiologischen Erscheinung, die hervor-
gerufen sein kann durch abnorm starke Beize oder eine übergrolse
Empfindlichkeit des bewegenden Centrums. Auch pathologische Vor-
gänge im Centralnervensystem können jenes Centrum zu stark er-
regen, wie es auch selbst erkrankt zu starke Beize auslösen kann.
Kronthal (Berlin).
Th SOBALD GüNTz. Die Q«lflt6HkTftnkh alten. Gesehildert für gebildete
Laien. 156 S. Leipzig 1890, J. J. Weber. Preis M, 2.—.
Wie schon der Titel besagt, soll, was hier vor uns liegt, kein Lehr-
buch der Psychiatrie sein, und der Herr Verfasser bestätigt dies aus-
drücklich in der Einleitung. Sein Zweck ist, gegen die Unkenntnis und die
Vorurteile der Laien anzukämpfen, die sofort und überall da zu Tage treten,
wo es sich um Geisteskranke handelt. Dementsprechend werden wir keine
wissenschaftliche Schilderung der Geisteskrankheiten in all ihren Formen
und Phasen zu erwarten haben, sondern lediglich eine Beschreibung der
Anfangsstadien, um auf Grund der Erkenntnis der Ursachen womöglich
eine Verhütung der Geisteskrankheit anzustreben (S. 4). Dieses Programm
hat der Verfasser mit unleugbarem Geschick ausgeführt. Überall hat
er das Ziel der Belehrung und das Verständnis des Laien im Auge, seine
Ausführungen sind kurz und klar und frei von allem gelehrten Beiwerk.
226
Die Schilderung der einzelnen Formen, so namentlich der Melancholie,
enthält bei aller Knappheit ein treffendes Bild der Erkranknng, und gat
auegewählte Beispiele unterstützen das Verständnis.
Man merkt es dem Buche an und es kommt ihm zu gute, dais sein
Verfasser jahrelang einer der gröisten Privatanstalten Deutschlands vor-
gestanden hat, und dafs er ein ebenso scharfer wie durch und durch
praktischer Beobachter ist. Die eingestreuten Bemerkungen tiber Schüler-^
Selbstmord, Einfluls der Presse, Überbtkrdung der Schuljugend u. s. "w.
sind vortrefflich," und zumal wir Psychiater von Fach haben alle Ur*
Sache, ihm ebenso dankbar zu sein für das, was er hier giebt, als auch
fftr das, was er unterl&fst.
Gerade Laien gegenüber ist es doppelt geboten, nur das zweifellos
Feststehende zu geben, und alle noch etwa strittigen Gebiete zu vermeiden ^
wie es deren in einer so jungen Wissenschaft, wie es die Psychiatrie
nun einmal ist, leider noch viele giebt. Hier liegt die Gefahr besonders
nahe, da£i derartige, nicht von allen geteilte Ansichten, einseitig auf-
gefttüSst und zum Nachteile des Einzelnen wie der ganzen Wissenschi^
verwertet werden, weshalb sie in einem für weitere Kreise bestimmteit
Werke am besten ganz unberührt bleiben.
Aus einer gleichen Erwägung hätte auch das sogenannte „moraUsclie
Irresein*' ruhig fortfallen können, um so mehr, als es schwer halten
dürfte, auf Grund der vorliegenden Schilderung zu einer Erkenntnis zu
gelangen, weshalb ein solcher „moralisch Irrer^ ein Geisteskranker und
kein Verbrecher sei.
Die letzten Kapitel „Vorbeugende Mafsregebi^' und „Behandlung'^
enthalten gewissermafsen die Nutzanwendung der bisherigen Ausführungen,
und es unterliegt keinem Zweifel, dafs es um die Geisteskranken ein
ganz Teil besser stehen würde, wenn alles das auch gewissenhaft befolgt
würde, was hier angeraten wird.
Wir können daher das Buch allen denen auf das angelegentlichste
empfehlen, die Veranlassung haben, sich mit Irren und Irrenpflege be-
schäftigen zu müssen« ohne gerade zünftige Psychiater zu sein.
Pblman.
Fr. Scholz. Handbuch der Irrenheilkonde. Gr. 8^ VIII u. 184 S. Leipzig,
1890, E. H. Mayer. Preis iL 3.60.
Der Versuch, „Kürze mit möglichster Vollständigkeit zu verbinden,
alles Spekulative auszuscheiden und nur Thatsachen zu bringen", ist Sch.
bei Abfassung seines Handbuches nicht mifslungen; das nur 184 Seiten
starke Bändchen umfafst in fünf Abschnitten das Wesentliche der Psy«
chiatrie und läfst selbst die juristischen Fragen nicht unberührt. Ent>-
sprechend der Bestimmung des Buches für Ärzte und Studierende, welch«
die Psychiatrie nicht zur ihrer Specialität erwählt haben, hat Verfasser
den fünften und letzten Abschnitt „Allgemeine Diagnostik und Therapie",
welcher räumlich den vierten Teil des ganzen Werkes ausmacht, besonders
eingehend bearbeitet, und das Kapitel über die psychiatrische Unter-
suchung wird manchem von Nutzen sein können. Von den andern Ab-
schnitten enthält der erste die psychischen Elementarstörungen, der
zweite die körperlichen Elementarstörungen imd Begleiterscheinungen,
Litteraturbericht 227
der dritte die Ursachen des Irreseins. Die Einteilung der Irreseinsformen,
deren Besehreibtmg der vierte Abschnitt gewidmet ist, lehnt sich an
T. Kbaitt-Ebino niid an Mshdbl an, und wenn sich auch über Einzelnes,
wie die Auffossung der melancholischen Tobsucht, die Stellung der
sekundftren Paranoia Meinungsverschiedenheiten unter den Fachgenossen
finden möchten, so kann man doch der Gesamteinteilung zustimmen und
man muTs anerkennen, dafs Verfasser dem Bestreben, knappe und klare
Bilder zu zeichnen, vollauf gerecht geworden ist. Es werden folgende
Formen aufgestellt: angeborene oder in frühester Kindheit erworbene
Eatwickelungshemmungen des Gehirns (Idiotismus, Kretinismus, mora-
lisches Irresein), Psychoneurosen (primärer Blödsinn, akute hallucina-
torische Verworrenheit, Melancholie, Manie, Tobsucht, sekundäre Schwäche-
zustände, Paranoia, periodisches Irresein), Geisteskrankheiten, die mit
centralen Neurosen (Epilepsie, Hysterie, Hypochondrie, Chorea) ver-
bunden sind, Vergiftungspsychosen (alkoholistisches Irresein, Morphinis-
mus, Irresein durch Bleivergiftung) und schliefslich organische Geistes-
krankheiten (akutes Delirium, Irresein der Greise, Paralyse, luetisches
Irresein, traumatisches Irresein nebst Bail-way-spine, Irresein bei der
multiplen Sklerose und Irresein bei Neubildungen im Gehirn).
Jedem, der sich über den jetzigen Stand der Irrenheilkunde in-
formieren will, kann das klar geschriebene und gut ausgestattete Buch
bestens empfohlen werden. Peretti (Bonn).
Th. Mbynert. Amentia, die Verwirrtheit. Jährbücher für Psychiatrie,
Bd. IX. 1890, S. 1—112.
Unter dem Namen „Amentia, die Verwirrtheit^, schildert M. ein
Krankheitsbild, in welchem sich der Mangel von Verbindung der Sym-
ptome untereinander, der Mangel' von Verbindung der äufseren Wahmeh-
mongen, ein in weit auseinanderliegenden Abstufungen gänzlicher oder
teilweiser Ausfall der Associationsleistung, der Koordination der
Rindenbilder, der Gedankengänge geltend macht. Die Verwirrtheit, wie
sie aus diesem Associationsmangel resultiert, wird am besten durch das
Wort Amentia (Geistesmangel) ausgedrückt imd ist wohl zu unterscheiden
von der Dementia, dem Blödsinn, bei welchem trotz des Mangels der
Associationen das BewuTstsein weniger, als bei der Verwirrtheit getrübt
ist, und von der Betäubung, bei der die Wahrnehmungen herabgesetzt
sind, während der Verwirrte die Wahmehmimgen hat, aber sie nicht
versteht. Neben dem Zerfall der Associationsanordnung ist als weiteres
Grundsympton der Verwirrtheit die Illusion anzuführen, welche, da
sich Ausdruck, Benennung und Wahrnehmung nicht mehr decken, eine
tiefere kortikale Störimg, als die Hallucination bedingt und ihrer Ahn-
liohkeit mit der Suggestion in der Hypnose wegen als unbegrenzte
Selbsteinredung bezeichnet werden kann.
Es ist hier nicht der Ort, die klinischen Auseinandersetzungen des
Verfassers, welcher der Verwirrtheit eine Beihe von bisher bei ver-
schiedenen anderen Formen beschriebenen Krankheitsbildem zuweist,
bis in ihre Einzelheiten zu verfolgen, wenn schon für den Fachpsychiater
der anregenden und zweifellos auch fruchtbringenden Gedanken viele
228 Litteraim'heri€ht.
dArin enth<en sind. Erw&hnt mag nur werden, dais VerCaaaer 5 Formen
der Amentüi : 1. zusammengesetzte Verwirrtheit, 2. hallncinatorische oder
illusorische Verwirrtheit durch die ganze Krankheitsdauer, 3. eine durch
Angstgefühle deprimierte Verwirrtheit, 4. eine rasch durch manische
Stimmung erregte Verwirrtheit und b, eine rasch in Stupor übergehende
Verwirrtheit unterscheidet, dals die typischeste Form, die hallucinato-
rische Verwirrtheit, das Anfangsstadium der zusammengesetzten Amentia
ist, in eine manische Form meistens mit Erholung und in eine stuporOse
Form oft bis zu gänzlichem Aufhören psychischer Auiserungen übergehen
kann, dals das Delirium acutum nicht als eine besondere Form von der
Verwirrtheit, deren tiefsten Grad es vorstellt, abzuscheiden ist, dals die
periodische Verwirrtheit trotz mancher Ähnlichkeiten nicht mit der Epi-
lepsie zusammengeworfen werden darf, dals das Fieberdelirium ebenfalls
eine Form der Amentia ist, dals das Delirium tremens eine Verwirrtheit
bei Alkoholintozikation und die Hundswut eine intensive Form a^piter
Amentia auf bacillärer Grundlage darstellt.
Fun den Psychologen sind von besonderm Interesse die AusftLh-
rangen des Verfassers über den normalen und pathologischen Mechanismus
der Hirnrindenfunktionen und es soll daher in folgendem versucht
werden, den Gedankengang des Verfassers etwas ausführlicher dar-
zulegen. ^--^';
Der anatomische Mechanismus des Vorderhirns besteht aus den
Bindenzellen, welche die Sinneseindrücke aufbewahren, aus den Projek-
tionssystemen, welche den Zellen die Eindrücke zuführen und die Be-
weg^ungsimpulse von der Binde zur Muskulatur leiten, und schüelslich
aus den Associationssystemen, welche diese Eindrücke in eine, ihren
Ablauf überdauernde Verbindung im Bewuistsein bringen. Associiert
werden sowohl alle Eindrücke, die im räumlichen Nebeneinander zu-
gleich einwirkten, wie z. B. gleichzeitige Gehör- und Gesichtswahr-
nehmungen, als auch alle Eindrücke, die im zeitlichen Nebeneinander
einwirkten, wie z. B. nacheinander gehörte und gemerkte Worte. Beim
Kinde ist diese Associationsfähigkeit ursprünglich noch in einem unge-
ordneten Zustande, die Verbindungen entstehen nach Zufall, doch tritt
allmählich eine Anordnung der Associationen ein, indem sich von den
Zufallsverbindungen nur diejenigen, welche der GesetzmäTsigkeit in der
Natur entsprechen, durch Wiederholung befestigen, während die nur
einmal entstandenen und untauglichen Verbindungen wieder abklingen.
Der ungeordnete Urzustand, die genetische Verwirrtheit, bestand
so lange, als die Bindenverbindungen ihrer Intensität nach gleichwertig
waren, die Ordnung in den Gedankengängen beruht auf erworbener,
grölserer Intensität der kortikalen Verbindungen.
Alle Stellen der Binde hängen durch die Association allseitig zu-
sammen; jeder Associations Vorgang entsteht dadurch, dafs von irgend
einer Bindenstelle aus lebendige Kraft auf die bei dem Vorgange be-
teiligten Elemente übertragen wird. Der Associations Vorgang wird
begleitet von einer funktionellen Hyperämie, und weil durch die Starr-
heit der Schädelkapsel eine allgemeine fluxionäre Hirnschwellung aus-
geschlossen ist, so kann ein Zustand, in welchem alle Associationen über
lAtteraturbericht 229
der Schwelle des BewuTstseins d. h. alle mitwirkenden Elemente auf
einer zulänglichen Nutritionshöhe ständen, nicht vorkonunen, eine aUge-
meiner Schlaf ist denkbar, stets aber nur ein partielles Wachen (Feohnkr).
Gegenstand unserer Aufmerksamkeit ist nur der Teil der Associations-
bildungen, der über der Schwelle des Bewufstseins steht, während die
Überzahl derselben gleichzeitig im partiellen Schlaf liegt, ohne daüs aber
deshalb fOr letztere die Intensität der Erregung gleich Null wäre, denn
ein Zuwachs an Intensität hebt sie über die Schwelle.
Diese Intensitätsunterschiede wird man als Unterschiede in der
Höhe der Ernährung und die Associationsverbindungen als mit einem
chemisch -synthetischen Prozesse (daher Abnahme der Phosphoraus-
Scheidung während geistiger Arbeit, Wood, Mbitdsl) und mit einer
Schwellung der Elemente durch molekulare Attraktion (Virchow) ver-
bunden auffassen müssen. Es erklärt sich dann auch, dafs die nicht-
erregten Elemente, denen von den erregten die nutritive Gewebsflüssig-
keit entzogen wird, in ihren Funktionen gehemmt werden.
Je intensiver die Funktionshöhe in irgend welchen Verbindungen
ansteigt, um so tiefer und verbreiteter ist der anderweitige partielle
Schlaf, und ein intensiv, z. B. mit der Lösimg einer verwickelten mathe-
matischen Gleichung beschäftigter Mensch nimmt alles, was um ihn
herum vorgeht, mit sehr verminderter Intensität auf. Für gewöhnlich
sind im jeweiligen Denkvorgange Haupt- und Nebenassociationen
2EU unterscheiden; so wird der bewuiste Denkprozels von unter der
Schwelle des Bewulstseins ablaufenden Nebenvorstellungen begleitet,
welche aber doch die Intensität haben, Beweg^ungsvorgänge, nämlich die
Mimik, auszulösen, und auch die Reime, Assonanzen, Übertragungen und
Ähnlichkeiten von Klang und Sinn, die bei jedem Worte leicht in das
Bewuistsein treten, sind solche Nebenassociationen. In dem geordneten
Gedankengange treten^^die Nebenassociationen zurück, derselbe hat ein
Bindenbild als Ziel und gelangt zu diesem Ziel durch Hilfsvorstellungen
(Angriffsvorstellungen). Zwischen den Rindenherden der Angriffs-
vorstellungen Tind der Zielvorstellung verlaufen Associationsbündel mit
zweiseitiger Leitungsrichtung, in deren Verlauf sowohl von den Herden
des Ziels, als von denen des Angriffs aus funktionelle Attraktion
sich geltend macht, und diejenigen Associationsbündel, innerhalb deren
beim Denkakt zwei Kraftquellen, die der Ziel- und die der Angriffs vor
steUung, aufeinander gleichsam zielen, erlangen lebendige Kraft zur
Erhebung über die Bewuistseinssch welle immer von zwei ideal
einheitlichen Rindengebieten her, die Nebenassociationen aber nur von
einem dieser beiden Gebiete, dem der Ziel- oder dem der Angriffsvor-
stellung aus.
Dieser geordnete Gedankengang ist nun bei der Verwirrtheit nicht
möglich; der Inanitionszustand der Hirnrinde lälst Rindenbilder von
der Stärke, dafs sie sich im Ablaufe einer langen und verwickelten
Überlegung noch im Bewulüstsein befinden, nicht zu, und die Neben Vor-
stellungen werden deshalb nicht gehemmt, der Verwirrte reiht Reime,
Assonanzen und Wortaufzählungen aneinander. Diese Inanition der
Hirnzellen und Bahnen kommt zum Teil durch Übermüdung zu stände.
230 LUieraimheridU.
denn während Wiederholmig und Ausdauer die Bindenbilder verstArkt,
schwftcht ÜberbOrdnng dieselben.
,4He Verwirrtheit ist eine Herabsetzung des elementaren £r-
nfthnings-Ph&noinens der geweblichen Attraktion im kortikalen Organe,
welche die Association in weitgreifendem Zosainmenhange, die h<Vher
koordinierte Association in verschiedenem (}rade beeinträchtigt, so dafs
das Gewebsplasma einerseits nicht mit für geordnete Gedankengänge
gentkgender Intensität chemisch angezogen wird, damit diese über der
Schwelle des Bewnistseins sich halten, und andererseits nicht durch
diese Anziehung in grofsen Zusammenhängen den aUOrtlich vorhandenen
Nebenleitungen nach allen Richtungen entzogen wird, welche der Zu-
sammenhang aller Rindenstellen untereinander in der anatomischen Ein*
richtung darbietet, innerhalb deren aber die Gewebsattraktion eine
Anordnung gestaltet. "2
Die Verwirrtheit ist also ein Ausfallssymptom; das Auftreten
von Hallucinationen spricht aber dafCür, dafs gleichzeitig mit dem Herab-
sinken der kortikalen Leistung die subkortikalen Sinnescentren Reiz-
erscheinimgen darbieten. M. erklärt dies aus den anatomischen Verhält-
nissen der Blutgefäfsbahnen. Peretti (Bonn).
Th. KiBCHBorF. Gmndrilii einer Oeaehichte der deuUchen Irrenpflege.
192 S. Berlin 1890, Hirschwald. Preis M. 5.—.
Unter diesem bescheidenen Titel bringt uns der Verfasser eine
ganze Fülle an interessanten und lehrreichen Thatsachen, wobei er den
Begriff der Irrenpflege im weitesten Sinne auffafst und ihn auf das
Hexen- und Dämonenwesen ausdehnt.
Das Buch gewinnt dadurch weit über den Kreis der Fachgenossen
hinaus an Wert, und die Untersuchungen des Verfassers über Einflufs
und Ausbreitung des Hexenwesens, sowie über die Stellimg verschiedener
grofser Männer jener dunkeln Zeit zu diesen traurigen Verirrungen
Paraobl8ü8, Weter, Platter, Luther u. a. m.) haben ein allgemeines
Interesse.
Selbst ein so gewaltiger Geist, wie Luther, steht unter dem Banne
des Aberglaubens seiner Zeit, und da man den Teufel überall vermutete,
hatte man auch die Befriedigung, ihn oft zu finden.
Ihm und seinen Zeitgenossen einen Vorwurf daraus zu machen ,
dafs sie Kinder ihrer Zeit gewesen, wäre aber so thöricht wie unvor-
sichtig. Wir wissen zwar, dafs bis in die neuere Zeit hinein dogmatische
Erscheinungen und insbesondere der Teufelsglauben eine eigentliche
Irrenpflege unmöglich machten, was wir aber nicht wissen, oder in
unserer raschlebigen Zeit wieder vergessen haben, das ist, dafs uns von
diesen mittelalterlichen Anschauungen nur ein winzig kleiner Zwischen-
raum trennt, ja mehr noch, dafs sie bis auf den heutigen Tag ihre An-
hänger und Verteidiger finden.
Hkinroth und seine Schule (1818) näherte sich wieder der Teufels-
theorie, oder hatte sich vielmehr nie davon entfernt, Görres findet in seiner
vielbewunderten „ckrisüichm Mystik^ (1842) den Ursprung aller Krank-
heiten in der Sünde, und endlich hatte Vilmar (1856) den traurigen Mut,
Litteraktrbencht 281
den HezengUuben zu s^ner alten Pracht und Herrlichkeit aufzuwecke n
und den Teufel in seine persönlichen Bechte auf den Menschen wieder
einzusetzen. Es schadet nichts, wenn uns diese Thatsachen von Zeit zu
2eit vorgehalten werden, und dem Verfasser müssen wir dafOr wie für
vieles andere dankbar sein, das er uns in dem inhaltreichen Buche bietet.
P. J. MöBius. J. J. Bousseans EruUieitBgescliiehte. 191 S. Leipzig 1889,
Vogel. Preis M. 4. — .
MöBivs hat uns in der Krankheitegeschichte J. J^ Roüssbaus ein
wirklich gutes Buch geliefert, das jeder mit GenuGs und Belehrung z«r
Hand nehmen wird. Derartige retrospektive Untersuchungen sind auüser-
ordentlich umständlich und zeitraubend, und je dickleibigere Bücher der
Jiann selber geliefert hat, um dessen Lebensgeschiehte es sich handelt,
imd je mehr über ihn geschrieben wurde, um so lunfangreicher wird die
Angabe. Handelt es sich nun gar um einen Mann wie J. J. Rousseau,
dessen Namen zwar jeder gelegentlich im Munde führt, dessen Werke
Aber zur Zeit kaum mehr in gleichem Mafse gelesen werden, dann gehOrt
personlicher Mut dazu, seine Krankheitsgeschichte zu schreiben.
MöBius hat diesen Mut gehabt und er hat die Aufgabe, die er sich
^^tellt, in einer geradezu mustergütigen Weise gelöst.
Vor unsem Augen rollt er ein klares und scharf gezeichnetes Bild
von der Entwickelung jenes auXserordentlichen Mannes auf, das ihn uns
Auch gemütlich näher bringt und uns zum Mitgefühle zwingt.
Wir machen sein Ringen und sein Kämpfen mit ihm durch, wir
empfinden seine köi^erüchen und seelischen Leiden, und wir treten ihm
auf diese Weise menschlich näher, ja wir gewinnen ihn trotz seiner
Schrullen und seiner uns sonst nicht ganz verständlichen Absonderlich-
jLeiten wirklich lieb.
MöBius erreicht diese echt künstlerische Wirkung durch die ein-
fachsten Mittel der Darstellung, indem er seinen Kranken meist selber
reden läfst und nur selten mit seiner eigenen Anschauung an den Leser
lierantritt.
Wenn wir so die zahllosen Enttäuschungen und Kränkungen
BovssBAüs gleichsam mitdurchleben, so treten wir mitten in das Ver-
ständnis seiner geistigen Störung hinein, wir empfinden sie als eine ein-
fache logische Folge jener Schädlichkeiten, und auch hierin zeigt sich
die Kirnst des Darstellers, daSa er es vielfach fraglich erscheinen läfst,
ivas in den Beeinträchtigungsideen Roüssbaüs als Wahn und was als
Wirklichkeit anzusehen ist.
Seit 1766 war R. um^eifelhafb geistesgestört und er blieb es bis zu
seinem Tode 1778.
In diesen langen Jahren gab es allerdings bessere Zeiten, und oft
hatte es den Anschein, als sei er ganz von seiner Krankheit frei, im
Grunde aber wucherte sie weiter und entwickelte sich nach und nach zu
einem ausgebildeten Wahnsystem. Überall witterte er Verfolgung und
Gefahr, die Wände und Fufsböden seiner Wohnung waren in passender
Weise eingerichtet, um ihn mit Spionen zu umgeben, und nirgends hält
er es mehr aus, bis er endlich seiner eigenen Frau nicht mehr traut und
232 lAtteraiwrbericht
ruhelos yon seinem Wahne von Stadt zu Stadt, von Land zu Land ge-
trieben wird.
Und trotz alledem bleibt er ein grofser Geist.
Der Ausspruch GaiMifs über ihn und seine „Gespräche", „Ohne
Zweifel war B. verrückt, als er das Werk ver&rste, aber es scheint nicht
weniger gewifs, dals R. der einzige Mensch auf der Welt war, der es
schreiben konnte," enthält die Anerkennung seines erbittertsten Gegners,
der wir nur zustimmen können.
Die ungewöhnlich hohe Intelligenz B.'s ermächtigt ihn trotz seiner
Geistesstörung zu so wunderbaren Leistungen, wie wir sie in seinen
„Bekenntnissen" vor uns sehen, während die Gröfse seines Charakters
ihn vor jeder niedrigen Handltmgs- und Denkweise bewahrte.
Für uns Psychiater ist diese „Krankheitsgeschichte" von besonderem
Interesse, xmd zwar nicht nur dem Inhalte, sondern auch der Form nach.
Sie lehrt uns unter anderem, was wir allzu leicht vergessen, dafs
die Geistesstörung unter Umständen die Persönlichkeit wohl beeinträch-
tigen, aber nicht von Grund aus verändern, und ein wahrhaft grofser
Mensch auch noch in seiner Erkrankung grofs bleiben kann.
Pklkan.
A. Spbenoer. Mohammed und der Koran. Eine psychologische Studie.
Sammhmg gemeinverst wissenschaftl Vorträge. Heft 84/85. 74 S. Hamburg
1889, Verlagsanstalt. Preis M. 1.20.
Mohammed und der Koran betitelt sich eine Arbeit, die in der
Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge von Vibchow
und HoLTZEHDORFF erschienen ist (Heft 84/85), xmd Herrn A. Sprenger in
Heidelberg zum Verfasser hat. Durch den Zusatz „eine psychologische
Studie" soll doch wohl die Art der Auffassung angedeutet werden. Nun
wird man aber bei aller Aufmerksamkeit von einer psychologischen Auf-
fassung herzlich wenig finden, und wer ohne anderweitige Belehrung
über Mohammed und den Koran seine Kenntnisse lediglich aus der vor-
liegenden Studie schöpfen will, wird schwerlich seine Bechnung finden.
Offenbar kommt Mohammed hier gar zu schlecht weg, und eine psycho-
logische Entwickelung seiner Eigenart und seines Werkes wird kaum
versucht. Den Propheten einfach mit der Diagnose des „religiösen
Wahnsinnes" abzuthun, scheint mir bei einem Manne von der Bedeutung
Mohammeds doch etwas gewagt zu sein.
Gewifs ist vieles in dem Leben des Propheten recht bedenklicher
Natur, und es wäre eine ebenso dankenswerte wie schwierige Aufgabe,
seine psychologische Entwickelungsgeschichte zu schreiben.
Ein Geisteskranker in unserem Sinne war er sicherlich ebensowenig,
wie ein gewöhnlicher Betrüger, obwohl er zeitweilig den Tribut ent-
richten mufste, ohne den nun einmal kein Prophet durchkommt, wenn
er sich über Wasser halten will.
Wenn der Koran reich an Widersprüchen ist, so erklärt sich dies
aus der Art seiner Entstehung, indem er alle Ereignisse aus dem Leben
des Propheten, die grofsen sowohl wie die kleinen, in augenblicklichen
Momentbildem wiederspiegelt, und uns so eine getreue Kunde von der
jeweiligen Gemütsstimmung Mohammeds gibt. Seine Dogmen wurzeln in
lAtteraturbericht. 233
mystischen Grundan schaumigen, die ihm die Kraft verleihen, und seine
Begeisterung schöpft er aus dem direkten Verkehre mit seinem Gotte,
der sich ihm offenbart. Daher die wirkliche Begeisterung fQr den reinen
Glauben, die ihn wenigstens zur Zeit seines Aufenthaltes in Mekka be-
herrschte und die seiner Sprache den poetischen Schwung und die Kraft
verlieh.
Späterhin, in Medina, trat eine andre Aufgabe an ihn heran. Er
war nicht mehr blofs der Bote Allahs, der den reinen Glauben verkündet,
er war auch Gesetzgeber, Krieger und Politiker geworden, und der Koran
wird zum Gesetzbuch, die poetische Sprache der ersten Periode wird zur
praktischen Prosa, die kurze Sure zur längeren Verordnung.
Dafs damit auch die Begeistenmg mehr und mehr nachlieis, die ihn
während der Zeit des Bingens getragen, ist erklärlich, deshalb aber die
Überzeugung, er sei ein Bote Allahs, fCLr die Wahnidee eines Verrückten
zu erklären, der nach einer vierjährigen Krankheit genesen sei, scheint
mir doch etwas bedenklich.
Von den krampfartigen Anfällen wissen wir zu wenig; auch in Be-
zug auf sie möchte ich eine epileptische Grundlage ablehnen. Ekstatische
Zustände, das, was man fr&her „ Verzücktingen ^^ nannte, sind bei christ-
lichen Heiligen eine so gang und gäbe Erscheinung, dafs man sie
auch Mohammed zu gute halten und nicht sofort als Epilepsie zu-
rechnen sollte.
um auf die vorliegende kleine Schrift zurückzukommen, so kann
ich mein urteil nur wiederholen, dafs sie nicht eigentlich gehalten, was
sie versprochen, nämlich eine „psychologische Studie^^ zu sein.
Pelman.
A. BiACH. Aristoteles. Lehre yon der sinnlichen Erkenntnis nnd ihrer
Abhängigkeit von Plato. Phäos. Monatsheft. 1890, Bd. XXVI. Heft 5 u. 6.
Zweck der Abhandlung ist der Nachweis, dafs Aristoteles' Lehre
von der sinnlichen Erkenntnis in allen Hauptpimkten von Plato abhängig
sei. Dies darzulegen, mag in der gröfseren nicht publizirten Schrift,
von der dieser Aufsatz (vgl. S. 5) ein umgearbeiteter Teil ist, versucht
worden sein. Hier kommt nach einer sehr summarischen Vergleichung
der allgemeinen aristotelischen und platonischen^ Bestimmungen über die
Empfindung eigentlich nur noch das „Gedächtnis^* ausführlicher zur
Sprache. Denn der dritte Abschnitt über die Phantasie behandelt von
dieser nur die „Erscheinungen, welche wir mit dem Worte Phantasie
verknüpfen". Wenn diese Gegenüberstellungen auch nicht ohne Wert
sind, so wird doch niemand behaupten wollen, dafs mit dem hier Gege-
benen das unwahrscheinliche Resultat erbracht werden könne, „dafs A.
auch in der Lehre von der sinnlichen Erkenntnis, trotzdem er einige
Punkte genauer ausführt, vollkommen auf den Schultern Piatos stehe."
Hierzu müfsten doch wohl erstens die keineswegs nur in Äufserlich-
keiten voneinander abweichenden Erklärungen der einzelnen Sinne
'wissenschaftlich verglichen sein und vor allem müfste der Verfasser sich
mit den fundamentalen Verschiedenheiten der beiderseitigen psycholo-
234 Litieraimrberkht
giflchfln H«upt0fttz6 »bgefuBden habtn. Selbst wer der gleichen Tendenz
wie der Verfaneor huldigt, müikte es verlrnngen. Mir erBcheint indessen die
gsnse — beseichneBderweise an BsssAsioir anknüpüsnde — Themssetzmg,
die etwas nach apologetischer Tendenz schmeckt, nicht glü<ddich. Sie ist
wohl avch Schuld daran, dals der Verfasser den historisch viel wichti-
geren Fragen nach dem, was wirklich platonisch ist in den doch inuner
nur embryonalen Ansfttaen zur aristotelischen Physiologie, welche
sich bei Plato finden, gar zu schnell aus dem Wege geht.
Bauvs (Kiel).
F. MiasAOH. Die PijGhelocie d. Firm. Laetaaüiui. E. BeUr. «. OtKk. d.
P^ehol 80 S. Halle 1889, Pfeffer. Preis A IM,
Als Beitrag zur Kenntnis des eigenartigen Yerarbeitungsprozesses,
den die antiken Philoeopheme in dem jungen Christentum erfuhren, ist
diese Darstellung der Anschauungen des zum Christentum übergetretenen
Bhetors Lactanz (uln 300 n. Chr.) Aber die menschliche Seele von kultur-
historischem Interesse. VerfiMser ftthrt die Aufstellungen desselben zu
den bekannten Schulthematen: Bealit&t, Substanz, Fortdauer, Sitz der
Seele u. a. vor imd fEifst den Standpunkt des L. dahin zusammen, dafe
er die Lehren der Alten, insbesondere der Stoiker, soweit gelten Iftlst,
als sie nicht der „neuen Überzeugung von dem Werte der Einzelseele''
widersprechen, sonst aber dieser entsprechend umgestaltet. Das daraus
entstehende Gemisch der Aufstellimgen des L. gehört mehr in eine Ge-
schichte der Dogmen als der Psychologie. Denn die bei den Alten vor-
handenen Anfinge zu einer unvoreingenommenen, lediglich vom Wissens-
interesse geleiteten, Beobachtung der seelischen Vorg&nge verlassend,
läitst L. seine Lehren durchweg von aufserwissenschaftlichen, auf dem
Boden des Glaubens und der sittlichen Begeisterung gewachsenen Vor-
überzeugungen beherrschen. Sie kOnnen also dem Psychologen höchstens
als lebhafte Veranschaulichung derjenigen Faktoren dienen, welche jahr-
hundertelang der Ausbildung einer wissenschaftlichen Erkenntnis der
Bewuüstseinserscheinungen im Wege gestanden haben.
LiKPMAinr (Berlin).
über das Erkennen der Schallrichtung.
Von
Professor J. v. Kries.
Die Frage, auf welchen physiologischen Vorgängen das
Erkennen der Schallrichtung beruhe, war bekannÜich bis vor
kurzem durchaus kontrovers. In neuester Zeit ist durch Prbyer^
auf Grrund umfassender Versuche die schon früher gelegentlich
erwähnte Hypothese aufgestellt worden, dafs je nach dem Ort
der Schallquelle verschiedene Beizungen der halbzirkelförmigen
Kanäle hierbei ins Spiel kommen; es hat dann auf G-rund
eigner Versuche auch Münsterberg* dieser Annahme (im Spe-
ciellen zwar unter wesentlicher Abweichung von Preyers Vor-
stellungen) sich angeschlossen. Es sei gestattet, an dieser
Stelle einige Bemerkungen über die interessante Frage vorzu-
bringen und über einige einschlägige Versuche kurz zu berichten.
Betrachten wir zunächst, was auf Grund der älteren An-
nahmen über die Funktion des Gehörorgans ohne Hinzunahme
der PBEYBRschen oder ähnlicher Hypothesen erklärt werden kann.
Wie bekannt, wäre hier an erster Stelle das Verhältnis der
Schallintensitäten in den beiden Ohren zu erwähnen. Dafs ein
Schall, der von der rechten Seite herkommt, das rechte Ohr
auTserordentlich viel stärker afßziert als das linke, ist theoretisch
einleuchtend, auch experimenteU leicht zu erweisen. Die Bechts-
Links-Lokalisation, wenn ich der Kürze halber diesen Ausdruck
gebrauchen darf, erscheint also im allgemeinen hiemach erklärbar.
Auch die neuerdings von Münsterbbro bekannt gemachten
Thatsachen, welche sich aaf die Genauigkeit der Bechts-
^ Preyer: Die Wahrnehmung der Schalhrichtung mitteis der Bogengänge,
Pf lüg er 8 Archw. Bd. 40. S. 566.
' MüKSTEBBEso: Beiträge swr experimenteüen Psychologie. Heft n.
Zeitschrift Ar Psychologie. 16
236 «?• Kries.
Links-Lokalisation beziehen, scheinen mir mit der Annahme,
dafs dabei das Intensitätsyerhältnis im rechten nnd linken
Ohr in Betracht komme, nicht unvereinbar zu sein. Be-
stimmteres würde sich dieserhalb erst sagen lassen, wenn
festgestellt wäre, wie sich für jedes Ohr die Intensitäten ver-
ändern, wenn die Schallquelle z. B. in einem Horizontalkreise
um den Kopf herumbewegt wird. Es ist sehr fraglich, ob
sich in dieser Hinsicht der vordere und der hintere Halbkreis
genau gleich verhalten. Was die absoluten Werte jener Ge-
nauigkeit anlangt, so soll nach einer Berechnung Lord Sayleiohs
die Abweichung von der Medianebene schon bemerkt werden,
wenn der Unterschied der Schallstärke in beiden Ohren nur 1%
beträgt. Dies erscheint sehr auffallend, wenn man bedenkt,
dafs nach allen Untersuchungen die Empfindlichkeit des Ohres
für Schallintensitäten nicht kleinere Unterschiede als 10 — 20%
wahrzunehmen gestattet. Indessen sind die Voraussetzungen
der BiAYLEiOHschen Berechnung wohl kaum über jeden Zweifel
erhaben; aüfserdem aber erscheint wenigstens denkbar, dafs
die Vergleichung zweier gleichzeitig (rechts und links) zu
stände kommenden Schallempfindungen genauer geschieht, als
die zweier zeitlich aufeinander folgenden, welche bei den
Bestimmungen der Unterschiedsempfindlichkeit allein in Be-
tracht kam.
Im Gegensatz hierzu könnte man nun glauben, dafs ohne
die Hinzunahme neuer Annahmen über die Funktion des Gehör-
organs eine Unterscheidung von Schallrichtungen gar nicht
erklärt werden könne, welche in Bezug auf die Beteiligung
des rechten und linken Ohres übereinstimmen, so z. B. die
Unterscheidung irgend welcher in der Medianebene gelegener
Punkte, eine Medianlokalisation, wie kurz gesagt werden
mag. Indessen ist die Meinung derjenigen Autoren, welche
die Bechts - Links LokaUsation in der eben erwähnten Weise
durch das binaurale Hören erklären wollen, doch nicht dahin
gegangen, dafs eine Median-Lokalisation überhaupt unmöglicli
sei. Vielmehr ist wohl als ein zweiter Faktor immer die ja
zweifellos vorhandene Modifikation der Qualität und nament-
lich der Intensität anerkannt worden, welche der Schall erfährt,
je nachdem er z. B. von hinten oder vom kommt. Es würde
zu erwarten sein, dafs diese Lokalisation nur dann stattfinden
kann, wenn der betreffende Schall seiner Beschaffenheit nacli
über das Erkennen der SchcUlrichtung. 237
im voraus bekannt, wenn so zu sagen bereits erlernt ist, wie
er von vom her und wie er von hinten her kHngt. Man könnte
vermuten, dafs bei einem gänzlich unbekannten Schall eine
Unterscheidung verschiedener Pimkte in der Medianebene im-
möglich sein werde, ähnlich wie dies z. B. auch bezüglich der
Entfemungslokalisation meist angenommen wird.
Wenn man die Möglichkeit einer solchen auf geringen und
schwer definierbaren Modifikationen des Schalles beruhenden
Lokalisation, ich will eine solche im folgenden als mittelbare
Lokalisation bezeichnen, mit in Betracht zieht, so erscheinen
die Versuche Preybrs mit einer gewissen Unsicherheit behaftet ;
denn da stets derselbe Schallreiz angewandt wurde, so waren
für eine solche mittelbare Lokalisation jedenfalls die günstig-
sten Bedingungen gegeben. Es erschien aus diesem Grunde
von einigem Literesse, die Versuche über Medianlokalisation des
Schalles so anzustellen, dafs von Versuch zu Versuch die
Qualität und die Stärke des Schalles in ganz unregelmäfsiger
Weise gewechselt wurde, wodurch, wie man hoffen durfte, die
mittelbare Lokalisation ausgeschlossen oder doch wesentlich
erschwert werden würde. Lisbesondere empfahl es sich, auch
die Entfernung der Schallquelle gleichzeitig wechseln zu lassen,
da voraussichtlich hierdurch ähnliche kleine Variierungen in die
Schallbeschaffenheit gebracht werden konnten. Eine Anzahl von
Versuchen, welche in dieser Art angestellt wurden, zeigte nun
zwar sogleich die grofse Unsicherheit der Medianlokalisation;
aber es stellte sich auch alsbald heraus, mit welcher Vorsicht
die Resultate beurteilt sein wollen.
Ich schicke der Besprechung der Ergebnisse einige Bemer-
kungen über die Technik der Versuche voraus. Ich benutzte
zu einem Teil der Versuche den Knall eines Telephons, durch
welches Öffnungs- oder Schliefsungs-Induktionsschläge geschickt
wurden; teils der Wechsel zwischen den Öffnungs- und
Schliefsungsschlägen (welche meistens etwas verschieden klin-
gen), teils die Variierung des Eollenabstandes in dem Induk-
tionsapparat gestatteten hier eine unregelmäfsige Veränderung
der Sohallreize. Femer verwendete ich bei einigen Versuchen
2 Münzen oder 2 Holzplättchen , die mit dem Daumen und
Mittelfinger gegen einander gedrückt und durch das Heraus-
ziehen des zwischengeklemmten Zeigefingers zusammengeklappt
werden. Man kann auf diese sehr einfache Weise den Schall leicht
16*
238 ^- -^'**^-
innerhalb gewisser Grenzen stärker und schwäclier machen, wobei
er sich wohl auch qualitativ etwas ändern dürfte. Femer
konnten kleine Pfeifen benutzt werden, welche mittels eines
Gummischlauchs mit dem Munde angeblasen wurden ; mit der
Stärke des Anblasens ändert sich die Intensität des Tones, zu-
gleich auch die Beimischung von Geräuschen. In einigen Fällen
benutzte ich auch in unregelmäfsigem Wechsel eine offene und
eine gedackte Pfeife von gleicher Tonhöhe, aber etwas verschie-
dener Klangfarbe, um auf diese Weise noch gröfseren Wechsel in
der Beschaffenheit des Schalles zu erzielen. — In edlen Fällen
wurde so verfahren, dafs dieselben Schallgeber bald an den
einen, bald an den anderen Ort der Medianebene gebracht
wurden, niemals etwa so, dafs an einer SteUe immer die einen,
an der andern die andern benutzt wären, weil auf diese Weise
zu leicht konstante Differenzen der Schallgeber die Lokalisation
hätten ermöglichen können. Selbstverständlich wurde Sorge ge-
tragen, dafs der dem Schallgeber vor jedem Versuch gegebene
Ort weder durch optische noch durch akustische Eindrücke ver-
raten oder auch nur irgendwie vermutet werden konnte. Es
wird nicht nötig sein, die zu diesem Zweck erforderlichen
Yorsichtsmafsregeln genau zu besprechen. Ich beschränkte mich
in allen Fällen darauf, sehr stark abweichende Dichtungen mit-
einander zu vergleichen, weil es mir zunächst darum zu thun
war festzustellen, mit welcher Sicherheit diese unterschieden
werden. Dem Sinne der Versuche entsprechend, liefs ich aber
kleine Variierungen jeder einzelnen Richtung zu, wie sie von
selbst vorkommen, wenn dem Beobachter aufgegeben ist den
Kopf still zu halten, aber eine besondere Fixation desselben
unterlassen ist. Die Einstellung der Schallgeber geschah zu-
meist vermöge ihrer Befestigung genau an dem gleichen Orte, in
manchen Versuchsreihen aber auch aus freier Hand, so dafs auch
hierdurch kleine unregelmälsige Variierungen jeder einzelnen
Sichtung hervorgebracht wurden.^ In allen Versuchen wurden
^ pRBTEB giebt zwar an, dais bei manchen Schallriclitungen (z. B.
Hinten-Oben) eine kleine Abweichung von der genauen Richtung genüge,
um gewisse Verwechselungen zu begünstigen. Da indessen doch zweifellos
alle Dinge, auf die es hier ankommen kann, in stetiger Weise von der
Kichtung der Schallquelle abhängen, so kann für die Unterscheidung
zweier ganz verschiedener Bichtungen das Schwanken jeder einzelnen
um einige Grrade wohl kaum in Betracht kommen.
über das Erkennen der Schällrichtung, 289
nur 2 Schallrichtungen benutzt, welche überdies dem Beob-
achter zum voraus bekannt waren. Der Beobachter wufste
also z. B., dafs der SchaU vom oder hinten gegeben werden
würde, und hatte nur anzugeben, ob das eine oder das an-
dere geschehen wäre. Ob das Eesultat richtig oder falsch
war, wurde dem Beobachter, um die Erlernung der et-
waigen verschiedenen Klänge zu erschweren, niemals mit-
geteilt. Der gröfste Teil der Versuche wurden von mir und
meinem Assistenten Herrn Baadbr gemeinsam in der "Weise
ausgeführt, dafs einer abwechselnd als Beobachter resp. als
Gehülfe funktionierte.
Ich berichte nunmehr über die Versuche nach der Zeitfolge
ihrer Anstellung. Bei der Unterscheidung von vorn-oben
und hinten-oben (einfacher Knall im Telephon ca. 20 cm über
Scheitelhöhe und 20 cm nach vom resp. nach hinten von der
ScheiteUinie entfernt) wurde in der ersten Versuchsreihe vom
Beobachter B. 18 mal richtig und 17 mal falsch geurteilt, von
K. 5 mal richtig und 1 1 mal falsch, während in 4 Fällen kein
Urteü abgegeben werden konnte. Die Fortsetzung der gleichen
Versuche an mir selbst ergab sich hier zunächst als nutzlos,
weil mit voller Begelmäfsigkeit sowohl der vom als auch der
hinten erzeugte Knall vorn gehört wurde. Die Ermittelung
einer Verhältniszahl richtiger oder falscher Urteile hat unter
diesen Umständen natürlich keinen Sinn. Bei einer zweiten
Versuchsreihe war die Höhe auf wenig über 1 cm über Scheitel-
höhe reduziert und die Entfernung wechselte, wurde jedoch
so gewählt, dafs die Kichtung niemals mehr als 45 ® von der
Horizontalen abwich, ja meistens sich dieser sehr annäherte.
Das [Resultat war ähnlich. Beim Beobachter B. 25 richtige
und 14 falsche Urteile (in 2 Fällen kein Urteil abgegeben), bei
Kr. 18 richtige und 17 falsche; einmal konnte kein Urteil ab-
gegeben werden. Auch hier wurde der von hinten kommende
Schall in 19 Fällen 16 mal nach vorn und nur 3 mal nach
hinten verlegt; der von vom kommende dagegen in 18 Fällen
15 mal richtig und nur 1 mal falsch lokaHsiert.
Man kann zweifeln, ob bei Ergebnissen dieser Art eigent-
lich von der Fähigkeit einer Medianlokalisation überhaupt ge-
sprochen werden kann. Thatsächlich machte keiner der beiden
Beobachter einen sehr grofsen Unterschied in der Auffassung
des von vorn und des von hinten kommenden Schalles; einer
240 ^- Kries.
lokalisierte gleickmäfsig beide bald nach vorn, bald nach hinten,
der andere dagegen fast alle nach vom.
Zu schon etwas günstigeren Resultaten führten die Versuche
über die Unterscheidung von oben und von unten kommender
Schallreize; dieselben wurden so angeordnet, dafs die Schallquelle
in beiden Fällen sich etwas nach vorn vom Beobachter befand.
Wir erhielten bei Anwendung einer Pfeife von Beobachter B.
18 richtige und 8 falsche Urteüe (in einem Falle kein Urteil),
von Beobachter Kr. 15 richtige und 8 falsche Urteile (in zwei
Fällen kein Urteil).
Auch eine Versuchsreihe über die Unterscheidung von
hinten und oben kann hier angereiht werden, bei welcher das
oben erwähnte Zusammenklappen zweier Münzen als Schallreiz
diente. Wir erhielten bei Beobachter B. 10 richtige, 10 falsche
und 11 halbrichtige, bei K. 16 richtige, 6 falsche und 9 halb-
richtige Urteüe. Unter halbrichtigen sind hier solche verstanden,
bei denen die Schallrichtung um 45^ falsch wahrgenommen
wurde, also z. B. hinten-oben angegeben, während der Schall
gerade von oben oder gerade von hinten kam.
Die zunächst naheliegende Annahme, dafs der Grund für
die Schwierigkeit der Medianlokalisation in der bei all diesen
Versuchen bestandenen unregelmäfsigen Variierung der Beize
zu suchen sei, erwies sich indessen bei der Fortsetzung der
Versuche als nicht zutreffend. Es wurden vielmehr in späteren
Beihen, zum Teil wohl infolge besserer Einübung, zum TeU
auch, wie zu erwähnen sein wird, durch die Anwendung an-
derer Beize, erheblich bessere Besultate erhalten.
Die Versuche über Höhenlokalisation (Unterscheidung von
vorn-unten und vom-oben) ergaben zunächst bei dem einen Beob-
achter (Bji.) bei Anwendung eines einfachen Ejialls nur 1 falsches
Urteil auf 18 richtige (neben 5 Fällen, in denen kein Urteil ab-
gegeben werden konnte). Der andere Beobachter lieferte bei dem
gleichen Versuche 15 falsche auf 32 richtige Urteile (2 Fälle
ungewifs), unterschied also wenig besser als in den ersten Fällen.
Noch günstigere Resultate ergab ein späterer Versuch an
mir selbst, in welchem wegen gesteigerter Komplikation der Ver-
suche ein ungünstigeres Resultat hätte erwartet werden können.
In Hinblick nämlich auf die Annahme, dafs irgend welche leichte
Modifikation der Schallqualität die Lokalisation bedingt, liefsen
wir in dieser Reihe vom und hinten 7 verschiedene Q-eräusche
über d€i8 Erkennen der SchallrichUmg. 241
tmregelmäfsig abwechseln;^ icli lokalisierte 39 mal richtig, 4 mal
falsch und war 2 mal ungewils. Femer sei hier eine Versuchs-
reihe angeführt, in welcher Herr B. (bei Telephonknall) 24 mal
richtig, 3 mal falsch urteüte und nur 1 mal ungewils war.* Eine
Begünstigung der Unterscheidung schien, namentlich für mich,
dann einzutreten, wenn statt des einfachen Knalls ein kurz
(vielleicht Va — 1 Sekunde) dauerndes knatterndes Geräusch an-
gewandt wurde. Dasselbe wurde im Telephon durch schnell
folgende Öffiiung und Schliefsung des primären Stromes des
Induktionsapparates bewirkt. Da wir dies durch Aneinander-
streichen zweier, den primären Strom schliefsenden Drähte oder
durch Drehen eines Disjunktors aus freier Hand bewirkten, so
war das Geräusch auch hier seinem Charakter nach sehr unrefi:el-
mäfsig; es wurde aufserdem noch durch die Variieruug des
Kollenabstandes modifiziert. Ich urteilte unter 44 Versuchen
39 mal richtig, 1 mal falsch und war 4 mal im Zweifel, während
unmittelbar zuvor bei einer Versuchsreihe mit einfachem Knall
unter 43 Versuchen 12 falsche und 3 halbrichtige (in dem oben
S. 240 angegebenen Sinne) neben 26 richtigen Urteilen (2 Fälle
ungewifs) gewesen waren.
Auch die Höhenlokalisation (Unterscheidung von oben und
unten, beide Orte wenig nach vom gelegen) gelang mir bei
der Anwendung des Knattems besser, indem unter 25 Fällen
22 mal richtig geurteilt wurde.
Die Fähigkeit einer Medianlokalisation auch bei unregel-
mäfsiger Variierung der Schallbeschaffenheit kann hiemach
nicht bezweifelt werden. Jedoch zeigt sich dieselbe in hohem
Mafse von der Beschaffenheit des gewählten Schalls, von der
Einübung und übrigens wohl auch von jeweiliger Disposition
abhängig. Gerade der zu den ersten Versuchen gewählte Tele-
phonknall scheint schwerer zu lokalisieren zu sein, als z. B. das
Zusammenschnellen der Holzplättchen. Doch ist es schwer,
* Dieselben waren: 1. Der Knall des Telephons. 2. Derselbe durch
Bedeckung des Schallbechers mit einem Papierblatt gedämpft. 3. Des-
gleichen durch Bedeckung mit einem Uhrglas gedämpft. 4. Zusammen,
schnellen zweier Münzen. 5. Schlag mit einem Holzstäbchen auf eine
Münze. 6. Der Fall eines Schrotkorns in eine Porzellanschale. 7. Ein
durch Kratzen mit einem Glasstab auf Sandpapier verursachtes Geräusch.
* Dabei ist allerdings zu bemerken, dafs der Knall stets irrtüm-
licherweise mehr oder weniger oben gehört wurde; es wurde also immer
statt vorn und hinten, vom oben und hinten oben angegeben.
242 V. Krieg.
hierüber bestimmte Angaben zu machen, weil auch andere Dinge
von bedentendem EinfloTs sind. Wir bemerkten öfter, dafs der
Beobachter nach einer Reihe sicherer und richtiger urteile
unsicher zu werden anfing, zuweilen auch im Gegenteil nach
einer Anzahl falscher Urtefle eine annähernd sichere Unter-
scheidung gewonnen wurde, als ob die Unterscheidung im
Laufe der Versuchsreihe erlernt worden wäre.
Zu noch besseren Ergebnissen aber, als durch Fortsetzung
der Versuche an denselben Beobachtern gelangten wir durch
Übergang zu anderen Versuchspersonen. Ich wurde zu der
Anstellung der Versuche an einer gröl'seren Zahl von Personen
durch folgende Erwägung geführt. Wer an die Fähigkeit einer
auf besonderen physiologischen Hilfsmitteln beruhenden SchaU-
lokalisation nicht zu glauben, vielmehr nur eine mittelbare Lo*
kalisation anzunehmen geneigt ist, der wird immer behaupten
können, es sei die in den Versuchen erzielte Variierung der
Schallreize keine zureichende oder keine geeignete gewesen;
gewisse Eigentümlichkeiten, z. B. des zeitlichen Verlaufs oder
des Timbres könnten doch wohl, je nach Lage der Schallquelle,
für alle Beizarten sich in ähnlicher Weise geltend machen und
far die wenigen in den Versnoheu zur Anwendung kommenden
Beize insgesamt leicht erlernt werden. Es lag im Binblick auf
diesen Einwand nahe, eine erworbene Kenntnis der Beize in
der Weise zu verhindern, dafs die zur Ausschliefsung des Zu-
falls erforderliche Häufung der Versuche durch Heranziehung
einer grofsen Zahl von Beobachtern erreicht, mit jedem einzehien
aber nur ganz wenige (5) Versuche angestellt würden. Ich expe-
rimentierte auf diese Weise an 22 Studenten; es wurde stets
der durch Zusammenschnellen zweier Holzplättchen bewirkte
Knall (übrigens auch in wechselnder Intensität und Entfernung)
benutzt, und zwar gerade hinter und gerade vor dem Kopf
erzeugt. Bei den so erhaltenen 111 Versuchen (an einem Beob-
achter wurden 6 ausgeführt) wurde, obwohl stets im voraus
gesagt war, dafs der Schall gerade vorn oder gerade hinten
sein würde, häufig gerade nach oben oder auch nach hinten-
oben oder vome-oben lokalisiert; die Urteile zerfallen also in
richtige, in solche, die um 45^, um 90^ oder mehr als 90® falsch
waren, indem ich unter der letzten Kategorie die Verwechselung
z. B. von vorn mit hinten und mit hinten-oben zusammenfafste.
So fanden sich unter den 111 Versuchen 47 richtige Urteile,
über das Erkennen der Schaiürichtung. 24S
um mehr als 90® falsch waren 23,
um 90® „ „ 14,
um 45® „ «21,
in 6 Fällen konnte der Ort nicht angegeben werden.
Dies [Resultat kann im ganzen wohl auch ein sehr un-
günstiges genannt werden, welches eher gegen als für das Vor-
handensein eines physiologischen Hilfsmittels der Lokalisation
sprechen würde. Es war aber die kleine Zahl der an jeder
Person angestellten Versuche ausreichend, um einige indi-
viduelle Eigentümlichkeiten zu entdecken, welche bedeutungs-
voller waren, als das Gesamtergebnis. Unter den 22 Personen war
nur eine (stud. J.), welche in 6 Versuchen hintereinander stets
richtig urteüte. Ich setzte die Versuche mit diesem Beobachter
fort und erhielt bei der Unterscheidung von vom und hinten
in 30 Fällen 29 richtige Urteile, während der Beobachter in 1 Fall
ungewifs war. Ich stellte sodann 32 Versuche mit demselben
Beobachter an, in welchen vom, oben und hinten wechselte;
es wurde 30 mal richtig geurteilt, in 2 Fällen kein Urteil ab-
gegeben. Als Beiz diente in diesen Fällen ebenfalls ein ein-
facher Knall (zwei Holzplättchen), der an Stärke und Klang-
farbe variabel war, und es wurde zugleich die Entfernung
beträchtlich verändU Bei dem hohen Prozentsatz richtige!
Urteile reicht die kleine Zahl vollkommen aus, um jede Täu-
schung durch Zufall auszuschliefsen. Worauf aber die ent-
schieden sehr ungewöhnliche Sicherheit im Erkennen der Schall-
richtungen bei diesem Beobachter zurückzuführen ist, weifs ich
nicht anzugeben; musikalisch war derselbe weder beajilagt noch
ausgebildet.
Mit Hecht hat Münstbrberq* darauf hingewiesen, dafs in
Pretbrs Versuchen — da jedesmal angegeben werden sollte, an
welcher von 26 bestimmten Stellen der Schall erzeugt wäre — die
Aufgabe des Beobachters sehr schwer gemacht ist, das Loka-
Hsationsvermögen also unter relativ ungünstigen Bedingungen
in Thätigkeit kommt. Bei den von uns angestellten Versuchen
ist dies in weit geringerem Mafse der Fall, da es sich nicht
um die richtige Erkennung einer von 26, sondern nur einer von
2 Schallrichtungen handelt. Immerhin kann man sagen, dafs
auch hier die gestellte Aufgabe nicht die einer Unters chei-
» A. a. 0. S. 222.
244 f>. Rries.
dang unter möglichst günstigen Bedingungen , sondern mehr
die einer Bekognition war. Es liefs sich erwarten, dais die
Erkennung eines Bichtungsunterschiedes leichter und sicherer
gelingen werde, wenn die beiden Schallreize in ganz kurzem
Intervall nacheinander zu Gehör gebracht würden. Auch hierbei
konnte ihr Verhalten bezüglich Stärke und Entfernung gewechselt
werden. In der That fanden wir dies. Indem ich je zwei Holz-
plättchen vor und hinter dem Kopf des Beobachters B. zusam-
menschnellte, mit einem Zeitintervall von etw 1 Sekunde, unter-
schied dieser die Beihenfolge vom-hinten von der entgegen-
gesetzten in 25 Versuchen mit voller Sicherheit (ohne einen
einzigen Fehler), während vorher die Bekognition der Einzelreize
ziemlich unsicher gewesen war. Dabei wurde allerdings der
Übergang von vom nach oben als demjenigen von vom nach
hinten, ebenso der von oben nach hinten dem von vom nach
hinten etc., als gleichsinnig betrachtet und somit als richtiges
Urteü gerechnet, wenn die Angaben auch nur in dieser bedingten
Weise der Wahrheit entsprachen.
Die Wahrnehmung der Schallrichtung ist, wie schon Prbyeb
mitgeteilt hat und auch hier bereits berührt wurde, durchaus
nicht blofs in dem Sinne eine unsichere, dafs etwa 2 Bich-
tungen, a und h, verwechselt und dabei ebenso leicht a für &,
wie b für a gehalten würde. Es zeigen sich vielmehr nicht
selten konstante Tendenzen zu ganz bestimmten Irrtümern.
Hierfür haben auch unsere Versuche zahlreiche Beispiele ergeben.
Die Tendenz, den von hinten kommenden Schall nach vom
zu verlegen, war bei mir selbst in den ersten Versuchsreihen in
ausgeprägtester Weise vorhanden; ich fand sie in gleicher
Weise noch bei 2 andern Personen. Die eine derselben (Kp.)
lokalisierte den durch 2 Holzplättchen bewirkten Knall im Aji-
fange einer ersten Versuchsreihe immer nach vom *, schien aber
dann die Unterscheidung einigermafsen zu lernen und lokali-
sierte vom stets und hinten wenigstens ziemlich oft richtig,
um die Einübung auszuschliefsen, stellte ich mit Kp. während
mehrerer Tage täglich nur 4 Versuche an, und es wurde dabei
durchgängig sowohl der von vom als der von hinten kommende
Schall nach vom lokalisiert. Bei Anstellung einer langem
^ Die gleiche Tendenz, den von hinten kommenden Schall nach vorn
zu versetzen, bestand hier auch für hohe Pfeifentöne,
über das Erkennen der SchaUrichtung. 245
Beihe ergab sich dann wieder das erste Resultat; zwar wurde
keine hohe Sicherheit der Unterscheidung gewonnen, aber doch
eine Anzahl von Malen hinten richtig erkannt, während vom
niemals nach hinten verlegt wurde. Bei mir selbst hatte sich
nach einer längeren Unterbrechung der Versuche das Verhältnis
umgekehrt und ich lokalisierte hinten fast durchgängig richtig,
vorn dagegen meist gleichfalls nach hinten.
Sehr häufig scheinen aber auch die Irrtümer bezüglich der
Höhe zu sein und zwar zunächst in dem Sinne, dafs die in
Wirklichkeit mit dem Kopf gleich hoch liegende Schallquelle
nach oben verlegt wird. Herr B. verlegte den Telephonknall,
obwohl ihm bekannt war, dafs er grade vor oder hinter dem
Kopf hervorgebracht wurde, stets ziemlich stark nach oben,
unterschied also nur vom oben oder hinten oben, statt vom
und hinten, und nahm gelegentlich den Schall auch grade oben
wahr. Auch mir schien der Telephonknall stets mehr oder
weniger von oben zu kommen. Bei uns beiden persistierte diese
Täuschung, selbst wenn das Telephon erheblich unter die Kopf-
höhe gebracht wurde. Beachtenswert scheint mir, dafs die
Täuschung in weit geringerem Q-rade vorhanden war, wenn
statt des Telephonknalls die zusammenklappenden Holzplättchen
benutzt wurden, deren Knall im allgemeinen lauter und schärfer
klang, als der des Telephons.
Von den untersuchten Studenten lokalisierte einer den Knall
der Holzplättchen von hinten stets richtig, der von vom kom-
mende dagegen wurde in allen FäUen grade oben wahrge-
nommen. Eine irrtümliche Lokalisation des Schalles nach unten
habe ich dagegen nie beobachtet.
Aus den mitgeteilten Versuchen läfst sich, trotz der nu-
merischen Geringfügigkeit des Materials, zweierlei ersehen.
Erstlich, dafs eine nahezu sichere Medianlokalisation
(wenigstens in Bezug auf die Unterscheidung von vom und
hinten) unter Umständen auch dann stattfinden kann,
wenn die Schallreize von Versuch zu Versuch ihrer
Qualität und Stärke nach, sowie bezüglich ihrer Ent-
fernung ganz unregelmäfsig wechseln. Zweitens aber fallt
die aufserordentliche Unsicherheit, welche die gleiche
Lokalisation unter anderen Umständen zeigt, in die Augen.
Welche theoretische Folgenmg bei dieser Sachlage zu ziehen
ist, das scheint mir nicht ohne weiteres klar. Wenn man nur eine
246 t7. Kries,
mittelbare Lokalisation anztmehinen geneigt ist, wird man
doch schwer begreiflich finden müssen, dais diese bei beständig
wechselnder Schallbeschaffenheit möglich ist. Wenn man da-
gegen mit Prbtbr eine besondere, der Lokalisation dienende
physiologische Einrichtung annimmt, so wird es zum mindesten
auffallend erscheinen, dafs diese häufig so äuiserst mangelhaft
funktioniert, in vielen Fällen die grade entgegengesetzten
Richtungen verwechselt werden und zwar, was vielleicht beson-
ders merkwürdig ist, Angaben, die um 180^ falsch sind, mit
positivster Sicherheit ausgesprochen werden*
Ohne eine Entscheidung versuchen zu wollen, möchte ich
noch zwei Thatsachen anführen, die zur Vorsicht mahnen. Für
die indirekte Natur der Medianlokalisation würde es offenbar in
hohem Grade sprechen, wenn es möghch wäre, willkürlich durch
die Natur der gewählten Geräusche oder Klänge das Ergebnis der
Lokalisation zu bestimmen. Uns ist im allgemeinen nichts der-
artiges gelungen ; wir konnten z. B. nicht fiüaden, dafs etwa der
schwächere Klang mit Vorliebe nach hinten, der stärkere nach
vom verlegt worden wäre. Nur in einer Versuchsreihe ergab
sich mit einer gewissen Kegelmäfsigkeit ein derartiges Resultat.
Es wurden nämlich bei den schon oben erwähnten Versuchen, in
denen eine gröfsere Anzahl verschiedener Geräusche in unregel-
mäfsigem Wechsel verwendet wurden, von Herrn B. alle fast
durchgängig richtig lokalisiert; nur eines wurde unter 10 FäUen
9 mal nach hinten versetzt, obwohl es vom hervorgebracht
wurde. Es möchte hieraus doch zu schliefsen sein, dafs wenn
auch ein physiologisches Hülfsmittel der Schall-Lokalisation
existiert, doch neben demselben auch Qualität und Intensität des
Schalles in Betracht kommen, und auf das Ergebnis von Ein-
flufs sind, ähnlich wie ja auch bei der optischen Entfernungs-
Lokalisation sehr verschiedenartige umstände von Einflufs sind,
ohne dafs man im allgemeinen sich bewufst würde, worauf das
Resultat beruht. — Die Annahme aber, dafs geringfügige Diffe-
renzen der Schallart mit grofser Feinheit aufgefafst werden,
scheint eine gewisse Stütze auch in den Thatsachen zu finden,
welche sich auf die Wahrnehmung der Entfernung einer Schall-
quelle beziehen. Auch diese ist nämlich weit vollkommener,
als man erwarten sollte, wenn man davon ausgeht, dafs sie auf
Schlüssen aus der Intensität und dem Timbre des Schalles beruht
und dafs daher nur bei im voraus bekanntem Schallreize eine
über das Erkennen der SchaUrichtung. 247
richtige Beurteilung der Entfernung möglich sei. Wir liefsen,
um uns hierüber zu orientieren, den Knall des Telephons ab-
wechselnd in 25 und 65 cm Entfernung vom Kopfe des Beob-
achters in genau seitlicher Richtung erklingen, dabei die In-
tensität durch Wechsel des Bollenabstandes unregelmäfsig vari-
ieren und zwar in einem Spielraum, von dem schon ein kleiner
Teil genügte, um die mit der Abstandsänderung verknüpfte
Variierung der Intensität zu kompensieren. Der Beobachter
hatte in einer Beihe von Einzelversuchen jedesmal angegeben,
ob der Schall von der nahen oder von der entfernten Stelle
kam. Dabei wurden von B. in 27 Fällen 24 richtige und
3 falsche, von K. in 27 Fällen 23 richtige und 3 falsche Urteile
(in einem Falle kein Urteil) abgegeben. Bei Versuchen mit
2 schnell aufeinander folgenden Knallen (Holzplättchen), von
denen der nähere in 20—40 cm, der entferntere in 100 — 140 cm
Abstand gegeben und ebenfalls die Intensität stark geändert
wurde, konnte nicht minder die Reihenfolge (Nah-Fern oder
umgekehrt) in allen Fällen richtig erkannt werden; keineswegs
gelang es das Urteü durch grofse Intensität des fernen und
geringe des nahen Schalles irrezuführen. Sollte man auch
hier einen physiologischen Mechanismus annehmen? So viel
ich sehe, würde die Ausdehnung der Preter sehen Hypothese
auf die Entfemungswahmehmung auf einige Schwierigkeit
stofsen. Auch nach der Auffassung Münsterbbrgs könnten die
Hülfsmittel der Bichtungswahmehmung wohl für die Beurteilung
der Entfernung nichts nützen, da der Bewegungsanstofs in beiden
Fällen qualitativ gleich sein würde; auch könnte es nicht ge-
nügen, etwa dem entfernten Beiz der Auslösung eines stärkern
Bewegungsimpulses zuzuschreiben, da die Stärke doch jedenfalls
auch von der Schallintensität abhängig gedacht werden mufs.
Überdies mag daran erinnert werden, in welcher Weise gerade
bezüglich der Entfemungsbeurteüung die willkürliche Herstellung
gewisser Schallqualitäten zu Täuschungen führt ; die Leistungen
geschickter Bauchredner sind in dieser Hinsicht sehr belehrend.
Wie dem nun auch sein mag, jedenfalls scheint mir die
Fri^ der Schalllokalisation noch keineswegs vollständig klar
zu liegen. Vielleicht wird durch eine systematische Vergleiohung
der Entfemungs- und der Bichtungswahmehmung am ehesten
eine weitere Sicherung, sei es der einen, sei es der andern
Anschaaiung zu gewinnen sein.
248 V. Kries.
Ich möchte endlich noch auf eine eigentümliche Konse-
quenz gewisser Lokalisationstheorien aufmerksam machen,
welche teils für den vorliegenden Gegenstand von einiger Be-
deutung^ teils wohl auch von allgemeinem Interesse ist. Es
ist häufig angenommen worden, dafs eine Lokalisation auf
irgend welchen, die betreffenden Empfindungen regelmäfsig
begleitenden Nebenerscheinungen beruhe, welche je nach der
Art des Heizes verschieden wären. Das erste Beispiel hierfür
bietet wohl Lotzes Theorie der optischen Lokalisation, nach
welcher die Erregung jeder Netzhautstelle einen Bewegungs-
impuls erzeugt ; derselbe wird so beschaffen gedacht, dafs durch
Ausfuhrung der betreffenden Bewegung die Stelle des deut-
lichsten Sehens an den Platz der erregten Netzhautstelle ge-
bracht würde. ^ Dieser Ansicht sehr nahe steht die Anschauung,
welche Münterberq über den ßaumsinn des Ohres sich gebildet
hat; nach ihm sollen es die durch ^Reizungen der halbzirkel-
förmigen Kanäle reflektorisch ausgelösten Impulse zu Kopfbe-
wegungen sein, auf denen die Lokahsation der SchaUempfin-
dungen beruht.
Soviel ich nun sehe, ist eine Theorie, welche in dieser
Weise die Lokalisation auf Begleiterscheinungen der Em-
pfindung zurückführt, nicht im stände, die gleichzeitige richtige
Lokalisation mehrerer Empfindungen zu erklären, fuhrt viel-
mehr zu der Konsequenz, dafs eine solche unmöglich sein müsse.
In der That denken wir uns die Empfindung X mit dem Be-
wegungsimpuls a, Y mit dem Bewegungsimpuls ß verknüpft ;
entsteht nun X und F, demgemäfs auch a und ß gleichzeitig,
wie unterscheidet sich der psychische Effekt in diesem
Fall von dem entgegengesetzten, dafs ß durch X und a durch
Y hervorgerufen worden ist? Ich vermag diese Frage auf dem
Boden einer derartigen Theorie nicht zu beantworten, wenigstens
nicht ohne ganz neue und wenig wahrscheinUche Annahmen
in dieselbe einzuführen. Mir scheint vielmehr zunächst als
Konsequenz sich zu ergeben, dafs entweder die beiden Bewe-
gungsimpulse zu einem einheitlichen von mittlerer Beschaffenheit
verschmelzen und sodann die beiden Empfindungen an dem-
selben Ort lokalisiert würden, oder aber dafs beide unabhängig
bestehen bleiben und alsdann beide Orte richtig erkannt werden,
* Lotze: Medizinische Psychologie. S. 353 f.
über das Erkennen der Schcillrichiung. 249
die Lokalisation aber nun verwechselbar ist. Welche Em-
pfindungen an den einen, welche an den andern Ort zu ver-
legen ist, müfste zunächst ungewifs bleiben und könnte erst
jedesmal z. B. durch Bewegungen festgestellt werden. Es ist
hinlänglich bekannt, dafs für das Auge die Sache sich nicht
so verhält ; wir erkennen ja, wenn z. B. ein rotes und ein grünes
Licht im Gesichtsfelde aufblitzt, jederzeit sogleich den Ort
eines jeden, und niemals kommt eine Verwechselung etwa derart
vor, dafs man das Grüne unten und das Eote oben zu sehen
glaubte, während es sich in Wirklichkeit umgekehrt verhält.
Mir ist aus diesem Grunde die LoTZEsche Theorie der optischen
Lokalisation nie genügend erschienen. Bezüglich der Schall-
okalisation war es indessen bisher ungewifs, wie die Thatsachen
in dieser Hinsicht eigentlich lägen, und es erschien deswegen
von einigem Interesse, Versuche über die gleichzeitige Lokali-
sation zweier Schallreize anzustellen. Ich gestehe, dafs ich mit
wenig Vertrauen an diese Versuche heranging; denn zwei Beob-
achtungen gewisser Art gleichzeitig zu machen, mufs unter allen
Umständen schwierig und im Ergebnis unsicherer sein, als eine
einzelne. Hiemach schien zu befürchten, dafs, selbst wenn der
ganze Mechanismus der Lokalisation derart wäre, dafs auch die
Erkennung zweier Richtungen gleichzeitig dadurch nicht ausge-
schlossen würde, doch praktisch diese sich unausführbar er-
weisen möchte. Ein negatives Resultat hätte also in keiner
Richtung etwas beweisen können. Die Versuche ergaben in-
dessen durchaus nicht die Unmöglichkeit einer doppelten Lo-
kalisation. Es mufste bei denselben natürlich auf strenge Gleich-
zeitigkeit der zwei zu unterscheidenden Schallreize geachtet
werden. Ich verfuhr deswegen zunächst so, dafs mittels eines
Gabelrohrs und Gummischläuchen zwei Pfeifen gleichzeitig
angeblasen wurden; klingt die eine zu laut, so kann man
leicht den zu ihr führenden Schlauch ein wenig zuklemmen
und so die erforderliche Gleichheit der Stärke herstellen. Bläst
man nun die Pfeifen in solcher Stellung an, dafs die eine
rechts, die andere links von der Medianebene des Beobachters
sich befindet, so ist der Erfolg allerdings zunächst meist ver-
wirrend; es werden die Töne nach rechts und links lokalisiert,
es scheint aber nicht sicher, welcher Ton rechts und welcher
links klingt. Nach kurzer Einübung aber gelingt dies ganz
gut, namentlich wenn man die Töne von recht unglei9her Höhe
250 t7. Kries,
und dissonierend wählt. Noch leichter und sicherer fand ich die
Unterscheidung, wenn nur auf der einen Seite eine Pfeife an-
gewandt, das andere Ende des Schlauches aber stark verengert
und auf diese Weise durch die herausströmende Luft ein
zischendes Geräusch hervorgebracht wurde. Es wird alsdann,
wie ich mich an mehreren Beobachtern in zahlreichen Versuchen
überzeugte, mit Leichtigkeit und Sicherheit Ton und Geräusch,
jedes an seinem richtigen Platz gehört. Um sich vor Irrtümern
zu schützen, ist es übrigens notwendig, bei den Versuchen auch
Bolche Fälle einzuschalten, in denen Geräusch und Ton an der-
selben Stelle gegeben werden, da sonst der Verdacht entstehen
könnte, es würde nur eine der beiden SchaUarten, etwa als
stärkere, richtig lokalisiert, und der anderen nur gemäfs der zum
voraus bekannten Einrichtung der Versuche der entgegengesetzte
Ort zugeschrieben. — Bezüglich der Rechts-Links-Lokali-
sation ist also die gleichzeitige richtige Wahrnehmung
zweier verschiedener Schallrichtungen in der Weise
möglich, dafs jede Schallart in ihrer wahren Richtung
gehört wird. Soviel ich sehe, wird auch derjenige, der die
Annahmen Münsterbbrgs adoptiert, zur Erklärung dieser Unter-
scheidungen doch auf die Vergleichung der Litensität jedes
Schalles in den beiden Ohren rekurrieren müssen.
Es ist nach jeder Theorie begreiflich, dafs der gleiche
Versuch bezüglich der an sich viel weniger sicheren Median-
lokalisation weniger schlagend ausfällt. Gleichwohl findet man
auch, wenn Ton hinten und Geräusch vom erklingt oder um-
gekehrt, wenigstens im aUgemeinen die Möglichkeit einer doppel-
ten Richtungswahmehmung. In einer mit Herrn J. ausgeführten
Versuchsreihe wurden beide Schalle dann richtig lokalisiert,
wenn sie beide vom oder beide hinten erzeugt wurden, ebenso
auch, wenn der Ton hinten und das Geräusch vom erzeugt
wurde; regelmäfsig wurde dagegen falschlich sowohl Geräusch
als Ton nach hinten verlegt, wenn in Wirklichkeit nur das
erste hinten, die Pfeife aber vom sich befand. Die Lokalisation
des Pfeifentones für sich allein war zwar bezüglich vom und
hinten auch nicht ganz sicher, doch wurden hier selten Fehler
gemacht. Kein Zweifel also, dafs das von hinten klingende
Geräusch die Lokalisation des vom erzeugten Tones beein-
trächtigt. Bei der entgegengesetzten Anordnung aber wurde
doch mit voller Sicherheit der eine Schall nach vom, der
über das Erkennen der SchciBrichtung, 251
andere nach hinten, der Wirklichkeit entsprechend verlegt; die
Möglichkeit einer doppelten Bichtungswahrnehmung besteht also
jedenfalls auch, und auch hier scheint es kaum, dals die beiden
gehörten Schallarten sozusagen ganz zufallig in die beiden
wahrgenommenen Bichtungen verteilt würden. Herr Baadeb,
der bezüglich der Medianlokalisation überhaupt weniger sicher
war, hörte meist die beiden Schalle an der gleichen Stelle und
zwar da, wo in Wirklichkeit das Geräusch war. Doch wurden
nicht selten auch beide Bichtungen wahrgenommen, zuweilen
jeder Schall an richtiger Stelle, zuweilen auch vertauscht.
Die mitgeteilten Beobachtungen prätendieren natürlich
durchaus nicht, den Gegenstand erschöpfend aufzuklären; doch
dürften sie genügen um zu zeigen, dafs auch ein weiteres Studium
der Doppel-Lokalisationen und der dabei auftretenden Verwech-
Belungen von einigem Interesse und für die Theorie der Lokcdi-
sation von Bedeutung sein würde.
ZeitBohrift fttr Psychologie.
17
Zur Psychologie der Kausalität.
Von
Th. Lipps.
I. Einleitung.
Associationen und Associationspsychologie.
Die folgende Untersuchung will die Kausalität auf Associa-
tion, das Kausalgesetz auf das Associationsgesetz zurückführen.
Es ist kein neues Problem, um das es sich dabei handelt. Man
wird es darum begreiflich finden, wenn ich auch schon Gesagtes
und Bekanntes berühre oder wiederhole. Nicht Bekanntes, wohl
aber schon Gesagtes werde ich zu wiederholen haben, insofern
ich das Hauptsächlichste von dem, was ich hier vorbringen
will, selbst schon bei anderer Gelegenheit anzudeuten versucht
habe.*
Eine allgemeine Bemerkung schicke ich voraus. Associa-
tionen sind jetzt Gegenstand gewohnheitsmäfsigen Mifstrauens.
Dies Milstrauen bitte ich für einen Augenblick ruhen zu lassen.
Die ganze Richtung in der Psychologie, die man mit dem Namen
der Associationspsychologie beehrt, hat mit Vorurteilen zu
kämpfen. Gewifs tragen daran Associationspsychologen ihren
Teil der Schuld. Kecht unzureiphende , vielleicht kindliche
Vorstellungen vom Wesen der Association und dem möglichen
Sinn der Associationspsychologie mögen sich bei ihnen finden.
Dafür ist aber doch nicht ohne weiteres die Associationspsycho-
logie als solche verantwortlich zu machen.
So liegt es durchaus nicht im "Wesen der Associations-
psychologie, dafs sie „die Verknüpfungen der Vorstellungen
lediglich für mechanische Wirkungen ihrer Elemente hält".
Zunächst hätte es einigen Wert zu erfahren, was für einen
* Vgl. meine „Grundthatsachen des SeeUnlebens'' in den erkenntnistheo'
retischen Kapiteln.
Zur Psychologie der Kausalität, 253
Begriff man eigentlich in der Psychologie mit dem Worte
„mechanisch" verbindet, oder worin dies „mechanisch" seinen
Gegensatz hat. Aber auch abgesehen davon wüTste ich für
mein Teil mit jenem Satze wenig anzufangen. Das einheitliche
Wesen des Geistes oder der Seele — worin immer dieses Wesen,
an sich betrachtet, bestehen mag — ist gewifs der letzte Grund
und eigentliche Träger alles seelischen Geschehens. Vorstellungen
sind nicht selbständige Wesen, die sich in der Seele als ihrem
„passiven Schauplatz" nach ihren eigenen Gesetzen tummelten,
sondern sie sind Thätigkeiten, Erscheinungsweisen der Seele
selbst. Sie sind, was sie sind, soviel wir irgend wissen, nur in
dem einheitlichen Zusammenhang des seelischen Lebens. Sie
sind nichts, blofse^Abstraktionen, wenn wir sie isolieren und aus
diesem Zusammenhang herausreifsen. Dies hindert doch nicht, dafs
die Psychologie diese Isolierung vollbringen, d. h. die Vorstellungen
zunächst für sich betrachten mufs. Sie darf auch und mufs
den einzelnen Vorstellungen Kräfte und Kraftwirkungen zu-
schreiben. Sie weifs darum doch, dafs diese Kräfte und Kraft-
wirkungen nichts sind aufserhalb der Seele und ihres Zusammen-
hanges. Sie sind die Kraft und Thätigkeit der Seele selbst,
wie sie sich an einer bestimmten Stelle des seelischen Lebens-
zusammenhanges oder in einer bestimmten, nämlich der durch
die einzelnen Vorstellungen bezeichneten Richtung offenbart.
Mit dieser Notwendigkeit, in der Betrachtung zu isolieren,
was in solcher Isolierung nicht existiert, steht die Psychologie
ja auch nicht vereinzelt. Jeder Wissenschaft, die auf Erkenntnis
der Wirklichkeit gerichtet ist, stellt sich zunächst das Einzelne
als solches dar, und jede sieht Kräfte und Ejraftwirkungen
zunächst an das Einzelne gebunden. Damit leugnet sie doch
nicht, dafs das Einzelne nur als Moment in einem umfassenderen
oder weniger umfassenden Zusammenhang das zu leisten pflegt,
was es leistet. Und gewifs gehört dann jedesmal diesem Zu-
sammenhang die Kraft oder Kraftwirkung in Wahrheit an.
Er ist ihr wahrer „Träger". Er ist zugleich, sofern er als
Ganzes und nur als Ganzes ihr Träger ist, mit Eücksicht auf
sie eine ungeteilte und unteilbare Einheit. Er ist im Vergleiche
mit der Einzelerscheinung und der an sie gebundenen Krafb.
und Kraftwirkung sachlich das Frühere und Erste. Aber so
sehr er sachlich das Erste ist, so gewifs ist er wissenschaftlich
nicht das Erste, sondern das Ziel. Die Wissenschaft sucht den
17*
254 Th, lApps.
Zusammenliang erst zu gewinnen, und sie gewinnt ilin gewüGs
nicht anders als auf Grund der Erkenntnis des Einzelnen und
seiner Gesetzmäfsigkeit. In der Gesetzmäfsigkeit, der das Ein«
zelne unterliegt, offenbart sich eben der Zusammenhang und
die das Einzelne und seine Kraft tragende Einheit.
So kann auch keine Bede davon sein, dafs irgendwelche erst
für sich existierende Vorstellungen aus eigener Macht associative
Beziehungen knüpften. So gewifs Vorstellungen, soweit nämlich
wir wissen, nur aus der Einheit des Geistes heraus enstehen, so ge-
wifs stehen sie von vornherein unter den Bedingungen dieser Ein-
heit, und von dieser Einheit giebt eben die Association Zeugnis.
Nicht Vorstellungen verknüpfen sich und erzeugen die Einheit
des Geistes, sondern die Einheit des Geistes, die der Grund ist
ihres Daseins, stellt sich in ihrer Verknüpfung dar. Die
Association sagt gar nichts anderes, als dafs Vorstellungen
nicht selbständig existieren, sondern in ihrem Dasein bedingt
sind, dafs sie sich verwirklichen auf Grund von Zusammen-
hängen, dafs sie in solchen Zusammenhängen ihre einheitlichen
Träger haben. Diese Zusammenhänge oder ihre Elemente sind
dann wiederum bedingt durch weitere Zusammenhänge und
haben darin ihre einheitlichen Träger. So erscheint eben in
der Thatsache der Association jedes Element des seelischen
Lebens als Moment in weiteren und weiteren Einheiten und
schliefslich in der alles umfassenden Einheit des Geistes oder
der Persönlichkeit. Je unmittelbarer und enger ein seelisches
Geschehen in den ganzen Zusammenhang des seelischen Lebens
verflochten ist, um so unmittelbarer und vollständiger bethätigt
sich in ihm das ganze Wesen des Geistes, seine allgemeine Natur
oder seine individuelle Eigenart. Die Associationen sind der
Ausdruck oder die unmittelbare Bethätigung der Einheit des
Geistes, also das volle Gegenteil eines „Mechanismus*^, zu dem
sich der Geist passiv verhielte.
Aber freilich, es scheint schwer, dieser letzteren Vorstellungs-
weise zu entsagen. Ich lasse dahingestellt, wie weit Associa-
tionspsychologen an ihr hängen. Gewifs ist, dais manche ihrer
Gegner sich derselben schuldig machen. Immer wieder begegnen
wir dem seltsamen Begriff eines Geistes, der sich zu seinen
eigenen Thätigkeiten passiv oder als unthätiger Zuschauer ver-
hielte. Man leugnet nicht, sondern behauptet die vorstellende
„Thätigkeit" der Seele. Zugleich findet man doch kein Arg
Zur Psychologie der Kausalität 255
darin, die Seele in dem gesetzmäfsigen Zusammenhang und
Nacheinander der Akte dieser Thätigkeit passiv oder unthätig
sein zu lassen. Als ob in der Art des Zusammenhanges der
Akte eines thätigen Wesens nicht erst recht die einheitliche
Natur des Wesens sich bethätigen müsse.
Hält man aber an jener sich selbst widersprechendjan Vor-
stellung fest, dann muTs man am Ende sich genötigt sehen, den
begangenen Fehler nachträglich wieder gut zu machen. Zu
der „passiven" Thätigkeit des Geistes gesellt sich eine „Selbst-
thätigkeit", zu der man das Zutrauen hat, dafs sie nun endlich
wirkliche Thätigkeit sein werde. Vermöge dieser Selbstthätig-
keit greift der Geist „selbst" — der ja sonst am Ende ganz
überflüssig wäre — in den psychologischen Mechanismus wenig-
stens nachhelfend ein. Die Vorstellungen „verknüpfen sich";
der Geist verknüpft sie durch seine „Kategorien" noch einmsJ.
Die Vorstellungsbewegung „läuft ab"; aber damit sie nicht all-
zusehr nach ihren „eigenen" Gesetzen ablaufe, bestellt ihr der
Geist einen Aufseher, der, man weifs nicht recht wie weit, die
Bewegung zu „beeinflussen" oder zu „regeln" vermag. So ent-
steht eine gröfsere oder geringere Anzahl von Kräften, Ver-
mögen, Formen, Funktionen, durch die man das geistige Leben
verständlich zu machen und zugleich die Ehre der Seele zu retten
meint. Beides mit Unrecht. Jene zur Erklärung postulierten Fak-
toren erweisen sich bei genauerer Prüfung als Namenwesen, die gar
nichts erklären, und der Ehre der Seele entspricht ohne Zweifel
die Einheit und einheitliche Gesetzmäfsigkeit in höherem Grade,
als das Flickwerk und Stückwerk aus allerlei Faktoren, die sich
wechselseitig ins Gehege geraten und ihre Gesetzmäfsigkeit
korrigierend ergänzen. — Diese Anschauung ist es, gegen
welche die wahre Assooiationspsychologie mit allen Kräften
angeht. Mit welchem Brcchte, das soll hier an einem speciellen
Punkte einleuchtend gemacht werden.
n. Kritisches über den Kausalbegriff.
unsere erste Frage lautet: Wessen sind wir uns bewufst,
wenn wir uns eines ursächlichen Verhältnisses zwischen irgend
einem A und irgend einem B bewufst zu sein behaupten?
Diese Frage hat zuerst Hume mit Bestimmtheit gestellt, ohne
sie doch vollständig zu beantworten. Sie muTs aber vollständig
256 Th, lAppa.
beantwortbar sein. Es handelt sich ja um einen Inhalt des
Bewufstseins.
In mancherlei Wendungen, wie sie schon der gemeine
Sprachgebrauch an die Hand giebt, kann man jene Frage su be-
antworten und das Wesen der Kausalität zu verdeutlichen
meinen. Ursache sei das, „wodurch^ ein Anderes zu stände
komme, oder „woraus" es „hervorgehe". Die Ursache „bringe"
die Wirkung „hervor" oder „erzeuge" sie. Wirkung sei, wie
es der Name sage, nicht einfach sich abspielendes, sondern „be-
wirktes" Geschehen; Kausalität sei „Thätigkeit", „KraftäuCse-
rung" u. s. w.
Diese Wendungen haben nicht alle den gleichen Sinn, aber
sie sind alle gleich wenig zur Verdeutlichung der Verursachung
geeignet. Das „Durch", das „Hervorgehen", „Erzeugen" sagt
nichts über das Wesen der Kausalität, sondern fugt zu dem
verursachten Vorgange ein anschauliches Moment, das sich bei
ihm in speciellen Fällen findet, allgemein hinzu. Es liegt aber
einmal in unserer Natur, dafs wir leicht das Anschauliche, das-
jenige, was ein Bild giebt, für verständlich, ja schhefsKch fiir
selbstverständlich halten. Indem .wir das Bild dann auch auf
9
Anderes, zu dem es nicht pafst, übertragen, meinen wir weiter-
hin auch dies Andere uns verständlich gemacht zu haben.
Das anschauliche Moment fällt weg und ein noch verfüh-
rerisches tritt an die Stelle, wenn wir die Ursache als das Be-
wirkende bezeichnen oder die Begriffe der Thätigkeit und Kraft
in den Kausalbegriff hineintragen. Eine Bewegung unseres
Körpers erscheint uns als von uns „bewirkt" oder als unser
„Thun", wenn sie nicht nur geschieht, sondern in diesem G-e-
schehen unser Wollen sich befriedigt. Das beftiedigte Wollen,
dieser Inhalt unseres Selbstgefühls, bildet den einzigen, über
das blofse thatsächliche Geschehen hinausgehenden, erfahrungs-
gemäfsen Sinn der Worte Wirkung oder Thätigkeit. In dieser
„Wirkung" oder „Thätigkeit" steckt dann zugleich die „Kraft".
Kraft — ich rede nicht von dem wissenschaftlichen, sondern
von dem gemeinen Kraffcbegriff — kennen wir nur als Inhalt
unseres Kraftgefühls oder des Gefühls unserer bei einer Leistung
aufgewandten Willensanstrengung. Kraft in der unbeseelten Welt
ist ein blofses , wenn auch bei richtiger Verwendung vielleicht
recht nützliches Wort. Es liegt aber wiederum in unserer Natur
die Neigung, solche Inhalte unseres Selbstgefühls auf die nicht-
Zur Psychologie der Kausalität 257
fahlenden Dingezu übertragen. Nichts ist uns geläufiger als der
Zosammenliang zwischen unserem Wollen und dem Geschehen
an oder in uns. und das Geläufige scheint uns begreiflich,
keiner weiteren Erklärung bedürftig. So meinen wir auch das
Geschehen aufser uns zu begreifen, indem wir es in einen
solchen Zusammenhang einfügen.
Die Täuschung liegt auf der Hand. Angenommen, wir
hätten zu der Übertragung ein Recht, so wäre von neuem für
das Verständnis der Kausalität gar nichts gewonnen. Die Frage
nach dem Wesen des ursächlichen Verhältnisses wäre nicht be-
antwortet, sondern zurückgeschoben. Wir würden nicht mehr
fragen, worin besteht das „Band"" zwischen Ursache und
Wirkung? wohl aber, wie ist das Band beschaffen, das mit
dem in den Dingen sitzenden Wollen oder Streben, der in ihnen
wohnenden Kraft ihre Wirkung oder „Verwirklichung" verbindet.
Die Übertragung ist aber nicht nur unberechtigt, sondern
sinnlos. Wie sie trotzdem geschehen kann, versteht man, wenn
man zusieht, wie weit die Neigung zu solchen Übertragungen
geht. Wir wissen oder sollten wissen — und der Erkenntnis-
theoretiker vor allem mufs es wissen — , dafs wir beständig
die Inhalte unseres Selbstgefühls in die Welt der Dinge hin-
eintragen. Alle Schönheit und Häfslichkeit der Welt der Ob-
jekte, all unser positives und negatives Interesse an ihr ist
durch solches Objektivieren unserer selbst oder Vermenschlichen
der Aufsenwelt bedingt oder mitbedingt, überall sehen und
geniefsen wir uns selbst, wo wir nur die Dinge zu sehen und
zu geniefsen meinen. Es ist eines der erkenntnistheoretisch
wichtigsten Worte, das kein Erkenntnistheoretiker, sondern
Goethe ausgesprochen hat: Der Mensch begreift niemals, wie
anthropomorphisch er ist. Darum ist es die Pflicht des Er-
kenntnistheoretikers, und fast seine erste Pflicht, ernstUch mit
sich zu Bäte zu gehen, ob er nicht für einen Erkenntnisfaktor,
am Ende gar für einen ersten und ursprünglichen Erkenntnis-
faktor ausgiebt, was nur der vermenschlichenden Einbildungs-
kraft sein Dasein verdankt, also durchaus nicht der wissen-
schaftlichen, sondern nur der ästhetischen Weltbetrachtung ange-
hört. Die höchste Stufe solcher Vermenschlichung wird durch
die konkret persönlich gedachten Gebilde der Mythologie reprä-
sentiert. Diese sind aus unserer wissenschaftlichen Betrachtung
der Welt verschwunden. Ebenso gut wie sie müssen aber auch
i
258 Th, lApps.
die nnpersönliclieii Thätigkeiten, die Aktivitäten, die ihnen ent-
sprechenden Passivitäten, die Wirkungen, die Kräfte u. s. w.
aus unser Betrachtung der Wirklichkeit weichen. Ich sage:
aus unserer Betrachtung, nicht aus unserer Sprache; denn die
können wir nicht weniger anthropomorphistisch machen, als sie
fast in jedem ihrer Worte ist. Man mufs aber den Kampf
gegen diese zahmere, darum nicht minder unlogische Mythologie
zu Ende fuhren und ihre Ausgeburten bis in ihre letzten Schlupf-
winkel verfolgen. Wer auf die grob menschlich gedachten
Kräfte, Strebungen und dergleichen verzichtet, aber doch
schliefslich eine feinere Art der Vermenschlichung aufrecht er-
hält, steht auf einem Standpunkt der Naturbetrachtung, der mit
jenem konkret mythologischen der Art nach völlig identisch ist.
Die Meinimg, etwas den Inhalten des menschlichen Selbstgefühls
noch so entfernt Analoges müsse den Dingen doch am Ende zuge-
standen werden, ist gar nichts anderes, als das Bekenntnis, dafs
man sich nicht entschüefsen kann, mit seiner richtigen Einsicht
völlig Ernst zu machen. Der nach Abzug des spezifisch Mensch-
lichen übrig bleibende Best des Menschlichen in den Dingen ist
nur ein bei aller Bemühung des klaren Denkens übrig bleiben-
der Best von Unklarheit, ein Stück Dichtung an Stelle der
Wahrheit, ästhetische Betrachtung an Stelle der Erkenntnis
und Erkenntnistheorie.
Wir sind aber mit unserer Kritik noch nicht zu Ende. Noch
ein Begriff bietet sich uns zur Verdeutlichung des Kausal-
begriffes dar, nämlich der Begriff des Gesetzes. Ein Geschehen
verursacht ein anderes, d. h. sie folgen sich nach einem Gesetz.
Aber was heifst dies? Das Gesetz ist zunächst der Geltung for-
dernde und sich Geltung verschaffende Wille. Meint man das Ge-
setz in diesem Sinne ? Dann wäre von neuem die Frage nach dem
Wesen der Kausalität nicht beantwortet, sondern zurückge-
schoben. Wir würden fragen, welches ist das kausale Band,
das das Gesetz mit seiner Verwirklichung verbindet. In der
That ist unser wissenschaftlicher Begriff des Naturgesetzes nicht
so beschaffen. Das Gesetz ist die Abstraktion von einer be-
stimmten Art des Geschehens selbst, oder aber es ist das Gesetz
unseres Denkens.
Worin nun besteht die Art des Geschehens, von der das
Gesetz eine Abstraktion sein könnte? Man sagt, sie bestehe in.
der Notwendigkeit des Geschehens. Das Band, das die Wirkung
Zur PsycMlogie der Kausalität 259
an die Ursache binde, sei das Band „realer" oder „objektiver"
Notwendigkeit. Jetzt bestellt die Pflicht, den erfahrongsge-
mäfsen Sinn des Wortes Notwendigkeit festzustellen. Die Er-
kenntnistheorie hat nicht das Kecht, ein solches Wort auch
nur in den Mund zu nehmen, ehe sie dieser Pflicht genügt
hat. Das Ergebnis ist, dafs wir eine neue Art von Anthropo-
morphismus entdecken. Nicht die Ursache, sondern die Wirkung
ist jetzt das Vermenschlichte. Die kraftbegabte, strebende,
thätige Ursache zusammen mit der notwendigen Wirkung, darin
schliefst sich das System von Anthropomorphismen konsequent
in sich zusammen.
Zwei Menschen sehen denselben dritten sehr krank. Der
eine sagt: er wird sterben; der andere: er mufs sterben. Was
macht den Unterschied jenes Sterbens und dieses Sterben-
müssen s? Was unterscheidet überhaupt das thatsächliche Ge-
schehen von dem notwendigen? Wenn es dasselbe Geschehen
ist, ganz gewifs nichts. Jene Beiden wollen denn auch nicht
einen objektiv verschiedenen Vorgang ankündigen. Der Unter-
schied besteht ausschliefslich darin, dafs der eine sich bescheidet,
ihn anzukündigen, während der andere zugleich andeutet, dafs
er Gründe habe, die ihn nötigen, an den Vorgang zu glauben.
Wie der Inhalt des Begriffes der Thätigkeit, des Strebens,
der Kraft, so finden wir auch, was den Sinn des Wortes Not-
wendigkeit ausmacht, nur in uns. Keine Zergliederung irgend
eines wahrgenommenen oder gedachten Objektes läsft uns etwas
entdecken, das den Namen der Notwendigkeit oder des Müssens
tragen könnte. Nur als Inhalt unseres Erlebens kommt Not-
wendigkeit für uns vor. Das Erfahrungsobjekt, das wir mit
dem Worte meinen und einzig meinen können, ist uns gege-
ben, wenn wir wollen, und dies Wollen in seiner Verwirk-
lichung gehindert ist. Notwendigkeit ist Inhalt des dem Kraft-
gefühl als Gegenstück entsprechenden Zwangsgefühls. So wenig
wie den Inhalt des Kraftgefühls können wir den Inhalt des
Zwangsgefühls in nicht lebende Wesen verlegen wollen.
Liegt also in der kausalen Beziehung Notwendigkeit, dann
kann sie weder in der Wirkung, noch in der Ursache, sondern
nur in uns liegen, die wir beide denken. Auf ein Ä folgt ein
£ notwendig, dies heifst, wir müssen es in Gedanken darauf
folgen lassen; Ä nötigt uns, es folgen zu lassen. Nicht das
irgendwo in der Welt wirkliche Ay sondern das Ä als Inhalt
260 Th. Upps.
meines BewuTstseins. Auch diese Nötigung ist eine ^objektive^^
aber nicht in dem Sinne, dafs das Nötigen oder G-enötigtsein
in den Objekten Ä und B als eine zu ihnen gehörige Bestim-
mung vorkäme, sondern insofern ich durch den Vollzug der
Vorstellung des Objektes A oder das Bewufstsein seiner Wirk-
lichkeit zur Hinfiigung des B oder zum Gedanken seiner Wirk-
lichkeit genötigt bin.
m. Grund und Ursache.
Ist damit die kausale Beziehung erschöpfend bezeichnet? —
Ein Dokument, das ich aufgefanden habe, nötigt mich zur An-
nahme eines historischen Faktums. Auch diese Nötigung ist
eine objektive im eben bezeichneten Sinne. Darum neSen wir
doch das Dokument nicht Ursache des historischen Faktums.
Es ist nur sein Erkenntnisgrund. Auch Ursachen sind freilich
Erkenntnisgründe. Das Bewufstsein, die Ursache sei gegeben,
nötigt mich immer, auch an die Folge zu glauben. Aber ebenso
sicher gilt nicht das Umgekehrte. Erkenntnisgründe sind nicht
ohne weiteres Ursachen.
Aber sie sind es, wenn wir eine nähere Bestimmung hin-
zufügen. Das Dokument nötigt mich, an die Thatsache zu
glauben. Aber das Dasein des Dokumentes ist nicht die Vor-
aussetzung, unter der allein ich an die Thatsache glauben
darf. Angenommen, ich wüfste nichts von dem Dokument, hätte
wohl gar Grund, zu glauben, es gebe nichts dergleichen, so
wäre ich doch um deswillen nicht genötigt, die Thatsache zu
leugnen. Das Dokument ist vielleicht erst sehr spät entstanden,
hat also lange Zeit nicht existiert, darum bestand doch die That-
sache schon, mufste also auch schon anerkannt werden.
Dagegen ist, wenn A und B sich wie Ursache und Wirkung
verhalten, die Annahme des A sowohl Grund der Annahme des
B, als auch in jedem einzelnen Falle, in dem das kausale Ver-
hältnis obwaltet, notwendige Voraussetzung oder Bedingung
derselben. Anders ausgedrückt; nicht nur die Bejahung des A
nötigt mich zur Bejahung, sondern auch die Verneinung des A
nötigt mich zur Verneinung des B. Nicht ein einfaches, sondern
ein doppeltes Band der Notwendigkeit besteht zwischen Ursache
und Wirkung. Man hat das Gesetz des zureichenden Grundes
in dem Satze formuliert: mit dem Grund sei die Folge gegeben.
Dies ist kein Gesetz, sondern eine Definition des Grundes. Die
Zur Psychologie der KausalitäL 261
ihr entsprechende Definition der Ursache würde lauten : Ursache
ist der Grund, mit dem die Folge zugleich gegeben und auf-
gehoben ist. Die Folge helTst dann Wirkung.
Oder leugnet jemand, dafs es sich so verhält? Soviel ich
sehe, sind mit dem Gesagten die Bedingungen, unter denen
wir etwas als Ursache bezeichnen, vollständig angegeben. Es
gibt in keinem Falle ein anderes Kriterium der Anwendbarkeit
des UrsachbegrifFs. Was in einem gegebenen Falle, wo etwas
geschieht oder ist, auch fehlen könnte, ohne dafs das Geschehen
oder der Thatbestand unterbliebe, also verneint werden müfste,
ist nicht Ursache. Und umgekehrt: Was zwar Grund ist für
die Annahme eines Geschehens oder eines Thatbestandes, aber
nicht Ursache desselben, das können wir immer verneineo, ohne
damit zugleich zur Verneinung des Geschehens oder Thatbe-
standes genötigt zu sein.
Damit ist auch schon gesagt, warum niemals das Spätere
„Ursache^ des Früheren sein kann, so sehr es sein £rkenntnis-
grund sein mag. In dem Augenblick, wo das frühere Ereignis
stattfindet, ist das spätere noch nicht da; wir können also
das letztere nicht nur, sondern müssen es verneinen, während
wir das erstere schon bejahen müssen. Das frühere Ereignis
kann nicht nur, sondern mufs unabhängig von der Bejahung
des späteren bejaht werden. Das spätere Ereignis ist nicht
Grund für die Bejahung des früheren in dem besonderen Sinne,
dafs erst dann, wenn es in Übereinstimmung mit der Erfahrung
bejaht werden kann, die Bejahung des früheren stattfinden
darf, es ist mit einem Worte nicht notwendige Voraussetzung
der Bejahung des früheren.
Ich fuge einige weitere Bemerkungen hinzu. Die Ursache des
Verhaltens eines chemischen Elementes, etwa des Sauerstoffs, zu
anderen chemischen Elementen Uegt, so sagen wir vielleicht,
in der Natur des Elementes. Die Verhaltungsweisen sind Wir-
kungen der eigenartigen Natur des Sauerstoffs. Aber wenn ich
die Verhaltungsweisen in Gedanken aufhebe, also annehme, sie
fehlen bei einem Körper, muls ich dann dem Körper nicht
auch die Sauerstoffnatur abstreiten, also von dem Körper sagen,
er. sei nicht Sauerstoff? Und wenn dem so ist, erscheinen dann
nicht unserer Begriffsbestimmung zufolge die Verhaltungsweisen
des Sauerstoffs als Ursachen der Sauerstofinatur?
Ich mache mir diesen Einwand, um ähnlichen Einwänden
262 Th. Lipps,
zu begegnen nnd darauf anfinerksam zn machen, dafs es sich
hier am genaue Begriffe handelt. Zunächst ist die Natur des
Sauerstoifs nicht die Ursache seiner Verhaltungsweisen, sondern
lediglich eine Teiiursache derselben. Der Sauerstoff verhält
sich zum Wasserstoff so, wie er es thut, immer nur, wenn er
zum Wasserstoff in bestimmte Beziehung tritt, er verhielte sich
zu ihm gar nicht, wenn es keinen Wasserstoff gäbe. Trotzdem
bliebe der Sauerstoff Sauerstoff. Wir bejahen also die Natur
des Sauerstoffs auch unter der Voraussetzung, dafs ein be-
stimmtes Verhalten zu Wasserstoff und ebenso zu den sonstigen
Elementen nicht stattfindet, wir bejahen sie selbst unter der
Voraussetzung, dafs gar kein derartiges Verhalten stattfinden
könnte. Also sind die Verhaltungsweisen des Sauerstoffs nach
unserer Begriffsbestimmung in keiner Weise die Ursache, auch
nicht die Teilursache der Sauerstofinatur. Nur wenn die
Fähigkeit zu den Verhaltungsweisen bei einem Körper ver-
neint werden mufs, dann müssen wir dem fraglichen Körper
auch die Sauerstoffnatur abstreiten. Die Fähigkeit zu jenen
Verhaltungsweisen ist eben ein Teil der „Natur^ des Sauerstoffs.
Ähnliches wäre gegen einen ähnhchen Einwand zu erwidern.
Das Atomgewicht des Sauerstoffs läfst uns den Sauerstoff als
solchen erkennen, veranlafst uns also, auch die sonstigen Eigen-
schaften des Sauerstoffs als vorhanden anzunehmen, umgekehrt
würden wir, wenn das bestimmte Atomgewicht fehlte, an diese
sonstigen Eigenschaften nicht glauben. Wiederum könnte man
daraus folgern, dafs für uns das Atomgewicht Ursache jener
sonstigen Eigenschaften sein müsse. Aber auch das Atomgewicht
ist eine Verhaltungsweise, nämlich eine Weise des Verhaltens zur
Erde, die nicht stattfände, wenn die Erde nicht die Erde wäre,
oder überhaupt nicht wäre. Trotzdem blieben die sonstigen
Eigenschaften des Sauerstoffs bestehen. Also ist das Atomge-
gewicht für uns nicht Ursache derselben. Oder wären mit der
Aufhebung des Verhaltens zur Erde, wie es in dem Atomgewicht
ausgesprochen liegt, die Eigenschaften mit aufgehoben, dann
wäre für jedermann dies Verhalten zur Erde Ursache oder
Teilursache der Eigenschaften.
Allgemein gesprochen: Wir schliefsen von Wirkungen A
eines Dinges auf das Dasein oder die Natur dieses Dinges, und
auf andere Wirkungen B desselben Dinges. Dabei setzt immer
die Wirkung A aufser dem Dinge anderweitige Umstände vor-
Zur Fsychologie der Kausalität 263
ans, unter denen sie geschieht, wir müssen also A in Gedanken
verneinen, wenn wir die Umstände in Gedanken aufheben.
Damit ist aber niemals das Dasein oder die Natur des Dinges
bezw. die unter anderen umständen sich vollziehende Wirkung
mit aufgehoben. Oder ist dies der Fall, dann gestehen wir
ebendamit zu, dafs die „Wirkung^ A Mitursache ist des Dinges
oder seiner Beschaffenheit, bezw. dafs sie Mitursache ist der
Wirkung B. Im letzteren Falle stehen A und B im Verhältnis
der Wechselwirkung; jedes ist Ursache oder Mitursache des
anderen.
So ist die Wahrnehmung der Farbe eines Dinges, die für
das gemeine Bewufstsein Wirkung ist der dem Dinge anhaften-
den Farbe, vielmehr Mitursache derselben: erst in unserem
Wahrnehmen kommt die Farbe zu stände. So ist, wenn zwei
Atome zu einem Molekül sich verbinden, jedesmal der relative
Ort des einen Wirkung und zugleich Mitursache des relativen
Ortes des anderen.
Noch ein anderes mögliches Mifsverständnis schliefse ich
aus. „Die Einführung einer gewissen Dosis Arsenik in den leben-
den menschlichen £örper ist Todesursache; aber auch, wenn ein
Mensch sich nicht mit Arsenik vergiftet, stirbt er. Die Auf-
hebung der Ursache hebt also die Wirkung nicht auf**. — Hier
liegt wiederum eine Ungenauigkeit des Ausdrucks vor. Nicht
ohne Bedacht habe ich gesagt, die Aufhebung der Ursache
nötige uns, in jedem gegebenen Falle auch die Wirkung
aufzuheben. Wirkung des Giftes ist nun in jedem gegebenen
Falle nicht der Tod, sondern ein bestimmter, vor allem zu
bestimmter Zeit eintretender Tod. Angenommen, in einem be-
stimmten Falle wäre der Tod ebenso und in derselben Weise
eingetreten, auch wenn das Gift gefehlt hätte, dann könnte
nach jedermanns Meinung das Gift nicht als Ursache des Todes
bezeichnet werden.
So dürfen wir dabei bleiben, unsere Begriffsbestimmung
der Ursache far zutreffend und vollständig zu halten. Sie
schliefst vollkommen genau die Bedingungen in sich, unter
denen wir von einem ursächlichen Verhältnisse sprechen. Wird
man nicht daraus schliefsen müssen, dafs sie auch den vollstän-
digen Sinn des Kausalbegriffes in sich schliefse? Was ist denn
am Ende der Sinn eines Begriffes anders, als der Inbegriff der
Bedingungen, unter denen wir ihn anwenden?
264 Th. Lipps.
Die kausale Beziehimg ist eine doppelte Beziehung der
Notwendigkeit in nnserem Denken. Ist man zu der Überzeugung
gelangt, so erhebt sich die Frage: Giebt es einen allgemeineren
und umfassenderen psychologischen Thatbestand, zu dessen
Eigenart es gehört, Beziehungen der Notwendigkeit in sich zu
enthalten. Giebt es einen solchen, so besteht die Pflicht,
wenigstens den Versuch zu machen, ob sich die kausale Bezie-
hung daraus ableiten lasse. Kein noch so starkes Vorurteil
kann von dieser Pflicht entbinden. In der That liegt ein
solcher Thatbestand vor in der Association.
IV. Erkennen und Urteilen.
Ehe wir den Versuch machen aus der Thatsache der
Association Kausalbegriff und Kausalgesetz abzuleiten, scheinen
einige allgemeinere Begriffsbestimmungen am Platze. Soweit
die dabei angewandte Terminologie dem sonstigen Sprachge-
brauche nicht entspricht, bitte ich sie mir zugute zu halten.
Ich will durch Terminologien nichts beweisen, sondern nur
meine Meinung fixieren.
Erkenntnis wird man allgemein zu definieren haben als Ein-
ordnung von Erfahrungen in einen widerspruchslosen und ge-
setzmäfsigen Zusammenhang der Erfahrungen. Dabei ver-
stehe ich unter „Erfahrungen^ alles irgendwie im Bewufstsein
Gegebene, und unter der Gesetzmäfsigkeit die objektive Not-
wendigkeit im oben als allein berechtigt bezeichneten Sinne
des Wortes. — Das Denken ist die Thätigkeit der Einordnung
und Zusammenordnung, auch die blofs versuchsweise und mifs-
lingende.
Genauer sind zwei Arten der Erkenntnis wohl zu unter-
scheiden. Ich würde sie mit Hüme, obgleich nicht ganz und
gar aus Humes Gründen, als analytische und synthetische Er-
kenntnis bezeichnen können, wenn es nicht seit Kant üblich
wäre, als „analytisch^ eine Erkenntnisart zu bezeichnen, die
im Grunde so synthetisch ist, wie die „synthetische", nur dafs
sie einem besonderen Gebiet der synthetischen Erkenntnis zu-
gehört. Körper sind ausgedehnt ; dies KANTsche Beispiel einer
analytischen Erkenntnis sagt, dafs die Ausgedehntheit im Be-
griff des Körpers liegt, d. h. dafs das Wort Körper etwas
Ausgedehntes bezeichnet, oder dafs die Menschen, die das Wort
Körper gebrauchen, damit etwas Ausgedehntes meinen. Diese
Zur Psychologie der Kausalität 265
Einsicht aber ist eine synthetische Erkenntnis. Sie ist genauer
eine psychologische Erfahrungserkenntnis. — Ich halte die
KANTsche Unterscheidung nicht nur für allzuwenig tiefgehend
und darum prinzipiell verwerflich, sondern auch für bedenk-
lich in ihren Konsequenzen. Trotzdem mufs mich die Rück-
sicht auf EIants Sprachgebrauch abhalten hier dem HuMEschen
zu folgen. Ich will darum im Folgenden statt von analytischer
und synthetischer Erkenntnis im HuMSschen Sinne, lieber von
formaler und materialer Erkenntnis sprechen.
Der grundsätzliche Unterschied zwischen beiden Erkenntnis-
arten besteht darin, dafs die eine, die formale, keinerlei, weder
positive noch negative Beziehung zur objektiven d. h. von
meinem Bewufstsein unabhängigen Wirklichkeit in sich schliefst,
während in der anderen, der materialen, diese Beziehung jeder-
zeit enthalten liegt. Jener ersteren Art ist beispielsweise die
geometrische Erkenntnis. Die Einsicht, das Dreieck habe eine
Winkelsumme = 2 JJ, besteht in dem Bewufstsein, dafs mit
der geradlinigen Figur, Dreieck genannt, ganz abgesehen da-
von, ob sie nur dem Bewufstsein oder auch der Welt aufser-
balb des Bewulstseins angehöre, jene Winkelsumme notwendig
gegeben sei. Ich kann das Dreieck gar nicht vorstellen,
geschweige für objektiv wirklich halten, ohne jene Winkel-
summe.
Die andere Art fallt zusammen mit der Sacherkenntnis oder
Erfahrungserkenntnis im engeren Sinne des Wortes. Von ihr
gilt das eben Gesagte nicht. Wenn ich von einem bestimmten
mir bekannten Menschen weifs, dafs er blondhaarig ist, so
heifst dies keineswegs, dafs die blofse Vorstellung dieses
Menschen unvollziehbar werde, wenn ich die blonde Haarfarbe
durch eine andere zn ersetzen versuche. Der Versuch, die
Vorstellung oder das Bild der Menschen in allem zu belassen,
wie es ist, und nur statt der blonden Haarfarbe die schwarze
zu setzen, gelingt, so gewifs der Versuch eine ebene geradlinige
Figur vorzustellen, die drei Ecken hätte, damit aber eine Winkel-
summe ^ 2 ü verbände, mifslingt. Nur die Erkenntnis der
ersteren Art ist Bewufstsein der „unbedingten" Vorstellungs-
notwendigkeit; bei der anderen ist die Erfüllung einer Be-
dingung vorausgesetzt.
Ich kann den blondhaarigen Menschen schwarzhaarig vor-
stellen d. h. jene Vorstellung, als solche, in diese ver-
266 Th. Upps.
wandeln. Aber ich kann nicht den bestimmten wirklichen
Menschen schwarzhaarig vorstellen, d. h. ich kann nicht die
Vorstellungsveränderung vollziehen und dabei das Bewufstsein
haben, das Vorgestellte sei auch nach dieser Veränderung noch
jener bestimmte wirkliche Mensch. Vielmehr weifs ich, dafs
mit der Verwandlung der Blondhaarigkeit in die Schwarz-
haarigkeit zugleich das Bild des Menschen aufgehört hat, Bild
jenes wirklichen Menschen zu sein, und ein blofses Phantasie-
bild geworden ist. Soll es dies nicht werden, soll das Be-
wufstsein der objektiven Wirklichkeit des Vorgestellten be-
stehen bleiben, dann, aber auch nur dann mufs ich bei der
Vorstellung der Blondhaarigkeit bleiben.
Die Erfahrungserkenntnis ist das Bewufstsein der Not-
wendigkeit einen Bewufstseinsinhalt in einen Zusammenhang
von Bewufstseinsinhalten einzuordnen, unter der Voraussetzung,
dafs jenem Zusanmienhang von Bewufstseinsinhalten objektive
Wirklichkeit zukommt, oder kürzer gesagt: sie ist die objektiv
notwendige Einordnung eines vorgestellten Inhaltes in einen
Zusammenhang objektiver Wirklichkeit. Jene „Voraus-
setzung" ist es, die die Erfahrungserkenntnis oder materiale
Erkenntnis von der blofs formalen unterscheidet. In dem
speziellen Falle, von dem wir redeten, ist der „Zusammenhang
objektiver Wirklichkeit" bezeiphnet durch den bestimmten
wirklichen Menschen.
Wenn ich ein Dreieck vorstelle, so mufs ich es als begabt
mit der Winkelsumme = 2 JS vorstellen. Die Vorstellung des
Dreiecks, abgesehen von der Winkelsumme, zwingt mich zum
Vollzug der Vorstellung der bestimmten Winkelsumme. Wenn
ich einen Menschen nicht blofs vorstelle, sondern in dem
Vorstellungsinhalt zugleich einen mir bekannten wirklichen
Menschen sehe, dann mufs ich die bestimmte, an ihm
wahrgenommene Haarfarbe mitvorstellen. Nicht die Vor-
stellung, sondern das Bewufstsein der objektiven Wirklich-
keit des Vorgestellten zwingt mich in diesem Falle zur
Hinzufügung der bestimmten Haarfarbe. Was mich zum
Vollzug einer Vorstellung zwingt, ist für mich Grund derselben ;
der Grund ist ein objektiver, wenn mich ein gegebenes Objekt
zwingt, zu ihm einen anderen Vorstellungsinhalt hinzuzufügen.
Der objektive Grund ist der logische oder Erkenntnisgrund. Also
ist der Unterschied der beiden Arten der Erkenntnis ein Unter-
Zur Bsychologie der Kausalität. 267
schied der objektiven, logischen oder Erkenntnisgründe. Alle
Erkenntnis ist objektiv begründetes Vorstellen bezw. Verbinden
von Vorstellungen. Bei der lediglich formalen Erkenntnis be-
steht der objektive Grund im Dasein eines Bewufstseinsinhaltes,
bei der materialen oder Erfahrungserkenntnis im engeren Sinne
besteht er im BewufstseiQ der objektiven Wirklichkeit eines
Bewufstseinsinhaltes.
Die materiale oder Erfahrungserkenntnis ist Natur- oder
psychologische Erkenntnis. Es ist eine der gefährlichsten er-
kenntnistheoretischen Illusionen, dafs es materiale, insbesondere
Naturerkenntnis geben könne, ohne den Gedanken einer vom
Bewufstsein unabhängigen Wirklichkeit. Jede Beschreibung
einer solchen Erkenntnis bewegt sich in einem Widerspruch
mit sich selbst.
Es ist aber das Bewufstsein der objektiven Wirklichkeit,
wie es nach dem Gesagten bei der materialen Erkenntnis
vorausgesetzt ist, selbst Erkenntnis und materiale Erkenntnis.
So ist das bei der Erkenntnis der Blondhaarigkeit des be-
stimmten Menschen vorausgesetzte Bewufstsein der objektiven
Wirklichkeit des vorgestellten Individuums auch ein Akt ma-
terialer Erkenntnis. Damach haben wir innerhalb der materialen
Erkenntnis wiederum zwei Arten, oder besser zwei Stufen zu
unterscheiden: ich weifs, dafs J. jB ist; und ich weifs, dafs A
ist. Diese Erkenntnis ist die Voraussetzung jener, d.h. ich
mufs mit dem A das B verbinden, nur unter der Voraussetzung,
dafs A als der Welt der objektiven Wirklichkeit zugehörig ge-
dacht wird. Thue ich dies nicht, sondern betrachte A als blofse
Vorstellung, so kann ich statt des B ebensowohl jedes beliebige
non-B mit A verbinden. Wir wollen die blofse Erkenntnis, dafs
etwas objektiv wirklich ist, also das einfache Bewufstsein der vom
Bewufstsein unabhängigen Existenz primitive Erkenntnis nennen.
Der Name rechtfertigt sich eben daraus, dais solphe Er-
kenntnisse bei jeder sonstigen materialen Erkenntnis voraus-
gesetzt sind. Was der primitiven Erkenntnis auf dem Gebiete
der blofs formalen Erkenntnis entspricht, ist nicht wiederum
Erkenntnis, sondern das blofse Dasein von Vorstellungen. Die
Erkenntnis von der Gröfse der Winkelsumme des Dreiecks
setzt lediglich das Dasein von Dreiecken in der Vorstellung
voraus.
Das Urteü ist der einzelne Akt der — wirklichen oder ver-
Zeitschrift flir Psychologie. 18
268 Th. Upps.
meintliclieii, objektiv oder nur subjektiv giltigen — Erkenntnis.
Es giebt also, abgesehen von den formalen Urteilen, primitive und
nichtprimitive materiale Urteile. Primitive Urteile vollziehen
wir jedesmal in der Wahrnehmung. Jedes Wahmehmungs-
urteil, d. h. jedes Bewufstsein, dafs Wahrgenommenes objektiv
wirklich ist, läfst sich schliefsUch sogar in ebensoviele pri-
mitive Urteile auflösen, als es unterscheidbare Bestandteile
enthält. Die primitiven Urteile sind für sich betrachtet be-
ziehungslose, die anderen können im Gegensatz zu ihnen
Beziehungsurteile heifsen. Formale Urteile sind immer Be-
ziehungsurteile.
Statt „beziehungslose** können wir auch sagen „unbe-
stimmte" Urteile. Die primitiven Urteile sind unbestimmte,
sofern sie einem Bewufstseinsinhalte nur überhaupt objektive
Wirklichkeit zuschreiben. Dagegen sind die Beziehungsurteile
bestimmte, sofern sie einen Vorstellungsinhalt in einen be-
stimmten Yorstellungszusammenhang bezw. einen bestimmten
Zusammenhang objektiver Wirklichkeit einordnen. Auch die
primitiven Urteile ordnen ein, aber nur in den Zusammenhang
objektiver Wirklichkeit überhaupt, also in der, denkbar allge-
meinsten Weise.
Die Beziehung, die in den Beziehungsurteilen stattfindet,
ist die Beziehung zwischen „Subjekt" und „Prädikat". Dabei
verstehe ich unter Subjekt und Prädikat das logische Subjekt
und Prädikat, das mit dem sprachlichen in keiner Weise über-
einzustimmen braucht. Logisches Prädikat mufs aber ohne
Zweifel der Bewufstseinsinhalt heifsen, in dessen Einfügung
in einen Yorstellungszusammenhang oder Zusammenhang ob-
jektiver Wirklichkeit die Absicht oder Leistung des Urteils
besteht, logisches Subjekt dasjenige, was dabei „zu Grunde liegt"
oder vorausgesetzt ist, was sich zur Aufnahme oder Einfügung
des Prädikates darbietet und sie fordert, also der Vorstellungs-
zusammenhang oder Zusammenhang objektiver Wirklichkeit
selbst, bezw. die Stelle des Zusammenhanges, an welcher das
Prädikat eingefügt wird und eingefügt werden mufs.
Es erhellt, dafs nach dieser Fassung von Subjekt und
Prädikat das Subjekt der Grund des Prädikates ist. Ihre Be-
ziehung ist die Beziehung zwischen Grund und Folge. Ich
sehe nicht, wie man das logische Subjekt und Prädikat anders
bestimmen will.
2^r Bsychohgie der Kausalität 269
So ist in dem Urteil, das dem Dreieck die Winkelsumme
= 2 R zuschreibt, das Dreieck — abgesehen von dieser Winkel-
summe — Subjekt und Q-rund des Prädikates. Nicht minder
fallt bei dem Urteile ^Gold ist gelb** Subjekt und Grund des
Prädikates zusammen. Vielleicht fragt man, ob wir denn,
wenn wir die Einheit von Eigenschaften, die — von der gelben
Farbe abgesehen — das Gold ausmacht, irgendwo wirklich
denken, jederzeit die gelbe Farbe hinzufügen müssen, auch
dann, wenn wir annehmen, dafs es Nacht sei, oder kein mensch-
liches Auge von dem Golde a£SLziert werde. Darauf antworte
ich, dafs ebendarum, weil dies nicht der Fall ist, der Satz,
dafs Gold gelb sei, nicht als der richtige Ausdruck für das
ihm zu Grunde liegende Urteü gelten könne. Nicht vom Golde
überhaupt, sondern vom Golde, das beleuchtet und von einem
Atige gesehen wird, meinen wir, dafs es gelb sei. Nicht das
Gold überhaupt ist also das logische Subjekt des Urteils, sondern
das beleuchtete und wahrgenommene Gold. Und genau dieses
Gold ist auch der Grund des Prädikates, das Prädikat seine
Folge. Es handelt sich uns hier eben nicht um den sprach-
lichen Ausdruck des Urteils, sondern um das Urteil. Wir haben
es zu thun mit der Psychologie der Erkenntnis, nicht mit der
Psychologie der Sprache.
In dem erwähnten Falle ist das Subjekt des Urteils un-
vollständig ausgesprochen. Es kann aber freilich auch
unvollständig gedacht sein. Dann wird auch der Grund des
Prädikates nicht vollständig in ihm enthalten sein. Wenn ich
von einem Menschen nur weifs, dafs er krank war, ohne zu-
gleich zu wissen, wann er es war, dann genügt gewifs das
Subjekt des Urteils — der der objektiv wirklichen Welt an-
gehörige bestimmte Mensch — nicht, um mich zur Hinzufügung
des Prädikates — der Krankheit — zu nötigen. Aber war der
Mensch wirklich nur zu einer bestimmten Zeit krank, so ist
eben nur der Mensch in der bestimmten Zeit das wirkliche
Subjekt des Urteils.
Bei den materialen Urteilen, sagte ich, sei der Grund des
Prädikates, oder wie wir jetzt ebensogut sagen können, das
Subjekt des Urteils, ein als objektiv wirklich gedachter Vor-
stellungsinhalt bezw. Zusammenhang von Vorstellungsinhalten.
Wir sahen dann, dafs jenes Bewufstsein der objektiven Wirklich-
keit selbst ein materiales Urteil sei. Andererseits wird auch
18*
270 Th, lApps,
das Prädikat dadurch, dafs es in einen Zusammenhang ob-
jektiver Wirklichkeit eingeordnet wird, zu etwas objektiv
Wirklichem. Auch dies Bewufstsein objektiver Wirklichkeit
ist für sich betrachtet ein materiales Urteil. Sonach können
wir das materiale Beziehungsurteil auch als eine Beziehung
von Urteilen bezeichnen. Die Beziehung ist die von Grund
und Folge. Dies giebt sich sprachlich darin zu erkennen, dais
wir statt zu sagen: Gold ist gelb, auch sagen können: Wenn
etwas oder: Wenn irgendwo Gold ist, ist es gelb. Der ein-
fache Satz ist zu einer konditionalen Satzverbindung geworden.
Dagegen ist das primitive Urteil als solches jederzeit ein ein-
faches Urteil.
y. Association und Erinnerungsurteil.
Wir haben im Vorstehenden verschiedene Urteilsarten
unterschieden. In diesem und dem folgenden Abschnitt be-
schäftigt uns ausschliefslich das materiale Beziehungsurteil.
Und zwar zunächst das einfache Erinnerungsurteil.
Ich habe gestern an einem bestimmten Orte und zu einer
bestimmten Zeit einen Thatbestand wahrgenommen. Den Ort
und den Zeitpunkt, bezw. was den Ort und Zeitpunkt für mein
Bewufstsein bestimmt, wollen wir £7", den Thatbestand T nen-
nen. Dies U'T nun kann in meiner Erinnerung wiederkehren.
Ich erinnere mich, dafs an dem bestimmten Ort und zu der
bestimmten Zeit T stattfand. Diese Erinnerung besteht nicht
in der blofsen Wiederkehr der Vorstellungen U und T, Viel-
mehr ist mit diesen Vorstellungen zugleich das Bewufstsein
ihrer objektiven Wirklichkeit verbunden. Es ist damit ver-
bunden, weil es in der Wahrnehmung damit sich verband.
So ist überhaupt unser Beproducieren nicht ein blofses
Beproduzieren von Vorstellungen, sondern zugleich eine Repro-
duktion ihres logischen oder Erkenntniswertes. Angenommen,
ich habe gestern ein Ereignis nicht erlebt, sondern nur vor-
gestellt, gedacht, meiner Einbildungskraft vergegenwärtigt.
Ich sah etwa nicht an einer bestimmten Stelle und zu einer
bestimmten Zeit Regen niederfallen, sondern ich stellte mir
nur vor, dafs er falle. Auch dieses Phantasieerlebnisses kann
ich mich erinnern. Dabei sind die reproduzierten Vorstellungen
genau dieselben, oder können genau dieselben sein, als ob das
Erlebnis ein wirkliches gewesen wäre. Aber die Erinnerung
Zur Psychologie der Kausalität. 271
hat dennoch in beiden Fällen einen ganz verschiedenen Inhalt.
Das Phantasieerlebnis ist auch für meine Erinnerung ein
Phantasieerlebnis, die erlebte Wirklichkeit auch fiir meine Er-
innerung Wirklichkeit. — Ich lasse hier dahingestellt, wie sich
dieser unterschied genauer bestimme. Ich stelle nur fest, dafs
er besteht.
Fassen wir nun die Erinnerung an das wirklich Erlebte
näher ins Auge. Wir finden dann im Akte der Erinnerung
ein Moment, das bei dem Erlebnis selbst fehlte.
Zur Wahrnehmung des TJ oder der dasselbe konstituieren-
den umstände gesellte sich, als ich U-T erlebte, die Wahr-
nehmung des T; mit dem Gedanken der objektiven Wirklichkeit
des J7, oder dem Urteil, dafs U sei, verband sich der Gedanke der
objektiven Wirklichkeit des T, oder das Urteil, dafs T sei. Aber
dies letztere Urteil verband sich mit jenem ersteren nur that-
sächlich, nicht notwendig. Beide Urteile zwar waren notwendig,
aber ihre Verbindung war es nicht. Ich hatte nicht das Be-
wufstsein, weil ich TJ „bejahte", auch T „bejahen" zu müssen,
d. h. ich war mir nicht bewufst, in den objektiv wirklichen Zu-
sammenhang des TJ das T einfügen zu müssen, weil es eben
dieser Zusammenhang objektiver Wirklichkeit sei. Mein Be-
wulstsein, dafs T sei, war nicht durch das Bewufstsein, daXs
TJ sei, „objektiv begründet". Ich bejahte das T, weil ich es
wahrnahm. Aber ich würde es auf das Geheifs der Wahr-
nehmung haben bejahen müssen, auch abgesehen von der vor-
angehenden oder gleichzeitigen Bejahung des TJ, Ich hätte es
bejahen müssen, auch wenn ich TJ nicht wahrgenommen, also
gar keine Gelegenheit gehabt hätte das TJ zu bejahen. Ich
hätte andrerseits, nachdem ich TJ bejaht hatte, oder während
ich dies that, durch die Wahrnehmung ebensowohl genötigt
werden können, statt des T ein won-T zu bejahen, und keine
aus der Bejahung des TJ entspringende Notwendigkeit der
Bejahung des T würde gegen diese ^ auf der Wahrnehmung
beruhende Notwendigkeit der Bejahung des non-T Einsprache
erhoben haben.
Jetzt dagegen, in der Erinnerung, besteht jene Beziehung
der Notwendigkeit zwischen der Bejahung des TJ und der
Bejahung des T, Ich mufs eben jenem TJ — sofern ich es als das
von mir erlebte wirkliche TJ denke — das T hinzufügen, dagegen
jedes non-T von ihm abweisen. Indem ich in den Ort und
272 Th. Lipps.
Zeitpunkt oder mit einem Worte in die Stelle des objektiv
wirklichen Weltverlaufs, in der ich ehemals den Begen beob-
achtete, mich zurückversetze, bin ich genötigt eben an dieser
Stelle den Begen wiederum zu bejahen. Wohl kann ich in der
Vorstellung das Gegenteil, den heiteren Himmel, an die Stelle
setzen, aber ich kann dies Gegenteil nicht für eine an jener
Stelle des Weltverlaufs stattfindende objektiv wirkliche That-
sache halten. Oder was dasselbe sagt, ich kann es vorstellen,
aber nicht so, dafs ich das Bewufstsein habe, auch mein durch
den Vollzug dieser Vorstellung modifizierter Vorstellungszusam-
menhang entspreche noch der objektiven Wirklichkeit. Der
Vollzug der Vorstellung erscheint als mein willkürliches und
der Forderung des Zusammenhanges der objektiven WirkHch-
keit, insbesondere des Ortes und der Zeit, worin ich den Begen
beobachtete, widersprechendes Thun. — und es ist zunächst
nur dieser raumzeitliche Zusammenhang oder diese SteUe des
Weltverlaufs, die mich nötigt den Begen einzufügen, und hin-
dert, den Sonnenschein an die Stelle zu setzen. Ersetzte ich
den Ort durch einen anderen, oder die Zeit durch eine andere,
so schwände die objektive Nötigung.
Woher nun diese Nötigung? Darauf wird jeder antworten:
aus der zwischen U und T in der ehemaligen Wahrnehmung
geknüpften Association. Oder verweigert man die Antwort?
Dann weifs ich nicht, was überhaupt man noch unter
Association verstehen will. Associationen sind nicht etwas an
sich Bekanntes; nie hat jemand eine Association als solche ge-
sehen. Wir kennen nur ihre Ursachen und ihre Wirkungen:
gleichzeitige BewuHstseinsinhalte erscheinen in der Folge an-
einander gebunden, d. h. die Wiederkehr des einen nötigt zum
Wiedervollzug des anderen. Genau darum aber handelt es sich
hier. Gewisse Wahmehmungsinhalte , die als solche zugleich
für objektiv wirklich genommen wurden, waren gleichzeitig
gegeben; eben sie erscheinen jetzt aneinander gebunden;
und sie würden nicht aneinander gebunden erscheinen, wenn sie
nicht gleichzeitig gegeben gewesen wären. Da diese Bindung
auf Grund der Wahrnehmung entstand, so konnte sie nicht
schon bestehen, als die Wahrnehmung stattfand. Das Band
der Nötigung muTste im Akt der Wahrnehmung selbst noch
fehlen.
Ich brauche nicht zu sagen, dafs die Association, von der
Zur Psychologie der Kausalität. 273
ich hier rede, nicht die Association überhaupt ist. Es giebt
eine Associationsart, die auf Ähnlichkeit oder Verwandtschaft
beruht. Aber nicht diese, sondern nur die Association auf Grund
des gleichzeitigen Gregebenseins von BewuTstseinsinhalten, oder
kürzer, nur die Erfahrungsassociation kommt hier für uns in
Frage.
Nur von dieser Erfahrungsassociation kann ja auch gesagt
werden, sie erweise sich darin, dafs die Wiederkehr eines Be^
wufstseinsinhaltes zum Wiedervollzug eines bestimmten anderen
nötige. Einem BewuTstseinsinhalt A ähnlich oder verwandt
sind jederzeit viele Bewufstseinsinhalte JBt, B^ etc., so dafs A
an Stelle eines Bi ebensowohl ein B%^ Bz etc. reproduzieren
könnte. Vollends ist keine Bede davon, dafs wir auf örund
der Ahnlichkeitsassociation dem A^ weil es dieses bestimmte
A ist, ein bestimmtes und zugleich zu A in bestimmtem zeit-
lichen bezw. raumzeitlichen Verhältnis stehendes B mit
Ausschlufs aller anderen B zuordnen müfsten. Die Ahnlichkeits-
association begründet keinerlei objektive Nötigung.
Aber auch, dafs die Erfahrungsassociation einem U
ein T hinzuzufügen „nötige" oder „zwinge", ist nicht so zu
verstehen, als müfse sich zu dem wiedergekehrten TJ das T jedes-
mal unweigerlich gesellen. Nur dies ist damit gesagt, dafs dann,
wenn überhaupt die Reproduktion von ü aus die E.ichtung ein-
schlägt, der das T angehört, das T dem U sich an- oder ein-
fügen müsse, dafs also kein derselben B>ichtung angehöriges,
mit T unverträgliches non-T an seine Stelle treten könne,
ohne dafs das U dagegen Widerspruch erhebe. Ich habe schon
oben versucht, diesen Sinn der „objektiven' Nötigung" deutlich
heraustreten zu lassen. Ich lege aber darauf, um Mifsverständ-
nissen vorzubeugen, hier noch besonders Gewicht.
Ich sah etwa an einer bestimmten Stelle und in einem
bestimmten Zeitpunkte einen Menschen, der trug schöne Kleider,
hatte eine wohllautende Stimme, einen stolzen Gang und der-
gleichen. Alle diese Dinge sind jetzt für mich mit dem Bilde
des Menschen auf Grund der Erfahrung verknüpft. Aber durch
diese Verknüpfung ist ganz und gar nichts darüber ausgemacht,
ob sich dann, wenn ich mir den Menschen, samt Ort und Zeit,
worin ich ihn sah, wiederum vergegenwärtige, meine Gedanken
der Kleidung oder dem Gang oder der Stimme oder einem
sonstigen Thatbestande, den ich an ihm oder in raumzeitlichem
274 Th. Lipps.
Zusanmienliang mit ihm wahrnahm, zuwenden. Nnr dies liegt
in der Thatsache der Association eingeschlossen, dafs ich,
wenn etwa mein Gedankengang die Richtung auf die Stimme
nimmt, dem Menschen nur die wohllautende und nicht eine
andere, übelklingende Stimme zuschreiben kann.
Freilich könnte mir jemand sagen, der in Rede stehende
Mensch habe eine krähende Stimme gehabt, und mich dadurch
/v^eranlassen, versuchsweisie die entsprechende Vorstellung zu
vollziehen. Es könnte ebensowohl mein eigener Vorstellungs-
verlauf für einen Augenblick einen solchen Gedanken in mir
aufkommen lassen. Sobald aber das Bild des Menschen, wie
ich es in der Erfahrung gewonnen habe, einschliefslich des
Bewufstseins, dasselbe repräsentiere jenen wirklichen Menschen,
sich mir wiederum darstellte und die Verknüpfung zwischen
ihm und der wohllautenden Stimme Kraft gewänne, müfste
jeder solche Gedanken weichen. — Lassen wir einstweilen dar
hingestellt, wie weit sonst die nötigende Kraft der Associa-
tionen geht oder aus welchen Gründen sie in vielen Fällen keine
zwingende ist. In dem hier in Eede stehenden Falle hat jeden-
falls die Association durchaus „zwingende" Kraft.
Wir können nun aber, was die Association in unserem Falle
bewirkt, auch noch mit anderen Worten bezeichnen. Ich habe
bereits den Akt der Erinnerung U-T den materialen Beziehungs-
urteilen zugeordnet. Dies Beziehungsurteil U- T ist eben durch
die Association zu stände gekommen. Innerhalb desselben ist TJ,
nämlich die damit bezeichnete Stelle im Zusammenhange der
objektiven Wirklichkeit, Grund des T, nicht subjektiver, sondern
objektiver, logischer oder Erkenntnisgrund. Es wäre überflüssig,
zu sagen: zureichender oder zwingender Grund, da ein nicht
zureichender oder nicht zwingender Grund in Wahrheit nicht
Grund ist, obgleich er Teilgrund sein mag. Die Einfügung des
T in jene Stelle der objektiv wirklichen Welt oder die Bejahung
des T an f7 ist die Folge des Grundes. U ist ebendamit zu-
gleich logisches Subjekt, T logisches Prädikat des Urteils U-T
oder der Association, die dem Urteil zu Grunde liegt. Sie sind
zu allem dem geworden durch die erfahrungsgemäfse Association.
VI. Die Association und das allgemeine Urteil.
Der Akt der Erinnerung oder das Erinnerungsurteil, womit
wir es bisher zu thun hatten, war ein Einzelurteil. Es war dies,
Zur Fsyehologie der Kattsälttät 275
weil in ihm der Grand oder das Subjekt des Prädikates T indivi-
duell bestimmt waren. U bezeichnete eine räumlich und zeitlich
bestimmte Stelle des allgemeinen Zusammenhanges der objektiv
wirklichen Welt. Diese individuelle oder raumzeithche Be-
stimmtheit haben wir uns jetzt zunächst näher anzusehen.
Das Prädikat T des Urteils U-T war an einen bestimmten
Zeitpunkt und an einen bestimmten Ort geknüpft. Aber kein
Zeitpunkt als solcher ist für mein Bewufstsein ein bestimmter,
von anderen unterschiedener; ebenso kein Ort im Räume. Der
Zeitpunkt, in dem ein Geschehen stattfindet, wird für mich dieser
oder jener, das Geschehen wird für mein Bewufstsein zu einem
in diesem oder jenem Zeitpunkte stattfindenden ledigUch dadurch,
dafs es in bestimmten zeitlichen Verhältnissen zu bestimmten
anderen Vorgängen, Thatbeständen, kurz, Objekten meines Be-
wuTstseins steht. Ebenso ist der Ort im Baum, an dem sich
ein Gefi:enstand befindet, für mein Bewufstsein einzig: bestimmt
und b^timmbar durch die räumlichen Beziehungen des Gegen-
Standes zu bestimmten anderen Gegenständen. Begen wurde
von mir wahrgenommen in einem bestimmten Zeitpunkt und
Ort, das heifst: er wurde wahrgenommen als stattfindend nach,
gleichzeitig mit oder vor bestimmten anderen, zugleich in
bestimmten räumlichen Verhältnissen zu ihm stehenden Wahr-
nehmungsinhalten. Die Bestimmtheit des Zeitpunktes und
räumlichen Ortes bestand zunächst in der Bestimmtheit der
unmittelbaren raumzeitUchen Umgebung. Diese Umgebung
war wiederum zeitlich und räumUch bestimmt. Aber auch
diese zeitliche und räumliche Bestimmtheit konnte für mein
Bewufstsein in nichts anderem bestehen, als in der Ein-
ordnung in eine weitere zeitliche und räumliche Umgebung
von bestimmter Beschaffenheit u. s. w. So stellt sich jede
Bestimmtheit oder Verschiedenheit der Zeitpunkte oder räum-
Uchen Orte für unsere Wahrnehmung oder VorsteUung dar als
eine sachliche Verschiedenheit, d. h. eine Verschiedenheit dessen,
was in immer weiteren und weiteren Kreisen den Zeitpunkt
oder räumlichen Ort zeitlich und räumlich umgiebt. Ein Gegen-
stand verändert seinen Ort, d. h. er wechselt seine nähere
oder entferntere Umgebung. Die Ortsveränderung eines Gegen-
standes, die von der gesamten näheren oder entfernteren Um-
gebung, soweit sie Gegenstand unserer Wahrnehmung ist, mit-
gemacht würde, so dafs nirgends ein Teil der Umgebung aus
276 Th. lAppa.
seiner relativen Lage zu jenem Gegenstande herausträte und
ein anderer an seiner Stelle in dieser relativen Lage sichtbar
würde, existierte für unsere Wahrnehmung nicht. So kann
es überhaupt für unsere Wahrnehmung keine Verschie-
denheit von Orten geben, die nicht darin bestände, dafs
Gleiches in verschiedener oder Verschiedenes in gleicher Bezie-
hung zu den Orten oder dem, was in den Orten sich befindet,
wahrgenommen wird. Und das Gleiche gilt von der Zeit. —
Ich sage damit nichts, als was unter dem Namen der [Relati-
vität aller Baum- und Zeitbestimmungen jedermann geläufig ist.
Im gegenwärtigen Zusammenhang nun handelt es sich
uns aber nicht darum, welche raumzeitliche Umgebung den
Zeitpunkt und räumlichen Ort eines Thatbestandes fiir unser
Bewufstsein überhaupt bestimmt und von anderen unter-
scheidet. Nur dies kommt für uns hier in Betracht, welche
raumzeitliche Umgebung den Zeitpunkt und räumlichen Ort
des T für mein Bewufstsein bestimmte und von anderen unter-
schied, als ich die Wahrnehmung des T voll zog, welche
raumzeitliche Umgebung also, oder welche begleitenden Um-
stände mit meiner Wahrnehmung des T in meinem Bewulist-
sein zusammentrafen. Nur mit diesen konnte die Wahr-
nehmung des T in unmittelbare Association treten. Nur diese
können dann auch bei der Reproduktion oder Erinnerung das un-
mittelbar Beproduzierende oder das die Erinnerung unmittelbar
Bestimmende sein.
In meinem Bewufstsein zusammentreffen konnten aber mit
der Wahrnehmung des T nur die gleichzeitigen und unmittelbar
vorangehenden Umstände, weiterhin auch die unmittelbar
folgenden. Dabei schUefse ich in die „Umstände" zugleich eiQ
die mitwahrgenommenen räumlichen Beziehungen derselben
untereinander und zu dem T\ nicht minder ihre zeitlichen Be-
ziehungen untereinander und zu T, Durch diese zeitlich
unmittelbar benachbarten Umstände und nur durch sie
war dem T in der Wahrnehmung unmittelbar seine zeit-
räumliche Stelle angewiesen. Die zeitlich unmittelbare Um-
gebung des T, soweit sie mitwahrgenommen wurde, machte
für die Wahrnehmung des T das Jetzt und Hier des T aus.
Diese unmittelbare Umgebung also und sonst nichts konnte
mit der Wahrnehmung des T in unmittelbare Association treten.
Auch die weitere Umgebung verknüpfte sich damit, aber nur
Zur Fsychohgie der KcwsaUtät 277
sofern sie sich mit der näheren Umgebung verknüpfte. Sie
konnte dann in der Erinnerung die nähere Umgebung reprodu-
zieren. Aber erst diese nähere Umgebung konnte T reproduzieren,
also der unmittelbare und eigentliche Grund der Reproduktion
des T oder das zur Bejahung des T unmittelbar und eigentlich
Nötigende sein.
Wiederum aber haben in dieser zeitlich unmittelbaren Umge-
bung die der "Wahrnehmung des T nachfolgenden Elemente für
uns keine Bedeutung. Welche Umstände auch immer nachgefolgt
sein mögen, die gleichzeitigen und vorangehenden Umstände
waren nun einmal vorher da, und T zögerte nicht mit ihnen
in Association zu treten; es wartete damit nicht, bis auch die
nachfolgenden Umstände sich eingestellt hätten. Entsprechend
erweist sich auch das Erinnerungsurteil als unabhängig von
dem, was dem T folgte. Es genügt, dafs ich dem Gange meines
Erlebens in Gedanken folge bis zu dem Punkte, wo mir T be-
gegnete, und die Bejahung des T erweist sich mir an eben
diesem Punkte meines Erlebens als notwendig, und es thut
nichts zur Sache, ob ich dann auch noch des Folgenden mich
erinnere. Jene Notwendigkeit, das T dem Komplex der voran-
gehenden und gleichzeitigen Umstände einzufügen, wird da-
durch weder stärker noch schwächer.
Dafs es so ist, liegt aber überhaupt in der Natur der
Association und Reproduktion. Die Reproduktion ist nicht
Wiederkehr des Verknüpften überhaupt, sondern Wiederkehr
in gleicher Ordnung. In der Folge, in der die Wahrnehmungen
sich aneinander reihten, kehren sie auch in der Erinnerung
wieder. Was sich an eine Wahrnehmung anfügte, oder zu ihr
hinzutrat, das fügt sich auch in der Erinnerung an die repro-
duzierte Wahrnehmung an oder tritt zu ihr hinzu. Jede Re-
produktion in veränderter oder umgekehrter Ordnung mufs
ihren besonderen Grund haben, d. h. es mufs die Association
irgendwie zugleich in umgekehrter Ordnung sich geknüpft
haben. Sie ist von Hause aus in doppelter Richtxmg — von
A nach B und zugleich von B nach A — geknüpft, insoweit
die Elemente — A und B — gleichzeitig gegeben waren.
Mit Vorstehendem sind wir um einen wesentlichen Schritt
weitergekommen. Das Erinnerungsurteil U-T erschien als ein
Einzelurteil, weil das Subjekt ?7 individuell bestimmt war. Jetzt
hat sich uns aus dem Einzelurteil sozusagen als sein eigent-
278 Th, Lipps.
lieber Kern ein allgemeines urteil herausgelöst. Sein Prädikat
ist gleichfalls T, sein Subjekt aber ist von jenem U dadurch
unterschieden, dafs ihm die individuelle Bestimmtheit fehlt.
Subjekt dieses Urteils ist der Ingriff und zeiträumliche Zu-
sammenhang der bei der Wahrnehmung des T mitwahrge-
nommenen, dem T unmittelbar vorangehenden und gleichzeitigen
umstände. Er ist in vollem Sinne Subjekt dieses T, sofern er
der zureichende und genügende Grund der Bejahung des T
ist. Er ist nur unmittelbares oder nächstes Subjekt. Aber nur
das unmittelbare oder nächste Subjekt kommt för uns hier
in Frage. "Wollen wir auch dies neue aus dem Erinnerungs-
urteile U'T herausgelöste Urteil noch mit Ü-T bezeichnen, so
müssen wir unter U jetzt ausschliefslich den Zusammenhang
der wahrgenommenen, dem T unmittelbar vorangehenden und
gleichzeitigen Umstände verstehen.
Angenommen, dieses selbe U kehre an einer anderen zeit-
lichen und räumlichen Stelle des Weltverlaufs wieder, so kann
ich nicht umhin in gleichem zeiträumlichen Zusammenhang
mit ihm dasselbe T wieder zu bejahen. Ich sage: dasselbe U.
Man könnte einwenden, diese Identität sei lediglich qualitative,
nicht numerische Identität. In der That können numerisch
identische Umstände nicht wiederkehren. Aber von der nume-
rischen Verschiedenheit der Umstände findet sich eben in der
Vorstellung der Umstände nichts, die Vorstellung U und
ihre associative Beziehung zu T ist durchaus eine und dieselbe,
gleichgültig in wie vielen numerisch verschiedenen Fällen das
U in der objektiven Welt verwirklicht erscheinen mag. Die
eine und selbe Vorstellung U und Association U-T umfafst
oder repräsentiert in gleicher Weise aUe gleichartigen wirklichen
oder als wirklich gedachten U. Indem die Association des U
mit T sich knüpfte, knüpfte sie sich unweigerlich für alle
möglichen ü"; das Urteil U-T kann darum nicht bestehen, ohne
zugleich den Wert eines allgemeinen zu haben.
Damit ist nicht gesagt, dafs das allgemeine Urteil U-Tnixn
auch gleich als solches objektive GrUtigkeit habe. Es besteht
zunächst nur für mich, der ich T unter den vorangehenden
und begleitenden Umständen U wahrgenommen habe.
Und selbst dies ist zu viel gesagt. Anderweitige Erfahrungen
können mich zwingen, das allgemeine Urteil wieder aufzuheben,
ja das Urteil kommt vielleicht, weil ihm bereits anderweitige
Zur Psychologie der KausaMtäL 279
Erfahrungen im Wege stehen, gar nicht zu stände. Aber mit
solchen anderweitigen Erfahrungen habe ich es hier einstweilen
nicht zu thun. Ich rede hier nur von dem, was in der auf örund
der Wahrnehmung des U und T von mir geknüpften Association
U'T als solcher für mich enthalten Hegt.
Im Obigen ist eine psychische Thatsache bezeichnet, die
aUe Allgemeinheit von Urteilen bedingt. Dafs eine und die-
selbe Vorstellung oder * Vorstellungsverbindung beliebig und
schliefslich unendlich viele Objekte und Zusammenhänge von
Objekten, dafs etwa eine und dieselbe Vorstellung eines Tones
von bestimmter Stärke, Höhe und Klangfarbe, obgleich als
Vorstellung eine und dieselbe, dennoch Vorstellung dieses und
zugleich jenes Tones von der bestimmten Stärke, Höhe und
Klangfarbe ist, das ist eine wahre „Erkenntnisbedingung^, soweit
Erkenntnis in allgemeinen Urteile jl besteht. Eine Vorstellung
oder allgemeiner ein Bewufstseinsinhalt kann aber viele Objekte
repräsentieren, weil es gleiche Objekte, oder wenigstens überall
Gleiches in Objekten giebt und weil diese Gleichheit nicht da-
durch aufgehoben wird, dafs die Objekte verschiedenen Zeit-
punkten oder räumlichen Orten angehören. Damach können
wir auch die Gleichheit der Zeitpunkt und räumlichen Orte oder
die Homogeneität von Zeit und Baum als eine der Bedingungen
bezeichnen, unter denen allgemeine Erkenntnis möglich ist.
Jedes in der Erfahrung gewonnene Einzelurteü, ich rede
hier immer noch speziell von Beziehungsurteilen, ist ohne weiteres
ein allgemeines. Dies ist so, weil Associationen immer in der-
selben Weise wirken. Und dafs es so ist, ist nur eine Tautologie ;
ich brauche nicht zu wiederholen, dafs wir von Associationen nichts
kennen, als ihre Wirkungen. Das einzig nicht Tautologische ist,
dafs es Associationen giebt, die viele Zusammenhänge von Ob-
jekten zugleich repräsentieren. Diesen Thatbestand kann man als
Gesetz des zureichenden Grundes mit Bücksicht auf diematerialen
Beziehungsurteile aussprechen: Die begleitenden und voran-
gehenden Umstände, unter denen ein Thatbestand wahrgenom-
men wurde, treten mit diesem in associative Beziehung, d. h. sie
werden in der Folge zu zureichenden Gründen für den Thatbestand.
Vn. Associationen und objektiv giltige Gründe.
Das eben Gesagte bedarf einer Ergänzung. Es scheint, als
habe ich mich dadurch mit der Erfahrung in schreienden Wider-
280 Th. Lipps.
Spruch gesetzt. Man sagt mir: Was unter gewissen, von mir
beobacliteten begleitenden und vorangehenden Umständen statt-
fand, kann recht wohl unter denselben Umständen unterbleiben.
Es kann unterbleiben, ohne dafs ich mich wundere, geschweige
dafs ich darin einen Widerspruch sehe. Associationen haben
keine gleichmäfsig zwingende Wirkung. Es giebt kein Gesetz
der Association im eigentlichen und strengen Sinne des Wortes.
So leugnet man schliefslich alle psychologische Gesetzmäfsigkeit,
ohne zu sehen, dafs man damit auch alle Gesetzmäfsigkeit der
Dinge leugnet.
Aber ist man denn je auf den Einfall gekommen, das Fall-
gesetz zu leugnen, weil es vorkommt, dafs Körper nicht fallen,
sondern steigen? Leugnet man das Gesetz der Beharrung, weil
auf der Erde kein geworfener Körper in gleicher Sichtung und
mit gleicher Geschwindigkeit weitergeht oder weiterzugehen
„strebt", sondern jeder Körper von vornherein „bestrebt** ist,
sich der Erde zu näheni, also seine Richtung und seine Ge-
schwindigkeit zu ändern. Hier ist man sich des Sinnes des
„Gesetzes" wohl bewufst. Nur der sich selbst überlassene
Körper beharrt in seiner Richtung und Geschwindigkeit, oder
„strebt" darin zu beharren. So wird man auch nur von der
sich selbst überlassenen Association verlangen dürfen^ dafs sie
ihre Richtung beibehält. Man wird, allgemeiner gesagt, keine
psychische Gesetzmäfsigkeit fordern dürfen, die allem dem wider-
streitet, was man sonst unter Gesetzmäfsigkeit versteht.
Die richtig verstandene Gesetzmäfsigkeit der Association
ist aufser Zweifel. Ich frage zunächst: Haben nicht Associa-
tionen bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger zwingende
Krafb? Dies mufs uns veranlassen, statt Behauptungen auszu-
sprechen, die Bedingungen zu untersuchen, unter denen der-
gleichen stattfindet. Wir finden, Associationen, die bei dem
wissenschaftlich Gebildeten, dem Erfahrenen und Weitsichtigen
keine zwingende Kraft mehr haben, ihn also nicht mehr zu
allgemeinen Urteilen und Voraussagungen verleiten, haben diese
Kraft und üben die entsprechende Wirkung beim Ungebildeten,
Unerfahrenen, Beschränkten. Auch bei jenem knüpfen sich die
Associationen; aber er „überläfst" sich ihnen nicht mehr, oder
die Associationen sind bei ihm nicht mehr sich selbst „überlassen".
Anderweitige Erfahrungen und erfahrungsgemäfse Associationen
treten ihnen entgegen. Also haben doch Associationen an sich
Zur Psychologie der Kausalität. 281
nötigende Kraft. Die nötigende Kraft mufs, wönn sie nicht
mehr da sein soll, aufgehoben werden. — Dafs Associationen
wirken in dem Mafse, als man sich ihnen ^überläfst^ oder sie
sich „überlassen^ sind, sagt alles. Eine ganz und gar sich über-
lassene Association, also eine Association in einem Geiste, der
im übrigen aller Erfahrung baar wäre, müfste durchaus zwin-
gende Kraft haben.
Dies giebt aber auch im Grunde jeder zu. Jeder wenigstens,
der das Kausalgesetz zugiebt. Angenommen, ich hätte alle
gleichzeitigen und vorangehenden Umstände eines Thatbestandes
festgestellt, es läge also der ganze gleichzeitige und voran-
gehende Weltzustand mir deutlich vor Augen. Müfste ich dann
nicht annehmen, dafs bei Wiederkehr eben dieses Weltzustandes
derselbe Thatbestand von neuem sich einstellte? Würde es
nicht dem „Kausalgesetze" widersprechen, wenn in dem zweiten
Falle der Thatbestand ein anderer wäre?
Und angenommen, ich hätte nicht alle umstände festge-
stellt. Ich wüfste aber einstweilen nichts von der Existenz
anderer als der festgestellten Umstände. Sie existierten in Wirk-
Uchkeit, aber nicht für mich. Oder ich wüfste von ihnen, ver-
stattete ihnen aber für einen Augenblick auf mein Denken
keinerlei Einflufs. Dann wäre es für mein Denken ebenso gut,
als ob sie nicht existierten. Die festgestellten Umstände waren
für mein Denken alle Umstände. Ich müfste also wiederum
annehmen, dafs die Wiederkehr der Umstände mit der Wieder-
kehr des Thatbestandes verbunden sei. Damach trägt einzig mein
Wissen, es gebe noch andere Umstände, und die Wirksamkeit
dieses Wissens die Schuld, wenn ich die Annahme nicht machen
mufs. Abgesehen davon, also an sich hätte die Association
auch hier zwingende Kraft.
Ich appelliere noch bestimmter an das „Kausalgesetz". Jede
Veränderung eines Thatbestandes fordert ihre Ursache. Sie
fordert genauer als Ursache eine Veränderung, auf die sie un-
mittelbar folgt, also eine Veränderung innerhalb des Komplexes
der gleichzeitigen und vorangehenden Umstände. Nun betrachte
man diese verursachende Veränderung als nicht geschehen. Ea
bleiben dann die unveränderten Umstände. Unter Voraussetzung
derselben ist die Veränderung des Thatbestandes undenkbar ; ich
mufs sie also in Gedanken aufheben, d. h. den unveränderten
Thatbestand in Gedanken fortbestehen lassen. Mit einem
282 Th, Lippe.
Worte : die Annahme gleicher umstände zwingt mich, Gleiches
zu bejahen. — Dies ist genau, was ich sage. Natürlich können
mich nur solche Umstände zwingen, die ich beobachtet habe,
die also mit dem Thatbestand in Association getreten sind. Dafs
einmal geknüpfte Associationen zwingend wirken, solange nur
eben diese Associationen wirken und nicht anderweitige Er-
fahrungen hinzutreten, die diese zwingende Wirkung aufheben,
dieser Satz steht so fest, wie das Kausalgesetz. Es ist so aus
keinem anderen Grunde, als weil in jenem Satz eben das
richtig verstandene Kausalgesetz enthalten liegt.
Unter welchen Bedingungen können aber anderweitige Er-
fahnmgen die zwingende Wirkung einer Association aufheben?
Gewifs nicht, wenn sie mit der Association inhaltlich gar nichts
zu thun haben. Auch nicht, wenn sie die Association bestätigen.
Der Association U-T, die sich jetzt in mir knüpft, kann die
zwingende Kraft nur fehlen, wenn ich irgendwelche Erfahrung
gemacht habe, in der sich an U oder eines der Elemente, aus
denen U besteht, statt des T ein non-T fügte. Aus dieser Er-
fahrung ist eine Gegenassociation entstanden, d. h. eine Asso-
ciation, deren Wirkung mit der Wirkung der Association U-T
in Widerspruch tritt. Nur solche Gegenassociationen können
die zwingende Kraft einer Association zerstören.
Ich habe jetzt eben eine rote Rose gesehen. In Folge der
Wahrnehmung hat sich mit der Gestalt der Hose die rote Farbe
verknüpft. Die Gestalt der Böse hatte etwas Individuelles, aber
auch etwas der Gattung Gemeinsames. Sofern die Association
der Gestalt mit der roten Farbe die Association dieses
„Gemeinsamen^ mit der roten Farbe i^L sich schliefst, gilt
die Association als solche für jede Böse, die ich in Zukunft
wahrnehmen werde. Ich müfste, wenn diese Association für
sich wirken könnte, von jeder Böse erwarten, dafs sie dieselbe
rote Farbe zeige. Vorausgesetzt wäre nur in jedem einzelnen
Falle, dafs die Association überhaupt wirkte, d.h. dafs jede
neue Böse vermöge der Übereinstimmung ihrer Gestalt mit der
Gestalt der jetzt gesehenen Böse diese reproduzierte. Dem mit-
reproduzierten Gemeinsamen müfste ich, wenn nichts wäre, das
daran hinderte, die rote Farbe wiederum anfügen.
Aber es giebt eben solche hindernde Momente. Die Asso-
ciation der Böse mit der roten Farbe ist und wirkt thatsächlich
nicht mehr für sich. Ich habe auch schon andersfarbige Bösen
Zur Psychologie der Kausalität 283
gesehen. Auch das genügt, dafs Blumen, die nicht Bösen waren,
aber mit Sosen etwas wahrnehmbar Gemeinsames hatten, andere
Farben zeigten. Oder ich weifs, andere Eosen wachsen auf
anderem Boden, in anderer Umgebung, in anderem Licht, er-
fahren andere Pflege, oder sind sonst irgendwie von der jetzt eben
gesehenen verschieden. Und auch an diese unterscheidenden
Momente haben sich erfahrungsgemäfs andere Farben geknüpft.
So stehen der einen Association nicht eine, sondern unzählige
Gegenassociationen gegenüber. Kein Wunder, wenn die Asso-
ciation nicht mehr wirkt, was sie, blofs sich selbst überlassen»
wirken würde.
In ähnlicher Weise finden die meisten Associationen, die
wir knüpfen, ihre Gegenassociationen schon vor. Sie sind schon,
indem sie geboren werden, nicht mehr für sich oder sich selbst
überlassen, können also nicht mehr die in ihrer Natur lie-
gende Wirkung voUbringen. Nicht an ihnen, sondern nur an
den jungfräuUchen, noch von Gegenassociationen freien, können
wir diese Wirkung erproben.
Aber es scheint fast, als könne es nach dem eben Gesagten
für uns gar keine solchen Jungfräulichen^ Associationen mehr
geben. Dann wäre unser Versuch, die Kausalität auf Associa-
tion zurückzuführen, hinfällig. Die kausalen Associationen, d. h.
diejenigen associativen Beziehungen, die wir als ursächliche
bezeichnen , können ja gewifs nur unter den „jungfräulichen"
gesucht werden. Denn giebt es eine Erfahrung, die mit einem A
ein non-B verbunden zeigt, so kann nach jedermanns Meinung
A nicht Ursache des B sein , wenn es auch seine Teilursache
sein mag.
Nun hat auch die rote Farbe der Rose, von der wir vorhin
sprachen, ihre Ursache. Sie besteht — wenn wir von Licht
und Auge, ohne die es gar keine Farbe gäbe, absehen — all-
gemein gesagt — in der Konstitution der Brose. Die Associa-
tion zwischen dieser „Konstitution" und der roten Farbe müfste
also eine in ihrer zwingenden Wirkung durch keine Gegen-
association gestörte sein. Und doch scheinen, nach Obigem,
solche Gegenassociationen nicht fehlen zu können. Auch die Kon-
stitution unserer Kose, so gut wie ihre Gestalt, hat ja etwas
allen Bösen Gemeinsames. Und dieses „Gemeinsame" hat sich
in der Erfahrung oft genug mit anderen Farben verknüpft. Ich
bin also auch bei der in Bede stehenden Böse genötigt, diesem
Zeitsehrlll fttr Piyehologle. Id
284 Th. Lippe.
^Gemeinsamen^ imdere Farben hinznzufogen , oder ich bin ge-
nötigt, sie zu der Konstitution der Böse hinzuzufügen, sofern
diese Konstitution jenes Gemeinsame in sich schliefst. Eben
damit ist aber die „zwingende Krafb^, d. h. die ausschliefsliche
Wirkung der Association zwischen jener Konstitution und der
roten Farbe aufgehoben.
Indessen dieser scheinbare Widerspruch löst sich, wenn
wir mxkm nähere Bestimmung des Wesens der Association, die
schon bei Bespreehung des Erinnerungsurteils Torausgesetzt
war, nunmehr ausdrücklich henrorheben. Das Subjekt U einer
Association Ü-T läfst sich jederzeit in mehrere Elemente Ä^
B, C zerlegen, es ist eine Einheit oder ein Zusammenhang der
Ä^ B, C. Indem die Association TJ-T in der Wahrnehmung
sich knüpft, knüpfen sich auch unweigerlich die Teilassocia-
tionen A-T^ B-T, C-T. und diese Teilassociationen sind, solange
es für sie keinerlei Gegenassociationen giebt, zwingend, wie
jede Association. Haben sie aber ihre zwingende Kraft ver-
loren, dann ist damit nicht auch die zwingende Krafb der ganzen
Association U-T dahin. Diese Association wirkt als Ganzes,
als eine Association eigener Art. Ihre Wirkung setzt sich nicht
zusammen aus der Wirkung der Teilassociationen, sond^n ist
davon völlig unabhängig.
So vergegenwärtigt uns ein Wort das Bild eines Gegen-
standes mit Ausschlufs anderer, obgleich die Vokale und Kon-
sonanten, aus denen das Wort besteht, für sich gar nichts der*
gleichen thun. So erinnert uns ein Haus an seine Bewohner,
oder das, was wir in dem Hause erlebt haben, während die einzelnen
Steine oder farbigen Flächen, aus denen es für unsere Wahr-
nehmtuig besteht, jeder Stein oder jede Fläche für sich betrachtet,
ims eher an alles andere erinnern würden. In eben derselben
Weise nun kann mir auch die Konstitution der jetzt eben
wahrgenommenen Böse als Ganzes die Vorstellung der roten
Farbe ausschlieislich aufnötigen, obgleich das, was diese Kon-
stitution mit der Konstitution anderer Bösen gemein hat, diese
Ausschliefslichkeit der Nötigung längst hat aufgeben müssen.
— Dafs Associationen als Ganzes eine von der Wirkung der
Teilassociationen unabhängige Wirkung üben, das ist wiederum
eine der Grundthatsachen des Erkennens, oder eine letzte Er-
kenntnisbedingung.
Die Konstitution der Böse war die Ursache der roten
Zur Fsychologie der Kausalität 285
Farbe. So sind alle ursächliclieii Beziehnngen Associationen, die
als Ganzes zwingend wirken nnd diese zwingende Wirkung
behaupten, trotzdem ihre Teilassociationen sie im Widerstreit
mit Gegenassociationen verloren haben.
Solche Associationen aber müssen in unserem Denken ge-
wonnen werden. Auch „Ursachen** werden ja von uns ge-
wonnen. Wie gewinnen wir jene Associationen? Die Beant-
wortung der Frage ergiebt sich aus der Beantwortung der
anderen: Wie können G-egenassociationen sich wechselseitig ihre
zwingende Elraft rauben?
Wenn einer Association U-T eine Association U-fkm-T gegen-
übertritt, ist dann die Association U-T gar nicht mehr vor-
hfmden? Dnd wenn sie noch vorhanden ist, kann sie es dann
ohne weiteres unterlassen, zu „zwingen^ ? In der That unterläTst
sie es nicht ohne weiteres. Nur dafs die Gegenassociation es
ebensow^g unterläXst. und dafs Gegenassociationen sich
bilden, dies zu verhindern liegt eben nicht in der Natur der
Association.
Die Association U-T zwingt, mit einem CT ein T, die Asso-
ciation U-non~T zwingt, mit demselben U ein non-T zu verbin-
den. Ich muTs im Zusammenhang mit U das T annehmen und
abweisen, bejahen und verneinen. Damit befinde ich mich im
Zustande des logischen Widerspruchs. DaGs jede Association
als solche zwingt, dies bedingt den Widerspruch.
Dieser Widerspruch nun muTs aufgehoben werden. Man
wird nicht fragen, warum er aufgehoben werden müsse, oder
ob man sich nicht auch bei ihm beruhigen könne. Der Widerspruch
ist eben dasjenige, bei dem man sich, nämlich denkend, nicht
beruhigen kann. Vielleicht gelingt es mir, den einen der beiden
erfahrungsgemäisen Zusammenhänge über dem anderen zu ver-
gessen. Dann freilich kann ich mich dem anderen ungestört
überlassen. Aber das Denken besteht nicht darin, dafs ich eine
Erfahrung über der anderen vergesse, sondern dafs ich beide
vereinige, d. h. zugleich in mir vollziehe. Und dies ist in un-
serem Fall unmöglich. In dieser Denkunmöglichkeit besteht
der Widerspruch.
Was würde denn auch aus dem Kausalgesetz, wenn wir
bei jenem Widerspruch beharren könnten. Jeder Veränderung
müssen wir eine Ursache zugestehen. Gewifs „müfsten** wir
nicht, wenn nicht das Gegenteil unmöglich wäre, wenn nicht
19*
286 Th. Lipps.
der Gedanke der ursacblosen Veränderung irgendwie in uns auf
Widerspruch stiefse. Nur dafs man, so lange man das Kausal-
gesetz nur behauptet und nicht sagt, worin es besteht, auch
diesen "Widerspruch oder diese Denkunmöglichkeit nur be-
hauptet und es unterläfst, zu sagen, worin sie bestehe.
Man hätte aber leicht den Sitz des Widerspruches ent-
decken können. Ich legte schon oben darauf Gewicht, dafs
die vom Kausalgesetz geforderte Ursache der Veränderung
eines Thatbestandes T in einer Veränderung in den das T be-
gleitenden und ihm vorangehenden Umständen U bestehe. Ich
schlofs daraus, dalSs nicht nur für uns, sondern für jeden, der
das Kausalgesetz anerkenne, unter vöUig gleichbleibenden
Umständen U der unveränderte Fortbestand des T gefordert
sei. Damit ist der Sitz des Widerspruches bezeichnet. Eine
Veränderung des T, also ein Übergang von T in non-T^
wenn nicht zugleich ein Übergang von U in non- U stattfände,
würde dieser Forderung widersprechen. Und warum besteht
die Forderung? Warum mufs ich dabei bleiben, dem mit sich
identischen U das sich selbst gleichbleibende T hinzuzufügen?
Wie gleichfalls schon oben gesagt, nur darum, weil die Er-
fahrung mit dem U nun einmal das T verknüpft hat. Also ist
der Widerspruch ein solcher zwischen der Vorstellungsver-
bindung JJ-non-T einerseits und der erfahrungsgemäfsen Ver-
knüpfung, oder der Association U-T andererseits. Es verhält
sich mit andern Worten wiederum für jeden, der das Kausal-
gesetz gelten läfst, genau so, wie wir sagen.
Damit ist auch schon gesagt, worin die Aufhebung des Wider-
spruches besteht. In der Annahme einer Veränderung des TT
nämlich. Unter gleichen Umständen U müssen wir Gleiches
annehmen. Also müssen wir die Umstände ungleich denken,
wenn wir auf Grund der Erfahrung Ungleiches — zuerst
ein T, dann ein wow- T — anzunehmen genötigt sind. Wir
müssen annehmen, neben der wahrgenommenen Gleichheit des
U bestehe eine, obgleich nicht wahrgenommene Ungleichheit,
es sei also mit U das eine Mal ein nichtwahrgenommenes Ele-
ment a, das andere Mal ein Element non-a verbunden gewesen.
Weitere Erfahrung entscheidet dann, worin das a und non-a
besteht.
Wir nannten das U Grund oder Subjekt des T. Gleiche
Gründe haben gleiche Polgen, gleiche Subjekte gleiche Prä-
Zur Psycholoffie der KauaaUtät 287
dikate. Sind also Folgen oder Prädikate ungleich, so müssen
auch die Gründe oder Subjekte ungleich gedacht werden.
Durch iene Korrektur oder Ercänzunir sind nun die U-T und
U^ar^T denkbar gemacht; derWidersp4h zwischen ihnen ist
gelöst. Er ist gelöst dadurch, dafs die ursprünglichen Asso-
ciationen CT-Tund ü-non-T als ^Teilassociationen^ aufgenommen
sind in die durch a und noip-a ergänzten Associationen 27-Tund
U-non-T. Diese letzteren haben jetzt die zwingende Kraft, die
von Hause aus allen Associationen eignet. Die ursprünglichen
haben sie nur, sofern sie die Ergänzung erfahren haben. Sie
haben sie, aber nicht mehr als solche. Wir haben ja oben ge-
sehen, dafs Associationen als Ganzes zwingende Kraft haben
können, auch wenn die Teilassociationen als solche sie nicht
mehr haben. Der Widerspruch der ursprünglichen Associationen
besteht nicht mehr, d. h. er kann nicht mehr aktiv werden,
weil ich in meinem Denken von dem U-T und U-non-T sofort
zu der Ergänzung mich zurückwenden und die „ergänzten" ü
als solche, also als Ganzes betrachten und in mir wirken lassen
kann. Als Ganzes sind sie verschieden, fordern also nicht mehr
die Hinzufügung des Gleichen, und ich kann jene Denk-
bewegung nicht nur vollziehen, sondern ich bin eben durch
den Widerspruch der zwischen dem J7-T und JJ-won-T, abge-
sehen von der Ergänzung besteht, dazu genötigt. Der
Widerspruch selbst ist die treibende Kraft. So sind überhaupt
Widersprüche zwischen Associationen die treibenden Kräfte in
unserem Denken, soweit dasselbe über die unmittelbare Wirkung
der Associationen hinausgeht. Diese unmittelbare und jene
mittelbare Wirkung der Associationen macht das Denken aus
und läfst die Erkenntnis entstehen. Ich rede auch hier speziell
von der materialen Erkenntnis, obgleich sich die Behauptung
auf alle Erkenntnis ausdehnen läfst.
Jetzt erst ist auch die Frage, wie Associationen, die wir
jetzt knüpfen, von vornherein ohne zwingende Wirkung sein
können, vollständig beantwortet. Ich meinte oben, sie seien
eben nicht mehr „für sich", d. h. sie hätten ihre Gegenassocia-
tionen bereits gefunden. Jetzt müssen wir hinzufügen, dafs sie
auch in anderem Sinne nicht mehr „für sich" sind; in dem
Sinne nämlich, dafs sie und ihre Gegenassociationen verschieden-
artige Ergänzungen gefunden haben, oder dafs sie von uns aut
Grund der Erfahrung als Teilassociationen in verschiedenartige
288 Th. lApps.
^ weitere^, d. h. in ihren Subjekten verschiedenartig ergänzte
Associationen aufgenommen worden sind. Weil diese ergänzten
oder „weiteren" Associationen hinsichtlich ihrer Subjekte ver-
schiedenartige sind, darum besteht zwischen ihnen kein Wider-
spruch mehr.
So bin ich nicht mehr gezwungen, alle Bösen in meinen
Gedanken mit der Farbe der jetzt eben wahrgenommenen aus-
zustatten, es schlieft also das BewuTstsein, es gebe auch anders-
gefärbte Bösen, für mich keinen Widerspruch mehr in sich,
weil es für mich Bösen schlechtweg, als diese isolirten Be-
wufstseinsinhalte, gar nicht mehr giebt,'sondem nur Besen von
dieser oder jener inneren und äulseren Beschaffenheit, wie sie
in den Namen, die ihnen der Botaniker oder Gärtner giebt, aus-
gesprochen liegt, aulaerdem Bösen in dieser oder jener Um-
gebung, Bösen unter dieser oder jener Pflege u. s. w. In glei-
cher Weise verschwindet überall der Widerspruch, es verstummt
die Frage: wie ist es möglich, dafs dies A^ dasJB war, jetzt nicht
mehr B ist ? — in dem Mafse, als ich gelernt habe, Erfahrungs-
inhalte in weitere und weitere und damit zugleich immer mehr
sich differenzierende Zusammenhänge einzuordnen und in diesen
Zusammenhängen mir zu vergegenwärtigen. Immer ist es eben
der Widerspruch, der mich zu solcher Einordnung bringt, also
seine Aufhebung selbst möglich macht.
Mit dem Gesagten ist doch nicht behauptet, dais die er-
gänzten Associationen, insbesondere die Association U-T nicht
wiederum mit Erfahrungen in Widerspruch geraten können.
Geschieht dies, dann wiederholt sich der Prozefs der Ergän-
zung. Er kann sich wiederholen, solange die Gefahr des Wider-
spruches besteht. Besteht sie nicht mehr, so ist die Association
U'T eine endgiltige oder objektiv giltige, es ist das in ihr
repräsentirte allgemeine Urteil ein end^tiges oder objektiv
giltiges geworden.
Genauer ist es der Grund des T, oder das Subjekt der
Association oder des allgemeinen Urteils, das die Ergänzung
erfährt. Der Grund war ein subjektiv giltiger, das Subjekt
ein subjektiv giltiges. Jetzt ist der objektiv giltige Grund
des T oder das objektiv giltige Subjekt in dem Urteile, dessen
Prädikat T ist, gefunden. Im Kampfe der Erfahrungen und
Erfahrungsassociationen um das Dasein in meinem Geiste
werden solche objektiv giltigen Gründe oder Subjekte erzeugt.
Zur Fsycholoffk der KausaUtät. 289
Sie siiid objektiv giltige, weil sie durch den Kampf hindurch-
gegangen sind, und darum den Kampf, 'd. h. die Gefahr der
Widerauf hebung durch den Widerspruch mit der Erfahrung
nicht mehr zu furchten haben.
Vin. Das Kausalgesetz,
Dafs gleiche Ursachen gleiche Wirkungen haben, diese
Überzeugung wäre vom Kausalbegriff gänzlich unabhängig,
wenn Objekte fär uns dadurch zu Ursachen und Wirkungen
wurden, dafs wir ein „objektives^ kausales „Band^ oder „reales^
Band der Notwendigkeit zwischen ihnen geknüpft dächten.
Dafs ein solches Band einmal an ein A ein B festknüpfte,
daraus folgte ja keineswegs, daDs es, in gleicher Weise mit jedem
anderen A dasselbe B verknüpfen müfste. Vielmehr müfste es
ein eigenes Gesetz geben, das diese Gleichmäfsigkeit der Ver-
knüpfung verbürgte. Wir hätten aber sogar, wenn wir bedenken,
dafs auch schon jene erste Anwendung des Kausalbegriffs nicht
willkürlich von uns geschieht, neben dem Kausalbegriff zwei
fielbständige Kausalgesetze anzuerkennen: das eine das sagt,
dafs wir unter bestimmten Umständen das kausale Band vor-
handen denken müssen, und das andere, das uns nötigt, wenn
wir einmal unter diesen Umständen den Gedanken vollzogen
haben, ihn unter gleichen Umständen immer wieder zu voll-
ziehen. — In der That ein merkwürdiger Reichtum des mensch-
lichen Geistes, merkwürdig vor allem wegen seiner Nutzlosig-
keit. Denn von diesen drei psychologischen Thatbeständen
wären zwei, nämlich der Elausalbegriff und jenes erste Kausal-
gesetz für's Denken, vollkommen überflüssig.
Aber, so entgegnet man uns, wenn ein B notwendig an ein
A geknüpft ist, mufs es dann nicht jeder Zeit an das A geknüpft
sein? Hier spielt man mit Worten, und es ist merkwürdig, wie
selbst einsichtige Erkenntnis-Psychologen sich von diesem Spiel
täuschen lassen. Was heifst denn das : £ ist an ^ „notwendig^
geknüpft? Soll damit in der That nur gesagt sein, dafs in
einem gegebenen Falle jenes angebliche „reale^ Band der Not-
wendigkeit zwischen A und B bestehe? Dann bleibt es dabei,
dafs das Dasein dieses realen Bandes an einer Stelle der
Wirklichkeit nicht ohne weiteres sein Dasein an anderen Stellen
der Wirklichkeit in sich schlieüst. In Wahrheit hat man aber
etwas Anderes im Sinn. Ohne es selbst zu wissen, schiebt
290 Th. Lippa,
man jenem realen Bande der Notwendigkeit ein ideelles, jener
in den Objekten gedachten Notwendigkeit die Notwendig-
keit des Denkens unter. Erst hat man das reale Band für
nnerlässlich erklärt, jetzt, wo es für das Benken nutzbar
werden soll, wirft man es — mit vollem Bechte — weg und
ersetzt es durch etwas vollkommen Anderes, nämlich das Band
der Notwendigkeit zwischen Denkakten. Und nun allerdings
gut jene obige Behauptung. Nötigt mich in einem Falle ein Ä^
ein B mit ihm verbunden zu denken, so liegt darin far mich die
Nötigung, mit jedem Ä dasselbe B verbunden zu denken. So
gewifs das reale Band der Notwendigkeit, das an ein Ä ein
B bindet, nicht ohne weiteres alle A umfafste, so gewiCs um-
fafst das Band der Notwendigkeit, das an die Annahme, dafs
A sei, die Annahme, dafs B sei, bindet, alle A der Welt.
Dies letztere ist so, weil, wie wir gesehen haben, die eine und
selbe Vorstellung des A und B alle A und B zumal reprä-
sentiert. — So schlägt auch hier der mythologische Kausalbegriff
gegen seinen Wülen in den wahren, psychologischen Kausal-
begriff um.
Diesen wahren Kausalbegriff haben wir nun nicht mehr
zu erörtern. Ebenso ist für das Verständnis des Gesetzes
der Kausalität das Wesentlichste bereits gethan. Dafs Ver-
änderungen Ursachen haben, pflegt man zunächst als Sinn
des Gesetzes zu bezeichnen. Auch diese specielle Formu-
lierung des Kausalgesetzes wurde oben schon in Betracht ge-
zogen. Freilich hatten wir es zunächst nicht mit der Verän-
derung, sondern mit dem Anderssein überhaupt zu thun.
Aber davon ist eben die Veränderung ein Specialfall: Mit U
ist in einem Falle T, in einem anderen non-T verbunden;
oder mit ü" ist in diesem Momente T, im nächsten nan-T
verbunden. So gut wie das erstere, so gut schliefst das letztere,
solange U sich selbst gleich gedacht wird, einen Widerspruch
in sich. Wir müssen dem U des einen Momentes T, und dem-
selben Uy sofern wir es im folgenden Momente wirklich denken,
non-T hinzufügen. Diesem Widerspruch können wir nur ent-
gehen, indem wir die beiden Momente des U, d. h. da Momente
an sich nicht verschieden sind, das, was in den beiden Momen-
ten zu U hinzutritt, verschieden denken. Wir entgehen mit
anderen Worten dem Widerspruch, indem wir annehmen, es
habe an U eine Veränderung stattgefunden.
Zur Psychologie der KauaaUtät, 291
Gehen wir aber hierauf etwas näher ein. Die Veränderung
an Uj die die Erfahrung zunächst aufweist, heifse v^, das Umit
der Veränderung Uvj^. Statt non-T sagen wir von jetzt an, um es
als ein bestimmtes non-T zu bezeichnen: jT^. Dafs an Stelle des
T im zweiten der beiden aufeinanderfolgenden Momente T, ge-
treten ist, dafs also die Veränderung TT^ stattgefunden hat,
dies ist denkbar geworden durch das Bewufstsein, auch U sei
ein anderes geworden, oder kurz durch das Bewufstsein der
Wirklichkeit des Uv^ an Stelle des blofsen U. Indem ich Uv^
denke imd von diesem Uv^ als Ganzem zu TT^ übergehe,
schwindet der Widerspruch. Mit dem Vollzug dieser relativ
neuen Gedankenverbindung ist aber eine relativ neue Associa*
tion entstanden, nämlich eben die Association Uv^-TT^, Inner-
halb derselben ist Uv^ der zureichende Grund des TI\.
In diesem Uv^ ist nun zugleich für mein Bewufstsein die
Ursache des TT^ oder der Veränderung des T enthalten. U mufste
ja zu Uv^ ergänzt werden, wenn die Veränderung TT^ an ~U oder
in bestimmtem zeitlichen bezw. zeiträumlichen Z^sammenhang
mit U denkbar sein sollte. Der Gedanke, zum ehemaligen U sei v^
hinzugetreten, ist die Bedingung oder Voraussetzung der
Möglichkeit, d. h. der widerspruchslosen Denkbarkeit des TT. Wir
brauchen nur diesen Gedanken wieder rückgängig zu machen,
und der Gedanke, die Veränderung TT^ habe stattgefunden,
wird so unvollziehbar, wie er es ursprünglich war. Dies aber
ist, wie wir gesehen haben, das Kennzeichen der Ursache:
Ursache eines Thatbestandes ist der Bewufstseinsinhalt, dessen
Bejahung uns zwingt, den Thatbestand anzunehmen, und den
wir in einem gegebenen Falle nicht verneinen können, ohne
dafs auch der Thatbestand für uns undenkbar wird.
Damit sind wir indessen noch nicht zu Ende. Auch hier
braucht, was Grrmd ist, sich nicht als solcher zu bewähren«
Üt7j braucht sich nicht als objektiv giltiger Grund des TT^
zu erweisen. Dann enthält es auch, nicht die objektiv giltige
oder wirkliche Ursache der .Veränderung in sich. Der Wider-
spruch, dem wir durch Entdeckung des Uv^ entgingen, kann
von neuem auftreten. Er thut dies, sobald in der Erfahrung
an einem U die Veränderung v^ bemerkt wird, ohne dafs ein
mit dem U verbundenes T in T^ übergeht, oder positiv ausge-
drückt, sobald ich es erlebe, dafs U sich in der bestimmten
Weise verändert und T bleibt, oder zu T, wird. Geschieht
292 Th. JJppa.
dies, so mufs ich nach einer neuen Yerändernng an U suchen,
also eine neue Ergänzung der Association vollziehen oder in
der Erfahrung sich vollziehen lassen. Die neue Association
heiTse Vv^v^-TT^. Angenonunen, dieselbe erweist sich in wei-
terer Erfahrung als objektiv giltige Association, oder was das-
selbe sagt, UvyV^ behauptet sich widerspruchslos als Grund far
die Bejahung des T2\, dann ist in Uv^v^ zugleich die wirkliche
Ursache der Veränderung des T in 2\ eingeschlossen.
Sie ist darin eingeschlossen oder enthalten. Damit will
ich sagen, dafs nicht das ganze JJv^v^ die Ursache zu sein,
d. h. dafs nicht jedes Element des Uv^v^ sich als objektiv gil-
tige Bedingung des TT^ zu erweisen braucht. Welche Elemente
solche Bedingungen sind, welche Elemente also zur Ursache
des TT^ in Wahrheit hinzugehören, davon mufs ich mich noch
besonders überzeugen. Ich thue dies, indem ich zusehe, welche
Elemente des Uv^v^^ bezw. welche Komplexe von solchen Ele-
menten bei gleichbleibenden übrigen Elementen thatsächlich,
d. h. nach Aussage der Erfahrung, wegfallen können, ohne dafs
die Veränderung TT^ unterbleibt. Nach unserer obigen Voraus-
setzung kann t?,, nämlich das ganze t;,, nicht wegfallen. Da-
gegen könnte v^ und könnten Elemente des 17 und des v^ weg-
fallen und doch die Verändenmg stattfinden. Indem ich
dergleichen erlebe, entstehen engere Associationen, d. h-
Associationen, in denen der zureichende Grund der Veränderung
auf weniger Elemente sich reduziert. Bin ich endlich bei einer
erfahrungsgemäfsen Verknüpfung zwischen einem Uv und der
Veränderung TT^ angelangt, die so bescha£Pen ist, dafs die
Wegnahme oder Veränderung jedes Elementes des Uv bei gleich-
bleibenden übrigen Elementen das TT^ erfahrungsgem&fs auf-
heben würde, dann habe ich die Ursache des TT^. Uv ist die
Ursache. Die associative Beziehung zwischen jenem Uv und
der Veränderung TT^ ist die kausale Beziehung zwischen den
beiden.
Hiermit ist die Bückführung des Kausalgesetzes auf das
Associationsgesetz vollzogen. Dafs, wenn Bewuistsemsinhalte
zu Bewufstseinsinhalten sich hinzufügen, zwischen ihnen Asso-
ciationen entstehen, die an sich zwingend wirken und beliebig
viele Verknüpfimgen von Objekten repräsentieren können; dais
der Widerspruch der Associationen zur ergänzenden Umgestal-
tung der Associationen nötigt; dafs endlich Associationen in
Zur Bsychologie der Kausalität 293
der Erfahrung sich verengem, d. h. eine Eedoktion der Ele-
mente, in denen ihr Subjekt besteht, erfahren können: das sind
die Thatsachen, die das Kausalgesetz konstituieren.
IX. Über die Anwendung des Kausalbegriffs.
Es beschränkt sich aber dies associative Kausalgesetz
keineswegs darauf, für Veränderungen Ursachen zu fordern.
Die Veränderung, sagte ich, sei ein Spezialfall des Andersseins.
So ist auch die Forderung, dafs eine Veränderung ihre Ursache
haben müsse, nur ein Specialfall der Forderung, dals das An-
derssein seine Ursache, oder wenn man lieber will, seinen Beal-
grund habe. Da schlieislich alles, was ist, anders ist als Anderes,
so müssen wir allem, was ist, seine Ursache oder seinen Beal-
grund zugestehen. Immer ist Ursache oder Bealgrund eines
(Fhatbestandes der Inbegriff oder zeitliche bezw. raumzeitliche
Zusammenhang derjenigen Elemente der Wirklichkeit, mit
denen der Thatbestand auf Grund der Erfahrung und der in
der Erfahnmg geknüpften Association verbunden werden mufs,
und von denen kein Element wegfallen kann, ohne dafs nach
Aussage der Erfahrung der Thatbestand selbst verneint wer-
den mufs.
Jedes Werden ist eine Veränderung, wenn nicht des
Werdenden, so doch des gesamten Wirklichkeitsbestandes, in
den es durch sein Werden eintritt. Jedes Werden fordert also
ein vorangehendes Geschehen als Ursache oder Teilursache.
Gibt es fär etwas, das jetzt ist, keine Ursache seines Werdens,
so ist es nicht geworden, sondern war schon. Dafs es war,
ist dann eine Bedingung oder Teilursache seines Daseins. Das
Nichtgewordene ist insofern Ursache seiner selbst oder „causa
sui^. Mag sich die gewöhnliche Anschauung gegen diesen Be-
griff sträuben, logisch ist er so berechtigt, wie der Begriff der
verursachenden Veränderung.
Damit ist schon angedeutet, dafs uns die Bezeichnung
eines Verursachenden als „Ursache^ nicht unter allen Umständen
gleich geläufig ist.
Andere Namen, wie „Träger^, „Substrate^, ;,Substanzen^,
treten in gewissen Fällen an die Stelle. Man spricht auch
wohl einfach von einer „Summe von Bedingungen,^. Oder man
bezeichnet gewisse TeUursachen oder Elemente d<;| Bealgrundes
speziell als Ursachen oder Träger dessen was gesr . pht, oder ist,
294 Th, Lipps.
und läfst andere als „Reize", „Anstöfse", „ Veranlassungen **y
„blofse" Bedingungen zu ihnen hinzutreten. Endlich belegt man
auch das Kausalverhältnis selbst mit verschiedenen Namen. Vor
allem meint man, neben die Kausalität ein Verhältnis der ,,In-
härenz" stellen zu müssen. Diese Namen und Namenunter-
scheidungen können nicht nur unschädlich sein, sondern auch
ihre guten Dienste leisten. Vorausgesetzt ist nur das deutliche
Bewufstsein, dafs die verschiedenen Namen keine Verschieden-
heit der kausalen Beziehung oder des „realen Zusammenhanges'^
in der Welt bezeichnen, sondern einer und derselben, vom
Associationsgesetz beherrschten Art des^Zusammenhanges unse-
rer Gedanken zum Ausdruck dienen. Fehlt dies Bewufstseiny
so ist die Verschiedenheit der Namen nicht unschädlich, son-
dern im höchsten Mafse irre führend.
Zunächst ist ja gewifs, dafs die Verschiedenheit der Namen
mit dem oben im zweiten Abschnitt besprochenen Bestreben
der VeranschauUchung und VermenschUchung eng zusammen-
hängt. DaJGs aus einer Veränderung eine andere Veränderung
„hervorgehe", hält man für eine sinnvolle Wendung; darum
scheut man sich nicht, jene Veränderung als Ursache dieser
Veränderung zu bezeichnen. Dagegen hätte es für niemand
Sinn zu sagen, die Bewegung eines Körpers gehe aus diesem
Körper, oder gar, ein Ding gehe aus sich selbst hervor. Man
ersetzt darum dort die Ursache durch den zugleich anschau-
lichen und an menschliches Thun erinnernden „Träger", und
begnügt sich hier, etwa von einer „Bedingung" des Daseins zu
sprechen.
AUes dies könnte man nun wohl hingehen lassen, solange
keine Gefahr besteht, dafs die Erkenntnis dadurch verfälscht
werde. Aber diese Gefahr liegt nahe. Umfassende philoso-
phische Theorien, ja ganze Weltanschauungen liefern den
Beweis.
Eine Gefa.hr besteht darin, dafs man aus dem einheitlichen
Zusammenhang von Elementen der Wirklichkeit, der nur als
solcher, d. h.^^als Ganzes oder als Einheit ein Sein oder Ge-
schehen verursacht oder begründet, einzelne besonders an-
schauliche odex sich aufdrängende Elemente herausgreift, und
nicht nur spej^iell als Ursachen oder Träger bezeichnet, son-
dern auch m^t, man besitze in ihnen in Wahrheit das Ver-
ursachende cp^ Tragende, kurz den wirklichen Realgrund des
Zur Psychologie der KauadUtät. 295
Seins oder Geschehens. Veränderungen oder Vorgänge, „Kräfte"
und Dinge, die nur als Momente in umfassenderen einheitlichen
Zusammenhängen, schUefslich vielleicht als Momente der Welt-
einheit etwas wirken oder tragen, werden für sich als Ursachen
und Träger genommen. Die Einheit der Seele wie die der Welt
wird auf solche Weise zerrissen in eine Menge selbständiger Kräfte,
Träger, Substanzen, die doch an sich zu nichts kräftig sind, nichts
zu tragen, nicht zu subsistieren vermöchten. Die falsche Asso-
ciationspsychologie unterliegt dieser Gefahr ebenso wie ihre
oben bezeichnete Gegnerin, die doch grundsätzlich auf dem
gleichen Boden steht. Und dasselbe gilt von einer gewissen
Art der Naturbetrachtung, die Miene macht, aus selbständigen
Atomen und Atomkräften die Welt sich zusammensetzen zu
lassen.
Vielleicht unterläfst man es, unselbständige Teilursachen
oder Elemente des Bealgrundes für selbständige Ursachen und
Bealgründe zu nehmen, fingiert aber zwischen Teilursachen
oder Elementen des Bealgrundes eine Bangordnung, unter-
scheidet zwischen wesentlicheren und unwesenthcheren Faktoren,
solchön die mehr, und solchen, die weniger zur Wirkung „bei-
tragen". Auch diese Unterscheidung entbehrt jeder logischen
Berechtigung. Eine Bedingung irgend welchen Geschehens
mag uns inhaltlich noch so nichtsbedeutend erscheinen, als
Bedingung, also hinsichtlich ihres kausalen Wertes, steht sie
mit allen anderen Bedingungen völlig auf derselben Stufe. Sie
ist wie alle anderen absolut wesentlich, oder sie ist nicht wirk-
lich Bedingung des Geschehens. Auf ihr beruht das ganze
Geschehen, so gut wie auf jeder der anderen. In Wahrheit
beruht es auf keiner der Bedingungen als solcher, sondern auf
ihrer Einheit. Keine der Bedingungen „trägt" zum Geschehen
irgend etwas ^^bei", die Einheit derselben nur macht, dafs das
Geschehen sich vollzieht. Eben dadurch erweist sie sich als
reale, von der Summe der Elemente verschiedene Einheit. Jede
reale Einheit ist solche ursächliche Einheit, oder Einheit der
Verursachung.
Mit der Vorstellung dör Bangverschiedenheit verbindet sich
aber von selbst die Vorstellung einer quaUtativen Verschieden-
heit der kausalen Beziehung. Der Dualist etwa bezeichnet die
immaterielle Seele als das Empfindende, als den Träger oder
die eigentliche Ursache der Empfindung, der materielle Vorgang,
296 Th. Lipps.
der hinzukommen mufs, wenn die Empfindung entstehen soll,
ist ilim jiJmT^ der die Empfindung ^auslösende Beiz". Ich
frage : was will diese Verschiedenheit der Namen? Gewifs soll
sie eine Verschiedenheit des kausalen Verhältnisses, oder der
Art, wie die Seele und der materielle Vorgang zur Erzeugung
der Empfindung „beiträgt^, andeuten. Aber diese Verschieden-
heit ist eine reine Illusion. Niemand hat eine Vorstellung von
der kausalen Beziehung zwischen der Seele und der Empfindung
und eine inhaltlich anders geartete Vorstellung von der kausalen
Beziehung zwischen dem materiellen Vorgang und der Em-
pfindung. Die „Inhärenz« der Empfindung in der Seele ist, abge-
sehen von unberechtigten anschaulich räumlichen Vorstellungen,
ein blofses Wort, ohne jeden über die überall gleiche Kausalität
hinausgehenden Sinn. Und es verhält sich nicht anders mit
dem „auslösenden Beiz^? Nichts welTs der Dualist oder kann
er zu wissen glauben, als dafs die Empfindung nicht wäre ohne
die Seele und ebenso nicht wäre ohne den materiellen Vorgang.
Sie ist, weil beides ist und beides in bestimmter Beziehung
steht; oder besser: sie ist, weil die Einheit der beiden ist, die
die Beziehung der beiden zugleich in sich schliefst. — Dann
kann aber mit demselben Becht oder Unrecht, wie die Seele,
auch der materielle Vorgang beanspruchen, Träger oder eigent-
liche Ursache der Empfindung zu heifsen. Der Dualist steht
unweigerlich mit dem einen Fufse im Materialismus.
Ebenso unlogisch ist jede Hineintragung der BegrifiB d^
Aktivität und Passivität, Bezeptivität und Spontaneität in den
Kausalbegriff. Hier ist der Anthropomorphismus auf seiner
vollen Höhe.
X. Schlufsbemerkung.
Ich breche damit die Untersuchung ab, mit dem vollen
Bewufstsein, nur einen Teil desjenigen gesagt zu haben, was
über den G-egenstand zu sagen wäre. Vielleicht, dafs mir
Einwürfe oder Angriffe zu späterer Ergänzung Gelegenheit
geben.
Auch dessen bin ich mir wohl bewufst, dafs ich mich auf
ein besonderes Gebiet der Anwendung des Kausalgesetzes be-
schränkt habe. Ich redete nur von der kausalen VerknüpAmg
solcher Bewufstseinsinhalte, die von uns bereits als der Welt
der objektiven Wirklichkeit zugehörig erkannt sind. Dies Be-
wufstsein der objektiven WirkUchkeit setzte ich als bestehend
Zur Psychologie der Kausalität 297
yorans. Ich war dazu berechtigt , insofern es dergleichen ohne
Zweifel giebt. Aber die Erkenntnis dieser Wirklichkeit, wie
nicht minder die Erkenntnis der subjektiven Wirklichkeit, oder
Wirklichkeit als Inhalt „meines BewoCstseins^, beruht selbst schon
auf der Wirkung des Kausalgesetzes in mir. Man wird die Frage
stellen, wiefern auch dabei das Kausalgesetz mit dem Asso-
ciationsgesetz zusammenfalle, wiefern also auch das Bewufstsein,
es sei etwas unabhängig vom Bewufstsein, oder es sei im
Bewufstsein, aus erfahrungsgemäfser Association entspringe.
Den Versuch der Beantwortung dieser Frage, oder nach einem
früheren Ausdruck, die BückfÜhrung solcher „primitiven^ Er-
kenntnis auf das associative Geschehen behalte ich mir für
eine spätere G-elegenheit ausdrücklich vor.
Dagegen will ich es nicht unterlassen, der gegenwärtigen
Untersuchung dadurch eine Art Abschlufs zu geben, dafs ich
noch einmal zu dem Philosophen zurückkehre, von dem ich
bei der Kritik des Kausalbegriffes ausgegangen bin.
HxJMBs Leistung und sein Fehler, beides ist aus dem Vor-
stehenden deutlich. Dafs der kausale Zusammenhang ein Zu-
sammenhang ist unserer G-edanken, nicht ein Zusammenhang
des Gedachten, dafs die Notwendigkeit, die diesen Zusammen-
hang auszeichnet in der psychologischen Nötigung besteht, mit
einer Thatsache eine andere zu verbinden, dafs diese Nötigung
in der Association ihren Grund hat, das ist Hümbs Entdeckung
und diese Entdeckung ist eine der wichtigsten in der Geschichte
der Philosophie. Dafs die Welt für uns zu einer gesetzmäfsigen
wird, indem wir sie der Gesetzmäfsigkeit unseres Geistes unter-
werfen, dieser anthropocentrische Erkenntnisstandpunkt war
damit entschieden.
Nur darin bestand HuifEs Fehler, dafs er die voUe Be-
deutung des Associationsgesetzes nicht erkannte und dafs er
eben darum nicht sah, welche associativen Beziehungen mit
der ursächlichen Beziehung ohne weiteres identisch sind. Dem
daraus sich ergebenden Mangel sollte das Gewohnheitsprinzip
abhelfen. Nicht das Associationsprinzip, sondern dies, das
Associationsprinzip seiner Ejraft beraubende Gewohnheitsprinzip
hinderte, dafs Hüme die Antwort, nämlich die wahre Antwort
auf die Frage gab, wie allgemeine uud notwendige Erfahrungs-
urteile möglich seien.
Das Gewohnheitsprinzip fordert zu viel und zu wenig. Keine
298 Th. lApps,
Wiederholung einer Erfahrung kann die Association, die aus
ihr entstand, zwingender machen, als sie von vornherein ist.
Der Naturforscher, der einen Versuch unter gewissen, genau
beobachteten umstanden ein einziges Mal gemacht und dabei
einen bestimmten Erfolg erzielt hat, erwartet von einer unter
genau denselben umständen angestellten Wiederholung genau
desselben Versuches mit Sicherheit genau denselben Erfolg, wenn
er annehmen kann, jene von ihm beobachteten Umstände seien
die einzigen für den Erfolg in Betracht kommenden, d. h. es
seien keine Umstände von ihm unbeobachtet geblieben, deren
Anderssein ihn auf Grund bereits geknüpfter Associationen
nötigen würde, einen anderen Erfolg anzunehmen. Er er-
wartet von einer Wiederholung nicht mit Sicherheit denselben
Erfolg, wenn diese Voraussetzung nicht erfüllt ist. Mag er
aber den Erfolg mit Sicherheit erwarten oder nicht, in jedem
Falle wird weder die Sicherheit gröfser, noch die Unsicherheit
geringer, wenn er den Versuch thatsächlich zum zweitenmale
und unter genau den gleichen Umständen anstellt und dabei den
gleichen Erfolg erzielt. Nur solche Fälle können überhaupt
seine Erkenntnis fördern, in denen der Erfolg unter gleichen
Umständen nicht eintritt, weil diese Fälle ihn nötigen, eine
neue und widerstandsfähigere Association zu bilden. Und
andererseits helfen ihm die Fälle, in denen der Erfolg unter
teilweise anderen Umständen eintritt, weil sie ihn veranlassen,
gewisse Umstände oder nähere Bestimmungen von Umständen
aus der Association auszuscheiden, also die Association, nach
dem oben gebrauchten Ausdruck, zu ^ verengern^. Es helfen
ihm mit einem Worte die Wiederholungen seiner Erfahrung,
die keine blofsen Wiederholungen sind, und weil sie es nicht
sind. Das Gewohnheitsprinzip fordert zu viel, insofern es die
Wiederholungen fordert; und es fordert zu wenig, insofern es
die Bedeutung der Erfahrungen verkennt, die mit gleichartig
wiederkehrenden Momenten neue Momente verbinden.
Was HuMB entging, so können wir auch sagen, das ist das
Wesen der Induktion. Unsere Ableitung des Kausalgesetzes
war zugleich eine Beschreibung des induktiven Verfahrens.
Und darin liegt der eigentliche Beweis ihrer Berechtigung.
Wir begannen mit der Analyse des Kausalbegriffs. Solche
Analyse ist an sich niemals einwurfsfrei. Die Synthese muJfe
hinzutreten und sie bestätigen. Diese Synthese nun wird in
Zur Psychologie der KatisaUtät 299
unserem Fall jedesmal vollzogen, wenn jemand auf dem Wege
der Induktion — und einen anderen giebt es nicht — aus ein-
zelnen Erfahrungen allgemeine Erkenntnisse gewinnt. Das
induktive Vorfahren schafft die allgemeinen Erkenntnisse, in-
dem es für unser Bewufstsein die Ursachen schtifft. Geht bei
solcher Schaffung einer Ursache in den Ursachbegriff nichts
ein, als was jene Analyse in ihm hat erkennen lassen, so ist
die Probe auf die [Richtigkeit der Analyse gemacht. Diese
Voraussetzung trifft aber zu. Wer Induktion treibt, beobachtet
die Umstände, unter denen ein Thatbestand stattfindet. Er
überläfst sich der dadurch geknüpften Association mit gröfserer
oder geringerer Sicherheit, je nachdem schon vorher gewonnene
anderweitige Erfahrungen und erfahrungsgemäfse Verknüpfungen
ihn dies erlauben, oder — weil sie Gegenassociationen in sich
echliefsen — ihn daran verhindern, d. h. er gründet auf seine Be-
obachtung eine mehr oder weniger sichere Hypothese. Er
läist sich seine Association umwandeln oder ergänzen durch
neue Erfahrungen, die mit jener Association oder Hypothese
in Widerspruch geraten, und fährt darin fort, bis er solchen
Widerspruch nicht mehr zu fürchten hat. Er läfst sich end-
lich durch Erfahrungen, in denen der zu erklärende Thatbe-
stand stattfand, ohne dafs doch alle in jener endgiltig ergänzten
Association enthaltenen Umstände zugegen waren, diese er-
gänzte Association reduzieren oder „verengem", d. h. von un-
nötigen Elementen säubern. Er hat schliefslich eine Association,
die Stich hält und nichts Überflüssiges mehr in sich enthält.
Und nun spricht er ohne weiteres von Ursache und ursächlicher
Beziehung. — Wer ihm das Recht dazu einräumt, erkennt zu-
£;leich das Becht unserer Theorie der Kausalität an.
^eltsdizlft Ar Psychologie. ^
Zur interaurealen Lokalisation diotischer
Wahrnehmungen.
Von
Karl L. Sghaefer
in Jena.
Bei den Untersuohungen über die Wahrnehmung und LokdUsor
üon von Schwebungen und Differensftönen^ wurde konstatiert, daCs
der scheinbare Ausgangspunkt der Schwebungen zweier Töne
zwischen die Tonquellen (Stimmgabeln) verlegt wird, aber um
so näher der lauteren, je gröfser die Intensitatsdifferenz. Dem-
gemäfs wird der Ursprungsort zwischen den Ohren gesucht,
wenn die Frimärtöne in gleicher Stärke, der eine dem rechten,
der andere dem linken Ohre zugeleitet werden. Bei ein-
gehenderer Prüfung ergab sich aber die Lokalisation bei solcher
Verteilung der Gabeln auf beide Ohren als sehr unbestimmt
und wechselnd. Zum Teil hört man nämhch die Stöfse genau
in der Medianebene und zwar bald im Innern des Kopfes, bald
in gröfserer Entfernung vor oder über sich, in anderen Fällen
treten sie zugleich median und in den Ohren selbst auf oder
scheinen wohl auch oberhalb des Kopfes aus einer durch die
Mittelpunkte der Gehöreingänge gehend gedachten Vertikal-
ebene zu entspringen. Es dürfte nicht unwichtig sein, die
Bedingungen und Ursachen dieser Verschiedenheit der Ver-
suchsresultate aufzudecken.
SiLVANUs P. Thompson * hat über die interaureale Lokalisa-
tion, offenbar ganz unabhängig von den viel fiüheren Angaben
PuRKTN^*, sehr genaue Erhebungen angestellt, aUerdings ohne
* Jahrgang I, Heft 2 dieser Zeitschrift. S. 81 ff.
" Phenomena of Binaurai Audition, TL, Philosoph, Magae. Serie V.
No. 38, S. 383 ff.
• Eeferat darüber in der „Prager ViertdjahrssehHff', 1860, Bd. 8, S. 94*
Zur interaureälm LohaiisatUm dioUscher Wahrnehmungen. 301
den interessanten Ergebnissen derselben eine Erklärung hinzu-
zufügen. Er fand zunächst, dafs, wenn man zwei Telephone,
deren Platten Schwingungen von gleicher Frequenz und Am-
plitude ausführen, fest an die Ohren drückt, nur eine akustische
Wahrnehmung und zwar median im Hinterkopfe gemacht wird.
Dazu müsse jedoch noch die dritte Bedingung erfüllt sein, dafs
nämlich die Platten immer gleichzeitig sich dem Kopfe nähern
resp. von ihm entfernen, also stets in entgegengesetztem Sinne
schwingen. Dafselbe ergab sich dann für Stimmgabeltöne,
wenn ein solcher beiden Ohren in gleicher Intensität und so
zugeführt wurde, dals die Maxima der Verdichtungen und
ebenso die der Verdünnungen rechts und links immer genau
gleichzeitig eintrafen. Urbahtsohitsoh^ bestätigte letzteren
BeAind an einer gröfseren Anzahl Personen und fugte die
Thatsache hinzu, dafs fiir verschiedene Individuen und Ton-
höhen auch die LokaUsation gewissen Schwankungen untei>
werfen ist, indem der wahrgenommene Ton nicht ausschliefslich
in das Hinterhaupt, sondern auch in die Stirn oder an einen
Punkt zwischen beiden verlegt wird, ja zuweilen gar nicht
median, sondern an zwei symmetrischen Stellen rechts und
links von der Mittelebene auftritt.
Dafs wir för zwei gleichzeitig beide G-ehörapparate treffende
quantitativ und qualitativ gleiche Eindrücke einen einzigen
ürsprungsort in der Medianebene annehmen, ist eine einfache
Konsequenz der alltäglichen Erfahrung, dafs mediane Auf-
stellung einer Schallquelle und gleiche Intensität der beider-
seitigen Wahrnehmung sich gegenseitig bedingen. Auffallend
aber ist die endocephale Lokalisation, die sich in den meisten
Fällen dem Beobachter trotz des doch bestehenden Bewufst-
seins grober akustischer Täuschung unwiderstehlich aufdrängt.
Bei gründlicherem Eingehen auf diese Verhältnisse stellt .sich
indessen doch heraus, dals man nur unter einer ganz bestimmten
Bedingung gewissermafsen gezwungen von der Verlegung des
akustischen Bildes in die mediane Umgebung des Kopfes
Abstand nimmt, um da&elbe intrakranieU zu lokalisieren.
Gehen wir von dem ursprünglichen Telephonversuohe
Thompsons aus. loh pflege mich zu seiner Anstellung des
^ Zur Lehre von der. SchaOen^fMung. Pflüg er 8 Archiv, Bd. 24,
S. 579 ff.
20»
:302 ^<^^ L, Schaefer,
Doppelinduktoriums von Pretbr^ zu bedienen, einer Mo-
difikation des Dü-Boisschen Schlittens, welche in sinnreicher
und einfacher Weise es ermöglicht, mittelst einer und derselben
primären Spirale gleichzeitig durch zwei sekundäre, mit deren
jeder ein Telephon in Verbindung steht, Induktionsströme zu
senden. Durch Verschieben der sekundären EoUen hat man
es jederzeit in der Hand die Intensität der Telephongeräusche
beliebig zu variieren. Leistet man nun den oben* bereits er-
wähnten Versuchsbedingungen Genüge und drückt die Tele-
phone fest an die Ohren, so wird also, wenn beiderseits gleiche
Hörschärfe besteht — umgekehrt kann dies Experiment zu
vergleichenden Messungen derselben benutzt werden — das
intermittierende Knacken in der Mitte des Hinterhauptes ver-
nommen. Wird durch Annähern seiner Rolle an die primäre
Spirale eines der Telephone zu lauterem Tönen gebracht, dann
nähert sich das akustische Bild die Medianebene verlassend
dem entsprechenden Ohre, und so kann der Beobachter dasselbe
durch Änderungen der Bollenabstände im Kopfe hin- und
herwandem lassen. Während nun diese Resultate Thompsons
auch von unbefangenen Beobachtern schon bei den ersten Ver-
suchen mit grofser Leichtigkeit und Bestimmtheit bestätigt za
werden pflegen, verliert die eigentümliche Erscheinung eines
endocephalen Geräusches sofort ihre charakteristische Deut-
lichkeit, wenn man die Telephone weiter vom Kopfe entfernt.
Dann bleibt zwar der scheinbare ürsprungsort des Rasseins
median, aber er ist nicht mehr wie vorher scharf zu umgrenzen;
es besteht mindestens ebenso grofse G-eneigtheit, ihn aufser^
halb des Kopfes wie innerhalb zu suchen; und läfst man das
Geräusch jetzt von Ohr zu Ohr wandern, so geschieht dies
nunmehr deutlich aufserhalb des Kopfes, also um diesen
herum.
Man könnte a priori versucht sein, das ursächliche Moment
hierfür in der Verringerung der Intensität, welche durch das
Entfernen der Telephone vom Kopfe gesetzt wird, zu ver-
muten. Allein man überzeugt sich leicht, dafs das Gesagte
auch bei sehr grofser Intensität seine Giltigkeit behält, während
andererseits, sobald die Telephone den Ohren fest anliegen.
* Zeitschrift für Instrumentenkunde, Jahrgang IV, Januar 1884.
* S. 265 Absatz 2.
Zur interaurealen LokalisaUon diotischer Wahrnehmungen, 303
das Geknatter, auch wenn es fast bis zur Grenze der Wahr-
nehmbarkeit abgeschwächt wird, immer gleich deutlich im
Innern des Schädels bleibt.
Daraus geht also offenbar hervor, dafs die Schätzung des
Abstandes der wahren Schallquellen von den Ohren eine wesent-
liche BoUe bei der medianen Lokaüsation spielt. In der That
läfst sich durch eine Seihe einfacher Versuche zeigen, dafs je
näher die Schallquellen einzeln vernommen geschätzt werden,
um so näher dem Kopfe auch bei ihrem Zusammenwirken das
median auftretende akustische Bild lokalisiert wird, und dafs
dafselbe dann im Schädel selbst erscheint, wenn man jede der
Schallquellen, für sich beobachtet, direkt im Ohre ihrer Seite
hört. Setzt man beispielsweise eine maximal laut tönende
Stimmgabel auf die Mitte eines Kautschuckschlauches, dessen
eines Ende fest in ein Ohr, sagen wir in das rechte, eingefügt
wird, so wird der sehr starke Ton unmittelbar im rechten
äufseren Gehörgang vernommen. Armiert man dann auch das
linke Ohr mit dem anderen Schlauchende, so tritt alsbald me-
diane und zwar intrakranielle Lokalisation ein, die noch präciser
wird, wenn man die Gabel wiederholt abhebt und gleich nach-
her fest wieder auf den Schlauch setzt. Verfahrt man hierauf
ganz analog mit einer möglichst leise tönenden Gabel, so wird
im ersten Teil des Versuches der Ton deutüch aufserhalb des
Ohres in schwer genauer zu bestimmender Entfernung vor
demselben gehört und ebenso aufserhalb des Kopfes, nachdem
auch das andere Ohr in Verbindung mit dem Schlauche gebracht
ist. Dasselbe Verhalten zeigen übrigens Schwebxmgen, falls
solche statt eines einfachen Tones in Anwendung kommen, in-
dem beide Gabeln dicht nebeneinander auf die Schlauchmitte
placiert werden.
Eine Variation der beschriebenen Versuchsanordnung be-
steht nun darin, dafs eine Schallquelle vor einen Trichter
gebracht wird, der durch einen gleichschenklig gegabelten
Schlauch mit beiden Ohren in Kommunikation steht. Ich habe
in dieser Weise folgendes recht instruktive Experiment anstellen
können. Es ward ein BELLsches Telephon mit der sekundären
Spirale eines Du-Boisschen Schlitteninduktoriums verbunden,
bei grofsem Bollenabstand in Thätigkeit gesetzt und in nächste
Nähe des Trichters gebracht. Darauf wurden die Ohren mit
den Schläuchen armiert und unter langsamem Annähern der
304 ÄaW L. Schaefer.
Bolle an die Primärspirale das Verhalten der Lokalisation beob-
achtet. Es liefs sich so in zahlreichen Versuchen an anderen
und an mir feststellen, dafs der mediane scheinbare ürsprungs-
ort des Basselns proportional der Verringerung des Bollenab-
standes sich dem Kopfe nähert, dann in denselben förmlich
hineinkriecht, und schliefslich mehr oder weniger genau zwischen
den Ohren Halt macht. Wird dann ein Schlauchende zugedrückt,
so tritt sofort das Geräusch im Q-ehörgang der entgegengesetzten
Seite auf. Es wandert aus diesen in den Baum hinaus, wenn
der BoUenabstand langsam vergröfsert wird, und wird nun der
zusammengepresste Schlauch wieder frei gegeben, so findet
auch wieder extrakranielle Lokalisation statt. Von dem Augen-
blicke an, wo das akustische Bild den Kopf verläfst, ist eine
genauere Bestimmung seines Ortes innerhalb der Medianebene
gewöhnlich überhaupt unmöglich oder es werden wenigstens
arge Irrtümer begangen. Nur solange ich allein experimentierend
den Ort des Telephons — vor mir auf dem Tische — kannte,
machte ich beim Hin- und Herschieben der BoUe deutlich die
Wahrnehmung, wie das Bassein von aufsen. durch die Nasen-
wurzel in den Schädel hinein vordrang oder denselben auf dem
nämlichen Wege verliefs.
Den Ton einer median auf den Scheitel gesetzten Q-abel
hört man median über der Ansatzstelle. Wird aber ein Ohr
fest verschlossen, so springt er in dieses hinein. Dieser bekannte
WBBBRsche Versuch gelingt stets besonders gut, wenn die
Gabel sehr laut tönt. Ist aber das Gegenteil der Fall, so ver-
läfst der Ton zwar auch die Medianebene in der Bichtung auf
den verschlossenen Gehöreingang zu, ist aber nicht recht genau
zu lokalisieren, und vor aUem hat man nicht den Eindruck, als
entspränge er im Ohre selbst. Diese Thatsache bietet eine
weitere Handhabe zur Bestätigung der vorliegenden These.
Verschliefst nämlich der Beobachter beide Ohren und setzt
eine laute Gabel fest auf die angegebene Stelle, so er-
füllt der Ton den ganzen intrakraniellen Teil der Median-
ebene, um sofort aus dem Kopfe in den Baum oberhalb des
selben überzutreten, sowie der Gabelstiel gelockert wird.
Durch rasch alternierendes, loseres und festeres Andrücken
kann man sich auch hier am besten von dem Lokalisations-
wechsel überführen. Es entspricht also auch in diesem Falle
die intrakranielle Lokalisation diotischer Wahrnehmungen
Zmt interattrealen LokctUsation dtoHscher Wahrnehmungen, 305
der intraanrealen xnonotischer, die extrakranielle der extra-
aurealen.^
Wenn bei dem Doppelinduktoriumversuohe ein Telephon
fest an ein Ohr gedrückt und das zweite dem anderen Ohr
aus gröijserer Entfernung mäfsig rasch genähert wird, so findet
sich,* dafs der Ton des ersteren sich zunächst erheblich ver-
stärkt, ohne aber, wie wohl theoretisch zu erwarten wäre,
gleichzeitig einen Ortswechsel gegen die Medianebene hin zu
beginnen. Erst wenn die Annäherung an das zweite Ohr sehr
erheblich fortgeschritten, scheint der Ton in das Innere des
Kopfes einzudringen. Es ist wirklich auch bei grofser Übung
und Aufmerksamkeit so gut wie unmöglich, zugleich mit der
Verstärkung auch den Eintritt einer Platzänderung des G-eräusches
zu beobachten. Dies gelingt aber sofort, wenn man in dem
Augenblicke, wo der Intensitätszuwachs ganz deutlich geworden
ist, das bewegte Telephon plötzlich zum Schweigen bringt.
Man hat in diesem Moment ausdrücklich die Empfindung, dafs
das Geräusch von einer der Medianebene näher gelegenen
Stelle in das Ohr zurückspringt. Das Nämliche gilt von dem
Ton unisoner und auch von den Schwebungen verstimmter,
auf beide Ohren verteilter Gabeln.
Bei rein monotischen Wahrnehmungen gelingt es bekannt-
lich im Gegensatz hierzu auch unter gröfstmöglicher An-
näherung und Intensitätssteigerung nie, den Schalleindruck der
Medianebene näher als bis höchstens in deii äufseren Gehör-
gang zu bringen. Hält man diese beiden Befunde vergleichend
zusammen, so folgt daraus das psychophysiologisch bedeutungs-
volle Ergebnis, dafs, trotzdem bei quantitativ gleicher aber
verschieden starker diotischer Erregung das schwächer afficierte
Ohr ebenso „physiologisch taub^ erscheint, wie bei alleiniger
Erregung des anderen Gehörorganes, das Sensorium dennoch
sehr wohl darüber unterrichtet ist, ob beide akustische Ner-
^ Hierher gehört noch folgende Beobachtung, die sich mit Erfolg
an mehreren Normalhörigen anstellen liefs. Wird ein recht tiefes „u^
laut gesungen, tm.d dabei ein Ohr, aber nicht ganz fest, verschlossen, so
rückt das „k^ aus dem Kehlkopf in das Ohr und von da in die Mittel-
ebene des Schädelinnern, wenn auch das zweite Ohr in gleicher Weise
behandelt wird.
' Vgl. Preteb: Die äkumefyrische Verwendung des BelUchen Telephons.
SitzgS'Ber. d, Jenaer GeseUsch. f, Mediz, u. Naturw. vom 21. 11. 1879.
306 ^orl L. Schaefer.
venapparate oder ausschlielslicli einer an der Yermittelnng der
Perception beteiligt sind.
Immerhin ist die Wahmehmnng vom Wechsel des Ortes
bei weitem weniger präcise als die einer Intensitatsanderong.
Ist das Doppelinduktorinm fior intrakraniell-mediane Lokalisation
eingestellt, so darf die eine Telephonrolle mn mehrere Conti-
meter weit verschoben werden, bevor das G-eräosch die Mittel-
ebene zu verlassen an&ngt. Wird indessen nun der Versuch
abgebrochen und ohne vorherige Korrektur der bestehenden
Ungleichheit des Bollenabstandes nach einer Pause wieder auf*
genommen, so wird dann in den meisten Fällen den Verhältnissen
richtig entsprechend extramedian lokalisiert. Darin bestätigt
sich die schon bei früheren Gelegenheiten betonte Thatsache
aufs neue, dafs momentane akustische Beize oder länger an-
dauernde im ersten Augenblicke ihres Auftretens leichter und
richtiger lokalisiert werden, als nach längerer Beobachtung,
was von der Ermüdung der Aufinerksamkeit, von Beflexionen,
von Suggestion abhängig sein mag.
Fbohnbr ^ hat zuerst gezeigt, dafs nicht nur der Ton zweier
unisoner vor beide Ohren verteilter Gabeln ausschliefsUch auf
der Seite der lauteren gehört werde, sondern auch die Schwe-
bungen derselben, welche entstehen, sobald die Gabel vor dem
physiologisch tauben Ohre in nicht zu grolsen Exkursionen
rhythmisch geschwungen wird. Auch er übersah, dafs der
Ton jedesmal während der Annäherung sich, aufser dafs er
stärker wird, auch der Medianebene nähert, und bemerkte dies
erst, wenn die Elongationen der bewegten Gabel sehr ausgiebig
wurden. In Proportion zu deren Wachsen wanderte der Ton
bei der Näherung in die Medianebene und eventuell über diese
hinaus in das andere Ohr, gemäfs dem Prinzip von der Ver-
legung des Schalles nach der Seite der stärkeren Erregung.
Vervollständigt man die FBCHNBKschen Untersuchungen dahin,
dafs beide Gabeln gleichzeitig in Bewegung gesetzt werden,
so läfst sich folgendes eruieren.
1. Es sollen anfangs beide Gabeln in gleichem Abstände
von der Medianebene vor den Ohren fixiert, ihr Ton also me-
dian lokalisiert sein. Beginnen nun beliebig rasche synchrone
^ Über einige Verhältnisse des binokularen Sehens. Äbhdlg. d. Sachs.
Oesettsch. d, Wiss. (Mathemat. Klasse V) Bd. 7. S. 543 ff.
Zur interaurealen Lokalisatum dioHscher Wahrnehmungen. 307
Schwingungen von beiderseits gleicher Weite und in stets
genau entgegengesetztem Sinne, so kommen mediane Schwe-
bungen zu Gehör.
2. "Werden aber beide Gabeln immer a tempo nach rechts
oder links verschoben, also gleichsinnig, so wandert der Ton
von Ohr zu Ohr, solange die Schwingxmgen in geringer Fre-
quenz geschehen.^
3. Werden sie hingegen möglichst rasch vollführt, so haben
die Schwebungen (und zwar ausschliefslich) in den beiden
Ohren ihren Sitz.
Der erste Versuch entspricht genau dem Doppeltelephon-
versuche Thompsons. Die beiden anderen enthalten die bisher
noch ausstehende Erklärung fiir dessen zweite Entdeckung,
dafs nämlich das mediane Geräusch aus der Mittelebene in
beide Ohren verlegt wird, wenn die Telephonplatten gleich-
sinnig schwingen, die eine sich also dem Kopfe nähert, während
die andere zurückgeht. Dafs wir in Versuch 2 den Ton von
Ohr zu Ohr durch die Medianebene wandern hören, ist wie-
derum, wie kaum mehr erwähnt zu werden braucht, in dem
Prinzip der Schallverlegung nach der Seite stärkerer Intensität
begründet. Geschieht nun dieser Wechsel, wie in Fall 3, zu
schnell, als dafs wir seine einzelnen Phasen noch verfolgen
könnten, so nehmen wir nur noch die beiden Endlagen des
hin- und herwandemden Tones wahr. Diese Erscheinung
dürfte als akustisches Analogen zu jener optischen aufzufassen
sein, welche zum Beispiel ein rasch genug schwingender, an
einem Ende festgeklemmter, dünner Metallstab darbietet. Auch
diesen sieht man scheinbar in seinen Endlagen fixiert ruhend,
während zwischen diesen Endlagen nichts als höchstens ein
schattenhaftes Flimmern wahrzunehmen ist. Die obige Über-
legung mufs nun auch für die gleichsinnig schwingenden Tele-
phonplatten gültig sein, denn auch bei deren Benutzung springt
die gröfsere Intensität in raschem Wechsel von Ohr zu Ohr.
Das Bestehen einer Intensitätsdifferenz aber ergibt sich daraus,
dafs das Geräusch, welches beim Angezogenwerden der Platte
durch den Magneten auftritt, sich quantitativ merklich unter-
scheidet von dem beim Loslassen entstehenden, wie man leicht
* Denselben EfiPekt erzielt übrigens die Aufstellung sehr wenig ver-
stimmter und also ganz langsam schwebender Gabeln rechts und links
vorm Ohre.
308 ^arl L. Schaefer.
durch abwechselndes Schliefsen und öffiien eines durch das
Telephon geschickten konstanten Stromes findet.
AuTserdem sind aber auch öffiiungs- und Schliefsungs-
ticken, wenigstens bei den zur vorliegenden Untersuchung be-
nutzten Instrumenten, qualitativ verschieden — und dies ist
ein weiteres Moment, das wohl geeignet ist, getrennte Lokalisation
in beiden Ohren zu veranlassen. Man darf diese Folgerung
aus den klassischen Taschenuhrversuchen E. H. Wbbers her-
leiten, in denen gezeigt worden ist, dafs zwei in verschiedenem
Takte schlagende Uhren, monotisch vernommen, den Eindruck
des Zusammenklanges in rhythmischen Perioden machen, wäh-
rend bei diotischer Verteilung solche Kombination nie stattfindet.
Daraus und aus leicht anzustellenden ähnlichen Versuchen geht
die grofse TJnterschiedsempfindlichkeit gegenüber getrennt
diotischen Schalleindrücken von qualitativer Verschiedenheit
hervor.
Eben diese ünterschiedsempfindHchkeit gibt nun auch
Aufklärung darüber, in welchen FäUen Schwebungen statt in
der Medianebene in beiden Gehörgängen gehört werden. Ver-
bindet man einen Trichter durch einen gegabelten Schlauch
mit den Ohren, bringt ein schwebendes Gabelpaar vor seine
Schallöffnung und nähert derselben dann abwechselnd die
tiefere und die höhere, so nehmen entsprechend die Schwe-
bungen einmal einen tieferen, das andere Mal einen höheren
Charakter an. Dies richtet sich also nach der jedesmal lauteren
Gabel. Gesetzt nun, es werden die Gabeln, gleich laut tönend,
in gleichem Abstände vor je ein Ohr gehalten, etwa links die
höhere, rechts die tiefere, dann erregt der höhere Ton ent-
weder auf dem Wege der Luft- oder der Knochenleitung von
links kommend auch das rechte Ohr, aber durch den Leitungs-
widerstand abgeschwächt weniger stark als der tiefe. Ebenso
überwiegt links der höhere Ton an Litensität. Daher werden
die Schwebungen links höher, rechts tiefer, also auf beiden
Seiten qualitativ etwas verschieden wahrgenonmien werden.
Dieser Unterschied mufs nun um so merklicher werden, je
mehr die Differenz der Schwingungszahlen zunimmt, und in der
That lehrt die Beobachtung, dafs es viel leichter gelingt, die
Schwebungen eines Gabelpaares mit vier Stöfsen (etwa 512
und 516) in die Medianebene zu verlegen — wie dies doch die
doppelseitige Wahrnehmung von Schwebungen in gleicher
Zur interaurealen Lokälisatwn diotischer Wiüimehtnungen, 309
Frequenz mid Intensität erfordert — , als wenn die Differenz
der Schwingtingszalilen z. B. 22 beträgt, wie bei den Tönen
494 nnd 516.
Findet Lokalisation der Schwebtingen in die Medianebene
entweder rein oder zusammen mit einer Verlegung in die Ohren
statt, so sind f&r die weitere genauere Bestimmung der Lage
und Entfernung des scheinbaren Ursprungsortes die im ersten
Abschnitt dieser Untersuchung aufgestellten G-esichtspunkte
mafsgebend.
Zur Psychologie der Frage.
Von
Eich. Wähle,
Privat -Docent a. d. Universität Wien.
Es sei mir gestattet, ehe ich das vorgesetzte Thema in
Angriff nehme, einige einleitende Bemerkungen über die Psy-
chologie im allgemeinen voranzuschicken.
Die Psychologie wird auch heutzutage noch von vielen
Psychologen, trotz der Anerkennung einer gewissen Berührung
dieser Wissenschaft mit der Physiologie, in einer unklaren
Separation von letzterer gedacht. Der und jener glaubt z. B.,
dafs ein Teil eben und derselben psychophysischen Frage
dem Psychologen, ein anderer Teil dem Physiologen zufalle.
Ich will mich nicht beim Falschen aufhalten; die richtigen
Verhältnisse zwischen diesen Wissenschaften scheinen mir fol-
gende zu sein. Physiologie, im Sinne wissenschaftlicher Be-
trachtung in der Beschränkung auf Bewegungsvorgänge an
organisierter Materie, ist abgetrennt von Psychologie, als der.
Betrachtung von Bewufstseinsvorgängen. Physiologie anderer-
seits, im Sinne der wissenschaftlichen Betrachtung und Er-
klärung von Lebensvorgängen überhaupt, schliefst Psychologie
ein. Doch auf diese gewifs richtigen Distinktionen lege ich selbst
gar keinen Wert. Sie sind gar nicht orientierend, denn sie
sind zu abstrakt und verrathen gar nichts vom positiven Gang
der Forschung. Wichtig ist nur die Darlegung der konkreten
Beziehungen der beiden Wissensgebiete. Physiologie ist eine
auf das Leben gerichtete Forschxmg, welche sich nur physika-
lischer Methoden (im weitesten Sinne) bedient; Psychologie
aber — ihrem Wesen nach auf das Bewufstsein gerichtet —
erhält von der psychischen Wahrnehmung zwar ihren Stoff,
ist aber in der wissenschaftlichen Durcharbeitxmg desselben
auf die physiologischen Operationen angewiesen.
2kvr Psychologie der Frage, 311
Dieser unserer Auffassung steht die andere entgegen, welche
die Methode, die Waffe, das Vehikel der Forschung für die Physio-
logie in der Physik, für die Psychologie aber in der inneren
Wahrnehmung sieht und so zwischen beiden einen Trennungs-
graben zieht. Auch wir können natürlich nicht bestreiten,
dafs ja das Material der Psychologie im BewuTstsein liegt, aber
dieses Bewufstwerden der Vorkommnisse ist ohnmächtig für
die Eruierung ihrer Gesetze. Worauf kommt es denn einer
Wissenschaft an? Zuerst, zur Vorbereitung, sind die verschlun-
genen Phänomene derselben und deren Verlauf zu deskribieren,
dann Zusammenhang und Ursachen zn ergründen. Letzteres
kann aber die Psychologie nimmermehr dadurch erreichen, dafs
sie die Phänomene selber nur bemerkt. Ersteres wiederum, was
wohl durch Wahrnehmung geschehen kann, wäre eine so leichte
Aufgabe, dafs sie gar nicht der Bede wert wäre, wenn nicht
die Psychologen — was ja dem Wesen der Wissenschaft ganz
zufälUg und fremd ist — durch die Sprache verwirrt, voll-
kommen fiktive Kategorien geschaffen hätten, die man jetzt
aus dem Wege räumen mufs. — An dieser Aufgabe habe ich
in meinem Gehirn und Bewufstsein (Wien 1884, Holder) gear-
beitet, mich bemüht, den Schein von separaten Bewufstseins-
akten zu zerstören, das Wunder der Einheit des Bewufstseins
aufzulösen und alles Psychische als verschiedene Summen auf-
zuzeigen von extensiven Vorstellungen, wozu ich die wirklichen
Objekte, die Körperempfindungen und die Erinnerungsminiaturen
rechne. Auch die folgende Analyse soll zeigen, welches der
wahre psychische Bestand ist, der dem Namen „Frage" ent-
spricht. Diese Analysen müssen aber bald beendigt sein und
was kann dann das innere Wahrnehmen ergründen? Nichts!
Wir kennen die Formen der Ideenassociationen; man hat sie
gewifs in einer halben Stunde Nachdenkens gefunden;^ aber
was nützt es uns, dafs wir wissen, die a -Vorstellung folgt der
& -Vorstellung, weil ihre entsprechenden Objekte einmal zu-
sammen wahrgenommen wurden, oder einander ähnlich sind —
wenn wir doch nicht wissen, warum von der Unzahl der Vor-
stellungen, die in eben solchen Verhältnissen zu h stehen,
gerade a erschien. ELerbart hat einen genialen aber ganz un-
zulänglichen Versuch gemacht, das zu erklären, und dem blofsen
* Feineres, wichtiges Detail in Wähle : Über Ideenaasodaticnen. Viertel
jahrsschr, f. wissensch, Phil, 1885, und Höffdiko ib. 1890.
312 Sdch. WaMe.
inneren Anschauen wird es niemals gelingen. Für die Psycho-
logie ist die innere Wahrnehmung die conditio sine qna non,
aber sie ihr Forschongsmittel zu nennen, ist so lacherlich, als
wenn man den G-esichtssinn als Vehikel der Chemie bezeichnen
würde. — „Psychologie" hat die klare Aufgabe der Eruierung
der G^esetze des Psychischen; aber „phychologisch'' ist keine
Bezeichnung fui irgend eine Methode; die innere Wahrnehmung
könnte man allenfalls das rein psychologische Verfahren nennen,
das aber nichts, als den zu durcharbeitenden Stoff liefert; die
physiologischen Operationen jedoch sind ein Mittel der Psycho-
logie. Alles, was sich auf das Sehen z. B. bezieht, gehört zur
Psychologie, wird aber durch Physiologie, d. h. physiologisch
angewandte Physik, eruiert. G-eräusche und Töne werden vom
inneren Wahrnehmen natürlich schon unterschieden, aber ohne
physikalische Analysen ist der unterschied kaum präcisierbar
und fiir Auffindung von Gesetzen gar nicht fruktifizierbar. Es
ist freilich reine innere Wahrnehmung, "wenn wir merken:
„jetzt spüre ich wieder eine neue Empfindung, ^^ aber das bleibt
nichtig, ohne Bestimmung der Bedingungen des „jetzt, ^ — und
diese werden geliefert nur durch physikalisch-physiologische
Forschung. — Es ist eine Folge unserer Charakteristik, dals
man es unterlassen soUte, einen Namen „Psychophysik^ zu
gebrauchen; denn, was man darunter versteht, ist nichts, als
Psychologie mit selbstverständlichem, experimentierenden Be-
trieb. — Der Tendenz nach giebt es für das Bewufstsein nur
die Bewufstseinswissenschaft, d. h. die Psychologie; diese aber
muTs sich, nachdem sie die zu erklärenden Phänomene nett
herausgestellt hat, zur Erklärung anderer Methoden, als des
blofsen Anschauens bedienen und zwar in hervorragendster
Weise der physiologisch -physikalischen. Ich sage „in her-
vorragender Weise,^; denn es ist im allgemeinen gar nicht
abzusehen, auf welchen Wegen man zur Entdeckung von
psychischen Gesetzen kommen kann. Vielleicht erschliessen
sich durch Hypnose und Suggestion Gesetze des Gedächtnisses.
^ Ich habe in „Gehirn und Bewußtsein*^ und „Über Intensität und Ahn-
Uchkeit** {Vierte^ahrsschr. f. toisaensch, Fkü., 1890) zu zeigen gesucht, dals
es nicht gleiche Qualität bei verschiedenen Intensitäten, sondern nur
wechselnde Qualitäten gebe und dafs somit alle sogenannten psy-
chophysischen Mafsbestinmiungen eine andere, genauere Terminologie
erhalten müisten*
Zur Bsychologie der Frage. 313
Vielleicht hilft uns die Einführung einer Hypothese oder eines
Begriffes. Nur um ein Beispiel zu geben, fahre ich eine Idee
an, im psychologischen Baisonnement, für einzelne Vorstellungen
— besonders für diejenigen des Kindesalters, zur Zeit ihrer ersten
AcquirieruDg — ihre physiologischePotenz einzusetzen, das heifst,
ihre Häufigkeit des Auftretens und ihre Wirkungsstärke, ihre
Macht, Bewegungen zu erzeugen. Diese hängt z. B. ab von der
relativen Leere des Bewufstseins im Momente des Eintrittes der
Vorstellung. Das Bild eines widerlichen Tieres, das uns aus
dem Schlafe nachts erweckt, kann bis weit in den Tag hinein,
ja für Jahre von mächtigster Wirkung sein. Oder man denke
an das Kräftigwerden eines Klanges im Zustande der Hypnose.^
Kurz, über die Methoden sage man lieber nichts; nur das
bleibt sicher, dafs es ohne physikalisch-physiologische Opera-
tionen so gut wie keine Psychologie giebt, denn was ohne diese
geschehen ist, z. B. hier von mir geschehen soll, ist ledig-
lich vorbereitende Arbeit.
Die Psychologie hat — der Idee nach — einen allgemeinen
Teil, welcher die Gesetze der geistigen Successionen im allgemei-
nen darlegt. Dann hat sie specielle TeUe, welche die Gesetze be-
sonderer Funktionen z.B. die Gesetze der Leidenschaften, des
Charakters — einzelner und Völker — , der Talente etc. darlegen
sollen. Alles, was bisher hierin geschehen ist, hat den Wert, den
ein guter Boman besitzt. Man kann ja alle Eigentümlichkeiten
analysierend auf gewisse Associationsreihen zurückfuhren — aber
das ist wenig mehr, als vorbereitende Arbeit für die kommende
Zeit der Erklärung. Ein Fundamentalunterschied der Menschen
offenbart sich bei den Kindern ; die einen sind bedrückt durch
Eindrücke, scheu, die anderen ergreifen sie offen; die einen
werden grübelnd, theoretisch, sentimental, auf sich gestellt, oft
eitel etc., die anderen licht, praktisch, naiv, schlicht, gesellig
etc. Wieviel liefse sich da reden und wie vage wäre das
Gerede — ehe die Physiologie diese eventuellen Fundamental-
nnterschiede wissenschaftlich fundiert hätte. Von den Sprachen^
* Wenn icli hier gewöhnlichen Schlaf nnd Hypnose zusammenstelle,
so geschieht es nicht, weil sie mir sonst sehr ähnlich erscheinen. Der
Schlaf ist ein Zustand der Ermüdung des ganzen Körpers, im Zustande
seiner chemischen Veränderung, Hypnose eine partielle Buhe an einer
Stelle eines arbeitskräftigen Körpers ; Schlaf ist Ohnmacht , Hypnose
eigentlich mächtige Koncentrierung.
314 Ä«*- Wähle.
Sitten und Ideen der Völker kann die Psychologie nichts
lernen; im Gegenteil all dies bildet Teile der Psychologie,
welche erst, nachdem wir eine wissenschaftliche allgemeine
Psychologie haben werden, mit guten Aussichten in Angriff
zu nehmen sind. Von den verschiedenen sprachlichen Formen
des Urteiles z. B. werden wir für die Erkenntnis der ürteils-
funktion nichts lernen, sondern die Kenntnis des Urteilens
könnte uns über die Gründe der Auswahl verschiedener Aus-
drucksweisen belehren.
Somit haben wir das Verhältnis der Psychologie zu Phy-
siologie bestimmt ausgesprochen und auch die dereinstige
Struktur der psychischen Wissenschaft angedeutet und wollen
nur noch davor warnen, dafs man, bei dem Sprechen über
die Wissenschaften, nicht diese mit den zufallig ihnen an
verschiedenen Fakultäten gewidmeten Lehrkanzeln verwechsle.
— Länger will ich meinem Hauptthema nicht fem bleiben;
es ist die Frage, welches ist das psychische Vorkommnis
oder die Summe von Vorkommnissen, die man „eine Frage"
nennt? Sowie der Physiologe nicht mit dem vulgären Begriff
der Haut z. B. und der Chemiker nicht mit der vulgären Vor-
stellung des Wassers rechnet, sondern alle auf die letzten ihnen
erreichbaren Elemente eingehen, so darf sich der Psychologe
nicht früher beruhigen, als bis er die einzige Aufgabe, die
durch einfaches Achthaben überhaupt gelöst werden kann,
vollendet hat, nämlich bis er zu Ende analysiert hat. — Die
Sprache mit ihrer praktischen Tendenz thut gerade das Ent-
gegengesetzte von dem, was die Psychologie — die vorbereitend
deskriptive — thun soll. Die Sprache sucht so vieles als
möglich, z. B. alle Eigenschaften eines organisierten Dinges,
mit einem Worte zusammenzufassen. Wie viele^ vorge-
stellte Summanden bedeutet „Mensch," „Staat," „musikalisch"
etc.! Kein Mensch vielleicht denkt bei einem Worte dasselbe,
wie ein anderer Mensch. Wir kommen nur zusammen in den
äufseren Dingen und Handlungen und in den terminologisch
präzisierten Wissenschaften, sonst aber in Poesie, dem gewöhn-
lichen Eeden, den Mitteilungen der Gefühle etc. versteht
eigentlich keiner den anderen.
HuME lehrte am nachhaltigsten, dafs man das wahre Sub-
strat der sprachlichen Ausdrücke suchen müsse, indem er
fragte, was man unter „Ursache" verstehe, wenn er auch eine
Zur Psychologie der Frage. 315
ungenügende Antwort gab. Das ganze psychische Inventar
kann man nicht ohne weiteres aufnehmen, — wie Leute, die
mit dem Empirismus flunkern, vorgeben. Die Wegweiser für
die Analyse und für die völlige Aufnahme der psychischen
Landschaft werden anfangs die sprachlichen Kategorien sein
und so wenden wir uns zur „Frage". Der Laie wird zunächst
meinen: eine Frage ist eben eine Frage; er ist natürlich gegen
das Aufgestörtwerden aus seinem ruhigen, leichten Gebrauch
der Worte; deshalb wenden sich an ihn mit Glück jene
Psychologen, welche die Seele mit möglichst vielen irreduciblen
Akten ausgestattet sein lassen, den „Willen" und das „Ähnlich-
finden" etc. als lauter „Letztes", „Eigenartiges" bezeichnen.
Bald wird aber der Laie einsehen, dafs vor allem der sprach-
liche Ausdruck für die Frage nicht wesentlich ist; denn es
wird wohl auch der Stumme in seinem Geiste fragen. Er wird
dann vielleicht glauben, diese wortlose Frage ist ein „Wissen-
wollen" und das Wollen ist ihm wahrscheinlich ein Letztes.
Wir haben aber gezeigt ^, dafs Wollen nur ein Ausdruck ist für
eine bestimmte Art von Reihen, gebüdet aus kommenden und
gehenden Vorstellungen, Aktionsvorstellungen etc.; wir woUen
das nicht verfolgen und haben es nur angeführt, um zu zeigen,
dafs man solche Analysen nicht in sicherem, geraden Fortschritte
txntemehmen kann, sondern immer wieder auf neue Analysie-
rungsaufgaben stöfst. Nur wenn man schon viel Übung erlangt
hat im Auflösen dieser wie aus lauter einzelnen Fäden gebil-
deten Fragen-Knäuel, kann man eine Darstellung geben, die
hier hoffentlich für ganz einfach und simpel gehalten werden
wird, welche übrigens leider, der Natur der Sache nach, eine
etwas gewundene Schreibweise mit sich bringt.
Der psychische Zustand der Frage, welcher sich die
mannigfachsten sprachlichen und sonstigen Aufserungen ver-
schaffen kann, besteht in dem „während einer ünentschiedenheit
Sichbereithalten für eine Wahrnehmung der Entscheidung".
Doch dieser Satz, wie er Resultat einer Analyse ist, bedarf
noch weiterer Einsätze elementaren psychischen Materiales in
seine Ausdrücke. (Wir wollen dies zuerst, wie im Kampfe mit
einem entgegengesetzt Gesinnten geben, dann aber einfach die
^ Zeitschrift ßr Philosophie und phü. Kritik, Bd. 92., und „Gehirn und
Bewußtsein".
Zeitschrift fttr Psychologie. 21
316 Bkh, Wohle,
Thatsaclien zusammenstellen.) Zuerst : was heilst unentschieden-
heit, was ist das psychische Substrat ftr diesen Namen? Man
konnte glauben, dais „XJnentschiedenheit^ bereits das „Bedürfiiis
der Entscheidung^ voraussetze, dals dieses aber identisch sei mit
einer ^yFrage'' und dafs wir also fehlerhafterweise das zu Er-
klärende in die Erklärung aufgenommen hätten. Aber dem
gegenüber halte man fest, da£s „ünentschiedenheit^ ja aller-
dings einen Teil der „Frage*^ selbst bildet, dais es aber selbst
schon etwas Zusammengesetztes ist, was wir jetzt eben dar-
legen wollen.
„TJnentschiedenheit" ist eine „Unsicherheit", „eine Flucht
von Vorstellungen, welche Gegensätze enthalten**. Nun wird
man sagen, ein blofses Vielerlei von Vorstellungen ist als solches
ein rechtmäfsiges historisches Faktum; wieso gilt es als un-
befiiedigende Unsicherheit? Diese kommt dadurch hinein, dafs
eine Vorstellung, durch gleich zu bezeichnende umstände, als
die interessierende Zielvorstellung fungiert, im Verhältnis zu
welcher die anderen als feindliche gelten. Wir werden mit
einem "Worte die Negierung, das „nicht" psychisch aufzuzeigen
haben; denn sie, ja und non, nein, giebt eben „Unsicherheit".
Jene Vorstellungen, welche sich positiv anstatt der „inter-
essanten" einstellen, sind, in Bezug auf sie, das „nicht". Es
giebt nicht psychisch ein aktuelles „nicht", sondern „nicht"
bedeutet nur „ein anderes". — Wodurch wird nun das „Inter-
esse" konstituiert? Man wird sagen, durch „Bedürfiiis" und
dies wird man wie einen „Wunsch" für etwas halten, was
primär, irreducibel, nicht durch Vorstellungen ausdrückbar ist.
Das ist aber unrichtig. Ein kleines Beispiel wird das zeigen.
Ein Kind verspürt Hunger, eine extensive Leibesempfindung,
es schreit; es erhält Nahrung, man bringt sie oder es greift
darnach, und das Hungergefühl verschwindet, angenehme Em-
pfindungen treten auf. Nach einigen solchen Sucoessionen oder
wahrscheinlich schon nach einer einzigen, ist diese Beihe asso-
ciiert. Wenn das Kind nun Hunger verspürt, reiht sich weiter
daran z. B. „Vorstellung der Nahrung und Damach-greifen",
oder „Schreien und Vorstellen des Zubringens derselben"; — und
will man noch mehr, um einen Wunsch bei dem Kinde zu statu-
ieren? Wir sehen also hiemit, wie „Bedürfnis" durch eine Beihe
von Vorstellungen, darunter Aktions Vorstellungen gebildet wird.
Ein solches Bedürfnis ist auch etwas, was man ein „Interesse
Zur Psychologie der Frage. 317
an etwas" nennt. Doch kann „Interesse" auch durch andere
Verhältnisse gebildet werden. Jedes Objekt, auf welches hin
wir unsere Ichthätigkeit, also das Hindrehen des Kopfes, das
Hingreifen etc., gerichtet wissen, ist ein „interessantes Objekt**,
oder, wie wir sagen wollen, ein „Zielobjekt", ein „pointiertes".
Ebenso ist jede Vorstellung, auf welche rekurriert wird, eine
„pointierte". Nun können wir unsere Analyse des „nicht" ab-
schliefsen: was anders ist, als das Pointierte, — was z. B.,
während ein Raum fixiert ist, an diesen nur angrenzt, oder was
seine eben fixierte Form verändert, oder was statt des Dien-
lichen (die Nahrung z. B.). eintritt — heifst, in Erinnerung an
das Pointierte, dessen „nicht". — Jetzt können wir einfach
sagen, was „Unsicherheit" und „Schwanken" ist; es ist der
Wechsel von pointierter, interessirender und negativer Vor-
stellung. Holen wir unser Kinderbeispiel wieder hervor, so
wird der Hunger, Vorstellung der Nahrung, Heranbringen der-
selben. Forttragen derselben, Wiederbringen etc. ein „Schwanken"
des Geisteszustandes des Kindes konstituieren.
Was heifst nun „Entscheidung" ? Die Menschen sind sich
eines höchst einfachen und tiefgreifenden Unterschiedes in
ihren Vorstellungen bewufst. Die einen sind verschwommen,
blafs, klein, zerrissen, inkomplet, die Phantasie- und Erinnerungs-
vorstellungen — ich nannte sie Miniaturen — ; die anderen
haben jenen Habitus, den man eben „Wirklichkeit" nennt. Das
vorgestellte Empfangen des Briefes ist etwas anderes, als das
wirkliche leuchtende Papier, das feste Greifen nach demselben;
die Wehmut, deren Eintritt ich erst befürchte, etwas anderes,
als die wirkliche Wehmut.
„Entscheidung" wird nun geboten durch etwas, was den
Habitus der „Wirklichkeit" trägt, oder bleibende, stabile Kon-
sequenzen nach sich zieht; wie z. B. wenn einer bei sich über-
legt, ob er an Gott oder sein Talent glauben soll oder nicht
und hierauf einer Annahme entsprechend sich weiter geriert.
Jetzt erst halte ich es für angemessen, darauf aufmerksam
zu machen, dafs „pointiert" nicht soviel bedeutet, wie „wirk-
lich". Wenn ich z. B. nach Hause gehen will, um zu schlafen,
so ist mein Haus, das jetzt meine Schritte zu sich lenkt und
mein Bett in der Phantasie en miniature, die pointierte Vor-
stellung, aber noch nicht das „Wirkliche".
Eine besondere Erläuterung des Begriffes „sich bereit halten
21*
318 ^»cA WahU.
ZTXT Wahrnehmung der Wirklichkeit" ist hier kaum nötig. Man
muij9 die Augen öffnen, hinblicken, hingreifen, hingehen etc.,
um ein Wissen zu erreichen. In den Kreis dieser Erschei-
nungen gehört auch das Stutzen, Aufschauen, Lauem; auch
die entsprechenden Stellungen und Empfindungen der Tiere,
die gewifs ebenfalls die „Frage" haben.
Die ^Entscheidung" mufs eine tJbereinstimmung einer
„Wirklichkeit" mit einer Phantasievorstellung enthalten. Wie
wir selbst hervorgehoben haben, kann Wirklichkeit (abnorme
Fälle ausgenommen) der Phantasie nicht gleichen; es handelt
sich hier also um gröfstmögliche stellvertretende Ähnlichkeit
der Form. Über die Korrespondenz des Psychischen, das en
miniature auftritt, mit dem Wirklichen müfste man natürlich
noch ex professo handeln.
Nun geben wir in ununterbrochenem Zuge das psychische
Schema der Frage: Eine pointierte Vorstellung, Wechsel der-
selben mit ihren negativen Vorstellungen, d. h. Wechsel mit
anderen an die pointierte Vorstellung sich anschliefsenden
Vorstellungen, Bereithalten für eine Wahrnehmung einer Wirk-
lichkeit, welche auf die pointierte Vorstellung pafst und dem
Wechsel in der Phantasie ein Ende macht.
Ein Beispiel! Das Bild: „Wird das Boot die Landspitze
umsegeln?" Seemänner stehen am Strande. Sie haben das
Phantasiebild, Miniaturbild das Schiffes hier und dort, nah
und fem der Landspitze, also immer von der Landspitze aus
gemessen ; sie lugen aus und wissen, es wird eine Wahrnehmung
des Wirklichen, korrespondent dem Vorgestellten, eintreten,
worauf ihre Miniaturbüder verschwinden werden.
Ein solches Aggregat von Vorstellungen, welches eben eine
eigenartige Konstellation hat, heifst eine Frage; aber von eigen-
artigen Akten und BewuTstseinsweisen ist nichts zu beobachten.
Es kann weiter verschiedene Arten von Fragen geben;
z. B. die Frage: was wird überhaupt geschehen? bedeutet die
Erwartung, das Bereitsein für eine Wahrnehmung, welche dem
Nichts-Greschehen ein Ende machen wird, der Vorstellung von
„etwas" entspricht. (Das Abstrakte müfste besonders behandelt
werden.) Neugierig zum Fenster hinaussehen ist eine an die
Gasse gerichtete Frage. - - Einen an nervöser Spannung sehr
reichen Zustand giebt es, in welchem nämlich, obzwar die
Frage schon entschieden ist, die geistigen Vorgänge wie vor
Zur PsycJiologie der Frage. 319
der Entscheidung immer wiederkehren, die immer wieder be-
hobene Unsicherheit nachzittert.
Ein Urteil ist oft nichts anderes, als ein Name für eine
Thatsaphe oder ein Ereignis, sei es einem wirklichen oder einem
in der Phantasie, Erinnerung nachgebildeten, z. B. es regnet
oder es regnete. Es enthält psychisch gar nichts anderes, als
blofse Vorstellungen; nur enthält es oft die Vorstellungen des
betreffenden Wahmehmens des Gegenstandes auch noch. —
Von nennenswerter Wichtigkeit sind meist nur solche Urteile,
welche auf einen Zustand der Unsicherheit folgen. Die Psy-
chologie der Frage steht demnach im innigsten Konnex mit
der des Urteilens und der der Aufmerksamkeit. Letztere bildet
ja nur ein schon behandeltes Element der Frage, und es bliebe
eigentlich noch übrig, die Operation und die Arten des Auf-
merkens im Detail darzulegen. Das soll aber hier nicht mehr
geschehen. Das Wichtigste für die Analyse ist „das Interesse'^,
die „Pointierung" einer Vorstellung, welche, ohne ein aparter
psychischer Akt zu sein, wie wir gesehen haben, durch Schmerzen
oder Freuden, durch ihre Verwendung als Mittel etc., durch
Hichtung des Blickes oder des Ergreifens ... zu einer uns occu-
pierenden wird.
Durch die Aktionen wird von Eandheit an in das Qewoge
einzelner Vorstellung Richtung, quasi Polarisation gebracht.
Bemerkenswert ist es für meine Methode, dafs so viele soge-
nannte psychische Funktionen ineinander überzufliefsen scheinen.
Das ist auch thatsächlich der Fall und stellt sich bei der Grup-
pierung der verschiedenen Schemata deutlich heraus. So ist
z. B. der Zustand beim Wollen ganz verwandt d^m der Frage.
Ich werde im Anschlufs an mein y^Gehim und Bewufstseinf' die
wirkKchen psychischen Thatsachen für alle Begriffe geben und
aus einer solchen vollständigen Aufzählung ergiebt sich ein
System von psychischen Gruppen, mit wechselseitigen Über-
gängen, welches, mit seinem Überstreifen der gewöhnlichen
psychologischen Abteilungen, für die physiologische Erklärung
und auch für Psychiatrie von einiger Brauchbarkeit sein dürfte.
über negative Empfindungswerte.
Von
H. Ebbinqhaüs.
I.
Die in den beiden ersten Heften dieser Zeitschrift mitge-
teilten Briefe Fbchnbrs über negative Empfindungswerte werden
in einer Beziehung ftir jeden, der von ihnen Kenntnis ge-
nommen hat, eine äufserst interessante Lektüre gewesen sein,
insofern sie nämlich einen anziehenden Einblick in die wissen-
schaftliche Persönlichkeit ihres Verfassers gewähren. Auf die
geistige ünermüdlichkeit des ausgezeichneten Mannes — und,
wie ich sagen möchte, latenten Mitbegründers dieser Zeit-
schrift, — auf seinen durchdringenden Scharfsinn, auch auf
seine Zähigkeit in Festhaltung einmal angenommener Ansichten
fällt durch sie ein charakteristisches Licht. Aber wie steht es
in sachlicher Beziehung? mit den negativen Empfindungswerten
selbst nämlich? Sollte wohl einer der ausgesprochenen Gegner
der FBCHNEKschen Auffassung durch die vielseitige Beleuchtung
und Verteidigung dieser Auffassung zu ihr bekehrt worden
sein? Oder sollte die vermutlich viel gröfsere Zahl Derer nun
wirkliche Klarheit gewonnen haben, welche nicht recht wissen,
was sie mit den negativen Empfindungen anfangen sollen, aber
freilich auch nicht recht wissen, wie sie von ihnen als einer
notwendigen Konsequenz annähernd richtiger Formeln los-
kommen können? Ich glaube beides nicht, sondern vermute,
die meisten Leser der Briefe werden sie mit dem unbestimmten
Gefühl aus der Hand gelegt haben, dafs die Sache doch wohl
noch irgend einen Haken haben müsse.
Freüich hat sie noch einen Haken. Und da die Frage
nach den negativen Empfindungswerten nicht nur für sich
selbst Bedeutung hat, sondern auch auf die ganze Auffassung
über negative Empfindungswerte, 321
dessen, was unter positiven Empfindungswerten und unter der
Messung solcher Werte zu verstehen ist, orientierend zurück-
wirkt, da femer über diese Dinge — wie die neueste Ver-
öffentlichung von MüNSTERBEBG zeigt — selbst unter den
Psychologen von Fach noch Unklarheit herrscht, so will ich
versuchen, jenen Haken aufzuzeigen und herauszuziehen.
Nicht als ob hierüber noch etwas ganz Neues zu sagen
wäre. Was ich meine, ist schon vor Jahren gesagt worden,
nämlich von Delboeuf,^ aus dessen Versuchen die einzig mög-
liche Interpretation der negativen Empfindungswerte besonders
leicht sich ergab. Wenn seine Darlegungen nicht durch-
schlagend gewirkt haben, so liegt das vermutlich daran, dafs
sie nicht in der ganzen ihnen zukommenden Einfachheit ge-
geben worden sind. Dblboeuf verwickelt die Sache durch
Hineinziehung der sogenannten Ermüdungserscheinungen und
seiner auf diese gebauten allgemeinen Theorie der Sensibilität.
Aber die Bestimmung positiver und negativer Empfindungs-
werte ist ganz und gar unabhängig davon, ob es Ermüdungs-
erscheinungen giebt oder nicht, und sie kann auch in der That
ganz aus diesem ihr inadäquaten Zusammenhang losgelöst
werden.*
n.
Was negative Empfindungswerte sind und allein sein
können, muTs klar werden aus der Bestimmung dessen, was
positive Empfindungswerte sind. Denn wenn die Benennung
der einen als negativer und der anderen als positiver Werte
überhaupt einen Sinn haben soll, so mufs sie dem Verhältnis
Rechnung tragen, zu dessen Bezeichnung eben jene Termini
dienen. Sollte sich ergeben, dafs etwas einem solchen Ver-
hältnis Entsprechendes auf dem Gebiete der Empfindungen
nicht existiert, so ist die Bezeichnung sinnlos, d. h. ein
^ Besonders deutlich nicht in den älteren Schriften, sondern in der
mit Berücksichtigung der TiNNERYSchen Bedenken geschriebenen Abhand-
lung in der Bevue philosopkique V (1878), die im wesentlichen wieder ab-
gedruckt ist u. d. T.: Examen criUque de la loi paychophysique, Paris, 1883.
' Stumpf z. B. interpretiert {Tonpaychologie, I. 399) die FECHKERSche
Formel gewissermafsen im BELBOEUFschen Sinne, aber frei von der irre-
leitenden Hineinziehung der DELsoEUFschen Theorien. Was hier über
die negativen Empfindungswerte folgt, ist nichts als die logische Kon-
sequenz einer solchen Anschauung, die auch die meinige ist.
322 ^' Ebhinghaua.
blofser Name für gewisse analytische Konsequenzen, die sach-
lieh keine Bedeutung haben. Negative Empfindungswerte
müssen also, wenn überhaupt etwas, dann „unter allen üm-
ständeja solche sein, die mit gleich groDsen positiven additiv
verknüpft den Wert 0 geben."* Das heifst: wenn ich einer
behebigen Empfindung erst einen positiven imd dann einen
gleich grofsen negativen Wertzuwachs erteile (oder umgekehrt),
so mufs der Effekt derselbe sein als ob ich sie ganz ungeän-
dert gelassen hätte. Was sind denn nun aber positive Em-
pfindungswerte?
Wertangaben sind Zahlenangaben, wenigstens soll das
Wort hier durchaus in dieser engeren Bedeutung verstanden
werden. Um aber irgend einen Inhalt durch eine Zahl dar-
stellen zu können, ist es nicht genügend, dals man ihn in
Bezug auf einen anderen als gleich oder ungleich beurteilen kann,
auch noch nicht, dafs die beiden etwa das Verhältnis einer
Steigerung oder ihres G-egenteils erkennen lassen. Man mufs
vielmehr aufserdem noch angeben können, was in Bezug
auf die Zählung als Einheit betrachtet werden soll
und wie oft diese Einheit in dem betreffenden Inhalt
enthalten ist. Der Inhalt mufs als Vielfaches, als Mul-
tip lum eines anderen beurteilt werden können, um zählbar
zu sein.
Ich betrachte es nun als einen durch die Diskussionen
über Empfindungsmessung ausgemachten Satz: wenn blols
zwei elementarste Empfindungen eines beliebigen G-ebiets in
irgend einer Hinsicht miteinander verglichen werden, so wird
* Worte Lakoers: Chrundlagen der Psychophyaik, 8.61. Man darf nur,
um im Folgenden nicht irre zu gehen, diese Definition nicht so naifsver-
stehen, wie es Langer selbst begegnet. Ein positiver Wert mit einem
gleich grofsen negativen additiv vereinigt ergiebt den Nullwert. Aber
wenn jene beiden Werte wieder funktionell oder ursächlich von anderen
Werten abhängig sind, so liefert nicht, wie L. verlangt, die additive
Vereinigung dieser letzteren notwendig auch den Wert 0. Bereits
FfiCHNEB hat gegen Langer ein treffendes Beispiel geltend gemacht {In
Sachen d. Fisychoph., S. 38). Der Cosinus eines Winkels ist gleich dem
seines Nebenwinkels, nur mit entgegengesetztem Vorzeichen. Die beiden
Cosinus sind, also in Bezug zu einander positive und negative G-röfsen,
es ist cos a + cos (180 — a) = 0. Aber wenn ich zuerst die beiden Winkel
addiere , so ist der Cosinus dieser Summe durchaus nicht mehr gleich 0,
sondern gleich — 1.
I
über negative Empfindungswerte. 323
niemals die eine als ein Vielfaches der anderen empfunden.
Die beiden Empfindungen können als gleich oder als verschieden
bexirteilt werden. Wenn aber letzteres der Fall ist, so ist ein-
fach die eine anders als die andere, aber sie ist, lediglich
für den unmittelbaren Eindruck, kein Mehrfaches der
anderen, sie enthält nicht die andere und aufserdem sonst noch
etwas in sich. Eine blaue Fläche ist anders als eine grüne,
aber sie hat, lediglich mit Bücksicht auf ihre Farbe, nichts
von einem Doppelten oder Dreifachen der grünen an sich, und
so ist eine hellgraue Fläche einfach anders als eine dunkel-
graue, aber kein Multiplum dieser. Ein tiefer Ton klingt
anders als ein hoher Ton und in ähnlicher Weise eiu lauter
Ton anders als ein leiser. Ganz entsprechend verhält es sich
mit allen anderen Elementarempfindungen, mit Gerüchen, Tem-
peraturen, Druckempfindungen, sog. Muskelempfindungen u. s. w.
Freiüch scheint es sich in einer Hinsicht anders zu ver-
halten, nämHch in Bezug auf die sogenannte Stärke der Em-
pfindungen. Man bezeichnet doch ganz allgemein die Helligkeit
einer Flamme oder einer Fläche als das 10- oder 12-fache einer
anderen Helligkeit und könnte, wie es scheint, ganz ebenso
zwanglos einen lauten Ton als das Doppelte oder Dreifache
eines leisen Tones bezeichnen. Aber was hier vorhegt, ist
durchaus nicht mehr eine unmittelbare Empfindung oder un-
mittelbare Beurteilung von Empfindungen, sondern beruht auf
der Hineintragung von Erfahrungen. Wir können es aUer-
diDgs erleben und erleben es aUe Tage, dafs das Zustande-
kommen eines Helleren oder Lauteren auf einer Vervielfältigung
eben derjenigen physikalischen Dinge oder Vorgänge
beruht, die bei geringerer Anzahl den Eindruck des Dunkleren
oder Leiseren hervorrufen. Um von einer Fläche einen Ein-
druck gröfserer Helligkeit zu haben, kann man die Anzahl der
sie beleuchtenden Gasflammen vermehren, tun einen Ton zu
verstärken, vervielfältigt man die Anzahl der ihn hervorbringen-
den Instrumente. Solche Erfahrungen in Bezug auf die Ur-
sachen der Empfindung tragen wir in deren unmittelbare
Anschauung hinein und glauben das Zählbare, das den einen
allerdings fnhaftet, auch ohne weiteres in den anderen zu haben.
Es ist psychologisch schwierig, hiervon loszukommen, wie es
ja auch schwierig ist, einem grasgrünen Apfel nicht sofort an-
zusehen, da£s er sauer ist. Aber wenn man die doch immerhin
324 H. Ebbinghaus.
mögliche Loslösung von den Nebengedanken vollzieht, dann
wird es klar, dafs, wie der blofse Gesichtseindruck eines Apfels
nichts von Säure an sich hat, so auch der blofse Eindruck einer
Helligkeit nichts von der Mehrheit von Kerzen besitzt, auf deren
Vorhandensein er allerdings vielfach beruht, und dafs der Ein-
druck einer gröfseren Helligkeit lediglich etwas Anderes ist
als der einer geringeren. Dafs wir einer ähnlichen Täuschung
in Bezug auf die Parbentöne und Tonhöhen nicht unterliegen,
sondern in dieser Hinsicht ohne weiteres sicher sind, die Ver-
schiedenheiten nicht als Multipla beurteilen zu können, liegt
lediglich daran, dafs uns hier die auf die Ursachen bezüglichen
Nebenerfahrungen fehlen. Ständen uns aber über die Ab-
hängigkeit dieser Verschiedenheiten von der Schwingungs-
frequenz ebenso leichte und alltägliche Erfahrungen zu Gebote,
wie über die Abhängigkeit der Empfindungsstärke von der
Anzahl der äufseren Ursachen, so könnte es gar nicht fehlen,
dafs wir in den hohen Tönen und den blauen Parben-
schattierungen etwas Schnelleres zu empfinden meinen würden
als in den übrigen.
Abgesehen von Nebenerfahrungen und rein an und für
sich beurteilt sind also zwei einfache Empfindungen in keiner
Hinsicht ein Vielfaches voneinander ; es kann daher auch nicht
die eine in der Einheit der anderen irgendwie ausgezählt
werden.^
^ Man pflegt die obige Behauptiuig vielfach so auszusprechen: Alle
sog. Intensitätsunterschiede der Empfindungen sind eigentlich Unter-
schiede der Qualität. Ich vermeide diese Formulierung absichtlich, weil
die in sie eingehenden Termini nicht ganz eindeutig sind und eine Dis-
kussion in ihnen daher leicht zu Verwirrung oder zu einem blofsen
Wortstreit führt. Töne und Geräusche z. B. unterscheiden sich in zwie-
facher Weise voneinander, in Bezug auf hoch und tief und in Bezug
auf laut und leise. Man bezeichnet jenes als ihre Qualität, dieses als
ihre Intensität. In beiden Beziehungen besteht nun die einfache That-
sache, dafs ein Ton an und für sich, verglichen mit einem anderen nicht
als Multiplum beurteilt werden kann. Man formuliere dies „die Inten-
sitätsunterschiede der Töne sind eigentlich als Qualitätsunterschiede
aufzufassen", so entsteht sofort folgendes Plaidoyer. A.: Wie kann man
nur der Behauptung, dais Intensitäten eigentlich Qualitäten seien, über-
haupt einen Sinn abgewinnen? Beides sind doch wohl auseinanderzu-
haltende, völlig heterogene G-rundeigentümlichkeiten der Empfindung,
die freilich nicht getrennt voneinander vorkommen, aber deshalb doch
nicht miteinander identifiziert werden dürfen. B. : Wie kann man nur
über negative Empfindungswerte, 325
Man hat bekanntlich ungezählte Male und mit Emphase
aus diesem Satze die Folfi^erune: fi^ezogen, dafs es mit einer
Messung der Empfindungen nichtf sei unk nichts sein könne,
denn wenn man die Empfindungen als solche nicht zählend
miteinander vergleichen kann, wie kann man sie messen? Eine
andere Konsequenz, welche die glücklich halb geklärte Sachlage
aufs neue zu verwirren droht, hat neuerdings Münsterbbrg^
aus demselben Satze abgeleitet, dafs nämlich die den Em-
pfindungen an sich allerdings abgehende Mefsbarkeit in be-
gleitenden Muskelempfindungen zu suchen sei. Dafs beide
Folgerungen irrig sind, und wo die Empfindungszählung bezw.
-messung eigentlich zu suchen ist, darüber orientiere ich zu-
nächst an einem besonders einfachen zu ihr gehörigen Falle,
nämlich an der räumlichen Messung.
Die räumlichen Bestimmungen bilden wie Farben, Töne u.s.w.
ein eigentümliches Empfindungsgebiet und nichts anderes. Auch
für dieses G-ebiet aber hat durchaus der oben formulierte all-
gemeine Satz Gültigkeit, dafs je 2 Elementarempfindungen zwar
als gleich und verschieden, aber nicht als Vielfache voneinander
beurteilt werden können. Die psychischen Elemente der Ilaum-
empfindung oder Baumanschauung sind die Orte. Zwei Orte
nun können als gleich, d. h. als gleichgelegen empfunden
werden (z. B. bei successiver Betrachtung oder Betastung) oder
den einfachen Sinn der Behauptung, dais Intensitäten Qualitäten seien,
überhaupt verkennen? Die sogenannten Intensitätsverschiedenheiten
der Empfindungen pflegt man aufzufassen als solche, die einer quantita-
tiven Bestimmung zugänglich sind, bei den Qualitätsverschiedenheiten
giebt jedermann zu, dafs hiervon keine Bede sein könne. Nun ist aber
diese Auseinanderhaltung der beiden Arten von Verschiedenheiten irrig.
Wenn man absieht von Erfahrungen bezüglich der äufseren Beize, so
sind bei Intensitäten Qualitätsbestimmungen ebenso unmöglich, wie bei
Qualitäten ; Empfindungen können immer nur als gleich oder verschieden
beurteilt werden, nicht aber als ein Vielfaches. Und eben das ist der
Sinn des Satzes, dafs Intensitäten im Grunde auch Qualitäten seien.
(Als Beleg solcher Diskussionen diene Münsterbero: Beiträge z. experiment,
Psychol, H. 3, S. 5—10. Ebda. S.3 auch die litterarischen Verweise). Natür-
lich haben A. und B. beide recht; sie gebrauchen eben die allgemeinen
Termini in etwas verschiedenem Sinne. Dafs ihre Erörterung überflüssig
sei, kann man auf dem Boden dieser Termini nicht eigentlich sagen,
aber dafs sie förderlich sei, doch gewils auch nicht.
^ Beiträge z, eoq>enm. Psychologie, Heft 3.
326 B:. Ebbingham.
aber als ungleich. Die üngleichlieit kann in mehreren Be-
ziehungen oder Arten stattfinden; ein Ort z. B. kann oben
Uegen, ein anderer unten, ein Ort rechts, ein anderer links,
einer vorn, der andere hinten. Auch können mehrere Arten
der Ungleichheit gleichzeitig bestehen, indem z. B. ein Ort
rechts oben von einem anderen Uegt. Niemals aber enthält die
Ungleichheit zweier Orte, wenn blofs diese an und für
sich beurteilt werden, etwas Vielfaches und Zählbares;
der eine Ort wird anders empfunden als der andere, das ist
alles. Oben sein ist etwas ganz anderes als unten sein (worin
anders, das empfindet jeder in unmittelbarer Anschauung), es
ist aber nicht ein Doppeltes oder überhaupt irgend ein Viel-
faches von unten sein; ein Ort rechts von einem anderen sieht
anders aus als eben dieser andere, der da links von jenem Uegt,
aber keiner ist ein Multiplum des anderen. Freilich können
auch hier Nebenerfahrungen stattfinden, durch deren ffinein-
tragung der Anschein numerischer Verschiedenheiten entsteht.
Ein Ort oben kann mit einer langen Stange in Verbindung
stehen, durch sie gestützt werden u. dergl., ein Ort unten mit
einer kurzen Stange; ein Ort rechts kann durch wenige Be-
wegungen erreichbar sein, ein Ort links erst durch sehr viele
u. s. w. Aber wenn man absieht von solchen allerdings zähl-
und mefsbaren Nebenbestimmungen und lediglich die Orte
als solche betrachtet, so haben ihre Verschiedenheiten
nichts Quantitatives an sich und sind nichts Vielfaches von-
einander.
Wann und wodurch wird denn nun also das Räumliche
numerisch bestimmbar? Dadurch, wie allbekannt, dafs nicht
mehr bloüs zwei, sondern mindestens drei B.aumelemente mit
einander verglichen werden. Zwei Orte sind blofs überein-
stimmend oder nicht übereinstimmend in ihrer Lage, sonst
nichts. Werden aber drei in Betracht gezogen, so können die
zwischen ihnen bestehenden Ortsverschiedenheiten, die
Distanzen, verglichen werden und diese sind nicht mehr
nur gleich und ungleich, sondern sie sind auch gröfser und
kleiner in Bezug zu einander und namentlich können sie als
Vielfache voneinander beurteilt werden. Von 2 Punkten a
und b liegt einfach der eine oben, der andere unten. Bei drei
Punkten a, b und c aber kann a verglichen mit c mehr oder
weniger oben, höher oder tiefer liegen als b verglichen mit c;
über negative Empfindungswerte. 327
die Ortsverschiedenheit a/c^ kann ebenso grofs, gröfser oder
kleiner sein als die Ortsverschiedenheit b/c. Ist eine beliebige
Ortsverschiedenheit b/c erstens ebenso grofs wie die Ortsver-
schiedenheit a/b und zweitens eine Verschiedenheit derselben
Art wie a/b (d. h. in gewöhnlicher Ausdrucksweise : liegen die
Orte b und c in derselben Bichtung in Bezug zu einander wie
die Orte a und b\ dann ist die Distanz a/c das Doppelte der
Distanz a/b (oder b/c)] sie enthält die letztere zweimal in sich;
ausgezähit oder gemessen in der Einheit a/b (bezw. b/c) hat sie
den Zahlwert 2. Analog verhält es sich mit gröfseren Zahl-
werten, überall aber, wo BäumUches mit Zahl- und Mafs-
bestimmungen auftritt, beruhen diese in solcher Weise auf
einer Vergleichung nicht der Elemente des Räumlich eu, der
Orte, sondern der zwischen ihnen bestehenden Verschiedenheiten,
auf einer Vergleichung der Distanzen; es gehören also zu einer
numerischen Baumbestimmung nicht zwei, sondern mindestens
drei (im allgemeinen aber 4) Orte. Ob diese bei der Zahlen-
angabe ausdrücklich genannt sind oder nicht, ist gleichgültig;
hinzugedacht sind sie allemal; ohne die, mindestens implizierte ,
Bezugnahme auf sie hat die Zahlenangabe keinen Sinn. Ein
Berg ist 1800 m hoch, heifst: ein Ort auf dem Gipfel des
Berges und ein beliebiger Ort auf dem Meeresniveau haben,
blofs mit Brücksicht auf das Oben-unten beurteilt, eine solche
Lageverschiedenheit voneinander, dafs sich zwischen beiden
1799 andere Orte angeben lassen, welche sämtlich, jeder von
seinem Nachbar und wieder blofs mit Bücksicht auf das Oben-
unten, eben die Distanz haben, die man konventionell als ein
Meter bezeichnet.
Ich sage nun: ganz dieselbe Art von Mefsbarkeit,
die für das räumliche Empfindungsgebiet besteht,
besteht (im Prinzip) auch für alle übrigen Empfindungs-
^ Der Vertikalstrich bedeutet ein blofses Trennungszeicbeii der
Buchstabensymbole und ist absichtlich gewählt, um jeden irreleitenden
Gedanken an Verwandtes, aber nicht hierher Gehöriges auszuschliefsen.
Die Ortsverschiedenheit oder Distanz a/b ist weder aufzufassen als
Differenz (denn eine Differenz besteht nur zwischen Zahlen, die bloDsen
Orte a und b aber sind nichts Zählbares), noch ist sie identisch mit der
Strecke ab im geometrischen Sinne, d. h. mit dem Inbegriff der sämt-
lichen Orte, die in der Bichtung b zwischen a und b liegen. Sie ist
blofse Punktdistanz und als solche etwas sui generis, dessen man un-
mittelbar inne wird, wenn man die beiden Punkte ansieht oder betastet.
328 S, Ebbinghaus.
gebiete; diejenige Mefsbarkeit von Empfindungen
aber, deren Fehlen man so oft als etwas Besonderes
der Farben, Töne, Gerüche u. s. w. hervorhebt, besteht
auch für das ßäumliche nicht. Sucht und versucht man
die Empfindungsmessung nur da und auf solche Weise, wie
ihre Möglichkeit für das BäumUche seit undenklichen Zeiten
vor AUer Augen hegt, so wird man sie auch finden. Wenn
man sie freüich anderswo gesucht und dann nicht gefunden
hat, so soll man sich nicht wundem; man hat eben uLinniges
gesucht und damit nur konstatieren können, dafs eine von
schiefen Gesichtspunkten angefafste Sache allerdings nicht geht.
Am deutlichsten ist dieses Verhältnis vielleicht, nächst den
B.aumempfindungen, bei den Farben- und speziell den Hellig-
keitsempfindungen. Ich beschränke mich daher darauf, die
Nutzanwendung des oben Ausgeführten auf die letzteren zu
machen. Wie zwei Orte, so sind auch zwei Helligkeiten, an
und für sich betrachtet, lediglich gleich oder ungleich und
weiter nichts. Mehrere Arten der Ungleichheit, wie bei den
Orten, giebt es nicht, wenn man blofs Helligkeiten ins Auge
fafst; diese bilden eine bestimmte Art der Verschiedenheiten,
welche den Farben im allgemeinen zukommt. Alle Vorstellungen
femer von einer numerischen Gröfse der Verschiedenheiten
der isolierten Helligkeiten beruhen auf Hineintragung von
Nebenerfahrungen, nicht auf unmittelbarer Beurteilung. Nume-
risch bestimmbar wird die Verschiedenheit von Helligkeiten
für die unmittelbare Empfindung erst dann (in diesem
Falle aber ist sie es auch immer), wenn ihrer nicht
mehr zwei, sondem mindestens drei vorhanden sind und nicht
mehr die einzelnen Helligkeiten, sondem die zwischen ihnen
bestehenden Verschiedenheiten oder Distanzen verglichen wer-
den, wenn die Art und Weise beurteilt wird, um einen
geläufigen und treffenden Ausdruck zu gebrauchen, wie die
einzelnen Helligkeiten gegen einander abstechen. Sind
z. B. die vier Helligkeiten a, 6, c und d gegeben, so kann
man beurteilen, ob die Distanz je zweier von ihnen gröfser
oder kleiner ist als die Distanz je zweier anderen, d. h. ob,
abgesehen von allen Nebenerfahrungen und rein an und für
sich betrachtet, h stärker oder schwächer von a absticht als c
von h oder d von c. Findet sich dann etwa, dafs die beiden
Verschiedenheiten a/6 und h/c einen gleichen Eindruck machen,
über negative Empfindungatoerte. 329
dafs also a und b sich ebenso sehr voneinander abheben , wie
b und c, so wüfste ich nicht, wie man dieses Verhältnis anders
ausdrücken sollte, als indem man sagte, die Distanz a/c ist das
Doppelte von a/b (oder auch von 6/c), c sticht doppelt so stark
von a ab, wie b von a oder wie c von b. Würden alle drei
Distanzen a/b, b/c und c/d als gleich grofs beurteilt, so wäre
a/d das Dreifache von jeder der aneinander schliefsenden und
untereinander gleichen Teildistanzen. Durch Fortsetzung
solcher Vergleichungen kann man offenbar jede beliebige Hellig-
keitsdistanz in jeder beliebigen Einheit auszählen oder aus-
messen, und für die rein subjektiven Helligkeitsempfindungen
in Beziehung zu einander numerische Werte gewinnen, die
je nach umständen ganzzahhg oder auch gebrochen sein können.
Was man so thut, ist prinzipiell genau dasselbe, was bei der
räumUchen Messung geschieht. „Eine gewisse Baumdistanz ist das
Doppelte einer anderen" heifst: es läfst sich innerhalb der ersten
Distanz ein Ort angeben, der aus ihr zwei aneinanderschliefsende
und gleichgerichtete Teildistanzen macht, welche ihrerseits beide
gleich der zweiten Distanz und also auch untereinander gleich
sind. Und ganz konform ist eine Helligkeitsdistanz das Doppelte
einer anderen, wenn sich innerhalb jener eine Helligkeit an-
geben läfst, welche zwei untereinander und einer dritten gleiche
kleinere Helligkeitsdistanzen abteilt. Zahlenwert also hat nicht
die einzelne Helligkeit verglichen mit einer anderen, wenn
blofs die Empfindungen und nicht die hier gar nicht in Betracht
kommenden objektiven Ursachen beurteilt werden. Sondern
Zahlwert haben, ganz wie bei den Orten, immer nur die
Distanzen, die Abstände je zweier Helligkeiten in Bezug zu
einander. Um die Helligkeiten a und b rein subjektiv numerisch
mit einander zu vergleichen, ist immer eine dritte Helligkeit c
erforderlich, auf die jene beiden bezogen werden, in Bezug auf
welche der Abstand oder das Abstechen von a und b beurteilt
wird. Ob diese zum Vergleich unbedingt nötige Helligkeit c
ausdrücklich genannt ist oder nicht, ist gleichgültig. Hinzu-
gedacht mufs sie sein, sonst hat die Zahlenangabe keinen
Sinn. Man kann aber für sie, ganz ebenso wie bei Höhen-
angaben, Temperaturbestimmungen u. dergl., ein für allemal
eine konventionelle Festsetzung treffen, so dafs sie dann bei
den einzelnen Zahlenangaben nicht immer ausdrücklich genannt
zu werden braucht, obwohl sie immer mit gemeint sein mufs.
330 ^' Ebbinghaus.
Man könnte z. B. sagen, alle subjektiven Helligkeitsangaben
sollen auf diejenige Helligkeit als Ausgangspunkt bezogen
werden, welche man empfindet, wenn man nach der Betrachtung
des diffusen Wolkenhimmels in einen möglichst lichtlosen Baum
blickt.^ Denkt man sich einen solchen konventionellen Null-
punkt \ hinzu, dann gewinnen auch Zahlenangaben, in denen
blofs von zwei Helligkeiten die Bede ist, als reine Em-
pfindungswerte einen Sinn. Ein Grau h^^ ist zehnmal so
hell als ein anderes h^ heifst dann: zwischen \q und jenem
willkürlichen Nullpunkt h^ lassen sich neun andere Grau an-
geben, von denen je zwei aufeinanderfolgende stets ebenso
stark gegeneinander abstechen wie \ von A^.
Die Übertragung auf andere Empfindungsgebiete, nament-
lich auf die besonders wichtige Tonwelt, liegt auf der Hand,
überall kann man das unmittelbar Empfundene zählen und
messen, ganz wie auf dem Gebiete der Baumempfindungen,
aber überall, wieder ganz wie bei dem Bäumlichen, nicht schon
die isolierten Elemente, sondern erst die Gröfse der zwischen
ihnen bestehenden Verschiedenheiten.
Alles das, wie mehrfach betont, prinzipiell. Praktisch
freilich bestehen grofse und stellenweise ungeheure Verschieden-
heiten zwischen der räumHchen und jeder anderen Art der
Empfindungsmessung, die das Verkennen der prinzipiellen Ver-
wandtschaft wieder begreiflich und entschuldbar machen. Die
räumliche Empfindungsmessung ist für das tägliche Leben von
auTserordentlicher Bedeutung und wird daher unendlich häufig
geübt; sie wird gleichzeitig durch eine besondere Eigentüm-
lichkeit der Natur, nämlich durch die Möglichkeit, räumliche
Distanzen aufeinanderzulegen, zu einer besonders leichten
und genauen Sache. Die sonstigen Empfindungsmessungen
dagegen spielen im täglichen Leben eine geringere, teilweise
gar keine Bolle; sie sind also teUs gar nicht, teils nur unvoU-
^ Man wolle die obige Bestimmung blofs als Beispiel betrachten
und nicht daran herummäkeln. Erstens wäre sie für genaueste Zwecke
bei weitem noch nicht genau genug und bedürfte mannigfacher Zusätze^
und zweitens ist es fraglich, ob sie gerade praktisch bequem sein würde.
Aber in anderen Fällen ist das nicht anders. Das Meeresniveau z. B.|
auf welches wir unsere Berghöhen beziehen, ist erstens etwas stetig
Fluktuierendes, so dafs noch genauere Bestimmungen nötig sind, welche
Höhe eigentlich gemeint ist, und kann zweitens im Inneren des Landes
auch immer erst durch mannigfache Vermittelungen festgestellt werden.
über negatifoe Empfindungstoerte. 331
kommen geübt, und sie werden femer, wieder daroli besondere
Eigentümlichkeiten der JSTatur, zn relativ schwierigen und un-
genauen Operationen. Aber diese Unterschiede des praktisch
Brauchbaren und Unbrauchbaren , des in der Ausführung
Leichten und Schwierigen, haben für die Wissenschaft nur
sekundäre Bedeutung. Für das Eindringen in die Struktur
sozusagen des Empfindungslebens kommt es durchaus auf die
prinzipiellen Verhältnisse an.
AuTserdem ist übrigens die Bestimmung von Empfindungs-
distanzen keineswegs in dem Grade schwierig und unsicher,
wie man dies gelegentlich behauptet findet. Wenigstens nicht
far Helligkeitsdistanzen, über die ich Erfahrungen besitze.
Natürlich darf man sich nicht mit den bezügHchen Fragen an
vorwiegend abstrakt beschäftigte Gelehrte wenden. Die allen
Menschen verliehene Anschauung kann freilich auch ihnen
nicht abgehen, allein sie ist erstens nicht ausgebildet und ist
zweitens meist durch physikalische oder auch durch erkenntnis-
theoretische Nebengedanken getrübt. Aber man frage Zeichen-
und Malschüler, Verkäufer in Stickwaren- und Stoffgeschäften,
kurz Leute, die mit Farben zu thun haben, von objektiven
Helligkeiten und Ätherwellen nichts wissen und namentlich
noch nicht a priori überzeugt sind, dafs es das, was sie sehen,
eigentlich nicht geben kann, und man wird finden, dafs ihnen
die rein subjektive Beurteilung gleicher und ungleicher Grade
des AbStechens der Farben und Helligkeiten voneinander
etwas durchaus Geläufiges ist. Auch Studenten sind brauchbar.
Die Bestimmung gleicher Helligkeitsdistanzen durch die vox
populi gewissermafsen eines Auditoriums ist ein ganz sicheres
Vorlesungsexperiment.
Mit dem Bisherigen wäre nun endlich die oben (S.322) ge-
stellte Frage beantwortet : was sind positive Empfindungswerte?
Sie sind, lautet die Antwort, auf allen übrigen Empfindungs-
gebieten eben das, was sie bei den Baumempfindungen sind,
nämhch Empfindungsdistanzen oder Distanzempfindungen zwi-
schen je zwei Empfindungselementen des betreffenden Gebiets.
Von anderen Zahlwerten der Empfindung zu sprechen hat gar
keinen Sinn.
Damit ist aber auch sofort die weitere Frage klar, auf die
wir ja hinauswollten, was nämlich negative Empfindungswerte
sind und allein sein können. Negative Werte sind all-
Zeitschrift für Psychologie. ^
332 S, Ebbinghaua.
gemein solche, die mit gleich groiGsen positiven additiv ver-
einigt, diese annullieren. Etwas anderes negativ zu nennen, hat
wiederum gar keinen Sinn. Es sei nnn gegeben ein Empfindnngs-
wert eje^^'j dieser werde vermehrt um den Wert eje^] es re-
sultiert die Empfindung eje^. Jetzt entsteht die Frage : Durch
Zufügung welcher weiteren Empfindung wird der Effekt des
Zuwachses eje^^ wieder aufgehoben? welchen Empfindungswert
mufs ich zu eje^ hinzuthun, um die Ausgangsempfindung eje,^
wiederherzustellen? Offenbar ist die erforderliche Zuthat als
eje^ zu bezeichnen, d. h. ich muTs von e; aus denselben Schritt
zurückthun, den ich von e^ aus vorwärts that. Die Empfindungs-
distanzen eje^ und eje^j die zwar zwischen denselben Elementen
bestehen, aber in gegensätzlicher Bichtung, sind Werte,
die sich ganz wie positive und negative Gröisen zu einander
verhalten. Handelt es sich z. B. um Helligkeiten und ist e;
heller als e^, so ist eje^ die Empfindung der Aufhellung, die
ich habe, wenn ich nach dem Anschauen von e^ zu e^ fort-
schreite, und ganz entsprechend umgekehrt eje,^ die Empfindung
der Verdunkelung, mit der ich die Bückkehr von e. zu c„ er-
lebe. Die Helligkeiten sind in beiden Fällen dieselben, auch
die Gröfse des zwischen ihnen bestehenden Gegensatzes, aber
die Art dieses Gegensatzes ist eine zwiefach verschiedene, und
diese Verschiedenheiten haben genau die Eigentümlichkeit
positiver und negativer Werte: additiv vereinigt annullieren
sie sich. Negative Empfindungswerte also, so ist zu sagen,
sind, ganz wie positive, Empfindungen einer Distanz, einer
Verschiedenheit, zwischen irgendwelchen Elementarem-
pfindungen, nur ist die Sichtung dieser Disteuxz in entgegen-
gesetzter Bichtung von derjenigen zu rechnen, die man für die
positiven Empfindungswerte gewählt hat.
Das beruht alles nicht auf besonderen Annahmen oder
Konventionen, sondern ist eine einfache und ganz unausweich-
liche Eonsequenz der Art, wie wir nun einmal empfinden.
Numerischen Wert haben für uns nicht die Elementarem-
pfindungen an sich, sondern die zwischen ihnen bestehenden
Distanzen. Jede Distanz aber hat ihrer Natur nach zwei
Bichtungen, die unmittelbar als etwas Verschiedenartiges em-
pfunden werden. Ein Sprung nun von dem einen Ende der
Distanz zu dem anderen in einer Bichtung und dazu derselbe
Sprung in umgekehrter Bichtung, das hat denselben Effekt,
über n^ative JSn^findungswerte. 333
als ob gar kein Spnmg stattgefunden hätte, d. h. beide Sprünge
bezw. Bichtungen verhalten sich völlig wie positive und negative
Grofsen zu einander. In welcher Sichtung man die Distanz-
empfindung als positiv und in welcher als negativ bezeichnet,
ist natürlich irrelevant; die Bezeichnungen haben ihren Sinn
nur in wechselseitiger Beziehung zu einander. Betrachtet man
z. B. den Eindruck einer weifsen Spitze auf schwarzem Ghrunde
als etwas Positives, dann ist der Eindruck desselben Spitzen-
musters in Schwarz auf weifsem Grunde das entsprechende
Negative und umgekehrt. Aufsteigende Tonfolgen und ab-
steigende Tonfolgen, Morgendämmerung und Abenddämmerung,
Crescendo und Decrescendo sind andere Beispiele solcher corre-
laten Empfindungswerte.
Ganz wie von hypothetischen Annahmen, so ist die richtige
Bestimmung der negativen Empfindungswerte aber femer auch
völlig unabhängig von irgend welchen Beziehungen, in denen
die Empfindungen sonst noch stehen, wie z. B. von der in dem
WEBERschen Gesetz ausgesprochenen Beziehung, an die hier
vor allem zu denken ist. Wenn die als äufsere Ursachen der
Empfindungen auf den Organismus einwirkenden Energien ver-
stärkt werden, so wachsen auch die Empfindungswerte (in dem
mehrfach dargelegten Sinne), und zwar in einer eigentümHch
verlangsamten, hinter der Proportionalität zurückbleibenden
Weise. Streckenweise geschieht ihre Zunahme annähernd pro-
portional den Logarithmen der äufseren Beize. Aber ob sie
so oder anders geschieht, ist für das Wesen der negativen Em-
pfindungswerte völlig gleichgültig. Sie würden bleiben, was
sie sind, auch wenn die Abhängigkeit der Empfindungen von
den äufseren Reizen eine ganz andere wäre. Ihre Existenz
hängt ja gar nicht wesentlich davon ab, dafs die Empfindungen
äufsere Ursachen haben, sondern lediglich davon, dafs die,
einerlei wie zu stände kommenden Empfindungen an und für
sich nicht als Gröfsen beurteilt werden können. Diese That-
sache aber würde sich, so viel zu übersehen, mit allen möglichen
Beziehungen zwischen den Empfindungswerten und den Stärken
der äufseren Beize gleich gut vertragen.
Man muXs sich also ganz und gar von der Vorstellung
freimachen, als ob die negativen Empfindungswerte etwas wären,
was besonders enge Beziehungen zu Fbghnebs logarithmischer
Formel hätte. Sie stecken freilich in dieser und können aus
22*
334 ^* Ebinnghaus.
ihr heransinterpretiert werden; aber sie müssen ebenso^t in
jeder beliebigen anderen Formel darinstecken^ in der von
Empfindungs werten die Bede ist. Denn Empfindungswerte
sind eben ihrer Natur nach Grölsen, die f%Lr jeden absoluten
Wert sowohl positiv wie negativ sein können, und eine Em-
pfindungsmafsformel, die dem nicht Bechnung trüge, die nicht
in solchem Sinne interpretiert werden könnte, wäre eine falsche
Formel.
Wie sich die Interpretation in konkreten Fällen gestaltet,
will ich weiterhin zeigen. Zuvor werfe ich noch einen Blick
auf die FECHNEBsche Auffassung der Sache.
(Schlufs im nächsten Heft.)
Versammlungen.
X. Internationaler medisinischer Kongrefs zn Berlin 1890.
I.
Sektion für Augenheilkunde,
Beferiert von Claude du Bois-Betmokd,
SchriftfCOirer der Sektion.
In seinem Vortrag über Behandlung der Kapsel während und
nach der Staarextraktion hatte Knapp (New-York) folgende Bechnung
aufgestellt: Durchschnitts-Sehschärfe nach — minus Durchschnitts-Seh-
schärfe vor — der Kapseldiscission gleich dem Gewinn der Operierten,
und auf Grund mehrerer grofser Beihen behauptet, die Operierten ge-
wönnen mehr durch die Discission als durch die Hauptoperation.
Hierzu bemerkte in der Diskussion Dufour (Lausanne): Ich bin
verwundert, dafs Knapp Fälle mit 'V« tmd selbst ***/»o! der Discission
unterwirft. '7so ist eine sehr gute Sehschärfe, mit welcher Arzt und
Patient zufrieden sein können. Es ist mit Bücksicht auf das psychophy-
sische Gesetz zu bezweifeln, dafs die Befriedigung des Operierten, von
"•/m auf **/io gebracht zu werden, nach den Zifferwerten bemessen
werden kann.
Yalude (Paris) erörtert die Frage nach der Entstehung des
Schielens. Er entwickelt die Ansicht, dais das Schielen, welches ja auch
als anerkanntes Entartungsmerkmal Neuropathischer von Lombroso und
F^RE aufgestellt wird, in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nur mittel-
bar aus optischen Ursachen entspringe. Diese sollen vielmehr meist nur eine
prädisponierende Wirkung haben; das Schielen wird dann bei solchen
geeigneten Individuen durch Zufälle neuropathischer Natur, z. B. hyste-
rische Krämpfe, veranlafst. Auch ohne optische Prädisposition wird
diese Form beobachtet. Er stützt diese Behauptungen durch eine Beihe
von Fällen, wo trotz Operation und Korrektion Bückfälle eintraten, oder
das Schielen als begleitendes Symptom von Neurosen auftrat und der
Behandlung mit Nervenmitteln sich zugänglich erwies.
Gbadle (Chicago) demonstriert seine Vorrichtungen zur Auf-
hebung der Fusionstendenz der Augen. Er hat die Prüfimg mit
Prismen unzuverlässig ge^nden, weil dabei leicht zu grofse Ablenkungen
angegeben werden. Der Apparat ist im wesentlichen eine die Blickfelder
trennende Wand, dem Gesichtsprofil anliegend, von 30 cm Länge, mit einer
durchsichtigen Tafel für die nahen Objekte. Indem beiden Augen verschie-
336 Veraanmhmgm,
dene Tafeln mitMafsstäben dargeboten werden, erhält man exakte, subjektive
Messungen. Es ist gewissermaisen die bekannte Schielprobe, bei welcher
man unter der deckenden Hand die Schielneigung beobachtet, zur
messenden Methode erhoben. Bedner hat 60 Normale und 100 Asthen-
opische untersucht. In der Hälfte aller Fälle wurde eine merkliche
Vertikal- Abweichimg gefunden. Dieses „latente Aufwärtsschielen (Hyper-
phorie/' bedingte keine Störung, wenn es Vb^ nicht überstieg. Dabei
zeigte sich nicht selten Baddrehung, selbst bis zu 15^, welche keine
Beschwerden verursachen soll. Die Methode ermöglicht, alle Arten der
Schielneigxmg , beim Fem- und Nahesehen, zu bestimmen. Bei weitem
am häufigsten besteht Divergenzneigung, besonders in der Nähe. Bei
dieser Abweichung sind die gefundenen Winkel wenig konstant und
schwanken besonders unter Einflufs von Ermüdung. Vertikale und
horizontale Abweichung können verschiedenartig kombiniert vorkommen.
In einem Vortrag über Prüfung auf Farbenblindheit wies Gaoss-
MANV (Liverpool) darauf hin, dafs kleine centrale Farbenskotome bei der
HoLMGBEN'schen Wollprobe unbemerkt bleiben können. Solche sind nicht
so selten, als man bisher annahm, und können dem Träger ganz unbe-
kannt geblieben sein. Femer ist auch die normale Fovea weniger licht-
empfindlich als ihre nächste Umgebung. G. hat mit kleinen künstlichen
Lichtquellen und keilförmig geschliffenen Bauch- und Farbengläsem
gearbeitet, und beabsichtigt die Empfindlichkeit des normalen Auges mit
diesen Mitteln festzustellen und einen ZifPemausdruck für den Farben-
sinn der Fovea, analog der Sehschärfenmessung, aufzustellen.
Bählmahk (Dorpat) setzte die Empfindlichkeit des Auges für
Licht von bestimmter Farbe umgekehrt proportional der Lichtintensität,
welche die schwächste Empfindung auslöste, und konstruierte so eine Em-
pfindlichkeitskurve für das normale und farbenblinde Auge über der Farben-
leiter. Diese Kurve ist für das farbenblinde Auge durchaus abweichend,
und Bedner meint, dafs seine Grundempfindungen in abnormer Weise mit
Weifs gemischt sind, wodurch die perverse Empfindung sich erklären lasse.
Sehr interessante Untersuchungen über die Adaptationdes Auges
trug ScHiBMEB (Göttingen) vor. Unter Einfiufs des Lichts finden Bewe-
gungen der Pigmentkömehen im Netzhautepithel statt, welche vielleicht
der Adaptation dienen. Sohirmeb prüfte 4 Albinos auf ihren Lichtsinn bei
verschiedener Helligkeit. Von diesen war allerdings nur einer völlig
pigmentlos, aber auch bei den andern mit dem Augenspiegel keine Spur
vom Pigmentepithel sichtbar. Bei genauer Berücksichtigung der Adaptation
fand S. das psychophysische Gesetz für die Unterschiedsempfindlichkeit
gültig füür das Normalauge von 1—1000 Meterkerzen (Webers Photometer).
Sie betrug für sein eigenes Auge ^/sit. Die Adaptation tritt langsamer ein
als die natürliche Abenddämmerung, so dafs wir von etwa 5 M.-K. an
schlechter sehen, als bei gleicher Helligkeit nach hinreichender Adaptation.
Zwei Albinos zeigten eine Empfindlichkeit von Vios innerhalb 27 — 463M.-EL,
über welche Grenzen hinauszugehen die äufsem Umstände nicht gestat-
teten. Die beiden andern gaben eine so geringe Empfindlichkeit an, dafs
Bedner diese Zahlen weglassen zu müssen meinte.' Die Beizschwelle, mit
FöRSTEBS Photometer gemessen , war normal , ebenso die Adaptationszeit.
Versammlungen, 337
'Es hat den Anschein , als 'ob nur die obere G-renze , die nicht bestimmt
werden konnte, der TJnterschiedskonstante bei Albinos herabgesetzt sei.
Daher die Lichtscheu der Albinos, die auch durch Lochbrillen nicht
aufzuheben ist. Bei 463 M.-K. eine knappe Stunde geprüft, klagten die
albinotischen Knaben, die bei mittlerer oder Lampenbeleuchtung ohne
Beschwerden arbeiten konnten, über nachfolgende Sehstörung und
Schmerzen, wie sie normal Pigmentierte bei der zwei- bis dreifachen
Helligkeit verspüren. Nach Schirmers Auffassung ist die Nachtblindheit
also nicht als Anomalie der Eeizschwelle, sondern als Schwächung oder
Yerlangsamung der Adaptation zu erklären. Darum sehen Hemeralopen
bei der Lampe besser, als bei gleicher oder selbst höherer Helligkeit in
der schnell einbrechenden Abenddämmerung, und geben auch an, in der
Morgendämmerung viel besser zu sehen. Treitel hat schon nachgewiesen,
dafs ein nicht adaptiertes normales Auge sich ebenso verhält, wie ein
nachtblindes in der Dämmerung. Schirmer prüfte nun mit Försters
Photometer, welches er an Stelle der Strichtafel mit einem Papierdia-
phragma versah, um vom Baumsinn, der ja bei vielen Untersuchten
beeinträchtigt sein konnte, unabhängiger zu sein, eine ganze Beihe von
Fällen krankhafter Hemeralopie. In der bisher üblichen Weise nach
V« Stunde Adaptation geprüft, zeigten alle merklich herabgesetzte
Schwellenempfindlichkeit, aber es stellte sich heraus, dafs sie bei allen
noch im Steigen war und immer, wenn das Auge nur lange genug im
Dunkeln gelassen werden konnte, normalen Lichtsinn, L = l, erreichte.
So sah er einen Fall von Betinitis pigmentosa, der nach V« Stunde noch
nicht V1800 L hatte, nach 4 Stunden Dunkelaufenthalt allmählich auf nor-
malen Lichtsinn gelangen. Die Adaptation ist in hohem Grade abhängig
von der vorangegangenen Helligkeit ; durch Blendung kann in normalen
Augen die Schwellenempfindlichkeit sehr stark herabgesetzt werden, und
vielleicht sind die oben angeführten Kranken als solche anzusehen, die schon
das gewöhnliche Tageslicht blendet und deren Adaptation verlangsamt ist.
Aus Beobachtungen an Augen mit Netzhautablösung ging hervor, dafs
auch die abgelöste Netzhaut eine verlangsamte Adaptation noch besitzt.
Auch die Blendung normaler Augen beim Übergang aus dem Dunkel ins
Helle verschwindet durch eine Art von Adaptation. Zur Erklärung aller
dieser Erscheinungen knüpft Sohirmer an die Hypothesen von Hering an,
imd erinnert auch an die Begeneration des Sehpurpurs. Zur Adaptation be-
fähigt wird das Auge durch eine Sehstoff erzeugende Vorrichtung, neben
welcher auch noch das Vorrücken des Pigments und das Pupillenspiel
rein optisch thätig sind. Aus der Abhängigkeit der Sehstoffproduktion
von der Netzhautbelichtung und anderen, krankhaften Einflüssen vermag
er den ganzen Komplex der Adaptationserscheinungen am gesunden und
kranken Auge befriedigend zu erklären.
XJhthoff wandte in der Diskussion ein, dafs er bei seinen Unter-
suchungen über Sehschärfe bei verschiedener Beleuchtung, auch mit
Berücksichtigung längerer Adaptationszeit, Erhöhung der Beizschwelle bei
Hemeralopischen fortbestehen sah. Er ist der Ansicht, dafs nur die
leichtesten Grade der Hemeralopie durch verlang^mte Adaptation erklärt
werden könneil.
338 Versammlungen,
Eine Verfeinerung der gewöhnlichen Gesichtsfeldmessung
hat Bjbrrüm (Kopenhagen) versucht. Er benutzte ein mattschwarzes Bouleau
von mehr als 2 m Breite, ohne auffällige Teilung, und weÜse Objekte
von 6 bis 3 mm Durchmesser. Durch abwechselnde Verwendung ver-
schiedener Fizierpunkte reicht diese Fläche aus, um selbst in einer Ent-
fernung von 1 oder 2 Metern zu untersuchen, denn die äufsersten TeUe
des Gesichtsfelds brauchen hier nicht berücksichtigt zu werden. Die
Objekte werden an einer langen geschwärzten Metallstange gehandhabt.
Bjebbum nahm zuerst am gewöhnlichen Perimeter mit einem weÜsen
runden Objekt von ungefähr 2® Gesichtswinkel die Grenzen auf, und
prüfte dann in 2 m Entfernung vom Bouleau mit weifsen Objekten von
10 und 5 Minuten Gesichtswinkel. Während bei 30 Minuten noch die-
selben Grenzen, wie für gröfsere Objekte, gefunden wurden, gab das
10 '-Objekt für das Normalauge als Minimumsgrenzen: 60, 40, 40 und
35 Grad aufsen, innen, unten, oben, und das 5 '-Objekt noch um 10 bis
15 Grad engere Grenzen. Individuelle Verschiedenheiten bei Normalen
zeigten sich nur als koncentrische Variationen, niemals als laterale, sek-
torförmige oder skotomartige Defekte. Befraktionsfehler müssen korri-
giert sein und etwaige Niveauverschiedenheiten des Augengrundes beachtet
werden. Der normale blinde Fleck wurde nach allen Bichtungen um
etwa Vs*^ vergröfsert gefunden. An einer Beihe von Krankheitsfällen
erörterte dann Bedner die sehr lehrreichen Aufschlüsse, welche diese
Prüfung zu geben vermag.
Arminbki (Essek) skizzierte in einem allgemeinem Überblick die
Wechselwirkung zwischen dem Befraktionszustand und der
Beschäftigung des Menschen. Aus der Zweckmäfsigkeit, welche
überall der Bau des Auges darbietet, müsse gefolgert werden, dafs auch die
Ametropien zweckmäfsig seien. Denn die eingehendere Erforschung hat das
Gebiet der wirklichen Emmetropie immer enger erwiesen. Auch die Tierwelt
finden wir hypermetropisch. Schiffer, Wüstenbewohner, Indianer, in
civilislerten Ländern Kinder und Soldaten, als Vertreter des Normalzu-
standes ebenfalls. Nach Anführung der Ansichten vieler Autoren über
die Entstehungsursachen der Myopie verwirft er die Anschauung, dafs
das hypermetropische Auge unausgebildet sei. Man könne nicht drei-
viertel der Menschheit als imentwickelt betrachten. Das Hypermetropische
müsse als das eigentliche Normalauge Vorteile gewähren, wofür Bedner
eine grofse Zahl von Möglichkeiten aufzählt. Bildung und Schule schufen
die Schwierigkeit, die Asthenopie, und aus diesem Bedürfnis läfst er die
Myopie entstanden sein. Sie kann als vorteilhaftes, im Laufe mehrerer
Generationen konstant werdendes Erbteil, das im Daseinskampf begün-
stigt, betrachtet werden. Dunkel sei noch die Art des Übergangs, bei
der Bedner besonders Krämpfen des Accommodationsapparat^ eine Bolle
zuschreibt. Er meint, dafs die Zustände des myopischen Auges im Stadt-
leben durch Anpassung einer gesunderen Festigung entgegengehen, die
Hypermetropie bilde gleichsam einen Born der Verjüngung, und werde
in der Überzahl bleiben.
WiLBRAND (Hamburg) sprach über Gesichtsfeldveränderungen
bei funktionellen Störungen des Nervensystems und über das
Versammlungen' 339
oscillierende Gesichtsfeld. Um die von Föbster imd Schiele bekannt ge-
machten Erscheinungen der Gesichtsfeldermüdung nachzuweisen, fährt
Bedner mit einem 5 Onim grofsen weifsen Objekt vom temporalen Bande des
Gesichtsfeldes auf demselben Meridian mit gleichförmiger Geschwindigkeit
bis zum nasalen Bande und gleich wieder zurück, dies wiederholend und
jeden Ort des Erscheinens und Verschwindens anmerkend, bis keine
Einschränkung mehr auftritt. Dies Verfahren giebt einen Überblick, ob
normales oder eingeengtes Gesichtsfeld vorhanden ist, ob imd wie rasch
die Sehsphäre sich ermüden lälst und auf welcher Gesichtsfeldhälfte
vornehmlich Ermüdung eintritt. Schiele hatte beobachtet, dafs die Er-
müdung eines Meridians kaum einen Einflufs auf einen Nachbarmeridian
ausübte^ dagegen die Ermüdung der zugehörigen Sehsphäre durch gewisse
Einschränkungen der homonymen Gesichtsfeldhälfte des anderen Auges sich
kimdgab. Das oscillierende Gesichtsfeld nennt Wilbravd ein seltneres
Symptom funktioneller Störungen des Nervensystems, wobei auf einem
Meridian das Objekt in regelmäfsigen oder unregelmäfsigen Zwischen-
räumen verschwindet und wiedererscheint und zwar an wechselnden
Orten, so dafs keine übereinstimmenden Aufnahmen erhalten werden. Es
scheinen flüchtige Skotome über das Gesichtsfeld hinzuziehen. Auch mit
farbigen Objekten kann dieser Zustand nachgewiesen werden. Die vor-
gelegten Befunde gehören zur Neurasthenie. Die gleiche Art der funktio-
nellen Neurose kann verschiedene Formen der Gesichtsfelddefekte her-
vorbringen, z. B. ein normales, aber durch leichte Ermüdbarkeit schnell
aufs höchste eingeschränktes Gesichtsfeld, oder ein allgemein koncentrisch
verengtes von längerem Bestand, aber nicht ermüdbar, oder endlich das
beschriebene seltnere Symptom des osciUierenden Gesichtsfelds.
In der Diskussion wies Pflügeb (Bern) auf die Einwirkung der
Suggestion hin, durch welche es ihm zuweilen gelang, in einer Sitzung
das Gesichtsfeld mehrmals nacheinander zu ver engem und zu erweitern.
Die scharfsinnigen und sorgfältigen Versuche von Widma.rk (Stock-
holm) zur Peststellung der Ursachen, welche die Sonnen-
bräunung der Haut und die analoge Entzündung in den vor-
deren Augenmedien bewirken, will ich nur erwähnen. Er führte
den Nachweis, dafs nur die Absorption ultravioletter Strahlen in der
Konjunktiva, Kornea und Linse im Übermafs diese Beizungserscheinungens
welche bis zur Trübung und Zerstörung gesteigert werden können, hervor-
bringt. Diese Absorption schützt die zarte Netzhaut vor Schädigung und
ist vielleicht auch in optischer Hinsicht von Nutzen.
Jayal (Paris) zeigte als mechanisches Kuriosum eine bikonische
Konvexlinse. Zwei gekreuzte Streifen optischen Glases mit konischen
Flächen ergeben auf ihrem Deckimgsgebiet eine Befraktion, welche der
einer accommodierbaren sphärischen Konvexlinse sehr nahe kommt,
weil die Brennweite durch Verschiebung der Streifen stetig verändert
werden kann.
Sulzer (Winterthur) besprach den Einfluls, welchen die natürliche
DecentrierungderKornea auf ophthalmometrische Bestimmungen des
Astigmatismus haben muTs. Die Sehaxe bildet mit der Scheitelnormalen
einen Winkel, den Winkel «. Er demonstrierte an Javals Ophthalmo-
340 Versammlungen,
meter die Veränderung des Bildes, die wahrgenommen wird, wenn man,
statt der Sehaxe, die Scheitelnormale zur Axe macht, d. h. die Kornea
richtig centriert.
In der Diskussion über Ophthalmometrie erinnerte Cohh (Breslau)
an die Magnesiumphotographie, welche jetzt ausmefsbare Momentbilder
auch bei unruhigem Auge liefert, und demonstrierte Aufnahmen von
Keratoskopbildern.
Valude (Paris) zeigte die jetzt in Frankreich fabrizierten
Torusgläser. Eine Torusfläche ist die Bahn eines Kreises, der lun eine in
seiner Ebene liegende Grade gedreht wird. Die optische Wirkimg kommt
der einer sphärocylindrischen Kombination gleich, soll jene aber in peri-
skopischer Ausdehnung des deutlichen Bildes übertrefPen.
Bernheimer (Heidelberg) machte eine vorläufige Mitteilung über seine
Serienschnitte des Tractus opticus und seiner Wurzeln. Mit Be~
nutzung der Mar kfasement Wickelung an verschiedenaltrigen Embryonen
gelang es, den Faserverlauf von der Ganglienzelle bis in den Traktus
hinein in günstiger Isolierung zu verfolgen, was im erwachsenen Gehirn
nicht mögüch war. Für einen Faserkomplex, der von einem, im vor-
deren frontalen Teil des Thalamus liegenden Ganglienzellhaufen ent-
springt, ist diese Untersuchung abgeschlossen. Diese Beobachtungen be-
stätigten wieder, dafs die Markentwickelimg von den Wurzeln des Seh-
nerven bis zur Peripherie allmählich herabsteigt.
X. Internationaler medizinischer Kongrefs zn Berlin 1890.
n.
Sektion für Ohrenheilkunde,
Beferiert von Dr. KaAKAüER-Berlin,
Schriftfilhrer der Sektion.
In seinem Vortrage: „Über die vordere Tenotomie des Muse,
tensortympani" erörtert Professor KsssEL-Jena die physiolog^ischen Vor-
gänge beim Hören, indem er sich hierbei im allgemeinen der HELunoLTzschen
Theorie anschliefst. Speziell geht er auf das Accommodationsvermögen
ein, worunter er die Fähigkeit versteht, das Ohr so einzurichten, dafs
für übermäfsig starken und übermäfsig schwachen Schall eine deutliche
Wahrnehmung entsteht: „Sinkt die Exkursion bis zur Amplitude der
Schwelle der Empfindung herab, so kann die Amplitude vergröfsert, ist
die Amplitude bis zur Abwehr gewachsen, so kann sie verkleinert werden."
In der Buhe ist die Steigbügelplatte fOr die Amplitude der deutlichen
Wahrnehmung eingestellt. Zum Accommodationsapparat gehören vor
allem die Binnenmuskeln des Ohres, der Tensor tympani und der Stapedius.
Ersterer verkleinert durch Dauerkontraktionen die Amplitude der Abwehr
indem er die Widerstände im schallleitenden Apparat vermehrt, letzterer
vergröfsert die Amplitude der Schwelle durch Verminderung der Wider-
stände. Hand in Hand damit gehen Veränderungen der Resonanz am
Trommelfell. Der Tensor schwächt durch seine Kontraktion die Elänge
und Geräusche, besonders des unteren Hörbereiches (8—64 Schwingungen),
Versammlungen. 341
ebenso deren Besonanz; der Stapedius verstärkt besonders die Klänge
des oberen Hörbereiches (5000—54000 Schwingungen) und deren Besonanz.
Die Verkleinerung der Amplitude steht in Verbindung mit der Vermeh-
nmg der Widerstände, die Abnahme der Besonanz mit der Abflachung
der Badiärsaiten des Trommelfelles. Zur Feststellung der HörstOrungen
bedient man sich zweckmäfsig der Auffindung des Schwellenwertes ver-
mittelst der Flüstersprache (normal 25 Meter). Die Veränderungen am
nervösen Apparat bestimmt man durch 15 G-abeln von 64—40000 Schwin-
gungen. In der Diskussion wendet sich PoLLAK-Wien speziell gegen die
physiologischen Ausführungen des Bedners, indem er hervorhebt', dafs
die Funktion der Binnenmuskeln als Accommodationsmuskeln noch nicht
entschieden sei. Beim Hunde seien zwar von Hbnsbk und Bockend ahl
Kontraktionen durch Hörreize nachgewiesen, nicht so beim Menschen.
GRADENioo-Turin untersuchte die Form der Ohrmuscheln bei
Normalen, Geisteskranken und Verbrechern imd fand, dafs Formanomalie
bei Geisteskranken und Verbrechern viel häufiger, als bei normalen Indi-
viduen seien. Auch kommen bei letzteren verhältnismäfsig häufiger
leichtere Anomalien (angewachsenes Läppchen, auf das Läppchen fort-
gesetzte Fossa scaphoidea), bei Geisteskranken und Verbrechern schwerere
Anomalien vor. Meist sind die Anomalien bilateral, sonst häufiger rechts
als links, mit Ausnahme der abstehenden Ohrmuschel, welche bei Män-
nern häufiger links vorkommt.
In dem von Magnus -Königsberg und Sghwabach -Berlin gegebenen
Beferat über die Bestimmung der Hörfähigkeit, sowie in dem von
BczoLD-München gehaltenen Vortrage über Hörprüfungsmittel erkennen
alle drei Bedner die hervorragende Bedeutung der Prüfung durch die Sprache
teils mit den Zahlen von 1 — 100, teils mit bestimmten Worten (Wolf) an.
Auch sind die Bedner darüber einig, dafs es rationell sei, zur Bezeich-
nung der Hörfähigkeit eines Bruches sich zu bedienen (Knapp). Viel
dringender erscheint Bezold die Verbesserung der Hörprüfungsmittel für
Tontaubheit. Ein Ausfallen von Farben habe für die Sehschärfe an sich
keine Bedeutung, ein Ausfallen von Tönen aber, beispielsweise im mitt-
leren Teil der Skala, könne das Ohr taub erscheinen lassen, während
dies doch nur für die betreffende Tonreihe zutreffe. Er hat zur voll-
ständigen Tonprüfung 8 Gabeln und 2 Orgelpfeifen konstruiert, welche,
in Verbindung mit dem Galtonpfeifchen, den Anforderungen zu genügen
scheinen. Diese Beihe erstreckt sich vom Kontra-C (32 Doppelschwin-
gungen) bis zu den höchsten Tönen, welche das menschliche Ohr perzi-
pieren kann. Aufserdem seien die produzierten Töne nahezu frei von
Obertönen. Aus seinen Untersuchungen kann er bis jetzt nur einen
Satz mit Sicherheit herleiten: „Der Schallleitungsapparat ist nur für die
dem unteren Teil der Skala angehörenden Töne zur Überleitung durch
ärotympanaler Leitung notwendig; für den oberen Teil ist er entbehr-
lich." In der Diskussion bemerkt Jaoobson (Berlin), dafs auch er für
praktische Zwecke wenigstens die Flüstersprache als bestes Hörprüfungs-
mittel betrachte. Dagegen kann er sich mit dem Vorschlage, die Hör-
schärfe mit der Hörweite umgekehrt proportional zu setzen imd nach
dieser Belation die pathologische Hörschärfe als Bruchteil der normalen
342 Versammlungen.
auszudrücken, nicht einverstanden erklären. Denn wenn man auch an-
nehmen will, dafs die Intensität des Schalles umgekehrt proportional
sei dem Quadrat der Entfemimg, so gelte dieses doch nur für den un-
endlichen Baum. In einem geschlossenen Baume aber, wie z. B. in
einem ärztlichen üntersuchungszimmer bestehe zwischen Schallintensität
und Entfernung der Schallquelle keine bestimmte oder auch nur be-
stimmbare gesetzmäfsige Beziehung.
Aus der Beihe der physiologischen Untersuchungen über
das mittlere Ohr, welche Dr. Sbcchi- Bologna im physiologischen
Laboratorium seiner Heimat angestellt hat, interessieren uns, abgesehen
von der Thatsache, dafs die Luft in der Trommelhöhle unter einem
3 mm Alkohol höheren Druck, als die äuTsere Luft stehe, noch diejenigen,
welche sich auf Druckschwankungen, hervorgebracht durch Tonreize,
beziehen. Er fand an Hunden, denen er in die eröffnete Bulla ossea ein
Manometer luftdicht eingefügt hatte, dais der endotympanale Druck
sich bei jedem, auch dem leisesten Tone, der die Aufmerksamkeit des
Tieres fesselt, erhöht, während er selbst bei lauteren aber wohlbekannten
Tönen oft unverändert bleibt. Die Drucksteigerung hält so lange an,
als der Ton dauert. Sie wird am höchsten bei akuten, sehr intensiven,
zumal unerwartet gehörten Tönen. Bei in Intervallen sich folgenden
Tönen zeigt das Manometer eben so viele entsprechende Erhebungen.
Über 80 hinaus werden die Schwankungen immer behinderter, bis sie in
eine einzige verschmelzen. Die Drucksteigerung tritt auch durch die
verschiedenen Vokale ein, mehr durch a, c, o, als durch i und w. Nach
Durchschneidung des Tensor tympani sah Bedner den endotympanalen Druck
unter der Einwirkung akuter und intensiver Töne abnehmen. Verfasser,
der seine Experimente noch fortsetzen will, ist geneigt anzunehmen, dafs
die Schallwellen sich nicht so wohl durch die Knöchelchen als vielmehr
auf dem Luftwege der Schnecke mitteilen und zwar nach dem Prinzip
Pascals vom Trommelfell zur Fenestra rotunda.
Auf Grund eines Falles von Diplacusis echotica erörtert Katssb-
Breslau die beiden Formen der Diplacusis, die Diplacusis disharmo-
nica, bei welcher bestimmte Schallreize auf beiden Ohren qualitativ ver-
schieden empfunden werden, und die Diplacusis echotica, bei welcher
die Wahrnehmung auf beiden Ohren qualitativ gleich, aber temporär getrennt
ist. Während die Diplacusis disharmonica unter Zugrundelegung der Helh-
HOLTzschen Theorie leicht als Verstimmung einzelner Teile des CoBTischen
Organes zu erklären ist, mufs die Diplasusis echotica als eine verlang-
samte Gehörsempfindung auf dem kranken Ohre gedeutet werden. Die
Verspätung der Empfindung kann bedingt sein 1. durch verlängerte Dauer
des Anklingens (Urbaktsohitsch); 2. durch verspätete Perzeption im
Centralorgan ; S. durch verlangsamte Nervenleitung, doch müfste bei der
Kürze des Acusticus die Verlangsamung eine beträchtliche sein. In der
Diskussion erwähnt BARTH-Berlin, dafs, wenn man musikalischen an Dipla-
cusis disharmonica leidenden Individuen bei verschlossenem gesunden Ohre
eine Stimmgabel vor das kranke Ohr hält, sie meist, wenn sie zum
Nachsingen aufgefordert werden, einen unbestimmt schwankenden Ton,
häufig mit schwachem Überschlagen in die Fistelstimme, angeben. Bei
Versammlungen. 343
Wiederholungen wird der Ton meist richtig , manchmal in der Oktave
nachgesungen. Wenn man ihnen die Gabel abwechselnd vor das gesunde
und kranke Ohr hält, so überzeugen sich die Patienten, dafs sie den-
selben Ton hören, dafs er nur verschieden klingt. In allen seinen Fällen
handelte es sich um Mittelohrkatarrhe, also um eine Erkrankung des
schallleitenden Apparates. Seiner Ansicht nach ist die Hypothese von
der Verstimmung des CoRTischen Organes überflüssig. Es werden auf
dem Wege der Leitung eben einzelne Teilschwingungen des Tones ge-
dämpft, andere fallen ganz aus, dazu kommt noch das dumpfe Q-efühl
bei Verlegung des Ohres und die begleitenden subjektiven Geräusche,
so dafs also die verschiedenartige Wahrnehmung nicht verwunderlich
ist. JACOBSOK-Berlin kann dieser Deduktion nicht beipflichten. Nach
den Gesetzen der Besonanz kann ein mitschwingender Körper, sei dies
nun die Platte eines Telephons, sei es das Trommelfell, immer nur in
der Periode des erregenden Tones schwingen. Werden seine physi-
kalischen Konstanten geändert, so wirkt dies nur auf die Amplitude,
nicht auf die Zahl der Mitschwingungen. Es wird also bei Schallleitungs-
erkrankungen das Trommelfell weniger stark, eventuell, wenn die Ampli-
tude =0 wird, gar nicht mitschwingen. Seiner Ansicht nach kann die
Diplacusis disharmonica nur nach v. Wittioh durch eine partielle oder
totale Verstimmimg der elastischen Endapparate der Hömerven erklärt
werden. Tritt das Phänomen bei Mittelohrerkrankungen auf, so folgt
daraus eben nur, dafs auch das Labyrinth miterkrankt ist. Notwendig
aber ist es, dals man bei Untersuchimg auf Diplacusis disharmonica
nicht Klänge, sondern einfache Töne benütze, welche „Teilschwin-
gungen^ überhaupt nicht enthalten.
(Berichte über die physiologische und neurologische Sektion
im nächsten Hefb.)
Litteraturbericht.
BAPHAfiL DüBois. Snr le m^caaisme des fonetloiui photodennatiaae ei
pliotogönique dans le Biphon du Pholas dactylus. Ckmptes rmdus^ Bd.
CIX. S. 233, August 1889.
Die im Laboratorium zu Boscoff angestellten Versuche ergaben, daijs
die Bohrmuscbeln eine hohe Lichtempfindlichkeit besitzen ; obschon keine
Augen nachweisbar sind, genügen leichte Beleuchtungsdifferenzen, um
Kontraktionen des Sipho hervorzurufen. Mit Hilfe der graphischen Me-
thode gelang es nachzuweisen, dafs diese Bewegungen durch zwei Muskel-
systeme erzeugt werden. Das erste derselben („appareil avertisseur'Of
das System der primären Beaktion, besteht aus subepitheHalen Muskel-
bündeln, welche in Kontraktion versetzt werden, sobald ein Lichtstrahl
das Über denselben gelegene Pigmentepithel trifiPt. Diese Beaktion über-
trägt sich vermittelst der peripheren Elemente auf die GangHen, welche
eine sekundäre Beaktion der mächtigen die Wandung der Sipho aus-
kleidenden Muskeln hervorruft. Wir haben es also hier mit einem Über-
gange von Tastempfindimg in Lichtwahrnehmung zu thun.
Die an der inneren Wand der Saugröhre befindlichen Leuchtorgane
sind, wie schon Panceri behauptete, Wimperepithelien, welche mit Nerven-
zellen in Verbindung stehen. Bei Beizung sondern sie einen leuchtenden
Schleim in kleinen Tröpfchen ab, in welchem zahlreiche weiTse Blut-
körperchen und das leuchtende Bacterium pholas enthalten sind.
Zwischen lichtempfindenden und lichterzeugenden Organen bestehen
anatomische und funktionelle Analogien. Burgkhardt (Berlin).
BaphaSl Dübois. Bor la peroeption des radiations lomineiuieB par la
peau cliez les Protöes avengles des grottes de la Oamiole. Compus
rendus, Bd CX. S. 358, Februar 1890.
Bei den Olmen sind infolge der Lebensweise die Augen so sehr
degeneriert, dafs sie weder Linse noch Glaskörper besitzen. Dennoch
sind die Tiere sehr lichtempfindlich; diese Eigenschaft läfst sich aber
auch an Olmen nachweisen, deren Augen mit einer undurchsichtigen
Masse überklebt sind ; nur verstreichen in letzter m Falle 24 Sekunden bis
zur Muskelreaktion, während bei ungeblendeten Thieren dieselbe nach
11 Sekunden eintritt. Dafs es sich hierbei nicht um eine Wftrmewirkung
handelt, kann durch Einschieben einer Alaunlösung in den Lichtstrahl
gezeigt werden.
Lüteraiurberieht 345
An nicht geblendeten Olmen beträgt die Beaktionszeit für verschie-
dene Farben folgende Sekondenzahlen: Uebergang von Schwarz in Violett
26, in Blau 23, in Both 16, in Grün 13, in Gelb 10,5. Dübois glaubt,
diesen Zahlen keine Beziehungen zur Beleuchtungsintensität beimessen
zu sollen. Doch teilt er des weiteren mit, dafs die Olme die Farben
in folgender Beihenfolge vorziehen : schwarz, roth, gelb, grün, violett, blau.
Beferent glaubt, bei der Schwierigkeit, Farblösungen oder Gläser
von gleicher Absorption der Lichtmenge herzustellen, däls obige Zahlen
doch von der Beleuchtungsintensität herrühren dürften.
BuROKHARDT (Berlin).
C. Stumpf. Tonpsychologie. ü. Band. Xm u. 582 S. Leipzig 1890,
Hirzel. Preis A 12. (Selbstanzeige.)
Auf Wunsch der Bedaktion gebe ich im Folgenden eine Übersicht
der wesentlichsten Untersuchungen und Ergebnisse dieses zweiten Bandes
meiner Tonpsychologie. Der erste hatte die TJrteilserscheinungen bei
aufeinanderfolgenden (oder isolierten) Tönen zum Gegenstand, dieser
untersucht sie bei gleichzeitigen Tönen. Li beiden ist aber von der
Auffassung der Töne als Konsonanzen, Dissonanzen, Intervalle, Akkorde,
Melodien, also von eigentlich musikalischen Auffassungen noch abgesehen.
Diese sollen den Gegenstand des dritten, die Tongefühle endlich den des
vierten Bandes bilden.
Den Ausgangspunkt und zugleich den Mittelpunkt des vorliegenden
Bandes bildet die Frage nach' der Möglichkeit und den Bedingungen des
gleichzeitigen Hörens mehrerer Töne. Drei Meinungen stehen sich
gegenüber (§ 16) : die gewöhnliche (Mehrheitslehre), wonach wir mehrere
Töne streng gleichzeitig hören können ; die Wettstreitslehre, wonach die
Gleichzeitigkeit Täuschung ist und in Wahrheit ein rascher Wechsel der
Töne in der Empfindung stattfindet; und die Einheitslehre, wonach die
Mehrheit Täuschung ist und wir in Wahrheit die allezeit streng einfache
Empfindimg nur auf eine Mehrheit objektiver Töne beziehen. Alle drei
Ansichten involvieren Schwierigkeiten. Aber die Schwierigkeiten der
beiden letzten scheinen mir unüberwindlich, die der ersten nicht (§ 17).
Diese liegen hauptsächlich darin, dafs erstens gleichzeitige Töne sich im
Bewufstsein räumlich durchdringen müTsten, während Empfindungen
anderer Sinne nur unter der Bedingung gleichzeitig sein können, dafs
sie räumlich auTser einander sind; dafs zweitens gleichzeitige Töne
schwerer unterscheidbar sind als aufeinanderfolgende, während doch
zwei Empfindungen im allgemeinen um so leichter in irgend einer Be-
ziehung beurteilt werden, je mehr sie sich in allen anderen Beziehungen
gleich (hier also gleichzeitig) werden.
Die erste Schwierigkeit scheint mir indessen nicht auf einem
zwingenden, a priori einleuchtenden Prinzip zu beruhen, sondern nur auf
der Analogie anderer Sinne, welche uns auch sonst vielfach im Stich
läfst (kein Kontrast im Tongebiet, keine mefsbare Ausdehnung der
Töile u. s. f.). Man mufs jeden Sinn zunächst nach seinem eigenen
Becht richten. Es schliefst sich hieran ein Exkurs über die räumlichen
346 Litteraturberichi.
Eigenschaften der Töne, worin ich einen (quasi-) lokalen Empfindungs-
nnterschied der Töne des rechten und linken Ohres, sowie eine mit der
Tonhöhe abnehmende (Quasi-) Ausdehnung als immanentes Moment der
Tonempfindungen vertrete, dagegen eine mit der Höhe wechselnde
örtlichkeit der Töne im Bewufstsein (Mach's Tonraum) nicht für gegeben
oder erforderlich halte.
Die zweite Schwierigkeit läfst sich nicht blofs bei Tonempfindungen
sondern überall aufwerfen imd führt zur Konstatierung eines besonderen
Verhältnisses zwischen gleichzeitigen Empfindungsinhalten (auf welches
unter den Sinnesphysiologen zuerst E. H. Weber aufmerksam machte,
das aber auch schon Aristoteles berührt). Gleichzeitige Empfindungen
sind immer nur Teile eines Empfindungsganzen. Den Begriff des Em-
pfindungsganzen kann*man sich am besten an den sog. Momenten einer
Empfindung klar machen; Intensität, Qualität und dergleichen sind Teile
der Empfindung. In ähnlicher, wenn auch nicht gleich inniger, Weise
bilden alle gleichzeitigen Empfindungen ein Ganzes. Wir nennen das
Verhältnis in diesem Falle Verschmelzung. Sie ist aber wieder von un-
gleicher Engigkeit, wenn es sich um Empfindungen verschiedener oder
um solche Eines Sinnes handelt, und auch hier gibt es wieder Grad-
unterschiede. Die Definition der Verschmelzung kann überall nur darin
bestehen, diese thatsächlichen Unterschiede an Beispielen aufzuzeigen
und zu klassifizieren; wie man auch das Verhältnis der Momente zu
einander durch keinerlei blofs abstrakte Definition wird klar machen
können. In Anbetracht der Verschmelzung nun läfst sich auch der An-
schauung, wonach wir bei einem Accord nur Eine Empfindung hätten
(Einheitslehre), eine relative Berechtigung zugestehen. Jedenfalls aber
bleibt es dabei, dafs diese Empfindung mehrere Töne enthält und nicht
blofs auf eine Mehrheit objektiver Töne bezogen wird. Nach der Zahl
der empfundenen Qualitäten aber pflegen wir doch die Zahl der Em-
pfindungen zu bestimmen.
Eine weitere Untersuchung betrifft die Frage, ob Erfahrung, also
vorgängiges Hören der einzelnen Bestand theile, und ob Aufmerksamkeit
eine unentbehrliche Bedingung für die Analyse sei. Hblmholtz hat die
in den drei ersten Auflagen der „Lehre v, d. T<mempfindungen*f vertretene
Theorie, welche auf dem auch in der Baumlehre durchgeführten „em-
piristischen^ Prinzip gründet, dafs wir Sinnesempfindungen um so weniger
leicht auseinanderhalten, je häufiger sie uns als Zeichen einheitlicher
Objekte dienten, in der vierten Auflage bereits selbst, doch ohne An-
gabe der Motive, aufgegeben. In der That läfst sich schon der Umstand,
dafs Musikalische unter sonst gleichen Umständen leichter als Unmusi-
kalische Obertöne heraushören, und Anderes nicht wohl damit vereinigen.
Hblmholtz legt nunmehr das Hauptgewicht auf die vorangehenden Er-
fahrungen. Je häufiger jemand die Bestandteile einzeln gehört und die
Zusammensetzung des Ganzen aus ihnen wahrgenommen hat, um so
leichter die Analyse. Ganz unentbehrlich ist jedoch diese Bedingung
nur unter Voraussetzung der Einheitslehre; die Mehrheitsansicht dagegen
führt zu der Folgerung, dafs bei günstigen Umständen (grofsem Abstand
der Töne, gleicher Intensität u. s. w.) vor jeder Erfahrung und sogar
Litter<Uurber%cht 347
oline Aufmerksamkeit eine Mehrheit von Tönen als solche sich dem
Bewnfstsein aufdrängen kann.
§ 18 bespricht die anatomisch -physiologischen Bedingtmgen der
gleichzeitigen Tonmehrheit. Anatomische Sonderung erscheint mir als
die notwendige Konsequenz; und als beste Erfüllung dieses Postulates
trotz mancher Angriffe immer noch die HfiLMHOLTZsche Lehre von der
„ Schnecken klaviatur". Was für und gegen sie an Thatsachen erbracht
ist, war ich bemüht zusammenzustellen. Nur die Verlegung der Klaviatur
in die Haarzellen des CoRTischen Organs ist vielleicht nicht von der
Hand zu weisen; aber das Prinzip, die Zerlegung der Gesamtwelle durch
mitschwingende Teile, bliebe auch dann gewahrt.
Diese Betrachtung führt zu einer weiteren über die specifischen
Energien. Der Tonsinn bietet das Hauptbeispiel einer Durchführung
derselben innerhalb des Qualitäten kr eises eines und desselben Sinnes.
Doch scheint es nötig, eine Accommodation der Energien an den augen-
blicklichen Tonreiz innerhalb enger Grenzen anzunehmen, infolge deren
ein einfacher objektiver Ton, obgleich er eine Beihe benachbarter
Ganglien in Erregung versetzt, doch nur eine einfache Empfindung
erzeugt (vergl. unten). Dagegen für eine irgend erhebliche Entwickelung
der specifischen Energien (nach der Geburt) liegen keine Anhaltspunkte
vor. Vollends die Bekämpfung der ganzen Lehre scheint mir dunkel
und widerspruchsvoll. (Diese Bogen waren vor der Kontroverse zwischen
WuNBT und MuKK gedruckt. Die sogenannte „Stellvertretung" bei Exstir-
pationen, welche Wükdt hierbei besonders betont, ist doch auch noch
sehr verschiedener Deutung fähig.)
Die folgenden §§ (19 und 20) beschäftigen sich mit der genaueren
Untersuchung der Tonverschmelzung. Sie tritt in fCbif Hauptstufen auf,
und zwar in abnehmender Beihenfolge bei der Oktave, Quinte, Quarte,
den Terzen und Sexten, endlich den übrigen Tonkombinationen. Jenseits
des ümfangs einer Oktave wiederholen sich dieselben Stufen. Diese
zunächst auf individueller Beobachtung ruhenden Aufstellungen habe
ich durch Versuche an unmusikalischen über die Frage, wie viele Töne
sie bei entsprechenden Kombinationen zweier objektiver Töne zu ver-
nehmen glaubten, zu erhärten gesucht. Die Fälle, in denen sie nur einen
zu hören glaubten, waren weitaus am zahlreichsten bei der Oktave und
nahmen von da durch Quinte, Quarte, Terzen bis zu dissonierenden
Intervallen ab; in einzelnen Beihen allerdings mit Ausnahmen, welche
die Stellung der kleinen Terz und der Quarte betreffen und sich aus
den besonderen Versuchsumständen (den durch das jeweilige Orgelregister
und die Tonlage bedingten Schwebungen und dergleichen) erklären,
während die Stellung von Oktave, Quinte, gr. Terz, Tritonus (bezw. Se-
kunde) gegeneinander auch selbst in allen einzelnen (mit verschiedenen
Instrumenten an verschiedenen Personen angestellten) Versuchsreihen
genau die gleiche blieb.
Die Tonverschmelzung läjGst sich weder aus psychologischen Ge-
setzen der Wechselwirkung von Vorstellungen, noch aus Ahnlichkeits-
verhältnissen der Töne, noch aus häufiger Koexistenz im Bewufstsein
oder aus sonst einem psychologischen Prinzip herleiten (§ 20). Sie ist viel-
Zeitschrift für Psychologrie. ^^
348 Litteratwbericht
melir als ein Verhältnis der Empfindungsin halte nur physiologisch er-
klärbar. Sie fahrt auf den Begriff „specifischer Synergien*'. G-enerelle
Entwickelung bleibt hier wie bei den specifischen Energien denkbar.
Eine Idee in dieser Bichtung habe ich angegeben, ohne derselben (eben-
sowenig wie derjenigen im I. Band über Entwickelung des Tonsinnes
und der ünterschiedsempfindHchkeit von der Höhe zur Tiefe) ein son-
derliches Gewicht beilegen zu wollen.
Die folgenden Paragraphen untersuchen zwei andere Bedingungen des
Analysierens und Heraushörens : S 21 das Stärke Verhältnis der Töne, § 22
die Aufmerksamkeit, ungleiche Intensität führt zur Erschwerung, zuletzt
zur Unmöglichkeit der Analyse, zur „Unterdrückung'^ eines Tones durch
den anderen, eine Thatsache, die sowohl experimentell als theoretisch
noch zu wenig berücksichtigt ist. Im Einzelnen wird dann das Heraus-
hören von regelmäfsigen Beitönen, namentlich Kombinationstönen und
Obertönen, und zuletzt die Frage nach dem Vorkommen einfacher Töne
besprochen (ob bei AusschluTs objektiver Obertöne subjektive un-
vermeidlich sind, wie es sich femer mit H. Bibhanks Untertönen, mit
Macbs Zerlegung der Töne in die Elemente „Dumpf und HelP' verh<).
Es besteht meiner Meinung nach kein triftiger Grund, gewisse Klänge
nicht als völlig einfache anzusehen, z. B. ganz schwache Töne von
Stimmgabeln auf Besonanzkästen, subjektive Töne, Obertöne und Kom-
binationstöne, endlich die höchsten wahrnehmbaren Töne.
Die Betrachtungen über den EinfluTs der Aufmerksamkeit auf die
Analyse (§ 22) beginnen mit allgemeinen Erläuterungen über das Wesen
und die Wirkungen dieser Kraft, welche das im I. Band Vorgebrachte
teils ergänzen, teils berichtigen sollen. Dann wird besonders eingehend
die Verstärkung schwacher Klang-Komponenten durch Aufmerksamkeit
und das Verhältnis der letzteren zu Muskelaktionen untersucht. Ich
halte daran fest, dafs Aufmerken sowie auch Verstärkung durch Auf-
merken (welches nur eine gelegentliche, nicht die Hauptwirkung ist)
ohne jede Muskelaktion erfolgen kann, und dafs die Muskelaktion, wo
sie erfolgt, wesentlich nur eine Begleiterscheinung darstellt. Zuletzt
wird die Möglichkeit und die Bedingungen des gleichzeitigen Aufmerkens
auf eine Mehrheit von Empfindungen besprochen.
§ 23 stellt die Bedingungen für die Zuverlässigkeit der Analyse
und des Heraushörens klassifikatorisch zusammen, wobei die schon einzeln
besprochenen kurz, die Übrigen weitläufiger zur Sprache kommen; unter
diesen besonders der tonale Abstand der Ellangkomponenten (Beob-
achtungen über die gleichzeitige Schwelle, welche höher liegt als die
successive, aber wie diese sich mit der Tonpegion ändiert), sowie die
partiellen Veränderungen in der Höhe oder Stärke d^r Klangkomponenten.
Einige schwierige Punkte, Einflufs der Klangfarbe, Verschwinden des
höheren Oktaventons in bestimmten Fällen (Helmholtz' Tonempf, S. 103),
Analyse von Nach- und Gedächtnisbildern werden dann noch mit Bezug
auf die unterschiedenen Bedingungen besprochen.
Wie im I. Band folgen der Übersicht der Bedingungen Besohrei-
bungen individueller Unterschiede (§ 24). Es werden hier die Fähig-
keiten des Analysierens und Heraushörens vonseiten einiger Individuen,
lAtieraturbericht. 349
die als Typen ganzer Klassen gelten können, besonders aber von IJn-
musikalischen und von Kindern eingehender beschrieben. Bei Kindern
fSJlt namentlich die Neigung auf, Zweiklänge für eine um gröfsere An-
zahl von Tönen zu erklären, je weniger sie konsonieren.
Ist bis dahin ausschliefslich von urteilen über Einheit oder Mehr-
heit die Bede gewesen, so handeln nun §§ 25 und 26 von Qualitäts- und
Intensitätsurteilen über zusammengesetzte Klänge und deren Teile (also
solche Urteile, die bei aufeinanderfolgenden Tönen den Hauptgegen-
stand bildeten). Wir fassen einen Zusammenklang, selbst wenn er analy-
siert uns vorschwebt, gleichwohl als ein Ganzes und schreiben ihm als
solchem eine gewisse Höhe zu, und zwar hat ein ruhender Zusammen-
klang als solcher die scheinbare H^Hie des tiefsten Tones (womit in der
Musik die Verlegung des Haupttons in die Tiefe, die Bezeichnung
„Grundton^ zusammenhängt). Dieser Zug erklärt sich nur psychologisch,
nämlich aus der gröfseren Ausdehnung der tieferen Töne, welche den
jeweilig tiefsten als den tragenden, als Fundament, erscheinen lassen.
Bei aufeinanderfolgenden Zusammenklängen femer macht das Ganze
scheinbar die Bewegung der in den gröfsten Schritten bewegten Stimme.
Weiter wird der scheinbare EinfluJGs eines Tons auf die Höhe eines an-
deren gleichzeitigen Tons (Accommodation, Kontrast) und dgl. besprochen
und die meisten dieser ZiSige auch an Beispielen aus der Musik erläutert.
§ 26 bestätigt an Erscheinungen bei gleichzeitigen Tönen die gröfsere
Empfindungsstärke höherer Töne (I 365), stellt sodann fest, dafs dem
Gesamteindrucke bei geeigneten Yersuchsumständen keine gröfsere
Stärke zuerkannt wird als dem stärksten Teil (ein neues Zeugnis gegen
die Einheitslehre), dafs sich gleichzeitige Töne vielmehr gegenseitig
physiologisch schwächen. Das doppelohrige gegenüber dem einohrigen
Hören, sowie minimale Eindrücke werden in dieser Hinsicht noch be-
sonders betrachtet, weil sich hier die Beobachtungen nur sehr schwer
genau ausführen lassen, und zuletzt ohrenärztliche Beobachtungen und
solche bei andern Sinnen zur Vergleichung herangezogen.
Die beiden letzten Paragraphen behandeln besondere Erscheinungen,
welche ausschliefslich oder vorwiegend an gleichzeitige Töne gebunden sind :
Schwebungen, Geräusche, Klangfarbe (bez. die Auffassung dieser Erschei-
nungen). § 27 untersucht zunächst den verschiedenen Charakter der
Schwebungen je nach Umständen, die Grenze ihrer Schnelligkeit (die ich
weit höher fand als sie bisher angegeben wird, bei etwa 400 in der
Sekunde), die verwickelten Bedingungen ihrer Stärke und ihrer Merk-
lichkeit; darauf die Tonhöhe bei Schwebungen. Hört man beide schwe-
bende Töne oder einen einheitlichen dritten, und diesen von konstanter
oder von periodisch schwankender Höhe? Es war mir nicht möglich,
den hin- und hergehenden Schwebungston, welchen Hblmholtz beschreibt
und theoretisch ableitet und welchen Sbdlbt Taylor sogar als die
eigentliche Ursache der Dissonanz betrachtet, zu beobachten. Ich fand
die Erscheinung verschieden je nach dem Höhenabstand der schwebenden
objektiven Töne. Bei g' a' höre ich nur diese beiden Töne selbst, und
sie sind es, welche schweben Bei gi»* a' höre ich ebenfalls diese beiden ^
aufser ihnen aber einen dritten dazwischenliegenden, und dieser allein
23*
350 LittercaurherieM.
schwebt. Bücken die primären Töne noch näher zusammen, so ver-
nehme ich zuletzt natürlich nur einen und diesen schwebend. Die physio-
logische Erkläriing ergibt sich aus dem Prinzip der specifischen Energien
in Verbindung mit dem obenerwähnten Hilfsprinzip der Accommodation.
Zuletzt handelt dieser Paragraph von der Zuteilung der Schwebtingen in der
Auffassung an das Ganze oder bestimmte Teüe eines Klanges; speciell
von der Zuteilung an den tieferen Ton bei den Schwebungen verstimmter
Konsonanzen ^:1, wo h nur wenig von einer ganzen Zahl differiert
(Bosakqüet).
Die Versuche, Geräusche vollständig auf Töne zurückzuführen (es
werden in § 28 drei solche Auffassungen unterschieden), scheinen mir
viel Wahres zu enthalten, aber nicht allgemein durchführbar; wonach
auch ein besondres Organ im Ohr für den nicht reducierbaren geräuschigen
Erdenrest vorauszusetzen bliebe.
Bezüglich des KlangfarbenbegrifPes endlich mufs die Zurückführung
auf die Teiltöne, Helmholtz' bewunderungswürdige Theorie, als ausge-
macht gelten; sie bedarf nur gewisser psychologischer Ergänzungen. Zu-
nächst muls auch den einfachen Tönen eine Farbe zuerkannt werden, wenn
das Klang-Ganze eine solche besitzen soll. Die tiefen sind dunkler, die hohen
heller und eben dadurch wird ein Klang um so heller, je mehr und je
höhere Obertöne hinzukommen. Worin besteht nun aber die Tonfarbe
selbst? Sie ist nicht, wie ich dies früher versuchte, mit Tongefühl zu
identifizieren. Sie löst sich auf in die drei Momente der Tonhöhe, Ton-
stärke und Tongröfse. Die Prädikate, womit wir die Farbe von Tönen
und infolgedessen von Klängen kennzeichnen, beziehen sich auf diese drei
Momente zusammen, bald mehr auf dieses, bald mehr auf jenes. Ton-
und Klangfarbe ist also nicht ein Moment neben der Stärke und der
Höhe. WoUte man ein solches anführen, so wäre nur die Gröfse (die Quasi-
Ausdehnung) zu nennen, welche aber das, was man gemeinhin unter die
Klangfarbe rechnet, nicht erschöpft.
Derselbe Zug der Auffassung, der bereits in den drei vorangehenden
Paragraphen mehrfach berührt wurde, macht sich hier geltend , dafs wir
einem imanalysierten Ganzen in gewissem Grade Eigenschaften seiner
Teile zuschreiben. Es ist eben jedem seiner Teile um so ähnlicher, je
intensiver er darin enthalten ist. (Diese Prädikation ist natürlich nicht
die Folge einer Vergleichung, einer Wahrnehmung der Ähnlichkeit, sondern
eine Folge der Ähnlichkeit selbst. Wir subsumieren das Ganze unter
denselben Begriff, unter den wir früher das für sich wahrgenommene
Element subsumierten.) Darauf reduziert sich die Chemie der Empfin-
dungen ; nicht entstehen neue Inhalte, weder ein mittlerer, noch gar eine
neue Gattung.
Von hier aus lassen sich auch die einzelnen HELMHOLTzschen Begeln
ableiten. Es folgt aber, dafis nicht blofs die relative sondern auch die abso-
lute Höhe der Teütöne und darunter vor allem die des Grundtones selbst
von Einflufs auf die Klangfarbe sein mufs; was sich u. a. auch an der
(nur berührten) Vokaltheorie bestätigt.
Die Anwendung derselben Prinzipien^-auf die Klangmischungen leitet
schlielslich noch zu der Frage über, auf welchem Wege wir in einer
LiUeratii^rbmckt. 351
EJangmischung mehrere Instrumente heraushören können. Diese Frage
ist analog der Ausgangsfrage, wie wir in einem Mehrklang mehrere Töne
unterscheiden, aber sachlich wohl von dieser zu trennen. Hier ist in
der That die einizige Lösung die, dafs wir nach Anhaltspunkten, welche
nur die Erfahrung Hefem kann, auf das Vorhandensein bestimmter
Instrumente schHefsen, den Klang auf sie beziehen. Es gibt ein Heraus-
hören von Tönen, aber nicht ein Heraushören von Instrumenten, voraus-
gesetzt, dafs sie wirklich streng gleichzeitig erklingen.
Der Selbstanzeige sei es gestattet eine Selbstkritik hinzuzufügen.
Einem Bedenken wenigstens, das mir beim Durchblättern aufgestofsen,
würde ich als Eecensent folgenden Ausdruck geben:
„Der Verfasser, der gegen andere mitunter scharf polemisiert, hat
sich doch selbst in Hinsicht der sogenannten Verschmelzungsthatsachen
eine Undeutlichkeit zu schulden kommen lassen. Denn er behauptet S.137,
die Verschmelzung gehe bei allen Tonpaaren, die nicht schon der
niedersten Verschmelzungsstufe angehören, in diese Stufe über, ohne
die etwaigen Zwischenstufen zu durchlaufen. Die Kurve aber, durch
welche S. 176 die Verschmelzungsverhältnisse dargestellt werden, durch-
läuft, indem sie von den höheren Stufen zur niedersten (Berührung mit
der Absoisse) übergeht, jedesmal die zwischenliegenden Stufen, wie dies
ja auch geometrisch innerhalb einer Ebene gar nicht anders möglich ist."
In der That müssen wohl beim Übergang z. B. von der grofsen
Septime zur Oktave oder von dieser zur kleinen None alle Verschmelzungs-
grade durchlaufen werden, wenn anders unter den letzteren ein einfaches
Steigerungsverhältnis stattfindet. Aber es ist ein Unterschied zwischen
blofsen Graden und Stufen der Verschmelzung (S. 185). Die Stufen
sind im geometrischen Bilde durch die Wendepunkte der Kurve charak-
terisiert, und es ist durchaus richtig, dafs die höchste in die niederste
und umgekehrt übergeht, ohne die Zwischenstufen zu durchlaufen. Da-
gegen halte ich es allerdings für wahrscheinlich, dafs sich auch auf
einer solchen Strecke ohne Wendepunkte durch hinreichende Übung,
durch Emanzipation des Urteils von allen Nebeneinfiüssen die den et-
waigen Zwischenstufen entsprechenden Verschmelzungsgrade wieder-
finden lassen.
Ich verhehle mir nicht, dafs überhaupt der Begriff der Verschmel-
zung als eines eigentümlichen, nicht weiter zurückführbaren Verhältnisses
von Sinnes in halten, wie er den Mittelpunkt der Untersuchungen dieses
Bandes bildet, manchen Angriff erfahren wird. Der eine wird ihn für
absurd erklären, der andere für eine altbekannte Sache, für die nur die Er-
klärung noch zu entdecken wäre. Ich will nichts im voraus zur Verteidigung
sagen; ich weifs nur, dafs er so, wie er hier steht, für mich das Ergebnis
vieler Beobachtungen und vieles Nachdenkens ist und auf viele Ersehei-
nxmgen Licht wirft, von denen die im vorliegenden Bande erwähnten
(man sehe das lange Verzeichnis im Begister unter „Verschmelzung") ikvat
ein kleiner Teil sind. Es liegt hier jedenfalls ein Zug der £dnnlieh«ft
Welt, mit dem wir rechnen müssen, mögen ihn auch andere anders und
besser definieren.
352 Litteratwbencht
J. B. Ewald. Der AcnatlcnBittainTn ist durch Sehall erregbar. BerUn. kUn.
Wochenachr. 1890. No. 32. S. 731.
Tauben, denen auf beiden Seiten das gesamte Labyrinth entfernt
worden war, reagierten schon wenige Stunden nach der Operation leb-
haft auf Schall und hörten auch dann nicht schlechter, wenn zudem,
noch das äufsere Trommelfell und die Oolumella herausgenommen und
sämtliche Federn kurz abgeschnitten wurden.
Die Annahme, dafs der Acusticusstamm wirklich Schallempfindlich-
keit besitzt, konnte Ewald endgültig dadurch beweisen, dais es bei
einigen der operierten Tauben gelang, den Acusticusstamm durch Kro-
tonöl oder Arsenpaste zur Degeneration und Atrophie zu bringen und
dafs dann die Tiere nunmehr völlig taub waren. Piretti (Bonn).
J. B. Ewald. Über motorische Stöninf en nach Verletzimgen der Bogen-
gänge. Centralbl f. d, medig. Wissmsch, 1890. No. 7 und 8.
Verfasser konstatierte bei Tauben nach Herausnahme des rechten
ütrikularapparates eine Abnahme der Muskelkraft auf der ganzen rechten
Seite. Um das rechte Bein zu strecken, genügte ein viel geringerer Zug
als links ; der rechte Flügel funktionierte bedeutend weniger kräftig als
der andere, und ein ähnliches Verhalten zeigten die Drehmuskeln des
Halses. Dem entsprechend war auch der Widerstand gegen passive
Bewegungen rechts weit weniger ausgesprochen als links. Verfasser
schliefst hieraus, dafs normalerweise beständig vom Ohrlabyrinth sen-
sible Beize ausgehen, welche die Muskelkontraktion beeinflussen.
Es ist nicht recht einzusehen, welcher Art diese Beize z. B. bei
absolut unbewegtem Kopfe, wo also ein etwaiger EinfluTs von Endolymph-
strömungen nicht in Frage kommt, sein sollen; man müJGBte sich denn,
wie übrigens E. auch zu thun scheint, der Annahme zuneigen, dafs die-
selben akustischer Natur seien. Es bleibt abzuwarten, ob sich hierfür
stichhaltige Gründe anführen lassen, und ob es nicht vielmehr gerecht-
fertigter sein dürfte, die in Bede stehenden Erscheinungen auf irgend
welche durch den operativen Eingriff gesetzte Funktionsstörungen be-
nachbarter Gehimregionen zu beziehen. Sohabfkb (Jena).
Chabpentieb, A. Recherches snr Tintensitö comparative des sona d'aprto
lenr tonalitö. — Arch. de phys. norm, et path, 1890, No. 3. S. 496—507.
Verfasser unterzog sich der Aufgabe, für Töne von verschiedener
Höhe, aber genau gleicher Amplitude den Abstand festzustellen, bis zu
welchem die Tonquelle vom Ohr entfernt werden muij9, damit der Ton
eben verschwindet, mit anderen Worten die Schwelle erreicht wird. Es
war nicht leicht, die geforderte Gleichheit der Amplituden zu erreichen.
Mehrere Methoden mussten wieder verworfen werden. Am geeignetsten
erwies sich die Anwendimg eines für den vorliegenden Zweck etwas
modificierten Spieldosen Werkes. Die wesentlichen Bestandteile eines
solchen bilden bekanntlich eine kammartig gezähnte Metallplatte und
oin rotierender Cylinder, besetzt mit Stacheln, welche die verschiedenen
Zähne, und zwar — worauf es gerade hier ankommt — immer um die-
selbe Strecke aus der Gleichgewichtslage bringen, also in Schwingungen
Ldtteraturbericht, 353
versetzen. Es wurden immer höchstens zwei Töne gleichzeitig beobachtet
und die Beobachtungen möglichst > rasch angestellt, da die Hörschärfe
von Augenblick zu Augenblick wechselt. In dieser Weise und unter
vorsichtiger Ausschaltung störender Einflüsse, wie Reflexion, Tageslärm
u. s. w. lieisen sich brauchbare Besultate gewinnen. Je höher die Töne,
um so gröüser konnte die Distanz zwischen Instrument und Ohr genom-
men werden, ehe die Schwelle erreicht wurde. Die Octave wurde 2,87;
die Quinte 1,75; die Quarte l,73mal so weit gehört als der Grundton.
Daraus folgert Verf., dafs die Intensit&tsempflndung ceteris paribus eine
Funktion der Anzahl der Beize in der Zeiteinheit ist, wonach diesen
also eine cumulierende Wirkung zuzuschreiben wäre. Schaefer (Jena).
Httgo PippiNo. Zur Klangfsurbe der gesniigeiien Vokale. Untersuchung
mit Hbnseks Sprachzeichner, ausgefCQirt im physiologischen Institut
zu Kiel. ZeitschHft ßr Biologie, Bd. XXVII. N. F. IX. (1890), 80 S.
Während die Natur der Vokale als Klänge bereits lange feststand,
haben bekanntlich zuerst Whbatstonb (1837) und Dokdbbs (1857) die ge-
nauere Analyse auf Grund der Thatsache angebahnt, dafs die Mundhöhle
in ihrer fdr jeden Vokal specifischen Konfiguration einen Besonator dar-
stellt, welcher auf einen oder zwei, alsdann durch ein gröfseres Spatium
getrennte, bestimmte Töne oder richtiger Tongruppen („Verstärkungsge-
biete") abgestimmt ist, da neben dem maximal verstärkten Ton auch in
abnehmendem Mafse die ihm nächststehenden höheren und tieferen
Töne der Skala mit verstärkt werden. Das vorliegende Material vervoll-
kommnend, definierte Helmholtz (1877) die Vokale als „Klänge mem-
branöser Zimgen, nämlich der Stimmbänder, deren Ansatzrohr, nämlich
die Mundhöhle, verschiedene Weite, Länge und Stimmung erhalten kann,
so dafs dadurch bald dieser bald jener Teilton des Klanges verstärkt
wird;" — und: „Die Vokalklänge unterscheiden sich hiemach von den
Klängen der meisten anderen Instrumente wesentlich dadurch, dafs die
Stärke ihrer Obertöne nicht nur von der Ordnungszahl derselben, sondern
überwiegend von deren absoluter Tonhöhe abhängt. Wenn ich z. B. den
Vokal A auf die Note Es singe, ist der verstärkte Ton 6" der zwölfte des
Klanges, und wenn ich denselben Vokal auf die Note &' singe, ist es der
zweite Ton des Klanges, welcher verstärkt wird." Nachdem nun gegen
diese Theorie des „absoluten Momentes" schon 1875 v. Quakten die Frage
aufgeworfen, wodurch denn Vokale charakterisiert seien, die auf einen
Ton gesungen würden, welcher den charakteristischen Verstärkungston
(in obigem Beispiel b") gar nicht als Oberton enthielte, vielmehr z. B.
selbst höher sei als dieser ; führte Auerbach 1876 das „relative Moment"
in die Vokaltheorie ein, wonach also, wie bei unseren Musikinstrumenten,
gleichgültig, welches der Grundton ist (auf den der Vokal gesungen
wird), die entstehenden Obertöne immer dasselbe Verhalten zeigen, das
natürlich eben für jeden Vokal ein specifisches ist. Ähnlich hatte übri-
gens schon Gbasskank 1854 unter anderem den Satz aufgestellt, die
Vokale Ü-Ü-J seien durch Mitschwingen nur eines Obertones neben dem
Grundtone charakterisiert; Ä durch eine Beihe von Obertönen von fast
gleicher Stärke. Schneebeli (1879) folgerte aus seinen Untersuchungen,
354 LUiercOwrbendU.
daüs ein beliebiger Ton (c'; g'\ c"; ^% wenn sein erster Oberton aus
der Klangmasse besonders heraustritt, regelmftfsig den Charakter des
0 erhält.
Die Arbeiten dieser Autoren und eine Reihe anderer unterzieht
PiFpnro, welcher umfassendste litteraturstudien angestellt, eingehender
Kritik. Er bezeichnet zunächst mit Recht die subjektive Methode der
Klanganalyse, die Feststellung der Verstärkungsgebiete durch Vorhalten
von Stimmgabeln vor die Mundhöhle oder durch Perkussion des Kehl-
kopfes, als streng wissenschaftlichen Anforderungen nicht genfigend,
ebenso die objektive Synthese der Vokale aus Stimmgabeltönen, und er-
klärt die graphischen Methoden und unter diesen wieder die Aufzeich-
nung der Vokalkurven mittelst des HEvssKschen Sprachzeichners für
allein brauchbar. Eine Beschreibung nebst Abbildung desselben in seiner
ursprünglichen Form findet sich in 'Httihanns Hcmdbueh der Physiologie,
Bd. I., T. 2. S. 187—189. Die Vokale werden gegen eine trommelfellartig
über die Offntmg eines Sprachrohrs gespannte Membran gesungen. An
deren Aufsenseite ist das Ende eines Schreibhebels, und zwar eines zwei-
armigen Hebels, befestigt. Die Drehungsaxe des letzteren ist so kon*
struiert, dafs zugleich mit der Drehxmg auch eine zur Verhütung von
Eigenschwingungen hinreichende Dämpfung erzielt wird. Der Schreib-
hebel endet in einer Glasfeder, welche die Kurve auf eine berufste Glas-
platte zeichnet. Letztere stellt die Oberfläche eines Schlittens dar, der mit
der Hand während des Zeichnens verschoben wird. Die Registrierung
der Zeiteinheiten vollzieht eine an dem Stative der Membran mit ange-
brachte Stimmgabel, welche, wenn der Apparat in Funktion tritt, ange*
geschlagen wird und dann ebenfalls mit einer Glasfeder ihre Kurve neben
der Vokalkurve verzeichnet. An dem Sprachzeichner, den bereits Hensbm
inzwischen vervollkommnet, wurden für die vorliegende Untersuchimg
noch wesentliche Verbesserungen vorgenommen. Als wichtigste mu/js
erwähnt werden, dais die Glasfedem durch konisch geschliffene Dia-
manten ersetzt sind. Dies ermöglicht die Zeichnung feinster Striche,
was von grofser Bedeutung für die Ausmessung der Kurven ist, die alle
mikroskopisch sind. Ferner wurde zur Erleichterung der späteren Ordi-
natenmessuDgen noch ein dritter Diamant, der einen geraden Strich neben
die Vokalschrift zeichnet, angebracht. Besondere Accuratesse wurde
auf die Festhaltung des Grundtons verwendet. Zunächst ward dem
Singenden die Tonhöhe mittelst einer KöKioschen Stimmgabel angegeben
und nachher unter sorgfältigster Ausschlielsung gewisser Fehlerquellen
durch genaues Messen und Vergleichen der Vokal- und Stimmgabelwellen
kontrolliert. — Der Apparat, mit dem die den Berechnungen zugrunde
liegenden Messungen der Ordinaten ausgeführt wurden, besteht aus
zwei übereinander gelegten, durch Mikrometerschrauben verstellbaren
Schlitten, deren Bewegungslinien einander rechtwinklig gegenüberstehen.
Die eine Schraube mifst die Abscissen, die andere die Ordinaten. Zehn-
tausendstel Millimeter liegen noch im Bereiche der Messung. Zur Mes-
sung wurde immer eine tadellose Gegend der Kurve aufgesucht und hier
eine Welle für die Messung gewählt. Die Wellenlänge wurde mehr£Btch
präzise gemessen, und die gefundene Mittelzahl zur Abscissenberechnung
LUteraturherieht, 355
benutzt. Es wurde stets von einer Abscisse zu der nächstfolgenden
weiter fortgeschritten und zur Eontrolle zuletzt immer die y-Ordinate
der nächsten Periode gemessen. Nur selten zeigte sich zwischen den
beiden j^Ordinaten eine gröisere Differenz als 0,0002. Aus den Diffe-
renzen wurde jedesmal das Mittel gezogen. Die Ordinaten wurden nur
einmal gemessen, in der ftegel von dem geraden Striche aus. Bei drei
Kurven nur wurde Beduktion der Abscissen mit Rücksicht auf ungleich-
mäfsiges Schlittenziehen nötig.
Die Endresultate seiner Messungen und Berechnungen hat Verfasser
in Tabelle IQ. (S. 41) niedergelegt. Diese Tabelle gibt an, wie viel
Prozente von der Gesammtintensität des gesungenen Vokales auf jeden
seiner Partialtöne entfallen. Aus diesen Daten werden nun nachstehende
Folgerungen gezogen. Der Vokal ü hat zwei Verstärkungsgebiete. Das
eine umfafst in der Breite einer Oktave den maximal verstärkten Ton
c'; das andere a" in der Breite einer Quinte. Der Vokal Ä hat zwei
Verstärkungsgebiete, eins in der Umgebung von cw'" oder d'", ein anderes
um eine Octave höher. Der Vokal Ä hat den charakteristischen Ton f"
(oder vielleicht c'"); die Verstärkungsbreite ist etwa eine Oktave. Eine
sekundäre Verstärkung erfährt der 10. Ton. Bei dem Vokal J liegen
die Grundtöne selbst im untern Verstärkungsgebiet. Ein oberes erstreckt
sich, scharf begrenzt von c"" bis d"". Bei F liegt der Maximalpunkt des
untern Gebietes unter der Mitte der eingestrichenen Oktave. Das obere
Gebiet fällt mit dem von J zusammen, ist aber noch enger wie dort
{c""). Vokal Ö hat ein noch nicht genauer zu bestimmendes unteres
Gebiet in der eingestrichenen Oktave; ein zweites enges in der Nähe
von c'". Vielleicht besteht noch ein drittes um c"". Die Verstärkungs-
gebiete von E verteilen sich auf die eingestrichene Oktave und in engemi
Umfang auf d"". Sehr unbefriedigende Resultate lieferte A, Dagegen
lieis sich nach Jeitkin und Ewino für 0 ein Verstärkungsgebiet in der
oberen Hälfte der eingestrichenen Oktave von gut Oktavenbreite be-
rechnen.
Schon aus diesen Angaben wird der Leser entnehmen, dafs Pippimo
sich fQr das absolute Moment als das in der Charakterisierung der Vokale
dominierende entscheidet. In der That erkennt er nach seinen ünter^
suchungen dem relativen Moment einen minimalen EinfluTs zu: ,,Die
Intensitäten der einzelnen Teil töne hängen in keinem nennenswerten
Grade von ihren bezüglichen Ordnungszahlen ab.^ (S. 77). Die Methode
AüEBBAOHS, die Partialtonintensitäten nach dem Grade ihrer Verstärkung
durch Resonatoren bestimmen zu wollen, enthalte bedeutende Fehler-
quellen, und seine Art der Elimination des absoluten Momentes sei in-
korrekt. Ähnliche Zurückweisungen erfahren Grassmaitn, Lahr und
ScHNSBBBLi. — Aus der genauen Periodizität seiner Kurven folgert Ver-
fasser, dafs keine unharmonischen Teiltöne die gesungenen Vokale be-
gleiten, deren Vorkommen Hblmholtz behauptet, und ebensowenig Ge-
räusche, deren Vorhandensein Dokders als gerade charakteristisch fiir
Vokale ansprach. Die Accommodationshypothese von Jenkik imd Ewino,
der zufolge das Centrum der charakteristischen Verstärkung bedeutend
verschoben werden kann, damit irgend ein Teilton in seine Nähe fallen
356 lAUeraturbmcht.
möge, ist ganz abzulehnen. Vielleicht käme sie für die F&lle in Betracht,
wo der Vokal auf einen so hohen Ton gesungen wird, dafs der untere
maximale Resonanzton unterhalb des Gnmdtones liegt. Auf solche F&lle
dehnte Verfasser seine Versuche noch nicht aus, glaubt jedoch, dals
dann die Vokalbildimg überhaupt nach komplizierteren Gesetzen vor
sich gehen dürfte. Auch abgesehen hiervon bezeichnet Pipfiko seine
Untersuchimgen als durchaus nicht erschöpfend. Indessen sind dieselben
offenbar mit einem bemerkenswerten Aufwand von Sorgfalt imd Mühe
angestellt, so dafs sie ohne Zweifel ein sicheres Fundament für weitere
Forschungen abgeben. Schaefbr (Jena.)
Prouho. Du Bens de rodorat cliez les steiles de mer. Comptes rendus,
Bd. CXI. S. 1343. Juni 1890.
Bringt man in die Nähe eines ruhenden Seeigels (Asterias glacialis)
eine Lockspeise z. B. einen todten Fisch, so bewegt sich der Seeigel
lebhaft in der Eichtung nach dem Objekte hin. Lebende Fische, die
festgebunden sind, werden mit einem Arm ergriffen und dem Munde
genähert. Dafs die Augen nicht die lebhafte Bewegxmg veranlassen,
läfst sich durch Exstirpation derselben nachweisen, wodurch das Wahr-
nehmungsvermögen des Seeigels nicht leidet. Bei weiteren Versuchen
wurde das Versuchstier von der Lockspeise durch eine undurchsichtige
Wand getrennt, in welcher an einer bestimmten Stelle eine Ofi^ung
war. Der Seeigel kroch immer in der Eichtung auf dieselbe. Werden
die Taster abgeschnitten, so hört die Wahrnehmung auf, auch bei voll-
st-ändiger Erhaltung der Augen. Durchtrennen der peripheren Nerven
beeinträchtigt die Beaktionsfahigkeit der Taster nicht, macht jedoch den
centralen Teil des Körpers vollständig teilnahmlos.
Aus diesen Versuchen schliefst Pbouho auf die Anwesenheit eines
ziemlich gut entwickelten chemischen Sinnes, welcher in den Tastern
seinen Sitz hat und den Gesichtssinn, wenigstens bei Asterias, an Fein-
heit übertrifft. Bubckhabdt (Berlin).
A. GoLDscHBiDBR. Ober die Empfindlichkeit der GMenkenden. Sitzgs.-
Ber. der Berliner Physiolog. Gesellsch. vom 14. März 1890. Areh, für
Anatomie und Physiologie 1890. S. 380—384.
Da die Gelenkkapseln erwiesenermaHsen mit Nerven und Nerven-
endigungen versehen sind, so ist damit ein anatomisches Substrat fftr
Sensationen gegeben, die, bei Beweg^ungen durch Faltimgen etc. der
Kapsel hervorgerufen, zur Auslösiuig von Bewegungsempfindungen bei-
tragen können. Zu untersuchen war, ob auch für Widerstandsempfin,-
dungen, ausgelöst durch das Aneinanderpressen der freien Gelenkenden,
ein solches Substrat vorhanden. Genügende mikroskopische Unter-
suchungen liegen nicht vor. Es wurde nun an Kaninchen — Frösche
eigneten sich nicht gut — die untere Gelenkfiäche der Tibia mechanisch
und thermisch gereizt, und es gelang durch diese Beize die Atmung
reflektorisch zu beeinflussen. Die Beizbarkeit blieb bestehen, nachdem
die Gelenkoberfiäche mit dem Messer abgetragen, und erlosch auch nicht
LiUeraturbericht 357
bei fortgesetztem Abtragen dünner Schichten der Epiphyse, ja wurde eher
stärker, wenn endlich das blofsgelegte Mark gereizt ward. Hiemach
l&lst es sich zwar nicht mit Sicherheit entscheiden, ob die Gelenkober-
fläche empfindlich ist, da der Beizerfolg auf Fortleitung des Beizes in
die tieferen Schichten bezogen werden kann; doch „darf wohl die Be-
rechtigung, die Gelenkenden als Substrat einer Sensation anzusehen, be-
reits anerkannt werden.^ Scbabfeb (Jena).
Max. Falk. Versuche ttber die BaumscliätBimg mit Hilfe ▼on Arm-
bewegungen. Inaug.-JDissertation. Dorpat 1890. 57 S.
Der Verfasser, ein Schüler von Kbabpelin, untersuchte die ünter-
schiedsempfindlichkeit für Baumgröfsen, die durch Bewegungen des
rechten Armes erzeugt wurden. £r bediente sich hierbei eines leicht
beweglichen Wagens, welcher dem Unterarm eine feste Grundlage bot, und
der Methode der Minimaländerungen, der r. u. f. Fälle, der mittleren Fehler
und einer kombinierten Methode. Die letztere besteht darin, dais die
innerhalb der ünterschiedsschwelle (oder eigentlich zwischen dem
Gleichheits- und Übermerklichkeitspunkt) liegenden Werte der Me-
thode der Minimaländerungen teils nach der Methode der r. u. f. Fälle,
teils nach derjenigen der mittleren Fehler in Bechnung gezogen werden.
Auf diese Weise liefsen sich unter Anwendung desselben Verfahrens der
konstante und variable Fehler, das Präzisionsmafs, welches nach Fbchker
der XJ. £. proportional gesetzt wurde, und die ünterschiesdsschwelle
bestimmen. Die Besultate waren im wesentlichen folgende:
1. Kleine Distanzen werden gröfser, gröfsere kleiner reproduziert,
der Indifferenzpunkt liegt für die Vorwärtsbewegung etwa bei 7 — 8 cm,
für die Bückwärtsbewegung etwa bei 15 cm. Innerhalb dieser Grenzen
befinden sich die im praktischen Leben häufigst vorkommenden Be-
wegungsgröfsen. Auf den konstanten Fehler der Beproduktion, welcher
nicht mit dem Urteil über die Fehldistanz in Übereinstimmung steht,
zeigte sich die jeweilige Endlage des Armes von Einflufs. Verfasser
vermutet daher, dafs der von Lob gefundene Zusammenhang zwischen
dem konstanten Fehler und dem Verkürzungsgrad der thätigen Muskeln
auch hier vorliege. Der für die Bewegung erforderliche Kraftaufwand
(durch verschiedene Belastung des Wagens variiert) zeigte sich ohne
Einflufs, Übung verringerte den konstanten Fehler.
2. Die absolute U. E. ist am geringsten bei kleinen Distanzen, wächst
aber sehr schnell, um von 5 cm an nur langsam zuzunehmen. Bei
gröfseren Strecken (10 — 20 cm) konkurriert sie mit der bei Augenmafs-
versuchen ge^mdenen. Für die Bückwärtsbewegung ist sie geringer
als für die Vorwärtsbewegung. Ein Einflufs der Geschwindigkeit und
des Kraftaufwandes auf die U. E. war nicht erkennbar, ebenso wenig ein
solcher der (auf einem Kymographion verzeichneten) Bewegungsform
oder der Geschwindigkeit der einzelnen Phasen der Bewegung und der
Übung.
3. Die relative U. E. ist nicht konstant.
358 LiUeraturhencht
Die sorgfältigen und zahlreichen Versuche erstreckten sich blofs
auf 5 Distanzen (1; 2, 5; 5; 10; 20 cm), und die wichtigsten Thatsachen,
der Gang des konstanten Fehlers und der ü. £., sind unerklärt geblieben.
0. KüLFE (Leipzig).
H. HöFFDivG. Über Wiederkennen, Assoeiation und psyehisclie Akti-
vltftt. VierieJßahr88ckr.f,wi88.Phü,Xni.,^, 8.420-468; XIV., 1, S. 27-54;
XIV., 2, 8. 167—205.
In dieser noch nicht vollständig erschienenen Abhandlung behandelt
der Verfasser in fQnf Abschnitten 1. das unmittelbare Wiederkennen,
2. die Voraussetzungen der Berührungsassociation, 3. die Ähnlichkeita-
association, 4. das Verhältnis zwischen der Vorstellungsassociation und
der vergleichenden Denkthätigkeit , 5. den Begaff der psychischen
Aktivität im allgemeinen. Vollständig liegen bis jetzt nur die ersten
drei Abschnitte vor.
Nach einer kurzen Einleitung, in welcher der Verfasser die innere
Verbindung zwischen diesen verschiedenen Problemen auseinandersetzt,
sucht derselbe im ersten Abschnitt die Theorie des unmittelbaren Wieder-
kennens, welche er schon in seinem Lehrbuche der Psychologie dar-
gestellt hat, ausführlicher zu begründen. In vielen Fällen, in welchen
die Selbstbeobachtung nicht die geringste Spur von anderen durch die
erkannte Erscheinung erweckten Vorstellungen zeige, sei die Auffassung
des Unterschiedes zwischen etwas Bekanntem, Vertrautem und etwas
Neuem, Fremdem eine unmittelbare. Der Unterschied sei so einfach
und klar, dafs er sich ebenso wenig näher beschreiben lasse, wie der
Unterschied zwischen Lust und Unlust oder zwischen G-elb und Blau; er
sei ein unmittelbarer Qualitätsunterschied. Da nun diese Bekanntheits-
qualität jedenfalls irgendwie mit dem früheren Vorhandensein der Em-
pfindung im BewuTstsein zusammenhängen müsse, so sei sie offenbar durch
eine Nachwirkimg des früheren Zustandes hervorgerufen. Ferner sei
die einfachste Annahme hinsichtlich dieser Nachwirkung, dafs dieselbe
in der gröfseren Leichtigkeit bestehe, mit welcher bei "Wiederholung ein
Zustand eintrete. Die von anderer Seite aufgestellte Erwartimgstheorie,
welche annimmt, dafs man von einem zusammengesetzten Empfindungs*
komplexe (-4 + 5 + C + . . .) zunächst nur einen Teil, z. B. A, wahr-
nimmt, dafs dieser die übrigen Theile reproduziert und dafs dann durch
die Übereinstimmung der reproduzirten Vorstellungen 6, c, (i . . . mit
den darauf eintretenden Empfindungen J3, C, D . . . das Wiederkennen
bedingt ist, erkennt der Verfasser als richtig an, sucht aber nachzuweisen,
dafs diese Theorie nicht fOr alle Fälle pafst. Man könne z. B. glauben,
ein Gesicht zu kennen, obgleich nur ein einzelner Zug, z. B. das Auge,
dem eines bekannten Menschen ähnlich sei. Würde nun in solchen
Fällen das Auge Vorstellungen von der Stirn, dem Munde etc. des
wirklich bekannten Menschen reproduzieren, so müTsten diese Vor-
stellungen ja gleich in Streit mit den wirklichen Empfindungen geraten
und ein Wiederkennen unmöglich machen. Ferner setzt sich der Ver-
fasser noch mit den Einwänden auseinander, welche von A. Löchiv
in einer Schrift {Sp^gamaal vedkommende de afasiske Sygdomme, Christiania
1888) gegen die Annahme des unmittelbaren Wiederkennens erhoben
Litterahirbericht 359
sind, und mit A. Lehmank (Über das Wiederkennen, *Phil. Stud. V.), welcher
auf experimentalem Wege dieselbe Annahme widerlegen zu können ge-
glaubt hat. Gegen den letzteren hebt Verfasser insbesondere hervor,
dafs es unmöglich sei, durch Versuche, die doch stets unter gewissen
bestimmten Verhältnissen stattfinden mülsten, den Beweis zu führen,
daJGs das Wiederkennen unter anderen Verhältnissen nicht auch auf
andere Weise stattfinden könne.
Der zweite Abschnitt sucht nachzuweisen, daiÜs die Berührungs-
association ein unmittelbares Wiederkennen voraussetzt. Wenn eine
gewisse Anzahl von Malen die Empfindung bezw. der Empfindungs-
komplex B auf die Empfindung bezw. den Empfindungskomplex A im
Bewxiistsein gefolgt sei und es werde nun beim Eintreten von Ä wieder
B reproduziert, so könne dies nur durch die Annahme erklärt werden,
daüs bei häufiger Wiederholung im Bewufstsein und Hirn eine gewisse
Disposition oder Tendenz zurückbleibe, die sich auslösen lasse, ohne
dafs die Erscheinung selbst gegeben zu sein brauche. Da nun aber A
ebenso oft als B wiederholt sei, so müsse dieselbe Disposition, die hin-
sichtlich B stattfinde, auch hinsichtlich A stattfinden, und diese Dis-
position müsse natürlich beim Eintreten von A noch in weit höherem
Mause erregt werden, als die auf B bezügliche Disposition.
Der dritte Abschnitt wendet sich gegen die Versuche, alle Ähnlich-
keitsassociation auf Berührungsassociation zurückzuführen. Die Annahme,
dafs alle einander ähnlichen Erscheinungen wenigstens ein Element ge-
meinsam hätten, und dafs dieses Element die Association vermittle,
lasse sich nicht aufrecht halten, da z. B. die verschiedenen Nuancen des
Bot kein gemeinsames Element haben könnten. Die andere Annahme,
dafs das Wort, die gemeinschaftliche Bezeichnung, als Mittelglied zwischen
zwei verwandten Vorstellungen diene, reiche auch nicht immer zur Er-
klärung aus. Denn wenn man z. B. auch annehmen wolle, dais die
Wortvorstellung Feldherr die Vorstellung von Napoleon und die Vor-
stellung von Alexander zusammenknüpfe, so sei doch zu bedenken, dafs
das Wort Feldherr gebildet sei, um solche Menschen wie Napoleon und
Alexander zu bezeichnen, und dafs daher diese Berührungsassociation
vorhergehende primäre Bewufstseinsthätigkeit voraussetze, durch welche
Napoleon und Alexander (oder ähnliche Männer) zum erstenmale zu-
sammengestellt seien. Schliefslich sucht dann der Verfasser noch nach-
zuweisen, dafs die Ähnlichkeitsassociation nicht unerklärlicher sei als
die Berührungsassociation und entwickelt eine psychophysische Hypo-
these zur Erklärung derselben. Schümann (Göttingen).
BivET, A. Becberches snr les mouyementa clies quelques jeunes enfaats.
Bevue pkihs. 1890. No. 3. S. 297—309.
BnrsT macht zunächst bezüglich des Beginns der Gehversuche da-
rauf au£nerksam und erläutert eingehend an einem Beispiel, wie sehr
hier Erziehung, Charakterdifferenzen und die verschiedensten äufseren
Einflüsse von Belang sind. Sicher aber sei, dais — wofür auch Pbbtsb
in seiner „Seele des Kindes^ eintritt — der Instinkt die Quelle der
ersten Gehversuche ist. Verfasser hatte mehrfach Gelegenheit, zu beo-
360 Litteraturberieht
bachten, wie kaum einige Wochen alte Kinder bereits in völlig coordi-
nierter Weise etliche Schritte machten, wenn sie unter die Achsel ge
fafst und so gehalten wurden, dafs die Fufssohlen die Unterlage berührten.
Letzteres war von wesentlicher Bedeutung. Dais bewufste Ortsver&nde-
rungen erst viel später begonnen und mühsam erlernt werden, berechtigt
nicht, das Gehen den einfach erworbenen Eigenschaften zuzurechnen. —
Im zweiten Abschnitte wird die Thatsache registriert, dafs bei Kindern
von einigen Wochen in direktem Gegensatz zu mehrjährigen stets die,
meist explosive, Bewegung des einen Armes von der nämlichen seitens
des anderen begleitet oder sehr bald gefolgt ist ; dafs ferner in den ersten
Wochen die Hände bei schlaff herabhängenden Armen eine auffallend
ausgeprägte Pronationsstellung einnehmen und — was sehr wichtig —
genaue Orientierung Über den Grad der Sicherheit gegen etwaiges Fallen
besteht, derart, dafs bereits ein geringes Lockern der haltenden Hände
genügt, heftiges Sträuben und Geschrei auszulösen. Verfasser nimmt
zur Erklärung ein auf Vererbung beruhendes frühzeitiges In-Funktion-
treten des Muskelsinnes an. — Ein drittes Kapitel handelt von den
automatischen Bewegungen. Kitzeln der Hohl band, Hineinlegen von
Gegenständen in dieselbe reicht hin, um ein Schliefsen der Finger her-
beizuführen, nicht nur trotz anderweitiger Inanspruchnahme der Auf-
merksamkeit, sondern sogar im Schlafe. Andererseits werden manchmal
gewisse Fingerstellungen längere Zeit zwecklos innegehalten, als wären
sie vergessen worden. Es erinnert das, rein äuXserlich betrachtet, an
gewisse kataleptische Erscheinungen der Hysterie. Der Impuls zu einer
Bewegung bleibt eben bestehen, auch wenn eine anderweitige Inanspruch-
nahme des Intellektes Platz greift. Ein analoges Beispiel rein psychischer
Art erlebte Verfasser an einem heftig weinenden Mädchen. Über den
Anblick einer Flamme vergafs es augenblicklich seinen Kummer, allein
dieser blieb doch im Hintergrunde des Bewufstseins und brach immer
gleich wieder hervor, wenn das Licht verlöscht ward. — Zum Schlüsse
werden einige Angaben über die Reaktionszeit bei Kindern von durch-
schnittlich 4 Jahren gegeben. Es war die Aufgabe, auf ein Metronom-
signal einen MABSTschen Tambour in Aktion zu setzen. Die Beaktions-
zeit erwies sich als sehr lang (zwischen 0,2" und 1,0"). Die gleichzeitig
aufgenommenen Kurven der Muskelkontraktion zeigten sehr verschie-
dene Form und waren sehr flach. Schaefbb (Jena).
0. Flügbl. Zur Lehre Tom Willen. Zeitschrift für exakte PhiJoeopkie
Band 18. (1890), H. 1. S. 30-67.
KüLPB hatte in seiner Habilitationsschrift über die Lehre vom Willen
in der neueren Psychologie die WuNDTSche Willen stheorie zu vertei-
digen gesucht; als indirekter Beweis für ihre Richtigkeit wollte er die
ünhaltbarkeit aller übrigen modernen Willenslehren aufdecken und
muTste somit unter anderen auch Herbarts bezügliche Anschauungen der
Kritik unterziehen. Der Herbartianer Flügel wehrt nun in der vorlie-
genden Arbeit den Angriff ab, weist nach, daXs Külpe der HESBARTSchen
Theorie nicht gerecht geworden ist und wägt aufs neue die von Külpb
verteidigte Lehre gegen die von ihm bekämpfte ab. Die Grundfrage ist,
Lüteraturberieht 361
ob der Wille etwas Ursprüngliches, Selbständiges sei, wie Külpe will,
oder etwas Abgeleitetes, von den Vorstellungen Bedingtes, wie Flügel
annimmt. Külpe hatte Hbrbart vorgeworfen, er komme zu der letzteren
Anschauung nur aus metaphysischen Gründen; Flügel weist nach, wie
vielmehr die Analyse des empirisch Gegebenen dahin führte. Die Selbst-
beobachtung zeigt nie einen Willen oder auch nur ein Begehren ohne
ein Begehrtes, zeigt das Begehren nur verbunden mit anderen Seelen-
vorgängen, aber während kein Wille ohne Vorstellungen, existieren fort-
während Vorstellungen ohne Willen. Hbbbabts Auffassung stimmt somit
zur Erfahrung, dagegen weifs unsere Erfahnmg nicht das geringste von
jenem abstrakten Willen, den Külpe sich „einer metaphysischen Theorie
zuliebe zurechtmacht." Gegeben sind uns ja nur die einzelnen Willens-
akte; aus diesen abstrahiert Külpe den logischen Allgemeinbegriff etwa
des Begehrens, und dana wird weiter von dem wesentlichen Merkmal,
welches die Erfahrung stets beim Begehren zeigt, nämlich von der Be-
ziehung auf ein Begehrtes, abgesehen, und so kommt endlich ein dunkler
Trieb heraus, der als reale Ursache des geistigen Geschehens gesetzt
wird. Andererseits wird nun aber diesem ursprünglichsten Triebe alles-
mögliche von vornherein mitgegeben; er muDs Sinnlichkeit haben, denn
er richtet sich nach den Wahrnehmungen, er hat Verstand, denn er be-
folgt seine Mahnungen, kurz der Wille wird zu einer vollständigen Persön-
lichkeit, in der alles das schon vorausgesetzt wird, was erklärt werden
sollte. Flügel citiert hier Ballaüffs treffendes Wort: Alle die einzelnen
gegebenen Willensakte auf einen nicht gegebenen, sondern zur Erklärung
angenommenen einheitlichen Willen zurückführen, das ist nichts anderes
als wenn die Griechen als Ursache alles Streites in der Welt ein und
dasselbe Wesen, die Eris ansahen.
Die wichtigste Folgerung aus der Lehre von dem persönlichen Ur-
wülen ist die, dafs auf der Einheitlichkeit dieses Willens die Einheit
des gesamten Geisteslebens beruht; Flügel weist nach, dafs auch hier
die Erfahrung widerspricht. Der Wille ist nicht Ursache des Ich, sondern
das Ich ist Ursache des Willens. Wir können vor allem dasselbe wollen
und zugleich nicht wollen; der vernünftige Wille ist gegen die niedre
Begierde u. s. w. Derartige Schwankungen und innere Kämpfe dürften
nicht vorkommen, wenn es in uns eine Funktion gäbe, die allen Willens-
akten einheitlich zu Grunde läge. Külpe meint schliefslich, dafs der
einzige psychische Inhalt, welcher nicht vom Willen abhängig ist, die
perzipierten Emfindungen seien, diese aber nur eine Schattenexistenz
führen, nur den Stoff bieten, den der Wille erst uns verwertbar macht.
Mit Recht erwidert Flügel, dafs diese »uns'', für welche die Sinnes-
empfindungen Schattenexistenz führen, nur völlig ausgebildete Köpfe
sein können. Beim ungebildeten Menschen, beim Kind und gar beim
Tier ist es ganz anders, da läfst sich noch beobachten, wie die Vor-
stellungen nach ihren eigenen Gesetzen sich verbinden und hemmen.
Der Zustand des ausgebildeten charaktervollen Geistes, dessen Wille alle
inneren Begnügen beherrscht, ist also erst ein Erzeugnis allmählicher
Entwickelung ; unmöglich darf dieses Letzte zum Ersten gemacht werden.
Überdies deutet keine Erfahrung darauf hin, dafs die Vorstellungen aus^
362 Litteraturberieht
einander fallen würden, wenn sie nicht von einem Willen zusammen-
gehalten würden; im Gegenteil beweisen die vielen Verwechselungen
und Verallgemeinerungen, dafs die Vorstellungen von Natur einheitlich
zusammenfliefsen und oft erst der Wille sie auseinanderhält.
Es läfst sich nicht leugnen, dafs die psychologische Erfahrung im
allgemeinen für Flügel gegen Külpb spricht; nur darf diese Zustimmung
zur empirischen Willensanalyse nicht ausgedehnt werden auf die theo-
retischen Grundvoraussetzungen, mit denen Hebbart sie verknüpft hat
und für die nun auch Flügel wieder eintritt. Schon durch die Forde-
rung nach psycho-physischem Verständnis werden diese beseitigt, denn
darin täuscht sich Flügel: für eine wissenschaftlich konsequente Psycho-
physik ist Herbarts Bealienmetaphysik genau so unfruchtbar wie die
Apperceptionsmetaphysik von Külpb.
Münsterberg (Freiburg i. Br.).
Bibliographie
der psycho-physiologisclieii Litteratnr des Jahres 1869.
Die nachfolgende Zusammenstellung ist als erster Versuch natur-
gemäfs unvollkommen, sowohl in Bezug auf Vollständigkeit wie in Bezug
auf Abgprenzung gegen die Nachbargebiete und innere Anordnung. Da
wir für jedes Jahr ein ähnliches Verzeichnis zu bringen beabsichtigen,
so bitten wir diejenigen Leser, welche Veranlassung haben, das gegen-
wärtige zu benutzen, uns auf die ihnen beim Gebrauch entgegentretenden
Mängel aufmerksam machen zu wollen.
Die Bedaktian.
Inhaltsübersicht.
I. Allgemeines.
a. Lebrbttcher. No. 1—10.
b. Seele und Leib. No. 11—29.
e. Entwiokelungsgescbichte, Methode,
Vencbiedenes. No. 30—57.
d. Tierpsychologie. No. 58—65.
e. Historisches. Ko. 66—78.
a. Anatomie der nerröeen Central -
Organe.
a. Allgemeines. Ko. 79—80.
b. Straktnrelemente. Ko. 81—86.
c. Gehirn. Ko. 87—118.
d. Himnerren. Ko. 119—186.
e. Rttckenmark. Ko. 137—146.
f. Pathologisches. Ko. 147—159.
g. Tiere. Ko. 160—190.
Zeitschrift für Psychologie.
m. Physiologie der nerrftsen Oentral-
organe.
a. AUgemeines. Ko. 191—208.
b. Physiologie der Fasern und Zellen.
Ko. 204—227.
c. Gehim. Allgemeines. Ko. 228—264.
d. Gehim. Specielles: Gesicht Ko. 265
— 277; Motilität Ko. 278 — 297;
Sprache Ko. 298— 312; Verschiede-
nes ,.Ko. 818—831.
e. BQckenmark. Ko. 382-845.
f. Blutcirkulatlon des Gehirns. Ko. 346
—353.
IV. Sinnesempflndongen.
Allgemeines. Ko. 354—875«
24
364
InhaUsuberMcfU.
▼. PliTilologliolieiuidptyolioioglselie
Optik.
a. Allgemeines. Ho. 876.
b. Anatomiflehea. No. 877—400.
c. Akkomodation, Befraktion und
Sehachftrfe. No. 401— 429.
d. Licht- vnd Farbenempllndnngen.
Ho. 430—456.
c. Angenbewegonircn und binoknlareB
Sehen. Ho. 466—460.
f. BesiehongenradenftnikeraDBeisen
(Ermüdung, Kontraat, WBBBBSchea
Oeaeta etc.). Ho. 467—474.
g. PathologlacheB. Ho. 476—607.
h. Tieraagen. Ho. 606— 626.
i. Apparate. Mo 627—680.
VI. PhyilologlBOlie und psychologlielie
Akuittk.
a. Bau and Daiatellang des Ohres.
HO. 681-640.
b. Schallreize. Ho. 641—648.
c. Ton- und Geräoachempflndnngen.
Ho. 544—664.
d. Sonstige Fnnktionen des Ohres.
Ho. 665-667.
c. Pathologisches. Ho. 668— 666.
vn. Die ttbrigen ipeolflsclieB Biiuios-
empflndungen.
a. HantsensibiUtftt Ho. 666— 678.
b. Muskel- und Oelenkempflndungen.
Ho. 674-681.
c. Gkruch. Ho. 682—688.
d. Geschmack. No. 589—698.
e. GemeinempAndungen. Ho. 599.
vnx. Wahmolmiiiiig tob Banm, Zolt und
Bowognng. Ho. 600—617.
IX. BewunrtMtn undünbewnlkt— . Aaf-
merksamkotfe. Belilal Ho. 618— 682.
X. U1l1iag111ldAMOOUtlOB.Ho.683— 640.
XI. YontoUiiBgm BBd YonttlliiBgB-
komploxo.
a. Vorstellungen, Wahrnehmungen
und Illusionen. Ho. 641—647.
b. Sprache. Ho. 648—656.
c. Zeitbestimmungen. Ho. 657— 664.
d. Versdiiedenea. Ho. 666—690.
Xn. GolUao. Ho. 691—709.
Xm. BeWOgOBgOB BBd EftBdlBBgeB.
A. Muskelkontraktion. Ho. 710—712.
b. Beflexbewegungen. [Ho. 718—726.
e. Instinkt. Ho. 727—729.
d. Wille und Willkttrbewegungen.
Ho. 730—739.
e. Ansdrucksbewegnngen. Hu. 740—
741.
f. Willensfreiheit und Sittilchkeit
Ho. 742—761.
g. Pathologisches. Ho. 762— 771.
XI7. Neuro- HBd Psychopatliologlo.
a. Heuropathologie. Ho. 772— 788.
b. Hypnotismus. Ho. 789—838.
c. Hysterie. Ho. 889—844.
d. Geisteskrankheiten. 1. Allgemeines
Ho. 846— 866; 2.SpecieUes Ho. 867
—891.
e. Kriminalpsychologie. Ho. 892— 899.
AfikaBg: Alphabetisehes Verseiehnls der
Antomamen.
I. Allgemeines.
a. Lehrbücher.
1. Baldwik, Jambs Mabk. Handbook of Psychology. „Senses and InteUect."
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Specielles.
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u. m. einigen begleit, u. erläut. Bemerkungen yers. y. Dr. F. Wollnt.
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Psychosis polyneuritica seu Cerebropathia psychica toocaemicaO Allg. Zeit-
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gutig der konträren Seacualempfmdung. Eine klinisch-forensische Studie.
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Alphabetisches Verzeichnis
der Autornamen der Bibliographie.
A.
Achelis 66.
Adler 298.
Adttoco 278.
Ahrens 401.
Albert 346.
Albertoni 454.
Alezander 377.
Anderson 87. 265.
Anfimow 206.
Angelncci 266. 480.
Anton 762.
Apdthy 191.
Ardigö 633. 665.
Arndt 207.
d'Arsonval 208.
Arthur 42.
Aubert 600.
Auerbach 137. 139.
Axenfeld 467. 601.
B.
Babes 209.
Babinski 481. 789.
Bacchi 495.
Badal 318.
Baer 402.
Baginsky 131. 132.
Baierlacher 790.
Bajardi 403.
Bald! 192. 332.
Baldwin 1. 228.
Ballauf 2.
Ballet 648.
Barchudarian 67.
Barrs 566.
Barsevi 431.
Bartels 859.
Barth 531.
Batemann 299. 791.
Baumgarten 582.
Baudouin 201.
Beard 781.
Beaunis 599. 710. 742.
792.
Bechterew 229. 230. 279;
314. 333. 618.
Beck 793.
Beer 88. 89.
Beevor 318. 612.
Bellarminow 432.
Bellonci 90. 169.
B61ugou 354.
Benard 707,
Benedikt 713.
Benett 267.
Benini 30.
Beranek 119.
Berger 378. 482. 483. 782.
Berkhan 649.
Berlin 602.
Bemard 763.
Bemheim 634. 794.
Bemheimer 123.
Berteis 619.
Berthoud 58.
Bertrand 574.
Bevan 851.
Bezold 541.
Biemacki 795.
Binder 558. 764.
Binet 59. 620. 666. 691.
731.796.839.840.841.
Binswanger 797.
Blake 544.
Blanc 68.
BHx 210.
Bloch 532.
Blomberg 845.
Blondel 603.
Bobtschew 708.
Bocci 211. 212. 334.
Boettger 91.
Bonamy 280.
Bonnet 860.
Bonniot 11.
Borgherini 92. 231. 232.
281.
Bouchard 335.
Bourru 31.
Bouvier 160.
Braun 32.
Bray 33.
Brentano 743.
Brock 193.
Brodhun 529. 530.
Brofferio 3.
Brown 233. 575.
Brown-S^quard 234.
235. 236. 282. 621.
Bruce 147.
Brügelmann 798.
Bruhn 484.
Bruns 136. 336.
Bryson-Delavan 283.
Bullen 635.
Bumm 184.
Bumett 404.
Bumham 636. 667.
Burot 799.
Burton 433.
27*
414
Natnenverz^hnis eur BStHioffraphie,
0.
Campbell 846.
Cane 545. 668.
Camio 34.
Carolus 800.
Carrifere 508.
Castronovo 584.
Catrin 801.
Cellarier 669.
Cesca 714.
Chaignet 69.
Charcot 802.
Charri&re 650.
Chatin 170. 507.
Chiarugi 120. 135.
Chiewitz 379. 380.
Christian! 847.
Ciaccio 510.
CimbaH 744.
Clay 745.
Clure 171.
Coön, R. 765.
Cohn, H. 405. 627.
Collier 692.
CoUins 485.
Cope 172.
Corre 892.
Coste 803.
Coupland 4.
Coutoux 355.
Cramer 861.
Crichton-Browne 670.
Cunningham 93. 148.
Cutler 746.
Dackschewitsch 124.
Dahl 604.
Dana 94. 284. 285.
Dandolo 622.
Danilewsky 213.
Danillo 237.
Dassaritis 70.
Dassy 195.
Deboeck 337.
Delage 556.
Delboeuf 804. 805.
Denissenko 381.
Dennert 546.
Dent 862.
Dercum 95. 96.
Dereuz 758.
Descourtis 863.
Dessoir 623.
Dieflfenbach 747.
Dorta 347.
Dreher 806.
Drummond 35.
Dubois, B. 194. 382.
Dufay 807.
Dufour 486.
Dumr eicher 647.
Dunan 487.
Dupain 864.
Dupuy 238. 315.
Duquesnoy 14.
Duval 195. 511.
E.
Ebbinghaus 468.
Ebert 469.
Eckard 316.
Edinger 79. 138. 139.
173.
Edridge-Green 434.
Egger 149.
Eisenlohr 300.
Eitelberg 547.
Ejner 613.
Ellenberger 174.
Enoch 641
Evans 301.
Ewald 557.
Ewart 185.
Exner 239. 240. 512. 513.
P.
Falchi 488.
Falcone 97.
Faravelli 125.
Fasola 125. 268.
Fauvelle 286. 728.
Fechner 356.
Feilchenfeld 715.
F6r6 36. 196. 555. 658.
693. 716. 732. 733. 734.
842.
Ferrannini 353.
Ferraresi 154.
Ferrier 241.
Ferrifere 774.
Fick, A. E. 456. 470. 614.
Fischer 37.
Fluck 317.
Flügel 38. 729.
Fonsegrive 748.
Fontan 808.
Forchhammer 16.
Forel 809. 810. 865. 893.
Fornaro 338.
Fothergill 694.
Franck 730.
Fränkel 435. 811.
Frankl-Hochwart 867.
868.
Franseschi 98.
Fr^dericq 339.
Frei 866.
Freund 302.
Fricke 659.
Friedmann 150.
Friedrich 39.
Friese 775.
Frisch 269.
Fuchs 475.
Gad 81. 203. 214.
Gaguillot 650.
Gallerani 242.
Galton 40. 671.
Gardair 749. 750.
Garnier 303.
Gaskell 121. 161.
Gaul 41.
Geddes 42.
Geigel 348.
Gelle 548. 567.
Gerster 812.
Giacomini 175.
Gibotteau 243.
Glaevecke 16.
Gley 202. 340. 642.
Namenverzeidmia ewr Bibliographie,
415
Goldscheider 578. 579.
Goltz 244. 245. 246.
Gotsch 247.
Gould 624.
Gouzer 248.
Graber 583.
Grabower 841.
Gradenigo 215.
Graefe 457. 458.
Graf6 869.
Grassi 584.
Green 436. 463.
Gri£ani 515.
Griffitb 489.
Groenouw 883.
Grofsmann 287. 437.
Grützner 204.
Guaita 490.
Gudden 100. 126. 384.
Goillaunie 140.
Gninon 843.
Gürber 470.
Guyau 43. 695.
Habermann 561.
Hache 385.
Hagemann 5.
Haller 162.
Halliburton 101.
Hanau 6%.
Hartmann 304.
Haslam 870.
Hasse 889.
Haug 562.
H6don 349.
Heddaeus 766. 767.
Heerwagen 625.
Heidsieck 651.
Hellich 821.
Helmholtz, v. 376. 438.
Hemmeter 288.
Hennicke 533.
Henry 249. 357. 439.
Henschen 250. 289.
Herbart 6.
H6ricourt 626.
Hering 440.
Hermann 735.
Herrick 102. 516.
Herzen 17.
Herzog 717. 718.
Hess 406. 441. 517.
Heubner 305. 306.
Heymans 44.
Hillebrand 442.
Hilker 605.
Hippel 407.
His 82. 103. 104. 133.
Hodge 216.
HofiPmann 176.
Holder 894.
Hollander 18. 251. 342.
Holms-Forbes 7.
Holmgren 443.
Hooper 217.
Hoppe 648. 672.
Hoqtiart 408.
Horsley 290. 297.
Houssay 60.
Howard 491.
Hughlings-Jackson 772.
Httpeden 751.
Hürthle 350.
Hyslop 464.
I.
niers 307.
Imbert 409. 476.
Ireland 45. 252.
Istria 673.
Jackson 318. 319. 772.
Jacobson 549.
Jakowenko 141. 320.
James 674.
Janet 675.
Javal 492.
Jelgersma 177.
Jickel 163.
Joyau 752.
Joug 410.
K.
Kalt 465. 493.
Kandier 753.
Kant 8.
Katz 584. 563.
Kawczynski 614.
Kazzander 127.
Keferstein 411.
Kelp 871.
Kemp 218.
Kennel 518.
Kerry 676.
Kiesselbach 564.
Eirchner 412.
Kirschmann 444.
Kleinpaul 652.
Knie 343.
Koch 848.
Koehler 164.
Kohl 519.
Koller 445.
Konrdd 813.
Koppen 142.
Kordnyi 736.
Korsakoff 638. 872.
Korybutt - Daszkiewicz
197.
KOster 151.
Köstlin 697.
Kraepelin 849. 873.
Krafft-Ebing 253. 814.
874. 875.
Kratz 754.
Krause 520.
Krenchel 446.
Kronenberg 850.
Kückenthal 165.
Külpe 738.
Kuhlenbeck 71.
Kuhns 386.
Kurella 815.
Landerer 494. 660.
Landolt 459.
Lange 639.
Langley 472. 615.
Langlois 291. 292.
Langsdorff 816.
Lannegrace 270.
Lannelongue. 254.
Laqueur 644.
Lawford 460.
416
Namenverzeiehnia «ur B^iographie,
Lecbe 105.
Lecordonnier 768.
Legrain 876.
Lelong 817.
Lenhoss^k 83. 186.
Leplat 415.
Lerebours 84.
Leroux 166.
Leroy 387. 413. 528.
Leter 677.
Leumann 19.
Lewis, Bevan 851.
Leydig 85. 321.
Li^bault 818.
Li^ois 819.
Lipps 698. 699. 709.
Lissauer 271.
Loeb 607. 736.
Lombard 719. 720.
Lombroso 827. 895. 896.
Lommel 447.
Love 550.
Löwe 535.
Löwenfeld 627. 783.
Lubbock 61.
Lucanus 448.
Lummer 529. 530.
Lutz 897.
Luys 495. 700. 820.
Macpberson 852.
Madrillier 20.
Magnus 721.
Makins 106.
Makrocki 496.
Malidier 755.
MandeUi 46.
Manouyrier 322.
Mantegazza 198. 701.
Marbacb 72.
Marcacci 219.
Marcband 152.
Marchesini 358. 568. 628.
Mar&s 821.
MarUUer 629.
Marique 293.
Markwald 323.
Martinotti 107.
Martins 608.
Marty 653.
Masci 702.
Matuscb 877.
Mautbner 497.
Meinong 359.
Mendel 294. 722. 769.
878. 890.
Merkel 360.
Mettler 108..
Meyer, A. 153.
Meynert 110. 786.
Mies 191.
Mieseber 205.
Milles 678.
Mills 119. 255.
Mingafzini 112. 154.
Minot 679.
Mitchell 498.
Möbius 857.
Moewes 371.
Moll 822.
Möller 178. 187. 477.
Monakow,y.l34. 272. 308.
Monin 879.
Montgomery 680.
Monti 220.
Monticelli 167.
Morand 823.
Morat 351.
Moreau 853.
Moriggia 221.
Morselli 113. 880.
Mosso 703.
Motais 414.
Müblbaus 499.
Müller, F. 824.
— F. C. 854.
— G. E. 580. 711.
— K. 776.
— L. A. 114.
Müller-Lyer 361. 645.
Munk 273.
Münsterberg 21. 22. 609.
610. 616. 630. 681. 756.
Münzer 129.
Murano 362.
N.
Natanson 500.
Naumow 388.
Naunyn 704.
Negrini 182.
Negro 256.
Neisser 881.
Netter 536.
Nicati 501. 521.
Nieden 428.
Nimier 551.
Nissl 179.
Nivelet 295.
Nonne 825.
Norrie 449.
Nothnagel 257. 258. 259.
Noyes 882.
Nuel 415.
0.
Ocborowicz 826.
Oebl 222.
Oehm 47.
Ölzelt-Nevin 646.
Oppenheim 777.
Orschansky 737. 883.
Osbom 180.
Ostroumoff 188.
Ott 324. 325.
Ottolenghi 589. 827,
Oulmont 274.
P.
Papale 73.
Patten 372.
Paulhan 682.
Pereies 416.
P6rez 62.
Perlia 128. 189.
Peterson 712.
Petrazzani 352.
Petrina 784.
Pflüger 48.
Pick 260.
Picqu6 417.
Piderit 741.
Pilliet 155.
Namenverzeichnü ew Bibliographie,
417
PiUon 647.
Pinel 326.
Piotrowski 223.
Pitres 844.
Plateau 522.
Plümacher 828.
Politzer 587.
Polle 654.
Pope 590. 591.
Popoff 143.
Prel, du 829. 855.
Preyer 552.
Baehlmann 502.
Bamön y Cajal 115. 528.
Bampoldi 450. 455.
Eandall 461.
Baps 542.
Battone 569.
Beboul 570.
Begnaud 655.
Beich 49.
Beicliert 224. 344.
Beid 144. 363.
Bemond 661.
Betzius 86.
Bibot 23. 631.
Bichet 24. 683.
Bichter 116. 898.
Bieger 684.
Bingier .830.
Biye, de la 611.
Boberty 50.
Boller 891.
Bomanes 51. 52. 63.
Boscbansky 145.
Bosenbach 327. 723.
Bosentbal, A. 309.
Boyce 685.
Bühmekorb 261.
Bumscbewitsch 389.
Bummo 353.
Bumpf 571. 572.
S.
Sachs 296.
Sainsbury 770.
Saint-Bemy 181.
Salgö 856.
Sanders 168.
Sanford 662.
Sarasin 373. 538.
Sarlo 25.
Sattler 478.
Sass 345.
Sawicki 225.
Schäfer, K. 581.
Schanz 759.
Schewlakoff 524.
Schiff 156.
Schirmer 390.
Schischminow 617.
Schiotz 391.
SchlOss 884.
Schlöbser 392.
Schmick 26.
Schmidkunz 686.
Schmidt 328. 757.
Schmidt-Bimpler 418-
421. 479.
Schneckenberg 785.
Schneller 393.
Schnetter 779.
Schnitzler 831.
Schöler 503.
Schön 394. 422.
Schrader 262.
Schrenck-Notzing, v.
832. 833.
Schtscherback 27.
Schulz 740.
Schumann 640.
Schütz 117.
Schwarz 395.
Schweigger 423.
Scrymgour 687.
Segall 462.
S6glas 885.
Seguin 773.
Seims 565.
Semon 297.
Serbati 9.
Sergi 53.
Sharkey 275.
Sherrington 226.
Shore 122.
Siebeck 74. 75..
Siebenmann 539.
Siemerling 276.'
Sievel 760.
Sigaud 28.
Süex 424.
Simonin 834.
Simson 76.
Singer 129.
Sizeranne 480.
Smith 396.
Snell 886. .
Souriau 705,. 706.
Soury 263.
Spitta 54.
Ssamujlow.473.
Ssikorski 771.
Starr 310.
Staub 397.
Stefan 656.
Stefanini 553.
Steinbrügge 540. 724.
Steinthal 787.
Stembo 835.
Stepp 788.
Stewart 474.
Stilling 425. 426. 451.
Stout 77. 78.
Tarchanoff 364.
Tarde 899.
Teichmüller 10.
Tenchini 182.
Thiele 374. 375.
Thoma 398.
Thury 64.
Tieling 887.
Tomaschewsky 277.
Tomforde 311.
Tornatola 190. 525.
Tourette 836.
Treitel 452.
Trolard 99.
Tschaussow 130.
Tscherewow 329.
418
Namenverzeichms zur Bibliographie,
TschiBch 632.
Tuckermann 592—598.
Tuke, Hack 365.
Turner 366.
U.
Ulithoff 453. 504.
TJphues 367. 688.
V.
Vanlair 227.
Venu 466.
Vera 264.
Verwom 65. 725. 726.
Vetsch 505,
Vignal 80.
W.
Wagner 200. 888.
Wähle 368.
Wahn 761.
Waldeyer 146.
Walitzky 663.
Warner 739.
Watase 526.
Weddingen 689.
Weismann 55.
Weiss 399.
Wemicke 157.
Westphal 506.
Wetterstrind 837.
White 29. 330.
Wien 543.
Wightman 183.
Wiglesworth 507.
Wüder 118.
Wildermuth 554.
Wüdmak 400.
Wislicenus 664.
Witte 690.
Wolff 56.
Wolffberg 429.
Wundt 57.
Zacher 158.
Ziehen 331.
Ziehl 573. 780.
Ziemann 312.
Zuckerkandl 159.
Zwaardemaker 585-
588.
über Vergleichungen von Tondistanzen.
Von
C. Stumpf.
I.
Unter Distanz oder Abstand verstehe icli den Grad der
TJnähnlichkeit zweier Sinnesinhalte , sei es hinsichtlich ihrer
Qualität oder Intensität oder Örtlichkeit oder Zeitlichkeit. Im
■allgemeinen ist es möglich, zwei Distanzen unter sich zu ver-
gleichen d. h. sie als gleich oder ungleich und letzterenfalls
die eine als gröfser zu erkennen. Hierauf beruht alle Messung,
da sie nichts anderes ist als die Zählung unter sich gleicher
iuieinandergrenzender Distanzen, die zusammen eine gegebene
Distanz ausmachen. Insofern und insoweit ist kein Unterschied
zwischen räumlicher, zeitlicher, qualitativer und intensiver
Messung. (Vgl. m. Tonpsychologie I 57.) Unterschiede, auf die
wir hier nicht eingehen wollen, geben aUerdings der räumlichen
und zeitlichen Messung und besonders der ersteren einen Vorrang
vor allen anderen. Dafs aber auch die qualitative und intensive
nicht prinzipiell unmögUch ist, beweisen ausgeführte Versuchs-
reihen aus verschiedenen Gebieten, welche als „Methode der
Äquivalente", „Methode der mittleren Abstufungen" oder „der
tibermerklichen Unterschiede" bezeichnet und als ein Mittel
zur Bestimmung der Unterschiedsempfindlichkeit und zur
Prüfung des FBCHNBRschen Gesetzes betrachtet werden. Ob-
gleich mir nun dieses Gesetz keineswegs als das Alpha und
Omega aller sinnespsychologischen Versuche und die ver-
schiedenen Ellassen von Sinnesurteilen nicht blofs als Methoden
zur Prüfung desselben erscheinen, so möchte ich doch gerade
dieser Klasse, den Distanzvergleichungen, eine direktere Be-
ziehung zu jenem Gesetz zuschreiben als allen anderen. Ich
Zeitfchrift für Psychologie. 28
420 C, Stumpf.
habe (a. a. 0. I 399) darauf hingewiesen, dafs das Gesetz,
abgesehen von seiner thatsächlichen Bewährang, überhaupt
nur als Gesetz von Empfindungsdis tanzen verstanden werden
kann. Eine Empfindung doppelt so stark als eine andere zu
nennen, hat genau genommen keinen Sinn und wird durch
keinerlei Bechnungskünste einen gewinnen. Es ist ungefähr
ebenso absurd, wie wenn wir einen Ort oder einen Zeitpunkt
als das Doppelte eines anderen bezeichnen wollten. Nur auf
Distanzen finden Mafs- oder Gröfsenbegriff'e Anwendung. Hier-
nach ist denn auch Distanzenvergleichung der einzige Weg,
welQher ganz direkt (abgesehen natürlich von etwaigen kon-
stanten ürteilstäuschungen) zu Gesetzen hinfuhren kann, die
sich auf irgend welche Mafsverhältnisse im Gebiet der Empfin-
dungen beziehen^.
Die berühmte Frage nach der Gleichheit der ebenmerk-
lichen Unterschiede, von welcher unsre Schlüsse auf das Ver-
halten der ünterschiedsempfindlichkeit nach der Methode der
ebenmerklichen Unterschiede abhängig sind^, ist selbst eine Frage
nach dem Verhältnis von Distanzen, jedoch unter äuTserst
ungünstigen Umständen. Die Leichtigkeit von Distanzver-
gleichungen nimmt von gewissen mittleren Distanzen aus ab,
wenn wir zu immer kleineren oder gröfseren übergehen, und
sie verschwindet völlig bei der allerkleinsten, die wir überhaupt
noch wahrnehmen können. Die Frage ist also experimentell
unbeantwortbar. Nur deduktiv läfst sich vielleicht sagen,
dafs wir zwei ebenmerkliche Empfindungsunterschiede als unter-
einander gleich betrachten dürfen, wenn Aufmerksamkeit,
Übung und alle möglichen Einflüsse auf das Urteil die näm-
Uchen.sind und besonders auch die Sinnesinhalte der gleichen
Gattung angehören und in der gleichen Beziehung (Intensität,
Qualität u. s. f.) untersucht werden. Bei übermerklichen
Distanzen kann man freiUch auch immer fragen, ob die als
^ Historisch iikteressant ist eine Äufserung Lichtenbergs {Vermischu
Schriften, 1801, UI 416): „Dafs die Distanz von 1 — 100 in unserer Vor-
stellung gröfser ist als die von 100—500, habe ich sehr früh bemerkt
und durch Linien und Flächen auszudrücken versucht.^
* WuNDT hält in der 3. Auflage seiner „Physiol Psychologie" die
Yoraussetzung der Gleichheit nun doch auch für „möglicherweise be-
streitbar'' (I 348), nachdem er sie in der 1. Aufl. für selbstverständlich
erklärt und in der 2. die Frage danach als zwecklos abgelehnt hatte.
über Vergleichungen von Tondistangen, 421
gleicli geschätzten wirklich genau gleich empfunden werden.
Aber bei hinreichender Bestimmtheit des Urteils, wofür sich
aus den Tabellen die Anhaltspunkte ergeben, werden die Ab-
weichungen relativ zur Gröfse der geschätzten Distanzen nur
minimal und für die Schlüsse irrelevant sein.
Ein besonders wichtiges und umstrittenes Gebiet von
Distanzvergleichungen bilden die TonquaUtäten (Tonhöhen).
Hier sind die gröfsten Gegensätze der Meinungen aufgetreten.
Die Einen wollen in den musikalischen Intervallen ein evidentes,
ja seit alten Zeiten feststehendes Zeugnis für das FECHNERsche
Gesetz, Andere nicht die geringsten Anhaltspunkte zu sei-
nen Gunsten erblicken. Die Einen glauben hier Distanz ver-
gleichungen mit gröfster Sicherheit auszuführen, die Anderen
bleiben absolut skeptisch. Den Hauptgegenstand der folgenden
Studie bilden neuere Versuchsreihen hierüber von 0. Lorenz, die
zu den ausgedehntesten gehören, die jemals in psychophysischen
Dingen gemacht wurden, und schon darum eingehende Betrach-
tung verdienen.* Für mich liegt aufserdem nicht blofs in der eige-
nen Beschäftigung mit dem Tongebiet, sondern auch in der her-
vorragenden Bedeutung, die nach dem eben und schon früher
von mir Dargelegten Distanzvergleichungen überhaupt zukommt,
ein mehrfacher Beweggrund zu genauer Prüfung. Ich über-
gehe hierbei die Eiitik, welche der Verfasser über meine eigenen
und die PRETERschen Versuche vorausschickt, da dieselben sich
eben nicht auf Vergleichung von Tondistanzen, sondern auf
die Fragen bezogen, ob zwei Töne gleich oder verschieden und
welcher der höhere sei, und da ich auf diese Kritik bereits
{Tofipsych. 11 556 f.; geantwortet habe.
Vergegenwärtigen wir uns zuerst kurz die Entwickelung
der Angelegenheit. E. H. "Weber und Fechner hatten be-
kanntlich die Thatsache, dafs ein Intervall uns in allen Ton-
regionen, also bei beliebigen absoluten Schwingungszahlen, als
das gleiche erscheint, wenn nur das Verhältnis der Schwingungs-
^ Untersuchungen über die Auffassung von Tondistanzen. Von Carl Lobenz.
In den „FhHosophischm Studien"" von WuimT. Bd. VI (1890). S. 26—103. —
Aucb MüvsTEBBERO hat Versuche gemacht, über welche sich aber nicht
urteilen läfst, da ervorlänfig nur die allgemeinsten Ergebnisse mitteilte.
(Beiträge z, expenrn. Psychologie^ Heft 3, S. 37, 41). Danach sollen Unmusi-
kalische die arithmetische (absolute) Mitte der Schwingungszahlen,
Musikalische die geometrische (relative) als Empfindungsmitte angeben.
28*
422 C. Stumpf.
zahlen das gleiche ist, als eine offenbare mächtige Stütze der
Begel betrachtet, wonach allgemein gleichen ünterschiedea
der Empfindung gleiche Verhältnisse der Beüse entsprachen.
G. E. MüLLBR warf zuerst ein, dafs ein Intervall nicht dur<^
einen bestimmten Unterschied der Töne, sondern durch
ein bestimmtes Konsonanz- (allgemeiner: Verwandtschafls-) Ver-
hältnis d. h. nach Hblmholtz durch zusammenfallende Obertone
charakterisiert sei. Wundt, der in der 1. Aufl. seiner j^Physüd.
Psychologie^ Feohnbr energisch (wenn auch nicht ohne gegen-
teiUge Äufserungen) zustimmte* , bUeb auch in der 2. Aufl.
trotz MüLLEBs Einwendungen und einiger Umarbeitung im
wesentlichen auf diesem Standpunkt, wobei er sich besonders
auf die Thatsache berief, dafs wir auch bei einfachen Tönen
Intervalle erkennen. Dennoch liefs er dieselben Intervalle auch
durch die Klangverwandtschafb gegeben sein, die er mit
Hblmholtz auf übereinstimmende Teiltöne gründete. Ich habe
auf das Bedenkliche dieses Kompromisses, dieser Doppeldefinition
hingewiesen {Tonpsych.l 338): das thatsächUche Zusammen-
fallen der durch reine Distanzmessung und der durch gemeinsame
Obertöne festgestellten Oktaven, Quinten würde ja ein unglaub-
licher Zufall sein. Die Beurteilung der Intervalle einfacher
Töne bilde einen Einwand gegen die HELMHOLTZsche Verwandt-
schafbslehre. Aber es gebe vieUeicht ein Kriterium der Ver-
wandtschaft, welches weder mit Obertönen noch mit Distanzen
der Qrundtöne etwas zu thun habe. Hiermit meinte ich die
später im 11. Bande aufgezeigten Verschm^ungsstufen. An
einer anderen Stelle des I. Bandes (247 f.), die speciell von
Distanzvergleichungen bei Tönen handelt, hob ich u. a. hervor,
dafs die dem Bewufstsein bereits eingeprägten Verwandtschafts-
verhältnisse vielmehr gerade das gröfste Hindernis für reine
Distanzurteile bilden und dafs auch selbst bei nichtmusikalischen
Verhältnissen wie 71 : 97 : 111 die so entstandenen Urteils-
gewohnheiten beträchtlich stören müssen. Soweit sich mein
^ 8. 364 (Amn.): »Es ist zwar wahrscheinlich, dafs die aus der Klang-
Verwandtschaft entspringenden Eigenschaften die sichere Bestimmung
der Ton Verhältnisse unterstützen, aber als die eigentliche Grundlage
derselben kann man sie unmöglich betrachten/' Dagegen S. 363*. „Die
Auswahl der Tonstufen wird zunächst durch Begeln bestimmt, welche
auf die . . . Gesetze der Klangverwandtschaft gegründet sind." VgL
noch S. 497—8.
über Vergleichungen von Tandisianeen, 423
eigenes Urteil festsetzen wollte, glaubte ich sagen zu dürfen,
da£s ein nnd dasselbe Intervall als Distanz betrachtet nach der
Höhe zu gröfser werde (also z. B. die Quinte nach oben etwas
gröfser als nach unten von gleichem Ausgangston aus), und
glaubte dasselbe auch auf einem indirekten Wege aus der
Zunahme der relativen ünterschiedsempfindUchkeit bis etwa
c' erschUefsen zu dürfen.
WuNDT hielt auch in den j^JEssays*' 1885 (S. 159 f.) an der
alten Auffassung fest und berief sich darauf, dafs wir auch das
nichtharmonische Verhältnis eines ganzen oder halben Tons
wiedererkennen — worauf freilich Jeder sofort entgegnen wird,
dafs hier eine sog. indirekte Verwandtschaft mafsgebend ist.
C und D sind durch (r, G und Cis durch Ä miteinander verwandt.
In WuNDTs psychologischem Laboratorium unternahm nun
Lorenz seine Tondistanzvergleichungen. Die erste Nachricht
von den Ergebnissen erhielten wir durch Wundt in der 3. Auflage
der Physiol Psychologie 1887 (I 428 f ). Er fand darin die
„vollkommenste Bestätigung", den „endgültigen Beweis" for
seine Behauptung über die Fähigkeit unseres Gehörs, Ton-
stufen ohne alle Bücksicht auf das harmonische oder dishar-
monische Verhältnis messend zu vergleichen. Freihch zugleich
auch die entschiedenste Widerlegung seiner bisherigen An-
nahme, dafs die auf solchem Wege gefundenen Tonstufen mit
den musikalischen zusammenfallen, damit also auch des
EscHNERschen Gesetzes. Nicht die relative, sondern die absolute
Beizmitte, nicht das gleiche Verhältnis, sondern die gleiche
Differenz der Schwingungszahlen werde als Mitte zwischen
zwei Tönen anerkannt.
Um zu prüfen, was Wundt einerseits berechtigte, von einem
endgültigen Beweis zu sprechen, andererseits nötigte, eine Lehre
preiszugeben, die ihm früher vöUig bewiesen schien, wollen wir
Lorenz' Versuche, obschon dieser sie seitdem bedeutend er-
weitert hat, zuerst so berücksichtigen, wie sie bei Wundt
(I 432) erscheinen. Hier ist die Tabelle (s. folgende Seite).
Die erste £olumne giebt die Nummern der Versuchsreihen.
Li der 2. und 3. bedeuten t und h, T und H den tiefen
und hohen Ton, zwischen denen ein variabler mittlerer darge-
boten wurde; und zwar giebt die 2. Koltmine die einfachsten
Verhältniszahlen, die 3. die wirklichen Schwingungszahlen dieser
Grenztöne, m und M ist die berechnete absolute (arithmetische)
424
C. Stumpf,
Mitte. Pund L sind die beiden Beobachter, Innd IE die Yersnclis*
abteilangen: inl wnrde vom tiefen dnrcli den mittleren znm hohen
Ton übergegangen, in 11 umgekehrt. Die Zahlen unter diesen
Bnbriken bedeuten den vorwiegend als Mitte anerkannten Ton.
R ist die zur Yergleichung berechnete relative (geometrische)
Beizmitte. Hier sind jedoch bei Wundt zwei Fehler: bei
Nr. 12 160,4 statt 170,4, bei Nr. 14 731,6 statt 733,6. In
beiden Fällen nähert sich durch die Korrektur JR dem M, Der
erste beträchtliche Fehler steht jetzt auch in Lokbnz' Original-
abhandlung (S. 85).
Nr.
t.m
:h
T:M:
M
.
L.
E
Q
I.
n.
I.
n.
1
2:
8
: 4
256 : 384 :
512
384
384
384
384
362,3
364
2
2
3
; 4
264 : 396 :
528
400
400
404
396
373,3
372
3
3
: 4
: 5
300 : 400 :
500
404
404
404
396
387,3
388
4
4
5
: 6
256 : 320 :
384
320
320
320
324
313,5
312
5
5
: 6
: 7
320 : 384 :
448
384
384
384
384
378,6
380
6
5
6
. 7
340 : 408 :
476
412
408
408
400
402,3
404
7
8
: B
: 10
256 : 288 :
320
288
288
284
288
286,2
288
8
16:
: 17
: 18
256 ; 272 :
288
276
276
272
276
271,5
272
9
30-
31
32
480 : 496 :
512
496
496
496
496
495,7
496
10
37.
45:
53
296 : 360 :
424
364
360
360
356
354,2
356
11
97-
107
117
388 : 428 :
468
432
428
432
428
426,1
428
12
3:
4
5
132 : 176 :
220
184
180
184
176
170,4
172
13
11;
13
15
176 . 208 :
240
216
212
212
208
205,5
204
14
5:
6
7
620 : 744 :
868
748
740
lU
740
733,6
732
15
8:
9:
10
800:900:
1000
916
916
904
912
894,4
896
Femer muTs die ganze Kolumne It noch umgerechnet
werden. Die Versuche wurden nämlich an einem Tonmesser
vollzogen, dessen Töne um je 4 Schwingungen diflPerierten. Nun
kann man doch billigerweise nicht verlangen, daTs die Töne
R =362,3 u. s. w. als Mitte anerkannt wurden, da der Tonmesser
sie nicht enthält, da sie also gar nicht vorgelegt wurden. Um
also diejenigen Zahlen zu erhalten, die man erwarten mufs,
wenn die relative Mitte als Empfindungsmitte galt, muGs man
die Zahlen unter R so verändern, dafs jedesmal die nächst-
über Vergleichungen van Tandistaneen. 425
liegende durch 4 teilbare Zahl dafür eingesetzt wird. Dies ist
in der. von mir beigefügten Kolumne q geschehen. Man sieht
sogleich, dafs zufällig in den meisten Nummern die Zahlen
sich wiederum erhöhen und damit der absoluten Mitte nähern.
Aus dem gleichen Grunde mufs man zu den Zahlen unter
P und L stets einen Wert bis zu +2 hinzudenken und wird
dann die Übereinstimmung mit Jf, wo solche vorhanden, schon
weniger auffallend finden. Es leuchtet ein, dafs man unmöglich
ein richtiges BUd gewinnen kann, wenn man einerseits für die
beobachteten Jlf- Werte nur von 4 zu 4 fortschreitende Zahlen,
andererseits fär die damit zu vergleichenden JS -Werte unter-
schiede von Decimalen gelten läfst.
Vergleichen wir nun M mit g, so sehen wir, dafs bei Nr. 7,
8, 9, 11 die absolute Mitte mit der relativen (nach der eben
angegebenen notwendigen Veränderung) zusammenfällt.
Diese sämtlichen Versuche sind also zu streichen,
wenn durch die Tabelle bewiesen werden soll, dafs Distanz-
urteile sich nicht nach der relativen, sondern nach der ab-
soluten Mitte richten.
Sodann bei Nr. 5, 6, 10, 12, 13, 15 beträgt der unterschied
von M und q nur eine einzige Taste des Tonmessers. Diese
Versuche sind also von sehr schwacher Beweiskraft. Die Er-
gebnisse, die Zahlen unter P und L, fallen im ganzen (bei
Nr. 15 keineswegs) nahezu mit der absoluten Mitte zusammen,
entfernen sich aber auch nicht viel von der relativen.
So bleiben nur Nr. 1 — 4 und 14 als diejenigen Versuchs-
reihen übrig, welche etwa eine erhebliche Beweiskraft bean-
spruchen könnten. Nun aber handelt sich's hier unglücklicher-
weise bei 1 und 2 tmi die Oktave, in welche die Dominante, bei
3 und 4 um die äufseren Töne von Durdreiklängen, in welche
der fehlende dritte Ton als Mitte eingeschaltet wurde. Bei 14
ist der mittlere Ton die kleine Terz des tieferen (5 : 6) und
bildet mit beiden G-renztönen einen verminderten Dreiklang
(Näheres s. u.). Dafs hier musikalische Motive, harmonische Ge-
wohnheiten den Ausschlag gegeben haben, liegt auf der Hand.
Daher auch die besondere Sicherheit des Urteils, die Überein-
stimmung der Ergebnisse, zumal bei der Oktave (1) und dem
Durklang in erster Lage (4). Und selbst wenn man es be-
zweifeln wollte, mufs man die Möglichkeit zugeben, womit
allein schon der „endgültige Beweis^ dahinfällt.
426 C' Stumpf.
Soviel im Vorübergehen zur Belenchtnng Wuinyrscher
Beweise. Saoblicli ist die Diskussion durch die Fortf&hnmg;
der Versuche ohnedies verschoben.
Dafs übrigens auch Wündts neue positive Behauptung über
die absolute Reizmitte als Empfindungsmitte zweifellos und
handgreiflich falsch ist, sieht man an dieser Beihe:
^^
jb:
-Ä>-
I
Alle hier benachbarten Töne müfsten gleich weit in der
Empfindung voneinander abstehen , da die i Differenz der
Schwingangszahlen dieselbe ist. Man vergleiche nur den letzten
Schritt mit dem ersten! Wenn wir jenen als entschieden viel
kleiner bestimmen, so wird man dies nicht etwa darauf schieben
wollen^ dafs wir ihn als Sekunde, c — c* als Oktave erkennen;
in solchem Mafs ist das Distanzurteil doch nicht ohnmächtig
und blind, dafs es sich einen gewaltigen Unterschied vortäuschen
liefse, wo gar keiner wäre. Auch erkennt den Unterschied
jeder, mag er die Intervalle als Sekunde und Oktave erkennen
oder nicht.
Und wie, wenn wir eine beliebige Oktave nehmen, z. B*
c* — c* (612 — 1024), und die Aufgabe stellen, eine gleiche Distanz
nach unten in der Empfindung abzumessen? Jede Oktave er-
giebt durch Subtraktion der gleichen Schwingungszahlendifferen^
Null. Der Ton also, der von c* ebensoweit nach unten läge^
wie c^ von c», läge in unendlicher Tiefe.
Die neue Behauptung ist aber für Wunbt nicht blofs das
Durchschnittsergebnis obiger Versuchsreihen. Man könne sich,
sagt er (n 66), auch am Klavier leicht davon überzeugen^
dafs die Mitte zwischen c* und c* in c* (nicht in c*) liege. Zwei
Jahre zuvor hatte er in den ^Essays" S. 159 — 160 genau das Um-
gekehrte als eine sehr auffällige und leicht zu beobach-
tende Erfahrung bezeichnet, dafs nämlich fiir unsere Empfin-
dung eine Oktave immer den gleichen Höhenunterschied gebe.
Wir sind an dem berühmten Experimentalpsychologen gewohnt^
dafs er sich in seinen allgemeinsten Begrifi^en und Theorien
fortwährend widerspricht. Die Leichtigkeit, mit der er auch das
Entgegengesetzte beobachtet, kann nur den Wunder nehmen^
über VergUiehungen von Tondiatanzen. 427
der seine Angaben nicht näher kontrolliert. Die hier er*
wfthnten Beobachtungen stehen denen über Klangeinheit, über
Schwebnngen, über Obertöne und über tie&te Töne würdig znr
Seite (vergl. Tonpmfch. H, 231, 330, 461, 472; Vierlelj.'Schr.
f. Musihwiss., IV, 541, 547).
"WuNDT glaubt auch über die Abweichungen des Urteils
von der absoluten Mitte und den Einflufs der Zeitfolge hierauf
eine Kegel aufstellen zu können : „Bei jeder Zeitfolge ist man
geneigt, die jenseits der wirklichen Mitte gelegenen Töne in
gröfserer Anzahl als die diesseits gelegenen als Mitteltöne zu
schätzen^ (S. 429). Diese Behauptung, die sich „in übereinstim-
mender Weise^ aus den die ürteilszahlen versinnlichenden Kurven
ergeben soll, ist von Lorenz selbst (S. 100 f.) auf das richtige
Mafs zurückgeführt worden. Sie trifft nur bei Einem Beobachter,.
P, und auch da nur in einem Teil der Versuchsreihen zu. In
6 unter den 15, die bereits Wundt vorlagen, stimmt sie nicht
einmal für P. Bei L und den spätiBr hinzugetretenen Beob-
achtern sind andere oder gar keine bestimmten Neigungen zu
erkennen. Von einer einheitlichen und einigermafsen durch-
greifenden Begel keine Spur. Vielleicht waren die Kurven
ursprünglich der Behauptung günstiger (die Versuchszahlen
scheinen inzwischen teilweise vermehrt worden zu sein) : jeden-
falls hat sich dieselbe als voreilig herausgestellt.
Übrigens müfste sich ein solcher Einflufs der Zeitfolge
auch in der obigen Tabelle erkennen lassen, obgleich sie den
Verlauf der Kurven in den einzelnen Versuchsreihen nicht
angeben: die Abweichungen von M müTsten bei I vorwiegend
nach oben, bei 11 nach unten hegen. Thatsächlich liegen sie
zwar bei I 16 mal nach oben und nur 1 mal nach unten, aber
auch bei 11 9 mal nach oben und nur 5 mal nach unten. Das
einzig Bemerkenswerte ist also, dafs überhaupt die Abweichungen
nach oben bedeutend überwiegen (bei P findet sich unter 17
Abweichungen sogar nur eine einzige nach unten. Berück-
sichtigt man auch die Gröfse der Abweichungen, so beträgt
die Summe nach oben 144, nach unten 28.). Gerade dies aber
hat WüNDT nicht bemerkt.
n.
Lorenz hat nun in den folgenden Jahren noch andere Personen
zu den Versuchen herangezogen, femer neue Tonverhältnisse, be-
sonders auch gröfsere Tondistanzen berücksichtigt. Es müssen
428
C. stumpf.
indes aach die früheren YerBaohe von den früheren Beobachtern
fortgesetzt worden sein, da die bezüglichen Werte in Wcrdts
and LoBBNz' Tabellen meistens nicht übereinstimmen. Für die
tiefen Regionen wurden jetzt Tonmeaser benatzt, deren Töne
nur am 2 Schwingungen differierten. Die Beobachter waren hin-
Aus Tab. Ym.
r:3f..H=264:896:628 (=2:J
Ans Tab. XIX.
T: M.H=BO0 : 900 : 1000{=8 : 9 : 10).
8«
85
15
_
92
_
S44
92
—
8
100
_
848
62
23
15
92
_
8Ö2
61
8
31
100
_
866
92
—
8
84
8
860
69
8
23
85
15
864
77
8
15
100
_
868
70
15
16
100
—
872
46
23
31
92
_
876
56
14
30
81
8
880
54
29
17
75
11
884
82
29
39
71
15
888
87
82
81
86
8
892
35
34
31
67
19
896
23
48
29
53
87
900
19
41
40
57
29
904
15
47
38
25
43
908
19
45
36
31
37
912
10
12
78
32
15
916
4
27
69
23
35
920
8
19
73
21
35
924
8
15
77
29
10
928
15
_
85
54
8
932
8
8
84
15
23
936
—
23
77
31
15
940
15
—
85
23
15
944
15
—
85
38
_
948
—
15
85 8
15
952
_
8
92 —
8
966
—
—
00 15
—
960
~
6
92
~^
— 1
über Vergleichungen von Tondistanzen, 429
sichtlich ihres Gehörs und ihrer musikalischen Anlage und Bil-
dung äafserst verschieden, besonders P sehr musikalisch, Ln
dagegen so wenig, dafs er anfangs kaum unterscheiden konnte,
ob T oder H der höhere Ton, obschon es sich nicht um kleine
Differenzen, sondern um Terzen, Quinten, Sexten in mittlerer
Lage handelte. Einen solchen Beobachter würde ich nicht
blofs „ziemlich unmusikalisch^ nennen. Die Urteilenden notierten
jedesmal, ob ihnen ein zwischen T und H eingeschalteter ver-
änderlicher Ton M, als Mitte (m) oder als dem T näherliegend
(u) oder dem H näherliegend (o) erschien. Die Anzahl der
bezüglichen urteile ist in den Tabellen angegeben. Zwei voll-
ständige Beihen mögen eine Anschauung geben und zugleich
erläutern, wodurch sich gut und schlecht verwertbare Reihen
unterscheiden.
Die Tabelle Vlli besagt also z. B., dafs zwischen den unver-
änderlichen Grenztönen 264 und 528 vom Experimentator ein
dritter M^ angegeben wurde, dessen Schwingungszahl zwischen
^6 und 436 wechselnde Werte annahm. Die absolute Mitte
M = 396 ist in der Überschrifb mitangegeben. Unter P stehen
die Anzahlen der Urteile dieses Beobachters in Prozenten der
jeweiligen Gesamtzahl; diese selbst steht unter n. Um die ab-
solute Mitte herum wurden immer eine gröfsere Zahl von Ver-
suchen gemacht.
Es ist nun offenbar, dafs in einer gut brauchbaren, durch-
sichtigen Versuchsreihe
1, die Werte u mit zunehmendem Jf, ab-, die o zunehmen
müssen, gleichviel welches M^ als Mitte erscheint, da die Ähn-
lichkeit des jeweiligen 3f, mit T immer mehr ab-, die mit H
zunimmt, je weiter M^ in der Tonreihe gegen H rückt. Je
regelmässiger der bezeichnete Gang der w- und o -Werte, um
so besser wird das Ergebnis den wirklichen Empfindungsver-
hältnissen entsprechen. Grofse Unregelmäfsigkeit würde auf
Unfähigkeit zu Tonurteilen überhaupt deuten. Die Empfin-
dungsmitte sodann wird den Einflufs haben, daüs
2. in der Gegend derselben, wo sie auch liege, sowohl die
u als die o bei hinreichender Festigkeit und Bestimmtheit
des Urteils nahe gleich Null, wenigstens viel geringer als die m
geworden sein müssen. Je mehr also die drei Beihen Uj m, o
ineinander übergreifen, je gröfser die Strecke der M, , auf der
noch in allen 3 Kolumnen erhebliche Werte vorkommen, um
430 C. Stumpf,
80 mehr schwankt das urteil, um so weniger läfst sich schlielBeB.
Im günstigen Fall ist allerdings noch nicht ohne weiteres da»
bezügliche M^ als Empfindongsmitte anzusehen, sondern erst
zu prüfen, ob nicht eine Qaelle konstanter Täuschnng dieselbe
Wirkung thun kann.
3. Für die Bestimmtheit des Urteils wird ein weiteres.
Kriterium die SchneUigkeit sein, mit welcher unter m von dem
erwähnten Mittelpunkt (Maximum) aus die Werte nach oben
und unten in der Tabelle abnehmen, und die Begelmäfsigkeit,
mit der dies geschieht.
4. Endlich muis das Maximum der m -Werte sich unter I
und II innerhalb einer Versuchsreihe bei dem nämlichen oder
bei nur wenig verschiedenen JM^ finden. Denn die Empfindungs-
mitte ist natürlich die nämliche, mag die Zeitfolge T M, H
oder H M^ T sein.
Von den mitgeteilten Beispielen erfüllt das Stück au»
Tabelle YIIT fast sämtliche Bedingungen in befriedigender
Weise; nur steht unter I der Maximum wert von m (44) gegen
den einschlägigen von u (50) zurück, statt ihm überlegen zu
sein. Die erste und elementarste Bedingung ist überhaupt fast
in allen Tabellen erfüllt. Die übrigen dagegen nur in wenigen
derart, dafs kein ernstliches Bedenken erwächst; und alle zu-
sammen in keiner einzigen. Ein Beispiel, wie es nicht sein
sollte, ist aus Tabelle XIX angefahrt. Da sind unter m, also
in der wichtigsten Rubrik, die Zahlen wie durcheinanderge-
würfelt; nicht weniger als 6mal hebt und senkt sich die
Zahlenkurve. Sogar das tiefste und das höchste Jf, (840 und
960) beurteilte Ln noch gelegentlich als Mitte zwischen 80O
und 1000. Aus einer solchen Tabelle läfst sich überhaupt nichts-
schliefsen, als dafs der Mann vollkommen ratlos war.
Ebenso vergleiche man in der Abhandlung selbst die
Tabelle V für denselben Beobachter; wo z. B. unter 11 bei
dem höchsten M^ noch einmal 21 7o m auftauchen, und m sowohl
unter I als unter 11 überhaupt nur das Maximum 32 errreicht
Ahnlich Tabelle XVIII bei Ln, Elurz ziemlich überall, wo dieser
Beobachter beteiligt ist.
Ebenso erweist sich der Beobachter B als absolut unsicher»
Siehe die Originaltabellen II, III, IV (überall wo er vorkommt).
Auch der Beobachter M schwankt meist sehr bedenklich,
z. B. Tabelle XXI, wo w unter I die Werte 0, 0, 20, 15, 5,
über Vergleichwiffen von Tondistaneen.
431
20, 10, 0, 13, 13, 10, 16, 8, 10, 40, 0, 0, 0 annimmt, wo also
nach 5 Steigungen der Maximumwert beinahe am Schlafs und
•dagegen in der Nähe der Mitte ein 0 steht, anstatt umgekehrt.
Jlbenso daselbst unter II. Femer Tabelle XXII unter Ml.
Ein grofser Teil der Versuche verliert hiermit schon so gut
-vrie völlig seine Beweiskraft. Damit wir aber einen systema-
tischen Überblick erhalten, will ich aus allen Tabellen die
Mittelstücke, d. h. die Werte, welche um die Beizmitte herum-
liegen, hier mitteilen und besprechen. Derjenige Wert JK,,
welcher die Beizmitte darstellt, ist fett gedruckt. Ebenso die
Maxima von m. Das mitgeteilte Stück ist jedesmal so grofs
gewählt, dafs es die Maximalzahlen der m enthält und meist
auch die Baschheit der Abnahme nach oben und unten noch
erkennen läfst. Die Bubrik n ist weggelassen, die Bezeich-
nungen I, II, ti, m, 0 nur in der ersten Tabelle hingesetzt.
Wir gruppieren die Tabellen sogleich nach musikalischen
Gesichtspunkten.
Erste 0-ruppe: T und H bilden musikalische
Intervalle innerhalb einer Oktave (einschliefslich der
Oktave selbst).
a) Oktave.
Tab. VII (256 : 512 — 1 : 2). Wundt Nr. 1 .
P
Lz
Jf,
I
1
n
I
n
u
m
0
u
m
0
u
m
0
u
m
0
376
96
2
2
90
6
4
60
20
20
58
40
2
d80
86
14
—
62
32
6
40
26
34
52
32
16
8S4
3
96
1
1
98
1
9
88
9
4
88
8
388
46
34
20
54
12
34
10
74
16
6
80
14
392
42
2
56
50
—
50
16
28
56
16
52
82
Hier wird die absolute Mitte 384 mit grofser Bestimmtheit
als Mitte bezeichnet. Die Abweichungen (Tabelle VIII) sind
nicht bedeutend. Aber diese Beihen sind überhaupt für den
vorliegenden Zweck verfehlt, weü ja 384 nichts anderes ist als
die Dominante, also die musikalische Mitte, unter diesem
Ausdruck denjenigen Ton verstanden, der nach unseren musi-
kalischen Gewohnheiten die Hauptrolle zwischen den beiden
432
C. stumpf.
Tab. Vm
(264 : 528 «
= 1:
2).
WUNDT Nr.
2.
M.
P
Lz
388
100
._
^_
96
__
4
91
9
^.
72
9
19
392
98
1
1
96
4
—
59
40
1
54
29
17
896
50
44
6
23
65
12
64
35
1
18
61
31
400
27
39
34
13
71
16
24
67
9
4
45
51
404
46
3
51
19
9
72
16
63
21
1
9
90
Grenztönen spielt und ihnen nicht allzunahe liegt. Das Distanz-
urteil schwankt natürlich nur innerhalb einer gewissen Zone;
wenn der Zwischenton dem oberen oder unteren Grenzton
näher und näher rückt, wird die Ungleichheit der Distanzen
unzweifelhaft. Wo nun innerhalb jener Zone ein Ton von
musikaHsch hervorragender Bedeutung vorhanden ist, da wird
man, wenn der drastische Ausdruck erlaubt ist, auf ihn herein-
fallen.
Dafs dieser Einfiufs hier nicht blofs möglicherweise, sondern
wirklich stattfand, bezeugt eine Eigentümlichkeit der [Rubriken
u und 0, die wir auch in ähnlichen Fällen wiederfinden werden
imd auf welche auch Lobenz selbst gelegentlich hingewiesen
hat: während nämlich die Zahlen unter diesen Bubriken sonst
schön regelmäfsig ab- bez. zunehmen , ist bei Jf, = 384 in
Tabelle VII jedesmal ein wunderlicher Sprung. Bei 380 z.B. noch
86, bei 388 wieder 46, dazwischen 3! Bei reinen Distanzurteilen
sind diese Sprünge unerklärlich. Sie begreifen sich aber sehr
einfach daraus, dafs das Erscheinen der musikalischen Mitte
dem ürteü eine sonst ganz ungewöhnliche Bestimmtheit erteilte.
b) Grofse Sexte.
Tab. V (132 : 220 = 3 : 6). Wundt Nr. 12.
Mp
P
Lz
168
100
.^
_
96
2
2
94
3
3
61
7
32
172
97
3
—
77
23
—
79
20
1
68
16
16
176
81
18
1
39
60
1
63
85
2
34
27
39
180
74
21
5
74
21
5
66
32
2
19
27
54
184
70
30
56
—
44
53
31
16
1
15
84
über VergUiehmgm von Tondistamen.
433
Mv
B
Ln
m
168
88
3
9
73
2
25
75
9
16
82
11
7
172
20
78
2
34
38
28
46
23
31
71
11
18
176
100
5
86
9
48
25
27
59
14
27
180
19
65
16
22
28
50
45
82
23
47
82
21
184
45
5
50
12
5
83
34
13
53
53
13
34
Tab. rx (300 : 500 = 3 : 5). Wühdt Nr. 3.
M^
P
Lz
392
100
— .
-_
99
.._
1
76
21
3
59
32
9
396
88
6
6
84
12
4
37
58
5
24
40
36
400
54
42
4
43
47
10
18
79
3
15
30
55
404
54
29
17
27
33
40
6
84
10
4
4
92
408
35
22
43
9
1
90
6
65
29
6
3
91
Die musikalische Mitte der grofsen Sexte ist die Quarte
des unteren Tons. Hören wir g e^ (auJDserlialb eines musika-
lischen Zusammenhangs), so treiben uus musikalische Gewohn-
heiten, c^ als Tonika hineinzudenken. Man frage nur einen
nicht ganz unmusikalischen, welchen dritten zwischeuliegenden
Ton er zu jenen ergänze. Warum dies so und nicht andera
ist, gehört nicht hierher. Die Wirkungen aber zeigen sich
wieder in den Versuchsreihen. Die absolute Beizmitte 400, die
hier wieder im ganzen mit auffallender Bestimmtheit ala
Empfindungsmitte bezeichnet wurde, ist eben zugleich jene
musikalische Mitte. Wiederum zeigt sich auch in verschie-
denen Beihen die vorhin erwähnte Eigentümlichkeit der
w- und o-Bubrik, namentlich bei R in Tab. V. Bei diesem
„gut musikalisch beanlagten^ Beobachter muTsten sich ja
auch die musikalischen Gewohnheiten am stärksten merklick
machen.
434
C. Stumpf.
o) Quinte.
Tab. X (256 : 384 ~ 2 : 3). Wundt Nr. 4.
M,
P
Le
312
98
1
1
93
6
1
60
40
10
83
14
3
316
73
26
1
64
31
5
19
77
4
53
42
5
820
5
95
—
6
94
—
2
97
1
36
61
3
324
44
45
11
28
57
15
6
81
13
30
47
23
328
32
13
55
15
6
79
4
43
53
16
15
69
I
Wiederum ausgezeichnet schönes Ergebnis, Überall die
ttbsolute Mitte bevorzugt — warum auch nicht, da sie ja mit
der grofsen Terz zusammenfällt! Der Abkömmling eines Volkes,
welches vorwiegend in Moll musiziert, würde wohl die kleine
Terz als Empfindungsmitte angeben. Sehr bezeichnend ist hier
wieder der Gang der «- und o -Werte : JH == 320 macht fast
durchgehends einen mächtigen Bifs in ihre Kontinuität.
d) Grofse Terz.
Tab. Xm (256 : 320 = 4 : 5). Wundt Nr. 7.
3f.
P
Lg
280
96
4
_- .
88
12
_
80
6
14
82
16
2
284
18
82
—
30
68
2
2
96
2
36
62
2
288
2
98
4
96
—
—
97
3
14
88
3
292
20
74
6
44
50
6
—
86
14
20
72
8
296
54
4
42
62
2
36
16
8
76
26
12
62
Tab. XIX (800 : 1000 = 4:5). Wündt Nr. 16.
Jf»
P
Le
892
64
34
2
63
87
^^_
60
45
5
78
16
6
896
78
21
1
79
19
2
27
72
1
81
10
9
900
56
36
8
70
26
4
20
77
3
77
13
10
904
51
88
11
65
25
10
18
74
8
64
19
17
sm
55
26
19
67
12
21
15
59
26
59
10
31
über Vergieiehungen von Tondiatanten.
435
Mv
E
Im
892
15
77
8
11
81
8
35
34
31
67
19
14
896
11
87
2
23
73
4
23
48
29
53
37
10
900
11
85
4
29
67
4
19
41
40
57
29
14
904
4
86
10
14
67
19
15
47
38
25
48
32
908
8
71
21
10
54
36
19
45
36
31
37
32
In Tabelle XITI tritt die absolate Mitte glänzend hervor.
Selbstverständlich, denn sie ist identisch mit der grofsen Se-
kunde, der musikalischen Mitte innerhalb der grofsen Terz.
Bei den w- und o -Werten auch wieder die frühere Erscheinung.
Wir können so auch die regelmäfsigen TTnregelmäfsigkeiten
erklären.
In Tabelle XIX liegt das Maximum der m nur einmal bei
900, aber in den übrigen Beihen nicht weit davon und ziem-
lich gleichmäfsig nach oben und unten, so dafs das Gesamter-
gebnis ebenfalls der absoluten — imd in gleichem Mafse der
musikalischen Mitte günstig ist.
e) Grofse Sekunde.
Tab. XIV (256 : 288 = 8 : 9). Wündt Nr. 8.
M^
P
Lz
264
100
___
__
100
„^^
—
100
__
98
—
2
268
66
32
2
82
4
14
46
40
14
82
14
4
272
29
68
3
44
42
14
1
89
10
29
59
12
276
18
62
20
12
60
28
2
64
34
12
60
28
280
—
4
96
2
14
84
22
78
—
—
100
Die absolute Mitte tritt gut hervor, doch erhält auch die
darauffolgende Taste erhebliche Zahlen, besonders bei der
Zeitfolge 11 (entgegen der WüNDTschen Äegel). Musikalische
Mitte ist hier der Halbton, also 256 . Jf = 273. Diese Zahl
ist am Tonmesser nicht vorhanden, die nächste vorhandene
Zeitschrift fttr Psycliolo^ie. ^
4S6
C. Stumpf.
ist 272 — die absolute Mitte. Yielleiolit stehen mit dem umstand,
dafs die musikaUsche Mitte ein wenig höher liegt, auch die
erheblichen Zahlen der nächstfolgenden Taste in Zusammenhang.
f) Kleine Sekunde.
Tab. XV (480 : 512 = 15 : 16). Wündt Nr. 9.
Ä
P
Lg
488
92
8
— Iioo
—
- 100
_^
- 94
2
4
492
70
30
94
6
—
72
22
6 1 80
14
6
496
10
86
5
42
50
8
16
7a
14
15
68
17
500
10
22
68
4
58
38
10
28
62
6
32
62
504
—
—
100
2
98
2
12
86
2
4
94
Bei Tonunterschieden innerhalb einer kleinen Sekunde sind
reine Distanzurteile möglich, weil hier eine musikalische Mitte
fär unser BewuTstsein nicht gegeben ist. Aber hier mftfsten
-viel feinere Unterschiede zum Versuch benutzt werden, als die
des Tonmessers mit 4 Schwingungen Differenz. Auf diesem
liegen ja zwischen 380 und 512 überhaupt nur 7 Tasten.
Da ist es kein Wunder, wenn sich die meisten urteile auf
die mittlere vereinigten (bei P 11 auf die nächsthöhere, wieder
im Qegesatz zu Wundts Siegel). Eher ist es erstaunlich, dafs
doch sogar die Töne 484 und 508, die den Grenztönen unmittel-
bar benachbarten Tasten, noch Stimmen erhalten, dafs 484
noch 3mal für die Mitte zwischen 480 und 512 gehalten wer-
den konnte ^ und dafs dem L^r in 5 Fällen (10 %) der Ton 484
näher an 512 als an 480 schien. Das deutet auf eine Unsicher-
heit des Distanzurteils, die nicht einmal ich bei Geübten far
möglich gehalten hätte.
Wir bemerken noch, dafs auch im vorigen Falle e) nur
7 Tasten zwischen 256 und 288 lagen, und dafs bei e) wie f)
die absolute auch mit der relativen Mitte (nach der oben S. 424
begründeten ßeduktion) zusammenfallt.
^ Da die 4 m bei P I und die 2 m bei Zi0 11 als Prozentzahlen zu
verstehen sind und die wirkliche Gesamtzahl der Urteile hier ijnmflr
50 betrug, so waren die wirklichen XJrteilszahlen 2, bez. 1.
über Vergleichungen von Tandistanzen.
497
Zweite Gruppe: T und H bilden mnsikalisclie In
tervalle über eine Oktave.
g) Grofse None.
Tab. IV (48:108 = 4:9).
M^
u
70
93
6
1
93
7
90
10
72
86
8
6
63
9
28
58
25
74
91
7
2
94
3
3
67
15
76
87
10
3
75
10
15
35
28
78
73
20
7
49
29
22
10
88
80
55
38
7
20
85
45
—
30
82
17
44
39
5
24
71
—
5
M
17
18
37
52
70
95
90
65
47
25
18
10
5
5
5
27
8
28
25
42
33
52
30
27
63
12
83
95
5
„^
2
80
20
—
—
95
5
—
—
83
12
5
—
65
20
15
10
45
35
20
45
15
40
45
Bei der None bietet sick eine musikalische Mitte wenige
bestimmt und eindeutig dar, als bei den Intervallen a) bis e).
Am meisten wird man geneigt sein^ zwischen C und d vom
musikalischen Standpunkt 6r als Mitte anzusehen, da es mit
beiden eine Quinte bildet und die indirekte Yerwandtschajßb von
C und d hauptsächlich vermittelt. Dies würde hier dem Ton 72
entsprechen. Doch hat auch Ä etwas für sich, da es ebenfalls
mit C und d direkt verwandt ist (konsoniert) und darum die
indirekte Verwandtschaft ebenfalls vermittelt, auch nicht allzu-
nah an einem der Q-renztöne liegt (während i^doch zu offenbar
näher an C hegen würde). Dies wäre der Ton 80. Das urteil
wird also zwischen 72 und 80 schwanken und bei dieser
Schwankung auch vielfach den zwischen beiden liegenden
29*
438 C. Stumpf,
Tönen zufallen. In der That finden wir ein sehr beträchtliches
Schwanken der Maximalwerte von m, sogar zwischen 72 und 82.
72 ist aufserdem durch ein fast in allen Beihen sehr merkliches
(auch von Lorenz S. 95 bemerktes) relatives Maximum aus-
gezeichnet ; die m-Zahlen steigen beim Übergang von 70 zu 72
sehr auffallend, um dann wieder zu sinken.
Im ganzen erfüllen diese Beihen die oben aufgestellten
Bedingungen äufserst unvollkommen. Sogar die Abnahme der
w- und die Zunahme der o- Werte erfolgt mit bedeutenden Un-
stetigkeiten. Das Maximum der m liegt nicht blofs sehr un-
gleich, es ist auch fast immer nur klein (bei Ps 1 = 18!), so
zwar, dafs es von den nebenstehenden u oder o öfters ganz
bedeutend übertrofien wird, und die 3 Kolumnen greifen auf
weiter Strecke ineinander über. Alles Zeichen grofser Unsicher-
heit. Am traurigsten sieht die Tabelle bei Ps und B aus.
Es bleibt noch zu erklären, waram die Mitte doch viel
mehr gegen 80 als gegen 72 hin gelegt wurde, während letzterer
Ton vorzugsweise als musikalische Mitte erscheint. Diese Neigung
scheint in der That mit Distanzverhältnissen zusammenzuhängen.
Ich erwähnte, dafs mir schon vor Wundt und Lorenz die
Quinte nach unten als Distanz betrachtet etwas kleiner als die
nach oben und so jedes Intervall nach oben hin (bis etwa zur
dreigestrichenen Oktave) an Distanzgröfse zuzunehmen schien.
Ist dies richtig, so wird hier und überall, wo die musikalische
Mitte ein nach beiden Seiten identisches Intervall bildet, die
Empfindungsmitte mehr nach oben von dem musikalischen
Mittelton liegen. Aus unserer Tabelle würde ich dies wegen
ihrer schlechten Beschaffenheit nicht gerade erschliefsen, aber
sie bietet immerhin für das vorher bereits Wahrscheinliche eine
gewisse Bestätigung. Wo die Empfindungsmitte genauer liegt,
das lehrt auch sie nicht.
h) Oktave -f- Quinte (Duodecime).
Musikalisch ist der hervorragendste Zwischenton hier
zweifellos die Oktave, z. B. zwischen C und g das c. Aber
eine musikalische Mitte in dem oben definierten Sinne bildet
er nicht, da die Distanzen C — c und c — g doch zu offenbar
verschieden sind. Wir haben also wieder grofse Schwankungen
zu erwarten. Und sie sind da, sowohl in der Lage des m-
Maximums, als im sonstigen Gang der Werte (noch besser an
über Vergleichungen von Tondi8ta»ueH.
489
Tab. II (34:102 =
= 1:
3).
M,
Lz
M
66
88
10
2
68
12
20
50
80
20
45
37
18
«8
87
13
—
49
14
37
38
25
37
30
42
28
70
59
30
11
21
88
46
37
18
45
37
35
28
73
36
39
25
5
16
79
8
10
82
15
30
55
74
47
34
19
5
24
71
3
12
85
22
78
76
47
43
10
3
23
74
—
5
95
2
13
85
78
24
44
32
4
32
«
64
10
10
80
10
10
80
Mp
Ps
B
66
83
7
10
68
15
17
77
23
^^
88
12
_«
68
38
25
37
8
70
22
63
32
5
85
15
—
70
15
5
80
12
10
78
60
35
5
90
8
2
72
5
—
95
—
—
100
45
38
17
30
48
22
74
2
98
3
12
85
17
65
18
50
35
15
76
2
—
98
2
5
93
13
57
30
35
45
20
78
—
20
80
—
7
93
—
80
20
20
50
30
der vollständigen Originaltabelle ersichtlicli); auch, die Höhe
des Maximomwerts ist wieder fast überall recht gering. Kurz,
es läfst sich nichts entnehmen. Spräche aber doch etwas för
die absolute Beizmitte, so spräche es auch für den musikalischen
Zwischenton, denn beide fallen hier zusammen.
Nur eins ist wieder merkwürdig: die Neigung, die Mitte
noch höher als 68 (Oktave) zu legen. Dem Ton 78, welchem
eine merkliche Bevorzugung zu teil wird , entspricht (für C
als Grundton) ungefähr eSy genauer dis. Es scheint schwer
begreiflich, wie man dazu kommt, diesen Ton als Mitte zwischen
C und ^ aufzufassen ; jeder mag es am Klavier versuchen. Ja,
Ljs bezeichnete sogar noch den Ton 84 in 40 7o| den Ton 86 in
28 7o der Fälle als Mitte (in dem mitgeteilten Bruchstück nicht
ersichtlich). Das wäre etwa e, die grofse Decime des unteren
Grenztons.
440
C. Stumpf,
Nnn handelt es sich hier nicht um C und g selbst, sondern
um viel tiefere Töne; der Grundton 34 ist etwa Des^ (in der
Kontraöktave), und ich halte es nicht fOr unwahrscheinlich,
dals in dieser Tiefe die Distanzen sich so rasch verkleinem,
dafs die Empfindungsmitte der Duodedme, in reinem Distanz-
urteil aufgefafst, sich dem höheren Ton mehr nähern muJGs als
bei Duodecimen der mittleren Begion.^
Doch auch mit Des^ und As als Grenztönen will einem die
Wahl Yon E oder F^ der kleinen oder groüaien Decime, als
Mitte fast unmöglich scheinen, und so gedachte ich eben
diese Ausschweifungen des Urteils als unlösliches Batsel auf
sich beruhen zu lassen — als sich auf dem alten Wege die
Erklärung darbot. Diese tiefen Zungen des Tonmessers haben
überaus starke Obertöne, und es ist eine bekannte Erscheinung,
dafs man den Qrundton hier mit seinem ersten Oberton ver-
wechselt, also eine Oktave höher taxiert. Wurde nun Des^ als
Des gefafst, so War zwischen Des und As die musikalische Drei-
klangs-Mitte F. Kleine und grofise Terz {E und F) sind in
dieser Tiefe von nicht besonders Geübten leicht zu verwechseln.
So wird das unmögliche wenigstens möglich.
i) Oktave 4~ kleine Sexte.
Tab. m (40:128 = 6:16).
3f«
82
84
86
88
90
92
94
96
73
70
64
47
23
25
8
8
26
25
30
36
48
35
20
24
Lz
5
6
17
34
40
72
68
1 3^
M
34
19
47
25
38
37
20
85
45
26
89
35
18
42
40] 7
86
58
14
30
56
13
30
67 -
33
67
8
9
83
15
17
68
5
17
78
1
2
97
5
2
93
2
8
90
1
8
91
5
7
88
—
10
90
—
—
100
20
10
70
—
—
100
—
—
100
—
100
10
10
80
* Nach LüFTs Versuchen würde allerdings von der grofsen Oktave
zur Kontraoktave die ünterschiedsempfindlichkeit, von welcher die
Distansschätzung abhängig zu sein scheint, zunehmen. Aber in diesem
Punkte sind seine Angaben stark unsicher (s. m. Tonpsych. TL 553).
über Vergkidumgen von Tondistaneen.
441
M^
P8
1 ■
82
68
2
30
55
25
20 50
45
5
63
30
7
84
42
25
88
15
80
65 58
40
2
53
80
17
86
22
18
60
10
42
48 43
42
15
85
45
80
88
5
2
93
8
2
90 33
40
27
28
40
82
90
2
—
98
5
5
90 82
35
83
8
25
67
92
2
—
98
5
5
90
15
50
85
—
80
70
94
10
—
90
—
100
—
50
50
—
20
80
96
—
—
100
—
100
—
50
50
—
10
90
Dieses groDse Intervall enthält keinen Zwischenton, der
einer gebräuchlichen harmonischen oder melodischen Kombi-
nation entspräche. Am ehesten noch allenfalls die Oktave des
höheren Grenztons, z. B. zwischen c und as^ das as. Auf dieses
wird man beim Singen am leichtesten verfallen und es bei der
Wiederholung am leichtesten treffen. Aber es liegt doch zu
offenbar näher am unteren Grenzton und wird darum nicht
einmal musikalisch als eigentliche Mitte angesehen werden.
Übrigens wurde in den Versuchen der entsprechende Ton (64)
gar nicht dargeboten.
So finden wir denn die Schwankungen wieder sehr bedeutend.
Aber auch wieder dieselbe Merkwürdigkeit: mit Vorliebe wer-
den Töne als Mitte bezeichnet, die nicht blofs von jenem musi-
kalischen Zwischenton, sondern auch von der absoluten Beiz-
mitte nach oben hin liegen, und die man in keiner Weise als
Mitte würde gelten lassen, wenn man den Versuch etwa am
S[lavier in der mittleren Begion ausführte. Der Ton 96,
welcher dem Beobachter B noch in 50^0 Fällen als Mitte er-
schien, entspricht z. B. bei c und as^ als Grenztönen dem es^.
Ja, sogar der Ton 102, der etwa dem e^ entspräche, wurde von
diesem Beobachter noch 30 7o mal, von Ijjs 12 Vo mal als Mitte
beurteilt. Das erscheint wieder ganz unmöglich. Die obige
Erklärung greift aber auch hier Platz: die Versuche spielten
in der allertiefsten Begion, der tiefe Grenzton 34 = E^ wurde
als seine Oktave E aufgefafst. In der so entstehenden kleinen
Sexte E — c ist aber der mittlere Accordton des Durdreiklangs
ö = 96.
442
C. Stumpf.
k) Doppeloktave.
Tab. XX (64 : 256 = 1 : 4).
Mv
Lz
M
160
48
38
14
88
13
49
20
25
55
38
28
34
164
54
33
13
20
8
72
18
82
50
25
28
47
168
47
25
28
12
15
73
8
30
62
20
13
67
172
40
40
20
8
2
90
8
8
84
10
15
75
176
17
25
58
2
8
90
2
8
90
8
8
84
Tab. XXT (128
:612 —
1:4).
Mp
Lz
M
S20
62
30
8
35
13
52
30
13
57
75
17
8
324
70
25
5
13
30
57
13
13
74
58
15
27
328
60
27
13
5
27
68
8
10
82
52
18
30
332
50
32
18
17
23
60
2
15
83
30
15
55
336
8
50
42
—
10
90
2
8
90
35
27
38
340
40
27
33
2
15
83
5
10
85
27
28
45
344
10
40
50
—
100
10
40
50
20
20
60
348
20
—
80
—
100
100
40
80
30
Tab. XXn
: (266 : 1024
— 1
:4).
Mp
Lz
M
640
78
17
5
32
13
55
8
12
80
35
25
40
644
87
8
5
40
20
40
18
10
72
30
15
55
648
75
13
12
15
17
68
25
17
58
57
10
33
652
63
20
17
—
15
85
32
10
58
50
8
42
656
30
28
42
—
13
87
5
2
93
23
20
57
660
32
15
53
—
2
98
7
8
85
30
20
50
664
30
—
70
10
80
60
—
10
90
20
—
80
668
20
—
80
—
—
100
—
10
90
—
100
672
—
10
90
—
100
—
15
85
—
20
80
676
30
—
70
—
—
100
—
20
80
40
—
60
über VergJeichungen von Tondistatuen, 443
Eine musikalische Mitte ist hier aufs unzweideutigste
gegeben in der Oktave. Alle Welt hatte darum, solange man
zwischen Distanz und Intervall nicht unterschied, die Oktaven
als gleich grofse Distanzen bezeichnet, und jeder theoretisch
unvorbereitete thut es noch heute. Dies ist ja der stärkste Be-
weis für die G-ewalt der musikalischen Erfahrungen.
Wenn nun trotzdem die Oktave in Tab. XX und ^^'^
(in XXn wurde sie nicht vorgelegt) fast in keinem einzigen
Fall als Mitte anerkannt wurde, so ist klar, dals man sich
diesmal, wo die Versuchung s. z. s. am nacktesten herantrat,
ausdrücklich und kräftig dagegen gestemmt hat, während man
ihr in den früheren Fällen, wo sie versteckter auftrat oder (wie
beim Dreiklang) nicht viel Spielraum Hefs, unterlag. Dies ist
das Erste, was sich aus den Tabellen erkennen läfst.
Das Zweite ist aber, dafs mit Aufgabe jenes Stützpunktes
das Urteil fast ganz seinen Halt verlor: Zeichen dessen die
jammerwürdigen Schwankungen der Lage des Maximums, be-
sonders in den zwei letzten Tabellen, und die sonstigen ün-
regelmäfsigkeiten jeder Art, die in den vollständigen Tabellen
noch krasser hervorspringen. Da folgen sich z. B. in XXI
unter Jf I die w- Werte: 0, 0, 20, 15, 5, 20, 10, 0, 13, 13, 10,
15, 8, 10, 40, 0, 0, 0. Ähnlich XXTE unter L0 I u. s, f. Man
erhält den Eindruck, dafs das Maximum nur zufällig da liegt,
wo es liegt. Und welche Maximal Das gröfste in allen drei
Tabellen ist 50, in der letzten Tabelle 30. Das heifst, im
günstigsten Fall wurde der bezügliche Ton eben so oft für die
Mitte als nicht für die Mitte erklärt.
Drittens läfst sich erkennen, dafs die Töne, denen das
Maximum zufiel, fast durchgehends über der absoluten Beiz-
mitte liegen. Beweisen die Zahlen hier überhaupt etwas, so
beweisen sie gegen die Theorie Wundts und des Verfassers.
Die Urteile, welche zum Vorschein kommen, sind im
einzelnen wieder oft sehr schwer begreiflich; z. B. dafs in
Tabelle XXII sogar 676 = etwa P von dem Beobachter M
noch 20% mal für die Mitte zwischen c^ und c*, 40 7o mal
sogar fiir näher an c*, auch von La 30 7o mal für näher an c*
erklärt werden konnte.
Es ist nicht anzunehmen, dafs hier wieder für den tieferen
Grenzton dessen Oktave eingetreten sei. Denn gerade diese
Tabelle bezieht sich auf Töne der mittleren Eegion ; auch wäre
444
C, Stumpf,
-dann eine noch stärkere Verschiebung zu erwarten. Gleichwohl
•dürften die Obertone auch hier die Schuld tragen, indem eie
■6ie E[langfarbe erhellen und dadurch den Klang scheinbar
erhöhen. Diese Wirkung mufste sich bei dem tiefer^i Greneton
viel mehr geltend machen, weil dessen sämtliche Obertöne bis
2um 8. (c^ — e^) in die am stärksten hörbare Region fallen,
während bei dem höheren Grenzton nur der erste [c^) besonders
«tark war (vgl. Tanpsychol. U 239). Wurde nun der tiefere
Grenzton scheinbar höher, so mufste auch die Empfindungsmitte
scheinbar gegen den höheren zu rücken. In geringerem Mafse
^ilt dies auch bei Tab. XX und XXI, da tiefere Klänge eben
im allgemeinen stärkere Obertöne haben als höhere.^ Wo die
Empfindungsmitte aber in Wahrheit liegt, läfst sich aus
keiner entnehmen.
Dritte Gruppe: Nichtmusikalische Kombinationen.
1) Verstimmungen der verminderten Quinte oder
iibermäfsigen Quarte..*
Tab. XT (320 :
448
— 5:7)
. WuNDT Nr. 5.
M,
P
Lg
376
78
16
6
64
32
4
20
68
12
50
44
6
380
72
6
22
38
24
38
46
28
26
46
14
40
884
27
68
5
9
80
11
4
88
8 1 9
80
11
388
52
22
26
36
14
50
2
76
22 1 16
52
32
392
30
20
50
10
8
82
4
28
68
4
44
52
^ Das nämliche kann noch auf andere Tabellen, z. B. bei der
None, neben den dort erwähnten besonderen Erklärungsgründen An-
wendung finden.
■ Unter der übermäfsigen Quarte verstehe ich hier den Tritonus,
unter der verminderten Quinte dessen Umkehrung, also in der C-Tonart
f—h und Ä—/*^ So existieren jene Intervalle für das musikalische
Bewufstsein. Mathematisch entsprechen ihnen die Verhältnisse 32 : 45
und 45 : 64.
über Vergleichuttgen vwt Tondistanten.
445
Tab. Xn (340 : 476 «= 6 : 7). Wondt Nr. 6.
ür«
P
Lb
400
9a
1
1
63
tt
15
81
14
5
50
16
34
404
85
3
12
61
11
28
45
40
15
24
16
60
408 1 62
25
13
25
22
53
24
50
26
13
13
74
412
59
7
34
11
3
86 1 12
49
39
5
14
81
416
20
1
79
—
—
100
6
30
64
3
79
Tab, XVm (620 : 868 = 5 : 7). Wündt Nr. 14.
Mp
728
732
736
740
744
94
92
74
63
71
Lz
5
1
77
21
2 |57
36
5
8
73
15
12 1 41
50
13
18
56
21
23 I44
33
25
12
54
16
80| 30
51
18
16
56
9
35 1 30
43
7
62
20
9| 52
17
23
47
17
19
28
22
27 1 27
22
1
I
18
31
36
50
51
Mp
E
728
43
44
13
47
38
15
40
31
29
61
23
16
732
36
43
21
38
45
17
44
25
31
55
20
25
736
27
61
12
25
54
21
29
40
31
36
29
25
740
29
56
15
25
50
25
39
27
34
44
29
27
744
34
47
19
31
46
23
37
38
25
51
20
29
Nicbtmusikalische Kombinationen werden gleiohwobl von
jedem mnsik-infizierten BewuTstsein nach musikalischen G-ewohn-
heiten und Gesiclitspunkten aufgefafst: sie werden mit den
nächstliegenden Intervallen identiiSziert oder, wenn die Ab-
weichungen von denselben merklich sind, eben als Yer«
Stimmungen oder Annäherungen aufgefafst..
446 C. Stumpf.
In obigen Fällen erscheint uns 5 : 7 als das Intervall der
verminderten Quinte (z. B. c — gesy^ und in diese wird die kleine
Terz des Grundtons (e^) als Mitte ergänzt, welche mit den
Grenztönen einen verminderten Dreiklang darstellt. Das ist
aber genau derselbe Ton, welcher der absoluten Beizmitte
entspricht.
Oder man fafst 5 : 7 als übermäfsige Quarte {c — f%8\ welcher
es sich mathematisch noch mehr nähert als der verminderten
Quinte (diese wäre z. ß. 320 : 4557», jene 320 : 450, und der
Ton 7 in der Tab. XI ist 448), obschon sie ja enharmonisch
zusammenfallen. Die musikalische Mitte der übermäfsigen Quarte
ist wiederum die kleine Terz des Grundtons, es (oder die damit
enharmonisch identische des oberen Tons, dis\ welche mit den
Grenztönen den oberen Dreiklang des allbekannten verminderten
Septimenaccords bUdet.
Der Mittelton ist besonders in Tab. XI gut erkannt, in
den beiden anderen mit einer kleinen Neigung nach unten, die
bei den höheren Schwingungszahlen weniger bedeutet, sich aber
aus der leichten Vertiefung des oberen Grenztons gegenüber den
wahren musikaUschen Intervallen erklären Hefse, wenn diese
Erklärung nicht allzu fein wäre — diese Tabellen sind ja über-
haupt nicht gut beschaffen. Bei XI sind dem Mittelton auch
ungleich mehr Versuche gewidmet (350 gegenüber 50 bei den
übrigen Tönen), und es scheint, dafe durch die h&ufige Angabe
dieses Tones die Erkenntnis desselben als der musikalischen
Mitte immer mehr erleichtert wurde. Auch in aUen anderen
Tabellen, wo eine gleiche Begünstigung des Mitteltons statt-
fand, macht sich ein ähnlicher Einflufs bemerklich (VJLl, X,
xin, XIV, XV, XVI, xvn).
AuTser diesem Ton tritt in Tab. XI aber auch der Ton 360
(in unsrem Bruchstück nicht enthalten) merklich hervor, was
Lorenz selbst richtig darauf bezieht, dafs dieser Ton mit beiden
Grenztönen musikalische Intervalle büdet. Er giebt nämlich
mit ihnen den oberen Dreiklang eines Dominantseptimenaccords
in dritter Lage (c d fis).
^ Der den Musiktheoietikem wohlbekaniite Ton 7 (Kibkbbrobrs
Ton t, die „natürliche Septime^), wird sogar manchmal im Dominant-
septimenaccord, dessen oberen Teil der verminderte Dreiklang bildet
wirklich statt der musikalischen Septime intoniert. In Fällen wie den
gegenwärtigen bleibt aber der unterschied überhaupt unmerklich.
über Vergleichungen von Tondistamen.
447
Tab. VI (176:
240
— 11:15).
WüNDT Nr.
13.
Mv
P
Lz
200
99
._
1
96
3
1
98
_
2
86
3
11.
204
95
1
4
93
2
5
93
5
2
50
5
45
208
72
28
—
46
44
10
81
16
3
37
28
40
212
83
2
15
59
13
28
37
47
16
8
14
78
216
51
—
49
50
8
42
26
33
41
2
3
95
220
6
94
17
1
82
10
14
76
1
1
98
224
4
4
92
2
2
96
4
5
91
—
—
100
Mt
E
Ln
200
79
7
14
67
29
4
47
31
22
63
81
6
204
92
4
4
50
25
25
44
87
19
56
22
22
208
57
32
11
32
46
22
28
22
50
44
25
31
212
61
14
25
4
39
57
25
25
50
28
12
60
216
14
29
57
7
18
75
19
22
59
25
22
53
220
—
50
50
14
7
79
12
3
85
22
16
62
224
7
50
43
4
11
85
9
3
88
9
3
88
Hier liegt eine weitere Vertiefung der übermäfsigen Quarte
vor, welche zwischen dieser und der reinen Quarte die Mitte
hält (die reine Quarte von 176 ist 234«/«, die übermäfsige 247 V2).
Infolge der viel strengeren Anforderungen an die Eeinheit
von ^Konsonanzen als von Dissonanzen wird dieses Intervall
nicht etwa schon als Quarte, sondern entschieden noch als
übermäfsige Quarte gefafst und daher die kleine Terz des
Grundtons als Mitte angesehen, aber eine etwas vertiefte, weil
das Intervall selbst doch auch merklich vertieft ist.
Die kleine Terz wäre 211 Vs, die nach der Tiefe zunächst-
liegende Taste des Tonmessers ist 208 : derselbe Ton, der auch
die absolute Beizmitte bildet. Er erscheint in der Tabelle im
grofsen und ganzen als Mitte. Aber auch die bedeutenden
Schwankungen in der Lage und die geringe absolute Anzahl
der Maximumwerte begreifen sich für uns vollkommen, während
es nicht begreiflich wäre, warum das reine Distanzurteil hier
mehr Schwierigkeiten als sonst finden soUte.
448
a stumpf.
Tab. XVI (296 : 424 =
= 37
:53)
. WüNDT Nr. 10.
Mv
P
La
352
88
12
—
64
40
6
18
74
8
64
32
4
356
76
22
2
30
54
16
20
64
16
24
54
22
860
20
79
1
3
SS
9 1 2
94
4
9
67
24
364
18
56
26
10
48
42
2
94
4
8
54
38
368
36
24
40
44
16
40
6
56
38
26
42
32
Hier ist umgekehrt die verminderte Quinte etwas erhöht
sie wäre richtig = 421), aber noch weit von der reinen (444).
Man wird also die kleine Terz des Grundtons hier ein wenig
erhöht als Mitte fassen. Die kleine Terz ist 355Vs, die nächste
Taste 356, die nächste merklich höhere aber 360, zugleich die
absolute Mitte, die hier denn auch mit guter Übereinstimmung
getroflfen ist. Der Mittelton wurde aber hier nicht weniger als
400 mal vorgelegt, alle anderen nur je 50 mal (vgl. o. zu
Tab. XI). Man kann diesen Einflufs der Vermehrung auch
daraus erschliefsen , dafs bei Wündt (s. die Tab. oben S. 424)
die Zahl 360 nur in 2 von den 4 Vertikalreihen (P 11 und Lz 1}
als Mitte angegeben ist, in den beiden anderen 364 und 356.
Die Beobachtungen von P und La müssen also inzwischen
vermehrt und die bessere Übereinstimmung hierdurch erzielt
worden sein.
Wir finden in dieser Tabelle, wie auch in der vorigen und
in XI, zugleich dieselbe Erscheinung in den u- und o-Breihen,die
bei der reinen Quinte auffiel: die sonst ziemlich stetige Ab-
und Zunahme erleidet bei 360 (bz. 208, 384) mehr oder weniger
bedeutende Unterbrechungen : eine weitere Auszeichnung dieser
Töne, welche sich nicht aus reinen Distanzurteilen, sehr wohl
aber aus der harmonischen Bedeutung der Töne begreift.
m) Verstimmung der kleinen Terz.
Tab. XVn (388 : 468 = 97 : 117). Wundt Nr. 11.
Mv
P
Lz
424
58
34
8
70
22
8
50
44
6
24
68
8
428
19
74
7
11
78
11
23
71
6
6
85
9
432
20
68
12
8
54
38
14
74
12
12
66
22
über Vergleichungen van Tondistanzen. 449
Wir haben hier eine etwas zu grofse kleine Terz (rein
wäre sie bei 465,6), aber die Abweichung ist sehr gering. Bei
der nachstniedrigeren Taste des Tonmessers würde das Intervall
schon zu klein ausfallen. Kleine Terzen von so geringer Un-
reinheit hören wir fortwährend in der Musik. Eine musikalische
Mitte hat aber die kleine Terz nicht. Zwischen c und es^
liegen d und des (eis), das erstere aber offenbar näher an eSy
das letzere an c. Hierüber und insoweit läfst uns das reine
Distanzurteil nicht im Zweifel. Man wird also die Mitte zwischen
d und des suchen, hier mit entschiedener, durch die Umstände
aufgenötigter Emancipation von den musikalischen Intervallen^
dennoch aber geleitet durch die beiden anstofssnden musika-
lischen Töne , die Skylla d und die Charybdis des^ die
natürlich auch nicht unter diesen Buchstabenzeichen, wohl aber
als Töne vorgestellt werden, d wäre 436V») unter den Tasten
des Tonmessers also 436; des wäre 414, unter den Tasten also
412 oder 416. Zwischen 436 und 416 liegt in der That die Taste,
auf welche die meisten tn-Schätzungen entfielen, 428. Kleine
Ausbiegungen der m-Kurve bei 416 (PI und II) und 436
(jLet n) scheinen übrigens auch direkt auf die Anziehungskraft
der Skylla und Charybdis hinzudeuten. Übrigens ist die I^eiz*
mitte 428 hier auch wieder weit häufiger vorgelegt worden.
Zusammengefafst ergiebt sich:
1. Bei allen Intervallen, welche eine ausgesprochene
musikalische Mitte besitzen, wurde dieselbemitgrofser
Bestimmtheit als Empfindungsmitte bezeichnet, aus-
genommen bei den Doppeloktaven.
2. Bei diesen, wo das urteil sich energisch von
dem musikalischen Eindruck emancipierte, und in allen
Fällen, wo eine musikalische Mitte nicht eindeutig
vorhanden war, ergaben sich starke Schwankungen des
Urteils. Doch entsprachen in den letzteren Fällen den
mehreren zwischenliegenden musikalisch ausgezeich-
neten Tönen gleichwohl häufig sekundäre Maxima»
Bei den um eine Oktave vermehrten Quinten und Sex-
ten machte sich die musikalische Mitte zwischen dem
höheren Grenzton und dem ersten Oberton des tieferen
in solcher Weise geltend.
460 C. Stumpf.
*
3. Bei unmusikalisclien Tonkombinationen wurde
die musikalische Mitte des nächstliegenden musika-
lischen Intervalls als Empfindungsmitte angegeben;
doch auch hier mit gröfseren Schwankungen als beil.
4. Wo überhaupt eine gröfsere Bestimmtheit des
Urteils hervortrat, also wo eine musikalische Mitte
deutlich vorhanden war, da waren es die musikalisch
begabteren und geübteren Beobachter, welche diese
bestimmten Urteile abgaben, während die Tabellen
der Unmusikalischen die gröfsten Schwankungen und
Unregelmäfsigkeiten zeigen.
Kurz, bis in alle Einzelheiten werden uns die Tabellen
verständlich, wenn wir das musikaUsche IntervaUbewufstsein
im eigentlichsten Sinn als mafs gebend betrachten.
Wenn irgend etwas, so ist dies durch Lorbnz' Versuche
bewiesen; wie es sich ja schon aus Wundts Referat deutlich
erkennen liefs. Man mufs anerkennen, dafs Lorenz selbst auf
diesen Einflufs an zahlreichen Einzelheiten aufmerksam macht
und denselben in nicht weniger denn 15 Einzelreihen unver-
kennbar findet. Ich kann seinen Ausfahrungen darüber (S. 94 f.,
femer 66 f., 99 f.) nur zustimmen.
Lorenz meint jedoch aus einigen Fällen erschlief sen zu
dürfen, dafs die Klangverwandtschafb „sich doch nicht überall
geltend mache, wo die Verhältnisse der Schwingungszahlen es
ihr gestatten*^, und f&hrt nun ganz in WuNDTschem Tone fort:
„Damit wird um so deutlicher die Thatsache bewiesen, dafs
für die Auffassung der Töne in erster Linie nicht die Ver-
hältnisse der Schwingungszahlen, sondern die absoluten Unter-
schiede der Schwingungszahlen in Betracht kommen." (S. 96.)
Man traut seinen Augen kaum, wenn man nach so starken Zuge-
ständnissen mit solcher Zuversicht und Allgemeinheit einen
solchen Schlufs gezogen findet. Und was ist es, das diese
Wendung bewirkt?
Erstlich die Tab. XIX (oben d). Hier könne von einem Einflufs
des Ganztonintervalls nach den Versuchsergebnissen nicht die
Rede sein. Warum nicht? Die Maximalwerte von m liegen alle
um den Ganzton (900) herum, soweit sie nicht mit ihm zusammen-
fallen. Aufserdem, da die absolute Mitte der Schwingungszahlen
ebenfalls 900 ist, so sind ja alle Schwankungen und Abweichungen
vom Ganzton zugleich ebensolche von der absoluten Mitte!
über Vergldchungen von Tondistanzen. 451
Zweitens sei auch in einigen anderen Beihen, wo die
Schwingungszahlen harmonische Verhältnisse, und zwar zum
Teil sehr günstige und leicht erkennbare — wie in Vlii und
XI (oben a und b) — zum Teil solche von geringeren
Graden der Klangverwandtsohaft — wie in XII und XVHI
(oben b), XX bis XXTT (oben k) — bilden, der Einflufs dieser
harmonischen Beziehungen aus den Yersuchszahlen entweder
gar nicht oder doch nicht in so auffallender Weise zu erkennen ;
„d. h. die für die Beizmitte M erhaltenen Versuchsreihen (lies
Versuchszahlen) sind zum Teil immer noch ausgezeichnet durch
das Maximum der Schätzungen m oder durch das Verhältnis
der Schätzungen u und o, sie stehen aber nicht in einem so
auffälligen Kontraste zu den Versuchszahlen der Nachbartöne,
wie bei den im Vorhergehenden erwähnten Reihen."
Wir haben aber gesehen, dafs, wo immer ein irgend hervor-
tretendes m-Maximum in diesen Reihen sich findet, dasselbe
allemal auch mit der musikalischen Mitte zusammenfallt. Wo
die Reizmitte eine andere ist als diese, wie bei 1 : 4 in XX
bis XXn, da werden überhaupt nur sehr niedrige Maximal-
zahlen erreicht und schwankt deren Lage hin und her. Natürlich
ist dann auch der Xontrast zu den ürteilszahlen der Nachbar-
töne geringer, da die Zahlen selbst geringer sind.
Das sind die Beweise! Das ist die Maus, die aus dem
kreifsenden Berg von Versuchen herausspringt! Damit wir
aber nichts übersehen: es soll auch noch der Umstand für
obigen Schlufs sprechen, „dafs ähnliche Verhältnisse wie bei
einigen der harmonischen auch bei einigen der vollständig
unharmonischen Reihen, z. B. in Tab. XIV, XV, XVII (oben
e, f, m), wo allerdings nur verhältnismäfsig kleine Distanzen
zur Vergleichung kamen, sich beobachten lassen." Darüber
verweise ich auf das oben zu diesen Reihen Gesagte.
III.
Die eigentümliche Betrachtungsweise müssen wir noch ins
Auge fassen, durch welche Lorenz seine Bestimmung der
Empfindungsmitte „etwas exakter" zu gestalten glaubt und auf
Grund deren er sämtliche Tabellen umrechnet (S. 69 f.). Denn
auch sie würde eventuell eine gröfsere Tragweite besitzen.
LoRBNZ subsumiert die gefundenen w-, t^-, o-Urteile unter den
Begriff der richtigen und falschen Fälle (r und /). Es
Zeitschrift für Psychologie. 30
462 C. Stwnpf.
solle beurteilt werden, ob der Ton M in der Mitte swischen
T und H liegt oder nicht, und letzterenfalls , welchem er
näher liegt. Liegt er nun den Schwingongszahlen nach
nicht in der Mitte, sondern dem tieferen näher, so bezeichnet
Lorenz die Schätzungen u als „richtig" (sc. objektiv richtig),
die 0 als falsch, im umgekehrten Fall umgekehrt. Die
Schätzungen m sind in beiden Fällen unrichtig. Lokbkz
rechnet sie aber zur Hälfte den richtigen, zur Hälfbe den
falschen zu fr' = r + ^j mit Berufung auf die analoge
(doch auch nicht ganz durchsichtige und nicht auf Distanz-
vergleiohungen bezügliche) Behandlung der „Oleichheits* oder
Nullfälle" durch Fbchnbr.
Liegt sodann der Zwischenton den Schwingungszahlen
nach wirklich in der Mitte, so sind die m natürlich die objektiv
richtigen ürteUe. G^leichwohl werden sie wiederum halbiert, damit
alles auf u oder o reduziert werde, und wird hier als Zahl der
richtigen Fälle r' = w ^ — ^ bestimmt.
Also wo die m falsch sind, werden sie zur Hälfte als
richtige, und wo sie richtig sind, zur Hälfte als falsche gerechnet.
Die Zahl i^, welche hienach in den umgerechneten Tabellen
an die Stelle der Zahlen m, u, o tritt, hat infolgedessen eine
doppelte Bedeutung (S. 81). Li den Fällen, wo der Zwischen«
ton nicht in der Beizmitte liegt, giebt sie an, wievielmal
unter 100 Fällen die den Schwingungszahlen nach kleinere
Distanz für kleiner gehalten wurde, also die objektiv richtigen
Urteüe, einschliefslich jedoch der — ^ falschen. Bei der Beiz-
mitte aber giebt sie an, wie oft unter 100 Fällen eine der
beiden und zwar die tiefere Distanz als die kleinere aufgefafst
wurde, also die objektiv falschen Urteile, einschUefslich der — ^
richtigen. Das ist doch eine vertrackte Art, die Dinge zu be-
handeln. Die Begriffe von Bichtig und Falsch verlieren ja
auf diesem Wege ganz ihren Sinn.
Die Empfindungsmitte soll nun da liegen, wo r' c= 50,
d. h. wo die eine Distanz ebenso oft (einschliefslich obiger
(Fiktionen für kleiner wie für gröfser gegenüber der anderen
beurteilt werde. Aber welche Bürgschaft haben wir überhaupt^
L
über Vergletchungen von Tondistanzen. 453
dafa der 90 präparierte Wert r' irgend einmal die wahre oder
auch nur wahrscheinliche Empfindungsmitte darstellt? Ab-
gesehen von allen übrigen Manipulationen liegt, soviel ich ver-
stehe, schon im Ausgangspunkt eine Verwechselung oder Er-
Sühleichang. Es sollte doch beurteilt werden, ob der Ton
subjektiv, für die Empfindung, in der Mitte liegt. Ob also
ein Urteil in dieser Beziehung richtig oder falsch ist, das
kann nicht durch sein Verhalten zur Mitte der Schwingungs-
zahlen definiert werden; es sei denn unter der Voraussetzung,
dafs die subjektive mit der objektiven Mitte zusammenföUt,
was doch erst bewiesen werden soll. Wenn wir die Empfin-
dungsmitte schon kennen, so kann auf diesem Wege etwa
bestimmt werden, wie fein das urteil eines Beobachters ihr
entspricht, wie grofs die Fehler sind, und es kann daraus viel-
leicht weiter auf die Unterschiedsempfindlichkeit geschlossen
werden. Aber mit welchem Recht die Empfindungsmitte selbst
80 erschlossen werden könne, leuchtet nicht ein.
Nehmen wir einmal an, die Empfindungsmitte {E. Jf.) Uege
in der Tonreihe unterhalb der absoluten Beizmitte {B. M.\ und
es haben sich für einen Ton Jf,, welcher zwischen E, M. und
JR. M. liegt,
T KM, M, B,M. H
die Urteilsanzahlen ergeben: 20 m, 50 m, 80 0, so berechnet
sich r' = 20 -f 25 = 45. Dies wären die „richtigen Fälle** : sie
wären aber sämtlich in Bezug auf die Empfindungsmitte falsch.
Nehmen wir an, dafs ein Beobachter ausschliefslich und
genau so, wie er empfindet, urteile, und dafs unter Voraus-
setzung der gleichen Lage von E. M, der veränderliche Ton
JC gerade mit R, Jlf. zusammenfalle, so würden sich ergeben:
— u, — m, 100 0. Danach r' = 0: und doch wären alle Urteile
in Bezug auf die Empfindungsmitte richtig.
Nun kann man sagen : r und f und r* sind Buchstaben,
algebraische Werte, und müssen nicht auf die Begrifie von
Wahr und Falsch bezogen werden. Sie sind nur rechnerische
Hilfsmittel zur Vereinfachung der Tabellen. In der That ist
eine Vereinfachung möglich, da die dritte Kolumne nur das
Complement der beiden ersten zu 100 ist und diese selbst
durch die beiden, zunächst dann allerdings willkürlichen, For*
30*
454 C. Stumpf.
mein auf Eine gebracht werden können. Auch ist klar, daXs
in einer, wenn nicht idealen, doch sozusagen normalen (die
oben S. 429 erwähnten Bedingungen erfüllenden) Versuchsreihe
bei der wirklichen Empfindungsmitte, wo sie auch liege, r'
etwa = 50 sein mufs. Denn die u müssen mit fortschreitendem
Jf, an diesem Punkte bis 0 oder nahe 0 abgenommen und die
m bis 100 oder nahe 100 zugenommen haben. Insoweit wird
also der Wert r' = w -j — — faktisch verwendbar und zwar ohne
Einführung der Beizmitte in die Definition.
Aber die Frage ist, ob dadurch die Übersicht und die
Einsicht in den durch die Originaltabellen ausgedrückten Sach-
verhalt nicht vielmehr leidet. Dies ist ganz entschieden der
Fall. Denken wir uns in der «- und m-Kolumne einer Ver-
suchsreihe folgende zusammengehörige Wertreihen: u = 50,
40, 30, 20, 10, 0; w = 0, 20, 40, 60, 80, 100: so wird für
sämtliche 6 verschiedene M^ r' = 50. Statt dafs also die
Lage der Empfindungsmitte deutlicher hervorträte, streitet sich
nun eine ganze Zone von Jfi- Werten darum.
Bei einer weniger normalen Versuchsreihe wird nicht für
unmittelbar aufeinanderfolgende, aber für mehr oder weniger
getrennte Jf, das gleiche r^ herauskommen, und zwar auch ge-
legentlich r' = 50, und man wird es diesen Fällen dann in der um-
gerechneten Tabelle nicht mehr ansehen, aus wie verschiedenen
Mischungen von Hr und 9n-Zahlen sie entstanden sind. Es
werden also Sprünge in den r' -Werten der neuen Tabellen auf-
treten, die noch wunderlicher sind als alle in den alten, und uns
zwingen, zum Verständnis doch wieder auf diese zurückzugehen.
In der That ergiebt sich dasselbe und noch mehr Inkon-
venientes für Lorenz. Seine obigen, nicht eben einfachen
Feststellungen genügen nicht, um in den einzelnen Fällen
unzweideutig irgend eine Lage für die Empfindungsmitte
herauszurechnen, sondern es werden eine Menge weiterer Über-
legungen (S. 82 f.) nötig, welche für die Gewissenhaftigkeit
des Verfassers ein gutes Zeugnis ablegen, das Zutrauen zu
seiner Methode aber nicht erhöhen : es muls zwischen mehreren
Prätendenten auf die Empfindungsmitte gewählt werden; es
wird aber auch umgekehrt, wo gar kein r' herauskommt, wel-
ches nahezu = 50 wäre, durch Literpolation eines hineinge*
rechnet u. s. f.
über Vergleichungen von Tondisianzen. 455
Und schliefslicli fallt die Qeneralübersiclit der so für die
Terscliiedeneii Grenztöne resultierenden Mitten (S. 85) teilweise
noch weniger zu Gunsten der absoluten ßeizmitte aus als die
ürtabellen, z. B. bei V, VI, XIX, wo der so erhaltene "Wert
sich von der absoluten Eeizmitte bedeutend entfernt. Die drei
letzten Fälle (XX — XXII) erscheinen hier allerdings recht
günstig für die absolute, sehr ungünstig für die relative Mitte.
Aber wir wissen ja, woran dies liegen kann; und zudem wird
bei dieser Umrechnung alles, was zur Beurteilung des Zuver-
lässigkeitsgrades dient, alle Unterschiede der Schwankungen
u. s. f. getilgt.
IV.
Die Ausdehnung der LORBNZschen Untersuchungen mag
auch die Ausdehnung unserer Kritik rechtfertigen. Sie ist
nicht zu lang, wenn sie allen denen, welche sich von einer
solchen Milchstrasse von Zahlen imponieren lassen, zum hellsten
Bewufstsein bringt, wieviel mehr auf genaue Kenntnis und
Beachtung der eine Urteilsklasse beeinflussenden Faktoren
ankommt, als auf die Anzahl der Versuche. Sachlich war dem
Wesen nach nichts anderes zu sagen, als was ich bereits im
I. Bande der Tonpsychologie vorausgesagt und worauf ich
auch in einer Kritik der ganzen WuNDTschen Tonlehre ( Viertelj.'
Seh, für Musiktoiss, 1888. S. 540 f.) bei Erwähnung der damals
vorliegenden LoREKZschen Ergebnisse kurz hingewiesen hatte.
Aber die Bemerkungen scheinen eben noch zu kurz gewesen
zu sein.
Mehr noch als den Leser dieser Kritik, wenn sie zu lang
ist, mufs ich jedenfalls den fleifsigen Experimentator bedauern,
der mit übelberatenem Eifer Jahre hindurch nebst seinen Ge-
nossen Zeit und Arbeitskraft verschwendete, wo doch von vorn-
herein ein klares Ergebnis mit Klarheit ausgeschlossen war.
Das Einzige, wofür in positiver Beziehung aus einigen
Tabellen eine schwache Vermutung sich ableiten liefs, dafs
nämlich die Empfindungsmitte (innerhalb der jeweilig unter-
suchten Tonregion) höher als die relative Reizmitte liege, ist als
Vermutung nicht neu ; und dafs es hier bewiesen wäre, läfst sich
angesichts des allgemeinen Zustandes jener Tabellen und der
Versuchsumstände nicht behaupten.
Auch das freilich haben wir gelernt, dafs hier, wenn
•irgendwo, Tadeln leichter ist als Bessermachen. Ich will aber
456 C. Stumpf.
wenigstens noch hinzufägen, bezw. in Erinnerung bringen, wie
ioh mir Versuche über Tondistanzen, wenn sie einige Aussicht
auf Erfolg haben sollen, angestellt denke.
Vor allem nicht als blofse Massenversuche, am wenigsten
durch eine Art Volksabstimmung, an der sich Musikalische und
unmusikalische gleichmäfsig beteiligen, sondern ausschlieMioh
mit musikalisch wohlgeschulteu Beobachtern (woU-
geschult natürlich dem G-ehör nach, nicht der Technik naoh).
unmusikalische, welche oft nicht einmal deutlich erkennen, ob
T oder H der höhere Grenzten, oder welche wenigstena bei
kleineren Veränderungen des Zwischen tons nicht einmal erkennen,
ob er höher oder tiefer wird, können unmöglich irgend eine
Sicherheit darüber haben, ob er zwischen den Grenztönen in der
Mitte liegt. Man würde fast ebenso zweckmäfsig durch Volks-
abstimmung eine Gleichung lösen. Der Musikalische allein ist
auch fähig, in deutlicher Phantasievorstellung einen gegebenen
Mittelton zu variieren* und sich ein urteil zu bilden, ob er
durch Erhöhung oder Vertiefung der Mitte näher kommen
würde. Überdies haben Musikalische auch eo ipso eine Übung
in wirklichen Distanzschätzungen. Welcher Eonsonanztheorie
man huldigen möge, immer wird man anerkennen müssen, dafs
die Intervalle nicht durch die Thatsachen der Konsonanz und
Dissonanz allein im Bewufstsein charakterisiert sind und an
deren Merkmalen wiedererkannt werden, sondern dafs Distana-
urteile in das Intervallurteil mit eingehen. Ich will hier nicht
von den exotischen Leitern reden, welche in viel gröfserem
Mafse als die unsrigen auf das Distanzprinzip gegründet sind
(vgl. Helmholtz Tonempf. 4. Aufl. 423). Jeder Musikalische
kann nicht umhin zu bemerken, dafs die kleine Terz dem
Grundton näher liegt als die grofse, wie ja auch der Name
besagt; und selbst wenn der Unterschied beider Terzen ein
unterschied der Konsonanz ist, so spielt in unserem Bewufst-
sein doch der Distanzunterschied eine sehr wesentliche Bolle
in der Auffassung und weiterhin auch in der Gefühlswirkung
dieser Intervalle. Damit ist nicht behauptet, dafs die grofae
Terz in allen Begionen die nämliche Distanz bedeute, sondern
nur dafs von einem Grundton aus, z. B. von c\ nach
gleicher Richtung grofse und kleine Terz ausschlielslich oder
mit durch ihre Distanz voneinander unterschieden werden.
Dem unmusikalischen ist selbst diese leichteste Art der Dia-
über Vergleichungen von Tondiatanzen. 457
tazizvergleiohung weniger oder gar nicht geläufig. Der Musi-
kalische aber hat durch die hierin erlangte unfehlbare Sicher-
heit auch einen Yorsprung für andere Arten.
Denkbar ist vielleicht ein Individuum, welches keine An-
lage für Musik (genauer: für alles, was von Konsonanz und
Dissonanz abhängt) und doch Anlage für Tonurteile in Hinsicht
der blofsen Höhenunterschiede besäfse. Aber das unmusi-
kalische Leben bietet wenig Veranlassung, diese Anlage aus-
isubilden^ das musikalische fort und fort; und diese zeitlebens
fortgesetzte Übung kann schwerlich durch eine nachträgliche,
und wenn auch Semester daraufgehen, ersetzt werden.
Zweitens mit psychologisch ad hoc eingeübten
Beobachtern. Damit meine ich solche, die nicht blofs
theoretisch den unterschied von Verwandtschaft und Distanz
klar erkennen, die auch nicht blofs im allgemeinen eine prak-
tische Übung in wissensohaftlichen Sinnesurteilen erworben
haben, sondern die eine grofse Übung speciellin der Ab-
straktion von den Verwandtschaftsverhältnissen
besitzen. Dadurch mufs der Einflufs der musikalischen Gewohn-
heiten paralysiert werden, während doch die erzielte Feinheit
des Gehörs erhalten bleibt. Es giebt eine gröfsere Anzahl von
«innespsyohologischen Untersuchungen (besonders auch im
Farbengebiet), bei welchen gewisse Nebenumstände in Wirk-
lichkeit nicht ganz beseitigt werden können und das einzige
Mittel gegen ihren Einflufs in der Gewöhnung besteht, von
ihnen abzusehen (vgl. Tanpsych. 11, 141 , 822). Diese läfst sich durch
besondere Übung erwerben, in unserem Falle namentlich mit Hilfe
von Vergleichungen eines und desselben Intervalles in ver-
schiedenen Tonregionen. Dadurch kann man sich immer mehr
gewöhnen, das innere Ohr von dem deutlich erkannten Ver-
wandtschaftsverhältnis gleichwohl ausdrücklich ab- und dem
reinen Distanzverhältnis zuzuwenden. Ein einziges Urteil eines
solchen Beobachters wiegt mehr als tausend von Unmusikalischen
und Ungeübten.
Drittens mit stetiger Tonveränderung. Der Beob-
achter selbst oder ein anderer mufs den Zwischenton so lange
hin und her verändern, bis er endgiltig gleich weit von den
äufseren entfernt scheint, und diese Veränderung mufs stetig
erfolgen können. Dann allein sind genauere Bestimmungen
möglich, zumal bei kleineren Unterschieden der Grenztöne. Es
458 C, Stumpf.
kann aucli der unterste und der Zwischenton fest gegeben
und der obere Gxenzton veränderlich sein, oder umgekehrt.
Viertens mit einfachen Tönen. Wir erwähnten schon,
dafs starke Obertöne in mehrfacher Weise Einflufs gewinnen
können, indem sie einen Klang mehr als den anderen erhellen
und damit scheinbar in die Höhe rucken, oder indem sie gar
eine Verwechslung des Grundtons mit seiner höheren Oktave
bewirken. Besonders der erste Umstand macht bei gröfseren
Distanzen alle Versuche mit zusammengesetzten Klängen, am
meisten also mit Zungenklängen, unrein. Es ist merkwürdig,
wie sich das Urteil über die Distanz ändert, wenn man zu
einfachen oder auch nur nahezu einfachen Klängen übergeht»
Dieselben zwei Grundtöne scheinen eine weitere Distanz anzu-
nehmen. Man pfeife mit dem Munde den höchsten und den
tiefsten Ton, den man hervorbringen kann (gewöhnlich etwa
c* — c*, bei Geübten mehr): sie machen den Eindruck einer
gröfseren Distanz als dieselben Töne auf dem Klavier. Oder man
vergleiche auf einem sehr milden Orgelregister (Hohlflöte, Eohr-
flöte. Flaute amabile) einen Ton der eingestrichenen mit dem
gleichnamigen der kleinen Oktave, so hat man den Eindruck
als ob mehr als eine Oktave dazwischen läge. Man schätzt
eben diejenigen Töne, die man gewöhnlich nur mit zahlreichen
Obertönen zu hören bekommt, jetzt, wo sie von nur wenigen oder
keinen Obertönen begleitet sind, tiefer. Betrüge nun dieser Unter-
schied der scheinbaren Höhe gleichviel, so würde sich die schein-
bare Distanz nicht ändern. So aber beträgt er der Begel nach for
die höheren Töne weniger als für die tieferen, weil bei Instru-
menten mit scharfen Klängen die Zahl und Stärke der Ober-
töne nach unten wächst. Daher müssen solche Instrumente
uns ein verschobenes Bild der Distanzen darbieten. Dieselben
werden nach unten immer mehr verkürzt gegenüber den wahren
Distanzen, d. h. denen der einfachen Töne. Und dies mufs
sich besonders bei gröiseren Distanzen geltend machen.
Hier lag die zweite konstante Fehlerquelle der LoRBNZschen
Versuche (neben der Einwirkung der Verwandtschaftsverhält-
nisse) , deren Wirksamkeit uns in einigen Fällen besonders
deutlich schien. Selbst wenn die Versuche unzweifelhaft er-
geben hätten, dafs wir gleiche Distanzen da annehmen, wo
gleiche Schwingungsunterschiede vorhanden sind, dafs also bei
gleichem Intervall die Distanz nach oben immer mehr gröfser
Über VergLichungen «o» Tandisiamen. 459
erscheint, so könnte dieses Ergebnis immer noch auf dem oben-
genannten Umstand beruhen, und es würde über die wahren
Distanzen der Tonqualitäten und gegen die FBCHNERsche Formel
in unserem Gebiet nichts gefolgert werden können.
Gleichwohl bin ich, wenn ich ausgeführten Versuchen mit
einfachen Tönen vorgreifen darf, nach bisherigen Beobachtungen
der Meinung, dafs sich das FECHNBRsche Gesetz auch da nicht
bewähren wird und dafs wirklich die Distanzen nach oben hin
zu etwa c^ gröfser werden.
Aber diese Vergröfserung beträgt ganz sicher nicht soviel,
als sie nach Wundt betragen müfste, der hier wie so manch-
mal einen richtigen Gedanken anderer falsch gewendet bezw.
übertrieben hat. Zwischen c^ und c' bildet zwar nicht c*, aber
sicherlich auch nicht c* die Mitte, sondern beiläufig d*. Zwischen
c^ und g^ nicht c*, sondern beiläufig 6^. Zwischen c^ und d*
nicht g^, sondern beiläufig gis^.
V.
Aufser der Feststellung der wirklichen Distanzverhältnisse
unter den Tonqualitäten hat nun aber auch die weitere Ver-
folgung jener , wenngleich falschen, Distanzauffassungen ein
Interesse, welche aus Veranlassung bestimmter sonstiger Ein-
flüsse mit Begelmäfsigkeit unter gewissen umständen eintreten.
Wir hörten oben von einer Begel hinsichtlich der Zeitfolge,
die sich aber nicht allgemeiner bestätigte. Eine Fülle bemerkens-
werter Züge liefert dagegen die Analyse des musikalischen
Denkens. Nur andeutungsweise möchte ich Einiges beifügen.
Eine Beihe musikalischer Kenntnisse über die Gleichheit
zweier Intervalle (z. B. Quinten) als solcher, vielleicht auch die
Gleichheit der Distanzen auf dem Klavier u. s. f. bewirken die
erste Abweichung von der richtigen Auffassung der Empfin-
dungen: die Intervalle gleicher Art scheinen uns gegen die
Höhe nicht gröfser zu werden, sondern gleich zu bleiben.
Erfahrungen und Vorstellungen anderer Art hingegen, wie
die Verkleinerung der Griffe auf den Saiten-Instrumenten und
besonders die geringere (scheinbare und wirkliche) Ausdehnung
der höheren Töne und damit zusammenhängende Associationen,,
treiben noch weiter: das Tonreich scheint sich gegen oben
immer mehr zu verkleinem. Eine in der höheren Oktave
wiederholte Melodie erscheint unter Beibehaltung der Distanz-
460
C. Siun^f,
Terhältnisse doch hinsichÜioh der absoluten Grofse der Schritte
wie eine verkleinerte Kopie der ursprünglichen. Diese Täuschung
ist in wirklicher Musik, im musikalischen Zusammenhang sogar
die herrschende, die vorige dagegen mehr bei der Vargleichung
der Intervalle im isolierten Zustand. In Yerbindung mit der
Torstelhmg des „Aufsteigens^ in der Tonreihe und des Zurüok-
kehrens bei der Oktave führt sie zur Darstellung des Tonreiches
Als einer nach oben sich verjüngenden Wendeltreppe.
Femer erleidet auch die musikalische Mitte zwischen zwei
Orenztönen, wie sie oben definiert wurde, je nach den Um-
ständen Verschiebungen.
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4.
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Bei 1. wird e*, bei 2. cP als Tonmitte zwischen a* und a*
aufgefafst. Die Erklärung ist einfach. In beiden Fällen scheint
der Schritt Tonica-Dominante vor- und rückwärts gleich grofs.
Aber bei 1. (Beginn der 9. Symphonie Beethovens) werden die
Orenztöne als Tonica und e^ als Dominante gefafst (erst später
ändert sich diese Auffassung). Bei 2. dagegen (Hatdks „Dudel-
saok-Sjnmphonie") wird der mittlere Ton cP als Tonica gefafst,
die Grenztöne als Dominante. Daher der Unterschied. Nichts
kann deutlicher zeigen, wie wenig der musikalische Eindruck
uns über die wahren Distanzverhältnisse Aufschlufs geben kann.
Zwischen denselben beiden Grenztönen a* und a' kann es doch
nicht zwei Distanzmitten geben. ^
Ebenso wird in 3. die grofse, in 4. die kleine Ter« als
Mitte angesehen. Es kommt eben darauf an, ob uns die Dur-
oder Mollauffassung durch die augenblicklichen Umstände
^ Es wird auch vorkommen, dafs Jemand im 1. Beispiel den zweiten
Schritt für den gröfseren erklärt. Auch dann wird zimächst der
musikalische Eindruck schuld sein, insofern der Schritt von der Dominante
zur Tonica herab, zumal bei diesem Rhythmus, etwas besonders Wuch-
tiges hat, was nicht so sehr in der GrOfse des Schrittes als in der
Bedeutung (Jvyufu^) der Töne innerhalb der Leiter seinen Grund hat.
über Vergleichungen von Tandisiamen. 461
n&hergelegt wird. Bei 6. (Martha) wird die grofse Terz nach
oben nnd die kleine nach unten von c\ soweit sich überhaupt
während des Melodiehörens die Distanzauffassuiig entfaltet, als
gleich gefafst : e^ erscheint als Mitte, hier also wie4er die kleine
7erz des tieferen Ghrenztons, obsohon wir uns in Dur befinden und
<lies auch erkennen. Von der ToniQa c^ geht die Bewegung sym-
metrisch nach beiden Seiten, denn beidemale geht es durch die
nächste zur übernächsten Stufe. Durch die Gleichheit des Bhyth-
mus wird dieser Eindruck der Symmetrie noch vervollkommnet.
Infolge dieser Symmetrie erscheint momentan auch die Grölse
<ier Schritte gleich; der Unterschied c* — ä* gegenüber c* — d^
wird nicht merklich, zumal A* und d* nur als kurze Durch-
gangsnoten auftreten. So erweckt auch in vielen anderen
Fällen die Symmetrie der Bewegung innerhalb der gegebenen
Leiter den Anschein gleicher Bewegungsgröfse.
Feinere und zugleich tiefer wurzelnde Täuschungen betreffen
den Unterschied der Ganztöne in der Leiter. Mathematisch
ist in der C-Leiter der Schritt c — d (8 : 9) gröfser als d — c
(9 : 10). Für die gröbere musikalische Auffassung sind die
Schritte gleich grofs. Wenn man aber Musiker bittet, einmal
genauer zu prüfen, ob ihnen nicht einer der Schritte etwas
gröfser scheint, so pflegen sie den zweiten Schritt für gröfser
zu erklären. Dies hängt mit der besonderen Bedeutung der
Terz (des „charakteristischen Tons^) für die Leiter zusammen.
Der wichtigere Schritt erscheint als der gröfsere. Analoges
ergiebt sich bei den übrigen Ganztonschritten der Leiter.
Diese konstante Täuschung hat aber nicht etwa zur
Folge, dafs man, nach der Mitte zwischen c und e gefragt, ein
etwas erhöhtes d als solche bezeichnet. Dergleichen Sinnes-
täuschungen kennen ja keine Konsequenz. Dasselbe musika-
lische Bewufstsein, welches die erste Aussage erzeugt, sperrt
sich gegen die zweite, welche ihm die Vorstellung eines musi-
kalisch unmöglichen Tones aufdrängen würde, obgleich beide
Aussagen logisch auf das Nämliche hinauslaufen. Man wird
die Konsequenz als solche anerkennen, weil man mufs; aber
man würde die Frage, in der zweiten Form gestellt, direkt
nach dem Sinneseindruck nicht so beantworten.
Noch feiner endlich und doch ebenfalls von gröfser Festig-
keit sind die Auffassungen der enharmonischen Verschieden-
heiten. Es ist ein bekannter Streit, ob man dis oder es höher
462 C' Shmpf.
intoniert. Mathematisch ist es höher. In Wirklichkeit wird
meistens dis höher genommen. Man stellt sich den Schritt
dahin (z. B. d — rf«, e — dis n. s. f.) gröDser vor, als den nach es-
(d—es, c — es n. s. f.). Dies hängt wieder mit der harmonischen
und modnlatorischen Bedentnng der Schritte nnd ihrer dadurch
bedingten eigentümlichen Gefuhlsqnalität zusammen.
Die letzten, aus dem Zusammenhang der Tonpsychologie
herausgegriffenen Bemerkungen sollten nur (um den etwa»
mageren Körper dieser Untersuchung ein wenig aufzuputzen)
hindeuten auf die Menge der Umstände und Einflüsse, welche
innerhalb der Musik die Distanzvorstellungen bedingen. Und
nirgends als in der Musik wird ja die Auffassung der Töne^
als solcher in ausgedehnterem Mafse praktisch und lebendig.
Ganz dürfen aber auch diese so leicht veränderlichen Be-
dingungen selbst bei psychophysischen Versuchen obenbe-
sprochener Art nicht übersehen werden. Man wird bei der
Auswahl der Versuchsumstände und bei der Auslegung der Er-
gebnisse beständig die Möglichkeit im Auge behalten müssen,
dafs neben den gröberen auch solche feinere musikalische Ge-
wöhnungen ihre Nachwirkung äufsem. Wenn es sich beispiels-
weise gezeigt hätte, dafs innerhalb der Quinte bei absteigender
Folge neben der grofsenauch die kleine Terz gerne als Mitte ange-
sehen würde (was etwa der WüNDTschen Segel entspräche,,
thatsächlich aber nicht der Fall ist), so würde man vor allen
weiteren Folgerungen zunächst daran zu denken haben, dafs.
Mollmelodien sich mit Vorliebe von der Dominante abwärts
zur Tonica bewegen (vgl. Beispiel 4 mit 3). Wie weit solche
Einflüsse reichen können, läfst sich natürlich nicht von vorn-
herein bestimmen.
über negative Empfindungswerte.
Von
H. Ebbinqhaus.
(Fortsetzung und Schlufe.)
lU.
über den materiellen Gehalt der FsoHNERschen Aajffassung
ist freilich, nicht viel zu sagen. Sie ist irrig und irreleitend,
das wird, wie ich vertraue, aus der Gesamtheit der gegenwärtigen
Ausführungen für .jeden, der sich in diese hineindenkt, hervor-
gehen. Von Interesse ist nur die Würdigung der Gesichtspunkte,
die in Fbghkers Geiste zu ihrer Entstehung Anlafs gaben und
ihn gewissermafsen in sie verwickelten. Sein Irrtum wird da-
mit noch auf andere Weise überwunden.
Die richtige Auffassung des Wesens von Empfindungswerten
fehlt durchaus nicht bei Fsghneb. Sie liegt z. B. ganz und
gar seiner rechnerischen Behandlung der ebenmerklichen Unter-
schiede zu Grunde, die deshalb in diesem Punkte auch völlig
in Ordnung ist. Er betrachtet die ebenmerklichen unterschiede
als Differentiale im mathematischen Sinne, d. h. als sehr kleine
Gröfsen. Nun haftet aber doch die Differentialnatur weder
der einen noch der anderen Empfindung an, zwischen denen
der Unterschied bemerkt wird, auch ist das Empfindungsdiffe-
rential sehr wohl zu unterscheiden von dem Unterschied der
objektiven Beize, durch den es verursacht wird. Es besteht
also allein in dem Bewufstsein einer geringen Verschiedenheit,
eines kleinen Abstandes 0(Jer einer kleinen Distanz zwischen
den beiden gegebenen Elementarempfindungen. Als sehr kleine
Empfindnngsgröfse wird mithin die Empfindung einer sehr
kleinen Distanz, oder, wie man sagen kann, eine sehr kleine
Distanzempfindung betrachtet, ganz in Übereinstimmung mit
den obigen Ausführungen über Empfindungswerte.
464 B. EbbinghoMS.
Aber diese richtige Yorstellimg von der Sache wirkt nur
sozusagen im geheimen und aoüser an diesem einen Punkte nur
gelegentlich einmal^ ; sie ist nicht recht deutlich zum BewuTst-
sein gekommen und nicht konsequent durchgeführt. Die ein-
fache Folgerung z. B., daXs, wenn das Differential eines Empfin-
dungswertes die Empfindung einer sehr kleinen Distanz sei^
dals dann notwendigerweise ein endlicher Empfindungswert die
Empfindung einer gröfseren Distanz sein müsse und gar nichts
anderes sein könne, findet sich nirgendwo klar und bündig aus-
gesprochen in den Elementen der Psychophysik. An einer
Stelle der Briefe klingt ein solcher Gedanke einmal an. „In
der That aber fasse ich die negativen Empfindungen nicht al»
Entfernungen vom Dasein schlechthin, sondern .... als
Entfernungen vom Nullpunkte eines Daseins, was quantita-
tiver Bestimmungen fähig ist, und ebenso die positiven Empfin-
dungswerte nicht als daseiende Empfindmigen schlechthin, deren
Quantität auXser acht fallt, sondern als Entfernungen von dem-
selben Nullpunkte des Daseins nur in entgegengesetztem
Sinne . . . ."'. Allein diese Auffassung ist doch wesentlich
eingeschränkter als die richtige und der Behandlung der eben-
merklichen unterschiede zu Grunde liegende. Letstere sind
^ Z. B. noch einigermafsen bei der 3*^ Ableitung der logarithmi-
sehen Formel, EUm. d. Psychophysik, 11, S. 36.
' S. diese Zeitschr., I, S. 35/36. Zu vollerer DurchftÜinmg ist
dieser Gedanke gelangt in der letzten Publikation Fecbkebb kurz vor
seinem Tode: „Über die psychüehen Maßprintipien und das Weher sehe
Gesett^ in Wundts Pkihs. Studien, IV, 8. 179 ff. (1887). Wuvdt hatte den-
selben Gedanken schon seit der 2. Aufl. seiner Physiolog, Psychologie
(1880) deutlich herausgearbeitet. Er interpretiert das logarithmische
Gesetz ganz in dem Sinne, dem ich selbst folge: „Die Merklichkeit
einer Empfindung wächst proportional dem Logarithmus des Beizes^ und
ftigt dann hinzu, dais die Merklichkeit gemessen werde durch die Ent-
fernung der Empfindung von ihrem der Beizschwelle entsprechenden
Nullwerte nach oben und nach unten (a. a. O. S. 858). Die Abweichung
gegen die 1, Aufl. wird auf die Anregungen der TAKKERYSchen Kontro-
verse (1878) zurückzuführen sein, an der sich ja Wundt beteiligte. Aber
er hat dem Druck dieser Kontroverse nur sozusagen um ein ebenmOg-
liches Minimum nachgegeben und sie nicht in ihre unabweislichen Kon-
sequenzen verfolgt. In allen übrigen Punkten, wie z. B. auch in Bezug
auf die negativen Empfindungen, ist er wesentlich bei Fbchkeb stehen
geblieben. Die unten (S. 468 f.) folgenden Ausführungen über Nullwert
und Nullpunkt der Empfindungen und über die Hereinziehung der
Schwelle richten sich daher auch gegen die WuirnTSche Darstellung.
über negalwe Empfindungswerte. 4g&
Grö&en als Entfernungen je zweier ganz beliebiger, nur sehr
ähnliclier Empfindungen voneinander, nach der Stelle der
Briefe dagegen sollen die Empfindungen Qröfsen sein lediglich
als Entfernungen von einem einzigen Punkte, dem sogenannten
Nullpunkte ihres Daseins.
Ja, in einer bestimmten Hinsicht bewegt sich Fbchnbb in
Yorstellangen, die einen direkten Gegensatz gegen die Auffas-
sung der Empfindungswerte als Distanzen involvieren, nämlich
durch seine gesonderte Behandlung der sogenannten unter-
sobiedsempfindungen. unsere Empfindungen von Distanzen^
die da einzig und allein das sind, was an den Empfindungen
numerischen Wert und Gröfsencharakter hat, sind ganz dasselbe,
was Fbchneb als Unterschieds- oder Kontrastempfindung be-
zeichnet; die logarithmische Formel ist also eigentlich, in
FBCHKBBscher Terminologie, eine ünterschiedsmaisformel. Aber
Fbghhbr betrachtet erstens die Empfindungen als Gröisen und
zweitens die üntersohiedsempfindungen ebenfalls als Gröfsen;
er mufs sich demnach unter den einfachen Empfindungsgröfsen^
trotz seiner Behandlung der ebenmerklichen Unterschiede, doch
wieder dunkel etwas vorstellen, was zwar Ghröfse, aber von
Unterschieds- oder Distanzempfindungen verschieden sei. Ganz
dementsprechend konstruiert er auch zwei Formeln, eine Empfin-
dungsmafsformel und eine UnterschiedsmaTsformeL Der letzteren
hat meines Wissens noch niemand irgendwelche sachliche
Brauchbarkeit abgewinnen können, und diese Thatsache, nach
einem Menschenalter so lebhafter Beschäftigung mit den
FiCHBBRsohen Leistungen, mag als ein Fingerzeig dafür dienen,
dais die Duplicität der Formeln eine Hjrperplasie ist.^
Die bei Fbohnbk unzweifelhaft vorhandene Vorstellung da-
von, dafs Empfindungsgröfsen eben Distanzempfindungen sind,.
ist also gekreuzt und in den Hintergrund gedrängt durch andere
* Kürzlich maclite Badakovic (Vierte^, f. wiss. JPhihs., XIV. 8. 20)
scharfsiimig auf den Widerspruch aufmerksam, in dem die Unter-
BchiedsmaTsformel gegen eine der FEOHKSBSchen Ableitungen seiner Em-
pfindungsmafsformel steht, und zwar gegen die in der Psychophysik an
dt«r Stelle gegebene (Psychoph., ü, S. 36 f.). Bas Bemedium ist nach
dem Obigen einfach. Man ignoriere die unhaltbare und überflüssige
ünterschiedsmarsformel , dann verschwindet der Widerspruch und die
betreffende Ableitung, die von allen die einfachste und brauchbarste
ist, verbleibt in der ihr gebührenden Geltung.
466 ^- Ebbinghaus.
Vorstellaiigen. Sie ist daher auch ganz einfialBlos geblieben
für die Auffassung der negativen Empfindungswerte. Diese
letzteren empfangen ihre Deutung yielmehr, ^fie bekannt, aus
dem ganz anderen Gedankengange heraus, der seinen Mittel-
punkt in der sogenannten Thatsache der Schwelle hat. Auf
allen Sinnesgebieten läfst sich folgendes beobachten. Wenn
man aut ein Sinnesorgan einen äufseren Beiz in sehr geringer
Stärke und ganz aUmählich einwirken läfst, so merkt man im
allgemeinen, d. h. im Durchschnitt zahlreicher Fälle, nicht gleich
etwas von dem Vorhandensein eines Objektiven, sondern erst,
wenn der Beiz einen gewissen geringen Wert, den sogenannten
Schwellenwert, überschreitet. Ebenso umgekehrt: wenn man
die Einwirkung eines äufseren Reizes auf ein Sinnesorgan all-
mählich abschwächt, so geht auch die Empfindung allmählich
zurück, aber sie hört yöllig auf, etwas von der Wirkung des
Aufseren zu enthalten, nicht erst dann, wenn der Beiz den
Wert 0 erreicht, sondern schon vorher, wenn er noch eine ge-
wisse kleine Gröfse hat. Diese richtige und in gewissem Malse
auch wichtige Thatsache hat nun für Fbchnsb eine ganz auiser-
ordentliche Bedeutung gewonnen ; ich kann nur sagen, unglück-
licherweise und teils durch Zufall, teils durch Mifsverständnis.
Er untersucht die allgemeine Abhängigkeit der Empfin-
dungen e von der Intensität der äufseren Beize r und findet dabei,
dafs die einen annähernd wachsen wie dieLogarithmen der anderen,
dais also e = klogr. Nun hat diese Formel in der That die
Eigenschaft, dafs nach ihr die e in Abhängigkeit von kleinen
r ein, wenn man so will, ähnliches Verhalten zeigen wie die
Empfindungen in Abhängigkeit von schwachen Beizen. Nimmt
r ab, so nimmt auch e ab, aber es verschwindet schon, d. h.
es erreicht den Wert 0, ehe r ganz verschwindet, für den Wert
r = 1. Dieses blofs ähnliche Verhalten aber der Empfindungen
und der Formel gestaltet sich in Fechners Geiste wie selbst-
verständlich zu einem identischen. Er betrachtet ohne weiteres,
und es wird zunächst wohl jedem so gehen, obwohl es falsch
ist, wie ich vorweg bemerke, er betrachtet das, was die Empfin-
dung wird bei dem Verschwinden oder bei dem Schwellenwert
des Beizes, als ihren, d. h. als ihren einzig möglichen Null-
wert. Dann besteht allerdings völlige Übereinstimmung zwischen
der Formel und den von schwachen Beizen erzeugten Empfin-
dungen: in beiden Fällen wird einerseits etwas Null, wenn
über negative Empfindimgsioerie. 467
andeferseitfl das, wovon es abh&ngt, noch eine kleine endliche
Gröfse hat. Die Fotmel leistet mithin auf solche Weise zweierlei :
erstens wird sie den Beziehungen zwischen gröfseren r tmd e
annähernd gerecht, zweitens deckt sie die Thatsache der
Schwelle, und die Freude über diese vermeintliche Doppelleistung
hat nun Fbchnsr völlig gefangen genommen. Er wird nicht
müde, auf sie als auf etwas ganz Besonderes aufmerksam zu
machen, und sieht die wichtigste Bestätigung seiner logarith-
mischen Formel darin, dafs sie und eben nur sie auch der That-
sache der Schwelle Rechnung zu tragen vermöge. Ja, er findet,
dafs die Herleitung einer Formel für die Abhängigkeit der
Empfindungen im allgemeinen von ihren Beizen eigentlich
illusorisch sei, wenn nicht die Thatsache der Schwelle bestünde
und man diese mit heranziehe. Soweit dann später der Gedanke,
dafs Empfindungswerte Distanzempfindungen sind, bei ihm Baum
findet, betrachtet er, wie wir sahen, den Wert, den die Empfin-
dung bei dem Schwellenwert des Beizes annimmt, also ihren
sogenannten Nullwert, auch als den gebotenen Nullpunkt, von
dem aus die Distanzen zu rechnen sind. Und in diesem Zu-
sammenhange ergeben sich denn notwendigerweise auch die
negativen Empfindungen: werden die r in der logarithmischen
Formel kleiner als 1 , so werden die e kleiner als 0, also nega-
tiv, und zwar den absoluten Werten nach um so gröfser, je
minimaler die r sind; was alles ich hier, samt den Versuchen
Fbchnbrs, sich mit diesen negativen Werten abzufinden und
sie zu interpretieren, als bekannt voraussetze.
Da& irgend jemand sich mit diesen negativen Empfin-
dungen, die da bei den geringsten Spuren von objektiven Beizen
die ungeheuersten Werte bekommen, dabei aber im Bewufstsein
stets unterhalb der noch gar nicht vorhandenen Empfindungen
verbleiben, aus voller Überzeugung befreundet habe, wage ich
zu bezweifeln. Was ihnen zu einer dreifsigjährigen Existenz
in den Büchern verhelfen hat und vermutlich auch noch weiter
verhelfen wird, ist aufser der Autorität Fechnbbs der Zusammen-
hang, in dem sie auftreten. Denn in der That haben die Haupt-
punkte dieses Gedankenganges, die Hereinziehung der Schwelle
in die logarithmische Formel, femer die Vorstellungen über den
Nullwert und Nullpunkt der Empfindungen, auf den ersten
Blick etwas durchaus Plausibeles und Bestechendes. Dennoch
aber, wenn man sich einmal Überzeugt hat, was negative Empfin-
Zelttcbrift für Psychologie. 31
468 ^' Ebhmgham.
dtingswerte vermöge der Natur unseres Empfindens und der
Natur der Negativität allein sein können, nnd dals demnaoh die
FBGHNBRsclien negativen Empfindungen, da sie etwas anderes
sind, niclits sind, so lässt sich die Vermutung nicht mehr ab-
weisen, dafs auch jener Zusammenhang, aus dem sich die
FEOHSTBBschen ünmöglichkeiteo notwendig ergeben, nicht ganz
in Ordnung sein könne, und das ist in der That der Fall.
Die ganzen Ausführungen über Nullwert und Nullpunkt der
Empfindungen, sowie über die Zusammengehörigkeit des Wbber-
schen Gesetzes und der Thatsache der Schwelle sind irrig und
desorientierend. Es ist in ihnen allerlei durcheinandergewirrt
und verzwimt, was, obwohl auf den ersten Blick sich beinahe
selbstverständlich gerade so zusammenfagend, doch nicht zu-
sammengehört und wohl auseinandergehalten werden mufs.
Ich versuche zunächst, die falschen Vorstellungen über
den vermeintlichen Nullwert der Empfindungen zu klären.
Hat in der That die Empfindung ihren Nullwert da, wo von
dem Vorhandensein eines schwachen objektiven ßeizes nichts
mehr gemerkt wird? Ich behaupte, dafs die allerdings nahe-
liegende Bejahung dieser Frage auf nichts anderem beruht, als
auf einem versteckten Hineinschillem des Gedankens an den
objektiven Beiz. Der objektive Beiz hat freilich seinen Null-
wert oder doch beinahe seinen Null wert in jenem Falle, für
das Bewufstsein ist er jedenfalls Nichts und Nichts ist doch
gleich Null. Aus diesem Grunde und aus keinem anderen ge-
schieht es, dais auch die Bezeichnung der entsprechenden Em-
pfindung als einer Nullempfindung so bereitwillige Annahme
findet. Aber wenn man sich jedes Gedankens an die objektiven
Reize entschlägt m,d sich einzig und aUein an die Empfin-
düngen selbst hält, wie es doch notwendig ist, wenn man sie
zu diesen Beizen als etwas anderem in Beziehung setzen will,
so fallt jede Veranlassung fort, gerade jener Empfindung vor
allen anderen einen Nullwert zuzuschreiben.
Numerischen Wert haben, wie wir sahen, ganz allgemein nicht
die elementarenEmpfindungen an sich, sondern die zwischenihnen
bestehenden Verschiedenheiten oder Distanzen, soweit diese be-
wuGst werden. Das heilst doch mit anderen Worten: an und
für sich betrachtet hat nicht eine bestimmte, sondern jede
beliebige isolierte Empfindung in quantitativer Hinsicht
den Wert 0, jede ist als Gröfse eine Nullempfindung. Ganz
über negoHne Empfindungswerte, 469
ebenso wie jeder Ort oder Punkt des Baumes quantitativ
gleich Null ist, so auch jede Elementarempfindung; beide haben
eben keine DimensMm, und Gröfse oder Zahl sind dimensionale
Oebilde. und wie die Orte im Innern der Erde nicht mehr
oder weniger Null sind als diejenigen auf den höchsten Berg-
spitzen, sondern alle in gleichem Mafse, so sind auch die sozu-
sagen tiefsten Empfindtmgen eines Gebiets als Ghröfsen nicht
kleiner und der Null näher als die höchsten. Freilich nimmt
die dem Nullwert oder, wenn man lieber will, dem Schwellen-
wert des Beizes entsprechende Empfindung unter allen übrigen
eine ausgezeichnete Stelle ein. Aber das, was sie aus-
zeichnet, ist nicht ihr Nullwert, — in dem stimmt sie mit sämt-
lichen anderen überein — , sondern dies, dals sie gewissermafsen
die tief stmö gliche Empfindung des betreffenden Oebietes ist,
dafs sie den natürlichen Ausgangs- und Anfangspunkt der
ganzen Beihe der übrigen bildet. Diese ihre Eigentümlichkeit
aber und ihr Gröfsencharakter sind doch zwei verschiedene
Dinge und müssen streng auseinander gehalten werden.
Ebenso schief aber wie dieser Gedanke von dem specifischen
Nullwert der Schwellenempfindung, ist der weitere Gedanke
Fbchnbrs, dafs dieser sogenannte Nullwert gleichzeitig den
gebotenen Nullpunkt bilde, von dem aus die Verschieden-
heiten, Distanzen oder Merklichkeitsgrade der übrigen Em-
pfindungen zu rechnen seien. Auch er ist viel zu eingeschränkt
und dadurch irreleitend, unter einer Mehrheit von Gebilden,
die in irgend einer Beihe aufeinander folgen, giebt es keines,
welches etwa seiner Natur nach dazu prädestiniert wäre, als
Nullpunkt fOr die Abzahlung oder Entfernungsbestimmung der
übrigen zu dienen. Sondern die Festsetzung eines solchen
Nullpunktes ist etwas völlig Willkürliches und Konventionelles.
Es kann sein und wird meist so sein, dafs nicht alle Punkte
gleich zweckmäfsig für diese Wahl sind; aus praktischen
Gründen empfiehlt es sich in der Begel, den natürlichen Anfangs-
oder Endpunkt oder einen anderen charakteristischen Punkt
der Beihe zu nehmen. Aber wenn man absieht von solchen,
der Sache selbst doch fremden Bücksichten, so ist jeder be-
liebige Punkt zum Nullpunkt für Mafsbestimmungen gleich
tauglich; wie man auch wählen möge, alle sachlichen Be-
ziehungen zwischen den verschiedenen Gliedern der Beih&
bleiben dadurch völlig unberührt.
31*
470 Ä
Ich mofs 2tit Erlftüteiting wieder aiof die jedcMiattü ge*
Ifitdlge rämnliehe Amsk^hauung rektutiei^eii. Der niiAütlielie Att9-
gangspunkt fttr alle terfesirischen Erhebungen ist dae Meeres-
nireau, und da ZweckmftXsigkeitsgrtblde hinzükenunen, trikUt
man dieses auch meist als Nullpunkt für die qüantitaären Be^
stinunungen der Erhebungen. Aber unter umständen katm
eine andere Wahl ^weckmäüsiger sein, dann nimmt man etwa
den Wasserspiegel irgend eines Flusses oder die Basis eines
Gebäudes, und man könnte prinzipiell schlechterdings nehmen,
welchen Punkt man wallte, ohne dafs dadurch an den Be-
gehungen der Höhen zu den Tiefen oder an den Gesetzen, in
denen Höhen eine Bolle spielen, das AUermindestel geändert
würde. Ja den eigentlichen natürlichen Ausgangspunkt idler
Höhen bildet dei^ Mittelpunkt der Ürde, denn hier f&ngt alles
Oben an und hört alles unten auf. Aber diesen fundamental-
sten Anfangspunkt wählt man gleichwohl nicht afa Nullpunkt
f^ numerisohe Höhenbestimmungen, weil er äufserst un-
praktisch wäre; man ist also in Be^g auf diese Wahl völlig
unabhängig.
Oanz ebenso rerhält es sich mit den Empfindungen. Be-
trachtet man sie isoliert, so haben sie alle in gleicher Weise
den Wert Null; betrachtet man sie in Bessiehcmg zu einander,
so gewinnen sie Entfernung und damit Gk^fse. Aber auf welche
einzelne Nullempfindung man diese G-röfsen als atf ihren Null-
punkt bezieht, ist völlig gleichgültig ; im Prinzip kann man jede
beliebige nehmen. Einen natürlichen Ausgangspunkt haben die
Empfindungen an dem, was sie sind beim Fehlen äufserer £in-
wirkungen auf die Sinnesorgane; vielleicht ist es zweckmäMg,
diesen natürlichen Ausgangspunkt auch zum Nullpunkt zu
machen. Aber mehr und etwas anderes als zweckmäfidg ist
es nicht; als selbstverständlich oder notwendig kann es in
keiner Weise gelten. Und ob man so verfthrt oder cMtders,
mufs fiir alle inneren Beziehungen der Empfindungen zu ein-
ander ganz einerlei sein. Was man bei einer bestimmten Wahl
des Nullpunktes etWa in Formeln fafst, mufs auoh naoh eiler
beliebigen Verlegung des Nullpunktes aus den entsprechend
abgeänderten Formeln wieder heraus zu interpretieren scdn. So
verhält es sich tn der That, wie sich in No. IV zeigen W»d,
auch mit dem WEBfiRschen Gesetz, bei einer richtigen Int^-
pretation der betreffenden Formel: alle Beziehtmgen dter Ebh
über negqiti^ fkH^ffiindttng^werte, 47 J^
p6xuivmgßip^^fffi ^ einander b)^iben gen^u diidselben, ob man
clie90 QhPi^ü/m &tif ßie SobwelleBemplwdnng od^r auf i^end
eine andere ab ihren Ifnllpnn^t beeiehL
In diesem Sinne sind also die FBOHNEBschen YopniteUnngep
von 4mB "Svi^wßJ^ ^nd Nullpnnk^ der Empfindungen zu )corri-
gieren. Tbnt ma|i da«, eo verscbwinden aucb die ni^atiyen
SimpfindingeiBL im FlK^HNSBAchen Sinne, deren Ansti^^iglpeit Mf
die TTmebtigkeit der ijimen z^. Ghnmde liegenden YoTan^petzqji^
gen anfmerbaam maohau mni^* Denn einen anderen Nollwfortt
der Empfindungen oder einen apderen Nnllpunkjfc als die Sobw^
lenempfindnng ki5nnen sie nicht irf^rtoragen.
Wie steht es nun aber mit der Bedentang der Si^weU^
selhft, d. jb. mit ihrer Wiehtigkeit für das WsBSB^ohe G-e^etz
und die loga^hmisohe Formel? Im (3hrunde ißt diese Frage
bereits erledigt durah frOh^ Qesagtef. In Wahrh^t hat dee
VerhaltoEi der Sknpfindungen bei aohwaoben Reizen qnd das-
jenige der Ipgarithmiaohen Fonnei bei kleinen r nur eine gejpf
aufiierliohe Ahnliphkeit mitttn^nd^, das eine ist iiber keiliee-
wege saehlioh eine wirkUehe Spiegelnng des anderen, D^
Jdentifieierung beruht auf den falschen Vprstellnngen über den
NnUwert der ümpfindungesi ; korrigiert man diese, eo 9e|gt
sieh, daie die logeiithmiscbe Formel gar nichts von der Thatr
sadb# Av Schwelle enthUt und gar niohts davon enthalten
kann. Denn w^in die Sohwellenempfindung nicht mehr noch
we^ger den Wert 0 hat wie jede bfaliebige andere ispUe^to
Empfindung, so kann audi die Eigenschaft der logaritbmisphep
Formel», Sirr;=sl e=^0 mi liefern, m keiner beeondereoai 3^
ziehu3i^ EU der SohweUenemp&ndnng etehen, eondern m^9
etwas sein, was «u jeder belielngen anderen Empfindung i^
derselben Sezi^ihang stebt. Wie das eJJeKdinge und auf gfu^p
ein£aehß Weise der Fall ist, wird in No. JY au aeigen sein*
leh will aber anjser dieser einjb^en Erledigung deyr
Sehwettei^&^e die Saohe noeh von einer anderen Seite dif^
kutier#n. Wie «xi^ipudjüeh uimI na^hdröoktich auch Fwuvwft
behaupten mOge, dsJGs die aUgemeine Abhängigkeit der Em^
pfindmgen von den Seiastftrkw m^ die Thats«^^ 4^ Sohwelle
enge auMmmen gebi^ren, ich wag» ebeneo n^dTtt^kliph die
en^gengesetiste J^auptnn^, daJb diese beiden ^ md for sßfih
sehr wichtigen Djmge gfr nic)tte ^nitcimander ^n ihun hai>w
und jfdee t(ix das fmß^m bede?<tus||pd<oe iet, dafs ihre ^ueamip^n^
472 A Ebbmghaus.
Ziehung gänzlich verfehlt ist und dafs «ine klare Eiilsioht in
alle hiermit znaammenhängenden Verhältnisse schlechterdings
unmöglich ist, so lange man sich von dieser Verwirrung nicht
freigemacht hat.
Worin besteht denn eigentlich die l^atsache der Schwelle
ihrem ganzen umfange nach? Fschhbr thut, als ob sie etwas
wäre, was ffir jedes Sinnesgebiet nur einmal vorhanden ist
und was deshalb auch von der logarithmischen Formel für
einen bestimmten Wert der Veränderlichen wiedergegeben
werden kann. Aber sie ist doch wahrhaftig auf jedem Sinnes-
gebiet etwas himdert- und tausendmal Existierendes. Wie für
den Nullwert (bezw. Schwellenwert) des Beizes, so gilt für
jeden beliebigen anderen Wert, den er haben kann, ganz
dieselbe Erscheinung: bei einer allmählichen Verstärkung
(bezw. Abschwächung) des jeweilig einwirkenden Beizes verrät
sich in der Empfindung davon nicht gleich etwas, sondern erst
wenn die Zunahme (oder Abnahme) einen gewissen kleinen
Wert überschritten hat. Fbohnzb unterscheidet zwar bei diesem
Phänomen den Fall, dafs der Beiz den kleinstmöglichen für die
Empfindung merkbaren Wert hat, als Beizschwelle, von
allen anderen Fällen, als ünterschiedsschwellen, aber wie
kann man nur, wenn man die Dinge ohne Hintergedanken be-
trachtet, ganz und gar Zusammengehöriges so auseinander-
reiisen? Der Fall, dafs der Beiz den kleinstmöglichen von
Null verschiedenen Wert erreicht, ist ja eigentlich, wie nmn
oft genug bemerkt hat, ein rein fiktiver Grenzfall, der that-
sächlich nicht verwirklicht werden kann, weil wir schwache,
aber immer noch recht bemerkliche objektive Beizungen (aus
organischen Ursachen stanmiend) gar nicht loszuwerden im
Stande sind. Es existiert also im Grunde nur ein einziges
Phänomen, nämlich das der ünterschiedsschwelle, welches sich
bei allen möglichen Werten der objektiven Beize in gleicher
Weise geltend macht. Aufserdem aber besitzt far die Em-
pfindung — und auf die konmit es doch bei dem ganzen Phä-
nomen an — der (angenäherte) Nullwert des Beizes gar nichts
besonders Ausgezeichnetes vor anderen Werten. Wir können
bei möglichstem Fehlen objektiver Beize (aus äufseren und
inneren Ursachen) charakteristische Empfindungen haben
(Schwarz, Stille), und können beim Vorhandensein relativ
starker Beize unter Umständen nichts empfinden, wie man sich
über negative Empfindungswerte. 473
gewöhnlich ausdrückt, nachdem nämlich Adaptation eingetreten
ist. Was kann es nun wohl für einen Wert und für einen
Sinn haben, die Abhängigkeit der Empfindungen von den ob-
jektiven Beizen durch eine Formel zu beschreiben, die einer
allgemeinen Eigentümlichkeit dieser Abhängigkeit für einen
einzigen, nicht einmal besonders ausgezeichneten Spezialfall
Bechnung trägt, fär die hundert oder tausend übrigen und
gleichwertigen Spezialfälle dieser Eigentümlichkeit aber stumm
ist? Ich sollte sagen, es hat gar keinen Wert, und statt mit
Fechner grofses Gewicht darauf zu legen, dafs die Formel dem
Schwellenphänomen in jenem einzigen Falle gerecht werden
kann, mufs man vielmehr über eine so singulare und dadurch
seltsame Leistung stutzig werden.
Man könnte nun meinen und hat in der That gemeint,^ um
die Beziehungen zwischen objektiven Beizen und Empfindungen
ganz und voll auszudrücken, müsse man nach einem G-esetz
bezw. einer Formel suchen, welche der Thatsache der unter*
schiedsschwelle durchweg Bechnung trage, welche also für
jede allmähliche Zunahme des objektiven Beizes zunächst ein
Gleichbleiben und dann erst ein Wachsen der Empfindung an-
zeige, so dafs die Kurve der Empfindungen von jedem beliebigen
Werte des Beizes ausgehend, gewissermafsen einen treppen-
fÖrmigen Verlauf nehme. Ich glaube aber vielmehr, dafs mit
der AufsteUung einer solchen Formel nicht etwas besonder]^'
Vollkommenes, sondern etwas besonders Verwirrendes geleistet
wäre, und meine, dafs sich die ganze Falschheit der Durch-
einanderwirrung von Schwelle und WEBBRschem Gesetz nicht
besser darthun läfst als dadurch, dafs sie zu einer so unge-
heuerlichen Eonsequenz fährt.
Wie die Dinge nach meiner Ansicht aufzufassen und aus-
einander zu halten sind, will ich an einer Analogie zeigen.
Analogien beweisen nichts, aber sie orientieren. Und für die
Abwehr eines falschen und die Empfehlung eines richtigen
Standpunktes kommt es nicht sowohl auf eine Kette von Be-
weisen als vielmehr darauf an, dafs der richtige Gesichtspunkt
einfach aufgezeigt werde, damit Jedermann sich überzeuge, wie
sich die Verhältnisse von ihm aus klar und durchsichtig
gestalten.
* Stadler: Philo8. Manatsh., XIV (1878), S. 230 u. 223.
474 -B^ JSbbmghaus.
Vau denke sicli, die Bezi^uug;, welche zwiBchen der Stärke
elej^triscfaer Ströiae und den durch ^e hervorgebjraohten Ab-
lenkungen einer Magnetnadel besieht, sei nnbekannt, sie solle
empirisch ermittelt und durch eine Formel dargestellt werden.
Bei d^ Untersuchung wird sich Folgendes herausstellen. Wählt
man sprungweise wachsende Stromstärken, so weicht die Nadel
^Eunehmend weiter von ihr^ ursprünglichen Buhelage ab, aber die
Stellungen, in denen sie zur Buhe kommt (welche für bestimmte
Stromstärken immer sehr annähernd dieselben sind) differieren
fOr gleiche unterschiede der Stromstärken immer weniger vonr
eÜM^der, je stärker die Ströme bereits sind, und eine Au»-
weidbung von 90^ erreicht die Nadel überhaupt niemals. Macht
man den Bogen, in dem der Strom die Nadel umkreist^ gro&
im Verhältnis zu den Dimensionen der Nadel, so läist mh die
gesuchte Beziehung in einer sehr ein£Eu>hen Formel ai|sdr&cken,
dieStroi^stärken r verhalten sich bekanntlich wie die Tangenten
der Ausechlsgswinkel e, also r=k tan e. Man kann aber die Unter-
suchmg auch 9<>iders anstellen, indem nvan nämlich stAtt sprung-
^eiser Y^änderuQge^ der Stromstärken kontinuierliche wählt.
D§nn ergiebt sich zwar im grolsen und ganzen dieselfaie Ab*
Jbtagigkeit der Nadelaussohläge von d^n Ströme^, sie wird
aber kompli^ert und eti^^as getrübt durch ein aodepres Phänom^sKi.
JtT^mlich wenn man, von ei^ier beliebigen Stellung der Nadel
l^usgehend, d^a sie umkreisenden Strom ganz ^^U^iä^lich
verstärkt, so rührt sie nch j^unächst i^cjit, vsoji der Sat^, dafs
dfe Tangente ihres A^sscJilagswinkeMi der Stärke des jeweiligcip
Stromes entspicj^t, wird ztmehmend ungenau. i&Iit eine^ Maie
aber^ bei einer j^ewisse^ Orölse der Stromversjitrkung, geift
die Nadel in Bewegung und geht nun gleich mit einem kleine^
lUi^k in die neue ihr nadl der Stromstärke zu^onuni^nde Lage
über. Diese ]5rsoheinui;ig f^igt sich^ wie ges^t, bei jeder
AüLSgfifigsstellimg 4er Nadel, bei ihrer ursprjängUchen Buh^jllige
ipich^ xoehr noch minder als bei jeder ^der^n. Wenn m^ sie
genauer ]l^lt6rsuphte, so wfirde xm^ zwiBifjBlh>s dje jftllgeiff^'ne
die Nadelbe:^egungega bekenr9(Qhe^4e Geßetwjiiftfwgfe^it fku^ hi^
Tötend &id^n: die 3<ilM^M deß für glejjch^ l^w^gyngf^nfißlsoß^
er^jrd^jrli^en Stron^iuwac^es i^rird ^ .ein^ d^foh jene^ Ocpe^
bedingten Beziehung stehen zu dem jeweilig bereits yor^a94(ei&en
Strom ; aber doch sind die Erscheinung selbst und jene Qegetz-
mäfsigkeit verscl^eden^ Din^e.
über negative JSn^findmgswerte, 475
WÄe wird sich nun der Physijcer bei diefiier zweiten Yer-
flOirmigaweiae mit der formellia£te^ DarsteUimg seiner Besnltate
yerlv^ltep? Offeub^ir besteht d|U3 Qesa.mty er halten der
Nadel gegenüber den elektrischen Ströme in de^ beiden Er-
B^h^xmeen gWch^eitig, in dw Gxöfee des jeweiligeu Ab-
leipikungswinkels u^d in den ruckweißeiiL VeräAdernngen ihrer
Ii9ge. Aber sollte es wohl irgend Jemandem uil den Sinn
kommen, die BeschreibT^ig dieses all^erdings thatsacbhohen Ge-
samtverhaltens dadurch unrettbar zu yerwirren^ cUv(s er ^eine
beiden Züge in ein einziges Mon^iaum von Formel sozusagen
Eusanu](i,eppackte? Die Nadel ist ireilich ein einheitliches Ding
und bewegt sich als solches. Aber wir glauben doch nicht|
dsAß sie jene beiden ihre Bewegung charaktarisi^^nden Fiige^T-
tümlichkeiten auf Grund derselben iBigenachjafte^ entfalte,
BajOi4ßT^ deshalb, weil sie verschiedene üigon^chaften hat
nad m yer^chiedenen Weisw vo» ihrer Wmg^ung abhängt:
soweit sie magnetisch ist, wird sde abgelenkt durch den Strom,
u^d /soweit sie sich nicht ohne Reibung bew^egki geschehen die
Ye^rS^derungen ihrer Abjt^ikung ruipkweise. Da wir aber nw
un^9^e Beschreibungen der Phänomen doch nicht liefern, u^
die ^linsicht jn deren Zusavimenhang und Fundiernng zu ver-
wizrep^ sondern um sie hervorzutreten zu lassen und zu ep-
lepLcht^m, so ist es auch notwendig, jene beiden Seiten in dem
Yerhajltjsn der Na4«il anseinan49r ^n )^alten und sie nicht etwa
in ej^e eiiizige Formel zusammen ?u werfen (falls eine solche
übeprhfti^pt möglich sein sollte) und dadforch beide unVeyiT^tUch
zu m^^nhen.
9m^ analog verhält es sich aber nach n^iner 4^f>^BWg
miit djsn Empfindung^i- Die äufseren Beize si^id gewissi^^
mi^bßß die auf die Bujxelage de« sich selbst übe^iasseneti
^rgapaösmus lainwiirke^^en elektrisohen Ströme, d^e £2n^^dnx\gw
gilj^icjisam die Ausschlage, mit denen der Orgaxü^nuv auf jene
reagiert. Die Beziehungen der einen zu de^ ^pder^, ^tii^iert
h(^ allinäMi<?h6r Yerst^kung der äufaepen Beize^ ^gen gleich-
fi^eitig fswei qharakteijistiache Züge. Die /Jlpt^^une der Kia*
pjSupuliju^en unter deogi EinfluTs wachsei^r B€W8tftr!kep ßT^oktl^
% g^eicjbe Zapna^mne^ de^ B^ize mjxm leif^ppmef^ j^ stf^^k^
diese bereits sind ; über einen gewissen Maximalwert gehen sie
selbst bei gröfster Steij^erung der Beize nicbt hinailLs; in
mittleren Gegenden verhalten sie sich an^b^™^ geiollls deiiPL
476 B' Ebbinghaus.
WBBERsclien Gesetz. AuGserdem aber zeigt ihre Yeränderong,
bei jeder beliebigen gerade bestehenden Empfindnng, das Phä*
nomen der Schwelle. Beides besteht gleichzeitig mid unzer-
trennlich an denselben Empfindungen und gehört also in
gewisser Hinsicht allerdings äufserlich zusammen. Aber wenn
man sich das Yerständnis dieser Dinge nicht geradezu verbauen
will, so darf man sich nicht vorstellen, dals es dieselben
Eigenschaften der empfindungvermittelnden Substrate sein
könnten, auf denen jene Erscheinungen beruhen; sie zeigen
dieses völlig Verschiedene vielmehr, weil sie verschiedene Seiten
haben. Wie man sich diese des näheren denken will, mag
dahingestellt bleiben. Ich selbst bin aufs Festeste davon über-
zeugt, das WEBEBsche G-esetz hat seinen eigentlichen Grund in
den Eigentümlichkeiten der Umsetzungen, welche durch die
äufseren Beize in den Sinnesnerven oder auch in den Einbet-
tungssubstanzen ihrer Endapparate ausgelöst werden,^ die
Erscheinung der Schwelle aber ist als ein Analogen der
Beibung aufzufassen, sie beruht auf einem Trägheitswiderstand,
welchen die nervöse Substanz irgendwo jeder Abänderung der
in ihr jeweilig etablierten Prozesse entgegensetzt. Jedenfalls sind
die beiden Erscheinungen sachlich völlig auseinander zu halten.
Jemand der nach einer beide gleichzeitig umfassenden For-
mulierung sucht, kommt mir vor wie ein Physiker, der die
Ausschläge einer Magnetnadel unter dem EinfluTs elektrischer
Ströme und die ruckweisen Veränderungen dieser Ausschläge
durch ein und dieselbe Formel darzustellen bestrebt ist. Fbohnbb
aber gleicht einem noch viel merkwürdigeren Physiker. Er
will gleichsam eine Formel liefern, die im allgemeinen lediglich
die Gröfse der Nadelausschläge darstellt, ohne von den ruck-
weisen Bewegungen Notiz zu nehmen. Nur fär einen einzigen
Fall, und darauf legt er das gröfste Gewicht, soll auch das
Letztere der Fall sein, nämlich far den Fall, dafs sich die
Nadel in ihrer ursprünglichen Buhelage befindet.
Man denke sich einmal , was doch sicher dereinst der Fal^
sein wird, die berühmte logarithmische Formel sei abgethan und
durch eine andere, das Verhalten der Empfindungen besser spie-
gelnde, ersetzt. Dafs diese auch wieder die zufällige Eigentüm-
^ S. m. Abh.: „Über den Grund der Abweichungen von dem Weber sehen
Gesetz u.s.w." Pflügers Archiv, 46, 8, 121.
über negathe Empfindungswerte. 477
liolikeit haben sollte , f&: r = 1 den "Wert c = 0 zu liefern, ist
mindestens höchst unwahrscheinlich, jedenfalls können wir uns
ohne jede sachliche Schwierigkeit denken, es sei nicht der
Fall. An der Erscheinung der Beizsohwelle im FECHNEfisohen
Sinne kann natürlich dadurch nicht das Mindeste geändert
werden, sie bleibt in alle Zukunft was sie jetzt ist, eine eigen-
tümliche Erfahrungsthatsache. Nur fällt dann künftig jede,
selbst rein äufserliche Möglichkeit fort, dieses Phänomen in
die Empfindungsmafsformel hineinzugeheimnissen, und es muTs
fax Jedermann ohne weiteres klar sein, was jetzt darzuthun
so viele Worte kostete, dafs die FBCHNERsche Verknüpfting
der beiden Dinge allein durch einen irreleitenden Zufall
möglich war.
IV.
«
Es bleibt noch eine letzte kurze Erörterung, auf die be-
reits mehrfach hingewiesen wurde und die in der Beantwortung
zweier naheliegender Fragen besteht.
Nämlich erstens. Die negativen Empfindungswerte in dem
unter No. n dargelegten Sinne müssen, so behauptete ich
(S. 334), in jeder beliebigen Empfindungsmafsformel darin-
stecken und aus ihr herauszuinterpretieren sein. Die logarith-
mische Formel kann als eine wenigstens annähernd richtige
Empfindungsmaisformel gelten, auf welche Weise enthält sie
also unsere negativen Empfindungswerte? Und auf welche
Weise sind diese etwa in anderen Formeln enthalten?
und zweitens. Wenn die FsoHNERschen negativen Em-
pfindungswerte nichts sind und die Hereinziehung der Schwelle
in eine Empfindungsmafsformel irrig, wie läfst es sich ver-
meiden, diese beiden Dinge aus der ja doch annähernd
richtigen logarithmischen Formel herauszuinterpretieren?
Beides beantwortet sich gleichzeitig und in einfacher Weise.
Man vergegenwärtige sich die logarithmische Formel in
ihrer allgemeinsten Gestalt
e = h log -}- c
also noch ohne die FEOHNERsche Bestimmung der Konstanten c.
Wie man zu ihr gelangt ist, soll gleichgültig sein. Am besten
ist es jedenfalls, sie zunächst nicht aus den Beobachtungs-
resultaten mit ebenmerklichen, sondern mit sog. übermerklichen
Unterschieden abzuleiten, etwa so, wie es im Anschlufs an eine
476 ^' mbmgh^mr
d^r PMHVBBachen Ablät^ngen G. E. ICjOllbr ^vJ^ {P^hffpkg^
S. 227). Wie ist mm die wbetwi&te j^omtjw^ C Jütiuar fax
hestij9me^9 fiir die VMMSVß «einB 9€äiz8ab.^6Uß hßocntxzißbJ^?
M«^ mnü etwß. Bo sihgeoi.
P^ die Formel nioht von iaalierten l^lpipfiii^iuigjefi, ßGu4^un
von Empfindung 8 wer teil} d. k. voii Distieiyzempfindnjigei?,,
etwibs jbmiatgen eoU, 90 müa^eiL die e «af ixgßB^ ^i«^, a^ eicji
völlig willlcürliche, ElefnfflifawiempfiTidn,i;ig e^ ßia ilbfßn, Aj99^
gMgsr oder YergleiohspunlEt berogea w:eitl«(a. .0)^ eifie 8olo]iP49
Aüfigiiiii^gsempfiiLdm^g anedrüekjjich gWMnt i«|i c^dw lüobti jü^
völlig gl^bgüUig; ^iiunigedaclut mnTs iquo seini epwt bat die
Fonael keine]!^ Sjtnn (s. S. 3^)^ die e bedeuieii dMva nicbjs
Zählbares. Für die r gilt ganz dasselbe, aber hier }ßb obQfidie9
keine Gefahr des Irrtums; Jedermann interpretiert ohne weiteres
eine ihm fOr Baumstrecken, Gewichtß u. dergl. gejiapiite Zahl
in richtiger Weise. Da bei Empfindungen dies noch nicht
Jedermann von selbst thut, empfiehlt es sich, ihm .die Sache
ausdrücklich vorzuschreiben und deutiich zu sftgen, der eigent-
liche 3inn der Empfindungsmafsformel wird dargestellt^ durch
die SynjjLbole
e/e. a= Je log r -}- c.
e« ist dabei, wie nicht genug wiederholt weisen kann, vöttg
willküx^ch ; es ist der Ausgangspunkt der Messungexi, der l^oä*
ventionelle Nullpunkt, und kann als sol<^er in d^ Skala der
Empfindungen hoch oder tief liegen, ganz wie auch 4er Aus-
gangi^unkt rftumlidher Messungen beliebig hoch oder tief ge-
wäMt werden kiffin. Der dem e. entsprechende ftulsere Sei«
sei r. . Nun bestimmt sich c ohne weiteres durch £e Bemerkung,
dafs jede isolierte Emj^dung als solche, oder was 4a8s^be
ist, jede nicht mit einer anderen, sondern allttn misfc Bieh ^ielbst
verglichene Empfindimg keine Grö&e hat, dafs also ihr numeri-
scher Wert BcO ist. Denn i6h habe hiemach
eje. = 0 == Ä? log r, + c
woriius 0 r== -^ A; l^g r«.
Pji^ m^gjßs^t?^ iji die aUjgemeine Fprppiel ^jgiebt ^cb
«/<?• = * log-.
^9
über negoHii^ EmpfinAmgswerU, 479
Die BesOimmting der Einheiten, in denen die Bc^i^gföfsiBn
r und die Empfiiidnngsgrdrsen ele. gemessen weifden sollen,
bleibt hier noch Vorbehalten; die Wahl der Reizeinheit idt
gleichgültig für die Foiteel, durch die Festsetzung der Empfin-
dungseinheit wird Tc bestimmt.
Das Kesoltat sieht ganz ähnlich ans, wie das FsOHNBBsche,
hat aber einen völlig anderen Sinn, da 6, (bezw. r«) schlechter-
dings hier mit der Schwelle nichts zu thun hat, sondern ganz
willkürlich ist. Wo man dieses e^ auch ansetzen möge, die
Formel ergiebt stets dasselbe klare und widerspruchsfreie
Besultat. Jedes e. verglichen mit sich selbst, d. h. jede
Empfindung als isolierte und an und für sich betrachtet, hat
den Wert 0, ganz wie es nach dem Obigen (S. 323 u. 468) der
Fall sein muTs. Alle e ferner, die von e^ aus nach einer
Bichttmg entfernt liegen, nach einer Seite von ihm abstehen,
haben, verglichen mit jenem, positive Distanzen, oder sind,
in Bezug auf^«) positive Empfindungswerte; alle e dagegen,
die nach der entgegengesetzten Richtung liegen, haben negative
Distanzen, oder sind, immer in Bezug auf e«, negative Em-
pfindungswerte* Welche Sichtung man ursprünglich als die
positive festsetzt, ist ganz gleichgültig; das hängt von dem
Vorzeichen von i, d. h. von der Wahl der Empfindungseinheit
ab. An den absoluten Entfernungen der e voneinander aber
(d. h. an den absoluten Gröfsen der Empfindungswerte) wird
venndge der Struktur der Formel durch eiue Verlegung des
Nullpunktes nichts geändert.
Wem noch eine Unklarheit oder Schwierigkeit zurückge-
blieb^i ist, der wolle sich an einem Zahlenbeispiel orientieren.
Es seiiMi
^ U U U ^6
fünf objektive Beize mit den numerisdien Werten
16 40 100 250 625.
Da die Beizwerte gleiche Quotienten miteinander bilden, so
werden die Von ihnen hervorgerufenen Empfindungen
^1 ^% ^8 ^4 ^6
480 ^' Ebbm^fiaus,
(die gleichzeitig, wie wir annehmen wollen, der mittleren Ge-
gend des betreffenden Empfindungsgebiets angehören) äqnidi-
stant sein. Es gelten also von ihnen, gem&fs den Erorteningen
von No. n, u. a. folgende Beziehungen:
eje^ = 2 . e^/e^ oder e^/e^ = 3 . e^/e^
eje^ == — ej/6j = — eje^ u. s. f.
Alle diese nnd andere ähnliche Beziehungen sind nnn aber
bei richtiger Interpretation in unserer Formel
c/c. = ilog--
vollkommen enthalten. Wähle ich z. B. ab willkürlichen Null-
punkt für die Bestimmung der Empfindungswerte die Elementar-
empfindung ^, so resultiert für diese, auf sich selbst bezogen,
ganz wie es sein muTs, der Wert 0.
V6, = *logJ = 0.
Für die Empfindnngsdistanz eje, ergiebt sich ein gewisser
Wert mit negativem Vorzeichen, für die entgegengesetzt ge-
richteten Distanzen eje^^ eje^ . . . gleiche bezw. doppelt so grofse
Werte mit positivem Vorzeichen. Nehme ich statt 6, etwa e^
als Nullpunkt, so wird an dem Wesen dieser Besultate nichts
geändert. Der Nullpunkt e^ auf sich selbst bezogen liefert wieder
den Wert 0; alle in Bezug auf ihn aufsteigenden Distanzen
erhalten das entgegengesetzte Vorzeichen von den in Bezug
auf ihn absteigenden Distanzen. An den absoluten Ghrölsen-
Verhältnissen dieser Distanzen aber wird durch die Verlegung
des Nullpunktes schlechterdings nichts geändert. Bei Beziehung
auf e^ findet sich z. B.
hl^% = * log 2,5 eje^ = h log (2,5)'
= 2Alog2,6
Also eje^ = 2 . e^/e^ oder auch = 2 . eje^
Und ebenso bei Beziehung auf e^
eje^ = — Ic log 2,6 eje^ = — * log (2,5)*
= — 2.*log2,5
Also wieder eje^ = 2 . eje^
ji
über negative Empfindungstcerte. 481
•
d. h., ob ich die zwischen den Empfindungen e^ nnd e^ be-
stellende Yerscbiedenheit in der einen oder in der anderen
Sichtung betrachten möge, ihr numerischer Wert bleibt immer
das Doppelte der zwischen den Empfindungen e^ und e^ be-
stehenden Verschiedenheit.
Auf solche Weise stecken also die negativen Empfindungs-
werte in der logarithmischen Formel und sind sie aus ihr
herauszuinterpretieren. Aber nicht nur in dieser Formel stecken
sie, sondern, wie soeben wiederholt behauptet, sie müssen in
jeder anderen Formel enthalten sein, die mit dem Anspruch,
etwas über Empfindungs werte auszusagen, auftritt. Denn
Empfindungs werte besitzen, vermöge der Natur unseres Em-
pfindens, immer das Doppelgesicht zweier Bichtungen, und was
man von ihren sonstigen Beziehungen also auch finden und for-
mulieren möge, es muTs dieser Grundeigentümlichkeit stets Bech-
nung tragen. Auch diese Behauptung willich noch kurz illustrieren.
Statt der logarithmischen Formel denke man sich einmal
eine ganz andere als Ausdruck der Beziehungen zwischen
Beizgröfsen und Empfindungsgröfsen. Ich benutzte oben zur
schematischen Erläuterung dieser Beziehungen eine von elek-
trischen Strömen umkreiste Galvanometemadel ; man fingiere
vorübergehend, dafs das Schema Wahrheit sei; es enthält ja
manche Züge, die dem wahren Verhalten noch besser ent-
sprechen, als das logarithmische Gesetz. Die äufseren Beize
sollen sich also verhalten wie die trigonometrischen Tangenten
der Empfindungsgröfsen : r=^k tan e. Daraus würde folgen
T
ß = arctan-jr, d. h. die Empfindungen wachsen wie die Bögen
zu den als trigonometrische Tangenten betrachteten Werten
der Beize. Wie wäre diese Formel zu verstehen? Man mülste
sagen, ganz wie oben (S. 478) : damit sie für Empfindungs-
werte überhaupt einen Sinn hat, müssen die e bezogen werden
auf irgend einen ganz willkürlichen Nullpunkt, auf eine be-
stimmte Ausgangsempfindung. Ob man diese ausdrücklich nennt
oder nicht, ist gleichgiltig; hinzugedacht mufs sie sein, sonst
hat es keinen Sinn, von Empfindungs werten zu sprechen.
Soll sie aber ausdrücklich in der Formel genannt sein und be-
zeichnet man sie mit e«, den sie hervorbringenden Beiz mit
r«, so ist die Formel zu schreiben, wie ich im einzelnen nun
nicht weiter ableite:
482 ^* Ebbinghaus,
T T
e/e. = arctan -r — arctan ~
In dieser G-estalt aber liefert die wieder dem Wesen nach gfanz
dieselben Besultate wie oben die logaritbmisclie Formel. Jedes
e, auf sich selbst bezogen resultiert mit dem Wert 0 ; alle in
Bezug auf e, aufsteigenden Distanzempfindungen erhalten das
entgegengesetzte Vorzeichen von den in derselben Beziehung
absteigenden; die absoluten Oröfsenverhältnisse aber der ein-
zelnen Distanzen zu einander werden von der Wahl des Nidl-
punktes schlechterdings nicht berührt.
Soweit die Antwort auf die vorhin zuerst gestellte Frage
nach dem Enthaltensein der negativen Empfindungswerte in der
logarithmischen (oder irgend einer anderen) Empfindungsmafs*
formel. Die zweite Frage, wie maü es nämlich vertüeiden
könne, die negativen Empfindungswerte im FECRKERschen Sinne
imd die Thatsache der Schwelle aus jener Formel herauözu-
interpretieren, ist dadurch gleich mit beantwortet. Man kommt
gar nicht weiter in Verlegenheit wegen einer solchen Inter-
pretation. Denn die Eigentümlichkeit der Formel, für r = 1
den Wert c = 0 zu Kefem, an welche Fechnbr seine Beiz-
schwelle und seine negativen Empfindungen anknüpft, wird
sozusagen bereits verbraucht, um zu den negativen Empfindungs-
werten im richtigen Sinne zu gelangen. Es fehlt an jeder
Handhabe, nun aufserdem auch noch die Thatsache der Beiz-
schwelle in die Sache hereinzuziehen. Die Formel hat eben,
wie bereits oben bemerkt (S. 471), zu der Schwellenempfindung
gar keine anderen und engeren Beziehungen als zu jeder be-
liebigen anderen Empfindung.
Nur für einen einzigen Fall könnte man vielleicht einen
Augenblick zweifeln, ob nicht doch die FscHNERsche Inter-
pretation unvermeidlich sei. Die Wahl des Nullpunktes, auf
den man die Empfindungen beziehen mufs, damit sie Grölben
werden, soll, wie wiederholt betont, willkürlich sein. Wenn man
nun, eben wegen dieser Willkür, einmal festsetzte, als Nullpunkt
solle für irgendwelche Betrachtungen die Schwellenempfindung
gelten? Dann würden in der That alle Empfindungen oberhalb
der Schwelle positive Distanz, d. h. positiven Wert bekommen,
dagegen alle Empfindungen unterhalb der Schwelle negaläven
Wert, und s^war dem absoluten Betrage nach um so grOfsere
negative Werte, je minimaler die sie verursachenden objektiven
jj
über negative EH^^findungswerte. 4g3
Beize wären, Eiurz es w&re Alles gftnz so wie bei FiOHNn^ und
alles gegen seine negativen EmpfindongsgrÖisen G^agie sckeäat
damit gerade snm guten Schlafs wieder in Verwirrung zu ge*
raten. Allein es bleibt aum Glück Alles völlig in Ordnung.
Die logaiithmisohe Formel ist f&r kleine Werte der objektiven
Beize notorisch ungiltig und längst, ehe die Beize dem
sogoimnnten Schwellenwert nah^ommen, hat sie aufgehört,
auch nur annähernd ein Spiegel des sachlichen Yerhaltens zu
seid. Was daher fftr kleine Beizwerte überhaupt und speaieU
für den Beizschwellenwert aus ihr folgt, ist sachlich voll-
kommen bedeutungslos, es ist eine rein analytische
Konsequenz.^
Eines der bekanntesten Gesetze der Physik sagt» dals das
Volumen eines Gases (bei konstantem Druck) proportional ist
der von — 273^ C ab gemessenen Temperatur. Daraus folgt
ohne weiteres, dafs das Volumen jedes Gases, bei Abkühlung
auf — 273® auf Null reduziert sein müsse; ein höchst merk-
würdiges Besultat. Aber man wird nicht finden, dafs die
Physiker wegen dieser Merkwürdigkeit sich besonders die
Köpfe zerbrochen hätten. Sondern, da es ihnen völlig sicher
ist, dals das Verhalten der Gase, längst ehe die Abkühlung
bei — 273® angelangt ist, aufgehört hat, jener Formulierung
zu entsprechen, so ist das^ was sich aus dieser für so niedere
Temperaturen mit analytischer Notwendigkeit ergiebt, sachlich
irrelevant; was die Gase bei — 273® wirklich machen, steht
dahin. Ich finde nun nicht, dafs die Psychologen Veranlassung
hätten, das berühmte logarithmische Gesetz mit gröfserer Ehr-
furcht sozusagen zu betrachten als die Physiker das eben
genannte GAT-LussACsche. Beides sind Formulierungen, welche
in überraschender analytischer Einfachheit einen an sich sehr
verwickelten Thatbestand innerhalb gewisser Grenzen und auch
* Man daxf also fireilich den Nullpunkt dar Empfindnngsrnsasiuigon
ansetzen wo man will, aber wenn man diese Ansetziuig in einer selur
tiefen Gegend der Empfindungsskala beliebt, so darf man nickt mehr
die logarithmische Formel benutaen, um daraus Konse-
quenzen au aiehen, denn diese gilt dort nicht mehr. Nur wenn man
die wirkliehe Emi^ndungsmafsformel bes&lse, kannte man sicher seia,
auch hk einem solchen Falle noch ein sinnvolles Besultat zu erhalten^
bei einer unrichtigMi FiMinel wäre dies ein Zufall, dessen Ausbleiben
weiter nichts Verwunderliches hat.
Zettselirift tfSüt Pfjehologie. 32
484 H, Mbinghaus.
da nur mit einer gewissen Annäherang wiedergeben. Sie
empfehlen sich aofserordentlich zur praktischen Benutznngy
denn sie enthalten, isoweit sie überhaupt gelten, in konzen-
triertester Gestalt eine Fülle von sachlichen Beziehungen, die
bei entsprechender Interpretation wieder aus ihnen hervor-
treten (wie das z. B. soeben an den negativen Empfindungs-
werten gezeigt wurde). Was aber aus ihnen rechnungsmälsig
folgt für Gebiete, in denen sie nachweislich nicht mehr giltig
sind, braucht in Bezug auf seine si&chliche Bedeutuiig nicht
weiter diskutiert zu werden; es hat eben keine.^
So rundet sich die dargelegte Auffassung der positiven
und negativen Empfindungs werte von allen Seiten ab zu einem
klaren, in sich geschlossenen und dem realen Verhalten der
Empfindungen entsprechenden Ganzen.
Nachtrag.
Ich habe leider versäumt, oben (S. 321) bei Nennung
Delboeüfs zu erwähnen, dafs auch Preter bereits vor Jahren
einen der wesentlichsten Punkte in Bezug auf Empfindungs-
werte richtig gesehen hat, dafs es sich nämlich bei diesen um
einen Gegensatz der Sichtung handelt. In seiner Schrift
j^Elemente der reinen Empfindungslehre'' (1877) sagt er z. B. S. 20:
„Die einfache intensive Empfindungsgröfse ist diejenige Gröfse,
welche durch eine in derselben Sichtung erfolgende Änderung
des erzeugenden Elements entsteht.^ Ferner S. 43: „Demnach
wird das Empfinden beim Auftreten oder Entstehen einer
Empfindung als ein positives, das Empfinden beim
Verschwinden oder Bückgängigwerden als ein negatives
Empfinden zu bezeichnen sein^ (genau ausgedrückt wäre aller-
dings jenes als eine Succession positiver Empfindungswerte,
* Das obige Argument ist die einfachste Weise, mit den Pechher-
schen negativen Empfindungswerten fertig zu werden, aber an sich ganz
ebenso zwingend, wie das früher unter 11 und m aus inneren Gründen
gegen sie Angefahrte. Natürlich ist es auch von Anderen mehrfach
geltend gemacht worden, so z. B. von Pbeybr in seinem kürzlich veröffentr-
lichten Briefwechsel mit Fecrner 8. 9 ü. a.
über negative Empfindungswerte. 485
dieses als eine Succession negativer zn bezeichnen). Aber wie
stark die Fessel der FscHNERsclien Auffassung in der That
war, zeigt sich darin, dafs Prbybb ihr dann doch wieder Kon-
zessionen macht, die, sofern ich überhaupt seine äufserst abstrakt
gehaltenen Ausfährungen verstehe, die Sache wieder in Ver-
wirrung bringen. Er definiert als Intensitätsgrad Null einer
Empfindung das, was übrig bleibt, „wenn von einer gegebenen
positiven Intensitätsempfindung soviel subtrahiert wird, als sie
selbst beträgt" (S. 45). Im wesentlichen ist das der FBOHNKRsche
Empfindungsschwellenwert und in ähnlicher Auffassung erklärt
dann auch Pbeybr, dafs jener Intensitätsgrad Null immer dann
vorhanden sei, „wenn die Intensität ^ben noch nicht oder
eben nicht mehr beurteilt wird", wie z. B. im Augenblick nach
dem normalen Einschlafen, unterhalb dieses Nullpunktes
aber, „nach Abwendung der Aufinerksamkeit von einem Sinnes-
gebiet" oder „im UnbewuXsten" läüst er die Empfindungs-
intensitäten negativ sein, was wesentlich wieder mit der hier
bekämpften FBCHNiRschen Auffassung zusammenfallt.
Berichtigung.
8.325 Z.ll y. u. lies Quantitätsbeätimmuiigen statt Qualitätsbestimmungen«
82*
ürteilstäuschuQgen nach Beseitigung einseitiger
Hftrtbörigkdt.
Von
Ab ioh noek GTixmaiusfc ww- litt iok yhirehmg am hod^
gradiger Hartkdriglmt des linken Oiirea and svar wie flkk
später heranssteille, infolge eine« BanmwellpfiropfMia^ der Us
mm Trommelfell vergedrungen war, und si^ dort veskirtek
hatte. Dieser FGropfea wnxde^ wenn ich midb recht ecinnerey
war es im Herbst 1856, ab ich eben im Beg^ri£Ee stand auf die
Universität überzugehen, bei G-elegenheit einer Ferienreise nach
Pranken durch Herrn von TbOltsch in Würzburg entfernt.
Gleich darauf machten sich eine Seihe von ürteUs-
täuschungen bemerkbar, die mir lebhaft im Gedächtnis ge-
blieben sind und deren Beschreibung vielleicht nicht ganz ohne
Interesse sein dürfte.
Dals unmittelbar nach der Hebung des Übels eine Menge
-von Dingen gehört wurden, von denen man im normaLen Zu-
stande nicht weifs, dajGs sie überhaupt ein Geräusch hervor-
bringen, braucht kaum erwähnt zu werden, da die Ohrenärzte
unzähligemale Gelegenheit haben, derartige Erfahrungen zu
machen.
Immerhin hat es etwas sehr Überraschendes an sich, wenn
man z. B. bei einer leichten Bewegung des Armes die Falten
eines Tuchrockes rauschen hört, wie es das normale Ohr kaum
bei schwerer Seide zu vernehmen pflegt, oder wenn das um-
blättern eines Buches ein Geräusch hervorbringt, das man nur
mit dem eines gewaltigen Wasserfalles vergleichen kann und
das sich bis zum Schmerze steigern würde, wenn man nicht
durch Verstopfen des Ohres mit Watte den Eindruck ab-
schwächen würde.
Urteibiäu8€himgen nach BeteiHgung tmseitiger HarMrigieit 487
Viel merkwOrdiger aber waren mir die Tänscliimgexi in der
Lokalisation der Geränsclie, die sich, wie schon bemerkt, erst
sehr aUmählich verloren nnd die insbesondere auch fnr die Be-
urteilung von Experimenten an Tieren von Bedeutung sein
dürften.^
Die Tänschongen beruhten, wie unschwer zu ersehen war,
sämtlich darauf, daüs sich die Eindrücke auf das linke Ohr,
welches durch jahrelange Nichtbenutzung, vielleicht auch durch
leichte pathologische Veränderungi ungewöhnlich reizbar war,
übermäfsig stark geltend machten, und dafs deshalb die Lo-
kalisatioa immer zu weit nach links, hftuftg sogar in ganz
falschem Sinne vorgenommen wurde.
Wollte ich einem Wagen ausweichen, der von rückwärts
kommend im Begriffe war, redits an mir vorüberzufahren, so
wich ich nach rechts aus, d. h. ich näherte mich dem Wagen
anstatt mich zu entfernen, eine Täusohung, die so häufig statt-
faadi daijs idi mehrere Wochen lang nur mit Unbehagen eine
StnJse oder besonders einen greiseren Plata übeiBckritt.
lüef mich jemand von rechts an^ so wandte ich den Kopf
nach links, und entfernte ioh mich von ihm statt auf ihn zu-
zugehen, sofern ich nicht dnroh das Gesicht eines Besseren
belehrt wurde.
So erfolgten ziemlich lange Zeit hindurch auf Qehörs-
eindrücke ganz zweckwidrige Bewegungen, und vergingen
reichlich drei Wochen bis ich die Lokalisation nach dem Ge-
höre wieder so weit erlernt hatte, um die Mangelhaftigkeit
derselben nicht mehr stark störend zu empfinden, während die
letzten Spuren erst nach etwa sechs Wochen zum völligen
Verschwinden kamen.
^ loh denke hierbei z. B. an die Üntersuchimgen des Herrn Muitk
tkber die Folgen von SelistOrungen bei Kaninohen, wie sie in den Stteungsber,
d. Bert AhuL f. 1889, S. 630 mitgeteilt sind, nnd deren Beschreibung mir
erst meine alten Erfahrungen ins Gedächtnis zurückrief.
Nachtrag zu der Abhandlung
„Über das Erkennen der Schallrichtung '^
Von
Professor J. t. Kribs.
In Ergänzung meiner Mitteilnng über das Erkennen der
Schallriclitting möchte ich erwähnen, dafs die Möglichkeit der
richtigen Lokalisation zweier gleichzeitig gehörter Töne auch
von Stumpf in dem kürzlich erschienen 2. Band seiner Tan-
Psychologie (S. 62 u. 58) bereits konstatiert worden ist; auch
knüpft Stumpf an diese Thatsache bezüglich der Theorie der
Lokalisation sehr ähnliche Folgerungen wie ich. Dafs diese
Beobachtungen in meiner Abhandlung noch nicht berücksichtigt
wurden, darf, wie ich hoffe, auf Entschuldigung rechnen, da
mein Manuskript Mitte Juli der Redaktion eingesandt wurde,
als das Buch Stumpfs soeben erschienen und mir noch nicht
zu Gesicht gekommen war.
Yersammlungen.
Z. Internationaler medisiniBelier Koncreb n Berlin 1890.
in.
Sektion für Physiologie.
Referiert von Dr. HsTMAKS-Berlin.
Schäfer und Mott (London) demonstrierten beim Affen die asso*
ciierten Augenbewegungen, welche 1) durch unilaterale faradische Beizung
der frontalen Begion der Hirnrinde, 2) durch bilaterale Beizung derselben
Begion , 3) durch bilaterale Beiasung der occipitalen Hirnrinde und
4) durch die gleichzeitige Beizung der frontalen Binde einerseits und
der occipitalen andererseits hervorgerufen werden.^ Es zeigte sich
ad 1): Die Begion der konjugierten Augenbewegungen zerf&Ut in
drei Teile : a. eine mittlere Zone , deren Beizung einfache laterale
Ablenkung der Augen nach der entgegengesetzten Seite hervorruft;
b. eine unmittelbar darüber gelegene obere Zone, bei deren Beizung
Inklination der Augen nach unten, und c. eine untere Zone, bei deren
Reizung Hebung der Augen erfolgt, beides in der Begel verbunden mit
seitlicher Ablenkung. Gleichzeitig mit den Augenbewegungen und in
demselben Sinne wie sie zeigten sich jedesmal deutliche Bewegungen des
Kopfes. Durchschneidung des Balkens und Zerstörung der der gereizten
Stelle entsprechenden Bindenpartie der anderen Hemisphäre änderte
nichts an dem Besultat ; die Association der Bewegungen muls also durch
niedere Centren vermittelt werden. Ad 2): also bei bilateraler Beizung
der Frontalregion fand sich, dafs nach Aufsuchung zweier Beize, die für
sich möglichst gleichstarke Wirkung hervorriefen, deren gleichzeitige
Applikation die Augen in die Primärstellung brachte. Dabei gingen sie
bei Beizung der oberen Bindenpartie gleichzeitig nach unten, sowie bei
Beizung der unteren Partie nach oben. HOchst bemerkenswert war ein
Besultat, welches sich häufig einstellte, wenn nach der doppelseitigen
Beizung wieder die einseitige vorgenommen wurde. Diese hatte dann
nämlich nicht sofort wieder den ihr eigentümlichen Effekt einseitiger
Ablenkung, sondern lieferte dasselbe Besultat wie die vorangegangene
bilaterale Beizung. „Es ist," sagen die Autoren in ihrer gedruckten
Publikation, „als ob die niederen Gentren durch die doppelseitige Beizung
^ Für eingehendere Beschreibung der Experimente s. Brom, Juli 1890.
490 yenammkmgm.
in eine bestimmte Gewohnheit des Fnnktionierens gebracht wordes
wären y von der sie nioht ohne weiteres za ihrem Indifferenszostande
xorückkehren." Ad 8) und 4) ist nur zu bemerken, dafs gleichzeitige
Faradlsation der Hinterhanptslappen ganz analoge Besaltate ergab wie
diejenige der Stimregion, nnd dais bei gleichzeitiger Beiznng einer
Hinterhauptsregion imd der antagonistischen Partie der Stimregion der
anderen Hemisphäre der von der letzteren ausgehende Bewegungseffekt
ganz auiserordentlich überwog.
Dieselben Autoren demonstrierten femer die faradische Reizung dea
Balkens beim Affen (s. Anmerk. vor. S.}. Beizung der vorderen Teile des-
Balkens ruft Bewegungen des Kopfes und der Augen hervor ; werden die-
Elektroden weiter nach hinten angelegt, treten Bewegungen der vorderen
und — bei noch weiterer Verschiebung nach hinten — der hinteren Extremi-
täten auf. Nach Zerstörung der motorischen Centren auf einer Seite der
Hirnrinde werden die Bewegungen unilateral, und zwar zeigen sie sich
auf derselben Seite mit der Zerstörung. Daraus folgt, dafs die Wirkung der
Balkenreizung eine mittelbare ist. Die Nervenfasern des Balkens gehen
u. a. beiderseits zu den motorischen Centren der Binde, und ihre fieizung-
ruft von hier aus bilaterale Bewegungen hervor. Werden die Binden-
oentren auf einer Seite ausgeschaltet, so wirkt der Reiz nur noch von
der intaktgebliebenen Hemisphäre aus und fahrt zu Bewegungen der ge*
kreuzten Körperseite.
MoTT hat beim Affen die Seitenstränge des Rückenmarks durch-
schnitten und dabei beobachtet, dais die bilateralen associierten Bewe*
gongen nach drei Wochen wieder anfingen, und dais die Abnahme der
Sensibilität, welche an beiden Seiten ungefähr gleich stark gewesen
war, nach einigen Wochen verschwand. Auf der gelähmten Seite war die
Temperatur etwas niedriger. Wurden darnach die Seitenstränge auch
auf der anderen Seite durchschnitten, so trat vollkommene Lähmung ein^
eine geringe Empfindlichkeit blieb aber bestehen.
B. Danilevskt (Charkow) zeigte anatomische Befunde beim Frosch,
welche beweisen, dafs dessen Gehirn nach Ablation sich fast vollkommen
regenerieren kann.
Untersuchungen von Aduoco (Turin) bezweckten die Wirkung fest-
zustellen, welche eine partielle und vorübergehende Anämie auf die
Snregbarkeit der nervösen Centren ausübt; es ergab sich als Resultati.
dala ein umgekehrtes Verhältnis besteht zwischen der Intensität des
Blutstromes und der Erregbarkeit der Nervencentren.
S. ExKza (Wien) teilt neue Versuche am Insektenauge mit; er demon-
striert die interessante photographische Aufaahme des aufrechten Retin»>
bildes, und beschreibt die durch das Licht bewirkte Wanderung des
Pigmentes, welche im Hellen die Schärfe des Bildes verstärkt, im Dunkeln
seine Helligkeit.
ZwAARDiMAKSB (Utrccht) gicbt eine Übersicht der mittelst seines
Olfaktometers angestellten üntexsuchungen.
Mittelst der photographischen Methode ist Bübdoh Saxdibsov zu
dem Resultat gekommen, dais das anatomische imd das elektrische
Latensstadium bei der Muskelkontraktion gleiohe Daner (ca. 0,008") hat.
VerMmwikMgen, 49 t
m
F. B. HATcnuvT (Edinlrarg) dttmonstriert , dais di« Muskelfiasem res^
FSbiillfln einen ihrer besohriebenen Stmktnr entsprechenden Eindruck
auf einer Kollodionschichte hinterlassen, und yersnoht ra beweisen, dals
die QnerstreifuBg der Muskeln nieht anf inneren Btrakturrerhültaedssen,
sondern auf der ftoTseren Form der homogenen Fibrillen bemht.
A. Mosso (Tarin) besehreibt Experimente, welche ergeben, dais die
ermüdeten menschlichen Wadenmnskeln sich unter demselben Gewicht
mehr verilBgem als die miermüdeten. Der ermtkdete Mensch würde
also deshalb weniger leistongsfilhig sein, weil die Muskeln sich leichter
ansdeluMn nnd folglich, nm dasselbe Gewicht sa heben, sich stärker
k<mtrahieren müssen.
IV.
Sekiioh ßr Neurologie und I^chiatrie,
Beferiert T<m Dr. BoanBUSB^Berlin.
Maovav (Paris) spricht über Folie intermittente. Er yereinigt
unter einer Krankheitsgmppe die folie intermittente, pöriodique, 4
double forme, circnlaire, cydique, die folies altemes, kurz, alle die*
jenigen Formen intermittierender Geistesstörungen, welche in klinischer
Beziehung gemeinsame konstante Charaktere darbieten in Bezug auf
Entwickelung, Beginn, Verlauf und Ablauf der Anf&lle, auf Form und
Inhalt des Delirs, auf die Beschaffenheit der die einzelnen Anfl&lle
trennenden Interyalle, in Bezug darauf, ob die AnfUle als einfache oder
kombinierte verlaufen, in Bezug endlich auf die wechselseitigen Be-
ziehungen der AnfUle und die den Ausbruch des einzelnen Anfalls
begleitenden Modifikationen.
Es treten dabei yielfache Beziehungen auch zu anderen Krankheits*
gmppen zu Tage, namentlich zur folie h^r^ditaire.
Alle diese gemeinsamen Charaktere sind aus einer Beihe von
Beobachtungen abgeleitet, welche sich auf eine sehr lange Zeit erstrecken
und eine grofse Anzahl von Anfällen umfassen.
Mit Hufe von Kurven, welche Dauer, Form, Charakter und die
beim einzelnen Anfall zum Ausdruck kommenden Modifikationen — ein*
fache, cyklische, kombinierte Anfälle — illustrieren, gelingt es leicht,
einen Überblick Über den Gesamtverlauf zu gewinnen. Herr M. de-
monstriert eine Anzahl solcher Zeichnungen, auf welchen der normale
Zustand durch eine horizontale gelbe Linie dargestellt wird; in Vertikalen
sind die einzelnen Anfälle (rot: maniakalisch, schwarz: melancholisch}
eingezeichnet; Hohe und Dauer des einzelnen Anfalls, zeitlicher Beginn
und Ablauf desselben sind durch entsprechende Gradienmg gekennzeichnet.
Darnach hat man unter der folie intermittente eine Gruppe von
Krankheiten zu verstehen, welche sich charakterisieren par la r^p^tition
ches un sujet, ä prMisposition latente, jusque-lA sain d'esprit, d'accte
maniaques ou m^lancoliques, isol6s ou combin^s de diverses mani^resr
492 Versammlungen.
mais Präsentant toujours une Evolution, une marche et des caract^res
g^n&TKux oommuns qui les r^unissent et les diatinguent de tontes lee
autrea esp^ces de folie.
Besonderes Gewicht legt Vortragender auf eine genane Charakteristik
der die Anfälle trennenden Intervalle.
Die Intelligenz bleibt wenigstens am Anfang und oft während einer
langen Phase des Gesamtverlaofis unbeeinträchtigt: der Kranke geht
seiner Beschäftigung nach und erscheint vollkommen gesund. Später
indes, wenn die Anfälle häufiger eintreten und länger andauern, machen
sich in den Zwischenzeiten gewisse psychische Störungen geltend, bei
dem einen eine erhöhte Beizbarkeit, bei dem andern eine gewisse
Apathie, die früher an dem Kranken nicht bemerkt wurde; schliefslich
stellen sich Beeinträchtigungen der Intelligenz ein. Diese letzteren sind
jedoch nicht lediglich als eine Folge gehäufter und länger andauernder
Anfälle anzusehen, sondern auch mit dem vorgeschrittenen Alter der
Kranken in Zusammenhang zu bringen.
An der Hand von 6 ausführlich wiedergegebenen Krankenbeob-
achtungen entwickelt Vortragender sodann Anfang, Verlauf und Ablauf
der Anfälle der folies intermittentes und charakterisiert diejenigen Sym-
ptome, welche schon beim ersten Anfall mit groijser Wahrscheinlichkeit
wenn nicht Sicherheit auf die richtige Diagnose hinführen.
HoRSLBT und B BEVOR (London) demonstrieren die Besultate ihrer
experimentellen Untersuchungen Ober die Bewegungscentren
in der Binde eines Orang-Utang.
Zunächst wird die Methode der Untersuchung beschrieben unter
Vorzeigung einer Photographie von einer zur Zeit des Experiments ge-
machten Zeichnung, auf welcher die Binde behufs genauer Lokalisation
in viereckige Gebiete von 2 mm Seite geteilt ist. Das Tier wurde mit
Äther anästhesiert, und die Binde vermittels eines gewöhnlichen Du
Boisschen Induktions-Apparates gereizt. Als Besultat zeigte sich, da£s
im Vergleich zu den Oentren in der Binde des Bonnet- Affen diejenigen
in der Binde des Orang noch mehr für sich abgeschlossen und schärfer
gegeneinander abgegrenzt waren ; während man beim Bonnet-Affen durch
prolongierte Beizung einer gewissen Bindenstelle aufeinanderfolgende
Bewegungen verschiedener Körperabschnitte auslösen konnte, veranlalste
eine verlängerte Beizung beim Orang in den meisten Fällen nur eine
einzige Bewegung.
Die topographische Aufeinanderfolge der einzelnen Centren war
beim Orang und Bonnet dieselbe. (Kleinere Unterschiede werden in der
Original-Mitteilung der Boyal society 1890 veröffentlicht werden.) Ein
gröfserer Unterschied bestand darin, dafs die Centren für die einzelnen
Abschnitte der unteren Extremität beim Orang in der Beihenfolge von
unten nach oben, beim Bonnet in einer solchen von vom nach hinten
gelegen sind.
In Übereinstimmung damit, dafs die Centren beim Orang auf einen .
schärfer begrenzten Baum beschränkt liegen, wurde festgestellt, dafs es
in der sogenannten motorischen Begion desselben viele Inseln gab, deren
Beizung ganz ohne Effekt blieb.
Versammlungen, 49S
Weiter werden 6 Fälle von Bindenreizung beim Menschen be-
schrieben (epileptische Konvulsionen). Beim Vergleich der hierbei ge-
wonnenen Resultate mit den Ergebnissen der Bindenreizung beim Orang
ergab sich:
I. Je höher in der Tierreihe wir hinaufgehen, eines desto stärkeren
Stromes bedarf es, um eine Bewegpnng auszulösen.
n. Je höher wir in der Tierreihe hinaufgehen, desto fär sich ab-
geschlossener und schärfer abgegrenzt liegen die Oentren.
m. Die topographische Anordnung der Oentren ist beim Menschen
und Orang vermuüich dieselbe.
Beizung der Fasern der inneren Kapsel beim Affen.
Vortragende geben zunächst eine kurze Übersicht über die bis-
herigen Forschungen bezüglich des Faserverlaufs in der inneren Kapsel.
Die Methoden waren verschiedene: Fiuvck und Pitrbs, BiraDOir SAVDEasoN
suchten durch experimentelle Beizung, Tübok, Brissaüd, von G-uddbv,
MovAKow, VüLPiAN, LöWBNTHAL, SghIfes, Fzbribb durch den Nachweis von
Entartung, Vetbsi&rb, Oarvillb und Dürbt durch Faserdurchtrennung,
Flechsig mit Hilfe der Entwicklimgsgeschichte , Mbtkert, Wernicke
auf anatomischem Wege zum Ziele zu gelangen.
Die üntersuchungsmethode der Vortragenden bestand darin, dafs
das Tier durch Äther narkotisiert und dann die Fasern vorsichtig durch
1 mm Elektroden systematisch gereizt wurden. Die Ergebnisse wurden in
entsprechender Weise auf mit 1 mm Vierecken liniiertes Papier übertragen.
Im ganzen wurden 46 Versuche angestellt. Es ergab sich, dafs die
Ganglien auf ihrer Durchschnittsfläche sowohl wie an ihrer ventrikulären
Oberfläche imreizbar waren; dasselbe galt von den laminae medulläres.
Die innere Kapsel (welche je nach der Höhe der Schnittebene einen
bogenförmigen, stumpfwinkligen oder rechtwinkligen Verlauf nimmt)
erwies sich, je nach der Höhe des Durchschnittes und je nach den ein-
zelnen Begionen der Kapsel (vorderer, hinterer Schenkel, Knie) als in
verschiedener Weise reizbar. Anordnung und Umfang der einzelnen
Beizerg^bnisse wurde für jede Ebene festgestellt. Als Durchschnitts-
ordnung aller Ebenen ergab sich folgende Beihenfolge:
Augen öffnen sich,
Augen drehen sich,
Mund öfEaet sich,
Kopf dreht sich,
Zunge bewegt sich,
Mundwinkel werden zurückgezogen,
Bewegung der Schulter,
„ des Armes,
„ der Finger,
„ des Daumens,
„ des Bumpfes,
„ der Hüfte,
„ des Schenkels,
„ der grofsen Zehen,
• - „ der kleinen Zehen.
494
HÜamacli etiauiit die «Bteio-posteriore Aaordxraiig der erregbaren
KepeelflMem mit deijenigen der Bindeneentren flberrai. Dies giü mch.%
nicht nur ffSa das ganse Glied, eoadeni auch fOr die einaelneik Abaelmitt»
desselben.
EjüLPSLor (Dorpat) weist anf die Analogien in den psjchiBchen
Symptomen bei gewissen Vergiftungen nnd bei manchen sonsiigeii P^-
«hosen hin nnd berichtet dann ftber eine Beihe Ton Versuehen, welch»
eine genauere Analyse der dnroh Alkohol und Theo herbeige-
führten Einwirkungen auf die psychischen Funktionen sunt
Zwecke hatten. Voraussetsend, dafs Beschleunigung oder Verlang-
Bamnng eines psychischen Aktes auf eine Erleichterung oder Erschwerong
desselben surückzuführen seien, hat KairsuH bei seinen Untersnehongen
den seitlichen Ablauf Terschiedener psychischer Vorgänge unter dem.
Einfiufs der genannten Stofie fostgestellt und aus der Zeitmessung wei>
tere Schlüsse auf die Mechanik des Seelenlebens gesogen. Im Gegen-
satce zu anderen Forschem, Sie sich auf die Untersuchung des einfa<fthen
BeaktionsTOiganges beschränkten xmd dabei feststellten, dals sowohl
durch den Alkohol wie durch den Theo eine yorübergehende Beschleu-
nigung desselben erzielt wurde, zieht KslrsLni auch kompliziertere
psychische Vorgänge in das (Gebiet seiner Untersuchungen und gelangt
so zu einer feineren Differenzierang der Wirkung jener beiden Stofie»
Er kommt zu dem Ergebnis, dafs Alkohol ingroJben Dosen alle peychisehen
Vorgänge in erheblicher Weise verlangsamt, in kleineren Dosen dagegen
(20->80 g) zonächst eine früher oder später vorübergehende Verkürzung
der psychischen Zeiten herbeiführt, die vor allem beim Wahlakt snm
Ausdruck kommt, während Unterscheidung und Associationen nur in
unbedeutendem Malse beeinflufst werden. Dabei ist die Einwirkung des.
Alkohols auf die verschiedenen Arten von Associationen eine wesentlich
verschiedene: Subsumptionsurteile werden kaum beschleunigt, dagegen
ist die Zeit, welche gebraucht wird, um zu einem gegebenen Wort einen
Beim zu finden, eine erheblich kürzere, und die Verkürzung der Zeit
dauert relativ lange an. Damit stimmt überein, dals man unter der
Einwirkung des Alkohols alsbald eine Zunahme der rein äufserlichen
durch die Gewöhnung aneinander geknüpfter Associationen beobachtet,
sobald diese nicht absichtlich in eine bestimmte Bahn gelenkt werden.
Besonders gilt dies in Bezug auf die auffallend hervortretenden Klang-
associationen ; die Association vollzieht sich ausschlielslich auf deni
Wege der Laut- und Bewegnngsvorstellung, nicht durch Vermittelung der
Saohvorstellung. Die gleiche Erscheinung findet man bekanntlich in
der Ideenflucht des Geisteskranken wieder. Andeutimgsweise hat Vor-
tragender dieselbe Erscheinung auch bei der normalen Ermüdung be-
obachtet.
In einem entgegengesetzten Sinne wirkt der Thee.
Die Dauer des Wahlaktes beeinflufst er gar nicht, dagegen be-
schleunigt er in erheblichem Mafse Wort- und Associationsreaktion.
Qualitative Veränderungen des Associationsinhaltes konnten nicht nach-
gewiesen werden.
Um die bisher berichteten Besultate noch einer weiteren Prüfung
n
VerMmmhmgm. 495
m tmtemehenf sucht Vortragender, den Verhältnissen des gewöhnlichen
Lebens Bechnnng tragend, das Arbeitsquantum festzustellen, welches
während eines bestimmten Zeitraums bei fortlaufender Lösung ein*
facher und gleichartiger Aufgaben (flOstemdes Lesen , Addieren ein-
stelliger Zahlen, Auswendiglernen kürzerer Zahlenreihen) geleistet wird.
Auch diese Untersuchungen führen zur Feststellung eines deutlichen
Gegensatzes in der Einwirkung der genannten Stoffe auf die psychischen
Vorg^ftnge. Alkohol erschwert das Addieren, erleichtert das Zahlenlemen,
der Thee wirkt im umgekehrten Sinne. Das Lesen wird sowohl durch
Alkohol wie durch Thee etwas beschleunigt.
Nach alledem muTs die Lokalisation f&r die Wirkung des Alkohols
und Thees im Bereiche des Gentraineryensystems eine verschiedene sein]:
Der Thee erleichtert diejenigen Funktionen, welche die Aufnahme und
Verarbeitung Ton Vorstellungen Termittein; der AlkalM»! besehleimigt
die Auslösung von motorischeB Lnpolsen, daher die Verküraung der
Wahlaeit, das Hervortreten der EüangassociatioBen imd die Steigerung
des mechanischen GMäohtaisses beim Zahlenlenien.
Sehliefalich wtiat Vortragender darauf hin, dafis die £rgebiiisfle
dieser Untersuchungen mit den Erfahrungen des täglichen Lebens voJti-
kommen übereinstimmen. Wir bedienen uns des Thees, wenn es sich
d»rum handek, unsre Arbeitsleistuttg zu steigern, die Empfibagliehkeit
fükt geistige GKenüsse zu vermehren, Ermüdung zu verhüten; dem gegen-
über steht die subjektive Erleichterung aller Willenshaadlnngen, die
unvennittelte Auslösung impulsiver Akte während das leichten Bausches,
die venuindearte Auffassungsfllhigkeit, ZnsawnnMihangBlosigkeit der
Baden, die mcnralische Haltlosigkeit» Beizbarkeit und Arbeitaunftb igkeit
4ae cbronMchen AlkcAolisten.
Litteraturbericht.
L. Edivoer. Bericht ttber die Leitimigen auf dem OeUete der Anatomie
dee OentralnerrensTstemes im Jahre 1889. Schmidts Jahrb. der ges,
Medigm, Bd. 228, S. 78—103. (Selbstanzeige.)
Ich gebe im Folgenden (einer Aufforderung der Bedaktion folgend)
einen kurzen Auszug aus meinem soeben erschienenen fOnfben Jahres-
bericht, in dem ich keineswegs auf alles einzugehen, sondern nur auf
einige wichtigere und namentlich allgemein interessierende Arbeiten
kurz aufmerksam zu machen beabsichtige.
Noch vor wenig Jahren bildeten die Arbeiten, welche sich mit der
feineren Anatomie der nervösen Centralorgane beschäftigten, nur einen
verschwindenden Bruchteil in der anatomischen Litteratur. Es hat sich
aber nicht nur das Interesse an den Fragen, die hier aufgeworfen werden,
wesentlich gesteigert, sondern es sind auch neue Methoden denen zu
Hilfe gekommen, welche hier voranarbeiten wollten. So sind denn die
letzten Jahre immer reicher an Beiträgen zur Anatomie des Gehirnes
und Bückenmarkes geworden, und es hat die Zahl der 1889 erschienenen
Schriften die Ziffer 127 erreicht.
Im allgemeinen werden die älteren Methoden der rein anatomischen
Untersuchung ausgebildeter menschlicher Gehirne mehr und mehr ver-
lassen und man bemüht sich auf Umwegen zur Erklärung der dort vor-
handenen, noch iinbekannten Anordnungen zu kommen. Frühe Entwiche-
lungsstadien, einfachere Gehirne niederer Tierformen, auch Gehirne, an
denen durch Erhrankung oder künstlich gesetzte Verletzung ein oder
der andere Faserzug degeneriert und dadurch deutlicher erkennbar ge-
worden ist, bilden im wesentlichen das Material der Untersuchung, soweit
die Erkenntnis des Faserverlaufes angestrebt wird. Die eigentliche
Histologie der nervösen Centralorgane ist in den letzten Jahren sehr
wenig gefördert worden. Erst in der neuesten Zeit hat auch hier die
Entdeckung neuer technischer Methoden wieder die Arbeiter angezog^en,
und es scheint sich gerade auf diesem Gebiete eine wichtige Umwäbning
vorzubereiten. Schon jetzt haben unsere Anschauungen von der Art, wie
ein Nerv central entspringt, in wesentlichen Dingen eine Erweiterung
und eine Umgestaltung erfahren.
Die Erkenntnis, wie weit wir in diesen Dingen noch zurück sind,
verbreitet sich immer mehr und sie hat zur Folge, dafs wir mehr und
mehr mit „umfassenden Theorien^' zur Erklärung des „Ganzen^ verschont
Litteräturbericht 497
bleiben. Fleifsige Einzelarbeit, ein Vorw&rtsstreben auf allen offenen
Wegen, der Versnch neue Wege zu erscbliefsen, charakterisieren die
augenblickliche Arbeit auf dem Gebiete der Himanatomie.
Von Arbeiten, die das Ganze betreffen, wäre wesentlich ein Aufsatz
▼on Gaskell in Bramy Bd. 12 (1889), zu erwähnen. G. ist überzeugt, dafs
das kompakte Gehirn der Wirbeltiere sich ohne grofse Schwierigkeit
von dem in einzelne Ganglienknoten gegliederten der Wirbellosen ab-
leiten läfst. Die bisher in dieser Bichtung unternommenen Versuche
haben alle einer kritischen Prüfung nicht Stand gehalten und sind ver-
gessen. Bekanntlich liegt das Bauchmark der Gliedertiere ventral von
dem Darme, imd nur am Mundpole umfassen von ihm ausgehende Stränge
und Ganglien den Ösophagus. Bei den Wirbeltieren liegt aber das Cen-
tralnervensystem dorsal vom Darmapparate. Gaskbll stellt nun die
Hypothese auf, dafs der centrale Hohlraum, welcher sich durch das
ganze Gehirn und Bückenmark hindurch bei den Vertebraten nachweisen
läfst, eben jener alte Darm der Gliedertiere sei, den das Nervensystem
umwachsen habe. Bei den Wirbeltieren hätte sich dann ventral ein neuer
Darm ausgebildet. Er fuhrt diesen Gedanken dann aus, indem er den
Darmkanal der Krebse speciell zum Vergleiche heranzieht. Der Central-
kanal des Bückenmarkes, welcher bei den frühen Stadien der Wirbel-
tierembryonen als Canalis neurentericus in den wirklichen Darmkanal
mündet, entspricht dem langgestreckten Darme der Krebse, die Ventrikel
des Gehirnes und ihre Bedachung durch den Plexus choroideus ent-
sprechen dem gprofsen Kopfmagen dieser Tiere. Im Infundibulum wird
der Ösophagus gefunden. Seine Ausbuchtungen, Saccus vasculosus, sind
noch heute nicht von Nervenmasse umgeben. Ausgehend von dieser
Auffassimg, sucht G. verschiedene Teile des Vertebratengehimes als
Beste von Teilen des alten „Kopfmagens** zu erklären. Seine Begrün-
dung ist teils eine morphologische, teils versucht er auch das Wenige,
was aus der vergleichenden Physiologie des Gehirnes bekannt ist, zur
Bekräftigung seiner Hypothese heranzuziehen.
His studiert bekanntlich seit Jahren an Wachsrekonstruktionen den
Formaufbau früher menschlicher Embryonen und hat im Laufe dieser
Studien die anatomische Wissenschaft vielfach sehr bereichert. In einer
umfassenden Arbeit über die Formentwickelung des menschlichen Vor-
derhims vom Ende des ersten bis zum Beginn des dritten Monats^
schildert er in genauerer Weise, als es bisher möglich war, die frühen
Formen des Gehirns. Von allgemein wichtigen Gesichtspunkten ist
namentlich der Nachweis hervorzuheben, dafs die Betina des Auges sich
aus der Grundplatte des Vorderhirns entwickelt,^ ganz der gleichen Him-
substanz, welche weiter hinten den motorischen Nervenkernen Ursprung
giebt.' Der Biechnerv ist nicht ein eigentlicher Gehimteil, sondern seine
Fasern wachsen aus einer getrennt vom Gehirn liegenden Platte, der
Biechplatte, die in der Decke der Nasenhöhle liegt, himwärts, treten
dann in das Kopfgewebe ein und verbinden sich dort mit dem Biech-
Ähhandlungen der Kgl, sächs. Gesellsch,, No. 26, S. 275.
496 LiUgmtmherkkL
ganglioxL Dieaas Gaaglimt gebt verh<nisimftfing spftt £• VerlnadnBg
mit dem Chehim ein.
Ein fthnliehar MkamdArer Ansehlals eines GuglioBS ma das Büm
wird mach von H» jum. im Bereicli des Ao!ii«tieo4fuaafi»*Gebi0ie8 ge-
schildert.^ Auch, hier steigt ein Zellkomplez anm Gehirn anf , der mm
dessen Oberfläche Halt macht und erst sekund&r verklebt.
Es ist schon in der Einleitung hervorgehoban worden, dad «■£
histologischem Gebiete die leiste Zeit liele nene Kenntnisse gebradit
hat. Den wesentlichen Anstofs gaben die Untersoehnngeii Ton Oonai
nnd von Bbla Halles in den Jahren 1885, 1886 und 1867. Durch diese
ist sichergestellt worden, dafs es zweierlei Ursprnngsnrtea
von Nervenfasern giebt. Es kdnnen aus einer Ganglienselle durch den
iütencylLnder direkte Nervenbahnen entspringen oder es verzweigt sich
der AxencyUnder, und ans dem Netz, das durch die Veretnigong mehrerer
«einer Verzweigungen entsteht, kOnnen sich Nervenbahnen ableiteok
GoLsi hat das wesentlich durch Yersilberang von Zellen des S&ngergo-
hims erkannt. Bbla Halles untersucht seit J«hren das Gentralnerven-
«ystem der Mollusken und der Würmer, an dem, wie es scheint, diese
Verhältnisse auJberordentlich klar zu erkennen sind. Er hat im letzten
Jahre uns mit einer Arbeit über das Oentralnerrsnsystecn höherer
Würmer* beschenkt. In dieser mit Tafeln reich ausgestatteten Schrift
flnden sich zahlreiche Beweise für den doppelten Ursprung der Nerven-
fasern. Die sogenannten paarigen Nerven des Begenwurms enthalten
Fasern direkten und indirekten Ursprungs. Von beiden Arten stammwi
solche aus der gleichen, wie aus der gekreuzten Seite, au&erdem treten
in jeden Nerven Fasern aus dMn vor ihm tmd ans dem hinter ihm lie-
genden Bauchganglion; auch hier wieder gleichseitige und gekreuxte.
Diese Verhältnisse sind, nach den Abbildung^ zu urteilen, bei den
Würmern so auTserordentlich klar, dais es Beferent scheint, als seien
hier zum ersten Mal alle centralen Beziehungen eines ein«
zelnen Nerven aufgedeckt. Da alles darauf hinweist, dafs das
Wesen des Nervenursprungs in der ganzen Tierreihe ein gleiches ist, so
tritt an dieser Stelle die Wichtigkeit der HALLssschen Untersuchungen
besonders deutlich hervor.
Die GoLoische Methode der Versilberung von Nervenzellen ist
namentlich von Bamon t Cajal verbessert und von ihm und KosLLBna
weiter geübt worden. Sie hat für die Kenntnis der Kleinhimrinde,
ebenso wie für den Aufbau des Bückenmarkes vielfach Neues und Wich-
tiges gelehrt. KosLUKza namentlich schüeikt sich auf Grund seiner
Untersuchungen der von Bakov t Öajal und His angestellten Annahme
an, dafs wahrscheinlich an vielen Orten des Gehirns die Ein-
wirkung der nervösen Elemente aufeinander nicht durch
Kontinuität, sondern nur durch Aneinanderlagern sta.tthnbe.
Man muis nach diesen neuen Untersuchungen annehmen, da& z. B. die
sensiblen Wurzelfasem des Bückenmarkes nicht in Verbindung mit ZMmtt
*• Areh. f, Anatomie «. Phys., anatom. Abt., 1889.
' Arbeiten aus dem sioel. Inttitat der ümo, Wiem^ VUL. Bd.
LitUraHtfb9tiehi 499
treten, sondern dvfs sie sicli in Mäste Pinsel «aflOM^n, welche nm die
Zellen der Hintcwbdiuier Iiemmlii^en,. NcttGrrlicli stehctn' ^i0le Nerv%tf-
fasern avrcb direkt mit Zellen in Terbindnng; soielie'2rdllea[ lie|^ in deir
Vorderhamem foat die vorderen Wurzel, in den Spliialgatrglieix^ ia: äeff
Binde des iprofsen und kleinen Gehirns. Hier heJb ror drei Jvhren sehitni
gezeigt, daTs die hinteren Wnx«zeln entt^ckelung^gesehiohtlioh^ gar nicht?
im BHiekenmark entstehen, sondern dafs die Zellen der Spinalganglien
Anslinfer entsenden, welche in das Bttohenmark hineinwachsen. tAe
vorderen Wurzeln aber sind nach seinen üntersuohnngett divekt als- Aus*
läufer von Bückenmarkszellen anzusehen. Im Lanli» des leti^en Jahres
hat er seine Aufmerksamkeit der Gewebeentwiokehuii^ des KOokenmafks
besondei9 zugewandt. Aus dev betrefibnden Arbeit' geht hervor, daC^
auf sehr fHUier EntwickelTmgBStufe die Markplatte des BfIckennMRrkes
den Charakter eines emfiftch geschichteten Bpltfaels hat. Zwischen den
inneren Abschnitten der Bpithelzellen liegen runde, zum groI^n Teil in
Kernteilung begriffene Zellen, die Eieimsellen. dpftter wachseto aus diesen
Keimsellen Fort^Uase aus, welche zu Nervenfitöem werden. Die Epithel-
zelleii aber bilden sich unter Verschiebung ihrer Kerne und unter A^as-
Scheidung* einer geibrmten, fadenförmig sich anordnenden Substanz all«
m&hüch zum MarkgerOst um. Die Keimzellen lagern* sich spftter' in
bestimmte Zonen des Büokenmarkes, innerhalb der Lücken des Hxtk'
gerOstes. Da aus ihnen die Nervenzellen hervorgehen, nennt si« Hts
Neuroblasten. Die Abkömmlinge der Epithelzellen besmichnet er als
Spongioblasten. Wichtig erscheint, daüi alle centralen Nervenzellen
sich zunftchst nur nach einer Seite hin entwickeln; erst lange
nach dem Auswachsen des Axencylinders kommt es zum Hervorsprossen
von neuen Fortsätzen, welche sich unter Zunahme der Verzweigung^ in
der Umgebung der Zellen ausbreiten. So' sind die Orondelemente f&r
die ersten Nervenfasern schon sehr frühzeitig angelegt. Es scheint sogar,
dafs diese Anlage eine definitive ist, dafs, wenn das Gehirn einmal aus*
gebildet ist, gar keine neuen Ganglienzellen mehr auftreten; Wenigstens
hat ScHiLLsn* im Nervus oeulomotorius erwachsener Katzen ungelNlhr
ebensoviel Nervenfasei-n nachweisen können, als er in dem gleichen
Nerven neugeborener Tiere fand. Forbl, unter dessen Leitung: die
ScBn^LERSche Arbeit entstanden ist, m^nt, da auch jede Nervenfaser
einer Zelle entspreche, so sei es sehr wahrscheinUch, dafs -die Gang-
lienzellen so lange dauern, als das menschliche Leben. Alle
Erfolge der GunnsKSchen Methode (Zerstörung der Nervenkerne durch
Ausreifsen der Fasern bei neugeborenmi Tieren) zeigten, dafs eine Gang-
lienzelle, einmal zerstört, nie mehr ersetzt wird. Ehr hebt die Wichtig-
keit dieser Auffassung fCkr die Erklärung der Phänomene des Ge-
dächtnisses hervor.
Die Arbeiten, welche das Jahr 1889 über das Vorderhim gebracht
hat, beschäftigen sich alle mit den Furchen und Windungen desselben.
^ W. His: Die Neuroblastm und deren Entetehun^. Arek. f. Anat. u.
Phys., anat. Abt., 1889, S.249 u.a.aO.
* Comfa. rend, hebd, de VAcad, des Sdencea de Paris, OIX, N6. 11,
S. 530, 1889.
Zeitsehrift fOr Psycholoslo. 83
500 lAiUrainrbenehL
Wir haben durch Ebbbstaller* eine anaftUirliohe Beschreibung der Ober-
fläche des menschlichen Stimhims und der dort Torkommenden Varia-
tionen erhalten. CmnmroHAx* hat die Intraparietalspalte in ihren Varia-
tionen studiert, und es haben .uns ZmwK und KOcuotbal' mit einem
grolsen Werk .beschenkt, welches vom Centralnervensystem der Wal-
tiere handelt. Ziehiv und Kückchtbal geben hier auch eine genaue
Studie über die vergleichende Anatomie der Gehirnoberflftche
uud untersuchen, inwieweit Furchen und Windungen bei den einzelnen
Tierarten untereinander Terglichen werden können.
Aus den Arbeiten, welche sich mit der Anatomie des Zwischen-
und Idttelhimes beschäftigen, sei namentlich eine ausfllhrliche Studie
von MoviKow^ erwähnt. Movakow beschäftigt sich schon seit Jahren
mit den Degenerationsbildem, welche eintreten, wenn die optischen Cen-
tren und Bahnen im Gehirn irgendwo eine Unterbrechung erfahren« Es
liegt gerade für diesen Punkt schon ein recht beträchtliches Material
vor, das nicht zum wenigsten durch Mokakows eigene Arbeiten geschaffen
worden ist. Über dieses giebt er nun eine Übersicht. Seine Studien
sind soweit zum Abschluls gekommen, dafs er eine Art Schema zu geben
vermag, in das sich alles Gefundene wohl einfthgt, ein Schema, das den
Ursprung und die centralen Verbindungen des Sehnerven umfalst. An
dieser Stelle sei nur darauf l^ngewiesen, daXs er zu der Auffassung ge-
kommen ist, dafs im Opticus zweierlei Nervenbahnen verlaufen, solche,
die aus den Zellen der Betina stammen und sich in Anteilen des äulseren
KniehOckers pinselförmig auflösen und solche, die aus Zellen des Vier-
httgels stamniien, um sich in der Betina pinselförmig aufisulösen. Diese
Zellen des Vierhflgels sind wieder selbst von Pinseln umgeben, die aus
Ganglienzellen der Hirnrinde des Occipitallappens stammen. Ebenso
liegen im äulseren Kniehöcker Zellen, die ihre Ausläufer mit den eben
erwähnten Fasern zusammen als Sehstrahlung zum Hinterhauptlappen
senden, wo sie sich pinselförmig auflösen. Zwischen den Pinseln und
den Gkmglienzellen, welche direkt Nervenfasern Ursprung geben, li^^n
wahrscheinlich noch Schaltzellen. Es geht also von jedem Opticus-
centrum, Betina, Mittelhirn, Ganglien, Hirnrinde ein Faser-
system aus und in jedem endigt ein solches. So verlaufen in
dem Sehnerven sowohl als in der Sehstrahlung parallel je zwei Faser-
systeme, deren Bichtung eine entgegengesetzte ist. Präparate vom
Mittelhim der Vögel, welche Bamok t Cajal* auf dem Anatomenkongrels
demonstriert hat, lassen Bilder erkennen, welche völlig in Übereinstim-
mung mit dem stehen, was Movakow aus seinen Degenerationspräparaten
geschlossen hat. — Mehrere Forscher haben sich mit dem Ursprung des
Augenbewegungsnerven beschäftigt und es haben Beferent in seinem
Lehrbuche und Pebua' ausführliche Beschreibungen der dort voiüegoiden
Verhältnisse gegeben. Der Hauptkem besteht aus einer ganzen Gruppe
* Das Stimhim. Wien u. Leipzig, 1890.
* Jouim. of Anat etc., 1889. — * Monogn^hie. Jena, 1889.
^ Arch. f, PwMatrie, Bd. 20, S. 714. — * Anat Anteiger, 1889.
* Areh. f. Ophmalm., XXXV, S. 287.
Litteraiurbmcht 501
bisher ungenügend yoneinander gescliiedenen Kerne. Es hat sich auch
herausgestellt, dais, was früher schon Güddbn behauptet hatte, ein Teil
der Fasern des Oculomotorius auf der gekreuzten Seite entspringt, die
Hauptmasse der Fasern aber aus dem gleichseitigen Kern. Aolserdem
lassen sich im Bereich des Oculoniotoriuskems eine Beihe in ihrem
Wesen bisher noch unbekannte Nervenkeme nachweisen. Andere Arbeiten
über den Oculomotorius stammen von Djlbkbchewitsch ^ und Mendel*; der
letztere hat neugeborenen Kaninchen die Iris entfernt und sp&ter im
Gehirn der herangewachsenen eine Atrophie des gleichseitigen Ganglion
habenulae konstatiert. Er sieht daher in diesem Ganglion ein Centrum
für die Pupillenbewegung.
Das laufende Jahr hat uns auch eine wichtige Arbeit über die
Pyramidenbahn gebracht, jene Bahn aus der GroXshirnrinde , welche
beim Menschen aus den motorischen Begionen des Vorderhimes stammt
imd im Bückenmark zum Teil gekreuzt endigt Ihre Fasern fahren, wie
die Ergebnisse der Pathologie zeigen, den gröfsten Teil der motorischen
Leitung vom Vorderhim zum Bückenmark. Da dieselben sich nicht nur
beim Menschen, sondern auch bei anderen Säugetieren sehr spät mit
Mark umgeben, so war es vov Lbhhoss^k ' möglich, den Querschnitt der
Pyramidenbahn bei verschiedenen Tieren untereinander zu vergleichen.
Derselbe beträgt beim Menschen 11,87% des ganzen Bückenmarkquer-
schnittes, bei der Katze nur 7,76%, beim Kaninchen 6,3%, beim Meer-
schweinchen 3,0 7o und bei der Maus gar nur 1,14%. Die Pyramiden-
bahn lagert bei den meisten Tieren in den Seitensträngen, bei einigen
aber auch in den Hintersträngen. Überall kreuzt sie vollständig, auTser
etwa beim Menschen, wo ein Teil bekazmtlich in den Vorderseitensträngen
ungekreuzt verläuft.
Von den Kernen der Oblongata hat das Gebiet des Acustico-facialis
durch HiB jr. eine entwickelungsgeschichtliche, das des Acusticus durch
Baginbkt^ eine experimentelle Untersuchung gefunden. Durchschnei-
dtmgsversuche der unteren Schleife von Mokakow* haben gezeigt, dafs
aus dem ürsprungsgebiet des HOmerven Fasern stammen, Striae acusti-
cae, welche in die gekreuzte Schleife eintreten und mit dieser in die
Vierhügel gelangen. Ähnliches hatte Beferent schon früher aus ver-
gleichenden anatomischen Thatsachen folgern zu müssen geglaubt. Mo-
nakows Versuche gestatten in der Schleife verschiedene Bestandtteile
viel besser zu unterscheiden, als es bisher möglich war. Eine neue
Darstellung der Acusticus-TJrspmngsverhältnisse hat Beferent in seinen
„Zwölf Vorlesungen*' gegeben.
Das Bückenmark ist von mehreren Forschem im letzten Jahre
durchgearbeitet worden. Neben einer eingehenden Monographie des
Gorillarückenmarkes von Waldbtbr*, die auch die Verhältnisse beim
Menschen fortwährend vergleichend berücksichtigt, steht eine Arbeit
* ArcT^ f, Anat. u. Pkysiol, anat. Abt., 1889.
* Deuteehe med, Wochensehr., 1889, No. 47.
« Anat. Angeiger, 1889, S. 208. — ^ Neural CentreMait, 1889, S. 687.
* Berieht A6er die Heidelberger naturforschende Versammlung.
» Berlin, 1889, 4.
33*
508 LiUeraimbencht
von LnnM>uiCK^ über das BAckaiuiutrk dar Maos, walcha aiak waseuÜiAh
auf die MarkacheidenyQtwickelniig bei dieaevi Tiere grftaidai. Beide
Arbeiten bringen Tielfacb SUaea nnd Inieceaaan^ aber den Faaerver-
]an£. Voi^ ganz princi^ieller Wichtigkeit scheint ein Fond Ton IUmdv
T CäjaJs* zu sein. Dieser hat i>fanlic*h nachgewiesen, nnd seine Angaben
sind seitdem durch Koslukss best&tigt w(»den, dais Ton allen Lftngs^
£aaem der Bückenmarksstrange aahlloee kleine Seitensweige im rechten
Winkel abgehen. Diese ISIollateralen dringen oft in das Bflckenmark
nnd endigen zwischen den Zellen, namentlich der B^terhOmer, dnrch.
eine feine nnd sehr variköse VerSstelnng. Der Nenrenplexos , welcher
oft zwischen den Ganglienzellen beschrieben worden ist, wird an einem
Teil durch die Ansammlung einer unendlichen Zahl solcher Bndver-
zweigungen gebildet. Diese, wie die Torgenannten zwei Arbeiten, ent-
halten zahlreiche Angaben über die Zellen des Bückenmarkes nnd ihre
Anordnung, Auüserdem hat Sass' Slaidien über die Topographie der
Nervenkeme im Bückenmark veröffentlicht. Er hat an Tieren, welchen er
gleich nach der Geburt, Monate vor der ZShlung, einzelne Nerven durch-
schnitten hatte, Zahlungen der atrophisch gewordenen Zellen voi;ge-
nommen und so mehrfach die an bestimmten Nerven gehörigen Kerne
ermittelt. LsvEossicK^ hat eine gpenane Beschreibung des Fasenrerlan£BS
aus der hinteren Wurzel in das Bückenmark veröffentliokt und die ver-
schiedenen Zfige^ in welche die Wurzel sich dort spaltet, anf rein anar
tomischem und auf entwickelungsgeschichtUchem Wege studiert.
Über die Fortsetzung der sensorischen Bahn zum Gehirn lagen
bisher, nur imgenügende Erfahrungen vor. Beferent* hat deshalb diese
Verhmtnisse an niederen Tieren, Fischen, Amphibien und Beptilien, bei
denen das Bückenmark noch relativ einfach gebaut ist, nnd spater auch
am Menschen studiert Nach den Ergebnissen, die er dabei erhalten,
sowie unter Berücksichtigung des bisher über die Degenerationen im
Bückenmark Bekannten ist er zum Schluis gekommen, dafs sich ein
Teil der hinteren Wurzel durch die OLASKSche Säule in die Kleinhim-
seitenstrangbahn fortsetzt, dafs ein zweiter ungekreuzt in den BLinter-
strängen zur Oblongata aufsteigt imd dort unter Zwischenschaltung voü
Kernen in die gekreuzte Schleife tritt, imd dafs ein dritter Teil schon
im Bückenmark in Kerne tritt; aus den letzteren entspringt eine Bahn,
welche im gekreuzten Vorderseitenstrang aufw&rts zieht. So kommen
oben in der Oblongata beide Anteile in der Schleifenschicht wieder zu-
sammen. Die Ergebnisse physiologischer Versuche und d^ Beobachtung
am Krankenbette bestätigen die auf anatomischen Wege gewonnene
Auffassung.
Schliefslich wäre noch, ein ausführliches Werk von KjinTi: „0^
die Blutgefäße des menachüchen BOekenmarks'* (Lemberg, 1889, gr. 4*) zu
erwähnen.
' Arch, f. nUhraskop. Jtuxtomie, Bd. 33.
' Anat Ameiger, 1889, No. 3.
» Virehowa Archiv, Bd. 116.
^ Arch. /*. mikroskop, Anatomie, Bd. 34.
^ Anat Anzeiger, 1889.
DarstellBiigieii des Chesttihtbaues sind im Berichtsjahre zwei er-
schienen, eine italienische Ton Mnroinm und eäie deutsche rotn Befe-
renten nnter dem IHtel: „AMf V&rUnmgen öder dbi B&a äer Herv^^sen
CenOtälwytm^ (Leipcig, 1869).
H. H. DoNALDsoy. Aiuttomteal 0!Mier?ttlons on the Brabi and SeiiM-
oftatti of tb« \XtiA dtef-miits. Lstuu BridgmaB. (1. Mitteihmg.)
Amer. Jaamdl of Fsydkologyy Okt. 1890.
Das Gehirn der bekannten blinden Taubstummen, LAimA Bainoki^r,
wurde im neurologischen Laboratorium der Clark Uniyersitftt in Wor-
cester, Ü. S. A., einer sorgfältigen Untersuchung unterworfen, deren
Ergebnisse Professor Dohaldsok jetzt mitteilt.
L. B. wurde am 21. Dezember 1829 in Hanöver, New Hampshire,
geboren. Dire Eltern waren gesund, aber beide etwas nervOs. Als kleines
Kind war sie schwächlich und litt an Krämpfen, doch besserte sich ihre
Gesundheit mit dem zwanzigsten Monat, imd sie zeigte sich thätig und
yerstftndig. Nachdem sie einige Worte sprechen und einen oder zwei Buch-
staben kennen gelernt hatte , erkrankte sie mit ihren beiden Schwester n
als sie zwei Jahre alt war, am Scharlachfieber. Die Schwestetn starben,
und L. wurde so krank, dafs beide Augen und beide Ohren in Eiterung
gerieten und auch Geruch und Geschmack beeinträchtigt wurden. Das
Gesicht des linken Auges wurde gänzlich zerstört; mit dem rechten hatte
sie einige £m]^findung ftlr sehr grofse helle Gegenstände bis zu ihrem
achten Jahr, Wo sie ganz blind wurde. DA die Sprache mit dem Gehth^
verloren gegangen war, wurde sie zu Hause durch willkürliche Be-
rllhrungezelchen erzogen und lernte Nähen, Stricken u. s. w. , bis rie am
4. Oktober 1887 in die Perkins Ikistitution fGlr Blinde zu Bbston über-
geführt wurde. Hier wurde sie bis zu ihrem zwanzigsten Jahre durch
Dr. 8. G. Hows, den damaligen Direktor der Anstalt, erzogen und zwar
auf folgende Weisd : der Name eines gewöhnlichen Gegenstandes würde
in erhabenen Buchstaben auf den Gegenstand geklebt, und sie lernte
Naknen und Gegenstand miteinander assooiieren; dann lernte sie den
Namen aus einzelnen Buchstaben bilden; endlich lernte sie nach langer
Zeit die Buchstaben selbst. Als sie zum erstenmal erkltnnte, dafs das
Zeichen für eineü Gegenstand aus einzelnen Buchstaben gebildet werden
konnte, ging ihr die Bedeutuüg dessen, was sie that, plötzlich auf; von
nun an muÄrte sie im Lernen zurückgehalten werden, damit ihre Ge-
sundheit nicht gefährdet würde.
Zur Zcat, wo sie in die Perkins Institution kam, fehlte ihr deV
GertKshssinn ganz; doch konnte sie später durch den Geruch die Bieh-
tung der Kü6h6 erkennen. Durch Geschmack konnte sie anfangs Sauer
besser unterscheiden als Süft und Bitter. Ihr Tast- und Berührungssinn
war selbst für eine Blinde sehr scha^; a-uoh war sie für Erschütterungen
sehr empfindlich. So weit man entdeeken konnte, träumte sie nioht in
Gesichts- oder Gehörsvorstellungen. Sie hatte über fünfisig Laute, mit
weleheü sie Bekitnnte zu bezeichneli pflegte. Übrigens Wsr sie aulser-
oifiAütlieh reinlich, ordnungsliebeüd und gesittet.
504 LiUeraimheridU.
Im Jahre 1878 wurde sie durch Professor G. Staitlbt Hall unter*
sucht, der sie f&r Tollstftiidig blind und taub erklärte. Durch den Er-
schütterungssinn konnte sie die Fuistapfen und bisweilen auch die
Stimme ihrer Bekannten erkennen; sie sagte, dais sie „durch ihre Fülse''
hOrte. Durch den Geruch konnte sie jetzt einige stärker duftende Blumen
erkenneo, aber kölnisches Wasser, Ammoniak und Zwiebeln nur, wenn
dieselben sehr stark waren. Jetst ¥rar sie ftkr Bitter und Sauer am
wenigsten und fQr SüTs und Salzig am meisten empfindlich. Ihr BerCkh-
rungssinn, mit den Zirkelspitzen gemessen, zeigte sich zwei- bis dreimal
so fein als normal. Als Erwachsene war sie 1,596 m. hoch und wog
inklusive Kleidung 44,45 Eilo. Sie starb in der Perkins Institution, wo
sie beinahe ihr ganzes Leben zugebracht hatte, am 24. Mai 1889 an einer
Lungenentzündung.
Das Gehirn wurde zuerst in MüLLsascher Flfissigkeit, dann in dop-
peltchromsaurem Kali geh&rtet. Sein Volumen ohne Pia war, nach der
H&rtung, 1383 ccm; also vor der Härtung etwa 1178 ccm. Sein Gewicht
ohne Pia war, nach der H&rtung, 1889 g; also vor der Härtung etwa
1204 g, oder etwas unter der von Schwalbe angegebenen Durchschnitts-
zahl für das weibliche Gehini, 1245 g. Nach linearen Messungen erschien
das Gehirn ausgesprochen brachycephal.
Die NN. glossopharyngeus, acusticus imd abducens waren etwas
verkümmert und alle Himnerven waren klein. Die Striae acusticae traten
besonders klar hervor. Das hintere Paar der corpora quadrigemina war
etwas klein, aber wohlgerundet, und die brachia traten klar hervor;
dagegen war das vordere Paar, und besonders das linke corpus, stark
gegen die Mittellinie abgeplattet, und die brachia waren nicht zu sehen.
Das rechte pulvinar war leider beschädigt, aber das Unke war erhalten,
und erschien verkümmert und wenig gewölbt. Die commissurae media
und posterior waren gut entwickelt, aber die commissura anterior war
leider nicht erhalten. Die glandula pinealis zeigte sich unverhältnismäfsig
vergrölsert, wahrscheinlich weil der Druck der umgebenden Teile be-
seitigt war. Das infundibulum war auüserordentlich verlängert, und der
tractus opticus sehr verkümmert. Das corpus callosum war in jeder Be-
ziehung gut entwickelt.
Die Gesamtgestalt der Hemisphären war normal, nur waren sie
nach hinten etwas abgeplattet. Der Schläfenlappen war verhältnismälsig
klein, seine Spitze dünn, und die Entfernung von dieser bis zur Spitze
des Frontallappens daher ungewöhnlich grols. Die Windungen waren
im allgemeinen grols und lagen weit voneinander getrennt, besonders im
Frontal- und Parletallappen, nur im Hinterhauptslappen lagen sie eng
aneinander. Die typische Anordnung derselben lieis sich leicht erkennen,
und die beiden Hemisphären waren ziemlich symmetrisch markiert. Die
Länge der fissura Sylvii, von den rami anteriores bis zum ramus posterioi
ascendens gemessen, war 52 mm für die rechte und 53 mm für die linke
Hemisphäre, also weniger als Ebbrstallbbs Durchschnittszahl für das
weibliche Gehirn, 56,5 mm.
Im Frontallappen gingen der sulcus frontalis inferior und der sulcus
fronto-marginalis ineinander über, desgleichen auch der sulcus fronto-
Litteratmheneht 505
marginalis and der ramus anterior horizontalis fissarae Sylvii. Von dem
gyrua frontalis inferior war die pars triangularis am besten entwickelt,
und besser links als rechts; die pars basilaris war links viel weniger
entwickelt und besonders in ibren ventralen Teilen verkümmert; die
pars ascendens war links durchweg verkthmnert; und diese beiden partes
waren nicht nur kleiner, sondern lagen auch tiefer als die umgebenden
Windungen^ so dals der gyrus centralis über der pars basilaris ein leichtes
operculum bildete; Die insula war rechts 46 qmm, links sogar 128 qmm,
oder beinähe dreimal so viel, blofsgelegt. Diese Verhältnisse entsprechen
im wesentlichen den Abweichungen, die von Büdihokb und Zuckbbkakdl
als charakteristisch für Taubstumme beschrieben worden sind.
Der Hinterhauptslappen war auf der rechten Seite kleiner als auf
der linken. Der sulcus parieto-occipitalis kam auf der dorsalen Flftohe
der rechten Hemisphäre nicht zum Vorschein, obgleich er links gut
entwickelt war. Der rechte cuneus war viel weniger entwickelt als der
linke. Die Verkümmerung des rechten Hinterhauptslappens erklärt sich
aus der Thatsache^ dafs L. seit ihrem zweiten Jahre im linken Auge
vollständig blind war, während sie im rechten einige Lichtempfindung
behielt bis zu ihrem achten Jahre, genug jedenfalls, um die Entwickelung
der linksseitigen Centren fortfahren zu lassen.
Die Centren für Finger- und Daumenbeweg^ungen waren auf der
linken Seite ziemlich gut entwickelt, auf der rechten aber nicht so gut
sonst war nichts Ungewöhnliches zu bemerken.
DovALDsoK machte den Versuch, den Gesamtfiächeninhalt des G-ehims
zu bestimmen, indem er zuerst die freie Fläche hiafs, dann die Länge
der Furchen und die durchschnittliche Tiefe derselben bestimmte und
die nötigen Berechnungen anstellte. Er fand:
Links : Hechts :
Insula 1760. qmm 2026.6 qmm
Frontallappen 27624.5 „ 29684. „
Hinterhauptslappen 3824.6 „ 3604.8 „
Übrige Teile 61066.7 „ 47452. „
84265.7 qmm 82667.3 qmm
Die linke insula erscheint hiemach viel weniger entwickelt als die
rechte ; der linke Frontallappen ist viel kleiner als der rechte, was haupt-
sächlich der Verkümmenmg des gyrus frontalis inferior zuzuschreiben
ist. Hingegen ist der rechte Hinterhauptslappen viel unentwickelter als
der linke.
Dieser ersten Mitteiltmg ist eine ausführliche Bibliographie bei-
gefügt. Stbovo (Worcester, U. S. A*)
W. JsBusALBM. Laura Bridgman. Eniehimg einer Tanbetiunni-Blliiden.
Eine psychologische Studie. Wien. 1890. A. PichlersWitwe & Sohn.
8*. 76 S.
Mit eingehender Benutzung der über L. B. vorliegenden Litteratur
wird eine ausführliche Biographie dieses seltsamen, von der Natur so
grausam behandelten Mädchens gegeben und besonders die Methode des
{106 lAttarmtm^beneht
jhF Qxitf Ite» TJvA^vsAcbiw heaprofkeak. Zw^i von L. B. T0r£»£rt0 Qe-
dkJütA: »i^oly Aoiüe'' und «Xt^A^ IgmmZ imiemea^ mertei Im WcarÜMite nit-
f^ejttiiU}. £0 fiini ^«ilieh nur reiia* nad Tby^AkmmhmB Anrnnander-
r«i}iiui99ii ikurser Sfttee, aber «ia aeigen doch, ivle rftich^Hag der Yor-
BteUupgsinlKklt ist^ In der genauen geitocmtiramg I4. B.t 0u»b.t J. eine
Beetftttgung seiner J^eiolit, „if^b -die 2ieü dnreh das Inneirerden der
BewulfltseinflArfoeit ^um BewofstseMi kommt oder, nm mit WbmaaBsa»
zu epreciien, durch dde erst bei leibhafter Aufinerkaamkeit juerkÜAh wer-
denden Spanniwg8^nq[)finduo9Qn.^ Die Aatbetiecben OeflOile L. Bjb aetaen
s^ aiur au8 Teat- und Bevegungsegaififindungen auaammea. Aueb bier
sind Leicbtigheit und Bhytbmua derBewegiing Bedingungen das Aatke-
tÄsabcga Wohlgefallens: ein gjatter ßtotk gefial ihr atets besser §äß ein
rauher , und Stöojb:e mit segelmAfsig vartetlten ISftoten tAg sie aolchan
Tor^ bei denen die Knoten in ungleichen gwiaehwirtomen aufafaumder
folgten.
In dem ScbloTskspfttel giebt J. knrae Mitteilwngftn (Kber die an
andern Taubstununblmden bisher eraielten ünterrichtsoigohnisse. Wir
er£abren, dafs gegen vftrtig abeimals ein lOüfihriges taubatummbliades
Mftdi&hen, "Bsuass EaLLsa, naeh derselben Methode wie L. B. uaterwieaen
wird und zwar, wie es scheint, mit Biesultaten, welehe die bei dieser
erlangten noch weit übertreffen. AiisBiirB Könn.
J. LKjaaocK. Dia Steiu» «nd das gelstlfe Laiien 4er IMera. iaabaiottdera
4er Tnnfirtiffn Übersetzt von W. MAüsaAix. (Iniemat. wiasenseh.
Bibliothek. 67. Bd.) Leipaig 1689. F. A. Brocfchaus. ^, XYUI und
296 S.
Wie schon der Titel anzeigt, zerftUt das Werk in zwei nur lose
zusammenhängende Hälften. Der erste Teil, dem zehn Kapitel ge-
widmet sind, behandelt in übersichtlicher, durch treffliche JQlustratianen
unterstützter Darstellung das Vorkommen und die Gestaltung der ver-
schiedenen Sinnesorgane bei den bisher in dieser Beziehung näher unter-
suchten Tierklassen und -Ordnungen. Wie der Verfasser in den ein-
leitenden Bemerkungen yorauasehickt, ,4At der Gegenatand freilich ebenso
umfangreich wie schwierig und nichts liegt ihm femer, ala eine voll-
ständige Übersicht über das ganze Gebiet der Frsge geben au wollen^.
Seine vdllige Beherrschung des Tfaemaa zeigt er vor allem darin, dafs er
mit groljsem Geschick diejenigen Fälle auswählt und näher baapncht,
welche für die hier beabsichtigte, Wissansohafklichkeit und AUgemein-
verständlichkeit vereinigende Art der Darstellung die lehrreichsten aüid.
Besonders interessant ist das achte Kapitel „über die problematischen
Sinnesorgane''. Die vier letaten, den zweiten Teil das Buches bildenden
Kapitel behandeln das Problem des tierischen 8eelealebenB bei dar un-
gemeinen Dürftigkeit des auf diesem Gebiete vorliegenden Materials
nur an einzelnen, eum Teil vom Verfasser selbst, zum Teil von anderen
Beobachtern angestellten Versuchen.
Gegenüber der Beiehhaltigkait 4ea ganzen Werkes «ad der plan«
607
voUeA Diucharbeitnug des Stoffen wkd «ba über unbedeutende Mln^el
ojDid Hrriümer ger&e hinwegsehen. Kern an^Berksf^iner Leser wird das
Bock phxke rek^hen Gewinn aus der Hand legen. Aatsc« Ki^w».
H. ÜjLinmuKY, Xbe earalttsl «ortex «ftd Um ipojk. MM, Apr. 1890.
8. 1€1-^190.
Die T^liatsache, dafs Tiere, welche Iceine Seanisf^AiKaa besitzen, vieler
komplinexter Bewegungen iSihig sind, legt die Yermutnog yuthe, dafs
auch beim Measohen die Orolshirnrinde an der Ausführung sok^er Be*-
wegungen nicht direikt beteil%t ist. Wahfschekilieh £&hren keine sen*-
sorisehen KerTenfasern dii*ekt zur Binde und keine motorischen direkt
von ihr zu ' den Muskeln. Wenn also die Binde Smpfindungen und
Bewegungen nicht direkt vi^mittelt, ir^^ sich, worin ihre Zieistungen
bestehen?
Der Gfundplan des N^rvensystams ist der einer einüeiehen Reflex*
bewegnng. Die einfachsten Bieflexe werden durch die Nerr^ttusellen des
Bückenmarks Ctbertni^on ; zwischen denjenigen BttokenmarksAeltoi, welche
die aensorisohen Impulse aufnehmen, und denjenigen, welche die n&oto-
risckien Impulse auesenden, baut sich nun aber ein BeAexsystem höherer
Ordnung auf, auf diesem ein zweites von noch h<^herer Ordnui^ u. s. w ;
und diese höheren Systeme dienen ebenso wie die niederen der Um-
setzung von Eindrücken in passende Bewegungen. Das höchste solche
System stellt dch in der G-roishimrinde dar, wo ein Nervenstrom von
ZieUeagruppe zu Zeilengruppe lange Zeit herumwandem kann, ehe er
schließlich hinabsteigt und zu einer ftuiseien Bewegung wird. Jeder
Durchgang durch eine Ganglienzelle ist ein Bindenreflex, imd jedem
entspricht auf der psychischen Seite ein Gedanke. Ein Gedanke ist
also, physiologisch betrachtet, ein Bindenreflex.
An diesen Bindenreflexen bemerken wir dieselbe Zweckm&fagkeit,
die fOr die niedersten Beflexe charakteristisch ist; und dazugehört, dafs
unsere Gh^danken uns nicht jede Einzelheit der wirklichen Dinge vor-
führen, sondern nur solche Seiten derselben, welche für unser Leben
praktisch wissenswert sind. Unsere Gedanken sind daher eigentlich
nur Zeichen für die Dinge, und in der Manipulation solcher 2ielchen
besteht das logische Denken. Nur in zwei Beziehungen unterscheidet
sich das Denken Yon der Beflexbewegung: erstens ist es sehr viel kom-
plizierter, und zweitens ist es von Bewufstsein begleitet. Dooh ist
Bewuistsein nur das Licht, welches den vernünftigen Vorgang begleitet,
nicht die ELraft, welche ihn bewirkt.
Sraoxo (Worcester, U. 8. A.).
FOMTsa (Breslau). Über Blndemblindkrtl. Graf 4$ A^thw, Bd. XXXVKl)
Bei ein^u i^ährigen Postbeamten stellte sich Ende 1884 ohne liegend
weleho erheblichen Begleiterscheinungen pldtzlieh ein ToUstAndiger AusfSall
der rechten Hälfton beider Gesichtsfelder ein. Die Grenzlinie «wischen
den Defekten und den funktionierenden Teilen umging den ilnations-
508 Litteraturberiehi.
punkt derart, dads sie in seiner unmittelbaren Nfthe eine kleine Aus-
buchtung nach rechts machte, w&hrend sie sonst mit dem yertikalen
Meridian beider Netzhäute zusammenfiel. Auf der funktionierenden Hftlfie,
d. h. in dem in ihr enthaltenen Fixationspunkt, war die Sehschärfe Vt be-
stehen geblieben. FQnf Monate sp&ter war sie unter geeigneter Behandlung
bis zur Norm gestiegen, w&hrend die Lage der Grenzlinie ganz unverändert
geblieben war. Der Patient war wieder im Stande seinen Dienst zu aber-
nehmen. Im Hochsommer 1889 trat während einer Fulsreise im Gebirge
eine neue Störung des Sehvermögens ein, welche sich in wenigen Tag^n
so steigerte, dafs der Patient wie ein Blinder gefCQirt werden muüste.
Als er sechs Wochen nach diesem zweiten Anfall in die Klinik des Ver-
fassers gebracht wurde, stellte sich heraus, dafs nunmehr das Gesichts-
feld auf beiden Augen aus einem kleinen Gebiet von 2 — 3* Durchmesser be-
stand, welches aber den Fixationspunkt enthielt. In diesem Beste war die
Sehschärfe Vi vorhanden, die sich später bis auf V< hob. Die Farben
wurden alle als „grau^, aber von verschiedener Helligkeit bezeichnet,
nur purpurrot wurde als grau mit einem Stich ins Bräunliche beschrieben.
Die Augpenspiegeluntersuchung ergab bis auf eine später vorübergehende
schwache Bötung der Papulae opt. keinerlei Abnormität. Es waren
also jetzt auch die linken Gesichtshälfben fortgefallen, aber dadurch,
dafs nunmehr die Grenzlinie des neubetroffenen Gebietes eine analoge
Ausbuchtung nach links gemacht hatte, der Fixationspunkt und seine
nächste Umgebung allein erhalten geblieben.
Es ist aufser allem Zweifel, dafs beide Anfälle auf thrombotische
Prozesse in den Gefäfsen der Hirnrinde zurückzufahren sind. Die auf-
fallende l^hatsache, dafs auf beiden Augen ein centrales Gebiet mit einer
so gprofsen und allmählich zunehmenden Sehschärfe erhalten bleibt, erklärt
der Verfasser unter Berücksichtigung der von Hiubnes, Dübet und Dbbkk
genauer amtersuchten Geft fsvers orgung der Bindensubstanz. Während
die weiise Substanz und die g^ofsen Himganglien von den sechs Haupt-
arterien in gesonderten Gebieten versorgt werden, tritt hinsichtlich der
Binde erst eine Anastomose dieser Gefäfse in einem über die ganze Pia
verbreiteten Netz ein; von diesem Netze zweigen dann erst die kapillaren
Gefö&e ab, welche die Binde versorgen. Des Verfassers Hypothese geht
nun dahin, dafs diese Art der Ernährung besonders derjenigen Stelle in
den Occipitallappen zu gute kommt, welche der schärfsten Wahrnehmung,
dem direkten Sehen dient. Wenn nun auch das Hauptg^fäfs, welches
den einen Hinterhauptslappen versorgt, thrombosiert, so wird doch die
Stelle des schärfsten Sehens von andern Gefäfsen aus noch genügend
ernährt, um sie einigermafsen funktionsfähig zu erhalten. Selbst wenn
beiden Hinterhauptslappen ihre Hauptblutzufuhr abgeschnitten wird,
kann diese bevorzug^ Stelle doch noch durch g^ünstige Verzweigungs-
verhältnisse des Kapillametzes versorgt werden. Die Besserung der Seh-
schärfe, welche sich allmählich ausbildete, würde durch die vollkommenere
Ausbildung des erhalten gebliebenen Kapillametzes zu erklären sein. Ist
diese Hypothese richtig, so mufs bei einer Hemianopsie, deren Abgren-
zungslinie genau durch den Fixati onspimkt geht, der Sitz des Herdes nicht
in der Hirnrinde, sondern in der Bahn des Tractus opticus zu suchen sein.
u
509
■
Von besonderem Interesse sind noch die Beobachtungen, welche der
Verfasser über die bei dem Patienten vorhandenen Störungen in den
Geistesfunktionen machte. Es ergab sich, dals hinsichtlich der optischen
Erinnerungsbilder kein Defekt vorhanden war, wohl aber, daüs das Orts-
gedftchtnis, das Lokalisationsvermögen, also die Fähigkeit, sich die
Dinge in bestimmter Anordnung nebeneinander vorzustellen, in hohem
Grade verloren gegangen war. In Verbindung mit dem ungemein kleinen
Gesichtsfelde erkl&rte sich hieraus, dafs der Patient in allen seinen Be-
wegungen viel hilfloser war, als ein völlig Erblindeter, dessen Geistes-
fnnktionen intakt sind. Arthub König.
O. Katz. Die Angenlidllninde des Qmlenus. Erster (theoretischer) TeiL-
Über Anatomie und Physiologie des Sehorgans. Berlin 1890. InaugunU-
Dissertation. 124 S.
Nach einer kurzen Einleitimg, in welcher der Verfasser eine
Lebensgeschichte von Galbkus bringt und den Einfluls bespricht, den
dieser von der Gegenwart sehr undankbar behandelte gprofse Arzt des
Altertums bis zu den Zeiten von Vbsal und Habtby auf die medizinische
Wissenschafk ausgeübt hat, enthält das fleifsig gearbeitete Schriftchen
eine ziemlich wortgetreue und doch gut lesbare Übersetzung des im
Titel angeführten GAUiKSchen Werkes. Auf die Handschriften ist zwar
nicht zurückgegangen, sondern es ist nur die KüHKSche Ausgabe zu
Gnmde gelegt, aber zahlreiche kritische Anmerkungen, aus denen oftmals
das reichhaltige philologpische Wissen von Professor Hibschbsbo, mit
dessen Unterstützung die Übersetzung angefertigt wurde, hervorleuchtet,
werden die Arbeit vielleicht auch dem Fachphilologen beachtenswert
erscheinen lassen. Abthub König.
E. WiBDBMAKir. Zur Oeschiehte der Lettre vom Sehen. Wiedemanns Ann.
Bd. XXXIX, S. 470-474.
Zwei Hauptansichten waren es, die im Altertum über den Vorgang
des Sehens bestanden: die eine, von Plato vertretene, läfst von den
Augen fühlf&denartige Strahlen ausgehen und die gesehenen Gegenstände
gleichsam von ihnen betasten, die andere, von Demokbit und Abistotbles
verfochtene, dagegen von den Gegenständen selbst die Lichtstrahlen aus-
gehen, welche dann das Auge treffen. Es siegte im Altertum die erstere
Ansicht, Euklid und PtolbmIub nahmen sie an. Nach der in den bisher
erschienenen Geschichten der Physik gegebenen Darstellung ist der
Araber Jbn al Haitam (f 1088) der erste gewesen, der wieder die richtige
AaisTOTELische Anschauung vertrat. Der Verfasser, dem die Geschichte
der Physik schon manchen wertvollen Beitrag verdankt, weist nun nach,
dafs Jbn al Haitam unter seinen Landsleuten bereits Vorgänger gehabt
hat. Sowohl Al Fababi (870—950) wie Al Bazi (f 923 oder 932) haben
bereits die ABiSTOTBLische Lehre sich zu eigen gemacht, und auch in
den Schriften der lautern Brüder (L^wan AJ Safä [10. Jahrb.]) ist die-
selbe Ansicht ausgesprochen. Abthub Kökio.
510 LiUmümbetMt
A. SoHunnt. BipMiiMBito ^Ml Lnrd lltyliigti*t ootoorbOK. IVoa of ihe
Lmdm Bog. 8oc VoL 48. 6. 1«0— 149.
Lord Batuetoh md B]^tor DevDBBS haben Mierst dwanf hftaggf wiosn,
daftB .«ack bei trichromatiflcheii Farbensysteaiaii nebcm 4«a gelingen
individaellen Yerechiedenbuten miBdeBtens mwti grofee 19mpf«n eeharf
Tcmeinaflader cn «BteracbeidBn fl&nd. Das MasohvogsvexMhms cwSfieken
Lithintnrot nnd TkaUiiw^gpiln mr Herstelhng von. Nstrim&gelb bat cicfa
Bftch DoKDBBB als das beste PrOlungsmittel xxa AafBBdong dieser tJnter-
echiediB eigeben. SosrrsnB steDt mm Ufanliche Beobachtaiigeii mit ?6 Indi-
viduen an, benutzt aber leider, wie sieb durch efaw erst am Solilusse
der Beobachtimgsreihen ausgeführte Bestimmung ergieht, nicht Thallium-
grün (Wellenlänge = 585 fjifji)^ sondern ein gelbliches Grün (563 fAfA)^ wo-
durch seine Beobachtnngsresultate nicht mit den DeimcBSSchen vergleich-
bar werden. Die grofse Zahl der Beobachter (S7) stellt ein Mischungs-
verhältnis von Bot zu Grün ein, welches sich von 0,92 nraht viel nach
beiden Seiten hin entfernt und innerhalb der voTkommmiden Grenzen
sich einigermaTsen nach dem Gesetae der Wahrscheinlichkeit verteilt.
Diese Gruppe bilden die „normalen Trichromaten'^ (nach KAlne und
DisTEEioi). Für vier Beobachter sind die Ifischungsvmrhältnlsee 0,10,
0,17, 0,27 und 0,86 exforderlich. Wahrscheinlich haben wir in ihnen
„anomale Trichromaten'' zu sehen. Ein Beobachter stellt das lOschungs-
verhältais 2,75 her und bildet somit einen besonderen Typus, der vi^eicht
mit einem von Dovdbbs und Sulibb beobachteten Falle zusammenzu-
ordnen ist.
Obsehon die über diese Frage vorliegende Litteratur von dem Ver-
fasser fast gar nicht berftcksichtAgt worden ist und ihm auch nicht be-
kannt zu sein sckeint -^ er erwähnt nur Mazwbli. und IiOBD Ratlstob —
haben wir doch in seiner Mitteilung eine schätzenswerte Bereicherung
unserer Kenntnisse zu begrüisen. Abthub Kövia.
S. P. Lakout and F. W. Vbbt. On the cheapest form of Llgbt. Sill
Jüwm. XL. S. 97—118.
Vermittelst der von Lavolet bisher vielfach benutzten bolometrischen
Methode wurde die Energieverteilung in dem Spektrum des von Pyro-
phorus noctilucus (dem bekannten auf Cuba vorkommenden grofeen
Leuchtkäfer, Oucujo der Spanier) ausgesandten Lichtes untersucht. Es
fand sich, dafs hier gar keine dunklen Wärmestrahlen vorhanden sind,
indem das Spektrum sich nur von 450 /»/« bis 050 fip, erstreckt. Die ge-
samte Von dem Käfer ausstrahlende Energie kommt also (wenigstens in
Bezug auf das menschliche Auge) als Licht zur Geltimg. Es ist dieses
um so bemerkenswerter, als sonst mit abnehmender Temperatur der
Lichtquelle die dunklen Strahlen immer mehr überwiegen; bei ehiem
Argand-jGhuBbrenner z. B. betragen sie mehr als 99*/« der gesamten
Energie. Abthtb KOvio.
J. HiBscBBBBo. Diabetische Knmichtlgktlt. CtntroBbl /*. jpr. A^iganhdOi
14. Jahrg. S. 7-8.
Der Verfasser berichtet über drei von ihm beobachtete Fälle im
hohem Lebensalter schnell entstandener Kurzsichtigkeit. Es gelang
ihm, hii^rbai stetig daftVorhaadeiiseiii yasL Zuekerhamvuhv iiao]urawei06&>
IH« Kunsiohti^eit ist hieu diueh eine in der oketmaoheii ZiaammaBBLen,
setsumf der linfle emgeteetene Verimdemiig zu erklAren.
Arvhüb Köirio.
Hkuhhit Spinork, Xher OnUrin ef Mneie. Mmd, Okt. 1890, S. 44B*-4ß».
SvBircKB bekämpft anerst die DABwivaehe Lekre vom XJzspeuBg: der
Muflik aufr der liebeawexbimg der Tiere. YOgel singen «ucb bei anderen
Gelegenbeiten und «us anderen Motiven. Singen und liebeewesbung
stehen nicbt im KaaaalTerbältDis, sondern sind Wirkungen einer gemein^
samen Ursache, des Überschusses an Lebenskraft. Die den. Mensohen
zunächststehenden höheren. Tiere singen^ nicht. Unter den Liadem der
Wilden finden sich verhältnionäüsig wenige Liebeslieder und keines^
welehes- auf den Zweck der Liebeswerbung von Seiten des Mannes zu
deuten wäre. Die Gründe scheinen mir im ganzen treffend, aber niidht
alle neu. Sodann verteidigt Sp. seii^ eigene bekannte ('Ofbrigeas auch
kein«fifweg9 originale) Theorio, den Ursprung des Singens aus ervegtem
Sprechen, gegen GumraY, dem er ungenügende Kenntnis der allgemeiiieB
Entwickelungegesetze vorwirft. Dai^ verstand sich aber GmvsvT besser
auf die Musik. Sr. ignoriert immer nooh den Hauptpunkt, dalk Musik
im engeren Sinne auf die Verwandtschaftsverhältnisse der Tdne ge«-
gründet istb fiel allen Ähnlichkeiten und Wechselwirkungen zwischen
Singenr und Spreehen bildet dieser Umstand dne scharfe Grenze. Dann
geht Sf. auf die Gründe des musikalischen Vergnügens näher ein tmd
findet selbst, daüa wesentliche Züge der entwickelten Musik aus seiner
Hypothese nicht ableitbaar sind. Was er hier vorbringt, hätte er bei
SüLLT (Sensation and Intuition) viel besser durchgeführt finden kOnnen.
Natürlich kennt er um so weniger meine ausführliche Studie über ihn
selbst, Dabwdt, Süllt und Gubket. Er schlieist mit Citaten begeisterter
Schilderungen der Zigeunermusik, welche, wie er meint, jedes weitere
Argument für seine Theorie überflüssig machen, n^ke origin of music
as the developed language of emotion seems to be no longer an inference
but simply a description of the fact.^ Welcher Schnitzer! Language
of emotion und emotional language ist doch zweierlei. Für die alte
Trivialität, dais die Musik Sprache des Gefühls ist, bedurfte es keiner
seitenlangen Citate aus Beisewerken; etwas anderes wird aber durch
diese wirklich nicht bewiesen. C. Stumpf (München).
HöFFDiKo. Über Wiederkepuieii, AasodaUoiL uski isynhlnAe' AktivitäJ».
Vierteiiabrtfdw. f. urias, FkiL XIV., 2, S. 191—305: XIV., 3, S. 293—31^.
(Fortsetzung des Beferates in Heft 4 und 5, S. 3&6 f.)
Der vierte Abschnitt beschäftigt sich mit dem Verhältnis zwischen
Vorstellungsassociation und vergleichender Denkthätigkeit. Verfasser
unterscheidet zwischen einem freien unwillkürlichen und einem freien
willkürlichen Vergleichen. Wenn man zwei Gegenstände A und B, die
gleichzeitig im Gesichtsfelde vorhanden seien, miteinander vergleiche,
so bewege sich die Aufmerksamkeit zwischen beiden hin und her. Das
Besultat dieses Überganges der Aufruerksamkeit sei die Auffassung des
512 IdUeratufbrnchU
Untersohiedes oder der Ähnlichkeit xwieehen A und B, welche im Be-
woTstsein hervorspringe als etwas, das wir allerdings vorhereitet hätten
durch das Wechseln der Aufmerksamkeit, dessen Charakter wir jedoch
nicht beherrschen konnten. Das Vergleichen successiv eintretender
Empfindungen lasse sich auf das Vergleichen gleichseitiger Empfindungen
zurückführen, da die zuerst eingetretene Empfindung entweder im Be-
wufstsein bis zum Eintritt der zweiten festgehalten werde oder beim
Eintritt der zweiten wieder in das BewuTstsein zurückgerufen werde.
Aus diesem freien und unwillkürlichen Vergleichen soll sich dann das
freie ¥rillkürliche Vergleichen, das eigentliche Denken entwickeln,
welches die F&higkeit voraussetze, sich ein Ziel zu stecken. Durch eine
Analyse dieses eigentlichen Denkens wird nachzuweisen gesucht, dafs
kein Ghrund vorhanden ist, ein von dem AssociationsvermOg^n ganz ver-
schiedenes Denkvermögen (BchätzungsvermOgen) anzunehmen.
Nachdem Verfasser schon im dritten Abschnitte mit Hilfe einer
psychophysischen Hypothese über die Grundlagen der Vorstellungs-
reproduktion nachzuweisen gesucht hat, dals die Association nur eine
Form der psychischen Aktivit&t sei, beschäftigt sich derselbe im letzten
Abschnitt mit der Frage, ob wir ein immittelbares Bewuistsein davon haben,
die Ursache von etwas innerhalb oder aufserhalb unseres Selbst zu
sein. Das Besultat der Untersuchung ist, dals wir kein unmittelbares
BewuTstsein der Aktivität haben, dals wir vielmehr Aktivität und
Kausalität erst aus den in der Wahrnehmung gegebenen Successions-
Verhältnissen erschliefsen. Am SchluTs der Abhandlung sucht dann
der Verfasser noch dem Begriff der psychischen Aktivität eine etwas
gröfsere Bestimmtheit zu geben, als er bisher hatte.
ScHUMAXV (Gottingen).
Berichtigung zu der Bibliographie für 1889.
S. 876: Die Überschrift gehört vor No. 206.
S. 897: No. 617 SomsoHKAKOW gehört unter VI c S. 894.
S. 411: Nachzutragen ist Mbtxbbt, Th., AmetUia, die Verumriheit. Jahr-
bücher f. Psychiatrie IX (1889) S. 1--112.
Sachregister.
Abstand 419.
Acnsticiis 352.
m
Adaptation des Auges 336.
Ästhetische Gefühle 161. 606.
Agraphie 52. 151.
Aktivität, psychische 358. 511.
Albino 336.
Alexie 52.
Alkohol 494.
Amentia 227.
Anftmie 490.
Anatomie des Centralnervensystems
496. 503.
Aphasie 52. 150.
Aphemie 52.
Apperceptionstheorie 129.
Arthropoden, Centralnervensystem
derselben 121.
Association 99. 252. 358. 511.
Ataxie 145. 149.
Atmung 223.
Atmnngslnft, Weg derselben 222.
Aufinerksamkeit 130. 223.
Auge s. Sehen.
Augenbewegungen 47. 57. 489.
Augenheilkunde,GeschiohtlicheB 509.
Augenmals 131.
Augenreizung durch einen kon-
stanten elektr. Strom 218.
B.
Bewegungen des Kindes 359.
Bewegungsmesser 223.
Bewuistsein 150. )51.
Bikonische Konvezlinse 339.
Blindheit 508. 505. 507.
Bogengänge 352.
BohrmuBchel 344.
0.
Centralnervensystem, Funktion des-
selben bei wirbellosen Tieren
121.
Chiasma der Sehnerven 216.
Cuctgo 510.
D.
Diabetes 510.
Differenztone 81.
Diotische Wahrnehmungen 300.
Diplacusis 342.
Distanz 419.
DoppelhOren 842.
Eigenlicht der Netzhaut 5.
Elektrische Augenreizung 218.
Empfindlichkeit der Gelenkenden
356.
Empfindungswerte , negative 29.
108. 320. 463.
Energieverteilung im Spektrum 510.
Enge des Bewulstseins 150.
Erinuerungsurteil 270»
Erkennen 264.
Ermüdung. 187.
P.
Farbenblindheit 219. 336.
Farbenlehre 510.
Fasern, markhaltige, im Frosch*
rückenmark 213.
514
Sachregister.
Fleckigkeit des Eigenlichtes der
Netzhaut 6.
Folie intennittente 491.
Frage 310.
Furcht 162.
O.
GangUenzelleu, Beziehung derselben
zu psychischen Vorgängpen 216.
Ged&chtnis 76. 224. 499. 611.
Gefühle, ästhetische 161. 606.
Gehirn 122. 496. 608. 607.
Gehimlokalisation 217. 488. 492.
608. 607.
Gehör 81. 188. 221. 236. 300. 342.
362. 419. 486.
GehOrseindruck 76.
Geisteskrankheiten s. Psychiatrie.
Gemütsbewegungen, Ausdruck der-
selben 163.
Geräusche 139.
Geruch 490.
Geruchssinn der Seesterne 366.
Gesang, Ursprung desselben 611.
Geschmackssinn 141.
Gesete, psychophysisches 6. 29. 106.
127. 128. 320.
Gesichtsfeld 220. 338. 607.
Grund 260.
Hallucination 209.
Harthörigkeit s. Schwerhörigkeit.
Heliotropismus 126. 220.
Helligkeitsimterschiede 6.
Hemeralopie 337.
Hemiamblyopie, homonyme 122.
Hippus 226.
Himbalken 122.
Hirnrinde 607..
Hörprüfung 3%1.
Hypnotismus 164. 209. 220.
L
Ideenassociation 99.
Innerliche Sprache 62. 160.
Imekten, Geistiges Leben derselboi
606.
Insektenauge 490.
Intensität der Töne 864.
Irrenheilkunde s. Psychiatrie.
Kausalgesetz 289.
Kausalität 262.
Kind, Bewegungen desselben 369.
Kindesseele 208.
Klangfarbe der Vokale 363.
Klänge mit ungleichförmigen Wellen
137.
Kombinationstöne 81. 138.
KongrelBberichte 208. 335: 489.
Kontrast, simultaner 18. 219.
Konvezlinse, bikomsche 339.
Koran 232.
Kurzsichtigkeit 610.
L.
Leuchtkäfer 610.
Leuchtorg^ane der Bohrmuschel 344.
Lichtempfindlichkeit 336. 344.
Lokalisation 236. 300. 486. 488.
Lokalisation im Gehirn s. Gehim-
lokalisation.
Lokalisation der Nachbilder 60.
Lokalisation von Schwebungen und
Differenztönen 81.
Magnetismus, tierischer s» Hypno-
tismus.
Markhaltige Fasern im Frosch-
rückeninark 213.
Mittelohr 342.
Mollusken,CentralnerYensystem der.
selben 121.
Musik 222. 346. 611.
Muskelermüdung 187.
Muskelfaser 491.
Muskelkontraktion 490. 491.
Muskelsinn 146. 209. 223.
N.
NachbUder 18. 47. 60.
Nachtblindheit 836.
Saehrtgiattr.
515
f: »
l^egative Empfindungswerte 29. 106.
320. 463. ,
Netshaut, Eigenlioht derselben 5.
Neurologie 491.
0.
Oculomotorius 123.
Ohrmuecliel 341.
Olfaktometer 490.
01m 344.
Ophthalmometrie 339. 840, ,
Optik, OeschichÜiches 509.
Optische Täuschung 136.
Phonograph 139.
Phonismen 209.
Photismen 209.
Pigmentwanderung im Insekten-
auge 490.
Proteus 344.
Protisten 123.
Psychiatrie 225. 226. 230. 491.
Psychische Aktivität 358. 511.
Psychologie, Geschichtliches 234.
Psychologie der Frage 310.
Psychophysisches Gesetz 5. 29. 108.
127. 128. 320.
Psychophysik 29. 108. 199. 320. 357.
419. 463.
Pupillenstarre 224.
Pupillenunruhe 225.
Pyrophorus noctilucus 510.
Baumschätzung 66. 131. 357.
"Raumsinn des Ohres 132.
Beflex 507.
Befiraktion, Beziehung zur Berufs-
thätigkeit 338.
Belief , Wahrnehmung desselben 136.
Bindenblindheit 507.
Bückenmark des Frosches 213.
S.
Schalleindruck 75.
SchaUrichtung 235. 486. 488.
Schielen 335.
Zeltaclirift IBr Fftyoliologie.
Schnecke des Ohres 189.
Schwebungen 81.
Schwerhörigkeit 221., 486.
Seele des Kindes 208.
Seelenleben der Tiere 506.
...... •
Seesteme 356.
Sehen 5. 47. 57. 131. 218. 336. 338.
489. 503. 505. 507. 509.
Sehen, Geschichtliches 509.
Sehpurpur 337.
Sehsclxärfp 134., }55.' 337.
Sensibilitätsstörung 149.
Simultankontrast 18. 219.
Sinnesorgane der Tiere 506.
Sinnliche Erkenntnis 233.
Sonnenbräunung 339.
Sprache, innerliche 52. 150.
Sprache, Entwicklung derselben zum
Gesang 511.
Staarextraktion 335.
Stärke der Töne 352.
Stereoskopie 136.
Stofstöne 137.
Subjektive Gesichtserscheinungen
47.
Suggestion 209.
Taubstumm 503. 505.
l^uschung, optische 136.
Tenotomie des Muse, tensor tym-
pani 340.
Thee 494.
Tierpsychologie 506.
Tierischer Magnetismus, s. Hypno-
tismus.
Tondistanz 140. 419.
Tonkunst 222.
Tonpsychologie 345.
Tonstärke 352.
Torusglas 340.
Tractus opticus 340.
U.
ünbewuTste 113.
Ursache 260.
Urteilen 264.
Urteilstäuschung 136. 486.
84
i^
516
Sachregiater.
V.
Vererbung 209.
Verwirrtheit 227.
Vokale 139. 353.
Vokalsirene 139.
Vorderhömer des
216.
Bückenmarks
W.
Wadenmuskel 491.
Wahrnehmungen, diotische 300.
WBBSRSches Gesetz, siehe Psycho-
physisches Q-esetz.
Wiedererkennen 868. 511.
Wille 360.
Wortblindheit 52. 151.
Worttaubheit 151.
Würmer, Centraineryensystem der-
selben 122.
Z.
Zapfen als Sehelemente 155.
Zeitsinn 66. 129. 506.
Namenregister,
517
Addnoo 143. 490.
Aristoteles 165 f. 176 f.
186. 233 f. 346. 509.
Arminski 338.
Anbert, H. 52 ff. 155.
160.
Auerbach, F. 353 ff.
Axmaim 83. 96 ff.
B.
Baader 239 ff.
Babinski 210 f.
Baginsky 54. 501.
Ballauff 361.
BaUet, G. 52 ff. 150 f.
Barth 342.
Beaunis 195. 213.
Bechterew, W. 217 f.
Beeyor 492 f.
Bell, Ch. 145.
Benedikt 213.
Bergmann, C. 156.
Bemard, D. 53 ff.
Bernheim 209 ff.
Bemheimer 340.
Bernstein 30.
Bertrand 213.
Bessarion 234.
Bezold, F. 221. 841.
T. Bezold, W. 486 f.
Biach, A. 223 f.
Biohat 145.
Binet, A. 150. 359 f.
Birge 215.
Bjerrum 338.
Bliz 143. 189.
Boas 199.
Bockendahl 341.
Boedeker 491 ff. '
du Bois-Beymond,, G.
156. 335 ff.
du Bois-Beymond, E.
302 f.
Bosanqnet 85. 96. 350.
Brentano 18 f.
Bridgman, L. 503 ff.
505f.
Brie 219.
Brissaud 493.
Brodhun, £. 6 ff. 135.
Bruchmann, K. 152.
Bruns 234.
Bürkner 221.
Burckhardt 125. 344.
345. 356. .
0.
Oartesius 165.
Carville 493.
Oharcot 53 ff. 150. 154.
209 ff. 490.
Charpentier, A. 352 f.
Clark, L. 219.
Cohn, H. 340.
Comte 128.
Cunningham 500.
D.
Damsch, O. 225.
Danilewsky, B. 211 ff.
490.
Darksche witsch 501.
Darwin 152. 213. 511.
Deeke 5Ö8.
Delboeuf , J. 30 ff. 110.
112. 210 ff. 321. 48^.
Delbrück, A. 216.
Demokrit 509.
Donnert, H. 139 f.
Descartes 165.
Dieterici 510.
Dietze 75 ff.
Döring, A. 161 ff.
Donaldson,H. H. 503 ff.
Donders 224. 353. 510.
Dove, ö. 92.
Dreher, E. 222.
Dubois, B. 344 f.
Dubos, J. B. 165.
Dufour 335.
Duret 493. 508.
B.
Ebbinghau8,H. 101. 128.
129. 137. 139. 150. 153.
219. 220. 223. 224.
320 ff. 463 ff.
Eberstaller 500. 504.
Edinger, L. 496 ff.
Eichhorn, A. 139.
Elsas 199.
Espinas 213.
Euküd 509.
Ewald, J. B. 352.
Ewing 355.
Exner, S. 47 ff. 56. 224.
490.
34*
618
NammrtgitUt.
Falk, M. 857.
al Farabi 509.
de Faria 154.
Fechner , G. Th. 5 ff. 29 ff.
90. 94. 108 ff. 128 f.
177. 206. 223. 229. 806.
820ff.857.419ff.468ff.
F6r6 835.
Ferrari 218.
Ferner 493.
Fichte, J. Q. .152.
]^ok,A.48jr. 142..ia7ir.
Fick, £. 48 f.
Fledisig 493.
f lügel, O. 860 ff.
FOrstcrr, B. .886 f. .889.
607 ff.
Forel 128. 209 ff. 499.
Franck 498.
V. Frey 194.
O.
Galenus 509.
^kUuppi 128.
Galton, F. 55. 212 f.
GaskeU 497.
Gaule, J. 218 ff. 217.
Gay-Lussac 483.
Gley 218.
Görres 280.
Goethe 50.
Goldscheider, A. 145 ff.
149. 223. 356 f.
Gölgi 498.
Goltz )22. 217.
lOradenigo 221. 341.
Gradle 835.
Grashey 150.
Graldtnann 139. 353 ff.
Grimm 232.
Groom, Th. T. 220 f.
Grofsmann 886.
Grote 212 f.
Grubör 2l8.
V. Gudden 50. 224 f.
' 493. 499. 501. *
GOntz, Th. 225 f.
Gttrber, A. 48.
Gumey 511.
Habermann, J. 221 f.
Haidinger 49.
al Haitam, Ihn 509.
ÖalI.'G. Stanley ä)4.
Haller, Bela 498.
Hartley, D. 52 f.
▼. Hartmann, £. 116 ff.
167. "'" " "
Haryey 609.
Haycraft, ^. B. 491.
Heidenliaih 190.'
Heinroth 230.
y. Helmholtz, H. 5 ff.
ite; 142. 156. 159 f.
218. 840. 842. 346 ff.
358 ff. 422.* 456. "
Hensen ^1. 363 f.
iBerbart i^ll. S60ff.
Hering, E. 18 ff. 66. 219.
Hermann, L. 50. 139.
143.354. '
Herzen äl3.
Henbner 506.
Heymane 489 f.
Hirschberg, J. 609. 510.
Hlrschmanli 156.
His. W. 497 ff.
His Jan. 498. 601.
Höffding, H. Sil. 358 f.
511 f.
Holmgren 836.
IJonegger , J. f. ^^.J.
Hooke 155.
Horsley 492 f.
Howe, S. G. 503.
Hneok 155.
y. Humboldt, A. 1^.
Hume fib5. 264 f. 297 f.
814.
I.
Jacobson 341. 343.
James 212 f.
Jayal 389.
Jelgerma, G. 122.
Jenkin 355.
Jerusalem, W. 505 f.
Itelson, G. 127 f.
Kadyi 502.
Kant 128. 152. 165. 167.
264 f.
Katz, O. 509.
Eayser, B. 222 f. 342 f.
Keller, H. 506.
Kessel 87 f. 340.
Kirchhoff, Th. 280 f.
Kimbergör 446.
Knapp, H. .885. 341.
KnoU 224.
KoelUker 156. 498. 502.
KOnigA. 6ff. 136.167ff.
606. 507.^509. 510.511.
König, B. 137 f. 189. 354.
y. Koranyi, A. 122.
Kraepelin 857. 494 f.
y. Krafft-fibing, 227.
Krakauer '8M 'ff.
y. Kries; J. 199. 285 ff
488.
Kronecker, H. 193.
Kronthal, P. 123. 149.
216. 218. 225:
Kückenthal SOO.
Külpe, Ö.' 358. 860 ff.
Kunkel 189i
Kussmaul 53 ff.
L.
Lactanz 234.
Lahr 1%9. 355.
Landolt '54.
Lange, N.' 130. 223.
Langer 322'.
Langley, 8. P. 510.
Lan^lois, >. 2281
Laycook (ä>.
Lehmann, A. 359.
y. Lenhoss^k 501 f.
Lewänäowiski, A. 217
Leyden 145. 149.
Namenregister»
519
Lichtenberg 420.
Lichtheim B4. 151.
Liepmann 122. 1^]. 154.
284.
Lipps, Th. 60 fr. 252 ff.
toeü, J. 57. 122. 125.
220 f.
Lochen, A. 358.
Löwe 49.
Löwenthal 493.
Lombard, W. T. 187 ff.
Lombroso 211.' 213. 33b.
Lorenz, C. 140 f. 421 ff.
Lotze, H. 152. 228. 248 f.
Labbock, J. 506.
Ludwig, d. 215.
Luü 44t).
Lukjanow 194.
Lmnmer, O. 188.
Luther 280.
Mach, E. 29. 57. 60 ff.
81. 846 f.
Maedler 155.
Maggiora, A. 187 ff.
Magnan. 491 f.
Magnus 341.
Malebranche 128.
Marl>ach, £. 284.
Marey 860.
Marillier 212 f.
Marshall. W. 506.
Martins, Q. 207.
Maudsley, H. 507.
Mauthner, L. 155.
Maxwell 49.
Mayer, T. 155.
Mendel, £. 154. 224 f.
227. 229. 501.
Messmer 209. 212.
Meynert, Th. 227 ff. 493.
Mingazzini 503.
Möbius, P. J. 231 f.
Mohammed 232 f.
T. Monakow, 217. 493.
500 f.
Mosso, A. 143. 152 f.
187 ff. 491.
Mott 489 f.
Moravczik 220.
Müller, F. A. ,199.
MoUer, Q. £. 78. 182.
199. 228 f. 422. 478.
Müller, H^ 156.
Münsterberg, H. 99 ff.
129 ff. 199 ff. 213. 285
ff. 321. 325. 862. 421.
506.
Munk, H. 847. 487.
Myers. F. 210. 212 f.
N.
NawaJichin 190.
NeigUck 213.'
Noehden 157.
Nothnagel 196.
Ochorowic^ 210 ff.
öhrwall. Hj. 141 ff.
Oppenheim, H. 220.
Paneth, J. 224.
Paracelsus 230.
Pascal 842.
Paulhan 52.
Paulsen 222 f.
Pelman, C. 226. 231.
232. 233.
Peretti 216. 220. 227.
230. 852.
Perlia 500.
Pflüger, £. 889.
Pilzecker, A. 223 f.
Pipping, H. 353 ff.
Pitres 57. 493.
Plateau 112.
Plato 165. 233 f. 509.
Platter 230.
Ploucquet 128.
Pollak 841.
Preyer, W. 29 ff. 84. 89.
108 ff. 188. 208. 235 ff.
802.305.35^.421.4ß4f.
Pron^pt 186.
Prouho 356.
Ptolemäus 509.
Purkinje 47 f. 30p.
Quanten, y. 358.
B.
Babl-Büokhard 216.
Badako.yic, M. 128 f.
465.
Bählmann 886.
Bamon y Oajal 498.
500 ff.
Bayleigh 510.
al Bazi 509.
Bibot 209. 218. 288.
Bichet, .Gh. 8O9 ff. 228.
Biemann, H. ^.
Bosenjbhal 148.
Bothe, B. 2^.
Bousseau, J. J. 281 f.
Büdinger 505.
Bumpf 149.
8.
Sachs 145.
Salzer, F. 156.
Sanderson, Burdon 490.
498.
Sass 502.
Schaefer , K. L. 81 ff.
187. 138. 189. 140. 222.
300 ff. 852. 358. 856.
857. 489. 493.
Schefer, L. 175.
V. Sohelling, F. W. J.
167.
Schiele 220. 889.
Schiff 145.
y. Schiller, F. 165. 167.
169. 185.
Schiller, H. 128. 499.
620
Namenregister.
Schirmer 886 f.
Schmidt, H. 145.
Schneebeli 858 ff.
Scholz, Fr. 226 f.
Schopenhauer 167. 178.
V. Schrenck - Notzing,
218.
Schnitze, M. 156.
Schumaim, F. 75 £P1 182.
188. 224. 859. 512.
Schuster, A. 510.
Schwabach 841.
Schwalbe 504.
Schwartze 221.
Schwarz, O. 218 f.
Secchi 842.
Seebeck 81.
Sidgwick 210. 212 f.
Spencer, H. 152. 511.
Sperling 218.
Spiess 145.
Sporoh, A. 56.
Sprenger, A. 282 f.
Stadler 199. 478.
Steiner, J. 121.
Strasburger 221.
Stricker 58 ff.
Streng 505. 507.
Stumpf, 0. 88. 90. 92.
96. 141. 201. 821. 845 ff.
419 ff. 488. 511.
SuUy 511.
Sulzer 889 f. 510.
T.
Tannery 821. 464.
Taylor, S. 349.
Thompson, S. P. 81. 87.
89. 92. 300 ff.
Thomsen 220.
Treitel 337.
T. Tröltsch 486.
Trousseau 54.
Türck 498.
V.
Uhthoff, W. 184 ff. 155 ff.
887.
Urbantschitsch 89. 222.
228. 801. 342.
V.
Valude 885. 840.
Yerwom, M. 122. 123.
127. 221.
Very, F. W. 510.
Vesal 509.
Veyssili^re 493.
Vilmar 230.
Virchow 229.
Volkmann, A. W. 5 f.
160.
Vulpian 493.
W.
Wähle, B. 310 ff.
Waldeyer 216. 501.
Weber, E, H. 132. 140.
145. 155. 160. 203 ff.
304. 808. 333. 346. 421.
464 ff.
Weber, L. 336.
Weber, Th. 156.
Welcker 156.
Wemicke 54. 150. 493.
Wertheim 156. 159.
Weyer 230.
Wheatstone 358.
Widmark 339.
Wiedemann, E. 509.
WUbrand 338 f.
V. Wittich 343.
Wolf 341.
Wolff, J. 151 f.
Wood 229.
Wundt, W. 75. 79 f. 129.
140 f. 223 f. 847. 860.
420 ff. 464.
Z.
Zeller, E. 199.
Ziehen 500.
Zöllner 117.
Zuckerkandl 505.
Zwaardemaker 490l
Verlag von Leopold Voss in Hamburg, Hohe Bleichen 18.
Soeben erfc^ienen:
ßetfenblafen.
(Doberne (Därd^cn von Xurb X(a§n>t^.
A 5.—, tti elegantem <0ef(^enfeinbanb A ^.50.
pf^antafteflficfe ber tanne, in meieren ber Perfoffer ben 3*^^^^^
^er f)entigen natnnDiffenfd^aftltc^en unb pt)t(ofopl{tfc^en <0ebanfenn)eIt 3n
nnterl^altenben Träumereien oenoebt. Balb leben n>ir miOionenfac^ per*-
fleineri auf einer «^Seifenblafe", balb entbecfen n>ir eine unbefannte 3nfel
(w^Ipoifts"), auf welcher fic^ bie Schüler platons 3U einer Kolonie t^dl^eren
iftenfc^tums enhptcfelt I^aben, wir folgen ben (Sriibeleien einer ^meife
fiber has IPefen ber £iebe („2Iu5 bem ^agebuc^e einer ^Imeife"), ober n>ir
feigen, wie fdf ber n>iebergefunbene <5eift von „2IIabbin5 tPunberlampe"
pergeblid^ mit bem (Sefe^e pon ber (Erl^altnng ber Kraft t^erumfc^Ifigt, —
immer finben mir ben IHenfc^en pon einem öberrafc^enben uni fremb«
artigen Stanbpnnfte betrachtet. „IHufen nnb IDeife", «^er Craumfabrtfant",
irPfT^otomie'', „Stdubd^en", „(Erdpfd^en" zc. 2c. führen uns n>eiter ins
moberne inSrc^enlanb, bis ber jierli^e, l^nmortfHfcbe €piIog uns in bit
mirriid^reit 3urfi(ffai)rt.
Geschichte der Atomistik
Tom Mittelalter bis Newton.
Von
Enrd Lasswitz.
Band I.
Die Erneuerung der Korpuskulartheorie.
1890. gr. 8^ Xn u. 518 S. Pr«is A 20.—.
Band IT.
Höhepunkt und Verfall der Eorpuakulartheorie des siebzehnten Jahrhunderts.
1890. gr. 8^ Vm u. 610 S. Preis M. 20.—.
Lyrik und Lyriker.
Eine Untersuchung
Ton
Dr. phil. Bichard Maria Werner,
o. 0. Professor an der k. k. Kaiser-Franzens-Üniversität
in Lemberg.
Bildet Band I der Beltrftge zur Änthetlk,
herausgegeben von Theodor Llpps nnd B. IL Werner.
JH. 12.—.
Verlag von Leopold TO88 in flamburg, Hohe Bleioheii 18.
WISSENSCHAFTLEHE BRIEFE
VON
eüSTAY TIBODOR FEOHNSR
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W. PRETBR.
msB^T' msmi.* BmkFVrI&CHSEL zwischek K: tok VlEBO&b'fr
xmi> Fec^eneb sowie neük sEiLia^.
HERAUSGEGEBEN
VOR
W. PRBYER
IN BERLIN.
MIT DEM BILimis'^ FBCHNEH8 ÜKI) YIEB HOLZSCHNITTEN.
Ji. 7. — .
Der Torliegende Briefireohael beliandelt hanptaSohlioh einige tchwierige Fragea
der ICyophyrik, der Psychophysik, der ErkenntniBtheorie und der BiogeneiBS.
Ein kleiner Teil des Briefwechsels, die negatiyen Empfiodangswerte behandelnd,
gelangte im 1. Heft der »Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorganec
som Abdruck.
Das Büdhleln vom Leben flach dem Todi:
Von
CNiBtaT Theodor Feclmer.
Dritte Auflage,
kl. 8. M, 1.50; geb. in Leinwand A 2.50.
Die Axiome der Geometrie.
Eine philosopliisohe TJntersucliiuig
der
Riemann-Helmholtz'sohen Ranmtheorie.
yon
Benno Erdinann:
gr. 8. X u. 174 S. 1877. M, 4.80.
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