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Full text of "Zeitschrift für romanische Philologie"

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ZEITSCHRIFT 


VVR 


ROIANISCIE  PHILOLOGIE 


HEKAUSGEGKBExV 


VON 


Dr.  GUSTAV  GROBER, 

PRnFKSM)R    AN    DER    IN1VKR>ITÄT    STKASSBVkG    i.  K. 


1883. 


Vn.  BAND. 


HALLK. 

MAX   NIEMEYER. 
1883. 


;[NHALT. 


Seit« 
W.  Zeitlin,  Die  altfranz.  Adverbien  der  Zeit  (Schi.)  (25.  4.  82)    .     .     .  I 
A.  Beyer,  Die  Flexion  des  Vokativs  im  Afrz.  u.  Prov.  (31.  10.  82)   .     .  23 
A.  Risop,   Die  analogische  Wirksamkeit   in  der  Entwickelung  der  fran- 
zösischen Konjugation  (  1 1 .  11.  82) 45 

P.  ScHEFFER-BoiCHORST,  Noch  einmal  Dino  Compagni.    I.  (4.  3.  83)      .  66 

0.  Schultz,  Die  Lebensverhältnisse  der  italienischen  Trobadors  (3.  3.  83)  1 77 
R.  Weisse,  Die  Sprachformen  Matfre  Ermengau's  (31.  5.  83)  .  .  .  .  390 
C.  Michaelis  de  Vasconcellos,  Neues  zum  Buche  der  kamonianischen 

Lieder  und  Briefe  (27.  ii.  82) 407 

A.  ToBLER,  Briefe  von  Friedrich  Diez  an  Jakob  Grimm  (25.  7.  83)  .  .  481 
C.  Michaelis  de  Vasconcellos,  Neues  zum  Buche  der  kamonianischen 

Elegien  (28.1.  83) 494 

H.  Gaidoz  u.  P.  SÉBILLOT,  Bibliographie  des  traditions  et  de  la  littéra- 
ture populaire  du  Poitou  (10.  5.  83) 554 

TEXTE. 

B.  Wiese,  Der  Tesoretto  und  Favolello  B.  Latinos  (30.  i.  83)  .     .     .     .     236 

C.  Decortins,  Ein  münsterischer  Dichter  (S-  3-  83) 53* 

MISCELLEN. 

i.  Zur  Litteraturgeschichte. 

K,  Bartsch,  Ein  französ.  Kinderreim  des  XI. — XII.  Jahrh.  (20.  i.  83)  .  94 
C.  M.  DE  Vasconcellos,  Zum  Cancioneiro  d'Evora  (28.  i.  83)  .     .     .     .       94 

2.  Handschriftliches. 
C.  Decltitins,  Ein  ladinisches  Rügelied  (21.3.83) 99 

;  3.  Zur  Lautlehre. 

V  A.  Horning,  Ein  vulgärlateinisches  Betonungsgesetz  (12.  ii.  83)  .     .     .     572 

4.  Syntaktisches. 

A.  Gaspary,  Altfranz,  mar,  mal  mit  dem  Konjunktiv  (21.4.  83)  .  .  .  573 
E.  Kade,  Über  zwei  merkenswerte  Übertragungen  der  Modusverba  Potere, 

Dovere,  Volere  (22.  5.  83) S7^ 

1.  Harczyk,  Eine  Bemerkung  zum  Gebrauche  von  très  (25.  6.  83)     .     .  579 

5.  Etymologisches. 

/C.  M.  de  Vasconcellos,  Portugiesische  Etymologien  (28.  i.  83)    .     .     .     I02 

y  G.  Baist,  Etymologien  (20.  I.  83) 115 

A.  Scheler,  Ad  verbum  nourrice  (20.  9.  83) 581 

6.  Grammatisches. 

K.  DzDkTZKO,   Die  Entstehung  der  romanischen  Participialpräpositionen 

(7.2.83) 125 


IV 

Seite 
RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

C.  M.  DE  Vasconcellos:    Storck,   Luis   de  Camoens*  Sämmtliche  Ge- 
dichte.   III.  u.  IV.  Band  (20.  i.  83) 131 

K.  Bartsch:  Suchier,  Denkmäler  prov.  Literatur  u.  Sprache  (4.  3.  83)  .  157 
A.  Horning;  Siemt,  Ueber  lat.  c  vor  e  und  /  im  Pikard.  (28.  i.  83)    .  163 
G.  Gröber:    Robert,   Inventaire   sommaire   des   manuscrits  des  biblio- 
thèques de  France  (10.  12.  81) 165 

A.  Gaspary:  Giornale  di  Filologia  Romanza  No.  8  (29.  12.  82)     .     .     .  166 

—  H  Propugnatore  Anno  XV  (29.  12.  82;   14.  3.  83) 169 

P.  Scheffer-Boichorst  :  We  gè  le,  Dante  Alighieris  Leben  und  Werke 

(25.  5-83) 454 

K.  Bartsch:  Canello,  La  Vita  e  le  opere  del  trobadore  Arnaldo  Da- 
niello (12.  3. 83) 582 

F.  LIEBRECHT:    Hai  1er,  Altspanische  Sprichwörter  und  sprichwörtliche 

Redensarten  aus  den  Zeiten  vor  Cervantes  (5.  5.  83)      .     .     .  597 

—  Sébillot,  Gargantua  dans  les  Traditions  populaires  (5.  5.  83)     .  604 

—  Rolland,  Rimes  et  Jeux  de  TEnfance  (27.5.  83) 606 

A.  Gaspary:  Fornaciari,  Studi  su  Dante  editi  ed  inediti  (22.5.  83)  .  607 

—  Giornale  di  Filologia  Romanza.   Voi.  IV,  fase.  3 — 4  (21.  9.  83)     .  618 

—  Giornale  Storico  della  Letter,  ital.   Voi.  I,  fasci — 3  (21.9.  83)   .  620 

G.  Gröber,  G.  Baist,  E.  Stengel  ,  W.  Meyer:    Romania  XI  i  (20.  i .  ; 

30. 5-  83) 630 

Nachträge 480 

Diezstiftung 480 

Berichtigung 638 

W.  List,  Register *.     .  639 

Bibliographie  1882. 


Die  altfranzösischen  Adverbien  der  Zeit. 

(Forts,  aus  Bd.  VI  256  ff.) 

Or. 

Das  Adverbium  nunc  wurde  von  den  romanischen  Sprachen 
gänzlich  verschmäht;  es  mufste  vielmehr  jenem  Bestreben  des  roma- 
nischen Sprachgeistes,  das  auf  nominale  Umschreibung  der  in  den 
Partikeln  enthaltenen  Begriffe  gerichtet  ist,  weichen. 

Wie  andere  Zeitadverbien,  z.  B.  mox  (frz.  lues  =  loco),  ward 
es  durch  ein  Nomen,  durch  hora,  ersetzt,  dessen  d  mit  einem 
i7-Klemeiit  verschmolzen  worden  sein  mufs,  um  ore  mit  seinem  n 
(s.  Ztschr.  I  431  f.)  und  seine  (Grundbedeutung  *zu  dieser  Stunde* 
(==  hac  hora)  zu  ergeben.  In  dieser  Form  finden  wir  es  in  der 
Ilomclie  s.  I.  Proph.  Jonas,  einem  Denkmal  des  9.  Jahrb.: 

li.  Chr.  fr^.  6.  27  Si  cum  il  ore  sunt.   —  ib.  7,  17  Dunt  ore  aveist  odit. 

Verkürzt  wird  es  or\  es  nimmt  das  paragogische  adverbiale  s 
an,  lautete  demnach  ores',  orcj  or,  ores  werden  schon  in  den  älteren 
frz.  Sprachdenkmälern  gefunden  und  promiscue  gebraucht. 

Seiii(T  Etymologie  entsprechend  ist  or  zunächst  Umstandswort 

der  Zeit,    welc:hes,    auf  die  Frage  wann?  antwortend,    die  ab.solute 

(Gegenwart,    d.  h.  die  (ieg(^nwart    der    rtidendcm  Person    bezeichnet 

und  demnach  dem  lat.  nunc,  unserem  *j<itzt*  im  Sinne  gleichkommt 

Wir    (erkennen    steine    präsentiale   Bedtuitung    aus    Stellen,    in  denen 

die   (iegenwart    di^r  \'ergangt»nheit    oder  Zukunft   gtigenübergestellt 

wird  : 

I.Rs.  40  A  me  venistt's  e  me  desistes:  N'iert  pas  cum  ad  este,  mais  rei 
volnm  aveir  sur  nus,  K  dci^ctastes  le  rei  del  ciel  <|u*il  ne  rejjnast  sur  vus. 
Ore    ave/    vctstrc    rei    (|ue    vus   re<|ueistcs.  C\\.  L.  20Q3  N*a  or  de  terre 

c'une  toisr  ("il  <|ui  tot  cest  pays  tinoit.  —  H.  d'Andclli,  Romania  I  212 
Or  est  Sicilie/,  li  puis  ou  on  pooit  puisier.  Froiss.  I*oés.  Il  332,  13  Tant 
soloie  avoir  <ìe  brebis  (Juc  ne  les  savoic  ou  bouter;  Or  n'en  sauroie  une 
ou  trouver. 

-  St.  Aul).  024  Fn  ciel  ore  rcjjnes  et  luz  jours  régneras.  ---  Rutel).  II  253 
O  sel  cil  cpii  or  dure  Kl  (|ui  toz  jors  durra. 

Fs  seien  noch  einig«»  Beispiele»  hinzugefügt,  die  uns  or  im  Gegen- 
satz zu  AdvtTbien  mit  präteritaler  Bedeutung,  wie  aifts,  avaniy  orainz, 
dorn,  onques  ii.  a.  zeigten  : 

A.  Th.  frç.  14  Tu  m'as  fait  si  {»rant  merci  Que  ore  vei  del  oilz  que  ainz 
nt    vi.  St.  Aub.  824  K'avant  urent  ire  ore  la  vunt  il  dublant.   —    Fl.  et 

Bl.  2433  í)rains  ne  le  volies  veoir;  or  n'aves  nul  si  cier  auoir.   —  S.  Grég. 

Zeltschr.  f.  roui.  Ph.    VU  I 


2  W.  ZEITLIN, 

178,  6  Ki  or  est  ucskes  de  Siracuse,  mais  diinkes  fut  il  peres  de  mon 
monstier.  —  Cor.  Looys  2,  34  Lors  fist  Ten  droit,  mes  or  ne*l  fet  Ton 
mes.  —  Froiss.  Pocs.  I  149,  21 10  Or  me  tcmpte  Desespoir  qui  onque  ne 
fu.  —  LRs.  I  cap.  I  Ki  primes  furent  saziez,  or  se  sunt  pur  pain  luez. 

Der  durch  or  bezcichnetií  Zoitlcil  ist  entweder  die  ganze  Gegen- 
wart, als  längerer  oder  kürzerer  Zeitraum  aufgefafst,  oder  der  gerade 
statttindende  Moment.     Beispiele  für  den  ersten  Fall: 

Joinv.  18,  VI  35  Le  pere  au  duc  qui  ore  est.  —  id.  24,  VII  42  Li  roys  qui 
ore  est.  —  FI.  et  Bl.  1779  Trestoutes  les  jjens  del  mont  (Jui  onques  furent 
et  or  sont.  —  Roquef.  .supplcm.  p.  115  Bien  sacent  tot  cil  ki  or  sunt.  — 
id.  Gloss.  II  267  Faisons  sçavoir  a  ceulx  qui  sont  a  venir  comme  a  ceulx 
qui  ores  sont.  —  D.  Grog.  10,  24  Ki  or  vit.  —  St.  Bern.  549,  17  Or  en 
cest  tens. 

Beispiele  für  die  Partikel  ¡m  zweiten  Sinne: 

A.  Th.  frç.  94  Or  se  lieve  ims  personnages  et  respont.  —  ih.  95  Or  respont 
li  personne  de  devant.  —  Aue.  et  Nie,  B.  Chr.  frç.  281  Or  dient  et  con- 
tent et  fabloicnt.  —  ib.  or  se  cante. 

Die  unmittelbare  zeitliche  Nähe  wird  durch  or  bei  Nominibus 

temporeller  Bedeutung  ausgedrückt,  z.  B.: 

Ch.  d.  Coucy  2743  Madame,  si  vous  Io  encore,  Que  a  ('hauvigni  jeudi  ore 
Ales  as  noches  liement, 

wo  also  Jeudi  ore  mit  'jetzigen  Donnerstag'  wiederzugelKni  sein  wird. 

Im  ^Ifrz.  findet  sich  die  Partikel,  meist  in  der  Form  ore  oder 
ores,  noch  vielfach  als  reines  Zeitadverbium  in  der  Bedeutung  *  jetzt' 
gebraucht.  Bei  Schriftstellern  des  1Ò.  Jahrh.  liest  man  auch  die 
Form  ors  (vgl.  Darmesteter  et  Ilatzfeld,  Le  seizieme  siècle  en 
France,  p.  280). 

Jod.  T  32  Le  créancier  M'a  faict  ore  signifier  Qu'il  veut  que  je  paye  au- 
jourd'hui. —  Mar.,  Vorrede  zu  Villon,  S.  3,  ed.  I^icroix,  Le  temps  <|ui  tout 
efface  jusques  icy  ne  l'a  sceu  effacer,  et  moins  encor  l'cflacera,  ores  et  d'icy 
en  avant.  —    A.  d.  1.  Sale,  Nouv.  2,  164  Jusques  ore.  Regn.  Sat.  IX  Ó 

debile  raison,  ou  est  ores  ta  bride?  —  Du  Bellay  II  120  Quand  ores  il  ad- 
viendroit  qu'il  se  trou  vast  seul. 

Im  17.  Jahrh.  schwindet  allmählich  diese  Anwendung  von  ore; 
die  Partikel  wird  nur  noch  ¡n  konjunktioneller  Verbindung  und  in 
der  Form  or  gebraucht;  ores  kommt  bei  Malherbe  noch  einmal 
vor,  und  zwar  in  der  letzten  Ode,  welche  der  Dichter  nicht  mehr 
überarbeiten  konnte:  Mus  ores  a  moi  reirnu  (vgl.  Holfeld,  Fr.  de 
Malh.  p.  58). 

Im  16.  Jahrh.  brauchen  Schriftsteller  des  südlichen  Frankreichs 
zum  Ausdrucke  des  Begriffes  'jetzt'  gern  das  aus  a  cesie  heure  zu- 
sammengezogene Adverbium  asieur,  auch  asiur  geschrieben,  so  z.  B. 
Montaigne,  Monluc,  Brantôme  u.  a.  —  A  cette  heure  =  *  jetzt*  ¡st 
übrigens  im  Mfrz.  und  Nfrz.  eine  geläufige  Umschreibung: 

Jod.  I  37  Combien  que  mille  fois  et  mille  J*aye  ven  et  reveu  la  ville  de 
Paris,  ou  suis  a  ceste  heure. 

Temporell  gebraucht  geht  or  die  folgenden  Verbindungen  tun: 

n)  Orendroü  (=  hac  hora  in  directo)  *  jetzt  genide*  und  tlann 
auch  'sogleich',  zeigt  die  unmittelbar  bevorstehende  Zukunft  an: 


DIE  AFRZ.  ADVERBIEN  DER  ZEIT.  3 

Ch.  L.  372  Ci  près  troveras  orendroit  .1.  sentier.  —  Fl.  et.Bl.  Î030  La  ires, 
biax  fils,  orendroit.  —  Durm.  1.  G.  4284  Aler  mc  covient  orendroit. 

ß)  (Por  en  avant  =  *von  jetzt  an  vorwärts',   also  'fortan': 

H.  d.  Bord.  10349  D*ore  cn  avant  seriens  ami  carnei.  —  Br.  d.  1.  Mont.  1697 
D*ore  en  avant  mais. 

Diese  Komposition  hat  sich  erhalten  und  erscheint  in  der  neueren 

Spradic    als    das  Adverb  dorénavant.      Die  Form    beweist,    dafs  die 

ursprüngliche  Zusammensetzung  des  Wortes  dem  Sprachbewufstsein 

gänzlich    entschwunden    ist      Schriftsteller    des   15.   und    16.  Jahrh. 

ziehen  (Pores  en  avant  häufig  in  doresjiavant  zusammen: 

Poes.  frç.  69  Doresnavant  je  le  veux  affamer.  —  Jod.  II  5  Qui  puisse  tes- 
moij»ner  d'oresnavant  a  tous. 

Für  d^or  en  avant  lesen  wir  auch  ähnliche  Ausdrücke,  so  z.  B. 
in  den  Eiden  d^tst  dì  en  avant  =  *von  diesem  Tage  an  vorwärts', 
oder  Chev.  au  cygne  120  Des  ichy  en  avant \  Du  Bellay  II  116  d*içy 
en  avant. 

An  die  Stelle  von  en  avant  in  dem  eben  abgehandelten  Kom- 
positum kann  auch  das  die  Ausdehnung  in  eine  zukünftige  Zeit 
hinein  bezeichnende  inais  (magis)  treten;  es  entsteht  die  Verbindung 

y)  des  or  maïs  =  *  fortan*.  Im  älteren  Französisch  ist  die  Zu- 
saramenziehung  graphisch  selten  vollzogen;  später  schreibt  man 
désormais, 

Fl.  et  Bl.  783  Des  or  mais  haie  jou  ceste  vil.  —  Ch.  Pieuse,  B.  Chr.  frç. 
1 37,  24  Des  ores  mais  vivray  comme  une  souche.  —  Wace,  Brut,  B.  Chr. 
frç.  106,  9  Désormais  seit  sci  qarantisme. 

Das  Adverbium  ??iats  wird  bisweilen  durch  andere  Worte  von 
des  or  getrennt: 

Trist.  B.  Chr.  frç.  99,  25  Des  or  ne  m'en  voil  mes  cuvrir. 

Die  Zusammenstellung  des  or  mais  ist  die  gewöhnliche,  doch 
kommt  auch  des  or  und  or  mais  vor: 

Fl.  et  Bl.  1009  Des  ore  fai  couque  tu  dois.  —  ib.  2251  Con  en  mon  home 
en  vous  me  fi.  Des  ore  vous  dirai  ma  vie.  —  Poés.  frç.  140  Le  plus  maudit 
qui  fut  jamais  N'y  naistra  sur  terre  ormays. —  Burg.  II  312  Ele  ara  ormais 
Asses  et  painnes  et  esmais. 

Ò)  Mit  ains  geht  or  das  Kompositum  orains  ein  ;  dasselbe  giebt 

die  unmittelbar  vor  der  Gegenwart  liegende  Zeit  an,  bedeutet  also 

*eben   noch',   *vor   kurzem',    nfrz.  *tout  à  l'heure'.      Diese    Partikel 

kommt  bis  in  das  15.  Jahrh.  hinein  vor: 

Aue.  et  Nie,  B.  Chr.  frç.  289,  11  Nos  estiiens  orains  ci  entre  prime  et 
tierce.  —  Farces  1 1 2  Ne  vous  laissay  je  pas  malade  Orains  dedans  vostre 
maison  ì 

f)  d^ores  a  altres   oder    d'ores  en  altre   bedeutet    *de   temps    à 

autre  ': 

Villeh.  120,  XLV  208  Et  lor  faisoit  d'ores  en  altres  petiz  paiemenz.  — 
Burg.  II  312  Tant  les  ont  aies  porsivant  D'ores  a  altres  ataignant. 

Aus  der  .\nschauung,  dafs  der  unmittelbar  gegenwärtige  Moment 
im  Vergleiche  mit  anderen  Zeitteilen  besondere  Wichtigkeit  habe, 
erklärt  sich  der  eigentümliche  Gebrauch  von  or  in  der  konjunktio- 


4  w.  ZEnxiN, 

nellen  Verbindung  et  —  or^  worin  or  ungefähr  cIcmì  Sinn  von  'so- 
gar', *  selbst'  anniramt.  Froissart  und  spätere  Schriftsteller  bedienen 
sich  der  Verbindung  et  —  or  zum  kecken  Fallsetzen  odiîr  Fin- 
gieren. Ks  wird  nämlich  gesagt,  dafs  irgend  eine  Thatsache  ge- 
schehen wird,  selbst  wenn  ein  feindlicher  oder  widersprechender 
Umstand  von  bedeutendem  Gewicht  zugleich  mit  derselben  gegen- 
wärtig ist  Wir  übersetzen  et  —  or,  das  in  solcher  Anwendung 
den  Konjunkt.  Prater,  erfordert,  mit  *und  selbst  wenn'  oder  *und 
sogar  wenn': 

Froiss.  Poes.  III  32,  1076  Hors  de  cort  seront  espcrdus,  Ou,  espoir,  on  n*en 
tenra  compte,  Et  féust  ore  le  filz  d'un  conte.  -  id.  Poès.  I  239,  i.  —  id. 
Poés.  m  33,  II02  II  n'est  richesce  qu'estre  ame,  Et  fust  on  ore  roy  clame.  — 
Ant.  d.  1.  S.  Qu.  f.  d.  Mar.  (ed.  Jannet)  p.  133  Quanque  il/,  font,  est  bien  ñiit; 
et  eussent  ore  trait  un  œil  a  leur  pere.  —  ib.  96  Se  délivre  sa  femme  d'un 
bel  enfant,  et  fust  ores  le  dauphin  de  Viennois.  —  ib.  99  II  lui  vaulsist 
mieux,  qu'il  demourast  a  Toustel,  et  deust  ores  porter  pierres  ;i  son  ooul. 

Die  Partikel  or  dient  hier  nur  dazu,  ein  konzessives  Verhältnis 

nachdrücklich  hervorzuheben,    doch  wird    sie   sogar  in  Verbindung 

mit    qtu   zur  P^iniiihrung    von    wirklichen  Konzessivsätzen,    die   den 

Grund  des  Gegenteils  angeben,  gebraucht  (=  lat.  quamciuam): 

Percef.  Prol.  Et  ores  que  vos  benignitez  le  voulsisscnt  louer  et  prier,  toutcs- 
foyz  emulateurs  le  pourront  blasmcr.  — •  Poés.  frç.  108  Ores  qu'ils  facent 
naistre  une  souris  d'un  mont.  —  Mont.  Ess.  I  44  Ores  (jue  le  sajje  ne  «loivc 
donner  aux  passions  humaines  de  se  fourroycr  de  la  droite  carriere,  il  peut 
bien.  .  .  —  Du  Bellay  II  480  Et  ores  que  parmy  les  bandes  de  j^ens  de  pic«! 
il  se  trouvast  quelques  maistres  du  mcstier,  ils  y  estoient  sans  outils.  - 
Desgl.  Pasqu.  Recherches  I  7. 

Indessen  hat  ore  que  zuwíMlen  auch  di(î  rein  zeitliche  Bedeutung 
'jetzt,  als*,  z.  B.: 

Jod.  II  105  Ore  qu'en  ce  beau  parc  pensif  et  solitaire,  l'our  façonner  ces 
vers  je  ressemble  mes  sens:  Je  m'esmerveille  en  tout  de  sentir  que  ce 
temps.  .  .  —  id.  II  116  Or  que  telle  fureur  se  fait  plaire  a  mes  tens. 

Die  präsentiale  (irundbedeulung  der  Partikel  or  erklärt  femer 
ihre  sehr  frequente^  Verwendung  in  Befehls-  und  Wunschsätzen. 
Sie  drückt  nämlich  aus,  dafs  etwas  noch  nicht  (ii^schehenes  *j«»tzt\ 
*auf  der  Stelle',  *sogleich*  geschtîhen  soll  oder  mag,  enthält  also 
den  Wunsch  oder  Ikîfehl  der  sofortigen  Ausführung  und  dient  zur 
Verstärkung  des  Imperativs  odtir  Optativs.  Schlii'fslich  wircl  sie 
überhaupt  die  fast  ständige  Einleitung  für  imperative»  Sätze,  ohne 
noch  l)esond(»ren  Nachdruck  zu  b(»wirken.     Wir  Hnden  si«* 

it)  Ixûm  eigentlichen  Imperativ: 

S.  Gr¿í;.  140,  18  Or  ueeiz  (ecce  vidcte).  LRs.  \U  Ore   en    vien    a  nus  e 

un  aulire  te  musteruns.  -  A.  Th.  frç.  77  Tor  Dieu,  or  ne  parlons  nul 
mot.  —  Aul).  1.  B.  6,  5  Or  tenons  coi.  (h.  au  \:\^\\v  1242  (V  va,  de  par 
Dieu,  va.  —  Ad.  38  Ore  issez  hors  île  paradis. 

^  beim  imperativiseh  gebrauchten   Futurum: 
Aub.  1.  B.  g4,  31   Or  irons,  nies.         A.  Th.  frc;.  412  Oro,  ami<;,  ccry  buvcrc/. 

Rabelais  und  andere  mfrz.  Schriftsteller  brauchen  das  imperalivische 
or  noch  sehr  häufig: 


DIE  AFRZ.  ADVERBIEN  DER  ZEIT.  5 

Ral).  VI  7  Or  nìouscbcz  vos  nez,  petitz  enfants.  —  Jod.  I  24  Or  donc 
sçaches  en  cest  aflaire  Comment  il  te  faut  me  complaire. 

y)    Statt   zum    Imperativ    tritt   or   zuweilen    zu    Adverbien    wit» 

aviuií,  hors,  sus,  iost,  (3der  zu  einem  die  Richtung  oder  den  Zweck 

ausdrückenden  Dativ,  bei  welchen  alsdann  ein  Verb  der  Bewegung 

im  Imperativ  zu  ergänzen  ist: 

Ch.  L.  5025  Or  avant,  bcle,  dex  vos  saut.  —  Joinvv  310,  CX  567  Or  hors 
de  mon  hostel.  —  id.  140,  LII  255  Sire,  or  sus!  or  sus!  —  Aub.  1.  B.  138,20 
Or  tost  as  armes.  —  Ch.  L.  il 25   Or  au  cerchier  par  toz  ces  engles. 

Einen  analogen  Gebrauch  weist  die  entsprechende  deutsche  Par- 
tikel ;///  auf,  wie  folgende  Beispiele  zeigen:  Trist.  2987  Nu  wol  her 
bal(ic\  Man.  S.  I,  26  Nú  dar',  Roth.  4644  îîû  nâr  wigande\  Nib.  Z. 
267,  2,  4  ;///  zuo,  valcndinnc\  Boner  59,  50  7iú  7vol  dan,  (Vgl.  Grimm, 
(jramm.  111  301). 

In  gleicher  Weise  dient  or  bei  dem  Konj.  Präs.,  seltener  beim 
Konj.  Prater,  an  Stelle  eines  Optativs  zur  nachdrucksvollen  Bezeich- 
nung des  Wunsches. 

Ch.  au  cygne  1191  Or  me  voeillies  doner  ung  baston.  —  Ch.  L.  59'6  Or 
doint  dex.  —  Bat.  d'Alesch.  233,  687  Or  li  aïst  li  rois  de  majestez.  — 
Ruteb.  I  9  Or  soit  plaine  de  grant  soufrance.  —  A.  Th.  frç.  Or  vous  plaise, 
sire.  —  Froiss.  Poés.  Ili  48,  1635  Or  soit  a  mon  commencement  par  sa 
grasce  présentement. 

Ik'ispicle  für  or  e.  praeter.: 

Cor.  Looys  41,  1538  Pleust  ore  au  glorieus  del  ciel.  —  Farces  25  Pleust  or 
a  Dieu.  —  Desgl.  Ant.  d.  1.  S.  Nouv.  i,  88.  —  Jod.  II  329  Or  pleust  a  la 
main  divine. 

Unter  anderen  Partikeln,  die  im  Afrz.  auch  zur  Unterstützung 

des    Imperativs    und    Optativs    gebraucht    werden,    finden  wir   auch 

car,  welches  nicht  seilten  noch  vor  das  optativische  or  tritt  und  mit 

tliesem  die  Form  cor  ergiebt,    die  von    den    meisten  Herausgebern 

jetzt  c'or  geschrieben  wird.     Wackernagel  (Afrz.  Lieder  S.  145)  hält 

cor  für  eine  Umwandlung  von  cor,  doch  widerspricht  dies  den  frz. 

Lautgesetzen  (vgl.  Diez,  Gramm.  Ill  213 — 15): 

li.  d.  Bord.  10012  Et  cor  me  dites  que  m'en  conseillères.  —  ib.  9602  Sire, 
fait  il,  c'or  me  donnes  congiet.  —  Dolopathos  p.  371  Cor  fussiens  or  an- 
«louz  ansanble. 

Kiiiige  oft  vorkommende  Fälle  des  Gebrauches  von  adhorta- 
tivem  und  optativischem  or  sind  besonders  herauszuheben,  nämlich 
erstlich  die  Anwendung  von  or  zur  Einleitung  der  Beschwichtigung 
otlrr  beruhigenden  Kntgegnung,  wo  wir  im  Deutschen  wohl  die 
Partikeln  'doch'  oder  *nur*  gebrauchen.  Der  Angeredete  wird  auf- 
g<'f(irdert,  irgend  eine  Furcht  oder  Besorgnis  aufzugeben,  von  wel- 
cher tîr  selbst  schon  gesprochen  hat,  wie  Ch.  L.  6688  A  vos  /être 
e  nor  ci  ser  rise  Criem  que  pooirs  ou  tens  me  faille,  'Sire*,  fei  ele,  *or 
ne  vos  chaillé  —  oder  deren  Vorhandensein  der  Redende  still- 
schweigend vorausstîtzt,  wie  Joinv.  236,  LXXXIV,  433,  wo  Ludwig 
zuerst  den  zu  kühnen  Rat  Joinvilles  tadelt,  dann  aber  beschwichti- 
g<*nd  fortfährt:  Or  soies  touz  aises  (doch  seid  ganz  froh),  car  je  vous 
sai  moni  bon  grei  de  ce  que  vous  m'avez  loci,  —    Die   am   häufigsten 


Ö  W.  ZEITLIN, 

sich  findenden  Wendungen  dürften  aufscr  den  genannten  sein:  or 
n^atez  soing  —  or  ne  vos  esmaiez  —  or  atez  pais  —  or  faites  pais. 
Zweitens  rechnen  wir  hierher  den  Gebrauch  der  Partikel  in 
der  zustimmenden  Antwort;  denn  in  der  Zustimmung  ist  immer 
zugleich,  wenn  auch  unausgesprochen,  der  Wunsch  ausgedrückt, 
dafs  eine  Sache  nunmehr  auf  die  gestattete  Art  und  Weise  ge- 
schehen möge: 

LRs.  29  Pur  CO  en  alun  jesque  la  par  aventure  il  nus  aveiera.  Saul  res- 
pund:  Or  seit;  al  prudume  en  irrum.  —  Part,  de  Blois.  2795  Li  rois  res- 
pont:  Or  soit  dont  si. 

Drittens  ist  an  dieser  Stelle  zu  erwähnen,  dafs  or  auch  zum 
lebhaften  Ausdrucke  der  Frage  dient,  indem  es  nämlich,  seiner 
Grundbedeutung  ganz  angemessen,  den  Wunsch  nach  unmittelbarer 
Antwort  durchblicken  läfst.  Unsere  Partikel  *denn*  in  der  Frage 
dürfte  dies  or  ungefähr  wiedergeben: 

Ch.  L.  5993  *Mes  ne  s'antreconurent  mie  Cil  qui  combatre  se  soloient.  Et 
or  donc  ne  s'antraiment  il?*  —  'Oil,  vos  repong,  et  nenil.*  —  Cor.  Looys 
64,  2416  Guidiez  vos  ore  que  por  ceste  vos  faille.  —  Froiss.  Poés.  II  309,  31 
Esce  or  a  bon  sens  que  tu  dis?  —  id.  Poés.  II  322,  32  Esce  or  en  Prou- 
vence  ou  en  Bric,  En  Auvergne  ou  en  Picardie?  —  Farces  29  Or,  sire,  la 
bonne  Laurence,  Vostre  belle  ante,  mourut  elle?  —  ib.  37  Or,  sire,  les 
voulez  vous  croire?  —  ib.  74  Est  che  or  une  vaque.  Une  mousque,  ou 
ung  escarbot. 

An  die  Spitze  der  Frage  gestellt,  kann  es  auch  mit  *nun'  übersetzt 

werden,  das  wir  auch  mit  interrogativem  Sinne  brauchen. 

Es  bleibt  noch  zu  bemerken,  dafs  die  Optative  von  avoir  und 

esire  nicht  selten  zu  supplieren  sind: 

Aue.  et  Nie.  B.  Chr.  frz.  288,  38  Dehait  ore  qui  por  vous  i  cantera.  —  Aub. 
1.  B.  43,  20  Or  pais,  dist  il. 

Eine  erweiterte  Bedeutung  annehmend,  bezeichnet  or  nicht 
allein  die  >  absolute  Gegenwart  als  solche ,  es  dient  vielmehr  die 
Partikel  auch  dazu,  anzuzeigen,  dafs  irgend  ein  neues  Moment  in 
die  Gegenwart  eintritt,  dafs  der  Redende  etwas  Neues  vorbringen, 
also  gleichsam  in  die  unmittelbare  Gegenwart  versetzen  will.  In 
diesem  Sinne  bewirkt  or,  unserm  *nun'  fast  entsprechend,  den  Fort- 
schritt der  Rede  oder  Handlung  aus  einer  entfernteren  Zeit  in  eine 
nähere  und  dient  zu  Übergängen  und  Verknüpfungen.  Das  Zeit- 
adverbium ist  zum  Fügewort  geworden.  Zur  näheren  Erörterung 
des  konjunktioneilen  Gebrauches  der  Partikel  bemerken  wir  fol- 
gendes : 

a)  Sie  vermittelt,  ihrer  primitiven  Bedeutung  angemessen,    den 

Übergang  zwischen  parataktisch    aneinander    gereihten  Sätzen,    von 

denen  der  erstere  präteritalen  Sinn  hat,  während  der  zweite,  durch 

or  eingeleitete   seinem  Inhalte    nach  der  (Gegenwart  des  Redenden 

angehört. 

A.  Th.  frç.  549,  I.  En  petit  d'eure  fu  sa  faice  Des  larmes  de  ses  iex  con- 
verte. Or  est  ele  sure  et  certe,  se  ele  ne  troeve  occoison,  Petit  li  vaurra 
sa  raison.  —  Joinv.  170,  LXII  312  Toute  nostre  gent  estoient  pris,  et  il  ne 
fu  pas  pour  ce  que  il  estoit  messagiers.  Or  a  une  autre  mauvaise  maniere 
au   pais    en   la   paiennime,    que  quant  li  roys  envoie  ses  messaiges  au  sou- 


DIE  AFRZ.  ADVERBIEN  DER  ZEIT.  7 

danc,  ou  li  soudans  au  roy,  et  li  roys  meurt  ou  li  soudanc  avant  que  li 
messaige  revieignent,  li  messaige  sont  prison.  —  id.  198,  LXXXI  364  Li 
patriarches  de  Jerusalem,  viex  hom  et  anciens  de  Taage  de  quatre-vins  ans, 
avoit  pourchacic  asseurement  des  Sarrazins,  et  estoit  venus  vers  le  roy 
pour  li  aidier  a  pourchacier  sa  délivrance.  Or  est  teix  la  coustimie  entre 
les  Crestiens  et  les  Sarrazins. 

Alsdann   dient   die  Partikel    überhaupt   ganz    allgemein   dazu, 

die  zeitliche  Aufeinanderfolge  der  Thatsachen  zu  bezeichnen,  mögen 

dieselben   als   in    der  Gegenwart,   oder   als    in   der  Vergangenheit, 

oder  als  in  verschiedenen  Zeiten  liegend  gedacht  werden.    Or  wird 

in    dieser  Funktion    von  afrz.  Autoren    ungemein   häufig  gebraucht, 

um  die  Darstellung  ohne  Pause  und  merklichen  Einschnitt  mit  einer 

gewissen  Leichtigkeit  fortzuführen: 

A.  et  Amiles.  B.  Chr.  frç.  60,  30  Une  grant  cuve  fait  Amile  aporter,  Son 
compaingnon  a  fait  dedens  entrer;  Mais  a  grant  paingne  i  puet  cil  avaler, 
tant  fort  estoit  malades.  Or  fu  Amis  en  la  cuve  parfont.  —  Froiss.  Poés. 
I  95»  981  Or  avint  qu*un  après  disner  En  un  jardin  alai  juer.  —  id.  Poés. 
I  362,  479  Lors  se  parti  Le  chevalier  de  moi  et  jou  de  li  ;  Un  chemin 
prist,  et  je  un  aultre  aussi.     Or  pensai  tant  au  di  depuissedi  Que  je  le  fis. 

Wir  führen  zwei  besonders  oft  vorkommende  Fälle  des  kontinuativen 
Gebrauches  von  or  an: 

Die  beliebte  Ver^vendung  der  Partikel  in  der  transitio  tuix 
è^ox^Ìv,  also  in  Phrasen,  die  ausdrückich  ankündigen,  dafs  das 
bislang  Behandelte  erledigt  sei  und  man  zu  einem  neuen  Gegen- 
stande übergehen  werde: 

A.  Th.  frç.  417,  IL  Or  lait  li  contes  a  parler  de  lui  et  parolle  d'un  che- 
valier. —  FI.  et  Bl.  1935  ^'  '^  laissons  de  lui  ester,  de  Toste  vos  vaurai 
conter.  —  Pr.  d'Or.  146,  1252  Or  vos  lerons  ester  de  nos  barons.  Quant 
leu  en  iert,  assez  i  revenrons.  Si  chanterons  de  la  gent  paiennor.  —  H.  d. 
Bord.  5929  Or  vous  lairai  chi  de  Huon  ester.  Et  de  ses  hommes  vous  vau- 
raige  conter. 

.    Nach    einer    Degression   kommt   der  Redende   mittelst   or  auf 

die  unterbrochene  Gedankenreihe  zurück: 

St.  Alex.  21  Or  reviendrai  al  pedre  et  a  la  medre.  —  Joinv.  216,  LXXVTH 
397  Or  avez  oy  ci-devant  les  grans  persecucions  que  li  roys  et  nous  souf- 
frimes;  lesquiex  persecucions,  la  royne  n'en  eschapa  pas,  si  come  vous 
orrez  ci  après.  —  id.  94,  XXXVII  172  Or  revenons  a  nostre  matière  et 
disons  ainsi. 

Am  Schlüsse  eines  Abschnittes  wird  die  kurze  Zusammen- 
fassung des  Inhaltes  mit  or  eingeleitet,  welches  dann  den  Sinn 
*  nunmehr'  hat: 

Ch.  L.  3879  Or  vos  ai  dite  la  some.  Sire,  de  nostre  grant  destrece.  — 
Ad.  47  Or  vois  ai  dit  tot  mon  porpens.  —  Ruteb.  II  25  Or  avez  la  pre- 
miere plaie  De  cest  siede  sor  la  gent  laie.  —  Vrai  an.  273  Or  aves  oïe 
la  somme   Des  trois  aniaus  et  dou  preudomme. 

Auch  später  bediente  man  sich  der  Partikel  noch,  um  auf  einen 
Gedanken  zurückzukommen.  -  -  Hier  ist  zugleich  des  Gebrauches 
der  Partikel  im  Sinne  des  lat.  atqui  bei  der  Aufstellung  des  Unter- 
satzes im  Syllogismus  zu  gedenken,  denn  dabei  hat  or  auch  nur 
die  Aufgabe,  die  beiden  Sätze  leicht  zu  verknüpfen:  Le  sage  est 
heureux:  or  Socrate  est  sage;  donc  Socrate  est  heureux.  Acad.     Diese 


8  W.  ZEITLIN, 

Erscheinung  findet  sich,  wie  INIätznor,  Synt.  II  92  bemerkt,  auch  im 
Deutschen  wieder:  iibe  iag  ist  y  lieht  ist;  nti  ne  ist  iz  lieht;  so  ne  ist 
iz  ouh  tag  (Graff,  Sprachschatz  2,  S.  979). 

b)  Vom  Ausdrucke  der  zeitlichen  Folge  wird  or  übertragen 
zur  Bezeichnung  der  Folge  einer  Handlung  aus  einer  anderen  oder 
aus  Verhältnissen  und  Umständen,  so  dafs  die  Partikel  eine  kausale 
Schattierung  erhält.  Indessen  bleibt  diese  Verknüpfung  mittelst  or 
immerhin  eine  sehr  lockere  und  kann  meistens  auch  als  blosse  An- 
reihung aufgefafst  werden;  je  nach  dem  geringeren  oder  stärkeren 
Kausalzusammenhange  werden  wir  or  in  diesem  Falle  mit  *nun', 
*so',  *also'  übersetzen: 

Joinv.  372,  CXXXI  673  Sire,  que  me  ferez  vrtus  de  la  garde  Saint  Remi 
de  Reins  que  vous  me  tollez?  Car  par  les  sains  de  ccans,  fist  le  roys,  si 
feries  pour  Compiegne,  par  la  couvoitise  qui  est  en  vous.  Or  en  y  a  une 
parjure.  —  Ch.  L.  362  Et  que  voldroies  tu  trover?  'Avanture,  por  esprover 
Ma  proesce  et  mon  hardement.  Or  te  prie  et  quier  et  demant  Si  tu  sez 
que  tu  me  consoilles  Ou  d'aventure  ou  de  mervoilles.  —  En.  25  S'il  venist 
un  po  de  vens  Qui  sofflast  le  rejetoire  II  destendit  en  icele  oire;  Et  li 
archiers  donques  traisist  Dont  fu  la  caaine  rompue  Et  li  lampe  toute  espan- 
due.     Or  couvient  de  vent  se  garder  Qu'on  'nel  laist  laiens  entrer. 

Das  lat.  Synonym  nunc  wird  in  ganz  ähnlicher  Weise  zur  An- 
reihung benutzt,  z.  B.  Plaut.  Truc.  A^am  haud  mansisti  dum  darem 
illam:  tu  te  sumsisti  tibi.  Nunc  habeas^  ut  nactus,  —  Ebenso  bietet 
das  ahd.  und  mhd.  ;///  eine  Parallele  ((irimm,  Gramm.  111  S.  282): 
Si  sprächen^  toh  ter  dû  ht /st  war  y  nú  frumet  uns  leider  niht  ein  hdr 
unser  riuwe  und  diu  klage. 

In  der  temporal-kausalen  Bedeutung  hat  sich  or  noch  bis  zur 
modernen  Sprache  forterhalten;  es  dient  auch  hier  zur  oberfläch- 
lichsten Verknüpfung  der  Folge  mit  den  begründeten  Thatsachen 
(vgl.  Mätzner,  Syntax  II  90). 

c)  Es  erübrigt  noch,  des  korrelativen  Gebrauches  von  or  zu 
gedenken.  Die  Partikel  nämlich,  unserem  *bald  —  bald*  ent- 
sprechend, tritt  an  die  Spitze  zweier  oder  mehrerer  paralleler  Sätze 
oder  kongruirender  Satzteile  und  drückt  aus,  dafs  verschiedene 
Thatsachen  in  schneller  Abwechselung  geschehen,  so  dafs  sie  sämt- 
lich gleichsam  als  zusammen  gegenwärtig  vorgestellt  werden  können: 

Fl.  etlBl.  2521  Or  fait  juer  et  or  fait  rire;  or  donc  joie  et  or  done  ire.  — 
G.  d'Angl.  B.  Chr.  frç.  148,  28  Or  veut  aler,  or  veut  sévir.  Or  veut  aler, 
or  veut  venir.  —  Froiss.  Poés.  III  41,  1360  Es  cours  des  mondains  seig- 
neurs, Ore  y  a  joye,  ore  douleurs,  Ore  du  gouvernement  plaintes. 

Der  Parallelismus  wird  nicht  gestört,  wenn  an  einer  Stelle  die 

sinnverwandte  Partikel  donc  eintritt,  z.  B.: 

Part,  de  Bl.  (ed.  Crapelet)  3304  Issi  traverse  l'aventure  Dont  est  soes  et  ore 
est  dure. 

Wiederholtes  or  in  der  gedachten  Bedeutung  findet  sich  noch 

bei  mfrz.  Autoren  oft: 

A.  d.  1.  S.  Nouv.  2,  201  Ores  il  disoit:  je  feray  ainsi;  ores  conclusit  autre- 
ment. —  Rons.  II  13  Ores  cecy,  ores  cela.  —  Mont.  II  I  Ores  doucement 
.  .  ores  avec  violence. 


DIE  AFRZ.  ADVERBIEN  DER  ZEIT.  9 

# 

Neben  or  bedient  sich  die  ältere  Sprache  zum  Ausdrucke  der 
unmittelbaren  Gegenwart  hauptsächlich  des  adverbialen  Adjektivs 
present  (praesens). 

Present,  —  Dieses  Wort  tritt  sowohl  allein  als  Adverb  auf, 
als  auch  in  Verbindung  mit  Präpositionen,  sowie  mit  zugefügter 
Adverbialendung  -ment,  Aufser  à  présent  und  présentement  y  die  im 
Nfrz.  noch  gebräuchlich  sind,  finden  wir  de  present,  en  present  und 
die  substantivische  Umschreibung  pour  le  present.  Diese  zum  Er- 
satz für  or  dienenden  Ausdrücke  sind  bis  zum  13.  Jahrh.  noch 
selten  im  Gebrauch;  bei  Schriftstellern  des  14.  und  15.  Jahrh.  be- 
gegnen sie  uns  oft.  Wir  begnügen  uns,  für  jede  dieser  Gebrauchs- 
weisen einen  afrz.  Beleg  zu  geben: 

Farces  144  Or  ca,  disons  present,  combien  Tout  couslera.  —  Percef.  I  13,  2 
Une  ville  nommée  Clusini  qui  est  de  present  appellee  Tusianc.  —  Froiss. 
Chron.  XII  351  Ce  qu'il  y  a  a  present  de  delay,  ce  n'est  que  par  trêves.  — 
D.  Grég.  45,  22  Del  queil  jje  raconterai  cest  un  miracle,  ki  or  en  present 
cort  a  mon  corage.  —  Froiss.  Chron.  XII  335  Le  duc  de  Bourbon  qui  est 
présentement  venu.  —  Percef.  IV  21,  4  Atant  se  taist  l'hystoire  pour  le 
present  du  gentil  roy  et  de  la  sage  royne. 

O  u  a  n. 

Wir  führen  hier  einige  mit  annum  gebildete  Zusammensetzungen 
an,  deren  nominaler  Ursprung  dem  Sprachbewufstsein  nicht  mehr 
gegenwärtig  ist,  die  also  adverbialen  Charakter  tragen.     Ks  sind: 

I.  ouany  oivan,  oan,  mundartlich  auch  awan,  aus  hoc  anno 
entstanden.  Bezüglich  des  c  vgl.  joer  (jocari)  etc.  —  Das  Wort  be- 
gegnet ims  bei  afrz.  Schriftstellern  häufig.  Es  ist  noch  im  15.  Jahrh. 
ziemlich  gebräuchlich;  im  16.  gilt  es  als  veraltet.  Es  bedeutet  zu- 
nächst, wie  sein  lat.  Typus,  *in  diesem  Jahre': 

B.  Chr.  frç.  367,  40  Vous  avez  ouan  fame  prise.  —  Fl.  et  Bl.  1533  Tot  en- 
sement  vie  jou  owan,  N'a  mie  encore  demi  an,  caiens  une  pucelle  entrer.  — 
Farces  205  Ma  robbe  que  j'eus  ouan. 

Mit  verallgemeinerter  Bedeutung  heifst  es  *  jetzt': 
Rol.  250  Vos  n'inez  pas  uan  de  mei  si  luign. 

In  drei  eigentümlichen  Erscheinungen  des  Gebrauches  bietet 
ouan  Analoga  zu  hui: 

a)  Das  Adverbium  mais  wird  vorn  oder  hinten  hinzugefügt. 
Mesouan  oder  ouanmes  bedeuten  *  fortan*,  *  fernerhin': 

Myst.  Pass.  145,  Il  109  Que  tu  soies  nostre  boursier  Mesouen  et  le  despen- 
sier  de  tout  ce  qu'on  nous  donnera.  —  Farces  86  Chacun  me  trompera 
mesouen. 

Rabelais  bedient  sich  noch  dieses  Wortes  (Garg.  1  39). 

j3)    Mit   der    Präposition   en    bildet    es    die    Zusammensetzung 

enwan  =  *  neulich': 

Froiss.  Chron.  IX  360  Faites  le  biau  saut,  ensiquc  vous  aves  cnwan  fait 
saillir  les  nostres. 

Y)  Ohne  die  Bedeutung  zu  ändern,  nimmt  es  die  adverbiale 
F'orm  anc  vor  sich: 

Ruteb.  II  2  Du  forment  qu'il  fera  semer  Me  fera  anc'ouan  tlamiche. 


IO  W.  ZEITLIN, 

2.    antan,  anien  =  ante  annum  *ira  vorigen  Jahre': 

Rou  III  838  Antan  fu  mal  et  pis  awan.  —  Burg.  II  275  Anten  nos  vint 
dire  uns  Norois  Que  sains  segnor  erent  François.  —  Froiss.  Chron.  XV  178 
Des  antem  mes  besongnes  furent  prestes  pour  venir  en  Engleterre. 

Von  an/en  ist  das  Adjektivum  anienots  gebildet.  Dasselbe  be- 
deutet ein  ein  Jahr  altes  Tier: 

Myst.  Pass.  264,  20231  II  rit:  Voire,  du  bout  du  dent:  C'est  risée  d*un- 
gantennois. 

Primes. 

Zur  Bezeichnung  des  ersten  von  mehreren  aufeinander  folgen- 
den Momenten  bedient  sich  der  Lateiner  des  Adverbs  primo.  Das 
ältere  Französisch  hat  mehrere  Adverbien,  die  die  Bedeutung  von 
primo  'zuerst'  haben. 

1.  primes,  aus  primo  mit  zugefügter  Adverbialendung  ^es  ent- 
standen. Im  Leodegar  lesen  wir  die  Form  primos,  die  nach  Diez, 
Altroman.  Sprachdenkra.  S.  46  entweder  ein  Schreibfehler  für  primas 
(primes)  ist  oder  direkt  lat.  primo  +  adverb,  s  entspricht. 

Leod.  2,  I  Primos  didrai  vos  dels  honors.  —  Rol.  2845  A  1'  matinct,  quant 
primes  apert  l'albe.  —  Fl.  et  Bl.  2649  Les  mámeles  primes  verrons,  Et  puis 
si  les  escuilerons. 

Selten  fehlt  das  adverbiale  s: 

Gar.  1.  L.  35  Assez  en  aves  dit  ;  Mais  la  parole  Fromont  voil  prime  oïr. 

Auch  de  primes  wird  in  der  Bedeutung  *  zuerst'  gebraucht: 

B.  Chr.  frç.  105,  18  Malglamis  out  ot  sei  Leir.  De  primes  le  fist  bien  ser- 
vir. Mais  tost  fu  li  curz  empiriee. 

Das  Adverbium  wird  zwar  noch  im  14.  und  15.  Jahrb.,  z.  B. 
von  Froissart,  sehr  häufig  gebraucht,  doch  hat  es  seine  Bedeutung 
verändert;  es  bezeichnet  nun  nicht  mehr  den  ersten  mehrerer  auf- 
einander folgender  Momente,  sondern  einen  der  späteren,  entspricht 
also  modernem  alors.  In  diesem  Sinne  brauchen  es  auch  schon 
Autoren  des  13.  Jahrb.: 

Rou  III  15  Engleterre  Bretainne  out  nun,  E  primes  out  nun  Albiun.  — 
Froiss.  Chron.  (ed.  Buchón)  III  I  Ci  commence  le  quart  livre  de  maitre  Jean 
Froissart,  qui  parle  des  guerres  et  nobles  faits  d'armes  et  advenues  de 
France  d'Angleterre  et  des  pays  d'entour,  leurs  conjoints  et  adherens,  de- 
puis l'an  Nostre  Seigneur  mil  trois  cent  quatre-vingt  et  neuf,  et  primes  de 
la  noble  fete  qui  fu  faite  a  Paris. 

Auch  a  primes  findet  sich: 

Froiss.  Chron.  V  329  Quant  li  rois  de  France  sceut  que  li  rois  d'Engleterre 
s'en  retournoit  vers  Calais,  a  primes  se  desloya  il. 

2.  Lat.  Primarius  ergiebt  die  Form  premier,  mundartlich  promier 
und  prumier.  Sie  wird  in  der  älteren  Sprache  mit  adverbialem  s, 
seit  dem  14.  Jahrb.  auch  ohne  dasselbe  gebraucht  und  erhält  sich 
durch  die  ganze  mfrz.  Zeit.  Zuweilen  wird  de  vorgesetzt.  Die  mo- 
derne Sprache  kennt  adverbiales  premier  oder  premiers  nicht  mehr. 

Fl.  et  Bl.  2457  Floires  a  premiers  commencie.  —  SS.  286,  16  Ensi  com  li 
bons  engeingnieres  ki  unet  faire  une  riche  maison,  premiers  trait  ses  lignes 
et   ses   compas.    —    Villeh.  88,  XXXII  160  La   assembla   premiers   Jaques 


DIE  AFRZ.  ADVERBIEN  DER  ZEIT.  I  I 

d'Avesnes  et  la  sol  maisnie.  —  Froiss.  Chron.  II  79  II  avoient  desservi  a 
estre  justichies,  cn  trois  manieres,  cest  assavoir  premiers  traynes,  apries  de- 
colles et  puis  pendus  a  ung  gibet. 

de  premiers', 

S.  Greg.  62,  I  Nel  dis  ge  dunkes  premiers.  —  Ch.  L.  975  Quant  mon  seignor 
Yvein  trova  Sil  esmaia  molt  de  premiers.  —  Froiss.  Chron.  VIII  99  II  se 
plaindoient  ile  premiers,  pourtant  qu'il  volloient  estre  pryet.  —  id.  Chron. 
X  242  Car  de  premiers,  on  ne  les  voloit  croire. 

Beispiele  für  premier'. 

Farces  297  Premier  il  vous  fault  embuscher  En  mon  logis  secrettement.  Et 
puis  je  vous  yray  hucher.  —  ib.  307  Premier  deviennent  langoureux,  E 
puis  ilz  meurent  meschamment.  —  ib.  310  Tout  premier  vous  sera  donnée 
Saulce  robert.  -  Comm.  2,  4  Quand  il  la  feroit  premier.  —  Ronsard,  El. 
Forest  de  Gastine.  Adieu,  vieille  forest.  Ou  premier  j'accorday  les  langues 
de  ma  lyre.  Ou  premier  j'entendis  etc. 

Aus  diesem  Gebrauche  von  premier  erklären   sich    die  Redensarten 

premier  de  faire^  premier  que  faire^   premier  qtiil  fasse. 

Im  Mfrz.  wird  auch  au  premier  im  Sinne  von  'zuerst*  gebraucht: 

Marol  (Glauning  S.  34)  Vostre  rigueur  me  feit  plusieurs  destours  Quand  au 
premier  je  vous  vins  requerir. 

3.  Aus  premier  entsteht   durch    Beifügung    der   Adverbendung 

-meni  das  Adverbium  premièrement  ^    das   ebenfalls  *  zuerst'  bedeutet 

und  in  das  Nfrz.  übergegangen  ist. 

Fl.  et  BI.  2546  Et  Tendemain  tot  ensement  Lieue  Gloris  premièrement.  — 
Villeh.  42,  XV  73  Li  sains  hom  qui  parla  premièrement  des  croiz.  —  Froiss. 
Chron.  XII  349  Quant  les  nouvelles  lui  en  vindrent  tout  premièrement. 

4.  Endlich  haben  wir  noch  ein  viertes  Adverb  gleicher  Be- 
deutung, premereinemeniy  primer einemeni,  vom  Adjektiv  premerein  (*pri- 
meraneus)  gebildet.     Dasselbe  gehört  nur  dem  Afrz.  an: 

B.  Chr.  frç.  40,  9  De  la  were  primereinement  rendrad  Tom  del  hamsochnc 
a  la  vedue  e  as  orphanins  .X.  solz.  —  ib.  40,  30  Si  home  fait  plaie  a  altre 
e  il  deive  faire  les  amendes,  primereinement  li  rende  sun  Iccheof. 

Puis. 

Im  Afrz.  ist  die  Partikel  puis  (lat.  post)  sowohl  Präposition  als 
Adverbium.  Sie  dient  nur  zur  Bezeichnung  der  zeitlichen  Nach- 
folge, während  post  auch  andere  Beziehungen  ausdrücken  kann. 
In  den  ältesten  französischen  Denkmälern  hat  die  Partikel  ihre 
lat.  Form  noch  gar  nicht  verändert:  Eul.  P(\si  la  mori\  Pass.  78,  4 
Posi  que  deus  filz  suspensus  füre,  —  Bez.  der  sonst  vorkommenden 
Varianten  pois,  poyst,  pues,  puez,  ptiys  in  lautlicher  Beziehung  s. 
Bd.  VI  S.  260. 

Der  modernen  (Grammatik  ist  der  präpositionale  (Gebrauch  von 
puis  fremd;  die  Sprache  des  16. Jahrb.  kennt  denselben  noch,  doch 
find(*n  sich  Beispiele  davon  ziemlich  selten,  dagegen  wird  im  An- 
fange der  mfrz.  Sprachperiode  puis  oft  in  präpositionaler  Stellung 
gefunden.     Es  hat  zwei  Bedeutungen: 

a)  post  *nach'.  In  diesem  Sinne  nur  im  ältesten  Französisch 
gebräuchlich  : 

St.  Alex.  3  Pois  icel  tens. 


12  W.  ZEITLIN, 

b)  *scit\  Ks  bezeichnet  dann  die  Zeit  von  einem  Anfangspunkte 
an  bis  zu  einem  gewissen  Zeitpunkte  hin.  Statt  des  Anfangs- 
punktes der  Zeit  wird  auch  oft  der  Begriff  der  verflossenen  Zeit 
selber  gesetzt,  teils  um  die  Thätigkeit  auf  die  ganze  Zeit  zu  be- 
ziehen, teils  um  die  verflossene  Zeit  bis  zu  ihrem  Anfangspunkte 
von  der  Thätigkeit  auszuschliefsen  (Mätzner,  Syntax  1  271). 

Kou  III  8961  Pols  Rollant  et  pois  Oliuier  N'out  en  terre  tel  cheualier.  — 
Farces  182  Puis  dix  ans,  en  ma  consciepce,  je  perds. 

Hierher  gehört  die  im  Afrz.  nicht  selten  vorkommende  ad- 
verbiale Verbindung  puis  di  (post  diem)  oder  puissedi  [puis  ce  dis) 
=  *  depuis  lors*. 

Vrai  aniel  124  Dont  puischedi  li  crut  jjrans  ileus.  —  Ch.  d.  Coucy  8613  Ne 
ains  déduit  ne  demena  Puissedi  tant  com  il  dura.  —  Froiss.  Chron.  II  40 
puisdi.  —  Br.  d.  1.  Mont.  39  puis  ce  di. 

Um  den  Brgriff  des  Beginnens  von  einem  gewissen  Zeitpunkte 
an  hervorzuheben,  setzte  die  Sprache  noch  de  oder  des  vor  puis. 
Das  lat.  Vorbild  de  post  findet  sich  vor ,  z.  B.  in  der  Lex  salica 
(Diez  II  459). 

Froiss.  Chron.  X  161  Depuis  quinze  jours  cncha.  —  Percef.  VI  1,  4  Depuis 
le  matin  jusques  au  vespre. 

Adverbiales  puis  ist  der  Sprache  erhalten  geblieben.  Wie  im 
Nfrz.,  so  ist  auch  in  der  alten  Sprache  schon  eine  seiner  wichtig- 
sten Fimktionen,  zur  Fortführung  der  Erzählung  zu  dienen,  und 
zwar  allein  oder  in  Abwechselung  mit  cmderen  Adverbien;  so  folgen 
z.  B.  donc  [adone)  —  puis^  oder  premièrement  —  puis  —  adone,  oder 
primes  —  lors  —  puis  u.  a.  m.  —  Die  Zusammenstellungen  el  puis 
und  puis  apres  sind  im  Mfrz.  beliebt,  begegnen  uns  aber  auch  in 
der  alten  Sprache. 

Wir  geben  einige  Beispiele  für  den  adverbialen  Gebrauch 
von  puis, 

II.  d.  Bord.  8921  Puis  prenderes  Huon  le  harceler  En  vostre  carte  le  feres 
avaler,  Et  puis  le  barbe  et  les  dens  li  taures,  Et  puis  ires  au  roi  Karlon 
parler.  —  B.  Chr.  frç.  loi,  12  Cascune  a])ela  sinfjlemenl,  Et  l'aisnee  premiè- 
rement .  .  puis  demanda  a  Ragan,  .  .  adunt  apela  Cordeille.  —  Poés.  fr(;.  58 
Et  puis  après  si  court  encore  La  cherté  sur  les  povres  gens.  —  Br.  d.  1. 
Mont.  1459  Et  puis  donques  après  nous  en  pourres  alez. 

Puis  —  puis  entspricht   oft   modernem   tantôt  —  tantôt,    von 

dem  es  erst  nach  Marots  Zeit  verdrängt  wird: 

Villeh.  16,  V,  25  Ensi  les  mist,  puis  cent,  puis  deux  cenz,  puis  mil,  tant 
que  tuit  le  creanterent  et  loercnt.  —  Farces  10 1  Vous  entre  Iarde/,  Puis 
d'un,  puis  d'autre.  —  Villon  207  Je  tracasse  Puis  au  poil  et  puis  a  la 
plume.  —  Marot  (Glauning  S.  34)  Sur  l'eau  tourne  et  vire,  Puis  ^a,  puis  la. 

Das  ursprünglich  präpositionale  depuis  wird  auch  zum  Adver- 
bium und  bedeutet  Seitdem',  z.  B. 

Percef.  II  4,  2  Le  roy  estora  une  ville  qui  depuis  fu  grande  et  puissante. 

Der  gleiche  Bedeutung  wie  depuis  habende  adverbiale  Aus- 
druck du  depuis  ist  den  mfrz.  Autoren  sehr  g(?läufig,  auch  Schrift- 
steller des  17.  Jahrb.,  die  ganz  korrekt  schreiben,  bedienen  sich 
desselben  noch.     In  Malherbes  Poesien  kommt  er  einmal  vor,   der 


DIK  AFRZ.  ADVERBIEN  DER  ZEIT.  1 3 

Dichter  bezeichnet  ihn  jedoch  selbst  später  ats  ungebräuchlich 
(Holfeld,  Malh.  S.  58).  Voltaire  nennt  die  Verbindung  du  depuis 
durchaus  fehlerhaft  (Corn.  Lex.  1  185).  Um  ihre  Entstehung  zu  er- 
klären, muís  man  die  Unterschiebung  eines  Substantivbegri fifes  mit 
temporeller  liedeutung  annehmen.  Beisp.:  Pasqu.  Rech.  25;  Malh, 
Poes.  3;    Com.  Le  Ment.  V  6. 

Noch  ist  die  konjunktionelle  Verbindung  puisque  zu  erwähnen; 
dieselbe  ist  in  der  älteren  Sprache  auch  dem  Sinne  nach  die  ge- 
naue Wiedergabe  von  postquam. 

Rol.  896  Puisque  il  est  sur  sun  cheval  muntet.  —  Ruteb.  Il  274  II  dist 
que  ja  de  nul  pechie  Puisque  de  ce  se  repentist  Et  dolor  au  euer  en  sen- 
list  Ja  ne  les  recorderoit  puis.  —  Villeh.  20,  VI  33  Sa  fame  que  il  avoit 
espousee  puis  que  il  ot  la  croiz  prise. 

Das  durch  puis  que  bezeichnete  zeitliche  Verhältnis  kann  leicht 

in  ein  kausales  übergehen,    indem  die  zeitlich  vorangehende  That- 

sache  zugleich  den  Grund  der  anderen  angiebt.    Bedeutung:  *\veir, 

*da'.     Zuweilen  sind  beide  Bedeutungen  zulässig. 

H.  d.  Bord.  8418  Nul  recouvrir  n'i  a,  puis  qu'est  ochis. 

Abweichend  vom   modernen  Sprachgebrauche  kann  puisque  im 

Afrz.  auch  Nebensiitze  einleiten,    welche   den  Zeitpunkt  bezeichnen, 

von    dem    an    die    im    Hauptsatze    enthaltene    Thätigkeit    beginnt. 

Dieser  Aufgabe  genügt  jetzt  allein  die  Konjunktion  depuisque\  auch 

in  der  älteren  Sprache    erfüllte   sie  dieselbe  neben  puisque,  —    Zu- 

gefügt(\s  tres  verstärkt  den  in  puis  enthaltenen  Begriflf. 

Rou  II  1171  Noef  cenz  cd  douze  ans  ont  acumpliz  e  passez  Puis  que  Deus 
(io  la  Virgo  cn  Bcllcem  fu  nez.  —  Villeh.  72,  XXVI  128  Onques  si  jjranz 
affaires  ne  fu  cnpris  de  nulle  gcnt,  puisque  li  mt)nz  fu  estorez.  —  Durm. 
1.  G.  38  Mais  trespuisque  Noe  fist  l'arche  Ne  fu  dame  de  sa  valor.  — 
Si.  Aub.  378  De  vus  croi  cslrc  seur  et  tres  bien  acerté  Despuiske  Dcu 
meismcs  ad  tun  quor  sacie. 

S  e  m  p  r  e  S ,    a  d  e  s. 

1.    Semper  blieb  der  Sprache  zwar  bis  l'nde  des  13.  Jahrh.  in 

iler    Form    semprcs    (mit  zugefügtem    adverbialen  ,f)  erhalten,    doch 

hat  es  nur  in  drei  Alten  Denkmälern,  dem  Kulalialiede,  der  Passion 

Christi    und    im  St.  Leodegar    die   Bedeutung  'immer'.      liier    fehlt 

ihm  noch  das  adverbiale  j. 

Flui.  I.a  polle  sempre  non  amasi  lo  dco  mcncslicr.  —  Pass.  93,  I  Christus 
Jehsiis  <|ui  deus  es  vers  Qui  sem))er  fu  e  semper  es.  —  Si.  Leod.  7,  I  C'io 
scmpr'  et  fud  et  ja  si  (  r.  —  il).  7,  3  Kt  sanz  Letijiers  sempre  fud  bons, 
Sempre  fist  bien  o  íjuc  il  )iod. 

Bí^n^its  in  der  Bassion  findíMi  wir  ílie  Partikel  im  Sinne  von 
'alsbaUr  gebraucht,  inni  im  AU  xiiisliecle,  im  Rolandsliede,  sowie  in 
drn  späteren  litterarischeii  Erzeugnissen  hat  sie  nur  diese  Bedeu- 
tUTig.  Orelli  und  nach  ihm  Burgiiy  <:itieren  zwar  .r/7;//>/-i'j  ==* immer' 
aus  Fabl.  et  C'.  IV  p.  390  Semprcs  eri  moi  compelice^  doch  heifst  es 
auch  hier  ^alsbald*.  J^'ide  BcileutUTìgtMì  sind  übrigens  verwandt 
und  begt»gnen  sich  auch  sonst.  Der  Übergang  von  der  einen  zur 
anderen    ist    begrifflich    unschwer  zu  erklären:    Das  immer  Seiende 


14  W.  ZEITLIN, 

hat  sein  Geschehen  im  ununterbrochenen  Zusammenhange,  und  das 
alsbald  Eintretende  hängt  mit  den  vorhergehenden  Thatsachen  un- 
mittelbar zusammen  (Tobler,  Vorlesungen  über  die  ältesten  frz. 
Sprachdenkmäler.    Berlin   1876). 

Pass.  37,  I  Judas  cum  veggnet  ad  Jhesum  Semper  li  tend  lo  son  mentou.  — 
St.  Alex.  30,  5  Nel  reconurent,  sempres  s*cn  retornerent.  —  Rol.  2954  Ad 
un  earner  sempres  les  unt  portet.  —  Rou  III  437  Sempres  sunt  a  Richard 
venu.  —  B.  Chr.  frç.  268,  29  Li  rois  fist  sempres  aprester  .VII.  d*els. 

IL  Zum  Ausdrucke  des  Begriffes  *  immer'  diente  im  Afrz.  das 
Adverbium  ades  und  zahlreiche  nominale  Umschreibungen.  Ades 
ist  entstanden  aus  ad  ipsum,  bedeutet  also  eigentlich  *zur  Zeit 
selbst'  d.  h.  *  alsbald',  *  sogleich'  (cfr.  aber  P.  Meyer,  Romania  1879 
S.  15Ó).  Diesen  Sinn  hat  das  Wort  im  Italienischen;  dagegen  heifst 
es  schon  früh  im  Provenzalischen  tmd  Französischen  *  immer'. 
Burguy  will  ihm  zwar  auch  hier  die  Bedeutung  *  alsbald'  zucrteilen 
(vgl.  Gramm.  II  267),  doch  sind  die  citierten  Beispiele  nicht  be- 
weiskräftig, da  in  allen  auch  der  Sinn  *  immer'  zulässig  ist. 

Im  14.  Jahrh.  gilt  ades  schon  als  veraltet,  doch  wird  es  noch 
von  Alain  Chartier  und  einigen  gleichzeitigen  Autoren  gebraucht. 

Die  pikardische  Form  lautet  adies: 

Ch.  au  cygne  284  Elle  a  fait  le  mien  fil  si  fort  encorcerer,  Que  li  miens 
fieux  ne  puet  dormir  ne  reposer,  Ne  de  lui  eslongier,  ne  il  ne  puet  durer 
S*adies  n'est  pas  avoec  lui  pour  son  corps  rejjarder.  —  Vrai  aniel  409 
Robiers,  ki  moût  s*est  travillies  Por  le  loi  Dieu  et  essuies,  Ki  adies  a  este 
entiers.  —  Ch.  de  Coucy  6200  Je  ades  vous  aideray  Et  vostre  afaire  celeray. 

Vorgesetztes  toui  verstärkt  den  ìw  ades  enthaltenen  Begriff: 

H.  d.  Bord.  91 19  Ele  cevauce  par  moult  grant  segnorie.  Mais  tout  ades 
tint  lo  ciere  baissie.  —  Durm.  1.  G.  10973  Vos  ne  porez  la  fors  issir  Por 
Tost  grever  ne  e^tormir.  Car  les  porte  sunt  enterres,  Et  si  sunt  tot  ades 
fermées.  —  H.  de  Valenc.  308,  II  305  Tout  adies  croissoit  li  os  de  jour 
en  jour. 

Bei  parallelen  Satzgliedern  wiederholtes  ades  entspricht  unserem 
*bald  —  bald': 

L.  C.  de  S.  Pal.  Diet.  Apres  disner  on  s'avança  De  danser,  chacun  es  chas- 
'   cune.   Et  le  triste  amoureux  dança   Ades  a  l'autre  ades  a  l'une. 

III.  Der  gröfseren  Anschaulichkeit  wegen  dachte  sich  die 
Sprache  die  durch  *  immer'  bezeichnete  Zeitausdehnung  als  eine 
Summe  gröfserer  oder  kleinerer  Einheiten  und  bediente  sich  für 
sempres  oder  ades  der  nominalen  Umschreibungen  ious  ienSy  tousdis 
und  tous  jours,  toutes  ores. 

Durm.  1.  G.  33  Qui  tos  tens  li  sanbla  novele.  —  St.  Aub.  1676  La  est  lur 
mansiun  tuz  jurs  sans  fin  aver.  —  ib.  174  En  feu  qui  art  tut  dis.  —  Br.  d. 
1.  Mont.  1257  La  fumes  longuement,  tousdis,  en  atendant.  —  B.  Chr.  frç. 
147,  I  Totes  ores  l'en  mercie. 

Im  Psalter  wird  semper  meistens   mit  tutes  ures  wiedergegeben,    so 
Ps.  Ill  I. 

Bei  der  graphischen  und  lautlichen  Zusammenziehung  von  tos 
mit  dem  folgenden  Substantiv  wurde  der  Endkonsonant  oft  auf- 
gegeben; man  schrieb  und  sprach  also  totens  (SS.  284,  20);  todis 
(Durm.  1.  G.  77);    toudis  (Ch.  d.  Coucy  5344);    toujours   sehr   häufig. 


DIE  AFKZ.  ADVERBIEN  DER  ZEIT.  I  5 

Zu  diesen  Umschreibungen  tritt  gern  das  eine  Erweiterung  nach 
der  Zukunft  hin  anzeigende  mat's\ 

Rou  IXT  149  Tuz  tens  mais  fust  de  eus  memoire.  —  Durm.  1.  G.  10662  Todis 
mais  lor  iert  reprouve.    —  Ch.  de  Coucy  5357  Vostre  seroie  tousjours  mais. 

Die  neuere  Sprache  hat  nur  toujours  behalten,  welches  zum 
reinen  Formwort  erstarrt  ist;  Rabelais  hatte  die  ursprüngliche  Zu- 
sammensetzung des  Wortes  noch  gegenwärtig,  denn  er  braucht  es 
nicht  ohne  weiteres  für  *  immer',  wie  folgende  Stelle  zeigt: 

III  86  La  cause  je  cuide  estrc  affin  que  tousjours,  toutes  nuyctz,  con- 
tinuellement puissions  ouir. 

Die  ältere  Sprache  hat  auch  iouie  jor\ 

Rou  III  839  Tote  jur  sunt  fur  bestes  prises   Pur  aies  et  pur  semises. 

Dafs  toujours  von  Präpositionen  abhängig  gemacht  wird,  ist 
bei  seinem  substantivischen  Charakter  nicht  auflallig. 

Percef.  II  5,  i  Madame  a  eu  depuis  tousjours  Grant  soin  de  vous.  —  Villeh. 
54,  XX  96  Se  nous  refusons  ceste  convenance,  nos  sommes  honc  a  toz  jorz. 

Noch  erwähnen  wir  den  adversativen  Gebrauch  von  toujours 
im  Nfrz.,  wo  es  das  jeweilige  Miteintreten  des  adversativen  Ele- 
mentes mit  dem  konzessiven  ausdrückt.  Im  älteren  Frz.  ist  uns 
dieser  Gebrauch  des  Adverbiums  nicht  begegnet  (vergi.  Mätzner, 
Syntax  II  73). 

V.  Hugo,  Entrons!  ..Dieu!  s'il  allait  me  parler!  s*il  s*eveille!  S'il  était  là, 
debout  et  marchant  à  pas  lents!  Si  j'allais  ressortir  avec  des  cheveux  blancs! 
Entrons  toujours! 

Tempre,   main,    tard. 

I.  Der  alte  lat.  Ablativ  tempori,  der,  adverbial  gebraucht,  den 
Begriff  *  zeitig',  *fräh'  ausdrückte,  ging  in  das  Französische  in  der 
Gestalt  tempre  über.  Durch  die  hinzugefügte  Adverbialendung  wird 
das  Adverbium  noch  zu  temprement  erweitert,  das  sich  in  der  Be- 
deutung nicht  unterscheidet.  Beide  Formen  gehören  nur  der  alten 
Sprache  an. 

Durm.  1.  G.  485  Trop  tempre  lor  donas  congie.  —  Ch.  d.  Coucy  6302  Com- 
mande que  le  disner  Hasteement  face  aprester,  Qu'elle  voudra  tempre 
mengier.  —  id.  5375  Madame,  temprement  Voel  aler  ou  je  Irouveray  Ic 
chastelain. 

II.  Kin  Synonym  des  ebengenannten  Adverbiums  ist  main,  von 

lat.  mane.     Seinem  Ursprünge    entsprechend,    bedeutet  main  *früh', 

*in  der  Zeit  des  Morgens': 

Cor.  Looys  25,  920  Quant  je  le  vis  huimain  en  cest  herbaige. 

Main  dient  ferner  zur  Bezeichnung  des  nächstfolgenden  Tages, 
heifst  also  'morgen*,  doch  hat  es  schon  im  Afrz.  in  dieser  Bedeu- 
tung stets  die  Präposition  de  vor  sich: 
Ruteb.  II  236  Revenez  demain  au  matin. 

Die  Sprache  substantiviert  das  zusammengesetzte  Adverbium  demain^ 
indem  sie  ihm  den  Begriff  *der  Tag  von  morgen'  unterschiebt,  und 
setzt  ihm  alsdann  den  bestimmten  Artikel  vor,  macht  es  auch  von 
en  abhängig: 

Rou  II  843  £1  demain  par  matin  sunt  de  Chartres  issu. 


1 6  W.  ZEITLIN, 

Das  Dekompositum  cndemain  wird  ebenfalls  zura  Substantiv  erhoben: 

H.  de  Valenc.  318,  V  524  A  rendemain  par  matin. 

Das  Afrz.  braucht  Vendemain  auch  in  der  Bedeutung  *am  Morgen', 

*  früh  ': 

Villeh.  16,  V  25  L'endemain  al  tierz  jor. 

IIL    Neben  viain  besitzt   die  Sprache   noch  das  sinnverwandte 

matin,  dessen  lat.  Grundlage  matutinus  ¡st.     Matin  ¡st,  je  nachdem 

matutinum    oder   matutine    als    sein  Vorbild   ans¡eht,    Substantivura 

oder    Adverb¡ura;    es    bedeutet   sowohl  *  Morgen'    als    auch  *in  der 

Morgenzeit',  *früh'    und    findet  sich  mit  beiden  Bedeutungen  noch 

im  Nfrz.,    während  main  ohne   präpositionalen  Zusatz    nur    bis  zum 

1 5.  Jahrh.  dauerte.      Be¡sp¡ele    für   den    4dverb¡alen  Gebrauch    von 

maiin  : 

Fabl.  et  Contes  IV  12  Je  levai  plus  matin  de  vous.  —  Ruteb.  II  242  Or 
suis  je  venu  trop  matin.  —  Rab.  V  30  Pour  maní:[er  les  vivres  de  l'isle 
Sonnante  se  fault  lever  bien  matin.  —  Racine  Plaid.  I  l  Vous  vous  levez 
tous  les  jours  trop  matin. 

Be¡de  Adverb¡en  nehmen  gern  die  Prapos¡tion  par  vor  sich: 

Rol.  667  Par  matin  en  albe.  —  H.  de  Bord.  8747  Li  enfes  Hues  s*est  par 
matin  levez. 

Die  Verbindung  par  main    verschmilzt,    wie    demain,    zu    einem 

Wort    und    wird    als  Hauptwort    mit    der    Bedeutung  'der  Morg(Mi' 

gebraucht: 

Durm.  1.  G.  14885  II  fiancèrent  al  parmain. 

Die  Gleichwertigkeit,  welche  main  und  ;;/(///;/  als  synctiiyme  Ad- 
verbien haben,  bewirkt,  dafs  auch  das  seiner  l^tymologie  nach  ad- 
verbiale 7nain  substantiviert  wird. 

Roq.  (ÌI0SS.  II  1 14  Tels  rit  au  main  qui  le  soir  pleure.  —  Ch.  de  Coney 
3967  Et  main  et  soir.  —    Farces  275  Kn  voyant  soir  et  main. 

IV.  Den  (Gegensatz  zu  den  vorgenannten  Adverbien  bietet 
tard  (tarde),  was  entweder  *nach  der  bestimmten  Zeit'  bedeutet, 
oder,  nur  mit  Beziehung  auf  die  Länge  des  Tages,  'gegen  Ende 
des  Tages'  heifst. 

Ruteb.  II  263  Ne  puet  venir  trop  tard  a  œuvre  Bons  ouvriers.  —  Cb.  de 
Coucy  5623  Tempte  et  tart.  —  Farces  202  Soit  tost  ou  tard,  ou  lointj 
ou  près. 

Die    Frcquentat¡v-Adverb¡en. 

Unter  dem  gemeinschaftlichen  Namen  Frequentativ-Adverbien 
verstehen  wir  diejenigen  Adverbien,  welche  eine  Wiederholung  einer 
Thätigkeit  in  verschiedtMien  Ze¡traum(Mi  ausdrücken.  Diese  Wieder- 
holung kann  eine  einmalige  oder  mehrmalige  sein.  i.  Zum  Aus- 
drucke der  ersteren  hat  das  Late¡n¡sche  die  Partikeln  Herum  und 
denuo.  Im  Afrz.  begegnen  wir  mit  demselben  Sinne  der  fast  zum 
reinen  Fonnwort  erstarrten  Verbindung  de  rechief,  ilie  bis  zum 
17.  Jahrh.  gebräuchlich,  jetzt  aber  veraltet  ist.  Lat.  Grundlage  dieser 
seltsamen  Bildung  ist  de-re-capite.  Ursprüngliche  Bedeutung  dürfte 
daher  wohl  sein  *in  der  Sache  von  vorn  an'.  Zu  vergleichen  wäre 
das  italienische  da  capo. 


N. 


DIE  AFRZ.  ADVERBIEN  DER  ZEIT.  1 7 

St.  Aub.  1009  Lors  Tund  de  rechief  mut  plus  k'avant  pene.  —  Percef.  IV 
23,  I  Si  vous  requiers  de  rechef  qu'il  vous  plaise.  —  Du  Bellay  II  125  Le- 
dit ambassadeur  le  pria  de  luy  bailler  de  rechef  ce  qu'il  demandoit.  — 
Malh.  Sen.  Epîtres.  Le  dialectique  derechef  est  divisée  en  conceptions  et 
en  paroles. 

2.  Eine  mehrfache  Wiederholung  in  bistimmten  Zeiträumen 
bezeichnen  die  lat.  Adverbien  coHdie  und  guoiannts.  Das  Franzö- 
sische hat  keine  diesen  entsprechende  volkstümliche  Bildungen, 
sondern  umschreibt  die  betreffenden  Begriffe  mit  Hilfe  der  Nomina 
di\  jour  und  an. 

3.  Die  häufigere  oder  seltenere  Wiederkehr  einer  Thätigkeit 
in  unbestimmt  gelassenen  Zeiträumen  zeigen  dem  Römer  saepe^ 
raro  und  interdum  an.  Saepe  ging  den  romanischen  Sprachen 
verloren.  Statt  desselben  bedient  sich  der  Franzose  der  begriffs- 
verwandten Partikel  subinde,  die  ihm  souvent  ergab: 

Rol-  739  ^^^  ï"i  eel  host  suvent  e  menu  reguardet.  —  Fl.  et  Bl.  1262  Se- 
mont  souent  de  mengier.  —  B.  Chr.  frç.  92,  16  On  a  sovent  grant  aise  en 
petite  maison. 

In  parallelen  Sätzen  oder  Satzgliedern  wiederholtes  souvent  er- 
hält die  Bedeutung  *bald  —  bald': 

Rou  I  578  Suuent  iert  pale,  suuent  ert  pers,  Suuent  asdenz,  suuent  envers, 
Suuent  s'endort,  suuent  s*esveille,  Suuent  s'estent,  suuent  ventraille. 

Bemerkenswert  ist  noch,   dafs  das  ursprünglich  rein  adverbiale 

Wort  in  ein  Adjektiv  umgewandelt  wird.    Als  solches  entspricht  es 

in  Verbindung   mit  fois  (vices)    unserem   *zu    wiederholten   Malen' 

und  wird  zur  Umschreibung  der  einfachen  Partikel  verwandt.    Sau-- 

ventes  fois   ist    im   1 6.  Jahrh.  allgemein    im  Gebrauch ,    auch  in  I^- 

fontaines  Werken  lesen  wir  diese  Verbindung  noch.     Die  moderne 

Sprache  bedient  sich  ihrer  nicht  mehr. 

St.  Alex.  49,  i  Soventes  feiz  lor  veit  grant  dol  mener.  —  Villeh.  94,  XXXIV 
169  n  issoient  soventes  fois.  -—  Percef.  I  6,  4  Sou  ventes  foys  cheut  pasme.  — 
Rab.  I  23  Souventes  foys  s'adonnayt  a  révérer. 

Lat  raro  wird  im  Frz.  durch  rarement  ausgedrückt. 

Zum  Ausdrucke  des  in  interdum  enthaltenen  Begriffes  besitzt 
die  frz.  Sprache  keine  eigene  Adverbialform;  sie  bedient  sich  als 
Ersatz  mehrerer  Umschreibungen  vûii  fois  (vice),  nämlich: 

cl)  a  la  fois: 
B.  Chr.  frç.  112,  15  A  la  feis  Engleis  fuient  et  a  la  feis  recovreient. 

ß)  aucunes  fois  oder  auch  aucune  fois: 

Percef.  I  2,  I  Non  seullement  de  la  dycte  ysle  se  taignoient  de  la  dicte 
herbe,  mais  aussi  selonx  aucuns  les  femmes  d'icelle  ysle  aucunefois  s*en 
taignoieut.  —   ib.  II  5,  i. 

y)  maintes  fois  oder  viaintefois: 

Rou  III  343  Maintefeiz  j)ar  nun  chaleir  Par  percsce  e  par  nunsaveir  Remaint 
maint  bel  fait  a  escrire.  —   Farces  136  J'ay  ouy  dire  maintesfois. 

Wiedergabe    des   lat.  intcirea   und   seiner  Synonyma. 

Von  lat.  Wörtern  mit  der  Bedeutung  *  unterdessen*,  *  indessen', 
*  mittlerweile  '  wurden  zunächst  dum  und  interim  von  der  frz.  Sprache 

ZelUchr.  f.  roni.  Ph.    VU.  2 


1 8  W.  ZEITLIN, 

Übernommen  und  mit  partikelhaftem  Charakter  beibehalten,  doch 
ergaben  sie  nicht  zwei  selbständige  Partikeln,  sondern  vereinigten 
sich  zu  dem  untrennbaren  Lautgebilde  dementre  (pr.  dementra\  dem 
noch  das  überleitende  s  am  Ende  hinzugefügt  wurde.  —  Aufser 
dementres  findet  sich  noch  die  Form  dementiers,  für  welche  dum- 
interea  als  lat.  Grundlage  anzunehmen  ist  Das  s  am  Ende  ist 
auch  paragogisch.  Beide  Formen  des  Adverbiums  nehmen  oft  en 
vor  sich,  durch  zugefügtes  que  werden  sie  zu  Konjunktionen.  Ihre 
syntaktische  Verwendung  bietet  keine  Eigentümlichkeiten  dar;  sie 
entsprechen  in  der  Bedeutung  lat.  interea  und  werden  promiscue 
gebraucht.  —  Wir  begegnen  auch  der  Form  enirementes,  z.  B.  Froiss. 
Chron.  VIII  209.  Scheler  meint,  dafs  sich  dieselbe  aus  der  Prä- 
position entre,  dem  Adverbialsuffix  -ment  und  der  adverbialen  End- 
silbe -es  zusammensetzte.  Diese  Annahme  scheint  uns  wenig  An- 
spruch auf  Richtigkeit  zu  haben,  weil  eine  derartige  Verbindung 
nicht  zusammenpassender  Elemente  abnorm  sein  würde.  Unsere 
Ansicht  ist,  dafs  durch  Volksetymologie  etUrementres  gebildet  wurde 
(aus  en^dementres)  und  dann  die  auch  sonst  vielfach  stattfindende 
Dissimilation  eintrat,  durch  die  in  don  zwei  aufeinander  folgenden 
Silben  der  gleiche  Laut  r  beseitigt  wurde.  —  In  der  zweiten  Hälfte 
des  1 4.  Jahrh.  schwinden  die  angeführten  Adverbien  aus  der  Sprache. 
—  Noch  ist  zu  bemerken,  dafs  durch  Assimilation  die  Nebenform 
demetfres  entstanden  ist.   —  Beispiele  giebt  Burg.,  Gramm.  II  283. 

Das  Französische  besitzt  femer  zwei  dem  lat.  interea  ganz  ent- 
sprechend gebildete  Adverbien  derselben  Bedeutung,  nämlich  entre- 
tant  (inter  tantum)  und  entrues  (inter  hoc  ipsura).  Das  erstere  wird 
graphisch  nicht  selten  durch  entretemps  wiedergegeben  —  eine 
Schreibweise,  die  augenscheinlich  auf  einer  irrtümlichen  Etymologie 
beruht,  welche  tempus  als  lat  Grundlage  ansieht. 

Froiss.  Chron.  X  4  Entretemps  se  révélèrent  encores  ceuls  de  Paris. 

Mit  que  zusammen    übernehmen  entretant  und  entrues    wie   die 
vorher   behandelten  Adverbien   konjunktioneile   Funktionen.  —    Im 
1 5.  Jahrh.  werden  diese  Adverbien  noch  zuweilen  gebraucht,  später 
werden  sie  ganz  durch  Umschreibungen  wie  cependant,    a  ces  entre- 
faites u.  a.  ersetzt. 

Rou  in  567  Entretant  enueia  Rou  espier  Baieues.  —  L.  C.  d.  St.  Pal.  Laisse 
moi  aler,  il  me  tuera  entretant  que  tu  me  tiens.  —  Froiss.  Chron.  VII  6 
Entroes  estoient  les  guerres  en  Kaus  et  en  Normendie. 

Die  Gleichzeitigkeit,  also  das  zeitliche  Zusammenfallen  zweier 
Thätigkeiten  wird  schliefslich  durch  tandis  (tamdiu  mit  paragogi- 
schem  s)  angezeigt  Littré  leitet  dieses  Adverb  von  tantos  dies  her, 
während  er  für  das  entsprechende  prov.  tandius  als  lat  Grundlage 
tamdiu  annimmt  Wir  können  seiner  Ansicht  nicht  beipflichten, 
da  uns  kein  Grund  vorzuliegen  scheint,  für  die  frz.  und  prov.  Form 
verschiedene  Etymologien  aufzustellen.  Eine  Volksetymologie,  welche 
die  Silbe  dis  mit  der  gleichlautenden  in  tousdis  identifizierte  und 
eine  Komposition  tansdis  hervorbrachte,  ist  allerdings  vorhanden; 
Burguy  (Gramm.  II  328)  liefert  für  dieselbe  mehrere  Beispiele;  doch 


DIE  AFRZ.  ADVF.RBIKN  DER  ZEIT.  ig 

war  dies  eben  eine  irrtümliche  Herleitung  des  Wortes  dis.  Tandis 
verblieb  der  Sprache  als  Adverbiura  in  der  Bedeutung  'unter- 
dessen' bis  zum  Ende  des  i6.  Jahrh.  Mit  que  una  comme  zMSdsarñen 
dient  es  als  Konjunktion. 

Rom.  de  Ren.  16130  Lietard  qui  tandis  s'apensoit  De  respondre.  —  ib. 
16944  Tandis  que  il  les  asanble  Renart  ses  coroies  li  emblc.  —  Percef. 
IV  70,  4  Tandis  comme  le  roy  estoit  en  ce  propos.  —  Marot  (Glauning 
S.  45)  Tandis  entre  eux  revolvent  et  remirent  Les  mots  obscurs  de  TOracle. 
(Ovid.  Interea  repetunt  caecis  obscura  latebris  Verba  datae  sortis  secura.) 

Wir  führen  einige  Stellen  an,  die  tandis  substantiviert  mit  dem 
Sinne  *  moment',  *peu  de  temps*  zeigen.  Es  erklärt  sich  diese 
Substantivierung  dadurch,  dafs  die  Sprache  den  Begriff  *  Zwischen- 
zeit' unterschob. 

Farces  280.  —  Froiss.  Poes.  11  3,  13  Pour  ung  tandis.  —  Se  tint  avec  sa 
mf  re  un  tandis.  —    Froiss.  Chron.  XII  345  En  ce  tandis. 

Nicht  selten  sehen  wir  das  Adverbium  von  en  abhängig.  En 
tandis  veraltete  im  16.  Jahrb.,  nur  in  einigen  patois  erhielt  es  sich 
noch  länger.  Betreffs  tandis  entscheidet  sich  der  Sprachgebrauch 
dahin,  dafs  nur  tandisque  beibehalten  wird.  Den  adverbialen  Ge- 
brauch von  tandis  tadeln  schon  Vaugelas  und  Menage  als  inkorrekt 
(vgl.  Menage,  Observ.  s.  1.  lang,  frç.,  part.  I  327). 


Schlufsbetrachtungen. 

Überblicken  wir  nun,  nach  den  vorangegangenen  Untersuchungen, 
den  Gesamtvorrat  der  altfranzösischen  Zeitadverbien,  um  denselben 
mit  dem  entsprechenden  lateinischen  zu  vergleichen,  so  müssen  wir 
gestehen,  dafs  der  Verlust  an  ursprünglichen  Partikeln  ein  ganz 
aufserordentlich  bedeutender  ist.  Aus  der  reichen  Fülle  lateinischer 
temporeller  Adverbien  gingen  sehr  wenige  als  selbständige  Form- 
wörier  in  das  Französische  über:  wir  finden  nur  ante,  beri,  hodie, 
¡am,  mane,  matutine,  nunquam,  post,  primo,  semper,  subinde,  tarde, 
tempori  und  imquam,  vielleicht  auch  tunc  als  französische  Adver- 
bien wieder. 

Wie  wird  diese  auffallende  Einbufse  erklärt? 

Sie  läfst  sich  auf  einige  allgemeine  Ursachen  zurückführen: 
Ein  so  charakteristischer  Bestandteil  der  Sprache  die  partikelhaften 
Wörter  auch  sein  mögen,  so  treten  sie  doch,  ihrer  Natur  nach,  in 
dem  Sprachganzen  weniger  nachdrucks-  und  wirkungsvoll  hervor 
als  die  Nomina.  Die  Sprache  kann  sich  ihrer  leichter  entschlagen, 
weil  sie  nicht  zu  ihrem  wesentlichen  Material  gehören;  sie  besitzen 
daher  auch  eine  geringere  Existenzfähigkeit  und  Widerstandskraft 
als  jene.  Demnach  dürfen  wir  uns  nicht  wundem,  dafs  in  einer 
Periode  des  sprachlichen  Niedergangs,  wie  er  in  der  späteren 
römischen  Volkssprache  erscheint,  wo  selbst  hochwichtige  Wörter 
mit  nominaler  Bedeutung  in  groiser  Zahl  der  Vergessenheit  ver- 
fielen, das  Aufgeben  alter  Fremdwörter  noch  viol  allgemeiner  war. 


20  W.  ZEITLIN, 

Dazu  kam  der  Umstand,  dafs  die  nach  möglichster  Deutlich- 
keit und  Sinnialligkeit  strebende  Sprache  die  erstarrten  und  in  ihrer 
Bedeutung  vielfach  verdunkelten  Partikeln  durch  entsprechende  no- 
minale Umschreibungen  zu  ergänzen  suchte.  Der  Begrifi  *  jetzt' 
ward  durch  *  zur  Stunde*,  *  sogleich'  durch  *auf  der  Stelle',  *  damals' 
durch  *zu  jener  Stunde'  ersetzt.  War  aber  erst  einmal  ein  solcher 
Ersatz  gefunden,  so  verfiel  die  Partikel  um  so  schneller  und  sicherer 
dem  Untergange. 

Endlich  kommt  bei  den  Zeitpartikeln  insbesondere  jene  allge- 
mein festgestellte  Thatsache  zur  Geltung,  dafs  kurze  oder  zu  klang- 
lose Wörter  von  der  Sprache  aufgegeben  werden,  —  was  den 
Verlust  nicht  weniger  Zeitadverbien  erklärt 

Dafs  trotzdem  das  Altfranzösische  eine  sehr  beträchtliche  An- 
zahl von  Umstandswörtern  der  Zeit  besitzt,  ist  ein  Beweis  dafür, 
dafs  aus  neuen  Elementen  hervorgegangene  Formationen  den  er- 
littenen Verlust  reichlich  genug  deckten. 

Nach  ihrer  Entstehung  imterscheiden  wir  nun  bei  den  alt- 
französischen Zeitadverbien  folgende  Klassen: 

1.  Die  im  Vorangegangenen  aufgezählten  lateinischen  Zeit- 
adverbien, welche,  nach  der  den  französischen  Lautgesetzen  gemäfs 
erfolgten  Umwandlung,  der  französischen  Sprache  erhalten  blieben. 

2.  Zeitadverbien,  die  zwar  rein  lateinische  Grundlage  haben, 
deren  lateinische  Radikale  jedoch  zum  Teil  oder  ganz  anderen 
Wortklassen  angehören. 

a)  Aus  Adverbien  hervorgegangen:  adone  (ad  tunc),  idonc  (ibi 
tunc),  demenires  (dum  interim),  demenliers  (dum  interea),  longes  (longe), 
mais  (magis),  encuì  (atque  hodie)  und  tandis  (tam  diu). 

b)  Lateinische  Adjektiva  oder  Participien  liegen  folgenden  Par- 
tikeln zu  Grunde:  /r^w/i^rj  (primarius),  /»r^j^«/ (praesens),  /öj/ (tostus). 

c)  Substantivische  Bildungen:  or  (horam),  encor  (atque  oder 
hanc  horam),  lors  (¡IIa  hora),  ouaìi  (hoc  anno),  antan  (ante  annum), 
enquenuit  (adhuc  noctem?),  lues  (loco). 

d)  Formationen  verschiedener  Art:  a  estros  (ad  extrorsum),  après 
(ad  pressum),  empres  (in  presso),  demanois  (de  manu  ipsum),  entresait 
(in  transactum),  entrues  (inter  hoc  ipsum),  maintenant  (manu  tenens), 
tantost  (tantum  tostus?),  ades  (ad -ipsum)  und  die  unvolkstümliche 
Bildung  incontinent  (in  continenti). 

3.  Im  Französischen  erst  gebildete  Adverbien. 

a)  Einfache,  durch  Ableitung  entstandene  Adverbien  sind: 
errant,  erranment,  longuement,  premièrement,  présentement,  primereine- 
ment,  rarement,  sowie  die  zuweilen  mit  temporeller  Bedeutung  auf- 
tretenden Modaladverbien,  z.  B.  delivrement,  isnelement  u.  a. 

b)  Kompositionen  von  vorhandenen  französischen  Wörtern  : 
avanthier,  devanjhier,  Pautrier,  huimais,  maishui,  désormais,  oremiroit, 
orains,  desja,  de  rechief, 

c)  Phrasen  zur  Umschreibung  von  Adverbialbegriffen:  pieca, 
posa^  nagueres. 


DIE  AFRZ.  ADVERBIEN  DER  ZEIT.  21 

Bei  näherer  Betrachtung  dieser  adverbiellen  I^utgebilde  er- 
geben sich  noch  folgende  Thatsachen: 

i.  Die  charakteristische  Endung  des  Zeitadverbiums  ¡st  ^es; 
dieselbe  braucht  jedoch  nicht  immer  hinzugefügt  zu  werden.  Wir 
sehen  sie  bei  atncues,  donques,  longes,  onques,  ores,  encores  u.  a.  — 
Diez  ist  der  Ansicht,  dafs  in  Adverbien  wie  longes,  prtnies  u.  a.  die 
Endung  es  durch  Zufügung  des  Pluralzeichens  an  das  auf  e  endi- 
gende Wort  entstanden  sei.  Selbst  wenn  man  dies  als  richtig 
gelten  läfst,  kann  man  doch  -es  die  eigentümliche  Adverbendung 
nennen;  denn  für  reine  Partikeln  wie  donques,  onques,  ainques  u.  a. 
kann  man  füglicherweise  keine  Pluralbildung  annehmen;  möglich 
ist  jedoch,  dafs  diese  Adverbien  nach  dem  Vorbilde  der  erstge- 
nannten die  Endung  -es  annahmen. 

2.  Viele  Adverbien  zeigen  das  paragogische  s\  doch  ist  das- 
selbe den  ältesten  Sprachdenkmälern  noch  unbekannt.  Wir  nennen 
ains  (ante),  dementres,  dementier  s ,  lors,  ors,  premiers,  sempres,  tan" 
dis,  jadis, 

3.  Da  der  ursprüngliche  Sinn  der  Endung  ^meni  (mente)  all- 
mählich verdunkelt  wurde,  nahmen  auch  manche  Zeitadverbien  diese 
zunächst  nur  den  Umstandswörtern  der  Modalität  zukommende 
Endung  an,  so  longuement,  premièrement,  présentement,  primereinement, 
rarement  u.  a.  In  der  neueren  Sprache  tritt  diese  Endung  noch 
häufiger  zu  Zeitadverbien. 

4.  Beachtenswert  ist  die  Zusammensetzung  mit  dem  den  Be- 
griff des  Adverbiums  stärker  hervorhebenden  ipsum  (frz.  =  ois  oder 
es),  dem  sich  unser  'selbst'  bei  Ortsadverbien  einigermafsen  ver- 
gleichen läfst     Es  begegnet  uns  in  ançois,  demanois,  entrues. 

5.  Neben  den  eigentlichen  Adverbien  hat  die  Sprache  eine 
überaus  grofse  Menge  von  adverbialen  Redeweisen,  welche  teils 
zum  Ersatz  für  wirklich  verlorene  Partikeln  dienen,  teils  aber  nur 
dazu  bestimmt  sind,  gröfsere  Mannigfaltigkeit,  Abwechselung  oder 
Deutlichkeit  zu  bewirken.     Wir  unterscheiden: 

a)  vermittelst  der  Kasuspräpositionen  oder  anderer  Präposi- 
tionen mit  den  Adverbien  gebildete  Ausdrücke.  Die  Präpositionen 
{de,  a,  en,  par)  sind  nur  dazu  bestimmt,  den  Begriff  des  Adverbiums 
auf  zierliche  Weise  wiederzugeben  ;  sie  modifizieren  denselben  durch- 
aus nicht.  Beispiele  sind:  en  apres,  par  apres,  a  r apres,  alors,  en  de^ 
mentres,  en  dementiers,  en  hui,  a  longes,  de  maintenant,  de  present,  aprésente 
de  primes,  a  primes,  de  premiers,  par  main,  par  matin,  en  tandis, 

b)  Zahlreiche  substantivische  Umschreibungen,  die  in  der  alten 
Sprache  viel  beliebter  und  frequenter  sind  als  im  modernen  Fran- 
zösischen. Wir  finden  nur  den  casus  obliq.  vertreten;  denn  nur 
dieser  kann  an  die  Stelle  von  Partikeln  treten;  der  Accusativ 
kommt  am  häufigsten  vor,  doch  sind  auch  Bildungen  mit  de  und  a 
nicht  selten.  Hierher  gehören  z.  B.  tous  dis,  tousjours,  long  temps, 
ehalt  pas,  isnele  pas,  de  prim  saut,  a  la  parestrousse,  die  Zusammen- 
setzungen mit  fois  u.  V.  a. 


12  W.  ZEITLIN,    DIE  AFKZ.  ADVERBIEN  DER  ZEIT. 

Der  ursprüngliche  Zeitpartikel  vorrai  des  Altfranzösischen  blieb 
nicht  intakt,  sondern  war  schon  im  Laufe  der  ersten  Jahrhunderte 
manchen  Veränderungen  unterworfen. 

Einige  Partikeln  geben  früh  ihre  ursprüngliche  Bedeutung  auf 
oder  nehmen  neben  derselben  eine  oder  mehrere  andere  an;  so 
heifst  sempres  nur  in  wenigen  alten  Denkmälern  *  immer',  später 
bedeutet  es  stets  *  alsbald';  das  Adverbium  mainienani  =  *  alsbald' 
geht  in  die  Bedeutungen  *eben'  und  *  jetzt'  über;  das  Synonymon 
von  maintenant^  nämlich  tost,  hat  seit  dem  15.  Jahrh.  die  Neben- 
bedeutung *früh',  welche  ihm  später  ausschliefslich  bleibt;  der 
primitive  Sinn  von  primes  ist  *  zuerst';  doch  schon  im  13.  Jahrh. 
begegnen  wir  der  Partikel  mit  der  Bedeutung  'dann',  *da',  seit 
dem  14.  Jahrh.  kommt  ihr  dieselbe  allein  zu.  Donc  geht  allmählich 
zum  rein  konklusiven  Gebrauch  über;  ains  bleibt  nur  als  adversa- 
tives Adverbium  erhalten,  or  verliert  den  gröfseren  Teil  seiner  tem- 
poralen Funktionen. 

Auch  veralten  verschiedene  Zeitadverbien  und  werden  wenig 
gebraucht  oder  ganz  verworfen;  so  giebt  die  Sprache  schon  im 
13.  Jahrh.  idonc  und  huimais  auf;  im  Laufe  des  14.  Jahrh.  erlöschen 
nach  und  nach  dementres,  entruesy  entretant\  bald  nachher  sind  auch 
ainc,  antan,  lues,  entresait,  demanois,  ades  u.  a.  ungebräuchlich;  ouan 
kommt  noch  im  15.  Jahrh.  vor.  Andere  Adverbien  halten  sich 
während  der  mittel  französischen  Sprachperiode;  doch  werden  sie 
im  Verlaufe  des  16.  Jahrh.  allmählich  aufgegeben,  so  z.  B.  adone, 
enquenuii  (mfrz.  anuict),  ja,  premiers. 

So  ist  von  der  Menge  von  Zeitadverbien,  welche  das  Altfran- 
zösische besafs,  nur  ein  geringer  Bruchteil  in  die  moderne  Sprache 
übergegangen.  Diese  hat  den  Verlust  nur  unvollkommen  durch 
Umschreibungen  und  neue  Zusammensetzungen  ergänzt. 

W.  Zeitlin. 


Die  Fleiion  des  Vocativs  im  AltfranzösisGhen  und 

FrovenzaUsoheii^ 

§  I.  Einleitung.  Eine  in  der  Geschichte  der  nordwest- 
romanischen  Deklination  noch  nicht  hinlänglich  erörterte  Frage  ist 
die  nach  der  Flexion  des  Vokativs.  Man  nahm  allgemein  still- 
schweigend an,  seine  Flexion  gliche  entweder  der  des  Nominativs, 
oder  sie  stimme  mit  dem  Âccusativ  überein,  d.  h.  der  Vokativ 
Singularis  habe  bald  ein  ñexivisches  s,  bald  nicht.  So  stellt  Bartsch, 
ehrest,  de  Tane,  franç.^  S.  503  und  Chrest.  prov.^  S.  424  die  Regel 
auf:  *Le  vocatif  singulier  tantôt  a,  tantôt  n*a  pas  s*.  Burguy  Gram- 
maire I  97  bemerkt:  *Le  vocatif  avec  le  s  de  flexion  est  très  ordi- 
naire, mais  les  exemples  où  il  ne  Ta  pas,  sont  tout  aussi  nombreux. 
Les'  exceptions  à  la  règle  proviennent  sans  doute  de  l'influence 
qu'exerça  la  forme  latine  de  ce  cas,  à  laquelle  on  remonta  au 
Xllle  siècle.'  Dasselbe  sagt  Mätzner  Franz.  Gram.  S.  362.  Auch 
Diez  Gram.  11^42  und  51  erwähnt  die  unsichere  Flexion  des  Vo- 
kativs. Gaston  Paris  in  der  Einleitung  zur  Vie  de  Saint  Alexis 
S.  107  ff,  sagt:  *Une  question  qui  n'est  pas  encore  bien  résolue 
dans  l'étude  de  l'ancienne  déclinaison  française  est  celle  qui  con- 
cerne le  vocatif  des  mots  qui  appartenaient  à  la  2^  déclinaison 
latine.  Le  vocatif  de  ces  mots  se  rapprochait  par  sa  forme  non 
pas  du  nominatif,  mais  des  cas  obliques  (dominus  —  domine) 
puisqu'il  n'avait  pas  d's.  D'autre  part,  une  distinction  aussi  ñne 
que  celle  du  nominatif  et  du  vocatif  devait  échapper  à  une  langue 
qui  avait  si  considérablement  restreint  la  déclinaison,  et  l'assimilation 
de  ces  deux  cas  était  d'autant  plus  naturelle  que  dans  la  ire  et  la 
3e  déclinaison  ils  ne  difléraient  pas.  Aussi  voit-on  dans  les  anciens 
textes  français  le  vocatif  traité  tantôt  comme  un  cas  oblique  d'après 
rétymologie,  tantôt  comme  le  nominatif  d'après  l'analogie,  c'est-à- 
dire  tantôt  privé,  tantôt  pourvu  d's.' 

Lebinski,  der  in  seiner  Abhandlung:  Die  Flexion  der  Sub- 
stantiva in  der  öil-Sprache  (Breslauer  Diss.  1878),  die  Nominal- 
flexion der  altfranz.  Denkmäler  bis  zu  Ende  des  12.  Jahrh.  dar- 
gelegt hat,  hat  es  leider  versäumt,  die  Frage  nach  dem  Vokativ  zu 
beleuchten. 

Zuletzt  hat  sich  mit  unserem  Gegenstand  beschäftigt  Kosch- 
witz  in  Böhmers  Rom.  Stud.  Ill  493  ñ".  Er  hat  den  Versuch  ge- 
macht, eine  Regel  aufzustellen,  allerdings  mit  wenig  Glück.  In 
seiner  Abhandlung:   *Ueber   den  Vocativ   in    den   ältesten   französ. 


24  A.  BEYER, 

Denkmälern'  untersucht  er  nämlich  die  Vokative  in  der  Passion, 
im  Alexius  und  im  Oxforder  Roland,  welch*  letztere  in  anglonor- 
mannischen  Handschriften  überliefert  sind.  Da  Koschwitz  keine 
anderen  Texte  zu  Rate  gezogen  hat,  als  die  von  einem  Provenzalen 
geschriebene  Passion  und  solche,  die  den  Accusativ  als  Nominativ 
gebrauchen,  so  muíste  seine  Untersuchung  zu  unhaltbaren  Resul- 
taten führen. 

§  2.  Entstehung  des  Vokativs.  Ehe  wir  in  die  Frage 
über  die  Behandlung  des  Vokativs  in  den  altfranz.  und  provenz. 
Texten  näher  eintreten,  müssen  wir  uns  über  die  Entstehung  des 
Vokativs  klar  machen,  ob  derselbe  aus  dem  lat.  Vok.  entstanden 
ist  oder  nicht.  Formell  unterscheiden  sich  der  Vok.  vom  Nom. 
und  Acc.  im  Lateinischen  nur  in  der  II.  Deklination  der  Mase.  Sgl. 
auf  'US  y  und  diese  Deklination  wird  daher  beim  Übergang  ins 
Romanische  unser  besonderes  Interesse  in  Anspruch  nehmen.*  Durch 
seine  Endung  -e  kam  der  lat.  Vok.  dem  Acc.  sehr  nahe.  So  hätte 
mundus  im  Altfranz,  monz,  mundum  =  mont  und  munde  =  moni 
ergeben  müssen.  Ein  Bedenken  gegen  das  völlige  Aufgeben  des 
lat.  Vok.  in  dieser  Klasse  könnte  man  haben  bei  Wörtern,  die  im 
Nom.  Sgl.  auf  -cus  ausgehen,  wie  amicus,  jocus,  locus,  caecus  etc. 
Der  Nom.  Sgl.  amicus  muíste  altfranz.  amis  geben,  der  Acc.  amicum 
gab  mit  Ausfall  des  gutturalen  c  altfranz.  ami.  Wie  verhielt  sich 
aber  der  Vokativ  amicei 

Wir  sind  gewöhnt,  in  diesem  Vokativ  das  c  als  Sibilant  zu 
sprechen  2,  und  insofern  muíste  die  lautgesetzliche  Form  amis  sein. 
Es  wäre  also  scheinbar  der  franz.  Vok.  Sgl.  amis  ein  Rest  des  lat. 
Vok.  amice  ;  wofür  man  als  Analogon  ein  Beispiel  aus  der  Verbal- 
flexion anführen  könnte,  indem  ein  fecisti  mit  Velar  die  franz.  Form 
fäSy  dagegen  ein  fecisti  mit  Sibilant  die  Form  fesis  ergab.*  Doch 
ist  ein  solches  Fortbestehen  des  lat.  Vokativs  nicht  anzunehmen, 
was  schon  die  Form  des  Nom.  Plur.  lehrt.  Ein  lat.  amici  mit  assi- 
biliertem  c  hätte  ebenso  notwendig  amis  ergeben  müssen,  und  doch 
finden  wir  seit  den  ältesten  Zeiten  im  Franz.  die  Form  ami  für 
den  Nom.  und  Vok.  Plur.  Man  assimilierte  eben  diese  Klasse  den 
übrigen  Wörtern  auf  -us.  Da  in  den  übrigen  Deklinationen  nur 
ein  casus  für  Nom.  und  Vok.  vorhanden  war,  so  beeinflufste  dieser 
Umstand  die  II.  lat.  Deklination  und  man  gebraucht  auch  in  dieser 
die  Form  des  Nominativs  für  den  Vokativ.  D'e  ältesten  franz. 
Denkmäler   zeigen    die  Nominativform    für   den  Vokativ  verwendet. 


'  Übrigens  findet  sich  schon  im  Lat.  der  Nom.  fiir  den  Voc.  in  früher 
Zeit  gebraucht  bei  i^-Stämmen.  Siehe  F.  Bücheier,  Grundriss  der  lat.  Deci. 
2.  Auflage.  Bonn  1879.  S.  43,  wo  neben  Plautus  Asinaria  664  auch  Hör. 
carm.  I  2,42  und  Livius  I  24,  7  als  Belege  angeführt  werden.  Vgl.  auch  Neue 
Lat.  Formenlehre   1866.    S.  78  ff. 

2  Wie  es  ja  auch  zur  Zeit  der  ältesten  altfrz.  Texte  gesprochen  wurde. 
P  Diese  Behauptung  läfst  unbeachtet,  dafs  intervok.  c  vor  Palatalvokal 
nicht  schwindet,  feïs  analogisiert  sein  kann  und  amice  und  fecisti  nicht  ton- 
gleich sind.     G.] 


DIE  FLEXION  DES  VOKATIVS  IM  AFRZ.  UND  PROV.  25 

Als  man  seit  Ende  des  12.  Jahrh.  anfing,  die  Nominativform  durch 
den  Accusativ  zu  ersetzen,  was  im  Anglonormannischen  schon  in 
den  Werken  Thaüns  und  im  Brandan  geschieht,  verfiel  natürlich 
auch  der  vokativische  Nominativ  diesem  Verfahren,  und  so  kann  es 
nicht  auñalien,  wenn  wir  in  dieser  Übergangszeit  bald  Nom.,  bald 
Acc  für  den  Vokativ  gebraucht  finden. 

§  3.  Da  es  sich  bei  der  Frage,  ob  ein  Autor  den  Nom.  oder 
den  Acc.  für  den  Vokativ  gebrauchte,  meist  um  das  flexivische  s 
handelt,  so  sind  nur  solche  Werke  mafsgebend,  in  denen  die 
Nominalflexion  streng  durchgeführt  ist.  Daher  sind  auszuschliefsen 
die  Chanson  de  Roland  und  überhaupt  die  anglonormannische 
Litteratur,  da  im  Anglonormannischen  schon  in  den  ältesten  Denk- 
mälern die  Verjüngung  der  regelmäfsigen  Flexion,  das  Bestreben,  den 
Nom.  durch  den  Acc.  zu  ersetzen  —  welches  hundert  Jahr  später 
auch  auf  dem  Kontinent  einrifs  —  wahrzunehmen  ist.  In  anglo- 
normannischen Denkmälern  kann  man  daher  keinen  Aufschi ufs 
finden  über  die  Frage,  ob  die  Nominativ-  oder  die  Accusativ-Form 
für  den  Vokativ  gebraucht  ward.  Gaston  Paris  erkennt  darin,  dais 
in  den  altfranz.  Texten  sowohl  die  Nominativform  als  auch  die 
Accusativform,  die  sich  lautgesetzlich  wenigstens  teilweise  aus  dem 
lateinischen  Vokativ  hätte  ergeben  müssen,  gebraucht  wird,  ein 
Fortbestehen  des  lateinischen  Vokativs.  Böhmer  und  Müller  in 
ihren  Ausgaben  der  Chanson  de  Roland  setzen  durchweg  für  den 
Vokativ  die  Form  des  Nominativs  ein.  Gautier  in  seiner  Roland- 
ausgabe setzt  im  allgemeinen  den  Vokativ  mit  flexivischem  j,  wo 
s  ¡hm  auch  im  Lateinischen  zukommt,  und  ohne  j,  wo  auch  der 
lat.  Vok.  keins  besitzt. 

1.    ALTFRANZÖSISCH. 

§  4.  Von  Denkmälern  vor  dem  Auftreten  des  reinen  Reims 
kommt  bei  unserer  Frage  nur  der  Alexius  in  Betracht,  das  älteste 
normannische  Denkmal  des  Kontinents;  denn  in  den  Eiden,  der 
Eulalia,  dem  Jonasfragment  und  im  Leodegar  begegnet  uns  kein 
Vokativ  und  die  stark  provenzalischen  Einflufs  zeigende  Passion, 
in  der  wir  Vokative  in  der  Form  des  Nom.  finden,  wird  unten 
bei  Besprechung  der  provenzalischen  Denkmäler  zu  behandeln  sein. 

Von  späteren  Denkmälern  sind  hauptsächlich  die  poetischen 
in  Betracht  zu  ziehen,  speziell  die  reimenden.  Auch  Metrum 
und  Assonanz  lassen  unter  Umständen  erkennen,  ob  ein  Dichter 
für  den  Vokativ  den  Nom.  oder  Acc.  gebrauchte.  So  besonders 
bei  den  Substantiven  111.  romanischer  Deklination.  Die  Silbenzahl 
konstatiert  dann  mit  Gewifsheit  den  Sprachgebrauch  des  Dichters, 
ob  er  z.  B.  òfr  oder  baron,  emperere  oder  empereor  brauchte  etc.  Das 
Hauptmittel,  wodurch  wir  die  Sprache  eines  Dichters  kennen  lernen, 
ist  der  Reim,  und  nirgends  läfst  sich  die  Fessel,  die  der  Reim  dem 
Dichter  auferlegte,  besser  wahrnehmen,  als  in  der  Nominalflexion. 
Doch   stofsen  wir   auch    hierbei  auf   nicht   geringe  Schwierigkeiten. 


20  A.  BEYER, 

Zunächst  kommen  in  den  einzelnen  Texten  nur  sehr  wenig  be- 
weisende Vokative  im  Reime  vor,  denn  auf  die  im  Innern  des 
Verses  vorkommenden  Vokative  ist  wenig  Gewicht  zu  legen,  da 
ihre  Flexion  häufig  eine  willkürliche  ist 

Im  Roman  de  Rou,  Teil  III,  ed.  Andresen,  findet  man  unter 
1 1 502  Versen  nur  8  verschiedene  Vokative  im  Reim,  danmter  zwei 
Eigennamen,  die  nichts  beweisen.  In  der  Reimchronik  des  Philipp 
Mousket  haben  wir  unter  ca.  12000  Versen  nur  9  gesicherte  Voka- 
tive.    In  beiden  Texten  ist  kein  einziger  Vok.  fem.  IL  Dekl. 

Wir  haben  auch  Vokative  im  Reim,  welche  nichts  beweisen. 
Wenn  wir  z.  B.  zwei  Vokative  von  Wörtern  derselben  Art  mit  einander 
reimend  finden,  so  können  wir  nicht  wissen,  ob  z.  B.  das  flexivische 
s  dem  Dichter  oder  dem  Schreiber  angehört,  denn  Wörter  der- 
selben grammatischen  Form  können  einander  nicht  als  Stütze 
dienen. 

Am  strengsten  erscheint  in  der  Durchführung  der  Nominal- 
flexion Christian  von  Troyes.  Leider  besitzen  wir  nur  vom  Chevalier 
au  lyon  eine  genügende  Ausgabe  von  Holland.  Im  Chev.  au  lyon 
finden  wir  selten  Verstöfse  gegen  die  Nominalflexign,  so  v.  2828 
salvage  statt  salvages.  Im  Erec  und  im  Roman  de  la  Charrete  da- 
gegen begegnen  solche  Verstöfse  häufiger,  es  steht  öfter  im  Reim 
der  Accusativ  für  den  Nominativ. 

Noch  unsicherer  in  der  Behandlung  der  Flexion  im  Reim  und 
also  auch  in  der  Form  des  Vokativs,  sind  Werke  wie  Flore  und 
Blanccflor,  und  Jean  Bodels  Chanson  des  Saxons.  In  ersterem 
Text  weifst  Andresen  in  seiner  Schrift:  *Einflufs  von  Metrum, 
Assonanz  und  Reim  auf  die  Sprache  der  altfranz.  Dichter*  (Bonner 
Diss.  1874)  im  Versinnern  nur  zwei  Verstöfse  gegen  die  Nominal- 
flexion  nach,  im  Reim  dagegen  ca.  40,  wo  also  der  Accusativ  für 
den  Nonimativ  steht;  in  der  Chanson  des  Saxons  sogar  120  Ver- 
stöfse. Der  sonst  ziemlich  korrekte  Dichter  des  Veilchenromans 
Gibert  de  Montreuil  läfst  manchmal  flexi visches  s  im  Reime  bei 
Wörtern  auf  unbetontes  e  fallen,  und  in  einigen  Fällen  setzt  er  den 
Accusativ  für  den  Nominativ,  so  le  rot  für  li  rois  v.  io,  recreant  für 
recreans  v.  loi   etc. 

Andresen  a.  a.  O.  bemerkt,  dafs  Schreiber,  um  den  Versausgang 
gleich  zu  machen,  nach  Belieben  ein  s  weggestrichen  oder  ein 
solches  hinzufügten,  also  den  Acc.  für  den  Nom.  gebrauchten  und 
umgekehrt.  Indessen  darf  eine  Einwirkung  des  Reimes  nur  dann 
vermutet  werden,  wenn  der  Dichter  hinsichtlich  der  Nominalflexion 
sich  sonst  einer  gewissen  Korrektheit  befleifsigt. 

Zu  bemerken  ist  noch,  dafs  der  Vokativ  häufig  von  attributiven 
Bestimmungen,  wie  Artikel,  Adjectiva,  Pron.  poss.  begleitet  ist,  die 
in  manchen  Fällen  die  Frage  nach  der  Flexion  des  Vokativs  ent- 
scheiden helfen.  Der  Umstand,  dafs  wir  den  Artikel  bei  Appellativen 
im  Vokativ  vorfinden,  hat  nichts  Auffallendes,  sondern  ist  in  den 
romanischen  Sprachen  eine  sehr  gewöhnliche  Erscheinung.  Hier 
hat   der  Artikel  noch  seine  ursprüngliche  demonstrative  Bedeutung 


DIE  FLEXION  DES  VOKATIVS  IM  AFKZ.  UND  PROV.  27 

=  i7/f.  Das  Italienische  setzt  quel  z.B.  quel  giovanne!  He!  junger 
Mann!    Diez  Gramm.  IIP  i^  hat  den  Punkt  berührt 

Auch  im  Neufranzösischen,  besonders  in  Volksliedern,  finden 
wir  Vokative  mit  Artikel  häufig. 

§  5.  I.  Deklination  der  Feminina.  Dieselbe  bietet  keine 
Schwierigkeit  dar.  Es  wird  eben  nur  Singular  von  Plural  unter- 
schieden; in  jedem  Numerus  giebt  es  nur  eine  Form  für  alle 
Casus,  also  auch  für  den  Vokativ.     So  schon  in  den  ältesten  Texten: 

Vok.  Plur.  fillies  Passion  66  a. 

Vok.  Sing.  Alexius:  pulcele  14a,  dame  30c,  bele  failure  97a, 
mere  89  a. 

§  6.  IL  Dekl.  der  Feminina.  Bei  den  konsonantisch  aus- 
lautenden Femininis  handelt  es  sich  hauptsächlich  darum,  ob  die- 
selben im  Vok.,  resp.  Nom.  Sing,  ein  s  annehmen.  Vgl.  hierzu 
Reimpredigt  S.  XXXIV.  Vor  Wace  ist  kein  s  zu  belegen.  Im 
Alexius  kommen  auf  lo  Nom.  Sing.  Fem.  ohne  s  nur  einer  mit  s\ 
fins  58 d;  vom  Hrsg.  in  fin  geändert.  In  der  Passion  haben  wir 
allerdings  ca.  10  weibl.  Nom.  Sing,  mit  j,  doch  ist  dies  provcn- 
zalischer  Einflufs.  In  den  ältesten  Texten  des  Prov.  findet  sich 
dies  s  bereits  vor.  Es  entsteht  die  Frage:  Wie  verhielt  sich  der 
Vokativ  dieser  Fem.  II.  Dekl.  ?  Erhielt  er  im  1 2.  Jahrh.  ebenfalls 
dies  s  y  oder  behielt  er  die  Form  des  Accusativs?  Diese  Frage 
läfst  sich  nicht  bestimmt  beantworten,  da  wir  zu  wenig  belegte 
Vokative  solcher  Feminina  vorfinden.* 

Vok.  Sing.  II.  Dekl.  Fem.:  cele  fole  geni  :  sun  talent,  Reimpr. 
1 6  f.  ;  geni  fole  et  vilainne^  Chev.  au  lyon  5 1 1 2  ;  ma  douce  amor  : 
mon  seignor,  Barb.  u.  Méon  IV  309,  409  ;  fine  amors^  Durmart  le 
Gaulois  5 171  ;  mors  desloiaux^  Rutebuef  I  48  v.  42,  51  ;  dulce  flor  : 
me  labor,  P.  Meyer,  Recueil  etc.  II  338,  140. 

In  den  Predigten  des  hl.  Bernhard,  hrsg.  von  Roux  de  Lincy 
wird  stets  der  Nominativ  lür  den  Vokativ  gebracht.  O  lu,  citeiz 
de    Deu;    O   ver  luz    de  Deu  S.  552;    O   humiliieiz   ver  luz    de  Crist 

S.  553. 

Als  Vokativ  mit  s  findet  sich  genSy  Guill.  de  Pal.  6414,  Dolop. 

S.  382. 

§  7.  III.  Dekl.  der  Feminina.  Hierher  gehört  nur  das 
lat  soror.  Afrz.  Sing.  Nom.  suer^  Acc.  seror  —  Plur.  Nom.  seror^ 
Acc.  serors.     Ein  Vok.  Plur.  ist  mir  nicht  begegnet. 

Vok.  Sing.  :  ma  douce  suer  :  fuer,  Heraclius  3607  ;  amie  suer 
ib.  486,  3549;  ma  bielle  douce  suer  :  quer  ib.  3913,  ma  1res  c  hie  re 
suer  :  mon  euer,  Chev.  au  lyon.  5847;  Bele  suer!  Bat.  d'Alise.  S.  90. 
Daselbst  kommt  suer  auch  als  Accusativ  vor:  Si  ai  un  roi  et  une 
suer  cosine:  marine  S.  135;  Suer,  douce  amie,  Aucassin  und  Nicolete 
7,20;  23,18;  25,15;  Ma  douce  bele  suer  :  vl  nul  fuer,  Guill.  de 
Pal.  3020;   bele  suer  :  son  euer,   ib.    1679,    1775,  2971.     pjnmal    im 


*  Über  Ausrufe  mit  çuf/,  die  nicht  als  Vokative,  sondern  als  Accusative 
aufzufassen  sind,  siehe  Ztschr.  f.  Rom.  Phil.  VI  445. 


28  A.  BEYER, 

Vcrsinnern:  snersy  doce  amie,  Guill.  de  Pal.  7817;  doch  gehört  das 
s  dem  Schreiber  an.  Douce  suer!  Dolop.  S.  175;  bele  suer  Berthe 
a.  g.  p.  1217,   2181,  3077,  suer  Greg.  Dial.  101,2. 

§  8.  I.  Deklinat.  der  Masculina.  Vokativ  Singularis. 
Unter  den  masculinen  Deklinationen  wird  als  I  bezeichnet  die 
Deklination  der  Stämme  auf  e,  die  im  Nom.  Sing,  kein  s  haben  wie 
pere  frere  etc. 

Nur  wenig  Vokative  Sing,  sind  sicher  belegt.  Häufig  findet 
man  zwei  Formen  für  den  Vok.,  z.  B.  pere  neben  peres  etc.,  wobei  die 
Form  mit  s  die  jüngere  ist.  fredrc,  Alex.  57a.  In  der  Reimpredigt, 
in  Waces  Brut  und  Roman  de  Rou  begegnen  keine  Vok.  dieser  Dekl. 
im  Reim.  Im  Versinnem  findet  sich  hei  mesire,  Rou  11  2372;  frere 
111  491,  21 17,  6927  etc.  Die  Flexion  dieser  Deklination  ist  hier 
noch  sehr  rein;  vgl.  Rou  111  S.  555.  Bei  Christian  von  Troyes  findet 
sich  hiax  frere  :  ton  pere,  Chev.  au  lyon  5217;  òi'ax  mes/re  :  estre 
ib.  5209.  Ferner  im  Perceval  le  Gaulois:  Nenil,  oïau  frere,  a  moie 
foi.  Bartsch  Chrest.  164,  i.  Hier  würde  frères  nicht  in  den  Vers 
passen,     hiau  frere  :  mere,  Heraclius  541. 

Im  Chevalier  as  II  espees,  ed.  Förster,  haben  wir  öfter  frere 
V'  5310»  5332  etc.;  daneben  peres  8437,  allerdings  nicht  im  Reim. 

—  soveratns  pere  :  mere,  Richars  li  Biaus  2055;  hiaus  pere  :  mere, 
Rich.  415;  hiau  frere  :  mere.  Rich.  3743.  Ebenso  durch  Metrum 
gesichert:  Casielain  frere,  or  tos  coures.  Rich.  1533.  Hieraus  er- 
sieht man,  dafs  die  im  Innern  des  Verses  vorkommenden  Formen 
wie  peres  Rich.  4786,  1987  dem  Schreiber  angehören.  Dafs  wir 
im  Versinnem  Vokative  wie  pere  neben  peres,  frere  neben  frères 
finden,  ist  eine  in  Texten  des  12.  und  13.  Jahrh.  sehr  gewöhnliche 
Erscheinung.  Aber  wir  finden  auch  Fälle,  wo  Reim  und  Metrum 
verschiedene  Vokative  neben  einander  gebrauchen  und  als  dem 
Dichter  zugehörig  erkennen  lassen.  Wenn  wir  Bataille  d'Aliscans 
S.  13  lesen:  Diex,  dist  il,  sire,  vrais  peres  omnipotent  im  Reim  zu 
rendant,  vivant  etc.,  so  müssen  wir,  um  einen  Zehnsilbler  zu  er- 
halten vrais  pere  omnipotent  lesen.  Das  attributive  omnipotent  wird 
dem  Reim  zu  Liebe  sehr  häufig  in  der  Accusativform  gebraucht, 
statt  in  der  grammatisch  erforderten  Nominativform.  In  dem- 
selben (iedicht  finden  wir  S.  172:  Diex,  dist  li  quens,  peres  omni' 
potent  im  Reim  zu  talent,  malement  etc.  Hier  ist  peres  durch  den 
Vers  gesichert.  Zur  Flexion  von  omnipotent  vergi.  Guillaume  de 
Palerne,  ed.  Michelant  v.  1566:  pere  omnipotens  :  ses  dens;  v.  2422 
pere  omnipotent  :  griement.  Ferner  Fierabrás  S.  135:  hiaus  pere 
omnipotent  im  Reim  zu  garant,  vilment  etc.;  peres,  das  im  Innern 
häufig  vorkommt,  würde  hier  nicht  passen.  Et  des  Roumains 
mestre  *  et  dus,  Ph.  Mousket  4374. 

J^oi  Harris,  frères  au  bon  roi,    Rutebuef,    ed.  Jubinal  I  51, 109. 

—  Fa  US  papelars,  faus  ypocrite  :  dite,  Rutebuef  IV  73,  236.  —  heaz 


'  Der  Vers  erfordert  mestres. 


DEB  FLEXION  DES  VOKATIVS  IM  AFRZ.  UND  PROV.  2g 

/rere  :  empeTeTe,  Durmart  6 173;  /rere  :  ses  venere,  ib.  10764.  Da- 
neben im  Innern  öhers /reres,  Durmart  3630,  4301,  10735;  mestre 
:  estre,  Guill.  de  Pal.  1187.  Die  Nominativform  maisires  metrisch 
gesichert  ib.  2478;  auch  begegnet  einmal  der  Vok.  hiau  maisires, 
ib.  4789. 

In  Aucassin  und  Nicolete  werden  in  den  prosaischen  Ab- 
schnitten Formen  wie  pere  und  peres  unterschiedslos  neben  ein- 
ander gebraucht.  Ebenso  in  der  Chanson  d'Auberi  (Toblers  Mit- 
teilungen) /rere  neben  peres,  so  peres  omnipoiens  Im  Reim  zu  -ent 
S.  i8g,  12. 

Dafs  die  Flexion  der  die  Vokative  begleitenden  attributiven 
Bestimmungen  eine  sehr  willkürh'che  ist,  zeigen  nicht  blofs  Reime 
wie  omnipoiens  y  sondern  auch  z.  B.  die  Rédaction  rimée  d^'Alexis, 
aus  dem  13.  Jahrb.,  wo  ein  und  dasselbe  Adjectiv  verschieden 
flektiert  wird:  biaus  /rere  pèlerins  :  vis,  mis  etc.  v.  660,  875,  dagegen 
bel  /rere  pèlerin  'AzXm,  parchemin  v.  913;  biau  neben  biax  sehr 
haufìg. 

Aus  den  Contes  et  Fabliaux,  hrsg.  von  Barbazan  und  Méon 
sind  von  Vokativen  der  I.  mase.  Dekl.  zu  belegen  :  frere  :  le  nostre 
pere  III  22,  150.  biax  /rere  :  encontrerent  II  147,  100;  pere  :  mere 
I  303,   1008;  sire  preslre  :  estre  IV  185,  118. 

Ferner  biau  /rere  :  mere,  Dolopathos  S.  72;  /rere  :  del  pere 
Dol.  S.  200;  biau  meslre  :  estre  Dol.  S.  80.  Einmal  findet  sich  im 
Dol.  S.  232  :  Cil  respont:  Biax  pere,  oïl,  tuit.  Hier  könnte  nicht 
peres  stehen. 

Im  Münchener  Brut  findet  sich  nur  pere,  rcsp.  peire  2836, 
3136,  3261.  In  der  Einleitung  bemerkt  der  Hrsg.  S.  XLIV:  *Der 
Vokativ  hat  immer  die  Form  des  Nominativs.*  Dagegen  kommen 
in  den  Dialogen  Gregors  Formen  mit  und  ohne  s  als  Vokativ 
vor*:  Jrere  (freiré)  Greg.  Dial.  76,23;  85,19  etc.,  neben  y'r/'rc'j 
i6>9î  77»  ^7«  P^''^  (peire)  14,11;  17,24  neben  peires  157,15, 
159,  17.     maisire  St  Euphrosyne  (P.  Meyer,  Recueil  III  335,29). 

§  9.  Vokativ  Plu  ralis.  Vokative  Plur.  dieser  Deklination 
sind  sehr  selten  zu  belegen.  Vor  allem  begegnet  die  Anrede  /rere 
in  Werken  geistlichen  Inhalts.  So  z.B.  Greg.  Dial.  74,  2^,  88,  11, 
173,4  ^^C'  ^^'^''  freiré  in  der  Altburgundischen  Übersetzung  der 
Predigten  Gregors,  herausgegeben  von  Conrad  Hofinann  in  den 
Abhandlungen  der  bair.  Akademie  1881.  Der  Vok.  Plur.  /reire 
uwá  /rere  sehr  häufig,  so  S.  ^^2,  35,  109,  112.  Ebenso  chier  /reire 
in  den  Predigten  des  hl.  Bernhard  S.  521,  550  u.  s.  w. 

§  10.  II.  Dekl.  der  Masculina.  Vokativ  Singularis.  Zu 
dieser  Deklination  gehören  alle  Worter,  die  nach  dem  Typus  Sing. 
Nom.  viurs,  Acc.  7nur  —  Plur.  Nom.  murs,  Kcc.  murs  dekliniert 
werden. 


*  In  Verbindung   niit  Eigennamen   werden    nur   die  Formen    ohne  s  ge- 
braucht :  p^re  Stevenes,  frere  Marcea x   etc. 


30  A.  BEYER, 

Deusy  die  gewöhnliche  afrz.  Form  des  Vokativs.  *  So  schon 
Alex.  1 2d,  46a.  Reimpredigt  67a.  — Von  Vokativen  Sing,  dieser 
Deklination  finden  sich  im  Alexius:  reis  5d,  67e,  41a  (das  attri- 
butive Adjectiv  celestes  ist  in  der  Accusativform  überliefert;  vom 
Hrsg.  geändert),  vis  AI.  97a,  filz'^  iib,  27a  u.  s.  w.,  amis  22a, 
96  a,  97e.^ 

Von  Adjektiven  II.  Dekl.  finden  wir  im  Vokativ,  und  zwar  in 
der  Nominativform:  chiers  Alex,  223.,  2yey  gta,  òe/s  :^ia,  88b,  2 2d, 
/jons  45 d,  ric/ies  44a  und  saintismes  7 2d.  In  letzteren  beiden  ist 
das  flexivische  s  durch  das  Metrum  gesichert,  daher  ändert  auch 
(t.  Paris  das  90e  überlieferte  eher  und  das  dreimal  begegnende 
hei  (44a,  57a,  97a)  und  fügt  s  an.-* 

In  Waces  Nicolas  ed.  Delius  findet  sich  nur  ein  Vok.  IL  mase. 
Dekl.  amis  :  quesis  v.  1440.  In  Waces  Brut  ed.  Le  Roux  de  Lincy 
(leider  keine  kritische  Ausgabe)  finden  wir  zuweilen  den  Acc.  für 
den  Vok.  gesetzt  : 

Mal  cuiverty  fait  il,  ja  mourras,  Brut  375. 

Locrirtt  dist  il,  put  fei,  pul  fol  :  son  col,  ib.  1384. 

caia/  mei,  Brut  1948,  vgl.  lat.  me  miserum! 

Sonst  findet  sich  in  der  Nomintivform  :  filz  Brut  2775,  2857 
u.  s.  w.,  amis  ib.  1 1 830. 

Im  Roman  de  Rou  (Ausgabe  von  Andresen)  sind  nur  wenig 
Vokative  zu  belegen,  Wir  finden  auch  schon  den  Acc.  für  den 
Vok.,  ähnlich  wie  im  Brut. 

Vok.  Sing.:  malvais  coarl  :  trop  tart,  Rou  lU  7043  (vergi,  die 
Beispiele  zum  Vok.  Plur.  dieser  Deklination). 

Sonst  finden  wir  amis  durchweg  für  den  Vokativ  gebraucht 
II  1460,  3912,  4285;  III  2128.  Von  dominus  lautet  der  Vokativ 
bald  danz,  bald  dan:  Dan  abes  II  1720;  dan  clerc  III  2357;  Dan 
BernarlUl  2^2^. 

Regelmäfsiger  ist  die  Flexion  bei  Christian  von  Troyes,  welcher 
die  Nominativform  für  den  Vokativ  verwendet  :  chevaliers  :  premiers, 
Chev.  au  lyon  975,  amis  :  mis,  Chev.  au  lyon  1057,  2017,  5134, 
:  apris,  Pere.  4514,  :  ocis,  ib.  2422,  amis  :  assis,  Bartsch  Chrest^ 
166,32.  Auch  Adjectiva  haben  die  Nominativform:  dex  pt/issanz  : 
dedanz,  Bartsch  Chrest.  163,6;  amis  r/>rj  :  mestiers.  Pere.  2657; 
:  volentiers.  Pere.  5844. 

Die  Flexion  der  P'.igennamcn  kann  uns  über  den  Vok.  keinen 
Aufschlufs  geben,  da  sie  sehr  willkürlich  flektiert  werden.  Ge- 
wöhnlieh wird  bei  ihnen  der  Accusati v  für  den  Vokativ  gebraucht, 
obwohl  häufig  in  ein  und  demselben  Texte  Nom.  und  Acc.  bei 
demselben  Nomen    proprium  vorkommen.     So  finden  wir:    Merlin  : 


*  Ebenso  im  Latein. 

*  P  hat^a;  S ßus.     Im  Acc.  ist  ebenfalls  yi/z  überliefert:    6c,  30e  etc. 
^  Schon  in  der  Passion  amicx  38  a. 

*  Auch  in  lier  Passion  vers  (verus)  76a  als  Attribut  zum   Voc.  rex. 


DIE  FLEXION  DES  VOKATIVS  IM  AFRZ.  UND  PROV.  3  I 

de  millor  lin  Waces  Brut  7559;  tu  amis  Bernart  :  coart  Rou  II  1466. 
—  Por  deu,  Qua/ogrenaut  :  siLiïïantf  Chev.  au  lyon7i;  Mes  sire 
Vvain  :  demain,  ib.  599;  :  vain  1549.  Dagegen:  Mes  sire  Vvains  : 
vos  estes  mes  cosins  germains,  Chev.  au  lyon  579,  629.  Kbenso 
vergi.  Bataille  d'Aliscans  S.  37  :  Dist  Aerofles  :  A  moi,  Guiliaumç^y 
entent;  hier  kann  nicht  Guillaumes  gelesen  werden.  Dagegen  ib. 
S.  4 1  :  Dist  Aerofles  :  Guillaumes ,  on  vas-tu  ?  Dist  Aerofles  :  Guil- 
laumeSj  entendes. 

Im  Heraclius  kommt  nur  ein  Vokativ  im  Reim  vor:  Aie  dieus, 
sains  esperii  :  li  dist  v.  86.  Hier  ist  allerdings  Accusativform  an- 
zunehmen, die  übrigen  im  Versinnern  vorkommenden  Vokative 
jedoch  stehen  im  Nominativ:  fieusi  Heracl.  385,  389;  amis  ib.  561. 

Der  Chevalier  as  II  espees  setzt  den  Nom.  für  Vok.  amis  häufig 
im  Reim,  so  amis  :  plevis  4015;  :  mis  340;  :  fis  4957;  entrepris 
6566;  :  pais  8078.  sire  chevaliers  \\o\çxi\i^x%  4394;  :  fiers  4713; 
:  premiers  8734;  sire  rois  \  à\x  dois  (discus)  428,  5185.  rois  \ 
cortois  983.  Einmal  im  Reim:  Vallet  :  se  met  6198,  daneben 
im  Versinnern  häufig  Valles  3884,  3945,  3973,  8876.  Im  Richars 
li  Biaus  steht  überwiegend  der  Nominativ  für  den  Vokativ  im  Reim: 
amis  :  tramis  Rieh.  2027;  :  Loeys  4146;  biaus  damoisiaus  :  li  biaus, 
Rieh.  774;  :  li  vassaus  4986;  vassaus!  :  tu  saus,  ib.  52 1Ò;  sire  rois 
:  asseois,  ib.  4105.  Es  finden  sich  nur  2  Reime,  die  den  Vokativ 
in  der  Accusativform  aufweisen:  franc  chevalier  :  Tot  chier,  Rich.  2188 
und  der  neben  dem  Vok.  osles  v.  1344,  1347,  4357  vorkommende 
Vok,  osle  :  les  sa  coste,  Rich.  1324. 

Huon  de  Bordeaux  :  Hé  !  Auberons ,  pullens  nains  bocerés  :  je 
serai  afames,  Bartsch  Chrest.   192,  17. 

In  den  Contes  et  Fabliaux  von  Barbazan  u.  Méon  finden  wir 
den  Vok.  in  der  Nominativform:  amis  :  avis  IV  343,  551  ;  :  sis  (sex) 
III  287,  149,  :  pramis  IV  419,  809  und  öfter.  Dagegen  ist  IV  309, 
409  zu  lesen:  mon  dous  ami  y  da  auch  die  übrigen  Vokative  an 
dieser  Stelle  im  Acc.  stehen  (s.  S.  35 — 36).  —  sire  rois  :  drois, 
Í  72,339;  III  208,  131.  sire  haut^  reiz  :  menestreiz,  III  84,  262; 
Filz  :  vis  IV  230,429.  Sains  Esperis  :  apuris  IV  52,  1028;  A  vos 
congié  Waubers  h  der  s  :  enfers  I  140,  157.  —  Einmal  findet  sich 
in  der  Accusativform:  chailif  dolent  :  torment  IV  331,  155. 

Die  in  den  Laissen  abgefalsten  Gedichte,  wie  Jean  Bodels 
Clianson  des  Saxons,  die  Bataille  d*Aliscans  und  der  Fierabrás  zeigen 
die  Regel  vom  flexivischcn  s  schon  häufig  verletzt,  auch  im  Reim, 
daher  oft  der  Acc.  für  den  Vok.  gesetzt  wird.  Dies  ¡st  besonders 
im  Singular  der  ¥sM,  so  z.  B.  Vok.  Sing.:  chevalier  :  -¡er,  Alise.  S.  5. 
losengier!  ebenfalls  eine  ier-Tirade,  ib.  S.  29;  baceler  :  -er,  ib.  S.  103. 
Auch  der  Nom.  Sing,  lautet  häufig  baceler  im  Reim¡  Alise.  97,  141 
u.  s.  w. 

Doch  auch  biax  amis  :  plevis  :  quis  etc.,  Alise.  S.  199.  biax 
amis  :  fis  :  mis  etc.,  Fierabrás  S.  2^.  —  amis  :  mis,   Rom.  Viol.  278, 

'  M.ui  bessere  /tanz. 


32  A.  BEYER, 

Q43»  5777  f  ^^^^  ^^^^^  chiers  :  Je  ne  sui  ne  fers  ne  achieis,  Rom. 
Viol.  4455.  —  Der  Ace.  für  den  Vok.  findet  sich  z.  B.  Rom.  Viol. 
V.  5356;    sire  vassal:  vostre  assai. 

Die  ungefähr  1 243  n.  Ch.  geschriebene  Reimchronik  des  Philipp 
Mousket  zeigt  stets  den  Nom.  für  den  Vokativ  verwendet,  biaus 
Jous  amis  :  promis,  Mousket  8634,  10086;  Karies,  bons  rois  :  conrois 
V.  7106;  Et  des  Roumains  mestre  et  dus  :  Augustus  v.  4374  (s.  S.  28). 

An  der  Stelle,  wo  Karl  um  Roland  trauert  und  diesem  eine 
Lobrede  hält,  v.  8400  ff.,  werden  durch  12  ganze  Verse  hindurch 
Vokative  gebraucht  und  zwar  alle  in  der  Form  des  Nominativs. 
Der  Schlufs  dieser  Anrede  lautet:  Destruisieres  de  Sarrasins,  A 
chresliiens  aidieres  fins.  In  v.  805  ó  Rois  hardis,  rois  larges  et  preus, 
ist  der  Nom.  metrisch  gesichert. 

Bei  Rutebuef  finden  wir  von  Vok.  Sing.  II.  mase.  Dekl.  haupt- 
sächlich ami  im  Reime;  so  amis  :  mis  I  149,  42;  II  12,  57;  IL102, 
81  etc.;  Deus  ànemis  :  mis  II  82,  95.  Die  Chanson  d^ Auberi  (Toblers 
Mitteilungen)  läfst  im  Vok.  von  Masculinen  li.  Dekl.  das  flexivische 
s  häufig  weg;  so  haben  wir  in  längeren  Tiraden  auf  -ier  Vokative 
Sing,  wie  messaigier  5,  28;  paumier  57,3;  bot  illier  68,  30;  doch  be- 
gegnen Vokative  wie  amis,  anemis  nur  im  Reim  zu  -is:  11,22; 
35,  18;    193,  19. 

Im  Guillaume  de  Palerne  :  pere  rois!  :  fois  v.  4922;  biax  dous 
amis  :  garis  2868;  :  pris  6721,  8250;  :  paradis  917 1  etc.;  :  vis 
4926.  Adjectiva,  die  als  Attribut  zum  Vokativ  sire  stehen,  finden 
sich  im  Reim  in  der  Nominativform.  Biau  ^  sire  chiers  :  li  vachiers, 
Guill.  de  Pal.  584;  volentiers,  ib.  702,  8295,  9035.    Ähnlich  3 129 ff.: 

He'f    vrais  dous  peres  Jesu  Cris, 

Rois  sor  tos  rois  poesteis 

Vraie  paterne,  omnipotent  etc.  :  vraiement. 

Der  Ace.  findet  sich  im  Reim  nur  in  Vassal  :  du  cheval.  Quill, 
de  Pal.  2132,  daneben  im  Verse  bons  vassaus  2"] 22, 

Im  Durraart  le  Gaulois:  rois  :  Morois  6016;  :  li  Galois  IH23. 
amis  :  esbahis  4169  ;  :  fornis  1 1394  ;  chevaliers  vermauz  :  li  seneschauz, 
ib.  13047.  —  Mavais  chevaliers  Com  estes  fei  et  pautonniers  v.  4499; 
beaz  sire  damoisealz!  Aves  vos  eus  ses  juealz  1975;  sire  chiers  :  li 
arciers   10482,   10572;  :  li  esquiiers  3641«;  :  volentiers  5033. 

Der  einzige  Ace.  ist  vassal,  welches  zweimal  im  Reim  vor- 
kommt, vassal  :  le  mal,  Durra.  2917;  :  le  seneschal  779.  Ira  Dolo- 
pathosv  (hrsg.  von  Brunei  u.  Montaiglon)  findet  sich  amis  häufig  im 
Reirae:  S.  55,  78,    172,  389  etc.     riches  rois  debonere  :  fere  S.  14.  — 

—  las!  dolanz 
Filz,  tu  n*avoies  ke  .VII.  ans.     S.  117. 

Der  Münchener  Brut  bietet  keine  Vokative  ilieser  Deklination 
ira  Reira.  Die  ira  Versinnern  vorkoraraenden  zeigen  die  Nominativ- 
forra,  so  amis  2>2>ò^ì  ^^'«^  49 1-     ^^  dci"  altlothringischen  Übersetzung 


'  Es  ist  biax  zu  schreiben. 


DIE  FLEXION  DES  VOKATIVS  IM  AFRZ.  UND  PROV.  ^^ 

der  Predigten  Gregors   ist    sehr    beliebt  der  Vokativ  yi/s  S.  87,  91, 
107  etc.     Der  Acc.  lautet  in  diesem  Denkmal  fi/  S.  125. 

Die  Dialoge  Gregors  zeigen  den  Nom.  für  den  Vokativ,  falls 
liicht  direkte  Nachahmung  des  Lateinischen  vorliegt,  ß/z  =  lat.  fili 
23,10;  78,18;  209,22;  238,1;  ebenso  Serm.  de  Sap.  318,13; 
sers  del  sanior  =  serve  dei,   140,  13;  jovenceaz   198,  12. 

Wenn  wir  43,  14  lesen:  O  lo  saint  homme  Fortuneit  lo  vesque^ 
so  ist  dies  direkte  Anlehnung  an  das  lat.  Original  :  O  virum  sanctum 
Fortunatum  episcopum,  Vokative  von  Eigennamen  stehen  im  Nom.: 
sainz  Equice^  25,  15  =  sánete  Equiti  ;  Maxmes  2^2,  14  =  Maxime 
(s.  S.  29). 

Die  Pred.  d.  hl.  Bernh.  zeigen  Filz  häufig.  Mit  sire  zusammen 
findet  sich  der  Vok.  :  toz  poixans,  S.  527;  Chaitis  malaurous,  ke 
presume  tu,  S.  523.  —  O  nobles  rois  et  rois  de  ciel^  S.  553.  — 
O  enfantemenz  solz  senz  dolor,  S.  530.  Daneben  auch  der  Vok.  Sing, 
im  Acc.  einmal:  Ami,  lai  la  venjance,  S.  522. 

i^  II.  Vokativ  Pluralis  (II.  mase.  Dekl.).  Derselbe  ist  nur 
in  geringer  Anzahl  zu  belegen.  Abgesehen  von  dem  im  Vers- 
innern  stehenden  Vok.  Plur.  Mariner,  Waces  Nicolas  234  findet 
sich  das  erste  gut  belegte  Beispiel  eines  Vok.  Plur.  II.  mase.  Dekl. 
in  Waces  Brut  3132:  Fil  a  putain  .  .  .  coart  :  essart;  ib.  1 1058:  Mi 
compaignon  et  mi  ami  :  qui  estes  ci.  Hier  also  die  Nominativform  ; 
dagegen  finden  wir  Rou  III  9583  :  chevaliers  reals  :  des  vassals, 
während  ein  Vok.  plur.  von  Adjektiven  begegnet  Rou  III  2652: 
BarunSy  funt  il,  franc  natural  :  a  cheval. 

Sarrasin!  :  fin.  Rich.  2635.  —  ^'^  ^  putain,  garçon  bouvier  : 
allez  couchier,  Barb.  u.  Méon  III  338,  387.  In  der  Chanson  des 
Saxons  des  Jean  Bodel  (éd.  F.  Michel)  findet  sich  ein  Vok.  plur. 
dieser  Deklination  und  zwar  im  Nom.:  nobile  chevalier  :  -ier  S.  12. 
Ebenso  in  der  Bataille  d' Aliscans:  Fil  a  putain,  dist  il,  garçon  lanier 
:  -ier,  Alise.  S.  232.  In  demselben  (iedicht  findet  sich  im  Versinnem 
der  Vok.  plur.  mi  fil.  Alise.  S.  251.  —  Im  Reim  steht  derselbe 
Vok.  bei  Gautier  de  Coincy  545,  loi  :  /////  mi  fit, 

Tuit  mi  ami  et  trestuit  eil  etc. 
Franc  chevalier  menbré  \  commandé,  arme  etc.,    Fierabr.  S.  71,    158; 
Xobile  chevalier  :  ier,  ib.  99,    106. 

Eine  gr<)fsere  Anzahl  von  Vok.  plur.  II.  Dekl.  begegnet  in  den 
Gedichten  des  Rutebuef  :  prélat  et  prince  et  roi  :  le  desroi,  I  6,  84 
(Dit  de  (iuill.  de  St.  Amour). 

He  !    arcien  !  —  Decretistrc,  fisicien 
Et  vous  la  gent  lustinien 

Et  autre  preudomme  ancien  etc.  1  95»  40  fif.  (Complainte 
de  Guillaume  de  St.  Amour).  Ahi!  grant  der,  grant  provandier  : 
viandier  (Nom.  Plur.)  I  112,  309  (Complainte  d'Outre  -  Mer).  — 
Prélat,  clerc,  chafalle  r,  bor  fois!  I  137,  183  (Nouv.  Complainte 
d'Outre  Mer).  —  Venez ,  //*  buen ,  a  ma  citei ,  Alez ,  //  mal,  a 
dampnement,  I  175,  31  (Chanson  de  Pouille).  Vasseur,  qui  estes 
a  Tostei,    Et   vos    li  bachelier    e'/Vi/w/ :  sachant ,    I  176,50   (Chanson 

Zolliwhr.  f.  rom.  l'Ii.   VII.  2 


34  A.  BEYER, 

de  Fouille);  ebenso  I  165,  85  (Voie  de  Tunes).  In  der  Chanson 
d*Auberi  finden  wir  von  Vok.  plur.  :  nobile  chevalier  :  -ier  57,  9  ; 
148,  2}^,  Ebenso  in  einer  ?Vr-Tirade:  Mauvais  garçon ,  lecheour, 
pautonnier  7,  5;  Fil  a  putain  pusleni  :  mesprent  etc.   110,  g. 

Der  Dit  dou  vrai  aniel  zeigt  bereits  völlige  Verdrängung  des 
Nom.  durch  den  Acc.  So  findet  sich  ein  Vok.  Plur.  mes  amis  : 
mis  v.  222. 

chevalier  I  :  troi  millier,  Guill.  de  Pal.  6666.  —  O  vos  trestuit  ki 
irespasseZt  Dolop.  S.  405.  —  Culvert  de  put  lina  ge  y  Mönch.  Brut  1437. 
filh,  Senn,  de  Sap.  285,  29,  33,  38  ;  Maleoit,  Hiob  344,  7.  Endlich 
begegnen  einige  Vok.  Plur.  in  den  Pred.  d.  hl.  Bernh.  :  Tuit  li  arbre 
,  . .  eslevez  vos  mains  S.  530.  —  Aprenez  ami  S.  535  ;  signor  roi! 
S.  550.  —  Ciel  oyez  et  terre  rezoif  en  tes  orgoilles  S.  530.  —  In 
einem  wallonischen  Denkmal ,  der  Vie  de  sainte  Juliane,  haben  wir 
im  Reim  bon  crestoien  :  bien  (P.  Meyer,  Archives  des  Missions  V  203). 

§  12.  Für  den  Vokativ  der  II.  raasc.  Dekl.  ergiebt  sich  aus 
den  oben  angeführten  Beispielen  : 

1.  Abgesehen  von  Eigennamen  findet  sich  für  den  Vok.  Sing, 
und  Plur.  der  Nominativ  gesetzt.  So  steht  der  Nom.  für  den  Vok. 
ausschliefslich  in:  Alexius,  Waces  Nicolas,  Christian  von  Troyes, 
Chevalier  as  II  espees,  Reimchronik  des  Philipp  Mousket,  Rutebuef, 
Guillaume  de  Palerne,  Durmart  le  Gaulois,  Dolopathos,  Gregors 
Dialoge,  Altlothring.  Übersetzung  etc. 

2.  Je  einmal  findet  sich  der  Acc.  für  den  Vok.  Sing,  im  Reim  : 
Waces  Brut  1384;  Heraclius  86  ;  und  in  den  Pred.  d.  hl.  Bernh. 
S.  522. 

3.  Der  Roman  de  Rou  zeigt  im  Reim  sowohl  für  Vok.  Sing, 
wie  Vok.  Plur.  den  Acc.  neben  dem  Nom.  malvais  coart  :  tart, 
Rou  III  7043;    chevaliers   reals  :  des    vassals  III  9583. 

4.  Je  2  Beispiele  für  den  Acc.  im  Vok.  begegnen  im  Richars 
li  Biaus  1324  und  2188,  sowie  in  den  Contes  et  Fabliaux  von 
Barbazan  und  Méon  IV  331,  155  und  IV  309,  409.  In  allen  übrigen 
Fällen  steht  der  Nom. 

5.  Bei  dem  Worte  vassal  ist  im  Vok.  Sing,  schon  früh  der 
Acc.  für  den  Nom.  gebraucht  worden  ;  so  findet  es  sich  nur  je 
ein  mal  im  Reim  im  Rom.  Viol.  535O  :  vostre  assai,  Guill.  de 
Pal.  2132  :  du  cheval,  zweimal  im  Dunnart  le  (iaulois  v.  779,  2917 
—  alles  Texte,  in  denen  sonst  nur  der  Nominativ  für  den  Vokativ 
gebraucht  wird. 

6.  In  den  in  gereimten  Laissen  geschriebenen  Gedichten,  wie 
Chanson  des  Saxons,  Bataille  il' Aliscans,  Fierabrás  und  Chanson 
d'Auberi  findet  sich  mehrfach  der  Acc.  für  den  Vok.  Doch  ¡st 
dabei  zu  bemerken,  dafs  es  vorzüglich  die  langen  auf  -/>r  aus- 
gehenden Tiraden  sind,  in  denen  man  sich  gestattete,  das  flexivische 
s  des  Reimes  wegen  fortzulassen.  Im  Vok.  Plur.  hingegen,  der  ja 
auf  'ier  auslautete  und  in  die  Laisse  S(»hr  wohl  pafste,  ist  keine 
solche  Verjüngung  eingetreten,  daher  iindet  sich  in  den  genannten 
Gedichten  der  Vok.  Plur.  stets  in  der  Nominativform. 


DIK  FLEXION  DES  VOKATIVS  IM  AFRZ.  UND  PROV.  35 

§  13.  111.  Deklination  der  Masculina.  Vokativ  Singular. 
Dieser  Deklination  folgen  alle  Noraina,  die  bei  der  Bildung  des 
Accusati vs  den  Accent  verschieben,  oder  um  eine  Silbe  zunehmen. 
Bei  den  Wörtern  der  III.  Deklination  bietet  das  Versmafs  ein 
gutes  Mittel,  um  zu  erkennen,  welche  Form  'ein  Dichter  für  den 
Vokativ  gebrauchte.  Auch  kommen  im  Versinnem  nur  wenig 
Unregclmäfsigkeiten  in  der  Flexion  vor.  Ein  im  Altfranzösischen 
unendlich  oft  wiederkehrender  Vok.  ist  sire.  Ich  werde  also  nicht 
alle  Fälle  anführen,  in  denen  das  Wort  im  Reim  oder  Versinnem 
vorkommt,  sondern  nur  eine  Auswahl  geben. 

Im  Alexius  finden  sich  von  hergehörigen  Vokativen:  hom  44a, 
45 d,  72 d;  sire  6 mal  belegt:  lood,  104 a,  113a  etc.;  sire  :  aiXQ 
begegnet  Reirapredigt  i  i6e,  Waces  Nicolas  254,  Brut  6987.  Femer 
Wörter  wie  quens,  Brut  1 1043  '»  ^'^-^  ^'^•^»  ^^^^  9774  î  Put  fel^  ib.  1384. 

Im  Roman  de  Rou  sire  :  dire  III  3707,  1^11  \  sire  quens  II  1574  ; 
gentil  her  :  plorer  III  1 10Q3  und  öfter  im  Versinnem  II  670,  III  2893; 
Dans  abes  II  1 7  20.  Neben  dem  Vok.  Saint  Saveir  (==  Severus)  : 
poeir,  Rou  III  3958  findet  sich  in  der  Accusa tivform  im  Reim  Saint 
Salveor  :  s*enor  III  3955. 

Von  Eigennamen,  die  bei  dieser  Deklination,  was  die  Flexion 
anbetrifiTt,  von  gröfserer  Wichtigkeit  sind,  als  bei  den  vorhergehenden, 
begegnet  im  Vok.   sire    Otes,   Rou  II  3154    (der    Acc.    lautet    O  tun 

II 3187). 

Christian  von  Troyes:  sire  oft  im  Reim,  Chev.  au  lyon  263, 
601,   1297,  3827;  sire  compainZj  ib.  6468. 

Ebenso  sire  im  Heraclius;  femer  emperere  :  pere.  Her.  4780, 
5644,  beweist  aber  nicht,  ob  der  Dichter  empereres  sagte. 

Im  Chevalier  as  II  espees  :  Si  li  dis  :  Sire,  et  jo  Totroi  v.  2  204  ; 
hiaus  compain   10430;  hiaus  nies  :  25Ó9,  8359. 

Ebenso  Richars  li  Biaus:  sire  im  Reim  92,  852,  4825  etc.; 
compains  5312,  5318;  sire  qtians  \  ^o\^Ví%  4042. 

Huon  de  Bordeaux  (Ausgabe  von  Guessard  und  Grandmaison) 
Traitres  leres!  2084,  metrisch  gesichert;  biax  nies  2563;  sire  iu 
der  Assonanz  9 141;  glotis  Bartsch  Chrest.^  184,15.  pjgennamen 
im  Vokativ:  Hues!  v.  2307,  8095  (Acc.  Huon);  Na/es  !  v.  72,  300 
(Acc.  Nalon). 

Von  Wörtern  III.  Dekl.  finden  sich  in  den  Contas  et  Fabliaux 
von  Barb.  u.  Meon,  und  zwar  in  der  Nominativform:  He!  N^icoias 
li  Carpentiers  —  Compains  debonair  e  et  entiers  I  141,  193;  trahitres 
parjurs!  IV  4Ò9,  534;  sire  :  ire  I  109,  i  io;  :  diro  I  244,  79  etc.  Zum 
ersten  Mal  findet  sich  der  Vok.  in  der  Accusativfomi  Barb.  u.  Méon. 
IV  309,  409  :     Ele  respont  :  Mon  dous  signor. 

Mon  dous  amis,  ma  douce  amor; 
(loch  gehört  das  betr.  Gedicht  jedenfalls  späterer  Zeit  an. 

Bataille  d*Aliscans  :  mes  S.  5,  6  etc.;  treciere  :  pioniere  19;  fei 
traitres  44  etc. 

('hanson  dos  Saxons:  biaus  nies,  S.  174,  9;  227,7;  «^'''^»  tffoiz 
empereres  211,  4;  fel  cuver z  renoiez   255;  Jel  traites  renois  258,5. 

3» 


30  A.  BEYER, 

Das  attributive  Adjektiv  im  Accusativ  :  fei  traître  puilent  :  -ent, 
S.  173.  —  glous  sehr  häufig  S.  34,  35,  38  etc.,  auch  gloz  S.  2Q, 
39;  quens  S.  41,  121;  gentix  nobles  et  her  :  -er  S.  76,  10 1,  219; 
sire,  nicht  sires,  ist  belegt  Alise.  S.  160  Par  Mahomet,  j/jre,  or 
vos  en  gardés.  —  S.  219  Dist  Rainouars:  Biaus  sire,  avant  venés.  — 
S.  225  Trestot  s'escrient  :  Baudus  sire  u  es  tu? 

Bei  den  Eigennamen  wechselt  Nom.  und  Ace.  im  Vok.  Wir 
finden  im  Reim  Samson  :  -on.  Alise.  S.  72.  Daneben  Vok.:  Sanises 
ib.  S.  72.  —  Auch  im  Fierabrás  ist  sire,  nicht  sires,  als  Vok.  Sing, 
belegt  :  Et  dient  a  Karion  :  Biaus  sire  alons  nous  ent.  Fier.  S.  1 35, 
—  Sire,  u  est  li  quens  Guis,  mes  noviaus  mariés,  ib.  S.  102.  — 
Puis  a  dit  a  Rollanti  Biaus  sire  or  esgardéz,  ib.  S.  86. 

Der  Vers:  Sire,  drois  emperere,  envers  moi  entendes  S.  133 
würde  nicht  beweisen,  ob  der  Vok.  emperere  oder  empereres  lautet, 
dagegen  S.  135  Et  dist  Reniers  de  Genes:  Emperere  or  entent  — 
lâfst  nur  die  Form  emperere  zu.  Ferner  finden  sich  im  Fierabrás 
Vokative  wie:  nies  S.  6,  138  etc.;  glous  S.  26,  63,  167,  177;  her 
S.  22,  ly,  compainz  S.  26,  52,  84,  157  etc.,  trechieres  S.  29.  Eigen- 
namen im  Vok.  stehen  in  der  Form  des  Nom.  ;  Guenes  S.  1 64,  1 68 
(Acc.  Guenelon);  Karies  S.  169,  179  (Acc.  Karion);  Guis  S.  1 10  (Acc. 
Guion).  Als  Nominative  fungieren  auch  die  Accusative  der  Eigen- 
namen+i,  jedoch  nicht  als  Vokative. 

Reimchronik  des  Ph.  Mousket.  Aufser  dem  üblichen  sire  haben 
wir:  Sire  compainz  preus  et  sent  s  v.  7146.  Die  ältere  Form  ist 
compaign  und  begegnet  mehrfach:  Hc!  Oliviers^  hiaus  dous  compaign 
:  je  vous  plaign,  v.  8074  ;  Compaign  Rolians!  6019;  sire  compaign 
6892;  quens  8248;  hiaus  nies,  poissans  et  fors  :  de  tout  mon  cors 
8346.  Ebenso  8415,  8733.  —  sire  empereres  11135.  —  Guenles^ 
traîtres  lere  —  /V/  desloiaus  et  /aus  mordere,  v.  8126  (die  ent- 
sprechenden Accusative  würden  Guenelon,  traitor,  felon  etc.  lauten) 
Guenles  als  Vok.  auch  v.  7509,  Agamies  81 10. 

Rutebuef:  He!  cuens  Jehan  .  .  .  sire  :  dire  II  70,  97;  II  72,  205 
etc.;  cuens  de  Blois  I  72,  133. 

Im  Aue.  und  Nie.  sind  Vok.  wie  sire,  quens  zahlreich.  Einmal 
begegnet  der  Vokativ  her  13,6  in  der  Assonanz.  Die  Chanson 
d'Auberi  zeigt  Vok.  III.  Dekl.  im  Nom.:  sire  cuens  30,  8;  frans 
cuens  36,  16;  78,  1 1;  sire  compainz  165,  3;  Traîtres  193,  19;  240,  7. 
Von  pj'gennamen  begegnet  Vok.  Huedes  häufig  in  dieser  chanson. 
Daneben  einmal  der  Acc.  im  Vok.  Huedon   188,  24. 

Guillaume  de  Palerne  :  sire  häufig  im  Reime;  :  dire  1954; 
•  ire  335,  6000;  //  miens  chier  sire  :  mire  9077.  Metrisch  gesichert 
V.  9395  :  Conissons?  voire,  sird,  oïl;  sire  preudom  :  guerredon  513; 
nies  2153;  her  6653. 

Durmart  le  Gaulois:  Aufser  sire  findet  sich  im  Reim:  culvers 
trahi  tres,  Ierres  —  Vos  P  empor  tt's  come  roheres  4231  ;  nies  8 191,  985  T, 
13887;   niíTS  O243  ;   hraz  co  m  pa  ins  g  en  fiez  et  dos    133  20. 


DIE  FLEXION  DES  VOKATIVS  IM  AFRZ.  UND  PROV.  37 

Dolopathos:  sire  häufig  im  Reim;  durch  den  Vers  gesichert 
S.  Ill,  iQi,  192  etc.  Aufser  nies  S.  35Ò  findet  sich:  Ierres  205; 
en/es  219;  7nes  an  fes  i^^i'y  híax  preudons  :  séìonc  raison  S.  412. 
Hier  ¡st  das  j  zu  streichen. 

Selbst  in  späteren  Denkmälern  sind  Vok.  dieser  Deklination 
fast  nur  im  Nom.  zu  belegen. 

Enfances  Ogier,  hrsg.  v.  Scheler:  Drois  empereres  479;  nies  818; 
Namles  729. 

Berte  aus  grans  pies,  hrsg.  v.  Scheler:  sire  Diex  .  .  .  vrais  gou' 
ver  nere  1065;  mauvais  lere  1069,  beide  im  Reim  auf  ^ere, 

Li  coronemens  Lovys,  hrsg.  von  Jonkbloet:  gloz  138,  840; 
nies  363.  Der  Acc.  für  Nom.  steht  z.  B.  v.  1791  :  Sire  Acelin,  nO' 
bile  poigneor,  in  der  0- Assonanz.  Ebenso  in  Assonanz  v.  2 114: 
Vostre  merci,  baron,  wo  nur  eine  Person  angeredet  wird. 

Im  Münch.  Brut  ist  im  Reim  kein  Vok.  III.  mase.  Dekl.  ent- 
halten.    Im  Versinnern  nur  sire  3261. 

Die  Dialoge  Gregors  zeigen  sire  und  sires  sowohl  für  Nom. 
wie  für  Vok.  sire  40,3;    140,18.     Hiob  335,36;  364,24. 

Dagegen  mes  sires  =*  áorsÁne  mi!  211,9.  Ebenso  begegnen 
beide  Formen  neben  einander  in  den  Pred.  d.  hl.  Bemh.  chier  sire 
S.  524,   526,  531,  552;  chier  sires  536,  551. 

Das  attributive  Adjektiv  steht  noch  in  der  Nominativflexion: 
sire  toz  poixans!  S.  527.     Aufser  sire  nur  noch  der  Vok.  0  tu  hom 

s.  523»  530. 

Die  altlothr.  Übersetzung  der  Predigten  des  hl.  Gregor  hat  für 
den  Nom.  sire  und  sires;  im  Vokativ  gewöhnlich  sire  S.  82,  ici 
u.  s.  w. 

§  14.  Vokativ  Plural  (III.  mase.  Dekl.).  Von  Vok.  Plur.  der 
III.  mase.  Dekl.  findet  sich  zuerst  ein  Beleg*  in  Waees  Brut  12878: 
gentil  signor  :  bon  conquereor.    Compaignun,  gentil  home,  Rou  li  3790. 

Bei  Christian  von  Troyes:  Seignor  :  le  traitor,  Perceval  7291; 
Seignor  :  lor,  Pert,  in  Bartseh  Chrest.  163,  29. 

Baron  :  lor  gargon.  Rich.  3354;  Segnor  :  honor,  Heraclius  2127, 
3347,  5087.  —  Zwei  Vok.  Plur.  finden  sich  auch  in  der  Chanson 
des  Saxons:  Qar  retornez,  baron  :  a  esperón,  S.  258.  —  Et  li  rois 
lor  eserie:  Parlez  a  moi,  glotón  :  guerredon  S.  259. 

Bataille  d'Aliseans:  franc  chevalier  baron  :  -on  S.  168.  —  Armés 
vos,  bel  enfant  :  -ant  S.  163.  Im  Innern  des  Verses  kommt  als 
Vok.  Plur.  glouton  S.  45,  neben  gloutons  S.  35  vor.  Signor  im 
Innern  häufig  S.  74,  98  etc. 

Rutebuef:  Empereor  et  roi  et  conte  :  Ten  conte  I  107,  i. 

Prince^  baron,  tournoiour 

Et  vos  autre  sejorneour  I  132,51   (Nouv.  Compi. 
d'Outre  Mer). 


*  Das  im  Alexius  viermal  sich  findende  seinors  als  Voc.  Plur.  (93a,  loia, 
105  b,  125  a)  ist  dem  anglonormannischen  Schreiber  zuzuschreiben. 


.38  A.  BEYER, 

In  der  Rédaction  riraée  d'Alexis  lindel  sicli  ein  Vok.  Piur.  im 
Nom.  :  Peceor  nonsaçant  :  vivant,  grant  etc.  v.  941. 

Chanson  d'Auberi:  yrí?«^  chevalier  baron  :  -on  S.  255,4;  ^^^on 
:  bouton  209,18.  Ira  Versinnern  auch  Enfant!  4,32;  Seigneur  ^^  ^o. 
—  Im  Guill.  de  Pal.  steht  im  Reim:  mi  baron  :  a  esperón  1891  ; 
1972.  biau  signor  :  s'onnor  5029;  :  de  tei  labor  5043;  :  rempereor 
2487,  2513,  2612;  :  lor  6130,  6949.  biau  signor  chier  :  son  destier 
V.  5588.      Dagegen  biau  signor  s  :  cors  5643. 

Dunnart  le  Gaulois:  bea/  saignor  :  el  criator  118 14.  Im  Vers- 
innern steht  ebenfalls  der  Nominativ:  Seignor  5982,  Ò799,  9566; 
Enfant!  31 21. 

Dolopathos:  Biau  seignor  :  de  Tennor,  S.  84,  160.  Im  INIünch. 
Brut  kommt  von  Vok.  Plur.  nur  vor:  seinor  (seinur)  v.  764,  787, 
817,  947,  nicht  im  Reim. 

saniory  Serm.  de  Sap.  283,2;  288,41.     Hiob  330,27. 

signor  roi,  Pred.  d.  hl.  Bernh.  S.  550. 

§  15.  Aus  den  angeführten  Beispielen  ergiebt  sich  für  den 
Vok.  der  III.  mase.  Deklination: 

1.  Für  den  Vok.  Sing,  und  Plur.  dieser  Dekl.  wird  der  Nom. 
gesetzt 

2.  Der  einzige  Fall,  wo  abgesehen  von  Eigennamen  der  Acc. 
für  den  Vokativ  steht ,  ist  Barb.  u.  Meon  IV  309,  409  :  man  dota 
signor  :  ma  douce  amor,  aber  an  dieser  Stelle  stehen  alle  Vokative 
in  der  Accusa tivform  (s.  S.  35).     Sonst  ist  der  alleinige  Vokativ  sire, 

3.  Als  im  12.  Jahrh.  die  Nominative  dieser  Dekl.  ein  j  an- 
nahmen, wurden  diese  Formen  allerdings  auch  für  den  Vokativ 
gebraucht,  doch  zeigen  Reim  und  Silbenzahl,  dafs  die  ursprüng- 
lichen Formen  noch  sehr  lange  im  Vokative  festgehalten  wurden. 
Formen  wie  sire,  emperere,  Ierre  etc.  finden  sich  im  Reim  und  lassen 
kein  j  zu.  Durch  Silbenzahl  ist  sire  gesichert  in  den  angeführten 
Versen  aus  Aliscans,  Fierabrás,  Guill.  de  Pal.  etc.  (siehe  S.  36), 
ebenso  der  Vok.  cmperere  ohne  .9  im  Fierabrás.  Einen  Vok.  sires 
kann  ich  weder  aus  Reimen  noch  durch  das  Versmafs  nachweisen, 
er  begegnet  nur  in  Prosatexten,  so  in  den  Dialogen  Gregors  und 
Predigten  des  hl.  Bernhard.  Anreden  wie  sire,  emperere  etc.,  wenn 
sie  im  Innern  des  Verses  vorkommen,  werden  gern  in  die  Cäsur 
gesetzt.  Da  nun  im  Afrz.  hinter  der  Cäsur  noch  eine  unbetonte 
Silbe  stehen  kann,  die  im  Verse  nicht  mitgezählt  wird,  so  kann 
man  dann  nicht  mit  Sicherheit  erkennen,  ob  die  betr.  Vok.  auf  e 
oder  CS  ausgingen. 

4.  Die  Vok.  Plur.  kommen  stets  im  Nom.  vor.  Als  einziges 
Beispiel  für  den  Acc.  fand  sich  biau  signors  :  cors,  Guill.  de  Pal. 
5643,  indessen  lautet  auch  in  diesem  Denkmal  der  Vok.  Plur.  signor, 
wie  die  übrigen  Reime  beweisen. 

Auf  dem  ganzen  Gebiet  des  Altfranzösischen  hat  man  bis  ins 
13.  Jahrh.  hinein  den  Nom.  für  den  Vok.  gebraucht  Noch  in 
einem  Denkmal  des  14.  Jahrhunderts,  in  dem  von  P.  Meyer  in  der 


DIE  FLEXION  DES  VOKATIVS  IM  AFRZ.  UND  PROV.  39 

3.  Publikation  der  Sociétc  des  anciens  textes  veröffentlichten  Aben- 
teuerroman Brun  de  la  Montagne  iìndet  sich  der  Vok.  fast  durch- 
gängig in  der  Form  des  Nom.  (vgl.  Mussafia  in  der  Ztschr.  f.  rom. 
Phil.  I  100).  Zur  Zeit,  als  der  Accus,  eine  immer  gröfsere  Aus- 
dehnung in  der  Sprache  gewann  und  den  Nom.  verdrängte,  wurde 
dieser  Casus  natürlich  auch  für  den  Vok.  verwendet,  und  es  ist 
begreiflich,  dafs  wir  zuweilen  Acc.  und  Nom.  in  demselben  Text 
für  den  Vok.  finden.  Erst  als  man  am  Ausgang  des  14.  Jahrh. 
in  jedem  Numerus  nur  eine  Form  festhielt  —  die  neu  französische 
Gestalt  —  gab  es  auch  für  den  Vokativ  keine  verschiedenen  Ver- 
tretungen mehr. 

II.    PROVENZALISCH. 

>5  16.  Im  Provenzalischen  haben  wir  von  den  ältesten  Denkmälern 
an  die  Flexion  vollkommen  ausgebildet.  Die  Regel  vom  flexivischen 
s  wurde  festgehalten.  So  ist  sie  streng  durchgeführt  im  Boëtius  und 
in  dem  am  besten  hier  erwähnten  Alexanderfragment  (vgl.  Flechtner, 
Sprache  des  Alex.-Fragm.  Breslau  1882).  Weniger  sorgfaltig  ist  die 
Passion,  doch  finden  sich  Vokative  nur  in  der  Form  des  Nominativs. 
Die  Trobadors  kannten  diese  Regel  ebenfalls,  beachteten  sie  aber 
mehr  oder  wem'ger  streng.^  Zur  Zeit  Raimon  Vidais,  des  Verf. 
der  Razos  de  trobar,  um  die  Mitte  des  13.  Jahrb.,  war  diese  Regel 
nicht  mehr  in  vollem  Bewufstsein.  Um  die  Mitte  des  14.  Jahrh. 
war  sie  längst  im  Sprachbewufstsein  verschwunden,  und  auch  die 
theoretische  Einführung  der  Leys  d'Amors  konnte  sie  nicht  mehr 
zu  allgemeiner  Anwendung  bringen.  Was  die  Flexion  des  Vok. 
anlangt,  so  lehren  die  beiden  Grammatiker  Uc  Faidit  und  Raimon 
Vidal  eine  völlige  Gleichstellung  des  Nom.  und  Vok.  in  beiden 
Numéris;  ebenso  natürlich  die  Leys  d'Araors  ein  Jahrhundert  später. 
Uc  Faidit  im  Donat  proensal-  S.  3,  4  stellt  die  Regel  auf,  dafs 
alle  Wörter  auf  ö/W,  eire  und  ire  im  Nom.  Sing,  kein  s  annehmen, 
ihr  Acc.  endige  sich  auf  -ador,  resp.  -edorf  -ü/or.  Er  sagt  aus- 
drücklich: *Der  Vok.  gleicht  dem  Nom.,  er  endet  also  nicht  auf 
'üdor*  Die  Praxis  widerspricht  in  zahlreichen  Fällen.  Er  führt 
eine  Reihe  von  Wörter  auf,  die  im  Nom.  Sing,  nicht  j  annehmen 
—  also  auch  im  Vok.  nicht,  wie  maestre,  presire,  postre,  sener,  die 
organischen  Komparative  melher  etc.,  ferner  sor  (sóror),  bar  (baro) 
genser,  leuger,  greuger.  Wir  finden  jedoch  viele  dieser  Wörter  mit 
s  im  Reim,  darunter  auch  Vok.,  z.  B.  sors  :  defors,  Flamenca  4780. 

Von  Femininis  hebt  Faidit  die  Wörter  auf  -aiz  und  -uiz  her- 
vor und  bemerkt,  dafs  erstere  im  Nominativ  und  Vok.  Sing,  und  im 
ganzen  Plural  auf  -alz  ausgehen  (bontatz),  letztere  im  Nom.  und 
Vok.  Sing,  auf  -i//s,  im  Nom.  und  Vok.  Plur.  aber  auf  -///  auslauten. 
Stengel  S.  6. 


['  Vgl.  dazu  Reimann,  Die  Deci,  der  Subst.  u.  Adj.  in  der  langue  d'oil. 
Danzig  1882.     G.] 

•  Die  beiden  ältesten  provenzalischen  Grammatiken  Le  Donatz  Proensals 
und  Las  Razos  de  Trobar,  herausgegeben  von  E.  Stengel.     Marburg  1878. 


40  A.  BEYER, 

Ebenso  lehn  Kaimon  Vidal  cinc  völlige  Olciclislellung  des 
Nora,  und  Vok.  IJbcr  die  parisillabischen  Masculina  bemerkt  Vidal  *: 
Alle  masculinen  Wörter  nehmen  í  an  in  6  Casus,  im  Nom.  und 
Vok.  Sing.,  im  Gen.,  Dat.,  Acc.  und  Abi.  Plur.,  und  erhalten  kein 
s  in  à  Casus:  Nom.  und  Vok.  Plur.  und  im  Gen.,  Dat.,  Acc.  und 
Abi.  Sing.  —  Er  bezeichnet  das  Annehmen  des  s  als  alongar.  Über 
den  Vok.  sagt  er  :  *Autresi  de  totas  las  parolas  masculinas  s*alongan 
tuit  li  vocatiu  singular  et  s'abreujon  tuit  li  vocatiu  plural.  Li  vo- 
catiu  singular  s'alongon  autresi  com  li  nominatiu,  el  vocatiu  plural 
s*abreujon  autresi  com  li  nominatiu.'  Ebenso  lehren  die  Leys 
d* Amors  2  verschiedentlich  die  Gleichheit  des  Nora,  und  Vok.  II  104: 
*Lo  vocatius  es  tostemps  semblans  al  nominatiu  en  termenatio'; 
femer  II  154:  *Tug  li  nominatiu  e  li  vocatiu  singular  regu lärmen 
devo  termenar  en  s  e  li  plural  ses  s/  Ebenso  li  210.  —  Dafs  die 
Grammatiker  so  strenge  Regeln  für  die  Flexion  der  Substantiva 
aufstellen,  hat,  wie  Raimon  Vidal  selbst  sagt,  seinen  Grund  darin, 
dafs  man  im  ganzen  prov.  Sprachgebiet  gerade  inbezug  auf  Nom. 
und  Vok.  Sing,  und  Plur.  schwankte,  während  Acc.  Sing,  und  Plur. 
überall  richtig  gebildet  wurden.  Mit  andern  Worten,  die  Regel 
vom  flexivischen  s  war  im  13.  Jahrh.  in  der  Volkssprache  aufser 
Gebrauch  geraten. 

Aus  alledem  folgt,  dafs  die  Trobadors  des  12.  und  13.  Jahrh. 
keine  strenge  Nominalñexion  innehielten,  sondern  schon  früh  Nom. 
resp.  Vok.  mit  dem  Acc.  vermengten.  Wir  werden  daher  Vokative 
sowohl  im  Nom.  als  auch  im  Acc.  neben  einander  vorfinden,  doch 
war  der  ursprüngliche  und  in  älteren  prov.  Texten  alleinige  Ver- 
treter des  Vok.  der  Nom.  Zum  Beweis  sollen  einige  Beispiele  aus 
älteren  prov.  Texten  folgen.  Die  Einteilung  und  Reihenfolge  der 
Deklinationen  ist  dieselbe  wie  im  Afrz. 

§  17.  I.  De  kl.  der  Feminina.  Dieselbe  hat  der  Regel  nach 
im  Plur.  s  y  im  Sing,  nicht,  doch  findet  sich  ein  Vok.  Sing,  mit  s 
z.  B.  maires  de  Christ.  Mahn,    Werke  d.  Troub.  IV  67. 

§  18.  II.  De  kl.  der  h' emini  na.  Nur  Vok.  Sing,  sind  belegt 
und  zwar  im  Nom.  morz!  im  Boëtius,  Bartsch  Chrest.  prov.  4,  27. 
Der  Vok.  utorz  im  Bertrán  de  Born,  ed.  Stimming,  Lied  41,  17 
rührt  vom  Hrsg.  her.     Die  Hs.  haben  mort. 

Ein  häufig  begegnender  Vok.  ist  Amors /^  so  Jaufre  Rudel  ed. 
Stimming  43,43;  45,8;  twiors  :  socotìì  Flamenca  2695  und  öfter. 
Chanso!  Mahn   Werke  I  i6ü  wechselt  mit  chansos  I  13g. 

Bella  donna  gaia  e  va/enlz, 

Pros  e  corioza  e  conoìsseniZy 

Flors    (le  heliaiz  e  flor  s  (Vonorsy 

Flors  de  joven  e  de  valors.    Mahn  Werke  II  154  if.; 


'  Stengel  S.  74  lì. 

*  Monuments    de    la    littérature   Romane    par  M.  Gatien -Arnoult.     Tou- 
louse  1842. 


DIE  FLEXION  DES  VOKATIVS  IM  AFRZ.  UND  PROV.  4I 

iwrats    /ums    c    clortatz  :  platz,     Guiraut    de    Horneil.       V.    Meyers, 
Recueil  etc.  1  82,  Chrest.  prov.  99,  19. 

î^  19.  111.  Dekl.  der  Feminina,  bella  sors  :  defors,  Fla- 
menca 4780. 

§  20.  I.  Dekl.  der  Masculina.  Vokativ  Singularis.  Vot. 
mit  s  sind  nicht  sicher  zu  belegen.  In  den  ältesten  Prosatexten 
des  Provenzalischen  aus  dem  1 2.  Jahrh.,  der  prov.  Übersetzung  des 
Johannis-Evangeh'ums  ',  sowie  in  den  von  P.  Meyer  herausgegebenen 
Sermons  Limousins-  lassen  sich  nur  wenige  Vok.  nachweisen:  Paer 
Job.  Fa*.  Kap.  17  v.  i,  21,  24;  Paer  Jusz  =  PsLier  juste,  Joli.  Ev. 
Kap.  17  V.  25.  —  hl  poetischen  Denkmälern  finden  sich:  proplule 
in  franz.  Form  Passion  47d;  fraire  :  -aire,  Gir.  Ross.^  8283.  Ebenso 
fr  air  e  metrisch  gesichert  corns  fraire  e  cors  amis^  Gir.  Ross.  5225.  — 
bel  sener  paire  Flamenca  109. 

Vok.  Plur.  1.  mase.  Dekl.  kann  ich  nicht  belegen. 

§  21.  II.  Dekl.  der  Masculina.  Vokativ  Singularis.  Im 
Boëtius  findet  sich  nur  die  latinisierte  Form  dottine  pater^  Chrest. 
prov.  16,22;  sonst  ist  die  gewöhnliche  Form  doti,  in  der  älteren 
Prosa  dorn,  Job.  Ev.  13  v.  6,  25,  36. 

In  einem  Gedicht  des  Trobador  Marcabrun  (L*autrier  jost'  una 
sebissa)  steht  am  Anfang  der  Strophen  Toza  abwechselnd  mit  Doti, 
Chrest  prov.  60. 

Von  Vok.  Sing.  IL  Dekl.  begegnen:  reis  Serm.  Lim.  Chrest. 
prov.  24,  19;  amicx,  Pass.  38  a;  vers  rex,  Pass.  76  a. 

Im  Girart  de  Rossilho:  attiicx  .  .  .  penedetisiers  :  -iers,  Chrest 
prov.  39,  34;  attiicx,  ib.  38,  10;  doti  reis,  ib.  ^2,  19;  reis  del  eel,  ib. 
42,  17;  doti  Vila  pautotiier,  ib.  43,4;    En  lausengier  :  -ier  Gir.  Ross. 

V.  443^- 

Bertrán  de  Born,  ed.  Stimming:  Reis  de  F  ratissa  2,36;  Gens, 

¡oves  cors  francs  e  ver  ais  e  fis  ',  úq  mon  pais  19,  1 7  ;  Mailolis,  joglars 

malastruc  :  faissuc   etc.    24,  i.     Stimming   bemerkt   zu    dieser  Stelle, 

dafs  das  im  Vok.  erforderliche  s  des  Reimes  wegen  abgefallen  sei. 

Bels  dous  Maracdes  fis  :  conquis,  bei  Gaucelm  Faidit  Chrest. 
prov.  145,3.  —  Xyiez  Gram.  IP  42  führt  als  Beispiel  für  das  Vor- 
konmien  von  Nom.  und  Acc.  im  Vok.  eine  Stelle  aus  dem  Grafen 
von  Poitiers  an,  wo  dorn  pelegrin  :  -in  (latin  etc.)  vorkommt  Das 
betr.  Gedicht:  En  Alvernha  etc.  befindet  sich  in  Raynouards  Choix 
V  1 18.  —  corles  ttiessalgiers  :  volun tiers,  Choix  IH  88  aus  Bernard 
de  Ventadour. 

Im  Roman  de  Flamenca  (hrsg.  v.  P.  Meyer)  haben  wir  bels 
osles  V.  2398  metrisch  gesichert    —    N'Architnbaul,  bels  atnix  :  enix 


*  S.  Bartsch,    Grundriss   der   prov.  Lit.  §  12.     Abgedruckt   in   Bartsch, 
Chrest.  prov.  S.  7 — 16. 

*  Jahrbuch  VII  81 — 84.     Chrest.  prov.  23 — 26.     P.  Meyer,  Recueil  etc. 
I  40 — 43.     Die  vollständige  Ausgabe  von  Chabaneau  war  mir  nicht  zugänglich. 

3  Girarz   de  Rossilho,   herausgegeben    von  Conrad  Hofmann,    in  Mahn, 
Werke  der  Troub.     Teil  I.     Berlin  1855. 


42  A.  HEYER, 

850;    :  ricx   2959,  6848;    (ijitix  häufig    im  Verse  31Ò7,    3182   etc.; 
bel  scner  Dieus  :  mieus  5059.     Der  Vok.  lautet  auch  Deu  1095,  4578. 
Alas!  Caitiu  vialaurat, 

Engeìosìty  cngratonat,    1 165.    fils  im  Innern   103,   126. 
Mahn,    Werke    der  Troubadours:    Beh    aniicsy    avinens    e    bos  : 
amoros  I  88;  Jilos  bels   Vezers  1  21. 

Bels  dotis  Engles  francx  et  ardiiz 

Cortes^  essenhatz,  essernitz  :  -itz,     Mahn  Werke  1  379. 

Senkers  Dieus,  drechuriers,  cars, 

HumilSf  resplandens  e  ciar  s,     1  215. 

Jhesus  omnipotens 
Rey  s  dreiiuriers,  humils  :  guirens,  II  175. 

Keys  grazttZy  Ä£>«;'rt/2;  :  entendatz  IV  27;  Reis  glorios,  vcrais 
I  tuns  1  82   (Guir.  de  Bor.). 

E  ditz  :  Ai  sacrifizi  ^  Jhesu  Christ  drtiturers  :  que  sia  sobrcrs. 
P.  Meyer,  Recueil  I  107  ;  Albigenserkrieg  841 1. 

Im  Breviari  d'amor,  ed.  Azaïs,  findet  sich  im  Vok.  der  Nom. 
paire'^  omnipotens  :  gens   14507.  * 

rei^  celestials  :  terrenals  (Acc.  Plur.)  14656;  :  mais  (Acc.  Plur.)  14075. 
^22.  Vokativ  Plurali s.  Als  ältester  Vok.  Plur.  begegnet: 
Filleth,  Ev.  Joh.  1 3,  33  ;  übersetzt  das  lat.  filioli.  —  Im  Girart  de 
Kossilho  :  miei  companhier  :  -ier  v.  7 1 60  ;  franc  chevalier,  baro  membrat. 
No  respondam  al  rei  oltracujat  v.  1082;  im  Versinnern:  frane 
chevalier,  Chrest.  prov.  34,  16.  Fais,  envejos,  fementit  lausengier  :  -ier, 
Bertrán  de  Bom  15,49;  Catalan  escamus,  ih,  6,41;  senhor  cavalier  : 
mestier.  Flamenca  7932;  Senhor  s  franc  cavalier,  Albigenserkrieg  8243; 
neben  cavalers,  ib.  8216. 

In  den  Anciennes  poésies  religieuses  en  langue  d'oc,  zuerst 
von  P.  Meyer  herausgegeben,  dann  abgedruckt  in  der  Chrest.  prov., 
begegnet  ein  Vok.  Plur.:  Mei  amie  e  mei  fiel  :  lo  gazel,  Chrest  17,  i. 

^2^,  In  den  behandelten  Texten  bemerken  wir,  nach  den 
angeführten  Beispielen,  schon  früh  eine  Vermengung  des  Nom.  und 
Acc.  zur  Vertretung  des  Vok.,  namentlich  des  Vok.  Sing.  Der  Vok. 
Plur.  erhielt  sich  länger  in  der  Fonn  des  Nom.  Rein  von  der 
erwähnten  Vermischung  sind  die  Prosatexte,  der  Boëtius  und  die 
Passion.  Im  Anfang  des  12.  Jahrh.  brauchten  die  Dichter  schon 
Nora,  und  Acc.  für  den  Vok. 

§  24.  III.  Dekl.  der  Masculina.  Vokativ  Singularis.  Der 
am  häufigsten  auftretende  Vok.  Singl.  dieser  Deklination  ist  senher, 
gerade  wie  im  Afrz.  sire.  Er  findet  sich  zuerst  in  den  Sermons 
Limousins:  O  seiner  deus,  Chrest.  24,  18. 

Im  Girart  de  Rossilho  ist  er  sehr  häufig,  senher:  Chrest.  36,  ^2\ 
37»  12;  39,  II   etc.     Aufscr  senher  haben  wir  im  Vok.:  bos  om  bar' 


'  Besser   mit  Tobler  zu  schreiben:   al  sacrifizi,  und  die  Rede  erst  nach 
diesem  beginnen  zu  lasen. 

2  patres  einzusetzen,  da  es  die  gewöhnliche  Form  ist  im  Brev.  d'am. 
'  reis  zu  bessern. 


DIK  FLEXION  DES  VOKATIVS  IM  AFRZ.  UND  PROV.  43 

hutz  :  -utz,  ehrest.  44,  2.  beus  neps^  Gir.  Ross.  933,  i688;  fcl!  8720; 
gioL  ib.  5213  im  Reim;  corns  fratre,  ib.  5225,  8700;  tracker  8148. 

Bertrán  da  Born:  senher  3,11;  26,16  etc.;  bar  6,21;  senher 
cn  cams  39,  i;  senher,  Mahn  Werke  1  161  ;  II  9;  11  175;  senher  s 
I  215;  Seinher  Frames  (Aimaud  de  Marueil,  Aissi  cum  seih  .  .  .  .) 
Choix  111  215;  Sahaire  Crist  (Guil.  Figueira,  Totz  hom  .  .  .)  Mahn 
Werke  11  175.  Bei  Peire  Vidal  findet  sich  auch  der  Acc.  als  Vok.  : 
ehrest,  prov.  107^33;  Raros  Jezus!  Ebenso:  Emperador ,  Mahn 
Werke  II  9. 

Flamenca:  bel  sengner  :  estreiner  6130;  bei  seiner  :  feiner  7071; 
bei  sener  cars  :  avars  224^;  pars  :  1235.*  Auch  bels  seners  cars  3790; 
bel  sener  betiaüralz  :  apensatz  3656. 

Albigenserkrieg  :  Senher  reis  8265;  Senher  corns  8400. 

Im  Evangile  de  TEnfance,  welches  dem  14.  Jahrhundert  an- 
gehört, haben  wir  neben  senher  Chrest.  prov.  386,40;  387,  7; 
388,22  etc.  bereits  den  Vokativ  mon   effan[t]  Chrest.  385,38.  42; 

S  25.  Vokativ  Plurali  s.  In  den  Sermons  Limousins  lautet 
der  Vok.  Plur.  seinor  und  senor,  Chrest.  prov.  25,  26;  Meyer,  Re- 
cueil 1  40 — 43.  Der  früher  Boëtius  20  angenommene  Vok.  Plur. 
enfants  (Diez  Gram.  II  42)  ist  mit  Repht  durch  die  Lesart  enanz 
beseitigt  worden. 

Girart  de  Rossilho:  baro  :  gloto  (Acc.  Sing.)  5788;  senhor, 
Chrest  34,  1Ò;  Chantador,  Jaufre  Rudel  50,8;  Baron,  Bertrán  de 
Born  6,  37;  44,50;  I  ^^  etc.;  senhor ',  ^iov.  Mahn  Werke  1  39; 
Chantador  Mahn  Werke  I  98;  senhor  :  -or.  Choix  III  51,  58,  88 
(Bern.  v.  Ventadour);  vgl.  Raimon  Vidal.  Stengel  S.  76.  In  dem 
Gedicht  des  Bern.  v.  Ventadour  (Mahn,  Gedichte  II  348,3:  En 
pessamen  etc.)  steht  der  Vok.  Plur.  seignors  im  Reim  auf  -ors,  durch 
alle  Strophen  hindurch. 

Der  Dichter  des  Albigenserkrieges  -  bietet  ebenfalls  Senhors 
V.  8216,  8290,  daneben  auch  den  Nom.  fur  den  Vok.  Bei  companho! 
sehr  häufig. 

§  26.  Schlufs.  Aus  den  wenigen  erhaltenen  Vokativen,  die 
in  der  II.  mase.  Dekl.  genügend  belegt  sind,  ersehen  wir,  dafs  im 
Provenzalischen  seit  den  ältesten  Texten  bis  ca.  zum  1 2.  Jahrh.  der 
Vok.  in  allen  Deklinationen  und  Numéris  die  Form  des  Nom.  ge- 
habt hat.  Seit  den  ältesten  Denkmälern  ist  die  prov.  Nominal- 
ñexion  vollkommen  ausgebildet.  Die  Fem.  II.  Dekl.  haben  von 
Anfang  an  s,  und  auch  bei  den  Mase.  U.  Dekl.  ist  die  'regle  de 
Ps'  streng  gewahrt.  Seit  Anfang  des  12.  Jahrh.  beginnt  der  Verfall 
der  Flexion,  also  früher  als  im  Altfranzösischen.  Die  Trobador- 
lieder  zeigen  daher  auch  Vokative  im  Nom.  und  Acc.  neben  ein- 
ander. Die  III.  mase.  Dekl.  scheint  die  ihr  eigentümlichen  Nominative 
—  die  also  auch  für  den  Vokativ  dienten  —  länger  festgehalten  zu 


'  Das  im  Text  stehende  car  v.  1234  ist  in  cars  zu  bessern. 
•  P.  Meyer,  Recueil  I. 


44  A.  BEYER,  . 

haben  als  die  übrigen  Deklinationen,  wenigstens  begegnen  Vokative 
dieser  Dekl.  in  der  Form  des  Nom.  noch  in  später  Zeit.  Der  Ver- 
fall der  Flexion,  die  Verdrängung  des  Nom.  durch  den  Acc,  ging 
sehr  rasch  vor  sich,  und  im  13.  und  14.  Jahrh.  waren  auch  wissen 
schaftliche  Werke,  wie  dasjenige  Raimon  Vidais  und  die  Leys 
d* Amors  denselben  nicht  mehr  aufzuhalten  im  Stande,  trotzdem 
sie  eifrig  bemüht  waren,  die  alte  Ordnung  und  Regelmäfsigkeit 
wieder  in  die  Sprache  einzuführen. 

Auch  für  das  Provenzalische,  wie  für  die  romanischen  Sprachen 
überhaupt,  ist  ein  Überrest  des  lateinischen  Vok.  nicht  anzunehmen. 
Nora,  und  Acc.  teilten  sich  in  die  Vertretung  dieses  Casus.  Eine 
einzige  Ausnahme  macht  vielleicht  der  Vok.  Sing,  dorn  oder  don  = 
lat.  domine,  der  besonders  häufig  in  einem  alten  Prosadenkmal 
(dem  Joh.-Ev.)  auftritt,  zu  einer  Zeit,  wo  der  Nom.  der  alleinige 
Vertreter  des  Vok.  vor. 

Nur  das  Wallachische  (Diez  Gram.  IP  57)  kann  sich  rühmen, 
noch  heute  eine  besondere  Form  für  den  Vok.  zu  besitzen,  die 
höher  entwickelten  Schwestersprachen  jedoch  nicht 

A.  Bkyek. 


Die  analogische  Wirksamkeit  in  der  Entwickelung  der 

französischen  Eoi\jugation. 

EINLEITUNG. 

Im  folgenden  soll  versucht  werden,  diejenigen  Fälle  zur  Dar- 
stellung zu  bringen,  in  denen  das  frz.  Verbura  hinsichtlich  seines 
Stammes  sowohl  wie  seiner  Endungen  im  Laufe  der  Sprachent- 
wickelung eine  den  Laut-  und  Formenverhältnissen  seiner  lateini- 
schen Vorbilder  nicht  entsprechende  Gestaltung  erfahren  hat.  Die 
Mittel  zur  Erklärung  dieser  anomalen  Erscheinungen  werden  aus 
dem  Wirken  jenes  alle  abgeleiteten  Sprachen  kennzeichnenden 
Prinzipes  herzuleiten  sein,  welches  die  Sprachwissenschaft  mit  dem 
Namen  „Analogie"  zu  bezeichnen  pllegt.  Eine  ins  einzelne  gehende 
sprachphilosophische  Begründung  dieses  mehr  psychologischen  als 
linguistischen  Prinzipes,  die  einige  hie  und  da  gelieferte  Beiträge 
nicht  leicht  übersehen  dürfte  ',  wird  hier  nicht  bezweckt,  doch  mag 
es,  soweit  es  das  Verständnis  des  unten  Mitgeteilten  angeht,  von 
Vorteil  sein,  kurz  die  Ursachen  zu  charakterisieren,  die  das  mehr 
oder  weniger  energische  Auftreten  der  analogischen  Wirksamkeit 
auf  dem  Gebiete  des  Verbums  und  speziell  des  französischen  Ver- 
bums veranlafst  und  gefördert  haben. 

Das  Verbum  ist  infolge  seines  im  Laufe  der  Rede  in  jedem 
Augenblicke  wechselnden  syntaktischen  Gebrauches  naturgemäfs 
auch  den  meisten  formellen  Veränderungen  unterworfen;  und  ge- 
rade in  dem  Reichtum  an  Mitteln,  jeden  Wechsel  der  Ideen  durch 
eine  möglichst  energische  Veränderung  der  äufseren  Lautgestalt 
des  Stammes  und  der  Endungen  zum  Ausdruck  zu  bringen,  sodafs 
der  Stamm  einerseits  in  demselben  Verbum  oft  in  mehrfacher  Form 
auftritt,  und  andrerseits  die  denselben  gedanklichen  Beziehungen 
dienende  Flexion  ein  *der\  verschiedenen  Verben  entsprechendes 
verschiedenes  Aeufsere  zeigt,  besteht  ein  Teil  des  geistigen  und 
ästhetischen  Vorzuges  des  klassischen  Latein,  gegenüber  der  latei- 
nischen Vulgärsprache,  als  deren  Fortentwickelung  das  Französische 

*  Vergi.  Steijithal,  Ztschr.  f.  Völkerpsychol.  u.  Sprachwissenschaft  t.  V 
S.  96- 7,  S.  342;  XI  S.  404;  Max  Müller,  Vorträge  über  Sprachwissenschaft; 
Schuchardt,  Vocalismus  d.  Vulgärlateins  t.  I  Einleit.  ;  Osthoff,  Das  physiolog. 
und  psychol.  Moment  etc.  in  Virchow  u.  HoltzendorfT's  Sammlung  gemeinver- 
Hiändlicher  Vorträge  Heft  327;  Curtius  u.  Brugmann,  Studien  zur  griech.  und 
lai.  Gramm.  Bd.  IX  S.  378  fl.  ;    Darmcsteter,  Mots  nouv.  S.  78. 


40  A.  RISOP, 

ZU  betrachten  ist.  Die  Vulgärsprache  als  Ausdrujksmittel  der  grofsen 
Masse  gönnt  sich  nicht  die  Zeit,  sich  in  jedem  Augenblicke  der 
Veränderungen  bewufst  zu  werden,  die  in  der  grammatischen  Ge- 
stalt der  Verbal  formen  durch  den  Wechsel  des  Gedankenganges 
gefordert  werden  —  es  liegt  vielmehr  in  ihrer  Natur,  sich  nie  all- 
zuweit von  dem  zu  entfernen,  was  ihr  durch  den  Gebrauch  am 
meisten  gegenwärtig  ist.  Aus  diesem  Mifsverhältnis  zwischen  Idee 
und  Ausdruck  entspringt: 

1.  Die  Tendenz,  gewisse  Flexionen  da  zu  verwenden,  wo  die 
klassische  Sprache  sie  überhaupt  nicht,  oder  doch  nur  unter  vul- 
gärem Einflufs  kannte,  und  dabei  ist  es  denn  ein  psychologisch 
durchaus  begreiflicher  Zug  der  Volkssprache,  der  auch  das  Fran- 
zösische charakterisiert,  die  unbetonten  Flexionen  durch  betonte  zu 
ersetzen.  So  steht  neben  tergere  tergere,  fugere  fugìre,  sapere  sapìre 
u.  s.w.;  vergi.  Neue,  Lat  Formenlehre  II  414  ff.  Die  klassischen, 
aber  in  ihrer  Flexion  zu  wenig  ausdrucksvollen  Bildungen  velie,  posse, 
ferre,  esse  wichen  den  mehr  sinnlichen  Formen  volere,  potere  Diez 
II*-*  141 — 2,  Stünkel,  Lex  Romana  Utinensis,  Zeitschr.  f.  Rom.  Phil. 
1881  S.  47,  ferire  Schuchardt,  Vocalismus  II  392,  essere  ab.  I  IIQ 
und  Lex  Rom.  Utin. 

2.  Die  Tendenz,  den  Stamm  unter  allen  Umständen  in  ein 
und  derselben  Gestalt  auftreten  zu  lassen.  Schon  das  Vulgärlatein 
verwarf  Formen  wie  pupugi,  tetigi,  fregi  zu  gunsten  von  pungasi, 
frangasi,  tang-si ,  vergi.  Diez  IP  138,  IP  140.  So  hat  denn  auch 
das  Französische  nicht  gezögert,  eine  ganze  Reihe  aus  dem  Vulgär- 
latein überlieferter,  aber  durch  das  Wirken  der  Lautgesetze  mehr 
oder  weniger  ausdruckslos  werdender  Bildungen  aufzugeben  und 
durch  Verwendung  eines  anderen  Stammes  neu  zu  bilden.  Dem 
analogischen  Prinzip  zu  liebe  mussten  die  alten  starken  Formen 
arst  =  arsity  morst  =  *  mor  sit  für  momordit,  sur  st  =  *surxit  fur  sur- 
rexit,  a  er  st  =  *adhaersit  für  adhaesit,  tor  st  =  tor  sit,  peinst  =  pinxit, 
fra  inst  =  franxit  \i,%.\\.  Neubildungen  weichen  wie  ardii,  mordit, 
aherdit,  sourdit,  tordit,  peignit,  fraignit',  neben  dost  =  clausù,  traisi 
=  traxit  entstanden  zeitweise  clo-it,  ira-it  wegen  clo-ons  und  traçons, 
l^s  ist  nur  folgerichtig,  wenn  gewisse  Mundarten  dem  Praesens- 
stamm  diese  Herrschaft  in  ausgedehnterem  Mafse  zugestehen,  als 
die  zur  Mustergiltigkeit  sich  erhebende  Schriftsprache,  die  dem  vul- 
gären Drange  nach  Uniformierung  entgegenzutreten  sich  bestrebt, 
indessen  sich  nicht  völlig  der  Macht  der«  Volkssprache  entziehen 
kann  und  somit  in  ihrem  ganzen  l^áu  inkonsequent  erscheinen 
mufs.  Das  Wallonische  des  15.  Jahrh.  kennt  Formen  wie:  movissent 
von  movoir  Documents  relatifs  aux  Croisades  bei  Reiffenberg,  Cygne 
I  SS.  377,  402  (gegen  meust  I  S.  403);  cressisse  von  crescere  eb.  I 
S.  380;  part,  cressie  eb.  I  383,  cressu  eb.  I  397;  prendireni  Chron.  de 
Jean  de  Stavelot  éd.  Borgnet  S.  371;  meurent  von  mettre  SS.  243, 
335»  356*»  suhmettit  S.  522  (vgl.  auch  Förster,  Ree.  zu  Floriant  und 
Floriete,  Ztschr.  f.  d.  Ost.  Gymn.  1875  S.  542);  requerirent  ].  de  Stav. 
S.  449;  part,  querut  S.  3O8  (auch  sonst  nicht  selten);  cressireni  S.  1 13; 


DIE  ANALOG.  WIRKSAMKEIT  IN  DER  ENTWÍCKEL.  DER  FRZ.  KONJUG.      47 

er  es  Sit  S.  194;  part,  e  ressuies  S.  393;  plovit  S.  502;  bevirent  fur  burent 
S.  371;  resmovit  von  movoir  S.  531  ;  r  esmovi  rent  S.  545  (vgl.  je  mouvy 
auch  im  Mist,  du  V.  Test  impr.  G.  v.  6063,  éd.  Rothschild  t.  Ill  163); 
concludirent  S.  249,  wozu  die  italienisierenden  Handschriften  gewisser 
Chansons  de  Geste  Participia  liefern  wie  metu,  prendu,  gesù,  vergi. 
Guessard,  Macaire,  Introd.  S.  CXIX. 

Die  Sprache  ist  nun  bei  dieser  nivellierenden  Arbeit  nicht  zu 
jeder  Zeit  auf  dieselben  Mittel  angewiesen  geblieben.  Die  Laut- 
gesetze wirkten  zuweilen  in  der  Weise,  dafs  der  Infinitiv  eine  nur 
ihm  eigentümliche  Gestaltung  erhielt.  Infolge  der  sekundären  Em- 
schiebung  eines  d  gewann  der  Infinitiv  einer  Reihe  von  Verben  der 
3.  lat.  Konjugation  das  Aussehen  solcher  Verben,  in  denen  das  d 
thatsächlich  zum  Stamme  gehörte  ;  vergi,  sordre  =  surgere  mit  ardre 
—  *  ardere.  Die  zunächst  rein  mechanische  Berührung  hatte  hier 
den  psychologischen  Prozefs  im  Gefolge,  dafs  die  Sprache  das  inter- 
kalierte  d  für  stammhaft  nahm  und  die  Konjugation  der  hierher 
gehörigen  Verba  nicht  blofs  in  bezug  auf  die  Gestaltung  des 
Stammes,  sondern  auch  in  bezug  auf  die  Flexion  nach  dem  Muster 
der  Verba  mit  echt  stammhaftem  d  umbildete.  Hat  man  also  in 
der  Tendenz,  den  gleichen  Stamm  überall  durchzuführen,  ein  direkt 
psychologisch  zu  erklärendes  Bedürfnis  des  von  der  Volksmasse 
gesprochenen  Idioms  zu  erkennen,  so  lehrt  das  Beispiel  von  sourdre 
und  ardre,  dafs  der  Sprache  aus  der  rein  mechanisch  wirkenden 
Thätigkeit  der  Lautgesetze  die  Mittel  erwuchsen,  jenem  psycho- 
logischen Nivel lierungstriebe  in  verschiedener  Weise  gerecht  zu 
werden.  —  Fassen  wir  das  Gesagte  zusammen,  so  beruhen  also 
einerseits  in  dem  psychologischen  Bedürfnis  zur  analogischen  Bil- 
dung, und  andrerseits  in  der  rein  mechanisch  gegebenen  Möglichkeit, 
auf  verschiedenen  Wegen  zur  Identität  des  ursprünglich  Verschie- 
denen zu  gelangen,  die  Ursachen  der  Verbreitung  des  analogischen 
Prinzipes  auf  dem  Gebiete  des  französischen  Verbums. 

Das  Wirken  der  Analogie  auf  die  Lautgestalt  des  Stammes 
läfst  sich  nun  nach  drei  Richtungen  hin  bestimmen:  i.  Die  Gesamtheit 
des  Stammes  einer  Form  wird  durch  die  Gesamtheit  des  Stammes 
anderer  Formen  einfach  verdrängt  und  ersetzt;  so  schwand  der  alt- 
französische Stamm  von  tace,  place  =  taceam,  placeam  zu  gunsten  des 
häufiger  wiederkehrenden  Stammes  piais,  tais  [faisions  für  facions 
wird  dagegen  von  Vaugelas  cd.  Chassang  II  35Ò  als  „solécisme" 
oder  „barbarisme"  verworfen).  Der  analogische  Einflufs  kann  sich 
aber  auch  geltend  machen  2.  entweder  nur  auf  den  Stammvokal, 
ver«;!.  //  trouve  für  il  treuve  wegen  nous  trompons',  oder  3.  nur  auf 
die  dem  Stammvokal  folgende  radikale  Konsonanz. 

Über  den  unter  2.  genannten  Punkt  ist  unlängst  eine  sehr 
ausführliche  Arbeit  erschienen  unter  dem  Titel:  Uiiorganische  Laut- 
vertretung innerhalb  der  formalen  Entwicklung  des  französ.  Verbal- 
stammes von  Dietrich  Behrens  in  Körting  u.  Koschwitz,  Französ. 
.Studien  Bd.  III  Heft  6,  über  die  wir  uns  eine  Recension  vorbe- 
halten. 


48  A.  RISOP, 

1.    Die  Endkonsonanz  des  Stammes. 

a)   Eínflufs  des  Ableitungsvokales  e^  i  der  Verba  auf  eo,  io 

und  Aufhebung  desselben. 

Im  Altfranzüsischen  hatte  der  Ableitungsvokal  /',  e  der  Verba 
auf  eo  und  io  in  der  i.  p.  s.  praes.  ind.  und  im  ganzen  praes.  conj. 
derartig  auf  die  Gestalt  des  Stammes  eingewirkt,  dafs  er,  unter  der 
Form  f,  ch,  lothr.  s,  im  Konjunktiv  /y,  r,  ch^  s  den  lautlichen  Um- 
fang desselben  entweder  vermehrte  oder  den  letzten  radikalen  kon- 
sonantischen Bestandteil  in  entsprechender  Weise  modifizierte.  Bei- 
spiele :  sene  =  seniio  Aue.  u.  Nie.  31,8,  seneh  A.  d.  1.  Halle  ed.  Cousse- 
maker  SS.  33,  46;  siere  =  servio  Prióre  Theoph.  42;  viene,  viench  = 
venio  Burguy  I  385  ;  mene  =  mentior  Mahom.  S.  25;  r espone  =  respondeo 
Viol.  S.  22  ;  pare  =  partior  Bari.  Jos.  ici,  24;  goeh  =  gaudeo  A.  d.  1. 
Halle  S.  143;  repenc  =*repoeniteo  Ph.  Mousk.  14573;  moerc  =  viorior 
Roi.  \\22\  inaine  =  maneo  Bari.  Jos.  105,  27;  dor  eh  =  dor  mio  Rom- 
vart  S.  Ó45,  25.  Die  Konjunktive:  eonsenche  =  eonseniiat  :  diemenche 
Trouv.  belg.  I  257,  435;  ituiice  =  meniiar  :  diemenee  Ph.  Mousk.  1 1368; 
aperged  ==  appareai  ('ambr.  Ps.  89,  17;  serviei  =  senuai  Leodegar  4,  6; 
moergei  =--  moriatur  Rol.  3963  ;  deparehe  =  partiatur  Prière  Theoph. 
1 14,  4,  lothr.  par  set  R.  d.  Florimont  B.  N.  Paris  Ms.  fr.  15  loi  ff**  94*, 
94*',  98^;  arge  =  ardeat  :  enearge  Poés.  Froiss.  ed.  Scheler  I  29,  950, 
:  raige  Barb.  ]Méon  III  212,  76;  fier  get  ==^  feria  i  Rol.  3559;  semoigne 
Rose  ed.  Méon  341 1,  respoingne  =  respondeat  eb.  19824  :  hesoigne.  Zu 
bemerken  ist,  dafs  das  Bildungs-/*  der  Komposita  von  capere  zu  keiner 
Zeit  auf  den  Stamm  gewirkt  zu  haben  scheint,  wönn  man  nicht 
reeepches  im  sogen,  poitev.  Pseudo-Turp.  ed.  Auracher  Ztschr.  f.  Rom. 
Phil.  1877  S.  298,7  ins  Feld  führen  will. 

Schon  in  früher  Zeit  machte  sich  das  Bedürfnis  bemerkbar, 
den  Lautregeln  zuwider  die  der  Mehrzahl  der  Formen  eigene 
Stammesgestalt  auch  in  der  in  Rede  stehenden  Form  zur  Geltung 
zu  bringen,  vgl.  je  ser  Mätzner,  Altfrz.  Lieder  S.  51,  je  serf  Bartsch, 
ehrest.  230,  15,  je  seni  Jubinal,  Nouv.  Ree.  I  90.  muer  Par.  Duch. 
S.  19,  sente  t  Ox  f.  Ps.  g  26,  Bern.  S.  547,  servent,  de  servent  Oxf.  Ps. 
101,23,  o  II,  muere  Burg.  I  362,  parte  Cleom.  5022,  arde  ist  die 
gewöhnliche  altfrz.  Form.  Die  besten  Dichter  des  12.  und  13.  Jahrb., 
Chrestien  de  Troyes,  VVace,  Aimon  de  Varennes,  Adenet,  Adam 
de  la  Halle  u.  s.  w.  bedienten  sich  fast  nur  der  analogischen  Formen, 
und  wenn  in  den  überlieferten  Handschriften  ihrer  Werke  Beweise 
vom  Gegenteil  begegnen,  so  zeigt  das  Reimverhältnis,  dafs  im  all- 
gemeinen die  etymologische  Formation  auf  die  Rechnung  .des 
Kopisten  zu  setzen  ist;  vgl.  je  mant  :  autremant  Gh.  Lyon  636,  fiere 
:  ar riere  Brut  1 1857,  sench  :  doucement  Ad.  de  la  Halle  S.  60.  Eine 
Ausnahme  machen  die  Konjunktive  tiegne  und  viegne,  sowie  das 
danach  gebildete  pregne  =  prendam,  die  nicht  blofs  im  Altfranzös. 
allgemein  gebräuchlich  waren,  7.,V>,  pregile  \  descaigne  Y&co,^^,  i^^i^^ 
Cleom.  17 841,  viegnent  Cleom.  13348,  tiengne  :  aviegne  eb.  11127 — ^» 
sondern    noch    im   16.  Jahrb.    ihre    Herrschaft    behaupteten:    que  je 


DIE  ANALOG.  WIRKSAMKEIT  IN  DEK  ENTWICKEL.  DER  FRZ.  KONJUG.       49 

preigne  Palsgrave  S.  746,  que  je  iiegne  S.  586,  ì)is  sie  endlich  im 
17.  Jahrh.  von  Vaugelas,  Th.  Corneille  und  der  Académie  zu  gimsten 
der  analogischen  Formen  prenne,  vienne  (schon  C.  N.  Nouv.  ed.  Jacob 
S.  60),  tienne  aus  dem  guten  Sprachgebrauch  verbannt  wurden;  vgl. 
Vaugelas  Remarques  ed.  Chassang  I  143.  Bei  Palissy  (Œuvres  de 
Bernard  PaUssy,  Revues  sur  les  Exemplaires  de  la  Bibliothèque  du 
Roi  avec  des  Notes  par  Mr.  Faujas  de  Saint  Fond  et  Gobet,  Paris 
1777;  jene  Exemplaires  wurden  gedruckt  in  den  Jahren  1557,  1563, 
1564,  1580)  finden  sich  nur  die  analogischen  Formen:  que  ie  vienne 
S.  318,  advienne  S.  147,  souvienne  S.  t^2^,  que  tu  tiennes  S.  421,  und 
so  denn  auch  que  tu  prennes  S.  511,  reprenne  S.  526. 

Als  ein  besonderer  Fall  sind  die  altfrz.  Konjunktive  siece^  sieche 
=  sedeam  und  chiece  =  *cadeam  zu  betrachten.  Siece  ist  nicht  auf 
sedeam  zurückzuführen,  welches  zu  einer  Zeit,  wo  d  zwischen  Vokalen 
noch  erhalten  war,  analog  dem  Substantiv  sedia ^  ein  *  siege  ergeben 
mufste;  siece  steht  vielmehr  in  direktem  Zusammenhange  mit  dem 
Indikativ  siec  =  sedeo,  wo  de  im  Auslaut  richtig  die  Tenuis  c  ergab. 
Das  Bewufstsein  der  eigentlichen  Natur  dieses  c  war  der  Sprache 
entschwunden  und  in  ähnlicher  Weise  wie  man  zu  vert  =  viridis 
ein  Femininum  verte  bilden  konnte,  wurde  siec  die  Veranlassung 
zu  siece. 

Auch  im  Perfektum  war  in  der  alten  Sprache  das  tonlose  / 
der  Endung  in  der  i.  p.  sing.  ind.  als  konsonantisches  Element  an 
den  Stamm  getreten;  z.  B.  voc  =  volui  H.  Bord.  S.  291,  poc  =  potui 
Viol.  S.  22,  eue  ^=  habui  H.  Bord.  S.  234,  seiic  =  sapui  S.  196,  crue 
=  *credui  SS.  105,  309,  connue  =  *  cognovui  SS.  90,  93,  vie  =  vidi 
Ix  Dis.  de  Temp.  Coustant  378,  Rom.  VI  S.  161  ff.,  neben  vi:  mari  382, 
vine  =  veni  Cambr.  Ps.  68,3,  Rois  SS.  121,  193,  cune  tine  ==  *  con  ten  i 
S.  3 1 4.  Die  Beschaffenheit  der  übrigen  stammbetonten  Formen  war 
indes  auch  hier  von  zu  grofsem  pjnflufs,  als  dafs  jenes  konsonifi- 
zierte  /  auf  die  Länge  den  Stamm  der  i.  p.  sing,  hätte  entstellen 
können.  Man  h'úáeíc  Je  peti  Charles  d*Orl.  SS.  4,  127,  161,  /e  seen 
S.  8,  feu,  je  cru,  vin,  tin  und  gelangte  dann  durch  analogische  An- 
fügung des  s  der  2.  Person  zu  den  modernen  Fonuen  je  pus  u.  s.  w.; 
vgl.  .Suchier,  Ztschr.  f.  Rom.  rtiil.  II  S.  263,  268,  III  S.  462. 

F-s  liegt  die  Frage  nahe,  weshalb  sich  in  der  3.  p.  sing,  praes. 
ind.  ç\\\  gleicher  Plinflufs  des  Ableitungs-/',  wenigstens  in  historischer 
Zeit,  nicht  nachweisen  läfst.  Serviunt  bildete  servent  an  Stelle  des 
streng  grammatisch  geforderten  serjent,  W.  Försters  Annahme  (Ztschr. 
f.  neufrz.  Spr.  u.  Lit.  1  S.  85  zu  Chabancau,  Theorie  S.  71),  dafs,  wie 
sentons,  servez  auf  *servamus,  *ser7'atis,  so  sentent  auf  ein  *  servant 
zurückgehe,  hat  nur  dann  einen  Belang,  wenn  es  sich  um  die  Be- 
antwortung obiger  Frage  handelt.  G.  Paris  (Rom.  1880  S.  167) 
sucht  durch  Herzuziehung  des  praes.  von  piacere  die  Unhaltbarkeit 
dieser  Aufstellung  zu  zeigen:  er  sagt:  „l'assimilation  (des  IP  IIP  et 
IV**  conjugaisons  à  la  P®)  est  postérieure  au  changement  de  Ta  en 
;i  ou  ê,  sans  quoi  on  n'aurait  pas  plaisons  et  plaisez,  mais  bien 
plaions  plaiez  (de  * placamus,  placatis  pour  placemns  et  placetisy\  und 

Zeitnchr.  f.  mm.  Ph.     Vil.  ^ 


50  A.  RISOP, 

später  :    ,jdicuni  fait    dieni  aussi    bien    que  dicanf  :  plaçant  aurait   fait 
plaient  et  non  plaisent'^      Nach  G.  Paris  hätte  man  also  die  bereits 
zu  -ez  abgeschwächte  Endung  ^atis  an  den  lateinischen  Stamm  plac 
angefügt  —  und  servent  soll  wegen  plaisent^    welches  nicht  auf  ein 
plaçant  zurückgeht,    unmöglich  einem  *  servant  entsprechen  können. 
G.  Paris  übersieht  indes,  dafs  plaisons,  plaisez  selbst  auf  französischem 
Gebiete  nur  sekundäre  Bildungen  sind:  wenigstens  kann  die  streng 
etymologische  Form  plaiseiZy  oiz  =  placetis  durch  viele  analoge  Bei- 
spiele belegt  werden  :  avois  =  habetis  Mahom.  S.  2 1 ,   tenoiz  =  tenetis 
J.  de  Blaiv.  152,    und   für  ein  *plaisems  =  placemus  bietet  der  Leo- 
degar  devemps  als  Stütze.    Der  Stamm  plais  war,  als  die  Assimilation 
an    die    erste  Konjugation    sich    vollzog,    schon  gegeben  und  blieb 
somit   die   Natur    des   c   von    einem    etwaigen   Einflufs    des    a    der 
Endungen    amus,    atis    unberührt.      Ist    dies    erwiesen,    so    verliert 
Försters  Annahme  jede  Bedeutung  für  die  Lösung  der  Frage;  denn 
da  der  Stamm  plais  etymologisch  gegeben  war,  so  ist  es  indifferent, 
ob  -ent  auf  -ent  oder  -ant  zurückgeht.     Serviunt  mufste  also,  selbst 
wenn    das    französische  -eftt  aus  -ant  entstanden  wäre,    unter   allen 
Umständen  serjent  ergeben.     Wir  sehen  die  Eösung  der  Frage  viel- 
mehr in  der  Tendenz,    den  allgemeinen  Verbalstamm  serv^  überall 
durchzuführen,  einer  Tendenz,  der  die  Sprache  in  der  i.p.  s.  praes, 
ind.   bei   der    Möglichkeit   der   Auslassung    des   Personalpronomens 
(Diez  111^  303)    und   im  conj.  praes.  nicht   so   leicht   zu    gehorchen 
geneigt  war,    als  in  der  3.  p.  plur.  praes.  ind.,    die   sich    durch    die 
ausdrucksvolle  Endung  -<?«/  hinreichend  vor  Verwechslungen  schützte. 
Die  gleiche  Ursache  hat  denn  auch  im  part,  praes.  der  hierher  ge- 
hörigen Verba   der  Analogie    ein    leichteres    Spiel    gegeben;    vergi. 
mourant  =  ^morianteniy    venant  =  *  veniantem,    sentant  =  *  sentiantem, 
servant  =*  serviantem  f    während    das    dem  Verbum   ferner  liegende 
substantivische  serjentj  sergent  seine   etymologische  Bildung  bewahrt 
hat.    Auch  die  neufranz(>sischen  Reste  etymologisch  gebildeter  Par- 
tizipe  sachant  ==  *  sapiantem  und  das  analogische  aya^it  =  *habeantem 
{habiens  bei   Schuchardt,  Voc.  I  270)    konnten    nicht   zu   jeder   Zeit 
die  Tendenz  zu  jener  Nivellierung  de^  Stammes  verleugnen,   vergi. 
et  ne  scavant  ensuivre  la  ligne  ecliptique  Kab.  Pant.  Il  2,  Burg.  II  66; 
,,sacliant  später  scavant^'    Mätzner,  (»r.  ed.  185Ò  S.  23g;    avant   für 
ayant  wird  irgendwo  von  Scheler  beU^gt. 

b)    Fälschliche  Behandlung  des  c. 

Das  Dunkel  des  verschiedenartigen  Schicksales  des  c  in  placemus 
=  plaisons,  und  necemus  =  neions,  notons  weicht  vor  einer  vergleichen- 
den Betrachtung  der  übrigen  Formen  dieser  Verba:  piacere  =  altfrz. 
plaisir,  placebam  =  plaisoie\  dem  gegenüber  steht:  necare  —  noyer, 
necabam  —  noioe  pikard.  nowie,  necavi  =  noiai.  Während  also  das 
assibilierte  s  in  plaisons    lautlich    begründet    ¡st,    wurde  der  Stamm 


'   Plaise,   taise,    nuise,    luise  für  place,    tace,    nuisse .    luisse  werden   an 
anderer  Stelle  beurteilt  wenlen. 


DIE  ANALOG.  WIRKSAMKEIT  IN  DER  ENTWICKEL.  DER  FRZ.  KONJUG.       5  I 

ftfs  von  necemus  durch  den  den  übrigen  Formen  eigentümlichen 
Stamm  noi  verdrängt.  Die  Annahme  einer  praehistorischen  Form 
*neisons,  noisons  wird  nahe  gelegt  durch  Chabaneaus  Erklärung 
(Théorie  S.  56)  von  Formen  wie  culzt  Rol.  2682,  chevalzt  eb.  2109 
als  lautlich  gerechtfertigten  Ergebnissen  aus  coUoceiy  cahallicet  (vergi. 
auch  Willenberg,  Rom.  Stud.  Ill  409;  Paul  Meyer,  Rom.  VII  434; 
Cornu,  Rom.  VII  429),  die  erst  später  ,dem  analogischen  Bestreben, 
welches  couchcy  chevalche  an  ihrer  Stelle  schuf,  zum  Opfer  fielen. 
Vgl.  die  Verteidigung  dieser  „explication  excellente,,  durch  G.  Paris, 
Rom.  1880  S.  167  gegen  die  Angriffe  Försters  Ztschr.  f.  Nfrz.  Spr. 
u.  Lit.  I  S.  %2. 

Diese  Betrachtung  erinnert  an  die  den  Forderungen  der  Gram- 
matik nicht  entsprechende  Behandlung  des  c  in  der  3.  p.  plur.  praes. 
ind.  und  dem  ganzen  praes.  conj.  der  lateinischen  Verben  auf  'SCo, 
Connoissenly  connoisse  haben  nicht  cognosamtj  cognoscam  zu  direkten 
Vorbildern,  denn  diese  hätten  *conoichenU  *conoiche  ergeben  müssen; 
vgl.  louche  =  luscus ,  mouche  =  musca  j  2\i{xz,^rancesche  =  francisca 
(Diez  IP  388).  Von  derselben  Anomalie  sind  die  inchoativen  Verba 
auf  -ir,  femer  crescere^  apparescere^  irasa\  nasci j  pasci  betroffen  worden, 
und  die  Ursache  dieser  Erscheinung  liegt  wiederum  in  dem  nume- 
rischen Übergewichte  der  Formen,  in  denen  die  Assibillierung  des  c 
aus  den  Lautregeln  sich  erklärt:  cognoistre  =  cognoscere,  connoissons 
=  cognoscimuSy  conoissoie  «=  cognoscebam.  Auch  hier  lassen  sich 
etymologische  Formen  wie  *conoiche,  *conoicheni  zu  keiner  Zeit  nach- 
weisen, wenn  auch  die  Annahme  ihrer  vorhistorischen  Existenz  in 
anbetracht  der  italienischen  und  provenzalischen  Formen  fioriscono, 
fiorisca,  floriscon,  fiorisca  nict  ausgeschlossen  erscheint. 

c)    Fälschliche  Einschiebung  von  assibiliertem  c. 

Hierher  gehören  denn  auch  die  Verben  dico  und  duco,  deren 
c  im  Altfranzösischen,  je  nach  seiner  Stellung  vor  a,  0,  u  oder  vor 
e,  i  genau  den  Lautgesetzen  gemäfs  behandelt  worden  war.  So 
erklären  sich  dienl  =  dicuni  Rol.  òi,  diet  =  dicat  eb.  424  neben 
diseient  =  dicehant  eb.  2560;  esduieni  =  exduaini  \  fuiatt  Burg.  II  254, 
conduie  =  cofuiucai  Gui  de  Bourg,  v.  707,  1682,  J.  de  Blaiv.  1138, 
neben  conduisoit  Cîerars  de  Viane  464,  Burg.  II  255,  doccici  =^  ducehat 
(9.  Jahrh.)  Bartsch  Chrest.  5,  18.  Seit  der  Mitte  des  13.  Jahrh.  be- 
ginnt das  assibiliertc  c  auch  da  einzudringen,  wo  es  etymologisch 
nicht  begründet  war;  vgl.  conduise  =  conduca/  J.  d.  Blaiv.  964,  Berte 
630,  Ó45  andererseits  begegnet  conduie  noch  in  der  Mitte  des 
16.  Jahrh.  z.  B.  Amadis  liv.  VIII  f«  XVP,  f«  XXVII ^  Beispiele  für 
ilas  unberechtigte  Auftreten  des  s  sind  für  dire  in  der  älteren 
Zeit  äufserst  selten:  pour  ce  que  nous  ne  disien  s  =  ut  taceamus 
Leg.  Gir.  Rouss.,  Rom.  VII  S.  221  (Ende  des  13.  Jahrh.),  dise  = 
dicat  in  den  Docum.  relat.  aux  Croisades  (Mitte  des  15.  Jahrh.) 
bei  Reiffenberg,  Cygne  t.  I  S.  386,  disent  =  dicunt  Landry  149; 
disent  Mist.  V.  Test.  106 10,  25943,  16009  neben  diez  =  dicat  is 
eb.    17881.      Die   regelmäfsigen    Formón    sind    noch    während    des 

4* 


52  A.  KISOP, 

1 6.  Jahrh.  die  gebräuchlichen:  dient  Rob.  Stephanus,  Gram.  Gall. 
S.  6i,  que  ie  die  Palsgrave  S.  Ò96,  und  noch  Vaugelas  I.  c.  II  ^^'è 
schreibt:  „au  singulier  quoy  que  Von  die  y  est  fort  en  usage  et  en 
parlant  et  en  escriuant  bien  que  quoy  que  ton  dise,  ne  soit  pas  mal 
dit.  Mais  quoy  quails  dient  au  pluriel  ne  semble  pas  si  bon  à  plu- 
sieurs que  quoy  quails  disent\  je  voudrois  user  indifféremment  de  Tun 
et  de  l'autre.  Il  y  en  a  qui^  disent  quoy  que  vous  diiez  (vgl.  Burg. 
II  145),  pour  dire  quoy  que  vous  disiez,  mais  il  est  insupportable". 
Vaugelas  schreibt  selbst  stets  que  ie  die,  eine  Form,  die  Th.  Corneille 
zu  Vaugelas  1.  c.  nur  noch  in  der  poetischen  Sprache  als  berechtigt 
anerkennt,  wie  denn  noch  Molière  und  Lafontaine  die  dem  Reime 
zu  liebe  gebrauchen.  Palissy  hat  stets  disent  =  dicunt,  den  Kon- 
junktiv stets  que  ie  die,  nur  einmal  steht  encores  que  Lisset  disse  S.  454. 
Die  Académie  verbannt  schliefslich  die  alten  Formen  gänzlich  und 
stellt  die  mit  analogischem  j  als  einzig  mustergiltig-  hin. 

d)    Fäls^liche  Einschiebung  von  j. 

Das  unorganische  s  im  praes.  und  im  imperf.  der  Komposita 
von  struere,  die  im  Altfranzösischen  organische  Bildung  zeigten, 
z.  B.  destrueit  Rois  S.  1 46,  destruioient  Brut  6311,  destruient  :  fuient 
eb.  6966,  destruie  \  fuie  eb.  6371,  vgl.  auch;  destruieor  neben  des- 
truiseor,  destruiement  neben  destruisement  bei  Godefroy,  Diet  t.  II 
(>75  ff".,  soll  nach  der  herrschenden  Annahme  eingedrungen  sein 
aus  den  entsprechenden  Zeiten  von  luire,  nuire,  cuire,  in  denen 
das  s  aus  Assibilation  des  c  richtig  hervorgegangen  war;  ebenso 
soll  circoncisons  =  ciratmcidimus  nach  Diez  IP  241,  circoncisez 
(Imperativ)  schon  (ireban,  Myst.  Pass.  5899  (und  so  auch  die 
von  Palsgrave  S.  598  aufgestellte  Form  nous  occisons  für  altfranz. 
ocions  =  occidimus)  sein  s  von  disons  erhalten  haben.  Es  erscheint 
indessen  geraten,  erst  dann  zu  einem  Einiluls  von  begrifflich 
durchaus  nicht  verwandten  Wörtern  Zuflucht  zu  nehmen ,  wenn 
jede  andere  Deutung  sich  als  unzulänglich  erweist.  Obige  Theorie 
läfst  folgende  Fragen  offen:  1.  weshalb  hat  sich  das  s  von  iuisons  etc. 
nicht  auch  ViUÏ  fuyojis,  bruyons  {fuir,  xmiieXïrz.  fuir  e,  bruire)  ausge- 
dehnt? 2.  Welches  Verb  hat  die  Veranlassung  zu  der  Umwand- 
lung von  cioons  =  ciaudimus  zu  closons  gegeben?  —  Erwägt  man, 
dafs  das  Auftreten  dieser  Erscheinung  ungefähr  gleichzeitig  ist  mit 
dem  Schwund  der  starken  Perfektformen  destruis,  destruist,  destruistrent 
zu  gunsten  der  schwachen  destruisis,  destruisit,  destruisirent  (13.  bis 
14.  Jahrh.  conduisirent  Cleom.  9046,  instruisit  Rose  ed.  Méon  t.  Ill 
S.  37,  destruissoit  Cygne  141 74,  destruissant  eb.  93 3 Q  neben  //  con' 
duisit  eb.  17248,  conduis  y  Romvart  S.  615,  des  trui soit  E.  Deschamps 
(Tarbé)  I  51,  destruisant  eb.  I  127),  so  ist  die  Annahme  eines 
analogischen  t^bertrittes  des  s  aus  dem  Perfektstamm  (das  ffexi- 
vische  s  wurde  dem  stammhaften  gleichgestellt,  siehe  unten  S.  54) 
in  den  Präsensstamm  nahe  gelegt.  Fuir(e)  und  bruire  kininen  gerade 
deshalb,  weil  ihr  Perfektum  nicht  sigmatisch  ist,  (Mn  s  im  Präsens- 
stamm nicht  aufweisen.    Das  gleiche  Verhältnis  gilt  für  c/ore,  welches 


DTK  ANALOG.  WIRKSAMKEIT  IN  DER  KNl  WICKEL.  DER  FRZ.  KONJUG.       53 

allerdings  ursprünglich  ein  sigmatisches  Perfektum  hatte:  c/osi  ==■ 
ciausitf  im  entscheidenden  Augenblicke  aber  ein  sekundäres  Perfektum 
cloï  mit  dem  Präsensstamm  bildete:  Froiss.  Chron.  I  176, 13,  Froiss. 
Poes.  II  314,  3160,  enclouirent  Jehan  d'Arras  Melusine  S.  22  (Ende  des 
15.  Jahrb.);  dieser  Umstand  war  mächtig  genug,  die  alten  Fonnen 
does  =  daudaiis  Brut  8897,  sendoent  Joinv.  i68b,  endooii  eb.  352a, 
doez  C.  N.  Nouv.  S.  484  bis  ins  16.  Jahrb.  hinein  der  Sprache  zu 
erhalten;  doez  vos  huis  steht  noch  in  einer  Polizeiverordnung  Hein- 
richs II.  Montaiglon,  Anc.  Poes.  VI  176,  und  Rob.  Stephanus  Gramm. 
Gall.  S.  62  kennt  nur:  doonSy  doeZy  doenty  esdoons.  Daneben  blieb 
indes  das  alte  sigmatische  Perfektum  bestehen,  und  als  je  dos  = 
dausi  in  je  dosys  nach  dem  Vorbilde  von  tu  dosis  =  dausisti  (vgl. 
cndossisies  R.  St.  Graal  1956)  umgebildet  wurde  (vgl.  Palgr.  S.  448 
und  488),  da  zögerte  man  nicht,  jenes  s  auch  auf  den  Präsens- 
stamm auszudehnen;  Palsgrave  I.e.  hat:  dosons.  Das  Perfektum  ist 
heute  geschwunden,  hat  aber  seine  Spur  noch  im  Präsens  zurück- 
gelassen. Dieselben  Beziehungen  zwischen  diesen  beiden  Zeiten 
lassen  sich  für  das  heute  veraltete  Französisch  noch  bei  anderen 
Verben  nachweisen  :  raire  =  radere  bildete  altfrz.  das  regelrechte 
Präsens  re^  res,  rei  (spätere  Schreibung  raiy  rais,  rait)^  raons  «= 
radimus  Diez  II  247;  aus  rasisti  =  rasis  entstand  das  Perfektum  je 
rasis  Palsgrave  S.  662,  und  danach  ist  offenbar  die  ebendaselbst 
angeführte  Präsensform  nous  rasons  für  raons  fälschlich  geschaffen 
worden.  Das  sekundäre  Perfektum  //  escrisit  für  escrisi  nach  tu 
escrisis  =  scripsisii  Grans.  Qiron.  de  France  ed.  Lyon  1837  S.  189 
veranlaiste  Präsensformen  wie:  descrise  :  alise  A.  d.  1.  Halle,  Roi  de 
Sezile  S.  283,  rescripse  Poes.  Froiss.  I  240,  856,  rescrise  \  faintise 
Tobler,  Versbau  S.  10 — 1 1,  escripsez  Jub.  Myst.  inéd.  II  243,  escrissoil 
Ph.  Mousk.  3004,  escrisoie  Poes.  Froiss.  III  55,  91,  rescripsant  J.  d.  Sta- 
velot  S.  586,  escripse  )^,  ^yòy  escnpsoit  SS.  ^;^S,  ^^i.  Auch  das  Prä- 
sens von  condure  blieb  nicht  immer  von  dem  Einflufs  des  s  unbe- 
rührt: co7iclusysmes  «=  condusimus  Jub.  Myst.  1  48  trägt  die  Schuld 
an  der  Bildung  des  Präsens  conduise  R.  d.  1.  Rose  ed.  Amsterdam 
'735  V'4'79»  auch  Palsgrave  S.  493  führt  an  que  je  concluse  neben 
conclude.  Ebenso  mag  für  den  unberechtigten  Stamm  duis  in  duisent 
=  ducuni  das  Perfektum  je  conduisis  Mitveranlassung  gewesen  sein, 
eine  Möglichkeit,  die  auch  für  die  betreffenden  Formen  von  dire 
gelten  kann,  wenigstens  scheint  eine  Perfektform  wie  yV  disi  zeit- 
weise existiert  zu  haben:  deissirenl  steht  im  sogen,  poitev.  Pseudo- 
Turpin  S.  288,9;  dictum  olim  fuit  je  disi  pro  je  di  Henricus  Ste- 
phanus, Hypomneses  S.  76  und  noch  Th.  Corneille  bemerkt  zu 
Vaugelas  II  39:  „quelques-uns  disent:  il  Vinierdisity  ils  V inter disirent'\ 
Lisons  =  legimusy  welches  Diez  IP  247  aus  Analogie  nach  disons 
deutet,  ohne  die  altfrz.  verschiedene  Konjugation  der  beiden  Verba 
zu  berücksichtigen,  auf  einen  gleichen  Einflufs  des  Perfektum  lis 
=  *lexi  zurückzuführen,  scheint  gewagt,  da  das  frühzeitige  Auf- 
treten dieser  Erscheinung  gerade  bei  diesem  Verbum  damit  uner- 
klärt   bliebe.  —    Umgekehrt    mögen    zuweilen    Präsensstänmie    mit 


54  A.  RISOP, 

organischem  s  Veranlassung  zu  einer  sigmatischen  Umbildung  des 
Perfektums  gewesen  sein,  wie  sich  dies  bei  ges/r  annehmen  läfst, 
für  dessen  altes  Perfektum  jui  =  jacuiiy  ¡eusse  ^  jacuissem  hie  und 
da  Formationen  auftauchen  wie:  agesist  von  agire  oder  agesir  Li 
Dis  de  TEmp.  Coust.  131,  que  je  gisisse  Palsgr.  S.  610;  \%\,  piaist  für 
plot  =  plactiil  Froiss.  Chron.  I  92,  20,  II  175,9;  auch  das  Perfekt  lisi 
ÍÜT  Je  lus  z.B.  Cygne  17785,  184^6,  18527,  Emp.  Coust  v.  363, 
Froiss.  Poes.  II  14,  380  mag  so  erklärt  werden.  —  Übrigens  finden 
sich  in  der  alten  Sprache  hin  und  wieder  Fälle  einer  Verwendung 
des  Perfektstammes  zuj  Bildung  anderer  Zeiten  auch  bei  anderen 
Verben:  beneesguir  Reinsch  Joyes  de  Nostre  Dame,  Ztschr.  f.  rom. 
Phil.  III  21Ò,  450,  misquira  ob.  II  öl 4,  noch  Petrus  Ramus  gestattet 
nasquir  neben  naisire  (Livet  S.  228),  nasquira  Mist.  V.  Test.  14405; 
uasquauz].  d.  Stavelot  S.  145,  W.  Foerster,  Note  zu  Chev.  II  esp.  5736 
führt  an:  ocisirui G'dy don  186;  das  von  Burguy  II  235  als  Schreibfehler 
bezeichnete  veskivet  =  //  vivait  S.  Bern.  S.  554  braucht  nicht  als 
solcher  zu  gelten  ;  in  der  Chronique  des  Jean  de  Stavelot  stehen 
Formen  wie:  visquani  S.  5Ó9,  visquoii  SS.  17,  143,  158,  164,  und 
mit  Übertritt  in  die  erste  Konjugation  :  risquai  S.  394,  viskasí  S.  503, 
part,  visqueitf  SS.  438,  589,  visquer  oil  S.  4.  Permessieiit  im  Fragment 
V.  Valenciennes  erklärt  Lucking,  Die  ältesten  franz.  Mundarten,  aus 
*perinansebant  für  permanehant\  G.  Paris  Rom.  VII  121  glaubt  darin 
das  plusq.  permansisseni  zu  erkennen,  eine  Annahme,  die  nach 
Lucking  (persönliche  Mitteilung)  nur  aus  einer  Verkennung  der 
tironischen  Noten  hervorgehen  kann;  vgl.  indes  Varnhagen,  Ztschr. 
f.  rom.  Phil.  IV  97 — 99. 

e)  Fälschlicher  Schwund  des  s. 
Ein  den  Lautregeln  nicht  entsprechender  Ausfall  des  s  hat 
die  sigmatischen  Perfecta  einer  Reihe  von  Verben  betroffen,  die 
ihr  stammhaftes  i  in  den  flexionsbetonten  Perfektformen  zu  e  ab- 
schwächten. Dieses  s  gehörte  in  der  lateinischen  Konjugation  zwar 
der  Endung  an,  doch  hat  die  dasselbe  betreffende  Erscheinung 
insofern  darauf  Anspruch,  hier  besprochen  zu  werden,  als  dem 
Altfranzosen  das  Gefühl  der  Unterscheidung  von  Stamm  und 
Endung  in  dieser  Hinsicht  abhanden  gekommen  ist,  wem'gstens 
wird  sich  ergeben,  dafs  die  Sprache  das  flexivische  s  analog  stamm- 
haften c  (k)  und  d  zu  behandeln  sich  nicht  scheute.  Den  alten 
regelrechten  Bildungen  mesis  =  misisli,  desisi  =  dixisset,  presisi  = 
*prensissct  u.  s.  w.  traten  zur  Seite  Formen  mit  synkopierten  s\  detsi 
Cleom.  12389,  meist  12608,  oceist  129 18  neben  gelegentlichem 
tnesist  12655,  presisi  15270,  s'assesist  \'J^2'j.  Die  offenbar  unan- 
fechtbare Erklärung  dieser  Erscheinung  hat  Suchier,  Aue.  Nie.  66,  30 
gegeben  :  veis  =  vidisti  und  /eis  =  fekisti,  deren  stammhaftes  d  und 
k^  ausfiel,  haben  den  Schwund  des  s  in  jenen  anderen  Verben  ver- 
anlasst. Suchier  fügt  ebenso  richtig  hinzu,  dafs  im  Normannischen 
dieser  analogische  Prozefs  viel  früher  wirksam  war  als  im  pikar- 
dischen    Dialekt,    welchem    die    alten    Formen    noch    im    13.  Jahrh. 

[*  Es  giebt  keine  Lautregel  wonach  intervok.i:  vor  palat.  Vok.  ausfiele.  G.] 


DIE  ANALOG.  WIRKSAMKEIT  IN  DER  ENTWICKEL.  DER  ERZ.  KONJUG.       55 

verbleiben;  vgl.  de'issetit  Rois  192,  meist  194,  eslcist  217,  cnqueisse 
272,  preist  276.  Die  lothriugischö  Handschrift  des  R.  d.  Florimont 
B.  N.  Ms.  fr.  15101  bietet  deis  f»  69a,  entremeist  f®  75d,  wo  B.  N. 
Ms.  fr.  792,  welches  einem  mehr  westlichen  Dialekt  angehört,  dezis, 
eniremesist  aufweist,  vgl.  die  reiche  Beispielsammiung  bei  Behrens 
a.  a.  O.  S.  84 — 86.  Die  neufranzösischen  Formen  ///  mis^  quii  dit 
u.  s.  w.  erklären  sich  nur  aus  meis^  deist,  deren  tonloses  e  regel- 
recht ausfiel. 

In  der  Bildung  der  part.  perf.  von  rire  und  sourire  y  conclure 
und  exclure  war  die  alte  Sprache  streng  den  lateinischen  Vorbildern 
gefolgt,  indem  sie  das  auslautende  s  festhielt  und  in  der  weib- 
lichen Form  nicht  ausfallen  liefs:  ris  :  empris  Flore  Blanch.  3099, 
rys  :  rys  (subst)  Mist.  V.  Test.  (Ende  des  15.  Jahrhunderts)  8870, 
hl  belle  's*est  soubzrise,  emendiert  aus  dem  handschriftlichen  se  soubzrie 
G.  Paris  Chans,  popul.  du  XVe  siècle  II  21;  //  est  conclus  :  sorplus 
Gringoire  II  77,  II  221;  concluse  =  enfermée  wird  unter  Bezugnahme 
auf  eine  falsche  Stelle  citiert  im  Glossar  zum  Roseroman  ed. 
Amsterdam  1735,  III  321;  concluse  \  refuse  Rose  ed.  Méon  21 441, 
wofür  die  ed.  Amsterdam  1735  an  der  betreffenden  Stelle  v.  22098 
confuse  zeigt;  circoncluse  bei  Godefroy,  Diet.  fase.  XU  S.  138.  Als 
das  s  im  Auslaut  verstummte,  war  die  dadurch  herbeigeführte 
mechanische  Berührung  mit  den  Participien  auf  /  und  u  Ver- 
anlassung zu  den  weiblichen  Participial  formen  conclue,  sourie]  im 
Masculinum  fiel  das  s  auch  für  die  Schreibung  schon  früh  ab: 
conclu  :  retenu  Gh.  d'Orléans  S.  206  ;  conclue  :  aperceue  Greban  Myst. 
Pass.  5830.  Für  exclure  gestattet  die  Académie  181 1  noch  exclus, 
excluse  neben  dem  heute  mustergiltigen  exclu,  exclue.  Die  Adjectiva 
perclus,  reclus  bilden  noch  heute  percluse,  recluse.  Indessen  herrscht 
in  der  gesprochenen  Sprache  eine  ungeheure  Verwirrung  in  der 
Bildung  der  weiblichen  Formen  derartiger  Participia  und  Adjectiva  : 
„ils  vous  disent  perdue  pour  percluse,  excluse  pour  exclue'*.  Les 
entorses  à  la  grammaire  im  Figaro  vom  2^,  Oktober  1878,  Ulrich 
Die  formelle  Entw.  d.  part,  praes.  i.  d.  Rom.  Spr.,  VVinterthur  1879, 
S.  19.  —  Seltsam  ist  der  Abfall  des  auslautenden  /  in  den  part, 
perf.  luit,  nuit  (jay  luyt  Palsgr.  S.  703,  jay  reluy  eb.,  jay  nuy  eb.  644), 
Formen,  die  offenbar  unter  dem  Einflufs  von  Participien  wie  con- 
duit,  destruit  an  Stelle  afrz.  luisit  Dial.  Greg.  7,4;  neu  Graal  ed. 
Michel  3647  oder  nuisi  Trouv.  beig.  I  88,  58  entstanden  sind.  Das 
Schwinden  des  /  mag  hier  veranlafst  sein  durch  die  syntaktische 
Unmöglichkeit,  weibliche  Formen  wie  *luite,  *nuite  zu  bilden,  welche 
in  sinnlicherer  Weise  das  Sprachbewufstsein  an  die  rechtmäisige 
Existenz  des  /  hätten  gemahnen  können.  In  dem  nfrz.  part,  suffi 
neben  confit,  confite  mag  der  Abfall  des  festen  /  dieselbe  Ursache 
haben  (Palsgr.  S.  742  schreibt  jay  suffit),  —  doch  sei  hier  an  den 
altfranzösischen  Infinitiv  souffir  Poes.  Froiss.  II  397,  IV,  und  alt- 
französische Reime  desconfi  :  ensi  Ph.  Mousk.  4039,  8865  fem.  des- 
confie \  chevalerie  Cygne  8987,  11805,  9011  (der  Infinitiv  desconfir 
steht  eb.  10596)  erinnert. 


50  A.  RISOl», 

f)  Die  sekundären  Konsonanten  h,  dy  /. 

Wenn  sich  infolge  des  Wirkens  der  Lautgesetze  das  Zusammen- 
treñen  zweier  Liquida  oder  eines  s  mit  einer  Liquida  ergiebt,  so 
liebt  es  die  Sprache,  solche  für  die  Aussprache  schwierigen  Laut- 
verbindungen durch  Kinschiebung  eines  vermittelnden  Konsonanten 
zu  mildern.  So  stehen  denn  im  fianzösischen  Verbum  die  Gruppen 
Idre  für  lere  oder  Ivcre  :  moldre  =  moleré,  soldre  =  solvere]  ndr  für 
nere,  tigere  :  pondre  =  poneré^  plaindre  =  piangere^  teindre  ■=■  Ungere^ 
oindre  =  ungere  wo  sich  die  Diphthongen  aiy  ei  und  oi  durch  die 
Einwirkung  des  g  erklären  ;  rdr  für  rere,  rgere,  r quere  :  aerdre  = 
adhaerere^  sourdre  =  surgere  y  tordre  =  iorquere\  mbre  für  viere  : 
raiembre  =  redi  mere ,  criemhre  =  tremeré  \  sir  =  ssere  :  est  re  =  essere; 
ntre  =  nkere  :  afrz.  veintre  =  vinìiere. 

Diese  im  hiíinitiv  auf  mechanischem  Wege  naturgemäfs  lierbei- 
geführte  Verdunklung  des  Stammes  hatte  hier  wiederum  zur  Folge, 
dafs  die  Sprache,  des  ursprünglich  verschiedenen  Lautstandes  nicht 
gedenkend,  diese  interkalierten  Konsonanten  in  Formen  eindringen 
liefs,  wo  ihr  Auftreten  jeder  phonetischen  Begründung  entbehrte. 
Ohne  Zweifel  hat  der  Stamm  solcher  Verba,  in  denen  jene  Laute 
sich  als  etymologisch  berechtigt  ausweisen  konnten  {cendre,  tendre, 
tondre,  mordre,  perdre),  die  erste  Veranlassung  zu  einer  derartigen 
Verwirrung  gegeben. 

Indem  wir  nun  der  Entwicklung  dieses  Prozesses  historisch 
nachzugehen  versuchen,  werden  wir  sehen,  dafs  für  die  Verba, 
deren  Infinitiv  die  Gruppe  rdr  bietet,  jene  Bereicherung  des  Stammes 
auch  aufserhalb  des  Infintivs  schon  seit  den  ältesten  Zeiten  die 
Regel  gewesen  sein  raufs: 

aerdre  =  adhaerere    Job,    Roux  de  Lincy  S.  510;   aherdent  =^  ad" 

haerent    Dial.    Greg.   82,  lö,    Brut.  750;    aherde  =  adhaereat 

S.  Bern.  S.  562,  aerdet  Dial.  Greg.  249,  11. 
terdre  =  tergere  Brut.  10622,  terde  ==  tergeat  Job.  SS.  450,  459, 
spardre  =  spargere  Dial.  Greg.  141,3;  asperdoiz  Dial.  Anime  XXV  9  ; 

espardirent  Froiss.  Chron.  I  93,  8;    138,  2^, 
sordre,    sourdre  =  surgere ,  resurdet  =  resurgat  Cambr.  Ps.  40,  8; 

sourdeient  =  sur  gebaut  Rois  S.  242;    sordoit  Brut.  9215,    7859; 

sourdirent  Grans.  Chron.  S.  7 1 . 
tordre  =  tor  quer  e,    tordent  =  torquent   Mahom.    S.  76;    destordent  : 

emportent  Fl.  Blanch.  2314. 

Wir  versäumen  nicht,  die  hierher  gehörigen  Reste  etymologischer 
Bildung  mitzuteilen,  die  die  alte  Sprache  noch  aufweist:  sorjoit 
Durmart  2182,  s  or  io  it  5137,  sorgoient  4^20  =  sur  gebaut,  sour  gent  =^ 
surgunt  Burg.  11  209,  sourjant  Cleom.  2900;  terjoit  ^=^  extergebat 
La  Legende  de  Gir.  d.  Rouss.  p.  p.  P.  Meyer  Rom.  VII  185,  fö2i8d. 

Dafs  das  Imperfectum  estoie,  étais  nicht  aus  stabam  abzuleiten, 
sondern  eine  Neubildung  aus  dem  Infinitiv  estre  sein  mufs,  dafür 
spricht  der  von  Diez  11^  229  als  Grund  angegebene  Mangel  eines 
normannischen  estoive,  estoe.     Der  Einwurf,  dafs  ein  derartiger  Vor- 


DIK  ANALOG.  WIRKSAMKKIT  IN  I)KR  ENTWICKKL.  DER  FKZ.  KONJUG.      57 

gang  bei  den  lautlich  gleichstehenden  Verben  conoísire,  miìsire, 
tistre  u.  s.  w.  nie  stattgefunden  hat,  wird  hinfällig  vor  der  Betrachtung, 
dafs  eine  rein  etymologische  Bildung  aus  dem  Infinitiv  estre  = 
essere,  die  cssoie  lauten  müfste,  deshalb  nicht  möglich  war,  weil  ein 
lateinisches  esseham  nicht  vorlag,  während  connoissoie  etc.  seine 
direkte  Quelle  in  cognoscebam  hat. 

Die  Gruppe  mhr  der  Verba  crtembre,  priembre  =  premere, 
giembre  =  gemere,  raiembre  mufste,  sobald  Nasalierung  des  m  ein- 
trat, der  Combination  ndr  weichen.  Dieser,  wie  die  vorläufige  Bei- 
behaltung des  stammhaften  ie  =  e  zeigt  (z.  B.  crient  :  avient  R.  d. 
Chat.  Coucy  206),  rein  mechanische  Vorgang  legte  eine  gänzliche 
Gleichstellung  der  hierhergehörigen  Verba  mit  den  Verben  auf 
aindre,  eindre  nahe,  die  denn  auch  schliefslich  in  den  noch  neu- 
französischen Formen  craindre,  empreindre ,  geindre  und  dem  ver- 
alteten raaindre  [randerat  Cambr.  Ps.  48,  15,  raendrai  ^4,  19)  durch- 
geführt erscheint.  Neben  dieser  sekundären  Formation  sind  dem 
Altfranzösischen  Bildungen,  die  auf  eine  falschliche  Verwendung 
des  interkalierten  b  weisen,  durchaus  nicht  fremd:  raiembe[iij  M. 
de  France  Lai  de  Lanval  208,  raimbez  Joinv.  432  b,  reembeor  = 
redemptorem  bei  Du  Gange  V  64Ò,  für  eine  gleiche  Behandlung  der 
Fonnen  von  criembre  spricht  das  subst.  criembor  crienbor  Florimont, 
B.  N.  Ms.  fr.  15 101  f^  37  b  (Ms.  492  :  cremour). 

Für  die  Gruppe  ¡dr  kommt  moidre,  moudre  nicht  inbetracht; 
dieses  Verb  sch^nnt  unter  dem  Einfîufs  stammverwandter  anderer 
Redeteile  jede  Beeinträchtigung  seines  ihm  grammatisch  zukom- 
menden Stammes  zu  jeder  Zeit  von  sich  gewiesen  zu  haben.  Nicht 
so  Sahire,  soudre  =  solvere.  Im  Altfranzösischen  war  dieses  Verb 
seinem  lateinischen  Vorbilde  gänzlich  untreu  geworden  {asolve  Dial. 
Anime  XXVIII  5  ist  Latinismus)  und  war  in  jeder  Beziehung  der 
Analogie  der  Verba  voioir,  valoir,  falloir,  saillir  u.  s.  w.  gefolgt:  je 
absoil  =  absolvo  Joinv.  42  f,  absoille  =  absolvai  82  f,  assaille  508e, 
absoloit  378 f,  Froiss.  Chron.  I  i  16,  8.  Bis  ins  lò.  Jahrh.  hinein  blieb 
es,  wie  die  Beispiele  aus  Amyot  bei  Burg.  II  206  und  das  Para- 
digma bei  Palsgr.  S.  438  zeigen,  bei  dieser  Formation;  um  diese 
Zeit  trat  eine  entschiedene  Änderung  in  der  Konjugation  aller 
dieser  Verba  ein  und  fast  jedes  ging  seinen  eigenen  Weg.  Saîidre 
näherte  sich  einerseits  in  wenig  volkstümlicher  Weise  seinem  latei- 
nischen Vorbilde  und  bildete  die  noch  heute  mustergiltigen  Formen 
fabsaus,  je  absoubz  =  absolva  :  absoubz  (part.)  schon  My  st.  V.  Test. 
20460 — I,  nous  ,  absolvons ,  que  f  absolve  die  sich  gegen  Ende  des 
16.  Jahrh.  zeigten,  vgl.  dissoluent  bei  Palissy  S.  352,  dissaluqyeni  S.  540 
andererseits  erkannte  es  das  sekundäre  d  des  Infinitivs  als  stamm- 
bafl  an  und  zeitigte  Gebilde  wie:  dissoudent  Calvin  Instit.  815,  ab- 
soudent  94  6  (Littré),  je  me  r  esondai  s  Régnier,  sat.  V;  dissoudent 
Palissy  SS.  325,  555;  dissoudant  S.  571;  im  komischen  Stil:  dissou- 
de  :  caude  bei  Scarron  éd.  Ch.  Baumet  I  82.  Petrus  Ramus  wollte,  dafs 
man  sage:  nous  soudons  Livet  1.  c.  S.  227.  Rob.  Stephanus  Gramm. 
Gall.  S.  62  :    nous   soudons  u.  s.  w.    vel  nous   saluons  u.  s.  w.       Über 


58  A.  KISOP, 

den  j)sychologischen  Vorzug,  der  der  einen  oder  der  anderen 
Formation  zuzuerkennen  sei,  hat  schon  Palm  im  Gegensatz  zu 
Vaugelas  1.  c.  1  135,  der  rpsoudons  zu  Gunsten  von  resoluons  verwirft 
und  es  II  356  als  „solécisme"  bezeichnet,  das  Entscheidende  gesagt. 
Patru  will  bemerkt  haben,  dafs  das  Volk  niemals  resoluons  sondern 
stets  resoudons  sage,  und  nachdem  er  sich  für  letztere  Form  erklärt 
hat,  fahrt  er  fort;  car  il  est  certain  que  resoluent  et  resoluant  ont 
été  faits  par  ceux  qui  veulent  montrer  qu'ils  savent  du  Latin,  et 
qui  aiment  mieux  parler  Latin  que  Français;  néantmoins  comme 
plusieurs  le  disent,  je  ne  le  condamne  pas,  mais  Tautre  me  semble 
plus  Français   (vgl.  Vaugelas  1  135). 

Unter  den  Verben  mit  der  Gruppe  ndr  verdient  zunächst 
pondre  =  poneré  eine  besondere  Behandlung.  Die  ältesten  Denk- 
mäler sämtlicher  Mundarten  kennen  ausschliefslich  die  rein  etymo- 
logischen Formen:  rcpunet  =  ahscondat  Camb.  Ps.  18,  6;  repunes 
26,10;  reponani  Dial.  Greg.  127,8;  esponeni  Brut.  11554;  ponoieni 
Dial.  Greg.  122,  6;  pouneient  M.  d.  France  fable  LXXX  5;  reponnoü  Gr. 
Chron.  d.  Fr.  ed.  Lyon  1 837  S.  5 1  ;  diese  regelrechten  Formen  erhielten 
sich  bis  ins  16.  Jahrh.  hinein;  Palsgr.  SS.  476,  601  kennt  nur:  nous 
ponnonsy  que  je  ponncy  je  ponnys,  ponnu  Montaiglon  Anc.  Poes  III  180. 
Für  die  neufranzösische  zur  Regel  gewordene  irrtümliche  Verall- 
gemeinerung des  eingeschobenen  d  lasssen  sich  dagegen  erst  seit 
dem  14.  Jahrh.  einzelne  spärliche  Belege  beibringen:  réponde  Y.. 'De- 
schamps  (Tarbé)  II  30,  despondu  Le  Dit  de  TEmp.  Coust.  516.  Erst 
Robertus  Stephanus  Gramm,  (iall.  S.  62  erwähnt  nous  pondons  neben 
ponnons. 

Das  Schicksal  des  Stammes  derjenigen  Verben,  deren  Infìnitiv 
erst  nach  Vokalisierung  eines  radikalen  g,  welches  dann  mit  dem 
Stammvokal  a,  i  oder  u  einen  Diphthong  bildete,  die  Einschiebimg 
eines  d  zulicfs  {plamdrey  teindrey  joindre  u.  s.  w.),  scheint  schon  in 
den  ältesten  Zeiten  auf  den  verschiedenen  mundartlichen  Gebieten 
ein  verschiedenes  gewesen  zu  sein.  Für  die  Mundarten  des  Nord- 
ostens läfst  sich  die  Verallgemeinerung  des  eingeschobenen  d  schon 
seit  dem  1 2.  Jahrh.  nachweisen.  Dieselben  Texte,  die  noch  esponeni 
u.  s.  w.  vgl.  oben  S.  57  kennen,  zeigen  ausschliefslich  Formen  wie: 
rcstraindoii  Dial.  Greg.  8,  13;  destraindoit  99,  1Ó;  107,  11;  125,  14; 
foindans  43,  13;  aioindans  278,  10  (vgl.  die  %\úi%\.,  fainderes  133,3; 
faindcor  132,  24;  tindeor  =  imctorem  271,  i);  complaindons  Job. 
S.  491  ;  complaindani  S.  ^t^'y  astreindans  S.  455;  esiraindet  S.  462: 
estaindel  S.  455  ;  conjoindent  SS.  453,  495  ;  ajoindeni  S.  480.  Dem- 
entsprechend kennt  der  wallonische  Dialekt  des  15.  Jahrh.  nur  die 
analogischen  Formen  :  deplaindoii  J.  d.  Stavelot  S.  2 1  ;  plaindoü 
S.  246;  deplaindirent  S.  354;  plaindeur  =  der  Kläger  S.  21;  jondant 
S.  241  ;  injondons  S.  93;  esiindons  S.  ^2,  Offenbar  ist  die  Analogie 
in  jenen  Mundarten  schon  frühe  zur  absoluten  Herrschaft  gelangt 
und  die  durch  ihr  Wirken  veranlafsten  unorganischen  Bildungen 
sind  als  hervorstechende  sprachliche  Eigentümlichkeit  jener  Distrikte 
aufzufassen. 


Ulli  ANALOG.  WIRKSAMKEIT  IN  DER  ENTWICKEL.  DER  FRZ.  KONJUG.       5g 

Einen  ganz  anderen  Verlauf  nahm  dieser  analogische  Vorgang 
auf  pikardischem  und  centralfranzösischem  Gebiete.  Einerseits 
dürften  derartige  unregelmäfsige  Formen  sich  hier  vor  dem  Anfang 
des  14.  Jahrh.  kaum  nachweisen  lassen:  chaindy,  plaindez  H.  Capet 
S.  205  (erste  Hälfte  des  14.  Jahrh.)  neben  complaignoii  eb.  S.  188; 
aiaingnant  eb.  S.  11;  der  Rom.  d.  Chat.  Coucy  (Anfang  des  14.  Jahrh.) 
hat  einmal  aiaindist  153  neben  sonst  lautlich  richtigen  Formen; 
plaindy  Cygne  6036;  esiindoii  2^Ç)y,  aiaindist  11586  neben  desiraig~ 
nani  6432;  complaignani  17  621;  esiraignant  18045;  chaindoit  Pseud. 
Turpin  ed.  Aurach  er  Programm  des  k.  Maximilians  Gymnasiums. 
München  1875 — 76,  S.  50.  Andererseits  ist  zwar  nicht  zu  leugnen, 
dafs  in  der  Folgezeit  das  unberechtigte  Auftreten  des  d  aufserhalb 
des  Infinitivs  immer  häufiger  und  gebräuchlicher  wurde,  doch  hat 
sich  die  Sprache  der  in  Rede  stehenden  Mundarten  stets  der  ety- 
mologischen Formation  erinnert  und  dieselbe  niemals  gänzlich  zu 
gunsten  der  analogischen  Bildung  aufgegeben.  Die  Anwendung 
der  einen  oder  der  andern  Form  blieb  lediglich  dem  individuellen 
Belieben  jedes  einzelnen  Autors  überlassen.  So  kann  aus  dem 
Verhältnis  der  Handschriften  der  Froissa rdschen  Poesien  mit  grofser 
Wahrscheinlichkeit  nachgewiesen  werden,  dafs  dieser  Dichter  und 
Chronist  den  von  dem  eingeschobenen  d  affizierten  Fonnen  ent- 
schieden den  Vorzug  gegeben  habe.  Die  mit  Sicherheit  dem 
Froissard  angehörigen  Dichtungen  bilden  den  Inhalt  von  Hand- 
schriften, die  im  Jahre  1394  von  dem  Dichter  dem  englischen 
Könige  Richard  11.  als  Widmungsexemplare  überreicht  wurden  (vgl. 
Schaler  Poes.  Froiss.  Introd.  t.  I  S.  XII — XIV).  Diese  Manuskripte 
zeigen  durchweg  die  analogischen  Formen  :  poindoieni  :  joindoient 
Poes.  Froiss.  11  36,  1224,  /ö/W/'lll  53,  754,  und  stehen  hierin  in 
schroffem  Gegensatze  zu  den  beiden  dem  Dichter  nicht  unbestritten 
angehörigen  Gedichten  La  cour  de  Mai  und  Le  Trésor  Amoureux, 
denen  durchweg  die  etymologischen  Formen  eigen  sind:  joingnani 
Poes.  Froiss.  111  49,  1639;  :  poing  nani  111  50,  1Ò99;  faingnent  111  51, 
17 1 1,  plaingneni  111  70,  565  ;  plaingniez  111  102,  23.  Auch  die  Chro- 
nique des  Froissard  zeigt  ein  seinen  echten  Gedichten  entsprechenden 
Sachverhalt:  complaindoii  Froiss.  Chron.  Luce  1  194,  9;  plaindi  1  134, 
26;  plaindireniW  78,  21  ;  enjoindi  1  157,  1Ò;  sousiraindoieni  M  24,  14; 
desiraindoii  11  5 1 ,  1 9  u.  s.  w.  Dafs  die  analogischen  Formen  niemals 
die  Überhand  gewannen,  dafs  vielmehr  das  Sprachgefühl  sich  ent- 
schieden zu  Gunsten  der  phonetisch  berechtigten  Formation  äufserte, 
Äeigt  das  Verhalten  der  besten  Schriftsteller  jener  und  der  folgenden 
Zeit  Läfst  sich  z.  B.  in  dem  Prosaroman  Melusine  von  Jehan 
d'Arras  éd.  Brunet  nach  ^der  Ausgabe  von  1478,  der  untermischt 
Formen  darbietet  wie:  coniraindes  S.  215,  joindisi  S.  2ffo^  joindireni 
S,  320,  aiüindii  S,  320,  poindisi  S.  193,  empoindireni  S.  128,  caindisi 
S.  407  neben  caignii  S.  336,  empaignireni  S.  300,  plaignoii 
S.  118,  plaignoieni  S.  320,  faignii  S.  289,  der  dem  Verfasser 
eigentümliche  Gebrauch  nicht  feststellen,  so  ¡st  dies  in  gereimten 
Werken  wie  dem  Mystère  de  la  Passion  von  A.  Greban,  eher  mög- 


6o  A.  KISOP, 

lieh.  Hier  laìiscn  sich  die  Formen  plaignoii  v<\,  (i.  Paris  ii.  G.  Ray- 
naud 2522,  poignant  200Ò,  craignisse  Q615,  durch  Betrachtung  der 
Reime  faignc  :  montaigne  13 179;  poignent  ksmoigneni  20656  u.  s.w. 
als  dem  Dichter  angehörig  erweisen,  wahrend  die  nur  im  Vers- 
innem  begegnenden  Formen:  plaindeni  13237,  plaindez  30939, 
plaindoient  59,  faindez  14623,  reffraindez  30468  u.  s.  w.  dem  Schreiber 
zur  Last  zu  legen  sind.  Die  C.  Nouv.  ed.  Le  Roux  de  Lincy 
nach  den  beiden  Ausgaben  von  i486  (1487),  kennen  nur  die  rcgel- 
mäfsigen  Bildungen;  nur  einmal  steht:  faindtilibc^,  eine  Form, 
die  sich  auch  im  Heptameron  ed.  Jacob  als  einziger  Vetreter  des 
analogischen  Prinzips  S.  45  als  findit  wiederfindet;  feindre  scheint 
namentlich  zu  dieser  lautlichen  Anomalie  geneigt,  auch  bei  Palissy 
steht  feindani  S.  251  vereinsamt  zwischen  regelmäfsigen  craignoif^ 
joignoii  etc.  (vielleicht  ist  Einflufs  des  deutschen  finden  y  erfinden 
anzunehmen?).  Auch  craindre^  dessen  regelrechte  Konjugation 
cremons,  cremez  noch  lange  über  die  altfranzösische  Zeit  hinaus  ge- 
bräuchlich war,  hat  zuweilen  dem  eingeschobenen  d  ein  weiteres 
Gebiet  eingeräumt  z.  B.  craindani  citiert  von  Reiffenberg  Ph.  Mousk. 
I  44;  Montaiglon  Anc.  Poes.  IX  316.  —  Mufs  nun  auch  zugegeben 
werden,  dafs  die  Schriftsprache  sich  für  den  Gebrauch  der  regel- 
rechten Formation  erklärte,  so  ist  doch  andererseits  die  volkstüm- 
liche Berechtigung  der  analogischen  Bildung  nicht  zu  verkennen, 
und  dafs  diese  in  der  vom  Volke  gesprochenen  Sprache  eine  weite 
Verbreitung  erfahren  haben  mufste,  dafür  sprechen  die  diesbezüg- 
lichen Bestimmungen  der  Grammatiker  des  15.  und  16.  Jahrh.  Der 
Engländer  Palsgrave  bietet  für  drei  hierhergehörige  Verba  analogische 
Formen:  ceindre  :  nous  ceindons,  i/s  ceindent  S.  566;  estayndre  :  nous 
cstaindonSy  jesiaindis  SS.  525,  675;  attaindre  :  atiajndons,  je  atiaindis,  que 
je  aitaynde  S.  680  ;  indem  er  aber  daneben  que  ¡e  ceigne,  que  jesíqygne, 
je  ceignis  gelten  läfst,  zeigt  er,  wie  wenig  es  ihm  um  die  Befolgung 
eines  festen  Prinzipes  zu  thun  gewesen  ist.  Bestimmter,  wenn  auch 
noch  willkürlich  genug,  äufsert  sich  Petrus  Ramus,  dessen  „Gramere" 
zuerst  1562  erschien,  über  die  Zulässigkeit  der  einen  oder  der 
anderen  Bildung;  er  will,  dafs  man  die  Plndung  gnons  den  Verben: 
joindrCf  Jeindre,  craindre,  peindre,  poindre  zukommen  lasse,  während 
er  für  die  Verba:  esteindre,  enfraindre ,  espandre,  souldre,  semoudre 
(=  wohl  semondre),  raieindre,  respondre,  rendre,  tondre,  pendre,  pondre 
oder  ponre,  coudre,  vaincre Q)  die  Endung  do7ts  beansprucht  vgl.  Livet 
S.  227.  Für  coudre  vgl.  das  neupikardische  :  oi  keudons,  Behrens  1.  e. 
S.  59.  Der  wenig  für  die  Volkssprache  eingenommene  Vaugelas 
hat  schliefslich  den  Streit  dahin  entschieden,  dafs  er  die  analo- 
gischen Formen  zu  Gunsten  der  etymologischen  aus  der  Sprache 
überhaupt  verbannt.  Er  sagt  II  378:  „on  dit  peignons,  en  parlant 
de  peindre,  et  non  pas  peimions  comme  disent  quelques-uns,  no- 
nobstant réquivoque  de  peignons,  qui  vient  de  peigner',  et  il  en  est 
de  même  de  ceindre,  atteindre  u.  s.  w.  u.  s.  w.  Und  dabei  ist  es 
denn    für    die  Verba   mit    der    Gruppe   ndr  =  ngere   endgiltig    ge- 


DIE  ANALOG.  WIRKSAMKEIT  IN  DER  ENTWICKEL.  DER  FRZ.  KONJUG.       6 1 

blieben,  während  in  den  Verben  tordre  und  pondre  die  Formen  mit 
eingeschobenem  d  zur  Alleinherrschaft  gelangt  sind. 

Eine  besondere  Beachtung  verdienende  Erscheinung  ist  das  c 
in  den  Konjugationsformen  von  vaincre  \  die  ältesten  Denkmäler, 
\jà.  Chanson  de  Roland,  Les  Quatre  LivTes  des  Rois,  La  Chronique 
des  Ducs  de  Normandie,  La  Chronique  rimée  de  Ph.  Mouskes 
zeigen  den  grofsere  lautliche  Berechtigung  beanspruchenden  Infinitiv 
ivintre,  der  sich  durch  Einschiebung  der  Tenuis  /  an  Stelle  des 
vokalisierten  c,  welches  mit  dem  Stammvokal  den  Diphthongen  ei 
bildet,  leicht  zu  erklären  scheint;  vgl.  Darmesteter  Rom.  111  396. 
Die  Frage  nach  dem  Ursprünge  des  sekundären  Infinitivs  vaincre 
ist  verscliieden  beantwortet  worden.  Delius  Jahrb.  I  358  erkennt 
in  dem  k  nur  einen  durch  das  nasale  n  geforderten  euphonischen 
Stûtziaut,  w^ährend  Diez  1'*  255  demselben  einen  etymologischen 
Ursprung  beizulegen  geneigt  ist.  Wenn  nun  aber  \V.  Foerstor, 
Ztschr.  f.  rom.  Phil.  1  5Ò2  das  c  des  Infinitivs  vaincre  als  hervor- 
gegangen aus  einer  analogischen  Übertragung  aus  den  Formen 
vaincons  u.  s.  w.,  vaincoie  u.  s.  w.  aufifafst,  in  denen  die  Wahrung  des 
c  lautlich  gerechtfertigt  sei,  so  sei  daran  erinnert,  dafs  vaincons 
nicht  unmittelbar  von  vinkimus  abzuleiten  ist  (s.  o.  S.  49 — 50)  ;  das 
c  =s  k  ist,  wie  der  Dualismus  der  provenzalischen  Formen  zeigt,  vgl. 
Diez  IP  206,  auch  hier  erst  ein  sekundäres. 

Als  eine  allerdings  nur  orthographische  Besonderheit  des  Neu- 
französischen bleibt  hier  zu  bemerken,  dafs  alle  Verba  auf  -dre 
(mit  Ausnahme  derer  auf  -ndr  ==  lat  -ngere  und  die  Composita  von 
soui/re)f  femer  vaincre,  rompre,  mettre,  battre  das  stammhafte  oder 
sekundäre  d,  ebenso  wie  c,  p,  i  den  grammatischen  Gesetzen  und 
dem  altfranzösischen  Gebrauch  entgegen  auf  den  ganzen  Singularis 
des  Praesens  Indicativi  ausgedehnt  haben.  Diese  Schreibart  geht 
mindestens  bis  ins  15.  Jahrhundert  zurück:  vgl.  //  prend  (ireban 
Myst.  Pass,  Ö234,  6538,  reprend  6235,  13455,  degíend  \22^2, 
fend  12253,    prétend  12538,    estand  12252,    re  mord    2\'J'¡^    neben 

prent  14873,  emprent  14874,  font  19343  "•  ^-  ^^'•'  "^^  ï^-  "^^^^ 
17.  Jahrhundert  hatte  <  dieselbe  auch  die  Verba  craindre ,  feindre, 
peindre  u.  s.  w.  ergriffen;  so  schreibt  Robertus  Stephanus,  Gramm. 
Gall.  S.  62:  il  craind,  il  peimi  neben  il  joinj^!  und  in  Jean 
Ciodards  „La  Langue  françoise  (Lyon  1Ö20)  steht  noch  //  se  plaind 
vergleiche  Didot  Oberv.  sur  TOrthographe  S.  120.  Über  den 
Zusammenhang  des  Infinitivstammes  mit  diesen  Präsensformen  ver- 
gleiche man  die  Aufserungen  des  Ilenricus  Stephanus:  „Saepe  etiam 
infinitiuus  scripturam  docet.  Exempli  gratia,  quum  dicamus 
Craindre,  Pindre,  Findre  scribendü  esse  apparet  Craind,  Pmd,  Find, 
Quinetiam,  quum  hoc  pacto  haec  tertia  j)ersona  singularis  modi 
indicati  ü  i  scriba  tur,  altero  scribi  debet  eadem  vox  quum  est  parti- 
cipium.  Nam  pro  Formidatum  scribendum  est  Craint  non  Craind, 
ut  ostendit  foemininum  crainte  formidata^*'  Hypomneses  S.  56,  und 
weiter:  ,  feint,  peint,  id  est  Fin  ¡fit.  Pin  s;  it.  Quamquam  verior  (»t 
magis  ratione  nitens  scriptura  esset,  si  litera  d  linirentur,  quum  ¡n- 


02  A.  RISOP, 

finitiui  modi  sint,  Feindre,  Peindre*' j  eb.  S.  Qi  vgl.  auch  S.  72.  Das 
/  der  PIndung  der  3.  pers.  sing,  ¡st  hinter  diesem  d  als  überflüssig 
ausgefallen,  nicht  so  dagegen  in  /*/  rompi,  dem  gegenüber  il  imnc 
=  vinkit  ohne  /  (vergi,  afrz.  //  7)aint)  nicht  wenig  befremdlich 
erscheint. 

g)    Unorganischer  Ausfall  des  eingeschobenen  d. 

Einen  unrechtmäfsigen  Schwund  des  eingeschobenen  d  erlitten 
vindrent  und  iindrent  =  veneruni,  iénerunt.  Die  Beispiele  für  die  im 
Neufranzösischen  zur  Herrschaft  gekommenen  Formen  vinrent,  tinrent 
begegnen  in  den  ältesten  Denkmälern,  wie  sich  denn  überhaupt 
ein  Schwanken  zwischen  vinrent  und  vindrent  während  der  ganzen 
altfranzösischen  Zeit  bis  ans  Ende  des  16.  Jahrh.  nicht  verkennen 
läfst.  Allerdings  mufs  dahin  gestellt  bleiben,  in  wie  weit  hier  bei 
der  im  Altfranzc')sischen  gewifs  nicht  überall  zur  absoluten  Regel 
erhobenen  Einschiebung  eines  vermittelnden  d  analogische  Wirk- 
samkeit anzunehmen  ist  —  ziemlich  sicher  ist  nur,  dafs  die  nfrz. 
vinrent,  tinrent  ihren  schliefslichen  Sieg  dem  Streben  nach  An- 
gleichung  an  den  den  übrigen  Perfektformen  gemeinsamen  Stamm 
vin,  tin  zu  verdanken  haben,  wenn  auch  Vaugelas  I  182  denselben 
als  euphonisch  notwendig  hinstellen  will:  vinrent  et  vindrent;  Tous 
deux  sont  bons,  mais  vinrent  est  beaucoup  meilleur.  M.  Coëffeteau 
dit  toujours  vinrent,  et  M.  de  Malherbe  vindrent.  Toute  la  cour  et 
tous  les  Autheurs  modernes  disent  vinrent  comme  plus  doux  u.  s.  w. 
'l'h.  Corneille  bemerkt  dazu  :  Il  n'y  a  aujourd'hui  que  vinrent  qui 
soit  en  usage;  ebenso  die  Acad.  franc. 

Dieser  Vorgang  erinnert  an  die  Modifikationen,  die  sich  die 
sekundäre  Lautverbindung  -j/r-  der  3.  pers.  plur.  der  sigmatischen 
Perfecta  gefallen  lassen  mufste.  Wie  Suchier  (Aucassin  und  Nico- 
lete  S.  62,  15  und  Mundart  des  Leodegar  Ztschr.  f.  rom.  Phil.  II  297) 
darthut,  hatten  sich  mistrent,  distrent  u.  s.  w.  nur  in  der  Nonnandie 
unberührt  erhalten,  während  das  Pikardische  (Diez  II  244),  das 
Wallonische  und  Lothringische  Bildungen  wie  misent,  disent  u.  s.  w. 
an  deren  Stelle  zeigen.  Diese  Anomalien  erklären  sich  offenbar 
durch  Anfügung  der  der  Mehrzahl  der  übrigen  Zeiten  gemeinsamen 
Endung  -rv//  an  den  Perfektstamm  mis,  dis  u.  s.  w.^  Beispiele: 
prisent  M.  Brut  780,  misent  1086,  guisen t  1085,  fisent  790,  894,  913, 
neben  fistrent  1272,  1274,  mistrent  1273,  sissent  Aucassin  11,  13, 
assisent  Berte  127;  déduisent  El.  Blanch.  2486,  relraisent  Froiss. 
Chron.  II  65,  17;  67,  4;  reprisent  Dial.  (rreg.  135,  1 1  ;  ocisent  139,  3, 
15;  classent  150,  13;  plainssent  21,  10;  ioinsseni  146,  I2,  somonsent 
133,  20;  arsent  W.  de  Valenciennes  S.  213,  mor  sent  S.  181,  esparsent 
SS.  182,  212.  Suchier  Ztschr.  II  297  bemerkt,  dafs  lothringische 
Manuskripte  dieses  s  in  der  3.  pers.  plur.  von  Perfekten  zeigen,  die 
überhaupt  nicht    zur    sigmatischen   Flexion   gehören  —  als  I^ispiel 


'  Ks  ist  schon  j;csaj;t,  weshalb  das  urspninj»liih  llexivisrhe  s  im  Koma< 
nischcn  als  stammhaft  zu  belrachlcn  ist. 


DIE  ANALOG.  WIRKSAMKEIT  IN  DER  ENTWICKEL.  DER  FRZ.  KONJÜG.       63 

mag  hier  die-  in  der  lothringischen  Handschrift  des  R.  d.  Floriraont 
Ms.  frç.  1 5 1  o  I  öfter  wieder  kehrende  Form  uinsei  =  venerunt  stehen  : 
atant  uinsei  dut  chevalier  f**  26^,  vgl.  auch  f®  6i<l,  fo  83h. 

Wie  stellen  sich  nun  zu  diesen  altfranzösischen  Bildungen  die 
nfrz.  direni,  mireni  u.  s.  w.  Die  Unmöglichkeit,  die  Quelle  derselben 
in  diseni  y  miseni  zu  suchen,  leuchtet  von  vorn  herein  ein.  Auch 
ihre  Herleitung  aus  einem  ähnlichen  Vorgange  wie  vinreni  aus 
lundrenfy  indem  mistrent  durch  Angleich ung  an  meïsmesj  meistes  zu 
misreni  wurde,  Formen,  die  in  Handschriften  des  14.  und  15.  jahrh. 
und  in  Drucken  des  16.  Jahrh.  nicht  selten  begegnen  (z.  B.  prisreni 
Villehardouin  ed.  P.  Paris  SS.  10,  62,  conquisreni  S.  78,  disreni  S.  26 
neben  prisireni  S.  83;  dtsireni  S.  122,  misireni  S.  131,  misreni  La 
Tour  de  Landry  S.  42  (Ms.  Anfang  des  15.  Jahrh.),  meisrent  Amadis 
liv.  Vfo  XXXnP,  disreni  eb.  f«  XXXVIIP  und  die  Diez  W  243  als 
diejenigen  anzuerkennen  scheint,  die  durch  Schwund  des  s  zu  dirent, 
mireni  u.  s.  w.  herüberleiten  sollen  wenn  er  sagt  :  ,,disrent,  wofür 
die  Alten  auch  schon  direni  sprachen",  hat  gewifs  ihre  gerechten 
Bedenken.  Das  s  in  disreni  ist  eine  nur  graphische  Annäherung 
an  deismes,  deisies.  In  Anbetracht  der  schon  im  13.  Jahrhundert 
begegnenden  Reime:  vireni  :  mireni  Cleom.  15749 — 50,  prirent  :  par- 
tirent 1 82 1 7,  im  Verse  prirent  Cleom.  155 13,  direni  12077,  direni 
516;  ocistreni '.  pendirent  R.  d.  St.  Graal  1851,  maumistrent  :  repan- 
dirent  Libri  Psalm.  Appendix  ps.  LXXVIII  4,  es  tendirent  :  mireni 
CXXXDC  6,  misireni  :  ¿siendireni  LXXXI  5,  dirent  :  estahlireni  XL  10; 
:  vireni  XXXIV  24  u.  s.  w.  mufs  der  Übergang  von  misireni  und 
misent  zu  mirent  ein  unmittelbarer  gewesen  sein  und  es  bleibt  nur 
übrig  mit  Suchier  a.  a.  O.  anzunehmen,  dafs  Formen  wie  virent, 
firent  [=  feìieruni),  vendirent,  sentirent  u.  s.  w.  die  in  Frage  stehenden 
Formen  nach  ihrem  Vorbilde  umgeschaffen  haben.  Umgekehrt 
finden  sich  dann  auch  hin  und  wieder  Formen  wie  guerpisent  für 
guerpirent  \  desconfisent  Ph.  Mousk.  972  und  die  von  P.  Paris  heraus- 
gegebene Handschrift  des  Villehardouin  bietet  einmal  respondistrent 
S.  142. 

h)    Unorganischer  Ausfall  des  stammhaften  d. 

Eine  wie  bedeutsame  Verwirrung  die  Kinschiebung  eines  sekun- 
dären d  in  dem  Verständnis  der  wahren  Natur  der  Gruppen  ndr 
und  rdr  hervorgebracht  hat,  mögen  folg(»nde  Thatsachen  lehren. 
Hatte  sich  die  Sprache  einerseits  daran  gewöhnt,  dafs  d  der  In- 
finitive plaindre,  faindre,  sourdt  e  u.  s.  w.  als  stammhaft  zu  betrachten, 
so  l)egann  sie  umgekehrt  schon  in  frühester  Zeit  das  in  Wahrheit 
radikale  d  der  Verba  prendre  und  repondre  =  responderé  mit  dem 
eingeschobenen  d  zu  verwechseln  und  es  da  wegzulassen,  wo  es 
lautlich  streng  gefordert  war.  i.  Prendre  folgte  hierin  offenbar  der 
Analogie  von  tenir  und  venir  rait  welchen  es  im  Futur  zusammen- 
fiel: tendrai  für  tiendrai,  prendrai.  Die  Vie  de  St.  Alexius  hat  noch 
prendent  S.  64 b;  prenent  Rol.  2562,  Voyage  de  Charlemagne  242, 
prenant  Brut.  5533   neben   prcndaut  5241;    und    sogar    der    Infinitiv 


04  A.  RISOP, 

zeigt  Synkope  des  staramhaften  iì\  perire  S.Bern.  S.  048,  reperire 
eb.  S.  570,  panre  Amis  Am.  119.  Es  ist  selbstverständlich,  dafs 
diejenigen  Denkmäler,  die  eine  falschliche  Verwendung  des  sekun- 
dären d  kennen,  das  radikale  d  von  prendre  nicht  fallen  liefsen: 
prendente  prendoieni  Job.  S.  489,  prendons  H.  Cap.  S.  157,  prendoii 
S.  4,  prendent  Froiss.  Chron.  Il  ^iò^  3^5  prendoieni  II  37,  20.  Die 
Sprache  schwankte  in  der  Auffassung  der  Natur  dieses  d  bis  ins 
16.  Jahrh.  hinein:  surprende  :  rende  Myst.  Pass.  v.  A.  Greban  5160, 
prende  :  descende  8709,  preìndent  Jehan  de  Paris  S.  65,  bis  sic  sich 
schliefslich  für  die  analogischen  Formen  prenons,  prenais  u.  s.  w. 
entschied.  2.  Der  im  Altfranzösischen  nicht  seltene  Ausfall  des 
stammhaften  d  von  respondre  =  responderé  ist  auf  eine  Vermischung 
mit  den  Formen  des  Verbums  repondré  =  reponere  zurückzuführen, 
die  sich,  wie  oben  gezeigt  wurde  noch  im  16.  Jahrh.  von  dem  ein- 
geschobenen d  unbeeinflufst  erhalten  hatten  ;  vgl.  repuneit  =  respon* 
dehai  Rois  S.  107,  respuneni  Otinel  S.  2.8,  responent  Ch.  Lyon  3701, 
4451,  responez  eb.  ^084,  Angionorm.  Homilien  Ztschr.  f.  rom.  Phil. 
Ï  4v53  ^''  50,  respouneii  M.  d.  France  II  394,  10;  responneieni  eb. 
II  397,  8;  responnant  Méon  II  189,  56;  responnez  Rose  ed.  Meon 
15373  "i^d  ^¿'  1735  ^-  Ï79S9  responnoit  Jubinal  Nouv.  Ree.  I  16, 
36,  58;  im  Reime:  responne  :  bonne  Jubinal,  Myst.  inéd.  I  240,  287; 
re  spönne  s  :  homes  eb.  I  177,  responnez  :  donnez  I  198.  Noch  Pals- 
grave S.  432  hat:  nous  responnons,  ils  responnení,  que  je  responne  y 
/(ly  responnUf  corresponu  neben  je  respondis, 

i)  Krsatz  des  eingeschobenen  oder  stammhaften  d 

durch  y,  g. 

In  demselben  analogischen  Vorgange  wird  man  die  Ursache 
iler  in  der  alten  Sprache  zuweilen  begegnenden  Vertretung  des  d 
der  Gruppe  rdr^  sei  es  radikal  oder  sekundär,  durch  y,  g  zu  suchen 
haben.  Oben  S.  1 1  war  auf  die  Überreste  einer  archaischen  Flexion 
der  Formen  von  sourdre  und  terdre  hingewiesen  :  sorjoii,  ierjoiU  die 
trotz  ihrer  grofsen  Seltenheit  noch  genug  Einflufs  besessen  zu  haben 
scheinen,  um  den  Stamm  von  im  Infinitiv  ihnen  lautlich  gleich- 
stehenden Verben  nach  ihrem  Vorbilde  umzuformen.  Dieselbe 
analogische  Kraft,  die  prendoii  und  respondoii  zur  Verzichtleistung 
auf  ihr  stammhaftes  d  bewegen  konnte,  vermochte  auch  nach  dem 
Modelle  von  sorjoiiy  ierjoii  neue  Bildungen  zu  veranlassen,  wie  das 
handschriftliche  argoii  Aue.  Nie.  II  6  ;  Tobler,  Ztschr.  f.  rom.  Phil. 
II  624  führt  als  Stütze  dieser  von  Suchier  in  ardoii  geänderten 
Form,  folgende  weitere  Beispiele  an  :  candeües  ....  argeni  Wil.  de 
Honecourt  XXXIII,  argammeni;  aherjoieni  Pere.  22990.  Desgleichen 
berichtigt  Foerster,  Ztschr.  f.  neu  frz.  Spr.  u.  Lit.  I  87,  Chabaneaus 
(Théorie  S.  87)  Auffassung  der  Form  iorgani^  die  ein  unmittelbares 
Produkt  des  lateinischen  iorquanlem  sein  soll,  durch  Hinweis  auf 
folgende  Gebilde:  argani  Cour.  Ren.  1541,  Ren.  Nouv.  6094,  argoii 
Nouv.  fr.  i^i^i  ;  Pere.  3,  go  ;  ?norjani,  morjoieni  Jor.  4.  Vgl.  aufser- 
dem:  arganz  Pere.  9203,  inrgani  B.  Chrest.  66,  13;  il   leur  esrachoit 


DIE  ANALOG.  WIRKSAMKEIT  IN  DER  ENTWICKEL.  DER  FRZ.  KONJUCi.       65 

et  dttorgoit  leurs  healmes  hors  des  testes.  Chron.  du  Bon  Chev. 
Mess.  G.  d.  Chin.  ed.  Chalons,  Mons  1837  S.  22 \  perjanty  puis  s'en 
ala  el  suth  perjant  Mainte  ville  laissa  ardant  Gaimar  S.  13. 

k)  Die  Formen  je  prins,  prins  für  je  pris,  pris. 

Zum  Schlufs  mögen  hier  noch  einige  Bemerkungen  über  die 
heute  verschollenen  Formen  von  prendre:  je  prins  und  partie,  prins 
für  je  pris  und  pris  Platz  finden.  W.  Foerster,  Ch.  II  Fsp.  S.  L 
und  Anmerkung  zu  v.  250  sieht  in  dem  sekundären  Auftreten  des 
H  nur  eine  Reminiscenz  des  lateinischen  Lautstandes;  durch  Reime 
seien  indessen  derartige  Formen  nicht  zu  belegen.  Dieses  n  mufs 
jedoch  einst  einen  wirklichen  Lautwert  gehabt  haben,  denn  seit 
dem  14.  Jahrh.  begegnen  Reime  wie:  inns  :  prins  E.  Deschamps  1  56  ; 
prins f  mesprins  :  enciinsj  affins  eb.  I  57;  vini  :  print  Ysopet  II,  Vili 
ed.  Rob.  I  159;  reprint:  ranni  Jubin.  Myst.  inéd.  I  49;  prins  :  Ja- 
cobins Gringoire  II  255,  vings  =  luginii  :  prins  Montaiglon  Anc. 
Poés.  IV  102,  subst.  cìitreprinse  :  quinze  Mist  V.  Test.  17908 — 9. 
Auch  aus  der  Art,  wie  Vaugelas  von  diesen  Formen  spricht, 
scheint  hervorzugehen,  dafs  das  n  thatsächlich  lautete:  er  sagt  I  183 
betreffs  print,  prindrent,  prinrent:  „Tous  trois  ne  valent  rien,  ils  ont 
este  bons  autrefois,  et  M.  Malherbe  en  use  toujours.  Et  d'ielle 
prindrent  le  flambeau,  dont  ils  désolèrent  lair  terre  etc.  Mais  aujourd'huy 
on  dit  seulement /r/'/,  prirent  qui  sont  plus  doux";  nach  Livet 
1.  c.  S.  319  spricht  man  in  Anjou  noch  heutigen  Tages  je  prins  wie 
je  vins.  Hier  liegt  offenbar  eine  Vermischung  mit  den  Verben 
tenir  (venir)  vor,  die  eine  Zeit  lang  zur  gegenseitigen  Auswechslung 
der  Formen  beider  Verba  geführt  hat.  So  bildete  man  :  tensist  La 
Tour  de  Landry  S.  222  vensist  eb.  SS.  147,  193  nach  prensist  eb. 
SS.  15,  231  und  andererseits  prenissiez  eb.  S.  76  nach  tenissent  eb. 
S.  57  ;  vgl.  aufserdera  tenons,  venons  mit  prenons,  taignent,  vaignent, 
teignent,  veignent,  tengnent,  vengnent  mit  praignent,  preignent,  pregnent 
vgl.  Behrens  a.  a.  O.  S.  1 5  ;  für  das  partie,  tenu  begegnet  zuweilen 
die  nach  prins  gebildete  Form  tins  z.  B.  Montaiglon  Anc.  Poés. 
VII  2Ò5,  Vili  206;  vgl.  auch  Th.  Corneille  zu  Vaugelas  1  183. 

A.  Risop. 


ZcllMchr.  f.  rom.  Phil.    VH. 


Nooh  emmal  Dino  Compagni. 

Erster  Artikel. 

Gegen  den  von  mir  versuchten  Beweis,  dafs  Dinos  Chronik  durch 
und  durch  eine  Fälschung  sei  *,  ist  C.  Hegel  in  die  Schranken  ge- 
treten. Gefühle  der  Jugendfreundschaft,  die  ihn  mit  Dino  verband, 
sind  in  seiner  Brust  wieder  wach  geworden,  und  so  eilt  er  dem 
gefährdeten  Liebling  zu  Hilfe.^  Allerdings  erscheint  derselbe  auch 
¡hm  nicht  mehr  in  der  Reinheit  vergangener  Tage:  Hegel  will  nur 
den  Vorwurf  zurückweisen,  dafs  sein  Dino  ein  absolut  falscher 
Freund  gewesen  sei.  Um  mich  deutlicher  auszudrücken,  —  Dinos 
Chronik  soll  von  einem  ungeschickten  Redactor  interpoliert,  aber 
sie  soll  nicht  gefälscht  sein.  Nach  Hegel  bedarf  es  jetzt  nur  einer 
Scheidung  der  von  Dino  überlieferten  und  der  von  einem  Späteren 
hinzugefügten  Thatsachen  ;  dazu  müfste  man  die  leidenschaftliche 
Gemütsverfassung  und  den  Mangel  an  historischem  Sinn  beim 
eigentlichen  Autor  in  Anschlag  bringen  ;  was  aber  die  Kenntnis  der 
Parteien  und  die  Stimmungen  der  Zeit  beträfe,  so  sei  die  Chronik 
geradiizu  vortrefflich. 

Diese  Ausführungen  Hegels  haben  sehr  bald  den  Beifall 
Theodor  Wüsten fclds  gefunden.  Der  Göttinger  Gelehrte  hatte  sich 
freilich  zunächst  wohl  oder  übel  entschlossen,  die  Chronik  „fallen 
zu  lassen".  Aber  eben  infolge  der  Hegeischen  Rettung  glaubte 
er  seine  Meinung  ändern  zu  müssen,  und  auch  ¡hm  ist  die  Chronik, 
wi(î  er  sich  ausdrückt,  nicht  von  Haus  aus  gefälscht,  sondern  nur 
in  späterer  Zeit  „überpinselt".^ 

Ich  unterschätze  gewifs  nicht  das  Urteil  Dessen,  der  unter  uns 
als  (1er  beste  Kenner  der  italienischen  Archive  gilt;  jedoch  habe 
ich  nicht  gehört,  dafs  Wüstenfeld  dieses  Mal  einen  l>esonderen 
lundruck  gemacht  und  Zustimmung  gefunden  habe.  Im  damaligen 
Stadium  des  Streites  aber  war  er  der  Einzige,  der  die  Ansicht 
Hegels  als  die  richtige  verkündigte;  wenigstens  in  einer  wissen- 
schaftlichen Zeitschrift  und  mit  dem  Rüstzeug  der  Gelehrsamkeit 
ist  damals  für  Dino  kein  zweiter  Ritter  aufgetreten.  Die  allgemeine 
Überzeugung  war  vielmehr,  dafs  Hegel  trotz  aller  Wärme  der  Em- 


^  Florentiner  Studien.     Leipzig  1874.     S.  45 — 210. 

*  Die  Chronik  des  Dino  (^ompafjni,  Versuch  einer  Rettung.    Leipzig  1875. 

^  Götling.  Gel.  Anz.  1875.     Stück  49  und  50.     S.  1537 — 159Q. 


NOCH  EINMAL  DINO  COMPAGNI.    I.  67 

pfindung  seine  These  nicht  bewiesen  habe.  Ja,  ich  bin  in  jener 
Zeit  wohl,  allerdings  nur  in  schriftlichen  Bemerkungen,  der  übrigens 
auch  für  mich  nicht  ermunternden  Ansicht  begegnet,  „eigentlich 
zeige  der  Rettungsversuch  viel  besser,  als  mein  Buch,  wie  unendlich 
traurig  es  um  Dino  stünde". 

Dennoch  glaubte  ich  Hegel  die  Antwort  nicht  schuldig  bleiben 
zu  dürfen.  Ich  erwiederte  ^  aber  es  geschah  gewifs  nicht  aus 
Widerspruchsgeist,  auch  nicht  aus  der  Unfähigkeit,  einen  gegen 
mich  erhobenen  Einwand,  wie  begründet  er  sein  möge,  in  seiner 
Bedeutung  ganz  und  voll  zu  erkennen,  und  wenn  Hegel  jüngst 
einmal  bemerkte,  „begreiflicher  Weise"  hätte  ich  am  Lebhaftesten 
seinen  Rettungsversuch  bekämpft,  so  habe  ich  nicht  gemeint,  die 
hervorgehobenen  Worte  als  eiiio  Beleidigung  auffassen  zu  sollen;  ich 
nehme  sie  vielmehr  in  dem  Sinne,  dafs  ich  vor  Allen  im  Stande 
gewesen  sei,  die  Nichtigkeit  von  Hegels  Beweisführung  zu  durch- 
schauen. Die  glaube  ich  denn  auch  in  bündigster  Art  dargethan 
zu  haben:  eine  Reihe  bald  darauf  erschienener  Recensionen  lautete 
dahin,  dafs  die  Position  Dinos  unhaltbar  geworden  sei.  Wieder  hat 
sich  meines  Wissens  nur  eine  einzige  Stimme,  der  vielleicht  von  Diesem 
oder  Jenem  eine  Bedeutung  zuerkannt  wird  -,  zu  Gunsten  Dinos  er- 
hoben. In  der  dritten  Auflage  seines  Buches  „Dante  Alighieris  Leben 
und  Werke"  sagt  Wegele  S.  VUI,  er  teile  den  Standpunkt  Hegels 
und  sei  der  Überzeugung,  „dafs  das  Dinos  Namen  führende  Ge- 
schichtswerk in  der  vorliegenden  Gestalt  unecht,  aber  keine  Fäl- 
schung ist".  Man  sollte  danach  glauben,  Wegele  habe  die  „nicht 
unwichtige  Quelle"  mit  der  von  Hegel  empfohlenen  Vorsicht  be- 
nutzt, d.  h.  er  habe  für  die  Thatsachen  nach  emer  Bestätigung 
gesucht,  aber  von  der  Kepntnis  der  Parteien  und  von  den  Stimmungen 
der  Zeit,  die  Hegel  ja  so  warm  empfiehlt,  den  ausgiebigsten  Ge- 
brauch gemacht.  Nach  beiden  Richtungen  sieht  man  sich  bald 
enttäuscht:    in    demselben    Atemzuge,    in   welchem    Wegele    seine 


*  Die  Chronik  des  Dino  Compagni,  Kritik  der  Hegeischen  Schrift:  „Ver- 
such einer  Rettung".    Leipzig  1875. 

*  Wegele  will  die  Geschichte  Dantes  auf  breitester  historischer  Grund- 
lage aufbauen.  Mithin  war  die  erste  Aufgabe  :  sorgfaltige  Prüfung  der  Quellen. 
Dennoch  machte  erst  ich  die  Entdeckungen,  die  er  hätte  machen  müssen, 
also  erst  ich  fand  die  Unechtheit  der  Chroniken  Dinos  und  der  Malespini, 
die  gemeinsame  Quelle  sodann,  aus  welcher  Paolino  Pieri,  Simone  della  Tosa, 
Villani  und  Andere  schöpften.  Bei  dieser  Lage  der  Dinge  wird  kaum  ein 
Fachgenosse  gerade  von  mir  verlangen,  ich  müsse  Wegele  als  eine  Autorität 
in  Fragen  der  Quellenkritik  respektieren.  Wie  ich  mit  Rücksicht  auf  Dino 
noch  insbesondere  bemerken  will,  konnte  ich  aus  der  grundfalschen  Dar- 
stellung des  Florentiner  WahlverAihrcns ,  die  Wegele  S.  141  entwirft,  um 
dieselbe  sogar  zu  weiteren  Schlüssen  für  Dantes  Priorat  zu  verwerten,  nicht 
einmal  die  Überzeugung  gewinnen,  dafs  Wegele  auch  nur  die  wichtigsten 
Probleme  ernstlich  studiert  habe:  S.  loo  der  Florentiner  Studien  habe  ich 
an  der  Hand  der  Urkunden  gezeigt,  dafs  das  Wahlverfahren  ganz  anders 
war,  als  der  angebliche  Dino  es  darstellt,  ganz  anders  auch,  als  Wegele 
meint.  Vgl.  auch  was  ich  in  der  folgenden  Anmerkung  über  den  päpstlichen 
Vicar  erwähne. 


68  p.  SCHEFFER-IIOICHORST, 

Übereinstimmung  mit  Hegel  ausspricht,  proklamiert  er  als  sein 
Prinzip,  dafs  die  Chronik  „bis  auf  Weiteres  m'cht  mehr  als  Quelle 
bei  der  Darstellung  der  florentinischen  Geschichte  benutzt  werden 
darf".  Von  diesem  Grundsatze  ist  Wegele  denn  auch  mit  Wissen 
nicht  abgewichen  ^  namentlich  wollte  er  auch  keine  Pointe, 
keinen  persönlichen  Ergufs,  kein  noch  so  reizendes  Bildchen,  über- 
haupt keines  jener  Dinge,  die  Hegel  als  vortrefflich  preist,  in  seine 
Darstellung  aufnehmen.  Eigentlich  ist  der  Standpunkt  Hegels  doch 
nicht  so  ganz  der  seinige;  ich  möchte  ihn  dahin  bestimmen,  dafs 
Wegele  in  der  Theorie  sich  seinem  Erlanger  Freunde  anschliefse, 
in  der  Praxis  aber  mir,  und  hoffentlich  nimmt  es  mir  niemand  übel, 
wenn  ich  mich  dabei  der  Farbe  erinnere,  welche  die  Theorie  nach 
Goethe  haben  soll. 

Vielleicht  hat  ein  weiterer  Beitrag,  den  ich  in  der  Historischen 
Zeitschrift  XXXVIII  286  ff.  veröffentlichte,  kurz  bevor  die  neue  Auf- 
lage der  Dantebiographie  erschien,  auf  den  Verfasser  derselben 
einen  gewissen  Eindruck  gemacht.  Ich  habe  da  auf  eigentümliche 
Übereinstimmungen  Dinos  mit  einem  Dantekommentar  hingeA^iesen  : 
es  ist  das  für  unseren  Zweck  früher  noch  nicht  benutzte  Werk  des 
anonimo  Fiorentino  2,  in  welchem  ich  ganze,  auch  in  Dinos  Chronik 
enthaltene  Sätze  wiederfand. 

Als  ich  die  Entdeckung  gemacht  hatten,  schien  mir  eine  baldige 
Veröffentlichung  derselben  im  Interesse  der  Sache  zu  sein.  Aber 
mit  anderen  Arbeiten  lx;schäftigt ,  konnte  ich  mich  nicht  auf  eine 
Untersuchung  der  Einzelheiten  einlassen  ;  auch  glaubte  ich  damals, 
dafs  zu  einem  abschliefsendem  Urteile  eine  Vergleichung  mit  den 
anderen  Kommentaren  des  Trecento  unerläfslich  sei  ;  der  Kommentar 
des  Anonimo  aber  war  der  einzige,    den  unsere  Bibliothek  besafs,* 


*  Wohl  aber  geschah  es  iinbewufst.  1st  dgch  fast  die  ganze  Erzählung, 
zu  welcher  er  S.  179  Anm.  i  als  Beleg  hinzugefügt:  „Villani  VIII  72",  aus  Dinos 
Chronik  entlehnt!  Und  wie  er  hier  Villani  statt  Dino  nannte,  so  S.  171 
Anm.  4  ein  Werk  von  C.  Troya,  der  seinerseits  doch  nur  unseren  Dino  als 
Gewährsmann  anführen  kann:  es  handelt  sich  um  Scarpetta  degli  Ordelaffi, 
der  nach  Dino  II*i8  „päpstlicher  Vikar  von  Forlì"  gewesen  sein  soll.  Nun 
hat  aber  Wüstenfeld  in  den  Gott.  Gel.  Anz.  1875  ^-  '57'»  '57^  lange  vor  dem 
Erscheinen  von  Wegeies  dritter  Auflage  den  Anachronismus  des  Titels  nach- 
gewiesen.  Anm.  3  derselben  Seite  hat  Wegele  für  eine  Angabe,  die  sich  nur 
bei  Dino  II  28  findet.  Fraticelli  Vita  di  Dante  156  citiert.  Doch  ich  komme 
ein  ander*  Mal  auf  Wegeies  Dante  zurück. 

^  Commento  alla  divina  commedia  d'anonimo  Fiorentino  del  secolo  XIV, 
ora  per  la  prima  volta  stampato  a  cura  di  Pietro  Fanfani.  i  —  3.  Bologna 
1866  —  74. 

'  Erst  als  dieser  Artikel  schon  in  die  Druckerei  gegangen  war,  habe 
ich  zufallig  gesehen,  dafs  Scartazzini  bereits  im  Jahre  1875,  ^l«  h.  zwei  Jahre 
früher  als  ich,  auf  die  Übereinstimmung  Dinos,  dem  er  derzeit  noch  vertraute, 
und  dem  Anonimo  aufmerksam  gemacht  hat.  Vgl.  seinen  Kommentar  zur 
göttlichen  Komödie  II  211  Anm.  105. 

*  Es  erscheint  mir  nicht  überflüssig,  meine  Worte  aus  der  Historischen 
Zeitschrift  XXXVm  192  hierher  zu  setzen:  „Das  Verhältnis  in  allen  Einzel- 
heiten festzustellen    und  zu  erörtern,    fehlt  mir  die  Zeit  und  auch  der  Raum, 


NOCH  EINMAL  DINO  COMPAGNI.    I. 


69 


So  bes<:hränkte    ich  mich    auf   eine   Andeutung,    anstatt   eine  Aus- 
führung zu  geben. 

Heute  kehre  ich  zu  dem  interessanten  und  wichtigen  Problem 
zurück.  Das  früher  empfundene  Bedürfnis,  auch  die  anderen 
Kommentare  zu  vergleichen,  konnte  ich  in  der  Zwischenzeit  be- 
friedigen, sah  aber  da  meine  Erwartung  getäuscht.  Die  Unter- 
suchung mufs  mit  anderen  Mitteln  geführt  werden  ;  und  zu  dem 
Ende  will  ich  nun  zunächst  die  betreffenden  Abschnitte  einander 
gegenüberstellen. 


Auunimo  II  206—207.* 
Nel  1 295,  doppo  la  cacciata  di  Gian 
(la  la  Bella,  essendo  Firenze  in  male 
slato,  fu  chiamato  rettore  in  Firenze, 
a  petizione  di  quelli  che  reggevono, 
uno  povero  genüle  uomo ,  chiamato 
mcs!>er  Monfiorilo  della  Marca  Travi- 
giana.  Il  quale  prese  la  forma  della 
terra  et  assolvea  et  condennava  senza 
ragione,  et  palesemente  per  lui  et  sua 
famiglia  si  vendea  la  giustizia.  Noi 
sostcnnono  i  cittadini,  et  non  com- 
piuto r  ufñcio ,  presono  lui  et  due 
suoi  famigli,  et  lui  missono  alla  colla  ; 
et  per  sua  confessione  si  seppono 
cose ,  che  a  molti  cittadini  ne  seguì 
grande  infamia.  Et  faccendolo  collare 
due  cittadini,  chiamati  sopra  a  ciò.  Tuno 
dicca:  „Busta",  1*  altro  dicea:  „No". 
Piero  Manzuoli  cambiatore,  chiamato 
sopra  ciò,  disse:  „Dagli  ancora  uno 
crollo".  E  M  cavalieri,  eh*  era  in  sulla 
colla,  disse  :  „Io  rende'  uno  testimonio 
falso  a  messer  Nicciola  Acciainoli,  il 
c|uale  non  condennai."  Non  volea  il 
Manzuolo,  che  quella  confessione  fosse 
scritta,  però  che  messer  Niccola  era 
suo  genero  ;  1*  altro  pure  volle  ;  et 
scrissesi.  Et  saputo  messer  Niccola 
questo  fatto,  ebbe  sì  gran  paura, 
che  *1  fatto  non  si  palesasse ,  eh'  egli 
se    ne    consigliò    con    messer    Baldo 


Dino  I  19. 
1  pessimi  cittadini  per  loro  sicurtà 
chiamorno  per  loro  podestà  messer 
Monitìorito  da  Padova,  povero  gen- 
tile uomo,  acciò  che  come  tiranno 
punisse  e  facesse  della  ragione  torto 
e  del  torto  ragione,  come  a  loro  pa- 
resse. Il  quale  prestamente  intese  la 
volontà  loro  e  quella  seguì,  che  assol- 
veva e  condannava  sanza  ragione, 
come  a  loro  parea;  e  tanta  baldanza 
l)resc,  che  palesemente  lui  e  la  sua 
famiglia  vendeano  la  giustizia,  e  non 
ne  schifavano  prezzo  per  piccolo  o 
grande  che  fusse.  E  venne  in  tanto 
abominio,  che  i  cittadini  noi  poterono 
sostenere,  e  feciono  pigliare  lui  e 
dua  sua  famigli ,  e  fecciono  collare  ; 
e  per  sua  confessione  seppono  delle 
cose,  che  a  molti  cittadini  ne  seguì 
vergogna  assai  con  assai  pericolo  ;  e 
vennono  in  discordia,  che  1'  uno  vo- 
leva fuhsc  più  collato  e  V  altro  no. 
Uno  di  loro,  che  avca  nome  Piero 
Manzuolo ,  il  fé'  una  altra  volta  tirar 
su.  Il  perchè  confessò,  avere  riceuta 
una  testimonianza  falsa  per  messer 
Niccolo  Acciaioli.  Il  perchè  noi 
condannò.  E  funne  fatto  nota.  Sen- 
tendolo messer  Niccola,  ebbe  paura 
non  si  palesasse  più;  ebbene  consiglio 
con  messer  Baldo  Aguglioni,   giudice 


vielleicht  nicht  am  Wenigsten  aber  das  Material.  Namentlich  bedauere  ich, 
dafs  mir  eben  nur  der  Kommentar  des  Anonymus  zur  Verfügung  steht,  nicht 
die  anderen ,  früheren  oder  späteren.  Deren  Kenntnis  und  Prüfung  würde 
.iber  wohl  nötig  sein,  um  «He  Frage  endgiltig  abzuschliefsen." 

'  Einzelne    Berichtigungen    auf   Grund    der    Handschrift   bei    Del  Lungo 
Dino  Compagni  I  709 — 715. 


70 


p.  SCHEFFEK-BOICHORST, 


Aguglione,  pessimo  giudice,  Ghibel- 
lino antico.  Chiesono  il  quaderno 
degli  aiti  al  notaio  et  ebborlo,  et  il 
foglio,  dov'  era  il  fatto  di  raesser  Nic- 
cola,  trassono  del  quaderno.  E  pale- 
sandosi per  lo  notaio  del  foglio  eh'  era 
tratto,  fu  consigliato,  che  si  cercasse 
di  chi  r  avea  fatto.  Onde  il  podestà, 
non  palesando  niente,  prese  messer 
Niccola,  et  messer  Baldo  fuggì.  Fu 
condennato  messer  Niccola  in  libre 
3000  et  messer  Baldo  in  libre  2000 
et  a*  confini  fuori  della  città  et  del 
contado  per  uno  anno. 


sagacissimo  e  suo  avvocato.  11  quale 
die  modo  avere  gli  atti  dal  notaio 
per  vederli ,  e  ràsene  quella  parte 
venia  contre  a  messer  Niccola.  E 
dubitando  il  notaio  degli  atti  avea 
prestati,  se  erano  tocchi,  trovò  il  raso 
fatto.  Accusoli.  Fu  preso  messer 
Niccola  e  condannato  in  lire  3000. 
Messer  Baldo  si  fuggi,  ma  fu  con- 
dannato in  lire  2000  e  confinato  per 
uno  anno. 


Anonimo  II  392 — 393. 
Egli  è  da  sapere,  che  tra*  Gueltì  di 
Firenze  per  invidia  et  per  avarizia 
nacque  uno  scandolo  grande.  Il  quale 
fu,  che  messer  Corso,  credendosi  più 
aver  operalo  il  male  nell*  aquistare 
la  terra  per  forza,  parea  a  messer 
Corso  Donati  dello  onore  et  dell*  utile 
aver  piccola  parte  o  quasi  nulla,  però 
che  messer  Rosso  della  Tosa  et  messer 
Geri  Spina  et  messer  Pazzino  de*  Pazzi 
et  messer  Betto  Brunelleschi  co*  loro 
seguaci  di  popolo  prendeano  li  onori, 
et  gli  amici  serviano,  davono  risponsi 
et  grazie  et  lui  abbassavono.  Et  così 
vennono  in  grande  sdegno  negli  ani- 
mi. Et  tanto  crebbe  per  continuare, 
che  venne  in  palese  odio ,  et  favella 
si  tennono.  Messer  Pazzino  il  fece 
pigliare  per  moneta,  che  da  lui  dovea 
avere  ;  et  parole  ontiose  dianzi  a*  visi 
si  diceono.  Et  ciò  faceano  per  avere 
la  signoria  sola  senza  lui,  })erò  che 
messer  Corso  era  di  sì  alto  animo 
et  di  tanta  oj)erazioni,  che  ne  temcono, 
et  parte  contentevolc  non  credeono 
che  dare  gli  si  potessi.  Messer  Corso 
accolse  a  se  gente  di  molte  guise  : 
de' grandi ,  eh*  crono  mal  contenti,  i 
Bordoni  ;  i  Medici,  polenti  popolari  ', 


Dino  III  19. 
Fra  i  Guelfi  neri  di  Firenze  per 
invidia  e  per  avarizia  una  altra  volta 
nacque  grande  scandolo.  Il  quale 
fu,  che  messer  Corso  Donati,  parendoli 
avere  fatta  più  opera  nel  riacquistare 
la  terra,  gli  parea  degli  onori  e  degli 
utili  avere  piccola  parte'  o  quasi  nulla, 
l)erò  che  messer  Rosso  della  Tosa, 
messer  Pazzino  de*  Pazzi,  messer  Betto 
Brunelleschi  e  messer  Geri  Spini 
co*  loro  seguaci  di  popolo,  prendeano 
gli  onori,  e  serviano  gli  amici,  e  da- 
vano i  risponsi  e  faceano  le  grazie  e 
lui  abbassorono.  E  così  vennono  in 
grande  sdegno  negli  animi,  e  tanto 
crebbe  che  venne  in  palesse  odio. 
Messer  Pazzino  de*  Pazzi  fece  uno 
dì  pigliare  messer  Corso  Donati  per 
danari  dovea  avere  da  lui.  Molte 
parole  villane  insieme  si  diceano,  per 
volere  la  signoria  sanza  lui,  perchè 
messer  Corso  era  di  sì  alto  animo  e 
di  tanta  operazione,  che  ne  temeano, 
e  parte  coulenlcvole  non  credevano 
che  dare  se  gli  potesse.  Onde  messer 
Corso,  raccolse  gente  a  sé  di'  molte 
guise.     Gran    parte   ebbe    de*  grandi, 

])erò   che    odiavano  i   popolani 

Molti  n'  accolse  .  .  .  de'  quali  furono  i 


'   /  Medici,  potenti  popolani,  begegnen  bei  Dino  I  15. 


NOCH  EINMAL  DINO  COMPAGNI.   I. 


71 


il  quali  solcano  essere  a  lui  iniqui 
ninnici,  sostenitori  della  grandezza  di 
messer  Rosso  della  Tosa,  divennono 
di  su  giura. 


Medici  e  i  Bordoni,  i  quali  li  solcano 
essere  nimici  e  sostenitori  di  messer 
Rosso  della  Tosa.  Quando  rifatta 
ebbe  sua  congiura  .  .  . 


Anonimo  II  326 — 327. 
E  venuto  a  Siena,  (Carlo  di  Valos) 
mandò    suoi    imbasciadori    a   Firenze 
et    addimandorono    il    gran   consiglio 
con    molta   umilità;    il   quale   non   fu 
loro   dinegato.      £t   sposta   loro    im- 
basciata nel  consiglio,  che  fu  di  mettere 
pace    tra' cittadini ,    molti    dicitori    si 
levorono,  affocati  di  dire  et  di  magni- 
ficare   il    signore,    et    andorono    alla 
ringhiera.    Veggendo  questo  i  signori, 
non  gli   lasciorono   parlare;   ma  tanti 
furono     quelli,     che     si    mostrorono, 
che    gr  imbasciadori    s*  accordorono, 
che  la  parte,  che  volea  messer  Carlo, 
era   più   baldanzosa  e  maggiore,    che 
r  altra.      Scrìssono    al    signore ,    che 
venisse ,    che   la   parte  de'  Cerchi   era 
abassta.      Agli    ambasciadori   fu    ris- 
posto, che  al  signore  sarebbe  risposto 
per   imbasciata.      Mandoronsi    gl'  im- 
basciadori, signiñcandogli,  eh' ei  potea 
venire  liberamente,   ricevendo   da  lui 
lettere  bollate ,  eh'  egli   non  acquiste- 
rebbe iurisdizione,  né  occuperebbe  niu- 
no  onore  della  città,  né  legge  né  stato 
della  città  non  muterebbe.     Entrò  in 
Firenze.      La    domenica    prima    che 
viene    doppo    Ognisanti    andorono    i 
signori   priori   a   santa  Maria   novella 
a  parlargli.     Dopo  molte  impromisse 
et   saramenti,    fatti   di    conservare   la 
terra  in  quello  stato,   ch'egli   la  tro- 
vava *,    per  consiglio    di  messer   Mu- 
ciatto   Francesi,    venuto    con    lui    di 
Francia,   fece  armare   sua  gente.     Et 
entrato  messer  Corso  in  Firenze,  cor- 
sono  la   terra   et  ruppono   le  prigioni 
et  cacciorono  molti  cittadini.     E  con 


Dino  II  6,  7,  9. 
—  e  condussonlo  a  Siena.    E  quan- 
do   fu    quivi,    mandò   ambasciadori  a 
Firenze   —   Giunti   in   Firenze,    visi- 
tomo  la  signoria  con   gran  riverenzia 
e   domandorno   parlare   al   gran   con- 
siglio;   che    fu    loro    concesso.      Nel 
quale  per   loro  parlò   uno  avocato  da 
Volterra ,  che   con  loro  aveano ,  —  e 
disse,   che  il  sangue  reale  di  Francia 
era  venuto  in  Toscana,  solamente  per 
mettere    pace    nella    parte    di     santa 
chiesa.    —    Molti  dicitori  si  levarono 
in  pié,  nfocati  per  dire  e  magni ñcare 
messer  Carlo,  e  andorono  alla  ringhiera 
tosto  ciascuno  per  essere  il  primo,  ma 
i  signori  ninno  lasciorno  parlare.     Ma 
tanti  fumo,  che  gl*  imbasciadori  s' avid- 
dono,  che  la  parte,  che  volea  messer 
Carlo,    era   maggiore    e    più   baldan- 
zosa, che  quella  non  lo  voleva.     E  a 
loro    signore   scrissono,    che     aveano 
inteso ,    che    la   parte   de'  Donati    era 
assai    inalzata   e   la   parte    de'  Cerchi 
era  assai  abassata.     I  signori  dissono 
agi'  imbasciadori ,   risponderebbono  al 
loro  signore  per  imbasciata.  —  Man- 
doronsi gl'  imbasciadori  —  dicendoli, 
che    potea    liberamente  venire,    com- 
mettendo loro,  che  da  lui  ricevessino 
lettere  bollate,  che  non  acquisterebbe 
contro  a  noi    ninna  giurisdizione,   né 
occuperebbe  ninno  onore   della  città, 
per  titolo  di  imperio  né  per  altra  ca- 
gione,   né   le   leggi  della  città  mute- 
rebbe  né  r  uso.    —    Venne  il   detto 
messer   Carlo    nella    città    di  Firenze 
domenica  addì  4.*  di  novembre  1301, 
e  da'  cittadini  fu  molto  onorato. 


*  Von  hier  an  finden  sich  mehrere  Einzelheiten  aus  Villani  VIII  49. 
komme  S.  77  darauf  zurück. 

*  Der  fünfte  war  ein  Sonntag. 


Ich 


72  p.  SCHEFFER-BOICHORST, 

tutto  questo  strazio  della  terra  niesser 
Carlo  non  vi  pose  riparo,  et  venne 
contro  a  ogni  impromessa  fatta  e  contro 
a  ogni  suo  sacramento.  £t  addì 
2  d'aprile  vegnente  cacciò  di  Firenze 
e  die  bando  a  molti  cittadini. 

t 

Was  glaubte  ich  aus  dieser  durchgehenden  Übereinstimmung 
folgern  zu  dürfen? 

Wie  Hegel  in  seiner  neuesten  Schrift  „Über  den  historischen 
Wert  der  älteren  Dantekommentare.  ^  Mit  einem  Anhang  zur  Dino- 
Frage.  Leipzig  1878"  S.  92  bemerkt,  hätte  ich  „die  Vermutung 
nahegelegt",  dafs  der  angebliche  Dino  auch  das  Werk  des  Ano- 
nimo für  seinen  Zweck  verwendet  habe.  Dagegen  richtet  sich  nun 
Hegel  S.  I02,  und  er  gelangt  zu  dem  Schlüsse,  dafs  der  Beweis, 
Dino  habe  den  Anonimo  ausgeschrieben  und  verdorben,  sich  nicht 
führen  lasse.  Freilich,  —  da  Hegel  auf  der  vorausgehenden  Seite 
die  Alternative  stellt:  entweder  sei  Benutzung  des  einen  durch 
den  anderen  Autor  oder  einer  dritten  gemeinsamen  Quelle  durch 
beide  anzunehmen;  da  fügt  er  unter  dem  Texte  hinzu:  „Vergi. 
Scheffer-Boichorst,  Zum  Dinostreite  S.  188".  Weil  ich  nach  Hegel 
S.  92  aber  Bemerkungen  gemacht  haben  soll,  weiche  auf  Benutzung 
des  Kommentars  durch  Dino  hingezielt  hätten,  welche  also  für  die 
Annahme  einer  gemeinsamen  Quelle  keinen  Raum  liefsen,  so  scheint 


*  Im  Literaturbl.  f.  germ.  u.  rom.  Phil.  1880  S.  73  bemerkt  Scartazzini, 
er  habe  nicht  die  Überzeugung  gewinnen  können ,  dafs  Hegel  all*  die  be- 
handelten Kommentare  eingehend  und  gründlich  studiert  habe.  In  meinem 
Buche  Aus  Dantes  Verbannung  S.  141  Anm.  i  habe  ich  gezeigt,  dafs  Hegel 
seine  Annahme,  Boccaccio  habe  den  Kommentar  Pietro  Allaghieris  benutzt, 
in  der  ungenügendsten  Weise  begründet  hat.  Ebendort  S.  46  Anm.  3  glaube 
ich  die  Autorschaft  des  Jacopo  Allaghicri,  dem  Hegel  mit  kurzem  Worte 
die  Chiose  alla  cantica  dell'  Inferno  abspricht,  aus  dem  Vergleiche  mit  zwei 
Gedichten  desselben  nachgewiesen  zu  haben.  Damals  war  mir  nur  ein  Citat 
aus  den  Chiose  zugänglich  ;  da  mir  heute  das  ganze  Werk  vorliegt,  so  würde 
ich  meinen  Beweis  leicht  erweitern  können.  Das  Wichtigste  der  beiden 
Gedichte  ist  aber  in  dem  Anhange  zur  Ausgabe  der  Chiose  gedruckt.  Ob 
Hegel  sich  dasselbe  wohl  angesehen  hat  ?  —  Zwei  Kommentare  sind  gar  nicht 
besprochen.  Der  eine  bezieht  sich  ireilich  nur  auf  drei  Gesänge  der  Hölle: 
Grion  hat  ihn  im  Propugnatore  I  332  -355,  435  —463  veröfl'entlicht;  den  anderen, 
der  sich  auf  das  Paradies  beschränkt,  hat  man  keinem  Geringeren  zugeschrieben, 
als  Petrarca;  er  ist  gedruckt  von  Palermo  Manoscritti  palatini  di  Firenze  II 
714  "880.  Was  Hegel  S.  20  über  das  Verhältnis  von  Lord  Vernons  Anonimo 
und  dem  Kanzler  von  Bologna  zu  dem  Ottimo  sagt,  hat  schon  Carducci  Studj 
letter.  295  bemerkt ,  zugleich  aber  auch  gezeigt ,  weshalb  man  den  Anonimo 
und  den  Kanzler  für  verschiedene  Personen  halten  müsse.  So  könnte  idh 
noch  manches  zur  Ergänzung  und  Berichtigung  beibringen  ;  aber  dennoch 
hin  ich  nicht  der  Meinung  Scaria/.zinis ,  welcher  für  Hegel  kein  Wort  der 
Anerkennung  hat.  Selbst  wenn  Hegel  nur  die  Forschungen  Anderer  zu- 
saniniengcfafsl  und  blofs  an  und  für  sich  geprüft  hätte,  ohne  sich  überall  auf 
ein  selbständiges  Studium  der  verschiedenen  Kommentare  einzuhussen,  so  war 
das  Material  doch  so  zerstreut,  dafs  seine  Arbeit  schon  von  dieser  Seite  warmes 
J^ob  verdient. 


NOCH  EINMAL  DINO  COMPAGNI.    I.  73 

man  nicht  geglaubt  zu  haben,  die  von  Hegel  aufgestellte  Alternative 
sei  auch  schon  von  mir  aufgestellt  worden;  man  wird  vielmehr 
gedacht  haben,  die  Fufsnote  ver^veise  auf  etwas  mehr  Nebensäch- 
liches. Danach  haben  denn  Recensenten  in  der  Beilage  der  Allg. 
Ztg.  1878  No.  344  S.  5078  und  in  Edlingers  Literaturblatt  1879 
S.  200,  wie  auch  Simonsfeld  in  der  Historischen  Zeitschrift  XXXXV 
163  und  168  kurz  und  bündig  erklärt,  ich  hätte  den  Dino-Fälscher 
als  Kopisten  des  Kommentars  ausgegeben. 

Damit  vergleiche  man  nun  meinen  Aufsatz! 

Wenn  man  nicht  zur  Genüge  wüfste,  wie  traurig  es  in  deut- 
schen Landen  um  die  Recensionsmache  bestellt  ist',  so  würde 
man  seinen  Augen  nicht  trauen.  Denn  nachdem  ich  gezeigt  habe, 
dafs  der  Anonymus  von  Dino  unabhängig  sei,  fahre  ich  fort:  „Ent- 
weder hat  Dino  aus  dem  Werke  des  Anonymus  geschöpft  oder 
beide  haben  eine  dritte,  mir  unbekannte  Vorlage  ausgeschrieben. 
In  ersterem  Falle  ist  Dinos  Chronik  eine  Fälschung,  denn  der 
Anonymus    schrieb    1343  ^    und    Dino    will    vor    13 12    geschrieben 


•  Freilich  bei  den  Romanen  recensiert  man  mit  gleichem  Leichtsinn. 
Hier  ein  recht  artiges  Pröbchen.  In  der  Romania  VIII  108  erhebt  Herr 
Paul  Meyer  die  Zuchtrute  gegen  mich:  „^1/  Scheffer-Boichorst  en  un 
point  —  s'est  montré  d'une  légèreté ,  qui  mérite  le  blâme  le  plus  sévère. 
Cet  historien f  en  effet,  sans  se  donner  la  peine  de  vérifier,  a  quelle 
date  remontait  la  tradition  manuscrite  de  la  chronique  en  question,  n*a 
pas  hésité  a  supposer,  que  la  fabrication  de  ce  texte  avait  eu  lieu  au 
XVJI.  siècle  et  qu'elle  avait  pour  auteurs  des  membres  de  l'académie  de  la 
Crusca."  Wer  meine  Florentiner  Studien  S.  206  aufschlägt,  findet  zunächst 
das  Gegenteil  von  „«'a  pas  hésité"  ;  ich  sage  nämlich  :  „Die  älteste  Hand- 
schrift trägt  das  Datum  15 14.  Aber  ist  das  Datum  echt?  entspricht  der 
Charakter  der  Handschrift  dem  Jahre?  Kann  man  nicht  ein  falsches  Jahr 
hinzugefugt  haben ,  um  sich  wenigstens  auf  eine  alte  Handschrift  berufen  zu 
können  ?  Nur  die  genaueste  Prüfung  der  Schriftzeichen  könnte  da  entscheiden. 
Ich  mufs  mich  darauf  beschränken,  die  Erwägungen  mitzuteilen,  welche  mich 
auf  den  angedeuteten  Verdacht  geführt  haben.  Indem  ich  es  thue,  geschieht 
CS  mit  jener  Gesinnung,  die  jedes  Anspruches  ledig,  jeder  Belehrung  gewärtig 
ist."  Das  nennt  der  Herr  Meyer:  „n'a  pas  hésité".  Nun  aber  die  Behauptung, 
ich  hätte  ,,Mitgliedern  der  Crusca  die  Fälschung  zur  Last  gelegt!"  S.  208 
sage  ich  :  „ —  die  litterarischen  Leistungen  von  Florenz  und  Rom  abwägend, 
mochte  ein  Patriot  seinen  Dante  dem  Virgil  entgegenstellen,  für  Roms 
frostige  Lyrik  daheim  einen  reichen  Ersatz  linden,  dann  aber  auch  manche 
schmerzliche  Lücke  entdecken,  namentlich  in  der  Geschichtschreibung."  Gleich 
darauf  trete  ich  den  Rückzug  an  ;  und  in  <icr  zugehörigen  Anmerkung  erhärte 
ich  meine  Unkenntnis  in  der  Florentiner  Gelehrten-Geschichte  :  ,, nicht  einmal 
der  Ruolo  degli  antichi  e  moderni  accademici  della  crusca,  der  1825  von 
Moreni  herausgegeben  wurde,  ist  mir  zu  Händen."  Man  sehe,  —  war  meine 
Meinung,  —  wie  sehr  ich  selbst  davon  durchdrungen  bin,  dafs  ich  in  der 
Gclehrtengeschichte  von  Florenz  kein  Urteil  habe!  Aber  aus  dem  angeführten 
Satze  folgern,  dafs  ich  die  Fälschung  auch  nur  einem  Cruscanten  zugeschrieben 
hätte,  geschweige  denn  mehreren  Mitgliedern  der  Akademie,  ist  doch  eine  — 
Bravourleistung  auf  dem  Gebiete  der  Phantasie.  Im  Laufe  der  Zeit  hat  der  Herr 
Meyer  noch  gröfsere  Fortschritte  gemacht:  wie  der  gewissenhafte  Mann  so- 
eben in  der  Romania  XI  615  erklärt:  ,,Af.  Scheffer- lioichor st  croit  avoir  dé- 
montré, qu'on  a  fabriqué  au  Xl'Il^   siècle  la  chronique  de  Dino  Compagni." 

'  Ich  folgte  damals  der  Aufschrift  des  Codex:  „Commento  di  Dante 
1343".     Dabei    hatte   ich   leider   die   Fufsnote  Fanfanisll2    übersehen,    d.h. 


74  P.  SCHKFFEK-HOICHOKST, 

haben  ;  die  Möglichkeit  der  letzteren  Annahme  ist  einzuräumen, 
aber  Dinos  Werke  bliebe  darum  doch  eine  Fälschung."  Und  nun 
ersparte  ich  mir  die  Mühe,  das  eigentliche  (^uellenverhältnis  fest- 
zustellen; ich  entwickelte  die  Gründe,  welche  auch  bei  Annahme 
einer  gemeinsamen  Vorlage  für  Fälschung  entschieden. 

Die  von  mir  gelassene  Lücke  hat  Hegel  in  der  schon  an- 
geführten Schrift  auszufüllen  versucht.  Indem  er  die  drei  Stellen, 
in  denen  unsere  Autoren  übereinstimmen,  einer  nochmaligen  Prüfung 
unterzieht,  gelangt  er  zu  demselben  Ergebnis,  wie  ich,  dafs  nämlich 
der  Kommentator  nicht  aus  der  Chronik  geschöpft  haben  könne. 
Das  zeige  sich  besonders  bei  der  Geschichte  des  Betruges  vom 
Jahre  129g.  „Dino  nennt  Padua  als  Herkunftsort  des  damaligen 
Podestà,  Anonimo  die  trevisanische  Mark  :  das  Erstere  ist  unrichtig, 
das  Letztere  ist  richtig.'  I3ino  läfst  die  verwandtschaftliche  Be- 
ziehung zwischen  dem  Untersuchungsrichter  Manzuolo  und  dem 
Angeklagten  Niecola  Acciainoli  unerwähnt,  wodurch  das  Verständnis 
der  Geschichte  verdunkelt  wird.  Dino  gebraucht  die  indirekte  Rede, 
wo  Anonimo  die  Worte  der  beiden  Richter  und  des  Podestà  selbst 
anführt.  Bei  Dino  geschieht  die  Fälschung  des  Protokolls  durch 
Ausradierung  der  Stelle,  bei  Anonimo  durch  Ausreifsen  eines  Blattes." 
Und  diese  Abweichungen  erscheinen  Hegel  dann  mit  der  Annahme, 
Dinos  Chronik  sei  die  Quelle,  in  keiner  Weise  vereinbar^;  denn 
der  Verfasser  des  Kommentars  wäre  ein  blofser  Kompilator,  der 
seine  Quellen  abschreibe,  dabei  wohl  verkürze,  aber  nicht  durch 
Zusätze  sachlicher  oder  stilistischer  Art  umforme.  Somit  stimmen 
wir  ganz  überein,  und  auch  Simonsfeld  erhebt  keinen  Widerspruch. 
Was  Hegel  und  ich  aber  von  der  einen  Stelle  zeigten,  galt  uns 
selbstverständlich    auch    von   den    beiden    anderen.^      Da   hat   nun 


(liifs  der  Anonimo  schon  den  Kommentar  Boccaccios  benutzte:  er  schrieb 
also  nach  1373.  Genauer  hat  Simonsfeld  in  der  Hist.  Ztschr.  XXXXV  165,  166 
die  Abfassunj;szeit  zwischen  1373  und  1378  zu  bestimmen  versucht,  ohne  aber 
zu  einem  gesicherten  Resultate  zu  gelangen. 

*  Siehe  den  urkundlichen  Beweis  in  meiner  Kritik  der  Hegeischen  Schrift 
28     31. 

*  Das  hindert  Hegel  freilich  nicht  S.  104  zu  schreiben  :  „Bis  hier  her  geht 
die  wörtliche  Abkürzung  aus  Villani,  wobei  eine  Reihe  von  Zwischensätzen, 
selbst  auf  Kosten  des  Verständnisses,  ausgelassen  sind.  Das  unmittelbar 
darauffolgende  steht  in  gleichem  Verhältnis  zu  Dino.*'  Dem  entspricht  S.  106: 
„Hier,  wo  bei  Dino  die  weitläufige  Erzählung  der  Verhandlungen  in  Florenz 
folgt,  wendet  sich  Anonimo  von  ihm  wieder  ab  und  wieder  seiner  anderen 
(¿uelle,  dem  Villani,  zu.'* 

^  Wenigstens  im  Vorbeigehen  hei  hier  bemerkt,  dafs  Del  I^ungo  die 
Abhängigkeit  des  Anonimo  vom  Dino  ganz  einfach  als  Dogma  hingestellt 
hat.  Das  mufs  geglaubt  werden,  ob  auch  nocli  so  entscheidende,  von  Hegel 
und  mir  entwickelte  Gründe  dagegen  sprechen.  Andere  Probleme  hat  Del 
Lungo  dann  allerdings  erörtert  und  untersucht;  —  in  welcher  Weise,  soll  später 
mein  /weiter  Artikel  zeigen.  Einstweilen  werde  ich  mich  jeder  Polemik 
gegen  Del  Lungo  enthalten ,  selbst  wenn  ich  im  Folgenden  eine  Einzelheit, 
worüber  er  eine  andere  Meinung  ausgesi)roclien  hat,  in  meinem  Sinne  ver- 
werte.    Doch  mufs  ich  S.  79  Anm.  l   eine  Ausnahme  machen. 


NOCH  EINMAL  DINO  COMPAGNI.    I.  75 

Simonsfeld'  seine  eigene  Idee:  er  kann  sich  sehr  wohl  denken, 
wie  dieselben  „als  Beweise  für  die  Priorität  der  Dino-Qironik  an- 
geführt werden  könnten,  aus  welcher  Anonimo  gerade  so  geschöpft, 
wie  aus  V^illani." 

Die  durch  ihre  Inkonsequenz  wunderliche  Annahme  einmal 
zugegeben,  wie  kann  nur  der  trockene  Kommentator  die  Herrschafts- 
gelûste  Corso  Donatos  mit  dem  argen  Hohn  begründen,  credendosi^ 
più  avere  operato  il  male  nelf  acquistare  ¡a  terra  per  forza,  während 
doch  Dino  nur  sagt  :  parendogli  avere  fatta  più,  opera  nel  riacquistare 
la  terra?  Aus  welcher  Kenntnis  mag  der  Anonimo  die  Bemerkung 
Dinos,  dafs  Zwietracht  unter  den  Parteihäuptem  entstanden  sei, 
durch  den  Zusatz  erweitert  haben  :  et  favella  si  tennono?  Oder  wie 
kömmt  der  Anonimo  dazu,  die  Worte  Dinos  :  parole  villane  insieme 
si  diceano  durch  parole  ontiose  dinanzi  a*  visi  si  diceano  zu  um- 
schreiben? Anonimo  sagt:  i  Medici  potenti  popolari,  /  quali  solcano 
essere  a  lui  iniqui  inimici^  sostenitori  della  grandezza  di  messer  Rosso  ; 
Dino  dagegen  nur  :  /  Medici,  i  quali  li  solcano  essere  inimici  e  sostenitori 
di  messer  Rosso,  Offenbar  hat  Anonimo  den  vollständigen  Wortlaut  der 
gemeinsamen,  von  Hegel  statuierten  und,  —  worauf  ich  zurück- 
komme, —  auch  von  mir  anerkannten  Quelle  wiedergegeben.  Wenn 
Simonsfeld  behauptet,  es  fanden  sich  hier  lediglich  „unbedeutende 
stilistische  Verschiedenheiten",  und  wenn  man  ihret\vegen  eine  gemein- 
same Quelle  annehmen  wollte,  so  müsse  man  „mit  demselben  Rechte 
das  Gleiche  in  Bezug  auf  Villani  und  Anonimo  fordern",  so  kann 
ich  nur  bedauern ,  dafs  er  z.  B.  für  die  Umschreibung  von  parole 
villane  insieme  in  parole  ontiose  inanzì  a  visi  keine  Analogie  aus  Vil- 
lani und  Anonimo  erbracht  hat;  gar  noch  interessanter  wäre  es, 
wenn  Simonsfeld  nachweisen  könnte,  dafs  Anonimo  zu  einer  An- 
gabe Villanis  ein  Wort  hinzugefügt  hätte,  das  dem  //  male  in  der 
zuerst  angeführten  Stelle  entspräche,  d.  h.  nach  Simonsfeld  eine 
„lediglich  stilistische  Verschiedenheit",  die  ich  dann  aber  —  wie 
ich  hoffe:  geschah  es  bei  //  male  nicht  ohne  Grund  —  als  Ironie 
auffassen  könnte.  Bis  auf  Weiteres  behaupte  ich,  dafs  das  Ver- 
hältnis zu  Villani  ganz  anderer  Natur  ist.  Damit  nicht  genug. 
Wenn  der  Anonimo  an  den  zwei  Stellen,  die  hier  in  Frage  stehen, 
die  Chronik  Dinos  benutzt  hätte,  dann  würde  er  beide  Male  gerade 
an  einem  Punkte,  wo  Dino  von  sich  selbst  redet,  zu  einer  anderen 
Vorlage  übergegangen  sein.  i.  Unsere  Autoren  erzählen  über- 
einstimmend, in  welcher  Weise  Karl  von  Valois  seinen  Kinzug  in 
Florenz  mit  der  Regierung  verabredet  habe.  Nachdem  Karl  dann 
gekonMnen  ist,  läfst  ihn  der  Anonimo  bei  Santa  Ilaria  Novella  mit 
den  Prioren  verhandeln  und  die  Verfassung  beschwören  ;  nach  Dino 
sagt  Karl  den  Prioren   kein  Wort,  dafür  hat  er  aber  später  in  Dinos 


*  „Umgekehrt  kann  ich  mir  sehr  wohl  denken,  dafs  gerade  beide  Stellen 
von  Del  Lungo  als  Beweise  für  die  Priorität  der  Dino -Chronik  angeführt 
werden  könnten,  aus  welcher  Anonimo  geradeso  geschöpft,  wie  aus  Villani, 
und  ich  wüfste  nicht,  was  ihm  mit  gutem  Grunde  entgegenzuhalten  wäre." 
Hist.  Ztschr.  XXXX V  1 70. 


76  p.  SCHEFFER-BOICHORST, 

eigene  Hände  den  Eid  geleistet.  Und  da  sollte  der  Anonimo  bis 
zu  dem  Punkte,  wo  Dino  seine  eigene  Person  einführt,  dessen 
Chronik  ausgeschrieben  haben,  nun  aber  einem  anderen  Werke 
sich  zugewandt  haben,  und  zwar  einem  Werke,  das  der  Erzählung 
über  Dino  selbst  schnurstracks  entgegen  war?  *  (iewifs  nicht!  2.  Die 
Ereignisse,  welche  dem  Tode  Corso  Donatis  unmittelbar  vorausgehen, 
erzählen  Dino  und  Anonimo  in  gleichem  Wortlaute  :  sein  Ende  selbst 
berichtet  Anonimo  ganz  nach  Villani,  und  doch  sagt  Dino,  er  habe 
über  die  Ermordung  des  Florentiner  Catilina  eigene  Forschungen 
angestellt.  Ist  es  denkbar,  dafs  ein  Autor  gerade  da  die  bisher 
ausgeschriebene  Chronik  Dinos  verlassen  hätte,  um  nun  dem  viel- 
fach abweichenden  Berichte  Villanis  zu  folgen?  Also  nicht  blofs 
der  Konsequenz  zu  Liebe  ist  bei  den  zwei  letzten  Stellen  das 
gleiche  Verhältnis  anzunehmen,  wie  bei  der  ersten,  d.  h.  Dino  ist 
nicht  Quelle. 

Da  der  Anonimo  von  Dino  unabhängig  ist,  so  bleibt  die 
Frage,  ob  nun  Dino  aus  dem  Kommentar  sein  Material  entnommen 
habe.  Hegel  gelangt  schon  bei  der  ersten  Stelle  zu  dem  Ergebnis, 
dafs  das  Werk  des  Anonimo  nicht  die  Quelle  sein  könne;  denn 
das  falsche  Jahr  1295,  dann  die  Angabe,  dafs  der  Podestà  seine 
Amtszeit  vollendet  habe,  als  die  Anklage  gegen  ihn  erhoben  sei,  . 
finden  sich  bei  Dino  nicht.  Wie  aber  das  Fehlen  dieser  Nach- 
richten einen  Beweis  für  Dinos  Unabhängigkeit  abgeben  könne,  ist 
mir  nicht  verständlich  geworden  ;  zu  allem  Überflufs  steht  in  der 
Handschrift  des  Anonimo  vor  compiuto  P ufficio  noch  ein  non'^y  das 
im  Drucke  leider  ausgefallen  ist.  Keineswegs  kann  man  also  mit 
Hegel  sagen,  Dinos  Meinung  sei  oft'enbar  nicht  gewesen,  „dafs  der 
Podestà  sein  Amt  noch  bis  zu  ]ùide  des  Jahres  fortgeführt  habe, 
wie  Anonimo  dies  unrichtig  annimmt".  Was  aber  das  Jahr 
angeht,  so  schliefst  Dino  den  Bericht  ohne  irgend  welche  Zeit- 
angabe der  Vertreibung  Gianos  della  Bella  an,  d.  h.  dem  Jahre 
1295.  ^Mithin  besteht  die  schönste  Übereinstimmung:  wie  früher 
gezeigt  wurde,  hat  der  Anonimo  hier  allerdings  vieles  vor  Dino 
voraus,  aber  Dino  nichts  vor  dem  Anonimo;  und  man  sieht  wohl, 
dafs  der  Beweis,  Dino  sei  vom  Anonimo  unabhängig,  sich  so  nicht 
führen  läfst.  Wenn  ich  dennoch  geneigt  bin,  der  Annahme  Hegels 
zuzustimmen,  so  geschieht  es  unter  dem  Eindrucke  einer  anderen,  * 
von  ¡hm  gemachten  Beobachtung.  Die  übrigen  Stellen  nämlich,  in 
denen  Dino  mit  dem  Anonimo  übereinkommt,  hat  der  Letztere 
unmittelbar   mit    Berichten  Villanis   verbunden,    und   da  Dino   hier 

*  Hegel  a.a.O.  S.  iio  Anni,  i:  „Begreiflicher  Weise  „schweigt  Ano- 
nymus" (Scheffer-Boichorst  a.  a.  O.  S.  190),  wo  Dino  von  sich  und  seinen 
Verhandlungen  erzählt,  denn  das  gehört  doch  gewifs  nicht  in  den  Dante- 
Kommentar."  Ganz  bestimmt  nicht ,  wenn  die  Verhandlungen  sich  etwa  auf 
den  Verkauf  eines  Hauses  oder  die  Dingung  einer  Magd  bezogen  hätten. 
Nun  aber  berichtet  Dino ,  indem  er  seiner  eigenen  Person  die  Hauptrolle 
/uweist,  über  einen  hoch  ¡iolitischcn  Akt,  und  von  eben  demselben  meldet 
Anonimo    das  gerade  Gegenteil  dessen,    was  wir  beim  Dino  lesen. 

'■^  Vgl.  Del  Lungo  Dino  Compagni  P'  709  Anni.  ****. 


NOCH  EINMAL  DINO  COMPAGNI.    I.  77 

doch  rait  Villani  keinerlei  Gemeinschaft  hat,  so  müfste  er  —  falls 
er  den  Kommentar  benutzt  hätte,  —  sorgfaltig  die  aus  Villani 
entlehnten  Sätze  bei  Seite  gelassen  haben.  Der  Fälscher  hatte 
ja  nun  allerdings  Grund,  jede  Übereinstimmung  mit  der  allgemein 
bekannten  Chronik  Villanis  zu  vermeiden;  aÌ3er  eine  künstliche 
Ausscheidung  des  Villanischen  im  Texte  des  Anonimo  möchte  ich 
ihm  doch  nicht  zutrauen  :  es  wird  wohl  eine  gemeinsame  Quelle 
zu  Grunde  liegen. 

Bevor  ich  unter  dieser  Annahme  die  brennende  Frage  be- 
spreche, will  ich  auf  den  Inhalt  des  Werkes,  soweit  er  sich  aus 
den  Ableitungen  feststellen  läfst,  mit  einem  Worte  eingehen;  denn 
jede  neue  Gabe,  die  zur  Erweiterung  unserer  Kenntnisse  des  be- 
ginnenden Trecento  dient,  muís  uns  bei  der  Dürftigkeit  und  den 
Widersprüchen  der  älteren  Litteratur  hoch  willkommen  sein.  Darin 
stimme  ich  nun  zunächst  mit  Hegel  überein ,  —  wie  in  diesem 
Punkte  wegen  der  ganz  wörtlichen  Kongruenz  ja  auch  keine  Meinungs- 
verschiedenheit möglich  ist,  —  dafs  die  lange  Geschichte  von  der 
Tortur  des  abgesetzten  Podestà  und  der  damit  verbundenen  Ent- 
hüllungen, der  Fälschung  der  Akten  und  der  Verurteilung  der 
Fälscher  unserer  neu  aufgefundenen  Quelle  angehören.  Nicht 
weniger  führt  auch  Hegel  die  Erzählung,  wie  der  grofse  Messer 
Corso  Donati  sich  mit  seinen  Parteigenossen  entzweit,  wie  eine 
Verschwörung  gegen  den  Übermütigen  angezettelt  wird,  auf  das 
verlorene  Werk  zurück.  Auch  was  die  Verhandlungen  mit  Karl 
von  Valois  angeht,  sind  wir  anfangs  gleicher  Meinung;  dann  aber 
gehen  wir  aus  einander.  Hegel  hat  das  von  ihm  angenommene 
Quellenverhältnis  durch   folgende  (Gegenüberstellung  veranschaulicht. 

Dino  II  7.  Anon.  Fior.  II  326. 

Karl  von  Valois  giebt  lettere  bollate,       Karl  von  Valois   giebl  lettere  bollate 
che    non    acquisterebbe   contro    a   noi       ch^  egli  non  acquisterebbe  iurisdizione, 
ninna    giurisdizione ,     ne    occuperebbe       nr  occuperebbe  niuno  onore  della  città, 
ninno  onore  della  città,  né  per  titolo       nì'  legge  né  stato  della  citta  non  mu- 
(li  imperio   né  per   altra  cagione ,    ?/<•       terebbe.     Entrò  in  Firenze  la  domenica 
U    leggi   della     città    muterebbe ,     né       prima  che  vienne  dopo    Ognisanti 
Tuso.     Il  dicitore  fu  etc.     Fu  pregato 
il    cancelliero    suo,     che    pregasse    il 
signore    suo,    che    non   venisse   //   d) 
d^  Ognisanti,   però  che  il  pojìolo  mi- 
nulo    in    tal    di    faceva   festa   coi   vini 
nuovi  etc.     Il  perchè   deliberò  venire 
la  domenica  seguente. 

Villani  VIII  49. 

—  a  di  5  di  Novembre  nella  chiesa  andorono    i   signori   priori   a   santa 

tli     santa    Maria    Novella ,     essendosi  Maria  Novella  a  parlargli  :  doppo  molte 

raunati  poteste  e  capitano  e  ¡iriori,  —  impromisse  e  saramenti    fatti  di  con- 

messcr    Carlo    —   promise   di    conser-  servare  la  terra  in  (juello  stato,  eh'  egli 


78  p.  SCHEFFER-BOICHORST, 

vare    la     città     io    pacifico    e    buono  la  trovava ,   p^r    consiglio    di  messer 

stato.   -  -  —  per   consiglio  di  messer  Afuciatto  Francesi,  venuto  con  lui  di 

Musciatto   Francesi ,    il   quale    infino  Francia,  fece  amare  sua  genie.     Et 

di  Francia    era   venuto    per   sua  pe-  entrato  messer  Corso  in  Firenze,  cor- 

ilotto  —  fece  amare  sua  gente. sono   la  terra   et  ruppono  le   prigioni 

In   questo    romore    messer   Corso    —  et  cacciorono  molti  cittadini.     Et  con 
venne    in   Firenze.    —  —  andò   a   le  tutto  questo  strazio  della  terra  messer 
carcere   del    comune   —  e   deliberò   i  Carlo   non  vi  pose   riparo   et   venne 
pregioni.     —     Et    con    tutto     questo  contro    a    ogni    impromessa    fatta    et 
stracciamento  di  cittade,  messer  Carlo  contro  a  ogni  suo  sacramento  ;    et  ad- 
di Valois  né  sua  gente  non  mise  con-  dì  2  d'Aprile  vegnente   cacciò  di  Fi- 
siglio  né  riparo,  né  attenne  saramento  renze  et    die   bando  a  molti   cittadini 
o  cosa   promessa   per  lui.    —    E   per  etc. 
questo    modo  fu   abbattuta  e  cacciata 
di    Firenze   V  ingrata  e  superba   parte 
de' bianchi  —  a  dì  4  d'aprile 

Nach  Hegel  hätte  der  Anonimo  den  ganzen  zweiten  Abschnitt 
dem  Villani  entlehnt.  Dem  gegenüber  gebe  ich  zu  erwägen:  i.  Für 
corsono  la  terra  und  für  et  dit  bando  finden  sich  keine  Parallel- 
stellen, und  cacciarono  molti  cittadini  wird  doch  schwerlich  Jemand 
aus  Villanis  :  fu  cacciata  di  F^irenze  l'ingrata  e  superba  parte  de  bianchi 
herleiten.  2.  Statt  des  4.  April,  den  Villani  wahrscheinlich  nach 
der  Neapolitaner  Fortsetzung  der  Gesta  Florentinorum  als  Tag  der 
Vertreibung  angiebt^  nennt  der  Anonimo  den  2.  April,  worin  er 
mit  Coppo  Stefani  2  übereinkommt.  3.  Da  der  Anonimo  vielfach 
verkürzt,  aber  nie  erweitert  —  wie  sollte  er  Villanis  kurzes  promise 
di  conserimre  la  città  in  pacifico  e.  buono  stato  in  das  längere  doppo 
molte  impromesse  et  saramvnti  fatti  di  conservare  la  terra  in  quello 
stato,  eh'  egli  la  trovava  erweitert  oder  umschrieben  haben?  Ebenso 
steht  sein  contro  a  ogni  impromessa  fatta  et  contro  a  ogni  suo  sacra^ 
mento  zu  Villanis  nt"  atiene  sacramento  0  cosa  prommessa  per  lui,  4.  Es 
linden  sich  wörtliche  Übereinstimmungen  mit  Dino:  dem  andorono 
i  signori  priori  a  sania  diaria  Novella  a  parlargli  entspricht  II  1 3  : 
a  Santa  Maria  Xovella  fuori  della  terra  volea  parlamentare'^  das  fece 
armare  sua  genie  kann  man  dem  ebendort  sich  findenden  :  fe  armare 
la  sua  gente  geradeso  gut  gegenüberstellen,  wie  dem  Villani;  und 
wenn  es  endlich  II  18  heifst:  Entrato  messer  Corso  in  Firenze  — 
prese  le  case  de  Corbizzi  e  posseri  su  le  sue  bandiere  e  ruppe  le  pri^ 
gioniy  so  stimmt  dazu  der  Anonimus:  Entrato  messer  Corso  in 
Firenze,    corsono  la  Ierra    et  ruppono  le  prigione.      Villani    sagt 

ganz  anders  :  messer  Corso  —  venne  in  Firenze andò  alle  carcere 

del  commune f  —  quelle  per  forza  aperse  e  deliberò  i  pregioni.'^ 

*  Bei  Hartwig,  Ouellen  und  Forschungen  zur  ältesten  Geschichte  der 
Stadt  Florenz  II  292. 

*  Ed.  (San  Luigi)  Delizie  degli  erud.  Toscani  X  25. 

3  Del  Lungo  a.a.O.  I715  hat  die  Kongruenz  mit  Dino  II  13  und  18 
nicht  beachtet,  wohl  aber  zieht  er  die  Schlufswortc  :  dir  bando  a  molti  citta- 
dini zu  Dino  II  25  :  avendo  fatto  richiedere  molti  cittadini. 


NOCH  EINMAL  DINO  COMPAGNI.    I.  79 

Danach  irrt  Hegel,  wenn  er  den  ganzen  zweiten  Teil  auf  Vil- 
lani zurückführt;  der  Anonimo  hat  zwei  Quellen  zusammengearbeitet: 
aus  Villani  sind  aber  nur  die  Worte:  per  consiglio  etc.;  Et  con  tutto 
questo  etc. 

Noch  in  einem  anderen  Punkte  kann  ich  Hegel  nicht  zu- 
stimmen; er  zieht  das  Datum  la  dommica  prima,  che  viene  dopo  Ogni- 
santi  zur  Ankimft  Karls  in  Florenz,  ich  habe  es  zur  Verhandlung 
bei  Santa  Maria  gezogen,  d.  h.  zu  dem  Eide,  den  Karl  auf  die 
Verfassung  leistet.  Im  ersteren  Falle  ergiebt  sich  eine  Überein- 
stimmung mit  Dino,  aber  ein  historischer  Verstofs,  denn  laut  Ur- 
kunden und  Chroniken  kam  Karl  nicht  am  Sonntag  nach  Aller- 
heiligen, sondern  an  Allerheiligen  selbst;  im  zweiten  Falle  haben 
wir  ein  richtiges  Datum,  denn  auch  nach  Villani  hat  Karl  am 
Sonntag  nach  Allerheiligen,  der  im  Jahre  1301  auf  den  5.  Nov. 
fiel,  die  Verfassimg  beschworen.  Soll  man  nun  unserem  sonst  gut 
unterrichteten  Autor  einen  Irrtum  zuschreiben,  blofs  zu  dem  Zwecke, 
damit  Übereinstimmung  mit  Dino  erzielt  wird?  Hegel  hat  es  so 
beschlossen,  denn  meine  Deutung  sei  gezwungen,  und  Simonsfeld, 
pflichtet  ihm  bei,  weil  der  Einzug  Karls  das  Hauptereignis  sei. 
Mit  einem  Bifschen  politischen  Sinnes  schliefst  man  wohl  umgekehrt, 
dafs  nicht  die  Ankunft  Karls,  sondern  die  Beschwörung  der  Ver- 
fassung, womit  die  Übergabe  der  Stadtschlüssel  verbunden  war, 
eine  neue  Epoche  einleite.*     Und  dafs  der  Verfasser  des  von  Dino 


*  Auf  die  Gefahr  hin ,  Herrn  Simonsfeld  einen  Schmerz  zu  bereiten, 
kann  ich  doch  die  Bemerkung  nicht  unterdrücken,  dafs  wenigstens  in  diesem 
Falle  unser  beschränkter  Anonimo  mehr  politischen  Sinn  gezeigt  hat,  als  er. 
Denn  da  derselbe  I  170  über  die  gleichen  Dinge  redet,  dafs  also  Karl  in 
Florenz  eingezogen  sei  und  die  Verfassung  beschworen  habe,  da  verzichtet  er 
darauf,  aus  Villanis  Chronik,  die  hier  allein  seine  Quelle  ist,  auch  das  Datum 
der  Ankunft  mithinüberzunehmen,  wohl  aber  erzählt  er,  ganz  wie  Villani, 
dafs  Karl  am  5.  November  die  Verfassung  beschworen  hätte  !  Freilich  hat 
Simonsfeld  noch  einen  anderen  Grund;  er  sagt  a.  a.  O.  S.  169  Anm.  i  :  „wenn 
das  Datum  des  Anonimo  zur  Beschwörung  zu  ziehen  wäre,  dann  müsse  man 
die  doch  nicht  glaubliche  Voraussetzung  zulassen,  dafs  Anonimo  die  Tages- 
angabe Villanis,  den  5.  November,  mit  Zuhilfenahme  eines  Kalenders,  in  „den 
ersten  Sonntag,  der  nach  Allerheiligen  kommt"  übertragen  habe."  Aber  Ano- 
nimo folgt  darin  eben  nicht  dem  Villani,  wie  Simonsfeld  willkürlich  annimmt, 
sondern  noch  immer  derselben  Quelle,  die  er  mit  Dino  gemein  hat.  Doch 
wenn  Simonsield,  dieser  übrigens  von  mir  geschätzte  Forscher,  sich  die  Dinge 
auch  gar  nicht  ordentlich  überlegt  hat,  so  bin  ich  ihm  gleichwohl  dankbar: 
er  versucht  doch  eine  Begründung,  während  Hegel  nur  orakelt:  „Scheffers 
Deutung  ist  gezwungen".  Nicht  eben  klarer,  nur  resoluter  äufsert  sich  Del 
Lungo:  I  1210  Anm.  2  versichert  er,  dafs  alle  diejenigen,  welche  mit  mir  und 
Fanfani  das  Datum  zu  amiorono  i  priori  und  nicht  zu  entrò  messer  Carlo 
bezögen,  keine  Ahnung  von  der  Sprache  alter  Chroniken  hätten.  Das  kann 
doch  nur  heifsen  :  Die  alten  Chronisten  setzen  das  Datum  nach  Subjekt  und 
Prädikat.  Aber  weshalb  läfst  Del  Lungo  seinen  Dino  dann  III  29  sagen  : 
riformò  la  città  di  Cremona  di  vicario.  Add)  12  di  maggio  1311  to  im- 
peratore con  sua  jípente  cavalcò  etc.  r  Nach  der  ihm  eigenen  Kenntnis  des 
Stiles  alter  Chroniken  hätte  er  das  Datum  doch  zur  Reform  Cremonas  ziehen 
müssen.  Über  andere  Stellen  hätte  Del  Lungo,  M'enn  ich  das  von  ihm  auf- 
gegebene Rätsel  richtig  gelöst  habe,  einfach  das  Todesurteil  gesprochen.  Z.  B. 
III  4,  5,  9,  29,  37. 


8o  p.  SCHEFFER-BOICHORST, 

und  dem  Anonimo  benutzten  Werkes,  von  dem  wir  leider  an  dieser 
Stelle  nur  den  —  wie  mir  scheint  —  sehr  kurzen  Auszug  des 
Anonimo  besitzen,  auf  die  Schwüre  Karls  einen  ganz  aufserordent- 
lichen  Wert  legt,  sieht  man  aus  den  lettere  bollate,  die  Karl  vor 
seiner  Ankunft  geben  mufs,  aus  den  molte  impromesse  et  saramenti 
fatti  vom  5.  November,  aus  seiner  späteren  Zuwiderhandlung  a  ogni 
impromessa  fatta  et  a  ogni  suo  sacramento. 

Unter  der  Voraussetzung,  dafs  die  Stellung  des  Datums  in  der 
Urquelle  ganz  dieselbe  war,  wie  bei  dem  kopierenden  Anonymus, 
mag  man  die  Angabe  Dinos,  Karl  von  Valois  sei  am  Sonntag  nach 
Allerheiligen  in  Florenz  eingetroften ,  auf  ein  Mifsverstehen  seiner 
Vorlage  zurückführen.  Natürlich  ist  aber  die  vorausgeschickte  Be- 
gründung, weshalb  Karl  nicht  am  i.  November,  dem  uns  doch 
völlig  gesicherten  Tage  des  Einzuges  S  vielmehr,  erst  am  fünften, 
nach  Florenz  gekommen  sei,  als  freie  P>findung  das  unbestreitbare 
Eigentum  Dinos.  Die  Dichtung  macht  ihm  alle  Ehre,  denn  was 
ist  lustiger  und  anmutender,  als  dafs  Karl  nicht  gerade  an  dem 
Tage  die  Stadt  betreten  sollte,  für  welchen  man  den  ersten  Anstich 
der  Weine  von  1301  in  Aussicht  genommen  hatte?  Wenn  das 
heifse  Blut  der  Florentiner,  durch  den  neuen  Wein  in  Wallung 
geraten,  durch  das  Erscheinen  Karls  zur  Siedehitze  gebracht  würde, 
—  was  stand  da  nicht  auf  dem  Spiele? 

Wie  gesagt,  kann  das  falsche  Datum  von  einem  Mifsverständnis 
herrühren  ;  aber  es  wird  auch  eine  andere  Erklärung  gestattet  sein. 
Um  zu  derselben  zu  gelangen,  müssen  wir  indes  einen  kleinen 
Umweg  machen:  (»s  bedarf  der  Vergleichung  mit  einer  anderen 
Quelle  Dinos. 

Dafs  er  die  Chronik  Villanis  benutzte,  habe  ich  in  meinen 
früheren  Studien  in  aller  Ausführlichkeit  dargethan.^  Ich  komme 
hier  noch  einmal  auf  das  Verhältnis  zurück,  jedoch  in  möglichster 
Kürze:  ein  einziges  Beispiel  wird  genügen,  um  auch  jenen  Lesern 
dieser  Zeitschrift,  denen  meine  früheren  Arbeiten  nicht  zur  Hand 
sind,  das  zwischen  Dino  und  Villani  bestehende  Verhältnis  klar  zu 
machen.  Ich  wähle  Dino  1  1 1  und  Villani  Vil  i,  d.  h.  jenes  Kapitel, 
in  welchem  von  der  neu(;n  Staatsverfassung  der  Florentiner  ge- 
handelt wird. 

Sie  beginnen  in  gleicher  Weise.  Dino  sagt:  si  resse  il  popolo 
alquanti  anni  in  grande  e  potente  stato  \  und  nach  Villani  befand 
sich  Florenz  in  grande  e  possente  stato.  Aber  die  cittadini  insuperbiti^ 
wie  Dino  sich  ausdrückt,  bringen  neue  Wirren  über  die  Stadt,  und 
auch  Villani  giebt  den  cittadini  insuperbiti  die  Schuld.  Gegen  sie 
verbinden  sich  nun  nach  Villani  buoni  uomini,  artefici  e  mercaianti 
nach  Dino  ìnwni  cittadini,    popolani   e    mercatanti,     Ihr   Führer   ist 


*  Zu  den  Belegen,  die  ich  in  Florent.  Studien  S.  143  aus  Urkunden  und 
Geschichtswerken  angeführt,  kommt  jetzt  noch  hinzu:  Eine  Florent.  Chronik 
zur  Zeit  Dantes  ed.  Hartwig  S.  11. 

-  Vgl.  meine  Kritik  der  Hegeischen  Schrift  S.  63     61. 


NOCH  EINMAL  DINO  COMPAGNI.   I.  8 1 

Giano  della  Bella,  nach  Villani  uno  valente  uomo,  nach  Dino  valente 
e  buon  uomo.  Dann  lassen  beide  eine  Skizze  der  Verfassung  folgen, 
und  der  Wortlaut  zeigt  nur  ganz  geringe  Differenzen.     Z.  B. 

Dino  I  II. 

—  fecesi  lei^^git  che  si  chinm orano  Ordini  della  giustizia,  contro  a*  po- 
tenti, che  faces  sino  oUr.iggi  n''  popolani ,  e  che  l*  uno  con  sor  to  fusse  tenuto 
per  f*  altro,  e  che  i  malefici  si  pot  e  s  sino  provare  per  dua  testimoni  di  publica 
TOC  e  e  fama. 

Villani  Vili  I. 

—  si  ordinarono  certi  leggi  e  statuti,  mollo  forti  e  gravi  contro  a'  grandi 
e  possenti,  che  facessono  forze  e  violenze  contro  a*  popolani,  raddopiando  le 
pene  comuni  diversamente ,  e  che  fosse  tenuto  /'  uno  consorto  de*  grandi  per 
l*  altro,  e  si  potes  sono  provare  i  m  ale  fidi  f>er  due  testimoni  di  pubblica  voce 
e  fama,  e  che  si  ritrovassono  le  ragioni  del  comune.  E  quelle  leggi  si  chia- 
marono gli  Ordimenti  della  giustizia. 

Mit  Rücksicht  auf  diese  Excerpte  aus  den  Ordnungen  der 
Gerechtigkeit  könnte  man  nun  vielleicht  vermuten,  beide  Autoren 
hätten  unabhängig  von  einander,  das  neue  Staatsgesetz  benutzt. 
Aber  dagegen  sprechen  doch  die  kleineren  Übereinstimmungen,  wo- 
mit hier  und  dort  zum  eigentlichen  Thema  übergeleitet  wird  :  sie 
finden  in  der  Verfassung  selbst  keine  Analogieen.  Und  zu  dem 
gleichen  Ergebnis  führt  ein  Vergleich  mit  den  Ordnungen  selbst. 
Ks  ist  geradezu  undenkbar,  dafs  folgender  Artikel  :  Et  sufficiat  pro^ 
hatio  in  praedictis  omnibus  et  quolibet  praedictorum  contra  ipsos  ?nagnatoSt 
facientes  et  fieri  facientes ,  et  quemlibet  eorum ,  maleficia  supr adicta  vel 
aliquod  eorum,  sattem  per  duos  testes,  probantes  de  publica  fama,  et  per 
sacramentum  offensi,  si  viver  et,  et  si  non  viver  et  per  sacramentum  filii  vel 
filiorum  suor  um,  —  es  ist  geradezu  undenkbar,  dafs  dieser  schwer- 
fällige Artikel  von  zwei  Autoren,  die  unabhängig  von  einander 
schrieben,  so  gleichmäfsig  wiedergegeben  worden  sei,  wie  oben  zu 
lesen,  dafs  „die  zwei  Zeugen,  die  nach  dem  öffentlichen  Gerüchte 
aussagen**,  überdies  „zu  zwei  Zeugnissen  von  öffentlichem  Rufe  und 
Gerüchte"  geworden  wären  ^  dais  Beide  dann  aber  den  Eid  des 
Verletzten  oder  seiner  Söhne  aufser  Acht  gelassen  hätten,  (iemein- 
same  Benutzung   ist  also    ein  Ding    der  Unmöglichkeit*-^:    derjenige 


*  Nur  nebenbei  sei  bemerkt ,  dafs  piuvica  fama  e  voce  nicht  etwa  eine 
technische  Redensart  für  das  lateinische  publica  fama  ist.  Dieses  ist  in  der 
sehr  alten  Übersetzung  der  Ordinamente  bei  Emiliani-Giudici  Storia  dei  muni- 
cipi Italiani  1851  Appendice  325  einfach  durch  piuvica  fama  wiedergegeben; 
ebenso  in  dem  Statuto  di  Calimala  bei  Emiliani  1.  e.  140  und  in  dem  Statuto 
della  Pieve  a  Molli,  welches  Del  Lungo  Dino  Comp.  II  49  Anm.  14  anfuhrt. 
Piuvica  fama  e  voce  fìndet  sich  nur  bei  Villani  und  Dino. 

'  Was  Hegel  vorgebracht  hat ,  um  Dinos  Selbständigkeit  dem  Villani 
gegenüber  zu  retten,  ist  ohne  jede  Redcutung.  Vergi,  meine  Widerlegung 
S.  56     59. 

Zeitscbr.  f.  rom.  Fliil.    Vll.  (. 


82  p.    SCHEFFER-HOICHOKST, 

wird    aus    den  Ordnungen   selbst   geschöj)ft   haben,    der    ihnen  im 
Wortlaut  am  Nächsten  kommt.     Man  vergleiche. 

Ordinamenta. 
Mille  peditcs  ex  populaiibus  sou  artificibus  civitatis  Florentia.  Qui  sic 
electi  iurent  traliere  ad  domum  doininorum  priorum  et  dicti  vexilliferi,  tem- 
pore cuiuslibet  rumoris  et  etiam  quotienscunqiie  fucrint  requisiti  per  nuntium 
vel  sonum  campane  vel  bannum.  —  Qui  mille  pcdites  habeant  et  habere 
debeant  pavesem ,  targiam  sive  scutum ,  signatum  signo  vexilli  justitie  (=»  de 
bono  et  solido  zendalo  albo  cum  una  cruce  magna  rúbea  in  medio). 

Villani  Vili  I. 
■ —  e  furono  ellctti  mille  cittadini,  partiti  per  sesti.  —  I  quali  dovcssono 
essere  armati,  e  ciascuno  con  soprasbcrga  e  scudo  della  *nsegna  della  croce  (¡1 
campo    bianco  e  la   croce  vermiglia),    e  trarre  ad  ogni   romore  e  richesta  del 
gonfaloniere  a  casa  o  al  palazzo  de*  priori. 

Dino  I  II. 
—  e  mille   fanti,    tutti  armati    colla  detta    insegna  (che  è  la  croce  rossa 
nel  campo  bianco)  o  arme,    che  avessino  a  essere   presti  a  ogni   richiesta   del 
detto  gonfaloniere  in  piazza  o  dove  bisognassi. 

Wie  man  sich  leicht  überzeugt,  steht  Villani  den  Ordnungen 
viel  näher  als  Dino.  So  etwa  entspricht:  e  trarre  ad  ogni  romore 
—  a  casa  o  a  palazzo  de  priori  genau  dt!r  IVstimmung:  irahcre  ad 
domum  dominorum  prior lun  --  tempore  cuiusHhet  rumor is^  während 
Dino  keinen  parallelen  Ausdruck  bietet.  Andorerseits  stimmt  Villani 
doch  wieder  genauer  mit  Dino  üherein  ;  für  den  Satz  :  quolienscunque 
fuer  int  requisiti  per  nuntium  vel  sonum  campane  vel  hannum  lesen  wir 
bei  Villani  und  Dino  die  gleiche,  den  Ordinamenten  nicht  ganz 
konforme  Wendinig:  ad  ogni  richesta  dei  gonfaloniere  y  a  ogni  ri' 
chiesta  dei  detto  gonfaloniere,^  Statt  des  weifsen  Taftets  finden  \s\x 
hier  und  dort  ein  weifses  Feld,  und  das  Kreuz  ¡st  von  keinem  der 
beiden  Autoren  als  ein  grofses  bezeichnet  worden. 


*  Zu  demselben  Ergebnis  führt  natürlich  die  Gemeinsamkeit  von  Fehlem; 
und  auch  dafür  bietet  gerade  die  Verfassung  ein  Beispiel.  Villani  redet  nicht 
an  dieser  Stelle  von  dem  Modus,  nach  dem  die  Prioren  gewählt  werden 
sollen;  denn  die  Ordnungen  haben  darin  nichts  neues  geschaft'en,  sondern 
altes  wiederholt.  Demnach  gilt  auch  für  die  jetzige  Verfassung  =  VIII  i  der 
für  die  frühere  erlassene  Paragraph,  worüber  Villani  VII  70  gehandelt  hat: 
die  alten  Prioren  sollen  die  neuen  wählen  :  coìte  capitudini  delle  dodici  arti 
maggiori  e  con  certi  arrotti,  f//'  ellegeano  e*  priori.  Nach  Dino  wählen  die 
alten  Prioren  con  certi  arrotti;  er  ist  also  ungenauer  als  Villani,  denn  er 
übergeht  die  Capitudini  der  12  oberen  Zünfte.  Das  aber  nur  nebenbei.  Die 
Hauptsache  ist,  dafs  Villani  und  Dino  denselben  Fehler  begehen:  nach  den 
Ordnungen  wählen  nicht  die  Prioren ,  sondern  das  Wahlkollegium ,  das  aus 
den  Capitudini  und  den  „Weisen"  besteht,  hat  für  jeden  Einzelfall  den  Wahl- 
modus zu  bestimmen.  Vgl.  Florent.  Studien  S.  100.  Dafs  Dino  zu  einem 
anderen  Irrtum  nur  durch  die  fehlerhafte  Lesart  der  von  ihm  benutzten  Hand- 
schrift Villanis  verführt  worilen  sei,  zeigte  ich  in  meiner  Kritik  12  Anm.  1. 


NOCH  EINMAL  DINO  COMPAGNI.    I.  83 

Danach  ist  die  Benutzung  Villanis  nicht  zu  läugnen.  Aber 
wie  schon  das  angeführte  Beispiel  zeigt,  hat  Dino  seine  Chronik 
weniger  wijrtlich  abgeschrieben,  als  die  Quelle,  aus  welcher  er 
gemeinsam  mit  Anonimo  schöpfte:  mit  diesem  stimmt  er  in  langen 
Abschnitten  überein,  mit  jenem  teilt  er  nur  einzelne  Worte,  die 
eine  und  andere  Wendung.     Woher  der  Unterschied? 

Indem  Dino  sich  die  auch  vom  Anonimo  benutzte  Vorlage  zu 
Eigen  machte,  war  er  ziemlich  sicher,  nicht  entdeckt  zu  werden; 
denn  wenn  dieselbe  eine  eigentliche  Chronik  war,  —  sie  ist  doch 
kaum  irgendwo  gelesen  worden,  und  war  sie  etwa  ein  anderer 
Dantekommentar,  so  blieb  die  Benutzung  umso  verborgener,  als  die 
übernommenen  Sätze  ja  unter  einer  Fülle  von  philosophischem,  mytho- 
logischem, theologischem  und  anderweitigem  Inhalte  versteckt  waren. 
Villanis  Werk  war  dagegen  in  den  Händen  aller,  die  für  die  Ge- 
schichte ihrer  Vaterstadt  ein  Interesse  hatten,  und  eine  Entlehnung 
von  ganzen  Partieen  Villanis  mufste  vermieden  werden. 

Wenn  somit  aber  auch,  was  den  höheren  oder  geringeren 
Grad  der  Übereinstimmung  betrifft,  zwischen  Dino  und  Villani  einer- 
und Dino  und  der  verlorenen  Quelle  andererseits  ein  Unterschied 
besteht;  wenn  der  wörtliche  Anschlufs  hier  und  dort  —  wie  wir 
sahen:  aus  handgreiflichem  Grunde,  —  nicht  der  gleiche  ¡st;  so 
ist  doch  die  Art  der  Benutzung  in  einer  anderen  und  zwar  höchst 
bezeichnenden  Richtung  eine  und  dieselbe.  Und  erst  damit  ge- 
lange ich  dazu,  die  gewonnenen  Resultate  auf  unser  eigentliches 
Thema  anzuwenden. 

Schon  mehrfach  habe  ich  bemerkt,  wie  der  sogenannte  Dino 
sich  zum  Prinzip  gemacht  hatte,  von  den  Angaben  guter  Gewährs- 
männer auszugehen  und  zu  ihnen  zurückzukehren,  aber  inzwischen 
wieder  und  wieder  den  kräftigsten  Widerspruch  gegen  dieselben 
zu  erheben.  Dafür  gab  mir  Villani  die  schlagendsten  Beispiele, 
und  einige   derselben  mögen  nun  auch  hier  einen  Platz  finden. ^ 

Wie  O.  Hartwig  neulich  bemerkte,  war  er  schon  vor  dem  Er- 
scheinen der  Florentiner  Studien  ganz  meiner  Ansicht,  dafs  Dino 
seine  Schilderung  des  Aretiner  Krieges  vom  Jahre  1289  wesentlich 
aus  Villanis  Chronik  entnommen  habe.^  An  dieser  Stelle  will  ich 
nur  das  Augenmerk  auf  das  Ende  des  für  Florenz  so  glücklichen 
Feldzuges  hinlenken.  Die  Entscheidung  bei  Campaldino  ist  nach 
Villani  VII  131  und  Dino  I  io  in  gleichef  Weise  erfolgt:  hier  und 
dort  heifst  es  vom  Feldherrn:  fedio  i  nemici  per  costa.  Dann  erzählen 
l^eide  die  sich  anschliefsenden  Ereignisse,  und  auf  sehr  engem 
Räume  finden  wir  folgende  Parallelstellen  zusammen:  e  molte  ne 
feciono  disfare  —  e  alarne  se  ne  disfece  ;  e  andar onvi  due  de  priori  — 
e  amiarono  in  qìtello  oste  due  de*  prior i\  e  feciomn  correre  il  palio  per 
la  festa  di  San  Giovanni  —  /'/  d)  di  San  Giovanni  feciono  correre  il 
palio;  feciono  disfare  le  mure  —  de  s  feciono  le  mure.     Wir  haben  also 


'  Vgl.  meine  Kritik  der  ITcgclschcn  Schrift  63     71. 
•^  Revue  historique  XVII  86. 


6* 


84  p.  SCHEFFER-HOICHORST, 

eine  Reihe  von  Übereinstimmungen;  ich  füge  hinzu,  dafs  wir  in 
den  anderen,  auch  recht  ausführlichen  Schilderungen,  die  wir  aus 
der  Feder  von  zwei  Zeitgenossen  besitzen,  nach  den  entsprechenden 
Parallelen  vergebens  suchen  würden.*  Zufallig  kann  das  Zusammen- 
gehen Vili  anis  undDinos  nicht  wohl  sein;  aber  neben  der  schönen 
Harmonie  nun  ebenso  viel  schrille  Dissonanzen.  Villani  liefs  der 
Schlacht  von  Campaldino  folgen:  i)  Einnahme  von  Bibiena,  2)  Zug 
gegen  Arezzo,  3)  Eroberung  von  Castiglione,  Montecchio,  Rondine, 
Civitella,  Laterina,  San  Savino.  Dagegen  beginnt  Dino  niit  No.  3, 
indem  er  nur  jMontecchio  und  San  Savino  übergeht;  dann  läfst  er 
No.  2  folgen  und  schliefst  mit  No.  i.  Also  die  gerade  umgekehrte 
Reihenfolge,  und  leider  auch  die  ganz  verkehrte.  Ich  ven^'eise 
auf  die  gleichzeitigen  Gesta  Florentinorum -,  welche  Villanis  Dar- 
stellung in  allen  Punkten  bestätigen^,  dann  noch  auf  eine  anonyme 
Chronik  ■*,  aus  welcher  wir  über  No.  3  allerdings  nichts  erfahren,  in 
welcher  aber  No.  i  und  2  in  der  Anordnung  Villanis  erzählt  werden. 
Diese  als  richtig  zu  erkennen,  würde  überdies  ja  auch  ein  Blick 
auf  die  Karte  genügen. 

Wie  Dino  also  gegen  Schlufs  seiner  Vorlage  widersprochen 
hat,  so  hat  er  auch  schon  den  Anfang  des  Kampfes  sozusagen  mit 
zwei  Dementationen  Villanis  eingeleitet.  I  6  bezeichnet  er  als  Grund 
des  ganzen  Krieges,  dafs  Siena  dem  Bischöfe  von  Arezzo  die  Burg 
Poggio  Santa  Cecilia  genommen  hätte;  er  nennt  sie  ausdrücklich 
eine  Besitzung  des  Bischofs;  nach  Villani  VII  no  hatte  vielmehr 
der  Bischof  das  seit  langem  den  Sanoscn  gehörige  Castell  zur 
Empörung  gegen  seine  Herren  getrieben.  Natürlich  ist  Villani 
auch  hier  im  Recht:  eine  Reihe  von  Urkunden  läfst  keinen  Zweifel, 
dafs  Poggio  Santa  Cecilia  den  Sanesen  gehörte.^  Gleich  darauf 
nennt  Dino  den  Messer  Amerigo  di  Nerbonna,  den  der  König  von 
Sicilien  den  Florentinern  zu  ihrem  Feldhauptmanne  gegeben  hatte, 
einen  jungen  und  schönen  Mann,  ma  non  molió  sperio  in  fatti  (V arme\ 
bei  derselben  Gelegenheit  rühmt  ihn  Villani  VII  130  dX^  prode  e  savio 
in  guerra,^  Im  folgenden  Jahre  haben  ihn  die  Florentiner  abermals 
zu  ihrem  Feldherrn  erwählt^:  er  muís  sehr  schnell  in  der  Strategie, 

*  Auszunehmen  ist  die  Feier  des  Johannesfestes. 

2  Codex  Neapol.  bei  Hartwig,  Quellen  und  Forschungen  zur  Gesch.  d. 
Stadt  Florenz  II  289.     Paolinq  Pieri  ed.  Adami  53. 

3  Unter  sich  übereinstimmend,  nennen  Pieri  und  Cod.  Neapol.  teils  mehr, 
teils  weniger  Burgen  ;  —  dafs  Beide  weniger  nennen,  scheint  mir  zu  beweisen, 
dafs  Villani  hier  nicht  den  sonst  ja  auch  von  ihm  benutzten  Gesta  Florent, 
gefolgt  ist;  —  dafs  eben  sie,  nicht  aber  Dino  mehr  nennen,  als  Villani, 
möchte  nicht  ungeeignet  sein,  Dinos  Verhältnis  zu  Villani  in  recht  helle  Be- 
leuchtung zu  setzen. 

*  Angeblich  des  Brunetto  Latini  bei  Hartwig,  Quellen  und  Forschungen 
II  23Í. 

*  Florent.  Studien  62  Anm.  i.  Vergi,  meine  Kritik  der  Hegeischen 
Schrift  22. 

<»  Villani  redet  von  einem  Balio  Amerigos,  und  da  lag  bei  der  doppelten 
Bedeutung  des  Wortes  denn  allenii ngs  nahe,  den  Amerigo  zu  einem  Schutz- 
und  Leitnngsbedürftigcn  zu  machen. 

"  Florent.  Studien  63    Anm.  2  und  3. 


NOCH  EINMAL  DINO  COMPAGNI.    I.  85 

wie  man  zur  Rechtfertigung  Dinos  sagen  kann,   die  gröfstcn  Fort- 
schritte gemacht  haben. 

Nach  Dino  I  20  und  Villani  Vili  41  haben  sich  bei  Gelegen- 
heit eines  Begräbnisses  die  Cerchi  und  Donati  entzweit.  Nun  fahrt 
Villani  fort,  die  Cerchi  hätten  die  Donati  zuerst  in  ihren  Wohnungen 
am  Petersthor  aufgesucht,  dann  seien  sie  nach  San  Piero  Maggiore 
geeilt,  und  dort  kommt  es  nun  zum  Handgemenge,  in  welchem 
die  Cerchi  unterliegen.  Ebenso,  nur  noch  viel  genauer,  hat  auch 
Paolino  Pieri,  der  als  Kaufmann  von  San  Piero  Maggiore  wohl 
Augenzeuge  war,  den  Verlauf  des  Kampfes  geschildert  *,  und  nichts 
anderes  lesen  wir  auch  in  der  zeitgenössischen  Chronik  angeblich 
Brunetto  Latinis.-  Nach  Dino  hat  sich  dagegen  der  rauflustige 
Pöbel  vor  den  Häusern  der  Cerchi  versammelt:  er  hätte  es  gar  zu 
gerne  gesehen,  wenn  man  gegen  die  Donati  ausgezogen  wäre. 
Aber  die  Cerchi  wollen  nicht  zustimmen.  Keine  Verfolgung,  kein 
Kampf!  Der  Widerspruch  ist  resolut  ;  —  feiner  wäre  es  gewesen^ 
wenn  Dino  der  Chronologie  Villanis  widersprochen  hätte.  Denn 
die  Begebenheit  gehört  ins  Jahr  1296^  während  Villani  sie  dem 
Jahre  1300  zuweist;  in  das  Jahr  1300  will  sie  nach  dem  ganzen 
Zusammenhang  der  Erzählung  aber  auch  Dino  eingereiht  wissen.* 

Dino  II  27  behauptet  von  der  Einnahme  Seravalles:  il  castello 
s'arrendè  a  patii  salve  le  persone;  ì  quali  non  furono  loro  attesi,  perchè 
i  Pistoiesi  andarono  presi.  Dagegen  .sagt  Villani  Vili  52,  die  Pisto- 
lesen  hätten  sich  als  Gefangene  ergeben,  und  drei  Zeitgenossen 
stimmen  darin  mit  ihm  überein.^  Dafs  der  Widerspruch  aber  nicht 
etwa  ein  unbeabsichtigter  Irrtum  ist,  dafs  dem  Autor  vielmehr  auch 
an  dieser  Stelle  Villanis  Chronik  vor  Augen  lag,    zeigt   schon  sein 


'  cd.  Adami  62. 

*-  bei  Hartwig,  Quellen  und  Forschungen  II  236. 

3  Wenn  Paolino  Pieri  dieselbe  auch  in  die  zweite  Hälfte  des  Jahres  1 297 
setzt,  so  kann  doch  kein  Zweifel  sein,  dafs  der  16.  Dezember  1296  das  rich- 
tige Datum  ist.  Dieses  hat  der  sog.  Brunetto  Latini  a.  a.  O.  überliefert,  und 
die  Bestätigung  giebt  ein  BcschluXs  vom  17.  Januar  1297,  wonach  allen  in 
offener  Feindschaft  lebenden  Magnaten  verboten  wird,  ohne  besondere  Er- 
laubnis der  Prioren  irgendwelcher  Einladung >>r0  aliquo  defuncto  velad  exequias 
alicìiius  defuncti  Folge  zu  leisten.  Gaye  Carteggio  ined.  de*  artisti  I  433. 
Da  ich  mich  in  meiner  Kritik  S.  17  zu  Gunsten  Pieris  entschied,  ging  ich 
von  der  irrigen  Ansicht  aus,  dafs  Gaye  die  Florentiner  Zeitrechnung  nicht  in 
die  heutige  umgesetzt  habe. 

♦  Im  Anschlufs  an  die  Vertreibung  des  Monfíorito,  die  im  Jahre  1299 
erfolgte,  lährt  Dino  I  20  fort  :  La  città  —  cadde  in  nuovo  pericolo  ;  und  wenn 
er  dann  einige  Beispiele  dieser  neuen  Gefahr  mitteilt,  so  versteht  sich  doch 
von  selbst,  dafs  er  die  Zeit  nach  1299  im  Auge  hat.  In  der  ersten  Auflage 
der  Dinoschen  Chronik  giebt  denn  auch  Del  Lungo  als  Zeitbestimmung:  1300 
Gennaio 'Guigno'y  anders  in  der  zweiten,  nachdem  er  in  der  Zwischenzeit  von 
mir  belehrt  worden  war,  dafs  Dinos  Chronologie  verkehrt  sei;  jetzt  heifst  es 
1280 — 1297. 

^  Zu  den  beiden  Stelleh,  die  ich  Florentiner  Studien  angeführt  habe, 
ist  jetzt  noch  hinzugekommen:  Eine  Florentiner  Chronik  zur  Zeit  Dantes  her- 
ausgegeben von  O.  Hartwig  14. 


86  p.  SCUKFFER-BOICHORST, 

andarono  presi.     Auf  die  so  natürliche  ^Vage  „Wohin?**  giobt  Villani 
die  Antwort:  andarono  prigioni  alla  città  di  Lucca, 

Villani  Vili  72  erzählt,  wie  der  Kardinal  von  Prato,  dem  die 
Florentiner  übel  mitgespielt  hatten,  molto  gli  abominò  dinanzi  al  papa 
e  al  collegio  de*  cardinali  di  più  crimini  e  diffetti.  Darauf  bescheidet 
der  Papst,  unter  Androhung  des  Bannes  und  der  Güterentziehung, 
zwölf  Parteihäupter  an  seinen  Huf.  Von  den  Zwölfen,  die  nun 
auch  der  Ladung  folgen,  hat  Villani  Fünf  bei  Namen  genannt 
Diese  Fünf  aber  und  nur  diese  Fünf  kehren  auch  bei  Dino  III  9 
wieder,  und  zwar  in  der  gleichei\  Reihenfolge.  Damit  verbindet 
sich  indefs  auch  unverzüglich  der  Widerspruch.  Wenn  Dino  an- 
hebt: I  caporali  di^  reggenti^  sapiendo  di  certo,  che  abominati  sarcbbono 
al  santo  padre,  deliberorno  andare  a  Perugia,  dove  era  la  corte  \  wenn 
er  darnach  die  genannten  Fünf  sofort  aufbrechen  läfst,  so  zeiht 
er  den  Villani,  dessen  Chronik  ihm  ja  nach  Ausweis  der  so  über- 
einstimmenden Namen  im  Augenblick  vorlag,  gleichsam  einer  dop- 
pelten Lüge:  nach  ihm  sind  die  Parteihäupter  noch  nicht  ange- 
schwärzt, sie  haben  erst  die  sichere  Kunde,  dafs  man  sie  anschwärzen 
würde,  und  dann  empfängt  Jedennann  den  Eindruck,  dafs  sie 
lediglich  ihr  eigener,  nur  von  ihrer  Klugheit  geleiteter  Wille,  nicht 
aber  eine  Drohnote  an  den  päpstlichen  Hof  geführt  habe.  Der 
Brief  des  Papstes  liegt  uns  vor:  er  bestätigt  in  allen  Punkten  die 
Darstellung  Villanis,  nur  nicht  in  dem  einen,  dafs  zu  den  Zwölfen 
auch  Betto  Brunelleschi  gehört  habe.'  Schade,  dafs  gerade  da  der 
Widerspruchsgeist  Dinos  sich  nicht  geregt  hat,  dafs  er  den  lietto 
mit  den  vier  anderen  ohne  Murren  aus  Villanis  Chronik  hin- 
übernahm. 

Dino  11  30  beklagt  sich  darüber,  dafs  Donati  Alberti,  der  die 
Waffen  gegen  seine  Vaterstadt  geführt  hatte,  „gegen  die  Gesetze" 
hingerichtet  sei;  nach  Villani  Vili  60  wird  Donato  in  Gemäfsheit 
eines  Gesetzes,  das  er  selbst  durchgebracht  hatte,  da  er  im  Prioren- 
kolleg  safs,  zum  Beile  verurteilt.  Das  betrefl'ende  Gesetz  liegt  vor, 
und  zum  wenigsten  wissen  wir  auch,  dafs  es  unter  dem  Priorate 
Albertis  beschlossen  wurde.'- 

Das  Alles  läfst  aber  I  12  weit  hinter  sich.  Als  Dino  das 
Kapitel  schrieb,  hatte  er  Villani  Vili  i  vor  Augen:  er  entwirft  eine 
Skizze  der  neuen  Verfassung,  wie  wir  sahen,  auf  Grund  von  Villanis 
Darstellung.'*  Und  in  demselbíMi  Zusammenhang  las  er  nun,  dafs 
der  erste  Gonfaloniere,  Baldo  Ruffoli,  an  den  Häusern  eines  Galli 
die  erste  P^ekution  ausgeführt  habe.  Da  belehrt  uns  nun  Dino 
eines  Anderen:  nicht  Baldo,  sondern  er  war  der  erste  Gonfaloniere, 
der  ein  Haus  zerst(*)rte!  Leider  ist  aber  auch  hier  das  Andere 
nicht  das  Bessere,    sondern  das  ganz  Verkehrte.     Denn  Chroniken 


'  Raynaldi  Annal,  eccl.  1304  §  4. 

■'*  S.  den  Belej;  in  meiner*  Kritik  der  Hcf^dschen  Schrift  71  Anm.  I. 

3  Oben  S.  80,  81. 


NOCH  EINMAL  DINO  COMPAGNI.    I.  87 

iiiul  l^kunclen   lassen  kcinrn  Zweifel,  dafs  Dino  gi^logen  hat,  indem 
er   Villani  der  Lüge  zieh.^ 

Doch  genug;  —  wie  ich  schon  an  einer  anderen  Stelle  sagte, 
habe  ich  manchen  Einwand  gegen  meine  Beweisführung  begriffen, 
aber  es  ist  mir  immer  unverständlich  gewesen,  wie  man  das  so 
klare  Prinzip  Dinos,  seinen  Quellen  zu  folgen  und  dabei  doch, 
bald  mehr,  bald  weniger,  Widerspruch  gegen  dieselben  zu  erheben, 
in  Abrede  stellen  konnte.  Daran  ändert  auch  nichts,  dafs  meine 
(iegner  sich  vergebens  bemühen,  den  ZAveck  eines  so  widerspruchs- 
lustigen Fälschers  zu  erkennen.  In  psychologischen  Dingen  mufs 
man  sicli  bescheiden:  man  kann  da  wirklich  nicht  oft  genug  an 
die  Schulweisheit  Horatios  erinnern.  Und  wenn  sie  mir  entgegen- 
halten: ein  Fälscher  dieser  Art  sei  in  aller  Litteratur  noch  nicht 
dagewesen,  —  gilt  ihnen  wirklich  der  Ausspruch  des  Ben  Akiba 
für  ein  Dogma,  woran  man  nicht  rütteln  darf?  Und  übrigens,  — 
wie  war  es  denn  mit  jenem  Stradino,  dessen  Jugend  noch  in  das- 
selbe Jahrhundert  fiel,  dem  der  älteste  Codex  unserer  Fälschung 
angehört?  Stradino  hiefs  „cromia  scoreiia**'^,  und  wenn  Jemand 
eine  Chronik  verderben  will,  so  liegt  ihm  doch  nichts  näher,  als 
Richtiges  durch  Falsches  zu  ersetzen,  d.  h.  doch  auch:  zu  wider- 
sprechen. 

Wenn  man  nun  die  bezeichnete  Marotte  des  Fälschers  —  denn 
so  mag  man  sein  Verfahren  nennen,  —  auf  unsere  neu  entdeckte 
Quelle  anwendet,  so  kann  man  das  falsche  Datum,  welches  Dino 
für  den  Einzug  Karls  giebt,  doch  noch  in  anderer  Weise  erklären, 
als  durch  die  oben  erörterte  Annahme  eines  Mifsverständnisses. 
Doch  lassen  wir  diese  Frage  auf  sich  beruhen.  Das  Weitere  scheint 
mir  gröfsere  Bedeutung  zu  haben.  Dino  las  in  unserer  Quelle, 
dafs  die  Priorcn  nach  Santa  Maria  Novella  gegangen  seien,  dafs 
Karl  dort  in  ihre  Hand  die  Verfassung  beschworen  habe.  Ganz 
dasselbe  erzählt  Villani  und  zwar  mit  dem  Zusätze:  Ei  io  scrittore 
a  queste  cose  fui  presente.  Was  sagt  dagegen  Dino?  Nicht  die 
Prioren  in  ihrer  Gesammtheit  seien  hingegangen,  mit  Karl  zu  ver- 
handeln, sondern  nur  drei,  und  Karl  sei  soweit  entfernt  gewesen, 
die  Verfassung  zu  beschwören,  dafs  er  nicht  einmal  den  Mund 
aufgethan  habe,  come  colui  che  non  volea  parole ^  ma  si  uccidere.  Den 
verlangten  Eid  habe  Karl  erst  in  einer  späteren  Zeit  und  an  einem 
anderen  Orte  geleistet,  auch  nicht  ni  Person,  sondern  durch  seinen 
Kanzler.  Der  aber  schwur  dafür  auch  in  die  Hände  keines  Ge- 
ringeren, als  des  Dino  selbst.  Dieser  Widerspruch  gegen  Villani, 
den  er  kannte,  gegen  das  in  Rede  stehende  Werk,  welches  ihm 
vor  Augen  lag,  —  -  sehr  würdig  reiht  er  sich  dem  schon  verzeich- 
neten an,  dafs  nicht  Baldo  Ruffoli  zuerst  auf  Grund  neuer  Gesetze 
das  Banner  der  Gerechtigkeit  ergriffen  habe,    um    das  Haus   eines 


*  Meine  Kritik  8  — 13. 

'  Fanfani,   Dino  Compagni,    vendicato    dalla   calunnia    di  scrittore  della 
Cronaca  153.  154. 


88  p.  SCHEFFER-HOICHORSr, 

ilbelthäters    zu    zerstören,    sondern    io  Dino  Compagni   riirovundomi 
gonfaloniere  di  giustizia. 

Auf  andere  Widersprüche  habe  ich  schon  früher  aufmerksam 
gemacht;  sie  finden  sich  in  dem  Prozefs  des  Monfiorito.  Nach 
dem  Anonimo  ist  Monfiorito  ein  Herr  aus  der  Mark  Treviso; 
nach  Dino  stammt  er  aus  Padua  und  sind  es  die  Paduaner, 
die  später  sich  für  ihren  Landsmann  verwenden.  Beim  Dino  er- 
klärt der  Podestà,  um  sich  an  seinem  Peiniger  wegen  einer  zweiten 
Tortur  zu  rächen:  avere  ricevuto  una  testimonianza  faìsa  per  messer 
Niccola  Acciaioli\  beim  Anonimo  sagt  der  Podestà:  Io  rende*  uno 
testimonio  falso  a  messer  Niccola,  Die  Enthüllung  wird  zu  Protokoll 
genommen,  aber  der  Advokat  des  Messer  Niccola  verschafft  sich 
die  Akten,  und  nun  sagt  Dino:  ras  e  ne  quella  par  te^  che  venia  contro 
a  messer  Niccola,  noch  einmal  redet  er  vom  raso  fatto\  der  Anonimo 
dagegen:  il  foglio,  dov'era  il  fatto  di  messer  Niccola  ir  as  sono  del 
quaderno  und  noch  einmal:  foglio  cK era  tratto. 

Was  die  Heimat  des  Monfiorito  angeht,  so  lassen  Urkunden 
und  Chroniken  keinen  Zweifel  ',  dafs  er  aus  Coderta  bei  Treviso 
stammte:  mit  Padua  hat  er  so  wenig  gemein,  als  die  Paduancr  mit 
ihm.  Für  das  Ausreifsen  des  verhängnisvollen  Blattes  bietet  uns 
ein  älterer  Kommentar  eine  ausreichende  Bestätigung.^  Nur  in  dem 
Gegensatze  zwischen!  dem  Anfertigen  und  Entgegennehmen  des 
falschen  Zeugnisses  wird  man  aus  der  anderweitigen  Überlieferung 
keine  Aufklärung  entnehmen  können.^  Es  wird,  deren  aber  auch 
kaum  bedürfen. 

Früher  hat  Hegel  meine  Ik'hauptung,  dafs  Dinos  Chronik 
mannichfache  Widersprüche  zu  den  in  ihr  benutzten  Quellen  ent- 
halte/ auf  das  bestimmteste  in  Abrede  gestellt.  Ohne  es  ausdrück- 
lich zu  sagen,  hat  er  sich  jetzt  bekehrt,  wenigstens  mit  Bezug  auf 
die  Geschichte,  welche  den  Monfiorito  und  Niccola  Acciaiuoli  be- 
trifft. Hier  läfst  der  Vergleich  mit  dem  Kommentar  des  Anonimo, 
dessen  Bericht  sich  in  den  bezüglichen  Einzelheiten  bewährt  hat, 
freilich  auch  nicht  den  leisesten  Zweifel,  dafs  in  der  Chronik  wenig- 
stens drei  Widersprüche  zu  der  benutzten  Quelle  vorhanden  sind. 
Drei  Widersprüche  an  einer  einzigen  Stelle!  Wieviele  mufs  da  das 
ganze  Werk  enthalten?^  Gewifs  wird  Hegel  sich  dieser  Konsequenz 
nicht  entziehen  und  den  durch  das  ganze  Werk  gehenden,  bald  mit 
gröfserer,  bald  mit  geringerer  Energie  sich  äufsemden  Geist  der 
Verneinung  anerkenn  en.  ^ 


*  Florent.  Studien  119 — 122.     Meine  Kritik  29 — 30. 

*  —  e  trassene  fuori  segretamente  il  foglio.  Ottimo  commento.  Das 
Werk  selbst  ist  mir  nicht  ¿ugänglich;  ich  kenne  die  Stelle  aus  Fanfani,  Le 
metamorfosi  di  Dino  Comp.  502. 

'  L'ottimo  sagt  ganz  allgemein  :  confesso  fra  C altre  cose  avere  servito 
il  detto  messer  Niccola  iValcuno,  che  dovea  essere  condannato. 

*  Sei  CS  jnit  Rücksicht  auf  Anderes,  was  der  verlorenen  Quelle  noch 
entnommen  sein  könnte,  sei  es  mit  Rücksicht  auf  das  übrige,  vom  Autor  be- 
nutzte Material. 

^  Vielleicht   meint  Jemand,    den  Widerspruch  gegen  ein  so  verbreitetes 


NOCH  EINMAL  DINO  COMPAGNI.    í.  89 

Freilich  ist  er  doch  noch  andercM-  Meinung,  als  ich.  Nach  ihm 
rühren  die  Widersprüche  nicht  vom  Autor,  sondern  von  dem  ange- 
nommenen Redaktor  der  Chronik  her.  Denn  wie  er  nun  erklärt, 
hat  er  „an  der  einen  Parallelstelle,  welche  den  Prozefs  des  Podestà 
Monfiorito  betrifft,  das  willkürliche  Verfahren  des  Bearbeiters  oder 
Redaktors  der  originalen  Denkwürdigkeiten  Dinos  dargethan."  Das 
heifst  doch  wohl:  „im  Original  Dinos  stand,  Messer  Monfiorito  sei 
ein  Trevisaner  gewesen,  er  habe  das  falsche  Zeugnis  ausgestellt, 
das  Blatt  sei  ausgerissen  worden."  Sollte  Hegel  etwa  der  An- 
sicht sein,  an  diesen  Stellen  hätten  sich  Lücken  in  der  Chronik 
gefunden,  der  Redaktor  habe  dieselben  ausgefüllt,  dabei  aber  fehl- 
gegriffen, so  mufs  ich  doch  darauf  hinweisen,  i)  dafs  die  Chronik 
noch  jetzt  unausgefüllte  Lücken  enthält,  und  zwar  Lücken,  welche 
ein  Redaktor  von  der  Willkür  des  Hejj^elschen  in  der  allerbequem- 
sten  Weise  ausfüllen  konnte,  2)  dafs  die  Lücken  in  der  Geschichte 
des  Monfiorito  zweimal  dasselbe  betreffen  würden:  Monfiorito  wird 
ein  Paduaner,  und  die  Paduaner  legen  Fürsprache  ein;  es  wird 
radiert  und  die  Radierung  wird  entdeckt.  Von  ausgefüllten 
Lücken  kann  keine  Rede  sein,  also  ist  auch  der  Geist  des  Wider- 
spruchs nicht  durch  ungeschickte  Ausfüllung  von  Lücken  in  das 
Werk  gekommen.  Unter  dem  „willkürlichen  Verfahren"  kann  ich 
nur  verstehen*,  dafs  der  Redaktor  den  „originalen  Denkwürdig- 
keiten" mit  Bewufstsein  widersprochen  habe.  „Welch'  ein  Redaktor!" 
hätte  Hegel  da  ausrufen  sollen,  „welch*  ein  Redaktor,  der  dem  zu 
redigierenden  Werke  in  so  wenigen  Zeilen  dreimal  widerspricht!" 
Solch*  ein  Ausruf  würde  zu  seiner  früheren  Verwunderung,  dafs 
ein  Fälscher  seinen  Quellen  widersprochen  haben  sollte,  das  nötige 
Pendant  sein. 

Welch'  ein  Redaktor,  mufs  ich  hinzufügen,  der  nicht  blofs  dem 
zu  redigierenden  Werke  widerspricht,  sondern  auch  zur  Verherr- 
lichung des  Autors  lügt!  Denn  dafs  Dino  selbst  die  ersten  Häuser 
zerstört  habe,  während  doch  gleich  der  erste  Gonfaloniere  es  that, 
—  auch  diese  Geschichte  setzt  Hegel  auf  das  Konto  des  Redaktors. 
Ich  meinestheils  müfste  nach  der  obigen  Darlegung  auch  dem  Re- 
daktor zuschreiben,  dafs  Karl  von  Valois  nicht  schon  am  5.  No- 
vember, wie  doch  feststeht,  die  Verfassung  beschworen  habe,  dafs 
der  Eid  vielmehr  erst  später,  da  aber  auch  in  die  Hände  Dinos 
abgelegt  wurde.- 


Werk,  wie  etwa  Villanis  Chronik,  möge  man  zugeben,  nicht  aber  gegen  eine 
so  unbekannte  (Quelle,  wie  die  in  Rede  stehende.  Darauf  wäre  zu  entgegnen, 
dafs  die  Widerspräche  sich  doch  gegen  Angaben  richten ,  die  auch  ander- 
weitig, zum  Teile  wieder  durch  Villani,  überliefert  und  bekannt  waren.  Weiler 
wäre  an  das  schon  S.  87  berührte  Kapitel  aus  der  Psychologie  zu  erinnern. 

*  Dafs  ich  mehrfach  erst  hin  und  her  erwägen  mufste,  was  Hegel  eigent- 
lich gemeint  habe,  und  dann  doch  keine  befriedigende  Antwort  fand,  hat  mir 
den  Genufs  seiner  Schrift  wesentlich  verkümmert.  Zu  meiner  Beruhigung 
sehe  ich,  dafs  dasselbe  wenigstens  einmal  auch  Simonsfeld  begegnet  ist. 

•  Auch  Wüstenfeld  hat  eine  spätere  Redaktion  angenommen  ;  er  hat  zu- 
gleich   das  Verfahren  —  wie   er   sagt  —  des  Annotators   oder   Überpinselers 


go  p.  SCHEFFER-HOICHORST, 

Hegel  scheint  mir  seine  Il}pothese  nicht  zu  Ende  gedacht  zu 
haben,  —  ein  anderes  Moment  ist  ihm  ganz  entgangen. 


psychologisch    zu    erklären   versucht;    und    einige  seiner  Ausführungen  mögen 
hier   nun    ihren    Platz   und  ihre  Besprechung  finden.  —    Gott.  Gel.  Anz.  1875 
S.  Í563  bezeichnet  er  die  Behauptung  Dinos,    er   sei  der  Erste  gewesen,   der 
in  Gemäfsheit  der  Ordinamente  mit  Feuer  und  Beil  vorgegangen  sei,  als  einen 
so  schwarzen  Punkt,  dafs  ein  Kriminalist  allein  schon  daher  den  Schuldspruch 
auf  Fälschung   entnehmen   könnte.      Aber   er   läfst    sofort   mildernde   Gründe 
sprechen.      Der   Überarbeiter    „wird    seinen   Priorista    aufgeschlagen    haben", 
denn   ein    solches  Verzeichnis   der   höchsten  Beamten   hatte  damals  jede  vor- 
nehme Familie   im  Hause,    „weil   mit   der    früheren   Bekleidung   des   Priorats 
politische  Rechte   verbunden   waren,    und  er  fand  lür  1293  Juni  15.  darin  zu 
seiner  Überraschung  den  Dino  Compagni  als  Gonfaloniere;  und  da  nun  Dino 
selbst  für  die  That",   d.  h.  für  die  einfache  Zerstörung,  zu  welcher  ein  Name 
des  Thäters  nicht  hinzugefügt  war,  auch  „keinen  genau  bindenden  Zeitpunkt" 
angegeben  hat,  da  aber  Villanis  Chronik,  aus  welcher  „er  sich  hätte  belehren 
können,    dem  Annotator  vielleicht  im  Augenblicke   nicht   zur  Hand  war,   so 
mochte    er  wohl   gemeint   haben,    Dino    habe  aus  Bescheidenheit  oder  irgend 
einem  anderen  Grunde   die  Sache  verschwiegen."     Nun  sei  er  aber  nicht  der 
Mann    gewesen,    die   gewonnene  Weisheit   seinen  Lesern   vorzuenthalten;    sie 
habe    zugleich    die  Erzählung   plastischer   gemacht    und  „ein  so  gutes  Schön- 
pflästerchen"  dargeboten.    Wie  der  Annotator  aus  dem  Priorista  die  bezeich- 
nete Weisheit   gewinnen  konnte,    ist   mir   allerdings  imfafsbar;    er  fand  darin 
ja  nur  die  Thatsache,    dafs  Dino  zwei  Vorgänger  und  viele  Nachfolger  hatte, 
und  die  erste  Zerstörung  konnte  danach  das  Werk  eines  jeden  derselben  sein. 
Dann  irrt  Wüslcnfeld,  wenn  er  meint,  dem  Annotator  sei  im  Augenblick  die 
Chronik  Villanis    nicht   zur  Hand    gewesen:    Villani  erzählt  die  erste  Häuser- 
zerstörung,  als  That  des  Baldo  Ruffoli,   in  demselben  Kapitel,   aus  welchem 
der  angebliche  tiberarbeiter,  wie  wir  S.  80,  81  sahen,  seine  in  dem  gleichen  Zu- 
sammenhange vorgetragenen  Kenntnisse  über  die  Ordinamente  geschöpft  hat.  — 
Hier   also   hätte    der    „Überpinseier"  sich  im  Augenblicke  bei  seinem  Villani 
nicht  Rats    erholen    können,    sonst  würde  er  nach  Wüstenfeld  den  krassesten 
Irrtum   vermieden   haben  ;    ein    ander   mal    soll    Villani    dafür   dann    aber   den 
Annotator  zu  einer  Sünde  verleitet  haben.     S.  1573  handelt  Wüstenfcld  über 
das    falsche  Datum  der  Kaiserkrönung,  die  Dino  zum  1.  August  1312  statt  zum 
29.  Juni  ansetzt.     „Herr  Prof.  Hegel  hat  allerdings  nicht  ohne  Grund  bemerkt, 
dafs   bei    der   Verwechselung   vom    29.  Juni    und   i.  August   zwei   Petersfeste 
vertauscht  seien  ,    dafs  dieselbe  leicht  zu  erklärende  Verwechselung  auch   bei 
dem  zeitgenössischen  W.  Ventura,   wie  kurz  darauf  bei  Matthias  von  Neuen- 
burg   vorkomme."     Dabei    sei    aber   doch   zu   erinnern ,    ,,dafs  Venturas  Auf- 
zeichnungen   elf  Jahre   später  geschahen,    dafs  auch  Villani  hier  nicht  gleich- 
zeitig niederschrieb";  —  (thatsächlich  schrieb  Villani  die  betreffenden  Abschnitte 
nicht  vor  1328)  —  bei  Dino  sei  es  aber  doch  „die  letzte  Notiz,  die  gleichsam 
den  Schlufs  des  ganzes  Werkes   bildet"  und    die  Prophezeiung  von  dem  nun 
als  Rächer  kommenden  Kaiser  begründet.     Nach  Ausweis  ihrer  diplomatischen 
Korrespondenz,    die    man    bei  Bonaini  Acta  Henrici  H  418  liest,    hätten  nun 
die  Florentiner  das  wirkliche  Datum  genau  gewufst;  also  mufs  der  Annotator 
den    Irrtum  „aus   Villani    hineinkorrigiert    haben".      „Hineinkorrigiert",   d.  h. 
also  im  Original  stand  der  29.  Juni,    der  nun  dem   I.August  zum  Opfer  fiel! 
Ein  Datum    mufs   der    ganz   gleichzeitige  Autor  zu    der  für   ihn  so   wichtigen 
Kaiserkrönung  selbstverständlich  hinzugefügt  haben,    unterläfst  er  doch  nicht 
viel  unbedeutendere  Ereignisse,    wie   etwa  Anfang  und  Ende   der  Belagerung 
Brescias ,    Ankunft    des  Kaisers   in    Genua,    Pisa   und  Rom,    nach   Tag   und 
Monat  zu  bestimmen.     Also  „hineinkorrigiert"  ist  vom  Standpunkte  des  Anno- 
tators    und  Wüstenfelds  das   richtige   Wort;    aber   wird  auch   ein   zweiter  an 
einen  Annotator  glauben,    der  das  Datum  seines  unmittelbar  zeitgenössischen 
Autors  streicht,  um   es  durch  die  Angabe  einer  fast  ein  Mcnschenalter  später 
endigenden   Chronik   zu   ersetzen  ?    —    Aufser   Villani   hat   dann   auch   Dante 


NOCH  lilNMAL  DINO  COMPAGNI.    í.  9  I 

Dino  ist  Zeitgenosse  und  —  wie  die  heutigen  Italiener  dem 
Muratori  so  gern  nachsprechen  —  sedehat  ad  clavcm  reipuhlkae.  Und 
da  soll  er  über  Dinge,  an  denen  er  selbst  beteiligt  war,  einer 
Quelle  gefolgt  sein,  —  einer  Quelle,  die  nicht  etwa  ein  offizielles 
Dokument  ist,  vielmehr  ein  Stück  von  allerlei  Florentiner  F!reig- 
nissen!  Es  wäre  doch  nichts  anderes,  als  wenn  heute  ein  Staats- 
mann die  Geschichte  von.  Begebenheilen,  an  denen  er  den  un- 
mittelbarsten Anteil  hatte,  in  der  Weise  schreiben  wollte,  dafs  er 
ganze  Abschnitte  aus  einer  kleinen  Provinzialzeitung  in  sein  Werk 
herù  hernähme! 

Noch  ein  anderes  Bedenken  scheint  Hegel  gar  nicht  aufge- 
stofsen  zu  sein.  Dino  beginnt  sein  Werk  mit  der  Erklärung: 
„Quando  w  comminciai^  proposi  dì  scrivere  il  vero  delle  cose  certe,  che 
io  viddi  e  udì*,  però  che  furono  cose  notevole,  le  quali  né*  loro  principi 
nullo  le  vide  certamente  come  io;  e  quelle  che  chiaramente  non  viddi, 
proposi  scrivere  secondo  udienza  ;  e  perchè  molti  secondo  li  loro  volunta 
corrotte  trascorrono  nel  dire  e  corrompono  il  vero,  proposi  di  scrivere 
secondo  la  maggiore  fama."  Also  er  hat  keine  andere  Quelle,  als 
die  Autopsie  und  das  Hörensagen.  Wie  erklären  wir  da,  um  von 
der  Benutzung  Villanis  und  Anderer  ganz  abzusehen,  die  geschrie- 
bene Quelle,  aus  welcher  er  und  der  Anonimo  doch  nicht  eben 
unbeträchtliche  Stücke  entnahmen?  P!s  bleibt  wohl  nur  der  Aus- 
weg, dafs  wir  die  Versicherung  des  Autors,  er  erzähle  nichts,  was 
er  nicht  selbst  gesehen  oder  gehört,  eben  dorthin  stellen,  wohin 
etwa  die  andere  Versicherung,  er  sei  es  gewesen,  der  in  Gemäfsheit 
der  Ordinamenti  die  ersten  Häuser  zerstört  hätte,    d.  h.  wir  setzen 


sozusagen  den  Verlührer  gespiell.  S.  1566  zeigt  Wüstenfeld,  dafs  die  Angabe 
Dinos,  der  Florentiner  Podestà  Monfiorito  sei  ein  Paduaner  gewesen,  trotz 
Hegels  Rettungsversuch  ganz  unhaltbar  ist.  Dann  aber  ineint  er,  für  einen 
Litteraten,  welcher  sich  mit  Dante  beschäftigte,  hätte  doch  nahe  gelegen,  ,,es 
sonderbar  zu  fìnden,  dafs  dieser  grofse  Wucherer,  nämlich  Monfiorito,  aus 
Treviso  stammen  sollte ,  von  welchem  als  Wucherstadt  sonst  nichts  bekannt 
war  ;  dagegen  lag  ganz  in  der  Nahe  jenes  Padua,  wo  die  grofsen  barattieri 
Vittaliano  da  Dente  und  Henrico  da  Scorvegno  lebten,  welche  Dante  in 
Cant.  XVII  des  Inferno  so  bedeutend  unter  den  Genossen  hervorhebt;  da 
mochte  der  gelehrte  Dantist  leicht  eine  Verwechselung  vermuten",  und  so 
setzte  er  denn  Padua  an  Stelle  des  originalen  Treviso.  Von  allem  Anderen 
abgesehen ,  isi  Wüstcnfeld  hier  das  mir  unerklärliche  Versehen  begegnet, 
barattieri  fur  Wucherer  zu  halten,  während  sie  Durchstecher  und  besonders 
der  Bestechlichkeit  zugängliche  Beamte  sind.  Monfiorito  nun  war  kein 
Wucherer,  sondern  ein  barattiere^  die  beiden  Paduaner  dagegen  waren  Wu- 
cherer und  keine  barattieri.  Damit  zerfallt  Wüstenfelds  Konjektur;  ich  will 
gleich  hinzufügen,  dafs  ein  Danlist  in  Wüstenfelds  Sinne  den  barattieri  von 
Treviso  zu  einem  Lucchesen  gemacht  haben  würde,  denn  von  Lucca  heifst 
CS  Inferno  XXI  41  :  Ognun  v*  è  barattier.  Dann  wissen  wir  nun  aber  mehr 
von  der  Geschichte  Monfiorilos,  als  damals  Wüstenfeld;  und  jetzt  hätte 
Wustenfeld  uns  auch  noch  zu  erklären,  was  den  gelehrten  Dantisten  doch 
bestimmt  haben  möchte ,  nicht  blofs  da»  originale  Treviso  durch  Padua  zu 
ersetzen,  sondern  auch  zweimal  statt  von  einem  Ausreifsen  des  fatalen  Blattes 
vielmehr  von  einer  Ausradierung  der  überführenden  Stelle  zu  reden  und  eben- 
falls zweimal  den  Podestà  ein  falsches  Zeugnis  entgegennehmen,  statt  es  von 
demselben  anfertigen  zu  lassen  .** 


g  2  p.  SCHEFFER-HOICHORST, 

die  Lüge,  einzige  Quelle  der  Chronik  sei  Autopsie  oder  Hören- 
sagen, entweder  auf  das  Conto  Dinos  selbst  oder  des  Hegeischen 
Überarbeiters.     Beides  hat  gleich  viel  für  sich. 

Alles  zusammengenommen:  die  neue  Quelle  hat  für  den  Be- 
weis, dafs  Dinos  Chronik  keine  Fälschung,  dafs  sie  höchstens  durch 
einen  willkürlichen  Redaktor  verunstaltet  sei,  nicht  die  geringste 
Bedeutung.  Im  Gegenteil  lernen  wir  an  derselben  wiederum  dai 
Verfahren  des  Fälschers  kennen:  gerade  das  Verfahren  aber,  eigen- 
tümlich wie  es  ist,  dient  zugleich  als  Beweis  für  die  Fälschung. 
Dann  spricht  aber  auch  am  wenigsten  für  die  Echtheit,  dafs  bei 
Dingen  zeitgenössischer  und  streng  städtischer  Natur,  bei  denen 
Dino  beteiligt  sein  will,  die  er  überdies  lediglich  nach  Autopsie 
und  Hörensagen  zu  erzählen  versichert,  eine  geschriebene  Quelle 
von  nicht  offizieller  Art  benutzt  ist.  Genug,  —  die  Deduktion 
Hegels  ist  verfehlt. 

Hegel  fügt  noch  hinzu,  dafs  die  Chronik  Dinos  in  dem  Ver- 
gleiche mit  dem  Anonimo  eine  sehr  weit  reichende  Bewährung 
ihrer  (Glaubwürdigkeit  fände.  Ich  sehe  aus  Hegels  Darlegung  nicht  \ 
wie  an  Stellen,  wozu  die  Parallele  des  Anonimo  fehlt,  für  die  Glaub- 
würdigkeit auch  nur  das  geringste  gewonnen  wäre.  Blofs  dreimal 
stimmt  ja  aber  Dino  mit  dem  Anonimo  überein:  für  eine  weit- 
reichende Bewährung  fehlt  der  Beweis.*^ 

Vor  allem  ist  nun  eine  Geschichte  in  der  Chronik  Dinos,  die 
ich  früher  als  eine  freie  Erfindung  verworfen  hatte,  nämlich  die 
Einzelheiten  in  dem  Prozefs  des  Monfiorito,  wieder  in  ihr  histo- 
risches Recht  eingesetzt.  Meinen  Irrtum  habe  ich  selbst  zuerst, 
eben  im  Hinblick  auf  die  Übereinstimmung  mit  Anonimo,   erkannt 


*  Ich  möchte  hier  betonen  :  Aus  Hegels  Darlegung.  Später  komme  ich 
auf  die  verlorene  Quelle  zurück.  Wenn  ihr  noch  andere  Stellen  entnommen 
sind,  so  erhalten  eben  nur  diese  eine  Bewährung  ihrer  Glaubwürdigkeit,  nicht 
aber  die  Chronik  Dinos  als  solche. 

■^  Simonsfeld  in  der  Hist.  Ztschr.  XLV  170:  „ —  es  fragt  sich  nur,  wie 
wir  uns  dieselbe  vorzustellen  haben,  „diese  unbekannte  Quelle  von  hohem 
Werte,  welche  Dino  enthält",  wie  Hegel  S.  103  sich  etwas  undeutlich  aus- 
drückt. In  welcher  Dino  enthalten  ist?  oder  welche  in  der  uns  vorliegenden 
Dino-Chronik  enthalten  ist?  Soll  das  auch  eine  umfassendere,  vielleicht  gar 
die  unverfälschte  Chronik  Dinos  sein?"  Man  sieht,  wie  dunkel  auch  für 
Andere  der  Sinn  von  Hegels  Rede  ist.  Dann  lährt  Simonsfeld  fort:  Auch 
wenn  die  unbekannte  Gröfse  für  alle  drei  Stellen  und  nicht  blofs,  wie  ihm 
wenigstens  möglich  zu  sein  scheint,  nur  für  den  Prozefs  des  Monfiorito  als 
Quelle  gelten  müsse,  so  bliebe  es  doch  fraglich,  ob  man  an  eine  zusammen- 
hängende  Darstellung  denken  dürfe,  denn  Anhaltspunkte  für  die  Benutzung 
einer  solchen  seien  ja  nicht  vorhanden.  „Viel  näher  liegt  es,  an  eine  Quelle 
geringeren  Umfanges,  mit  einem  Worte  an  einen  anderen,  uns  noch  unbekannten 
Dantekommentar  zu  denken,  aus  welchem  für  die  erste  Stelle  wenigstens  auch 
Ottimo,  der  ja  den  Prozefs  Monfiorito  ähnlich  erzählt,  geschöpft  haben  könnte 
und  in  welchem  möglicherweise  auch  die  beiden  anderen  Stellen  irgendwic(!) 
enthalten  waren.  Hat  ja  schon  Wüstenfeld  in  den  Gott.  Gel.  Anz.  1875 
^'  *537  i^uf  solche  Danteske  Elemente  in  der  Dino-Chronik  hingewiesen  und 
speziell  jenes  falsche  Datum  des  Einzugtages  Karls  von  Valois  in  Florenz  auf 
eine  irrige  Notiz  in  einem  solchen  Dantekommentar  zurückführen  zu  können 
geglaubt," 


F 

V 


NOCH  EINMAL  DINO  COMPAGNI.    I.  gj 

und  anerkannt:  es  geschah  in  einer  kurzen  Note  der  historischen 
Zeitschrift  XXXVIII  i86.  Nun  hat  Hegel  demselben  Gegenstande 
mehrere  Seiten  gewidmet,  offenbar  zu  dem  Zwecke,  dafs  man  „daraus 
eine  allgemeine  Belehrung  über  den  rechten  Gebrauch  wie  den 
Mifsbrauch  der  historischen  Kritik"  gewinne.  Wie  man  aus  einem 
einzelnen  Irrtum  eine  allgemeine  Belehrung  entnehmen  dürfe,  will 
mir  nicht  ganz  einleuchten;  auch  könnte  ich  ja  wohl  daran  erinnern, 
dafs  Hegel  früher  meine  Kritik  mehrfach  eine  meisterhafte  nannte. 
Aber  gern  nehme  ich  doch  die  Unterweisung  des  älteren,  von  mir 
gereizten  Kollegen  hin,  und  zwar  umso  williger,  als  ich  vordem 
unliebenswürdig  genug  gewesen  bin,  freilich  nicht  wegen  einer  Einzel- 
heit, sondern  wegen  des  Gesamintcharakters  der  Hegeischen  Kritik, 
den  Satz  in  die  Welt  zu  schicken:  wenn  die  Prinzipien,  die  Hegel 
in  seinem  Rettungsversuche  befolge,  die  Anerkeimung  der  Meister 
fanden,  dann  würde  es  ja  wohl  nicht  lange  dauern,  bis  jeder  Schüler 
mit  einer  „Rettung"  aufträte.  Das  war  nicht  eben  zart  von  mir, 
und  darum  sträube  ich  mich  nicht  weiter  gegen  Hegels  Censur. 

Mit  freierem  Herzen  las  ich  Hegels  Versicherung,  dafs  „die 
Hypothese,  welche  die  Fälschung  zumeist  aus  blofser  dichterischer 
Erfindung  eines  unter  der  Maske  des  Dino  auftretenden  späteren 
Autors  erklärte",  nun  vollends  widerlegt  sei.  Allerdings,  die  Logik 
des  Satzes  ist  mir  nicht  ganz  klar;  denn  wenn  Dino  auch  an  drei 
Stellen  sich  einer  Vorlage  bediente,  so  könnte  er  doch  im  Übrigen, 
also  „zumeist",  aus  seiner  Phantasie  schöpfen.  Um  die  Behauptung 
Hegels  zu  unterschreiben,  mufs  man  noch  überzeugt  sein,  dafs  der 
von  mir  angestrengte  Beweis,  es  habe  der  Kenntnis  von  mehr  als 
einer  Quelle  bedurft,  um  das  Werk  zu  Stande  zu  bringen,  sein  Ziel 
erreicht  habe.  Eben  darum  las  ich  Hegels  Versicherung,  wie  schon 
gesagt,  „mit  freierem  Herzen",  weil  ich  immer  die  Ansicht  vertrat, 
dafs  der  Fälscher  in  der  historischen  Litteratur  wohl  bewandert 
war.  Ich  weifs  auch  nicht,  welcher  Forscher  es  gewesen  ist,  der 
als  fast  einzige  Quelle  des  Fälschers  dessen  Phantasie  bezeichnete; 
—  ich  weifs  nur,  dafs  Hegel  früher  gerade  mir  zum  Vorwurf  machte, 
ich  hätte  ein  viel  zu  reiches  Quellenmaterial  angenommeii:  um  die 
benutzten  Quellen  —  war  meine  Meinung  —  hat  der  angebliche 
Dino  seinen   blauen  Dunst  verbreitet. 

P.  SCHEFFER-BOICHORST. 


M  I  s  e  E  L  L  E  N. 


I.    Zur  Litteratnrgeschichte*. 

1.  Ein  französischer  Kìnderreim  des  XI. — Xn.  Jahrhunderts. 

Im  6 1.  Kapitel  seiner  Gesta  Tancredi  giebt  Radulfus  Cado- 
mcnsis  eine  Charakteristik  der  Franzosen  und  Provenzalen,  die 
schon  Diez,  Poesie  der  Troubadours  S.  8  erwähnt  Sie  lautet: 
Geniis  httjus  (Francorum)  suhJimis  est  oculus,  spirilus  ferox^  promiae 
ad  arma  dextrae^  caeierum  ad  spargendum  prodigae,  ad  congregandum 
ignavae.  H/s,  i¡uantum  anali  gallina ,  Provincia/es  moribus,  animis, 
cui  tu,  vie  I H  adver  sahanlur^  parce  vivendo^  s  olii  cil  e  perscrulando,  lahort" 
feri:  sed  ne  verum  laceaîu,  minus  bellicosi.  Muliebre  quiddam  essCj 
ajunt,  et  tanquam  vile  rejiciunt  corporis  ornalum^  equorum  ornalui  in^ 
vigilant  et  mulonim,  Sedulitas  illorum  tempore  famis  mullo  plus  jmui^ 
quam  gentes  plurimae  bellare  promptiores  :  /'/',  ubi  deerat  panisy  contenti 
radicibus  durábante  siliqnas  non  aspernanteSy  eorum  dextrae  longi  gerulae 
ferri,  cum  quo  intra  viscera  terrae  annonam  fascinabantur^  inde  est, 
quod  ad  hue  puer  or  um  decantai  naenia:  Fra  nei  ad  bella.  Provinciales  ad 
victualia.  Da  ersii:htlich  das  Lateinische  eine  w(')rtlich(î  Wiedergabe 
des  Franz()sischen  ist,  so  wird  man  wohl  kaum  bezweifeln,  dafs  der 
Kniderreim  in  seiner  originalen  Fassung  lautete: 

Li  François  a  bataille. 
Provençal  a  vitailìe. 

K.  Bartsch. 


2.   Zum  Cancioneiro  d'Evora. 

Die  Bemerkungen,  die  ich  früher  (Bd.  V  p.  565  dieser  Ztschr.) 
an  das  von  F.  Hardung  publizierte  Liederbuch  anknüpfte,  erschöpfen 
den  Gegeiistand  keineswegs:  sowohl  zu  den  Texten  wie  zu  der 
Finleitung  läfst  sich  noch  vielerlei  sagen.  Fast  jeder  Satz  der 
letzteren  fordert  zum  Widerspruch  heraus,  und  kaum  ein  Gedicht 
findet  sich  im  ersteren,  das  nicht  berichtigt  werden  müfste.  Ein 
abschliefsendes  Urteil  über  die  Thätigkeit  des  wenig  sorgfiiltigen  und 
mit  portugiesischer  Litteraturgeschichte  nur  oberflächlich  bekannten 
Herausgebers  erlaube  ich  mir  nicht,  ehe  ich  die  von  ihm  herausgo 
gebene  Handschrift  nicht  selbst,  mit  eigeiu^n  Augen,  gemustert  habe. 


e.  M.  DE  VASCONCELLOS,   ZUM  CANCIONEIRO  I)  EVOKA.  Q5 

Lied  No.  1  ist  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  das  Werk  des 
ersten  (irafen  von  Vimioso,  D.  Francisco  de  Portugal,  eines  der 
höfischen  Dichter  des  Cane,  de  Res.  (II  p.  109  — 159,  586,  593; 
III  p.  38,  63,  243,  300),  zu  dessen  kleinen  Cantigas  auch  diese 
Trova  in  Ton  und  Sprache  genau  pafst.  —  D.  Afifonso  de  Portu- 
gal, der  zweite  Graf  von  Vimioso,  kann  unmöglich  nach  1580 
das  betreffende  Lied  gedichtet  haben,  denn  er  starb  1578  in  der 
Schlacht  von  Alcacer-Quebir,  oder  wenn  er  nicht  starb,  sondern 
nur  verwundet  zusammenbrach  und  in  Gefangenschaft  geriet,  wie 
seine  Zeitgenossen,  und  darunter  der  Kardinal  D.  Henrique,  anfäng- 
lich und  noch  am  18.  April  1579  vermuteten,  so  starb  er  doch  un- 
erkannt nach  der  Schlacht  auf  afrikanischem  Boden.  Nach  der 
Aussage  seiner  eigenen  Tochter,  Sor  Costança  de  Jesu,  ist  er  nie 
nach  Portugal  zurückgekehrt,  und  Niemand  hat  je  wieder  von  ihm 
gehört  (Caet.  de  Souza,  Provas  V  p.  675).  Seinen  Tod  in  der 
Schlacht  selbst  bezeugt  Jeronymo  de  Mendonça,  Jornada  de  Afriita 
p.  58:  Da  mes  ma  maneìra  acahou  .  .  .  dom  Afonso  de  Portugal,  Conde 
de  Vimtoso,  e  dom  Manuel  seu  fil  ho  y  que  banhando  a  ierra  com  sen 
sangue,  mostrarlo  a  innocencia  de  seu  animo  na  maldade  por  Jeronymo 
Franqui  injustamente  opposta.  Und  alle  übrigen  Berichterstatter  be- 
stätigen diese  Aussage.  Was  Hardung  von  ihm  erzählt,  ¡st  falsch.  — 
Gesetzt  aber  auch  er  hätte  den  Unglückstag  der  Nation  überlebt, 
hätte  den  Ilafs  und  die  Verfolgung  seiner  Familie  durch  Philipp  II. 
mit  durchgemacht  —  würde  der  hochherzige  Graf  da  nicht,  um 
seine  Klagen  über  die  böse  Zeit  zu  äufsern,  einen  tieferen,  wilderen, 
mannhafteren  Ton  angeschlagen  haben?  Vor  allem  aber,  woher 
weifs  denn  Hardung  überhaupt,  dafs  auch  D.  Affonso  gedichtet? 
Mir,  und  allen,  die  sich  mit  portugiesicher  Litteraturgeschichte  be- 
schäftigen ,  ist  diese  Neuigkeit ,  an  die  ich  nicht  glauben  kann, 
vollkommen  unbekannt. 

D.  Francisco,  sein  Vater,  aber  ist  als  Dichter,  und  besond(»rs 
als  Dichter  von  Cantigas,  bestehend,  wie  das  betreffende,  aus  einem 
4 zeiligen  Mote  und  einer  8 zeiligen  Volta  dazu,  recht  wohl  bekannt. 
Auch  hat  er  thatsächlich  in  seinem  Alter,  nachdem  er  des  Hoflebens 
müde  war  —  enfadado  do  tempo  e  das  cousas  d^eìle,  wie  die  Über- 
schrift sagt  —  einige  Zeit  in  Belem  geweilt;  s.  Barb.  Mach.  11  p.  226* 
und  Souza,  Hist.  Gen.  X  p.  454:  Finalmente  tiìo  cheyo  de  annos  como 
de  merecimentoSj  desengañado  do  mundo,  largou  0  serviço  do  paco  e 
assistenza  da  corte  e  foy  viver  ao  sitio  de  Beìem  por  algum  tempo  ;  e 
passando  depois  para  Evora,  falce  e  o  nesta  cidade  a  8  de  dez.  de  1 549. 

Ebenso  haltlos  ist  die  Deutung  von  No.  2:  zunächst  mufs  man 
Missen,  wer  der  Verfasser  derselben,  André  Soares,  war,  und  wann 
er  gelebt;  daim  erst  kann  man  erforschen,  welchem  secretario  er 
sein  niedliches  Epigramm  zusandte. 

No.  3.  Die  Prinzessin ,  welche  aus  Kastilien  kam ,  braucht 
keineswegs  die  Mutter  Sebastians  gewesen  zu  sein.  Kam  nicht 
auch  im  Jahre  1490  eine  Prinzessin,  geleitet  von  neun  spanisrlxMi 
Hofdamen,    von   Kastilien    nach    Portugal,    1).  Isabel,    die  Gemahlin 


q6  MISCELLEN.     I.    ZUR  LI TTERATURGESCHICHTE. 

des  Kronprinzen  D.  Aftbnso?  Und  kehrte  eben  dieselbe,  die  nun 
den  Titel  Pn'nceza,  uiid  zwar  Princeza  de  Portugal^  mit  vollem  Rechte 
führte,  nicht  1497  noch  einmal  hierher  zurück,  um  als  erste  Ge- 
mahlin Emanuels  den  Thron  von  Portugal  zu  besteigen?  Wie 
könnton  die  beiden  Schwestern,  die  mit  ihr  kamen  und  von  denen 
eine  da  Silva  hiefs,  D.  Francisca  und  D.  Anna  de  Aragâo  ge- 
wesen sein!  Als  ob  diese  das  einzige  spanische  Geschwisterpaar 
gewesen,  das  je  am  Hofe  geglänzt  hat! 

No.  4  und  5.  Es  ist  richtig,  dafs  von  den  Schriftstellern  und 
Dichtern,  welche  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrh.  lebten,  nur 
die  Königin  D.  Catharina  einfach  „0  Rainha**  genannt  wird  und 
genannt  werden  konnte.  Die  älteren  Autoren  aber  nannten  stets 
diejeingo  Königin,  unter  der  sie  gerade  lebten,  auch  nicht  anders, 
und  es  ist  also  ganz  verkehrt,  überall  wo  von  einer  Raiiiha  die  Rede 
ist,  gleich  D.  Catharina  zu  subentendiren.  Weder  eine  Felipa  de 
Mondonça,  nach  eine  Ines  Henriquez  haben  zu  dem  Hofstaat  der- 
selben gehört.  Letztere  war  Dama  do  Paco  zur  Zeit  der  Königin 
D.  Maria  (f  1516)  und  eine  Tochter  des  Kapitäns  von  Calicut, 
D.  Jo3o  de  Lima,  der  zu  Anfang  des  Jahrhunderts  tapfer  in  Indien 
gekämpft  hatte  (Goes  II  cap.  22\  Harros;  Gaspar  Correia;  Souza  XI 
P-  773)-  ^or  15 16  entstanden  also  vermutlich  die  Voltas  über  die 
Thränen  der  D.  Ines  Henriquez. 

No.  7  und  8  sind  zwei  unmögliche  Dichtungen,  aus  denen  ich 
drei  herausschäle.  Die  erste  besteh t^  aus  einem  4 zeiligen  Thema, 
mit  den  Reimsilben  ente  er  er  ente,  und  aus  zweien,  dasselbe  erläu- 
ternden 8  zeiligen  Strophen,  die  in  ihrer  zweiten  Hälfte,  regelrecht, 
gleichfalls  auf  epite  er  er  ente  enden  müfsten.  Doch  ist  solches  nur 
in  Volta  I   der  Fall;  die  zweite  bietet  die  Reime  ente  ado  ado  ente. 

Unmittelbar  daran  schlofs  Hardung  ein  selbständiges  Gedicht, 
(las  eine  eigene  Nummer  tragen  müfste  (7'').  Ks  beginnt  Da  dor 
que  em  mìnha  alma  mora\  besteht  aus  einem  4  zeiligen  Motto  {niora 
Sito  agora  ?tì1o)  und  einer  Voltenstrophe,  deren  letzte  Zeilen  die 
Reimworte  des  Motto  wiederholen. 

Sonderbarer  Weise  ist  mit  den  beiden  obigen  Liedchen  nun 
auch  noch  der  Anfang  eines  dritten  verquickt  worden,  das  Motto 
zu  den  unter  No.  8  mitgeteilten  Volten. 

No.  18.  Auch  diese  Nummer  mufs  in  drei  Teile  zerlegt  werden. 
Ich  erkenne  darin  drei  von  einander  ganz  unabhängige  Coplas,  wie 
solche  zu  hunderten  existierten  und  den  höfischen  Dichtem  von 
ihren  Damen  zum  glossieren  und  voltieren  dargebracht  wurden. 
Die  erste  davon  hat  z.  B.  CamÔes  behandelt  und  ein  Anonymus  in 
den  Inéditos  des  L.  Caminha  II  p.  240.  Der  zweiten  bin  ich  auch 
schon  begegnet;  doch  wo?  Die  dritte  ist  das,  auch  von  Monte- 
mayor  benutzte  Thema  zu  No.  24  des  Cancioneiro  d*Evora,  nach 
dem  ich  bereits  gesucht  hatte  (s.  Ztschr.  V  569). 

No.  21.  Das  portugiesische  Lied,  das  ich  aus  den  Zeilen  5 — 16 
dieser  Nummer  herausgelesen  habe,    hat  wahrscheinlich  únw  ersten 


e.  M.  DE  VASCONCELI.OS,  ZUM  CANaONElRO  d'eVORA.  g7 

Grafen  von  Vimioso  zum  Verfasser.    Wenigstens  behauptet  Barbosa 
Machado  II  p.  227,  derselbe  habe  cine  Glosse  zu  dem  Motto 

Ja  näo  posso  ser  contente 
gedichtet. 

Dabei  bemerke  ich,  dafs  aufser  CamÖes  (Red.  XIX  und  LIV) 
noch  zwei  weitere  Dichter  dasselbe  Thema  umschrieben  haben; 
erstens  D.  Francisco  de  Sa  e  Menezes,  welcher  die  vier  Zeilen  des- 
selben in  folgender  Weise  glossierte: 

A  tudo  quanto  desejo 
acho  atalhadas  as  vías; 
intentos  e  fantasías, 
mui  mao  caminho  me  vejo. 
Se  do  passarlo  e  presente 
o  porvir  se  pode  crer, 
ja  nSo  ha  que  pretender, 
ja  näo  posso  ser  contente. 

Que  de  tudo  quanto  quero 
chego  a  tam  triste  estremo, 
que  vejo  tudo  o  que  temo 
e  nem  sombra  do  que  espero. 
Desengano-me  da  vida 
e  fìz  nella  tal  mudança 
que  até  de  ter  esperança 
tenho  a  esperança  perdida. 

Cuidei  hura  tempo  que  havia 
na  fortuna  o  que  buscava; 
e,  postoque  o  n3o  dava, 
o  mesmo  tempo  o  daría. 
Achei  tudo  differente, 
ñqoei  desencaminhado  ; 
e  como  em  despovoado 
ando  perdido  entre  a  gente. 

De  que  farei  fundamento, 
pois  em  nada  acho  firmeza 
e  pago  sempre  era  tnsteza 
OS  sonhos  do  pensamento? 
Abfände  esta  dor  crecida, 
vivendo  em  pena  da  morte; 
e  eu,  por  n3o  mudar  a  sorte, 
nem  mouro,  nem  tenho  vida. 

Und   zweitens   Francisco    Rodriguez   Lobo,    der   in   zwei    Decimen 
seiner  „Pimavera"  (Obras  p.  218)  Zeile  3  und  4  umschrieb. 

Eiae  Behauptung  von  Barbosa  Machado,   die   an  obiges  Lied 
anknüpft,  verdient  noch  hervorgehoben,  freilich  nur  um  in  ihrer  Ver- 

7^Mwt\\r,  f.  rom.  Ph     Vir.  y 


98  MLSCELLEN.     H.    HANDSCHRIFTLICHES. 

kehrtheit  nachgewiesen  zu  werden.  Er  berichtet  nämlich  ',  D.  Fran- 
cisco de  Portugal  habe  die  von  mir  oben  mitgeteilten  Redondilhas 
des  Grafen  von  Mattosinhos,  D.  Francisco  de  Sa  e  Menezes,  glossiert, 
d.  h.  also  ein  1547  Verstorbener  habe  ein  Werk  gekannt  und  be- 
nutzt, das  erst  nach  1580  entstand,  nachdem  der  Govemador  de 
Portugal,  vom  höfischen  und  politischen  Leben  ganz  zurückgezogen, 
in  seinem  Mattosinhos  am  Lecaflüfschen  seinen  Studien  und  der  Poesie 
lebte.  Wahrscheinlich  wollte  der  Verfasser  der  Bibliotheça  Lusitana 
gerade  das  Gegenteil  sagen,  nämlich  der  Graf  von  Mattosinhos  habe 
ein  Motto  des  Grafen  von  Vimioso  glossiert.  Wenigstens  würde  er 
so,  und  so  allein,  den  wahren  Sachverhalt  dargelegt  haben. 

Zu  No.  46.  Zwei  verschiedene  Volten  zu  ein  und  demselben 
Motto  werden  an  einander  gereiht.  Die  erste  in  drei  5  zeiligen 
Strophen;  die  zweite  in  zwei  7 zeiligen. 

Zu  No.  56.  O  milla  fetta  a  Madalena  tirada  „de  origine**  de 
Jorge  da  Silva.  De  origine  bedeutet,  dafs  dem  Verfasser  der  Homilie 
ein  lateinisches  Original  zum  Grundtext  gedient  hat:  Hardung  aber 
scheint  zu  meinen,  es  bedeute,  dafs  die  Elegie  schon  einmal  in 
einer  Gedichtsammlung  des  Jorge  da  Silva  gedruckt  und  darnach 
von  dem  Kopisten  des  Cane.  d'Evora  abgeschrieben  sei;  und  das, 
weil  thatsächlich  im  Jahre  1589  in  Evora  bei  Martim  de  Burgos 
einige  fromme  Traktate  des  Autors  nächst  zwei  „Elegías  á  bemaven- 
turada  Magdalena**  erschienen  sind.  Der  Cane.  d'Evora  ward,  meiner 
Ansicht  nach,  freilich  vor  1589  zusammengestellt;  da  aber  die  Schriften 
des  1578  bei  Alcacer-Quebir  gefallenen  Jorge  da  Silva  früher  schon 
zwei,  heute  vollkommen  verschollene  Ausgaben  erlebt  haben  sollen, 
so  kann  es  wohl  möglich  sein,^  dafs  die  im  Cane.  d'Evora  enthaltene 
Terzinendichtung  sich  darinnen  findet. 

Doch  sei  dem  wie  ihm  sei,  inedita  war  sie  jedenfalls  nicht 
Schon  Theophilo  Braga  hatte  sie  in  seine  Historia  de  CamÖes 
II  p.  307  aufgenommen,  aus  einer  anderen,  gleichfalls  in  der  Stadt- 

bibliothek  von  Evora  ruhenden  Handschrift  (  .j-j  fl.  27).  F^  be- 
fremdet daher  nicht  wenig  von  Hardung  die  ausdrückliche  Ver- 
sicherung zu  hören,  die  von  Theophilo  Braga  mitgeteilte  Elegie  sei 
eine  andere.  „Th.  Braga  en  publia  pour  la  premiere  fois  une  autre 
qui  est  une  traduction  du  latin."  !  Es  sieht  so  aus  als  wäre 
Hardungs  Einleitung  aus  mündlich  und  flüchtig  hingeworfenen  Be- 
merkungen Bragas  zusammengezimmert. 

*  Barb.  Mach.  II  227  unter  D.  FrC"  de  Port.:  Glossa  äs  Redondilhas 
compostas  por  Fr^o  de  Sa  e  Afenezes^  l®  Conde  de  Matozinhos  d€  qtiem  adiante 
se  fard  a  merecida  memoria.     Começao: 

A  tudo  quanto  desejo  etc.  —  4. 
II  249  unter  D.  Fr^'o  de  Sa  e  M.:    Entre  as  suas  obras  poéticas,  sagradas  e 
profanas  de  que  conservava   hum    volume  na  sua  selecta  livraria  0  eruditis' 
simo   antiquario   Manoel  Severim   de   Faria    Chantre   de  Evora   sao   celebres 
aquellas  Redondilhas  que  compoz  quando  se  retirou  ultimamente  da  corte,  que 

^        P      '  A  tudo  quanto  desejo  etc.  —  4.  ^ 

For 3o  /^lossadas  por  D.  Fr^<*  de  Port.,   lo  Conde  de  Vimioso.  —  Ich  kopierte 

das  Gedicht  aus  dem  seltenen  Werke  von  Macedo  :  Domus  Sadica  p.  78. 


e.  DKCURTINS,    EIN  LADIN ISCHES  RÜGELH-D.  QQ 

Beiden  ¡st  unbemerkt  geblieben,  welch  eigentümliche  Bewandt- 
nis es  mit  der  Elegie  hat,  die,  wie  so  manches  andere  port.  Ge- 
dicht, unter  verschiedenen  Namen  umgegangen  ist.  Barb.  Marchado 
schreibt  sie  z.  B.  noch  einem  anderen  als  Jorge  da  Silva,  dämlich 
Sa  de  Miranda  zu.  Er  erwähnt  II  254,  der  Cancioneiro  des  Padre 
Pedro  Ribeiro,  der  1577  geordnet  ward,  habe  eine  Elegie  jenes 
ersten  portugiesischen  Terzinendichters  enthalten,  welche  begann: 

A  Madalena  0  seti  esposo  busca. 

Das  betreffende  Liederbuch  ward  bekanntlich  beim  Erdbeben  zer- 
stört, so  dafs  es  heute  nicht  möglich  ist,  festzustellen,  ob  die  Elegie 
thatsächlich,  wie  die  erste  Zeile  vermuten  läfst,  mit  der  von  Jorge 
da  Silva  identisch  ist.  —  Leider  ¡st  auch  eine  „Elegia  a  Santa  Maria 
Madalena"  von  Simäo  da  S¡lve¡ra  unfindbar,  welche  1567  ¡n  Evora 
bei  Marcos  Borges  erschienen  sein  soll  (Barb.  Mach.  III  722);  und 
el:>enso  ist  eine  andere  von  Franc¡sco  de  Sa  e  Menezes,  auf  welche 
M¡randa  ein  Sonett  gemacht  (No.  97),  nirgends  zu  entdecken. 
Alles  was  dieser  über  sie  sagt  und  andeutet,  stimmt  wunderbar 
genau  zu  dem  ungelenken  Versuch  in  ital¡en¡scher  Marner  der  uns 
im  Canc¡one¡ro  d'Evora  als  Werk  des  Jorge  da  S¡lva  entgegentr¡lt.* 
Hardung  hat  an  d¡e  31  Terz¡nen  über  Magdalena  e¡n  Sonett 
angekettet,  das  er  als  solches  (56h)  nicht  kennze¡chnet,  und  das  auch 
se¡n  Helfer  und  Kr¡t¡ker  Th.  Braga  n¡cht  w¡eder  erkannt  hat,  ob- 
wohl er  es,  gle¡chwie  die  Elegie,  in  seine  Hist,  de  Cam.  II  307 
aufgenommen  hatte! 

Carolina  Michaelis  de  Vasconcellos. 


IL  Handschriftliches. 

Ein  ladinisches  Rûgelied. 

Als  Nachtrag  zu  den  von  uns  publiz¡erten  h¡stor¡sch-pol¡t¡schen 
Liedern  aus  dem  Oberengadin  bringen  w¡r  das  RügeHed  auf  den 
rätischen  Krieger  und  Pol¡t¡ker  Georg  Jenatsch,  jene  e¡gentüm- 
l¡che  reiz-  und  grauenvolle  Gestalt  unserer  Geschichte,  welche  durch 
den  Roman  Ferdinand  Meyers  auch  e¡nem  gröfseren  Publikum  be- 
kannt geworden.  Das  Lied  stammt,  w¡e  aus  Inhalt  und  Ton  er- 
s¡chtlich,  aus  jenen  Prädikantenkreisen ,  welche  dem  ehemaUgen 
Führer  der  protestan t¡schen  FJferer  se¡ne  spätere  poHtische  und 
religiöse  Haltung  nicht  verzeihen  konnten.  Ist  das  Lied  wirklich, 
wie  die  Überschrift  sagt,  in  Chur  entstanden,  so  haben  w¡r  doch 
n¡cht  an  eine  ursprüngliche  deutsche  Gestalt  desselben  zu  denken, 
war  es  ja  zum  vornherein  für  das  Engadin  best¡mmt     Der  um  d¡e 

'  Als  ich  in  meiner  Miranda-Ausgabe  p.  760  einige  Worte  über  die 
Magdalcnen-Elcgien  sagte,  halte  ich  dem  Cane.  d'Evora  noch  keine  genauere 
Beachtung  geschenkt. 

./♦     ....   :•..: 


lOO 


MISCELLEN.     H.    HANDSCHRIFTLICHES. 


rätoromanische  Litteratur  hochverdiente  Alphons  von  Flugi  hat 
ein  Bruchstück  nebst  Übersetzung  in  der  Rhaetia  dem  Organ  der 
historischen  Gesellschaft  Graubündens  Bd.  IV  veröffentlicht 

Es  dürfte  aber  nicht  ganz  ungerechtfertigt  sein,  wenn  wir  es 
nun  hier  vollständig  in  diplomatisch  genauem  Abdrucke  aus 
dem  Manuskript  Romedi  wiedergeben.  Das  Ms.  Romedi,  so  ge- 
nannt nach  dem  jetzigen  Besitzer,  ist  eine  Papierhandschrift  in 
Wasserzeichen  ein  Adler  mit  Schwert  und  Reichsapfel  aus  dem 
zweiten  Viertel  des  17.  Jahrh.  184  Bl.  von  16  cm  Höhe  und  10  cm 
Breite,  die  eine  Sammlung  von  geistlichen  und  weltlichen  Liedern 
in  oberengadinischem  Dialekte  enthält.  Die  ganze  Handschrift 
scheint  bis  auf  eine  Einlage,  Bl.  106 — 109,  von  derselben  Hand 
aber  zu  verschiedenen  Zeiten  etwa  in  den  vierziger  Jahren  des 
17.  Jahrh.  geschrieben  zu  sein,  wie  das  einerseits  aus  den  nach- 
getragenen datierten  Bemerkungen  über  Tagesereignisse  am  Schluis 
verschiedener  Gedichte  und  andererseits  aus  dem  Inhalt  der 
historischen  Gedichte  hervorgeht.  Nach  einer  solchen  Bemerkung 
(fol.  182*".)  zu  schliefsen  scheint  der  Schreiber  irgendwo  Pfarrer 
im  Oberengadin  gewesen  zu  sein  und  nach  einer  anderen  (fol.  183^) 
scheint  er  dem  Pfarrer  Jan  P.  Dantz  nahe  gestanden  zu  haben, 
wenn  nicht  mit  ihm  identisch  zu  sein. 

Anno  1638.  Vna  chiantzun  fatta  in  Cüoyra  da  la  maell  damanaeda 
vittay  SCO  eir  da  la  sgrischüsa  moart  d*un  tiran,  chi  ho  viueu  da  noas 

tiemps  in  Ig  Paias  da  Las  3  Lias, 


(fol.  82'")    Qui  giescha  un  hum, 
Nun  falsch  lg*  nüm 
Per  seis  parainls 
Ls*  innozaints. 


(fol.  82v)    Princips  Araios 

Cun  seis  combaygls 
hüll  ingianno, 
20  r  hur  mQullo. 


2. 

6. 

5  Dieu  hüll  cüntschieu 

Sia  Patria, 

Et  rhu  tradieu, 

La  Rhetia, 

Si  eu  plaed  pradgio 

hol  illatscho 

Et  quel  tschnaio. 

CuD  poìck  quitto. 

3. 

7- 

Seis  Saeramaints 

25  EU  s'ho  ludo 

IG  Eiran  a  d'eli  vauns, 

Et  persumo 

Baifler  e  magliaer, 

Zuond  da  stûtzer 

Que  Tetra  chìaer. 

L'Evangeli  claer. 

4. 
eis  fatt  Papist, 

8. 
L' Ischcariott 

eir  atheist, 

30  Pniuaiua  tuot 

•  • 

15  Vn  filg  dalg  pchio, 

Per  s'ingrandyr, 

Mael  gralagio. 

L*  prorsem  tradyr. 

•   ....     -    - 

e.  DECURTINS,    EIN  LADINISCHES  RÜGELIED. 


lOI 


Cun  cuullair, 
Cun  murdragier, 
Cun  Pitanoeng 
eir  cun  Striveng. 

IO. 
Sho  cradantlo 
In  Sieu  grand  pchio 
Saimper  da  ryr 
40  Ma  da  mflryr. 

II. 
Mu  Dieu  in  tschiell, 
Quel  ho  gieu  Toelg, 
ho  mis  sieu  maun, 
l'ho  tgnieu  in  frain. 

12. 
45  £11  ais  Schbaso, 
Scün  bouflf  cflpo, 
haOn  pitschen  e  grands 
trapío  Sieu  Saung. 

13. 
Nun  eis  vadgüo 

50  Da  üngiun  Crido 

Aquals  da  Dieu 

Cufoöert  haun  gieu. 

14. 
(fol.  830    Nun  eis  tuot  fatt 

Cun  sieu  chiöerp  dschfatt, 
55  l'oarma  tadlam 
Innua  ella  vam. 

15. 
Dieu  quel  disch  d*pha, 

Chi  tschneia  me, 

Vo  zamiza  gioe 

60  I^  Aetearn  phoa. 

16. 
O  tu  narfin! 
tuot  tieu  bastün 
Eiran  Daners, 
teis  pros  et  aers. 


»7- 
65  Lg  tschill  hest  schmanchio, 

L'  oarma  priuflo 

Dalg  vair  Cflfoert 

tres  Christi  miert. 

18. 
Da  tia  jnzür 
70  haun  main  d'hunflr 
Vielgs  et  infaünts, 
tuot  teis  paraints, 

19. 
(fol.  84V)    teis  Bab  fìdaell 
Beo  ais  ell, 
75  tieu  Spüert  fos 
Nun  ho  sieu  poss. 

20. 
r  plaed  t*  hest  schnaio, 
quel  vain  predgio, 
chi  craia  in  aquel 
80  Bto  me  elL 

21. 
O  Vus  Grischüns, 
Redschaduors  bQns, 
heigias  Schgrischflr 
D*  quaist  traditur  ; 

22. 
85  tOot  voas  COsailgs, 
Dits,  fats,  cQmbailgs 
Dritze  indraett 
Sun  Dieu  Sullett. 

23- 
Muryr  stuuais 

90  E  nQn  sauais 

Niaunchia  Ig  dy, 

Dieu  s*  vouU  da  qui, 

24. 
(fol.  84^')  Chi  craia  in  Dieu 

Salua  lg'  plaed  Sieu 
95  In  fìna  la  fíng 

Ais  tscheart  DiQing  Diving. 


C.  Decurtins. 


I02  MlSClîLLEN.     III.    ETYMOLOGISCHES. 

111.    Etymologisches. 

Port.  Etymologien. 

I .    Sengo. 

Der  Dichter  Sa  de  ^Miranda,  den  seine  Landsleute  den  portugie- 
sischen Seneca  nennen,  weil  er  überaus  sentenzenreich  ist  und  weil 
viele  seiner  sprichwortartigen  Maximen  zu  geflügelten,  gern  citierten 
Worten  geworden  sind,  hat  in  seine  Episteln  und  Idyllen  in 
Redondilhas  gar  manche  kernige  und  mit  volkstümlicher  Schlicht- 
heit erzählte  Fabel  eingeschaltet,  z.  B.  die  „von  der  Stadt-  und 
Feldmaus".  Der  si;chende  Leser  findet  sie  in  Th.  Bragas  „Anto- 
logia Portugueza"  (Porto  1876)  unter  No.  115  und  in  meiner 
Miranda- Ausgabe  unter  No.  107.  Die  Stadimaus  hält  darin,  als  sie 
den  spärlich  besetzten  Tisch  ihrer  Wirtin,  der  Feldmaus,  gemustert 
hat,  den  folgenden  Monolog: 

Que  gente  ha  entre  penedos! 

Que  vai  de  Pedro  a  Rodrigo! 

Bern  disse  o  bom  sengo  antigo 

Que  nao  s3o  eguais  os  dedos!     (Braga  Strophe  7  nach  Ed.  1804) 

oder,  in  anderer  Lesart: 

Este  n5o  foi  pera  mais! 

Que  vai  de  Pedro  a  Rodrigo! 

Bern  diz  o  enxempro  antigo 

Que  os  dedos  n5o  s3o  iguais.    (No.  107,217 — 220  meiner  Ausg.) 

d.  h.  sie  verwertet,  um  ihr  Erstannen  auszudrücken  über  den  Unter- 
schied, der  zwischen  Maus  und  Maus  bestehen  kann,  zwei  bekannte 
und  oft  benutzte  Sprichwörter:  „Quanto  vai  de  Pedro  a  Pedro!  und 
O  s  dedos  da  mäo  näo  säo  i  guai s*'  und  preist  dabei  die  gute  alte 
Spruchweisheit. 

Der  hiermit  übersetzte  Ausdruck  „¿?  hom  sengo  aniigo^^,  der  in 
Miranda  aus  der  ersten  Ausgabe  seiner  Werke  stammt  (1595), 
frappierte  mich  nicht,  da  ich  ähnlichen  Formeln  schon  oft  begegnet 
war,  und  aus  dem  Vergleich  der  verschiedenen  einschlägigen  Stellen 
längst  die  Überzeugung  gewonnen  hatte  der  gefeierte  Sengo,  sengo 
oder  senego,  der  typische  Vertreter  der  Sprichwortweisheit,  sei  nichts 
anderes  als  ein  junger  auf  portugiesischen  Boden  verpflanzter 
Spröfsling  des  weisesten  aller  Spanier,  Seneca. 

Was  mich  frappierte  war  nur,  dafs  Theophilo  Braga,  der  die 
portugiesischen  Autoren  ungleich  besser  kennt  denn  ich,  nicht  zu 
derselben  Überzeugung  gekommen  ist,  ja  dafs  ihm  anscheinend 
das  Wort  sengo  überhaupt  unbekannt  geblieben.  Das  schHefse  ich 
daraus,  dafs  er  an  dem  oben  citierten  Passus  Anstofs  nahm;  sengo 
daraus  ausmärzte,  und  0  dorn  senso  an/igo(ï)  schrieb.  Er  erinnerte 
sich  also  nicht,  in  Gil  Vicente,  Antonio  Prestes,  Jorge  Ferreira  de 
Vasconcellos,  Francisco  Rodriguez  Lobo,  Francisco  Manoel  de 
Mello  und  in  CamÖes  ähnlichen  Formeln  begegnet  zu  sein,  welche 


e.  M.  DE  VASCONCELLOS,    PORT.  ETYMOLOGIEN.  IO3 

die  Existenz,  die  Bedeutung  und  das  Etymon  des  Wortes  sengo 
aufser  Frage  stellen. 

Die  Lexika  geben,  wie  zu  erwarten,  nur  ungenügenden  Auf- 
schlufs  über  sengo.  Das  von  A.  de  Moraes  Silva  (7a  cd.)  kennt 
z.  13.  nur  ein  veraltetes  Adjectivum  sengo ^  a,  das  mit  prudente,  sabio , 
avisadoy  sabedor  umschrieben  wird;  das  moderne,  und  im  Ganzen 
gute,  nur  im  etymologischen  Teile  ganz  unbrauchbare  von  Caldas 
Aulete  erwähnt  gleichfalls  nur  das  Adjectivum  sengo  y  erstens  als 
in  der  Provinz  Beira  üblich  mit  der  Bedeutung  dissimulado  y  sonso, 
que  faz  as  cousas  pela  calada^  zweitens  als  plebejischen  Ausdruck  mit 
der  Bedeutung  prudente,  sisudo,  atilado,  rejlexo.  Der  Autor  verweist 
auf  das  ital.  saggio  l,  hat  also  auch  keine  Ahnung  von  der  wahren 
Herkunft  des  Eigenschaftswortes. 

Nur  Duarte  Nunes  de  Leäo  (ed.  1866  p.  73),  welcher  sengo  im 
18.  Kap.  seines  Werkes  anführt  unter  den  „Vocabulos  que  usâo  os 
plebeios  ou  idiotas,  que  os  homens  polidos  nao  devem  usar"  er- 
klärt richtig  :  Sengo  por  sabedor,  que  os  rústicos  corromper äo  de  Seneca, 
Die  folgenden,  von  mir  gesammelten  Beispiele  werden  genügen,  um 
den  Sinn  des  Wortes  aufser  Zweifel  zu  stellen. 

I.    Sengo  Subst 
Gil  Vic.  m  184: 

Diz  o  sengo  sabichoso» 
bom  he  ás  vezes  fallar. 

Ant.  Prestes  p.  365  : 

Cunhados, 
como  diz  o  herbäo  artigo 
do  sengo,  ferros  d*  arados. 
Jorge  Ferreira  de  Vasconcellos,  Eufrosina  p.  24: 

fallar  vos-hei  como  sengo, 
id.  Aulegraphia  p.  4^: 
mas  ó  velho  sengo  que  vio  o  que  passou  e  ve  o  que  ora  corre,   defficil  he 
nao  escrever  satyra. 

id.  Ulyssippo  p.  1 59  : 

assi  diz  0  sengo, 

Francisco  Rodríguez  Lobo,  Obras: 

dizia  o  sengo  a  verdade. 
p.  634    disso  se  queixa  0  sengo,  e  disso  chora, 
p.  634    Ouvi  ao  Sengo  bum  conto  muy  gabado. 

Miguel  Lei  tao  d'Andrade,  Miscellanea  p.  6  : 

Nem  som  escolar  nem  senego. 
Francisco  Manoel  de  Mello,  Apólogos  dialogaes  p.  65  : 
por  onde  acuelles  sengos  de  Alhenas  prohibi3o  em  ley  aspera  etc. 
n.    sengo,  a.  Adj. 
Camöes,  Redondilhas  ed.  Braga  „Disparates  na  India"  p.  114: 
Deixae  a  hum  que  se  abone; 
Diz  logo  de  tnuito  sengo: 


I04  MISCELLEN.     IJî.    ETYMOLOGISCHES. 

Villas  y  castillos  tengo. 
Todos  á  mi  mandar  soné. 

p.  lOO  der  Autos  [Amphilriôes]  : 

Is-vos  fazendo  d^huns  sengos 

Jorge  Ferreira  de  Vasc,  Eufrosina: 

p.  39     reprensöes  sengas 

p.  49     cuidáis  que  sois  mui  senga, 
p.  287     conselhos  sengos 
p.  293     em  tempo  t3o  sengo  como  este 

id.  Ulyssippo  p.  199  : 

gravidade  senga 
id.  Aulegraphia  p.  33: 

Libre-me  deus  de  saberes  sengos 
161^     N3o  sou  de  ser  tao  sengo. 

Francisco  Manoel  de  Mello,  Obras  métricas  li  60  : 
sogra  astuta  e  sogro  sengo, 
p.  59     E  tu  que  tens  arte  senga 
mándaseme  dizer  deante? 
p.  66     como  a  raposa  era  senga. 
Damit   vergleiche   man    einige  von    den    zahllosen   Fällen,   in 
denen  dieselben  und  andere  Autoren  sich,  wenn  sie  irgend  einen 
weisen  Rat  erteilen,  irgend  eine  feine  Sentenz   aussprechen  wollen, 
auf  Seneca  als  auf  ihren  Gewährsmann  berufen,  ganz  unbekümmert 
darum  ob  derselbe   thatsächlich   irgendwo   den    selben   oder   einen 
ähnlichen  Gedanken  ausgesprochen  hat  oder  nicht;  man  vergleiche 
auch    die    anderen  Fälle    in   denen  Spanier   wie  Portugiesen  jeden 
beliebigen  sentenziösen  Alten  als  Seneca  anreden. 

Z.  B.  Prestes  p.  314: 

A  meu  senhor  alguma  hora 
de  Seneca  Ihe  ouvi  1er 
que  em  casa  onde  é  moradora 
vontade,  razSo  nSo  mora. 

Jorge  Ferreira  de  Vasc.     Aulegraphia  p.  8: 

>       Elle  está  sobre  mim  como  hum  Seneca. 
Ulyssippo  p.  54V: 

Vos  estais  hum  Seneca. 
p.  1 83V     O  Seneca  fala  isto  muito  pontual. 
Seneca  0  diz  nas  Epistolas. 

oder  gar  p.  271  : 

Falais  Seneca!  e  per  algum  cartapacio  ledes  vos  que  vos  faz  tao  sengo. 

Über  das  grofse  Ansehen,  das  Seneca  vom  15.  bis  18.  Jahrh. 
auf  der  pyrenäischen  Halbinsel,  seiner  Heimat,  genossen  einerseits  ; 
und  andererseits  über  den  grofsen  Reichtum  Spaniens  und  Portugals 
an  geschriebener  und  ungeschriebener  Volksweisheit,  an  Sprich- 
wörtern und  Sprich  Wortsammlungen  brauche  ich  kein  Wort  zu  ver- 
lieren.    Es   ist   bekannt,    dafs   schon   1482  Pedro  Diaz   de  Toledo 


e.  M.  DE  VASCONCELLOS,   PORT.  ETYMOLOGIEN.  IO5 

seine  Sprichwortsammlung  „Proverbios  de  Seneca"  titulierte,  dafs  1496 
auf  Veranlassung  des  Feman  Perez  de  Guzman  die  „Epistolas  de 
Seneca"  übersetzt  wurden,  dafs  1491  fünf  Bûcher  Seneca  von  Don 
Alonso  de  Cartagena  ins  Spanische  übertragen  erschienen;  dafs  im 
17.  Jahrh.  zwei  weitere  Gelehrte,  Navarrete  und  Gaspar  Ruiz  Mon- 
tiano  (1627  und  1606),  den  grofsen  Weisen  hispanisierten  ;  es  ist 
bekannt,  dafs  der  König  D.  Duarte  von  Portugal  {1433 — 1438)  in 
seiner  reichen  Bibliothek  die  „Epistolas  de  Seneca  com  outros  tra- 
tados" und  femer  eine  „declaraçam  sobre  as  epistolas  de  Seneca" 
barg,  dafs  noch  heute  handschriftliche  ,JVIiscellaneas  de  Sentenças  e 
Maximas  de  Seneca"  und  „Excerpta  ex  libris  Senecae"  vorhanden 
sind;  dafs  alle  portugiesischen  Prosaisten  und  Dichter  mit  sicht- 
licher Vorliebe  von  Sénecas  Weisheit  zehren,  ja  dafs  selbst  in  den 
für  das  moderne  Volk  geschriebenen  Flugblättern  sein  Name  hundert 
mal  herhalten  mufs,  wo  eine  Wahrheit  gepredigt  werden  soll,  die 
als  Evangelium  zu  gelten  bestimmt  ist.  Der  Name  0  Seneca  wurde 
den  Portugiesen  so  oft  genannt,  dais  er  sich  ihnen  einprägte  und 
vom  Eigennamen  zum  Appellativum  ward  :  O  senega  bedeutete  „der 
Spruchweise".  Wie  aber  aus  0  israelita^  0  israéliio  (Pratica)  und  neben 
a  criançinha  o  criançinhoy  neben  a  bruxa  o  bruxo  (Gil.  Vic),  neben 
a  ninfa  o  ninfo  (Prestes  p.  176)  entstand,  so  entstand  aus  o  senega ^ 
o  senego\  das  aber  ward  zu  sengo  wie  Dominica  zu  Minga^  Menga 
und  manica  zu  manga  durch  Elision  des  tonlosen  Vokals  und  Er- 
weichung der  Tenuis  k  zur  Media. 

2.    Nanja. 

Felix  Liebrecht  berit:htet  in  Ztschr.  V  420,  im  Anschlufs  an 
Consiglieri  Pedroso,  über  den  portugiesischen  Aberglauben  „es  sei 
verhängm'svoU  sich  am  Leibe  etwas  nähen  zu  lassen";  und  citiert 
die  Verse,  welche  das  hiesige  Landvolk  dreimal  spricht,  um  die 
bösen  Folgen  solcher  Handlung,  wenn  sie  nun  doch  einmal  vor- 
genommen wird,  abzuwenden.     Sie  lauten  : 

Coso  vivo, 

Nanja  morto; 

Coso  isto 

Que  está  roto. 

Dabei  wirft  er  die  Frage  auf  ob  nanja  identisch  mit  näo  ja  sei. 
Schon  früher  (Pratica  de  Tres  Pastores  p.  46)  habe  ich  sie  bejahend 
beantwortet,  war  jedoch  meiner  Sache  nicht  ganz  sicher,  da  ich 
über  die  Bedeutung,  Verwendung,  das  Alter  und  die  Gebräuchlich- 
keit der  Formel  nicht  genügend  unterrichtet  war.  Heute  ist  es 
für  mich  bewiesen,  dafs  nanja  y  namja  und  nenja,  nemja  nichts 
anderes  sind  als  nam  ja  (für  näo  ja)  und  nevi  ja\  dafs  sie  nichts 
anderes  bedeuten  als  ja  näo,  ja  nam  nämlich  „und  nicht",  „aber 
nicht",  „nur  nicht",  „nicht  schon",  „nicht  etwa",  „bei  Leibe  nicht"; 
dafs  aber  die  Formen  naja^  neja^  an  deren  Echtheit  ich  geglaubt, 
vielleicht  überhaupt  nicht  existieren.  Die  von  mir  gesammelten  Bei- 
spiele, die  sich  ohne  grofse  Mühe  verzehnfachen  lassen,  zeigen,  dafs 


I06  MISCELEN.     nr.    ETYMOLOGISCHES. 

im  1 6.  Jahrh.  nam  ja,  mm  ja  noch  jedermann  in  ihren  beiden  Ele- 
menten deutlich  und  verständlich  waren,  so  dafs  man  sie  von  ein- 
ander trennen,  und  selbst  ein  Zwischenglied  (Fürwort  oder  Verbum) 
zwischen  sie  schieben  konnte;  dafs  sie  im  17.  und  18.  Jahrh.  mit 
einander  verschmolzen  und  heute  vom  Volke,  welches  die  betreffen- 
den Negationsformeln  gern  und  viel  benutzt,  nicht  mehr  in  ihrer 
ursprünglichen  Bedeutung  empfunden  werden. 

1.  nam  .  .  ,  ja. 
Cane,  de  Res.  Ill  52: 

Nam  m*o  ja  eys  por  vosso  mais 
nem  m*o  chamáis, 
amores,  pois  que  sois  tais. 
Ibid. 

nam  me  culpéis 

de  nam   ser  ja  vosso  mais. 

2.  nam  ja;  nao  ja;  nom  ja. 

Cane,  de  Res.  Ill  84  : 

Assi  me  veja  eu  em  Beja, 
muito  a  minha  vontade 
como  isto  vai  com  in  veja, 
mas  nam  ja  por  ser  verdade. 

Gil  Vic.  Ill  271: 

Porque  logo  s3o  fmada 
Com  a  affronta  que  me  vem. 

—  Nao  ja  eu  ! 

Ibid.  II  475: 

Va  ó  mar  esta  arca,  va! 

—  Nao  f  essa  arca,  ta  ta  ta  ! 

Ant.  Prestes,  Autos: 

p.  1 1 2     Digo-vos  que  isto  so  quero, 
e  nao  ja  me  render  a  fero 
d'escudeiros  de  Joâo  d'Acha. 

176     Sizo  é  fugir  do  damno, 
mas  eu  nao  ja, 

182     Homens  muito  pouca  estima 
sabem  fazer  de  donzellas. 

—  Nao  jd  eu,  que  as  tenho  em  estrellas. 

248     N2o  s5o  filhos.' 
Nao  jd  aquelles. 

263     Folgára  que  me  lomáram 

n*  outro  tempo.     Nao  jd  assi  ! 

269     Hi  estás  tú? 

Nao  jd  em  coxins. 

328     mas  guarde-me  déos  que  eu  conte 
quem  o  comeo;  nao  ja  este  mez! 


e.  M.  DE  VASCONCELLOS,    PORT.  ETYMOLOGIEN.  IO7 

335     Assi  digo  eu  por  esta  boca: 
a  casada  1res  horas  na  egreja, 
e  o  mais  que  em  casa  esteja, 
e  nao  Ja  que  troque  a  toca 
pelos  gostos  de  andarcja! 

Sa  de  Miranda  (Ed.  C.  M.  de  Vascuncellos)  No.  104,427: 
Querem  que  hörnern  ouça  e  crea; 
n3o  ja  eu  ;  crea -o  nosso  Jane  ! 

Camöes  ;  Eleg.  XI  54  : 

Mostrae-vos  poderosa  em  quem  resiste 

em  desobedecer  ou  enojar-vos, 

e  nao  ja  contra  quem  vos  n3o  resiste. 

id.  Red.  p.  176: 

Pareccis-vos  ao  mcu  rosto 
e  nao  ja  á  minha  ventura. 

Prat  de  tres  pastores  (Ed.  C.  M.  de  Vasconcellos)  Z.  1262: 
Elle  scja  triste, 
e  nao  ja  eu  e  tu  etc. 

Miguel  Leitflo  de  Andrade,  Miscellanea  p.  4  : 
nom  ja  que  por  ser  Thomas, 
tivesse  o  crer  de  Thomé. 

Francisco  Rodriguez  Lobo,  Obras  p.  2 1  : 

As  palavras  da  carta  h3o  de  ser  vulgares  (i.  é  nao  peregrinas)  e  nao  ja  po- 
pulares (i.  é  humildes  e  baixas). 

p.  605     Confesso  que  estou  culpado 
mas  nao  ja  só  de  atrevido. 

p.  621     Mandad-me  que  ande  a  fogir, 
mas  nao  ja  pelas  estradas. 

D.  Francisco  Manoel  de  Mello,  Apol.  Dial.  p.  76: 
Por  isso   disse   bem   aquelle   clérigo   de  Polonia,    Copernico  (ou   como  Ihe 
chamSo),  que  a  terra  e  os  homens  era  o  que   sempre  andava  ao  redor,  nao 
ja  o  ceo,  o  sol,  nem  estrellas. 

p.  138    Atrevo-me  a  Ihe  adivinhar  os  pcnsamentos,   se  cá  torno.    —   Nilo  jd, 
se  tu  foras  meu  creado. 

Id.  Obras  Metricas  p.  67: 

corren  terras,  nao  ja  em  väo. 

3.    Namja;  nanja, 

Francisco  Manoel  de  Mello,  Segundas  tres  musas  p.  53  : 
Se  ja  sempre  o  pardo  cor, 
nao  trabalho,  ou  nao  sei  que; 
roxo  o  roxo,  e  namja  amor; 

Sprichwort  : 
Se  queres  ser  bem-disposto,  bebe  vinho  e  nanja  mosto. 


I08  MISCELLEN.     III.    ETYMOLOGISCHES. 

Volkslieder  (s.  Braga,  Cane.  Pop.  p.  8i): 
I.    Costumei  tanto  os  ineus  olhos 
a  olharem  pera  os  teus, 
que  de  tanto  confundil-os 
nanja  (oder  nenja  oder  ja  nao)  sei  quaes  sao  os  meus. 

2.  S.  Romania  X  102: 

Embala,  José,  embala 

com  a  mSo,  nanja  com  o  pé. 

3.  S.  oben: 

Coso  vivo, 
nanja  morto, 
coso  isso 
que  está  roto. 

Almeida  Garrett.     Arco  de  Sant'Anna  p.  140: 
Paz  n*esta  casa?   Seja  e  em  quem  a  póde  ter  aqui.  —  Amen.    Nanja  eu! 

Julio  Diniz,  Seröes  da  Provincia  p.  189: 
Va  la  quem  quizer;  nanja  eu! 
p.  137    Se  fosse  bruxo,  n3o  faria  as  esmolas  que  faz.    —   Nanja  eu  que  Ihas 
quizesse. 

Gomes  de  Amorim  p.  69: 
Ha  de  haver,  de  certo   (algum  padre  como  o  nosso);    porém  nanja  que  cu 
o  visse, 
p.  97    Faço-te  sombra,  Joaquim?  Nanja  por  isso, 
p.  189    Obrigado.     Pódes  contar  sempre  commigo.    —    Namja  por  isso.     Fiz 

o  meu  dever. 
p.  344  Querem  que  dance,  danço  ;  nanja  por  meu  gosto. 

4.  Nem  ja. 
Gil.  Vic.  m  13: 

Nem  jeu,  canta  em  teu  poder. 

5.  Nemja  nenja, 
Volkslied: 

O  melro  canta  na  falla; 
Esentai  o  que  elle  diz: 
„Quem  fez  o  mal,  que  o  pague." 
Nemja  eu  que  o  nao  fiz. 

Almeida  Garrett.     A  Sobrinha  do  Marquez  p.  162: 
Num  Ihe  tenho  medo,  num  senhor,  nenja  eu. 

6.  Najay  neja, 

Naja  kenne  ich  nur  aus  der  unzuverlässigen  Stelle  in  der  Pra- 
tica de  Tres  pastores,  Z.  753: 

Olha  ca  o  que  te  digo, 
naja  tudo  cantar. 

Der  Formel  7ieja  bin  ich  nur  ein  einziges  Mal  begegnet,  in  einem 
Volksbüchlein,  betitelt  :  „Devoçâo  das  mulheres  da  moda  na  egreja  e 
o  modo  com  que  nunca  ouvem  missa."    Dialogo  (Lisb.  1774).     Darin 


e.  M.  DE  VASCONCELLOS,    PORT.  ETYMOLOGIEN.  lOQ 

heifst  es  neja  que  eu  ìhe  queìra  mal  ^^  nicht  etwa  als  wollte  ich  ihm 
nicht  wohl,  —  Der  Volksmund  kennt  beide  Formen,  so  viel  ich 
weifs,  heute  nicht;  der  Ausfall  des  Nasals  gerade  vory,  vor  dem  er 
so  gern  eingeschoben  wird,  wäre  auiïallig.  Bis  sich  also  nicht  zahl- 
reichere und  besser  verbürgte  Beweise  für  die  Existenz  der  beiden 
Formeln  fìnden,  thut  man  gut  sie  als  fragliche  anzusehen,  und  vor- 
auszusetzen durch  Flüchtigkeit  des  Schreibers  oder  des  Setzers  sei 
ein  //■/  über  dem  a  oder  e  fortgelassen  worden. 

3.    Em  que  =  Êmque, 

Diese  im  Altportugiesischeç  viel  verwendete  und  auch  dem 
modernen  Sprachgebrauch  keineswegs  ganz  abhanden  gekommene 
Konjunktion  scheint  wenig  bekannt  zu  sein  ;  weder  in  der  Grammatik 
von  Reinhardsstöttner,  noch  im  Wörterbuch  von  Caldas-Aulete  be- 
gegnet man  ihr.  Und  selbst  Adolpho  Coelho,  der  sie  in  seinem 
Lexikon  nicht  verzeichnet,  hält  es  für  nötig  seinen  Landsleuten 
em  que,  in  einem  Satze  Gil  Vicentes,  dessen  Konstruktion  er  wenig 
logisch  nennt,  zu  übersetzen  und  zu  interpretieren  durch  comquanto 
(A  lingua  portugueza,  Porto   1882  p.  127). 

Em  que  seja  lavradora, 
bem  vos  hei  de  responder  (I  256) 
Obwohl  ich  nur  eine  Bauersfrau  bin, 
werde  ich  Euch  doch  hübsch  antworten. 

Ein  Beweis  dafür  wie  wenig  die  alten  portugiesischen  Autoren 
gelesen  werden!    Aus  hunderten  von  Belegstellen  aus  den  Werken 
aller  Quinhentistas  greife  ich  einzelne  heraus,  z.  B.  aus  Gil  Vicente 
I  129    emque  me  pez  =  so  leid  es  mir  auch  thut. 
I  259    emque  pecasse  algum'  hora, 

venha  a  piedosa  alçada. 
I  348    pois,  emque  agora  um  rei  me  fallasse, 
eu  Ihe  diría  senhor,  vou-me  a  mouros. 
in  222    nunca  mais  hei  de  fìar 
em  fìdalgo  desta  sorte, 
emque  o  mande  San  Matheus. 
312  De  fìscio  sam  eu  mestre 

mais  que  de  sulurgiSo, 
emque  me  chamSo  sudeste. 

Sa  de  Miranda.     No.  76,23 — 24: 

NSo  me  toques  no  da  pena, 
emque  te  as  barbas  depene. 
'05»  55 — 58     Dous  vencedores  do  mundo 
Cesar,  Alexandre  o  grande 
nas  letras  forSo  té  fundo, 
emque  fortuna  o  nSo  mande. 
104,  147—147         ...  faz  me  atrevimento 

de  ir  avante  ora  por  ora, 
emque  assi  cego  e  a  tento. 


no  MISCELLEN.     HT.    ETYMOLOGISCHES. 

106,261 — 262     De  tantos  inconvinientes 

quem  será  livre,  emque  acorde? 
117,223     N3o  o  fiz,  emque  me  pes. 

125,  IT     Seguro  estou  de  mais,  em  que  te  pes  oder  malque  le  pes. 
150,  142     Em  que  seja  forçado  e  contra  as  leis. 

Miguel  Leitâo  d'Andrada,  Miscellanea  p.  97  : 

p.  97     Em  que  esta  dura  ausencia  longa  e  triste 
minh*  alma  com  dor  grave  tenha  presa  etc. 
p.  260     Minha  chama  estará  sempre  encendida, 

emque  a  queira  extinguir  todo  esse  mar. 
p.  354     E  em  que  me  ves  de  agoa, 
em  fogo  padeço. 

Jorge  Ferreira  de  Vasconcellos,  Eufrosina  p.  iio: 
p.  no     Sou  muito  boa  filha,  em  que  peze  a  roins. 
p.  211     sou  sua  amiga,  pois  hei  o  de  ser  e 

fallar-lhe  em  que  Ihe  muito  peze  e  amargue. 

Francisco  Manoel  de  Mello,  Obras  Metricas  II  57: 
n3o  toma  porto,  em  que  reme. 

Heutzutage  ist  emque,  soviel  mir  bekannt,  nur  noch  in  der 
Phrase  emque  me  pez  erhalten,  der  ich  in  allen  modernen  Romanen, 
besonders  solcher  Schriftsteller  begegnet  bin,  die  sich  viel  und  gern 
mit  alter  Litteratur  und  mit  der  modernen  Volkssprache  beschäftigen 
und  aus  beiden  Quellen  schöpften,  wie  z.  B.  Camillo  Castello  Branco. 
Für  emque  me  pez  sagten  die  Alten  auch  mal  que  me  pez,  und  aus 
der  Verbindung  beider  Formeln  entstand 

êm  mal  que  peze  a  deus  und  êm  mal  que  pezasse 

bei  Almeida-Garrett  (Arco  de  Sant'Anna  p.  121   und   144). 

Êmque  ist  gleichbedeutend  mit  der  einschränkenden  Konjunktion 
aiiida  que  (s.  Gil.  V.  Ill  312  atndaque  pes)  und  entstand,  wie  dieses 
aus  lat.  ab  inde  ad,  so  aus  ab  inde.  Die  ältere  Form  ainque  hat  uns 
Gil  Vicente  III  38g  aufbewahrt:  ainque  fosse  em  mi  so  a  sua  oraioria 
tilo  facunda  como  em  iodos  elles  .  .  .  nao  presumerla  escrever  de  V,  A. 
a  minima  parte  de  sua  magnifica  bondade,  —  Inque  (aus  blofsem  inde) 
habe  ich  mir  aus  den  handschriftlichen  Dialogen  des  Francisco 
d'Hollanda  notiert,  kann  aber  augenblicklich  die  Stelle  nicht  finden. 

4.    Èîtdes,  endèz. 

Ein  populaires,  jeglichem  Kinde  des  Volkes,  aber  nicht  jeg- 
lichem gebildeten  Portugiesen  geläufiges  Wort,  für  welches  littera- 
rische Nachweise  nicht  leicht  und  nur  in  geringer  Zahl  beizubringen 
sind.  Es  bedeutet  das  Ei,  das  man  gewohnheitsmäfsig  im  aus- 
genommenen Hühnemeste  liegen  läfst,  oder  absichtlich  an  eine 
neue  Stelle  legt,  damit  die  Henne  ihre  weiteren  Eier  ebendahin  lege: 
das  Nestei  also,  welches  als  Wegweiser,  als  Angeber,  als  Merkmal 
und  Wahrzeichen,  als  Index  für  das  Hühnervolk  dient  Eine  andere 
Bedeutung  und  Verwendung  hat  endez  heute  nicht.     Caldas -Aulete 


e.  M.  DE  VASCONCELLOS,    PORT.  ETYMOLOGIKN.  I  I  I 

und  Cocìho   verzeichnen    freilich    noch   die  übertragene  Bedeutung 
„Hindernis,  Störenfried" 

Fig.,    Empecilho:   Pessoa,  e  principalmente  er  tanca  que  emharaça\ 
doch  ist  sie,   falls  sie  überhaupt  besteht,    ganz  ungewöhnlich.      Ich 
habe  endez  nur  einmal  auf  ein  enfant  terrible  anwenden  hören,   als 
erzählt  wurde,    wie   es  die  versteckten  Schwächen  und  Pligenheiten 
der  Eltern  ans  Licht  bringe  (als  endez  derselben  diene?). 

Das  Nestei  benennen  Spanier  und  Franzosen  nach  dem  Neste: 
nidal  span.,  nichel  frz.;  und  nur  der  Italiener  nennt  es,  in  Überein- 
stimmung mit  dem  Portugiesen,  éndice  (f  u.  m.).  Dasselbe  Wort 
wird  bei  ihm  auch  noch  allgemein  für  Merkmal,  Merkzeichen 
gebraucht.  Von  dem  ital.  Worte  wollte  Bluteau  *,  vom  lateinischen 
index  indicis  wollen  andere  port.  Lexikographen  endes  herleiten,  mit 
scheinbarer  Berechtigung.  Und  diese  naheliegende,  mehrfach  ver- 
zeichnete, im  Auslande  aber,  so  viel  ich  weifs,  weder  billigend  noch 
abweisend  berührte  Etymologie  will  ich  keineswegs  umzustofsen  ver- 
suchen; ich  will  sie  vielmehr  bestätigen,  präcisieren,  und  das  noch 
nirgends  gesammelte  spärliche  Material,  das  ihre  Richtigkeit  sicher 
stellt  und  die  Entwickelung,  vom  Angeber  und  Merkzeichen  zum 
angebenden  Nestei,  klarlegt,  zugänglich  machen.  Denn  was  man 
bis  heute  darüber  gesagt,  kann  dem  Romanisten  nicht  genügen, 
da  es  sich  auf  kurze,  nur  in  Wörterbüchern  ausgesprochene  Be- 
hauptungen beschränkt,  wie: 

„Endez,  adj.  e  s.  m.     Ovo   que   se    colloca   do   silio   onde    se  quer  que  a 
gollinha  va  por  os  seus  óvos.'*     (Moraes  Silva,  7»  ed.) 

„Endez,  en«dès,  s.  m.     Ovo    que   se    colloca   onde  se  quer  que  a  gallinha 
va  por  OS  outros.    Lat.  indice.**     (Coelho,  Dice.  Etym.,  unvollendet.) 

„Endez  (en-dês),  adj.  e  s.  m.  ovo  que  se  deixa  ficar  no  sitio  onde  se  quer 
que   a   gallinha   faça   a   postura   (Fig.  fam.  Empecilho.)   F.  lat.  Index,** 
-    (Caldas- Aulete). 

Selbige  lassen  die  angesichts  der  ital.  Form  unvermeidliche 
Frage  offen,  ob  endes  endez  mit  dem  Ton  auf  der  letzten  Silbe  that- 
sächlich  die  im  Port,  allein  übliche  Aussprache  ist;  ob  dies  endHy 
wie  Coelho  will,  wirklich  aus  indice  d.  h.  aus  den  casis  obliquis  oder 
ob  es  aus  dem  Nominativ  index  hervorgegangen  ist;  und  drittens 
ob  nachweislich  mit  index  indes  endes  endez  (denn  alle  diese  rein 
orthographischen  Varianten  kommen  vor)  auf  port.  Boden  niemals 
der  ursprüngliche  Sinn  von  „Angeber"  und  „Merkzeichen"  ver- 
bunden worden  ist.  Auf  diese  Fragen  antworte  ich  hier  so  gut  ich 
es  bis  jetzt  kann. 

So  viel  ich  aus  Erfahrung  weifs,  ist  die  Betonung  endez  heut- 
zutage die  einzige,  welche  das  Volk  kennt,  und  darum  eben  die 
einzige,  welche  die  Wörterbücher  verzeichnen.  Dafs  sie  bereits  im 
16.  Jahrb.  gebräuchlich  war,  beweist  eine  Stelle  aus  dem  „Auto  dos 


*  „Endez.  Ovo  que  se  poem  à  vista  da  gallinha,  para  que  vendo-o, 
va  por  naquelle  lugar.  Parece  que  esta  palavra  endez  se  deriva  do  Latim 
Index,  ou  do  Italiano  endice  que  significa  o  dito  ovo.     Ovum  index  etc." 


I  1 2  MISCELLEN.     HI.    ETYMOLOGISCHES. 

Cantarinhos**  von  Antonio  Prestes  p.  490,  in  welcher  endèz^  oder 
wie  in  etymologischer  Orthographie  gedruckt  steht  index,  einen 
Reim  zu  fez  und  vcz  bildet: 

Se  acertasse  acontecer 

casar  se  là  outra  vez  . . . 

—  Vossa  mercè  foi  o  index 
e  poz  là  outra  molher 
corno  ovo!  — 

—  Mas  se  o  fez, 
dà  de  si  gentis  honrilhas    etc. 

Index  bedeutet   hier   ganz   allgemein  Wegweiser,  Angeber;    die 

Beziehung,  in  die  es  zum  Ei  gesetzt  ist,  zeigt  aber,  dafs  auch  das 

ovo  index  dem  lustigen  Sohne  des  port.  Volkes  bereits  bekannt  war. 

Ebenderselbe  Autor  kennt  aber  auch  die  Betonung  èndes,  wie  zwei 

Stellen  aus  dem  „Auto  dos  dois  irmâos"  bezeugen,  in  denen  èndes^ 

das   abermals   in   der  charakteristischen  Schreibweise  index  auftritt, 

einen  Reim  zu  Mèndes  und  iendes  (tenetis)  bildet     Die  erste  Stelle 

lautet: 

p.  250    Vos,  compadre,  sois  dos  nobres 

£  o  porque?    Sois  rico  Mendes, 

que  é  index 

de  fìdalgo;  ellas  por  pobres 

s3o  viläs;  nSo  têm,  vos  tendes, 

nao  herdam  faiSo  com  robres. 

Ein  Vater   will   nämlich    seine   beiden  Söhne  enterben   und  erfragt 

von  seinem  Gevatter,  ob  die  Gesetze  des  Landes  es  zulassen;  dieser 

zählt  die  Bedingungen  auf,  unter  denen  Enterbung  zulässig,  erwähnt 

den   Fall,    dafs    adlige  Söhne    sich    gegen    des  Vaters  Willen    mit 

Bürgerlichen  vermählen,    und   macht  dem  Vater  weifs,    dieser  Fall 

läge  vor: 

Denn  Ihr,  Gevatter,  seid  adlig. 

Und  weshalb?    Ihr  seid  ein  Rothschild^ 

Und  Reichtum  ist  das  Erkennnngsschild 

Des  Adligen;  sie  aber  (die  Schwiegertöchter),  weil  sie  arm  sind. 

Sind  niedrig  geborene;  sie  besitzen  nichts,  ihr  besitzt; 

folglich  erben  sie  nicht. 

Derselbe  Vater  will  später  von   dem  Diener  seiner  Söhne  erfahren, 
ob  dieselben  wirklich  in  rechtsgültiger  Ehe  verheiratet  seien: 

p.  256     Esses  filhos,  que  meu  index 
nunca  foram,  sSo  casados? 

—  N5o  sei,  por  meus  peccados; 
mas  vos,  senhor  sogro,  tendes 
duas  ñoras,  dous  cuidados. 

Was  index  hier,  genau  genommen,  bedeutet,  weifs  ich  nicht,  ver- 
mutlich nichts  anderes  als  „Dekorationsstück,  Schaustück",    a  causa 


*  Mendes  oder  genauer  Heitor  Mendes  ist  der  Name  eines  sprichwortlich 
reichen  jüdischen  Banquiers. 


e.  M.  DE  VASCONCELLOS,    PORT.  ETYMOLOGIEN.  I  1 3 

de  qii€  fazemos  demonsiraçao.  Aiifser  diesen  drei  Beispielen  kann 
¡eh  nur  noch  ein  prosaisches  beibringen,  das  also  über  den  Ton 
des  Wortes  nichts  Bestimmtes  lehren  kann,  wohl  aber  seine  Be- 
deutung spezialisiert.  Francisco  Manoel  de  Mello  läfst  nämlich  in 
seinem  Apologo  Dialogal  „Escriptorio  Avarento"  p.  89  einen  red- 
sehgen  Vintem,  d.  h.  eine  Kupfermünze  im  Werte  von  20  Reis,  er- 
zählen, wie  ein  Almosensammler  ihn  stets  zur  Schau  auf  seinen 
Bettel-Teller  gelegt,  onde  Ihe  servia  de  endès,  wo  er  also  als  Köder 
zum  Herbeilocken  weiterer  Münzen  diente.  Eine  sprachkundige 
Golddublone  entgegnet  ihm  darauf:  De  Indes  queréis  dizer  que 
sinala  a  cousa  de  que  fazemos  demonsiraçao. 

Die  vier  angeführten  Stellen  beweisen,  dafs  index  (indes  enaes 
endez)  bereits  im  1 6.  Jahrh.  im  Auslaut  den  einfachen  j-  oder  2-Laut 
hören  liefs;  dafs  der  Anlauts- Vokal  aber  noch  im  17.  Jahrh.  stark 
nach  Ì  klang;  zweitens  dafs  die  etymologische  Schreibweise  die 
übliche  war;  drittens  dafs  die  Form  èndes  neben  endès  herging; 
viertens  dafs  das  Wort  auch  einfach  Merkzeichen,  Erkennungs- 
zeichen, Schaustück  bedeutete. 

Können  index  indes  endès  und  èndes  nun  aber  aus  indice  ent- 
standen sein?  Nein,  wir  haben  es  mit  einer  Nominativbildung,  mit 
einer  portugiesisch  gefärbten  Aussprache  des  latein.  index  zu  thun. 
Index  selbst,  mit  latein.  Aussprache,  dient  heute  nur  dazu  den 
Zeigefinger  y,d€do  index^^  zu  benennen.  Im  Munde  vieler  Portu- 
giesen —  solcher,  die  nicht  Lateinisch  verstehen  —  hat  diese 
„forme  savante"  aber  jenen  eigenartigen  Accent,  der  die  Worte  im 
Munde  von  Fremdländern  charakterisiert.  Der  Hauptaccent  ruht 
zwar  auf  der  ersten  Silbe;  der  Nebenaccent  auf  der  zweiten,  ist 
aber  so  stark,  dafs  er  im  Gebrauch  und  bei  dem  Nationalisierungs- 
prozefs  im  Munde  des  Volkes  leicht  zum  Hauptaccent  werden 
konnte.  Eine  alte  Bildung  scheint  endes  nicht  zu  sein  ;  sonst  würde 
der  tonlose  Vokal  hinter  der  Accentsilbe  gefallen,  aus  indice  also 
indze  inze  enze  geworden  sein,  wie  aus  quindezim:  quinze.  Es  gehört 
wahrscheinlich  zu  den  gelehrten  Wörtern,  die  in  die  Sprache  ein- 
drangen, nachdem  die  alten  Bildungsgesetze  ihre  Kraft  verloren; 
die  aber  trotzdem,  um  einer  ihrer  Bedeutungen  willen,  volkstüm- 
lich wurden  und  im  Munde  des  Volkes  nun  nicht  ganz  unverändert 
bleiben  konnten.  Es  entstanden  daher  die  Scheideformen 
index  Zeigefinger  (forme  savante)  und 
endès  Nestei  (forme  savante,  popularisée). 

5.    Meigo. 

Diez  lie:  Mego  span.,  meigo  port,  sanft  gefällig  z.  B.  im  Um- 
gänge. An  gr.  fiaXaxoç  ist  nicht  zu  denken.  Man  erinnert  an 
engl,  meek,  dies  ist  aber  goth.  muks^  altn.  miuker  (Gramm.  P  386), 
die  einen  zu  dem  romanischen  Worte  nicht  passenden  Vokal  haben. 
Die  Lösung  liegt  nahe  :  es  ist  vom  gleichbedeutenden  miiificus,  oder 
besser,  da  die  Zusammenziehung  hart  wäre  (härter  als  in  santiguar  aus 
santificare)  von  miiigaius,  welches  behandelt  ward,  wie  cordatus  in  cuerdo, 

Z«lt«chr.  f.  rom.  Phil.    VII.  g 


114  MISCELLEN.     III.    ETYMOLOGISCHES. 

Ich  versuche  eine  andere  Deutung.  Die  portugiesisch-gallizische 
Form  mei'go  mufs  an  die  Spitze  gestellt  werden  ;  die  castilianische 
Form  tnego  ist  nur  eine  entlehnte,  vereinzelte,  wenig  gebrauchte. 
Die  portugiesisch-gallizische  hingegen  ist  eine  oft,  gern  und  häufig 
benutzte,  aus  der  verschiedene  Ableitungen  sich  abgezweigt  haben. 

Meigo  ist  wer  sich  sanft,  liebreizend,  in  allen  Schmeichelkûnsten 
erfahren  zeigt;  hauptsächlich  wird  es  auf  Kinder,  oder  auf  jugend- 
liche Schöne  weiblichen  Geschlechts  angewandt.  In  Gallizien  wird 
z.  B.  der  Liebhaber  gern  meigo  gerufen: 

Aieiguinho,  ineiguinho,   meigo, 
meigo  que  me  namoraste, 
bai-te  d'onda  min,  meiguinho. 
antes  qu'o  sol  se  levante. 

(R.  Castro  de  Murguia,    CantaresG alleges  p.  22) 

oder: 

Ali,  senhora,  contento 

cantando  o  doce  alalala 

baixo  a  figueira  frondosa 

enbaixo  da  verde  parra 

e'  aquelas  frescas  meninhas 

que  mei  dos  seus  labios  manan 

cando  en  falar  amoroso 

meigo  nos  din  en  voz  maina,     (ib.  p.  123). 

Meiguices  port,  sind  alle  berückenden  Kleinkünste  weiblicher 
oder  kindlicher  Liebenswürdigkeit;  und  wird  Jemand  meiguiceiro 
angerufen,  so  heifst  das  genau  so  viel  wie:  feiticeiro^  feiticeira 
Zauberer!  Zauberin.  —  Cuveiro-Pinhol  übersetzt  durchaus  richtig 
meiguices  mit  dengues,  jitanadas,  brujerías.  —  Im  Gallizischen ,  wo 
meigo  ^=  Zauberkünstler  ein  Kosename  ist,  wie  gezeigt,  ist  die  meiga 
dasselbe  was  in  Portugal  die  bruxa  oder  e  striga  d.  h.  eine  Hexe, 
im  bösen  abergläubischen  Sinne  gefafst,  und  meigailos  sind  verderb- 
liche Hexenkünste. 

Man  vergleiche,  Castro  Murguia,  Cantares  Gallegos: 

p.  17     E  tal  medo  me  punheches 
que  xa  d'aqui  non  sahíra  ' 
sin  levar  santo  s^e  sc  rit  o  s 
e  medalhinhas  benditas 
nun  lado  do  meu  xustillo, 
xunto  d'unha  negra  figa, 
que  me  librasen  das  meigas 
e  mais  das  larpias  danhinas. 

p.  83     Unha  noite,  noite  negra 


hora  en  que  cantan  os  galos, 
hora  en  que  xemen  os  ventos, 
en  qu'  as  meigas  bailan,  bailan 
xuntas  co  demo  pirmciro  etc. 


G.  BAIST,    ETYMOLOGIEN.  1 1  5 


p.  88     son  hoxe  descolorida 

com'  OS  cirios  das  igrexás 
cal  si  unha  meiga  chuchona 
a  miña  sangre  beberá. 

p.  103     e  parece  qu'a  companha 
bailab'  antras  arboredas 
c'  as  chuchonas  enemigas 
e  e'  as  estricadas  meigas. 

p.  126     Seique  meigallo  me  deche 
na  festa  do  san  Marti  nho 
amasado  cos  tens  dedos 
nunha  bola  de  pan  trigo. 

p.  208     noite  escura 


e*  o  seu  manto 
con  meigallos 
e  temores  etc. 


Meigo^  meiga  haben  also  ursprünglich  òruxo,  bruxa  =  Zauberer 
und  Hexe  bedeutet,  und  die  Bedeutung  „durch  Liebenswürdigkeit 
und  Sanftmut  bezaubernd  und  verhexend"  ist  eine  später  über- 
tragene. Die  umgekehrte  Entwickelung  ¡st  nicht  gut  möglich.  Die 
ursprüngliche  Bedeutung  hat  sich  in  GaHizien  erhalten,  wo  jedoch 
die  zweite  auch  nicht  ganz  fehlt;  in  Portugal,  wo  die  echte  alte 
Bedeutung  heute  nicht  mehr  nachzuweisen,  ¡st  die  übertragene  noch 
ganz  lebenskräftig.  Nur  die  h¡er  zum  ersten  Male  versuchte  Gegen- 
überstellung be¡der  klärt  über  ¡hren  echten  Sinn  und  dam¡t  auch 
über  ihre  Herkunft  auf. 

Denn  meigo,  meiga  ¡st,  w¡e  jeder  Leser  selbst  schon  gefunden 
haben  wird,  me¡ner  Me¡nung  nach,  nichts  anderes  als  magius,  magia 
fìir  magus,  maga  (vgl.  ¡tal.  ?nagio)  =  Mag¡er.  Aus  magia  d.  ¡.  mág'uia, 
das  der  Portugiese  sich  selbst  gebildet  haben  kann,  w¡e  das  popu- 
läre ondia  für  onda\  Elisia  für  Elisa \  lesmia  für  lesma\  landria  für 
landra  etc.,  ward  durch  Attrakt¡on  des  /  maiga  und  aus  maiga,  meiga 
gerade  so  w¡e  aus  jantmrius ,  janarius ,  janairo ,  Janeiro  \  aus  area, 
durch  aira  eira  etc.  D¡e  Erhaltung  der  Kehlmed¡a  hat,  so  be- 
trachtet, nichts  Auffallendes. 

Carolina  Michaelis  de  Vasconcellos. 


2.    Etymologien. 

I .    Armuelle, 

In  dem  spanisch  portugies¡schen  Pflanzennamen  ¡st  d¡e  E.  W.  IIb 
von  Diez  vermutete  Kürzung  der  ersten  Silbe  aus  airi  in  a  triplex 
bedenklich,  schon  weil  alri^  in  d¡eser  Zusammensetzung  bedeutungs- 

8* 


I  1 6  MISCELLEN.     III.    ETYMOLOGISCHES. 

los  wäre.  Eher  gnge  herha^  ist  aber  auch  nicht  wahrscheinlich. 
Eine  ganze  Reihe  romanischer  Pflanzennamen  zeigt  in  Spanien  mehr 
oder  minder  entschieden  arab.  Form,  weil  Gartenbau  und  Medicin 
arabisch  waren.  Für  ai-\-m  aber  tritt  leicht  ar^  ein:  span,  armilla, 
f.  almilUiy  desarmados  f.  desalmados  V.  de  S.  Dom.  135,  port,  armazem, 
span,  armajara  u.  a.,  und  in  aìmueìla,  aìmoìa  war  Dissimilation  an- 
gezeigt. Weich  könnte  die  Pflanze  heifsen  vom  Anfühlen  der  Blätter 
eher  als  von  der  allerdings  ziemlich  bekannten  leicht  abführenden 
Wirkung.  Doch  sind  für  den  zweiten  Teil  bei  der  Wandelbarkeit 
der  Pflanzennamen  immerhin  auch  die  gleichbedeutend  mhd.  molU 
ahd.  molta,  multa  y  muolta,  muolhta  (anscheinend  wegen  des  auffallend 
mehligen  Gefühls)  und  unser  Melde  zu  vergleichen.  Ahd.  malta 
läfst  an  griech.  ^ctXd-a  :  hlitum  =  fdaXO-axòc  :  hlitetis  denken;  malthas 
=  molles  bei  Lucilius. 

2.    Bubbone. 

Franz.  bobo,  ital.  bua^  span,  buba  etc.  ist  zugleich  kindisch 
klagende  Schmerzinterjektion  und  kindische  Bezeichnung  der  Wunde, 
ganz  wie  span,  pupa,  hd.  Wehiveh,  ahd.  wewo,  ags.  vâva,  Ihr  be- 
gegnet und  vermischt  sich  das  gelehrte  ßovßcov  (lat  bova)  ist  aber 
schwerlich  verwandt.     Eher  möchte  ich  boa  re,  ßoaco  vergleichen. 

3.    Cholla, 

welches  H  W.  IIb  unerklärt  bleibt,  gleichbedeutend  cat.  xolla,  xulla 
neben  xoll  kahl,  xollar  scheren,  vergleicht  sich  zunächst  mit  ital. 
zolla,  dann  mit  engl,  skull,  cfr.  chanclo  :  zanco  :  scanca,  Hiemächst 
mit  griech.  öxoXXvQ  und  selbst  mit  öxvXXoj  auf  das  Haar  be- 
zogen, OTCvXXaQOQ  der  nackte  P>emitenkrebs.  Ich  führe  auch  die 
griechischen  Worte  an,  weil  ich  die  Etymologie  des  englischen 
nicht  kenne. 

4.    Carogna, 

Es  konnte  in  ursprünglichem  carnonga  das  ;/  durch  Dissimilation 
fallen,  verbunden  mit  Anlehnung  an  rogna,  die  in  span,  carroñar 
=  causar  roña  auch  begrifí'lich  hervortritt.  Cfr.  span,  carona  von 
carne  ? 

5.    Cuivre 
ist  nicht  cupreum  (E.W.  llc),  sondern  cyprium  sc.  aes, 

6.    Eito 
port.,  gal.,  E.  W.  IIb  ohne  Erklärung,  ist  actus, 

7.    E  cianche. 

Für  dies  bei  Littré  unerklärte  Wort  dürfte  durch  die  Analogie 
von  ital.  tacchetta  von  tacco,  die  in  spanisch  carnero  angedeutete 
Herleitung  von  crena,  franz.  cran  gesichert  werden.  Eine  andere 
Verwendung  findet  excrenicare  in  ¿crancher,   ¿clancher. 


G.  BAIST,    ETYMOLOGIEN.  I  I  7 

8.  Enguera, 

Über  die  Bedeutung  dieses  altspanischen  Rechtswortes  siehe 
Tailhan,  Romania  IX  431.  Die  Herleitung  von  angaria  ist  begriff- 
lich schwierig,  auch  wenn  man  die  Urbedeutung  zu  Hilfe  nimmt; 
von  dem  Dienst  des  reitenden  Boten  durch  die  Tagesleistung  des 
Pferdes  zu  dem  Preis  der  Tagesleistung  eines  Pferdes  (auch  eines 
Maultiers  und  Esels)  ist  ein  weiter  Weg.  Über  die  Bedeutung, 
welch  Mngaria  im  spanischen  Neulatein  wirklich  hat  s.  das  Glossar 
der  L.  W.  Aufserdem  ist  die  Form  angueira  nur  in  Portugal  be- 
legt, konnte  e  hier  leichter  zu  a  werden,  als  umgekehrt.  Das 
Etymon  ist  equarta,  mit  einer  Epenthese  die  seit  der  ältesten  Zeit 
bis  heute  (z.  B.  indcntico)  geübt  wird. 

9.  Fala^ar, 

Es  ist  ganz  richtig,  dafs  mehrfach  ein  Wort  das  Lecken  be- 
deutet in  den  Begriff  des  Schmeicheins  übergeht.  Doch  ist  nicht, 
wie  Brinkmann  will  (cfr.  Romania  1881  S.  404),  das  Lecken  des 
Hundes  das  Bindeglied,  da  dies  immer  nur  ein  übles,  hündisches 
Bild  von  sehr  beschränkter  Ubertragbarkeit  ergeben  konnte,  sondern 
das  gemeinsame  begriffliche  Element  das  leicht-flachen  Berührens, 
Streicheins,  Tätschelens.  Es  zeigt  sich  das  deutlich  genug  gerade 
bei  ital.  leccare,  welches  die  drei  Bedeutungen  hat,  und  bei  lambire 
welches  nur  die  mittlere  bewahrt,  während  im  engl,  to  lick  die  Be- 
deutung von  a  lick  national  verstärkt  ist.  Wenn  also  Diez  prov.  lagot, 
span,  lagotear  mit  goth.  *ldigôn  zusammenstellt,  so  ist  dagegen  an  sich 
nichts  einzuwenden.  In  dem  allen  Ansehen  nach  identischen  span. 
halagar  glaubt  Cornu  (Rom.  1880  S.  133)  die  von  Diez  vermifste 
Erklärung  des  fa-  durch  facies  geben  zu  können.  Begrifflich  ist 
hierbei  einzuwenden,  dafs  allerdings  ins  Angesicht  schlagen,  fazferir 
ein  bezeichnendes  Bild  ist,  kaum  aber  das  Angesicht  streicheln; 
der  erste  Teil  des  Compositums  wäre  ziemlich  zwecklos.  Es  liefse 
sich  dem  gegenüber  an  die  Zärtlichkeitsstellung  von  Liebenden, 
z.  B.  Adam  und  Eva  in  mittelalterlichen  Miniaturen  erinnern.  Aber 
auch  dem  vorausgesetzten  Lautwandel  stehen  erhebliche  Bedenken 
entgegen.  Die  Verbindung  zl  kenne  ich  nur  in  vereinzelt  mazlo 
neben  maslo,  altspan.  uzlar  neben  us  tu  lare,  alt  Ezla  jetzt  Esla  durch 
Estola  aus  Astura,  Cazlona  von  Castulon,  dann  durch  Inklinations- 
zusaiiunensetzung  :  hazlo  dizlo.  Diese  wenigen  Fällen  sind  der  An- 
nahme einer  Assimilation  zl  zu  //  nicht  gerade  günstig,  könnten 
solche  aber  nicht  hindern,  wenn  sich  der  analoge  Vorgang  für  sl 
sicher  stellen  liefse.  Bekannt  ist  er  hier  im  Portugiesischen  sowohl 
im  Innern  des  Wortes  {ilha)  als  vollständig  durchgeführt  in  den 
Verbindungen  des  enklitischen  Pronomens.  Ebenso  im  Gallizischen 
und  Leonesischen.  Im  Spanischen  bleibt,  abgesehen  von  der  sofort 
zu  besprechenden  Inklinationszusammensetzung,  sl  in  allen  den  von 
mir  Ztschr.  VI  431  zusammengestellten  Beispielen  (dazu  noch  oislo 
und  islan).  Im  Libro  delà  Caza  1,8  habe  ich  allerdings  tralladar 
unbeanstandet  gelassen,  in  Hinblick  auf  den  Gebrauch  des  Westens 


Il8  MISCELLEN.     III.    lilYMOLOGlSCHES. 

und  auf  die  Möglichkeit,  dafs  iralháar  gleich  íraladar  von  iralalus 
stehen  könnte,  glaube  aber  an  einen  rein  graphischen  Fehler,  da 
die  Hs.  sonst  immer  Irasladar  schreibt  und  im  L.  C  zweimal,  in 
den  Obras  siebenmal  s  und  /  verwechselt  sind,  mir  aufserdem  weder 
für  tralladar  noch  überhaupt  für  sl  zu  //  ein  weiteres  spanisches 
Beispiel  bekannt  ist.  In  Inklinationszusammensetzung  fällt  s  in 
vereinzelt  aspan,  nolosy  amólos^  avedelos  etc.  Hier  wie  in  den  auch 
ncuspan.  schriftgemäfsen  vamonos  etc.  (amo^  mesnada  y  nie  año,  me- 
nada)  liegt  Dissimilation  vor,  nicht  Assimilation;  was  zum  Überfluss 
noch  durch  suftrimooslo  bei  Valdés  belegt  werden  mag.  Die  Eli- 
sion konnte  um  so  eher  stattfinden  als  das  Pluralzeichen  durch 
Form  oder  Zusammenhang  für  den  Sinn  entbehrlich  war  ;  von  einer 
dialektischen  trägen  Aussprache  des  auslautenden  s  ist  hier  abzu- 
sehen. Auf  dieselbe  Weise  ergiebt  llesllos ,  ilesllas ,  gelos,  gelas ^\ 
nachdem  ilesllos  mit  lleilos  zusammengefallen  war,  in  llesUos,  lies  ¡las  y 
llellosy  UellaSy  Hello,  Hella  der  erste  Teil  der  Zusammensetzung  ein- 
gestaltig  geworden  war  ohne  Schaden  für  die  Deutlichkeit  mufste 
auch  lleslloy  lleslla  folgen.  ^  Dafs  etwa  port,  nolo  für  noslo  erst  durch 
nolos  veranlafst  sei  (so  volo  y  Dreikönigspiel  138)  ist  an  sich  nicht 
wahrscheinlich,  und  aufserdem  ist  klar,  dafs  wo  sl  zu  //  wird,  sll 
sicher  assimilirt  werden  mufste.  Im  Castilischen  ist  todolo  für  Ä?- 
doslo  P.  C.  2364  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ein  Fehler  des  Copisten, 
ebenso  wie  prendisiel  für  prendistesle  bei  Juan  Ruiz  1435  einer  der 
Fehler  der  Herausgeber  ist. 

Wir  dürfen  auf  vamonos  hin  für  die  sehr  seltenen  nolos  ein 
häufigeres  Vorkommen  in  Vergangenheit  und  Gegenwart  annehmen 
als  es  die  Schriftsprache  zeigt.  Wäre  aber  auch  nolh  y  avedello 
spanisch  ausreichend  zu  belegen,  so  könnte  daraus  noch  nicht  auf 
illa  oder  elleir  geschlossen  werden,  und  umgekehrt  schliefst  das 
Fehlen  dieser  Formen  die  Möglichkeit  von  710II0  nicht  aus.  Denn 
neben  den  prendelloy  vello  für  prenderlo,  verlo  findet  sich  kein  pallar 
oder  Allanzon,  Und  käme  auch  illa  vor,  so  bliebe  es  immerhin 
höchst  auffallend,  á?íh  fazlagar  sich  nicht  findet,  während  umge- 
kehrt caplevar  y  cablevar  kein  cachevar  oder  callevar  erzeugen  2,  und 
fazferir  sich  bis  ins  1 5.  Jahrh.  hält,  trotzdem  dies  der  einzige  Fall 
der  Verbindung  zf  war.  Endlich  mag  auch  darauf  hingewiesen 
werden,  dafs  aus  slj  zu  Ij  (zu  /  wegen  16)  nicht  sl  zu  Ij  folgt. 

Die  etwaige  Annahme,  dafs  das  Wort  aus  dem  Portugiesischen 
ins  Spanische  gekommen  sei,    wäre   an   sich  unwahrscheinlich,   da 

*  Da  in  dem  ge  die  Ideniilät  mit  le  nicht  mehr  erkenntlich  war,  bei 
der  Verbindung  mit  dem  Verbum  dar  gelo,  nach  der  Regel  darcelo,  dengelo» 
dencelo,  démosmelo  etwa  democelo  ergeben  mufste,  so  lag  Identificierung  mit  se 
aufserordentlich  nahe.  Für  darcelo,  dencelo  kenne  ich  kein  Beispiel,  glaube 
auch  nicht,  dafs  sie  vorkommen,  halte  vielmehr  dafür,  dafs  der  analogistische 
Sprung  direkt  erfolgte,  aber  durch  jene  phonetische  Notwendigkeit  veranlafst 
war.  —  Aspan,  vereinzelt  auch  lej'o  =  lelo.  —  Zu  den  Fällen  von  /  zu  z  noch 
tercer,  tergere,  Berceo  Mart.  S.  Laur.  57. 

^  Auf  manlevar  neben  ttña  und  alt  deño ,  cono  u.  s.  w.  weise  ich  nicht 
hin,  weil  sich  aus  nlj  zu  nj  nicht  auf  nl  zu  nj  schliefsen  läfst. 


G.  BAIST,    ETYMOLOGIEN.  I  I Q 

Entlehnung  aus  dem  Westen  eben  so  selten  als  umgekehrt  häufig 
ist,  und  widerspricht  der  Verbreitung  im  Altspanischen.  Zudem 
würde  auch  hier  faziagar  nur  falhagar  ergeben  haben  und  bei  der 
Entlehnung  das  //  geblieben  sein,  während  es  aport,  aspan,  und 
obendrein  acataL  fa/agar  heifst 

Aus  all  diesen  Gründen  scheint  mir  Cornus  Etymologie  un- 
haltbar. Doch  glaube  ich  mit  ihm,  dafs  sich  /alagar  *  nicht  wohl 
von  lagotear  trennen  läfst.  Es  fragt  sich  ob  nicht  fai  und  /  auf 
denselben  Anlaut  zurückgehen.  In  der  Regel,  welche  R.  G.  I  321 
über  die  rom.  Behandlung  der  germ.  Anlaute  gegeben  wird,  bedarf 
die  Aufstellung  dafs,  „wo  die  Combination  durch  einen  eingescho- 
benen Vokal  geteilt  wird,  das  h  nur  im  Franz.  stehen  bleibe,  in 
den  anderen  Sprachen  ausfalle",  theoretisch  und  sachlich  einer 
Ergänzung.  Die  Epenthese  bzw.  die  Verstärkung  des  Gleitelauts  ^ 
setzt  an  sich  voraus  dafs  das  ^^ fortlautete.  Es  mufste  sich  weiter 
genau  so  verhalten  wie  sonst  vor  Vokal  anlautend  oder  auch  in- 
lautend zwischen  Vokalen:  im  Ital.  Wegfall  oder  g^  span.  Wegfall, 
yj  hy  auch  g,  franz.  h,  auch  g  (/  franz.,  ital.  nur  vor  Consonant, 
c  vor  Consonant  franz.,  prov.  in  cracher).  Es  wäre  das  a  priori 
anzunehmen,  auch  wenn  nur  ital.  Wegfall  und  franz.  h  vorkäme, 
da  bei  so  wenigen  Fällen  die  seltnere  Wiedergabe  ganz  fehlen 
könnte.  Galoppare^  indessen  dürfte  mit  Sicherheit  auf  hiaupan, 
nicht  auf  gahlaupan  zurückzuführen  sein  ;  bei  galoscia  span,  haloza, 
gal.  galocha,  galorcho,  torcho  kann  der  verschiedene  Anlaut  sich  nur 
aus  einem  germ,  hl  erklären  (cfr.  ahd.  loskii),  Falagar  und  lagot 
würden  nach  dem  Laut  aufs  Beste  zu  hlahhan  mit  dem  Dativ 
stimmen,  in  der  Verwendung  annähernd,  doch  nicht  so,  dafs  das 
Etymon  gesichert  wäre. 

I  o.    Goyo, 

Papagayo  ist  sanscr.  pippakâ,  nach  dem  Schrei,  wie  das  ma- 
laysche  kakadu  (cfr.  scr.  kukku(ä),  Cfr.  griech.  jti(f>r¡^.  Gayo  kommt 
vielleicht  ebenfalls  von  dem  gellen  Ruf  des  Vogels;  cfr.  (E.  W.  IIb) 
angeblich  altspan.  cayo  Dohle,  ahd.  kaha,  mhd.  gägen  vom  Raben; 
span,  gaya  ■=  ital.  gazza,  wie  denn  Elster-  und  Hähernamen  sich 
in  allen  Sprachen  vermischen. 

1 1 .    Ganzúa 

port,  gazna  scheint  identisch  mit  arag.  alguaza,  dessen  Herleitung 
von  arab.  arrazza  nicht  zugelassen  werden  kann.  Es*  ist  möglich, 
dafs  gazúa,   gúaza    ward,    wie  incúde,  incúe,    iúnque,   ayunque',  gúaza 


'  Über  vermeintes  íí^^^ví.  /allagar  habe  ich  Ztschr.  1880,474  schon  ge- 
sprochen; hinzuzufügen  ist,  dafs  der  Schreibfehler  durch  fallar  (afflar^)»  fallar 
(fabulare),  fallir  und  abgeleitete  hervorgerufen  wurde. 

'  Was  Behaghel  Ztschr.  I  467  hierüber  bemerkt  ist  richtig,  da  bei  ro- 
manischer Epenthese  der  VokaUaut  dem  der  nächsten  Silbe  folgt,  hier  nicht. 

^  Als  ein  Reiterworl  wohl  eines  der  ersteingefuhrten,  vielleicht  schon  im 
4.  Jahrh.  üblich  :  womit  die  gleichartige  Behandlung  des  Anlauts  erklärt  wäre. 


I20  MISCELLEN.     III.    ETYMOLOÜISCHES. 

ZU  guáza  durch  die  rcgelrnäfsig  Verschiebung  des  Tons  im  fallenden 

Diphthong  auf  den  zweiten  offenen  Teil.  Ebensowohl  konnte,  da 
auslautend  thi  ganz  ungewöhnlich,  -tia  ziemlich  häufig  war,  gäzua 
für  gazila  eintreten,  daraus  guaza  wie  enjuagar  für  enjaguar.  Die 
spanisch  häufige  Epenthese  von  n  vor  z  in  pro  tonischer  Silbe  konnte 
durch  gancho  und  anzuelo  begünstigt  sein.  Die  Herkunft  bleibt 
dunkel. 

12.  Horton 

franz.,  cfr.  fränkisch  die  Horbel,  Schlag  auf  den  Kopf. 

1 3.  Ha  seas, 

E.  W.  IIb.  Y\\r  die  Betonung  f aseas  habe  ich  keinen  Beleg; 
sie  stammt  vielleicht  nur  aus  Sanchez  Erklärung  als  fazeaso  (=  acaso), 
Ist  fasca  im  Alex,  gut,  so  mufs  auch  die  Deutung  aus  hasla-casi 
abgewiesen  werden. 

14.  Leira, 

E.  W.  IIb  ohne  genügende  Erklärung,  in  Urkunden  letra  und  lairoy 
ist  area, 

15.  Lezdüy 
¥.,  W.  Ile    unter  leude  y  ist  licäa, 

16.    Loro,  port,  lotiro, 

E.  W.  IIb  ohne  Erklärung,  ist  ruber  indem  sich  in  ursprünglichem 
br  '  die  Labiale  aufl()ste,  wie  in  forja  y  froga.  In  rouro  aber  mufste 
Dissimilation  eintreten. 

17.    Lóbrego  y  lobrìgo 

kann  nicht  von  lügubrts  kommen  und  noch  weniger  von  lübricusy 
das  etwa  luergOy  1er  go  ergeben  hätte  und  auch  in  der  Bedeutung 
nicht  pafst.  Wie  der  bekannte  Llobregat  =  Rubricatus  ist  lóbrego, 
rubricus  für  rübr'tcusy  wie  loriga  für  lorica.  Dem  Begriff  nach  kann 
rötlich  =  dunkel  gelten  z.  B.  eben  von  dem  Wasser  des  Flusses 
oder  rötlich  ==  braunrot;  wegen  braun  zu  dunkel  altfranz.  brtineta 
schwarzes  Tuch  und  die  paños  brunitados  =  Trauerkleider  in  der 
Romanze.  Und  in  umgekehrter  Richtung  durch  gelblich  zu  fahl 
flavuSy  flavidtis  zu  pallidus  cfr.  "^XgîqÔq,  Jeden  Zweifel  hebt  die 
Verwendung  von  rubrtis  in  loro  für  strohgelb,  bräunlich  und  dunkel. 
Daraus,  dafs  das  Wort  sich  als  Proparoxytonon  hält  und  gegen- 
über loro  sein  br  bewahrt,  darf  vielleicht  geschlossen  werden,  dafs 
es  etwas  später  als  dieses  in  Spanien  volksmäfsig  ward. 


'  Secundares  br,  aus  pr,  b^r,  p^r,  fr,  oder  durch  Metathese,  bleibt 
immer,  und  die  Ausnahme  corzo  aus  capreus  ist  unwahrscheinlich.  Die  Er- 
satzdehnung virar  und  die  Assimilation  sorregar  sind  lateinisch.  Die  nasa- 
lirten  sonreír  etc.  (wie  sompesar  und  sonsacar)  lassen  sich  nicht  vergleichen. 
In  hebra  und  libra  bleibt  br,  ebenso  in  lóbrego.  Andere  volkstümliche 
Worte  mit  der  Consonanlcnverbindung  kenne  ich  nicht. 


G.  HAIST,    ETYMOLOG  JEN.  I  2  I 

1 8.  Marco. 

Warum  bezeichnet  marco  auch  den  Fensterrahmen?  Wie  ^lüller 
(s.  Dozy,  Glossaire  s.  v.  Pataca)  bemerkte,  haben  die  IMauren  die 
Säulen  des  Herkules  auf  den  Piastern  für  ein  Fenster  genommen 
und  darnach  die  Münze  benannt.  Sollten  umgekehrt  die  Spanier 
das  von  den  Römern  überlieferte  Münzzeichen  (marca)  auf  den 
scheinbar  abgebildeten  Gegenstand  angewandt  haben? 

1 9.  Mangia 

span.,  port,  viangra  läfst  sich  nicht,  wie  ich  Ztschr.  V  562  that,  auf 
ein  mannida  zurückführen,  da  eine  Epenthese  «/¿^//  nicht  vorkommt. 
Es  ¡st  macula\  [njg^  an  sich  nicht  selten,  ward  hier  durch  das  an- 
lautende m  begünstigt. 

20.    Nieve 

span,  ist  niveüj  wie  íieige,  und  nicht  te  aus  /".  Der  Irrtum  der  RG 
hat  Früchte  getragen;  man  sehe  P.  Förster,  Span.  Sprachl.  S.  112.* 

21.    Pintacilgo,  Jilguero, 

Es  schien  mir  (Ztschr.  V  239)  und  gewifs  auch  dem  Leser, 
dafs  silguero  und  -cilgo  nicht  getrennt  werden  dürfen,  und  doch 
sind  die  beiden  Namen  des  Hänflings  völlig  verschieden.  Silguero j 
jilguero  kann  der  Pfeifer  sein,  von  sibiluSy  oder  wie  carduclis  Distel- 
fink von  silibo,  oder  von  silva,  Brombeerenvogel.  Pintacilgo,  port. 
pintúsirgo  enthält,  wie  ich  vermutete,  eine  Farbenbezeichnung,  und 
zwar  genau  dieselbe  als  pintar  ojo.  —  sirgo  ist  syricum,  siricum  rot 
bei  Plinius.  Das  Wort  ist  noch  in  einer  anderen  Bedeutung  und 
Form  durch  das  Arabische  ins  Spanische  eingetreten,  worüber  Dozy 
Glossaire*^  unter  Azarcón  nachzulesen  ist.  Der  Osten  ver^vandelt 
inlautend  ebenso  r  in  /  wie  der  Westen  /  in  r. 

Das  lat.  Wort  fehlt  bei  Forcellini  und  bei  Georges.  Dozy  1.  c. 
verweist  auf  die  Stelle  des  Plinius  (mit  den  Varianten  sirycum,  sirucum, 
siricum,  syricuni)  und  auf  6vçî17L0V  bei  Henricus  Stephanus  und  bei 
Du  Gange.  Bei  dem  letzteren  ist  aufser  2!iQixov,  öf/Qixov  noch 
Zaxovv,  genau  das  arabische  Wort,  zu  erwähnen.  Nächst  Plinius 
(Nat.  Hist.  ed.  Harduin  XXXV  24:  Inter  factit ios  est  et  syricum,  quo 

'  Pliego  stellt  sich  zu  der  Form  plec  in  simplex,  pUctere  etc.  Siniestro 
hat  sich  auf  das  häufigere  diestro  geformt.  Das  Suffix  -ellus  ist  von  -iculus 
nicht  unwesentlich  verschieden.  Stella  zeigt  s^lla,  viespa  vespa,  sieglo  saeclum. 
Fiel  und  fit  sind  fidelis,  nicht  ßlum.  Fiemo  als  Scheideform  zu  dem  gelehrten 
^mo  von  fimus  kenne  ich  nicht  und  ist  mir  verdächtig  ;  vielleicht  ist  tiento 
(fento)  verlesen.  Die  Scheideform  ariesta  kenne  ich  nicht,  kann  sie  also  nicht 
beurteilen ,  da  hier  die  Bed.  die  Erklärung  bedingt.  Um  einige  ähnlich  er- 
klärte Fälle,  die  bei  Förster  fehlen,  steht  es  nicht  besser.  Nur  für  riego  habe 
ich  noch  keine  mich  befriedigende  Erklärung. 

'  Es  sei  mir  gestattet  hier  nachzutragen,  dafs  das  von  mir  Ztschr.  V  500 
berührte  gamhux  von  Engelmann  und  Müller  erklärt  ist,  s.  Docy,  Cambux. 
Gamho  ¡st  also  ein  Fall  von  zurückgezogenem  Ton,  wohl  nach  vorgängigem 
Abwarf  des  Endconsonanten. 


122  MISCELLEN.     III.    ETYMOLOGISCHES. 

minium  sublimi  diximus.  Fit  autem  sinopide  et  sandice  mixtis)  ist 
Isidor  Orig.  XIX  1 7  zu  vergleichen  :  Siricum  rubri  colorís  pigmentum, 
ex  quo  et  librorum  capita  scribuntur,  Ipsum  est  et  phoenìcoeum  appel" 
latum,  ita  eo  quod  in  Syria  colligatur  in  littoribus  rubri  maris  ubi 
Phoenices  inhabitant.  Aliud  est  sericum,  aliud  syricum.  Nam  sericum 
lana  est  quam  Seres  mittunt,  syricum  vero  pigmentum  quod  Syri  Phoe- 
nices in  rubri  maris  litoribus  colli gunt.  Est  autem  inter  factitios.  Nam 
saepe  fit  aut  sinopide  aut  sandice  mixtum.  Dozy  verweist  auf  persisch 
(ìzarcoun  feuerfarben,  mit  dem  aber  die  /*,  y,  u  nicht  stimmen,  wäh- 
rend a  vor  r  aus  irgend  welchem  Vokal  entsteht  Dafs  Isidor 
syricum  gleich  poeniceum  stellt,  läfst  vielmehr  erkennen,  dafs  jenes 
nichts  anderes  ¡st  als  tyricum,  entsprechend  der  gewöhnlichen  semi- 
tischen Aussprache  des  Stadtnamens  Sur,  hebr.  Zor,  Die  Verwechs- 
lung mit  serica,  von  welcher  Isidor  spricht  und  die  auch  mittelgr. 
hervortritt,  mochte  dadurch  begünstigt  werden,  dafs  Stoff  und  Farbe 
sich  gern  zusammenfanden:  sericoblatta.  Die  Wiedergabe  von  gr.^' 
(gewöhnlich  =  //,  seltener  /)  durch  /  findet  sich  span,  volkstümlich 
noch  in  gincte,  Dafs  aber  das  Wort  sich  nur  hier  gehalten  hat, 
kann  so  wenig  auffallen  als  bei  îiz,  ponceau, 

22,    Podenco, 

E.  W.  IIb  ohne  Erklärung,  dürfte  podar  mit  Suffix  -inquus  (mostrefico) 
sein,  von  den  kurzen,  gleichsam  verstümmelten  Füfsen  des  Dächseis. 

2^,   Sesta, 

E.  W.  I,  darf  in  Rücksicht  auf  siesto  im  Alex,  und  Berceo  nicht 
mit  ^vöTov  erklärt  werden.  Es  kann  nicht  wohl  auf  etwas  anderes 
zurückgehen  als  sextus,  und  dessen  häufige  Verwendung  im  Messen. 
Die  italienische  Bedeutung  dürfte  daher  kommen,  dafs  die  Spanne 
des  Zirkels  als  Radius  des  Kreises  und  damit  als  die  Sehne  des 
Suchstelkreises  gefafst  wurde,  oder  daher,  dafs  ein  Bogen  von  60 
Graden  áti  dem  Mefszirkel  angebracht  war. 

24.    Sesgo, 

sesga,  sesgar  span.,  kann  nicht  mit  Ulrich  Ztschr.  IV  383  von  sexus 
geleitet  werden,  das  höchstens  siesco  gegeben  hätte;  Umstellung 
von  h  kann  nur  sk  ergeben  und  mit  ihr  Hillt  der  Grund  hinweg 
der  die  Diphthongisierung  von  c  gehindert  hätte.  Aus  dem  La- 
teinischen, der  wahrscheinlichen  Quelle  des  Wortes,  kann  ein  sg 
überhaupt  nur  durch  Vokalausfall  kommen.  Die  Auswahl  ist  nicht 
grofs.  *  Subseca  re  oder  *sesecare  genügt  nicht  für  das  Adjektiv.  Eher 
mochte  ein  *sesecus  (cfr.  extrinsecus,  circumsecus  etc.)  ^^  al  sesgo 
adjektivische  Verwendung  finden,  die  ja  auch  dem  ursprünglichen 
Particip  entspricht.  Die  Verwendung  von  sesgo  für  heiter,  ruhig 
entstand  aus  derjenigen  für  ernst,  diese  vom  Auge,  oculo  obliquo 
aspicere  cfr.  turnio. 


G.  HAIST,   ETYMOLOGIEN.  1 23 

25.    Toldo, 

tolda,  toldar  leitet  Diez  wie  schon  Covarrubias  von  tholus.  Dozy  von 
dem  mit  dem  spanischen  Wort  (nicht  „Zelt")  gleichbedeutenden 
arab.  dholla.  Dem  arabischen  Wort  steht  der  Anlaut  entgegen. 
Denn  alhaiara  =  al-badhâra  im  Wb.  der  Akademie  scheint  weiter 
nichts  als  eine  gelehrte  Transscription,*  bei  welcher  der  Punkt  ver- 
loren ging,  der  dhâ  von  ta  unterscheidet.  Tholus  ist  wegen  der 
Bedeutung  abzuweisen  und  nicht  minder  wegen  der  Form;  sein  0 
ist  kurz  und  die  Epenthese  nicht  zu  belegen;  humilde  gehört  nicht 
zu  kumilisj  sondern  zu  humildad,  humillar,  humilìter,  humilitare,  hu" 
militas.  Etwas  anderes  ist  es  mit  dem  Eintritt  von  Id  für  //  in  der 
Endung  ',  und  von  hier  aus  könnte  dholla  in  Betracht  kommen,  ob- 
wohl ich  die  Nebenformen  dola,  dolía  (wie  cela,  cella,  bula,  bulla) 
vermisse,  und  das  Wort  port,  aus  dem  Spanischen  entlehnt  sein 
muíste.  Denn  es  könnte  sich  von  der  Marine,  von  einem  bestimmten 
Punct  aus  verbreitet  haben.  Bleibt  immer  der  Anlaut.  Das  Wort 
ist  dunkel.  Afrz.  taudir  oder  etwa  ahd.  toldo  können  wegen  des 
Lautes  nicht  verglichen  werden.  Ein  Particip  tollttus  scheint  in  port. 
tolo  und  span.  mlat.  tolta  von  einer  Abgabe  erhalten,  aber  die  ab- 
zunehmende Schutzdecke  ist  darum  noch  nicht  abgenommene. 

26.  Tobillo, 

E.  W.  IIb,  kann  von  iüber  in  keiner  Weise  kommen.  Ob  von  tuba, 
welches  sich  in  gal.,  andai,  toba,  span,  tobera  und  atobar  fruchtbar 
zeigt?  Es  wäre  denkbar,  aber  die  begrifflichen  Zwischenglieder 
fehlen. 

27.  Tieso  ^ 

E.  W.  IIb,  kann  von  tensus  nicht  kommen,  da  tesus  wie  allen  ana- 
logen Formen  langes  e  zukommt,  das  auch  in  frz.  toise,  span,  tesar, 
teso,  reteso,  retesar,  atesar  neben  atiesar  vorliegt.  Das  Etymon  ist 
ter  sus,  *tiesso,  tieso  schon  lateinisch  tadellos,  daher  kräftig,  fest. 
Man  hat  dann  die  begrifflich  genäherten  ter  sus  und  tensus,  da  siti 
in  den  ableitungsbetonten  Formen  auch  lautlich  zusammenfielen, 
mit  einander  verwechselt.  Umgekehrt  ist  tez  (ib.)  von  tersus  nicht 
zulässig,  während  es  von  tensus  kommen  könnte  mit  Behandlung 
der  Endung  nach  Analogie  von  prez,  vez,  pez,  hez,  ñas  :  wahrschein- 


*  Beispiele  bei  Carol.  Mich.  St.  245  ;  riva/de  ist  durch  rivalidad  ver- 
anlafst  ;  apelda  zunächst  wohl  von  apeldar.  Überhaupt  zeigt  sich  der  Vorgang 
nur  in  der  Endung  bei  der  Aufnahme  halbgelehrler  oder  Fremdwörter,  buida, 
celda»  rebelde,  codicildo;  in  pildora  wie  ii)  péndola  vermittelt  das  d  zwischen 
den  Liquiden.  Ebenso  /  vor  d  oder  vielmehr  dhâ  mit  Vokalzuiügung  in 
albayalde p  alcalde,  arrabalde  ;  peldaña  neben  peaña  \9X  pedulanea\  eneldo 
neben  port,  enedro  verlangt  anethulum,  falls  nicht  das  anlautende  a  eine 
andere  Erklärung  bedingt.  Cfr.  auch  die  Bevorzugung  der  Endung  in  jalde. 
Die  Epenthese  d  nach  n  ist  zweifelhaft;  amerindar  kommt  von  merindad, 
avecindar  von  vecindad',  pendan  für  franz.  pennon  könnte  durch  das  eben 
erkärte  péndola  veranlafst  sein;  arapende  ist  nicht  volkslümlich,  kann  von 
arpent  beeinflufst  sein. 


124  MISCELLEN.     IV.    GRAMMATISCHES. 

lieh  jedoch  einen  ganz  anderen  Ursprung  hat  (cfr.  gal.  tecer,  weben). 
Das  von  Diez  angeführte  atezar,  glätten  kenne  ich  nicht,  wohl  aber 
atezar,  schwärzen.  Alt  tiesto  angeblich  =  tieso',  von  texiusl  Terso 
und  tersar  sind  gelehrt. 

2^,    Umbral 

span.  Schwelle,  Thür-  oder  Fenstersturz,  ist,  wie  die  ältere  Form 
lumbral  (aport.  lomear)  zeigt,  lat.  luminare  in  der  Bed.  Fenster. 
Lumbrera  aus  lumbre,  Lat.  lumen  =  Fenster  ist  erhalten  in  gal. 
sobrelume  =  span,  dintel, 

29.    ¿Wa, 

E.  W.  IIb.  Das  Wort  ist  ziemlich  verbreitet.  Es  bezeichnet 
ein  grofses  flaches  Lastschiff,  den  niederländischen  Huker,  Diesem 
schliefsen  sich  genau  frz.  hourque  und  houcre  an,  während  in  engl. 
orky  ital.  orca,  s])an.  j)ort.  cat.  urca  das  h  fehlt.  Es  kann  eben  so 
gut  das  germanische  Wort  romanisiert  worden  sein  als  umgekehrt. 
Cfr.  auch  Í5()X^. 

30.     Verone. 

E.  W.  IIa.  Übersetzung  (und  zugleich  Nachbildung)  von  an- 
drone ist  (»ben  doch  im  h()chsten  Grad  unwarscheinlich.  Ich  kann 
mir  das  Wort  nicht  erklären.  Mit  veru  oder  ver  ist  Nichts  anzu- 
fangen. Für  span.  port,  vereda  macht  die  cat.  Form  veral  die  Her- 
leitung von  vercdus  fragwürdig;  es  erscheint  aber  nach  Suffix  und 
Bedeutung  nicht  möglich  verone  damit  zusammen  zu  bringen. 
Besser  nach  der  Bedeutung  aber  eben  so  wenig  nach  der  Form 
passen  cat.  bar  ana,  span,  baranda,  port,  varanda ,  Geländer,  deren 
Herleitung  aus  Indien  nicht  recht  sicher  scheint,  wenn  auch  die 
engl,  veranda  aus  den  überseeischen  portugiesisch  -  spanischen  Be- 
sitzungen stammen  mag. 

31.    Xato, 

xata,  jato,  aspan.  Kalb  E.  W.  IIb.  Das  arab.  Etymon  ist  nicht  zu 
brauchen,  und  es  wäre  recht  hübsch,  wenn  man  hier  die  vermut- 
liche älteste  Bed.  unseres  Schatz  =  Vieh  erkennen  dürfte.  Aber 
der  Fall  liegt  viel  einfacher.  Das  Wort  ist  im  Nordosten  zu  Hause. 
und  entspricht  castil.  chato,  catal.  xato,  i.  plattnasig,  2,  platt 
Platt  könnte  das  Kalb  heifzen  m.  so  fern  ihm  die  Homer  noch 
fehlen  ;  wahrscheinlich  aber  liegt  die  üblichste  Ver^vendung  des 
Wortes  zu  Grund,  da  die  flache  Nase  bei  dem  verhältnismäfsig 
dickeren  Kopf  des  Kalbes  aufíalliger  ist  als  beim  erwachsenen  Tier 
und  es  sie  in  die  Höhe  zu  strecken  pflegt.  Ob  nun  (s.  E.  W.  I 
Piatto,  IIa  Sciatto)  catal.  xato,  ital.  sciatto,  comask.  sciati  aus  dem 
Span,  entlehnt  sind,  oder  mit  diesem  auf  einen  anderen  Stamm 
als  :xXarvç  zurückgehen  lasse  ich  dahin  gestellt.  Griech.  ip^rra, 
Butte  (auch  als  Schimpfwort)  kann  den  gleichen  Begriff  enthalten 
und  passt  buchstäblich,  liegt  aber  zu  weit  entfernt. 


K.  DZIATZKO,    DIE  ENTSTEHUNG  DER  ROM.  PARTICIPIALPRÄPOSIT.         125 

Für  sich  ist  wieder  (cfr.  E.  W.  I  Piatto)  span,  chata,  catal.  xata, 
ital.  sciatta  und  chiatta^  franz.  chatte  y  engl,  catal.  deutsch  Katzschiff, 
mlat.  cattus  zu  erwägen.  Hier  steht  die  franz.  Form  der  ita!,  und 
span,  voran,  obwol  die  Schiffsart  zuerst  in  Unteritalien  (im  1 1.  Jh.) 
bei  Sarrazenen  und  Griechen  genannt  zu  werden  scheint  (auch  mit 
Media,  gaicit  gcith)  als  ein  schweres  Kriegsschiff  mit  irgend  welch 
besonderer  Vorrichtung,  wahrscheinlich  identisch  mit  mlat.  cattus  = 
vinca  j  mit  Steinschleudern  oder  mit  eigenartigem  Bollwerk  ange- 
rüstet, bzw.  mit  beidera. 

^2,   Zurdo 

span,  link,  linkisch  kann  mit  sordo  nicht  identisch  sein  (E.  W.). 
Vielleicht  ist  es  absurdus  =  ungeschickt,  das  von  einer  anderen 
Wurzel  kommt  als  surdus  und  langes  u  hat. 

G.  Baist. 


lY.    OrAiiiniatisches. 

Die  Entstehung  der  romanischen  Participialpräpositionen. 

Die  nachstehende  kleine  Untersuchung  über  die  auffallende 
lateinische  Redewendung  absente,  praesente  nobis  u.  dergl.  sowie  die 
Beobachtung  über  den  Zusammenhang  derselben  mit  den  franzö- 
sischen Präpositionen  concernant,  durant  und  pendant,  joignant,  non^ 
obstant,  suivant  war  unabhängig  von  Ern.  Bombe,  De  ablat  absol. 
apud  antiquiss.  Rom.  scr.  usu  (Greifsw.  Inauguralabh.  1877)  S.  40  ff. 
und  von  Heinr.  Jordan,  Vind.  serm.  lat.  antiqu.  (Ind.  lect.  aest.  Regiom. 
1882)  S.  13  f.*  entstanden,  welche  den  gleichen  Gegenstand  be- 
handeln und  bereits  das  moderne  Italienisch  mit  seinen  präpositions- 
artigen Bildungen  wie  durante,  non  obstante,  mediante  zur  Beleuchtung 
jener  altlateinischen  Wendung  heranziehen.  Dem  Herausgeber  dieser 
Zeitschrift  hatte  ich  zugesagt,  durch  einen  kleinen  Artikel  die  Auf- 
merksamkeit der  Romanisten  auf  diesen  Gegenstand  hinzulenken. 
Wenn  ich  nun,  nachdem  mir  bei  Ausführung  meiner  Absicht  be- 
kannt geworden,  dafs  das  Wesentliche  meiner  Arbeit  mir  teils  von 
Bombe,  teils  von  Jordan'^  vorweggenommen  ist,  gleichwohl  von 
meinem  Vorhaben  nicht  ganz  abstehe,  so  bestimmt  mich  dazu  zu- 
nächst der  Wunsch  meines  Freundes  Gröber,  welcher  an  einem 
für  Romanisten  leicht  zugänglichen  Orte  diesen  für  sie  gerade  be- 


'  Den  Nachweis  dieser  Stelle  aus  Jordans  Abhandlung  verdanke  ich 
meinem  verehrten  Freunde  Herrn  Prof.  Hertz. 

'  Bei  diesem  ñndet  sich  auch  die  in  einer  Inschrift  des  cisalpinischen 
Galliens  (C.  I.  L.  V  895)  vorkommende  Wendung  astante  ciuibus  citiert,  welche 
ein  Mittelglied  zwischen  dem  altlatcinischen  absente  nobis  u.  s.  w.  und  den 
erwähnten  romanischen  Präpositionen  bildet  und  die  mir  gleichfalls  nicht  ent- 
gangen war. 


I2Ó  MISCELLEN.     IV.    GRAMMATISCHES. 

sonders  interessanten  Punkt  behandelt  sehen  wollte  —  selbst  Draeger, 
Hist.  Synt.  d.  lat.  Spr.  2.  Aufl.,  bietet  darüber  noch  völlig  Veraltetes  — ; 
sodann  aber  glaube  ich  gerade  die  Entstehung  der  betreffenden 
lateinischen  Wendung  und  damit  der  romanischen  Präpositionen  im 
Widerspruch  gagen  Bombe  und  zur  Ergänzung  von  Jordan,  welcher 
darauf  gar  nicht  eingeht,  fördern  zu  können. 

Die  lateinischen  Schriftsteller,  welche  sich  der  anscheinend 
sprachwidrigen  Ausdrucksweise  absenie,  bez.  praesente  nobis  od.  dergl. 
bedienten,  waren  Terenz,  Accius,  Afranius,  Novius  ^  Pomponius, 
Varrò,  Cornificius^  und  Fenestella,  welche,  wenn  man  von  dem 
letztgenannten  absieht,  einen  ziemlich  fest  abgegrenzten  Zeitraum 
von  etwa  hundert  Jahren  bezeichnen.  Ob  Plautus,  welchen  Bombe 
und  Jordan  in  der  Zahl  dieser  mitanführen,  zu  ihr  wirklich  gehört, 
scheint  mir  nicht  ganz  unzweifelhaft.  Von  J.  wird  Amph.  140 
citiert.  Gemeint  ist  wohl  V.  400,  freilich  nicht  in  der  durch  die 
Plautushandschriften  überlieferten  Fassung  Nee  nobis  praeter  me  alius 
quisquamsi  sernos  Sosia  [Fleckeisen  quisquamst  alius  y  Ritschi  und 
Goetz-Locwe  Jiied  alius\  sondern  nach  Nonius  76,  20,  eine  Stelle, 
welche  von  Job.  Schroeder  (De  fragm.  Amph.  Plaut  Argent  187g 
S.  7  ÍT.)  mit  Recht  auf  Amph.  400  bezogen  wird.  Absente  nobis  et 
p  rae  s  eil  te  nobis  pro  praesentibus  et  absentibus  nobis,  Plautus  Amfi" 
try  one:  nee  nobis  praesente  aliquis  quisquam  nisi  seruus.  Da  nobis  an 
unserer  Stelle  Dativ  ist  (s.  V.  385.  611  ff.),  was  von  Schroeder  u.  A. 
verkannt  wurde,  —  denn  dafs  es  überhaupt  keinen  anderen  Sklaven 
gleichen  Namens  gebe,  konnte  Sosia  doch  nicht  behaupten  — ,  so 
läfst  sich  nur  durch  folgende  Fassung  eine  Übereinstimmung 
zwischen  Nonius  und  Amph.  400  erzielen:  Nee  nobis  praesente  me 
alius  quisquamst  sernos  [Sosia^^  Es  wäre  dann  anzunehmen,  dafs 
praesente  nie,  welche  Lesart  zugleich  den  Hiatus  ohne  weiteres  kri- 
tisches Hilfsmittel  beseitigt,  in  den  Handschriften  des  Plautus  neben 
praeter  me  gelesen  wurde;  Nonius  hätte,  durch  den  Ausfall  von  me 
in  seinem  Plautusexemplare  oder  sonst  durch  ein  Mifsverständnis 
veranlafst,  in  keineswegs  ungewöhnlicher  Weise  die  Stelle  falsch 
verstanden  und  als  Beleg  für  den  Gebrauch  von  praesente  nobis 
beigebracht.  Dafs  dieses  oder  ein  ähnliches  Versehen  dem  Citate 
bei  Nonius  zu  Grunde  liegt,  beweist  auch,  worauf  wir  bald  näher 
eingehen  werden,  die  verkehrte  Stellung  der  Worte  nobis  praesente, 
an  der  Schroeder  S.  10  nur  einen  leichteren  Anstofs  nimmt 

Eine  nur  wenig  stärkere  Stütze    bietet  für  Plautus  eine  zweite 
Stelle,  Bacch.  142   (Praesente  ibus  una  paedagogus  ut  siet  bei  Ritschi), 


*  Dieser  fehlt  bei  Jordan  a.  a.  O.  wohl  nur  aus  Versehen. 

^  Auf  Comif.  rhet.  IV  11,  16  hat  nicht  Bombe  S.  42  zuerst  hingewiesen, 
wie  Jordan  anzunehmen  scheint,  sondern  L.  Spenge!  im  Philol.  XI  402,  auf 
welche  Stelle  ich  ebenfalls  durch  Herrn  Prof.  Hertz  aufmerksam  gemacht 
worden  bin. 

3  Schroeder  a.  a.  O.  will  entweder  mit  Fleckeisen  quisquamst  alius  oder 
praesente  nobis  (so  auch  Bombe)  umstellen. 


K.  DZIATZKO,   DIE  ENTSTEHUNG  DER  ROM.  PARTICIPIALPRÄPOSIT.        I  27 

auf  welche  Jordan  gar  nicht  erst  Bezug  nimmt. ^  An  dieser  Stelle, 
deren  Schwierigkeiten  noch  nicht  alle  gehoben  scheinen,  bieten  die 
Handschriften  praesen/iòus  ilh's,  was  Vahlen  im  Herm.  XV  (1880)  259 
beibehalten  will,  während  Ritschi  einer  Konjektur  Jos.  Scaligers  folgte 
(Guyct  hatte  ähnlich  praesenie  its  vermutet).  Jedenfalls  wäre  dies 
die  einzige  Stelle  bei  Plautus,  wo  der  Singular  praesenie  (bez.  absenté) 
mit  dem  Plural  eines  Nomens  oder  Pronomens  sich  verbände.  Ihr 
stehen  drei  Stellen  gegenüber,  wo  sicher  das  Parti cipium  mit  seinem 
Nomen  auch  im  Numerus  übereinstimmt:  Bacch.  301  Au/erimus 
aurum  omne  illini  Ulis  praesenlibus\  Cure.  2^2  Quod  amas  amalo  leslihus 
praesentibus'y  Stich.  131  Aul  nunc  non  aequomsl  abdua\  paler,  il  lis  ce  ab- 
sentihus.  Bei  den  übrigen  Dramatikern  des  älteren  Latein  kommt 
neben  sechs  Fällen  der  anakoluthischen  Bildung  kein  einziger  mit 
Kongruenz  vor,  weder  mit  vor-  noch  mit  nachgesetztem  Participium  : 
offenbar  gefiel  die  andere  Ausdrucksweise  der  knappen  Kürze  und 
des  Wohllauts  wegen.  Dafs  sie  seit  Cicero  aus  Streben  nach  Sprach- 
reinheit verschmäht  wird  —  selbst  in  den  Briefen  schreibt  er  z.  B. 
ad  Att  13,  14  teslibus  praesenlibus  —  und  nur  Fenestella,  der  Nach- 
ahmer Varros,  eine  erklärliche  Ausnahme  macht,  hat  schon  Jordan 
a.  a.  O.  hervorgehoben.  Besonders  zu  erwähnen  wäre  vielleicht  noch, 
dafs  selbst  Gellius,  der  altertümelnde,  sei  es  dem  Gebrauche  seiner 
Zeit  folgend  oder  weil  er  mehr  Plautus  folgte,  sich  der  Wendung 
absente  nobis  u.  dergl.  enthielt,  vielmehr  z.  B.  II  26,  2  plerisque  uiris 
doctis  praesenlibus',  IX  2,  l  nobis  praesentibus\  VIII  t.  c.  3  audienlibus 
nobis  schrieb. 

Wie  ist  nun  diese  Gebrauchsweise  zu  erklären?  Was  die  alten 
Grammatiker  darüber  vorbringen,  ist  falsch  oder  trifft  die  Sache 
nicht.  Letzteres  gilt,  wenn  Donat  zu  Eun.  IV  3,  7  sagt  absente  nobis 
UtQ)ia'iOiioç  figura  est*  oder  es  stände /r<?  *absenlibus  nobis'  (vergi. 
auch  Non.  76,  20;  154,  16;  Glossar  in  Mai  Class,  auct.  VI  502). 
Unrichtig  ist  es  dagegen,  was  Nonius  154,  22  thut,  praesenie  durch 
coram  zu  erklären,  welches  Wort  Donat  a.  a.  O.  nur  vergleichsweise 
heranzieht  Richtig  ist  es  freilich,  aber  keine  Erklärung  des  Sprach- 
gebrauchs, wenn  Donat  a.  a.  O.  neben  Anderem  sagt:  absente  nobis 
cum  dicil  (poeta),  pro  praepositione  ponit  absente  q.  s.-  Ein  eigen- 
tümlicher, übrigens  unbeachtet  gebliebener  Einfall  L.  Spengels  (Philol. 
XI  401  f.)  ist  es,  in  absente  und  praesenie  überhaupt  nicht  Participia, 
sondern  Präpositionen  mit  der  Endung  -nie,  wie  in  ante  und  sponte, 
zu  sehen,  aus  welchen  erst  infolge  falscher  Analogie  absens  und 
praesens  entstanden  sei,  wie  proconsul  aus  pro  consule.  Die  allge- 
meine   Annahme   hat   jedenfalls   recht,    welche    in   jener  Wendung 

*  Eine  dritte  Stelle  würde  in  Frage  kommen,  wenn  Holtzes  Citat  (Synt. 
n  196),  welches  Draeger,  Hist.  Synt.*  II  818  abschreibt,  richtig  wäre  {ex 
Plauto  in  Syris  , , ,).  Es  ist  aber  ein  Irrtum  und  Pomponius  ex  Syris  bei 
Non.  154,  16  gemeint. 

*  Donat  war  somit  der  erste,  von  dem  wir  wissen,  dafs  er  auf  den  prü- 
positionalcn  Channkter  von  absente,  presente  in  obiger  Wendung  hinwies.  In 
neuerer  Zeil  ist  dies  mehrfach  geschehen. 


128  MISCELLEN.     IV.    GRAMMATISCHES. 

eine  Participialkonstruktion  und  zwar  die  des  sogenannten  Ablati- 
vus  absolutus  erblickt.  Dafs  aber  in  eben  den  Beispielen,  von 
welchen  wir  ausgegangen  sind,  das  Participium  im  Singular,  das 
Nomen  hingegen  im  Plural  steht,  das  haben  wir  nicht  als  Sprach- 
fehler, sondern  von  Haus  aus  als  regelrechtes,  leichtes  Ana  ko  luth 
aufzufassen ,  wie  auch  Jordan  a.  a.  O.  von  einem  solchen  spricht 
Der  Unterschied  eines  solchen  von  einem  Sprachfehler  oder  Soloe- 
cismus  besteht  offenbar  darin,  dafs  im  ersteren  Falle  die  ange- 
fangene Konstruktion  aus  Gründen  der  Übersichtlichkeit,  Kürze 
oder  Bequemlichkeit  aufgegeben,  das  Fehlende  aber  durch  eine 
gleichwertige  Wendung  ersetzt  wird,  während  bei  einem  Sprach- 
fehler es  sich  um  die  Abweichung  von  einer  durch  das  Voraus- 
gegangene durchaus  verlangten  Sprachregel  handelt  Sollte  z.  B., 
um  sogleich  auf  die  uns  beschäftigende  Wendung  einzugehen,  eine 
Handlung  als  in  Gegenwart  mehrerer  Zeugen  vorgefallen  bezeichnet 
werden,  so  war  es  das  vollständigste,  diese  alle  einzeln  aufzuzählen, 
und  der  Sprechende  fing  also  die  Aufzählung  ganz  korrekt  mit 
praesente  (Gaio  ei  Marco  ei  Qui'nio  u.  s.  w.)  an.  Der  Singular  prae- 
sente  blieb  aber  auch  dann  korrekt,  wenn  ein  einziger  der  Zeugen 
namhaft  die  andern  aber  durch  einen  zusammenfassenden  Ausdruck 
diesem  Namen  zugesellt  wurden.*  Anakoluthisch  wird  der  Ausdruck 
erst  dann,  wenn  der  Sprechende  statt  der  zuerst  beabsichtigten 
Namhaftmachung  aller  oder  wenigstens  eines  der  Zeugen  unter 
Änderung  des  Gedankens  sogleich  einen  zusammenfassenden  Aus- 
druck auf  absente  oder  praesente  folgen  läfst,  z.  B.  testi'bus.  Man  wird 
zugeben,  dafs  ein  solcher  Sprung  kein  allzu  kühner,  bei  einer  viel- 
gebrauchten Wendung  vielmehr  sich  wie  von  selbst  ergebend  war. 
Natürlich  war  dieses  Anakoluth  wie  jedes  andere  ursprünglich 
rein  individueller  Natur.  Nur  der  Umstand,  dafs  man  sehr  oft  in 
die  Lage  kam,  die  Anwesenheit  oder  Abwesenheit  mehrerer  Per- 
sonen bei  irgend  einem  Vorgang  festzustellen,  konnte,  ja  mufste 
beinahe  zu  einem  häufigeren  Gebrauch  desselben  Anakoluths  und 
so  zu  einer  formelhaften  Wendung  führen.  Wir  gehen  wohl  nicht 
fehl,  wenn  wir  den  Ursprung  des  Anakoluths  und  somit  des  ganzen 
Ausdrucks  auf  die  häufigen  Fälle  zurückführen,  in  denen  das  ge- 
schäftliche Leben  vor  Gericht,  beim  Kauf  und  Verkauf,  Geldverkehr, 
bei  Verlobungen,  Eheschliefsungen ,  Freilassungen  und  sonst  die 
Aufzählung  Anwesender,  unter  Umständen  auch  Abwesender  in  der 
typischen  Form  des  Ablativus  absolutus  nötig  machte.  Nicht  Ple- 
bejerlatein war   es    also,    wie  Draeger,  Hist  Synt*-^  11  8i8  annimmt, 


*  Dafs  lateinisch  durchaus  richtig  und  gewöhnlich  das  mehreren  Sub- 
jekten gemeinsame  Prädikat  nur  mit  dem  nächslslehcnden  im  Numerus  über- 
eingestimmt wird,  ist  zu  bekannt,  als  dafs  es  einer  besonderen  Ausführung 
bedürfte.  Ich  führe  nur  zwei  Beispiele  an:  Ter.  Ad.  470 /Vr.w/ajiV  nox  amor 
uinum  adulescentia  ;  836  f.  (nach  dem  Bemb.)  Ne  bonae  inae  istae  nos  rationes. 
Micio,  et  tuos  iste  animus  subuortat.  Vergi.  Holtze,  Synt.  II  196.  Und  was 
hier  beim  Ve  rhum  fi  ni  tu  m  richtig  ist,  gilt  ebenso  von  Participialkon- 
slruktionen. 


K.  DZIATZKO,    DIE  ENTSTEHUNG  DER  ROM.  PARTICIPIALPRÂPOSIT.        Î2g 

sondern  vermutlich  die  Geschäftssprache,  aus  der  jene  Wendung 
in  die  litterarischen  Kreise  und  die  Litteratursprache  Roms  ein- 
drang, wie  sie  ja  auch  nicht  blofs  bei  Terenz  vorkommt,  der  in 
der  besten  Gesellschaft  Roms  verkehrte  und  seiner  Sprachreinheit 
wegen  besonders  geschätzt  wird,  sowie  bei  andern  Komödien- 
dichtem, sondern  auch  bei  dem  Tragiker  Accius  (Ribb.-  428).* 
Daneben  fafste  die  Ausdrucksweise  von  denselben  Wurzeln  aus 
allerdings  auch  in  der  Alltagssprache  des  gewöhnlichen  Volkes 
Fufs,  und  zwar,  wie  wir  oben  sahen  (S.  125  Anm.  2),  kräftiger  und 
nachhaltiger  als  in  der  Litteratur.  —  Selbst  die  Zeit,  in  welcher 
jene  Redewendung  von  der  Litteratur  aufgenommen  wurde,  läfst 
sich  einigermafsen  bestimmen,  wenn  wir  nämlich  darin  recht  hatten, 
dafs  sie  bei  Plautus  sich  entweder  noch  gar  nicht  findet  oder  doch 
nur  in  einem  Beispiele  aus  einem  späteren  Stücke,  den  Bacchides, 
welcher  Stelle  drei  Beispiele  des  regelrechten  Sprachgebrauches 
gegenüberstehen. 

Meine  bisherige  Darstellung  beruht  auf  der  Annahme,  dafs 
in  der  besprochenen  Redewendung  das  Participium  voranstehen 
müsse.  Wird  nämlich  das  Nomen  vorausgeschickt  {/es/tous^  amicis 
od.  dergl.),  so  hat  der  Sprechende  begreiflicherweise  keine  Wahl 
mehr,  das  unmittelbar  folgende  Participium  mit  jenem  überein- 
stimmen zu  lassen  oder  nicht:  testihus  pr aesente  zu  sagen  ist  kein 
Anakoluth  mehr,  sondern  ein  grammatischer  Fehler.  Wirklich  zeigen 
nun  alle  in  Frage  kommenden  Stellen,  soweit  sie  kritisch  gesichert 
sind,  diese  bereits  von  Bombe  als  einzig  richtig  erkannte  Wort- 
stellung. Freilich  fand  diese  Beobachtung  Bombes  bisher  nicht  die 
verdiente  Beachtung  :  Draeger  a.  a.  O.  führt  ohne  einen  Zweifel  zu 
äufsem  Accius  ap.  Non.  p.  154,  19  his  praesente  an,  Jordan  erwähnt 
die  Frage  der  Wortstellung  gar  nicht,  und  Schroeder  a.  a.  O.  nahm, 
wie  schon  erwähnt,  an  der  falschen  Wortstellung  nobis  praesente  nur 
einen  leichteren  Anstofs.  Folgendes  sind  sämmtlich  bekannte  Stellen: 
Plaut.  Bacch.  142  (wenn  Scaligers  Konjektur  richtig  ist)  Praesente  ihus\ 
Ter.  Eun.  649  absente  nobis \  Accius  V.  428  R.*-^  (aus  Non.  154,  17  und 
349,  i)  praesente  his'^\  Afranius  V.  6  R.^  (aus  Non.  76,  20)  absente 
nobis;  Novius  V.  57  R.2  (aus  Non.  154,  22)  praesente  omnibus;  Pom- 
ponius  V.  47  R.2  (aus  Don.  zu  Ter.  Eun.  IV  3,  7)  praesente  amteis  und 
V.  168  R.2  (aus  Non.  154,  16)  praesente  testions;  Varrò  (aus  Don. 
a.  a.  O.)  praesente  legatis  omnibus;  Cornificius  ad  Herenn.  IV  c.  1 1  §  16 
praesente  multis  (s.  S.  126  Anm.  2);  endlich  Fenestella  annal.  II  (aus 
Non.  1 54,  20)  praesente  exsuis  (?),  quaedam  absente  q.  s.    Damit  man  aber 


*  Dies  möchte  ich  besonders  auch  Bombe  entgegenhalten,  welcher  S.  41 
einen  solchen  Einflufs  der  Geschäftssprache  leugnet  und  gleich  Donat  u.  A. 
»ich  mit  der  nichtssagenden  Bemerkung  begnügt:  ^praesente  et  absente  pro 
praepositionibus  posita  esse*.  Reinh.  Klotz  (N.  Jahrb.  f.  Phil.  Bd.  49  (1847) 
S.  41  f.,  den  Bombe  citiert,  aber  nur  um  ihm  zu  widersprechen,  hat  in  diesem 
Punkte  schärfer  gesehen. 

*  Dafs  die  meisten  Codices  an  der  ersten  Stelle  hinter  praesente  noch 
te  einschieben,  ist  kritisch  ohne  Belang. 

ZelUchr.  f.  rom.  Phil.    VII.  o 


130  MISCELLEN.     IV.    GRAMMATISCHES. 

nicht  glaube,  dafs  praesenie  und  absente  unter  allen  Umständen  den 
vorderen  Platz  beanspruchen  vor  ihrem  Nomen,  genüge  der  Hin- 
weis, dafs,  wenn  beide  Glieder  im  Singular  stehen,  das  kurze  Per- 
sonalpronomen am  häufigsten  vor  dem  Particip  steht,  aber  auch 
hinter  demselben  vorkommt  (z.B.  Plaut.  Men.  627;  Most.  1139;  Ter. 
Hcc.  679),  und  andere  Nomina  nicht  minder  ihren  Platz  wechseln 
(z.  B.  Plaut.  Asin.  500  absente  ero  neben  Bacch.  336  populo  praesente). 

Die  Volkssprache,  welche  sich  inbezug  auf  den  anakoluthischen 
Gebrauch  dieser  Participial konstruktion  nicht  wie  die  Littcratur- 
sprache  auf  die  Formen  absente  und  praesente,  von  denen  die  Aus- 
drucksweise ihren  Ausgang  genommen  hatte,  beschränkte,  hat  doch 
inbezug  auf  die  Stellung  des  Particips  keinen  Schritt  weiter  zu 
machen  gewagt.  Wenigstens  wird  mir  von  dem  Herausgeber  dieser 
Zeitschrift  versichert,  dafs  auch  im  Altfranzösischen  die  eingangs 
erwähnten  Präpositionen  niemals  postpositiv  gebraucht  werden. 

Jordan  a.a.O.  S.  14  f.  führt  in  interessanter  Weise  aus,  wie 
auch  die  ital.  Präposition  fino  (älter  fine)  in  einem  lat.  Ablativ  us 
absolu  tu  s  mit  fine,  bez.  yíw  ihren  Ursprung  habe.  Die  verbale 
Kopula,  welche  im  Griechischen  noch  dabei  stehen  würde  (das 
Pariicipium  von  e/ra/)  mufs  im  Lateinischen  in  Ermangelung  eines 
Participiums  von  esse  fehlen.  Natürlich  war  hier  das  substantivische 
Prädikatsnomen,  insofern  es  kein  zählbarer  Begriff  ist,  einerseits 
nicht  an  eine  Übereinstimmung  im  Numerus,  andrerseits  aber  auch 
ursprünglich  an  keine  bestimmte  Stelle  vor  oder  nach  dem  Subjckts- 
ablativ  gebunden. 

K.  DZIATZKO. 


RECENSrONEN  UND  ANZEIGEN. 


liliis  de  Camoens'  Sänimtlicbe  Gedichte.  Zum  ersten  Male  deutsch  von 
Wilhelm  Storck.  Paderborn,  Druck  und  Verlag  von  Ferdinand  Schö- 
ningh.    1880 — 1882. 

Erster  Band:  Buch  der  Lieder  und  Briefe.«    8<>.    XXIX,  408.    M.  6. 
Zweiter  Band;  Buch  der  Sonette.»    8^    XXXI,  408.    M.  6. 
Dritter  Band:  Buch  der  Elegieen,   Sestinen,   Oden    und  Oktaven.     8®. 
XVI,  434.     Nebst  einer  Beilage  :  „Camoens  in  Deutschland".     M.  6. 
Vierter  Band:  Buch  der  Canzonen  und  Idyllen.    8®.    XIII,  442.     M.  6. 

m.  und  IV.  Band. 

Der  dritte  Band  der  Storck'schen  Camoens-Übersetzung  kam,  durch  die 
frenndlicbe  Zuvorkommenheit  des  Verfassers,  bereits  am  15.  März  1881  in 
meine  Hand  ;  den  vierten  erhielt  ich  Anfang  Dezember  desselben  Jahres.  Es 
hat  mich  also  viel  Zeit  gekostet  mir  die  beiden  Bände  zu  eigen  zu  machen. 
Und  doch  habe  ich ,  in  Wahrheit ,  keine  gröfsere  Spanne  dieses  Zeitraums 
angenutzt  fur  mein  Studium,  einerseits  des  Dichters,  und  andererseits  seines 
Nachbildners,  verstreichen  lassen.  Bald  habe  ich  mich  am  portugiesischen 
Originaltexte  erquickt  und  einzig  und  allein  den  ästhetischen  Eindruck  der 
herrlichen  Dichtungen  auf  mich  einwirken  lassen;  bald  habe  ich  die  deutsche 
Kopie  als  Kunstwerk  genossen,  nur  nachträglich  prüfend  ob  beide  Male  die 
Art  und  der  Grad  des  erregten  Lustgefühls  ein  und  dieselben  wären.  Zumeist 
aber  habe  ich,  wie  es  mir  als  Kritiker  zukam,  den  Laienstandpunkt  ver- 
lassen und  habe  Gedicht  um  Gedicht  prüfend  gelesen  und  wiedergelesen, 
Urtext  und  Nachbildung  von  Satz  zu  Satz,  von  Wort  zu  Wort  vergleichend, 
Gedanken  am  Gedanken  messend ,  den  Stimmungsgehalt  jeglicher  Strophe  in 
beiden  Sprachen  an  einander  abwägend.  Schwierige  Stellen  des  Originals 
habe  ich  selbständig  und  ohne  Voreingenommenheit  zu  deuten  und  die  ge- 
wonnenen Resultate  mit  den  von  Storck  erzielten  in  Einklang  oder  in  klaren 
Widerspruch  zu  bringen  versucht.  Die  Echtheit  der  Lesarten  blieb  oft  zu 
bestimmen,  die  Zweckmäfsigkeit  einer  Änderung  derselben  in  Frage  zu  ziehen, 
die  Notwendigkeit  einer  Nachbesserung  festzustellen ,  die  Gültigkeit  der  vor- 
geschlagenen Modifikationen  zu  bedenken.  Vor  allem  aber  hat  die  Wür- 
digung des  meisterhaften  und  ganz  unentbehrlichen  Kommentars,  der  in  Form 
von  Anmerkungen  den  Text  begleitet,  nicht  wenige  Arbeitstundeii  gekostet. 


•  S.  Band  IV  p.  591—609  dieser  Ztschr. 

*  S.  Band  V  p.  10 1  — 136  dieser  Ztschr. 


1^2  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     C.  M.  DE  VASCONCELLOS, 

Wohin  ich  aber  auch  blickte,  welches  Gedicht  ich  aufzufassen  trachtete, 
für  welche  dunkle  Stelle  ich  auch  Klarheit  begehrte,  nirgends  und  nie  habe 
ich  vergebens  Genufs  und  Belehrung  gesucht.  Und  diese  Wahrheit  habe  ich 
meinem  Freunde  längst ,  und  zum  öfteren ,  mit  aufrichtiger  Lust  und  Liebe 
im  Vertrauen  bekannt.  Öffentlich  sage  ich  sie  so  spät,  weil  ich  nach  abge- 
schlossener Herausgabc  der  „Sämmtlichen  Gedichte"  ein  Gcsammturteil  über 
das  Übersetzungswerk  zu  fällen,  und  den  relativen  Wert  der  einzelnen  Dicht- 
gattungen im  Urtexte  wie  in  der  Verdeutschung  festzustellen,  zu  diesem 
Zwecke  aber  zu  Band  I  und  II  zurückzugreifen,  und  mein,  vor  Kenntnifs- 
nahmc  von  Band  III  und  IV,  gefälltes  Urteil  nach  Benutzung  der  letzteren 
von  neuem  zu  erwägen  hatte.  * 

Ich  habe  von  meinem  Lobe  nichts  zurückzunehmen.  Nur  das  eine 
Wort  „dafs  man  den  deutschen  Redondillen  und  Sonetten  nichts  von  den 
überwundenen  Schwierigkeiten  anmerke",  bedarf  einer  einschränkenden  Er- 
läuterung. Zwar  ist  auch  dies  Wort,  meiner  Überzeugung  und  Erfahrung 
nach,  durchaus  richtig,  zwar  sind  Härten  und  Künstlichkeiten,  seltsame  Wen- 
dungen und  Unklarheiten  äufserst  selten  auch  im  Buche  der  Lieder;  zwar 
stutzt  auch  dort  der  Leser  nur  in  sehr  wenigen  Fällen,  weil  er  gezwungen 
ist  nach  der  Bedeutung  und  dem  feineren  Sinn  einer  Phrase  erst  zu  suchen; 
ja,  das  passiert  vielleicht  überhaupt  nur  demjenigen,  welcher  des  Originals, 
Wortlaut  im  Kopfe  hat  und  sofort  die  deutsche  Phrase  an  der  portugiesischen 
mifst;  das  passiert  also  nur  dem  leidigen  Kritiker.  Aber  ein  jeder,  ob  Laie 
oder  Kenner,  der  einmal  den  einfachen,  echt  klassischen  Flufs  der  Odcnsprache, 
den  weichen  und  reichen  Wohllaut  der  Idyllen,  die  Tiefe  und  Glut  der  Be- 
wegung in  den  Canzonen  bewundert  hat,  der  wird,  wenn  er  hernach  aus  den 
Sonetten  und  Liedern  so  von  ungefähr  eines  herausgreift  —  wohlverstanden 
in  Storck*scher  Übersetzung  —  ein  befremdendes  Gefühl  nicht  ganz  abweisen 
können.  Er  wird  empfmden,  dafs  für  unser  deutsches  Denken  und  Empfinden, 
Reden  und  Dichten  das  spitzfindige  Antithescnhäufen,  das  geistvolle  Deuteln 
an  metaphysischen  Problemen,  das  sinnreiche  Spielen  mit  doppeldeutigen 
Worten ,  das  künstlich  herbeigeführte  Wiederklingen  eines  einmal  berührten 
Tones,  wie  es  sich  in  jenen  echtromanischen  Dichtgattuogen  gar  so  oft  dar- 
bietet, stets  etwas  Gezwungenes  und  Geziertes,  wenn  nicht  gar  etwas  Kindisches 
und  Langweiliges  bleibt.  Nach  natürlicher,  unmittelbar  bestrickender  Anmut, 
nach  einem  ungehemmten  Wortflufs  wird  er  manchmal  in  diesen  von  Natur 
kurzen  Schöpfungen  vergeblich  ausschauen.  Die  künstlichen  Versarten,  die 
absichtlich  gehäuften  Schwierigkeiten  in  der  Keimbildung,  die  ganze  nach 
strengen  Gesetzen  geregelte  Schematik  der  Voltas  und  Glossen  und  Vilan- 
cetes,  der  Anagramme  und  Labyrinte  macht  eben  die  Übersetzung  derselben 
wie  auch  das  verständnifsvoUe  Geniefsen  dieser  Übersetzung  zu  einer  schwie- 
rigen Aufgabe  ¡das  empfinden  Eingeweihte  und  Uneingeweihte,  und  sie  geben 
zumeist  beide  ihre  Meinung  dahin  ab,  dafs  die  langatmigen  Gedichte  in  lO- 
und  II  silbigen  Zeilen  sich   besser  zur  Übertragung   ins   Deutsche    eignen  als 


•  Bei  dieser  erneuten  Beschäftigung  mit  dem  Buche  der  Lieder  und  dem 
der  Sonette  gelang  es  mir  für  manche  noch  ungelöste  Frage  die  Antwort  zu 
finden,  weshalb  ich  jiînen  beiden  Bänden  noch  einen  zweiten  Aufsatz  ge- 
widmet habe. 


STORCK,    CAMOENS    S^UdMTLICHE  GEDICH1*E.  1 33 

die  I4zeiligen  Sonette  und  als  die  kurzen  Lieder  in  Zeilen  von  nur  4  bis  8 
Silben.  Ich  möchte  wohl  wissen  ob  auch  der  begeistertste  Verehrer  des 
Sonettisten  Camoens,  ob  Nikolaus  Delius  mit  demselben  Hochgeiühl  das  Ori- 
ginal und  die  Übertragung  liest  ?  und  ob  Bernhard  Ten-Brink,  den  der  frische 
Wald  und  Wiesenduft  der  Redondilhas  am  meisten  entzückt,  nicht  findet, 
dafs  selbige  in  der  deutschen  Sammlung  hie  und  da  ein  klein  wenig  nach 
Herbarium  riechen? 

Ich  persönlich  gestehe,  dafs  ich  alle  Glossen  Vilancetes,  Cantigas  und 
Endechas,  also  alle  die  Dichtgattungen,  welche  Spanien  und  Portugal  ur- 
eigentümlich sind,  und  nur  aus  ihrem  Boden  wahrhaft  rein,  reich  und  schön 
emporwachsen,  wie  gleichfalls  die  Sonette,  sehr  gern  in  Storcks  Übertragung, 
aber  lieber  noch  im  Originale  lese;  dafs  ich  die  Feinschleiferei  dieser  Edel- 
steine nur  am  Originale  ganz  würdige,  unmittelbar  auffasse  und  mit  einem 
Schlage  verstehe.  Vielleicht  ist  im  Deutschen  nichts  verloren  gegangen,  weder 
von  der  Feinheit  des  Gedankens  noch  von  der  Kunst  des  Ausdrucks  im  So- 
nette, noch  von  der  Frische,  Herzlichkeit  und  Innigkeit  des  Gefühls,  welches 
sie  belebt,  nichts  auch,  weder  von  der  Schlichtheit  und  Anmut  noch  von  der 
Schelmerei  und  der  kecken  Grazie  der  Redondilhas,  jedenfalls  aber  kommt 
es  nicht  so  spontan  und  unmittelbar,  so  plötzlich  und  unverkennbar  zum  Be- 
wufstsein  des  Lesers.  Erst  nach  mehrmaliger  Lektüre,  erst  nach  längerem 
und  aufmerksamen  Suchen  entdeckt  man  oft  die  einzelnen  Schönheiten  und 
spürt  den  feinen  Erdgeruch  den  diese  südlichen  Blumen  ausströmen.  Auch 
die  Sestinen,  diese  kunstvollen  Spielereien,  rechne  ich  zu  den  durch  Über- 
setzung eine  gewisse  Einbufse  erleidenden  Gedichten. 

Anders  ist  es  mit  den  Canzonen ,  den  Oden ,  den  Idyllen ,  den  Octaven 
und  den  echten  Elegien,  die  ich  deutsch  ebenso  gern,  ja  vielleicht  noch  lieber 
lese  als  portugiesisch  (und  nicht  ich  allein);  anders  —  das  bleibe  nicht  uner- 
wähnt —  auch  mit  dem  längsten  der  Redondillengedichte,  mit  dem  herrlichen 
„Zion  und  Babel"  (Bd.  I  No.  l),  das  sich  allen  Canzonen  und  Elegien  und 
Oden  ebenbürtig  zur  Seite  stellt.  Da  vermisse  ich  nichts:  im  Reim  und 
Rhythmus,  in  Wort  und  Bild  begegnet  nicht  das  Kleinste,  was  auf  mühseliges 
Arbeiten  zu  schliefsen  zwänge.  In  den  Oden,  wahren  Mustern  ihrer  Gattung, 
die  in  den  modernen  Litteraturen  schwerlich  ihres  Gleichen  finden,  entzückt 
die  klassische  Einfachheit,  der  ruhige  Adel  der  Sprache,  in  der  Übersetzung 
genau  so  wie  im  Original;  in  den  Canzonen  flammt  dieselbe  mächtig  ergrei- 
fende Begeisterung,  dieselbe  Inbrunst  des  Gefühls  und  der  Leidenschaft,  die- 
selbe Schwermut  und  Bitterkeit,  hier  wie  dort;  die  Elegien  glänzen  in  der 
gleichen  durchdachten  Wohlordnung,  der  kunstvolle  Aufbau  der  Gedanken 
und  ihre  kühne  Entwickelung  ist  hier  wie  dort  von  plastischer  Klarheit;  aus 
den  Octaven  spricht  der  gleiche  tiefe  Ernst,  die  gleiche  Vornehmheit;  aus  den 
Idyllen  dieselbe  liebliche  Anmut  und  Weichheit,  derselbe  Reichtum  der  Mo- 
dulationen. Wer  das  Buch  der  Elegieen,  Oden  und  Octaven  und  das  Buch 
der  Canzonen  und  Idylle,  also  den  3.  und  4.  Band  der  Storck*schen  CamSes- 
Übersetzung,  zu  sich  sprechen  läfst,  gleichviel  ob  im  Urbilde  oder  im 
deutschen  Nachbilde,  der  wird,  wenn  er  Herz  und  Sinn  für  echte  Poesie 
hat,  nicht  anstehen,  den  Lyriker  Luis  de  Camoens  den  gröfsten  Dichtern  aller 
Zeiten  gleichzustellen.  Tritt  er  aber,  nachdem  er  diese  Einsicht  gewonnen, 
noch  einmal  den  drei  Centurien  seiner  Sonette  näher,  und  lernt  er  seine  fast 


134  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     C.  M.  DE  VASCpNCELLOS, 

ausnahmslos  wie  Edelsteine  leuchtenden  Lieder  schätzen  und  in  ihrer  natio- 
nalen Eigentümlichkeit  verstehen  und  geniefsen,  so  wird  er  die  Behauptung 
nicht  zu  kühn  fìnden,  dais  Camoens  über  die  gröfsten  romanischen  Lyriker 
der  Neuzeit,  über  Dante,  Petrarca,  Ariost  und  Tasso  noch  hinausragt.  Er 
ist  der  vollkommenste  Vertreter  des  nationalen  Genius,  wie  er  sich  in  zvrie- 
facher  Weise  geoffenbart  hat.  Wie  Camoens  in  seinen  Liedern,  in  seinem 
Cancioneiro  denkt,  fühlt,  liebt,  wirbt,  trauert  und  klagt,  so,  mit  denselben 
Worten,  Empfindungen,  Bildern  und  Scherzen  denkt  und  fühlt  das  portu- 
giesische Volk,  in  dessen  jetzt  endlich  mit  Kunst  und  Verständnis  aus- 
gebeuteter Litteratur  zahllose  Perlen  leuchten.*  Und  gerade  so  wie  Camöes 
träumte,  schwärmte,  glaubte,  grübelte  und  philosophirte  in  seinem  an  alt-  und 
neuklassischen  Reminiscenzen  so  überreichen  Parnafs,  so  dachte  im  i6.  Jahrh. 
der  mit  der  Milch  des  Altertums  und  der  Renaissance  grofsgezogene ,  im 
Waifenhandwerk  wohlgeübte  portugiesische  Edelmann 

„n*uma  mäo  a  espada,  noutra  a  lyrn'*. 
Wird  Camoens   den   ihm  zukommenden  Rang   unter  den  gröfsten  lyrischen 
Dichtern,   den  ihm  die  öffentliche  Meinung  in  Deutschland  bisher  nicht  zu- 
erkannt,  nunmehr  einnehmen,   so   wird   er   diese  späte  Anerkennung  seinem 
genialen  Übersetzer  danken. 

In  meinen  Augen  war  es  gut,  dafs  Storck  uns  zuerst  das  Liederbuch 
des  Camoens  bot,  dann  die  Sonette  und  erst  zum  Schlüsse  die  Canzonen  und 
Oden  etc.  Er  hat  seine  Leser  so  stufenweise  von  den,  als  Übersetzung  we- 
niger vollendeten  Werken  zu  den  wirklich  vollendeten  geführt;  vielleicht  ganz 
ohne  es  zu  wissen  und  zu  wollen?  Denn  es  ist  wohl  möglich,  dafs  seine 
Ansicht  und  Absicht  eine  andere;  dafs  der  erste  der  vier  Bände  ihm  der. 
werteste  ist,  und  dafs  er  ihn  vorangeschickt  hat,  um  die  Herzen  Deutschlands 
für  seinen  Liebling  im  Sturm  zu  gewinnen.  Zwar  hat  er  allen  Gedichtgnippen 
hingebende  Pflege  und  Sorgfalt  zugewandt,  ja  man  kann  sagen  die  gleiche, 
insofern  als  er  sich  von  keiner  einzelnen  Dichtung  getrennt  hat,  nicht  vom 
längsten  540  Zeilen  zählenden  Idyll,  und  nicht  vom  kürzesten  funfversigen 
Liedchen,  ohne  es  so  voll  und  ganz  verstanden  zu  haben,  wie  seine  Kennt- 
nisse und  seine  Hülfsmittcl  es  zuliefsen ,  und  nicht  ohne  mit  aller  Mühe  und 
mit  Aufgebot  seiner  ganzen  Sprachgewandtheit  und  seines  feinsten  dichterischen 
Formensinns  bis  zu  glücklichem  Gelingen  an  seiner  Verdeutschung  gefeilt  zn 
haben.  Von  einer  absolut  gleichen  Verwendung  von  Arbeitskraft  kann  aber 
trotzdem  natürlich  ebensowenig  die  Rede  sein,  wie  von  ganz  gleichem  Ge- 
lingen. Manch  ein  Sonett  und  manch  ein  kleines  Vilancete  ist  vielleicht 
schwerer  zu  erobern  gewesen  und  dennoch  weniger  ruhmvoll  bezwungen  worden 
als  ungleich  umfangreichere  Gedichte,  die  dem  Dichter  verhältnismäfsig  ge- 
ringe Sorge  gemacht.  Gleichwie  aber  Eltern  an  denjenigen  Kindern  am 
meisten  hangen,   welche  ihnen   die   gröfste  Last  gewesen  sind  und  ihnen  die 


*  Wie  emsig  eine  Reihe  jüngerer  Forscher  jetzt  hier  zu  Lande  bemüht 
ist,  die  verborgenen  Schätze  der  port.  Volkspoesie  zu  heben,  ist  auch  in 
Deutschland  schon  bekannt.  Ganz  abgesehen  von  den  Arbeiten  eines  A.  Coelho, 
Theophilo  Braga,  Consiglieri-Pedroso,  die  längst  gewürdigt  werden,  und  von 
den  ganz  vortrefflichen  eines  I.  Leite  de  Vasconcellos ,  verdienen  Beachtung 
die  Leistungen  von  Teixeira  Bastos,  I.  Vieira  de  Andrade,  Reis  Dámaso, 
A.  de  Sequeira-Ferraz,  A.  Thomaz  Pires,  Braz  de  Sa  etc. 


STOKCK,   CAMOENS'  SÄMMTLICHE:  GEDICHTE.  1 35 

bitterste  Angst  und  Not  bereitet  haben,  so  hängt  auch  Slorck  —  nach  meinem 
Empfinden  —  mit  der  heifsesten  Liebe  an  all  den  Kindern  seines  Geistes, 
die  im  Buche  der  Lieder  und  in  dem  der  Sonette  lieblich  blühen,  nachdem 
er  mit  heifsem  Bemühen  ihren  schwer  zu  fesselnden  und  zu  brechenden  Eigen- 
sinn gebändigt  hat.  Wir  anderen  aber,  die  wir  nicht  mit  Vater-  und  Mutter- 
augen auf  sie  blicken,  vertreten  den  entgegengesetzten  Standpunkt:  wir  lieben 
am  innigsten  jene  gottbegnadeten  Kinder,  die  wenig  Mühe  kosten  und  wie 
von  selbst  aus  innerer  Trieb-  und  Gestaltungskraft  emporwachsen  zu  herrlicher 
Jugendblüte;  wir  erfreuen  uns  am  meisten  an  den  Gedichten,  an  welchen 
kein  Schweifstropfen  von  überwundenen  Mühen  spricht,  und  lesen  daher  mit 
noch  freierem  und  reineren  Genüsse  als  im  ersten  und  zweiten,  im  dritten  und 
vierten  Bande  der  Storck'schen  Camoens-Übersetzung,  die,  wie  gesagt,  meine 
volle  und  ganze  Bewunderung  hat. 

Wollte  ich  nur  die  Übersetzung  als  solche  würdigen  ',  so  könnte  ich  mir 
eigentlich  jede  Kritik  ersparen.  Denn  die  Bedenken,  welche  sich  an  diese 
knüpfen,  sind  wenige  und  ganz  geringfügige.  Weil  aber  unverbrüchliche 
Treue,  „Treue  nach  Wort  und  Geist,  nach  Form  und  Gehalt,  die 
keine  Zutat  oder  Verringerung  duldet,  sodafs  der  eigentümliche 
Ton  des  Urbildes  lebendig  wiedertöne  vom  Nachbild,  im  ge- 
messensten Silben  fa  11"  der  mit  Strenge  eingehaltene  Grundsatz  der 
Storck'schen  Übersetzung  ist,  so  mufs  ich,  um  ihm  und  mir  selber  nicht  untreu 
zu  werden,  eine  jegliche  kleinste  Stelle  hervorheben,  in  der  ich  wissentliche  oder 
unwissentliche  Abweichungen  von  diesem  Grundsatz  sehe,  Abweichungen,  die 
—  zur  Ehre  des  Übersetzers  sei  es  ausdrücklich  hervorgehoben  —  stets  nur 
aus  einem  Mifsverstehen  oder  Nichtvcrstehen  dunkler  und  schwieriger  oder 
verderbter  Stellen  hervorgegangen  sind,  niemals  aber  Bequemlichkeit  oder 
Verschönerungssucht  oder  Reimesnöte  zu  ihren  Ursachen  haben.  Sie  sind 
nur  da  zu  suchen,  wo  Unklarheiten  im  Texte  vorhanden  sind  ;  d.  h.  wo  not- 
gedrungen ein  Rest  von  Unsicherheit  über  des  Dichters  wahre  Absichten 
übrig  bleiben  und  des  Übersetzers  oder  Kritikers  subjektive  Ansicht  über 
die  Formulierung  und  Ausdeutung  der  betreifenden  Stellen  frei  entscheiden 
muís.  Solcher  Stellen  hebe  ich  im  Folgenden  einige  hervor,  und  ver- 
suche sie  anders  .ils  Storck  zu  verdollmetschen.  Wer  das  rechte  getroffen.'' 
darüber  wird  der  Leser  entscheiden.  —  Über  ganz  kleine  Verschönerungen, 
die  der  Nachdichter  sich  erlaubt  hat,  wie  z.  B.  oftmals  durch  Übertragung 
eines  einfachen  Begriffs  durch  eine  alliterirende  Formel  wie  Wind  und  Welle, 
Wehr  und  Waffen,  Herz  und  Hirn ,  Thun  und  Trachten ,  Schirm  und  Schutz 
etc.,  wird  Niemand  mit  ihm  rechten  wollen,  weil  er  erwidern  könnte,  mit 
einem  der  Zwillingswörter  sei  der  Inhalt  des  entsprechenden  portugiesischen 
Wortes  nicht  erschöpfend  dargelegt,  und  im  Übrigen  seien  diese  Formeln 
auch  nichts  als  ein  specifìsch  deutscher  Ersatz  für  die  Einbufse  an  vokalischem 
Wohllaut,  den  sich  jedes  romanische  Werk  bei  seiner  Verpflanzung  nach 
Deutschland  gefallen  lassen  müsse.  Ich  für  mein  Teil  würde  den  Zierrat,  von 
dem  ich  spreche,  ungern  entbehren. 


*  Mit  enthusiastischem  Lobe  und  grofser  Ausführlichkeit  hat  das,  für 
den  ersten  Band,  ein  des  Deutschen  mächtiger  Camoenskenner,  der  Graf  von 
Samodäes,  im  „Annuario  da  Sociedade  Nacional  Camoniana"  gethan. 


136  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     C.  M.  DE  VASCONCELLOS, 

Der  Zweck  dicbcs  Aufsalzch  aber  ist  nicht  die  \Vürdi[;ung  der  Über- 
setzung als  Kunstwerk  ;  wie  die  Besprechung  von  Band  I  und  II  gezeigt,  will 
ich  vor  allem  die  Arbeit  des  Gelehrten,  den  Kommentar,  beurteilen,  und  dafs 
dieser  zu  mancher  Bemerkung  Veranlassung  geben  muís,  ist  naturgemäfs. 
Viele  Fragen  sind  von  Storck  zum  ersten  Male  angeregt  worden.  Eine  absolut 
abschlicfsendc  Arbeit  über  Camoens  und  seine  Werke  kann  eben  heute  noch 
nicht  geliefert  werden. 

Dem  Kommentar  wende  ich  mich  daher  vorwiegend  zu. 

Ich  berichte  kurz  und  bündig  über  den  Inhalt  von  Band  III  und  IV, 
zeige  welches  die  Anordnung  der  verschiedenen  Gedichtgnippen  ist  und  nehme 
dabei,  wie  in  den  vorigen  zwei  Aufsätzen,  besondere  Rücksicht  auf  die  Va- 
rianten, und  auf  alles  Apokryphe  und  Unechte,  weil  eben  die  Feststellung 
dessen,  was  an  dem  Überlieferten  echt  und  unecht  ist,  so  wie  die  endgültige 
Fixierung  des  Wortlautes  im  verbürgt  Echten  zunächst  zu  den  Hauptaufgaben 
jedes  Camoensforschers  gehört.  Nachfolgt  eine  Reihe  von  Einzelberaerkungen 
über  die  Punkte,  die  mir  in  der  Übersetzung  oder  im  Kommentar  falsch  ge- 
deutet zu  sein  schienen,  und  zum  Schlüsse  abermals  ein  Verzeichnis  der 
Lesarten,  welche  ich  aus  der  Miscellanea  Juromcnha  sammeln  durfte. 

I. 

Band  drei  und  vier  vervollständigen  den  „Pamafs",  dem  schon  das 
Buch  der  Sonette  zugehörte,  d.  h.  sie  bieten  beide  nur  Gedichte  in  italienischer 
Manier,  in  Ilendekasy Hüben.  Der  dritte  ist  Theophilo  Braga  und  Francisco 
Adolpho  Coelho,  der  vierte  dem  Visconde  de  Juromenha  gewidmet,  d.  h.  den- 
jenigen dreien  unter  allen  lebenden  Portugiesen,  welche  zur  Erforschung, 
Klärung  und  Verbreitung  der  Werke  des  Lusiadensängers  das  wesentlichste 
beigetragen  haben. 

Der  dritte  Band  enthält  vier  Gedichtgruppen  oder  „Bücher**,  wie  der 
Verfasser  sie  nennt:  1.  Elcgieen;  2.  Sestincn;  3.  Oden;  4.  Octaven;  nicht 
etwa  wegen  innerer  Verwandtschaft  oder  äufserer  Ähnlichkeit  derselben, 
sondern  einerseits  nur  um  den  Umfang  des  Bandes  mit  den  übrigen  dreien 
gleichmäfsig  zu  gestalten,  wie  das  Vorwort  sagt,  andrerseits  aber,  wie  ich  hin- 
zufüge ,  wohl  auch  um  die  Canzonen  und  die  Idyllen ,  d.  h.  um  diejenigen 
Teile  der  kamoinanischcn  Lyrik,  welche  der  Übersetzer  schon  einmal  in  die 
Welt  hinaus  gesandt  hatte,  die  also  jetzt  nur  in  zweiter  Auflage  erscheinen, 
im  vierten  Bande  vereint  zu  bieten. 

Wären  diese  beiden,  durchaus  zu  billigenden  Rücksichten  nicht  mafs- 
gebcnd  gewesen,  so  hätte  Storck  sicherlich  den  Oden  die  Canzonen  angereiht, 
wegen  ihrer  innerlichen  und  wesentlichen  Verwandtschaft,  die  so  grofs  ist, 
dafs  sie  die  alten  Herausgeber  bestimmt  hat,  aus  beiden  nur  eine  Gruppe  zn 
machen  und  in  ihren  Urteilen  über  den  Wert  der  einzelnen  Dichtgattnngen 
die  Oden  und  Canzonen  nie  von  einander  zu  trennen.  Den  Canzonen  aber 
hätte  Storck  vermutlich  die  Sestinen  nachgeschickt,  weil  sie  in  Wahrheit,  trotz 
ihrer  scharf  abgegrenzten  Eigentümlichkeit  doch  nur  eine  Abart  der  Canzonen 
sind,  mit  welchen  sie  das  „Geleit"  gemein  haben,  jene  kurze  Schlufsstrophe, 
welche  das  Lied  mcisthin  an  ein  ersehntes  Ziel  sendet.  Hat  doch  dieser  Um* 
stand  Camoens  selbst  dazu  geführt,  seine  zweite  Sestine  mit  „CancaÖ"  an- 
zureden, vielleicht   im  Gedanken  an  Petrarca,  der  in  seiner  7.  und  schönsten 


SrOKCK,   CAMO£NS'  SÄMMTLICUE  GEDICHTE.  137 

canzonenähnlichslen ,  das  gleiche  getan.  Und  hat  doch  Slorck  aus  den  von 
Braga  „Sestineü"  benannten  Gedichten  eines,  und  aus  den,  von  Soropila  bis 
auf  Juromenha,  Oden  genannten  ein  anderes  herausgeholt  und  unter  die  Can- 
zonen  verwiesen!  ein  Beweis  für  die  Unsicherheit  der  Grenzen,  welche  die 
drei  Gebiete  von  einander  trennen.  —  Zu  einer  zweiten  Gruppe  hätte  er  wahr- 
scheinlich die  Octaven,  Elegien  und  Idylle  geeint:  den  Octaven,  unter  denen 
die  echten  sammt  und  sonders  „Sendschreiben"  an  Freunde  und  Gönner  sind, 
hatte  er  diejenigen  unter  den  Terzinendichtungen  nahegerückt,  welche,  weit 
entfernt  davon,  elegischen  Inhalts  zu  sein,  nichts  anderes  als  auch  sogenannte 
„Kapitel'*  und  „Episteln",  d.  h.  Briefe  sind,  wie  z.  B.  4,  5  und  22  ;  die  elegisch 
und  idyllisch  angehauchten  6,  7,  23  unter  den  Elegien  hätte  er  dicht  vor  die 
Idylle  gesetzt,  und  zwar  vriederum  denjenigen  zunächst,  welche  auch  äufser- 
lich,  durch  ihre  Einkleidung  in  Terzinen,  denselben  ähnlich  sehen.  Beson- 
deren Wert  oder  besondere  Wichtigkeit  lege  ich  übrigens  solcher  Ordnung 
nicht  bei,  ebensowenig  wie  der  Reihenfolge  der  einzelnen  Nummern  innerhalb 
jeglicher  Kategorie. 

Was  diese  betrifft,  so  hat  Storck,  wie  ich  bereits  früher  andeutete 
(IV  598  und  V  102),  sich  keinem  allgemein  bindenden  Gesetz  unterworfen, 
das  für  die  „Sämmtlichen  Gedichte"  gälte.  Im  Buche  der  Lieder  ist  die 
Reihenfolge  der  Gedichte  eine  nach  der  Zusammengehörigkeit  ihrer  metrischen 
Formen  vom  Verfasser  selbständig  vorgenommene  :  auf  Strophen  ohne  Refrain 
folgen  Strophen  mit  Refrain  und  zwar  zuerst  Glossen,  dann  Volten  ;  innerhalb 
dieser  Unterabteilungen  aber  ist  weder  eine  Zusammenordnung  nach  äufseren 
Rücksichten,  so  d^fs  z.  B.  alle  Quintilhas  auf  einander  folgten,  versucht  worden, 
noch  eine  nach  der  Chronologie  der  Ausgaben.  Nur  der  Geschmack  und  der 
freie  Wille  Storcks  hat  über  ihre  Anordnung  entschieden.  Im  Buche  der 
Sonette  ward  an  der  von  Juromenha  eingehaltenen  Ordnung,  welche  aui 
José  Thomas  de  Aquino,  und  in  letzter  Linie  auf  Faria-e-Sousa  zurückweist, 
nichts  geändert,  so  dafs  die  Sonette  sich  in  bunter  Reihe  darbieten.  Im  Buche 
der  Elegieen  ist  das  gleiche  geschehen  ;  im  Buche  der  Sestinen  hingegen 
ist  das  von  Braga  durchgeführte  Princip  der  Ordnung  je  nach  der  späteren  oder 
früheren  Veröffentlichung  befolgt  worden.  Im  Buche  der  Oden  und  dem 
der  Octaven,  sowie  im  Buche  der  Canzonen  und  dem  der  Idyllen  ist 
wieder  Juromenha  das  Vorbild  gewesen,  das  in  diesen  Fällen,  jedoch  weder 
von  Braga  noch  von  den  alten  Herausgebern  abweicht,  da  keiner  derselben 
sich  veranlafst  gesehen  hat,  an  der  ihm  überkommenen  älteren  Anordnung 
etwas  wesentliches  zu  ändern. 

Gegen  das  Princip  Varianten  nicht  als  selbständige  Gedichte 
zu  zählen,  und  gegen  das  andere  auch  das  mit  Unrecht  Camoens  zu- 
gesprochene Gut  wie  sein  rechtmäfsiges  Besitztum  zu  behandeln, 
ist  mehrfach  verstofsen  worden  wie  ich  an  einzelnen  Fällen  zeigen  werde. 
Doch  wird  einerseits  Niemand  mit  dem  Dichter  in  Undankbarkeit  darüber 
rechten  wollen,  dafs  er  uns  mehr  bietet  als  er  versprochen;  und  andererseits 
wird  kaum  Jemand  Klage  darüber  erheben,  dafs  einige  grofse  didaktische 
Poemata,  die  ohnedies  in  den  Rahmen  der  lyrischen  Gedichte  schlecht  hinein- 
passen, von  der  Verdeutschung  ausgeschlossen  worden  sind.  Es  sind  das, 
erstens  die  langweilige  Microcosmographia  des  Falcäo  de  Resende,  die  längst 
von  der  allgemeinen  Meinung,  von  allen  Herausgebern,  und  von  den  Litterar- 


138  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     C.  M.  DE  VASCONCELLOS, 

historikern  ihrem  wahren  Autor  zugewiesen  ward  ;  zweitens  die  apokryphe 
Übersetzung  der  Trionfi  des  Petrarca,  und  drittens  die  doch  nur  sehr  relativ 
schönen  Stanzen  des  Diogo  Bern  ardes  auf  die  heilige  Ursula,  zu  deren,  erst 
auf  eigene  Hand  vorgenommenen  Entfernung,  die  Indignation  Storck,  den 
eifrigen  Anwalt  des  armen  Prügelknaben  Diogo  Bernardes,  getrieben  hat  — 
sie  alle  werden  kaum  mit  schmerzlicher  Sehnsucht  vermifst  werden.  Anders 
steht  es  mit  zwei  weiteren  Gedichten,  die  auch  als  unechte  entfernt  worden 
sind  :  mit  den  72  Octaven  „Echo  und  Narcifs",  die  an  poetischem  Wert  durch- 
aus nicht  gering  sind,  und  mit  der  16.  Idylle,  die  überaas  Heblich  und  reiz- 
voll ist.  Warum  der  Dichter  sie  stiefväterlich  behandelt,  sehe  ich  nicht  recht 
ein,  oder  doch,  ich  sehe  es  ein,  billige  es  aber  nicht.  Die  Frage  nach  ihrer 
Echtheit  kommt  für  Storck  gar  nicht  in  Betracht,  da  mehr  denn  hundert  der 
übersetzten  Gedichte  mit  eben  so  wenig  Recht  wie  diese  beiden  unter  Ca» 
moens  Werken  belassen  werden;  und  auch  die  Frage  nach  Wert  oder  Un- 
wert ist  nicht  von  bestimmenden  Einflufs.  Ebensowenig  die  Frage,  ob  das 
Werk  Übersetzung  oder  Original  sei,  da  es  aller  Wahrscheinlichkeit  nach, 
Übersetzung  nur  in  demselben  Sinne  genannt  werden  darf,  wie  die  Amphi- 
triSes  eine  Übersetzung  des  Plautus,  die  Redondilhen  „Zion  und  Babel"  eine 
Übersetzung  des  126.  Psalms  und  Elegie  XI  eine  Übersetzung  von  Sannazaro, 
„De  morte  Christi  Domini  ad  mortales  lamen  ta tio"  ist.  Was  Storck  bewegt 
hat,  gerade  besagte  Octaven  und  die  16.  Idylle  auszuscheiden,  im  Gegensatz 
so  zu  vielen  anderen  als  unecht  erkannten  und  erwiesenen  und  doch  grund- 
sätzlich berücksichtigten  Stücken,  ist  nur  seine  Bescheidenheit  und  seine 
Dankbarkeit.  Weil  Theophilo  Braga,  der  jüngste  aller  Camoensheransgeber, 
und  der  bedeutendsten  einer,  dessen  litterarhistorische  Werke  Storck  sein 
umfassendes  Studium  des  Dichters  erst  ermöglicht  haben,  die  beiden  von 
Juromenha  aufgelesenen  Stücke  für  unecht  erklärt  und  in  seine  Ausgabe  nicht 
aufnimmt,  darum  hält  der  deutsche  Dichter  sich  für  verpflichtet  das  gleiche 
zu  tun.  Nicht  wahr  lieber  Freund,  so  und  nicht  anders  ist  es?  Von  den- 
jenigen unechten  Gedichten,  denen  dennoch  dem  Princip  gemäfs,  ihre  Stelle 
unter  den  echten  belassen  ward,  soll  gleich  die  Rede  sein. 

In  ihrer  Einrichtung  entsprechen  Band  III  und  IV  genau  den  beiden 
früherrn.  Jedes  Gedicht  hat  eine  Überschrift  erhalten.  Unter  jeder  Über- 
schrift steht  die  Stelle  verzeichnet,  wo  sich  die  Originale,  erstens  in  der  in 
Deutschland  bekanntesten  und  gebräuchlichsten  Hamburger  Textaasgabe  »tH**, 
und  zweitens  und  drittens  wo  sie  sich  in  den  in  Portugal  verbreitetsten  und 
gelesensten,  weil  besten  und  modernsten  und  vollständigsten  Ausgaben,  von 
Juromenha  und  Braga  (,^**  und  ,3**)  finden.  Über  die  früheste  Veröffent- 
lichung der  einzelnen  Gedichte  in  den  Camoens- Ausgaben  gicbt  das  Verzeich- 
nis der  Anfangszeilen  einen  Überblick,  der  durch  die  einleitenden  Vorbe- 
merkungen zu  dem ,  jede  Gedichtgruppe  begleitenden ,  Kommentar  noch 
erweitert  [und  in  seinen  Einzelheiten  deutlicher  gemacht  wird.  Dieselben 
Orientiren  auch  über  die  Gesammtzahl  der  Camoens  zugeschriebenen  Gredichte 
jeglicher  Gruppe,  übet  ihre  Anordnung,  ihre  Echtheit  etc. 

In  Strophenbau  und  Reimstellung  stimmt  die  Übersetzung,  wie  nicht 
anders  zu  erwarten,  mit  dem  Original  überein.  Nur  in  einem  Punkte  weicht 
die  Nachbildung  von  der  Vorlage  ab.  „Camoens  bedient  sich  (und  zwar  nicht 
blos  hier)  regellos  der  verschiedenen  Reimarten  und   hat  bald  stumpfen,  bald 


SrOKCK,    CAMOENS'SÄMMTLICUE  GEDICHTE.  1 39 

klingenden  Versschlufs  oder,  wenn  man  Heber  will,  bald  männliche  bald  weib- 
liche Reimwörter.  Der  Übersetzer  hat  diese  Willkür  vermieden  und  als 
Gesetz  befolgt,  dafs  in  den  Elegie  en  (Terzinen)  die  beiden  Keimarten  stets 
wechseln;  in  den  Sestinen,  wie  das  auch  bei  Camoens  der  Fall  ist,  nur 
klingende  Reime  verwendet  werden;  und  in  den  Oden  sowie  in  den  Octaven 
sämmtliche  Strophen  jedes  Gedichtes  hinsichtlich  der  gewählten  Keimarten 
einander  strenge  entsprechen.  Überall  klingender  Ausgang  würde  dem  deut- 
schen Ohre  misfallen,  und  daher  ist  in  den  Otlave-rime  entweder  Vers  i,  3, 
5,  7,  8  weiblich  und  Vers  2,  4,  6  männlich,  oder  aber  V.  i,  3,  5  männlich 
und  V.  2,  4,  6  weiblich  ;  7  und  8  hat  der  Übersetzer  im  letzteren  Falle  meist 
auch  weiblich  gewählt.     Unreine  Reime  sind  durchaus  vermieden.'* 

Der  Kommentar  ist  sehr  umfangreich.  Während  er  in  Band  I  50  Seiten 
und  in  Band  II  78  in  Anspruch  nahm,  füllt  er  in  Band  III  136  und  in  Band  IV 
134  Seiten.  Grofser  Fleifs,  grofse  Sorgfalt,  tüchtigstes  Wissen,  kritischer 
Scharfblick  und  Unparteilichkeit  sprechen  daraus.  Die  Frage  nach  der  Echtheit 
oder  Unechtheit  jedes  Gedichtes  wird  erwogen;  die  äufseren  und  die  inneren 
Gründe,  welche  für  oder  gegen  die  Authenticität  der  Überschriften  sprechen, 
werden  dargelegt;  es  wird  versucht  jedes  Werk  zu  datiren,  Zeit,  Ort  und 
Anlafs  seiner  Abfassung  festzustellen;  aus  jedem  werden  die  etwa  darinnen 
versteckten  autobiographischen  Bekenntnisse  herausgelöst,  ohne  dafs  doch 
solche  überall  da  gesucht  würden,  wo  sie  nicht  sind;  das  Verhältnis  zu 
Freund  und  Feind  wird  geprüft;  die  mythologischen,  historischen  und  litte- 
rarischen Anspielungen  werden  gedeutet,  auf  des  Dichters  Quellen  wird  hin- 
gewiesen, Entlehnungen  werden  bemerkt,  kurz  alles  was  zum  vollen  Verständ- 
nisse der  Lyrica  Camoniana  gehört,  wird  emsig  zusammengetragen  und  so  ein 
reiches  Material  gesammelt,  das  dem  künftigen  Biographen  des  Dichters  die 
sichere  Basis  geben  wird,  auf  der  er  bauen  kann. 

Mit  den  Hülfsmitteln ,  die  Storck  zu  Gebote  standen,  konnte  er  nichts 
Vorzüglicheres  leisten.  Diese  Hülfsmittel  aber  —  das  sage  ich  frank  und  frei  — 
reichen  noch  immer  nicht  aus;  es  ist  darin  eine  grofse  Lücke,  es  fehlen  die 
historischen  Quellenwerke.  Der  Krieger  Luis  de  Camoens  ist  in  Europa,  Afrika 
und  Asien  in  starkbewegter  Zeit  mit  vielen  historisch  hochberühmten  Männern 
in  Berührung  gekommen,  er  hat  teilgenommen  an  manchem  Feldzug.  Daher 
berichtet  er  über  viele  Ereignisse,  viele  Persönlichkeiten,  deren  nähere  und 
intime  Bekanntschaft  man  nur  in  portugiesischen  Spezial-Chroniken  und  Me- 
moiren machen  kann,  über  die  man  in  umfassenden  Geschichtswerken,  wie 
Schäfer  es  ist,  aber  gar  nicht,  oder  doch  nur  höchst  flüchtig  unterrichtet  wird. 
Storck  schöpft  seine  Kenntnisse  über  Indien  und  die  indischen  Vicekönige 
und  Gouverneure,  über  Afrika  und  über  die  Kapitaine  von  Tanger,  Ceuta  und 
Arzilla,  seine  Vertrautheit  mit  Namen  wie  Constantino  de  Bragança,  Francisco 
Coutinho,  Francisco  Barreto,  D.  Henrique  de  Menezes,  Femäo  de  Castro, 
SimSo,  Gonzalo,  Alvaro  da  Silveira,  Pedro  da  Silva,  Miguel  de  Menezes  etc. 
nur  aus  zweiter  Hand:  nur  was  Faria-e-Sousa ,  Juromenha,  Braga  etc., 
was  also  die  Biographen  und  Kommentatoren  des  Dichters  zur  Illustration 
seiner  Werke,  aus  den  Quellenwerken  ausgezogen,  kann  er  selbst  —  unter 
Zuhülfenahme  von  Schäfers  Geschichte  Portugals  —  benutzen,  kontrollieren, 
berichtigen  und  bezweifeln.  Und  er  thut  das,  wie  gesagt,  mit  möglichster 
Sorgfalt,  mit  gesundester  Kritik  und  kommt  oft  zu  überraschenden  und  über- 
zeugenden neuen  und  sicheren  Resultaten. 


140  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     C.  M.  DE  VASCONCELLOS, 

Und  doch,  wer  die  Quclknwcrke  selbst  studiert  —  der  empfindet  und 
fühlt  unendlich  oft,  dais  manche  Darstellung,  manches  Urteil,  manche  Aus- 
einandersetzung derselben  auf  dem  Wege  durch  die  Hand  eines  Faria-e-Sousa, 
Juromenha  und  Braga,  stark  modificiert  worden  ist,  und  dafs  Storck,  der  unpartd- 
liehe  und  gewissenhafte,  manche  Charakteristik  eines  Helden,  manche  Schilderung 
einer  Schlacht  ganz  anders  gefärbt  und  formuliert  haben  würde,  wenn  er  direkt 
und  selbständig,  unbeeinflufst  durch  die  trügerischen  Schattenbilder,  welche 
die  späteren  Berichterstatter  gezeichnet,  die  treuen  echten  Originalbilder  selbst 
gesehen  hätte.  Oft  habe  ich  gedacht:  wie  Schade  dafs  Storck  nicht  Diogo 
de  Couto  oder  Barros,  oder  Gaspar  Correa  zur  Hand  gehabt!  Von  welchem 
Nutzen  wäre  es  ihm  bei  Feststellung  der  verwandtschaftlichen  Beziehungen 
der  einzelnen  von  Camoens  gefeierten  Glieder  der  grofsen  Âdelsfamilien  der 
Menezes ,  Noronhas ,  Silveiras  und  Silvas  zu  einander  gewesen  *,  wenn  er  die 
grofse  „Historia  Genealogica"  von  Caetano  de  Souza  um  Rat  befragt  hätte? 
Ein  Studium  all  der  Chroniken  und  Memoiren  der  port.  Könige,  die  Kenntnis 
der  so  unvergleichlich  schönen  Geschichtswerke  von  Femäo  Lopez,  Azenheiro, 
Ruy  de  Pina,  DamiSo  de  Goes,  Resende,  Andrada,  Frey  Luiz  de  Scusa,  ganz 
besonders  derer,  welche  die  Regierungen  Emanuels,  Johanns  III.,  Sebastians 
und  des  D.  Henrique  behandeln,  wie  würde  sie  seinen  Enthusiasmus  für  die  von 
Camoens  gefeierten  Helden  entflammt  haben!  Und  welche  Aufklärungen  über 
das  Leben  in  den  aufsereuropäischen  Kolonien  der  Portugiesen  gäbe  ihm  z.  B. 
das  grofse  illustrierte  Reisewerk  von  Linschott  !  '  Manchen  Fehler  im  Kleinen 
hätte  solch  direktes  Zurücksteigen  zu  dem,  was  die  Zeitgenossen  des  Dichters 
über   die   Männer   erzählen,    mit   denen    er   verkehrt,   über   die  Lander,    die 


*  Die  wichtigsten   unter   den   historischen   und   genealogischen  Werken, 
welche  ich  unablässig  befrage,  wenn  ich  die  Dichtungen  des  Camoens  studiere 
und  die  ich  in  diesem  Aufsatz  mehrmals  citiere,  sind  : 
Joäo  de  Barros,  Decadas  I — 4.  ^ 

Diogo  do  Couto,  Décadas  4 — 12. 
Gaspar  Correia,   Leudas   da   India   (Colleccäo   de  Monumentos  Inéditos 

para  a  historia  das  Conquistas  dos   Port,   em  Africa,  Asia  e  America). 

8  vol.,  Lisboa  1858— 1866. 
Jeronymo  Osorio,  Da  Vida  e  feitos  d'El  Rei  D. Manoel.  3  vol.,  Lisb.  1804. 
Damiäo  de  Goes,  Chronica  de  D.  Emanuel.    2  vol.,  Coimbra  1790. 
Francisco  d* Andrada,  Chronica  de  D.  Jo3o  III.    4  vol.,  Coimbra  1796. 

(CoUecçao   de   Livros  Inéditos  de  Historia  Portugeza   dos  Reinados   de 

D.  Joäo  I.,   D.  Duarte,   D.  Alfonso  V.  e  D.  Joäo  IL,   pubi,  por  José 

Correa  da  Serra).     5  vol.,  Lisb.  1790 — 1823. 
Visconde  de  Santarem,  Quadro  Elementar.     17  vol.,  Paris  1842 — 1859. 
Cactano    de    Souza,    Historia    Genealogica    da    Real    Casa   Portugueza. 

12  vol.,  Lisb.  1735 — 1748. 
Cactano  de  Souza,   Provas  da  Hist.  Geneal.     6  vol.,  Lisb.  1739 — 1748. 
Luiz  Cactano  de  Lima,  Geografìa  Histórica.     2  vol.,  Lisb.  1734. 
Jan  van  Huygen  van  Linschotcn,  Itinerario,    i  vol.,  Amsterdam  1596. 
Barbosa  Machado,  Memorias  para  a  Historia  de  Portugal,  que  compre- 

hendem  o  Governo  del  Rpy  D.  SebastiSo.     4  vol.,  Lisb.  1736 — 1751. 
J.  Pereira  BaySo,   Portugal  cuidadoso   e  lastimado  com  a  vida  e  perda 

do  Senhcr  Rey  D.  Sebastiâo.     i  vol.,  Lisb.  1737. 
Fr.  Manoel  dos  Sanctos,  Historia  Sebastica.     i  vol.,  Lisb.  1735. 
D.  Manoel  de  Menezes,   Chronica  de  D.  Sebastiâo.     I  vol.,  Lisb.  1730. 
Fr.  Bernardo  da  Cruz,  Chronica  del  Rey  D.  Sebastiâo.     Lisb.   1837. 
Jeronymo  de  olendo  ça,  Jornada  de  Africa.     Lisb.  1785. 

^  Titel  in  obiger  Liste. 


s 


STORCK,    CAMOENS*  SÄMMTLICHE  OEDICHTE.  I4I 

• 

er  gesehen,  über  die  Kriegszüge,  an  denen  er  sich  beteiligt,  seinem  Kommen- 
tator erspart,  Fehler,  die  ihm  die  portugiesischen  Kommentatoren  übennittelt. 
Wie  wenig  sorgfaltig  ihre  Angaben  sind,  wie  leichtfertig  sie  Daten  fixieren, 
wie  oft  sie  Homonyme  mit  einander  verwechseln  und  aus  den  Viten  verschie- 
dener gleichnamiger  Männer  eine  phantastische  zusammenzimmern,  zeigen 
einige  Bemerkungen,  die  ich  unten  mitteile  und  die  ich  nicht  vermehre,  uní 
nicht  den  Umfang  meiner  Anzeige  des  Storck'schen  Werkes,  die  schon  das 
gewohnte  Mais  überschreitet,    ganz  unverhältnismäfsig   anschwellen   zu  lassen. 

Ein  Vorwurf  steckt  in  der  Klarlegung  dieses  Mangels  nicht.  Ich  weifs 
sehr  wohl,  dafs  es  nicht  nur  schwer,  sondern  thatsächlich  unmöglich  ist  sich 
aufserhalb  Portugals  alle  eigentlich  unentbehrlichen  Hülfsmittel  zu  verschaffen. 
Selbst  hier  in  Portugal  sind  die  öffentlichen  uud  Privatbibliotheken  äufserst 
selten,  welche  den  historischen  Apparat  vollzählig  besitzen.  Ich  weifs  aber  auch, 
dafs  ohne  ihn,  dafs  ohne  Consultation  der  Quellenwerke  volle  Klarheit,  volle 
Sicherheit  über  alle  die  Facta,  welche  das  öffentliche  Leben  streifen,  nicht  zu 
erlangen  ist.  Was  Faria-e-Sousa ,  Juromenha,  Braga  uns  mitteilen,  täuscht 
oft,  führt  oft  irre,  ist  oft  ungenau  und  falsch,  und  führt  den,  welcher  darauf 
baut,  zu  unrichtigen  Schlufsfolgerungen.  Den  Beweis  für  diese  Behauptungen 
führe  ich  unten.  Es  hat  mich  oft  geschmerzt  was  Storck  mit  einer  Kunst 
und  Mühe  aufgebaut,  die  ich  voll  würdige  und  ganz  verstehe,  einreifsen  zu 
müssen.     Doch  die  Wahrheit  zu  sagen  ist  mir  Pflicht  —  dura  lex,  sed  lex. 

Zum  dritten  Band  gehört  noch  eine  höchst  wertvolle  Beilage,  ein  biblio- 
graphisches Verzeichnis  alles  dessen,  was  in  Deutschland  bis  heute  über  Ca- 
moens  geschrieben  worden  ist,  doch  kein  trockenes  Verzeichnis,  sondern  eine 
kritische  Würdigung,  reich  an  interessanten  Mitteilungen.  Die  Schrift,  betitelt 
„Camoens  in  Deutschland",  war  bereits  1880  in  der  Zeitschrift  für  vergleichende 
Litteratur  von  Brassai  und  Meltzl  erschienen  :  der  erneute  Abdruck,  der  jedem 
willkommen  sein  wird,  der  überhaupt  Camoens  zu  seinen  Geistesfreunden  zählt, 
ist  sorgfältiger  gedruckt  als  der  alte,  im  Einzelnen  umgearbeitet,  berichtigt  und 
nicht  wenig  erweitert  worden.  Besonders  hat  alles  das  hinzugefugt  werden 
können,  was  die  dritte  Säcularfeier  des  Lusiadensängers  (10.  Juni  1880)  ins 
Leben  gerufen  hat.  Man  vergleiche  die  Paragraphen  i,  7,  9,  16,  22,  24,  27, 
52 — 56  der  neuen  Ausgabe  mit  den  entsprechenden  der  alten. 

Das  Gesagte  wird  zur  Einführung  in  die  beiden  Bände  genügen.  Ich 
gehe  dazu  über,  die  Gedichtgruppen  in  ihre  Bestandteile  zu  zerlegen  und 
Storcks  Verhältnis,  was  den  Inhalt,  d.  h.  die  Summe  der  Gedichte  betrifft, 
zu  den  Herausgebern  Juromenha  und  Braga  ins  Auge  zu  fassen. 

II. 
A.    Elegien. 

Was  Storck  auf  S.  260  —  262  über  ihre  frühere  oder  spätere  Veröffent- 
lichung mitteilt,  ist  nicht  zur  Genüge  klar. 

Ed.  1595.  S. 

enthält  nur  4  Elegien:                       In  Ed.  1595  1598  1668  (I)  1865  (IV)  Storck 

1.  Aquella  que  d'amor  descomedido     No.  2  2     2  p.  122  2  p.  19         2 

2.  Aquelle  mover  d'olhos  excellente      „4  S     ^  „  133  S  «>  38          5 

3.  O  poeta  Simonides  fallando                ,,     I  I      i   „   115       I  »»     3          3 

4.  O  sulmonense  Ovidio  desterrado       „3  3     3  1»   126  3  »  25          I. 


142  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     C.  M.  DE  VASCONCEIXOS, 

Die  zweite  dieser  Terzinendichtungen  trägt  in  der  Originalausgabe  den  Titd 
Capitulo,  weshalb  ihr  der  Platz  hinter  den  drei  anderen,  »Plegien"  ge- 
nannten,  Stücken  angewiesen  ward.  Dafs  Braga's  Ordnung  mit  der  der  Ori- 
ginalausgabe übereinstimmt;  dafs  hingegen  Storck  die  von  ihm  eingehaltene 
Reihenfolge  aus  Juromenha  übernommen,  dem  sie  José  de  Aquino  überliefert, 
gilt  von  allen  in  Band  III  und  IV  enthaltenen  Gedichten,  mit  Ausschlols  der 
Sextinen. 

Ed.  1598.  Ij 
enthält  i  Terzinendichtung  mehr:  1598      1668  (I)       1685  (IV)  Storck 

5.  Despois  que  MagalhSes  teve  tecida     4         4  p.  130        4  p*  30        4. 

Der  Herausgeber  bezeichnete  dies  Stück  als  Terceto  und  druckte  es  ge- 
sondert hinter  den  Oden  ab,  und  zwar  nicht  nach  einem  Ms.,  sondern  nach 
der  Historia  de  Sancta  Cruz  von  Pedro  de  Magalhäes  Gandavo,  in  der  es 
bereits  1576  zu  Lissabon  gedruckt  worden  war,  was  Soropita  wohl  über- 
sehen hat  (s.  u.). 

Ed.  1616.  P 
enthält  3  neue  Stücke:  16 16     1668  (II)        1685       Storck 

6.  Duvidosa  esperança,  certo  medo  3  p.  72  fehlt  22 

7.  Se  obrigaçSes  de  fama  podem  tanto        2  „  28  fehlt  13 

8.  Se  quando  contemplamos  as  secretas  i  „21        li  p.  72       II. 

Das  erste  der  drei  Stücke  trug  die  Bezeichnung  Terceto,  statt  welcher  die 
ed.  1668  die  andere  „Epistola"  wählte.  Gedruckt  lag  das  apokryphe  Stück, 
dessen  Verfasser  Diogo  Bemardes  ist,  bereits  1596  vor,  wo  es  in  den  Flores 
do  Lima  p.  120  als  Elegia  IH  erschienen  war. 

Ed.  1668.  A 
enthält  weitere   il  Elegien: 

9.  De  peña  en  peña  muevo  las  passadas 

10.  Foi-me  alegre  o  viver,  ja  me  he  pesado 

11.  Illustre  e  nobre  Silva,  descendido  oh 

12.  Juizo  extremo,  horrifico  e  tremendo 

13.  La  sierra  fatigando  de  contino 

14.  NSo  me  julgueis,  senhora*,  a  atrevimento 

15.  Nao  porque  de  cdgum  hem  tenha  esperança 
Î6.  Nunca  hum  apetite  mostra  o  daño 
17.  Que  tristes  novas  ou  que  novo  daño 

[18.  Rei  bemaventurado  em  quem  parece"] 
19.  SaiSo  d*esta  alma  triste  e  magoada 

Juromenha  (V  429)  giebt  diese  Liste  richtig  und  genau  an,  nimmt  auch  alle 
1 1  Elegien  in  seine  Ausgabe  auf,  spricht  aber  nur  von  10,  weil  er  im  Geiste  wohl 
das  18.  Stück  nicht  mit  veranschlagte.  Denn  selbiges  ist  apokryph,  und  gehört 
dem  Doktor  Antonio  Ferreira  an,  in  dessen  Werken  es  seit  159^  ^s  Cartai 
do  Livro  II  steht.  Storck,  in  dessen  Text  nur  die  selben  10  Elegien,  die 
auch  Braga  bietet ,  übergegangen  sind ,  irrt  auf  p.  260  in  dem  Schlüsse ,  die 
(ihm  nie  zu  Gesicht  gekommene)  Ausgabe  A  enthalte  23  Elegien,  nSmlicli 
aufser  den  5  +  34-II»  ^ic  sie  tatsächlich  bietet,  noch  die  folgenden  vier: 

*  In  J  22. 


1668 

1685 

Storci 

8  p.  62 

fehlt 

18 

5  .»  56 

f> 

15 

ne  No.  „  64 

t« 

19 

..  40 

12  p.  80 

12 

7  „  60 

fehlt 

17 

3  M  38 

»» 

21 

tÇ^     4  .»   52 

»t 

14 

6  „  58 

»» 

16 

I  „   23 

10  p.  64 

IO 

0.  No.  „  93 

fehlt 

fehlt« 

2  „  31 

»» 

20 

STORCK,   CAMOENS' «ÄMMTLICHE  GEDICHTE.  1 43 

Ao  pé  d'huma  alla  faia  vi  sentado 

A  vida  me  aborrece,  a  morte  quero 

Beiisa,  unico  bem  desta  alma  triste 

Entre  rusticas  serras  e  fragosas, 
welche  in  Wahrheit  Faria-e-Sousa  zum  ersten  Male  in  die  kamonianischen 
Werke  einverleibt  hat.  Im  Index  läfst  er  diese  Hypothese  übrigens  zum 
Glück  unvcrwertet,  so  dafs  daselbst  Alvares  da  Cunha  nur  als  Sammler  von 
10  Elegien,  d.  h.  der  obigen  11  mit  Ausschlufs  der  18.  von  Ferreira,  figuriert. 
Durch  Einsicht  des  betreffenden  Werkes  hat  Storck  sich  nachträglich,  wie  ich 
weifs,  von  der  wahren  Sachlage  überzeugt.  Apokryph  ist  auch  No.  15,  das 
Diogo  Bemardes  zum  Verfasser  hat  (Eleg.  V  der  Flores  do  Lima  1596). 
Apokryph,  oder  doch  nicht  mit  Bestimmtheit  kamonianischc,  sind  unter  diesen 
Elegien  noch  mehrere,  welche  nicht  schon  der  kursive  Druck  als  solche  kenn- 
zeichnet, so  9,  10,  II,  13,  16,  19,  ja  vielleicht  alle  —  denn  für  keines  hat 
sich  ein  innerer  oder  äufserer  untrüglicher  Beweis  seiner  Echtheit  auffinden 
lassen.  Freilich  kann  man  auch  von  keinem  derselben  sagen ,  dafs  es  schon 
vor  1668  gedruckt  war,  oder  dafs  sein  Verfasser  bekannt  sei  —  höchstens  von 
No.  19,  das  vermutlich  dem  Alvares  do  Oriente  zukommt.  Darüber  mehr  in 
den  Einzelanmerkungen. 

Ed.  1685.  PS 

1685  Storck 

20.  A  Aonio  que  de  amor  soltó  fugia     IV  p.  180  im  Com.  zu  Egl.  I     23 

21.  Ao  pé  d'huma  alta  faia  vi  sentado       7  „  49  7 

22.  A  vida  me  aborrece,  a  morte  quero     9  „  62  9 

23.  Beiisa,  unico  bem  desta  alma  triste     8  „   58'  8 

24.  Entre  rusticas  serras  e  fragosas.  6  „  41  6 
No.  20  hat  erst  1 779  Aquino,  der  blinde  Nachtreter  des  Faria-e-Sousa,  in  die 
kamonianischen  Texte  aufgenommen.  23  ist  vermutlich  von  Francisco  de 
Andrada.  Und  auch  die  Echtheit  der  übrigen  Stücke  ist  nicht  erwiesen.  — 
Die  Hamburger  Herausgeber  haben  nur  die  12  von  FS  anerkannten  Stücke 
auf  Treu  und  Glauben  acceptiert. 

Was  Storck  p.  260  über  die  FS  bekannten  Nummern  sagt,  ist  nicht 
unrichtig,  aber  schwer  und  mühsam  zu  verwerten.  Er  sagt  nämlich:  „Von 
diesen  (den  24  bis  hierher  in  meiner  Liste  angeführten)  Gedichten,  abgesehen 
von  der  Ferreira'schen  Carta,  kannte  FS  folgende:  No.  I — XIII,  XXII  und 
XXIH.  Es  lagen  ihm  nämlich  gedruckt  vor:  No.  II— V,  XI,  XIII  und  XXII, 
und  geschrieben  :  No.  XXIII.  Aber  er  liefs  No.  XIII  und  XXII  bei  Seite, 
teilte  No.  XXin  in  den  Anm.  zu  „Egloga  I"  (Tom.  IV  p.  i8o*>f.)  mit  und 
fügte  zu  den  übrigen  6  Stücken  ebenso  viele  bis  dahin  unbekannte  hinzu, 
nämlich  No.  VI — X  und  XII."  Das  heilst  :  Es  mufs  überraschen,  dafs  FS  nur 
12  Elegien  von  Camoens  in  seine  mit  allen  möglichen  Apokr}'phen  vollge- 
pfropfte, alle  früheren  an  Inhalt  so  weit  überragende  Ausgabe  aufgenommen 
hat,  während  doch  bis  zum  Jahre  1685  bereits  24  Elegien  dem  Dichter  zu- 
gesprochen worden  waren.  Woher  kommt  das?  FS  starb  1649;  die  ver- 
öffentlichten 5  Bände  seines  Camoenskommentars  aber  schrieb  er  zwischen 
1644  und  1645  druckfertig  ins  Reine;  er  hat  die  in  den  Jahren  1666 — 1669 
erschienene  Ausgabe  A  also  unmöglich  sehen  und  um  die  1 1  von  Alvares  da 
da  Cnnha  neu  aufgefundenen  Stücke  nicht  wissen  können;   es  sei  denn,   dafs 


144         RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     C.  M.  DE  VASCONCELLOS, 

er  sie  in  Handschriften  selbständig  gefunden  habe,   wie  bei  zweien  (12  Juizo 
und  17  Que  tristes)  wirklich   der  Fall   ist.     Ihm  waren  also  nur  bekannt  die 
vier  1595    gesammelten,   nächst  dem  1598   hinzugefügten   und   den    drei   I616 
veröffentlichten  Gedichten  (unsere  Nummern   i — 8),   denn   diese   alle   hatte  er 
gedruckt  gesehen  ;  handschriftlich  aber  lagen  ihm  sieben  weitere  Elegien  vor, 
lauter   Inedita,    so   dafs   er  im   Ganzen    15    von   den    24   oben   verzeichneten 
kannte  (i — 8,  12,   17  und  20 — 24).     Davon  verwarf  er  als  unecht,  Gott  weifs 
warum ,   zwei  Stücke ,   No.  6  und  7  (No.  6  keinesfalls  darum,   weil   es  Diogo 
Bernardes  zukam),  so  dafs  er  von  den  bereits  früher  gedruckten  nur  6  repro- 
duzierte :  eine  der  übrigen  (No.  8)  aber  zählt  er  gar  nicht,  weil  er  sie  thatsächlich 
nach  einer  Handschrift,   und   in   einer  von  dem  Texte  der  ed.   161 6  ganz  er- 
heblich abweichenden  Gestalt  bietet.     Er  sagt   daher   mit  Recht   im  Prologe 
seiner  Ausgabe  „las  elegias  eran  5";  und  wenn  er  hinzufügt  „y  aora  son  12" 
so  versteht  er  unter  den  sieben  von  ihm  zum  ersten  Male  herausgegebenen, 
unsere  No.  8  und  12,  f']  und  21  —  24.  —  No.  20  zählt  er  nicht  mit,  weil  er  es 
nur  in  einer  Anmerkung  mitteilt ,  wir  aber  müssen  es  mit  in  Rechnung  setzen. 
Juromenha  zählt  in  seinem  Index  nur  drei  Elegien  als  von  FS  zum  ersten 
Male  vcröfifentlichte  auf,  was,  wie  unsere  Liste  zeigt,  irrtümlich  ist. 

Ed.  1 860.  J 
enthält  5  weitere  Elegien: 

25.  Divino  almo  pastor  Delio  dourado 

26.  Eu  so  perdi  o  verdadeiro  amigo  ^ 

27.  Ganhei,  senhora,  tanto  em  querer-vos 

28.  Quando  os  passados  hens  me  representa 

29.  Quem  poderá  passar  tao  triste  vida 
Die  vierte  derselben ,  welche  Juromenha  aus  einem  gar  nicht  klassifizierten, 
nur  ihm  selbst  bekannten  Manuskripte  gezogen  hat,  wird  dem  Dichter  mit 
Unrecht  zugeschrieben  :  sie  ist  Werk  und  Eigentum  des  Fernïo  Rodrigues 
Lobo  Soropita,  in  dessen  Schriften  Camillo  Castello  Branco  (Porto  1868, 
p.  no — 165)  sie  aufnahm.  —  Von  den  übrigen  4  Elegien  stammen  3  ans  dem 
durchaus  glaubwürdigen  hochwichtigen  Cancioneiro  de  Luis  Franco  (25,  26 
und  27);  eine  derselben,  die  27.,  ist  aber  nichts  als  eine  Variante  zu  der 
bereits  von  Soropita  veröffentlichten  zweiten  Aqueììe  mover,  muíste  also,  dem 
Prinzip  gemäfs,  von  Storck  nicht  gezählt  und  übersetzt  werden.  Nur  von 
der  letzten  24.  wissen  wir  nichts,  als  dafs  sie  einer  dem  17.  Jahrhundert  an- 
gehörigen  Handschrift  entliehen  ward. 

Storck  schliefst  wie  Braga  das  apokryphe  Stück  (28)  aus  wie  den  Brief 
von  Ferreira.  Er  bietet  also  27  statt  29  Elegien.  Das  Verwerfen  der  beiden 
Apokrypha  geschieht  mit  eben  so  gutem  Rechte  wie  es  in  Bd.  II  mit  dem 
Garcilaso*schen  Sonett  geschah.  Und  mit  eben  dem  Unrechte,  mit  dem  St. 
in  Bd.  I  die  Redondilhas  des  Garcia  de  Resende  und  in  Bd.  II  die  20— >2I 
Sonette  von  Diogo  Bernardes  etc.  stehen  liefs,  läfst  er  die  beiden  Elegien, 
welche  ohne  jeglichen  Zweifel  des  armen  Limasängers  Werk  sind  (6  und  15), 
auch  hier  zu  Recht  bestehen;  wie  auch  die  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
Francisco  de  Andrada  zukommende  No.  23 ,  und  ferner  die  Elegie  auf  den 
Tod  des  Miguel  de  Mcnezes  (17),  von  welcher  er  selbst  mit  grofs^r  Kvnst 
und  Feinheit  erweist,  dafs  Camoens  sie  nicht  geschrieben  haben  kann 
(s.  u.).  —  Ein  weiteres  Rechten  mit  dem  Verfasser  über  diese  kleinen  Wider- 


Ed.  i860  (III) 

Storck 

29  P.  255 

27 

28  „  253 

26 

25  »  247 

24 

26  „  249 

fehlt 

27   M   251 

25 

STORCK,   CAMOENS'  SÄMMTLICHE  GEDICHTE.  1 45 

spräche  und  Inkonsequenzen  unterlasse  ich:  jedes  Gedicht,  das  er  übersetzt 
und  erläutert,  bringt  uns  Nutzen,  Gewinn  und  Freude;  nehmen  wir  also  alles 
was  er  uns  grofsmütig  spenden  will,  dankbar  auf.  Bis  eine  zweite  Auflage 
der  Sämmtlichen  Gedichte  nötig  sein  wird,  ist  vielleicht  schon  in  Portugal 
eine  alle  Entdeckungen  und  Aufklärungen  Storcks  mit  gesunder  und  vor- 
urteilsfreier Kritik  verwertende  Ausgabe  der  kamonianischen  Lyrik  erschienen, 
die  alles  Apokryphe  aus  dem  Echten  und  Verbürgten  ausscheidet  und  in 
einen  Nachtrag  verweist.  Dann  wird  auch  der  Übersetzer  keinen  Grund  mehr 
dazu  haben  seine,  zum  Allgemeingut  gewordenen,  Wahrheiten  unter  den 
Scheffel  zu  setzen,  d.  h.  in  Anmerkungen  zu  verweisen. 

B.   Sestinen. 

Ed.  1595.  8. 

1.  Foge-me  pouco  a  pouco  a  curta  vida  Storck  i 

Ed.  1616.  P. 

2.  Foge-me  pouco  a  pouco  a  curta  vida  P*  41  Storck  2 

Ed.  1668.  A. 

Ed.  1668.  Ed.  1 68s  (HI)  Storck 

3.  A  culpa  de  meu  mal  so  têm  meus  olhos     p.  66  p.  205  4 

4.  Oh  triste,  oh  tenebroso,  oh  cruel  dia  „68  „  206  5 

5.  Sempre  me  queixarei  d'esta  crueza  „  69  „  206  6 

Ed.  i860.  J. 

6.  Quanto  tempo  ter  posso  amor  de  vida  J  II  „  255  3 
Braga  2,  87  zählt  zu  den  Sextinen  noch  ein  siebentes  Stück  : 

TSo  crua  nympha,  nem  tSo  fugitiva, 
welches  aus  dem  Liederbuche  des  L.  Franco  stammt,  und  daher  als  ver- 
bürgter Weise  echt  anzusehen  ist  :  doch  ist  es  keine  Sextine,  und  auch  keine 
Ode,  wie  Joromenha  meint,  sondern  eine  Canzone,  nach  dem  von  Petrarcha 
und  Bembo  mehrfach  benutzten  altprovenzalischen  Muster  der  cablas  uniso- 
nans,  das  aofser  Camoens  auch  Alvares  do  Oriente  nachgeahmt  hat  (Lus. 
Transf.  p.  335  u.  475).  Storck  gesellt  sie  daher  mit  vollem  Rechte  den  Can- 
Zonen  zu  als  No.  23. 

Von  den  sechs  oben  angegebenen,  die  trotz  der  grofsen  Schwierig- 
keiten, welche  diese  kunstvollen  Spielereien  dem  Übersetzer  boten,  doch  ganz 
vortrefflich  nachgebildet  sind,  ist  echt  eigentlich  nur  die  erste,  oder  wenn  man 
will,  die  erste  und  die  zweite  ;  denn  diese  zweite  ist  eine  bedeutsame  Variante 
zu  der  von  Soropita  aufgefundenen  §extine  und  der  Meinung  des  Herausgebers 
nach  eine  schönere,  vom  Dichter  ausgefeilte  und  vervollkommnete,  denn  er  sagt  : 
JSsta  (a  I*)  ^stä  impressa  tao  errada  que  nao  parece  do  autor  e  foi  emendada 
por  elle  por  esta  forma.  Die  übrigen  sind  unecht  und  apokryph ,  wie  auch 
Storck  ausdrücklich  hervorhebt  :  No.  3,  4,  5  haben  nur  A  und  FS,  und  zwar  in 
durchaus  gleicher  Lesart  überliefert,  zwei  Gewährsmänner,  denen  man  um  so 
weniger  vertraut,  je  näher  man  sie  kennen  lernt.  Faria-e-Sousa  bekennt,  dafs 
in  der  Handschrift,  aus  der  er  sie  aufgelesen,  der  Name  ihres  Verfassers  nicht 
genannt  war.  Alvares  da  Cunha  schweigt  ganz  und  gar  über  seine  Quellen. 
Er  fugt  aber  zu  den  drei  Gedichten  eigentümliche  Überschriften  hinzu,  welche  so 
aussehen,  als  hätte  er  sie  aus  den  erklärenden  Anmerkungen  des  Faria-e-Sousa 
Z«itachr.  f.  rom.  PhiL  VII.  IO 


146  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     C.  M.  DE  VASCONCELLOS, 

herausgeschält.*  Der  Leser  urteile  selbst.  Zu  No.  3  bemerkt  der  letztgenannte: 
digo  que  el  assunto  desta  sextina  es  á  los  ojos,  assunto  particularissimo  del 
poeta  '  '  »  y  en  esta  sextina  se  celebra  el  rigor  y  la  blandura  de  aquella  vista, 
und  A  bringt  die  Überschrift:  a  huns  olhos,  cujo  rigor  e  brandura  celebra. 
Zu  No.  4  bemerkt  PS:  El  assunto  desta  j.  es  el  mismo  de  la  egloga  XV que 
el  poeta  escrivió  a  la  muerte  de  su  querida  Natercia,  y  en  esa  egL  se  halla- 
ran todos  los  términos  que  se  ven  usados  en  esta  s.,  A  aber  bringt  die  Über- 
schrift: A'  morte  de  Natercia,  como  a  EgL  15,  e  nella  se  vem  muitos  pensa- 
mentos  ajustados  a  este  poema.  Dabei  mufs  noch  erwähnt  werden,  dafs  er 
selbst  diese  15.  Egloge  nicht  bietet!  Zu  No.  5  bemerkt  FS:  Esta  s.  es  del 
proprio  asunto  que  la  antecedente  und  A  bringt  die  Überschrift  :  Composta  ao 
mesmo  intento  da  passada.  Dazu  rechne  man,  dafs  FS  zur  elften  Canzone 
bemerkt:  Esta  Canción  tiene  por  argumento  la  rara  hermosura  natural  sin 
algún  afeite  o  adorno  de  la  arte;  en  cada  estancia  pondera  una  parte  suya, 
y  dize  que  con  ella  podia  rendir  un  planeta.  Und  Alvares  da  Cunha  giebt  ais 
Überschrift  zu  derselben,  seiner  Cançâo  I  auf  p.  77  :  Celebrase  hüa  rara  fer- 
mosura  natural  sem  enfeite  algum,  e  em  cada  ramo  pondera  hüa  parte  sua 
dizendo  que  com  ella  podia  render  hum  planeta!  Und  zur  dreizehnten  setzt 
der  erstere  die  Bemerkung:  Esta  canción  tiene  por  argumento  que  en  el  P. 
no  produzen  las  causas  sus  comunes  efetos  sino  otros  contrarios,  und  der 
letztere  erklärt:  Mostra  o  Poeta  nao  produzirem  as  causas  seus  communs 
effectos  nelle,  mas  outros  contrarios.  Zur  Deutung  der  vierzehnten  sagt  der 
Kommentator:  No  solo  parece  clarissimatnente  de  mi  P.  esta  canción  en  el 
estilo,  mas  aun  lo  es  en  el  assunto:  por  ser  el  de  aquel  mismo  sueño  que 
contiene  la  Canción  2  en  la  e.  ^  (d.  h.  in  der  vierzehnten  Strophe),  y  la 
Egloga  2  en  la  e.  2.  Daraus  macht  Herr  Alvares  Ballhorn  (p.  86):  Sua 
materia  tem  L.  de  C.  tambem  na  Cançào  2  ô*  4  ;  e  na  EcL  2  ér*  3  que  sao 
sonhos.  Und  zu  Ode  XI  sagt  FS  :  Es  muy  hermoso  este  Poema  y  su  assunto 
los  amores  de  Peleo  con  Thetys  como  ella  se  le  rendió,  y  engendraron  el  fuerte 
Aquile s\  und  A,  der  sie  irrtümlich  unter  seinen  Ineditis  mitteilt,  als  wäre  sie 
vorher  nicht  gedruckt  worden ,  berichtet  :  Amores  de  Peleo  com  Thetis  6* 
como  de  entrambos  nasceo  o  forte  Achilles.  Mufs  man  nicht  glauben,  Alvares 
da  Cunha  habe  das  Manuskript  des  Faria-e-Sousa  benutzt?  oder  wenigstens 
dieselben  Handschriften  eingesehen,  aus  denen  dieser  seine  Ineditar  zusammen- 
borgte, und  die  er  vielleicht  mit  Randnoten  versah?  Ich  neige  mehr  und 
mehr  zu  der  von  Storck,  Juromenha  und  Braga  vertretenen  Ansicht.  Doch 
bin  ich  noch  immer  nicht  ganz  überzeugt.  Die  Fragen,  die  ich  hier  V  123 
bis  124  formulierte,  müssen  erst  beantwortet,  die  Gründe,  welche  fur  und 
wider  diese  Auffassung  sprechen,  müssen  gegen  einander  abgewogen,  die  ganze 
Sachlage  zusammenhängend  untersucht  werden:  dazu  aber  ist  dies  nicht  der 
rechte  Ort. 

Die    sechste    Sextine    ward    von    Juromenha    aus    einem    Manuskripte 
kopiert,  nähere  Angaben  verschmäht  er  ;  eine  Überschrift  verzeichnet  er  nicht. 


*  Die  einzigen  Abweichungen  sind  folgende:  Sextine  ITI,  Z.  i  druckt 
Alv.  da  Cunha  vem  für  tum,  5  depois  für  despois,  13  toda  a  liberdade  fur  toda  /., 
37  danos  da  alma  fur  os  danos  da  alma;  IV  36  ochava  fíir  achara;  V  3  triste 
e  duro  für  duro  <•,  triste,  5  mifn  fiir  mi,  7  com  ella  für  traz  eliti,   1 9  pagara 


STORCK,    CAMOENS*  SÄMMTLICHE  GEDICHTE. 


147 


1595 

Storck 

No.  1 

No.  I 

».    4 

..    3 

».    5 

..    4 

».    3 

,.    2 

»    2. 

and  verschweigt  auch,  ob  der  Verfasser  ii^der  Handschrift  namhaft  gemacht 
war.  Was  ihn  bestimmt  hat,  sie  dem  Dichter  zuzusprechen,  war  vermutlich  der 
entfernte  Anklang  an  Sextine  i,  welcher  ja  thatsächlich  vorhanden  ist.  Doch 
ist  er  nicht  grofs  und  stark  genug,  um  die  Behandlung  der  Sextine  als  einer 
blofsen  Variante  von   i   und  2,  wie  Braga  sie  befürwortet,  zu  rechtfertigen. 

C.    Oden. 
Ed.  1595.    S. 

1.  Detem  um  p>ouco,  musa,  o  largo  pranto 

2.  Formosa  fera  humana 

3.  Nunca  manhSa  suave 

4.  Se  de  mcu  pensamento 

5.  T2o  suave,  tSo  fresca  e  tao  formosa 
Dies  letzte  Gedicht,  welches  in  der  Originalausgabe  an  2.  Stelle  steht,  und 
in  allen  späteren  Ausgaben  daselbst  belassen  ward,  hat  Storck  den  Canzonen 
beigegeben  als  No.  XIX,  und  zwar  weil  es  gleichwie  das  bereits  erwähnte 
Stück  Tau  crua  nytnpha^  in  coblas  unisonans  geschrieben  ist,  und  aufserdem 
noch  ein  Geleite,  nach  Art  der  Canzonen,  aufweist.  —  In  Folge  dieser  Auf- 
fassung tragen  die  Oden  von  2  bis  12  bei  Storck  andere  Nummern  als  bei 
seinen  Vorgängern,  mit  denen  seine  Ordnung  sonst  übereinstimmen  würde. 

Ed.  1598.  L. 

6.  Aquelle  moco  fero 

7.  Aquelle  unico  exemplo 

8.  A  quem  darSo  de  Pindo  as  moradoras 

9.  Fogem  as  neves  frias 
10.  Pode  hum  desejo  immenso 

No.  7  war  bereits  1563  gedruckt  worden,  am  frühesten  von  allen  kamonia- 
nischen  Gedichten,  und  zwar  in  eben  dem  Werke  zu  dessen  Preise  es  verfafst 
ward,  in  den  „Colloquios  dos  simples  e  drogas"  des  Doutor  Orta  (Goa  i  S63). 
Soropita  aber  hatte  das  übersehen,  und  auch  von  den  späteren  Herausgebern 
hat  kein  einziger  zu  dem  alten  Drucke  zurückgegriffen,  aus  dem  Storck  erst 
die  Lesarten  mitteilt. 

Ed.  1616.  P. 


1598 

Storck 

No.  IO 

No.  9 

..      8 

..    7 

».      7 

..    6- 

..      9 

..    8 

..      6 

..    5 

11.  Ja  a  calma  nos  deixou 

12.  Naquelle  tempo  brando 


No.  12' 
II 


»I 


Storck 
No.  II 

IO 


»> 


Ed.  i860.  J. 


13.  Fora  conveniente 

14.  Tao  crjia  nympha  nem  tao  fugitiva 


J.  II.      Storck 
No.  13     p.  289     No.  12 
»,  291 


», 


14 


Vàx  pagava t  21  o  levasse  für  a  levasse,  29  Se  nao  consentir  für  Se  nao  he  consen- 
tir. —  In  Z.  22  schreiben  A  und  FS:  E tambem  se  o  quizeste.  Die  Änderung 
zvi  E  se  0  assi  quizeste  stammt  wohl  von  den  Hamburger  Herausgebern? 

*  In  Ed.  1669  stehen  die  beiden  Stücke  auf  p.  32  uud  36  als  ,,Odes 
nunca  impressns**.  Trotzdem  bringt  A  beide  Stücke  auf  p.  71  und  74  noch 
einmal,  als  wären  sie  noch  nie  gedruckte.  —  [FS  III   190  und   195.] 


10-« 


148  RECENSIONEN  UND  ANZKIGKN.     C.  M.  DE  VAS€X>NCELLOS, 

Diese  letztere  zählt  nur  Juromenh4  zu  den  Oden  ;  Braga  stellt  sie,  trotz  ihrer 
yzeiligen  Strophen,  unter  die  Sextinen,  wie  bereits  oben  bemerkt  ward ,  während 
Storck  sie  zu  den  Canzoncn  rechnet  (23). 

Er  übersetzt  also  tatsächlich  alle  Oden  und  weicht  von  den  beiden 
jüngsten  Camöesherausgebern  nur  in  so  weit  ab  als  er  zwei  Gredichte  anders 
klassifiziert. 

Weiteres  ist  über  die  Oden  nicht  zu  bemerken,  sie  bilden  die  einzige 
Dichtgattung,  in  welche  sich  kein  apokryphes  Gedicht  eindrängte,  die  einzige, 
in  welche  Alvares  da  Cunha,  Faria-e-Sousa,  Juromenha  und  Braga  kein 
namenloses  Gut  einzuschmuggeln  vermochten;  die  einzige  also,  in  welcher 
kein  Zeitgenosse  oder  Nachahmer  dem  Dichter  gleichzukommen  wnfste,  die 
einzige  in  der  er  unerreicht  ohne  Nebenbuhler  dasteht. 

D.    Octaven. 

Ed.  1595.  8. 

1685  (IV)     Storck 

1.  Como  nos  vossos  hombros  tSo  constantes          2        p«  105  No.  2 

2.  Muí  alto  rei  a  quem  os  ceos  em  sorte               3         ,»  118  „3 

3.  Quem  pode  ser  no  mundo  tao  quieto                 I          „  84  „    i 
Die  Ordnung  der  Originalausgabe  ist  überall  innegehalten  worden. 

Ed.  1616.  F. 

Storck 

4.  Sprito  valeroso  cujo  estado  (i)   fehlt  in  FS*    No.  7 

5.  Na  mais  fresca  e  aprazivel  parte  do  anno  (2)  „  fehlt. 
Dies  letzte  Gedicht,  welches  den  Titel  trägt:  „Da  creaçSo  e  composito  do 
homem",  schrieb  Domingos  Fernandez  dem  Dichterfürsten  nur  irrthûmlicher 
Weise  zu,  wie  schon  seine  Zeitgenossen  einsahen  und  offen  eingestanden. 
Es  ist  das  Werk  des  André  Falcäo  de  Resende,  in  dessen  erst  1861  fragmen- 
tarisch in  Coimbra  erschienenen  Schriften  es  unter  dem  Titel  „Microcosmo- 
graphia  e  descripcäo  do  mundo  pequeño  que  é  o  homem"  steht.  Von  den 
späteren  Camoensherausgebem  haben  einzelne  das  Gedicht  trotzdem  aufge- 
nommen, andere  es  ausgeschlossen.  Storck  übersetzt  das  lange  und  ziemlich 
kunstlose  Werk  nicht. 

Ed.  1685.  PS. 

vol.  IV 

6.  Ca  nesta  Babylonia  adonde  mana  No.  5 

7.  Despois  que  a  clara  aurora  a  noite  escura  „    4 

8.  De  utna  fermosa  virgen  desposada  „    7 

9.  Senhora,  s'encobrir  por  alguma  arte  „  6 
Die  beiden  ersten  Gedichte  und  das  letzte  wurden  von  Faria-e-Sousa  in 
Handschriften  aufgefunden,  welche  nichts  über  den  Verfasser  verlaoten  liefsen. 
Da  die  beiden  ersten  kamonianische  Sonette  glossiren ,  ond  da  das  zweite 
ihm  kamonianisch  klang,  nahm  er  sie,  mir  nichts  dir  nichts,  auf.  Trotzdem 
aber  haben  alle  späteren  sie  für  echt  anerkannt  und  als  Werke  des  Dichters 
verbreitet.  —  Storck  hält  sie  natürlich  für  unecht,  übersetzt  sie  aber  dennoch. 

'  Cfr.  vol.  IV  p.  157. 


Storck 

p.  129 

No.  5 

H      125 

»    4 

M      136 

fehlt 

M  13» 

,.    6 

\ 


STORCK,    CAMOENS'  SAMMTUCHE  GEDICHTE.  1 49 

No.  8  ist  das  berühmte  oder  berüchtigte  Gedicht  auf  die  heilige  Ursula, 
auf  das  ich  schon  in  der  Besprechung  des  Buches  der  Sonette  (V  129)  hin* 
wies.  1596  (eine  Ausgabe  ,,der  Varias  Rimas  ao  bom  Jesus"  von  1594  hat 
es  nie  gegeben)  war  das  Gedicht  von  Diogo  Bemardes  als  sein  Werk  ver- 
öffentlicht worden,  mit  einem  begleitenden  Sonett  an  die  1577  verstorbene 
Infantin  Donna  Maria;  1645  ^^™  ^^  Faria-e-Sousa ,  der  brüllend  und  nach 
Beute  suchend  sich  wie  ein  hungriger  I«öwe  geberdete,  in  den  Sinn  dasselbe 
für  Camoens  mit  Beschlag  zu  belegen.  1689  wurde  die  Polemik,  die  er  an 
die  Ursulafrage  knüpfte,  und  das  Gedicht  selbst  in  Bd.  IV  p.  136 — 157  seiner 
kommentirten  Camoens- Ausgabe  abgedruckt.  Die  Willkür,  die  Gehässigkeit, 
Blindheit  und  Kritiklosigkeit  dieser  Polemik  weist  Storck  nach  (p.  362 — 367) 
und  erklärt  das  umstrittene  Stück  für  rechtmäfsiges  Eigentum  des  Limasängers. 
Ich  thue  dasselbe:  einer  eingehenden  port,  geschriebenen  Arbeit,  welche  das 
Verhältnis  der  beiden  Dichter  zu  einander  klar,  ruhig  und  ohne  jegliche  Vor- 
eingenommenheit darstellt,  wird  es  jedoch  bedürfen,  um  das  hier  zu  Lande 
herrschende  Mifstrauen  gegen  Diogo  Bernardes  zu  zerstören. 

Storck  übersetzt  das  Ursulagedicht  nicht. 

Ed.  i860.  J. 

J  II         Storck 

9.  Duro  fado»  duro  amor  nunca  cuidado  p.  343         fehlt 

Juromenha  nahm  dies  Gedicht  —  welches  die  Fabel  von  Echo  und  Narcifs 
erzählt  —  aus  dem  Liederbuche  von  L.  Franco  auf,  in  dem  der  Name  des 
Verfassers  freilich  nicht  genannt  ist:  er  tat  das  eingedenk  einer  Stelle  aus 
Manoel  de  Faria  Severim's  Biographie  des  Camoens,  in  welcher  von  einer 
Übersetzung  einer  Fabula  de  Narcizo  aus  C.'s  Feder  die  Rede  ist  (s.  Storck 
m  280  und  Bd.  I  dieser  Ztschr.  p.  399)  ;  uneingedenk  aber  der  Tatsache,  dafs 
Faria-e-Sousa  bereits  ein  Gedicht  aufgefunden  und  dem  kamonianischen  Texte 
als  Elegie  (s.  o.  No.  24  Entre  rusticas  serras)  eingereiht  hatte,  dessen  Stoff  die 
betreffende  Fabel  ausmacht,  und  das  wirklich  echtes  und  glaubwürdiges  Besitz- 
tum des  Dichters  zu  sein  scheint. 

,  Braga  läfst  es  bei  Seite ,  in  einem  bei  ihm  äufserst  seltenen  Anfall  kri- 
tischer Unbefangenheit,  einer  Sünde  wider  seine  Natur,  von  der  er  sich  1880 
gereinigt  —  indem  er  aus  einem  anderen  Manuscripte  eine  andere,  gleichfalls 
ganz  anonyme  Fabula  de  Narcizo,  auflas  und  sie  für  die  von  Severim  gekannte 
und  erwähnte  Übersetzung  oder  Umdichtung  erklärte. 
Storck  schliefst  das  apokryphe  Stück  aus. 

Ed.  1874.  B. 

B  Storck 

10.  Quem  ousará  soltar  seu  baixo  canto  p.  171         No.  9 

Theophilo  Braga  hat  diese  eine  Stanze   aus   dem  Liederbuche  des  L.  Franco 

aufgenommen.     Ob  sie   dort  unter   seinem  Namen   steht,  sagt  er  nicht  und 

weifs  ich  nicht  anzugeben. 


Von  den  zehn  dem  Lusiadendichter  zugeschriebenen  Gedichten  in  Oc- 
taven, sind  verbürgtermafsen  echt  also  nur  4  oder  5,  die  übrigen  fünf  sind 
mindestens  zweifelhaft:  Storck  aber  läfst  nur  diejenigen  bei  Seite,  welche  be- 


150  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     C.  M.  DE  VASCONCELLOS, 

stimmt  andere  Urheber  haben,  und  hält  fest  an  denen,  welche  „Unbekannten" 
gehören.     Er  übersetzt  also  8  Octaven. 

Eine  Bemerkung  möchte  ich  hier  noch  anschliefsen.  Storck  citiert  in 
seinem  Kommentar  zu  Oct.  IV  (p.  384)  folgende  Stelle  aus  FS  (IV  125):  Acut 
fenecen  las  Octavas  que  hasta  oy  se  imprimieron  del  Poeta,  que  sean  suyas, 
y  con  su  nombre.  Con  su  nombre  andan  otras  que  no  lo  son  ;  y  son  lo  otras 
que  andan  sin  el;  y  otras  que  nunca  se  imprimieron:  con  estas  empiezo 
a/rora,  und  meint  diese  undeutliche  Darlegung  sähe  einem  verschämten  S&n- 
denbekenntnisse  ähnlich.  FS  halte  von  den,  vor  seiner  Sammlung  veröflfent- 
lichten  Octaven  nur  das  Bittgesuch  No.  4  „Sprito  etc.'*  fur  unecht  ;  unter  den 
namenlos  überlieferten,  die  dennoch  tatsächlich  dem  Dichter  zukämen,  ver- 
stehe er  aber  die  drei  kleineren  Octaven,  die  er  selber  zum  ersten  Male 
herausgab.  Man  müsse  daher,  mit  Tilgung  des  Wortes  otras,  lesen  y  que 
nunca  se  imprimieron.  Das  ist  falsch.  Faria's  Worte  scheinen  mir  klar  und 
ihr  Sinn  deutlich.     Der  Leser  urteile: 

Aqui  fenecen  las  Octavas  que  hasta  hoy  se  imprimieron  del  Poeta .  .  . 
y  con  su  nombre,  d.  h.  hiermit  sind  diejenigen  Octaven  zu  Ende,  welche  bis 
heute  von  Rechtswegen  unter  des  Dichters  Namen  gedruckt  worden  sind; 
nämlich  die  drei,  welche  Ed.  1595  herausgegeben  hatte. 

Con  SU  nombre  andan  otras  que  no  lo  son,  darunter  versteht  er  die 
beiden  1616  neu  gebotenen  Nummern,  d.  h.  das  Bittgesuch  über  dessen  Un- 
echtheit  er  sich  auf  p.  157  scharf  und  heftig  ausspricht,  und  die  Mikrokos- 
mographie  des  Falcäo  de  Resende,  über  die  er  sich  p.  158  äuCsert. 

y  son  lo  otras  que  andan  sin  el,  d.  h.  ihm  gehören  andere  bereits  ge- 
druckte Octaven,  die  jedoch  seinen  Namen  noch  nicht  tragen,  und  darunter 
versteht  er  ohne  jeglichen  Zweifel  die  Octaven  an  die  heilige  Ursula,  die 
unter  Diogo  Bemarde's  Namen  bekannt  waren. 

y  otras  que  nunca  se  imprimieron,  d.  h.  ihm  gehören  ferner  noch  andere 
Gedichte,  die  in  Handschriften,  gleichfalls  ohne  Namensangabe  aufbewahrt 
bislang  aber  nicht  veröiTentlicht  waren.  Darunter  aber  sind  selbstverständlich 
die  Octaven  IV,  V,  VI  (6,  7,  9  meiner  Liste)  zu  verstehen,  die  FS  zum  ersten 
Male  herausgiebt. 

con  estas  empiezo  yo,  wie  er  tatsächlich  tut.  Er  druckt  zuerst  die  drei 
namenlos  überlieferten  inedita  ab  ;  und  geht  dann  erst  zum  Ursulagedichte 
zurück,  d.  h.  zu  denjenigen  Octaven ,  welche  bereits  unter  anderem  Namen 
gedruckt  waren. 

E.    Canzonen. 
Ed.  1595.  S. 

1.  A  instabilidade  da  fortuna 

2.  Com  força  desusada 

3.  Formosa  e  gentil  dama  quando  vejo 

4.  Ja  a  roxa  manhä  clara 

5.  Junto  d'hum  secco,  duro,  estéril  monte 

6.  Manda-me  Amor  que  cante  docemente 

7.  Se  este  meu  pensamento 

8.  Tomei  a  triste  penna 


Ed.  1595 

Storck 

No.  2 

No.  2 

»    6 

»    6 

„    I 

»    I 

»    3 

n      3 

»    9 

»  II 

»    7 

"    7 

».    S 

»    5 

»    « 

M  IO 

STORCK,   CAMOENS'  SÄMMTLICHE  GEDICHTE.  I5I 

9.  Vâo  as  serenas  aguas  No.  4         No.  4 

10.  Vinde  ca,  meu  tSo  certo  secretano  „io  ,,  12 

Zu  diesen  zehn  Canzonen  von  unanfechtbarer  Echtheit,  an  deren  Ordnung 
auch  keine  der  späteren  Ausgaben,  mit  einziger  Ausnahme  der  Ed.  1720,  ge- 
rührt hat,  stellt  Storck  noch  eine  elfte,  welche  derselbe  Soropila  herausgegeben, 
aber  wie  seine  Nachfolger  den  Oden  zugezählt  hat  als  zweite  unter  denselben, 
die  oben  bereits  erwähnte 

Täo  suave,  tSo  fresca  e  tSo  formosa. 

Ed.  1616.  P. 

Storck 

1 1 .  Manda-me  Amor  que  cante  o  que  a  aima  sente  (2)         No.  8 

12.  Nem  roxa  flor  de  abril  (i)  >}  13 

Die  ersle  dieser  beiden  Canzonen  ist  nichts  als  eine  Variante  zu  der  mit  fast 
gleichem  Wortlaut  beginnenden  6.,  von  der  sie  jedoch  erheblich  abweicht. 
Der  erste  Herausgeber  wufste  das  bereits,  denn  er  sagt  :  Esta  cancäo  duas  vezex 
fez  o  author  com  os  mesmos  conceitos ,  mas  termos  tao  diferentes  que  total- 
mente he  outra;  hüa  se  imprimió  que  começa:  „Manda-me  Amor  que 
cante  docemente**;  esta  he  tam  hoa  que  nao  se  deixa  ver  quai  he  a  que 
elle  acceitou,  e  assi  ambas  sao  merecedoras  de  se  imprimirem.  Die  meisten 
späteren  Herausgeber  haben  diese  neue  Fassung  unbeachtet  gelassen;  FS  teilt 
sie  in  den  Anmerkungen  zu  der  von  Soropita  veröfi*entlichten  Fassung  mit 
(vol.  III  p.  61).     Storck  aber  bietet  sie  als  selbständiges  Gedicht  (No.  VIII). 

Ed.  1668.  A. 

1668  FS  (vol.m)  Storck 

13.  Oh  pomar  venturoso                                        (O  P»  79       P«  99  ^o«  '4 

14.  Por  meio  d'humas  serras  mui  fragosas           (4)  „  89       fehlt  „    17 

15.  Que  he  isto P  Sonho F  ou  vejo  a  nympha  pura  (^)  „  86       fehlt  „     16 

16.  Quem  com  solido  intento                                   (2)  „  83       p.  102  „     18 

Von  diesen  Gedichten  ist  wahrscheinlich  kein  einziges  von  Camoens. 
Drei  (13,  15,  16)  gehören  ihm  bestimmt  nicht:  sie  sind  vermutlich  Arbei- 
ten —  und  zwar  meinem  Geschmatk  nach  nicht  üble,  aber  keineswegs 
kamonianischen  Schwung,  Gedankenreichtum  und  Wohllaut  in  sich  tragende 
Arbeiten  —  des  Miguel  LeitSo,  der  sie  1629  in  seiner  hochinteressanten  Mis- 
cellanea  veröffentlichte,  leider  ohne  ein  aufklärendes  bestimmtes  Wort  dar- 
über zu  sagen  ob  sie  von  ihm  oder  von  wem  sonst  sie  herrührten.  Das  ver- 
anlafste  Faria-e-Sousa  und  Alvares  da  Cunha  (diesen  letzteren  vielleicht 
nur  nach  Einsicht  der  FS'schen  handschriftlichen  Sammlung)  die  3  Canzonen, 
die  ihnen  gefielen  wie  die  sieben  Sonette'  von  denen  ich  früher  sprach,  fur 
neuaufgefundene  Edelsteine  aus  Camoens  gestohlenem  und  in  alle  Winde  zer- 
streuten Schatzkfistlein  zu  erklären.  In  diesem  Falle  mit  einem  leichten 
Schein  des  Rechtes,  denn  LeitSo  bat  seinem  Buche  tatsächlich  viele  Gedichte 
fremder  Autoren   eingefugt   ohne  dieselben   namhaft   zu  machen.     Er  sagt  in 


*  Zu  diesen  sieben  habe  ich  nachträglich  noch  ein  achtes  hinzugefunden  : 
„Quando  os  olhos  ponho  no  passaclo",  das  Miguel  LeitSo  seinem  Prolog 
eingefugt  hat  (p.  XX),  Faria  e  Sousa  aber  für  seinen  Dichter  einheimste. 


152  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     C.  M.  DE  VASCONCELLOS, 

der  Vorrede  an  die  gütigen  Leser  darüber:  „Ich  weifs  recht  wohl,  dafs  viele 
mich  tadeln  werden,  weil  sie  in  diesem  Buche  (das  ich  „Miscellanea 
oder  Salat"  zu  nennen  für  gut  fand  wegen  der  Verschiedenartigkeit  der 
darin  gemischten  Dinge)  einiges  fìnden  was  ihnen  fremdes  Eigentum  scheinen 
wird,  und  auch  fremde  Aussprüche:  diesen  aber  antworte  ich,  sie  möchten 
mir  ein  einziges  unter  allen  bis  heute  geschriebenen  Büchern  zeigen,  das 
nichts  fremdes  enthalte:  manche  sind  sogar  nichts  als  Übersetzungen.  Denn 
was  kann  man  sagen,  das  nicht  bereits  gesagt  sei?  Nihil  sob  sole  recens 
sagt  der  Weise  etc."  '  —  Man  mufste  daher,  und  mufs  noch  heute,  jegliches 
der  von  LeitSo  herausgegebenen  Gedichte  mit  Sorgfalt  prüfen,  ehe  man  es 
fur  sein  Werk  erklärt.  Ehe  man  es  für  kamonianisch  ausgiebt,  sollte  man  jedoch 
zwei  Mal  zusehen,  denn  gerade  dem  Lusiadensänger ,  welchen  der  Verfasser 
höchst  von  allen  ehrte  und  dessen  Grabmal  er  schmücken  liefs,  scheint  er 
nichts  entlehnt  zu  haben.  Zweimal  citiert  er  Aussprüche  von  ihm  und  nennt 
dabei  ausdrücklich  seinen  Namen  (p.  375  e  340).  —  Das  Gedicht  an  den 
Klostergarten  von  Pedrogäo  zeigt  durch  seinen  Inhalt,  dafs  LeitSo  selber 
es  geschrieben  haben  mufs,  wie  Storck  erkennt,  ohne  LeitSos  Werk  selbst 
gelesen  zu  haben,  und  wie  jeglicher  der  dasselbe  liest,  mit  voller  Gcwifsheit 
einsehen  mufs.  Von  den  anderen  beiden,  die  ich  gleichfalls  fiir  Produkte  aus 
der  Feder  des  frommen  mystisierenden  wundergläubigen  Autors  der  Miscel- 
lanea halte,  mufs  wenigstens  gesagt  werden,  dafs  sie  apokryphe,  namenlos 
überlieferte  Gedichte  sind,  wie  ja  auch  FS  selbst  ausdrücklich  zugesteht. 

Storck  schliefst  sie  nicht  aus,  »ist  aber  von  ihrer  Unechtheit  überzeugt, 
gleichwie  ich.  Noch  einmal  aber  bestätige  ich,  dafs  der  Zweifel  daran,  ob 
in  portugiesischen  Manuskripten  wirklich  echt  kamonianische  Gedichte  ohne 
den  Namen  des  Dichters,  unechte  und  ihm  nicht  gehörige  aber  unter  seinem 
Namen  umgehen,  ein  unberechtigter  ist.  Beides  ist  oft  tatsächlich  der  Fall; 
und  um  nicht  parteiisch  zu  sein,  müssen  wir  annehmen,  dafs  gerade  diese  Un- 
klarheit, Ungenauigkeit  und  Flüchtigkeit  der  Handschriften  und  ihrer  Rubriken 
die  alten  Sammler  veranlafst  hat,  auch  in  anonymen  Liederbüchern  und  selbst 
unter  Gedichten,  die  unter  anderem  Namen  umgingen,  nach  kamoniamschem 
Gute  zu  suchen.  —  Die  Formel  :  „E  em  louvor  d'este  pomar  se  fez  esta  cançSo" 
kann  weder  für  noch  gegen  LeitSos  Autorschaft  zeugen.  Wer  da  annehmen 
wollte,  sie  zeuge  für  ihn,  könnte  eine  Stelle  aus  CamOes  Prosabriefen  an- 
führen, in  welcher  der  Dichter  auf  das  von  ihm  verfafste  Liedchen  „Nichts 
als  Wind"  (Bd.  I  No.  CLVI  145)  mit  der  unpersönlichen  Phrase  hinweist: 
A  este  proposito  ,  .  .  se  /tzeram  humas  voltas  a  um  mote  de  enckemäo  etc. 
Er  könnte  auch  eine  Reihe  von  Poesien  der  Miscellanea  anführen,  die  augen- 
scheinlich LeitSo  zum  Verfasser  haben  und  doch  nur  mit  Formeln  angeführt 
werden  wie:  e  a  esta  senhora  dos  Müagres  se  fez  este  soneto  (p.  3,  4,  7, 
8,  IO,  80,  84  etc.).  Eines  solchen  ärmlichen  Beweises  bedarf  es  aber 
nicht;  dafs  die  Canzone  auf  den  Klostergarten  Leitäo  und  kein  anderer 
verfafst  hat,  beweise  ich  weiter  unten  in  den  Einzelanmerkungen  zu  den  Ge- 
dichten. 


*  Fremder  Besitz  sind ,  ohne  jegliche  Frage ,  die  auf  p.  XVIII  1 3,  25, 
58»  95»  '35»  148,  149,  161,  186,  187,  188,  200,  203  der  Miscellanea  mitge- 
teilten Gedichte. 


STOKCK,   CAMOENS'  SÄMMTLICHE  GEDICHTE.  1 53 

Ed.  1685.  F8. 

FS  V         Storck 

17.  A  vida  ja  passei  assaz  contente  p.  184  No.  18 
Faría-e-Sousa  fand  diese  Canzone  in  dem  letzten  Manuskript,  das  ihm  zu 
Händen  kam,  mit  der  Überschrift:  „A  la  muerte  de  D.  Antonio  de  Noroña, 
y  fingesse  que  ìa  escrivio  una  señora",  d.  h.  also  ohne  Namensangabe  des 
Verfassers.  Er  teilt  sie  mit,  ohne  sie  mit  Bestimmtheit  für  kamonianisch  zu 
erklären,  in  den  Anmerkungen  zu  Egloga  I  (V  p.  184),  in  welche  er  auch 
die  nachträglich  entdeckte  Elegie  20  A  Aonto  gesteckt  hat.  Seine  Nachfolger 
haben  sie  far  echt  erklärt  ond  ihren  Camoensausgaben  einverleibt.  Auch 
Storck  hält  sie  far  echt,  und  übersetzt  sie  (als  Ganz.  XVII). 

Ed.  i860.  J. 

18.  Bern  aventurado  aquelle  que  ausente 

19.  Crecendo  vai  meu  mal  d'ora  em  ora 

20.  Manda-me  Amor  que  cante  docemente 

21.  Porque  vossa  belleza  a  si  se  vença 
Die  dritte  dieser  Canzonen  ist  eine  Variante  zu  No.  6  und  1 1  ;  von  den  übrigen 
fand  Juromenha  die  2.  im  Liederbuche  des  L.  Franco,  die  übrigen  in  un- 
klassifizierten  Manuskripten. 

Storck  behandelt  die  drei  Fassungen  der  schönen  Canzone  an  die  Augen 
der  Geliebten  wie  drei  von  einander  unabhängige  Gedichte ,  schliefst  die  Apo- 
krypha  aus  LeitSos  Sammelwerk  nicht  aus,  und  fügt  zu  den  oben  verzeich- 
neten 21  noch  zwei  hinzu,  die  wir  bereits  bei  Gelegenheit  der  Oden  und 
Sextinen  besprochen  haben,  so  dafs  er  im  Ganzen  23  Canzonen  bietet.  5 
mehr  also  (IX  und  XX — XXIII)  als  er  1874  unter  dem  Titel  „Sämmtliche 
Canzonen"  den  deutschen  Freunden  des  Dichters  dargebracht  hatte. 

F.   Idylle. 

Im  Ganzen  sind  bis  jetzt  16  Bukolische  Dichtungen  unter  Camoens 
Namen  veröiTentlicht  worden.  Davon  brachte  acht  bereits  der  erste  Heraus- 
geber der  Rimas. 

Ed.  1595. 

S  Storck 

I.  Ao  longo  do  sereno  No.  2        No.  2 


J  vol.  II 

Storck 

(20)  p.  244 

No.  21 

(19)  n  239 

„  20 

(18)  „  236 

»   9 

(21)  „  247 

M  22 

2.  A  quern  darei  queixumes  namorados 


5 


5 


3.  Arde  por  Galatea  branca  e  loura  „8  „8 

4.  A  rustica  contenda  desusada  „6  „6 

5.  As  doces  cantilenas  que  cantavSo  „7  „7 

6.  Cantando  por  um  valle  docemente  „4  „4 

7.  Passado  ja  algum  tempo  que  os  amores  „3  „3 

8.  Que  grande  variedade  vSo  fazendo  „  i  „1 
Und  diese  acht  werden  wohl  echt  sein.  Storck  zweifelt  zwar  daran,  dafs  Ca- 
moens das  schlichte,  liebliche,  aller  seltneren  mythologischen  Anspielungen 
baare  Fischeridyll  No.  VII  (3  der  obigen  Liste)  gedichtet  haben  könne,  und  fin- 
det, dafs  dasselbe  den  entsprechenden  Gedichten  des  Diogo  Bemardes  überaus 
ähnlich  sieht.  Doch  hat  bis  heute  weder  dieser  Zweifel  neue  Nahrung,  noch 
diese  Vermutung  Bestätigung  gefunden.    Diogo  Bemardes  hat  das  Idyll  nicht  in 


Aquino 

Storck 

No.  12 

No.  12 

n      14 

»    H 

»      15 

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»        13 

»        13 

154  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     C.  M.  DE  VASCONCELLOS, 

seine  Werke  aufgenommen  :  Inedita  von  ihm  aber  hat  man  bis  heute  nicht 
gefunden.  Es  mufs  also  dahingestellt  bleiben,  ob  solche  vorhanden  sind;  ob 
„der  verschmähte  Fischer"  darunter  ist;  und  schlicfslich  ob  der  Padre  Pedro 
Ribeiro  wirklich  1577  ^^  sein  verschollenes  Liederbuch  schon  26  Idyllen  von 
Bernardes  (nächst  1 1 6  Sonetten,  5  Briefen,  4  Canzonen  und  i  Ode)  aufgenommen 
hatte,  wie  Barbosa  Machado  (I  638)  es  behauptet. 

Weitere  sieben  Idylle  nahm  FS  als  echt  kamonianisch  in  seine  hand- 
schriftliche Sammlung  auf,  aus  der  sie  erst  1779  Thomas  José  de  Aquimo 
zum  Druck  beförderte.     Es  sind  die  folgenden: 

9.  A¿rora  Alcido,  em  quanto  o  nos  so  gado 

10.  Agora  jd  que  o   Tejo  nos  rodeia 

1 1 .  De  quanto  alento  e  gosto  me  causava 

12.  Despois  que  0  leve  barco  ao  duro  remo 

13.  Encheu  do  mar  azul  a  branca  prata 

14.  Parece-me  pastor,  se  mal  nao  vejo 

15.  Pascei,  minhas  ovelhas;  eu  emquanto 
Von  allen  diesen  ist  jedoch  nur  eine  echt,  die  fünfzehnte  (il.  der  Liste),  wie 
solches  ihr  Inhalt  und  die  Tatsache  bezeugen,  dafs  auch  das  Liederbuch  von 
L.  Franco  sie  unter   Angabe   des   Namens  CamSes  bietet.     Die  übrigen  sind 
unecht.     Faria-e-Sousa  fand   sie  alle   in   ein  und   derselben   Handschrift,  in 
derselben  Reihenfolge  in  der  sie  veröffentlicht  und  bis  heute  belassen  wurden, 
doch  ohne  jegliche  Namensangabe.     Das  benutzte  Manuskript  enthielt 
aufser   einigen  Kleinigkeiten,   die   nach   FS  des  Erwähnens  nicht  wert  sind, 
sechs  Sonette   verschiedener   Autoren ,   darunter    zwei ,   die   auch   zu  Faria-c- 
Sousa's  Ausgabe  gastlichen  Zutritt  fanden  {Que  fit  vom  Duque  d'Aveiro  und 
Que  vençais  von  SimSo  da  Veiga).     Ein  drittes,  von  Luis  d' Attaide,  welches 
eine  Antwort  auf  das  vorige  ist,  wollte  FS  anfanglich  als  das  196.  kamonia- 
nische  mitteilen,  hat  dann  aber,  als  er  nach  würdigen  Sonetten  Umschau  hielt, 
um  seine  2.  Centurie   ganz   zu   füllen,    ein   anderes   vom   Infanten   Dom   Luis 
„  Vosoutros"   an  seine  Stelle   gesetzt).     Das  Ms.  enthielt  ferner  Brief  VTI  des 
Diogo  Bernardes  ;  eben  desselben  Egloga  XIV  auf  f.  3,  so  wie  an  anderer  Stelle 
(f.  48)  die  Outavas,  welche  des  gleichen  Dichters  14.  Idyll  als  Widmungsschreiben 
begleiten,  und  einige  Stanzen  seiner  Egl.  II,  mit  ausdrücklicher  Namensangabe, 
und   ohne   dieselbe  seine  Idyllen  XI,  XIII,  XV,  III  und  IV,  laoter  Stacke, 
die  er  1594  und  1596   als   seine  Werke   herausgegeben  hatte,  und  die  ihm 
auch  andere  Handschriften  (z.  B.  die  Mise.  J)  zuweisen  ;  von  Luis  de  CamÖes 
mit  Namensangabe  nur  Idyll  XV  auf  den  Tod  der  Catharina  de  Ataide  (s.  ob.), 
und   ohne   dieselbe   „viele   Sonette,   die   unzweifelhaft    von   ihm    herrühren**; 
Canzone  1  und  Idyll  3.  —  Anonym  stand  noch  darin  die  Idylle,   welche  FS 
als  14.  unter  die  kamonianischen  reiht.  —  Dafs  also  das  Manuskript,  welches 
Faria-e-Sousa  ausgebeutet   hat,   vorwiegend   „kamonianisches  Gut'*  enthalten 
habe,  dafs  ihm  von  100  und  einigen  Blättern  90  angehörten,  ist  eine  Loge,  die 
der  Kommentator  zwar  durch   sechsmalige  Wiederholung  zur  Wahrheit  om- 
stempeln  möchte,   die  er  selbst  aber  nicht  einmal  konsequent  aufrecht  erhält, 
denn  er  sagt  einmal  ausdrücklich  :  „en  el  manuscripto  no  están  muchos  poemas 
de  que  realmente  se  sabe  que  son  de  Camdes",      Wahr   wird  sie   erst,   wenn 
man  die  5  Idyllen  des  Bernardes  in  Rechnung  bringt,   und  vermutlich  aach 


STOKCK,    CAMOENS'  SÄMMTLICHE  GEDICHTE.  1 55 

den  ganzen  anonym  überlieferten  Sonettenrest,  den  Faria-e-Sousa  für  Camoens 
in  Anspruch  nahm.  Die  Idyllen  allein  mufsten  mehr  denn  20  Blätter  füllen. 
Genannt  wird  der  Name  Camoens  im  Manuskript  ein  einziges  Mal,  der  des 
Diego  Bemardes  hingegen  vier  Mal;  selbst  nach  dem  Grundsatz,  die  namen- 
los mitgeteilten  Gedichte  einer  Handschrift  müfstcn  demjenigen  Autor  zuge- 
wiesen werden,  welcher  den  meisten  Raum  darin  einnimmt,  hatte  Faria-e- 
Sousa  also,  allem  Anschein  nach,  kein  Recht  dazu  die  fünf  hier  anonymen  Idyllen 
seinem  Meister  zuzusprechen.  Um  so  mehr  als  ein  anderer  notorisch  be- 
kannter Dichter,  der  20  oder  26  oder  mehr  Idyllen  verfafst,  eigenhändig  auch 
jene  fünf  unter  seinem  Namen  veröffentlicht  hatte  !  Das  Volk  der  Portugiesen, 
und  auch  die  Spanier  hatten  sich  schon  mehr  denn  50  Jahre  am  Lima  erbaut 
und  erhoben,  ohne  je  etwas  Unechtes,  Falsches  darin  entdeckt  zu  haben. 

Faria-e-9ousa  begreift  diese  ihre  Blindheit  nicht,  er  sucht  und  ñndet 
Beweise  die  Menge  dafür,  dafs  Bernardes  erborgtes,  gefundenes,  anvertrautes 
oder  gestohlenes  Gut,  das  die  Marke  seines  rechten  Herrn  unverkennbar  an 
sich  trage,  für  eigenes  ausgegeben  hat!  Nicht  nur  die  fünf  Églogas,  welche 
er  unter  die  kamonianischen  gestellt  hat: 

UI  Liarda        =    XII  des  CamÖes 
IV  Filis  =  XIII 

XI  Galatea      =      IX 
Xm  LUia  =       X 

XV  Peregrino  =  XI 
nein,  von  den  zwanzig,  welche  der  Lima  bietet,  sollen  alle  bis  auf  sechs,'  fünf, 
vier  oder  drei  kamonianischer  Besitz  sein,  alle  bis  auf  die  f.,  6.  und  16. 
(welche  um  der  darin  besungenen  oder  singenden  Männer  willen,  als  da  sind 
Sa  de  Miranda,  Christovam  de  Moura,  Francisco  de  Sa  e  Menezes,  D.  Duarte 
nur  von  Bemardes  und  absolut  nicht  von  Camoens  verfafst  sein  können)  und 
vielleicht  noch  bis  auf  die  12.,  die  14.,  und  eine  der  drei  letzten  (18,  19  oder  20)! 
Einzig  und  allein  darum,  weil  keine  Handschrift  sie  ihm  vor  die  Augen 
führte,  wagte  Faria-e-Sousa  nicht  sie  in  seines  Lieblings  Werke  einzuschalten. 
Die  Beweise,  die  er  für  die  Unehrlichkeit  des  Bernardes  anführt,  und  die 
Theophilo  Braga  leider  bestochen  haben,  lassen  sich  bei  gehöriger  Kenntnifs 
der  Lyrik  beider  Autoren  wirklich  ohne  viel  Kunst  umstofsen;  jeder  Satz 
des,,  Discurso  Critico"  läfst  sich  widerlegen  oder  einschränken. 

Das  bleibe  mir  jedoch  für  später  vorbehalten.  Hier  genügt  es  zu  sagen, 
dafs  ich  zu  denselben  Resultaten  gelangt  bin  wie  Storck,  dafs  ich  seine  Be- 
weisführung unterschreibe,  dafs  ich  also  nach  wie  vor  sämmtliche  Werke, 
welche  der  Lima,  die  Flores  do  Lima  und  die  Varías  Rimas  ao  Bom  Jesus 
enthalten,  für  Schöpfungen  des  Bernardes  ansehe  und  unter  ihnen  gerade  die 
Églogas  als  die  edlesten  imd  herzerfreuendsten  Kunstwerke. 

Auch  Idylle  XIV  (10  der  Liste)  bietet  keine  Gewähr  für  ihre  Echtheit. 
Fana-e-Sousa  fand  sie  ohne  den  Namen  des  Verfassers,  in  demselben  Manu- 
skripte, in  dem  er  alle  seine  neuen  Hirtengedichte  gefunden  haben  will. 
Dafs  sie  jedoch  früher  schon,  nämlich  1623  (und  nicht  1632,  wie  Storck 
Costa  e  Silva  nachspricht),  gedruckt  worden  war  in  der  Gedichtsammlung 
des  Estevam  Rodrigues  de  Castro,  verschweigt  er  wohl  aus  Unkenntnifs. 
Daselbst  ist  der  Name  des  Verfassers  mit  den  Anfangsbuchstaben  angedeutet  : 
D.  B.  R.,  Initialen,  unter  denen  Theophilo  Braga  De  Bernardo  Rodrigues  ver- 


156  KlìCENSIONKN  UND  ANZEIGEN.     BARTSCH, 

steht,   unter    denen   vielleicht  jedoch  De  Bernardini  Ribeiro   gesucht  werden 
rnufä,  die  aber  keinesfalls  erlauben  das  fragliche  Idyll  Camoens  zuzusprechen. 

Eben  demselben  B.  R.,  dem  diese  Idylle  zukommt,  möchten  Braga  und 
Storck  noch  eine  andere  zuweisen,  welche  Schauplatz,  Schreibart  und  den 
Hirtcnnamen  Ergasto  mit  der  crsteren  gemeint  hat  und  mit  ihr  zusammen 
aufbewahrt  worden  ist,  als  habe  sie  denselben  Verfasser.  Was  Storck  aus 
den  unklaren  Äufserungen  von  Braga  und  Juromenha  (III  452)  über  die 
Herausgeber  beider  Gedichte,  besonders  des  letzteren,  mitteilt  (IV  383),  bedarf 
der  Berichtigung. 

Es  ist  falsch  dafs  Antonio  Lourenço  Caminha  die  beiden  Églogas  aus 
Handschriften  ausgezogen.  Seine  einzige  Quelle  war,  wie  er  in  der  Vorrede 
klar  sagt,  ein  Druckwerk:  eben  die  Gedichtsammlung  des  Estevam  Rodrigues 
de  Castro,  welche  dessen  Sohn  Francisco  1623  zu  Florenz  herausgegeben, 
unter  dem  ungenauen  Titel  „Obras  de  E.  R.  d.  C."  Selbige  war  1792  bereits 
ganz  verschollen;  ein  einziges  Exemplar  kam  dem  eifrigen  Professor  zu  Händen, 
den  Innocencio  da  Silva  ganz  mit  Unrecht  zum  Fälscher  macht;  und  zwar 
fand  er  es  in  der  Bibliothek  von  Monsignore  Hasse.  Auf  Anraten  einiger 
verständiger  Freunde  nahm  er  selbst  Abschrift  davon,  und  druckte  die  kleine 
Gedichtsammlung,  soweit  sie  portugiesische  Dichtungen  bot,  in  seinen  Inéditos 
Bd.  II  p.  147 — 222  ab. 

In  seinem  Neudruck  steht  die  Idylle  Galatea  e  Ergasto  an  erster  Stelle 
p.  192  als  Écloga  I,  ohne  jegliche  Auskunft  über  den  Verfasser,  d.h.  auch 
ohne  die  Initialen  D.  B.  R.  Nur  die  zweite  Idylle  —  Écloga  II:  Ergasto 
Delio,  Laureno  —  diejenige,  welche  Faria-e-Sousa  auffand  und  auflas, 
ist  mit  den  drei  Buchstaben  vague  gekennzeichnet.  Im  Originaldruck,  den 
Caminha  treu  wiedergegeben  haben  soll,  wird  die  Sachlage  vermutlich  die 
gleiche  gewesen  sein. 

Juromenha,  welcher  Idylle  XIV  für  echt  erklärt,  schrieb  Camoens  auch 

die  andere  zu,  welche  in  Castro- Caminha  ein  Pendant  dazu  bildet,  und  teilt 

sie  mit  in 

Ed.  1 860.  J 

J  m  Storck 

als  16.  Nas  ribeiras  do  Tejo  a  huma  area  No.  16  p.  158         fehlt. 

Braga  erklärt  sie  fur  unecht  und  verwirft  sie,  schliefst  aber  No.  XIV, 
die  doch  mit  nicht  minderem  Rechte  unecht  genannt  werden  mufs,  aus  seiner 
Ausgabe  nicht  aus,  weil  FS*s  handschriftlicher  Quelle  wichtige  Varianten  bie- 
tet (wirklich  —  flössen  sie  nicht  vielleicht  aus  seiner  Feder?).  Storck  über- 
setzt, treu  seinem  Princip  unechtes  nicht  auszuschliefsen,  das  14.  Idyll;  macht 
aber   eine   Ausnahme   für   No.   16,    das  er  unberücksichtigt  läfst. 

Das  letzte  Buch  der  deutschen  Camoens-Übersetzung  ist  also  ein  Wieder- 
abdruck jener  15  Hirtengedichte,  welche  1869  als  „Sämmtliche  Idyllen"  ver- 
öffentlicht wurden  ;  ein  Geschenk ,  mit  dem  in  der  Hand  Storck  zum  ersten 
Male  an  deutsche  Herzen  anpochte,  mit  dem  Zwecke  Einlafs  zu  begehren  für 
seinen  Liebling,  für  den  grofsen  Lyriker  Camoens.  Damals  schon  hatte  er 
mit  sicherem  kritischen  Scharfblick  erkannt,  dafs  die  Idyllen  IX  bis  XTV 
nicht  seinem  Dichter  zugehörten.  Den  vollständigen  Nachweis  konnte  er  je- 
doch noch  nicht  fuhren,  weil  er  die  Werke  des  Bemardes  nicht  kannte,  und 
weil   überhaupt    das    litterarhistorische   Rüstzeug,    mit    dem    er    ausgestattet, 


SUCHIER,   DENKMÄLER  PKOV.  LITERATUR  U.  SPRACHE.  1 57 

noch  nicht  stich-  und  hiebfest  war.  Wie  viel  besser  gewappnet  tritt  er  jetzt 
auf!  Der  Kommentar  zu  den  Idyllen  ist  dementsprechend  umgestaltet  wor- 
den. Früher  zählte  er  21  Seiten,  jetzt  zählt  er  deren  64.  Und  diese  64 
enthalten  eine  Fülle  von  sorgfältig  behaucnen  Bausteinen  für  eine  Litteratur- 
geschichte  Portugals  im  16.  Jahrhundert. 

Früher  bot  der  deutsche  Kommentator  vorwiegend  Deutungen  alt- 
klassischer  Mythologeme,  Belegstellen  aus  den  ital.  Vorbildern;  jetzt  ist  das 
rein  portugiesische,  alles  was  das  sociale  Leben  des  Jahrhunderts,  und  be- 
sonders alles  was  die  Vita  des  Dichters,  sein  Verhältnis  zu  seinen  Zeitge- 
nossen betriflft,  in  den  Vordergrund  getreten.  Wie  sehr  der  Wert  der  An- 
merkungen dadurch  erhöht  worden  ist,  brauche  ich  nicht  erst  hervorzuheben. 

Carolina  Michabus  de  Vasconcellos. 


Denkmaler  provensalischer  Iiiteratur  and  Sprache  zum  ersten  Male 
herausgegeben  von  Hermann  Suchier.  Erster  Band.  Mit  einer  Unter- 
suchung von  Paul  Rohde  :  Über  die  Quellen  der  romanischen  Weltchronik. 
Halle,  Max  Niemeyer.  1883.    XVI,  648  Seiten.    8®. 

Mit  der  Herausgabe  seiner  Denkmäler  hat  Suchier  den  Freunden  alt- 
provenzalischer  Sprache  und  Litteratur  ein  wertvolles  Geschenk  gemacht. 
Wenn  auch  inzwischen  einige  Stücke  gedruckt  worden,  von  anderen  wenig- 
stens Teile  bereits  veröffentlicht  waren,  so  ist  der  Gesamtinhalt  doch  als 
wesentlich  neu  zu  bezeichnen.  Die  Sammlung  ist  auf  zwei  Bände  berechnet, 
von  denen,  wie  das  Vorwort  mitteilt,  der  zweite  bereits  im  Druck  sich  be- 
findet und  sämtliche  Texte  der  Pariser  Handschrift  franc.  1747  enthalten  wird. 
Der  erste  Band  giebt  hauptsächlich  Mitteilungen  aus  folgenden  vier  Hand- 
schriften: I.  der  Cheltenhamer  Liederhandschrift,  bei  mir  N;  2.  der  Pariser 
Hs.  fr.  1745;  3.  der  Londoner  Harl.  7403;  4.  der  Pariser  fr.  61 15.  Aufser- 
dem  sind  noch  fünfzehn  andere  Handschriften  benutzt.  Die  Einleitung  ver- 
sucht auf  Grund  der  sprachlichen  Merkmale  eine  Einteilung  des  Provenzalischen 
in  sechs  Hauptmundarten,  und  danach  die  Heimat  der  einzelnen  Stücke  an- 
nähernd zu  bestimmen.  Natürlich  bezieht  sich  diese  Bestimmung  zunächst 
nur  auf  die  Heimat  der  handschriftlichen  Aufzeichnungen,  wobei  die  Frage 
immer  noch  offen  bleibt,  inwiefern  die  Heimat  des  Denkmals  selbst  damit 
übereinstimmt.  Den  einzelnen  Texten  sind  littcrarische  und  sprachliche  Unter- 
suchungen, zum  Teil  ziemlich  umfassende,  sowie  erklärende  und  kritische  An- 
merkungen beigegeben.  Wünschenswert  wäre  eine  Numerierung  der  Stücke 
gewesen,  wie  eine  solche  in  den  Anmerkungen  stattgefunden  hat.  Da  die 
Seiten  keine  Überschrift  haben,  und  in  den  Anmerkungen  nicht  die  Seiten- 
zahl der  Stücke,  zu  denen  sie  gehören,  angegeben  ist,  so  ist  die  Auffindung 
einer  Stelle  des  Textes  oft  eine  ziemlich  mühsame  und  zeitraubende.  In  den 
Texten  stört  das  Auge  die  häufige  Anwendung  des  *t  welches  der  Heraus- 
geber überall  gesetzt  hat,  wo  er  eine  Änderung  der  Überlieferung  vorge- 
nommen. Es  ist  richtig,  dafs  dadurch  der  Leser  sofort  aufmerksam  gemacht 
wird,   ob  er  sich  dem  urkundlichen  oder  einem  restituierten  Texte  gegenüber 


158  KlîCENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     K.  BARTSCH, 

befindet,   aber   schön   sieht   es   nicht  aus:    ich  würde  dann  etwa  Kursivdnick 
immer  noch  vorgezogen  haben. 

Den  Anfang  macht   das  Evangelium  Nicodemi,    dessen   poetische  Form 
in   zwei  Handschriften   überliefert   ist,    während   eine   Prosaauflösnng   sich  in 
zahlreicheren  Quellen   erhalten   hat;    letztere   ist  unter  No.  XL  VIH  mitgeteilt 
und   behandelt   worden.     Für   mehr  als  die  Hälfte  des  Gedichtes  steht  leider 
nur  eine  einzige  Handschrift  zur  Verfügung.     Einige  Bemerkungen  zu  einzel* 
nen  Stellen  mögen  hier  stehen.    V.  27  giebt  die  Hs.  aquesta  escriptura  definis, 
der  Herausg.  schreibt  für  letzteres  Wort  dis,  allein  diese  Entstellung  ist  wenig 
wahrscheinlich,    einfacher   ist   die  Annahme,   dafs  aquesta  an  Stelle  von  esta 
gesetzt  worden  sei.  —  V.  II 8.  Wenn  die  von  S.  gesetzte  Interpunktion  richtig 
ist,   dann  würde   doch  wohl   eine  andere  Wortstellung,   etwa  cuy  nos  tenem, 
nos  rump  ad  anta  vom  Dichter  gewählt  worden  sein,  um  das  so  naheliegende 
Mifsverständnis   der  Verbindung   tenem  ad  anta   zu   vermeiden.      Aber   nach 
meiner  Auffassung  wäre  dies  gar  kein  Mifsverständnis,  sondern  tenem  ad  anta 
ist   wirklich   zu   verbinden,     cuy  auf  ley  bezogen   wäre  sprachlich  ungewöhn- 
lieh,  da  cui  als  Accus,  nur  auf  Personen  zu  gehen  pflegt;   also  cuy  geht  auf 
Christus,    und  cuy  nos  tenem  ad  anta  heifst  'den   wir   uns   zur  Schande  an- 
rechnen,  der  eine  Schande  für  uns  ist'.  —    183.  Ist  cay  sonst  belegt.^    Man 
könnte   als  Analogie   nwi  neben  mais  anführen,    das  in   Reimen   oft  genug 
erscheint;   bis  auf  weiteres  aber  wird  man  wohl  cay  s  zu  schreiben  haben.  — 
235  f.  ist  mit  Rücksicht  2m{  antas  MXíáfackas  237  doch  wohl  lagetas  :  malezas 
zu   schreiben.     Das  Fragezeichen   nach  237  wird   besser  in   ein  Komma   ver- 
wandelt und  erst  nach  240  gesetzt.  —  269  noi  kann  allerdings  als  no  li  auf- 
gefafst  werden,    wo   dann   li  vorausdeutend   auf  a  Jesu   Crist  sich   bezöge; 
wahrscheinlich  aber  hat  der  Schreiber  erst  es  hinzugefügt,  indem  er  den  erst 
zwei  Zeilen  später  kommenden  Dativ  nicht  beachtete.  —  285.  Warum  que  Fa 
und   nicht  qu^eVai   Vgl.  272.     Danach   müfste  /*  Objekt   von  pantayat  sein; 
das  Glossar   giebt   nur   an   *  schwere  Träume   haben*,    wobei   diese  Stelle  mit 
angeführt  wird.     Ist  die  Wortabteilung  richtig,   dann   mufs   übersetzt  werden 
*sie  hat  es  geträumt'.     Es  wäre  die  einzige  Stelle,   wo   das  Verbum   so  kon- 
struiert ist;   freilich  schreibt  auch  Rayn.  (Lex.  Rom.)  Pa,   aber  ich  halte  das 
für  ebensowenig  richtig.  —    289.  fis  ist  doch   wohl  =  fils  zu  nehmen  und 
daher  wohl  auch  so  zu  schreiben  ;   ein  fis  =  firs  ist  schon  nach  dem  Sinne 
nicht  wahrscheinlich.  —  305.  Das  überlieferte  fir  in  parlar  zu  verändern  ist 
nicht  nötig;  einfacher  ist  die  Änderung  de  fir  o  lo  be  o  lo  mal,  —  341.  Ich 
würde  vorziehen  zu  schreiben  enans  que  nos  que  em  natural \   que  nos  fehlt, 
S.  ergänzt  nur  nos,  aber  bei  zweimaligem  que  ist  das  Versehen  des  Schreibers 
leichter  erklärlich.  —   396  e^ngenratz  (=  e  engenratz)  zu  schreiben  ist  nicht 
nötig;    de  firnicatio  ist  ein  ano  xoivov,   welches   zu    den  beiden  Partieipien 
gehört,  zwischen  welchen  es  steht.  —  Die  Verse  579—580  sind  wohl  vor  577 
zu  stellen,   dann   ist   auch  vor  581  kein  Punkt,   sondern  nur  ein  Komma  zu 
setzen.  —  585.  Die  Veränderung  des  handschriftlichen  car  ells  in  ganre,  was, 
wie  Suchier  vermutet,  auf  einem  Hörfehler  beim  Diktieren  beruht,   ist  durch- 
aus  nicht  nötig;    588  ist  wohl   eher  e  zu  streichen   und  perir  in  transitivem 
Sinne  zu  nehmen:   totas  las  gens.  —  610  a/  coral  ist  unzweifelhaft  entstellt; 
den    beiden    unterm   Texte    geäufsertcn  Vermutungen    liefse    sich    auch    noch 
acorbel  (von  acorhar)  an   die  Seite  stellen.  —  645.  Die  Stellung  von  ne  oder 


SUCRIER,   DENKMÄLER  PROV.  LITERATUR  U.  SPRACHE.  15g 

en  ist  sehr  unwahrscheinlich;  ich  denke,  es  wird  un  autre  zu  lesen  sein.  — 
Nach  674  ist  ein  Komma  zu  setzen.  —  774  genügt  eine  Umstellung  der 
Worte:  aycki  es  escrigt  mit  Synärese  von  i-es.  Solche  Fälle  aus  dem  Nie. 
hat  Suchier  S".  509  zusammengestellt.  —  Doch  ich  breche  mit  Bemerkungen 
zum  Nicodemus  ab;  nur  noch  zwei  Stellen  aus  dem  letzten  Teile.  2315  ist 
wobl  de  far  stat  ne  far  zu  schreiben.  2349  f.  ist  allerdings  der  Reim  Notte 
:  salvet  möglich ,  da  das  Gedicht  mehrfach  ungenaue  Reime  hat  ;  indes  da 
auch  die  Wiederholung  des  Pronomens  (Subjecies)  ungewöhnlich,  so  läfst  sich 
vermuten,  dais  statt  Nofte  ins  en  es  ursprünglich  hiefs  intret  Nohe  und  die 
Verse  also  zu  schreiben  sind 

per  V esduluvi»  can  intret 
Nohe  Parcha  e* Il  si  (oder  s*i)  salvet. 
Die  in  der  Anmerkung  zu   1824  angeführte  Stelle  aus   Guillem  de  Cabestanh 
ist  doch   von   anderer   Art   als   die   des  Nie,   denn   dort   ist   in  cu* eu  prezes 
que  nicht  Relativum,  sondern  Konjunktion. 

Auch  für  die  folgenden  Stücke  beabsichtige  ich  nicht  ein  Eingehen  auf 
Einzelheiten  des  Textes;  es  sind:  Die  sieben  Freuden  Marias,  Beichtformel, 
Kalender,  Alexius,  die  fünfzehn  Zeichen  des  jüngsten  Gerichts,  die  Kreuz- 
legende. 

Dagegen  seien  zu  den  folgenden  Stücken,  die  zu  den  älteren  der  Samm- 
lung gehören,  einige  Bemerkungen  gestattet.  Die  Diätetik  ist  sicherlich  noch 
aus  guter  Zeit  des  13.  Jahrhunderts;  dafs  Matfre  sie  gekannt  habe,  macht  S. 
nach  einigen  Anspielungen  sehr  wahrscheinlich.  Für  die  Abfassungszeit  cha- 
rakteristisch sind,  wie  S.  S.  530  bemerkt.  Plurale  wie  brasses  und  grosses , 
hinzuzufügen  ist  der  einsilbige  Gebrauch  von  sian  V.  210,  der  dreisilbige  von 
sapias  V.  156.  321.  aost  wird  V.  339  einsilbig,  dagegen  V.  352  zweisilbig 
gebraucht. 

In  V.  7  entfernt  man  sich  weniger  weit  von  der  Überlieferung  (ji'  ieu 
gen  torn),'  wenn  man  schreibt  sieg*  entorn  mi  (sedeat),  wofür  S.  setzt  veng* 
entorn  mi,  —  35  ist  vielleicht  not  venra  statt  non  venra  zu  lesen.  —  120  ist 
das  überlieferte  hocs  statt  boscs  wohl  nicht  anzutasten;  es  ist  Auswerfung  des 
eines  j,  wie  in  aguetz,  Critz,  etz  für  aquests,  Crists,  ests.  —  243  eissament 
kann  nicht  im  Sinne  von  *als  ob'  genommen  werden,  wofür  es,  wie  die  Anm. 
angiebt,  in  der  That  auch  an  Belegen  fehlt;  sondern  es  ist  zu  schreiben 
0  s*eras  en  ost  eissamen,  —  277  statt  uns  terminis  würde  ich  lieber  uns 
termes  schreiben:  der  Herausg.  streicht  uns,  —  314  quet  ist  schwerlich  richtig, 
ich  vermute  ieut  mandi  especialmente  wodurch  auch  V.  313  dann  nicht  als 
anfiallende  Überschrift  dasteht,  sondern  in  den  Satz  hineingezogen  wird.  — 
424.  Mit  Recht  nimmt  die  Anm.  die  Änderung  qu*a  zurück  ;  aber  auch  qu*en 
ist  nicht  einmal  nötig,  da  man  qu*e  schreiben  darf. 

*Des  Sünders  Reue'  ist  historisch  und  kulturgeschichtlich  anziehend 
durch  die  Beziehungen  auf  albigensische  Lehren.  Auf  Ähnlichkeiten  mit  Las 
novas  del  heretge  macht  der  Herausg.  S.  534  aufmerksam;  eine  Benutzung 
des  älteren  Gedichtes  ist  daher  wahrscheinlich.  Dieses  ist  vor  1230  ent* 
standen.  Da  wir  auch  hier  schon  die  Plurale  auf  es  (S.  535)  finden ,  so  ge- 
winnen wir  damit  einen  Anhaltspunkt  für  Altersbestimmung  anderer  Denk- 
mäler, die  die  gleiche  Bildung  zeigen.  Als  charakteristisch  wäre  etwa  noch 
dreisilbiges    comiat   V.  73    liin/.uzufiigcn.      Die    seltsame    Schreibung    trtbhuls 


1 6o  RECENSIONEN  UND  ANZBIGEK.     K.  BARTSCH, 

V.  12.  191  ist  wohl  nur  Umstellung  fur  trebalks,  da  die  Hs.  mouilliertes  /  in 
der  Regel  durch  Ih  bezeichnet.  Die  Schreibung  Juseua  V.  182  halte  ich 
nicht  für  richtig,  sondern  Juseva  ;  wäre  eu  hier  Diphthong,  so  würde  die  Hs. 
ihrero  Gebrauche  g'^xxâX'à  jusieua  geschrieben  haben;  der  Umstand,  dafs  auch  die 
jüngeren  Handschríñen  hier  e^  nicht  f>  haben,  bezeugt  die  konsonantische 
Natur  des  u,  V.  382  ist  wohl  eher  der  Artikel  als  sus  zu  streichen ,  also 
sus  en  crotz  zu  schreiben;  die  fehlerhafte  Hinzufugung  des  Artikels  nach  en 
findet  sich  auch  V.  701.  —  416  1.  noù  was  wenigstens  viel  wahrscheinlicher 
als  die  Synärese  von  1  a,  —  433  que  i  als  zwei  Silben  gebraucht  hat  wenig 
für  sich;  ich  denke,  es  wird  statt  caja  zu  schreiben  sein  caira,  — *  442  ein- 
facher ist  ni  se  muda,  statt  ni  nos  muda  ;  Hs.  nis  muda,  —  462  en  tenguda\ 
entenduda  zu  lesen  ì  —  498  f.  die  Umstellung  beider  Verse  ist  nicht  notwendig, 
wenn  man  tant  iei  —  mesura  als  Parenthese  nimmt.  —  528  statt  nan  wohl 
nom  zu  lesen;  pregueira  ist  hier  die  Fürbitte  Marias.  —  557  fur  la  gent  ist 
legent  zu  lesen.  —  561  auch  hier  ist  die  Synärese  wohl  in  bei  (Hs.  hen  1), 
nicht  in  1  ac  anzunehmen.  —  611  relinqudm  hält  der  Herausg.  nach  der  Anm. 
für  lateinisch,  mit  Betonung  auf  der  Endung;  nicht  diese  Betonung  wSrc  hier 
auffällig,  sondern  die  Anwendung  des  lateinischen  Wortes.  Es  ist  lat.  retín" 
quamus\  der  Wechsel  zwischen  Singular  und  Plural  ist  in  unserem  Gredichte 
haufìg;  vgl.  perdam  V.  459  etc.  —  705  sufrías  ist  wohl  schwerlich  condit, 
wie  die  Anm.  annimmt,  sondern  steht  für  sufrirás,  also  derselbe  Fehler,  den 
ich  oben  zu  V.  433  wahrscheinlich  machte.  —  707.  Die  Adjektiva,  mit  denen 
der  Text  nach  der  Lücke  wieder  beginnt,  sind  offenbar  auf  ein  vorausgehendes 
pecatz  zu  beziehen,  das  daher  Reimwort  der  vorhergegangenen  Zeile  gewesen 
sein  wird.  —  802  mortz  wohl  entstellt  aus  morns,  und  das  überlieferte  cane 
vielleicht  in  tant  zu  ändern. 

Zu  Raimons  von  Castelnou  *  Doctrinal'  Vermutungen  auszusprechen,  ist 
allerdings  gewagt,  da  eine  zweite  noch  nicht  ausgenutzte  Handschrift  der- 
selben durch  P.  Meyer  nachgewiesen  ist;  ich  beschränke  mich  daher  auf 
weniges.  In  der  Gegenüberstellung  der  Tugenden  und  Laster  in  V.  36  ff.  er- 
innert einiges  auffallend  an  das  alte  Boethiusgedicht, 

37  ^  que  contra  luxuria       mi  done  castedat  = 
Bo.  contra  lucxuria       sun  fait  de  castitat, 

\i  e  contra  avareza  almorna  e  largetat  = 
Bo.  contr'  avaricia  sun  fait  de  largetat. 
Doch  ist  wohl  kaum  eine  Bekanntschaft  Raimons  mit  dem  alten  Gedichte  an- 
zunehmen. —  V.  53  ziehe  ich  vor  zu  schreiben  metr*e  mas  freguieiras,  — 
59.  Wenn  beide  mal  verge  statt  verges  geschrieben  wird,  ist  der  handschrift- 
liche Text  im  übrigen  beizubehalten.  —  164  Qu^el  es  homs,  earn  de  verge, 
vole  naisser  sanctament  ist  ein  auffallend  zerhackter  Vers.  Wenn  man  schreibt 
car  de  verge  vole  naisser,  wird  er  wesentlich  besser  dem  Ausdruck  nach.  — 
193  sai  lassar  mos  ab  son  e  far  ajustament  stimmt  gewifs  nicht  blofs  zn- 
fallig  mit  dem  Anfange  von  Peire  Vidais  Liede  Ajostar  e  lassar  sai  tan  gen 
motz  ab  so  überein.  Denn  wenn  auch  lassar  motz  e  so  eine  technische  Formel 
ist  (Diez,  Poesie' S.  71),  so  gilt  das  doch  nicht  von  ajostar,  —  246  ist  doch 
wohl  zu  schreiben  <^a  sos  pairos;  denn  wiewohl  ein  Dativ  einer  Person  ohne 
a  stehen  darf,  so  wird  doch  hier  als  Konjunktion  que,  nicht  car  erwartet. 
In  den  beiden  folgenden  Versen  sind  die  beiden  hinteren  Vershälften  zu  ver« 


SUCHIER,    DENKMÄLER  PROV.  IJTERATÜR  U.  SPRACHE.  l6l 

tauschen,  wenn  nicht  mit  Vertauschung  von  singues  und  siei%es,  was  noch 
wahrscheinlicher,  die  ganzen  Verse  umzustellen.  —  272.  Statt  des  handschrift- 
lichen comfermans  scheint  mir  besser  zu  schreiben  comfermnrs  als  mit  S. 
comfermacis,  ein  unbelegtes  Wort,  wie  auch  ein  confirmatium  nicht  üblich 
ist.  —  344.  Statt  ein  zweisilbiges  que  i  einzufuhren,  das  seine  Bedenken  hat 
(vgl.  oben  S.  160),  ziehe  ich  vor  aitai  statt  tal  zu  setzen.  —  365.  Statt  que 
zu  streichen,  möchte  ich  auch  hier  cT est  mon  statt  d*aquest  mon  vorschlagen; 
vgl.  oben  S.  158. 

In  Scrveri's  Lehrgedicht  V.  1 14  ist  der  Konjunktiv  parja  kaum  denk- 
bar ;  ich  lese  par  ja ,  ja  als  zweite  Silbe  eines  zusammengesetzten  Reimes 
auch  bei  Pcirol  {non  ja).  Zu  konstruieren  ist  ja  par  {que)  no  res  pogues 
viure.  —  195  pero  ist  in  dieser  Wortstellung  nicht  üblich,  daher  richtiger 
wohl  das  Komma  vor  pero  zu  setzen. 

Das  gut  überlieferte  Gedicht  von  Gui  Folqueys  über  die  sieben  Freuden 
Marias  giebt  zu  keinen  Bemerkungen  Anlafs,  auch  die  demnächst  sich  an- 
schliefsenden  kleineren  Stücke  (XIV — XVIII)  übergehe  ich  hier.  Die  Ten- 
zone zwischen  Aycard  und  Girard,  die  inzwischen  K.  Hofmann  in  Vollmöllers 
Romanischen  Forschungen  S.  135  ff.  hat  abdrucken  lassen,  ist,  was  weder 
Hofmann  noch  Suchier  gesehen  haben,  in  der  Strophenform  eines  sehr  be- 
liebten Liedes  von  Peire  Vidal  (Gr.  364,  4)  abgefafst.  Eine  direkte  Benutzung 
desselben  ñndet  sich  in  V.  45  qe  greu  trai  hom  foc  de  glaz  ni  de  neu ,  was 
aus  Vidais  Worten  de  la  freída  neu  nais  lo  cristals  don  hom  trai  foc  arden 
entnommen  ist. 

In  dem  'Bruchstück  eines  Romans',  in  welchem  Suchier  eine  Vorstufe 
des  Eri  of  Tolous  vermutet,  was  allerdings  bei  dem  geringen  Umfange  des 
Bruchstückes  über  einen  gewissen  Grad  von  Wahrscheinlichkeit  nicht  hinaus- 
zubringen ist,  kann  V.  50  lo  quint  o  amendât  nicht  richtig  sein;  es  wird  zu 
schreiben  sein  lo  quinto  'das  Fünftel,  der  fünfte  Teil';  freilich  kann  ich  das 
Wort  nicht  belegen,  man  könnte  auch  quinte  lesen,  gebildet  nach  Analogie 
von  lo  eente,  das  Hundertstel. 

Die  zu  dem  Liebesbrief  (Nu)  geäuf  serte  Vermutung,  der  Verfasser  des- 
selben möchte  Aimeric  von  Pegulhan  sein,  stützt  sich  auf  das  zweimalige 
Erwähnen  der  Assassinen  bei  diesem  Dichter  ;  und  in  der  That,  wenn  wir  ein 
Citat  hei  Guiraut  von  Borneil  (Gr.  242,  45)  und  eine  Stelle  in  Flamenca 
(V.  684  C)  abrechnen,  bleibt  nur  Aimeric  übrig. 

In  dem  Descort  (N  15)  ist  aufser  an  den  Stellen,  wo  die  Handschriñ 
einen  Absatz  bezeichnet,  auch  bei  V.  37  und  54  ein  solcher  zu  machen. 
V.  37 — 44  bilden  einen  vierteiligen  Absatz ,  und  vierteilig  sind  die  meisten 
anderen;  nur  V.  i — 12  ist  sechsteilig,  V.  45 — 53  dreiteilig,  und  V.  54 — 59  zwei- 
teilig. Letzterer  Absatz  wird  aber  nur  dadurch  regelmäfsig ,  dafs  man  V.  59 
die  fehlende  Silbe  hinzugefügt;  es  wird  zu  lesen  sein  car  no  (oder  nom)  vene 
aUres  bes.  Die  Vers-  und  Stropheneinteilung  der  Handschríñen  ist  bei  den 
Descorts  bekanntlich  eine  sehr  wenig  zuverläfsige ,  ein  Beweis,  dafs  die 
Schreiber  mit  dieser  von  der  gewöhnlichen  Liedform  abweichenden  Form  sich 
oft  nicht  zu  helfen  wufsten.  Noch  an  einer  dritten  Stelle  aber  ist  gegen  die 
Hs.  ein  Absatz  zu  machen,  bei  V.  21.  Diese  als  vierzeilig  in  der  Hs.  und 
hei  S.  dargestellten  Verse  21 — 24  bilden  thatsächlich  einen  achtzeiligen  Ab- 
Zeltaohr.  f.  ron.  Ph.    VII.  II 


102  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     A.  HORNING, 

satz,  der  sich  wie  die  meisten  anderen  in  vier  kleinere  Teile  gliedert  und  zu 

schreiben  ist: 

Vos  ai 

entre  las  bellaçors, 

car  sai 

qu*es  de  beutat  la  fior  s. 

Sius  piai  (Hs.  platç), 

eo  ere  queus  er  honors, 

s*uei  mai  (Hs.  mais) 

mi  fatç  calque  secors. 

In  der  namenlosen  Strophe  (N  144)  heifst  non  far  raxon  der  letzten 
Zeile  *  keine  Rechnung  machen  '  d.  h.  nicht  bezahlen  müssen  für  das  was  er 
genossen  hat. 

Die  letzte  Zeile  des  Gedichtes  N  341  bedarf  keiner  Veränderung  des 
Überlieferten:  com  nei  fe  'wie  er  heute  that*  ist  ganz  richtig.  In  dem  fol- 
genden Gedichte  (N  386)  ist  na  Comtensons  V.  31  ein  auffallender  Frauen- 
name ;  sollte  nicht  na  comtessa  oder  la  comtessa  zu  lesen  sein  ?  Einer  Grafìn 
von  Carret  gedenkt  auch  der  gleichfalls  zeitweise  in  Italien  lebende  Albert 
von  Sestaro  (Gr.  16,  13).  In  dem  nächsten  Liede,  von  Aimeric  von  Belenoi 
(N  412),  verstehe  ich  das  termen  der  4.  Zeile  nicht;  ich  denke  es  mufs  hcifsen 
tornem, 

N  458  ist  in  einer  bekannten  und  beliebten  Strophenform,  von  welcher 
ich  in  der  Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  ii,  157  f.  zahlreiche  provenza- 
lischc  und  einen  altfranzösischen  Beleg  gegeben  habe. 

In   der  Tenzone   zwischen   Raimbaut   und   Gauselm   Faidit  (N  459)  ist 

V.  55  f.  zu  schreiben 

e  la  dompn^a  lui  eissamen 

trait  si  traciol  consen; 

die  Wiederholung  des  Particips  ist  nicht  wahrscheinlich,  wenn  nicht  zugleich 
a  wiederholt  wird,  und  tracio  statt  tracia  ist  sicher. 

Die  Tenzone  zwischen  Giraldon  und  einem  Grafen  (N461)  macht,  schon 
weil  sie  Lücken  hat,  mehrfach  Schwierigkeiten.  Z.  6  scheint  mir  nicht  notig, 
das  überlieferte  e  in  que  zu  verändern.  Die  Ergänzung  von  V.  22  trifft,  wie 
ich  glaube,  nicht  das  richtige.  Die  Lücke  ist  wohl  überhaupt  nicht  nach 
V.  21,  sondern  nach  23  oder  in  Vers  24  anzunehmen;  denn  die  letzte  Zeile 
giebt,  wie  sie  überliefert  ist,  auch  keinen  Sinn.  Ich  möchte  den  Schlafs  der 
Strophe  so  ergänzen: 

ja  en  celiai  non  [la  volgra  tener 

nuda  la  noit\  neis  s^era  reis  de  Fransa, 
In  V.  39  ist  ve  Va  sa  faicho  eine  auffallende  Ausdrucksweise;    ich   lese  e  ja 
lo  jorn  non  veja  sa  faicho,   mit   demselben  Übergang  in  den  Konjunktiv  bei 
e  ja  wie  in  V.  6.  —  V.  41  ist  überliefert 

[  ]  estre  si  en  tnantenez  tal  raço, 
wofür  Suchier  schreibt 

Matstre,  si  en  mantenez  tal  raço. 
Da  er  nach  V.  42  einen  Gedankenstrich  setzt,  so  scheint  es,  dafs  er  Giraldons 
Rede  erst  mit  43  beginnen  läfst,    also  41.  42  noch  dem  Grafen  zuteilt.     Das 
wäre  aber  ganz  ungewöhnlich.     Es  ist  vielmehr  zu  schreiben 


SIEMT,    ÜBER  LATEIN.  C  VOR  E  UND  I  IM  P1KÂRDISCHEN.  1 63 

[^y"]ostr*  esten  tnuntenez  tal  raço, 
*mit  eurem  Wissen,  wissentlich*.     In  V.  52  ist  das  überlieferte  cals  —  la  nicht 
anzutasten,  nur  mufs  man  dann  ra  schreiben. 

In  V.  4  der  darauffolgenden  Tenzone  zwischen  Bernart  und  Blacaz  (N  462) 
ist  de  wahrscheinlich  zu  streichen  und  zu  interpungicren  : 

cal  volriaz  a  voslr*  obs  retenir: 

doas  domnas  bona  s  son  ses  falenza, 
cal  ist  dann  neutral  zu  nehmen,  ebenso  wie  in  V.  10.     In  der  folgenden  Ten- 
zone (N  464)   schlage   ich   vor  V.  10   zu   lesen   e  ja  d*atzo  no  fo  ja  (Hs.  no 
save)  mos  parers.     In   der  Tenzone  zwischen  Guionet   und  Pomairol  (N  465) 
ist  V.  18  statt  preza  zu  lesen  prez  a. 

Den  Schlufs  der  mitgeteilten  Stücke  bilden  der  Brief  des  Priesters 
Johannes  an  Kaiser  Friedrich,  die  Prosaauilösung  des  Evangelium  Nicodemi, 
Sibyllen  Weissagung,  und  Libre  dels  yssamples.  Die  Abhandlung  von  Paul 
Rohde  über  die  romanische  Weltchronik  (S.  589—638)  geht  den  Quellen  der- 
selben in  ihrer  Gesamtheit  wie  im  einzelnen  aufs  sorgiältigste  nach.  Ein 
Glossar  (S.  639 — 645)  stellt  die  bemerkenswertesten  Worte  zusammen.  Hoffen 
wir,  dafs  der  zweite  Band  nicht  lange  auf  sich  warten  läfst.* 

K.  Bartsch. 


Oswald  Siemty  Ueber  lateinisches  c  vor  e  und  1  im  Pikardischen. 
Inaugural-Dissertation.    Halle  1881.    8<*. 

In  dieser  Dissertation,  die  lehrreiche  Zusammenstellungen  giebt,  wäre 
eine  strengere  Anordnung  des  Stoffes  erwünscht  gewesen.  Cy»  ty,  ce{i)  mufsten 
nach  ihrer  Stellung  im  Auslaut  sowie  vor  und  nach  dem  Ton  sorgfältig  ge- 
schieden werden.  So  wären  die  Resultate  deutlicher  hervorgetreten,  der  Leser 
wäre  nicht  in  die  Notwendigkeit  versetzt,  dieselben  erst  aus  dem  gesammelten 
Material  zu  abstrahieren,  und  der  Verfasser  könnte  sie  mit  vollem  Recht  als 
sein  geistiges  Eigentum  in  Anspruch  nehmen.  —  S.  16  wird  darauf  aufmerk- 
sam gemacht,  dafs  in  einer  Reihe  von  Substantiven  auf  Vokal  +  x  mit  Accu- 
sativ  auf  'Cem  {vox,  pax)  das  dem  Pikardischen  eigentümliche  ch  (c)  sich 
nicht  zeige,  dafür  aber  s  gesetzt  werde,  brebis,  crois  ...  ;  es  seien  im  ganzen 
neun  Wörter.  Aber  es  ist  doch  ein  reiner  Zufall,  wenn  poix  (picem)  und 
souris  in  den  benutzten  Texten  nicht  vorkommen,  und  ist  denn  jene  Er- 
scheinung auf  Substantiva  beschränkt?  Auch  dis  {decern)  gehört  hierher,  das 
S.  14  in  einer  Reihe  mit  oiseux  und  paisible  steht,  ebenso  ^i  (/<•«*)  Ch.  d* Aire 
M81;  Clary  S.  14,  Z.  i.  Es  ergiebt  sich  die  Regel,  dafs  auslautendes  ce  (i) 
im  Pik.  durch  s,  nie  durch  c  oder  ch  dargestellt  wird.  Damach  ist  das  bei 
Snchier  Aue.  und  Nicol.  S.  61  gesagte  zu  ergänzen.  —  Wie  verhält  sich 
nun  tyi  Auf  S.  14  finden  wir  mitten  unter  Bildungen,  in  denen  palatales  c 
und  assibiliertes  /  zwischen  Vokalen  in  is  übergehen,  die  beiden  Wörter  pa- 
lais und  pris  (pretium)  und  zwar  in  einer  Reihe  mit  oisel  und  fournaise.  Der 
Verf.  verliert  darüber  kein  Wort.     Und  doch  mufste  gesagt  werden,  dass  nur 


'  [Herr  Prof.  S.  teilt  mir  mit,   dafs  er  S.  300  *  Dansa*  V.  39  jetzt  liest: 
E  malan  puesqu^esser  mes  „in  Unheil  möge  er  versetzt  werden".     G.] 

II* 


104  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     G.  GRÖBER, 

in  diesen  beiden  Wörtern  auslautendes  1y  zu  is  wird  und  dafs  eben  in  diesen 
beiden  Wöctern  das  Französische  seit  ältester  Zeit  s  statt  des  erwarteten  z 
aufweist.  —  Über  die  anderen  Formen  mit  auslautendem  ty  vor  Vokal  une 
puteus  erfahren  wir  Nichts.  Ebenso  fehlt  ein  Verzeichnis  der  Wörter  mit  cy. 
Mögen  dies  immerhin  bekannte  Dinge  sein,  in  einer  Monographie  über  pik.  c 
vermisst  man  ungern  Formen  wie  puestich  (Ch.  du  Ponthieu)  oder  souplich  (Ch. 
d'Aire);  lieber  hätte  man  auf  die  lange  Aufzählung  der  Wörter  auf  -ijö«  auf 
S.  12  und  13  verzichtet.  Bei  Besprechung  der  Verba  auf  -tiare  wie  aguisier 
wäre  die  ausdrückliche  Angabe  er^vünscht  gewesen,  dass  dem  Verf.  Bildungen 
wie  puchier  oder  apetichierj  die  z.  B.  im  Chevalier  au  Barizel  und  im  Octavian 
vorkommen,  nicht  aufgestofsen  sind.  In  den  benutzten  Urkunden  fìnden  sich 
wie  es  scheint  nur  Formen  auf  -is,  wie  amenuisier. 

Nicht  richtig  ist  über  justise,  servise  gehandelt.  Es  mufte  strenger 
zwischen  prosaischen  und  poetischen  Quellen  geschieden  werden.  Was  dann 
die  Prosadenkmäler  betrifft,  so  durfte  Ch.  Vermand.  LI  nicht  benutzt  werden, 
da  sie  (ein  Vidimus  Ludwigs  des  Heiligen)  in  ungemischtem  Französisch  ge- 
schrieben ist.  Die  aus  derselben  beigebrachten  Beispiele  für  justise,  servise, 
justisier  (S.  lo,  ii,  15)  fallen  demnach  weg.  Auch  in  der  Ch.  von  St.  Pierre 
d*Aire  steht  S.  iii,  117  nicht /wj/ij^,  wie  Siemt  S.  10  angiebt,  sonátm  justice. 
Bei  der  Nachprüfung  ergab  sich  mir  das  Resultat,  dafs  in  den  Prosaurkunden 
in  vielen  hundert  Fällen  nur  service  {serviche),  justice,  prejudice  vorkommt; 
für  servise  und  prejudise  bleibt  nur  je  ein  Beispiel  (S.  ii),  das  für  servise 
steht  noch  dazu  in  einer  Sammlung,  in  welche,  wie  der  Verf.  S.  3  sagt,  sich 
auch  einzelne  unächte  Stücke  eingeschlichen  haben.  Juise»  das  sich  nur  bei 
Mousket  fìndet,  gehört  nicht  der  Sprache  des  Volks,  sondern  derjenigen  der 
Dichter  und  Gelehrten  an.  Man  wird  demnach  kein  Bedenken  tragen,  in  service 
Mnò.  justice  die  acht  pik.  Formen  zu  sehen  und  die  Behauptung  Siemts  S.  lO,  dais 
die  Endung  -ise  in  allen  Texten  neben  -iche  als  gleichberechtigt  steht,  als  eine 
irrtümliche  zurückzuweisen.  Wertlos  ist  die  S.  7  ausgesprochene  Ansicht,  dafs 
justise  die  ursprünglich  volkstümliche  Form,  justice  eine  Anlehnung  an  das 
Latein  sei  ;  wahrscheinlicher  ist  justise  eine  spätere  Umbildung  des  ursprüng- 
lichen yM^//Vr^.  Die  Thatsache,  dafs  in  Jehan  Bodels  Congés  sich  nur  die  Formen 
auf  'ise,  in  Mouskets  Chronik  beide,  die  auf  ise  und  die  auf  'ice  finden,  erklärt 
sich  am  einfachsten  durch  die  Annahme,  dafs  die  Formen  auf  -ise  in  der  litte- 
rarischen Sprache  eingebürgert  waren  und  selbst  bei  pik.  Dichtem  die  acht 
volkstümlichen  zurückdrängten.  —  Für  office,  edifice,  avarice  werden  S.  IO  anf 
Grund  weniger  vereinzelter  Schreibungen  mit  -is  Nebenformen  auf  -ise  ange- 
nommen ;  vgl.  auch  S.  7  die  Erwähnung  von  offise  neben  office.  Beweisende 
Reime  sind  nicht  beigebracht.  Wir  werden  an  der  Ansicht  festhalten,  dafs  es 
afrz.  kein  offise,  avarise,  edifise  mit  tönendem  s  gab.  —  Mit  Recht  wird  S.  18 
angenommen,  dafs  in  Wörtern  gelehrter  Herkunft  wie  grasse,  espace,  dedicasse 
ss  oder  e  (wofür  nie  ch  vorkommt)  wie  stimmloses  s  ausgesprochen  wnrde. 
Nur  war  zu  erwähnen,  dafs  schon  O.  Knauer,  Zur  afrz.  Lautlehre  S.  24  sich 
in  ähnlichem  Sinne  ausgesprochen  hatte.  Auch  Bildungen  wie  ahsense,  diu- 
gense  S.  33  gehören  hierher.  —  Clary  LUI,  7  war  servige  zu  notiren.  — 
S.  32,  Z.  22  ist  fache  ein  störender  Druckfehler  fur  forche, 

A.  Horning. 


ROBERT,   INVENIAIRE  SOMMAIRE  DES  MSS.  DES  BIBL.  DE  FRANCE.      1 65 

U.  Robert,  Inventaire  sommaire  des  manuscrits  des  bibliothèques 
de  France  dont  les  catalogues  n'ont  pas  été  imprimés.  2^  fascicule. 
Paris  1881,  Picard,  p.  129 — 288. 

Fase.  I  wurde  Zeitschrift  IV  459  angezeigt.  Fase.  2  umfasst  Arsenal- 
bibliothek  (Rest)  bis  Dijon  (Anfang),  d.  i.  50  Bibliotheken.  Es  mögen  hier 
die  den  ma.  romanischen  Litteraturen  zugehörigen  Hss.,  soweit  sie  als  solche 
erkennbar  sind,  bezeichnet  werden. 

Arsenal.  Itinéraires  No.  20  u.  675  Auszüge  aus  Marco  Polo.  No.  21 
Jehan  de  Mandeville.  —  Hist.  univ.  No.  31  Chronique  depuis  Adam  jusqu'à 
Jésus-Christ.  No.  33  Trésor  des  hystoires.  No.  34  Histoire  ancienne,  compilée 
d'après  Comestor  etc.  No.  36  Mirouer  hystorial,  vol.  II.  No.  62  G.  Pillastre 
Thoyson  d'or,  l' livre.  No.  63,  64,  65  Jacobus  de  Voragine  (französ.).  No.  66 
Légendes  des  saints.  No.  68  La  vie  Notre  Dame;  Gerson,  le  traité  des  X 
commandemans  de  la  loy;  traité  pour  cognoistre  qu'est  pechié  mortel;  P.  de 
Liicembourg  Epistres;  Enseignements.  No.  71  La  vie  St.  Clement.  No.  75 
Vie  de  Marie  et  de  Jésus.  No.  86  Histoire  ancienne.  No.  87  Histoires 
anciennes  selon  Orose.  No.  88  Orose.  No.  90 — 93  Josephus.  No.  94  Le 
livre  du  trésor,  cent,  un  abrégé  de  l'histoire  des  Hébreux.  No.  96  Jehan  de 
Courcy.  No.  97  Curtius  Rufus.  No.  99  Raoul  Lefèvre  ;  Hystoire  troyennes. 
No.  100  Les  histoires  de  Rome.  No.  ici  (104,  105?)  Livius,  trad.  p.  P.  Ber- 
cheure.  No.  102,  iio  Hystoires  romaines  abrégées.  No.  106  Livre  de  la  i  e 
guerre  punique  von  Leonard  de  A.,  übers,  von  Jeh.  Le  Bègue.  No.  107  Le 
fait  des  Romains.  No.  108  Les  commentaires  de  J.  César.  No.  109  David 
Aubert,  Chroniques  abrégées.  No.  113  Chronique  des  comtes  de  Savoie. 
No.  141  Croniques  et  hystoires  de  France  (bis  1383).  No.  142  Chroniques 
de  St.  Denis.  No.  143  Chroniques  de  France,  d'Angleterre  et  de  Flandres 
(1296 — 1370).  No.  144,  145  Froissart.  No.  146,  147  Eng.  de  Monstrelet. 
No.  148  Ancienne  Chronique  de  Valenciennes  (1290 — 1345).  No.  1 60  J.  Char- 
tier, Cronicque.  No.  673,  674  Frère  Hayton,  Livre  de  la  fleur  des  histoires 
de  la  terre  d'Orient.  No.  676  Borchard  Lalemant,  Advis  pour  faire  le  saint 
voyage,  transi,  p.  J.  Mielot.  No.  677  A.  Guillaume  de  Tyr.  No.  677  Histoire 
des  guerres  de  la  Terre  Sainte.  No.  678  bis  Fragment  d'un  poëme  provençal 
sur  la  prise  de  Damiette  ;  Lettre  du  prêtre  Jehan  etc.  No.  695  Heraldisches. 
Roman  de  la  marquise  de  Saluées.  No.  874 — 877  bis  Livre  de  Jehan  Boccace 
des  cas  nobles  tr.  p.  Laurent  Premierfait.  No.  880  G.  Chastellain,  Le  Temple 
Boccace.  (No.  883  Barbazan,  Biographien  afrz.  Dichter  und  Auszüge  aus  ihren 
Werken).  No.  887 — 890  Valerius  Max.  p.  Simon  de  Hesdin.  No.  893  Jehan 
Courtecuisse ,  Le  Livre  Sénèque  (abrégé).  —  Mss.  Espagnole  etc.  No.  22 
Historia  de  Eutropio,  No.  23  Martin  Polono,  Cronica.  —  Mss.  Italiens 
No.  5  Laudi  di  Gesù-Cristo,  di  Maria  vergine  et  di  alcuni  santi,  XIII — XIV  S. 
No.  12  Petrarcha,  Remedia  trad.  p.  G.  da  Sanminiato.  —  Bei  den  S.  206  fí*. 
mitgeteilten  Ergänzungen  und  Verbesserungen  sind  meine  1.  c.  veröffentlichten 
Angaben  nur  zum  Teil  verwertet.  Bei  S.  117  No.  175  fehlen  noch:  fol.  203 
Reclus  de  Moliens,  Miserere,  fol.  300  La  prière  Theophilus,  fol.  307  Dit  de 
Gentilece,  fol.  311  ein  dit  ohne  Titel.  Bei  S.  117  No.  176  ist  nicht  verbessert: 
X[V]III  s.  (3473).  Den  reichen  Inhalt  der  Hs.  No.  283  (S.  120)  lernt  man 
immer  noch  besser  aus  Le  Roux,  Sept  Sages  (s.  meine  Ergänzungen  dazu  1.  e.) 
kennen,  als  durch  den  Nachtrag  auf  S.  208. 


1 66  KECENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     A.  GASPARY, 

Avignon  No.  376  Theologica  und  Moralia  in  Prosa  und  Versen;  die 
Titelangaben  erlauben  nähere  Bestimmungen  nicht. 

Bagnèrcs  No.  io — 21  enthalten  Jubinals  Copien  franz.,  span.,  ital.  Dich- 
tungen. No.  32  Oeuvres  inédites  d'E.  Deschamps.  No.  40 — 42  Copien  Méons 
und  Trébutiens. 

Beauvais  No.  5  [Cristine  de  Pizan]  Epistre  d'Othéa.  Roman  de  Mélibée. 

Bourg  No.  76  Le  St.  Graal,  mutilé. 

Chalons-sur-Saone  No.  28  „Roman  gothique  p.  ex  le  roman  de  la 
Rose  suivi  du  Codicille  de  Meung,  mentionné  par  Buchón,  Rapport  S.  34 — 35." 

Chalons-sur-Marne  No.  58 — 60;  in  61;  Legenden  (frz.?) 

Chateauroux  No.  2  La  chanson  de  Roland.  No.  '6  Copie  de  la  ch. 
d.  Roland,  faite  d'après  le  ms.  de  Venise  par  Bourdillon  1838. 

Cherbourg  No.  5  Histoire  scolastique  de  Pierre  le  Mangeur.  No.  6 
Psautier  (?).     No.  8  [Guillaume  de  Guilleville]  Le  pèlerinage  de  la  vie  humaine. 

Cl  un  y  No.  112  Boccaccio,  de  montibus  etc. 

Coutances  No.  33  Roman  des  François  par  André  de  Contances. 

Dijon  No.  104  Traité  de  div.  temptacions.  No.  205  Le  jeu  des  Elchecs 
moralisé.  No.  298  beschrieb  G.  Paris  im  Bull,  de  la  Soc.  des  Ane.  Text.  1 875. 
No.  300  Chanson  de  g.  des  Loherains,  s.  Roman.  III  78  flf.  No.  313  Jean  de 
Mandeville.  No.  323  Les  ystoires  a  tous  les  aages  dou  monde.  No.  330,  331 
Guillaume  de  Nangis.  S.  366  La  30  partie  des  costumes  de  l'ordre  de  Char- 
trouse  laquelle  appartient  es  frères  lays.     No.  393,  395  Legenden  (frz.?). 

G.  Gröber. 


Giornale  di  Filologia  Romanza.    No.  8  (voi.  IV,  fase,  i — 2). 

A.  Gaspary,  Il  Poema  Italiano  di  Florio  e  Biancofiore,  sucht  zu  zeigen, 
dafs  der  Verfasser  des  Poems  aus  Boccaccios  Filocolo  und  einer  anderen 
Quelle  zugleich  geschöpft  habe. 

Fr.  Torraca,  Reliquie  Viventi  del  Dramma  Sacro  nel  Napoletano, 
gicbt  eine  Aufzählung  und  Beschreibung  der  Aufzüge  und  Vorstellungen  aas 
der  heiligen  Geschichte,  welche  noch  heute  in  zahlreichen  Ortschaften  des 
Neapolitanischen  üblich  sind,  alphabetisch  geordnet  nach  den  Namen  der 
Ortschaften.  Hierauf  folgen  Nachrichten  über  geschriebene  und  gedruckte 
religiöse  Schauspiele,  soweit  deren  zur  Kenntnis  des  Verfassers  gelangt  sind, 
mit  Inhaltsangabe  und  unter  Mitteilung  verschiedener  Stellen.  Sie  sind  mo- 
dernen Ursprungs  und  rühren  von  gebildeten  Dichtern  her. 

A.  Machado  y  Alvarez,  Jìiegos  Infantiles  Españoles. 

G.  Mazzatinti,  Storie  Popolari  Umbre. 

E.  T  e  z  a ,  Versi  Spagnuoli  di  Pietro  Bembo,  giebt  die  in  den  Werken 
Bembos  gedruckten  spanischen  Gedichtchen  nach  dem  Autograph  des  Ver- 
fassers, und  zum  Schlüsse  das  kurze  spanische  Gedicht  der  Lucrezia  Borgia. 

O.  Antognoni,  Le  Glosse  ai  Documenti  d* Amore  di  M.  Francesco  da 
Barberino  e  un  breve  trattato  di  ritmica  italiana.  Antognoni  hat  sich  der 
Mühe  unterzogen,  die  lateinischen  Randglossen,  welche  Francesco  da  Barbe- 
rino seinem  poetischen  Traktate  hinzugefügt  hat,  zu  studieren  und  ist  im  Be- 
griffe,   den  Teil  derselben   zusammenzustellen,    der  anekdotenhafte  Züge  cnt- 


GIORNALE  DI  FILOLOGIA  ROMANZA.    NO.  8.  167 

bali.  £s  ist  dies  ein  sehr  dankenswerthes  Unternehmen  ;  denn  jene  Glossen, 
die  schwer  lesbar  sein  sollen,  sind  bis  jetzt  wenig,  selbst  von  Ubaldini  nur  in 
einer  schlechten  Abschrííl  benutzt  worden;  Bartsch  hat  einige  für  die  Litte- 
rat Urgeschichte  wichtige  Bemerkungen  aus  ihnen  ausgezogen  (Jahrb.  vol.  XI), 
welche  ihre  Bedeutung  hinreichend  beweisen.  Eine  Stelle  publizierte  auch 
Del  Lungo,  Dino  Comp.  I  411  ff.  (Dazu  kommt  jetzt  eine  mir  noch  unbekannte 
Arbeit  von  Thomas,  Francesco  da  Barberino,  étude  sur  une  source  nouvelle 
de  la  littérature  provençale.  Pubi,  de  Técole  frse.  de  Rome,  1882).  Zudem 
geht  dieser  Teil  der  Hs.,  wie  berichtet  wird,  dem  Verderben  entgegen,  so 
dafs  die  Zeit  drängt,  ihn  besser  bekannt  zu  machen.  Antognoni  teilt  hier 
zunächst  Francesco's  Äufserungen  über  metrische  Dinge  mit,  welche  in  zwei 
verschiedenen  Glossen  enthalten  sind.  Dazu  schickt  er  eine  Reihe  schätz- 
barer Bemerkungen  über  den  Dichter  und  die  Hs.  voraus.  £r  thut  in  über- 
zeugender Weise  dar,  dafs  die  Miniaturen,  welche  einen  integrierenden  Teil 
des  Werkes  bilden,  und  an  die  sich  der  Text  erklärend  anschliefst,  wohl  von 
dem  Dichter  ersonnen,  aber  nicht  von  ihm  selbst  ausgeführt  sind,  wie  Ubal- 
dini glaubte  (p.  85  f.).  Er  berichtigt  einen  Irrthum  von  Bartsch,  als  ob  Fran- 
cesco ein  lateinisches  Distichon  von  Dante  angefahrt  hätte,  während  die  Hs. 
nicht  Arrigkerius»  sondern  Arrighettus  als  Verf.  der  folgenden  Verse  nennt: 

Quem  semel  orrendis  masculis  infamia  nigrat 

Ad  bene  tergendum  multa  laborat  aqua. 
In  der  That  sind  sie  von  Plenricus  Septimellensis ,  und  stehen  De  divers. 
Fort.  I  19.  Aus  Francesco's  Vorschriften  für  die  dichterische  Form  schliefst 
A.,  dafs  derselbe  in  den  1 6  Jahren ,  die  er  an  seinem  Kommentar  arbeitete, 
^ne  eigenen  Ansichten  geändert  haben  müsse,  da  er  Gewohnheiten  als 
Fehler  tadelt,  die  man  ihm  selbst  in  seinen  Gedichten  nachweisen  kann.  Die 
metrischen  Gesetze  Francescos,  die  hier  publiziert  sind,  lehren  zwar  an  sich 
nicht  viel  Neues,  aber  sie  haben,  wie  der  Herausgeber  mit  Recht  bemerkt, 
eine  Wichtigkeit  durch  die  Terminologie,  welche  sie  uns  bekannt  machen, 
und  welche  teilweise  von  der  bei  anderen  alten  Mctrikem  verwandten  ab- 
weicht. Die  Glieder  der  Canzonenstrophe  vor  der  Diesis  werden  wie  bei 
Dante  pedes  genannt,  die  nach  derselben  aber  nicht  versus,  sondern  voltae, 
wie  später  Trissino  that.  Für  die  Ballade  gebraucht  Francesco  gleichfalls  die 
Ausdrücke  pedes  und  volta,  hier  in  Übereinstimmung  mit  Antonio  da  Tempo  ; 
die  ripresa  nennt  er  responsum,  wie  Gidino  neben  represa  auch  resposa  sagt; 
auch  die  Leys  d'amors  bezeichnen  diesen  Teil  der  Ballade  als  respos  oder 
r espost  (neben  refranh)^  I  202,  286,  340,  und  Dante  unterschied  (de  vulg.  el. 
II  8)  die  Canzone  von  der  Ballade,  indem  er  sie  als  „aequalium  stantiarum 
sine  responsorio  ad  unam  sententiam  tragica  conjugatio"  definierte.  In  der 
That  ist  ja  der  Refrain,  der  nach  jeder  Strophe  vom  Chore  wiederholt  wurde, 
gleichsam  eine  Antwort  auf  den  Gesang  der  einzelnen  Stimme,  wie  es  im 
Roman  de  la  Violette  heifst  (p.  38): 

Gerars  chanta,  si  con  moi  semble, 

Ceste  chançon  par  devant  tous. 

Dont  clers  et  haus  estoit  li  tons, 

Et  chascuns  d'iaus  respondu  a: 

„Ensi  va  ki  bien  aimme, 
Ensi  va". 


1 68  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     A.  GASPARY, 

Die  Terzette  des  Sonetts  nennt  Francesco  nicht  voitae,  wie  Antonio,  sondern 
mutae  und  slimmt  darin  mit  Cecco  Angiolieri  überein,  in  einem  der  Sonette 
an  Dante  :  ,, Ch'ai  meo  parer,  nell*  una  muta  dice  .  .  .",  und  mit  Pieraccio  Te- 
daldi, in  seinem  Sonett:  „Qualunque  vol  saper  fare  un  sonetto".  Francesco 
bezeichnet  als  simplices  die  Sonette  mit  der  Reimordnung  a  b  a  b,  als  ccUenaH 
die  mit  abba,  also  auch  hier  anders  als  Antonio;  das  soniiium  duplex  hat 
die  bekannte  Form.  Das  Serventese  behandelt  er  verächtlich:  „Serventese  a 
probis  expiravit,  et  si  vis  scire,  cecos  audi",  ohne  von  der  Form  zu  reden. 
Er  erwähnt  als  besondere  Gattung  die  gabula,  die  Einzelstrophe,  die  den 
provenz.  coblas  esparsas  entspricht.  Der  Unterschied  der  Gattungen,  die  er 
discordtum,  concordium  und  contentio  nennt,  wird,  bei  seiner  kurzen  und 
dunkeln  Ausdrucksweise,  nicht  recht  erkennbar;  ebenso  bleibt  bei  Erklärung 
anderer  Benennungen  manches  unklar.  Der  Name  lamentatio  (prov.  planh)^ 
sagt  er,  sei  untergegangen;  man  bezeichne  jetzt  die  Klagelieder  einfach  als 
Canzonen.  Consortium  habe  man  ehedem  die  zu  einer  vorhandenen  Melodie 
gedichteten  Worte  genannt;  jetzt  hiefsen  sie,  nach  der  Gattung  der  Musik, 
caribo»  nota,  stampita.  —  P.  97,  Z.  3  v.  u.  ist  offenbar  zu  ergänzen  [foc  unam 
mutam  ad  similitudinem]  XL  K«  regule  .... 

A.  Graf,  Un  testo  provenzale  della  Leggenda  della  Croce,  giebt  die- 
selbe provenz.  Version  der  Legende  vom  Kreuzholze,  aus  Ms.  Harl.  7403  des 
Brit.  Mus.,  welche  inzwischen  auch  Suchier  publiziert  hat  (Denkmäler  prov. 
Lit.  u.  Spr.,  Halle  1883,  p.  166). 

Th.  Cart,  Sopra  alcuni  codici  del  Tesoretto  di  Ser  Brunetto  Latino, 
beschreibt  in  Kürze  12  Hss.  des  Tesoretto  und  vergleicht  sie  an  einigen 
Stellen,  wie  er  selbst  anerkennt,  zu  wenigen,  um  ein  definitives  Resultat  über 
ihre  etwaige  Verwandtschaft  zu  erzielen.  Für  die  wertvollsten  Hss.  hält  er 
die  der  Riccardiana  und  die  von  Brescia,  und  letztere  fur  die  dem  Original 
am  nächsten  stehende,  weshalb  sie  beide  die  Grundlage  einer  neuen  Aus- 
gabe zu  bilden  haben.  Danach  kämen  Laur.  Plut.  XL,  cod.  45  und  Strozzi 
146,  endlich  noch  Naz.  E,  5,  5,  29  und  Laur.  Plut.  XC,  inf.  47.  Die  ande- 
ren seien  ziemlich  wertlos.  Am  Ende  des  Cod.  von  Brescia  steht  hinter  den 
Versen  Et  ei  con  bella  risa  Rispose  in  questa  guisa  noch  folgendes: 

Chel  gran  thesor  devisa 
In  la  lingua  francisa. 
Dieses  könnte   für   die   Ansicht  geltend   gemacht  werden,   dass  die  fehlende 
Fortsetzung  der  frz.  Trésor  bilden  sollte;    doch  sind  die  beiden  Zeilen  offen- 
bar nur  ein  nicht  vom  Verfasser  herrührender  Zusatz,   da  sonst  im  Tesoretto 
nicht  4  Verse  denselben  Reim  haben. 

A.  Graf,  Sopra  i  Versi  58—60  del  Canto  XXX JJ  del  Purgatorio, 
führt  als  einen  „riscontro  curioso'*  zu  Dantes  Worten  Afen  che  di  rose  e  piìi 
che  di  viole  Colore  aprendo  s'innovò  la  pianta,  eine  Stelle  aus  den  von  Foerster 
publizierten  gallo-ital.  Predigten  an,  wo  die  Rose  Symbol  der  Märtyrer,  das 
Veilchen  das  der  heiligen  Jungfrauen  und  keuschen  Wittwen  ist.  Er  macht 
zugleich  auf  die  andere  Stelle  aufmerksam,  wo  der  Löwe  die  bösen  Fürsten, 
der  Leopard  die  Häretiker  bedeutet,  und  meint,  die  letztere  Verwendung  des 
Bildes  könne  zur  Erklärung  der  Danteschen  Allegorie  beitragen.  Graf  selbst 
bemerkt  am  Ende,  bei  den  kirchlichen  Schriftstellern  des  Mittelalters  wechsele 
die  symbolische  Bedeutung  der  Tiere  vielfach.     Was  hat  es   also  für  einen 


IL  PROPUGNATORE.   XV.    I  E  2.  1 69 

Nutzen,  die  erste  beste  Stelle  aus  einer  Predigt  neben  Dantes  Verse  zu  stellen 
und  damit  den  Wust  der  Deutungen  zu  vermehren,  wenn  man  nicht  wenigstens 
versucht,  ob  sich  die  neue  Erklärung  durchfuhren  lasse? 

Rassegna  Bibliografica.  A.  Graf,  Ruma  nella  memoria  e  nelle  im- 
maginaùoni  del  medio  evo  (O.  T.).  Canello,  Storia  della  Letteratura  Italiana 
nel  sec,  XVI  (F.  Torraca). 

Bollettino  Bibliografico. 

A.  Gaspary. 


n  Propugnatore.    Anno  XV,  parte  I,  disp.  i>*  e  2«,  gennaio,  febbraio-marzo, 
aprile,  1882. 

Vincenzo  Pagano,  Della  Lingua  e  dei  Dialetti  d^ Italia.  Der  Verf. 
beginnt  hier  wieder  eine  seiner  confusen  Auseinandersetzungen  über  Dinge, 
von  denen  er  nichts  versteht.  Es  ist  zu  bedauern,  dafs  der  Propugnatore 
sich  mit  solchen  Schreibereien  verunziert. 

Carlo  Gambini.  Risposta  al  critico  del  Fanfulla  della  Domenica  etc., 
weist  die  Angrtfie  gegen  seine  Bemerkungen  über  Rigutinis  Wörterbuch  zurück. 

Pierangelo  Bucciolini  da  Foligno,  Leggenda  di  S.  Feliciano,  in 
ottava  rima,  publiziert  von  Antonio  Mancinelli  aus  einem  jetzt  der  Comunal- 
bibliothek  von  Foligno  gehörigen  Ms.  Das  Gedicht  von  183  Oktaven,  deren 
erste  86  hier  mitgeteilt  sind,  giebt  in  einer  stark  mundartlich  gefärbten  Sprache 
eine  ziemlich  dürre  Erzählung  der  Bekehrung  Umbriens  durch  den  Heiligen. 
Es  ist  interessant  durch  die  Zeit,  in  der  es  abgefafst  ist,  und  aus  welcher  die 
poetischen  Denkmäler  nicht  eben  zahlreich  sind.  Es  entstand  spätestens  14T4 
und  in  Foligno,  also  an  demselben  Orte  und  nur  wenig  später  als  der  Quadri- 
regio  Frezzis. 

Vittorio  Imbriani,  Le  Canzoni  Pietrose  di  Dante  Allaghierù  Fort- 
setzung. Imbriani  zeigt,  dafs  die  Gedichte  sich  nicht,  wie  Amadi  wollte,  an 
Piera  degli  Scrovegni  richten  können  ;  die  Liebe,  die  sich  in  ihnen  ausdrücke, 
sei  die  eines  Jünglings,  und  das  Verhältnis  müsse  vor  die  Verbannung  fallen, 
auf  die  wohl  sonst  auch  in  den  Liedern  angespielt  wäre.  Piera  war  Padua- 
nerin,  and  eine  Bewohnerin  dieser  Stadt  hat  Dante  schwerlich  je  geliebt; 
hätte  er  sonst  die  Sprache  so  heftig  im  de  vulg.  el.  tadeln  können,  welche 
ihm  von  angebeteten  Lippen  geklungen?  Was  die  Hauptsache  ist,  Imbriani 
ilhrt  Zeugnisse  dafür  an,  dafs  die  Scrovegni  im  Jahre  1327  noch  in  jugend- 
lichem Alter  gestanden  haben  mufs.  Er  zeigt  ferner  vortrefflich,  wie  Amadi 
dorch  Worte  Bernardino  Scardeones  zu  seiner  Annahme  verleitet  worden  sein 
wird.  Hierauf  geht  der  Verf.  daran,  eine  eigene  Hypothese  über  die  in  den 
Gedichten  besungene  Person  zu  entwickeln.  Er  bemerkt,  dafs  man  unrecht 
thoe,  die  Commedia  für  ein  Werk  aus  einem  Gusse  zu  halten,  dafs  Dante 
sie  mit  anderer  Absicht  begonnen  als  vollendet  habe;  zu  Anfang  sei  es  nur 
der  Gedanke  der  persönlichen  Reinigung  von  seinen  Lastern  gewesen,  der 
ihm  vorschwebte.  Imbriani  fragt  sich,  wo  der  Dichter  im  Inferno  Mitleid 
empfinde  und  weine,  und  findet,  es  sei  bei  der  Strafe  für  Sünden,  von  denen 
er  selbst  nicht  frei  gewesen  (vgl.  J.  Klaczko,  Causeries  florentines  p.  89  f.). 
Nun  gelangt  er  zur  Geschichte  von  Paolo  und  Francesco,   und  indem  er  mit 


I  70  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     A.  GASPAR  Y, 

aller  Gemächlichkeit  die  Commenlatoren  citicrt,  beschliefst  er  wieder  eine  der 
homöopathischen  Dosen  seiner  Untersuchung,  ohne  dafs  der  Leser  eine  Ahnung 
hat,  worauf  er  hinaus  will.  —  Wie  gewöhnlich  fehlt  es  auch  in  diesem  Auf- 
satze Imbrianis  nicht  an  Schmähungen  derer,  die  Dante  eine  so  „abgeschmackte, 
alberne,  unmännliche,  sentimentale,  spirituale,  heuchlerische  Liebe**  zuschrei- 
ben wie  die  zu  einer  Beatrice  von  Fleisch  und  Blut  (p.  67).  Wollten  Im- 
briani  und  Bartoli,  der  sich  jetzt  zu  ihm  gesellt  hat,  mit  grösserer  Ruhe  und 
Kaltblütigkeit  ihre  Ideen  durchzuführen  versuchen,  so  würden  sie  vielleicht 
dabei  auf  mehr  Schwierigkeiten  und  Widersprüche  stofsen,  als  sie  in  der 
Hitze  ihrer  sittlichen  Entrüstung  vermuten. 

S.  V.  Bozzo,  V Elenco  dei  Feudatari  Siciliani  sotto  re  Federico  II 
l* Aragonese,  weist  mit  zahlreichen  Argumenten  Di  Giovannis  Einwürfe  gegen 
seine  Datierung  des  Documentes  (1336)  zurück  und  begründet  diese  von  neuem. 

Luigi  Ruberto,  Gli  Epigrammi  del  Baldi,  Der  Verfasser  will  die 
im  Jahre  1 614  vollendete  umfangreiche  und  erst  zum  kleinen  Teil  publizierte 
Epigrammensammlung  Bernardino  Baldis  von  Urbino  besser  bekannt  machen, 
deren  autogrnphische  Mss.  sich  in  der  Nationalbibliothek  zu  Neapel  befinden. 
Ruberto  vergleicht  die  Gedichte  mit  ihren  klassischen  Mustern  und  charak- 
terisiert sie  nach  ihrem  Inhalt  und  ihrer  ästhetischen  Bedeutung.  Die  Dar- 
stellungsweise hat  etwas  Lockeres  und  Phrasenhaftes;  vulgäre  Dinge  werden 
mit  prätentiösen  Umschweifen  vorgetragen;  von  den  poetischen  Eigentümlich- 
keiten des  guten  Abtes  von  Guastalla  erhält  man  kein  deutliches  Bild. 

Alfonso  Mióla,  Le  Scritture  in  volgare  dei  primi  tre  secoli  della 
lingua  ricercate  nei  codici  della  Bibl,  Naz.  di  Napoli,     Fortsetzung. 

Rodolfo  Renier,  Un  Poema  Sconosciuto  degli  ultimi  anni  del  secolo 
XIV,  Die  Hs.  Magliab.  II.  U.  128  enthält  ein  ungedrucktes  Gedicht  in  38 
Gesängen  von  Jacopo  da  Montepulciano  über  die  tugendhafte  Liebe.  Der 
Codex  ist  stark  beschädigt;  aber  Magliab.  cl.  VII.  363,  palch.  8  bietet  eine 
Copie,  die  genommen  worden,  als  jene  Hs.  noch  unversehrt  war.  Renier  teilt 
hier  den  Dedicationsbrief  Jacopos  an  Luigi  di  Manetto  Davanzali  mit,  ein 
nach  der  Weise  der  Zeit  in  gewundenem,  schwülstigen  Stile  verÛMstes  und 
daher  bisweilen  dunkeles  Schríñstück,  in  welchem  der  Verfasser  über  Ver- 
bannung und  Verfolgung  klagt,  und  den  ihm  von  Luigi  gestellten  €regen- 
stand  seines  Gedichtes  bespricht.  Er  hat  es  Fimerodia  genannt,  d.  \,  famoso 
canto  d* amore  ;  es  soll  lehren,  mehr  die  Tugend  als  die  Schönheit  der  Franen 
zu  lieben.  An  manchen  Stellen  ist  wohl  falsche  Interpunktion  an  der  Dunkel- 
heit schuld,  wie  p.  183,  vorletzte  Zeile,  1.  ma  quanto  la  ragione  ha  soferto, 
mi  sono  disteso  .  .  . 

Luigi  Gaiter,  Vocaboli  e  Modi  di  dire  dei  dialetti  Siciliano  e  Veronese 
riscontrati  nel  Decamerone, 

Luigi  Gaiter,  Postilla  cui  uno  Stornello,  sucht  eines  der  von  Pietro 
Pietri  im  Propugnatore  publizierten  stornelli  toscani  mit  Hilfe  eines  Sprich- 
wortes zu  deuten. 

Carlo  Gargiolli,  Una  Novella  del  Pecorone,  G.,  der  eine  kritische 
Ausgabe  des  Pecorone  vorbereitet,  giebt  hier  die  2.  Novelle  des  5.  Tages 
nach  der  Lesart  einer  laurenz.  Hs. 

Giuseppe  Biadego,  Due  Sonetti  di  Gian  Nicola  Salerno,  G.  N.  Sa- 
lerno aus  Verona  (1379 — 1426),  von  dem  B.  als  Einleitung  eine  biographische 


IL  PROPUGNATORE.    XV.    3.  I  7  I 

Nachricht  giebt,  war  bisher  bekannt  durch  seine  öffentliche  Tätigkeit  als  Po- 
destà und  Prätor  verschiedener  italienischer  Städte,  als  Senator  von  Rom,  nicht 
als  Dichter,  auf  welchen  Titel  er  freilich  auch  durch  die  von  B.  aufgefundenen 
2  Sonette  einen  nur  sehr  zweifelhaften  Anspruch  erhält;  denn  sie  sind  gar 
nichts  wert.  Das  eine  ist  religiösen  Inhalts,  das  andere  scherzt  über  eine 
fürchterliche  rote  Nase. 

C.  Arila,  Una  lezione  inedita  del  Conte  L.  Magalotti»  scherzhafte  Apo- 
logie des  von  M.  bei  seiner  Aufnahme  in  die  Accademia  della  Crusca  ange- 
nonunenen  Namens  und  Emblems,  welche  der  Censor  angegriffen  hatte;  sie 
ist  von  Arlia  aufgefunden,  und,  wie  fast  alle  jene  Scherzreden  der  alten 
Akademiker,  heute  schwer  verdaulich. 

Bibliografia. 

Anno  XV,  parte  I,  disp.  3tt,4maggio-giugno,  1882. 

Vincenzo  Pagano,  DeUa  Lingua  e  dei  Dialetti  </' Italia,    Fortsetzung. 

Gennaro  De  Rosa,  //  Petrarca  ed  i  suoi  trionfi,  giebt  eine  geistlose 
und  verworrene  Darlegung  des  Grundgedankens  der  trionfi.  Als  Probe  mag 
der  folgende  Satz  von  bewundernswerter  Eleganz  dienen,  den  ich  mich  nicht 
rühmen  kann  verstanden  zu  haben  (p.  299)  ;  Qual  momento  piti  dolce  della  sua 
väa  fu  per  lui,  se  non  quello  in  cui  la  sua  donna,  prendendo  seggio  nel  cuore 
délf  amante,  diviene  non  pur  come  viva  hnmagine,  ma  eziandio  come  affetto: 
non  pur  come  elemento  oggettivo,  ma  anche  come  pensiero  del  poeta  che  la 
contempla?  oder  (p.  302):  Chi  è  costui  che  nutre  il  core  di  sospiri  nella  sua 
prima  gioventù,  il  quale,  vissuto  sempre  vagante  per  amor  di  novità,  Pirre- 
quieto  suo  spirito  non  ha  ferma  dimora  P  Mit  solchen  Blumen  ist  der  Auf- 
satz reich  geschmückt. 

Giovanni  Pinelli,  La  Moralità  nel  Deca  mer  one.  Der  Verfasser  glaubt 
allen  Ernstes  an  die  moralische  Absicht  des  Buches,  auf  die  der  lustige  Boc- 
caccio bisweilen  hingedeutet  hat.  Indessen  wie  erklärt  sich  dabei  die  laxe 
Moral  des  Autors  selbst?  Teilweise  damit,  dafs  Boccaccio,  um  besser  zu 
wirken,  sich  verstellt  und  sich  ein  den  Zeitgenossen  ähnliches  Ansehen  giebt; 
er  mache  es  wie  der  Chirurg,  der  den  Patienten  mit  Chloroform  betäubt,  ehe 
er  schneidet  (p.  323).  Jedenfalls  wäre  das  eine  seltsame  Manier;  wer  mora- 
lisch bessern  will,  pflegt  doch  nicht  zu  betäuben,  sondern  aufzurütteln.  Ferner, 
meint  der  Verfasser,  sei  Boccaccio  oft  nicht  zu  tadeln,  wenn  er  gegenüber 
den  verkehrten  Verhältnissen  der  Zeit  die  Rechte  der  Sinnlichkeit  verteidige. 
Schwerlich  geschieht  Boccaccio  damit  ein  Gefallen,  wenn  man  das  Decame- 
rone  zu  einem  moralischen  Lehrbuche  machen  will;  dasselbe  ist  als  Kunst- 
werk und  mit  der  Absicht  zu  ergötzen  entstanden;  die  moralischen  Sentenzen 
sind  ein  Überrest  aus  den  alten  Novellensammlungen  mit  praktischer  Tendenz  ; 
bei  Boccaccio  sind  sie  nicht  eben  ernst  gemeint;  sie  dienen  besonders  als  be- 
queme Einleitungen  der  Erzählungen,  als  Übergänge,  wie  später  bei  Ariosto. 

Rodolfo  Renier,  Un  Poema  Sconosciuto  degli  ultimi  anni  del  secolo 
XIV.  Fortsetzung.  Renier  giebt  die  Analyse  des  Gedichtes  und  lange  Bruch- 
stücke ans  demselben.  Es  behandelt  in  drei  Büchern  von  zusammen  acht- 
unddreifsig  Kapiteln  in  Terzinen  einen  wenig  anziehenden  und  unfruchtbaren 
Gegenstand  mit  gröfster  Weitschweifigkeit.  Der  Dichter  erzählt,  wie  er,  in 
eine   Alessandra   (de'  Bardi)   verliebt,   grofse  Qualen   erduldet  ha'be,   wie  ein 


172  RF.CENSIONKN  UND  ANZEIGEN.     A.  GASPARY, 

Freund  ihn  von  der  sinnlichen  zur  geistigen  Liebe  bekehren  wollte,  wie  Venus 
in  einem  Traume  ihn  vom  Reiche  der  Diana  mit  Versprechungen  wieder  in 
das  ihre  verlockte,  wie  Cupido  einen  vergeblichen  Angriff  gegen  die  Schöne 
versuchte,  wie  Jupiter  selbst,  im  Streite  zwischen  Venus  und  Diana,  Alessandra 
für  der  letzteren  Eigentum  erklärte,  und  endlich  auch  das  Herz  des  Dichters 
selbst  nur  noch  die  Flamme  der  reingeistigen  Liebe  empfand.  Die  Erfindung 
ist  schwach,  die  Komposition  unglücklich  ;  der  Autor  kämpfe  mit  der  schwie- 
rigen Terzinenform  und  der  Unbestimmtheit  seiner  Gedanken,  so  dafs  er  nicht 
selten  dunkel  bleibt.  Indessen  hat  das  Gedicht  ein  gewisses  Interesse  als  ein 
neues  Zeugnis  dafür,  wie  sehr  damals  die  allegorische  Form  und  der  gelehrte 
Prunk  der  Triumphe  beliebt  war.  Der  Einflufs  von  Boccaccios  Amorosa  Vi- 
sione und  Petrarcas  Trionfi  ist  offenbar.  Überall,  wo  es  möglich  ist,  erschei- 
nen die  langen  Aufzählungen  von  Beispielen  aus  der  alten  Geschichte  und 
Sage,  sei  es,  dafs  der  Freund  an  diejenigen  erinnert,  die  im  Triumphzuge 
der  vom  Dichter  im  Traume  geschauten  Fama  folgten,  sei  es,  dafs  die  Sticke- 
reien der  Tugenden  beschrieben  werden,  die  Alessandra  begleiten,  sei  es,  dafs 
Venus  dem  Dichter  von  ihrer  Macht  erzählt  oder  ihm  die  Bilder  in  ihrem 
Tempel  auf  Cythera  zeigt.  Vielleicht  war  diese  Schaustellung  seiner  Gelehr- 
samkeit dem  Dichter  sogar  die  Hauptsache,  und  Alles  andere  nur  Vorwand. 
Bemerkenswert  ist  in  den  langen  Listen  die  Aufführung  des  personifizierten 
Florenz,  welches  in  einem  Triumphwagen  der  Fama  nacheilt  (p.  348  ff.)  and 
neben  sich  berühmte  Florentiner  hat,  Dante,  Petrarca,  Boccaccio,  Zanobi  da 
Strada,  Giotto,  Paolo  dall'Abaco  und  andere,  während  für  Coluccio  Salutati, 
Filippo  Villani,  Francesco  degli  Organi,  die  zur  Zeit  der  Abfassung  des  Ge- 
dichtes noch  lebten,  Sitze  in  Bereitschaft  gehalten  sind. 

L.  Ruberto,   Gli  epigrammi  del  Baldi,     Fortsetzung. 

Antonio  Mancinelli,  Leggenda  di  S,  Feliciano  scritta  da  Pierangelo 
Bucciolini,     Fortsetzung. 

L.  Gaiter,  Lettera  al  Prof,  Antonio  Stoppani,  zeigt,  dafs  Stoppant  in 
der  Schätzung  des  wissenschaftlichen  Wertes  von  Dantes  Abhandlung  De 
Aqua  et  Terra  sehr  übertrieb,  und  dafs  die  meisten  der  bei  Dante  bewun- 
derten wissenschaftlichen  Wahrheiten  sich  schon  in  Brunetto  Latinis  Trésor 
finden. 

Gaiter,  Zambrini,  Giannini,  Bibliografia. 


Anno  XV,  disp.  4»  e  5«.    Luglio,  Agosto  —  Settembre,  Ottobre,  1882. 

G.  Mazzatinti,  Un  Profeta  Umbro  del  Secolo  XIV,  giebt  Lebens- 
nachrichten und  Charakteristik  des  Franziskaners  Tomasuccio  von  Foligno 
(1309 — 1377),  eines  Nachfolgers  Jacopone*s  von  Todi,  dessen  Geist  auf  ihn 
übergegangen  war.  Eingehender  handelt  M.  von  der  Profezia,  einem  Gedichte 
von  der  Form,  die  man  Frottola  oder  Serventese  nennen  kann,  voll  heftiger 
Satire  gegen  die  avignonesischen  Päpste  und  viele  italienische  Städte,  roh 
und  dunkel,  ohne  literarischen  Wert,  doch  charakteristisch  für  den  Dichter 
und  seine  Zeit.  M.  teilt  längere  Auszüge  nach  einer  Hs.  der  Bibliothek  des 
Seminario  in  Foligno  mit,  die  noch  nicht  benutzt  worden  ist,  und  die  der 
Sprache  ihre  idiomatische  Färbung  wahrt.  Es  folgen  noch  Angaben  und 
Proben  von  anderen  poetischen  Prophezeih  ungen ,  die  mit  gewisser  Wahr- 
scheinlichkeit Tomasuccio  zugeschrieben  werden  können. 


IL  PROPUGNATORE.   XV.   4  E  5.  1 73 

R.  Renier,  Un  Poema  Sconosciuto  degli  ultimi  anni  del  secolo  XIV, 
Fortsetzung.  Der  Verfasser  läfst  noch  eine  kurz  zusammenfassende  Analyse 
und  Würdigung  der  Fimerodia  folgen,  deren  poetischen  Wert  er  übertreibt, 
obgleich  er  ihre  Fehler  anerkennt.  Er  macht  auf  die  Nachahmung  Dantes 
und  des  Roman  de  la  Rose  aufmerksam.  Den  Schluss  bildet  eine  vortreffliche 
Untersuchung  über  die  Person  des  Autors,  die  Zeit  der  Abfassung  und  über 
in  dem  Gedichte  erwähnte  Persönlichkeiten,  wobei  es  Renier  glückt  zu  ganz 
sicheren  und  positiven  Resultaten  zu  gelangen.  Der  Dichter  Jacopo  da  Montcf- 
polciano  ist  Jacopo  di  Bertoldo  novello,  von  der  im  Besitze  der  Signorie  von 
Montepulciano  befindlichen  Familie  del  Pecora,  1385  aus  seiner  Vaterstadt 
vertrieben,  1390  in  Florenz  in  das  Gefängnis  der  Stinche  geworfen,  wo  er 
sich,  in  grofsem  Elende  und  von  Almosen  lebend,  noch  1405  befand.  Es 
giebt  von  ihm  noch  andere  Gedichte.  Ein  Capitolo,  welches  die  tröstende 
Vision  einer  verstorbenen  Geliebten  erzählt  (wohl  in  Nachahmung  von  Petrarcas 
Trionfi),  von  einem  Jacopo  da  Montepulciano,  der  wahrscheinlich  mit  dem 
Verfasser  der  Fimerodia  identisch  ist,  teilt  Renier,  p.  64  ff.  nach  der  Vat.  Hs. 
3212  mit;  es  steht  poetisch  höher  als  das  grofse  allegorische  Poem.  Ein  Cod. 
Chig.  enthält  fünf  Lauden ,  die  Cugnoni  publizieren  wird ,  ein  Pergament  der 
Capitular -Bibliothek  zu  Prato  das  Fragment  eines  Capitolo  an  die  Jungfrau, 
publiziert  von  Pelagatti,  Prato,  1882.  In  der  Fimerodia  erzählt  der  Dichter 
stets  in  erster  Person;  er  will  aber  damit,  wie  der  Widmungsbrief  sagt,  nicht 
eigene  Erlebnisse,  sondern  die  Luigis  di  Manetto  Davanzali  darstellen;  dieser 
ist  der  Protagonist,  der  Liebhaber  der  Alessandra  de'  Bardi.  Renier  beweist, 
gestützt  auf  die  Äufserungen  des  Dichters  selbst,  dafs  die  Alessandra  di  Ric- 
.cardo  de'  Bardi  gemeint  ist,  welche  1384  Niccolò  di  Lorenzo  di  Guido 
Sassolini  heiratete.  Da  endlich  der  1397  gestorbene  Francesco  degli  Organi 
noch  als  lebend  bezeichnet  ist,  und  der  Verfasser  sich  doch  schon  im  Ge- 
fangnisse befand,  so  fallt  die  Entstehung  des  Gedichtes  zwischen  1390  und 
'397*  —  P*  ^3>  ^^  einige  Beispiele  für  die  Mangelhaftigkeit  von  Jacopo's 
gelehrter  Bildung  aufgeführt  werden,  ist  das  eine  zu  streichen.  Wenn  der 
Dichter  die  Dido  in  den  Bildern  der  Keuschheit  erscheinen  läfst,  so  ist  das 
nicht  so  befremdlich  [incredibile  a  dirsi),  wie  R.  sagt;  oder  wir  müfsten  auch 
Petrarca  fur  einen  Ignoranten  erklären,  der  Dido  gleichfalls  unter  die  Muster 
der  Keuschheit  setzte,  im  Trionfo  della  Castità,  und  ihren  Ruf  in  seinen  Briefen 
(Sen.  IV, 5)  und  in  der  Africa  (111,424  ff.)  verteidigte,  wie  dieses  auch  Boc- 
caccio that,  De  cas.  vir.  ill.,  1.  II,  und  De  Gen.  De.  VI,  53. 

V.  Imbriani,  Le  Canzoni  Pietrose  di  Dante,  Fortsetzung.  Der  Ver- 
fasser fahrt  fort  in  den  langen  Citaten  aus  den  Commentatoren  über  die  Scene 
der  Francesca  da  Rimini,  indem  er  sich  für  die  alte  Ansicht  entscheidet,  dafs 
Dante's  grofìser  Schmerz  nicht  blofs  aus  Mitleid,  sondern  aus  Gewissensbissen 
stamme.  Dann  beginnen  historische  Nachrichten  über  die  Persönlichkeiten 
Paolo's  und  der  Francesca. 

G.  Pin  ell  i,  La  Moralità  nel  Decamerone,  Schluss.  Dafs  Boccaccio 
die  Welt  schilderte,  wie  sie  war,  und  nicht  selbst  sie  erst  corrumpierte,  kein 
Zweifel;  ob  er  sie  verbessern,  moralisch  wirken  wollte,  ist  eine  ganz  andere 
Frage.  Er  schrieb  zum  Vergnügen,  das  sagt  er  selbst.  Freilich  kann  man 
sich,  wenn  man  durchaus  will,  aus  jeder  Novelle  heut'  eine  gute  Lehre  ziehen  ; 
aber  es  ist  sehr  zu   bezweifeln,   ob   der  Autor   sie   hineingelegt   hat.     Pinelli 


174  RECRNSIONRN  UND  ANZEIGEN.     A.  GASPARY, 

nimmt  Boccaccio  gar  zu  ernst.  Wer  die  Literatur  des  Mittelalters  und  der 
Renaissancezeit  kennt,  wird  es  sich  nicht  einfallen  lassen,  Boccaccio  wegen 
des  Decameron  anzuklagen  ;  aber  man  sollte  auch  nicht  in  das  entgegengesetzte 
Extrem  verfallen  und  ihn  zum  Sittenprediger  machen  wollen,  p.  1 1 3  ist  die 
Versucherin  des  keuschen  Joseph  Susanna  genannt. 

C.  Negroni,  U Allegoria  Dantesca  del  Capo  di  Medusa,  Lettera  al 
prof.  Galanti,  Der  Verfasser  bemerkt,  dafs,  wenn  man  sich  nicht  an  die 
Tradition  in  den  alten  Commentaren  halte,  bei  Erklärung  der  Allegorien  dem 
subjektiven  Ermessen  ein  unbeschränktes  Feld  eröffnet,  und  Sicherheit  nicht 
zu  erzielen  sei.  Er  ciiiert  die  alten  Deutungen  der  Medusa  und  findet  eine 
„wunderbare  Einigkeit"  aller  darin,  dafs  sie  die  Verstocktheit,  die  Herzens- 
härte bedeute.  Jene  wunderbare  Einigkeit  ist  aber  in  etwas  künstlicher  Weise 
auf  die  Worte  der  Erklärer  begründet,  die  vielmehr  stark  genug  auseinander 
gehen.  Dazu  kann  ja  die  Herzenshärte  die  Wirkung  der  Medusa  sein,  aber 
doch  kaum  sie  selbst.  In  den  Angaben  über  die  Abfassungszeit  der  Com- 
mentare fìnden  sich  bei  Negroni  starke  Irrtümer.  Er  setzt  Jacopo  della  Lana 
zwischen  1328  und  1337,  da  doch  durch  Witte  erwiesen  ist,  dafs  er  vor  1328 
fällt,  den  Anonimo  Fiorentino  immer  noch  kurz  nach  1 340,  während  das  Datum 
1343  der  Hs.  längst  als  Zusatz  des  18.  Jahrh.  erkannt  ist,  und  der  Commentar, 
der  Boccaccio  vielfach  benutzt,  wahrscheinlich  erst  dem  15.  Jahrh.  angehört, 
wie  Hegel  zeigte;  er  läfst  die  Arbeit  an  Boccaccios  Commentar  von  1373 
bis  1375  i'cichen  und  durch  den  Tod  des  Autors  unterbrochen  werden,  wäh- 
rend in  Wirklichkeit  die  Vorlesungen  in  S.  Stefano  schon  Anfong  1374 
endeten,  u.  dgl.  m. 

L.  Ruberto,   Gli  Epigrammi  del  Baldi,     Fortsetzung. 

F.  Zambrini,  //  Pianto  della  Maddalena  al  sepolcro  di  Cristo,  ein 
Teil  eines  religiösen  Gedichtes  in  Oktaven  aus  dem  14.  Jahrh.,  fiber  welches 
der  Herausgeber  künftig  weitere  Nachrichten  zu  geben  verspricht. 

A.  M  i  ola.  Le  Scritture  in  volgare  dei  primi  tre  secoli  della  lingua, 
ricercate  nei  codici  della  Bibl,  Naz,  di  Napoli,     Fortsetzung. 

Silvio  Pieri,   Un  Migliajo  di  Stornelli  Toscani,     Fortsetzung. 

Bibliografe, 


Anno  XV,  Disp.  6".     Novembre  —  Dicembre  1882. 

V.  Pagano,  Studi  Filologici, 

T.  Casini,  Rime  Inedite  dei  Secoli  XIII  e  XIV,  Das  interessanteste 
unter  diesen  Gedichten  ist  das  zehnte,  ein  sonetto  rinterzato  von  Dante  an 
Lippo ,  d.  i.  Lippo  Pasci  de*  Bardi,  von  dem  Gedichte  nach  Cod.  Vat.  3214 
gedruckt  sind  in  Riv.  di  Fil.  Rom.  1, 89.  Jenes  Sonett,  das  Casini  bier  nach 
dem  Codex  des  Advocaten  Bologna  mitteilt,  war  aber  nicht  unediert;  Manioni 
hatte  es  bereits  nach  der  genannten  Vat.  Hs.  publiziert  in  der  Riv.  di  FU. 
Rom.  I,  87,  wo  man  auch  sieht,  wie  sehr  der  Text  Bologna's  cormmpiert  ist. 
Auch  der  Cod.  Vat.  schreibt  das  Gedicht  Dante  zu,  und  an  seiner  Autor- 
schaft zu  zweifeln  hat  man  keinen  Grund.  Es  ist  eins  von  jenen  Gedichten,- 
die  zur  Begleitung  eines  anderen  gesendet  wurden;  das  Sonett  ist  hier  selbst 
redend  eingeführt  und  bezeichnet  das  Gedicht,  welches  es  begleitete,  als 
pulçella  nuda: 


IL  PROPUGNATORE.    XV.    6.  1 75 

Jo  che  m' apello  umile  sonecto, 

Davanti  al  tuo  cospecto 

Vegno  perkè  al  non  caler  mi  feggi. 

Lo  qual  ci  guido  esta  pulçella  nuda, 

Ke  vien  di  dietro  a  me  si  vergognosa, 

Ch'atomo  gir  non  osa, 

Perk'ella  non  à  veste  in  ke  si  chiuda  .... 
Ein  anderes  zu  gleichem  Zwecke  bestimmtes  Sonett  Dante*s,  das  er  an  Betto 
Branelleschi  richtete  (Vat.  Hs.  3214,  no.  145),  und  das  man  früher  fur  unecht 
hielt»  weil  man  in  dem  Adressaten  irrtümlich  Brunetto  Latini  sah  (s.  Fraticelli, 
Canzoniere  di  Dante,  p.  272),  nennt  ebenfalls  das  Gedicht,  dem  es  zur  Ein- 
(ohning  diente,  pulzelletia,  —  Die  Wichtigkeit  von  Casinis  Text  ist  nun  diese, 
dafs  hier  wirklich  ein  Stück  des  mit  dem  Sonette  gesendeten  Gedichtes  vor- 
handen zu  sein  scheint  ;  denn  jenes  reicht  nur  bis  v.  20,  und  dann  folgt  noch 
eine  Canzonenstrophe  :  Lo  meo  servente  core,  die,  soviel  ich  weifs,  sonst  nicht 
bekannt  ist.  Man  hätte  sich  freilich  nach  dem  Ausdrucke  pulzella  nuda  eher 
eine  einstrophige  Ballade  erwartet.  —  Die  meisten  der  übrigen  von  Casini 
pabliderten  Poesien  sind  von  geringer  Bedeutung,  unter  anderm  sechs  Sonette 
(IV — IX),  die  sich  mit  der  Deutung  einer  Vision  Cino's  von  Pistoia  beschäf- 
tigen, nach  dem  Cod.  Bologna,  und  wieder  in  sehr  verderbter  Lesart.  Das 
letzte  Gedicht  ist  eine  volkstümliche  Satire  gegen  die  Frauen  der  verschiedenen 
Städte  Italiens,  in  Balladenform,  aus  dem  14.  Jahrb.,  nach  einem  Ms.  der 
Magliabecchiana. 

A.  Restori,  //  Cid  Campeador.     Fortsetzung. 

L.  Gaiter,   La  Filosofia  e  la  Coltura  Italiana  nel  Moderno  Evo,  Re- 
cension eines  Buches  von  Giacinto  Fontana. 

Pico  Luri  da  Vas  s  ano,  Modi  di  Dire  Proverbiali  e  Motti  Popolari 
Italiani  spiegati  e  commentati,     Fortsetzung. 

G.  Suster,  Le  Origini  deW  Jacopo  Ortis,  Ein  erster  Abschnitt  giebt 
die  Entstehungsgeschichte  des  Romans,  für  welche  Suster  drei  Phasen  zu 
constatieren  sucht.  Die  erste  ist  repräsentiert  durch  die  Ultime  Lettere  di 
Jacopo  Ortis,  welche  Foscolo  im  Frühling  1797  bei  Gelegenheit  des  Selbst- 
mordes seines  Helden  verfafste,  die  nur  Betrachtungen  über  den  Selbstmord 
enthielten,  und  die  nicht  veröffentlicht  wurden.  In  demselben  Jahre  1797  sei 
dann  die  Liebe  zu  Teresa,  der  Gemahlin  Monti's,  die  Veranlassung  zu  einer 
Umformung  geworden,  wobei  zuerst  die  Liebe  als  integrierender  Bestandteil 
in  den  Roman  eintrat.  1798  begann  Foscolo  in  Bologna  die  Publication  bei 
dem  Drucker  Marsigli,  liefs  diesen  aber  plötzlich  im  Stiche  und  reiste  ab, 
worauf  derselbe  von  Pietro  Brighenti  das  Buch  vom  45.  Briefe  an  fortsetzen 
licls.  1799  erschien  es  so  unter  dem  Titel  Vera  Storia  di  due  amanti  infelici 
ossia  Ultime  Lettere  di  Jacopo  Ortis,  mit  Anmerkungen,  welche  den  aus- 
gesprochenen Ideen  ihre  Schärfe  nehmen  und  das  Buch  vor  der  Censur  sicher 
stellen  sollten.  Eine  neue  Liebe,  die  zur  Isabella  Rondoni  in  Florenz,  und 
der  Unwille  über  die  entstellende  Veröffentlichung  seines  Werkes  bewogen 
Foscolo  zu  einer  dritten  Redaktion,  indem  zu  den  beiden  vorigen  Elementen 
des  Romanes  als  drittes  das  politische  hinzukam.  Dieses  waren  die  Ultime 
Lettere  der  Ausgabe  von  1802.  Der  zweite  Abschnitt  von  Suster's  Arbeit, 
der  hier  erst  zum  Teil  gedruckt  ist,   beschäftigt   sich    mit  einer  Verglcichung 


176  RECENSÎONEN  UND  ANZEIGEN.     A.  GASPARY. 

der  beiden  publizierten  Redaktionen.  Der  Unwille  Foscolo's  über  Brighenti's 
Veröffentlichung  richtete  sich  nach  Suster  vorzugsweise  gegen  die  furchtsamen 
Anmerkungen,  und  hier  folgt  eine  Polemik  gegen  Zumbini,  mit  Bezug  auf 
gewisse  Artikel  in  dem  Fanfulla  della  Domenica  und  der  Domenica  Letteraria^ 
ohne  deren  Kenntnis  ein  Urteil  über  den  Wert  der  Argumentation  unmög- 
lich ist. 

V.  Imbriani,  Le  Canzoni  Pietrose  di  Dante.  Schlufs.  Das  wahre 
historische  Verhältnis  Paolo's  zu  Francesca  war  ein  sehr  wenig  poetisches, 
nicht  ein  jugendlicher  Fehltritt,  sondern  der  unsaubere  Handel  eines  Mannes 
von  gegen  40  Jahren,  der  Frau  und  Kinder  hatte,  mit  dem  Weibe  seines 
Bruders.  Dante,  sagt  Imbriani,  mufs  ein  besonderes  Motiv  gehabt  haben,  die 
Geschichte  so  zu  falschen,  ein  solches  Verhältnis  zu  glorifizieren,  diesen  Ge- 
stalten die  Apotheose  zu  bereiten.  Und  er  giebt  nun  eine  Hypothese»  die  er 
jedoch  eben  als  solche  betrachtet  wissen  will,  nicht  als  eine  fest  begründete 
Ansicht.  Er  meint,  die  Pietra  der  Canzonen  könne  Dante's  Schwagerin»  Piera 
di  Donato  Brunacci,  Gattin  seines  Bruders  Francesco,  gewesen  sein,  und  er 
habe  jene  Scene  der  Francesca  da  Rimini  nur  geschaffen,  um  sich  selbst  an 
einem  Beispiele  vor  Augen  zu  stellen,  wohin  ihn  die  Leidenschaft  hätte  fahren 
.  können.  Dante  hätte  sich  hier  teils  zu  entschuldigen,  teils  seine  eigene  Seele 
durch  diese  Spiegelung  ihrer  Regungen  zu  reinigen  gesucht;  daher  sein  greises 
Interesse  an  diesem  Gemälde,  in  dem  er  sich  selbst  darstellte.  Imbnani  sieht 
voraus,  dafs  seine  Vermutung,  auch  in  der  zurückhaltenden  Form,  in  der  er 
sie  vorbringt,  verletzen  werde,  dafs  er  Anstofs  bei  denen  erregen  werde,  die 
sich  Dante  gern  als  den  Inbegriff  aller  Tugend,  aller  Güte,  ohne  Fehl,  als 
einen  Heiligen  vorstellen.  Er  fafst  Dante  als  einen  Menschen  auf,  der  sündigt 
und  bereut,  den  die  Leidenschaft  irreführt,  und  der  zur  Tugend  durch  harten 
Kampf  mit  sich  selbst  emporsteigt.  Darin  hat  er  Recht.  Aber  etwas  anderes 
ist  Schwachheit  und  etwas  anderes  Verbrechen,  und  es  fragt  sich,  ob  man  das 
letztere,  ohne  Beweise,  sei  es  auch  als  wie  immer  verclausulierte  Hypothese, 
jemandem  zumuten  dürfe,  mag  er  Dante  heifsen  oder  wie  sonst  immer.  Im- 
bnani sagt  unter  anderm,  auf  ein  verbrecherisches  Verhältnis  deute  die  Geheim- 
tuerei Dante's,  die  Furcht,  der  Gegenstand  seiner  Leidenschaft  könne  erraten 
werden  ;  aber  da  müfste  man  viele  Liebende  verdächtigen.  Und  gerade  wenn 
seine  Schwägerin  die  Geliebte  gewesen,  so  war  es  ja  mit  dem  Geheimnis  nichts; 
denn  er  hätte  offen  ihren  Namen  Pietra  in  die  Gedichte  gesetzt.  ^  Nebenher 
vermuthet  Imbriani  (p.  417),  der  in  der  Vita  Nuova  öfters  genannte  Freund 
Dante's  möchte  nicht  Guido  Cavalcanti,  sondern  Cino  von  Pistoia  sein.  Aber 
V.  N.  cap.  4  wird  als  von  diesem  Freunde  ein  Sonett  citiert,  das  doch  wohl 
sicherlich  Guido  gehört. 

C.  Gargiolli,  Feste  fatte  in  Pisa  Canno  1605.  Beschreibung  von 
Hoffesten  der  Medicäer,  Tournieren,  Maskeraden,  Tänzen,  von  einem  Zeit- 
genossen, aus  einem  Ms.  der  Bibl.  Naz.  zu  I*lorenz. 

Bibliografie. 

A.  Gaspary. 


Die  Lebensverhältnisse  der  italienischen  Trobadors. 

Die  Bemühungen  der  Hohenstaufen,  ihr  Ansehen  in  dem  Lande 
zwischen  der  Rhone  und  den  Alpen  geltend  zu  machen,  die  Kreuz- 
züge,  namentlich  der  dritte  und  vierte,  die  regen  Handelsverbin- 
dungen zwischen  Genua  und  Marseille  und  der  Albigenserkrieg 
mit  seinen  Folgen:  alle  diese  Thatsachen  trugen  in  erster  Linie 
dazu  bei,  Provenzalen  und  Italiener  einander  nahe  zu  bringen.  Von 
den  innigen  Beziehungen  beider  Völker  legt  auch  die  Litteratur- 
geschichte  ein  beredtes  Zeugnis  ab,  indem  nicht  nur  viele  proven- 
zatische  Trobadors  nach  Italien  zogen,  sondern  auch  eine  nicht 
unbedeutende  Anzahl  von  Italienern  selbst  in  der  provenzalischen 
Sprache  zu  dichten  begann.  So  mag  es  wohl  glaublich  erscheinen, 
dafs  im  Jahre  1227,  als  die  Genuesen  grofsen  Hof  hielten,  eine 
Menge  von  Spielleuten  aus  der  Provence,  der  Lombardei  und 
Tuscien  herbeiströmte.*  Andererseits  gingen  natürlich  auch  viele 
Italiener  über  die  Alpen,  und  zwar  scheint  der  Verkehr  zwischen 
Genua  und  der  Provence  besonders  lebhaft  gewesen  zu  sein;  wenig- 
stens sagt  Equicola  an  der  Stelle,  wo  er  von  Raimund  Berengar  IV. 
spricht 2:  in  stia  corte  conversarono  molti  gentiluomini  di  Francia,  di 
Provenza,  di  Catalogna  ed  Italia  del  paese  di  Genua,  und  merkwürdig 
ist  seine  Meinung,  dafs  sich  einige  genuesische  Vokabeln  im  pro- 
venzalischen Wortschatze  befänden. 

Die  eigentümliche  Erscheinung  nun,  dafs  Italiener  ein  fremdes 
Idiom  zum  Ausdrucksmittel  ihrer  Empfindungen  wählten,  erregte 
schon  frühe  die  Aufmerksamkeit  der  Litterarhistoriker,  und  weder 
an  Gesamtbetrachtungen  noch  an  Einzel  Untersuchungen  hat  es  bis 
auf  die  neueste  Zeit  herab  gefehlt;  zuletzt  ist  dieser  Punkt  von 
Bartoli  behandelt  worden^,  indessen  sind  sowohl  die  biographi- 
schen Notizen  als  das  Verzeichnis  selbst  unkritisch  zu  nennen,  wie 
dies  auch  von  Gaspary  geschehen  ist  ^  :  es  scheint  uns  daher  nicht 
ohne  Nutzen  zu  sein,  den  Gegenstand  noch  einmal  zu  untersuchen, 


*  Muratori,  Ant.  Ita!.  II  843  e.  Diez  scheint  irrtümlich  geglaubt  zu  haben, 
dafs  die  Savonesen  dieses  Fest  feierten,  vgl.  Poes.  d.  Troub.  p.  275  Anm.  i  ; 
es  heifst  in  dem  Berichte:  post  Saonenses  devictos  Genxienses  etc. 

'  Libro  di  natura  d'amore  Blatt  181. 

'  I  primi  due  secoli  della  letteratura  italiana  p.  61  fi.  und  Storia  della 
letter,  ita!.  II  9  ff. 

♦  Ztschr.  f.  rom.  Phil.  IV  389. 

ZeitMshr.  f.  rom.  Phil.   VII.  12 


178  o.  SCHULTZ, 

und  zwar  wollen  wir  im  ersten  Teile  der  Arbeit  die  Frage  erörtern, 
ob  nicht  einzelne  von  den  bisher  als  Italiener  angesehenen  Troba- 
dors  Provcnzalen  gewesen  sind,  und  im  zweiten  Teile  an  der  Hand 
der  Hiographioen,  der  Lieder  und  der  historischen  Nachrichten  die 
Lebensumstände  der  italienischen  Trobadors  ausführlich  darzustellen 
versuchen. 

L     • 

Wir  haben  zunächst  drei  Trobadors  zu  behandeln,  die  wir  der 
Provence  zuteilen  zu  müssen  glauben. 

I.    Uc  de  Pena. 

Seine  provenzalische  Herkunft  ist  so  gut  wie  zweifellos.  In 
der  Biographie'  heifst  es:  Cgo  de  Pena  si  fo  dagenes  dun  casiel  que 
a  twin  inessa  1.  Schon  Oescimbeni  berichtigte*-^  den  von  ihm  selbst  be- 
gangenen Irrtum,  dagenes,  anstatt  d'Agenes,  als  da  Genes  =  da  Genoes 
gelesen  zu  haben,  und  obgleich  neuerdings  auch  Mussafia'^  darauf 
aufmerksam  gemacht  hat,  so  führt  ihn  Bartoli  doch  wieder  als 
(ienuesen  auf.^  Kr  stammt  also  aus  dem  Gebiete  von  Agen; 
Pena'»  einige  Meilen  nordöstlich  von  Agen  am  Lot  liegend,  das 
heutige  Penne,  scheint  nicht  der  Geburtsort  des  Dichters  gewesen 
zu  sein,  sondern  ein  Kastell  Monmessat '*•,  das  ich  weder  im  Gebiet 
von  Agen,  noch  im  ganzen  südlichen  Frankreich  habe  finden  können; 
möglicherweise  ist  es  der  Ort  Montpezat  westlich  von  Penne,  in- 
dessen wäre  es  sonderbar  genug,  wenn  alle  Handschriften  ein  m 
statt  p  hätten.  Vielleicht  ist  unser  Dichter  identisch  mit  einem 
Hugues  de  Penna,  den  Ruffi  in  seiner  Histoire  des  comtes  de  Pro- 
vence p.  161  unter  den  Kriegern  der  Landarmee  Karls  von  Anjou 
aufzählt  und  der  bei  Gaufridi,  Histoire  de  Provence  p.  180  —  der 
Name  ist  genau  so  wie  der  des  Trobadors:  Hugues  de  Pena  ge- 
schrieben —  unter  den  100  Rittern  genannt  wird,  welche  unter 
der  Führung  Karls  von  Anjou  îun  i.  Juli  1283  —  Çurita,  Annal. 
Aragon.  1  254  giebt  den  i.  Juni  an  —  zu  Bordeaux  gegen  100  ara- 
gont\sische  Ritter  kämpfen  sollten.  Die  Nachricht  der  Biographie, 
dafs   er   zuletzt    nach  der  Provence  ging,    spricht  dafür;    auch  ein 


«  Mahn,  Die  Biogr.  d.  Troub.  2.  Aufl.  No.  CVII. 
'^  L'istoria  della  volf;ar.  poesia  II  103  Annot.  V. 
^  Die  Liederhandschriften  des  Barbieri  p.  25. 

*  Storia  della  letter,  ital.  II  23. 

*  Croisade  des  Albigeois  ed.  P.  Meyer  I  v.  2404. 

"  Ich  lese  Aíonmessat  mit  Bastero  (vj;l.  La  crusca  provenzale  p.  102)  mit 
der  Vat.  Hs.  A  (vfjl.  Jahrbuch  NF.  I  40)  und  der  Cheltenhamer  Hs.  (vgl.  Re- 
vue d.  langues  rom.  XIX  284)  gegenüber  IK,  um  so  mehr,  als  sich  ein  Ort 
Mt'ssnf  gleichfalls  nirgends  hat  finden  lassen;  ich  glaube  nicht  wie  Bartsch 
im  Jahrb.  NF.  1  49,  dafs  Nostradamus  Monmessat  in  Moustiers  entstellt,  da» 
er  als  Geburtsort  von  Uc  de  Pena  angiebt,  eher  dürfte  eine  Anlehnung^  an 
Bertrand  de  Pena  seij^tieur  de  Romo/fs  e  Mo  stier  s  vorliegen,  der  von  ihm 
als  Trobador  genannt  wird,  vgl.  Meyer,  Les  dem.  troub.  p.  205  Anm.  2;  übri- 
gens kommt  ein  vornehmer  Herr  Bernart  de  I*cna  in  der  Crois,  d.  Albif^.  vor, 
er  ist  vom  Jahre  1224 — 1251   zu  verfolgen,  vgl.  II  470  Anm.  4. 


DIE  LEHENSVERHÄLTNISSE  DER  IT  AL.  TROBADORS.  179 

Lied  von  Uc  (Archiv  XXXIV  179)  stimmt  ziemlich  gut  zu  den  obigen 
Daten,  wenn  man  geneigt  ist,  in  dem  Herrn  Guido,  von  dem  Uc 
im  Geleite  wünscht,  dafs  er  heil  zurückkehren  möge,  wie  es  scheint 
vom  Kreuzzuge,  den  Grafen  Guido  von  Forez  zu  sehen,  der  den 
Kreuzzug  von  1248  mitmachte,  vgl.  Wilken,  Geschichte  der  Kreuz- 
züge  VII  I   p.  1 39. 

2.    Folquet  de  Marseilla. 

Schon  Diez  hat  betont,  dafs  das  Zeugiiis  von  Petrarca  gegen- 
über dem  von  Dante  von  geringerem  Gewicht  sei.'  Pratsch  meint 
zwar,  dafs  über  diesen  Punkt  nur  subjektive  Ansichten  ausgesprochen 
werden  können-,  jedoch  wird  meine  Behauptung,  dafs  Folquet  wirk- 
lich in  Marseille  geboren  ist,  durch  verschiedene  Umstände  ge- 
stützt Dafs  die  bekannte  Stelle  im  Trionfo  d'amore  cap.  IV  v.  49 
keinen  Glauben  verdient,  geht  aus  dem  Kommentar  von  Muratori 
hervor:  odi  come  sia  differente  la  lettura  dei  testi  a  penna 

Folchetto  da  Marsiglia,  ch*era  stato 
Pria  genovese  e  poi  presso  all'  estremo 
Tabito  colla  patria  (!)  avea  cangiato. 

Keine  der  Biographien  und  keiner  der  alten  Gewährsmänner  giebt 
Genua  als  seinen  Geburtsort  an.  Barberini  nennt  ihn  nicht  unter 
den  italienischen  Trobadors^  Equicola  sagt  ausdrücklich:  Folquet 
di  Marsiglia  il  cui  pâtre  fu  Genoese  ^^  Barbieri  bezeichnet  ihn  als 
figluolo  di  un  mercatante  genovese  ^  und  schliefslichv  heifst  es  in  dem 
Cheltenhamer  Manuskript  ganz  deutlich:  Folquet  de  Marseilla  si  fo 
de  Marceilla  etc.^* 

3.    Albertet  Cailla. 

Die  Biographie  lautet  nach  IK:  Alber  tetz  Cailla  si  fo  uns  joglars 
dalbezet  .  hom  fo  de  pauc  valimen  .  mas  si  fo  amatz  entre  sos  vesins  e 
per  las  domnas  da  Ib  e  g  es  .  e  fes  una  bona  cansón  .  e  fes  sir  ven  tes  .  mas 
el  non  issi  de  la  soa  encontrada'^  Bastero  sagt  von  ihm^:  nativo 
d Alleges  cioè  cPAlbenga  —  ohne  Berücksichtigung  des  am  Anfang 
stehenden  Aibezet  —  und  ist  damit  die  Veranlassung  gewesen,  dafs 
die  nachfolgenden  Litterarhistoriker  alle  diesen  Trobador  für  einen 
Italiener  erklärt  haben;  Quadrio  erhöhte  die  Wahrscheinlichkeit 
von  der  Richtigkeit  dieser  Annahme  durch  Kntstellung  der  Bio- 
graphie,   indem    er   sagte®:  fu  d^Alberges  0  d*Albenga\    wenn    in 


*  Leben  u.  Werke  d.  Troub.  p.  235  ;  natürlich  rechnet  ihn  Bartoli  unter 
die  Italiener,  vgl.  Storia  della  lett.  ital.  II  23. 

•  Biographie  d.  Troub.  Folq.  d.  Mars.  p.  14 — 15. 

>  Documenta  amoris  ed.  Ubaldini,  vgl.  die  Vita  von  Ubaldini. 

«  Libro  di  nal.  d'am.  Bl.  182. 

^  Delle  origini  della  poesia  rimata  ed.  Tiraboschi  p.  103. 

*  Revue  des  langues  romanes  XX  109. 

7  Mahn,  Biogr.  d.  Troub.  No.  LXXXVIII. 

•  La  crusca  prov.  p.  71. 

^  Della  storia  e  della  ragione  d'ogni  poesia  voi.  II  libro  I  cap.  VII  p.  127. 

12* 


1 8o  o.  SCHULTZ, 

der  Biographie  d'Alberges  stände  —  Alberga  ist  eine  Nebenform 
von  Albenga  — ,  so  wäre  seine  italienische  Herkunft  entschieden, 
CS  steht  aber  d*Albeges.  Die  Thatsache,  dafs  Spotorno  ein  Doku- 
ment aus  dem  Jahre  1415  fand  ',  in  welchem  ein  Gasano  Quaglia 
di  Diano  —  Diano  ist  ein  Kastell  nordwestlich  von  Porto  Maurizio, 
ca.  7  Meilen  von  Albenga  entfernt  —  vorkommt,  ist  natürlich  von 
gar  keinem  Belang,  und  ganz  ohne  Gewähr  ist  seine  Meinung, 
dafs  die  Provenzalen  ihn  Albinganese  genannt  hätten.  Unser  Tro- 
bador  kann  deshalb  nicht  gut  aus  Albenga  gewesen  sein,  weil  diese 
Stadt  höchst  wahrscheinlich  während  des  13.  Jahrhunderts  —  in 
dem  die  Biographie  abgefafst  ist  —  und  später  nicht  nur  lateinisch, 
sondern  auch  italienisch  Albingayia  oder  Albigana  hiefs  gemäfs  dem 
Ursprünge  aus  dem  lateinischen  Albium  Ingaunum:  beweisend  dafür 
ist,  dafs  ein  altes  Gedicht  in  genuesischer  Mundart  beginnt: 

Albigana  e  bona  citae'; 

allerdings  scheint  auch  einmal  die  lateinische  Form  Albdiga  vorzu- 
kommen, vgl.  Huillard-Breholles,  Historia  diplomatica  Friderici  II 
Il  689,  wo  es  am  Schlufs  einer  Urkunde  heifst:  actum  in  civitate 
Albdiga  und  wozu  der  Herausgeber  in  Anm.  i  meint:  verisimiiiter 
Albenga  in  ripa  maritima  laniiensis  sinus,  indessen  ist  dieser  Fall  zu 
vereinzelt  und  unsicher.  Es  müfste  also,  wenn  Albertetz  Gailla  wirk- 
lich aus  Albenga  wäre,  immer  in  der  Biographie  heifsen  d* AlbinganeSy 
wie  ja  auch  jetzt  noch  die  Bewohner  Albe?iganesi  genannt  werden. 
Es  liegt  nun  ganz  nahe,  Albeges  für  das  Gebiet  der  bekannten 
Stadt  Albi  zu  erklären  -^  ;  so  nenneii  ihn  denn  auch  die  Verfasser  der 
Histoire  generale  de  Languedoc^  einen  jongleur  d* Albigeois,  indem 
sie  ihn  als  12.  unter  den  Trobadors  aufzählen,  welche  sich  in  der 
Regierungszeit  Raymunds  V.,  (trafen  von  Toulouse,  berühmt  machten, 
eine  Nachricht,  deren  Quelle  ich  nicht  anzugeben  vermag.  Freilich 
bleibt  nun  noch  immer  die  Schwierigkeit,  dalbezet  zu  erklären:  so 
schreibt  IK,  natüdich  auch  d'>  und  wahrscheinlich  auch  die  Ambro- 
sianische Hs.  D  4Ò5  (sala  inf.),  wenngleich  in  derselben  Alberlz  Cailla 
steht  <»,  während  IK  Albertetz  schreibt.  Ein  Ort  Albezel  hat  sich 
weder  in  dem  Gebiete  von  Albi,  noch  sonst  irgendwo  fìnden  lassen 
wollen,  was  durch  die  Unzulänglichkeit  des  historischen  Atlas  von 
Spruner  erklärt  werden  mag;  da  er  auf  den  Karten  von  Cassini 
nicht  anzutreftbn  ist  und  ebensowenig  in  den  geographischen  Lexids, 
so  kann  man  wohl  annehmen,  dafs  er  im  Laufe  der  Jahrhunderte 
verschwunden  ist. 


'  Storia  letteraria  della  Liguria  I  266  ff. 

'^  Archivio  glottologico  li  284  n^  I14. 

3  Neben  der  Form  Albiges  (vgl.  Mahn,  Riogr.  n®  CXIX)  fìndet  sich  auch 
Albet^es  (vgl.  P.  Vidal  ed.  Bartsch  n"  8  Z.  22  und  Mahn,  Werke  der  Troubad. 
II  115  Z.  8). 

♦  III  98  (alte  Ausgabe). 

*  Tiraboscbi,  Storia  della  letter,  ital.  IV  3,  2  p.  370. 

•"•  Archiv  XXXII  425;  Resclinidt,  Biographic  des  Troubadours  G.  de  Ca- 
pcstaing  p.  7. 


DIE  LEBENSVERHÄLTNISSE  DER  ITAL.  TROBADORS.  l8l 

Leider  besitzen  wir  keine  Lieder  von  Albertet  Cailla,  in  denen 
etwa  diese  oder  jene  Anspielung  eine  weitere  Bestätigung  seiner 
Provenza lischen  Herkunft  gewähren  könnte.  Was  auch  immer  Bastero 
und  Crescimbeni  von  Sirventesen  des  Cailla  reden  mögen,  die  in 
K  stehen  sollen,  Thatsache  ist,  dafs  sich  in  IK  nur  ein  Lied  unter 
seinem  Namen  findet  ^  das  in  gleicher  Weise  ihm,  (wie  Gavauda, 
dem  Bartsch  in  seinem  Verzeichnis  174,2  es  mit  Unrecht  nur  auf 
Grund  von  C  zuerteilt,  abgesprochen  werden  mufs:  In  der  Strophe  i 
Z.  16  dieses  Liedes  ^  wird  ein  Jaubertz  erwähnt  —  C  liest  en  Gaus- 
bertz  — ,  der  höchst  wahrscheinlich  identisch  ist  mit  dem  Audebert 
¡n  Str.  2  Z.  I  und  Str.  4  Z.  5 ,  da  der  Sinn  des  Ganzen  ent- 
schieden dafür  spricht;  auf  dieses  Gedicht  nun  bezieht  sich  ein 
Lied  37,  I  •^,  welches  von  Bartsch  nach  IK  dem  Augier  Novella  zu- 
geschrieben ist,  D  aber  hat  Gaubertzen  Dernari  de  Durfort\  es  hat 
denselben  Vers-  und  Strophenbau,  dieselbe  Strophenzahl  und  die 
gleiche  Reimstellung,  und  besonders  durch  den  ähnlichen  Anfang 
und  Zeile  3  der  ersten  Strophe  wird  die  Beziehung  ganz  deutlich; 
endlich  wird  hier  derselbe  Gegenstand  behandelt,  nur  dafs  der 
Dichter  die  jungen  Frauen  vertheidigt,  während  der  Verfasser  des 
ersten  Liedes  die  alten  pries:  die  Hauptsache  aber  ist,  dafs  in 
Str.  4  Z.  7  der  Gegner  Bertrán  genannt  wird ,  was  sofort  an  die 
Attribution  des  ersten  Liedes  in  D  erinnert,  wo  Bertrand  de  Preissac 
steht  Es  kommt  dazu,  dafs  wir  eine  Tenzone  haben  75, 3 S  in 
der  wiederum  über  dieselbe  Sache  zwischen  Bertrán  und  Jausbert 
verhandelt  wird,  und  zwar  empfiehlt  Bertrán  hier  wieder  die  Alten. 
Aus  der  innigen  Zusammengehörigkeit  dieser  drei  Gedichte  folgt, 
dafs  in  beiden  Attributionen  D  gegenüber  IK  im  Rechte  ist,  dafs 
der  Verfasser  des  ersten  Liedes  entweder  Bernard  de  Durfort  oder 
Bertrand  de  Preyssac  sein  mufs,  mithin,  dafs  wir  von  Albertet  Cailla 
nichts  besitzen. 

Eine  Entscheidung  zwischen  Bertrand  de  Preyssac  und  Bernart 
de  Durfort  in  Bezug  auf  No.  174,2  zu  treffen,  liegt  uns  eigentlich 
nicht  ob,  indessen  sei  Folgendes  erwähnt:  Für  Bertrand  de  Preyssac 
spricht,  dafs  auch  in  den  beiden  andern  Liedern  der  Name  Bertrán 
vorkommt;  Preyssac  liegt  südlich  von  Cahors,  vgl.  die  Karte  von 
Jansonius,  aufserdem  findet  sich  ein  Ort,  Prayssac  geschrieben,  am 
Lot  westlijh  von  Cahors,  freilich  habe  ich  einen  Bertrand  de  Preyssac 
in  den  Urkunden  von  Devic  und  Vaissette  nicht  angetroffen,  wäh- 
rend ein  Bernart,  seigneur  de  Durforty  von  11 99 — 1246  zu  verfolgen 
ist,    vgl.  Devic  et  Vaissette,  Histoire  générale  de  Languedoc  (neue 


'  Natürlich  ist  es  nicht  zu  verwechseln  mit  dem  Schmählied  auf  die 
Frauen  von  Albert  de  Sestaron  (Archiv  XXXII  407),  wie  es  Mila  y  Fontanals 
in  De  los  trobadores  en  Espagna  p.  450,  vielleicht  durch  Millot  II  333  ver- 
leitet, gethan  hat,  obgleich  schon  die  Histoire  littéraire  de  la  France  XIX  509 
davor  warnte. 

*  Mahn,  Gedichte  d.  Troub.  753. 
3  Ibid.  578. 

*  Archiv  XXXV  102. 


1 82  O.SCHULTZ, 

Aus;;.)  IV  613,  VII  545,  VIH  453,  475,  956,  1141,  I150,  1190;  von 
Wichtigkeit  ist  fumer,  dais  P.  Mc^yer  VII  445  mitteilt,  in  einer  Ur- 
kunde überlasse  Raymund  V.,  Graf  von  Toulouse,  das  Schlofs  ßrassac 
à  Be  man/  de  Dur  fort  qui  s*  appelait  avec  lui  Albert,  zugleich  weist 
er  auf  das  Lied  No.  37,  i  hin,  wo  in  D  Gaubertz  en  Bernart  de  Dur^ 
fort  steht,  ohne  sich  weiter  darüber  auszusprechen;  Albert  aber 
würde  ja  ungefähr  zu  den  Bezeichnungen  Jaubertz,  Audebertz,  GauS' 
bertz  in  den  Gedichten  stimmen. 

Wir  nennen  als  Vierten  Peire  de  la  Cavarana,  dessen  proven- 
zalische  Herkunft  aber  nicht  in  dem  Grade  wahrscheinlich  gemacht 
werden  kann,  wie  die  der  Vorangehenden. 

4.    Peire  de  la  Cavarana. 

Canello  glaubte  der  erste  zu  sein,  welcher  seine  italienische 
Abstammung  bezweifelte  ',  indessen  hat  schon  lange  vor  ihm  Tocche 
ihn  mit  auffallender  Bestimmtheit  als  Provenzalen  bezeichnete  in- 
dem er  ebenso,  wie  später  Canello,  sein  Lied^  auf  die  Zeit  des 
oberitalienischen  Städtebundes  unter  Heinrich  VI.  bezog.  Schon 
der  Name  dieses  Trobadors  macht  grofse  Schwierigkeiten.  Auch 
ich  glaube  mit  Canello  Cavarana,  wie  D  hat^  gegen  Caravana  von 
IK  lesen  zu  müssen,  einmal,  weil  ich  D  schon  einmal  im  Rechte 
gegenüber  IK  gefunden  habe  \  und  zweitens,  weil  Cavarana  wenig- 
stens einige  Anhaltspunkte  gewährt,  während  von  Caravana  keine 
Spur  zu  entdecken  war;  allerdings  ist  Cavarana  als  Ortsname  auch 
nirgends  anzutreffen '^  aber  ich  möchte  die  Vermutung  aufstellen, 
dafs  es  mit  dem  heutigen  Cayranne  identisch  sei,  einem  kleinen 
Dorfe  am  Flusse  Eygues,  der  nördlicli  von  der  Durance  in  die 
Rhone  geht,  im  Arrond.  von  Orange  nordöstlich  von  dieser  Stadt ^; 
in  dieser  Form  findet  es  sich  schon  auf  den  ältesten  Karten  des 
1 6.  Jahrhunderts.  Zwar  ist  die  Kntwickelung  von  Cavarana  zu  Cajf' 
ranne  anzufechten,  da  sich  sonst  v  zu  u  vokalisiert,  aber  man  mag 
erwägen,  dafs  Ortsnamen  oft  Veränderungen  unterliegen,  die  sich 
an  keine  Lautgesetze  kehren,  z.  B.  ist  das  italienische  Pietracorva 
zu  Pregola  geworden.  Es  seien  nun  zu  gunstcn  unserer  Ansicht 
folgende  Thatsachen  angeführt: 

'  Giornale  di  filologia  romanza  t.  Ill  n"  7  Luglio  1880  p.  l  ff. 

*  Kaiser  Heinrich  VT.   1867  p.  420. 
3  Raynouard,  Choix  etc.  IV  197. 

*  Mussafia,  Del  cod.  Est.  etc.  p.  397  n**  750. 

*  Freilich  hat  auch  die  Cheltenh.  Hs.  Petre  de  ta  Caravana,  vgl.  Revue 
des  langues  rom.  XTX  284. 

^  Es  ßiebt  ein  Cavara  in  der  Kommune  von  Praduro  und  Sasso  (prov. 
Bologna),  vgl.  Amatis,  Dizionario  corografico  dell'Italia  II  818,  das  ja  mög- 
licherweise aus  einem  älteren  Cavarana  verkürzt  ist,  etwa  wie  Albeoga  aus 
Albingana;  ich  habe  den  Ort  auf  der  östrcichischen  Generalstabskarte  nicht 
finden  können,  vgl.  Topogr.  Karle  von  Mittel-Italien  E  8.  Martinière  giebt 
in  seinem  hislor.-geograph.  Atlas,  sich  auf  Mela  berufend,  einen  kleinen  Ort 
Cavarae  an,  der  in  Frankreich  liegen  soll. 

'   Vgl.  Girault  de  St.  Fargcau,  Diction,  de  la  géographie  etc.  1844. 


DIE  LEBENSVERHÄLTNISSE  DER  ITAL.  TROBADORS.  1 83 

i)  In  dem  Teile  der  Provence,  welcher  zwischen  der  Durance 
und  der  Rhone  liegt,  wohnte  in  den  ersten  Jahrhunderten  der 
christlichen  Aera  die  alte  Völkerschaft  der  Cavaren,  und  es  liegt 
nahe,  unseren  Ortsnamen  mit  dem  Völkemamen  in  Verbindung  zu 
bringen. 

2)  Die  Bildung  der  Ortsnamen  auf  ana  findet  sich  gerade  in 
dem  Landstrich  zwischen  der  Durance  und  dem  Eygues-Flufs  ziem- 
lich häufig,  z.  B.  la  Briiianne,  Reillanne,  und  weiterhin  in  dem  Ge- 
biete zwischen  Rhone  und  Alpen:  Marsanne ^  Castelaney  Gardanne, 
Marignane  etc. 

3)  In  einer  Bestätigungsurkunde  des  Bertrand  von  Anduze  ^ 
kommt  als  Zeuge  ein  Raymondo  de  Caveranono  vor:  vielleicht  ist 
dies  Caveranono  eine  Erweiterung  von  Caveranum  und  dieses  iden- 
tisch mit  Cavarana,  da  ja  das  a  vor  der  Tonsilbe  leicht  zu  e  her- 
untersinken konnte  und,  was  die  Endung  betrifft,  an  Stelle  des 
lateinischen  um  mit  Vertauschung  des  Geschlechtes  sehr  oft  roma- 
nisch a  tritt.  — 

Inbezug  auf  die  Datierung  des  Liedes  schliefsc  ich  mich  Tocche 
an,  der  es  auf  das  Jahr  11 95  bezieht.'-^  „Am  13.  Juli  sprach  der 
kaiserliche  Gesandte  die  Acht  über  Mailand,  Brescia  und  Cremona 
aus;  als  bald  darauf  in  Deutschland  die  Rüstungen  zum  Kreuz- 
zuge betrieben  wurden,  fürchtete  man  in  der  Lombardei,  dafs  sie 
ihr  gelten  sollten:  infolge  dessen  traten  am  31.  Juli  1195  die  Rek- 
toren der  betreffenden  Städte  ^  zusammen  und  erneuerten  den  Eid." 
Kurz  darauf  mufs  das  Sirventes  fallen,  dessen  leidenschaftlicher 
Ton  die  erregte  Stimmung  in  Ober-Italien  wiederspiegelt.  Canello, 
der  es  auf  119Ò  datieren  will,  hat  übersehen,  dafs  eben  schon  1195 
die  Rüstungen  in  Deutschland  begannen,  wenngleich  Heinrich  VI. 
erst  am  Anfang  des  Jahres  1 1 96  seinen  Kanzler  Conrad  mit  Summen 
zur  Anwerbung  des  Kreuzheeres  nach  Italien  schickte.*  Die  That- 
sache,  dafs  unser  Trobador,  wie  Canello  p.  4  gezeigt  hat,  sich  an 
ein  Lied  des  Peire  Vidal  anlehnt,  zwingt  durchaus  nicht,  1 196  an- 
zunehmen, wie  Canello  meint,  da  das  betreffende  Lied  von  Vidal 
vor   1 195  fallen  mufs.^ 

Sonderbar  ist  es,  dafs  die  einzelnen  Anspielungen  in  dem  Sir- 
ventes ebenso  gut  und  teilweise  noch  besser  auf  das  Jahr  1226 
passen  würden,  wo  eine  Erneuerung  des  Lombardenbundes  statt- 
fand. In  dem  Dokumente  bei  Huillard-Breholles,  Hist.  dipi.  Fride- 
rici  IL  11  926  werden  als  die  bundschliefsenden  Städte  Mailand, 
Bologna,  Brescia,  Mantova  etc.  aufgezählt,  also  die  ersten  4  genau 
in  der  Reihenfolge,    wie    in  dem  Sirventes  Str.  6  —  ausgenommen 


'  Vaissctte  VIII  1203  zum  Jahre  1246. 

*  1.  c.  p.  420. 

^  Tocche  führt  nicht  Brescia  unter  denselben  auf,  das  in  unserem  Liedc 
Str.  6  Z.  4  erwähnt  wird,  aber  das  ist  wohl  nur  ein  Verschen,  da  in  dem 
Dokumente  bei  Muratori,  Ani.  Ital.  IV  486,  welches  er  anzieht,  Brixia  steht. 

•  Tocche  1.  c.  p.  429. 

'•*  Bartsch,  Die  Lieder  des  P.  Vidal  p.  LI. 


T  84  O.  SCHULTZ, 

die  Umstellung  von  Mailand  und  Bologna.  Dafs  in  Strophe  8  ein 
ein  Veronese  gepriesen  wird,  spricht  nicht  dagegen,  da  Verona 
zwar  nicht  zu  den  verbündeten  Städten  gehörte,  aber  doch  dem 
Kaiser  feindlich  gegenüber  stand.'     Die  Verse  in  der  i.  Strophe: 

qel  nostr*  emperaire 
ajosta  granz  genz 

würden  ganz  gut  passen,  da  Friedrich  II.  Ende  Januar  alle  Vasallen 

des  Königreichs  zum  6.  März  nach  Pescara   in   den  Abruzzen  zum 

Zuge  gegen  die  Lombardei  beriefe,    und  da  am  6.  März  auch  der 

Städtebund    erneuert   wurde.      Endlich    würden    die  Worte   in    der 

6.  Strophe 

eis  bos  marquesans, 

die  bei  der  Datierung  auf  11 95  unerklärt  bleiben,  ihre  Beziehung 
finden,  da  sich  dem  Bunde  bald  der  Markgraf  von  Montferrat  und 
der  Graf  Gottfried  von  Blandrate  anschlössen.^  Aber  der  ganze 
Ton  des  Sirventes,  welcher  der  grofsen  Furcht  ganz  angemessen 
ist,  die  1195  die  Lombarden  ergriff,  während  sie  sich  1226  mehr 
im  trotzigen  Übermute  zusammen thaten,  zwingt  doch  zum  Aufgeben 
eines  Gedankens  an  122Ò.  Es  kommt  dazu,  dafs  mit  dem  in  Str.  7 
gepriesenen  Marques,  wie  Gaspary  bemerkt  hat*,  wahrscheinlich 
Wilhelm  Markgraf  von  Massa  gemeint  ist,  welcher  von  1191 — 1215 
Judex  von  Cagliari  war^  da  derselbe  auch  in  einem  Gedichte  von 
Peire  Vidal  verherrlicht  worden  ist.^  Die  Persönlichkeit  aber,  welche 
in  Str.  8  mit  Saili  dagaiiz  angeredet  wird,  bleibt  für  alle  Fälle  im 
Dunkel.  Gaiz  wäre  die  genaue  Wiedergabe  von  einem  Gazium 
östlich  von  Mantua,  aber  schon  in  der  Trevisanischen  Mark  liegend, 
das  heutige  Gazzo  nicht  weit  vom  Tartaro-Flufs  ";  andererseits  ist 
zu  erwägen,  dafs  die  Gtiozi  ein  Parmesanisches  Geschlecht  waren*: 
In  den  Annal.  Cremon.  kommt  ein  Guazo  de  Albrigone  de  Guazonibus 
vor,  der  1182  zum  Podestà  von  Cremona  ernannt  wurde  und  11 84 
Konsul  dieser  Stadt  war.'^  In  den  Annal.  Plac.  Guelfi  wird  be- 
richtet *'\  dafs  ein  dominus  Guazo  potesias  in  Poieniiano  war  im  Jahre 
1225;  übrigens  mufs  ein  Ort  Gazium  auch  in  der  Nähe  von  Piacenza 
gelegen  haben.  ^^  — 


*  Winkelmann,  Friedrich  II.  I  202. 

*  Schirrmacher,  Kaiser  Friedrich  II.  II  100. 
3  Schirrmacher  1.  c.  II  1 1 3. 

^  Ztschr.  f.  rom.  Phil.  VI  162  ff. 

*  Manno,  Storia  di  Sardegna  I  362  Anra.  2. 

'•  Freilich  wäre  bei  der  anderen  Datierung  die  Möglichkeit,  es  auf  Ubaldo 
zu  beziehen,  der  1218 — 1257  Judex  von  Gallura  und  zugleich  1218 — 1239  Judex 
von  Cagliari  war  (vgl.  Manno  1.  c),  nicht  ganz  ausgeschlossen. 

"^  Canello  p.  10  denkt  an  ein  Kastell  Gazzo  an  der  Etsch,  firüher  Gadium. 
♦*  Pertz,  Monum.  Germ.  XVIII  730,  i. 
»  Pertz  1.  c.  XVIII  802,  15  und  20. 
'«^  Pertz  1.  c.  XVIII  439,  15. 

^'  Tria  chronica  Piacentina   in   den  „Monumenta  ad  provine.  Parmensem 
et  Placentinam  pertinentia"  p.  243  und  25 1 . 


DIE  LEBENSVERHÄLTNISSE  DER  ITAL.  TROBADORS.  1 85 

Es  bleiben  noch  zwei  Trobadors,  für  welche  die  Anhaltspunkte 
sehr  unsichere  sind,  deren  provenzalische  Herkunft  —  wenn  sie 
überhaupt  gelebt  haben  —  uns  aber  noch  immer  wahrscheinlicher 
dünkt,  als  die  italienische:  Guillaume  de  Sylvecane  und  Peyre  de 
Ruer.  Für  ihre  Existenz  ist  der  Gewährsmann  Nostradamus.  Bartsch 
hat  über  beide  im  Jahrbuch  NF.  I  128 — 129  gehandelt 

5.    Guillaume  de  Sylvecane. 

Bartoli  fuhrt  ihn  ohne  weiteres  als  italienischen  Trobador 
auf  ',  wahrscheinlich  nach  dem  Vorgange  von  Tiraboschi  '\  der  sich 
aber  vorsichtiger  ausdrückte;  der  letztere  bringt  zugleich  für  seine 
Meinung  den  Umstand  vor,  welchen  Nostradamus  berichtet,  dafs 
er  aus  Liebe  zu  einer  Dame  von  Puymont  aus  dem  Hause  Ruere 
gestorben  sei;  mit  diesem  Ruere  aber  kann  nicht  die  bekannte 
italienische  Familie  deüa  Rovere  gemeint  sein,  wie  Tiraboschi  wohl 
geglaubt  hat;  wenigstens  läfst  dieselbe  sich  nicht  weiter  als  bis 
14 14  hinauf  verfolgen,  dem  Geburtsjahre  des  Francesco  della  Rovere, 
der  die  Familie  berühmt  machte.«*  Vielmehr  sprechen  einigermafsen 
für  seine  provenzalische  Abkunft  folgende  zwei  Thatsachen: 

i)  Nostradamus  erwähnt  ihn  in  Verbindung  mit  Hugues  de 
Pena*,  der  ein  Provenzale  war. 

2)  Im  1 2.  Jahrhundert  läfst  sich  ein  Kloster  Sylvacana  in  der 
Provence  nachweisen,  und  zwar  in  der  provincia  Aquensis  nördlich 
von  der  Durance  ziemlich  nahe  am  Flusse.^  Aufsdem  mufs  schon 
im  10.  Jahrhundert  ein  Sylvacana  im  Gebiete  von  Toulon  existiert 
haben;  dies  geht  aus  einer  Schenkungsurkunde  vom  Jahre  1000 
hervor,  vgl.  Cartulaire  de  Pabbaye  de  S.  Victor  public  par  Guérard 
1  n**  475;  es  heifst  daselbst:  facimus  donationem  ....  de  alodo  nostro 
quod  habemus  in  comilalu  Tolonense  ....  et  de  rivo  Martino  usque  ad 
Car f wies  ....  ei  meam  partem  de  Silva  Cana\  wahrscheinlich  hat 
unser  Dichter  von  diesem  Orte  Silva  Cana  und  nicht  von  dem 
Kloster  Sylvacana  seinen  Namen  erhalten. 

6.    Peyre  de  Ruer. 

Redi**  hat  ihn  zuerst  für  einen  Italiener  erklärt:  er  sagt  Pietro 
della  Rovere  Piemontese^  desgleichen  Bastero";  Spotomo  weifs  sogar 
von  ihm  zu  berichten®,  dafs  er  ein  poeta  licenzioso {^)  war.  Dafs  er 
nicht  zu  der  italienischen  Familie  della  Rovere  gehören  kann,  welche 


M.  c.  n  23. 

2  1.  c.  4,  3,  2  p.  372. 

•  Litta,  Famiglie  celebri  disp.  147  t.  I. 

•  Vies  des  célèbres  poètes  prov.  p.  147. 

•  Spniners  histor.  Atlas,  Italien  No.  III  (kirchliche  Einteilung  —  1322); 
Carlulaire  de  Tabbaye  de  S.  Victor  publiée  par  Gucrard  (in  der  Collection  des 
Carlulaires  de  la  France  Bd.  VIII)  II  n"  867,  ein  auf  das  Kloster  Sylvacana 
bezügliches  Aktenstück  zum  Jahre  1182. 

"  Bacco  in  Toscana  colle  annotazioni  accresciute.    Napoli  1742  p.  97- 

'  Bastero  p.  91. 

■  S]>otomo,  Stor.  let.  d.  Liguria  I  272. 


1 86  o.  SCHULTZ, 

ihren  Namen  von  dum  kleinen  Orte  Rovere  Ixii  Savona  erhielt,  geht 
aus  dem  unter  Guillaume  de  Sylvecane  Gesagten  hervor;  zwar  hat 
noch  eine  andere  Familie  delia  Rovere  in  Piémont  existiert  und 
zwar,  wie  Gioffredo  sagt  ',  nobilissima  ed  antichissima^  indessen  gehen 
die  bei  ihm  angeführten  Persönlichkeiten  nicht  über  das  15.  Jahr- 
hundert hinauf;  freilich  kommt  ein  Gerard  de  la  Rovere  als  Bischof 
von  Mende  zum  Jahre  1366  vor.*^  Überhaupt  ist  es  fraglich,  ob 
man  das  Ruer  des  Nostradamus  ohne  weiteres  in  Rovere  umwandeln 
darf,  und,  wenn  man  dieses  thut,  entsteht  sofort  die  Ungewifsheit, 
ob  Rovere  ein  Orts-  oder  ein  Familienname  sei**;  hält  man  es  fur 
das  erstere,  so  ¡st  damit  nicht  viel  gewonnen,  denn  es  gab  schon 
damals  eine  Anzahl  von  Rovere  in  Oberitalien,  von  denen  eins  aller- 
dings in  Piémont  nicht  weit  von  Tortona-*,  und  daneben  einige 
Roveira  ^  oder  Roveria  in  Südfrankreich.  Ich  glaube  nun  aber,  dafs, 
wo  nicht  einigermafsen  sichere  Anhaltspunkte  für  die  italienische 
Herkunft  eines  Trobadors  vorliegen,  wir  ihn  von  vornherein  als 
Provenzalen  ansehen  können,  und  in  diesem  Falle  um  so  eher,  als 
man  fast  vermuten  könnte,  das  Piemontese  der  Litterarhistoriker 
—  Bartoli  nicht  ausgenommen  —  beruhe  auf  dem  Puymont  des 
Nostradamus.  — 

Auf  der  Grenze  von  Italien  und  der  Provence  steht  Pei  re  de 
Casclnuovo:  Gioffredo  nämlich  betrachtet  ihn  als  der  Familie  der 
Castcinuovo  angehöig,  welche  im  13.  Jahrhundert  in  Nizza  blühte 
und  ihren  Namen  von  dem  nahe  gelegenen,  ihr  gehörenden  Orte 
Castel  nuovo  trug.*»  Diese  Angabe  verdient  unseren  Glauben,  weil 
Gioffredo  aufser  Nostradamus  andere  Quellen  für  unseren  Trobador 
benutzt  zu  haben  scheint,  denn  er  berichtet  von  ¡hm,  dafs  er  die 
Siege  Karls  von  Anjou  gefeiert  habe,  wovon  Nostradamus  nichts 
sagt,  und  dies  ist  wieder  wahrscheinlich,  da  er  ein  Zeitgenosse  von 
Perceval  Doria  und  Sordel  war',  die  beide,  wie  wir  später  sehen 
werden,  zu  Karl  in  Beziehungen  standen.  Ein  Lied  oder  mehr 
von  ihm  stand  in  der  Handschrift  a.  Da  nun  Nizza  erst  1229  von 
Raymund  Berengar  endgültig  erobert  wurden,  so  steht  Peire  mit 
einem    Fufse   in   Italien,    mit   dem    anderen   in  der   Provence  und 


<  GiofTredo,  Storia  delle  Alpi  maritime  in  den  Monumenta  historíae 
patriae,  Scriptorum  II  2009. 

«  Vaissette  IV  394  n»  XXXVII. 

^  Nach  Nostradamus  scheint  es  ein  Familienname  zu  sein,  vgl.  oben 
unter  G.  de  Sylvecane;  was  aber  die  Sache  noch  unklarer  macht,  ist,  daßi  er 
wieder  sagt,  P.  de  Ruer  sei  aus  dem  Hause  Puymont,  vgl.  Jahrb.  NF.  I  129. 

^  Costa,  Chartarium  Derlonense  p.  30. 

^  In  einer  Schenkungsurkunde  des  Grafen  Raimund  von  Barcelona, 
Markgrafen  der  Provence,  die  1156  in  Montpellier  aufgesetzt  wurde,  wird 
ein  Peyre  de  Rovera  als  magùter  militiae  Templi  genannt,  vgl.  Vaissette 
V  II 80;  zu  1156  kommt  noch  einmal  Petrus  de  Roveira  vor,  zu  II55  Petrus 
de  Ruira,  vgl.  p.  1182  und  1185. 

^  Gioffredo  p.  614  a  ft'. 

'  Nostradamus  p.  142,  150,  153;   Jahrb.  XI  15;   Jahrb.  NF.  I  127. 

*  Gaufrìdi,  Histoire  de  Provence  p.  127. 


DIE  LEBENSVERHÄLTNISSE  DER  ITAL.  TROBADORS.  187 

mag  so  passend  den  Übergang  von  den  provcnzalischen  zu  den 
italienischen  Trobadors  bilden,  zu  deren  Behandlung  wir  nun 
kommen. 

IL 

Den  Reigen  der  italienischen  Trobadors  eröffnet  der  Mark- 
graf Lanza. 

I.    Lanza  marques. 

Seine  ganze  litterarischc  Hinterlassenschaft  besteht  in  2  Strophen 
gegen  Peire  Vidal  ^  den  man  glauben  gemacht  hatte,  dafs  die 
Griechin  aus  Cypern  eine  Nichte  des  griechischen  Kaisers  wäre, 
und  der  sich  deshalb  selbst  „Kaiser"  nannte.  Bartsch  nimmt  mit 
guten  Gründen  an  2,  dafs  Peire  vor  der  Kreuzzugsfahrt  mit  Richard 
Löwenherz  —  wenn  er  dieselbe  überhaupt  mitgemacht  hat  —  in 
Cypern  gewesen  sei:  demnach  mufs  Vidais  Antwortslrophe  vor 
II 90  fallen,  um  so  wahrscheinlicher,  als  er  darauf  eine  Zeit  lang 
in  Süd-Frankreich  umherzogt,  wozu  auch  die  Worte  Lanzas  am 
Schlüsse  der  2.  Strophe  stimmen: 

pois  poira  anar  d'aqui  segurs  en  Fransa. 

Es  kann  kein  Zweifel  herrschen,  dafs  unser  Lanza  marques 
mit  dem  von  den  Historikern  als  Manfred  IL  Lancia  bezeichneten 
Markgrafen  identisch  sei,  da  dieser  zuerst  den  Beinamen  „Lancia" 
führte.  Seine  Stellung  innerhalb  der  Familie  Lancia  ergiebt  sich 
aus  der  Stammtafel,  die  Schirrmacher  entworfen  hat^: 

Bonifazio  marchese  del  Vasto  f  I125 

.1 

Guglielmo  marchese  del  Vasto 


Manfred  I.  a.  1168 

marchese  di  Busca,  comes  Laureti 


Manfred  II.  Lancia 

so  zuerst  genannt  13.  Juni  1 1 90 


Manfred  III.  Lancia  f  1257. 

Die  provenzalischen  Strophen  geben  also  wahrscheinlich  früher  von 
ihm  Nachricht,  als  die  ersten  historischen  Urkunden,  womit  die  An- 
nahme von  S.  Quintino  übereinstimmt,  dafs  Manfred  L  schon  einige 
Jahre  gestorben  sei,  bevor  Manfred  IL  erwähnt  wird. 

Das  älteste  ihn  betreffende  Dokument  rührt  vom  13.  Juni  1 190 
her.*  Vom  3.  November  1196  ist  ein  anderes  datiert,  in  welchem 
er  Bonifaz  von  Montferrat  all  sein  Land  in  der  Lombardei  scilicet 
Doleanum   ei  partem    totani   sancti  Stephani  et  comitatus  Laureti    zum 


»  Peire  Vidal  ed.  Bartsch  n»  33. 
2  Peire  Vidal  p.  XVII. 
»  Peire  Vidal  p.  XVIU  ff. 

Schirrmacher,  Die  letzten  Hohenstaufen  Beilage  V. 
^  S.  Quintino,  Osservazioni  critiche  sulla  storia  di  Piemonte  II  167. 


1 88  o.  SCHULTZ, 

Lehen  überläfstJ  Am  5.  Mai  12 14  verzichtet  er  auf  das  Lehen 
heue  stiperiore  zu  gunsten  der  Kirche  von  Asti  und  überträgt  die 
Investitur  von  Boves  dem  Guglielmo  di  Ceva.*^  S.  Quintino  nimmt 
an,  dafs  er    12 14  starb,  aber  es  sei  nicht  sicher.^ 

Ich  möchte  noch  bemerken,  dafs  in  den  Schmähgedichten  auf 
Manfred  Lancia  von  Guillem  de  la  Tor  und  Uc  de  Ciro  naturlich 
nicht  unser  Trobador  gemeint  ist,  sondern  dessen  Sohn  Manfred  III. 
Lancia,  was  sich  aus  der  Schlufsstrophe  bei  Uc  ergiebt,  worin  er 
sagt:  „die  Mailänd9r  begingen  eine  Thorheit,  ihn  zum  Podestà  zu 
ernennen":  dies  kann  sich  nur  auf  Manfred  III.  Lancia  beziehen, 
welcher   1253  zum  Podestà  von  Mailand  erwählt  wurde.-* 

Auf  Manfred  II.  Lancia  folgt  als  Zweitältester  Trobador  wieder 
eine  fürstliche  Persönlichkeit:  der  Markgraf  Albert  Malaspina. 

2.    Albert  Malaspina. 

Die  Biographie'»  berichtet  nur  von  ihm,  dafs  er  der  Familie 
der  Markgrafen  von  Mal  aspina  angehörte,  freigebig,  tapfer  und  ein 
guter  Dichter  war;  um  so  mehr  weifs  die  Geschichte  zu  erzählen. 
Aufser  den  Notizen  in  Littas,  Famiglie  celebri  giebt  es  eine  beson- 
dere Abhandlung  über  ihn  von  Galvani.^  Wir  wollen  zuerst  sein 
Auftreten  in  der  Geschichte  verfolgen  und  dann  sehen,  welche 
Schlüsse  für  sein  Leben  sich  aus  der  Tenzone  mit  Rambaut  de 
Vacjueiras  ziehen  lassen. "* 

Litta  ersieht  aus  einem  Aktenstück  vom  25.  August  1180,  dafs 
Albert  zu  der  Zeit  noch  nicht  18  Jahre  alt  war.^  Selbständig  tritt 
er  zuerst  am  13.  August  1187  auf,  wo  er  in  Varcium  zugleich  mit 
den  Brüdern  Moruello  und  Oppizzone  vom  Abte  von  S.  Columban 
mit  Rocca  di  Carana  belehnt  wird.-*  Im  März  11 88  schliefst  er 
mit  den  Piacentinern  Frieden,  in  welchem  er  zusammen  mit  Moruello 
die  Besitzungen  in  den  Valli  del  Taro  e  dell*  Ena  an  Piacenza  ab- 
tritt."* Am  16.  März  1 190  belehnt  er  auf  den  Rat  seiner  Verwandten 
Merlus  de  Castello    und  Enricus  Guericus  einen  gewissen  Nolascus 


'  S.  Quintino  II  1 68.  Nach  den  Worten  von  Peire  Vidal  in  Z.  5  scheint 
es,  als  ob  ^Innfred  sich  schon  früher  einiger  Besitzungen  entäufsert  habe. 

2  S.  Quintino  II  169. 

3  S.  Quintino  II  170. 

♦  Archiv  XXXIV  190;  Mahn,  Gedichte  1161.  Beide  Gedichte  gehören, 
weil  sie  zum  Teil  wörtlich  übereinstimmen,  aufs  engste  zusammen,  und  da 
Uc  de  S.  Circ  in  Str.  i  ausdrücklich  Manfred  Lanza  nennt,  so  mufs  sich  auch 
das  Lied  von  Guillem  de  la  Tor  auf  ihn  beziehen,  das  übrigens  wahrscheinlich 
dem  Uc  zur  Vorlage  gedient  hat;  über  Manfred  III.  vgl.  Giulini,  Memorie 
storiche  di  Milano  IV  487  zum  Jahre  1253. 

^  Mahn,  Biogr.  n^  89. 

'•  Annuario  Storico  Modenese  I  25  ff.  Modena  1851. 

"  Ich  bemerke  für  das  Folgende,  dafs  ich  nicht  immer  die  Quellen  habe 
fmdcn  können  und  mich  in  einigen  Daten  auf  spätere  Gewährsmänner  stutze. 

^  Litta.  Famiglie  celebri  fase.  75  tav.  II. 

'^  Monum.  Histor.  Patr.  Chartae  II  1134. 

'*>  Toeche,  Kaiser  Heinrich  IV.  p.  106;  Affò,  Storia  di  Parma  1X287  ^^ 
fälschlich   1189. 


DIE  LEBENSVERHÄLTNISSE  DER  ITAL.  TROBADORS.  1 89 

mit  den  Besitzungen,  die  er  in  der  Stadt  Genua  hatte.*  Den 
20.  April  1 194  wird  er  vom  kaiserlichen  Gesandten  Truschardo  in 
die  Reichsacht  erklärt,  weil  er  von  seinem  Hasse  gegen  Piacenza 
nicht  ablassen  wollte.^  Am  11.  Oktober  1194  schwor  Albert,  Alles 
zu  beobachten,  was  Moruello  im  Friedensschi ufs  mit  den  Piacen- 
tinern  abmachen  würde  3;  dieser  Friedensschi  ufs  erfolgte  am  ó.  No- 
vember 1194.*  Den  17.  Dezember  1195  verzichtet  er  auf  Grondola 
zu  gunsten  von  Piacenza.^  Im  Jahre  1196  erkennt  er  die  Stadt 
Tortona  als  Herrin  über  Mongiardino  an.*'  Dieses  Factum  berichtet 
nur  die  Cronica  di  Tortona;  l>ei  Salice^  heifst  es  zwar  auch:  ianio 
it  signori  di  Mongiardino  che  il  marchese  Alberto  Malaspina  riconoscono 
Tortona  per  padrona  di  Mongiardino ,  aber  in  dem  Dokumente  No.  }fiy 
worauf  verwiesen  wird,  steht  nichts  von  Albert.  Dafs  die  Chronik 
recht  hat,  zeigt  eine  Urkunde  vom  Juni  1 197  ^:  ...  isti  sunt  de  curia 
d,  Alberti  marchionis  Malespine  et  nepotum  scilicet  Guilelmi  et  Conradi, 
qui  jurctverunt  quad  ipsi  pacem  factam  inter  jam  dictos  marchiones  et 
Terdonenses  supra  factum  montis  jardini  et  totam  val  de  bolberia  fir  mam 
et  incorruptam  tenere  habeilt.  Am  3.  Juli  1197  übergeben  in  Tortona 
die  Konsuln  von  Tortona  und  Albert  das  Lehen  Mongiardino  dem 
Bischof  von  Tortona,  der  sogleich  mit  der  Hälfte  davon  Albert 
belehnt.'''  Im  Jahre  1198  stand  er  auf  Seite  der  Tortonesen  in  der 
Fehde  mit  Genua  *";  1198  war  er  auch  bei  einem  Vertrage  gegen- 
wärtig, welcher  in  Valenza  zwischen  Bonifaz  von  Montferrat  und 
der  Stadt  Acqui  geschlossen  wurde.**  Am  9.  Mai  1199  leistet  Albert 
zusammen  mit  seinen  Neffen  Wilhelm  und  Conrad  der  Kommune 
von  Genua  den  Eid  der  Treue.*-  1200  wird  er  genannt  in  einer 
Abmachung  über  den  freien  Durchzug  der  Waaren  durch  die  Luni- 
giana.***  In  demselben  Jahre  reizt  er  die  Bewohner  des  Borbera- 
thals auf,  sich  der  Oberhoheit  von  Tortona  zu  entziehen.'^  Den 
17.  Oktober  1200  schliefst  er  beim  Kastell  Croce  im  Gebiete  von 
Bobbio  mit  den  Piacentinern  und  Mailändern  einen  Bund  gegen 
Pavia.*^  1202  erneuern  Albert  und  seine  Neffen  mit  den  Konsuln 
von  Tortona  den  Vertrag,  den  sie  früher  inbetrcff  von  Mongiardino 


'  Chartae  II  990  Anm.  i . 

*  Tocche  p.  328  und  Beilage  VIII  p.  571,  3. 

'  Poggiali,  Memorie  storiche  di  Piacenza  V  24. 

*  Poggiali  V  24;   Toeche  Beilage  Vili  572,  7. 
^  Poggiali  V  32;   Toeche  1.  e. 

*  Cronaca  di  Tortona  ed.  Costa  p.  51. 
'  Salice,  Annali  Tortonesi  p.  331  fif. 

'  Costa,  Chartarium  Dertonense  p.  61. 

*  Cronica  di  Tortona  p.  51;    Montemerlo,  Historia  di  Tortona  d.  34  flf.  ; 
Salice  p.  333;    Costa,  Chart.  Dert.  p.  66. 

^**  Mon.  Germ.  XVIII  116;    Diez,  Leb.  u.  Werke  p.  276  Anm.  2. 

>•  LiUa  1.  c. 

'*  Liber  jurium  Januae  I  433  c. 

"  Litta  1.  c. 

^*  Salice  p.  336. 

'^  Chartae  II  1209;    Poßßiali  V  61  ;    Galvani  p.  35. 


1 90  o.  SCHULTZ, 

und  der  Val  di  borberia  eingegangeil  waren.*  In  dassell)e  Jahr 
1202  fallen  noch  folgende  Daten:  Wilhelm  Malaspina  verbündet 
sich  mit  den  Modcnesen  auch  im  Namen  seines  Oheims  AlberL- 
Dit;  Kommuno  von  Modena  verspricht  den  Markgrafen  Albert  und 
Wilhelm,  sie  bei  der  W'iedererobcrung  von  Carpinetum  zu  unter- 
stützen/* Am  31.  Mai  treffen  Albert,  Wilhelm  und  Conrad  Malaspina 
ein  Übereinkommen  unter  einander.-*  Den  4.  Juni  giebt  er  in  Pisa 
in  domo  HospUaUs  Sandi  Pauli  de  ripa  Arni  in  seinem  und  seiner 
Neffen  Namen  Alles,  was  sie  früher  vom  Markgrafen  von  Este  er- 
worben haben,  dem  Bischof  von  Luna  zum  Lehen.^  Zum  letzten 
Male  treffen  wir  ihn  erst  12 10  wieder,  wo  er  zusammen  mit  andern 
Malaspina  von  der  Kommune  von  Piacenza  verschiedene  Orte  zum 
Lehen  erhält^ 

Es  scheint,  als  ob  nach  12 10  Albert  nicht  mehr  unter  den 
Lebenden  gewesen  sei.  Schon  in  einem  Diplom,  das  Kaiser  Otto  IV. 
am  18.  Juli  \2\o  in  Turin  erliefs,  findet  sich  nur  Wilhelm  Malaspina 
unterzeichnet,  nicht  aber  Albert^;  121 1  wird  unter  den  an  Otto 
festhaltenden  Fürsten  wieder  nur  Wilhelm  Malaspina  genannt*  In 
dem  Bündnisse,  das  Mailand,  Piacenza  und  die  Malaspina  den 
g.  September  121 2  zu  Ehren  Ottos  schliefsen,  kommt  ebenfalls  Albert 
nicht  vor.->  Freilich  spricht  eine  Urkunde  vom  8.  Juni  12 18  einiger- 
mafsen  dagegen  *":  es  wird  dort  nämlich  ein  Verhör  sachverstän- 
diger Zeugen  angestellt,  ob  Caracosa,  die  Tochter  des  verstorbenen 
Albert  Malaspina,  zur  Nachfolge,  in  der  Mark  Malaspina  berechtigt 
wäre,  oder  nur  die  Neffen  Wilhelm  und  Conrad:  demnach  scheint, 
als  ob  Albert  erst  kurz  vorher  gestorben  wäre.  E^  ergiebt  sich 
zugleich  aus  der  Urkunde,  dafs  er  aufser  der  Caracosa  keine  Nach- 
kommen hinterliefs;  diese  wurde  vor  12 18  von  Wilhelm  und  Conrad 
Malaspina  an  Albert  Markgrafen  von  Gavi  verheirathet  — 

Bevor  ich  zur  Tenzone  übergehe,  möchte  ich  noch  eine  Stelle 
in  eiììem  Briefe  Rambauts  von  Vaqueiras  an  Bonifaz  von  Montferrat 
betrachten,  wo  von  einem  Treffen  bei  Araistrigo  oder  Raistrigo^* 
die  Rede  ist  und  es  dann  heifst:  „damals  hüben  wir  den  Markgraf 


'  Cronica  di  Tortona  p.  54;  Costa,  Chartarium  Derton.  p.  86:  hier  ist 
die  bezüíjliche  Urkunde  auf  das  Jahr  1 2 1 2  datiert,  was  unmöglich  richtig  sein 
kann;  es  mufs  hier  ein  Versehen  des  Abschreibers  der  Originalurkunde  vor- 
liegen. 

'^  Tiraboschi,  Memorie  storiche  Modenesi  IV  im  Cod.  diplom.  n<>645; 
Galvani  p.  48. 

^  Tiraboschi  n**  644. 

♦  Muratori,  Antichità  Estensi  I  175. 

^  Muratori,  Ant.  Est.  I  176. 

"  Poggiali  V  88  ;   Galvani  p.  50. 

"  Salice  p.  348. 

•*  Abel,  Kaiser  Otto  IV.  und  Friedrich  II.  p.  q8. 

**  Galvani  p.  51. 

'0  Chartae  II  1294. 

"   Quant  assaillis  a  cartentrasteno      Ç. 

al  cart  ?  trasteno  R 
a  ssali  m  antan  araistriii-o      E. 


DIE  LEBENSVERHÄLTNISSE  DER  IT  AL.  TROBADORS.  IQI 

Albert,  der  aus  dem  Sattel  gestürzt  war,  sanft  vom  Boden."  '  Gal- 
vani hat  infolge  dieser  Stelle  und  der  Thatsache,  dafs  Albert  von 
1203 — 10  nicht  nachzuweisen  ist,  vermutet,  dafs  er  mit  Bonifaz  den 
Kreuzzug  angetreten  habe  '^  ;  zugleich  sagt  er,  dafs  ein  Ort  Azaïstrigo 
sich  in  der  Chronik  des  Villehardouin  finde,  welcher  auch  ein  ähn- 
liches Ereignis  berichte;  aber  einmal  habe  ich  hiervon  bei  Ville- 
hardouin nichts  gesehen,  ferner  steht  in  der  Hs.  arais/rif^o  und 
endlich  wäre  es  doch  zu  auffallend,  dafs  die  Geschichtsschreiber 
des  Kreuzzuges  einen  so  bekannten  Namen  wie  den  Alberts  ver- 
schwiegen hätten.^  —  Ich  weifs  nicht,  ob  die  Ansicht  von  Hopf-*, 
welcher  auch  Desimoni  gefolgt  ¡st  *,  viel  mehr  für  sich  hat,  dafs  Albert 
de»  Kaiser  Heinrich  VI.  auf  seinem  Zuge  nach  Sicilien  begleitet 
habe.  Chronologisch  ist  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  denn 
vom  II.  Oktober  1194  bis  zum  17.  Dezember  1195  ist  Albert  als 
in  Ober-Italien  befindlich  nicht  zu  rekognoszieren,  Heinrich  VI.  aber 
hielt  den  20.  November  1 1 94  seinen  Einzug  in  Palermo  '»  und  ver- 
liefs  Sicilien  im  Anfange  von  1 195,  allein  es  wäre  doch  sehr  sonder- 
bar, dafs  er  als  Nichtanhänger  des  Kaisers  ihm  gefolgt  sein  sollte, 
und  dafs  wir  in  diesem  Falle  keine  Nachricht  von  ¡hm  hätten, 
während  sich  doch  der  Name  von  Bonifaz  von  Montferrat  in  Ur- 
kunden aus  Sicilien  findet."  In  Sicilien  nun  soll  nach  Hopf  das 
oben  erwähnte  Treffen  stattgefunden  haben;  einen  Ort  Raistrigo 
oder  wie  sonst  die  Varianten  lauten,  habe  ich  auf  Sic¡l¡en  n¡cht 
angetroffen,  ich  mufs  also  auch  diese  Meinung  als  unwahrscheinlich 
oder  zum  mindesten  als  unerwiesen  ansehen  und  kann  nur  auf  die 
Möglichkeit  verweisen,  entweder  dafs  in  der  betreffenden  Stelle 
irgend  ein  anderer  Markgraf  Albert  gemeint  sei  8,  oder  dafs  sich 
das  Faktum  irgendwo  anders  als  in  Sicilien  oder  im  Oriente  zu- 
getragen  habe. 

Einige  bestimmtere  Anhaltspunkte  für  das  Leben  Alberts  ge- 
währt seine  Tenzone  mit  Rambaut  von  Vaqueiras**;  allerdings  er- 
mangelt auch  hier« manches  der  wünschenswerten  Klarheit:  so  gleich 
in   der    2.  Strophe    der  Vonvurf  Rambauts,    dafs    Albert    auf  dem 


*  Diez,  Leben  u.  Werke  p.  299. 

*  Galvani  p.  49 — 50.  Von  den  datierten,  Albert  betreffenden  Urkunden 
rührt  die  späteste  des  Jahres  1202  vom  4.  Juni  her;  Bonifaz  traf  erst  den 
15.  August  in  Venedig  ein. 

3  Allerdings  fliefsen  ja  die  Nachrichten  über  den  Kreuzzug  von  italie- 
nischer Seite  ziemlich  spärlich. 

*  Bonifaz  von  Montferrat  und  der  Troubadour  Rambaut  von  Vaquciras 
von  Hopf  ed.  Streit  in  der  Sammlung  gemein versländi.  Vorträge  von  Virchow 
u.  Holtzendorff.   Berlin  1877  p.  20. 

*  Desimoni  im  Giornale  ligustico  1878  V  266. 

^  Cohn,  Heinrich  VI.,  Rom  und  Untcritalien  in  Forschungen  zur  deut- 
schen Geschichte  I  448. 

'  Winkelmann,  Nachträge  zu  den  Kaiserregesicn  in  Forschungen  zur 
deutschen  Geschichte  XVIII  479. 

*  Albert,  Markgraf  von  Gavi,  eine  ziemlich  bekannte  Persönlichkeit, 
schliefst  1202  einen  Vertrag  mit  Genua,  vgl.  Lib.  jur.  Jan.  I  490b. 

•■*  Raynouard,  Choix  IV  9;    Diez,  Leben  u.  Werke  p.  277;    MG.  1307. 


192  o.  SCHULTZ, 

genuesischen  Gebiete  „Strafsenraub  getrieben  habe"  —  wenigstens 
mufs  empeines  la  strada  in  Z.  9  etwas  Ähnliches  bedeuten.  Galvani 
erklärt  es,  indem  er  die  Malaspina  mit  den  Markgrafen  von  Gavi 
vermengt,  von  denen  es  in  den  Annal.  Jan.  zum  Jahre  11 97  heifst: 
Marchiones  qui  f itérant  de  Gavi  stratam  invaseruniA  Inbezug  auf 
Albert  selbst  haben  wir  nichts  gefunden,  was  die  Anschuldigung 
Rambauts  als  begründet  erscheinen  liefse:  er  ist  daher  entweder 
bei  dem  Einfalle  der  Markgrafen  von  Gavi  beteiligt  gewesen,  oder 
es  liegt  eine  Tliatsache  vor,  welche  uns  die  Geschichte  nicht  auf- 
bewahrt hat.  Aus  Str.  3  Z.  9  geht  hervor,  dafs  Albert  in  Pavia 
gewesen  ist,  wo  er  Rambaut  in  dürftigen  Umständen  traf  2;  Z,  6  in 
Str.  4  bezieht  sich  auf  die  Abtretung  der  Besitzungen  in  den  Valli 
di  Taro  e  dell' Ena  an  Piacenza  1188'^:  Valditaro  scheint  übrigens 
ein  Ort  daselbst  gewesen  zu  sein,  deim  es  heifst  in  der  Urkunde 
von  1200^:  ego  bonus  Johannes  de  valdetario  sacri  palatii  noiarim  etc. 
^'  7»  ^^'ö  gewifs  Petr acorva  statt  Petr acorna  zu  lesen  ist*,  betrifft  die 
Einwilligung  im  Vertrage  vom  6.  November  1194,  dafs  die  Piaceu- 
tiner  das  Castrum  Pietracorva  zerstören  dürften.*»  Z.  8  in  Str.  6 
vermag  ich  nicht  zu  deuten,  da  ich  einen  Ort  Castagner  in  der 
Gegend  von  Piacenza  nicht  gefunden  habe."  — 

Was  nun  die  Datierung  der  Tenzone  angeht,  so  kann  es 
immer  nur  eine  Vermutung  bleiben,  dafs  sie  1198  falle  —  1196 
tritt  Albert,  vvie  wir  gesehen  haben,  zuerst  mit  Tortona  in  Ver- 
bindung, 1197  war  er  bestimmt  daselbst  — ,  selbst  wenn  man  an- 
nimmt, dafs  Beatrix,  des  Markgrafen  Bonifaz  Schwester,  mit  der 
Dame  von  Tortona  ^  identisch  sei  und  dafs  Albert  sie  veranlafst 
habe,  den  Trobador  Rambaut  zu  verabschieden.  Dies  ist  die 
^Meinung  von  Hopf^,  die  er  mit  absoluter  Sicherheit  hinstellt,  wie 
er  denn  auch,  ohne  Gründe  anzugeben,  sagt.  Giordana,  die 
Schwester  von  Bonifaz,  sei  die  Gemahlin  Alberts  gewesen,  und 
überhaupt  Beziehungen  herstellt,  die  nach  dem  vorliegenden  Mate- 
rial nicht  herzustellen  sind;  ganz  sonderbar  ist  seine  Äufserung, 
dafs  von  Rambaut  eine  Anzahl  Spottgedichte  existieren,  in  denen 
er  seinen  Gefühlen  gegen  den  verhafsten  Markgraf  Albert  Ausdruck 


'  Mon.  Germ.  XVIII  115. 

*■*  Woher  Hopf  p.  15  und  Desimoni  p.  263  die  Notiz  haben,  dafs  Albert 
Rambaut  aufgenommen  und  an  den  Markgraf  Bonifaz  empfohlen  habe,  weifs 
ich  nicht. 

a  Vgl.  oben  S.  188. 

^  Chartae  II  121  la,  nicht  1210,  wie  das  Register  sagt,  wie  denn  dort 
die  Verweise  ziemlich  oft  falsch  sind. 

^  Spruner,  Italien  IV;  auch  für  die  vorher  genannten  Orte  ist  Spmner 
/u  vergleichen,  wo  sich  freilich  nicht  alle  finden. 

*'  Poggiali  V  24  ;    Desimoni  p.  259. 

"  In  einer  Verkaufsurkundc  aus  den  Akten  des  genuesischen  Notars 
Scriba  kommt  ein  Ort  Castanerum  vor,  vgl.  Chartae  II  498  a  zum  Jahre  II98; 
Desimoni  interpretiert  i  Piacentini  i  quali  inf^ojano  tutti  i  suoi  feudi  nam 
/asriamfo/y/i  ornai  un  casta^^neto{\). 

*♦  Vgl.  Str.  I   der  Tenzone. 

'J  Hopf  p.  20. 


DIR  LERENSV  RR  HÄLTNISSE  DER  ITAL.  TROBADORS.  IQ3 

giebt.  Mir  ist  nur  noch  eine  Stelle  bekannt,  wo  Rambaut  seiner 
Erwähnung  thut,  nämhch  in  einem  Briefe  an  Honifaz':  „ich  will 
euch  erinnern,  wie  wir  die  Dame  Seidina  von  Mar  dem  Markgrafen 
von  Malaspina  mitten  aus  seinen  Verschanzungen  entführten  2,  und 
hiermit  mufs  die  Stelle  in  der  Tenzone  zusammenhängen: 

E  Nicolos  e  Lan  francos  da  Mar 
vos  podón  ben  appellar  de  bauzia, 

wie  rait  Diez  zu  lesen  ist'\  der  auch  schon  ganz  richtig  bemerkte, 
clafs  Mar  ein  genuesischer  Familienname  sei.  Wir  haben  oben  ge- 
sehen, dafs  Albert  Beziehungen  zu  Genua  hatte,  und  in  der  That 
finden  sich  ein  Lanfranco  dei  Mari  und  ein  Nicolò  dei  Mari  zu 
1 187  und  1 189  als  Konsuln  von  Genua.^  Die  Geschichte  mag 
sich  ungefähr  so  zugetragen  haben,  wie  Cialvani  vermutet,  dafs 
Albert  die  Seidina,  eine  Verwandte  des  Nicolò  und  Lanfranco, 
unter  dem  Scheine  der  Freundschaft  geraubt  hatte:  daher  dar  Vor- 
wurf der  Falschheit,  den  jene  ihm  machen  konnten.  Leider  besitzen 
wir  weiter  keine  Lieder  von  Albert;  denn  eine  Tenzone  mit  Gau- 
celra  Faidit,  die  Bartoli  ihm  zuschreibt  %  gehört  natürlich  nicht  ihm, 
sondern  Albert  de  Sestaron  an.  —  Wir  würden  so  zum  Schlüsse 
gekommen  sein,  wenn  nicht  noch  ein  schwieriger  Punkt  zu  erörtern 
wäre,  wo  denn  eigentlich  Albert  seinen  Wohnsitz  gehabt  habe,  denn 
in  air  den  vorher  genannten  Orten  ist  er  doch  nur  vorübergehend 
ge\\esen.  Albert  bekam  als  der  jüngste  von  drei  Brüdern  etwas 
von  der  Lunigiana,  aber  vorzugsweise  Lehnsgebiete  im  Tortone- 
sjschen  und  in  der  Marca  superiore  von  Genual  und  man  kann 
nach  den  Urkunden  annehmen,  dafs  er  sich  meistens  in  den  letz- 
teren aufgehalten  hat.  In  der  Urkunde  von  1 197  ^  heifst  es  isti 
sunt  de  curia  d,  Alfter  ti,  aber  wo  war  diese  curia?  Litta  und  Robo- 
lini  ^  sagen ,  dafs  er  1 1 89  mit  den  Brüdern  in  Auramala  gewohnt 
hal)e,  ob  dies  aber  dau(*rnd  der  Fall  gewesen  sei,  wird  sich  schwer 
nachweisen  lassen.  Die  Annahme  von  Hopf,  dafs  er  einmal  in 
Pavia  Hof  gehalten  habe,    scheint  ganz  willkürlich.     Seine  Tochter 


*  Diez,  L.  u.  W.  p.  302—303. 

"*  C:  £i  fajE^  que  fetz  de  sai  dina  de  mar.     Quan 
R    E  fem        sei  Qvnt 

C:  In  leuetz  al  marques  al  sopar.    A  males  pi  na 
R    al  marques  la  leu  em  del 

C:  de  sul  plus  auf  hj^ar.     E  la  donetz  a  pon  set  daguilar 
R    sus  el  pus  fort  E  pueys  detz  la  an  posson  dagilar 

C:  Que  muria  el  liet  per  Heys  amar. 
R    Ques  moria 
'  Raynouard,  Choix  IV  io  Str.  4  Z.  8;  Diez,  L.  u.  W.  nachträglich  unter 
„Anzeige"  p.  605. 

*  Canale,  Storia  dei  Genovesi  I  507  und  513. 

*  Bartoli  II  12. 
"  Galvani  p.  2Q. 

'  Vgl.  oben  S.  i8q. 

*  Roboìini,  Nolizie  storiche  di  Pavia  III  zum  Jahre  1189  Anm.  2;   Ro- 
bolini  nennt  noch  einen  Ort  S.  Alberto  (?). 

Z«ltMbr.  f.  rom.  Phil.    VII.  I^ 


1 94  o.  SCHUL  rz, 

Caracosa  wohnte  in  Cantacapra  ^  das  sie  zur  Mitgift  dem  Albert 
von  Gavi  mitbrachte,  l^eachtung  verdienen  endlich  folgende  Stellen: 
die  Worte  in  dem  Briefe  Rambaiits: 

cl  fa^;  que  fetz  de  saUiina  de  mar 

quan  la  levetz  al  marques  al  sopar 

a  Malespina  de  sul  plus  aut  logar 
(R:   a  Malespina  sus  el  pus  fort  logar) 

vgl.  oben;    das  Geleit  eines  Liedes  von  Aimeric  de  Pegulhan^: 

ves  Malespina  ten  chanz 

al  pro  Guillcm,  qu'es  prezanz 

und  die  5.  Strophe  von  Airaerics  Satire  gegen  die  Spielleute  ^r 

Ar  veiretz  venir  Vestol 
Vel  Male  Spin"*  e  'l  tropel  h . 

Es  hat  demnach  den  Anschein,  als  ob  es  ein  Kastell  Malaspina 
gegeben  habe. 

3.    Peire  de  la  Mula. 

Die  Biographie  von  Peire  de  la  Mula  findet  sich  in  A:  Peirt 
de  hl  Mula  si  fo  uns  jofflars  q\stei  c  Monf errat  en  Peimont  ah  miser 
lìOt  del  Garret  et  a  Cor  ternilla  e  fo  trola  de  collas  e  de  sirventese 
und  ebenso  lautend  in  der  Cheltenhamer  Handschrift.^  Mit  Sicher- 
heit kann  seine  italienische  Abkunft  nicht  nachgewiesen  werden, 
aber  es  liegt  auch  kein  Cirund  vor,  an  derselben  zu  zweifeln,  um 
so  weniger,  als  es  einen  Ort  Mulura  süd(>stlich  von  Mantua  ge- 
geben, andererseits  auch  der  Familienname  Mula  in  Ober-Italien 
vorkommt,  z.B.  zum  Jahre  1241  unter  den  Consiliarii  von  Cuneo 
ein  Ricardus  Mula.^'  Dazu  kommt,  dafs  wir  eine  Cobla  von  Palais 
haben  s  die  ihn  wenigstens  als  unter  Lombarden  befindlich  er- 
scheinen lüfst;  sie  lautet  nach  D**: 

Moll  se  fera  de  chantar  bon  recreire 

al  meu  semblan  qui  sofrir  sen  pogucs 

qu*el  mon  non  es  ebriacs  ni  beveirc 

^  (^hartae  TI  I295d;  hängt  Cantacapra  mit  dem  Berge  Caprone  in  der 
Lunigiana  zusammen,  auf  dem  die  Malaspina  in  der  ersten  Hälfte  des  12.  Jahr- 
hunderts ein  Kastell  erbauten?  vgl.  Chartae  II  205;  es  kommt  einmal  auch 
Cantacaprame  vor.  —  Daher  lieifst  es  auch  in  der  Tre  va  des  Guillem  de  la  Tor: 

De  Cantacabra  i  ven  la  bella  e  l^enseí''nnda 
na   Caracosa  (ju\*s  per  ios  valcnz  amada, 
vgl.  Suchier»  Denkmiiler  ])rov.  Lit.  u.  Sprache  I  p.  323  Str.  4. 

'^  MW.  II  172;  Cavedoni,  Ricerche  storiche  intorno  ai  trovatori  etc.  p.  I4. 
3  MW.  II  166. 

*  Jahrbuch  XI  2 1 . 

*  Revue  des  langues  rom.  XIX  284. 

^'  Chartae  II  1424  c;  im  16.  Jahrh.  gab  es  einen  Mathematiker  Agostino 
da  Mula,  vgl.  Foscariiii,  Della  letteratura  veneziana  p.  317  not.  272,  p.  349i 
459;  freilich  darf  nicht  verschwiegen  werden,  dafs  es  einen  Ort  Vila  de  Mul 
in  Südfrankreich  gegeben  hat,  vgl.  Bartsch,  Denkmiiler  provenz.  Litter.  p.  167 
und  Register  dc>  Cartulaire  de  l'abbaye  de  S.  Victor. 

'  Bartsch,  Verzeichniss  No.  315,  4. 


DIE  LKimNSVEkHÄLTNISSE  DER  I  lAL.  TROHADORS.  IQ5 

qu'entre  lombarlz  non  fassa  sirvenles 
neus  un  peire  qi  fa  la  mula  peire  ' 
sen  entramet  quant  vins  la  sobrepres 
qel  nai  ja  vist  si  cochât  e  conques 
que  set  enaps  de  fust  e  tres  de  veire 
bet  en  un  jorn  granz  e  comols  e  pies. 

Die  Anspielung  auf  den  Namen  Peire  de  la  Mula  ist  offenbar:  er 
scheint  also  hiernach  dem  Trünke  sehr  ergeben  gewesen  zu  sein. 
Palais  war  wohl  ein  jogiar,  der  in  der  Lombardei  umherzog;  eine 
andere  unedierte  Cobla  von  ihm  lautet: 

molt  m*cnoja  d'una  gent  pautonera 
car  an  tornat  pros  lombartz  cn  erransa 
cuns  non  conois  cui  don  ni  eel  qenqcira 
mas  atresi  cum  orbs  qui  peiras  lanza 
don  non  raubas  e  roncins  a  garçons 
a  tais  qanc  mais  no  sabron  que  se  fos 
mas  fams  c  ireig,  trebailz  e  malananz. 

Sie  ist  augenscheinlich  %o%<ò\\  die  Spielleutc  gerichtet  und  hat  Ähn- 

*lichkcit    mit    dem   Sirventese   von    Peire   de    la   Mula,    in    dem   es 

Str.  I   Z.  3  heifst: 

car  lor  {^sc.  joglars)  enois  creis  e  poja. 

Vielleicht  ist  der  marques  y  welcher  von  Palais  gepriesen  wird  ^ 
Bonifaz  von  Montferrat.  Weshalb  nun  unser  joglar  von  den  Litterar- 
hustorikern  Monferrino  genannt  wird,  ist  nicht  ersichtlich,  denn  es 
steht  ja  in  der  Biographie  nur,  dafs  er  sich  in  Montferrat  aufge- 
halten habe.  Man  kann  annehmen,  dafs  er  den  Hof  von  Bonifaz 
von  Montferrat  besucht  habe,  denn  Otto  von  Carretto,  zu  dem  er, 
wie  es  scheint,  später  ging,  ¡st  schon  1179  zu  rekognoszieren,  wo 
er  mit  dem  Bruder  Heinrich  vom  Vater  in  die  Verwaltung  Savonas 
eingeführt  wird.*  Er  nennt  sich  zuerst  Ottone  del  Carretto  in  einer 
Urkunde  von  1190;  hier  verkauft  er  die  letzten  Hoheitsrechte  über 
die  Markgrafschaft  von  Savona  der  Stadt  Savona.^  Im  Jahre  1194 
war  er  Podestà  der  (ienuesen.'»  Weiteres  über  ihn  ist  zu  finden 
bei  Torteroli,  Storia  del  commune  di  Savona  p.  28,  Giustiniani, 
Annali  de  (ìenova  p.  312,  Liber  jurium  Januae  I  567,  569,  Litta, 
Famiglie  celebri  unter  den  Markgrafen  von  Montferrat  fase.  63  tav.  II, 
Kobolini,  Notizie  di  Pavia  IV  i  p.  72  Anm.  2,  Rossi,  Storia  di 
Ventimiglía  p.  372  und  373,  Chartae  II  p.  1843  Register,  Schiavina, 
Annali   di   Alessandria   p.  89,  92,  93,    zu    1220  Huillard-Bréholles, 


*  Die  kursiv  gedruckten  Worte,    welche  in  D«»  fehlen,   habe   ich  aus  Q 
(vgl.  Ztschr.  IV  519,  aufgenommen;  peire  =  \?X. peJere^  oSxi.  poire, 

*  Archiv  XXXIV  192  dels  joglars  servir  mi  laisse. 
^  Bartsch,  Verzeichniss  No.  315,  2. 

*  Brcsslau,   Jahrbücher   des   deutschen  Reiches  unter  Konrad  II.   I.  Ex- 
curs  IV  p.  403. 

*  Bresslau  p.  404  Anm.  1. 

c  Toeche,  Heinrich  VI.  p.  348  Anm.  2. 

■3* 


196  O.SCHULTZ, 

I  liston  dipi.  Friderici  II.  II  39,  zu  den  Jahren  1225  und  1227  Annal. 
Januens.  VI  439  C,  449  D.  »wähnt  sei  noch,  dafs  er  den  3.  Oktober 
1220  von  Friodridi  II.  den  Hefelil  erhielt,  die  Ventimigliesen,  welche 
der  Dichter  Rauibertin  Huvalel  schon  12 19  bekämpft  hatte,  zum 
(jehorsam  gegen  Cienua  zurückzuführen.^  Das  letzte  von  S.  Quintino 
angeführte  Dokument  über  ihn  rührt  vom  26.  August  1228  her^ 
f'iber  ich  fnide  noch,  dafs  er  am  4.  Februar  1231  die  Investitur  von 
Di;nice  an  Albert  von  Ponzoñe  bestätigt  ^  und  zwar  ¡n  Corte- 
miglia.  —  Was  nun  dies  Cortemiglia  betrifft,  wo  Peire  de  la  Mula 
sit:h  aufgehalten  haben  soll,  so  hat  Otto  vor  1192  gewifs  nichts 
davon  besessen,  da  in  diesem  Jahre  Honifaz  III.  von  Vasto,  der 
sich  1182  und  1188  marchio  de  Curtemilia  nennt,  ohne  Erben  zu 
hinterlass(»n  starb*;  1209  verkauft  Otto  mit  Zustimmung  seines 
Sohnes  Hugo  alles,  was  er  in  Torre  d'Ussone,  Cortemigh'a  etc.  Ixî- 
sitzt,  an  die  Koramum»  von  Asti  und  Incide,  Vater  und  Sohn,  werden 
von  Asti  mit  den  genannten  Orten  belehnt  in  rectum  et  genti/e  feu" 
dum  in  filias  ei  filias,^  Inbezug  auf  einen  Teil  von  Cortemiglia 
scheint  er  in  einem  gewissen  Abhängigkeitsverhältnisse  zu  Wilhelm 
von  Montfcrrat  gestaiiden  zu  haben,  wie  eine  Urkunde  von  1219 
lehrt,  vgl.  S.  (iiorgio.  Cronica  di  Montferrato  p.  56;  p.  57  heifst  es 
daselbst:  Otto  de  Carretto  et  fitii  ejus  tenenl  quartam  partem  CurtiS" 
mit  i  i  et  iotum  Prune  i  et  sanctam  Jutiam, 

Otto  ist  g(»wiss  ein  sehr  ritterlicher  Herr  gewesen:  Folquet  de 
Romans  hat  nicht  weiiiger  als  4  Lied(*r  hinterlassen,  die  ihn  preisen, 
vgl.  I^artsch,  Chr.  prov.  p.  195,  das  nach  1220  anzusetzen  ¡st,  Roche- 
gude.  Pam.  Occ.  p.  121  und  Raynouard ,  Choix  IV  126,  <lie  wohl 
beide  kurz  vor  1228,  vor  dem  Kreuzzuge  Friedrichs  IL  fallen,  und 
mit  Archiv  XXXIV  426  um  dieselbe  Zrit  (entstanden.  Wahrscheinlich 
ist  (\s  auch  unser  Otto,  an  don  Hemart  de  Bondelhs  eine  Canzone^ 
gerichtet  hat,  wenn  anders  Quadrio  zu  trauen  ist,  der  sagt,  sie 
wt»nde  sich  aii  eineii  Marchese  del  Carretto."  Er  ist  also  bis  1231 
zu  verfolgen;  Peire  de  la  Mula  hat  vielleicht  ebenso  lange  gelebt. 
D(T  Umstand,  dafs  seine  Lieder  auch  im  Kstensischen  Kodex  stehen, 
läfst  nur  den  allgemeinen  Schlufs  zu,  dafs  sie  in  die  erste  Hälfte  des 
13.  Jahrhunderts  oder  früher  fallen  müssen.**  Aus  diesen  Gedichten* 
ist  für  die  Hiographie  nichts  zu  gewinnen. 

Die  angestellte*  Betrachtung  über  Peire  de  la  Mula  wäre  nicht 
vollständig  zu  nennen,  wenn  ich  nicht  noch  einer  Vermutung 
Suchiers   gedächti»,   der   in   Marcabruns  Antwort   auf  Audrics  Lied 

^  Winkelmann,  Kaiser  Friedrich  IL  I  144  Anm.  3. 

^  S.  Quintino  II  212. 

3  Chartae  11  1373  ff. 

*  Bresslau  I  404  Excurs  IV. 

*  Atli  (Iella  socielíi  Lijijure  di  storia  patria  XI,  258. 
♦*  Bartsch,  Verzi'ìchniss  No.  59,  i. 

'  Quadrio,  Sulla  storia  e  ragione  d*ogni  poesia  p.  127. 
"  (ìrober  in   Böhmers  Rom.  Stud.  II  372. 

'•  Tirahoschi  4,  3,  2  ]).  372  gicbt  irrtümlich  an,  es  ständen  in  D  3  Lieder 
von  ihm:  es  sind  nur  2. 


DIE  LEBENSVERHÄLTNISSE  DER  IT  AL.  TROBADORS.  I97 

Str.  6  Z.  3  nach  der  Hs.  C  Muias  in  den  Text  aufnehmend  hierin 
unsem  Trabador  erkennen  will.»  Wenngleich  dies  in  den  Zu- 
sammenhang recht  gut  passen  würde,  so  ist  doch  diese  Lesart  zu 
verwerfen  und  das  Zusammentreffen  der  Thatsache,  dafs  Peire  zwei 
Schmählieder  gegen  die  Spielleute  geschrieben,  mit  den  Worten 
des'  Liedes  als  Zufall  anzusehen.  Da  nämlich  einerseits  Marcabrus 
Antwort  wahrscheinlich  eines  der  ältesten  Lieder  ist,  die  wir  von 
ihm  haben  (vgl.  Suchier  I.e.  p.  147),  also  nicht  lange  nach  1146 
verfafst  sein  kann,  andererseits  Otto  von  Caretto  sich  nicht  früher 
als  1 179  nachweisen  läfst  und  damals  kaum  20  Jahre  zählen  konnte, 
so  kann  an  Peire  de  la  Mula  als  an  einen  Zeitgenossen  von  Mar- 
cabru  gamicht  gedacht  werden;  es  kommt  dazu,  dafs  Otto,  wie 
wir  oben  gezeigt  haben,  nicht  vor  1192  im  Besitze  von  Cortemiglia 
gewesen  ist  Die  Annahme,  dafs  Peire  Ende  des  12.  Jahrhunderts 
und  Anfang  des  13.  Jahrhunders  gelebt  habe,  wird  bestätigt,  wenn 
man  in  dem  Androinel  der  in  Str.  3  von  Peires  Liede  ja  de  razo 
nom  cal  metren  pautáis  vorkommt  (vgl.  Suchier  I.e.  p.  153),  den 
griechischen  Kaiser  Andronicus  L  Commenus  sehen  will,  der  1185 
vom  Volke  umgebracht  wurde  (vgl.  Suchier  I.e.  p.  153  Anm.  3);  die 
Worte  fo  moriz  sind  nicht  bedenklich,  wie  Suchier  meint,  da  sie  ja 
bedeuten  können  „getödtet  wurde". 

4.    Rambertin  de  Buvalel. 

Über  Rambertin  de  Buvalel  ist  in  neuerer  Zeit  eine  besondere 
Arbeit  von  Casini  erschienen'-^,  aber  wenngleich  die  Kritik  in  der 
Romania  IX  631  an  dem  litterarhistorischen  Teil  derselben  nichts 
auszusetzen  hat,  so  will  ich  doch  versuchen,  das  Leben  dieses  Tro- 
badors  noch  einmal  darzustellen. 

Zunächst  etwas  über  den  Namen.  Auch  ich  schreibe  mit 
Casini  Btwalely  weil  sich  diese  Form  fast  immer  in  den  bologne- 
sischen  Urkunden  findet;  so  nennt  ihn  Peire  Raimon  von  Tolosa^; 
merkwürdig  ist,  dafs  die  genuesischen  Urkunden  konsequent  ßova- 
reih  schreiben  •*,  die  Wandlung  des  /  in  r  ist  wohl  als  Dissimilation 
anzusehen  und  u  in  unbetonter  Silbe  konnte  ja  leicht  mit  0  wech- 
seln. Ebenso  ist  Rambertin  mit  Casini  zu  schreiben,  da  diese  Form 
häufiger  und  in  wichtigeren  Dokumenten  steht  als  Lamhertin\  in 
genuesischen  Urkunden  findet  sich  nur  einmal  Lambertin,  Die 
unzähligen  anderen  Variationen  des  Namens  können  wir  über- 
gehen. 

Für  die  Biographie  ist  in  A  der  Raum  leer  gelassen-^:  er  wird 
reichlich  ausgefüllt  durch  die  Daten  der  Geschichte,    aber  ich  be- 


*  Jahrbi  NF.  II  147  und  150.  Die  Erklärung,  die  Suchier  von  dieser 
Stelle  mit  Aufnahme  von  mitas  j^ebt,  scheint  mir  viel  gelungener,  vergi, 
p.  150  Anm.  I. 

»  Il  Propugnatore  XII,  II  82  ff. 
'  Archiv  XXXII  400. 

*  Liber  jur.  Jan.  I  599  c,  603  c  etc. 

*  Archiv  LI  275. 


ig8  O.SCHULTZ, 

merke  von  vornhertîin  inbezug  auf  diese  Daten,  dafs,  wenn  in  den 
betreffenden  Quellen  nicht  ausdrücklich  der  volle  Name  Rambcrtinus 
Guidonis  Biivaklli  steht,  wir  niemals  die  Garantie  haben,  wirklich 
unscrn  Trobador  vor  uns  zu  sehen,  da  es  sehr  viele  Rambertini, 
Guidones  Rambertini  und  Buvalelli  aus  Bologna  gegeben  hat. 

Zuerst  erscheint  er  am  1 8.  Juli  1198  als  Zeuge  zusammen  mit 
seinem  Bruder  Buvalellus  und  seinem  Vater  Guido.*  Am  22.  März 
1201  tritt  er  wieder  als  Zeuge  auf.^  Dafs  er  1201  Podestà  von 
Brescia  gewesen,  wie  Casini  nach  der  Vermutung  von  Savioli  ohne 
weiteres  aufgestellt  hat,  ist  durchaus  unerwiesen:  In  den  von  Casini 
citierten  Stellen,  die  aus  Savioli  entnommen  sind  ^,  steht  garnichts 
davon,  nur  in  den  Annales  Brixienses  heifst  es  zu  1201^:  recepitis 
es  i  Rember/tfius  potesias\  Savioli  meint  nun  II  i  p.  250,  dafs,  da 
unser  Trobador  noch  im  März  in  Bologna  vorkommt,  den  übrigen 
Teil  des  Jahres  aber  nicht  mehr,  und  da  andererseits  in  Brescia 
mitten  im  Jahre  ein  neuer  Podestà  erwählt  wurde,  man  annehmen 
könnte,  er  sei  dieser  Podestà  gewesen:  die  gänzliche  Unsicherheit 
der  Sache  liegt  auf  der  Hand,  besonders  da  es  eben  mehrere 
Rambertini  aus  Bologna  gab.  Den  8.  November  1203  wird  er  als 
Konsul  von  Bologna  genannt."»  Wahrscheinlich  war  er  1208  Podestà 
von  ]\lailand,  es  steht  in  den  Annal.  Mediol.  min.  nur:  Lamberiinus 
de  Bonarellis  de  Bononia  '•  ;  desgleichen  ist  nicht  ganz  sicher,  ob  er 
Ende  Se])leml)er  des  Jahres  1209  in  der  Eigenschaft  eines  miles 
jiisiitiae  als  Gesandter  nach  Ferrara  geschickt  wurde:  es  lieifst  nur 
Rajuperiiis  Bnahl/i\'  Im  Jahre  12 11  wurde  er  Ende  Mai  zum  Le- 
gaten des  Pabstes  liinoccnz  III.  nach  Modena  geschickt^;  die  Ver- 
handlung fand  im  Hause  des  Bischofs  von  Modena  statt.  Für  die 
Thalsache,  dafs  er  sich  12 12  unter  iXaw  Anführern  des  bologne- 
sischen  Heeres  gegen  die  Pistogeser  befand,  habe  ich  keine  andere 
Quelle  als  Fantuzzi,  Notizie  degli  scrittori  bolognesi  lì  351.  12 13 
war  er  Podestà  von  Parma*';   als  solcher  kommt  er  bei  dem  F'rie- 


'  Savioli,  Annali  bulogncsi  II  2,  2iü. 

'^  Savioli  II  2,  228. 

^  Savioli  II  I,  246. 

*  Pertz.  Mon.  Germ.  XVIII  816,  5. 

'"  Savioli  II  2,  249  und  II  I,  267. 

••  Peru  XVIU  398,  lü. 

"  Wie  vorsichtig  man  in  tien  Allributionen  bein  mufs,  zeij^t  der  Um- 
stand, dafs  sich  zum  16.  November  iiQQ  ein  Rambertus  de  Buvalello  Maca- 
gnanus  in  Boloijna  findet,  vgl.  Savioli  III  i  p.  216,  was  doch  augcnscliein- 
lieh  heifsen  soll  aus  Macagnanum,  einem  Orte,  der,  wie  es  scheint,  in  der 
Gegend  von  Piacenza  lag,  vgl.  Charlae  II  Register;  auch  Savioli  hält  laut 
Index  den  1222  unter  den  Sapientes  Bononiae  vorkommenden  D.  Kanibcrtinu:» 
lür  identisch  mit  unserm  Trobador,  vgl.  Savioli  III  2  p.  31,  wahrend  durch 
eine  andere  Stelle,  wo  er  D.  Ramì)ertinus  Ramberti  heifst,  das  Gegenteil 
bewiesen  wird,  vgl.  Miiiarelli,  Ad  scripiores  rer.  Ital.  accessioncs  p.  619;  far 
das  Datum  von   1209  vgl.  iMuratori,  Ant.  Ital.  II  679  C. 

**  Sarti,  De  claris  archigymnasii  ßonon.  professoribus  I  2  im  Append. 
Monum.  p.  67;    Fanluzzi  II  351. 

J  Pertz  XVIII  606,  15. 


DIE  LEBENSVERHÄLTNISSE  DER  IT  AL.  TROBADORS.  I QQ 

densschlusse  zwischen  Salingucrra  und  den  Modenesen,  der  in 
Casuraarium  stattfand,  als  Zeuge  vor  zusammen  mit  seinem  Bruder 
BuvalellusJ  Dafs  er  12 15  Podestà  von  Mantua  war,  was  Savioli, 
auf  ìndice  inedito  dei  podestà  di  Mantova  verweisend ,  behauptet  und 
von  Casini  wiederholt  worden,  ist  unrichtig,  denn  es  heifst  in  den 
Annal.  Mantuani  zu  den  Jahren  12 15  und  12 16:  D,  Lambertinus  de 
Bivialdo  de  Bononia  fuit  podcstas.-  Casini  sagt  falschlich,  Ghirar- 
dacci  mache  ihn  zum  Podestà  von  Modena  zum  Jahre  12 17,  was 
von  Fantuzzi  bestritten  werde:  es  soll  vielmehr  Reggio  heifsen^, 
was  allerdings  nicht  richtig,  da  sich  zu  12 17  ein  anderer  Podestà 
von  Reggio  angegeben  findet  ^  ;  natürlich  war  er  auch  nicht  Podestà 
von  Modena.'»  Von  12  18 — 1220  bekleidete  er  das  Podestariat  von 
Genua*'';  dasselbe  Amt  wurde  ihm  1221  von  den  ]\Iodenesen  an- 
geboten, aber  er  lehnte  es  ab  wahrscheinlich  infolge  eines  Schrei- 
bens des  Pabstes  Honorius  111.  an  den  Bischof  Rolando  von  Ferrara 
vom  I.  April  1221,  in  welchem  dieser  den  Auftrag  erhält,  Rambertin 
die  Annahme  des  Podestariats  zu  verbieten  und  auch  die  Bologne- 
sen  zu  veranlassen,  dieselbe  zu  hintertreiben."  Unser  Trobador 
befand  sich  also  wahrscheinlich  wieder  in  seiner  Vaterstadt.  Man 
hat  nun  allgemein  angenommen,  dafs  er  1229  nicht  mehr  am 
Leben  gewesen  sei,  weil  sich  in  einem  Kloster  die  Notiz  findet: 
J rater  Lamber tuccius  q,  Ramberti  de  Bnaielli^^  allein  auch  hier  ent- 
steht die  Frage  der  Identität:  so  erscheint  denn  auch  wieder  in 
einer  Urkunde  vom  13.  November  1234  unter  den  Ratsmitgliedern 
von  Bologna  D,  Lambertinus  Guidonis  Bualelli'^^  und  ich  sehe  keinen 
Grund,  ihn  nicht  für  unsern  Trobador  zu  halten.  In  einer  Ur- 
kunde von  1239  heifst  es  ad  petitionem  D,  Rambertini  de  Buvalello^^\ 
hier  ist  die  Sache  schon  sehr  zweifelhaft  und  ganz  gewifs  ist,  dafs 
der  Rambertinus  de  Bovarello  aus  Bologna,  welcher  1248  Podestà 
von  (ienua  war",  nichts  mehr  mitninserm  Rambertin  gemein  hat  ^'^j 
um  so  weniger  als  wahrscheinlich  derselbe*^  1271  das  Podestariat 
von  Cesena  inné  hatte.  ^^ 


'   Muratori,  Ant.  Est.  II  3;    Affò,  Stör.  d.  Parma  III  81. 

=»  Pertz  XIX  20,  45. 

3  Fantuzzi  U  353  Anni.  9. 

«  Muratori,  Script.  VIII  1084B. 

*  Muratori  XI. 

^  Annal.  Jan.  VI  412,  414,  417. 

"^  Potthast,  Regesta  Pontificum  Romanorum  I575;    Savioli  III  2  p.  6. 

*  Fantuzzi  II  353. 

*  Savioli  III  2  p.  1 50. 
'®  Savioli  III  2  p.  179. 

"  Anna!.  Jan.  VI  514  A. 

'■'*  Die  Herausgeber  des  Liber  jurium  Januac  haben  unrecht,  wenn  sie 
den  genuesischen  PodeslA  von  1219  mit  dem  von  1249  identifizieren,  vgl. 
I  551  Anm.  2. 

"  Wahrscheinlich  ist  es  auch  dieser,  welcher  zu  1257  als  Mitglied  des 
holognesischen  Rates  genannt  wird:  er  heifst  gerade  wie  unser  Trobador: 
Lambertinus  Guidonis  Bualelli,  vgl.  Savioli  III  2  p.  345. 

*•  Savioli  III  I  p.  448. 


200  O.  SCHULTZ, 

Wir  kommen  zu  den  Liedern  unseres  Trobadors,  die  zum 
gröfsten  Teile  eine  Beatrice  von  Este  feiern.  Es  liegt  keine  Ver- 
anlassung vor,  wie  Casini  will,  anzunehmen,  dafs  Rambertin  in  den- 
selben Gedichten  aufser  der  Beatrice  noch  eine  andere  Geliebte 
besungen  habe.  Der  erste  Grund  von  Casini  ist,  dafs  es  im  Liede 
A¿  cor  n¿  estai  r  amoros  des  ir  ¿er  s  am  Schlüsse  heifst:  Beatritz  (T  est  la 
meiller  es  qtianc  fos\  es  nun  könne  in  dieser  Zeit  nur  die  3.  Pers. 
Sing,  sein,  folglich  werde  Beatrice  nicht  angeredet  und  es  handle 
sich  daher  um  2  Personen;  aber  die  Form  es  kommt  unzählige 
Male  für  etz  vor  und  aufserdem  steht  ja  in  A  ^/a.*  Ein  anderer 
Grund  ist  ebenso  unstichhaltig.^ 

Dafs  diese  Beatrice  die  Tochter  Azzos  VI.  von  Este  war,  ist 
nach  den  Ausführungen  von  Cavedoni  zweifellos  geworden.*  Ihr 
Geburtsjahr  ist,  so  viel  ich  weifs,  nicht  bekannt,  wenngleich  Cave- 
doni 1191  angiebt;  Muratori  sagt,  sie  war  die  Tochter  der  Leonore, 
Azzos  VI.  erster  Frau  4,  und  ich  zweifle,  ob  die  Angabc  von  Frizzi, 
sie  sei  die  Tochter  der  zweiten  Gemahlin  Sophie  gewesen  ^  g<ï- 
nügend  begründet  ist,  da  er  keine  Urkunden  beibringt;  diese  Sophie 
wird  allerdings  schon  1 1 9 1  Marchionis  Azolitu  uxor  genannt*  — 
Man  könnte  nun  geneigt  sein,  mit  Casini  anzunehmen,  dafs  Ram- 
bertins  Lieder  an  Beatrice  vor  12 12  fallen,  da  Azzo  VI.  in  diesem 
Jahre  starb  und  die  Familie  Ferrara  verliefs,  und  da  Rambertin  ver- 
mutlich 1 209  in  Ferrara  war,  aber  es  ist  zu  erwägen,  dafs  Rambertin 
in  dem  Liede  Sa  mon  restaur  pogues  plazer  ^  zum  Liede  im  Geleite  sagt: 

e  diras  m'a  Tuna  seror. 

Wenn  Costanze,  die  Tochter  Azzos  VI.  von  der  Alice,  die  er  1204 
heiratete,  nicht  schon  in  einem  einigermafsen  beachtenwerten  Alter 
gestanden  hätte  ^,  so  würde  er  die  Beatrice  schwerlich  in  so  unter- 
scheidender Weise  runa  seror  gpnannt  haben.  Dazu  kommt,  dafs 
Beatrictî  vor  12 18  gewifs  nicht  in  das  Kloster  Gemmola  trat,  da 
sie  in  Urkunden  über  Güterverteilungen  mit  der  Stiefmutter  Alice, 
Urkunden,  die  zu  Calaon  aufgesetzt  sind,  zu  den  Jahren  1216  und 
12 17,  noch  nicht  als  Nonne  bezeichnet  wird*,  und  was  die  Worte 
des  Geleites*^  betrifft: 

en  ves  est  a  na  Beatrìtz 

et  a  mon  restaur  lai  on  estai, 

SO  beweisen  sie  ja  gerade,    dafs  sie  nicht  mehr,    wie  vor  121 2,   in 

«  Archiv  XXXIII  449. 

'-^  Casini  p.  418. 

^  Cavedoni,  Ricerche  storiche  intorno  ai  trovatori  provenzali  etc.  p.  20  ff. 

*  Muratori,  Ant.  Est.  I  405. 

^  Frizzi,  Storia  di  Ferrara  III  65. 

0  Muratori  I  4 1 2. 

■^  Archiv  XXXIII  449. 

*  Diese  Constanze   ist   von   Kainion  Bistort  von  Arles   gefeiert  worden, 
vgl.  Stengel,  Die  Blumenlese  der  Chigiana  No.  141,  142. 

'•♦  Muratori  I  407. 

*®  Mussaña,  Del  cod.  Est.  p.  445. 


DIE  LEBENSVERHÄLTNISSE  DER  ITAL.  TROBADOR?.  20I 

Ferrara  war;  enves  Est  deutet  wohl  nur  die  Richtung  an:  Beatrice 
kann  sich  deshalb  ganz  gut  auf  dem  sehr  nahe  gelegenen  Schlosse 
Calaon  befunden  haben,  was  nach  12 12  thatsächlich  der  Fall  war.* 
Auch  für  Rambertin  ¡st  die  Zeit  von  121 2 — 12 18  nicht  zu  spät,  da 
sein  Podestariat  von  Brescia  äufscrst  unsicher  ¡st,  er  also  noch  nicht 
so  alt  zu  sein  brauchte,  wie  Casini  meint.  —  Kein  anderer  Umstand 
spricht  gegen  diese  Zeit.  Peirc  Ra¡mon  de  Tolosa,  der  Rambert¡n 
erhebt  ^,  lobt  einen  Grafen  von  Savoyen  (Lex.  Rom.  p.  5 1 3),  unter 
dem  vermutlich  Thomas  I.  von  Savoyen  zu  verstehen  ist,  der  sich 
bis  1232  verfolgen  läfst,  vgl.  Litta,  Fam.  cel.  fase.  46  tav.  Ill;  ferner 
bes¡ngt  er  gleichfalls  unsere  Beatrice.3  Auch  A¡mer¡c  de  Pegulhan 
hat  sie  gepriesen  *,  was  daraus  ersichtüch  ¡st,  dafs  in  dem  Liede 
zugleich  Wilhelm  Malaspina  erwähnt  wird,  welcher  1220  starb.* 
Aber  ich  kann  noch  eine  andere  Thatsache  für  mich  anführen,  das 
Lied  Rambertins  in  A  mout  chantera  de  joi  e  voi  entier  s  *,  das  Casini 
gamicht  berücks¡cht¡gt  hat,  wenigstens  kann  ich  die  Gele¡te  n¡cht 
anders  erklären,  als  dafs  Seignen  Monol  ein  Versteck  name  für  den 
jungen  Grafen  Raimund  VIL  von  Toulouse  sei,  denn  Rambertin 
wünscht  ihm,  er  mochte  seine  Feinde  besiegen  und  das  wieder- 
gewinnen, was  sein  Vater  besafs:  Raymund  VIL  war  1215  auf  dem 
Laterairconcil  in  Rom  und  eroberte  12 17  einen  Teil  der  Provence 
wieder."     Im  2.  Geleit  sagt  Rambertin: 

seignen  nional  non  ere  qe  tarze  gaire 
qe  eu  ve¡rai  en  Raimon  mon  segnor. 

Mit  diesem  Raimon  ist  vermutlich  Raymund  VL,  der  Vater  Ray- 
munds VIL,  gemeint,  der  auch  12 15  auf  dem  Lateranconcil  war 
und  über  Genua  zurückkehrte:  es  sche¡nt  so,  als  wenn  Rambert¡n 
früher  am  Hofe  Ra}'munds  VL  gewesen  wäre,  moglicherwe¡s(»  aber 
hat  er  ¡hn  auch  erst  ¡n  Italien  kennen  gelernt.  Demnach  möchte 
ich  dieses  Lied,  wenn  meine  Deutung  r¡cht¡g  ¡st,  zwischen  12 15  und 
12 17  setzen.      Inbezug   auf  das   Ged¡cht  No.  281,  9,    das    Bartsch 


*  Cavedoni  p.  25  Anm.  20;   Muratori  I  407. 

*  Vgl.  oben  S.  197. 

3  Archiv  XXXV  421.  In  den  Hss.  Sc  ist  dem  Peire  Raimon  das  Lied 
zugeteilt  ses  alegratge  etc.  Verz.  205,  5,  das  ihm  aber  jedenfalls  nicht  ange- 
hört. Die  hierin  (vgl.  MG.  583)  gepriesene  Na  Mil  en  Romagna  ist  höchst 
wahrscheinlich  identisch  mit  der  Na  Milla,  n^Emilaf  h'Esmilla  de  Ravenna, 
die  von  Albert  de  Sestaron,  Aimeric  de  Pegulhan  und  Guillem  de  la  Tor 
besungen  wird,  vgl.  Cavedoni  p.  15  und  Anm.  14,  MG.  693,  MG.  loio,  Suchier, 
Denkm.  prov.  Lit.  u.  Spr.  I  323  No.  386  Str.  2  Z.  3. 

*  Das  schliefst  nicht  aus,  dafs  Aimeric  in  anderen  Liedern  Beatrice,  die 
Tochter  Aldobrandinis,  gefeiert  habe,  die  1234  an  Andreas,  König  von  Ungarn 
verheiratet  wurde,  vgl.  Pertz  XIX  185,  30;  gewifs  bezieht  sich  sein  Klagelied 
(vgl.  Mahn,  Werke  II  159)  auf  sie,  wie  Grober  ganz  richtig  bemerkt  hat,  vgl. 
Rom.  Stud.  Il  371. 

*  Annal.  \at\.  bei  Pertz  XVIII  143,  30. 
•'  Archiv  XXXIII  450. 

"  Vgl.  Vaissette  VI  und  VII  Register. 


202  O.  SCHULTZ, 

dem  Rambertin    zuschreibt,    schliefsu    ich    mich  Casini  an,    der  es 
ihm  abspricht.' 

Wir  kommen  nun  zum  originellsten  der  italienischen  Troba- 
dors:  Sordel. 

5.    Sordel. 

Die  Biographie  liegt  in  IK  ^  und  in  ausführlicherer,  wesentlich 
abweichender  Fassung  in  Aa  vor.-^  Da  die  Proposta  di  alcune 
correzioni  al  vocabulario  delia  Crusca  nicht  bequem  zugänglich  ist, 
lasse  ich  die  Biographie,  wui  sie  dort  steht,  folgen  mit  Vergleichung 
der  sehr  wenig  verschiedeuíín  Version  in  a,  von  der  ich  eine  Ab- 
schrift besitze:  Sor  deis  Jo  de  Ma  ni  uaná  d'un  casici  che  a  nom  Got; 
genta  cattttnis:  /o  (a:  e  /on)  arineni  om  de  ia  persona  e  granz  aniairts 
(a:  e  Jo  bon  /robador),  ma  mouit  Jo  ci  truant  e  fais  vas  dompnas  e 
vas  Íes  luirons  ab  cui  ei  estava.  Et  entende  t  se  en  madonna  Cunìssa 
sor  de  Sir  Aiceiin  e  de  Ser  Albtric  da  Romans  citerà  moiiler  dei  coni 
de  saint  Bonifaci  (a  fügt  hinzu:  ab  cui  ti  estava) t  e  per  z^oiontat  de 
ìuiser  Aiceiin  e  i  e  m  biet  madonna  Conissa  e  menci  ia  via.  Pane  après 
ei  s\n  and  en  Onedes  ad  un  cas  ti  i  dequels  d'PJsirus  da  ser  Enric  e 
da  ser  Guiiiem  ed  en  Vai  per  tin  di' eran  mout  sei  amie  et  esposd  una 
soa  seror  cdadament  di  avia  noni  Ota,  e  vene  s  en  pois  a  Trrois  e  quand 
aquel  <r  Es  ir  us  lo  sap  si  it  volta  offen  dr  e  de  ia  persona  t  il  amie  del 
coni  de  saint  Bonifaci  e  is  sa  nun:  don  ci  estava  armatz  sus  en  ia  casa 
de  miser  Aiteiin.  Quand  ci  anaiui  per  la  terra  et  cavalgava  en  bon 
destrier  ab  gronda  compagnia  de  cavalier.  Per  paor  d'acceis  diìl  voiian 
ojfendre  ei  se  partii  d  and  s'en  en  Protnsa,  ti  tsiet  ab  io  conte  de 
Proensa  et  a  mei  una  geni  dompna  e  bella  (a:  una  donna  de  proenza)  e 
r  apelava  en  sos  cantors  die  fazia  pir  lei  do  iza  ene  mia,,  per  la  cai 
dompna  et  fdz  mantas  bonas  eìiansos,  -—  Bi^vor  ich  an  die  DarsteUung 
seines  Lebens  gehe,  möchte  ich  bemerken,  dafs  es  mit  seinem 
Charakter  eine  ganz  eigene  Bewandtnis  geliabt  zu  haben  scheint. 
Abgesehen  von  di'm  Zeugnisse  Diuites,  das  wir  nicht  gut  mit  den 
vorhandenen  Werken  Sordels  in  Kinklang  zu  bringen  vermögen, 
«erwächst  aus  der  Betrachtun u:  der  Lieder  und  der  historischen 
Nachrichten  zu  Zeiten  der  Eindruck  von  einer  Doppelnatur  in  ihm 
und  es  scheint  manchmal,  als  weini  man  es  mit  zwei  Persönlich- 
keiten zu  thuii  hätte,  indem  er  einerseits  in  den  Urkunden  dominus 
genannt  und  seiner  Verdienste  gedacht  wird,  andererseits  aus  seinen 
(jedichten  hervorgeht,  dafs  er  sich  in  den  Wirtshäusern  mit  ge- 
wöhnlichen Spielleuten  herunigetriebcn  und  g<.'prügelt  hat;  auch 
insofern  ist  er  merkwürdig,  als  manche  Gedanken  bei  ihm  uns  ganz 
modern  anmuten.  —  Nachdem  schon  Tiraboschi  und  Diez  die 
Fabeleien  von  unglaubwürdigen  Chronisten  über  ihn  zurückgewiesen 
haben,  erzählt  Ruberto  im  Propugnatore  X.  die  alten  ^Märchen  mit 
grofsem  I^ehagen  wieder,  wird  aber  von  seinem  Landsmanne  Cap- 


'  Casini  p.  41 2 — 413. 

^  Mahn,  Biogr.  No.  49. 

3  Dic¿,  Leben  und  Werke  p.  465. 


DIE  LEBENSVERHÄLTNISSE  DER  ITAL.   IROHADORS.  203 

pellini  hierin  beinah(?  übertrofFen.'  Sordds  (jcburlsjahr  ist  unbekannt, 
da  aber  aus  einem  historisch  bezeugtc;n  Datum  mit  grofser  Wahr- 
scheinlichkeit hervorgeht,  dafs  er  1265  den  Kriegszug  Karls  von 
Anjou  nach  Italien  mit  machte,  so  kann  man  wohl  schliefsen,  dafs 
er  damals  nicht  viel  älter  als  60  Jahre  gewesen  sein  kann,  dafs 
seine  Geburt  also  in  die  ersten  Jahre  des  1 3.  Jahrhunderts  fällt 
Nach  Aa  stammte  er  aus  Goito  im  Mantuanischen  (Gebiete,  während 
IK  als  Geburtsort  Sirier  angicbt,  das  ich  auf  den  Karten  nicht  habe 
ñnden  können-^,  aber  ich  glaube  im  allgemeinen  Aa  vorziehen  zu 
müssen  als  die  ausführlichere  Nachricht,  besonders  da  Aa  darauf 
berichten,  dafs  er  ein  geniiis  caianis  ^  war,  was  durch  den  Strophen- 
wechsel zwischen  Paves,  Figera  und  Aimeric  ^  bestätigt  wird,  wo  in 
Z.  2  der  Strophe  des  Paves  ei:>  capiianis  vorkommt,  der  wahrschein- 
lich kein  anderer,  als  Sordel  ist.  Ob  er  von  vornehmer  Abkunft, 
wie  es  nach  Aa  scheint,  oder  von  armen  Kitern  war  (IK)  wird  sich 
schwerlich  entscheiden  lassen.  Der  erste  Hof,  an  den  er  sich  be- 
gab, war  der  des  Grafen  von  S.  Bonifazio  (IKa);  natürlich  ist  dies 
Graf  Richard  in  Verona,  der  Cunizza,  die  Tochter  Kzzelins  111.  von 
Romano  seit  1222  zur  Gemahlin  hatte.^  Diese  Cunizza  wurde  auf 
Veranlassung  ihres  Bruders  Kzzelins  IV.  (und  Alberics  (IK))  von 
Sordel  entführt.  Rolandin  berichtet,  es  sei  Kzzelin  der  Vater  ge- 
wesen^, aber  neben  vielem  andern  spricht  dagegen  der  Umstand, 
dafs  der  alte  EzzeHn  sich  122  i  nach  Oliero  zurückzog."  Man  kann 
mit  Vcrci  annehmen,  dafs  die  Entführung  ca.  1224  stattfand,  einmal 
weil  in  diesem  Jahre  die  Feindschaft  zwischen  Ezzelin  und  Richard 
begann  ^  und  es  wohl  glaublich  ist,  dafs  Ezzelin  ihm  einen  Rache- 
streich hat  spielen  wollen  und  dann,  weil  Bonifazio  zwischen  1224 
und  1225  nicht  in  Verona  war.  Sordel  hielt  sich  nun  im  Hause 
von  Ezzelin  und  Alberico  auf,  bis  Ezzelin  ihn  eines  schönen  Tages 


*  Capellini,  Sordello,  memoria  estralla  dagli  atti  e  memorie  della  K.  Aca- 
demia Virgiliana  1874 — 78  Mantova. 

*  Solite  Sirier  identisch  sein  mil  dem  heutigen  Serere,  das  östlich  von 
Mantua  ca.  2  Meilen  westlich  von  (¿uingentole  liegt?  vgl.  östr.  Generalstabs- 
karle d.  Lombardei  E  6. 

^  Muratori,  Ant.  Est.  1  24  —  25  sagt,  dafs  die  vornehmen  Herren,  die 
nicht  conti  waren  sich  entweder  gar  nicht  titulierten,  oder  capitanti,  militi. 
Benvenuto  von  Imola  berichtet  von  Sordel  fuit  quidam  civis  ^fantuanus  no- 
mine Sordt'llus  nobilis  et  pruitens  miles  vgl.  Tiraboschi  4,  3,  2  p.  384. 

*  Archiv  XXXIV  408. 

*  Kolandin  bei  PcrtzXIX4u;  Raumer,  Geschichte  der  Hohenstaufen 
IV  401:  Stammtafel  der  Ezzeline.  Rolandin  sagt  von  Sordel  de  ipsiu:,  fami- 
liuy  was  doch  wohl  heifsen  soll  zum  Gesinde  Ezzelins  gehörig. 

'•  Rolandin  bei  PerlzXIX4l;    er  sagt  weiter  cum  qua  (sc.  Cunizza)  /// 
patris  curia  permanente  dictum  fuit,  ipsum  Sor  de  Hum  concubuisiie. 
'  Verci,  Storia  degli  Eccelini  1  92  ff.  und  400. 

*  Vcrci  I  120;  1224  wurde  Richard  in  Fcrara  gefangen  genommen  und 
von  Salinguerra  erst  1225  freigela>»sen ,  worauf  er  nach  Verona  zurückkehrte, 
vgl.  Verci  II  6,  8. 

"  In  diese  Zeit  mag  das  Gelegenheitsgedicht  zwischen  Uc  de  S.  Circ  imd 
Alberico  de  Romano  fallen,  worin  Uc  zusammen  mit  Sordel  den  .liberie  bitten, 
dem  Ardibon  zu  essen  zu  geben,  vgl.  Suchier,  Denkm.  prov.  Litt.  u.  Spr.  I320. 


204  o.  SCHULTZ, 

wegjagte.^  Das  Zusammensein  mit  der  Cunizza  scheint  nicht  lange 
gedauert  zu  haben:  er  ging  „bald  darauf"  in  das  Onedesische 
Gebiet  auf  das  Schlofs  Estrus  zu  den  Herren  Heinrich,  Wilhelm 
und  Valpertin,  mit  deren  Schwester  Ota  er  sich  heimlich  vermählte 
(Aa).  Von  Estrus  und  den  drei  Besitzern  habe  ich  keine  Nachricht 
gefunden,  aber  Onedo  mufs  ein  Ort  im  Vicentinischen  gewesen 
sein,  wie  sich  aus  dem  Index  bei  Verci  111  325  ergiebt*^  Es  dünkt 
mir  am  wahrscheinlichsten,  dafs  von  hier  aus,  nachdem  die  Sache 
bald  ruchbar  geworden  sein  mochte.  Sorde!  seine  Spielm^nnsreise 
durch  die  Lombardei  antrat  An  den  kunstliebenden  Höfen  von 
Ober-Italien  machte  er  wahrscheinlich  die  Bekanntschaft  von  Guillem 
Figueira,  Guillem  de  la  Tor  und  Peire  Guillem  de  Lusema.  Fol- 
gende Gedichte  müssen  daher  in  diese  Zeit  fallen: 

Die  Strophe  gegen  Figueira-*;  hier  wird  auf  den  Schlag  an- 
gespielt, den  Auzer  dem  Figueira  gegeben.* 

Die  Antwortstrophe  an  Aimeric  de  Pegulhan."»  Aimeric  hatte 
vorher  gesagt,  dafs  Sordol  einen  Hieb  auf  den  Kopf  bekommen 
habe;  der  Umstand,  das  Sordel  auf  das  Alter  Aimerics  von  Pegul- 
han  anspielt,  deutet  auf  die  Zeit  nach  1225.  Ferner  beziehe  ich 
die  Bezeichnung  capilanis  auf  SordeP»:  es  heifst  in  der  Strophe  des 
Paves  von  diesem  capiianis,  dafs  er  zu  Florenz  dem  Herrn  Guillem 
mit  einem  Stücke  trockenen  Brodes  ins  Auge  geschlagen  habe. 
Mit  dem  Guillem  dürfte  (juillem  de  la  Tor  gemeint  sein;  von  ihm 
existiert  eine  Tenzone  "  mit  Sordel ,  wo  im  zweiten  Geleit  eine  na 
Conja  von  Sordel  als  Schiedsrichterin  vorgeschlagen  wird,  diç  viel- 
leicht mit  der  Cunizza  identisch  ist*^;  sehr  gut  pafst  auf  diese  Periode 
ein  Lied  von  Guillem"*,  in  dem  Johanna  von  Este  gefeiert  wird, 
welche  von  122 1 — 1233  mit  Azzo  VII.  vermählt  war.^^*  Ob  dieser 
Guillem  mit  t;inem  Guillem  del  dui  fraire,  der  von  Aimeric  majestre 
(Ten  Sordel  genannt  wird",  zu  identifizieren  sei,  wage  ich  nicht  zu 
entscheiden;  im  16.  Jahrhundert  hat  es  ein  Kastell  „Dosfraires** 
gegeben,  wie  es  scheint,  auf  dt;r  Grenze  von  Italien  und  der  Pro- 
vence nicht  weit  von  Nizza. '-^ 

Noch    eine   andere   Strophe   mufs   hier   herangezogen    werden, 

'  Rolandin  bei  Peru  XIX  41. 

^  Ist  es  vielleichi  das  heuliße  Lonedo,  mit  angewachsenem  Artikel,  bei 
Grantorlo  ca.  6  Meilen  ost-ost-nördlich  von  Vicenza?  vgl.  F  4. 

3  Archiv  XXXIV  413. 

*  Archiv  XXXIV  408. 

^  Archiv  L  263  No.  IV  2. 

•■•  Archiv  XXXIV  408. 

"^  Mahn,  Gedichte  661. 

•*  ('avedoni  p.  32  und  Anni.  45  ;  Cuniza  wurde  zuerst  in  Cunza  verkürzt« 
vgl.  Muvatori,  Ant.  Est.  I  Register  und  dann  vermutlich  zu  Cunja  verändert. 

••  Mahn,  Gedichte  Xo.  650. 

'"  Cavedoni  p.  32. 

^'  Archiv  XXXI V  404  N\4.imeric  queus  pur  del  pro  Bertram  d^ Aurei 
in  der  Antwort  des  Aimeric  Z.  2  vgl.  I-^vy,  Guillem  Figueira  p.  100  No.  10 
Anm.  9. 

**  Gioflrcdo,  Stör.  d.  Alpi  marit.  p.  1674  a. 


DIE  LKBENSVFRHÄLTNTSSE  DFR  ITAL.  TRORADORS.  205 

WO  jemand  den  Sordel  nicht  mit  dem  Messer  töten  will,  sondern  sich 
als  durch  Sordels  Verluste  im  Spiel  hinlänglich  gerächt  bezeichnet  ^ 
Sordel  hatte  nämlich  schon  zwei  Zelter  und  ein  Streitrofs  im  Spiel 
verloren.  Dieser  Umstand  zeigt,  dafs  Sordel  mit  den  andern  joglars 
nicht  auf  eine  Stufe  zu  stellen  ist:  er  mufs  jedenfalls  in  seinem 
Auftreten  etwas  Glänzenderes  und  in  seinem  Wesen  etwas  Vor- 
nehmeres gehabt  haben.  Abgesehen  davon,  dafs  er  meist  mit  en 
oder  ser  angeredet  wird,  geht  dies  auch  aus  der  Stellung  hervor, 
die  er  in  der  Satire  Aimerics  auf  die  Spielleute -^  einnimmt;  zwar 
spricht  Aimeric  ironisch,  aber  er  hebt  ihn  doch  aus  der  Zahl  der 
andern  heraus,  die  als  an  dem  Hofe  des  Markgrafen  von  Saluzzo 
befindlich  aufgezählt  werden.  Aus  diesem  letzteren  Umstände  er- 
giebt  sich  zugleich,  dafs  Sordel  nicht  am  Hofe  von  Saluzzo  gewesen 
zu  sein  braucht,  besonders  da  die  Meinung  von  Cavedoni  •"*  unhaltbar 
ist,  dafs  die  in  den  Geleiten  der  obenerwähnten  Tenzone  mit  Guillem 
genannte  Alazais^  oder  Azalais  die  Alasia,  Gemahlin  Manfreds  11. 
von  Saluzzo  gewesen  sei:  sie  heiratete  Manfred  schon  1182''  und 
mufs  also  damals  ziemlich  betagt  gewesen  sein.  Barbieri  hat  jeden- 
falls ganz  richtig  im  listens.  Cod.  de  Vizalaina  =  Vidalaina  für  das 
vermeintliche  Juzalaina  des  Cavedoni  gelesen;  es  wäre  dies  die 
Alais  de  Vidallana,  auf  die  wir  später  noch  zu  sprechen  kommen. 
—  Da  nun  aber  Sordel  in  der  Satire  zusammen  mit  Manfred  III. 
von  Saluzzo,  der  erst  1225  das  20.  Lebensjahr  erreichte'-,  erwähnt 
wird,  so  folgt  daraus  wieder  mit  Wahrscheinlichkeit,  dafs  er  erst 
nach  1225  in  der  Lombardei  umherzog,  und  zugleich,  dafs  die 
Satire  Aimerics  in  die  Zeit  von  1225  — 1229  fallt.  Wer  der  Per- 
seval  in  Str.  3  sein  soll ,  vermag  ich  nicht  zu  sagen  :  an  Perseval 
Dona  ist  selbstverständlich  nicht  zu  denken,  wie  Cavedoni  thut' 
Aufserdem  findet  sich  noch  in  Str.  3  ein  tirador  de  Luzerna^ 
wahrscheinlich  der  Dichter  Peine  (iuillem  de  Luserna,  der  nach- 
weislich in  Italien  war:  er  besingt  die  Johanna  von  Este®  und 
preist  die  Cunizza  *"  und  zwar  lehrt  die  schmähende  Antwort  Ucs 
de  S.  Circ,  dafs  dieselbe  ihre  abenteuernde  Reise  mit  lk)nio  von 
Treviso  unternommen  hatte,  was  erst  in  den  dreifsiger  Jahren  ge- 
schehen sein  kann,  da  es  bei  Rolandin  heisst:  demum  auiem  reversi 
sunt   ad  Alhricum  da  Romano    regentem  et  dompnantem  in    Tarvisio  *  '  : 


'  Archiv  L  263  No.  5. 

«  Mahn,  Werke  II  166,  Str.  2. 

'  Cavedoni  p.  32,  Anm.  45. 

♦  Vermutlich  ist  es  diese  Alazais,  die  auch  in  der  Treva  des  Guillem 
de  la  Tor  vorkommt,  vgl.  Suchier,  Denkmäler  prov.  Poesie  und  Sprache  I  323 
Str.  2.  Z.  5. 

*  Muletti,  Memorie  storico-diplomatiche  di  Saluzzo  II  102. 
**  Muletti  II  193;  Lilla,  dispensa  170,  tav.  2. 

'  Cavedoni  p.  43. 

•  Cavedoni  p.  43;  tirador  etwa  =  Plagegeist,  da  tirar  ^^^  verdriefsen. 
»  Mahn.  Werke  I  26. 

•«  Archiv  XXXIV  408. 

«1  Rolandin  bei  Pertz  XIX  41,  i. 


206  o.  SCHLTLTZ, 

die  Herrschaft  über  Treviso  bekam  Alberic  erst  1239J  Dazu  stimmt, 
was  Joanet  d'Albusson  zu  Sordel  sagt,  seine  Donna  hätte  ihn  ver- 
raten, und  während  er  die  Provence  durchstreifte,  besuchte  sie  die 
Länder  des  Ostens.-  In  dem  i.iede  Sordels  aylas!  e  quem  fan 
viiey  hnelh  heifst  es  Str.  i  Z.  4  Siih  gues  donna  di  plasenza^\  nach 
Mahn,  wo  Piasenza  grofs  gedruckt  ist,  könnte  es  scheinen,  als  wenn 
eine  Frau  von  Piacenza  gemeint  sei,  aber  es  soll  gewifs  nur  be- 
deuten „eine  reizende  Frau"  vgl.  Jahrb.  XI,  22  e  fort  casUi  e  domna 
de  piaisenza. 

Ich  nehme  an,  dafs  Sordel  nach  seinem  Zuge  durch  die  Lom- 
bardei zu  Ezzelin  zurückkehrte  und  zwar  nach  Treviso  (Aa)**,  Ez- 
zelin  nämlich  liefs  sich  im  Herbst  1228  in  die  Bürgerschaft  von 
Treviso  aufnehmen  und  blieb  dort  bis  1229,  in  welchem  Jahre  er 
Feltre  und  Belluno  für  die  Trevisaner  einnahm.»  In  diese  Zeit 
mag  áíi9>  fahle/  von  Aimeric^  fallen,  das  er  an  Herrn  Sordel  en  la 
marca  schickt.  Als  Sordels  Feinde,  die  Anhänger  des  Grafen 
Richard  und  die  Herren  von  Kstrus,  seinen  Aufenthaltsort  erfuhren, 
trachteten  sie  ihm  nach  dem  Leben,  und  aus  Furcht  vor  ihnen 
ging  er  immer  gewaffnet:  die  Sache  mochte  ihm  sehr  bald  un- 
heimlich werden,  und  er  beschlofs,  sein  Heimatland  zu  verlassen. 

Ich  glaube,  den  Aufbruch  nach  der  Provence  um  1229  an- 
setzen zu  müssen,  weil  Peire  Bremon  von  ihm  sagt:'' 

e  si  ja  dels  Lombartz  partis  un  pauc  plus  tart 
jamais  a  i'anavillas  non  venjîra  far  issart. 

Seine  Abreise  mufs  also  ziemlich  schleunig  gewesen  sein.  Diez 
nimmt  auch  1229  an,  aber  weil  Sordel  noch  Millot  1Í,  92  in  einem 
Ciedichte^  dem  Grafen  von  Toulouse  zu  seiner  Absolution  Glück 
wünsche;  die  Stelle  jedoch  in  Str.  4,  die  Millot  im  Auge  gehabt  hat: 

leu  revenral  damatge 
puois  a  la  gleiza  s*es  iratz 

scheint  nicht  verständlich  zu  sein,  besonders,  wenn  man  den  Zu- 
sammenhang betrachtet.  Fr  wandte  sich  zunächst  nach  der  Pro- 
vence zu  Raimund  Berengar  1V\,  der  seinen  Hof  in  Aix  hatte 
(1209 — 1245)."     Nicht  lange  darauf,  wie  es  scheint,  schrieb  er  ein 

'  Muratori,  Antichità  Estensi  II  6. 

2  Archiv  XXXIV  403. 

y  Mahn,  Werke  II  247. 

*  Die  Biojrraphie  fjiebt ,  streng;  genommen ,  Diez  kein  Recht  p.  465  zu 
sagen,  dafs  er  sich  ,,mit  der  Ola"  nach  Treviso  zurückzog. 

^  Verci  II  2q,  33;  wieso  behauptet  Kauriel,  Sordel  sei  zu  Albenc  nach 
Treviso  gegangen,  was  ja  erst  1239  möglich  gewesen  wäre?  Freilich  läTst  er 
ihn  auch  erst  1245  nach  der  Provence  gehen  (!),  vgl.  Bibliothèque  de  l'école 
des  chartes  IV  loi. 

«  Mahn,  Gedichte  Ii8(). 

'  Pam.  Occ.  p.  216,  Str.  4,  Z.  4. 

**  Mahn,  Gedichte  1273. 

'J  Die  Angabc  von  Nostradamus  (p.  153),  dafs  Raimund  Berengar  erst  in 
seinen  letzten  i^ebensjahren  den  Sordel  in  Dienst  genommen  hätte,  verdient 
keinen  Glauben  ;  zwar  beruft  er  sich  auf  ein  Gedicht  von  Peire  de  ChaateaaneQ^ 


DIE  LEBENSVEK  H  ALTNISSE  DER  ITAL.  TROHADORS.  207 

Sinentes,  dessen  Erklärun^j  im  Einzelnen  mir  die  gröfsten  Schwie- 
rigkeiten bereitet,  von  dem  ich  aber  so  viel  bestimmt  sagen  kann, 
dafs  es  nach  dem  7.  November  1230  fällt,  vorausgesetzt,  dafs  ich 
die  4.  Str.  richtig  übersetze:  Wohl  habe  ich  Gefallen  an  dem  Grafen 
meinem  Herrn,  denn  ich  sehe  ihn  in  ehrenvoller  Weise  die  Einkünfte 
des  Hafens  von  Marseille  beziehen,  aber  den  Grafen  sc.  von  Toulouse 
Hefs  er  sie  gewinnen  vergangenes  Jahr  bei  dem  grofsen  Zuge  aller 
Tolosaner  (eigentlich:  des  ganzen  Tolosanischen);  am  7.  November 
1230  nämlich  machten  die  Marseillesen  die  P^inkünfte  ihres  Hafens 
Raimund  VII.  von  Toulouse  zum  Geschenk',  und  da  der  letztere 
im  November  1230  zum  Entsatz  des  von  Raimund  Berengar  be- 
lagerten Marseille  herbeieilte ,  so  fällt  das  Gedicht  vermutlich  in  das 
Jahr  1 231.2     In  der  2.  Strophe  kommen  ferner  folgende  Verse  vor: 

E  s'enten  mou  len^jagie 

Nostre  rei  d'aragon,  bem  platz; 

car  gient  es  a  milhaatz  (?)  cobratz, 

wo  offenbar  das  oiz  von  cobratz  den  Schreiber  beim  vorangehenden 
Worte  irre  geführt  hat:  es  soll  Millau  heifsen,  eine  Vicegrafschaft, 
auf  welche  die  Könige  von  Aragon  alte  Rechte  hatten.  Diese 
Rechte  machte  Jacob  von  Aragon  geltend  und  eroberte  Millau  ^, 
leider  weifs  ich  nicht  wann;  die  Verfasser  der  Histoire  generale 
de  Languedoc  sprechen  vom  Jahre  1229  und  setzen  dies  Eactum 
quelques  années  après,^  P's  kann  schon  1231  stattgefunden  haben, 
da  Jacob  im  August  1230  von  der  Eroberung  Mallorcas  zurück- 
kehrte.^ In  l^zug  auf  Heaucaire  in  Str.  3  sei  erwähnt,  dafs  Rai- 
mund VII.  ca.  1 230  sich  der  Stadt  bemächtigte.^» 

Die  Angabc  der  Biographie,  dafs  er  in  der  Provence  eine 
schone  VxdM  feierte,  á\G  er  dolza  enemia  nannte,  wird  durch  ein 
Lied  bestätigt  ",  in  welchem  er  Z.  g  cinc  Geliebte  wirklich  so  nennt. 
In  der  Antwort  Blacassets  ¡st  von  einem  Grafen  die  Rede,  der  wahr- 
scheinlich Raimund  Berengar  sein  soll,  denn  Guillem  de  Montagna- 

das  sich  darauf  beziehe  (p.  142,  153),  aber  von  der  Ungenauigkcit  dieses  ganzen 
Rerichtes  zeugt  der  Umstand,  dafs  er  sagt,  Sordel  sei  damals  15  Jahre  alt 
gewesen. 

»  Vaissettc  VIII  935. 

*  Vaissettc  VI  664  ;  möglicherweise  kann  das  Sirventes  aber  auch  erst 
1232  entstanden  sein,  da  in  diesem  Jahre  Friedrich  II.  sich  in  dem  Streite  zu 
Gunsten  Raimund  Berengars  entschied,  vgl.  Papon,  histoire  générale  de  Pro- 
vence II  107. 

3  Vaissettc  VI  649;  es  ist  sonderbar,  dafs  hiervon  bei  Ch.  de  Tourtoulon, 
Jacme  It'r  le  conquérant  nichts  steht;  freilich  stimmen  die  Verse  in  dem  einige 
Jahre  später  geschriebenen  Klageliedc  auf  Blacatz  schlecht  zu  dem  oben  er- 
wähnten Factum: 

del  rei  d^Arn^o  voill  del  cor  deja  manjar, 
que  aisso  lo  farà  de  latita  descargar 
que  pren  sai  de  Mar  Scilla  e  de  Millau  etc. 
Chr.  prov.  p.  207. 

*  Vaissettc  1.  e. 

*  Schmidt,  Geschichte  Aragoniens  im  Mittelalter  p.  149. 
»  Ruffí,  Histoire  de  Marseille  I  i  24. 

'  Archiv  XXXI V  404  ben  me  saup  mon  fin  cor  etnblar. 


208  o.  SCHULTZ, 

gout,  der  Strophen  an  Blacasset  gerichtet  ^  hat  im  Auftrage  des 
(Irafen  von  Provt^nce  ein(»  Tenzone  mit  SordeP,  worin  l)eide  den 
Grafen  von  Provence  zum  Schiedsrichter  anrufen.  Ich  glaube  die 
Antwort  Blacassets  in  die  letzten  Lebensjahre  Raimund  Bcrengars 
setzen  zu  müssen;  die  Annahme  von  Diez  nämlich,  dafs  Blacasset 
der  Sohn  des  Blacas  gewesen  sei,  wird  durch  die  Quellen  nicht 
bestätigt,  vielmehr  sagt  Gaufridi,  Histoire  de  Provence  p.  132  Bla- 
casset war  der  Sohn  des  Bonifaz  Blacas,  dieser  Bonifaz  war  aber 
nach  Artefeuil,  Histoire  héroique  et  universelle  de  la  noblesse  de 
Provence  1,  14g  ein  Cousin  der  Sibille,  einer  Enkelin  des  Blacas, 
des  Trobadors.  Daazu  stimmt  denn  auch,  dafs  Blacasset  noch 
1279  lebte/* 

Weiterhin  ergiebt  sich  aus  dem  Geleite  einer  Tenzone*  mit 
Bertrand  d*Alamanon,  dafs  Sordel  eine  Gräfin  von  Rhodez*  ver- 
ehrt hat:  dies  kann  nur  Guida  sein,  die  Tochter  Heinrichs  L,  der 
12 14 — 1227  regierte",  wie  schon  Diez  richtig  gefunden  hat;  in 
einem  andiîrn  bis  jetzt  noch  unediertem.Liede  *•  besingt  er  dieselbe 
Guida  in  kühnen  und  überschwenglichen  Ausdrücken.  Auf  dies 
Verhältnis  wird  in  einer  Tenzone  Sordels  mit  Peire  Guillem®  an- 
gespielt, und  da  hierin  l^lacatz  als  Nebenbuhler  Sordels  auftritt, 
so  ist  anzunehmen,  dafs  auch  die  vorige  Tenzone  mit  Bertrand 
d'Alamanon  vor  1237,  ^^^  Todesjahre  von  Blacatz^  entstanden 
sei:  Sordel  war  also,  vielleicht  zusammen  mit  Blacatz  am  Hofe  von 
Rhodes;  aber  er  erwähnt  ihn  noch  in  einem  andern  Liede,  das 
natürlich  vor   1237   fällt,  dessen  Sinn  mir  jedoch  ganz  unverständ- 


'  Stengel,  Blumenlese  No.  166:  vgl.  übrigens  seine  Biogr.  :  Jahrb.  XI 1 9. 

»  Mahn,  Werke  II  253. 

3  Ruffi  I  152  nach  einer  Urkunde. 

*  Stengel,  Blumenlese  No.  I« . 

^  Diese  Guida  von  Rhodez  nennt  Bertrand  in  Str.  4  des  Gedichtes, 
das  an  das  Klagelied  Sordels  auf  den  Tod  von  Blacatz  anknüpft  und  das 
deshalb  nach  1237  fallt  oder  frühestens  Ende  1237  fallen  kann,  Raynonard, 
Choix  IV  68  ;  Bertrán  de  Paris  de  Rouergue  wendet  sich  in  einem  Geleite  an 
die  „treflfliche  Gräfin  von  Rhodez",  Bartsch,  Denkmaler  p.  88. 

*  Art.  de  vérifier  les  dates  II  304. 
"  Bartsch,  Verzeichnis  No.  437,  5. 

s  Archiv  XXXIV  379,  Str.  1,  Z.  4;  Equicola,  Storia  di  Mantova  p.  44. 
Dies  ist  gewifs  Peire  Guillem  de  Tolosa,  da  Peire  Guillem  de  Lnsema  in 
diesen  Jahren  in  Italien  war,  vgl.  oben  p.  205.  Sordel  tadelt  an  einem  andern 
Orte  P.  Guillem  de  Tolosa,  dafs  er  einer  Dame  von  Foix  zu  grofsef»  Lob  spende, 
vgl.  Raynouard  V445:  es  mufs  daher  bei  Bartsch  unter  No.  437,  15  heifsen: 
Tenzone  mit  P.  Guillem  de  Toloza,  wie  es  richtig  unter  No.  345,  I  steht.  E» 
darf  nicht  unerwähnt  bleiben,  dafs  trotz  der  ohne  Bedenken  ausgesprochenen 
Meinung  von  Diez,  doch  nichts  positiv  beweisendes  dafür  vorliegt,  dafs  sich  die 
obige  Tenzone  auch  wirklich  auf  das  Verhältnis  von  Sordel  zur  Guida  beziehe. 

'^  In  einer  Vertragsurkunde  zwischen  Raymund  Berengar  und  Grassa 
kommt  als  Zeuge  Blacacto  zusammen  mit  Bonifazio  von  Castellana  vor  und 
zwar  zu  1227,  vgl.  GiofTredo  p.  526  a — b  und  ich  sehe  keinen  Grund,  in  ihm 
nicht  den  bekannten  Blacutz  wiedererkennen  zu  wollen;  von  Blacatz,  bezüglich 
dessen  Diez  gar  keine  historischen  Daten  beigebracht  hat,  handelt  ziemlich 
ausführlich  Artefeuil  in  der  Hist,  héroique  et  univ.  d.  Prov.  I  149,  er  reko- 
gnosziert ihn  zuerst  zum  Jahre  II 78. 


DIE  LEBENSVERHÄLTNISSE  DER  ITAL.  TROHADORS.  2Ög 

lieh  ist.*  Das  berühmte  Klagelied  Sordels  auf  den  Tod  von  Bla- 
catz  ^  läfst  auf  Grund  von  Str.  2  eine  genauere  Datierung  zu  ;  es 
hcifst  daselbst:  „die  Mailänder  halten  Friedrich  bezwungen,  und, 
wenn  er  sie  bezwingen  will,  mufs  er  von  dem  Herzen  essen."  Den 
4.  Juni  1237  rückten  die  Mailänder  gegen  das  ghibellinische  Parma 
vor  und  verwüsteten  das  umliegende  Land;  am  14.  August  be- 
mächtigten sie  sich  Lomellos  und  Garlascos-*;  am  12.  September 
betrat  Friedrich  das  lombardische  Gebiet"*,  und  den  27.  November 
1237  wurde  die  Schlacht  bei  Cortenuova^  geschlagen:  also  fällt 
unser  Lied  höchst  wahrscheinlich  in  die  Zeit  vom  4.  Juni  bis  zum 
27.  November  1237. 

Vielleicht  sind  noch  während  Sordels  Aufenthaltes  bei  Raimund 
Berengar  zwei  Tenzonen  mit  Bertrand  d'Alamanon  gewechselt  wor- 
den der  schon  1232  am  Hofe  Raimunds  war.'^  In  der  einen  "^  wird 
von  Sordel  eine  Frau  Rambauda  angerufen,  die  mit  der  Rambauda 
del  Baus,  welche  bei  Bertrand  vorkommt^,  identisch  sein  dürfte. 
In  der  andern'-^  will  Bertrand  den  Richterspruch  dem  Johan  von 
Valéry  in  Frankreich  übertragen,  worauf  bezugnehmend  Granet '^ 
im  2.  Geleite  sich  ebenfalls  an  Johan  wendet.  Von  Johan  von 
Valéry  erzählt  Joinville  etwas:  Ludwig  IX.  ernannte  ihn  1249  zum 
Schatzmeister  der  in  Damiette  gemachten  Beute;  er  wird  ferner 
zum  Jahre  1250  erwähnt** 

Die  Nachricht  der  Biographie  in  IK,  dafs  der  Graf  und  die 
Gräfin  der  Provence  Sordel  eine  schöne  Frau  gaben,  wird  durch 
die  Antwort  des  Grafen  ^'^  Z.  4  bestätigt  :  e  donei  H  moiller  aitai  com 
el  volia\  auch  die  Worte  Peire  Bremons  deuten  auf  eine  Frau  Sor- 
dels hin'*  Z.  8:  per  sa  molher  men  pari.  Man  ist  zwar  nicht  ganz 
sicher,  ob  Raymund  Berengar  oder  Karl  von  Anjou  gemeint  sei, 
indessen  ist  nicht  anzunehmen,  dafs  Sordel  sich  in  so  vorgerücktem 
Alter  noch  vermählt  haben  sollte,  wie  es  bei  letzterer  Annahme 
der  Fall  gewesen  sein  müfste.  Trotzdem  scheint  er  mit  seinem 
Gönner  nicht  zufrieden  gewesen  zu  sein:  in  einer  Krankeit  klagt  er  *^: 

hom  q'e[s]paubre  d'aver  ed  es  malat  tot  dia 
ed  es  mal  de  seignor  e  d'amor  e  d'amia, 

'  Mahn,  Gedichte  1053  Str.  6  Aitan  aug  dir  en  Blacai%\  über  einen 
Pcire  Bremon  in  der  i.  Strophe,  mit  dem  nicht  der  Trobador  gemeint  sein 
kann,  mag  man  vergleichen  Vaissette  VI  601  und  755,  und  über  Uc  del  Baus, 
der  1226  — 1229  einen  grofsen  Streit  mit  Marseille  hatte,  Ruffi  I  80,  82  u.  1 1 1  ff. 

*  Diez,  Leben  und  Werke  p.  399.  Auf  Sordel  bezieht  sich  Bertrand 
d'Alamanon  in  No.  76,12,  auf  beide  Peire  Bremon  in  No.  330,15. 

'  Giulini,  Memorie  di  Milano  IV  382. 

*  Schirrmacher,  Friedrich  II.  Ill  19. 

ft  Pertz  XIX  67, 15.         o  Diez  p.  579. 

'  Mahn,  Gedichte  1268.         »  Raynouard  IV  68,  Str.  4,  Z.  5. 

*  Mahn,  Gedichte  1266. 

^  Stengel,  Blumenlese  No.  2. 

•»  Joinville,  Histoire  de  S.  Louis  ed.  N.  de  Wailly,  s.  Register. 

»*  Archiv  L28I  No.  148,2,  Z.  4. 

«'  Parn.  occ.  216  Str.  4,  Z.  8. 

»*  Archiv  L281  No.  148,1. 

Z«lt«chr.  r.  rom.  Phil.    VII.  I4 


2  IO  O.  SCHULTZ, 

worauf  der  Graf  erwiedert,  er  habe  ihm  Besitztum  und  alles  mög- 
liche gegeben,   aber  Sordel  sei  thöricht,  neidisch  und  unersättlich. 

Er  verliefs  vermutlich  in  übler  Stimmung  die  Provence  und 
wandte  sich  an  den  Hof  Raimunds  VIL  vonToulouse*  (1222  — 1249); 
von  hier  aus  begab  er  sich  vielleicht  nach  Roussillon,  wenn  anders 
man  aus  den  Worten  P.  Bremens  schliefsen  darf: 

jamais  a  Canavillas  non  vengra  far  issart.* 
Canavillas  liegt  im  arrond.  Prades  in  Roussillon-'^;  ob  dies  noch  zu 
Lebzeiten  von  Nugnez  Sancho,  dem  Grafen  von  Roussillon,  der 
spätestens  1241  tot  war-*,  stattfand,  vermag  ich  nicht  anzugeben. 
Dann  treffen  wir  ihn  wieder  am  Hofe  Jacobs  von  Aragon;  ab- 
gesehen von  den  Worten  P.  Bremons  ist  dafür  der  Umstand  ziem- 
lich beweisend,  dafs  er  ein  Sirventes  an  ihn  richtet.*  Auch  nach 
Leon  und  Castilien  scheint  ihn  sein  Weg  geführt  zu  haben,  da  es 
in  Str.  4  Z.  Q  des  Liedes  von  Bremen  heifst:  del  senhor  de  Leon 
dis  toi  Ì0  mai  que  poc.  Mit  diesem  senhor  de  Leon  kann  nur  Fer- 
dinand IIL  gemeint  sein,  der  seit  12 17  König  von  Castilien  und 
seit  1230  König  von  Leon  war  und  bis  zum  Jahre  1252  regierte, 
wahrscheinlich  derselbe,  den  Pllias  Cairel  preist,  vgl.  MG  18Ò  das 
erste  Geleit. 

Schliefslich  soll  er  noch  nach  P.  Bremon  in  Poitou  bei  Herrn 
Savaric  gewesen  sein,  der  kein  anderer,  als  der  bekannte  Savaric 
von  Mauleon  sein  dürfte;  an  und  für  sich  ist  dies  wohl  glaublich, 
besonders  da  die  französische  Cobla"  auf  den  Aufenthalt  in  einem 
nördlichen  Gebiete  hinweist,  aber  es  entstehen  chronologische 
Schwierigkeiten,  da  Savaric  mit  Sicherheit  nur  bis  1230  zu  ver- 
folgen ist'';  Tarbó  (oeuvres  de  Blondel  de  Néelle  p.  XIX  Anm.  2) 
behauptet  ohne  weiteres,  dafs  er  ca.  1236  starb.  Eine  gewisse 
Berechtigung  liegt  vor,  die  Kunstreise  Sordels  in  das  Ende  der 
dreifsigcr  Jahre  zu  setzen,  wenn  man  die  oben  besprochenen  Stro- 
phen von  Johanet  d'Albusson  betrachtet,  um  so  mehr,  als  P.  Bremon 
sich  in  dem  oft  citierten  Licde  Str.  4  auf  Johanet  bcrufl,  der  ihm 
gesagt  hätte,  Sordel  sei  nie  Ritter  gewesen.^  Die  Aufzählung  der 
Länder  bei  Johanet",  die  Sordel  durchwandert  haben  soll,  beruht 
natürlich  auf  Übertreibung. 

*  Mahn,  Gedichte  1274  Str.  i;  Graf,  Provenza  e  Italia  p.  28  glaubt,  dafs 
Sordel  im  Dienste  des  Grafen  von  Toulouse  starb. 

'^  Parn.  Occ.  p.  216  Str.  4  Z.  5. 

^  Vaissette  I  346,  vgl.  auch  Giraut  de  St.  Fargcau. 

«  Vaissette  VI  714. 

^  Mahn,  Werke  II  249. 

<*  Archiv  L  282  No.  149. 

'  Brcíjuigny  et  Pardessus,  table  chronol.  d.  diplomes  etc.  V  373. 

^  Man  kommt  übrigens  nicht  recht  zur  Klarheit,  ob  Sordel  wirklich  ein 
Ritter  gewesen  sei  oder  nicht;  für  die  spätere  Zeit  ist  es  ganz  wahrscheinlich, 
da  er  in  Urkunden  von  1257 — 1266  Dominus  genannt  wird,  auch  die  An- 
weisung für  den  Miniaturmaler  in  A  lautet:  Sordel,  un  cavaler  a  pe,  vgl. 
Jahrb.  XT  2 1 . 

*•  Archiv  XXXIV  403  ;  wahrscheinlich  ist  der  Johan,  welcher  mit  Sordel 
eine  Tenzone  gewechselt  hat,  die  in  a  stand,  iilentisch  mit  unscrm  Johanet. 


DIE  LRBENSVERHÀLTNISSE  DER  IT  AL.  TRORADORS.  2  I  I 

Wir  treffen  Sordel  wieder  als  Zeugen  bei  der  Übereinkunft, 
die  am  5.  Juni  1241  zu  Montpellier  zwischen  Jacob  von  Aragon, 
Raymund  von  Toulouse  und  Raymund  Berengar  von  der  Provence 
bezüglich  der  Sancha,  der  Gemahlin  Rajinunds  von  Toulouse  ge- 
troffen wurde*;  er  wird  hier  einfach  Sordellus  genannt,  aber  die 
Identität  der  Persönlichkeit  die  de  Tourtoulon  nur  zu  vermuten 
wagt,  scheint  mir  ganz  unzweifelhaft.  Leider  ist  nicht  ersichtlich, 
in  wessen  Dienste  stehend  Sordel  als  Zeuge  auftritt. 

Vielleicht  fallt  der  Anfang  des  Federkrieges  zwischen  ihm  und 
Peire  Bremon  de  Ricas  novas  -  noch  in  die  Zeit  seines  Aufenthaltes 
bei  Raimund  Berengar.  Sordel  wendet  sich,  wie  es  scheint,  zuerst 
gegen  ihn  ^  :  Bremon  sei  vom  provenzalischcn  Hofe  weggejagt  wor- 
den und  er  wundre  sich  nur,  wie  Barrai  von  Marseille^  ihn  bei 
sich  behalten  könne.  Bremon  antwortet  mit  dem  Vorwurfe,  dafs 
Sordel  nur  ein  Joglar  sei^;  vielleicht  zu  gleicher  Zeit  schickt  er 
ein  Gedicht  an  Bertrand  d'Alamanon  hem  inaraveil  d*en  Sordel  e  de 
tf0s%  worin  er  sein  Erstaunen  äufsert,  dafs  der  Graf  ihn  und  Sordel 
so  begünstige;  im  Geleite  preist  er  Herrn  Barrai:  Ob  mit  diesem 
Grafen  Raimund  Berengar  oder  Karl  von  Anjou  gemeint  sei,  ist 
wieder  die  Frage.  Sordel  wehrt  in  einer  Entgegnung  "^  den  Vorwurf 
des  Jogiars  von  sich  ab  ^  ;  aus  der  letzten  Zeile  der  4.  Strophe  geht 
hervor,  dafs  sein  Gegner  sich  wieder  auf  dem  Schlosse  Babon  be- 
fand, also  bei  Barrai,  da  Babon  in  der  Stadt  Marseille  liegend  der 
Wohnsitz  des  Vicegrafen  von  Marseille  war^^;  Bremon  war  nämlich 
inzwischen  wahrscheinlich  am  Hofe  Raimunds  VIL  von  Toulouse 
gewesen,  denn  in  der  6.  Strophe  sagt  Sordel:  vom  Grafen  von 
Toulouse  sei  ihm  richtig  begegnet  worden,  denn  er  habe  ihn,  der 
seinem  Herrn  die  Treue  gebrochen,  nach  Marseille  zurückgeschickt.'** 


*  Ch.  de  Tourtoulon,  Jacme  1er  le  conquérant,  Montpellier  1863,  II  553; 
Carita,  Annal.  Arag.  I  158. 

»  Diez,  L.  u.  W.  p.  478. 
3  Mahn,  Gedichte  1279. 

*  Ich  ñnde  Barrai  von  Baux  zuerst  zu  1239  genannt,  als  Vicegrafen  von 
Marseille  zu  1244;  1257  hatte  er  Streitigkeiten  mit  der  Commune  von  Mar- 
seille, 1265  machte  er  den  Zug  Karls  von  Anjou  mit  und  starb  1268,  vgl. 
Diez  479  Anm.  2;  Vaissette  VIII  1027,  VI  772;  Ruffi  I  371  ;  Riccio,  Ufíiciali 
di  Sicilia  p.  95. 

»  Archiv  XXXIV  198. 

*  Archiv  L  280  No.  134;  zwar  ist  das  Lied  anonym,  aber  es  kann  dem 
Zusammenhange  nach  über  die  Autorschaft  kein  Zweifel  herrschen. 

^  Mahn,  Gedichte  641. 

*•  Bayle  sagt  in  seinem  Werke  /a  poésie  provençale  au  moyen  âge^  Aix 
1876  p.  295  Sordel  irrité  contre  Peire  Vidal  qui  ra  appelé  jongleur  lui 
jette  à  la  face  Us  épahètes  de  lâche  etc.  (!!) 

»  Ruffin30i. 

*  Es  ist  sonderbar,  dafs  Peire  d'Alvernhe  in  dem  berühmten  Rügeliede 
Chr.  prov.  p.  79,  das  nach  der  allgemeinen  Ansicht  in  das  letzte  Drittel  des 
12.  Jahrhunderts  fallen  soll,  in  Strophe  8  ein  Pcirc  Bremon  erwähnt,  der  vom 
Grafen  von  Toulouse  mit  Recht  übel  behandelt  worden  sei;  es  kann  doch 
kaum  der  unbekannte  Trobador  Peire  Bremon  li  tort  gemeint  sein,  oder  mufs 
man  vielleicht  „Peire  Monzo'*  mit  a  lesen,  vgl.  Verzeichnis  No.  35 1 ,  von  dem 

14* 


2  12  O.  SCHULTZ, 

Diesen  (ìrafen  halte  ich  für  Raimund  VJJ.,  da  Sordel  den  Alfons 
von  Poitiers,  Hruder  Ludwig  IX.,  der  1251  in  Toulouse  einzog*, 
schwerlich  nur  „Graf  von  Toulouse"  genannt  haben  würde:  Sordels 
Entgegnung  ist  also  vor  1249,  dem  Todesjahre  Raimunds  VIL,  ent- 
standen. Bremon  antwortet  mit  dem  bekannten  Liede*-^,  hierauf 
Sordel-*  und  noch  einmal  Bremon.^ 

Nach  dem  Tode  Raimund  Berengars  1245  trat  Sordel  in  die 
Dienste  Karls  von  Anjou:  das  erhellt  aus  einem  Liede  vor  1248, 
worin  er  den  (irafen  bittet,  ihn  nicht  zum  Kreuzzuge  mitzunehmen 
und  zugleich  Bertrand  d'Alamanon  vorschlägt.»  Eine  weitere  Nach- 
richt von  ihm  scheint  sich  erst  zum  Jahre  1257  zu  finden,  wenigstens 
behauptet  Fauriel  ''  —  ohne  Angabe  der  Quelle  —  dafs  sein  Name 
mit  dem  von  B.  d'Alamanon  in  einer  Vertragsurkunde  zwischen 
Karl  von  Anjou  und  Marseille  vorkomme;  ein  solcher  Vertrag  ist 
allerdings  1257  geschlossen  worden'*,  von  Ruffi  werden  aber  keine 
Zeugen  angeführt.  In  demselben  Jahre  1257  tritt  Sordel  als  Zeuge 
bei  dem  Vertrage  auf,  den  Karl  von  Anjou  im  Juli  1257  zu  Riez 
mit  Guigo  Delfín,  (jrafen  von  Vienne  in  betTeflf  der  Ländereien, 
welche  dieser  in  der  Grafschaft  Forcalquier  besafs,  abschlofs^  iesiibus 
scilicet  Barralo  ile  Baucio,  domino  Sor  dello ,  domino  GuUlelmo  Augerio, 
Die  Belohnung  des  Guigo  Del  fin  durch  Karl  mit  den  Besitzungen 
in  Forcalquier  fand  gleichfalls  in  Riez  statt  im  Juli  1257;  hier  war 
Sordel  wiederum  als  Zeuge  anwesend,  und  zwar  wird  er  hier  miles 
genannt."  Eine  Urkunde  vom  24.  Juli  125g,  die  zu  Pignans  in 
der  Provence  aufgesetzt  wurde  und  einen  Vertrag  zwischen  Karl 
von  Anjou  und  den  Bürgern  dei'  oberitalienischen  Stadt  Cuneo 
enthält,  schliefst:  Tesfes  Barralus  de  Bauciot  dominus  SordelluSy 
dominus  Bertrandus  de  lamenone,^^  Schliefslich  erscheint  Sordel  als 
Zeuge  in  einem  Abkommen,  das  am  21.  Juni  1262  zwischen  Karl 
von  Anjou  und  (ìenua  in  Aix  getroffen  wurde  wiederum  dominus 
Sordellus  genannt.  '  •     Aber  auch  mit  seinem  zweiten  Gönner  scheint 

wir  allerdini»s  noch  wenii»cr  wissen?  Gleichfalls  sehr  schlecht  auf  die  an- 
ÍTcsetzte  Zeit  des  Gedichtes  pafst  die  13.  Strophe,  wo  ein  kleiner  Lombarde, 
(ler  den  Beinamen  Cossezen  liihrt,  verspottet  wird,  oder  sollte  wirklich  schon 
vor  II 80  (vjrl.  Suchier  im  Jahrb.  NF  II  121)  ein  italienischer  Trobador  sich 
bekannt  gemacht  haben? 

«   Vaissette  VI  8 1 9. 

'^  Pam.  occ.  p.  21O. 

3  A[ahn,  Gedichte  1054. 

*  Raynouard  V  299. 

*  Stenj^el,  Blumenlese  No.  14;  Diez  481. 

'•  Fauriel  in  Bibl.  d.  l'école  d.  chartes  IV  103  fF. 
7  Ruflil  136  fif. 

*  del  Giudice,  Codice  diplomatico  Anj^ioino  I,  Append.  2,  p.  LXIV, 
No.  I;  dies  Aktenstück  ist  zwar  überschrieben  Marzo  1257,  allein  dies  scheint 
ein  Versehen  zu  sein,  da  ein  folgendes  Aktenstück  auf  dieselbe  Ani^lej^enheit 
bezüglich  die  Überschrift  hat:  Luglio  1257,  h^'ide  Urkunden  aber  beginnen:  Amno 
MC  CL  VII  die  niartis  ante  fest  u/n  be'niac  Marie  Ma^i^dalene^  also  am  17.  Juli. 

'-'  del  Giudice,  Cod.  dipi.  Ang.  I,  Append!  2,  p.  LXVI,  No.  II. 
"^  (Ul  Giudice  1.  e.  p.  LXXIV,  No.  V. 
"  Liber  Jurium  Januac  1  1412  a. 


DIE  LEBENSVERHÄLTNISSE  DER  ITAL.  TROBADORS.  2  I  3 

er  unzufrieden  geworden  zu  sein,  wie  die  französische  Cobia  zeigt  \ 
die  überschrieben  ist:  ar/es/  fe  messer  Sordel  pro  Karly  wenngleich 
die  Klage  darin  nur  allgemein  gehalten. 

Das  bei  weitem  interessanteste  Denkmal  über  ihn  ist  der  heftige 
Brief  des  Pabstes  Clemens  IV.  an  Karl  von  Anjou  vom  22,  Septem- 
ber 1 266  2,  auf  den  schon  Fauriel  hingewiesen  hat.**  Es  heifst  da- 
selbst: IjJTtguel  in  carcere  fi/ius  nohiiis  viri  Jordani  de  Insula^  Aie- 
diolani  detenius,  Ixinguet  Novariae  miles  iuus  Sordellus  qui  emendus 
essci  immeriiuSf  nedum  pro  meritis  redimendtiSj  multique  alii  qui  Uhi  in 
Italia  servier  uni  J  nudi  ei  pauper  e  s  ad  propria  stint  rever  si, ^  Um  so 
merkwürdiger  ist  dieses  Schreiben,  als  es  von  Verdiensten  spricht, 
die  Sordel  sich  um  Karl  erworben  habe^,  was  einigermafsen  mit 
dem  Liede  contrastiert,  worin  er  Karl  bittet,  ihn  ja  nicht  zum  Kreuz- 
zuge mitzunehmen.  Wahrscheinlich  machte  er  den  Zug  des  Land- 
heeres nach  Italien  mit,  das  in  der  Mitte  des  Jahres  1265  auf- 
brach'';  es  scheint  ferner  nach  dem  Briefe,  dafs  er,  wie  der  Sohn 
des  Jordan  in  Mailand,  in  Novara  im  Gefängnisse  lag.  Die  letzte 
Nachricht  von  Sordel  rührt  wahrscheinlich  vom  Jahre  126g  her 
und  zwar  vom  12.  März.  In  einer  Urkunde  nämlich,  in  welcher 
Karl  von  Anjou  seine  milites  mit  Ländereien  im  Königreiche  Neapel 
beschenkt,  heifst  es:  Sor  dello  de  Godio:  Castra  Montis  Odorisi,  mon^ 
lis  S.  Sylvestri,^  Allerdings  ist  keine  Jahreszahl  dabeigeschrieben, 
aber,  dafs  1269  zu  ergänzen  ist,  geht  aus  dem  Umstände  hervor, 
dafs  fast  alle  anderen  Schenkungen  aus  demselben  Codex  von 
diesem  Jahre  datiert  sind.  Es  ergiebt  sich  also  hieraus,  dafs  Sor- 
del aus  dem  Gefangnisse  von  Novara  vermutlich  durch  Karl  befreit 
wurde  und  dafs  er  darauf  zu  dem  letzteren  nach  Neapel  gieng, 
wo  ihn  Karl  seinen  Verdiensten  entsprechend  belohnte.'*  Vielleicht 
gelangte  er  noch  einmal  nach  der  Provence  zurück,  wo  ihn  die 
Biographie  in  IK  sterben  läfst.^^ 


'  Archiv  L  p.  282,  No.  149. 

«  Potthast,  Regesta  Pontif.  Rom.  II  1598. 

3  Fauriel  in  Bibl.  d.  Tee.  d.  eh.  IV  104;  Fauriel,  Dante  et  les  origines 
de  la  langue  et  de  la  littérature  italiennes  I  522  1854. 

•*  Dies  dürfte  der  Trobador  Jordan  de  l'isla  de  Venaissi  sein ,  von  dem 
wir  ein  Lied  besitzen,  vgl.  Verzeichnis  No.  276,  i. 

*  Martene,  Thesaurus  novus  anecdotorum  II  406. 

'*  Freilich  hatte  auch  Alberico  de  Romano  schon  viel  früher  Sordel  als 
tapfer  und  tüchtig  bezeichnet,  vgl.  Suchier,  Denkmäler  prov.  Litt.  u.  Sprache 
I  320,  No.  151,  Str.  2. 

'  d'Egly,  Histoire  des  Rois  des  deux  Siciles  de  la  maison  de  France  I. 

*  del  Giudice,  Codice  dipi.  Ang.  Hi,  p.  268  Anm. 

^  Die  Nachricht  des  Aliprant,  dafs  Sordel  im  Königreiche  Neapel  ehren- 
volle Proben  von  seinem  Mute  und  seiner  Tüchtigkeit  ablegte,  (vgl.  Equicola, 
dell*  istoria  di  Mantova  libri  V,  p.  46  Mantova  1607)  erhält  hierdurch  einige 
Bestätigung. 

'®  Das  Lied  ar  ai  proat  qú*e¿  mon  non  a  dolor  No.  437,4  hat  für  die 
Biographie  nicht  benutzt  werden  können.  Aus  dem  thesaurus  thesauroruvi^ 
der  sich  auf  der  Ambrosiana  befindet,  scheint  sich  nichts  weiter  für  die  Bio- 
graphie zu  ergeben,  als  dafs  Sordel  darin  eine  Agradiva  preist,  die  auch  sonst 
von  ihm  besungen  ist,  vgl.  Bartsch  im  Jahrb.  XI  f. 


2  14  O-  SCHULTZ, 

Als  Zdlgiiiiobsin  Sordels,  die  in  der  i.  Hiilftc  des  13.  Jalir- 
liuiiderts  gelebt  haben,  sind  zu  nennen  11  Paves  und  Nicolet  de  Turin. 

6.    Li  Paves. 

Ich  trage  kein  Bedenken,  ihn  für  einen  Italiener  zu  erklären; 
dafs  er  aus  Pavia  gebürtig  gewesen  sei,  wie  Crescimbeni  meint', 
folgt  aus  dem  Namen  nicht  ohne  weiteres,  da  es  z.  B.  eine  Familie 
Pavese  in  Alessandria  gab.'^  Pert  icari  nennt  ihn  Lodovico  il  Pavese  ^ 
ich  weifs  nicht  mit  welchem  Rechte.  Seine  ganze  litterarische  Hinter- 
lassenschaft besteht  in  einer  provenzalischen  Strophe-*,  mit  der  eine 
folgende  des  Guillem  Figueira  und  eine  andere  des  Aimeric  de 
Pegulhan  in  Verbindung  stehen.  Hieraus  ergiebt  sich,  dafs  sie 
nach  12 15  fallen  mufs,  da  Figueira  in  diesem  Jahre  nach  Italien 
kam^;  Zeile  4  läfst  die  Annahme  zu,  dafs  der  Paves  in  Florenz 
gewesen  ist,  und  wenn  meine  Vermutung  richtig  ist,  dafs  der  rö- 
pitanis  Sordel  sei,  so  ist  die  Strophe  wahrscheinlich  nach  1225 
entstanden. 

7.    Nicolet  de  Turin. 

Wir  haben  schon  oben  gesehen,  dafs  Aimeric  de  Pegulhan 
ihn  in  der  Spielmannssatire  nennt:  er  erscheint  also  noch  1225 
auftretend;  darauf  weist  auch  eine  Tenzone  mit  Uc  de  S.  Circ  hin*», 
wo  von  einer  Alais  de  Vidallana  die  Rede  ¡st,  die  mit  der  von 
L.  Cigala  besungenen  identisch  zu  sein  scheint,  wem'gstens  sagt 
Barbieri  '^,  dafs  Cigala  in  dem  Liede  ian  franc  cor  de  domna  ai 
irobal  a  Villafranco  e  tan  plazcn  eine  Alais  de  Vidallana  besinge 
und  in  der  That  ist  das  Gedicht  in  H  überschrieben:  Z.  Cigala 
de  nailas  de  v.  Vidallana  ist  gleich  dem  lateinischen  Vidilianum 
oder  Vidilliaimm%  das  einige  Meilen  westlich  von  Piacenza  und 
südöstlich  von  Auramala,  der  Besitzung  der  Malaspina,  liegt  Alais 
hat  sich  vermutlich  in  Villafranca,  welches  Castell  dem  Conrad 
Malaspina  gchörti'**,  aufgehalten  und  hier  werden  Nicolet  und  Uc 
de  S.  Circ  sie  wohl  gesehen  haben.  Dies  wird  noch  durch  andere 
Umstände  bestätigt:  einmal  heifst  es  in  der  Satire  Str.  5 

ar  vciretz  venir  l'estol 
ves  Malaspina  e*l  tropelh, 

unter  welcher  Schar  sich  Nicolet  befand,    dann  sagt  Uc  im  Geleit 
der  envähnten  Tenzone: 


*  Crescimbeni,  Giunta  p.  203. 

'^  Schiavina,  Annali  di  Alessandria  p.  46. 

^  Perticari  in  Proj)osla  di  alcune  correzioni  etc.  vol.  II,  p,  II,  p.  295. 

♦  Archiv  XXXÍV  408. 

'»  Levy,  G.  Figueira  p.  13. 

•'•  Archiv  XXXIV  411. 

■^  Barbieri  ed.  Tiraboschi  p.  124. 

**  l'ertz  XVIII  485,30;  Spruner  IV,  Spezialableilung  fiir  Piacenza. 

'^  In  der  Lunij^iana  liegend,  vgl.  Pertz  XVIII 499, 15;  Dizion.  corogr« 
VIII  1383;  an  das  Villafranca  in  Savoyen  kann  schon  deshalb  nicht  gedacht 
werden,  weil  dasselbe  erst  1 239  gegründet  wurde,  vgl.  Muletti  II  305,  Amn.  3. 


DIE  LEBENSVERHÄLTNISSE  DER  ITAL.  TROBADORS.  21  ^ 

na  Salvaga  d'aitan  siatz  certana 
qe  Ponramens  de  vos  me  fai  plazcr 
Lombardia  e  la  march'e  Toscana J 
Die  Salvàja  wird  auch  von  Cigala  gefeiert  2  und  kommt  als  /a  bella 
salvaja  d^auramala  in  dem  Schmähgedicht  Alberts  de  Sestaron  vor  3; 
hier   und   in    der  Entgegnung  Aimerics  von  Belenoi^  wird   sie  mit 
einer  Schwester   als  Tochter    Conrads    genannt.-^     Da   nun  Conrad 
Malaspina  ca.  1 180  geboren  wurde  so  hat  Selvaja  ca.  1220 — 1230 
in  ihrem  besten  Alter  gestanden;    die  betreffende  Schwester  dürfte 
Maria  sein,  zu  der  Albert  de  Sestaron  ein  Lied  sendet  ^r 

vas  na  maria  d'esperò 
d'aura  mala  ten  vai  correns 
chanso.'' 

Es  würde  uns  zu  weit  führen,  zu  zeigen,  dafs  das  Schmählied 
Alberts  frühestens  in  das  Ende  der  zwanziger  Jahre  des  13.  Jahr- 
hunderts fallen  kann,  besonders  da  wir  auch  schon  so  gezeigt  zu 
haben  hoffen,  dafs  Nicolets  Blütezeit  nach    1225  anzusetzen  ist. 

Eine  zweite  Tenzone  hat  Nicolet  mit  Folquet  de  Romans  ge- 
wechselt.® Aus  Zeile  i — 2  ergiebt  sich,  dafs  er  Burgund  besucht 
hatte,  wo  es  ihm  schlecht  gegangen  war;  er  spricht  seinen  Hafs 
gegen  die  Burgunder  aus,  er  habe  sie  verlassen  und  folge  nun 
dem  tapfem  Grafen  Gottfried,  dessen  Diener  er  sei,  und  dem 
wackem  Grafen  Hubert.  Wer  sind  diese  Grafen?  Gottfried  bin 
ich  sehr  geneigt  auf  den  Grafen  Gottfried  von  Blandrate  zu  deuten: 
er  war  der  Sohn  des  Gozelino  von  Blandrate-*;  ich  finde  ihn  zum 
Jahre  12 10  erwähnt,  1222  war  er  Graf  der  Romagna*®  und  1226 
trat  er  wie  wir  oben  gesehen  haben,  dem  lombardischen  Städtebund 
bei;  schliefslich  wird  er  noch  in  den  Jahren  1246  und  1247  g^" 
nannt.**  Der  Graf  Hubert,  in  welchem  ich  den  Grafen  Hubert 
von  Blandrate  sehen  möchte  war  ein  Sohn  des  Otto  von  Blandrate 
und  ist  gleichfalls  in  den  Jahren  1246  und  1247  zu  rekognosziren.**^ 
Dafs   wir   es   bei  Nicolet   mit    einem  Grafen  von  Blandrate  zu  tun 


'  Chigiana  XL  VI  29,  Bl.  la  (vgl.  Jahrb.  XI  33),  wo  das  richtige  Vonra- 
mens  fur  lonjamens  steht;  Bartsch  hat  die  Stelle  nicht  rekognosziert. 

*  Archiv  XXXIV  416.  Jedenfalls  dieselbe  Salvaja  wird  in  der  Treva 
des  Guillem  de  la  Tor  genannt  zugleich  mit  einer  Schwester  von  ihr  Beatritz, 
vgl.  Sucbier,  Denkmäler  prov.  Lit.  u.  Spr.  I  323,  Str.  i. 

5  Archiv  XXXII 407  Str.  4  und  LI  251. 

*  MG.  902  Str.  5. 

*  Für  viele  dieser  Andeutungen  vgl.  Barbieri  p.  79. 

^  Allerdings  fallt  dieses  Lied  noch  vor  1220,  da  Wilhelm  Malaspina 
darin  erwähnt  wird. 

7  Mahn,  Gedichte  183. 

*  Folquet  de  Romans  war  natürlich  in  Italien  und  ist  mit  Sicherheit 
bis  1228  zu  verfolgen,  vgl.  oben  unter  Peire  de  la  Mula. 

®  Rusconi,  I  conti  di  Biandrate  in  Omaggio  della  Società  Slorica  Lom- 
barda al  VII  Centenario  della  battaglia  di  Legnano,  Milano  1876  p.  200. 
'®  Savioli  II I   p.  312;  III  2  p.  31. 
**  Rusconi  1.  e.  p.  199,  200. 
'*  Rusconi  1.  e. 


2  I  6  o.  SCHULTZ, 

haben,  crsclicint  mir  um  so  glaublicher,  als  Folquet  von  Romans 
wahrscheinlich  mit  einem  (trafen  von  Blandrate  und  nicht  von 
Flandern  die  bekannte  Cobla  •  gewechselt  hat. 

Weitere  Anhaltspunkte  gewährt  eine  andere  Tenzono  mît  Joanet 
d'Albusson.-  So  dunkel  und  widersprechend  wie  mir  die  Anspie- 
lungen hierin  im  einzelnen  erscheinen  «^  glaube  ich  doch,  dafs  man 
das  Gedicht  nur  auf  1238  datieren  kann,  wo  nach  dem  Siege 
Friedrichs  bei  Cortenuova  fast  die  ganze  Lombardei  ihm  zu  Füfsen 
lag^;  im  Februar  1238  hielt  er  Iloftag  zu  Turin,  wo  auch  Bonifaz 
von  iMontferrat  ihm  huldigte.  —  Joanets  Blütezeit  fällt  vermutlich 
auch  in  die  drcifsiger  Jahre:  im  Geleite  eines  Liedes*  preist  er 
Blacatz,  woraus  man  schliefsen  darf,  dafs  er  in  der  Provence  und 
wohl  am  Hofe  Raymund  Berengars  war,  wo  er  die  Bekanntschaft 
von  P.  Bremon  machen  und  ditî  oben  besprochenen  Strophen  mit 
Sordcl  wechseln  konnte.  Dafs  er  von  Bertram  d*Aurel  erwähnt 
wird*»,  hat  keinen  Wert  für  uns,  da  wir  von  Bertram  nichts  wissen, 
und  da  es  ganz  unwahrscheinlich  ist,  dafs  mit  dem  Lambert,  dessen 
Strophe  zu  der  Bertrams  gehört,  Rambertin  de  Buvalel  identisch  sei. 

Während  wir  bis  jetzt  mehr  einzeln  dastehende  Trobadors  be- 
trachtet haben,  kommen  wir  nun  zu  einer  ganzen  Gruppe,  deren 
Heimat  Genua  war.  Als  der  erste  und  bedeutendste  unter  ihnen 
erscheint  Lanfranc  Cigala,  der  durch  indirekte  Beziehungen,  wie 
wir  oben  gesehen,  in  einem  gewissen,  wenn  auch  nur  schwachen 
Connex  mit  den  vorangehenden  Trobadors  steht.  Er  gehörte  einer 
vornehmen  genuesischen  Familie  an,  wie  alle  andern  Dichter  der 
Gruppe,  und  hat  ebenso  wie  die  meisten  andern  eine  Rolle  in  der 
Geschichte  seiner  Vaterstadt  gespielt. 

8.    Lanfranc  Cigala. 

Die  Biographie  lautet  nach  IK  '  :  En  Lanfranc  si  fo  de  h  ciuUtt 
de  genoü ;  gcnti/s  om  e  savís  foefo  jutgcs  e  cavaliers,  mas  vida  de 
¡iilgc  menava,  el  era  grans  amador  s  el  entendía  se  en  Irobar  e  fo  bon 
Irobaire  e  fes  maulas  bona  s  chansos  e  Irobava  volenliers  de  Dieu.  Für 
mas  vida  de  julge  menava  liest  Tiraboschi  nach  d  vila  viziosa  menava, 
a  hat  ìnas  vida  de  jiilil  (?)  menava.  —  Wir  wollen  zuerst  die  histo- 
rischen Nachweise  über  unsern  Trobador  und  dann  seine  Lieder 
betrachten.  —  Gleich  zuerst  finden  wir  ihn  auf  einem  hohen  Posten: 
er  geht  1241  zusammen  mit  L.  Malocellus  als  Gesandter  an  Rai- 
mund  Berengar  von  der  Provence;    am  22,  Juli  1242  schwört  Rai- 


'  Archiv  XXXIV  406  v^O.  später. 

'^  Archiv  XXXIII  297. 

^  Z.  B.  kam  nach  Sir.  1  ein  Adler  von  Salerno,  nach  Str.  3  ein  Schiff 
von  Colonna  ;  unter  beiden  Allegorieen  kann  doch  nur  Friedrich  II.  gedacht 
sein;  derselbe  kam  aber  1236  und  1237  beide  male  von  Deutschland  nach 
Italien,  v^^l.  Raumer  II  Itinerar. 

^  Schirrmachcr  III  27;  Winkelmann  II  85. 

^  Archiv  XXXIII  297. 

'•  Archiv  XXXIV  Z.  2. 

■^  Mahn,  Biogr.  O5. 


DIE  LEHENSVERHÄLTNISSE  DER  ITAL.  TROBADORS.  2  I  7 

mund  ¡n  Aix,  Genua  in  Schulz  nehmen  zu  wollen  '  und  es  ist 
interessant,  zu  sehen,  dafs  unter  den  Zeugen  auf  provenzalischer 
Seite  Bertrand  d*AIamanon  vorkommt.  Vor  dem  Dezember  waren 
die  Gesandten  spätestens  wieder  in  Genua,  da  am  i8.  Dezember 
ein  neuer  genuesischer  Gesandter  bei  Berengar  war.-  Bald  darauf 
mufs  er  Richter  geworden  sein,  denn  1243  findet  er  sich  unter 
der  Liste  der  Consilieri  oder  Nobili  als  judex  aufgeführt**  1248 
iKikleidete  er  das  Amt  eines  Consuls  in  Genua.^  Aufserdem  er- 
scheint er  nun  noch  in  einer  Reihe  von  Urkunden  bis  zum  Jahre 
1257  bald  als  Zeuge,  bald  in  einer  Commission  zur  Einbringung 
von  Gesetzen  etc.: 

Zum        29.  Januar  1246  vgl.  lib.  jur.  Jan.  II  33c 

„  4.  März  1250  „  „  „  „  I  1036c 

„  18.  Febr.  1251  „  „  „  „  I  1043c 

„      8.  u.  26.  Juni  1251  „  „  „  „  1  108  ib  u.  1094  d 

„  2.  Mai  1252  „  „  „  „  I  1143  a 

„  7.  Juni  1252  „  „  „  „  I  ii53<i 

„  24.  Nov.  1254  „  „  „  „  li2iod 

„  29.  Oktob.  1256  „  „  „  „  1  1246c 

17.  Nov.  1256  „  „  „  „  I  1254b 

16.  März  1257  „  „  „  „  Ii255b-^ 

Schliefslich  ist  er  noch  zum  10.  und  12.  März  1253  als  in  Genua 
befindlich  nachzuweisen,  vgl.  Belgrano,  Docum.  ined.  riguard.  le 
due  crociate  di  S.  Lodovico  n®  49  und  50,  Genova  1859.  Was 
nun  die  Lieder  Lanfrancs  betrifft,  so  zeigen  sie,  soweit  sie  datier- 
bar sind,  den  Dichter  nur  in  dem  kleinen  Zeiträume  von  1245 — 
1248.  Die  erste  Jahreszahl  giebt  das  Sirventes  esiier  mon  grat 
mi  fan  dir  vilanaige^  an  die  Hand,  das  auf  den  ersten  Blick  1242 
zu  fallen  scheint:  in  diesem  Jahre  nämlich  liefs  sich  Bonifaz  III. 
von  Montferrat  vom  päbstlichen  Legaten  und  den  Genuesen  über- 
reden, die  kaiserliche  Partei  zu  verlassen  ",  er  schlofs  einen  Vertrag 
mit  den  Mailändern,  denen  er  sich  eidlich  verpflichtete.  Dies  wird 
in  Str.  3  gerügt,  aber  in  Str.  4  wird  er  zugleich  heftig  getadelt, 
dafs  er  auch  den  Mailändern  den  Vertrag  gebrochen  hätte,  und 
da  das  nicht  unmittelbar  darauf  geschehen  sein  kann,  so  darf  man 
annehmefi,  dafs  das  Sirventes  1245  abgefafst  worden  sei,  in  welchem 
Jahre  Bonifaz  IlL  thatsächlich   persönlich  vor  F'riedrich  II.  um  Ver- 


*  Liber,  jur.  Jan.  I  lOOOa  ff.;  also  hat  Nostradamus  doch  Recht,  der 
schon  dies  F'aktum  erzählt,  vgl.  Jahrb.  NF  I  46. 

'  Lib.  jur.  Jan.  I  1002  0. 

'  Canale,  Storia  de*  Genovesi  III  267;  dies  Datum  hatte  schon  Tiraboschi 
gefunden  4,  3,  2  p.  391. 

^  Tiraboschi  1.  c;  Canale  I  518. 

*  Ich  habe  diese  Nachrichten  gefunden,  ohne  vorher  die  Arbeit  Desi- 
monis  (vgl.  Giornale  ligustico  1878)  zu  kennen,  der  ohne  Angabe  seiner  Quelle 
die  Daten  1241   und  1257  angiebt,  vgl.  p.  254. 

«  Archiv  XXXV  456. 

'  Diez  p.  568;  Litta,  fase.  63  tav.  5. 


2  1 8  o.  SCHULTZ, 

zeihung  bittend  erschien  '  ;  auf  dies  Ereignis  pafst  auch  Strophe  5 
sehr  gut  „wäre  ich  ein  grofser  Herr,  so  sollte  er  mir  die  Huldigung 
nicht  in  herkömmh'cher  Weise  leisten",  ja  Str.  5  Z.  4  macht  zu  der 
Annahme  geneigt,  dafs  Lanfranc  in  Pavia  gewesen  sei,  was  einiger- 
mafscn  durch  den  Umstand  bekräftigt  >vird,  dafs  er  von  1243 — 1246 
in  Genua  nicht  nachzuweisen  ist. 

Ein  zweites  Sirventes  mit  historischen  Anspielungen  ist  st  mos 
charts  fos  de  jot  ni  de  solaz  *,  von  dem  nicht  ersichtlich,  wieso  Diez 
es  kurz  vor  der  König\verdung  Karls  von  Anjou  ansetzt  Die  Worte 
Jerusalems  es  Iocs  desemparaiz  deuten  auf  eine  Zeit,  die  dem  Jahre 
1244  nahe  liegt,  wo  die  Christen  Jerusalem  auf  immer  vorloren; 
mit  dem  Emperador  im  Geleit  kann  doch  nur  Friedrich  IL  gemeint 
sein,  und  ich  kann  daher  die  guerra  dels  dos  grans  coronaíz^  nicht 
anders  verstehen,  als  von  dem  Streite  zwischen  dem  Pabste  und 
dem  Kaiser.  Das  Lied  bezieht  sich  also  auf  den  Kreuzzug  von 
1248.  —  Gleichfalls  in  diese  Zeit  fallt  ein  drittes  Gedicht^,  in  dem 
Ludwig  IX.  dafür  gepriesen  wird,  dafs  er  den  Kreuzzug  1 248  antritt. 

Sehr  interessant  ist  das  bis  jetzt  unedierte  Lied  *  Lanfrancs  an 
den  Herrn  Thomas,  in  dem  er  seine  unbegrenzte  Hochachtung  für 
denselben  ausspricht,  aber  es  läfst  keine  genauere  Datierung  zu,  als 
dafs  es  höchst  wahrscheinlich  1245  — 1259  entstanden  ¡st,  denn 
dafs  hier  nicht  Thomas  L  sondern  nur  Thomas  II.  von  Savoyen 
gemeint  sein  kann,  unterliegt  keinem  Zweifel.  Dieser  Thomas  IL 
verliefs  sein  Geburtsland  1237,  heiratete  die  Johanna  von  Flandern, 
herrschte  in  Flandern  bis  1245  und  in  diesem  Jahre  nach  Italien 
zurückgekehrt  erwarb  er  sich  daselbst,  die  Gunst  der  Verhältnisse 
benutzend,  schnell  viele  Besitzungen;  zuletzt  erfuhr  er  viel  Unglück 
und  starb  gebrochen  den  1.  Februar  125g  in  Aosta.*'  Er  hatte 
Beziehungen  zu  Genua  gehabt,  da  er  1251  Beatrice  Fieschi,  eine 
Nichte  des  Pabstes  Innocenz  IV.  heiratete. 

In  seinen  Liebesliedern  preist  Lanfranc,  wie  wir  oben  gesehen 
haben,  eine  Alais  de  Vidallana  und  eine  SalVaja,  was  vermuten 
läfst,  dafs  er  schon  vor  ca.  1240  dichtete  und  mit  dem  Hofe  der 
Malaspina  in  Verbindung  stand.  Freilich  hat  er  eine  Donna  di  Lu- 
nesana  nicht  besungen,  wie  Spotorno  I251  ff.  meint,  da  von  einer 
Donna  in  der  Handschrift  nichts  steht;  die  betreffende  Stelle  lautet: 

Lunesana,  pensatz  de  penedensa 

que  dieus  vos  vol  confondre  derenan.' 

Unter  den  Tenzón  en  ist  die  bekannteste  die  mit  der  Guglielma 

»  Litta  1.  c. 

'-^  Kaynouard  V  245. 

^  Str.  I   Z.  5  bei  Raynouard  V  245. 

^  ]*arn.  occ.  p.  160. 

^  Verzeichnis  No.  282,22;  Spotorno  I  254  berichtet  über  den  Inhalt  des 
Liedes;  ich  besitze  eine  Abschrift  des  Schlusses  aus  IK,  der  noch  an  anderer 
Stelle  Erwähnung  finden  soll. 

^  Chartae  II  1430  Anm.  2;  Cibrario,  Storia  di  Torino  I  250. 

'  Es  ist  das  Lied  No.  282,7,  in  K  =  fr.  12473  f^h  77  ». 


DIE  LEBENSVERHÄLTNISSE  DER  IT  AL.  TROHADORS.  2  IQ 

de  Rosas  ' ,  zu  der  wir  eine  ausführliche  razo  besitzen.*-^  Aus  dem 
Umstände,  dafs  der  Schauplatz  der  Begebenheit,  die  den  Stoff  zur 
Tenzone  geliefert,  in  Castilien  liegt,  folgt  nicht,  dafs  Lanfranc  etwa 
in  Spanien  gewesen  sei.^ 

Es  erübrigt  noch,  die  Berlenda  Cybo  zu  erwähnen.  Nostra- 
damus, der  sonst  über  L.  Cigala  richtige  Daten  angiebt,  erzählt,  er 
hätte  sich  in  eine  Edeldame  der  Provence  aus  der  genuesischen 
Familie  Cybo  verliebt  und  ein  Trauerlied  auf  ihren  Tod  geschrie- 
ben ^  :  Dies  ist  nicht  gerade  unglaublich,  da  es  wirklich  eine  genue- 
sische Familie  Cybo  gegeben  hat.* 

Vielleicht  am  nächsten  der  Zeit  nach  steht  dem  L.  Cigala  ein 
anderer  genuesischer  Trobador,  für  den  nur  Nostradamus  der  Ge- 
währsmann ist:  Luca  Grimaldi. 

g.    Luca  Grimaldi. 

Da  Nostradamus  ihn  ausdrücklich  „Luca  de  Grimaud"  nennt, 
so  halte  ich  gegenüber  Desimoni  und  Belgrano  ®  ihn  nicht  für  iden- 
tisch mit  einem  bekannten  Zeitgenossen  Luchetto  Grimaldi.  Die 
Verschiedenheit  der  beiden  Persönlichkeiten  erhellt  daraus,  d^fs 
beide  Namen  zugleich  in  einer  Urkunde  vorkommen:  es  werden 
nämlich  dort  unter  den  Zeugen  aufgeführt:  Luchetus  de  Grimaldo, 
Ansaldinus  Auriae,  Lucas  de  Grimaldo.'' 

Schon  im  Jahre  1242  war  unser  Luca  Grimaldi  Podestà  von 
Mailand^;  zu  1246  sagt  Canale:  st  ha  memoria  delle  case  di  Luca 
e  B ovar  ello  Grimaldi^]  1253  wurde  bei  ihm  die  kostbare  Cathedra 
Konrads  IV.  deponiert,  nachdem  sie  im  November  1253  von  Gui- 
dotto  Spinola  eingelöst  worden  war***;  zum  5.  Juni  1256  wird  er 
zusammen  mit  Precival  Doria  genannt";  1258  ging  er  mit  Percival 
Doria  als  Gesandter  an  Alexander  IV. ••^  Am  8.  Mai  1262  wird  er 
nach  der  Flucht  des  Boccanegra  mit  Giacomo  Grillo  und  dreizehn 
anderen  zum  reggitore  della  città  ernannt.'^  Luca  Grimaldi  läfst 
sich  also  von  1242 — 1262  verfolgen.  Aufserdem  sind  noch  folgende 
Daten  über  ihn  anzuführen: 


*  Raynouard ,  Lexique  Roman  I  508  ;  Roza  war  eine  vornehme  genue- 
sische Familie:  ein  Guglielmo  Roza  wird  1198  — 1200  und  1202  als  Consul 
genannt,  vgl.  Canale  I  514,  515. 

*  Archiv  L  256. 

'  Mila,  Los  trobadores  en  Espagna  p.  155. 
^  Jahrb.  NF  I  46. 

*  Canale  I  543. 

*  Desimoni  im  giornale  ligust.  V  254  ;  Belgrano ,  Documenti  etc.  p.  306 
Anm.  2. 

'  Liber  jur.  Jan.  I  1358  c. 

*  Muratori,  Script.  XI  679  E. 
»  Canale  I  553. 

'<*  Schirrmacher,  Die  letzten  Hohenstaufen  p.  130  dazu  die  Anm.  41  p.  448. 
**  Lib.  jur.  Jan.  Il35d. 

'*  Canale  II  187;  Pertz  XVIII  238, 10;  den  3.  Juli  war  Luca  in  Rom,  vgl. 
lib.  jur.  Jan.  I  1271a. 
*3  Canale  II  222. 


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2  20  O.  SCHULTZ, 

Zum    1 8.  Febr.  1251   vgl.  lib.  jur.  Jan.  I  1042b 
19.  Febr.  125 1     „       „       „       „     11050b 
13.  Sept.  1251      „       „       „       „     1  1113 
30.  Okt.  1251       „       „       „        „     1  1121C 
15.  Juli  1254        „       „       „       „     I  1184a 
10.  Juli  1261         „       „       „       „     I  1358c. 
Aus  der  zweiten  Stellt;  des  lib.  jur.  Jan.  geht  zugleich  hervor,  dafs 
er  Mitbesitzer   des  Schlosses  Stella  war,   vgl.  Helgrano,   Documenti 
etc.  p.  307  Anm.  2.   Nostradamus  berichtet,  dafs  Luca  1308  im  Alter 
von  35  Jahren  starb,   vgl.  Jahrb.  NF.  1  128.     Gleichfalls  recht  frühe 
zu  rekognoszieren  ist  ein  dritter  genuesischer  Trobador:  Jacme  Grill. 

10.  lacme  Grill. 

Kr  Uifst  sich  ebenso  wie  Luca  Grimaldi  von  1242  bis  1262 
verfolgen.  Zuerst  kommt  er  zum  7.  Mai  1242  als  Zeuge  vor*;  im 
Jahre  1244  beherbergte  er  den  Pabst  Innocenz  IV.  in  Stella.*^  1262 
wird  er  zum  reggitore  della'  città  erwählt^ 

Wir  haben  eine  Tenzone  von  ihm  mit  Simon  Dona  *,  eine  an- 
dere mit  Lanfranc,  jedenfalls  Lanfranc  Cigala  stand  in  a;  schliefs- 
lich  wird  er  in  einer  Tenzone  zwischen  L.  Cigala  und  Simon  Doria  •*» 
als  Schiedsrichter  angerufen. 

1 1.  Simon  Doria. 

In  der  Gesandtenlistc  bei  Canale  steht*:  Simone  Doria  am" 
bassciatore  al  papa  il  1 27 1.  Ich  weifs  nicht,  ob  diese  Angabe  un- 
bedingt zuverlässig  ist,  es  soll  vielleicht  1281  heifscn,  denn  in 
diesem  Jahre  ist  ein  Simon  Doria  unter  den  Gesandten,  welche 
an  den  Papst  Martin  IV.  kurz  nach  seiner  Wahl,  die  den  20.  Fe- 
bruar 1281  erfolgte,  von  der  Commune  Genua  geschickt  wurden.'^ 
Zum  24.  April  1290  kommt  er  femer  als  Zeuge  vor^;  13 16  war 
er  gewifs  tot,  wie  aus  einer  Urkunde  hervorgeht,  wo  es  heifst  quoti" 
dam  Simonis  Doria,^ 

F^s  ist  etwas  soiiderbar,  dafs  diese  Nachrichten  über  ihn  so 
sj)ät  fallen,  da  tir  doch,  wie  wir  gesehen,  mit  L. Cigala  *®  und  J.Grill 
tenzoniert,    allein    es    kann  dies   leicht  ein  Zufall  sein  und  es  mag 


'  Lib.  jur.  Jan.  I  I004d,  es  steht  zwar  hinter  Jacobus  ein  Punkt,  dann 
folj^t  Grillus  und  ein  Punkt,  aber  das  ist  bestimmt  ein  Versehen  des  Schrei- 
bors oder  Setzers. 

'^  Canale!  553;  Schirrmacher,  Friedrich  II.  IV  88. 

^  Canale  II  222,  V|»l.  oben  unter  Luca  Grimaldi. 

*  Archiv  XXXIV  383;  die  Tenzone  in  a  (vgl.  Jahrb.  XI  17)  mufs  mit 
dieser  identisch  j^cwesen  sein  da  O"*  und  a  unzweifelhaft  dieselbe  Quelle  hatten, 
v|»l.  Gröber  in  Rom.  Stud.  II  432  §42. 

5  Archiv  XXXIV  380. 

'•  Canale  IV  543. 

"  PertzXVIÏI  291,45. 

**  Lib.  jur.  Jan.  11243a. 

•'  GioflVcdo  p.  710  e.  d.;  natürlich  steht  dort  Simonis  Auriae. 

'*'  Zwei  andere  Tenzoncn  zwischen  ihm  und  Cigala  standen  in  a,  vgl. 
Rom.  Stud.  II  432  Anm.  i,  2. 


DIE  LEBENSVERHÄLTNISSE  DKK  ITAL.  TROBADORS.  221 

erwogen  werden  einerseits,  dafs  wir  Cigala  und  Grill  nur  durch 
20  Jahre  haben  verfolgen  können,  dafs  beide  daher  leicht  noch 
länger  gelebt  haben  können  und  andererseits,  dafs  das  letzte  Simon 
Doria  betreifende  Datum  nur  von  1290  herrührt,  er  also  bald  da- 
rauf gestorben  sein  kann.  Der  Umstand,  dafs  seine  Gedichte  in 
a  gestanden  haben,  spricht  nicht  gegen  ihn,  da  A^  wie  Gröber* 
gegenüber  Bartsch  gezeigt  hat,  nicht  so  frühe  abgefafst  sein  kann, 
denn  es  findet  sich  ja  auch  Luquet  Gattüusi  darin,  der  noch  13CX) 
ein  Amt  bekleidet  hat.  Wenn  wir  so  keinen  ausreichenden  Grund 
hab«;n,  an  der  Identität  zu  zweifeln,  so  mag  auch  die  Mitteilung 
von  Interesse  sein,  dafs  sein  Vater  Martin  Doria  war-^  und  sein 
Sohn  Ezzelin  Doria,  Herr  von  S.  Kemo  und  Q^riana^;  die  Ver- 
mutung von  Desimoni,  dafs  Simon  der  Solin  des  Perceval  Doria 
gewesen  sei^,  ist  also  falsch;  auch  die  Meinung,  dafs  Perceval  sein 
Bruder  war^  wird  durch  nichts  gestützt. 

Die  unedierte  Tenzone  zwischen  Simon  und  einem  Albert,  die 
zu  den  vier  Unica  der  Tenzonensammlung  in  T  gehört,  mufs  vor 
1250  fallen,  das  Todesjahr  Friedrich  IL,  da  es  in  der  vorletzten 
Strophe  heifst:  qe  qanieu  tec  (wohl  =  tene)  nudoris  (?)  sen  camisa ^ 
lenperador  none  vei  frederic  (jedenfalls  =  non  envei) ,  vgl.  Ms.  franc. 
152 II  fol.  72b  —  73b.  Wenn  wir  Simon  früher  nachweisen  könnten, 
würde  die  Vermutung,  dafs  hiermit  Albert  de  Sestaron  gemeint  sei, 
weniger  kühn  erscheinen,  da  Albert  sich  in  Genua  aufgehalten  hat: 
er  preist  nämlich  in  einem  Liede  eine  geliebte  Genueserin  *»,  in  dem 
Geleite  eines  andern  spricht  er  von  einer  Schönen  in  der  Lombardei.'» 
Erst  bei  der  Durchsicht  dieses  Korrekturbogens  wurde  mir  das 
Werk  von  Belgrano,  Documenti  inediti  riguardanti  le  due  crociate 
di  S.Lodovico  Genova  185g,  zugänglich;  No.  48  daselbst  findet 
sich  Simon  zum  11.  März  erwähnt,  und  zwar  fängt  die  Urkunde 
im:  Ego  Symon  Aun'e  filtus  quondam  martini  Aur te \  natürlich  ist  die 
Urkunde  in  Genua  aufgesetzt,  desgleichen  eine  andere  vom  30.  Mai 
1269,  wo  Simon  als  Bürge  auftritt,  vgl.  Belgrano  p.  286. 

12.    Perceval  Doria. 

Von  Perceval  Doria  stand  ein  Lied  in  a  **,  das  vermutlich  mit 
dem  von  Nostradamus  besprochenen  identisch  ist:  die  schwierige 
Aufgabe,  diese  Persönlichkeit  zu  rekognoszieren,  verlohnt  daher 
wohl  der  Mühe.  —  Nostradamus  berichtet  von  unserm  Dichter,  er 
habe  ein  Sirventes  über   den  Krieg   zwischen  Karl  von  Anjou  und 


»  Rom.  Stud.  II 509  §  71. 

•  Urkunde   von   1290   in  lib.  jur.  Jan.  11243a;   diesen  Martin   finde   ich 
als  Zcufjen  zum  Jahre  1237  erwähnt,  vj^l.  Charlae  II  1399. 

'  Gioffrcdo  1.  c. 

•  Desimoni  p.  255. 

^  Giornale  dei  Letterati  VI  248  Venezia  171 1. 

•  Mahn.  Gedichte  782. 

"^  Raynoii.ird,  Lrxifjue  Roman  496. 
»  Jahrb.  XI  15  und   18. 


222  O.  SCHULTZ, 

Manfred  geschrieben,  worin  Manfred  als  unrechtmäfsiger  Usurpator 
von  Sicilien  und  als  gegen  den  Willen  der  Kirche  auftretend  dar- 
giîstcllt  werde.*  Dies  Verhältnis  hat  lîartsch  gerade  umgekehrt-, 
und  den  Ghibellinen  Perceval  Doria  als  den  Dichter  angesehen, 
bezüglich  dessen  Schirrmacher  verschiedene  Daten  beigebracht  hat, 
die  sich  leicht  vermehren  liefsen.  Schon  Spotorno  hat  zwei  Perce- 
valle  unterschieden**^,  indem  er  den  einen,  il  giovane  genîmnt,  ¡m 
Fogliazzo  de*  Notaji  zu  den  Jahren  1251  und  1253  fand.  Vielleicht 
ist  es  unser  Dichter,  der  12.58  mit  Luca  Grimaldi  an  den  Papst 
gesandt  wurde*,  da  sich  doch  kaum  annehmen  lilfst,  dafs  sich  der 
(ihibelline  Perceval  zu  einer  solchen  Mission  geeignet  hatte.  Desi- 
moni  behauptet,  der  Guelfe,  also  der  Trobador,  sei  ein  Sohn  des 
Manuel  Doria  gewesen-»,  er  sagt  ferner,  dafs  er  1261  Vikar  Karls 
in  Arles  und  Avignon  war,  da  er  es  aber  meistens  verschmäht, 
seine  Quellen  anzugeben,  so  sind  wohl  bis  auf  weiteres  einige  Zweifel 
erlaubt;  freilich  nennt  ihn  auch  Ruffi  „Podestat  d'Avignon."*^  Leider 
konnte  ich  das  Werk  von  Chaillot:  Histoire  d'Avignon  et  du  Comtat- 
Venaissin  1818  3  vol.,  worin  etwas  darüber  stehen  müfste,  nicht  er- 
langen. Nur  so  viel  glaube  ich  als  einigermafsen  wahrscheinlich 
hinstellen  zu  können,  dafs  der  Perceval  Doria,  welcher  am  6.  April 
1262  2CX>o  Lire  von  der  Commune  von  Genua  erhält,  um  die  Län- 
dereien, welche  er  früher  im  Judicat  von  Torrei>  besafs,  wieder  zu 
gewinnen"  unser  Trobador  ist,  da  der  Ghibelline  Perceval  von 
seinem  Posten  als  Generalvikar  der  Mark  Ancona,  den  er  bis  1260 
einnahm,  von  Manfred  vermutlicli  nach  Süditalien  berufen  wurde.*» 
Es  scheint  in  der  That,  dais  er  in  die  Dienste  Karls  von  Anjou 
trat,  denn  Ruffi  sagt,  dafs  er  in  den  Urkunden  Perceval  Doria  als 
Teilnehmer  an  dem  Kriegszuge  Karls  1265  gefunden  habe.^  Nach 
Belgrano,  documenti  n"  19  Anm.  i  machte  Perceval  zusammen  mit 
seinen  Ver^vandten  Nicolò  und  Babilano  Doria  dem  Kloster  S.  Frut- 
tuoso 1271  eine  Schenkung,  und  wenn  dies  Datum  richtig  ist,  so 
hätten  wir  ganz  bestimmt  den  Trobador  vor  uns,  da  der  Ghibel- 
line 1264  starb. ^*^  Zum  Jahre  1275  ist  er  in  der  Liste  bei  Canale 
als  Gesandter  an  den  Pabst  aufgeführt.^*     Endlich  nennt  Gaufridi, 


*  Nostradamus  p.  130. 
«  Jahrb.  NF  I  1 27. 

3  Spotorno  I  269. 

*  Vgl.  oben  unter  Luca  Grimaldi. 

*  Desimoni  p.  255. 

^  Ruffi,  Histoire  des  contes  de  Provence  p.  161  ;  merkwürdigerweise 
mufs  auch  gerade  der  Ghibelline  1231  Podestà  von  Arles  und  1232  von 
Avignon  gewesen  sein,  vgl.  Anibcrt,  Mémoires  historiques  et  critiques  sur 
l'ancienne  république  d'Arles  III  249  ;  Pertz,  Archiv  für  ñltere  deutsche  Ge- 
schichtskunde VII  210. 

7  Mon.  Hist.  Patr.  X  380. 

♦*  Schirrmacher,  Die  letzten  Hohenstaufen  p.  202,  236,  dazu  Anm.  23. 

'•  Ruflì  p.  16  í;  dafs  Perceval  1270 — 1272  mit  Karl  etwas  zu  thun  hatte 
ist  unwahrscheinlich,  da  in  den  zahlreichen  Urkunden  bei  Minieri  Riccio, 
Carlo  d'Anjou,  sein  Name  nicht  vorkommt. 

***  Schirrmacher  p.  237.  "  Canale  IV  542. 


DIE  LEBENSVERHÄLTNISSE  DER  ITAL.  TROBADORS.  22^ 

Histoire  de  Provence  p.  i8o  Perceval  Doria  unter  den  icx)  Rittern, 
clie  auf  Seiten  Karls  von  Anjou  1283  gegen  100  aragonesische  Ritter 
zu  Bordeaux  kämpfen  sollten:  daraus  folgt,  dafs  Perceval  in  den 
Diensten  Karls  stehend  sich  in  Unter-Italien  aufgehalten  hat.  Aber 
ein  dritter  wartet  schon  im  Hintergrunde,  denn  am  2^,  Dezember 
1287  tritt  zuerst  ein  Perceval  Doria  auf,  ein  Sohn  des  Gavino  Doria  •; 
wahrscheinlich  ist  dieser  identisch  mit  dem  Percival,  der  1316  mit 
einem  Heere  zur  Belagerung  von  Mentone  geschickt  wurdc.*-^  Die 
Herausgeber  der  Monum.  Hist.  patr.  vermuten,  dafs  der  zum  Jahre 
1 262  genannte  Perceval  ein  Sohn  des  Andrea  Doria  gewesen  sei  -^ 
aber  es  ist  eben  nur  eine  Vermutung,  die  jeglicher  Anhaltspunkte 
entbehrt.  —  Vielleicht  würde  durch  die  vollständige  Veröffentlichung 
des  Fogliazzo  dei  Notaji,  der  sich  auf  der  biblioteca  civica  in  Genua 
befindet,  mehr  Klarheit  über  unsern  Dichter  verbreitet  werden,  des- 
gleichen, wenn  ein  Geschichtsforscher  das  Leben  des  Ghibellinen 
Perceval  Doria  ausführlich  behandelte. 

Die  Angabe  von  Nostradamus,  Perceval  habe  mehrere  Tcn- 
zoncn  mit  Lanfranc  Cigala  gewechselt,  ist  nicht  unbedingt  zu  ver- 
werfen, da  ihm  ja  aufser  der  Bernart  Amorosschen  Sammlung  noch 
andere  Quellen  zur  Verfügung  standen.* 

Zum  Schlüsse  sei  bemerkt,  dafs  von  einem  Prencivale  Doria 
zwei  Lieder  in  italienischer  Sprache  vorliegen*  und  ich  glaube 
man  ist  berechtigt,  dieselben  dem  Trobador  zu  vindizieren;  auch 
Lanfranc  von  Pistoja  hat  ja  aufser  in  dem  fremden  Idiom  in  der 
Muttersprache  gedichtet. 

13.    Luquet  Gattilusi. 

Ich  schreibe  den  Namen  dieses  Trobadors  mit  doppeltefe  t, 
weil  er  fast  ausschliefslich  in  dieser  Form  im  Li'òer  jurium  Januae 
vorkommt.  —  Schirrmacher  gebührt  das  Verdienst,  seine  genue- 
sische Herkunft  festgestellt  zu  haben;  er  ist  darauf  von  Bartsch 
behandelt  worden*  und  auch  Mussafìa  hat  ihn  berührt.''  Alles 
dieses  ist  Desimoni ^,  Casini ^  Neri*"  und  Thomas'*  unbekannt  ge- 
blieben. Das  erste  Datum  liefert  sein  Sirventes  •*-,  das  von  Schirr- 
machcr  mit  vollem  Recht  auf  1262  angesetzt  worden  ist*-*,  denn 
schon  im  Anfange  dieses  Jahres  wurde   von  der  Staufischen  Partei 


*  Monum.  Hist.  Patr.  X  411. 

*  Gioffredo  p.  710  c  —  d. 

'  Monum.  Hist.  Patr.  X  380,  Anm.  i . 

*  Gröber  in  Rom.  Stud.  II  506  §  70. 

*  d'Ancona  e  Comparetli,  rime  volgari  I  473  und  477. 
«  Jahrb.  NF.  I  53. 

~  Mussaüa,  Die  Liederhandschriftcn  des  Barbieri  p.  18. 

^  Giornale  Ligustico  V  255. 

'^  Rassegna  settimanale  V  391. 

*"  Rass.  settim.  VI  29. 

*'  Homania  X  324. 

*■*  Schirrmachcr,  Die  letzten  Hohcnstaufen  p.  663  —  666. 

*^  Schirrmaclier  p.  663  Anm.  2;  Casini  hat  es  fälschlich  auf  1 264  datiert. 


224  ^-  í^CHULTZ, 

der  Vcrsucli  gemacht,  Conradin  zu  erheben  und  Pabst  Urban  dazu 
gedrängt,  den  Vertrag  mit  Karl  von  Anjou  abzuschliefsenJ  Im 
Jahre  12Ò6  finden  wir  Luquet  unter  den  sechs  Gesandten,  welche 
von  Genua  nach  der  Schlacht  von  Benevent  zuerst  an  die  Kurie, 
dann  an  den  Hof  Karls  von  Anjou  geschickt  wurden  2;  „bei  Karl 
verweilte  die  Gesandtschaft  etwa  zwei  Monate  und  kehrte  im  Juli 
zurück."  Im  Jahre  1272  war  er  Podestà  von  Bologna,  wie  nicht 
nur  aus  dem  Testamente  Enzios  vom  16.  März  1272-*,  sondern 
auch  aus  dem  Memoriale  historicum  und  der  Cronaca  di  Bologna 
hervorgeht.^  Fernerhin  trefi'en  wir  ihn  1284  wieder  und  zwar  in 
Florenz,  wo  er  in  dem  Bunde,  welcher  zwischen  Genua,  Florenz 
und  Lucca  gegen  Pisa  am  13.  Oktober  1284  geschlossen  wurde, 
von  genuesischer  Seite  als  Zeuge  auftritt.^  Im  Jahre  1295  geht  er 
von  neuem  mit  drei  andern  als  Gesandter  an  den  Pabst:  dies 
Faktum  hat  schon  Desimoni  ohne  Quelle  angegeben,  ich  habe  es 
im  Chronicon  Genuense  des  Jacobus  de  Voragine  gefunden.®  In 
einer  Bulle  Bonifaz  Vili,  vom  19.  August  1295  wird  von  einer  ge- 
nuesischen Kirche  Ciiacomo  de  Priano  gesprochen,  die  „der  geliebte 
Sohn  Luchetus  Gatilusius"  gestiftet  habe."  Desimoni  weifs  noch  zu 
sagen,  dafs  er  Podestà  in  Mailand,  Lucca  und  Cremona  war;  das 
erste  ist  unrichtig,  wie  sich  aus  der  Chronik  des  Fiamma  ergiebig 
das  zweite  ist  wenig  wahrscheinlich,  da  er  in  den  Annales  Ptolemai 
Lucensis  nicht  vorkommt,  wo  freilich  das  Podestàverzeichnis  etwas 
lückenhaft  ist  '•',  das  dritte  ist,  so  weit  ich  sehe,  möglich,  wenngleich 
Gavitelli  nichts  davon  berichtet.''*  Dagegen  war  er  noch  im  Jahre 
1300  Podestà  von  Savona,  da  es  in  der  lateinischen  Bemerkung, 
die  dem  57.  der  Gedichte  in  genuesischer  Mundart  vorangeht, 
heifst:  Dominus  Karolus  fraier  regis  Francorum  venu  in  Tuxia  ad 
partes  Floreniiae  MCCC,^^  Quidam  de  magnatibus  Januae  itmens  de 
facto  ipsiuSy  quia  videhatur  nimis  proper  ari  j  misit  in  Sagonam,  ubi 
er  am  pro  communi  ad  officium  cabelle  salis  ^  quendam  nuntium  domino 
Luchino  Gatiluxio  tunc  po testati  SagonaeS^     Ich  weifs  nicht,  ob  unser 

'  Schirrmacher  p.  225. 

*^  Schirrmacher  p.  663  Anm.  2;  Pertz  X Vili  256.  In  dem  schlechteren 
Texte  der  Annal.  Jan.  bei  Muratori  VI  steht  sein  Name  nicht. 

•■*  Rass.  settini.  V391;  Savioli  III  2  p.  452  und  453. 

»  Muratori,  Script.  XVIII  122  E,  284  C;  Savioli  III  I   p.  455. 

^  Liber  jur.  Jan.  11  67c.  In  diesem  Jahre  war  Brunetto  Latini  Sindaco 
in  Florenz  und  erscheint  als  solcher  in  der  Urkunde,  die  am  20.  Okt.  1284 
bei  der  Aufnahme  von  Siena  in  den  oben  erwähnten  Bund  gegen  Pisa  in 
Lucca  aufgesetzt  wurde,  vgl.  Chartae  II  1568  a. 

0  Muratori,  Script.  IX  16B. 

'  Thomas  in  der  Romania  X  325. 

«  Muratori  XI.         »  Muratori  XI. 

'"  Gavitelli,  Annales  Cremoneuses. 

*'  Spotorno  p.  205  Anm.  giebt  also  unrichtig  1 30 1  an  und  verweist  auf 
Lied  LXIII  statt  LVll. 

'*  Archivio  glottologico  II  223  ;  ich  habe  die  Besserungen  von  Lagomag- 
giore  in  den  Text  aufgenommen  ;  dafs  Luchinus  gleichbedeutend  mit  Lnchettus 
gesetzt  wurde  zeigen  die  Worte  im  Memor.  histor.  :  Dominus  Luchinus  de 
Gataluxiis  de  Janna  etc.,  vgl.  Mur.  XVIII  122  E. 


DIE  LEBENSVERHÄLTNISSE  DER  ITAL.  TROP.ADORS.  225 

Trobador  identisch  ist  mit  dem  Luchino  oder  Luchetto  Gattilusi, 
den  Hopf*  unter  den  Herrschern  von  Lesbos  und  Aenos  aufführt 
und  den  er  von   1247 — 1282  verfolgt. 

Von  dem  Liede,  das  in  a  gestanden  hat  und  das  möglicher- 
weise identisch  ist  mit  dem  oben  besprochenen  Sir  ven  tes  in  e'^, 
berichtet  Casini,  dafs  der  Inhalt  unwichtig  sei^  doch  dürfte  ihm 
die  Publizierung  desselben  einige  Schwierigkeiten  bereiten.* 

Mussafìa  hat  bemerkt  ^  dafs  Barbieri  am  Rande  seiner  Notiz 
über  Luquet  geschrieben  hatte  :  libr.  Mich.  car.  15  e  51,  was  auf 
zwei  Lieder  hinweise,  das  andere  dürfte  wohl  die  Tenzone  mit 
Bonifaci  Calvo  gewesen  sein,  die  in  a  stand.^ 

14.    Bonifaci  Calvo. 

Über  diesen  Trobador  weifs  ich  so  gut  wie  nichts  neues  zu 
sagen;  in  den  Urkunden,  wo  sich  der  Name  Calvo  sehr  oft  findet, 
habe  ich  gerade  von  einem  Bonifaci  keine  Spur  entdeckt.  Viel- 
leicht war  Nicolò  Calvo  sein  Vater,  der  im  Jahre  1251  als  (îesandtèr 
an  Ferdinand  von  Castilien  geschickt  wurde',  und  vielleicht  be- 
gleitete ihn  Bonifaci  nach  Spanien.*  Wahrscheinlich  war  er  nicht 
lange  Zeit  vor  dem  30.  Mai  1252  in  Castilien,  da  er  in  seinen 
Liedern  nur  Alfons  erwähnt,  der  um  diese  Zeit  den  Thron  bestieg; 
aber  bestimmt  befand  er  sich  dort  um  die  Mitte  des  Jahres  1253, 
da  er  bei  dem  Tode  Theobald  L  von  Navarra,  der  den  8.  Juli  1253 
erfolgte,  Gelegenheit  nahm,  in  dem  Liede  Verz.  ioi,g  König  Al- 
fons zum  Kriege  anzustacheln,  und  in  der  T'hat  suchte  sich  Alfons 
gleich  nach  dem  Tode  Theobalds  des  wehrlosen  Reiches  Navarra 
zu  bemächtigen.®  Das  Lied  Verz.  101,4  atmet  eine  ähnliche  krie- 
gerische Stimmung.  Das  Sirven  tes  Verz.  101,17  un  nou  sirventes 
ses  tardar  fallt  höchst  wahrscheinlich  in  das  Jahr  1 254,  denn,  soweit 
ich  dasselbe  verstehe,  tadelt  er  hierin  Alfons  wegen  Lässigkeit  und 
Kriegsunlust,  was  er  nur  thun  konnte,  nachdem  zwischen  den  Heeren 
Alfons'  von  Castilien  und  Jacobs  von  Aragon,  die  sich  1254  feind- 
lich gegenüberstanden,  von  den  Prälaten  vermittelt  worden  war  und 
aus  dem  Kriege  nichts  wurde.  —  In  den  Liedern  Verz.  101,5,9, 
14,  16  wird  Alfons  von  Castilien  gepriesen,  aber  einmal  spricht 
der  Dichter  seine  Unzufriedenheit  mit  ihm  aus,  vgl.  Verz.  101,11.*** 
Verz.  101,12  ¡st  ein  Klagelied    auf  den  Tod   einer    hohen  Frau.** 

*  Hopf,  Chroniques  gréco-romanes  p.  502. 
s  Rom.  Stud,  n  622. 

3  Rass.  settim.  V  392. 

*  Romania  IX  489. 

*  Mus.safìa,  Liederhandschrifien  d.  Barbieri  p.  18. 
6  Jahrb.  XI  15. 

"^  Lib.  jur.  Jan.  I  1060c;  nach  den  Annal.  Januensis  Pertz  XVIII  27,  i 
wird  Nicolò  1249  nach  Castilien  geschickt. 

*  Die  Angabe  bei  Canale,  dafs  Bonifaci  1248  Consul  von  Genua  war, 
dürfte  wohl  auf  einem  Versehen  beruhen,  vgl.  Canale  IV  538. 

'♦  Schmidt,  Geschichte  Aragoniens  im  Mittelalter  162  ff. 
'0  Diez,  Leben  und  Werke  p.  488. 
•'  Diez  p.  486. 

Zeltsebr.  t  rom.  Ph.    VII.  15 


Lf-i. 


220  O.  SCHULTZ, 

Dio  iinedicrten  Lieder  101,2  und  13  gewähren  jedenfalls  nichts 
für  die  Biographie,  da  Spotomo,  der  die  (xedichle  aus  dem  Estens.- 
Cod.  bespricht,  keine  Notiz  aus  ihnen  bringt.* 

Im  Jahre  1261  wurde  derselbe  Nicolò  Calvo  von  Genua  an 
Alfons  von  Castilien  gesandt-  und  vielleicht  kehrte  Bonifaci  mit 
ilim  wieder  in  die  Vaterstadt  zurück.  Dafs  er  in  Genua  war,  als 
er  sein  Sirventes  gegen  die  Genueser  schrieb,  geht  aus  dem  An- 
fang dieses  Liedes  hervor: 

Ges  no  m'es  grcu  s'cu  non  sui  rcn  prczatz 
ni  car  tenf^utz  entr'  esta  gen  savaja 
genoeza  ^ 


«      •      ■ 


und  da  nun  Zorzi,  der  aus  dem  (jefängnisse  darauf  antwortete, 
wie  wir  zeigen  werden,  erst  Ende  12Ó6  in  (iefangenschaft  geriet, 
so  mufs  Calvos  Sirventes  frühestens  im  Dezember  12 66,  wahrschein- 
lich aber  später  entstanden  siîin,  wenigstens  kann  maii  doch  nicht 
annehmen,  dafs  Zorzi  erst  nach  Verlauf  einer  längeren  Zeit  auf 
das  Lied  Calvos  Bezug  genommen  hätte. 

Es  sei  noch  bemerkt,  dafs  in  a  eine  Tenzonci  zwischen  Calvo 
und  einem  Scot  stand  *  :  diese  ist  vermutlich  in  Cîenua  gewechselt 
worden,  da  Scot  h()chst  wahrscheinlich  der  bekannten  genuesischen 
Familie  „Scotto"  angehörte.""* 

Übi^r  das  Verhältnis  Calvos  zu  Zorzi  berichtet  die  Biographie 
Zorzis,  zu  welchem  Trobador  wir  nun  übergehen. 

15.    Bertolomeu  Zorzi. 

Woher  Zorzi  die  Anregung  zum  Dichten  in  provenzalischer 
Sprache  empfangen  habe,  wissen  wir  nicht;  man  mufs  annehmen, 
dafs  die  IVobadors  auch  nach  dem  abgelegenen  Venedig  den  Weg 
fanden,  denn  dafs  Zorzi,  wie  Foscarini  meint ^,  in  der  Prozence 
gewesen,  wird  durch  nichts  bewiesen.  —  (  i  lücklicher  weise  geben 
uns  die  Biographieen  einige  Auskunft  über  sein  Leben,  denn  in 
Urkunden  scheint  sein  Namc^  nirgends  vorzukommen;  auch  Cicogna 
erwähnt  in  seinem  Inscliriftenwerk  '*,  wo  sich  so  viele  ZorzLs  finden, 
gerade  unsern  Bartolomeu  nicht. 

Eine  I^iographie  steht  in  IK\  eine  andere  bis  jetzt, ungedruckte 
abweichende  findet  sich  in  A*',  sie  lautet  folgendermafscn: 

Beriolomeus  ^or^is  si  fo  us  i^eniUs  horn  merciuìiers  de  Venezia  e 
fo  bons  iroìhìires^  ei  avene  se  que  quand  el  anava  ab  mouiz  d* autres 
ineieadiers    tferani   d\iqelhi    eiutai   q^ieu    vos  ai  dieha ,    de    Venezia^    en 


'  Spotorno  I  25«)  fi'. 

'^  Lib.  jur.  Jan.  I  i3()2b. 

^  J^arlsch,  ('hrest.  piovcn(^\  4.  Aiill.  p.  275. 

^  Jahrb.  XI  16. 

••  Canale  1  508  il'. 

^  Foscaiini,  Storia  tlclla  letteratura  veneziana  p.  39  Anm.  q8. 

"  ('icogiia,  Iscri/.ii)ni  venc/ianc. 

■  Mahn,  Biographieen  No.  50. 

•»  Cod.  Vat.  5232  F  I72r  2 e. 


DIK  LERKNSVKRHÄLTNMSSE  DKR  ITAL.  FROHADORS.  227 

romanía  el  e  luich  li  autre  viercadier  q\ron  ah  luí  sus  en  la  ñau  foron 
près  una  nuoích  da  genoes,  car  adoncs  avion  inoui  gran  gerra  venecian 
ab  genoes,  e  furon  iuich  li  hofuen  d^aqella  nan  qieus  ai  dicha  7nenai  en 
preison  a  Genova,     Et  esiav"  en  preisen  et  el  fetz  moulas  bonas  canssos 
e  moulas  tensons  fetz  atressi  ab  en  fìonifaci  calvo  de  genoa  et  edei^enc 
se  (je  fon  falta  patz    d\ntre    i^enecians  e  genoes  en  bertolomieu  gorgis 
e  tuich  li  autre    issiron    de   preison,     E  quand  aqist  preisonier  foron 
tornai  a  venecia  en    bertolomeus  gorgis  fo  faitz  per  misier  lo  duc  de 
Venecia    castellans    de    coron  e  de  viothone  dUin  rie  toc  de  romanía  q^es 
de  venecians  e  lai  el  s\'namoret  d^una  gentil  dompna  d^ aquella  encontrada 
e  lai  el  definet  e  morie.  —  Das   wichtigste  Detail    giebt  Galvani    im 
novellino  provenzale  '  —  vermutlich  hat  er  hier  aus  eigenen  Studien 
etwas  zugesetzt:   ....  montò  su  una  bella  nave  di  Viniziani  che  aveva 
in  nome  S.  Nicolao  e  che  tenea  via  per  negr oponte  ;  Genovesi  e  ì'eneziani 
si  mescolavano  in  mare  di  aspra  guerra;   era  tempo  di  notte  e  Messer 
Pasquetto  Mattone    lo    ammiraglio    di  Genova   ispiaiui    il  mare  con  tre 
galee  e  una  tarida e  quando  elli  (se.  Zorzi)   ne   (se.  dalla  pri- 
gione^ fu  finalmente  uscito  per  inframessa  di  Fratelli  minori  e  Predi- 
catori se  nandù  in    Vinegia  .  .  .     Dies    führt  uns  auf  das  Jahr  1266, 
in  welchem  Peschetto  Mallone  ein  reiches  venezianisches  Schiff  nahm 
und  nach  Genua  brachte;    damit   kein  Zweifel  bleibe,    schreibe  ich 
die    betreffende   Stelle   aus    den  Annal.  Jan.^   hier   nieder:    /;;    ipso 
vero  anno  (sc.  1 266)  Peschettus  Mallonus  qui  cum  quihusdam  ejus  soci  is 
in  cur  sum  ierat  contra  Venetos  cum  II  gal  ei  s  in  partibus  Cypri  invenit 
quand  am  galeam  de  Por  tu  Veneris  cum  quadam  sag  it  tea,  quae  in  cur  su  m 
erant  contra  inimicos  et,  facta  conserva  et  diclo  Peschetto  Admirato  or- 
dinato dictar  um  trium  galearum  et  dictae  sagitteae,    quadam  die  mensis 
üctobris  invenerunt  quaudam  fiavem  Venetorum  magnani  et  divitem  ultra 
modum,  in  qua  erant  circa  CL  homines  et  in  qua  erant  XL  V  et  ultra 
de  bonis  et  magnis  hominibus  Venetiarum.     Quam  novem,  proelio  incoepto, 
virililer  expugnarunt,   in  qua  Cibili  retinuerunt  captivos,  in  ils  com- 
putatis  XLII  de  melioribus    Venetianan  ;    cum    qua  nave  de  mense  No- 
vembris  ad  Portum   Veneris  accesserunt,  et,  ibi  nave  dimissa,  cum  nier- 
caturis  et  galeis  et  captivis  de  mense  Novembris  fanuam    venerunt  cum 
victoria  predicta  et  Peschettus  Mallonus  cum  ejus  societate  receptus  fuit 
gaudio    et   triumpho    et   communi  fanuae  CXXX   captivos    consegnavit. 
Fast    noch    genauer    stimmt    zu    dem    Novellino   die    venezianische 
Chnmik    des   Canale,    besonders    in    dem  Bericht,    dafs    das  Schiff 
S.  Nicoiao    hiefs    und    nach    Negroponte    segelte.-*    —    Unser    Zorzi 
wurde  also   im  November  12Ò6  zu  Genua    ins  Gefängnis    geworfen 
und    in    dieser    traurigen    Lage    bat    er    eine  Anzahl    seiner  IJeder 
geiiichtet;  daher  lautet  die  Vorschrift  für  den  Miniaturmaler  in  A: 
tíertolomeus  Gorgis,  un  gentil  homo  lie  canta  in  prisone,'^     Seine  Ant- 


'  Galvani,  11  novellino  provenzale  in  <lcr  Scelta  delle  curiosità  letterarie 
Bolo«;na  1870. 

■'  Perl/.  XVIII  258. 

■'  Archivio  storico  italiano  Vili  523.    Floren/  1845. 

*  Vgl.  Jahrb.  XI  21. 


228  O.SCHULTZ, 

wort  an  Bonifaci  Calvo  mout  me  sui  fori  d*un  chan  maraiu/Iatz  ist 
schon  oben  berührt  worden;  nach  IK  war  die  Folge  davon,  dafs 
beide  grofse  Freunde  wurden. 

Das  erste  einigermafscn  datierbare  Lied  ist  Verz.  74,  i6>:  es 
mufs  in  die  Zeit  nach  dem  Tode  Conradins  fallen,  der  den  29.  Ok- 
tober 12Ò8  enthauptet  wurde.  Kin  drittes  Lied  Verz.  74,  1 1  ist 
wahrscheinlich  1270  entstanden,  als  Ludwig  IX.  den  letzten  Kreuz- 
zug antrat.  Da  aber  seine  Hoffnung,  dafs  der  Waffenstillstand,  der 
auf  Veranlassung  Ludwigs  zwischen  Venedig  und  Genua  geschlossen 
war,  auch  die  Auswechslung  der  Gefangenen  zur  Folge  haben 
würde,  nicht  erfüllt  wurde,  spricht  er  seinen  Unmut  in  einem  Sir- 
ven tes  aus  Vorz.  74, 12  2,  und  da  hierin  Ludwig  DC.  gescholten  wird, 
so  fällt  das  Gedicht  vor  den  Tod  Ludwigs,  der  am  25.  August 
1270  eintrat.^  Im  Gefangnisse  wurden  femer  geschrieben:  si  toi 
mesiauc  en  cadena^  ein  Liebeslied  Verz.  74,17,  wahrscheinlich  auch 
das  unedierte  (iedicht  Verz.  74, 15,  das  von  einer  verzweifelten 
Stimmung  Zeugnis  ablegt:  in  Str.  i   sagt  er: 

quar  cn  tal  dcsplazcr  son 
que  ma  vida  nom  ten  pron; 

weiter  spricht  dafür  Str.  3: 

quar  en  aquesta  sazón 
f^ict'  cm  los  sieus  a  bandon 
on  miels  los  dcj^r*  ajudar; 

in   Str.  6    wird    derselbe    (iedanke    ausgesprochen;    vielleicht   auch 

Verz.  74,9,   wenigstens  deuten  die  Schlufsverse  der  ersten  Strophe 

darauf  hin: 

quand  om  es  en  autrui  poder 

non  pot  totz  sos  talens  complir 

anz  Taven  sovenz  a  gequir 

per  Tautrui  grat  lo  sicu  voler*; 

das  unedierte  Lied  Verz.  74,18  ist  für  die  Biographie  unwichtig. 

Es  fragt  sich  nun,  wann  Zorzi  aus  dem  Gefangnisse  befreit 
wurde.  Im  August  127 1  wurde  wieder,  wie  es  scheint,  ein  Waffen- 
stillstand zu  Cremona  geschlossen  •'» ,  aber  die  Gefangenen  wurden 
gewifs  nicht  ausgewechselt,  vielmehr  berichtet  die  Chronik  des  Dan- 
dolo zu  1272,  dafs  die  venezianischen  und  genuesischen  Gesandten 
vor  dem  Pabsttî    erschienen:   conveniunt  ui  carcerati  utriusque  partis^ 


*  Diez  p.  494. 

'^  Diez  p.  498. 

3  Pertz  XIX  102,45. 

•*  Auch  (lie  Verse  in  der  6.  Strophe  möchte  man  dafür  heranziehen: 

d ou  s  s  a  res,  dir  non  sabría 

rom  vos  port  ßn*  amor  coral» 

ni  com  son  fag  trist  mei  jornal, 

pos  nous  tí,  rom  far  solia, 
^  Marin,   Storia   civile  e  politica   del   commercio   de'  VenezianilV^  335; 
diesen  Vertrag  hat  wohl  Diez  gemeint,  vgl.  Diez  p.  500. 


DIE  LEBENS  VERILÏLTNISSE  DER  IT  AL.  TROBADORS.  229 

qui  infirmatione  ireguae  deienii  remanserani ^  dcheani  relaxan' ^y  aber 
die  Befreiung  der  unglücklichen  Opfer  scheint  in  der  That  erst  im 
Jahre  1273  erfolgt  zu  sein,  denn  in  der  Qironik  des  Canale  werden 
vor  dem  Bericht  dieses  Faktums  Ereignisse  erzählt,  die  erst  1273 
geschehen  sind,  es  heifst  dann  daselbst:  ....  tt  Genocs  avoieni  en 
prison  maint  Vénitien  que  il  avaient  pris  en  nne  nef  que  aloit  a  marche. 
Mes  li  Frère  Menor  s  et  Prescheors  qtu  mult  tindrent  court  et  Vencsiens 
et  Getioes  et  por  chase  rent  tant,  que  devant  VApostoile^  que  en  autres  leus 
que  il  firent  que  li  change  des  prisons  fu  fait,'-  Dazu  stimmt  der 
Bericht  von  IK,  dafs  Zorzi  ca.  7  Jahre  im  Gefängnisse  schmachtete. 
Unser  Trobador  kehrte  also  1273  nach  Venedig  zurück  und  wurde 
darauf  von  der  Republik  als  Kastellan  von  Corone  und  IModone 
nach  der  Romania  gesandt,  wo  er  nach  der  übereinstimmenden 
Angabc  von  A  und  IK  starb.  Das  Verzeichnis  der  Kastellane  von 
Corone  und  IModone^  —  Kolonieen  der  Venetianer  in  der  Morea 
—  enthält  leider  seinen  Namen  nicht  ;  freilich  ist  dieses  Verzeichnis 
ungenau,  da  es  für  die  Kastellane  —  1287  keine  bestimmte  Jahres- 
zahl angiebt  und  von  da  ab  immer  nur  einen  Kastellan  aufführt, 
während  thatsächlich  jedesmal  zwei  zusammen  geschickt  wurden.* 
Wir  gewinnen  also  keinen  terminus  ab  quo  oder  ad  quem\  nur  so 
viel  ergiebt  sich  mit  ziemlicher  Sicherheit,  dafs  Zorzi  nicht  länger 
als  zwei  Jahre  Kastellan  war,  da  die  Kastellane  in  dem  Verzeich- 
m'sse  fast  ausnahmslos  alle  zwei  Jahre  wechseln. 

16.    Paul  Lanfranc  de  Pistoja. 

Über  diesen  Trobador  haben  wir  eine  Abhandlung  von  Carlo 
Baudi  di  Vesme  in  der  Rivista  Sarda  ^;  dort  sind  zugleich  sechs 
italienische  Gedichte  publiziert  worden ,  von  denen  einzelne  ihm 
bestimmt  angehören,  und  da  in  dem  Cod.  Barber,  ebenso  wie  im 
Laurenz.  Cod.  -Lanfranchi  di  Pistoja  steht,  so  kann  man  unbedenk- 
lich annehmen,  dafs  Pistoja  seine  Heimat  war.  Er  steht  somit  dem 
Kreise  der  andern  italienischen  Trobadors  örtlich  ferner,  aber  wenn 
man  berücksichtigt,  dafs  Albert  de  Sestaron  und  Guillem  de  la  Tor 
eine  Frau  Mila  in  Ravena  feiern,  dafs  Sordel  und  Paves  wahr- 
scheinlich in  Florenz  waren  und  Raimon  de  Tors  de  Marseilla  die 
Schönheit  dieser  Stadt  preist*,  so  wird  die  Erscheinung  eines  ita- 
lienischen Trobadors  in  Pistoja  weniger  auffallandes  haben. 

Es  existiert  nur  ein  Gedicht  von  Lanfranc  ",  in  dem  ein  wacke- 


*  Muratori  XII  382  A — B;  Chronik  des  Canale  im  Arichivio  Storico  VIII 
648;  Raynaldo,  Annales  ecclesiastici  XIV  z.  J.   1272  n®  45. 

*  Archivio  Storico  italiano  Vili  664  ;  man  bemerke  die  auffallende  Über- 
einstimmung dieser  Chronik  mit  dem  Berichte  im  Novellino  provenzale. 

'  Hopf,  chroniques  gréco-romanes  p.  378. 

*  Thomas  in  den  Abhandl.  d.  bayr.  Akad.  d.  Wissensch.  Phil.  hist.  Klasse 
Bd.  13  Abt.  I  p.  117;  vgl.  auch  Documenti  storici  public,  dalla  deputazione 
Veneta   di  Storia   patria,  Venezia  1876  I  19  n"  76. 

*  Rivista  Sarda  I  voi.  II  p.  392  ff. 
•*  Mahn,  Gedichte  No.  317. 

"^  Archiv  L  279  No.  1 26. 


230  o.  SCHULTZ, 

rer  König  von  Aragon  angerufen  wird.  Mila  sagt  *,  es  sei  damit 
Pedro  111.  von  Aragon  genn'int  (1276  — 1285)  und  zwar  seien  die 
Zeilen  notwe.ndigerweist;  kurz  vor  seinem  Tode  geschrieben;  ob- 
gleich Mila  keine  (îrunde  dafür  angicbt,  so  ist  dies  doch  richtig, 
denn  es  isl  klar,  dafs  sich  der  Inhalt  des  Gedichtes  auf  die  Vor- 
gänge des  Jahres  1284  bezieht,  wo  Philipp  der  Kühne,  begleitet 
von  seinenn  zweiten  Sohne  Karl  von  Valois,  einen  Kriegszug  nach 
Spanien  unternahm,  um  Peter  111.  von  Aragon  den  sicilischen  Thron 
zu  entreifsen,  vgl.  Azaïs,  les  troubadours  de  Bézícrs  p.  57.  Aus 
Zeile  5  folgt,  dafs  auch  der  ältere  Sohn  Philipp,  der  nachmalige 
Philij)p  der  Schöne  dabei  gewestni  ist,  desgleichen  Robert  II.  von 
Artois,  denn  ein  anderer  Graf  von  Artois  kai^n  nicht  geraeint  sein, 
vgl.  Tobler,  Dis  clou  orai  aniel  p.  XIII.  Das  Gedicht  fällt  in  die 
Zeit  nach  dem  erfolglosen  Zuge  Philipps  des  Kühnen,  vgl.  Z.  6 
und  vor  den  Tod  Peters  HJ.,  der   1285  starb. 

Ob  man  nach  dem  Liede  allein  annehmen  darf,  dafs  Lanfranc 
in  Aragon  gewesen  sei,  wie  Mihi  meint,  bleibt  fraglich.  Die  An- 
nahme von  di  Vesme,  dafs  die  dem  besprochenen  Gedichte  fol- 
genden anonymen  Stro¡)hen  bis  zu  No.  132  incl.  Lanfranc  angehören, 
ist  natürlich  ganz  willkürlich,  aber  selbst  wenn  man  derselben  zu- 
stimmen könnte,  müfste  man  die  Peziehungen,  die  er  herstellt, 
äusserst  gewagt  finden;  auch  Fauriel  hat  sich  dieser  willkürlichen 
Attribution  schuldig  gemacht.- 

17.    Ferrari  de  Ferrara. 

Die  ausführliche  Piographie  befindet  sich  in  D^'-*;  dem  Harbieri 
hat  eine  Biographie  in  libro  s/cgaío  vorgelegen,  die  erlaubt,  eine 
Lücki*  in  D^  auszufüllen^:  D*^  hat  ziemlich  am  Anfang  e  /eis  <ie 
volenicia  servii  haros ^  was  unverständlich,  wogegen  die  Stolle  bei 
Barbieri  lautet:  c  /eis  de  moni  bos  libres  e  de  beili ^  cortes  om  /o  de 
la  persona  e  bons  boni  /o  a  Deo  e  volenlera  servii  baros.  —  Es  hi^ifst 
in  der  Biographie  „als  er  alt  w-ar,  ging  er  nach  Treviso  zu  Herrn 
Girant  de  Camino."  Dieser  Girant,  welcher  seit  1262  vermählt 
war  und  bis  zum  26.  März  1307  lebten  wurde  1283  zum  CapHapto 
generale  der  Stadt  Treviso  gemacht  *':  vor  diesem  Jahre  konnte  hVr- 
rari  ihn  also  dort  nicht  besuchen;  da  nun  der  dem  Giraut  Ijefreun- 
dete  '  marqes  d\si  nur  Azzo  VIU.  (1293  — 1308)  sein  kann,  wie 
(jröber  gezeigt  hat%  da  ft»riu.T  áiv  Ik'ziehungen  der  Söhne  Girauti«, 

'  Mila,  los  trobiulorcs  cn  Kspa^na  j».  243;  die  Datierung  von  del  Vesme 
auf  ca.  1  266  Nchtinl  iiiir  i^'anz  vaj^c  und  willkürlich. 

'^  Biblioth.  d.  l'cc.  d.  chartes  IV  40. 

^  Mahn,  Bio^jraphicen  No.  118. 

•  Mussalìa,  Die  Liedcrhss.  d.  Barbieri  p.  42;  Barbieri  ed.  TìraboscM 
p.  84,  (.'avcd.  i(k 

•''  Gröber  in  Koiu.  Siud.  11^)24;  Lilta,  Fami/.lie  celebri  fase.  II,  tav.  II. 

'•  Cavedoni  j).  20.         "  Vj,»!.  den  Schlufs  der  Biojjraphic. 

^  Roiìi.  Stud.  IT  624;  es  i<t  ein  Ver*«ehen  von  Gröber,  wenn  er  cds  Todes- 
jahr .\/w'A)>  1305  an<;iebl,  es  i>t  vicluiehr  13U8  wie  aus  Muratori,  Ant.  Est. 
I  428  liervor¿;eht. 


DIE  LEBENSVERHÄLTNISSE  DER  ITAL.  TROBADORS.  23 1 

Rizzardo  und  CJuecclonc  zu  Azzo  VIII.  in  die  Jahru  1294  und  1295 
fallun,  so  kann  mit  grofser  Wahrscheinlichkeit  angenommen  werden, 
dafs  Ferrari  seine  Reise  nach  Treviso  in  der  Zeit  von  1295 — 1308 
unternahm,  denn  nach  1308  ist  es  nicht  möglich,  weil  sonst  in  d(.T 
Biographie  stehen  würde  „nach  dem  Tode  des  Markgrafen  von 
Este";  vielmehr  war  Ferrari  nach  den  scharfsinnigen  Ausführungen 
von  Gröber*  1308  wahrscheinlich  nicht  mehr  am  Leben.  Wenn 
man  nun  seine  Reise  zu  Oiraut  spätestens  auf  1300  ansetzt  und 
sein  damaliges  Alter  zu  70  Jahren  anrechnet,  so  folgt  daraus,  dafs 
er  sich  frühestens  von  ca.  1250  an  am  Hofe  von  Ferrara  aufgehalten 
hat.*-  —  In  der  Biographie  wird  berichtet,  dafs  er  sich  in  der  Jugend 
in  eine  Frau  Turcha  verliebte:  eine  Familie  dà  Turchi  hat  es  im 
13.  Jahrhundert  in  Ferrara  gegeben^;  ferner  hcifst  es  dort,  dafs  er 
Coblen,  Sirvcntesen,  zwei  Canzonen  und  ein  Retroencha  schrieb: 
von  alledem  ist  uns  nur  eine  Cobla  erhalten,  mit  der  er  Raimon 
Guillem  antwortet.**  Soweit  ich  diesen  Strophenwechsel  verstehe, 
zweifelt  Raimon  daran,  dafs  der  Ruhm  der  Freigebigkeit  dem  Mark- 
grafen gebühre,  und  droht  wegzugehen,  wenn  er  ungünstige  Er- 
fahrungen mache.  Die  Lebenszeit  von  Raimon  Guillem,  so  weit 
sich  dieselbe  im  allgemeinen  fixieren  läfst,  spricht  nicht  dagegen. 
Von  seinen  übrigen  vier  Gedichten  —  denn  dafs  er  mit  Guillem 
Raimon  identisch  ¡st  (Bartsch  hat  sie  im  Verzeichnis  als  verschieden 
aufgeführt),  scheint  mir  unzweifelhaft  —  ist  eins  eine  Tenzone  mit 
Aymeric'»,  worin  es  sich  um  einen  jungen  Markgrafen  handelt,  von 
dem  Raimon  wünsch  t,  er  möge  dem  Vater  v  oder  l^ruder  mehr 
gleichen  :  hiermit  kann  sehr  wohl  wiederum  Obizzo  11.  gemeint  sein, 
sein  Vater  ist  Azzo  VIL,  sein  Bruder  Rinaldo,  der  1251  starb**  und 
infolge  dieser  letzteren  Thatsachiî  dürfte  die  Tenzone  vor  diese  Zeit 
anzusetzen  sein.  —  Ein  anderes  Lied^  von  Raimon  Guillem  beginnt: 

cant  cu  ving  d'ongaria 
N'aicelis  ri  zia; 

da  man  Aicelis  mit  Wahrscheinlichkeit  auf  Flzzelin  111.  von  Romano 
deuten  kann,  so  fallt  es  vor   1259,  das  Todesjahr  Ezzelins.*^ 


'  Rom.  Stud.  li  625. 

*-'  Balaguers  merkwürdige  Angabc,  daf^  bei  der  Einnahme  von  Frata 
durch  Az/o  VIL,  ein  Jüngling,  seine  Mutter  auf  dem  Kücken  tragend,  dem 
Gemetzel  entflohen  sei,  dafs  dieser  Jüngling  Ferrari  gewesen  wäre  etc.,  vgl. 
Balaguer,  Storia  politica  y  letteraria  de  los  Trobadores  III  160  mufs  daher 
auf  einer  unglaubwürdigen  Ouelle  beruhen,  da  die  Eroberung  von  Frata  schon 
1224  stattfand,  vgl.  Pertz  XIX  49,  10. 

3  Frizzi,  Storia  di  Ferrara  III  172. 

*  Archiv  L  No.  IO  j).  264. 
!*  Archiv  XXXIV  404. 

^  Muratori,  Ant.  Est.  I  428. 

•  Archiv  XXXIV  413. 

**  Die  Annahme,  dafs  H-' um  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  angelgt  sei, 
verträgt  sich  noch  immer  mit  den  obigen  Datierungen ,  vgl.  Ronian.  Studien 
II  406. 


2;^2  o.  SCHULTZ, 

So  wäre  denn  die  Betrachtung  derjenigen  Trobadors  beendigt, 
welche  allgemein  für  Italiener  gehalten  wurden  *,  aber  wie  ich  vor- 
her eine  Anzahl  Trobadors  Italien  abgesprochen  habe,  so  bin  ich 
auch  jetzt  in  der  Lage,  mit  einigen  andern  dafür  Ersatz  zu  bieten, 
von  denen  einzelne,  wie  es  scheint,  bis  jetzt  ganz  unbekannt  ge- 
blieben sind;  ich  zähle  daher  weiter: 

i8.    Der  Graf  von  Blandrate. 

Bartsch  hat  ihn  unter  No.  i8i  als  Grafen  von  Flandern  auf- 
geführt, da  aber  in  der  Handschrift  /o  corns  de  Bláftdra  steht,  so 
liegt  es  nahe,  an  einen  Grafen  von  Blandrate*^  zu  denken:  die 
Endung  aie  konnte  sich  ja  schon  in  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts 
zu  a  verkürzen^,  so  heifst  es  schon  in  einer  Urkunde  von  1194: 
Uberii  comiiis  Blandraensis^  und  der  Verfasser  der  Chronik  von 
Saluzzo  schreibt  immer  Biandra.^  Schon  Barbieri  hatte  in  seinem 
Verzeichnis  der  Fürstendichter  Conte  de  Blandra  geschrieben  und 
Tiraboschi  erklärte  es  ganz  richtig  als  Graf  von  Biandrate.*  Es 
ändert  nichts  an  der  Richtigkeit  dieser  Ansicht  die  Beziehung, 
welche  Hopf  wieder  mit  auffallender  Sicherheit  nach  der  Antwort- 
strophe des  Folquet  de  Romans  ^  auf  Balduin  IX.,  Grafen  von  Flan- 
dern, der  1202  am  Hofe  von  Monferrat  war,  herstellt.® 

Auch  die  Grafen  von  Blandrate  scheinen  also  zu  den  ober- 
italienischen  Fürsten  gehört  zu  haben,  welche  die  Trobadors  gerne 
an  ihrem  Hofe  sahen.*  Wir  haben  oben  gesehen,  dafs  Nicolet  de 
Turin  einen  Grafen  Gottfried  und  einen  Grafen  Hubert  preist,  die 
wir  als  Grafen  von  Blandrate  erklärt  haben  ;  zu  einer  Entscheidung, 
ob   einer   von   diesen    beiden   oder   einer   von    den   vielen   andern 


*  Nijjra  freilich  kennt  30  italienische  Trobadors,  wie  aus  der  Rede  her- 
vorgeht, die  er  zu  Avignon  gelegentlich  der  Pelrarcafeier  gehalten  hat,  aber 
man  begreift  leicht  die  grofse  Zahl,  wenn  man  sieht,  dafs  bei  ihm  Lanfranc 
Doria  (!!)  und  Bernard  Arnaut  (!)  als  italienische  Trobadors  figurieren.  Dies 
wird  in  der  Romania  III  509  ohne  weitere  Anmerkungen  mitgeteilt. 

'^  Die  Grafen  von  Blandrate  hatten  ihre  Besitzungen  im  Landstrich  von 
Canavcse  westlich  von  Mailand,  ihren  Wohnsitz  jedenfalls  in  Blandrate  selbst» 
das  etwas  westlich  von  Novara  liegend  gleich  dem  heutigen  Biandrate  ist, 
vgl.  Spruner,  Italien  IV. 

3  Der  Schreiber  der  Hs.  H  war  ein  Norditaliener,  vgl.  Rom.  Stttd.  II 406. 

*  Chartae  II  li64d. 

*  Monum.  Hist.  patr.  Script.  III  926  d. 

®  Barbieri  ed.  Tiraboschi  p.  132  und  p.  185  Anm.  42.  Sonderbarerweise 
nennt  Sauli  (Memoire  della  reale  Academia  delle  Scienze  di  Torino,  Serie  II 
T.  VI  1844  P»  67»  P«  70  ^Id  Grafen  von  Flandern  und  den  Grafen  von  Bian- 
drate als  Trobadors  nebeneinander,  aucli  kennt  er  einen  Antonio  Malaspina  (!) 
als  italienischen  Trobador  p.  60. 

'  Archiv  XXXIV  407. 

*  Hopf,  Bonifaz  v.  Montferrat  etc.  p.  27. 

®  In  einer  anonymen  Antwortstrophe  ist  von  einem  Joglar  die  Rede, 
welcher  die  Gegend  Canaves  zu  Fufs  durchwandert ,  vgl.  Archiv  L  265  No. 
XVI  2.     Peire  Vidal  sagt  im  Liede  41  Z.  25: 

era  m^ albere  deus  e  sanò  jin/ïas 

e  la  doussa  terra  de  Canaves. 


DIE  LEBENSVERHÄLTNISSE  DER  ITAL.  TROBADORS.  2^^ 

Grafen  von  Blandrate,  die  in  der  i.  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts 
lebten  gemeint  sei,  fehlen  die  Anhaltspunkte. 

19.    Alberico  de  Romano. 

Das  Verdienst,  diesen  Trobador  entdeckt  zu  haben,  gebührt 
Gröber.*  Die  Strophe,  die  Alberic  mit  Uc  de  S.  Circ  gewechselt 
hat,  ist  dann  von  Suchier  aus  N  abgedruckt  worden  2,  und  da  in 
derselben  Sordel  er^vähnt  wird,  so  folgt,  dafs  sie  ca.  1225  abgefafst 
worden  ¡st,  zu  welcher  Zeit  Sordel  sich  in  seinem  und  Ezzelins 
Hause  aufhielt.  Alberic  ¡st  eine  viel  zu  bekannte  Persönlichkeit, 
als  dafs  es  not  thäte,  seine  Lebensverhältnisse  darzustellen:  das 
gleiche  gilt  von  Thomas  IL  Graf  von  Savoyen. 

20.    Thomas  II.  von  Savoyen. 

Die  Notiz  von  Spotorno  '\  dafs  Lanfranc  Cigala  in  dem  Liede 
Signer  Thomas,  tan  mi  platz  den  Grafen  Thomas  auffordere,  ihm 
in  Cobboktten  zu  antworten,  scheint  ganz  unbeachtet  geblieben  zu 
sein,  wohl  weil  das  betreffende  Gedicht  noch  nicht  gedruckt  ist. 
Zwar  steht  darin  nichts  von  Cobboletten,  aber  es  heifst  doch  in  der 
vorletzten  Strophe: 

Pero  sius  ven  a  plazer, 

del  vostre  nuble  saber 

voill  per  vos  auzir  e  saber, 

quar  molt  en  poirai  mais  valer; 

mas  trop  plus  voluntiers  vezer 

vos  volgr'ieu,  zo  sapchatz  en  ver!  etc. 

Das  saber  kann  doch  kaum  etwas  anderes  wie  dichterisches  Können 
bedeuten,  und  der  Sinn  der  Stelle  mufs  also  sein,  dafs  Thomas 
ihm  in  poetischer  Form  antworten  solle:  folglich  dichtete  Thomas. 
Dafs  es  nur  Thomas  IL  von  Savoyen  sein  kann,  haben  wir  schon 
oben  unter  Lanfranc  Cigala  erwähnt,  wo  auch  über  die  Lebens- 
umstände von  ihm  kurz  gehandelt  worden  ist.  Er  war  somit  der 
Vorläufer  eines  späteren  Fürsten  aus  seinem  Hause,  Philipps  von 
Savoyen,  der  von  1443 — 1498  lebte  und  eine  französische  chanson 
geschrieben  hat* 

21.    Obs  de  Biguli. 

Obs  de  Biguli  kommt  in  dem  schon  erwähnten  Liede  von 
Raimon  Guillem^  vor:  so  viel  ist  mir  aus  demselben  klar,  dafs  Obs 
sich  in  übler  Stimmung  befindet,  dafs  er  von  einem  hohen  Söller 
heruntergefallen  war,  aber  vor  allem  nach  Z.  4,  dafs  er  sang.     Ich 


'  Rom.  Stud.  II  495. 

*  Suchier,  Denkmäler  prov.  Lit.  und  Spr.  I  320  No.  151. 

*  Spotorno,  Stör.  lett.  d.  Liguria  I  254. 

*  Monaci  in  der  Rassegna  Settimanale  VI  235. 
»  Archiv  XXXIV  413  Str.  i. 


234  O-  SCHULTZ, 

führe  denselben  hier  auf,  ^veil  er  höchst  wahrscheinlich  einer  Fa- 
milie Jiii^oii  aus  Piacenza  ang(;hörL  liai.  Poggiali  berichtet  nämlich, 
dafs,  als  im  Jahre  i28(S  ein  neues  Rathaus  zu  Piacenza  gebaut 
wurde,  viele  angrenzende  (iebäude  niedergerissen  wurden  und  fährt 
dann  fori:  fra  qiustc  una  delle  prime  fu  rantichisshìui  chuscita  pa- 
r  occhiale  delia  S.  Mar  i  a  de  Big  o  lis  ovvero  il  lo  rum  de  Bigolis^ 
perche  da  questa  famiglia  riconosceva  la  sua  fondaziotwA 

22.    Li  Scot. 

Eine  Tenzonti  zwischen  Calvo  und  li  Scot  stand  in  a.  Ich 
hoffe  schon  p.  109  glaublich  gemacht  zu  haben,  dafs  er  aus  einer 
genuesischen  Familie  stammte  und  verweise  hier  also  nur  auf  die 
Stelle.  —  Vielleicht  haben  wir  auch  in  Manfred  III.  Lancia  einen 
'Probador  zu  sehen,  denn  Uc  de  S.  Circ  sagt  in  dem  Schmäh- 
gedichle  aui  ihn ,  das  wir  schon  oben  kennen  gelernt  haben  2 
Str.  2  Z.  I  : 

mal  .  .  .  parla  e  sona, 

desgleichen  (iuillem  de  la  Tor  Str.  i   Z.  3 

c  mal  Joga  e  mal  ri  c  mal  parla  c  pieitz  sona, 
aber  vielleicht  bedeutet  hier  sonar  blofs  „anreden",  vgl.  ]\IW.  I  22^^ 

239-  II  :v 

Hin  strikter  Beweis  gegen  die  Annahme  der  älteren  Litteralur- 
hisloriker,  dafs  der  Moine  de  Poissan  aus  dem  alten  Foxanum  dem 
heuligen  Possano  in  Obcir-Italien  gebürtig  gewesen  sei,  läfst  sich 
nicht  erbringen,  aber  es  ist  zu  bemerken,  dafs  es  auch  ein  P'oissan 
oder  Foissac  im  Arrond.  von  Uzes  gegeben  hat  *'*  und  dafs  Tliomas 
ihn  für  identisch  mit  dem  Jaufre  de  Foixa  aus  der  Nähe  von  Ge- 
rona liält^,  wenngleich  seine  Meinung,  dafs  die  Gewohnheit,  jede 
Strophe  mit  den  Worten  eines  fremden  Dichters  zu  schliefsen,  nur 
den  Catalanim  eigentümlich  wäre,  anfechtbar  ist,  da  ja  Zorzi  auch 
einmal  so  verfährt,  vgl.  Verz.  74,9/* 

1^2s  sei  zum  Schlüsse  noch  erwähnt,  dafs  Redi  einen  Rugetto 
da  Lucca  als  italienischen  Trobador  aufführt.^  Wenngleich  ja  Redi 
eiì\e  uns  unbekannte  provenzalische  Handschrift  vor  sich  giihabt 
hat",  so  möchte  ich  doch  die  Vermutung  wagen,  dafs  Rugetto  da 
Lucca  nichts  weiter  sei,  als  eine  Verdrehung  aus  dem  Namen  des 
Trobadors  Guiraut  de  Luc,  vgl.  Verz.  245;  ganz  unklar  aber  ist 
mir,  wit;  Galvani  auf  einen  Dudone  da  Istria  kommt.^ 

Der  Nachklang   der    provenzalischen  Poesie   dauerte  in  Italien 


'  Po};ííial¡,  Memoire  Sloriche  di  Piacenza  V  396  —  397. 

'^  Mahn,  GcdiclUe  1161   und  Archiv  XXXIV  190. 

•'  Vaisselle  VII!,  v-^l.  Register  unter  Arnaldus  de  Foissan. 

*  Romania  X  322. 

^  Aus  »lern  Liede  No.  23  von  Peire  Vidal  entlehnt. 

''  Rodi,   n.icco  in    Toscana  p.  97. 

"  (liabaneau  in  der  Revue  de.*»  lanj^ues  rum.  XXIII  13. 

^  Archivio  storico  ital.  VIII  248. 


DIE  LEBENSVERHÄLTNISSE  DER  HAL.  TROBADORS.  235 

noch  ziemlich  lange  fort.  Dante  da  .Majano  schrieb  zwei  Sonette 
provenzalisch,  ]\ligliori  degli  Abati  und  frati'  Giacomo  da  Leona 
sollen  gründliche  Kenner  des  Provenzalischen  gtnvesctn  sein  ',  Fazio 
degli  Uberti  läfst  im  Dittamondo  den  Romeo  an  einer  Stellti  in 
wenigstens  provenzalisch  sein  soll(;nden  VerstMi  reden  und  selbst  Dante 
verschmäht  es  nicht,  sich  in  dem  fremden   Idiome  zu  versuchen. 


*  Gaspary,  Die  sicilianischc  Dithterschule  p.  16. 

O.  Schul iz. 


Der  Tesoretto  und  Favolello  B.  Latinos.^ 

Kritischer  Text  nebst   einleitender  Untersuchung  über  Hand- 
schriften   und    Sprache    der    Gedichte. 

Zu  meinen  Untersuchungen  habe  ich  folgendes  Material  benutzt: 

1.  cod.  rice.  2908:  R.     Ende  des  13.  Jahrh. 

2.  cod.  laur.  XLV  plut.  XL:  L.     Erste  Hälfte  des  14.  Jahrh. 

3.  cod.  laur.  strozz.  n.  146:  S.     Erste  Hälfte  des  14.  Jahrh. 

4.  cod.  laur.  gadd.  plut.  QO  inf.  n.  47:  G.     15.  Jahrh. 

5.  cod.  magi.  VII.  il.  1052:  M.     15.  Jahrh. 

6.  cod.  bibl.  qucrinalis  A.  VH.  H  zu  Brescia:    B.^      Erste   Hälfte   des 
14.  Jahrh. 

7.  cod.  bibl.  naz.  E.  5.  5.  49  zu  Florenz:  N.     Ende  des  14.  Jahrh. 

8.  cod.  chigian.  L.  V.  166:  C.     Ende  des  14.  Jahrh. 

9.  cod.  chigian.  L.  VH.  249:  C*.     Ende  des  14.  Jahrh. 

10.  cod.  corsin.  col.  44  —  G.  3:  C     Ende  des  14.  Jahrh. 

11.  cod.  marcian.  c.  ii.  7  zu  Venedig:  Z.     16.  Jahrh. 

12.  cod.  vat.  n.  3220:  V.     16.  Jahrh. 

*  Es  sind  folgende  Abkürzungen  im  Nachstehenden  gebraucht: 

Fav.  Favolello. 

M  US  sa  fia,  alt  m  ail.  'Sida,  A.  Mussalia,  Darstellung  des  aUmailandischen 
Dialekts.  Sitzungsberichte  der  k.  k.  Akademie  der  Wissenschaften. 
Wien  Bd.  59. 

Mussafia,  Katharincnlegende  ibid.     Bd.  75  p.  227  fF. 

Mussafia  Fra  Paol.  Trattato  de  regimine  rcctoris  di  Fra  Paolino  Minorila 
publicato  da  Adolfo  Mussafia.     Vienna-Firenze  1868.  8®. 

Caix  Orig.  Le  origini  della  lingua  poetica  italiana  ect.  del  Dott  C.  N.  Caix. 
Firenze  1880. 

Caix  Voc.  it.  Osservazioni  sul  Vocalismo  italiano  del  Dott.  N.  Caix.  Fi- 
renze 1875. 

Voc.  dant.  Vocabulario  dantesco  o  dizionario  critico  e  ragionato  della 
divina  commedia  di  Dante  Alighieri  di  L.  G.  Blanc,  cet.  U  ed.  Firenze, 
Barbèra  1877. 

Intll.  LMntclligenza.  Milano,  G.  Daelli  e  C.  editori  1863.  Nach  der  Seiten- 
zahl dieser  Ausgabe  eitlere  ich  die  Beispiele  aus  den  beiden  mss. 

Gaspary  Sic.  Dicht.  Die  sicilianische  JDichterschule  des  dreizehnten  Jahr- 
hunderts von  Adolf  Gaspary.     Berlin  1878. 

Nannucci  nomi.  V.  Nannucci,  Teorica  dei  nomi  della  lingua  italiana 
Firenze  1858. 

D'A  ne.  D'Ancona  e  Comparetti,  Le  Antiche  Rime  Volgari,  voi.  I,  IL  Bo- 
logna 1875,  1881. 

TA  Ih.     Trattati  morali  di  Albertano  ect.  pubbl.  da  S.  Ciampi,  Firenze  iSjJ» 

'^  Von  diesem  cod.  spricht  zuerst  Picei,   Nuovi  studj  filologici  sul  testo 
del  tesoretto  di  Brunetto  Latini.    Brescia,  1854 — 55-    Tipografia  Venturini. 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  237 

13.  cod.  laur.  plut.  LXI  cod.  7  (Favolello  allein);  F.     Ende  des  14.  Jahrh. 

14.  cod.  magi.  II.  III.  335:  M*  aus  dem  15.  Jahrb.,  in  welchem  sich  ein 
Citat  von  16  vv.  aus  dem  Tesoretto  befindet.  Der  cod.  ist  von  junger  Hand 
Zibaldone  di  più  cose  in  uolgare  fiorentino  antico  bezeichnet.  Das  betreffende 
Citat  befindet  sich  auf  fol.  28r.i».     Es  sind  die  vv.  XV  115 — 130.* 

Die  codd.  RLSGMNCZV  enthalten  auch  den  Favolello. 

Gedruckt  ist  der  Tesoretto  zum  ersten  Male,  zugleich  mit  dem  Favo- 
lello, von  Ubaldini  in  Rom  1642.  Üb.  sagt  in  der  Einleitung:  »»Della  viedi- 
sima  antichità  deW  autore  sono  i  due  Mss.  con  l^aiuto  de  quali  Gabbiamo 
pubblicato  la  presente  operetta,  IJuno  è  di  Morisin^nor  Bon  si  ^ià  Vescouo 
d* Acerno,  ora  di  Conuersano;  e  Valtro  del  Sig.  Carlo  di  Tommaso  Strozzi". 
Die  beiden  benutzten  mss.  sind  C  und  C*.  In  C  liest  man  unten  auf  der 
ersten  Seile:  Di  Carlo  di  Tom*o  Strozzi.  In  C  steht  nach  Schlufs  des  Teso- 
retto :  „Manca  inguesto  testo  la  Penitenza  di  Ser  Brunetto,  che  e  Paîtra  parte 
del  presente  Tesoretto,  la  quale  stratta  da  uno  antico  scritto  a  penna,  pro- 
curiamo suplendo  al  mancamento  di  questo,  che  si  stampi  questo  anno  1642. 
//  presente  ms.  era  di  Mons  Bonsi  già   Vescouo  d'* Acerno,   alcuni   mesi  sono 

trasmutato  alla  Chiesa  di donato  da  lui  a  me  Fedo  Ubaldinj  dalla  Carda". 

Diese  Ausgabe  ist  öfter  neu  abgedruckt,  cf.  Zambrini,  Le  Opere  volgare  a 
stampa  dei  secoli  XIII  e  XIV  Bologna  1866  und  Brunetto  Latinos  Lcvnet  og 
Skriftes  af  Thor  Snndby.  Kjobenhavn  1869.  Eine  Ausgabe  nach  RLSGMV 
und  F  veranstaltete  1824  der  Abbate  Zannoni.  Im  2.  Bd.  seines  Manuale, 
3.  ed.  p.  422—477  giebt  Nannucci  eine  litterarische  Untersuchung  über  den 
Tesoretto  und  eine  Reihe  Stellen  aus  dem  Gedichte  mit  kritischen  Anmer- 
kungen. Ebendort  ist  der  Favolello  ganz  abgedruckt.  In  neuester  Zeit  ist 
die  erste  Seite  des  cod.  C  photographisch  reproduciert  in  den  von  E.  Monaci 
herausgegebenen  Handschriflentafeln,  und  hat  A.  Bartoli  in  seiner  Crestomazia 
della  poesia  italiana  den  Anfang  des  Tesoretto  nach  R  abgedruckt  (p.  212). 

Ich  benutze  bei  meinen  Untersuchungen  allein  das  mir  vor- 
liegende, vollständige  Handschriftenmaterial. 

I.    Das  Handschriftenverhaltnis.^ 

Das  älteste  und  für  eine  textkritische  Ausgabe  des  Tesoretto 
%vichtigste  msc.  ist  R.  Ihm  steht  an  Alter  und  Bedeutung  B  am 
nächsten.  Die  gröfsten  Verschiedenheiten  dieser  beiden  codd.  be- 
stehen, abgesehen  von  der  Sprache,  welche  in  B  dialektisch  gefärbt 
ist,  in  Auslassung,  Interpolation  und  verschiedener  Anordnung  von 
Versen.  Auf  Grund  dieser  Unterschiede  zerfallen  sämtliche  codd. 
¡n  zwei  Hauptgruppen,  je  nachdem  sie  R  oder  B  folgen.  Die  Va- 
rianten zwischen  R  und  B  in  der  Lesart  sind  fast  stets  auf  Mifs- 
verständnisse  und  Unachtsamkeit  der  Schreiber  zurückzuführen.  Wir 
gehen  zu  einer  Betrachtung  der  Varianten  dieser  beiden  codd.  über. 

*  Die  Kenntnis  des  Citats  verdanke  ich  Hrn.  Tommaso  Casini  in  Florenz. 

•  Diese  Untersuchung  war  fast  fertig*  gestellt,  als  mir  der  Aufsatz  des 
Herrn  Cart  im  fase.  8  des  Giornale  di  f.  r.  zu  Gesicht  kam.  Wir  weichen 
namentlich  in  Beurteilung  fies  msc.  B  von  einander  ab.  Herr  ("art  hat  die 
mss.  nur  sehr  tlüchlig  examinieren  können  und  kannte  den  cod.  C''  nicht.  Es 
ist  nicht  nöüg  hier  noch  weiter  auf  seine  Untersuchung  einzugehen. 


238  li.  WIESE, 

R  und  B. 

Unstreitige  Auslassungen  in  il  sind:  III  ^^  und  34.     Der  Tré- 
sor bietet  an  der  entsprechenden  Stelle:  Muemcnt  est  cele  oevrc^  par 
quoi  liai  Ute  fait  viuer  le  firmavieni  ^  Ics  estoiìcs  ^  les  vens,  hs  aiguës  ei 
maiîties    au/res    dioses    dUin    leu    en    aulte   par   ealz    meiswes,      (CXXl 
p.  149  ed.  Chabaille).    VI  12;  XV  155—184;  XVI  237—238;  XVIII 
113 — 114.     Letztere  Auslassung  wird  durch  den  Umstand  hervor- 
gerufen sein,  (lafs  v.  113  und  v.  115  bis  auf  das  letzte  Wort  gleich- 
lauten.   Ferner  XIX  82;  XIX  155 — 162;  XXI  291 — 292;  XXI  340 — 
3|i.    Umstellungen  nimmt  B  gegenüber  R  folgende  vor.    V.  29 — 30; 
di(î  Stellung  R  ist  natürlicher;   V  103 — 104  (mit  B  zu  lesen);    VII 
265 — 2ÓÒ,  wenn  hier  nicht  einige  Zeichen,   die  in  R  bei  den  ent- 
sprechenden Versen  stehen,  bedeuten  wollen,   dafs  auch  in  R  clie- 
st»lbe  Stellung    einzuführe]\    sei.     Alle    übrigen    codd.    lesen  wi(i   B, 
und  so  ist  aufzuntîhmen.  Ferner  Vili  19 — 20;  XIII  17 — 18  (sämtliche 
codd.  mit  B);  XV^  69 — 70,  wo  gleichfalls  alle  mss.  B  folgen. 
XW  190— 19O  lautet  in  B:  In  R: 

('h'altri  tc  nc  riprende.  Che  tal  ti  ne  riprende, 

Quando  se' ito  uia  Che  agiungie  bugia, 

K  giungerle  busia.  Quando  se*  ilo  uia, 

Però  tu  dei  sapere,  ("he  tti  dei  dolere, 

('he  ti  de  ben  ualere  Però  dei  tu  sapere 

In  cotal  compagnia  In  chotal  chonpangnia 

Giucar  di  inaistria.  Giuchar  di  maestria. 

]\Iit  R  li'sen  alle  codd.  Umgestellt  ferner  XVIII  7  —  8  (alUr  codd. 
mit  R).  In  XIX  folgt  auf  v.  154  vv.  177—202;  165 — 176;  163 — 
1O4;  .?ü3  lì.  Die  Stellung  R  ist  sicher  die  ursprüngliche.  Endlich 
ist  XXI  I3()  -  1  ^u  in  B  umgestellt.  (Alle  codd.  mit  R).  Einen 
Einschub  R  gegenüber  bietet  B  nach  XIII 72.  Es  folgen  hier 
die  vier  Verse: 

Kt  auea  suo  lengnagio 

Suo  corso  1  suo  uiaggio 

]^*n  sua  ])ropria  masone 

Tenca  corte  e  rasone, 

welche  mit  i'inig(Mi  Variant(M\  in  sämtlichen  übrigen  mss.  stehen; 
sie  sind  eine  Ausführung  von  v.  71- -72,  und  deshalb  möchte  ich 
sie  als  Interpolation  betrachten.  Nach  XXII  v.  52  hat  B  die  zwei 
von  einem  Kopiator  herrührenden  Verse: 

('hc  1  gran  thcsor  dcuisa 
In  la  lingua  franci^^a. 
Ahnliíhe  \on  SchriMbem  gemachte  Verse  bietet  R  am  Schlüsse  von 
Kapitel  XIX  : 

Finito  tesoretto. 
Sempre  sia  xfnì  benedetto. 
Und  darauf  die   Überschrift: 

Or  chomincia  la  j)cnete///.a, 

La  quäl  ci  chonuienc  auer  co;i  reue[renza]. 


DER  TESORETTO  UiND  FAVOLELLO  1'..  LATFNOS.  23g 

Nach  Kapitel  XXII  die  Unterschrift  : 

Finita  penitenza, 

Che  dio  ci  perdoni  p^r  sua  pote/;za. 

Die    gröfsten  Varianten    in    der   Lesart    zwischen  R    und  B    finden 
sich  an  folgenden  Stellen. 

In   R:  Che  fate  per  usagio  (LSGMNiC'Z) 

B:  Ch'auite 
II  21  K:  Tanto  denj^o  ne  fosse  (GCC) 

B  :  Così  digno  ne  fos  (Che  si  LSMNZ) 
II  26  R:  Che  mi  fue  onlinala 

B:  comandata  (so  alle  andati  codd.) 
III  2     R:  Mi  uolsi  e  posi  mente  (LSGNCC'Z) 

B:  Guardai  e  (M) 
III  IO  R:  E  di  molte  maniere 
B:  Di  ciascuna  manera 
Alle  übrigen  codd.  E  di  tuift%  was  aufzunehmen  ist. 

Ill  24  R:  Si  chôme  una  fattura 

B:  tîgura  {^so  die  iiòrij^rn  codd.) 
III  26  R:  Ella  mi  sembraua 

B:  E  ben  me  rasembraua, 
wo  mit  LSMCC'Z  £i/  ella  herzustellen  ist. 

III  59  R  :  Che  troppo  era  gra//  festa 
B:  par  grande  (LSGNCC'Z) 

III  60  R:  Il  chapello  delà  testa  (LSGCC'Z) 

B:  Il  capii  ch'ella  a  in  testa  iN) 

IV  5     R  :  Molto  chouertame/;te 

B:  bonairamente  (LSGMNCC) 
IV  20  W'.  Ma  io  no;;  posso  neente  (GCC) 

B:  no/7  so  (LSNZ) 
IV  22   R:  Esso  tanto  prouedc 

B:  tutto  (LSGÄtNCC'Z) 
IV  26  R  :  Ma  io  no;/  so  neente 

B:  so  sácente  (LSGNCC'Z) 
IV  37  R:  Lo  suo  chomandamento 

B:  ordinamento  (LSGMNCC'Z) 
V  31   R:  Ma  sei  giorni  durao   (LSGCC) 

B;  penao  (MN) 
VI    3  R:  E  la  luce  giochonda  (LSGCC) 

B:       luna  (MNZ) 
VI  16  R:  E'n  ella  fece  e  mise  (LSGNCC'Z) 

B:  E  fece  in  quella  e  mise. 

Die  weiteren  Stellen  genügt  es  einfach  mit  tier  Kapitel-  und 
Verszahl  anzuführen;  sie  sind  sämtlich  den  bereits  angeführt(Mi 
gleichartig.  Es  ist  ersichtlich,  dafs  bald  K  (I  1 1  ;  liii;  1112;  111 
òo;  V31;  VI  3,  16),  bald  15(11  26;  111  24;  ili  5g;  IV  5,  20,  22,  26, 
37)  die  richtige  Lesart  bietet,  und  dafs  ihre  Feststellung  keine 
Schwierigkeit  macht.     Die  weiteren  Stellen  sind:    VI  52,  74;    VII  5, 


240  R.  WIESE, 

12,  53—54»  60»  74»  135»  144»  i^i»  1^8,  169,  202,  208,  232,  252; 
vili  ^2,  36;  IX  23—24;  X  38,  50;  XI  50,  62,  80,  88,  92,  98,  102, 
122,  130,  157,  158,  160,  178;  XII  21,  51;  XIII  32,  34,  42,  53,73; 
XIV  6,  66,  87;  XV  6,  69,  83,  151;  XVI  8,  44,  52,  58»  63,  72,  74,  184, 
190,191—194,198,210,252;  XVII  59,  76,  92,  97— 98;  XVIIl4,5, 
6,  òo,  62,  99,  148,  163,  168,  183,  196;  XIX  13,  19,  35,  36,  62,  106, 
119,  128,  132,  136,  143,  152,  177,  179,  188,  189,  202,  205,  208,  240, 
245;  XX  8,  78;  XXI  38,  41,  100,  128,  145,  204,  205 — 206,217,224, 
228,  320,  326,  342;  XXII  22,  ¥s  sind  der  gröfseren  Varianten 
zwischen  beiden  codd.  in  Anbetracht  der  Länge  des  Tesoretto  nur 
wenige;  die  richtige  Lesart  ¡st  immer  leicht  ersichtlich.  Für  die 
Textconstitution  ist  cod.  R  zu  Grunde  zu  legen,  weil  die  Versfolge 
in  ihm  bei  weitem  korrekter  ¡st,  weil  er  keine  Auslassungen  bietet 
(will  man  nicht  die  vier  Verse  nach  XIII  72  für  echt  erklären)  und 
weil  schliefslich  die  Sprache  in  ¡hm  gutes  Toscanisch  ¡st,  während 
B  viele  diaU^ktischo  E¡gentümlichke¡ton  ze¡gt,  w¡e  wir  unten  sehen 
werden. 

Die  jün'ceren  codd.  haben  sämtlich  den  zwei  älteren  gegen- 
über eine  geme¡nsame  lnterpolat¡on ;  nach  XI  176  schieben  sie  die 
zwei  Verse  o¡n: 

Per  sapere  la  natura 

D'ongnuna  creatura.  (L) 

S¡e  zerfallen,  w¡e  schon  erwähnt,  ¡n  zwe¡  Hauptgruppen,  je  nachdem 
s¡e  B  oder  R  näher  stehen.  Zu  der  ersten  Gruppe  gehören  N,  C* 
und  C'^.  Alle  dre¡  haben  die  Auslassung  von  XIX  155 — 162  und 
die  Anordnung  der  Verse  in  diesem  Kapitel  mit  B  gemein.  Femer 
fehlt  in  ihnen  wie  in  B  XV  155 — 184;  XVIIl  1 13 — 1 14.  Sie  stellen 
wie  B  um  V  29 — 30.  Dieser  (iruppe  nahe  steht  C;  es  fehlt  in  ihm 
^V  155 — 184  und  es  stellt  V  29 — 30  um,  im  Kap.  XIX  folgt  es 
jedoch  ganz  der  (iruppe  R.  Letztere  bilden  die  mss.  LSGMZV. 
Für  die  nähere  Zusammengehörigkeit  der  Gruppe  B  mögen  noch 
folgende  Stellen  angeführt  werden,  in  denen  die  ¡hr  zugehörigen 
codd.  eine  gemeinsame  Lesart  gegen  R  und  seine  Gruppe  aufweisen.' 
X\'I  74     B:  Tu  l'ami  quanto  tene 

R  :  Innora 
XYI  260  B  :  Ne  far  da  lor  dìuisa 
R:  (li 

XVIII  5       B:  Et  andonne  a  prodeçça 

R:  E  pisene  (LSMCZ  giunse) 
XVIII  iiq  B:  E  fa  indugiar  fretta 

R:  E  fa'ndugiar  uendetta 
XVIII  130  B:  Et  alungar  uendetta 
R:  E  alunghar  la  fretta 
XIX  13     B:  Serebe  a  ricordare 
R:  Sarcbc  a  richontare 


'  Die  Fälle   sind   von  XV  I— XX  4  gewählt,  weil  C«  nnr  diese  Veite 
enthält. 


DER  TESOREriO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  24 1 

XIX  62     B  :  Cioè  lo  dio  d'  amore 

R  :  Che  chapo  e  dio  magiore  (LSGMC  d' amore) 
XIX  119  B:  Siche  no  lassia  gire 
R:  Siche  nonn  osa  gire 
XIX  132  B:  E  la  dogla  ^  Io  danno 

R  :  E  la  dollia  e  io*  nghanno 
XIX  136  B:  E  tutta  T  asicura  (NC'C^  tuttor) 

R  :  E  senpre  l' asichura 
XIX  143  B:  Non  potresti  tronare 

R  :  chontare 

XIX  152  B:  La  força  e  fa  uolere 

R:  Lo  punge  a  suo  uolere  (e  fa  uolere  LSG) 
XIX  177  B:  Et  io  mi  trassi  a  canto  (N  ristrinsi) 

R:  Oi  mi  tomai  da  canto  (M  trouai) 
XIX  208  B:  Cosi  fui  uinto  e  lasso 
R  :  Chosi  fui  giunto  lasso 
XIX  240  B:  di  bona  consiença  (NC*C*  conosciença) 

R:  Per  fìna  chonoscenza 
XIX  245  B  :  tutte  le  mie  credence 

R:  E  mostro  mie  credenze. 
Die  codd.  LSGMZV,   welche  ¡n  alien   angeführten  Fällen  mit 
R  lesen  (wo  es  nicht  ausdrücklich  anders  bemerkt  ¡st),  bieten  uns 
einen  gemeinsamen  Zug  R  gegenüber:  nach  X  38  schieben  sie  einen 
Vers  ein,  welcher  mit  v.  38  reimt,  während  X  37  ausgelassen  ist. 

R  :  LSGMZV  : 

E  di  tutte  pianete  Qua  'nanzi  il  tronérete 

Qua  'nanzi  l'udirete.  Se  sapere  lo  uorrete  (L). 

Wir    betrachten   jetzt   die   einzelnen  mss.  nach    ihren   näheren 
Beziehungen. 

L  und  S 

sind  nächst  R  und  B  die  beiden  wichtigsten  mss.  und  zeigen  wenig 
Fehler,  die  Sprache  in  ihnen  ist  sehr  korrekt.  Gemeinsame  Lücken 
zeigen  sie:  XI  184 — 186  und  188;  XVIII  159 — 160  (so  C);  Fav.  1 
133  —  134.  Die  Verse  V  47 — 48  sind  nach  v.  50  gestellt.  Ihre 
enge  Zusammengehörigkeit  beweist  ferner  eine  Reihe  Varianten, 
welche  sie  sämtlichen  übrigen  codd.  gegenüber  aufweisen.  111  35  ; 
VII  41,  265— 266,  268;  1X20;  XU  57;  Xm2,  59;  XIV  87;  XVI 
193,  257;  XVU  IG.  Verschiedenheiten  zwischen  L  und  S  sind  sehr 
wenige  vorhanden;  sie  beschränken  sich  meistens  auf  Partikel- 
vertauschung  oder  kleine  Fehler.  Bedeutendere  Varianten  finden 
sich  nur  an  folgenden  Stellen: 

II  14     L:  Chera  re  delaman^a 

S:  Chore 
II  78     L:  puna  selva  diuersa 

S:  Duna 
m  53     L:  Certanza  di  su  stato 
S:  Certezza 
Z«ii«chr.  f.  rom.  Phil.  I6 


242  B.  WIESE, 

Vili  19—20  L:  E  parche  sia  pesante  S:  pensante 

Quelluomo  e  più  pensante  S:  pesante 

XIII  68  L  :  Che  ornìi  parea  puruna 

S:  Cheorparean  puruna 

XIV  66  L  :  Ciò  chi  benuidi  desse 

S:  Ciò  chic  benuedesse 

XV  114  L:  Elsu  dispende  atorto 

S:  EIsuo  distrugge  atorto 
XV  116  L:  Cha  comperar  cappone 
S:  Che  coperan  cappone 
XVIII  155  L;  Che  ne  pegiorì  tuonta 

S:  Chetunepeggiorìonta 
XVIII  180  L:  E  ti  dimostri  maggio 
S:  Edimostrati  maggio 
XXI  28  L  :  Infìasti  inqello  scolglio 

S:  unque  lo 
XXII  22  L:  Duna  grande  ginestra 
S:  dopuna  gran  ginestra. 

In  S  ist  femer  in  V  103 — 104  eine  Umstellung  vorgenommen,  wäh- 
rend L  der  Anordnung  von  R  folgt  —  Die  angeführten  gröfseren 
Varianten  zwischen  L  und  S  sind  den  vielfachen  Obereinstimmungen 
der  beiden  codd.  gegenüber  verschwindend  und  nicht  wichtig  genug, 
um  die  Herkunft  der  beiden  codd.  direkt  aus  dem  gleichen  cod. 
unwahrscheinlich  zu  machen.  Für  XV  114  kann  man  z.  B.  zur  Er- 
klärung der  Entstehung  der  Variante  anführen,  dafs  wenige  Verse 
vorher  steht  Chidispende  iniauerna^  und  dafs  dieselbe  Verwechslung 
der  beiden  Ausdrücke  XVI  v.  130  vorkommt: 

Ilsu  dispende  atorto  (RLSGBNC»C«) 
distrugge  (MCZV). 

Zu  111  53  vergleiche  VII  39 — 40. 

RLSMBC^Z:  ciertanza  —  sottiglianza 
GN:  ciertczza  —  sottigliezza 
XIV  21 — 22  R:  sottilgliezza  —  temperezza,  ' 

alle  ül)rij»en  codd.  -anzti,  % 

Zu  der  Umstellung  V  103 — 104  mag  bemerkt  werden,  dafs  S 
XXI  121  — 122  auch  umgestellt  hat,  seinen  Irrtum  aber  gewahrte 
und  Umkehrungszeichen  am  Rande  machte.  Beide  codd.  bieten 
am  Schlufs  dieselbe  Unterschrift:  Qm  e  compiuto  iì  fauoleüo  \  (S  fagiH 
letto)  che  ?namlo  f  immetto  latini  \  (S  latino)  arustico  difiHppo,  Die 
Bemerkung  Quie  cdpiuto  iltesoretto^  welche  in  S  am  Schlusae  von 
Kap.  XIX  steht,  fehlt  in  L. 

N 

steht  B  am  nächsten.  Der  cod.  ist  sprachlich  korrekt  Er  hat 
aufser  den  oben  erwähnten  mit  B  gemeiiisamen  Auslassungen  fol- 
gende weitere.  V  68;  VI  52;  VII  180,  182;  VIII  19;  X42;  XI  151, 
156;   XV  115  — 119;   XVm48;  XVIII  67— 69  und  XIX114.     Er 


DER  TI  SORRnO  UND  FAVOLFJ.LO  B.  LATINOS.  243 

Stellt  mit  B  aufser  in  den  schon  erwähnten  zwei  Fällen  V  103 — 104 
und  XV  69  —  70  um.  Nach  VI  36,  wo  die  Lesart  verdorben  ist, 
schiebt  N  einen  Vers  ein.  Der  cod.  bietet,  abgesehen  von  einer 
Reihe  kleiner  Änderungen,  Fehler  und  hier  und  da  einiger  gröfserer 
Mifsverständnisse  noch  eine  recht  korrekte  Lesart  und  kommt  nach 
L  und  S  in  erster  Linie  in  Betracht  Den  engeren  Zusammenhang 
von  N  mit  B  haben  wir  oben  schon  konstatiert.  Nicht  mit  B  liest 
N  in  einer  Reihe  von  Fällen,  in  denen  B  immer  ganz  allein  steht 
oder  Fehler  hat:  I  11;  II  21;  III  10;  VI  52,  74;  VII  74,  144,  169; 
1X16,23—24;  XI8,  Í25;  XII  21;  XIII  73;  XIV  6;  XV29,  63,  83; 
XVI  8,  63,  190,  191,  198;  XVII  25  —  26;  XVIII  60,  103;  XIX  19, 
35  -  36,  188;  XX  78;  XXI  17,  38,  128,  145,  205  —  206,  284,  326, 
352.  Mit  anderen  codd.  geht  N  in  den  Stellen  III  2  (RLSGCC'ZV); 
III 57  (ZV);  V51  (I.SGMCCIZV);  ^22  (I.SGMZV);  X61  (RGMCC'^V); 
XI  178  (G);  XIU  34  (LSGMZV);  XIV  69  (LSGC«);  XV  3  (M);  XVI 
184  (LM);  XVI  251  (NC«C2);  XVI  29  (MC);  XVII  18  (LSMZV); 
XVm  106  (I^GCC»);  XIX  24  (MCíC^);  XIX  100  (I.SC);  XIX  179 
(RZV);  XX  8  (RLSGCZV);  XXI  15  (ZV);  XXI  59  (MCZV);  XXI  189 
(ZV);  XXI  227  (GZV);  XXI228  (RLSGMC);  XXI  284  (ZV);  XXI 
317  (ZV);  XXI  320  (LSCZV).  Unter  den  Stellen,  wo  N  eine  I^s- 
art  für  sich  allein  bietet,  zeigen  folgende  die  bedeutendsten  Ab- 
weichungen. Natürlich  sind  sämtliche  anzuführenden  Lesarten  als 
Alterationen  seitens  der  Kopisten  anzusehen,  da  N  für  sich  allein 
keine  Autorität  beanspruchen  kann. 

I  22  N  :  Sopr'  ongni  altro  semente 

R  :  Ou'  ongn'  altro 
II  70  N  :  Pensando  il  gra[«]  ualore 

R:  grande  onore 

III  26  N  :  Ed  ella  m'  asenbraua 

R:  Ella  mi  sembraua 

V  74  N  :  perch'  al  mio  sengnìor  piacea 

R  :  Che'  1  mio  sengnor  patia 

VI  2  N  :  Che  dio  fece  lo  mondo 

R  :  giorno 

VII  55  N:  Tutte  valenti  cose 

R:  Tutte  le  buone  chose 
Vn  88  N:  nioco  sempiterno 

R:  E'n  fuocho  sempiterno 
vn  1 33  N  :  Acciò  che  tt'  o  tocchato 

R  :  chontato 

vn  217  N:  La  forma  e  la  sciença 

R  :         forza 
vn  239  N  :  Quando  ispira  lo  meglio 

R:  E  quando  l'omo  spira 
Vin  36  N  :  Non  parrebbe  neente 
R:  Non  si  faria  neente. 
Die  weiteren  Stellen    begnüge  ich  mich  na<:h  dieser  Probe  einfach 
nach    Kapitel-   und   Verszahl   anzuführen.     XI  121,  138,  153,  188, 

i6* 


244  ï^»  WIESE, 

194;  XII  44;  XIII  59;  XV  31,  62,  77,  78,  98,  99,  138,  192;  XVI  43, 
198;  XVII  75;  XVIII  27,  84,  85,  102;  XIX  146,  177;  XX  44;  XXI 
159,  186. 

G 

bietet  einen  sehr  vollständigen  Text.  Aufser  den  schon  oben  er- 
wähnton Abweichungen  von  R  und  B  ist  folgendes  beachtenswert. 
Es  fehlt  XVI  87—88;  XVIII  113— 114;  (so  BNC«C2).  G  stellt  um 
I  49 — so;  II  71 — 72;  V  29 — 30  (wie  BNCC*ZV);  V  103—104  (wie 
SMBNZV);  VUI  19—20  (wie  MBNZV);  XIII  17—18  (wie  LSMBN 
CC«ZV);  XV  69  — 70  (wie  LSMBNZV).  Der  cod.  zeigt  aufser  mit 
R  keine  ausgesprochene  Ver\vandtschaft  mit  einem  andern  msc. 
In  fünf  seiner  Umstellungen  geht  er  mit  BN  und  in  einer  sechsten 
mit  CC.  Kleinere  Beziehungen  zur  Gruppe  B  sind  auch  sonst 
wohl  zu  entdecken,  doch  die  Anhaltspunkte  sind  zu  gering,  um 
daraus  irgend  welche  weiteren  Schlüsse  ziehen  zu  können.  Die 
Zahl  der  G  eigentümlichen  Abweichungen  vom  Texte  der  übrigen 
i:odd.  ist  ziemlich  grofs,  doch  meistens  sind  es  nur  kleine  Ände- 
rungen, Partikel  etc.  betreffend;  manche  Fälle  rühren  von  offen- 
baren Mifsverständnissen  und  Schreibfehlem  her,  z.  B.: 

I  60  G  :  c  bei  ragionamento 
R:  £  si  bello  regimentó 

V  18  G:  che  ñoñamente  manera 

R:  Che  nonn  anea  manera. 

Bedt^utsameTc  Varianten  allen  übrigen  codd.  gegenüber  finden  sich 
nur  an  folgenden  Stellen;  sie  sind  natürlich  von  Kopisten  eingeführt: 

III  47  G  :  £  eh  on  poponimento 
R:  £  fe 

III  89  G:  Ciaschuna  sna  fattura 

R:  £  nidi  in  sna  tattnra 

IV  36  G  :  E  mmc  poscia  sechondu 

R:  £  io 
V  7  G  :  Quantunque  quante  chose 
R:  Di  tutte  quante  chose 

V  24  G:  menando  a  chonpìmento 

R:  Mettendo  a  chompimewto 

V  72  G:  la  terra  temünao 

R  :  termcntao 

VI  67  G  :  Ma  sacci  ch'a  ongni  ghuise 
R:  Ma  saccie  chc'n  due  guise. 

Ferner  VII!  5 -6;  XIV  37:  XVI  33— 34;  XIX  144;  XX  27,  98;  XXI 

29,  95,  150,  2 IO,  242,  281;  Fav.  I  54;  li  4,  22. 

M 

ist  nicht  (lie  einfache  Kopie  eines  vorliegenden  msc.,  itondem 
eine  selbständige  t'U^rarbeituni^  îles  Tesoretto  und  Favolelio  nadi 
mehreren    mss.     Der   t-berarbeiter   hat   Stellen    ausgelasseiVa.  game 


DER  TESîORErrO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  245 

Perioden,  vielleicht,  weil  sie  ihm  nicht  verständlich  schienen,  ge- 
ändert, und  namentlich  zeigt  er  die  beachtenswerte  Tendenz,  durch 
Umbau  der  Sätze  vollständigen  Reim  herzustellen.  Die  Hs.  zeigt 
nur  zwölf  ungenaue  Reime.  Auslassungen  R  gegenüber,  die  nur 
M  aufweist,  sind  folgende:  jedenfalls  absichtlich,  (ein  Raum  für  zwei 
Verse  ist  freigelassen)  VI  6i  —  62;  ferner  fehlt  VII  37  —  42  ohne 
Angabe  einer  Lücke;  XVIII  47 — 48  ebenso.  Fav.  I  loi  — 104  fehlt, 
und  dafür  sind  vier  andere  Verse,  die  sich  sonst  in  keinem  cod. 
finden,  eingeschaltet.  Fav.  I  117 — 134  fehlt  femer.  Umgestellt  ist 
XIX  181  — 182;  XXI  337—338.  ■—  M  steht  im  Übrigen  R  ziemlich 
nahe,  was  aus  einer  Reihe  merkwürdiger  Übereinstimmungen  der 
Lesart  M  mit  der  von  R,  während  die  übrigen  codd.  andere  Les- 
arten haben,  hervorgeht.  Die  wichtigsten  Stellen  sind  :  VII  1 68,  208  ; 
VIII  20;  XI  92;  XIll  76;  XVI  44;  XVm  6,  168;  XIX  202;  XXqó; 
XXI  204,  320;  Fav.  II  2.     Das  selbständige  Verfahren  des  Schreibers 

mögen  Stellen  zeigen  wie: 

n  20  M:  Ne  di  gran  baronaggio 

R:  Ne  per  altro  bamagio 

n  53  M  :  A  udir  che  via  tene 

R  :  Ch'  audiui  dir  che  tene 

HI  59  M  :  Che  le  facien  tal  festa 

R:  Che  troppo  era  gra»  festa 

'    III  60  M:  I  he  capelgli  in  testa 

R:  n  chapello  delà  testa 

III  72  M  :  E  r  altre  tutte  quante 

R  :  E  r  altre  biltà  tante 

IV  26 — 27  M  :  Ma  io  so  solamente 

Quella  parte  che  uolc 

R  :  Ma  io  non  so  neente 

Se  non  di  quel  che  uuole 

V  3 — 4  M  :  Che  colui  e'  a'  1  ghouemo 

del  secolo  inn  elterno 

R:  Che  cholui  che  ghouema 

Lo  secholo  in  etema. 

Ferner  W  :^2,  59,  75  —  78,  82,  89  —  90,  103  —  106;  VI  57;  VII  73, 
'33— 134»  161— 162,  220,261;  Vili  13;  XI  47,  116,  125,  156—157» 
164,  165;  XIII  35;  XIV  II— 12,  54,  66;  XVI  45,  51—52,  77»  '43» 
223—224^  254;  XVII  I,  25,  90,  95,  97;  XVIII  9—10,  19  —  20,  60, 
65,  69  —  71,  88 — 89,  108,  123,  140,  178 — 179,  184;  XIX  104,  113 
— 114,  162,  181 — 182,  188 — 189;  XX  24,  73,  III — 112;  XXI  136 
—  137,  161— 162,  190,  281,  304,  337— 338»  347;  Fav.  I  55— 56,  59, 
83 — 84,  108;  li  16.  Stellen,  in  donen  einzelne  Worte  durch  andere 
ersetzt  sind,  giebt  e«  eine  grofse  Anzahl. 

Die  Veränderungen,  um  den  Reim  herzustellen,  sind  folgende: 
l  41  R:  Non  ualse  me  di  uoi 

M:  Non  ualser  di  uo  piuc  ( —  fue) 
Il  18  R:  Non  si  truoua  persona 

M:  Non  si  troua  veruna  ( —  luna) 


246  B.  W[ESE, 

V  53 — 54  R:  Sichome  dei  sauere 

Quando  dengnò  uenire 
M:  Siccome  è  da  sauere 
Quando  dengnò  volere 
VII  1 1   R  :  Sua  bisongna  chonpiere 

M:  Sua  bisongna  fornire  ( —  dire) 
(LSGBNC*  —  podere;  ZV  —  uedere) 
VII  105  R:  Che  uoi  ci  sofFerite 

M:  Che  uoi  ci  sostenete  (G)  ( —  auete) 
XI  63  R:  £  in  pocha  dimora 

M:  E  in  poca  statura  ( —  misura) 
XIV  23     24  R  :  Chui  la  gente  talora 

Suol  chiamar  misura 
M:  La  quale  la  gente  pura 
Suole  appellar  misura 
XIV  73  R:  Però  più  non  ne  dicho 

M:  Però  più  no«  ne  reco  { —  meco) 
XVI  197 — 198  R:  Cioè  che  sapie  dire 

Quel  che  deia  piacere 
M:  E  allor  profferere 

Quel  che  credi  piacere 
XVI  261  R:  E  guardati  ongnora 

M:  E  guardati  e  procchura  ( —  guardatura) 
XVIII  23 — 24  R  :  E  guardati  ongnora 

Che  tu  non  facci  ingiuria 
!M:  E  guarda  che  con  furia 
Altrui  non  facci  ingiuria 
XVIII  35  —36  R  :  Ben  ti  chonsiglio  questo 

Che  se  tu  cholo  ligisto 
M:  Ma  è  milglore  acquisto 
Se  ttu  collo  legisto 
XVIII  175  R:  Ma  sse  pur  auenisse 

M:  Ma  se  pur  achadesse  ( —  facesse) 
XIX  91  R:  E  questi  al  buon  uer  dire 

M:  E  questi  al  mi  parere  (—  piacere) 
XIX  118  R:  Lo  tira  ciaschun'ora 

M:  La  tira  alla  misura  ( —  paura) 
XX  91  R:  Che  non  perde  in  un  motto 

M:  Clic  non  p^rda  di  butto  ( —  tutto) 

In  sänimtiichen  Fíillen  steht  M  ganz  für  sich  allein  da.     M  ist  also 
mit  Vorsicht  zu  benutzen. 

Die  nachbleibenden  codd.  CC^C'-^ZV  sind  sämtlich  schon  sehr 
lückenhaft  und  inbezug  auf  die  Lesart  inkorrekt  In  Z  und  V  er- 
reicht die  Verdorbenheit  des  Textes  einen  erstaunlichen  Grad.  C 
und  C2  zeigen  in  der  Sprache  überdies  dialektische  Eigenheiten 
(cf.  unten). 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  247 

C 

Steht,  wie  wir  schon  oben  sahen,  zwischen  der  Gruppe  R  und  B. 
Die  Lesart  folgt  aber  doch  am  häungsten  der  von  R.  Es  bietet 
der  cod.  aufser  den  erwähnten  folgende  Lücken:  V58;  VI  62  — 
VII  54;  1X20;  XIV  66,  wofür  ein  Raum  frei;  XIV  70;  XV  70 
(ebenso  C,  doch  hier  ist  ein  Raum  frei);  XV  150;  XVII  92  (so 
CO);  XVIII  118;  149  fehlt  teilweise;  159  —  160;  XIX  122,  160; 
XXI  210;  XXII  38.  Eine  weitere  Umstellung  liegt  XIX  10 1 — 102 
vor.  Nach  XV  14  schiebt  C  den  Vers  ein:  E  cotanto  ti  dico  to, 
was  eine  mûfsige  Wiederholung  von  v.  14  ist.  —  Dafs  C  nähere 
Verwandtschaft  mit  R  als  mit  B  hat,  geht  aus  einer  Anzahl  Stellen 
hervor,  in  welchen  es  mit  R  liest,  während  die  mss.  der  Gruppe 
B  dem  letzteren  folgen.  Es  genügt  die  Kapitel-  und  Verszahl  an- 
zuführen: XI  31,  37,  88;  XU  51;  XVI  14;  XX  iio;  XIX  128  (M), 
152  (M).  In  einer  ganzen  Reihe  von  Fällen  geht  C  zugleich  mit 
BNC'C*-^  und  R,  zuweilen  auch  gegen.  —  Für  die  Textkritik  hat  der 
cod.  wenig  Bedeutung;  er  kann  höchstens  zur  Stützung  einer  Lesart 
herangezogen  werden.    Seine  Inkorrektheit  mögen  Stellen  zeigen  wie: 

VI  47  C  :  Di  qui  nel  mondo 

R  :  Qui  e  nell'  altro  mondo 
VI  52  C:  Conde  nostro  nemicho 

R:  Che  è  nostro  nemicho 
VII  93  C  :  Chi  che  neghi  o  dica 

R:  E  chi  vi  neghi  o  dicha 
VII  143  C:  Chedam  bem  meçço  fatto 

R:  Ched  a  bon  mezzo  fatto  etc.  etc. 

Cl  und  C2 

stehen  einander  sehr  nahe,  ohne  jedoch  Kopieen  desselben  msc. 
oder  von  einander  zu  sein.  Beide  codd.  sind  Fragmente.  Die 
Lesart  ist  oft  sehr  verdorben.  C>  bietet  I  i— XX  4;  C^  XV  i— XX  4. 
Bevor  C-'  mit  dem  Text  beginnt,  hat  es  eine  lateinische  Einleitung, 
welche  uns  summarisch  den  Inhalt  des  Tesoretto  bis  XV  i  erzählt. 
In  C*  ist  nach  XX  v.  4  noch  XIX  i — 6  wiederholt  mit  einigen  ge- 
ringen Varianten.     In   beiden    codd.  fehlt,   aufser   dem   erwähnten, 

XVII  92  (in  C2  fehlt  auch  XVII  91).  Beide  codd.  haben  noch 
einige  jedem  eigene  Auslassungen.  In  C*  fehlt  VII  167;  XV  170 
(mit  Lücke);   XVII  104.     In  C^  XVII  91,   wie   schon    erwähnt  und 

XVIII  153,  an  dessen  Stelle  XVIII  93  gesetzt  ¡st.  C*  stellt  noch 
um  In — 12,  43 — 44;  V  19 — 20.  C^  setzt  XV  123 — 124  aus  Un- 
achtsamkeit zwei  mal.  —  Der  Vergleich  folgender  Stellen  wird  zu- 
gleich zeigen,  dafs  C^  und  C^  nicht  unmittelbar  aus  demselben 
msc  geflossen  sind,  und  dafs  C^  weit  verdorbener  ist  als  C*. 

XVI  130  RC:  II  SU  dispende  a  torto 

C*:  '1  tuo  despender  ad  torto 
XVII  76  R  :  Sua  chosa  o  in  serbanza 
C*  :  Sua  robba  ad  in  s^rbança 
C:  o  soa  cosa  in  s^ruanza 


248  B.  WIESE, 

XVII  98  R  :  Non  falli  1'  una  parte 
C*:  i«  nulla 

C^:  no  falli  la  mia  arte 
XVIII  IO  RC*:  Chon  uiso  di  baldezza  (C*  naso) 

C:  monstrar  grande  baldeza 
XVIII  69  RC»:  Chi  s' arischi' al  morire 
C:  Chi  s'addricza  ad  morire 
XVIII  106  RC«:  E  i' o  già  ueduto 
C«:  Et  tu  ai 
XVIII  183  R:  Mostrar  tutta  fra/fchezza 
C*:  uiua 
C*:  bona 

Ferner  XVIII  184,  187;  XIX  14,  41,  69,  80,  103,  104,  127.  —  Die 
nahe  Beziehung  zwischen  C^  und  C^  beweisen  andererseits  wieder 
Stellen  wie: 

XVI  234  R  :  Guardati  d'  ongne  fallo 

ce«:  Guarda  de  non  far  fallo 

XVII  65  R:  Si  che  lo  pegio  resta 

ce«:  Se  qlle  peggio  desta 
XVIII  28  R:  Che  la  giente  non  tarda 

ce«:  no«  arda 

XVIII  66  R:  Che  no«  uada  al  morire 

ce«:  no«  degia  amorire  (C«  morire) 

und  andere.  Es  wird  nicht  nötig  sein  nach  den  gegebenen  Proben 
noch  andere  Beweise  für  die  Unzuverlässigkeit  und  Verdorbenheit 
der  codd.  C^  und  C^  anzuführen. 

Z  und  V. 

V  ist  eine  wortgetreue  Kopie  von  Z;  dem  Kopiator  passiert 
es  nur,  noch  einige  Verse  mehr  auszulassen.  Die  Z  und  V  ge- 
meinsamen Lücken  sind  folgende:  I  43 — 44  fehlt  je  eine  Vershälfte; 
II  3,  7  ;  III  34;  V  6,  IG,  98;  VI  38;  VII  30,  64,  69,  74,  76, 148, 199, 
252;  VIII  27;  IX  17—18;  X  28  —  29,  37,  60;  XI  70,  85,  124,  164, 
182;  XIII  74;  XIV  75;  XV  16,  in;  XVI  54,  58,  152,  155;  XVI 
159  — XVII  16  incL;  XVIII  43,  159,  164;  XVllI  197— XIX  154; 
XIX  161;  XX  38,  93;  XXI  43,  46,  229,  265;  277 — 278  bilden  einen 
Vers;  XXI  344,  351  —  352;  im  Fav.  1  m — 116.  —  V  läfst  auTser- 
dem  noch  aus:  VII  152;  X  66;  XV  168  und  XXI  88.  —  Umstel- 
lungen nehmen  beide  codd.  vor  mit  V  18 — 19,  29 — 30,  103 — 104; 
XVIll  19  —  20;  XIII  17 — 18;  XV  69 — 70.  Aufser  den  gemeinsamen 
Einschühen  haben  Z  und  V  noch  folgende  besondere:  Nadi  I  73 
folgt  ein  Vers,  der  eine  Wiederholung  von  1  73  ist;  statt  XV  61—62 
liest  man  in  ZV  drei  Verse  und  nach  XVII  74  schieben  sie  einen 
Vers  ein.  —  Beachtenswert  ist,  dafs  die  beiden  codd.  mit  G  in  den 
sechs  dort  genannten  Fällen  mit  der  Gruppe  B  oder  mit  deren 
Gliedern  umstellen.     Wir  finden  hier,   wie   dort   eine  Reihe  Über- 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  249 

einstimmungen  mit  der  Lesart  dieser  Gruppe,  die  jedoch  ebenfalls 
nicht  ein  näheres  Verwandtschaftsverhältnis  konstatieren  lassen.  — 
Einige  Blüten  der  verdorbenen  Lesart  der  codd.  ZV  mögen  an- 
geführt werden,  um  ihre  völlige  Unbrauchbarkeit  zu  beweisen. 

I  2 1  R  :  In  duro  chonuenente 

Z:  Huom  duro  con  uentre  (!) 
I  64  R  :  Che'  n  uoi  sengnore  s' asomma 

Z:  Che  uoi  Signore  siete  in  norma 
I  94  R  :  Assai  ual  meno  chi  lo  tene 

Z  :  meglo 

IV  18  R:  Chonuien  che  si  chonsumi 

Z:  Conuiene  che  ssi  chostumi 
IV  32  R:  Dio  ciò  eh' eso  m' inpera 

Z:  Et  di  ciò  sommo  inpera  etc.  etc. 

F. 

Die  Fehler,  welche  dieser  cod.  bietet,  sind  gering;  gröfsere 
Mifsverständnisse  finden  wir  nur:  1  9,  116;  II  24,  26.  I  67  —  68 
hat  F  eine  eigene  Lesart.  I  11,  17;  II  28  verbessert  F  mit  den 
übrigen  codd.  Fehler  in  R.  I  20,  88,  log  liest  F  mit  sämtlichen 
mss.  gegen  R;  II  2  mit  den  übrigen  mss.  gegen  RM.  I  42,  II  14 
geht  F  mit  RM  gegen  alle  andern  codd.;  I  82  mit  CRN  gegen 
die  übrigen.   Es  steht  F  also  mit  M  etwas  näher  an  R  als  LSGNCZV. 

Für  den  Text  ist  also  R  zu  Grunde  zu  legen  und  nach  ihm 
vorzüglich  B,  LS,  N  und  G  zu  benutzen.  Für  die  Sprache  sind 
nach  R  die  codd.  LS  dann  N,  G,  F,  M,  auch  C  die  wichtigsten. 

2.    Die  Sprache. 

Bei  der  Untersuchung  über  die  Sprache  des  Tesoretto  haben 
wir  uns  in  erster  Linie  auf  die  codd.  RL  und  S,  nächst  ihnen  auf 
N,  G  und  M  zu  stützen.  Der  cod.  B  ist  für  diesen  Teil  mit  grofser 
Vorsicht  zu  benutzen,  weil  die  Sprache  ganz  dialektisch,  und  zwar 
lombardisch,  speziell  brescianisch  gefärbt  ist.  Folgende  Unter- 
suchung ergiebt  dies. 

I.  Vokale.  Häufig  finden  wir  den  Diphthong  at.  Die  archa- 
ische Form  ist  erhalten  in  òat/t'a.  Durch  Attraktion  entstanden  in 
bimatramenie,  mainerà,  aiba,  ai'biy  saìpù  saiputa  Formen,  die  sich  venez, 
entwickeln  zu  eba  etc.;  (cf.  Fra  Paolino  ed.  Mussafia).  —  Auslauten- 
des a  in  Partikeln:  unqua,  adonqua,  doch  daneben  donque,  au  er- 
halten in  pausoy  paraule\  zu  ao  in  laodaio»  —  e  i  nd  1  wechseln  viel- 
fach. —  Lat.  I  ist  erhalten,  wo  es  in  der  Schriftsprache  e  ward, 
in  digno,  pissi,  capii,  ditto  (daneben  detto\  promitti,  dimiiti,  quisti,  igi\ 
uidi,  timi,  siti,  patissi,  rmdisti,  —  Statt  e  finden  wir  1  in  auitf,  sapiie, 
wo  es  Konjugationsübergang  sein  kann;  ferner  in  fice^  prisi,  reprisi, 
inuir;  in  gitta  (was  übrigens  auch  gut  toscanisch  ist)  und  uinti,  i 
und  e  durch  Konjugationswechsel  in  uenere^  udere\  femer  in  ristrenge,      ^ 


250  B.  WIESE, 

conscglíoj  auenesse.  Der  Wechsel  zwischen  unbetontem  i  und  e  ¡st 
constant.  Vor  der  Tonjjilhe:  iigtialij  giniiiey  ¡ignagioy  amanlimnit^ 
prisofiey  uirmighy  erfahre ,  dis f acca  ^  picaio,  mimoriay  priiiose^  Itgero^ 
utniura,  diuimitoy  bimnançaj  itale ^  dinari  etc.  Andrerseits:  reiegno, 
ubcdirey  reprisi,  ordenaio,  creatura,  simplccemenie,  recemitiy  temorey  ueste- 
mente  y  piaccmentOy  rechecca  etc.  Nach  der  Tonsilbe:  (uùti,  tignati^ 
siadi\  dissi  und  nidi  als  3.  Person;  fini,  dui.  Andrerseits:  uergene, 
nahelcy  anema,  dodeci,  quinde,  húmele,  i  zu  o  va  promero,  —  Zwischen 
//  und  o  herrscht  ein  ähnliches  Schwanken,  In  betonter  Silbe:  laL 
//  erhallen  in  cur  rutta,  fussi,  multi,  dulci,  unqua.  Dagegen  0  in  :  fo, 
roppe,  fos,  congiùnte,  coloi,  ponto,  profondo,  adonque,  donqua,  iotio',  da- 
neben: fu,  ruppe,  congiunte,  colui,  o  zu  u  in:  nue,  griffuni,  leuni, 
imperaduriy  signuri,  homuri,  (cf.  Asco'li,  Archivio  glott  I  pag.  425 
Anm.  i).  In  unbetonter  Silbe  lat.  u  erhalten  in:  cului,  muliera, 
umore,  mundana',  o  zu  //  in  fiurini,  Lat.  u  zu  0  in:  soperha,  preson- 
tione)  femer  0  in  los  inga,  wo  die  Schriftsprache  u  hat.  0  in  to;i- 
loser  Silbe  zu  e  und  /*  in  segiorno,  sigionio,  desenore,  rinwre, 

II.  Con  so  nan  ten.  dj  zu  g'  in  megio,  —  /  zwischen  zwei 
Vokalen  zu  d  in  fiada,  siadi,  nada,  irouade.  c  zu  g  erweicht  in  se- 
gondo,  fatiga,  gosta,  perigolo,  —  Ital.  c  zwischen  zwei  Vokalen  zu  ç 
in  façço,  traçça,  força,  crucca,  trecce,  sacci,  piaçça,  procaçça,  inpaçça, 
tacca  etc.  Ital.  g'  zu  s  in  pensasotte,  misasato,  niasone,  rosone,  casone, 
stasone,  presio.  g  zu  j  in  saiette,  —  se  statt  scharfem  s  in  scilo, 
francesce.  Nach  ^lussafía,  altmail.  Mda.  ist  dies  nur  eine  Schreibung 
für  scharfes  s.  Statt  scia  haben  wir  ss  in  lassare,  rapisse,  pissi',  sj 
in  amhasiada,  angosia.  Statt  z  der  Litteratursprache  haben  wir  g  va 
giara,  ugino,  dongelle.  Endlich  schreibt  B  in  einer  Reihe  von  Fällen 
eia  statt  e:  auanciate,  menciogna,  natui,  mondecia,  presoncione,  giusticia, 
aneiy  inpieecia,  aueceia,  penetenciato,  acontancia,  sencia.  Ähnliche  dia- 
lektische Erscheinungen  bieten  die  codd.  C*  und  C*. 

I.  Vokale,  ai  va  C*  in  hailia\  mainerà,  bonairemenle;  faite, 
Tristaino,  C'-^  nur  in  aira  =  aria.  —  C*  bietet  a  statt  e  in:  spen- 
da ria,  cha,  sorta,  anorta;  tronar  ai  und  pilgan)  mit  ursprünglichem 
erhaltenen  a.  Durch  Konjugationswechsel  f erare.  In  C*  temare. 
Umgekehrt  in  C-^  die  Femininfonnen  mie,  sie  im  sg.  C*  hat  die 
mit  erhaltenem  e,  —  Schwanken  zwischen  /  und  e  in  betonter  und 
unbetonter  Silbe:  lat.  /  erhalten  in  C*  in  dicto,  quisto,  ilio,  atassia 
comic  to,  C^:  mino,  pa  risse,  dicto.  Ule,  inpromitti,  dimicii,  facissi,  iilj, 
eonmieto.  Statt  e  finden  wir  /  in  ('*:  prisi,  credia,  fice,  pina,  paria, 
aula,  di  ^  dei,  C-^:  amisi,  palisi,  prindi,  frino,  prisi,  auia,  poiia.  e 
statt  betontem  /.  C*in:  conseglo,  meschia,  aduenesse.  C  in:  ¿engna, 
strenge,  meschia,  Wechsel  zwischen  /  und  e  in  unbetonter  Silbe. 
Vor  der  Tonsilbe  C  in:  gintil,  dissu'o,  sirà,  mirauillia,  siluagio,  Hnare, 
riditore,  siria.  C-:  diuinuto,  biuiria,  uistimentj,  coriisiar,  siniscaigh, 
prouiduto,  prouidimento,  eortisia,  rigimentj,  uir gogna,  prenddert,  priaio, 
rinfrittar,  fir  mezza,  uider,  humilimente,  sapirà.  Andrerseits  C*:  hiam^ 
eeeante,  intendemento,  mesura,  eseurao,  seeuro,  obscuretade,  stabeK,  demite, 
engienochiaua ,  retengno,  degnetoso,  prencepesse,  reschiara,  UtêemomenfO. 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.         25 1 

C^:  deliiia,  demoráis  perdemenio,  deniorno,  rideiore^  teeltade,  accolglemenio, 
uedetore^  dedalo.  Nach  der  Tonsilbe  C*:  foi  =  fue,  cingi  =  cinge. 
C^:  grandj\  dujy  parenijy  uolgienij,  abenduj,  partir] y  ferir] y  primamentiy 
grata  y  ìanier].  Andrerseits  C*:  area  y  onne,  nohele.  C*^:  troue  y  dece 
(dieci).  Bemerkenswert  in  beiden  codd.  pr citi  =^  preti..  In  unbetonter 
Silbe  bietet  C^  douisa  durch  Einñufs  des  v;  comoy  cusiumo.  Zu  be- 
achten ferner  in  C^  giochio  statt  giocho.  In  C  finden  wir  die  Vor- 
liebe für  Anfügung  eines  tonlosen  e  nach  einem  /*,  welches  das 
zweite  Element  eines  Diphthonges  bildet,  am  Sclufs:  incontraiey  assaie, 
dimandale  y  tomaie  y  puoiCy  tuie  y  noie.  In  C*  lesen  wir  auch  serpienti 
und  priete  mit  Diphthongierung.  —  //  und  o.  In  betonter  Silbe  lat. 
f/ erhalten.  CMn:  profundo  y  secunday  punctoy  cursoy  conducto.  C*^  in: 
multo  y  crucey  dulciy  mundo  y  rotundo,  turrcy  cun,  lu  (Artikel).  Andrer- 
seits u  zu  Oy  wo  die  Schriftsprache  u  erhält.  C*:  foiy  pontoy  donqua, 
attore  y  gionto.  C'^:  nolhy  toa  y  touy  sou  y  tolto  y  onche,  aleone  y  piò^  ona, 
ingiora,  pontOy  paoray  foiy  gionto.  u  statt  í?.  C*  in:  uuiy  dispuse,  en- 
cuntra.  C^  in:  rispuse,  ungn\  In  unbetonter  Silbe  u  statt  o*  C* 
in  custunuinçay  pusaoy  pruuedutamentCy  custume.  C'-^  in  :  agustaro,  fun- 
damentOy  dur  amento  y  custumOy  cúrente',  Artikel  lu  y  praep.  cun',  cornu, 
moduy  tou,  souy  homu»  o  statt  unbetontem  u.  CMn:  uolgare,  odire, 
sogello.  C*  ¡n:  giollare,  borbanzay  sogello.  Beachtenswert  in  C: 
Juoroy  buoffone.  In  C^  e  statt  o  in  enor;  00  statt  uo  in  òoona;  ou 
statt  uo  in  paute  (cf.  Ascoli,  Archivio  glott.  I  p.  497  und  498).  eu 
statt  u  in  oeußon,  prouendeutamente. 

U.  Consonanten.  t  zu  d  C^  und  C^  in  quando  =  quanto', 
podeay  fiada.  Aus  c  wird  g  C*  in  assigurai.  Statt  scia  haben  wir 
ssia  (j/'ö)  C^  in  essicy  pulissicy  seguissie,  lasia  (cf.  possa  statt  poscia).  — 
b  zu  V  C^  in:  uasso,  trauactendo.  —  //  statt  l]  C^  in  falla,  l]  statt  / 
in  genlillieçça.  C*  lg  statt  l]  in  pilgarày  consilgare,  g  statt  //  in 
galgiardecza ,  melgior,  wofern  Igi  nicht  bloss  eine  Schreibung  für 
mouilliertes  /  ist  Femer  ingoglar  statt  ingoiar',  luoglo  statt  luogo, 
l]  zu  lg'  in  pauelgion,  wo  jedoch  gleichfalls  Igi  eine  Schreibung  für 
mouilliertes  /  sein  kann.  /  zu  r  C*  in  obriare',  geschwunden  in 
plecara,  wo  das  erste  r  zu  /  ward.     Metathesis  des  r:  C-^  in  toruai. 

—  n]  statt  n.  CMn  auegnire',  mn  zu  nn  ebenda  in  onnc.  C'^  wan- 
delt nd  zu  nn  in  bannito.  n]  zu  g'  C'^  in:  lingia]Oy  sigiar  y  uengio', 
vielleicht  ist  ngi  eine  Schreibung  für  mouilliertes  n.  n  eingeschoben 
C*  in  anbondui.  C*^:  prouendeutamente,  uenchi  (=  uecchi).  —  ]  statt 
g'  C^  in  ]udicare.  C^  in:  ]ocar,  ]orno,  ioco,  peiorary  iunto,  iudichi, 
maiory  coniunt],  ioua.     g'  fällt  C^  in  priato  {*pritiato,  *pri]ato,  priatd). 

—  Zu  erwähnen  ¡st  die  Schreibung  in  C"-^:  procaccia,  piaccia,  inpaczia. 
Im  letzteren  Falle  mit  sollaza  reimend,  und  daher  wohl  nur,  wie 
die  Schreibung  sencia  etc.  in  B,  scharfes  z  darstellend.  Ähnlich 
schreibt  es  ferner  largchcy  dogchanay  longchoy  alongcha.  Bei  den  Si- 
bilanten ist  zu  bemerken,  dafs  ('-  in  cortisiar  und  busia  s]  erhält. 
£s  schreibt  einmal  auansasse. 


252  B.  WIESE, 

Lautlehre.1 

Bei  der  nun  folgenden  Untersuchung  folge  ich  der  Anordnung 
der  Schrift  von  Caix:  Le  origini  della  lingua  poetica  italiana  etc., 
Firenze   1880. 

Vokalismus. 

Einfache   Vokale. 

Betontes  a, 

§  I.  £s  bleibt  erhalten.  Für  lat.  aqua  bieten  sämtliche  codd. 
die  Form  aqua  oder  acqua. 

§  2.  Wir  begegnen  einige  male  der  Form  g  reue  in  mehreren 
codd.,  und  zwar  stets  aufserhalb  des  Reimes  bis  auf  XV  44,  wo  N 
CS  im  Reime  zu  soaue^  jedenfalls  also  hineinkorrigiert,  bietet  Das 
Wort  findet  sich  in  folgenden  Stellen. 

greue         VI    48  R  graue  LSGMBNCC»Z 
VII  102  BM  grieue  N  graue  RLSGCC«Z 

VII  236  graue  RLSGMBNCC«Z 

r.      XVI    44  N  graue  RLSGMBCC'Z  (-soaue) 

XVI    72  RG  graue  LSM  (BNCC«C«Z  gran) 

XVII  276  graue  RLSGMBNCC«C«  (fehlt  Z) 

XVII    35  graue  RLSGNBCC«C«Z  (grande  M) 

XVII    59  graue  RLS  (grande  die  andern  codd.) 

XVII  103  graue  alle  bis  auf  MZ:  grande 

XVIII    71  graue  RLSGBCC«C«;  grande  MNZ 

XVIII    85  BC  graue  RLSGNC*Z;  grande  MC*. 

Die  Form  mit  e  ist  gemeinromanisch.  D.  G.  I^  147,  und  auch  in. 
italienischen  Dialekten  verbreitet.  (Mussafia,  Altm.  Mda.  §1).  Sehr' 
oft  findet  man  sie  bei  den  italienischen  Lyrikern  und  noch  bei 
Dante  (cf.  Voc.  dant.  unter  dem  Worte)  und  bei  Petrarca.  In  un- 
serem Gedicht  finden  wir  es  an  fünf  Stellen;  die  eine  Stelle  im 
Reim,  XVI  44,  ergiebt  sich  aus  dem  Reimwort  soaue  als  eine  Al- 
teration von  N.  Unter  den  übrigen  vier  Fällen  bietet  R  es  in 
zweien,  und  in  diesen  ist  es  beizubehalten,  weil  R  in  sprachlicher 
Beziehung  der  korrekteste  Text  und  die  Form  gut  toscanisch  ist 
In  der  Intelligenza  '^  haben  wir  p.  48  grieue  in  beiden  codd.:  p.  66 
im  magi,  g  neue,  im  gadd.  greue.  Häufig  ¡st  das  Wort  grame  mit 
grande  vertauscht,  wie  aus  der  Zusammenstellung  der  Fälle  ersicht- 
lich ist.     Die  Form  mit  a  ist  von  Anfang  an  gebräuchlich. 

§  3.    Die  Form  clero  begegnet  zweimal  im  Reim:  VII  68  ImciferO' 
clcroy   XX  39  crera-peray  cf.  Caix,  Orig.  §  3.     Intll.  p.  7  cUro  auiser- 


*  Das  citierte  Wort  oder  der  citierte  Vers  ist  stets  die  genaue  Lenrt 
des  cod.,  dessen  Chiffre  ihm  zunächst  folgt.  Die  genaue  Lesart  der  übrifen 
codd.  führe  ich  nur  dann  gleichfalls  auf,  wenn  es  far  den  gegebenen  FaD 
nötig  ist.  £in  r  vor  einem  Citate  bedeutet,  dafs  das  angeíShrte  Wort  sicli 
im  Reim  befindet. 

'  Ich  citiere  die  Beispiele  aus  diesem  Gedichte  nach  der  SeiteniaU  der 
ed.  Daelli,  im  übrigen  aus  meiner  Kopie  beider  mss. 


DER  TKSORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  253 

halb  des  Reimes;  sonst  finden  wir  nur  die  Fonnen  mit  a  aufserhalb 
des  Reimes  in  diesem  Gedicht.     Im  Reime  clera  p.  12. 

Unbetontes  a, 
a  =  e  (i). 

§  4.  Im  Futur  und  Conditionale  der  i.  kong.  stimmen  sämt- 
liche codd.  mit  Ausnahme  von  B  und  C*-^  darin  überein,  a  nach 
toscanischer  Weise  in  e  zu  wandeln. 

§  5.  Hier  sind  einige  weitere  Fälle  von  a  zu  e  (1)  im  An-  und 
Inlaut  zu  betrachten.»  V  66  gerire  RSGMC,  guanre  BNC  Die 
Form  mit  e  ist  beizubehalten.  Wir  haben  auch  IntU.  p.  13  guen- 
gtoncj  und  überdies  bieten  fünf  codd.,  unter  ihnen  R  und  S,  die 
Form  mit  e,  XV  159  iuaccio  R  in  LSGMZ  auacdo  (fehlt  in  den 
übrigen  codd.).  Nach  D.  E.  W**  353  von  abacius  abaciiare.  Diez 
führt  auch  altcat.  yvaç  an;  die  Form  mit  a  wird  die  ältere  mit  i 
verdrängt  haben;  man  berücksichtige  die  Vorliebe  sämtlicher  ro- 
manischen Sprachen  für  a  in  unbetonter  erster  Silbe. 

XXI  138  biastimiasti  RLBNZ  bestemiasti  SGMC. 
247  biastemiare  RLB        beslemiare  SGMNCZ. 

*  Nur  um  eine  Lesartfrage  handelt  es  sich  VI  14. 
RLSGCC«NZ  lesen:  //  terzo  ciò  mi  pare 

Ispectfichò  lo  mare  (R) 
B  und  M:  Spacificò  lo  mare. 
Zannoni  adoptiert  die  Lesart  M  und  sagt:  Spacificò.  Cosi  nel  cod,  M.  In 
tutti  gli  altri  leggesi  specificò.  —  Chi  volesse  ricever  per  vera  questa  lenone, 
dovrebbe  al  verbo  specificare  dar  nuovo  significato ,  ed  a  questo  passo  inter- 
pretazione ricercatissima.  Infatti  sarebbe  da  dire  y  che  Iddio  die  forma  in 
certo  modo  alle  acque  da  sé  già  create,  le  quali  coprivano  la  terra^  raunan- 
dole  in  un  luogo,  e  chiamandole  mare  (Genes,  cap.  I  v.  9.  io).  AIP  opposto 
la  lezione  del  cod.  M  da  me  adottata  dà  senso  facile  e  semplicissimo.  Mercè 
di  essa  si  viene  a  dire,  che  Iddio  die  spatio  al  mare,  cioè,  che  lo  pose  tra 
confini  (V.  la  Crusca  alla  v.  spazio),  formandolo  col  raunamento  delle  acque 
qua  e  là  sparse;  e  siam  d* accordo  col  sacro  Ubro  dei  Prorerbj,  ove  la  Sa- 
pienta  dice  al  cap.  8.  Aderam  ....  quando  circumdabat  mari  terminum 
suum,  et  legem  ponebat  aquts ,  ne  transirent  fines  suos.  Il  verbo  spacificare 
adunque  aggiungasi  al  vocab.  Dem  entgegnet  Bene!  in  der  Antologia  di 
Firenze  T.  XVI  p.  145  sehr  richtig:  Io  non  intendo,  oome  il  verbo  spacificare 
{tutto  nuovo  della  lingua)  potesse  significare  dare  spau'o  determinato,  cioè, 
porre  tra  confini.  Neppure  intendo  perchè  specificare  dovrebbe  qui  significare 
dare  forma  in  certo  modo  alle  acque  già  create,  le  quaU  coprivano  la  terra, 
raunandole  in  un  luogo,  e  chiamandole  mare  ....  Egli  cita  i  versetti  9  e 
IO  del  cap.  I  della  Genesi.  Io  gli  trascrivo.  9.  Dixit  vero  Deus:  congre- 
gentur  aquae,  quae  sub  coelo  sunt  in  locum  unum:  et  appareat  arida.  Et 
factum  est  ita.  io.  Et  vocavit  Deus  aridam  terram:  congregationesque  aqua- 
rum  appellava  maria.  Se  questi  due  versetti  non  si  confondono  l*uno  coli* 
altro:  se  il  primo  de*  suddetti  versi  di  Brunetto,  cioè,  spacifico  lo  mare  si  ri- 
ferisce al  solo  decimo  versetto,  e  il  secondo  verso  E  la  terra  divise  al  versetto 
nono;  mi  pare  che  il  verbo  specificare  sia  qui  bene  usato  seoondo  la  definiùone 
stessa  del  vocabolario,  e  che  non  sia  luogo  al  nuovo  verbo  spacificare,  il  quale 
significherebbe  forse  accrescere  piuttostochè  determinare  lo  spazio.  Was  Bru- 
netto mit  dem  specificò  hat  sagen  wollen  j  scheint  mir  am  sichersten  aus  fol- 
gender Stelle  des  Trésor  hervorzugehen  :  Et  sachiez,  que  ce  est  la  grant  mer 
qui  est  apelée  Oceane  de  quoi  sont  e  stratte  s  toutes  les  autres  qui  sont  parmi 
Us  terres  diverses,  et  sont  ausci  comme  braz  de  celi  ....  CXXII  p.  151. 


254  '^-  avíese, 

In  beiden  Fällen  ¡st  die  ursprüngliche  Fonn  mit  a,  wie  sie  R  und 
eine  Reihe  anderer  codd.  bieten,  beizubehalten.  In  der  Mitte  a  zu 
é  in  III  13  margherite  LSGMNZ,  aber  marghan'ie  RBCC^V.  Die 
Lesung  mit  e  ist  zu  bewahren.  Intll.  p.  24  im  cod.  magi,  marga- 
rita\  im  gadd.  margherita,  p.  10  und  15  auch  im  cod.  mag!,  die 
Form  mit  e.  Auch  im  fut.  der  i.  konj.  ist  a  stets  zu  e  geworden; 
zu  beachten  ist,  dafs  V  margarite  hat,  während  es  eine  Kopie  von 
Z  ist,  welches  margherite  liest.  1  27  henenama  LBNC,  in  S(jM  mit 
Übergang  dos  sekundärep  e  in  /  beninanza.  In  C  ist  ausradiert, 
was  da  stand,  und  von  Ubaldim's  Hand  beninanza  (C*  entnommen) 
hineingeschrieben.  R,  und  ihm  folgend  Z,  hat  bene  aimnza.  Aus 
diesem  Fehler  ist  die  Form,  wie  sie  Brunetto  schrieb,  zu  erschliefsen: 
benananza.  Das  zweite  n  ward  für  //  angesehen  und  dem  ben  der 
vermeintlich  apokopierte  Endvokal  angehängt 

VII  62  beninanza  RLSGMBNC«   benenança  CZ 
82  malenanza  RLSGMNCC*   malinança  B 
XVII    7  benenanza  RMC  beninanza  LSGBN; 

C^  schreibt  1tenignança\  C"^  ist  gänzlich  verdorben,  die  Vorlage  hatte 
aber  sicher  ebenso.  (Hierzu  cf.  Nannucci  Verb!  p.  37  nota  4). 
XXI  95  Itenimviza  RLSGMBC'  benenança  N.  Die  Worte  kommen, 
wie  schon  Nannucci  loc.  cit.  richtig  angiebt,  von  benanan,  maianan, 
Caix  Orig.  j^  167,  p.  179,  will  sie  aus  benignus^  tnalignus  herleiten. 
Gaspary,  Ztschr.  IV611  weist  diese  Deutung  als  unhaltbar  zurück. 
An  der  zuerst  angeführten  Stelle,  I  27,  glaube  ich  die  Form  bena^ 
nanza  einführen  zu  können.  Im  übrigen  sind  Formen  mit  e  und  1* 
gleich  gut  belegt.  Das  Schwanken  zwischen  diesen  beiden  Vokalen 
ist  nicht  weiter  befremdlich.  Für  das  westliche  und  mittlere  tos- 
canische  Gebiet  wurde  /*  bevorzugt  (cf.  Caix  Orig.  §  18).  XI  70 
balsimo  RMN  balsemo  C,  die  übrigen  codd.  balsamo.  Auch  hier 
ist  mit  R  zu  lesen.  Intll.  p.  89  beide  codd.  ihbahimaro^  p.  70 
beide  codd.  ^nbalsimati.  XX  55  ist  ceser  in  MN  der  Form  cesar 
der  übrigen  mss.  gegenüber  zu  ver\verfen.  In  der  Intll.  nur  die 
Form  mit  a, 

%  6.  a  zw  e  am  Schlüsse.  XI  166  ancone  im  Reime  mit  regùme. 
In  CZ  zu  ancofia  alteriert;  gleichfalls  in  M,  welches  aber  einen 
vollen  Reim  gewinnt,  indem  es  v.  165  umgestaltet,  a  ist  erhalten 
in  Fiorenza  II  2,  45,  72. 

XVI  159  oltre  praep.  RLSMB^■CC»  oltre  a  G 

XIX    64  oltra  adv.  R  alle  andern  codd.  oltre. 

VII    66  unque  RLSGMNC»Z        unqua  BC 

169  ognunqua  LS 
XV  133  unqua  RB  unque  LSGMNCC»C« 

XX    69  dunque  RLSGMCZ  adunqua  BN 

77  dunque  RLSGMNCZ        donqua  B 
XXI    28  unque  RL*SGNC  unqua  BZ. 

*  L  liest  infiasti  in  quello.  Der  dem  Kopiator  vorliegende  cod.  hatte 
inßastiunquello  oder  infiastunquetlo\  S  kopiert  richtig. 


IL' 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  2SS 

Bei  o//re  und  unçue  und  dem  wie  uncut  behandelten  dunque  ist  fast 
nur  die  Form  mit  e  sicher  bezeugt.  R  hat  einmal  unqua  und  ein- 
mal oHra.  Hier  behalte  ich  die  Form  mit  a  bei,  welche  bei  den 
Lyrikern  gewöhnlich  ist  (cf.  C'aix,  Orig.  §  7).  VII  169  ognunqua  in 
LS  ist  eine  verkehrte  Lesart.  Der  cod.  B  kann  nicht  als  Stütze 
fur  die  Formen  auf  a  dienen;  sie  waren  in  allen  norditalienischen 
Dialekten  einheimisch,  cf.  Mussafia,  Altmail.  Mda.  §  6;  Katharinen- 
leg.  p.  4.  Fra  Paol.  Vocali  5.  In  der  Intll.  haben  wir  p.  34,  36 
und  98  oHre  als  praep.  p.  97  im  cod.  magi,  olirà  /,  im  cod.  gadd. 
olire  a!.  p.  25  qualunque  a  magi.;  qualunqua  gadd.  p.  31  ouunqu*io 
magi.;  ouuncKio  gadd.;  p.  41  ouwique  beide  codd.  p.  45  magi,  dun- 
qua^  gadd.  dunque;  p.  61  qualunquera  magi.,  qualunque  gadd.;  p.  68 
unqtialirometäi  beide  codd.;  p.  91  qualunque  beide  codd.  Auch 
hier  werden  also  die  Formen  mit  e  bevorzugt. 

§  7.  Hier  zu  erwähnen  sind  schliefslich  die  adv.  ore,  iullore, 
latore^  anchore,  allore^  welche  nicht  mehr  in  dieser  Form,  aber  in 
der  apokopierten  or,  iuttor  etc.  im  Tesoretto  vorkommen.  Gaspary, 
Sic.  Dicht  p.  2 1 1  Anm.  i  giebt  die  richtige  Erklärung  für  diesen 
sonst  auflalligen  Schwund  des  ursprünglichen  a,  indem  er  annimmt, 
dafs  ein  iutt^ore,  spess^ore,  manfore  vorausging,  in  denen  das  ore 
regelrecht  als  plur.  steht;  danach  bildete  man  dann  ore^  or  etc. 
Ebenso  fafst  Caix  die  Erscheinung  auf,  wenn  er  Orig.  %\<yò  p.  127 
sagt:  Da  finale  cade  in  Or  e  composti:  lutior,  ancor,  qualor  ec,  cui 
precedettero  perd  forme  con  e:  ore,  ttUtore  ec. 
v^  8.    a  ZM  0. 

V    58  chontra  praep.  RLSGMBNC»Z* 
VII    72  'ncontro  al  RLSGZ  contra  1  BC»M  contra  il  NC 
Xm    32  contra  praep.  RLSMBNÇC»  contro  a  GZ 
XIX  135  Incontra  ala  G  Inchontro  ala  RMBNC'C^  Incontra  la  LSC. 

Nur  contra  ist  gut  bezeugt.  In  Fällen,  wie  VII  72,  XIX  135  ¡st 
schwer  zu  entscheiden,  was  das  Ursprüngliche  gewesen  ist,  ob 
fCchontral,  welches  dann  in  ^nchontra  il  oder  *nchontro  al  aufgelöst 
wurde,  oder  *nchoniro  al,  welches  *nchonlral  *nchonlra  il  wurde.  Mir 
scheint  das  erstere  das  natürliche,  und  demgemäfs  lese  ich.  Yj& 
wird  durch  die  von  allen  codd.  gestützte  zweimalige  Lesart  chontra 
wahrscheinlich.  Intll.  p.  14  contra  magi.;  p.  30,  31,  41  beide  in- 
contra', p.  41  und  p.  81   beide  incontro. 

Betontes  e. 

e. 
< 

§  9.  Wir  untersuchen  zunächst,  in  wie  weit  das  Gesetz  der 
Diphthongierung  des  betonten  e  in  offener  Silbe  bereits  bei  Bru- 
netto durchgeführt  ist.  Der  coa.  B  bietet  seinem  Dialekte  gemäfs 
fast    ausschliefslich   undiphthongierten   Vokal.      Nur   dreimal   diede. 


*  Der  Vers  fehlt  in  C;  Ubaldini  schrieb  contro  hin.  Auch  V  liest  con- 
tro. Wo  codd.  bei  den  Citaten  nicht  mit  angeführt  sind,  fehlt  in  ihnen  der 
Vers,  oder  sie  lesen  anders. 


256 


B.  WIESE, 


zweimal  pietre^  zweimal  piede  und  je  einmal  fiero  und  da  n'en. 
stelle  die  vorhandenen  Beispiele  zusammen: 

I    84  priegho  subst.  RSGMNCZ 


Ich 


r. 


prego 


X    79  priegho  vb. 
XV  159  priego  vb. 
XV  211  priegha 
XVI      9  priegha 
XVn    91  pregho  subst. 
XVII    99  priegho  vb. 
XIX  236  priego  vb. 


LBC» 
MBCZ 
RLSGZ 
RLSBCC»C* 


RLSGNC»  prego 

M  pregho 

MGNZ  pregha 

R  (die  übrigen  codd.  pregò) 

RLSGBNC  priego        MC«Z 

RGMNC»  prego         LSBCC«Z 

LMNC»  pregho      RSGBCC«Z. 


r. 

I    94 

tiene 

GZ 

tene 

RLSMBNCC« 

r. 

II    53 

tiene 

Z 

tene 

RLSGMBNCC« 

r. 

VII    98 

sostiene 

GCC'Z 

sostene 

RLSMBN 

r. 

VII  259 

ritiene 

GCC»Z 

ritene 

RLSMNB 

r. 

VIII    22 

tiene 

Z 

tene 

RLSMGBNCC» 

r. 

XI    45 

sostiene 

C<Z 

sostene 

RLSGMBNC 

XI    51 

tien 

RLSGMC«Z 

ten 

BN 

r. 

XII    29 

tene 

RLSGMBNCC» 

XV    40 

tieni 

RLSGMNC»C«Z  teni 

BC 

XV  177 

tien 

LSGZ 

ten 

R 

r. 

XV  186 

ritiene 

RNZ 

ritene 

LSGMBCC«C* 

XVI    87 

tieni 

RLSMNCC«C2Z  ten! 

B 

r. 

XVI  145 

tiene 

RZNC« 

tene 

LSGMBCC* 

r. 

XVII    60 

tiene 

C» 

tene 

RLSGMBNCC>Z 

XVII    90 

tieni 

RLSGC»Z 

teni 

BC« 

r. 

XVIII    34 

mantieni 

NZ 

mantene 

RLSGMBCC»C« 

XX I  230 

tiene 

GMNCZ 

tene 

RLSB 

*^av. 

II    26 

tien 

RLSGMNCFZ. 

r. 


r. 


r. 
r. 


I      9 
I  109 

II    54 

IV    18 

VII  146 

VII  260 

Vili     21 

vili   29 

X  82 

XI  46 

XII  56 

XV  80 

XV  157 

XV  183 

XV  185 

r.  XVII    59 

r.XVlll    07 

XIX    89 


r. 

r. 
r. 

r. 


conuiene 

auiene 

uiene 

chonuien 

uien 

uiene 

conuiene 

chonuien 

uiene 

conuien 

chonuiene 

conuiene 

uiene 

auiene 

uiene 
chonuien 


NZ 

LSGMNC 

NZ 

RLSGMNZ 

LGMN 

C«NZ 

Z 

LMGN 

RLSGMNCC»Z 

RC»Z 

LSGMNC  »Z 

GC«Z 

Z 

GMZ 

RNZ 

Z 
RLMNC* 


chonuene 

auen 

uene 

conuen 

uen 

uene 

uene 

chonuene 

conuen 

uene 

chonuen 

chonuene 

chonuene 

uene 

auene 

auene 

uene 

conuen 


RLSGMBCC> 

RBC<Z 

RLSGMBCC> 

BCC» 

RSBCC« 

RLSGMB 

RLSGMBNCCi 

RSBCC« 

B 

LSGMBNC 

RBC 

RLSMBNCC« 

RLSGM 

RLS 

lsgmbcc«  c< 

rlsgmbncck:*z 

rlsgmbcc'c« 

SGBCCt 


DER  TBSOkRTTO  UND  PAVOLELLO  B.  LATINOS. 


257 


XX    49  uien 

LSMCZ 

uen 

RGBN 

XXI    86  chonuien 

RLSGMNCZ 

chonuen 

B 

r.     XXI  190  attiene 

RZ 

auene 

LSGBN 

r.     XXI  198  uiene 

RGZ 

uene 

LSMNBC 

XXI  278  uien 

RLSGMNCZ 

V.           I    85  uien 

RLSGMNCFZ 

I    13  siele  LSGMNCZ  sete  RC^B. 

Nur  se'\   so  XVI 192,  2$$;   XVII  28,  89;  XVHI  26;  XXI  33,  57,  65,  94,  108, 

202;  Fav.  I  4;  n  22.  % 


Vn  185  sieguono 

LS 

seguon 

RMGBNC 

XVI  182  sieghui 

LS 

segue 

RGMCC«C«BN 

xvm   18           — 

segue 
era 

RBNC«C« 

II      4  iera 

N 

RLSGMBCC»Z 

37             - 

era 

RLSGMBNCC« 

48            - 

eran 

RLSGMBNCC»Z 

49             — 

era 

RLSGMBNCC»  Z 

r.  XVra  204  iera 

RLSGNC» 

era 

MBCC* 

XXI    10 

era 

RLSGMBNCZ. 

XXII  34  ist  die  Entscheidung  für  RGNC  schwierig.  Sie  haben 
tiliera.  Es  fragt  sich,  ob  es  =  eli* iera  oder  elli  era  sei,  oder  ob 
i  nur  den  mouillierten  Laut  bezeichnet.  Ähnlich  LSM  egliera,  B 
hat  igiera',  Z  chi  era.     XIX  57  iera  MN,  era  LSGMBCCtC-^. 


diede  kommt  nur  in  dieser  Form  vor.  VU  59,  171;  XII  49  hat 
S  dedej  alle  andern  codd.  diede,  XIX  211  hat  C'^  dede,  die  übrigen 
codd.  diede.  Das  zweimalige  dede  ist  aus  dem  Dialekte  der  Kopia- 
toren  von  B  und  C*  eingeführt 


r.           I    83  niego 

SGMCZ 

negho 

RLC»BN 

VII    93  nieghi 

LSGMNC» 

neghi 

RBCZ. 

vn    IS  richiede 

RLSGMNCC»Z 

richede 

B 

XVI  249  chiede 

RGMNCC»CaZ 

chide 

LS  chede  B 

XX    17  chero 

RLSGMBNC 

chiero 

Z 

V.         II      6  chero 

RLSGMCF 

chiero 
sedi 

Z. 

XV  200  siedi 

RLSGMNCC»CäZ 

B 

XVni  123  fiede 

LSGCCa 

fere 

RBNC<Z 

r.    XXI  300  criepa 

LSGMNCZ 

crepa 
fere 

RB. 

r.       m      8  fiere  subst. 

RLSGMNCC»Z 

B 

r.     Vni    24  fiero  adj. 

LMNBC»Z 

fero 

RSGC 

XI    92  fiera  adj. 

MC«Z 

fera 

RLSGNBC 

r.    XTIT    IO  fiero  adj. 

MC« 

fero 

RT.SGBNCZ 

Mtaelir.  L  t^m,  PhU.  VII. 


»7 


258 


B.  WIESE, 


I  53  matera,  und  so  V  17;  VI  75;  X  45;  XVI  16  in  allen  codd. 


X  46  brieue 

XI  16  brieue 

XVn  27  brieue 

XIX  50  brieue 

XIX  130  Heue 

r.        III  56  miei 

r.    XIII  63  miei 


in      9  cielo 
XI    13  cielo 

r.        VI    30  triegua 


XI    92  pie  RLSGMBNC»Z     pe 

XVI    75  piede  alh  codd. 
r.      XX    72  piedi  RLSGMNXZ         pedi 


z 

MZ 

GMC«Z 
LGC« 

breue 
breue 
breue 
breue 

leue 

mei 
mei 

â.  pietre. 

celo 

tregua 

RLSGMBNCC» 
RLSGBNXC» 
RLSBNCC« 
RSMBNCC*. 

LSGNCC« 

RSGMNCZ 
RT«SGMNCCtZ 

RBC  2. 

LC»B 
B. 

3,  XI  33  alle  cod 

RLSGMNCC»Z 
RLSGMNBCC»Z 

B 

RLSGMNCZ 

BC«. 

Kav.  I      4  — 

XIV    67  insieme 
XXII    50  insieme 

XV  162  diece 


mele 


C 

B. 

RLSGNCF. 


RLSGMNCCiB    inseme        B 
RLSGMNCZ        inseme        B. 


SGMCZ 


dicle 


r.  XVin  200  arrien  RLSGMNCC»       a  reri         B 

r.     XXI  108  diricri  RSGMBN  direri  L. 

Ferner  zwei  Worte,  in  denen  ein  tonloses  e  der  Endung  mit  Grand— 

läge  des  ita!.  Lautes  ist: 

X    18  misticro  RZ  mistero  LSGMBNCC* 

Z  mesterò  RLSGBNCC* 

Z  mistero  RLSGMBNCC> 

MZ  mistero  RLSCBNCCC« 

MZ  mistero  RLSGMBNCC«C« 

C  mesterò  RLSGMBKC>C*Z 

FZ  mistero  RLSGMNC 


X  87  mestiero 

XI  10  mestiero 

XV  12  mestiero 

XVI  19  mestiero 

XVIIl  2  mistieri 

Fav.           I  55  mestiero 


RLSGMNCC'Z     schera 
RLSGMNCC'C»  schera 


B 
B. 


III      g  schiere 
XIX     7»)  «ichiera 

Aus  iliesor  Zusammenstellung  gt^ht  her\*or,  dab  es  darcfaans 
noch  nicht  zu  einer  streng  durchgeführten  Regel  im  Gebraodie  der 
Formen   mit  /e*  und  c-  gekommen  war,   dafs  nelmdir  beide  neben 


DER  TESÖRETTO  UND  FAVOLELLO  ß.  LATINOS.  2$q 

einander  verwendet  wurden.  Undiphthongierte  und  diphthongierte 
Formen  von  pregare,  tenere,  uetiire  sind  sicher  belegt.  Die  Form 
sete  in  R  =  stete,  wie  alle  übrigen  codd.  lesen  (die  Form  siti  in 
B  kommt  als  dialektisch  nicht  inbetracht,  wie  überhaupt  Formen 
aus  diesem  cod.  nie  allein  eine  Sache  stützen  können)  ist  daher 
beizubehalten  ;  sí  kommt  nur  so  vor.  iera  ist  einmal  sicher  belegt 
im  Reime  mit  charriera,  iera  in  der  IntU.  p.  69  im  cod.  magi.; 
p.  7 1  an  erster  Stelle  ebenda  ;  an  zweiter  Stelle  in  beiden  codd. 
p.  77  ieran  und  iera  im  cod.  magi.  Von  dare  ist  nur  diede  an- 
gewendet. Von  seguire,  negare  und  ferire  sind  die  undiphthon- 
gierten  Formen  als  die  ursprünglichen  anzusehen;  dagegen  ist  siedi 
sicher  belegt  und  neben  zweimaligem  chero  ein  richiede  und  chiede. 
Die  Form  criepa  ist  so  wenig,  wie  siete  I  13  aufzunehmen;  das  Reim- 
wort lautet  epa,  Ist  der  Gebrauch  der  undiphthongierten  Formen 
überhaupt  bei  Brunetto  nachgewiesen,  so  liegt  es  viel  näher,  in 
solchen  Fällen  eine  Alteration  von  Seiten  der  toscanischen  Kopisten 
im  Sinne  ihrer  Sprache,  d.  h.  von  e  in  ie,  als  eine  etwaige  Anpassung 
eines  criepa  an  das  Reimwort  epa  anzunehmen.  Sicher  belegt  ist 
das  subst  fiere\  dagegen  nur  fero  adj.,  mistero,  matera,  breue,  XDC 
130  ist  leue  zu  belassen.  Die  dipthongierten  Formen  sind  un- 
bestritten in  miei,  pietre,  schiera,  cielo,  triegua,  pie,  insieme,  diece;  di" 
rieri,  arrieri.     Doch  mele. 

Auf  eine  beachtenswerthe  Thatsache  will  ich  nicht  versäumen 
hinzuweisen,  dafs  sich  nämlich  die  undiphthongierten  Formen  vor- 
züglich im  Reim  erhalten  haben,  und  dafs  wir  hier  die  gröfste 
Übereinstimmung  der  codd.  finden:  I  9  chonuene^bene',  I  93  bene^tene', 
II  53  tene^uene',  VII  97  pene^sostene',  VII  29  ritene^uene',  VIÙ  21  uene* 
tene\  XI  45  sostene^uene;  XII  29  tene^bene',  XVIII  33  beue'-mantene',  XV 
79  bene-chonuene',  XV  157  chanuene-bene',  XVII  59  auene-tene;  XVII  67 
uene^bene.  Andrerseits  finden  sich  die  diphthongierten  Formen  vor- 
züglich ausserhalb  des  Reimes;  wo  sich  hier  eine  undiphthongierte 
Form  zeigt,  ist  sie  lange  nicht  von  so  vielen  codd.  beibehalten, 
wie  im  Reime,  aufser  bei  prego,  Z.B.  XV  177  /«i  R;  XXI  230  tene 
RLSB,  femer  I  109;  VIII  29,  XII  56;  XV  183;  XX  49. 

Doch         I    84  R:  negho-pnegho  (N) 


XI    45 

sostene-uiene 

XV  185 

auiene-ntiene  (NZ) 

XVI  145 

ticne-bene 

XXI  189 

pene-auiene 

XXI  197 

bene-uiene. 

In  diesen  Fällen,  mit  Ausnahme  von  XV  185,  glaube  ich  R  korri- 
gieren zu  dürfen,  indem  ich  die  undiphthongierten  Formen  statt 
der  diphthongierten  einführe.  1 84  haben  allerdings  die  meisten 
codd.  pn'egho  als  subst,  und  es  läge  nahe  nach  toscanischem  Ge- 
brauche niegho  einzuführen  ;  doch  einmal  haben  wir  XVII  9 1  pregho 
als  subst  sicher  belegt,  und  andrerseits  bietet  R  auch  VII  93  die 
undiphthongierte   Form   neghi.     Der  Fall  XV  185   könnte  eine  Al- 

17* 


26o  B.  WIESE, 

teration  in  R  sein;  der  cod.  N,  welcher  R  stützt,  führt  auch  sonst 
conscquenter  als  irgend  ein  anderer  cod.  die  Formen  mit  ie  ein; 
Z  ist  zu  jung,  um  inbetracht  zu  kommen.  Dafs  ie  und  e  reimen, 
¡st  übrigens  erlaubt.  Vili  23  iegtero-/ero\  III  56,  XIII  63  müt-ier^ 
III  29  cielO'Uelo\  XX  71   uedi-piedu 

55  10.  ?  in  offener  Silbe  vor  Vokalen  ist  fast  durchgängig  i 
geworden;  wir  haben  jedoch  einige  sichere  Beispiele  mit  erhaltenem 
€,     dio  haben  sämtliche  codd.  II  16;   V  46,  65;  VI  2;  VII  29,  165; 

X  2,  88;  XVU  114;  XIX  222\  XXI  192,  261;  XXII  43.  Doch  XX 
32  deo  in  RLSGNC,  dio  nur  in  MB.  Z  hat  Onde  statt  Ai  deo,  wo- 
raus gleichfalls  ein  deo  zu  erschliefsen  wäre.  Für  lat  rltus  war  die 
überwiegend  gebräuchliche  Form  reo.  III  45;  VII  145  alle  codd. 
so.     XVI  55  alle  codd.  rei\  XVII  92  ria  in  RMZ;   rea  in  LSGBN. 

XX  97  bieten  alle  codd.  reo  bis  auf  B,  welches  rio  liest.  Die  Form 
mit  /  ist  also  einigermafsen  gesichert  nur  XVII  92.  Für  mHus,  mea 
haben  die  codd.  bis  auf  drei  Fälle  nur  Formen  mit  /'.  Alle  bieten 
mio:  Il  28;  V  68,  74,  81;  X  48;  XII  3,  40;  XVI  19,  23;  XVUI  205; 
XIX  17,  227,  228;  XXI  191.  mia:  II  60,  V  40,  58.  me  ==  meo  V  75 
in  R  allein,  alle  andern  codd..;;//b.  meo  X  12  gleichfalls  in  R,  in 
alien  übrigen  codd.  mio.  Endlich  XX  98  in  alien  codd.  bis  auf  C, 
welches  meo  bietet,  viio»  Ich  glaube  die  Formen  mit  e  unbedingt 
tilgen  zu  dürfen.  Für  (^\_g\o  ist  die  einzig  vorkommende  Form 
ioj  und  apokopiert  i\  Belege:  I  70,  77,  81,  87,  99;  II  23,  40, 
51,  58»  59»  74;  ni  20,  25,  46;  IV  7,  II,  20,  26,  31,  36;  V  34, 
76,  87;  VII  21,  34,  123,  126,  196,  248,  271;  IX  20,  23;   X  44; 

XI  9»  17»  60»  88,  94,  117,  137,  161,  173,  177,  187,  190;  XII  47, 
56;  XIII  7,  8,  12,  22,  38,  43,  47;  XIV  I,  52,  59,  65,  76;  XV  I, 
7,  9,  41,  84,  213;  XVI  20;  XVII  12,  20,  6i;  XVIII  145,  203;  XIX 
7»  21,  39,  50,  66,  69,  71,  T^y  81,  94,  146,  168,  170,  183,  202, 
213,  220,  229,  238;   XX  5,  12,  20,  21,  95,  106,  107,  108,  iio; 

XXI  13,  17,  330,  342,  343,  347,  353;  XXII  4,  10,  II,  23,  27,  46. 
In  einigen  Fällen,  wo  R  oder  andere  codd.  che^  se  etc.  gegenüber 
einem  den  anderen  mss.  gemeinsamen  ch^io,  sWo  {cVi\  s*t')  bieten, 
sind  wir  nicht  berechtigt,  etwa  ch*e\  jV  zu  lesen,  da  einerseits  in 
sämtlichen  solchen  Stellen  das  Personalpronomen  stehen  oder  weg- 
bleiben kann,  und  andrerseits  —  der  bei  weitem  gewichtigere  Grund 
—  an  den  zahllosen  Stellen,  wo  io  ohne  solche  Konjunktion  vor 
sich  auftritt,  nie  eo  zu  belegen  ist.  Wie  es  überdies  mit  den  apo- 
kopierton  Formen  steht,  werden  wir  weiter  unten  sehen.  Derartige 
Stellen  sind  III  6,  III  51,  61,  75.  VII  17  haben  LS  Eo  gegenüber 
dem  E  io  der  anderen  codd.  Dies  ist  jedenfalls  ein  Schreibfehler, 
da  der  Copula  E  an  dieser  Stelle  nicht  entraten  werden  kann. 
VII  41,  64,  212;  X  6;  XI  174,  189;  XIV  66,  90;  XV  2,  189,  213; 
XVII  72;  XIX  99,  173,  205;  XX  26;  XXI  20,  328;  XXII  38. 

.^11.  ?.  Das  lange  betonte  e  ist  in  den  mss.  des  Tesoretta 
durchaus  wie  in  der  heuligen  Schriftsprache  behandelt  Die  For- 
men mit  i  für  ?  in  B,  C*  und  C'^  sind  als  aus  dem  Dialekt  der 
Schreiber  eingedrungen  nachgewiesen. 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS. 


261 


Unbetontes  e. 


singniore  GMBCZ 
singnor  LMGBZ 
singnore    LGBCZ 


e  zu  {. 
§  12.    ^  ZU  /  in  erster  Silbe. 
I       I  sengnore    RLSC'N 
I    64  sengnore    RSNCC 
V    74  sengnor      RSMNC« 
VII  171  sengnoria  RLSNCC    singnoria  MGBZ 
VIII      9  segnoria     RLSN  singnoria  MGBCC*Z 

VII  210  sengnore    RLSMNC    singniore  GBC*Z 
XIII    48  sengnori    RLSNC      singniori    GMBCZ 
XV    82  sengnore    RSGNC*^ 
XVI  219  sengnore    RSGN 
XIX    61  sengnore    RSMNC^ 
XIX    77  sengnore    RLSNC^ 
XIX    97  sengnoria  RLSNCC^   signoria     MGC»B 
XIX  172  sengnore    RSNC*^         singnore    LMGBCC^Z 
XIX  237  sengnore    RSNC*-'         singnore 
XXI  142  sengnore    RLSC  signore 

XXI  178  sengnore    RLSN  signore 

Die  codd.  R  und  S  haben  stets  die  Form  mit  ^,  N  in  einem  ein- 
zigen Falle  (XXI  142)  die  mit  ù  ^  L  hat  in  der  Hälfte  der  Fälle 
die  Form  mit  1,  was  eine  Änderung  von  Seiten  des  Kopisten  ist, 
da  es,  wie  gezeigt,  mit  S  aus  derselben  Vorlage  stanunU  Es  liegt 
wenigstens  viel  näher,  hier  in  L  eine  Alteration  anzunehmen,  als 
in  S  ein  streng  durchgeführtes  System  überall  die  Formen  mit  / 
zu  tilgen.  Die  späteren  codd.  G  und  M  weisen  noch  znweilcn  die 
ursprüngliche  Form  mit  e  auf.  Aus  der  Zusammenstellung  geht 
mit  Sicherheit  hervor,  dafs  Brunetto  nur  die  Form  mit  e  gebrauchte. 


singnore  LMBCÇ  *  Z 

singnore  LMBCC'C« 

singnore  LGBCC 

singnore  GMBCC 


LMGBCC'Z 

MGBNZ 

MGBCZ. 


I      2  migliore 
I    23  migliorate 
VII  140  migliore 
XV    56  migliore 
XV  150  megìiorare 
XVI    90  migliore 
XVIII    94  miglior 
XX    12  migliore 


RLSGMNBZ  meliore  C 

RLMBZ  melgliorate  SGNCC  ' 

RLSGMBNCZ         melHore  C» 

RLMGBNCC'C^Z  melliore  S 

RSNC  '  C'¿  milgliorare  LGMBZ 

RLGMBNCC«  C^Z  melgliore  S 

RLGMBNCC»C*^Z  meìglior  S 

RLGMBNCZ  melgliore  S 

LMGBZ  melliorare  RSNC. 


XXI  157  milglorare 

Hier  sind  die  codd.  nicht  alle  konsequent.  Der  cod.  S  neigt  der 
Form  mit  ^  zu;  L  hat  stets  /;  N  giebt  dem  adj.  ein  /',  dem  vb.  ein 
e\  dasselbe  scheint  die  Tendenz  von  R  zu  sein,  was  jedoch  I  2t^ 
migUoraie  hat.  Für  das  adj.  ist  einzig  und  allein  die  Form  mit  / 
sicher.  Für  das  vb.  haben  wir  ein  ähnliches  Schwanken  anzuneh- 
men, wie  noch  heute  in  meglwrare,  migliorare, 

V  88  sichuro  RLSGMBNCZ  securo  C« 

Xin  29  asichurai  RLSGMBNCC'Z 

Xm  31  sichuro  RLMBNCC«Z  securo  SGC 

XIII  33  sichuramcnto    RGMBNCC^Z  securamento      LS 


202 


B.  WIESE, 


XVI    67  sichuranza 

XVI  247  sichuramento 

XVIII    II  sichuro 

XVIII    95  sichura 

XVIII  102  assicurare 

XIX    45  asicKura 

Fav.  U    12  sichuranza 


RLSGMBNCC«C2Z 

RLSGMBNCC«C2 

RGMBCC«C«Z 

RLGMBNCC'Z 

LSGMBCC»C2Z 

RLSGMBNCC»Ci 

RLSGMNCFZ. 


secara 

LSN 

secura 

SC2 

asecurare 

R 

Das  t  hat  entschieden  den  Vorzug.  R  hat  e  nur  einmal  (XVIII 
102).  Die  Formen  mit  e  sind  Anlehnungen  an  das  Latein,  als 
welche  sie  noch  bei  Petrarca  häufig  vorkommen,  (cf.  Caíx,  Orig. 
§  19  p.  61)  und  von  den  Schreibern  eingeführt.  Auch  XVIII  102 
ist  die  Form  mit  1  in  den  Text  aufzunehmen. 


III  90  criatura 

IV  II  — 

V  16  crió 

VI  5         - 

VI    25  criatura 

VII    47  críate 
VII    51  crío 
VII  166  criato 

VII  222  críatura 
IV    IO  cnatore 

V  35        - 
VII      5        — 

VII  135  críatura 

VII  169  criaturc 

X      9  críature 

X    86  críatura 

XX  98        — 

XXI  29  criatore 
XXI  179  criato 

XXII    17  criature 


creatura  RLSMBNCC«Z 
creata  alle  codd. 
creò         RLSGBNCC»Z 
creao  alle  codd. 
creatura  RLSMBNCC« 
create      RLSGMNC 
creò         RLSGN 
creato      RLSGMBNCC» 
creatura  LSGMCB 
creatore  RLSGMNZ 
creatura  RLSGMBNCC  «Z 
creature  nur  in  R 
creatura  RLSMCC« 
creature  RLSGMBNCC 
creature  RLSGMBNCC» 
GMBC»Z  creatura  RLSNC 

creatore  RLSGMBNCZ 
creatore  RLSMBC 
creato     RLSGMfìC 
creature  RLSGMBC 
creature  RLSGMBNC^Z. 


M 

GZ 

BZ 

BC» 

Z 

RC»N 

BCC» 


GBNZ 

Z 

Z 


GNZ 

NZ 

NZ 


VI    65         — 

Die  Form  mit  e  ist  nach    den   codd.  die  ausschliefslich  gebrauchter 
und  daher  auch  an  der  einzigen  Stelle,  wo  R  t  hat,  (VII  222)  ein- 


zuführen. 

VI  36  niuno 

XXI  155  niuno 

XXII  36  niuno 

Fav.  I  68        — 

I  30  niente 

I  68  niente 

IV  20  niente 

V  16  niente 

VI  8  niente 

VI  70  niente 

VIU  36  niente 


LMBNC'Z  neuno     RSGC 


L 
RLM 

GMBZ 

MBZ 

GMBZ 

GMBC»Z 

BNZ 

MBC'Z 

MBC'Z 


neun  RLSGBNC 

neun  SGNC 
aneenta  RLSGMNC 

neente  RLSNCC» 

neente  RLSGNCC« 

neente  RLSNCC* 

neente  RLSNC 

neente  RLSGNC 

neente  RLSGN 

neente  RLSGNC 


XIV 

82  lieltade          B 

XVII 

8          — 

XVII 

15  alle  coda,  lealtate 

XVII 

61  Hale               BC< 

XVII 

85  Hale               B 

94  lienza             C 

108  lialmente       B 

101   leal  alle  codd. 

115  Hale                B 

DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  263 

XV    96  niente  MBC^Z  neente  RLSGNC 

XV  198  niente  MBC»C^Z  neente  RLSGNC 

XVIII    74  niente  MBC'C^Z  neente  RLSGNC 

XIX    85  niente  MBC^  neente  RLSGNCC». 

Bei  neenle  ¡st  die  Form  mit  e  in  RLSN  konsequent  durchgeführt, 
und  dies  genügt,  um  sie  als  die  von  Brunetto  gebrauchte  in  den 
Text  aufzunehmen.  Auch  neuno  ist  bevorzugt;  XXI  155  lesen  sämt- 
liche codd.  mit  Ausnahme  von  Z  so.  XXII  36  nehme  ich  es  ^Ggen 
R  auf.  anenla  ist  allgemein  bezeugt.  Intll.  p.  91  in  beiden  codd. 
neuno\  p.  97  neun  im  magi.,  niun  im  gadd. 

leanza  RLSGMNCC«Z 

leanza  alle  codd. 

leale  KLSGMNCC^Z 

leale  RLSGMNCC»C2Z 

^  leanza  RLSGMBNCC'Z 

lealmente  alle  andern  codd. 

leale  alle  andern  codd. 
Fav.  I    20  kali  R  {füle  andern  codd.  diritti) 

94  lealmente  alle  codd. 

Auch  hier  ist  e  allgemein  bevorzugt  und  aufzunehmen. 
VII    20  disio  subst.  RLSGMBNC'Z 
228  disio  vb.       RLSGMBNCC« 
XIX  101  disianza         RLSGMBNCC^ 
107  disianza         RLSGMBNCC^ 
III  disiata  RLSGMBNCC-' 

126  disianza         RLSGMBNCC-* 
147  disia  RLSGMBNCC2 

Die  Form  mit  /  ist  die  von  Brunetto  angewendete. 
VII  126  iguale  RLSGMBCC»        uguaH  Z 

256  iguale  in  alien  codd. 
XIII    27  disiguali  in  aHen  codd. 

IX    14  iguaglianza   RL  aguillianza      SGMBNCC*Z 

XXI  118  iguale  RIJSGBNCZ;  agual  C^;  uguale  MC» 

XVI  142  parlato  RSGN  prelato  LMBCZ. 

Nur  iguale  ist  sicher  belegt,  daher  ist  an  iguaglianza,  welches  nur 
RL  bieten,  kein  Anstofs  zu  nehmen.  XXI  142  ist  sicher  parlato 
die  ursprüngliche  Form. 

Die  Praefixe  d€'  und  re^. 


desio 

Z 

desiança 

c» 

desiança 

e» 

desiata 

e» 

desiança 

e 

desia 

C2 

VI    35  diletto 

RLSGMNCC'Z 

deletto 

B 

VII  249  ricetto 

RLSGBNCC«Z 

rccetto 

M 

XIII      5  distinato 

MBC 

destinato 

RLSGC'ZN 

XIII      7  diserta 

LSGMBNCZ 

deserta 

RC« 

XIV    IO  dimora 

LSGMNCC'Z 

demora 

RB 

26  dimorare  alle  codd. 

34  dimora  RLSGMNCC*       demora  BC^ 


204  B.  WIESE, 


XVI      3,4 

dimora  alle  coda. 

XV      3 

dilizia             RLSMCC« 

delizia 

GBC« 

XV      5 

desccndcnti   RBC« 

discendenti 

T„SGMNCC«Z 

XV    50 

dispendi         LSGM 

despendi 

R 

69 

dispende        RLSGMBNCC  '2 

\  despender 

C« 

98 

dispende        RLSGMBCZ 

despende 

C« 

no 

dispende        RLSGMBNC 

despende 

C»C2 

114 

dispende  LN;  distrugie  RGSMBCC^Z  destrugie  C* 

XV    97 

ribeUo  MB    rebello  C«     rubcUo  RLSGNCC»Z 

XTX    44 

ribello            M 

rubello 

RLSGBNXC>C* 

XVI    54 

ridicitore       BNC 

redicitore 

RLSGM 

XVI    36 

ritoma           LSGMNC«C»Z 

retoma 

R 

39 

ritorna  alU  codd. 

XVII    68 

ritenenza        LSGMBNCC  «  Z 

retenenza 

R 

XIX  223 

diuotamente  RT.GMBNCZ 

deuotamente 

SC»C* 

XXÎ  108 

dirieri            RLMNCZ      • 

derieri 

SG 

XXII      5 

diman            RMLSGBZ 

doman 

NC 

Fav.  I    63 

ridico            LSGC 

redicho 

RF 

11    10 

risedenza  alU  codd. 

Der  bevorzugte  Vokal  ist  1»  doch  e  kommt  in  R  häufig  genug  vor^ 
um  es  nicht  als  ganz  vom  Gebrauch  ausgeschlossen  zu  betrachten  p 
möglicherweise  stand  es  ursprünglich  noch  öfter  im  Texte.  W 
im  übrigen  die  Praefixe  di-  und  ri-  vorkommen,  stimmt  ihre  Be 
handlung  mit  der  in  der  Literatursprache. 

Noch  sind  folgende  vereinzelte  Fälle  zu  betrachten. 

II    50  prigioni  Z  prisone  B      pregioni   RLSGMCC* 

XXI  274  prigione  GZ  pregione  RLM 

lU    72  bUtà         RLSGZ    belleççe  BN    bieltà     C  beltà       C* 

VU    62  biltate      LSG  bellezze  RM   belute  BNCC«     bielUte  Z 

V    36,  VU  186  misura  RLSGMBNCZ  mesura  C< 
XXI  224  misura  und  XXI  304  dismisura  in  allen  codd. 
XI    45  logitto  R  legitto  die  andern  codd, 

XI    41  degitto  alle  codd, 

XI  152  digitto  RL  degipto  SGMBNCC*Z 

XI  166  uinegia  alle  codd, 
XI    82  leofanti  alle  codd,^  nur  Allifanti  C* 
XI    82  lioni  C>  leoni  RLSGMBNCZ 

Fnv.  I    35  —  leone  alle  codd, 

XIV      8  tinore  SNC«        tenore  RLGMB 

XVIII    36  ligisto  R  legisto         LSGMBNCC«C«Z 

XXI  205  nigrigenzia   GZ  neghienza    RLSMNBC 

207  nigligenza     Z  neghienza    RLSMBNC. 

Als  gesichert  können  wir  folgende  Formen  betrachten:  prtgkmt^ 
sura,  uinegia,  leofanti,  leone,  tenore,  legisto  (gegen  R),  neghtettMO. 

UI  72  scheint  mir  òiltà  sicher;  belleççe  in  BN  ist  eine  Ândenmg 
des  ungebräuchlicheren  Wortes  in  das  gebräuchlichere,  wie  sie  VII 
62   in   RM   stattgefunden   hat.     An   letzterer  Stelle  föhre   ich  die 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  265 

Fonn  mit  i,  hiliate^  ein,  welche  von  den  besseren  codd.  LSG  der 
Form  mit  e  gegenüber  festgehalten  wird,  imd  die  III  72  durch  R 
Bestätigmig  fìndet  bieltà  in  C  imd  Z  kann  der  Übereinstimmung 
der  codd.  gegenüber  nicht  in  Frage  konmien,  cf.  Caix  Orig.  §  27. 
digiiio  in  RL  verdankt  wohl  nur  einem  in  den  romanischen  Sprachen 
so  oft  vorkommenden  Vorgang  seinen  Ursprung:  falscher  Silben- 
abteilung. Man  hielt  das  e  für  zu  der  praep.  gehörig  und  wan- 
delte es  in  /■;  dt  ist  die  ausschliefslich  übliche  Form  im  Tesoretto. 
Diese  Erklärung  ist  gestützt  durch  XI  45,  wo  wir  in  R  lesen  logiiio, 
während  die  übrigen  codd.  legitto  haben.  Es  ist  XI  152  d^egilio 
herzustellen,  wie  R  XI  41   selbst  liest;  ebenso  Vegiiio  XI  45. 

Die  Proclitica  me,  ie,  se,  de  sind   fast  immer  gemäfs  dem  heu- 
tigen Schriftgebrauch  behandelt.   Folgende  Stellen  bieten  Ausnahmen. 
I    22  si  mente  B  se  mente  RSNZ 


vn  64 

t'io  RBMN      Ü 

GC          te 

LSC 

XI    25 

si  nne 

SGNC 

se  ne 

RLMBZ 

X    82 

roi  RG            me 

LSZ      a 

me 

BMCC 

XV    53 

te 

RC«C* 

t' 

LSGMBNZ 

XVI    50 

si  ne  suezza 

RSNCC 

se  ne 

LGMBC'Z 

190 

ti  ne  riprende 

RSNCC 

te  ne 

LGMBC« 

229 

si  ne  conuengna 

se 

se  ne 

LGBC« 

230 

ti  ne  tengna 

SNC 

te  ne 

RLGMBC'C» 

xvm  37 

atartine 

NC 

atartene 

RLSGMBZ 

102 

non  ce  t'asechurare  R     ce 

5  cte  C^ 

ci  li  LSMGBCC« 

XIX      I 

si  ne  ua 

RLSGN 

se  ne 

MBCC'C« 

XXI      5 

mi  ne 

LC 

me  ne 

RSGMBN 

107 

De 

S 

Di 

RLGMBNCZ 

295 

Si  nne  ride 

GC 

Se  ne 

RT.SMBNZ 

Fav.  I    62  de  plui 

R 

di 

LSGCNFZ 

63 

te  redicho 

R 

Ü 

LSGMNCFZ 

124 

si  ne  ride 

SNC 

se  ne 

RLGMFZ. 

I  22  scheint  se  als  tonloses  Pronomen  gesichert;  Fav.  I  63  möchte 
ich  aber  //  aufnehmen;  VII  64  i* io,  X  82  mi.  de  im  Fav.  I  62  da- 
gegdfi  bewahre  ich  mit  R,  welches  es  auch  noch  öfter  in  Compo- 
sitis  bietet*  Neben  den  Verbindungen  me  ne,  le  ne  etc.  sind  mi  ne, 
il  ne  etc,  gesichert.     Cf.  Caix,  Orig.  %  22, 

Fassen  wir  die  einzeln  gewonnenen  Resultate  zusammen,  so 
finden  wir,  dafs  die  codd.  des  Tesoretto  im  allgemeinen  dem  heu- 
tigen Sprachgebrauche  folgen.  Beachtenswert  ist  die  Erhaltung  des 
ursprünglichen  e  in  sengnore  nebst  Ableitungen,  in  neenie,  neuno  und 
pregiane.  Sonstige  Fälle  mit  erhaltenem  e  gegen  die  Literatursprache 
sind  äufserst  selten.  Andrerseits  haben  wir  bilia  und  die  Verbindungen 
mi  ne,  ti  ne,  si  ne,  wo  heute  e  üblich  ist 

§  13.    ^  zu  /  in  der  Mitte  eines  Wortes. 


'  Liest  R  III  45  der  reo  pensiero,  so  ist  dies  =  del  reo  und  das  dereo 
in  L  bedeutet  dasselbe.  Diese  Assimilation  von  /  ¿u  r  bietet  der  Codex  R 
öfter;  sie  ist  eine  Eigentümlichkeit  seines  Kopiators. 


206  B.  WIESE, 

I      40  Lancielotto  RGC  LancialoUo  LSMBNC  Lancilotto  Z 

62  senicha         KZ  séneca  LSBCC^     senacha      GMN 

III    20  ubidire  RLSGMNZ     ubcdire         BCC»V 

XIV    57  ubidenti        RLSGMNZC  obedienti      BC«V 

IX      3  alimenti         RSMZ;  eliraenti        GBN;       dementi  LCC» 

XXII    15  aulimcnti  R;  alimenti   CZ;     elementi  LS;  elimenti   GMBN 

47  aulimenti  R;  dementi  LSB;  alimenti   GMCZ;     dimenti   N 
XI  104  udano    R;  oçiano  N;    occeano  LSGMBC*;  osdano  C;  ocddiano  Z 
172  ocdano  R;  oçianu  NC;  occeano  LSGMBC*;  occidiano  Z 
XVII      I  chonmiato  alle  codd. 

XXI  138  biastimiasti  R;  alle  übrigen  codd,  haben  e 
347  biastemiare  R,  und  e  in  allen  übrigen  codd. 
IV      6  inmantinente  B    inmantenente  RLSNCC*  -a-  GZ* 

II    44  amantinente    B    inmantencntc  RLSNCC*  -a-  G 

VI    II  —  mantenente      RLSBNCC^Z        -a-  G 

XI  loi  —  inmantcnente  RLSNBCC^V       -a-  GMZ 

XIV    38  —  inmantenente  RLSMNBCC»V    -a-  GZ 

XV  121  —  mantenente     RLSBNCC»C«      -a-  GZ 

XVI    13  —  inmantenentc  RLSMBNCC«C«  -a-  GZ 

XXI  210  —  inmantenente  RLSBN  -a-  GZ. 

Die  von  den  codd.  einzig  sicher  verbürgte  Form  ist  hìmanimenie. 
Die  Form  mit  a  kommt  nur  in  dem  ganz  späten  Z  und  G  vor, 
welches  auch  schon  dem  15.  Jahrh.  angehört  Gesichert  ist  femer 
ubidire^  iihidenli,  chonmiato. 

Das  Wort  Landelotio  wäre  vielleicht  besser  §  16  behandelt. 
Die  ursprüngliche  und  beizubehaltende  Form  ist  jedenfalls  die  in 
R;  die  Form  mit  a  mag  sich  sehr  früh  daneben  in  etymologisieren- 
der Anlehnung  an  lancia  (Caix,  Orig.  g  155)  herausgebildet  haben, 
wie  dies  unstreitig  aus  dem  Umstände  hervorgeht,  dafs  sie  die 
einzige  in  der  Intll.  vorkommende  Form  ist  (p.  26,  27,  94).  Für 
senicha  weifs  ich  keine  weiteren  Belege  beizubringen,  möchte  aber 
nicht  ohne  Grund  von  der  Lesart  des  cod.  R,  welcher  sich  in 
sprachlicher  Beziehung  stets  als  der  korrekteste  erweist,  abwejphen. 
Seneca  kann  rücklatinisiert  sein.  Die  Form  mit  a  ist  dialektisch. 
Cf.  Trattati  morali  di  Alberlano,  pubi,  da  S.  Ciampi,  Firenase  1832 
p.  7  v.  IO,  p.  100.  Das  Wort  alimenii  ss'àxn  auch  §  15  zu  behandeln. 
Das  /  in  ihm  ist  gesichert  Es  fragt  sich,  wie  es  mit  dem  a  und 
au  ist.  au  ist  aus  dem  a  entstanden  in  Analogie  mit  alenie-attlenie, 
alorc-aulore^  (Caix,  Orig.  §  69)  ciasimenlo-dausimentOt  asgiello^augtüo 
ferner  mit  caunosccnza^canoscetizay  iaupino^tapino  etc.  und  dann  über- 
haupt mit  der  ganzen  Reihe  von  Worten,  wo  al  mit  au  wechselt 
[aucidere  etc.).  Das  a  und  das  au  beizubehalten,  dem  steht  nichts 
im  Wege  (cf.  auch  Caix,  Voc.  it.  VII  p.  15).  Die  Form  mit  i  be- 
halte ich  auch  in  dem  aus  oceanum  erstandenen  Worte  bei;  ich 
weiche    nur   in    so  weit  von   der  Lesart  R  ab,   dafs   ich   auch   im 


♦  In  II  44,  IV  6,   VI  33,   XV  121,  XXI  210  erseUt  M  inmanUnênk 

durch  incontancntey  was  in  den  übrigen  codd.  nie  vorkommt« 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  267 

ersten  Falle  o  statt  u  einführe  und  im  zweiten  Falle  einfaches  c 
setze.  In  biasltmiasit  XXI  138  ist  jedoch  e  einzuführen,  wie  R  es 
selber  XXI  247  bietet. 

Auch  hier  macht  sich  also  die  Tendenz  des  Centraltoscanischen 
geltend,  e  in  unbetonter  Silbe,  namentlich  wo  es  vor  voc.  stand  in 
/"  zu  wandeln;  aber  noch  sicher  mit  e  belegt  tnmanienenie,  biasiemare, 

§  14.  Wechsel  zwischen  e  und  /  im  Auslaute  finden  wir  un- 
gemein häufig  in  unseren  codd. 

I41  uoi  RSNC»  uoe  LGBCZ 

89  ualenli  cose  LSMGNC*Z  ualente  RBC 

r.  II  38  le  lode  alle  codd. 

r.  Fav.  I  49  grande  lode  KLSNC  grandi  lode  GMFZ 

Il  50  prcgioni         RZ  -e  LSGMBNCC«. 

Hier  wird  der  sg.  das  ursprüngliche  sein,  weil  morie  daneben  steht, 
was  kein  pl.  sein  kann. 

r.  II  56  a  par  etili  RBNCC»  al  párenle  LSGMZ.  Es  ist  al  párenle 
herzustellen  im  Reim  mit  primamenle,  r.  III  7  mollieri  RN  mogliere 
LSGMBCC^Z.  mogliere  y  was  im  Reim  zu  fiere  herzustellen  ist,  wird 
der  regelrechte  pl.  zu  mogliera  ==  muliérem  mit  Übergang  in  die 
erste  Deklination  sein. 

III     12  erbi  in  R  ist  Schreibfehler. 

V  8  palesi         LSGMBNCZ        palese  RC»  als  f.  pl. 

V  66  uoi  genu  R  -e  LSGMBNCC»Z 
XI  132  genti          LSGMCZ              -e  RBNC» 

r.  XU    33  genti  N  molte  gente  R  molta  gente  LSGMBCC>Z 

XIV    40  genti  LSGMBNCC 'Z    gente  rade  e  spesse        R 

XV  139  genti  LSMC  gente  ...  che  sono  use  RGBNC»C«Z 

r.  XVI  154  di  gran  genti  alle  codd. 
r.  162  ala  gente  LSGMNCC»C*     ale  gente  RB. 

Cf.  Nannucci  nomi  p.  244,  751.  Beide  Formen  des  pi.,  genie  und 
genii  sind  nebeneinander  zur  Verwendung  gekommen;  genie  vorzüg- 
lich ün  Reim,  wie  man  XII  33  und  XV  162  sieht,  wo  fast  alle  codd. 
dann  das  adj.  molle  und  den  Artikel  ale  in  den  sing,  verwandeln. 
XI  132  und  XV  139  kann  das  vb.  im  pl.  einfache  constructio  ad 
sensum  sein;  einige  codd.  haben  jedoch  genie  auch  hier  als  plur. 
empfunden  und  daher  in  genli  umgewandelt.  V  66  ist  der  sg. 
wohl  ursprünglich  und  herzustellen.  XIV  40  ist  spesse  durch  den 
Reim  gesichert;  alle  codd.  ändern  den  pl.  genie  in  genli,  nur  R 
bewahrt  ihn. 

r.  VII  57  tutte  le  uertute       RLSGMNBC»Z  uirtudi  C 
r.XII  23  dele  IUI  uertute    RLSMBZ  uirtuti    GNCC». 

Das  Reimwort  ist  die  2.  p.  praes.  ind.  mule.  Hier  lag  also  absolut 
kein  Reimzwang  vor. 

r.  Vin    35  altremente  RSGMBCC'Z  altrimenti  LN 

IX      3  alimenti-ordina[ta]menti  RBC*  -e-e  GM;  -i-e  LSNZ;  -a-e  C 
r.   VI!  220  parte  pl.  in  allen  codd. 


208  B.  WIESE, 

r.       X    39 — 40  parti  arti  LSGMNC  parte-arte  pi.  RBC^Z 

r.     XI  146  pi.  arti-parti  pi.  SGM  arte  sg.  parte  pi.  RLBCC*Z  arte  sg.  parti  pi.  N 

r.     XI    68  molla  salute  LSGCC^  molte  salute  RMBNZ. 

Bei  dem  gran  tier  iute  ^  mit  welchem  salute  in  Reim  steht,  kann  man 
nicht  wissen,    ob  es  sg.  oder  pl.  ist;    letzteres  ist  wahrscheinlicher. 

XI  121   quali-sengnali  LSGMBCC^Z     lequale-sengniale  R;  -i  -e  N. 

Hier  liegt  wieder  kein  Reimzwang  vor  ;  quak  ist  zu  bewahren.  Auch 
sengniale  mag  pl.  sein. 

XIV  13  nela  corte  LSGMBNC'Z  nele  chorte  R 

16  pl.  chorte  principali  RLGMBNCC*Z  corti  S. 

Im  ersteren  Falle  wird  nele  in  R  Schreibfehler  sein,  wie  der  Zu- 
sammenhang zeigt. 

r.    XV    50  ale  stagione  RC  ala  stagione  LSGMBC»C«Z 

70  tardi  RLSGBNC»Z  tardo  M 

r.  XVI    34  dauante  RLSMBNCC»CaZ 

XVI    56  dauaute  RC  dauanti  LSGMBNC«C*Z 

r.   XIX  47  auanti-fanti  aUe  codd. 
221  auanti-santi  aile  codd. 
Fav.  I  loi   dauante  RLSC  dauanti  GNFZ 

XVI  143  li  lo  podere  RLSBNCC»C2         -i  GZ 

r.  XIX    31   torre  pl.  in    RLSGMBC«     torri  N     casa  e  torre  CC» 

wo  es  dann  sg.  V.  30  padiglione  ist  sicher  auch  pl.  XIX  214 
Valpe^  wie  alle  codd.  lesen,  ist  der  sg.  in  pl.  Bedeutung.  Ebenso 
in  Dante,  cf.  Voc.  dantesco.  Blanc  unter  alpe,  r.  XX  75  pesce  ist 
sg.;  es  steht  unter  lauter  Singularen.  (In  den  codd.,  wo  plurale 
sind,  sind  dieselben  hineinkorrigiert). 

XX    41  minaccie-faccie  RLSGBNZ  -i-i  M 

r.  XXI  263  sante  sagramente-la  gente  LSG  . 

santi  sagramenti-le  genti     RMBNZ 
santi  sagramenti-la  gente    C. 

Hier  ist  es  mir  sehr  wahrscheinlich,  dafs  die  ursprüngliche  Lesart 
war  sante  sagramente  —  le  gente.  Wir  finden  vielfach  plurale  auf 
e  von  ursprünglichen  neutrisy  indem  zu  ihrem  plural  auf  0,  der  als 
f.  sg.  gefafst  wurde,  ein  f.  pl.  auf  e  entstand;  doch  ich  behalte  die 
Lesart  R  bei. 

r.  XXI    31   ubidenti  sg-domandamenti  RLSGMC  e-e         BZ;  c-i  N 

XXI  283  dolct  uiuande  RB  -dolci    LSGNCZ 

r.  284  chocine  grande  RLGMBC  grandi  SNZ. 

Stellen  wie  XI  121,  XII  2^,  XIV  16  zeigen,  dafs  /  und  e  im  Auslaute 
durchaus  nicht  nur  des  Reimes  wegen  wechselten;  die  plurale  in 
e  statt  der  gewöhnlichen  auf  /"  sind  darum,  wo  sie  R  bietet,  audi 
selbst  dann  zu  bewahren,  wenn  alle  andern  codd.  1  haben. 

Besondere  Betrachtung  verdient  das  aus  omne  entstandene  ogni^ 
ogne.  Die  Stellen,  in  denen  es  apostrophiert  ist,  gehen  uns  hier 
nichts  an. 


■'    'iL* 


^  ^, 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS. 


2Ò9 


I 

17  oiiffne 

RSGBNCC» 

ongni 

LMZ 

27  ongne 

RCC>N 

>.    1 

i  LSGMBZ 

33  ongne 

RCC» 

f» 

i  LSGMBN 

65  ongne 

RNCC 

>f 

i  LSGMBZ 

71  ongne 

RNCC> 

>> 

i  LSGMBZ 

III 

90  ongne 

RLSCC» 

•« 

i  GMZ 

IV 

23  ongne 

RLSNCC» 

»» 

i  GMBZ 

V 

35  ongne 

RSMNCC» 

f» 

i  LGBZ 

• 

49  ongne 

RNCC» 

ff 

i  LSGMBZ 

VI 

17  ongne 

RSNXC» 

ff 

i  LGMBZ 

35  o"ßne 

RC»N 

ff    ' 

LSGMBZ 

VII 

61   ongne 

R 

f»    ' 

LSGMBNCC>Z 

135  ongne 

RGNCC» 

ff    1 

LSMBZ 

158  ongne 

RC 

ff    ' 

i  LSQMBNC»Z 

160  ongne 

RNX 

ff 

i  LSGMBC»Z 

172  ongne 

RCN 

ff 

i  LSGMBC»Z 

VIII 

5  ongne 

RSGCC» 

ff 

l  LMBNZ 

33  ongne 

RNC» 

ff 

i  LSGMBCZ 

X 

51   ongne 

RSNC 

ff 

i  LGMBC»Z 

86  ongne 

RLSCN 

ff    ' 

i  GMBC»Z 

XI 

176  ongne 

RC 

»f    ' 

i  LSGMBNC>Z 

XIII 

27  ongne 

RC 

ff 

i  LSGMBNC>Z 

XIV 

53  ongne 

RLSNX 

f»    1 

i  GMBC»Z 

XV 

45  ongne 

RGCC* 

ff 

i  LSMBNC«Z 

147  ongne 

RC 

ff    ' 

i  LSGMBNC»C«Z 

190  ongne 

RCC 

ff    ' 

i  LSGMBNCZ 

XVI 

123  ongne 

RCC» 

ff    ' 

i  LSGMBNCZ 

234  ongne 

RCN 

ff 

i  LSGMB 

243  ongne 

RLCN 

ff    1 

SGMBC« 

256  ongne 

RC 

ff 

i  LSGMBNC»C« 

284  ongne 

RCC» 

ff    ' 

LSGMBNC* 

XVII 

84  ongne 

RCC'C« 

ff    ' 

LSGMBNZ 

XVIII 

93  ongne 

RNCC>C« 

ff    ' 

LSGMBZ 

150  ongne 

RCC» 

ff    ' 

LSGMBNC«Z 

182  ongne 

RNCC» 

ff    ' 

LSGMBC-^Z 

194  ongne 

RNCC» 

ff    1 

LSGMBC^Z 

XIX 

22  ongne 

RCC« 

ff    ' 

LSGMBNC« 

37  ongne 

RNCC 

fi    ^ 

LSGMBC« 

58  ongne 

RCC'C* 

ff    ' 

LSGMBN 

231   ongne 

NCC» 

ff    ' 

RLSGMBCZ 

XX 

37  ongne 

RC 

ff    ' 

i  LSGMBNZ 

79  ongne 

RLSGNC 

ff    ' 

MBZ 

82  ongne 

RC 

ff    ' 

i  LSGMBN 

XXI 

88  ongne 

RC 

ff  .  ' 

i  LSGMBNZ 

252  ongne 

LSGC  (molte 

in  4i 

fen  andern  codd.) 

294  ongne 

RN 

f»    ' 

L  LSGMBZ 

308  ongne 

RNC 

ff    ' 

L  LSGMBZ     , 

Fav.  I 

11   ongne 

GC 

ff    ^ 

L  RLSMNFZ 

118  ongne 

RC 

»1    ' 

i  LSGNFZ. 

RLSBNCC» 

• 

-1 

GMZ 

R 

-e 

LSGMBNCC» 

RGMZ 

-e 

LSBNCC» 

RGMN 

-e 

LSBCC»Z 

RLSGMBNXC» 

• 

-I 

Z 

RLGMBNC>Z 

-e 

sv 

RGMZ 

-e 

LSBNCV 

RLSBNCC» 

• 

-1 

GZ 

270  B.  WIESE, 

R  hat  die  Form  mit  e  bis  auf  zweimal:  XIX  231  und  Fav.  I  11; 
N  26 mal  unter  49  Fällen;  —  S  11,  L  7,  G  7,  M  und  B  jedes  i, 
C  45 mal;  C*  26 mal  unter  39  Fällen;  C2  4mal  unter  16  Fällen; 
Z  hat  stets  /.  Nach  R  zu  urteilen  wäre  also  die  von  Brunetto  ver- 
wendete Form  einzig  und  allein  ongne.  (Die  zwei  Fälle  mit  /  kom- 
men bei  der  Anzahl  von  Beispielen  mit  e  nicht  inbetracht).  Dafs 
die  Form  mit  e  angewendet  sei,  steht  aufser  Frage  durch  Belege 
wie  I  19,  III  90,  IV  23,  V  35,  VI  17,  VIII  5  etc.  Ob  jedoch  nur 
die  Form  mit  e  gebraucht  sei,  kann  man  nicht  bestimmt  entschei- 
den; in  den  Text  nehme  ich  sie  überall  auf.  Man  vergleiche  die 
Resultate  bei  scngnore,  creatore,  creatura  y  neuno,  neen/e,  inmanienenie. 
Wir  betrachten  schliefslich  noch  die  Verbendungen. 

II    59  uolesse  i.  p. 
V    29  uolcssi  3.  p. 
87  parlassi  i .  p. 
m    52  potessi  I.  p. 
r.       VII      3  uedesse  I.  p. 
VII    36  potessi  2.  p. 
41  uolessi   I.  p. 
Xni    1 2  sapesse  i .  p. 
XIV    65 — 66  uolesse-uedcsse  i.  p.  RGS;  statt  uedesse  xV/ o^^r  uidi  d'esse 
zu  lesen  mit  LBNC* 
r.       XV    48  sghomcnte  2.  p.  conj.         RLSGMBNC»Z       -i       C 
r.  131  auedesse  i .  p.  aite  codd. 

XVI  119  auanzassi  in  pocho  R  als  3.  p.     Dies  ist  ein  Lesefehler  des  Ko- 

pisten  für  auanzass'  un  pocho 
XVI  183—184  facessi-piacessi  2.  p.  RLSMBNCCJC«      -e-e  G 
r.   XVII    36  tacesse  2.  p.  RLSGBNCC>C«      -i       Z 

XVIII  179  2.  p.  cj.  porte  R  -i      LSGBNCC»C»Z 

180  2.  p.  cj.  dimostre  R     -i  LGB     -a  SMNCC«     -ar  CZ 
r.     XIX  1 68  tacesse  I .  p.  aile  codd. 

r.  229  auesse  i.p.  RLSGMBNCC»C«  -i      Z 

XXI    30  amassi  2.  p.  aile  codd. 

Die  Form  mit  c  in  der  i.  p.  cj.  impf,  kommt  auch  aufserhalb  des 
Reimes  vor,  wie  II  59,  XIII  12  zeigen.  Für  die  2.  p.  cj.  imperi, 
haben  wir  gesicherte  Formen  mit  e  nur  im  Reime.  III  52;  V87; 
VII  41  behalte  ich  mit  R  die  i.  p.  cj.  impf,  auf  1  bei,  welche  eben 
so  gut  bezeugt  ist,  als  die  auf  e,  V  29  steht  die  3.  p.  auf  -^jji*  in 
R  zu  vereinzelt  da,  um  sie  beibehalten  zu  können;  bei  Dante  kommt 
sie  im  Reime  vor.  (Caix,  Orig.  S  '^'^)>  Die  2.  p.  praes.  conj.  der 
I.  conjug.  auf  c  findet  sich  einmal  im  Reime  XV  48.  Aufserdem 
bietet  R  sie  XVIII  179  und  180,  wo  wir  sie  als  die  entschieden 
ältere  beibehalten  dürfen. 

e  für  heutiges  ;  aus  lat.  e  kommt  also  auslautend  im  Tesoretto  * 
nicht  allein  des  Reimes  wegen  vor,   sondern  auch  noch  oft  aufser- 
halb   desselben    und    scheint    in    ongne   sogar   ausschliefslich   Regel 
gewesen  zu  sein. 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS. 


271 


§  15.    e  ZU  a  in  unbetonter  Silbe.     ^  zu  ^  in  erster  Silbe,    cf. 
Caix,  Orig.  §  2^,     Im  Futur  und  Conditionale  von  essere: 

II    39  sarebono  RLSGMNCZ  serebeno  BC» 


III    79  seria 
X    73  sarà 
78  sarai 
Xni    45  sarei 
XV    19  sarai 
205  sarai 
XVI    22  sarei 
107  sarebbe 
132  sarai 
XVn    31  sarà 
38  sarai 
XVII    82  sarà 
XIX    13  sarebe 
XX  109  sena 


RBN  saria 

RLSGMNZ  sera 

RLSGMCC»V  serai 

RLSGMNCC»Z  serei 


serai 

serei 

serebe 

serai 

seria 


LSMCC>Z 
BCC» 
Z 
B 
B 

BC»C« 
BN 
B 

CC»B 
BC» 
B 
B 
B 

LSGNCZ. 
R  bietet  solche  mit 


RLSGMNCC^C^Z  serai 
RLSGMNCZ 
RLSGMCC^CaZ 
RCC'C« 
RLSGMNC»Z 
RLSGMNCC»Z 
RLSGMNCC>C2Z  seria 
RLSGMNCC»C2Z  sera 
RLSGMNCC»C«    serebe 
RMB  saria 

Wir  finden  fast  durchgeh  ends  Formen  mit  a. 
e  nur  an  zwei  Stellen  und  ist  an  der  ersten  durch  N,  an  der  zweiten 
durch  M  gestützt.  Es  ist  möglich,  dafs  diese  Formen  vereinzelt  im 
Originaltext  standen.  Francesco  da  Barberino  benutzt  sie  ebenfalls 
noch.  LSG  haben  konsequent  a.  Die  Formen  mit  e,  welche  B 
ausschliefslich  aufweist,  und  welche  öfter  in  C*  und  C'^  vorkommen, 
sind  von  den  norditalienischen  Schreibern  dieser  codd.  eingeführt, 
cf.  Mussafia,  Altm.  Mda.  §  130. 
Zu  aiimenti  cf.  §  13. 

I  102  sagretlo     R  segreto    LSGMBNCC>Z 

XVI  214  asenplo      RN        esemplo  LSGMBC»C« 

^CXI  265  assempro  LSN      esenpro  RGMBC. 

Die  Formen  mit  q\  sagreíío,  asenplo  kommen  auch  sonst  altital.  vor 
und  sind  zu  bewahren.  Intll.  p.  100  ságrete  beide  codd.;  p.  10 1 
sag  reta  beide  codd. 

§  16.     e  =  a  in   der  Mitte   eines  Wortes.     Zu  Lancialotto,  w- 
nacha^  inmantanente^  cf.  §  13. 

XI  155  setlantrione  R         settentrione  LSGMBNCC>Z 
XXI  186  piatoso  GCZ    pietoso  RLSMBN 

275  piatade  G         pietadc 

In  allen  drei  Worten  ist  e  gesichert. 
§  17.    Unbetontes  e  zu  0, 

II    40  domandai    RLSGMNCZ 
VII      9  domandar  alle  codd, 
XV  142  doraandan  RLSGMNCC« 
XIX  184  domandai  RLSGMNCC«Z 
XXU    37  domandai  RLSGMNCZ 
Fav.  n    16  dimando     RSGMNCFZ 
XV    13  doucsse       RLSGMNCC» 
XVI    10  douesse  alle  codd. 


RLSMBNCZ. 


dimandai       BC^ 


dimandan 

BC>Z 

dimandai 

BC»V 

dimandai 

B 

addomando 

L 

deuesse 

C» 

272  B.  WIESE, 

XV  134  douerei  RLSGMBNCC»Z  deueria  O» 

XIX  174  douete  RLSGMBNCC     deuete  C«Z 

XX    32  douria  LSBNZ  (poria  die  andern  codd,) 

XXI 251  douenta  R  diuenta  LSMBNCZ 

262  profende  RGMNC  prebende       BLS. 

Die  Formen  mit  o  in  domandare  ^    dauere   sind   fast  allein  gesichert 
nur  Fav.  II  16    ist   dimando  zu  behalten,     douenta ^   wenn   auch   ver- 
einzelt  und   nur   in  R,   ist   darum   auch   aufzunehmen;   ebenso  ist 
profende  zu  lesen.     In  sodusse  VI  53,  wie  alle  codd.  lesen,  hat  Caix, 
Orig.  p.  66  55  26  wohl  mit  Recht  Praefixvertauschung  angenommen. 

I. 
Betontes  i. 

v^  18.  1  ist  einmal  zu  gunsten  des  Reimes  erhalten.  X VIII  48 
lice-dice  RM  lece  LSGBNCC>CíZ.  Es  ist  dieser  Fall  ein  reiner  La- 
tinismus. 

>5  19.    I  wird  ganz  behandelt,  wie  in  der  Schriftsprache. 
§  20.    i  in  Position.     Auch    dies  ist  meistens  wie  in  der  heu- 
tigen  Literatursprache   behandelt.      Einige   Abweichungen   sind  zu 
constatieren. 

r.    11      I  cbonenza    RMBC'G  comincia      LSNCZ 
r.  VII  141  incomenza  MGBC      inchonimza  RLSNCZ 
r.  VII  163  chonenza    RLMC*B  cominza        SGNCZ. 

Diese  Form  ist  im  Reime  demnach  sicher  belegt  und  VTI  141  ein- 
zuführen.    Sie  ist  auch  bei  den  frühesten  toscanischeu  Lyrikera  im 
Reim  zu  finden, 
r.     XV    30  achapilli  RLSGNCC«Z  achapelgli  MBC» 

Das  Reimwort  ist  qlli  RG;  quelgli  LSMBNCC>C:*Z 
r.    XVI    16  pilli  alle  codd.     Das  Reimwort  ist  quelli  in  RLSGBNCC?;  quil- 

gli  in  M,  qlli  in  C* 
r.  XVII  1 1 3  pigli-cbonsigli  alle  codd,,  nur  O  conseglj 
r.   XXI  143  pillio-chonsillio  alle  codd. 

Die  Form  mit  /  in  acapigliare,  pigliare,  piglio  sind  allein  sicher  be- 
legt, wie  andrerseits  quelli.  M,  welches  allein  mit  seinem  vollstän- 
digen Reim  inbetracht  käme,  schwankt  ;  es  hat  einmal  quelgli^acapelgli^ 
das  andere  mal  piìgìi^quilgìi.  Wie  oben  gezeigt,  sucht  dieser  cod. 
überall  vollständige  Reime  herzustellen.  Es  liegt  daher  viel  naher, 
auch  hier  eine  Alteration  in  M  zu  gunsten  des  Reimes,  als  eine 
Bewahrung  der  ursprünglichen  Lesart  anzunehmen.  Die  Form  auf 
^elgli  von  dem  vb.  in  BC^  ist  dialektisch.  Brunetto,  wo  sidi  flim 
der  volle  Reim  nicht  bot,  hat  sich  mit  dem  unvollkommenen  be- 
gnügt Einige  Provenzalismen,  wie  comenzar^  und  Latinismen,  wie 
lice,  zu  verwenden,  nahm  er  eben  so  wenig  Anstofs,  wie  später  nodi 
Dante  und  Petrarca. 

r.      XII  13  sinestra  destra     RLÇGMBNZ  sinistra  C» 

r.       XI  25  destra-sinestra     RLSGMB        sinistra  NCC»Z 

r.  XXn  21  sinestra-ginestra  RLSGMBNZ  sinistra  C. 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATTXOS.  273 

sinesiro  ist  also  völlig  gesichert.  Die  Behandlung  ist  die  den  tos- 
canischen  I^utgesetzen  durchaus  entsprechende;  das  heutige  sinistro 
ist  eher  eine  Riicklatinisferung. 

V    81   detto  RLSGMCNZ       ditto   BC 

r.       VII  233  diritto-detto  RLSN  ditto   GMBCC'Z 

237  detto  RLSGMNCC'Z  ditto   B 

X  53,  76  detto  alle  codd. 

XIV    64  detto  RLSGMNCC'Z  ditto   B 

r.     XVI    37  detta-saetta  alle  codd. 
r.  173  detto-diritto  RLSGNCC         ditto   MBC« 

r.  XVIII  135  detto-petto     RLSGMBCC^      dicto  C'Z. 

Die  allgemein  übliche  Form  ist  also  dello  \  sie  kommt  aufserhalb 
dos  Reimes  und  im  Reime  vor.  In  den  beiden  Fällen  dirillo,  dello 
ist  OS  möglich,  dafs  Brunetto  den  Latinismus  dillo  verwendete;  so 
finden  wir  V  57  uirgho  inaria^  weil  uergine  nicht  in  den  Vors  pafste, 
v.  64  aber  uergiru, 

r.         VI    33  miso-paradiso  RLSGMBC*  messo  ÑCZ 
r.  XVIII      3  messa  LSGCC^  mesa  M  misa  BC  (R  nusa).     Das  Reim- 
wort ist  distesa. 
XIX  170  messo  alU  codd. 
r.     XXI  343  messo-promesso  alle  codd. 

miso  ist  im  Reim  gesichert  und  findet  sich  noch  bei  Dante.  Auf 
misa  deutet  XVI II  3  auch  die  verdorbene  I^sart  von  R.  Intll. 
p.  10  miso  im  Reim.  r.  XVII  89  chonsiglio-meglio  RLSGNCC 'Z  con- 
selglo  MBC-^V.  Intll.  p.  40  ebenso  consilgìio^meìio  in  beiden  codd. 
M  beweist  wieder  nichts  für  den  Reim.  In  BC'^  stammt  conseglo 
(B)  von  den  Abschreibern.  V,  welches  eine  Kopie  von  Z  ist,  mag 
zeigen,  wie  spät  (16.  Jahrh.)  noch  solche  Änderungen  zu  Gunsten 
dos  Reimes  vorgenommen  wurden. 

r.  XXII  6  olempO'tempo  RLSMBNCZ,  eliinpo  G.  Intll.  pag.  54 
haben  die  codd.  die  Form  alimpusso  (Druck  Olimpusso),  Die  Form 
ist  regelrecht  gebildet  wie  sinesiro, 

r.  Fav.  II  4  ceppo  RLSGNCF  cippo  M. 
Dies  ist  wiederum  eine  Änderung  von  M  zu  gunston  des  vollen  Reimes. 

Unbetontes  i. 
1  zu  e. 

S  21.    In  erster  Silbe. 

I    12  lengnagio     RLSGC  lingnafjgio  MC'BNZ 

II    19  lengnagio     RLSGMCN   lignagio       BC'Z 
Im  F.inschnb  nach  XIII  72  lengnaf^gio  LSGBCC  li^i^niaggio  N. 

XIV    63  Icngnaggio  LSGCC'Z       lingiiagio     R    lingnaggio  MBN 
XVI  159  lengnaggio  I^GC  ligniagio     RMNBC'C. 

III    34  fermamento  RLSGMNC         firmamento  C* 
VI     II   fermamento  RSGMNCC'Z     firmamento  BL 
Fav.  I  133  fermamento  RGNCP'Z. 


Zoitichr.  f.  rom.  Phil.   VII.  18 


274 


«.  WIESE, 


VII    57  uertute 

244  uertute 

XI    67  uertute 

XII    23  uertute 

XIII    57  uertute 

XVIII  128  uertude 

XII    31  temore  SMBC 
XIX  147  temore  RLSC» 
159  temore  RG 

X  18  mistiero 

87  mistero 

XI  IO  mistero 

XV  12  mistero 

XVI  19  mistero 

XVllI    2  mistero 

Fav.  I  55  mistero 


RLSGC» 

RLSG 

RN 

RLSCV 

RLSC 

RLSGNC 


uirtute 
uirtute 
uirtute 
uirtute 
uirtute 
uirtudc 


MBNCZ 

MBNCC'Z 

BCC» 

GMBNC»Z 

GMBNXZ 

MBC»C«Z. 


tremore  L  timore  RMC*Z 

tremore  BNC*     timore  GMC 

timore  Z. 


RLGBNXC«  mesterò  SMZ 
LGBNCC»      mesterò  RSZ 
RLGBCC»      mesterò  SMNZ 
RLBNCC'C»  mesterò  SGMZ 
RGBNCC'C?  mesterò  LSMZ 
LMBCC=*         mesterò  RSGNC»Z 
RZN  mesterò  LSGMFV. 


XIII    50  dittauano  RLSGBNC»  dettauan  MCZ 

XIX    12  dittato  LSGB  dettato     NC'C« 

173  dittare  LSGMBNCC»C-«Z  dettare      R 

II    17  dittare  RLSGMNCFZ. 


XV  203  scneschalcho  R;  scniscalcho  C;   sinischalco  LSGMBNCCZ. 


XVIII    85  nimistanza  RLSGMBNCC»Z  nemistanza  C» 

100  nimico         BZ  nemiclio       RLSGMNCC»C* 

164  nimico         BC*C*  nemicho       RLSGMNC 

VI    72  nimicho       GBZ  nemicho       RLSMCC 

XXI  259  simonia  LSGMBCZ  semonia  RN. 

Nur  e  kam  zur  Verwendung  in  fermamenio ^  ueriuie.  sinischaìcho 
wird  als  die  dem  Ktymon  am  nächsten  stehende  Form  zu  Ixîwahren 
sein,  semom'a  ¡st  durch  N  gestützt.  Nur  /'  haben  wir  in  ditiare. 
In  den  meisten  Fällen  schwankt  der  Gebrauch.  So  in  ¡engnagio. 
Intll.  p.  61  mit  ;'  im  cod.  magi.,  p.  62  mit  /*  im  cod.  magi.,  mit  e 
im  gadd.  Die  Form  mit  /  in  unsenn  Text  XIV  63  und  XVI  159. 
Ferner  in  temore \  mit  e  XIX  147,  159;  mit  /  Xll  31.  T>ÌQ  Formen 
mit  e  verdankt  man  hier  wohl  dem  Einflufs  von  fernere  und  temenza. 
(Letzteres  XII  45;  XVll  91).  In  mistiero.  R  zieht  die  Form  mit 
/  entschieden  vor,  während  S  konsequent  e  bietet.  LN  verhalten 
sich  wie  R.  Später  setzte  sich  die  Form  mit  e  in  der  Litteratur- 
sprache  fest;  daher  haben  wir  so  (bis  auf  einen  Fall)  in  MZ,  cf. 
Caix,  Orig.  §  34  p-  71-  Neben  allein  gesichertem  nemicho  steht 
nimistanza  fest.     Intll.  p.  14  nemici  (Druck  nimici). 

Die  Praefixa  in-  und  dis-  sind  in  den  besten  codd.  wie  in  der 
Schriftsj)rache  behanilelt.  Proklitisch  findet  sich  VI  50  etn  pecchati 
hl  R,  welches  ich  bei  dem  ganz  vereinzelten  Falle  als  Schreibfehler 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  275 

tilge.  XXI  237  inpiezza  RBC  empiezza  LSGMNZ.  Es  ist  impiezza 
eine  Latinisierung  des  Wortes,  die  mit  der  Mehrzahl  der  codd.  zu 
beseitigen  ist. 

§  22,    i  zu  e  in  der  Mitte   eines  Wortes.     III  7;    VI  4g;    XVI 
159   huomeni  in    G  ;  V  102    hreueiaie   in    R;    XV  100  f emene   in    L 
sind  zu  vereinzelte  Fälle,  um  sie  nicht  den  Abschreibern  zuschrei- 
ben zu  müssen. 
Dagegen 

II  46  prouedenza  RLSGMBNC       prouidenza  C*Z 
X  23  prouedenza  RLSGMBNCC*  prouidenza  Z 
XX  99  prouedenza  in  allen  codd. 

¡st  ganz  gesichert.     P^benso  XXI  36  ipocresia  RLSGMBNCZ. 

Einen  ferneren  Übergang  von  i  zu  e  haben  wir  XXI  55.  ^rcin 
mattesia  R;  gramadesia  B;  gr  amati  sia  LSG  M;  gramaniia  N;  malasia 
C;  gramotesia  Z.  Hier  ist  die  Form  mit  e^  wie  sie  R  hat  und  BZ 
bestätigen,  beizubehalten  und  grama llesia  '  zu  lesen. 

>5  23.    /  zu  ^  im  Auslaut.     Des  Reimes    wiegen    bei  subst.  und 
adj.    kommt   es   im  Tesorctto    nicht   vor.     1   zu   e   im    Auslaut   bei 
Verben  behandeln  wir  besser  in  dor  Formenlehre,    fore  [fuor e)  im 
Reime  öfter.     So  XV  193;  XII  43. 
í5  24.    /  zu  a. 

XI  II  marauiglia    RLSGMNCZ       mirauigla     BC* 
XIII  25  marauiglia    RLSGMNCZ       mirauigla     HC» 

66  marauiglie    RLSGMNCC^Z   mirauiglc     B 
XIX  40  marauigliai  RLSGMBNCC^  mirauigliai  C*. 


XIII    15  saluagio  RLSNCZ     seluaggio  GMB     siluagio  C* 
XVI  241   saluatichezza  alle  codd. 

Die  Formen  mit  a  sind,  wie  ersichtlich,  die  einzig  gebräuchlichen. 
Finden  wir  neben  /uor^  fore  (im  Reim),  ßwri  die  Form  fora 


'  Die  richtige  Erklärung  des  Wortes  gab  C.  Cavedoni  in  dem  Memorie 
di  Religione,  di  Morale  e  di  Letteratura  Tom.  IV.,  Modena  1834.  Er  sagt: 
.  .  .  Per  tua  Gramatisia:  così  parmi  dover  leggere  assolutatnente  con  tre 
codici  confortati  da  due  altri  (Zannoni  p.  LXIII)  che  hanno  gramotesia  e 
gramaticia,  sì  perchè  V  altra  lezione  deW  unico  cod.  R  gran  mattesia  non  ha 
buon  senso,  e  lo  stezzo  Z  adottandola  non  si  ardì  a  cangiarla  in  matteria, 
e  sì  perchè  gramatisia  può  avere  un  buon  senso  e  tutto  adatto  al  contesto. 
Nel  dialetto  del  nostro  contado  e  della  montangna  altresì,  ode  si  sovente  dire 
che  il  tale  0  tale  altro  uomo,  in  ispezie  se  giovinotto ,  è  gramadico  ed  ha 
molta  gramadisia  allor  quando  egli  va  gonfio  di  se  stesso  e  si  pavoneggia 
e  non  si  cura  degli  altri  per  sua  vanagloria.  Il  significato  di  vanagloria 
ben  si  conviene  sì  al  contesto  di  sopra  rapportato  e  si  alle  parole  che  segU' 
ono:  O  se  per  leggiadria  Ti  se*  solo  seduto  ecc.  Come  da  noi  si  usò  ed  usa 
volgarmente  la  voce  gramadisia,  così  potè  usarsi  in  Toscana,  con  forma  piti 
regolare,  gramatisia  ;  o  Brunetto  la  ritrasse  dai  nostri  dialetti,  come  ha  in 
zae  (XI  V.  27),  che  molto  sa  del  Lombardo,  per  in  qua.  Nel  resto  le  suddette 
voci  gramático  e  Gramatisia  pare  fossero  traslate  ad  indicare  persona  vana- 
gloriosa  ed  altera  in  riguardo  al  contegno  e  sussiego  dei  Gramatici  o  Letterati 
de*  secoli  andati,  cioè  dire,  che  desse  abbiano  aimtn  la  stessa  sorte  che  le  ana- 
toghe  voci  Pedante,  Pedanteria. 

I8* 


276  B.  WIESE, 

gut  bezeugt:  VI  34  in  RLSGCC»;  XIX  89  in  RLSGMBCC;  XX  68 
in  RLSGMBNZ,  so  haben  wir  eine  doppelte  Etymologie  anzunehmen: 
foras  in  letzterem  Falle,  foris  im  ersten.  Cha  statt  che  haben  wir 
nur  zweimal:  VII  141  RC»;  VII  145  RCC«.  In  beiden  Fällen  ist 
cha  nicht  hinreichend  bezeugt,  um  es  gegenüber  einem  sonst  kon- 
sequenten che  in  sämtlichen  codd.  aufnehmen  zu  können.  Im  In- 
laut haben  wir  XI  84  hadaiischi  RLSGMNCC»  basalischi  B. 
^5  25.    i  zu  u  (p), 

V    14  somiglianza     RZ  simiglianza    LSGMBNCC* 

XI    90  dissomigliati  RLSGBNC  disimilglati   MC»Z 
XVII    66  raanofesta       R  manifesta      LSGMBNCC»C2Z 

73  manofestalo    RC'Z  manifestato  LSGMBNCC^ 

XXI  215  douizia  LSGC  diuizia  RMBNZ. 

In  allen  drei  Fällen  sind  Formen  mit  ;'  und  0  dem  Toscanischen 
entsprechend.  Wir  können  daher  der  Lesart  R  folgen,  welche  in 
dissomigliaii  und  diuizia  aufserdem  stark  uiiterstützt  wird,  cf.  Caix, 
Voc.  it.  VII  und  VUI. 

O. 
Betontes  o. 
%  2(0.    ö  in  offener  Silbe. 

I    25  chuor     RZ  cor       LSGMBNCC» 
II    68;  III  57;  XIV  91;  XVIII  98;  chori 
XIX  167;  XXI  128  ]  ^"^  ^°^^- 

VII  209  chuore  G  chore  alle  andern  codd. 
XII  44  chuore  G  chore  alle  andern  codd. 
XV  lOi;  XVI  77,  275;  XXI  30  chore  alle  codd. 

XIX  218  cuore     C» 
236  cuor       O 

XXI  272  cuore     CZ    chor     RI^GMBN. 

Das  Wort  ist  offenbar  nur  mit  undiphthongiertem  0  vorgekommen 
und  so  I  25   herzustellen,  wo  R  chuor  hat. 

I    47  buon     RLSGMNCC»Z  bon     B 

VII    55  buone  RLSGMNCC'Z  bone   B 

143  buom    MZ  bon     RLS 

XV  IO  I  buon     LZ  bon    RSGMBNCC«C« 

214  buon    LSGC»Z  bon    RBNCC« 

XVÍ    26  buon     RLM  bon    S 

92  buona  RLSGMNCZ  bona  B 

XVIII  184  buona  RLSGNCC'Z  bona  B 

XIX    91   buon    RLSGNCC'C*  bon     B 

137  buon    RLGM  bon     SNBC 
192  buona  RLSGMNCC'C^Z     bona  B 

XX  30  buona  RLSGMNCZ  bona  B 
XXI  336  buon     RLSGNCZ  bono  B 

Fav.  I     18  buono  LSGMNCZ  bono  RF 

19  buoni;    130  buona;  II  20  buon  alle  codd. 
I    78  buon     RLSGMNFZ  bon     C. 


>  chore  alle  andern  codd. 


^    -"L.1 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  lt.  LATINOS. 


277 


3r  neigt  sich  der  (Gebrauch  entschieden  dem  Diplithong  zu.     Doch 
:h  die  undiphthongicrte  Form  ist  sicher  belegt  VII  143,  XV  loi, 
4..     Daher  ist  kein  Grund  vorhanden,  sie  nicht  Fav.  I  18  nut  RF 
bewahren. 


I 

78 

huomo 

N 

omo 

RLSGMBCC'Z 

II 

54 

uomo 

LSGN 

omo 

RBCC» 

III 

7 

uomini 

LSGMNCC'Z 

omini 

RB 

16 

uomo 

GMNC'Z 

omo 

RLSBC 

VI 

42 

uom 

RMNZ 

omo 

LSGBCC» 

VI 

44 

uom 

MNC>Z 

om 

RLSGBC 

49 

uomini 

RLSGMNC'Z 

omini 

BC 

59 

uomo 

RMNC'Z 

omo 

LSGBC 

VII 

114 

uom 

MN 

on 

RLSGBCC 

121 

huomo 

Z 

omo 

RLSGMNBCC» 

'34 

uom 

MC»Z 

omo 

RLSGBNC 

'53 

uom 

M 

on 

RLSGBNC 

161 

uomo 

MC»Z 

omo 

RLSGBNC 

165 

uomo 

LSMC» 

omo 

RGBNCZ 

187 

uomo 

LSMNX'Z 

omo 

RGBC 

'95 

uomo 

RNCC'Z 

omo 

LSGMB 

VII 

229 

uomo 

LSMNC'Z 

omo 

RGBC 

230 

uomo 

LSMC'Z 

omo 

RGBC 

VIII 

20 

uomo 

LNC'Z 

omo 

SGBC 

23 

uomo 

NC»Z 

omo 

RLSGMBC 

IX 

'7 

uomo 

G 

omo 

RCC» 

XI 

54 

huom 

MNZ 

om 

RLSGBCC« 

95 

huomo 

GMNZ 

omo 

RLSBCC» 

XV 

21 

huom 

MC>Z 

om 

RLSGBNCC* 

"3 

uomo 

GZ 

omo 

RLSMBCC'C* 

»25 

uomo 

LSMNCC'Z 

omo 

RGBC« 

'53 

uomini 

RLSGMCC'NZ 

omini 

BC» 

210 

uomo 

LSGMC 

omo 

RBNCC« 

245 

uon 

LSMGC» 

on 

RBNCC^ 

XVII 

25 

uom 

GNC 

on 

RLSBC«Z 

XVIII 

25 

uomo 

SGMC'Z 

om 

RLBNCC*^ 

30 

uomo 

LSGMC»Z 

omo 

RBNCC« 

73 

uom 

MC»C»Z 

omo 

RLSGNBC 

77 

uom 

MC'Z 

omo 

RLSGBNCC* 

105 

uomo 

LSGMNC'Z 

omo 

RBCC« 

146 

huomo 

GC'C'Z 

omo 

RLSMNBC 

186  huomo 

GMC'Z 

homo 

RLSBNCC» 

65 

huomo 

LSGNCZ 

om 

RBC»C« 

XIX 

'45 

uomo 

a 

omo 

RLSGMBNCC« 

175 

uomo 

GNCC'C^Z 

omo 

RLSMB 

242 

uomo 

GNZ 

omo 

RLSBCC»C« 

XX 

45 

huomo 

GZ 

omo 

RLSMBNC 

69 

huom 

Z 

omo 

RLSGMBNC 

97 

huom 

MZ 

omo 

RI^SGBNC 

278 


B. 

WIESE, 

176 

liuom 

GMN 

omo 

KLSBC 

271 

uomo 

GMNCZ 

om 

RLSB 

274 

uom 

GMNCZ 

on 

RLSB 

279 

uom 

GMZ 

om 

RLSBC 

28o 

uomo 

GMNZ 

omo 

RLSBC. 

Im  sg.  ist  die  undiphthongierte  Form  zweifellos  die  einzig  übliche. 
R  hat  die  diphthongierte  nur  VI  42,  59;  VII  195  und  ist  jedesmal 
nur  durch  M,  welches  fast  konsequent  den  Diphthong  durchgeführt 
hat,  und  durch  N,  welches  gleichfalls  sehr  zum  Diphthong  neigt, 
gestützt.  Im  pl.  ist,  wie  es  scheint,  //i?w/>// gebräuchlicher;  es  kommt 
überhaupt  nur  dreimal  vor  und  das  erste  mal  steht  omini  in  R;  hier 
behalte  ich  es  bei. 

r.     I  91  lugo     R  (-poco)  loco     LSGMBNCC*Z 
V  40  logo     MN  locho  RLSGBCC» 

VI  40  luogo  NZ  locho  RLSGMBCC» 

locho  im  Reim  in  allen  codd.:  VII  207;  1X6;  XI  80;  XIV  44;  XV151; 
XVI  120;  XVIII  115;  XIX  202;  XXI  246. 

XVIII  51   luogo  LSZ  locho  RGMBNC»C* 

XIX  56  lugho  R  luogo  LSMGNCC'C«  loco  B. 

Das  Wort  kommt  fast  nur  im  Reim  vor  und  hat  dann  die  un- 
diphthongierte Fonn  ¡oco,  Aufserhalb  des  Reimes  ist  es  an  zwei 
Stellen,  V  40  und  VI  40  in  derselben  Form  belegt.  XIX  56  stim- 
men die  codd.  in  der  Fonn  luogho  überein;  lugho  in  R  an  dieser 
Stelle  ist  wohl  ein  Schreibfehler  für  luogho^  wie  schon  1  90,  wo  es 
den  Reim  altcrierend  eingeführt  war.  Die  einmal  vorkommende 
diphthongierte  Form  wird  nicht  erst  von  den  Abschreibern  eingeführt 
sein;  man  könnte  dann  das  gleiche  an  den  beiden  andern  Stellen 
aufserhalb  des  Reimes  und  an  den  Stellen  im  Reime  mit  /ocho, 
giocho  erwarten. 

II     18  iruoua     RLSGN  iroua     MBCC»Z 

XI    60  truouo     RLGNC         trouo     ^MBCZ 
XV  120  truouan  LSGMNCM»  Irouan  RBC»C«Z 
r.     XVI  243  truouc     RLGC  troue     SMBNCZ 

XVIII    78  truoua     RLSGNX'       Iroua     NBCC«Z 
1 13  truoui 
1 1 5  truoui 
XX     12  truouo 
35  truoui 
XXI  208  tuoua 

R  bietet  bis  auf  zwei  Fälle  die  diphthongierte  Form  und  zwar  stets 
durch  die  besten  codd.  gestützt.  In  den  beiden  Fällen,  wo  R  die 
undiphthongierte  Form  hat,  stehen  ihm  die  besten  codd.  mit  der 
diphthongierten  gegenüber.  Es  ist  daher  wahrscheinlich,  dafs  auch 
in  diesen  beiden  Fällen  der  Diphthong  das  ursprüngliche  ist 

II  48  fuor     RLSGMBNCZ    for     C» 
VI  34  fuor     MBXZ  fora  RI^GCC» 

VII  86  fuori    LSGMNC»Z        for     RBC 


1 13  truoui 

RLSC 

troue 

CZ 

115  truoui 

RLSGNZ 

troui 

MBCC^Ca 

XX     12  truouo 

RN 

trouo 

LSGMBCZ 

35  truoui 

RLSG 

troui 

MBNZ 

XXI  208  tuoua 

LSGN 

troua 

RMBCZ. 

DER  TESORE^rrO  UND  FAVOLELLO  H.  LATINOS.  279 

XII     36  fuor  alle  codd. 

r.  43  fuore  KGZN  forc  LSMBNC 

XV  193  fuore  NCC»  fore  RLSGMBC« 
XVI    60  fuor     RLSGMNCC»Z  for     B 

XIX    89  fuor    C*  fora  RLSGMBNCC» 

XX    68  fuora  LSCZ  fora   KGMBN 

76  fuor     RLGMN'CZ  for     SB 

109  fuor     LSGMCZ  for     RBN. 

Formen  mit  uo  und  0  sind  hier  promiscue  gebraucht;  ich  folge,  wie 
immer  in  solchen  Fällen,  R. 

II    66  può      RLSGMNCC«Z       pò      B 
VII  199  puote  LSGMBNCC»  pote  R 

252  puoi     RLSMN;  puote  GC*;  poi  BC 
XI  145  può      LSGMNC»  pò      RBC 

XV  107  può      RLSGMNBCC»Z 

150  puoi     RLSGMNX»Z         poi    ßC« 
XVI    46  può      RLSGMNCC>Z      poi     BC» 
r.    XVII    57  puote  RLSGMNCC>C»Z  pote  B 
XVIII    65  puote  LSGBNCC»Z  pote  RC» 

124  può  LSGMBNXC»C»Z  pò  R 
XIX  106  può  RLSGMNXC»C*  pò  B 
XXI  125  puoi     RLSGMNCZ  poi     B 

r.  134  puote  RLSGMMCZ  pote  B 

Fav.  I    52  può      RLSGMNCFZ 

120  può      RLSGNFC  poi     Z. 

R  bietet  bis  auf  vier  Stellen  die  diphthongierte  Form,  und  dann 
stehen  ihm  LSMGN  mit  der  diphthongierten  gegenüber,  welche  nur 
diese  kennen.  Selbst  B  hat  viermal  uo\  es  ist  überall  einzuführen. 
Das  adv.  poi  findet  sich  in  der  Form  puoi  in  R  IV  4;  V  61; 
VI  30;  VII  144;  in  RC»  IV  i;  in  C*  I  14;  V  2^,  Gegenüber  der 
ungeheuren  Anzahl  von  Stellen,  wo  das  Wort  sonst  noch  vorkommt, 
und  wo  sämtliche  codd.  stets  in  Übereinstimmung  poi  setzen,  dürfen 
wir  in  R  eine  Alteration  annehmen  und  poi  überall  herstellen. 

n    72  suole  RLSGMCC>Z      sole  B 
r.      m    40  suole  Z  sole  RI-SGMBNXC> 

r.      IV    28  suole  RGMZ  sole  LSBNCC» 

XIV    12  suol     RLSGMBNCC» 

24  suol     RLSGMNCC»Z   sole  B 
r.  XXI  150  suole  RGÇZ  sole  LSMBN. 


Ili    2  puosi  LSGMNX  posi  RBC»Z 

IV  35  dispuosc    LSGMNCC»Z    dispose    RB 
V  36  dispuose    RLSGMBNC. 

r.      Ili    39  duole  R     dole  LSGMBNCC»Z 
r.  XXI  121  dole  alle  codd, 

291   duole  alle  codd. 


28o 


lì.  WIESE, 

r.  Ill  85  nuouo  KNCZ  nouo  LSGMBC 
86  —  ouo  alle  codd. 


IV  15  more  KLSGMBNC  muore  C»Z 
XVI  48  moia  RLSGMBCC'C-'  muoia  NZ 
XXI  86  moia  SGMN  muoia  RLCZ. 


IV    27 

uuole  RGZ 

uole 

LSMBNCC» 

29 

uuol     RLSGMZ 

uol 

CC»BN 

30 

uuole  LSGMZ 

uol 

RCBN 

r.         V    94 

uuole  RNCZ 

uole 

LSGMBC  (-parole) 

VII  35 

uuoli    RLSGMNC 

uole 

BZ 

r.         X    36 

uuole  RCC^ 

uole 

LSGMBNZ  (-sole  bubst.) 

XV     15 

uuol     RLSGMNCC'Z  uogli 

BC^ 

119 

uuol     LSGBCC'Z 

uol 

RC'-» 

XVI  no 

uuol     RLSGMNCC-'Z  uole 

BC» 

251 

uuoli    RLSGMC 

uoi 

B 

r.   XXI  122 

uuole  RGCZ 

uole 

LSMBN 

r.              149 

uuole  LSGMCZ 

uole 

RBN 

Fav.  I    23 

uuole  RCFZ 

uole 

LSGMN  (.parole) 

r.             132 

uuole  GCFZ 

uole 

RLSN  (-parole). 

VI  26  nuota  LSGNCC»     1 

nota  RZ. 

VII  88  fuocho  RLSGMC>NZ  foco     BC 
r.     IX    5  fuocho  CC^NZ  focho  RLSGMB  (-locho) 

XIX  93  fuocho  RZ  foco     LSMGBNC. 


XI 

^  mm 

muouon 

CC» 

mouon 

RB 

170 

muoue 

MZ 

moue 

RLSGBNCC» 

r.       XVI 

244 

muoue 

GC 

moue 

RLSMBNC^C» 

XIX 

151 

muoue 

GNCCi 

moue 

RLSMBC* 

r.        XX 

27 

muoua 

N 

moua 

RLSGMBCZ 

81 

muoui 

GMNCZ 

moui 

RLSB 

r.      XXI 

92 

muoue 

RCZ 

moue 

LSMBNG 

r.   Fav.  I 

I 

muoue 

CZ 

moue 

RLSGMNF. 

XV    74  giuoco     LSGMC^NZ     giocho  RBCO» 
83  giuochi   RLSGMNCZ  giochi   BC^C^ 


r.  152  giuoco     Z 

r.  XVIII  116  giuoco     Z 

142  giuoco     LSMGNCZ 
XIX    38  giuoco     LSGM 
XXI  239  giuocha  RLSGMCZ 

r.  334  giuoco     LSZ 


giocho  RLSGMBNCC«C« 
giocho  RLSGMBNCC»C« 
giocho  RBC»C« 
giocho  RBNC»C« 
gioca     BN 
giocho  RGMBNC. 


r.  XVII     58  rischuotc     RLSGMXCC»C-'Z     riscole    B 
r.   XXI  133  pcrchuote    RLSGMNCZ  percote  B. 


k. 


UER  TliSOKETlO  UND  FAVOLIìLLO  B.  LATINOS.  28  I 

XVII  116  chuopre  HLSaMNCC^C-iZ     copre  B. 

r.  XVIII  30  nuoce  LSGMCC^Z     noce  RBNC^. 


XIX  193  rispuose  LSGMNCC»     rispose  RBZ 
XXII    52  rispuose  RLSGMCZ      rispose  BN. 


r. 
r 


XIX  195  pruoua  LSGMNC  proua  RBC'C^Z 

XX    28  pruoua  subsl.  NCZ  proua  RLSGBM 

r.       XXI    91  pruoue  subst.  R  proue  LSGMBNCZ 

r.    Fav.  I      2  pruoue  RCZ  proue  LSGMNF 

90  pruoua  LSMNF  proua  RGCZ. 

XXI  121  choce  alle  codd. 

XXI  273  puouere  R     pouere  alle  andern  codd. 


Fav.  I    53  ausingnuolo  RGNFZ     usingnolo  LSMC 
r.  100  suono  MCZ  sono  RLSGNF. 

Für  solere  sind  die  undiphthongierten  und  die  diphthongierten 
Formen  gleich  gut  belegt.  So  posi^  dispose  neben  dispuose\  dole  neben 
duole.  111  39  ist  gegen  R  mit  allen  übrigen  codd.  dole  im  Reim 
mit  sole  zu  lesen.  Ill  85 — 86  ist  nouo-ouo  das  ursprüngliche.  Sicher 
wieder  wö;v,  fnoia  neben  muoio.  Es  läfst  sich  bei  ö  in  offener  Silbe 
dieselbe  Tendenz  erkennen,  wie  bei  e  in  offener  Silbe,  im  Reime 
nämlich  die  undiphthongierten  Formen  zu  bieten;  wo  wir  in  einem 
Reime  eins  der  Reimwörter  mit  undiphthongiertem  Vokale  finden, 
brauchen  wir  ihn  aber  nicht  in  dem  anderen,  wenn  er  ihn  nicht 
bietet,  herzustellen.  Auch  bei  ö  in  offener  Silbe  finden  sich  wie 
bei  e  aufserhalb  des  Reimes  undiphthongierte  Formen,  wie  schon 
angeführt,  und  femer  in  uolere  IV  30,  in  noia.  In  viouere  ist  nur 
die  Form  mit  0  gesichert.  XXI  92,  wo  R  muoue  hat,  bietet  es  im 
Reime  allerdings  auch  pruoue  subst.  XX  28  hat  es  selber  jedoch 
das  subst.  in  der  Form  proua  \  ebenso  hat  es  bei  prouare  die  un- 
diphthongierten Formen  aufserhalb  des  Reimes.  —  foco  ist  im  Reim 
verwendet,  aufserhalb  auch  fuocho,  giocho  ist  im  Reim  sicher  und 
daher  auch  XV  74;  XVIII  172;  XIX  38  aufserhalb  des  Reimes  mit 
R  zu  bewahren;  XV  ^^  giuochi.  Merkwürdig  ist  die  Übereinstim- 
mung sämtlicher  codd.  in  den  Formen  rischuole  und  perchuole  beide 
male  im  Reim  mit  puote.  Sicher  ist  ferner  chuopre ^  au  singnuolo\ 
choce,  sono'y  rispuose  neben  rispose.  XXI  273  puouere  ist  gewifs  durch 
die  Kopisten  eingeführt. 

Das  Gesamtresultat  der  Untersuchung  über  die  Diphthongie- 
rung des  o  in  offener  Silbe  ist  ein  ähnliches,  wie  wir  es  bei  e  fan- 
den. Im  Reime  vorzüglich  sind  die  Formen  mit  einfachem  0  ver- 
wendet, sie  kommen  aber  aufserhalb  desselben  neben  denen  mit 
uo  auch  noch  häufig  vor. 

§  27.    ö  ist  behandelt  wie  in  der  Schriftsprache. 


282 


B.  WIESE, 


§  28.  O  in  Position  ist  ebenfalls  ganz  wie  in  der  Schriftsprache 
behandelt.  XIV  18  haben  wir  giuso  im  Reime  mit  uso  in  allen 
codd.  (G  suso).  Es  ist  die  toscanische  Form,  cf.  Gaspary,  Sic. 
Dicht,  p.  152  Anm.  2. 

Unbetontes  o. 
§  2Q.    0  ZU  a, 
XVIII  140  orghollio  RLSBNCC^Z    arghoglio  GMC> 

XXI    27  orghollio  RLSGBCZ         argholglo  MN 

72,  80  orghogliamcnto  RLSGMBNC    argolgliamento  Z 


91  orgholliose 

RLSMBNC 

arghogliose 

GZ 

XVIII  149  afeso 

RC»a 

offeso 

RLSGMBNZ 

XXI  140  afendesti 

RN 

offendesti 

TnSGMBCZ 

261  afende 

R 

offende 

LSGMBNCZ 

Fav.  I  107  afendimento 

RNCF 

oífendimento 

LSGM 

70  aserue 

R 

oserua 

LSGCFZ 

XX    66  Attauiano 

RLSGMNC 

otlauian 

BZ 

Fav.  II      9  chonoscenza 

RGNCZ 

canoscienza 

LSM. 

Die  Form  mit  a  ist  unbestritten  und  ist  aufzunehen  nur  in  Aiiauiano. 
Die  Formen  mit  a  in  offendere  ^  osseruare  finden  sich  auch  in  den 
codd.  der  Lyriker,  z.  B.  D'Anc.  vol.  II  CIX  v.  4  und  14,  doch  sie 
rühren  wie  arghoglio  etc.  von  den  Abschreibern  her,  cf.  Caix,  Orig. 
§  51  p.  86.  Caix  führt  ibid.  §  66  p.  276  ein  Salomone  aus  dem 
Tesoretto  an;  dies  ist  ein  Druckfehler:  I  18;  XX  65,  78  bieten 
sämtliche  codd.  salamone,  chonoscenza  kommt  in  den  beiden  andern 
Stellen,  VII  193  und  XIX  240  nur  mit  0  vor.  Die  Form  mit  <i, 
obwohl  bei  den  alten  Lyrikern  sehr  häufig,  ist  daher  nicht  auf- 
zunehmen. Überdies  war  sie  auch  in  der  Toscana  gebräuchlich 
(Caix,  Orig.  S5  51  p.  85)  und  kann  daher  von  den  Schreibern  sehr 
wohl  eingeführt  sein. 
§  30.    0  zu  u, 

X  41;  XX  59;  XXI  269;  Fav.  I  44  in  allen  codd.  lungiamente  resp,  lungamente 
XVIII  130  alunghar  RLSGMBNCC»    alongcha  C«. 


XV  149  ubliare  RN  obliare  LSMBCC»C«Z 
XVIII  131;  Fav.  I  18  oblia  subsl.  und  vb.  alle  codd, 

XV    81  giucar     LGMBNZ  giochar  RSCC»C« 

XVI  104  giullare  RLSGMBNC»Z  giollare  C« 
196  giuchar  RLMBN  giochar  SGCC* 

Fav.  I  96  giucolaro  MF     giullaro  Z     giocholaro  RLSGCN. 


ni  20  ubidire     RLSGMBNZ     obedire    CC» 
XIV  57  ubidenti  RLSGMNZ       obidenti  CC»BV. 

Nur  u  kam  zur  Verwendung  in  lungianienle ,  ubidire.  Von  obUan 
und  giochar  e  sind  beide  Formen,  mit  u  und  mit  0,  sicher  belegt 
Die  Form  mit  u  kam  toscanisch  schon  sehr  früh  vor  (Caix,   Orig, 


DER  TESORETIO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  283 

50  p.  84).     giocholaro  ist  Fav.  I  96  aufzunehmen;  XVI  104  haben 
r  giullare  =  prov.  juglar. 

Vereinzelt  sind  folgende  Fälle. 

II  32  runcisualle  R  roncisuallc  die  übrigen  codd. 

VII  267  uficio  LSGMNZ  ofizio  RBCC» 

XX    51  uficio  M  oficio  RLSGBNCZ 

Fav.  I    20  vfici  M  ofici  alle  andern  codd. 

XI  204  uciano  R  occeano         LSGMBNCC^ 

172  occiano  R  und  alle  andern  codd.  gleichfalls  mit  o 

XI  129  uccidente  RN,  alle  andern  codd.  o 

XVI  201  chonusciuto  R  chonosciuto  die  andern  codd. 
XXI  258  muneta  G                 moneta  die  andern  codd. 

mtlicbe  Formen  mit  u  sind  ledigh'ch  Alterationen  von  Seiten  der 
hreiber.     In  den  Lettere  senesi    finden  wir  z.  B.  Spuleto,   cumune, 
uchuralore,  chusluvia,  Currado  etc. 
§  31.    0  zu  /. 

VII    70  innorato  RLSGN         lionorato  MCC»BZ 
XV  187  inoranza  LSG  onoranza  RMBNCC»C»Z 

XVI    74  innora      RLSGCZ       onori         M 

85  disinore  RLGMNC     desenore  B  disonore  C*Z 

222  innorare  RLSGNCC*  onorare     MBC* 

XVII  108  innora      RLSGNCC»  onora        MBC-* 
XVIII  114  innorato  RLSZ 

XIX  114  disinore   M. 

X  71;  XXll  12  ritondo  alle.  XIX  24  rotundo  C^  rilondo  die 
rigen  codd.  innorare  ist  die  sicher  belegte  Form  und  so  wird 
/  187  innoranza  aufzunehmen  sein.  XVI  85  verlangt  das  Metrum 
t  S  disnore.  In  ritondo  haben  wir  eine  Verwechslung  mit  dem 
aefixe  ri-  anzunehmen. 

§  T^2,    0  zu  e. 

VII  130  albori  RC»Z    alberi  LSGMBNC. 


V  21  formare  alle  codd. 

VI    6  formoe  MNCC»  fermao  RLSGBZ 

VIII    5  formare  alle  codd. 

IX    7  formar  RM  fermar    LSGBNCC» 

XXII  49  formati  RLSMBNCZ  fermati  G. 


r.  VII  196  chomo  RLSGMBNCC»     como  Z 
XV    29  chomo  R,  die  andern  com'è;  C*  cornu. 


XIII  2  sentiero  RMBZ    sentiere  GNCC» 
r.  9  sentero  aile  codd. 

hn\  wie  R  liest,  können  wir  im  Texte  stehen  lassen;  es  war  die 
i  den  ältesten  Lyriken  gewöhnliche  Form  und  findet  sich  noch 
i  Petrarca  (Caix,  Orig.  §  53).  Wo  wir  fermare  für  formare  finden, 
nnte  eine  Venvechslung  mit  dem  verb,  fermare  vorliegen,    nicht 


284  H.  WIESF, 

ein  Úl.urgaiig  von  o  in  e\  doch  dieser  ist  vor  r  im  Toscanischen 
niclit  ungewöhnlich,  cf.  Caix,  Voc.  it.  II  p.  g.  Eine  solche  Ver- 
wechsUing  wäre  VI  ò  auch  kaum  denkbar.  IX  7  hat  Zannoni  /er- 
marc  in  der  Bedeutung  fermare  wirkHch  aufgenommen,  doch,  wie 
mir  scheint,  mit  Unrecht.  Da  an  dieser  Stelle  überdies  R  und  M 
/ormar  lesen,  wie  Y  22  und  Vili  5  sämtliche  codd.  so  ¡st  selbst 
kein  Grund  vorhanden,  von  dieser  Form  abzuweichen.  VII  196  ist 
chorno  im  Reime  belegt;  sonst  haben  wir  stets  come^  nur  XV  29 
schreibt  R  chorno  t\  die  übrigen  codd.  covCti^  wo  es  unentschieden 
bleiben  mufs,  ob  0  oder  e  apostrophiert  ist.  XIII  9  seniero  im 
Reim,  daher  auch  XIII  2  beibehalten,  wo  es  unter  anderen  codd. 
R   bietet. 

U. 

Betontes  u. 

ì5  ^if.  ii  ist  in  den  besten  codd.  stets  bebandelt,  wie  in  der 
heutigtMi  Schriftsprache.  Man  findet  in  ihnen  nur  tuo,  suo,  fui,  fiu^ 
duc.  Sollte  die  von  Caix,  C)rig.  j;  55  p.  88  aus  dem  Tesoretto  an- 
gezogene Stelle  1  42  also  alteriert  sein,  so  ¡st  es  sicher,  indem  auîs. 
uue  ein  uoi  gemacht  wurde.  Ks  ist  dies  möglich,  da  wir  nue^  uu^ 
noch  bei  Dante  und  Petrarca  im  Reime  finden. 

v^  34.    //.    Auch    diiises  ¡st   von    den    mafsgebenden    codd.  wi^ 
in  der  heutigen  Schriftsprache  behandelt. 

XI  59  ¿fi  allen  codd.  ragiono-nessuno 
XVI  61   ongnora - i^uardatura   in   allen   codd.\   nur  M  ändert  den    Vers  di 
Reim  zur  IJebe 
XVIII  23  ongnora-ingiura  alle  codd.\  nur  C*  ingiora 
XVII  83 — 84  cliomunc-chagionc  alle  codd. 
XIV  8ü  hat  M  grazioso-oso,  alle  andern  codd.  uso. 

ICs  ist  dies    wieder   eine  Änderung  in  M,    um  den  Reim  hei 
zustellen. 

v^  35.  C  in  Position.  Im  Innern  des  Verses  kommen  gleic 
falls  nur  Formen  des  heutigen  Gebrauches  vor.  Wir  betracht 
die  Fälle  im  Reim. 

I  107 — 108  bolla-nulla  in  M         bulla 

73 —  74  tutto-chorrotto       in  M         corrutto 

V  63 —  64  tutta-chorrotta        in  MB      corrutta 
III    65 —  66  chongiuntc-fronte  in  B  congionte 

V  27 —  28  pronto-punto  in  BC*      ponto 

V  77 —  78  motto(o)-tutto  alle  codd. 
VII  151—152  motto-tutto  alle  codd.  XX  91  id;  B  totto;  M  ändert 

XI  109  — HO  molto-timolto  RLBXCC^Z  in  SG  tumulto  in  M  multo-f 
XI  143 — 144  tutto-chondotto  in  MBC'Z  condutto 
XXI  127—128  disotto-tutto        in  B  totto. 

Einzig  gut  bezeugt  und    aufzunehmen  ¡st   molto ~twwlto\   in 
an  dieser  Stelle  eine  Änderung  zu  Gunsten  der  lateinische 
vor,  nicht  das  ursprüngliche,  wie  Caix  §  59  p.  92  annimmt 


mnliere 

ce» 

muliera 

MRC 

sufficiente 

NC» 

DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  285 

Übetall  ist  nur  unvollkommener  Reim  bezeugt  und  zu  bewahren. 
M  änderte  an  den  Stellen,  wo  es,  um  einen  vollständigen  Reim  zu 
gewinnen,  einen  Latinismus  einführen  konnte,  wie  ihn  auch  Dante 
und  Petrarca  gebrauchten.  Wo  dies  nicht  anging,  behielt  M  gleich- 
falls unvollkommenen  Reim,  oder  baute  den  ganzen  Vers  um  (XX 
91).  BC^C-  gewinnen  Reime  durch  die  Einführung  dialektischer 
Formen;  diese  Formen  finden  sich  dann  auch  aufscrhalb  des  Reimes 
und  im  Reim  nicht  immer  konsequent,  ihn  öfter  sogar  störend: 
V  69  mondo'profundo  BC,  XII  41  giunio-potüo  C. 

Unbetontes  u. 
§  36.    In  erster  Silbe: 
III      7  molliere  RLSGMBNZ 

VI    54  molliera  RLSGNC'Z 

III    79  soficente  RLSGMBCZ 

VI    40  moltiplicasse  LC^  multiprichassc  RSGMBNCZ 

VII  104  nodrire  LSGMNCZ  nudrir  RBC 

XVI  158  nodrimento     LNC  nudrimento        RSGMBC'C^ 

VII  266  ghostare  RNCC»  gustare  LSGMBZ 

VIII      I  omori  RLSGMBNCC» 

15  omoroso  RLSGMNCC'Z 

IX    10  omore  RLSGMCNZ       umore  B 

XI  110  timolto  R    tomolto  MNCC'Z    tumolto  LSGB 

XIV     10  prodenza         RZ  prudenza  LSGMBNCC 

XV    44  ghostaro  RLSGMBNCC«  gustaro  C« 

XVIII    21  rouini  LSGCC  ruuini  RMBC» 

XXI  284  chocine  RLSC  chucine  GM. 

Gesichert  also  mol  Iter  a ,  soficente,  omore,  omoroso,  ghostaro,  chocine  \ 
eine  merkliche  Tendenz  unbetontes  u  in  erster  Silbe  in  0  zu  wan- 
deln. So  ist  denn  auch  notirir  VII  104,  welches  fast  sämtliche 
codd.  haben,  aufzunehmen,  wenngleich  nudrimento  sicher  belegt  ist. 
Kbenso  VII  zbt  ghostare',  XIV  10  prodenza',  (XV  44  ghostaro)',  XVlII 
21  rouini.  In  multiprichassc  haben  wir  die  lat.  Form  mit  u  belegt. 
XI  110  endlich  ist  an  timolto,  welches  R  allerdings  allein  bietet, 
kein  Anstofs  zu  nehmen,  cf.  Caix,  Voc.  it.  VII  p.  15. 
.^37.  tt  in  der  Mitte. 
V      4  secolo  RLGMBC»   seculo  SNC 

IX    29  uolontade      RLMBC'Z    uolunlate       SGNC 
XI  123  Ercholes        R  Erchules       LSGMBNCC 'Z 

XXI  172  presenzione  RC  presunzione  LSGMNZ    presoncione  B 

251   usoriere         RMC  usurière  LSGBNZ 

316  auollerio        RSGLNCZ  adulterio        MB 
Fav.  I    53  ausingnuolo  R  usingnolo      LSGMNCFZ. 

secolo,  uolontade,  usoriere,  auolterio  sind  die  angewendeten  Formen. 
Auch  Ercholes  ist  mit  R  allein  beizubehalten;  die  andern  codd. 
führen  die  lateinische  Form  ein.  Dante  hat  Ercole,  V ausingnuolo 
in    R    gegenüber   dem    gewöhnlichen    usingnolo   sämtlicher   anderen 


286  B.  WIESE, 

codd.  ist  eine  Anhildung  an  aucello  neben  uccello  etc.,  vielleicht  vor^ 
R  eingeführt,    presenzione  in  R  XXI  172  ist  Schreibfehler. 

Diphthonge. 

au. 
,^  38.    Betontes  au, 

I31  oro     RLSGMBNÇC»Z 
69  auro  RLSGBC»  oro     MNCZ 

76  oro     RLSGMBCC>Z       auro  N 
ni  62  oro     RLSMBCC«  auro  GNZ 

V  85  oro  al/e  codd.  ;  ebenso  Fav.  I  90,  li  28. 

Es  findet  sich  ein  einziges  mal  auro  sicher  belegt:  I  69,  sonst  stetig 
oro.  Aufserdem  nur  íes  oro  y  chose,  poco,  lode^  lodo,  ^odo,  oso,  ode,  dìsodr^ 
frode  etc. 

S  39.    Ich    erwähne   hier   die   3.  pers.  sg.  perf.    der    i.  conjuga- 
auf  -ao  aus    sekundärem    au  [-avii,  -avi,  -<i«[/]).     Die  vorhandene 
Beispiele  sind  folgende. 

r.      V  31  durao  RLSGC;  pcnao  BN;  menao  Z;  durano  C;  penò  M 
r.  32  posao  RLSGBNCC'Z  posò  M 

r.  71  iscurao       RLSGBNCC*Z  schuroe       M 

r.  72  termentao  RLSGBNCC'Z  tormentoe  M 

r.    VI    5  crcao  RLSGCC'Z        creoe  MN  creò  B 

r.  6  fcrmao        RLSGCC*Z         formoc        MN  fermò         B 

VII  74  pensao        RLSGNC  pensò  MB 

XX  78  prouao       RLSGNC  prouò  BZ    appruona  M. 

Die  Formen  sind  an  sämtlichen  Stellen   durchaus  gesichert     Nací 
Caix,  Orig.  >5  66  p.  99  konnte  man  glaut>en,   dafs  die  Formen  mm 
noch  in  L  erhalten  wären. 
55  40.    Unbetontes  au. 

II    51  audiui  RLSGBNCC»     udir      M 

VII  142  audiui  RBN;  audito  o  LSGC;  audio  C»;  Udi  M 

264  udire     RLSGMBNCZ  odire    C» 

X    70  udirai  al/e  codd. 

XII    22  udirà'   LSGMBNCZ      odirai   C» 

XIV    41   udire    RLSGMBNXZ   audire  C» 

XVII      6  udito    RLSMBXCC»    audito  G. 


Ill  1 1   ucielli  ;  XI  99  uccielli  alle  codd. 
XX  75  augielH  RLSGN  uccel  MBCZ 
Fav.  I  81  augello  a//e  codd. 


VII  150  laudato  RGNC    lodato  LSMC^Z  laodato  B 
XXI    49  laudato  RBNCZ  lodato  LSGM. 

Das  au  von  audire  hat  sich  nur  in  der  Perfektfonn  audha  ct 
sonst  ist  au  stets  zu  u  geworden.     Beide  Formen,  udelii  un 
eilt  sind  durch  die  Übereinstimmung  der   codd.  gesichert. 
ist  gleichfalls  zu  bewahren.     Caix,  Orig.  §  68  p.  lOO  fährt  » 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS. 


287 


aus  dem  cod.  L  Fol.  12  an.     Dies  ist  ein  offenbares  Versehen,  da 
dies  Wort  überhaupt  nicht  im  Tesoretto  vorkommt. 
§41.    ai  aus  a  +  attrahiertem  /'. 
r.        V    18;  r.  V  76;  r.  X  46;  r.  XVII  13  manera  alle  codd. 
r.      VI    53  manera    LSCNC^Z  maniera  RM  mainerà  B 

r.     VII    52  manera    RSGMBNZ  mainerà  C*     maniera  Z 

r.  XVI  15  manera  RLSGMNC^C*;  mainerà  B  maniera  CZ 
r.  XXI  252  maniere  RLSGMNCZ  manere  B. 
Bis  auf  das  letzte  Beispiel  ist  die  Form  mit  einfachem  e  stets  die 
allein  gut  bezeugte  (auch  VI  53  einzuführen).  XXI  252  ist  aber 
mit  Einstimmigkeit  der  codd.  die  Form  mit  ie  belegt,  welche  echt 
toscanisch  ist.  (B  kann  nicht  in  Frage  kommen,  da  die  Formen 
mit  e  statt  der  mit  ie  in  den  norditalienischen  Dialekten  überwiegen, 
die  Form  also  dialektisch  sein  kann).     Fernere  Beispiele  sind: 

r.         Ill    45  pensiero     RLMNCZ 

r.  46  primiero    LMZ 

r.        IV    31   opera  RN 

r.       VII    51   primera      RL*SGMBV 

107  lauorero     GBC 
r.     VIII    23  legiero       RLGMNC»Z 
r.         X    88  pregherò    SGBNCC^Z 
r.    XIII      9  senlero       RLSGBC 

XIII      2  sentiero     RGNCC'Z 
r.       XV     II   chaualero  alle  codd. 
X.  169  chaualero  RLSG 

XVI      I  chaualer    RSBCC» 
XVII       3  caualer      SC»B 
r.  XVIII      I   chaualero  RSGMBNC»C2Z 
r.      XV  170  forestero    RLSG 

XVIII  197  laniero       RLSGNCC^C« 
r.  199  stranieri     RLSGMBNCC^C« 

r.  203  charrera     MC* 

r.    XIX    80  chaiera  RC;     carriera  LSGNC*;     charrera  MBC^ 
r.    XXI      4  pensieri      RLSGMNCZ  penseri        B 

r.  107  guerrieri    RLSGMNZ  gucrrcri       BC 

r.  251   usoriere     RLSGMNC  vsurerc        B. 

Die  Formen  mit  ie  und  e  kommen  promiscue  vor;  letztere  vorzüglich 
im  Reim,  doch  auch  hier  findet  sich  ie.  Wir  haben  penserò  (so 
III  45  zu  lesen),  primero^  primera  ^  our  er  a  ^  pregherò  (so  X  88  ein- 
zuführen), senteroy  chaualero,  forestero  \  dX)Qx  sentiero  XIII  2,  chaualter 
XVII  3,  laniero  XVIII  197,  charriera  XIX  203  und  XIX  80,  guer- 
rieri XXI  107,  pensieri  XXI  4,  usoriere  XXI  251. 

§  42.    In  der  lateinischen  Form  haben  sich  erhalten: 

IV  34  uicharia  alle  codd. 

XI  15 — 16  chonlrario-disuario  alle  codd. 


penserò 

SGBC» 

primero 

RSGBNCC>V 

ourera 

SGBCC         ouriera  LM 

primiera 

NC'Z 

lauoriero 

N 

leggero 

SBC 

preghiero 

RLM 

sentiero 

MNC'Z 

sentero 

B 

chaualiere  MZ 

caualier  LGMNC*Z 

chaualicr  RLGMNCC« 

caualiero  LS 

forestiere  MZ 

laner  B 

charriera  RLSGBNCC» 


*  Caix,  Orig.  §  73  p.  104  oben  gicbt  primiera  als  Lesart  L. 


288  R  WIESE, 

r.  VI  21  luminarie  RSGMNC^Z  luminare  I.BC 
r.        22  uarie  SGMNC'Z      uare  RLBC. 

VI  2  2  ist  uarc  aufziinohmen  und  VI  2i   luminare. 
S  43.    ai  deutschen  Ursprungs. 

VII  loi  lado  R     laido  LSGMBNZ 
Vili     12  lada  R     laida  alle  andern  codJ. 
XVI  262;  XVII  42;  XXI  312  laida  alle  coda, 
XXI  310,  109;  Fav.  I  100  laido  alle  codd. 

Die  beiden  male,  wo  R  allein  die  Forni  ohne  /  hat,  ¡st  cinc  Än- 
derung in  R  anzunehmen. 

Fav.  I  56  ^uero-misUro  in  allen  codd.  Dazu  cf.  Gaspary,  Sic. 
Dicht,  p.  180;    es  verhält   sich  zu  ^uari  wie  carnieri  zu  caballar ius, 

Ji  44.    Unbetontes  ai  {ae). 

V  42  balia  RLSGMNCZ       bailia  BC> 
VI  10  balia  RI^^GMNCC^Z   t)ailia  B 
XIX  98  balia  Rí^GMNCC«     bailia  BC«. 

Nur  die  F'ormen  mit  a  sind  sicher  bezeugt. 

Oi. 

§  45.  oi  in  betonter  Silbe  kommt  einmal  im  Tcsoretto  vor 
XVII l  9  das  adj.  chanto  =  afr.  cointe\  in  unbetonter  haben  wir 
folg(Mide  zwei  Worte  zu  betrachten. 

XXI  206  chouitisa  R;  couctisa  N;  conuotisa  LSG;  coniccisa  M;  conuoitisa  C; 

inuiciusa  B;  cortesia  Z 
XXII    32  chontanza  RGMNZ;  accontanza  LSG;  acontancia  B. 

Das  erste  Wort  ist  =  afr.  covoilisey  convoitise,  couvoiiise  etc.  Von 
den  in  unseren  italienischen  Texten  überlieferten  Formen  kommen 
inbctracht  chouitisa^  conuolisa,  conuoitisa  und  couelisa.  Die  Form,  wie 
R  sie  bietet,  ist  durch  N,  die  von  LS  durch  G  und  C,  welches 
letztere  in  seiner  Form  dem  convoitise  sogar  am  nächsten  kommt, 
gestützt.  Beide  ?'ormen  sind  möglich,  chouitisa  entspräche  genau 
der  Form  cuvcitisc  und  ki'mnte  auch  aus  covoitise  entstanden  sein; 
cannot  isa  wíire  gleich  conuoitise.  Ich  halte,  meinem  Prinzip  ent- 
sprechend, die  Form  von  R  fest.  XXII  ^2  Lst  chontanza  =  afr. 
acoifitiince  mit  verloren  gegangenem  a  hinlänglich  bezeugt.  '  Unmög- 
lich wiire  auch  nicht  direkte  Ableitung  von  dem  adj.  chonio  XVII  9 
=  cagni  tus.     sorchudanza  VI  81  =  afr.  sorcuidance. 

Eu. 

XI  24  Rofradc  R;  Eufrates  LSGMCC^Z;  Eufrate  NV;  Enfrates  B 

XI  29  (Siche)ufrade  R;  -ufrates  LSMCN;  -eufrates  GZ;  Enfrates  B;  Enfrr 

{feh/t  Siehe)  C. 

Der  Vers  XI  24  lautet  nach  R:  Eofrade  z  gion  und  so  in  a 
codd.  nur  mit  Vi^rschieilenheiten  in  der  Schreibung.  Zu  scandi 
ist  der  Vers:  KöfradPi  gion.     Die  hieraus  zu  entnehtnenden  Fot 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  289 

sind  also:  ofrádej  tifrate\s\,  nfráte,  En/ràie\s\  Y>2Lh  gion  zweisilbig 
und  auf  der  Ultíma  betont  ist,  lehrt  uns  v.  37:  G  Ion  uain  etiopia, 
V.  29  lautet  Siehe  tifrade  passa  in  RLSMC,  sicheufrade  N,  sieche 
euf rates  GZ,  siehe  Eufrates  B.  In  C*  mit  fehlendem  siehe  :  Eufrates, 
Zu  scandieren:  Si  ehe  \  ufra  |  de  pa  \  ssa, 

ufräde^  ufràte[s],  eufrate\s\,  enfráte\s\  sind  die  hieraus  zu  ab- 
strahierenden Formen.  In  der  Intll.  p.  76  haben  wir  im  cod.  magi. 
Ed  uf rates,  im  gadd.  Ed  u finte  s.  Die  Formen  mit  s  sind  dem  lat. 
angepafst  und  passen  nicht  in  den  Vers,  weil  sie  den  Accent  auf 
der  letzten  Silbe  haben  müfsten,  cf.  Caix,  Orig.  %  1%"]  p.  194  und 
unten  55*21.  Dante,  Purg.  XXXllI  1 1 2  braucht  Eufrates,  Also 
eine  Form  Eöfrade  etc.  liefse  sich  an  beiden  Stellen  auch  denken. 
Doch  an  der  zweiten  Stelle  haben  die  codd.  RLSMC,  wie  aus  ihrer 
Schreibung  hervorgeht,  (Siehe  ufrade)  iifrade  resp.  ufrate  gemeint, 
und  an  der  ersten  vermifst  man  ungern  die  C'opula  E,  Die  Form 
der  Intll.  spricht  schliefslich  zu  gunsten  der  Form  mit  //  (p).  Ich 
lese  daher  mit  R  ufrade  und  ofrade.  Die  Änderung  in  ufraies, 
euf  raies  von  Seiten  der  Schreiber  ist  sehr  erklärlich,  wenn  man 
daran  denkt,  wie  oft  ihnen  diese  Form  in  lat.  mss.  vorkam,  und 
wie  bekannt  sie  allen  war,  als  der  Name  eines  Flusses  im  irdischen 
Paradiese.  Eufrates  z.  B.  auch  in  Pietro  da  Bescapò  ed.  Biondelli, 
Poesie  lombarde  inedite  p.  42. 

Hiatus. 

A.    Hiatus  innerhalb  einzelner  Worte. 

1.    Hiatus  mit  dem  Accent  auf  der  zweiten  Silbe. 

§  47.  War  der  erste  der  beiden  im  Hiatus  stehenden  Vokale 
kein  /,  so  bleibt  der  Hiatus  entweder,  oder  der  erste  Vokal  wird 
ganz  getilgt.  W^ir  haben  nur:  mente  y  nëuno.  Die  Belege  S  12.  paese 
Il  29;  XI  135;  XIII  IO,  2%\  XVI  271,  284;  XVIIl  195;  tiiv.  I  13. 
paura  III  77;  XV  155;  XIX  46,  io i,  1 17,  135,  216;  XXI  21g.  creato, 
creata,  create,  creo,  crëao.     Belege  %12.    ¡ëoni  XI  S2;   Fa  v.  1  35  /è'one, 

XIII  49  maestri    RGC»  mastri    LSMBNXZ 

XIV  55  maestre  atte  cotid. 

XVIII  72,  156;  XIX  I   maestro  alle  coda. 
XIX  60  maestro  RCi       mastro  LSMNBCC» 
XXII  4 1   mastri»  alle  codd. 

Die  Formen  maestro  und  mastro  kommen  beide  nach  Bedarf  des 
Verses  zur  Venvendung.  XIV  1561  reali,  XV  106  folëasse  LCC>C- 
folìeggiasse  RSCiMBNZ,  r.  XVI  21  aiuta  RGNC'Z,  aita  LSMBCC^. 
Das  Reimwort  ist  gradita,  verlangt  also  aita.  Wir  haben  stets  saetta 
XVI  38;  XIX  87,  150,  189;  Fav.  1  48.  soäue  XVI  43.  aiisa  XVI 
216.  lèaie,  lëanza,  Belege  §  12.  X\I1I  21  r«///>//  RLSGCC-,  ruini 
MBC*,  cf.  §  36.  Wo  der  erste  der  beiden  hiatusbildenden  Vokale 
/*  war,  finden  wir  öfter  die  beiden  Vokale  als  eine  Silbe  gerechnet. 

chandizione  V80;  VII  183;  XI  181;  XVI  134;  ahcr  chondizione  l  17; 
XVI  270.    fiata-e  V  95;  XI  43;  XV  ^3'^  XVI  123,  25Ö;    XVII  29; 

ZaItMhr.  r.  rom.  Phil.    VII.  iç 


290  B.  WIESE, 

XX  52;  Fav.  1  1 1;  aber  fiata  I  55.  prezioso  I  90;  VW  56,  157,  168; 
X  5«;  XI  ^y,  XIV  7Q;  XVI  5;  contrariose  Vili  26;  /rr^2w<7  VII 
157;    XIV  79;    XVI  5.      (ìiscrezione  VII  254;    doch  fazzone   XI  91 

RLSBNC'  fazione  C'iMCZ  generazioìte  XI  182;  presunzione  XXI  172. 
ír/W/Sí/  VII  194,  217;  XIII  49.  triare  VII  232.  ^/¿>;/  XI  24,  37. 
i7/V?/>/V/  XI  37.     disianza  XIX  lOi,    107,   126;    disiata  XIX  HI.     w/- 

serichordioso  XXI  185.   ^/W/é'  XI  84. 

II.  Hiatus  mit  dem  Accent  auf  der  ersten  Silbe. 
§  48.  In  diesem  Falle  gelten  die  beiden  den  Hiatus  bildenden 
Vokale  meistens  nur  für  eine  Silbe;  nur  im  Versausgang  zahlen  sie 
immer  für  zwei.  Vielfach  sind  die  beiden  Vokale  kontrahiert  So 
stets  vo,  soj  sto,  o,  fate,  trare  und  comp.  Aus  aerem  haben  wir, 
sofern  man  alle  angeführten  Worte  als  aus  einem  Etymon  geflossen 
annehmen  will: 
r.       IV  33  aria  alle  nur  aera  N  (-uicharia) 

VI    5  aire  RN;  aiere  LBC^Z;  acre  SGM;  arc  C 
IX    5  aria  /';;  alìeyt  codd. 
XIX  26  aria  RSGMBCC*;  aicra  L;  aira  C*;  aire  N 
r.  XXII  14  arie  RZ;  aire  LSGN;  are  MR;  aiere  C  (-marc) 

IV    5  bonariamente  LMXC;   bonarementc  S;   boniaremcntc  G;   bonairc- 
mente  C*;  bonairamente  B. 

IV  33,  IX  5  und  XIX  26  ist  die  Form  aria  (nach  Caix  aus  aira 
wie  lado  Jadió  aus  laido  Orig.  §  86  p.  112  oben)  gesichert.  VI  5 
haben  wir  die  dreisibige  Form  aire  (S(iM  aëre)\  zur  Tilgung  des 
Hiatus  schieben  mehrere  codd.  ein  y  ein.  XXII  14  endlich  ist  im 
Reime  mit  mare  die  Form  aire  ver^vendet  und  beizubehalten;  in  R 
liegt  vielleicht  nur  ein  Schreibfehler  vor:  arie  statt  aire  y  cf.  Caix, 
Orig.  >5  86  p.  1 1 1.  IV  5  ist  mit  S  bona  remente  aufzunehmen,  welches 
durch  B  und  C*  gestützt  wird.  —  Der  Hiatus  ist  übereinstimmend 
in  silmtlichen  codd.  getilgt  XV  8  in  dimorc^ui  (nur  C^  demoraict). 

%  49.    Der  Hiatus,  welcher  entsteht  durch  die  Ausstofsung  des 

V  im  imperf.  ind.  der  Konjugation,  bildet  im  Innern  des  Verses 
meistens  nur  eine  Silbe.  Beispiele  für  Zweisilbigkeit  sind  III  34, 
44,  wo  im  erstcren  Falle  der  Artikel  /,  im  zweiten  die  Partikel  e 
folgt.  XI  103  stendëa,  XIX  ^^  mdëa,  —  Beachtenswert  sind  fol- 
gende Falk»  von  Hiatus.     VII  107  lauorio  RIJS   iauorero  GBNC  /ä- 

iiorio  MC*;  XI  72  AhVc  alle  codd.*  —  Die  3.  p.  ind.  perf.  der  i.  conj. 
auf  ao  bildet  Hiatus  (cf.  §  39  Aufzählung  der  Beispiele).  XX  78 
pronao  VII  74  pensäo,  F:benso  faììio  XXI  81  RSGBNC  falñ  LMZ. 
—  Das  Wort  dio  ist  immer  einsilbig.  XX  88  finden  wir  es  in  R 
und  (i  zu  di  vorkürzt.  F's  ist  gewifs  dio  herzustellen,  wie  alle  codd 
sonst  immer  U^s(in.  —  F>weit(irtc  P^ormen  wie  ae  etc.  kommen  im 
Innern  d(\s  Verses  nur  in  einzelnen  codd.  vor,  und  rühren  von  den 
Kopisten  her.     VII  201  m  SL;  XVI  40  ae  %\  XVI  39  /äk?  SN;  XIV 

'  Der  Accent   ist   nicht   sicher   /u   bestimmen;   es   müfstc   das  Wort  im 
Keim  nachgewiesen  werden. 


DER  lESOKETTO  UND  FAVOLRLLO  H.  LATINOS.  29 1 

22  siae  S.  Fav.  1  27  uae  LS.  Im  Reime  haben  wir  jedoch:  XI 
27—28  zae-lae  RLSGBNCC'Z;  M  quà-là-,  XllI  71  sme{-mene)\  XVI 
102  iene['bene).  —  Zwei  gleiche  Vokale  im  Wortauslaut  werden 
geschrieben. 

III    45  Uscio  I.  p.  RLSGNCZ  Uscij     C*  Usci  BM 
VII  142  Audiui  RBN  Audio  C  Udì    M 

XIX  202  parti  RM,  ivo  jedoch  mutai  zu  lesen  ist, 

XVI  193  de  3.  p.  LBNCC  dee  SM;  die  andern  dei  oder  de'  2.  p. 
XIX      8  dee  RSN         de    LGMBCC'C» 

XIX    41  de' omo   RLSGNCC«. 

Ist  der  zweite  Vokal  des  Hiatus  im  Auslaute  eines  Wortes  e  oder 
/*,  so  findet  sich  manchmal  neben  der  vollständigen  Form  die  apo- 
kopierte,  wie  sie  in  der  Toscana  von  ältester  Zeit  an  gebräuchlich 
war  (Caix,  Orig.  S  89  p.  1 1 4).  Wir  unterziehen  die  einzelnen  Bei- 
spiele einer  genauen  Betrachtung, 
uoi  in  allen  codd,  I  44,  58,  64,  66,  84. 
uo'  nur  in  M  I  13,  4I,  73;  XIX  174,  während  alle  andern  codd.  gleichfalls 

uoi  haben. 
poi  in  alUn  codd,  I  102;  V  15,  23;  VII  92,  265;  XII  I,  22;  XIV  31. 
po'  in  M  I  14,  43,  74;   II  27;   III  54;  IV  r;  V  65;  VI  9,  30;  VII  i;  Vili  21; 

XI  ICI.  159,  !6o;  Xm  75;  XIV  18,  38;  XVII  10;  XIX  177;  XX  90,  107; 

XXI  20;  alle  andern  codd.  poi. 
SonsHge  Fälle  I  104  po'  GM;  III  40  MC;  XI  m   GM;  XH  19  MC». 
XII    26  chui  alle  codd.,  nur  cu'    M 
XVI  100  chui  alle,  nur  chu'  LM 

XVII  41    chui  alle,  nur  chu'  L 

XIX    76  chu'- chui  R;  chui -chu'  L;  cui -cui  SGBC;  qua'- qua'  M; 
chi -chi  NC;  quai -quai  C*. 


XV  23  assai  alle,  nur  assa'  M 
XIV  77  assai  alle,  nur  assa'  L 
XIX  163  assai  alle  codd. 


XVI    27  noi  alle  codd.,  nur    no'  L 
XVIII  129  noi  SGMBNCC2Z      no' LG  (no  RC»). 


XVI  149  e'  RLSGMNCZ  el  BC» 
XXII    5 1   e'  LSN  ;  ei  GB  ;  que'  M  ;  clli  RC  ;  egli  Z 
Fav.  I  n4  e'  LSGN;  el  R;  elH  C. 


IV     II   lui  alle  codd.  (luie  C«) 
XVI  229  lui  alle  codd.,  nur  lu'  L 
XIX  184  lui  LSBNCC«Z  lu'  RGMC«. 


XVI  200  altrui  RSGMNZ  altru'  L 

216  altrui  RSGBNC'C«Z  altra' LM 
58  altrai  in  alien  codd. 
XXI  218  altrui  alle  codd.^  nur  altra'  L. 


19^ 


\3-  ■  ^ 


^■%^ 


292  K  WIESE, 

XIX    42  que'  RLSGMC»N  quej  BC« 
XX    49  que'  RLSC:X  quel  G       quella  MBZ 

XXI  248  que'  RLSMNCZ     quei  GB 

325  quel  RLSGMNZ     quei  B       quelli   C 
XXII    47  que'  RLSMN  quei  B       quelli   C. 


XXI  267  tai  G  ta'  RLSMC;  tali  N;  tal  B. 

omai    /;/  a//en  coJd.  VI  l;  XVI  282 
ormai  im  Keim  X  79;  XII  52;  XV  I;  Fav.  II  24 
VI    41   mai  al/et  nur     ma'    L;  ebenso  XI  46 
VII    66  mai  alie,  nur     ma'    RC^ 
XV  207  omai  alie,  nur  orna'  M 
Fav.  I  1 1 2  mai  SGCNF       ma'    ROl 
II    8  mai  aiic,  nur     ma'    M. 

Nur  //{)/,  poi,  cimi  (XIX  76  an  erster  Stelle  gegen  R  einzuführen), 
iìllruiy  inai,  ornai,  ormai  (inai  auch  Vil  66  und  F'av.  I112  gegen  R 
aufzunehmen)  sind  sicher  belegt.  Aber  e^  ist  bezeugt  XVI  149  und 
XXII  51  zu  adoptieren,  wo  elli  in  R  den  Vers  um  eine  Silbe  zu 
lang  macht.  Fav.  I  114  können  wir  mit  R  el  beibehalten.  Ganz 
analog  ist  die  einzig  sicher  belegte  Form  que\  und  XXI  267  ist 
ta'  aufzunehmen.  —  Die  2.  p.  praes.  conj.  vor  essere:  sie  '  kommt 
nie  apostrophiert  vor.  XXI  163  si'essa  R  =  sie  essa  als  3.  p.  ist 
mit  den  übrigen  codd.  in  sia  tssa  zu  bessern.  Ebenso  ist  274  sia 
als  3.  p.  einzuführen,  wo  R  si'  =  sie  hat.  Dagegen  stimmen  sämt- 
liche codd.  in  der  Verwendung  von  st^  überein;  dies  Wort  kommt 
ììiir  so  vor.  Die  Beispiele  für  essere,  welche  ich  sämtlich  gesammelt 
und  verglichen  habe,  anzuführen  wird  nicht  nötig  sein.  —  ße,  wie 
R  konsequent  liest,  (die  mtusten  übrigen  codd.  Jia)  wird  nie  apo- 
strophiert. Beispiele:  V  83;  X  6g,  76;  XU  44;  XV  35'y  XVI  201; 
XVIII  20. 

In  der  2.  pers.  praes.  ind.  nur  pt/oi:  VII  252;  XVI  46  (R  zu 
emendieren);  XVI  50;  XXI  125;  Fav.  1  120  (R  zu  emendieren). 
nur  </ei:  Y ^3;  X  28;  XVI  iii,  194,  258;  XVII  56;  XVIII  182  und 
daher  ¡st  XVII  43,  wo  R  f/e'  essere  hat,  mit  allen  andern  codd.  M 
zu  lesen.  Nur  ai:  X  47>  80;  XVIII  83;  XX  24,  89;  XXI  72;  XV 
1Ò4  hat  R  im  Reime  a*-da\  was  mit  allen  andern  codd.  in  ai-dai 
zu  ändern  ist.  Nur  uai:  XVI  233,  235;  XVIII  91;  XX  47;  XXI  40. 
Nur  dai:  XV  163;  XXI  106.  Nur///:  XV  195;  XVII  56,  93;  XX 
Ò9.  Nur  W:  XV  182;  XVÌII63;  XX  31,90;  XXI  22;  Fav.  I  56. — 
So  haben  wir  in  der  2.  p.  fut.  ind.  nur  -ai,  VII  137;  XII  16,  20, 
28,  32,  ^^y  ^y,  XII  22  ¡st  udirai  herzustellen  (R  uedera\  L  udira)\ 
X  34  [^iorra'  C);  X  70,  7«,  XU  14,  2y,  XV  18,  19  {sarà'  C);  XV 
205  [s(ra'  C);  XV  208;  XVI  35,  105,  132,  104,  85,  199,  200,  204, 
277;   Fav.  1  122.     Ebenso  in  der   i.  p.  cond¡t.  XVI  279  poirei\  XIX 


'   Daneben  scheint  sin  «gesichert;  sij  nur  in  R(''-'.     Für  die  3.  pcrs.  sit  statt 
àia  ist  stets  zu  emendieren,  wie  die  Übereinstimmunj;  der  besten  codd.  zeigt. 


DER  TESORETIO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  2Q3 

169  farei\  XVI  22  sarei.  Ebenso  in  der  i.  p.  perf.  ind.  II  76; 
III  47  ¡st  /¿'/gegen  Je  in  RM  zu  lesen.  III  54;  III  56  (R  dirizza)', 
XIV  18,  74;  XIX  39»  40»  43»  48,  53  [p^'^gha'  N)  71,  72,  184,  202, 
212,  213,  214;  XXI  7;  XXII  2,  3,  4,  21,  27,  28,  2>Z^  i^j,  38;  Fav. 
II  2"^.  Sicher  belegt  ist  nur  die  i.  p.  fui  IV  11,  12;  XII  54;  XIII 
6,7  gt'gen  R  herzustellen;  XVil  12;  XIX  16,  70,  93,  208;  XXII 
30.  —  Besondere  Beachtung  verdient  die  3.  p.  perf.  ind.  fue,  fu. 
Die  Form  fue  ist  im  Reim  und  sonst  gesichert.  Andrerseits  ist 
aber  an  vielen  Stellen  die  Form  fu  von  so  zahlreichen  codd.  über- 
liefert, dafs  kein  Zweifel  daran  sein  kann,  sie  habe  dort  ursprüng- 
lich gestanden.  Wir  müssen  also  annehmen,  dafs  die  Formen  fuc 
und  fu  promiscue  gebraucht  wurden. 

III.    Hiatus  aufserhalb  des  Accents. 

§  50.  Die  Beispiele  eines  erhaltenen  Hiatus  beschränken  sich 
im  Tesoretto  auf  einige  Fälle  in  vortoniger  Silbe,  cr'caturay  creatore  y 
lëalmenley  lëaltate.  Die  Beispiele  §  12.  disuïamenlo  XV  77;  maestria 
XVI  II,  196;  XVIII  120,  (C"^  mastriay  wo  dann  eine  Silbe  fehlt) 
127;  XIX  211  (C"^  mastria,  die  fehlende  Silbe  ist  ersetzt);  maestranza 
XVI  1Ò7;  XI  82  leofanti,  —  Stets  getilgt  ist  der  Hiatus  in  ornai. 

VI       I   ornai  ¿n  allen  codd. y  nur  oymai  C* 
X    70  ornai  LSGMBNC^Z         ormai  RC 
XII    52  ornai  LSGMBNC»Z         ormai  RC 
XV      I  ornai  LSGMBNCC'CSZ  ormai  R 
207  omai  alle  codd. 
XVI  282  omai  alle  y  nur  ormai  N. 

R  ersetzt  an  drei  Stellen  die  prov.  Fonn  durch  die  italienische;  es 
ist  aber  stets  mit  der  Autorität  sämtlicher  codd.  omai  beizubehalten. 
Fav.  II  24  lesen  RLSMCF  ormai,  nur  G  und  N  omai\  da  wird  ormai 
ursprünglich  sein.  —  Erwähnen  will  ich  noch,  dafs  XVIIl  37  sämt- 
liche codd.  die  Form  atar  bieten,  welche  Caix,  Orig.  §90  p.  114 
auf  *a\jyiare  zurückführt.  VI  59  alasse  in  allen  codd.;  nur  C^ 
aitasse.  Hier  wäre  also  der  Hiatus  durch  Kontraktion  getilgt.  In 
auoiterio  XXI  316  [adulterio  BM)  ist  zwischen  die  zwei  Vokale  ein 
hiatustiigcndes  v  eingeschoben. 

§51.  Wir  haben  hier  noch  das  proklitische  Personalpronomen 
io  und  die  proklitischen  Possessiva  tnio,  tuo,  suo  zu  betrachten.  Die 
Formen  ttoi,  voi,  lui,  lei  kommen  in  unserem  Gedichte  nicht  mehr 
als  tonlose  Pronomen  vor.  —  Die  codd.  stimmen  inbezug  auf  io 
meistens  im  Gebrauche  der  nicht  apokopierten  Form.  Letztere 
finden  wir  besonders  häufig  in  den  codd.,  die  auch  /  meistens  ab- 
stiefsen,  in  L  und  M.  R  zeigt  auch  öfter  solche  Formen.  Sämt- 
liche codd.  stimmen  im  Gebrauch  der  Form  io:  II  2^,  51,  58,  74; 

IV  7,  20,  26,  36;  V  76,  87;  VII  17,  64,  248;  IX  20,  23;  X  44; 

XI  117,  173,  187;  XIII  12;  XV  I,  131;  XVI  24,  155.  M  allein 
hat  /',  die  andern  codd.  io:  I  70,  77;  II  40;  III  61;  IV  1 1»  30,  31  ; 
V34;  VII  126;  X6;  XI  94»  161,  189;  XV  213;  XIX  168,  202; 
XX  21;  XXI  347;  XXII  4,  46;    Fav.  U  13.     M  und  L  allein  haben 


294  B.  WIESE, 

t\  diiî  andern  codd.  io:  X  43;  XI  9,  17,  60,  177,  199;  XIH  8,  22y 
38;  XV  2;  XVI  20;  XVII  20;  XIX  94»  99»  U^,  170.  »73;  XX  26, 
107,  108;  XXI  13,  330,  342,  353;  XXII  II.  G  und  M  allein  /': 
VII  21,  123;  XI  88;  III  51.  L  allein  hat  T:  XI  174;  XII  47.  5^; 
Xlll  22,y  45;  XIV  I,  65,  66;  XV  7»  4i;  XVII  12;  XIX  21,  81;  XXI 
340.  L  und  S  allein  C  VII  41;  XIV  189.  LGM  allein  /'  III  20. 
MC  allein  /'  III  6.  LMC»  allein  /'  XIX  66.  IMCC»  allein  /'  II  59. 
GMN  allein  /'  VII  196.  —  In  allen  bisher  angeführten  Fällen  ist 
io  aufzunehmen.  Wir  fassen  folgende  Fälle  näher  ins  Auge.  I  87 
i'"o  alle  codd.  XIII  46;  XVIII  145  alle  ebenso.  I  99  t'"o  RLSMNC 
io  0  GBC».  XIV  90  t'"o  RLSNCZ  i'  BM;  hier  ¡st  farò  im  Verse  zu 
lesen,  wie  v.  92  beweist  und  das  i*"o  fatto  also  durch  Schreiber 
eingeführt.  XVI  268  io  0  RGMBC-^  fo  LSCC».  XVIIl  106  i'o  R 
ioo  MBC2Z. 

m    25  ch'i'  RGZ 

54  ch'i'  RLSMN 
IV    29  eh'  i'  RLGM 
VII  271  ch'i'  RLSBM 
XI  137  ch'i'  RLSGM 

XIII  7  ch'i'  RLSMC» 
43  ch'i'  RLM 
47  ch'i'  RLM 

XIV  59  s' i'     RLM 
XV    84      i'     RLGM 


131  s'i'     RLSG 

XIV 

52      i'     LSGMN 

XVII 

61  eh'  i'  RLM 

XIX 

7  ch'i'  LSMBC» 

39  s'i'     SMCN 

69  eh'  i'  RLGC 

XIX    71         i' 

RL 

73  eh'  i' 

RI, 

205  ch'i' 

RLBNC« 

238  s' i' 

RMC» 

XX    12  ch'i' 

RM 

105  ch'i' 

RM 

106  ch'i' 

RLM 

no  s'i' 

RLM 

XXI    20  eh'  i' 

RLSM 

328  eh'  i' 

RLS 

343  eh'  i' 

LSGM 

XXI I    IO  ch'i' 

RLM 

38  ch'i' 

R 

Fav.  Il      I  ch'i' 

RT.MF 

7  ch'i' 

RSM. 

Bei  den  zunächst  zusammengestellten  Fällen,  wo  dem  io  ein  0  = 
haheo  folgt,  (eigentlich  unter  Hiatus  zwischen  zwei  Worten  zn  be- 
handeln) scheint  die  Elision  des  ersten  0  vor  dem  zweiten  Regel 
gewesen  zu  sein.  I  87,  99;  XIII  46;  XVIII  145  ist  es  am  besten 
belegt,  daher  XVIII  106  mit  R  beizubehalten.  XVI  268  war  es 
vielleicht  auch  das  ursprüngliche.  In  wie  weit  die  apokopierte 
Form  von  Brunetto  gebraucht  ist,  läfst  sich  mit  Sicherheit  nicht 
feststellen.  Aus  den  Beispielen  scheint  jedoch  für  eine  Reihe  von 
Fällen  ihre  Anwendung  sicher  hervorzugehen:  III  54;  VII  271;  XI 
137;  Xlll  7;  XXI  20;  Fav.  II  I.  Vielleicht  liegt  in  allen  Fällen 
Alteration  der  Kopisten  vor.  Bemerkenswert  ist,  dafs  io  allein- 
stehend in  R  und  in  den  meisten  andern  codd.  fast  nie  apokopiert 
wird  (XV  84  und  XIX  71  sind  die  einzigen  Beispiele  in  R),  son- 
dern dafs  in  dem  Falle  der  Apokope  ihm  stets  che  oder  si  voranf- 
geht.  —  Apokope  des  Artikels  kommt  nicht  vor.  Unserem  Gedicht 
sind  die  Fonnen  dei,  ai  y  dai  noch  fremd.  In  folgenden  Stellen 
sind  die  einfachen  Praepositionen  das  ursprüngliche» 


DER  TES^OKETIO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  295 


I  105  di  RGS 

de'  LMBNC 

II    56  a    RNC 

ai    BC» 

IJ      9  di  RB 

de'  LSGMNCZ  dei     C 

10  di  RGBN 

de'  LSMCZ         dei     C 

VII  263  di  RL 

de'  SGMCZ 

IX      3  di  RLSGBNCC>Z  de'  M 
XII  l    61   di  RGBNC»  de'  LSCZ  delli  M 

XVI  170  di  RMBC  de'  LSGMC»C^ 

XXI    25  a    LSGMBNCZ       ai     R 

32  a    RLSGMCZ  ai     B  ali      N 

XXI  l    48  di  RGBNZ  de'  LSMC. 

Wir  kommen  zu  mio  y  Ino  y  suo.  Sämtliche  codd.  stimmen  übercin 
im  (iehrauch  von:  mio  II  28;  •X  12,  87;  XI  21;  XV  15;  XIX  17, 
191.  tuo  XXI  98;  Fav.  1  120,  129;  II  19.  suo  II  12,  57;  111  t,t^\ 
V  2i,y  51,  59;  VI  12,  31;  VII  2,  118,  192;  X7;  XXI  310.  —  L 
allein  hat  mi'  X  48;  XI  178;  XII  3,  4o;  XV  51;  XVI  19;  XIX  227; 
XX  98;  XXII  29.  ///XVI31,  112;  XVII  49»  83;  XVIII  48»  100, 
176,  195;  XIX  29.  su'  XI  144,  IO,  14,  16;  XV  12,  114;  XVi  159, 
280;  XVII  IO,  17;  XVIII  8,  56;  XIX  138,  169,  213,  228,  294;  XX 
68;  XXll  ^^.  —  C»  hat  allein  su'  VII  15;  N  j«*  V  15;  iM  allqin 
mi'  V81;  XVIil  205.  —  L  und  S  allein  /;//'  VIII  14;  XIX  228; 
su'  III  53,  57;  XV  14«;  XVI  24.  ///  XV  221;  XVIII  163,  181; 
Fav.  II  25.  —  R  hat  allein  ///  XVI  125;  su'  III  30,  74.  —  F.ndlich 
einige  Beispiele,  wo  mehrere  codd.  apokopiercn:  LSCN  su'  IX  6; 
LN  SU  XV  loi;  LB  iu'  XVI  227;  LR  mi'  XV  zy^  tu'  XV  194;  XVI 
129;  XXI  ro3.  su'  XI  47»  49;  XV  214;  XVI  130.  RNZ  iu'  XVI 
100.  RLS  tu'  XVIII  136;  XV  46;  su'  XVI  ii^.  —  Endlich  Fav.  II 
4  mio  NCFZ  vii'  RLSGM.  Man  sieht,  dafs  das  zuletzt  angeführte 
Beispiel  das  einzige  wäre,  welches  zu  gunsten  der  apokopierten 
Formen  spräche.  Doch  die  sonst  so  grofse  Übereinstimmung  sämt- 
licher codd.  läfst  uns  in  den  vorkommenden  Fällen  der  Apokope 
auf  Alteration  von  seiten  der  Schreiber  zu  schliefsen.  Namentlich 
in  L  ist  diese  Alteration  sehr  häufig,  wie  in  demselben  cod.  bei  io.^ 

B.    Hiatus  zwischen  zwei  Worten. 

Ja  53.     Zwischen  zwei  gleichen  Vokalen. 

a  +  a. 
Der  Artikel  wird  stets   apostrophiert.     Sonstige  Beispiele  sind: 

I    24  tuttora  afínate        RLMGN  tuttor  SBCC» 
II     15  chorona  atende  alle  codd. 

60  cittade  auerc  RLSMBCC  città  auerc  GNZ 

III    92  uenia  a  LSGBNCC'Z  ueni' a  R 

V    40  mia  arte  LGMBNCC^Z  mi'  arte  S 

'  Ich  habe  in  dieser  Zusammenstellung^  des  Vorkommens  vor  mio,  tuo, 
suo  auch  die  Fälle  vor  folgendem  Vokale  mit  aufgezählt,  in  denen  bei  Weg- 
fall des  o  Elision  vorliegt.  Beim  f flatus  zwischen  zwei  Worten  bringe  ich 
sie  unter  den  einzelnen  Rubriken  noch  einmal. 


296 


B.  WIESE, 


V 

S8 

VII 

61 

80 

VII 

116 

186 

187 

XI 

25 

42 

XIV 

37 

XV 

57 

76 

82 

155 

176 

210 

212 

XVI 

29 

40 

281 

XVII 

87 

XVII  l 

17 

25 

66 

69 

178 

XIX 

25, 

SO 

104 

^50 

XIX 

156 

XX 

72 

85 

XXI 

62 

100 

»^3 

161 

191 

220 

233 

:ì43 

>0/ 

304 

339 

Fav.  I 

25 

27 

37 

II 

11 

bangna  a         LSGC'Z 
cosa  (tiuenga  LSGBCV 


chontra  a  GZ  chontra  <//>  andern  codd. 

eh  osa  auanza  alle 

tutta  abattuta         LSGMBNCC>Z    tutt' abattuta    R 

tocch'a  alle  codd. 

misura  auere  alle  codd. 

ad  altra  alle  codd. 

passa  a  alle  codd. 

molla  a  RBNMC 

chiama  alchuna  alle  codd. 

chosa  adiuengha    RMNC'C'^Z 

queir  arte  alle  codd. 

ad  amicho  alle  codd.,  nur  MZ  amicho 

anchora  abi  RSGMZ      .  ancor  abbi 

ma"  altro  RLSGMZ 

uà"  a  alle,  nur  in  R  fehlt  a  und  eine  Silbe 

sua  arte  CC'C-Z  su' arte 

ma"  a  LSMBNC'O       m'a 

lingua  adorna  alle  codd. 

torna  a  alle  codd. 

possa  auenire         LGMNSCC^C^Z  poss'  aucnirc     RB 


RLSGMBN 
RGCZ 


mia  arte  ^ICC'Z 

forza  a  alle  codd. 

uada  al  RGBNCZ 

s'  arischi'  al  RG 

quell'andata  RLSGC» 

26  ora  auca  R 

ognora  atendo  alle  codd. 

sua  arte  ('C*C- 

saetta  aguta  alle  codd. 

su'  arte  RLSGMC 

tuttora  a  alle  codd. 

guadagna  argento  alle  codd. 

parola  acerba  alle  codd. 

sia  altrui  alle  codd. 

ad  alchun  alle  codd. 

uà"  a  RLSGBNZ 

pensa  amico  LSGM 

uengna  a  alle  codd. 

inganna  altrui        LSGMBNCZ 

presta  a  alle  codd. 

toc  eh  a  a  alle  codd. 

mangia  a  RLSGBNCZ 

ora  a  RLMNC 

(piesta  amistà         RGMNCFZ 

ua"alchuno  RGMNFC 

fina  amanza  LS;     fin'  RNCFZ; 

fermât'  a  alle  codd. 


mi  arte 


RLSGBNC« 


uad'  al  LS 

s'  arischia  al    LSMBCC»C<Z 


quella 

BNCC^Z 

or 

LSNBC«C» 

su' 

RLSGBZ 

sua 

Z 

u.ie  a 


pens'  amicho    RBNCZ 


or 

SGBZ 

(¡uest" 

LS 

uae 

LS 

fine  GM 

DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  297 

Sicher  ist  also  quell'arie  XV  76;  quell' ondala  XVIII  178;  mi  arte 
XVIII  17;  SU  arle  XV  212;  XIX  104,  156.  So  ist  V  40  mit  S  mV  arte 
aufzunehmen.  VII  116  haben  wir  loccU  a^  aber  XXI  267  loccha  a. 
XXI  igi  pens' amicho]  Fa  v.  II  11  fermar  a.  Fav.  I  27  läfst  sich 
nicht  entscheiden,  ob  fifia  oder  fine  apostrophiert  ist  Hei  ora  und 
compos,  kann,  wo  wir  die  Formen  ohne  a  haben,  die  in  den  Wor- 
ten übh'che  Apokope  eingetreten  sein.  Bei  chontra  haben  wir  keinen 
Grund  Elision  eines  a  anzunehmen,  cf.  î^  8.  Oft  bildet  iia  (3.  pers. 
praes.  ind.)  und  ma  mit  folgendem  d  Hiatus,  auch  ohne  dafs  in 
diesem  Falle  dem  ma  ein  r/ angehängt  ist.  XV  276,  210;  XVI  2g; 
XXI  161;  Fav.  I  27.  Dagegen  ad  altra  VII  187;  ad  amicho  XV  82. 
VII  80  ist  in  R  tulla  vor  folgendem  a  apostrophiert;  XVII  87  poss^ 
auenire  in  BR;  III  92  ueni*  a  R.  In  diesen  Fällen  behalte  ich  die 
Fllision  bei.  Wie  weit  sich  die  Elision  ursprünglich  ausgedehnt 
habe,  läfst  sich  nicht  ermitteln;  wahrscheinlich  ist  es,  dafs  sie  viel 
üblicher  war,  als  die  codd.  es  erraten  lassen.  Um  eine  Norm  zu 
haben,  bewahre  ich  die  Elision  im  Texte  überall  dort,  wo  R  sie  hat. 

0  +  0  (u). 

Der  Artikel  wird  stets    apostrophiert.     Weitere  Beispiele    sind: 

III    74  locho  ordinate  aile,  nur  loe'  ordinate  S 
VII  135  dopo  ongni      LZ  dop' ongni    SBN 

XI    95  alclmno  omo   RSC;  alcun  LC*Z;  nuli' omo  B 

133  sono  oltre        RMGNCC'Z 
XV  194  tu' onore  RL 

XVIII    48  tuo  onore         RSGMBCC'Z 

140  suo  orghollio  RSGMBCC'C'^Z  bu' 
XIX  145  quando  omo     RMNCC- 
XXI  140  od  offendesti  LSMC 
XXI  176  saluo  o  LG 

XX    22  dop'  una  RLM. 

Nur  bei  dopo  scheint  Elision  eingetreten  zu  sein  VII  135  und  XX  22. 
Beide  male  sind  die  codd.  sich  aber  nicht  einig  in  der  Anwendung 
des  Wortes.  Nach  einer  Liquida  XI  85  lor  usanza  RGMNC'Z;  XVI 
94  buon  uso  RLSMBN. 

e  +  e. 

che,  chôme,  doucy  onde,  dunque,  one,  se  verlieren  ihr  í  vor  folgen- 
dem e\  ebenso  das  adv.  bene,  während  das  subst.  btne  es  st(its  be- 
wahrt Die  Belege  für  bene  adv.  und  subst.  sind:  VII  215,  268; 
XI  180;  XV  124;  XVIII  124;  XIX  187,  198;  XX  18;  XXI  188,  297, 
315;  Fav.  I  121.  Weitere  erwähnenswerte  Beispiele  von  Elision 
finden  wir  an  folgenden  Stellen. 

VI    71   l'anim'e'l  R  T  anime  e' 1  LSGMBNC 

XVI     IG  douess'  e  R  alte  andern  coJd.  douesse  e 
XVII    60  foll'è  atte  coti  J.  \  XVII I  52  al/e,  nur  folle  è  GM 
XVII  105  ani' e  RLCC*  ame  e  S;  die  andern  ami  e 

Fav.  I  115  molt' erbe     LSG        molte  erbe    RGMFN. 


son 

LSB 

tuo 

SGMBNXC»C^Z 

tu' 

L 

su' 

L 

quand' 

LSGB 

ooíTen« 

lesti  GBZ 

salu' 0 

RS 

2g8  H.  WIESE, 

YÁne  Reihe  von  Fällen  des  Ausfalls  des  ersten  e  haben  wir,  wenn 
vor  ihm  eine  liquida  stand.  X  i8  cko/d/ e  RLBNC^ ;  Fav.  1  130  id. 
RLGCF;  das  erwähnt j /0//' t»;  XXI  21  ragion  è  alle  codd.;  XXI  49 
frjr  esser  RLSN;  Fav.  I  34  uuo/  esser  RÌ.SGMNFZ.  —  Nach  Be- 
dürfnis des  Verses  tritt  für  e/ie  die  Form  ched  ein,  welche  dann 
mit  dem  folgenden  e  zwei  Silben  ausmacht.  Oft  wird  vor  den 
codd.  ehe" e  geschrieben,  was  zu  belassen  ist,  wie  gleichfalls  vor  a 
und  0,  Häufig  contrahieren  die  codd.  dies  c/ie"e  dann  in  ck'e;  im 
letzteren  Falle  ist  die  Änderung  aus  dem  Fehlen  einer  Silbe  im 
Verse  ersichtlich.  So:  VI  52  in  L;  VII  14  LZ;  VII  30  L;  VII  209 
RLSBNZ;  X  58  CO;  XVIII  168  RGNCZ;  XIX  185  LSGMNCZ; 
XXI  15  LSGIM13C,  wo  in  allen  diesen  codd.  die  fehlende  Silbe  er- 
setzt ist.  (era  statt  f^).  —  E  als  Konjunktion  bildet  mit  folgendem 
e  immer  Hiatus  und  wird  dann  in  der  Regel  Ed  [Et)  geschrieben. 
S  53.     Hiatus  zwischen  zwei  verschiedenen  Vokalen. 

a  +  o  (u). 
XI  1 65  là'  tu  P  R   là  ou'  è  N.     Die    übrigen    codd.  haben    diese 
gewifs  ursprüngliche  Lesart  verdorben. 

XIX  64  passa  oltra        RMNCZ  pass»'  oltre       LSGBC» 

Fav.  II  II  lungha  usanza  RSGMNCFZ  lonf;*  usanza  L. 

Die  weiteren  Beispiele    sind  wieder  solche,    wo  dem  ersten  Vokale 
eine   liquida  voraufgeht. 

XIII    60  buona  usanza  RSGMBN('('*Z    buon'  usanza  L 
XVI    68  buona  usanza  RSGMBNCC^Z    buon'  usanza  LC* 
87  buona  U!^anza  RSGMBNC*C-Z  buon'usanza  LC 
XVII  112  buona  usanza  SMGBCC»C^Z       buon'usanza  RLN 
XXI  165  male  usanza  R;  mala  SGBZ;  mal'  LMNC 

XV    37  nuli' ora  RLSGMBC^C^Z  nulla  bora      N 

XIX  118  ciaschun' ora  (i//e  coiid. 

1 46  queir  ora  aHe  codd-*  nur  C-  quella  hora 
Fav.  I    84  ciaschun'  ora  alle  codd. 

Sicher  ist  nuir  ora^  queir  ora,  ciasehun*  ora^  wie  noch  heute. 

a  +  «• 
Die    vorkommenden    Fälle    der   Elision    des  a  sind   nur  nach 
einer  liquida. 

II      4  eil'  era    RLSGMBCC^  ella  B 

II     14  or  è        RSG,  welches  die  richtige  Lesart  ist, 
VIII      8  altr'e  alle,  nur  R  verdorben. 

9  un' è       LGBC»  una  RSNCZ 

13  altr'e      RLSGB;  die  andern  codd.  verdorben, 
XIII    74  un'ò       RLSGNXC^Z   una  MBZ 

XVI    23  eil' è       LMSC«  ella  RGBC« 

XVI  188  buona  e  alle,  nur  L  buon' e 
XIX    27  Or  è       SLBNCC»         Ora  R 

Fav.  I  116  natur'è  RLS  natura  è  GMNF. 


lin 

RLNC» 

ciascun 

LB 

lîn  a 

RLMCC» 

beir  amicho 

RLMC» 

buon 

LBZ 

buon 

GC 

DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  299 

O  fa. 
m    46  eh'  io  auea  alle,  nur  M  i' 
VII    21  ch'io  auea       RLSBNCC'Z  i'  GM 

XI     IO  suo  alto  alle,  nur  L  su' 
14  suo  affare  alle,  nur  L  su' 
21  mio  auiso  alle  codd. 
XVII  100  quand'  ai  alle  codd.,  nur  CC'^  quando 
XI JC  238  s' io  alquanto  LSGBNC  s' i'  RM 

XIX  203  pecchato  ai      RBCZ  peccat'ai  LSGN 

272  tutto  arso         BNCZ  tutt' arso  RLSGM. 

Auch   hier   sind   in    der  Regel    also    beide  Vokale  erhalten.     Nach 
einer  Liquida  fällt  wieder  der  Vokal  häufiger  weg. 

X    13  loro  arte  RMNC»Z  lor  LSGBC 

XI  134  sono  abitato  alle,  nur  B  son 
148  fino  a  SGMBCZ 

179  ciaschuno  animale  RSGMNCC^Z 
192  fino  a  SGBNZ 

XVI    29  bello  amico  SGCBNC'^Z 

XVII     18  bello  achollim^/ito  alle  codd. 

100  buono  amicho  RSGMNCC'C'-*     buon 

XVIII  163  buono  amicho  RLSMBNC^C^Z  buon 

XIX  122  fino  amante  alle,  nur  L  fin 

127  fino  amor  RSMNXC'C^Z      fin  LGB 

XX       I   fino  amicho  alle  codd. 

XXI  104,  127  metterlo  al  alle  codd.,  nur  L  metterl' al 
Fav.  I    18  bono  amicho  alle,  nur  L  buon 
47  sono  amici  alle,  nur  L  son 

51  nullo  altro  CFZ  nuli' altro       RLSGMN      • 

52  loro  auere  alle,  nur  L  lor. 

O  -|-e. 

quanto,  tanto,  questo,  quello,  uno,  altro,  uero,  molto,  quando  wer- 
den vor  e  stets  apostrophiert.  Nach  einer  liquida  haben  wir  fol- 
gende Beispiele: 

I    39  buono  ettor  alle,  nur  B  bon 
IX     15  ciaschuno  c  GMCNZ  ciascun  LSB 
XV    28  sono  errati  alle,  nur  L  son 
XVIII  126  buono  e  alle,  nur  L  buon 
Fav.  I    22  ciaschuno  e  alle,  nur  GC  ciaschun. 

Die  Nichtelision  herrscht  entschieden  vor. 

o  -|-  i. 

XIX  16  und  XX  95  ¡st  quant'  io  in  allen  codd.,  XV  16  f  a  fid'  io 
RLSGB,  t'  aceri'  io  NC,  V  acerto  io  RlC-*.  Alle  drei  Beispiele  sind 
sicher. 


300  B.  WIESE, 

e  +  a. 

che,  ne,  le,  se  und  come  finden  sich  stets  apostrophiert  che 
bildet  auch  hier  unter  Umständen  mit  dem  folgendem  Vokale  zwei 
Silben  und  bewahrt  ()fter  sein  ursprüngliches  d.  So  VII  143,  193; 
XIII  57;  F'av.  I  68.  —  Fälle  der  Elision  des  c  vor  0,  wenn  ihm 
keine  liquida  vorangeht,  sind  fast  nicht  belegt.  XIX  345  seiCarii 
R,  ditî  übrigen  codd.  seile.  Fav.  I  66  grand'  abondanza  G,  grande 
LSMNCFZ.  —  Die  Beispiele  der  Fllision  des  e  nach  einer  liquida 
sind  folgende. 

I    20  bene  aucn  ai/e,  nur  nur  B  ben 
VII     18  nobile  affare  al/c,  nur  NZ  nobil 
192  nobile  affare  alU,  nur  GB  nobil 
VHI     20  chonuene  achordare  alle,  nur  B  conuen 
IX    12  rinfrcnarc  a  LBCC*  rinfrenar    R 

XI       8  ben  a  alle  codd.  XIX  124  ebenso 
XI    51   tiene  altra  LCC'Z  tien' altra  RSMBGN 

124  mostrare  a  alle,  nur  B  mostrar 
XIV    26  dimorare  alle,  nur  B  dimorar 
XV  202  chiamare  a  alle  codd. 

XVI  146  fare  altro  RCC»  far  LSGMNBC»Z 

209  bene  apensato         RSNCC*  ben  LGBC* 

250  fare  adiifforanza  alle,  nur  L  far 
259  fare  a  SGMNBC»Z      far  a         RLC« 

XVII    43  essere  achorto  alle,  nur  MB  esser 

46  Hire  a  RSGMNXC»Z  far  LBC« 

XVIH     20  tale  altez¿a  alle,  nur  BC*  tal 
42  uenire  a  alle,  nur  B  iienir 

94  milyliore  arte  LMXC*  miglior     RSGBCC*Z 

117  mostrare  asprezza  RSGMNCC'Z  mostrar     LBC* 
1 23  bene  ardito  alle,  nur  LC  ben 
133  bene  apreso  alle,  nur  L  ben 
1 75   j>iire  allenisse  G  ;  alle  andern  codd.  pur 
202  bene  apresso  SG;  alle  andern  codd.  ben 
XXI  28$  mangiare  anzi         RLGMCZ         mangiar    SBN 

354  andare  a  LSGMBNC       andar        RZ 

Fav.  I    58  pure  a  MFZ  pur  R  LSG  NC. 

Sämtliche    codd.   stimmen    in    der  Klision    nur    bei    bene   XI  8    und 
XIX   124. 

e  +  o  (u). 

che.  Sty  ne  und  der  Artikel  le  werden  sti'ts  apostrophiert  cfu 
bildet  nach  Bedürfnis  des  VtTses  mit  dem  folgenden  Vokal  Hiatus: 
III  00,  201.  Hei  se  ist  XVIII  14c)  in  SGMN  die  F'lision  unterdrückt 
Vereinzelt  sind  Heispiele  wie: 

II  70  grande  onore  alle,  nur  grand' onore  in  L 
XV  32  doue  onor  SBCC'Z;  dou' onor  GL;  oue  onor  RNMC 
XVIII  71  graue  onta         RMBN'CCT^Z  grau' onta         LSG 


DER  TESORETl'O  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  3OI 

XXI  28  enfiaste  unque  R  enfiasi'  unque  G  {die  meisten 

andern  codd.  enfiasti). 
Aber  tutt'ore  XV  19  {nur  C  tucte  ore)  und  Fav.  I  34  tiUt'ore  RMSCFZ  (lutte 
l'ore  GLN). 

Fälle,  wo  dem  e  eine  liquida  voraufgeht: 

III    24  chôme  una  alle»  nur  N  chom'una 
XVI  245  come  homo    CC^;  alle  andern  Chom' on 

V    32  pure  un  LGC  pur  RSNBC» 

VI    74  dicere  ose      RLSN  dicer  GC 

X    48  dire  o  RLGMCC^Z  dir  SBN 

XI  140  partire  una  alle,  nur  N  partir 
XIII    68  pur  una      RLSZ 

XV    81   fare  onore      SMNC  far  RLGBC»C«Z 

201    fare  un  alle,  nur  BC^  far 
XVI    62  dicere  un       RLSGMCZ    dicer  BNC»C* 

64  pure  un  M  pur  LSBCC* 

XVI li  107  fare  una  alle,  nur  BC-  far 
XIX  121   pure  un  G  alle  andern  pur 

158  pur  uno  RLSGMCZ 

XXI    35  bene  o  alle,  nur  B  ben 

142  sengnore  o  alle,  nur  signor  o  B 

165  male  usanza  R  malusanza  LMNC 

246  bene  udiresti  C  ben  alle  andern  codd. 

Hier  herrscht  dieselbe  Unentschiedenheit,  wie  wir  es  bei  den  übri- 
gen Vokalkombinationen  gesehen  haben. 

>5  54.  Die  Fälle  der  Elision  für  m  als  praep.  und  in  compo- 
sitis  anzuführen  ist  nicht  nötig.  Die  Zusammenstellung  sämtlicher 
vorkommenden  Fälle  (einige  Hundert)  ergab  mir,  dafs  die  Elision 
des  /  hier  ungemein  häufig  vorkam,  wie  Caix  es  für  die  ältesten 
italienischen  Lyriker  gleichfalls  nachgewiesen  hat.  In  den  Fällen, 
wo  die  codd.  sich   liicht  (»inig  sind,  lese  ich  mit  dem  cod.  R. 

Als  Gesamtresultat  meiner  Untersuchung  über  den  Hiatus  zwi- 
schen zwei  Vokalen  ergiebt  sich,  was  Caix  inbezug  auf  unser  Ge- 
dicht in  den  Orig.  §  96  pag.  124  bereits  ausgesprochen  hat:  der 
Hiatus  ist  vorherrschend,  aufser  für  />/,  hei  dem  die  codd.  oft  in 
der  Elision  übereinstimmen.  Dafs  che  und  ma,  wie  bei  den  ältesten 
Lyrikern,  (Caix,  Orig.  S  98)  oft  noch  eine  Silbe  für  sich  bilden, 
haben  wir  gleichfalls  belegt;  dafs  in  diesem  Falle  die  beiden  Wört- 
chen stets  mit  d  zu  schreiben  seien,  glaube  ich  nicht,  wenigstens 
geht  es  aus  unseren  codd.  nicht  hervor.  Caix  scheint  es  anzuneh- 
men, wenn  er  in  §98  unter  ß  12,38  ke  allrui  einem  ched  altrui 
gegenüber  als  den  Hiatus  authebend  annimmt.  Ebenda  «  3,  18  f?ia 
ubiJenza  gegenüber  mad  uhidcnza,  und  in  einem  Beispiel  aus  unseren 
codd.:  M  che  t!  gegenüber  L  ched  A  (Dies  Citat  ist  in  L  Fol.  18 
nicht  aufzutreiben). 


itf^â^ 


302  B.  WIESE, 

Fall  unbetonter  Vokale. 

a. 

§  55.  Anlautendes  a  ist  abgefallen,  indem  es  zum  Artikel  ge- 
zogen wurde,  in  siorhmta  XXII  41,  welches  M  und  B  in  astronomia 
ändern.  Ebenso  X  t^t^,  Intll.  p.  37  sioriogia  cod.  gadd.  XV  44 
nehme  ich  mit  RBC*^  ¡o  ghosiaro  in  den  Text  auf.  Z  mit  der  Lesart 
lo  suo  staio  scheint  auch  auf  diese  Fornì  hinzudeuten.  In  der  Rosa 
fresca  V  v.  22  bietet  der  cod.  A  dumilia  gastar i\  D'Ancona  ergänzt 
unnötiger  Weise  ein  a.     Das  a  ist  apokopiert. 

§  56.  Über  den  Ausfall  des  Schluss-/?  in  ora  und  compos., 
cf.  §  7. 

o. 

§  57.     Ks  ist  ausgefallen  in: 

VII  148  orratamente  alte  cinid.  (M  ornatamente) 
XVI  161   orratamente  RLSBN  onoratamente  G 

XVIIJ  192  orratam/'wte  RSGMBNC*  onratamentc  L  onoratamente  CC*Z 
XVI    85  disnore  SC^  disinore  RLGMBNCC'Z 

II    20  barnagio        RSGMBNC*  baronaggio       LCZM 
XVIII  179  barnaggio       LSGBNC'O  baronagio         RCM 
Fav.  II     19  adesso  1  addes.  I  addes         I 

20  palamidessoj  palamidess.j         palamidesj 

orratamente,  dhnorey  harnagio  sind  die  Formen,  welche  an  den 
beigebrachton  Stellen  vom  Metrum  verlangt  werden.  Fav.  II  19 — 20 
hat  eine  offenbare  Änderung  in  MNC  stattgefunden.  —  0  am  Ende 
fìillt,  wo  es  der  Vers  verlangt,  oft  nach  /,  ;;,  r  .und  nach  m  in  der 
Verbalendung  -;;/ö,  in  omo  und  como.  Alle  codd.  stimmen  ferner 
in  der  Anwendung  von  uer,  Beispiele:  IV  3;  Xi  26,  30;  XII  57; 
XIX  243;  XXI  137,   i6o. 

e. 
S  58.     Erhalten  ist  es  in: 

VII  105  sofferite         RLSBNCC'Z 
XVHI    70  soferire  alle  nuid.,  nur  C*  soffrire 

XV  116  chonperan  RSGMZ;  comperar  LCC*;  cöpa  C*; 

comparar  B 
XII    20  uedcrai  R  und  ebenda  v.  22  uederà  R 

34  umilemente  RNC*  humilmente  BC 

XV  134  donerei  R  doiieria  C  deueria  C*V,  die  andern  donna 
XV  134  blasmare       RLSGMCCK'«  biasimare      BNZ 
XVI  132  biasmaio        LMSGBNC'C^i  biasimato      RC 
XXI  116  biasimo  RLSGMXCZ      biasmo  B 

138  biastemiasti  und  247  biastemiare  alle  codd. 
314  blásmalo       Rli^GMB  biasimato      NCZ 

XIX  224  umilemente   RLSGMBXO«  umilmente    CC«Z 
XXI  17g  aneria  LSG  aurcbe  RMBXZ  auerebbe   C. 

Gefallen  ist  es  in: 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  H.  LATINOS.  3O3 

IV    31   operar  (ourera)  alle  codd. 
VII  220  oura         RBNGC»       ouera        LS 
aber  XIX  104  adouera  RLSBNCC  adoperar  G 
V      5  operamento  alle  codd. 
XIX  156  aouerar    RLSGMCZ 
XXI    34  operato  çlle  codd. 

Ferner  ist  e  gefallen  in  : 

II    65  benfare  subs  f.  alle  codd. 
XVII  140  benuogliente     RLSGMBCC'C^  beniuogliente  NZ 
XX  136  maluolglienza  LSGBC 
XXI  131,  265  malfare  subst.  alle  codd. 
Fav.  I      9  benuoglienza  alle^  nur  Z  beniuolenza 
VII  232  ritrare  MBNCZ  die  audern  triare 
XI  189  ritrare  RLSBN 

XIII  53  ritrare  LSGMBNCC'Z     chontare  R 

XIV  87  trare  R;  contare  LS;  rimare  GMBNCC'Z. 

l^rhalten  ¡st  e  in  soff  er  i  le,  so/e  r  ir  e  \  in  chonperan  und  umilemenle  XIX 
224.  —  XII  20  und  22,  wo  R  uederaiy  uederà  hat,  muís  dies  e  ge- 
tilgt werden;  ebenso  XII  34  in  umiiemenle,  in  donerei  XV  134,  will 
man  nicht  noi  statt  nollo  setzen;  in  awria  XXI  179.  —  Synkopiert 
ist  e  in  oura  VII  20,  opera  IV  31;  aber  adouera  XIX  104;  oper ámenlo 
V  5;  aouerar  XIX  156;  operato  XXI  34.  —  e  ist  ferner  gefallen  in 
blasmare  XV  134;  hiasmatolsS\  132;  biasmo  XXI  116,  wie  der  Vers 
gegen  fast  alle  codd.  verlangt;  XXI  314  blásmalo.  Aber  XXI  138 
biaslemasliy  247  hiastemiare.  Ferner  ohne  e  benfare,  benuoglienle, 
benuoglienza,  malfare,  maluolglienza\  (so  ist  XX  136  aufzunehnien). 
ritrare  XI  189;  XIII  53.  —  Schlufs-r  nach  /,  r,  n  konnte  nach  Be- 
dürfnis des  Verses  fallen. 

1. 

S  59»  ^^'ir  haben  ;'  gegen  das  richtige  Versmafs  erhalten  VII 
115  in  sottilitade  RLGMBNCC,  sott  iliade  S.  Es  ist  also  zu  tilgen. 
Den  Ausfall  des  /*  haben  wir  femer  in  folgenden  Beispielen:  dottare 
XVIII  62  ;  incarco  XIX  190;  nimistanza  XVIII  85;  uengianza  XVIII 
107,  148;  semana  y^  11.  Bei  dritto  führen  die  codd.  oft  den  Vers 
störend  das  /  wieder  ein.     Die  Beispiele  sind: 

XI  151   dritto  RB         diritto  LSGCC'Z;  M  diritto  mit  rictiti^^er  Silbenzatil 
XV  209  dritto  SGMB  diritto  RLNCCC^Z 
XIX    81   dritto  L;    ritto  BNC«;    diritto    RSGCC«;    M    diritto   bei  rictitij^er 
Silbenzahl 
Fav.  I      9  dritta  RGM     diritta  LSNC. 

Richtig  steht  XVI  174  diritfb  in  allen  codd.;  ebenso  XVII  85  (nur 
C'^  dricto  mit  einer  fehlenden  Silbe).  Fav.  I  20  diritti  in  allen  codd., 
nur  R  leali,  Schlufs-/  konnte  fallen  nach  /,  «,  r  bei  adv.  die  mit 
i  und  e  im  Auslaute  wechseln,  z.  V^.  fuori['e)\  XV  177  imper.  ten\ 
Fav.  II  26  imper.  tien,  gran  als  f.  pl.  XI  121;  XU  17;  XIV  27;  als 
m.  pl.  XIU  48;  XIX  87.     XIU  19  be   in  R. 


304  í*-  WIESE, 

Die    Konsonanten. 
Die  liquidae. 

L. 

§  60.     //  finden  wir  statt  des  etymologisch  einfachen  /. 
XXI    96  in  allegranza,  7iur  B  alegrança 
XV  141   in  sollazzare;  C'*  sola^ça;  B  solaçar;  Z  solazzar 
ebenso  XIX     36  sollazza;  C  solacea;  B  hat  risagla. 
î5  61.     Beispiele    des    Übergangs    von  /  und  //  vor  /  in  j  sind 
einige  sichere  vorhanden:  que,  e\  be\  ia\  ne  und  vielleicht  qtm*  an 
einer  Stelle  (VII  263). 

H    43  e'  RLSMNZ         ei       GB    elli       CC»  {Sübe  zu  viel) 

XVI  149  e'  RLSGMNCZ  el       BC» 

XXII    52  c'  LSN  ei       BG  elli       RC  {Silbe  zu  viel) 

Fav.  1114  e'  LSGN  el       R  elli       C 

Vil    70  que'  sg.  RLSGMNZ  quei  B  quel     C       (^  C» 

XV    68  que'  sg.  RLSGMN  quel  B  quelli  C       <¿  C»  qj  C» 

XIX    42  que'  pL    RLSGMC«  quei  BC'-* 

XXI  248  que'  pi.    RLSMNCZ  quei  GB 

323  que'  pi.    RLSGMNC  quei  BZ 

325  que'  pL    RLSGMNZ  quei  B  quelli  C 

XXH    47  que'//.    RLSMN  quei  B  quelli  C. 

VII  263  quali  RLSGMBCZ.     Der  Vers    hat   eine  Silbe   zu  viel.     N 

läfst    eine  Silbe  aus,    und    so    pafst    quali  und  uoglio  in  den  Vers. 

C  liest  uoy    und  so    pafst  gleichfalls  quali  in  den  Vers.     Man  mufs 

also  quai  oder  uo  statt  uollio  lesen. 

XIII    61   be'  RG  buon  LSBNCC»Z 

XVI    45  ne'  RLNCC  {die  aftdern  codd.  du  in) 

XXI  267  ta^    RLSMC;  tai  G;  tali  N;  tal  B. 

Der  dat.  sg.  und  der  nom.  pi.  ////  stellt  sich  sehr  häufig  als  //*  dar. 
M  hat  meistens  gii.  Beispiele  werden  bei  der  Häufigkeit  ihres  Vor- 
kommens nicht  nötig  sein. 

)5  Ò2  Ij.     Die    \\\   unseren    codd.   vorkommenden  Schreibungen 
sind  //,  ///,  gl,  gliy  ¡gl,  Igli,     R  wendet  gli  und   daneben    eben  so 
oft  ///  an;  nur  zweimal  Igli  (XIV  21,  ^^)\  einmal  //:  XV  85  uiliezza 
RS  —  In  L  und  S  ist   Igli  am    häufigsten,    daneben   Igl,   auch  ///* 
und  //.     INI  hat  Igl  am    öftesten.     In  G    kommt   gli  und   daneben 
Ili  zur  Verwendung.     B  wendet  meistens  gl^  NCZ  gli^  C*  ìli  oder 
//  und  C'^  meistens  gl  (daneben  Igl)  an.     Im  Hiatus   stimmen    die 
ältesten  codd.  vielfach  in  der  Schreibung  //'  überein«     Ich  folge  der 
Schreibung  R,  welche  nach  Caix,  (Jrig.  jj  107   p.  137  u.  die  älteste 
ist.     Erweichung    des  Ij  haben  wir  in  folgenden  Beispielen. 
I41   me'  RLSGNC      mei       BC 
V    84  uo'    LSMGBNZ  uollio  RCC  {Silbe  zu  viel) 
XI       9;  XV  48;  XXI  24  uo  in  allen  codd. 

XVII  52  uo'  alle  codd.,  nur  R  hat  uoglio  und  eine  Silbe  zu  viel. 
XVII    83  ist  uo*  zu  lesen:  alle  haben  mit  Ausnahme  von  M  uoglio 

XXI  347  uo'    LSGMBZ     uollio  RISIC  {Silbe  zu  viel). 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  P.  LATINOS.  305 

S  63.  Ir  wird  zu  rr  m  norria  etc.  so  VII  34  (nur  B  uon'a); 
X  34  téorraí;  XIV  88  uorrâ;  XVI  35  uorrai  (uorat  BC^);  XVIII  i^S 
uorria  {uoria  B)  ;  Fav.  I  1 1 4  uorria  (uon'a  C). 

S  64.  f/,  g¡,  ply  bl,  fl  (für  //  sind  keine  Beispiele  da;  auch 
Caix  bietet  keine,  ^  iii). 

VIT    60  clarezza  RC  chiarezza  SLGC* 

68  clero  RI^GMBNC»    crcro  C 

XXII      9  chiaramente  aile  codd. 

XX    39  crera  RZ  clera  I^GMBNC 

XXI  lOi  chiesa  alle  codd.,  und  so  immer, 
141  chericho  alle  codd. 
XV    93  uanagroria  R  uanagloria  alle  andern  codd. 

XXI  160  grorioso  R  glorioso  alle  andern  codd. 

Fav.  I    77  grolioso  F  glorioso  alle  andern  codd. 

XXI  205  nigrigenzia  G;  ncghicnza  RLSMNC;  neghieçça  B;  nigligienza  Z 
146  nighittosa  RLM;   nighiottosa  S;  niquitosa  G;  neghittosa  NZ,  ne- 

ghietosa  BC 
159  neghittoso  RLMGNZ;  nighiottosa  S;  neghietoso  BC 
r.  207  ncghienza  RLSGMBN;  ncghieçça  C;  nigligenza  Z 

VI    60  multiprichasse      RM  multiplicasse        LSGBNCC^Z 

Vn  134  biasimato  R  plasmato  alle  andern  codd. 

220  prasor  R;  plusor  LSCC*;  piusor  GBN;  piu  so  Z;  più  M 
Fav.  I    62  plui  RLSGM  più  NCFZ 

VIII      4  chonpressione       RLSM  chonplexione        GBNC*Z 

34  chonpressionato   RLSMZ  chon plessi onato   GBNCC* 

X    63  senpiciemente  RL^GMNC*;  simplece-  B;  semprice-  C;  semplice-  Z 
XV    65  risprendc  GM;  risplcnde  LSNCC*C*Z;  respiende  B 
XVI  214  asenplo  alle  codd.,  nur  B  excmpio 
XXI  265  esenpro  RS;  assempri  L;  essenplo  GMCN;  exempio  B 
XV  134  blasmare  RLSGC  biasmare  MBNCK:«Z 

XVI  132  blasmato  SGNC«  biasimato  RLMBCC» 

XXI  116  biasimo  R  biasimo  ÎJ4SGBNCZ 

138  biastimiasti  RLBNZ  bestemiasti  SGMC 

247  biastemiare  RLB  bcstemiarc  SGMNCZ 

314  blasmato  RLSG  biasmato  MBNCZ 

I    28  senbianza;  XVI  265  scnbiante  alle  codd. 
XlX  121  senblante  RN  sembiante  LMSGBNCZ 

XVIII  131  obria  xubsL  RLSC  oblia  GMNBC»C«Z 

Fav.  I    18  obria  verb.  RI^CF  oblia  MGNZ 

XV  149  ubliare  R;  obliare  LSGMBC«Z;  vbriare  N;  obriare  CC> 

II      3  froria  R;  fiorio  LSGMB;  fiorì  NCC» 
XVI  141  fìorini  alle  codd. 
XIX    22  fiorito;  XXI  244  fiorino  alle  codd. 
VIII    17  frema  R  flemma  LGSMBNCC»Z. 

In  einer  Reihe  von  Phallen  sind  diese  Konsonantenverbindungen 
erhalten  gcîblieben,  wie  bei  don  ältesten  Lyrikern  (Caix,  Orig.  §  112). 
So  VII  60  clarezza  j  68  clero  y  XX  39  ciera,  aber  XXII  9  chiarammU, 

Z«it«chr.  f.  rom.  Phil.  VU.  20 


306  K  XVTEESE, 

Ferner  uaná  gloria  und  glorioso  \  plasmalo^  multiplichasse^  plusor,  choti' 
plessionej  chonplessionaio,  risplende  y  esenplo,  asenplo^  plui,  XV  134  blas^ 
inare\  XXI  116  hlasimo  (trotzdem,  dafs  nur  R  so  hat,  ist  es  bei- 
zubehalten), 314  blásmalo^  aber  XXI  138  hiasteniiasti^  247  hiastetniare\ 
XVI  132  ist  blásmalo  vielleicht  auch  das  ursprüngliche  gewesen. 
Ferner  oblia,  ubliare\  XXI  121  ist  senblanle  zu  bewahren;  XVI  263 
senbianie  in  allen  codd.,  und  so  stets  senbianza  (alle  Beispiele  §  68). 
II  3  floria\  XIX  22  zbcT  fiorilo  alle,  und  ^o  fiorino,  flema.  Bemerkens- 
wert ist  die  Auflösung  des  /  in:  chericho,  neghienza,  neghittoso,  sen^ 
piciementc\  sämtliche  vier  Fälle  sind  unzweifelhaft.  —  Es  kommt  hin 
und  wieder  bei  diesen  Konsonantenverbindungen  Obergang  von  / 
in  r  vor,  namentlich  in  R:  crero,  crera,  groria,  grorioso,  muitipri" 
chasse,  prasor,  risprende,  esenpro,  assembri,  froria,  frema,  sempricemente 
und  endlich  in  vier  Fällen  mit  mehr  Auktorität  der  codd.:  chon- 
pressione  VIII  4  RLSM,  34  chonpressionato  RLSMZ;  XVIII  31  otaria 
RLSC;  Fav.  I  18  obria  RLSCF;  doch  XV  149  nur  NCC»  obriare. 
Ich  glaube  nicht,  dafs  Brunetto  sich  dieser  durchaus  plel)cjischen 
Formen  bedient  hat;  sie  sind  vielmehr  von  den  Abschreibern  ein- 
geführt; im  Texte  standen  Formen  mit  erhaltenem  Nexus,  welche 
ich  wieder  einführe.  Die  einzig  sicher  belegten  Formen  mit  ÜlK»r- 
gang  eines  /  in  r  sind  XI  132  racchorle\  I  106,  III  26,  XIX  182 
rasenprati,  sevibraua,  rasenbra, 

M. 

?5  65.     Verdoppelung  des  w. 

II    57  chomuno,  II  63  chomune  in  alien  codd,,  nur  Z  hat  hHdt  mate  mm 
II    76  camino  BNCC*Z      chamino       RG  cammino  LSM 

XII    10  camino  BC^Z  chämino       RGMSCNV  Camino    L 

XIV    46  cliaminata     RBN  camminata   I^GMCC^Z 

V    II   imaj^nc         LSBNC^Z    inmaginc      RGM 
VIII     17  frema  RZ;  die  andern  codd.  mm. 
XI    83  camelli  LBNC>Z      chañiclli       RSGMCV 

XII    1 1  semana  IJ^BNCC*    semana         RGMZ 

XV  IOC  femine  aile,  nur  GV  feñiine 
XVI  275  infiamasse     LGÇ«  infiami  RSMBNCC» 

XXI  138  biastimiasti  RLBNCZ    bestemiasti  SGM 
247  biastemiarc  RLBNCZ    besteñiiar      SGM. 

In  chomuno,  chomune  ist  einfaches  ;;/  sicher.  Für  chafhino  ist  die 
bostbologte  Form  die  mit  mm;  XIV  46  jedoch  chaminata,  V  11 
k('>nnen  wir  inmagine  bewahren.  Vili  17  flema,  XI  83  chaüU/li  ist 
hinlänglich  gesichert;  Xll  ist  semmana  =  *setmana  zu  bevorzugen. 
In  femine,  biastemiarc  haben  wir  einfaches  ;;/. 

§  06.     Libergang  von  auslautendem  m  in  n, 

I     IS  poten  RLSMBNCZ  potem  GC» 

20  aiien  RI^BCC*  aiicm  MGN 

V    62  sauen  RLSBNCC^  saucm  GM 

VII  114  on  RCi  omo  LSGMBNC 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  307 

VII  153  on  RGC  om         SLMBN 

223  ueden     S  uedem  GML    uede  R 

XVI  245  on  RSNC»  uom       LMGBCCa 

XVII    25  on  RZ  omo      LSOBNC^C* 

XXI    22  sen  RC;  sian  LSBNZ;  siam  M;  son  G 

274  on  R  omo       LSGMBNCZ 

333  churian  RLSMN;  churan  GBC;  curiamo  Z. 

Dieser  Übergang  ¡st  alttoscanisch  bei  der  i.  pers.  pl.  sehr  gewöhn- 
lich und  hier  in  allen  Beispielen  gut  belegt.  VII  22^  ist  ueden  mit 
S  aufzunehmen;  R  hat  uede^  vielleicht  nur  mit  weggelassenem  Strich 
über  dem  e;  GML  uedem;  die  übrigen  codd.  uedea  oder  uedon.  An 
mehreren  Stellen  bieten  R  und  andere  codd.  on  statt  om,  und  auch 
dies  ist  beizubehalten;  es  findet  sich  die  Form  gleichfalls  bei  den 
ältesten  Lyrikern.     (Caix,  Orig.  §  115  p.  143). 

§  67.     mr  wird  zu  nòr, 

VII  212  rimenbro        RLSGNCC«       rimmembro     MBZ 

XV    46  menbri  RLSGNCC^C^  membri  MBZ 

XVIII    80  menbranza      RLSGNCCiC«  rimembranza  MBZ 

108  rimenbranza  RLSGBN  (CC*  Abkürzungen) 

XXI    69  mcnbra  RLSGNC  rimembra         MBZ 

Fav.  I    45  menbra  RLSGNCF        membra  MZ. 

Die  Zusammenstellung  der  vorhandenen  Beispiele  ergiebt,  dafs  die 
Formen  mit  nòr  (nicht  ?nòr)  die  einzig  sicher  bezeugten  sind. 

>5  68.     m/.     Die  Beispiele  sind  die  folgenden. 

I    28  senbianza  RGC  sembianza  LSMBNC'Z 

66  asenbiate  RCC*;  assebiate  SG;  assembiate  LMNB;  assembrate  Z 
106  rasenprati  R;  rasemprati  LSB;  rassenprate  G;  rasseprali  M;  rassem- 
brali  Z;  rasenblati  N;  rascmblati  C;  rassemplati  C* 
III    26  sembraua    RLSMZ;    scnbraua    GN;    rasembraua    B;    senbiaua    C; 
sembiaua  C^ 
V    13  sembianza  RLSMB;  senbianza  G;  senblança  CC*;  semblança  N 
III    88  sembianza  RLSMBNZ;  senbianza  GC*;  senblança  C. 
VII    50  sembianza  RLSMBC'Z;  senbianza  G;  semblança  N 

128  senbianza  RGNCC*  sembianza  LSMBZ 
XI      3  senbianza  RG;  sebianza  C*;  sembianza  LSMBNZ:  semblança  C 
186  senbianza  RG,  sebianza  C*;  sembianza  MBNCZ 
XVI  265  senbiante  RG  sembiante   LSMBNCC^C» 

XVII      5  scnbianti    RGC  sembianti    LSMBNC»C« 

XIX  121   senbiante  RN;  sembiante  LSMBC«;  senbiante  GCC 

182  rasenbraB;  rassempraL;  rassepra  SG;  rassembra  MC'C*;  raseprare 
N;  rasempra  B;  rasenbrati  C;  rassembramenti  Z. 

Sicher  belegt  ist  nur  senbianza  oder  sembianza^  asenbiate  \  einmal  XIX 
121  senbiante  y  was  beizubehalten  ist  (cf.  55  64).  Die  gewöhnliche 
Wiedergabe  von  ml  ist  also  nbj  (mbj),  nbl  kommt  nur  in  einem 
Beispiel  vor.  mbr  III  26  in  sembraua  ist  gleichfalls  sicher.  I  106 
ist  rasenprati  von    den    besten    codd.  bezeugt  und  XIX  182  ist  mit 

20* 


308  B.  WIESE, 

R  rasenhra  zu  lesen,  eine  Lesart,  die  MC'^C^  direkt  und  CZ  in- 
direkt stützen. 

§  68.  mn  ist  zu  nn  geworden,  wie  in  der  Schriftsprache.  Das 
Wort  omnipotente  haben  wir  jedoch  einer  näheren  Betrachtung  zu 
unterziehen. 

IV    ig  ompotente  R;  onnipotente  LCC*;  omï-  SN;  nipotente  G;  omni-  MB; 

potente  Z. 
V    46  ofñipótente  RSN;  omni-  MBZ;  onni-  LCC*;  oni-  G. 
X      2  ompotente  R;   oni-  GC*;   01-  S;   onni-  L;  omni  MBZ;  nipotente  C; 
omî-  N. 
VII  138  onnipotente   RSN;     onni-    L;     oni-   G;     omni   MBZ;     nipotente   C; 
oni-  C. 

Die  gobniuchliche  Form  scheint  die  rein  lateinische  omnipotmie  ge- 
wesen zu  sein.  IV  ig  ist  sie  in  SMBN  Ixîlegt  und  auch  in  R  ist 
nur  vom  Kopisten  die  Silbe  ni  ausgelassen.  V  46  liest  so  RSNM6Z; 
VII  138  RSMBNZ;  X  2  MBNZ.  Die  Form  onnipotente  (oni-),  welche 
sonst  noch  in  Frage  käme,  ist  wohl  nur  als  eine  Reduktion  der 
Schreiber  in  Anlehnung  an  i)«;// =  ^/;^w/ anzusehen ,  was  gamicht 
belegt  ist  in  unserem  Text  (cf.  í$  14). 

§  70.  in  -|-  ìahhiaìis  wird  oft  durch  //  -j-  lahhialis  wiedergegeben. 
Einige  Beispiele  vide  §§  67  und  68;  die  weiteren  sind  folgende. 

I    56  aconpangnata  RGNC,  -com-  LSMBZ,  -cö-  C* 

65  chonpie  RGCC»  com-  LBNSMZ 
67  chonpiutamte  RGNCC;  com-  LBZ;  cö-  SM 

II      2  tenpo  G;  tepo  R;  tempo  LSMBNZ 

25  anbasciata  G  am-  alle  andern  codd. 

66  schanpare  GC;  sc5-  SNC*;  scam-  RLMBZ 

III  73  chonposte  RGNCC'V         com-  LSMBZ 
80  chonpiutamente  RGCC*;  cö-  N;  com-  LSMBZ 

IV  32  m*  inopera  RN;  m' inpera  GBCC^Z;  m*im-  LSMV 
V    24  chonpimento        GCC^N 

29  chonpiere  RGNCC» 
VI    20  chonpiutamte       RGMNCC« 

41  sen  pre  RG 

VII    II  chonpiere  RGC;  cö-  SNC;  com-  LBZ 

30  chonpiesse  GN;  cö-  SC*;  achom-  RLMB 
60  menbra  RLSGBNCC'     membra      MZ 
88  senpitemo  G;  sepi-  C;  sempi-  RLSMBNCZ 

145  chonpimento  GNC;  copi-  MC*;  chompi-  RLSBZ 
199  chonpimto  RGN;  cö-  SC;  com-  LMBC 
211   menbro  N;  mbro  RLSGCC*;  membro  MBZ 
V^III      4  chonprcssione  RGN;  cö-  SMC*;  com-  LBZ 

30  tcperare  RG  temperare  I-SMBNCC*Z 

34  chonpressionato  RGNC;  cö-  SMC*;  com-  LBZ 
X    48  chonprcso  RGNC;  cö-  SMC*;  com-  LBZ 

63  scnpiciemütc        RGC  sem-  LSMBNCZ 


chom- 

RLSMBZ 

com- 

LSMBZ 

com- 

LSBZ 

sempre 

LSMBNCC« 

DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  3O9 

Xr    12  chonpillia  RGC;  c5-  SMC;  com-  LBC;  co-  N 

14  chonpiendo         RGNC  com-  LSMBC'Z 

XI    70  anbra  G  ambra        RLSMBNCC»Z 

159  anpieçça  RGC;  ä-  NC*;  am-  LSMB 

XIII  47  inpcradori  RG  im-  LSMBNCC»Z 
55  inperadnce  RLG,  unä*p-  CC,  im-  SMBNZ 

XIV  22  tenperanza  GC;  té-  SC*;  temperezza  RLMBNZ 
48  tenpesta  GC;  te-  C»;  tera-  RLSMBNZ 

XV    17  tenpo  G;  tepo  RS;  tpö  C»;  tempo  LMBNCC»Z 
116  chonperan  RGC;  co-  SC^;  com-  LMBC*Z 
1 73  chonpangnia  RGS  ;  co-  M  ;  com-  LZ 
188  choopangnia  RGCN;  cp-  C*C';  com-  LSMBZ 
XVI    57  ranpögna  RLSGCC*;  ram-  LMB;  rapp-  C 

96  choDpangnia  RGSMNC;  cö-  C*;  9-  C*;  com-  LBZ 
195  chonpangnia  RGNC;  co-  MC*;  com-  LSBC* 

213  tenplo  G;  té-  R;  tem-  LSMBNCC»C« 

214  asenplo  RG;  exe-  SMNC*C*;  esem-  BL 
232  senpre  RG;  sé-  C*;  sempre  LSMBNCC^ 

XVn    80  senpre  RG;  se-  C*;  sempre  LSMBNCC*Z 

90  senpre  RSG  sempre       LMBNCC*C'Z 

XVIII    30  senpre  RSG  sempre       LMBNCC'C«Z 

50  chonporte  RGNC;  c5-  SC*C«;  com-  LMBZ 

88  senpre  RG  sempre       LSBNCC»C*Z 

89  chönpagnia  RGNC;  c5-  SMC*;  9-  C*;  com-  LBZ 
XIX  136  senpre  RG  sempre       LSMC 

137  chompimto  RGCC*;  cö-  SN;  com-  LMB;  9-  C^ 
165  châpire  RGCC»  cam  LSBNC* 

XX    50  chonporta  RGCN;  cö-  SM;  com-  LBZ 
67  chanparo  RGC;  c5-  S;  cam-  LMBNZ 

1 1 1  chanpi  G  ;  cä-  R  ;  cam-  LSMBNCZ 

112  auanpi  GBC;  auäpi  RSN;  auampi  LMZ 
XXI    10  chonpreso  RGC;  cö-  <5MN;  com-  LBZ 

59  chonpangno         RGNC  com-  LSMBZ 

70  menbra  RLSGNC  membra  MZ 

151  senpre  G  sempre  RLSMBNCZ 

237  inpiezza  RGBC  cm-  LSMNZ 

311  inpaccia  RLGMNCZ        im-  SB 

348  inparare  RMN;  i-  G;  im-  B 
XXII      5  tenpo  G;  tepo  R;  tempo  LSMBNCZ 

6  cllinpo  GN  olempo  RLSMBCZ 

Fav.  I    82  tenpo  GNF;  tepo  RS;  tempo  LMCZ 

109  ronpe  GCNF  rompe  RLSMC. 

nbr  statt  mbr  steht  sicher  (cf.  §  67).  Im  Übrigen  sind  die  Formen 
mit  n  neben  denen  mit  m  zur  Genüge  bezeugt,  um  sie  aufnehmen 
zu  dürfen.  Am  konsecjuentesten  ist  in  der  Schreibung  n  der  cod. 
(j  und  nächst  ihm  R. 


3 IO  B.  WIESE, 

N. 

§  71.    Verdoppelung  des  ;/  im  praefix  und  in  der  praep.  in. 

VII    70  inorato  KLSGN  honorato    MCC»BZ 

XV  187  moranza  SG;  inoranza  L;  onoranza  die  andern 
XVI    53  ïnizzatore  SGMNCC»        iniççatore  RLB 

74  innora  RSGCZ;  inora  L;  onori  M 
222  innorare  RSGNCC^;  inorare  L;  onorare  MBC* 
XVIII  114  innorato  RSZ  inorato       L 

XVII  108  innora  RLSGNCC^Z  onora  MBC» 

XIX  138  innamoramento  RGÄINC  'na-  LSBC» 

145  inamora  SGMNCC* 

175  chë*namorato     S  inamorato  GMNC 

XXI  293  înebbria  GMCN  inebria        RLSBZ. 

inn  {*nn)  als  praep.  haben  wir:  I  45  GMCS  71  GM,  112  G;  118, 
24  GM;  111  83  GMNCCi;  V  4  GM,  89  GMC;  VI  16  GM;  VI  50 
M;  VII  54  GM,  77  GCN,  200  GMNC»;  Vili  17  GMN;  X  77  RG, 
86  RM;  XI  12  GM,  39  RGMC,  80  RGM,  153  GM;  XIV  69  RGMC«, 
80  RGMC;  XV  45  GMC;  XVI  284  GMC»;  XVÜI  131  GMNC;  XIX 
21  GM,  178  GM;  XXI  66  GM,  145  GM,  216  RGMNBC,  274  MC, 
276  GM,  296  RGMBN,  299  GMC;  Fav.  I  S7  M,  46  GM,  57  GMNF. 
—  innanzi  haben  wir  VII  1 1 1  SGC*;  X  48  SGMNCC»;  Xi  197  GM; 
XV  199  LGMCC;  XVI  232  SGMCC'.  Durchgeführt  ist  w/  nur  in 
innorare  j  wo  das  in  in  verwandelte  on  als  praep.  aufgefafst  wurde. 
Sonst  bietet  R  XIX  138  innamoramento^  von  anderen  codd.  gestützt, 
aber  ^namora^  *namorato.  Die  praep.  hat  nur  in  acht  Fällen  nn  in 
R.  Es  ist  nicht  unmöglich,  dafs  diese  Beispiele  vom  Schreiber 
herrühren.  G  und  M  weisen  die  Verdoppelung  am  häufigsten 
auf.  —  Ganz  analog  ist  die  Verdoppelung  des  auslautenden  n  von 
non  vor  folgendem  Vokale.  1  4  RGM,  77  RGMSNC;  V  18  RM, 
42  RMGNC,  44  GC;  VII  119  RGN;  XI  54  RSGMNC«;  XII  27 
RSNCC»,  31  RGMCC'N;  Xlll  16  .RSGMNC«,  17,  18  RSGMNC«, 
19  R,  25  SGMNC»,  42  RSGM;  XV  18  RGM,  75  RSGMNC«,  85 
RGM,  126  RSGM,  149  RGC»;  XV  160  RSGM,  164  RSGM,  165 
RSG;  XVI  51  RSCiNC»,  57  GC^,  60  RSGMNCC*,  215  RGSMNC, 
217  RGNC-i;  XVU  24  RMC«,  54  RGIVI;  XVIII  17  RSGMNC^,  22 
RSGNC»,  53  RSGMN,  154  RG,  170  RGM,  187  RM;  XIX  119 
RSGMC;  XX  76  RMC,  99  RGMCBN;  XXI  30  RGM,  58  RSGM, 
67  RSGM,  152  G,  154  RSGMN,  161  M,  275  RSMN,  276  GM, 
306  RGC,  307  RGMNC,  334  RGMN;  Fav.  I  70  RG,  133  RGNCF.  — 
Auch  hier  mag  die  Verdoppelung  von  den  Schreibern  herrühren. 
Ich  folge  R. 

SÎ  72.  «/.  Ks  wird  wie  ¡j  verschieden  dargestellt.  In  RLSM 
fast  konsequent  durch  ngn\  in  G  fast  immer  ngni.  In  R  haben 
wir  z.  B.  abweichende  Schreibungen  nur  in  folgenden  Fällen:  ngni 
II  24;  XI  139,  148;  XII  39;  XIII  71;  XVI  284.  gn  VII  24,  135, 
181;  Vili  9;  XI  34;  XVllI  105;  XIX  50,  82.  gni  XVI  159.  — 
Fav.  I  4  schreibt  R  'niudo\  hier  ist  das  einzige  mal  ///*  zur  Beseich- 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.         3I I 

nung  des  ñ  zur  Verwendung  gekommen.     BC*  habtm  meistens  gn; 
NZ  ngn;  CC*  schwanken  zwischen  ngn  und  gn. 

Die  Beispiele  für  die  Verhärtimg  von  nj  zu  ng  sind  folgende: 

IX    23 — 24  im  Reim  ritengno-sostengno  alle  coda, 
X    60  auengna  (-dengna)  alle  codd. 
XV    57 — 58  diuengna-conuengna  LSGMBNCC*C*  adiuengha -  chonuen- 
gha  RZ 
109  tengno  RLSGC  tengho  MBNC^C^Z 

XVI  136  tengnon         RGBNCi  tengon  LSMCZ 

155  tengnio  GC  tengho  RLSMBNC»C» 


230  tengna       | 

l^CJUiMÖIN  VuK^  •  l^* 

tengha 

Í" 

XVII    53  atengha  \ 
54  auenghaf 

RLSGC  «OZ 

attengnal 
auengna  f 

MC 

57  auengna 

RLSGMC>C«Z 

aduenga 

Z 

61   tengno 

RBMCZ 

tengo 

LSGNC»C* 

82  uengna 

RLSGMNCC'O 

'  uenga 

BZ 

XIX  115  auengna    | 
1 1 6  sostengna  f 

RLSGBMCC'C« 

auengna    Ì 
sosten  ghaf 

N 

246  tengno 

RLSGMBNCC« 

tengo 

C'^ 

XX  104  tengno 

RMGBNC 

tengo 

LSC 

220  uengna 

RLSGMRNC 

uenga 

z 

221  uengna 

RÍ.SMNC 

uengha 

GBZ 

Fav.  I    85  tengnate  alle  codd. 

Die  Formen  mit  nj  sind  durchaus  die  gebräuchlicheren.  Sicher 
belegt  ist  jedoch  XVI  155  tengho  und  XVII  53 — 54  alengha-auengha. 
Daher  dürfen  wir  auch  XV  57 — 58  R  nicht  ändern  und  ebenso 
wenig  XVI  229 — 230. 

§  73.  nl  ist  öfter  zu  //  geworden.  I  82  iliettert  RG;  II  16 
noim  RLSGMBN,  nolla  C;  I  91  illugo  R,  illocho  GN;  III  75  iwllc 
RMC,  noie  LSBNC»;  V  2  solU  R;  VII  91  chollo  RGMCC»,  colo  LSN; 
VIII  30  illoro  G;  IX  2  filio  C,  filo  R;  V  70  ebenso;  X  24  illor  RGC, 
ilor\.\  XII  55  /W/öRGMC,  «í?/rtLSBNC«;  XIII  53  nolle  RGMCC*,  noU 
LSBN;  XV  107  bello  RLSGMNCC*,  helo  C^  108  noi  KLSGBl^OC^Z; 
118  nolli  R;  noli  LS;  123  illarghezza  RG;  128  cholli  RGC'Z,  coli 
LSNC^;  134  nollo  RGMC,  nolo  SL,  noi  BNCC-^Z;  184  belle  LSMZ; 
XVI  106  noi  alle  codd.;  127  nollo  RGM,  nolo  LSBNC'C^;  252  noi 
alle  codd.;  XVII  70  nollo  M,  nolla  CG»,  noia  RLSBC^,  nolo  N;  88 
nollo  RGMCC«,  nolo  LSBNG^;  XVIII  104  nollo  RLMC,  nolo  SBNC^, 
noi  G;  117  nolli  RI.GCC*,  noli  SBNC^;  XIX  41  bello  RI^MNCC«; 
195  nolla  GG',  noia  LSBNG^,  nollo  G;  2^2  illor  RMZ;  234  cholla 
GMCG»,  chola  RLSN;  XX  23  infila  RL;  XXI  1 18  nollo  RGMG,  nolo 
LSB,  noi  N;  179  noli'  RMGN,  noi'  LSB;  230  iliade  R;  236  noi 
LSGMBN;  Fav.  I  99  nolli  RG,  noli  LSN.  —  Die  Menge  der  bei- 
gebrachten Beispiele  läfst  keinen  Zweifel  darüber,  dafs  diese  Assi- 
milation durchaus  von  Brunetto  angewendet  wurde.  Gewöhnlich  ist 
//  beibehalten,  doch  zuweilen  tritt  Vereinfachung  der  Konsonanz  ein. 


312 


B.  WIESE, 


§  74.     nr  zu  rr, 

VII  148  orratamente  RBNC  orata-  LSGC» 

XVI  161  orratamente  RBN     orata-  LS 

XVIII  192  orrataíñte  RMN;  ora-  L;  ora-  LBC*;  hora-  G 
XV  196  chorréelo  RLSGMNCZ;  coredo  B;  cöredo  C*C* 
XVII    92  irria  R  in  rea  LSBN 

XXI  281  irrichezza       R  in  richtzza  LSGBNCZ. 

orratamente  mit  zwei  r  und  c  ho  r  redo  sind  die  gebräuchlichen  Formen; 
die  Beispiele  trri'a  statt  in  ria  und  irrichezza  statt  in  richezza  in 
R  kommen  zu  vereinzelt  vor,  um  sie  nicht  als  vom  Schreiber  ein- 
geführt zu  betrachten.  —  Von  ucnire  haben  wir  gar  keine  Beispiele 
für  das  fut.  und  condit.,  für  tenere  eins  im  condit.:  XV  17g  terrebc 
RSMZ,  terebe  LG,  wo  rr  gesichert  ¡st. 

S  75.  Beachtenswert  ist  der  Übergang  von  n  zu  /  in  dem 
aus  astronomia  entstandenen  storlomia,  ^  ^^  storlomia  RSNCC'Z; 
sterlomia  L;  stör  lamia  G;  astronomia  BM.  XXII  41  storlomia  RSGNZ; 
sterlomia  L;  strolomia  C;  astronomia  BM.  —  In  bolongtui  II  35  und 
ueleno  Fav.  I  104  liegt  derselbe  Übergang  vor. 

§  76.     «-{-labialis. 

III    18  nc*m  parta       RL 
VI      7  ciaschum  par    GB 

50  em  pecchati  R       im-  M 
Vili  25 1  da  'mprendere  M 
XIII    52  ne  'm  prose       M 
112  *m  beueria        S 
80  com  buona        L 
1 1 9  uni  poco  L 

213  ini  piazza  LN 

XVII     18  com  bello         LNZ 
112  'm  buona  G 

7  chom  bel  LM 

XIX  1 25  h'  imbilanza       L 
XX    66  Attauiara  per  G 
273  'm  pouere         LS 
319  com  parente     L 
338  imbardi  SB. 

Vor  f:  I  112  in  imferno;  VII  87  ebenòo,   aber  XXI  276  in  iraferno  R 
XVIII    98  comforti  L. 

In  R  linden  wir  nur  zwei  Beispiele  für  den  Übergang  des  //  in  m 
vor  einer  labialis:  III  18  und  VI  50,  und  zwtii  \ot  /:  zwei  mal  in 
im/ernoy  an  einer  dritten  Stelle  hat  es  aber  selber  in  inferno.  Von 
den  übrigen  codd.  bietet  nur  L  die  Beispiele  in  gr(')fserer  Anzahl. 
Sie  rühren  ganz  bestimmt  von  den  Schreibern  her  und  sind  zu 
entfernen. 


I  100  im  prosa 

L 

V  102  cbom  bella 

MN 

VI    10  gram  balia 

L 

VII  220  im  più 

MG 

X    46  im  brcuc 

M 

XV    72  »mbarda 

LSMNßCZ 

XVI    14  com  bei 

M 

102  chom  più 

IJSM 

170  gram  parte 

L 

276  com  bei 

L 

XVII    75  im  prestanza 

M 

XVIII      6  chom  baldezzs 

iGL 

179  com  bamaggic 

>L 

XIX  216  gram  paura 

L 

XXI  128  s'imbrascia 

LS 

274  'm  pregione 

S 

333  bem  poco 

L 

Fav.  I    24  im  parole 

LGF 

DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  3I3 

R. 

Î  77-     ^  &i^&  infolge  von  Dissimilation  in  /  über  in: 

VII  130  albori  R;  alberi  LSGMBNC;  arbori  C»Z. 
r  geht  auch  manchmal  in  d  über  (nach  dem  Vorbild  des  Infin.). 
r.       VII    15  richiede  RLSGMNCC'Z      ridiede  B 

XVI  249  chiede  RMGNCC>C^;  chide  LS;  chede  B 
XX    17  chero       RLSGMBNC  chiero    Z 

Fav.  II      6  chero       RLSGMNC  chiero     Z 

XIV    40  rade  ;  r.  XIII  76,  Fav.  r.  I  45  rado  in  alien  coJd.  (-grado) 
XVin    58  ferire        RLSGBCOZ  fedire     MNC» 

122  ferire        RLSGMBCC»C*Z  fedire      N 

123  fere  RBNC»Z;  fiere  C^  fiede  LSGC 

124  ferito       RMBCC»C^  fedito     LSGNZ 
XIX  166  ferire        RLSGMBCC»C«Z  fedire      N 

Fav.  n     14  ferire        RG  fedire      MF. 

albori  mit  /  ist  gesichert;  neben  chero  ist  richiede^  chiede  belegt.  Nur 
rado  kommt  vor,  und  andrerseits  sind  von  ferire  nur  Formen  mit 
r  wendet. 


r. 

II 

• 
33  scholaio  in  allen  codd. 

r. 

VI 

21  luminarie      RSGMNC»Z 

-are 

LBC 

22  uare               RLBC 

uarie 

SGMNC»Z 

IV 

34  uicharia  alU  codd. 

r. 

VII 

51   primera         RLSGMBCV 

-iera 

NC'Z 

XVI 

30  primeraföte  RL 

primiera- 

SGZ 

r. 

IX 

15  chontrarioi 

.,    j.                 /  i>i  allen  codd. 

16  disuano     ) 

r. 

XV 

43  danaro          RLMNBC^C^C 

danaio 

SGZ 

44  (a)ghostaro   RLMBNX»C-' 

agostano 

SGC 

r. 

XVI 

139  mercen/taio  alle  codd. 

r. 

XIX 

80  chaiera  RC;  carriera  LSGNC*;  carrera  MBC^ 

r. 

XXI 

303  lusura            RLGB 

lussuria  ! 

SMNCZ  (-misura) 

305  lussura          RLGB 

luxuria 

SMNCZ 

326  lusura            RLSGMC 

luxuria 

NZ 

VII  208  paia               LSGBNCC'Z 

XI  198  paia  alle  codd. 
XII     1 5  paia  alU^  nur  B  para 
XV    60  paie  2.  ps.  RSCC;  paia  GZ;  pai  LMBX 
88,   194;  XIX  89  paia  alle  codd. 
XVIII  114  paia  RLSGM  paie  C 

XXI  318  paian  alle  codd. 
r.     XVI    48  moia  RI^SGMBCC'C»  muoia        NZ 

r.     XXI    86  moia  SGMBV  muoia        RLNCZ. 

Es  kommen  neben  den  im  Toscanischen  gewöhnlichen  Formen  auch 
solche  mit  ausgestofsenem  /  vor.  Dafs  letztere  auch  toscanisch  sind, 
hat  Gaspary  in  der  Zeitschrift  IV  p.  61 1  u.  ausgesprochen.  Wir 
haben  hier  so:  luminare  -uare  (so  nehme  ich  auf,  obwohl  IX  15 — 16 


314  B-  WIESE, 

chonirario'disuario  sicher  belegt  ist),  dañar o^ghostaro\  XXI  303,  305, 
326  Itisura,  ukharia  IV  34  ist  ein  Latinismus.  XIX  80  ist  charriera 
aufzunehmen,  primera  ist  sicher.  Von  parere  und  morire  haben 
wir  nur  Formen  mit  j, 

§  79.  Schliefslich  mag  die  Metathesis  des  r  in  dem  Namen 
unseres  Dichters  erwähnt  werden. 

I    70  burnelto  RLSNC       bru-       GMBC»Z 
XIII      I  burnetto  RLSNCC»  bru-       GMBZ 
XIX    60  burnetto  RLSNC       bru-        GMBC»C« 
XX      5  burnetto  RLSNC       bru-       GMBZ 

und  in  folgenden  weiteren  Fällen: 

X    43,  XXII  41  storlomia,  cf.  §  75 
XI  139  perfüuda  RC;  pfondd  C;  pro-  LSGMBNZ 
XXI  142  parlato     RSGN         prelato  MLBCZ. 
Der  Name    unseres  Dichters    lautet  in  RLSNC   konsequent  burnetto. 
In  gleichzeitigen  Urkunden   kommt  die  Schreibung  burnectus  neben 
brunectiis   vor    (cf.    Zannoni    p.  V,  VI),      i^s   ist   daher   kein   Grund, 
brunetto  einzuführen,  vorhanden,    parlalo  ist  alttosc.  sehr  gewöhnlich; 
storlomia  ist  sicher  belegt.     XI  13g  per  fonda  in  RC  ist  Vertauschung 
der  praep.,  nicht  Metathesis,  cf.  afrz.  parfont, 

Dentale. 

T. 

§  80.  Die  Verdoppelung  des  /  in  battere  und  tutto  ist  in  den 
besten  codd.  durchgeführt;  an  einer  Stelle  bietet  R  einfaches  /  in 
ersterem  Wort:  XVI  170  r abati  Die  Schreibung  tucto  kommt  in 
einigen  codd.  vor,  nie  aber  in  K.  In  ähnlicher  Weise  finden  wir 
öfter  facto,  Uxterey  affectOy  frudo,  factura,  factor  e  ^  tractare^  dilecto^  nocte^ 
diricíuray  diricti  etc.,  namentlich  in  S.  Die  einzige  solche  Form, 
wtîlche  R   bietet,  ist  VII  2   chospccto,  natürlich  zu  eliminieren. 

>5  81.     /  ungeschwiicht  erhalten. 

r.  I    65  bontate         LSGMC«  -ade         RBNCZ  (-asenbiate) 

II    60  città  MZX  cittade    RLSMBCC» 

Í  V  10!   oscuritate  I  -ade  |  -ale   I 

r.  _^  .  ,        '   Ri.SGBC       ,        MNC        ,    }  Z 

I  102  breuetale  |  -ade  (  -ade  ) 

r.  VII    57  utrtutc         RLSGMBC'Z      uirlude    NC  (-salute) 

{115  sottilitate  1  -ade|       t  »jxrxT/- 

..A    I-   •   •.  .       RGBC'Z  ,   \       I-SMNC 

1 16  diuinitalef  -adef 

r.  244  uertute  RLSGMBCC«      iiirtude    NZ  (-partute) 

Í         IX    25  uolontale  |  -adej 

r.  J    1-   •    .  .        LSGß  .  RMNXC»Z 

I  26  diuinilalc  I  -adej 

Í  Xu   maestate  l  -adel 

r.  ,.       ♦     .  .        HLSGB  .   }      MNCC»Z 

I  32  potestatel  -adef 

r.  55  diuinitale  RLSGMBC        -ade  NCZ  (-intralasciate) 

r.  XI  67  uertute  RC'B                    uertude  NC  (-salute) 

r.  XII  23  uertute  RLSGMBC'Z      uirtudi  NC  (-mute) 

r.  XIII  57  uertute  RLSGMBCC'Z  uirtude  N  (salute) 


I 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  315 

XVI  235  cittade  in  alien  codd,  (-uade) 
Í    XVn    15  lealUtel  adei 

i  ,6ueriUteí      ^^^GMB  ^^^        NCCC 

30  ueritate        RLSGMBC»         -ade        NCC*  (-fiate) 
XVIU    128  uertute         Ç  uertude  RLSGMBNC'OZ  (-chonchiude) 

XIX    51  ueritate        RLSGMC»  -ade      •BNCC«  (-trouate) 

XX    51  dingnitate    RLSGMB  -ade         CNZ  (-fiate) 

80  uanitate       RLSGB  -ade        MN 

XXI  275  pietade  alle  codd.  (-chade) 

Fav.  I  I  ^  oscoritate  \  ade  | 

,¿        .  ,  ,      }  RLSGZ  ,   \        MNCF 

16  amístate    J  adej 

XV    64  grato-forzato  alle,  nur  grado-forzado  C* 

96  agrada  alle,  nur  C*  agrata 

73  grado-dado  alle,   nur  B  grato-dato 

r.         XVI  166  in  allen  codd.  grato  (-nato) 

XVI  253  grado  in  allen  codd. 

r.         XXI  193  grato  RLSGMB  grado      NCZ  (-donato) 

r.       Fav.  I    78  grato  RLSGMCFZ        grado      N  (-stalo). 

In  den  Suffixen  -iz/c,  -ule  ist  /  noch  oft  erhalten;  die  codd.  haben 
öfter  ein  d  an  Stelle  von  /  eingeführt,  so  I  65  in  R  selber.  Die 
Formen  mit  /  sind  sicher  V  loi — 102;  VII  57,  115  — 116,  244; 
X  31—32,  55;  XI  67;  XU  23;  XllI  57;  XVII  15—16,  30;  XIX  51; 
XX  51,  80  ;  Fav.  I  15  — 16.  Die  Formen  mit  d  sind  daneben  un- 
zweifelhaft im  Reime  belegt  XVIII  128;  XXI  275;  XVI  235.  Des- 
halb dürfen  wir  II  60  cillade  beibehalten  und  IX  25 — 26  den  Reim 
uolontade^diuinilade  nicht  ändern,  obwohl  hier  ursprünglich  auch  ate 
gestanden  haben  mag.  /  ist  gleichfalls  meistens  erhalten  in  grato. 
XV  64;  XVI  166;  XXI  193  und  Fav.  I  78  haben  wir  es  im  Reime 
mit  forzato,  nato,  donato,  stato.  Doch  XVI  263  bieten  sämtliche 
codd.  aufserhalb  des  Reimes  grado  und  so  XV  73  im  Reime  grado- 
dado.  Das  vb.  zeigt  sich  XV  96  mit  d:  agrada.  In  zwei  Beispielen 
haben  wir  gleichfalls  /,  wo  die  heutige  Schriftsprache  d  zeigt.  XIII 
76  chatuna  RM,  alle  andern  codd.  ciascuna,  r.  XVI  264  strata 
RLSGMC^C^,  strada  BNC  {-nata).  Letzteres  Beispiel  ist  durch  den 
Reim  gesichert,  ciascuna  dem  chatuna  von  RM  gegenüber  halte  ich 
für  eine  spätere  Ersetzung  des  ungebräuchlicheren  Wortes  durch 
das  gebräuchlichere  und  behalte  chatuna  bei.  Dafs  ein  Schreiber 
dazu  kommen  sollte,  diese  Form  an  Stelle  von  ciascuna  zu  setzen, 
ist  nicht  glaublich. 
§  82.     /  zu  d. 

III     II  uoladori      RLSGCC  volatori  MBXZ 

podere  in  allen  codd.  V  30;  VIII  13;  X  8;  XVI  112,  143,  280. 

VII    12  poder  I^SGBNC» 

XV  145  poder  RLSGMNCC'C^  poter       BZ 

XIV    32  pedrone      RC  petrone   LSGMBNC'Z 

X    72  sido  RZ  sito  LSGMBXCC» 

XI    24  ofrade         R  ufrates    LSGMBNCC«Z 

2q  ufrade         R  ufrates    LSGMBNCC'Z 


3l6  B.  WIESE, 

XIII    47  inperadori  ///  allen  codd. 

55  inpcradrice  in  alien  codd.,  nur  -trice  Z 
VII  104  nudrir         RLSGMNCC'Z    nutrir      B 
XV  171  chontrada  RLSGAÍZ 
XX    56  impcradore  ///  alien  codd. 

Wir  haben  hier  zunächst  einige  sichere  Beispiele  für  das  Suffix  ^lore^ 
-trice,  m  11;  XIII  47,  ¿,5;  XX  56.  Ferner  ist  podere  in  allen  an- 
geführten Fiillen  unzweifelhaft.  VII  104  ist  nudrir  sicher,  (Intll. 
p.  loi  nodrire  in  beiden  codd.),  XV  171  chonlrada,  X  72  bietet 
R  sido,  XIV  32  pedrone]  in  diesen  beiden  Fällen  möchte  ich  mit 
der  Mehrheit  der  codd.  /  aufnehmen.  Dagegen  scheint  mir  of  rade, 
ti/rade  unbedenklich. 

S  83.  //.  Ks  wird  gemeiniglich  in  den  besten  codd.  so  be- 
handelt, wie  in  der  hc;uligen  Litteratursprache.  Schreibungen  mit 
/  statt  z  finden  sich  zuw(iilon.  In  R  haben  wir  nur  XIV  53;  XV  4 
und  XXI  187  giustitiü.  Das  Suffix  -ezza  wird  durchweg  mit  zz  ge- 
schritîben.  —  Einer  iiiiheren  Bi.'trachtung  unterziehen  wir  noch  das 
Wort  cominciare  und  siîine  derivata. 

I    49  chominciañito  alle  codd. 
r.      II      I  chonenza   R;   comenza    MBC;    chonmezza   G;    comincia   LSNCZ 
(-Fiorenza) 

III  21   chominciare  alle,  nur  C  començate 
87  inchomincianza  alle  codd. 

01   chominciamento  alle  codd. 

IV  12  inchominciata  alle  codd. 
14  chomincianza  alle  cod^. 

VI    63  choninciamcnto  R('  comin-  LSGMBNC*Z 

VII    45  choniinciò  in  allen  codd. 

I  IO  choninciato  R:  cominciato  LSGMNCZ;  comen-  B 
r.  141  inchonimza  R;   inchominza   LS('N;    -menza  GMBC';   comincia  Z 

(-sentenza) 
140  choniinciato         KC  cominciato      L.SGMBX('*Z 
r.  163  chonenza  R;    cliomenza  LBNC;   cominza  SGN;   coninça  C;  cho- 

iiiincia  Z  (-sentenza) 
X    40  choniniciañilo      R      cominciañito  LSGMBN('C*Z 
XI  184  chominciamento  alle  codd. 
XII      5  choniinciò  alle  codd. 
XVI  100  inch(mi//cia//za    R      comincia/zza  alle  andern 
XVIII  \Uq  choninciasse  R;  comin-  LSGMBNCCZ;   coraenzasse  C* 
Fav.    I    65  chomincianza  alle  codd. 

Dil.'  gewoh  ni  ielle  Wiedergabe  des  //  ist  auch  hier  also  durchgchends 
i'\  doch  des  Reimes  wegen  werdtîn  die  dem  Provenzalischen  ent- 
lehnten Formen  der  alten  Lyriker  noch  an  drei  Stellen  bewahrt: 
II  1,  VII  141   imd  VII  163,  d.  i  20.» 

'  Was  die  Schreibun;!  mit  //  >>iait  ///  in  R  (dreimal  auch  in  C)  anbelangt, 
<o  liihii  »iie  entschieden  vom  Schreiher  her.  Dieb  beweist  schon  der  Umstand 
allein,  dafs  R  selber  in  den  meisten  Fjillcn  /;/  zeigt.  Dieselbe  Erscheinnng 
bieten  auch  die  codd.  der  ältesten  Lyriker. 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  3 1 7 

>5  84.  Zu  erwähnen  sind  hier  noch  die  Konditional  formen  von 
potere  mit  ausgefallenem  /. 

III    17  porria     RC»  poria      LSGMBNC  potria  Z 

Vn  162  porria     RC»Z  poria      LSGMNC     possa    B 

X    27  porria     RC*  poria      LSGMBNC  polria  Z 

XIII    53  porria     RC'Z  poria      LSGMBNX 

XV    38  poria       RLSGMBNCC»Z  porria     C« 
XVI  279  potrei  RLSBM;  poria  GCN;  porria  C*;  porrai  C 
XIX  143  potresti  RLSGMBNCX:»     poteste  C« 
XX    20  poria       RLSGMBNC         porria     Z 
32  poria       RGMC. 

Die  Schreibung  mit  einfachem  r  ist  die  ursprüngliche;  so  bieten 
sie  uns  die  ältesten  codd.  der  Lyriker  und  auch  die  meisten  mss. 
des  Tesoretto.  R  selber,  welches  in  vier  Fällen  rr  bietet,  hat  in 
drei  anderen  r;  ich  führe  es  tiberall  ein.  Dafs  die  Form  des 
condit.  auf  ei  mit  ir  neben  der  auf  ia  mit  r  bei  Brunetto  schon 
vorkam,  beweisen  die  Stellen  XVI  27Q  und  XIX  143.' 

Im  Reime  haben  wir  schliefslich  mit  gefallenem  /  XVIII  200 
arrieri\  XXI  108  dtrtert\  Formen,  welche  gewifs,  wie  Caix,  Orig. 
§  139  annimmt,  aus  dem  afrz.  stammen. 

D. 

Es  ist  fast  ganz  wie  in  der  heutigen  Litteratursprache   behan- 
delt.    Kurze  Erwähnung  verdient  folgendes. 
):$  85.     Verdoppelung  des  d. 

I    57  iidorna        RLSGBNCC^Z    aiUloma    M 
VI    53  sodussc       RLBNCZ  soddiisse  MSGC» 

XVI    40  adorna        RLSBNCC>OZ  addoma    GM 
XXI  323  soddomiti  RGMN  sodomiti   LSBCZ. 

In  aJornOy  sedusse  ¡st  einfaches  d  beizubehalten.  Intll.  p.  79  adorn  e 
cod.  magi.;  addonia  e  cod.  gadd.,  ibid.  p.  95  adorno  cod.  magi.; 
addorno  cod.  gadd.  Bei  soddomUi  ist  jedoch  dd  aufzunehen;  Dante 
schreibt  Soddoma, 

S  86.     Ausfall    des   d  und    Tilgung   des    entstandenen    Hiatus 
durch  7'  haben  wir  XXI  316  in  auo1ierio\  nur  MB  lesen  adulterio. 
S  87.     dj  in  der   i.pers.  praes.  ind.  von  uedere. 

XV  213  uegho  R;  vegf^io  LSGMNCC;  iicgio  BC^;  neghi  Z 
XIX    28  ucgio  RB;  ueggio  LGMNCC;  ucggo  S;  uengio  C* 

29  uegio    RBC2  ueggio  LSGMNCC 

30  uegio    RBC*  weggio  LGMNCC*     ueggo  S 

31  uegio    RBC'^  ncggio  LSGMNCC» 
XX  105  uegio    RB       ueggio  LSGMNCZ. 

Nur  uegio  ist  gut  bezeugt  und  auch  XV  213  einzuführen. 


»  Ein  laronajs^gio ^  welches  nach  ('aix,  Orig.  §  139  p.  163  und  §  238 
p.  249  in  L  Fol.  I  stehen  soll,  existiert  nicht  in  <lcm  cod.;  das  Wort  kommt 
überhaupt  im  Tesoretto  nicht  vor.  Es  ist  sicher  haronai^gio  (II  20)  auf  Fol.  2 
r.  b.  Z.  2  dafür  verlesen. 


3l8  B.  WIESE, 

S  88.     mi  des  lat.  ìmk  ist  in  einigen  Fällen  erhalten. 
X    25  no 'ndc  R;  none  SGMNCC*Z;  none  BL 
XVI  214  no'nde  R;  none  SGMNX«;  none  LBC« 

XVIII  60  no'nde  R;  nonne  SGNCC^C^Z;  none  BL 
Î09  no'nd'cra  RC;  non  SGMN;  non' LBC«C«Z. 

Die  Fälle  sind  beizubehalten;  es  ist  'nde  statt  ne  auch  alttoscanisch, 
cf.  Caix,  Orig.  S  146. 

S. 

Dieser  Konsonant  giebt  zu  sehr  wenig  Bemerkungen  Anlafs. 

S  89.  wSicher  belegt  ist  XI  84  hadalischi  RLSGMNCC«  hasali- 
seht  B.  Caix,  Orig.  S  1 17  weist  diese  Form  gleichfalls  bei  den 
Lyrikern  nach. 

>§  go  sj,  XVII  84  treffen  wir  in  R  die  Schreibung  chasgione. 
Sie  rührt  gewifs  vom  Schreiber  her,  was  auch  ihr  ganz  vereinzeltes 
Vorkommen  schon  beweist,  und  ist  durch  chagiont\  wie  sämtliche  übri- 
gen codd.  lesen,  zu  ersetzen.  Hingegen:  XII  50  tof/W/ RLSMNCC^ 
basal  Vi  baciai  iVA  und  XXI  128  inbrascia  l^\.Sy[C\  inbract'a  G;  abra' 
scia  N;  abrada  Z;  inflama  B  sind  sicher,  cf.  Caix,  Orig.  >$  148  p.  168. 
Intll.  p.  7 1  haben  wir  in  beiden  codd.  basciana,  —  Ganz  vereinzelt, 
und  gleichfalls  dem  Schreiber  angehörig  ¡st  XXI  135  fienza  RM 
[-maluolienza)  und  20g  dispenza  L  {-poienza), 

S  91.  XI  150  treffen  wir  die  bekannte  Form  ciciliana  mit  Assi- 
milation des  ersten  Konsonanten  an  den  zweiten.  Intll.  p.  45  Cicilia 
in  beiden  codd. 

Die  Gutturalen. 
C. 

j^  92.  Das  gutturale  c  wird  in  R  fast  ohne  Ausnahme  durch 
r//,  sowohl  vor  c  und  /,  wie  vor  a,  o,  u  dargestellt.  Sehr  oft  braucht 
auch  (j  eli  vor  a,  0,  u;  M  und  N  gleichfalls  so;  in  anderen  codd. 
vereinzelt.    Die  Schreibung  /*  findet  sich  30  mal  in  L  und  1 1  mal  in  S. 

>^  93.     Schwächung  von  c  zu  g. 

I  102  sagretto       RLSGMZ         secreto  BNCC» 

XIX  150  aguta            RLSGMNCZ  acuta  BC» 
XXI  141  sagrato         RLSGMNCZ  sacrato  B 

263  sagram^wti  RT^GM  sacramenti  BNCZ 

320  agramente   RM. 

In  allen  Beispielen  ist  g  sicher.  XXI  320  steht  der  Beibehaltung 
der  Lesart  von  R  nichts  im  Wege;  die  meisten  codd.  haben  an 
Stelle  des  unbekannteren  Wortes  ein  bekannteres  gesetzt:  gravemenk 
oder  laidamenle. 

S  94.     Von    den   Verben   auf  -icare   verdienen   folgende   zwei 
erwähnt  zu  werden, 
XV  106  follegiasse  RGB;  folleggiasse  SMNZ;  foleasse  LCC'C* 

146  chortcscgiare  R;  -cggiare  LSGMNCZ;  cortcgiare  B;  cortealare  CK? 

in  denen  die  Können  mit  g'  sicher  sind. 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  3 IQ 

§  95.     Der  palatale  Laut  stellt  sich  vor  e  und  /  in  der  Regel 
durch  einfaches  c  dar.     Vor  e  bietet  G  und  Z  sehr  oft  die  Schrei- 
bung  cie\   ebenfalls    öfter   eie   haben    RLS.     Auch    scia   vor  e  wird 
durch  scie  wiedergegeben  in  RLSGZ,  zuweilen  auch  in  N. 
§  96.     Schwächung  des  í  zu  g  vor  e, 

in    86  chongietto  R  concetto    LSGBCC>Z 

XV  182  piagente      RS  piacente    LGMZ 

XVI     14  piacente  in  allen  codd. 

286  piagente      R  piacente    LSGMBNCC>C2 

XVIII  191  piagente      LS  piacente    RMGBNCC»Z 

XX  75  angielli        RT^GN   uccel         MCBZ 

Fav.  I    81   augello  alle  codd..  aber  III  II  ;  XI  99  uciclli  in  allen  codd. 

Die  Formen  mit  g  in  piagente^  wo  sie  überliefert  sind,  sind  gewifs 
nicht  vom  Schreiber  eingeführt.  XV  182,  XVI  286  und  XVIII  191 
nehme  ich  sie  danim  auf,  cf.  Caix,  Orig.  ^  154  p.  172.  Die  Form 
augello  ist  an  zwei  Stellen  sicher  belegt;  daneben  an  zwei  anderen 
ucielli,  chongietto  III  86  wage  ich  nicht  mit  R  der  Auctorität  der 
übrigen  codd.  gegenüber  beizubehalten. 

>§  97.  Die  Assibilation  des  c  nach  Konsonanten  finden  wir  in 
folgenden  Beispielen. 

n    42  dolze        LSNC»V  tlolcie       RGMBCZ 

XVIII    41  dolzi         LSG  dolci         RMBNCC^C^Z 

XXII    32  dolze        LSGN  dolce        RMBCZ 

VII    28  merze       RSGMNCZ  merciè      LBC» 

XII    51  mercè       RLSGMCC»NV  mercè       BZ 
XX    27  merze       RLMNZ  mercè       SBC 

XXI  170  merzede  RN  mercede   LSGMBCZ 
XIV    94  franzese  RLSGMNCC;  -cesce  B;  -cese  Z 

XV  169  donzello  RLSGMZ 
XXI  317  donzele    RLSGMC  dongelle  B 

243  u[n]zino  RLSGNC  uncino      M  vgino  B 

Im  Anlaute:  VII  247,  270  zelle  R;  alle  andern  celle. 

merze,  franzese,  donzello,  donzele,  unzino  ist  von  den  besten  codd. 
belegt;  so  zögere  ich  auch  keinen  Augenblick  in  den  drei  angezo- 
genen Stellen  dolze  aufzunehmen,  wenngleich  R  dagegen  spricht; 
die  Form  mit  z  ist  schwerlich  von  den  toscanischen  Schreibern 
der  codd.  LSGN  eingeführt.  Über  Lancielotto  cf.  §  13.  VII  247 
und  270  ist  celle  R  gegenüber  aufzunehmen.  Mit  Assibilation  des 
c  nach  einem  Vokal  haben  wir  Fav.  I  16  amístate, 

^  98.  cj  ist  in  den  mafsgebenden  codd.  fast  immer  wie  in 
der  Litteratursprache  behandelt.  XI  27  haben  wir  das  aus  dem 
prov.  sa  entstandene  zae  RLSGCN;  in  MBC*  ist  es  zu  (¡ua  ver- 
ändert. III  63  treze  RLSCMBNCC^  treccie  Z,  r.  XIX  125  hilanza 
alle,  nur  C*  bilancia,  cf.  Caix  S  156  p.  175:  za,  treza  finden  sich 
noch  in  Fr.  da  Barberino.  —  zj  neben  cj  finden  wir,  wie  heute, 
in  ofizio  und  Fav.  I  20  oßci',  beide  male  sind  die  Fonuen  durch 
den  Reim  gesichert. 


320  R.  WIESE, 

S  99.  et  ist  in  manchen  cocld.  so  geschrieben;  doch  die  besten 
bieten  //.     Die  Beispiele  habe  ich  S  80  gegeben. 

>5  100.     CS  (x)  ist  gleichfalls  von  einigen  codd.  in  der  Schrei- 
bung beibehalten.     VI  27  sexio  SM;  Vili  11   chonplexione  in  G;  XI 
25  dexira  M;  XVII  214  exenplo  SGM;  XX  60  ahxandro  SOM;  XXI 
265  txemplo  M,  303  luxura  GM,  305  luxuria  MS,  326  luxura  SG. 
Wir  betrachten  noch  die  Ergebnisse  des  lat.  laxare, 
r.  XI  113  lassa  RGMBCC^  lascia  LSN 
XV  172  lascia  alle  codd. 
XVIII    57  lascia  in  allen  codd.,  nur  C*  lassa. 

Die  Form  lassa  ist  demgemäfs  neben  lasciare  etc.  im  Reime  zur 
Verwendung  gekommen. 

§101.  de  finden  wir  zu  g  geworden  in  umgianza  XVIII  107 
und   148. 

G. 

S  102.  Der  gutturale  Laut  des  g  wird  wie  der  des  c  in  man- 
<:hen  codd.  durch  gh  auch  vor  a,  0  und  u  dargestellt.  Am  häufig- 
sten ist  dies  der  Fall  in  Ct,  öfter  auch  in  RMN.  In  LS  nur  I  45 
in  aringha.  Geschwunden  ist  g  zwischen  zwei  Vokalen  ¡n  l'éale^ 
cf.  S  12  die  Beispiele. 

^103.  Öfter  haben  wir  noch  in  unserem  Gedicht  das  palatale 
g  in  lungiamenie  =  prov.  lonjament, 

X    41  lungiamente  R  lunga-  LSGMBNCOZ 

XX    59  lungiamente  R  lunga-  LSGMBNCZ 

XXI  269  lungiamente  R  lunga-  LSGMBNCZ 

F^av.  I    44  lungiamente  R  lunga-  MCF. 

Sämtliche  codd.  mit  Ausnahme  von  R  führen  da.^  ital.  lungamente 
ein.  Ks  ist  kein  Zweifel,  dafs  R  wieder  allein  die  richtige  Lesart 
bewahrt  hat.  Fr.  da  Barberino  braucht  die  Form  longiamente,  Caix, 
Grig.  .S  1Ò4  p.  178. 

S  104.  Der  palatale  Laut  des  g  vor  e  wird  öfter  durch  gie 
ausgedrückt,  namentlich  in  R  und  G.  LSMNZ  zeigen  diese  Schrei- 
bung auch  einige  male.  Ausfall  des  g  in  dem  Worte  regina  ist 
nicht  sicher. 

XI  102  regina  RSGBCC'Z         reina  LMN 

XIII    65  regine  RLSMRNCC»Z  reine  G. 

,^  105.  g7i  wird  in  den  einzelnen  codd.  dargestellt  wie  «/, 
cf.  S  72.  Beachtenswert  ist:  XIII  22  chongnoscha  R,  conosca  in  allen 
andern  codd.  XXI  197  dagegen  chonosce  in  allen  codd.  (M  con^ 
gnosce).  Die  von  der  gewöhnlichen  Schreibweise  abweichenden 
Schreibweisen  in  R  und  M  sind  latinisierend  von  den  Kopisten 
eingeführt;  man  trifll  sie  oft  in  alttoscan.  Denkmälern,  namentlich 
in  den  T.  Alb.,  cf.  Caix,  Orig.  J^  1Ö7  p.  179. 

§  10Ò.     ng. 

V    Q2  stringie  RSC»  stringne       LGMfiNZ 

XI  105  cinge  RCi  cingne  LSMGBNC 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  32  I 

XVI  191   agiungie  RBC*  agiungne      LSGMNC 

XIX    36  piange  RSBCC'C«  piangne        LMGN 

j  107  punge  RGMC«        pungne         LSBNC 

*  1  108  chonpu[n]gie  RGMC*        conpungne  LSBNC 

XXI  222  stringe  RSGBCV     stringne        LMNZ 

/Fav.  I  loi   m'ungie  RN  m'ungne      LSGCFZ 

*  I  102  pungie  RCN  pungne         LSGFZ. 

In  R  sind  durchge'hends  Formen  mit  ng'  belegt  und  öfter  von  den 
andern  codd.,  die  schwanken,  gestützt.  So  glaube  ich  sie  als  ge- 
sichert im  Texte  belassen  zu  dürfen. 

j- 

S  107.  In  latinisierender  Weise  finden  wir  iuslitia  geschrieben 
XIV  53  in  SC;  XV  4  in  CC¿;  XXI  187  in  C;  in  allen  Fällen  führten 
die  Kopisten  diese  Formen  ein.  —  Zu  beachten  ist  XI  84  giene 
RSMZ  gene  LGBNCC,  wo  j  im  Anlaute  in  g  übergegangen  ist. 
Im  Übrigen  ist  j  wie  in  der  heutigen  Schriftsprache  behandelt. 

H. 

)^  108.  Latinisierende  Schreibweisen  in  den  Worten  honjiOy  ho" 
nort\  humano,  honoratoy  homorey  humile  finden  sich  öfter  in  LSGMB. 
In  K  sind  die  einzigen  Beispiele  XVI  228,  XVIII  187  honore\  XVIII 
186  homo\  ferner  bemerkenswert  1  62  chathone  RZ;  XVI  66  tK  escha  R. 

Die   Labiale. 

P. 

S  iO().     Verdoppelung. 

XXl3i3(lopio  RB  eloppio  LSGMNCZ 

aber  XV    62  doppiamente  RLSGMNCC'-*Z  dopia-    BC» 
r.  Fav.  I  1 29  radoppia  alle  codd.  (-choppia). 

Im  ersten  Falle  ¡st  das  ursprüngliche  einfache  p  beizubehaUen,  wel- 
ches möglicherweise  auch  eimnal  an  der  zweiten  und  dritttMi  Stelle 
stand.     An  h^tzter  Stelle  bietet  F  chopia  mit  einfachem  />. 

)i  1 10.     />  zu  V  erweicht  vor  r  und  zwischen  zwei  Vokalen. 

I    48  sourano  in  al  en  codJ.;  ebenso  IV  Q;  sourana  V  55  (B  soprana) 
IV      5  chouertamente   R 
XVIII    65  chourire  RGC-^Z  coprire     LSMBNCC 

XXI     17  schouerto  /;/  allen  codd. 

I  87  soperchio    l 

r.  ,  00     1-  \.'    Í   in  allen  codd. 

\  88  cnopcrchioj 

Fav.  1     26  cliouerla  alle  codd. 

IV    31   ouriera  LSGMBC('';  opera  R;  onera  N 

V       5  opcramento  in  allen  codd. 
VII  220  oura  RLSGBNC» 

XIX  104  adouera  R  adopera  LSGBNCC* 

156  aoucrar  R  adopera  LSGMCZ 

XXI     34  operato  in  allen  codd. 
Zelcichr.  f.  rom.  Phil.    VH  21 


322 


It.  WIESE, 


XIX    96  sopra  tn  allen  codd. 

I     16  sauere  sahst.      RLSGMBNCC  sapere      Z 
52  sauere  verb,       RLSM(X^*Z         sapere      GBN 
52  sauere  verb.       RLSGMBNCC*  sapere      Z 
62  sauen  RLSGMBCC;  sapen  X;  sapete  Z 


III 
V 
V 

VII 
X 


G 

sapere 

RLSMBNCC»Z 

MBL 

saper 

RSGNXC'Z 

RLSGMC 

saper 

BNC'Z 

C 

sapere 

RLSGMBNC>Z 

GC» 

sapere 

RLSMBNCZ 

lie  codd. 

GMCC* 

sapere 

RLSBNC 

21   sauere  verb. 
36  sauer  7'erb. 
XI  175  sauer  verb. 

XIII  4  sauere  verb. 

XIV  2  sauere  verb. 
XIX     15  sauere  subst. 

41   sauere  verb. 
51   saper  verb,  alle  codd. 
105  sauere  subst.  alle  codd. 
169  sauere  subst.  alle  codd. 
XX    65  sauere  subst.  alle  codd. 
XXI    68  sauer  verb.         RI.SGMBNX       saper       Z. 

Allgemein  bestätigt  ist  souranoy  our  a  VII  220.  IV  31  ist  our  era  zu 
lesen;  doch  daneben  opcr amento,  operato.  XIX  104  ¡st  adouera  und 
15Ò  aouerar  mit  R  zu  lesen.  XVllI  65  ist  cJiourire  hinlänglich  be- 
zeugt; XXI  7  haben  wir  schöner  to  in  allen  codd.  und  Fav.  I  26 
chouerta\  doch  XXI  87 — 88  soperchio-ciioperchio.  IV  5  gebe  ich  die 
Lesart  R  gegen  die  der  andern  codd.  auf. 

Schwankend  ist  der  Gebrauch  von  p  und  v  bei  sapere.  Wo 
es  substantivisch  vorkommt,  ist  stets  die  Form  sauere  verwendet,  nur 
in  einem  Falle  I  16  hat  Z  saper.  Das  verb,  ¡st  sicher  mit  v  belegt 
III  52;  V  52,  62;  XI  175;  XXI  68;  die  Form  mit  /  kam  zur  Ver- 
wendung VII  21;  X  36;  XIII  4;  XIV  2;  XIX  41,  51;  im  letzteren 
Falle  haben  sämtliche  codd.  saper.  Die  Form  mit  p  ¡st  also  bei 
Brunetto  neben  der  von  den  ältesten  Lyrikern  verwendeten  mit  v 
gesichert.  Hier  mag  noch  einmal  das  >$  45  besprochene  ehouiiisa 
XXI  206  erwähnt  werden. 

S  III.  pj.  Neben  den  im  Toscanischen  gewöhnlichen  Formen 
von  sapere  finden  wir  die  mit  f/,  cci. 

IV    26  saccente  LSGBNCC'Z 

V    78  sapie        RGBNZ  saccie  LSMC» 

r.  83  sacci  RMC*Z;  saccie  LSGNC;  sacci  B  (-facci) 

VI    67  saccie  RLSGXCC'Z;  sacci  B;  sappi  M 

VII  229  saccientc  in  allen  codd. 

Vili    35  saccie       RCC»  sappi    LSGMBNZ. 

sacciente  ist  sicher;  ebenso  VI  Ò7  sai'cie\  V  83  sacci\  Vili  35  belasse 
ich  saccie  mit  R;  doch  V  78  ist  kein  (irund  saccie  aus  LS  ein- 
zuführen. —    Aus   sapins   haben    wir   die   gewöhnliche    Form   sauio^ 

daneben    aber,    mit   Übergang   des  sekundären    7J  in  ¿  {¿¿)  sagio 

(sa^^g/o), 

r.        II  II   sajjijio  in  allen  codd.  (H  sajjio)  (-messaggio) 
37  sauio  RLSGMCC  sagio  BN 


:-  -: 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  323 

r.     III  57  sagio  RLSGBCC»  (-diragio) 

VII  29  sauio  in  allen  codd. 

r.    XV  42  sagio  in  allen  codd.  (-diragio) 

r.  XIX  57  sagio  in  allen  codd.  (-magio) 

XXI  75  sauio  in  allen  codd. 

Die  Form  sagio  (so  auch  II  1 1  zu  lesen)  kommt  viermal  im  Reime 
vor;  aufserhalb  desselben  stets  sauio, 

B. 

Í5  112.  Verdoppelung  findet  nicht  statt.  Einzelne  Beispiele 
gehören  den  Kopiatoren  an.  So:  III  20  ubbidire  GM,  68  labbra 
SMC«;  XI  39  abbonda  SM;  XIV  57  ubbiJenli  GM;  XVIII  62  dubbiar 
GM,    190  dubbiiar  N;  XIX  39  dubbitai  M. 

S  113.     b  ist  erhalten  in  labore  IV  16  in  allen  codd. 

S  114.  bj.  Neben  den  im  Toscanischen  gewöhnlichen  Formen 
von  auere  und  dotiere  finden  wir  noch  solche  mit  einfachem  j  und  gi, 

I    46  agiate  R  abiate  LSGMBNCC»Z 

V  119  agio  in  allen  codd. 

164  aia  RLSNC;  aggia  GB;  abbia  Z 
VII  242  agio  in  allen  codd. 

271  agio     RLSGMBNCC»  o  Z 

XI    61  aggia   G  abia      RLSMBNCC'Z 

187  agio  in  allen  codd. 
XII    46  agia     RLSGBNC'Z       abbia    MC 
XIV    64  agio  in  allen  codd. 
XVIII  170  aggia    G  abia      RLSMBNCC'C-'Z 

r.    XIX    90  aia  in  allen  codd. 
r.  220  agio  in  alUn  codd. 

XX    95  agio  in  allen  codd. 
XXI  330  agio  in  alUn  codd. 

Von  Formen  mit  einfachem  j  ist  VII  1 64  aia  von  den  besten  codd. 
bezeugt;  von  allen  XIX  90  im  Reime  mit  paia,  XVI  198  hat  R 
allein  deia^  welches  sicher  als  die  ursprüngliche  Lesart  anzusehen 
¡st.  Die  Form  agio  ist  für  die  erste  Person  an  vielen  Stellen  von 
sämtlichen  codd.  belegt,  agia  XII  46.  XI  61  und  XVIII  170  hat  G 
allein  aggia^  was  ich  aus  diesem  jüngeren  cod.  nicht  einführen  kann, 
da  die  Form  abia  so  oft  von  sämtlichen  codd.  geboten  wird  und 
sicher  von  Brunetto  verwendet  wurde.  I  46  hingegen  ¡st  das  agiate 
von  R  beibehalten. 

S  115.  XXI  262  ist  die  Form  prof  ende  RM;  probende  GNC; 
prebende  LSB  zu  beachten.  Die  Form  mit  /  in  RM  kann  sehr  wohl 
von  Brunetto  geschrieben  sein  =  afrz.  provende,  provande.  Die  Ko- 
pisten der  übrigen  codd.  haben  das  im  ¡tal.  gebräuchliche  Wort 
an  Stelle  des  aus  dem  Französischen  hinübergenommenen  gesetzt. 
(ii»stützt  wird  unsere  Annahme  durch  das  Vorhandensein  des  Reim- 
Ní'ortes  o/ende,    wir    hätten    also  reichen  Reim.     Das  Wort  profenda 

21* 


^^24  '  H.  WIESE, 

existiert  übrigens  noch  im  heutigen  Italienisch,  nur  in  anderer  Be- 
deutung. 

« 

V. 

§  116.     7'  zu  h  in  zwei  sicheren  Beispielen. 

XVI  147  boce  RLSGMßNCC'Z  uoce  C« 

XVIII    29  boce  RLSGMBNCC'Z  uoce         C^ 

XVII    76  serbanza  RLSOMBNC^Z      seruanza  C«. 

In  M  haben  wir  in  den  im  Fav.  I  eingeschobenen  Versen  bomuato. 

S  117.     vj  ist  in  der  Regel  behandelt,    wie   in   der  Litteratur- 

sprache.     Die  codd.  schwanken   in  der  Wiedergabe  des  lat  pluvia. 

X  21   pioua  RLSMC'Z     jnogia  GBNC 
XI  46  pioua  LSGMNC'Z  piogia  RBC. 

Es  ist  an  der  zweiten  Stelle    wohl    auch  pioua  zu  lesen.     Zu  sauio, 
sagio,  cf.  §111. 

Hier  zu  erwähnen  ist  noch  r.  VI  30  iriegua  RLSGNCZ;  tregua 
B;  in'etia  M;  latieua  C.  Sämtliche  codd.  stehen  M  gegenüber  mit 
der  Form  iriegua.  Der  Kopist  von  M  sucht  überall,  wo  es  möglich 
ist,  genauen  Reim  herzustellen,  wie  wir  gesehen  haben;  es  ¡st  da- 
her auch  an  dieser  Stelle  ungenauer  statt  genauen  Reimes  anzuneh- 
men und  triegua-cua  beizubehalten.  Cf.  überdies  die  Anmerkung  von 
Zannoni  zu  dieser  Stelle,  in  welcher  er  auch  zwei  Beispiele  beibringt, 
wo  triegua  mit  -ma  reimt.  M  wird  höchstens  durch  die  verderbte 
Lesart  C^:  laiieua  =  latreua  gestützt.  Doch  auch  C*  ist  ein  jün- 
gerer cod. 

F. 

^118.  Vielfaches  Schwanken  in  der  Verdoppelung  des  Kon- 
sonanten. R  bietet  ihn  in  der  Regel  einfach.  I  24  afinate  R;  111 
69  afilato  RLB,  79  soficeute  R;  VI  46  afanno  RN;  XI  190  <(/Íí//RSC»; 
XV  1Ó  a  fido  RLS;  XVllI  10 1  afare  RB,  121  afina  RB,  134  of  esa  R; 
XIX  213  irafughai  RLS(iBCC>C^  217  afanno  RN;  XX  3  afanno 
RBN,  51  oficio  RGMBNZ;  XXI  24  afretti  RLSBNC,  140  ofendesii 
RBNC,  20 1   af ernie  R;  Fav.  1  20  ofici  RSMF,   107  afendimenio  RF. 

Verdoppelung  der  Konsonanten. 

>î  119.  Die  Verdoppelung  im  Innern  der  Worte  ist  bei  Weitem 
nicht  so  häufig,  wie  in  der  heutigen  Littcratursprache.  Dem  cod. 
R  als  dem  ältesten  folge  ich  auch  hier.  Kr  bietet  vielfach  einfache 
Konsonanz  den  andern  codd.  gegenüber.  H  «;eht  in  der  Anwendung 
der  einfachen  Konsonanz  manchmal  noch  weiter  als  R;  hier  rührt 
dies  jedoch  von  dem  Dialekt  lu^,  cf.  z.  \\.  Mussafia,  Fra  Paolino 
unter  Consonanti  in  der  Einleitung.  So  haben  wir  in  R  stets  'agio\ 
nur  II  12  im  Reim  saggio -messaggio^  (-g-  nur  B).  R  selber  hat 
III  57,  XV  42,  XIX  57  sagio  im  Reime.  Es  ist  daher  an  der  er- 
wähnten Stelle  einf«i(:he  Konsoiianz  herzustellen.  Ferner  haben  wir 
in  R  agio,  agiate  diragio,  magio,  magiorr,  a/tiale^  rcgimentoy  aqua,  cho' 


DER   lESORETTO  UND  FAVOLELLO  li.  LATINOS.  325 

ninne,  ucielli  etc.  Wo  im  lat.  bei  Zusammcnselzungen  mit  einer 
praep.  zwei  Konsonanten  zusammenstofsen ,  und  man  Assimilation 
erwartet,  haben  wir  in  R  auch  stets  einfache  Konsonanz:  afinaie, 
acordare,  aconpangnata,  asemhiate,  atende  etc.  und  hierin  stimmen  öfter 
noch  andere  codd.  mit  R  überein.  Doch  im  Reime  I  102  asetto- 
sagreilo.  (In  LSGZ  segreto \  BNCC*  secreto)  M  secretto).  Stets  riccho. 
Über  die  Schreibung  et  cf.  §  80. 

>^  1 20.  Verdoppelung  der  Konsonanten  im  Anfange  eines  Wor- 
tes, wenn  das  vorhergehende  W^ort  einsilbig  ist  und  mit  einem  Vo- 
kale schliefst  findet  sich  in  R  öfter.  Die  vorkommenden  Beispiele, 
welche  ich  bei  meiner  Untersuchung  sämtlich  zusammengestellt  habe, 
hier  anzuführen  ist  unnötig;  es  sind  183  für  R.  Es  genüge  die 
einsilbigen  Wörtchen  aufzuzählen.  Es  sind  su,  a,  tra,  da,  e,  si,  se, 
no,  ma,  ne,  che,  chi,  lo  und  die  Verbformen  ò,  sia,  à,  Dafs  wir 
XV 111  79  diese  Verdoppelung  auch  nach  piglierà  finden  [piglieranne 
RLSG)  kann  nicht  befremdlich  erscheinen  und  ist  keine  Ausnahme 
von  dem  angeführten  Verfahren;  es  ist  Verdoppelung  nach  à.  Den 
183  Beispielen  gegenüber  bietet  R  über  dreimal  so  viele  Stellen, 
wo  es  unter  gleichen  Umständen  die  einfache  Konsonanz  bewahrt. 
Viel  weiter  gehen  in  dieser  Verdoppelung  die  codd.  G  und  M. 
Es  ist  mir  sehr  wahrscheinlich,  dafs  in  den  meisten,  wenn  nicht  in 
allen  Fällen,  die  Verdoppelung  der  Konsonanz  von  den  Abschrei- 
bern herrührt.  Im  Texte  werde  ich  nichtsdestoweniger  überall  der 
Schreibung  R  folgen. 

Der  Accent. 
In  manchen  Fällen  ist  er  abweisend  von  dem  lat.  Accent  und 
von  dem  der  heutigen  Sprache. 

S  121.  Beim  Nomen  haben  wir  Beispiele  von  Accentverschie- 
bung  nur  beim  nomen  proprium.  II  23  chonpangna  {-spangia)  ist 
nicht,  wie  C'aix,  Orig.  ^5  186  p.  193  annimmt,  eine  Accentverschie- 
buiig,  sondern,  wie  Ciaspary,  Ztschr.  IV  p.  612  bemerkt  =  compania 
n.  pl.  wie  afrz.  prov.  Dasselbe  Wort  bieten  XXI  59  LSGB,  während 
RMN'CZ  chonpangno  haben.  XV  188  haben  wir  chonpangnia.  Beim 
nomen  proprium  haben  wir  Verschiebung  des  Accentes: 

VII    67  lucifero  (-clero) 
XI    31   ipotania  (-tuttauia) 
52  soría  (-uia) 
72  aloe  (cf.  §  50) 
104  ociáno  (-mano) 
172  ociáno  (-pisano). 

Der  Accent  rückt  auf  die  letzte  Silbe:  1  37  achiles',  1  39,  XX  64 
tttôr',  XI  2^^,  57  fisón'y  doch  XI  2^,  51  ist  tigre  zu  lesen;  im  ersteren 
Falle  haben  so  RGCZ,  im  zweiten  RG.  Die  andern  codd.  lesen 
tigris.  —  XI   24,  37  gión-,    XI  123  ercholés',    XX  55  ciesdr)    XX  58 

sansón-,  XX  63  Assal.ht',  r.  j  ^^^  gj  f¿^¡  RMBNC  ¿¿  j  LSGZ. 
Die  Lesart  R  ist  sicher  beizubehalten.     Doch:  Fav.  II  20  Palamidess 


320  H.  WIESE, 

('ûMss)  in  MNC  ist  (îine  Änderung  der  Kopisten.  Die  Abkürzung 
a(/(/ess  ist  nicht  gestattet.  Dafs  M  geändert  hat  geht  überdies  da- 
raus hervor,  dafs  es  hinter  beiden  Worten  einen  Raum  frei  läfst 
und  dann  einen  Punkt  macht.  —  Mit  angehängtem  Vokale  haben 
wir  endlich  1  40  lancidoUo  und  tr ¿siano  aus  dem  afrz.  und  11  22 
nanfosse  {-fosse)  ays  dem  prov.  B  liest  hier  fos-nan/os  und  C* 
fosse 'fian/os.  —  Den  richtigen  lat.  Accent  haben  wir  in  1  47  inliOy 
1  62  smühiiy  chathône\  XI  30  babUlónìa\  XI  37  etíópia\  XIX  179  ouidio\ 
XX  òo  Alcsándro\  XX  66  Aiiauián\  XX  65  saìamón  mit  abgefallenem 
Schlurs-É*;  I  18  und  XX  78  salamône, 

§  122.  Beim  vb.  haben  wir  ein  einziges  Beispiel  von  Accent- 
verschiebung  im  Verhältnis  zum  it.  V  29  chonpiire  ["podere)]  Vil  11 
chonpiêre  [-dire  R,  "fornire  M,  -podere  die  andern);  XXI  309  chon- 
piire {ítokre).     Der  urspi^üngliche  lat.  Accent  ist  hier  erhalten. 

Formenlehre. 
Flexion. 
Artikel. 
55  123.  Aus  einer  Zusammenstellung  und  Vergleichung  sämt- 
licher vorkommenden  Fälle  des  bestimmten  Artikels  nach  allen  mss. 
hat  sich  für  Brunetto  folgendes  Schema  ergeben:  m.  sg.  lo,  bei  vor- 
hergehendem Vokal  auch  enklitisches  /;  vor  Vokal  proktitisches  /. 
—  pl.  //  auch  gU,  —  f.  sg.  hij  proklitisches  /'.  —  pl.  /«•,  prokli- 
tischcs  /'.  —  Beim  Zusammentreten  des  Artikels  mit  der  praep.  zur 
Bildung  der  casi  obliqui  findet  in  R  in  seltenen  Fällen  Verdoppe- 
lung des  /  statt;  ebenso  beii^^  Zusammentreten  mit  cotij  su.  Mit  in 
haben  wir  stets  nur  die  noch  gebräuchlichen  Formen  neU  nello,  nella. 
Hier  verdoppelt  R  in  den  meisten  Fällen  das  /.  BLSN  haben  aber 
fast  immer  einfaches  /.  per  wird  nie  mit  dem  Artikel  zusammen- 
gezogen; den  einzigen  Fall  in  sämtlichen  codd.  bietet  R  XVI  137; 
pel  ist  als  dem  Schreiber  angehörig  zu  tilgen,  il  und  /,  wo  sie 
vorkommen,  selbst  in  den  wenigen  Fällen  der  Übereinstimmung 
sämtlicher  codd.,  rühren  sicher  von  den  Kopisten  her.  Das  be- 
weisen schon  allein  die  verschwindend  wenigen  Fälle  ihres  Vor- 
kommens den  als  von  Brunetto  gebraucht  anerkannten  Formen 
gegenüber.  Sämtliche  Fälle  mit  //  im  Anfange  eines  Verses,  die 
allein  für  sein  Vorkommen  beweisend  sein  würden,  sind  fol- 
gende. 1  25  //  in  R,  wo  mit  sämtlichen  andern  codd.  E  l  zvl  lesen 
ist.  111  60  //  in  allen  codd.  nur  M  /.  V  32  //  in  R;  alle  andern 
codd.  haben  richtig  El.  VI  13  //  RCC;  mit  BN  ist  ^5*/  zu  lesen. 
XIV  84  //  RMBNCC  Lo  LSZ.  XVI  130  //  RCiMNCC»  Lo  LSBZ 
/  C'-^.  XXII  14  y/  R;  mit  den  andern  codd.  ist -£*  /  zu  lesen.  Im 
pl.  für  /  ist  kein  einziges  gemeinschaftliches  Beispiel  da.  Die  Schrei- 
bungen //*  und  gh\  gl\  If^r  vor  Vokalen  hängen  Nvohl  mit  der  Aus- 
sprache des  //  vor  Vokalen  als  Ij  zusammen,  so  dafs  gli  etc.  nur 
Varianten  in    der  Schreibung  sind.     So  wechseln  z.  B.  in  R  nur  li 

^  Vgl.  dazu  Gröber,  Zcilschr.  I  108  f.;  Caix,  Orig.  S.  197  ff. 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LALINOS.  327 

un<i  i]ili\   in  B  nur  //'  und  gl,    welches    für    die  beiden  codd.  auch 
die  Darstellungsarten  von  ¡j  waren,  cf.  JJ  ^2. 

Nomen    und    Adjektiv. 
Deklination, 
i^  1 24.     Übergang  aus  einer  Deklination  in  die  andere  ¡st  ziem- 
lich häufig. 

1.  Aus  der  i.  in  die  2.:  r.  X  88  pregherò -inesiero.  XV  159 
¡using ho  in  R  ist  Schreibfehler.  X!X  i  haben  wir  a  destro  im  Reim 
mit  maestro  statt  des  gewöhnlichen  a  destra.  XXI  41  hat  M  minacci 
subst.  im  Reim  mit  facci.  Es  ist  eine  Änderung,  denn  alle  andern 
codd.  lesen  minacc ie^f accie  (2.  p.). 

2.  Aus  der  i.  in  die  3.:  r.  V  38  sua  semente  {xwxx  O  suo)\  jetzt 
sementa.  XIII  18  ist  persone  {-magione)  als  sing,  aufzufassen,  weil 
Scïmtliche  subst,  die  in  seiner  Verbindung  aufgezählt  werden,  im 
sg.  stehen.  XIX  29  ist  persone  gleichfalls  sg.  Endlich  halte  ich 
auch  XV  1 1 5  persone  als  sg.  für  das  ursprüngliche.  Bis  v.  1 24 
läfst  sich  der  pl.  ganz  gut  aufrecht  erhalten;  dann  aber  wird  von 
einer  einzigen  Person  weitergesprochen:  v.  126  sg.  Che  già  fare 
nomi  osa  Chonuiti  né  presenti  und  131  — 132  ^íad  io  s  io  vC  auedesscy 
Ch'egli  altro  ben  facesse ^  wo  in  beiden  Fällen  der  sg.  durch  den 
Reim  gesichert  ist.  Anzunehmen,  das  Brunetto  erst  von  mehreren 
Personen  spricht,  und  dann  nur  von  einer,  scheint  mir  bedenklich, 
da  der  ganze  Passus  von  109  — 138  eng  zusammengehört.  Die 
Änderung  der  codd.  scheint  mir  überdies  leicht  erklärlich.  Den 
Kopisten  war  ein  sg.  persone  nicht  bekannt  und  sie  änderten  dem- 
gemäfs  vor  allem  116,  das  aus  der  sicher  ursprünglichen  Lesart 
cha  chonperar  hervorgegangene  che  chonpera  in  chonperan  RSGMZ. 
B  hat  che' n  comparar',  L  cK a  comperar',  CC''  che  conperar',  C-  chi 
copiera',  M'  che  compera,  v.  115  haben  RGMM'  uiste',  die  andern 
codd.  nisto.  CA  ist  verdorben.  118  und  123  //  ist  ebensogut  dat. 
sg.  als  pl.  m.  als  f.  v.  122  ist  dann  wieder  crede  zu  schreiben,  wie 
nur  C-  und  Z  haben,  crcdon  in  den  übrigen  codd.  ist  wieder  zu 
erklären  durch  den  voraufgehenden,  auf  danari  bezogenen  pl.  trouan, 
V.  1 29  diuoran  neben  mangia  in  R  ¡st  ein  Schreibfehler.  —  V  48 
forza  diuine  R,  ¡st  mit  den  übrigen  codd.  in  forze  zu  bessern,  r. 
XI  198  fine  adj.  auf  chosa  bezogen.     Fav.  I  37  fine  amanza  (iM. 

3.  Aus  der  2.  in  die  i.  trauaglia  XII  15  oblia  XVIII  131. 
XVI  117  bietet  (i  fatte  als  pl.  {-abbatte),  doch  alle  andern  codd. 
haben  r abati-fatti'.  XX  24  foglia. 

4.  Aus  der  3.  in  die  2.  crino  Ili  òi,  adj.  rubello  XV  97; 
XIX  44.     chomuno  II  57  als  subst.  gebraucht. 

5.  Aus  der  3.  in  die  i.  r.  VI  9  la  sechonda  dia  RLSGBNC; 
dio  C;  secondo  dia  Z;  //  secondo  die  ^I  aber  VI  19,  27  dì  als.  m. 
r.  VI  54  molile  r  a  =  mulit'rem.  r.  X  20  cha  Iura',  hierin  haben  wir 
einfache  Suffixvertauschung.  XI  81  le  tigre  RCC,  alle  andern  codd. 
//'   tigri,     le   tigre    ist    bei  C'aix,    Orig.  §  196  p.  205    auch    aus  den 


328  n.  WIKSK, 

ältubteii  Lyrikern  belegt  und  lì  tigri  ist  eine  Änderung  der  Kopisten. 
Mit  lat.  Form  erhalten  sind  lahorc  IV  ló  und  albori  VII  130  in  R 
läfst  auf  einen  sg.  aibore_  schlieisen.  Zu  aire  cf.  >$  48.  Reiner  La- 
tinismus ist  V  57   uirgho  maria, 

§  125.  Der  Wechsel  von  e  und  /  im  pl.  der  3.  Deklination 
ist  häufig,  cf.  §  14.  Erwähnenswert  ist  der  pl.  piandc  X  3.  r.  111  68 
le  labra  uenniglia  RLS(;BNC\'>Z  {-ciglia)  Vi  cilgle-vermilgle,  XXI  188 
le  uizia  RLSGHNCZ.  ieitere  dorata  in  R  XIV  51  ist  ein  Schreib- 
fehler; es  ist  mit  allen  andern  codd.  lettera  zu  lesen. 

|§  126.  Zu  dem  pl.  auf  -aij  -ei  von  quale j  tale,  qtuilo,  bello,  cf. 
S  61.     Von  subst.  kommt  er  im  Tesoretto  nicht  vor. 

§  127.  Zu  erwähnen  sind  schliefslich  folgende  zwei  Kompara- 
tive. VII  220  prasor  R;  plusor  LSCC*;  piu  sor  GN;  piusor  13;  piu 
so  Z;  pia  M.  Die  Form  plusor  ist  aufzunehmen.  In  R  liegt  eine 
Verderbnis  des  Kopisten  vor;  er  schreibt  ipra  sor  parte,  indem  er 
ipra  als  praep.  auffafst.  Das  Wort  ist  prov.  Ursprungs.  —  magio 
=  lat.  tnajor  findet  sich  XIII  74  und  XIX  89  in  allen  codd.  im 
Reim.  XVI  205  magio  chura  RMC;  LSGBNC'C'^  korrigieren  in 
magior,  XIX  169  magio  sauere  R;  alle  andern  codd. /////¿"^/i^r.  Auch 
hier  ist  magior  sicher  erst  von  den  Abschreibern  cingefûhrL 

Das  Pronomen. 

§  128.  I.  pers.  nom.  sg.  io,  /'  (nie  eo,  cf.  §  lo);  obi.  sg.  me; 
pl.  noi. 

2.  pers.  sg.  nom.  tu;  obi.  te;  pl.  uoi  (II  41   vielleicht  uue). 

3.  pers.  m.  sg.  nom.  elli,  egli,  ello,  el,  e';  f.  sg.  nom.  ella;  m.  sg. 
obi.  ////';  f.  sg.  obi.  lei,     Im  pl.  ist  nur  loro  belegt. 

S  129.  Der  Dativ  ohntî  praej).  bei  Personalpronomen  kommt 
im  Tesoretto  nicht  vor,  aufser  XVll  9  Ilei. 

§  130.     Die  pronomina  conjunctiva,  cf.  S  12. 

1.  ps.  sg.  ////,  pl.  ne. 

2.  ps.  sg.  //,  pl.  ///. 

3.  ps.  sg.  dat.  m.  und  pl.  ace.  m.  in  den  besten  codd.  nur  li; 
gli  in  R  nur  zwei  mal:  XVI  41  gli  basta  RMZ;  //  LSGBNCC»Ci. 
XXI  221  gli  uengna  RLGZ;  //'  SBNC;  acc.  m.  sg.  lo;  l  pro-  und 
enklitisch;  f.  sg.  dat.  einmal  // XV  123;  sonst  le;  sg.  acc.  la\  pl.  dat 
m.  und  f.  loro;  acc.  m.  //;  f.  le. 

^  131.  Beim  Possessivpronomen  haben  wir  das  Zusammen- 
wachs(»n  des  pron.  der  i.  ps.  mit  sengnore  zu  bemerken.  XIX  61 
monsengnore  RLSGNCC'C'-;  M  und  B  ändern  in  mio  setignore. 

Verb  um. 
Die  Konjujjationen. 

S   132.     Konjugationswechsel    liegt    vor    in    chanpire  XIX   165 
{'/erin)  KLSGBNC^  campare  CC-i  (letzten-s  '/eran).    Fav.  II  14  pro- 
ferire LvS(  '  profferire  NZ  {-dirt).     Ks  ist  aber  die  Lesart  der  übri- 
gen codd.,  ferire,  die  richtige,  weil  der  Vers  sonst  um  eine  Silbe 
zu    lang  ist.     XIV  69  chapesse    {-potesse)    von    capere.     IV  15  ßna  in 


DKK  TKSOKE'ITO  UND  FAVOLKLLO  H.  LATINOS.  329 

allen  codcl.  (Z  jßttc),  VII  14g  fina  RLSMBNCC;  finìscie  G;  fino  a  Z. 
r.  XI  125  finaia  aile  codd.,  nur  B  confinata',  Z  finito,  r.  XX  6  fino 
\\\  allen  c()dd.  Das  verb,  finare^  dessen  Beispiele  im  Tesoretto  ich 
zusannmengestellt  habe,  ist.  wie  Gaspary,  Ztschr.  IV  p.  612  bemerkt, 
nicht  durch  Konjugationswechsel  aus  finire  entstanden  (so  C-aix, 
Orig.  >^  209  p.  215)  sondern  ist  Ableitung  von  fine,  afrz.  finer.  — 
XVlll  175  allenisse -facesse  (nur  BC-  anenesse;  INI  accadesse)  ist  ein 
unvollkommener  Reim  wie  andere  und  läfst  nicht  auf  Anwendung 
der  Form  auenesse  schliefsíín;  Caix,  Orig.  p.  21Ò  S  210  nimmt  dies, 
an;  die  Stelle  findet- sich  nicht  R  Fol.  29,  sondern  Fol.  28  v. 

Die  Endungen. 

§  133.  Beständig  ist  der  Wechsel  -e  und  -/.  Für  die  i.  und 
2.  ps.  conj.  impf,  sind  Formen  mit  e  nachgewiesen  §  14  am  Schlufs. 
Für  die  2.  ps.  praes.  cj.  ist  sie  nachgewiesen  §49;  sij  findet  sich 
nur  in  BC*^.  Für  die  3.  ps.  ist  nur  sia  sicher  belegt  (§  49).  — 
Ferner  e  für  /:  in  der  2.  p.  praes.  ind.  XII  24  inute\  XVI  243  troue\ 
XVII  51  promette)  XVJIl  50  chonportc\  .VI  66  chure\  XX  45  uante, 
16  sentenze,  70  torm\  XXI  109  parle  R,  320  'ntemie  imper.  R;  da- 
neben XMII  113,  115  truoui  und  viele  andere  Stellen,  wo  sämtliche 
codd.  in  der  Endung  /  übereinstimmen.  —  Im  sg.  des  praes.  cj. 
der  ersten  conj.  XVII  105  i.  ps.  am' e  RLCC*,  ame  S,  ami  GMIK"-, 
crede  RLS(iMBNC^  XVIIl  179  2.  ps.  porte  R;  180  dimostre  2.  ps. 
R;  XV  48  2.  ps.  sghomenle  RLSGMBNC'Z.  —  Sehr  oft  finden  wir 
in  der  2.  ps.  conj.  praes.  der  II.  und  III.  conj.  -e  für  -¿7.  Häufiger 
finden  wir  Beispiele,  auch  in  R,  wo  dies  -e  mit  -/'  vestauscht  ¡st. 
Darin  ist  eine  Änderung  der  Kopisten  zu  suchen;  die  Form  mit  e 
kommt  öfter  im  Reim  vor;  die  mit  /'  nur  an  zwei  Stellen  mit  sich 
selber,  also  nichts  beweisend.  Diese  zwei  Stellen  sind  V  83 — 86.  — 
Bemerkenswert  ¡st  schliefslich  XVI  169  die  3.  ps.  ind.  praes.  rahati 
{'/atti)  in  RMCC'C2,  -e  LSBGN  und  XXI  28  die  2.  ps.  perf.  ind. 
enfiaste  R. 

§  134.  Die  Zusammenziehung  der  Endung  ai  vor  der  Enclitica 
iä  zu  a  in  dem  einen  Beisp¡el  dimora  ui  ist  )5  4^  erwähnt. 

Der  Stammvokal. 

§  135-  Über  die  lautlichen  Veränderungen,  welchen  der  Stamm- 
vokal uiiterworfen  ist,  Diphthongierung  und  Schwächung,  je  nach- 
dem auf  ihm  der  Ton  ruht  oder  nicht,  habe  ich  bei  den  einzelnen 
Vokalen  gesprochen.  e  und  0  als  Stammvokale  unterlagen  im 
Falle  des  Betontseins  der  Diphthongierung  i^S  9»  26.  Über  Vokal- 
schwächung cf.  55  17  zu  douer  e  \  %%  ^^^  40  zu  audire,  lodare',  ^  50 
zu   ajiitare. 

Die    Zeiten. 
Praesens. 

>$  136.  In  der  i.  ps.  pl.  der  2.  conj.  haben  wir  die  Endung 
emo(tn)  statt  iamo.     Zu  ;/  statt  ;;/,  cf.  §  66. 


330  K.  WIESE, 

I     15  poten    RLSMBNCZ  potem    GC» 

20  auen      KLSBCC»        auem     GMN 
V    62  sauen    KLSBNCC»     sauem    GM 
VII  223  ueden  S;  uedem  GML;  uede  R 
r.  XVI    27 — 28  semo-auemo  in  allen  codd. 
XXI -22  sen  RC;  sian  LSBNZ;  siam  M;  son  G. 

§  137.  Die  ïlndung  -eno  statt  -otto  in  der  3.  ps.  pi.  ind.  pracs. 
finden  wir  ein  einziges  mal  in  R:  VII  65  posscn,  alle  andern  codd. 
possouy  und  so  sonst  stets  in  R.  Diese  Form  ist  unbedenklich  zu 
tilgen.    XV  119  ist  der  conj.  sien  gut  bezeugt:  RGMBC'^Z  sian  LSCC 

g  138.  perire  ist  nicht  inchoativ  gebraucht:  r.  XX  40  pera  in 
allen  codd.     Ebenso  /ere  XVIII  1 23  zu  ferire, 

Imperfektum. 

§  13g.  Formen  auf  -/l?,  'ien{o)  statt  -ea,  'ean{o)  kommen  nur 
in  M  und  zwei  mal  in  C*  vor  und  rühren  von  den  Schreibern  her. 
Ill  59  facien]  V  30;  VII  73;  XI  128;  XIV  i;  XVIII  5;  XIX  84,  92 
aui€\  VII  112  /aci€\  XIII  15  parie\  68,  69  parien  MC»;  XIV  49  te- 
nien\  42  nolien\  XIX  207  potie,  XV  14  dicie  in  R  dem  dicea  der 
andern  codd.  gegenüber  (C  dice)  ist  =  dice  praes.;  dicea  ist  zu  lesen. 

Perfekttim. 

§  140.  Reste  der  lat.  Endung  -ivi  haben  wir  zweimal  im  perf. 
andini.  Il  53  RLSCiBNCC;  VII  142  RBN;  hier  ändern  die  übrigen 
codd.:  Ándito  0  LSCtC;  Andio  C^  ;  Udì  già  M.  Die  i.  ps.  aaf  /b' 
mit  Vokalisierung  des  v\  III  45  nscio  RI^GNCZ,  uscì  BM,  uscij  C*. 
r.  VII  19  smarrio  in  allen  codd.,  nur  R  fehlerhaft  smarrito.  XVIII  9 
ndio  LS;  nid* io  RBNC'C'C*;  nidi  GZ.  Im  Übrigen  haben  wir  nur 
perf.  Formen  der  i.  ps.  auf  -aiy  -ei]  -ii  ist  nicht  belegt.  Einmal 
hat  M  Udì  (VII  142),  wo  andini  zu  lesen  ist,  und  XIX  202  steht 
parli  in  RIM,  wo  jedoch  besser  mit  den  übrigen  codd.  mu/ai  in  den 
Text  aufzunehmen  ist. 

55  141.  Die  3.  ps.  sg.  Neben  den  Formeh  auf  -¿,  -/  haben 
wir  solche  auf  -doj  -io,  (Beispiele  der  II.  conj.  sind  nicht  belegt), 
cf.  Caix,  Orig.  i^  224  p.  228. 

II      3  fiorio  LB;  fiorì  GMNC;  froria  RSC» 
\      V    31   durao  RLSGC*;  penao  BN;  menao  Z;  durano  C;  penò  M 
^'  i  32  posao  RLSGBNCC»Z  posò  M 

I  71   iscurao        RLSGBNCC'Z  schuroe       M 

*  I  72  termenlao  RLSGBNCC'Z  tormcntoe  M 

VI      5  creao  RLSGCC'Z;  creoe  MN;  creò  B 

6  fermao  RLSGCC'Z;  formoe  MN;  fermò  B 
II   stabilio       RZ  stabili         LSGMBNCC« 

r.       VII     71    insupcrbio  alle  codd. 

74  pcnsäo        RLSGNC  pensò  BM 

XVI      3  Rio  RLSGBNCC'C^;  gì  M;  già  Z 
XX     78  prouäo  RLSGCN;  prouò  BZ;  appruoua  M 
XXI    81   fallió  RSGBNCZ         fallì  LM. 


DER   lESORETlO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS.  33 1 

II  3  ist  florio  in  den  Text  aufzunehmen,  VI  1 1  stahilio  /,  nicht  sta- 
bilì /.  —  Die  3.  ps.  pl.  ist  in  einem  einzigen  Beispiele  belegt:  XX 
67  chanparo.  Von  Perfektbildungen  auf  etti  haben  wir  gleichfalls 
nur  das  Beispiel  XII  48  riceueiti  in  allen  codd. 

Particip  und  Gerunditim, 

§  142.  'ienie  statt  -ente  infolge  einer  Übertragung  aus  dem 
praes.  ind.  haben  wir  in  IV  26,  VU  229  sacdente\  XVII  40  benuog- 
tiente]  und  so  XVUI  58  uogliendo  RBCC«,  uolendo  LSGMNC^Z.  — 
•ente  statt  -iente',  chonuenenie  stets  im  Reime  I  21;  III  42;  V  37;  VII 
144;  X42;  XIV  78;  XVI  285;  XVIII  138;  XIX  4,  55,  186.  uhi- 
denti  XIV  57  {obedient i  B);  XXI  31  {ubedienie  Z);  V  15  paruente  (M 
piacente,  Z  patiente),  XI  178  ist  paruente  in  GN  eine  Korrektur;  lies 
uedente  mit  LSBCC^C*-^.  I  22  seruente  in  M  (in  C  von  Ub.  über  das, 
was  da  stand,  hingeschrieben)  ist  Verderbnis  des  se  mente,  —  im  pt. 
perf.  haben  wir  -uto  statt  -ito\ 

r.  VII  79  falluta  RLSGMBC;  falita  C;  fallata  NZ 
XX  95  falluto  LSGBNC     -ato     RMZ 
96  essuto  LSGBNCZ  istato  RM 
Fav,  II  22  saluto  in  alien  codd. 

Die   zusammengesetzten   Zeiten. 
Futurum  und  Konditionale, 
Wir  betrachten  zunächst  die  Veränderungen,  welchen  der  erste 
Teil  der  Komposita  unterliegt. 

>5  143.  Das  a  des  inf.  der  i.  conj.  wandelt  sich  stets  zu  e. 
Bei  essere  finden  wir  fast  nie  die  Form  mit  a  in  erster  Silbe  in  R, 
ci^  §  '5-  —  Gegen  den  heutigen  Gebrauch  ist  kein  Vokal  des  In- 
finitivs unelidiert  geblieben.  Die  drei  einzigen  Beispiele  sind  zu 
tilgen,  cf.  §  58.  —  F'ortwährende  Kontraktion  haben  wir  in  poria. 
Die  Beispiele  siehe  §  84. 

S  144.  Was  die  Endung,  zunächst  die  des  Futur  anbelangt, 
so  finden  wir  noch  dreimal  im  Reime  -agio  neben  -o\  einmal  aufser- 
halb  des  Reimes,  r.  III  58;  r.  VII  64  ;  r.  XV  41  diragio,  VII  196 
diragio  in  allen  codd.,  nur  in  M  dirò  ben,  —  Im  Konditionale  haben 
wir  die  Formen  auf  -ia  und  -ei  neben  einander.  Zu  den  Beispielen, 
die  15  15  für  essere  und  §  84  für  potere  gegeben  sind,  kommen  noch 
folgende: 

r.  VII    34  uorria   I.  ps.  in  allen  codd, 

VIII    36  faria  3.  ps.  RGCC»;  sarebbe  LSMZ;  parebbeN;  serebe  B 
XV  134  douerei  K;  douria  LSGMBNC'Z;  doueria  CV;  deueria  C-* 

Í  179  terrebel 

kein  r.  ,  q^  r      k        RLSGMZ 

I  180  farcbe  | 

XVI  141   spenderla  3.  ps.  in  allen  codd. 
XVIII    38  uorria      RBGCC»  uorrei        LSMNC'Z 

XIX  169  farei         RLSGMCC'Z  faria  BNC« 

XXI  746  udiresti  in  allen  codd. 
Fav.  I  1 14  uorria       RLSGNCF       uorrebbe  M. 


;¡^;^2  H.  WIKSK, 

Die  Starke  Flexion. 

§  145.     Sic  bietet  zu  wenigen  Hemerkungtm  Anlafs. 

1.  fare.  Der  Infinitiv  kommt  nur  in  dieser  Form  vor.  Neben 
fa  in  der  3.  ps.  praes.  ind.:  XI  iio,  112,  170;  XVI  68,  14g,  lòo; 
XVII  63;  XV III  ó8;  XXI  150;  Fav.  II  10,  haben  wir  dreimal  y</r<'. 
r.  VII  153;  r.  XV  168  in  <?llen  codd.  Fav.  I  81  im  Innern  des 
Verses  in  RLS(iN('F;  in  MZ  /a,  wo  dann  eine  Silbe  fehlt.  In  d<T 
I.  ps.  haben  wir  mir  /dcc/o:  I  84;  V  88;  VII  123  {/o  C»);  VII  126; 
IX  20;  X  88;  Fav.  II  4  (/o  IMF).  — :  Im  perf.  in  der  3.  ps.  nur  /ere; 
in  der  i.  ps.,  die  überhaupt  nur  dreimal  belegt  ¡st,  /et  111  47;  /ect 
II  25;  XXI  9.  Im  Übrigen  folgt  das  verb,  durchaus  dem  heutigen 
Gebrauch:  /a/j  /ate,  /anno  etc. 

2.  dire.  Neben  dem  contrahierten  Infinitiv  dire  (1  63;  111  80; 
V  75  etc.  etc.)  haben  wir  die   Form  dtcere. 

V    89  dicerlo  RLSGMNCC;  dircelo  B;  dirtelo  Z 
XV    89  dicer  in  allen  codd.,  nnr  in  Z  dir 
XVI    62  dicere  in  allen  codd.,  nur  in  G  dire 
XX    29  dicer  LSG     dire  RMBNCZ 

32  dicer  G  dire  alle  andern  codd. 

XX I  163  dicer  ///  allen  codd. 

Im  Futur  haben  wir:  X  6  dirò  in  allen  codd.;  ebenso  XIV  85. 
XI  1(^5  uidiccrlo  R;  iuidirò  LSM;  //  dicerò  N;  io  dicerò  B;  io  dirò  G; 
Ili  ditero  C;  J*Jt  diccrò  C;  Iodico  Z.  Ili  53;  VII  64,  196;  XV  41 
diragio  in  alien  codd.  r.  XVI  200  dirai  in  alien  codd.  Die  Form 
diccre  ist  sicher  V  85;  XV  89;  XVI  62;  XXI  163.  Sie  bei  der 
grofsen  Anzahl  von  Beispielen  für  dire  XX  29  mit  I^S(j  dem  iure 
der  übrigen  codd.  gegenüber  einzuführen,  ¡st  man  nicht  berechtigt, 
zumal,  da  (j  in  XX  ^2  ebenfalls  dicer  bietet,  wo  der  Vers  dir  (eine 
Silbe)  verlangt.  Das  von  diesem  uncontrahiertcn  inf.  -gebildete  fut 
kommt  nur  einmal  vor,  XI  195.  R  liest  nidicertOy  was  ein  Schreib- 
fehler für  ///  dicerò  ist.  dicerò  haben  an  der  Stelle  BNCC*.  Sonst 
lautet  das  fut.  diragio  oder  din), 

3.  tenere,  u  en  i  re.     Zu  den  Formen  mit  gn  und  «¿^  cf.  §  72. 

4.  poneré.  V  104  im  fut.  disporrò,  XVI  72  ist  in  der  i.  ps. 
pongo  belegt  in  RLSGMNCZ;  pono  13C."^ 

5.  u  al  ere,  uolere. 

r.    VII  165   iia^lia;  r.  XX  35  uallia  in  allen  codd. 

XVI  20  ua^lio  /'//  allen  codd. 

V  76;   XVI t  105;  XVI II  139  uojjlio  in  allen  codd, 

V  84  uollio  RCC  uo  LSMGBNZ  {so  zu  lesen) 
VII  35  2.  p.  iiiioli  RLSBNCC»             uuoßli      GMZ 

83  uollio  KLSBNCC'Z;  uo  (t;  uolgio  M 
XI       9;   XV  48;   XXI  24  uo  ///  allen  codd. 

XV     15  uuol  2.ps.  R;  uuogli  LMBZ;  uuoli  SXCC'C-';  uuolli  G 
XVI  251   2.  ps.  uuoli  RS(i;  uuo'LM;  uuogli  G  ;  uoi  B 
XVII    52  ui)ßlio         RC  {Silbe  :.H  viel)  uo  LSGMBXC«Z 

83  uoglio         RLSGBNCC'Z        uo  M  {und  so  will  das  Metrum) 


DER  TESORETTO  UND  KAVOLELLO  H.  LATINOS.  333 

XVIII    58  uogliendo  RBCC  uolendo  I^GMNC^Z 

178  uoglio  alle  codd.t  nur  M  uo  ' 
XIX     14  uoglio  alle  codd.,  nur  C*  uo 
XXI  347  uollio  RNC  {Silbe  zu  viel)  uo  LSGMBZ. 

Die  mit  //  gebildeten  Formen  ergeben  nur  Ij.  Neben  uof^Iio  kommt 
die  contrahierte  Form  uo  vor.  Die  2.  ps.  uuogìì  ist  nirgends  sicher 
bezeugt;  doch  einmal  uoglitndo, 

6.  morire,  parere.     Zu  den  Formen  mit  rj,  cf.  §  78. 

7.  vi  de  re,  cadere,  va  de  re.  Zu  den  Formen  von  vider  e  mit 
í//,  cf.  S  87.  Von  cadere  haben  wir  Fav.  I  79  chado  RNC'F;  caggio 
I.S;  chade  GMZ.  Die  Form  chado  wird  uns  einmal  von  vier  codd. 
geboten  und  zweitens  durch  die  verderbte  Lesart  von  drei  weiteren 
codd.  unterstützt,  daher  ist  sie  beizubehalten.  Von  uaderc  ist  die 
I.  ps.  praes.  ind.  nicht  belegt;  die  zweite  lautet  stets  uai\  die  dritte 
und  der  imper.  iia. 

8.  sapere.     Zu  den  Ergebnissen  von  pjy  cf.  S  iii- 

9.  habere,  debere.  Zu  den  aus  -bj-  entstandenen  Formen,  cf. 
§  1 14.     Die  2.  ¡)s.  praes.  ind.  von  debere  lautet  nur  dei  im  Tesoretto. 

Ich  gebe  am  Schlufs  noch  eine  Zusammenstellung  der  be- 
merkenswerten Ableitungen  und  Zusammensetzungen  von  Worten. 

Ableitung. 

S  146.     Einfache  Ableitungen  vom  verb. 

faglia  1  9  etc.;  torno  VII  26;  prego  I  84;  assetto  I  lOl  (so  ist 
mit  R  gegen  das  affetto  sämtlicher  andern  codd.  beizubehalten). 
VII  38  ritengno  „Gedächtnis";  114  brigha\  95;  XIX  132  dollia\  XIV 
56  chomamio\  XV  177  mena\  201  piiiio\  XVI  34  dimora^  XIX  126 
tt'ma\  -ia:  ba/ia,  g/iiottornra  XV  111;  XXI  279,  301;  XV  112  beueriaA 
-       -aticus:  usagio,  ¡cngnagio^  messagioy  barnagioy  dannagio,  uantagioj 

uiagtOt  paragiot  chora gio^  oltragio,'- anus:  sour  ano, tion,  -sion: 

/azzonr,  magione^  pensagione, o  rem:  grandor  e  XIV  71.  —  -ari  us: 

cf.  S§  41,  42.  —  -atus:  chontrada  §  82.  —  -tus,  -sus:  diuisa  I  72; 
VI  3Ò   accetto    „Das  Empfangen**;    iscritta  XIV  69  ;   partute  VII  243; 

troua  to  Fav.  II  19;  chor  rotto  II  74,  XXI  8.^ i  iiíi:  franchezza,  certezza, 

anpitzzay  stremezza,  sottigliezza]  XIV  33  sottilgliezza  in  alien  coild. ; 
larghezza  y  prodezza,  pianezza,  ricchezza,  durezza,  uilezza,  galla  rdezza, 
grandezza,  g rauezza,  pigrezza  (XV"  106),  gentilezza,  baldezza  (XVI  138), 
salua tichezza,  altezza,  mattezza,  asprezza,  fierezza,  mondezza,  arditezze 
(XX  ö|),  inpiezza,  ischarsezza',   diuizia,    auarizia  (XXI  215,  237).  — 


*  ('aix,  Orig.  §  238  p.  248:  berviria  Tcsor.  (daira.  fr.  hcruicr).  Dies 
beruht  auf  einem  Lesefehler.  Sämtliche  codd.  bieten  beueria,  von  beuerr  ab- 
geleitet. ,,Wcr  sich  dem  Trunk  ergiehl"  ist  der  Sinn  des  Verses;  mit  jí^tíiot- 
l.trnia  im  Verse  vorher  ist  lediglich  tlas  Kssen  gemeint  ;  Zannoni  atioptiert 
die  schlechte  Lesart  LS. 

-  Zu  dem  von  Caix  angeführten  l<irona¿^*-/^io,  cf.  §  84  Anm.   I. 

^  fttinfii,  welches  (]aix  ^j  238  unter  -tus,  -sus  aus  dem  Tesoretto  (XI  125) 
anfiihit,  ist  dort  vor!).,  kein  Substantiv. 


334 


».  WIESE, 


-cellus:  augello  i  donzello,  dómele  ^%  13,  96.  —  -ing:  lusingha,  — 
-men tum:  intendimento,  finimento,  chominciamento,  chompimento,  fon-^ 
damento,  dibassamento,  nascimento,  mouimento,  parlamento,  dipariimenio, 
accolglimento,  proponimento,  ardimento,  chomandamento,  operamento,  chon^ 
ponimento,  ordinamento,  ingener  amento,  smarrimento,  chonoscimento,  /alii" 
7nento,  regimentó,  turbamento,  insengnamento ,  disuiamento,  strugimenio, 
doramento,  prouedimento,  tuilimento,  nudrimento,  aggecchimento,  tradimento, 
inamoramento,  perdimento,  uestimento,  orghoglianunto,  trattameìiio,  sostent' 
menti,  securamento,  piacimento,  nocimento,  offendimento.  —  -ant,  -ent: 

senblante,  partiente,  uiuente, antia,  -entia:  benenanza,  chostumanza, 

usanza,  cier tanza,  chomincianza,  senbianza,  possanza,  somiglianza,  sotti" 
g  lianza,  sustanzia,  e  hone  or  danza ,  malenanza,  singnifichanza ,  dibassanza, 
disc lìor danza,  ig uag lianza,  dimoranza,  fidanza,  temperanza,  leanza,  dis^ 
niisuranza,  inoranza,  sichuranza,  perseueranza,  maestranza,  sorchudanza, 
serbanza,  testimonianza,  speranza,  baldanza,  menbranza,  nimistanza,  uen^ 
gianza,  rimenbranza,  mostraftza,  burbanza,  disianza,  allegranza,  dispe^ 
ranza,  perdonanza,  chontanza,  amanza,  7nagioranza,  abondanza;  prone'- 
denza,  potenza,  licenza,  presenza,  reuerenza,  intendenza,  sentenza,  partenza, 
scienza,  chonoscenza,  fallenza,  paruenza,  temenza,  prodenza,  ualenza, 
retenenza,  maldicenza,  neghienza,  benuog lienza ,  crescenza,  residenza,  — 
-icare:  folleggiare,  diuersifichare,  uiuifichata  VII  223;  nauichato  XI  61; 
corteseggiare  XV  146. 

Zusammensetzung. 
j§  147.  ad-  ohne  Verdoppelung  des  folgenden  cons,  alungare, 
alumare,  asommare,  atalentare  etc.,  cf.  §  i  IQ»  —  dis-  disode,  smaghare, 
disuario,  —  in-  inamor  a  re,  inamoramento,  intenza,  —  minus-  smagiaio 
=  * minusasiatum  (?)  XIII  28,  cf.  smenoven  in  Bonvesin,  smencvene  ¡n 
den  Memorie  bolognesi.     C'aix,  Orig.  ì§  239  p.  253. 


Vorbemerkung.  Die  Varianten,  welche  die  Schreibung  und  die  Laut- 
und  Formenlehre  betreffen,  haben  in  der  sprachlichen  Untersuchung  eingehende 
Berücksichtigung  gefunden  ;  ich  führe  daher  bei  dem  Texte  nur  noch  rein  text- 
liche Varianten  auf. 


Capitolo  I. 


Capitolo  I. 

I  Al  ualente  sengnore, 
Di  chui  non  so  migliore 
Sulla  terra  tronare, 
Che  nonn  auete  pare 

5  Né  in  i)ace,  né  in  guerra; 
Sì  ch'a  uoi  tutta  terra, 
Che  1  sole  gira  1  giorno, 
E  1  mar  batte  d'intorno, 
San  faglia  si  chonuene. 


IO  Ponendo  mente  al  bene, 
Che  fate  per  usagio. 
Et  aV  alto  lengnagto, 
Donde  uoi  sete  nato. 
E  poi  dal'  altro  lato 

15  Poten  tanto  uedere 
In  uoi  senno  e  sauere 
A  ongne  chondizionc, 
Ch'  un  altro  salamene 
Pare  in  uoi  riuenuto; 


Cap.  I  2  cui  io  Z  —  3  In  sula  Z  —  g  follia  C*  fallo  Z  —  io  Di  porre 
mente  Z  -  li  Ch'auite  B  /;/  C»  mich  12  —  12  E  da  B  Del' ¿Ito  Z  — 
13  Onde  MBN     -  17  Inn  M  —  18  fehlt  Ch'  R  —  K)  Parmi  in  B  — 


ÎSORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS. 


335 


>uto 
ente, 

mente, 
lioratc 

ualcnte 
Ite 
izn, 
)ianza 

e, 

luetc 
rgento  ; 
nto 
into, 
e  mawto 
ezza 

)rode, 

lode, 
troiano, 
tano 

uoe, 

fue. 
uenitc, 
•le  dite 
aringha, 

lingua 
imano, 
irano  : 
am^;/to 
:nto 
ire, 

•a, 
nancra. 


Capitolo  I. 

55  Apresso  tutta  fiata 
Auete  aconpangnata 
L'adorna  chostumanza, 
Che  'n  uoi  fa  per  usanza 
Si  riccho  portam^/ito 

6o  E  sì  bel  regimentó, 
Ch'auanzate  a  ragione 
E  senicha,  e  chathone. 
E  posso  dire  in  somma. 
Che  *n  uoi,  sengnor,  s*aso//fma 

65  E  chonpie  ongne  bontate, 
E'n  uoi  solo  asenbiate 
Son  si  chonpiutam^/itc. 
Che  non  falla  ncente, 
Se  non  chom'auro  fino. 
'    70  Jo  burnetto  latino. 

Che  nostro  in  owgne  guisa 
Mi  son  sanza  diuisa, 
A  uoi  mi  rachomando; 
Poi  ui  presento  e  mando 

75  Questo  riccho  tesoro, 
Che  naie  argento  ei  oro, 
Sì  ch'io  nonn  o  trouato 
Omo  di  chame  nato, 
Che  sia  dengno  d'auere, 

80  Né  quasi  di  uedere 

Lo  scritto,  eh'  io  ui  mostro 
mettere  d'incostro. 
Ad  ongn'  altro  lo  negho, 
Et  a  uoi  faccio  pregilo, 

85  Che  lo  tengnate  ebaro, 
E  che  nne  siate  auaro: 
Ch'  i'  o  uisto  souente 
Vii  tenere  ala  gicnte 
Molto  ualentc  chose; 


)en   aducnuto  Z  —  21   Huom   duro  con  uentre  Z  —  22 

ti  te  G     Sopr'ongni  N    Dou' MC(2'    somonte  L     s^ruente 

Z  —  23  par  C'Z  —    25  II  R  —  27  Che  in  ongni  bene 

:a  R  31   Terra,  oro  RLSGMBC    —  34  Che 'n  N  — 

piuc  M     valsero  LSGNCZ     meno  Z  —  43  /ehU  uenite  Z 

44         45   E*  n   —  e' n  R  —    49  /o/^i   m  G    nach    50 

)  yV////  E  G  -      51   Saj)i)iale  Z  —  54  Ciaschuno  CZ     a 

ita  M  —   50  Abiale  Z  —   58  uien  síaít  fa  N  —  60  /f/t/f 

r  —  62  /e"////  E  iìMHNCZ  —  64  sengnoria  sia  soma  N 

orma  Z  -  -  65  /f/t/t  E  N  —   66  sono  Z  —  67  Et  son  Z 

fallan  M  —  70  O  s/a/t  Io  N     In  Z  —  72  Io  sono  Z  — 

ergescliricbcn)  Z    —    74  Ch'io    ui  Z  —  82  Et  1-  Z     in- 

87  Ch'io    Ili    fo-  Z  88  Di    uile-alle  Z   —    89  molte 

"I  


33à 


H.  WIESE, 


90  K  jnelre  preziose 

Son  gii\  chadutc  illocho, 
Che  son  gradile  poco. 
Ben  chonoscho,  che  1  bene 
Assai  ual  men  chi  1  tene 
95  Del  tutto  in  se  celato, 
Che  quel  eh'  è  palesato. 
Si  chôme  la  chandela 
Lucie  men,  chi  la  cela. 
Ma  i*o  giii  trouato 

icx)  In  prosa  ed  in  rimato 
('hose  di  grande  assetto, 
E  i)oi  per  graw  sagretto 
L*  o  date  a  charo  amicho. 
Poi,  chon  dolor  lo  dicho, 

105  Le  nidi  in  man  di  fanti 
E  rasenprati  tanti, 
Che  si  ruppe  la  bolla 
E  rimase  per  nulla. 
S'  auen  chosi  di  questo. 

Ilo  Sì  dicho,  che  sia  pesto, 
E  di  Charta  in  quaderno 
Sia  gittate  in  inferno. 


'L 


Capitolo  IL 
O  tesoro  chomenza. 
Al  te//po,  che  fiorenzti 
Florio  e  fece  frutto. 
Sì  eh'  cir  era  del  tutto 
5  Lti  donna  di  toschana, 
Anchora  che  lontana 


Capitolo  II. 

Ne  fosse  1'  una  parte 

Rimossa  in  altra  parte,  120 

Quella  di  ghibellini 
IO  Per  guerra  di  uicini, 

Esso  chomune  sagio 

Mi  fece  suo  messagio 

All'altro  Re  d'ispangna,        125 

Ch'  or  è  Re  delà  mangna 
15  E  la  chorona  atende, 

Se  dio  nolli  1  chontende. 

Che  già  sotto  la  luna 

Non  si  truoua  persona,  130 

Che  per  gientil  lengnagio, 
20  Nò  per  altro  bamagio 

Tanto  dengno  ne  fosse, 

Choni'  esto  re  nawfosse. 

E  io  presi  chonpangna  135 

E  andai  in  ispangnia 
25  E  feci  1*  ambasciata, 

Che  mi  fue  chomandata. 

E  poi  sanza  sogiorno 

Ripresi  mio  ritorno,  140 

Tanto  che  nel  paese 
30  Di  terra  nauarresc. 

Venendo  per  la  challe 

Del  pian  di  roncisualle, 

Incontrai  uno  scholaio  145 

115  Su'  n  un  muletto  baio, 

35  Che  nenia  da  bolongna; 

E  sanza  dir  menzongna, 

Molt'  era  sauio  e  prode. 


()0  (rhe  pietre  Z  —  92  One  R     chen  G     Cu'  C*     Doue  Z     grandit«  R 

-  94  meglo  Z     -  95  S'a'l  Z     -  96  ('he  a  R  —  99  E  MB     aggio  trouato  Z 

-  100  chiosa  Z  --  loi  aiTetto  LSGMBNCC  stalo  Z  -  i02/<fA//E  G  in 
gran  N  —  103  dato  Z  -  104  Et  poi  Z  laitlico  C'  —  103  Lu*  R  Lo  NZ 
de'  LMBN('V  frati  Z  —  106  rasscnptv  ate  G  -  -  107  bocha  Z  —  ïo8  rimasi 
B  —   iio/t'/i//  Si  NZ     Comando  N  —    ili   Ed  in  carte  ed  in  N. 

(Jap.  H  2  A  tanto  C  antanno  C  di  s/atf  che  Z  —  3  Froria  RSC*  v 
fehlt  Z  4  So  N  Infmo  ch'  era  Z  —  6  Ancor  che  ssia  N  —  8  Rimasa  C 
-  9  de'  LSGMNC'Z  —  10  de'  LSMCC'Z  —  1 1  E  suo  B  comune  e  N  — 
14  Ch'era  LMBNCC»  Cioè  Z  di  brettangnia  G  ben  statt  Re  N  —  15  Cha 
la  Z  —  16  nolla  CC*  non  glie  la  Z  —  18  troua  ueruna  M  —  19  Persona 
di  lengnaggio  M  -  20  Ne  di  gran  M  alto  SNCXJ'Z  lingnagio  («V:!)  B  — 
2!  Che  si  LSMNZ  Così  B  non  fosse  Z  —  il  in  Z  nach  come,  vms  dort 
für  esto  re  steht  unlesbar  \  V  hat  seize  copier t\  slz.  e.  scheint  in  L  zu  stehen 
ne  fosse  LS     prí)possc  M     no;/  fosse  NZ    -  24  v  fehlt  N  -—  26  ordinata  R 

-  2()  ohel  B     ch'io  Z  —  31   Vedendo  lo  B     ualle  SMZ  —  33  Schontrai  GM 

-  34  Sour' un  LS  Su  uno  (?  Sor  uno  C'  In  su  un  Z  uaio  R  —  36  „Et 
senza  prode"  Z    -    37  ?•  fehlt  Z  — 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS. 


337 


Capitolo 
150 


Ma  lascio  star  le  lode, 

Che  sarebono  assai. 
40  Io  lo  pur  domandai 

Nouelle  di  toschana 

In  dolze  lingua  e  piana. 

Ed  e' chortesemente  155 

Mi  disse  inmantcnenlc, 
45  Che  guelfi  di  fiorenza 

Per  mala  prouedenza 

E  per  forza  di  guerra 

Eran  fuor  delà  terra,  160 

E  1  dannagio  era  forte 
50  Di  prcgione  e  di  morte. 

Ed  io,  proncndo  chura. 

Tornai  ala  natura, 

Ch' audiui  dir  che  tene  165 

Ongn*  om,  eh'  al  mondo  uene, 
53  Che  nascie  primamente 

Ai  padre  e  al  parente, 

E  poi  al  suo  chomuno. 

Ond' io  non  so  nessuno,  170 

(  h'  io  uolesse  uedcre 
60  La  mia  cittade  auere 

Del  tutto  ala  sua  guisa, 

Né  che  fosse  diuisa. 

Ma  tutti  per  chomune  175 

Tirassero  una  fune 
05  Di  pace  e  di  ben  fare, 

(he  già  no;;  può  scampare 

Terra  rotta  di  parte. 

(erto  lo  chor  mi  parte  180 

Di  chotanto  dolore, 


m. 

70  Pensando  1  grande  onore 

E  la  riccha  potenza, 

Che  suole  auer  fiorewza 

Quasi  nel  mondo  tutto.  18$ 

Ond' io  in  tal  chorrotto 
73  Pensando  a  chapo  chino, 

Perdei  lo  gran  cha/z/mino 

E  tenni  ala  trauersa 

D'una  selua  diuersa.  190 

Capitolo  III. 
1   1l/f  A  tornando  ala  mente, 

ITI.  Mi  uolsi  e  posi  mente 

Intorno  ala  montangna, 

E  nidi  turba  mangna 
5  Di  diuersi  animali,  ig5 

Che  non  so  ben  dir  quali, 

Ma  omini  e  molliere, 

Bestie,  serpent'  e  fiere, 

E  pesci  a  grandi  schiere, 
IO  K  di  tutte  maniere  200 

Vcielli  uoladori, 

Ed  erbe  e  frutti  e  fiori, 

E  pietre  e  margherite. 

Che  son  molto  gradite, 
13  E  altre  chose  tante,  205 

('he  nuli'  omo  parlante 

Le  poria  nominare, 

Nè'n  parte  diuisare. 

Ma  tanto  ne  so  dire, 
20  Ch'io  le  nidi  ubidire,  210 

Einire  e  chominciare, 


38  >////  Ma  BN  lasciamo  (ÌBNZ  —  40  E  io  1  S  l'pur  lo  M  Ma  io 
pur  il  Z  li  (''  —  41  Di  nouelle  Z  —  42  ///i/i  e  B  -  44  incowtanentc  M  — 
43  Che  i  GB  —  49  Et  sfa//  E  1  C'  —  52  Tornando  N  —  53  A  udir  che 
via  tene  M  Che  ui  dirò  che  tiene  Z  —  34  Chi'n  questo  mowdo  vene  M 
Chi  ad  cpiesto  modo  uicne  Z  -  35  /f/i//  Che  RZ  E  nascie  LS  —  56  a' pa- 
renti RNBC«  —  37 /r////  E  Z  à  s/a//  al  N  -  59  Chu' io  LS  -  62 /c/i/f 
che  Z  in  diuisa  MBNCZ  -  63  lutta  KZ  —  63  in  s/a/t  di  N  —  67  di  pacie 
Z  —  68  mii)  cor  parie  Z  --  6q  che  tanto  N  Dico  tanto  B  —  70  gra  ualore  N 
—  72  jí,''í/i/  in  Ci  71  vorauf  solea  N  —  74  E  io  R  —  77  tenni  la  C*  —  78 
p^r  una  L. 

Cap.  Ili  2  Guardai  e  MB  Volsi  mi  N  ariuolsi  C*  —  3  Atorno  N  — 
6  Ch'io  LSGMN(^(^'Z  Ma  non  B  —  8  Bestie  e  N  —  9  pasan  C  1  grandi 
RN     schera  B  io  Di  ciascuna  manera  B     molte  maniere  R    —    li   E  uc- 

celli C  D'uccelli  Z  —  12  fehl/  Ed  LSG  D'herbe  di  frutti  Z  —  \ i  fehlt 
e  LSGMBZ  14  ?•./////  (  '  17  L.)  N    —    X^à  fehl/  'n  GMBNCZ  —    19 

vi  so  M  —   20  lo  N  21    finite  C     'ncominciare  LSGN      començatc  C  — 

Zeitachr.  f.  rom.  Phil.   VU.  22 


33^ 


B.  WIESE, 


'»e 


Morire  e*  rigenerare 
E  prender  lor  natura, 
Sì  chôme  una  figura, 
Ch'  io  nidi,  chomandaun. 
Ed  ella  mi  sembraua, 
Chôme  fosse  incharnata, 
Talora  isfighurata; 
Talor  tocchaua  1  cielo, 

30  Si  eche  parea  suo  uclo, 
E  talor  lo  mutaua, 
K  talor  lo  turbaua; 
Al  suo  chomandam/'wto 
Mouea  1  fermanvwto. 

35  E  talor  si  spandea, 
Sì  che  1  mondo  parea 
Tutto  nelle  sue  braccia. 
Or  le  ride  la  faccia, 
Un'  ora  cruccia  e  dole, 

40  Poi  torna  chôme  sole. 
E  io  ponendo  mente 
Al*  alto  chonuencnte 
E  ala  gran  potenza, 
Ch*  auea,  e  la  licenza, 

45  Uscio  del» reo  penserò, 
Ch*  io  auea  in  primero, 
E  fci  proponimento 
Di  fare  un  ardimento, 
Per  gire  in  sua  presenza 

50  Chon  dengna  rcuerewza. 
In  guisa  eh*  io  uedere 


Capitolo  III. 

La  potessi  e  sauere 

Ciertanza  di  suo  stato. 

E  poi  eh*  i*  r  ei  pensato, 
215         55  N*  andai  dauanti  lei  24$ 

E  drizzai  gli  occhi  miei 

A  mirar  suo  chor  sagio. 

E  tanto  ui  diragio. 

Che  troppo  era  graw  festa 
220         60  Lo  chapel  delà  testa,  250 

Sì  eh*  io  credea,  che  1  crino 

Fosse  d*un  oro  fino, 

Partito  sanza  Ircze; 

E  1*  altre  gran  belleze, 
225         03  Ch*  al  uolto  son  chongiu;/te    255 

Sotto  la  biancha  frowle. 

Li  belli  occhi  e  le  ciglia 

E  le  labra  uermiglìa 

E  lo  naso  afìlato 
230         70  E  lo  dente  argentato,  260 

I^  ghola  biancichante 

E  1*  altre  biltà  tante 

Chonposte  ed  asettate 

E*  n  suo  locho  ordinate 
235         75  Lascio,  che  nolle  dicha,  265 

Né  cierto  per  faticha. 

Nò  per  altra  paura; 

Ma  lingua  né  scrittura 

Non  seria  soficente 
240         80  A  dir  chonpiutamente  270 

Le  bellezze,  eh' auea. 


22  Morte  et  generate  C  1  generare  MC  —  24  ma  fattura  R  usa  figura 
/  --  25  come  andana  SMBZ  --  26 /e/i/f  Ed  R  Ma  essa  (t  E  l>en  me  ra- 
sembraua  B  m*asenbraua  N  —  28  E  lalhor  Z  asfigurata  M  afigorata  R 
infigurata  CJ  figurala  Z  —  30  ch*el  B  -  31  la  G  lamentaua  Z  —  32  la 
CiZ  —  33  7/7'.  33  u.  34  fehìeìì  B  El  al  CC*  mandamento  C  —  34  Mutaua 
M  7'.  fehìt  Z  —  35  Ma  LS  lalor  lo  M  spicndeua  B  —  39  Onnora  C*  — 
40  E  ])oi  Z  —  41  Ond'io  LS  --  43  E  Ila  grawde  potenzia  M  —  ^\  fehlt 
la  Z  clemenzia  M  —  45  ITscì  <H  quel  pensiero  M  d'altro  Z  —  46  anca 
primero  RL('C*Z  -  47  Èbbi  LS  E  chon  G  Ed  ei  NCC*  —  49  I^  RÌre 
BNC  a  sua  NZ  -  50  Che  X  -  51  che  uedere  GM  —  52  Lu*  N  —  53 
Certezza  SG  Certa  del  fatto  Z  54 /'A//  E  M  che  Pei  G  ch'ebbi  B  -- 
55  dinanzi  LS  a  Ilei  MZ  —  56  fehlt  E  G  dinançi  N  —  57  visaggio  M 
coraggio  NZ  —  59  ("he  le  fucien  tal  festa  M  troppo  par  LSGBNCC'Z  — 
60  I  be'capelgli  in  testa  M  eh' ell' a  in  NB  -  61  fehìt  Si  M  credo  G  che 
credia  C»     uedca  Z  —  62  d'auro  GBNZ  63  Isparto  M  —  67  E  li  B  — 

68  labra  auca  u-  N  -  70  li  dienti  Z  i//nargcntato  GN  -  71  Et  la  CZ 
bianchatta  Z  72  fehlt  E  1'  BN  tutte  (piante  statt  b.  t.  M  bcllcççc  BN  — 
73  ordinate  M  —  74  In  lor  BN  asscttalr  M  -  71;  ch'io  BNZ  —  76  Non 
certo  LSGMNCC>Z     -  80  Di  .lir  C  — 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS. 


339 


Capitolo  IV  e 

Né  quant'  ella  potea 

In  aria  e  in  t^rra  e  in  mare 

E*  n  fare  e  in  disfare 
85  E*  n  generar  di  nuouo  275 

O  di  choncetto  o  d'  ouo  20 

O  d'  altra  inchomincianza, 

Ciaschuna  a  sua  semhia^/za. 

E  nidi  in  sua  fattura, 
^  Che  ongnc  creatura,  280 

Ch*  auea  chominciam¿'/7to 

Ueni'  a  finimento. 


Capitolo  IV. 
I   liii  A  poi  eh*  ella  mi  uide, 

ifX  La  sua  cera,  che  ride. 

In  uer  di  me  si  uolse;  283 

E  poi  a  sse  m*  acholse 
3  Mollo  bonaremente 

E  disse  inmantenente: 

„Io  sono  la  natura 

E  ssono  una  fattura  2go 

Delo  souran  fattore  ; 
IO  Elli  ù  mio  creatore; 

Io  fui  da  llui  creata 

E  ffui  inchominciata; 

Ma  la  sua  gran  possanza         293 

Eue  sanza  chomincianza  : 
15  El  non  fina  ne  more, 


25 


30 


35 


V. 

Ma  tutto  mio  labore, 

Quanto  che  io  V  alumi, 

Chonuien,  che  si  chonsumi.    300 

Esso  è  omnipotente, 

Ma  io  non  so  neente, 

Se  non  quanto  choncede. 

Esso  tutto  prouede 

E  è  in  ongne  lato  303 

E  ssa  ciò  eh'  è  passato 

E  1  futuro  e  1  presente, 

Ma  io  non  son  sacciente, 

Se  non  di  quel  che  uuole. 

Mostrami,  chôme  suole,  310 

Quello  die  uuol  eh'  io  faccia, 

E  che  uol,  eh'  io  disfaccia. 

Ond'  io  son  sua  ourera 

Di  ciò  eh'  eso  m' inpera. 

Chosì  in  terra  e  iwn  aria         313 

M'  a  fatta  sua  uicharia. 

Esso  dispose  il  mondo, 

E  io  poscia  secondo 

Lo  suo  ordinamento 

I^     nido  a  ssuo  talento."       320 

Capitolo  V. 
„A  tte  dicho,  che  m'  odi. 
Che  quatro  solli  modi, 
Che  cholui  che  ghouema 


82  E  quant'  M  —  83  E'nn  C*  aria  in  SG  /eàU  e  in  mare  Z  —  84 
In  fare  LGBN  i  disfare  M  —  85  In  generar  B  ~  86  E  di  LGMBZ  E  in 
S  Ond' io  contento  1  d' ouo  N  Odio  C  coz/certo  M  e  d'  LSGMNC  e 
dono  B  dono  C*  donno  Z  —  87  E  d'  LSMBC'  comincianza  LSBNCC^Z 
—  88  in  sua  RZ  /f/i/t  Ciaschuna  Z  —  89  Ciaschuna  sua  fattura  G  y>////  E 
N     -  90  (Ch'ognuna  BN         92  Aucua  M. 

Cap.  IV  I  Da  ppo'  MBN  -  3  riuolse  M  -—  5  /eh/t  Molto  Benana- 
mentc  Z  chouertamente  R  —  6  incontanente  M  —  8  figura  CZ  —  io  Qual 
è  M  Et  mio-  Z  —  1 1  sono  RC*  di  B  Ilei  G  —  12  cominciata  Z  —  13  E 
Ila  M  —  14  i//chomincanza  G  --  15  Et  GMBZ  —  16  Ma  ttu  mio  G  suo 
MBNZ  ttac/i  16  ut  Z  „Finisce  nel  migliore".  —  17  ch'esso  C  —  18  costumi 
Z  -  19/f////  è  BC  polente  Z  -  20  f^/tU  Ma  GC«  E  io  C  posso  RGCC» 
son  M  —  21  quant' el  M  quando  Z  ei  C*  —  22  tanto  R  procede  C  — 
2}  El  in  B  23  E  ffuturo  M  UN  al  presente  Z  —  26  so  neentc  R  Ma 
io  so  solamente  M  27  Quella   parte  che  noie  M    —    28  Mostrarmi  M 

29  eh' el  BC  -  30  7.'.  fehìt  C»  ch'el  B  31  fehlt  sua;  stiatera  Z  —  32 
Et  di  ciò  sommo  inpera  Z  inopera  RN  —  33  eunarea  C*  —  •  35  Esso  di 
esso  Z  —  36  E  ine  G  ffhlt  E  Z  —  37  E  1  G  chomandamento  R  —  38 
fehlt  Lo  M     guida  Z     ni  suo  LSGBNC>Z. 

Gap.  V  2  quanti  N    —  3  c'a  1  ghouemo  M     goutrno  C*  — 

22* 


340 


B.  WIESE, 


Lo  secholo  in  eterna, 
5  Mise  *n  operamento 
Alo  chonponimento 
Di  lutte  quante  chose 
Son  j)alese  e  naschose. 
L'  una,  eh'  eternalmente 

IO  Fue  in  diuina  mente 
Inmagine  e  figura 
Di  tutta  sua  fattura; 
E  fue  questa  sembianza 
Lo  mondo  in  somiglianza. 

15  Di  poi  al  suo  paruentc 
Si  creò  di  neente 
Una  grossa  matera, 
Che  nown  auea  manera, 
Xè  fighura,  né  forma, 

20  Ma  ssì  fu  di  tal  norma, 
Che  nne  potea  ritrare 
Ciò  che  uolea  formare. 
I*oi  lo  suo  intendimento 
Mettendo  a  chompimewto, 

25  Sì  lo  produsse  in  fatto; 
Ma  no«  fece  sì  ratto. 
Nò  no«  ci  fu  sì  pronto. 
Ch*  elli  in  un  solo  ¡)unto 
Lo  uolesse  chonpiere, 

30  Chom'  elli  auea  1  podere. 
Ma  sei  giorni  durao 


325 


330 


335 


Capitolo  V. 

E  1  settimo  posao. 
Apresso  1  quarto  modo; 
E  quest*  è,  ond'  io  ghodo, 

35  Ch*  ad  ongne  creatura  355 

Dispuose  ]ìer  misura, 
Sechondo  l  chonuenente, 
Suo  chorso  e  sua  semente. 
E'  n  questa  quarta  parte 

40  A  llocho  la  mi'  arte,  360 

Sì  che  chosa,  che  ssia, 
Xo;/n  a  nulla  balia 
Di  far  né  più,  né  meno. 
Se  no;/  a  questo  freno. 

45  Ben  dicho  ueram^«te,  365 

Che  dio  om/zipotente, 
Quello,  eh*  ò  chapo  e  fine. 
Per  gran  forze  diuine 
Puotc  in  OMgne  fighura 

50  Alterar  la  natura  370 

E  far  suo  mouimento 
Di  tutto  ordinamento. 
Sì  chôme  dei  sauere. 
Quando  dengnò  uenire 

55  La  maestà  sourana  375 

A  prender  chame  umana 
Nella  uirgho  maria. 
Che  chontra  1*  arte  mia 
Fu  l  suo  ingenerami'wlo 


340 


313 


3S0 


4  Del  M  secondo  Z  ettcrno  M  terra  NZ  —  5  Et  mise  Z  /c/i//  *n 
in  alien  codd.  Sinn  und  Metruin  verlanf^t  es  —  6  v,  fehlt  Z  comincia- 
mento  LS  'ncominciamenlo  M  conpimento  N  --  7  Quantunque  q.  eh.  (t 
Da  lucie  C^  tutte  e  M  8  Che  son  N  o  LSB  ascose  LGBCC»  —  9  fehìt 
\:  C'  fehlt  eh'  R  —  IO  2/.  fehlt  Z  fehlt  in  G  indiuiduamente  M  indi- 
uinamenle  B  —  il  x  vs\  RLSGM  v.  fehlt  C  -  13  sunanza  Z  —  14  modo 
Z  —  15  Da  poi  LSM(tBN  Da  noi  Z  ])iacente  M  patiente  Z  —  18  nach 
iq  /;/  Z  Et  non  Z  ñoñamente  {statt  no«n  auea)  G  —  19  nach  20  C*  ne 
forma  hauea  Z  —  20  orma  R  forma  Z  -  21  no;/  poterà  N  —  22  che  ne  L 
nolle  GC  -  23  E  poi  MZ  /•////  lo  M  —  24  Menando  G  —  25  Ila  M  — 
20  noi  LSGBNCC^Z  —  27  E  non  MNC  ui  LSMBNV  punto  Z  —  28  Che 
in  MCZ  che  s'clli  N  —  29  fol,i^t  30  GBNCC^Z  nolle  Z  —  30  aule  M  ane 
N  fehlt  1  C  -  31  penò  MBX  durano  ('  menao  Z  --  32  E  poscia  si  posò 
M  II  R  pasao  B  —  33  ALprcsso  (.»  —  34  (piello  C  fehlt  è  RSMNCC»Z 
là  ond*  G  i*  ne  M  dond'  ('•  io  o  giogo  Z  —  35  Che  ongni  LSGMBNZ  — 
30  Disciolse  Z  -  38  ssuo  (ì  sue  Z  —  39  In  B  Yx  questa  Z  E  a  quesla  R 
40  mia  parte  R  „Et  colla  mia  arte**  Z  -  42  ï  balia  M  —  47  v,  47  ». 
:^'6  folirf  50  LS  -  48  Ver  grara  cose  diuine  Z  forza  RL  cose  M-  diuiene 
('*  49  Poi  R  —  50  Adtrarrc*  Z  -  S*  i^»  Ì^»"  ^  monim^»to  RB,  in  L 
urspy.  moni-  /;/  movi-  verbessert.  53  è  da  M  -  54  Quand* é  degno  d'auerc  C 
volere  M  ^ij  Di  M  —  S«  ••  M^fl  í-  ke'ncunlra  C«  all' GZ  —  S9  K  fc 
ingtneranìiv/to  M      K  1  C     Kn  il  tigliuolo  gicncrato  Z     generamento  LSB  — 


DER  TESOKEFiO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS. 


341 


60  E  lo  suo  nascin)¿r/tio  ; 
(.he  dauanti  e  da  poi, 
Sì  chôme  saue«  noi, 
Fue  netta  e  chasta  lutta, 
Uergine  non  chorrotta. 

65   Poi  uolse  idio  morire 
Per  uoi  gente  guerire 
E  per  uostro  socchorso. 
Allor  tutto  mio  chorso 
Mutò  per  tutto  1  mowdu 

70  Dal  ciel  tilo  prtífondo; 
Che  lo  sole  iscurao, 
La  terra  termentao. 
Tutto  questo  auenia 
Che  1  mio  sengnor  patia. 

73   Tì^ T  perciò  che  1  mio  dire 
Là  Io  lo  uoglio  ischiarire, 
Sì  eh*  io  no/i  dicha  motto, 
Che  tu  noAf  sapie  tutto, 
La  uerace  ragione 

80  E  la  chondizione, 
Farò  mio  detto  i)iano, 
Che  pur  un  solo  grano 
No/i  sia,  che  tu  no//  saccie. 
Ma  uo,  che  tanto  faccie, 

85  Che  lo  mio  dire  aprende. 
Sì  che  tutto  lo  'ntende. 
E  ss'  io  j)arlassi  ischuro, 
Ben  ti  faccio  sich  uro 


Capitolo  VI. 
380  Di  dicerlo  in  aperto, 

90  Sì  che  ne  sie  ben  certo. 
Ma  perciò  che  la  rima 
Si  stringie  a  una  lima 
Di  chonchordar  parole, 
385  Chôme  la  rima  uuole, 

95  Sì  che  molte  fiate 
Le  parole  rimate 
Aschondon  la  sentenza 
E  mutan  la  intendenza, 
390  Quando  uorrò  trattare 

lüü  Di  chose,  che  rimare 
Tenesse  oscuritate, 
Chon  bella  breuitate 
Ti  parlerò  per  prosa 
393  E  disporrò  la  chosa, 

105   Parlandoti  in  uolghare. 
Che  ttu  inteffdc  eJ  apare'*. 


400 


4^5 


0' 


410 


4»5 


420 


425 


Capitolo  VI. 
Mai  a  cciò  ritorno, 
Che  dio  fece  lo  giorno 
E  la  luce  giochonda, 
K  cielo  e  terra  ed  onda 
E  r  aire  creao, 
E  li  angeli  fermao 
Ciaschun  partitamernte, 
E  tutto  di  neente. 


430 


tìi  di  LSGNC  /t'/t/¿  da  C  —  62  Come  sapete  voi  Z  —  63  chastra  R 
ludo  Z  -  f)5  Et  poi  Z  —  66  noi  CtM(^  Per  uoi  giente  crudele  Z  —  67 
/e/t/i  E  Z  nosiro  GMBC  —  68  v.  fehlt  N  —  70  Di  C  Al  Z  infilo  R 
fin  .li   LNZ      infin  al  fondo  M  71   E  lo  BN    —    72  E  la  NZ      tormentao 

LSMZ  lerniinao  G  termontao  CC  termotao  BN  —  74  perch'ai  mio  sen- 
gnior    piaceu  N  75  però  M    —    76   Vi  uolglo   sì    chiarire  M     fehlt  lo  Z 

chiarire  LS(ìCC'  dischiarire  Z  77  Che  no«  ui  paia  motto  M  fehlt  Si  C 
che  non  X  morto  (J  -  -  78  E  che  succiate  tutto  M  facce  in  tutto  C  —  79 
e  la  N  cagione  Z  81  uno  C  82  Sì  eh' un  granel  di  grano  M  par  RZ 
83  \\^  LSNC'GBZ  -  84  no  B  Ma  uo  che  tu  sacci  Z  —  86  tu  Z  -  87 
fehlt  EL  89  Cil' i' tel  dirò  in  aperto  M  fehlt  Di  C  dircelo  B  dirtelo 
Z    —   90  sarr%i  M    fehlt  ben  M  —  91   ¡jc/ò  M  —  92  Mi  G     strugge-luna  C  — 

04  Sì  come  Z  manie  C  97  Naschondon  MZ  —  98  v.  fehlt  Z  mula  C 
'nicnza  M  uden«;a  X  dementia  {sic\)  C  —  loo  di  rimare  N  eh' a  B  rimate 
Z  —  f03  Ti  disporrò  la  cosa  SCìMBXZ  —  104  E  parlerò  per  prosa  SGBXZ 
l'arlandoli  pt /*  prosa  M  105  Con  s.ì  fatto  volghare  M  fehlt  ti  RZ  fehlt 
in  N  —    106  C  he  ben  potrai  'mparare  M     da  parare  Z     pare  C. 

Cap.  VI    I   Uymai  C      Ma  io  ad  Z  2  mondo  N   —    3  luna  MBNZ 

giocondo  L  —  4  E  tierra  7  mare  1  onda  MZ,  ebenso  BN,  doch  hier  fehlt  E  — 

5  Che  M         7  Ciabchuna  R    —  8  z'.  fehlt  C«     tutti  LSGBNZ  — 


vU2 


B.  WIESE, 


Poi  la  se 
Per  la 


sechonda   dia 
10   -L     Per  la  sua  Rran  balia 

Siabilio  1  fermaníi¿'//to 

E  1  suo  ordinam¿'«to. 

E  1  terzo,  ciò  mi  pare, 

Specifichò  lo  mare, 
15  E  la  terra  diuise, 

E'  n  ella  fece  e  mise 

Ongne  chosa  barbata, 

('he*n  terra  è  radichata. 

Al  quarto  dì  presente 
2Ü  Fece  chonpiulam¿'«ie 

Tutte  le  luminare, 

Stelle  diuerse  e  uare. 

Nella  quinta  giornata 

Si  fu  da  llui  creata 
25  Ciaschuna  creatura. 

Che  nota  in  aqua  pura. 

LO  sesto  dì  fu  tale, 
Che  fece  ongn'  animale 

E  fece  adamo  ed  eua, 
30  Che  poi  ruppe  la  triegua 

Del  suo  chomandamtv/to. 

Per  ¡quel  trapassamt'/ito 

Mantenente  fu  miso 

Fora  di  paradiso, 
35  Dou'  era  ogne  diletto 

Sanza  neuno  eccetto 


Capitolo  VI. 

435  Di  fredo  e  di  chalore, 

D' ira,  né  di  dolore. 
E  per  quello  pecchato 
40  Lo  locho  fue  uietato 
Mai  sen  pre  a  tutta  gewte. 
440  Chosi  fu  r  om  perdeffte. 

D*  esto  pecchato  tale 
Diuenne  V  om  mortale 
45  E  a  lo  male  e  1  danno 
E  lo  granoso  afanno 
445  Qui  e  neir  altro  mo/tdo. 

Di  (}uesto  greue  pondo 
Son  gli  uomini  grauati 
50  E  ucnuti  in  pecchati, 
Perchè  1  serpente  anticho, 
450  Che  è  nostro  nemicho, 

Sodusse  a  rea  manera 
Quella  prima  moUicra. 
35  Ma  per  lo  mio  sermone 
Intendi  la  ragione, 
455  Perchè  fu  ella  fatta 

E  delà  chosta  tratta: 
Prima,  che  U'  omo  atasse, 
60  Poi,  che  mal  tipi  ichasse, 
E  ciaschun  si  guardasse, 
4Ò0  Chon  altra  no«  fallasse. 

OMai  1  chominciamenlo 
E  1  ])rimo  nascim^/fto 


465 


470 


475 


480 


485 


400 


9  secondo   die  M     E  poi  NZ     il  sechondo   dia  Z  dio  C*   —  IO  le  suo 
gran  balie  M  12  7:  fehlt  B     ornamento  M     -    13  II  KCC*     Al  I^MGZ 

terco  giorno  N  cioè  C  14  Specifò  G  Spacificò  MB  la  G  —  16  E  fece 
in  quella  e  mise  B  es'^a  M  -  18  Ch'è  fehlt  è  C'  era  G  —  io  E  I  BN 
(juanto  Z  dio  C  vcngncnte  M  -  22  Et  stelle  Z  diuise  CC  —  23  E  Ila  M 
—  26  sia  M  mota  B  —  27  E  lo  X  sei)tim()  Z  28  Ch'el  GZ  —  30  E 
poi  C  ruppero  LSBNCC'Z  32  Uer  ('  Pel  suo  Z  qual  M  —  33  Fu  in- 
cowtanente  miso  M  fue  fuor  messo  N  —  34  Di  fuor  del  M  Di  fuor  dal  B 
~  35  Qu' LSGBNC  è  (*  -  36  Sanila  niun  cópalo  (¿/t!)  folgt  der  v.  „Nullo 
operato"  N  esjielto  R  accetto  MCZ  -  37  Ri  R  o  LSGMBNCC»  né  Z  — 
38  O  d'ira  o  ddi  dolore  M  E  d'ira  e  B  o  di  NC  v.  fehlt  Z  —  39  E  sol 
B  --  40  Quel  loco  B  Del  luogo  N  41  \)er  sempre  M  „Ma  io  ucggiente** 
Z  -  43  E  pel  p-  M  -  44  Diuenla  V  —  45  Ch'eco  a  l  B  Che  st,itt  E  NZ 
fehlt  a  LSGN  la  R  47  Di  (|uì  nel  mondo  ('  51  l*er  quello  Z  acieco 
N  —  52  V.  fehlt  N  El  <jual  nostro  nimico  B  C  onde  nostro  n-  0  --  55  î 
rea  G  —  54  primaia  R  56  M'indenti  C  cagione  C*Z  57  Che  eua  sì 
fu  fatta  M  Perch' clic  fue  nìtta  C'  —  59  Acciò  che  M  Perch' ella  C»  eh' 
all'  G  all'  C'  arasse  CZ  -  60  M  ppoi /////  che  MZ  -  61  2%  61  und  62 
fehlen  M;  Kaum  fur  j^rei  i'v.  ¿st  fretî^'-elassen  fehlt  E  G  ciaschuna  G  — 
62  VI  uz  -VII  54  ¿nel.  fehlt  C  che  null' altro  N  Cun  C»  Che  nulo  altro 
guardasse  Z  altro  SG  altri  B  fehlt  non  N  —  63  Ma  lo  B  Se  mai  C 
Ornai  è  il  Z  — 


DER  TESORETIO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS. 


343 


Capitolo 


495 


50Ü 


05  Di  tulle  creature 

T'  o  detto,  se  ne  chure. 

Ma  saccic,  che'  n  due  guise 

Lo  fattor  le  diuise; 

(  -he  r  une  ueramente 
70  Son  fatte  di  necnle; 

Ciò  son  1'  anim'  e'  1  mondo, 

E  Ji  angeli  sechondo. 

Ma  tutte  r  altre  chose, 

Ouantunqwf  dicere  ose, 
75  Son  d' alchuna  matera 

Fatte  per  lor  manera". 

Capitolo  VII. 
I    Tj^  Poi  che  r  ebbe  detto, 

XJ  Dauanti  al  suo  chospetto 

Mi  parue,  eh'  io  uedesse,         505 

(.'Ile  gente  s'  acholliesse 
5   Di  tutte  le  nature. 

Sì  chôme  le  ligure 

Stm  tutte  diuisate 

E  diuersifichate. 

Per  domandar  da  essa, 
IO  Ch' a  ciaschun  sia  permessa 

Sua  bisongna  chonpiere. 

Et  essa,  eh'  a  1  podere, 

Ad  ongnuna  rendea 

Ciò  ched  ella  sapea, 
15   Che  1  suo  stato  richiede. 

Chosì  tutto  prouede. 


IO 


5»5 


VII. 

E  io,  sol  per  mirare 

Lo  suo  nobile  affare, 

Quasi  tutto  smarrio; 
20  Ma  tant'  era  1  disio, 

Ch'  io  auea  di  sapere 

Tutte  le  chose  uere 

Di  c^ò  eh'  ella  dicea, 

Ch'  ognora  mi  parea 
25  Magior  che  tutto  1  giorno, 

Sì  eh'  io  non  uolsi  torno, 

Anzi  m' inginochiai 

E  merzè  le  chiamai 

Per  dio,  che  le  piacesse, 
30  Ched  ella  m' achompiesse 

Tutta  la  grande  storia, 

Ond'  ella  fa  memoria. 

E  Ila  disse  :  „s' a  uia 

Amicho,  io  ben  uorria, 
35  Che  ciò,  che  uuoli  inte/idere. 

Tu  lo  potessi  aprendere, 

E  si  solile  ingengnu 

E  tanto  buon  ritengno 

A  nessi,  che  ciertanza 
40  D'  ongnuna  sottiglianza, 

Ch'  io  uolessi  ritrare, 

Tu  potessi  aparare 

E  ritenere  a  mente 

A  tutto  1  tuo  uiuente". 
45  E  chominciò  da  prima 

Al  sommo  ed  ala  cima 


>20 


5-5 


530 


535 


540 


545 


65  creatura  R  —  66  Co  C  se  me  K  se  ben  M  se  ci  Z  —  67  eh' a 
ongni  glmise  G  -  68  lo  K  —  69  11' una  GB  l'un  M  tutte  C*  veracemente 
M  71  è  G  fur  M  gl'animali  del  Z  —  72  fekä  li  LS  —  73  Et  mecte 
l'altre  cose  Z  -  74  dirò  Z  nomar  n'ose  M  pose  B  cose  Z  —  75  Se  Z 
matera  RC. 

Cap.  VII  I   ch'ella  B  —  5  lutte  creature  R  —  9  a  C  —  10  C ongnuna 
sic  premessa  M     Che  cascuna  sie  pressa  Z    /^à/i  Ch'a  L     ciascuna  B  —   11 
fornire  M  —    12  Ella  ke  n'a  1  poderío  C     E  dcssa  col  ucdere  Z     ch'ai  uer 
«lire  RM    —    13  ciascuna  BN      tendea  Z   —    14  Ciò   ch'a   rragion    douea  M 
douca  Z« —   15  /t'/i/i  1  MNC'Z      stato  suo  B     suo  facto  Z    —    16  Essa  tutto 
prouede  M      Esso  che  lutto  prouede  Z      in  tutto  R    —    17  Ch'io  sono  Z  — 
19  smarriU)  R  —  20  A  M  —  22  „E  lucie  cose  hauere"  Z  —  23  Dico  Z  — 
24  /l'/i/t  Ch'  Z  —   25  mondo  Z   —    26  mi  uolsi  intorno  LSG     corno  M     in- 
torno B     tondo  Z  —  27  engicnochiaua  C*      asomigliai  Z  —  28  gli  B     lo  C* 
29  Che  pe-r  dio  le  .M     li  B  —  30  v.  fehlt  Z  —  32  Dond*  C*     Onde  fa  Z 
}^}^  E  ella  R      mi    disse  N      disse    e  RLSGMBNC*      disse   sauio  Z     -  34 
fehlt  io  G.MXC  '  -     36  inprcndere  R  —  37  v.  yj—\'2.  incL  fehlt  M    fehlt  sì 
C  —   30  che'n  R      con  Z      ciertezza  GN    —   40  sottigliezza  GN  —  41   ('he 
fi  hit  io  G     trattare  LS    -    42  tutte  le  p.  N     imparare  B  —  45  di  LSGBNC 
—  46  dala  C  — 


344 


B.  WIESE, 


Dele  chose  create 
Di  ray;ione  informate 
D'  angclicha  sustanza, 

50  Che  dio  a  sua  sembianza 
Creò  ala  primera. 
,,Di  ssì  riccha  manera 
Li  fece  in  tutte  guise, 
Che'  n  esse  furo  assise 

55  Tutte  le  buone  chose, 
Valenti  e  preziose 
E  tutte  le  ucrtute 
Ed  eternai  salute. 
E  diede  lor  bellezza         , 

()0  Di  menbra  e  di  clarez/a, 
Sì  eh'  oni;ne  chosa  au.in/a, 
Hiltale  e  beninanza, 
E  fece  lor  uantagio, 
Chotal  chen  t*  io  diragio, 

65  Che  non  posson  morire, 
Ne  unque  mai  finire. 

E  Quando  lucifero 
Si  uide  chosì  clero 
K  in  sì  grande  stato 
70  Gradito  fti  ignorato, 
Di  ciò  s' insuperbio, 
E'  nchontra  1  uero  dio, 
Quello  che  l'auea  fatto, 
l*cnsao  di  mal  tratto, 


S  30 


580 


^^.•> 


,60 


Capitolo  VII. 

75  Credendoli  esser  pare. 

Chosì  uolsc  lochare 

Sua  sedin  in  aquilone, 

Ma  la  sua  pensagione 

Li  uenne  si   falluta, 
80  Che  fu  tutt' abattuta 

Sup.  folle  sorchudanza 

In  si  gran  malenanza 

Che,  ss*  io  uollio  1  ner  dire,  $85 

Chi  lo  uolse  seguire, 
85  O  tenersi  chon  esso, 

Del  rengno  for  fu  messo  ; 

E  piouero  in  inferno 

E'  n  fuocho  sempiterno. 

A  Presso  primame/tte 
In  guisa  di  serpente 

Inghannò  chollo  ramo 

Eua  e  poi  adamo. 

E  chi  che  neghi  o  dicha, 

Tutta  la  gran  faticha, 
05  La  dollia  e  1  smarrimc/zio, 

Lo  danno  e  1  pensamenla 

E  1'  anghoscia  e  le  pene, 

Che  la  gente  sostene 

Lo  giorno  e  1  mese  e  V  anno, 
IÜÜ  Ucnne  da  quello  ingha//no. 

E  laido  ingenerare 

E  lo  graue  portare 


590 


S^s 


SOS 


>/ 


Ü 


600 


5/5 


c 


48  E  di  K  cagion  Z  formate  G  incarnate  MZ  —  49  L'  M  anglica 
50  in  sua  MZ  -  51  Fece  a  llui  primiera  Z  Ecce  M  'mprimera  LSMG 
—  52  ssc  ritta  C  -  53  Chonipuose  a  MBX  Ch' uoni  pose  a  Z  Le  G  — 
54  E  in  esse  fece  x  nústí  MBNZ  no  li  (jA///  'n  esse)  C'  —  55  Tutte  valenti 
N  —  56  E  buone  N  —  58  E  V  LBNG  eterna  C  —  59  bellezze  M  -  60 
fattezze  M  fate<;<¿a  BN  francheza  Z  —  02  Bellezze  R  Bellezza  M  —  64 
Tal  R  Tal  chôme  ti  diraggio  (ì(X'  {tfin'/i  com' io  le)  ken  le  LS  v.  fehlt 
Z    —    66  morire  Z  (»8  ,,Così  chresso  gradilo"  Z  69  v.  fehlt  Z     -    70 

„Et  honoralo  dico"  Z  Grandilo  RC'  —  71  „Superbio  leualo"  Z  —  72  In- 
contro al  LS  contra  MB  ('ontro  al  Z  73  ,,Che  prima  Tauie  fatto"  M 
Quella  R  ch'elli  C  —  74  ,, Pensò  ili  far  mal  IratUì"  .M  „pensò  fare  un  mal 
tratto"  B  Pensalo  C  d'un  R  v.  fehlt 'L  75  elli  R  si  C  -  76  v.  fehlt 
Z  uolesse  C  -  77  Se  Dio  in  aquilone  Z  ^ede  J»  -  81  La  sua  folle  arro- 
ganza Z  Suo  G  concordanza  LS(ì  socordan<^a  B  scordan«;a  N  sor  cor- 
tlança  C  discordança  C*  pcnsanza  Z  -  82  grama  leuanza  Z  —  85  sso  R 
fehlt  1  <:C»  —  %\  fehlt  lo  Z  uolesse  CC'Z  -  85  E  BZ  /////  si  C»  86 
,,Fu  for  del  regno  messo"  B  f\ie  fuor  N  87  jìoi  »icro  C  -  88  fehlt  E 
MBNC'Z  In  MBi.'Z  Illoco  N  89  ,, Appresso  il  rimanenle"  M  inprima- 
menlc  R  -  -  90  In  luoco  C'  —  91  ,, Ingannò  coloni  Z  camo  (^'  —  92  Ed 
eua  C'  ()l  fehlt  E  C  chi  vi  R  chi  chi  LZ  chi  ciò  B  chi  ch'el  N  — 
95  dogna  C  fehlt  1  G  marriinento  LSNCC  lornienlo  M  -  96  pesamento 
M  —  97  fehlt  E  Z  anghoscie  M  la  C  —  99  lo  male  e  1  danno  N  — 
100  Venner  M    —   loi   laudo  C     E  llardo  C*    — 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS. 


345 


E  1  parto  doloroso 
E  1  nodrir  fatichoso, 

105  Che  uoi  ci  sofferite, 
Tutto  per  ciò  1*  auete. 
Lauorio  di  terra 
Ed  astio,  inuidia  e  guerra, 
Omicidio  e  pecchato 

no  Di  ciò  fue  chominciato. 
Che  'nanzi  questo  tutto 
Facea  la  terra  frutto 
Sanza  nulla  semente 
O  brigha  d*on  uiuente. 


Capitolo  VII. 


60; 


610 


61; 


II 


"VrA  questa  sottiltate 


Tocch'  a  diuinitate, 
Ed  io  non  m' intrametto 
Di  punto  chosì  stretto 
E  nown  agio  talento 

120  Di  sì  gran  fondamento 
Trattar  chon  omo  nato. 
Ma  quello  che  m'  è  dato. 
Io  lo  faccio  souente. 
Che,  se  tu  poni  mente, 

125  Ben  uedi  li  animali, 

Ch'  io  nolli  faccio  iguali, 
Xè  d'  una  chonchordanza 
In  uista  ne  in  senbianza. 
Ed  erbe  e  fiori  e  frutti, 

13Ü  ("hosì  gli  albori  tutti. 


620 


62S 


630 


Uedi,  che  son  diuisi 

Le  nature  e  li  uisi. 
4  CCiò,  che  tt'o  chontato,  635 

xjL  Che  r  omo  fu  plasmato 
135  Posci 'ogne  creatura. 

Se  cci  ponessi  chura, 

Uedrai  palesemente, 

('he  dio  om/fipotente  640 

Uolse  tutto  labore 
140  Finir  nello  migliore. 

Che,  chi  bene  inchomenza, 

Andini  per  sentenza, 

Ched  a  bon  mezzo  fatto.        645 

Ma  guardi  poi  dal  trato, 
145  Che  di  reo  chompimento 

Auen  dibassamento 

Di  tutto  1  chonucnente. 

Ma  chi  orratamente  650 

Fina  suo  chominciato, 
150  Dala  gente  è  laudato, 

Sì  chôme  dice  un  motto: 

„La  fine  loda  tutto". 

E  tutto  ciò,  eh'  on  face,  655 

O  pensa,  o  parla,  o  tace, 
155  In  tutte  guise  intende 

Ala  fine,  ch*  atende. 

Dunqu*  e  piii  graziosa 

La  fine  d'  ongne  chosa,  660 

Che  tutto  P  altro  fatto. 


105  „Che  uoi  soflerite  tuclo"  Z     ce  B     ciò  N    /dh/t  ci  C     sostenete  GM 

—  106  „Perciò  hauete  i  lauoriu  di  terra"  Z  però  C  —  107  E  llauorio  M 
Et  lo  lauorio  C  lauorero  GBCN  —  108  /M¿  Ed  KLSGMBCC'Z  e  inuidia 
N  Inuidia  i  astio  CC  o  Z  109  E  micidio  NC*  a  stu/t  e  K  o  C  — 
¡IO  Da  cciò  M      Da  no' Z     incominciato  N     generalo  C  —  113  sementa  Z 

—  114  brida  C  „Obriza  di  nicnta"  Z  -  115  I  statt  MA  S  Ma  tlal  M  — 
116  „E  alta  diuinitate"  Z  sì  tocch'  N  —  117  mi  irametto  MBCC  —  i20  î 
si  G     C!osì  gran  C     A  si  C*  —  121   „Di  tractarc  che  huomo  nato"  Z     oma  R 

—  122  soncntc  B  —  128  Né  in  GC  uisa  Z  —  129 /M//  Ed  KMCZ  --  130 
Et  coxì  Z  /t^à/t  gli  N  -~  131  Verdi  C  —  133  Di  ciò  LS  „Ora  l'aggio 
contato"  M  ch'io  B("  locchato  N  —  134  Come  M  biasimato  R  —  135 
Dopo  LZSBN     Poi  M(''     posso  C  —   141   E  echi  G     Ma  chi  C     cominya  C 

-  142  Audiio  o  LSGC  Udì  già  M  Audio  C»  Ad  uoi  Z  -  143  che  l'a  B 
ben  GBCC*  Che  di  bu(m  Z  mezzo  e  LS  -  144  „Ma  guardi  de  pò  1  tratto" 
B  „Ma  guardati  poi  d'allro"  Z  il  LSG  del  N  lo  CC  -  145  „Che  dritto 
copimento  M  di  tutto  C'  —  14^)  „Uen  da  bassamento"  R  diuien  GN 
Auem  C  Auea  Z  dilusamenio  N  147 /<f A//  1  ('  —  148  v.  fehlt  Z  ch'io 
C  ornalamenie  M  -  149  finiscie  G  Fino  a  Z  cominciamento  BZ  —  150 
è  dala  G  „È  da  tutti  lodato"  M  „Da  giente  lodato"  Z  il  {statt  un)  M  — 
153  che  C*Z  i,fehlt  on)  —  154  fehlt  OR  e  pensa  G  —  155  A  tutte  R 
attende  MN  —   156  Al  Z  —   \^']  fehlt  è  C     grauosa  Z  — 


346 


B.  WIESE, 


h  JO 


195 


Capitolo  VII 
I6ü  Però  ad  onjjnc  patto 

De  omo  antiuedere  190 

Ciò,  che  poria  scjjuirc 

Di  quello,  che  chomen/.a,        665 

Ch'  aia  bella  partenza. 
165    11  LI' om,  se  dio  mi  uaglia, 

JLi  Creato  fu  san  faglia 

La  più  nobile  chosa 

E  dengna  e  preziosa 

Di  tutte  creature. 
170  Chosi  que'  eh' è' n  alture 

Li  diede  sengnoria  200 

D'  ongnc  chosa,  che  sia 

In  terra  figurata.  675 

Uer'  è,  eh'  e*  nuiziata 
175  Delo  primo  peccato, 

Dond'  è  1  mondo  turbato.  205 

Uedi,  eh'  ongn'  animale 

l*er  forza  naturale  680 

La  testa  e  1  uiso  bassa 
i8ü  Ucrso  la  terra  bassa. 

Per  far  significaAzza  210 

Delà  grande  bassanza 

Di  lor  chondizione,  685 

Che  son  sanza  ragione 
185   K  seguon  lor  uolere 

Sanza  misura  aucre.  215 

Ma  r  omo  a  d'  altra  guisa 

Sua  natura  diuisa  690 


Per  uantagio  d*  onore. 

Che*  n  alto  a  tutte  V  ore 

Mira,  per  dimostrare 

Lo  suo  nobile  affare, 

Chcd  a  per  chonoscenza  695 

E  rragione  e  scienza. 

Dell*  anima  dell*  omo 

Io  ti  diragio,  chomo 

Ì^  tanto  dengna  e  chara 

E  nobile  e  preclara,  700 

(^he  puote  a  chonpimrMto 

Auer  chonoscimento 

Di  ciò,  ch*  ò  ordinato. 

Se  1  senno  fue  seruato 

In  diuina  potenza.  705 

l^erò  sanza  fallenza 

Eue  1*  anima  lochata 

E  messa  e  chonsolata 

Nel  o  più  dengno  locho. 

Anchor  che  paia  pocho,  710 

Ched  è  chiamato  chore. 

Ma  1  chapo  n*  è  sengnore, 

Ch'  è  molto  dengno  mcrnbro. 

E  ss*  io  ben  mi  rimenbro 

Esso  è  lume  e  chorona  715 

Di  tutta  la  persona. 

Ben  è  nero,  che  1  nome 

E  diuisato,  chôme 

La  forza  e  la  scienza; 


160  perciò  N  Et  però  Z  161  l'uomo  MBZ  acciuire  R  nati  uederc  G 
antiscntirc  M  vedere  N  inanzi  ucdere  Z  --  162  possa  B  auenire  M  —  163 
({uella  R  ch'el  B  'neomenza  L  -  164  ,, Senza  bella  partenza"  M  „Con  bella 
appaie//va'  C'  Chi  a  C  i6ò  Eu  criato  Z  —  1Ò7  v.fehltC^  —  lOS/ek/iEGM 
fehlt  e  C      graziosa  KM  169  ,,D'ongnunqua   creatura    LS     „D*ogn' altra 

creatura"  B  —  174  uiziata  LSGB(X'N  minziata  Z  —  175  \ier  lo  M  —  176 
Ond' J^M  mondo  è  MNCC'Z  --  178  forma  M  —  179  chassa  M  basso  Z  — 
180  V.  fehlt  N  a  basso  Z  —  182  v.  fehlt  N  gran  dibassanza  GB  abas- 
sanza  Z  —  185  segnon  ('  si  legò  (.'  seguire  lo  uolere  Z  —  iSyy^AZ/aGM 
alta  R  —  188  „Per  natura  diuisa"  Z  Suo  natura  a  M  —  190  alti  IJì  altro 
Z  bore  stati  l'ore  B  —  iqi  Guarda  M  -  193  Ch'el  B  Ch*elli  C»  fthit 
a  Z  104  La  {.statt  E)  LSGZ  fch  t  E  MBX  la  scienza  LSZ  —  196  dirò 
ben  M  107  fehlt  E  CrM  L'è  B  Et  C»  „È  tucta  degna  et  rara"  Z  TanU 
M     clara  N  1 98  fehlt  E  M     perelara  B  —  199  v.  fehlt  Z  -  -  2ol  ch*ae 

LSGM  —  202  „Ch'ai  senno  fu  prouato"  M  sol  se  non  fu  GC*C  „Sol  s' cl 
non  è  serbato"  B  Sol  N  Ma  1  Z  -  204  Po'  C  -  208  sia  KM  —  209 
„Chiamalo  core"  C  Etd  è  C'  —  2\ 2  fehlt  E  ('  „Che  se  io  me  mi  rimmem- 
bro"  Z     sse  M  {fehlt  ¡o)      nicnbro  N  213  Elli  (iB     Etd  è  C»     „Questo 

nome  in  corona"  Z  215  fehlt  uero  X  216  Et  deuisato  C*  —  217  uoglia 
GM  E  la  uogla  Z  foruia  X  for^a  BC(''  potenza  C  (licenza,  wie  Zannoni 
ohne  weiteres  liest,  steht  in  keinem  msc.)  — 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  I.ATINOS. 


347 


Capitolo  VII. 


Che  r  anima  in  paruenza 

Si  diuide  e  si   parte 
220  E  oura  in  plusor  parte. 

Che,  se  tu  poni  chura, 

Quando  la  creatura 

Ueden  uiuifìchata, 

È  anima  chiamata. 
225  "ITA  la  uollia  e  P  ardire 

HA  Usa  la  giente  dire; 

Quest*  è  r  animo  mio, 

Questo  uoUio  e  disio. 

E  ir  om  sauio  e  sacciente 
230  Dichón,  eh*  a  buona  m^wte  ; 

E  chi  sa  giudichare 

E  per  cierto  triare 

Lo  falso  dal  diritto. 

Ragione  è  nome  detto; 


720 


725 


•30 


■35 


235 


"Fi  Chi  saputarocr//te 


Un  graue  punto  sente 
In  fatto  e*  n  detto  e'  n  cenno. 
Queir  è  chiamato  senno  ;  740 

E  quando  1'  omo  spira, 
240  La  lena  manda  e  tira, 
È  spirito  chiamato. 


Chosì  t'agio  chontato. 
Che  'n  queste  sei  partute 
Si  parte  la  uertute, 

245  Ch'  al*  anima  fu  data 
E  chosì  chonsolata. 
Nel  chapo  son  tre  celle; 
Io  ti  dirò  di  quelle. 
Dauanti  è  lo  ricetto 

250  Di  tutto  lo  'ntelletlo 
E  la  forza  d'  aprenderá 
Quello  che  puoi  inte/fdere. 
In  mezzo  è  la  ragione 
E  la  discrezione, 
Che  cierne  ben  da  male 
E  lo  torto  e  1'  iguale. 

I  dietro  sta  chon  gloria 
La  ualente  memoria, 
Che  ricorda  e  ritene 

260  Quello  che  *n  essa  uene, 
Chosì,  se  ttu  ti  pensi. 
Son  fatti  cinque  sensi, 
Di  quai  ti  uollio  dire: 
Lo  uedere  e  V  udire, 

265  L'  odorare  e  1  ghostare 


745 


750 


/b:> 


-55 


D' 


760 


7^5 


218  „Che  alla  mia  apparenza"  Z  „Che  11*  uomo  a  im  potenzia**  M  a  in 
KNLGC*  a  /t^h/i  in  C  potenza  LSGCC*  —  219  „Si  diuisa  et  si  diparte"  Z 
diparte  LSGBN  {stati  si  parte)  —  220  „E  rimira  im  più  parte*'  M  s' oura 
{feh/t  E)  G  Es'  BN  onta  C  aura  C»  cura  Z  —  221  fehtt  Che  C  —  222 
natura  Z  —  223  Uede  R  vedon  BCC  vedea  NZ  edificata  Z  —  224  Et 
RZ  „E  prima  generata**  C  l'anima  Z  —  225  yyer  statt  la  M  7  ardire  M 
Z  l'ardore  C  —  227  lo  ramo  C  —  228  „Et  questo  è  il  mio  desio'*  Z  —  230 
Dici'uom  C  Di  ciò  Z  co  statt  eh' a  M  /Á/t  a  C  231  Che  chi  M  Quei 
che  BN  /M//  E  CMBN  —  232  però  C  ritrare  MBNCZ  criare  C»  —  233 
e  lo  ce  statt  dal  -  234  Per  ragion  Z  nome  e  B  Ragione  nome  n'è  N  è 
lo  LSGC»  —  235  /tr/i/t  E  N  —  237  in  (statt  e*n)  RSGB  o'n  M  in  (statt 
e'n)  R  o*n  SGM  Z  (statt  e*n)  C  -  239  „Quando  ispira  lo  meglio*'  N  — 
241  Et  CC'Z  sospiro  Z  —  243  feà/t  'n  N  E  en  C  p<f/"tutte  C  —  244  par  on 
le  G  perde  C  —  245  Che  11' anima  RSC*  E  l'anima  B  -—  246  /eh/t  E;  chosì 
è  GM  nominata  CC»  —  247  Et  nel  Z  —  248  E  io  RG  Or  ti  .MCC»  /eh/t 
ti  GCC  —  249  a  llor  Z  —  250  tull#Z  —  251  di  prendere  N  da  pretendere  Z 
—  252  z'.  fehlt  Z  chel  B  puote  GC  aprendere  ß  di  pre/idere  N  —  253  Nel 
LSMGBNZ  ~  255  e  1  ben  e  1  male  B  bene  Z  MN  (e)  C»Z  (et)  --  256  „Et 
lo  corto  iguale"  Z  dal'  statt  e  1  LS  1  il  leale  M  -  257  A  dietro  M  De 
dricto  C  „Et  di  dirtro  fa  ongnora**  Z  /«Gè  am  Rande,  "welches  hat  als 
Majuskel  vor  di  aus£^eführt  werden  sollen  —  258  Là'ue  sente  R  Cha  C  — 
260  V.  fehlt  C  :he  con  essa  B  Quella  Z  che  nne  souienc  N  esso  auene 
R  —  261  „Appresso  se  ben  pensi**  M  Et  così  Z  taci  Z  (statt  ttuti)  ci 
pensi  LSGV  ce  B  tu  rii)ensi  C*  -  262  i  cinque  GMZ  in  cinque  B  —  263 
De*  SGMCZ  Li  BNC  ui  R  io  N  —  264  Che  1  M  —  265  In  R  folgt 
V.  265  z'.  266;  hinter  utlire  steht  aber  ein  Zeichen,  dem  ein  gleiches  vor  L*odore 
(so  liest  R)  entspricht  ;  ein  andres  steht  vor  E  da  poi  und  ein  dem  gleiches 


348 


h,  WIESE, 


Capitolo  Vin  e 


E  da  poi  lo  ttocchare. 
Questi  anno  per  olìzio. 
Che  lo  bene  e  lo  uizio,  770 

Li  fatti  e  le  fauelle 
270  Ritornano  ale  celle, 
Ch'i*u*agio  nominate, 
E  lloclio  son  pensate". 

Capitolo  Vili. 
I       A  Nchor  son  quatro  omori    775 

„^^  Di  diuersi  cholori, 

Che  per  la  lor  chaj»ionc 

Fanno  la  chonplessione 
5  D*  ongne  chosa  formare 

Et  souente  mutare. 

Sì  chôme  V  uno  auanza, 

L'altr'è  in  sua  possanza; 

Che  r  una  è*  n  segnoria 
IÜ  Delà  malinchonia, 

La  quale  è  freda  e  seccha, 

Cierto  di  laida  teccha. 

Un*  altr'  è  in  podere 

Di  sangue,  al  mio  parere, 
15  Ch*  è  chaldo  irti  omoroso 

Ed  è  frescho  e  gioioso. 

E  flema  in  alto  monta, 


20 


25 


30 


780 


35 


785 


90 


IX. 

Ch'  umido  e  fredo  penta, 

E  par,  che  sia  pesante 

Queir  on  e  più  pensante. 

Poi  la  chollera  uene,  795 

Che  chaldo  e  seccho  tene 

E  fa  Tomo  legiero 

E  presto  e  talor  fero. 

E  queste  quatro  chose 

Chosì  chontrariose  800 

E  tanto  disiguali 

In  tutti  li  animali 

Mi  chonuene  achordare 

Ed  in  lor  temperare 

E  rinfrenar  ciaschuno,  805 

Sì  eh*  io  li  rechi  a  uno, 

Si  eh*  ongne  chorpo  nato 

Ne  sia  chonpiessionato. 

E  ssaccie,  eh'  altremente 

Non  si  faria  neente**.  810 


Capitolo  IX. 

\  Ltresì  tutto  1  mondo 
-^^  Dal  ciel  filo  profondo 

I'^  Di  quattro  alim^/rti 
J  Fatto  ordinatamenti: 


V 


rtttih  glxislare.  Vitse  Zeichen  scheinen  mir  bedeuten  iu  solUn ,  dass  die  trv. 
umzustellen  sein;  nimmt  man  die  Umstellun¿r  z'or,  so  berüßiren  sich  diu  glei- 
chen Zeichen,  Alle  codd.  folt^en  überdies  der  von  mir  adoptierten  Versordnung. 
„E  toccare  c  gustare"  LS  L*  odore  RGC  L* ödere  Z  —  266  „E  dipoi  1*  odo- 
rare" LS  „Et  di  questi  lo  tocchare"  Z  Et  poi  G  E  poscia  B  E  poi  N 
Et  apres.so  CC*  —  267  Et  (|ue^ti  Z  -  268  Intra  1  bene  LS  Et  lo  G  le 
uizia  Z     Si-ruizio  M    —    269  E  li  B  270  Raportano  LSC      Ri}>ortano  C 

Ritornare  B  Rilomaro  N  uo  nominare  Z  -  272  „Et  le  cose  jìcnsate**  Z 
pedala  R     possatc  C. 

Cap.  Vili  I  Amori  Z  —  3  fehlt  hi  Z  cagioni  Z  —  4  le  Z  conpen- 
sione C  complcxioni  Z  -  5  Et  ogni  Z  formata  G  —  6  mutata  G  —  7  una 
RGMBNCZ    —    8  Le   altre  R      ])«•;•  sua  M  9  „E  11' uno  a  singnoria"  M 

fehlt  *n  ce«  —  IO  Dou'c  Z  -  12  E"  diH  M  è  de  B  o  di  C  X  de  C«  — 
13  E  un*  S  „Il  secondo  a  podere"  yT  altra  fehlt  è  N  altro  n'è'n  C» 
fehlt  in  C  —  15  amoroso  B  —  \b  fehlt  è  RMCC^Z  fehlt  e  B  giocoso  C» 
-  y-J  fehlt  E  RLSMGBNCC  ponia  R  -  18  „E  caldo  t  freddo  ponU"  C 
fehlt  Ch'  M  ponto  R  19  foli^'t  20  ///  GMBZ  fehlt  in  N  porre  Z  pen- 
sante SGMCC'Z  —  2Ü  Oudlo  ì^taft  (Kiell'on)  RM  Oual  B  Quando  l'oonìo 
Z  --  21  Et  poi  Z  22''  Che  1  C'  "23  (he  fa  C«  —  24  fehlt  E  RG  fehlt 
e  Z  —  25  fehlt  E  R  —  27  7.  fehlt  Z  —  29  Si  statt  Mi  C>  comunca  Z 
(comuenia  V)  dconlare  Z  —  30  K  di  R(  C»  „I  loro  temporale"  Z  E  ttalor 
M  -  31  rriforniare  M  —  32  torni  R  -  -  n  fehlt  Sì  Z  —  36  Non  sarebbe 
LSMBZ     Non  parrebbe  N     stn  faria  C^ 

Cap.  IX  2  Di  C     intìn  al  fr- 
4  Fatti  GN     Fact*  è  C«     Facti 


%« 


il  C     sino  al  Z  —  3  Et  C»Z  — 
uà  R  — 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS. 


349 


Capitolo  X. 


IO 


5  D*  aria,  d'  aqua  e  di  focho 
E  di  terra  in  suo  locho. 
Che,  per  formarlo  bene. 
Sottilmente  chonuene 
Lo  fredo  per  chalore 
E  1  seccho  per  V  omore 
E  tutti  per  ciaschuno 
Sì  rinfrenare  a  uno, 
Che  la  lor  dischordanza 
Ritorni  in  iguaglianza. 

15   Che  ciascun  è  chontrario 
Al*  altro,  eh'  è  disuario. 
Ongn'  omo  a  sua  natura 
E  diuersa  fattura, 
E  son  talor  dispari. 

20  Ma  io  li  faccio  pari, 
E  tutta  lor  dischordia 
Ritoma  in  tal  choncordia, 
Che  io  per  lor  ritengno 
Lo  mondo  e  lo  sostengno. 
Salua  la  uolontade 
Delà  diuinitade". 


8is 


820 


82: 


830 


^5 


835 


Capitolo  X. 
En  dicho  ueramente. 
Che  dio  omniixjtente 
Fece  sette  pianete. 
Ciascuna  in  sua  parete. 


B' 


840 


5  Et  dodici  sengnali; 

Io  ti  dirò  ben  quali. 

E  fue  lo  suo  uolere 

Di  donar  lor  podere 

In  tutte  creature,  845 

IO  Sechondo  lor  nature. 

Ma  sanza  fallimento 

Sotto  mio  regimentó 

E  tutta  la  loro  arte. 

Sì  eche  nesun  si  parte  850 

15  Dal  chorso,  che  Hi  o  dato 

E  ciascun  misurato. 

E  dicendo  lo  nero, 

Chotal  è  lor  mistero. 

Che  metton  forza  e  cura  855 

20  In  dar  fredo  e  chalura 

E  pioua  e  neue  e  uento. 

Sereno  e  turbam^//to. 

E  ss*  altra  prouedenza 

Fue  messa  illor  parue^iza,  860 
25  No  'nde  farò  menzione. 

Che  picciola  chagione 

Ti  poria  fare  errare; 

Che  tu  dei  pur  pensare, 

Che  le  chose  future,  865 

30  E  r  aperte,  e  le  schüre 

La  somma  maestate 

Ritenne  in  potestate. 


5  „E  d'aria  1  d'acqua  ì- fuocho"  C  e  <i* acqua  NC  —  7  ,,Che  perse 
male  et  bene"  Z  ferma  C  le  GN  li  B  —  9  e  staff  per  Z  —  io  per  omore 
L  amore  C*  —  Il  fehìtY.  G  —  12  „Sta  ffreda  et  rauna"  Z  rinfrenaro  SGN 
rinfrenino  M  -  13  Eiche  llor  M  —  14  Atoma  Z  —  \^  fehlt  è  RC»  —  16 
„E  dal*  altro  diuisario"  B  „E  dell' artro  disuario"  N  fehlt  eh'  Z  —  17  7'. 
fehlt  Z  Ciaschun  a  L  Ciascuno  a  S  Ongnuno  MBN  a  la  C  —  187».  fehlt 
Z  figura  ce*  -  19  tra  lloro  C  luttor  C*  disuari  M  di  pari  Z  —  20  ?'. 
fehlt  C  lo  N  iguali  LS  -  21  Tutta  la  lor  LSGBN  {fehlt  E)  In  tutta  la 
loro  Z   —    22  Ritorno  MC*      Ch'io  torno  C     in  lor  B     alla  {statt  in  tal)  C* 

—  23  Che  per  loro  io  M  -  24  „Tuttol  mondo  sostegno"  B  et  sii  Z  —  25 
Sali  la  Z     lo  B.        • 

Cap.  X  3  sei  C*  —  4  ciascuno  B  pianeta  (j¿:!)  C  parte  Z  —  6  E  di- 
coti Z  fehlt  ti  B  —  7  E  si  B  fehlt  lo  BNZ  di  statt  lo  M  —  8  fehlt  lor 
N  —  IO  misure  Z  —  12  „Sotto  suo  piacimento"  Z  —  14  „Sì  che  scorsi 
parte"  Z  neuno  C  —  15  Del  MNZ  ch'io  SGBCZ  ch'i' o  {fehlt  Ili)  MCG 
che  gli  è  N      detto  Z  —    16  A  cciaschun  MCC*     „Ciascuno  ne  fu  cierto"  Z 

—  17  E  a  ddicerti  il  M  —  18  Contai  loro  Z  —  19  „Che  mi  conforta  x  cura" 
C  metter  Z  —  20  In  tal  freddo  (!  —  2 1  fehlt  E  N  „Et  pioua  mecte  uento" 
Z  —  22  „E  sereno  e  turbato"  L  —  23  „Se  scä  prouidenza"  Z  fehlt  s'  G 
r  statt  s'  N  —  24  potenza  LSGCC*  —  25  faccio  M  —  26  „Ch'io  la  cagione" 
Z  —  27  Ci  N  —  28  Ma  ttu  M  r.  28  fehlt  Z  —  29  7-.  fehlt  Z  —  30  „E 
la  piirte  schurare"  Z  —  31   prima  N  —  32  Ritene  SBM  — 


350 


B.  WIESK, 


Capitolo 
870 


XI. 


MA  se  di  storlomia 
Uorrai  saper  la  iiia 
35  Dehi  luna  e  del  sole, 
Chôme  saper  si  uuole, 
E  di  tutte  pianete, 
Qua  *nanzi  V  udirete, 
Andando  in  quelle  parte,        875 
40  Doue  son  le  sette  arte. 

BEn  so,  che  lungiam<»«te 
Intorno  al  chonuene?7te 

Agioti  ragionato. 

Si  eh'  io  t'  agio  chontato         880 
43  Una  lungha  matera 

(Cierto  in  breue  manera. 

E,  sse  m'  ai  bene  inteso. 

Nel  mio  dire  o  chon preso 

Tutto  l  chomincianwwto  885 

50  E  1  primo  mouimento 

D*  ongne  chosa  mondana 

E  delà  gente  umana; 

E  otti  detto  un  pocho, 

Chôme  s*  auene  locho.  890 

55  Delà  diuinitate, 

E  olle  intralasciate, 

Sì  echóme  quella  chosa, 

Ched  è  si  preziosa 

E  ssì  alta  e  sì  dengna,  895 

60  Che  no/f  par,  che  ss*  auewgna. 

Che  mette  intendimt^wto 

In  sì  gran  fondam^z/to. 

Ma  ttu  senpiciemewte 


'b 


Credi  ueracemente  300 

Ciò  che  la  chiesa  santa 
Ne  predicha  e  ne  chanta. 

A  Presso  t*o  chontato 
Del  ciel,  chom'  è  stellato. 


Ma,  quando  tie  stagione, 
70  Udirai  la  chagione 

Del  ciel,  chom'  è  ritondo, 
E  del  sito  del  mondo. 
Ma  non  sarà  per  rima, 
Chom*  è  scrìtto  di  prima; 
75  Ma  per  piano  uolghare 
Ti  fie  detto  V  aiFare 
E  mostrato  inn  aperto, 
Che  nne  sarai  ben  cierto. 


905 


910 


80 


/'\Nd*  io  ti  prìegho  ornai 


Q15 


Per  la  fede  che  mm' ai, 
(Jhe  ti  piaccia  partire; 
Che  mi  chonuiene  gire 
Per  lo  mondo  dintorno 
E  di  notte  e  di  giorno 

85  Auere  studio  e  chnra 
Inn  ongne  creatura, 
Ch'  è  sotto  mio  mesterò. 
E  faccio  a  dio  pregherò. 
Che  tti  chonducha  e  guidi 

90  E*  n  tutte  parti  fidi". 

Capitolo  XI. 
I     A  Presso  esta  parola 
xjL  Uoltò  1  uiso  e  la  glu^ 


920 


92s 


35  „O  della  Luna  o  Sole"  Z  —  37  v.  fehlt  LSGMZ  —  38  „Va  inanzi 
e  troueriete"  Z  il  tronérete  LSNGBCC*  il  trouerrai  M  In  'LSGVLZ  foìj^ti 
Se  sapf're  lo  uorrete  M  vorrai  —  39  Leggendo  M     parti  LSGMNC     qnella  Z 

—  40  Oue  NZ  soi  C:»  42  feh/t  N  In  terco  R  Dintorno  C  —  43  l't'abbo 
LSNMB  T*abo  Z  -  45  manera  Z  —  46  E  im  breue  M  cieraZ  —  48  E'n 
mio  dir  conj^reso"  N  ai  staff  o  M  —  50  nascimento  R  —  53  fehlt  IE.  IL  — 
54  souewte  (J'  nel  locho  G  al  loco  B  in  loco  Z  —  55  Dalla  M  —  56  Ed 
eie  N  Et  o  si  Z  o  nne  M  olla  B  traslatate  GB  traslassate  N  trallasate 
ce»  —  60  7'.  fella  Z  61  Chi  metta  LSB  Ch*uom  metta  M  merta  Z  — 
64  neramente  C    —  66  v.  fehlf  V     Fie  predica  M     o  sfaft  e  N    fehlt  ne  NC* 

—  70  ragione  LSGMCC'Z  —  72  fehlt  E  Z  —  74  „Come  qsta  de  pma**  C* 
Chom'o  G  --  76  fue  R  sia  NZ  -  77  sì  staff  inn  M  fehlt  inn  CC*  —  78 
Sì  che  ne  sij  BN  più  {statt  ben)  GCC»  -  79  ormai  RC  —  80  „Che  per  la 
fede  ch'ai"  Z  —  82  a  lile  MBCC»  Chôme  N  me  ne  Z  di  gire  B  regire 
(re  iiberf^eschrieben)  C'  -  83  diccmo  N  —  84  v.  fehlt  C  —  85  D'anere  Z 
Auetc  (":»  ì!^-]  fehlt  Che  M  sotto  1  LSBNZ  maiestero  M  —  88  Io  fiwxio 
B     A  dio  faccio  X      -  go  In  staff  E'n  MZ     parli  1  RM. 

Cap.  XI   I  parato  N  —  2  fehlt  IC»  — 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  R.  LATINOS. 


351 


E  fecemi  senbianza, 
Che  sanza  dimoranza 
5  Uolesse  uisitare 
E  li  fiumi  e  lo  mare. 
E,  sanza  dir  fallenza, 
Ben  a  grande  potenza. 
Che,  s*  io  uo  dir  lo  nero, 

IO  Lo  suo  alto  mistero 
E  una  marauiglia. 
Che  *n  un'  ora  conpillia 
E  ccielo  e  terra  e  mare, 
Chonpiendo  suo  affare. 

1 5  Che*  n  chosì  pocho  stando. 
Al  suo  breue  chomando 
Io  nidi  apertamente, 
Chôme  fosse  presente 
Li  fiumi  principali, 

20  Che  son  quatro,  li  quali, 
Sechondo  1  mio  auiso, 
Mouon  ai  paradiso. 

Ciò  son  tigre  e  fison 
E  ofiradb  e  gion. 
25  L'un  sene  passa  a  destra, 
E  r  altro  uer  sinestra. 
Lo  terco  chorre  in  zac, 
E  1  quarto  uà  di  lae, 

81  che  ufrade  passa 
Uer  babillona  chassa 
In  mezzo  ipotania, 
E  mena  tutiauia 


( 


Capitolo  XI. 

Le  pietre  preziose 
930  E  giemme  dignitose  960 

35  Di  troppo  gran  ualore 
Per  forza  e  per  cholore. 

1Ion  uà  in  etiopia, 
ij   E  per  la  grande  chopia 
435  D' aqua,  che  *nn  esso  abonda,  965 

40  Bangnia  delà  sua  onda 
Tutta  terra  d'egitto 
E  ir  amolla  a  diritto 
Una  fiata  1*  anno 
940  E  ristora  lo  danno,  970 

45  ('he  V  egitto  sostene, 
Che  mai  pioua  non  uenc. 
Chosi  serua  suo  filo 
Ed  è  chiamato  nilo. 
945  D' un  suo  ramo  si  dice,  975 

50  Ched  a  nome  chalice. 
Ilgrc  tien  altra  uia. 
Che  chorre  uer  sona 
Sì  smisuratamente, 
950  Che  nonn  ò  om  uiuentc,  980 

55  Che  dicha,  che  uedesse 
Chosa,  che  ssì  chorrcsse. 
[^Ison  uà  più  lontano 
Ed  è  da  noi  si  strano, 
955  Che,  (juando  ne  ragiono,         985 

60  Io  non  truouo  nessuno, 
('he  ir  abia  nauichato, 
Nò  n  quelle  parti  andato. 


T 


F 


3  sua  sembianza  Z  —  8  „Deriua  gran  potenza"  Z  metença  B  —  io  Al 
suo  Z  --  II  Et  C  —  12  Che  mia  n'ora  R  (!h'un'ora  NC*  si  compigla 
BN  \l  f^'hit  E  LSGMBNCZ     E  1  C»    /M// e  S     iterre  G  —  15  E  ccosì 

MBN  /M//  'n  OC'  -  18  fosser  B  —  21  fe/i/f  1  GM  al  N  -  22  Rscon 
LSZGMN  —  ZI  fehlt  CIÒ  son  M  2b  ß'ßi/f  E  C«  inner  LSGN  uar  la  C» 
alla  Z  —  27  fi'h/f  in  G  inqua  M  in  Grecia  Z  —  28  Lo  GN  {feh/f  E)  E 
l'altro  Z  ffh/t  uà  R  —  29  „Eufrates  passa"  C^  -  30  ìuer  G  per  B  —  31 
Inucrso  LSGMNC'Z  Ver  B  pagania  C'  Pcconia  Z  —  33  7^'^/^  I-^  BN  - 
34  dilettose  LGSZ  graziose  M  jìretiose  C  —  35  molto  M  —  36  Di  L  per 
freddo  B  chalore  RGMNBÌ^^Z  —  37  „Sen  uà  1  necopia"  C  che  uà  Z 
jvr  N  eropia  R  -  38  della  G  —  40  fffi/t  Bangnia  C  colla  M  42  „Et 
fa  mellio  a  derido"  il^  bangna  LSGZ  ïmollala  M  —  43  uolta  ('  per  anno 
KCC  -  Si  che  B  Che  Z  —  47  „Questo  fiume  pz-r  filo"  M  filio  R  48 
Sì  è  M  49  Et;  fo/í^euiít's   li'ort   durch    fin    Loch    zerstörte    ivohl   d'un  G 

Dal  suo  N  Del  suo'z  —  50  Ch'ò  chiamato  LSGMBNCC'Z  il  calice  N 
la  licie  Z  s^\  tenne  C  -  52  Ch'el  B  per  R  inver  LS  inucrso  orla  G  - 
53  Si  se  Z  (V  fé)  —  55  dicho  N  —  56  che  che  sì  Z  —  57  uà  sì  GMZ  — 
58  danaio  N  dapno  Z  "—  61  f-hlf  11'  Z  —  62  O'n  C»  quali  C  usato  GBCN 
stato  C»  — 


352 


B.  WIESE, 


Capitolo 

E  in  pocha  dimora 

Pronide  per  misura  qqo 

65  Le  parti  del  leuante, 

Là  doue  sono  tante 

Gemme  di  gran  uertute 

E  die  molte  salute. 

E  ssono  in  quello  giro  qo5 

70  Bai  si  m  o  e  J  ambra  e  tiro 

E  lo  pepe  e  lo  lengno 

Aloe,  eh'  è  ssì  dengno, 

E  spigho  e  chardamomo, 

Giengioue  e  cennamonio         looo       i 
75  E  altre  molle  spezie, 

Che  ciaschuna  in  sua  spezie 

E  migliore  e  più  fina 

E  ssana  in  medicina. 
A  Presso  in  questo  pocho   1005        i 
80  1\-  Mise  inn  asetlo  locho 

Le  tigre  e  li  grifoni, 

Leofanti  e  leoni, 

Chammelli  e  drughomene 

E  badalischi  e  giene  lOio       i 

83  E  pantere  e  chastoro 

E  Ile  formiche  d' oro 

E  tanti  altri  animali, 

Ch*  io  no//  posso  dir  quali, 


XI. 

Che  son  si  diuisati  IO  15 

90  E  ssì  dissomigliati 

Di  chorpo  e  di  fazzone, 

Di  sì  fera  ragione 

E  di  si  strana  tallia, 

Ch'  io  non  credo  san  faglia,  1020 
95  Ch*  alchuno  omo  uiuente 

Potesse  neramente 

Per  lingua  o  per  scritture 

Recittar  le  fighure 

Dele  bestie  ed  uccielli,  1025 

00  Tanto  son  laidi  e  belli. 

1)Oi  nidi  inmantenente 
La  regina  più  gierte, 

Che  sten  dea  la  mano 

Uerso  1  mare  ociano,  1030 

05  Quel,  che  cinge  la  t^rra 

E  che  la  cicrchia  e  serra, 

E  a  una  natura, 

C'h*  è  a  ueder  ben  dura, 

Ch*  un'  ora  cresce  molto  1035 
IO  E  fa  grande  timolto, 

Poi  torna  in  dibassanza; 

(^hosì  fa  per  usanza. 

Or  prende  terra,  or  lassa. 

Or  monta  ed  or  dibassa;       IO40 


63  Che  in  Z  statura  M  dora  C'  —  64  Di\*ide  L  Diuiene  Z  —  66 
cotante  M  -  67  „Bene  di  non  uirtute**  C  valute  LSGMZ  —  68  molta  LSGCC» 
—  69  Ed  è  M  tutto  {stati  giro)  Z  —  70  fehlt  ed  GM  7«.  fehit  Z  —  71  „E 
l'opere  et  lo  'ngiegno"  Z  —  73  fehit  e  M  chardamento  Z  —  74  v,  fehlt  N 
Gençnuro  B  Çençeberc  ('  cienamo  Z  -  75  fehit  molle;  specie  tante  Z  — 
■jd  fehit  ('he  LBNC^Z  —  77  Et  ('C'Z  —  78  „Somme  in  medicine"  N  fìna 
C»  fehit  in  C'Z  —  79  fehit  in  BZ  locho  RGLSMZ  —  80  „Nasser  in  esso 
loco'*  B  „misero  in  esso  loco"  XC  „Misco  esso  loco"  Z  fehlt  inn  C  — 
82  E  leofanti  R  Elefanti  B  Allifanti  C'  -  83  dragoni  Z  —  84  fehlt  E 
LSGM  In  Z  84  umì  85  zusammengeioorfen:  „Et  Giene  et  Pantere  et  Ca- 
storo" Z  —  85  „La  pantera  e  1  castoro"  M  —  86  fehlt  E  BNCC*  dell'  oro 
RLSGBNXC:»Z  —  87  E  molti  M  —  88  no«  so  ben  dir  LSGMBNC>V  non 
so  dir  ben  Z  —  89  sarem  Z  —  qi  capo  N  —  92  „Di  fiera  condizione"  M 
fehlt  si  N  Et  <li  Z  chondizione  R  -  ^i  fehlt  si  C  —  94  follia  C  --  95 
Che  nuli'  BN  -  96  Che  potesse  C  —  97  lingue  N  e  per  LG  né  per  GZ 
scrittura  MC:  —  98  „Tentare  loro  figura"  Z  Riceptare  SI-G  (Cogitar  BC^N 
figura  M  —  99  Di  bestie  G  bestia  C  od  RN  e  degli  LSBC>  —  100  laudi 
C  -  loi  Et  statt  POi  C  Ch'i  uidi  Z  —  102  le  reine  N  statt  più  gieirte: 
potente  LSGBNC(''Z  piacente  M  —  103  distendea  BN  „Che  discende  la 
noma"  Z  —  104  ver  lo  i>>M  ìuer  lo  G  „Ver  lo  mare  Occidiano**  Z  —  105 
„Oue  che  assai  lontano"  Z  —  106  „E  ccola  ciercha  schriptura"  Z  fehlt  K  GC 
fehlt  la  N  stringne  M  107  fehlt  a  Z  —  108  uedere  e  N  ad  uederla  e 
bene  Z  —  loq  Che  in  M  fehlt  Che  B  —  m  E  poi  CZ  disbasança  B  ba- 
sun^'a  C  112  „Che  ssa  per  usanza"  Z       -    113  prender  Z     sa  Z   —    II4  et 

or  disbassa  Z      -  . 


DER  TKSORETTO  UND  FAVOLF.LI.O  B.  LATINOS. 


353 


Capitolo  XI. 


115  E  la  piente  per  motto 

Dichón,  eh'  a  nome  fiotto. 

E  io,  ponendo  mente, 

IJi  oltre  nel  ponente 

A  presso  questo  mare 
120  Uidi  diritto  stare 

Gran  cholonne,  le  quale 

Ui  pose  per  sengnale 

Ercholes  lo  polente, 

Per  mostrare  ala  ge//te, 
125  Che  locho  sia  fìnata 

La  terra  e  terminata, 

Ch'  egli  per  forte  guerra 

Auea  uinta  la  terra 

I*er  tutto  r  occidente 
130  E  non  trono  più  gente. 

Ma  doppo  la  sua  morte 

Si  son  gente  racchorte 

E  ssono  oltre  passati. 

Sì  celie  sono  abitati 
135  Di  là  in  bel  paese 

E  riccho  per  le  spese. 

J.  questo  mar,  eh'  i'  dicho, 
Uidi  per  uso  anticho 

Nella  profonda  spangnia         1065 
140  Partire  una  righawgna 


1045   145 


1050   150 


1055   155 


1060   160 


D' 


'(>s 


Di  questo  nostro  mare, 

Che  cierehia,  ciò  mi  pare, 

Quasi  lo  mondo  tutto. 

Sì  che  per  suo  chondotto      1070 

Ben  può,  chi  sa  dell*  arte, 

Nauichar  tutte  parte 

E  gire  in  quella  guisa 

Di  spangnia  infin  a  pisa 

E  'n  grecia  ed  in  toschana    1075 

E  'n  terra  ciciliana 

E  nel  leuante  dritto 

E  in  terra  d'  egitto. 

Uer  è,  che  *n  oriente 

I--0  mar  uolta  presente  1080 

Uer  lo  settentrione 

Per  una  regione. 

Doue  lo  mar  non  piglia 

Terra  che  sette  miglia, 

Poi  ritorna  in  anpieçça  1085 

E  poi  in  tale  stremezza, 

Ch*  io  non  credo  che  passi 

Che  cinque  cento  passi. 

DA  questo  mar  si  parte 
Lo  mar,  che  non  disparte,  1090 
L;\'  u'  ò  la  regione 
Di  uinegia  e  d*  anchone. 


116  „Allora  il  chiaman  fiotto"  M  Dicie  GBNCC*  fanete  Z  —  liq  a 
questo  N  —  120  Io  nidi  RNZ  Et  uidde  C»  ritte  BNC  diritti  C  ripto  Z 
121  quattro  colonne  N  --  122  Ci  CC»  mise  LSGMBNCC'Z  —  123 /M// 
lo  M  possente  M  —  124  ?'.  /t'ha  Z  —  125  „Che  quiui  era  finata"  M  „(^he 
lì  sia  eonfinala"  B  fue  finito  Z  —  126  /-////  e  GC»  —  127  E  ch*  SMNGCC'Z 
/t'h//  egli  G  —  128  Auean  KC  le  R  ///  Z  x/e/it  zwischen  v.  128  una  v.  129 
n'n  A'miz  uni/  am  RaniL'  ebenfaììs  mit  einem  Kreuze  von  der  Hand  des  A'o- 
piator  „Et  terminata  |  Et  ch'egli  per  forte  guerra  |  Auea  uinta  la  terra";  eine 
ledii^ liehe  ìì'iederholunj^;^  —  130  tra  più  R  non  auea  BN  —  132  le  genti  M 
acchortc  M  ï  corte  ('•  -  134  chi  B  —  135  p^r  che  1  statt  in  bel  M  — 
137  male  Z  —  138  amico  N  -  139  perfonda  RC  —  140  Agangna  Z  —  142 
cierne  BN  ciò  impare  Z  —  145  più  Z  l'arte  C  —  146  in  tutte  RLSGBNC»Z 
quelle  M  —  147  gita  C*  —  \^^  fehlt  in  B  -  149  „Et  grecia  in  toscana"  C 
In  BNC>  „Et  Grecia  et  Toscana"  Z  ^  150  In  i^  fehlt  E)  BC»  —  151  v.  fehlt 
N  fehlt  E  M  -  152  „Ein  in  terra  d*  egitto"  B  —  153  che  non  e  ritto  N 
che  a  C   —   154  L'amor  C     uolea  Z  155  Verso  1  I>i     Uerso  MCZ    fehlt 

lo  MCZ  Per  lo  BN  fehlt  Uer  C«  -  156  „E  quest*  è  la  ragione"  M  v.  fehU 
N  ragione  (^Z  —  137  „Che  1  mar  più  non  ui  pilgla"  M  „Che  già  niente 
pigia  BN  —  158  „Terra  che  sia  sei  migla"  BNC*  cinque  M  ciento  Z  — 
159  E  poi  Z  torna  RB(^  apizeo  Z  (apizco  V)  —  160 /<*/»// E  GM CZ  poscia 
B  strettezza  GBNCC*  sentenzia  Z  -  162  I  cinque  M  -  163  Di  GCC*Z  - 
164  „Lo  mar  che  uà  in  disparte"  M  „ramor  che  nno  disparte"  C  v.  fehlt 
L  chonpa/-te  R  diparte  G  —  165  „Si  ecome  si  ragiona"  M  „Là  nella  ri- 
gione"  BC  „Ma  nella  ragione"  (j'  Don' è  LS  Oltre  la  G  „Ou* è  la  ra- 
gione" Z     -    \i)iì  „A   uinegia  -j  ancona"  M     - 

Zelttohr.  f.  rom.  Phil.    VU.  23 


354 


B.  WIESE, 


E 


Chosì  ongn*  altro  mare. 
Che  per  la  terra  pare 
Di  Irauerso  e  d*  intorno, 

170  Si  moftc  e  fa  ritorno 
In  questo  mar  pisano, 
Ou'  è  1  mar  ociano. 

Io,  che  mi  sforçaua 
Ü  Di  ciò,  che  io  miraua, 

175  Sauer  lo  certo  stato. 

Tanto  andai  d*  on^e  lato, 
Ch'  io  uidi  apertamente 
Dauanti  al  mio  uedente 
Di  ciaschuno  animale 

180  E  lo  bene  e  lo  male 
E  la  lor  chondiçione 
E  la  'ngenerazione 
E  lo  lor  nascimento 
E  lo  chominciamento 

185  E  tutta  loro  usanza, 
La  uista  e  la  senbianza. 

ONd'  io  agio  talento 
Nello  mio  parlamento 
Ritrare  ciò  ch*  io  uidi  ; 
iqo  Non  dicho,  ch*  io  ra*  afidi 
Di  chontarlo  per  rima 
Dal  più  fin  ala  cima. 
Ma  *n  bel  uolghare  e  puro. 


Capitolo  XII. 

Tal  che  non  sia  oschuro, 
195  Ui  dicerò  per  prosa 

1095  Quasi  tutta  la  chosa 

Qua  *nanzi  dala  fine. 
Perchè  paia  più  fine. 


r  120 


IIOO 


DA  poi  ch*  ali 
Parue,  che 


> 


1105 


IO 


('a  pi  toi  o  XII. 
la  natura 
fosse  r  ora 
Del  mio  dipartimento, 
Chon  i»haio  parlamento 
Sì  chominciò  a  dire 
l*arole  da  partire 
Chon  grazia  e  chon  amore, 
E,  facciendomi  onore, 

Disse:  „ñ  di  latino, 
G, 


1125 


1130 


Ilio 


1115 


uarda,  che  I  gran  chammino 

Non  tomi  esta  semmana,       1 1 35 

Ma  (juesta  selua  piana. 

Che  tu  uedi  a  sincstra, 

C^.haualchcrai  a  destra. 
15  Non  ti  paia  trauallia. 

Che  tu  uedrai  san  fallía 

Tutte  le  gran  sentenze 

E  le  dure  credenze, 

E  j)OÌ  dal*  altra  nia 
20  Uedrai  filosofìa 


1140 


i()9  o  C  —  172  Quel  C  occidiano  Z  —  173  sforzai  M  spurgaua  Z  — 
174  /Mf  io  C  mirai  M  -  175  chorto  RCV  (Z  certo)  —  176  „Tanto  da 
ongni  lato"  G  /n  LSGMN(X*Z  folf^en  dû'  ï'rrx^:  L:  P^r  sapere  la  natura  | 
D*ongnuna  creatura.  „D*ogni  chriatura"  Z  --  ¡78  „Dauanti  a  me  presente" 
M  uiuente  R  paruente  GN  180  ff/i/f  E  C«  —  181  /rh/i  la  i.SGMBNCC«Z 
le  {stuff  lor)  C  -  -  182  E  llor  M  ?•.  /trA/f  Z  —  183  /th/f  lo  Z  -  184 
7».  184  186  incL  fehlt  LS  Et  lo  lor  C  *ncominciamento  M  —  186  E  la  R 
--  ¡88  7».  fehlt  LS  pensamento  GMZ  p/v)p<jnim^wto  N  -  -  189  „Tener  t  o 
ch*io  ne  uidi"  C'  Ritener  GC  Di  trattar  M  Di  tener  Z  che  ne  LN  ch*io 
ne  SR     -    190  mi  fidi  B  ¡91   contarle  LSGMNCC'Z    fehìt  lo  B   —   192 

infin  LSCìMN  insino  Z  -  iq-^  fehlt  C^,  li  au  m  für  einen  ì 'er  s  frei  „Ma  1 
bene  uolgare  et  puro"  Z  Ma  per  bel  R  fehlt  'n  SGC*  —  194  ne  sic  sichn- 
ro  R  non  paia  N  -  195  Uidi  certo  R  Fui  dirò  LMS  Io  dirò  G  Io 
dicerò  B     II  dicerò  N     Et  dicerò  C      I^  dico  Z     -   197  Qui  I-S    dcla  CC» 

—  198  fehlt  Per  C»     paion  Z. 

Cap.  XII  I  Et  da  jioi  Z  che  la  R  —  3  Dello  M  partimento  MZ  — 
4  fehlt  Chon  Z  l>ollo  LSGMZ  accolglimento  I>iMGZ  —  5  Mi  cominciò 
LSGMBNCC»Z         6  del  M         7  „Chon  grande  amore"  Z  —  %  fehlt  ¥.  BNX« 

—  <i  E  disse-<le  B  -  10  nel  statt  che  1  Z  —  ¡2  fehlt  Ma  B  per  questa  BK 
---  13  ..Che  tu  ai  sinestrana"  C  „Che  che  tu  uedi  a  sinestra"  Z  (In  V  fehlt 
ein  che)    fehlt  tu  G     uedrai  G     destra  N    —   14  sinestra  N  —  1$  ce  paia  C^ 

—  \(y  fehlt  Che;  Tunno  C  —  1«  sentençir  C  {sic\)  -  19  v.  fehlt  C  fekU 
E  B     Poscia  B     d'altra  R 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  H.  LATINOS. 


355 


E  tutte  sue  sorelle; 
Poi  udirai  nouelle 
Dele  quatto  uertute, 
E  ssc  quindi  ti  mute, 

25  Troverai  la  uentura, 
A  chui  se  poni  chura, 
Che  nonn  a  cierta  uia, 
Uedrai  baratteria, 
Che  n  sua  charte  si  lene 

30  Di  dare  e  male  e  bene. 

ESse  nonn  ai  timore, 
Uedrai  idio  d*  amore 
E  uedrai  molte  gente, 
Chcl  scruono  umilmente, 

35  E  uedrai  le  saette. 

Che  fuor  deParcho  mette. 
Ma  perchè  tu  non  chassi 
In  questi  duri  passi, 
Te\  porta  questa  'nsengnia, 

40  Che  nel  mio  nome  rewgna. 
F".  sse  tu  fossi  giunto 
D*  alchun  grauoso  punto. 
Tosto  la  mostra  fuore. 
Non  fie  sì  duro  chore, 

45  í^he  per  la  mia  temewza 
Non  t*  agia  in  reuerewza". 
E  io   gicchitam^/ite 
Riccuelti  1  presente, 
La  *nsengna,  che  mi  diede. 

50  Poi  le  basciai  lo  piede 


Capitolo 
1145 


1150 


XIII. 

E  mercè  le  gridai,  1175 

Ch'ella  m'auesse  ornai 
Per  suo  rachomaffdato. 
Et  quaf/do  fui  girato, 
55  Già  più  nolla  riuidi. 

Or  chonuen,  ch'io  mi  guidi  il 80 
Uer  là,  doue  mi  disse, 
Nanzi  che  ssi   partisse. 


II5S 


17  p 


1160 


1165 


1170 


Capitolo  Xm. 
uà  mastro  bumetto 
Per  un  sentiero  stretto, 

Cerchando  di  uedere  il 85 

E  tocchare  e  sapere 
5  Ciò  che  ir  è  destinato. 

E  non  fui  guarì  andato, 

Ch'  i'  fui  nella  deserta, 

Dou' io  non  trouai  certa        1190 

Né  strada,  né  sentero. 
IO  De,  che  paese  fero 

Trouai  in  quella  parte! 

Che,  ss'  io  sapesse  d*  arte, 

Quiui  mi  bisongnaua,  1195 

Che,  quanto  più  miraua, 
15  Più  mi  parea  saluagio. 

Quiui  no;in  a  uiagio, 

Quiui  no;in  a  persone, 

Quivi  nonn  a  magione.  1200 

No;i  bestia,  nonn  uccello, 
20  Now  fíumc,  non  ruscello. 


21  „Con  tutte  le  sorelle"  B  —  22  E  poi  RZ  uedera' R  —-24  frhlf 
sse  N  rimuti  N  tenete  {s/n//  li  mule)  Z  —  26  porrai  Z  —  27  /eh¿í  Che  R 
non  u'a  G  corta  M  —  28  la  materia  C  —  29  „Che  usa  cortesia"  Z  —  30 
„Dire  male  e  bene"  C  „De  dire  e  1  male  e  1  Ivn^»"  C  far  M  feh/f  e  LSGZ 
il  \fa//  e  N  lo  sfaft  e  H  cl  bene  BN  —  31  se  n'ai  Z  tremore  L  amore 
N  32  el  dioB  -  33  molta  LSMGBCC»Z  —  34  „Chui  lieta  e  cui  dolente" 
LSGZ  „Qual  lieto  e  qual  dolente"  M  s^rue  C*  frhU  1  C  —  36  „Che  fuori 
de  lor  coméete"  C  dal  B  —  37  „Ma  per  ch'era  no  cossi"  C  passi  Z  — 
38  Per  questi  Z  —  39  Ti  C  scngnia  R  —  40  Che  1  mio  C  —  43  lo  RSLC 
-  44  Et  non  sia  Z     sic  C         48  al  M    /fh/f  1  CC^  —  49  Del' insegna  che  B 

—  50  Et  poi  Z    li  BC    lo  C    li  piede  C»        51  li  BC»    chiamai  LSMGBNC»Z 

—  52  ormai  RC    —    53  acomandato  LSGCC    —     54  ffh/i  Et  N      io  fui  R 
voltato  M     giunto  C   —  57  Colà  LS     Inucr  Z  —  58  Anzi  MBNC»Z. 

Cap.  XIII  I  mostro  C*  ---  2  Per  lo  camino  LS  lo  Z  a  strecto  Z  — 
4  frh//  EN  —  8  ou'  G  cerca  C*  —  9  strade  Z  (-a  V)  —  il  quelle  parti 
LS  queste  parli  Z  -  12  sapcua  M  d'arti  LSZ  —  13  in  {sfaU  mi)  Z  —  14 
De  quanto  io  R  E  quanto  MBN  Ma  quanto  più  C*  migraua  Z  —  16  z/. 
ffh/t  Z  —  17  /o//rf  18  7n  R  —  18  Qui  Z  (fi-h/f  ui,  in  V  vorhanden)  —  19 
Né  —  né  LSBNZ  —  20  Non  —  nò  LS     Né  —  né  BNZ  — 


23^ 


356 


B.  WIESE, 


Né  formicha,  né  moscha, 
Né  chosa,  eh*  io  chonoscha. 

ET  io,  pcnsaniio  forte, 
Dottai  ben  delà  morte. 

25  E  non  è  marauijjlia, 
Che  ben  trecento  miglia 
Duraua  ci*  onfjne  lato 
Quel  paese  ismagiato. 
Ma  sì  m*  asichurai, 

30  Quando  mi  richordai 
Del  sichuro  sengnale, 
Che  chontra  tutto  male 
Mi  da  sichuramento. 
E  io  presi  ardimento 

35  Quasi  per  auentura 
Per  una  ualle  schura, 
Tanto  eh*  al  terco  giorno 
Io  mi  trouai  d*  intomo 
Un  grande  pian  giocondo, 

40  Lo  più  ghaio  del  mondo 
E  lo  più  dilettoso. 
Ma  richontar  nown  oso, 
Ciò  eh'  io  trouai  e  nidi, 
Se  dio  mi  porti  e  guidi. 

45  Io  no;/  sarei  creduto 
Di  ciò  chi*  o  ueduto, 


Capitolo  XIII. 

Ch'  io  uidi  inperadori 
Et  Re  e  gra«  sengnori  1230 

1205  E  mastri  di  scienze, 

50  Che  dittauan  sentenze, 
E  uidi  tante  cose, 
(.'he  già  in  rime  né  i«  prose 


Nolle  poria  ritrare;  1235 

1210  Ma  sopra  lutti  stare 

55  TJI^li  una  inperadrice, 
I..'    Di  chui  ia  gente  dice, 
Che  a  nome  uertute, 
Etl  é  •  chapo  e  salute  1 240 

121 5  Di  tutta  chostumanz.a 

60  E  delà  buona  usanza 
E  di  be'  regimenti, 
A  che  uiuon  le  genti. 
E  uidi  agli  occhi  miei  1245 

1220  Esser  nate  di  lei 

65  Quatro  regine  fíglie, 
E  strane  marauiglie 
Uidi  di  ciascheduna, 
Ch*  or  mi  parea  pur  una,       1250 
1225  Or  mi  parean  diuise 

70  E*n  quatro  parti  mise. 
Sì  eh'  ongniuna  per  sene 
Tenea  sue  propie  mene; 


21  Non  —  né  LSGC  —  22  Non  C  —  2^  fekìt  Et  C  -  24  „Allor 
dottai  di  morte"  M  —  25  Che  G  fehlt  é  RZ  —  26  in  statt  ben  R  —  27 
Dura  R  Giraua  LSGMZ  —  28  liisagiato  GC*  misasato  B  misagiato  N 
smisurato  Z  —  30  racordai  N  —  32  chonlro  a  GZ  *ncontra  C  uale  RM 
In  N  vrsprunglich  uale,  ivas  später,  anscheinend  von  andrer  Hand,  in  male 
verbessert  ist  33  E  dda  M  die  Z  —  34  Che  io  M  andamento  BCC  — 
35  „E  misimi  a  uentura"  M  uentura  Z  —  37  Tanto  et  al  Z  che  1  M  - 
38  fehlt  mi  R  —  39  ad  un  N  —  40  bello  C  —  41  fehlt  E  N  dengnetoso 
C»  —  42  Ma  già  contar  M  ricordar  BNCC'Z  noli'  BNC»Z  —  43  fehlt  Ciò  Z 
—  44  guardi  I-SGM  guaglia  Z  —  45  E  no«  MZ  -  46  creduto  C  —  48 
fehlt  Et  T^SZ  —  51  tuete  Z  —  52  né*n  —  né'n  L  né  —  nè*n  N  fehlt  \n 
beide  male  Z  fehlt  già  M  rima  BNC*  f^hlt  \n  CC*  —  53  chontare  R  ri- 
tare B  —  54  Ne  Z  tutte  TJ>GNC»Z  -  56  la  ragion  B  —  $7  Ch'eli* a  BN  — 
58  di  capo  N  Da  capo  C*  i  e  G  —  59  D'adorna  LS  Di  netta  N  Di 
tutta  buona  vsanza  Z  —  60  „Et  d'ongni  costumanza"  Z  bella  G  —  61  „E 
ddelli  reggimenti"  M  de' buon  LSCZ  bon  BNC>  —  62  fehlt  A  C  Et  anche 
uiuon  C  Et  che  Z  —  63  uidder  G  li  G  —  64  nati  RNC*Z  —  65  filij  Z  — 
06  strane  et  Z  —  67  Si  uidi  B  E  uidi  N  Et  uidi;  fehlt  di  Z  ciascuna 
BNC»  —  68  fehlt  eh'  GM  era  Z  fehlt  mi  S  parean  SGBMC»  luti*  una 
GMBNCC  —  69  parea  B  „Et  hor  mi  pare  nano"  Z  -  70  „In  diuise  et 
quattro  |  Parti  mise"  Z  —  71  ogune  C  ognune  Z  parsone  CZ  —  72  Tc- 
nean  RNZ  suo  M  prf?pemente  C  Nach  72  haben  I>iGMBNCC*Z  einen 
gemeinsamen  Einschub  von  4  Versen:  L:  í  Sua  corte  e  su  lengnaggio,  |  2  Su 
corso  e  su  vi.ii;gio,  |   3  E'n  sua   propia   magione   |  4  Tenean  corte  e  ragione 

1  „Et  auea  suo  lengniaggio"  CìBNCC*     M  {lioch  Ed  —  donnaggio)    fehlt  Z  — 

2  Lsuo  Z  —   3  Et  sua  CZ  —  4  Tenea  GMBNC  — 


DER  TESOKEITO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS. 


357 


Ma  non  già  di  paragio, 
Che  r  un*  è  troppo  magio, 
75  E  poi  di  grado  in  grado 
Chutuna  uà  più  rado. 


Capitolo  XIV. 
1255         25 


I  lI^  Io, 

IJdì 


Capitolo  XIV. 
eh'  auea  1  uolcrc 
più  certo  sapere 
La  natura  del  fatto, 
Mi  mossi  sanza  patto 
5  Di  domandar  fidanza 
£  trassimi  al'  auanza 
Dula  chorte  magiore, 
Che  u'è  scritto  1  tenore 
D'una  chotal  sentenza: 

IO  „Qui  demora  prodenza, 
Chui  la  gewte  in  uolghare 
Suole  senno  chiamare'*. 
E  uidi  nela  chorte, 
Là  dentro  fra  le  porte, 

15  Ouatro  donne  reali, 
Che'  n  chorte  principali 
Tenean  ragione  eii  uso. 
l*oi  mi  tornai  la  giuso 
A  un  altro  palazzo 

20  E  uidi  in  bello  stazzo 
Scritto  ¡)er  sottilglianza: 
,,yui  sta  la  temperanza, 
Chui  la  gente  talora 
Suole  chiamar  misura". 


1260 


p 


1265 


1270 


»275 


1280 


£  uidi  là  d' intomo 

Dimorare  a  sogiorno 

Cinque  gran  principesse,        1285 

E  uidi,  ch'elle  stesse 

Tenean  gran  parlame^nto 
30  Di  riccho  insengnam^/tto. 
Oi  nell'  altra  magione 
Uidi  in  un  gran  petronc  1290 

Scritto  per  sottilgliezza  : 

„Qui  dimora  fortezza, 
35  Chui  tálor  per  usagio 

Ualenza  di  choragio 

La  chiama  alchuna  ge«te".    1295 

Poi  uidi  inmantenente 

QUatro  ricche  chowtesse 
E  giente  rade  e  spesse, 

Che  stauano  a  udire. 

Ciò  ch'elle  uolean  dire.         1300 

E  partendomi  un  pocho 

Io  uidi  in  altro  locho 
45  La  donna  inchoronata 

Per  una  eh  ami  nata, 

Che  menaua  gran  festa  1305 

E  talor  gran  tem])esta. 

E  uidi,  che  lo  scritto, 
50  Ch'  era  di  sopra  fitto 

In  lettera  dorata, 

Dicea:  „io  son  chiamata        1310 

Giustitia  in  o/fgne  parte**. 

E  uidi  d' altra  parte 


73  „Non  igual   di    paragio*'  B   —    75  Ji  grado  a  grado  R    —    76  Cia- 
*;chun.i  LGSBNCC*     Caschuno  Z     in  rado  Al. 

Cap.  XIV  I  /e/i/t  1  SGMBNCC»Z  —  4  fihU  Mi  Z  misi  LSM  —  5  Per 
donianr  G  Per  dimandar  B  —  6  mossimi  B  —  8  „Che  scritto  n'  è  il  tenore'* 
BN  {liüch  ,.u'c**)  V.  fehlt  C  nome  Z  -  IO  (Juiui  C»  —  Il  sente  Z  fehlt 
in  M  —  12  „Senno  suole  appellare"  M  „Suole  pno  chiamare*'  Z  (V  può) 
Si  suol  N  —  13  Et  io  Z  nele  R  —  14  i/i  fra  Ile  GN  dalle  C»  —  16  fehlt 
'n  RLSGNZ  Con  C«  generali  M  -  18  ssuso  G  —  20  un  statt  in  BN  fehlt 
in  Z  spazzo  GM  -  21  sottilgliezza  R  —  22  temperezza  R  —  23  „La  quale 
la  gente  pura"  M  Quale  Z  —  24  Si  sole  B  appellar  M  —  25  li  B  —  28 
loro  statt  ch'elle  Z  stelle  C  -  29  Tenere  Z  —  30  ritto  C  —  31  Et  poi  Z 
d'altra  LG  dall'altra  SZ  all'altra  M  maggiore  V  (Z  ivie  R)  —  32  Si  uidi 
un  B  vidi  vn  N  I  uidi  un  Z  un  bel  M  —  33  sottigliança  NZ  —  34  pro- 
dezza M  -  35  tale  per  Z  —  36  Auanza  Z  37  chiamano  N  la  più  G  — 
38  udi  C  —  39  gran  L  Regine  Z  —  40  fehlt  EC  —  42  uoglion  CC* 
43  ¡ìarcndo  C  —  44  un  statt  in  RNZ  in  esso  B  —  45  donnam  chorata  R 
ciìfonata  LMCZ  —  46  V.  \^Lr  la  M  —  47  fehlt  Che  M  Vna  gran  M  mc- 
nauan  S  —  49  quello  Z  —  50  scripto  CZ  Ch'ò  C  —  51  lettere  R  „Ledere 
dorate"  Z  -  52  Dieta  (m!)  R  —  54  „E  ppo'vidi  in  disparte**  M  dal' altra 
RCZ     in  altra  LS  — 


358 


B.  WIESE, 


I3IS 


1320 


55  Quatro  maestre  grandi, 

£  ali  Jor  ckomandi 

Si  stauano  ubidenti 

Quasi  tutte  le  genti. 

Chosi,  s' io  non  mi  schonto, 
60  Eran  uenti  per  chonto 

Queste  donne  reali. 

Che  dele  principali 

Son  nate  per  lingnagio, 

Si  chôme  detto  u'agio. 
65  E,  ss'  io  chontar  uolessc, 

Ciò  eh'  io  ben  uidi  d'  esse 

Insieme  ed  in  diuisa,  1325 

Non  credo  in  nulla  guisa. 

Che  inn  iscritta  capesse, 
70  Né  che  lingua  potesse 

Diuisar  lor  grandore, 

Nò  1  bene,  nò  1  ualore.  1330 

Però  più  non  ne  dicho, 

Ma  ssì  pensai  chon  mecho, 
7i)  Che  quatro  n'  a  tra  lloro, 

Chui  io  credo  ed  adoro 

Assai  più  choralmente,  1335 

Perchè  llor  chonuene/ite 

Mi  par  più  grazioso 
80  E  ala  gente  inn  uso: 

Chortesia  e  larghezza 

E  Icanza  e  prode^ça.  1340 


Capitolo  XV. 

Di  tutte  e  quatro  queste 
Lo  puro  sanza  ueste 

85  Dirò  in  questo  libretto, 
Deir  altre  non  prometto 
Di  dir,  nò  di  rimare. 
Ma  chil  uorrà   trouare. 
Cerchi  nel  gran  tesoro, 

90  Ch'  io  farò  per  choloro, 
Ch'  anno  lo  chor  più  alto. 
Là  farò  grande  salto 
Per  dirle  più  distese 
Nvìla  lingua  franzcse. 


»345 


1350 


«355 


Capitolo  XV. 
I   /^\Nd*  io  ritorno  ornai 

\J  Per  dir,  chôme  trouai 

Le  tre  a  gran  dilizia 

In  chasa  di  giustitia, 
5  Che  son  suc  descendenti 

E  nnate  di  })arenti. 

1^  Io  m'  andai  da  chanto 
J  E  dimora*  ui  tanto, 
Chcd  io  uidi  larghezza 
IO  Mostrar  chon  gran  pianezza 
Ad  un  bel  chaualero, 
Chôme  nel  suo  mistero 
Si  douesse  portare.  13^5 

E  dicca,  ciò  mi  pare,: 


1360 


55  maestri  NC  —  56  a  lor  K  „Ch'agli  loro  comandi**  Z  —  57  /eà/t 
Si  LMBNC     aduedere  ubidienti  Z  -    59  /cha  s' io  Z         60  uenuti  G     XV  Z 

—  63  nante  Z  linguagio  K  O5  cantar  Z  —  (»6  „Ciò  ch'i' di  lor  s;ipesse'* 
M  v.  fehlt  C  ;  Raum  für  v.  frei  Lo  ben  eh'  io  B  che  fehU  io  N  uedesse 
{statt  uidi  d'esse)  KSG  ui  dicessi  Z  —  67  o'n  LM  diuise  C*  —  68  guise 
C  -  69  ,,Che  scriptura  potesse"  C  „cjhe  ne  sehripla  campasse**  Z  iscrit- 
tura  R     iscritto  MB   —  70  v.  fehlt  C     O  che  LBN    fehlt  che  Z     parlasse  Z 

—  71   O  diuisare  Z     lo  GNCZ     loro  onore  M  —  72  „E  llor  bene  e  ualore  M 
—  73  „Per  proprio  nome  dico**  Z     ])0Ì  {statt  più)  N     non  uè  C*     reco  M  — 

75  V.  fehlt  Z  „Che  quatto  u'a  collorc^'*  C^  -  "¡d  fhlt  io  RLMNC»Z  feh/t 
ed  R  —  78  Ilo  Z  -  «O  Ch'  ala  R  le  gienii  Z  gente  a  inteso  N  —  82  fehlt 
E  BNC«  Lielladc  fìXC>  —  83  fehlt  e  LSGBNCC»  (tutt'e?)  —  84  io  {statt 
Lo)  G  —  85  sin  N  —  86  „Di  lucie  non  promeelo**  Z  altro  RN  -  87  trarc 
R  contare  LS  —  88  fehlt  1  M  le  BNC»  uol  BNC»  —  90  Ch'i' o  falto  RNZ 
Ch'è  fatto  GC»  91  color  {statt  lo  chor)  C  —  92  T  là  GZ  il  gran  LSG  un 
statt  grande  N     assalto  B  -  -  93  dire  fehlt  le  R 

Cap.  XV  I  ormai  R  —  2  eom'i'  LSMGBNCC'Z  —  3  „le  quattro  di  bê- 
tifia" (j/fc!)  N  „Le  altre  C  „Le  tre  grandi  là"  Z  quattro  in  M  ad  C*  — 
6  de'  S  „Î  nate  di  sue  genti"  GMBN  {doch  suagcnte)  CC'C-  {dock  nati  de 
soi)  Z  ~  7  fehlt  E  N  n'  LSMNCC'C:-  fehlt  m'  GB  demoraici  C«  —  9 
„Ch'i  nidi  che  llarghezza**  R  la  riechcza  Z  —  io  fehlt  gran  R  —  II  Ed 
un  C  —  13  S'io  (Icucsse  C  --  14  dicie  RC  a  cciò  C  inparc  {:itatt  mi 
pare)  Z    foli;t  in  C  „E  colando  li  dico  io**  — 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS. 


359 


Capitolo  XV. 


15  „Se  tlu  uuoli  esser  mio, 

Di  tanto  t*  and' io, 

Che  nullo  te«po  mai 

Di  me  mal  no/iu  aurai,  1370 

Anzi  sarai  tuttorc 
20  In  grandezza  e  inn  onore; 

Clic  j^ià  om  per  larghezza 

Non  ucnne  in  pouerezza. 

Uer' è,  ch'assai   persone  1375 

Dichón,  eh'  a  mia  chagione 
25  Anno  r  auer  perduto, 

E  eh'  è  loro  auenuto, 

Perchè  son  larghi  slati, 

Ma  troppo  sono  errati;  1380 

Che,  chorno  è  largho  qM^'lli, 
30  Che  j)ar,  che  ss*  achapilli 

Per  una  pocha  chosa, 

Oue  onor  grande  posa, 

E'  n  un'  altra  bruttezza  1 385 

Farà  si  gr;m  larghezza, 
35  Che  lie  disniisuranza? 

Ma  tu  sapie  'n  certanza, 

Che  nuli'  ora,  che  ssia, 

Uenir  non  ti  poria  ^390 

La  tua  ricchezza  meno, 
40  Se  tti  tieni  al  mio  freno 


Nel  modo,  eh'  io  diragio. 

Che  quelli  è  largho  e  sagio, 

Che  spende  lo  danaro  '395 

Per  saluar  lo  ghostaro. 
45  Però  in  ongnc  lato 

Ti  menbri  di  tuo  stato 

E  spendi  allegramente, 

E  non  uo,  che  sghomente,    1400 

Se  ppiìi  che  ssia  ragione 
50  Despendi  ale  stagione; 

Anz'c  di  mio  uolere, 

Che  ttu  di  non  uedere 

T' infmghe  ale  fiate,  1405 

Se  danari  o  derrate 
55  Ne  uanno  per  onore: 

Pensa,  che  ssia  1  migliore. 

E,  sse  chosa  adiuengha, 

Che  spender  ti  chonue/fgha,   14 io 

Guarda,  che  ssia  intento, 
òo  Sì  eche  non  paie  lento; 

Che  dare  tostamente 

E  donar  doppiamente, 

E  dar  chôme  sforzato  1415 

Perde  lo  don  e  1  grato. 
65  Che  molto  più  risplende, 

Lo  pocho  chi  lo  spende 


ìb /t'à/t  ¿  t'accerto  io  MN  ti  lìd' B  t' adisio  C  dicertio  C*  te  certo 
io  C^  —  17  „di  nullo  N  -  -  20  grandezze  GC-*  /f/t/l  inn  BC**  ricore  C'C*Z 
-  21  Che  mai  C'C*  —  22  uiene  C  —  24  Dico  Z  eh' a  una  K  e' anno  C 
ragione  Z  25  lo  lor  Z  -  2Ö  Ed  è  lor  M  eh' a  llor  C  diuenuto  LSGM 
NBCC'C-  —  27  /dhä  son  C«  —  28  „Ma  ei  son  molto**  C-«  molto  MG»  — 
29  /c'/t/i  Che  GB  no//n  è  M  Com  ser;\  B  /ea¿¿  e  C=*  —  31  „Prima  poca 
cosa**  C  picciola  N  —  ^2  „et  d'una  grande  posa"  C^  Dou*  LGSMBNC*Z 
l'onor  »i  posa  M  onor  a  C  et  gran  Z  —  ^^  fehlt  'n  C  --  34  Faui  C*C* 
Karia  G  —  35  ismisurata  C  smiranza  Z  -  36  fehlt  tu  Z  abbi  M  —  37 
Cile  \^r  M  nulla  cosa  C  nollara  C*-*  —  40  tt' attieni  MC'C^Z  —  41  mondo 
C  42  „auerai  gran  uantagio'*  C  —  43  lo  darò  C  —  44  lo  suo  stato  Z  — 
45  M  \ierb  MZ  46  nienbritj  C-  Ti  rimembri  Z  fehlt  di  C  del  tuo  N  — 
47  Ma  spendi  LSGZ  Ma  prendi  C  larghamente  M  alagranmente  C  —  48 
Né  non  LSGC  „Z  non  doctar  niente"  C-*  —  49  Che  sse  pili  C  —  50  ala 
IJSGMBC'C-Z  -  51  An¿\  fehlt  è  KGC'Z  Anch' è  C^  del  N  —  52  non  di' 
rj  no  dei  C^  uolere  CZ  —  53  Te  tingi  C*  ala  fiata  C^  stagione  C  — 
:^4  derrata  C-  —  56  Pensan  C  —  57  „E  quand' elgraddiuengna**  M  fehlt  H 
N  diuengna  LSC(ìB  —  59  „Fa  che  ttu  sia  attento**  M  attento  GZ  —  60 
„«le  non  esst-rui  lento"  C^  —  61  donar  LSGZ  Che  il  dar  M  tostanamente 
BNC  —  62  Et  donar  C  dare  C*'  conpiutamente  N  In  Z  folgt  „Che  do- 
nare lardi"  63  „E  come  sforzato"  Z  Che  dar  GN  (dare)  Chi  da  M  „E 
chi  da  coni  ho  sformato"  B  donar  LSC  —  64  „Si  prende  e  1  dono  e  1  grato" 
Z     Per  lo  K      perdón  lo  N     1  {statt  e  1)  C'-*   —    65  E  M      spende  R  — 


36o 


R.  WIESE, 


Tosto  e  a  llarghn  mano, 
Che  que',  che  da  lontano      1420 
E  tardi  e  chon  durezza 
70  Dispende  gran  ricchezza. 
Ma  tuttauia  li  guarda 
D'  una  chosa,  che  'nbarda 

LA  gente  più  che  1  grado:   1425 
Ciò  è  giocho  di  dado. 
75  Che  nno;/n  è  di  mia  parte, 

Chi  ssi  gitta  in  quell'  arte, 

Anz'  è  disuiamento 

Et  grande  strugimento.  1430 

Ma  tanto  dicho  bene, 
80  Se  ttalor  ti  chonuene 

Giochar  per  far  onore 

Ad  amicho  o  sengnorc, 

('he  ttu  giuochi  al  più  grosso  1435 

E  no//  dire  io  no«  posso. 
85  Nonn  abie  in  ciò  uilezza, 

Ma  lieta  ghalliardezza. 

E,  ssc  tu  perdi  posta, 

l*aia,  che  now  ti  chosta;        1440 

Non  dicer  uillania, 
90  Né  mal  motto  che  ssia. 

ANchor,  chi  ss'  abandona 
Per  astio  di  persona 


Capitolo  XV. 

E  per  sua  uanagloria,  1445 

Esce  delà  memoria; 

95  E  spender  malamente 

No/i  m'  agrada  neente. 
E  molto  m'  è  rubello, 

Chi  dispende  in  bordello       1450 

E  uà  perdendo  1  giorno 
100  In  Temine  d'intorno. 

Ma,  chi  di  suo  bon  chore 

^Vmasse  per  umore 

Una  donna  ualentc,  1455 

Se  ttalor  largharaÉr//te 
105  Dispendesse  o  donasse, 

Non  sì  che  foUegiasse, 

Bello  si  puote  fare. 

Ma  noi  uoglio  aprouare.        1460 

ETengno  grande  schema. 
Chi  dispcnde  in  tauema; 
E  chi  in  ghiottornia 
Si  gietta  o  in  beueria, 
È  pegio  eh',  omo  morto  1465 

E  1  suo  distrugie  a  torto. 
1 1 5  E  o  uisto  persone, 

Ch'  a  chonpcrar  chapone, 

Pernice  e  grosso  pesce 

Lo  spender  noli'  tncresce,      1470 


67  „Così  to  e  largamente**  Z  fehlt  e  N  fehlt  a  LCC^  con  BN  ab 
largche  C-  —  08  O  che  quelli  che  C  di  LSGMBNCC«Ca  —  (¡^  foigt  70  in 
KC^  fehlt  ¿n  C  und  C;  in  letzterem  cod.  zwischen  70  und  7 1  Raum  fur  einen 
Vers  frei  fehlt  E  BZ  fehlt  e  RC-*  dureççe  N  —  70  Dispender  NC«  Di- 
spende/íte  (.••  larghezza  MBÍ^C-^Z  largheççe  C>  —  71  Et  B  riguarda  {statt 
ti  g.)  NZ  -  72  „D'una  cosa  gambarda**  C  73  „La  giente  piccolo  grado** 
Z  eh'  al  RMC  —  74  è  1  MNZ  del  dado  MNZ  —  75  e  pparte  Z  —  76  Chi 
seqta  C  chi  seguila  C"-*  Che  Z  fehlt  in  C  —  77  „Ch'elli  è  desuianicrfflo** 
C  che  gran  disuiame//lo**  C-  fehlt  è  Z  dislrugimento  NZ  —  78  disuia- 
mento NC'Z  p^rdemtnto  C*  —  79  lutto  NZ  dico  io  BC'C*  li  dico  Z  — 
82  fehlt  All  MZ  od  a  RLSGBNMCC-»  —  83  „che  tu  giochi  bengrosso**  B 
il  più  Z  —  85  in  te  R  be  uileçça  C  —  86  „Ma  getta  gagliardeçça**  C  — 
88  moti  costa  i^  —  89  Et  non  dir  Z  —  91  Ch' ancor  C^  —  93  O  GMBNC»C« 

—  95  Che  M     A  BNCC'C-  —  '96  agradaua  C     inte  C>  —  97  ne  statt  m'è  C 

—  98  Chi  spende  il  suì)  in  N  <Jhe  C*  spendono  C*  —  99  „Ma  perdendo 
lorno**  C-  O  M  i^pcndendo  N  -  loo  Chon  feniina  Z  —  105  X  GZ  ouer 
B  —  106  Ma  non  che  Z  108  non  òtait  noi  MC  —  III  O  C»C*  prr  LS 
V.  fehlt  Z  —  112  „Et  chi  in  beueria  bi  gietla'*  Z  fehlt  o  LSNC  --  H3  El 
G    Etd  è  C'C^  -     114  (hi  1  suo  (t     II  suo  BZ     chi  1  sc  C»    dUpende  LN 

—  115  vv.  115— 119  f nel.  fehlen  in 'S  I'o  BM»  Et  in  uista  O»  uiste  RM  * 
persona  (^"^ —  iiO  Che  chonperan  RSGMNZ  Che'n  comparar  B  Chi  cöprra 
C'^  Che  conperar  i.'C  Che  compera  M*  -  117  o  MC*  fehlt  e  C  grosse 
C'Z  pascie  C^  spese  Z  —  118  se  spender  C=*  non  GMM'CC'O*  rincrescie 
GMM  '  C    - 


DER  TESOREllO  UND  FAVOLELLO  H.  LATINOS. 


361 


1475 


Che,  chôme  uul  sien  chari, 
120  Pur  truouansi  danari, 

Sì  pagha  'nman tenente 

E  crede,  che  la  gente 

Li  li  pongha  illarghezza; 

Ma  ben  è  gran  uilezza 
125  Ingholar  tanta  chosa, 

Che  già  fare  no«n  osa 

Chonuiti,  né  presenti, 

Ma  cholli  propi  denti  1480 

Mangia  e  diuora  tutto. 
130  Eccho  chostume  brutto! 

Mad'  io,  s' io  m'  auedesse, 

Ch'  egli  altro  ben  facesse 

Unqua  di  ben  ma/igiare,        1485 

Nollo  dourei  blasmare. 
I  35  Ma  chil  naschondc  e  fuge 

E  chonsuma  e  dislrugic. 

Solo  che  ben  si  pasce, 

Cierto  in  mal  punto  nascie.   1490 

ACci  gente  di  chorte, 
Che  sono  use  ed  achorte 
A  sollazzar  la  ge/ite. 
Ma  doman  dan  souente 
Danari  e  uestimenti.  1495 

Cierto,  se  tu  ti  senti 
145  Lo  poder  di  donare. 
Ben  dei  chortesegiare. 


Capitolo  XV. 

Guardando  d'  ongne  lato 
Di  ciaschun  lo  suo  stato. 
Ma  già  nonn  ubliare, 
150  Se  ttu  puoi  megliorare 
Lo  dono  in  altro  locho. 
Non  ti  uincha  per  giocho 
Lusingha  di  buffone; 
Guarda  locho  e  stagione. 


1500 


1505 


155 


ANchora  abi  paura 
D'il 


mprontare  a  usura; 

Ma  se  tti  pur  chonuene 

Auer  per  spender  bene,         15 IO 

Pregho,  che  rende  iuaccio, 
160  Che  nonn  è  bel   prochaccio, 

Xè  piaceuol  chonuento 

Di  diece  render  cento. 

Già  d'usura,  che  dai,  1515 

Nulla  grazia  no//n  ai, 
165  Nò  n  ciò  no/m  a  larghezza. 

Ma  tua  gran  pigrezza. 

Ben  forte  mi  dispiace 

E  gran  noia  mi  face  1520 

Donzello  e  chaualero, 
170  Che,  ijuando  un  forestero 

Passa  per  la  chontrada, 

Non  lascia,  che  no«  uada 

A  farli  chonpangnia  1525 

In  chasa  e  per  la  uia. 


\\^  fehlt  Che  MBCM'     uonglion  MM>   —    120  „Purché  se  ne  truouj  a 
ddanarj"  M'     truouinsi  SGMBCC*     truouisi  NC-^Z     i  danari  RZ     a  danari  M 

—  121  Et  pagha  C-  „Si  paghan  mantene//te**  R  ¡)aghan  M'  ìcontancnie  M 
larghamente  M >  —  122  credon  RLSGMBNCC'M'  —  123  Glile  LSGMNC'Z 
Glel  B  Nur  Lo  C-  Nur  gli  M'  in  LSNM'  í  gra//  largheça  B  a  lar- 
ghe<;\a  CC'Z  In  C-  in  Col.  3  ivieilerholt  -  124  Ma  gli  è  Z  Col.  \  wieder- 
holt in  C^*  —   125  Ingoiar  N         120  far  già  N    fehlt  fare  M«     noli'  C«C-Z  — 

127  Chonuito  G     Inuiti  C'C"^     „Chonuienli  nel  presente"  Z     o  statt  né  N 

128  co  suo  M  Ma  suo  propii  C  Ma  gli  suoi  propij  M'  —  129  Mangian 
C  Magi  C  diuoran  R  —  130  E  cciò  G  E  chon  M'  —  131  Ma  se  io 
MNC'C^Z  fehlt  s'io  C  -  133  Vn' opera  Z  —  134  Noli  L  —  \l^  fehlt  1 
ce-«  —   \ib  fehlt  E  Z   -   137  E  ssolo    fehlt  che  M     Sol  ch'el  Z     chi  LSBC 

—  138  certe  C^  in  mal' ora  N  —  139  a  chi  C'-*  Aui  Z  —  140  „Che  son 
use  in  corte"  BN  (vsi  a)  C^  (a)  Z  (ad)  ,,Che  uomo  us'é  acorte"  C  „Che 
sonno  sì  acco/rte"  C-  usi  S  -  142  domandar  N  domandoti  C  domanda 
C^  —  143  o  LSB  -  144  certe  C-  fehlt  ti  C^  —  145  da  BC»  --  146  puoi  C» 
puio  C'^  cortegiare  B  cortesiare  (^'C'-*  —  148  ciaschedun  N  fehlt  lo  MN 
di  suo  B  loco  suo  C  -  149  mangia  C  —  1^0  fehlt  C  —  15 1  dapuo'  {statt 
Lo  dono)  Z  alchun  R  —  153  Vsanya  C'C'-'  155  vv.  155 — 184  incl.  fehlen 
in  BNCCC*-*  -  156  D'acatlare  LSM  Di  prestare  Z  —  159  Pregoli  Z  che 
1  LS    —    163  E  M     Che  già  —  ch'ai  Z  --  165  Né  in  ciò  a  M      Né  cciò  G 

—  166  tutta  GMZ  —  Î67  E  forte  M  -  168  v.  fehlt  Z  —  169  o  LSGZ  — 
172  Se  lascia  M    fehlt  Non  Z     lasciar  G  —   ^74  a  cchasa  G     o  Z  — 


302 


B.  WIESE, 


175  E  gran  chose  promette; 
Ma  altro  nun  ui  mette. 
Chosi  ten  questa  mena; 
K  chi  lo  'unita  a  cena, 
Terrcbe  ben  lo  'nullo; 

l8ü  Non  farebe  chonuito, 
Seruij^io,  né  presente. 
Ma  ssai,  che  m'  è  piagc//te, 
Quanilo  uene  un  forese, 
Di  farli  ben  le  spese, 

185  Sechondo  che  ss'auiene; 
Che  1  presentar  ritiene 
Amore  c'ti  i;/noran¿a, 
Chonpanj^nia  ct/  usanza. 
E  ssai,  eh'  io  molto  lodo, 

190  Che  ttu  a  onj^ne  modo 
Abi  di  belli  arnesi, 
Et  jiriuati,  e  palesi. 
Sì  che  n  chasa  e  ili  fore 
Si  j)aia  1  tuo  onore. 

19s    17  J»  ^^'  ^u  Ì^iii  chonuito 
Li  Ü  chorredo  bandito, 
Fai  prouedutame//tc. 
Che  non  falli  neente. 
Di  tutto  inanzì  pensa, 

2ÜO  E,   quando  siedi  a  mensa, 
Ntjn  fare   un  laido  pillio, 
Non  chiamare  a  chonsillio 
Sinischalcho  o  serijez/te. 
Che  da  tutta  la  ^entc 

205  Sarai  se  liar  so  tenuto 
E  non  ben   proueduto. 


•S3S 


CS40 


»54S 


oy 


1555 


()' 


Capitolo  XVI. 

Mai  t'  o  detto  assai  ; 
l'er  ciò  ti  partirai 
E  dritto  per  la  uia 
1530       2 IO  Ne  uà  a  chortesia 

E  preghal  da  mia  parte, 
Che  ti  mostri  su'  arte. 
Che  j^ià  non  uegio  lume 
Sanza  suo  bon  chostume**. 


i:;6o 


1365 


i; 


Capitolo  XVI. 
O  chaualer  ualente 
Si  mosse  isnellamente 
E  \^ìo  sanza  dimora. 
Locho  doue  dimora 
5  Chortesia  graziosa, 
In  chu  i  ongnora  posa 
Pregio  di  ualime//to. 
E  chon  bel  gechinuvito 
I-a  preghò,  che  'nsengnare 

IO  Li  douess'  e  mostrare 
Tutta  la  maestria 
Di  fma  chortesia. 
Ed  ella  inmantenente 
(^hon  bel  uiso  piace/ite 

15  Disse  in  questa  manera 
Lo  fatto  e  la  matera: 
,,Sie  certo,  che  larghezza 
E  1  chapo  e  la  grandezza 
Di  tutto  mio  mistero, 

20  Sì  eh'  io  non  uaglio  guero  ; 
li,  ss'  ella  non  ni"  aita, 
l*ocho  sarei  gradita. 


1370 


1373 


iñSo 


1385 


175  Ma  M  íp/'omette  Ci  176  E  M  -  177  „Se  nnon  di  questa  mena'* 
M  178  ma  echi  Cr  /c/t/l  E  Z  —  180  Et  non  Z  —  182  „Ma  si  come  pla- 
ciente*' Z  183  forestiere  Z  -  184  larui  LSG  prese  Z  —  \%()  fvhlt  1  R 
presente  O  189  che  fe/i/t  io  M  loco  C  -  190  et  d'ogne  C*  —  102  celati 
N  primati  Z  -  193  fchil  'u  C^  —  194  al  Z  —  197  i>/'i;uendeutamêtÉf  C*  — 
fo8  sì  che  N  -  102  E  non  1<  Né  Z  -  203  M/uent*'  C-  —  206  o  non 
GIUC'C-  -  207  t'ì''-  -  ^08  IV/Ò  LSCMHNCZ  dipartirai  K  —  2i)<)  fiMt 
E  C      ritto  M     directo  \ur  altra  C-    -  2io  Te  ne  N     Neuna  C    fifi/t  a  RC 

—  211   /•////  1  MHC-^  212  mmi  C      'nsengni  LSGZ     tua  Z  —  213  Ch'io 
LSGMBNCC'C^Z     non  ucgj^io  già  N     neghi  Z     -  214  lo  suo  KM     bel  M. 

Cap.  XVI  2  smosse  Z  matteiuntc-  C-*  —  4  Colà  doue  M  oue  KGI>S  — 
3  gronsa  C^  -  7  „ptv  ciò  de  iialiamcnto"  C-  et  statt  di  Z  -  8  fvh/t  K  BNC* 
diporiamentt)  1^  agediimcnto  N  —  9  mostrare  LS(t  —  io  *nsengnarc  1-iìG — 
II   mastra  uia  N  13   f'ih/t  Ed  il         14  buon  KC    -    15  matera  M  —  16 

manera  .MZ    —    17  cha  \\     la  larghc^a  C>     -    18  Et  C     /Mt  1  BC«     et  è 
grandeçi^a  H     ricche/.a  Z         !o  1  mio  C-    -  20  uoglio  guerio  Z  —  21   Che  Z 

—  22  sarai  (X' 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LALINOS. 


òàò 


Ella  è  mio  fondam^/tto, 
E  io  suo  dorami/Ito 

25  Et  cholore  e  uernice. 
Ma,  chi  lo  buon  uer  dice, 
Se  noi  due  nomi  auemo, 
Quasi  una  chosa  scmo. 
Ma  a  tte,  beli'  amicho, 

30  Primeram^/ite  dicho, 
Che  nel  tuo  parlanwwto 
Abi  prouedinv/ito. 
Non  sia  troj)po  parlante 
E  pensati  dauante 

35  Quello  che  dir  uorrai. 
Che  non  retorna  mai 
La  parola,  eh'  è  detta, 
Sì  chôme  la  saetta. 
Che  uà  e  non  ritorna. 

40  Chi  a  la  lingua  adorna, 
Pocho  senno  gli  basta. 
Se  per  follia  noi  guasta. 
E  1  detto  sia  soaue, 
E  guarda,  non  sia  graue 

45  In  dir  ne'  regimenti; 
Che  non  puoi  ale  gewti 
Far  più  granosa  noia. 
Chonsiglio,  che  si  moia, 


1615 


1590 


N' 


Î62O 


1595 


162: 


1600 


Capitolo  XVI. 

Chi  spiace  per  grauezza, 

50  Che  mai  non  si  ne  suezza. 
E,  chi  no;in  a  misura, 
Se  fa  1  ben,  sì  lo  fura. 
'On  sia  iniççatore, 
Né  sia  redicitorc 

55  Di  quel  eh'  altra  persona 
Dauante  a  te  ragiona, 
Né  no//n  usar  rampo/<gna, 
Né  dire  altrui  uerghongna, 
Né  uillania  d'  alchuno  ; 

60  Che  già  no/in  è  nessuno, 
Chui  non  posse  di  botto 
Dicere  ulaido  motto. 
Né  no«  sie  sì  sichuro, 
Che  pure  un  motto  duro, 

65  Ch'  altra  persona  toccha, 
T'  escha  fuor  delà  boccha, 
Che  troppa  siclmranza 
Fa  chontra  buona  usanza. 
E  chi  sta  lungho  uia, 

70  Guardi  di  dir  follia. 

MA  ssai,  che  tti  choma/tdo 
E  pongho  a  greue  bawdo, 
Che  1'  amicho  da  bene 
Innora,  quanto  tene  1640 


1630 


IÒ05 


1635 


1610 


23  „Et  ella  cunu  fondami^wto"  C  E  lo  mio  NZ  —  24  son  suo  R  fu* 
staU  suo  Z  addornamento  MNCZ  duramento  C**  -  25  chore  Z  —  26  E  chi 
NC« ('2  llor  C^  ben  GNC'C''  lo  uer  ben  B  /c/iU  buon  Z  -  27  „Ben  che 
Juo  nomi  auemo**  M  d*  uno  Z  —  29  /t/i/i  a  RGCZ  —  30  Primame//le  ti 
MCC'C*  Priniemente  si  B  Primamente  lo  N  --  ^^  chórente  G  —  34  so- 
uenie  G  35  „Quello  che  Irouerrai"  Z  —  36  „Per  che  non  torna  mai'*  B 
J>h/¿  non  C  ritorni  NC-'  —  40  Ma  chi  a  N  /c/t/i  a  K  —  42  no  sia/t  noi  R 
la  sfait  noi  Z  -  43  „e  1  tuo  detto  sia  breue**  N  II  LSGMBCC'Z  L  C-* — 
44  E  uolghar  no«  RM  (El  uolghar)  %  non  C  —  45  „Nelli  tuoi  reggimenti" 
M  né  in  SGBC-'Z  —  46  Ma  no/i  C  „ma  no  pò  ¡)oi  ali  gc//lj*'  C***  ft/i/t 
non  Z  —  47  Sarai  j)iìi  Z  greue  NC'C^  —  48  ssia  C'**  muoia  NZ  -  49  Che 
C*  —  50  Giamai  non  ß  -  51  „Chi  parla  oltre  misura**  M  cui  C  En  cuj 
r^  fehlt  E  Z  —  52  Se  dice  ben  M  l'oscura  BNC'C^^Z  —  53  E  non  M 
inmezatore  C*'*  anuntialorc  Z  —  54  v.  fehlt  Z  „Et  no  sia  riditore*'  C'C- 
55  ch'altre  persone  Z  —  57  fehlt  Né  L  Et  GMNCC'C-'  Non  ne  Z  men- 
zogna Z  -  58  V.  fehlt  Z  Non  C'C-  d'altrui  M  menzoA/gna  RLSM  —  59 
ad  aleono  C-  —  U\  Che  GMCC-  sia  Z  —  62  „Di  dicicre  ala  laido  mocto"  Z 
un  tal  C  -  63  Non  esser  sì  B  he  R  E  no«  sia  MNCZ  sia  fehlt  si  Z  — 
04  per  noi  motto  R     p**r  un  (ìNC-     pure  a  Z  —  65  Ü  e' altra  C     Et  altra  Z 

—  66  Non  t'e^cha  NZ  di  boccha  NZ  —  67  ttroppa  S  —  bc)  fehlt  E  R 
E  sse  si  ai  M     Se  tu  stai  C-  —  70  ila  B     statt  di  ein  Loe  h  in  C'-*    fehlt  dir  Z 

—  71  Et  sai  Z  ch'io  li  BNC'C^  —  72  Et  inpono  a  gran  BN  Inpongo  a 
gra«  C  Etd  in  poco  a  gran  C  a  te  pono  gran  C-*  Et  pongo  ad  grande 
Z  in  graue  M  —  73  de  RC*  —  74  „Tu  l'ami  (pianto  tene"  BN  (come  tee) 
C'C^     tiene  Z  — 


3^4 


B.  WIESE, 


Capitolo 


75   A  piede  ed  a  chauallo. 
Xè  già  per  pocho  fallo 
Non  prender  i^mosso  chore, 
l*er  te  non  Ìiilli  amore. 

E  Abie  scni)re  a  me//le  1645 
D'  usar  chon  buona  gewte 

E  dal'  altra  ti  parti, 

Che,  sì  chôme  dell'  arti. 

Qualche  ui/.io  n'apre//di. 

Si  ch'anzi  che  tt' ame^z/di  I65U 
85  N'aurai  danno  e  disnore. 

Però  a  tutte  1'  ore 

Ti  tieni  a  buona  usanza, 

Perciò  eh'  ella  t'  auanza 

In  i)regio  t\i  in  ualore  1655 

90  E  fa  tt'  esser  migliore 

E  dà  bella  figura; 

Che  Ila  buona  natura 

Si  rischiara  e  pulisce, 

Se  1  buon  uso  seguisce.  1660 
95  ^la  guarda  tutta  uia, 

S'  a  quella  chonpangnia 

Tu  j)aressi  granoso. 

Di  gir  IVO//  sie  più  oso; 

Ma  d'altra  ti  prochaccia,  1665 
100  A  chui  1  tuo  fatto  piaccia. 

Amicho,  e  guarda  bene: 

Chon  più  riccho  di  tene 

Non  li  chaglia  d'usare, 


XVI. 

Che  starai  p^-r  giullare,  1670 

105  O  spenderai  quant' essi. 

Che,  se  tu  noi  facessi, 

Sarebbe  uillania, 

E  pensa  tuttauia. 

Che  llargha  inchomi/2ciaȣa  1675 
I  IO  Si  uuol  perseueranza. 

Dunque  dei  pröuedere, 

Sel  porta  tuo  podere, 

Chel  faccie  apertame/fte. 

Se  now,  si  poni  menio.  1680 

115  Di  non  far  tanta   spesa. 

Che  poscia  sia  ripresa; 

Ma  prendi  usanza  tale, 

Che  ssia  chon  techo  iguale. 

E,  s'auanzasse  un  ]yocho,      1685 
120  Non  ti  smaghar  di  locho. 

Ma  spendi  di  paragiu; 

Non  prendere  auaiitagio. 

E  ))ensa  ongne  fiata, 

Se  nella  tua  brighata  1690 

ir. 5  A  omo,  al  tuo  parere, 

Men  potente  d'  auere, 

Per  dio  nollo  sforzare 

Più  che  no;<  possa  fare. 

Che,  se  per  tuo  chonforlo    169S 
130  Lo  suo  dispcnde  a  torto 

E  torna  in  basso  stato, 

Tu  ne  sarai  biasmalo. 


76  E  SG  danno  Z  —  77  „Non  ingrossar  di  core**  M  /«  C  //^ 
chore;  (Jb.  schrieb  es  hin  —  78  ristea  Z  onore  M  —  8 1  d'altra  R  —  Í2 
ssia  C"^  dal' arti  HCN  —  83  qualunque  N  ne  prendi  GNC»C«  —  84  ^^^ 
menai  ce-'  -  85  N'ai  MHNC*^  N'auerC  N'auerei  Z  o  C«  —  87  rr.  87 
und  88  fehlen  Cr  T'attieni  MZ  con  BNC«  88  IVrò  LSMNZ  —  89  onoie 
ESGCZ  —  01  Et  a  BC  —  92  cha  da  C'^  bella  C^  uentura  C  —  93  ¿^ 
Si  GZ  richiama  C  —  94  E  1  N  —  95  guardati  R  —  96  se  quella  C'C%  — 
97  i"<)sse  R  -  -  98  si  pin  uso  C'^  —  99  Et  Z  altro  RZ  altri  BCC'C»  —  100 
feßiit  1  C^  -  loi  fehlt  e  LSGBNZ  —  102  ti  tene  CZ  —  104  Che  RL  O 
stari  e:  Co//  C  stai  Z  jx-r  iguale  C  —  105  E  BNZ  spendemi  C  ^  106 
Et  se  Z     -   107  Faresti  LSGMZ    -  108  Spensa  R  —  109  comÌDciftiiza  LNC4 

—  \\z  fehlt  \  Z    il  tuo  BCH:-  —  115  tali  spese  G     tale  M    tutta  ÌH>«i*^ 

—  fio  che  sia  possa  C-  poi  N  sie  R  sian  G  riprese  G  —  \\Ì  JM 
chon  B  —  119  „Ma  s'auanzassi  in  pocho"  R  -  120  „Non  ti  partir  di  wx/^ 
MCC»  (mutar  de)  (.'■*  (mutar  de)  Z  (ti  singare)  Non  dismagar  LS  —  IH 
Man  spcndj  dj  ('-'  —  1 22  pendere  \n  uantaggio  M  no  ui  preder  C  XMBESMíl¡P 
<V-  ntaggio  Z  —  124  su  nela  C^  —  125  E  como  al  B  È  Puono  N  pb" 
cere  Z  —  126  No//  poie//tc  C'C-  „Et  meno  potesse  haucre"  Z  posKOte  LSG 
polen  B  dañar  C-  —  127  „Per  dio  uoglio  isforçare"  C  —  128  „Pill  ckcd  e 
possa  N  Poi  che  nt>n  posso  C  —  129  che  per  se  B  —  130  ,4  tuo 
der  ad  to/io'*  ("•*     distrugge  MCZ  —  13 1  a  basso  GC  — 


L.«rV.  * 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS. 


365 


K  ben  ci  son  persone 
D*  altra  chondizione, 

135  Che  ssi  chiaman  jjewtili; 
Tutt*  altri  tnngnon  uili 
Per  chotal  gentilezza. 
E  a  questa  baldezza 
Tal  chiaman  mercewnaio, 

140  Che  più  tosto  uno  staio 
Spenderia  di  fiorini 
Ch'  esso  di  picciolini, 
lìenchè  li  lor  podere 
Fossero  d'  un  ualere. 

145  E  chi  gientil  si  tene 
Sanza  fare  altro  bene 
Se  now  di  quella  boce, 
Credesi  far  la  croce, 
Ma  e'  si  fa  le  ficha. 

150  Chi  now  dura  faticha. 
Sì  che  possa  ualere, 
Xow  si  creda  capere 
Tra  gli  nomini  ualenti, 
Perchè  sia  di  gran  gewti. 

155  Ch'io  gentil  tengho  quelli. 
Che  par  che  modo  pilli 
Di  grande  ualim^-wto 
E  di  bel  nudrim^wto, 
Si  ch*  oltre  suo  ligniagio 


Capitolo  XVI. 

160  Fa  chose  d*  auantagio 
1700  E  uiue  orratamente, 

Sì  che  piace  ale  gente. 
Ben  dicho,  se  *n  ben  fare 
Sia  r  uno  e  1*  altro  pare,       1 730 
165  Quelli  eh' è  meglio  nato, 
1 705  Tcnut'  è  più  a  grato  ; 

Non  per  mia  maestranza. 
Ma  perchè  sia  usanza. 
La  qual  uince  e  abati  1735 

170  Gran  parte  di  mie'  fatti, 
1710  Sì  ch'altro  non  ne  posso. 

C^h'  esto  mondo  è  ssì  grosso, 
Che  ben  per  pocho  detto 
Si  giudicha  1  diritto;  1740 

175  Che  lo  grande  e  1  minore 
1715  Ci  uiuono  a  romore. 

Perciò  ne  sie  aueduto 
Di  star  tra  lor  si  muto. 
Che  no//  ne  faccian  risa.        1745 
180  Passati  ala  lor  guisa; 
1720  Che  *na//zi  ti  chonporto. 

Che  tu  segue  lo  torto. 
Che,  se  pur  ben  facessi, 
Dache  lor  no//  piacessi,         »750 
185  Nulla  chosa  ti  uale 
1725  E  dir  bene  né  male. 


Î33  Ma  ben  R  /^A//  E  M  di  pr/sone  M  —  134  D'alta  M  —  136 
Tant'  N  Et  gl'  Z  a//no  ad  uilj  C^  —  137  Pel  R  —  138  „menano  gran 
baldcza"  C-  a//no  G  {sia//  E  a)  E  chon  M  E  per  BN  baldanza  (l  — 
13Q  chiama  MNCZ  —  140  tosto  nostraio  C^  —  141  Spenderian  R  —  142 
„Che  son  di  piccionini"  R  ch'igli  di  fìN(>*  —  143  „Pongnan  che  di  podere" 
M  „Benché  ciascun  podere-"  C*  ualere  R  —  144  podere  RLS  volere  Z  — 
145  y>Ä//  E  R  Ma  M  —  147  Se  uno  C  questa  N  —  148  Credendosi  Z  - 
149  Ed  e'  N  —  150  Che  GC^  Ad  chi  Z  —  151  ch'el  B  —  152 /¿-A// Z  — 
153  „Tal  omini  ualenlj"  C^  -    154  sian  RCC^Z  —  155  fih/f  Z     E  che  getil  C 

—  156  che  1  mondo  BZ     eh' ad  modo  C*-*   —   157  Di  lo  C-    /e/t/f  ualimento  Z 

—  158  chel  sfa//  bel  C  —  159  t-?».  159— X  VII  ?'.  16  ine/,  fehlen  Z  cch' oltre 
a  G  ch'alto  suo  (^2  —  160  uantaggio  MB  —  161  Or  C  uic  G  ornatamente 
MCC«  —  162  piacci  C»  —  163//'////  'n  RCC»  che  statt  se 'n  G  —  164  „E 
l'uno  e  ir  altro  pare"  MC*  (all'uno)  l'omo  C  —  166  ,,più  tenuto  ad  grato"  C* 
È  tenuto  RLSGC  -  168  par  LSGMNCCì*Z  —  169  „  La  quale  uee  ch'abatte" 
N  rabati  R  —  170  de'  LSGNCK>*  —  17Î  no//  dir  C«  -  172  „Che  questo 
modo  grosso"  G  ,, eh' esto  medesmo  grosso"  C^  Questo  statt  ch'esto  BN 
modo  BC  —  175  e  1  miglor**  C*  -  176  che  uiuono  C*  —  177  Però  LSM 
ui  sia  N  —   178  talor  N    fehlt  si  C^  —  179  no  ui  C«     faccia  RC     facci  BN 

—  180  a  lor  C  -  181  conforto  LSG  -  182  sengni  C  lor  LSMCC'O»  — 
184  „Ed  a  llor  no//  piacessi"  MN  „Et  tu  lor  non  piacessi"  BC'C  (Et  pur 
lor  ne-)  In  Q  fehlt  der  v.\  Uh.  schrieb  hinein  e  tu  lor  non  piacessi  —  186 
„E  dire  berne  male"  G  E  ddirebl>rrne  malo  MB  A  dir  ben  LS  ,3  di- 
chorne  male"  N     1  dire  o  ben  o  C*-*     I  male  C  — 


366 


H.  \VIESE, 


J*erò  no//  dir  nouella, 
Se  no//  par  hui>na  e  bella 
A  ciaschun,  che  la  *nlcn<lc. 

igo  (^hc  tal  li  ne  riprende 
E  aiiiun^ie  bnjjia. 
Quando  se'  ilo  uia, 
(he  Iti  dee  ben  dolere. 
Però  dei  lu  sapere 

195  In  cliotal  chonpanghia 
Giuchar  di  maestria: 
Ciò  è,  che  sapie  dire. 
Quel  che  ileia  piacere. 
E  lo  ben,  "sel  saprai, 

200  C'hon  altrui  lo  dirai. 
Doue  fie  chonosciuto 
E  ben  charo  tenuto. 
Che  molti  schonoscenti 
Trouerai  fra  le  jjenti, 

205  Che  metton  magio  chura 
D*u»lire  una  laidura 
Ch'  una  chosa,  che  uallia  ; 
Trapassa  e  no//  ti   chai^lia. 
E  sie  bene  apensato, 

210  S' un  om  molto  pregiato 
Alchuna  uolta  faccia 
('hosa,  che  no//  s*  agiaccia 
In  piazza,  ne  in  te//plo. 
No  *nde  i»igliare  asenplo; 

215  Perciò  che  no//n  a  scusa. 


I7S5 


1760 


1765 


Capitolo  XVI. 

Chi  al*  altrui  mal  s*  ausa. 

E  Guarda,  no//n  errassi, 
Se  tu  stessi  o  andassi 
Chon  donna  o  chon  scngnorc  1785 

220  O  chon  altro  magi  ore. 
E,  benché  sia  tuo  pare. 
Che  lo  sapic  innorarc 
Ciaschun  per  lo  suo  stato. 
Siene  sì  apensato,  17QO 

223  E  del  più,  e  «lei  meno. 
Che  tu  no/i  perde  freno. 
Ma  gi;\  a  tuo  minore 
Non  render  più  honore, 
Ch'a  llui  si  ne  chonucngha,    1795 

230  Nò,  eh' a  nil  le  ne  tcngha. 
Però,  s'  egli  è  più  basso, 
TJa  senpre  inanzi  un  passo. 
'1.1  Sse  uai  a  chauallo, 
Jj  Guardasi  d*ongnc  fallo;  1800 

235  E  se  uai  per  cittade, 
Chonsiglioli,  che  uadc 
Molto  chortescme/ite  ; 
Chaualcha  bellamente. 
Un  i>ocho  a  chafM)  chino,      1805 

240  Ch'  andar  chosi  'n  disfreno 
Par  gran  saluatichezza  : 
E  non  guardar  l'altezza 
D*  ongne  chasa,  che  truoue; 
Ghuarda,  che  nnn  ti  moue   1810 


1770 


177 


//? 


1780 


188  Che  non  sia  N  ^c  no//  è  C-  —  iqo  Ch'altri  te  ne  B  —  igi  Che  R 
Ma  C  „E  giunge  gle  busia"  R  E  n'agiungne  N  giungne  C  ad  grange  O 
///  H  fo/.,-/  ::  KM  nnr/i  U}i  -  i<)2  Da  che  LS  gito  C*  „Quando  sae  con- 
wi.r*  C  i.)5  /\)/j^r/  ifi  ß  ,q.|  ttu  G  cci  C  f*hìt  ben  R  uolere  GMCC»C* 
u.dore  X         \i)\  E  jk/ò  /,////  tu  M     che  ttu  dei  l>cn  N     tn  dei  BC     ti  di  C« 

-  i<)fi  „l'sar  gran  maestria"  ('-  —  107  „E  a  llor  profferere"  M  prrò  che 
I-SG  che  Ili  yi7///  sajùe  N  —  iq8  „Ouello  eh*  è  lor  piacere'*  B  credi  statt 
dtiaM  gradire  X  -  H)q  ßhif  E  C^**  2Ji  Oue  N  sia  JJ>MC«  —  202  E 
più  charo  M    -   20  j  ira  le' H  —  20()  <li  dire  NC*  —  208  tin  passa  N     tin  B 

-  zon)  chi  \/i///  sie  ('  molto  -\í  —  210  „Quando  alcun  uom  pregiato"  M 
.,^0  hom  multo  priato"  C-  >c  huom  GBX  pesato  R  {vor  pesato  rim  áurck- 
^triihcnrs  .1)  212  no// li  juaccia  M  sogiaccia  RI-SG  saccia  C  se  affaccia 
C-  -  213  O  in  M  o«l  in  GMX  tempo  B  214  v.  fehlt  C  No»  ne  C« 
—  215  Però  HNM  no  ^c  v7.i//  no//n  a  C-  —  2\(>  fehlt  .il  R  al  mal  altnii 
B  zx-  f'hìt  E  XC  221  fehlt  E  G  O  BNCC»  tuaC»  —  222  Ili  CC« 
luj  C-  223  ..Socon.hì  -un  stato"  M  —  224  Si  nnc  sic  GBNCC»C*  ^ 
<Menf  -ì  aui-^aio"  M         ii\  fehlt  E  R  —  2Z^  fehlt  ne  RC     s* aconnengna  C 

.\V1  Ond'.i  iiil  .\[    /.//// a' ne     -   231  ]vrciò  N  —  233  Et  se  >-n  ad- C* — 

234  ..Guarda  do  no//  iar  fallo'*  CC-         235  Quando  uai  R  —  237  Jekä  sami 

235  //;  n  ~   240  mollo  a  M     [fehlt  chosi' n>  così  a  B  —  242  Né  non  RC — 
243  cho.sa  GMCC'C-  — 


DER  TKSORRTTO  UNI)  FAVOLELLO  B.  LATINOS. 


367 


1820 


Capitolo 
245  Chom' on,  che  sia  di  uilla; 

Non  guizzar  chom'  aníjnilla, 

Ma  na  sichuramcntc 

Per  uia  e  tra  la  gente. 

Chi  Iti  chiede  in  prestanza,   1815 
250  Non  fare  adimoranza. 

Se  tu  li  uuol  prestare. 

Noi  far  tanto  penare, 

Che  1  grado  sia  perduto, 

Anzi  che  sia  rcnduto. 
255   'T^  Quando  se'  in  brighata, 

JLÌ  Seguisci  ongne  fiata 

Lor  uia  e  lor  piacere, 

Che  tu  no«  dei  uolere 

Pur  far  ala  tua  guisa, 
260  Nt'  far  di  lor  diuisa. 

K  guardati  ad  ongn'  ora. 

Che  laida  guardatura 

Non  faccie  a  donna  nata 

A  chasa  o  nella  strata. 
265  Però,  chi  fa  1  senbiante 

E  dice,  eh'  è  amante, 

K  un  bricchon  tenuto. 

E  io  o  gii\  ueduto 

Solo  d'  una  chanzone 
270  Pegiorar  chondizione; 

(^hò  già  'n  questo  paese 

Non  piace  tal  arnese. 


0' 


l82¡ 


I83Ü 


1835 


xvn. 

E  guarda  in  tutte  parti, 

Ch'  amor  già  per  su  'arti        1 840 
275  Non  t' infiawmi  lo  chore. 

Chon  ben  graue  dolore 

Chonsumerai  tua  uita. 

Né  già  di  mia  partita 

Non  ti  potrei  tenere,  1845 

280  Se  fossi  in  suo   podere. 
R  ti  torna  a  magione, 
Ch'  omai  è  la  stagione, 

E  ssie  largho  e  chortese. 

Sì  che  'n  ongnie  paese  1850 

285  Tutto  tuo  chonuenente 

Sia  tenuto  piagente". 

Capitolo  XVII. 
I    Per  chosì  bel  chonmiato 
N'  andò  dal'  altro  lato 
Lo  chaualicr  gioioso,  1855 

E  molto  chonfortoso 
5  Per  senbianti  parea 
Di  ciò  eh'  udito  auea. 
E  'n  questa  benenanza 
Se  n'andò  a  leanza  i860 

E  Ilei  si  fece  chonto 
IO  E  poi  disse  suo  chonto. 
Si  chôme  parue  a  lui. 
E  cierto,  io,  che  ni  fui. 


245  di  nulla  C  —  246  guzzar  R  —  248  „pí'r  uia  roca  la  gentr"  C=* 
l.i  uia  M  /-////  e  RMN  fra  LS  le  C»  —  240  E  chi  LS  /eh//  in  C  -  250 
Noi  R  dimorança  R  —  251  Ma  se  Igli  M  lil  L  /e/i//  li  C  puoi  NC  C'-^  — 
252  Non  ('•  lardare  R  —  253  /r/i//  1  C'-'  —  254  „])rima  che  ricevuto"  M 
'nanzi  C^  /eh/i  sia  ('^  perduto  R  per  tuto  C  —  256  Segui  CC  —  257 
uolere  LS  —  259  /<*/'//  far  C  —  260  da  BN(^'C-'  —  261  „E  guardati  e  pro- 
cchur.V  M     /eh//  ti  C     /*-////  ad  RG    —    264  In  casa  LSBC^     O'n  ccasa  C 

0  per  la  (ÌM     ne  in  RN     od  inn  C'C'^  —  265  Perchè  M    /eh//  1  C»  —  266 

1  dichón  G  o  C'^  —  267  E  nne  B  Egli  è  N  „Et  unbri  conuenulo"  C  E 
nubricon  C  E  lubricon  CJ  becchon  M  —  268  E  .iggio  N  —  271  E  ggià  M 
Ne  già  C  /eh/e  'n  f!'  —  272  loro  s/a//  tal  GBNCC'C«  —  273  ïn  ongni  MN 
-  274  /t'/i//  i-h'  (y  sua  N  —  275  infamasse  LSGM  —  276  „(^he  co/;  graue 
<lolore"  M  ('hun  R  che  GNC  Chc'n  B  —  277  „Consumarai  la  uita"  B 
la  uita  N  tutta  C  —  278  Né  mai  RC  E  già  BN  da  mia  G  d'una  C  — 
281  Oritorna  LSG  /eh//  ti  MBN  a  ttua  MBN  —  282  ormai  N  ala  x/a/f 
e  la  C         286  Tenuto  sia  B. 

Cap.  XVII  I   „Per  bello  incominciato"  M  —  2  Daudo  C   —  3  gioso  R 

gaioso  (''   -      «;  e* auea  LSGM  —  (>  che  dicto  C'^  —  7  „In  (¡ueste  begimza"  C*-* 

/e/i//  E  BNC    /eh//  'n  G     -  8  Si  andò  N     ala  BC»  —  9  A  Ilei  NC«     aconto 

LSGM( 'C'C'^    —    IO  7'.   /eh//  C,    /^/>.  sc/irie/ì  hin    „Poi   le  disse  suo  conto" 

/^Ä//EGBXC>     li  dissi  B     li  C-     fece  LS         11  piacque  M  —   12  „Et  certo 

io  lem  fui"  C    /eh/t  E  BN    /e/i/t  ui  C»   — 


368 


H.  WIESlí, 


1870 


Loiio  ben  sua  manera 
E  1  chostumc  e  la  cera. 

1-5  K  uidi  lealtatc, 
(^ic  pur  (li  ueriiatc 
Tenca  suo  parlamí«to. 
Chou  l)cllí)  acholl inií'wto 
Li  «lisse:  „ora  m'intendi 

20  IC  ciò  eh'  io  dicho  apren<li. 

A  Micho,  primam/v/te 
i'honsij»lio,  che  no;/  mi'wte; 

K  'n  qual  che  jìarte  sia,         1875 

'J  u  no//n  Usar  huj^ia  ; 
2«;  ('h' on  dice,  che  menzow^na 

Ritorna  in  {jran  uerjjowpna, 

Però  eh'  a  breue  chorso. 

E  cjuando  ui  se'  schorso. 

Se  tu  ale  fiate 
30  Dicessi  ucritate, 

Non  ti  sarà  creduta. 

Ma  se  tu  ai  saputa 

La  uerità  d'  un  fatto, 

IC  jìoi  per  dirla  ratto 
3 li  Graue  brij:,dia  nascesse, 

('erto,  se  la  tacesse, 

Se  ne  fossi  ripreso. 

Sarai  da  me  difeso.  i8qo 


Capitolo  XVII. 
186; 


40 


Íj^T  se  tu  ai  parewte, 
Á  O  e 


1880 


1885 


charo  benuogliente, 
<.*hui  la  i»ente  riprenda 
D*  una  laida  uiccnda, 
Tu  dei  essere  achorto 
A  diritto  ed  a  torto 

45  In  (licer  ben  di  lui, 
E  per  fare  a  cholui 
Discreder  ciò  che  dice. 
E  poi,  quando  li  lice, 
L'  amicho  tuo  ^hastigha 

50  Del  fatto,  onde  s'inbrif^ha. 
Chosa,  che  tu  promette, 
Non  uo,  che  la  dimette. 
Chomando,  che  s'  atenf^ha, 
Pur  che  mal  nofin  aucn^ha. 

55  Ben  dichón  buoni  e  rei. 
Se  tu  fai  ciò  che  dei, 
Auen^a  ciò  che  puote. 
Ma  poi,  chi  ti  rìschuotc 
S'  un  graue  mal  n'  auene  ? 

60  Foli' è  chi  techo  tene; 
Ch'  io  ten^o  ben  leale. 
Chi  per  un  picciol  male 
Fa  schifare  un  magiorc. 
Sei  fa  per  lo  migliore. 


i8q5 


1900 


190S 


1910 


1915 


13  \jo  don  R     Lodai  LS  —   14  ßhlt  E  C'C^«  —  15  uidi  in  N  —  16  Et 

j)ur  de  (^M>'  (x)         18  1^  ci)n  MX      a;;iechimento  LSMZ     gicchimcnto  N  — 

M)  IC  disselli  H      Mi  disse  C'      Si  disse  Z    —    20  perciò  Z     tidicho  NCZ  — 

31   inprimame;/te  BC"^     p;7uatamente  C    -  22  Comando  LSMZ     consiglioti  K 

23  In  (piai  GH(3'C-Z     F.t  cpial  C     pare  R     qual  parte  che  C*  —  24  Mai 

no//n  M     non  de'  Z    -  25  ,,lVrò  che  1  dir  menzongna"  M     „Che  s'om  dice 

nìencioj;na"  B     „Chon    dicier   menzogna"  Z     che  l'uomo  feh/i  che  N     Non 

dire  C    ft'hit  Ch';  hom  (**        26  Si  torna  B     Ritornagli  N     Che  ritorna  mZ 

fffi/i  gran  N(*    -  27  p/vciò  BCC'C-Z     che  in  N     che  fehlt  a  C  —  28  uùlc 

\tatt  ui  se'  C     corso  B  —   30  Dicali  N   -     31   saria  GBNCC»C«Z    creduto  Z 

-   32  saputo  Z    ft'hlt  se  C^  -     33  del  liitlo  M         34  „Poi  perdi  laratto"  C 

E  tu  per  LSN     lo  LGN  --  33  Grande  M     facessi  M     nascie  Z  —  36  Certa  G 

certe  C-     chi  la  BN     tacessi  MZ     cesse  C-'      -  37  E  ffossine  M  —  38  da  mi 

seria  BN     te  R     ripreso  ('  -  -  40  //•////  (>  NC     altro  statt  charo  C     charo  o  C* 

41   riplende  í'  -  -  42  Di  layda  M  —  43  Et  dei  G      racto  Z    —    44  „^  a 

ilriclo  X  ad  torto"  C-^     -  45  A  dicier  Z     -    46  fehlt  E  N  —  47  Discender  C 

ch'el  B  —  4«)  mio  C         50  fallo  I^iGMC'C^Z     ond'cl  B     ouc  N     ond'cj  C« 

si  briga  S(3*     sia  briga  Z  —   51   Cose  LS     prometta  MZ     in  pr<nnittj  C*  — 

52  uol  C«     le  f-S     che  ssi  dimetta  M     che  tu  dimitti  B     dimecta  Z  —  53  U* 

a/////  s'  g         54  Doue  mal  M      Perchè  BC>(>'Z     n'  statt  no«n  N     non  ti  C 

ad  mal  no  uengha  C-  -     SS  „dic<mo  e  bonj  et  rej"  C*     dico  NCZ     a  buoni 

et  a  rei  Z  57  Aduegna  chil  che  puot/"  (  -     -  58  S'a  poi  BCC*C»     ,3c 

j)uoi  ti  risclìuote"  N   -   51^  „D'un  gran  male  n' aucune"  Z   grande  GMBNCC»C* 

frhlt  n'(  -         61    „Ch'i't'o  ben   per  leale"  Z     Ciò   statt  Ch'io  C  —  62  Che 

C  —  03  Ma   statt  Fa  C      il  maggiore  MC-*Z  —  64  Se  fai  Z  — 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS. 


369 


Capitolo 
65  Sì  che  lo  pegio  resta. 

Echi  ti  manofesta 
Alchuna  sua  credenza, 

Abine  retenenza  iq20 

£  la  lingua  si  lenta, 
70  Ch'  un  altro  noia  senta 

Sanza  la  sua  parola; 

Ch'  io  già  per  uista  sola 

Uidi  manofestato  1925 

Un  fallo  ben  celato.  . 
75  E  chi  Iti  (la  in  prestanza 

Sua  chosa  o  in  serbanza, 

Rendila  sì  a  punto, 

Che  non  sie  in  fallo  giuwto.   1930 

E  chi  di  te  si  fida, 
80  Senpre  lo  guarda  e  guida; 

Nò  già  di  tradimento 

Non  ti  uengna  talento. 

11  Uo,  eh' al  tuo  chonìune,  1935 
Á  Rimossa  ongne  chagionc, 
85  Sie  diritto  e  leale 
E  già  per  nullo  male, 
Che  ne  poss' auenire, 
XoUo  lasciar  perire.  1940 

E  quando  se'  'n  chonsiglio, 
90  Senpre  ti  tieni  al  meglio, 


XVII. 

Né  pregho,  né  temenza 
Ti  mona  in  ria  sentenza. 
Se  fiai  testimonianza  1945 

Sia  piena  di  leanza, 
95  E  sse  giudichi  altrui 
Guarda  sì  abondui, 
Che  già  da  nulla  parte 
Non  falli  l'  una  parte.  1950 


100 


A  Nchor  ti  priegho  e  dicho, 


IOS 


Quand'  ai  lo  buono  amicho 
E  lo  leal  parente, 
Amalo  choralmente; 
Non  sia  si  graue  stallo,  1955 

Che  tu  li  faccie  fallo. 

1^  Uoglio,  eh'  am'  e  crede 
i  Santa  chiesa  e  la  fede; 
E  ssolo,  e'  nfra  la  gente 
Innora  lealmente 
Gieso  cristo  e  li  santi, 
no  Sì  che  uecchi  e  li  fanti 
Abian  di  le  speranza 
E  prendan  buon  usanza. 
E  uà,  che  ben  ti  pigli, 
E  che  dio  ti  chonsigli; 
Che  per  esser  leale 
Si  chuopre  molto  male* 


i960 


1965 


1 1 


>i< 


65  ,,S*el  fa  che  peggio  resta"  N  ,,Se  qw/'lle  peggio  desta"  C*C*  —  66 
a  sfaft  ti  N  —  68  ,,de  qua1u^;cha  fallenza"  C*  —  69  /eh/t  E  GC*  la  lor  lingua 
C*  sia  lenta  LSMNC*  sia  sì  lenta  G  silenza  Z  —  70  altro  hom  C^  nollo 
MNZ  —  72  Che  già  BNC'C/^  —  73  manofesto  Z  —  74  /«  Z  fol^t  „Che 
gran  briga  n'é  tornato"  —  75  „A  cchui  dai  in  pr^stança"  N  f^h/t  E  G 
/fh//  tti  C  —  76  „o  soa  cosa  in  s^'/uanza"  C-*  Suo  G  roba  BNCC*  /rM/ 
o  N  ad  in  C  prestanza  C  —  77  Rendiglile  N  —  78  „Che'n  fallo  non  sij 
giunto"  R  79  s'afiìda  NC   —    80  le  GC«    —    81   E  mai  di  M     E  già  N 

Non  già  Z  —  82  in  talento  NC-*Z  —  83  „Sou  ch'ai  tuo  conmune"  C*  eh' a 
tua  chagionc  N     che  tuo  Z  —  84  Rimessa  N     accagiona  C*^  —  87  /eh/f  ne  C 

—  89  ff/t/f  'n  R  ad  Z  —  90  t'apilgla  M  poni  CZ  t'alieni  C'C»  ad  s/a/f 
al  Z  —  91  /eh//  C^  pregio  GN  —  92  feh/t  CC'C«  metta  BN  a  sfn/f  in 
GMZ  —  93  E  se  N  teslemoniez/ça  C  -  94  pieno  C'^  liença  C*  —  95  „E 
sse  1  giuoco  è  altrui"  M  iudice  C  —  96  se  GZ  —  97  „Che  Itu  nò«  prenda 
parte"  M  per  nissun  arte  BN  (nulla)  dall'una  C  de  C'-*  —  98  „Né  falsi 
diritta  arte"  M  „No  falli  la  mia  arte"  C^  falsi  nulla  LS  ï  nulla  GCC'Z 
a  nulla  N  nulla  B  —  loo  quando  l  buono  C^  Che  quand' ai  buon  Z  — 
101  O  lo  B  O  leale  NC«  Sì  leal  C  et  oi  lo  C«  -  102  Che  ir  ami  M  la  Z 
lialmentc  BN  103  Et  non  Z  grande  MZ  fallo  GCC^C^Z  /o/^i  in  Z  „Che 
ne  riccui  danno"  {ffhlt  V)  —  104  feh/f  C  —  105  „Et  uoglio  che  tu  mi  chrc- 
di"  Z  che  mi  ne  crede  N  —  106  Sanca  C  —  107  et  far  la  Z  fehlt  E  G 
Essempre  M     infra  R     fra  M    intra  GCC 'BN    tra  C«    /M// e  RLSGMBNCC« 

—  lOQ  e  i  soi-  B  —  MO  li  uechi  BNC^Z  fehlt  li  C^C«  santj  C«  —  m 
tidan/a  M  -  II2  En  N  prenda  CC-  fehlt  prendan  Z  costumanza  Z  — 
113  Or  ua  M     t'apijjlia  Z  --  1 14  „E  ua  che  ben  ti  pigli"  C  {sic\)    fehlt  E  NZ. 

ZeltNohr.  f.  rom.  Phil.    Vil.  24 


370 


B.  WIESE, 


Capitolo 
Capitolo  XVIII. 
1   Allora  1  chaualero, 

Che  'n  si  alto  mesterò  1970 

Auca  la  mente  misa, 

Se  n'  andò  a  distesa 
5  E  giscne  a  prodezza 

K  quiui  chon  pianezza 

E  chon  bel  piacim^wto  1075 

Le  disse  1  suo  talento. 

Allor  uid'  io  prodezza 
IO  Chon  uiso  di  baldezza, 

Sichura  e  sanza  risa 

Parlare  in  questa  «juisa:         1080 

„Dichoti  apertamente, 

Che  tu  no/fsie  chorrewte 
15  A  far  né  dir  follia; 

Che,  per  la  fede  mia, 

Nonn  a  presa  mi' arte,  1985 

Chi  se/jue  folle  parte; 

E  chi  brijjha  mattezza 
20  Non  fie  di  tale  altezza. 

Che  now  rouini  a  fondo: 

Nonn  a  grazia  nel  mondo.    i<i<P 

E  guardati  ad  ongn'ora. 

Che  tu  no«  faccie  ingiuria, 
25  Nò  forza  a  om  uiuente. 

Quanto  se'  piii  ])olc//te, 


D' 


XVIII. 

Chotanto  più  ti  guarda,         i<>QS 

C!hè  la  giente  non  tarda 

Di  portar  mala  boce 
30  A  om,  che  sen  pre  noce. 
I  tanto  ti  chonforto, 
('he,  se  t' è  fatto  torto,    2000 

Arditamente  e  bene 

La  tua  ragion  mantene. 
35  Ben  ti  chonsiglio  questo. 

Che,  se  cholo  legisto 

Atartene  potessi,  2005 

Uorria,  che  lo  facessi. 

Ch'  egli  è  magior  prodezza 
40  Rinfrenar  la  mattezza 

Chon  dolzi  motti  e  piani 

Che  uenire  ale  mani.  2010 

E  non  mi  piace  grido; 

Pur  chon  senno  mi  guido. 
45  Ma  se  1  senno  non  uale. 

Metti  mal  chontra  male. 

Né  già  per  suo  romore  2015 

Non  bassar  tuo  onore. 

Ma  s'  è  di  te  più  forte, 
50  Fai  senno,  sei  chonporte, 

E  dà  locho  ala  mischia; 

C^hè  foir  è,  chi  s^  arischia,     2020 

Quando  no«n  è  potente. 


Cap.  XVIII  2  /MI  'n  R  Ch'a  si  Z  —  3  intesa  Z  —  4  Si  partì  GBN 
CC'C«  „Si  se  mando  a  distiesa"  Z  Z  statt  a  G  ala  B  —  3  fthit  E  C« 
giunse  LSM('Z  andonne  BN  ädossenc  C'f:*  alla  M  —  d  fehlt  E  C'C* 
co  gran  C'C^«  baldezza  RM  7  >/^-/  8  in  B  fehlt  E  B  —  8  Li  BNC« 
fehlt  Le  Z  fehlt  1  GNC'C^  -  9  „Prodezza  baldanzosa"  M  udio  LS  nidi 
fehlt  io  GZ  —  IO  „Ardila  %  coraggiosa"  M  „monstrar  grande  baldeza**  C* 
naso  C«  -  II  Sichuro  RGC  fehlt  e  LMBNC'C^  —  12  Parlò  in  M  —  13 
Di  chore  C^  —  15  Di  far  LS  In  far  GC'C^  Né  a  ffar  N  Né  fare  C  né 
a  R  o  ddir  MZ  né 'n  C  —  17  pressa  R  aprese  BCC»C*N  —  18  che  C« 
si  getta  in  xtatl  segue  I-SGZ  prende  M  (piella  statt  folle  GZ  —  19  fehlt 
E  (^'  chi  pur  Z  brighi)  C-*  usa  M  mattcççe  N  —  20  „Nonn  è  di  tal  for- 
tezza" M  fu  C'(^,^  aheche  N  —  21  „('he  nonne  uenga  a  fondo"  Z  „Che 
non  uengha  a  fiondo"  K  —  22  Né  a  MZ  X  non  a  ('^  ilio  mondo  C  al 
mundo  C'-î  —  23  „E  guarda  che  co//  furia"  M  fehlt  E  B  fehlt  ad  RI..SG 
—  24  „Altrui  now  facci  ingiuria"  M  —  26  poi  statt  più  C  —  27  riguarda 
statt  li-  N  28  arda  C'C-  30  AlPuom  M  —  31  Et  di  Z  —  32  te  faccio 
^-*  -■■  35  >'Ma  é  milglore  accjuisto"  M  —  36  „Se  ttu  collo  legisto"  M  „Se 
collo  legisto"  Z  se  tu  R  co  legisto  \Ál  ~  38  E  uorre'  M  —  40  Rafireiur 
LZ  Rifrenar  GBNCC  A  rrifrcnar  M  fehlt  la  M  —  42  Che  11  uenire^ C*  — 
43  f'^^^l  '^  Nò  no//  ('  no//  piaccion  grida  C-  —  44  jvr  C  te  guida  C  — 
45  il  statt  sc  1  Z  4Í)  contro  ad  Z  —  47  fehlt  M  —  48  fehlt  MN  abassar 
LSÌìZ  4»)  E  ss'é  M  f'hlt  più  ("'  \\\\  dj  te  C-  -  50  senno  fai  .C*  se 
non  sci  Z  -51  dai  LSHN(.''  lato  ('  -  52  ssi  rischia  N  adnschia  €•  — 
53  possente  M   — 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS. 


37» 


Però  chortfe^emente 

55  Ti  parti  dal  romore. 
Ma  se  per  suo  furore 
Non  li  lascia  partire, 
Uogliendoti  ferire, 
Chonsiglioti  e  chomawdo, 

60  No'  nde  uada  di  bando, 
Abie  le  mani  achorte, 
Non  dubiar  delà  morte; 
Che  tu  sai  per  lo.  fermo. 
Che  già  di  nullo  schermo 

65  Si  puote  omo  chourire. 
Che  non  uada  al  morire. 
Quando  lo  punto  uene. 
Però  fa  grande  bene, 
Chi  s'  arischi'  al  morire, 

70  Anzi  che  soferire 

Uergongna,  né  graue  onta; 
Che  1  maestro  ne   chonta. 
Che  om  teme  souente 
Tal  chosa,  che  neente 
Li  farà  nocim^wto. 
Né  non  mostrar  pauewto 
A  om,  eh* è  molto  folle; 
Che,  se  ti  truoua  molle, 
Piglieranne  baldanza. 


/> 


2025 


2030 


2035 


2040 


2045 


8' 


Capitolo  XVm. 

80  Ma  tu  abi  menbranza 
Di  farli  un  mal  riguardo, 
Sì  sarà  più  chodardo.  2050 

E  tu  ai  fatto  offesa 
Altrui,  che  sia  ripresa 

85  In  graue  nimìstanza, 
Si  abi  per  usanza 
Di  ben  guardar  da  esso        2055 
Ed  abi  senpre  apresso 
E  arme  e  chonpangnia 

90  A  chasa  e  per  la  uia. 
E  sse  tu  uai  atomo, 
Sì  uà  per  alto  giorno,  2060 

Mirando  d'ongne  parte; 
Che  no«  ci  a  miglior  arte 

95  Per  far  guardia  sichura, 
Che  buona  guardatura. 
L'occhio  ti  guidi  e  porti,     2065 
E  lo  chor  ti  chonforti. 
E  un'altra  ti  dicho: 
100  Se  questo  tuo  nemicho 
Fosse  dì  bassso  afare, 
Non  ce  t' asichnrare  ;  2070 

Perchè  sie  più  gentile 
Nollo  tenere  a  uile, 
105  Ch'ogn'omo  a  qualch' aiuto  ; 


54  Et  però  Z  —  55  di  R  da  LBC  —  56  s'el  BNC«C«  tuo  C»  —  60 
„Che  now  churi  di  bando"  M  „che  no  ,ne  timi  bando"  B  Che  no«  ne  C*Z 
y>Ä//  di  RC«  tal  stait  di  N  in  baño  C«  in  Z  —  62  temer  BNCC"  temar 
C*  la  s/aif  delà  LS  di  stati  delà  GZ  —  64  „Che  di  ninno  schermo"  MC 
da  nullo  G  per  nullo  N  schemio  C*  Vom  letzten  Wort  des  Verses  in  C* 
alles  bis  auf  seh  durch  ein  Loch  zerstört  —  65  „Ti  potrai  ricoprire"  M  Non 
si  N  l'om  BZ  —  66  degia  statt  uada  C'C«  a  statt  al  BNCC»  ad  Z  fehlt 
al  C*  —  67  fehlt  bis  69  incL  in  N  no  uene  C*  —  68  fo  C*  maggior  M  — 
69  perire  M  s'addricza  ad  C^  a  statt  al  BCC»Z  —  70  „Che  troppo  sofferire" 
M  che  ad  soffrire  C^  —  71  „Grande  verghongna  ed  onta"  M  o  statt  né  B 
con  statt  né  C  grande  NZ  —  -j 2  fehlt  1  L  —  73  ll'uom  MBCC>C»Z  tene 
C>C^  che  teme  Z  ~  75  E  li  faria  M  saria  G  —  76  E  non  LSMGZ  fehlt 
Né  N  demostrar  ^  —  TJ  Che  statt  A  G  All'  M  D'  Z  —  78  s'el  B  fehlt 
molle  Z  —  79  „pilgaran  dj  baldanza"  C*  Ne  pilglera  M  —  80  fehlt  tu  M 
abie  in  LS  n'abbi  C*  rimembranza  MZ  —  81  sguardo  M  —  82  Che  sarà  M 
sarrai  C«  —  83  fatta  LSMBNCC»C«  —  84  Ad  alcuno  N  ~  85  grande  MC« 
ongnc  N  nimistade  Z  —  86  fehlt  Sì  R  Siati  Z  —  87  fehlt  ben  BNCC« 
guardarti  RLSBNCC'C^Z  d'esso  .LS  —  88  „E  abbie  l'arme  presso"  M  — 
8q  fehlt  E  LSGBNCC«C«Z  o  LS  a  C  „E  buona  copangnia"  M  —  90  in 
casa  C«  o  CZ  fehlt  la  C«  —  91  „Qñ  tu  uai  adtomo"  C«  fehlt  tu  Z  — 
92  altro  C  —  93  Guardando  M  per  ongne  R  lato  N  —  94  ci  è  M  —  95 
far  a  C  —  96  Et  buona  C*  per  bona  C*  —  97  Gl'ochi  BN  guardi  M  gui- 
dino N  —  99  „E  ancora  ti  dico**  MBNC^C  —  102  „Guarda  no  t'affidare**  N 
ui  ti  Z  —   103  sia  men  M     tu  sie  C  — 

M* 


372 


B.  WIESE, 


E  i*  o  già  uediito 
Ben  fare  una  uengianza, 
Che  quasi  rimenbranza 
No'nd'era  tra  la  gente. 

no  Però  chortesemcnle 
Del  ncmicho  ti  porla 
E  abie  usanza  achorta. 
Sei  truoui  in  alchun  lato, 
Paia,  l'abie  innorato. 

115  Sei  truoui  in  alchun  loco. 
Per  ira,  né  per  giocho 
Nolli  mostrare  asprezza. 
Né  uillana  fierezza. 
Dalli  tutta  la  uia, 

120  Però  che  maestria 
Afina  più  l'ardire. 
Che  no«  fa  pur  ferire. 
Chi  fere  bene  ardito, 
Può  ben  esser  ferito; 

125  E  sse  tu  ai  choltello, 
Altri  V  SL  buono  e  bello. 
Ma  maestria  chonchiudc 
La  forza  e  la  uertudc 
E  fa'ndugiar  uendetta 

130  E  alunghar  la  fretta 
E  mettere  in  oblia 


Capitolo  XVIII. 

E  atutar  follia.     '  2100 

2075  E  tu  sia  bene  apreso, 

Che,  se  ti  fosse  ofeso 
135  Di  parole  o  di  detto. 
Non  rizzar  lo  tuo  petto, 
Né  non  sie  più  chórrente,     2105 
2080  Che  porti  1  chonuenentc. 

Al  postutto  non  uollio, 
140  ('h' alchun  per  suo  orghollio 
Dicha,  né  faccia  tanto, 
Che  1  giocho  tomi'n  pianto,  21  io 
2085  Né  che  già  per  parola 

Si  tagli  mano  o  ghola. 
145  E  i*o  già  ueduto 

Omo,  ch'é  pur  seduto, 
Xon  faciendo  mostranza,        21 15 
2000  Far  ben  dura  uengia/rza. 

8' Ofeso  fé  di  fatto, 
Dichoti  a  ongne  patto, 
(^he  tu  non  sie  musomo. 
Ma  di  notte  e  di  giorno        2120 
2005  Pensa  delà  uendetta, 

E  nown  auer  tal  fretta, 
155  (^he  tu  ne  pegior'onta; 
('he  1  maestro  ne  chonta, 
í^he  fretta  porta  ingamio       2125 


106  E  tu  ai  LSGNCC  —  107  buona  Z  ucgianza  RZ('  —  108  „A  ttal 
che  ricordanza**  M  —  loq  fra  LSMC  ìfra  G  —  112  „Et  ahi  sempre  adcorto" 
Z  —   Ili  ''^''  i*3  ""*'  \\^  fi'hli'tt  /;/ GBN'C'Cy-     „Quando  lo  scontri  fore"  M 

—  114  „Ben  digli  alquanto  onore"  M  „Tu  Tabi  innorato"  Z  trouato  C  — 
115  Et  sei  Z  —  118  fehlt  C  fermeçça  C'C«  —  119  da  a  llui  N  —  120  Ver 
ciòC«C»  ch'elio  é  C*^  che  é  Z  -  121  Ch'aflìna  G  Et  adfina  Z  —  122  non 
é  Z  puro  C*  —  123  „P^TÒ  che  l'uomo  ardito"  M  bene  ^  B  —  124  „e 
puot' esser  fedito"  N  b«  può  C«  —  125  Che  MCC^*  —  126  Ed  altri  N  — 
127  E  statt  Ma  R  fehlt  Ma  Z  —  I2q  ///  C*  ein  Lach,  no  tlass  ttur  f  dugiar 
erhalten  ¿st  x  fretta  statt  uendetta  B  la  fretta  NC  frecta  C»  —  130  Et 
fa  C  allungha  C'C=*  uendetta  BNC'C-»  „La  forz;i  et  la  frecta"  Z  —  131 
obria  KSMC     In  C'^  ist  nur  Em  --  in  oblia  e//  lesen  —   132  E  a  tuta  RMCC*Z 

—  133  „Ancora  abbi  cöpreso"  M  inteso  BN  appresso  C'C*Z  —  134  fehlt 
se  C  ttu  MCZ  -  135  dil  M  fatto  N  —  136  „E  no«  rizzare  il  petto"  M  — 
137  E  no«  MNBC^    fehlt  Ne  C     pur  (^  —   138  porci  1  B  —   139  M'al  C« 

—  140  „('he  ttu  ]vr  tuo  argholglo"  M  „Ch'alcun  faccic  o  diche  orgollio" 
N  —  141  Ne  dicha  N  —  142  fehlt  1  C  ritorni  R  143  fehlt  che  N  — 
144  „Mctali  mano  a  gola"  C  o  mano  o  gola  C-  145  Perch'io  o  B  Ch'i' o 
NC'C»  -  146  D'uomo  C«  che  ss'é  se<luto  M  147  Né  C  -  148  „E 
ffar  bella  vengianza"  M  bene  una  R  uegia«za  RN('Z  -  149  „S'a  di 
facto"  C;  Kaum  für  das  fehlende  frei  sc' M  t'a  Z  —  152  o  Z  fol^f^t  in 
C*^  „Mirando  d'ogni  partj"  —  i^,"^  fehlt  i J  !>>  „('he  ne  pegiori  tu* onta" 
L    fehlt  ne  Z  —   157  ilanno  N    - 


DER  TESORE^nO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS. 


373 


K'ndugio  e  par  di  danno. 
E  tu  chosi  digrada; 

i6o  Ma  pur,  chôme  che  uada 
La  chosa  lenta  o  rratta, 
Sia  la  uendetta  fatta. 
E  se  1  tuo  buono  amicho 
A  guerra  di  nemicho, 

165  Tu  ne  fa  quanto  lui 
E  guardati  di  plui; 
Non  menar  tal  burbawza, 
Ched  elli  a  tua  baldanza 
Chominciasse  tal  chosa, 

1 70  Che  mai  no/in  abia  posa. 
'}  Anchor  non  ti  challia 
D*üste  né  di  battallia; 
Nò  no«  sie  trouatore 
Di  guerra  o  di  romore. 

1 75  Ma  sse  pur  auenisse, 

Che  l  tuo  chomun   facesse 
Oste  nò  chaualchata, 
Uoglio,  che  *n  quell'  andata 
Ti  porte  chon  barnagio 

180  E  dimostreti  magio 

Che  non  porta  tuo  stato  ; 
E  dei  in  ongni  lato 
Mostrare  tua  fra/ichezza 
E  far  buona  prodezza. 

185  Non  sie  lento,  né  tardo; 
Che  già  homo  chodardo 


Capitolo  XIX. 

No;/n  aquistó  honore, 
Né  diuenne  magiore, 
E  tu  per  nulla  sorte 
190  Non  dubitar  di  morte; 

2130  Ch'assai  è  piìi  piagente 

Morire  erratamente 
Ch'esser  uituperato, 
Uiuendo,  in  ongnc  lato. 


2135 


E 


2140 


2145 


2150 


2155 


2160 


195 


/  ìK  torna  in  tuo  paese 


E  ssie  prode  e  chortese. 
No«  sia  lanier,  né  molle,      2165 
Né  chorre/fte,  né  folle". 
Chosi  noi  due  stranieri 
200  Ci  ritorna/«mo  arrieri. 

Chollui  n'andò  in  sua  terra, 


Ben  apresso  di  guerra; 
E  io  presi  charriera 
Per  andar,  là  dou'iera 
205  Tutto  mio  intendimento 
E  1  fmal  pensamento, 
Per  esser  ueditore 
Di   uentura  e  d'amore. 


2170 


217 


/:> 


Capitolo  XIX. 
I   i  ìR  si  ne  uà  1  maestro 

yj  Per  lo  chamino  a  destro. 

Pensando  duramente 

Intorno  al  chonuenente  2 180 

5  Dele  chose  uedute; 


158  „Et  indugi  e  perdi  danno"  C  „x  indugio  e  paro  de  dapno"  C^ 
Lo 'ndugio  Z  —  159  vv.  159  und  \6o /eà/en  LSC  /t'à/i  Z  ti  guarda  N  — 
160  z  pur  G  —  161  tarda  M  î  N  —  163  caro  B  —  164  /e/r//  Z  con  C*  — 
iò$  Si  ne  B  „Se  non  fai  quanto  lui"  N  fai  Z  —  166  /eh/i  E  N  Ma  Z 
da  llui  G  dopo  lui  N  guarda  che  de  luj  C-'  del  pine  Z  —  167  mostrar  M 
borança  C  —  168  fidanza  RM  —  169  Incominci  M  —  171  /eh¿t  EM  — 
172  traualgia  C  —  173  „Non  essere  trouatore"  Z  Et  non  GMBNCC-*  — 
174  guerre  Z     né  di  RLSGCZ   -   175  achadcsse  M  —   177  o  RLSGMNC'C»Z 

—  178  „Vo  che  q«ella  fiatii"  M  am  Ramie  -j  uoglo  C**  fehlt  'n  SC*  — 
179  „Vadi  co  bariìaggio"  M  baldanza  Z  —  180  E  ti  dimostri  L  1  G  di- 
mostrar C'Z  —  181  porti  N  —  182  „Et  uo  che  in  ogni  lato"  Z  —  183  Mo- 
stri Z  tutta  R  la  tua  LSMG  uiua  BNC»  bona  C^  —  184  „L'ardire  e  Ila 
prodezza"  M  „cosa  ona  prodeza"  C*  ;  das  fehlende  ausgekratzt  Né  Z  — 
187  conquistò  LSCC^G  —  188  E  non  N  Ne  non  uenne  C'C  diuieni  Z 
in  magiore  C*  —   189  Dunque  per  M     nullo  forte  Z    —   190  la  NZ  {statt  di) 

—  191  (Joxi  é  Z  —  196  largho  R  --  197  vv.  197  -XIX  154  incl.  fehlen  Z 
Né  non  G  vile  M  —  199  no  RC*  Onde  noi  M  —  200  Sì  N  ritorniamo  C 
alterj  C-*  -  201  ad  soa  C*  —  203  „Et  po'  prisi  carrera"  C  —  204  lo  B  — 
205  Tutto  1  G  —  206  „Î  tìnj  al  pensamento"  C*    fehlt  \  M  —  208  uenture  R. 

Cap.  XIX  I  fehlt  1  C  mastro  humecto  C  —  2  per  vno  N  —  4  D'in- 
torno M  — 


374 


B.  WIESE, 


Capitolo 


E  sson  magior  essute, 
Ch'io  non  so  diuisarc. 
E  ben  si  dee  pensare, 
Chi  a  la  mente  sana 

IO  Od  a  sale  'n  doghana, 
Che  1  fatto  è  smisurato, 
E  troppo  gran  dittato 
Sarebe  a  rìchontare. 
Or  uoglio  intralasciare 

15  Tanto  senno  e  sauere. 
Quant' io  fui  a  uedere 
E  chontar  mio  uiagio, 
Chôme  'n  chalen  di*  magio, 


2185 


2190 


2195 


Passati  ualli  e  monti 
20  E  boschi  e  selue  e  ponti, 

Io  giunsi  in  un  bel  prato. 

Fiorito  d'ongne  lato, 

Lo  più  riccho  del  mondo. 

Ma  or  parea  ritondo,  2200 

25  Ora  auea  quadratura. 

Ora  auea  Paria  schura. 

Ora  è  chiara  e  lucente. 

Or  uegio  molta  gente, 

Or  non  uegio  persone,  2205 

30  Or  uegio  padiglione. 

Or  uegio  chase  e  torre. 

L*un  giace  e  l'altro  chorre. 

L'un  fugie  e  l'altro  chaccia. 

Chi  sta  e  chi  prochaccia,      2210 
35  L'un  ghode  e  l' altro 'npazza. 


XIX. 

Chi  piange  e  chi  sollazza; 

Chosi  da  ongne  chanto 

Uedea  giocho  e  pianto. 

Però,  s'io  dubitai,  2215 

40  O  mi  marauigliai. 

Bello  deon  sapere 

Que' che  stanno  a  uedere. 

Ma  trouai  quel  sugiello, 

Che  da  ongne  nibello  2220 

45  Mi  fida  e  m'asichura. 

Chosi  sanza  paura 

Mi  trassi  più  auanti 

E  trouai  quatro  fanti, 

Ch'andauan  trabatte/tdo.        2223 
50  E  io,  eh'  ognora  ateodo 

A  saper  ueritate 

Dele  chose  trouate, 

Pre^jhai  per  chortesia, 

Che  sostasser  la  uia  2230 

55  Per  dirmi  1  chonuenexite 

Del  luogho  e  delà  ge^te. 

E  l'un,  ch'era  più  sagio 

E  d' ongne  chosa  magio. 

Mi  disse  in  brcuc  detto:       2233 
60  „Sapi  mastro  bumetto, 

Che  qui  sta  monseDgnorc, 

Ch'è  chaiM)  e  dio  d'amore, 

E  se  tu  non  mi  credi, 

Passa  oltra  e  sii  ti  uedi;       3240 
65  E  più  non  mi  tocchare» 


6  Che  son  LSGMC  —  8  de  om-  G  —  9  /eà/t  a  C»  —  IO  „E  ual  nella 
dogana"  M  Ed  L  ouer  C*  —  12  trattato  RM  peccato  C  —  13  ricordare 
BC*C*N  —  14  or  lo  uo  C*  Î  tralasciare  R  tralassare  C*  —  15  e  ad  sauere 
C*  —  \b  fehlt  io  CC»C*  —  17  Per  statt  E  C  Contarò  1  mio  O»  contra  N 
—  18  „Che'n  kalendi  di  magio"  B  E  chôme  C  fihit^n  NC"—  19  Panate 
LS  Passai  |vr  M  passando  B  7  valli  C  valle  L  ponti  M  —  20  frkit  E 
LSGMB  bochi  C-  fehlt  e  IJ^  monti  M  —  21  E  statt  Io  M  Etd  io  C« 
Et  yo  giuso  C«  fehlt  bel  XC»C*  —  23  E  1  più  M  —  24  fehä  Ma  LSB  Or 
mi  l^SGB  Ma  e' or  mi  C  —  25  Ora  u'c  C  —  27  „Or  chiaro  Î  lácente*«  GO 
era  L  fehlt  è  M  -  29  E  or  M  —  32  fehlt  e  LC*  —  33  fehit  e  C»  —  35 
fehlt  e  r  B  pazza  R  trauagla  B  —  36  risagla  B  —  38  ne  daua  C*  acS- 
la^vo  C  fehlt  e  C»  40  Or  L  E  si  mi  N  Et  C  —  41  pò  hom  €•  debo« 
MB  —  \z  fehlt  C;  von  Ub.s  Jlamì  .»Que'chc  stanno  a  uedere"  —  43  qvd 
ch'è  statt  quel  R  —  4S  M* afida  RC»C«  fehlt  e  C>  —  50  „E  io  g5  grnide 
intendo"  N  fehlt  E  C-  intendo  C'C^  -  51  Di  R  Assai  ¡vr  CK?  —  52 
passate  LSG^ÌC  53  PreghaMi  N     in  cortesia  BN   —   59 /^A//  Mi  R  — 

ho  „sappi  tu  ix-r  biuneclo"  (^-  —  f>i  Che  questo  M  questo  è  N  Che  comúM 
C^  sta  1  B  mio  sengnore  MB  —  (>2  „Cioè  lo  dio  d'amore"  BNCK?  E 
chapo  ^I  magiore  statt  d' amore  R  —  63  noi  mi  BC  —  64  „posata  x  ^  ^^ 
uedi"  r«     si  ttel  MC    fehlt  ti  RN  —  65     hontare  N  — 


-*-  -<.  -' 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS. 


375 


Capitolo  XIX. 


Ch*io  no/í  t'oso  parlare". 
Chosi  furon  spariti 
E  in  un  punto  giti, 
No«  so  doue,  nò  chôme, 

70  Né  la  'nsengna,  né  1  nome. 
Ma  io  m'asichurai 
E  tanto  inanzi  andai. 
Che  io  uidi  al  postutto 
E  parte  e  mezzo  e  tutto. 

75  E  uidi  molte  genti, 

Chui  liete  e  chui  dolenti, 
E  dauanli  al  scngnore 
Parea,  che  gran  roraore 
Facesse  un'altra  schiera. 

80  E  'n  una  gran  charriera 

IO  uidi  dritto  stante 
Ignudo  un  frescho  fante, 
Ch'auca  Tarcho  e  li  strali 
E  auea  penne  ed  ali. 

85  Ma  neente  uedea 
E  souente  traea 
Gran  cholpi  di  saette, 
E  là  doue  le  mette, 
Chonuien,  che  fora  paia 

90  Chi  che  perillio  n'aia. 
E  questi  al  buon  uer  dire 
Auea  nome  piacere. 
E  quando  presso  fui, 
Io  uidi  intorno  a  lui 

95  Uuiitro  donne  ualenti 


2245 


225Û 


"yy 


255 


2260 


2265 


2270 


Tener  sopra  le  genti 

Tutta  la  sengnoria; 

E  delà  lor  balia 

Io  uidi  quanto  e  chôme,        2275 
lOo  E  SSO  di  lor  lo  nome: 

Paura  e  disianza 

E  amore  e  speranza. 

E  ciaschuna  in  disparte 

Adouera  su*  arte  2280 

105  E  la  forza  e  l  sauere. 

Quant*  ella  può  ualere. 

Che  disianza  pungie 

La  mente  e  la  chonpungie 

E  sforza  malamente  2285 

1 1  o  D' auer  presentemente 

La  chosa  disiata: 

Ed  é  si  disuiata. 

Che  non  chura  d'onore. 

Né  morte,  né  romore,  2290 

1 1 5  Né  perillio,  eh*  auengna, 

Né  chosa,  che  sostengna, 
e  no//,  che  la  paura 
La  tira  ciaschun' ora, 

SI  che  nonn  osa  gire,  2295 

120  Né  solo  un  motto  dire, 

Né  far  pur  un  senbla/tte; 

Però  che  l  tino  amante 

Riteme  a  dismisura. 

Ben  a  la  uita  dura  2300 

125  Chi  chosi  si  bilanza 


S' 


66  no  posso  C*  —  67  E  chosi  R  dipartiti  BNC  dispartiti  C*  —  68 
pocho  s/aíí  punto  C  —  69  Ch*i*non  RLSGCC*  „ch'io  no  so  ne  nome**  C^ 
I  come  C»  73  Ch'io  pur  B  —  74  /eh/t  E  LSGM  mezza  RC«  —  76  Qua' 
MC^  Chi  NC  qua'  MC«  chi  NC»  —  77  a  R  —  78  Parean  chon  R  Parue 
M  paria  cun  C^  —  79  in  altra  C  —  80  „In  un'  altra  gran  carrera**  C'-*  fih/i 
'n  RLC  -  81  /e/i/t  Io  GM  ritto  BNC»C^  stare  C  —  82  2/.  ßhä  B  „vn 
nudo  fresco  fant<f*'  C'-*  —  83  ,,Ch'aueua  arco  et  stralj"  C^*  —  84  penne  d'ali  R 
-  85  me  C'-*  —  89  di  for  N  fuor  se  C*  —  90  X  chi  ftrh/t  che  G  che  chi 
B  Chi  chi  NC  —  91  al  mi' parere  M  —  93  i  fui  B  —  94  fih/t  a  R  —  96 
la  C  —  98  dala  GN  ala  B  —  99  E  vidi  N  —  100  „E  so  uui  dire  1  nome'* 
LSN  (lor)  C  „esse  dir  lo  lor  nome**  C^  —  loi  „Et  amore  î  sp<rrança**  C  — 
102  „Paura  %  disiança"  C  /eh/t  E  LB  —  103  „Ciascun  uidj  parte**  C*  /^Mt 
EN  —  104  Adoperar  G  Adoperan  lor  N  „Auea  suo  modo  %  arte**  M 
„adorar  soa  arte*'  C-*  —  105  /eà/t  1  C  —  106  O  qua//to  /eh/t  ella  M  uedcre 
R  —  108  l'amore  N  /c/t/i  e  C  —  109  força  CC«  —  II2  /r/t/t  Ed  N  — 
113  romore  M  —  114  „Morte  né  disinore**  M  v.  fehlt  N  né  1  C*  —  1 15 
che  uengia  ('*'*  —  116  cl\cl  sostengnia  G  —  118  „La  tira  alla  misura"  M  Lo 
RG  tura  C  -  IÍ9  sa  L  lassia  BNC^C»  —  120  Né  pur  B  poco  N  -  121 
solo  un  ce-*  fehlt  un  C  —  122  fehlt  IM—  1 23  Ritien  la  M  t  statt  a  C 
—  124  la  mepte  R  —   125  s'imbilanza  L     se  sbilancia  C''  — 


376 


n.  WIESE, 


Tra  tema  e  disianza. 

MA  tino  amor  solena 
Del  gran  disio  la  pena 
E  fa  dolce  i)arere 

130  E  lleue  a  sostenere 

Lo  trauaglio  e  l' afanno 
E  la  dolila  e  lo'nghanno. 
D'altra  parte  sperawza 
Aduce  gran  fìdanza 

135  Inchontra  la  paura 
E  senpre  Tasicbura 
D*auer  buon  chonpinu-z/to 
Di  suo  innamoram¿'/ito. 


2305 


2310 


140 


Tjl  Questi  (juatro  stati 


Son  di  piacere  nati, 
Clion  essi  sì  chongiunti, 
Che  gii\  ora  nò  punti 
Non  potresti  chontare 
Tra  lloro  ingenerare. 

145  Che,  quando  omo 'naraora, 
Io  dicho,  che'n  quell'ora 
Disia  ed  a  temore 
E  speranza  ed  amore 
Di  persona  piaciuta. 

150  Che  la  saetta  aguta. 
Che  moue  di  piacere, 
Lo  punge  e  fa  uolere 


Colpitolo  XIX. 

Diletto  chorporale. 
Tant' e  l'amor  chorale. 

155  Chosì  ciaschuno  in  parte 
Aoucrar  su' arte 
Diuisa  ed  in  chomuno; 
Ma  tutti  son  pur  uno, 
Chui  la  gente  a  temore 

160  Sii  chiaman  dio  d'amore, 
Perciò  che  l  nome  e  l'alto 
S'achorda  più  al  fatto. 
Assai  mi  uolsi  intomo 
E  la  notte  e  lo  giorno, 

165  Credendomi  chawpirc 
Del  fante,  che  ferire 
Lo  chor  non  mi  potesse. 
E  ss' io  questo  tacesse, 
Farei  magio  sauere; 

170  Ch'io  fui  messo  in  podere 
E  in  forza  d'amore. 
Però,  charo  sengnorc, 
S'io  fallo  nel  dittare, 
Uoi  douete  pensare, 

175  Che  Tom,  eh* è* naraorato, 
Souente  muta  stato. 

Oi  mi  tornai  da  caiito, 
E  in  u/t  riccho  manto 
Uidi  ouidio  magiore, 


2330 


233s 


2340 


23«S 


2345 


2320 


2350 


2325 


F 


2355 


127  „ma  1  furo  amare  allena"  C^     ma  il  BN  —  128  Nel  C     che  mena 

statt  la  pena  RMC  -    129  lieue  AI  —   130  fehlt  E  C»     ddolle  M    lene  C* — 

132  fehlt  E  C»     lo  danno  BNC^C«  —    133  „dal' altra  ispcrança"  N   —    136 

tutta   statt    scnprc  B      tuttor  NC^C-  »37  lo  statt  bon  C'C*    --    138  Del 

LSCiBNC     imo  statt  suo  C     amoramcnto  C^  —  \y\  dece  C*  —  140  Che  son 

LSNC»     che  so  del  C^  —  141  E  chon  M     esso  GBNC«C-     son  statt  si  LSBNC 

fehlt  si  M         142  höre  BC»  —  143  poteste  C*     trouare  BNC'C*  —  144  „Né 

fra  llor  generare**  G     „tra  lor  ingriarc**  C*     lo  'ngenerare  R     lo  generare  M 

-   146   Già  dicho  N     ben  statt  che'n  C   —    147  fehlt  ed  a;   de  temore  C" 

tremore  BNC'-«    -    148  ad  C   —    150  scripta  C*  —    15 1  da  G   —  1 52  la  G 

a  suo  statt  e  fa  RMC     „la  força  e  fa  uolere"  BN  (el)     C*  (sforça)     C  (sfona) 

154  canale  C*  —   155  vv.  155—162  ¿nel.  fehlen  in  BNC*C».     Die  darauf 

fol  inenden    vv.  sind  in    den   vier  codd.  so  geordnet:   nach   154  vv,  I77 — 203; 

■i"i\  165  -176;   163,   104,  203  //*.     ciascuno  li  pare  Z     ciascuna  S    fehit  in  LS 

in  ciaschuna  parte  MC —   15Ô  Adoj^^/a  LSMCZ —  157  In  diuisa  GM  —  I58 

„Ma  tutti  siano  ¡)ur  une**  Z     -j  son  R  —   159  a  romore  LSM  —  \^  fehit  Q 

chiamano  amore  LS     „Tutti  chiamano  amore'*  M     „Si  11* a  chiamato  amore"  Z 

—   161  fehlt  Z     Però  G  —  162  „è  quasi  tutt'un  fatto**  M  —  164  £  di  notte 

I  di  R    —    165  „Chrcdendo   carpire**  Z    —    166  Dal  MB     facto   cVel  Z  — 

167  I/arco  .statt  Lo  chor  X  —   if)8  „E  questa  se  tacicsse"  Z  —  I71   forteua 

Z    -    172  Et  però  Z  175  fehlt  eh' è  GMBNCC'C^Z   —    176  ».Sonente  in 

tostato"  C^    —    177  „Et   io   mi    tra^^si  a  canto"  BC*C-*      „E  io  mi   ristrinsi  a 

cha//to'*  N      ritornai  G      trouai  M      di  il  —    178  „Et  dimora' ui  tanto**  C'C 

amanto  G    —    179  „Uidi   un   dio  magiore**  RN      „Uidi  un  dio  d'amore**  M 


DER  TESOREITO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS. 


377 


i8o  Che  gli  atti  del' amore, 
Che  son  chosì  diuersi, 
Kasenbra  e  mette  in  uersi. 
E  io  mi  trassi  apresso 
E  domandai  lui  stesso, 

185  Ched  elli  apertamewte 
Mi  dicha  1  chonuenente 
E  lo  bene  e  lo  male 
Del  fante  e  dell'ale, 
Deli  strali  e  dell' archo 

190  E  onde  tale  incharcho 
Li  ucnne,  che  non  uede. 
Ed  olii  in  buona  fede 
Mi  rispose  in  uolgharc, 
Che  la  forza  d'amare 

195  Non  sa,  chi  noUa  prona, 
„Perciò,  s'a  te  ne  gietia, 
Cierchati  fra  lo  petto 
Del  bene  e  del  diletto, 
Del  male  e  del' errore, 

200  Che  nasce  per  amore**. 
E  chosì  stando  un  pocho, 
Io  mi  mutai  di  locho, 
Credendomi  fugire; 
Ma  non  potti  partire, 

205  Ch'io  u'era  sì 'nuescato, 
Che  già  da  nullo  lato 


2360 


23Ö5 


Capitolo  XIX. 

Potea  mutar  lo  passo. 
Chosì  fui  giunto,  lasso, 
E  messo  in  mala  parte. 

210  Ma  ouidio  per  arte 
Mi  diede  maestria, 
Sì  eh'  io  trouai  la  uia, 
Ond'io  mi  trafughai. 
Chosì  l'alpe  passai 

215  E  uenni  ala  pianura. 
Ma  troppo  gran  paura 
Ed  afanno  e  dolore 
Di  persona  e  di  chore 
M'auenne  in  quel  uiagio, 

220  Ond'io  pensato  m'agio. 
Anzi  ch'io  passi  auanli, 
A  dio  ed  ali  santi 
Tornar  diuotam^/ite 
E  molto  umilemente 

225  Chonfessar  li  peccati 
A  preti  ed  ali  frati. 
E  questo  mio  libretto 
E  ongn' altro  mio  detto, 
Che  io  trouato  auesse, 

230  S'alchun  uizio  tenesse, 
Chometto  ongne  stagione 
Illor  chorrezzione. 
Per  far  l'opera  piana 


2385 


2390 


2395 


2370 


2400 


2375 


2405 


2380 


„Et  nidi  Iddio  maggiore**  Z  Ch'io  uidi  C  che  /<fÄ//  uidi  C  —  180  „Chol- 
gli  altri  amori**  Z  Ch'a  s  fu  tt  Che  G  altri  N  d'amore  G  —  181  „Sì  echóme 
son  diuersi**  M  v.  181  /o/¿'^t  182  ///  M  —  182  „Rascnbra 'n  motti  ^  ucrsi"  R 
,,Rasscmbra  in  molti  uersi'*  M  ,,rasëprare  e  mettere  in  ufrsi"  X  ,,Rascnbrati 
in  uersi'*  C  „Rassembramenli  et  uersi**  Z  assembra  C"^  —  186  imantene/ztc  — 
188  Di  quel  fante  %  M  „Del  fante  ch'auea  l'ale**  B  —  189  „Ch'a  le  saette  e 
l'arco**  IJSG  „Colle  saette  all'arco"  M  „Dele  saette  e  l'arco'*  B  N  (d' archo) 
„Chclle  saette  1  l'archo"  CZ  E  deli  R  —  190  donde  GMNC»  —  191  ricde 
C  —  i()2  /fh/t  E  Z  —  194  I  l'amare  M  d'amore  NC'Z  -  195  „Non  sa  se 
«non  chil  pruoua"  M  la  {ft/iU  non)  R  nollo  C  —  196  \*erò  LSGMNBC^C^Z 
se  te  BN'C^Z  —  197  fra  1  mento  e  1  pecto  Z  in  fra  GBN  —  200  fc  staíí 
nasce  Z  -  201  ft^h/t  E  C*C'-  stato  M  io  un  C'-^  --  202  /eh/i  Io;  Non  mi 
mutai  Z  mi  parti  RM  non  s/uft  mi  LS  —  204  perire  C  —  205  'nestato  RZ 
legato  BC'C^X  'nescato  C  -  206  di  N  —  207  /fh/i  lo  Z  —  208  Et  cosi  Z 
uinto  e  lasso  BNC'C-  giunto  o  M  -  209  giunto  in  RBNC'C=*  —  210  „Ma 
io  uidio  parte"  C*  „Ma  io  uidi  parte**  Z  uidio  R  idio  N  in  part<?  s/ait 
per  arte  C'-*  —  211  gran  mastria  C^  —  213  Chora' io  R  trasfigurai  N  —  214 
Sì  ch'io  N  Et  così  Z  -  217  D'  siuU  Ed  BNC'C-^  di  dolore  NBC»C-'  — 
2ìf) /t'/i/t  in  R  —  220  posato  C*  passalo  C'^  Ond'io  ho  Z  —  221  passesse 
C^  /t'/tU  dauanli  Z  —  122  v.  fehlt  C  Ub\  „A  Dio  et  alli  Santi**  —  225 
Confessai  Z  —  226  et  ad  M  a  prelati  N  —  227  Di  questo  CC'-*  -  228  C'o- 
gn' altro  C  O  d'onn'altro  C*  mottecto  statt  m.  d.  Z  —  231  Ch'io  mccto  Z 
—  232  A  llor  GBCC^C-*     Ala  lor  N     correptione  C»  —  233  piena  Z  — 


378 


B.  WIESE, 


Chola  fede  cristiana. 

235  E  uoi,  charo  sengnore, 
Pregho  di  tutto  chore, 
Che  non  ui  sia  grauoso, 
S'io  alquanto  mi  ])oso, 
Finché  di  penitenza 

240  Per  fina  chonoscenza 
Mi  possa  chonsigliare 
Chon  omo,  che  mi  pare 
Uer  me  intero  amicho, 
A  chui  souente  dicho 

245  E  mostro  mie  credenze 
E  tengno  sue  sentenze. 


Capitolo 
2410 


2415 


2420 


■A" 


Capitolo  XX. 
L  tino  amicho  charo, 
A  chui  molto  chontraro 
D'allegrezza  e  d' afanno         2425 
Pare  uenuto  ongn'anno, 
5  Io,  burnetto  latino. 
Che  nessun  giorno  fino 
D'auere  gioia  e  pena. 
Chôme  uentura  mena  -43^ 

La  rota  da  falsa  parte, 
IO  Ti  mando  in  queste  charte 
Salute  e 'n  ter  o  amore; 


XX. 

Ch'io  no«  truouo  migliore 
Amicho,  che  mi  guidi,  2435 

Né  di  chui  più  mi  fidi 

1$  Di  dir  le  mie  credenze, 
Che  troppo  ben  sentenze, 
Qua^tdo  chcro  chonsiglio 
Intra  1  bene  e  1  perillio.       2440 
Or  m'c  uenuta  chosa, 

20  Ch'io  non  poria  naschosa 
Tener,  ch'io  non  ti  dica. 
Pur  non  ti  sia  faticha 
D'udire  infila  fine,  2445 

Amicho,  tu,  ch'ai  fine, 

25  Mie  parole  mondane, 
Ch'io  dissi  ogn'ora  uane. 
Per  dio  merzè  ti  mona 
La  ragione  e  hi  proua,  ^450 

Che  cciò  che  dire  uollio 

30  Da  buona  parte  achollio. 
Non  sai  tu,  che  lo  mondo 
Si  poria  dir  non-mondo, 
Chonstderando,  quanto  2455 

Ci  a  nno-mondezza  e  piantò? 

35  Che  truoui  tu,  che  uallia? 
Non  uedi  tu  san  fallia, 
Ch'ogne  chosa  tenena 


234  ala  C^*  Che  Ila  Z  —  235  Ad  Z  —  237  C'a  uoi  non  sia  C«C« 
graueza  Z  —  238  s'alqua/ito  me  C^  „Saluanto  mi  posso"  Z  — -  239  Finch' io 
BN  Fin  qui  C  fin  qui  y^er  C"-*  Sin  Z  —  240  „di  bona  consiença"  B  di 
buona  N  buona  C^C'-*  —  241  posso  N  —  242  uno  M  /ehU  che  C*  m' impare 
C  miopare  Z  —  243  Venne  intro  Z  —  245  „tutte  le  mie  credence'*  BNC*0 
mostra  mia  credenza  Z  —  246  loccho  sua  sentenza  Z  /»  R  folgt  i  ^nlto 
tcsoretto  |  Sempre  sia  xpo  benedetto.  In  S:  Qui  è  copiuto  il  tesoretto»  AU 
Überschrift  über  das  folgende  Capitel  in  K  :  Or  chomincia  la  penetenxa  |  La 
quäl  ci  chonuienc  auer  zon  rcue[renza].  In  C:  Qui  comincia  la  peni  |  lençiii 
che  fl'e  pcrr  prone  ¡  dença  il  buon  mastro  bur  |  necto  che  ffu  sanca  dtfecto. 

Cap.  XX  I  „Ad  cui  fino  amicho**  Z  a  fino  C*C*  —  a  „ad  ciij  malto 
coslaro**  C'-*     „Ad   cui   molto  contradicho**  Z     contato  N     contara  C*   —   3 

fehlt  D'  C'C-ä  Et  d'  Z  —  4  „Sonno  auenute  ongnno**  C»C*  PerZ  dhiemito 
M  auenuto  B  aucduto  N  oguanno  B  In  C*  und  C*  fehlt  der  Rest  des 
Gedichtes  und  der  Favolello.  In  C*  sind  nach  XX  v.  4  die  ersten  6  irr.  vmt 
XIX  wiederholt  mit  leichten  Varianten  —  7  pene  Z  —  8  fortuna  MB  Meii- 
tura  N  mene  Z  —  9  „Baracta  falsa  parte**  Z  in  falsa  MB  —  %Q  /Mt  in 
KB  -  14  fehlt  Nc;  A  cchui  C  —  17  Quand' i'  M  —  18  Tra  1  N  —  19 
auenuta  MN  uenuto  Z  vna  cosa  N  —  21  no  la  dicha  N  —  23  fino  •  C 
fino  alia  Z  —  24  „Amicho  mio  eh*  a' fine**  R  Amico  caro  î  fine**  là  fMi 
eh'  LSG  NC  —  26  ehe  disse  B  disio  Z  —  27  ora  statt  mene  G  —  28  ca* 
gionc  Z  —  29  (Idirti  MC  ch'io  Z  —  30  A  Z  —  31  sazia  statt  ni  tv  Z  — 
32  douria  LSBNZ  —  34  Ma  nno  N  „Canno  mondani**  Z  iitmondcta  M 
—  35  Che  tructu  Z  —  36  che  statt  tu  MZ  —  37  fehlt  Ch'  MNZ    tnmaX* 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS. 


379 


Porla  peccato  e  pena, 

Né  chosa  ci  a  sì  clera, 
40  Che  no/f  falliscila  e  pera? 

Or  prendi  un  animale 

Più  forte,  e  che  più  uale; 

Dicho,  che'n  pocho  punto    2465 

È  disfatto  e  digiunto. 
45  Ai  om,  perchè  ti  uante, 

Uecchio,  mezzano  e  fante? 

Di  che  uai  tu  cercha/ido? 

Già  non  sai  l'ora  e  quando  2470 

Uen  quella,  che  ti  porta, 
50  Quella,  che  no«  chonporta 

Oñcio  o  dingnitate. 

Ai  deo,  quante  fìate 

Ne  porta  le  chorone 

Chôme  basse  persone! 
55  /Giulio  ciesar  magiore, 

vi  Lo  primo  imperadore. 

Già  non  chanpò  di  morte. 

Né  sansón  lo  più  forte 

Non  uisse  lungiam^/tte.. 
òo  Alesandro  ualente, 

Che  chonquistò  lo  mondo. 

Or  giace  morto  in  fondo. 

Assalon  per  bellezze, 

Ettor  per  arditezze, 
65  Salamon  per  sauere, 

Attauian  per  auere 


Capitolo  XX. 
2460  Già  non  chanparo  un  giorno 

Fora  del  suo  ritorno.  2490 

A  Dunque,  omo,  che  fai? 
Già  tome  tutto  in  guai. 
La  mannaia  non  uedi, 
Ch'ai  tuttora  ali  piedi? 
Or  guarda  1  mondo  tutto;     2495 
E  foglia,  e  fiore,  e  frutto, 

75  Augiel,  bestia,  né  pesce 
Di  morte  fuor  nonn  esce. 
Dunque  ben  per  ragione 
Pronao  salamone,  2500 

Ch'ongne  chosa  mondana 

80  È  uanitate   nana. 

A  Micho,  or  moni  guerra 
E  uà  per  ongne  terra 
E  uà  uentando  1  mare;  2505 

Dona  robe  e  mangiare, 

85  Guadangna  argento  td  oro, 
Amassa  gran  tesoro: 
Tutto  questo  che  monta? 
Ira,  faticha  ¿d  onta  2510 

Ai  messo  a  1' aquistare; 

90  Poi  non  sai  tanto  fare, 

Che  no«  perde  in  un  motto 
Te  e  r  aquisto  tutto. 

ONd'io  di  ciò  pensando     2515 
E  fra  me  ragionando, 
95  Quant' io  agio  fallato. 


-475 


2480 


2485 


38  V.  fehlt  Z  —  39  Che  cosa  N  no«  ci  a  N  ci  è  BZ  —  40  o  Z  — 
41  Et  prendi  C  —  42  fehìt  e  N  —  43  Di  ciò  G  i«n  un  punto  M  'n  u« 
solo  punto  N  —  44  X  di  fatto  G     difunto  N  —  45  fehlt  Ai  MZ     di  che  M 

-  46  Vecchi  meccani  1  fanti  N  —  47  E  di  M  fehlt  tu  MZ  —  48  fehlt 
Già  MZ  né  LSCZ  né  1  M  fehlt  e  B  —  49  que'  KLSGNX  —  50  „E  a 
niun  còporta"  M  —  51  né  Z  digratate  B  —  52  Onde  quante  Z  —  53  por- 
tan LSNCZ  portar  G  —  55  „Io  uo  Ciesare  maggiore"  Z  —  57  ne  di  Z  — 
S8  Et  Sansone  Z  —  62  fehlt  Or  RLSCZ  Già  G  in  profondo  C  —  63  bel- 
lezza GMBZ  —  64  arditeççe  NC  „Et  Catone  per  francheza"  Z  —  67  cam- 
pato Z  —  68  di  lor  B  lor  M  —  69  Alunquc  R  Dunque  LSG  AI  omo 
dunque  C  Or  dunque  Z  —  70  „Già  truoui  tutto  iguali'*  N  torna  LSGZ  -— 
71   „In  pianto  la  manaia  non  uedi"  Z  —  72  „Che  tuttora  ai  a  piedi"  G     CS 

-  73  „Guarda  come  van  tutti**  M  --  74  ,,E  fiori  e  folgle  e  frutto'*  LSMNC 
„E  fiori  et  erbe  et  fructo  Z  fehlt  E  R  —  75  bestie  LSGBCZ  né  bestie  N 
e  BCZ  pesci  Z  —  76  esci  Z  —  77  fehlt  per  N  —  78  Appruoua  M  Prouò 
I  bon  B  —  80  1  vana  MN  ,,Et  uanecta  et  nana**  Z  —  81  guerre  Z  —  82 
tuctc  terre  Z  —  83  Or  BXZ  —  86  Et  amassa  Z  —  87  „E  tucto  questo 
moneta**  Z  —  89  inn  aquistare  C  —  90  E  non  sai  tucto-  C  ^ —  91  p^rda  di 
butto  M     ad  un  BGC    fehlt  in  Z  —  92  „Se  a  l'acquisto  tucto**  Z     1  tutto  G 

—  93  fehlt  Z  in  ciò  LSGC  —  94  E  'n  LSN  ragionato  Z  —  95  Quando 
aggio  C     Quand' io  Z  — 


38o 


B.  WIESE, 


E  chôme  sono  istato 
Omo  reo,  peccatore, 
Sì  eh*  al  mio  creatore 
Nomi  chi  prouedenza, 

loo  Né  nulla  reuerenza 
Portai  a  santa  chiesa, 
Anzi  To  pur  offesa 
Di  parole  e  di  fatto, 
Ora  ici  tengno  matto, 

105  Ch'io  uegio  ed  o  saputo. 
Ch'io  son  dal  mal  perduto. 
E  poi  ch'io  uej^o  e  sento, 
Ch'io  uado  a  perdimento. 
Seria  ben  for  di  senso, 

HO  S'io  non  pri/uegio  e  penso, 
Chorno  per  lo  ben  cawpi, 
Che  lo  mal  non  m'aua/ipi. 

Capitolo  XXI. 
I  Chosì  tutto  pensoso 
Un  giorno  di  naschoso 
Entrai  in  monpuslieri, 
E  chon  (juesti  pensieri 
5  Me  n'andai  ali  frati, 
E  tutti  miei  pecchati 
Chontai  di  motto  in  motto. 
Ai  lasso!  che  chorrotto 
Feci,  quand' ehi  inteso, 
IO  Ch'om'io  era  chonpreso 
Di  ^misurali  niali 
Oltre  che  criminali! 
(^h'io  pensaua  tal  chosa. 
Che  non  fosse  grauosa, 


2520 


2525 


2530 


Capitolo  XXI. 

15  Ched  è  pecchato  forte 

Più  quasi  che  di  morte.        2550 
Ond'io  tutto  a  schouerto 
Al  frate  mi  chonucrto, 
Che  m'a  penitenziato. 

20  E  poi  ch'i' son  mutato, 

Ragion  è,  che  tu  muti;         2555 
Che  ssai,  che  sen  tenuti 
Un  i>ocho  mondanetti. 
Però  uo,  che  t' afretti 

25  Di  gire  a  frati  santi. 

Ma  pensati  dauanti,  2360 

Se  per  modo  d'orghollio 
Enfiaste  unque  lo  schoUio, 
Si  che  1  tuo  creatore 

30  Noiin  amassi  di  chore 

E  non  fossi  ubidenti  2565 

A  suoi  chomandamenti  ; 
E  ssc  tti  se'uantato 
Di  ciò  ch'ai  operato 

35  In  bene  o  in  follia; 

O  per  ipocresia  2370 

Mostrane  di  ben  fare, 
Quando  uolei  fallare; 
O  sse  tra  le  persone 

40  Uai  mouendo  tencione 

Di  fatto  o  di  minacele,         237S 
Tanto  ch'oltragio  Ìsiccic; 
O  ssc  t'insuperbisti 
O  in  greche  salisti 

45  Per  chaldo  di  ricchezza 

O  per  tua  gentilezza  2580 

O  per  grandi  parenti 


^Slh 


2340 


2545 


96  chom'i'  MBN  —  97  Rio  homo  e  ß   —  98  Che  nel  mio  G     chcl  t 

—  100  E  R  lilla  B  -  101  Portando  a  sancta  Z  —  102  sempre  M  —  103 
0  NC  —  iü6  d'alma  LSGM  del  BN  partuto  C  —  108  uado  in  Z  —  HO 
chonpcnso  R«.'  —  ili  Chom'io  LSGBCM  per  ben  far  M  —  113  „Che  1 
mal  no//  mi  diuampi**  M     Sì  che  1  BC. 

Cap.  XXI  4  fehlt  E  Z  —  S  fehit  Me  Z     al  frate  C  —  6  i  miei  SGNCZ 

—  7  a  motto  a  /«motto  M  di  motto  a-  BC  —  8  Io  sjiso  che  Z  —  9  io 
abbo  N  —  IO  feh/t  io  Z  —  15  Ch'era  LSGMBC  —  17  „Cosi  tolto  scoocfto** 
B  /chit  a  MZ  —  20  che  son  G  s'io  son  B  —  21  ti  BZ  —  24  „Perciò  che 
tu  atìretli**  Z  —  25  „Di  gire  in  fra  Santi"  Z  —  26  E  LSG  —  28  Infìastl  in 
q//ell()  L  Ai  enfiato  lo  M  —  29  „Se  ttu  il  tuo  criatore"  G  il  boono  cri»- 
tore  Z  che  al  N  -  30  di  bon  core  C  -  32  Ai  BN  —  33  O  MNZ  tin  G 
tu  l'ci  B  -  33  Î  in  (j  36  Et  per  Z  -  37  Mostrate  R  —  38  pecare  B  — 
39  E  se  LSGC  —  40  mettendo  Z  —  41  D'oltragio  R  fatti  MZ  —  43  pi 
se  tu  'nsuperbisti**  B  v.  fehlt  Z  —  44  „Odinere  chreco  salisci**  Z  —  46  «^ 
fehit  Z  —  47  molti  M  — 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS. 


381 


O  perchè  dale  genti 
Ti  par  esser  laudato; 

50  O  sse  tti  se*  sforzato 
Di  parer  per  le  uie 
Miglior  che  tu  no«  sie; 
O  ss' ai  tenuto  a  schifo 
La  giente  o  torto  1  grifo 

55  Per  tua  gramattesia  ; 
O  sse  per  legiadria 
Ti  se' solo  seduto, 
Qua/ido  no»n  ai  ueduto 
Chonpangno,  che  tti  piaccia; 

60  O  ss' ai  mostrato  faccia 
Crucciata  per  superba 
E  la  parola  acerba, 
Uedcndo  altrui  fallare 
E  te  stesso  pecchare; 

65  O  sse  tti  se'uantato 
O  detto  in  alchun  lato 
D'auer  ciò  che  no«n  ai 
O  ssauer  che  no«  sai; 

A  Micho,  e  ben  ti  menbra, 
^ .  Se  tu  per  belle  mewbra 

O  per  bel  uestime«to 
Ai  preso  orghogliam/f«to, 
Queste  chose  cho«tate 
Son  di  superbia  nate, 

75  Di  chui  lo  sauio  dice, 
Ched  è  chapo  e  radice 
Del  male  e  del  pecchato. 
El  frate  m'  a  chontato, 
Sed  io  ben  mi  ramewto, 

80  Che  per  orghogliam^/ito 
Pallio  l'angel  matto, 


Capitolo  XXI. 

Et  eua  ruppe  1  patto; 
E  la  morte  d'abel, 
E  la  torre  babel, 

2585         85  E  la  guerra  di  troia. 

Chosì  chonuien,  che  muoia   2620 
Soperchio  per  soperchio, 
Che  spezza  ongne  chop^rchio. 

A  Micho,  or  ti  prouedi; 
,, ,  ,  Che  tu  chonosci  e  uedi, 

C^he  d' orgholliose  prone        2625 
Inuidia  nasce  e  moue, 
Ch'c  fuocho  delà  mente. 
Uedi,  se  se' dolente 

259s         95  Del' altrui  benina«za, 

O  ss'auesti  allegra«za  2630 

Dell'  altrui  turbamento, 
O  per  tuo  trattamento 
Ai  ordinata  chosa, 

2600       100  Che  ssia  altrui  granosa; 

E  sse  sotto  mantello  2635 

Ai  orlato  1  chappello 
Ad  alchun  tuo  uicino 
Per  metterlo  al  dichino; 

2605        105  O  sse  Ilo  'ncholpi  a  torto, 

O  sse  tu  dai  chonforlo  2640 

Di  male  a  suoi  guerrieri, 
E  quando  se' dirieri 
Ne  parie  laido  male, 

2610       no  Ben  mostri,  che  tti  chale 

Di  metterlo  in  mal  nome.     2645 
Ma  tu  no«  pensi,  chôme 
I^  spregio,  eh' è  lleuato, 
Si  possa  esser  lauato, 

2615        115  Nò  pur,  che  mai  s' amorti 


49  T'apar  R  —  51  la  uia  M  —  52  Maggior  MZ  —  54  „Alchuno  a 
ttorto  grifo"  M  e  torto  NZ  a  C  /<?////  1  GC  —  55  o  per  N  —  59  Com- 
pangni  I^  Chonpangnia  G  Compagna  B  —  60  mostrata  LGMN  —  62«jColla 
s/ati  E  la  M  —  64  A  C  -  65  E  R  -  66  fehlt  O  Z  -  68  ciò  che  Z  — 
69  or  ben  LS  fekif  ben;  or  ti  GM  fe/i/t  e  C  rimenbra  GM  —  76  Ch'eli' è 
B  —  79  De  dio  R  Se  Dio  Z  —  80  „|vr  or  orgogliamento"  G  —  84  di 
Babel  BZ  —  87  coperchio  Z  —  88  Si  speçça  B  soperchio  C  v»  fehlt  V  — 
%(\  fehlt  ti  GZ  —  92  muore  Z  —  93  Ch'ò  1  Z  —  94  Pensa  se  sse'  M  se 
fu  Z  —  95  Della  tua  G  betunanza  Z  —  96  E  BNCZ  —  98  Et  -tradimento 
Z  —  99  ordinalo  Z  -  lOO  dañosa  BNZ  —  loi  O  LSG  M  sotto  1  LSG  — 
102  fehlt  1  BZ  —  104  a  B  —  105  E  B  —  106  O  sse  desti  M  —  107  ai  B 
—  108  O  MB  a  dirieri  N  da  rieri  B  dirietro  Z  —  109  „Nel  parlare  ullaido 
male"  G  parole  C  di  atatt  parle  M  —  iio  E  mostri  M  mostra  Z  —  113 
pregio  MCB  alleuato  C  —  114  può  LS  leuato  LSGMCZ  —  115  O  MB 
par  GNZ     se  mai  C  — 


3^2 


B.  WaESE, 


120 


Capitolo 
Lo  blasmo,  chi  che  I  porli  ;  2650 
Che  tale  1  mal  dir  t'ode, 
Che  poi  nollo  disode. 

INuidia  ò  i;ran  pecchato, 
E  o  scritto  trouato, 

Che  prima  choce  e  dole        2655 

A  cholui  che  la  uuole. 

E  certo,  chi  ben  mira, 

D'inuidia  nasce  l'ira; 
125  Che,  quando  tu  non  puoi 

Diseruire  a  cholui,  2660 

Né  merterlo  al  disotto, 

Lo  chor  s'inbrascia  tutto 

D'ira  e  di  mal  talento, 
130  E  tutto  1  pensam^wto 

Si  gira  di  mal  fare  2665 

E  di  uillan  parlare, 

Si  eche  batte  e  p^rchuole 

E  fai  pegio  che  puote. 
135  Perciò,  amicho,  pensa, 

Se  'n  lawla  maluolienza  2670 

Uer  cristo  ti  crucciasti, 

()  se  lo  biastemiasti, 

O  se  battesti  padre, 
140  Od  ofendesti  a  madre 

O  chericho  sagrato  2675 

O  sengnore  o  parlato. 

Chui  l'ira  da  di  pillio, 

Perde  senno  e  cho«sillio. 

IN  ira  nasce  e  posa 
Accidia  nighittosa; 


»45 


2680 


Che,  chi  no«  puote  in  fretta 


XXL 

Fornir  la  sua  uendetta, 
Né  difender  chui  uole, 

150  L'odio  fa  chôme  suole, 

Che  sempre  monta  e  cresce,  2685 
Ne  di  mewte  no«  li  esce; 
Ed  è'n  tanto  torm^ito, 
(/.he  noMn  a  pensamento 

155  Di  neun  ben,  che  ssia; 

Ma  tanto  si  disuia,  2690 

Che  non  sa  melliorare. 
Né  già  ben  chominciare; 
Ma  croio  e  nighittoso 

160  È  uer  dio  glorioso. 

Questi  non  uà  a  messa,        2695 
Né  ssa,  qual  che  ssi'essa, 
Né  dicer  pater  nostro 
In  chiesa,  né  in  chiostro. 

165  Chosì  per  malusanza 

Si  gitta  in  dispcranza  2700 

Del  pecchato,  eh' a  fatto; 
Ed  é  si  stolto  e  matto, 
Che  di  suo  mal  non  crede 

170  Trouare  in  dio  merzede; 

O  per  falsa  chagione  270; 

Apillia  presunzione, 
Chel  mette  in  mala  uia 
Di  non  creder,  che  ssia 

175  Per  ben  nò  per  pecchato 

Omo  salu'o  dannato,  2710 

E  dice  a  tutte  Tore, 
Che  già  giusto  sengnore 
NoU'aurebe  creato, 


116  /f/i/t  Lo  Z  chi  chi  1  RN  che  chi  1  B  chi  conporta  C  —  II7 
„Che  tal  mal  dicitore"  Z  //•////  1  BNZ  /•/*//  t'  RM  —  120  I  è  scriUo  G  — 
121  'nprima  RN  —  127  E  M  —  128  s'infiamaB  s' abrasela  NZ  —  \y>  ftkit 
1  Z  -  132  VX  di  nulla  Z  —  133  eh' abatte  G  —  ii\  fekit  1  Z  —  135  Però 
GM  Et  perciò  Z  —  136  fehlt  'n  LSGMBNCZ  S'a  B  Se  con  fekit  Unta 
M  -  -  137  Verso  iddio  M  —  138  E  G  —  139  Der  v.  folgt  140  »t  B  —  I40 
fvhlt  a  LSGMNCZ  —  145  D'imiidia  B  —  146  Auccide  R  —  147  „Chi  non 
può  in  tecla**  C  Et  chi  Z  —  148  fehlt  la  N  —  149  offender  GNZ  chi  RCZ 
150  Lo  Dio  sa  Z  corne  1  MB  —  152  E  IJSMB  fehU  H  LSGBN  —  153 
fehlt  l:  \\  —  156  E  B  OC  tutto  G  —  158  Che  già  B  —  159  „láa  taat'è 
nighittosiï"  M  „Ma  uoio  neghittoso"  Z  accidio  î  N  —  160  /Mt  È  GM 
Ch'è  nucr  Z  'nuer  LSG  <lio  é  N  -  161  „Che  già  nonn  ode  messa"*  M  — 
162  „Ne  sa  ({ual  si  sia  essa"  LSGB  {fehlt  si)  Z  fehlt  quai;  che  ssi  sia  UN 
qudla  che  sv;i;i  C  —  1(4  né  nel  K  —  id^  fehlt  è  NZ  cosi  NZ  --  169  dd 
Z  —  170  In  dio  trouar  M  a  Dio  C  —  171  E  B  fehlt  per  Z  —  172  Pügla 
LSG  —  175  o  |v;-  GN  176  nc  MBNC  condannato  LSG  „Loi  saino  né 
dapnato"  Z  —   177  „Et  dichono  a  ttutt'ore"  G  — 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS. 


383 


Capitolo 
180  Perchè  fosse  dannato 

Ed  un  altro  prosciolto.  2715 

Questi  si  schosta  molto 

Dala  uerace  fede. 

Forse  che  now  s*  auede, 
185  Che  1  miserichordioso, 

Tutto  che  ssia  pietoso  2720 

Sentenza  per  giustitia 

Intra  1  bene  e  le  uizia 

E  dà  merito  e  pene 
190  Sechondo  che  ss'auene? 

Or  pens',  amicho  mio,  2725 

Se  tu  al  nero  dio 

Rendesti  grazia  o  grato 

Del  ben,  che  tt'a  donato; 
195  Che  troppo  pecca  forte 

Ed  è  dengno  di  morte,  2730 

Chi  non  chonosce  1  bene 

Di  là,  donde  li  uene. 

E  guarda,  s*ai  speranza 
200  Di  trouar  perdona/iza. 

S*ai  alchun  mal  chonmesso,  2735 

E  non  ne  se' chonfesso, 

Pecchato  ai  malamente 

Uer  l'alto  re  potente. 
J  ncghienza  m'auisa, 
Che  nasce  chouitisa;       2740 

Che,  quando  per  neghicwza 

Non  si  truoua  potenza 

Di  fornir  sua  dispensa, 


205 


D 


XXI. 

210  Inmantenente  pensa. 

Chôme  potesse  auere  2745 

Sì  del' altrui  auere, 

Che  fornischa  suo  porto 

A  diritto  ed  a  torto. 
215  Ma  cholui,  eh' a  diuizia, 

Si  eh  ade  in  auarizia,  2750 

Che,  doue  de,  no«  spende 

E  già  l'altrui  non  rende, 

Anz'a  paura  forte, 
220  Ch'anzi  che  uengna  a  morte 

L'auer  gli  uengna  meno,       2755 

E  pur  istringe  1  freno. 

Chosi  rapisce  e  fura 

E  da  falsa  misura 
225  E  peso  frodolente 

E  nouero  fallente  2760 

E  non  teme  pecchato 

D'auistar  suo  merchato. 

Nò  di  chometter  frode; 

« 

230  Anzil  si  tene  illode 

Di  naschonder  lo  sole,  2765 

E  per  bianche  parole 
Inghanna  altrui  soue/ite, 
E  molto  larghamentc 

235  Promette  di  donare. 

Quando  noi  crede  fare.  2770 

E  un  altro  per  enpiezza 

Ala  zara  s'auezza 

E  giuocha  chon  inghanno; 


180  ch'el  B    —    182  si  cholta  R  —  183  Della  C  —  186  tuttora  sia  N 

—  188  fra  1  Z      malizia  M  —  189  „Et  ui  tormento  e  pena"  Z     tormento  N 

—  190  „Si  ccome  si  comiene"  M  auede  C  —  193  „Rendesti  grande  grado" 
Z  o  gracie  o  N  e  MB  -  194  ch'el  B  —  195  „Che  troppo  peccatore"  Z 
pecca  troppo  N  —   197  E  chi  no  N  —  198  onde  N  —  199  sua  sfaíí  s*  ai  Z 

—  201  /¿»A//  S*  RN     /eh//  S'ai  Z     „E  sse  ai  mal  comesso"  M     confesso  Z 

—  202  Se  RNZ  Che  M  fehlt  ne  Z  sia  MB  —  203  /<?A//  ai  M  —  204 
„Verso  iddio  ñipotenle"  M  dio  R  —  205  m'accusa  Z  —  206  cortesia  Z  — 
207  quand* omo  N  quando  l'uomo  Z  —  210  v.  fehlt  C  Incontanente  M  — 
212  Di  statt  Si  B  —  214  „A  diritto  o  ai  torto"  N  o  B  —  215  che  statt 
eh* a  Z  —  )i6  EB  getta  G  -  217  „Che  l' auere  no  spende"  R  fehlt  Che 
B  là  doue  BN  là  oue  CZ  —  218  Né  LSCZ  —  220  Che  prima  Z  la  N 
fehlt  a  Z    —    221   no«    statt  gli  M   —    222  Et  poi  Z     ristrenge  BZ     fehlt  1 

RLNZ  —  223  Et  chosì  G  —  224  Et  a  Z  mala  R  —  226  non  uero  RZ 
ma  fallente  Z  —  227  tiene  a  GZ  nò  non  tiene  a  N  chura  M  —  228  agiu- 
star  BZ  Di  uistare  C  lo  suo-  Z  —  229  v.  fehlt  Z  —  230  fehlt  1  NZ  a 
lode  Z  —  231  „Di  nascondere  chi  lode  il  Sole"  Z  —  232  Se  \ter  N  —  233 
Inghannare  R  —  236  non  crede  C  —  237  fehlt  K  GMBNCZ  -  238  sì  s'a- 
uezza R  —  239  giuoco  LSMCZ     p^r  G  — 


3^4 


B.  WIESE, 


Capitolo 


2780 


2785 


240  E  per  far  T  altrui  dawno 

Souente  ]Mnt;na  1  dado 

E  no«  Ili  guarda  fjuado; 

E  ben  presta  a  unzino 

E  mette  mal  fiorino. 
245  E  ss«3  perdesse  un  pocho, 

Ren  udiresti  locho 

Biastemiar  dio  e  sawti 

E  que*  che  son  daua/;ti. 

Un  altr*è,  che  no;/  cura 
250  Di  dio,  né  di  natura 

Sì  douenta  usoriere 

E  in  molte  maniere 

Rauolj^ie  suoi  danari. 

Che  li  son  molto  chari. 
255  Non  guarda  dì,  nò  festa, 

Né  per  pasqua  no«  resta, 

E  no;/  par,  che  li  'ncrescha. 

Pur  che  moneta  crescha. 

Altro  per  semonia 
260  Si  gietta  in  mala  uia 

E  dio  e  santi   ofende 

E  uende  le  profende 

E  santi   sagrame;/ti 

E  mette  'n  fra  le  gewti 
265  A  sen  pro  di  mal  fare. 

Ma  questo  lascio  stare, 

('he  toccha  a  ta* persone; 

<'hè  no;/n  è  mia  ragione 

Di  dirne  lungiamí*;/te, 
270  Ma  ilicho  apenamf';/te, 

('he  Tom,  ch*è  troppo  scarso,  2805 


27QO 


2795 


2800 


XXI. 

Credo,  cha  1  chor  tutt*arso, 

Che  'n  pouere  ptrsone 

E  'n  o«,  che  ssi*  in  pregione, 

275  No;/n  a  nulla  pictade; 

Tutto  in  inferno  chade.         2810 
Per  ischarsezza  sola 
Cien  pecchato  di  ghola, 
Ch*om  chiama  ghiottomia. 

280  Che,  quando  Tom  si  suia. 

Sì  che  monti  in  rìchezza,      2815 

I^  ghola  si  s'auezza 

Ale  dolce  uiuande 

E  a  far  chocine  grawde 

285  E  mangiare  anzi  l'ora, 

E  molto  ben  dinora.  2820 

Chi  mangia  piìi  souente, 
(^he  non  fa  l'altra  gente 
E  talor  mangia  tanto, 

2qo  Che  pur  da  qualche  canto 

Ei  duole  chorpo  e  fiancho   2825 

E  stanne  lasso  e  stanche 

E  inebria  di  uino, 

Si  ch*ongne  suo  uicino 

295  Sene  ride  dMntomo 

E  mettelo  inn  ischomo.        2830 
Ben  è  tenuto  baccho 
('hi  fa  del  chorpo  saccho 
E  mette  tanto  in  epa, 

300  Che  talora  ne  crepa. 

cierto  per  ghiottomia  283S 

J  S*  aparecchia  la  uia 
Di  chonmetter  lusura. 


( 


240  jWi//  E  Z  /e////  1  G  -  241  piglia  N  —  242  Né  N  ui  mette 
ghuado  G  Et  non  riguarda  Z  -■-  243  adottino  Z  —  249  E  un  R  /ekU  è  NZ 
250  Î  di  R  —  251  Che  M  E  R  diuienc  G  vsuraio  Z  —  252  E  di  BK 
ongne  LS(ÌC  —  2f;3  Riuolge  RNZ  —  255  „Et  non  guarda  la  festa"  Z  — 
256  Va  Z  -  258  „Pur  che  monta  e  cresca"  C  —  262  „E  uendele  per  mal 
perdente"  Z  —  264  melton  LS(r  menton  C  /rh//  'n  LSGMC  la  gente  LSGC 
//•////  le  Z  -  2i)5  As^cmpri  L  v.  fehlt  Z  —  267  ch'el  B  assai  Z  —  271 
ft'hìt  1*  Z  —  272  Chredi  Z  —  273  Chon  G  O  che  pouere  Z  —  274  N*  "n 
LSMBNC  NO  ohon  ÍV  O  fehlt  n  Z  -  -  275  ulla  B  —  276  »,Tiicto  infenno 
cade"  <■  —  277  feh  t  sola  Z  —  278  ,.vn  picato  di  gola"  B  —  279  „Chiamato 
ijhioitornia"  M  che  ama  Z  —  280  «piand  uomo  G  s*inuia  GNZ  —  2S1  ,4b 
sì  falta  *iiiochc/za"  M  uengnia  G  --  283  ghiotte  M  —  284  ,^t  fine  chone 
di  granili"  Z  „Fare  ci>ntinuc  e  grande"  B  fehlt  a  RLSC  cucina  M  cor- 
redi N  287  (^he  (tNZ  —  2»)0  „Che  pur  di  quel  cotanto"  Z  —  29I  t».  291 
und  2Q2  fehlen  in  ÏK  il  corpo  NZ  o  cí>rpo  o  MC  o  LSG  c  1  NZ  —  394 
Sì  chôme  ('  205  d'attorno  M  —  2Q<>  mettorlo  N  —  297  lacho  R  matto 
C  —  2t)«)  in  l'epa  R  —   3lxî  liai  uoha  M     -  303  In  R     Foi  Z  — 


tiw-Ji....   . 


DER  TESORETTO  UND  FAVOLELLO  B.  LATINOS. 


385 


Capitolo 

Chi  man^a  a  dismisura, 
305  La  lussura  s'acende, 

Si  ch'altro  no/in  intende       2840 

Se  nnon  a  quel  pecchato, 

E  cercha  d'ongne  lato, 

Chôme  possa  chonpiere 
310  Quel  suo  laido  uolere. 

E  uecchio,  che  ss'inpaccia    2845 

Di  chosi  laida  taccia, 

Fa  ben  dopio  peccato 

Ed  è  troppo  blasmato. 
315  Ben  è  gran  uituperio 

Chonmettere  auolterio  2850 

Chon  donne  o  chon  donzele, 

Quanto  che  paian  belle. 

Ma,  chil  fa  chon  parente, 
320  Peccha  più  agrami^nte. 

MA  tra  questi  pecchati      2855 
Son  uie  più  condannati 

Que'  che  son  soddomiti. 

De,  chôme  son  periti 
325  Que'  che  chontra  natura 

Brighan  chotal  lusura!  2860 

Or  ucdi,  charo  amicho, 

E  *ntende  ciò  eh'  io  dicho  ; 

Uedi,  quanti  pecchati 
330  Io  t'agio  nominati, 

E  tutti  son  mortali.  2865 

E  ssai,  che  cci  a  di  tali, 


xxn. 

Che  ne  churian  ben  pocho. 
Uedi,  che  nonn  è  giocho 
335  Di  chadere  in  pecchato, 

E  però  da  buon  lato  2870 

Chonsillio,  che  tti  guardi, 
Che  1  mondo  non  t' inbardi. 

ORa  a  dio  t'achoroando, 
Ch'io  no«  so  l'ora,  quando 

Ti  debia  ritrouare;  2875 

Ch'io  credo  pur  tornare 

La  uia,  ch'io  m'era  messo; 

Che  cciò  che  m'è  promesso 
345  Di  ueder  le  sett' arti 

Ed  altre  molte  parti»  2880 

Io  le  uo  pur  uedere» 

Inparar  e  sapere; 

Che  poi  che  del  pecchato 
350  Mi  son  penitenzato 

E  ssonne  ben  chonfesso        2885 

E  prosciolto  e  dimesso, 

Io  metto  pocha  chura 

D'andar  ala  uentura. 

Capitolo  xxn. 
I   /^Hosì  un  dì  di  festa 

\J  Tomai  ala  foresta  2890 

E  tanto  chaualchai, 

Che  io  mi  ritrouai 
5  Una  diman  per  tempo 


304  „Chi  mangia  tanto  in  furia"  M  —  305  /eh/t  La  L  A  Z  —  306 
Ch*  ad  altro  M  non  ne  Z  atende  GN  —  308  in  ongne  NZ  —  309  adempiere 
M  —  310  II  suo  M  —  311  E  1  NZ  chi  SC  traccia  N  trama  Z  —  313 
Si  ffa  doppio  M  Sa  bene  Z  —  314  molto  M  —  315  Ed  è  gran  M  Et  ben 
è  il  —  317  donna  N  e  B  pulcclla  NZ  —  318  Quantunque  paian  M  Come 
che  Z  paia  bella  NZ  —  320  laidamente  LSN('Z  grauemente  GB  —  321  in 
tra  N  —  322  via  L    ui  B  —  326  Cometton  M     chotale  usura  R     soççura  B 

—  328  /M//  E  Z     /ehU  io  Z  —    329  Se  di  quanti  Z  —  330  contati  LSGC 

—  331  ft^h//  E  B  —  332  che  tu  ai  Z  —  333  nnoi  N     noi  Z    fehlt  ben  RB 

—  335  II  cadere  M  —  336  Perro  feh/t  E  B  da  lor  M  dal  buono  CZ  — 
337  /n  M  lautet  dieser  und  der  folgetiiie  vers-,  „Ch'ai  mondo  non  t' inbardi  | 
E  ffa  che  tte  ne  guardi"  M  —  340  „Non  so  doue  né  quando"  MZ  l'ora 
né  RLSG  doue  né  NC  v.  fehlt  B  —  341  v.  fehlt  B  debo  Z  —  342  deggio 
Z  andare  R  —  343  „Là  dou*i'm*era  messo"  M  Ala  Z  che  mi  N  —  344 
„P<?/ò  che  m* è  promesso"  ^  v.  fehlt  Z  m* era  C  Ìpromesso  G  permesso 
B  —  345  „Ch'  i  uedrò  le  sette  arti"  M  che  statt  le  Z  —  347  Le  quali  i'  uo 
uedere"  M  —  348  E  cercare  e  sauere  LSC  1  inparare  I  GMBN  In  parere 
et  in  Z  —  349  Da  poi  LSC  —  351  son  fehlt  ne  N  v,  fehlt  Z  —  352  z/. 
fehlt  Z     Et  asciolto  B    -    353  Ch'io  R     poco  LSGMBNC. 

f'ap.  XXII  I  Et  così  Z  —  3  anco  Z  —  4  trouai  NZ  —  5  /n  Z:  Vna 
di  mane  j  Ch'io  mi  trouai  per  tempo* 


k« 


Zaittchr.  f.  rom.  PhIL   VII. 


25 


386 


B.  WÎESE, 


In  sul  monte  d'olempo 
Di  sopra  in  sula  cima. 
£  qui  lascio  la  rima, 
Per  dir  più  chiaramente 

IO  Ciò  ch'io  nidi  presente. 
Ch'io  nidi  tutto  1  mondo, 
Sì  cchom'egli  e  ritondo, 
E  tutta  terra  e  mare 
E  1  fuocho  sopra  l'aire; 

15  Ciò  son  quatro  aulim^Mti, 
Che  son  sostenim^Titi 
Di  tutte  creature 
Secondo  lor  nature. 
Or  mi  uolsi  da  chanto 

20  E  nidi  un  biancho  manto 
(Zhosi  dala  sinestra 
Dopp'una  gran  ginestra. 
E  io  guatai  più  uso 
E  nidi  un  biancho  uiso 

25  Chon  una  barba  grande, 
Che  sul  petto  si  spande. 
Ond'io  m'asichurai 
E  'nanzi  lui  andai 
E  feci  mio  saluto 


30  E  ffui  ben  riceuuto. 
2895  Ond'io  presi  baldanza 

E  chon  dolze  chontanza        2920 
Lo  domandai  del  nome, 
E  chi  elli  era,  e  chôme 
35  Si  staua  si  soletto. 
2900  Sanza  neun  ricetto. 

E  tantol  domandai,  2925 

Che  nel  suo  dir  trouai, 
Che  là,  doue  fu  nato, 
40  Fu  tolomeo  chiamato, 
2905  Mastro  di  storlomia 

E  di  filosofìa;  2930 

Ed  è  a  dio  piaciuto, 
Che  ssia  tanto  uinuto, 
45  Qual  che  ssia  la  chagione. 
2910  E  iol  misi  a  ragione 

Di  que' quatro  aulinvfrti        2935 
E  di  lor  fondamrMti, 
E  chomo  son  formati 
50  E  insieme  leghati. 
2915  E  e' chon  belle  risa 

Rispuose  in  questa  guisa:     2940 


F 


Il  Favolfxlo. 

Capitolo  I.  Di  far  difensa  e  schndo. 

Orse  lo  spron  ti  moue,  Ma  sse'del  tutto 'niado; 

Che  di  scritte  ti  pruouc  5  Che  tua  difensione. 


6  su  Z  molte  C  —  8  quiui  RL  —  9  charamente  C  —  IO  Io  che  nidi 
Z  —  II  „Io  uidi  cierto  il  mondo"  Z  —  12  „E  come  ritondo"  Z  —  14  H  R 

—  19  Po*  mi  M  uols'io  BN  salio  Z  di  C  —  21  di  Cosi  M  finestra  GZ  — 
22  D'una  SGBNCZ  fehlt  gran  N  —  23  „E  riguardando  fiso"  M  ^  24  Pnidi 
M  —  26  'n  sul  LSGMBNZ  li  spande  LSGN  —  27  E  io  N  mi  sicarai  C  — 
28  a  Uui  n'andai  M  a  lui  B  più  statt  lui  Z  —  31  Et  io  Z  —  32  ffehit  E  R 
Sì  con  N     dolcie  Z     accontanza  \S    contanza  MZ    acontanda  B    contanca  N 

—  33  Li  C:  La  Z  —  34  fehlt  E  RGC  feìut  elU  Z  —  35  fehU  Si  LSBNCZ 
così  BNZ  —  36  alcun  B    nullo  Z  —  37  anco  Z  —  38  Ch'i'  RN    v.  /MÄ  C 

—  39  Colà  NC  oue  B  -  43  a  die  è  C  —  44  Ch'i'sia  GLSB  —  46  fMi 
E  BC  „Et  di  lui  sia  ragione"  Z  —  47  D'esti  G  ,J>anqae  quattro  aUneoti" 
Z  -  -  48  fehlt  E  Z  de'  LSMC  -  49  legati  LS  —  50  fonnatì  LS  --  $1  >*** 
E  Z  que'  M  —  52  /w  R  folgt'.  Finita  penitenza  ¡  Che  dio  ci  prrdom  p«r 
sua  {K)teMza.  S:  AMEN.  In  B  folgt,  nachdem  ein  Raum  fSr  Hmem  Vtrt 
freigelassen  ist:  Che  1  gran  thesor  deuisa  |  In  la  lingua  franciia. 

Folgt  Jew  Te  sor  etto  mit  einer  Unterbrechung  im  RLSGMN.  In  C: 
Qui  comincia  il  fauolello  |  il  quai  fu  buono  X  bello  |  che  |  mandò  mastio  Bm^ 
necto  a  Rusiicho  di  filippo.  In  Z  und  V  folgt  der  Fav^Ml»  étm  TfêmwtÊê 
ohne  I 'Unterbrechung  der  l'ers  folge. 

Cap.  I  I  dimoue  G  —  2  „Che  di  chriate  proue"  Z  scritto  F  -*  4  E 
M     sicuio  C     „Ma  del  tutto  se' ngnudo"  F    -  5  tutta  M  — 


DER  TEFORETTO  UND  FAVOLKLLO  B.  LATINOS. 


387 


S' o  mente,  di  ragione 
Fallati  dirittura. 
Una  propia  natura 
A  dritta  benuoglienza, 

IO  Che  riceue  crescenza 
D'amore  ongne  fìata; 
E  lungha  dimorata, 
Né  paese  lontano 
Di  monte,  né  di  piano 

15  Non  mette  ose  untate 
In  uerace  amistate. 
Dunque  pecca  e  disuia, 
Chi  bono  amicho  oblia; 
(>hè  'n  tra  li  buoni  amici 

20  Son  li  diritti  onci, 
Uolere  e  no«  uolere 
Cìaschuno  ed  atencre 
Quello  che  IF  altro  uuole 
In  fatto  ed  in  parole. 

25  Questa  amistà  e  certa. 
Ma  delà  sua  chouerta 
Uà  alchuno  amantato, 
Chôme  rame  indorato. 
Chosi  in  molte  guise 

30  So/i  l'amistà  diuise, 
Perchè  la  gente  inuizia 
La  uerace  amicizia. 
Ch' amicho,  eh' è  magiore, 
Uuol  essere  a  tutt'ore 

35  Parte,  chôme  leone. 
Amor  bassa  e  dispone, 


Capitolo  I. 

Perchè  in  fìn' amanza 
No/f  chape  magioranza. 
Dunque  riceue  inganno 

40  Non  certo  sanza  danno 
L' amicho,  ciò  mi  pare, 
Ch'è  di  minore  affare. 
Ch'ama  ueracemente 
E  serue  lungiamente, 

45  Donde  si  menbra  rado 
Quelli  ch'è  in  alto  grado. 
Ben  sono  amici  tali. 
Che  saettano  istrali, 
E  danno  grande  lode, 

50  Quando  1' amicho  l'ode. 
Ma  nuli' altro  piacere 
Si  può  di  loro  auere. 
Chosi  fa  r  ausingnuolo  : 
Serue  del  uerso  solo, 

55  Ma  già  d'altro  mistero 
Sai,  che  non  ual  guero. 
N  amici  m' abatto, 
Che  m'aman  pur  a  patto 
E  sserue  buonamente, 

60  Se  uede  apertamente, 
Chom'io  rìserua  lui 
D'altretanto  o  de  pluL 
Altretal  ti  redicho 
Délo  ritroso  amicho, 

65  Che  dala  chomincianza 
Mostra  grande  abondanza; 
Poi  a  pocho  a  pocho  alenta. 


r 


6  V.  fehlt  C  sometti  GMN  Souente  FZ  —  7  E  falla  RNZ  —  8  Ch'una 
RGM  —  9  Adirata  F  Ardita  Z  —  io  increscença  C  —  il  Da  morte  R 
D'amare  lisNC  fehlt  D'  GM  —  12  alungha  G  —  13  Di  paese  M  Nel  NZ 
Né 'm  F  —  15  „Si  ommette  obscuriiate"  Z  metto  N —  17  „Dunque  peccato 
o  disuia"  R  „Dunque  perchè  disuia"  Z  —  18  Chi  1  MN  Qual  Z  —  19  E 
C  fehlt  'n  LSGMNCFZ  20  leali  R  -  22  atemere  C  —  24  E'n  Z  fatti 
MZ  —  25  e  questa  N  „In  questa  amistà  certa"  Z  —  26  Ma  ella  N  —  27 
„Va  Tuom  e  mantando"  Z  —  28  è  dorato  F  —  31  uizia  GM  —  33  L'  LS 
S*  C  —  34  fehlt  essere  G  ttutte  l'ore  LGN  —  36  lascia  M  basso  Z  — 
37  amistanza  M  —  40  credo  LSGM  —  41  „L' amicho  compare"  Z  —  42  basso 
RM  —  43  neramente  C  „Chanta  ueraciemente"  Z  —  44  „E  assai  lungha- 
mente"  M  lealmente  LSG  larghamente  C  allegramente  Z  —  45  Onde  sin 
M  —  46  Colini  LSM  —  51  neun  N  —  52  da  NZ  —  54  che  ffa  lo  uerso-  G 
Che  serue  F  —  55  Ma  p<?r  altro  M  —  56  Sa' ben  che  M  uà  leggiero  Z  — 
57  Et  in  Z  —  58  m'ama  N  m' inamaro  Z  Ch'amano  F  —  59  „Serue  bo- 
nariamente" M  sseruon  RG  —  61  fehlt  io  M  riseruai  N  sema  F  —  62 
X  fehlt  de  M  —  63  „Altretale  la  te  redicho"  RCFZ  (-lo  ti  dicho)  „Altrettal 
la  ti  dico"  M  dico  N  —  65  ala  LSGM  delà  N  'ncomincianza  SGMFC  — 
67  Et  p<»i  atì  Z     allena  F  — 

»5* 


388 


B.  WIESE, 


Capitolo  I. 


Tanto  che  aneenta, 
E  in  detto  ed  in  fatto 
70  Già  no«n  oserua  patto. 

CHosì  o  posto  chura, 
eh' amicho  di  uentura 
Chôme  rota  si  gira, 
Ch'elio  pur  guarda  e  mira 

75  (ahorne  uentura  chorre; 
E  sse  mi  uede  porre 
In  glorioso  stato, 
Sememi  di  buon  grato; 
Ma  sse  chado  in  anghosce, 

80  Già  no«  mi  richonosce. 
Chosì  face  l'augello, 
Ch'ai  tewpo  dolce  e  bello 
Chon  noi  ghaio  dimora 
E  chanta  ciaschun  ora, 

85  Ma  quando  uien  la  ghiaccia, 
Che  no«  par  cha  li  piaccia. 
Da  nnoi  fugie  e  diparte. 
Ond'io  ne  prendo  un'arte, 
Che  chôme  la  fornace 

90  Proua  l'oro  uerace, 
E  la  nane  lo  mare, 
Chosì  le  chose  amare 
Mostran  ueracenu*«te 
(vhi  ama  lealmente. 

95  Cierto  1' amicho  auaro. 
Chôme  lo  giocholaro, 
Mi  loda  grandem^«tc. 


100 


105 


no 


115 


120 


125 


Quando  di  me  ben  sente; 
Ma  quando  nolli  dono, 
Portami  laido  sono. 
Questi  dauante  m'ungie, 
Ma  di  dietro  mi  pungie, 
E,  chôme  l'ape  in  seno» 
Mi  dà  mele  e  ueleno. 

EL' amicho  di  uetro 
L'amor  gietta  di  dietro 
Per  pocho  ofendimento; 
E  pur  p^r  pensamento 
Si  rompe  e  parte  tutto, 
Chôme  lo  uetro  rotto. 
E  1' amicho  di  ferro 
Mai  no«  dice:  diserro, 
Infìn  che  può  trappare; 
Ma  el  no  uorria  dare 
Di  molte  erbe  una  cima. 
Natur' è  delà  lima. 
Ma  1' amicho  di  fatto 
È  techo  a  ongne  patto, 
E  persona  ed  auere 
Puoi  tutto  tuo  tenere; 
C^hò  nel  bene  e  nel  male 
Lo  trouerai  leale. 
E  sse  fallir  ti  uede, 
Unque  no«  se  ne  ride. 
Ma  te  stesso  riprende 
E  d'altrui  ti  difende. 
Se  ffai  chosa  ualente. 


68  E  tanto  N  che  neenta  N  che  a  niente  ména  £  eh' è  niente  Z  — 
69  E  di  USCF  „In  docto  nò  in  facto"  Z  e  di  LSCF  o  in  N  —  70  „ChosI 
è  pur  baratto"  M  non  ne  Z  aserue  R  sema  N  —  71  Che  si  N  Che  s'io 
o  Z  —   73  s'agira  N  74  Che  mi  LS     Che  pur  lo  M     o  M  —  76  „che 

se  Ho  uede  ])orre"  G  E  sse  lo  M  uedi  M  uedesse  Z  —  78  Semi  L  Se- 
ruelo  GM  —  79  chade  GMZ  —  80  „Già  più  noi  richonoscie"  G  nello  M  — 
82  Ch'a  il  G  Nel  Z  gaio  LSGM  —  83  „Che  con  ongni  hnòrn  dimora'*  M 
„('hon  inganno  dimora"  Z  %^  fehlt  E;  Chantando  M  —  85  £  F  ni  è  R 
-  86  Che  pare  che  nolli  C  —  87  si  fugge  M  parte  M  —  88  n'o  presa  R 
n'aprendo  LSG  —  89  Sì  echóme  GM  fehlt  Che  C  —  91  et  lo  zT  —  93 
apertamente  M  ueramente  C'  --  95  E  II' amico  M  fehlt  TO  —  96  î  chôme 
il  GMCFZ  —  97  Che  ñij  F  —  100  Mi  porta  Z  —  Statt  w.  lOI — 104  fit  M: 
„(*hosi  o  visto  fare  ¡  Al  chañe  Z  ripilglarc  |  Ciò  ch'elgl'a  bomicato  j  Chosl 
è  loro  vsato"  —  102  E  I-SGNCZ  —  103  fehlt  E  G  —  104  „Má  dì  me  h) 
ueleno"  Z  -  ios  da  uento  Z  —  107  ostendimento  Z  —  108  O  MZ  possa« 
m^wto  M  -  109  parte  c  rompe  R  E  ronpo  C  Mi  ronpe  F  —  III  rv. 
III— -116  ùirl.  fehlen  Z  fehlt  E  C  Ma  GC  —  112  io  diserro  N  —  II3 
rappare  M  —  114  Mai  F  fehlt  el  MF  —  Il  6  dell' anima  F  —  II7  vr. 
117     134  tm-l.  fehlen  M  —  121  EC—  126  Et  da  altri  Z  —  127  coae  Z  — 


DER  TESORErrO  UNO  FAVOLELLO  B.  LATINOS. 


389 


La  spande  fra  la  ge/ite 
E  1  tuo  pregio  radoppia. 
130  Chotal  è  buona  cheppia; 

C ir  amicho  di  parole 
Mi  serue  quando  uole 
E  no«n  a  fermam^wto, 
Se  non  chôme  lo  uento. 

Capitolo  II. 
I   Or,  che  ch'i' penso  o  dicho, 

A  tte  mi  torno,  amicho, 

Rusticho  di  fìlippo. 

Di  chui  faccio  mio  ceppo. 
5  Se  teco  mi  ragiono. 

Non  ti  chero  perdono; 

Ch'io  no«  credo  potere 

A  tte  mai  dispiacere; 

Che  la  gran  chonoscenza, 
IO  Che  'n  te  fa  rìsedenza. 


Capitolo  II. 

Fermât' a  lungha  usanza,  145 

Mi  dona  sichuranz«, 

Chom'io  ti  possa  dire 

E  per  detto  ferire. 
15  E  cciò  che  scritto  mando 

È  chagione,  e  dima/fdo,  150 

Che  tti  piaccia  dittare 

E  me  scritto  mandare 

Del  tuo  trouato  adesso. 
135         20  Che  1  buon  palamidesso 

Mi  dice,  ^d  ol  creduto,  155 

Che  se'n  cima  saluto, 

Ond'io  me  n'allegrai. 

Qui  ti  saluto  ormai; 
140         25  E  quel  tuo  di  latino 

Tien  per  amicho  fino  160 

A  tutte  le  charrate, 

Che  uoi  oro  pesate. 


128  „Le  spandi  fra  Ile  gienti"  Z  î  fra  Ila  G  tra  N  —  132  quanto  C 
come  Z  —   133  vv.  133  uud  134  fehlen  LS. 

Cap.  II  I  Or  ciò  M  Onde  ch'i'  F  „Or  che  ch'io  mi  pensi  et  dichi" 
Z  —  2  „A  tte  perfetto  amicho"  RM  mi  ritorno  N  —  4  „1  chui  fìccho  mi 
cieppo"  G  mi  fo  F  tempio  Z  —  6  Non  cheroti  G  —  7  Che  non  C  — 
9  choscienzia  F  —  io  far  sentenza  Z  —  li  X  lungha  M  Fermerà  Z  — 
14  profcrere  LSNCZ  —  15  fehlt  E  M  ch'io  G  ti  mando  M  —  16  „A 
cagione  addomando"  LS  „E  a  ragion  dimando"  M  fehlt  EG  Et  CZ  fehlt 
e  GF  addimando  GF  —  18  „e  scritto  a  me  mandare"  GM  „Et  in  scripto 
mandare"  Z  „E  iscritto  mandare"  F  —  21  fehlt  Mi  LSNCFZ  disse  GMZ 
fehlt  1  RMZ  a  Z  —  22  „che  sconcia  e  saluto"  N  sse'n  somma  G  fehlt 
saluto  C  sso'n  Z  —  24  „Quantj  salutj  ormaj"  F  „Et  qui  ti  salutai"  Z  ornai 
GN  —  25  „Omai  quel  tuo  LATINO"  Z  —  26  „Tienj  per  oro  fino"  F  — 
28  Che  uno  oro  R. 

Folgt  in  L:  Qui  è  compiuto  il  fauolctto  |  Che  mandò  s^r  burnetto  la- 
tini I  a  rustico  di  tìlippo.  S  ebenso  doch',  fagoletto  ke  —  latino.  In  G: 
„Finito  il  libro  chiamato  tesoretto  |  deo  gratias  .  amen".  In  N:  „AMEN 
deus".  In  C:  „Explicit  liber  tesoreti  |  domini  Burnetti  la  |  tini  de  florentia". 
In  F:  „deo  grazias".     In  Z:  „Finito  è  questo  tractato". 


B.  Wiese. 


Die  Spraohformen  Matfre  Ermengau's. 

Einleitendiis.  Matfre  Ermengau  ist  der  Verfasser  des  Breviari 
d'amor.  Wie  wir  im  Eingango  des  Werkes  erf-ihren,  ¡st  dasselbe 
im  Jahre  1288  begonnen  worden.  *  Es  ist  eine  religiös  gehaltene, 
für  den  Laien  geschriebene  Encyclopädit;  des  allgemeinen  Wisseiis 
der  damaligen  Zeit. 

Die  vorliegende  Untersuchung  hat  die  Aufgabe,  die  Sprache 
des  Dichters,  dessen  Heimat  l^éziers  ist,  darzustellen.  Nur  ein 
zweifacher  Anhalt  bietet  sich  hierbei  der  philologischen  Kritik:  die 
Reime  und  die  feststehende  Silbenanzahl  der  einzelnen  Verse. 
Bereits  Gabriel  Azaïs  hat  in  der  Einleitung  zu  seiner  Ausgabe  des 
Breviari  d'amor  (p.  C'  —  ('IX)  über  die  Sprache  des  Gedichtes  ge- 
handelt. Beweisfähig  jedoch  für  die  Sprache  des  Dichters  ¡st  seine 
Abhandlung  nicht,  denn  sie  ist  ohne  jede  Rücksiclit  auf  die  l>eiden 
erwähnten  Kriterien  verfafst. 

Azaïs*  Ausgabe  ist  keine  definitive,  da  weder  alle  Handschriften^ 
zu  Rate  gezogen  sind,  noch  eine  methodische  Klassifikation  der 
erhaltenen  Handschriften  vorausgegangen  ist.  Dem  Texte  liegt  die 
Hs.  A  zu  gründe;  die  übrigen  Pariser  Hss.  liat  der  Hcrausgitbcr 
benutzt,  um  die  Lücken  von  Hs.  A  auszufüllen  und  die  Fehler 
derselben  zu  eniendienni.  Mussafia  (HandschriftL  Studien  III.  in 
d(Mi  Sitzungsberichten  der  Wiener  Akademie  der  Wissenschaü 
Bd.  XLVI,  p.  4i4se(i.)  teilt  das  Ergebnis  einer  Vergleichung  der 
ersten  1 3 1 90  Verse  mit  den  beiden  Wiener  Hss.  F  G  mit  Seine 
Emendationen  sind,  soweit  sie  für  die  Kritik  der  Sprache  in  Be- 
tracht kommen,  angeführt.  Im  „Jahrb.  f.  rom.  u.  engl.  Lit"  Kd.  V 
hat  Mussafia  die  Lesarten  der  Hss.  F(t  für  den  .Schlufs  des  Breviari 
(„L^^  Perilhos  Tractat  d'Amor")  angegeben. 

L^nser  Werk,    34099  Verse    umfassend,^   ist  in   paarweise  ge- 

*  Am  ersten  Frühlinfista^e  des  Jahres  1288  hat  Matfre  sein  Werk  be- 
j»oniien.  In  dem  Abschnitte  ,,De  la  naissensa  del ßlh  de  dUu"  (V.  21673) 
erzählt  er,  es  seien  seit  der  Geburt  Christi  1289  Jahre,  3  Monate,  2  Tage  ver- 
flossen --;  es  war  also  am  2.  April  1290. 

'**  Über  die  hand>chriftliclie  Verbreitunj»  des  Werkes  vgl,  Bartsch, 
„Grundrifs  der  Gesch.  der  prov.  Lit.'*  p.  53. 

3  Azaïs  zählt  34597  Verse.  Seine  Zählung  ist  jedoch  an  mehreren 
Stellen  fehlerhaft.  Von  V.  4599  geht  dieselbe  auf  V.  5000,  von  V.  8999  ^^ 
V.  9000  über.  Ferner  befmdet  sich  zwischen  V.  1900  —  5  und  V.  33280 — 5 
je  ein  nicht  gezählter  Vers. 


DIE  SPRACHFORMEN  MATFRE  ERMENG AU'S.  39 1 

reimten  Achtsîlbem  gedichtet,  und  zwar  so,  dafs  vvie  die  Verse 
auf  mähnlichen,  auch  die  auf  weiblichen  Ausgang  nur  acht  Silben 
haben.  Männliche  und  weibliche  Reime  wechseln  in  bunter  Mischung 
mit  einander  ab.  An  mehreren  Stellen  hat  sich  der  Dichter  mit 
der  Assonanz  begnügt: 

contendré  1681  :  membre,  milia  2886  :  seria,  6820  :  avia,  16174  i  companhia. 
estadis  3652  :  miliar  is.  Mer  cur  is  40CX)  :  Saíurnis  (6363,  6405).  maragdes 
3899  :  achates,  espazi  6329  :  savi,  vista  6959  :  Citra.  vilania  12331  :  symia. 
diabol  13753  •  habitacol.  partas  14509  :  patriarchas.  latz  15966  \  partz. 
malicia  (=  maleza)  1 8344  \  grepia.  ontz  18378  :  dotz.  apóstol  26429  \  pobol. 
célele  27529  :  feme  (31940).     bela  34205  :  fera. 

Selbst  der  Assonanz  entbehren  die  Bindungen: 

Ambrueys  1289  :  engenres.  respondo  1319  :  entendu.^  avaricia  (■—  avareza) 
3490  :  luxuria,  736 1  :  cimia,  27 1 44  :  glotonia,  32966  :  simonia,  comandai 
9187  :  vendas.^  azulteri  1 69 1 0  :  testimoni.  dejunis  1 94 1 6  :  celicis.  grepia 
21757  :  avia,  conjuro  23260  :  demando,  doctrinas  (Subst.)  231 00  :  fermas. 
Magdalene  23690  :  Salome  (24929).  célele  2772 1  \  prueyme,  verdiera  31413  : 
fregura.^     abaissa  323 1 1  :  issalsa.^ 

Die  Bindung  desuncía  6153  :  plueia  ist  ebenfalls  unregelmâfsig. 
Die  Stelle  ist  wohl  verderbt.  Für  desuneia  hat  B  deshueiay  C  deS' 
neyta.  In  F  findet  sich  ein  regelmäfsiger  Reim:  desnuda  (dis-nodiat)  : 
piueia. 

Die  unregelmäfsigen  weiblichen  Reime  wie  respondo  ;  eniaido  etc. 
sieht  Mussafia  (Handschriftl.  Mittheil.  Ill  in  den  Sitzungsberichten 
der  Wiener  Akademie  der  Wissensch.,  Bd.  XL  VI,  p.  4 1 1  )  als  männ- 
liche an  und  scandiert  :  respondo  :  entendö.  Demnach  müssten  alle 
diejenigen  weiblichen  Bindungen,  die  hier  entweder  als  Assonanzen 
oder  als  Consonanzas  bordas  aufgeführt  sind,  unter  denen  mit 
Accentverlegung  einen  Platz  finden. 

Zur  Herstellung  des  Reimes  wird  von  provenzalischen  Dichtem 
der  Accent  zuweilen  auf  die  unbetonte  Endsilbe  verlegt.  Auch  im 
Breviari  sind  eine  Anzahl  derartiger  Bindungen  zu  belegen: 

autres  121 3  :  al  res.  issamen  1839  :  comensén.  aurión  ^11"]  :  mon.  comté 
(computus)  6325  :  conte  (-tenet),  compairés  162^0  :  parentes,  banairés  17432: 
tres,     la  21 368  :  Judd. 

Die  Masculina  auf  -«  tragen  häufig  auf  der  letzten  Silbe  den  Ton  : 

planeta  4028  :  astrologia,  4108  :  sobiras,  regelmäfsig  aber  3658  :  netas,  3848  : 
sage  tas. 

Einige  der  angeführten  Reime  giebt  Mussafia,  Hanschriftl. 
Studien  III,  an.  Von  anderen  Dichtern  (Guiraut  Riquier,  Guiraut 
de  Cabreira)  hat  Bartsch  in  Gröbcrs  „Ztschr.  f.  rom.  Phil."  Bd.  II, 
p.  131  mehrere  Beispiele  beigebracht.  Vgl.  auch  Suchier,  Denkm. 
prov.  Lit.  und  Spr.  I,  p.  292,49;  293,87. 

Aufser  den  weiblichen  Reimen  finden  sich  auch  leonynische 
Reime  bei  männlichem  Versausgang.  Dafs  dieselben  vom  Dichter 
beabsichtigt  seien,  ist  nicht  anzunehmen. 

Dreireime  hat  der  Dichter  an  zwei  Stellen  gebraucht,  V.  23728 — 
30  (nohlamens  :  enguens  :  tssamens)   und   V.  34439 — 41   {cor  :  lauzor  : 


*  Nach  den  Leyä  d'amor  Consonanza  borda. 


392  R.  WEISSE, 

amor),  Abwiìichondc  Ri'imjstt'llunf^  liegt  vor  bei  V.  28769  —  72 
(dcsptssa  :  error  :  trobador  :  maleza).  An  zwei  StelliMi  (V.  4200,  15097) 
finden  sich  alleinsttihende,  ungebundene  Verse,  vor  oder  nacli  denen 
der  Ausfall  je  eines  Verses  angenommt;n  werdeii  mufs.  Ks  ist  zu 
verwundern,  das  keine  der  sechs  von  Azais  benutzten  Handschriften 
den  Text  an  jenen  Stellen  vervollständigt  hat.  In  F  G  ist  der  mit 
4200  reimende  Vers  vorhanden: 

E  volontiers  se  bar  raí  ha 
Don  se  diiz  dieus  de  hatalha. 

In  der  Ausgabe  des  Gabriel  Azaïs  ist  am  Schlüsse  des  Breviari 
d*araor  ein  ebenfalls  in  Reimen  verfafster  Brief  des  Matfre  Erraengau 
an  seine  Schwester  enthalten.  Derselbe  umfafst  138  zehnsilbigc, 
paarweise  gereimte  Verse. 

Femer  sind  von  unserem  Dichter  noch  zwei  (jedichte  bekannt, 
welche  ebenfalls  Gabriel  Azais  veröffentlicht  hat  (s.  „Les  troubadours 
de  Bóziers",  p.  131,  134  in  „Bulletin  de  la  société  archéologique, 
scientifique  et  littéraire  de  Béziers"). 

A.   VON  DEN  LAUTEN. 
L  Die  betonten  Vokale. 

§  I.  Lat.  u,  o.  I.  Lat.  û  und  ô  in  freier  Silbe  werden  im 
Provenzalischen  zu  í;*.  Ausweichung  des  0  in  u  findet  statt  in 
deorsum  —  jus  (:  plus  5881)  neben  jos  (:  fws  6123).  Ferner  wird 
das  lat.  illönim  neben  lor  (z.  B.  :  cahr  6132)  nicht  nur  in  der 
Schreibung  zu  ///;-,  sondern  zwei  Reime  beweisen,  dafs  dem  Dichter 
auch  die  Aussprache  lur  nicht  fremd  war,  welche  nach  Diez 
(Gramm.*  II,  99)  von  der  Lyrik  im  Reim  venniedcn  wird:  iur  1 1773  : 
dur,     Iur  s  1 1 85 1  :  durs, 

2.  Welche  Färbung  lat.  o  in  freier  Silbe  erfahren  hat,  ob  der 
einfache  I^ut  0  geblieben,  ob  die  nach  der  Rhône  und  I^nguedoc 
zu  setzende  Diphthongierung  zu  uo,  oder  ob  die  in  Marseille  und 
der  Prov(ince  übliche  Diphthongierung  zu  ue  stattgefunden  hat, 
läfst  sich  aus  keiner  I^indung  erkennen.  (Ebensowenig  läfst  sich 
das  Schicksal  des  lat.  o  in  der  Position  nachweisen.) 

Anmerkung:  Die  Scheidung  von  0^  und  0^  hat  der  Dichter 
streng  innegehalten. 

%  2,  Lat.  a.  Der  Vokal  a  hat  sich  im  l^rovenzalischen  rein 
erhalten.  T^l.  aqua  wird  ai^uay  woneben  nach  Diez,  Gramm.*  I,  146 
ai^ua  nicht  vorkommt,  hn  Breviari  findet  es  sich  mit  a  gebunden: 
aigua  23710  :  pia  g  un. 

In  dem  vom  griech.  7cá{iít  stammenden  Worte  cara^  welches 
in  anderen  Tt^xten  zuweihMi  die  französische  Form  ciura  zeigt, 
z.B.  bei  Arnaut  do  Ahirolh  (Bartsch,  Chrestom.  prov.^98, 3),  be- 
wahrt Matfre  das  a:  cara  12501  :  ciara,  28417  :  Navarra, 

Über  die  Jùidungcn  -arius,  -aria  vgl.  §  3.  Die  Ncbcnfonn  k 
von  ¡av  (22204  :  plaj)  läfst  sich  aus  einer  Bindung  nachweisen: 
la  2 1 368  :  Juda, 


DIE   SPRACHFORMEN    MATFRE   ERMENGAU's.  393 

Anmerkung:  Das  tiefe  a  (vor  abgefallenem  losen  «),  ¿z',  bindet 
unser  Dichter  mit  dem  offenen  (a^\     Beispiele  sind: 

ca  (canem)  371  \  fa  (fácil),    fa  (facit)  1225  -.pia  (planum),     ma  (manuni)  1433  : 
a  (habet),     endetna  15089  :  veyra.     cápela  16705  :  mandara. 

Auch  vor  s  findet  die  Mischung   statt:  sobaras  ¿\2'^']  \ planetas. 

§3.  La  t.  e,  i.  I.  Lat.  è,  oder  durch  Consonan  tenausfall 
lang  gewordenes,  bleibt  é\  Ausweichung  in  i  zeigt  venenum:  veri 
1 1 63 1  :  giqw\  26739  '' (fÇ^^i'  vier  ce  hat  sein  e  ausnahmslos  bewahrt 
(9959  :  he\  Hierher  gehört  auch  die  Form  quist  mit  den  Compo- 
sita: conçu/s/  S ^Söy  1 1 647  :  Cris/,  requis/  14776  :  Cris/;  -rf  10745  • 
ris/a.  Daneben  auch  conqueza  17693  :  riqueza.  —  Der  Nominativ 
Plur.  des  Pronomens  aqtiest  ist  ebenfalls  mit  /  zu  lesen  [22^^']  : 
Crisi).  —  Die  Participia  près  und  mes  haben  ihre  provenzalische 
Form  mit  e  bewahrt:  près  6551  :  mes  (mensis).  Irameza  19875  : 
riqueza, 

2.  Lat  e  in  offener  Silbe  wird  nicht  diphthongiert: 

quer  (quaerit)  9086  :  cer  (cervus).     fers  (ferus)  24838  :  ters  (tertius).     fera 
(fera)  34206  :  bela  (bella). 

3.  Lat.  Ï  wird  zu  e^.  Eine  Anzahl ,  hauptsächlich  weniger 
volksmäfsige  oder  jüngere  Wörter,  behalten  ihren  ursprünglichen 
lat  Vokal.  Allein  unser  Dichter  scheint  auch  dieses  /  in  e  über- 
gehen zu  lassen: 

digne  141 15,  14433  :  regne,    minas  5803  :  venas,  provincia  3485  :  esperiensia. 

4.  Neben  meravelha,  meravclhar,  vom  lat  mirabilia  (1735  :  so^ 
leilhf  9177  :  cosselha)  gebraucht  unser  Dichter  auch  Formen  mit  /; 
meravilhas  316,  33377  :  filhas. 

5.  Lat  e  +  u,  e  +  v,  e  +  p  und  lat  1  +  u,  1  +  v,  1  +  p  werden 

in  unserem  Denkmal  durch  den  Triphthong  ieu  vertreten.     Ebenso 

wird   das   aus    lat.  i  +  u,  î  +  v,  í-f-p    entstandene  iu   zu   ieu.     Da 

nun  beide  Triphthonge  mit  einander  im  Reime   gebunden  werden, 

so    ist   der   Gebrauch    der   Diphthonge   eu   und   iu   ausgeschlossen. 

Beweisiahige  Bindungen  sind: 

ieu   (ego)    495  :  vieu   (vivit),    13770  :  vieu    (vivum).      beure    17146  :  vieure. 
vieus  20936  :  Bertolmieus. 

6.  Die  lat.  Endungen  -arius,  -arium,  welche  im  Romanischen 
wie  -erius,  -erium  behandelt  werden,  lauten  im  Prov.  -/Vr.  In 
der  Bindung  dcners  (denarius)  30267  :  poders  ist  ohne  Zweifel  das 
Subst  podier  zu  erkennen ,  welches  Suchier,  Denkmäler  prov.  Lit 
und  Spr.  I  im  Glossar  mit  drei  Stellen  belegt.  —  Die  feminine 
Endung  -aria  (-eria)  bekommt  bei  Matfre  den  Triphthong  iei.  Be- 
weisfähige Bindungen  fehlen. 

7.  Das  griech.  xáXavxov  lautet  im  Munde  des  Dichters  talen 
und  /alan:  /alan  2431  :  Sa/an,  31996  :  semblan,  /alen  85  :  issamcn, 
3080  :  sen. 

Anmerkung  :  Mit  der  Scheidung  von  e^  und  e^  ist  der  Dichter 
nicht  ganz  so  sorgfältig  verfahren,  wie  bei  0.  Immerhin  sind  es 
der  Abweichungen  von  der  Regel  nur  wenige:  pre'^s  (prensus)  \ pe^s 
(pes)    797.      molhe^r   (mulierem)    16828  :  fe'^s   (fecit),    (sonst    immer 


394  R-  WKissE, 

mit  í'  gebunden:  32731  '.sers  (scrvus),  32784  :  f/aer  (qiiacrît),  di- 
tnaneh  26103  :  preh  (pressura),  co/c^s  28435  :  /eh  (fecit),  comda, 
plancia  haben  6-  (vgl.  Wiechmann,  Die  Aussprache  des  prov.  c, 
Hall.  Diss.  1880,  p.  37).  Demgemäfs  stehen  diese  Wörter  auch 
stets  im  Reime  zu  t'2  (3658  :  netas,  3848  :  sageias).  Mit  e^  spricht 
Matfre  secret  (13662  :  ;y/,  22637  •  t'stantjuet)^  Beeret  (17244  :  tnictei), 
ftTner  Helizahet  (20548  :  comtety  21222  :  emprenhet\  Nazaret  (12033  : 
effantet,  2122Ò  :  trohet).  Doppelte  Aussprache  hat  Oitvetz  12757  • 
tohare'^tZy  1Ö178  :  pogc^t,  —  Der  Subj.  Impf,  von  naisser  hat  in 
Bindungen  nur  e^  {nast/nes  iiyö^  :  cf ¡ear  neh) ,  von  v/u  re  hingegen 
t'  und  e-:  visques  19561  :  onreh,  15026  :  Iwh.  Bermerkenswert  ¡st 
die  e^  enthahcnde  Endung  von  Jeronimes  (9545  :  ¿'J,  9678:1^«, 
13505  •  volrcs), 

^4.  Lat.  Diphthonge,  i.  oe  wird  mit  c  wiedergegeben: 
pena  24685  :  cadena, 

2.  au  erhíilt  sich  rein  im  Provenzalischen.  German,  au  im  (iot. 
haunipa  hat  den  reinen  T.aut  a  bewahrt:  anta  31037  :  carUa^  3^938  • 
planta, 

II.   Die  unbetonten  Vokale. 

a)  Aufserhnlb  des  Hiatus. 

S  5.  Vor  der  Tonsilbe,  i.  Vor  s  impurum  ist  das  pro- 
thetisrhe  e  zuweileiì  unterdrückt  worden.  Man  kann  jedoch  an- 
nehmrn,  dafs  die  Auslassung  nur  graphisch  ist:  Îvlx  Santa  Scriptura 
12 19,  12005  ist  Sani^  Escriptura^  für  g  randa  spericusa  540  gran{if) 
esper icnsia  (so  in  Hs.  V  (ji  gran  experiencia) ^  für  fratre  sptrital 
i()^g^  /rair*  espt:rita/,  für  specYas  17 147  vielleicht  espacias  zu  lesen. 
—  Ausnahme:  scorpios  7459  neben  escorpios   11633. 

2.  Abfall  der  anlautenden  Silbii  findet  statt  in  ihauces  5706, 
neben  ühances  6128,  6189  „Wetterleuchten",  ferner  in  Judas  Sca* 
riot  22945.  —  Die  C  onjuiiktion  „während"  lautet  bald  nuntre  ib^lZ^ 
bald  domcntre  26325. 

?5  6.  Hinter  der  Tonsilbe,  i.  Der  Ausfall  des  der  Ton- 
silbe vorhergehiMiden  Vokals  ist  Regel,  z.  R  foutai  (follitatem)  30694, 
clardat  (claritatem)  16095,  segur  tat  (securitatem)  2035 1,  egaliai  (ae- 
qualitatem)   19485  (nur  Hs.  (ZD),  plentat  (plenitatem)   19877. 

Diese  Kegel  wird  aber  nicht  allgemein  durchgeführt,   sondern 

di(»  Klision    unterlassen    bi»sonders    bei    weniger  volksmafsigen   und 

gewährten  Wörtern.     Darin  liegt  eine  Ilauptquelle  von  DoppelformeDt 

deren  unser  Denkmal  eine  Anzahl  besitzt: 

<z v/><.7(/ /;/<"/;  '  131 70.  itspfritiit  13095,  iiòpra  ()'J12,  aspramen  13094.  ambesiôs 
13U»,  ,inibùfits  1322,  amifos  269,  tiwttui  ^2$^,  benezir  21  ys^,  àetuiir  ll^JJ, 
12030.  ispt-n'/z  124S3.  espritz  II 14.  Jideltat  \y^\'],  feUat  27023.  humi^ 
ütiit  21311.  hiimiltat  21131.  mcnesprezar  16393,  me{nh)spreaar  I9203. 
nt'itiiczii  (nctlctc)  1 744.  ncdr^i  2 1423.  onorar  I9$57,  20365,  onrar  19560^ 
21625.     trt'inohir  16102,   16203,  /rc/w^Z/ir  16167.     verttat  gzy,  vertat  ZEISS' 

'  Punira  trop  a  operarne  ft.  Setzt  man  nach  den  Hss.  FG/iimìr£f>  IO 
könnte  man  aspra  nun  le  ben. 


DIE   SPRACHFORMEN    MATFRE   ERMENGAU's.  395 

Das  Part,  praes.  von  offrir  lautet  einmal  offeren   13607. 

Nur  ohne  Elision  des  Vokals  sind  zu  belegen  semettar  17037, 
saneiai  16575,  esiranogiar   181 70,  tribolar   17295. 

2.    Vokale  in  unbetonter  Enbsilbe. 

a)  Auslautendes  a  erhält  sich,  auch  stets  in  der  3.  P.  Sg.  Prs. 
Ind.  der  i.  schwachen  Conjugation,  z.  B.  comema  3874  \  f alhema. 

Die  unbetonte  Verbalendung  -ant  ist  gleichlautend  mit  -unt: 
esquivo  7367  :  vivo,    pauzo  3270  :  auzo  (audiunt). 

/})  o,  Û  wird  zu  e  geschwächt.  Erhalten  ist  es  in  pobol  26430: 
apóstol,  ausnahmsweise  auch  in  diahol  13753  :  hahitacol  (sonst  immer 
diable   1555  \  azirabky  5427  \  perdurable^ 

y)  Auslautendes  e  ist  überall  abgefallen,  wo  es  nicht  für  die 
Aussprache  nötig  war.  Ausnahmen  sind  folgende  :  clergue  (clericus) 
16101,  18253  neben  clers  172 19.  deude  (debitum)  171  ii,  17905. 
malaute  17748,  24508  neben  inalaut  25318.  sánete  14928,  22666 
neben  sane  18777.  rebelle  34575.  termini  9024.  carre  (carrus) 
6858.  calici  (calicem)  23038.  carees  (frz.  charge,  vom  lat.  caricare) 
25879.  seìies  (sine)  3  und  ses  4.  monti  (montem)  23547,  23567, 
24086  (nur  in  der  Verbindung  Monti  Calvar).  Ferner  sind  hier 
noch  anzuführen  die  Infinitive  falhire  5276,  mentire  13369. 

b)  Im  Verhältnis  des  Hiatus. 

§  7.  Combinationen  mit  i  (e),  i.  Die  Nasal-  und  Zitter- 
laute mit  palatalem  i.  Nach  1  und  n  verliert  oder  behält  i  seinen 
Silbenwert.  Ersteres  ist  der  Fall  bei  junh  (Junius)  3780,  silbebildend 
ist  /'  in  oli  (oleum)  21064,  ////  (lilium)  151 10,  juli  (Julius)  3797, 
dejuni  13027,  sanguini  7763.  —  Verhärtung  zu  g  findet  statt  in 
vcngua  (veniat)  19759,  25421  :  lengua,  und  in  iengua  (teneat)  19663, 
23877  :  iengua.  Nach  m  hat  i  consonantische  Geltung  in  comjat 
(commeatus)  22489.  Nach  r  sind  dieselben  Möglichkeiten  vor- 
handen: escorjar  (excoriare)  24581,  25466,  doch  auch  escoriar 
27030;  albir  (arbitrium)  21029,  344^0  1  liaQXVQiov  lautet  martire 
2891 1,  31034  und  mártir  28826.  —  Das  Substantiv  von  dezirar 
lautet  dezir   150 17,   26221,  von  cossirar  dagegen  cossire  24027. 

2.  Sibilanten  mit  palatalem  i.  Nach  Sibilanten  wird  i  eben- 
falls in  volksmäfsigen  Wörtern  consonanticrt,  während  es  in  jüngeren 
Wörtern  seine  vokalische  Geltung  bewahrt.  Eine  Anzahl  Wörter 
braucht  unser  Dichter  in  doppelter  Form  (nach  s,  /,  c)  :  occayso  811, 
occasïo  19987;  orazo  13243,  15356,  oracio  132 17;  minis  trazo  9919, 
aministracïo  io  167,  18021;  razo  1940,  doch  rational  2639,  2807; 
comparazo  1264,  dagegen  declarado  62,  dubitacïo  61;  nescius  wird 
nesci  27906,  28008;  spatium  lautet  espazi  3630,  3641,  zweisilbig 
jedoch  in  der  Redensart  per  espas  („par  intervalles")  34251,  23998. 
—  Die  lat  Endung  -entia  wird  stets  zweisilbig  gebraucht,  nur  zwei 
Ausnahmen  sind  nachzuweisen:  essentca  tc^'j , presencia  698  (Hs.  C).  — 
Immer  behält  i  seinen  Silbenwert  in  Wörtern  wie  sacrifici  15233, 
offici  15342,  malifici  15343,  juzizi  12460,  vici  (vitium)  7527,  malicïos 
3293  u.  a. 


39^  R.  WEISSE, 

3.  i  nach  dim  stiinmliaftcn  Vcrschlufslauton  d,  b  und  nach  v. 
Auch  hìvT  uiiUTlicgen  einige  Wörter  einer  zweifachen  Bildungsregd. 
gladius  wird  g/azi  14306,  gi^bunden  mit  gasif  welches  auch  f^'J/f^'i 
34271  (:  cnrah^t)  lautet.  —  Nach  f>  erhält  sich  i  als  Silbe  in  cum' 
b'i'tir  4179,  3 14 16,  camhmritz  31 321,  dagegen  camjadors  2Z%'^1^ 
camjo  (3. 1\  PI.)  32887.  —  ahnrüir  5486,  7086  wird  stets  dreisilbig 
gebraucht  (als  ahreujar  zu  sprechen);  *greviare  \ü\\\ñ\.  grmjar  :  grcujo 
17 159,  24038  {frrcTi'iin  =^  greujivi), 

4.  i  nach  d(Mn  stimmlosen  Verschlufslaut  p.  Consonantierung 
des  i  ist  Regel  in  sapchatz  9999.  Ausnahme:  sapun  15087;  vielleicht 
auch  4335  {J)cl  soleilh  vuelh  qut-  sapchatz,  in  welchem  Verse  eine 
Silbe  fehlt;  DFG  setzen  ehi  E  an  den  Anfang.  —  appropiarc 
wird  aprochar  13680,  22270  (Matfre  braucht  auch  tf/r^/z/Wr  12505). 

S  8.  Zusammentreffen  von  i  +  a.  Die  Combination  w 
wird  in  den  verschiedensten  Stellungen  je  nach  den  Krfordemissen 
des  Metrums  bald  ein-,  bald  zweisilbig  gebraucht.  Nur  lia  ist  zu 
sprechen  in  goliar  8147,  ifaì'ùìmni  31 2 10,  gahador  29554,  caiumfh 
nïar  16242,  païïiar  16772,  i'cmüm'íar  9424,  vauìeniìador  6696,  nesâa 
(Fem.  des  Adj.  ncsci)  i^^fi^^  anunciar  12345,  cssmcïal  106 1,  Mafia 
1434 1,  14755,  fnïat  13289,  escorpio  11633.  Einsilbig  ¡st  ia  in 
sanfonìa  7303,  milia  2455,  2886,  blasfemias  15402,  cimia  7362, 
12332  (Ausnahme:  sim'ta  10678),  ferner  in  den  Endungen  -oria 
und  -eria:  cstoria  10202,  victoria  13274,  meritorias  2591,  memoria 
885  (Ausnahme:  memoria  890),  miseria  15453,  materia  2002,  gloria 
12529  (oft  auch  gloria  1124,  103 16),  ferner  in  discordia  3432, 
12357,  misericordia  12358,  contumacia  16328,  grepia  12640,  dici* 
das   1 363 1. 

l^ald  ia,  bald  ia  ist  zu  sprechen  in  contrarias  2408  neben 
contrarias  85^0,  especial  212,  15662  neben  especial  12857,  gf"C^M 
16329  neben  gracia  17295,  ferner  substancia  loi  l,  doch  substancial 
15528,  Iranssuhsfanciat  15646;  Asia  25432,  Asia  26447;  Endias 
zyiö^  neben  Endias  26882,  bestia  7345,  7371  neben  bestia  7364, 
diable  3330  neben  diable  3416,  3560,  liais  9662,  Halmen  18024 
ausnahmsweisi?  neben  Hals  (legalis),  propriamcn  9191  neben  pro- 
priamen   2'J']2, 

Strlbsl  das  biîtoiite  /  wird  mit  folgendem  a  einsilbig  gebraacht: 
guia   15805,  dia  (dies)    IH)']^,  folia  28716  (Hs.  BC). 

Di(^  Knilungen  des  Imperf(;kts  und  Condiciónale  sind  bald 
ein-  bald  zweisilbig  zu  scandii»ren:  avia  1392,  sericm  2822,  faziait 
30905  und  sabia  18 13,  devia  18 14,  avia  1955,  WÄI  1988,  «fu 
1756,  fifia   1989. 

§  9.  Combinationen  mit  u.  Der  Filile  sind  es  hier  nur 
wenige.  Flidiert  wird  u  in  vacs  (vacuus)  34024,  dreisilbig  ìsX  jemtr 
3886,  febrier  da^^argcn  stets  zweisilbig  (3887,  3QOi).  —  camtimÊm 
wird  Ci-niinus  1 5965  ;  continuamen  ist  öfter  coniinvamen  zu  spreclicn 
(viersilbig  13501,  19241,  fünfsilbig  11232,  23752).  In  unsu-úSkd 
7550,  pirsuacio  24535  i^l-  "  silbebildend. 


DIE    SPRACHFORMEN   MATFRE   ERMENGAü'S.  3Q7 

§  IO.  Hiatus  durch  Zusammentreffen  anderer  Vokale 
Den  durch  Synkope  eines  g  herbeigeführten  Hiatus  hebt  Matfre 
nicht  auf  in  maestre  26532,  maëslraiz  18405.  Nur  einmal  ist 
maestre  zu  lesen:  E  t'en  que  vostre  maestre  sta  22987. 

Doppelte  Formen  kommen  von  einer  Anzahl  von  Wörtern  vor: 
pië/atf  ausnahmsweise  pïetat  14554;  teologías  2T^']y  teulogia  2889, 
20188;  traidor  14536,  trachor  24077;  döas  3287,  14068,  viel 
häufiger  aber  doas  13955;  Joans  3518,  weniger  häufig  Joan  12^20, 
14473;  sohrefluitatz  6614,  104 12,  sobreßuitatz  9568;  Betl'éem  2i'j^2y 
Betieem  21753,  Ahraam  25586  nur  ausnahmsweise  neben  Abra- 
ham 26614. 

Einsilbig  ist  eo  in  geometrìa  240,  5586,  au  in  Emaus  9902. 
Viersilbig  ist  Vsa^y-as  1 2 1 1 9,  dreisilbig  Moysens  1 1 5 1 2  und  Azaron 
11511,   12419. 

III.  Die  Consonanten. 

g  II.  Lat.  c.  I.  c  im  Inlaute  vor  aou  wird  zur  Media 
oder,  wenn  a  e  i  vorausgeht,  in  den  Laut  Y  aufgelöst.  Letzteres 
scheint  auch  im  Breviari  der  Fall  zu  sein  :  plaia  (*placat  für  placeat) 
31438  :  gaia.  Dabei  geht  iV  in  einfaches  ;*  über:  amica  =  amia 
30592  :  Jolia,  33521  :  dia  (dies);  dicat  =  dia  10908  :  sia,  11 905  : 
projecia',  crucifigat  =  crucifia  14342  :  Maria\  diversificat  =  diversifia 
14086  :  dia  (dies);  fructificat  =  Jruc tifia  3800  :  guia. 

2.    Für   den   Übergang   des  c  vor  a   in   den   Laut  TS  H  (eh) 
liefern  die  Reime  keine  Beweise. 

3.  c  vor  e  oder  i  ist  im  Provenzalischen  in  ss  übergegangen. 
Bindungen,  welche  dies  erkennen  lassen,  sind  :  Jassa  (faciat)  1 1 62  : 
massa,  3763  '.passa,   13 142  :  dequassa  (dequassat). 

Im  Auslaute  wird  der  Laut  zu  TS  (tz).  Dieses  tz  kann  auch 
in  s  übergehen:  oras  (*bracium)  1684  :  nas  (nasum),  23768  :  detrás, 
25177  :  Tomas',  totas  ves  16438  :  es',  crotz  23579  :  la  iros',  solas  (soia- 
cium)  31407  :  las  (lassus);  tertz  (tertius)  24837  :  Jers  (ferus);  mers 
(merces,  Acc.  PI.  von  mer)  4179  :  leugier  s, 

4.  In  der  Verbindung  c-f-s  fällt  c  in  folgenden  Fällen  aus: 
senescacls  23316  :  desleals;  brans  29049  :  Rotlans,  Hier  ist  auch  zu 
erwähnen  dextra  833,   16260  :  senestra. 

5.  Die  Combination  et  wird  in  den  südöstlichen  Mundarten, 
in  der  Provence  und  in  Languedoc  zu  TSH  (ch).  Diese  Ver- 
wandlung wird  bestätigt:  freja  (frigida,  *fricta)  *]  120:  veja  (videat); 
anuech  (ad  noctem)  23053  '.  pueh  (podium).  Doch  sprechen  auch 
einige  Reime  gegen  diese  Verwandlung:  Jrugz  417  :  vertutz,  14549  : 
rezemug',  dig  (dictum)  2%S22  :  escarnig  (es  ¡st  hier  zu  lesen  yVi// : 
vertut  :  rezemut,  dit  :  escarnit).  In  der  Lautverbindung  net  wird  c 
ausgestofsen  :  sancta  1 1065  :  canta,  33391  :  mantas,  Rine  Mouillierung 
des  ;/  kann  nicht  nachgewiesen  werden. 

6.  Die  Combination  sc  wird  im  Provenzalischen  -/>.  Beweis- 
fähige  Bindungen  sind:  nais  (*nascit)  4247  :  rais  (radius);  Jais 
(fascis)   10436  :  mais,  26210  :  ueimais. 


39^  R-  WEISSE, 

î5  12.  Lilt.  qu.  qu  ¡m  Inlaute  wird  in  e  verwandelt  und 
erhält  dann  mediale  Aussprache:  aigua  (aqua)  237 ii  \plagua\  ini' 
qua  23456  :  cruci  figa, 

S  13.  La  t.  g.  g  hat  in  vielen  Fällen  dasselbe  Schicksal  er- 
fahren wie  c. 

1.  Im  Inlaute  vor  den  Vokalen  a  e  i  und  vor  Consonanten 
erhält  sich  die  ursprüngliche  Media  in  dem  ^ísíxui^  plagua  23710: 
aigua.  Dem  widersprechen  einige  Bindungen:  Ha  (ligat)  1Ò476  : 
vol  ria,  20174  : ///V?  (dies);  des  lia  iW]  \  :  dia.  Den  Verlust  des  g 
beweist   auch    die  Einsilbigkeit  der  Fonn  Ha/  9662,  Halmen   18024. 

2.  Steht  g  vor  e  oder  i  im  Auslaute,  so  löst  es  sich,  nach 
Abstofsung  der  Vokale  e  oder  i,  in  /"auf:  leys  (legem)  9315: 
mezeis  \  fuy  (fugit)  667,  28532  :///>•.  Formen  wie  fug  kennt  der 
Dichter  nicht.  Der  Zischlaut  findet  sich  auch  in  anderen  Fällen 
nicht:  aia  (habeat)  20292  :  veraia\  domuei  33841  :  crei, 

>5  14.  Lat.  t.  1.  Inlautendes  t  wird  zur  Media  envcicht. 
Ausfall  dieses  d  ¡st  bei  Matfre  nicht  nachzuweisen. 

2.  Im  Auslaut  der  Wörter  bleibt  die  Tenuis  ungeschwächt. 
Ausfall  derselben  (iz  =  s)  zeigen  indessen  mehrere  Bindungen: 
voUis  (voltitus)  5099  :  vis\  refus  18866  :  pHis\  logas  (locatus)  4423  : 
planetas \    cofors    19420  :  cors   (cor),    20571   :  cors   (corpus);    esfors 

17492,  31908,  33297  :  cors\  ireiz  9846  :  trames\  fondes  (2.  P.  Plur.) 
20221  :  fes  (fides).  —  Über  veiz  =  ves  vgl.  §  11,3. 

Regel  ist  der  Abfall  des  /  in  der  Perfektendung  -iV,  z.  B. 
segui  126 17  :/;  aorri  12624  :  fi\  ohezi  12599  :  atressi\  parti  5066  : 
aqui,  Ausnahme  :  senlit  1 2484  :  Esperii  (die  Lesart  der  Hs,  D  ¡st 
auziC),  —  Ausweichungen  dieses  /  in  r  (z.  B.  partie)  kennt  unser 
Text  nicht. 

3.  Auslautendes  ///  wird  im  Breviari  stets  zu  n  vereinfiadit: 
tan  (tantum)  1 1616  :  Satan  \  grans  108 15  :  fohans\  aitam  6787  \  am\ 
bas  tans  6827  :  ans, 

g  15.  Lat.  d.  I.  Inlautend  zwischen  Vokalen  wird  d  xu  f , 
z.  B.  lanza  1 1050  :  causa,  Ausfall  dieses  Lautes  fìndet  statt  in  fiar' 
lia  (fidat)  12070  :  Maria. 

2,  Anzuführen  ist  der  Abfall  des  auslautenden  d  in  dem 
Kigennamen  Davi  157  :  ////,  11 709  :  atressi.  d  fallt  auch  aus  in 
//erodes  :  l^ro  22166  :  aquo  (n(*ben  Erodes  23396,  23404). 

S  16.  LaL  n.  i.  n  hat  zuweilen  Ver^vandIung  in  r  erfahren. 
Abgesehen  von  7'eri  hat  der  Wandel  stattgefunden  in  dimergues 
18252  :  cltrgut's, 

2.  Das  lose,  von  den  Leys  d'amors  indifferent  genannte  n 
fällt  im  Auslaut  regt'lmäfsig  ab.  Beispiele  sind:  fi  1390  :  atretsii 
vi  (vinuiìì)  0780  :  atressi',  u  (unum)  6865  :  fhesu\  ma  (manum)  1433  : 
(/;  iomus  gu7()  :  plus,  Bindungen  des  losen  n  mit  dem  festen  ge- 
statti't  sich  MatiVe  nicht.  Nur  das  ;/  in  son  (lat  sunt)  findet  sich 
an  zahlri'irlu'n  Stellen  mit  fcstrm  ;/  gebunden:  son  6145  \fciH  (fiindit), 
2^083  \  fron  nelhMi  so  ^71  :  operating  22346  :o  (hoc).  Lat  foit 
braucht  der  DichtiT  nur  in  der  Vonwfo  (i  282  :  mutatio,  139 18  :  ùriK»y 


DIE   SPRACHFORMEN   MATFRE   ERMENGAU'S.  399 

Eine  Verletzung  der  Regel  findet  sich  nur  in  wenig  Reimen, 
und  zwar  bei  Eigennamen  :  aurion  (griech.  Í¿ciwv,  œvoç)  4227  : 
mûH;  Peguìlhan  28137  •  7^»  (faciunt).  Die  Unterdrückung  des  in- 
lautenden losen  ;/  (in  den  Vorsilben  con-,  en^)  läfst  sich  aus  Reimen 
nicht  erkennen,  ist  aber  in  Analogie  zu  dem  Abfall  des  auslautenden 
losen  n  anzunehmen. 

3.  Assimilation  des  n  liegt  vor  in  der  Verbindung  ns:  pem- 
densa  199  :  adressa,  8489  :  desiressa\  seynensa  12039  '»  promessa \  pessa 
(pensa)  137 11  :  messa  \  despessas  [-pensas)  17325  :  sosmesas;  pes  (pens) 
38 1 1  :  se/es. 

4.  Die  Mouillierung  des  n,  welche  im  gewöhnlichen  Proven- 
zalisch  bei  n-f- Vokal,  ng  oder  gn  stattfindet,  erstreckt  sich  auf 
einfaches  n  und  den  Subj.  prehendam:  piatias  7218  :  monianhas, 
22483  :  companha\  prenha  33096  :  renha\  prenho  18534  :  captenho\ 
escomprenha  13908  :  venha,   15942  :  lenha\  tenh  (teneo)  5260  :  reden, 

§  16.  Lat.  s.  I.  Für  den  im  Gebiete  von  Ost -Languedoc 
beliebten  Wechsel  von  s  in  r  liefert  folgende  Bindung  den  Beweis: 
almorna  97 1 1  :  corna, 

2.  Das  stimmhafte  s  zwischen  Vokalen  fällt  aus  in  dem  aus 
dem  Germanischen  stammenden  Worte  guiza:  guia  675  :  sia,  3090  : 
iherargí'a.  Daneben  bleibt  z  erhalten  in  den  Bindungen  :  gw'za 
7089  :  Arcimiza,  26137  :  diviza, 

3.  Den  Ausfall  des  j  vor  ;;/  bezeugen  die  Bindungen:  caresme 
329,  27261  '.feme, 

4.  Nicht  ursprünglich  ist  das  s  im  W^orte  legisme.  Nach  Diez 
(Gramm.*  I,  p.  405)  ist  dasselbe  dem  Einflüsse  des  lat.  Superlativs 
(alitsmey  saniisme)  zuzuschreiben.  Sehr  wohl  läfst  sich  das  s  auch 
als  aus  t  (in  legitimus)  entstanden  erklären.  Es  findet  sich  in  dem 
Reime:  legisme  (129,  Brief)  :  altisme, 

5.  Die  Adverbia  auf  ^men  haben  sehr  häufig  auch  die  Neben- 
form -mens  [veramens  5639  :  démens ,  N.  Sg.  ;  solamens  16408  :  omni- 
potens,  N.  Sg.).  Matfre  gebraucht  auch  von  anderen  Adverbien 
Doppelformen:  denans  16 195  :  grans  neben  devan  16437  '  dec  far  an, 
dallan  21 152  \  an  (haben t);  alhors  1686  :  majors,  31482  :  razos  neben 
alhor  14460  :  amor\  mays  1271  :  nais  (*nascit),  3792  :  rais,  hueimays 
2Ò20g  :/ays  (fascis)  neben  maj'  "ji^i/ay,  gyt;^  :  desp/ay,  hneimay 
18948  :  faj'\  enquara,  enguera  kommt  im  Reime  nur  ohne  s  vor 
(19446  :  cara,  29988  :  era)\  die  zweisilbige  Form  enquer  in  Matfre's 
Sirventes,  vgl.  Azaïs,  Les  troub.  de  Beziers,  p.  135,4). 

Eine  facultative  Stellung  hat  das  auslautende  s  ferner  in  als 
16849  '"generals,  7587  :  naturals  neben  al  13117  :  diabolical  und  in 
res  (frz.  rien)  18027  :  es,  20616  :  /es  (fides)  neben  re  20859  •  /^ 
(fidem). 

ä5  18.  Lat.  r.  I.  Die  Vermischung  der  Laute  r  und  /  läfst 
sich  aus  mehreren  Bindungen  erkennen:  neblas  16084  •  tcnebras\ 
sempre  21883,  22147,  22828  :  temple, 

2,  In  einigen  Fällen  ist  Ausstofsung  des  r  zu  bemerken:  Ber- 
natz  12073  :  desinaiz,     12266  :  peccatz,    15168  :  datz.      Vor   s   findet 


400  R.  WEISSE, 

Ausfall  statt  in  escas  {aairs)  18470,  32068  :  avo/as;  alhors  31482  : 
razos, 

3.  Umstellung  des  r  ist  üblich  in  temperare  =  ircmpar.  Doch 
ündet  sich  :  sempre  6083  :  trempe, 

§  IQ.  Lat.  l.  I.  Übergang  von  ou  (aus  ol)  in  0  zeigen 
moliz  1753  :  motz,  19008  :  crotz\  mot  (multum)  25951  \  tot\  moHas 
30252  :  t  ms  totas  \  dos  (dulcis)  11 82Ò  \  peyros,  2  603  2  '.glorios. 

2.  In  unserem  Denkmal  erstreckt  sich  die  Monillierung  nicht 
nur  auf  die  Combinationen  cl,  tl,  gl,  pl,  lg  und  l  +  halbconson.  i, 
sondern  auch  auf  den  einfachen  Laut  in  asalh  (salit)  605,  17734  * 
treha1h\  fils  (íilum  „Faden")  100  \  perils\  silh  (Pron.  dem.)  21645  •/^^• 

3.  Für  die  Aufliwung  des  l  hinter  Vokal  in  u  sprechen  mehrere 
Bindungen:  caut  (calidus)  7125  :  mahiut\  cauda  (calida)  22953  :  gauda 
(gavata);  gau  (gallus)  32i5q  :  sesjau\  chau  (calet)  22675  •  ^«  (audit). 

§  20.  Lat.  p,  b.  I.  Die  Lautverbindung  pti  wird  m  ss  ver- 
wandelt: cassa  (frz.  chasse)  17829  \  piasse  (platea). 

2.  Nach  vorhergehendem  Vokal  kann  b  in  u  aufgelost  werden. 
Dies  ist  der  Fall  in  malaut  (male  habitus)  "¡126:  caut 

j$  21.  Lat.  V.  Das  auslautende  v  (y")  hinter  Consonant  wird 
regelmäfsig  abgestofsen  :  W  (salvus)  1877  •  w^A  14001  :  merlai;  err 
(cervus)  ^085  :  t/uer.  Der  Abfall  fmdet  auch  vor  flexivischcm  f 
statt:  sa/s  (salvus)  10305  :  temporals ,  22'j^'j  :  senlials;  sers  {semis)  9  : 
Bezers,  32730  :  mothers.  Anmerkung:  Für  ahriva  190  :  avia  ¡st  mit 
CF(î  aviva  zu  lesen. 

^22.  Lat.  m.  I.  Verwandlung  des  auslautenden  m  in  » 
hat  stattgefunden  in  den  F'remdwiktern  Chérubin^  Serafini  Chérubins 
8197  :  dedifis, 

2.  Über  das  Schicksal  von  mn  läfst  sich  nichts  Sicheres  nach- 
weisen. Die  IIss.  haben  für  dominus,  -a  :  donSj  dona,  Matfre  wendet 
diese  Worte  zwar  oft  an,  vermeidet  \sie  aber  im  Reime. 

R   VON  DKN  FLEXIONEN. 
DiK  Deklination. 

^2^.  Die  Feminindeklinationen.  Die  Feminina  der  prov. 
tasten  und  zweiten  Deklination  sind  ausnahmslos  regelmäfsig  abge- 
wandelt. Das  zur  lat.  dritti^n  Deklination  gehörige  soror  hat  hn 
Breviari  zwei  Slammfonnen  :  ser  or  Nora.  Sg.  227 13,  Acc.  Sg.  l  (Brief)  : 
setilwr'y  sor  Acc.  Sg.  198 19,  34407.  Die  Nominative  melher^  pejer  etc. 
lasseii  sich  aus  den  Hindungen  nicht  mehr  erkennen,  sondern  Jiw- 
jors  1685  :  alhors  \  menor  s  2'^%2^2  :  amors, 

§24.  Dil-  erste  Masculindeklination.  i.  Der  Nom.  Sg. 
erhält  ein  s  in  planeta,  z.  H.  planetas  4 108  :  sobiras,  5055  :  saieiras', 
pat  ria  relias  1 1  214  :  pareas;  dias  6318  :  guias  neben  dia  22729.  Auch 
un  Plural  erhält  der  Nom.  von  dia  ein  s:  dias  3725  :  m'as. 

2.  Dir  Nom.  ^g.  diT  Masculina  auf  unbetontes  e  hat  in  der 
Rt'gel  schon  imu  0'  angenommen:  r<^ï/r<\v  6453  :/>•<«>«  (Acc  PL); 
fraires  31  |u^  :  afaires  (Acc.  PI.).     Dafür  spricht  audi,  dafs  im  Innern 


DIE   SPRACHFORMEN   MATFRE    ERMENG AU*S.  4OI 

der  Verse  nie   eine  Elision  des  e  bei   folgendem  Vokal    stattfindet, 

aufser  in  der  Verbindung:  Lo  PaiY  el  Filh  el  S,  Espriiz  1 1 14,  15526. 
§25.    Die  zweite  Masculindeklination.     i.  Der  Nom.  Sg. 

erhält  regelnjäfsig  das  flexivische  j.     Verletzungen  der  Regel  finden 

sich  an  verschiedenen  Stellen: 

tnetalh  5800  :  salh  (salit)  ;  Anticrist  6885  :  Crist  (Acc.)  ;  lo  dezirier  carnal 
5349  •  »mortal  Acc.  Sg.  ;  Pons  Pilat  23489,  23590  :  cieutat,  regnai  Acc.  Sg,  ; 
Gaucelm  Faidit  292 12  :  petit  Acc;  nat  6054  •  Qualität  Acc.  Sg. ,  23378  : 
Verität  Acc.  Sg.  ;  temprai  (-alus)  4372  :  qualitat  Acc.  Sg.  ;  nomnat  (-atus) 
6715,  3774  :  qualitat,  Proprietät  Acc.  Sg. 

Fernere  Vermischungen  sind: 

sals  Nom.  PI.  59  (Brief)  :  perpétuais  Nom.  Sg.  ;  defalhimens  Acc.  PI.  24155  : 
covinens  Nom.  PI.  ;  sentens  Nom.  PI.  33729  :  defalhens  Nom.  Sg. 

Maivalz  soll  (Rasos  de  trobar  76)  nie  sein  s  verlieren.  Den  Nom.  PI. 
jedoch  bildet  Matfre  maivalz  und  malvai'. 

malvatz  Nom.  PI.   162 18,  27633  \ peccatz  Acc.  PI.;   malvai  Nom.  PI.  3391  : 

malvestat  Acc.  Sg.,  24981  :  emblat  Nom.  PI. 

Der  Eigenname  Jhesus  lautet  im  Äccusativ  Jhesus  und  Jhtsu\ 

de  Jhesus   10775  :  Damascenus,  21 731  i  plus  ;  jfhesu  6865  :  u  (unum). 

2.  Wortstämrae  auf  s  sind  in  der  Poesie  des  12.  Jhs.  indekli- 
nabel.    Matfre  fügt  an  solche  Stämme  häufig  die  Silbe  -es\ 

brasses  26789;  clauses  10748;  corses  (=  corpora)  14689,  26^^^,  gar dacor ses 
1 852 1;  rorje'j  (=  cursus)  4098,  4263,  diverses  58,  24816;  /aises  1 7575, 
^oi y);  grasses  (crassus)  181 10,  18111;  meses  (menses)  6422,  2 1 33 1;  nozes 
(nuces)   11516;  osses  y^Sg;  pezes  (pedes)  7152,  26687;  verses  34315. 

3.  An  die  substantivisch  gebrauchten  Infinitive  tritt  im  Nom.  Sg. 
das  flexivische  s: 

intrars  3724  :  Mars\  sagnars  55 16  ;  canicular  s  Acc.  PI. 

§  26.     Die  dritte  Masculindeklination.      i.  Den  Nom.  Sg. 

braucht   •\Iatfre  bereits  mit  flexivischem  s\ 

Pt'Záiires  3701  '.  fraires  Acc.  PI.;  salvaires  21056  :  enter  pretaire  s  Acc.  PI; 
companhos  23625  :  nos.  Ausnahme:  salvaire  11888  :  paire  Acc.  Sg. ;  Lat. 
major  lautet  majors  4322  :  actors  Acc.  PI. 

Auch  die  Form  senher  existiert  nicht  mehr:  senhors  21080  :  creators, 
—  Neben  dem  Nom.  companìws  findet  sich  auch  companhs  30640  : 
eslranhs. 

2.  Fälle,  in  denen  der  Dichter    die  Form    des  casus  obliquus 

mit  der  des  casus  rectus  vertauscht,  sind  : 

creaire  Acc.  Sg.  9278,  19306  : /rt/ré*;  salvaire  Acc.  Sg.  2184I  :  maire, 
22200  :  paire. 

Nicht  selten  steht  auch  in  der  Apposition,  wo  wir  im  Deutschen 
den  Äccusativ  erwarten,  der  Nominativ  (creaire  20910,  salvaire 
10594,    14437,  24877,  25330). 

3.  Von  den  männlichen  Eigennamen  hat  sich  die  Form  des 
Nominativs  noch  nicht  durch  die  des  Accusative  verdrängen  lassen: 
Vc  12356,  32243;  Peire  23284.  23295.  Auch  der  Äccusativ  lautet 
Peire  2 2g ^6,  24951:  are/ re. 

4.  Die  ursprünglichen  Neutra  auf  -ium  und  -aticum  ver- 
schmähen im  Nom.  Sg.  das  flexivische  s:  lesiimoni  28Í12  :  malen" 
coni  Acc;  dampnalge  24583  :  lina  Ige  Acc. 

ZeiUchr.  f.  rom.  l'hil.    Vil.  26 


.[02  R.  WEISSE, 

§  27.  Der  Vocativ.  In  clor  Mehrzahl  der  Fälle  wird  der 
Vocativ  durch  di»n  Nominativ  vortreten: 

Voc.  Sß.  :  re^'s  cch'stia/s  14073  :  mais  Acc.  PI.,  14655  :  terreiuils  Acc.  PI.; 
7'erays paires  omttipotcns  141 01  :  7'/7r//.v  Nom.  Sj;.,  14507  :.^iv/.v;  Air.v  {turris) 
14376  : /irr*/</<7y.\-  Acc.  PI.;  vers  cotmn.samt'ns  l^oz"^;  ßiün'mt'ns  Acc.  PI.; 
Senker  bonaüratz  22086  :  estatz  (2.  P.  PK);  Dieus  mieus  26203  :  7'ieus  (vivu^). 
Voc.  PI.:  percador  22051  :  redemptor  Acc.  Sj^.  ;  bonazurat  I4Q4f>  :  timat 
Nom.  PL;  iìnalilieu  baro  25203  :  acencio;  filhol  mieu  26793  :  discipol  situ 
Nom.  PI.  Ausnahmen:  Voc.  Sjj.  :  Messier  Maf/re  2C)04i  i  el  fre,  3154O: 
>pte,  31 118  :  merce-,  malastruc  22355  :  Beìzcbuc  Acc.  Voc.  PI.:  angcis  ho- 
nazuratz  14443  :  voluutatz  Acc.  PI. 

S  28.  Das  Ci  eil  US.  Es  kommt  hier  nur  das  Geschlecht  der- 
jenigen Substantiva  in  TkHracht,  welche  abweichend  vom  Lateinischen 
bald  als  Masculina,  bald  als  Feminina  gebraucht  werden:  profeta^ 
nur  Mascul. ,  11980  del  profeta^  ^5^M  Sa/th  profeta',  pafni^  nur 
Mascul.,  16405  noi  papa^  16453  «^"^  A'A'Î  planeta,  nur  Mascul.,  4367 
le  quins  planeta ,  399^  li  pianeta  daran  dig  y  4050  Car  cascuna  dels 
planetas  ist  wohl  richtiger  mit  C-DF(i  ear  eascus  dels  VU  planelas 
zu  lesen;  dia,  imr  Mascul.,  Ò320  us  dias;  wíí/ (manu.s),  M.xscul.  und 
Femin.,  el  wa  ^ito,  26943,  dagegen  7nas  junchas  114 14,  am  largua 
nui  15099;  persona.  Femin.,  nulha  prsona  409 ,  33010.  Nur  eine 
Au.snahme:  eascus  persona  353  (Ci  Triar  deu  quascuna  persona:  dann 
würd(;  triar  einsilbig  zu  lesen  s(iin).  res,  als  Neutrum  gebraucht 
nur  in  den  Verbindungen  als  res  1200,  6016  und  re  pariti  14063, 
14589;  mar,  Mascul.  und  Femin.,  pel  mar  (=  per  lo  mar)  26091, 
dtl  7nar  pro/xla  6057,  dagegen  aula  mar  6^183. 

S  29.  Adject  i  vu  m.  Fenuninbildung.  Die  Adjectival  der  lat. 
3.  D(*klination  liaben  noch  kein  €  angenomm(»n.  Abweichungen  : 
dulcis  :  dousas  (causas)  il 297,  doussa  maire  11431,  14367;  doussamen 
13097.  In  di(\seim  Worte  ist  das  a  ein  im  Romani.scheii  von  jt-her 
vorhandenes,  ^mudis  :  granda  pudor  15910,  dignilatz  grondas  i^i^ii), 
IläufigiT  jedoch  lautet  das  Famin.  gran;  manens  :  ;/¿<?;/f';i/<7  21313; 
gaudens  : /»/  7'ergis  gauzenta  12307,  21268;  mollis  :  molas  (causas) 
11298.  l'Vrner  sind  noch  zu  erwähn(ni  die  substantivisch  gebrauchten 
AbjiMUiva  effanta   26275,  párenla   16909,  sirvenia   12308,  2 13 12. 

Die  Pronomina. 

§30.  Pronomen  personale.  1.  Die  triphthongischo  Form 
ieu  ist  nach  J^  3, 3  als  nachgewiesen  zu  erachten. 

2.  mcy  le,  se  sind  die  gew<)hnlii*hen  Formen,  z.  B.  me  164  :  Äf, 
te  21237  :  he,  22109  •  ''''^•i  ;  sc  551,  25743  •  ''''•  Daneben  braucht 
Matfrc  nicht  selten  mi,  ti,  si  (disjuìikliv):  mi  ì^^  :  Davi,  5331- 
alressi,  20816  :  issi;  si  18527  :  tral/i,   19629  :  eli, 

3.  Abkürzungen  von  illhi  y.u  Uh  fehlen. 

^.    l)i(^  Form  lieis  stiìht  im  Ki'inie  zu  sieis  (sex)  34078. 

ì^  31.  Pronomen  possesivuni.  i.  Das  maskulinische  Pro- 
nmuMi  poss(;.ssivum  lautet  im  Singular  mieus,  tieus^  Sieas:  mt'eus 
19337»  -3365  -Mieus;  Heu  2^()^^^,  20531  :  Dieu;  sieu  10547  :  ^^ 
Der  Plural  lautet  mieu,  Heu,  sieu.      Formen  wie  mia\  lia,  sia  lassen 


DIE    SPRACHFORMEN    MATFRE    ERMENGAU'S.  4O3 

sich    aus    den  Bindungen    nicht   nachweisen:    mieu  23371  \  Juzieu\ 
tieu  23064  :  iiii\  SÌCU  2222/^  :  Dieu, 

2.  Die  femininen  Formen  lauten  w/^/,  //(?,  sia:  mia  2831  \  seria^ 
20742  :  dia\  tia  14296  :  Maria,  14765  :  sia  {==  frz.  seit);  sia  213  : 
envia  y  22463  :  avia, 

3.  Über  lur  neben  lor  vgl.  §1.  —  Dafs  der  Phiral  bei  Matfre 
ein  s  bereits  erhält,  l)eweist  nur  eine  Bindung:  lurs   11851  :  durs, 

4.  ma,  ta,  sa  werden  vor  a  apostrophiert:  m'amisiat  18 145, 
m'arma  21307,  spanta  17863.  Vor  anderen  Vokalen  ist  die  Apo- 
strophe nur  facultativ  :  ma  insufficiencia  167,  sa  esiatio  112,  394,  sa 
ententio  3552,  sa  error  20783  neben  s'esialio  2961,  s'emage  2702, 
s'en  iene  io   18402.  ' 

%  T^2.  Pronomen  demonstrativum.  i.  Die  mit  lat.  ille, 
iste  zusammengesetzten  Pronomina  zeigen  ;'  in  ihrem  Stamme: 
a<juisi  Nom.  PI.  2.2847,  23257  :  Crisi\  silh  Nora.  PL  21645  '- fih, 

2.  Der  Artikel  lo  ist  vor  Vokalen  stets  apostrophiert,  la  kann, 
ausgenommen  vor  (?,  im  Hiatus  stehen:  la  emages  107 2 2,  la  encar' 
natio  21 103,  la  ocayso  559,  la  humililat  21t^\i  neben  Veinage  107 23, 
r encarnado  21133,  l'umaniiat  21466;  //  wird  ebenfalls  im  Hiatus 
geduldet,  z.  B.  //  aimador  28802  neben  Vaimador  28835.  Die  En- 
klisis  dt^s  lo  ist  in  vielen  Fällen  unterjassen  worden,  z.  B.  e  lo  [e  ^ss  et) 
i42ii;/6>  lo  314,  761;  no  lo  15077;  en  lo  16573,  10974;  ^«  ^^^ 
7921;  per  lo  6550,    16003;  per  les    16005;  sus  lo  773. 

Das  Verbum. 

ii  30'  Allgemeines,  i.  Die  unbetonten  Endungen  -ant  und 
-uni  der  3.  P.  Plur.  sind  gleichlautend  (-<>»),  vgl.  §  6,  2. 

2.  Das  e  des  lat.  Infinitivs  auf  -ire  hat  sich  in  zwei  Fällen 
erhalten:  falhire  5276,  mentire   13369. 

3.  Die  1.  P.  Sg.  Ind.  Praes.  hat  Nebenformen  auf  i  und  e\ 
hayli  27fì22\  co/esse  2469,  15421;  batege  22067;  conjuri  23262; 
responde  15420;  passi  12698;  trobi  12540,  23384;  meravilhe  I1770; 
tracti  21010,  25357;  lauzi  2  2'jto\  sente  20981;  dupde  26747;  mangi 
26318;  entende  II 576,  164 li;  laissi  25509;  ame  23459  ^^^  öfter. 
In  einigen  der  angeführten  Fälle  liefse  sich  i  [è)  beseitigen,  wollte 
man  zur  Verbalfonn  das  pronominale  Subjekt  fügen.  —  Die  Endung 
e  ist  gegen  /  gesichert  ¡ii  den  Bindungen  aprueme  9 197  :  prue  me 
(proximus)  ;  cossire   1 1448  :  i//>-^. 

4.  Im  Imperf.  Subj.  finden  häufige  Zusammenziehungen  statt: 
aesem  22493  neben  aguessem  31543;  dec  se  m  12138  neben  deguessem 
13236;  pocxem  5768  neben  poguessem  184.  Von  saubessem  117141 
12154  findet  sich  die  abgekürzte  Form  nicht. 

a)  Schwache  Flexionsart. 

§  34.  Erste  Conjugation.  1.  Das  Praesens  hält  in  der 
3.  P.  Sg.  Prs.  sein  Kennzeichen  a  fest. 

2.  Im  Subj.  Prs.  sind  die  Formen  mit  und  ohne  e  willkürlich 
neben    einander    gebraucht.      Fonnen   mit   e    sind    z.  B.   ame  93 1 5, 

26* 


404  K.  WEISSE, 

i'ossire  33992,  i'spen  18912,  ^arJc  3280,  Lwzi  18553,  remire  18553, 
visite  34406,  ohne  e  z.  B.  ador  21605,  ^^^^  3^7^»  g^^^^  13Ö83,  mera- 
veilh    1735. 

3.  Kinzelno  Verba,  a)  aitar.  Dio  i.  P.  Sg.  Prs.  ist  nicht  ¡m 
Reime  zu  belegen.  —  3.  P.  ^^,  vai  23149  :  haizarai,  26586  :  say 
(sapio).  —  Ol)  der  Subj.  ane  oder  vaza  lautet,  ¡st  nicht  zu  erkennen. 

ß)  dar,  donar.  Den  Subjunktiv  vertritt  die  Form  do  20306 
oder  done   16389. 

y)  esiar.  Von  der  3.  P.  'S^,  Prs.  wendet  Matfre  Doppelformen  an: 
íí/í?/ 33780  :  veraiy  5057  :  may  und  csia  5846  :  a  (habet),  16568  :  caftela, 

S  35.  Zweite  Conjugation,  i.  Von  den  Verben,  welche 
zugleich  nach  der  dritten  provenzalischen  Conjugation  gehen,  lassen 
sich  folgende  FormiMi  erkennen: 

a)  segre  y  seguir.  Iniin  iti  v:  nur  seguir  i^ì)ì)2  :  a/òir,  2 19 19: 
aucir,  —  Perf.:  segui  12617  :Jì,  persegui  n^bSò  :  a/ren\  danel>en 
persegue/  14026  :  renegué/,  —  Subj.  Impf.  :  seguis  21977  ■  ^^^/x  (vi- 
cinus).  —  Futurum:  seguirán   17652,  32774  neben  segran  22864. 

^)  respandre^  ir.  Das  Perfectum  s\spandiro  25451  \  giquiro 
wird  nach  der  dritten  Conj.  abg(ìwandelt. 

2.  Verba,   welch(»    sowohl  schwach  als  stark  Hektiert  werden: 
«)  respondre,     Perf.:  gewöhnlich  respontie/  0120^  13336,  rispon- 
derò 22495,    seltener  respos  20813,  21202.  —  Part,  praet    nur  re- 
spos/  8078,  30249. 

(i)  rezemer.  Nur  schwach  tlektiert.  Perf.:  rezemet  21 085 
(:  eompre/),  —  Part,  praet.  :  rezemu/  23820,  102  (Brief).  —  Subj. 
Impf.:  rezeme^s  24491  \  most  res, 

3.  B(;i  denjenigen  Verben,  wtîlche  im  Provenzalischen  neben  einem 
schwachen  l*art.  praet.  ein  starkes  bilden,  ist  das  schwache  vorherr- 
scht ;nd:  deissendre  :  nur  dissendu/  222S2;  défendre  :  nur  defendut  22.\\2y 
33430;  rompre  :  nur  rompu/z  22^20;  reseondre  :  rescondn/  28,  8127, 
daneben  reseos  13658;  despendre  \  despendu/  \\o\%y  15691,  daneben 
despeza  2  65  30. 

4.  lünzelne  Verba,  a)  creire.  Der  Infinitiv  lautet  creire  12436: 
r'07Y  (vitrum),  23617  \  pra^eire,  —  I>ie  l.  und  3.  P.  Sg.  Prs.  crt 
3797  :  dtzt/t/e,  3248  :  Je  (fideni),  5466  :  he\  nur  einmal  credo  =■ 
^''V'  33840  :  domnei, 

■J)  re(n)dre.  In  diT  Regel  worden  die  gcw(>hnllchcn  Fonnen 
mit  n  gebraucht:  nndn  26232  :  dissendre,  33083  ipenre;  renda  18806: 
esmenda;  ren  (reddo)  14072  :  nien;  ren  (reddit)  13257  \ferven.  Doch 
auch  ret  (reddit)  6314  :  se/  (septem)  13661;  secret^  26876  :  deU 

y")  veneer,  we!cht;s  im  Stammauslaut  zwischen  (lUttural  (c)  und 
Sibilant  (.9)  schwankt,  tritt  mit  s  íiuf:  Subj.  Prs.  vensa  27146  X  pene^ 
densa,    17638  :  man  ti  usa, 

(S)  mt  isser  (misccre).     Part,  praet.  ?nest  (raixtus)  9 1  (Brief). 

f)  naisstr.  77>//v.  Das  Perf.  lautet  von  naisser  :  nasçuei  21J02, 
ausìiahmsweisi*  nase  21076,  von  vieure  nur  i'isquei  16160,  26784. 
Im  Subj.  Impf,  hat  naisser  e^  (nast/ues  1 1  y  b^  :  en  fames),  vieure  e^ 
und  f*  irist/uts  19561  :  onn^s  und    i^o2b  :  ¿>e'h). 


DIE    ÖPRACHFOKMEN    MATFKE    EKMENGAU  S.  4O5 

§  36.    Dritte  Conjugation,      i.  Wechsel  zwischen  reiner  und 
inchoativer   Form:    gequir:    3.  P.  Sg.  Prs.  ¿'/i:  21667,   ¿''V^'-f  21032; 
partir',  pari  4264,    16805,  partis  6674,  25844;    falhir\  falh  7902, 
falhis  27303;    sentir:  sen  1004,  sentis  8504  (von  cosscnlir:  cossentisco 
27428,   27430);     repentir:    repen   2391,    repentis   19092.      Mit  reiner 
Form  werden  gebildet:  regir:  //'(f^  4095,  riegon  ^01 1,  4096,  8899; 
culhir:  cuelh  8869;    vestir:  viest  8376;    merir:  mero  29371;    mit  in- 
choativer   hingegen    die  Verba:  jauzir:  jauzis  28047;    punir:  punis 
109Ò8;    servir:  servis  370,    12071,    19730;    escantir:  escantis   14 122, 
27620;  guérir:  gue risco  147  17;  convertir:  convertisco  147 18;  grazir: 
grazisqiio  Gedicht  in  „Les  troubadours  de  Béziers"  p.  133,  7. 

2.  Das  Futurum  stöfst  nach  r  und  t  zuweilen  sein  i  aus: 

d)  nach  r:  guerran  17801;  viorran  15931;  f erran  23056 
(C  fer  irán)  \  quer  ras  22693  (wenn  der  Infinitiv  quérir  angenommen 
wird).  —  Ausnahme:  morirán  20159. 

(Ì)  nach  t:  par  tran  18130,  32771;  sentra  7487,  34364;  cossen^ 
tran  32772;  partria  1755.  —  Ausnahmen:  sentira  11589,  20158; 
cosse  ni  ira  27670;    convertira  21 190;    desmentiriatz  30906. 

3.  Die  3.  P.  Sg.  Perf.  wirft  ihr  t  ab,  Formen  auf  'ic  sind  nicht 
nachzuweisen  (§  13,  3). 

4.  Die  Verben  issiry  ferir,  vestir  bilden  ihr  Part,  praet.  nur 
auf  -//:  issitz  10500  :  raditz,  30156  :  trichairitz\  ferit  23539  :  escarnit, 
23735  :  escopitz\  vestiiz  20204  :  ditz,  23918  :  esperitz, 

b)    Starke    F 1  e  x  i  o  n  s  a  r  t. 

s^  37.  Infinitiv.  In  verschiedenen  Verben  treten  Doppel- 
formen auf:  tcfier  26588  :  aver  neben  tenir  3024  :  regir,  177 15  :  se- 
guir: querer  2534  :  vezer  neben  quérir  1 29 14  :  falhir,  tollere  wird 
toter  4^28  :  poder,  dicere  lautet  dire  3315,  5353  und  dir  103. 
dire  analog  sind  die  Infinitive  escondire  14800,  escrire  23597,  aucire 
9556,  9677.     rire   17 180,   27780  verliert  nie  sein  e, 

S  38.  Praesens,  i.  Das  Praesens  von  cazer,  jazer,  plazcr, 
saber  hat  Doppel  formen.  Neben  catz  32512  :  esscnhatz\  platz  165 17, 
10575  :  pecca tz\  ¡atz  891  :  assatz\  sap  2556  :  mescap,  19739  :  cap 
braucht  Matfre  die  Fonnen  cay  5814  :  estay,  26709  :  adorarci}' \  play 
16612  :  may,  26715  :  quer  ay  \  jai  3716  :  /<?/;  say  1640  :  estay,  2036 
:  dir  aw 

2.  Die  Elision  des  e  in  der  2.  P.  ^g,  wird  häufig  unterlassen: 
sains  22961,5  (Brief);  tenes  27028;  venes  22689;  voles  23021;  deves 
22152.     Daneben  sahs  25245;  vols  22156,  22958;  potz  21 12,  21536. 

S  39.  Perfectura.  i.  Die  2.  P.  Sg.  schwankt  im  Provenza- 
lischen  zwischen  -est  und  -ist.  Unser  Text  bewahrt  das  i:  tramezist 
14149  :  Crist \  venquist  14206  :  Crist \  receubist  26167  •  Cris\  fezis 
23630  :  dis  (diese  Bindung  beweist  zugleich,  dafs  das  auslautende  / 
abfallen  konnte). 

2.  Einige  schwache  Verben  wandeln  die  3.  P.  PI  schwach  ab: 
dissero  21 781,  23274;  mezero  21796,  23583;  prezero  1398,  23727; 
onssero  (von  ungere)   23730;  traisseron  2685;  remazero  ^^"¡l. 


406  K.  WEISSE,    Dil',  SPRACH  KOK  MEN  MAI'FKE  ERMENG  AU's. 

i^  40.  Kinzi'liHj  Verba.  í.  Klasse,  (c)  faceré.  Inlìnitiv:  /i/; 
48,  94  [O,  /(ri/L  9  ^33,  .S0245.  —  Praesens:  i.  W/us  24556  :  SaítWiis, 
3.  P.  /(I  2564,  5792  :  (i  (halxít),  öfter  hingingen  /¡ty  3668  :  Wí/i. 
831Ò  :  (//ni/.  -—  Piírf.:  dii*  i.  P.  Sg.  ist  im  Keime  nicht  zu  l)elegen. 
im  Innern  dos  Vi^rses  lautet  sie  j/k  34536.  2.  P.  /ts/s  14071, 
14736,  ßs/  14610.  3.  P.  /t/3  25745  (:  vetz),  ßs  28306  (:  ¿es)  und 
/c'  172 II  {:  qiit).  —  Der  Plural  ist  zweisilbig.  —  Impf.  Subj.  yicci 
15845,  22024,  Plural  fistsso  22498  neben  ftsson  24016. 

^)  videre.  Praes.:  2.  1\  7'ezcs  22157.  —  Perf.:  3.  P,  -■/  19357 
:  ca/n/y  26507  :  si  und  v/c  20423  :  d/c  (dico).  —  Subj.  Impf,  xns  26333 
\  pc1cr/s.  —  Part.  j)raet.:  v/s/  20261,  22122  :  Cr/s/. 

IL  Klasse.      «)  dicere.     Infniitiv:    d/rc  3315    und   dir   103.  — 
Praes.:   2.  P.  d/zts  17 12,  2746;  3.  P.  d//z  63 11  \  par///z,   10092  :  dis- 
sel)d//z\    d/s  3158  :  parad/s,  914  i  :  pd/s\    d/  12()2,  8002  :  a/nss/,  - 
IN'rf.:    3.  P.  ^//>  23ÓfX)  :  escr/h,      lieber   d/sseron   vgl.  §  39»  2,    Subj. 
Prs.  S  II,  I,    Part,  praet.  S  11,5. 

(ì)  (¡uaerere.  Inf.:  yz/t/vv  ist  nicht  zu  belegen,  nur ////¿rt'r  13694 
:  7'tzcr  und  f/ucr/r  12914  \  fa/h/r.  —  Das  Perf.  zeigt  die  Form  qws 
zbSto  :  pcrt'gr/s  neben  t/ncn  16292:^7*,  ibyyö  : /ssiwzi.  —  Über 
das  Part,  praet.  vgl.  )$  3,  i. 

III.  Klasse,  a)  ferre  (in  Comj)ositis).  Pi;rf(icta  auf  'tre  finden 
sich  nicht,  sondern  soff'r/  15598  :  mor/;  sofr/ro  23761  :  auziro, 

(Ì)  tencire.  Inf.:  /tntr  26588  :  iiinr  und  /in/r  3024  :  n'^ir.  — 
Dili  I.  P.  Sg.  Praes.  lautet  /<;///  5260  :  reden.  —  Das  Perf.  ist  au> 
Keimen   nicht  zu   belegen. 

y)  tollere.  Inf.:  AVít  4328  '.poder.  —  Zu  verzeichnen  ist  das 
Part,  praet.  /o//  11 899. 

î$  41.  Ilül  fsverb  a.  Ungewöhnliche  Formen  von  aihir  finden 
sich  nicht.  —  Von  esstr  (nie  es/rt)  lautet  die  i.  P.  Sg.  Praes.  nur 
.v/i/  137  :////.  Im  Futurum  werden  die  beiden  Formen  wrrti  und  */* 
neben  lïinander  gebraucht. 

R.  Weisse. 


Neues  zum  Buche  der  kamonianischen  Lieder  und  Briefe. 

Je  länger  und  inniger  ich  mit  deoi  herrlichen  Buche  der  ver- 
deutschten kamonianischen  Lieder  verkehre,  um  so  mehr  lerne  ich 
die  Kunst  des  Übersetzers  und  seine  unvergleichliche  Sorgfalt  be- 
wundern. Hie  und  da  entfernt  sich  aber  meine  Deutung  schwie- 
riger und  dunkler  Stellen,  an  denen  die  Redondilhas  reicher  sind, 
als  man  von  vorn  herein  vermutet,  doch  von  der  Deutung  Storcks. 
Ilie  und  da  befriedigt  mich  auch  die  Übersetzung  als  solche  nicht 
ganz.  Besonders  ist  für  die  schlichte  Einfalt  und  Schmucklosigkeit 
einiger  kurzzeiliger  Schelmenliedchen  der  Harnisch  deutschen  Tief- 
sinnes zu  schwer  und  allzu  wuchtig;  und  der  zu  grofse  Reichtum 
deutschen  Gefühles,  mit  dem  der  Übersetzer  jene  ausgestattet  hat, 
überbürdet  sie  und  raubt  ihnen  ihre  leichte  Anmut  und  ihr  volks- 
tümliches Gepräge.  Zu  viel  Kunst!  zu  viel  Schmuck!  zu  grofser 
Reichtum!  zu  grofse  Gründlichkeit!  möchte  ich  manchmal  sagen. 
Über  alle  diese  Fälle  nun,  in  denen,  nach  meinem  Geschmack  und 
meinem  Verständnis,  etwas  anders  sein  müfste  als  es  ist,  möchte 
ich  gar  gern  mit  meinem  Freunde  plaudern.  Da  das  leider 
aber  mündlich  nicht  sein  kann,  weil  Münster  und  Porto  allzuweit 
auseinander  liegen,  so  geschehe  es  schriftlich:  mancherlei,  was  ich 
zusammen  gelesen  und  was  einem  so  gründlichen  und  enthu- 
siastischen Camocnskcnner,  wie  Storck  es  ist,  nicht  verächtlich  und 
kleinlich  erscheinen  wird,  hoffe  ich  ihm  dabei  erzählen  zu  können. 
Vielleicht  findet  sich  unter  diesen  Stoppeln,  die  ich  so  vom  Ernte- 
felde meines  Freundes  gesammelt,  hie  und  da  auch  eine  wirklich 
brauchbare  Weizenähre. 

Zu  No.  I  I — 5.  Die  erste  Strophe  des  wahrhaft  beliebten  Ge- 
sanges ward  im  17.  Jahrh.  von  Antonio  Barboza  Bacelar  glossiert 
in  5  Dcciraen  (s.  Feniz  Renascida  1  p.  185).  Ich  führe  diese  und 
ähnliche  Erscheinungen  absichtlich  sorgsam  an,  da  sie  deutlich  und 
klar  machen,  welche  von  den  lyrischen  Gedichten  des  Lusiaden- 
sängers  wirklich  Allgemeingut  dor  Nation  geworden  und  jedem 
Gebildeten  bekannt  waren. 

Zu  No.  II.  Zum  dreihundertjährigen  Todestage  des  Dichters 
veröffentlichte  A.  F.  Barata  in  einem  von  mir  bereits  (Zlschr.  IV  594 
Anm.  i)  erwähnter>  F>stschriftchen ,  nach  Manuskripten  der  Biblio- 
th(»k  von  Evora,  einige  sogenannte  Inedita  de  Camdcs'.  zwei  Sonette 
und  eine  Redondilha.     Letztere  ist,   gerade  so  wie  das  von  Storck 


408  e  M.  DE  VASCONCELLOS, 

unter  No.  2  iibcrsetzUi  Gedicht,  btítitelt:  „Ao  dtsconcerto  fio  mundc^^ 
Der    Herausgcîbcr    i)ekünnt    ausdrücklich,    dafs    die    beiden    Hand- 

("\iV  CWI 

Schriften,    welche    die    Strophen    enthalten    (---  :-  fol.  184    und    ■  -.„ 

Schlufsblatt),  den  Namen  des  Verfassers  gar  nicht  angeben:  sie 
Camoens  zuzuschreiben  habe  ihn  nichts  anderes  als  die  (gedruckte) 
diesbezügliche  Aussage  des  Oberbibliothekars  Joaquim  Antonio  de 
Sousa  Teiles  de  Mattos  bewegt.  Selbiger  bezeichnet  sie  nämlich 
im  Handschriften-Katalog  der  liibliotheca  Publica  ilvorense  (Bd.  Jl 
S.  91)  als  Poesías  de  Luiz  de  Camdesy  wovon  Jeder,  der  den  Katahig 
besitzt,  sich  überzeugen  kann.  Nur  steht  daselbst  kein  Wörtlein 
darüber,  ob  besagte  Trovas  allbekannte  oder  unbekannte  Werke 
des  Dichters  seien.  Die  Neuigkeit,  sie  seien  Inedita,  hat  erst  Herr 
Barata  verbreitet,  wii;  ich  vermute  darauf  fufsend,  dafs  im  Katalog 
die  V(;rse  einfach  als  kamonianisch  rubriciert  sind,  während  Herr 
T(illes  de  Mattos  bei  Aufzählung  anderer,  Camoens  zugeschriebener, 
schon  gedruckter  Werke,  welche  die  Bibliothek  gleichfalls  besitzt, 
wie  z.  B.  die  ProsabrieAî,  die  Jk^merkung  macht,  „sie  ständen  ge- 
druckt in  seintin  Werken"  (j).  177).  Doch,  dem  sei  wie  ihm  sei, 
jedenfalls  hat  Herr  Barata  nicht  bemerkt,  dafs  die  Verse 

„Sempre  no  mundo  vi  passar 
uos  bons  {graves  tormentos 
oder  [Vi  aos  bons  sempre  passar 

Na  vida  graves  tormentos] 
c  pera  mais  me  espantar 
aos  maos  sempre  vi  nadar 
em  mares  de  contentamentos. 

Cuidando  alcansar  eu  assim 
este  bem  desordenado, 
fui  mao,  mas  fui  castigado, 
lie  sorte  que  so  pera  mim 
anda  o  mundo  concertado**, 

bis  auf  einigí;  ganz  unbedeutende  Varianten,  genau  dieselben  sind, 
welche  seit  1598,  unter  dem  gleichen  Titel,  in  allen  Caraoons- 
AusgalxMi  sti'lirii;  dieselben,  welche  Dom  Francisco  de  Portugal 
schon  in  seiruîn  Prisdcs  c  So/ i  ums  de  hua  a/ma  (p.  13)  citiert;  die- 
selb(».n ,  welche  spiiter  Quevedo  (Rivadeneyra  Bd.  6g  S.  94)  in  eine 
seiner  berühmten  Letrillas  Satiricas,  in 

Fui  bueno,  no  fui  premiado 

y  viendo  revuelto  el  polo 

fui  malo  y  fui  castigado, 

asi  que  Jhira  mi  so/o 

ligo  ti  mundo  es  concertado 

eingeflochten  hat;  dieselben,  welche  auch  Francisco  de  Mello  in 
seinem  Apol.  Dial.  I  „/^t/ogios  Fa//a;i/es**  p.  3  benutzt: 

parece  (¡ue  bó  para  mim 

anda  o  mundo  concertado; 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  LIEDER  UND  BRIEFE.  409 

dieselben  also,  welche  Storck  unter  No.  2  übersetzt.  Da  muís  man 
unwillkürlich  wiedt»r  einmal,  wie  bei  recht  vielen  Bemerkungen  mo- 
derner Portugiesen  über  ihren  Nationaldichter,  leise  vor  sich  hin- 
summen : 

Wer  wird  nicht  den  Camoens  loben? 

Doch  wird  ihn  jeder  lesen?     Nein!  — 
Wir  wollen  weniger  erhoben 
Und  mehr  gelesen  sein!* 

*  Ich  benutze  die  Gelegenheit,  um  diejenigen,  welche  begierig  darauf 
waren ,  die  neu  veröffentlichten  Inedita  Camoníana  kennen  zu  lernen ,  ohne 
doch  der  kleinen  Schrift  von  Barata  habhaft  werden  zu  können,  darüber  aufzu- 
klären, dafs  das  eine  der  fraglichen  Sonette  nichts  ist  als  eine  Glosse  zur  ersten 
Zeile  des  18.  kamonianischen  Sonettes,  das  auch  Francisco  Rodriguez  Lobo 
umschrieben  hat  (Obras  p.  192): 

„Doces  lembranças  da  passada  gloria". 

Ein  Kundiger  hatte  neben  diese  letzte  Zeile  das  Wort  „CamÖes"  ge- 
schrieben; einem  weniger  Kundigen  war  es  vorbehalten,  daraufliin  das  arme 
Scherflein  des  ganzen,  unschönen  Sonettes  für  den  reichen  Liebling  der  Nation 
in  Anspruch  zu  nehmen.  Der  antikanionianische  Geist  des  fraglichen  gongo- 
resken  Machwerkes  ist  jedoch  so  aufìlalHg,  dafs  auch  Herr  Barata  Zweifel  an 
der  Echtheit  seiner  Attribution  äufsert:  das  sei  zur  Ehre  der  Wahrheit  be- 
merkt.    Hier  folgt  es: 

Aqui  neste  as  idades  consagrado 

campo  fatal,  adonde  peregrinas 

pagam  ja  natural  censo  as  boninas 

do  barbaro  cultor  ao  duro  arado; 

aqui  nestc  d'abril  throno  abrasado, 
de  edificio,  composto  de  ruinas, 
reliquias  doces,  mas  de  raagoa  dinas; 
aqui  foi  Troya  para  racu  cuidado. 

Aqui  venho  chorar  tanta  mudança 
e,  celebrando  exequias  a  memoria, 
acabar  de  enterrar  minha  esperanza  ; 

aqui  dar  d'estas  pedras  nova  historia 
e  aqui  dcixar  ao  tempo  por  memoria  (sic;  ich  vermute  herança) 
,,Joces  lembranças  da  passada  gloria". 

Das  zweite  der  fraglichen  Sonette  giebt  sich  in  der  Überschrift  als  ein  Werk 
des  Dichters  kund.     Ob  mit  Recht,  kann  ich  nicht  entscheiden.     Es  lautet 

Soneto    de   luis   de    c  a  m  o  i  s. 

Vingo-me,  cm  parte  estando  da  ventura, 
com  seu  engaño  c  minha  confianza 
que  cuida  que  com  seu  poder  alcanza 
tirar-me  d'alma  vossa  fermosura. 

(Que)  pode  mudar-me  a  vida  aspera  e  dura, 
mas  nao  de  vos,  meu  bem,  minha  lembrança. 
Os  olhos  passäo  o  mal  e  a  mudança; 
a  alma,  onde  vos  estaes,  está  segura. 

E  vendo  vossas  grabas  sempre  n'ella, 
nicus  sentidos,  em  vos  sempre  enlevados, 
cst3o  tambem  com  ella  em  minha  ajuda. 

Vcnço  a  ventura;  assi  posso  mais  que  ella, 
ijuc  cm  meu  mal  tem  scus  peis  tam  confiados 
que  em  mim,  sendo  mudavel,  seu  ser  muda. 


4 IO  e.  M.  DE  VASCONCELLOS, 

Zìi  No.  III.  Als  miîistcrliafttT  Nachahmer  dieses  kamonianischen 
labyrinthes  hat  sich  Francisco  Alvares  do  Oriente  gezeigt.  In  seiner 
„Liisitania  transformada"  findet  sich  (p.  i8o)  ein  Labyrinth  von 
25  Quintillen;  und  ein  weiteres  von  8  Oktaven  (p.  182).  Eine  gute 
Erklärung  der  metrischen  Spielerei  ist  dem  ersten  Probestück  bt^'i- 
g(*gel)en.  Sie  lautet:  Vtjo  nestas  Itiras  ouiro  iahtrinto  fabricado  por 
a  ¡if  um  alto  cngmhoy  de  que  vos  confesso  que  me  n3o  sei  salti r,  Acho 
juc  cada  ciuco  regras  des/as  respondem  humas  a  outras  com  tanta  con- 
sonancia  que  por  onde  quer  que  as  tomo  fazem  huma  tilo  pcrfcita,  que 
nao  so  responde  a  todas  as  /eis  da  poesia^  mas  ao  proposito  do  sentido 
tilo  compridamcnte  que  ine  tem  maravilhado  0  sen  cstranho  artificio,  .. 
E  tomando  cada  hum  as  reg  ras  dette  por  varias  partes,  achava  que  cahiäo 
todas  tao  a  proposito  que  mio  pudt  rìlo  todos  deixar  de  as  engrandecer,  . . 

Zu  No.  VI.  Auch  ich  glaube,  dafs  dies  (iedichtchen  mit  dem 
Frauennamen  (Tra<,:a  oder  (xracia  spielt,  also  an  eine  „Grava**  ge- 
taufte Schone  gerichtet  ward.  D(T  ganze  Inhalt,  besonders  alKT 
Zeile  10,  scheint  es  zu  bestätigen.  Die  Zahl  der  portugiesischen 
und  spanischen  Oedichte,  welche  mit  bedeutungsvollen  Namen  wie 
„Paz,  Luz,  F^.strella,  Dolores"  etc.  ein  oft  sinniges,  oft  un.sinniges 
Spiel  tieilnui,  ist  Legion.  C^amoens  selbst  „heult  mit  den  Wolfen** 
d.  h.  er  folgt  der  (iesellschaftsmode  mehr  denn  einmal:  in  Son.  20g 
feiíírt  er  eine  Paz;  eine  Justa  Paz  in  Son.  257;  eine  (ìama  in 
Red.  380;  eine  Justa  vielleicht  in  Red.  \^}\  einen  Furia  in  .Son.  193. 

No.  VII.  Die  Absichtlichkeit,  mit  der  im  portugiesischen  Ori- 
ginale in  jeder  Zeile  das  Wort  olhos  =  Augen  angebracht  ward, 
ist  vom  Übersetzer  nicht  beachtet  worden.  Ein  Nachklang  der 
alten   Coldas  capdenals  dürfltí  darin  g(ìfund(ìn  wiïrdcn. 

No.  Vili.  Die  Nachdichtung  dieses  „Fehdebriefchens  eines 
Verschmähten"  scheint  mir  weder  richtig  und  treu,  noch  elegant 
und  khir  und  verständlich.  Der  Cbersi;tzer  hatte  mit  einem  mangel- 
haften Texle  zu  ihun.  Demselben  fehlte  die  (ichte  tonangelxrnde 
Überschrifl;  eine  vermutlich  charakt(TÌstische  Zeile  war  gestrichen; 
(îin  grobtT  1^'liler  war,  nebst  vielen  kleinen,  stecken  geblieben  und 
zwar  l'in  Fiîhler,  der  am  vollen  Verständnis  hindert  Wer  aber 
kann  ohne  absoluti;s  Verständnis  des  Originals  richtig,  treu,  elegant 
und  klar  übersetzen?  Storck  hat  im  (îefuhl  davon,  dafs  etwas  in 
diim  (Itidichte  mangelhaft  sei,  am  portugiesi-schen  Texte  Si'lbst 
nuihrfach  gebessert;  —  den  sinn  stören  den  Fehler  hat  er  nicht  ent- 
deckt, die  Lücke  meiner  Meinung  nach  nicht  glucklieb  ausgefüllt  — 
Stellen  wir  zunächst  des  Dichters  Wort  und  Absicht  wieder  her.  Die 
charakteristischi;  Adn*sse  des  Briefes,  welche  der  Herausgeber  Juro- 
menha  wohl  absichtlich  fortgelassen,  lautet:  No7hìs  cm  resposta  que 
um  galante  mandón  a  hua  dama  y  que  ¡a  tinha  delta  o  qtu  quería^  e 
c//a  the  mand'u  dizer  que  sc  tsquccesse  do  passado.  Responde  e  ixz. 
Dieser  kl<'inen  Mitteilung  entsprechend  müfste  das  ganze  Gedicht 
im  DtMitscheii  einen  t^twas  keckenin,  ja  frechen  Ton  anschlagen. 
Das  innige,  wahre  (iefühl,  das  Storck  hineingelegt,  spricht  aus  dem 
Originali»    nicht.     L^id    diii    in    der   dritten  Strophe   fehlende  ZeDc 


NEUES  ZUM  nUCHE  DER  KAMON.  LIEDER  UND  BRIEFE.  4 1  I 

(die  vielleicht  ein  gewissenhafter  Kopist  aus  Schicklichkeitsgefühl 
unterdrückte)  muíste  nicht  von  „Schmerz",  sondern  von  „genossener 
Lust"  sprechen.  Auch  Phrasen  wie  „das  Wcn'ge,  was  ich  vordem 
nannte  mein"  (16 — 17),  das  „in  Ruhe  mich  bescheiden"  (18)  und 
das  Pochen  auf  „Gram  und  Leiden"  sind  viel  zu  poesievoll  und 
zart.  —  Der  schon  erwähnte  Hauptfehler  aber  steckt  in  der  zweiten 
Strophe.  In  den  portugiesischen  Ausgaben,  bei  Juromenha  und 
Braga,  lautet  dieselbe: 

Bern  que  a  razSo  vejo  clara, 

Que  alguem  vos  enganou, 

Porque  eu  certo  julgava 

Que  o  fio  nSo  quebrara 

Pelo  logar  que  cobrou. 

In  der  Übersetzung  heifst  es: 

Hört'  ich  doch,  nicht  mehr  beflisse 

Sich  um  Euch  ein  sichrer  Mann, 

(Der  doch  —  meint'  ich  einst  —  gewisse 

Fäden  nicht  so  leicht  zerisse) 

Seit  er  höhren  Rang  gewann. 

Die  Parenthesen  rühren  von  mir  her:  ich  glaube  durch  dieselben 
den  Sinn  und  die  Meinung  des  Übersetzers  leichter  verständlich 
zu  machen.  Wie  kam  er  zu  dieser  Auffassung  und  der  etwas  un- 
gelenken Form?  Die  letzte  Zeile  des  Originals  —  in  welcher  der 
Fehler  steckt  —  mufstc,  eben  um  ihrer  Unverständlichkeit  willen, 
der  Ausgangspunkt  für  die  Übersetzung  werden.  Die  im  Alt-  wie 
im  Neuportugiesischen  gleich  unmögliche  Formel  j,Cobrar  um  logar'' 
ward  aufgefafst,  als  hiefse  sie  „eine  Stelle  erhalten"  oder,  wie 
der  Dichter  sich  gewählter  ausdrückt,  „höhren  Rang  gewinnen". 
Wer  aber  erhielt  die  Stelle?  Der  „Jemand"  mufste  gesucht  und 
konnte  naturgemäfs  nur  in  dem  alguem  der  zweiten  Zeile  entdeckt 
werden:  daher  die  unnatürliche,  nur  gewaltsam  herbeizuführende 
Zusammengehörigkeit  von  Zeile  zwei  und  fünf;  daher  die  notwendig 
daraus  folgende  Isolierung  von  drei  und  vier,  eine  Isolierung,  die 
der  Übersetzer  wieder  aufhebt,  indem  er  das  betreffende  Wort- 
gefüge  mit  seinem  einleitenden  que  als  Relativsatz  auffafst,  dessen 
Subjekt  abermals  der  unbekannte  „Jemand"  und  dessen  Objekt  der 
„zerrissene  Faden"  ist.  Damit  ist  aber  der  ganze  Inhalt  verkehrt 
und  verfälscht.  —  Statt  cobrou  lese  man  quebrouy  wie  der  Sinn  es 
fordert,  und  wie  das  einzige  vorhandene  Manuskript,  welches 
das  Briefchen  aufbewahrt  hat,  wie  also  die  Miscellanea  Juromenha 
auch  unverkennbar  deutlich  schreibt  (cfr.  Bd.  IV  p.  604  dieser  Ztschr.). 
Folgender  (iedankengehalt  ergiebt  sich  dann  naturgemäfs:  „Ihr, 
schöne  Dame,  wollt,  dafs  ich  F^uch  nunmehr  fern  bleibe 
und  Kuer  vergesse.  So  sagt  mir  doch  gefälligst  das 
Warum  dieses  Kures  Willens;  obzwar  (so  beginnt  die  zweite 
Strophe,  um  die  (;s  sich  handelt)  obzwar  ich  selbst  den  Grund 
Eures  Wunsches  klar  einsehe,  dafs  nämlich  Jemand  Euch 


412  e.  M.  DE  VASCONCEIXOS, 

betrogt'ii  hat  (das  kann  so  vici  hciTsun  als:  Jemand  hat  mich 
verleumdet,  Eucli  Böses  von  mir  erzählt,  oder  auch  Jemand 
hat  Kuch  durch  seine  Verführungskünste  für  sich  erobert, 
jedenfalls  aber  bedeutet  es,  dafs  ein  Dritter  an  der  Untreue  der 
Dame  schuld  ist).  Dcnin  (man  erwartet  hier  o  bschon,  em^i/ue 
iii3iíi  pon/ ue) y  denn  ich  hielt  es  für  gewifs,  dafs  der  Faden 
(sc.  unserer  Verbindung)  nicht  reifsen  könnte  an  der 
Stelle,  bei  der  Gelegenheit,  wo  er  in  Wahrheit  zerrissen: 
d.  h.  gerade  am  dicksten  Knde,  in  dem  Augenblicke,  wo  wir 
einander  am  innigsten  nahe  standen.  Sagt  doch  das  Sprichwort 
—  das  Volksevangelium,  an  das  jeder  gute  Portugiese  glaubt  — : 
n  conia  sempre  qticbra  pelo  mais  dei  gado  ,^ 

Ob  das  kecke  Liíidchen  überhaupt  von  Camoens  ist?  Die 
Quellenhandschrift  besagt  das  keineswegs.  Der  einzige  Umstand, 
der  den  Herausgeber  veranlafst  haben  kann,  es  für  kamonianisch 
zu  erklären,  ist  der,  dafs  es  in  der  Handschrift  unmittelbar  auf  ein 
vermutlich  dem  Dichter  zugehöriges  Sonett  folgt  („Tristezas", 
s.  St.  II  No.  357)  und  dafs  nahebei  einige  andere  unzweifelhaft  von 
ihm  herrührende  (iedicht(î  stehen.  Ist  er  genügend?  Mir  scheint, 
man  thue  in  jeder  Hinsicht  wohl  daran,  wenn  man  den  „Absagebrief 
eines  Verschmähten"  unter  die  fälschlich  und  leiclitfertig  Camoens 
zugesprochenen,  in  Wahrheit  aber  vaterlosen  Findlinge  setzt 

Der  vom  Kopisten  entstellte;  und  vom  Herausgeber  nicht  nur 
unverbessert  gelassene,  sondern  noch  andenveitig  verderbte  Text 
bedarf  noch  einiger  kleini;r  Reformen,  selbst  nach  den  frei  erdachten 
liesserungsversuchen  Storcks,  nach  der  oben  erwähnten  Berichtigung 
von  Zeile  10,  und  nach  weiten;n  auf  Cîrund  des  Manuskripts  vor- 
zunehmenden Rektifikationen.  Z.  W,  ¡st  Zeile  24  N*isso  guanho  eu 
mais  eine  unm(')glichii  Redondilienzeile.  Man  lese  Qiu  n^isso  ganho 
eu  mais  oder  X^isso  guaaniio  eu  îfiais.  In  Zeile  17  ist  natürlich 
statt  Com  o  Co  zu  spn;chen,  und  man  thut  besser,  wenn  man  heut- 
zutage auch  also  schreibt. 

No.  XI.  Ob  in  der  l Überschrift,  die  ich  schon  früher  (IV  604) 
mitgeteilt  habe,  nicht  maidispos/a  statt  maidisposlo  zu  lesen  ¡st?  Der 
eigtMitlich  Krank(*  und  Mifsgelaunte  ist  ja  doch  die  Dame,  und  nicht 
der  Liebhaber.  Dafs  die  vier  Schlufszeilen  (;'<;;/(//<),  welche  die  zweite, 
in  Storcks  Anmerkungen  mitgeteilte  Fassung  des  hübschen  Schreibens 
an  di(î  kranke  TVeundin  begleiten,  nicht  zu  diesem  gehören,  sondern 
v\\\  si'lbständiges  Ej>igramm  bilden,  wie  Storck  meint,  will  mir  durch- 
aus nicht  einleuchten.  Dafs  sie  in  der  Handschrift  thatsächlich  mit 
diMii  Gedichte  eng  verbunden  sind,  t.*ntscheidet  freilich  nichts;  ent- 
scheidend ist,  in  meinen  Augen,  nur  dafs  der  Gedanke 

Sc  il  vcnìadf  di /tir  posso 
Estiir  docnte  convinlui 
V<')s  n3o,  que  sois  alma  minha, 
Ku  sim,  (juc  »ou  corpo  vosso. 

'  Cfr.  das  kasi.  Sprichwort:  quebrar  la  soi^a  por  lo  tnas  delgado. 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  LIEDER  UND  BRIEFE.  413 

unmittelbar,  enge  und  untrennbar  mit  dem  in  den  ersten  vier  Zeilen 
der  vorhergehenden  Strophe  ausgesprochenen  verknüpft  ist,  in  wel- 
cher es  heifst: 

Que  tanto  mais  qualquer  daño 

Vosso  que  o  meu  sentirla, 
Quanto  he  maior  a  valia 
D*alma  que  a  do  corpo  humano. 

(So  und  nicht  que  do  steht  im  Ms.)  Ja  mir  scheint  das  „Remate" 
überhaupt  das  Facit  des  ganzen  fìriefchens  zu  sein,  dem  es  vielleicht 
als  Überschrift,  vielleicht  aber  auch  als  Aufschrift  beigegeben  war. 

Zum  portugiesischen  Texte  bemerke  ich  noch  einige  Kleinig- 
keiten. Soll  einmal  die  Regel  durchgeführt  werden,  dafs  Amor 
überall,  wo  er  personificiert  gedacht  werden  mufs,  oder  besser  kann, 
d.  h.  dafs  er  überall  da,  wo  das  Wort  ohne  Artikel  auftritt,  mit 
grofsen  Anfangsbuchstaben  wie  ein  Eigenname  zu  schreiben  ist;  so 
sind  zu  den  zahlreichen  von  Storck  gelegentlich  herausgehobenen 
Stellen  noch  manche  andere  hinzuzufügen,  wie  z.  B.  in  der  zweiten 
Zeile  dieses  (jedichtes.  Dabei  sei  noch  erwähnt,  dafs,  soll  die  andere 
Regel  durchgeführt  werden,  dafs  tonlose  metrisch  ungültige  Vokale 
wirklich  zu  elidieren  sind,  dafs  z.  B.  qWer  capUäo  off* recimenio  fra 
es  frito  und  co  für  com  0  überall  da  geschrieben  werden  mufs,  wo 
also  gesprochen  wird,  gleichfalls  manches  Beispiel  zu  den  ge- 
sammelten nachzutragen  ist;  z.  B.  Vili  \']  Co  für  com  o\  XIX  58 
Cos  für  Com  os  etc. 

No.  XV  6 — IO.  Mir  scheint  der  Gedanke  des  Originals  nicht 
treu,  also  nicht  gut  wiedergegeben  zu  sein.  „Das  alte  tiefe 
Wehe,  keine  Entschuldigung  für  sie  zu  finden,  hat  mir 
die  Seele  so  vergrämt,  dafs  ich  sie  schon  für  entschul- 
digt halten  d.  h.  dafs  ich  ihr  verzeihen  werde,  sobald  sie 
nur  ihre  Schuld  bekennen  will".  Wer  hört  diesen  Gedanken 
aus  den  Worten  heraus: 

Weil  ich  nichts  davon  verstehe,  (?) 

Quält  mich  so  mit  Ungeduld 

Mein  erlittenes  herbes  Wehe, 

Dafs  Entschuld'ßung  schon  ich  sehe 

Blofs  im  Eingestehn  der  Schuld. 

Auch  Zeile  24  ver  que  iVisso  se  contenta  würde  ich  anders  deuten 
als  Storck,  und  verdollmetschen :  „zu  sehen,  dafs  sie  sich  dazu 
hergiebt,  d.  h.  dafs  sie  darauf  eingeht,  dafs  es  ihr  recht 
ist,  nämlich  mir  die  Wahrheit  zu  gestehen";  und  nicht  wie 
Storck:  „zu  sehen,  dafs  sie  Freude  daran  hat,  nämlich  an 
meinen  Peinen.  Solch  boshafter  Zug  pafst  nicht  hierher.  — 
Zeile  56 — 65  würden,  ein  klein  wenig  anders  gefafst,  den  Sinn  noch 
genauer  und  verständlicher  wiedergeben.  Im  Übrigen  ist  das  Ge- 
dicht ganz  herrlich  übersetzt. 

No.  XVIII  16 — 20.  Das  im  Portugiesischen  bis  zum  Überdrufs 
abgenutzte  Wortspi(*l  z\\ischt*n  pena  Leid  und  penna  Feder,   das  in 


414  e.  M.  DE  VASCONCELLOS. 

dieser  Strophe  versteckter  als  gewöhnlich  auftritt,  ist  deshalb  wohl 
in  der  Nachdichtung  unheachtet  geblieben.  Amor  giebt  Camoens 
eine  Feder  pcnmi,  damit  er  seine  pena,  sein  Leid,  damit  nieder- 
schreibe. „Und  da  alles,  was  Amor  verlangte,  dafs  ich  schreiben 
sollte,  mir  Schmerzen  machte,  mir  penas  gab,  so  konnte  ich  von 
ihm  sagen,  dafs  das,  was  er  mir  zum  Schreiben  gab  (die  penna), 
mir  zu  gKicher  Zeit  zu  schreiben  gab  (nämlich  penasY*.  —  In  Zeile  94 
ist  zu  lesen  Depois  por  manifestarme  statt  D,  que  m. 

No.  XIX.  Die  Handschrift,  welche t  Juromonha  diesen  Brief, 
gleichwie  den  nächstfolgenden  (No.  XX)  entnahm,  ist  nicht  die 
Miscellanea  J;  seine  Quelle  ist  mir  unbekannt.  —  Zeile  6:  statt 
saudade  ein  que  ando  (oder  com  que  andoy  wie  Storck  bessert)  würde 
ich  lesen  saudades  com  que  andOy  weil  die  Sehnsucht  im  Portugie- 
sischen gt^v-öhnlich  in  Pluralform  auftritt.  Das  Wortspiel,  das  in 
Saude  und  saudade  liegt,  konnte  nicht  berücksichtigt  werden.  — 
7.  Man  lese  cem  für  sem,  —  8.  Storcks  Umänderung  von  E  zu  Em 
ist  keine  notwendige.  Annehmbar  wäre  sie  überhaupt  nur,  wenn  im 
(=  ab  inde)  gemeint  wäre,  sodafs  die  einschlägige  Phrase  bedeutete: 
Hunderttausend  Sehnsuchtsseufzer  sende  ich  aus;  darum 
doch  nicht  ohne  solche  zurückbleibend.*  —  38.  nao  raros 
für  Ulo  raros  scheint  mir  gleichfalls  keine  unerläfsliche  Änderung. 
Der  ironische  Stil  der  familiären  (doch  ungleich  feineren  und  schö- 
neren Epistel,  als  es  die  folgende  ist)  läfst  es  sehr  wohl  zu,  dafs 
der  Dichter  die  lästigen  Tage  der  Langeweile  im  Gamisonleben 
„so  seltene"  nennt.  —  In  Zeile  126  [hlo  maltratar -me)  steckt  ein 
Fehler,  doch  weifs  ich  ihn  nicht  zu  berichtigen.  — ■  130.  Man  lese 
comigo?  für  commigo,  —  150  neum  für  n^humt  —  157  asst  für  asstm, — 
158  cos  für  com  os. 

Die  giíllügelten  Worte,  mit  denen  jede  Strophe  abschliefst,  sind 
meistenteils  stark  verderbt,  und  Storcks  Besserungsversuche  haben 
trotz  ihrer  Vortrefflichkeit,  natürlich  da,  wo  sie  ohne  Erkenntnis 
und  Kenntnis  des  Citâtes  gemacht  sind,  nicht  immer  das  Rechte 
treffen  kininen.  Im  Nachstehenden  verbessere  ich  stillschweigends 
den  Wortlaut  aller  derjenigen,  deren  Quelle  ich  mit  Sicherheit 
nachzuweistMi  im  Stande  bin.     Leider  sind  es  wenige  an  Zahl: 

Zeile  15 — 16  entstammen  einem  Liedchen  des  1514  in  Afrika 
gefallenen  Helden  Dom  Joâo  de  Menezes.'-  Dasselbe  steht  im  Cane. 
gen.  de  1557  auf  fol.  181;  im  Cane.  gen.  de  151 1  auf  fol.  125V  (laut 
K.  Vollmöller  in  Ztschr.  Ill  84).     Ks  beginnt: 

No  hallo  a  mis  males  culpa, 
porque  en  mi  terrible  pena 
ìa  causa  que  me  conde  na 
me  desculpa. 


'   Vjjl.  Miranda  No.  164,332:  h  m  tambem  era  o  j'uiz. 

'•'  Nuchträj^lich  bemerke  ich,  dafs  schon  Dom  Joam  Manocl  das  alte  Lied 
umschrieben  hat.  S.  ('anc.  de  Kes.  I  p.  410.  —  D.  Jo3o  de  Meneze<%  ist  also 
Dicht  der  Verfasser,  sondern  nur  einer  der  Renutzer  desselben. 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  LIEDER  UKD  BRIEFE.  415 

Auch  ^lontemayor  und  Gregorio  Silvestre  haben  diese  Worte  zum 
Thema  für  eigene  Volten  und  Glossen  gewählt.  Man  sehe  Obras 
de  Montemayor,  ed.  1588,  fol.  39V  und  Rivadeneyra  Bd.  35  No.  889, 
wo  Silvestres  Umarbeitung  der  Zeilen  ins  Geistliche  abgedruckt  steht. 
In  dem  Camoens  zugeschriebenen  Briefe  ist  die  Ausgangszeile  wahr- 
scheinlich von  späteren  Abschreibern,  vielleicht  aber  auch  erst  vom 
Herausgeber  als  eine  zu  knappe  überarbeitet  worden.  Man  ver- 
gleiche Zeile  103.  Den  kurzen  Vers  hier  wie  dort  zu  füllen,  wie 
Storck  es  möchte,  scheint  mir  durchaus  unnütz.  —  Auch  Ant  Prestes 
benutzt  das  Verschen  (p.  453). 

47 — 48  Triste  del,  triste  que  muere 
Si  al  paraíso  no  va. 

Woher  sie  sind,  weifs  ich  nicht.  Beliebt  und  allbekannt  müssen 
sie  gewesen  sein,  denn  auch  Jorge  Ferreira  de  Vasconcellos  ver- 
wertet sie  in  seiner  sentenziösen  Eufrosina  (p.  130)  und  in  seiner 
Ulysippo  auf  Bl.  iigv.  —  Garcisanchez  de  Badajoz,  Rodríguez  del 
Padrón,  Guevara,  Cartagena  und  Dom  Joäo  de  Menczes  sind  die 
meist  benutzten  und  meist  citierten  Dichter  des  Cancionero  General: 
in  ihren  Werken  findet  sich  daher  vermutlich  auch  dieses  Citat, 
wie  die  übrigen,  noch  nicht  auf  ihre  Quellen  zurückgeführten 
(in  so  weit  sie  nicht  dem  Romancero  entnommen  sind). 

95 — 96  li*  no  llegará  el  plazer 
Donde  llegó  la  tristeza, 

zwei  Zeilen,  die  Ferreira  de  Vasconcellos  in  seiner  Ulysippo  (fol.  187V) 
anführt  mit  der  Bemerkung,  sie  seien  von  Garci-Sanchez. 
118 — 119  Las  tristes  lagrimas  mias 
En  piedras  hazen  señal 
(Y  en  vos  nunca  por  mi  mal). 

Ein  altes  volkstümliches,  oft  glossiertes  Motto.  Ich  kenne  eine 
Glosse  dazu  im  Cane.  Gen.  de  1557  fol.  390,  eine  anden»  steht  im 
Cane,  de  Nágera  No.  Il  von  Coloma;  eiue  dritte  im  Cane,  de  Oxford 
(Bd.  U  p.  S^  d.  Ztschr.),  eine  vierte  Variation  von  Gregorio  Silvestre 
in  Rivadeneyra  Bd.  X  35  No.  887. 

143 — 144  sind  ein  portugiesisches  Sprichwort  „Oj  homens  que- 
remos ver  y  que  os  vestidos  sao  de  A?*,  das  z.  B.  von  Bento  Pereira 
verzeichnet  wird,  und  das  Francisco  Manoel  de  Mello  in  seinen 
Cartas  Familiares  p.  348  verwertet 

151  — 152  Por  aquel  postigo  viejo 
Que  nunca  fuera  cerrado. 
Es  ist  der  Anfang  einer  hochberühmten  alten  Cidromanze,  die  man 
bei  Duran  unter  No.  804  und  1897  findet,  und  die  von  portugie- 
sischen Dichtem  wie  Gil  Vicente,  Prestes,  Ferreira  de  Vasconcellos 
oft  benutzt  worden  ist,  früher  als  sie  in  eine  Sammlung  auf- 
genommen ward.  Der  Reim  des  portugiesischen  pejo  mit  dem 
kastilianischen  inejo  beweist  nur  noch  einmal  das  langst  bewiesene 
Faktum,  dafs  das  kastilianische  j  im  16.  Jahrhundert  noch  portu- 
giesischem gleich  lautete. 


4l6  e.  M.  DE  VASCO NCELLOS, 

'59  — 1^1'  Mirava  la  mar  ile  Kspafia 
Como  menj^uava  y  crecia 

sind  Zeile  2  und  3  der  scluMien  Romanze,  welche  dem  Könige 
Alphons  IV.  von  Aragon  eine  Apostrophe  an  die  Stadt  Neapel  in 
den  ^lund  legt  (Duran  No.  1227). 

167—168  Tiempo  bueno,  tiempo  bueno 
Quien  te  me  llevó  d'aqui? 
Über  diese  Romanze  habe  ich  bereits  anderwärts  gesprochen  (Ztschr. 
V  77).  Zu  d(im  früher  Bemerkten  füge  ich  noch  hinzu,  dafs  sii* 
auch  von  Simäo  Machado  in  seiner  „(Somedia  Alfea"  citiert  wird 
(laut  Braga,  Quinhentistas  p.  22),  femer  von  Ferreira  de  Vasron- 
rellos  in  der  Ulysippo  fol.  103  und  von  Rodriguez  Lobo,  Obras 
p.  74<)  —  Stellen,  aus  denen  hervorgeht,  wie  beliebt  die  alte  Ro- 
manze  gerade  auf  portugiesischem  Boden  war. 

1 83—  1 84  Mas  envidia  he  de  vos,  (^onde 
Que  manzilla  ni  pesar, 
denn  also,  und  nicht  Mas  he  dt  nos  Conde  oder  mas  es  de  nosotros 
Conde,  wie  Storck  vorschlägt,  mufs  es  heifsciu,  gemäfs  der  viel- 
gesungenen  hochberühmten  Romanzi;  vom  Conde  Claros  (Duran  ^2{) 
nebst  Anm.  6,  und  cit^\  deren  Melodie  in  Portugal  so  wohlgelitteii 
war,  dafs  der  Verfasser  der  J^ufrosina  von  gewissen  höfischen  Üicb- 
tern  stichelnd  sagen  durfte  „sie  spielten  alles  nach  der  Conde- 
cí aro  s -Mei  odie*'  (p.  I  y  und  189).*  Die  beiden  von  Camocns 
verwiTteten  Zeilen  bilden  den  Beginn  jener  bekannten  Rede  des 
Pagen,  dit^  oft  auch  als  abgesonderte  Romanze  gedruckt  ward  uiul 
weh'hi^  Lope  dtî  Sos.i  im  Cane.  Gen.  fol.  202  v  parodisch  glossiert 
hat  (ein  Machwerk,  welches  t^bendaselbst  wieder  von  Soria  um- 
schrieben worden  ¡st).  Man  vergleiche  auch  Salva  No.  2055;  Wolf, 
Studien  }).  456  und  Prager  S.  Fl.  Bl.  p.  86.  Das  spanische  Sprich- 
wort Anies  envidia  que  manzilla  ward  entweder  aus  der  Romanîe- 
abstrahiert  oder  schon  in  derselben  verwertet 

Acht  Cítate  hatte  Storck  bereits  erledigt;  acht  andere  glanbc 
ich  erklärt  zu  haben  ;  weitere  sieben  harren  noch  der  Besprechung. 

No.  XX.  Aus  welcher  Quelle  Juromenha  den  Brief  gezogen, 
wíúfs  ich  nicht.  Und  ob  diese  Quelle  ganz  lauter  war?  Mir  Ist, 
als  würile  (amoens  uns  tief  l)etrûbt  und  wohl  auch  etwas  verächt- 
lich anbliiken,  sähe  er  banausische  Brieflein,  wie  dieser  und  der 
vorige  (*s  sind,   als  seines  genialen  Geistes  Kinder  betrachtet!*  — 

'  Man  verjjleiche  D.  Francisco  de  Portugal,  PrisSes  p.  23: 

O  enten<limento,  que  sempre 

Se  apura  uestes  estragos. 

Hum  ('onde  Claros  tangia, 

Sem  chetar  nunca  a  ser  claro. 
Auch  in  Castilien  war  die  Romanze  sehr  belieht;  die  Worte  A^ui  del  Cond* 
C/ann  dicntt'u  im  Kampfe  der  Lo})isten   gegen   die  Gongorístcti  den  crstefM 
aU  liumnristis-'lur  WaÜVnnif. 

-  Meine  Ahnuni:  hat  mieli  nicht  getäuscht.  Das  oben  besprochene  Brief- 
chtn  hat  nicht  den  Lu*»i;ulons;ingcr  zum  Verfasser.    Wie  ich  das  erfahren,  so 


NEUES  ZUM  BUCHE  DRR  K.AMON.  LIEDER  UND  BRIEFE.  417 

In  der  deutschen  Übersetzung  klingen  übrigens  beide  edler,  voller, 
gedankenreicher  und  feinsinniger  als  in  dem  hier  ganz  platten  und 
poesielosen!  spanisch-portugiesischen  Kauderwälsch.    Wie  im  vorigen 


kurz  gesagt.  Im  Catalogo  dos  Maniiscriptos  da  Bibliotheca  Publica  Evorense 
lomo  II,  den  ich  oft  zur  Hand  nehme,  las  ich  —  vor  längerer  Zeit  —  auf  p.  95  : 
Trovas  de  Alanuel  Pereira  de  Sem,  es f ando  em  Arzilla  a  hü  seu  amigo  que 

estava  em  Portugal,  em  que  the  diiva  novas  de  si  e  da  terra.     Corn.  =  Man- 

CXIV 
daste-me  pedir  novas  =  Cod.  -^■—  ci  fol.  14 1.  2folhas,  fot.  Letra  do  prin- 
cipio do  secuto  XVII.  —  Ein  Briefchen  aus  Afrika  geschrieben,  beginnend 
mit  denselben  Worten ,  mit  denen  Camoens  eine  der  ihm  zugeschriebenen 
Redondilhas  eröffnet,  das  machte  mich  stutzig,  und  ich  beschlofs  Handschrift 
und  Druck  bei  erster  Gelegenheit  zu  vergleichen.  Die  Gelegenheit  bot  sich 
nicht,  und  so  ersuchte  ich  am  23.  Januar  Herrn  Gabriel  E'creira  mir  freuntl- 
lichst  das  fragliche  Gedicht  zu  kopieren  und  zu  senden,  was  er  bereitwilligst  und 
umgehend  that.  Gestern  Abend  (27.  Januar)  erhielt  ich  die  Abschrift  —  für 
die  ich  hiermit  öffentlich  meinen  Dank  ausspreche  —  und  erkannte  darin  das 
pseudokamonianische  Gedicht,  das  mir  so  wenig  gefallen.  In  einigen  Kleinig- 
keiten weicht  der  Text  ab,  der  sicherlich  besser  ist  als  der  von  Juromenha 
benutzte:  l  Mandastes-me  —  3  sej'am  —  5  C-mque  —  9  Deixando  —  12  passo 
Vúr  faço  —  l^  jutgai  —  14  75"  o  que  ta  sentir ia  —  15  atgiia  hora  —  16  Ti- 
vestes  —  19  meu  cuidado  (})  —  20  ,  a  7'ida  mudada,  —  23 — 24  Alas  da  maa 
sempre  he  figura  (?  mir  scheint  die  gedruckte  Lesart  in  diesem  Falle  vorzüg- 
licher) Que  da  boa  etc.  —  25  E  pois  me  ja  obriguei  —  31  Una  adarga  ante 
pechos  —  36  vento  —  37  em  que  cuido  —  39  der  Kopist  schrieb  irrtümlich 
a  ntiude  für  span,  a  menudo  —  40  Trabathandoif)  de  tarde  en  tarde.  — 
42  a  companhia.  —  45  Como  me  vou  aJongando  —  50  Todos  fneus  vaos 
fundamentos  —  53 — 54  Se  altna  mais  que  a  vida  dura^  Mais  que  a  7'ida  ha 
de  durar.  (?  Auch  ich  würde  wie  Storck  hiîo  setzen  und  das  Subject  dazu 
in  den  pensamentos  der  dritten  Zeile  suchen)  —  64  Juramentos  —  72  men- 
gua —  73  que  saudade  —  76  por  me  anojar  —  80  mi  —  8 1  Crêde-me  quanto 
vos  falo  —  84  í/y>  que  digo  —  85  com  a  alma  —  87  Por  el  vuestro  amor, 
señora  —  92  Cue  enfim  imo  funde  nada  (?  ?  Man  erwartet  Qu^emfìm  nao 
servem  de  nada.  Wahrscheinlich  war  servent  durch  die  übliche  Abbreviatur 
ausgedrückt)  —  99  embraçadas  —  \00  A  flor  de  la  Derberia  (sic)  —  104 
Ç  (  K)  encima  sus  alòornozes  —  Iü6  E  de  diversas  feiçdes  —  W]  festa  — 
120  alabarci  (Schreibfehler  für  alabareis)  —  123  Dezia  quem  etc.  —  125  A 
pois  que  —  128  Si  en  —  133  E  houve  —  144  Do  meu  amor  que  la  erar  -- 
145  Quisera  dizer-i'os  mais  —  146  Mas  pois  —  147  Fazci  —  148  Entendei- 
me  —  150  Que  inda  d*isto  mais  dissesse  —  152  Puede  (vielleicht  Puedo}).  — 
Über  den  Verfasser  der  „Carta  cm  Trovas"  weifs  ich  nichts  zu  sagen:  Manoel 
Pereira  de  Sem  ist  mir  als  Dichter  und  Krieger  in  Afrika  gleich  unbekannt. 
Der  Familienname  Pereira  de  Sem  befremdet  mich,  und  ich  vermute,  de  Sem 
sei  als  Abbreviatur  zu  fassen  imd  aufzulösen  in  de  Sanctareml  Manoel  Pereira 
de  Sanctarem  klingt  schon  ungleich  echter;  mehr  denn  ein  Portugiese  dieses 
Namens  hat  existiert.  —  Sind,  so  vermag  ich  heute  nur  zu  fragen  statt  selbst 
die  Antwort  zu  geben,  sind  in  Evora  noch  weitere  handschriftliche  Werke 
von   Manoel    Pereira   vorhanden?     Ich    vermute    es:    auf  Seite  95    des   oben 

erwähnten  Katalogs  stehen  nämlich  verzeichnet  :  Poesias  de  Manuel  Pedreira 

('XIV 
de  Santarem.     Cod.  — ^ — -  d.  a  fol.  226.     An    der  Existenz    eines  Manoel  Pe- 

1-  12  -^ 

dreira  de  Santarem  erlaube  ich  mir  ebenso  ungläubig  zu  zweifeln  wie  an 
der  eines  Manoel  Pereira  de  Sem.  —  Und  weiter  frage  ich:  ist  Manoel 
Pereira,  der  bei  Alcacer-Qucbrir  gefochten  (Jeronymo  Mendoça  p.  113;  Bayîo 
p.  744;  Hist.  Scb.  443;  Barb.  Mach.,  Memorias  IV  423),  identisch  mit  unserem 
Dichter?  Gehörte  er  zu  den  Pereirns  von  Santarem?  Hatte  er  in  Arzilla 
gestanden?  (S.  Souza  XI  ')36.)  Barbosa  Machado,  Innocencio  da  Silva  keimen 
den  bis  heute  überhaupt  unbekannten  Poeten  nicht. 

ZeiUohr.  f.  rom.  Ph.    VII.  27 


4l8  e.  M.  DE  VASCONCFXLOS, 

Briefe,  so  schlicíst  auch  hier  cinc  jode  Strophe  (mit  Ausnahme  der 
einleitenden  drei?)  mit  zwei  spanischen  Zeilen  ab,  die  stets  ge- 
flügelte Worte  sind. 

47 — 48  r^is  vozes  que  iba  dando 
Al  ciclo  quieren  subir 

entstammen  der  alten,  populären  Palmsonntagsromanze  „Domingo 
era  de  ramos"  (Duran  394),  aus  welcher  eine  andere  Zeile  Vueiia, 
vuelta  a  los  francests  sehr  h/iufiií  citiert  wird,  z.  13.  von  (iil  Vit:ente 
und  Ferreira  de  Vasconcellos.  —  Oanz  ähnliche  Formeln  kehren 
übrigens  noch  in  anderen  Romanzen  wieder,  wie  in  der  von  Gai- 
feros  (Duran  377).  Daselbst  ist  nur  der  Assonanz  wegen  mbir 
durch  llegare  ersetzt. 

63 — 64  Los  ojos  puestos  nel  cielo 
Juramentos  iva  echando. 

Sie   gehören   zur   Romanze   von   Oliveros   und   Montesinos  (Durau 

370,  53—54). 

71 — 72  S.  oben  XIX  159. 

79 — 80  Por  el  tu  amor,  señora. 

Passé  yo  la  mar  salada. 

Señora  stelle  ich  aus  dem  unsinnigen  sen  ti  ora  her.  Die  Lesart  señora 
scheint  jedoch  mehr  als  eine  aus  Reimesnöthen  des  Dichters  ad  Aoi 
gemachte  Variante  zu  sein,  da  auch  Ferreira  de  Vas4:oncellos  sie 
in  derselben  Weise  citiert  (Kufrosina  p.  181  Por  amor  de  t^os,  señora, 
etir.).  Im  spanischt^n  Originale  steht  freilich  der  Name  der  Dame, 
der  schönen  Infantin  Sevilla  (s.  Duran  No.  373,  85 — 86). 

87  —  88  Vi  venir  pendón  vermejo 
Con  trescientos  de  caballo. 

Dit»se  Zeilen  gehr»ren  dersellven  Cídromanzc  an  (Duran  804  uikí 
1897),  aus  welcher  in  die  vorhergehende  Nummer  (XIX  151)  z*'ö 
Zeilen  eingefügt  worden  waren. 

95 — 96  Ricas  aljubas  vestidas 

V  encima  sus  albornozes 

finden  sich  in  einer  anderen  Cidromanzc  (Duran  iSçS,  5 — ö). 
103 — 104  Los  bordones  que  ellos  llevan 
Lanzas  vos  parecerán 

vermutlich  aus  einer  heute  unbekannten  Gaiferosromanze. 
120- 121   A  las  armas  Moriscote 

Si  en  ellas  quereis  entrar 

sind  überaus  l>ekanni  und  oft  als  Citat  l)enutzt  worden,  parodkf^ 
z.  B.  in  den  Autos  von  Prestes  p.  igo  as  pancadas^  morisco/e;  doch 
ist  die  Quellenromanze  nicht  oder  wenigstens  nicht  vollstäiKfiS 
erhaltíMi.  F.  Wolf  sagt  richtig,  sie  komme  in  keiner  der  bekannte^ 
Sammlungen  vt»r,  und  verzeichnet  sie  daher  in  dem  Quodlibet  a^ 
Romanzen  uml  Lietlrranffiiigen ,  welches  seinem  Briefe  über  di^ 
Prager  Sammlung  fliegen«  1er  Hlfilter  zur  Einleitung  dient,  mit  daoff^ 
Sternclien.     Daselbst  lautet  die  zweite  Zeile 

Si  las  has  en  voluntad. 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  LIEDER  UND  BRIEFE.  4IÇ 

Ein  etwas  umfangreicheres  Bruchstückchen  (sechs,  vielleicht  sogar 
zehn  Zeilen)  enthält  das  Libro  de  Musica  para  vihuela  des  Miguel 
de  Fuenllana,  Sevilla  1554  (s.  Salva  II  p.  340  No.  2515). 

128 — 1 20  Donde  estás  que  no  te  veo? 
Que  es  de  tí,  esperanza  mia? 
Von  den  zahlreichen  Volten  und  Glossen  zu  dem,  wie  so  viele 
andere,  höfischen  Kreisen  entsprossenen  und  doch  echt  volkstüm- 
lichen Thema  hat  Storck  bereits  vier  angeführt.  Auch  Gil  Vicente 
citiert  das  Thema  (II  329),  dessen  zweite  Zeile  von  den  „Flick- 
schneidern", die  es  ihren  Gedichten  als  bunte  Lappen  anhängen, 
je  nach  dem  Reimbedürfnis  verwandelt  wird  in  alma  mia  que  es 
de  tí  oder  que  es  de  ti\  esperanza  mia, 

136 — 137  Y  que  nuevas  me  traedes 

(Del  mi  amor  que  alla  era?) 

Die  erste  der  beiden  Zeilen    findet   sich    in   der  Romanze  von  der 

schönen  Maurin  und  Alfonso  Ramos  (Duran  4,  13),   doch  heifst  es 

weiter  darin: 

de  mi  flota  bien  guarnida.  — 

Am  portugiesischen  Texte  bleibt  noch  manches  nachzubessern. 
In  Zeile  5  würde  ich  Êmque  statt  E  que  lesen.  —  14  Storcks  Vorschlag, 
Deista  an  Stelle  von  Do  zu  setzen,  um  den  zu  kurzen  Vers  zu 
füllen,  ist  darum  unannehmbar,  weil  von  fernliegenden  und  nicht 
von  örtlich  und  zeitlich  naheliegenden,  gegenwärtigen  Empfindungen 
die  Rede  ¡st.  Besser  scheint  mir  zu  setzen  Do  que  ¡a  eu  sentiria 
oder  E  o  que  ìa  sentiria,  —  15  Die  Schreibweise  algu  hora  ist  ver- 
kehrt, die  alten  Handschriften  lassen  durchgängig  algua  hora  unver- 
kürzt. —  16  Tive  este  ist  vermutlich  durch  Tivesse  (ich  hätte)  oder 
Tivestes  (ihr  hattet)  zu  ersetzen.  —  37  Vau- me  traz  isto  em  que 
ando  soll  ci'i  Camoens  geschrieben  haben!  ando  ist  sichtlich  ver- 
derbt, da  die  Zeile  Suspirando  a  menudo  darauf  reimen  mufs.  Storck 
schlägt  vor,  um  diesen  Fehler  zu  beseitigen,  A  menudo  suspirando 
zu  lese.  Ob  es  nicht  besser  ist  diese  Zeile  unberührt  zu  lassen, 
statt  ando  aber  endo  {cuido)  zu  setzen?  —  In  42  steckt  unbedingt 
ein  Fehler.  Doch  welcher?  —  100  ist  eine  spanische  Zeile  mitten 
im  portugiesischen  Texte.  —  117  Man  lest  festa  statt  f estas»  — 
120  alabareis  für  a  liaba  reis,  —  128  Nicht  S*  in,  wie  Juromenha 
druckte,  und  nicht  S^en,  wie  Storck  berichtigt.  Man  drucke  und 
lese  Si  en\  beide  Vokale  müssen  hörbar,  also  auch  sichtbar  sein. 

No.  XXI.  Von  diesem  Briefe  gilt  dasselbe,  was  ich  zu  No.  VII! 
bemerkte,  dafs  nämlich  die  Handschrift,  welcher  Juromenha  das 
bislang  unbekannte  Stück  entnahm,  dafs  also  die  Miscellanea, 
weicht»  seinen  Namen  trägt,  kein  Wörtchen  über  den  Autor  des 
Briefes  verliert.  Auch  hier  hat  den  Herausgeber  die  Thatsache, 
dafs  der  in  Wahrheit  kamonianisch  klingende  Brief  unmittelbar  auf 
eine  dem  Dichter  geh()rig(^  und  ihm  auch  von  der  Handschrift  zu- 
gesprochene ähnlichii  Liebesbotschaft  (No.  XXII)  folgt,  zu  seiner 
unbewicst*nen   Behauptung   verleitet     Sein  Abdruck    ist   nicht   sehr 

27» 


420  e.  M.  DK  VASrONXELLOS, 

sorgfältig  ausgefallen,  wie  meine  Ht^ichtigungen  (Ztsc^hr.  IV  604) 
gezeigt.  Einiges  ist  nodi  zu  erledigen.  In  Zeile  7  wird  es  gut 
Sfin  podtfcs  an  Stelle  von  poder  zu  si^tzen;  eiiit*  Änderung,  durch 
weleh(*  der  Vers  nielit  überzählig  wird,  da  (is  erlaubt  ist  (lebrauch 
zu  machíMi  von  <ler  allbi^kainUen  Lia*nz,  P/i7  für  para  zu  h'sen 
(vgl.  Ztnlti  9,  12,  i^^,  15).  —  In  Zeile  18  steht  ptni  und  nicht  por 
in  der  Handschrift.  —  Zi'ile  ig  und  20  sind  mir  unverständlich 
und  sclieinen  verderbt.  Ston'ks  freit»  Interpretation  „Ungezählt  sc»i*n 
deine  Zähren,  Meine  \V(»irn  nicht  unerzählt"  scheint  eine  glück- 
liche zu  sein,  giebt  aber  keine  Handhabe  zur  V'erbesseruiig  di's 
Originals.  -  -  Zeile  2 1  mufs  bti  (^iner  zweiten  Auilagi*  di»s  Huches 
der  Lieder  umgearbeitet  W(»rden,  ria  das  Original  nicht  chorando 
sondern  chinando  hat.  —  30  Ich  würde  leseli  Por  hua  iam  ^ram 
belleza,  Ks  ist  wahrs(^hiMnli(rher,  dafs  der  Kopist  irrtümlich  /^rJ  zu 
irr  ande  erweitert  hat,  als  dafs  er  nhîta  durch  por  hua  ersetzt  halH^ 
wie  Storck  annimmt.  -  63  Macias  hält  bis  zur  Todesstunde  <leii 
Nameii  des  (beliebten  im  Herzen,  in  der  Krinnerung  fest,  ñámente, 
wie  das  Original  sagt  (statt  na  morti\  Kin  Hinweis  auf  Uhlands 
schiine  Hallad(*  wärt'  drm  (hnitschcn  Publikum  gegenülKT  in  der 
Biographie  des  verliebttMi  Portugiesen  wohl  angebracht  gewesen. 

No.  XXll.  Zeile  17  scheint  mir  verderbt  zu  sein:  ich  schlage 
vor  fica  an  Stc'lle  von  vica  zu  setzen.  —  07  Der  Vers  ist  zu  lang, 
wenn  nicht  der  Nasal  von  mio  elidiert  wird.  --  71 — 75  I)or  (i<*- 
danke  rles  Originals  ist  gewifs  vom  deutschen  Dichter  fein  und 
rein  nachempfundtMi  un<l  ausgedrückt  w<irden  ((;in  andíTor  pafste 
kaum  in  den  Zusammenhang);  ilie  granjmatische  Konstruktion  des 
portugiivsischen  Textes  bltMbt  mir  aber  trotzdem  unklar,  —  91  lï" 
Ms.  steht  vendido\  Juromenha  ändert  rendido,  ¡eh  würde  th-ncido  vor- 
ziehen. 

Nii.  XXIV.  Den  Titel  Jh'spii raies  na  India  übersetzt  Storck  mit 
„Narrheiten  iii  Indien".  Ersichtlich  ist  aus  dieser  Verdeutschung 
niiiit,  dafs  der  Portugiese,  wie  der  .SpaniiT,  unter  Disparate  eine 
besi^ndere,  humoristische,  oft  auch  satyrische  Dichtgattung  versteht! 
Iii  Wiirti'rbüchern  und  PoetikiMi  su<*ht  man  freilich  vergelilich  nach 
Auskunft  über  dies  (ienre,  und  (»s  ¡st  sehr  wohl  möglich,  dafs 
Storck  den  I)o}>}M'lsiini,  der  in  der  portugiesischen  Olierachrift 
steckt,  nicht  empfuiiden  hat.  Disptira/e  Umdeutet  cousa  dita  sem 
proposito,  sem  n  m„do  e  #>  firn  divido,  auf  deutsch  also  „ungereimtes 
und  doch  geriMmtes  Zeug**,  „närrisiih«'  l\in fälle**,  absichtlich  sinnlose 
Reimspirle,  (^uo«llibets  [eot/'à-/\ine);  und  ilas  Kigentümliche  der  so 
iK^titelten  l)ii*h;gattuiig,  «lie  jeglichtî  metrische  Form  annehmen  oder 
auch  in  Prosa  auflri*ieii  kann,  besteht  darin,  dafs  entweder  in  freier 
(ieilankenasso(*iaiion  die  hettTogrnsten  Dinge  zu  einander  in  eine 
>ii'heinbar  niotiviertt*  lìezirhung  gestützt  oder  ganz  lose  an  einander 
gtTeiht  wenh'ii:  oder  «larin  «lafs  hinter  solche  Worte  in  den  Tert 
hineingetliM'htrn  NsiTdeii.  die  einiT  mehrfachen  Auslegung  fähig 
Sinti.  ZutTst  wird  dann  das  Wort  in  «ler  einen,  gewohnlich  der 
ursprüni^lii  hen,    lu'deutung    angewandt:    der   nachfolgende   Ziuati 


NEUKS  ZUM  BUCHE  DEK  KAMON.  LIEDER  UND  BRIEFE.  42  I 

aber  wird  auf  eine  ganz  verschiedene  Anwendung  bezogen,  und 
es  entstehen  so  burleske  Witze  mit  widersinnigen  Kontrasten,  bei 
denen  der  Reiz  des  Lächerlichen  eben  im  Widersinnigen  gefunden 
wird.  Oder  aber  er  besteht  darin,  dafs  allbekannte  Phrasen  und 
geflügelte  Worte  zusammengestoppelt  und  gleichfalls  in  anderem 
als  ilirem  ursprünglichen  Sinne  verwertet  werden.  In  allen  drei 
Fällen  wird  eine  komische  Wirkung  l)eabsichtigt  und  meist  auch 
erreicht;  am  besten,  wenn  auch  au:  gröbsten,  da  wo  Wortspiele 
den  eigentlichen  Gehalt  des  Stückes  bilden,  also  in  den  Dichtungen 
nach  der  zweiten  Manier. 

Augenblicklich  kann  ich  nur  auf  je  zwei  Probe-  und  Beweis- 
stückchen für  die  beiden  ersten  Kategorien  hinweisen.  Für  die 
dritte  aber  sind  die  „Disparates  na  India"  der  einzige  mir  bekannte 
poetische  Beleg. 

Komisch  wirkende  Gedankenassociationen  bilden  den  Inhalt 
der  „Disparates  compuestos  por  D.  Pedro  Manuel  de  Urrea"  (Bibl. 
de  Escritores  Aragoneses.  Sección  litt.  Tomo  11.  Cancionero  de 
Urrea  p.  166,  Zarag.  1878)  und  des  „Romance  de  disparates  de 
Diego  de  la  Llana"  (Duran  No.  1887;  cfr.  No.  1874,   i875).i 

Wortspiele  sind  der  humoristische  Kern  der  „Novela  dispara- 
toria do  gigante  sonhado  por  A.  S.  C.'*  (Lisboa  1745)  und  eines 
Zeitungsinserates  im  „Folheto  de  ambas  Lisl)oas"  (No.  3,  Lisb.  1730). 
Um  dem  Leser  zu  zeigen,  um  welche  Art  von  Witzen  es  sich  darin 
handelt,  citiere  ich  je  einen  Satz  aus  beiden  Volksschriften.  In 
der  ersten  heifst  es  bei  Gelegenheit  der  Traumschilderung  des 
Riesen:  0  seu  rosir 0  tra  de  capato;  a  cabeça  de  Monte' Achique;  hum 
olho  de  couve;  outro  de  al  face;  a  boca  de  forilo;  os  beiços  de  aiguidar; 
os  dentés  de  serra;  as  pastanas  de  vestido;  huma  mäo  de  papel^  e  outra 
de  almófar iz;  hum  pé  de  cravo,  outro  de  cantiga;  os  bracos  de  mar  etc. 
In  der  zweiten  heifst  es:  Huma  trevoada  excessivay  que  deu  com  huma 
grande  chuva^  fez  huma  tal  cru  hur  rada  nés  ta  rua  que  causou  admiraçao 
a  iodos  os  visinhoSj  pelo  descosiume;  e  depois  de  cessar  se  vio  na  boca  do 
cano  hum  cadaver  de  extraordinaria  grandeza  que  se  nao  conhecco  pelas 
eslranhas  feiçoens;  porque  a  cabeça  era  da  saude;  os  olhos  hum 
de  couve  y    outro   de   agua;    a    boca  de  Sacavem;    as  barbas  de 


'  Dem  Titel,  aber  nicht  dem  Inhalt  nach,  sind  mir  noch  verschiedene 
andere  Di>j)aralcs  bekannt:  Almoneda  de  disparates,  nuevamente  hecha; 
en  coplas  (jue  dizen  :  ,,Kn  la  tarde  hay  almoneda".  Pliej»o  Suelto  sin  L.  ni  A. — 
(llosa  jocosa  á  modo  de  disparates,  hecha  al  romance  de:  „Tiempo  es 
el  caballero*';  en  coplas  que  dicen:  „En  danza  mil  putas  viejas".  —  Dispa- 
rates de  Gabriel  de  Saravia,  muy  ^»raciosos  y  apacibles  paia  cantar,  glosando 
muchos  viejos  romanzes.  —  Disparates  muy  jjraciosos  y  de  muchas  suertes 
hechos,  y  un  aparato  de  guerra  (jue  hizo  Monloro,  y  unos  fieros  que  haze 
un  rufián.  -  und  vor  allem  die  Disparates  y  almoneda  trabados  por  Juan 
tie  Kncina.  Diese  letzteren  waren  ohne  Zweifel  die  beliebtesten  und  bekann- 
testen Ungereimtheilen;  in  spanischen  und  portugiesischen  Dramen  begegnet 
man  oft  Phrasen  wie  nuis  itispanifes  no  Hijo  Juan  del  Emina  (s.  ^íorcto, 
Antioco  y'Seleuco  und  Jorge  Ferrcira  de  Vasconcellos,  Ulysippo  fol.  214V). 
Laut  F.  Wolf,  Studien  p.  203  und  273  stehen  auch  ini  Cancionero  de  Baena 
zwei  Disparates  trobados  unter  No.  99  und  106. 


42  2  C.  M.  DE  VASCON'CELLOS, 

balea;  os  òr  a  co  s  hum  dt  mar,  ou  ir  o  de  mola;  as  ma  o  s  huma 
de  rabäos,  oiiira  di  papel  e  finalmente  os  plSy  hum  de  can^ 
iìga,  outro  de  er  avo  ctc.^ 

Die  Disparates  des  Canioens  nun  briiìgen  die  eigentümliche 
Lachwirkung,  auf  welche  auch  sie  abzielen,  wie  btTeits  giisagt  ward, 
in  andtirer  Weise  als  die  eben  kurz  verzeichneten  „Ungen»imüieiten 
in  Reimen"  hervDr.  Sie  stehen  dem  bekannten  Genre  der  „Ensa- 
ladillas**'-^  und  der  „Centöes**  und  der  „Cartas  de  girÖi'S**  nahe,  da 
sie,  wie  alle  diese,  ein  Potpourri  aus  entlehnten  Versen;  aus  be- 
kannten Sprichw  örti;rn  und  vulgären  Redensarten  sind,  mehr  wahr- 
scheinlich noch  als  wir  es  heute,  nach  drei  Jahrhunderten,  bei 
mangelhafter  Sachkenntnis,  zu  ahni?n  im  Stande  sind.'*  In  den 
„Disparates  da  India**  steht  die  Schlufszeile  aller  Strophen  aufserhalb 
des  metrischi'n  Rahmens,  d.  h.  sie  ist  nicht  durch  den  Reim  mit 
den  übrigen  ()  Strophenzeilen  verbunden,  und  weicht,  was  Rhyth- 
mus und  Silbtînzahl  betriiìt,  von  ihnen  ab;  sie  ist,  oder  klingt  doch, 
witi  reinti  Prosa.  Aufserdem  sind  spanische  mit  portugiesischen 
Hrocken  in  absoniierlicher  Weise  gemischt.^  Die  bunte  Wirkung, 
welche  diese  beabsichtigten  Unregelmäfsigkeiten  erzeugen,  läfst  sich 


*  Mussatia  hat  1867  aus  einer  IJandschrifl  der  Wiener  lioibibliothek 
einen  spanischen  Brief  veriiflentlicht ,  der  (;anz  und  ^ar  aus  solchen  Wort- 
spielen besteht,  dem  aber  im  Tilel  nicht  das  Schlaf^wurt  „Üisparalcs'*  gegeben 
ward.     Der  Verj^deich  mit  den  portuj^iesischtn  Slücken  ist  lehrreich. 

'^  Die  „Ensaladas"  mischen  Keime  aus  den  verschiedenarligsten  Gedichten, 
in  vlen  vcrschiedenarligslen  Metren,  aber  auch  in  zwei  oder  drei  verschiedenen 
Dialekten  unter  einander.  Ich  kenne  solche  „eni  mourisco,  portuguez  e  bis* 
cainho".  —  Ein  sehr  interessanter  ,,Klickenbrief*'  steht  in  der  Aulegraphia 
ibi.  00.  Er  besteht  au>  italienischen  Sätzen  Dantes  und  Petrarcas  und  latei- 
nischen  aus  Ovid,  und  schlägt,  wie  ein  echler  nnd  rechter  Klickunbrief  mufs, 
..mehr  krause  Wellen  als  der  Nordwest". 

3  Es  mufä  damals  Mode  gewesen  sein  „Cartas  de  Disparates"  in  Prosa 
und  in  Poesie  an  gute  Freunde  zu  senden.  Erzählt  doch  Rodriguez  Lobo 
in  .seinem  „Höfling"  (Corte  na  Aldeia  p.  25  der  Obras):  ha  outra  \esp€cie  de 
.il  ff. to)  ltd  iti  S  bii  ruft' S  que  parecendo  que  .se  JtS7'i3ü  nas  paiavraA  do  pro- 
j\K\ito  que  tonttio,  dîio  ii  cntenihr  eomo  em  ent\çfna  o  pensamento  de  quem  as 
i'.\Lri'Ti\  t'  odo  t\s/tis  ¿'^raeioA.is  com  iu/i/fja\  und  weiter:  ¿  certo  que  niste 
tiitrîlo  ftiiìo  particular  os  ror/ii¿mczc6  que  esercire  rilo  a  o  gracioso,  que  nem 
,'S  /taliauos  na  frasi  burlesca  ncm  os  Ilespanhoes  no  estilo  picaresco  os  i^U' 
.timo.  —  Wären  nur  erst  mehr  l*robestücke  bekannt! 

*  Storcks  JWmerkung  „der  Dichter  habe  vielleicht  die  damalige  Rede 
des  Tages  in  Goa  kopiert  und  parodiert"  scheint  mir  im  höchsten  Grade  un- 
w.dirscheinlich.  Die>e  \\\\\U  unendlich  viel  barbarischer,  verderbter  und  roher 
gewesen  >ein,  wie  .ui>  aller  Zeitgenossen  Klagen  hervorgeht  (Jo3o  de  Barros; 
Kei  reirá  ile  Vasconcrìlo>ì.  —  Die  willkürliche  Mischung  von  Spanisch  und 
I'oitugie>isch  aher  hocliiänkte  ^ich  keineswegs  auf  Goa  (wenn  sie  überhaupt 
dort  .Mode  war):  mc  war  in  rmlug.d  >elbst.  wie  die  ganze  quinhentistischc 
Litteratur,  vor  allem  .ibei  der  dramatische  Teil  derselben,  auf  das  sinnfälligste 
zeigt,  an  der  Tagoortlniing  uml  bei  hoch  und  niedrig  gleichinäfsig  zur  Ge- 
wohidicii  gewv>rilcn  eine  .uif  ^^.inz  nalurgemäfse  Weise  entstandene  Ge- 
wohnheit, die  wir,  Nil  gern  wir  e^  möchten,  doch  nicht  als  Undlte  bezeichnen 
dürfen.  Einen  ä>theti<ch  reinen  Eimlruck  kann  ein  mehrsprachiges  Gemifch 
trcilich   nie  machen,   und  Canu)eud   hat   &ich   selbstverständlich  auch  gehätct 


NEUES  ZUM  RÜCHE  DER  KAMON.  LIEDER  UND  BRIEFE.  423 

im  Deutschen  nicht  wiedergeben.  Der  Übersetzer  hat  es,  mit  Recht, 
für  mifslich  erachtet  hie  und  da  dialektische  Formen  einzustreuen. 
Weniger  stimme  ich  damit  überein,  dafs  er  alle  die  Sprichwörter, 
welche  den  Schlufs  von  Strophen  bilden,  durch  eigens  erfundene 
und  in  sich  gereimte  Nachbildungen  ersetzt  hat  Ein  ungefähr 
gleichwertiges,  aber  wirklich  bestehendes  und,  was  die  Hauptsache 
ist,  allbekanntes,  drastisch  derbes,  deutsches  Sprichwort  in  Prosa 
würde  mir  besser  gefallen  und  den  humoristischen  Effekt  sicherer 
hervorrufen,  auf  den  es  in  diesen  Ungereimtheiten  nun  doch  ein- 
mal ankommt.  Wie  Prosaiker  und  Blankversdichter  hie  und  da 
eine  starke  und  unerwartete  Wirkung  durch  plötzliches  Einstreuen 
von  gereimten  Zeilen  erzielen,  so  erzielt  sie  der  Dichter  hier  durch 
ein  pl()tzliches  Aufgeben  des  Reimes  wie  des  Rhythmus.  Natürlich 
ist  die  Wirkung  aber  eine  gerade  entgegengesetzte,  dort  ein  Er- 
heben in  alle  Himmel,  hier  ein  Herabreifsen  aus  allen  Himmeln. 

Nur  die  ersten  neun  Strophen  halte  ich  für  echt.  Den  letzten 
acht  fehlt  es,  wie  Storck  bemerkt,  an  Schlagfertigkeit  und  Schärfe; 
auch  richten  sie  sich  formell  nicht  immer  nach  den  oben  auf- 
gestellten Regeln;  auch  sind  sie  durchgehends  in  reinem  Portu- 
giesisch geschrieben.* 

Ich  bin  nun  keineswegs  im  Stande  die  Quellen  aller  derjenigen 
Zeilen  zu  nennen,  die  mir  entlehnte  zu  sein  scheinen,  und  glaube 
auch  nicht,  dafs  es  irgend  einem  Anderen  gelingen  wird  sie  aus- 
findig zu  machen:  denn  die  Mehrzahl  der  Zeilen  sind  stereotype 
Redensarten,  deren  Einzelurheber  nicht  aus  der  grofsen  Schaar  der 
Nachsprecher  gefunden  werden  kann.  In  Strophe  i  halte  ich  z.  B. 
aufser  i  und  10,  die  Storck  schon  als  erborgte  nachgewiesen  hat, 
auch   Zeile  2   A(/o   hay  duzientos  vaos  (sic)^    und  4   Todos  somos  del 

CS  zu  anderem  als  zu  humoristischem  Zwecke  darzubieten.  —  Man  verj;leiche 
auch  seine  lustige  Einsprache,  selbst  gegen  lustige  Anwendung  der  Flicken- 
theorie  in  seinen  AmphilriÖes  (ed.  Braga,  p.  lio): 

Que  a  trova  trigotremez 
ha  de  ser  toda  d'hum  panno! 
que  parece  muito  ingrez 
n'um  pelote  portuguez 
todo  hum  quarto  castelhano! 

'  Auf  das  Seltsame,  was  darin  stecken  soll,  dafs  der  Dichter  in  Vers  147 
dem  Leser  den  Rat  erteilt  „ein  dreifsig  oder  vierzig  Reime"  zu  überschlagen, 
während  nur  noch  27  übrig  seien,  lege  ich  kein  Gewicht.  Der  Dichter  sagt 
tres  ou  quatro  trovas;  unter  trovas  können  aber  ebenso  gut  Verszeilen  wie 
ííanzc  Strophen  verstanden  werden:  es  existieren  einstrophige  und  doch  trovas 
übcrschricbenc  Lieder  genug.  Freilich  wäre  demjenigen,  welchem  die  Un- 
gerciiulheilen  zu  lang  däuchten,  mit  dem  Überschlagen  von  drei  oder  vier 
Zeilen  wenig  geholfen  !  Aber  in  der  Unzulänglichkeit  des  vorgeschlagenen 
Heilmittels  kann  vielleicht  gerade  der  (recht  schaale)  Witz  stecken! 

'^  Die  Übersetzung  dieser  Zeile  scheint  mir  mifsglückt.  „Einer  Strafse 
gleicht  die  Erde"  nicht  rauh,  beschwerlich,  steil  und  eng  — ,  sondern  einer 
Strafse,  die  zweihundert  verschiedene  Übergangsstellen  bietet,  wo  also  jeder- 
mann, ob  gut  ob  schlecht,  ob  reich  ob  arm,  ob  hoch  ob  niedrig,  sich  seinen 
eigenen  Weg  sucht. 


424  e.  M.  DK  VASCOXCKLLOS, 

merino  ^  und  in  8  das  dt- jad/os  mi  madri:  für  spriclivvortiihnìiche  volks- 
tümliche RedewiMidungcn.  Dasscihu  gilt  von  ^o  Assi  enirou  o  mundo, 
assi  ha  dt:  sahir,  das  C^aniO(.*ns  selbst  in  scinrni  Prosai )rii'f  (No.  15S 
Z.  221)  wiederholt  und  das  vor  und  nach  ihm  sattsam  gi*nng  ge- 
predigt worden  ist;  und  von  60  colirir  0  au  com  huma  joeira  und 
von  69,  wo  ti-mpu  dt  fi^os  auf  das  Sprichwort  ////  Umpo  de  figeas  fulo 
ha  amigos  hinweist  ;  und  von  84  fazer  a  jusiiea  de  /cas  de  aranha. 
Wirkliche  Citate  stt»cken  in  Zeile  13  und  14  Villas  y  casíiiios  leng^^ 
Todos  a  mi  mandar  soné,  Sie  gehí)rtín  der  Romanze  von  Fernán 
Gonzalez  an  (Duran  704,  25-  -26),  aus  welcher  auch  die  sprichwijrt- 
lich  gewordenen  Verse  stammen: 

Mensajero  eros,  aniií^o, 
No  mereces  culpa,  no. 
Zeile  ^2í  "'^^  34  kehn.'n  in  den  Romanzen  von  der  Ti«*Iagi'rung 
Zamoras  wieder  (l)uran  776  und  1895).  Zeile  78  l)i«jtet  ohne  Zweifel 
ein  bekanntes  und  volkstümliches  spanisches  J.ied.  Wo  ich  es  ge- 
lesi^n,  weifs  ich  freilich  nicht  zu  sagen;  wohl  aber  dafs  der  citaten- 
reichiî  Possenschreiber  Antonio  Prtîstes  zweimal  tiieselbe  Zeile  wit- 
Camoens  benutzt:  auf  S.  17  und  if;5  Que  nel  campo  dormiras  Que 
no  eomigo,'^  Die  spanische  Zeihí  loi  Ado  /icmn  /as  menies  erinnert 
mich  an  ein  Villanceio  von  Hartolomé  Santiago,  welches  beginnt 
Do  /ienen  odt;r  Do  iimes  /as  nitu/es  (Duran  I  p.  LXXIV);  andere  er- 
innert es  vielleicht  an  andere  Lietler. 

Noch  habe  ich  einigt;  Henn^rkungen  auf  dem  Herzen:  Zeile  87 

und  d>^ 

Para  os  pcijucnos  huns»  Neros, 

l*ara  os  ¿îrandes  tiulo  feros 
scheinen    mir   zwar  hübsch  und  munter,   aber  nicht  richtig  wieder- 
gegeben durch 

An  den  kleinen  ¿lehn  und  ¿erren 

Und  bcrupfen  j^rofse  Herren. 
Das  Gegensätzliche  beider  ZeiliMi  ist  unbeachtet  geblieben,  obwohl 
doch  die  leiTcn  Prahlhänse  in  d(T  kamonianischcn  Phrase  so  kernig 
charakterisiert  sind  „Den  Kleinen  gegenüber  sind  sie  kühn  in  Thalen, 
wahre  Nerone;  dt:n  (ìrofsen  gegenüber  blcibts  bei  eitlem  Drohen 
und  Prahlen".  —  Mil  Jiros  wird  noch  heute  alles  grofsmäulige  Hra- 

'  Diese  l'hrase  -  die  vielleicht  einem  alten  Schäferspiel  cntsUiniiit ?  — 
wai  bei  den  Ouinhenli>tas  ^ehr  l>cliebl.  Allein  bei  Jori»e  Ferrcira  de  Va^on- 
cellos,  dem  spruclireiclie>ien  unter  allen,  bejjej^ne  ich  ihr  vier  mal:  Ulys.  113» 
201.  261  und  Eufr.  p.  23,  und  wird  sie  daselbst  \\\}>  pa/avra  corriqttcira  per 
que  foJtt  o  //fi/ntft)  />,i^Mi  d.h.  alst)  als  Allerwelts-Weisheilssjiruch,  als  haus- 
backene "Wahrheit  be/A*i(  linet.  Die  betrelì'en«le  Stelle  der  U1y.«dppo  ist 
charakteristisch:  ein  Kavalier,  der  die  ííelafíerunj;  von  Ma^af*3io  milgemachl 
hat,  läfst  sich  einen  Rund>child  machen,  auf  welchem  Herkules  mit  seiner 
Keule  vor  den,  vom  Drachen  bewachten,  «goldenen  1  lespcridenäpfeln  dar{*estellt 
ist.  Darunter  die  bi^chrili  /''i/f^.  .\,'/nos  de/  merino,  was  doch  nichts  andere» 
bciieuten  kann  ab  >i /:,//'/('  tono  pittore  „Auch  ich  wanl  in  Arkadien  geboren" 
d.  h.  „auch  ich  bin  Afrika,  ilem   Atlas  nahe,  f^ewesen  wie  Du,  oh  Merkalcs". 

■^  Camoens  citiert  das^clbi-  Liedchen  noch  (wie  Slorck  bemerkt)  in  einem 
seiner  Pro^abriefe  ("l^VI,  141   un-l  ferner  in  den  AmphitriSes  ed.  Braga  p.  149^ 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  LIEDER  UND  BRIEFE.  425 

marbasiercn  bezeichnet,  das  der  PorLugit.'se  übrigens,  nebenbei  be- 
merkt, für  die  hervorstechendste  Eigenschaft  des  Kastilianers  hält, 
während  dieser  dem  verhafstcn  ^Mitbesitzer  der  iberischen  Halbinsel 
seine  Verliebtheit,  Phantasterei  und  Weichlichkeit  vorwirft.*  —  Dafs 
in  Zeile  QO  das  Sprichwort  id  väo  /fis  onde  querem  reis  durch  die 
Censur  zu  ¡a  vilo  reis  onde  querem  cruzados  verändert  worden  sei, 
scheint  mir  unglaublich.  Ein  in  aller  Welt  Munde  kursierendes, 
tausendmal  im  täglichen  Leben  citiertes  Sprichwort,  mit  Aufhebung 
der  darin  sttîckenden  Reimformel,  im  Ernste  modifizieren  zu  wollen, 
ist  ein  Unterfangen,  das  man  selbst  dem  Büchercensor  nicht  zu- 
trauen darf,  am  allerwenigsten  in  einem  Lande,  wo  der  Satz  „Sprich- 
wörter seien  kleine  Evangelien"  von  jeher  Geltung  gehabt  hat.  Nur 
als  Witz  (und  die  Witzform,  in  allbekannten  Phrasen  ein  erwartetes 
Wort  durch  ein  unerwartetes  zu  ersetzen,  ist  ja  auch  heute  noch 
beliebt),  und  zwar  nur  als  vom  Dichter  selbst  gemachter  Witz,  ist 
die  Metamorphose  von  reis  zu  cruzados  aiuìehmbar.  Eine  doppelte 
satyrische  Pointe  steckt  natürlich  darin:  erstens,  Geldmacht  geht 
über  Fürstenmacht,  wie  um  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  tausend 
Zungen  klagten;  und  zweitens,  die  kleine  Münzsorte  der  Kupfer- 
reis  ist  jedoch  bereits  machtlos,  ^iXúííx  -  cruzados  haben  ihre  Stelle 
eingenommen. 

Ob  die  Übersetzung  der  116.  Zeile  die  Intention  des  portu- 
giesischen Originals  klar  macht?  Morio  por  desenterrar  Parentes  que 
cheiram  ja  bedeutet  doch  nur,  dafs  der  Emporkömmling  aus  nie- 
derer Abkunft  tödtlich  oder  sterblich  darauf  erpicht  ist,  alte,  Ver- 
wesung duftende,  unkenntliche  Ahnen  aus  dem  Grabe  der  Ver- 
gtîssenheit  aufzuwühlen  und  auszuscharren.  —  Zu  Zeile  130  bemerke 
ich,  dafs  unter  dem  Sprichwort,  auf  welches  angespielt  wird,  ver- 
mutlich Quem  niente^  arrede  testemunhas  zu  verstehen  ist,  dafs  der 
Dichter  es  aber  zu  seinem  Zwecke  umgemodelt  liat  in  Quem  näo 
mente,  näo  arreda  testemunhas  mit  einem  bösen  Seitenblick  auf  die 
ohne  Zeugen  d.  h.  in  der  Beichte  gesprochenen  Wahrheiten.-  — 
IJluT  Vers  150  habe  ich  schon  früher  gesprochen  (Ztschr.  IV  602): 
eine  Varianti^  des  betreffenden  Sprichwores  Quem  porcos  busca  a 
cada  monta  the  grunhem  ist  manchem  behufs  Sicherstellung  der  von 
mir  gegebenen  Deutung  vielleicht  erwünscht.  Sie  steht  in  der 
Ulysi})po  fol.  132V. 

Dafs  trotz  der  humoristischen  Form  des  Gedichtes  sich  den- 
nocli  cM*n  gut  Teil  ernster  Satyre  darin  verstecke,  leugne  ich  übrigens 
in'cht;  doch  ¡st  sie  keineswegs  sehr  scharf  und  vor  allem  wenig 
inilividuell;  dieselben  Disparates,  welche  Camoens  als  indische 
geifselt,  sind  zur  gleichen  Zeit  von  anderen  Portugiesen,  als 
heimatliche    und  gleichfalls  als  indische,    mit  gröfserer  Kraft  ange- 


'  S.  z.  ß.  Aulej^r.  p.  128:  {L00  Portu!^ue¿e:i)  nu  saben  mas  que  hablar 
., minila  fe  r  mo  sa*'.  —  K  Castelhanos  sabcm  mais  que  rebotarías  e  feroòt 

-  Jor^'c  Fcneira  ile  Vasconccllos  beginnt  unii  unierbricht  in  der  Eufro- 
sin.i  p.  71  (las  Sprichwort  in  gleicher  Weise.  Anderwärts  citicrt  er  vollständig 
Quem  quiser  mentir^  arredc  testemunhas. 


420  e.  M.  DE  VASCONCELLOS, 

griffen  und  an  den  Pranger  gestellt  wordim.  Dafs  dies  Gedicht 
ihm  gerade  besondere  Feinde  und  Feindschaften  in  Goa  zugezogen 
haben  sollte,  wie  noch  immer  behauptet  wird,  scheint  mir  sehr  un- 
glaublich. 

No.  XXVI.  Vers  8  und  9  bergen  in  sich  in  der  That  eine 
Allusion  auf  ein  Sprichwort,  oder  gar  auf  zwei.  Diese  heifsen 
Morra  M  ariha  e  morra  faria^  und  Bern  canta  oder  Bern  paira  oder 
Bern  prega  Martha  depois  de  farta.  Eine  Erinnerung  an  die  typische 
Gestalt  der  frommen  d.  h.  scheinfrommen  Martha  (Marta  a  pie" 
dosa  oder  Martha  piadosa  t¡ue  dava  o  caldo  aos  enforcados^  dio  Tirso 
de  ^Molina  z.  H.  zum  Gegenstand  einer  seiner  Komödien  erwählt  hat, 
mufsUi  und  sollte  wohl  dabei  durch  jedes  Spaniers  Gedanken  ziehen. 
Man  verwechsele  nicht  die  biblische,  lleifsige  Martha  a  solicita  Martha 
nìit  der  schc;infrommiîn.  —  Wie  prächtig  ist  übrigens  auch  diese 
kleine  Hiltschrift  dem  Übersetzer  gelungen! 

No.  XXVIJ.  Wie  prächtig  auch  das  lustige  Gelegenheitsgedicht! 
Schade,  dafs  das  allerliebste  Menu  nicht  ganz  treu  übertragen 
wtîrden  konnte.  Es  ist  im  Portugiesischen  doch  noch  graciöser 
und  einleuchtender  und  natürlicher,  w<nl  seine  Anordnung  genau 
den  wirklichen  Speisezettel  nachahmt: 

Tendes, 

ncmif^alha  —  assada 

cousa  ncnhuma  —  de  molho 

K  nada  —  feitu  cm  cmpada  etc, 

Capanca  in  Zeile.  2^  ist,  wie  jeder  Leser  vermuten  muís,  thatsäch- 
lieh  wegen  seines  schonen  Rebt^nsaftes  btirühmt 

No.  XXVII.  Ich  habe  gegen  die  Übersetzung  von  fios  seccM 
niciits  einzuwenden.  Dafs  es  jtnloch  sehr  wohl  „Dtìrreiàden'*  im 
Sinne  von  „Ilungiirleider"  heifsen  könne,  l>eweist  eine  Stelle  aus 
Soropita  p.  83,  wo  dieser  von  solchen,  welche  das  ganze  Jahr 
Hunger  leiden,  am  Fastnachtsabend  sich  aber  gütlich  thun,  sagt: 
todo  amw  estilo  de  fios  seceos  para  aquella  conjunccäo* 

No.  XXXVIII.  Montemayor  hat  dasselbe  Thema  wie  Camocnb 
glossiert  (I^d.  1588  fol.  40).  Ik^ide  aber  haben  es  aus  dem  Cane 
Gen.  151 1  geholt,  in  dem  Ixiroits  der  Marquis  von  Villafranca  es 
benutzt  und  i^uiros  es  mit  18  Zeilen  umschrieben  hatte  (Na  329 
und  592   der  Kd.  1882). 

No.  XLIX.  Zur  Geschichte  von  Justa  fue  mi  pcrdìeùm  kann 
ich,  wie  ji'glicher,  der  die  alten  Cancioneros  oft  in  die  Hand  nimmt, 
einigle  Beiträgt!  liefern.  Aufser  der  Volta  von  Jorge  Manrique, 
wtîiehe  im  Cane.  (ìen.  de  1557  auf  Blatt  iSov  steht  (No.  329  in  der 
21.  rul)likation  der  Bibliófilos  Españoles),  bietet  dasselbe  Liederbach 
auf  Bl.  2^2  noch  eine  andere  von  Costana  (handschriftlich  in  Evora 

V—  fol.  1.^6);    wieder   rino  andere  dichtete  Montemayor,  ed.  1588 

fol.  36;  noch  eine  a  lo  divino  Gregorio  Silvestre,  Rivad.  35  No.  884. 
—  Was  mochte  alle  diese  Dichter  zur  Wiederaufnahme  des  abge- 
nutzten Themas  bewegen?    I\Iir  däucht,  sie  seien  alle  irgend 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  LIEDER  UND  BRIEFE.  427 

Dame,  Justa  benannt,  zugethan  gewesen;  wie  wir  solches  mit  Be- 
stimmtheit von  einem  Benutzer  des  Mottos  wissen,  von  D.  Joäo 
Manoel  (t  1476),  der,  nachdem  seine  Liebe  zu  D.  Justa  Rodrigues 
Pereira  (der  Amme  des  Königs  Emanuel  und  Stammmutter  der 
Manoeis)  sich  in  Hafs  und  Reue  verwandelt  hatte,  das  Motto  an- 
nahm Jusia  fue  mi  perdición  (Caet  de  Sousa,  HisL  Gen.  XI  388). 

No.  L.  Dasselbe    Motto    steht    glossiert    in    den    Inéditos    de 

L.  Caminha  II  240  unter    dem  Titel  Quintilhas  de  um  fida/go  portu- 

guez  captivo  em  Ber  her  ia  depois  da  infeliz  perda  do  Senhor  Rei  D,  Se- 
bastiäo. 

No.  Lll.  Der  Anlafs  zu  der  bekannten,  von  Castilho  her- 
rührenden Auslegung,  der  Dichter  habe  diese  Verse  auf  sein  eigenes 
Portrait  gemacht,  dando  urna  navalhada  no  rosto  de  urna  sua  imagem 
a  que  /aitava  certa  cicatriz,  möchte  darin  zu  suchen  sein,  dafs  Pedro 
Joze  Suppico  in  seinen  Apothegmas  (Coimbra  1761)  zwei  ähnliche 
Anekdoten  erzählt:  i)  D.  Lourenço  Arcebispo  de  Brag  a  y  mandou 
lavrar  a  sua  sepultura  na  Sé  da  mesma  cidade,  e  sobre  ella  a  sua  estatua 
vestida  de  pontifical,  Vindo  ver  a  obra,  e  adver  lindo  que  a  estatua  nao 
tinha  figurada  no  rosto  huma  cutilada,  que  elle  recebera  na  batalha  de 
Aljubarrota  em  defensa  da  patriay  pedindo  huma  espada  Iha  deo  por  aquella 
propria  parte,  e  disse:  Agora  sim  que  fica  a  o  fia  tur  al.  Die  zweite 
betrifft  das  karaonianische  Gedicht  noch  näher.  Sic  behauptet  (I  164), 
der  Herzog  von  Bragan^a,  D.  Thcodosio  IL,  habe  Francisco  Rodri- 
guez Lobo  hochgeschätzt  und  dessen  Bild  in  seinem  Palast  aufge- 
hängt. Der  Dichter  aber  habe  das  Fehlen  einer  Narbe  im  Gesicht 
l>emerkt,    selbige   durch  einen  Messerschnitt  angebracht  und   dabei 

deklamiert  : 

Retrato,  vos  n3o  sois  meu; 

retratár3-vos  muy  mal, 

que  a  eslares  ao  natural, 

foreis  mofino  como  eu. 

Citierte  er  das  kamonianische  Lied  aus  dem  Gedächtnis?  oder  sollen 
die  Zeilen  für  sein  eigenes  Machwerk  erklärt  werden? 

No.  LIV.  Mir  scheint  es  nötig,  die  ersten  fünf  Zeilen  der 
vierten  Strophe  mit  den  ersten  fünf  der  dritten  zu  vertauschen. 
Anderwärts  (Ztschr.  VII  p.  g6  No.  21)  habe  ich  gezeigt,  dafs  das  im 
Cancioneiro  de  Kvora  erhaltene  Lied,  welchem  Camoens  das  Motto 
i'ntlieh,  wahrscheinlich  von  D.  francisco  de  Portugal,  erstem  Grafen 
von  Viniioso  ist;  und  dafs,  aufser  Lobo,  auch  noch  Francisco  de 
Sä  e  Menezes  dasselbe  zum  Gegenstand  einer  hübschen  Glosse 
gemacht  hat. 

No.  LVIII.  Ob  das  Motto  ursprünglich  spanisch  oder  portu- 
giesisch ist,  weifs  ich  nicht.  Camoens  und  Diogo  Bernardes  glos- 
sieren die  })ortugiesische  Fassung  desselben;  Pedro  de  Padilla, 
Cane.  p.  499  hingegen  glossiert  die  spanische: 

Sin  vos  y  con  mi  cuidado 

Mirad  con  quien,  y  sin  quien. 


428  e.  M.  DE  VASCONXELLO.S, 

No.  LXII.  Im  Index  da  Livraria  de  Musica  de  D.  Joao  IV. 
(Ed.  J.  de  Vasc:oncellüs)  sttihl  auf  S.  264  unter  den  Villancicos  de 
Navidad  ein  solches  Weihnachtsliedchen  von  Francisco  Harca  kom- 
poniert, wtilches  Ixginnl:  Ttndt\  Amor,  mìlo,  nelle.  Oh  dieser  Fran- 
cisco Harca  nun  etwa  das  IJi;dchen  des  C'anioens  in  Musik  gesetzt 
hat,  oder  ob  beide  ein  ursprünglich  popul.ïres  aus  dem  Volksmundf 
aufgelesen  haben,  mufs  daliing(;stellt  bleiben. 

No.  LXXV.  Amor  louco  ist  ein  ^Sprichwort:  überall  nvo  es  al» 
solches  citiert  wird,  ist  diese  .\nrufsronnel  nicht  verdoppelt.  Diti 
Verdoppelung  haben  erst  die  Dichter  vorgenommen,  die  es  zum 
Vi;rs  erhebeil  wolltiui. 

No.  LXIX.  IJbiT  Jorge  da  Silva  spreche  ich  in  einer  An- 
merkung zu  Oktave  VU. 

No.  LXXVI.  I).  Francisco  Manoel  de  Mello  hat  dasselbe  Thema 
biîhandelt  {^^'^.  Fres  Musas.  Thalia  p.  205). 

No.  LXXXII.  Diîr  Name  Qiuiresma  ist  noch  immer  üblich  und 
durchaus  nicht  selten.  Dafs  der  ErzpriestcT  de  Ilila  viel  mit 
D.  (¿uaresma  zu  thun  hat,  ist  btîkannt.  Auf  die  Frage:  war  das 
Weib  Fastens  Frau?  wird  jeder  Portugiese  Niiin  antworten.  Azouiar 
ist  eintj  ölientlichi.'  Strafhandlung  von  Seiten  eines  Beamten. 

No.  LXXXVI.  Dies  I.iedchen  ist  im  Portugiesischen  überau> 
schelmisch,  naiv  und  lieblich;  und  mir  scheint  als  hatte  trs  von 
seiner  Anmut  im  Deutschen  verlonMi,  weil  der  Ausdruck  nicht  ein- 
fach und  schlicht  genug  gewählt  ist.  Wozu  eine  Perle  noch  in 
(iold  fassen? 

No.  XCV.  Das  Thema  ist  jedenfalls  ein  fremdes  und  mufs 
zu  diMi  bekínmlíTen  geh(')rt  haben.  Prestes  erwälint  es  in  seinen 
Autos  p.  2  [7. 

No.  XCVIII.  Diti  dritte  Zeile  dieses  zweifellos  dem  Volks- 
nuHide  enlnomnunen  Mottos  verwendet  Lobo,  .sie  leicht  variierend. 
noch  mehrnials.  So  p.  3Ò4  maà  humilde  e  mais  secura.  Mau  ver- 
gK^che  au(  h  Mello,  Chartas  1^'amiliares  p.  105:  amiar  htwia  creatura 
Sim  amor  he  piHieo  menos  que  andar  desealea,  trajo  que  aie  em  Lianor 
quando  hia  para  a  fonti  de  s  calca  pela  verdura  me  /azia  arri' 
piar  "  cabello. 

No.  C  Die  Annahme  Bragas  ist  thatsächlich  cine  irrige.  In 
F.  K.  Lobos  Werken  konmit  „Le  o  no  re  am  Brunnen"  nicht  vor. 
Yä  verwechselte  das  von  C'amoens  auserlesi'ne  bis  iiu»  18.  Jahr- 
hundert hinein  i)Opularcî,  oft  glossierte  Liedchen 

Na  finite  Cí>tá  Leonor 
mit  einem  anderen,  ebenso  volkstümlichen,  welches  lautet: 

<  )uebrara  I^ianor 
<J  pote  na  fonie, 
E  deitara  os  tcstinhüb 
Tarn  lonjje. 

Diisrs  letzlere  hat  der  Vi'rfasser  der  Primaveva  auf  p.  315  und 
aufser  ilnn  z.  H.  noch  I).  Fraiicisco  de  Portugal  (Divinos  y  humanos 
versos  p.  78)  benutzt. 


NEUES  ZUM  RUCHE  DER  KAMON.  LIEDER  UND  BRIEFE.  429 

No.  CV.    S.  meinen  Aufsatz  über  Palmeirim  in  Ztschr.  VI  217. 

No.  ex  VII.  So  sinnreich  auch  Storcks  Auslegung  ¡st,  der  ich 
zuerst  gern  beigestimmt,  so  glaube  ich  sie  nach  reiflicherer  Über- 
legung nun  doch  abweisen  zu  müssen.  Von  einem  zu  des  Dichters 
Zeiten  vielgenaniUen  Liebespaare  Mendes-Gonçalves  kann  kaum  die 
Rede  sein,  weil  keine  Spur  von  seiner  Existenz  zu  entdecken  ist. 
Kein  einziger  unter  all  den  allusions-,  ciUiten-  und  anekdoten- 
reichin  Zeitgenossen  des  Camoens  gedenkt  desselben.  Bei  einem 
kleinen  Volke  aber,  das  den  Beinamen  des  „verliebten"  trägt  ^  und 
wieder  und  wieder  mit  Stolz  auf  seine  Treue,  seine  Schwärmerei, 
seinen  Enthusiasmus  hiiiweist,  und  wieder  und  wieder  die  Namen 
derer  preisend  liennt,  die  vor  Liebe  starben  und  vor  Liebe  den 
Verstand  verloren  haben,  da  würde  sich  wohl  unbedingt  durch 
schriftliche  Aufzeichnung  die  Nachricht  von  einem  sprichwörtlich 
gewordenen  Liebespaare  erhalten  haben. 

Ich  versuche  eine  andere  Auslegung:  (lonçalves  ist  —  wie  ja 


'  Die  Reweise  für  diese  Behauptung  sind  unschwer  zu  finden:  aus  dem 
Munde  der  Sj)anier  tönt  tausendfach  variiert  das  Lied  von  ihrer  Schwärmerei, 
ihrer  Sehnsucht,  ihrer  Liebestreue.  Gilt  das  Wörlchcn  saudades  nicht  für 
unübersetzbar?  Wurden  von  den  alten  Portugiesen  wohl  je  andere  Poeten 
gepriesen  als  solche,  die  um  ihrer  Liebesthatcn  willen  Ruf  und  Ruhm  er- 
langt? Macias;  Garcisanchcz  ile  Badajoz;  Ruy  de  Sande;  Petrarca;  Garcilaso; 
D.  Jollo  de  Menezes?  Strebt  nicht  selbst  Camoens  unaufhfirlich  und  inbrünstig 
danach,  den  Treuvcrliehten  beigezählt  zu  werden?  —  Einige  noch  nirgends 
verzeichnete  Bcwcisslückchen  stelle  ich  hier  um  der  Kuriosität  willen  zu- 
sammen : 

Moracs,   Palmeirim  III  71  :  e  como  de  seu  natural  {port ui;^uezes  e  castelhanos) 

tcnhaw  a  condiçam  namorada»  cm  especial  os  portu^í^^^uezes. 
Tirso  de  Molina,  la  Villana  de  Vallecas  (Rivad.  p.  55): 

Es  a  mor  ador 
Mas  que  un  portuf[uez. 
id.  p.  24 V     Por  cl  Sótano  y  el  Torno: 

^•V  amor  nacio  en  Portugal, 
la  es  portugueza   Castilla. 
id.  ]>..  209.     Kl   Vergonzoso  en  Palacio: 

Ha  de  amar  en  su  conquista 
De  oidas  el  Portuçuez. 
Jorge  Ferreira  de  Vasconccllos,   Eufrosina  )).  296:  o  bom  portuguez  da  sua 

naturai  constel/a^äo  apurado  no  amor. 
id.,    Aulegraphia  p.  121:    en  esta  tierra  {de  Portugal)  do  todo  es  locura  y 

fantasia. 
id.,    ibid.  p.  38:    porém,    o  amor  he  portuguez,    e  quem   al  disser  nao  Ihe 

uìtu'  mondar  as  alturas  e  navega  por  fora  de  todo  o  bom  sentir, 
id..    Eufrosina  p.  294:    E  por  isso  ridé>vos  dos  namorados r  —    E  nao  me 

negareis  ser  esta  a  principal  inclinaçao  portugueza. 
D.  l*'raniisco    tic  Portugal,    Arte    de    Galanteria    p.  84  :    Sin    ninguna    com- 
petencia fue    siempre  Portugal  la  escuela  de  la  fina   galanteria.     De 
aqui  aprendieron  todas  las  naciones  finezas. 
ibid.  p.  115:    como  se  entre  as  capas  de  baeta  de  Portugal  deixasse  ainda 

de  hai'cr  algún  s  que  de  amores  se  mantem. 
D.  Francisco  Manoel  (le  Mello,  Epanophoras  p.  286:   e  como  nosso  natural 
é  entre  as  mais  nacres  conhecido  por  amoroso. 
An  die  oft  citierten  Stellen  aus  Madame  de  Sévigné  und  des   Cervantes  Per- 
siles  y  Sigismunda  brauche  ich  nicht  zu  erinnern. 


430  e.  M.  DE  VASCONCELLOS, 

schon  die  Überschrift  a  huma  ftula  Gonçahez  zeigt,  die  auf  den 
Familionnamen  und  nicht,  wie  ge\v()hnlich,  auf  den  Rufnamen  hin- 
weist —  Goìì^alvos  ist  (h^r  Familienname  der  von  Camoens  ange- 
sungenen Schönen.  Dersttlhe  scheint  bedeutungslos  und  einer  Aus- 
legung unfähig,  gewinnt  aber  Sinn  und  Bedeutung  durch  eine  ganz 
Itiise  AnchTung  in  der  Aussprache,  durch  Schärfung  des  anlautenden 
g  zu  k.  l'ls  sei  nun,  dafs  besagte  Schonhcîit  sich  wirklich  Con^sahti 
geschriei)en  habe  —  eine  Komi,  die  in  alten  Dokumenten  nicht 
selten  vorkommt  —  es  sei,  dafs  der  Dichter  die  Änderung  will- 
kürlich und  auf  eigene  Iland  vorgenommen  hat,  mir  scheint,  man 
müss<*  Comsahes  lesen,  d.  h.  ich  nehme  an,  der  Dichter  hal)e  den 
Namen  als  einen  auslegungsHihigen  empfunden  und  ihn  aus  diesem 
(irunde,  der  Mode  gemäfs,  vielleicht  gar,  wie  meistenteils,  auf  der 
D.ime  ausdrücklichen  Wunsch  und  Befehl,  kunstgerecht  in  sein  (ic- 
legenheitsgedicht  hin(îing(îheimnifst.  Ich  denke  dabei  nicht  an  das 
obligate  Spiel  mit  Voniamen  wie  Luz,  Paz,  Grava,  von  dem  schon 
oben  ilie  Recle  war;  auch  nicht  an  das  schwierigere  mit  auf  den 
ersten  Blick  sinnlosen  wie  Lianor,  Dorotea  etc.*;  ich  denke  nur  an 
das  Spiel  mit  wirklichen  Familiennamen  ;  erinnere  z.  B.  an  No.  82, 
wo  der  Name  (¿uaresma,  und  an  88,  wo  Moráis  gedeutet  wurde, 
und  mache  auf  zwei  (iedichte;  aufmerksam,  in  denen  etwelche  Damen 
Soares  gefeiert  wurden.  Das  eine  steht  in  der  Miscellanea  des  Miguel 
LeitÜo  (p.  187)  und  tändelt  mit  besagtem  Namen,  den  es  als  Verbal- 
form von  soar  =  „tönen"  fafst  und  verwendet^  Das  andere  ward, 
so  viel  ich  weifs,  noch  nie  gedruckt     Ich  kenne  es  aus  der  hand- 

'  Verse  auf  jcjjlichc  Lianor  mufstcn  mit  dem  Verbum  /tar  «»pielen.  Der 
Kiinig  Johann  H.  trug  hei  den  berühmten  Hochzeitsfcierlichkeiten  des  Kron- 
prinzen Alfonso  als  Kmblem  Stricke  «=  fiâmes  de  ntwe  mit  dem  Motto: 

estes  lulo  de  maneira 
({ue  jamais  pode  quebrar 
cjuem  com  elles  navegar. 

Eine  Dorotea  besingt  J.  F.  de  Vasconcellos  (Aulegr.  p.  88)  in  einem  Vilan- 
cete.     Ks  beginnt: 

Dorotea f  dor  se  atea 

no  meu  triste  coraçSo 

vendo  vossa  iscnçSo. 

'•*  Es  hfifst  dort:  ....  tornou  o  musico  a  cantar  por  outra  toada,  com 
os  olhos  na  damn  menor  {que  dona  lüvira  Soares  se  chamara)  o  stg^uinte: 

Se  pelo  que  de  vos  soa 
se  passa  a  vida  em  pczares, 
(jue  será  por  vos  soares? 

Se  soares,  e  ou  vi  da 
for  essa  voz  excellente, 
hem  sei  eu  alguma  gente 
que  liará  a  troco  a  vida: 
Nilo  quei  rai  s  (juc  a  parti<la 
se  passe  toda  em  pezarcs 
coni,  senhora,  nïo  coures. 

No  e.x/rt'nii>  w  mo  if  ni  rao  a/t^rrv  es/as  donzellas  (zwei  Schwestern  Soares), 
da   ain/ií;'a,    a\òi  por  nt'lla    iwrem    metido    o  seu   nome,   Como  pelo   remoftu 

e  toada. 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  LIEDER  UND  BRIEFE.  43 1 

schriftlichen  Miscellanea  Juromenha  (fol.  90),  wo  es  ohne  jegliche 
Angabe  über  den  Autor  steht.  Es  deutet  Soares  durch  so  ares  = 
„nur  Wind"  und  spielt  recht  anmutig  mit  dieser  Formel.*  In  der- 
selben Weise  meine  ich  nun,  dafs  Camoens  mit  dem  Namen  Gon- 
sahes  oder  Consalves  scherze,  den  man  in  com  salves  =  „mit  Grüfsen" 
zerlegen  müsse,  um  die  Amphibologie  des  Liedchens  zu  verstehen. 


»    Mote. 

—  So  ares  le  darSo  vida 
Se  so  nelles  esperares:  — 

—  Sim,  mas  dizem  que  he  perdida 
Esperança,  posta  em  ares.  — 

{t'ck  vermute  em  sa  ares.) 

[Glos  a.] 

Tem  me  morto  hum  gentil  ar 
De  hums  claros  olhos  que  vi; 
Outros  ares  concebi 
De  v3o  cuidar  e  esperar 
Que  me  lem  fora  de  mi. 
l3o  que  ares  so  me  cau^árSo, 
{vielleicht:  Do  que  so  ares  causarlo) 

Me  queixo  ao  Cegó  omecida. 
Responde:  „elles  ferem  e  sárío. 
Se  so  ares  le  matárSo, 
So  ares  te  darJo  vida". 

Vendo  quam  ponco  mereço, 
Cuido  que  engañar  me  ordena. 
Com  esperança  do  que  peço. 
Sa  ares  me  deu  por  pena, 
Sa  ares  me  dà  por  preço. 
Diz  me  „sim",  se  as  espcranças 
Délies  fora  de  ti  fundares; 
Mas  se  sua  grandeza  olhares, 
Bem  fundadas  esperanças. 
Se  só  nelles  esperares! 

Mas  larda  o  contentamento 
E  vai  ja  temendo  amor 
Que  nSo  ponha  empedimento 
Meu  pouco  merecimento 
A  sen  liberal  valor. 
Ceg3o  meus  olhos  em  ver 
Que  nîlo  vem  sua  luz  querida; 
N3o  Ihe  basta  para  a  vida 
Esp>erança  de  viver. 
Mas  dizcm  que  he  perdida; 

,  Perdida,  ou  tam  mal  fundada 
Que  em  só  ares  se  sustenta, 
E  segundo  este  ar  Ihe  venta, 
Asi  he  caida  c  alçada, 
Asi  falta  ou  se  acrecenta. 
Empinas  me  alto,  ventura. 
Para  mor  queda  me  dares; 
Das  vida  para  matares. 
Das  me  por  tore  (torre?)  segura 
Esperança  posta  em  {só)  ares. 


432  e.  M.  DE  VASCONCELLOS, 

„Mit  Kuren  Au<çin,  diin^h  Grüfsen,  habt  Ihr,  Herrin,  gefangen  dies 
mt'in  Ilcrz". 

Das  Original  sagt  t\^/i'  mtu  coraçtlo  Mt'rtdfS^  und  dieso  auffällige 
P'ormcl  bfdarf  ebenso  sehr  der  Ivrklärung  wie  ilir  schon  behandelt«*s 
(iegenstück.  Ks  ist  klar,  dafs,  wie  die  erste  Zeile  den  S<:hein  er- 
we.ck(*n  sollte,  als  si*i  den  räuberischen  Augen  der  Ijcsungenen 
Freundin  ein  Familienname,  oder  be,sser  ein  scherztMidi'r  Spitz-  und 
Kosename  g(»giîl)en  worden  (die  in  Portugal  fast  unenti >ehrlicho 
ülcunha),  «liso  ;iu('h  die  U^tzte  Zeil<^  der  Art  gestaltet  sein  muís,  dais 
es  aussieht,  als  sei  auch  dem  gefangíMien  Herzen  ein  \Vr»rtlein  U'i- 
gegeben,  das,  dopi)elsinnig,  zu  gleichcT  Zeit  die  ureigenste  Eigen- 
schaft dii'ses  Herzens  ntiune,  und  ihm  einten  F'amiliennam<ín  gebe. 
Als  portugiesischer  Familienname  ist  und  war  Memits  ebenso  häufig 
und  ungew()hnlich  wie  Gonçahes^  wie  jeglichen  Fremdi^n  ehi  Iili<:k  in 
irgend  ein  Adrefsbuch  oder  z.  H.  in  die  Listen  der  Hofstaaten  der 
portugiesischen  Ki'niige  lehren  k«inn  (Scusa,  Hist,  (ien.,  Provas 
vol.  VI). 

Doch  was  bedeutet  es  sonst,  wo  es  als  Eig(inschaftswon  oder 
Adverb  auftritt?  Mnuies  oder  mtmiez  ist  nichts  anderes  als  eine 
jüngere,  heute  freilich  schon  veraltete  und  den  meîsUïn  Portugiesen 
unbekaniite  Form  des  älteren  nu'des  ',  d.  h.  des  laL  mei-ipsí\  es  Um- 
deutet also  nichts  and(*res  als  „selbst"  mesmo  [mehipsimus)  und 
ist  in  allen  mir  bekannten  Fällen  mit  „selbsteigen,  leibhaftig, 
in  eig(Mier  Person"  zu  ülxTsetzen,  <la  es  stets  dazu  dient,  mit 
grois(T  Kraft  unii  starkem  Nachdruck  auf  das  Substantiv,  woIcIm^s 
es  b(»gleitet,  lìinzuwc^istMì.*^  Camoens  will  also  mit  coniçiïo  mtnJes 
sagen:  gerade  so  wie  Ihr  ganz  Auge  seid,  wie  Eure  Augen 
das  Hervorstechendste  an  Euch  sinil,  so  dafs  sie  Euren 
Vatersnamen  zu  tragen  verdienen,  so  bin  ich  ganz  Herz, 
d.  h.  ganz  Seele,  ganz  (iefühl,  ganz  Hingebung. 

Schon  ein  anderem  hatte  vor  Camoens  sein  Spiel  mit  dem 
Namen  Mt-mles  getri(»ben,  und  an  diesi^n  anderen  dachte  dtrr  Dichter 
sicherlich,  als  er  sein  Liedchen  verfafste;  an  diesen  anderen,  all- 
bekannten, mochte  und  sollte  sich  «iber  auch  Dame  Gonsalves  er- 
innern und  deii  für  Portugiesen  des  i6.  Jahrhunderts  ohne  Zweifel 
überhaupt  wenig  schwierigen  Doppelsinn  gleich  herausfìnden. 

Die  Mo  fina  Mcndes  des  (lil  Vicíente  (1534  geschrieben)*  ¡st  die 

'  I''ür  «He  Hctonunji  mthidcs  sprechen  viele  Stellen,  in  denen  mendcs  auf 
tt'mir.s  (tcnetis)  und  t'ndt's  (==  index)  reimt,  z.  B.  in  den  Autos  de  Antonio 
Prostesi  )).  250  und  p.  127.  (.'fr.  Ztschr.  VII  II2.  Für  die  daneben  jedoch  zu 
redil  litstelurndc  ßi'tonunjj  Mfdt's,  wie  in  den  Ncu-Aus^aben  alter  Chroniken 
und  AulíK  bisweilen  jitMÌrnckt  wird,  spricht  eine  Stelle  im  Cane,  de  Res.  I  79, 
wo  ffttuir^  auf  /n's  und  wía  reimt. 

-  lJly>>ippo  p.  2()iv:  Dtnios  tomara  t^u  ajfora  aqui  de  hoamenfe,  —  E  eu 
p  y  i  m  e  i  y  ì  n  Ita  yncììdc  v  =  „Wiirf'd  hìitt'  ich  jetzt  für  mein  Leben  gern  hier.  — 
Uml  ich  Silber,  d.  i.  unii  ich  erst,  fiir  meine  eigene  Person".  —  Eufros.  p.  194: 
E'icovinha  mendts.'  =^  „Du  ^tlbst,  Du  in  l*erson,  bürste  mich  ab";  etc. 

■'  Das  Wilrlorbucli  von  Moraos  verweist  unter  memiex  auf  eine  andere 
Posse  von  Gil  Vicente,    den  Cifri^'o  da  Bt'irä.     Gewifslich  ist   das  Anto  de 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  LIEDER  UND  BRIEFE.  433 

typische  Ciestalt,  in  der  die  bekannte  Fabel  mit  dem  Milchtopf  per- 
sonificiert  worden  war* 

Motina  Mendes  ist  ein  übennütiges  Bauernweib,  das  einem 
reichen  Landmann  als  Hirtin  dient  Während  ihrer  Dienstzeit 
schlägt  diesem  jedoch  alles  fehl,  alles  raifsrät  ihm:  er  sagt  daher 
nicht  Nein,  als  sie  ihren  Abschied  verlangt.  Als  Lohn  giebt  er  ihr, 
nach  gelhaner  Abrechnung,  bei  der  er  ihr  all  das  Leid  vorhält,  das 
ihm  durch  sie  widerfahren,  einen  Topf  voll  Öl,  den  sie  auf  dem 
Markte  verkaufen  soll.  Und  sie  baut  nun,  glücklich  im  Besitz  des 
Öltopfes,  kühn  ihre  Luftschlösser  auf,  ähnlich  wie  die  Besitzerin 
des  Milch-  oder  Hoiiigtopfes  im  Pantschatantra,  beim  Grafen  Lu- 
canor,  bei  Lafontaine  und  Oleim;  springt  tanzend  in  die  Höhe; 
der  Topf  fällt  und  liegt  in  Scherben  zu  ihren  Füfsen.  Dies  der 
Sinn  dtîr  kleinen  Farce.  Dafs  aber  Mofina  Mendes  nicht  einfach 
als  Eigenname  gefafst  werden  darf,  sondern  in  seine  ursprüngliche 
Bedeutung  als  „das  Unglück  selbst,  in  Person"  '  zurückübersetzt 
werden  mufs,  beweisen   folgende  Stellen  (Gil  Vicente  li  p.  112,   113, 

114,    116): 

1.  —  Mofína  Mendes  quanto  ha 

que  vos  serve  de  pastora?  — 
—  Bern  trinta  annos  bavera, 
ou  crelo  que  os  faz  agora; 
mas  socego  nSo  alança; 
nSo  sel  que  maleita  a  toma. 
Ella  deu  o  sacco  em  Roma, 
e  prenden  el  rei  de  Franca; 
agora  anda  com  Mafoma 
e  poz  o  Turco  em  balança.  — 

2.  Mas  ere  que  andou  per  hi 
Monna  Mendes,  rapaz.  — 

3.  Que  a  negra  burra  ruca, 
Monna  Mendes  dcu  nella.  — 

4.  Porque  mais  corre  a  MofinS 
vinte  vezes  que  a  raposa; 

und  ganz  besonders  eine  fünfte,  die  der  Bauer  nach  dem  Einsturz 
aller  Luftschlösser  spricht: 

5.  Agora  posso  eu  dizcr 
e  jurar  e  apostar 

que  es  Mofina  Mendes  toda. 

Ob  Mofina  Mendes  ein  von  Gil  Vicente  selbst  erfundener  Name  ist, 
oder  ob  er  bortûts  für  die  typische  Gestalt  der  „Milchfrau"  existierte. 


Mofma  Men<lcs  gemeint  ;  denn  im  vorgenannten  Stücke  kommt  das  Wörtchen 
mendes   nicht  vor. 

'  Man  denke  an  Uhlands  „Unstern,  diesen  guten  Jungen",  an  Chamissos 
„l'cch"  und  antlcro  lilinliehc  Gestalten.  Auch  im  2q.  Kap.  des  Conde  Lucanor 
ibt  der  Name  der  Milchfrau  doña  Truhana  ein  bedeutungsvoller. 

Z«ltMhr.  f.  rom.  Ph.    VIL  28 


431  ^'  M.  DE  VASCONXELLOS, 

oder  allgemeiner  für  das  perse >nííiderte  Unglück,  das  weifs  ich  nicht, 
doch  glaube  ich,  dii^  letzten;  Vennutung  sei  gerechtfertigt.  Irre 
ich  nicht,  so  giebt  es  ein  altes  Sprichwort  über  Mofina  Mtmies. 
Dafs  Jorge  F(;rr(;ira  de  Vasconct;llos  sie  kennt  ',  beweist  nichts:  er 
kann  ebenso  gut  nur  an  iV\\  Vicentes  Schöpfung  gedacht  halx^n, 
gerade  so  wie  Camoeus  that,  als  er  sein  im  Dienste  der  (Jihos 
Comsa/ves  stehendes  Ilerz,  Coraçilo  Afcndes  taufte. 

No.  CXXIII.  líber  die  Volkslieder  von  der  spröden  Schönen 
[Mem'rM  fermosa  —  mas  despiedosa)  s.  Sa  de  Miranda  Anm.  igo. 

No.  CXXVl.  Das  Thema  scheint  ein  spanisches  gewesen 
zu  sein,  s.  Salva  II  p.  ig.    Daher  das  mas  an  Stelle  von  port.  mais. 

No.  CLII.  Kin  gewisstT  Aiïonso  T.ol>o  hat  ein  Villancico  mit 
der  Anfangszeile  Xasce  a  esireUa  da  alva  komponiert,  s.  Catalogo 
de  D.  Joäo  IV  p.  245.     S.  oben  No.  I.XII. 

No.  CLIV-— CLXI.  IVosabriefe.  Da  ich  bis  heule  mein  Ver- 
spreclien  (Ztschr.  IV  60g),  einige  Ik'merkungen  zu  den  schwierigen 
Prosabriefen  anderwärts  mitzuteilen,  nicht  erfüllt  hal>e,  so  stelle  ich 
hier  zusammen,  was  ich  für  erwähnenswert  halte. 

CLIV.  Das  erste  Briefchen  (154)  steht  in  der  That,  wie  Juro- 
mcnha  behauptet  und  Storck  wiederholt,  in  der  einzigen  Quellen- 
handschrift, d.  h.  in  der  Miscellanea  J  zu  Knde  einer  Anzahl  ka- 
monianischer  (iedichte.  Doch  ¡st  diesem  Anzahl  klein.  Blatt  54  V — 73V 
gehören  andíTeu  Dichtern  an;  auf  73V  folgt  das  poetische  Alpha- 
b(it  (Storck  No.  XXX),  welch(\s  Camoens  als  Verfasser  ausdrücklich 
nennt;  daran  schliefsen  sich  fol.  75V  die  Trovas  que  fez  um  preso 
d.  h.  4  Sonette,  die  ihm  wahrscheinlich  gehören;  es  folgen  Navas 
em  respos/a  d.  h.  das  Absagebriefchen  eines  Verschmähten,  von  dem 
ich  oben  (No.  Vili)  gesprochen;  dann  folgt  eni  Sonett  von  Diogo 
Bernardes  (Flores  do  Lima  3  Dos  o/hos)  und  nun  -ein  Sonett  von 
Camoens  .\'('>7'(>.v  casos  de  amor,  al)ermals  ohne  Nennung  seines 
Namens,  unti  darauf  der  Brief.  Dieser  hat  keine  andere  Über- 
schrift als  (Mr/a  de  amores,  a  modo  de  pitiçam.  Nachfolgen  zwei 
anonyme  (iedichtii  und  hinterhi;r  Caria  de  L,  de  Camois  a  hum  amiguo, 
Storcks  No.  CL VI.  Der  Leser  urteile,  ob  man  angesichts  dieser 
Lage  ein  Recht  hat,  das  kurz(^  launige  Briefchen  dem  Sänger  der 
Lusiaden  zuzuschreiben.  Die  Schlufsabbreviatunm,  welche  Juromenha 
E  R,  M*^'  liest  und  die»  Storck  als  ciine  unterbrochene  d.  h.  nur  an- 
gedeut(^t(i  Unti^rschrifl  auffafst,  bestt^hen  im  Ms.  aus  nichts  als  den 
deutlichen  Buchstaben  R,  JA  Statt  luusa  pcrfeicäo  setze  man  «Jtf, 
diîini  also  steht  geschri(iben. 

C'LV.  Zum  „Schreiben  eines  Freundes,  und  Camoens' 
Antwort*',  dessen  (einzige  Quelle  abermals  die  Mi.sceUanea  J  ¡st 
(ft)l.  80v),  mufs  ich  b(Mni*rken,  dafs  i(*h,  wit*  Storck,  an  ihrer  Echtheit 
zweiilt».  Nichts  spricht  dafür,  dafs  CamcHrns  einer  der  Briefsteller  sei, 
tis  s(M  denn  man  wolU»  folgtMidi^n  Sa<rhverhalt  für  bcweisfahig  halten: 


*  Auloj^raphia  j>.  ^2:  ffrmosura  com  vìi  ¡¡gloria  daña  mais  do  que  apr^^ 
vt'ita,  e  'lì   mais  i///v  ti'uw  ¡ht'  carre  pt^r  davtinte  mofina  mendtz. 


NEUES  ZUM  IIUCHK  DER  KAMON.  LIEDER  UKD  BRIEFE.  435 

In  der  Handschrift  folgt  auf  eiììen  wirklich  dem  Dichter  angehörigen 
Brief  (No.  CLVl — CLVlll),  welcher  fol.  79  V — 85  V  einnimmt,  erstens 
ein  anderes  Prosastück,  ein  Fragebrief  des  Grafen  von  Alcoutim 
an  A.  de  M.,  und  zweitens  die  entsprechende  Antwort,  fol.  85  V — 86; 
drittens  ein  ganz  gleichartiges  Werk,  betitelt  Caria  de  preguntas^ 
abermals  mit  der  entsprechenden  Pjitgegnung  (Reposia),  Diese  letz- 
teren beiden  sind  es  nun,  die  Juromenha  dem  Dichter  zugeschrie- 
l)en  hat,  einzig  und  allein  dämm,  weil  sie  herrenlos  waren  und  im 
Manuskripte  in  der  Nähe  eines  karaonianischen  Erzeugnisse»  Platz 
fanden.  Trüge  die  zwischen  diesem  und  jenen  stehende  Korre- 
spondenz nicht  den  Namen  des  Grafen  von  Alcoutim,  so  würde 
wohl  auch  sie  in  die  Werke  des  Dichters  Aufnahme  gefunden  ha- 
ben. Liegt  es  aber  nicht  näher,  den  zweiten  Fragebrief  dem 
ersten  Frager,  dem  Conde  de  Alcoutim,  und  den  zweiten  Antworts- 
brief dem  ersten  Antwortgeber,  A.  de  M.,  zuzuschreiben?  An  Klar- 
heit übertrifft  der  erste  den  zweiten  in  (^twas,  an  Interesse  steht 
er  ihm  nicht  nach.  Der  eigentümlich  gekünstelte,  geschraubte, 
verzwickte,  absichtlich  schwer  zu  verstehende,  mit  Allusionen  ge- 
spickte unpers(>nliche  Prosastil  damaliger  Schriftstellerbriefe  macht 
es  jedoch  ganz  unmöglich  aus  der  Schreibweise  auf  den  Brief- 
steller  schliefsen  zu  wollen.'     Was   ich  von   diesem  Genre    kenne: 


'  [fol.  85V]       Do  Conde  de  Alcoutim  a  A.  de  M. 

Estando  cm  conversaçSo,  descansando  da  caca  em  hüa  aldeia  deste  termo 
a  que  chamîo  as  Cortes,  passou  um  soldado  da  India  que  disse  haver  esca- 
pado da  nao  de  Fcmîlo  de  Mendonça;  ao  quai  eu  e  o  duque  meu  senhor 
pcr^nintámos  mil  cousas  de  seu  naufrajjio,  a  que  elle  satisfez  como  t»  (teste- 
munha)  de  vista.  E  querendo  saber  mais  se  (ícterminava  tornar  á  India  pois 
de  tal  escapara,  respondco  que  „per  de  baixo  da  augua,  n3o  havendo  outro 
caminho",  jiorquc  o  medo  que  ja  perderá  Ihe  dava  animo  pera  acometer  tudo. 
E  porque  me  parecen  fjrande  o  spirito  deste  soldado  e  mor  a  força  da  India 
que  assi  chama  e  come  homens,  e  ij^ual  a  ambos  a  conñanca  em  que  o  costume 
pñi  aos  que  nave^jío,  haverei  por  grande  mimo  d'essa  mío,  que  tudo  pode, 
apontarme  o  senhor.  {sic) 

Xa  primeira  o  duque  c  eu  veremos  que  calidadc  tem  a  India  na  voz 
comum,  pois  obrijja  a  tanto,  e  que  dá  confiança  a  homens  tam  desengañados 
de  perigos  alhcios  para  njo  temerem  os  proprios;  e  que  força  he  a  do  costume 
que  isio  faz  mais  fácil.  E  entretanto  veremos  se  sío  milhores  os  poicos  d*aqu¡ 
que  os  de  Alcm-Tejo. 

Reposta. 

Devo  tanto  ao  gosto  com  que  V.  S.  sempre  se  serviu  de  mim  que  todo 
o  termo,  fora  de  mandar-me  como  criado,  me  faz  sospeita  de  ter  minha  espc- 
rança  morta  ;  porque  so  este  nome  he  o  aceno  a  que  a  obediencia  mais  acode 
c  milhor  conhece. 

Quanto  ao  que  V.  S.  me  manda  que  responda,  farei  com  mor  gosto  que 
suficiencia,  por  ser  materia  em  que  hei  de  faíar  por  emformacÖes.  —  E  vindo 
á  pregunta,  ocasionada  da  reposta  do  soldado,  direi  o  que  eu  vi  praticar  ao[s] 
homens  anligos  da  India  c  muito  versado[s]  nella;  c  dahi  farei  consequencia 
ao  erro  de  (juem  a  ])usca  a  segue  {d.  i.  e  segue),  que  he  a  conñanca  nacida 
do  eoslume,  com  que  tantos  a  husc3o.  Quanto  á  India  sempre  ouvi  dizer 
cjue  »;ra  sepultura  de  homens  nobrcs,  praça  de  cavalleiros,  feira  de  feitos 
illustres,  força  <Ie  poder  real  cm  fronlcira  <le  tantos  imigos;  pelo  (jue  nella 
ha  hfla  medida  igual  <le  esforço  (de)  para  designáis  em  sangue.  E  os  que 
di«>to  fa/em  emprego,  prinieiro  tlcvcm  do  que  tenhäo;  porque  o  que  prometem 

28* 


436  e.  M.  DE  VASCONCELLOS, 

die  C  amoens  zugeschriebeneiì  Episteln,  die  des  (irafeu  von  Alcoutim, 
die  von  Soropita,  von  Jorge  Ferroira  de  Vasooncellos  und  von 
D.  Franciseo  úc.  Portugal  gliMchcn  sich  wie  ein  krauses  schwarzes 
Ilaar  dem  anderen J 

Was  den  Stofi'  der  von  wStorck  übersetzten  Korrespondenz  be- 
trifft, so  eriniiere  ich  an  die  Frage-  und  Antwortspiele,  mit  denen 
die  adeligen  1  Ierren,  welche  um  SA  de  Miranda  und  seinen  Schwager 
Manoel  Machado  de  Azevedo  geschaart  waren,  sich  Al)ends  unter- 
hielten  (Braga,  Quinhentistas  p.  114). 

Der  Text  bedarf  der  Nachbesserung  J.Vp.  241,18  creio  fur 
creta,  —  ig  dovidn  für  decido.  Diese  Lesart  klärt  den  Sinn  auf: 
Diesell)en  Fragen  .sind  schon  einmal  gestellt  und  l>eantwortet 
worden,  zur  Zufriedrnheit  des  Schreibers,  doch  nicht  zur  Zufrieden- 
heit anderer  Freunde,  dii»  daher  noch  einmal  diesell>e  Litanei 
singen.  Deswegen  (*ntsi:huliligt  er  sich  und  fährt  fort:  digo  ijut 
dovi  do  por  oui  rem  [nern  me  pe  jar  a  de  confessa  r^  por  ser  de  v.  w.  rt' 
posta  y  que  eu  era  0  que  dovidava  etc.).  Damit  vergleiclie  man  auch 
im  Antwortschreiben  den  Salz  ie^'e  pejo  e.m  responder  a  estas  duvidas 
(p.  242,  II),  und  in  seiner  Schlufsformel  estas  opinities  com  que  as 
dtwidas  respondo  (p.  244,  3).2  —  24  avisawio^me  für  (wisando.  — 
p.  242  Reposta  für  Re  sposta,  —  8  Diiî  nach  forma  stehenden  Buch- 
staben sind  Co  i  h  li  heiua\  t»in(»n  Sinn  v(>rmag  ich  darin  nicht  zu 
entdecken.  Unwillkürlich  ab(;r  fiel  mir  die  Formel  jr.  p,  t.  o  s=^  xis' 
pê'iè-ô  ein,  wel(ih(*  cU;r  Portugiesin  sonderbarerweise  scherzhaft  dazu 
verwiindet,  um  etwas  ganz   Ivxquisites  zu  bczeidmen,  z.  15.  tima  fitûy 


n  hum  hé  o  ({ue  ha  de  vir  a  lograr  depois  da  vida  de  mutlos.  Por  onde 
tcnho  averijjuíido  que  vende  caro  o  que  manda,  ou  o  troca  com  vantaigem, 
pois,  levando  homens  e  dinheiro,  manda  podra  e  barro,  no  que  bem  se  mostra 
quantos  milhores  sSo  os  emprc^os  que  os  relomos.  E  se  V.  S.  pregunta 
(¡nem  dá  animo  a  homens  desen{;anad(}S  para  seguir  tal  partido  (dcixando  o^ 
pericos  da  passa^em  (pie  s?lo  para  temer  tanto),  digo  que  he  a  engañosa  con* 
tian^n  (pie  aos  homens  dá  estes  infortunios,  sendo  esta  espcrcncia  a  qne  d¿ 
mais  que  temer;  por(]uc  ainda  que  a  coniiança  ñas  cou  sas  ordinarias  he  suave 
meio,  ñas  que  o  nJo  s3o,  he  bem  fraco  remedio.  Donde  os  ^"gyptios  a  pín- 
tarSo  cega,  ou  portpie  se  engaña  no  mais  do  que  espera,  ou  porque  está  á« 
escuras  do  ipie  dezia.  K  ajuda-se  esta  contiança  da  com  que  se  navega  hnm 
mar  tanto  mais  indomito  (pianto  mais  tratado.  Por  onde  entende  que  o  pri* 
meiro  engaño  deste  soldado  nilo  he  nSo  te[me]r  o  pcrígo  que  o  costume  dos 
outros  Ihc  faz  fácil  cometer,  mas  o  nao  conheccl-o,  porque  antfto  ou  o  cometerá 
como  tal,  011  se  arriscará  menos  engañado.  K  pois  elle  tem  tanto  de  que  se 
engañe,)  siga  se  qui/er  seu  erro;  «¡ue  eu  fico  com  este  desengaño  que  a  India 
deve  ser  buscada  ou  dos  venturosos  ou  dos  desemparados,  porque  aquelles 
tudo  vencem,    e  estes  nada  temem. 

K  pois  V.  S.  me  falla  em  porcos,  será  para  mim  mui  grande,  se  o  en 
n3o  vir  este  Natal,  vercm  me  elles  a  mim;  e  entSo  me  terei  para  algfia  consa 
quando  for  mandado  em  muitas  do  servido  de  V.  S.  a  quem  etc. 

'  Den  v(in  Joao  Lopez  Leiiîlo  verfafsten  Brief  in  Camoens  Manier,  von 
dem  Slorck  auf  p.  372  spricht,  kenne  ich  nicht. 

-  Dcmgemiifs  ist  zu  ü]>ersetzen  (CLV  31)  .,dafs  ich  für  einen  Andefen 
zweitlc".  -  Zu  Anfang  des  Briefes  (Z.  5)  würde  ich  responderá  fur  respomUrd 
lesen  und  also  im  Deutschen  sagen  „womit  Sie  meine  weitschweifigen  Fragen 
beantwortet  haben**. 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  LIEDER  UND  BRIEFE.  437 

um  vestido  xts-p¿'/í''0,  —  venlagtm  de]  vantagem  do.  —  9  para  por 
paradoxus]  por  paradox  os,  —  \  2  de]  do,  —  19  injur  ia^  aquelle]  iti" 
juria  aquelUy  —  21  seja  formalmente  hum  pesar ^  desgosio^  e  affronta] 
seja  hum  pesar^  0  desgosto  e  a  affronta,  Storcks  Nachbesserung  zu 
dieser  Stelle  ist  somit  nicht  mehr  nötig.  —  2^  0  que  magoarem]  ao 
qtu  magoar,  —  28  dinheiro  que  honra]  honra  que  äinheiro.  —  p.  243, 6 
trabalhar^se]  trabalhosa  (?).  —  1 1  ndo-no  podem]  nClo  pode,  —  1 5  tempo 
em  que  ella  se  conserva]  tempo ^  e  aquella  se  conserva,  Storck  hat  richtig 
erkannt,  dafs  etwas  falsch  ist;  sein  liesserungsversuch  ist  nunmehr 
unnütz.  —  23  algum  que  à  esper  anca  chame  engañó]  alguns  q,  á  e, 
chamcm  eng,  —  24  isso  niìo  tira  a  verdade  de  quem  sabe  situai-^]  isto 
nao  lera  a  verdade  de  q,  situa l-a,  —  25  mancipou]  emancipou\  espe^ 
riença]  esper  anca,  —  26  chamarla]  e  ha  mar  ei,  —  2^  faz]  fez.  — 
29  hinter  desesperaçHo  folgt  noch  eine  Phrase  que  é  oposta  da  divina 
M^,  (tn ise r ico r dial  Mariai),  Juroraenha  liefs  die  Stelle  fort,  aus 
Furcht  sie  ungenügend  zu  interpretieren.  —  30  por  tal  melo]  por 
tal  termo,  —  34  ^  hua]  a  hum,  —  35  tanto  hd]  tanto. 

No.  C'LVI.  Dieser  Prosabrief  —  von  dem  die  als  No.  157  und 
158  mitgeteilten  Fragmente  thatsächlich  nur  Ikuchteile  sind  —  ist 
aus  inneren  und  äufseren  Gründen  wohl  echt:  als  innerer  Grund 
gilt  vor  allem,  dafs  ein  kamonianisches  Gedichtchen  darin  vor- 
kommt (das  vom  flügellahmen  Rebhuhn),  welches  damals  wohl  kaum 
allgemein  bekannt,  sondern  nur  dem  Verfasser  und  demjenigen, 
dem  es  gewidmet  war,  vertraut  sein  konnte.  •  Die  äufseren  Gründe 
sind,  dafs  der  Brief  seit  1598  dem  Dichter  zugeschrieben  wird, 
dafs    auch    die  Miscellanea  Juromenha  ihn  Carta  de  L.  de  CamÔis 

nennt,    und   dafs  ein  in  Kvora  ruhendes  Manuskript  (¡^gg    fol.  167) 

—  von  dem  ich  persönlich  leider  noch  nicht  habe  Einsicht  nehmen 


köniien  —  das  gleiche  thut.  Die  Handschrift,  nach  welcher  Estevam 
Lopes  zuerst  den  Ikief  abdruckte,  scheint  jedoch  S(;hr  verderbt 
gewesen  zu  sein:  an  dem  von  ihm  überlieferten  Texte  haben 
spätere  Herausgeber  wenig  und  ungenügend  nachgebessert;  er 
befriedigt  keineswegs.  ^Wi  Hilfe  des  Ms.  J  läfst  sich  zum  Glück 
an  vielen  Stellen  die  echte  und  rechte  Lesart  herstellen.  An  ein- 
zelnen Orten  ist  jedoch  auch  sie  mangelhaft.  Da  nun  Juromenha, 
als  er  im  fünften  Hände  seiner  grofsen  Camoensausgabe  die  Prosa- 
stücke veröfft  ntlichte,  vergessen  hat  sein  kostbares  Manuskript  zu 
Kat(*  zu  zie'cn  —  obwohl  er  seinen  Lesern  davon  als  von  einem 
wesentlichen  Hilfsmaterial  zur  Reinigung  des  Briefes  bereits  im 
ersten  Bande  (1  17)  gesprochen  hatte,  so  bleibt  es  mir  vorbehalten 
seine  Lesarten  hier  zum  ersten  Male  zusammenzutragen.  Da  ich 
aber  verschiedene  Ik^merkungen  an  dieselbe  knüpfen  und  gleich- 
zraig  die  deutsche  Übersetzung  ins  Auge  fassen  möchte,  so  ziehe 
ich  es  vor  das  Original,  so  wie  es  in  der  neuen  Gestalt  aussehen 
niufs,  abzudrucken  und  meine  Erklärungen  nebenhergehen  zu  lassen. 
Die  Abweichungen  von  dem  bisher  bekannten  Texte  sind  durch 
den  Druck  hervorgehoben;  die  Interpunktion  und  das  typographische 


440  ^'  M.  DE  VASCONCELLOS, 

cue  o  Ionico  uso  dos  annos* 

se  converte  em  natureza 

pois 

o  que  hé  pera  mor  mal, 

tenho  eu  ])era  mor  bem, 

aindaque  pera  viver  no  mundo  me  debruo  de  outro  panno,  por  nïo  ficar^ 
coruja  entre  pardais,  fazcndo-me  um  pera  .ser  outro,  sendo  outro  pera  scr^ 
um.  J/í/j  ainda  a  dor  desenlutada  dard  neu  fruito  *,  que  a  tristeza,  no  cora^äo 
hé  como  a  traça  no  pano. 

PI  por  taui  triste  me  tenho, 

que  se  sentisse  alegria, 

de  triste  nao  viveria; 

Porque  a  tal  sorte  vim 

(]ue  nSo  vejo  bem  algum 

em  quanto  vejo; 

que^  nSo  nasccu  ])ara  mim, 

e  por  n2o  sentir  nenhum, 

nenhum  desejo. 

Porque  cousas  impossiveis,  hé  melhor  esquecel-as  que  desejal-as,  e  por  isso 

so  tristeza  ver^  quería, 

pois  minha  ventura  quer 

que  soo  ella 

conheça  por  alegria, 

e  que,  se  outra  ver"^  (juizer, 

morra  cont^  ella. 

Pouco  sabe  de'^  tnsteza  quem,  sem  remedio  ¡xira  ella,  diz  au  triste  que 
se  alegre;  pois  n?lo  ve  tjue  alheios  contcntamcntos,  av^^^  cora^So  descontente, 
nSo  Ihc  remediando  o  que  sente,  Ihe  dobram  o  que  padece. 

Vos,  se  veni  á  mHo",  csperareis^"^  de  mim  palavrínhas  joeirada»,  enfor- 


>  porque.  Doch  ist  que  die  echte  l.esart,  wie  Criäfal  sie  bietet.  Auch 
ist  danos  für  annos  kaum  mehr  als  Schreibfehler  irgend  eines  Kopisten. 

■■*  parecer. 

^  Das  Ms.  schreibt,  wohl  fälschlich,  beide  Male  ptireoir  fur  pera  *er. 

'*  Unlïcdingt  ist  auch  in  diesen  Worten  eine  entweder  von  den  Ab- 
schreibern entstellte,  oder  von  Camoens  ungenau  citierte  Stelle  aus  CrisCil 
/u  erkennen.     Sie  heif^t; 

Anda  a  dor  desintu/ada 
ina  s  e  I  hl  dard  seu  fruito  (Sir,  43). 
In  den  Drucken  fehlt  anda, 

^  Ms.  e.         "  7'£;.v. 

'  fehlt  in  einigen  Ausgal)en;   nicht  in  ed.  1629,  1632,  1651  und  I666. 

•*  por.         '*  da.         **•  a  hum. 

"  Die  Phrase  .V6'  vem  d  mito  kommt  noch  einmal  vor  in  No.  CL VIII 
Z.  80.  -  Storck  üborsct/A  das  erste  Mal  „wenn  Kuch  (dieser  Brief)  zu 
Händen  kommt",  und  das  zweite  Mal  „wenn  (Kie  ihm)  in  die  HInde 
fallen'*  d.h.  er  übersetzt  wörtlich,  das  fehlende  Subjekt  ergänzend.  Se 
vem  d  milü  ist  aber  eine  Redensart  und  bedeutet:  wenn  der  Zufall  es  so 
will,  wenn  es  sich  so  macht,  wenn  die  Gelegenheit  günstig  ist 
(cfr.  P-ufrobina  p.  230). 

^''^  Einige  Ausgaben  schreiben  esperáis;  nicht  so  die  vier  oben  (7)  geumleB. 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  LIEDER  UND  BRIEFE.  44 1 

cadas  de  bons  propósitos'.  Pois,  desenjjanai-vos,  que  dùpois  que'^  professei 
tristeza,  nunca  mais  pude^  jogar  a  outro  fito.  E  porque  nîo  digáis  que  n3o 
sou  gente  fora  de^  meu  bairro,  vedes,  vai  hfla  volta  feita  a  este  mote,  que 
escolhi  na  manada  dos  engeitados;  e  cuido  que  n3o  he  tam  dedo  queimado 
que  nao  seja  dos  que  el-rei  mandou  chamar.     E^  falla  assi 

Mote. 
Nao  quero,   nao  quero 
xibäo^  anrarello. 

Volta. 
Se  de  negro  for, 
tam  bem  me  parece 
quanto  me  aborrece 
toda  ¿z'  alegre  cor. 
Cor  que  mostra  dôr 
quero,  e  nao  quero 
xibaú  amarello. 

Parece-vos  que  se  pode  dizer  mais.»^  Nao  me  respondeis  a  isto:^  quem 
gabará  a  noiva?*  porque  assentai '<*  que  foi^^  comendo  e  fazendo  ou  asso- 
prando,  que  nao  he  tam  piquena  habelidade.  E  porque  vos  nao  pareça  que 
foi  mais  acertar  que  quercl-o  fazer,  vedes  vai  oulro^'^  do  mesmo  jaez,  com 
tanto  que  se  nílo  vá  a  pasmar: 

Mote. 
Perdigäo  perdeu  a  pena  ; 
nao  ha  mal  que  Ihe  nSo  venha.'^ 

Volta. 
Em  hum  mal  outro  conieça, 
que  nunca  vem  so  nenhum; 
e  o  triste  que  tem  hum, 
a  sofrer  outro  se  ofreça! 
e  so  pelo  ver  '*  conheça 
que  basta  hum  so  que  tcnha 
para  que  outro  Ihe  venha. 


'  propoòi/os;  hier  wohl  eher  „Vorsätze"  als  „Ratschläge".  Der  Über- 
setzer wählte  den  letzteren  Ausdruck,  um  ihn  mit  Zeile  104  in  Einklang  zu 
bringen. 

■■*  dt'sgue.         •*  soube.  *  do.         ^  0  quäl.         '■  jubäo, 

"^  fehlt;  nicht  so  in  ed.  1629  etc. 

•*  näo  me  respondáis. 

"  Quem  ¿uibard  anoivu  ist  ein  Sprichwort,  das  in  all  den  Fällen  vor- 
gebracht wird,  wo  wir  mit  einem  bekannten  Wörtchen  über  „Eigenlob**  bei 
der  Hand  wären.     Cfr.  Eufrosina  p.  103  u.  231  ;  Ulys,  passim. 

'"  Mas  assentai  que  ..  ,:  ,,prägts  Euch  recht  ein,  dafs  .  .  .**  gehört 
auch  /u  den  durch  vielfache  Benutzung  recht  abgebrauchten  Briefstilphrasen 
(Ulys.  p.  2fo). 

"  fui.         *=*  outra. 

'^  rerdi¿'ao  perdeu  a  penna  ist  ein  Sprichwort  und  keineswegs  ein  von 
Camoens  erfundenes  Motto  (s.  Bento  Pereira). 

'•  ter\  nicht  so  in  ed.  1629  etc. 


440  e.  M.  DE  VASCONCELLOS, 

que  o  lon|»o  uso  dos  annos* 

se  converte  em  natureza 

pois 

o  que  hé  pera  mor  mal, 

tenho  cu  pera  mor  bem, 

aindaque  pera  viver  no  mundo  me  debruo  de  oulro  panno,  por  nao  ficar^ 
coruja  entre  pardais,  fa¿endo-mc  um  pera  ser  outro,  sendo  outro  pera  ser' 
um.  Ala^  ainda  a  dor  desemu/ada  dard  seu  fruito  *,  que  a  tristeza,  no  coracSo 
he  como  a  traça  no  pano. 

E  por  tam  triste  me  tenho, 

que  se  sentisse  alegria, 

de  triste  nao  viveria; 

Porque  a  tal  sorte  vim 

que  n?lo  vejo  bem  algum 

em  quanto  vejo; 

què^  nao  nasceu  para  mini, 

e  por  n2o  sentir  nenhum, 

nenhum  desejo. 

Porque  cousas  impossivcis,  he  melhor  esquecel-as  que  desejal-as,  e  por  isso 

so  tristeza  ver^  qucria, 

pois  minha  ventura  quer 

que  soo  ella 

conheça  por  alejjria, 

e  que,  se  outra  ver"^  quìzer, 

morra  com^  ella. 

Pouco  sabe  de^  tristeza  (juem,  sem  remedio  para  ella,  diz  ao  triste  que 
se  alegre;  pois  nSo  ve  (juc  alheios  contentamentos,  au^^^  coraçSo  descontente, 
nSo  Ihe  remediando  o  (\\xq  sente,  Ihc  dobram  o  que  padece. 

Vos,  se  vem  á  mäo**,  esperareis^'^  <le  mim  palavrinlias  joeiradab,  enfor- 


'  porque.     Doch  ist  que  die  echte  Lesart,  wie  Crisfal  sie  bietet.     Auch 
ist  danos  für  annos  kaum  mehr  als  Schreibfehler  irgend  eines  Kopisten. 

*  parecer. 

^  Das  Ms.  schreibt,  wohl  fälschlich,  beide  Male  parecer  für  pera  ser, 
^  Unbedingt   ist   auch   in   diesen  Worten   eine   entweder  von  den    Ab- 
schreibern  entstellte,   oder   von    Camoens   ungenau   citiertc  Stelle  aas  Crisial 
zu  erkennen.     Sie  heif^t: 

Anda  a  dor  desimulada 
mas  ella  dará  seu  fruito  (Str.  43). 
In  den  Drucken  fehlt  anda, 

*  Ms.  e.         "  vos. 

"^  fehlt  in  einigen  Ausgal)en;   nicht  in  ed.  1629,  1632,  1651  und  1666. 

*  por.         *  da.         *"  a  hum. 

"  Die  Phrase  se  vem  â  mäo  kommt  noch  einmal  vor  in  No.  CL  Vili 
Z.  89.  —  Storck  übersetzt  das  erste  Mal  „wenn  Kuch  (dieser  Brief)  zu 
Händen  kommt",  und  das  zweite  Mal  „wenn  (sie  ihm)  in  die  Hände 
fallen'*  d.h.  er  übersetzt  wörtlich,  das  fehlende  Subjekt  ergänzend.  Se 
vem  ä  mäo  ist  aber  eine  Redensart  und  bedeutet:  wenn  der  Zufall  es  so 
will,  wenn  es  sich  so  macht,  wenn  die  Gelegenheit  günstig  ist 
(cfr.  Eufrosina  p.  230). 

^'  Einige  Ausgaben  schreiben  esperáis;  nicht  so  die  vier  oben  (7)  genannten. 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KÂMON.  LIEDER  UND  BRIEFE.  44 1 

cadas  de  bons  propositóse  Pois,  desenganai-vos,  que  dispois  çue'^  professei 
tristeza,  nunca  mais  pude^  jogar  a  outro  fìto.  E  porque  n3o  digáis  que  nSo 
sou  gente  fora  d€^  meu  bairro,  vedes,  vai  hûa  volta  feita  a  este  mote,  que 
escolhi  na  manada  dos  engeitados;  e  cuido  que  n3o  he  tam  dedo  queimado 
que  nao  seja  dos  que  el-rei  mandou  chamar.     E^  falla  assi 

Mote. 
Nao  quero,   nao  quero 
xibäo^  anrarello. 

Volta. 
Se  de  negro  for, 
tam  bem  me  parece 
quanto  me  aborrece 
toda  ¿z'  alegre  cor. 
Cor  que  mostra  dôr 
quero,  e  nao  quero 
xiòtto  amarello. 

Parece-vos  que  se  pode  dizer  mais?  Nao  me  respondéis  a  istoi^  quem 
gabará  a  noiva?*  porque  assentai '<*  que  fui^^  comendo  e  fazendo  ou  asso- 
prando,  que  nao  he  tam  piquena  habelidade.  E  porque  vos  nao  pareça  que 
foi  mais  acertar  que  querel-o  fazer,  vedes  vai  outro^'^  do  mesmo  jaez,  com 
tanto  que  se  nao  vá  a  pasmar: 

Mote. 
Perdigäo  perdeu  a  pena  ; 
nSo  ha  mal  que  Ihe  nSo  venha.^^ 

Volta. 
Em  hum  mal  outro  começa, 
que  nunca  vem  só  nenhum; 
e  o  triste  que  tem  hum, 
a  sofrer  outro  se  ofreçaî 
e  só  pelo  zvr'*  conheça 
que  basta  hum  só  que  tenha 
para  que  outro  Ihe  venha. 


*  propósitos;  hier  wohl  eher  „Vorsätze"  als  „Ratschläge".  Der  Über- 
setzer wählte  den  letzteren  Ausdruck,  um  ihn  mit  Zeile  104  in  Einklang  zu 
bringen. 

*  desque.         ^  soube.         ^  do.         ^  0  quai.         '•  j'ubäo. 
''  fehlt;  nicht  so  in  ed.  1629  etc. 

*  näo  me  respondáis. 

"  Quem  ¿'■abará  a  noiva  ist  ein  Sprichwort,  das  in  all  den  Fällen  vor- 
gebracht wird,  wo  wir  mit  einem  bekannten  Wörtchen  über  „Eigenlob'*  bei 
der  Hand  wären.     Cfr.  Eufrosina  p.  103  u.  231;  Ulys,  passim. 

**^  Mas  assentai  que  ..  .:  „prägts  Euch  recht  ein,  dafs  .  .  .**  gehört 
auch  zu  den  durch  vielfache  Benutzung  recht  abgebrauchten  Briefstilphrasen 
(Ulys.  p.  210). 

*^  fui.  '^  outra. 

'^  Perdigäo  perdeu  a  penna  ist  ein  Sprichwort  und  keineswegs  ein  von 
Camoens  erfundenes  Motto  (s.  Bento  Pereira). 

"  ter\  nicht  so  in  ed.  1629  etc. 


442  e.  M.  DE  VASCONCELLOÖ, 

Que  fjra^a  será  csj)t;rar(lcs  tic  niim  pn-posito^  cm  couous  que  o  uño  ttm 
para  comij^o;  puis,  aindaquc  (jucira,  nSo  posso  o  que  quero;  que  hum  sen* 
lido  remontado  de  nílo  por  pé  cm  ramo  verde,'*  [tudo  Ihe  succede  assi]^;  e 
cada  hum  acode  ao  que  ]hc  mais  doi,*  c  mais  cu,  (}ue^ 

o  que  mais  me  entristece, 
he  contcntamento  ter*'* 
pois  fujo  d'elle, 
que  minha  alma  o  aborrece, 
g  ne'  Ih  e  lembra  (juc  he  ver^ 
{veryse*'^  sem  elle. 

Pois^^  ja  cabéis  que  magoa  he  ,,vcl-o-has,  e  nSo-no  paparás"; *•  e^^  por 
fugir  d'estes  inconvenientes; 

toda  a  cousa  descontente 

contentar-me  a  mim  '^  convinha, 

de  nicu  ^osto; 

(jue  o  mal  de  que  sou  doente, 

sua  mais  certa  mezinha 

he  desjjosto. 

Ja  ouvirieis  dizei  :  „mouro  o  {sic)  que  n2o  podes  haver,  dá-o  pela  tiu 
alma'*."  C)  mal  sem  remedio,  o  mais  certo  rcniedio'^^  que  lem,  he  „fazer  ds 
necessidadc  virtude**'";  quanto  mais 

bC  tudo  tam  pouco  dura, 
corno  o  passado  prazer.*'' 
Pois-'**  emhm  : 


'  p^cpositoò  tin  couòUò  tjiw  oò  mìo  fem.  —  In  ed.  1O32  steht  causa.  — 
Storck«»  C])crsctzuniì  (^>.  vorherij;c  Seite  Anni.  I)  scheint  mir  nicht  das  Hechte 
zu  ireflen.  proposito  oder  proptaitua  bedeutet  hier  „ä  propos",  RUt  passende. 
schlackende  Wiizeiniälle.  Ich  würde  übersetzen:  „Es  ist  zum  Lachen,  daf> 
Ihr  verlan j,'en  könntet,  ich  solle  Vernunfl  reden  über  eine  Sache,  die  lür  mich 
keine  hat'*. 

"^  Sj)richwort. 

**  Das  Kinjjcklanmierte  fehlt  im  Ms, 

*  Das  heifst  nicht:  „Jeder  eilt  dem  ¿u  Hilfe,  der  ihn  am  meisteo 
dauert*',  sondern  „jeder  [greift  da  zu,  hilft  da,  an  der  Stelle,  wo  es 
ihn  am  meisten  schmerzt",  i.  c.  wefs  das  Plerz  voll  ist,  dcfs  läuft  der 
Mund  über. 

^  „So  ihu'  auch  ich,  denn  ..."  Storck  hat  richtig  vermutet,  in  den 
Worten  o  que  mais  bis  sem  eile  stecke  eine  zertrümmerte  Copla.  Dais  den 
so  sei,  bezeugt  das  Ms. 

'•  ter  contentamento.         '  porque  \  ed.  1632  hat  que* 

**  u.  ■'  que  he  i'irtude  viver  sem  eile.         ed.  1632  i/ef  viver» 

*"  Çue\   1632  porque.         ''  Sprichwort.         "  fehlt.         *'  jj. 

'*  Das  Sprichwort  lautet  Mouro  que  näo  podes  haver,  forra-o,  peta  tua 
•uniti  (Nunez  fol.  73)  und  bedeutet  man  solle  sich  nicht  um  UnerreichlMircs  be- 
mühen und  nicht  um  Verlorenes  trauern.  Man  mufs  ûl>ersetzen:  „Kinen  Mohm, 
den  du  nicht  haben  kannst,  gieb  ihn  frei,  bei  Deiner  Seele".  Die  Variuite 
■Ì  que  fiàit  podes  haier,  dai-o  pela  vossa  alma  (afelio.  Cartas  familiares  P-34S) 
ist  moderner. 

'•'•  fehlt.  "'  Sprichwort. 

•'  Ich  vermute,  die  Worte  se  bis  prazer  seien  ein  Ven. 

'"  1*0  r  que. 


NtUEb  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  LIEDER  UND  BRIEFE.  443 

allegados  son  iguales 

los  que  viven  por  sus  manos 

í  los  ricos .^ 

A  este  preposilo,  pouco  mais  ou  menos,  se  iizeram  hOas  voltas  a  hum 
mote  de  enchcmao"^  que  diz  por  sua  arte,  zombando,  mais  que  de  siso^, 
cousu  por  que  me  derreto^  (que  toda  a  galanteria  he  liral-a  d'onde  se  n3o 
espera);  e^  crede  que  tem  mais  que  roer  [do  que  hum]^  praguento.    Por  isso'' 

Recuerde  ei  alma  dormida* 
e  mande  escumar  o  entendimento,  porque^  d'outra  maneira 

de  fuera  dormiredes,  pastorico.'^ 


'  fehlt  im  Ms.  Doch  bilden  die  drei  Worte  die  notwendige  Ergänzung 
des  sonst  unverständlichen  Citâtes.  Selbiges  stammt  aus  Jorge  Manriques 
viclbenulzlen,  vielcilierten,  parodierten,  glossierten  und  nachgeahmten  Coplas 
(Lemcke  II  p.  172  Z.  3 — 5),  an  welche,  wie  Storck  richtig  zu  Z.  39  bemerkt, 
die  von  Camoens  diesem  Briefe  eingestreuten  Stegreifverschen  nicht  nur  in 
fonncller  Hinsicht,  sondern  auch  dem  Inhalt  nach  erinnern.  Ihre  Bedeutung 
ist  eine  ganz  andere  als  der  Übersetzer  vermutet,  nämlich;  „Angekommen 
(nämlich  am  Ziele  ihrer  Lebenspilgerschaft),  sind  reich  und  arm  ein- 
ander gleich. 

'-*  äMoIc  d^enchemäo  übersetzt  Storck  in  Übereinstimmung  mit  den 
Wörterbüchern  mit  ,,ein  vortreffliches  Motto**.  Ich  glaube,  dafs  es 
gerade  das  Gegenteil  bedeutet  ,,ein  nichtssagendes  Motto**,  wie  es  man 
zu  einer  Hand  voll  guter  als  Zugabe  beigiebt.  Sonst  verstehe  ich  die  Be- 
merkung nicht  „es  enthalte,  obwohl  in  scherzender  Form,  ganz  unerwarteten 
Ernst,  es  stecke  mehr  in  dem  Motto  als  es  den  Anschein  habe**.  Ich  mufs 
gestehen ,  dafs  ich  den  versteckten  tiefen  Ernst  und  die  bittere  Satyre  nicht 
herausfinde,  so  viel  ich  auch  am  Motto  und  an  den  Voilas  ,,nage**;  vor  allem 
kann  ich  «lenjcnigen  Sinn,  der  doch  drin  stecken  mufs,  dafs  nämlich  alle 
Menschen  Brüder  seien,  und  dafs  der  Tod  alles  gleich  mache,  durchaus  nicht 
ilarin  entdecken. 

•''  mais  que  nao  de  siso. 

*  =  „eine  Manier,  in  die  ich  schier  verliebt  bin**.  —  Fehlt  in 
den  Drucken. 

*  o  quai.  Das  o  quai  bezieht  sich  nicht,  wie  Storck  annimmt,  auf  siso, 
sondern  íímÍ  mote.  Ich  verstehe:  „ein  Motto,  ....  an  dem  es  mehr  zu 
nagen  giel)t  als  an  einem  Koshaften  und  offen  satyrischen**. 

'•  fehlen  im  Ms. 

''  Ich  würde  sagen:    Deshalb 

Wach'  auf,  du  verschlafne  Seele 
Und  lafs  den  Verstand  abschäumen;  denn  sonst 
Wirst  du  heute  draufsen  schlafen. 
Lieber  Hirt! 
Die    Intention    des   Dichters   und   der   Zusammenhang    der    einzelnen   Glieder 
wirtl   so  klarer  ersichtlich  als  bei  Storck. 

*♦  Braga,  Hist,  de  Cam.  II  p.  572  meint,  Camoens  spiele  hier  auf  eine 
von  ihm  sell)st  herrührende  satyrische  Glosse  von  Recuerde  el  alma  adormida 
an,  welche  der  Cancioneiro  de  L.  Franco,  doch  ohne  jegliche  Angabe  über 
ihren  Verfasser  aulbewahrt  hat.  —  Das  glaube  ich  nicht.  Die  Glosse  irgend 
eines  dichterisch  begabten  Indienfahrers,  welche  der  Leser  in  Bragas  Werke  I 
p.  424  findet,  ist  wohl  kaum  von  Camoens.  Der  Prosabrief  aber  ward  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  geschrieben  während  der  Dichter  noch  in  intimen 
Beziehungen  zum  portugiesischen  Hofe  stand,  ich  meine  zwischen  1542  und  50: 
eine  Anspielung  auf  ein  in  Indien  also  nach  1553  verfafstes  Werk  kann  er  also 
nicht  enthalten.  —  Das  vorhergegangene  Citat  aus  den  „Coplas**  führte  natur- 
gemäfs  zur  Benutzung  auch  der  sprichwörtlichen  Anfangszeile  derselben. 

^  que.         '0  Im  Ms.  verderbt. 


444  e.  M.  DE  VASCONCEIXOS, 

E  o  meu,  senhor,  he^ 

Mute. 

Dava-lhc  o  vento  no  chapeirSo 
qucr  [llie]  de,  qucr  nìo.* 

Volta. 

Bern  o  i)ócle  revolver 

que  vcnto^  nao  traz  mais  fruito; 

e  mais  vento  he  sentir  muito 

o  que  emtìm  tìm  ha  de  ter. 

()  milhor  he  melhor  ser 

que  o  vento  no  chapcirUo. 

(|uer  Ihe  de,  quer  nSo.* 


Hüa  cousa  sabei  de  mini,  (juc  qucria  antes  o  bem  do  mal  que  o  mal 
do  bem;  que^  muito  mais  se  sente  o  porvir  que  o  passade,  e  a  morte,  até 
matar,  niAta.  Nao  sei  sc  seréis  marca  de  voar  tam  alto;  porque  pata  tomar 
A  pallia  a  esta  materia  sao  necessarias  azas  de  nebri.  Mas  vòs  suis  liumem 
de  prol,  f  cu  sa/vu-me  na  conta ^^  em  que  vos  tenho.  A  qtit  de  mim  io.- 
/orno  a  dar''  he  que 

Esperanza  me  desjiede, 

tristeza  nao  me  falcce. 

E  todo  o  mais  aùorri\o^j 
ja  que  mais  n3o  mereceu 
minha  estrella; 
li  só^  tristeza  conheço, 
poisquc  ]>ara  mim  nasccu 
e  cu  pera  ella."' 


No  mundo  nîo  se  tetn  por  boa  a  sorte ^^  scnfto  [de]  quem  tem  por 
boa  a  (|ue  tcni.  E  d*aqui  vcm  contentarme  de  triste.  Mas  olhai  de  que 
mancita: 

'   K  o  nun  otn/tor (':)  dt'j  assi. 

'^  Auch  dies  Thema  ist  nichts  als  ein  Sprichwort  (Bcnto,  Pereira),  dessen 
Ursprun)^:  und  feinerer  Sinn  mir  noch  verborj^en  ist.     Mello,  Cartas  familiares 

P-  347  ^'^K^'  ^''*  «*''.*'  '/'"'  ¿**"''"'  /<'  tmtito  peor  que  o  chapeiräo  de  /).  Andrf 
e  m  que  dava  o  vrnto,  quer  Ihe  de  quer  näo. 

•*  o  vento.         '  Hier  ist  ein  kleiner  weifscr  Kaum.         ^  porque. 

*•  e  de  sculpa -me  a  conta. 

'  K  a  que  de  mi  vos  set  dar. 

**  me  aborrece.         "  So  a. 

'"  Die  Lesart  der  Drucke  war  sichtlich  verderbt.  Der  deutsche  Über- 
NCtzer  suchte  mit  Recht  eine  sechszeili^c  Manriquc-Copla  henrnszuschfilen, 
wie  solche  in  diesem  Briefe  achtfach,  und  in  seiner  zweiten  Hälfte  (CLVIII) 
fünffach  vorkommen.  Im  Gedanken  an  tlas  „Trübsinn"  überschricbcnc  Lied- 
chen (Z.  30  —  47)  glaubte  er  eine  drei/.eilij^c  EJnlcitunf*  (xaa)  und  cinc  Copla 
vnr  sich  /u  haben ,  in  welcher  Zeile  2  verloren  (;e{^n|;en  sei.  Er  crgiBit 
<  W  Sern  firn  dores  ¡*adcço.  —  Das  Ms.  aber  stellt  in  einfacher  und  durchaus 
j;cnüj»ender  Weise  eine  fehlcrK)se  <*opla  her,  der  freilich  nur  zwei  EinleitUBgi- 
zcilcn  vorangehen. 

"   ntlo  tcm  boa  sorte  se  nao  quem. 


NEUES  ZVÌA  BUCHE  DER  KAMON.  LIEDER  UND  BRIEFE.  445 

Vivo  assi  ao  reves, 

tomando  por  certa  vida 

certa  morte, 

com  que  folgo,  êmque  me  pez** 

pois  minha  sorte  he  servida 

de  tal  sorte.- 


Hûa  cousa  sabei  que  o  mal,  ainda  que  as  vezes  o  vejáis  louvar,  nîo  ha 
quem  o  louve  com  aboca  que  o  nao  tache  com  o  coraç3o.    £  tornando  d  terra^: 

Ajuda  me  a  sofrer 

vida  \com'\  tal^  sofrimento 

e  tarn  sem  vida, 

ver  que  emfim  fim  ha  *  de  ter 

descosto,  e  contentamento 

sun^  medida. 

AsfnfiiP  que  n3o  s3o  ta?n  mans^  concntos^  de  enforcados  para  os  que 
estSo  com  o  barago  na  gar<;anta  cuiílar  que  o  beni  e  o  mal,  aindaque  dife- 
rentes^^ na  vida,  s3o  conformes  na  morte; 

Que  nao  ha  tam  alta  sorte 
nem  ventura  tSo  subida 
ou  desestrada, 

a  quem  um  sopro  da  morte ^^ 
nSo  sopre  o  fogo  da  vida 
e  torne  em  nada.^'^ 

A   seu  fim  toda  a  cousa  7>at^^  correndo, 
nem  ha  cousa  que  o  tempo  nSo  consuma 
nem  vida  que  de  si  tanto  presuma 
que  se  nìo  veja  nada,  em  se  vendo. 

Que  o  mais  certo  que  temos 

he  nada  tt^remos^^  certo 

ca  na  terra; 

porque  por  seus^'*  n3o  nacemos, 

se  o  seu  nos  dà  incerto, 

nada  erra.**"' 


*  Scheint  mir  nicht  gut  verständlich.  Der  Dichter  sagt:  „ich  lebe  so 
widersinnig,  dafs  ich  im  Tode  Leben  erblicke  und  daran  Gefallen  finde,  so 
sehr  es  mich  auch  bekümmert"  ■«  hnqud  me  pez.         '^  Abschnitt.         '  fehlt. 

*  tüo  sem:  scheint  mir  eine  unmögliche  Lesart.         ^  häo. 

^  sem.  VA.  1632  liest  hûa  medida  und  so  dürften  vielleicht  auch  die 
Buchstaben  gedeutet  werden,  die  ich  als  sua  verstehe. 

"^  Attentai.     <lfr.  S.  435  Anm.  10.         •  maos.         *  confeitos {^.). 

'"  ainda  que  sej'am  d. 

'*  o  assopro.     Ed.  1632  sagt  a  quem  nao  assopre  a  morte. 

*^  fehlt.  Storck  suchte  die  unvollständige  Strophe  zu  ergänzen  durch 
tan  desejada  :  lauter  feine  und  gute  ('onjecturen,  die  aber  angesichts  der  Wirk- 
lichkeit weichen  müssen.  —  Die  drei  Versgruppen  sind  im  Ms.  deutlich  von 
einander  geschieden.  "  todas  causas  7'äo.         **  nao  termos  nada. 

'^  pois  ptira  seu  s.  —  Im  Ms.  ward  seos  zu  ceo  s  verändert,  wie  in  der 
folgenden  Zeile  seo  zu  ceo.         '*  Abschnitt. 


446  e.  M.  DE  VASCONCFXLOS, 

(¿iiero-vos  dar  conta  «le  hum  sondo  scm  /dvi//j(?)',  que  se  fez  a  hum 
certo  recontro  (juc  se  teve  coni  este  destruidor  de  bons  propósitos;  e  nao  !%e 
acabou  porque  se  teve  por  mal  cmprejjada  a  obra,  cujo  teor  he  o  sc^ìnte: 

For<;ou-me  Amor  bum  dia  que  joji;asse; 
dcu  as  cartas,  e  [az]^  de  ouros  levantou, 
e,  sem  respeitar  mäo,  logo  triumphou 
cuidando  que  o  metal  mo^  engañarse. 
Dizendo,  pois  triumphou,  que  iriumphasse 
A  hüa  sota  de  ouros  que  jojjo«, 
Ku  tambem  *  por  burlar  quem  me  burlou 
tres  paos  joguei  c  disse  que  ganhasse.^ 

Principes  de  conditilo,  indague'^  o  sejam  de  sangue,  sïo  mais  cnfa- 
donhos  (|ue  a  pobreza,  e  fazt'tn  com  suas  fidalguias  com  que  Ihe  cavern  a  de 
seus  uihkO^  onde  n3o  ha  trigo  tarn  Íimpi^*  que  nao  tenha  algüa  ervilhaca. 
E'^  ja  sabéis  que  basta  um  frade   roim    para  dar  que  falar  </<r***  um  convento. 

Tres  cousas  fulo  sofrem  companhia  ícm  discordia:  mandar:  namnrar;^^ 
villSo  ruim  sobre  cousa  de  sen  interesse. 

Xào  NC  pode  ter  paciencia  com  quem  quer  que  Ihe  faìem  verdade  näo- 
na  usando,  c  cotn  quem  quer  que  Ihe^^  façam  o  que  n5o  faz. 


^  per  ñas.         -  az  fehlt  in  ed.  1632.         ^  que  me  eng,         ♦  entilo, 

^  Abschnitt.  •*•  aindaque, 

"  fazem  com  sua  fidal^i(uia  com  que  ihe  cavemos  ßdalguias  de  seus  avas. 

"  joeirado,         ^  fehlt. 

*"  a.  Diese  I^sart:  Und  Ihr  wifst  ja  bereits:  ein  schlimmer 
Brutlcr  reicht  hin,  um  Stoff  zum  Gerede  über  ein  ganzes  Kloster 
zu  geben,  scheint  mir  besser  als  die  alte,  welche  Storck  richtig  übersetzt 
mit:  Ihr  wifst  ja,  ein  schlimmer  Bruder  reicht  hin,  um  einem 
Kloster  Stoff  zur  Unterhaltung  zu  geben. 

**  Diese  zweite  Sentenz  in  der  hübschen  Perlenschnur  der  hier  anein- 
ander gereihten  Weisheitssprüche  lag  bis  jetzt  nur  in  stark  verunstalteter  Form 
vor:  Tres  cousas  nHo  soff  rem  (oder  näo  sesoß'rem)  sem  discordia:  Companhia, 
namorar,  mandar  lùiiilo  ruim  etc.  Die  Hamburger  Herausgeber  veränderten 
Tres  zu  Duas  und  sagten,  um  dem  sinnlosen  Satze  doch  irgendwelche  Be- 
deutung einzuschmuggeln,  companhia  no  amar,  mandar  vUläo  ratmi  eine 
Änderung,  welche  Juromenha  und  Braga  annehmen  und  welche  Storcks  Über- 
tragung zu  Grunde  liegt.  Sie  lautet:  „Zwei  Dinge  gehen  nicht  ab  ohne 
Zwietracht:  i)  Mitgenossenschaft  in  der  Liebe,  und  2)  Bevoll- 
mächtigung eines  gemeinen  Schurken  in  Sachen,  die  seinen  Vor- 
teil mitbetreffen*'.  Wie  die  fehlerhafte  Redaktion  entstand,  ist  leicht  er- 
sichtlich :  der  erste  Drucker  setzte  aus  Versehen  das  Wort  companhia  hinter  sem 
discordia,  missverstand  nun  den  Satz  und  schob,  ihn  zu  klären,  ein  se  ein 
(falls  dasselbe  wirklich  schon  in  ed.  1598  zu  finden  ist?).  Der  Sinn  ist:  Drei 
Dinge  dulden  nicht,  ohne  dais  Hader  daraus  entstände,  etwelche 
Mitgenossenschaft:  I)  Liebschaften,  2)  Befehle,  3)  ein  hart- 
näckiger boshafter  Schuft,  wenn  es  sich  um  Dinge  handelt,  die 
seinen  Vorteil  betreffen.  Den  Dichter  umschwebten  verschiedene  Sprich- 
wörter-Reminiscenzen,  z.  B.  Amar  nilo  quer  par;  No  amor  nao  se  sufre  com^ 
ptinhia  ;  und  wohl  auch  Tres  cousas  ao  homem  fazcm  medrar:  sciemcm,  tmmr 
e  casa  real  und  Tres  cousas  destroem  ao  homem:  muito  fallar  e  pomco 
muito  inastar  e  pòuco  ter-,    muito  presumir  e  pouco  valer, 

'-'  fehlt  in  allen  Ausgaben. 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  LIEDER  UND  BRIEFE.  447 

Desagradecimentos  n  obras  boas  deslrucm  vontades  para  fazei-as.  Amigo^ 
que  lem  mais  conta  co  interesse  que  com  a  amizade,  rézam'^  d'elle,  porque^ 
he  dos  ca  nomeados. 

Grande  traballio  he  fazer^  alegre  rosto  estando  o  coraçào  triste^',  panno 
he  que  nao  toma  nunca  bem  esta  tinta;  que  a  lua  recebe  a  claridade  do  sol, 
e  o  rosto  do  coraçîo. 

Nada  dà  quem  n2o  dà  honra  no  que  dà:  nào  tem  que  agradecer  quem 
no  que  recebe  a  nao  recebe,  porque  bem  comprado  vai  o  que  com  ella  se 
compra,  nem^  se  dá  de  g  raga  o  que  se  pede. 

Muito  certo  esttP^  quem  nào  tem  hüa  vida,  ter^  muitas.  Onde  a  rez3o 
se  governa  pela  vontade,  ha  muito  que  pragucjar  e  pouco  que  louvar. 

Nenhüa  cousa  homezia  os  homens  tanto  consigo  como  males  de  que  se 
nam  guardaram,  podendo. 

N3o  ha  alma'-*  sem  corpo  que  tantos  corpos  faca  sem  almas  como  este 
purgatorio  que  chamamos^  honra;  onde"  muitas  vezes  os  homens  cuidam 
que  gnnham,  ahi  perderne'* 

Onde  ha  inveja,  n3o  ha  amizade,  nem  a  pode  haver  em  disigual  con- 
versaçïo. 

Bem  merece^'^  o  engaño  quem  cre^^  mais  o  que  Ihe  dizem  que  o 
que  ve  '^ 

Agora  ou  se  ha  de  viver  no  mundo  sem  vcrdade,  ou  com  verdade  sem 
mundo. 

/Vra  •**  muito  pontual,  perguntai-lhe  de  do  viene  r^"^  e  vereis  que 

algo  tiene  en  el  cuerpo  ^^  que  le  duele. ^^ 

Tornei  o  pulso  a  todos  os  estados  da  7'ida,  e  nenhum  achei  em  perfeita 
Saude:  porque  a  dos  clérigos,  pera  remedio  a  i^ejo  tomar  mais  da  vida  que 
salvacño  da  alma  :  a  dos  f  rades,  indaque  por  baixo  dos  hábitos,  tem  huns 
pontinhos,  que  quetn  tudo  deixa  por  deus,  nada  havia  de  querer  do  mundo; 
a  dos  casados  he  boa  de  tomar,  e  ruim  de  sostentar,  e  pior  de  deixar;  a  dos 
\olteiros  barca  de  vidro    sem   lerne  que  he  bem  roim  navegaçào.     Ora  tempe- 

*  Auch  dieses  Sentenzenpaar  ist  in  den  bis  heute  überlieferten  I..esarten 
unverständlich  :  Desagradecimentos  de  obras  boas  destruem  a  vontade  para 
nao  fazellas  a  amigo  que  tem  etc. 

^  rezai.  ^  que.         *  querer  fazer. 

^  quando  o  coraçtJo  esta  triste. 

**  Nada  se  dá  de  graça  (1 632)  oder  nem  se  dd  de  graça  o  que  se 
/tede  muito. 

"^  Está  certo  (1632)  oder  estai  certo  que  quem  etc.,  wie  schon  ed.  1651 
schreibt. 

*  tem. 

*  Das  Ms.  schreibt  fälschlich  mal  für  alma. 
*"  a  que  chamáis. 

*•  donde  (1632).  *^  cuidam  que  a  ganhúm,  ahi  a  perdem. 

*3  mereceu.  **  creu. 

^*  viu.  Ed.  1C32  schreibt  ve,  stimmt  also  häufig  mit  unserem  Manuscript 
überein. 

*•*  K  pera.         *'  donde  vem. 

*"  Das  Ms.  schreibt  fälschlich  nel  campo. 

*»  Abschnitt.  -  Storcks  Vermutung,  der  nachfolgende  Passus  sei  hier 
einzuschii'bcn,  ist  also,  wie  bereits  bemerkt  ward,  eine  richtige. 


44^  e.  M.  DE  VASCONCELLOS, 

rai-me  la  essa  *  j;ait.i,  que,  nem  assi  nem  assi,  acharéis  meo  real^  de  descanso 
nesta  vida!  o  caw  he^,  ella  nos  trata  como  alheòs,  e  com  rezäo, 

Pois  somante  nos  he  dada 
para  j^anhdremos^  nella 
o  (jue  sabemos. 
Se  se  gasta  malgastada, 
juntamente  com  perdel-a, 
a  tiós^  perdemos 

[certa] 

porque  mais  della  esperamos 

e  queremos, 

se  a  vemos  tam  incerta 

que  quando  a  mais  desejamos, 

a  perdemos  ?'^^ 

Emñrn  esta  minha  senhora(?)  sendo  a  cousa  porque  mais  fazemos,   he  a  mais 
fraca  alfaia  de  que  nos  servimos;  e  sc  queremos  ver  quam  breve  he"^ 

Ponderemos  e  vejamos 
que  ganhamos  em  viver 
os  que  nascemos. 
Veremos  que  nSo  ganhamos 
mais  que^  algum  bem  fazer, 
se  o  fazemos. 

E  por  a  qui  re  speit  ando^^ 

que  tal  o  porvir  será, 

entesouremos; 

porque  nao  sabemos  quando 

a  morte  nos  pedirá 

que  Ihe  paguemos. 


*  esta. 

'  Storck  übersetzt:  „ein  wirksames  Mittel  für  Ruhe'*;  fafst  also 
meo  als  Hauptwort,  real  als  Eigenschaftswort  auf.  Wer,  wie  ich,  tS|rlich 
Klagen  darüber  hört,  dufs  die  portugiesischen  Dienstboten  nicht  iur  fünf  Reis 
Verstand  haben  {näo  thn  cinco  reis  de  juizti)^  fmdet  es  befremdlich,  dafs  man 
meo  real  de  descanso  anders  übersetzen  kann  als  „für  einen  halben  Kreuzer 
Ruhe**.  —  Wahrscheinlich  schrieb  der  Dichter  auch  nem  assim  nem  assado 
eine  familiäre  Redewendung,  die  mit  dem  ganzen  Briefstil  in  Einklang 
steht,  an  welcher  gewissenhafte  Puristen  aber  vermutlich  Anstofs  nahmen. 

*  fehlt.     Die  Drucke  sagen  ella  nos  trata  sômente  como  aìheios  de  si, 

*  para  que  ganhemos.         ^  Nos. 

^  Diese  leider  unvollständige  Copla  fehlt  in  allen  Drucken. 

'  Unlesbar  im  Ms.         *  Alais  que. 

°  Auch  diese  atrophe  stand  in  allen  bisherigen  Camoens*Ausgaben  in 
ganz  verderbter  Form  (diejenigen  Ausgaben  abgerechnet,  welche  sie  einlach 
weglassen  wie  i62q,  1632,  1651,  1666,  1720,  1721,  1759).  Die  erste  Zeile 
E  por  isso  respeit  ando  gall  für  Prosa,  tlie  nerte  und  fünfte  waren  so  ent- 
stellt, dafs  ihre  Reimworte  fehlten  .Porque  ao  certo  nao  sabemos  Qtmmdo  a 
morte  pedirá".  Storck  suchte  selbstverständlich  nachzubessern:  sich  an  die 
überlieferten  Reimworle  será  entesouremos  sabemos  pedirá  parteemos  bindend* 
glaubte  er  Zeile  i  in  Einklang  damit  bringen  zu  müssen,  und  schlug  vor  respei" 
tando  in  respeitemos  zu  verwandeln.  So  entstand  eine  unschöne  Strophe  mit 
vier  Reimen  in  ^emos. 


NEUES  ZUM  BUCHE  t)KR  RAMON.  LIEDER  UND  BRIEFE.  44Q 

Nunca  vi  cousa  mais  pera  lerabrar  e  menos  lembrada  que  a  morte,  /*, 
sendo  mais  aborrecida  que  a  verdade  ter-se^  em  menos  conta  que  a  verlüde. 
Mas  comtudo,  com  seu  pensamento^,  quando  Ihe  vem  á  vontade,  acarreta  mil 
pensamcntos  vSos,  que  tudo  pera  com  ella  he  lume^  de  palhas.  E  com  nenhua 
c'ousa  enche  tanto  as  tnedidas  como  com  estes  que  viveram  na  mor  bonança 
com  ella^y  porque,  quando  Ihe  menos  lembra,  antam  Ihes^  arranca  as  amarras, 
dando-lhe"^  com  os  corpos  á  costa,  e  se  vem  a  mìo*,  com  as  almas  no  inferno, 
que  he  bem  ruim  gasalhado;  e  pois  tudo^  isto  temos*®, 

n5o  nos  enganem  riqueza\s^^^ 
[por  que  tanto  esmorecemos]  '* 
tras  que  vamos; 
e  a'^^  que  temos  por  certeza[s] 
que  quando  mais  as^^  queremos 
as  deixamos. 

Gastamos  com  alcançal-aj 
a  vida,  e  quando  queremos 
usar  aellas, 

nos  tira  a  morte  logral-ax, 
assi  que  a  deus  perdemos 
e  a  ellas. 

Porque  ja  ouvirieìs^^  dizer:  „ninho  feito,  pega  morta".*®  E  concluindo 
aqui  esta  chave  do  jogo  ",  que  me  dizeis  ao  contentamento  do  mundo,  que 
toda  a  dura  d'elle  está  em  quanto  se  alcança?  Porque  acabado  de  alcançar^^y 
acabado  de  esqueccr.  E  com  rezam,  porque  alcançado  e  passado  tudo  he 
hum.  E  acabado  de  passar,  mais^^  saudade  deixa  do  que  he  o  contenta- 
mento que  deu.  Esperai,  por  me  fazer  mercé,  que  Ihe  quero  dar  um  par 
de  palavras"^. 


»  fehlt.        2  tem-se. 

3  Das  Ms.  schreibt  passatempo.        ♦  um  lume. 

*  Netthuma  cousa  mo  enche  t.  as  m.  para  com  estes  que  vivem  na  mor 
bonança  como  ella  etc.  Die  Stelle  war  in  der  überlieferten  I-^sart  sichtlich 
entstellt,  befriedigt  aber  auch  in  der  des  Manuscriptes  nicht  ganz.  Der  Sinn 
ist,  dafs  der  Tod  keinem  gegenüber  das  Mafs  der  Grausamkeit  so  ganz  füllt  wie 
gegenüber  denen,  welche  in  der  allergröfsten  Sorg-  und  Furchtlosigkeit  gelebt 
haben.  Die  ílbersetzung  ,, Nichts  entspricht  denen  gegenüber,  welche  auf 
heiterer  See  dahinfahren,  so  sehr  meinen  Erwartungen  wie  er"  ist  genau, 
kann  aber  natürlich  ebensowenig  befriedigen  wie  das  Original,  nach  dem  sie 
gemacht  ward. 

ß  Ihe.         "^  dando. 

"  S.  S.  440  Anm.  11.         ®  todos. 

*<*  Das  Ms.  behandelt  mit  Recht  e  pot's  tudo  isto  temos  (nicht  vemos), 
mit  Unrecht  näo  nos  enganem  riquezas  als  Prosa. 

**  engañe  a  riqueza.         **  fehlt  im  Ms.  *'  Ja. 

**  a.  Singular  in  allen  Formen,  während  das  Ms.  durchgängig  die  Plural- 
formen bietet,  die  daher  auch  für  riquezas  und  certezas  angenommen  werden 
raufsten. 

*^  ouvireis.         **  Sprichwort. 

"  fehlt.  '»  passar. 

**•  acabado  de  alcanzar  hé  passado,  e  maior  etc. 

'•**'  urnas  palav rinhas  de  proposito. 

Zeitdchr.  f.  rom.  FbU.    VU.  29 


450  CM.  DE  VASCONCELlbS, 

Mundo,  se  te  conhecemos, 
porqué  tanto  desejamos 
teus  engaños? 
E  se  asst^  te  queremos, 
mui  sem  causa  nos  queixàmos 
de  teus  danos. 

Tu  nSo  enf^anas  ninf^uem, 
pois,  a  quem  te  desojar, 
vemos  que  dañas; 
sc  [te]  querem  quai  te  vem 
e  se^  querem  engañar, 
ningucm  engañas. 

Veja' se  os  que  betis^  tiveram, 
e  os  que  mais  em  alcanzarte 
se  esmeraram**, 

que  huns  vivendo  n5o  viveram 
e  outros  só  com  deixartc 
descansáram.* 

Nada  te  pode  estimar 
quem  bem  quiser  estimarse^ 
c  conhecerte  ; 

que  pois  perderete  he  ffanhar, 
mais  seguro  he  ganharse 
e  perder-te. 


*  Kd.  1651   sagt  inda  assi.         *  Se  se. 
'  Vejatti'se  os  bons  que  tii'eram. 

*  Dus  Ms.  schreibt  falschlich  esmerâo. 

*  Hier  fehlen  zwei  Quintillen,  die  in  den  Drucken  lauten: 

Se  esta  tarn  clara  fe 

Te  plie  claros  teus  engaños, 
(oder   7e  aclara  f.  e.  ed.  1 629,  1632  u.  165 1, 
oder  A  o  mundo  de  t.  e.  ed.  1666) 

Desengaña  ; 

Sobejamente  fnal  i.'e 

Quem  com  tantos  desengaños 

Se  engaña, 

Afas  como  tu  sempre  mores 
(oder  M.  e.  t.  te  acomodes  ed.  1666,  1 720  etc.) 
No  engaño  em  que  andamos, 
e  que  vemos. 

Nao  eremos  o  que  tu  podes 
Senäo  o  que  desejamos 
E  queremos. 

*  Dafs  auch  diese  Strophe  in  allen  alten  und  neuen  Ausgaben  fehler- 
haft überliefert  war,  hat  Storck  abermals  erkannt;  mit  Takt  und  feinem  Sprach- 
sinn hat  er  auch  hier  nachgebessert  und  statt 

Nada  te  pode  estimar 
quem  bem  quizer  ronhecer-te 
e  est  ima  r -te 

que  em  te  perder  ou  g  a  nhar 
o  mais  seguro  g  an  h  ar -te 
he  perder 'te 


NEURS  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  LIEDER  UND  RRIEFE*.  45 1 

E  quem  em  ti  detremina 
descanso  poder  achar, 
saiba  que  erra; 
que  ^endo  a  alma  divina 
nada  a  pode  contentar 
ca  na  terrai 

Nascemos  pera  morrer, 
Morremos  pera  ter  vida, 
em  ti  morrendo; 
o  mais  certo  he  merecer 
nossa^  vida  conhecida 
ca  vivendo. 

• 

Emñm,  mundo,  es  estalagem 
em  que  pousam  nossas  vidas 
de  corrida. 

De  ti  levam  de  passagem 
ser  mal  ou  bem^  recebidas 
na  outra  vida. 

Afuera,  afuera,  Rodrigo!* 

que  xe  eu  muito  por  este  caminho  for^^    darei    em    enfadonho,    aindaque   me 

parece,  que  para  o  deixar  de  ser  ja  me  nao  livraräo  privilegios^  de  cidadSo 

do  Porlo.     Mas'^y    pois   me   vendo    a  vós,    sofrei-me    com    meus   encargos;    e 

porque    n5o    digáis    que    sou    ereje    de    amor   e   Ihe   nao   set   alguas^  oraçois, 

vedes,  vai^ 

Di,  Juan,  de  que  murió  Bras 

rom  hum  pe  d  casíelhana  e  outro  á  portugueza  '**.      E  nSo  vos    espantéis    da  * 
libre   que  em^^   qualquer   palmo   d'esta   materia   perro   o    norte.     E  os  supli- 
cantes dizem  assi. 

die  folgende  Lesart  angenommen: 

Nada  te  pode  estimar 
quem  beni  quiser  resguardar-te 
e  conhecer'te; 
que  em  te  perder  ou  ganhar 
o  mais  seguro  ganhar 'te 
he  o  perder 'te, 

welche  freilich  nicht,  wie  er  annimmt,  auf  ed.  1720,  sondern  auf  die  ältere 
von  1666  zurückzuführen  ist.  —  Die  Lesart  unseres  Ms.  scheint  mir  jedoch 
echter  und  besser:  die  unschön  klingende  Wiederholung  derselben  Aus- 
<lrücke  ist  eine  durchaus  absichtliche  und  schon  bei  Christovam  FalcSo  viel- 
fachst angebrachte. 

'  Näo  a  pode  descancar  Nada  da  terra. 

^  nos  a.     Ed.  1 666  schreibt  a  vida  mal  conhecida. 

3  bem  ou  mal.         ♦  Cfr.  Soropita  IX. 

*  que  eu  se  muito  for  por  esto  caminho, 

'^  de  que  me  parece  me  näo  livrará  nem  ainda  privilegio  etc. 

"^  E.         ^  e  que  the  näo  sei  oraçdes.         ^  vai  hûa. 

'**  com  hum  pé  d  portugueza  e  outro  á  castelhana.  Die  Lesart  des  Ms. 
ist  unbedingt  die  echte. 


"  que  eu  em. 


291 


45  á  e.  M.  r>R  VASCONCELLOS, 

Mote. 
Di,  Juan,  de  que  morió  Bras? 
tan  niño  y  tan  mal -logrado  ?  — 

—  Gil,  morió  de  desamado.  -- 

Volta. 
Dl-me,  quien  le  engañó  * 
que  con  Amor  se  engañase, 
pensando  que  el  bien  hallase 
donde*  el  mal  cierto  halló? 
Despues  que  el  engaño  vio 
que  hizo  desengañado? 

—  Gil,  murió  de  desamado. 

Travou  com  elle  pendença, 
em  ter  razSo  confìado; 
Afnor^,  como  he  letrado, 
houve  contra  elle  sentença^^ 
E  co'  aquella  diferença 
disse  entre  si  o  coitado; 

—  Gii,  „morr*eu  de  desamado".* 


Quem  tem  rez3o  tam  cerrada 
que^  n5o  saiba,  sendo  rudo 
e  sem  respeito, 
que  sem  deus  he  tudo  nada, 
que  nada  com  elle  ßie''  tudo 
sem  defeito? 

V.  sendo  isto  tam*  certo, 
como  todos  confessamos, 
e  sabemos 

nSo  liemos^  pelo  incerto 
o  que  por  tam  certo  damos  ^^ 
pois  o  vemos. 

A  tudo  isto  podéis  responder  que  todos  morremos  do  mal  de  Phaetoiii 
porque  „del  dfcho  al  hecho,  va  mui'^^  gran  trecho.  P2  de  saber  as  cousas  a 
passar  por  ellas,  ha  mais  differença  que  de  se  consolar  a  ser  consolado,  ou 
Je  Jar  conselho  a  tomai-o  '-.  Mas  „assi  entrón  o  mundo  e  assi  ha  de  sahii^; 
muitos  a  reprehende! -o  e  poucos  a  emendál-o.  R  com  isto  acaòo'^*,  bcijando 
7'<M»v/i**  poderosas  míos  hila  catrinea  de  vczes,  cuja  vida  e  reverenda  ^^  pessoa 
Nosso  Senhor  accrescent^  por  muitos  annos^^, 

*  Di-me,  Juan,  quien  se  engañó  (ed.  1720,  1721  und  I75Q  lesen  richtig 
le  engañó).         "^  a  Jon  Je.         ^  mas  Amor.         *  a  sentença. 

*  Storcks  Besserung  von  mor  reu  zu  morreen  ist  gut  und  annehmbar.  — 
Mufs  man  aber  wirklich  Gil  durch  Joito  ersetzen?  Mit  Gil  konnte  yoâo 
seinen  Freund  anrufen.         ''  quem.         "  fehlt.         *  isto  assi  tao, 

^  troquemos-,  ed.  1632  hat  Jemos  wie  das  Ms. 
'"  o  em  que  tam  certo  estamos.  "  fehlt.  ^*  fehlt. 

*^  amaino.  '*  í*.v.\v/.v.  *^  reverenJa. 

^^  fehlt.     Storcks  Krgänzung  der  Schlufsformel  ist  durchaus  korr^t. 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  LIEDER  UND  BRIEFE.  453 

No.  CLIX.  Z.  30  Ingrata  ierra,  non  possidebis  mea  ossa.  Schon 
vor  Camoens  hatte  Jorge  Ferreira  de  Vasconcellos  in  seiner  Uly- 
sippo  (1547)  die  Worte  des  Scipio  Africanus  benutzt.  Auf  S.  259 
in  einem  abstrusen  und  konfusen,  absichtlich  „dunkel"  gehaltenen 
Briefe  sagt  er:  Xäo  que  ä  fiuza  (Veste  desengaño  lancet's  de  iodo  a 
roar  arrependimentos  porque  ninguem  diga  y,bem  esiou*\  e  niais  quando 
as  esperanças,  afisiuladas  do  que  nao  quero  dizer^  morrem  ao  desemparo 
iam  naessiiadas  que,  a  Ihe  nao  vir  como  de  por  amor  de  dais  hum 
,, Ingrata  patria  nec  ossa  mea  habebis^''  pera  epitafio  da  sepultura^ 
¡a  vai  quanto  Marta  fiou,^  —  Z.  36 — 37  Auch  der  oft  citierte  Dom 
Francesco  de  Portugal  flicht  diese  Zeile  —  als  Nachahmer  des 
("amocns  —  in  einen  seiner  Prosabriefe  ein,  p.  38:  A  estar  a  senhora 
D,  Isabel  de  la  Cueva  en  otro  muro  as  ida  y  no  hay  paciencia  que 
baste,  —  Z.  55  Die  Phrase  über  die  Stiere  von  Merceana  hat  Storck 
selbst  in  Bd.  Ill  370  gedeutet.  —  Zu  Z.  57  vgl.  Jorge  Ferreira  de 
Vasconcellos,  Eufrosina  p.  123;  Aulegr.  p.  14  und  160^',  wo  Indien 
lago  de  honrados  gescholten  wird;  vor  allem  aber  den  Brief  des 
Conde  de  Alcoutira,  in  dem  es  heifst  a  India,  sepultura  de  homens 
nobres  (s.  oben).  —  Z.  80  se  veiu  cd  mais  humanamente  heifst  nicht: 
„kam  etwas  menschlicher  davon",  sondern  „benahm  sich  hier  etwas 
menschlicher".  —  Z.  89  Vgl.  Eufr.  p.  119.  —  Z.  92  Frei  Pero  Gön- 
salves  s.  Eufr.  p.  118  und  Soropita  p.  58. 


>  Sowohl  Camoens  wie  Ferreira  konnten  diese  Worte  nur  in  humo- 
rislisclicr  Absicht  aussprechen.  Ich  stimme  mit  C.  C.  Branco  durchaus  in 
der  Dculunjí  des  lateinischen  Citâtes  überein.  Er  äufsert  sich  darüber 
(L.  de  Camöes,  Porto  1880,  p.  42)  in  folgender  Weise:  Esta  carta  encerra  a 
nota  melancólica  diurna  phrase  de  Scipiäo:  Patria  ingrata^  nao  terds 
meus  ossos.  Mas  a  comparaçao,  para  nao  ser  um  dislate  d*orgulho,  era 
de  certo  um  gracejo  de  L.  de  C.  Que  I  he  devia  a  patria  em  1553?  Elle 
tinha  30  annos  ;  escrevcra  poemas  lyricos  excellentes»  apenas  louvados  na 
roda  dos  palacianos  e  dos  menos  cultos.  Ferreira  e  Sa  de  Miranda  parece 
que  nao  o  conheciam,  O  bravo  que  sahira  do  carcere  com  perdäo  de  Gon- 
zalo Borges  f  a  quem  golpeara  o  cachaco,  ou  o  toutiço,  como  disseram  00 
physicos  do  exame,  em  verdade,  confrontando-se  coiH  Scipiäo  Africano,  ao 
desterrar-  se  nao  primava  e  m  pontos  de  modestia.  O  seu  avantajado  e  in- 
discutivel  díreito  d  gratidäo  da  patria»  era  um  poema  começado  apenas,  ou 
íalvez  ainda  nao  tracejado  etc. 

C.  Michaelis  de  Vasconcellos. 


Rf]CENS10NEN  UND  ANZEIGEN. 


Franz  X.  Wegele,  Prof.  der  Geschichte  in  Würzburg:  Da  nie  Ali- 
ghieris Leben  und  Werke.  Im  Zusammenhang  dargestellt.  Dritte 
teilweise  veränderte  und  vermehrte  Auflage.  Mit  einer  Abbildung  des 
Dante-Denkmals  zu  Florenz.  Jena.  Verlag  von  Gustav  Fischer  1879.  XIV 
und  630  S.    80. 

Dafs  ich  die  dritte  Auflage  dieses  Werkes,  obgleich  sie  schon  vor 
mehreren  Jahren  erschienen  ist ,  noch  heute  besprechen  will ,  hat  eine  ganz 
besondere  Veranlassung.  Wie  man  aus  Anni.  1  S.  638  Bd.  VI  ersehen  kann, 
hat  mich  eine  Behauptung  Scartazzinis ,  die  mir  im  Januar  1883  bekannt  ge- 
worden war,  mit  dem  höchsten  Unwillen  erfüllt,  nämlich  die  Behauptung, 
dafs  Wegeies  Buch  von  der  deutschen  Kritik  nur  deshalb  nicht  mit  Acht 
und  Aberacht  belegt,  vielmehr  gelobt  und  gefeiert  werde,  weil  ein  Deutscher 
es  geschrieben  habe.  Ich  wies  Scartazzinis  Motivirung  zurück;  ich  bemerkte 
ihm,  dafs  doch  nicht  die  deutsche  Gelehrtenwelt  dafür  verantwortlich  zu 
machen  sei,  wenn  ein  nicht  genügendes  Werk  einmal  von  Freunden  des  Ver- 
fassers gerühmt  werde.  Aber  ich  konnte  nicht  in  Abrede  stellen,  dafs  Wc- 
geles  Biographie  in  Deutschland  nur  Anerkennung  gefunden.  Da  erschien 
es  mir  geboten ,  eine  rein  kritische  Besprechung  zu  liefern ,  denn  eine  solche 
mufste  ja  allen  Ausländem  das  Recht  nehmen,  auch  fürderhin  noch  uns 
Deutschen  den  Vorwurf  zu  machen,  dafs  wir  eine  schlechte  Leistung  — 
gleichviel,  aus  welchem  Grunde  —  für  eine  gute  ausgäben.  So  versprach  ich 
demnächst  auf  Wegeies  Werk  zurückkommen  zu  wollen. 

Indem  ich  es  heute  thue ,  schlielse  ich  einen  Teil  der  Wegeleschcn 
Arbeit  von  meiner  Recension  aus;  ich  beschränke  mich  auf  Dantes  Leben: 
die    eigentlich    historische    Seite,    das    biographische    Element    privater    und 


^  Ich  habe  Scartazzini  eine  Verdächtigung  zum  Vorwurfe  gemacht 
Heute  wcifs  ich,  dafs  eine  solche  Absicht  ihm  ganz  fernlag:  er  schrieb  die 
Worte  unter  dem  Kindrucke  übler  Krfahnmgen,  welche  darzulegen  mich  zu- 
weit führen  würde.  Genug,  er  vernahm  aus  unseren  Zeitschriflen  nur  ein  un- 
bedingtes Lob  Wc;;eles,  und  es  wurde  ihm  das  Audiatur  et  altera  pars  zur 
Unmöglichkeit  gemacht.  Von  .\bncigung  gegen  uns  Deutsche,  bemerkt  er 
mir,  gar  von  Deutschcnliafs,  könne  bei  ihm  nicht  die  Rede  sein.  Dafür  sei 
er  seit  Jahren  um  die  Bekanntmaclmng  und  Anerkennung  unserer  Litteratur 
und  Wissenschaft  in  Italien  zu>elir  bemüht  gewesen.  Das  kann  ich  nidit 
bestreiten  ;  und  so  mufs  ich  gestehen ,  einen  allerdings  sehr  drastischen  Aus« 
bruch  seines  Unmutes  mifsverstanden  zu  haben. 


WEGELE,    DANTE  ALIGHIERIS  LEBEN  UND  WERKE.  455 

politischer  Natur,  soll  mich  vor  Allem  beschäftigen.  Nur  wie  zur  Probe 
will  ich  einige  littcrarhistorische  Partien  berücksichtigen.  Wegele  wird  sich 
über  diese  meine  Beschränkung  nicht  beklagen  können,  hat  er  doch  als 
Historiker  eben  den  historischen  Abschnitten  den  Hauptwert  beigelegt. 
Geradezu  aber  glaube  ich  im  Interesse  der  Leser  dieser  Zeitschrift  zu  handeln, 
denn  wenn  ich  gut  unterrichtet  worden  bin,  so  sind  dieselben  längst  nicht 
mehr  gewohnt,  sich  etwa  wegen  des  Buches  über  die  Volkssprache  oder  wegen 
des  Gastmahls  um  Auskunft  an  Wegele  zu  wenden,  wohl  aber  vertrauen  sie 
ihm  in  den  rein  geschichtlichen  Dingen. 

Wegele  redet  von  der  sicilianischen  Dichterschule;  ihr  Sitz  ist  der  Hof 
von  Palermo,  den  er  mit  wunderlichem  Bilde  den  leuchtenden  Heerd  der  ita' 
lienischen  Civilisation  nennt,  an  welchem  er  in  einer  doch  starken  Über- 
treibung* die  Blüthe  der  Hochgebildetsten  zusammenströmen  läfst.  Aber 
an  der  Sprache,  worin  diese  Sicilianer  dichten,  erkennt  er  schon  die  grofse 
Zukunft  Toskanas.  Um  es  kurz  zu  sagen:  das  Problem  der  italienischen 
Sprachforscher,  ob  die  Dichter  Friedrichs  II.  und  Manfreds  in  sicilianischer 
Mundart  oder  in  verschiedenen  Dialekten  dichteten ,  wird  S.  44  durch  einen 
Machtspruch  gelöst.  Während  Corazzini,  Bartoli,  d'Ovidio  und  d'Ancona 
der  Ansicht  waren ,  dafs  alle  Gedichte  unserer  Schule ,  weil  sie  eben  nur  in 
raittelitalienischen  Handschriften  überliefert  sind ,  eine  „Toscanisirung*'  er- 
fahren  hätten;  während  noch  jüngst  Gaspary  sich  dahin  entschied,  die  Sici- 
lianer hätten  unzweifelhaft  nicht  toscanisch  geschrieben,  wenn  damit  auch 
eine  nahe  Verwandtschaft  ihrer  dichterischen  Sprache  und  der  heutigen  Schrift- 
sprache nicht  geradezu  ausgeschlossen  sei;  erklärt  Wegele  kurz  und  bündig, 
dafs  die  Einflüsse  Mittelitaliens  und  besonders  Toskanas  vorherrschend  gewesen 
seien.  Die  Mittelilaliener  sind  es  dann,  welche  zwar  an  die  sicilianische  Poesie 
anknüpfen,  aber  ihr  einen  ganz  neuen  Charakter  geben;  von  den  Sicilianern 
unterscheidet  sie  namentlich  die  „Erweiterung  des  Inhaltes".  Diese  fìndet 
Wegele,  wenn  ich  ihn  recht  verstehe,  in  der  philosophischen,  reflektierenden 
Liebespoesie  eines  Guido  Guinicelli,  in  dem  religiösen  Liede  des  hl.  Franziskus 
und  seiner  Schüler,  in  der  moralisierenden  Richtung  eines  Guittone  von  Arezzo. 
Aber  das  religiöse  Lied  gehört  kaum  in  diesen  Zusammenhang,  denn  der 
hl.  Franziskus  geht  der  sicilianischen  Dichterschule  voraus;  seine  Nach- 
folger entstammen  aber  bis  auf  Jacopone  da  Todi,  den  Wegele  selbst  als 
Zeitgenossen  Dantes  mit  Recht  nicht  hierher  zieht,  dem  oberen  und  unteren 
Italien;  sie  dichteten  überdies,  mit  Ausnahme  des  Giacomino  von  Verona,  nicht 
in  der  Volkssprache.  Guittone  von  Arezzo  würde  ich  dagegen  viel  mehr  in 
den  Vordergrund  gerückt  haben,  denn  wenn  es  auch  wahr  sein  mag,  dafs  er 
nicht  „aus  dem  Bronnen  echter,  natürlicher  Empfindung**  geschöpft  habe,  — 
so  hat   er  doch  den  lief  greifendsten  Einflufs  auf  die  ganze  Litteratur  seiner 


'  Wenn  er  S.  88  Anm.  1  nur  eine  deutsche  Chronik  für  die  Schlacht 
bei  Campaldino  anführen  kann,  so  heifst  es  im  Texte  gleichwohl  :  Selbst  gleich- 
jeitige  deutsche  Chroniken  u.  s.  w.  Bekanntlich  schickte  Dante  dem  Mark- 
grafen Malaspina  ein  Gedicht:  Das  ist  für  Wegele  viel  zu  wenig,  und  so  läfst 
er  S.  186  einige  Gedichte  an  dessen  Adresse  gelangen.  Aus  einem  einzigen 
Versuche ,  das  über  Florenz  verhängte  Interdikt  rückgängig  zu  machen ,  wer- 
den S.  152  jene  Schritte.  Das  aber  sind  vergleichungsweise  nur  Kleinig- 
keiten. 


45Ö  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     P.  SCHEFFER-BOICHORST, 

Zeit  ausgeübt.  Das  beweisen  Aeufserunjjen  Dantes  im  Fegefeuer  XXVI 124. 
125  und  im  Buche  von  der  Volkssprache  I  13  und  II  6:  Dante  mag  seine 
Art  nicht,  aber  dafür  dafs  selbst  seine  Zeitgenossen  sich  der  Einwirkung 
Guittones  noch  nicht  entzogen  haben,  giebt  er  ein  beredtes  Zeugnis  ;  und  die 
Alten  haben  seinen  Ruhm ,  wie  Dante  bestätigt ,  weit  und  breit  verkündet. 
Einer  aus  ihrer  Mitte,  Geronimo  Farmagnino,  hat  den  Guittone  denn  auch 
geradezu  als  Muster  für  Alle  hingestellt  ^  und  derselbe  Guido  Guinicelli, 
den  Wegele  ebenso  erhebt,  wie  er  den  Guittone  herabdrückt»  verehrte  ihn 
als  seinen  Meister*,  sandte  ihm  eine  Canzone  zur  Verbesserung.-*  Wie  aber 
auch  immer,  —  das  religiiise  Lied  ist  auszuscheiden,  und  es  bleibt  nur  die 
Moral  Guittones  und  die  Keilektion  Guinicellis.  Aber  ist  dafür  nicht  Anderes 
zu  ergänzen?  Wegele  sagt  sehr  allgemein,  die  Liebespoesie  hätte  un  steh 
selbst  eine  Modifikation  erfahren  vi  ü  s  sen.  Sie  hat  die  Schnüre  des  Con- 
ventionalismus gelöst  und  bewegt  sich  freier,  volksmäfsiger.  Als  vornehmsten 
Vertreter  der  neuen  Art  kennen  wir  aber  durch  Witte*  den  Florentiner 
Chiaro  Davanzati,  dessen  Name  nun  in  keiner  Einleitung  zur  Geschichte  Dantes 
mehr  fehlen  sollte.*  Dann  haben  die  Mittelilaliener,  vor  allen  die  Floren- 
tiner, das  politische  Element  in  die  Litteratur  eingeführt.  Wenn  Wegele 
behauptet,  vorliiufig  sei  die  Poesie,  ah  die  Domaine  des  Friedens,  dem  Ge- 
triebe der  Parteikämpfe  entrückt  gewesen,  so  kannte  er  nicht  die  im  Ten- 
zonenstil  gedichteten  Sonette,  die  Trucchi  und  Cherrier  veröffentlicht  haben  ; 
gerade  in  Florenz  sind  dieselt)en  entstanden;  er  kannte  nicht  jene  Satire, 
welche  Guittone  d'Arezzo  nach  der  Schlacht  von  Montaperti  auf  die  Floren- 
tiner dichtete®;  und  was  anderes  sind  denn  Sonette  des  Florentiners  Rustico, 
als  Stimmen  aus  dem  „Getriebe  der  Parteien**?' 

Auch  soll  den  älteren  Schulen  jeder  Zusammenhang  mit  dem  Altertum, 
mit  der  römischen  Litteratur  gefehlt  haben.  Aber  wenn  Guittone  in  einer 
Canzone  den  Beweis  Gottes  aus  Cicero,  Bocthius  und  Seneca  fuhrt*,  sind 
ihm  dann  die  Alten  ganz  unbekannt?  wenn  Guidotto  da  Bologna  (?)  zur 
Zeit  Manfreds  die  Rhetorica  ad  C.  llerennium  übersetzt,  gebricht  es  dann  an 
jeder  Fühlung  mit  der  römischen  Litteratur?  Albcrtano  da  Brescia  hat  eine 
Menge  Stellen  aus  alten  Autoren  im  Wortlaut  mitgeteilt»  und  so  ist  die  ziem- 
lieh  gleichzeitige  Übersetzung  seines  Traktates  doch  gewifs  ein  Beweis,  dafs  der 
von  Wegele  geläugnete  Zusammenhang  mit  dem  Altertum  durchaus  nicht  fehlte. 


*  Poeti  del  primo  secolo  II  53. 
«  Ibid.  I  loi. 

^  Darauf  antwortet  Guittone  im  150.  Sonett.  Biblioteca  dei  class,  ital. 
\^  serie  I  233. 

*  In  Böhmers  Rom.  Stud.  I  114  il". 

•''  Statt  dessen  nennt  Wegele  S.  40  den  Brunellesco ,  von  welchem  nun 
eigentlich  gar  nichts  weifs.  Vielleicht  war  er  Verfasser  eines  Gedichtes  Gaeta 
e  Birria,  wovon  Wegele  möglicher  Weise  ganze  drei  Strophen  gekannt  hat, 
mehr  nicht. 

^  Canzone  41   Bibl.  dei  cías«*,  ital.  l.  c.  I  116. 

"  St)  verkehrt  Wegele,  so  richtig  urteilt  Gaspary  Die  sicilianische  IMchter« 
schule  22:  Ditwc  Bürger  der  toòcanisrhen  Communen  untren  selbst  zu  tief  in 
die  politischen  Begebenheiten  leririckelt,  als  dass  dieselben  in  ihren  Versen 
nicht  hätten  einen  Widerhall  finden  sollen. 

*  Canzone  7  Bibl.  dei  clash.  1.  c.  p.  36. 


WEGliLE,  DANTE  ALIGHIERIS  LEBEN  UND  WERKE.  457 

In  das  Altertum  soll  erst  Brunetto  latini  eingeführt  haben;  eben  des- 
wegen und  dann  noch  als  Begründer  der  Allegorie  stehe  Brunetto  in  der  Mitte 
beider  Epochen,  nämlich  der  Schule  der  Mittelitaliener  einer-  und  Dantes 
andererseits.  Was  das  Altertum  angeht,  so  glaube  ich  nach  dem  oben  Ge- 
sagten nicht,  dafs  es  erst  von  Brunetto  „eingeführt"  sei;  wohl  aber  hat  Bru- 
netto die  Kenntnis  desselben  erweitert.  Das  that  er  freilich  nicht  durch 
seinen  Tesoro,  auf  welchen  nach  Wegele  das  Wiederaufleben  der  Antike 
zurückzuführen  wäre.  Denn  wenn  Brunetto  hier  auch  etwa  erzählt,  dafs  ihm 
im  Gefolge  Amors  dessen  römischer  Dichter  begegnet  sei,  dafs  er  sich  mit 
demselben  nun  über  die  Liebe  besprochen  habe,  oder  wenn  er  auch  'vor 
seiner  Bekehrung  erwägt ,  dafs  weder  Julius  Caesar,  noch  Samson ,  noch 
Alexander,  noch  Absalon,  noch  Hektor,  noch  Oktavian  dem  Tode  entflohen 
seien,  dafs  das  Salomonische  Vanitas  vanitatum  die  tiefste  Wahrheit  sei,  — 
ein  bedeutender  Fortschritt  war  damit  nicht  gemacht.  Ein  eigentliches  Ver- 
dienst, das  sich  Brunetto  um  die  Wiederbelebung  des  klassischen  Altertums 
erworben  hat,  ist  vielmehr  in  einer  anderen  Richtung  zu  suchen.  Auch  We- 
gele hat  darauf  geachtet:  er  sagt,  Brunetto  habe  den  Ovid  und  den  Boethius 
übersetzt.  Die  Arbeilen  müssen  verloren  oder  ungedruckt  sein:  die  zahlreich 
vorhandenen  und  veröffentlichten  Übersetzungen  verschmäht  Wegele  dafür  zu 
nennen,  nämlich  die  Rettorica  =  De  invenlionc ,  dann  die  Orazioni  di  Sal- 
lustio, di  Tito  Livio,  di  Tullio  und  endlich  den  Fiore  di  filosofi  e  molti  savi. 
Wie  aber  steht  es  mit  der  Allegorie?  Brunetto  scheint  wirklich  der  erste 
AUegoriker  Italiens  gewesen  zu  sein;  aber  es  verdient  doch  Beachtung,  dafs 
seine  unmittelbaren  Nachfolger,  Dino  Compagni  und  Francesco  da  Barberino, 
nicht  unter  seinem  Einflüsse  stehen,  sondern  unter  französischem  oder 
provenzalischem:  das  Muster  der  Allegorie,  der  Roman  de  la  Rose,  war 
unzweifelhaft  auch  in  Italien  weit  und  breit  bekannt,  und  eine  Bearbeitung 
in  italienischer  Sprache,  das  Werk  eines  Florentiners,  ist  uns  ja  erhalten.* 

Man  sieht,  dafs  es  Wegele  durchweg  an  einer  gründlichen  Kenntnis  der 
italienischen  Litteratur  fehlt.  Die  wenigen  Seiten,  die  ich  besprochen  habe, 
geben  aber  zugleich  Proben,  wie  nachlässig  Wegele  arbeitet.  Noch  vor  dem 
Antritte  einer  Mission,  die  ihm  im  Jahre  1 260  nach  Spanien  übertragen  wurde, 
soll  Brunetto  den  erwähnten  Tesoro  begonnen  haben.  Nur  die  Vollendung 
setzt  Wegele  also  in  die  Zeit,  welche  der  Gesandtschaft  folgte.  Wer  die 
Handbücher  der  italienischen  Litteratur  kennt,  ist  durch  diese  Behauptung 
überrascht,  denn  in  ihnen  allen  heifst  es  einfach.  Brunetto  habe  den  Tesoro 
nach  seiner  Gcsandlschaftsreise  gedichtet.  Schlägt  man  nun  die  von  Wegele 
angeführte  Quelle  nach,  nämlich  die  Einleitung  Chabailles  zu  einem  anderen 
Werke  Brunettos,  so  findet  man  da  S.  VIII:  il  cotnposa  son  poëme  lorsque 
Florence  brillait  de  tout  son  éclat  et  qu\'lle  était  la  reine  de  Toscane  y  d.  h. 
cr  vcrfafste  den  Tesoro  nach  seiner  Reise,  denn  während  derselben  traf  Florenz 


'  Ich  habe  in  dem  Vorstehenden  ebenso  wenig  der  Anfänge  der  drama- 
tischen Dichtung,  also  der  Passionsspiele,  wie  der  politischen  Volkslieder  ge- 
dacht. Sic  sind  nicht  Produkte  der  Kunstpotsie,  haben  Nichts  mit  der  mittel- 
ilalienischcn  Dichterschulc  gemein,  und  in  der  Entwickelung,  welche  zu  Dante 
fuhrt,  scheint  ihnen  kein  Platz  zu  gebühren.  Von  beiden  Kategorien  hat 
denn  auch  Wegele  nicht  geredet. 


45^         RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     P.  SCUEFFER-BOiaiOKST, 

(1er  vernichteiulc  Schlag,  die  Xiederlajic  bei  Muntaperti.  Hier  also  er  ver- 
fasste^  dort  er  begann.  Beides  ist  gleich  neu  und  gleich  verkehrt.  Man 
braucht  nur  den  Anfang  des  Gedichtes  zu  lesen: 

Lo  tesoro  coffu^nzii.  —  A/¿*a/fo  re  di  Spugna. 

Al  tempo  che  Fiorenza  E  io  presi  compagna 

F  io  rio  e  fece  frutto,  E  andai  in  I spagna 

Sì  ch'elicerà  del  tutto,  E  feci  l* ambasciata. 

Im.  donna  di  Toscana  :  Che  mi  fu  comandata, 

Esso  comune  sag¿no  E  poi  sanza  soggiorno 

Mi  fece  suo  messaggio  /Ripresi  mio  ritorno. 

Wie  man  sieht,  hat  Chabaillc  den  ganzen  Zusammenhang  miläverstanden;  auf 
seine  Darlegung  verweist  Wegcle,  anstatt  sich  das  Gedicht  selbst  anzusehen. 
Dazu  aber  trübt  er  noch  die  abgeleitete  (Juelle,  indem  er  composa  mit  er  be- 
¿'ann  übersetzte.  —  Wie  schon  erwähnt,  citiert  Wegelc  Übersetzungen  des 
üvid  und  Boethius,  die  von  Brunetto  Latini  herrühren  sollen;  S.  53  Anm.  2 
verweist  er  zum  Belege  dafür  auf  Melius  Vita  Ambrosii  Traversarii  S.  157  ff. 
der  Vorrede.  Da  aber  sind  wohl  seine  auch  sonst  bekannten,  nur  von  We- 
gelc nicht  genannten  Übersetzungen  besi>rochen,  ñndet  sich  aber  Nichts  über 
Ovid  und  Boethius.  —  S.  51  Anm.  2  bringt  Wegele  litterarhistorische  oder 
philologische  Nachweise  zum  Tesoro,  und  er  schliefst:  Ülfer  die  Über- 
arbeitung des  ersten  Entivurfcs  siehe  Scheffer- Boichorst  F'lorefitiner  Stu- 
dien S.  246  Anm.  3.  Da  aber  handele  ich  nicht  von  einem  ersten  Ent- 
würfe des  Tesoro,  wovon  mir  Nichts  bekannt  ist,  auch  nicht  etwa  von  einem 
ersten  Entwürfe  des  livre  dou  trest)r,  des  französischen  Werkes  Brunettos: 
ich  zeige  nur,  dafs  »lie  Kapitel  87 — loi  aus  Martins  Chronik  zu  dem  fertigen 
livre  dou  trésor  nachgetragen  sind. 

Indem  ich  mich  den  biographischen  Elementen  zuwende,  möchte  ich 
doch  nicht  sofort  die  litterarischen  verlassen:  ich  will  ein  Wort  über  die 
Dichter  einschalten,  welche  zu  Dante  in  Beziehung  standen.  Wegele  redet 
nur  von  zwei  Freunden  Dantes,  von  Guido  C.^ivalcanti  und  Cino  da  Pistoja. 
Bei  ihnen  brauche  ich  nicht  zu  verweilen;  gleichsam  nur  im  Vorbeigehen  »ei 
der  wunderl)arcji  Ilyimthese  auf  S.  191  gedacht:  7i'ir  gründen  auf  den  Um- 
stand, dafò  sich  unter  Cinos  (Jedichten  ein  Sonett  auf  den  Marchese  Mala- 
spina findet,  die  Vermutung,  dafs  er  sich  vielleicht  gleichzeitig  mit  Dante 
in  dessen  Hof  begab,  (.'ino  hat  aucli  eine  Canzone  an  Guido  Novello  ge- 
richtet; weshalb  mag  Wegele  doch  darauf  nicht  die  analoge  Vermutung  ge- 
gründet haben?'  Wichtiger  ist  mir,  dafs  in  dem  ganzen  Buche  aber  auch  mit 
keiner  Silbe  von  den  litterarischen  Gegnern  die  Rede  ist.  Den  Reigen  der- 
selben  eröflnet  Dante    tla  Majano  :   auf  das  bekannte  Sonett  der  Vita  nuova, 

'  Übertlies  ist  der  Ausdruck  „auf  den  ^iarchcse**  auch  verkehrt;  in 
einer  Handschrift  ist  das  Sonett  an  einen  Markgrafen  Malaspina  gerichtet; 
Cianipis  Ausgabe  trägt  die  Überschrift  ,,an  Lemmo  von  IMstoja".  Noch 
mehr:  wer  hat  Wegclcn  denn  ge»«agt,  dafs  tier  Markgraf,  der  in  dem  einen 
<^>dex  als  Adre'^'^at  genannt  wird,  gerade  Marvello  Málaspina  von  Salnuo 
sein  müsse r  das  (ieschlechl  der  Malaspina  war  weit  verzweigt,  und  jeder 
andere  Malaspina  könnte  geradeso  gut  gemeint  sein,  als  der  von  Saluzio, 
Dantes  Wirt. 


WEGELE,  DANTE  AUGHIERIS  LEBEN  UND  WERKE.  459 

welches  die  Dichter  zur  Mcinungsäufserung  einlud,  hai  Da  Majano  eben  so 
höhnisch  und  verletzend  geantwortet,  wie  Guido  Cavalcanti  ermunternd  und 
liebenswürdig.  Ich  verweise  nur  auf  die  Antologie  von  Nannucci  Man.  della 
litteratura  ed.  Ill«  I  319,  wo  das  Sonett  gedruckt  ist.  Es  folgt  Cecco  Angio- 
lieri,  dieser  unordentliche,  vagabundirende ,  aber  hoch  begabte  Geist.  Dante 
hat  einmal  den  Versuch  gemacht,  ihn  auf  die  rechte  Bahn  zu  führen;  er 
warnt  ihn  vor  dem  übermäfsigen  Genüsse  der  Liebe  und  empfìehlt  ihm  ein 
Thema  zu  poetischer  Behandlung.  Später  ist  Cecco  der  erklärte  Gegner 
Dantes.  Auch  er  antwortet  auf  ein  Sonett  in  der  Vita  nuova,  aber  auch  er 
voll  Hohn  :  er  nennt  sich  sogar  Dantes  servo  e  amico  und  vertraut  auf  dessen 
gentil  cuore  \  doch  meint  er  es  ganz  anders.  Dann  folgt  ein  Sonett,  das  man 
wegen  seiner  Selbstanklage  fast  liebenswürdig  finden  könnte,  wenn  es  nicht 
zugleich  den  Dichter  der  göttlichen  Komödie  auf  dasselbe  Niveau  der  Schlech- 
tigkeit herabdrücken  sollte: 

Se  io  pranzo  con  altrui^  e  tu  vi  cenni. 

rimproverare 

Può  V  uno  air  altro  poco  di  noi  due. 

Ch*  io  sono  il  pungiglione,  e  tu  se*  il  bue. 

F.  d'Ancona,  dessen  Arbeiten  man  genau  kennen  mufs,  wenn  man  über 
Dante  schreiben  will,  hat  in  der  Nuova  Antologia  1 874.  XV  1—57  einen 
lehrreichen  Aufsatz  über  Cecco  veröflentlicht  ;  auf  S.  18 — 20  wird  da  Ceceos 
Verhältnis  zu  Dante  besprochen.  Gröfseres  Ansehen  hatte  bei  den  Zeit- 
genossen ein  anderer  Cecco,  der  von  Ascoli:  er  ist  der  berühmteste  Astronom 
der  Zeit,  und  als  Dichter  besafs  er  einen  Ruf,  den  wir  heute  freilich  nicht 
mehr  begreifen.  Auch  dieser  Cecco  ist  nun  ein  Gegner  Dantes,  und  zwar  ein 
boshafterer  und  hämischerer,  als  die  anderen.  Zahlreich  sind  die  Spuren,  die 
der  Antagonismus  in  Ceceos  Gedicht  L'acerba  hinterlassen  hat,  und  nicht 
selten  sind  auch  in  letzter  Zeit  die  Beziehungen  Beider  zum  Gegenstand  der 
Untersuchung  geworden.  Ich  habe  die  Litteratur  in  meinem  Buche:  Aus 
Dantes  Verbannung  S.  60  Anm.  3  behandelt  ;  wenigstens  zwei  der  betreffenden 
Aufsätze  hatten  längst  vor  dem  Erscheinen  von  Wegeies  neuer  Auflage 
der  Dantebiographie  die  Presse  verlassen ,  und  überdies  hätte  Wegele  sich 
auch  ohne  dieselben,  nur  auf  Grund  der  Auszüge,  die  Fraticelli  in  seiner 
Vita  die  Dante  287 — 291  mitteilte,  ein  Bild  gestalten  können.  Über  Alles 
geht  er  hinweg;  er  macht  auch  keinen  Versuch,  aus  den  Aufserungen  der 
Zeitgenossen  sozusagen  den  litterarischen  Principal  des  alternden  Dante  zu 
schildern.  Angesichts  so  ungeheurer  Mängel  fragt  man  sich  doch,  welche 
Begriffe  Wegele  denn  eigentlich  mit  der  Aufgabe  eines  Biographen  verbinde  ? 
Die  allgemein  gültigen,  die  er  hoffentlich  nie  erschüttern  wird,  sind  es  ganz 
gewifs  nicht. 

Ein  verwandtes  Thema  berührt  unser  Autor,  da  er  von  Dantes  Be- 
ziehungen zu  den  Künstlern  Casella,  Belacqua,  Giotto  und  Oderisi  handelt. 
Fr  macht  dabei  die  für  die  Geschichte  des  Dichters,  wenn  begründete,  dann 
durchschlagende  Entdeckung ,  dafs  alle  vier  ein  wichtiges  Zeugnis  von  dem 
mächtigen  und  aber  auch  zugleich  gewinnenden  Eindruck  seiner  Person^ 
lichkeit   und  seines  Umganges  ablegen.      Auf   die   Beziehungen    zu   Oderisi 


460  RECENSIOXEN  UND  ANZEIGEN,  SCHKFFER-ROICHORST. 

scheint  Wegcle  j^erinijcren  Wert  /.u  legen,  und  in  der  That  will  e*»  Nichts 
bedeuten,  dafs  Dante  Purg.  XI  80  ihn  als  ronor  d'^Agabbio  feiert.  Nichts  will 
es  auch  bedeuten,  dafs  Oderisi  XI  82  den  Dichter  seinen  Bruder  nennt,  denn 
sogar  Leute ,  die  nicht  einmal  Zeitgenossen  waren ,  heifsen  sich  in  der  gött- 
lichen Komödie  frate.  So  begrüfst  etwa  Virgil  im  Purg.  XXI  131  den  Sta- 
tius,  ib.  13  Statius  den  Virgil  und  den  Dante,  und  ib.  XIII  94  nennt  die 
Sapia  von  Siena,  deren  Leben  sich  doch  schon  1 269  zu  Ende  neigte  und  die 
Dante  schwerlich  überhaupt  nur  von  Person  gekannt  hat,  unseren  Dichter 
ihren  Bruder.  Doch  wie  gesagt,  die  Beziehungen  zu  Oderisi  nehmen  auch  bei 
Wegele  eine  untergeordnete  Stelle  ein.  Umso  höher  schätzt  er  Dantes  Freund- 
schaft zu  dem  Reformator  der  italienischen  Malerei,  zu  Giotto  ;  er  spricht  von 
dem  Bilde,  das  Giottos  Meisterhand  von  Dante  entworfen*;  und  fast  könnte 
man  auf  den  Gedanken  kommen,  Wegele  wolle  dadurch  den  Beweis  für  die 
hcJctitcndstc  dieser  Freundschaften  führen.  In  Wahrheit  fehlt  jeder  Beleg: 
ein  einziges  Äial  hat  Dante  des  Malers  Krwähnung  gethan  :  Purg.  XI  95  sagt 
er,  dafs  Ciambue  den  höchsten  Ruhm  genossen  ed  ora  ha  Giotto  U  grido. 
Das  wäre  ein  Zeugnis  für  die  bedeittendUe  dieser  Freundschaften,  welches  un- 
gefähr die  gleiche  Beweiskraft  hätte,  wie  Dantes  Portrait.  Es  bleiben  also 
nur  Casella  und  Belacqua;  und  sie  sind  allerdings  Dantes  Freunde  gewesen. 
Wie  I*urg.  IV  123  zeigt,  hatte  Dante  befürchtet,  Belacqua  würde  in  der  Hölle 
büfsen ,  und  er  freut  sich  nun ,  dafs  derselbe  mit  gelinderer  Strafe  davon 
gekommen  ist:  II  88  versichert  ihn  Casella,  er  liebe  ihn  hier  noch  geradeso, 
wie  drüben.  Demgemäfs  bezeichnet  denn  auch  der  Anon.  Fior.  ed.  Fanfani 
II  37,  74  Dantcn  als  domestico  Beider.  Jedoch  ist  damit  der  machtige  und 
aber  auch  zu j^' le  ich  gewinnende  Eindruck  seiner  Persönlichkeit  und  seines  Um' 
ganges  erwiesen  ?  Kann  nicht  Casellas  wie  Belacquas  Freundschafl  aus  einer 
Verehrung  des  Genies,  aus  einer  Wertschätzung  jener  Tugend,  die  man  als 
Rettitudine  bezeichnet  hat,  aus  der  Verwandtschaft  ihrer  künstlerischen 
Richtung'-*  entsprungen  sein?  Wenigstens  was  den  gewinnenden  Eindruck 
betrifft,  so  hat  Wegele  S.  181  selbst  ein  ganz  anderes  Urteil  gefallt:  danach 
ist  Dante  auch  in  seinen  guten  Tagen  schwerlich  ein  Mann  von  leicht  um* 
gänglicher  Natur  gewesen.  Und  S.  90  meinte  Wegele  doch  ein  gewichtiges 
Zeugnis  auch  für  den  ge^cinnenden  Eindruck  seines  Umganges  erbracht  zu 
haben.  Das  Gegenteil  bezeugt  er  nun  mit  der  Charakteristik,  die  Villani  von 
Dante  entworfen.  Was  dann  die  Mächtigkeit  des  Eindruckes  betrifft,  so 
mufs  ich  meinesteils  auch  sie  in  Abrede  stellen.  Wenn  Dante  im  Convivio  1 3 
Klage  darüber  führt,  dafs  die  Menschen  durch  sein  Erscheinen  getäuscht  wor- 
den seien,  dafs  sie  nach  seinen  Werken  eine  ganz  andere  Vorstellung  von 
ihm  gehabt  und  dafs  sie  nun,  da  seine  Persönlichkeit  nicht  den  Erwartungen 
entsprochen,  sogar  die  Erzeugnisse  seines  Geistes  viel  geringer  geschätzt  hätten, 
als  vordem,  so  scheint  er  doch  eben  nicht  im  Stande  gewesen  zu  sein,  einen 
mächtigen  Kindruck  zu  machen.  Wie  aber  auch  immer,  —  das  gewUhOgt 
Zeugnis  von  dem  »nächtigen  und  aber  auch  zugleich  getoinnenden  Eindruck 
seiner  Persihilichkeit  und  seines  Umg^anges  existiert  nur  in  Wcgeles 


'  Dazu  verweist  Wegele  auf  einen  veralteten  Aufsatz  Paurs,  nicht 
auf  die  neue  Behandlung,  die  derselbe  Gegenst<ind  auch  durch  Paar  im  Jahr- 
buch der  DantcgcscUschafl  II  262 --330  erfahren  hat. 

*  So  bemerkt  Wegele  S.  90  selbst.       • 


WEGELE,  DANTE  ALIGHIERIS  LEBEN  UND  WERKE.  46 1 

Dafs  Dante  der  Mann  geworden  ist,  als  welchen  man  ihn  verehrt,  das 
danken  wir  nach  Wegele  S.  64  wahrscheinlich  der  tiefgreifenden ,  nachhal- 
tigen, sittlichen  Einwirkung  der  Mutter.  Dafür  scheint  ihm  die  drastische 
Weise ,  in  welcher  Dante  Inferno  VIII  45  auf  seine  Mutter  hindeuten  soll, 
einen  Beleg  zu  geben  ;  und  dieses  kräftige  Zeugnis j  wofür  er  Dantes  Worte 
halten  möchte,  wird  dann  durch  den  bekannten  Erfahrungssatz  von  den  be- 
deutenden Müttern  grofser  Männer  nachdrücklichst  unterstüt^U.  Sehen  wir 
uns  die  Stelle  an.  Dante  nennt  den  Filippo  Argenti  einen  fluchbeladenen 
Schatten,  der  im  Weinen  und  Trauern  verharren  möge.  Diese  Verwünschung 
ist  nun  dem  Virgil  ganz  aus  dem  Herzen  gesprochen  :  nachdem  er  den  Argenti 
von  sich  abgestofsen ,  nachdem  er  ihm  zugerufen  hat  :  Pack*  dich  mit  den 
andern  Hunden!  nennt  er  Danten  eine  Eiferseele  und  preifst  den  Schofs 
der  ihn  getragen.  Der  Vers  ist  der  Bibel  entlehnt:  bei  Lucas  XI  27  lesen 
wir  :  quaedam  mulier  de  turba  dixit  Uli  (Jesu)  :  „Beatus  venter,  qui  te 
portavit**.  Und  so  wenig  nun  die  Frau  aus  dem  Haufen  an  ihre  Mutter 
dachte,  als  sie  sich  freute,  dafs  der  Welt  ein  Heiland  erschienen  sei,  so  wenig 
hat  Dante,  da  er  das  gleiche  Wort  dem  Virgil  in  den  Mund  legte,  seiner 
Mutter  eine  Erinnerung  kindlicher  Pietät  gewidmet.*  In  ganz  prosaischer 
Form  besagt  der  Vers  nur:  ,,es  ist  doch  gut,  dafs  es  einen  Menschen  giebt, 
der  das  Laster  so  verabscheut,  wie  Du  eben  bewiesen  hast".  Von  Drastik 
ist  da  keine  Spur;  man  mufs  sich  nur  auf  die  Sprache  der  Bibel  verstehen. 
Aber  einmal  zugestanden,  Dante  habe  in  Rührung  der  Mutter  gedacht,  mufs 
denn  damit  gleich  ein  kräftiges  Zeugnis  für  die  tiefgreifende ,  nachhaltige, 
sittliche  Einwirkung  der  Mutter  auf  den  Sohn  gegeben  sein  ?  Hat  Wegele 
denn  nie  erlebt ,  dafs  eben  Söhne ,  die  ihre  Mutter  früh  verloren  haben ,  der- 
selben vor  Allen  gern  gedenken ,  dafs  gerade  diese  sich  von  der  Mutter  eine 
wohl  allzu  ideale  Vorstellung  machen  ?  Das  gilt  besonders,  wenn  meine  Be- 
obachtungen mich  nicht  getäuscht  haben ,  von  solchen  Söhnen ,  welche  unter 
einer  Stiefmutter  herangewachsen  sind.  Stiefmutter  und  Dante  sind  nun  viel- 
leicht für  Wegele  zwei  ganz  unzulässige  Zusammenstellungen.  Gleichwohl 
bin  ich  nicht  der  Erste,  der  von  einer  Stiefmutter  des  jungen  Dante  reden 
möchte.  Der  grofse  Genealoge  Italiens,  Passerini*,  hat  die  Ansicht  aus- 
gesprochen, dafs  Donna  Bella,  Dantes  Mutter,  die  erste  Frau  seines  Vaters 
war,  dafs  ihr  Donna  Lapa,  die  den  Franzesko  AUaghieri  gebar,  in  der  Ehe 
gefolgt  sei.  Auch  Wegele  weifs  nun  recht  wohl,  dafs  Dantes  Vater  zweimal 
verheiratet  war,  aber  die  Frage,  ob  Dante  dem  ersten  oder  dem  zweiten  Ehe- 
bett entsprossen  sei,  ist  ihm  gar  nicht  in  den  Sinn  gekommen.  Im  Jahre  1332 
verträgt  sich  Franzesko  mit  seinen  Neffen  Jakobo  und  Pietro,  den  Söhnen 
Dantes,  über  den  bisher  gemeinsamen  Besitz.  Da  ist  auch  die  Rede  vom 
Heiratsgut  domine  Lape  mat  ris  dicti  Francisci  et  filie  o  lim  Chiarissimi 
Cialuffi  et  uxoris  oli  m  Alaghierii,  ebenso  vom  Heiratsgut  domine  Belle  olim 


'  Das  hat  auch  Scartazzini  Dante  Alighieri,  zweite  mit  Nachträgen  ver- 
sehene Ausgabe  S.  549  bemerkt;  im  Text  S.  108,   109  folgt  er  Wegelen. 

*  In  dem  Sammelwerk  Dante  e  il  suo  secolo  63.  Das  Werk  ¡st  We- 
gelen unbekannt  geblieben ,  wie  so  manches ,  ohne  welches  man  eine  Bio- 
graphen Dantes  heute  nicht  mehr  schreiben  darf.  Aber  er  konnte  die  gleiche 
Ansicht  in  dem  Dante  -Jahrbuch  II  337  lesen.  Da  sagt  Reumont  im  Anschlufs 
an  Pas?»ciini:   „Bella,  wohl  die  erste  Gattin,  war  Dantes  Mutter". 


462  RECENSION  EN  UND  ANZKTGEN.    SCHEFFER-BOICHORST, 

main's  diet  i  Dnnfis  et   ni  im   arie  âictorum  yacobi  et  domini  Pieri  et  uxoris 
oli  m   diet  i  A/ii,(^/ticri.^     AVenn    <lcr  Urkiindenschreiber   mit   Bedacht   schrieb: 
Lape  mat  ris  dirti  Frafirisri,    wenn    er   nicht  unbedacht   ein  o/im  vor   matris 
iiusliefs,  dann  war  Donna  T^pa  noch   1332  am  Leben,  dann  hatte  also  Dante 
eine    Stiefmutter.      Dazu    kommt    als    Bestätigung    ein    Moment,    das   zuerst 
von  Passerini  geltend  gemacht  wurde:   in  drei  Urkunden   von  1297  bezüglich 
13CX)    werden    viermal    „Dante    uini    Franzesko"    genannt-,    und   da  es  dem 
IJrkundenslil  entspricht,  Brüder  nach  dem  Alter  zu  ordnen,   so  ist  Dante  der 
Ältere  gewesen,  <1.  h.  nach  den  obigen  Notizen  über  die  Verschiedenen  Mütter 
der  Beiden:    Dante   halte  eine  Stiefmutter.     Nun  nehme   man  die  Bemerkung 
Wegeies  S.  63  hin/u:   Gcivifs  ist,  da/s  Dante  seinen    later  ziemlich  früh 
durch    den    Tod    verloren    hat'-^\    und    man    gelangt    mit   Notwendigkeit   zd 
dem  Schlüsse,    dafs  die  Mutier  sehr  bald   gestorben  ist.     Wo  bleibt  da  die 
tiefgreifende,   nachhaltige,    sittliche   Einwirkung   der   Mutter?     Doch  gesetzt. 
meine  obige  Ausführung  habe  ihr  Ziel  nicht  erreicht,   —   es  wäre  die  l^cht 
Wegeies  gewesen,  seine  These  zu  beweisen  ;  er  aber  will  ein  Biograph  Dante<( 
sein,  und  macht  nicht  einmal  einen  Versuch,  die  nächsten  genealogischen  Ver- 
hältnisse  zu  bestimmen.     Dafs   ein  Dutzend  Italiener  ihm  vorgesprochen,  ist 
doch   für   den  Deutschen ,    der   so   gern    von   seiner   nochmaligen ,    reiflichen 
Erwä^unir  redet,  wahrhaftig  kein  Grund,  ihnen  einfach  nachzusprechen. 

Geld  und  Gut  spielt  nun  einmal  im  Leben  aller  Menschen  eine  hedea- 
tende  Rolle,  und  soweit  ich  unsere  anerkannten  Biographien  gelesen,  habe 
ich  danach  denn  auch  gefunden ,  dafs  die  Autoren  derselben  insgesamt  dem 
uncr(]uicklichcn ,  aber  wichtigen  Thema  die  gebührende  Sorgfalt  widroeteo. 
Nur  Wegcle  macht  eine  Ausnahme.  Nach  dem  Vorgange  mancher  der  ältefen 
Italiener,  die  ohne  Gründlichkeit  arbeiteten ,  die  nicht  wie  Wegele  tiack 
iviederholter.  sor^^fültiger  Prüfung  ihre  Gedanken  zu  Papier  brachten,  sajjt 
der  Verfasser  S.  61  nur  das  Eine:  Das  Jiesüzttwi  der  Alighieri  reihte  sie 
nicht  gerade  zu  den  reichen,  aber  doch  zu  den  entschieden  wohlhabenii* 
(rrschlechtern  der  Stadt.  Das  ist  Alles.  Kein  Wort  von  der  mehrfachen 
(Tcldvcrlegenheit,  in  der  wir  Dante  finden  !  Ich  rede  natürlich  nicht  von  f^^ 
Armut  während  des  Exils,  —  es  ist  ein  wohlzubeachtendes  Moment,  dafs»  er 
schon  vor  seiner  Verbannung  Geld  brauchte,  aber  nicht  hatte.  Wenn  ^ 
gleich  nach  i-rlangter  Volljährigkeit,  im  Jahre  1283,  als  Erbe  seines  Vaters 
air  scine  Ansprüche  auf  Güter  zu  Ontignano  einem  RustichelU  verkanft*f  ^ 


*  Genügende  Auszüge  konnte  Wegele  den  folgenden,  ihm  bekaBnW| 
Werken  entnehmen  :  (San  Luigi)  Delizie  tlegli  erud.  Toscan.  XII  255.  1^^* 
Memoire  per  servire  alla  vita  (li  Dante  Ed.  Il«  p.  35.  Fraticelli  Vita  di  Ds**i 
p.  43,  44.  Dann  ist  die  Urkun<le  in  grofserer  Ausführlichkeit  gednickl  b« 
Frullani  e  (ìargani  Della  casa  di  Dante  43 — 46,  d.h.  in  einem  WeACf  <^ 
Wegelc  nirlìt  gekannt  hat,  aber  kennen  mufste.  Endlich  gab  Imbriani  ô"*" 
vollständigen  und  verbesserten  Druck  im  Propugnatore  XIII«,  die  betreffe«^ 
Stellen  S.  186,   187. 

'^  Die  /.weite  ist  vollständig  gedruckt  bei  (Sxin  Luigi)  Delizie  XU  2)^ 
Fraticelli  1.  e.  41.  I^'ruUani  e  Gargani  1.  e.  38.  Von  der  ersten  and  letll** 
habeii  wir  Aus/,ü;^'e  bei   Frullani  e  ítargani  39. 

^  Die  Aligabe  siüt/.t  sich  auf  Leon.  Aret.  Vita  di  Dante  ed.  BianchiXI: 
11  padre  >un  ¡»erde  nella  sua  puerizia. 

*  Man  kennt  ilie  l'i künde  leider  nur  aus  der  Erwähnung  PasKCiBb  i* 
Dante   e   il   -.uo   secolo  6O. 


WEGËLF,  DANTE  ALIGHIERIS  LEBEN  UND  WERKE.  463 

mochte  ich  schon  diese  schnelle  Umsetzung  von  Besitz  in  Geld  eben  aui 
Mangel  an  Baarvermögen  deuten.  Zu  Ende  des  folgenden  Jahrzehnts  sind 
die  Geldverlegenheiten  offenbar  gestiegen.  Denn  am  23.  Dezember  1297  leiht 
er  und  mit  ihm  zugleich  sein  Bruder  bei  der  Firma  Jacobo  e  Pannocchia 
Corbizzi  die  nicht  unbedeutende  Summe  von  480  Goldflorenen.*  Aber  der 
Stiefbruder,  glaube  ich,  ist  nur  zur  besseren  Sicherung  der  Banquiers  mit  in  den 
Handel  hineingezogen,  denn  später  stehen  die  480  Florenen  allein  auf  Dantes 
Conto*,  und  dann  ist  es  nun  eben  Franzesko,  der  etwa  zwei  und  ein  halbes 
Jahr  später  in  kürzester  Aufeinanderfolge  dem  Bruder  zweimal  vorstreckt. 
Freilich  es  ist  auch  das  bewegte  Jahrißoo  gekommen;  Dante  steht  vor  seinem 
Eintritte  ins  Priorat,  und  da  leiht  ihm  der  Bruder  am  14.  März  einhundert- 
iunfundzwanzig  Goldflorenen  und  nochmals  am  i I.Juni,  drei  Tage  vor  dem 
Beginn  des  Priorates,  die  Summe  von  neunzig.^  Mag  es  nun  auch  den  Alla- 
ghieri,  wie  nach  der  Teilung  von  1332  feststeht,  nicht  an  Grundbesitz  geradezu 
gefehlt  haben,  —  an  baarem  Geld  hat  unser  Diinte  oft  einen  unangenehmen 
Mangel  empfunden.^  Und  davon  hat  Wegele,  obwohl  die  wichtigsten  der 
betreffenden  Urkunden  seil  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  wiederholt  ge- 
druckt sind,  aber  auch  nicht  eine  blasse  Ahnung!  Wenn  er  aus  Überlegung 
nicht  davon  geredet  hätte,  so  möchte  ich  doch  fragen,  welche  Vorstellungen 
er  von  der  Aufgabe  eines  Biographen  habe?  Doch  er  hat  die  Urkunden 
einfach  nicht  gelesen,  sonst  würden  uns  die  fest  gesicherten  Daten  „1297 
Dezember  23,  1300  März  14,  1300  Juni  II"  wenigstens  in  den  Regesten  be- 
gegnet sein.^ 

S.  164  behauptet  Wegele  von  Dantes  Frau,  sie  sei  etwa  1308  gestorben. 
Nachdem  er  noch  S.  147  erklärt  hat,  dafs  es  ihm  auf  möglichste  Sicherheit 
und  kritische  Feststellung  der  Thatsachen  ankomme,  wird  man  hier  wenigstens 
eine  Art  von  Beweisführung  erwarten  dürfen.  Sie  fehlt  in  der  That  nicht  : 
wir  hören  Nichts  mehr  von  seiner  Frau.  Aber  was  hat  Wegele  denn  etwa 
aus  den  Jahren  1302  — 1307  gehört?  Die  Angaben  Boccaccios  über  Dantes 
Verhältnis  zu  Donna  Gemma  verwirft  Wegele,  und  selbst  wenn  er  sie  bei- 
behalten wollte,  —  eine  Notiz,  wie  z.B.  die,  dafs  Dante  seine  Frau  nie 
wiedersehen  mochte,  —  kann  sich  doch  ebenso  gut  auf  die  Jahre  nach,  als 
vor  1308  beziehen.  Nun  ist  es  zu  allem  Überflufs  gar  nicht  richtig,  dafs  wir 
nach   1308   von  Dantes  Frau   keine  Nachricht   mehr   erhalten.     Im  Gegenteil; 


'  (San  Luigi)  Delizie  XII  256,    Fraticelli  1.  e.  41,   Frullani  e  Gargani  38. 

'  Nach  dem  Testamente  von  Dantes  Schwiegermutter  bei  Frullani  e 
Gargani  1.  c.  41.  Witte  Danteforschungen  II  66.  Scartazzini  Dante  Alighieri 
552.  Doch  sind  die  beiden  letzteren  Drucke  nach  Wegeies  neuer  Auflage 
erschienen. 

3  Die  Urkunden  selbst  liegen  uns  nicht  vor;  genaue  Auszüge  besitzen 
wir  aber  in  der  Teilungsurkunde  von  1332,  deren  Druckorte  ich  schon  S.  462 
Anm.  I   nachwies. 

*  Zwei  weitere  Anleihen  vom  ii.  A.\m\  1297  und  2.  März  1300 'habe 
ich  bei  Seite  gelassen;  die  kurzen  Auszüge  der  betreffenden  Urkunden,  in 
denen  neben  Dante  übrigens  auch  der  Bruder  wieder  erscheint,  können  von 
dem  Geschäfte  kein  deutliches  Bild  geben.     Frullani  e  Gargani  1.  c.  39. 

*  Ein  weiteres,  „zuverlässig  bezeugtes"  Datum,  d.h.  ein  Datum,  wie 
Wegele  es  nach  S.  619  Anm.  für  seine  Regesten  verlangt,  hätte  er  im  Ar- 
chivio storico  Ital.  ser.  Ill  torn.  IX'»  p.  8  fìnden  können.  Danach  ist  Dante 
den  28.  April   1301   ofticialis  et  superestans  in  einer  Bauangelegenheit. 


464         RECENSIONEN  UND  AKZEIGEN.     l\  SCHEFFER-BOICHORST, 

recht  Bestimmtes  erfahren  wir  erst  nach  1308.  Aus  dem  Testamente  ihrer 
Mutter,  das  schon  im  Jahre  1865  gedruckt  wurde*,  wissen  wir  nämlich,  dafs 
Gemma  noch  13 14  am  J-eben  war.  Ja,  in  jüngster  Zeit  ist  ein  Prozcfs,  den  die 
Wittwe  Dantes,  eben  Donna  Gemma,  noch  im  Jahre  1333  anstrengte,  an  das 
Tageslicht  gekommen.  Die  letztere  Publikation  kannte  Wegele  noch  nicht 
kennen  ;  und  dafs  ihm  die  erstere  entgangen  ist  -,  will  ich  ihm  nicht  gerade 
zu  härterem  Vorwurf  machen.  Aber  energischen  Tadel  verdient  es,  dais  er 
die  windigste  Behauptung,  obwohl  er  immer  von  dem  Ernste  seiner  Forschung 
redet,  als  Thatsache  hinstellt. 

Ganz  ähnlich  verhält  es  sich  mit  der  Zeit,  welche  Dante  nach  Wegele 
am  Hofe  Cangrandes  von  Verona  verbracht  haben  soll.  Vier  volle  Jahre  wäre 
der  Dichter  ein  Gast  des  Scaligers  gewesen,  von  1316 — 1320;  und  in  einem 
Briefe,  den  auch  Wegele  in  keine  andere  Zeit  zu  setzen  weifs,  als  in  die  dem 
Veroneser  Aufenthalte  folgende,  nennt  Dante  sich  doch  einen  Neuling  in  der 
Gunst  des  Scaligers,  versichert  er  ihn,  dafs  er  von  dem  Anfange  aus,  den  er  in 
seiner  Gunst  gemacht  habe,  zu  dem  ersehnten  Ziele,  zu  deren  ganzem  und 
vollem  Besitze ,  rüstig  weiter  streben  wolle.  Durchaus  willkürlich  ist  auch 
die  Behauptung,  dafs  Dante  in  Verona  seine  Söhne  bei  sich  gehabt,  dafs  der 
eine  derselben,  Pietro,  schon  damals  dort  dauernden  Wohnsitz  genommen  habe. 
Wegele  weifs  nicht,  das  derselbe  noch  im  Todesjahre  seines  Vaters  als  Be- 
sitzer einer  Pfründe  zu  Ravenna  erscheint,  dafs  er  dort  einen  Streit  mit  dem 
päpstlichen  Legaten  bestehen  mufste.  Freilich,  je  weiter  man  in  der  Bio- 
graphic vorschreitet,  desto  mangelhafter  wird  die  Forschung:  es  gilt  da  von 
Wegele,  was  von  seinen  italienischen  Vorgängern  gilt,  dafs  sie  nämlich  in 
den  späteren  Abschnitten  ihrer  Darstellung  ermatteten.  So  ist  es  Wegele 
z.  B.  nicht  in  den  Sinn  gekommen,  uns  mit  dem  Kreise  bekannt  zu  machen, 
dessen  Mittelpunkt  Dante  in  Ravenna  war,  also  mit  dem  Schutzherm  Guido 
von  Polenta,  dann  mit  seinen  Freunden  und  Schülern.  Es  ist  nicht  gerade 
ein  Beweis  für  die  Eigenartigkeit  von  Wegeies  Forschung,  dafs  er  in  der 
bezeichneten  Richtung  über  seine  italienischen  Vorgänger  aber  auch  keinen 
Schritt  hinauskam.  Da  konnte  ich  denn  in  meinen  Studien  „Aus  Dantes  Ver- 
bannung**, wo  man  auch  die  Belege  für  die  obigen  Angaben  findet,  mehr  als 
eine  blofse  Nachlese  halten. 

In  dem  angeführten  Buche  untersuchte  ich  auch,  wann  Dante  in  Paris 
studiert  habe.  Die  Frage  betrifft  einen  der  wenigen  Punkte,  denen  gegenüber 
Wegele  sich  nicht  mit  Behauptungen  begnügt,  sondern  wenigstens  einen  Anlauf 
/u  kritischer  Untersuchung  nimmt.^    Dafs  es  aber  ohne  jeden  Erfolg  geschah, 

*  S.  die  Nachweise  S.  463  Anm.  2. 

*  Dafs  Wegele  von  Allem,  was  seit  1865  über  Dante  erschienen  ist,  so 
ziemlich  Nichts  kennt,  hat  schon  Scartazzini  im  Litcraturbl.  f.  germ.  u.  rom. 
IMiilologie  1880  S.  73  gezeigt.  Ich  aber  will  Wegele  nicht  einmal  zum  Vor- 
wurfe machen ,  dafs  er  sich  auch  die  wichtigsten  der  neueren  Fublikationen 
enlgehen  liefs;  ich  übe  ihm  gegenüber  die  Nachsicht,  nur  zu  fragen:  „Wie 
hat  er  tue  ihm  bekannte  Litteralur  stutliert?" 

^  Leider  habe  ich  in  meinem  Buche  S.  24»^  behauptet,  Wegele  habe  so- 
wohl in  der  /weiten,  als  auch  in  der  ersten  Auflage  der  Reise  nach  IjOO 
gesetzt.  Das  wahre  Verhältnis  ist,  tlafs  er  in  der  dritten  wieder  zu  der  An- 
sicht (Irr  crstrn  zurückkehrt,  dafs  er  in  beiden  die  Reise  den  Jahren  der 
Verbannung  vorausgehen  läfst:  nur  in  der  /.weilen  setzt  er  die  Pariser  Stadien 


WEGELE,    DANTE  ALIGHIERIS  LEREN  UND  WERKE.'  465 

glaube  ich  a.  a.  O.  249—252  gezeigt  zu  haben.  Hier  möchte  ich  jetzt  nur 
eine  Seite  des  Problems  noch  einmal  berühren.  Der  Herr  P.  Meyer  hat 
neulich  in  der  Romania  XI  616  meiner  Widerlegung  gedacht,  und  zwar  in 
einer  Weise,  dafs  wohl  Jedermann  glauben  mufs,  ich  hätte  aus  Parad.  X  136 
bis  138,  wonach  der  berühmte  Siger  von  Brabant  in  der  Halmengasse  zu 
Paris  mifsliebige  Lehren  vorgetragen,  einen  Schlufs  auf  die  Reise  selbst  und 
deren  Zeit  gezogen.  Nichts  hat  mir  ferner  gelegen.  Ich  stütze  den  Pariser 
Aufenthalt  allein  auf  das  wiederholte  Zeugnis  des  Boccaccio.*  Gegen  Wegele 
aber  führe  ich  aus,  dafs  die  angezogene  Stelle  des  Paradieses  keineswegs  zu 
der  Annahme  zwingt,  Dante  müsse  zu  Sigers  Füfsen  gesessen  haben.  Wegeies 
weitere  Argumentation  war:  „da  Siger  dem  Dichter  im  Jahre  13CX)  auf  seiner 
Wanderung  durchs  Jenseits  begegnet,  da  er  mithin  vor  1300  gestorben  ist, 
so  mufs  auch  der  Pariser  Aufenthalt  Dantes  in  eine  frühere  Zeit  gesetzt  wer- 
den, als  in  die  der  Verbannung."  Mit  der  falschen  Schlufsfolgerung  aus  den 
angezogenen  Versen  des  Paradieses,  die  alsdann  ja  die  Voraussetzung  für 
Wegeies  Zeitbestimmung  wurde ,  fällt  natürlich  auch  die  letztere.  Jetzt  füge 
ich  hinzu ,  dafs  Dante  ganz  unmöglich  noch  ein  Schüler  Sigers  gewesen  sein 
kann.  Denn  wie  ich  erst  nachträglich  erfahren,  hat  Potvin  im  Bullet,  de 
Tacad,  roy.  de  Belgique  2rae  ser.  tome  XLV  330 — 348  gezeigt,  dafs  Siger  sich 
vor  1277  von  der  Universität  Paris  zurückgezogen  hat;  die  letzte  Nachricht 
über  ihn,  deren  Zeit  feststeht,  bezieht  sich  auf  1277:  da  wird  Siger,  nunmehr 
Stiftsherr  von  St.  Martin  zu  Lüttich ,  vom  Ketzerrichter  nach  Saint  Quentin 
geladen.  Was  man  von  einer  Pariser  Lehrthätigkeit  Sigers  aus  späteren 
Jahren   wissen   wollte,   betrifft  den  Siger   von  Courtrai,  den   man   verkehrter 


nach  1300.  Auch  will  ich  noch  bemerken,  dafs  die  Ausführungen,  aufweiche 
Wegele  S.  96  verweist,  welche  ich  aber  nach  S.  213  Anm.  I  vergebens  ge- 
sucht habe,  sich  S.  1 1 1  finden.  Die  Bedeutungslosigkeit  derselben  werde  ich 
ein  andermal  darthun. 

*  D.  h.  auf  die  beiden  Auflagen  der  Vita  di  Dante,  auf  den  Dante- 
commentar  und  das  Gedicht,  das  Boccaccio  1359  mit  einem  Codex  der  gött- 
lichen Komödie  an  Petrarca  schickte.  Zu  dem  letzteren  möchte  ich  hier  einen 
Nachtrag  einschallen.  S.  206  habe  ich  mit  allen  früheren  Herausgebern  und 
Benutzern  gelesen: 

novisti  forsan  et  ipse, 

Traxerit  ut  iuvenem  Phoebus  per     .     .     . 


Aonios  fontes.  Parnassi  culmen  et  antra 
Julia,  Pariseos  demum  extremosque  Britannos. 
Es  ist  offenbar  zu  lesen: 

Parnassi  culmen  et  antra, 

jfuliam  Pariseos  demum  extremosque  Britannos, 
Über  Parnassi  culmen  et  antra  brauche  ich  nicht  zu  reden;  für  die  Änderung 
von  jfulia  in  Juliam  und  für  Pariseos  als  zugehörenden  Genitiv  verweise  ich 
auf  den  Brief  Petrarcas  an  Zoilo  in  Opera  ed.  Basel  p.  1350^,  den  Boccaccio 
in  den  Geneal.  deor.  VII  29  benutzte  : 

quem  Julia  nostro 

Tempore  Parrisseos,  studiorum  tertia  nutrix, 
Suscipit. 
Das  Paris  damals  für   eine  Gründung   des  Cäsar   gehalten  wurde,   wissen  wir 
auch    aus  Petrarchac  De   vins   illust.    cd.    Razzolini  II  32.     Damit   sind   denn 
die  unverständlichen  antra  Julia  beseitigt,  und  Alles  ist  in  Ordnung. 

ZeitKohr.  f.  rom.  Phil.    VII.  30 


466         RBCENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     P.  SCHBFFER-BOICHORST, 

Weise  mit  Siger  von  Brabant  identifiziert  hat.  Da  nun  unser  Siger  nach  1177 
nicht  wieder  auf  den  Pariser  Katheder  zurückgekehrt  ist,  so  muíste  Dante 
nach  Wegeies  Deutung  der  in  Rede  stehenden  Verse  als  kleiner  Knabe  in 
Paris  studiert  haben. 

Doch  ich  verlasse  die  biographischen  Momente  von  privater  Natur,  um 
mich  denen  von  politischer  zuzuwenden.  Gerade  in  dieser  Beziehung  hat  die 
dritte  Auflage  ihre  wesentlichsten  Änderungen  erfahren.  Die  früheren  Dar- 
stellungen beruhten  noch,  wie  Wegele  in  der  Einleitung  bemerkt,  auf  der  Be- 
nutzung der  Chroniken  der  Malespini  und  des  Dino  Compagni.  Da  nun  die 
erstere  als  gefälscht,  die  letztere  als  unecht  erkannt  sei,  da  mithin  gerade  der 
politische  Teil  einer  gründlichen  Revision  bedurfl  hatte,  so  wäre  ihm  der 
Wunsch  des  Verlegers  nach  einer  neuen  Auflage  doppelt  willkommen  ge- 
wesen. Was  aber  das  Werk  Dinos  betrifft,  so  betont  er  geflissentlich,  dafs 
er  dasselbe  nur  (ur  verfälscht ^  nicht  für  gefälscht  halte,  und  man  sollte 
danach  glauben,  dafs  er  einen  Versuch  machen  würde,  den  Waizen  von  der 
Spreu  zu  sondern.  Weit  gefehlt;  Wegele  hat  den  Rotstift  zur  Hand  ge- 
nommen, um  alles  auf  Dino  Zurückgehende  auszustreichen.  Und  nicht  einmal 
da  hat  er  gerade  besondere  Sorgfalt  angewandt.  Z.  B.  S.  161  Anm.  2  der 
zweiten  Auflage  waren  für  ein  Unternehmen  der  Verbannten  als  Quellen  an- 
geführt:  Dino  und  Villani \  in  der  dritten  ist  nun  S.  179  Anm.  i  der  Verweis 
auf  Dino  gefallen  ;  aber  was  seiner  Darstellung  entlehnt  war,  was  eben  nnr 
in  ihr  sich  findet,  nicht  auch  beim  Villani,  ist  darum  aus  dem  Texte  keines- 
wegs ausgemerzt.  Wenn  Dino  III  10  z.  B.  schildert:  //  caído  era  grande,  sì 
che  parea  che  Varia  ardesse \  so  lesen- wir  bei  Wegele:  Die  Sonne  strahUe 
glühend  heifs,  die  Luft  schien  zu  brennen.  Einen  anderen  Fall  bietet  S.154: 
da  hören  wir  von  drei  Kollegen,  welche  mit  Danten  nach  Rom  geschickt 
wären.  Die  Charakteristik  derselben,  die  Wegele  in  der  zweiten  Auflage 
S.  f  34  nach  Dino  II  1 1  entworfen  hatte,  ist  nun  allerdings  beseitigt  ;  aber  die 
drei  Kollegen  selbst  sind  geblieben,  und  ihre  Existenz  ist  doch  eben  nnr  durch 
Dino  bezeugt.  S.  219  der  zweiten  Auflage  heifst  es  von  den  Florentinern: 
sie  hatten  überall  in  der  Lombardei  ihre  Agenten  t  die  mä  Intrigue  und 
Gold  die  Abneigung  gegen  die  Deutschen  steigerten,  den  Widerstand  gegen 
sie  möglich  machten  und  erhielten.  Die  zugehörende  Anmerkung  verwies 
auf  Dino;  das  Citat  ist  nun  in  der  dritten  Auflage  S.  237  gefallen,  nicht 
aber  der  angeführte  Satz.  S.  158  Anm.  2  der  zweiten  Auflage  begründete 
Wegele  seine  Behauptung,  dafs  im  Jahre  1 304  die  Verbannten  einen  Kardinal 
als  Vermittler  angerufen  hätten,  mit  einem  Hinweis  auf  Dino:  an  dessen 
Stelle  ist  nun  S.  177  Anm.  i  Villani  VIII  68  getreten,  obwohl  dersdbe 
nichts  derartiges  meldet.  Wo  Wegele  in  der  zweiten  Auflage  S.  153  Anm.  I 
und  2  wiederum  Dino  angeführt  hatte,  da  nennt  er  nun  S.  171  Anm.  3  und  4 
das  eine  Mal  Fraticelli  Vita  di  Dante  156,  das  andere  Troya  II  VeÜro 
alleg.  1 3,  der  Text  aber  ist  unverändert  geblieben  ;  gleichwohl  können 
die  beiden  modernen  Autoren  auch  nur  auf  Dino  stützen.* 


*  S.  141  der  zweiten  Auflage  hat  Wegele  mit  den  Worten:  »Vide 
den  bei  diesem  schlimmen  Handel   grofs,   die  vorher  unbekannt  wamf 
ziemlich  getreue  t)bersetzung  aus  Dino  II  23  gegeben.    Jetzt  sagt  er:  »»Vide 
wurden  reich,  die  vordem  arm  gewesen  waren,   und  arm,  die  reidi 


WEGELE,    DANTE  ALIGHIERIS  LEBEN  UND  WERKE.  467 

Und  wie  gründlich  hat  Wcgele  die  Dino-Frage  doch  studiert!  Was  er 
früher  durch  Dino  und  jetzt  durch  Troya  belegt,  dafs  nämlich  Scarpetta  degli 
Ordelaffì  päpstlicher  Vikar  von  Forlì  gewesen  sei,  ist  längst  durch  Wûstenfeld 
in  den  Gott.  Gel.  Anz.  1875  S.  1571,  1572  als  ein  böser  Anachronismus  dar- 
gethan  !  Ein  anderes  Beispiel  bieten  Wegeies  Anschauungen  über  die  Art  und 
Weise,  wie  man  damals  zum  Priorat  gelangte.  Dino  hat  darüber  ganz  Ver- 
kehrtes berichtet:  indem  ich  nun  Dino  in  meinen  Florentiner  Studien  S.  100 
widerlegte,  entwickelte  ich  zugleich  das  wahre  Verfahren.  Mit  Dino  kommt 
freilich  auch  Wegele  nicht  überein;  er  hat  sich  eine  apparte  Ansicht  ge- 
bildet, und  er  ist  —  in  einen  groben  Irrtum  verfallen.  Dafs  er  sich  aber 
mit  meinen  so  einfachen  Ausführungen  gar  nicht  auseinandersetzt,  beweist 
wohl  zur  Genüge,  wie  obernächlich  er  die  Dino-Frage  studiert  hat. 

Ich  gehe  auf  Wegeies  Anschauungen  ein,  doch  nicht  wegen  der  Chronik 
Dinos  oder  meiner  Florentiner  Studien;  auf  beide  komme  ich  nicht  wieder 
zurück  :  die  Sache  an  sich  ist  für  die  Geschichte  Dantes  von  der  höchsten 
Bedeutung. 

Am  15.  Juni  1300  wurde  Dante  Prior,  d.  h.  einer  von  den  sechs  Herren, 
die  bis  zum  15.  August  regieren  sollten.  Es  war  in  einem  Augenblicke,  da 
der  Staat  nach  Wegele  sozusagen  aus  Rand  und  Band  zu  gehen  drohte  ;  und 
also  wird  man  geneigt  sein,  aus  der  Würde,  die  Dante  gerade  jetzt  empfing, 
auf  ein  hohes  Ansehen  desselben  zu  schliefsen.  Dagegen  mahnt  nun  Wegele 
S.  141,  dem  Faktum  keine  gröfsere  Bedeutung  zuzuschreiben.  Man  solle  ja 
nicht  glauben,  dafs  dem  Dichter  mit  der  Berufung  in  die  Regierung,  wie 
wichtig  der  Moment  auch  gewesen  sei,  ein  ganz  besonderes  Vertrauensvotum 
erteilt  worden;  denn  sämtliche  Prioren  eines  Jahres  wurden  im  voraus  ge- 
wählt und  teilten  sich  hernach  dann  durch  das  Loos  in  die  sechs  sweimonat' 
liehen  Amtsperioden.  Statt  Dantes  hätte  also,  wenn  der  Zufall  des  Looses  es 
so  gefügt,  auch  jeder  Andere  aus  den  Sechsunddreifsig,  die  zu  Anfang  des 
Jahres  gewählt  worden  wären,  gerade  in  dieser  kritischen  Stunde  den  Sitz  in 
der  Regierung  erhalten  können.  So  Wegele;  ganz  anders  die  beglaubigte 
Geschichte.  Das  Äufserste  der  Demokratie,  die  Verlosung  der  Ämter,  ist  in 
Florenz  erst  nach  einem  Menschenalter  eingeführt  worden;  bir  dahin  wählte 
man  von  zwei  zu  zwei  Monaten  und  zwar  nach  einem  Modus,  der  jedes  mal 
erst  für  den  betreffenden  Fall  festgestellt  wurde.  Das  aber  ist  keine  Ent- 
deckung, die  erst  heute  gemacht  wurde,  es  ist  vielmehr  eine  Thatsache,  die 
von  jeher  feststand.  Wegele  hat  die  Verfassung  von  1293,  die  für  die  Gre- 
schichte  Dantes  von  so  eminenter  Wichtigkeit  ist,  wohl  nur  rascher  Hand 
durchblättert,  anders  würde  er  dort,  Archivio  storico  Ital.  Nuova  serie  1 43 
und  44,  folgende  Bestimmung  gelesen  haben  :  unam  diem  ante  exitum  priorum, 
qui  pro  tempore  fuer  int,  —  {capitaneus)  in  praesentia  ipsorum  dcminorum 
priorum  coram  ipsis  capitudinibus  et  sapientibus  proponat  et  consilium  petat, 
quo  modo  et  qua  forma  electio  futurorum  priorum  artium,  qui  sint  — pro 
duobus  mensibus  tunc  futuris,  fieri  et  celebrari  debeat,  —  IIU  igitur 
sex,   qui  secundum  modum  et  formam,   ut  predicitur,  proviäendam  tunc  eli» 


waren".  Das  heifst,  aus  der  einen  Antithese,  die  Wegele  nicht  mehr  durch 
Dino  verbürgt  glaubte,  frischweg  zwei  machen.  Wie  soll  doch  ein  gewissen- 
hafter Historiker  solches  Verfahren  nennen? 

30» 


468         RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     P.  SCHEFFER-BOICHORST, 

gentur»  sint  et  esse  deheatit  —  priores —  />er  duos  wen  sc  s  fune  futuros. 
—  Sicque  quolibet  anuo,  sin¿j^u¡is  du  ob  us  menstbus,  predicto  tempore 
super  electione  priorum  f adeuda,  proponendo  semper  quo  modo  et  forma  in 
ipsa  electione  procedendum  sit,  de  cetera  observetur.  Dementsprechend  haben 
wir  nun  eine  fortlaufende  Reihe  von  Dokumenten,  in  welchen  an  betreffenden 
Tagen  der  sechs  Monate,  die  für  den  Amtswechsel  bestimmt  sind,  der  Eine 
diesen,  der  Andere  jenen  Modus  der  vorzunehmenden  Neuwahl  empfiehlt.  So 
stimmt  am  14.  April  1301  kein  Gerinj^erer  als  Dante  selbst  einem  Vorschlafe 
zu,  den  ein  Ser  Bind(ì  (ìuicciardi  für  die  Wahl  der  am  15.  April  eintretenden 
und  am  14.  Juni  wieder  ausscheidenden  Prioren  der  Versammlung  gemacht 
hat.  Ks  ist  ein  unendlich  einfaches  und  klares  Verhältnis.  Wenn  Wegele  es 
nicht  gekannt  hat,  so  wird  man  ihm  den  Vorwurf  nicht  ersparen  können,  dafs 
er  die  hoch  wichtige  Verfassungsurkunde  keines  gründlichen  Studiams  ge- 
würdigt hat.  Es  leuchtet  aber  auch  ein,  dafs  er  die  Bedeutung  von  Dantes 
IViorat,  indem  er  dasselbe  auf  das  Ix>os,  nicht  auf  eine,  eben  für  den  Kall 
getroiïcne  Wahl  zurückführt,  gegen  alle  Gebühr  herabdrückt. 

Wie  oberflächlich  der  Biograph  Dantes  seine  Quellen  benutzt  hat,  — 
davon  kann  man  sich  gerade  im  Zusammenhang  mit  dem  Wahlmodus  noch 
an  einer  anderen  Stelle  überzeugen. 

Dante  ist  Prior.     Die  Parteien  liegen  im  grimmigsten  Hader,  namentlich 
um    das  Priorat.     Da    kommt    der   Kardinal   Acquasparta,    der   den   Frieden 
wiederherstellen   soll:   am    27.  Juni  erhält   er   die  Vollmacht,   eine  neue  Ver- 
fassung auszuarbeiten.     Acquasparta  entspricht  dem  Auftrage;  aber  nacn  We- 
gelc  S.  142  wird  sein  Bemühen  vereitelt,   weil  die  Partei  Dantes  befürchtete, 
dafs  durch  die  Annahme  der  von  ihm  vorgeschlagenen  Verfassungsänderung 
heute  oder  morgen  die   (¡egner  in  den  Besitz  der  Macht  gelangen  könnten. 
Die   Ablehnung  erfolgte,    wie   Wegcle   vermutet,    unter  l>esonderem   Zuikun 
Dantes.     Da   fragt   denn  Jeder,   wefs'  Inhaltes   die  Vorschläge   des  Kardinals 
gewesen  seien.    Wenn  etwas  in  eine  Biographie  Dantes  hineingehort,  so  ist  es 
die  Antwort  auf  diese  Erage.    Wegele  spricht  in  einem  Rätsel  ;  die  Auflösung 
giebt  uns  Villani  VITI  40.     Danach  hat  der  Kardinal  nämlich  den  Vorschlag 
gemacht,  dafs  das  Loos  entscheiden  soll,  freilich  in  einer  anderen  Weise»  als 
es    nach  Wegcle    schon    seil  1293   üblich   gewesen  wäre,   nämlich   nur  noch 
demokratischer  :  die  Namen  aller  Brauchbaren  sollen  in  einen  Beutel  geworfen 
und  dann  von  zwei  zu  zwei  Monaten  sechs  Namen  herausgenommen  werden; 
wahrscheinlich   sollen   erst   nach   Ablauf  von   3Ys  Jahren   die  Beutel   wieder 
neu    gefüllt  werden.*      Wenn    nun  Dante    sich   gegen   einen  solchen  Modus 
sträubt,    bewegt   ihn   dann   die  blofse  Furcht,    dafs  die  Gegner  das  Heft  in 
Händen  bekommen  werden?    Mit  Recht   hat  Wegele  den  Dichter  als  bedeu- 
lentlcn  Staatsmann,  als  aristokratischen  Geist  gefeiert,  —  zwei  Momente,  welche 
für  die  Ablehnung   »Icr  Vorschläge   eine  viel   tiefere  Erklärung  nnd  bessere 
Rechtfertigung  geben,    als  »lie  Eurcht,  dafs  die  Gegner  einmal  zur  Herrschaft 
gelangen  ktmntcn.     Die   kommunistischen  IMäne  des  Kardinals   mnfsten   aber 
<1cm  staatsmännischcn ,   aristokratischen  Dante   umso  bedenklicher   erscheinen, 
als  man  in  Florenz  bis  dahin  an  keinerlei  Verhisung  gewöhnt  war,  auch  nicht 
an  die  mildere  Form  derselben,   <Uc  nach  Wegele  schon  seit  1293  bestanden 

*  Das  würde  Villanis  rome  In  z'entura  i^enisse  besagen. 


WEGELE,  DANTE  ALIGHIERIS  LEHEN  UND  WERKE.  469 

haben  soll.  Und  so  tritt  Dantes  Verhalten  in  eine  ganz  andere  Beleuchtung: 
seine  Motive  kann  nur  verkennen,  wer  in  der  Verlosung  der  Ämter  eine  auch 
schon  früher  übliche  Einrichtung  erblickt  und  wer  dann  besonders  die  An- 
gaben Villanis  VIII  40  nicht  scharf  hervorhebt. 

Gleichwohl  soll  Dante,  wie  Wegele  sich  ausdrückt,  in  einem  entmutigten 
Augenblick  ein  Gefühl  von  Reue  über  die  Abweisung  empfunden  haben. 
Denn  in  einem  Briefe,  von  welchem  Leonardo  Bruni  uns  einen  Auszug  über- 
liefert, habe  er  gemeint  :  AW  mein  Leiden  und  aW  mein  Ungemach  nahm  An- 
fang und  Ursache  von  der  verhängnisvollen  Geschäftsführung  meines 
Priorats.  Verhängnisvolle  Geschäftsführung-  übersetzt  Wegele  und  giebt 
eben  damit  eine  Begründung  seiner  Ansicht  ;  bei  Leonardo  lesen  wir  dagegen  : 
Tutti  li  mali  e  tutti  gr  inconvenienti  miei  dalli  infausti  comizi  del  mio 
priorato  ebbero  cagione  e  principio.  AVo  aber  bedeutet  comizii  :  Geschäfts- 
führung? Wie  viele  Lexika  man  auch  nachschlagen  mag,  man  findet  überall 
nur  für  comizio  und  comizii  dieselbe  Deutung,  wie  für  das  lateinische  co- 
mitium  und  comitia,  comizio  =  comitium  =  Versammlungsort,  und  comizj  =x 
comitia  =  Versammlung. 

Ich  glaube  nun  nicht,  dafs  Wegele  seiner  ganz  falschen  Übersetzung  noch 
das  Wort  reden  wird;  vielleicht  ist  er  jetzt  der  Ansicht,  die  infausti  comizi 
bedeuteten  jene  Versammlung,  auf  welcher  die  Vorschläge  des  Kardinals  ab- 
gelehnt wurden.  Aber  erstens  pafst  dann  der  Zusatz  del  mio  priorato  nicht; 
denn  da  Acquasparta  erst  im  Juni  nach  Florenz  kam,  da  er  gleich  nach  dem 
Mifslingen  seiner  Vermittlungsversuche  die  Stadt  verliefs,  er  laut  dem  glaub- 
würdigen Zeugnis  Paolino  Picris  aber  „mehrere  Monate"  dort  geweilt  hatte, 
so  kann  seine  Zurückweisung  schwerlich  schon  vor  dem  15.  August  erfolgt 
sein ,  d.  h.  vor  dem  Tage ,  an  welchem  Dante  aus  dem  Priorate  ausschied. 
Zweitens  ist  nicht  recht  abzusehen,  wie  von  einer  Versammlung,  die  sich  mit 
der  Auslosung  der  Ämter  nicht  befreunden  mochte,  Dantes  ganzes  Unglück 
seinen  Anfang  nehmen  konnte.  Von  dieser  Stunde  soll  zwar  nach  Wegele 
der  Tiafs  datieren,  mit  welchem  Dante  von  seinen  Gegnern  verfolgt  wurde. 
Aber  dafür  fehlt  jeder  Beleg,  und  ich  meinesteils  verstehe  nicht  recht,  wie  die 
Partei  der  Schwarzen,  die  doch  nicht  weniger  nach  Alleinherrschaft  trachtete, 
wegen  der  Ablehnung  eines  Modus,  der  bald  ihnen  und  bald  den  Weifscn 
das  Übergewicht  geben  konnte,  sich  gerade  besonders  erhitzen  sollte.* 

Was  für  eine  Versammlung  gemeint  sei,  lehren  die  lateinischen  Ana- 
logien :  comitia  consolaria,  praetoria,  quaestoria  etc.  Priore  selbst  ist  ein  als 
Substantiv  gebrauchtes  Adjekt,  und  comizj  priori  wäre  eine  ganz  unzulässige, 
auch  unverständliche  Verbindung  gewesen;  daher  trat  der  Genetiv  des  Amtes 
an    die   Stelle    des   sonst    üblichen   Adjektivs:    wir   erhalten    also   „die   Ver- 


*  Man  hat  in  die  Zeit,  während  welcher  Dante  Prior  war,  die  Ver- 
sammlung von  Santa  Trinità  gesetzt,  d.  h.  jene  Versammlung,  auf  welcher  die 
Schwarzen  beschlossen,  den  Karl  von  Valois  zu  berufen.  Aber  abgesehen 
davon,  dafs  schwerlich  schon  im  Sommer  1300  an  den  französischen  Prinzen, 
als  Refienten  von  Florenz,  gedacht  werden  konnte,  war  die  Versammlung  von 
Santa  Trinità  eine  Parieiversammlung,  die  danach  in  dem  Rahmen  der  Ver- 
fassung keinen  Platz  hat;  sie  war  eine  ragunta,  nicht  aber  comizi,  und  hat 
zu  Dantes  Priorat,  sofern  sie  weder  von  der  Regierung  berufen  war,  noch  zu 
deren  Wahl  führte,  nicht  den  geringsten  Bezug. 


470         RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     P.  SCHEFFRR-BOICHORST, 

Sammlung,  welche  zur  Wahl  Dantes  führte".*  Dafs  dieselbe  eine  stürmische 
war  und  die  gröfstc  Unzufriedenheit  bei  den  Gegnern  erregte,  hat  Dante  in 
der  hinzugefügten  Rechtfertigung  angedeutet:  von  Seiten  meiner  Jahre  und 
Treue  war  ich  des  Amtes  nicht  unwürdig,  wenn  ich  auch  in  Hinsicht  der 
Klugheit  desselben  nicht  würdig  war.  D.  h.  aus  staatsmännischen  Erwägungen 
mochte  man  gegen  mich  sein,  während  ich  die  von  der  Verfassung  vor> 
geschriebenen  Bedingungen  erfüllte. 

Indem  ich  comizj  del  priorato  meo  auf  die  zur  Wahl  führende  Ver- 
sammlung beziehe,  schliefsc  ich  mich  aber  einfach  älteren  Forschem  an. 
Vielleicht  allzu  kurz  hat  noch  im  Jiihre  1869  Scartazzini  übersetzt:  „meine 
unselige  Wahl  zum  Priorat"'-';  und  wenn  ich  auch  nicht  fmde,  dafs  man  die 
Deutung  durch  die  Heranziehung  des  lateinischen  Sprachgebrauches  aus- 
drücklich gerechtfertigt  hätte,  —  bcwufst  oder  unbewufst,  hat  man  sich  von 
diesem  leiten  lassen.  Weshalb  Wegclc  im  Gegensatze  zu  seinen  Vorgängern 
von  einer  „unseligen  Geschäftsführung"  redet,  hätte  er  doch  wenigstens  mit 
einem  Worte  erklären  sollen.  Wenn  man  etwas  besser  zu  wissen  glaubt,  als 
Frühere,  soll  man  es  sagen:  das  ist  nicht  unbescheiden,  sondern  schützt  den 
Leser  vor  Verlegenheiten.  Aber  wahrscheinlich  hat  Wegclc  sich  auf  den  Irr- 
weg begeben,  ohne  gleichsam  auf  die  Warnungstafel,  die  ihm  in  der  richtigen 
Deutung  Anderer  vor  Augen  gestellt  war,  irgendwie  Acht  zu  haben. 

So  gewinnt  Dantes  Wahl,  wenn  man  noch  hinzunimmt,  dafs  Wegclc 
vom  Wahlverfahrcn  ein  ganz  falsches  Bild  entworfen  hat,  eine  durchaus  andere 
Bedeutung,  als  aus  der  Darstellung  in  „Alighieris  I^ben  und  Werke"  auch 
nur  zu  ahnen  ist.  Dafs  ein  wichtiges  Ereignis,  welches  zur  Zeit  des  Priorats 
wenigstens  sich  vorbereitete,  durch  Wegele  gleichfalls  nicht  die  richtige  Wür- 
digung erfahren  hat,  wurde  schon  gezeigt:  es  erübrigt  jetzt  noch  der  Beweis, 
dafs  Wegele  eine  andere  Begebenheit  nicht  blofs  verdunkelte,  sondern  unge- 
höriger Weise  aus  dem  Priorato  Dantes  strich. 

Es  handelt  sich  um  die  Verbannung  von  Parteiführern.  Nach  Wegele 
S.  T47  Anm.  2  erfolgte  dieselbe,  als  „Dante  nicht  mehr  im  Amte,  und  so 
wird  leider  die  Biographic  des  Dichters  um  einen  charakteristischen  Zng 
ärmer.  Uns  kommt  es  aber  auf  möglichste  Sicherheit  und  kritische  Fest- 
stellung der  Thatsachen  an."  Man  höre!  Leonardo  Bruni  erzählt,  dafs  die 
Verbannung  von  Weifscn,  wie  Schwarzen,  diede  grave^ta  assai  a  Dante, 
Aber  der  Angeschuldigte:  si  scusi  come  uomo  senza  parte.  Nun  werden  die 
Weifsen  zuriickberufcn,  und  auch  deswegen  werden  Dante  Vorwurfe  gemacht. 
A  questo  risponde  Dante,  che  quando  quelli  —  furono  rivocati,  esso  era  fuòri 
deW  uficio  del  priorato.  Wer  die  offenbar  einem  Briefe  Dantes  entnommenen 
Worte   ernstlich  prüft ,    kann   wohl   nur  folgern  :    Ein  Gegner  hat  Dante  bc- 


*  Zu  comizi  del  priorato  meo  vergleiche  man  etwa  Cicero  Ad  Attic  I  IO,  6 
de  meis  comitiis\    I  4,  I   Quinti  f rat  ris  comitia. 

'  Das  ist  zugleich  einer  der  wenigen,  die  Geschichte  betreffenden  Punkte* 
in  denen  Scartazzini  von  AVegele  abweicht:  gleich  auf  der  folgenden  Seite 
stellt  er  das  Wahlverfahrcn  ganz  nach  Wegele  dar.  Dazu  stimmt,  dafs  er 
im  Lileralurbl.  f.  germ.  u.  roni.  Philol.  1880  S.  74  von  den  weügesekicktUcheu 
Abschnitten  sagt,  sie  seien  ganz  ausgezeichnet  und  ständen  durchaus  auf  der 
Hi^he  der  Zeit.  So  aber  behauptet  er  mit  Rücksicht  noch  anf  die  3.  Auf- 
lage, die  er  nach  allen  anderen  Richtungen  scharf  verurteilt. 


WEGELË,   DANTE  ALIGH1£K1S  LEBEN  UND  WERKE.  47 1 

schuldigt,  mit  seinen  Kollegen,  den  anderen  Pnoren,  die  Führer  der  Schwar- 
zen verbannt  zu  haben  ;  und  ebenso  wird  er  wegen  Zurückberufung  der  Weifsen 
zur  Rede  gestellt.  Darauf  antwortet  Dante:  „dak  ich  an  der  Verbannung 
der  Schwarzen  beteiligt  war,  hat  seine  Richtigkeit,  aber  ich  handelte  als 
uomo  senza  parte:  ich  stimmte  auch  für  die  Austreibung  der  Weifsen.  An 
der  Zurückberufung  der  Letzteren  habe  ich  dagegen  keinen  Teil,  denn  zur 
Zeit,  als  sie  erfolgte,  war  ich  nicht  mehr  Prior.'*  Also  war  Dante  doch  einer 
jener  Prioren,  welche  die  Verbannung  beschlossen. 

Fast  zum  Überflufs  haben  wir  nun  jüngst  noch  ein  präzises  Datum  er- 
halten. In  der  kleinen,  aber  wertvollen  Chronik  von  Florenz,  die  O.  Hartwig 
zum  80.  Geburtstage  K.  Wittes  herausgab,  lesen  wir  Folgendes:  E  del  mese 
di  giungio  si  fecie  chatuna  parte  grande  rannata  ;  e  V  chomune  veggiendo 
ciò  si  si  fornirò  di  gente  e  mandoe  a*  chonßni  V  una  parte  e  V altra  per  lo 
meglio  di  Firenze.     E  andorone  il  dì  di  San   Giovanni  detto  mese. 

Nun  ist  das  Verhältnis  so:  am  15.  Juni  ist  Dante  ins  Priorat  eingetreten; 
seine  und  seiner  Kollegen  Wahl  mufs  eine  sehr  stürmische  gewesen  sein  ;  die 
Aufregung  dauert  auch  nach  derselben  fort;  da  verbannen  die  Prioren  am 
25.  Juni  die  Rädelsführer  beider  Parteien ,  und  am  27.  erhält  der  Kardinal 
Acquasparta  den  Auftrag,  Vorschläge  zur  Befriedigung  der  Stadt  auszuarbeiten. 
Mehrere  Monate  vergehen  darüber,  und  die  Auslosung  der  Amter,  die  er  dann 
empfiehlt,  findet  keinen  genügenden  Beifall.  Wenngleich  nicht  mehr  Prior, 
wird  Dante  aus  staatsmännischer  Überlegung  und  aristokratischer  Überzeugung 
dagegen  angekämpft  haben.  Aber  nicht  daher  „nahm  air  sein  Leiden  und 
all'  sein  Ungemach  Anfang  und  Ursache",  sondern  aus  der  Versammlung,  in 
welcher  er  zum  Prior  gewählt  wurde. 

Das  Priorat  Dantes  erhält,  wenn  ich  so  sagen  darf,  ein  ganz  anderes 
Aussehen,  als  Wegele  ihm  gegeben.  Beginnend  mit  der  Art  und  Weise,  wie 
Dante  zum  Priorat  gelangte,  begeht  Wegele  Fehler  auf  Fehler:  er  hat  die 
Bedeutung  und  das  Ineinandergreifen  der  Dinge  verkannt.  Das  aber  geschah, 
weil  er  die  Quellen  nicht  gründlich  studierte. 

Ich  wende  mich  zu  Einzelheiten  aus  der  bewegten  Zeit  1300 — 1302. 
S.  1 45  lesen  wir  :  Die  nächsten  Monate  nach  Dantes  Amtsführung  verliefen 
ohne  auf  serordentliche  Vorkommnisse,  Und  doch  setzt  Wegele  einige  Zeilen 
weiter  eben  in  diese  Zeit,  in  den  Herbst,  die  Versammlung  von  Santa  Trinità, 
auf  welcher  die  Berufung  des  Karl  von  Valois  beschlossen  wurde,  und  die 
Verbannung  der  Parteiführer!  —  S.  152:  Sie  hatten  jene  Schritte  gethan, 
um  von  Interdikt  und  Bann,  die  der  Kardinal,  als  er  erzürnt  Florenz  ver» 
lief  s,  über  die  Stadt  ausgesprochen  hatte,  befreit  zu  werden.  Von  einem  ein- 
zigen Schritte,  den  die  Florentiner  zu  dem  bezeichneten  Zwecke  thaten,  habe 
ich  in  meinen  Florent.  Stud.  1 32  Anm.  I  auf  Grund  einer  Bologneser  Urkunde 
berichtet.  Nicht  einmal  dieses  einen  Schrittes  hat  Wegele  auch  nur  mit  einem 
Worte  gedacht,  und  nun  verweist  er  den  armen  Leser  auf  „jene  Schritte"  !  — 
S.  154  Anm.  I  spricht  er  über  einen  Ratsbeschlufs  vom  26.  März  1302  und 
eine  zugefügte  Randglosse.  Der  Beschlufs  sagt,  dafs  dem  Karl  von  Valois  Hilfe 
gegen  Sicilien  gebracht  werden  solle  ;  nach  der  Glosse  hätte  Dante  wider- 
sprochen, und  wie  in  dem  ihm  gemachten  Prozesse  zu  lesen  sei,  wäre  er  eben 
deshalb  verbannt  worden.  Wegele  führt  nun  aus,  dafs  Dante  am  26.  März  1302 
nicht  mehr  in  Florenz  war;    er  ändert  1302  in   1301.     Die  Berücksichtigung 


472  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     P.  SCHRFFER-HOICHOKSI, 

der  That  sache,  tin/ s  die  Florentiner  das  Jahr  tnit  dem  25.  März  beci^iniien, 
vennutet  er,  dürfte  vieileicht  den  scheinbaren  Widerspruch  am  Einfachsten 
lösen.  Man  soll  also  das  alte  Jahr  der  Florentiner  um  ¿wei  Tai^e  weiter- 
gezahlt haben.  Dann  würde  aber  der  26.  März  1302  der  Florentiner  Zeit* 
rechnunp;  nicht  den  26.  März  1301  der  unsrigen  bedeuten,  sondern  den 
26.  März  1303!  Umsomehr  bleibt  F  302,  als  dazu  auch  die  15.  Indiktinn  stimmi. 
Wegele  majj  einmal  bis  zur  vierten  Auflaj^e  über  eine  andere  Lösung  nach- 
sinnen. —  S.  155  trifft  Dante,  als  Gesandter  seiner  Vatersiandt,  vor  Anfangs 
Oktober  1301  nicht  in  Rom  ein.  S.  160  ereilt  den  noch  in  Rom  :,urück- 
¿gehaltenen  Dante  die  Kunde  seiner  am  27.  Januar  1302  ausgesprochenen 
Verbannung,  und  nach  S.  163  hat  derselbe  Dante  bei  der  ersten  Kunde,  Karl 
von  Valois  sei  am  i.  November  1301  in  Florenz  aufgenommen  worden,  die 
ewige  Stadt  verlassen.  Der  Widerspruch  zwischen  S.  160  und  S.  163  ist  zu 
krafs,  als  dafs  er  einer  Erläuterung  bedürfte.     Auf  S.  155,    auf  den  Oktober 

1301,  als  auf  den  frühesten  'i'ermin  für  Dantes  Ankunft  in  Rom,  h.ibe  ich 
al)er  deshalb  verwiesen,  weil  I^onardo  Bruni  erzählt:  —  la  cacciata  seguitò 
di  tutta  la  parte  bianca.  -  Dante  in  questo  tempo  —  era  a  Roma,  mandato 
poco  avanti  ambasciadore  al  papa.     Die  Massen  Verbannung   erfolgte    April 

1302,  imd  danach  hat  wenigstens  Bruni  noch  eine  andere  Meinung  ül>er  die 
Zeit  der  Gesandtschaft,  als  Wegele.  Weit  entfernt,  sich  mit  ihm  auseinan«U'r 
zu  setzen,  führt  Wegele  für  die  Mission  sein  Zeugnis  überhaupt  nicht  an: 
S.  154  bedauert  er,  dafs  aufser  Boccacci»»  die  übrigen  Zeit ¡^e nassen i^!)  über 
diese  Gesandtschaft  auffilli^^er  ITeise  überhaupt  schioei^^en.  —  S.  159  hcifst 
es:  Alle  Weif  sen  ivurden  vor  Karl  von  Vtilois  geladen  und  diejenigen,  die 
erschienen,  aus  der  Stadt  an  die  Grenze  der  Landschaft  venciesen;  die  iich 
nicht  stellten ,  und  das  war  die  Mehrzahl ,  als  Rebellen  und  Verräter  7-er' 
urteilt  und  ihre  (riiter  einq-ezo^en,  sie  selbst,  wenn  man  ihrer  habhaft  ivurde, 
verhaftet  und  nur  ¿^e^^t-n  hohcA  Lose¿'^eld  wieder  freii^'^Cj^eben.  Das  sei  alicr 
dem  I'apsie  zuviel  geworden,  und  so  habe  er  am  2.  Dezember  1301,  um  Karl 
von  Valois  zu  überwachen ,  einen  Kardinal  nach  Floren«  geschickt.  Man 
sollte  danach  meinen,  die  ganze  l'artei  der  Weifsen  sei  schon  vor  Dezember 
1301  aus  der  Heimat  vertrieben  oder  ins  Gefängnis  gcspcnt  worden.  Und  so 
liest  man  denn  S.  if)2  zu  nicht  geringem  Erstaunen,  dafs  die  Schwarzen  erst 
lu  Anfang  1302  den  Valois  gegen  die  Weifsen  gehetzt  hätten,  und  nnn  Ter- 
Heften  Alle,  die  vermi'ire  ihrer  Stellunji/-  zu  fürchten  hatten,  die  Staat,  Daf» 
die  Weifsen  im  April  1302  in>  Exil  wanderten,  ist  eine  bckanute  Sache;  — 
um  den  stimlerbarcn  Widersjiruch  von  S.  159  zu  S.  162  zu  erklären,  wird 
man  nach  der  Ouclle  für  die  frühere  Verbannung  und  Bestrafung  suchen.  Da 
hndei  man  denn:  l'Ulani  I.e.  --  /Veri  Paolino.  —  Perrens  i,  c,  pàssim.  Oie 
beiilen  zuerst  Genannten  geben  keine  Auskunft,  W(ihl  aber  T'crrens  Hist,  de 
Florence  III  57;  und  deslíen  Er/ählung  hat  Wegele  nun  einfach  übersetzt,  nur 
macht  er  au>  Perrcn^'  tou.<  les  chefò  Ji'ancs  kurzer  Hand  alle  Weifsen  and 
giebi  Prix  d\ir^etf!  durch  hohe<  LWej^eld  wit-der.  Die  Hauptsache  sind  di£ 
Häupter  der  ¡l'eif-en,  und  ¿a  nur  sie  im  November  1301  verbannt  oder 
eini^O'.perri  sein  sollen,  ^o  bleibt  ja  für  die  Ausweisung  von  1302  noch 
immer  eine  L:enü^cnde  Ma-^'^e  übri^:.  Die  Ouelle  i«.t  also  ebenso  verstind- 
licii,  wenn  ich  s<>  >;,ij^en  tiarf,  wie  die  Ableitung  unklar  und  verwirrt.  Doch 
worauf  stützt  sich  Wegelos  Gewährsmann?    Der  Franzose  nennt  III 57  Aiim.6: 


WEGELE,    DANTE  ALIGHIERIS  LEBEN  UND  WERKE.  473 

Istorie  Pistoiesi  in  Rer.  Ital.  Scr.  XI  y]^.  —  Pi¿^notti  Storia  di  Toscana  I II 20^^ 
d.h.  eine  Chronik,  die  erst  mit  1348  endet,  und  eine  moderne  Bearbeitung. 
Was  Pignotti  angeht,  so  verallgemeinert  er  Angaben  Dino  Compagnis 
II  25  ;  seine  Schilderung  übernahm  Perrens*,  von  welchem  dann  Wegele 
wenigstens  einen  Teil  entlehnte.  Die  hier  vornehmlich  in  Betracht  kommenden 
Nachrichten  gehen  auf  die  Istorie  Pistoiesi  zurück.  Und  nun  ist  es  merk- 
würdig: in  der  Pistojeser  Quelle  lesen  wir,  dafs  schon  im  November  1301 
die  Häupter  der  Weifsen  vor  den  Richterstuhl  geladen,  dafs  die  Erschienenen 
verbannt,  die  Ausgebliebenen  als  Rebellen  und  Verräter  behandelt  worden 
seien.  Die  Florentiner  dagegen  setzen  dieses  Verfahren  in  den  April  1302. 
Dafs  beide  Angaben  sich  ausschlicfsen ,  liegt  auf  der  Hand,  und  jeder  an- 
gehende Seminarist  weifs  auch,  wofür  er  sich  zu  entscheiden  hat.  Und  doch 
—  mufs  ich  gleich  hinzufügen,  —  Hegt  in  der  Erzählung  des  Pistojesen  ein 
Körnchen  Wahrheit.  Nur  ist  es  nicht  Karl  von  Valois,  der  schon  im  No- 
vember 1301  Austreibungen  vorgenommen  hat,  nur  geschehen  diese  selbst 
nicht  in  einem,  wenn  auch  gewalthätigen,  so  doch  den  Schein  des  Rechtes  wah- 
renden Prozefsverfahren  :  vielmehr  hat  Corso  Donati,  der  Catilina  von  Florenz, 
der  unter  dem  Schutz  Karls  am  5.  November  in  Florenz  einbrach,  der  dann 
mit  seinem  Gesellen  raubte  und  brannte,  auch  viele  Bürger  zur  Stadt  hinaus- 
getrieben.* 

Ich  komme  zu  den  Jahren  der  Verbannung  ;  und  da  wüfste  ich  bis  zum 
Römerzuge  Heinrichs  VII.  Nichts,  was  für  die  Geschichte  Dantes  wichtiger 
wäre,  als  eine  Antwort  auf  die  Frage  :  Wann  hat  Dante  sich  von  den  Ge- 
sinnungs-  und  Schicksals -Genossen  losgesagt,  wann  ist  er  Partei  für  sich 
selbst  geworden?  Nach  Wegele  S.  187  wäre  die  Trennung  im  Juni  1307  noch 
nicht  erfolgt,  denn  damals  hätte  Dante  an  einer  Versammlung  seiner  Partei 
in  der  Abteikirche  San  Godenzo  im  Mugello  teilgenommen  :  im  Interesse  der 
Forlsetzung  des  Krieges  gegen  Florenz  hätte  man  eben  einen  Vertrag  mit 
den  Ubaldini  abgeschlossen.  Nun  ist  leider  das  Jahresdatum  der  betreffenden 
Urkunde  ganz  verschwunden.  Schon  im  Jahre  1748  hat  es  der  erste  Heraus- 
geber nicht  mehr  entziffern  können  ;  dann  aber  kam  ein  Druck  in  den  Delizie 
degli  erud.  Toscan.  X  102,  der  das  Jahr  1307  trug,  und  ihm  folgte  Pelli 
Mem.  p.  servire  alla  vita  di  Dante  ed.  II*  117.  Zu  diesem  Jahre,  behauptet 
nun  Fraticelli  Vita  di  Dante  196,  sci  man  aus  keinem  anderen  Grund  gelangt, 
als  weil  Jemand  im  vorigen  Jahrhundert  an  den  Rand  der  Protokolle ,  von 
denen  unsere  Urkunde  ein  Bestandteil  ist,  dal  1307  al  1308  gesetzt  habe. 
Wegele  geht  darüber  hinweg;  er  erklärt  sich  einfach  fur  1307  und  zwar  in 
einer  Weise,  dafs  man  glauben  könnte,  es  seien  für  dieses  Jahr  doch  schwer- 
wiegende Gründe  geltend   gemacht.     Sich  auf  eine  Untersuchung  einzulassen, 

*  Das  Beisjnel  zeigt  zugleich,  wie  obertlächlich  der  Franzose  zu  Werke 
gegangen  ist.  Ich  billige  ganz  das  Urteil  in  der  Hist.  Ztschr.  XXXIX  556 
l)is  562,  und  kann  es  nicht  gerade  für  ein  Zeichen  von  besonderer  Kenntnis 
otler  Einsicht  gelten  lassen,  dafs  Wegele  sich  „bei  dem  Geschäfte  der  Reini- 
gung"   der  Führung    von   Perrens   anvertraut  hat.     Vgl.  die  Vorrede  S.  VIII. 

-^  —  cacciorno  molti  cittadini.  Anon.  Fiorent.  ed.  Fanfani  II  326.  Dazu 
stimmt  Dino  Comp.  II  23  :  cacciarono  molti  cittadini.  Ich  bemerke  noch,  dafs 
diese  früher  von  mir  übersehene  Kongruenz  meinen  Ausführungen  S.  78  dieses 
Bandes  eine  neue  Stütze  verleiht. 


474         RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     P.  SCHEFFEK-BOICHORST, 

erscheint  ihm  ^an¿  übcrílüssi^  ;  und  doch  -  -  wenn  Wegele  sich  nur  die  kleine 
Mühe  gegeben  hätte,  Villani  Vili  86  einzusehen,  wenn  er  damit  den  von  ihm 
selbst  skizzierten  Inhalt  der  Urkunde  verglichen  hätte,  so  wurde  er  schnell 
die  Unhaltbarkcit  von  1307  erkannt  haben.  S.  187  Anm.  2  hat  Wegele  den 
Vertrag  in  folgender  Weise  zusammen gefafst:  Die  Uhaldini  räumten  nämlich 
ihre  Venite  Montaccianico  behufs  der  Krieg sfiihrung  gegen  Florenz  ein  und 
lief  sen  sich  eventuelle  Schadloshaltung  zusichern.^  Das  wäre  also  am  8.  Juni 
1307  gewesen.  Dagegen  erzählt  Villani  a.  a.  O.,  im  August  1306  hätten  die 
Florentiner  Montaccianico  so  zerstört,  che  non  vi  rimase  casa  né  pietra  sopra 
pietra;  dann  ergreifen  sie  Mafsrcgeln,  acciochè  Montaccianico  mai  non  si  po^ 
tesse  riporre.  Gleichwohl  wäre  Montaccianico,  wie  Wegele  behauptet,  noch 
im  Jahre  1 307  ein  geeigneter  Stützpunkt  für  eine  neue  Bekriegung  der  Floren- 
tiner gewesen.  Noch  in  einer  anderen  Beweisführung  ergiebt  sich  die  Un- 
möglichkeit des  Jahres  1 307.  Die  Verbannten  schliefsen  nämlich  den  Vertrag 
mit  Ugolino  di  Feliccione  degli  Ubaldini,  und  schon  in  einer  Urkunde  vom 
17.  Oktober  1306  begegnet  uns  ein  Gcrio,  Sohn  weiland  des  Ugolino  di  Fe- 
liccione degli  Ubaldini.  Delizie  1.  e.  X149.  Danach  ist  der  Juni  1307  ganz 
unhaltbar;  Wegele  hat  es  an  dem  nötigsten  Studium  der  Chroniken  und  Ur- 
kunden fehlen  lassen;  —  wenn  seine  italienischen  Vorgänger  es  nicht  besser 
gemacht  haben,  so  mag  ein  Kompilator  darin  seine  Entschuldigung  finden, 
nicht  ein  Forscher.  Doch  in  welches  Jahr  gehört  die  Urkunde?  Im  Mai  1306, 
im  März  1303,  im  Juni  1302,  in  all*  diesen  Monaten  begann  Florenz  einen 
Krieg  gegen  die  vom  Mugello  aus  drohenden  Feinde;  und  da  San  Godenzo 
eben  im  Mugello  liegt,  so  könnte  Dante  mit  den  Seinigen  im  Juni  eines  jeden 
dieser  Jahre  dort  gewesen  sein.  Doch  um  nicht  lange  die  gegen  1304  und 
1306  sprechenden  Gründe  zu  erörtern,  so  will  ich  nur  diese  beiden  Thai- 
sachcn  hervorheben  :  am  8.  Juni  des  betreiTenden  Jahres  ist  Dante  im  Gefolge 
der  Cerchi,  der  Ubertini  von  Val  d'Arno,  eines  Pazzi,  der  Ubertini  von  Ga- 
ville eben  in  San  Godcnzo,  und  am  21.  Juli  1302  verurteilt  der  Podestà  von 
Florenz  gewisse  Herreu  von  Sammaria,  weil  sie  rompono  1  confini  e  si  tro^ 
vono  a  Godenzo  co"  i  Cerchi,  libertini  e  Pazzi  di  Valdarno,  Ubertini  di  Ga» 
ville.  Soviel  wufsten  wir  längst  aus  Delizie  X  102  ;  und  nun  haben  wir  jflng»t 
von  Del  Lungo  noch  einen  reicheren  Auszug  des  Urteilspniches  erhalten; 
danach  sind  die  Verurteilten  mit  den  anderen  Genannten  gerade  auch  im  Juni 
1302  in  San  Godenzo  zusammengekommen.  Das  letztere  Datum,  den  be- 
stimmten Monat,  konnte  Wegele  noch  nicht  kennen,  -  -  die  übrigen  Momente 
genügen,  um  sein  Werk  als  leichte  Waare  zu  kennzeichnen. 

Die  weitere  Untersuchung,  wann  Dante  nun  für  sich  selbst  Partei  ge- 
worden sei ,  überlasse  ich  einer  etwa  noch  erscheinenden  Auflage  des  We- 
gelcschcn  Buches;  genug,  dafs  Wegele  seine  These:  Fortan,  d.h.  nach  dem 
Juni  1307,  trennte  er  sich  von  den  Genossen,  nicht  bewiesen  hat,  anch  gar 
nicht   beweisen  konnte,  weil   sie   eben  ganz  verkehrt  ist.    Und  wie  ihm  die 

*  Wenn  ich  auch  gegen  die  Fassung  des  Kegests  nichts  einwenden  will, 
so  soll  damit  keineswegs  gesagt  sein,  dafs  Wegele  nun  doch  wenigstens  diese 
Urkunde  recht  gründlich  stucliert  habe.  Im  Gegenteil;  S.  187  Anm.  l  be- 
hauptet er,  Dante  erscheine  mit  dem  Cerchi  und  vielen  Anderen  als  Zeuge- 
Unter  den  Zeugen  erscheint  er  nun  eben  nicht  ;  er  geht  vielmehr  mit  den 
('erchi  u.  ».  w.  in  Bürgschaft. 


WEGELE,   DANTE  ALIGHIERIS  LEBEN  UND  WERKE.  475 

Fixierung  des  entscheidenden  Wendepunktes  mifslungen  ist,  so  in  dem  ganzen, 
bis  zum  Römerzuge  reichenden  Abschnitt  noch  gar  Manches.  „Mifslungen" 
ist  ein  sehr  mildes  Wort  ;  Wegele  selbst  trägt  die  Schuld ,  für  welche  ich 
überdies  nirgends  einen  Milderungsgrund  sehe.  Z.  B.  S.  170  erzählt  er,  Dante 
sei  mit  seinen  Parteigenossen  etwa  gegen  Ende  1302  nach  Forlì  gekommen; 
Scarpetta  degli  Ordclafñ  habe  den  Oberbefehl  übernommen  ;  da  es  ihm  aber  an 
Truppen  gefehlt,  so  habe  er  den  Bartholomeo  della  Scala,  den  Herrn  von  Verona, 
um  Hilfe  gebeten;  er  schickte  eine  Gesandtschaft  an  denselben;  und  an  ihre 
Spitze  stellte  er  Dante,  d^n  er  schon  vorher,  wird  berichtet»  zu  seinem  Geheim^ 
Schreiber  erkoren  hatte.  Diese  Gesandtschaft»  fügt  Wegele  hinzu,  ist  ein  wich" 
tiger  Moment  in  Dantes  Leben,  und  danach  darf  man  denn  erwarten,  dafs  Wegele 
Nichts  versäumte,  dem  Leser  zu  eigener  Prüfung,  wenn  es  deren  bedürfe, 
das  kritisch  gesichtete  Material  an  die  Hand  zu  geben.  Nun  fìnden  wir  S.  172 
Anm.  2  als  Quelle  genannt:  Leon.  Bruni  l.  c.  p.  56.  Ich  weifs  leider  nicht 
in  welcher  Ausgabe  Wegele  Leonardos  Dantebiographie  benutzt  hat,  —  in 
den  von  mir  eingesehenen  Drucken  fìndet  sich  nichts  Derartiges.  Um  zu- 
nächst von  Dante  als  Geheimschreiber  zu  handeln,  so  berichtet  der  Forlivese 
Biondo  um  die  Mitte  des  15.  Jahrhunderts,  dafs  Dante  im  Jahie  1310  von 
Forlì  aus  einen  Brief  an  Cangrande  gerichtet  habe:  Biondo  will  das  Schrei- 
ben noch  in  einer  Kopie  des  Peregrino  Calvi  gesehen  haben.*  Zum  Jahre 
1303  sagt  derselbe  Geschichtsschreiber,  es  gäbe  zu  Forlì  mehrere  Briefe  des 
Peregrino  Calvi,  Scarpettde  epistolarum  magistri;  und  darin  sei  Dantes,  a 
quo  dictabantur,  öfter  Erwähnung  geschehen.*  Diese  Notizen  sind  nun  die 
Veranlassung  geworden ,  Danten  zu  Scarpettas  Geheimschreiber  zu  machen. 
Zuerst  that  es  in  der  zweiten  Hälfte  des  1 7.  Jahrhunderts  P.  Bonoli  Storia 
di  Forlì  1 66 1  p.  123,  124.  Das  hätte  Wegele  dem  Leser  entwickeln  müssen; 
ihm  die  Autorität  Leonardos  vorzuführen,  anstatt  eines  zweifelhaften  Schlusses, 
der  von  einem  Autor  viel  späterer  Zeit  herrührt,  ist  eitel  Blendwerk. 
Was  dann  die  Hauptsache  angeht,  die  Gesandtschaft  und  die  sich  an- 
schliefsenden  kriegerischen  Unternehmungen  des  Jahres  1303,  so  bemerkt 
Biondo,  dafs  (Carolo  Valesio  ad  Bonifacium  reverso)  multa  sunt  secuta, 
quae  Dantis  Aldegerii  poetae  Florentini  verbis  dictata  certioris  notitiae  sunt, 
quam  a  Villano  Ptolmeoque  Luccensi  referri  videamus.  Ich  sehe  nicht,  wo- 
durch man  das  „Dictât"  als  unecht  verdächtigen  könnte,  denn  dafs  Dante 
hier  an  Cangrande  della  Scala  geschickt  wird ,  anstatt  an  Bartholomeo ,  den 
damals  regierenden  Herrn  von  Verona,  ist  ein  leicht  zu  erklärendes  Versehen  : 
wie  schon  erwähnt,  sah  Biondo  auch  die  Abschrift  eines  Briefes,  den  Dante 
im  Jahre  13 10  an  Cangrande  richtete,  und  damals  war  dieser  ja  Herr  von 
Verona  ;  die  Annahme  aber,  der  Name  könne  aus  dem  späteren  Schreiben  in 
das  frühere  „Dictât"  übertragen  sein,  ist  nicht  zu  gewagt.^  Jedenfalls  haben 
wir  hier  die  einzige  Notiz  von  Dantes  Sendung  nach  Verona.     An  sie  glaubt 


<  Fl.  Blondi   Hisoriar.  ab   inclin.  Romanor.  lib.  XXXI  ed.  Basel  1531, 

P.  342. 

'^  1.  c.  338.  Beide  Schriftstücke  sind  z.  B.  von  Troya  und  Fraticelli  an- 
gclührt,  d.  h.  von  Autoren,  deren  Werke  Wegele  benutzte. 

^  Et  Canisgrandis  Scali  fer,  Veronae  tunc  primum  dominio  potitus. 
Auch  Letzteres  müfste  ein  willkürlicher  Zusatz  Blondos  sein,  denn  es  würde 
ebenso  wenig  auf  den  seit  1301  regierenden  Bartholomeo  passen. 


476         RPXENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     1'.  SCHEKFEK-HOICHORST, 

Wejîçle.  \Vcshi\ll)  nicht  auch  an  das  Andere,  was  auf  das  „Dictât"  /.urück- 
ßcht?  Danach  hat  z.B.  der  Scaliger  die  Hilfe  genehmigt*,  danach  nimmt 
auch  der  hier  hoch  }^'efeierte  Uguccione  della  Faggiuola  an  dem  nun  l>eginncn- 
den,  zweiten  Feldzuge  ins  Mugello  Teil.  Wenn  aber  über  all*  diese  Dinge 
das  „Dictât"  Dantes  sich  verbreitete,  dann  wird  er  wohl  den  Krieg  selbst 
mitgemacht  haben.  Wegele  behauptet  einfach,  Dante  sei  bis  1304  in  Verona 
geblieben  :  wie  es  nach  seiner  Darstellung  scheint ,  gilt  für  den  ganz  un- 
gewöhnlichen Mcnsclien  Dante  eben  nicht  die  gewöhnliche  Regel,  dafs  man 
zu  der  Partei,  als  deren  Bote  man  gegangen,  sofort  nach  Erledigung  der 
Mission  zurückkehrt ,  um  an  den  weiteren  Unternehmungen  der  Freunde 
teilzunehmen. 

Wenngleich  unter  der  Firma  des  Leonardo  Bruni,  so  hat  Wegele  die 
eine  der  beiden  Notizen ,  die  wir  Biondo  verdanken ,  doch  wenigstens  zum 
Teile  benutzt;  die  andere  hat  vor  seinen  Augen  gar  keine  Gnade  gefunden. 
Danach  hätte  Heinrich  VH.  —  aus  Villani  ergänze  ich:  am  3.  Juli  1310  —  in 
Florenz  verkünden  lassen  :  a)  er  würde  mit  einer  unzähligen  Streitmacht  kom- 
men, b)  er  verlange  Aufnahme  in  Florenz,  c)  die  Florentiner  sollten  von  der 
Befeindung  ihrer  Nachbaren  ablassen,  namentlich  der  Aretiner.  Dann  Iieifst 
es  wörtlich  :  Dantes  Aldt'¿''erius,  Forolivii  tunc  a/i'cns,  in  epistola  ad  Canem- 
i^randcm  Scalii^crum^  Veronensem,  partis  albae  extorrum  (fautoretn),  et  suo 
nomine  data  ^  quam  Pere^^rittus  Cahus  scripta  m  reliquit,  taita  äicit  de  re- 
sponsione supradictae  expositionis»  per  quae  temcritatis  et  petuhintiae  ac  cae* 
citatis  sedentes  ad  clavum  notât,  adeo  ut  Benventus  Imoiensis,  quem  Pere- 
¿^rini  scripta  legisse  crediderim .  Dantem  asserat  hinc  coepisse  I*iorcHtinos 
epithet  o  caecos  appella  ri.^  Jedenfalls  ist  es  Thatsache,  dafs  Dante  die  tlurcn- 
rentiner  blind  genannt  hat.^  Wenn  ich  auch  sonst  keine  Bestätigung  für  den 
Brief  erbringen  kann,  -  ich  wüfste  auch  nicht,  was  man  gegen  die  Echtheit 
einwenden  könnte.  Sollte  aber  Wegele  Gründe  gehabt  haben,  die.sc  Korrc- 
s)Hindenz  von  seiner  Darstellung  auszuschliefsen ,  so  hätte  er  in  den  Anmer- 
kungen sich  erklären  müssen.  Es  ist  wohl  nicht  zu  gewagt,  sein  Schvreigen 
auf  Unkenntnis  der  obigen  Überlieferung  zurückzuführen.* 

Der  Zeit  des  Könierzuges  würde  der  Brief  an  (Sangrando  vorausgegangen 
sein  ;  ihr  ^cl)>^t  gehört  ein  Sihreiben  an ,  von  welchem  uns  Leonardo  Bruni 
Kunde  gicbi,  leider  wieder  nicht  Wegele.'*  lieinrich  VIL  war  gegen  Florenz 
jusgc/ogcn.  Wozu  Dante  in  seinem  bekannten  Briefe  gedrängt  hatte,  das  ¥rar 
nun  endlich  ins  Werk  gesetzt  worden.  Aber  Dante  non  vi  voi/e  essere,  se- 
condo lui  scrive ,  contuttoché  confortatore  fusse  stato  di  sua  venuta.     Über 

'  .  .  aux  ilium  equitum  peditumque  concessit.  Dennoch  behauptet  We- 
gele :  Wir  icissen  zicar  von  dem  Erfol¡^e  der  Ixi^ation  nichts  Sicheres,  Wenn 
wir  alu-r  ül)erhaupl  von  der  Legation  etwas  Sicheres  wissen,  dann  auch  von 
dem  iMfolgr.  Aus  einem  ik'vichte  dieses  entnehmen  und  jenes  ohne  Beweis- 
liilirung  in  Al)rcde  stellen,  ist  keinem  Historiker  gestattet. 

-^  Den  Beleg  tlafür  habe  ich  in  Hcnvenutos  C!!ommentar  umsonst  gesucht. 

-'  Vecchia  ftinia  nel  mondo  li  chiama  orbi.  Inf.  XV  67,  —  c^cci  estis. 
Fp.  VI  ap.  (ìiidiani  Opere  lai.  di  Dante  li  20. 

■'  S'ì  /war  d.if«N  Wegele  ihm  vorliegende  Werke  in  ungenügendster  Weise 
bcnu!/l«.'.     V;,'!.  S.  J75;   Anni.  2. 

•'•  Dafür  plauileri  Wegele  denn  gerade  in  diesem  Paragraphen  über  alle 
íno¿;liclieii   Dinj^e,  die  nur  eben  zu  Dante  keinen  Bezug  haben. 


WEGELE,    DANTE  AMGHIERIS  LEBEN  UND  WERKE.  477 

die  Bedeutung  dieser  seiner  Äufserung  brauche  ich  nicht  zu  reden.  Ich  be- 
tone hier  nur,  dafs  Leonardo  gar  manchen  Brief  Dantes  noch  sah,  der  uns 
heute  verloren  ist.  S.  143  hat  Wegele  den  Auszug  eines  solchen,  wie  wir  ihn 
eben  dem  Aretiner  verdanken,  denn  auch  ohne  Argwohn  verwertet.  Weshalb 
nimmt  er  nun  von  dessen  Mitteilung  aber  auch  nicht  die  geringste  Notiz? 
Wie  ich  glaube  aus  dem  einfachen  Grunde,  weil  er*s  hier  gerade  so  machte, 
wie  meistens  :  er  hat  in  viele  der  einschlagenden  Quellen  einen  Blick  geworfen, 
aber  nicht  eine  jede  studiert. 

Einer  weiteren  Nachprüfung  wird  es  nicht  bedürfen.  Ich  wende  mich 
zur  Darstellung,  Gliederung  und  Sprache. 

Wie  der  Forschung  Eindringlichkeit ,  fehlt  der  Darstellung  Anschau- 
lichkeit. Nicht  einmal  ein  abgerundetes  Bild  von  dem  Dichter  selbst  wird 
uns  vorgeführt;  die  einzelnen  Züge  seines  Charakters  und  Wesens  sind  durch 
das  Buch  verzettelt.  Auch  von  dem  Staate  der  Florentiner,  in  dem  Dante 
doch  lebte,  dessen  Gestaltung  sein  ganzes  Leben  bestimmte,  enthält  man  kaum 
eine  oberflächliche  Skizze.  Die  Menschen,  die  mit  unserem  Dichter  ver- 
kehrten ,  sind  nur  Schemen ,  während  doch  das  Material  genügt ,  ihnen  Aus- 
druck und  Wärme  zu  verleihen.^ 

Die  Gliederung  ist  meist  chronologisch.  Nur  selten  ist  die  jahrbuch- 
artige Erzählung  unterbrochen.  Zuweilen  geschieht  es  in  recht  wunderlicher 
Weise.  So  etwa  S.  193.  Da  benutzt  Wegele  „die  Zeit,  die  zwischen  der 
Anmeldung  und  der  Ankunft  des  Königs  liegt",  um  Dantes  Convivio  „näher 
zu  betrachten".  So  auch  S.  95.  Die  Staatsumwälzung  von  1293  ^^^  ^^  sehr 
dürftiger  Darstellung  gekommen.  Unmittelbar  darauf  folgt  eine  Untersuchung, 
in  welcher  Wegele  wahrscheinlich  machen  will,  dafs  Dante  zwischen  1284 
und   1288  in  Paris  studiert  habe. 

An  Blüthen  der  Sprache,  die  nicht  lieblich  duften,  ist  kein  Mangel.  Ich 
beschränke  mich  auf  einige,  allerdings  ungewöhnlich  arge  Proben.  S.  58 
werden  Schranken  entwurzelt.  S.  loi  heifst  es  von  Corso  Donati:  Also 
auch  in  diesem  Falle  ^  fl o/s  sein  Verdienst  aus  dem  Bronnen  seiner  gewalt" 
fhätigen,  unbändigen  Natur.  S.  118  quellen  Gedichte  ^  die  in  den  Bronnen 
der  Mystik  getaucht  sind,  aus  dem  Born  des  Gemüthes  heraus,  S.  174: 
Er  nahm  ein  schlimmes  Ende  und  alle  seine  grofsen  Entwürfe  unverwirh- 
licht  ins  Grab.  S.  200:  wenn  wir  auch  selbst  zugeben,  dafs  Dante  eine 
Zeit  gehabt  habe,  in  welcher  er  sich  der  grübelnden  Spekulation  hingegeben. 


*  Wo  Wegele  einmal  einen  Anlauf  nimmt,  uns  in  Zeit  und  Zustände  zu 
versetzen,  geschieht  es  mit  wenig  Glück.  Geradezu  komisch  erscheinen  die 
Ausführungen  S.  88,  89,  wenn  man  die  benutzte  Quelle  damit  vergleicht.  Der 
Klerus  zog  den  Siegern  in  feierlicher  Prozession  entgegen  ;  das  jubelnde  Volk 
mit  wellenden  Fahnen  und  den  Abzeichen  der  Zünfte;  der  Feldhauptfnann 
und  der  Podestà  der  Stadt  wurden  unter  Baldachinen  von  den  reichsten 
Stoffen  Ton  Bittern  ¿'■¿fragen.  So  lebte  man  damals.  Die  Emphase  bezieht 
sich  natürlich  nicht  auf  den  festlichen  Empfang,  denn  in  ihm  ist  nichts  Be- 
zeichnendes, sondern  auf  das  ja  allerdings  sonderbare  Schauspiel,  dafs  Feld- 
hauptmann und  Podestà,  zwei  schwer  gepanzerte  Männer,  von  Rittern  ge- 
tragen sein  sollen.  Schlägt  man  Villani  VIII  132  nach,  so  ñndet  man  natür- 
lich, dafs  die  Baldachine  gelragen  wurden,  nicht  aber  Feldhauptmann  und 
Podestà. 

'^  Ein  anderer  Fall  ist  übrigens  nicht  vorgeführt  worden. 


47 8         RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     P.  SCHEFFER-BOICHORST, 

so  können  wir  an/^'t'sic/ifs  Jes  ge  ¡^ebenen  Falles  u.  s.,  w.  S.  227:  ein  Kar» 
dinailegat,  der  ihm  zur  Seite  stehen,  seine  Schritte  aber  auch  unzweifelhaft 
kontrollieren  sollte,  wurde  ihm  zur  Seite  gegeben.  Dafs  Wegele  S.  230  die 
Wendung:  Einer  einzigen  Spur  bin  ich  begegnet  mit  dem  Zusätze  entschuldigt: 
wenn  ich  mich  dieses  Ausdruckes  bedienen  darf  ist  zum  mindesten  zimperlich. 
Um  so  rückhalisloser  spricht  er  S.  303,  wo  es  ihm  zweifelhaft  bleibt,  ob 
Dante  sich  von  Verona  unmittelbar  nach  Ravenna  begeben  habe  :  wir  müssen 
offen  gestehen,  das  verbindende  Vorderglied  fehlt.  Wie  mir  scheint, 
fehlte  da  der  klare  Gedanke.  S.  142  meint  er,  Dante  habe  bewirkt,  dafs 
die  Vermittclungsvorschläge  des  Kardinals  Acquasparta  abgelehnt  worden 
seien;  eben  daher  rühre  der  Ilafs  seiner  Feinde  gegen  ihn;  und  wenn  auch 
seine  weitere,  noch-  deutlicher  nachweisbare  Haltung  zu  jenen  Gefühlen  seiner 
Gegner  ganz  und  gar  stimmt,  so  liegt  doch  von  Dantes  Seite  selbst  eine  be^ 
stimmte  Aufserung  vor,  wonach  er  in  der  That  die  Pläne  des  Kardinals  durch- 
kreuzte. Das  ist  geradeso,  als  wenn  ich  sagen  wollte  :  Obwohl  noch  Niemand 
an  Wegele  Schärfe  gerühmt  hat ,  so  läfst  doch  sein  Stil  zuweilen  Schärfe 
vermissen.  Doch  wie  kann  ich  diese  in  der  Satzfugung  verlangen,  da  sie  ja 
sogar  der  Forschung  fehlt?* 

Ich  komme  zum  Schlüsse. 

Man  hat  den  Hauptwert  des  Buches  in  der  historischen  Forschung  und 
deren  Ergebnissen  gefunden  ;  eben  ihretwegen  ist  es  als  Meisterleistung  gefeiert 
worden.  Da  aber  war  man  in  einem  argen  Irrtum  befangen.  Die  historische 
Kritik  ist  vielmehr  der  schwächste  Teil  des  Werkes.  Wegele  hat  in  der  Über 
lieferung  geblättert,  zu  einem  erschöpfenden  Studium  ist  er  nicht  gekommen.  Ob 
er  auch  S.  iio,  126,  253  von  seiner  wiederholten,  reiflichen  Überlegung  redet, 
ob  er  auch  S.  161  seine  gewissenhafte  Erforschung  des  Einzelnen  rühmt,  ob 
er  auch  S.  147  möglichste  Sicherheit  und  kritische  Feststellung  der  Thatsacbcn 
als  sein  Ideal  bezeichnet,  —  es  sind  nur  klingende  Worte,  die  mit  der  ein- 
fachen Wirklichkeit  in  schroffem  Widerspruche  stehen.  Gerade  an  Ernst 
hat  es  seiner  Forschung  überall  gefehlt,  und  die  zahlreichen  Irrtümer  und 
Lücken  sind  zumeist  der  ungenügenden  Lektüre  oder  der  Flüchtigkeit  in  der 
Verwertung  des  wirklich  Gelesenen  zuzuschreiben. 

Wie  aber  konnte  ein  Werk,  welches  in  der  Forschung  oberflächlich,  in 
der  Form  nachlässig  ist,  zu  dem  Rufe  eines  Meisterwerkes  gelangen? 

(^iquc  und  Frcundschafl  mögen  ja  das  Ihrige  dazu  beigetragen  haben; 
aber  bei  genauer  Überlegung  fìnde  ich  doch,  dafs  Wegele  einem  anderen  Mo- 
mente viel  mehr  verdankt. 

Von  beachtenswerter  Seite*  ist  neulich  beklagt  worden,  dafs  heute  die 
Recensionsarbeit  fast  ganz  durch  eine  unkundige,  sich  aber  sehr  groTs  dfinkendc 
Jugend  besorgt  würde,  dafs  jeder  ältere  Mann  von  Bedeutung,  wenige  rühm- 
liche Ausnahmen  abgerechnet,  sich  derselben  entzöge.  Die  Klage  ist  in  der 
That  wohlbcgründct  ;  nur  fmde  ich  nicht,  dafs  der  positive  Schaden  grofs  ici: 

*  Zu  air  den  übrigen  Nachlässigkeiten  pafst  die  Legion  von  Druck- 
fehlern. Unter  zehn  (Zitaten  werden  vier  nicht  zutreffen;  die  Anführongen 
aus  lateinischen  und  italienischen  Werken  sind  bis  zur  Unverständlichkeit  ent- 
stellt, und  selbst  der  deutsche  Text  bietet  manche  Veranlassung  für  Konjck* 
tnralkritik. 

■-'  V.  Treitschke  in  den  Preuss.  Jahrbüchern  1882  L  6o6. 


WEGELE,    ALIGHIERIS  LEBEN  UND  \\'ERKE.  479 

alle  Kundigen  legen  die  Kritik  solcher  Knaben  bei  Seite,  ohne  die  Ansicht 
gewonnen  zu  haben,  dafs  im  Gebiete  ihrer  Wissenschaft  auch  nur  irgend  eine 
Änderung  eingetreten  sei;  und  so  verhallt  das  unverdiente  Lob  und  der  un- 
verdiente Tadel.  Gefahrlich  aber  ist,  wenn  ein  Mann,  der  in  seinem  Fache 
eine  hervorragende  Stellung  behauptet,  die  Arbeit  eines  Anderen  über-  oder 
unterschätzt;  sein  verkehrtes  Urteil  wird  von  Hunderten  und  aber  Hunderten 
angenommen,  und  zwar  wird  es  um  so  mafsgebender  sein,  je  geringer  die 
Zahl  Derer,  die  sich  selbständig  mit  den  betreffenden  Fragen  befafst  haben, 
je  höher  das  Ansehen  des  Kritikers,  der  vielleicht  gar  unter  den  wenigen 
Mitstrebenden  der  anerkannte  Führer  ist. 

Das  unbedingte  Lob,  welches  Wegele  geemtet  hat,  verdankt  er  offen- 
bar der  Kritik,  welche  K.  Witte,  der  Altmeister  der  Danteforschung,  in  den 
Blättern  fur  literarische  Unterhaltung  1853  veröffentlichte. 

Witte  und  Wegele  hatten  einen  gemeinsamen  Gegner,  E.  Ruth  ;  ich  kann 
nicht  beurteilen,  wieweit  der  alte  Erfahrungssatz,  dafs  zwei  Menschen,  die 
sonst  vielleicht  an  einander  vorbeigegangen,  in  der  Abneigung  gegen  einen 
dritten  sich  befreunden,  auch  dieses  Mal  wirksam  war;  nur  glaube  ich  be- 
haupten zu  dürfen:  wenn  das  bezeichnete  Verhältnis  auf  das  Mafs  der  An- 
erkennung einen  Einflufs  geübt  hat,  so  ist  Witte  sich  desselben  nicht  bewufst 
gewesen.  Witte  irrte  in  der  redlichsten  Meinung;  —  gerade  in  Hinsicht  der 
von  mir  besprochenen  Dinge  konnte  er  sich  aber  um  so  leichter  täuschen, 
als  er  kein  Historiker  war.  Dafs  eben  ein  Mann,  welcher  die  Geschichte 
an  einer  deutschen  Hochschule  vertrat,  das  Buch  geschrieben  hatte,  wird 
nicht  geringen  Eindruck  auf  ihn  gemacht  haben. 

Wittes  Urteil  bezog  sich  auf  die  erste  Auflage,  und  für  das  Jahr  1853 
mag  diese  auch  etwas  besser  gewesen  sein,  als  die  beiden  späteren  fur  ihre 
Zeiten,  d.  h.  Hir  1 865  und  1 879.  Berechtigten  Ansprüchen  zu  genügen ,  war 
auch  sie  nicht  im  Stande.*  Dennoch  lobte  sie  Witte,  und  das  Gros  der 
Rezensenten  schlofs  sich  ihm  an.  In  ihrer  Voreingenommenheit  betrachteten 
sie  es  dann  als  selbstverständlich,  dafs  die  Dante -Biographie,  welche  ein 
Witte  empfohlen  hatte,  in  den  folgenden  Auflagen  nur  noch  mehr  gewonnen 
habe.  So  steigerten  sie  ihr  Lob,  und  aus  dem  ungenügenden  Buche  vnirde 
eine  Meisterleistung. 

Das  „ipse  dixit**  hat  eine  verhängnisvolle  Kraft,  nicht  blofs  über  Re- 
zensenten ganz  gewöhnlichen  Schlages.* 


'  Dabei  ist  mir  sehr  wohl  bekannt,  dafs  sogar  Scartazzini,  der  doch  für 
die  dritte  Auflage  nicht  genug  der  tadelnden  Worte  findet,  die  erste  und 
zweite  „eine  wahre  Perle  der  deutschen  Litteratur"  genannt  hat. 

*  Das  gilt,  wenn  ich  nicht  irre,  ganz  besonders  von  Th.  Paur,  der  in 
der  Deutschen  Rundschau  XXIV  143 — 146  noch  die  dritte  Auflage  sehr  warm 
gepriesen  hat.  Dafs  ich  nicht  an  seine  Rezension  dachte,  als  ich  Bd.  VI 
S.  638  Anm.  I  von  dem  Lobe  „unkundiger  Freunde"  Wegeies  redete,  sei  an 
dieser  Stelle  —  wenn  es  überhaupt  der- Erwähnung  bedarf,  —  noch  ausdrück- 
lich gesagt.  Freilich  hätte  ich  von  einem  Manne,  wie  Paur,  etwas  mehr 
Selbständigkeit  des  Urteils  erwartet. 

P.   SCHEFFER-BOICHORST. 


480  NACHTRÄGE.     DIEZSTIFTUNG. 

Nachträge. 

Zu  VI  1 1 2.  assetier  ist  bereits  von  Scheler  in  seinem  Diet.  etym.  und 
im  Glossar  zu  Froissart  (wo  noch  sein  Aufsatz  in  der  Revue  de  l'instruction 
en  Bel^iíjue  1863  citiert  wird  und  endlich  in  dem  Anhang  zu  Diez*  Wtb.  auf 
*  senno  zurückgeführt,  was  mir  ebenso  wie  allen,  die  sich  nach  mir  mit  dem 
Worte  beschäftigt  haben,  entgangen  ist.  W.  F. 

Zu  VII  167.  Nachträglich  macht  man  mich  darauf  aufmerksam,  d.ifs 
Bartschs  Versehen  betreffs  des  angeblichen  lat.  Distichon  von  Dante  bereits 
im  Jahrb.  XII  30  f.  seine  Berichtigung  durch  Mussafìa  gefunden  hat,  welcher, 
auch  ohne  die  Hs.  einschen  zu  können,  die  Verse  als  solche  des  Hcnricus 
Septimellensis  erkannt  hatte.  A.  Gaspary. 

S.  345.     Zwischen  V  616— 617  ist  aus  Versehen  eine  IJicke  gelassen. 

S.  455  Anm.  I  Zeile  7  und  S.  471  Zeile  42  kann  man  den  Ausdruck  jene 
Schritte  doch  insofern  rechtfertigen,  als  zu  dem  Versuche,  den  Florenz  in  Rom 
machte,  auch  die  Mitwirkung  Bolognas  und  anderçr  Städte  erbeten  un»!  eneicht 
wurde.  Nur  Wegcle  durfte  nicht  von  jenen  Schritten  reden,  denn  er  hat  des 
ganzen  Versuches  nicht  gedacht. 

S.  466  Z.  5  V.  u.  1.  Autoren  kritischer  Weise  auch. 

S.  475  Z.  14  1.  p.  46  statt  p.  56.  S.-B. 


Diezstiftung. 

Laut  der  zum  31.  März  1883  von  dem  Rendanten  der  Diez-Stiftung  ge- 
legten zweiten  Rechnung  beträgt  der  Substanzfonds  der  Stiftung  M.  120OÛ 
(dagegen  ein  Deficit  von  M.  12,70),  der  ('urrcntfonds  hat  ein  Vermögen  von 
M.  i2üO  und  einen  Baarí)estan(Í  v(m  M.  183,80,  wozu  noch  4**/o  Zinsen  von 
M.  13200  vom  I.  Januar  1883  ab  kommen.  Weitere  Beiträge  bittet  der  Unter- 
zeichnete an  ihn  gelangen  zu  lassen. 

Berlin  S.W.,  Warten burgslrafse  21. 

A.  Tobler. 


Briefe  von  Friedrich  Diez  an  Jakob  Orimm.^ 

I. 

Giessen  den   15'  August  18 17. 
Wohlgebohrner, 
Hochgeehrtester  Herr  Bibliothekar! 

Indem  ich  Ihnen  durch  Uebersendung  des  anliegenden  Heftes* 
für  die  schöne  Silva^  einen  Theil  meines  schuldigen  Dankes  ab- 
trage, lasse  ich  die  Bitte  an  Sie  ergehen,  von  gegenwärtigen  Proben 
eine  kleine  Anzeige  in  einem  öffentlichen  Blatt  zu  machen  —  wenn 
es  füglii.h  so  geschehen  kann,  dafs  Ihre  Arbeiten  und  Forschungtrn 
nicht  dadurch  leiden. 

Hätte  ich  damals,  als  ich  die  Ehre  hatte,  Sie  in  Kassel  zu 
sprechen,  schon  gedacht,  so  bald  mit  der  Ankündigung  der  Ro- 
manzen aufzutreten,  so  würde  ich  Sie  um  etwaige  Beiträge  ersucht 
haben.  Doch  ist  dadurch  noch  nichts  verloren;  ich  ersuche  Sie 
diefsraal  inständig,  falls  Sie  einige  Uebersezungen  solcher  Romanzen 
ausgearbeitet  haben,  und  mir  sie  zukommen  lassen  wollen,  mich 
gefälligst  davon  zu  benachrichtigen.  Die  Romanzen  vom  Cid  und 
die  übrigen  guten  aus  der  Spanischen  Cìeschichte  werden  á^n  ersten 
Theil,  die  Ritterromanzen  u.  andre  den  zweiten  füllen;  der  erstf 
könnte  binnen  einem  Jahr  erscheinen.  Da  ich  hier  ganz  obliti 
einen  guten  Vorgänger  arbeite,  so  hielt  ich  ìMq  Herausgabe  solcher 

'  Dem  ficuiìiìschafiliclien  Willfahren  Herman  Grimms  danke  ich,  dafs  ich 
nunmehr  diese  fiinf  Briefe  Diezcns  an  Jakob  Grimm  den  dreien  J.  Grimms 
an  Die/,  kann  folgen  lassen,  die  in  dieser  Zeitschrift  VI  ^0\  ff.  veröffentlicht 
^ind.  Sie  sind  tier  (reschwister  Grimm  Eigentiyn  und  werden  auf  der  hiesigen 
Kgl.  Bibliothek  auf l)e wahrt.  In  der  Meinung,  sie  werden  wohl  auch  im  Aus- 
land mil  Interesse  aufgenommen  werden,  habe  ich  etwas  mehr  an  Anmerkungen 
dazu  gethan,  als  für  l)lofs  deutsche  Fachleute  unerläfslich  war. 

-  Altspauische  Romanzen.  Uebersezt  von  Friederich  Diez.  Frankfurt 
am  Main  1818.  Verlag  der  Hermannschen  Buchhandlung.  Die  Vorrede  ist 
(Hefsen  im  August  1817  datiert;  damals  mufs  vorstehendem  Briefe  nach  tlas 
Heft  auch  schon  ausgegeben  worden  sein. 

"*  .SV/7V/  </<•  romances  viejos  publicada  por  yacobo  Grimm.  Vienna  dt' 
Austria  en  casa  de  Jacobn  Mayer  y  Comp.  1815.  Von  Diez  1 81 7  angezeigt, 
s.  Diez'  kleinen-  Arbeiten  und  Recensionen,  herausgeg.  von  II.  ßreymann, 
München  1883,  S.  1.  Fine  Besprechung  von  Diezens  Proben  durch  J.Grimm 
ist  nicht  erfolgt,  sie  müfste  denn  in  dem  Chronologischen  Verzeichnis  der 
Schriften  J.  (ìiiinins  (Kleinere  Schriften,  V  483)  übergangen  sein. 

Zttitȟbr.  i.  rom.  l'tiii.    Vil.  3 1 


482  A.  TOBLER, 

Proben  für  dienlich,  inn  noch  manche  Winke,  die  ich  hoffenlh'ch 
erhalten  werdf^  beiuizen  zu  können.  Mancher  Schwächen  bin  ich 
mir  recht  wohl  bewufst,  und  sie  rühren  wohl  dalier  in  den  diefs- 
nial  gegebenen  Stücken,  weil  ich  sie  vor  langer  Zeit,  wo  ich  nieintr 
N'orstellung  vom  Uebersezen  noch  nicht  geläutert  hatte,  übersezt 
habe,  und  mich  von  den  vertrauten  Ausdrücken  jezt  niclit  mehr 
losarbeiten  kaim;  einige  später  in  Göttingen  entstanchie  Romanzen 
sind  daher  besser.  Manchmal  scheint  die  Uebersezung  nach- 
lässiger, und  dennoch  ist  t\s  geflissentlich  geschehn.  Insbesondre 
halt  ich  für  n(')thig,  mich  hier  wegen  der  ersten  Verse  cler  ersten 
Romanze  zu  rechtfertigen,  wo  ich  das  Wort  estrado  (Pfühl  im  Be- 
suchzimmer)  wirklich  beschri;ibend  geben  mufstc.*  Doch  ¡st  diefs 
nicht  zulänglich.  Auch  übersah  ich  mit  Fleifs,  um  den  Fortgang 
der  Verse  nicht  zu  stören,  an  dieser  Stelle  die  weibliche  íí-o- Asso- 
nanz, was  in  der  Urschrift  wahrscheinlich  auch  nur  versehen  ¡st 
Kinigemal  war  der  Silin  zweifelhaft,  und  es  ist  hier  die  Frage,  ob 
i('h  ihn  getroffen. 

Ueberzeugt,  dafs  ich  Sie  nicht  länger  stören  darf,  wage  ich 
nur  noch  die  Hitte  an  Sie,  mich  Ihrem  lln  Bruder  zu  empfehlen, 
un<l  habíí  die  l\hrc:  mit  vollkomnumster  Hochachtung  zu  verharren 

Kw.  Wohlg(îbohren 

gehorsamster 

K.  Diez.     (C'andital  d.  Philos.) 

II. 

Bonn  29*  Jan.  26. 
Als  ich  um  die  Mitten  des  vorigen  Sommers  das  erste  Heft 
von  „Beiträgen  zur  Kenntnifs  der  romant.  Poesie"*  herausgab,  bo 
siininite  ich  sogleich,  als  Zeichen  meiner  Hochachtung  und  Ver- 
ehrung, ein  l*'xemplar  für  Sie,  legte  es  aber  vorläufig  bis  zur  nah 
geglaubten  l^rschiMnung  (»iner  andern  Schrift  zurück,  um  Ihnen  etwas 
mehr,  als  ein  so  kleines  Büchlehi  vorzulegen.  Unterdessen  traten 
am  Irti  Beschäftigungiiii  störend  dazwischen,  und  so  mufste  ich  die 
Ausarbeitung  des  letztern  Buches:  „Geschichte  der  Troubadours" 
verschii^ben.  Seit  einiger  Zeit  habe  ich  es  von  neuem  ergriffen, 
<la  es  ab(T,  wie  ich  nun  absehe,  vor  Mitte  des  bevorstehenden 
Sonnners  nicht  erscheinen  wird,  so  halte  ich  es  fiir  geziemend,  mich 
einstweilen  wegen  jencT  ViTsäumnifs  zu  entschuldigen,  so  gut  ich 
<'s  Vi*rinag,  ohnci  Ihnen  je<loch  das  Heft,   welches  Ihnen  gewifs  vor 

'  listiibasr  la  comìt'sa  En  su  estrado  asentada,  Tisericas  de  oro  en  imano: 
Su  hijn  af'ritandiì  estaba.  Palabras  le  está  diciendo.  Palabras  de  gran  pesar* 
I)i(/.  1S17:  ,Auf  (leni  ITiihlc  .saf'^  die  Gralìn  Wohl  in  ihrem  Prunkgemach,  In 
il«r  Hand  da«;  j^'oldnc  Sclieerchen  Puztc  sic  des  Sohnes  Haar;  Worte  sagte  rie 
/um  Kk'inciì,  Wi)itc  ihm  zu  j^rofscm  Granì  .  .  .*;  Die»  1821:  ,In  dem  Palast 
Will  dio  iirätin.  Auf  dem  ]\>lster  saf*^  sie  da.  In  der  Hand  das  goldne  Scheer- 
t  ln'ii  Soliniii  sie  iliicm  Stilin  da«<  Kaar,  Worte  hat  sie  zu  dem  Kleinen,  Worte 
Vnllrl    Well  i^'csaj^t   .   .   .' 

-   Htrhn  iiei  (i.  Keimer  1825. 


BRIEFE  VON  FRIEDRICH  DIEZ  AN  JAKOB  GRIMM.  483 

Augen  gekommen  ¡st,  jetzt  beizuschliefsen.  Lassen  Sie  mich  diefs 
thun,  wann  ich  die  Ehre  haben  werde,  Ihnen  das  gröfsere  Buch 
zu  überschicken. 

Wann  ich  die  Fortsetzung  der  „Beiträge"  liefern  kann,  diefs 
gehört  unter  die  vielerlei  Dinge,  welche  ich  selbst  noch  nicht  weifs, 
da  ich  in  einer  ziemlich  beengten  Lage,  wozu  noch  ein  schlechter 
Gesundheitszustand  tritt,  vielfachen  Hindernissen  unterworfen  bin, 
welche  mich  jeden  Augenblick  aus  der  Bahn  des  mir  so  werthen 
Studiums  der  romant.  Poesie  verschlagen.  Welche  Zeit  mir  die 
Uebersetzungen  aus  dem  Englischen  und  Schwedischen  *  etc.  rauben, 
dessen  kann  ich  nur  mit  Unmuth  gedenken;  dafs  diese  dann  ihrer- 
seits die  Spuren  einer  üblen  Stimmung  tragen,  versteht  sich  von 
selbst.  Diefs  kann  wenigstens  meine  Bitte  rechtfertigen,  dafs  Sie 
meine  Abhandlungen  mit  Nachsicht  betrachten  mögen.  Die  folgen- 
den Hefte  sollen,  wo  möglich,  fruchtbarere  Gegenstände  enthalten, 
an  welchen  es  namentlich  im  Gebiete  der  altfranz.  Litt,  bei  der 
dilettantisch-eleganten  Behandlungsart  der  Franzosen  nicht  fehlt. 

Für  das  erwähnte  Buch  über  die  Troubadours  habe  ich  wenig- 
stens die  pariser  Handschriften  studirt,  welche  zu  meinem  Zwecke 
Stoff  genug  lieferten.  Unterdessen  ist  nach  einer  Anzeige  im  Kunst- 
blatt ^  auch  in  Deutschland,  nämlich  in  der  Bibliothek  des  FürstiMi 
von  Wallerstein  ein  provenz.  Codex  entdeckt  worden,  ich  habe  um 
dessen  Einsicht  gebeten,  aber  keine  Antwort  erhalten.  Cilöckle's 
Abschriften,  deren  sich  (ïorres  bedient  hat  ^  möchte  ich  wohl  auch 
durchsehen,  weifs  aber  nicht,  wie  ich  dazu  gelangen  soll.  Merk- 
würdig ist  es,  dafs  ich  noch  bis  auf  die  Stunde  den  Parnasse  occi- 
tanien  (v.  Rochegude)  nicht  habe  erhalten  können.  Wenn  ich 
nicht  noch  dazu  gelangen  kann,  so  gibt  diefs  einen  wesentlichen 
Mifsstand  für  meine  Schrift  ab,  indessen  kann  ich  nicht  ins  Blaue 
hinein  harren.  Ich  habe  in  dieser  Schrift  besonders  gesucht,  di«i 
Geschichte  u.  den  Character  der  prov.  Kunstpoesie  darzustellen, 
und  zu  diesem  Zweckti  jede  Stelle  auf  die  Wagschale  g('legt,  dann 
aber  auch  über  Sprache  und  Verskunst  gehandelt.  Die  Beziehung 
der  prov.  Poesie  zu  auswärtiger  --  französischer,  deutscher,  italiä- 
nischer  —  ist  ein  anziehendes,  aber  nicht  leichtes  Capitel;  einerseits 
ist  W(ihl  zu  erwägen,  dafs,  wenn  auch  der  Grundcharacter  der  Völker 

'  Jahreshcriclit  der  Schwedischen  Academic  der  Wissenschaften  über 
die  Fortschritte  in  der  Naturgeschichte,  Anatomie  und  JMiysiologie  der  Thiere 
und  Pflanzen.  Aus  dem  Schwedischen  mit  Zusätzen  von  Johannes  Müller. 
Jahrgang  1824,  der  Ucbersv'tzung  erster  Theil.  gr.  8".  1826.  Jahrgang  1825, 
(1er  Uebersetzung  zweiter  Theil.  1828.  Bonn,  Marcus.  Welche  Übersetzungen 
aus  «lern  Englischen  Die/  geliefert  hat,  ist  bekannter,  da  er  auf  den  Titeln 
dieser  sich  genannt  hat. 

-  Im  Kunstblatt  (Beilage  des  Morgenblattes)  von  1825  habe  ich  eine 
bezügliche  Notiz  nicht  gefunden.  Öffentlich  hat  Diez  des  Ferabras  zuerst  in 
den  Nachträgen  zur  Poesie  der  Troubadours  (1-.  u.  W.  613)  Erwähnung  ge- 
than  und  hier  Uhland  als  Gewährsmann  genannt.  ^ 

3  Über  (ïlockles  Beteiligung  an  Görres'  zustande  gekommenen  und  an 
unausgeführten  Arbeilen,  s.  R.  v.  Räumer,  Geschichte  der  german.  i*hilol., 
München   1870,  S.  370. 

31* 


484  A.  TORLER, 

(les  Mittelalters  verschieden  war,  er  docli  dieselbe  Richtung  an- 
genommen hatte,  und  wir  also  liei  Übereinstimmung  nicht  eo  ipso 
auf  Nachahmung  schliefsen  dürfen,  andrerseits  ist  die  Vergleichung 
von  Poesieen,  welchen  es  zu  sehr  an  einzelnen  hervorstechenden 
Zügen  fehlt,  an  und  für  sich  schwierig;  nur  übereinstimmender  In- 
halt ganzer  Lieder,  vorzüglich  bei  wiedergegebenen  Gleichnissen, 
sowie  besonders  gleiche  Fonn,  berechtigen  auf  Nachahmung  zu 
scfeliefsen.  In  dieser  Hinsicht  ist  nur  aber  in  der  deutschen  Poesie 
kein  andres  Beispiel  vorgekommen,  als  das  bekannte^  von  Rudolf 
von  Niuwenburg;  in  (»inigen  andern  Fällen  ist  Nachahmung  von 
Seiten  der  Deutschen  wahrscheinlich,  aber  nicht  enveislich.  Doch 
gibt  es  einige  Züge,  welche  im  Ganzen  übergetragen  sind,  z.  B. 
(wie  mir  dünkt)  di(»  Albas  (Aubaden),  deren  Heimath  nur  ein  süd- 
licher Himmelsstrich  sein  konnte.^  Was  die  Romane  betrifft,  so 
kann  ich  die  ziemlich  allgemein  angenommene  Bearbeitung  eines 
Lancelot  v.  Arnaut  Daniel  durch  U.  v.  Zazichoven  nicht  zugeben, 
da  mir  keine  beweisende  Stelle  bekannt  geworden,  wiewohl  ich 
übrigens  einen  Roman  dieses  Namens  von  Arnaut  gelten  lasse. 
Ihre  Vergleichung  der  provenzalischen  Kunstpoesie  mit  der  deut- 
schen, in  Ihrer  Schrift  über  den  dt^utschen  Meistergesang  gibt  mir 
-  wiewohl  di(;  prov.  Litt,  damals  noch  sehr  im  Dunkeln  lag  — 
immer  noch  recht  schätzbare  Fingerzeige,  und  ich  mufs  in  den 
meisten  Puncten  mit  den  daselbst  aufgestellten  Ansichten  überein- 
stimmen. Ich  nehme  auch  für  die  prov.  Hofpoesie  an,  dafs  sie 
nicht  von  den  Kdeln,  sondern  von  den  fahrenden  Sängern  aus- 
gegangen ist'*,  wiewohl  unter  Mitwirkung  und  dem  Pünflufs  der 
(irofsen;  das  Beispiel  Guillems  von  Poitiers,  des  ältesten  Liedcr- 
ili(-hters,  wird  niemand  irre  führen;  er  gehört  der  Penode  der 
Kunstpoesie  nicht  an,  und  wird  niemals  von  den  Troub.  erwähnt; 
di(\s(»  entwickelte  sich  erst  (*twa  nach   1125  u.  s.  w. 

Der  Roman  du  Renard  ist  ja  nun  wohl  in  Paris  erschienen: 
durch  ein  Versehen,  wozu  mich  die  Reiette  ençydopéd,  verführte,  habe 
¡(ih  ihn  in  den  „Beiträgen"  ••  bereits  als  erschienen  angeführt.  Für 
Ihre  Unternehmung,  dessen  {sie)  Ausführung  wir  schon  so  lange  ent- 
gegen harren,  wird  j\I(!*ons  Ausgabe  doch  von  Interesse  sein. 

Ihre  deutsche  Grammatik''  hat  auch  l)ei  uns,  wo  übrigens  die 

'  Schon  durch  J.  J.  Bodmcr,  der  den  Folquel  durch  Crescimbeni  kannte; 
s.  W.  Wackernajicl,  die  Verdiensie  der  Schweizer  um  die  deutsche  Litteratnr, 
HasH  1S33,  S.  31;  von  der  Haften,  Minnesinger  I V  50;  R.  v.  Raumer  a.  a.  O.  256. 

-  In  der  l*oesic  der  Troubadours  sjmcht  Diez  hierüber  weit  zurückhalten- 
der S.  265.  Grimms  Widersj)nich  (hier  Vi  502,  wozu  jetzt  noch  der  Hinweis 
auf  Kl.  Schriften  VI  2<)5  „Über  die  Tajjelieder*  vom  Jahr  18 19  nachgetragen 

-.t'i)  mag  ihn  eingeschüchtert  haben. 

3  Vgl.  damit  die  abweichende  Darstellung  in  Poesie  d.  Tr.  20,  258. 

*  S.  55  Anm.  „Méon,  der  nun  auch  den  Reinhart  Fuchs  ediert  hat 
iraris  1823.  IV)".     Kr  ist   1826  erschienen. 

•■'  Ks  nuif^  noch  <!er  erme,  i8iq  zum  ersten,  1822  zum  zweiten  Male  er- 
^chirnene  Teil  gemeint  sein,  da  Grinmi  erst  in  seiner  Antwort  (hier  VI  502) 
d;i>   l-'r-M-htinen  des  /weiten  meldet. 


BRIEFE  VON  FRIEDRICH  DIEZ  AN  JAKOB  GRIMM.  485 

altdeutschen  Studien  nicht  sonderlich  gedeihen,  eine  gewisse  Be- 
wegung hervorgebracht.  Schlegel  hat  sich  mit  dem  Buche  eine 
Reihe  von  Tagen  eingeschlossen;  vor  etwa  einem  Jahre  sagte  er 
mir,  er  wolle  in  Bezug  auf  die  von  Ihnen  angeführten  Sanskrit- 
Formen  ein  Sendschreiben  an  Sie  ergehen  lassen,  u.  diefs  in  der 
indischen  Bibliothek.  Ob  es  noch  dazu  kommen  wird,  steht  dahin. 
In  diesem  Augenblicke  arbeitet  er  an  einer  Abhandlung  über  die 
Quellen  der  Tausend  und  eine  Nacht,  welche  in  einer  englischen 
Zeitschrift  erscheinen  soll.*  Seine  Studien  über  das  Nib.  Lied  liegen 
gänzlich,  und  müssen  nun  liegen  bleiben,  da  er  Tact  genug  hat, 
um  die  Foderungen  zu  kennen,  die  man  gegenwärtig  an  einen 
Herausgeber  dieses  Gedichtes  macht,  die  er  aber,  bei  so  getheilten 
Studien  nicht  mehr  befriedigen  möchte.  Doch  liest  er  noch  zu- 
weilen darüber  und  mit  Beifall;  überhaupt  wäre  zu  wünschen,  dafs 
seine  zum  Theil  sehr  scharfsinnigen  Bemerkungen  u.  Beobachtungen 
in  diesem  Bezirk  nicht  verloren  giengen.  Sehr  wünschte  ich,  man 
hätte  eine  Ausgabe  des  Walther  v.  d.  Vogelweide  2;  dieser  würde  sich 
wegen  der  historischen  Stücke  vortrefflich  zu  Vorlesungen  eignen. 

Länger  will  u.  darf  ich  Sie  nicht  abhalten.  Doch  noch  die 
eine  Bitte.  Sollten  Sie  den  pâmasse  occUanien  in  der  Bibliothek 
besitzen,  und  mir  ihn  einmal  mittheilen  wollen,  so  würden  Sie  mich 
überaus  verbinden!  —  Haben  Sie  die  Güte,  mich  Ihrem  Hm  Bruder 
zu  empfehlen,  und  behalten  Sie  mich  in  geneigtem  Andenken. 

Hochachtungsvoll 

Ihr  ergebenster 

Fr.  Diez 
Brof.  zu  Bonn. 

N.  S.  Ich  habe  in  dem  ganzen  Briefe  vorausgesetzt,  dafs  Sie 
Sich  meiner,  als  des  Uebersetzers  der  span.  Romanzen,  noch  er- 
innerten. 

Sr.  Wohlgeboren 
dem  Herrn  Oberbibliothekar  Dr.  Grimm 

zu 
frei.  Kassel 

in  Hessen -Kassel. 

111. 

Giefsen  18*  Apr.  26. 
Sehr  bin  ich  Ihnen  verpilichtet.  Hochgeehrtester  Herr  und 
l'Veuiid,  für  die  gütige  Zusendung  des  pâmasse.  Ich  empfing  ihn 
glücklicherweise  noch  den  Tag  vor  meiner  Abreise  aus  Bonn,  und 
konnte  ihn  noch  mitnehmen,  um  ihn  hier  zu  benutzen.  In  einigen 
Tagen  gehe  ich  nun  nach  Bonn  zurück.  Meinen  Beifall  hat  das 
Buch  nun  freilich    nicht,    der  Text  ist  am  [1.  im]  Ganzen  ungram- 

'  Les    mille    el    une    nuits  (Bonn   1833),   im  Nouveau  Journal    asiati(juc, 
aufj^enomnien  in  die  Kssais  littéraires  et  historiques,  Bonn  1842. 
-  Lachmanns  Ausgabe  erschien  1827  zum  ersten  Male. 


486  A.  TOHLKR, 

niatiscli,  die  Losartrn  häutig  schlecht  gewählt,  auch  fand  ich  etwa 
nur  12  mir  unbekannte  T.ieder;  gleichwohl  war  mir  die  Kiiisicht 
von  Wichtigkeit.  \\  as  Raynouard  betrifft,  so  stimme  ich  Ihrem  Ur- 
theile  bei:  die  vornehme  Haltung  des  Vfs  schadet  dem  Werke  er- 
staunlich; er  sagte  mir  selbst,  er  habe  nicht  mehr  geben  wollen, 
als  was  er  nicht  selbst  verstanden  habe,  das  übrige  sei  unverständ- 
lich und  des  Abdrucks  nicht  werth  —  und  so  vermifst  man  meh- 
rere wichtige  und  bei  den  Troub.  berufene  Lieder.  Seine  Litteratur- 
kenntnisse  in  diesem  Fach  sind  mir  sehr  zweideutig,  ich  glaube,  er 
ist  bei  Millot  stehen  gebli(;ben;  das  sieht  man  aus  seinen  Abhand- 
lungen IM.  IL  woraus  wir  nicht  viel  mehr  erfahren,  als  was  wir 
längst  gewufst  haben,  und  zuweilen  falsch  berichtet  werden.  Aus 
ilem  Aufsatz  über  die  Vers-  und  Dichtungsarten  führe  ich  an,  dafs 
er  die  Bedeutung  von  motz  als  Kunstausdruck  für  „Vers"  nicht 
gekannt  hat;  über  vers  ist  er  ganz  im  Dunkeln,  indem  er  z.  B. 
diesen  Ausdruck  auch  für  eine  Benennung  des  Briefes  u.  d.  gl.  halt 
II.  S.  165,  wo  aber  vers  in  der  Bedeutung  „Wahrheit"  steht  Das 
Beste  sind  scinta  Texte.  Die  Grammatik  ist  dagegen  wieder  sehr 
lückenhaft,  wiewohl  weitschweifig;  zum  grofsen  Nachtheil  gereicht 
ihr  die  gänzliche  Vernachlässigung  des  Tonsystems,  welches  doch 
bei  den  abgeleiteten  Sprachen  so  sehr  zu  berücksichtigen  ist;  daher 
sind  seine  Ktymologieen  gewöhiilich  falsch,  wie  bei  sovén,  ab,  die 
er  von  siPpe,  aiur,  statt  von  suhhidc,  apud  herleitet.*  lune  merk- 
würdige Ligenheit  der  Sj)rache  hat  er  aus  LTnkenntnifs  í}k'Qí>  Ton- 
systems ganz  übors(»hen.  In  gewissen  Wiirtern  zur  ^  lateinischen 
Deci,  hat  sich  die  do)»pelte  Betonung  erhalten,  z.  B.  stnher,  cas. 
obi.  st'/t/iòr,  mJ/'ir  =■  maìòt.,  i  rucher  =  /rac/iôr  (/radi/or),  daher  denn 
auch  emperth're  =  emperador^  wovon  diiî  erste  Form  keineswegs  von 
einem  vorausgesetzten  imptràriiis,  das  zweite  von  ¿mperatunm,  son- 
d(irn  von  ¿mperàtor  ==  imperotorem  herzuhohlen  ist.^  Damit  soll 
ihm  aber  sein  Vordienst  nicht  bestritten  werden. 

Sie  rathen  mir,  einen  ganzen  fr.  Roman  zu  edircn.  Die  Sache 
hat  bei  uns  manche  Schwierigkeiten,  indessen  bin  ich  schon  lange 
mit  (lern  Plan  umgegangen,  einige  Romane  von  Chrcstien,  und 
iianicntlieli  den  Perceval,  allerdings  vollständig,  zu  liefern.  Nach 
des  Herausgabe  meiner  Geschichte  der  Troub.  wird  es  sich  ent- 
sehcidiMi.  ob  i(.li  zu  iliesem  Zwecke  nach  Paris  gehen  kann  —  wie- 
wohl die  Franzosen  diesen  Fin  griff  in  ihr  Gebiet  nicht  leiden  mögen. 
l'aurirl  war  abwes'Mid,  als  ich  mich  in  Paris  aufhielt.  &  arbeitete 
friilier,  wie«  ich  ln")rle,  an  einem  Werke  über  tlic  prov.  Littcratur; 
die  Ausführung  aber  lälst  sein  etwas  buntes  Treiben  kaum  er\i*artcn. 

Lieber  die  Lebziit  der  von  Ihnen  bezeichneten  Dichter  kann 
¡eh  bis  jetzt  noch  kleine  entschiedene  Notiz  geben,  da  ich  mit  diesem 

'   <'lioix  1  410,  ^47. 

■  Kaynounl  i^ieht  allciiUnj,'-.  die  licluij:«.'  Krklänm^j  jener  Nominati vfonncii 
\\e<l'i  CliiMv  1  12«)  nurh  VJ  S;,  «loch  sehe  ich  auch  nicht,  dafs  er  an  -arius 
«^chichi  hätte,  [\\[^\  er  ihich  immci  die  Nominative  auf  -aire  mît  denen  anf 
-eivf,  'ire  zusanìmen. 


BRIEFE  VON  FRIEDRICH  DIEZ  AN  JAKOB  GRIMM.  48/ 

Gegenstand  noch  nicht  im  Reinen  bin.  Indessen  lassen  sich  fol- 
gende Bestimmungen  mit  einiger  Sicherheit  annehmen.  Bei  den 
unbedeutenden  Troub.  ist  die  Chronologie  gewöhnlich  schwankend, 
da  ihrer  bei  andern  selten  Erwähnung  geschieht;  zuweilen  beziehen 
sie  sich  auf  Zeitgenossen,  allein  daraus  läfst  sich  ihre  mittlere  Lebens- 
zeit nicht  immer  bestimmen. 

I.  Guiraut  de  Cabreira  11  1200  — 1220,  insofern  er  Zeitgenosse 
von  Cj.  V.  Calanson  gewesen  zu  sein  scheint,  der  seiner  gedenkt. 
2.  Arnautz  d'Kntrevenas  1200— 1220;  er  führt  nämlich  Blacas  als 
lebend  an.  —  3.  Feire  Cardinal  unzweifelhaft  von  1220  — 1270,  er 
erreichte  ein  hohes  Alter  und  dichtete  fort  bis  gegen  den  Unter- 
gang der  Hofpoesie.  4.  Guillem  de  Bergucdan  11 90  — 1210.  5. 
Aimeric  de  Peguilain  1200 — 1250.  6.  Peirc  de  Bussignac  etwa 
1180  — 12 10:  er  griff  die  Lieder  Bertranes  de  Born  an,  wie  der 
Biograph  sagt:  die  'IVoubadours  kritisiren  aber  stets  die  Werke 
lebender  Kunstgenossen.  7.  Richart  de  Berbezieux  1200 — 1220. 
Seine  Lieder  enthalten  keine  deutlichen  historischen  Anspielungen. 
Er  scheint  indessen  früher  gelebt  zu  haben,  als  Raynouard  ihn  in 
der  Reihe  (t.  III.)  setzt,  da  er,  nach  den  Handschriften,  sich  bei 
D.  Diego,  einem  spanischen  Ritter  und  (iönner  der  Troubadours 
aufgehalten  haben  soll.  Letztrer  wird  von  R.  Vidal  und  A.  de  Pe- 
guilain als  gleichzeitig  mit  Blacas  und  Peire  (II)  von  Aragon  be- 
zeichnet. —  8.  Ricaut  de  Tarascón  1200 — 1230  während  des  Al- 
bigenserkrieges.  —  An  diesen  Angaben  werde  ich  vielleicht  nach 
einem  halben  Jahre  einiges  auszusetzen  haben,  indessen  kann  diefs 
nicht  bedeutend  sein. 

Auf  die  von  Ihnen  angedeuteten  Zusammensetzungen  werde 
ich  stets  Rücksicht  nehmen,  um  so  mehr,  da  mir  der  Gegenstand 
gleichfalls  interessant  ist.  Zusammensetzungen  wie  cercamons  sind 
häufig,  und  kommen  grofsentheils  in  den  allegorischen  Namen  der 
Geliebten  vor  {miells-de-he),  doch  mengen  sich  deren  auch  im  Wörter- 
buch finden.  Aus  Ihrer  (Grammatik,  die  ich  noch  nicht  gesehen 
hai)e,  auf  die  ich  aber  in  hohem  Grade  gespannt  bin,  werde  ich 
mich  über  Ihre  Frage  genauer  belehren  können.  Schlegeln  habe 
ich  Ihre  Empfehlung  noch  überbracht,  ehe  ich  abreiste,  er  erwiedert 
den  Grufs,  macht  aber  wenig  Hoffnung  zu  dem  versprochnen  Aufsatz. 

Lassen  Sie  uns  auf  Ihren  Reinhart  Fuchs  nicht  länger  warten. 
Wie  sehr  die  Arbeit  auch  unter  Ihren  Händen  durch  die  Verzöge- 
rung noch  gewonnen  haben  mag,  so  scheint  mir  die  endliche 
Herausgabe  doch  zeitgemäfs.  Das  Licht,  welches  dadurch  auf  ge- 
wisse Theile  der  romantischen  Poesie  fallen  wird,  mufs  bedeutend 
sein.  Die  Wichtigkeit    provenzalischer    Zeugnisse    in    dieser    Bt;- 

ziehung  liegt  am  Tage.  Ich  habe  versäumt,  sie  mir  zu  bemerken, 
d.  h.  sogleich  aus  den  Handschriftt^n ,  denn  ich  habe  nur  das  be- 
rücksichtigt, was  mir  zunächst  unentbehrlich  war;  indessen  mögen 
doch  einige  ungedruckte  in  meinen  Papieren  stecken,  auf  die  ich 
Rücksicht  nehmen  werde.  Etwas  fällt  mir  sogleich  ein.  In  dem 
iranz.  Liede  König  Richards,   Parnasse  p.  13  steht:    Com  n  Aengns 


488  A.  TOBLKR, 

</  Rainart,  So  üt'sL  auch  MS  7225;  umgekehrt  hat  MS  2701  ch'c 
Stelle  so:  K  vos  ¡NrasUs  a  ?/itT.  K  pcriasies  me  fa/  few  Com  a  Aìm- 
ir/i  RainarL    Que  scmhhs  ik  [>oiì  Hart. 

Die  Stelle  aus  Rud^  Orlenz,  die  Sie  mir  mitzuthcìien  die  Gute 
hatten,  die  Minnehöfe  betreffend,  ist  mir  bedeutend,  und  ich  werde 
sie  iï-gendvvo  benutzen.  Vielleicht  ersuche  ich  Sie  später  einmal 
um  eine  genauere  Notiz,  welche  sich  darauf  beziehen  würde,  worin 
(Jie  Klage  der  FraucMi  \tmd  fetzent  eine  liiinegin.  ir  klage  ze  richten  t] 
bestanden  habe.  Daraus  mufs  sich  ergeben,  ob  die  Sache  als  eine 
ernstliche  und  förmliche,  oder  als  i*in  Zeitvertreib  dargestellt  wnrd. 
Ich  habe  in  der  Abhandlung  das  t»rstere,  besoiiders  für  die  frühere 
Z(Mt  und  für  ProvtM\ce,  geläugnet.  Die  übrigen  altd.  (»edichtc, 
welche  nach  franz.  Vorbildern  sich  mit  allegorischen  Minnegerichten, 
u.  (îesetzen  beschäftigen,  habe  ich,  zum  Theil  nur  dem  Titel 
nach  —  da  ich  nicht  mehr  davon  hatte  —  berücksichtigt 

Wenn  es  gut  geht,  so  denke  ich  Ihnen  nach  3  Monaten  den 
ersten  Theil  der  (ieschichte  d.  Troub.  zu  schicken;  den  zweiten 
habt*  ich,  von  Umständen  geuöthigt,  zurücklegen  müssen;  letzterer 
wird  die  Lebensgeschichten  enthalten. 

Indem  ich  Ihnen  Lebewohl  sage,  bitte  ich  Sie,  Ihren  Herrn 
Bruder  von  mir  zu  grüfsen,  und  bleute  mit  der  vorzüglichsten  Hoch- 
achtung 

Ihr  ergebenster 

F.  Diez 

IV. 

Bonn  d  \z  Dec  2Ò* 
Kndlich  bin  ich  im  Stande,  Ihnen,  hochgeehrtester  Herr  und 
IVeund,  das  verspn^chene  Buch  über  die  Troubadours  zu  über- 
senden. Empfangen  Sic  es  aber  mehr  als  ein  Zeichen  meiner 
Hochachtung  und  Liebe  für  Sie,  denn  als  etwas,  das  auf  wissen- 
schaftliche Bedeutung  Ans|iruch  machen  dürfte  und  wollte,  (rlück- 
licherwtMSiî  habí'  ich  mich  früher  gi'gen  alle  günstigen  Vorurthcile 
•  'fklärt,  sehen  Sie  .sich  also  getäuscht,  so  ist  es  nicht  meine  Schuld. 
Dt  uh  w(mI's  ich,  dafs  ich  unter  bessern  Umständen  etwas  Besseres 
ut^lietert  \\\\W\\  würde.  Die  Zusammenstellung  der  provenzalischen 
iniil  ileuiM-heii  Lit^derpoesie  läfsl  besonders  viel  zu  wünschen  übrig; 
vieil- ici  it  :iber  woriì«-  ich  diesen  Gegenstand  künftig  noch  einmal 
\<>ii  (îrnnd  aus  bearbeiten,  nachdem  ich  «lie  codices  nochmals 
diiiilrnìusteri  bal'e.  \v^\\  Ihren  Mittheilungen  habe  ich  S.  260  den 
\iM:liiillialìi>te!ì  Uu-I  raurli  gemacht.  Köniile  ich  sie  Ihnen  nur 
i  iwii'ilem!  Da  irli  iiulesst  11  dii\seii  verllossiMien  Summer  nicht  viel 
pnn-.  noch  Iran/.  :;firiebfn  habe,  so  war  ich  niciit  einmal  im  Staude, 
Ihnen  tli»-  4v\^ü^.'^^  liten  Peiiräi;'.*  von  Worlcompositionen  jetzt  schon 
:\\  lieiern;  dodi  l'ebaiie  fili  ^ii'  im  Ange.  Die  Sprachabhandlung 
enthalt  .-.war  tnanrhes  Neue,  allein  ^ie  ist  im  Verhällnifs  zu  gedehnt, 
und    li  ber  ha  11  ¡«i    ;'.ii    «mÜí^^    iiietleru'e^cbriebeiì    worden.  —  Die  zweite 

>   1:  Oi-r  i-i  -ìIm   tiîi  ->.iKli'«trii  lu  r.f.   14  N'in    j;e>chrichcn. 


BRIEFE  VON  FRIEDRICH  DIEZ  AN  JAKOB  GRIMM.  489 

Abtheiliing,  welche  das  Leben  der  Dichter  umfassen  soll,  wird  nur 
langsam  fortschreiten  können;  theils  ist  sie  schwerer,  theils  meine 
Mufse  noch  beschränkter;  diesen  Winter  darf  ich  an  diese  Arbeit 
nicht  denken.  Ich  habe  daher  auch  nicht  mit  Bestimmtheit  einen 
zweiten  Band  versprechen  mögen.*  Wahrscheinlich  unternehme  ich 
unterdessen  ein  französ.  Etymologicon,  ein  Gegenstand,  der  mir 
höchst  anziehend  zu  sein  scheint.  Es  würde  dieselbe  Einrichtung 
bekommen,  wie  das  lateinische  meines  Freundes  Schwenk^,  von 
welchem  Sie  ohne  Zweifel  vernommen  haben,  wiewohl  es  noch  nicht 
erschienen  ist.  Gern  würde  ich  Ihnen  vorläufig  einige  Mittheilungen 
aus  diesem  letztern  Werke  machen,  wenn  ich  die  gednickten  Bogen 
hier  hätte;  in  diesem  Augenblick  erinnere  ich  mich  nur  der  Ablei- 
tung homo  vom  alten  feo  (woher  l)ekanntlich  auch  femtna),  so  dass 
also  die  Hegrifife  Mann  u.  Weib  von  dem  des  Zeugens  (oder  (ie- 
deihens?)  genommen  wären.  Schwenck  arbeilet  gegenwärtig  auch 
an  einem  deutschen  Etymologicon^,  von  welchem  gleichfalls  schöne 
Erwartungen  zu  hegen  sind. 

Der  neue  Band  Ihrer  d.  Grammatik  hat  mich  mit  neuer  Be- 
wundrung  erfüllt.  Die  Revolution,  welche  dieses  seltne  Werk  in 
den  grammatischen  Studien  unsrer  und  fremder  Sprachen  hervor- 
bringen mufste,  verkündet  sich  nun  schon  in  einzelnen  Erschei- 
nungen. Hier  hat  Schlegel  angefangen,  deutsche  Sprache  zu  lesen, 
sein  Auditorium  ist  über  200  stark;  Grundlage  ist  ¡hm,  so  viel  ich 


'  Bei  dieser  Gelegenheit  sei  mitgeteilt,  was  Diez  in  einem  Briefe  vom 
10.  März  1869  mir  zu  banden  meines  Schunegervaters  Dr.  Salomon  Hirzcl 
antwortete,  in  dessen  Namen  ich  ihm  den  Verlag  eines  Neudrucks  der  beiden 
Bücher  über  die  Troubadours  angeboten  hatte.  ,Was  die  Anfrage  des  Herrn 
Dr.  Hirzel  betrifft,  so  habe  ich  darauf  zu  erwiedern,  dafs  ich  durchaus  nicht 
beabsichtige,  meine  beiden  Bücher  über  die  Troubadours  noch  einmal  heraus- 
zugeben, da  ich  eine  solche  Ausgabe  nur  mit  einer  Umarbeitung  zu  rechtfer- 
tigen wüfste,  eine  Umarbeitung  aber  neue,  ziemlich  weitläuftige  Studien  erfor- 
dern würde,  denen  ich  mich  nicht  mehr  gewachsen  fühle.  Was  damals  leicht 
war,  ist  durch  das  Anschwellen  der  einschlägigen  Litteratur,  wie  Sic  wissen, 
schwer  geworden.  Wie  schnell  ich  damals  arbeitete,  geht  aus  der  Thatsache 
hervor,  dafs  ich  zu  Paris  im  Sommer  1824  die  provenzalischen  Studien  eigent- 
lich erst  anting  und  schon  im  Jahr  1826  die  Poesie  der  Troubadours  gedruckt 
vor  mir  sah.  Übrigens  fühle  ich  mich  Herrn  Dr.  Hirzel  zu  verbindlichstem 
Danke  verpflichtet  fiir  einen  Antrag,  der  mich  in  jüngeren  Jahren  glücklich 
gemacht  haben  würde.'  Und  um  gleich  in  einem  Male  zu  geben,  was  ich 
von  den  lieben  Briefen  meines  Lehrers  an  mich  drucken  zu  lassen  gesonnen 
bin,  füge  ich  aus  einem  vom  28.  Juni  1873  hinzu:  ,Was  meine  Beschäfti- 
gungen betrifi't,  so  habe  ich  Ihnen,  glaube  ich,  schon  früher  wahrheitsgetreu 
niitgetheilt,  dafs  ich  meine  litterärischc  Werkstätte  so  gut  wie  geschlossen 
habe.  Ein  Gelehrter  bin  ich  überhaupt  nie  gewesen.  l3aran  hinderte  mich 
vor  allen  Dingen  ein  physischer  Umstand,  eine  fatale  Augcnschwäche,  die  mir 
täglich  nur  sechs  bis  sieben  Stumlen  und  oft  noch  weniger  zu  arbeiten  erlaubte. 
JaUob  Grimm  sagte  mir  einmal,  er  arbeite  dreizehn,  und  daran  war  nicht  zu 
/weifein  '. 

'^  Etymologisrhes  Wörterbuch  der  lateinischen  Sprache  mit  Vergleichung 
(li  r  griechischen  und  dciitschen.     Frankfurt  a.  M.   1827.  8®. 

^  Wörterbuch  der  deutschen  Sprache  in  Beziehung  auf  Abstammung 
und  Begriffsbildung.    Frankfurt  a.  M.  1834.  8®  (2.  Ausg.   1836;  3.  Ausg.  1838). 


490  A.  TOMLER, 

veniiuthen  kann,  eben  Ihre  (  irammatik,  auch  ist  sie  bereits  in  Mund 
und  Hand  der  Studenten,  welches  hier,  wo  von  andrer  Seite  gegen 
die  nicht- classischen  Sprachstudioii  gewirkt  wird,  sehr  viel  sagen 
wilL  Ich  hoft'e  aber,  die  Zeit  wird  bald  erscheinen,  wo  ein  Philo- 
loge ohne  Kenntnils  rh^s  (iolhischen  nur  für  einen  Halbgebildeten 
gilt.  Dieser  Tage  geht  ein  jüngerer  Bekannter  von  mir  nach  Paris, 
um  u.  a.  auch  für  mich  abzuschreiben,  sowohl  provenzalisch  wie 
französisch;  ich  habe  ihm  zugleich  zur  Pllicht  gemacht,  in  dem 
I  landschriften-Cabinet  nach  altd(».utschen  Sachen  zu  forschen.  Um 
diesen  /weck  zu  vi»rfoIg(?n,  ist  ein  längerer  Aufenthalt  und  eine  ge- 
nauere Bekanntschaft  mit  dem  fatalen  M.  Méon  erforderlich,  selbst 
(jeldmittel  müssen  iingewandt  werden.  Hase  behauptete  gegen 
mich,  das  Cabinet  mussi»  noch  manchi-s  Unbekannte  dieser  Art 
enthalten,  und  wirklich  ist  ja  durch  iV^.u  Herausgel)er  der  „deutschen 
Präpositionen"*  etwas  zum  Vorschein  gekommen.  — 

Das  versprochene  Heft  der  „Heiträge"  habe  ich  Ihnen  diefs- 
mal  nicht  beigelegt,  weil  es  einen  andern  Titel  bekommen  soll;  ich 
denke  sie  nämlich  nicht  fc^rtzusetzen,  weil  es,  wie  zu  erwarten  stand, 
an  Abnehmern  fehlt,  ich  auch  nicht  geneigt  bin,  kleinere  Abhand- 
lungen zu  unternehmen.  Vielmehr  denke  ich  ehie  umständlichere 
Ausehiandersetzung  der  altfrauz.  Romane  zu  liefern,  wofür  eine 
neue  Reise  nach  Paris  bestimmt  werden  würde.  Dicfs  würde  nur 
von  meinem  Wohlbefinden  abhängen,  denn  (is  gehört  einige  Krañ 
uiìd  Muth  dazu,  sich  durch  30-40  Romane  durchzuarbeiten.  Die 
Vorarbeiten,  d.  h.  die  Notizen,  welche  man  aus  dem  bis  jetzt  Ge- 
druckten ziehen  kann,  sind  übrigens  fast  fertig  —  imr  fehlt  es  mir 
noch  an  manchen  l^üchern.  --  Ihre  Mahnung  (in  der  Vorrede  zum 
2.  Theile  der  Grammatik)  ^  zum  Studium  der  kymrischen  Sprache 
hatte  mich  vor  einigen  Wochen  lebhaft  ergriffen,  und  ich  war  schon 
im  Begriff,  Sie  um  nähere  Notizen  zu  bitten  —  als  ich  meine 
Verhältnisse  näher  erwog,  und  die  Sache  wenigstens  hinaussctzte- 
Ks  hat  aber  grofsen  Reiz  für  mich,  ein  neues  Sprachstudium  anzu- 
fangen; vor  innigen  Jahren  lernte  ich  Arabisch,  ohne  zu  wissen 
wozu.  VÀUC  Auffoderung  von  Ihnen  wird  aber  auch  ohne  mich 
nicht  wirkungslos  bleiben;  auch  hiben  wir  in  einer  Zeit,  wo  jeder 
Sioif  zu   Untersuchung  mit  Begierde  ergriffen  wird. 

Welcker,  mit  dem  ich  zusammenwohne,  läfst  Sie  und  Ihren 
I  ItTni  Bruder  recht  herzlich  grüfsen,  welches  letztere  auch  von  mir 
geschieht.  —  Mit  der  vorzüglichsten  Hochachtung  empfehle  ich 
mich  noch  Ihrem  ferneren  geneigten  Andenken  und  sage  Ihnen 
mein  herzlichstes  T.ebewohl.     Ihr 

FDiez. 

'  K.  (i.  <  irati,  die  alihoclulcuischeii  Präposilioiicn.  Königsberg,  1824. 
s**.  Die  Kr;iebni>sc  seiner  Reisen,  «lie  ihn  auch  nach  Paris  geführt  hatten, 
kannle  man    1826  teilweise  berL-ii>  au^  dem  ersten  Bande  der  Diuttska. 

■'  S.  VI  Anni.  ,Fiir  diesen  ^den  celtischcn)  stamm  findet  sich  das  wenigste 
vorj»carlicitet ,    obgleich    die   gehaltvollen    denkm.Hhler   der   cymrischen  (waDi- 


BKIEFK  VON  FRIEDRICH  DIEZ  AN  JAKOB  GRIMM.  49 1 

V. 

GiefscD  d.  20'  April  36. 

Indem  ich  Ihnen,  Hochgeehrtester  Herr,  den  beiliegenden  Ver- 
such einer  romanischen  I^utlehre  zu  übersenden  mir  die  Freiheit 
nehme,  erfülle  ich  eine  mir  sehr  theuere  Pflicht.  Denn  wie  könnte 
ich  auch  nur  einen  Augenblick  mir  verbergen,  dafs  dieses  Buch 
seiner  Idee  nach  Ihnen  gehört,  wie  sehr  ich  auch  mit  der  Ausfüh- 
rung selbst  jetzt  schon  unzufrieden  zu  sein  Ursache  habe.  Em- 
pfangen Sie  also  diese  kleine  Arbeit  als  ein  Zeichen  meiner  innigsten 
Verehrung,  und  schenken  Sie  ihr,  da  sie  ohne  alle  Ansprüche  auf- 
tritt, einen  nachsichtigen  Blick.  Sollte  sie  dem  historischen  Sprach- 
studium zu  einiger  Förderung  gereichen,  so  ist  wenigstens  etwas 
dadurch  geschehen.  Vielleicht  ist  Ihnen  schon  eine  vorläufige 
Kunde  davon  geworden.  Ohne  mein  Wissen  und  in  meiner  Ab- 
wesenheit hatte  der  Verleger  in  den  letzten  Herbstferien  eine  etwas 
rednerische  Anzeige  davon  gemacht,  worin  das  Buch  mit  Ihrer 
Grammatik  verglichen  wurde  *  ;  ich  erkläre,  dafs  mir  dergleichen  nie 
eingefallen  ist. 

Ich  habe  über  diesen  Versuch,  wie  gesagt,  schon  jetzt  viel  zu 
klagen.  Abgerechnet  mannigfache  kleinere  Verstöfse,  die  in  der- 
gleichen Arbeiten  freilich  nicht  zu  vermeiden  sind,  hätte  ich  viel- 
leicht besser  gethan,  das  was  jeder  Sprache  unter  den  einzelnen 
Buchstaben  zukommt,  getrennt  darzustellen  anstatt  die  Sprachen  den 
einzelnen  Erscheinungen  des  Buchstaben  unterzuordnen;  indessen 
schien  mir  meine  Einrichtung  der  historischen  Behandlung  ange- 
messener, da  sie  das  allen  Mundarten  (lemeinsame  deutlicher  her- 
vorhebt, und  wenn  sie  das  Besondre  durch  das  Allgemeine  zu  ver- 
dunkeln droht,  so  schien  diefs  ein  Übel,  dem  in  der  Ausführung 
begegnet  werden  konnte.  —  Für  die  deutsche  Abtheilung  mufs 
ich  Sie  noch  besonders  um  Nachsicht  bitten:  hier  kam  es  vorläufig 
darauf  an,  festen  Boden  zu  gewinnen,  dazu  gehörte  eine  Masse  von 
Belegen  und  wie  sehr  ich  stets  auf  die  Strenge  der  etymologischen 
Regel  gehalten,  so  wird  doch  manches  Einzelne  fallen  müssen. 
Hier  besonders  verdanke  ich  Ihnen  manchen  trefflichen  Beitrag. 
Nur  2  bis  3  Ihrer  Herleitungen  habe  ich  ablehnen  müssen;  dahin 
gehört  sire  von  sihora  (S.  40  Note),  der  franz.  Nominativ  aus  sénior, 

sischen)  und  noch  mehr  die  älteren  der  irischen  spräche  zum  Studium  dersel- 
ben treiben  sollten.  In  England  und  selbst  in  Italien  und  Deutschland  liegen 
althibemische  werke  und  glossen  ungedruckt*. 

'  »Unter  der  Presse:  Diez,  Fr.,  Grammatik  der  romanischen  Sprachen. 
In  zwei  Theilen.  gr.  8. 

Eine  auf  den  strengsten  wissenschafUichen  Forschungen  beruhende 
(rrammatik  aller  romanischen  Sprachen,  d.  h.  aller  Sprachen,  die  in  der  latei- 
nischen ihre  gemeinsame  (¿uelle  haben.  Für  diese  Sprachen,  also  fur  die  ita- 
lienische, spanische,  portugiesische,  französische,  provenzalische  und  walachische, 
wird  diese  Grammatik  das  sein,  was  Grimm's  Grammatik  für  die  Sprachen 
deutschen  Stammes  ist. 

Eduard  Weber.* 
Börsenblatt  für  den  deutsthen  Buchhandel,   1835,  Sp.  1488. 


492  A.  TOHLKK, 

Accus,  eigentlich  seigneur,  prov.  dagegen  shihcr  senhôr.  Soiìderbar 
ist  allerdings  das  a  in  sira,  alltMn  es  findt^t  sich  bereits  in  den 
ludfonneln  {sendra)  ii.  ra()chte,  wenn  ich  so  sagen  darf,  vocati- 
visch  sein.  Ihr  ganz  überzeiigtindes  altfranz.  ahivre  von  zehar^  habe 
ich  aus  Scliuld  eines  Zufalles  nicht  benutzt;  ich  hatte  diese  Her- 
leitung schon  gemacht  ohm*  die  Ihrige  zu  kennen,  nahm  sie  aber 
nicht  auf,  da  ich  mir  das  Wort  unrichtig  nachgewiesen  hatte  u. 
den  Beleg  nicht  mehr  lìndeiì  konnte;  erst  nach  <iem  Abdruck  be- 
merke ich  es  in  Ihrer  Mythologie  und  selbst  mit  Verweisung  auf 
Ihren  Reinhart,  a  wäre  in  diesem  Worte  prosthetisch  wie  in  mehrern 
andern  aus  deni  Deutschen  entnommenen  (S.  ,>3i).  Verschiedene 
Worte  lassen  sich  im  2.  Theile  noch  benutzen,  so  toccare  veni  zucchan, 
worin  sich  die  Hegriifsübertragung  durch  lat.  tangere  (ziehen  und 
berühren)  stützen  läfst,  vielleicht  auch  franz.  t'Tariou/r  von  sueinjan^ 
wiewohl  (Tdnescere  zu  bedenken  bleitit;  audi  würde  das  rom.  Wort 
eigentlich  sueinwjdH  cTfordern.  Knd  dergl.  könnte  ich  schon  jetzt 
noch  viel  anführen,  (regen  manche  der  hi  der  Abhandlung  über 
die  B(^stdthle  der  rom.  Spr.  angeführt(»n  deutschen  Ableitungen 
kamen  mir  unter  dem  weiteren  Druck  wieder  Zweifel,  ich  verbannte 
sie  daher  im  2.  Abschnitt  gewöhnlich  in  die  Noten;  dagegen  fehlen 
unter  deii  S.  56  zusammengesti'llten  gothischen  und  andern  merk- 
würdigeren Wörtern  noch  manche  in  dtmi  2'  Abschn.  aufgeführte. 
—  Doch  ich  will  Sie  mit  diesen  Khiinigkeiten  nicht  länger  auf- 
halten. 

Sie  wtTden  leicht  bemerk(Mi,  dafs  meine  Hülfsraittel,  wiewohl 
nicht  ganz  ärmlich,  doch  auch  nicht  ausreichend  gewesen  sind. 
Nicht  einmal  den  Conde  Luca  nor  konnte  ich  benutzen.  Auf 
neuprovenzalische  Grammatiken  habe  ich  für  den  i.  Theil  gleichfalls 
verzichten  müssen,  werde  aber  für  den  2***"  das,  was  man  darüber 
hat,  mir  zu  verschaffen  suchen  ;  vielleicht  hätten  Sie  einmal  Gelegen- 
heit (und  Mufse),  mir  eine  Notiz  darüber  mitzutheilcn.  In  diesen 
Ferien  habe  ich  hier  in  Giefsen  an  dem  Verbum  gearl)ettet.  Dabei 
ist  mir  das  Hedürfnifs  fühlbar  geworden,  die  s.  g.  regelmäfsige  und 
unregelniäfsige  Conjugation  unter  einen  andern  ( resichtspunct  zu 
bringen:  das  ital.  feci  als  eine  Anomalie  dahinzustellen,  wäre  natür- 
lich <lic  gröfste  Verkehrtheit,  die  man  begehen  könnte.  Sie  haben 
die  l-nterscheidung  zwischen  starker  und  schwacher  Flexion  bereits 
auf  die  lateinische  Grammatik  angewandt,  und  ich  bin  sehr  geneigt 
sit»  auch  auf  die  romanische  auszudehnen,  wie  auffallend  es  auch 
für  den  Anfang  lauten  mag.  Allein  welche  Bequemlichkeit  und 
Hestimmthrit  li(*gt  darin,  sageîi  zu  köiinen:  conobbi  ital.  geht  stark, 
ri>noseiu/i*  schwach.  Eigentlich  liegt  das  Kennzeichen  der  rom. 
starken   FI<*xion  in  dem  auf  der  Stammsylbe  des  Perfects  (i.  Sing.) 

'  Nachj^'ctraj^cn  im  Et.  Wh.*  11c  toi  vre. 

-  \\'l.  (iramm.*  II  322,  wo  zuci:hjati  anjjeset/t  un<l  strinj^ere  vergUchen 
ist:  \Vl).*  lüccarc-,  wo  als  Etymon  zucchon  erscheint  und  zu  stringare  noch 
attingetele  kommt. 


BRIEFE  VON  FRIEDRICH  DIEZ  AN  JAKOB  GRIMM.  493 


^f  u.  passiven  Particips  ruhenden  Accent,  daher  ward  aus  quaesivi 
f  quaesiium  selbst  chiesi  chiesto  mit  zurückgezogenem  Accente  gebildet, 
ja  er  zog  sich,  wie  in  sursi  statt  surressi  auf  die  Compositionssylbe 
zurück.  Man  könnte  also  auch  stammbetonte  und  formbetonte  Flexion 
statt  unregelmäfsiger  u.  regelmäfsiger  sagen,  wäre  nur  der  Ausdruck 
nicht  etwas  zu  ungefüge. 

Ihre  deutsche  Mythologie*  hat  in  Bonn  eine  Art  von  Bewe- 
gung hervorgebracht:  sie  bildete  oft  den  Gegenstand  der  theil- 
nehmendsten  Unterhaltung  selbst  da,  wo  man  es  weniger  erwarten 
sollte  u.  alle,  die  sie  entfernt  berührte,  eigneten  sie  sich  möglichst 
schnell  an.  Wie  willkommen  sie  unserm  Welcker  war,  können  Sie 
leicht  denken,  und  Delbrück'^  sagte  mir  neulich  vor  meiner  Abreise, 
er  habe  seine  Vorlesung  über  deutsche  Litteratur  zurückgenommen, 
weil  er  ohne  \  orhergegangenes  Studium  dieses  Werkes  eine  solche 
Vorlesung  nicht  mehr  zu  halten  wage.  Ich  habe  bis  jetzt  nur 
blättern  können,  allein  sogleich  nach  meiner  Rückkehr  werde  ich 
das  Buch  von  Anfang  zu  Ende  lesen  um  wieder  einmal  etwas  zu 
lernen,  aber  auch  um  wieder  einmal  etwas  zu  geniefsen.  Geneh- 
migen Sie  nun  schliefslich  die  Versicherung  der  ausgezeichnetsten 
Hochachtung  und  Verehrung,  womit  ich  mich  nenne 

Ihren 

ergebensten 
Dt  Fr  Diez. 


*  Erschienen   1835. 

^  Joli.  Friedr.  Ferd.  Delbrück,  geboren  in  Magdeburg  1772,  gest.  1848 
in  Bonn,  wo  er  seit  1818  Professor  der  schönen  Litteratur  und  der  Philoso- 
phie war. 

A.    TOBLEft. 


Neues  zum  Buche  der  kamonianisohen  Elegien. 

£in  zelanm  er  k  ungen. 

Zu  Elegie  II.  Ohne  jeglichen  Zweifel  ward  sie  in  Afrika  ge- 
schrieben, fallt  also  in  die  Jahre  zwischen  1546  und  1550.  An  wen 
aber  richtet  sie  sich?  wen  macht  der  Dichter  zum  Mitwisser  seines 
Liebesleides?  Selbstverständlich  wohl  einen  ungefähr  gleichaltrigen 
Freund  !  Die  Oberschrift,  welche  die  Miscellanea  Juromenha  bietet 
und  welche  lautet:  ,^Elegia  do  Camois  a  um  seu  amigo" ^  ist  demnach 
unanfechtbar;  und  ebenso  ist  es  die  andere,  etwas  inhaltreichere  des 
Cancioneiro  Luiz  Franco:  „/?í  Ceifa  a  hum  amigo**,  in  der  doppelten 
Behauptung,  die  sie  enthält.  Ob  es  auch  die  andere,  genauere 
Rubrik  ¡st:  „yl  dorn  Antonio  de  jVoroi/ha,  estando  na  India**,  welche 
Soropita  15^5  dem  ersten  Drucke  der  Klegie  beigab,  und  welche 
die  meisten  Herausgeber  und  Biographen  unbeanstandet  wiederholt 
haben?  Ob  er  sie  einer  handschriftlichen  Quelle  entnahm?  oder, 
wie  spätere  Herausgeber  in  ähnlichen  Fällen  oft  gethan,  die  allge- 
meine Angabc  der  Originale  eigenmächtig  specialisierte  ?  Mir,  und 
auch  wohl  Storck,  scheint  die  letzte  Vermutung  die  wahrschein- 
lichste zu  sein.  Trotzdem  bleibt  es  Pllicht  zu  untersuchen,  ob  dio 
Doppelangabe  der  Überschrift,  dafs  der  Empfanger  D.  Antonio  de 
Noronha  geheifsen  und  dafs  er  in  Indien  geweilt,  richtig  sein  könne  ; 
oder  üb  wenigstens  eine  von  beiden  haltbar  ist.  Storck  erfüllt  diese 
Pflicht  und  leugnet  beide  Möglichkeiten. 

Kr  stellt  fest  —  was  er  den  vielen  Gedichten  gegenñbcir, 
welche  die  gleiche  Adresse  tragen,  mehrfach  wiederholen  mufste  — 
dafs  Camoens  zu  zwei  Edelleutcn,  Namens  Anton  {de  Noronha),  in 
intimen  Beziehungen  gestanden  hat,  nämlich: 

I.  zu  D.  Antonio  de  Noronha,  dem  erstgeborenen  Sohne  der 
zweiten  (Irafen  von  Linhares  (D.Francisco  de  Noronha  und  seiner 
Frau  I).  Violaiite  de  Andrade),  dem  Freunde  des  Kronprinzen  D.  Jofto. 
Am  5.  August  1552  that  er  mit  diesem  in  dem  romantischen  Toumier 
von  Xabregiis  seinen  ersten  WafTengang,  wurde  dann,  weil  er  sich 
in  das  Edelfräulein  D.  Margarida  da  Silva  verliebte,  von  den  be- 
sorgten Kitern  nach  Afrika  entsendet,  woselbst  er,  gleich  nach 
seiner  Ankunft,  am  18.  April  1553,  siebzehnjährig  bei  Oeuta,  auf 
dem  „Monte  da  C'ondessa",  mit  300  anderen  Jünglingen,  zur  Seite 
seintïs  Kapitäns  und  Oheims  D.  Pedro  de  Menezes,  im  Kampfe 
gegen  die  Mauren  von  Tetuan  fiel. 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  ELEGIEN.  495 

2.  ZU  einem  anderen  D.  Antonio  oder  D.  Antäo  de  Noronha, 
welcher  von   1564  bis  68  Indien  als  Vicekönig  verwaltete. 

Doch  will  Storck  keinen  von  beiden  als  Empfanger  des  Briefes 
anerkennen;  den  ersteren  nicht,  obwohl  er  zwischen  1546  und  50 
vermutlich  in  Lissabon  weilte,  aus  dem  Grunde,  weil  er  ein  Knabe 
war;  den  zweiten  nicht,  weil  er  schon  vor  1550  in  Indien  gekämpft 
haben  soll  (nach  Braga,  Juromenha  etc.). 

Letztere  Angabe  aber  ist  falsch,  wie  es  falsch  ¡st  den  be- 
treffenden Helden  D.  Antonio  zu  nennen,  falsch  dafs  er  von  den 
Geschichtsschreibern  bald  so,  bald  D.  Antäo  genannt  wird;  und 
falsch  dafs  er  der  Sohn  des  Vicekönigs  D.  Garcia  de  Noronha  ge- 
wesen sei.  Alle  diese  Daten  schreibt  Storck  seinen  Gewährsmännern 
Faria  e  Sousa,  Juromenha  und  Braga  nach,  die  ihn  leider  hier,  wie 
oft  täuschen  und  irreführen.  Sie  haben  auch  in  diesem  Falle 
Daten  aus  den  Lebensgängen  gleichnamiger  Personen  durcheinander 
gemischt. 

Erstens  heilst  der  Edebnann  und  Held,  welcher  Indien  von 
1564  — 1568  als  Vicekönig  verwaltet  hat,  D.  Antäo.  Nie  und 
nirgends  wird  ihm  in  port.  Denkmälern,  nie  und  nirgends  von  den 
Geschichtsschreibern  Francisco  de  Andrada,  Frei  Luiz  de  Sousa, 
Couto,  von  den  Chronisten  des  Königs  Sebastian  etc.  der  Vorname 
D.  Antonio  beigelegt.  Sein  Schutzheiliger  war  nicht  Santo  Antonio 
de  Lisboa  oder  de  Padua,  der  Patron  Portugals  (f  1231),  dessen 
Festtag  am  13.  Juni  vom  ganzen  port.  Volke,  besonders  aber  in 
Lissabon,  seiner  Geburtsstadt,  gefeiert  wird,  derjenige,  welchen  die 
Malerei  mit  dem  Christkinde  auf  dem  Arm  in  seliger  Verzückung  oder 
als  den  Prediger  der  Fische  verherrlicht  hat;  nein,  sein  Schutzpatron 
war  Santo  Antäo,  der  in  der  Wüste  lebende  Eremit,  der  „Vater  der 
Einsiedler",  der  1356  in  der  thebaischen  Wüste  starb,  derselbe, 
dessen  Anfechtungen  und  Versuchungen  Malerei  und  Dichtkunst  so 
unendlich  oit  dargestellt  haben,  und  dessen  Insignie  das  Antonius- 
kreuz mit  oder  ohne  Glöckchen  ist.  Ebensowenig  wie  es  nun  er- 
laubt ist  aus  den  beiden  Heiligen  einen  zu  machen,  ist  es  gestattet 
die  Schützlinge,  die  auf  ihren  Namen  getauft  wurden,  mit  einander  zu 
verwechseln  und  die  in  Portugal  seltnen  Pathenkinder  des  zweiten 
nicht  von  den  unendlich  zahlreichen  des  ersteren  zu  trennen. 

Zweitens  war  D.  Antäo  de  Noronha  nicht  der  Sohn  des  Vice- 
königs D.  Garcia.  Sein  Vater,  genannt  D.  Joäo  de  Noronha  war  ein 
illegitimer  Sohn  des  zweiten  Marquis  von  Villareal,  D.  Fernando  de 
Menezes,  also  ein  Halbbruder  des  Vicekönigs  D.  Alfonso  de  Noronha. 
Als  „Nefi'e  des  Vicekönigs  Í).  Alfonso"  wird  er  denn  auch  von 
Couto  und  anderen  l)eständig  bezeichnet.  Mit  seinem  Oheim 
hatte  er  lange  Jahre  in  Afrika  gekämpft  (von  1538 — 1549)  und 
dabei  einmal,  während  einer  Abwesenheit  D.  Alfonso's,  Ceuta  als 
stellvertretender  Kapitän  kommandiert.  Und  zwar  geschah  das 
von  Ende  1547  bis  Juli  1548,  also  gerade  in  der  Zeit,  wo  Camöes 
in  Afrika  weilte!  Mit  D.  Alfonso  ging  D.  Antäo  nach  Indien  als 
jener  im  Mai    1550  seines  Postens  als  Gouverneur   von  Ceuta   ent- 


496  e.  M.  DE  VASCONCELLOS. 

hoben  und  als  Vicekönig  nach  Goa  entsandt  wurde.  Beider 
Thaten  in  Indien  sind  für  di'n  Zweck  dieser  Anmerkung  von 
keinem  Belaiig.  Krst  im  Jahre  13Ò1  begleitete  D.  An täo  Constantin 
de  Bragan^a  nach  Portugal,  wurde  1564  selbst  zum  Vicekönig 
ernannt,  als  welcher  er  sein  Amt  rühm-  und  erfolgreich  verwaltete; 
1568  kehrte  er  nach  Kuropa  zurück,  starb  aber  auf  der  Heimfahrt, 
in  der  Nähe  von  Morambique,  wo  sein  Geschwader  von  Juli  bis 
November  rasten  muíste,  und  wo  Diogo  do  Couto,  welcher  D.  Antflo 
begleitet  hatte,  den  Lusiadensänger  in  Not  und  Pllend  fand.  In 
seinem  Testamente  bestimmte  der  Held,  dafs  sein  rechter  Arm 
nach  Ceuta  gebracht  und  im  Grabe  seines  Oheims  Nunalvares  de 
Noronha  beigiîsetzt,  der  übrige  Körper  aber  ins  Meer  versenkt 
würde,  was  auch  geschah  (S.  Couto  passim,  besonders  VIII  229; 
Souza  X  204  u.  öfters). 

Unbedingt  hat  Camoens  ihn  demnach  gekannt:  in  Afrika 
waren  sie  WañengeHlbrten ,  und  in  Indien  haben  sie  zusammen 
wenigstens  an  der  Expedition  gegen  den  Pfefferkönig  teilgenommen. 

Kann  der  Brief  sich  nun  an  diesen  D.  Antäo  wenden?  Krst  Mai 
1550  schiffte  derselbe  sich  nach  Indien  ein;  im  Nov.  1549  aber  hatte 
er  bereits  Afrika  zu  diesem  Zwecke  verlassen,  und  mittlerweile  wohl, 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach,  in  Jjssabon  geweilt  Der  Brief  kann 
also  sehr  wohl  an  ihn  gerichtet  sein:  nur  mufs  er  nicht  kurze  Zeit 
nach  des  Dichters  Ankunft  in  Afrika  geschrieben  sein,  wie  Storck 
aus  Zeile  I o  ff.  schliefsen  möchte,  sondern  zwischen  Nov.  1549  und 
Mai  1550.  Was  war  natürlicher  als  dafs  Camnens  dem  Freunde 
und  Kameraden,  der  nach  Lissabon,  an  die  Stätte  der  Sehnsucht 
seines  Dichterherzens  gehen  durfte,  seine  Seufzer  und  .seine  Bitten 
um  Nachricht,  die  er  ihm  gewifs  persönlich  schon  anvertraut,  nun 
auch  noch  schriftlich  nachsandte? 

Zwei  Persönlichkeiten  sind  es  mit  denen  Braga  (z.  B.  HisL 
de  C.  11  102)  und  andi^re  z.  B.  iManoel  rie  Faria  Severim  diesiMi 
D.  Antat)  de  Noronha  verwechseln.  Beide  ht^ifsen  1).  Antonio,  uml 
beidt*  haben  in  Indien  lange  gekämpft,  der  erste  vor  1550,  wie 
man  es  aus  diesem  (ìrunde  auch  nun  von  D.  Antflo  aussagte. 

Dieser  erste  D.  Antonio  de  Noronha  war  der  dritte  Sohn 
des  Vicek(">nigs  D.  (iarcia  de  Noronha  (s.  Couto  5,  2,  74);  und  wir<l 
stets  und  überall ,  wo  in  Cîeschichtswerken  von  ihm  die  Rede  ist, 
nur  „niho  do  Viso -Rei  D.  Garcia"  genannt.  1546  nahm  er  Teil 
an  tier  zwi'iten  Belagerung  von  Diu;  1556  starb  er  als  Ka|)itäii 
von  Malakka  (C'outo  0,  1,  241,  244,  385,  421;  6,  2,  24,  88,  141; 
2  I  i    etc.  cic).  • 

Der  zweite  war  in  C'ochhn  v(Theiratt;t,  und  wird  stets  „casado 
eni  Cochim"  oder  „o  de  Cochim"  genannt.  Er  war  Sohn  des 
D.  .Marthiho  de  Noronha;  ward  157 1  auch  (wie  D.  AntAo  früher) 
Vicekönig  von  Indien  unter  äufserst  schwierigen  Verhältnissen!  in 
llenen  er  >icli  mannhaft  und  klug  zeigte.  1573  ward  er  in  Folge 
gehässiger  Intrigueii  abgesetzt.  Im  Mai  1574  starb  er,  gleich 
jia«;lj  seiner  Küekkelir,  au^  Gram  über  die  Undankbarkeit  und  Un^ 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  ELEGIEN.  497 

gerechtígkeit  Sebastians  gegen  ihn  (s.  Q)uto  9,  2  und  120).  — 
Mehr  über  alle  diese  tapferen  Seehelden  zu  sagen,  ist  hier  nicht 
angebracht 

Camoens  aber  scheint  zu  keinem  von  diesen  beiden  in  freund- 
schaftlicher Beziehung  gestanden  zu  haben.  —  Die  zweite  seiner 
Elegien  aber  wird  man  von  nun  an  gut  thun  zu  überschreiben, 
entweder  einfach  De  Cetäa,  a  um  amigOy  oder  De  Ceuta,  a  D.  Antäo 
de  Nor  on  ha.—  (Cfr.  Ode  VII  und  Oktave  I). 

Zu  Elegie  III.  Sie  ist  in  dem  glaubwürdigen  Cancioneiro 
Luiz  Franco  überschrieben:  Da  India,  a  D,  Antonio  de  Noronha, 
Die  Schilderung  der  Seefahrt  nach  Indien  (26.  März  1553  bis  Sep- 
tember desselben  Jahres)  und  des  ersten  Kriegszuges,  an  welchem  der 
Dichter  gleich  im  November  teilnahm,  bildet  den  Hauptinhalt  der 
schönen  Elegie.  Ich  sehe  nicht  ein,  warum  sie  nicht  dem  jugend- 
lichen Freunde  des  Dichters  gewidmet  sein  soll,  von  dem  oben 
die  Rede  war.  Als  Camoens  sie  schrieb,  wufste  er  noch  nicht  um 
den  tragischen  Tod  desselben,  wufste  vielleicht  überhaupt  nicht,  dafs 
er  in  Afrika  weilte,  und  vermutete  ihn  daher  in  Lissabon.  Erst 
November  1554  brachte  die  Flotte  die  Trauerkunde  vom  Hinscheiden 
des  Freundes.  Ob  selbiger  bei  Camoens*  Abfahrt  das  Vaterland 
schon  verlassen,  bleibt  freilich  unbestimmt:  ich  zweifle  daran;  denn 
nur  wenige  Tage  nach  der  Ankunft  des  jugendlichen  Kämpfers  und 
seiner  Genossen  in  Ceuta  fand  er  mit  ihnen  den  Tod.  Das  beweist 
eine  Stelle  in  Sa  de  Mirandas  Poesien  (ed.  C.  M.  de  Vasconcellos 
No.  145,  147  und  197),  wo  es  z.  B.  von  Concaio  Mondes  de  Sa,  dem 
Sohne  des  Dichters  Francisco  de  Sa  de  Miranda,  welcher  an  dem 
selben  Tage  wie  D.  Antonio  de  Noronha  seinen  Tod  fand,  heifst: 

Eis  que  subitamente  a  morte  veiu: 
Inda  bem  se  nSo  tinha  despedido, 
Inda  as  lagrimas  bem  nSo  s'enxugavSo, 
Inda  nSo  tlnham  d'eie  nova  ouvido, 

E  a  primeira  nova  que  ihe  dav3o, 
Era  de  morte! 

V.  149.  Die  Bezeichnung  „Pfefferkönig"  enthält  keineswegs 
.Spott.  Der  Besitzer  der  kostbaren  Pfefferinseln  im  Busen  von 
Cochim,  Repelim,  Parebaläo,  Bárdela,  führte  diesen  Titel  von  Rechts- 
wegen, und  wird  von  Couto  nie  anders  als  0  Rey  da  Pimenta  genannt. 
1549  ward  er  in  einem  Kampfe  gegen  den  König  von  Cochim, 
welcher  Verbündeter  der  Portugiesen  war,  getötet  (Couto  6,  2,182); 
sein  Nachfolger  und  Krbe  ward  der  König  von  Chembe,  der  von 
1560  an  also  gleichzeitig  Rei  da  Pimenta  war.  V.  151 — 156.  In 
Faria  e  Sonsas  Schilderung  spielt  die  Phantasie  keine  hervorragende 
Rolle  :  er  berichtet  treulich  was  Couto  überliefert  hat.  Dieser  zählt 
die  Kapitäne  von  7  Galeeren,  5  lat.  Galeotas,  3  Galeonen,  6  Cara- 
vellen  und  8  Fustas  namentlich  auf,  sagt  aber  es  seien  noch  viel 
mehr  gewesen  und  spricht  im  ganzen  von  loo  Segeln  (6,  2, 499 — 508). 
Dil*  Nachricht  vom  Verluste  nur  eines  Mannes  bezieht  sich  auf  eine 


Zettttohr.  f.  roin.  Ph.     Vll. 


32 


49^  e.  M.  DE  VASCONCELLOS, 

einzelne  Aktion  des  Kapitäns  von  Cochira,  Jofto  da  Fonseca.  — 
Der  ganze,  obwohl  kurze  Feldzug  bestand  aber  doch  aus  mehreren 
Aktionen:  es  wurden  all  die  kleinen  fruchtbaren  Inseln  voller  Palmen- 
haine, Ilhas  alagadas  genannt,  welche  den  Busen  von  Cochim  fällen, 
mit  Feuer  und  Schwert  verwüstet,  und  erst  nachdem  nichts  mehr  zu 
zerstören  war,  zog  der  Vicekönig  ab.  Über  den  Gesamtverlust  wrd 
nichts  gesagt;  doch  haben  die  „Wolken  von  Pfeilen",  welche  die 
Feinde  von  den  Wällen  herunter  auf  die  Angreifer  schleuderten,  wie 
Couto  bemerkt,  viele  verwundet  und  gewifs  auch  manchen  getötet 

Zu  Elegie  IV.  Von  der  alten  Ausgabe  der  „Historia  da  Pro- 
vincia de  Sancta  Cruz"  sind  nur  zwei  Exemplare  vorhanden;  das  eine 
gehört  Ternaux  -  Compans  und  hat  ihm  seine  Übersetzung  ermög- 
licht; das  zweite  ruht  in  Rio  de  Janeiro.  Doch  existiert  eine  neue 
zweite  Ausgabe,  welche  die  Lissaboner  Akademie  1858  nach  einer 
zu  ihrer  Bibliothek  geh(')rigen  Handschrift  besorgen  liefs.  Colliccäo 
de  Opúsculos  retmpressos,  relativos  á  ìùstoria  das  navegaçdes,  tnagems,  t 
conquistas  dos  portuguezes.  Tomo  J  No.  3:  „Historia  da  Pramncia 
Santa  Cruz,  a  que  vulgarmente  chamamos  Brasil,  feita  por  Pero  de 
Magalhäes  de  Gandavo,  dirigida  ao  multo  illustre  senhor  Dam  Leom's 
Pereira,  Gobernador  que  foi  de  Malaca  e  das  mais  partes  do  sul  na 
Jndia".  —  Die  Überschrift  des  kamonianischen  Dedikationsbrìefes 
lautet  daselbst  Ao  multo  illustre  Senhor  doni  Leow's  Pereira  ^  sobre  0 
ìivro  que  Ihe  offerece  Pero  de  Magalhäes,  Tercetos  de  Lutz  de  Camifes, 
Die  Textredaktion  stimmt  mit  der  von  1 598  im  grofsen  und  ganzen 
ü  berein. 

Zu  V.  4.  Ein  Schriftchen  ist  das  Werk  in  der  That  nur:  es 
zählt  68  Quartseiten.  —  V.  49.  Numa  mäo  livros,  noutra  ferro  e  aço, 
Cfr.  Sa  de  Miranda  No.  105,  46 — 50.  —  V.  71.  Faria  e  Sonsas  Be- 
richt ist  ungenau  oder  doch  so  gefärbt,  dafs  er  zu  Mifsverständ- 
nissen  Anlafs  giebt.  Wer  ein  deutliches  Bild  von  D.  I..eoniz  selbst 
und  von  seiner  klugen  Verteidigung  des  schwachbesetzten  Malakka 
haben  will,  mufs  Couto  8  p.  133 — 163  nachlesen.  —  Im  September 
des  Jahres  1567  hatte  der  Vicekimig  D.  Antäo  de  Noronha  seinen 
Schwager  D.  Leoniz  de  Pereira,  Sohn  des  3.  (Crafen  von  Feira,  der 
sich  1535  bei  Tunis  die  Sporen  verdient  hatte,  als  Kapitän  nach 
Malakka  geschickt,  gegen  welche  I'^estung  der  König  von  Achem  sich 
richtete.  Mit  einem  starken  und  glilnzenden  Heere  erschien  der- 
selbe am  20.  Januar  vor  der  Feste ,  zu  einer  Zeit  wo  D.  Leoniz 
sich  zur  Feier  des  Sebastianstages  mit  seinen  Rittern  an  Rohrstock- 
spielen ergötzte:  unter  Jubel  und  Freude,  com  muito  ar  e  galanieria^ 
.  .  pera  que  7'issem  os  inimigos  o  alvoroço  com  que  os  esperavam^  be- 
endete man  die  unterbrochenen  Spiele,  um  dann  sofort  alles  sum 
Kmpfang  des  I'^eindes  vorzubereiten.  Die  Flottenmacht  desselben, 
deren  Ausrüstung  zwei  ganze  Jahre  in  Anspruch  genommen,  war 
grofs:  D.  Leoniz  zählte  3  grofse  Galeotas,  4  Cíales  bastardas,  60  Fustas 
und  kleine  Galeotas,  mehr  als  200  Lancharas,  80  BalÖes,  2  Cham- 
pañas voll  Munition.  15,000  ausgesuchte  Mann  nächst  400  Türken 
und    vielen    Dienern    hatten    diese   Selline,    deren  Zahl   in   mnder 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  ELEGIEN.  499 

Summe  mehr  als  wirklich  350  ausmachte,  mit  sich  geführt,  aufser- 
dem  200  grofse  und  kleine  Kanonen.  Von  Weibern  und  Kindern 
und  Hab  und  Gut  sagt  der  Berichterstatter  keine  Silbe;  noch  viel 
weniger  von  einem  schnellen  Siege!  Am  21.  Januar  begann  die 
Beschiefsung  und  Umzingelung  der  Stadt,  und  von  Seiten  des  Ka- 
pitäns die  Verteidigung  seiner  Feste.  Mit  1500  Mann,  von  denen 
nur  200  Portugiesen  d.  h.  mit  D.  Leoniz  herüber  gekommene  Fest- 
länder waren,  wagte  selbiger  gleich  an  diesem  Tage  einen  kleinen 
aber  glänzenden  Ausfall  gegen  den  Achem.  —  Dieser  listige  Fürst 
versuchte  auf  alle  möglichen  Weisen  sich  zum  Herrn  der  Burg  zu 
machen:  umsonst.  Der  portugiesische  Feldherr,  in  dem  er  einen 
Neuling  [reynol)  vermutete,  vereitelte  mit  grofser  Klugheit  all  seine 
Vorhaben.  —  Die  entscheidende  Schlacht  ward  erst  am  25.  Februar 
geschlagen;  nach  dieser  und  nachdem  der  König  von  Achem  in 
aller  Stille  abgezogen  war  unter  Zurücklassung  vieler  Schiffe,  ver- 
teilte D.  Leoniz  50CX)  Cruzados  unter  seine  Leute  d.  h.  alles  was 
er  besafs,  que  näo  quería  que  Ihe  fic'asse  mais  que  a  honra^  com  a  quai 
ficœva  muito  rico.  Zu  der  Zahl  15,000  kam  Faria  e  Sousa,  indem 
er  10,000  Cruzados  mitveranschlagte,  welche  der  Kapitän  verloren, 
oder  mit  Couto  zu  reden  „um  der  Belagerung  willen  ausgegeben 
hatte".  Diesen  Wert  nämlich  repräsentierte  ein  beladenes  Schiff, 
welches  zur  Abfahrt  bereit  im  Hafen  stand,  als  der  Feind  nahte; 
D.  Leoniz  liefs  es  in  den  Grund  bohren.  —  Von  seinen  „Portu- 
giesen" waren  nur  drei  gefallen,  deren  Namen  Couto  verzeichnet 

V.  79.  Als  1573  D.  Antonio  de  Noronha  seines  Amtes  als  Vice- 
könig  enthoben  und  an  seiner  Statt  Antonio  Moniz  Barreto  mit  dem 
Titel  eines  Vicekönigs  zum  Gouverneur  der  indischen  Gebiete  vom 
Kap  Guardafui  bis  Ceilon  erwählt  ward,  erhielt  D.  Leoniz  die 
Würde  des  zweiten  Gouverneurs  von  Pegu  bis  China,  darunter  also 
auch  Malakka.  Als  er  nun  die  zur  Behauptung  Malakkas  dringend 
notwendige  Flotte  und  Mannschaft  forderte,  ward  sie  ihm  für  den 
Augenblick  verweigert,  für  den  nächsten  Herbst  aber  verheifson. 
Da  September  1574  das  gegebene  Versprechen  jedoch  nicht  ge- 
halten ward,  schiffte  er  sich  nach  Portugal  ein,  dem  Könige 
Rechenschaft  abzulegen  (Couto  9,  22^. 

Zu  Elegie  VII.  Das  Werk  von  Frei  Isidor  de  Barreyra, 
„Tractadu  das  significa<;öes  das  plantas,  flores  e  fructos  que  se  re- 
ferem  na  Sagrada  Escríptura"  (Lisb.  1622  und  1698),  aus  welchem 
Faria  e  Sousa  seine  Anmerkungen  geschöpft,  ist  reich  an  gelehrtem 
Beiwerk;  was  es  aber  über  die  Bedeutung  und  die  stumme  Sprache 
der  Blumen  sagt,  ward  nicht  aus  der  portugiesischen  Volksüberliefe- 
rung entnommen.  Und  doch  war,  meiner  Ansicht  nach,  bei  der 
Beurteilung  des  „Vergel  de  amor"  von  wirklichem  Interesse  nur  eines: 
festzustellen  ob  der  Dichter  seinen  Blumenstraufs  nach  Art  und 
Aberglauben  des  portugiesischen  Volkes  gebunden  hat.  Das  scheint 
der  Fall  zu  sein. 

Die  Rose  (64)  ist  auch  heute  noch  das  Sinnbild  der  Liebe 
(nach  J.  Leite  de   Vasconcellos,    TradiçOes   populares    de    Portugal, 

32» 


500  e  M.  DE  VASCONCELLOS, 

Porto  1882,  und  nach  Barreira  378  ist  sie  Symbol  der  Anmut). 
Die  Myrte  (66)  bedeutet  niemals  Freude,  sondern  gerade  das 
Gegenteil,  den  Schmerz,  wie  viele  Volkslieder  deutlich  zeigen,  z.B.: 

Se  te  mandei  um  raminho 

de  murta,  e  nada  mais, 

a  murta  ê  para  os  morios  : 

se  morro,  vos  me  mataes. 

und 

Entre  as  mSos  frías  de  neve 

um  raminho  me  puzeste; 

levaste  as  rosas  e  as  cravos, 

deixaste  a  murta  e  o  cypreste. 

Camoens  schliefst  sich  also  auch  hier  der  Volksüberlieferung  an. 
Die  Münze  (69  horteld)  weist  auf  Grausamkeit: 

A  hortelä  é  crueza; 

menina  nSo  seja  crua! 

diga  a  seu  pae  que  a  case, 

acceite  quem  a  procura. 

Die  Levkojen,  besonders  die  violetten,  doch  auch  die  goldbraunen, 
l)edeuten  Trennungsschmerz,  und  werden  mit  besonderer  Vorliebe 
auf  Kirchhöfen  gepflanzt.  Der  Majoran  (80  manjerona)  verkündet 
wirklich  Lust  =  prazer  (Leite  p.  118).  Die  Pappel  (85)  ¡st  das 
Sinnbild  der  Unbeständigkeit,  und  Redensarten  wie  mostrar  ora  urna 
cara,  ora  outra  como  a  foi  ha  do  aìemo  sind  nicht  selten.  Die  dunklen 
Nelken,  besonders  wenn  sie  zu  welken  anfangen,  bedeuten  ver- 
lorene Liebesmüh  (96). 

Z.  1 20  hat  Storck  mifsverstanden,  und  auch  Braga  hat  sie  nicht 
zu  deuten  vermocht,  obwohl  Faria  e  Sousa  das  richtige  schon  ge- 
sehen hat  (IV  58).  Beiden  ist  unbemerkt  geblieben,  dafs  auch  die 
maravilhas  Blumen  sein  müssen.  Die  hübschen  bläulich -violetten 
Blüten,  welche  das  portugiesische  Volk  marvUhas^  mervilhast  auch 
mervilhas  do  Perú  nennt,  erinnern  lebhaft  an  die  Blumenkrone  der 
(leutscheii  blassen  Winden;  sie  schliefsen  sich  Nachts  vollkoiniiien 
und  leben  nur  einen  1  ag  (?).  Darum  sind  sie  das  Sinnbild  der 
Vergänglichkeit.  Als  Zierpflanzen  sieht  man  das  hübsche  Schling- 
g('wächs  in  südlichen  Gärten  recht  oft.  Ich  glaube  es  ist  die 
„mirabilis  Jalappa'^  —  Die  alten  portugiesischen  Golsdchmiede  haben 
dii'  graziösen  Fomicn  der  Blüten  und  Blätter  der  Wunderblume 
oft  als  Ornament  verwertet. 

Die  Verse: 

Ja  nSn  se  quer  deter  o  mcu  cuidado 

Com  a  r</;//¿- descanso  :  a  brevidade 

Das  maravilhas  so  tem  desejado. 

müssen  daher  anders  übersetzt  werden  als 

Du  kündest  Ruh\  Granate;   Ruh*  zu  pflegen, 
Sträubt  Liebe  sich;   doch  wehrt  ihr  dein  Gebot, 
Der  Blumen  Sinn  noch  weiter  auszulegen. 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  ELEGIEN.  5OI 

Schlüter  hatte  treuer,  wenn  auch  weniger  gewandt,  verdeutscht: 

Nicht  fürder  noch  nimmt  die  Granate  wahr, 
Erholung,  mein  Gedanke;   nur  verlangen 
Darf  er  der  Wunderblumen  Ende  gar. 

Zu  Elegie  Vili.  Auch  ich  halte  die  Klegie  für  apokryph  und 
sehe  sie  bis  auf  weiteres  als  rechtmäfsiges  Eigentum  des  Chronisten 
Francisco  de  Andrade  an.  Hätte  ich  Lust  und  Neigung  zum 
Schmieden  kühner  Hypothesen,  so  würde  ich,  gestutzt  auf  die  Mit- 
teilung von  Barbosa  Machado  (li  104),  Francisco  de  Andrade  habe 
eine  Historia  de  Fei  icio  e  De  Ha,  obra  pastoril  geschrieben,  wie  femer 
eine  Elegia  á  morte  de  D,  Catherina  de  Attaide  ein  que  säo  interlocu' 
tores  Fe  lie  io  e  Sylvano,  vielleicht  auch  die  I5te  der  kamonianischen 
Idyllen,  in  welcher  ein  gewisser  So  li  so  und  ein  Silvano  den  Tod 
Katharinens  betrauern,  für  ein  Werk  des  sangeskundigen  Chronisten 
erklären.  Den  Namen  Felicio  zu  entfernen,  statt  seiner  aber  den 
neuen,  sonst  nirgends  vorkommenden  Namen  So  liso  zu  zimmern, 
weil  das  richtige  Anagramm  aus  Luis  (=  Liso)  nun  doch  einmal 
in  den  Vers  nicht  passen  wollte,  das  wäre  ein  Kunststückchen,  das 
man  Faria  e  Sousa  wohl  zutrauen  kcmnte.  In  Luiz  Francos  Lieder- 
buche wird,  so  viel  mir  bekannt,  der  Name  des  Dichters  der  idyl- 
lischen Elegie  oder  des  elegischen  Idylls  gar  nicht  genannt.  Auch 
dafs  oder  ob  die  Namen  der  auftretenden  Hirten  dieselben  sind, 
die  Faria  e  Sousa  verzeichnet,  sagt  niemand  ausdrücklich.  Im  Text 
ruft  Sylvano  seinen  Gefährten  6  mal  bei  Namen,  in  Zeile  116,  152, 
157,  221,  238,  256.  Davon  fehlen  im  Cane.  L.  Franco  die  zweite 
und  dritte  Stelle  ganz;  für  die  vierte  und  sechste  verzeichnen  Jur. 
und  Braga  eine  abweichende  Lesart,  in  welcher  der  Name  nicht 
vorkommt.  Zweimal  nur,  in  Zeile  116  und  221,  bliebe  also  Soliso 
(oder  Felicio)  stehen.  Ob  die  Herausgeber  hier  Varianten  über- 
sehen haben?  Bei  nächster  Gelegenheit  werde  ich  mir  Gewifsheit 
darüber  verschaffen. 

Weder  die  Elegie,  aii  welclie  ich  diese  Bemerkung  knüpfe, 
noch  die  15.  Idylle  gehören  zu  dem  Schönsten,  was  die  kamonia- 
nische  Muse  geschaffen:  die  erste  steckt  voller  Künsteleien  und 
voller  Wiederholungen;  die  zweite  ist  matt  und  weniger  tief  em- 
pfunden, als  der  Titel  „auf  Katharinens  Tod"  vermuten  läfst:  beider 
Verse  sind  wenig  melodiös  und  nähern  sich  in  vielen  metrischen 
Eigentümlichkeiten  den  Werken  des  Caim'nha,  Fer  rei  ra,  Sa  de  Miranda 
und  des  Diogo  Bernardes.  Es  hat  am  portugiesischen  Hofe  mehr 
denn  eine  Schöne  Namens  Catharina  de  Ataide  gegeben:  warum 
soll  denn  gerade  nur  die  eine,  welche  Camoens'  Herz  gefesselt, 
besungen  worden  sein? 

Zu  Elegie  IX  bemerke  ich  nur,  dafs  ich  keinen  rechten  Grund 
habe  an  ihrer  Echtheit  zu  zweifeln  —  wenigstens  keinen  anderen 
als  das  Mifstraucn,  das  ich  alle  dem  entgegenbringe,  was  Faria  e 
Sousa  aus  Manuskripten  aufgelesen.  Geschmack  fìnde  ich  m'cht 
daran. 


502  e.  M.  DE  VASCONCELLOS, 

Zu  Elegie  X.  Storcks  Untersuchung  ¡st  auch  hier  rait  grofser 
Sorgfalt,  Kunst  und  Feinheit  geführt;  da  sie  aber  auf  schwanker 
Basis  ruht,  wird  es  einem  starken  und  gewappneten  Arme  niclit 
schwer  werden  den  mühsam  errichteten  Bau  völlig  einzureifsen  ; 
und  mir  schon  ist*s  gelungen  gar  manches  von  seinem  Mauen^^erk 
abzubröckeln.  Jedenfalls  aber  hat  Storck  bewiesen  was  er  beweisen 
wollte,  d.h.  er  hat  mit  Nachdruck  gezeigt,  dafs  die  überlieferten 
Rubriken  der  kamonianischen  Gedichte  nicht  ohne  strenge  und 
genaue  Prüfung  als  mafsgebend  für  Auffassung  und  Erklärung  der 
Gedichte  betrachtet  werden  dürfen  —  und  dieser  Nachweis  ¡st 
immer  noch  wertvoll  und  erspriesslich,  weil  immer  noch  viel  zu  oft 
Bezug  auf  die  Überschriften  genommen  wird,  als  auf  unantastban^ 
und  verbürgt  echte  Nachrichten  über  den  D¡chter.  Was  Storck 
aber,  ohne  es  eigentlich  zu  bezwecken,  fenierh¡n  bewiesen,  ist,  dafs 
d¡e  von  jüngeren  Herausgebern,  Kommentatoren  und  I^itterarhisto- 
rikern  an  den  kamonianischen  Überschriften  vorgenommenen  um- 
deutenden Änderungen  und  die  damit  zusammenhängenden  neueren 
Interpretationen  mit  ebenso  grofser  Furcht  und  Zweifelsucht  anzusehen 
sind  wie  die  alten  —  ein  nicht  gerade  erfreuliches  und  ermutigendes 
Resultat,  welches  zwingt  jeglicher  Behauptung,  Camoens  und  seine 
Freunde  und  Gönner  betreffend,  bis  auf  den  Grund  naclizugehen, 
nach  ihren  Quellen  und  Veranlassungen  zu  forschen  —  und  das 
um  oft  nach  langer  Arbeit  nur  zu  dem  negativen  Ergebnis  zu 
kommen,  dafs  heute  mit  den  zu  läge  liegenden  Hilfsmitteln  über 
diese  oder  jene  P>age  überhaupt  nichts  mehr  rund  und  klar  zu 
entscheiden  ist. 

So  ist's  mir  leider  auch  mit  dieser  Elegie  und  mit  der  sicli 
daran  knüpfenden  langen  Untersuchung  gegangen:  ich  kann  nach- 
weisen, dafs  die  alten  Überschriften  unecht,  aber  auch  dafs  viele 
ändernd  daran  geknüpfte  Behauptungen  der  Camoensforscher  falsche 
s¡iid;  neue  mich  selbst  befriedigende,  alle  Zweifel  lösende.  Sätze 
vermag  ich  jedoch  nicht  an  Stelle  der  alten  zu  schieben,  die  ich 
stürze.     Überall  nur  Vennutungen,  le¡d¡ge  Hy|)Othesen. 

Es  handelt  sich  darum  zu  wissen:  i.  Steht  es  aufser  Frage, 
dafs  der  in  Elegie  X  besungene  Held  den  Namen  Miguel  de  Me- 
nezes  getragen?  2.  Wer  war  er?  3.  Wo  und  wann  fiel  er? 
4.  Wann  und  wo  mufs  das  Gedicht  geschrieben  sein?  5.  Kann 
Camoens  es  verfafst  haben? 

I.  Stellt  es  aufser  Frage,  dafs  der  besungene  Held  den  Namen 
Migu<il  i\r.  Meiurzes  getrageii?  Ja;  es  steht  fest  und  aufser  Frage, 
aurh  ganz  abgesehen  von  der  Überschrift,  welche  es  behauptet,  die 
ich  al)(T  zunächst  ganz  bei  Seite  lasse,  da  sie  von  Antonio  Alvares 
da  C-uuha  und  von  Paria  e  Sousa,  den  ersten  Herausgebern  der 
Elegie,  aus  dieser  selbst  erschlossen  se¡n  kann.  —  Der  Dichter  klagt 
in  Zeil«?  7: 

und  .später  (Z.  gi  und  22g  in  A)  nennt  er  denselben  Namen  nodi 
zweimal,    einmal    sogar   im  Versausgang,    wo   er  auf  crue/  und  aui 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  ELEGIEN.  503 

reimt.  Der  Vorname  steht  also  aufser  Frage.  Den  Zunamen  nennt 
der  Dichter  nicht,  doch  sagt  er  in  wichtigen  Zeilen  (169 — 174  A), 
der  Gefallene  gleiche  auch  darin,  dafs  er  un  beerdigt,^  eine  Beute 
der  wilden  Tiere,  liegen  geblieben  sei,  dem  grofsen  Urahnen, 
welcher,  um  seines  Königs  Leben  zu  schützen,  sein  eigenes  den 
Lanzen  der  wilden  Tingitaner  preisgegeben  habe,  d.  h.  er  sagt 
deutlich  und  klar,  der  Held,  den  er  beklage,  sei  ein  Urenkel  „des 
Grafen",  d  i.  jenes  tapferen  D.  Duarte  de  Menezes,  welcher  im  Jahre 
1463  oder  14Ò4  in  den  Bergen  von  Benacofii  seinen  Herrn  und 
König  Alfons  V.  rettete  vor  den  Streichen  der  Mauren,  selbst  ab^r 
in  Stücke  gehauen  ward  ((iomes  Eannes  de  Azurara,  Chronica  de 
D.  Duarte  de  Menezes).  Alle  männlichen  Nachkommen  dieses  Grafen 
von  Vianna  aber  haben  den  stolzen  Namen  de  Menezes  getragen. 

2.  Wer  war  D.  Miguel  de  Menezes?  Ein  Urenkel  D.  Duartes 
das  wissen  wir  bereits;  und  es  scheint  ein  leichtes  nun  auch  die 
Namen  des  Vaters  und  Grofsvaters  zu  finden,  die  Reihe  seiner 
Vorfahren  bis  auf  den  Urgrofsvater  zurück  zu  verfolgen,  d.  h.  eine 
kurze,  nur  fünfgliedrige  genealogische  Kette  zusammenzusetzen, 
die  noch  dazu  so  schimmernden  Metalles  ist.  Bei  dem  sprich- 
wörtlichen Überflusse  der  Portugiesen  an  „Livros  de  Linhagens" 
müfste  es  in  der  That  so  sein,  und  doch  ist  es  ein  schweres,  ja 
fast  unmögliches  Unterfangen.  Gerade  die  grofse  Anzahl  der  Adels- 
bücher macht  es  oft  schier  unmöglich  volle  Sicherheit  über  einen 
zweifelhaften  Fall  zu  erlangen:  die  Angaben  der  einzelnen  Genea- 
logiker  widersprechen  sich  tausende  von  Malen;  tausend  Mal  aber 
lassen  uns  alle  ganz  im  Stiche.  So  ist  es  auch  in  diesem  Falle 
zwar  leicht  über  den  ältesten  Sohn  und  Erben  des  Grafen  von 
Vianna  und  über  dessen  Nachkommen  bis  in  unsere  Zeit  hinein 
genaue  Notizen  zu  finden,  schwer  aber  etwas  zu  erfahren  über 
die  Spröfslinge  der  jüngeren  Söhne,  zu  denen  D.  Miguel  gehört 
haben  mufs. 

Prüfen  wir  zunächst  die  verschiedenen  Angaben  unserer  Vor- 
gänger im  Amte,  vor  allem  diejenige,  welche  Storck  für  die  rechte 
hält.  Sie  stanunt  vom  Visconde  de  Juromenha  und  lautet  dahin: 
D.  Miguel  de  Menezes  sei  Sohn  eines  D.  Manoel  und  Enkel  eines 
D.  Joâo,  dieser  D.  Joâo  aber  sei  der  sechste  Besitzer  der  Ortschaft 
Cantanhede  gewesen.  Wäre  dieser  sechste  Herr  von  Cantanhede 
nun  ein  Sohn  des  Grafen  von  Vianna,  so  stände  alles  gut  und 
wir  brauchten  keinen  Schritt  weiter  zu  thun.  Leider  aber  ist  das 
nicht  der  Fall,  wie  ich  gleich  zeigen  werde;  thatsächlich  war  er  ein 
Edelmann  aus  dem  Hause  Cantanhede,  und  das  ist  die  Hauptsache; 
und  ein  Sohn  des  Grafen  von  Vianna  hiefs  freilich  D.  Joâo  de 
Menezes,  doch  nicht  Menezes-Cantanhede,  sondern  Menezes-Tarouca. 
Die  Linie  des  Hauses  Menezes,  welcher  Cantanhede  erb-  und  eigen- 
tümlich ist,  ist  aber  eine  ganz  andere  als  diejenige,  welche  Tarouca 
inne  hat.  Um  bis  zum  Stammvater  Beider  zu  konamen,  müssen 
wir  um  7  (Generationen,  um  200  Jahre,  zurückgehen:  der  Vater  des 
iTsten    Herrn    von   Cantanhede    (wie   auch   der   Königin  D.  Leonor 


504  e.  M.  DE  VASCONCELLOS, 

Telles  de  Meneses)  genannt  Martin  Añbnso  Telles  de  Menezes,  ist 
der  Bruder  des  ersten  Herrn  von  Tarouca,  Joäo  Aifonso  Teiles  de 
Menezes,  dessen  Enkel  erst  der  erste  Gouverneur  von  Ceuta,  der 
Graf  D.  Pedro  und  dessen  Urenkel  unser  Graf  von  Vianna  ¡st 

Juromenhas  weitere  Angaben  sind,  an  und  für  sich  betrachtet, 
ziemlich  getreue.  £s  ist  richtig  und  steht  thatsächlich  aufser  Zweifel, 
dafs  ein  D.  Miguel  de  Menezes  am  4.  Aug.  1578  in  Afrika  bei  Alcacer 
Quebir  fiel.  Es  ist  richtig,  dafs  er  der  Sohn  eines  D.  Manoel  und 
ein  Enkel  des  sechsten  Herrn  voii  Cantanhede  war.  £s  ist  richtig, 
dafs  er  zur  Seite  seines  erstgeborenen  Bruders  den  Heldentod  starb: 
kurz  alle  die  Einzelheiten,  welche  der  Visconde  auf  Grund  einer 
handschriftlichen  Chronik  Sebastians  und  auf  Grund  eines  Alvará  zu 
Gunsten  der  Mutter  des  Verstorbenen  mitteilt,  sind  genaue.  Und 
es  ist  auch  richtig,  dafs  Miguel  in  der  Blüte  seiner  Jugend  starb; 
und  in  gewissem  allgemeinen  Sinne  auch  richtig,  dafs  er  für  seinen 
König  das  junge  I^ben  gelassen.  Auch  ich  weifs  das  und  twar 
aus  der  Liste  ^  der  in  der  Schlacht  von  Alcacer  gefallenen ,  ver- 
wundeten und  gefangenen  Mitglieder  der  erlauchten  Familie  der 
Meneses.  Denn  selbige  ist  keineswegs  ungedruckt,  sondern  steht  in 
Bayflo  „Portugal  Cuidadoso  e  í^astimado''  (1737)  und  gelangte  dahin 
aus  handschriftlichen  Aufzeichnungen  des  bekannten  Frei  Bernardo 
de  Brito.  Letztere  sind  also  vermutlich  Juromenha  zu  Gesicht  ge- 
kommen. Darin  heifst  es  in  der  Liste  der  „Menezes  da  Casa  de  Can- 
tanhede e  do  Lourival"  (Zweiglinie)  auf  p.  708  :  „Z>.  Jodo  de  Menetes, 
fiiho  primogenito  Je  D,  Alütwei  de  Menezes  e  de  Brües  de  Vi/Aemi, 
filha  de  Joäo  de  Mello  da  SylvOy  e  de  D,  Judo  de  Menezes,  6^**  Senhor 
de  Cantanhede,  morreo  na  hatalha.  D,  Miguel  de  Meneses,  seu  irmdo, 
for  morto  na  mesma".  Die  meisten  Angaben  dieser  Verlustiiste»  die 
ich  von  Punkt  zu  Punkt  geprüft,  haben  sich  als  treue,  wahrhaftige 
mit  den  Angaben  der  Chronisten  Sebastians,  vor  allem  mit  der 
ausführlichen  Schlachtschilderung  des  Jeronymo  de  Menduça  über- 
einstimmende gezeigt:  Des  D.  Miguel  mid  seines  Bruders  gedenkt 
freilich  kein  anderer  Chronist  (ein  Beweis  dafür,  dafs  sie  sich  nicht 
in  hervorragender  Weise  ausgezeichnet  haben)  ;  da  aber  keiner 
})rätendiert,  auch  nur  annähernd  vollständig  alle  bei  der  Schlacht 
beteiligten  Edelleute  anzugeben,  so  kann  es  nicht  verwundern  wenn 
ein  Zeitgenosse,  weU*her  die  Verluste  eines  einzelnen  ihm  bekannten 

'  Die  Liste  zähli  im  ganzen  31  Glieder  der  Menezesfamilie  auf,  von  denen 
II  gleich  in  der  Schlacht  starben,  während  20  in  Gefangeoichaft  gerieten. 
Von  diesen  20  starben  noch  in  Afrika  an  ihren  Wunden  drei  oder  vier.  Die 
übrigen  wurden  losgekauft  oder  kauften  sich  selbst  los.  —  Von  fast  allen 
sprechen  die  zeitgenössischen  Chroniken,  su  dafs  es  eigentlich  jeglichem  Leser 
derselben  möglich  war  die  Britosche  Liste  anzufertigen:  auch  die  nllieKn 
Angaben  über  ihre  Eltern,  die  zur  Auseinanderbaltnng  der  vielen  gleidi- 
namigen  nötig  sind,  stehen  zum  Teil  schon  in  den  Chroniken,  sum  anderen 
Teil  linden  sie  in  Genealogien  Bestätigung.  Brito  schöpfte  sie  ans  seiner 
eigenen  Kenntnis.  Kinige  kleine  Fehler  sind  in  der  Liste,  zn  der  ich  nodi 
drei  vei  bürgte  Xamen  hinzufügen  kann.  Hier  würde  eine  nähere  Dulegnng 
verhältnismäfsig  zu  viel  Raum  einnehmen,  weshalb  ich  sie  nnterlane. 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  ELEGIEN.  505 

Hauses  zusammenzählt,  noch  manchen  Namen  nachzutragen  findet 
Dafs  ein  Miguel  aber  gelebt  hat  und  jung  gestorben  ist,  dritter  Sohn 
eines  Manuel  und  £nkel  des  sechsten  Herrn  von  Cantanhede,  der 
unendlich  oft  D.  Joäo  wie  der  vierte  und  siebente  Herr  von  Can- 
tanhede genannt  wird,  in  Wahrheit  aber  D,  Jorge  hiefs,  dies  wissen 
auch  die  Genealogiker ,  z.  B.  Gaetano  de  Souza  (V  398  ;  XI  807, 
842,  876,  877),  der  die  Namen  der  Eltern  genau  so  angiebt  wie 
Bernardo  de  Brito,  und  der  uns  zeigt,  dafs  Miguel  aufser  D.  Joâo 
noch  zehn  Geschwister  gehabt,  Namens:  D.  Pedro,  Domingos,  Fran- 
cisco, D.  I^onor  de  Vilhena,  D.  Joanna  Manoel,  D.  Anna,  D.  Maria 
de  Vilhena,  D..  Catherina,  D.  Ignez  und  D.  Joanna  de  Menezes. 

Ein  Filipe  ¡st  nicht  darunter  (und  auch  kein  Aram  *,  was  weniger 
bedeutet)  wie  die  Elegie  es  als  Bedingung  für  ihren  Helden  ver- 
langt! vor  allem  aber  ist  derjenige  D.  Miguel,  auf  welchen  diese 
Daten  passen,  kein  Urenkel  des  D.  Duarte  von  Vianna.  Folglich 
ist  er  es  nicht,  den  unser  Gedicht  besingt,  und  in  der  Identifi- 
zierung zweier  verschiedener  Homonyme  hat  Juromenha  hier  wie 
öfter  geirrt. 

Gehen  wir  zu  einem  anderen  Deutungsversuch  über.  Antonio 
Alvares  da  Cunha  (A.  p.  24)  giebt  der  Elegie  I  die  Überschrift  : 
Ä  morte  de  D,  Miguel  de  Meneses,  filho  de  D.  Henrique  de  Meneses, 
Governador  da  Casa  do  Civel^  que  morreo  na  India  und  Fana  e 
Sousa  (IV  64)  behauptet,  in  ziemlicher  Übereinstimmung  damit,  in 
den  beiden  Manuskripten,  welche  er  benutzt,  führe  die  Elegie  den 
Titel  :  A  la  muerte  de  D,  Miguel  de  Memses  en  la  India ,  hijo  de 
D,  Enrique  de  Meneses  Governador  de  la  Casa  del  Civil,  Die  Elegie 
ist  port  geschrieben,  folglich  wird  auch  die  Überschrift  in  dieser 
Sprache  mitgeteilt  worden  sein,  Faria  e  Sousa's  spanische  P'assung 
wäre  also  eine  Übersetzung,  bei  welcher,  seiner  Interpretation  gemäfs, 
der  Zusatz  „in  Indien"  unverkennbar  auf  D.  Miguel  bezogen 
wird,  während  es  in  der  zweideutigen  Fassung  des  Alvares  da 
Cunha  unklar  bleibt  ob  Vater  oder  Sohn  in  Indien  starb.  Ich  halte 
die  Fassung  des  Alvares  da  Cunha  für  die  ältere  und  glaube,  dafs 
das  Manuskript,  welches  er  benutzte,  sie  bereits  bot;  stimme  also 
nicht  mit  Storck  überein,  welcher  annimmt,  A.  habe  nur  nach  Ein- 
sicht der  FS.*schen  haiidschriftlichen  Sammlung  sein  Gedicht  veröffent- 
licht. Bot  denn  die  Sammlung  des  FS.  auch  die  241  Verse  zählende 
1  extredaction  ?  Doch  dem  sei  wie  ihm  sei.  Faria  e  Sousa,  falls 
er  die  Überschrift  auf  eigene  Faust  gefertigt  hat,  oder  Alvares  da 
Cunha,  so  er  zu  dem  gleichen  Resultat  wie  jener  kam,  oder  ein 
früherer  Besitzer  und  Sammler,  vielleicht  gar  Schreiber  des  Lieder- 
buches, in  welchem  A.  und  FS.  die  Elegie  fanden,  ist  bei  seinen 
Nachforschungen    nach    D.  MiguePs   Vater    zu   dem   Ergebnifs   ge- 


*  Der  Name  Aram  ist  mir,  als  ein  in  Portuj^al  üblicher,  fremd;  nicht 
einmal  einen  Mönch  oder  Einsiedler  (was  der  betreffende  in  Zeile  58  der 
Elegie  (A)  erwähnte  fjewesen  zu  sein  scheint),  der  sich  diesen  biblischen 
Namen  beijjelejjt,  ist  mir  bekannt.  Ob  vielleicht  Joam  oder  Fernam  zu 
lesen  ist? 


506  e.  M.  DE  VASCONCELLOS, 

kommen,  derselbe  habe  D.  Henrique  de  Meneses  geheifsen  und  sei 
(jovernador  da  Casa  do  Civel  gewesen. 

Diese  Behauptung  müssen  wir  also  einer  Prüfung  unterziehen. 
Der  belesene  und  auch  in  genealogischen  Fragen  im  Allgemeinen 
gut  bewanderte  FS.  versucht  natürlich  in  seinem  Kommentar  nähere 
Auskunft  ül)er  D.  Henrique  zu  gebtin.  Er  erzählt  Don  Henrique 
habe  im  Anfang  der  Regierung  des  Königs  D.  Joäo  III.  dem  damals 
in  Lissabon  ständigen  Civilreichsgericht  als  scchstcir  Gouverneur 
vorgestanden:  er  sei  Comthur  von  Idanha-a-velha  und  Azinhaga 
gewesen  ;  seine  Frau  habci  den  Namen  D.  Brites  de  Vilhena  geführt 
und  ihm  elf  Kinder  geboren,  Namens:  D.  Joäo^  Rodrigo,  Antonio, 
J'Vancisco,  Miguel,  Felipe,  Joäo  (vielleicht  Joâo  Pello?),  D.  Branca, 
D.  Maria,  D.  Leonor  und  D.  Joanna.  Wann  und  wo,  und  dafs 
D.  Miguel  im  Kampf  gefallen,  ist  ihm  unb(.'kannt:  er  suchte  ihn 
unter  den  Kämpfern  in  Indien,  weshalb  er  ihn  nicht  fand.  Auch 
ich  kenne  D.  Henne lue  de  Meneses  ;  nicht  nur  aus  genealogischen 
Werken,  sondern  aus  Goos  und  Andrade  etc.,  d.  li.  aus  den  Chro- 
Ì liken,  welche  von  seinen  Thaten  zu  berichten  wissen.  Im  Jahre 
15 13  >var  er  bereits  alt  genug  um  unter  D.  Jaime  de  Braganya 
die  F^pcdition  nach  Azamor  mitzumachen.  Wahrscheinlich  ver- 
diente er  sich  dort  die  Sporen  (so  dafs  sein  Geburtsjahr  um  1500 
sein  wird),  oder  die  ioga  vin/t'Sf  denn  m'm  ira  permHiido  —  aas  mocos 
ßdalgos  —  t/ue  andavam  no  paco,  tomar  trajo  de  varäu  sem  ierem 
ptissado  li  Africa  e  rìrem  d*-  ht  com  certidòts  de  rsi/oroses.  Im  Jahre 
1 52 1  lìiìden  wir  D.  Henrique  als  stellvertretenden  Kapitän  von 
Tanger.*  In  Indien  ist  er  nicht  gewesen;  weder  Gaspar  Correa 
noch  Harros,  noch  Cbuto,  die  doch  jeglichen  Edelmann  namhaft 
machen,  der  sich  dort  Lorbeeren  gepflückt,  wissen  von  ihm  zu  er- 
zählen  :  der  Zusatz  der  Überschrift  des  Alvares  da  Cunha,  cue  morreo 
mi  India  y  kann  also  nicht  auf  D.  Henrique  bezogen  werden,  und 
da  er  auch  nicht  von  D.  Miguel  wahr  ist,  wie  die  fUegie  selber  es 
Iwweist,  so  mufs  er  als  apokryph  gestrichen  werden.  Den  Titel 
eines  Cìoveruador  da  Casa  do  Civel  geben  ihm  nicht  nur  unsere 
Elegie  und  Faria  e  Sousa;  auch  Chetano  da  Sousa  (Hist  Gen.  X  795, 
XI  457,  XII  535)  bezeichnet  ihn  zu  dreien  Malen  als  solchen  und 
als  C!omthur  von  Idanha-a-Velha  :  er  wird  ihm  also  wohl  zukommen. 
Man  vergleiche  auch  Fr.  Manoel  dos  Sanctos,  Hist  Sebast  489. 
Freilich  scheint  es  mir  als  sei  er  nicht  da/u  gekommen  seine  Stelle 
wirklich  zu  l>ekleiden:  es  ist  bekannt  und  vielfachst  zu  beweisen, 
dais  schon  unter  Emanuel,  und  durch  Johanns  III.  Regierung  hin, 
iuir  I).  Alvaro  de  Castro  das  Amt  wirklich  verwaltete,  und  dafs 
unter  Sebastian,    Diogo   Lopes   de  Sousa   an  jene  Stelle  trat     Als 

'  N;Khtr.ï^lich  erfahre  ich  da>  ungefähre  Datum  seines  Amtsantrittes. 
In  der  Bibliothek  von  Kvora  befindet  sich  nämlich,  laut  ihres  Handschriften- 
K.atalo^c<  II  p.  ibo,  ein  vom  15.  De/ember  1540  datierter  Brief  an  D.  Hen« 
rii|ue:  l\irfa  qut'  J-ernäo  Cart/i».\'o  r'scn'veu  a  O.  Henrique  de  MetUMs  qtê^ndo 
.\íizcr,ifM  ^s'i'ií'"«'»''"'  »/«'  casa  </.i  cñr/  tie  JJsboa.  q  eirei  o  mandou  chamar 
a  Aí'meirim. 


i 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  ELEGIEN.  507 

Substitut,  oder  als  präsumptiver  Erbe  des  hohen  Postens,  oder  als 
Inhaber  der  zweiten  Charge  eines  Regedor  (ein  Titel  der  unrecht- 
mäfsig  oder  beliebig  mit  dein  des  Govemador  gewechselt  wird) 
kann  er  jedoch  mit  vollem  Rechte  den  Titel  getragen  haben.  Auf 
die  Angabe,  er  sei  der  sechste  Govemador  gewesen,  ist  gar  nichts 
zu  geben,  sie  ist  jedenfalls  ungenau.^ 

Wer  war  nun  dieser  Henrique?  stand  er  in  naher  Beziehung  zum 
Grafen  von  Vianna  und  Helden  von  Benacofu  ?  Ja  wohl  ;  er  war 
sein  echter  und  rechter  Enkel,  wie  die  weiter  unter  mitgeteilte 
kleine  genealogische  Tabelle  es  dem  Leser  zeigt.  Er  war  der 
vierte  Sohn  des  Grafen  von  Tarouca,  D.  Joâo  de  Menezes,  welcher 
selbst  der  Erbe  und  erstgeborne  legitime  Spröfsling  jenes  D.  Duarte, 
des  Grafen  von  Vianna,  ist.  Hätte  D.  Henrique  nun  einen  Sohn 
D.  Miguel,  einen  anderen  D.  Philippe  und  aufser  diesen  noch  zahl- 
reiche Kinder,  und  wäre  nachzuweisen  wann  und  wo  D.  Miguel 
der  Urenkel  in  erster  Jugendkraft  auf  afrikanischem  Boden  den 
Lanzen  der  Mauren  erlegen  ist,  so  hätten  wir  unsere  Untersuchung 
zu  Ende  geführt.  Wie  schade,  dafs  ich  keine  Auskunft  gefunden 
trotz  Wochen  langen  Suchens  in  allen  mir  zugänglichen  historischen 
Quellenwerken!  Der  Name  seiner  Frau  ist  mir  unbekannt  ge- 
blieben. Es  frappiert  dafs  sie,  gerade  wie  die  Mutter  des  bei 
Alcacer  -  Quebir  gefallenen  D.  Miguel  de  Meneses,  den  Namen 
D.  Brites  de  Vilhena  getragen  haben  soll,  doch  ist  es  sehr  wohl 
möglich,  ja  wahrscheinlich,  da  eine  mir  bekannte  von  ihren  Töchtern 
faktisch  de  Vilhena  heifst,  ihre  erste  Tochter  aber  wiederum 
D.  Brites  getauft  ward.  Solche  Coincidenzien  sind  in  den  port. 
Familien  überaus  häufig  und  bei  der  Sitte,  die  Namen  des  Grofs- 
vaters  auf  den  Enkel,  der  Grofsmutter  auf  Enkelinnen  zu  übertragen, 
auch  ganz  natürlich,  um  so  mehr  als  unter  den  Adelsfamilien  die 
Verbindungen  naher  Verwandter  —  Onkel  und  Nichte,  Cousine 
und  Cousin  —  überaus  häufig  sind.  Auch  frappiert  es,  dafs 
D.  Brites  de  Vilhena  die  Mutter  des  ersten  D.  Miguel ,  zwölf 
Kindern,  und  auch  D.  Brites  de  Vilhena,  die  Mutter  des  zweiten, 
1 1  Kindern  das  Leben  gegeben  haben  soll  —  laut  Faria  e  Sousa. 
Ich  selbst  kenne  sie  wie  gesagt  nicht  näher. 

Ich  kenne  nur  vier  von  denen,  welche  der  belesene  Kommen- 
tator aufzählt:  D.  Branca  (Souza  XI  457)  de  Vilhena,  welche  sich 
mit  D.  Pedro  de  Menezes,   Kapitän    von  Tanger   (aus   dem  Hause 

*  Von  dem  ersten  Govemador  da  Casa  do  Civel  an,  D.  Pedro  libato, 
welchen  Johann  I.  eingesetzt  haben  soll ,  bis  zu  Alvaro  de  Castro  sind  ihrer 
viel  mehr  denn  6  gewesen;  ich  allein  kenne  9 — 12  bei  Namen,  freilich,  wie 
ich  bekenne,  ohne  recht  zu  v^issen  welche  davon  nur  für  die  Zukunft  ernannt 
waren,  ohne  je  wirklich  zu  fungieren ,  welche  nur  auf  kurze  Zeit  in  Stellver- 
tretung, und  welche  thatsächlich  Bestallte  waren.  Wer  hat  denn  überhaupt 
die  Reihe  der  höchsten  Justizbeamten  im  port.  Staate  zusammengestellt?  wer 
wcifs  wie  die  Rcgcdores  das  Justiças  und  die  scheinbar  «nter  ihnen  stehenden 
Governadores  oder  Kegedores  da  Justiça  da  Casa  da  Supplicacäo  und  der 
tJasa  <lo  Civcl  sich  zu  einander  verhalten  r  Nur  wer  die  Archive  der  Torre 
do  Tombo  durchforscht,  wird  die  einschlägigen  Fragen  beantworten  können. 


508  e.  M.  DE  VASCONCELLOS, 

Tarouca),  vermählte;  D.  Maria  de  Menezes  (S.  X  795),  die  Creinahlin 
des  Dichters  D.  Manoel  de  Portugal  ;  I).  Joäo  Tello,  welcher,  ein 
hochbejahrter  (iréis,  ^1580  als  einer  der  fünf  Gouverneure  Por- 
tugals fungierte;  und  D.  Philippe,  über  den  ich  jedoch  anders 
unterrichtet  bin  als  Faria  e  Sousa,  welcher  angiebt,  derselbe  sei  als 
Kapitän  von  Orniuz  ausgiisandt  worden,  auf  der  Fahrt  von  Roin(!) 
nach  Portugal  hätten  ihn  jedoch  Mauren  gotödtet!  Wann  sollte 
das  gewesen  sein?  Couto  IV  2,  303  ncMint  ihn  als  Begleiter  Kon- 
stantins von  Braganya  auf  dem  Seezuge  nach  Jafana]»atäo  1560, 
sonst  nie.  Aufserdem  ist  mir  ein  Jeronymo  de  Meneses  als  Sohn 
d«is  D.  Henrique  lìekannt,  welcher  1568  als  Rektor  die  Universität 
Coirabra  verwaltete.  Weder  D.  jNliguel,  noch  Aram(?)  kenne  ich, 
halte  es  al>er  für  sehr  niöglich,  dafs  beide  existiert  haben  und 
dafs  die  Angabe  von  FS.  die  rechte,  sf)wie  dafs  die  alte  (M)er- 
schrift,  insoweit  sie  lautet: 

A'  morte  de  D.  Mi^^ucl  de  Meneses 
tilho  de  D.  Henriiiue  de  Menesc.«».  Governador  da  Casa  do  Civeì 

eine  echte,  Wahrheit  sprechende,  sei. 

Noch  ein  dritter  Deutungsversuch  l>edarf  der  Kritik.  Die 
Lissabon(?r  Camoens- Ausgabe  von  1720  überschreibt  die  Elegie: 
Es  fa  Kit' già  fez  o  Poe  la  a  morie  de  I),  Migue/  de  Ment'Zes  na  Indttìy 
filho  de  D.  Henrique  de  Menezes  VI  Goiurmidor  da  India  chi  tempo 
del  Rey  I).  Joiìo  IlL  Xeue  Maìiuskripte  hal>en  dem  Herausgeber 
ilieser  Ausgabe  nicht  vorgelegen  :  er  hat  sich  die  Überschrift  also 
selbst  zunxhlgemacht ,  d.  h.  er  hat  geglaubt  (ìovernador  da  Casa 
ilo  C.'ivel  sei  ein  Irrtum;  und  da  ihm  selbi^r  nur  ein  D.  Henrique  de 
^leneses  von  Ansehen  und  Bedeutung  bekannt  war,  der  Governador 
da  India,  der  ja  noch  dazu  im  Beginn  der  Regierung  Johanns  III. 
gewirkt,  wie  FS.  von  seinem  D.  Ilenriijue  behauptet,  so  schloss  er, 
müsse  dieser  notwendig  der  Vater  des  Miguel  sein.  Wenn  er  auch 
den  'I'od  des  (ìiìfeierten  nach  Indien  verlegt,  folgt  er  FS.'s  Spur. 
All(î  st^int^  Angaben  sind  jedoch  rein  willkürliche,  denen  jeder 
Schein  des  Rechtes  fehlt.  D.  Henrique  de  Menezes,  welcher  1526, 
nach  noch  nicht  dreijähriger  Regierung,  in  Cananor  starb,  ist  kein 
Knkel  des  Grafen  von  Vianna,  ja  steht  zu  ihm  überhaupt  nicht  in 
naher  verwandtschaftlicher  Beziehung.  l^r  gehört  einer  Zweiglinie 
<ler  M(*nezes-C^ntanhede  an,  den  Menezas  do  Praço  de  Lourival, 
diiren  Nachkommen  (ìrafen  von  Isri^eira  wurden.  Der  dritte  Bruder 
d<;s  vierten  Herrn  von  C'antanhede,  Joäo  oder  Joäo  Tello  de  Me- 
nezes, gen.'innt  Fernando  o  Roxo,  C^onnnendador  da  Menda-marques 
(Barros  III  2,  3^6,  521  und  Souza  Xll  535),  ist  der  Vater  D.  Hen- 
ri« |ues.  Seine  Kinder  heifsen:  D.  I)i«)go,  D.  SimSo,  D.^Antonia  und 
1).  C'alliariiia.  Des  erstgeborenen  fünf  Kinder,  D.  Simäo,  D.  Hen- 
rique, J).  Ibernando,  D.  Diogo  und  Joäo,  sämtlich  mit  dem  Zunamen 
o  Roxo,  kiimpften  alle  heldenmütig  bei  Alcacer- Quebir,  wo  zwei 
von  ilnu'ii  lullen,  und  zwei  schwerverwundet  in  Gefangenschaft 
gerieten. 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  ELEGIEN.  5O9 

Weder  unter  seinen  Söhnen  noch  unter  seinen  Enkeln  ist 
also  ein  D.  Miguel  —  und  keiner  seiner  Angehörigen  darf  auf  den 
Grafen  von  Vianna  als  auf  seinen  Ahnherrn  weisen. 

Dazu  den  Gouverneur  von  Indien  mit  dem  Govemador  da  Casa 
do  Civel  zu  verwechseln  ist  also  nicht  der  geringste  Grund  vor- 
handen; ja  nicht  einmal  der  von  Storck  ersonnene,  beide  seien 
„sechste  Statthalter"  gewesen.  Keiner  von  beiden  war  das: 
weder  der  erste,  wie  ich  schon  bemerkte,  noch  der  zweite.  Der 
Gouverneur,  welcher  Indien  von  1524  bis  1526  verwaltete,  war  der 
siebente  seines  Amtes,  wie  es  die  folgende  Tabelle  zeigt: 

D.Francisco  d'Almeida     i.Vicekönig  und  i.  Govemador     1505 — 1509 
D.  Aifonso  d'Albuquerque  2.  „  1509 — 15 15 


D.  Lopo  Soares  3. 

D.  Diogo  Lopes  de  Sequeira  4. 

D.  Duarte  de  Menezes  5. 

D.  Vasco  da  Gama  2.  Vicekönig  und  6. 

D.  Henrique  de  Menezes  6. 


1515-1518 
1518  — 1521 

1521— 1524 

i524Sept.-Dec. 

1524— 1526.» 


Dafs  der  in  der  lo.  kamonianischen  Elegie  gefeierte  D.  Miguel 
de  Menezes,  von  dem  das  Gedicht  selbst  uns  berichtet:  i.  er  sei 
auf  afrikanischem  Boden  gefallen;  2.  im  Augenblicke  des  Todes 
habe  er  noch  in  erster  Jugendblüte  gestanden;  3.  er  habe  Ge- 
schwister gehabt,  darunter  ein  D.  Filippe;  4.  er  sei  ein  Urenkel 
des  hochberühmten  (trafen  von  Vianna  D.  Duarte  de  Meneses,  — 
dafs  dieser  D.  Miguel  unmöglich  einen  D.  Manoel  de  Meneses  und 
ebenso  unmöglich  D.  Henrique  de  Meneses,  Gouverneur  von  Indien, 
aus  dem  Hause  Louriçal,  wie  die  Ausgabe  von  1720  annimmt,  zum 


*  Ich  knüpfe  hier  eine  Notiz  an  betreffend  das  89.  Sonett,  welches  den 
(fouvemeuer  von  Indien  feierte.  Derselbe  starb  in  der  Festung  Cananor,  an 
der  Küste  Malabar  am  2.  Februar  1526,  d.  i.  am  Tage  der  Reinigung  Mariae, 
wie  solches  Corren  (II  970)  und  Andrada  (II  2)  ausdrücklich  bemerken.  Das 
von  Storck  angegebene  Datum,  23.  Februar,  stammt  aus  Barros  (Dec.  Ill  io, 
p.  521),  in  dessen  Originalhandschrift  wahrscheinlich  „2  ou  3"  stand,  woraus 
später  23  ward.  Caetano  de  Sousa  spricht  es  ihm  nach.  Couto  (Dec.  IV  1,1) 
spricht  von  Ende  Januar.  Chorreas  Angabe  ist  jedoch  hi  ;r  wie  überall  der 
meiste  Glauben  zu  schenken.  Auch  über  sein  Alter  wird  verschiedentlich 
ausgesagt:  Correa  und  Andrada  nennen  ihn  45 jährig.  Barros  sagt  er  sei 
30 jährig  gestorben,  so  dass  Faria  e  Sonsas  Behauptung  er  sei  mit  27  Jahren 
Gouverneur  geworden,  jedenfalls  keine  aus  der  Luft  gegriffene  ist,  auch  fur  den 
Fall,  dass  sie  falsch  wäre.  Seine  Gebeine  ruhen  nicht  in  der  Iglesia  major 
Je  Gon,  sondern  in  der  igreja  mayor  de  Cananor,  junto  do  alt ar -mor  á  parte 
do  avangelho  (Correa  und  Andrada)  oder  genauer  noch  na  capella  de  Santiago 
na  igreja  de  Ca  nano  r ,  onde  foi  sepultado  junto  do  altar 'mar  na  parte  do 
Evangelho  (Barros).  Das  89.  karaonianische  Sonett  kann  nur  beim  Anblick 
des  Grabmals  geschrieben  sein,  und  nur  die  Rubrik  A  sepultura  de  D.  H.  de 
äM.  ist  also  gerechtfertigt.  Seinen  Tod  konnte  weder  der  damals  einjährige 
Camoens,  noch  irgend  ein  anderer  port.  Dichter  in  einem  Sonette  feiern:  1526 
verstand  nur  ein  Portugiese  Sonette  zu  machen  und  dieser  eine  hat  es  sicher- 
lich nicht  verfasst.  Als  Camoens  im  Nov.  1553  am  Feldzuge  des  Vicekönigs 
Alfonso  de  Noronha  gegen  den  PfefFerkönig  teil  nahm,  hielt  er  sich  einige 
Tage  in  Cananor  auf,  wie  Couto  in  der  6.  Dekade  (Buch  10,  Kap.  15  p.  501 — 3) 
erzählt.     Bei  iliescr  Gelegenheit  also  ward  das  Sonett  gedichtet. 


5  IO  e.  M.  DE  VASCONCELLOS, 

Vater  gehabt  haben  könne,  ist  somit  erwiesen.  Erwiesen  auch  dafs 
D.  Henrique  de  Meneses,  Governador  da  Casa  do  Civel,  aus  dem 
Hause  Tarouca  sehr  wohl,  wie  Alvares  da  Cunha  und  Faria  e  Scusa 
behaupten,  meiner  Meinung  nach,  auf  Grund  einer  alten  Handschrift 
sein  Vater  gewesen  sein  kann. 

Um  dies  Ergebnis  noch  sicherer  zu  stellen,  müssen  jedoch 
alle  Urenkel  des  Grafen  D.  Duarte  aufmarschieren:  es  könnte  ja 
sein,  dafs  unter  ihnen  ein  srweiter  D.  Miguel  wäre,  auf  den  die 
Indicien  der  Elegie  noch  besser  pafsten.     Sehen  wir  zu! 

D.  Duarte  hinterliefs  fünf  Kinder:  D.Henrique,  D.Joâo,  D.Garda, 
D.  Fernando  und  D.  Maria.  —  i.  D.  Henrique,  der  älteste,  der  Lieb- 
ling und  Kampfgenosse  seines  Vaters,  war  illegitim  und  zählt  darum 
bei  vielen  Genealogikern  nicht  mit;  Alfons  V.  ernannte  ihn  gleich 
nach  seines  Vaters  Heldentode  zum  Grafen  von  Loulé;  er  vermählte 
sich  mit  D.  Guiomar  de  Bragança;  heider  einziges  Kind,  D.  Brites 
de  Meneses,  ward  die  Frau  eines  Coutinho  Marialva,  und  derer 
wiederum  einziger  Spröfsling,  D.  (ìuiomar  Coutinho,  ward  der  viel- 
besprochene und  besungene  Anlafs  zu  dem  neunjährigen  Skandal- 
prozefs  zwischen  dem  Herzog  von  Aveiro  und  dem  Infanten  D.  Fer- 
nando, als  dessen  Gemahlin  sie  1534  ohne  Erben  starb.  —  2.  D.  Joäo 
de  Menezes  war  der  Erbe  seines  Vaters  und  erhielt  als  solcher  das 
Stammgut  Tarouca,  zu  dessen  (irafen  er  1497  erhoben  ward.  Ich 
habe  später  noch  seiner  zu  gedenken.  Er  hatte  eine  zahlreiche 
Nachkommenschaft.  —  3.  D.  Garcia  starb  schon  1484  kinderlos.  — 

4.  D.  Maria    hat    auch    keine    Nachkommenschaft.   —    Wohl   aber 

5.  D.  Fernando,  mit  dem  Beinamen  „o  Narizes",  der  1532  hoch- 
betagt starb.  —  Pinkel  und  Urenkel  des  Grafen  von  Vianna  finden 
wir  also  nur  unter  den  Spröfslingen  des  Grafen  von  Tarouca  und 
dos  D.  l'ornando  o  Narizcs.  Die  nebenstehende  Tabelle  stellt  sie 
in  m()glichst  übersichtlicher  Weise  zusammen. 

Der  Leser  ersieht  daraus,  dafs  der  Graf  sechs  Enkel  gehabt, 
und  fünf  bis  zwölf  Urenkel  männlicher  Linie,  dafs  von  allen  diesen 
aber  nur  einer  den  Namen  Miguel  geführt,  der  Sohn  cl)en  des 
1).  Henrique,  von  dem  Faria  e  Sousa  weifs. 

Kr  ersieht  aber  ferner  —  und  das  ist  hochwichtig  för  die  Be- 
antwortung der  Frage  3.  Wo  und  wann  fiel  D.  Miguel  de  Meneze? 
—  dafs  v(jn  Urenkeln  des  Grafen  bei  der  Schlacht  von  Alcacer - 
Quebir  nur  noch  ein  einziger  tlas  Schwert  führte,  D.  Garda  de 
IMenezes!  Und  von  diesem  ehien  erzählt  Jeronymo  de  Mendoza, 
er  sei  so  alt  gewesen,  dafs  der  König  ihm  nicht  gestatten  wollte 
ihn  zu  begleiten  (p.  66),  eine  Thatsache  welche  alle  Chronisteu 
verzeichnen.  VAn  weiterer  Urenkel  war  noch  am  Leben,  D.  Joflo 
Tello,  doch  auch  hochbejahrt;  vielleicht  auch  D.  Jeronymo,  der 
Rektor  von  Coimbra,  der  jedoch  schon  1568  ein  Greis  war.  — 
Und  ila  ^ollte  noch  ein  ganz  jugendlicher  Urenkel,  mit  rosigen 
Wangen  und  blitzenden  Augen,  ein  Adonis,  ein  Hjädnth,  1578  bei 
.\lcacer  gekämpft  haben?    Wo    sollte   der   herkommen?     Selbst  die 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  ELEGIEN.  5 1 1 


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512  e.  M.  DE  VASCONCELLOS, 

Ururenkel,  wie  D.  Duarte,  der  Generalissimus,  und  D.  Luiz,  der 
Alferes-mór,  waren  schon  Männer.  Nur  die  zwei  Ur-ur-urenkel 
waren  halbwüchsige  Knaben.  Hier  angekommen  gehe  ich  sur  Be- 
antwortung der  Frage  über 

3.  Wo  und  wann  fiel  D.  Miguel  de  Menezes?  Kann  er  bei 
Alcacer-Quebir,  also  am  4.  Aug.  1578,  zugegen  gewesen  sein?  Nein. 
Im  Jahre  1578  gab  es  keinen  Urenkel  des  Grafen  von  Vianna,  dessen 
alma  pura,  dessen  idade  immatura  e  innocente  und  dessen  formosos 
olhos  ein  Dichter  hätte  feiern  können;  nur  weifsköpfige  Urenkel- 
Greise.  Auch  aus  diesem  Grunde  ist  Juromenhas  Deutung  der 
Elegie  zu  verwerfen.  Was  veranlaistc  aber  Storck,  der  doch  nie 
blindlings  einem  Vorgänger  folgt,  sich  der  Interpretation  desselben 
anzuschliefsen?  £r  glaubte  in  der  Elegie  selbst  eine  absolute  Be- 
stätigung der  Möglichkeit  zu  finden,  dafs  D.  Miguel  bei  Alcacer 
gefallen,  d.  h.  er  glaubt  sie  spräche  aus,  der  (gefeierte  habe  um 
seines  Königs  Leben  zu  schützen  die  eigene  Brust  den  Lanzen 
der  Feinde  dargeboten;  da  aber,  folgert  er,  von  portugiesischen 
Königen  nur  einer,  D.  Sebastian,  seine  eigene  Person  den  Streichen 
der  Feinde  ausgesetzt  hat,  so  kann  es  sich  eben  nur  um  die  furcht- 
bare Niederlage  handeln,  in  welcher  Portugals  Freiheit  verioren  ging. 
(>egen  diese  Folgerung  ist  nichts  einzuwenden,  einmal  zugegeben 
(lafs  ihre  Prämissen  richtig  sind,  d.  h.  zugegeben  D.  Miguel  habe 
wirklich  des  K<'>nigs  Leben  verteidigt.  Steht  das  aber  aufser  Zweifel? 
Doch  wohl  nicht? 

Der  Dichter  sagt: 

Wohl  weifs  ich,  dafs  der  î^ib  im  freien  Feld, 
Wo  ehrenvoller  Gruft  er  inufs  entbehren, 
Dem  Wild  der  Berg*  als  Speise  ward  bestellt; 

Jedoch  versöhnt  mich,  dafs  er  gleicht  dem  hehren 
Urahnen,  der  des  Königs  Brust  mit  Muth 
Beschützt  und  seine  beut  des  Feindes  Speeren. 

In  Stücke  reifst  den  i^ib  der  Mauren  Wnth. 
Und  läfst  ihn  liegen,  und  mit  rohem  Herzen 
Kntziehn  sie  ihm  des  Grabes  Rast  und  Hut. 

Im  portugiesischen  Originale  heifsts: 

Bern  conhc^o  que  o  corpo  assi  perdido, 
(■orno  de  illustre  tumulo  carece, 
Será  de  brutas  feras  consummido. 

Mas  consola-me  emñm  que  se  ])arece 
Ao  grande  bisavo,  que  por  a  vida 
Real  a  sua  á  maura  lança  oftVece. 
\juicr:         Mas  tambem  n'isto  vi  que  se  parece 
O)  grande  bisavò  que  pela  \*ida 
Real  a  sua  as  lanças  offerece.] 

Era  pedaços  a  gente  enfurecida 
O  corpo  alli  Ihe  deixa,  e  com  mSo  dura 
I^hc  nega  a  sepultura  merecida. 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  ELEGIEN.  5 1 3 

Zwingen  diese  Worte  den  Vergleich  zwischen  dem  grofsen  Ur- 
ahnen und  dem  jugendlichen  Urenkel  auf  mehr  als  auf  den  Umstand 
auszudehnen,  dafs  beider  Leichen  unbeerdigt  auf  afrikanischer  £rde 
liegen  geblieben  sind?  Ich  glaube  es  nicht;  und  das  Zeugnis  ver- 
schiedener unparteiischer,  weil  um  die  schwebende  Frage  ganz  und 
gar  nicht  wissender  Portugiesen,  das  ich  angerufen,  giebt  mir  Recht. 
Der  Zug,  dafs  der  Urahn  einst  sein  Leben  opferte,  um  das  seines 
Königs  zu  retten,  konnte,  ja  mufste  hinzugefügt  werden  um  den- 
selben, ohne  Nennung  seines  Namens,  überhaupt  kenntlich  zu 
machen,  kann  und  muís  sich  daher  auf  D.  Duarte  allein,  und  nicht 
auch  auf  den  in  erster  Jugendblüte  stehenden  Heros  beziehen,  in 
dessen  Brauen  doch  einmal  der  Ahnen  grofse  Züge  eingeschrieben. 
Und  die  Möglichkeit  erwiesen,  dafs  ein  anderer  afrikanischer 
Schiachttag  als  der  von  Alcacer  gemeint  sein  kann,  frage  ich  weiter: 
Ist  es  denn  überhaupt  denkbar,  dafs  ein  Dichrer  eines  Freundes 
Waffenthaten  und  glorreichen  Tod  besingt,  der  mit  seinem  Leibe 
des  Königs  Leib  gedeckt  hat,  und  dieses  Umstandes  nur  so  neben- 
her in  zwei  Zeilen  gedenkt?  1st  es  möglich,  dafs  er  keinen  Jammer- 
ruf darüber  ertönen  läfst,  dafs  das  Opfer  ein  vergebliches  war, 
dafs  Sebastian,  trotz  der  Hingabe  seines  Getreuen,  dem  Tode  an- 
heimfiel? oder,  das  unannehmbare  angenommen,  der  Jüngling  habe 
seinen  Herrn  wirklich  gerettet,  wie  einst  D.  Duarte  den  König 
Alfons  V.,  oder  der  Dichter  habe  sich  das  wenigstens  eingebildet, 
habe  an  Sebastians  Rettung  geglaubt  und  von  der  Schwere  der 
erlittenen  Niederlage  nichts  geahnt,  mufste  er  dann  nicht  einen 
Freudenschrei  über  den  im  Tode  errungenen  Triumph  ausstofsen? 
Kann  es  ein  Gedicht  irgend  eines  Portugiesen  geben,  giebt  es  eines, 
das  den  Verlust  eines  einzelnen  der  bei  Alcacer  gefallenen  Helden 
beweint,  und  der  allgemeinen  Not,  und  des  Unterganges  der  Freiheit 
und  Herrlichkeit  seines  Vaterlandes  nicht  gedächte?  Ist  es  möglich, 
ilafs  eine  solche  Episode  des  verhängnisvollen  Kampfes  in  Ver- 
gessenheit geriet?  Würde  der  Name  D.  Miguel  de  Menezes  nicht 
ebenso  ruhmvoll  genannt  worden  sein  (falls  er  wirklich  die  ¡hm 
vindicierte  Tliat  vollbracht  hätte),  wie  der  des  Jorge  de  Albuquerque 
Coelho,  der  am  vierten  August  thatsächlich ,  durch  Überlassung 
seines  Pferdes,  dem  unglücklichen  Sebastian  das  junge  Leben 
rettete,  das  jener  freilich  Stunden  nachher  doch  lassen  mufste? 
oder  wie  der  Name  des  greisen  Gomez  Freiré  und  seiner  vier 
Söhne?  der  Name  Simäo  de  Meneses,  Lourenço  da  Silva,  Jorge  da 
Silva,  Sebastiao  de  Sa,  Manoel  Teiles,  kurz  aller  derer  die  in  der 
Schlacht  durch  irgend  eine  That  sich  auszeichneten?  —  Wir  kennen 
den  Verlauf  derselben  ganz  genau:  Listen  der  gefallenen  Ritter, 
Listen  der  Gefangenen  und  Losgekauften  sind  vorhanden;  jedes 
kühne  und  energische  Wort,  das  gesprochen  ward,  jede  opferfrohe 
Tliat,  jeder  verzweifelte  Schrei  ist  von  Augenzeugen  und  von  2^it- 
genossen ,  die  von  Augenzeugen  den  Bericht  empfangen  hatten, 
verzeichn(it  worden  :  von  einem  D.  Miguel  de  Menezes,  Urenkel 
úe>  Grafen  von  Vianna,    weifs  jedoch   keiner  etwas  zu  sagen.     Er 

2^1tiohr.  f.  rom.  Ph.    VII.  xx 


514  e.  M.  DE  VASCONCRLLOS, 

war  also  nicht  1578  bei  Alcacer-Quebir,  und  hat  sein  Leben  nicht 
zur  Rettung  Sebastians  eingesetzt.  Wenigstens  glaube  ich  iiiclit 
daran  —  bis  sich  mir  überzeugende  Beweise  bieten. 

Wann  aber  fiel  er?  und  wo?  Jedenfalls  auf  afrikanischem 
Boden,  da  in  A  83  seine  Feinde  Tingitanos  genannt  werden.  Eine 
andere  Antwort  vermag  ich  nicht  zu  geben.  Sehe  ich  mich  nach 
Niederlagen  um,  welche  die  Portugiesen  erlitten,  und  die  allgemeinen 
Jammer  erregten  und  in  Prosa  und  Poesie  betrauert  wurden,  nach 
einer  Niederlage,  bei  der  man  wohl  von  einem  Zurückweichen  und 
Fliehen  der  Angegriffenen  reden  kann,  so  fallt  mir  nur  die  Nieder- 
lage ein,  welche  D.  Pedro  de  Menezes,  stellvertretender  Kapitän 
von  Ceuta,  der  dritte  Sohn  des  ersten  Grafen  von  Linhares,  am 
18.  April  1553  unweit  von  Ceuta  erlitt;  jene  Niederlage,  bei  welcher 
der  Kapitän  selbst  mit  300  adligen  Jünglingen  der  Übermacht  der 
Feinde  zum  Opfer  fiel;  an  seiner  Seite  D.  Antonio  de  Noronlia, 
der  17  jährige  Freund  des  Lusiadensängers,  und  darunter  Gonzalo 
Mendes  de  Sa,  der  noch  jugendliche  Sohn  des  Dichters  Sil  de 
Miranda,  von  welchen  beiden  schon  oben  gesprochen  ward;  und 
femer  Paulo  da  Silva,  und  André  Rodrigues  de  Beja,  zwei  Knaben, 
die  auch  kurz  vorher,  im  Toumier  von  Xabregas  zum  Schwert  ge- 
griffen hatten;  jene  Niederlage,  bei  der  „wie  durch  ein  Wunder** 
die  Fahne  wenigstens,  durch  die  Hand  auch  eines  kaum  erwachsenen 
Jünglings,  des  JoÄo  Rodrigues  Pereira  gerettet  ward;  jene  Nieder- 
lage, die  in  Portugal  schmerzlich  wiedertönte  und  allsogleich  von 
den  Dichtem  beklagt  ward.  Von  Jorge  Ferreira  de  Vasconcellos 
in  der  Segunda  Tavola  Redonda  (p.  358 — 59),  von  Antonio  Fer- 
reira in  seinem  Briefe  an  Miranda  (No.  197),  von  Miranda  in  der 
Antwort  darauf  (No.  147)  und  in  dem  Widmungsbrief  (No.  145), 
mit  dem  er  die  J^gloga  „Basto"  an  seinen  Freund  Antonio  Pereira 
schickte ,  und  von  Camoens  selbst  in  seiner  ersten  Idylle  und  hn 
zwölften  Sonett 

Die  dem  Geschwader  des  Vicekönigs  D.  Pedro  Mascarenhas 
ungehörigen  Schifte,  welche  im  November,  oder  nadi  anderen  schon 
im  September,  1554  gleichzeitig  die  Nachricht  von  der  Gelnirt 
Sebastians,  vom  Tode  des  Kronprinzen  und  von  der  älteren  Nieder- 
lage bei  Ceuta  nach  Indien  brachten  (Couto  VI  2,  141),  mochten 
die  Kunde  vom  Tode  (ies  Miguel  de  Menezes  nicht  mit  voller 
(Genauigkeit  an  die  in  Indien  weilenden  näher  und  femer  verwandten 
Glieder  der  Menezesfamilie,  und  der  eng  und  mehrfachst  mit  der- 
selben verschwägerten  Noronhas,  melden  ;  mit  Gewifsheit  aber  doch 
wohl,  denn  sonst  würde  der  Dichter  kaum  seine  Terzinen  geschrieben 


*  Dafs  man  in  Goa  zuerst  nur  gerüchtweise  von  dem  Unglñckstmge  bei 
Alcacer-Quebir  gehört  haben  solle  (wie  Storck  vermnten  mnls,  um  glaabHch 
/u  machen,  dafs  ein  dort  weilender  Dichter  unsere  Elegie  geschrieben  habca 
könne),  scheint  mir  unwahrscheinlich.  Laut  Couto  IV  p.  148  Tohren  eist  ia 
Oktober  1579  die  Schiffe  von  Lissabon  ab,  welche  die  Nachnchteo  TomTode 
Sebastians  nach  Indien  bringen  sollten  :  um  diese  Zeit  aber  mafoten  die  flbcr- 
brachten  Nachrichten  ganz,  genaue  und  sichere  ¡»ein. 


NEUES  ZUM  BUCHE  DRR  KAMON.  ELEGIEN.  5 1 5 

haben.  Die  Gebeine  des  D.  Antonio  de  Noronha  wurden  nun 
zwar  in  der  Cathédrale  von  Ceuta  beigesetzt,  und  gewifs  ist  manche 
andere  Leiche  bestattet  worden  ;  dafs  jedoch  viele  andere  unbeerdigt 
blieben,  ist  an  und  für  sich  wahrscheinlich,  wird  aber  zur  Gewifs- 
heit  dadurch,  dafs  auch  Miranda  von  seinem  Sohne,  genau  so  wie 
Camoens  von  Miguel  de  Menezes,  im  Andenken  an  Vergil  (Aeneis 
II  646),  sagt: 

A  sepultura  (que  os  olhos  engaña) 

é  levissima  perda! 

Dafs  ein  Miguel  de  Menezes  bei  dem  Gemetzel  auf  dem  Monte 
da  Condessa  war,  kann  ich  übrigens  nicht  behaupten,  nur  vermuten. 
Jedenfalls  stand  der  in  der  Elegie  Besungene  aber  wie  die  meisten 
der  gefallenen  Leute,  in  zartem  Alter,  und  jedenfalls  konnte  1553 
einer  der  jüngeren  Söhne  des  D.  Henrique  de  Meneses  das  Knaben- 
alter kaum  überschritten  haben,  und  kann  er  daher  recht  gut  einer 
der  300  (wentureiros  sein  aus  jener  lustrosa  companhia  que  alegre 
s^emharcou  na  triste  armada» 

Von  ihnen  allen  heifst  es:  morreram  äs  laucadas  em  Africa 
es  for  cadamente.  Auch  scheint  es  mir  ungezwungener  in  Zeile  118 
das  Wort  Capitäo  auf  einen  wirklichen  Kapitän,  wie  D.  Pedro  de 
Menezes,  zu  beziehen,  als  auf  den  König  Sebastian  ;  und  das  gleich- 
viel, ob  meine  Auslegung  sich  nun  als  richtig  erweist  oder  nicht 
Bis  jetzt  ¡st  sie  nichts  als  eine  Hypothese. 

4.  Wann  und  wo  wurde  die  Elegie  verfafst?  und  5.  Kann 
Camoens  sie  geschrieben  haben?  Verfafst  ward  sie  zweifelsohne 
in  Goa,  wie  Storck  richtig  erkannt  hat     Die  Worte 

Que  vejo  as  praias  húmidas  de  Goa 
Ferver  com  gente  attonita  e  torvada 
Do  rumor  que  de  boca  em  boca  soa. 

stellen  es  aufser  Frage.  Auch  mufs  sie  gleich  nach  Empfang  der 
Trauerbotschaft  gedichtet  worden  sein:  trifft  meine  unter  3.  aus- 
gesprochene Vermutung  das  Rechte,  so  fiele  sie  in  das  Ende  des 
Jahres  1554  und  dann  hinderte  nichts  daran,  sie  für  eines  der 
echten  Gedichte  des  Lusiadensängers  zu  halten,  an  dessen  Denk- 
und  Dichtweise  sie  auffällig  anklingt;  und  der  damals  in  der 
Wintermufse  zu  Goa  seine  erste  Idylle,  sein  Sonett  12,  den  Prosa- 
brief  an  einen  Freund  in  Lissabon  (I  No.  1 59)  und  manches  andere 
dichtete. 

Hier  könnte  ich  aufhören:  die  fünf  oben  gesteUten  Fragen 
sind  beantwortet  so  gut  oder  schlecht  es  eben  gehen  wollte.  Doch 
habe  ich  noch  einige  in  Storcks  Kommentar  zu  den  Menezes- 
Terzinen  ausgesprochenen  irrtümlichen  Sätze  umzustofsen,  die  sich 
wie  eine  Krankheit  von  Buch  zu  Buch  weiterschleichen.  Den  Leser 
bitte  ich  ob  meiner  Weitschweifigkeit  um  Verzeihung:  soUen  aber 
einmal  all  die  kleinen  Fragen,  welche  sich-  an  die  kamonianischen 
Gedichte  knüpfen,  klar  und  wahr  beantwortet  werden,  soll  dem 
gröfsteii    Dichter   Portugals    ein   seiner  ganz   würdiger   Kommentar 

33» 


5 1 Ò  e  M.  DE  VASCONCRLLOS, 

werden,  so  müssen  eben  alle  falschen  Sätze  daraus  entfernt  werden. 
Die  Sätze  beziehen  sich  auf  denjenigen  D.  Manoel  de  Menezes, 
welchen  Juromenha  für  den  Vater  unseres  Miguel  und  auf  den- 
jenigen D.  Joäo,  welchen  er  den  (irofsvater  desselben  nennt,  welche 
beide  aber  thatsächlich  Vater  und  ( jrofsvater  eines  ganz  änderen 
bei  Alcacer-Quebir  gefallenen  gleichnamigen  Helden  sind.  Storck 
identificiert  nämlich  die  beiden  Vorfahren  mit  zwei  Dichtem  des 
Cancioneiro  de  Resende  gleichen  Namens,  gestützt  auf  Théophile 
Braga  (Hist  de  Cam.  I  37 1  und  Poetas  Palaciaros  p.  432),  der  vor 
ihm,  im  Anschlufs  an  die  von  Juromenha  (III  489)  gewonnenen 
Resultate,  das  gleiche  gethan  hat.  Alle  drei  irren  :  sie  verwechseln 
auch  hier  wiederum  D.  Joflo  und  D.  Manoel  mit  zwei  anderen 
Personen,  wie  es  bereits  Barbosa  Machado  und  viele  andere  gethan  ; 
sie  mischen  die  Menezes  -  Tarouca  mit  den  Menezes-Cántanhede 
durcheinander.  Die  Sache,  welche  ich  in  meiner  Miranda-Ausgahe 
bereits  in  ihren  Hauptsachen  dargestellt  habe,  liegt  wie  folgt 

D.  Joao  de  Menezes  Graf  von  Tarouca,  der  Sohn  und  Erbe 
des  Grafen  D.  Duarte,  daher  der  mutmafsliche  Grofsvater  unseres 
Miguel,  den  ich  schon  oben  erwähnte,  war  ein  gefurchteteter  und 
geachteter  Held  in  Emanuels  Zeiten:  über  seinen  Lebenslauf  und 
über  seine  Thaten  geben  die  Chroniken  von  Goes,  Osorío,  Andrade, 
Frei  Luiz  de  Sousa,  Resende  die  genaueste  und  sicherste  Nachricht 
und  selbst  Barros  und  Couto  erzählen  oft  gelegentlich,  wenn  sie 
von  seinen  Söhnen,  Enkeln  und  Urenkeln  zu  sprechen  haben,  von 
seinen  Thaten  in  Afrika  und  seinem  Ansehen  bei  Hofe.  Graf  von 
Tarouca  und  Conde-Prior  sind  die  Titel  unter  denen  er  auftritt: 
(îr  starb  alt  und  bejahrt  unter  der  Regierung  Johanns  III.,  bei 
dessen  Tlironbesteigung  er  noch  das  Banner  hielt,  also  nach  1521. 
l^r  war  Poet,  wie  fast  alle  grofsen  Hofmänner  seiner  Zeit,  doch  steht 
im  Cancioneiro  Geral  nur  ein  einziges  T.ied,  das  ihm  mit  Bestimmt- 
heit zukommt  (II  63),  und  dieses  eine  feiert  als  l)erûhmten  Sänger 
seinen  noch  ungleich  berühmteren  und  bedeutenderen  Namensvetter, 
von  dem  ich  nun  reden  will. 

D.  Joflo  de  Menezes  Cantanhede,  der  den  Namen  Dichter 
wirklich  verdient,  ist  der  in  Azamor  am  15.  Mai  15 14  verstorbene 
Held,  dessen  Siingeslust  Sa  de  Miranda,  Jorge  Ferrdra,  Jo&o  de 
Barros,  Ferreira,  Osorio  etc.  feiern,  und  von  dessen  Knegsthatcn 
alle  Chronisten  rühmend  sprechen  (besonders  auch  FS.  in  seiner 
„Africa").  Ihm  gelitirt  im  Cancioneiro  de  Resende  eine  stattliche 
Reihe  von  Gedichten  (1  107 — 135  und  viele  andere);  ein  Liedchen 
von  ihm  steht  auch  im  kastilianischen  Can.  Gen.  (ed.  1557  fl.  181), 
U!id  Witzworte  und  feine  Sentenzen  über  ihn  fìnden  sich  in  allen 
port.  Anekdotensamnilungen.  Was  hier  besonders  hervorgehoben 
werden  mufs  ist  i.  dafs  er  unvermählt  und  kinderlos  starb,  dafs 
er  also  Niemandes  Cìrofsvater  sein  kann,  und  2.  dafs  er  nicht  der 
sechste  Herr  von  Cantanhede  war,  weder  Herr  noch  sechster,  nodi 
war  der  sechste  Herr  überhaupt  ein  D.  JoÄo  de  Meneses,  wie  ich 
schon    oben    gesagt.      Kr   war    der   dritte  Sohn   des  vierten  Herrn 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  ELEGIEN.  5  I  ^ 

von  Cantanhede  D.  Joäo  Tello  de  Menezes.  Sein  ältester  Bruder 
D.  Pedro  (der  147Q  bereits  den  Grafentitel  erhielt)  war  der  Erbe 
seines  Vaters  und  fünfter  Majoratsherr.  Dessen  Sohn  und  Erbe, 
Cantanhede  6,  hiefs  D.  Jorge,  und  erst  sein  Erstgeborener,  der 
siebente  Besitzer  des  Erbgutes,  hiefs  wiederum  D.  Joäo  de  Me- 
nezes, und  er  erst  ist  der  Grofsvater  des  bei  Alcacer  gefallenen 
D.  Miguel ,  da  sein  dritter  Sohn,  D.  Manoel,  thatsächlich  desselben 
Vater  ist.  —  Dieser  D.  Manoel  war  laut  Souza  XI  842,  876  u.  877 
Oberkämmerer  des  Senhor  D.  Duarte,  Sohn  des  Infanten  D.  Duarte. 
Zu  dem  Poeten  D.  Joäo  de  Menezes  steht  er  also  im  Verhältnis 
eines  Grofsneffen;  er  selbst  hat  nichts  gedichtet 

Welcher  Manoel  de  Menezes  aber  ist  es  denn,  den  Juromenha, 
Hraga  und  Storck  als  poeta  afamado  do  Cancioneiro  de  Resende  auf- 
führen? Ich  kenne  noch  einen  des  Namens.  Als  der  Conde-Prior 
1496  Venedig  mit  einer  portugiesischen  Flotte  gegen  die  Türken 
zu  Hilfe  eilte,  begleitete  ihn  ein  D.  Manoel  de  Menezes,  der  bei 
der  Exj)edition  verunglückte  und  im  Meere  ertrank.  Goes  (I  24) 
sagt  nichts  über  seine  Herkunft;  Souza  (XI  Bio)  nennt  ihn  Sohn 
des  ersten  Grafen  voìì  Cantanhede,  also  einen  Neffen  des  Dichters 
Joäo  de  Meneses-C'antanhede.  Dieser  1496  gestorbene  D.  Manoel 
kann  jedoch  unmöglich  identisch  sein  mit  dem  im  Cancioneiro  de 
Resende  auftretenden  Dichter,  den  Sa  de  Miranda  preisend  lobt,  in 
einem  .\tem  mit  dem  15 14  verstorbenen,  und  in  einer  Form  die  es 
wahrscheinlich  macht,  dafs  er  selbst  persi'mlich  dem  letzten  Schwanen- 
gesange  der  beiden  Dichter  Emanuels  gelauscht  hat  Die  Frage 
bleibt  also  immer  noch  (jrt'en.  —  Dafs  Storck  sein  peculium  poeiicum 
nicht  entdecken  konnte,  ist  übrigens  gar  nicht  auffällig.  Beträgt 
es  doch  ein  einziges  Stücklein  im  Cancioneiro  de  Resende  III  224. 

Dixi. 

Zu  lüegie  XIV.  Sie  ist  zweifelsohne  ein  Werk  des  Diogo 
Mernardes.  —  159Ö  veröffentlichte  er  sie  in  seinen  „Flores  do  Lima". 
Und  unter  seinem  Namen  bietet  siti  auch  die  Miscellanea  Juromenha. 
Alvares  da  Cunha  hat  also  gröblich  geirrt,  als  er  dieselbe  1668 
Camoens  zuschrieb:  an  rohe  Kntstellung,  an  Fälschung  und  Ver- 
hallhornung  glaube  ich  nicht.  Der  Text,  den  jener  herausgegeben, 
ist  zwar  verderbt,  doch  kann  ihn  sehr  wohl  eine  Handschrift  in 
diesem  Zustande  üluírliefert  haben.  J^s  steht  keineswegs  schlimmer 
um  ihn,  als  es  durchgängig  der  Fall  mit  der  kamonianischen  Lyrik 
ist  Kine  Terzine  ist  nach  Zeile  12  ausgefallen,  sei  es  weil  sie 
schon  in  der  benutzten  Handschrift  fehlte,  sei  es  dafs  Alvares  da 
Cnnlia  oder  sein  Schreiber  ilüchtig  kopiert  hat;  in  Zeile  ^2  ist  das 
Reim  wort  wol  unleserlich  gewesen,  stat  sobe  ¡as  setze  man  sab  t  da  s  \ 
in  Zeile  54  ist  respondido  falsch,  ich  schlage  vor  rependido  an  seine 
Stelle  zu  setzen;  in  Zeile  85  mul's  für  cor  dor  gelesen  werden;  in 
Zeile  96  für  muiias  (wahrscheinlich  moHas)  mor  tas.  Damit  aber  sind 
die  verderbten  Stellen  vollzählig  verzeichnet,  fünf  an  Zahl,  von  denen 
vier  sichtlich  nichts  als  Lesefehler  sind.  Was  Storck  mir  sonst  et^va, 
angesichts    des    schöneren   'J'extes    der  „Flores  do  Lima",   fur  Ver- 


5  1 8  e.  M.  DE  VASCONCELLOS, 

ballhomungen  erklären  könnte,  ist  nichts  als  minder  gelungene 
Fassung  desselben  Gedankens.  Wenn  alles  Verderbte  gefälscht  ist, 
woraus  ist  dann  Elegie  XV  entstellt,  der  ja  auch  eine  ganze  Ter- 
zine aus  der  Glitte  heraus  fehlt?  und  Elegie  XIX,  in  der  dasselbe 
geschehen?  Giebt  es  denn  überhaupt  einen  einzigen  kamonia- 
nischen  Text  —  diejenigen  abgerechnet,  welche  Soropita  und  Este- 
vam  Lopez  mit  Sorgsamkeit  und  Liebe  und  Fleifs  gesammelt  haben, 
und  diejenigen  bei  Seite  gelassen,  an  denen  Faria  e  Sousas  nach- 
glättende Feile  thätig  gewesen  — ,  giebt  es,  frage  ich,  einen  einzigen 
z.  B.  unter  all  den  von  Juromenha  und  Braga  als  Inéditos  veröffent- 
lichten Texten,  der  nicht  in  hohem  Grade  vernachlässigt  und  reich 
an  Fehlem  und  Lücken  wäre?  Hat  nicht  Storck  selbst  überall 
Kleinigkeiten  gefunden,  die  der  Nachbesserung  bedürfen? 

Die  Lesart  der  Elegie,  wie  uns  die  Miscellanea  Juromenha  sie 
giebt,  hält  die  Mitte  zwischen  den  beiden  bis  heute  gekannten: 
bald  nähert  sie  sich  der  in  den  „Flores  d<:)  Lima"  von  Diogo  Ber- 
nardos selbst  veröffentlichten,  bald  der  weniger  schönen,  von  D.  Ber- 
nardos verworfenen,  welche  Alvares  da  Cunhci  aus  irgend  einer 
Handschrift  auflas,  wo  sie  vermutlich  ohne  Namensangabe  in  der 
Nähe  etwelcher  kamonianischer  Werke  stand.  In  i6  Fällen  —  welche 
durch  kursiven  Satz  in  die  Augen  fallen  —  kann  ich  eine  gänzlidic 
oder  partielle,  unter  keiner  Bedingung  aber  zufallige  Überein- 
stimmung der  in  Camoens'  Werken  umlaufenden  I..esart  mit  der  in 
der  Mise.  J.  enthaltenen  konstatieren.  Wenn  aber  auch  nur  in  fünf 
oder  sechs  Fällen  eine  aus  Alvares  da  Cunha  zu  entnehmende 
Variante  in  einem  alten,  glaubwürdigen  Manuskripte  eine  Bestäti- 
gung fände,  so  wäre  man,  mein' ich,  schon  verpflichtet  ihm  zu 
glauben,  dafs  er  eine  handschriftliche  Quelle  benutzt  und  niclit 
willkürlich  an  Di( >g(j  Bernardas*  gedrucktem  Limatexte  geändert  hat 

Die  drei  Texte  lauten  wie  folgt: 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  ELEGIEN. 


519 


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522  C.  M.  DE  VASCONCFXLOS, 

Zu  PLI  eg  i  e  XV.  Der  Text  dieser  Elegie,  welche  Alvares  da 
("unha  1668  (p.  56)  für  kamoniaiiisch  erklärte,  an  deren  Fchtheit 
ich  aber  zweifle,  bleibt  mir  stellenweise  dunkel:  die  Gedanken 
folgen  sich  in  loser  und  etwas  bunter  Reihe,  so  dafs  die  Interpre- 
tation eine  schwierige  ist.  Was  wollen  z.  H.  Zeile  13 — 15  sagen? 
ich  habe  die  verschiedenartigsten  Deutungeii  versucht,  doch  keine 
gefunden,  die  mich  ganz  l)efriedigt  hatte.  Wenn  in  Z.  16 — 18  steckt, 
was  Storck  herausgelesen,  so  ist  ihre  jiortugiesische  Fassung  mir 
unklar.  Ich  möchte  übersetzen  :  „Mit  dem  (iedanken  stehen  meine 
Augen  in  Fehde,  weil  er,  der  immer  l)ei  Kucli  und  in  Euch  ist, 
sie  nicht  mit  sich  nimmt:  denn  es  giebt  keinen  Wall,  der  ihm 
widerstände*'  (Punkt  nach  ns/s/ij).  Freilich  kann  idi  keinen  Beweis 
dafür  beibringen,  dafs  Ar  </'//y///jA7  t"W  ì  Ig  tu  m  Umdeute  „mit  Jemand 
entzweit  sein'*;  doch  zweifle  ich  nicht  daran,  dais  es  das  hat 
bedeuten  k<  innen. 

In  Zeile  31  lese  man  »//w»/  tu  in  hü  statt  iilma  t?  mM/uti  in  36 
î>etze  man  ein  Komma  nach  innhiWCii  und  keinen  Punkt  :  in  5 1 
mur>  e>  heifsen  Jt  quanto  tur  'h  qiuình\  in  54  ./  e  seguir  = 
il  stguil'v  und  nicht  «/»>  sign/r:  in  óo  ist  die  Schreibart  tsphera 
vorzuziehen:  64  ist  metrisch  nicht  fehlerhaft,  dixrh  ziehe  ich  auch 
vor  Oihos  an  Stelle  von   Os  o/hos  zu  setzen. 

Zu  Elegie  XVI.  Ist  das  Gedicht  sch<>n?  ist  es  echt?  ist  es 
treu  überliefert?  ist  es  nur  eine  Cliersetzung?  Steckt  noch  ein 
Cieheinniis  darin,  d.h.  verbirgt  e^  irgend  ein  Kunstatückchen ,  das 
noch  dtT  Entdeckung,  irgend  ein  Rätsel,  tla>  noch  der  l^ung 
harn?  Kaum,  da  Storck  !•>  nicht  i^efunden.  Doch  was  befremdet 
liaran  in  ío  >eliNani  aufdringlicher  Weist*?  Ich  weifs  e>  nidit,  doch 
finde  ich  tleii  Styl  sonderbar  und  die  Ver>e  holperig  und  reich  an 
Ihinoii.  liiiL-rpunktiou  und  I)ruckeinrichiung  der  port.  Au8gal)e 
sind  «iehr  niangelhafi. 

Zu  E'.fgie  XVII  und  XVlll.  IWdr  Stücke  sind  genan  so 
ungeierik  va  A  unhannoniscli  wie  die  spanischen  PfKîsien  des  Dom 
Manur".  ilr  PiTiUiHil  uìui  Sa  de  Miranda.  Sa  de  Menezes  etc.  Man 
vorgìeicln-  Nt\  171.'.  171  und  iù2  meiner  Ausgalte.  I^amlierto  Gil's 
NaclìK'S'-iTiniCtMi  ;:elie!!  >ami  und  M»ndcr^  darauf  aus  häfsliche 
lliateii  /i:  ti!go!\  die  Verse  voliti »neiidcr  zu  maclien  und  Lusitanismen 
im  Au>driîck  /u  i»e>eitigen.  l'nbt-dingi  sind  seine  Änderungen 
Xer^iliöniTungei::  sind  •m.ï.cîk-  Verschímenuigen  al>er  statthaft? 
W firL-:  :  beide  E li  ¿ien  c  r  \\  i  o  s  e  r.  i-  r  m  a  i's  e  n  von  CamoenN  so  muíste 
nì;i!ì  <ich  die  Verft^inerungen  wohl  «»der  üliel  gefallen  lassen,  da 
or  :r.àt>.ic}ìlii'h  ein  vorrüg',  i  elio  und  kein  stümperliaftes  Spanisch 
j:i*M.iirielH-!i  ;.:.  P.  in  Eg!.  1  .  >o  daiV  es  angesicht;»  so  M^vrderbter** 
IVxie.  wir  die'  Ix'ider.  frag'.ichen  e^  >ind.  auf  der  Hand  läge  die 
l\-hlor  AVA  ivràiriuni:  der  Kopisten  zu  schreilien.  So  aber,  da  kein 
iiiiiorer  .vie!  . ir. "serer  liruiid  dazu  zwingt,  die  Texte  als  kamonia« 
•  i>oiu'  .1:  i'iirachie!. .  ;-:  t>  auci.  gr statte:,  wenn  nicht  geboten, 
iii'  l':.«  l-i'î.V.i'itfïi  r.:id  l.i:si:a:ÜÑiui;i  dorsellvn.  unter  die  ich  sdbst- 
vor>:.iv.».".*ij'     das  ^ur'^'ioh  Eoiilerha?':e  nicht   einb^^ife,   für 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  ELEGIEN.  523 

tümlichkeiten  ihres  unbekannten  Verfassers  zu  halten,  und  sie  dem- 
entsprechend unangetastet  zu  belassen.  So  z.  B.  finde  ich  in 
Elegie  XVni  i  die  Änderung  passadas  zu  pisadas  unnütz:  passadas 
bedeutet  nämlich  genau  dasselbe  wie  pisadas  d.  h.  Schritte  und 
ist  ein  in  der  port  Bukolik  überaus  häufig  gebrauchtes  Wort  (cfr.  Mi- 
randa No.  1 50,  296  und  302)  ;  besonders  da  in  Z.  4  pisando  Reimwort 
ist,  ist's  überñüssig  im  Reimwort  der  ersten  Zeile  auch  ein  Wort 
gleichen  Stammes  anzubringen.  Ebenso  sinnlos  ist  es  aus  montaña 
inirataiada^  m.  inhabitada  in  Z.  35  zu  machen.  Auch  dies  ist  ein 
Lieblingsausdruck  der  ältesten  port.  Idyllendichter  (cfr.  Miranda 
No.  192,  211).  Auch  tormiento  fiero  in  Z.  41  und  apastar  in  17,  5 
hat  nichts  Anstöfsiges  —  wohlverstanden  für  alle  spanisch  dichtenden 
Portugiesen;  vura  Feingefühl  eines  echten  Castilianers  sehe  ich  selbst- 
verständlich ganz  ab. 

Manche  Fehler  von  denen,  welche  Lamberto  Gil  verbessert 
haben  soll,  stammen  erst  von  den  modernen  Herausgebern  her. 
Die  Ed.  1668  hat  z.  B.  in  No.  XVII  richtig  in  Z.  5  y  ei  pensamiento ^ 
in  Z.  9  apartamento,  in  Z.  10  espirito,  in  Z.  1 2  fuente  (und  in  No.  XVIII 
Z.  1 1  ^  perfecta),  —  Notwendig  scheinen  mir  für  No.  XVII  nur  die 
Änderungen  von  Z.  8,  2"^  und  37,  und  von  den  Storckschen  accep- 
tiere  ich  die  für  Z.  17  und  47. 

Was  die  „Ungestillten  Klagen"  betrifft,  so  halte  ich  für  ent- 
behrlich von  Gils  Besserungen  die  an  Z.  9,  10,  11,  16,  28,  35,  36, 
37,  41,  44  und  46  vorgenommenen.  Von  Storcks  Besserungen  ge- 
fallen mir  die  auf  Z.  9,  13,  15,  17,  29,  25  bezüglichen.  In  Z.  20 
ist  si  für  se  zu  setzen;  in  26  würde  ich  ventura?,  in  27  empedernido! 
lesen,  in  49  dureza,  in  51  aspereza?  In  Z.  53  finde  ich  nichts  auf- 
fallendes.    Konstruktionen  wie 

al  que  puedes  dar  vida,  y  por  ti  pena  .  .  . 

für  aquel  a  quien  puedes  dar  vida  y  que  por  ti  pena  sind  nicht  selten, 
nur  fehlt  im  obigen  Falle  der  Nachsatz,  den  ich  in  Z.  54  suche. 
Freilich  müfste  er  lauten 

Le  niegas  lo  que  el  mundo  no  pensara. 

In  der  Schlufszeile  scheint  mir  das  en  zu  viel. 

Zu  Elegie  XIX.  Nach  Storcks  Auseinandersetzung  blieben 
noch  dir  Fragen  offen:  i.  in  welchem  Jahre  ward  in  Afrika  am 
21.  Dezember  ein  maurischer  Anführer  besiegt  und  gefangen,  imd 
zwar  von  einem  portugiesischen  Kapitän  Namens  D.Pedro  da  Silva? 
2.  wer  war  dieser  junj^e  Kapitän  von  Tanger?  —  Ich  habe  auf 
beide  Fragen  ungefähr  befriedigende  .\ntwort  zu  geben,  obwohl 
die  beiden  Quellenwerke  mir  unzugänglich  sind,  aus  welchen  man 
von  Rechts  wegen  seine  Kenntnis  über  einen  Angehörigen  der 
Familie  da  Silva,  der  als  Kapitän  Tanger  kommandiert  hat,  schöpfen 
raufs,  d.  h.  »ibwohl  ich  die  ausführliche  „Historia  de  la  Casa  de 
Silva"  von  I).  Luiz  de  Salazar  y  Castro  (Madrid  1685,  2  vol.  fol.) 
nicht  benutzt  habe,  und  ebenso  wenig  die  „Historia  de  Tangere" 
von  D.  Fernando  de  Menezes,   Conde  de  Ericeira  (Liss.  1732). 


524  e.  M.  DE  VASCONCELLOS, 

Die  allgemeinen  genealogischen  Werke  hal>en  mich  auch  hier 
wieder  im  Stich  gelassen:  ül>er  diejenigen  Söhne  aus  alten  Adels- 
familicn,  welche  nicht  als  Erstgeborene  die  Anwaltschaft  aaf  den 
Rang,  den  Titel  und  die  Erbgüter  des  Vaters,  (xier  durch  glück- 
liche Heirat  des  Schwiegervaters  hatten,  geben  selbige  nur  höchst 
selten  Aufschlufs.  Der  erlauchte  Herr  D.  Pedro  da  Silva,  an  den 
die  Elegie  sich  wendet,  ist  ihnen  denn  auch  unbekannt;  die  Ge- 
schichtsschreiber, welche  Sebastians  Regierung  zum  Gegenständ 
von  Spezialwerken  gemacht,  gelxîu  jedoch  glücklicher  Weise  aber 
ihn  hinreichenden  Aufschlufs.  Sowohl  Jemnymo  de  Mendoça  wie 
Fr.  Bernardo  da  Ouz,  und  BaySo,  und  Barbosa  Machado  kennen 
und  nennen  den  jungen  Helden.^  Aus  ihren  vereinzelten  und  zer- 
streuten Angaben  setze  ich  folgendes  zusammen: 

D.  Pcdrr»  da  Silva  gehört  der  Regedorfiunilie  an,  vt»n  welcher 
St<jrck  im  ersten  Bande  unter  No.  XXX  "^^^  ™  dritten  bei  Ge- 
legenheit der  Oktave  V  spricht,  \\m  der  ich  weiter  unten  noch  not- 
gedrungen reden  mufs.  Er  war  der  jüngste  Sohn  von  D.  Diego 
da  Silva  (dem  ältesten  unter  den  Kindern  des  berühmten  Justiz- 
l>eamten  D.  Joäo  da  Silva),  welcher  155Ö  noch  bei  Lebzeiten  seines 
Vaters  starb.  Seine  Geschwister  sind  also:  I^>urenvo,  genannt  der 
Regedijr;  D.  Luiz,  der  Liebling,  Vertraute  und  Berater  König 
Sebastians;  D.  Fernâi»,  Hofprediger  jenes  Monarchen  und  auch  in 
seiner  Gunst;  D.  Bartholomeo,  der  D.  Pedro  im  Alter  am  nächsten 
stand  und  daher  Lust  und  T^id  des  Thebens  mit  ihm  geteilt  hat: 
alle  —  bis  auf  D.  Pedro  --  kämpften  heldenmütig  bei  Alcacer- 
Quebir.  Eine  der  Sclnvestern,  D.  lianor  da  Silva,  war  mit  dem 
tapferen,  den  Lesern  hekamiten  Ohorbefelilshaber  von  Tanger  und 
Generalissimus  bei  Alcacer,  D.  Duarte  de  Menezes-Taniuai  vermählt 
Sebastian,  der,  wi(^  gesagt,  an  D.  Luiz,  seinem  Staatsrat  und  sumiiktr 
da  cortina  (d«jch  nicht  camareiro,  wie  so  i>ft  fälschlich  behauptet 
wird),  mit  grofser  Zuneigung  hing,  bewies  der  ganzen  Familie  des- 
selben —  die  ja  auch  seit  |ahrliuuderten  auf  den  afrikanischen 
Schlachtfeldern  und  in  Bekleidung  der  hi^chsten  Amter  dem  Staate 
hervorragende  Dii^nste  geleistet  hatte  —  grofses  und  auffallendes 
Wohlwollen,  hesi»nders  den  Kindern  I).  JtiSos.  Bei  seiner  ersten 
ExiMidition  nach  Afrika  besuchte  der  frauenfeindlidic  Monarch 
D.  Liaiior  da  Silva  in  langer  und  zeichnete  sie  aus;  I^mrenço 
und  h'ernäo  wurden  auch  vielfach  geehrt,  und  dafs  D.  Pedro  eine 
hohe,  vielbeneidete  Gunstl)t^,zeugung  von  ihm  erwiesen  ist,  weifs 
der  Leser  der  Elegie  auch  ohne  meine  l^stätigung. 

1).  P(HÌro  verdiente  sich  1573  in  Afrika  die  Sporen  (er  modite 
I7jrihrig  sein):  er  und  sein  Bruder  Bartholomeo  gehörten  za  den 
50(^  Rittern,  welche  in  diesem  Jahre  zur  Hilfe  des  Befehlshabers 
von  Tanger,  Ruy  de  Sousa  Carvalho,  ausgesandt  wurden.  An  ver- 
schiedenen   Ausfallen    nahm    er    teil    —  ohne    bescmderes    Glflck. 


'  Jcronyino  de  Mciulo^a   p.  Q4:    Bernardo  da  Cruz  p.  178,  J09;    Baylo 
p.  295,  296,  440;    Hist.  Sebastica  p.  337;    Barb.  >rachado  IV  p.  109. 


NEUES  ZIM  BUCHE  DER  KAMON.  ELEGIEN.  525 

Passierte  es  ihm  doch,  dafs  in  dem  unglücklichen  Treffen,  in  welchem 
sein  Kapitän  nel,  die  Mauren  ihm  das  Fähnlein,  das  er  zu  schützen 
hatte,  nahmen  (Bayâo  p.  295,  296).  An  des  Verstorbenen  Stelle 
trat  interimistisch  Diogo  Lopes  da  Franca,  der  schon  öfter  im  Not- 
falle als  stellvertretender  Kapitän  Tanger  verwaltet  hatte,  doch  nur 
bis  zu  dem  Augenblicke,  wo  1574  der  traurig  berühmte  Fürsten- 
sohn und  Prior  d(»  Grato,  D.  Antonio,  von  seinem  königlichen 
Neffen,  dessen  steter  Traum  damals  schon  Eroberungen  in  Afrika 
waren,  nach  dem  wichtigen  Platze  geschickt  ward,  mit  bedeutsamen 
Plänen  betraut.  Als  Sebastian  jedoch  im  Herbst  desselben  Jahres 
persönlich  Afrika  betrat,  lag  nicht  der  geringste  Grund  vor  D.  Pedro 
da  Silva  auszuzeichnen  :  die  Hyp<  )these,  er  habe  ihn  zu  dieser  Zeit 
zum  Kapitän  von  Tanger  gemacht,  ist  eine  hinfällige.  Am  15.  Aug. 
hatte  der  König  Belem  verlassen;  am  17.  war  er  in  Cascaes;  am  20. 
hatte  sein  Geschwader  Lagos  erreicht;  am  25.  Ceuta,  wo  er  bis 
Ende  September  blieb,  mit  Streif-  und  Jagdzügen  beschäftigt.    Am 

1.  Oktober  traf  er  in  Tanger  ein,  und  überaus  unzufrieden  mit  den 
Anordnungen  D.  Antonios,  entsetzte  er  ihn  seiner  Stellung  und  er- 
nannte an  seiner  Statt  den  verdienten  D.  Duarte  de  Menezes  zum 
Gouverneur,  dem  dieser  Posten  zukam  als  militärisches  Erbteil  seiner 
Vorfahren,  der  Menezes-Tarouca.    Weiter  that  Sebastian  nichts:  am 

2.  November  war  er  bereits  wieder  in  Lissabon. 

Der  vielen  kleinen  Schannützel,  welche  zwischen  1574  und 
1578  selbstverständlich  stattfanden,  gedenkt  kein  Chronist  ausführ- 
licher. D.  Pedro  übte  und  stärkte  gewifs  seinen  jungen  Arm  in 
manchem  Kampfe;  und  man  darf  annehmen,  dafs  es  unter  seines 
verdienstvollen  Schwagers  Kommando  mit  Erfolg  und  Glück  geschah, 
im  Jahre  1577  (dem  Anschein  nach  im  Juli  oder  August,  doch  ist 
der  Tag  leider  unbekannt)  übergab  Cid  Abd-el-cherim,  mit  Ge- 
nehmigung seines  Merni,  des  Xarife  Mulei-Hamet,  in  Furcht  vor  der 
sich  sammelnden  kriegerischen  Übermacht  des  Mulei-Maluko,  den 
Portugiesen  die  Festung  Arzilla,  die  einst  Joihann  IIL  den  Mauren 
preisgegeben.  D.  Duarte  de  Menezes  mufste  seinen  Posten  ver- 
lassen und  Arzilla  im  Namen  des  Königs  in  Besitz  nehmen.  Wäh- 
rend seiner  Abwesenheit  nun,  d.  h.  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres 
1577,  blieb  D.  Pedro  da  Silva  auf  ausdrücklichen  Befehl  des  Königs 
in  'l'anger  als  Kapitän  zurück  —  ein  hi>her  Ehrenposten  für  einen 
Jüngling,  ob  er  auch  nur  für  kurze  Zeit  verliehen  war.  Als  D.  Duarte 
nach  Tanger  zurückkehrte,  wo  der  Xarife  sein  Gast  sein  sollte,  ward 
D.  Pedro  als  Kapitän  nach  Arzilla  geschickt.  Über  kriegerische  Aus- 
falle, die  er  während  seiner  Regierung  wahrscheinlich  gesucht  und, 
wenn  man  die  Elegie  als  historisches  Dokument  gelten  lassen  will, 
auch  gefunden  hat,  schweigt  die  (ieschichte:  über  den  maurischen 
Häuptling  von  Tetuan,  Alafe,  den  er  am  21.  Dezember  1577  besiegt 
haben  mufs,  weifs  ich  also  nichts  zu  melden. 

1578  ging  1).  Duarte  als  Oberbefehlshaber  und  persönlicher  Be- 
rater des  Königs  mit  in  die  Schlacht:  wer  als  sein  Substitut  in  Tanger 
zurückblit'b,    wird  von   den   Chronisten  nicht  erwähnt.     Doch  ist  es 


526  e.  M.  DE  VASCONCELLOS, 

wahrscheinlich,  dais  D.  Duarte  in  der  gefahrvollen  Situation,  deren 
Ernst  er  gewifs  erkannte,  die  Sorge  für  Frau  und  Kind  abermals  dem 
Schwager  übertrug.  Selbiger  hat  am  4.  August  m'cht  mitgekämpft; 
und  als  nach  dem  Unglückstage  Belchior  de  Amarai  ausgeschickt 
wurde  um  in  Arzilla,  Aza  ììor,  Tanger  etc.  den  Verlauf  der  Schlacht 
zu  melden,  aberstattete  er  in  Tanger,  laut  Jeronymo  de  Mendoça 
p.  94,  seinen  Bericht  an  den  Capitäo  Pedro  da  Silva  que  na  cidade 
por  ElRey  estava.  Man  vergleiche  auch  Cruz  p.  309.  Seine  ferneren 
Schicksale  sind  mir  unbekannt,  sind  aber  für  die  Erläuterung  der 
ihm  gewidmeten  Elegie  von  gar  keinem  Belang.  Selbige  kann  nur 
zwischen  dem  21.  Dezember  1577  und  dem  4.  August  1578  ge- 
schrieben sein. 

Ob  sie  wirklich  von  Camoens  ist?  ich  finde  die  Terzinen  nicht 
nur  kühl  und  allgemein  gehalten,  sondern  prosaisch  durch  und  durch. 
Mat  der  Lusiadensänger,  welcher  der  Familie  da  Silva  befreundet 
war,  sie  gedichtet,  so  war  es  in  einer  Stunde,  wo  die  Muse  ihm 
nicht  hold  und  seine  Phantasie  durch  das  Erförchten  und  Erhofien 
der  afrikanischen  Expedition  ermüdet  und  unbeschwingt  u-ar.  Die 
J'Jcgie  würde  eine  seiner  letzten  Schöpfungen  sein. 

Dafs  die  überlieferte  Form  zu  wünschen  übrig  läfst,  hebt  auch 
Storck  hervor.  Die  Änderung  von  Christâos  zu  Christas  in  Z.  41 
ist  bedingungslos  luizunehmen.  Mir  scheint  fehlerhaft  auch  Z.  34 
(nicht  27,  denn  darin  läfst  sich  der  Nasal  vokalisch  behandeln)  und 
Z.  O2,  in  der  mich  die  Formel  denso  daño  frappiert  Der  Sinn  er- 
fordert e  xi'f/i  dano.  Vielleicht  stand  im  Original  senza  danno.  Das 
Kinnechten  italienischer  Formeln  und  Phrasen  in  portugiesische 
Poesie  und  Pn^sa  des  16.  Jahrhunderts  ist  nichts  seltenes,  wie  jeder 
weifs  der  Jorge  Ferreira  de  Vase« inceli« >s,  Andrade  Caminha  und 
Hemardes'  (iedichtc  kennt. 

Storcks  Deutung  von  Vers  2  ist  natürlich  richtig:  freilich  pflegten 
die  Silvas  in  ihren  Wappenmärchen  ihren  Ursprung  nicht  in  so 
graue  Vorzeit  zurückzuverlegen;  sie  nennen  sich  gewöhnlich  Nach* 
kommen  von  Aeneas  Sylvius  Piccolomini  oder  auch  des  Kaisers 
Marcus  Salvius  Otho,  der  ja  Statthalter  in  Lusitanien  gewesen  ist 
Dafs  die  /weiglinie  der  Kegedores  Aeneas  als  ihren  Stammvater 
anführt,  ist  mir  nicht  bekannt,  doch  thut  das  \vahrscheinlich  das 
Cieschlecht  des  Aeneas  Sylvius  —  und  schon  in  diesem  Falle  ist 
ja  des  Dichters  Datierung  eine  erlaubte  und  wahre. 

Zu  Elegie  XX.  Ob  die  Überschrift  Ä  morte  de  D.  Tdb  qme 
ttuitaram  na  India  echt  ist?  Wer  kann  es  sagen?  Alvares  da  Coiüiay 
der  einzige,  der  das  Cìedicht  handschriftlich  aufgefunden,  pfl^fte 
sich  die  l'berschriften  zu  seinen  Funden  zurecht  zu  machen,  wie 
ich  weiter  oben  angedeutet  habe.  Hat  er  t^s  aber  in  diesem  Falle 
gethan,  so  traf  er,  dem  Anschein  nach,  das  rechte.  Den  Namen  Tdio 
orgiebt  das  (xedicht  (in  Z.  205)  :  Tello  oder  Teües  aber  heilsen  nur 
(flieder  der  grofsen  Menezesfauiilie,  in  welcher  der  Name  ein  alter 
und  erblicher  war.  Der  Kürzt;  halber  sei  nur  an  die  bekannteste 
iVägeriii    desselben,    an    ilie    berühmte    odt^r    berüchtigte   Königin 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  ELEGIEN.  527 

D.  Leonor  Telles  de  Menezes  erinnert.  Gewöhnlich  geht  freilich 
dem  Tello  noch  ein  Vorname  wie  Luiz,  Jofio,  Ayres,  Diogo  etc. 
vorauf.  Da  nun  aber  ein  junger  Edelmann,  genannt  nur  Tello  de 
Menezes,  laut  Coutos  Bericht  in  Dekade  VII  (Buch  lo  Kap.  9),  im 
Dezember  1562  den  Grafen  von  Redondo  nach  Calicut  begleitete 
und  bei  dessen  Zusammenkunft  mit  dem  Samorim  im  Hafenplatze 
Tiracolla  zugegen  war,  kurz  darauf  aber,  noch  vor  dem  15.  Januar 
1563,  in  dem  mûfsigen  Gamisonleben  in  Cochim  mit  einer  Schaar 
seiner  Kameraden  in  Streit  geriet  und  im  Zweikampf  fiel,  so  lag 
es  nahe  das  schöne  Klagelied  auf  den  Tod  eines  Tello  auf  ihn 
zu   beziehen. 

Über  sein  Verwandtschaftsverhältnis  zu  den  vielen  ruhmvoll 
bekannten  Angehörigen  der  grofsen  Menezesfamilie  weifs  ich  nichts 
Sicheres  zu  sagen.  Jedenfalls  mufs  sein  Vater  nicht  zu  den  nam- 
haften Helden  gehört  haben:  sonst  würde  das  Klagelied,  das  zu 
seiner  Mutter  und  einer  Schwester  Maria  spricht,  desselben  ge- 
denken, gleichviel  ob  er  zu  den  Toten  oder  zu  den  Lebenden 
gehörte. 

Ein  Wort  über  die  Entstehung  der  Ansicht  von  Costa- e -Silva, 
„dafs  unsere  Elegie  ein  angeblich  verlorenes  Gedicht  von  Fernâo 
Alvares  do  Oriente  sei",  wäre  für  den  deutschen  Leser  wohl  ange- 
bracht, und  vielleicht  auch  für  den  portugiesischen  (vgl.  Braga,  Hist, 
de  Cam.  II  p.  118).  Der  Dichter  der  Lusitania  transformada,  der 
Camoens  kennt,  liebt,  feiert,  nachahmt  und  glossiert,  hat  nämlich 
sein  Werk  einem  Menezes  gewidmet,  Ao  lit^  e  mut  Ex!^  Senhor 
D,  Miguel  de  Menezes^  Marquez  de  Villarealy  Cotide  de  Alcoulim  e  de 
Valença^  Senhor  de  Almeida^  CapUäo^mör  e  Governador  de  Ceitüy  und 
denselben  in  einer  Ode  (p.  268)  und  in  Octavas-Rimas  (315)  ge- 
feiert, weshalb  man  iiamenlos  überlieferte  Gedichte  auf  irgend  einen 
Menezes  im  allgemeinen  gern  dem  Alvares  zuschreiben  möchte. 
Kür  diesen  Fall  aber  existiert  n<ich  ein  besonderer  und  nicht  un- 
wichtiger (irund:  Barbosa  Machado  (II  14)  teilt  nämlich  mit,  in 
dem  oft  erwiihnten,  1577  zusammengestellten,  1755  beim  P>dbeben 
von  Lissabon  zerstörten  Cancioneiro  des  Padre  Pedro  Ribeiro  habe 
eine  Plegie  v<jii  Alvares  do  Oriente  gestanden,  deren  Anfangszeile 
er  mitteilt  als 

Saia  d'està  abna  triste  e  magoada, 

Angesichts  dieser  Erklärung  bleibt  es  also  unentschieden,  ob  Camoens 
oder  ob  sein  genialer  Nachahmer  der  Verfasser  der  Elegie  ist. 

In  Z.  196  ist  nem-no  espania  für  nem^nos  espania  zu  lesen, 
eine  Änderung,  die  Storck  stillschweigends  seiner  Übersetzung  zu 
Grunde  legt. 

Zu  Elegie  XXI.  Der  (iang  der  Gedanken  und  ihr  Zusammen- 
hang tritt  im  Deutschen  weniger  klar  zu  Tage  als  im  Original.  Die 
Umgestaltung,  die  Storck  an  Z.  18 — 30  vornimmt,  ist  durchaus  zu 
billigen.  Im  Hinblick  auf  Z.  16  Lembro-Dos  schlage  ich  vor  auch 
in  Z.  13   nJo  WS  i  e  mitro    für    ndo  vos  lemhre   zu    setzen.     In  Z.  52 


528  e  M.  DE  VASCONCELLOS, 

ist  möglicherweise  insiste  zu  lesen:  der  identische  Reim  würde  frei- 
lich auch  so  nicht  aufgehoben. 

Zu  Elegie  XXII.  Dafs  diese  Elegie  von  derselben  Hand  ge- 
schrieben ward,  welche  die  14.  gestaltete,  d.  h.  dafs  auch  sie  von 
Diogo  Bemardes,  und  nicht  vrm  Camoens  ist,  steht  aufser  Zweifel. 
Eine  absichtliche  und  gröbliche  Entstellung  der  dritten  Elegie  jenes 
Dichters  sehe  ich  jedoch  darin  nicht.  Domingos  Fernandez,  der 
sie  161 6  zum  ersten  Male  in  die  kamonianische  Lyrik  aufnahm, 
ward  weder  durch  einen  anderen  getäuscht,  noch  wollte  er  täuschen: 
auch  er  ward  durch  irgend  ein  Manuskript  irregeführt  Auch  in 
diesem  Falle  wird  meine  Ansicht  sicher  gestellt  durch  die  Lesarten 
der  Misceli.  Junjmenha,  welche  abermals  die  Mitte  halten  zwischen 
der  Redaktion  der  „Flores  do  Lima*'  und  der  kamonianischen,  und 
es  sicher  stellen,  dafs  dieselben  letzteren  nicht  von  einem  beliebigen 
Poetaster  ad  hoc  geschmiedet  wurden,  und  zwar  angesichts  eines 
gi^druckten  Exemplares  der  „Flores  do  Lima's  um  dem  Publikum 
vorzuschwindeln,  der  Herausgeber  von  Camoens  habe  eine  Hand- 
schrift gefunden,  in  der  sich  die  echte  und  rechte  Lesart  der  von 
D.  B.  gestohlenen  und  verfälschten  kamonianischen  Dichtung  fände. 

Der  Leser  urteile  selbst: 


NEUES  ZUM  BUCHE  DER  KAMON.  ELEGIEN. 


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Ein  mûnsterisoher  Dichter. 

Zu  denjenigen,  welche  für  die  Ausbildung  des  Dialektes  unseres 
Münsterthaies  thätig  waren,  gehört  in  erster  Linie  der  Mann,  aus 
dessen  poetischen  Erzeugnissen  in  diesen  Blättern  eine  kleine  Aus- 
wahl folgt;  stand  er  doch  im  Mittelpunkte  jener  geistigen  Bewegung, 
welche  die  kleine  aber  sprachlich  so  interessante  Litteratur  dieses 
Dialektes  schuf.  Seinem  Eifer  und  seinem  Geschick  verdankten 
die  Thalgenossen  eine  romanische  Schulfibel,  eine  Übersetzung  des 
kam'sischen  Katechismus,  sowie  der  alten  Statuten  des  Hochgerichtes 
Münster,  und  auch  das  münsterische  Gebets-  und  Unterrichtsbuch 
¡st  nicht  ohne  seine  Beihülfe  zu  Stande  gekommen.  Die  poetischen 
Versuche,  welche  wir  hier  genau  nach  dem  Autograph  wiedergeben 
—  dasselbe  ist  uns  von  dem  Sohne  des  Dichters,  Landammann 
Jacub  Pitsch,  zur  Veröffentlichung  überlassen  worden  —  sind 
nie  gedruckt  worden,  haben  jedoch  in  handschriftlichen  Kopien 
weite  Verbreitung  im  Münsterthale  und  im  benachbarten  Unter- 
engadin  gefunden. 

Florian  Pitsch  —  s(»  lieifst  unser  Mann  —  wurde  1787 
in  dem  durch  sein  altes  Benedictinerinenstift  bekannten  Dorfe 
Münster  geboren.  Sein  Vater  hiefs  Jacob  Anton,  seine  Mutter  war 
eine  geborene  Fasser.  Der  geistig  geweckte  Knabe  besuchte  die 
Dorfschule  und  genofs  dann  noch  sechs  ganze  Wochen  den  Unter- 
richt eines  deutschen  Lehrers  im  Nachbarlande  Tirol,  von  wo  der 
Tod  seiner  Mutter  ihn  für  immer  nach  Hause  rief.  Was  so  an 
Schule  fehlte,  das  ersetzte  der  Knabe  bei  einer  geradezu  hervor- 
ragenden Begabung  und  einem  gewaltigen  Wissenstrieb,  der  keine 
Gelegenheit  ungenutzt  vorübergehen  liefs,  durch  rastloses  Selbst- 
studium. So  machte  sich  Pitsch  schon  in  frühen  Jahren  die  deut- 
sche, italienische,  französische,  ja  sogar  die  ungarische  Sprache  zu 
eigen,  letztere  im  Verkehr  mit  ungarischen  Truppen,  die  damals 
an  der  tirolischen  Grenze  stati(jniert  waren.  Mit  17  Jahren  über- 
nahm der  originelle  Autodidakt  die  Dorfschule,  um  sie  dann  in 
musterhafter  Pflichttreue  fast  zwei  Jahrzehnte  hindurch  zu  leiten. 
Die  Fähigkeiten  des  Mannes  konnten  nicht  verborgen  bleiben  und 
so  legte  das  Vertrauen  seiner  Thalgenossen,  wie  der  kantonalen 
und  eidgenössischen  Behörden  nach  und  nach  fast  alle  die  Würden 
und  Bürden  auf  seine  Schultern,   welche  in  diesen  engen  Verhält- 

34» 


532  e.  DECÜRTINS, 

nissen  zu  vergeben  waren.  Nach  einem  ungemein  vielseitigen  und 
segensreichen  Wirken  starb  Pitsch  am  lo.  Mai  1865,  von  allen,  die 
ihn  kannten,  um  seiner  Talente,  seines  geraden  Charakters  und 
seines  menschenfreundlichen  Wesens  willen  geliebt  und  verehrt. 

Was  Pitsch  neben  seinen  Berufsarbeiten  mit  l>esonderer  Liebe 
pflegte,  war  die  Geschichte  und  Sprache  seiner  engeren  Heimat. 
Mit  unermüdlichem  Fleifse  sammelte  er  während  seines  ganzen 
langen  Lebens  die  alten  Urkunden  und  Dokumente,  deren  er  hab- 
haft werden  konnte,  die  Lokalsagen  und  Lieder,  die  sich  noch  im 
Munde  des  Volkes  erhalten  hatten.  Eine  Frucht  dieser  Beschäf- 
tigung sind  denn  auch  die  beiden  (Gedichte,  welche  wir  an  die 
Spitze  dieser  kleinen  Sammlung  gestellt,  „die  Pest  in  Münster**  und 
„das  Blutwunder**,  welchen  Episoden  aus  der  geschichtlichen  Über- 
lieferungen der  Heimatgemeinde  zu  Cirunde  üegen;  für  die  minutiöse 
Sorgfalt,  mit  der  sich  Pitsch  in  diese  Studien  versenkte,  zeugen  die 
Anmerkungen,  die  er  in  der  Absicht  die  Darstellung  historisch  zu 
belegen  den  beiden  Stücken  hinzufügte.  In  Ton  und  Form  er- 
innern —  nel)enbei  bemerkt  -  -  diese  (iedichte  an  die  älteren 
ladinischen  Reimchroniken.  Eine  rätische  Rittersage  behandelt 
Nr.  3;  der  Einflufs  romantischer  Vorbilder  ist  dabei  unverkennbar. 
Ausgeprägt  ist  der  moralisch-didaktische  Zweck  Ì)eì  den  Nr.  4  und 
5,  die  das  Kapitel  von  der  unglücklichen  Ehe  behandeln  und  z>var 
s<  »,  dafs  in  der  ersteii  der  Mann  in  der  zwt'ittni  die  Frau  die  Qualen 
der  unglücklichen  Ehe  schildeni.  Was  diesen  Stücken  Wert  und 
Reiz  verleiht,  ist  die  durchgehende  volkstümliche  Kraft,  welche  auch 
die  bisweilen  rücksichtslose  Derbheit  eher  ertragen  läfst.  Dasselbe 
Gepräge  volkstümlicher  Originalität  und  Derbheit  zeigt  der  sati- 
rische Dialog  zwischen  IMutter  und  'l'ochter  (Nr.  8)  wo  die  Zank- 
sucht und  Eitelk(?it  gegeiselt  wird;  man  fühlt  es  dem  Dichter  an, 
dafs  er  nicht  fremii  und  kühl  über  dem  V(»lke  oder  dem  Volke 
gegenüber  stand,  sondern  mit  siMne.ni  ^^anzen  Wesen  in  ihm  wurzelnd 
aus  seinem  rauhen  aber  unverliilschten  Sinn  heraus  dichtete.  Frisch 
und  fröhlich  kliiigen  die  nun  folgenden  Spinnlieder  den  Mädchen 
gewidmet,  welche  der  alte  heimische  Brauch  am  A))end  beim 
Schnurren  der  Spinnräder  à  pìaiz  sammelte;  sinnig  und  tief  em- 
pfunden bildet  das  hübsche  Lied  „für  die  Jungfrauen^  einen  wohl- 
thuenden  Gegensatz  zu  jenen  und  darum  auch  der  Beschlufs 
unserer  Publikation. 


I.    Rk.i.atii:n  dkiia  i»kstk  in  Mi"  stair  et  St.  Maria. 

1630. 

Milli  ses  cient  e  trenta  Per  tor  la  vitta  taunts  chi  min: 

Gnit  con  perchia  percutienta  Un  anguel  fat  a  mort 

Con  spada  in  fö  inchialadu  —  In  ira  ñilminanta 

Con  frizza  tössiaintada,  Chins*  main*  aprova  sort 

5  Scoi  litschuider  con  il  tufi  IO  Da  sur  in  jò  clamanta. 


KIN  MINSTERISCHKR  DICHTER. 


533 


Pels  vaing  da  Jul  as  manifesta 

In  plain  carácter  dretta  pesta 
Con  la  mort  da  Screla  Piotar, 

Sco'l  plavaun  chi  jeta  notar. 
15  Senza  Spendi  et  sepoltura, 

Caus'il  mal  per  quort  chial  dura. 
Ser  Francesco  Malgiaritta 

Fo  in  quel  temp  noss  bun  Plavaun, 
Degn  da  gnir  nota  chial  sita, 
20       (^aus*ins  jet  schè  mal  a  maun. 

Sco  Saccrdot  el  fo  ellett 

Per  clastr'et  tott  la  vali  sulctt, 
Pac  temp  davo  el  fo  eir  el 

Un  sacrifìci  del  Bagel. 
25  Amò  a  Iretta  l'ha  notada 

Co  da  pesta  Teis  passada; 
Senza  medi  et  Spiritual, 

Il  pò  ver  pövel  or  da  sai, 
A  momaints  il  cuolp  mortai 
30       Vegn  a  mai  o  vegn  a  tai. 

Amis  la  saira  as  daun  la  maun 

La  mort  als  pigia  (in  dumaun 
Ils  vivs  quels  vaun  chialond 

Ils  morts  pü'vi'e  plü  creschond 
35  La  mort  et  tema  del  Judizi 

Fa  tremblar  con  Schnuizi 
La  povra  Mama  in  angonia 

II  pitschen  qua  sot  costa 
Con  pechiadus  chial  tengia  via 
40       Maina  plü  non  dà  risposta. 

Un  atter  bap  in  un  dMndett 

Croda  et  mora  be  solet. 
La  solla  pozza  in  lur  chiasada 
Eis  eir  quella  trapassada. 
45  Ils  povers  orfans  senz'ajiid 

Ingiin  in  cas  d'als  dar  salud 
I^s  chiasas  plain  cridöz 

Sco  fo  insacura  in  „Rama"* 
1^1  Spad'haun  schon  sün  lur  colöz 
50       Et  pafsan  bot  pro  bap  e  Mama. 

Un  atter  bap  sa  mala 
Con  flamatiun   mortala, 

Alla  dona  rump'il  cor: 

Bè  chia  Dieu  gnis  eir  am  tor. 


55  Cinch  ufTaunts  totts  pechiadus 

D'intuorn  seis  lett  sun  mez  confus  : 
Chiar  bap  non  morarai! 
Chiai  fesni  senza  vu? 
Non  ins  bandunarai, 
60       Co  gnis  ad  ir  con  nu.^ 

Cridan  totts  in  ün  chiantun 

La  mort  als  da  ingün  pardun, 
II  bap  surgnit  la  fatscha  naira 
Jet  in  Tattermond  la  saira. 
65  I^  povra  Mama  con  sia  ñgla 

Duoi  dits  davo  la  mort  las  pigia. 
In  spazi  dudesch  dits 

Totts  quater  sauns  uifaunts 
La  pest'als  ha  cuolpits 
70      Schi  fofsan  stats  mo  taunts. 

Ad'attra  guaìrda  in  iin  dMndet 
La  vegn  in  let  seis  fìgl  sulet 
Chi  gema  et  braja  in  convulsiun 
Mortal'et  senz'alchün  pardun. 
75  Ingiin  ami  chil  vegn  a  chiatar, 
Eisend  minchün  sto  svess  com- 

battar. 
Quel  fìgl  iin  maister  aun  famus 

Nel  flur  da  sia  fermeza 
Quel  sto  sucomber  dolorus 
80      Nel  cuolm  da  sia  belezsa. 

Il  vcgl  bapsegner  et  la  nona 

Culs  cors  plajats  sco  ün  supona 

Non  sun  in  cas  plü  star  in  joma, 

Els   spetan   hart   chia   Dieu  als 

doma. 
85  In  dits  deschsett  sun  eir  clomats, 
In  pesta  sun  indormainzats. 
La  guaivda  svessa  con  sia  fìgla 

Ün*e  I'attra  trapafsada; 
A  totts  la  pest'als  pigia 
90      La  chiaesa  gnitt  schundada. 

Ai  a  ria   Walaina  bain  ducada 
In  quindes  dits  dess  gnir  spusada, 

Richa  in  roba  et  in  virtu, 
Juvna  et  fermiamo  daplü, 
05  D'indett  la  sieta  ün  gron  chialur 
Tauntüna  saintla  pac  dolur. 


*  Rachael  j)l()ret  tìlios  suos  et  etc.  Matli.  2,   13    -18. 


534 


e.  DECÜRTINS, 


La  domain  pieds  et  tott  la  maint  : 

Scgncr  dara  un  confefsur! 
Dam  almain  un  Sacramaint, 
100       Fam  la  grazia  e  quel  favur. 

Co  eisch  tu  grilt  o  Scgner  chiar  ! 

Calma  Vira  et  non  strufiar! 
Chia  has  fat  del  mal  ?  tu  por  Miistair 

Ingün  da  qua  chi  voi  savair, 
105  Ta  clom  con  gusch  ardainta: 

Non  ir  in  judici  con  tia  serviainta, 
Ma  jüda  tras  da  quist  desiert, 

Mia  orma  eis  jà  tia  spusa, 
Intaunt  chian  ha  presaintmes  spiert, 
no       A  vaunt  chia  vegn  confusa. 

Pigia  su  mia  contritiun, 

Col  cor  devut  dumond  pardun  ! 
Mia  orma  aspira  per  dumaun^ 
Da  gnir  in  teis  sonchifsem  mauu, 
115  Ve  bain  bot  la  piglia! 
Adieu  tu  mìa  familia! 
Adieu  meis  spus  non  cridar  zond 

Sias  constant  a  Dieu  fìdel; 
A  bun  s'revair  in  Tatter  mond 
120      Las  nozzas  fain  in  Ciel. 

La  mort  et  il  judici 

Ma  mett'in  grond  stremisi 
Mias  forzas  vaun  chialond  — 

Meis  mal  quel  va  creschond, 
125  La  vezuda  am  va  jod'via 

Et  cunter  Pangonia. 
IjA  mort  m'ha  schon  frizada, 

Liut'unfresch  mia  vitt*c  mort 
O  Dieu!  per  tai  jau  sun  rizada, 
130      Fam  grazia  e  dam  cnífort! 

La  fraischgia  sauna  juventüm, 

Dall'impofsibel  pari  ad  iin, 
A  daldar  las  anguoschas 

Et  chi  moran  jò  scu  muoschgias. 
135  Als  povers  vegls  als  rump'il  cor. 

Ma  bain  bot  vegn  Dieu  als  tor. 
yuist'horenda  disfortüna 

A  minchia  chiasa  Pha  tuccada, 
DalPhom   pii  vegl   infin  la  chuna 
140       Una  sula  gnit  schaniada. 


Il  bain  da  guad  dadora 

Fo  quel  chi  restet  ora, 
Bc  quel  —  bc  quel  et  justa  quel 
Eis  gni  lischient  dal  grond  flagel, 
145  Ingiua  blers  sun  refugi&ts 

Et  per  miracul  sun  salváis. 
Kir  plus,  schi  haun  podü 

Et  pro  temp  chi  sun  pafsats 
Su  pels  munts  —  et  bain  in  su 
150      Sun  gnits  dal  mal  salvats. 

Postât  las  gron  familias 

Chia  vegls  con  fìgls  e  figlias 
Per  s'asister  un  áU'atter 

Non  jevan  or  da  gliatter. 
155  Totts  schi  stevan  a  numtun 

Murivan  taunts  chi  sun. 
DLschan:  Segner  non  ans  priver! 

Orgliatter  lains  britsch  ir, 
Insemel  lainsi  viver  — 
160      Insemel  eir  morir. 

Qualuns  morivan  mez  da  tema, 

Alters  vevan  mafsa  flema, 
Blers  in  mera  povertà 

Et  debéis  eir  da  lor  sandà. 
165  Con  pafsar  taunts  all'alter  mond 

Las  bleras  frûas  staun  sfil  fond 
Con  las  alps  co  Ìò  pafsà 

Non  s'pol  avair  contezza 
Probabel  pac  varaan  schalpià, 
170      Et  quai  con  grond'tristezza. 

Chiasas  plainas  san  srodadas 

Las  personas  son  mätschadas. 
Con  quai  sliaoB  qoists  salvats 

Et  son  totts  finuincs  taomats. 
175  La  pesta  por  chiasset 

Cura  glieot  ne  plfi  ddatet 
Sun  baras  quaraont'ott 

Be  sul  .,Döfs^  solet, 
Scha  quai  non  fos  aboi 
180      Eir  quaraunt'in  plaz  crodet. 

Be  da  Clastra  term  oit  dits 
In  vaing  e  ses  son  gidta  colptts 

Et  morts  insemel  col  plavaos« 
Chia  varaoni  tott  a  maon? 


'  11  curs  della  malatia  crisolit  conoschaint. 


t-- 


EIN  MÜNSTERISCHER  DICHTER. 


535 


185  Las  mortaglas  creschan  su 
Ils  segns  non  sunan  più. 
Vcgn  ogni  taunt  un  chiar  con  morts 

Chi  mainan  in  Senteri: 
Povers,  saimpels,  richs  e  scorts 
190       Tots  maisdats  in  un  lauricri. 

Nel  Aguost  in  ñn  del  mais 

Pur  s'ba  il  mal  furius  palais, 
NelPultim  quart  da  glüna 

Jet  creschond  la  disfortuna. 
195   Vainge  quater  in  ott  dits 

S'pol  dir  chi  sun  perits. 
Diversas  muongias  eir  sun  mortas 

Eir  chi  fofsan  inserradas; 
ÌA  pesta  pafs'eir  portas 
200       Uschett'eir  ella  sun  pafsadas. 

All'Abadcfsa  Mohr 

Il  Segner  amò  non  voi  la  tor; 
Eir  britsch  a  Guorschla  Ciri, 
Chi  (il  priura  senza  fai. 
205  Quistas  sun  pro  temp  fúgidas 
Et  vi'n  Plazol  sa  transferidas 
In  lur  muglin  con  attras  sett, 

Et  ñn  la  tschöscha  sun  salvadas  ^ 
Et  dopo  chial  flagel  pafset 
210       Saunas,  frischas  sun  tuornadas. 

Ils  morts  or  Clastra  gnits 

D'avaun  baselgia  en  sepolits, 
Resalv'Ias   muongias  et  Plavaun, 

Quals  nel  lo  chia  totts  chi  saun. 
215  Ils  atters  del  Comiin  daplii 

Dal  mez  Senteri  in  sii 
Duos  femnas  in  lur  chiasas. 

Una  in  vali  „del  lai" 
Sco  povras  imblûdadas 
320       Chi  non  sa  sa  perchai. 

Dais  Ott  da  Liigl  in  via  string 
In  fin  November  vaing  e  cintschg 

Las  baras  vegnan  as  contegner 
In  morts  cintsch  cient  spartits 

nel  Segner 


225  L'ultim  amò  in  quella  nott 

Morit  nofs  podestà  Cattoch; 
Patrun  del  Schier  in  vali  del  lai 

Et  terza  chiasa  sott  la  via, 
Ve  su  in  Somvi  con  mai 
230       In  quel  chiantun  quavia. 

Ü^n  solda  nativ  Damai 

Ans  mainet  naunprò  quist  mal 
Da  Guerra  e  gron  Battagla 

Sper  Mantua  e  gron  mortagla.' 
235  Gron  temp  ils  morts  restats 

Sul  Camp  senz'efser  sotterats. 
L*ana  gnit  tras  quai  infetta 

Causond  cui  temp  l'eppidemia, 
La  pestilenza  cler'c  schgietta 
240       In  blers  pajais  rasada  via. 

Quist  malhorus  solda 

Da  tal  battaglia  tuorn'a  chià. 
A  Santa  Maria  stai  surnolt, 
Parev'ün  pà  malcott. 
245  A  zond  ingün  foss  gni  per  testa 
Chial  vess  dumaun  la  pesta. 
Dalunga  quella  fett  progrefs 

A  quater  cient  sefsaunta  baras 
In  pitschen  temp  fìi  quai  succefs 
250       Con  bleras  larmas  et  amaras. 

Tuomain  darchiau  a  Miistair 

Co  pafsa  per  savair: 
Quels  pacs  chi  sun  vanziats 

Mez  morts  et  mez  varziats, 
255  Non  hauD  alchuna  vögla 

Et  tremían  sco  la  fogla. 
Ingiunchi  guardan  tott  eis  vöd 

I  chiatan  ingün  cufTort 
Co  fauni  a  viver  in  quist  möd.^ 
260      Foss  forza  megl  la  mort. 

Pafsä  la  gron  calamità, 

Schi  tots  chi  sun  tuomats  a  chià 
Da  Vanesch*et  aint  da  Buorm 

Et  atters  los  d*intuorn. 
265  Totts  insemel  cient  vaing  un 


*  Quella  sia  digià  quinaun  statta  infifsada  et  morta  via  muglin.     U  muglin 
Clastra  presaint  eis  pur  fabrica  171 2,  siond  mancheva  all*atter  l'aua. 

'  Una  sanguinusa  guerra  tra  Timpcrader  Ferdinand  et  il  duca  da  Nivers 
franzes.     La  pesta  gnit  in  quasi  tott  l'Italia. 


536 


C.  DECURTINS, 


Fev'ora  noss  Comün, 
Compráis  sesaunta  quais  mütschats 
Su  pels  munts  et  pac  lontaun, 
Et  sun  totts  frauncs  tuornats 
270      Ailg  hoz  et  ailg  dumaun. 

A  quist  flagel  crudel 

Nofs  clementissem  Bab  in  Ciel 
Ha  inifs  per  grazia  term, 


Et  quel  haï  miss  schè  ferm, 
375  Chi  perdûret  fìn  hoz  in  di 

Chia  nofs  Comün  non  gnit  ledi. 

Davo  la  pesta  gnit  a  qua 

Sr  Bastiaun  Capol  PlavaunS 
Dal  qual  l'historia  vain  artà, 
280      Nofs  morts  hai  scrit  da  propri 

maum. 


Somvi: 


285 


290 


Pasquer: 


295 


Nota  dels  morts,  ma  non  totts. 

Sr  Joanes  Pianta,  Dona  e  2  ligias. 

Sr  Ghidenz  Mohr.« 

Sr  Padrot  Pianta. 

Dn»  Betta  Catoc  con  7  figls.^ 

Jori  da  Runatscha,  la  dona  e  4  ñglas. 

Barbla  Cari,  dona  del  dit  Catoc. 

Andreas  a  Salis,  con  5  Uffaunts.* 

Peter  da  Crisel  Depeder. 

Simun  Andri. 

Jon  da  Flip,  con  sia  dona. 

La  familia  da  Gurgias. 

Chiarlett  da  Runatscha,  dona  e  4  ñgis. 

Remies  da  Remies,  colla  dona  e  7  figls. 

Buorgia  Degen  et  4  fìgls. 

Baltisar  Gna  et  sia  Dona  Eva. 

Maria  Cari,  dona  da  Clan  Mosaun  et  2  Uft*. 

Domeni  Carats,  la  dona  e  4  ñgls. 


/Vas  Dimez:  Caspar  Walaina.  --  Jon  da  Maini  Sepp. 

Sr  MI.  della  Clastra  Jacob  Gna  e  dona.* 

300  Jon  da  Nesa,  sia  dona  e  5  fìgls. 

Barbla  Andri  con  3  fìgls. 

Si*  Jon  da  Crisel  Hermanin  con  3  fìgls. 

Sr  Caspar  Capol  meis  frar. 

Duri  l'revost  (I.  origine)  dona  e  4  Uffaunta.^ 

nog. 
305  Plaz  groftd:  Sr  Ludovic  Carl,  consorte  et  fìglia.  —  S'  Conradin  Cari,  Thto- 

Jori  Oswald  e  sia  dona.  —  Jon  de  Tomasch  cola  figla  Eva. 

Cristel  d' A  neta  Hermanin  e  la  dona. 

Jacom  d'Albert  con  dona  e  6  fìgls. 

*  1607  Parochus  Malsi,  Vicar.  Cur.  S.  T.  D.  deìnd.  Par.  S.  Ifaric  et 
Monasterii.  obhic.  1664  sepoli  ainta  Som  Senda  gronda,  sia  plata  colPafma  a 
Capol  sott  r Ampia,  in  Presbiteri. 

'^'  Il  chiastè  Mohr  e  Salis  in  Soin  Sonvi.  Vid.  ils  Wapens  sSlla  porta. 
3  1863  Clau  Naz  Lechtaler. 

•  1863  Chiasa  Hancs  Cur/.. 

^  NB.  Ils  Prevosts  da  II.  origine  chi  existan  o(sa  derivan  da  Seat 
ií>37  Duri  Prévost  in  Runacha. 


EIN  MTJNSTERISCHER  DICHTER. 


537 


3ÎO 


Sül  Doss: 


315 


Jon  da  Clau  Groos,  con  dona  e  2  figls. 

S^  Jon  Hermanin  con  1 2  attras  persunas  in  Chiasa   gronda 

sott  la  plaza.* 
Sr  Gudenz  Carl,  con  dona  et  4  atters.  —  Sr  Jacom  Hemiaiùn. 

In  chiasa  da  Nuolv,  mortas  ii  persunas. 

In   quella   da  Federici  Spiler  6  pers.   —   In   quella  Jon  del 

Döss  6  persunas  et  fu  l'ultima  infettada. 
In  chiasa  da  Maini  Osvald  8  pers.  —  Uorschla  Jung  col  frar. 
In  chia  d'Andrea  Pitschen  8  pers.  —  In   quella  da  Colum- 

banus  Motta,  9  pers. 


Per  extratt  del  Cudesch  Parochial,    da  quäl  eis  eir  la  copia  translatada 
dal  latin  in  il  Cudesch  vegl  da  comün  a  pg.  131  attesta 

Mustair  i.  Mai  1863.  Fl.  Pitsch. 

Nota:  Diñcil  eis  da  chiatar  ora  las  chiasas  ingiua  tais  e  quais  habitevan 
nell'atto  della  peste,  causa  non  sun  numeradas. 


II. 
Relatiun  et  hùtoria  daW  Origine  delVuschè  dit  MIRACUL  DEL  S.  Saung  (»i^- 
diante  la  sacramentala  particula  0  S.  Oblada  gnu  transmudada  in  insibla  e 
palpabla  chiarn  e  saung)  in  no/sa  Clastra  delV  orden  da  S.  Benedeit  neWOn 
1598  tenor  risulta  d*  un  vegl  documaint  in  nofs  vulgar  chi  fU  poi  tradut  in 
todaischg  et  stampa  avaunt  circa  80  Ons  et  in  sequit  it  per/s  con  interlaschar 

una  copia  manscritta  fatta  1781  autentica,  chi  conserva  o/sa  la  Clastra, 

La  consuna  colla  Cronica  délias  mifsiuns  Jtaliaunas  nella  Rezia  stampada  in 

Italiaun  1621  extensiva  fin  1693.     P^^  P'  Cleamteda  Brescia. 

Vid,  Lib.  J.   Cap.  7  pag.  41. 
Conserva  no/s  V*^*»  Hospiù. 

Per  detagl  la  scguainta  poesie.  1863. 


A  tai  Común  Müstair 
Avaunt  chi  sia  imbludà, 

Con  tott  meis  fleis  ta  fetsch  savair 
Dun  grond  miracul  devaintà 
5  Via  da  nofs  Son  Sacramaint 

Nel  qual  eis  Dieu  real  presaint. 

In  nofsa  Clastra  qua 

Dall'  orden  Son  Benedeit, 
Schi  s' ha  quel  taunt  manifesta 
IO       Sco  vain  rifert  egual  pcrfett 
La  sonch'  iiblada  consacrada 
In    chiarn   e   saung  gnit  trans- 
mudada. 

Per  confonder  nialcrettaivels 
Ans  dal  nov  quist  Argumaint, 


1 5  Et  per  cuffort  dels  baincrettaivels 
Col  divin  qubt  sacramaint. 
L'eis  qua  presaint  a  seis  fìdel 
Con  orma  e  corp  scol'eis  in  Ciel. 


20 


25 


Quist  misteri  nett  divin 
Chi  surpafsa  nossa  maint, 

Con  efser  Sacrosant  sublim 
Sun  nofs  alters  quist  Sacramaint 

Sco  pegn  d'amur  ans  det  Dieu  zond 
Avaunt  co  i>artar  da  quist  mond. 

L^On  quatordes  cient  et  nonauntott 
Una  nobla   muongia   naun   da 

Sent 

Vet  dubis,  scrupels  blers  sur  nott 
In   fìn  la  gnit  eir  mo  Spavent, 


'  Sr  Janet  e  fr.ir  J.  B»  Pernstainers, 


538 


e.  DECÜRTINS, 


S'impaìsa:  degna  più  non  sun 
30      Dator  la  sonchia  Comuniun. 

,    Scha  scruj^els  surchiatschats, 
U  haun  mifs'  in  tal  parair, 
O  forsa  fais  amo  sopats, 
Ingiin  eis  gnu  a  savair. 
35  La  muongia  eis  anguschiada 
I^'vol  gnir  mez  varziada. 

La  doma:   o  Spus  divin  sdii  vf 
Tu  sas  mia  afFIictiun,     [a  mai  ! 

Meis  refugi  pigi  pro  tai  — 
40      Dam  la  just*  inspiratiun! 

Levam  via  da  meis  cor 

Quist  pais  ch'im  vo  surtor! 

IIoz  eis  di  da  Comuniun     [sors, 
Non  vegni  eir  jau  conmias  con- 
45  Schi  dai  sajür  momuratiun, 

*  £1  chìai  s'impaisan  in  lur  cors/ 
Jüdicis  faun  divers 

Et  schgiandel  fa  progrefs. 

D'intaun  la  vegn  Tinspiratiun 
50      La  schett  con  sai:  Jau  vegn! 
A  quista  sonchia  Comuniun 

Pro  Dieu  meis  spus  am  tegn. 
O  chiara  Sonch'  ublada! 

Per  lai  sun  iitsch  malada. 

55  Sco  solid  ida  eir  quella  jada 
Con  sias  consors  sco  tacca, 
Ritschaiva  la  sonch'ublada 

£t  tott  nascus  la  pigl'or  bucea 
La  plaja  in  seis  mantschun,  ^ 
60       Ingiin  sMncorscha  taunts  chi  sun. 

La  pigia  tott  con  ella 

Con  taunt  rispett  et  devotiun, 
La  mett  in  salv  in  zelta 

Tal  c  qual  in  seis  mantschun. 
65  Frau  Agnes  in  legria, 

Craja  tott  fat  via. 

Hola.    -    quai  non  tueca  qua, 
^uai  defs  un  bel  spettacul. 
Ci)  fofsi  bain  da  far  zopà 
70      Chia  la  gnis  nel  Tabemacul .' 


Tchialla  pac  schi  cridi 
Pur  ofs*  am  vegn  fastidi. 

Studia  in  via  studia  in  naun. 
Co  fetschi  adestramaing .'' 
75  Co  pigli  ofs' a  maun.^ 
Les  far  decentamaing. 
Sun  Palter  la  sto  gnir  data, 
Accio  chial  sacerdot  la  chiata. 

Secrett  la  i>osta  siili'  Alter, 
80      Appaina  rivida  neaung, 
Splaja  ora  et  chiata  clor 

Maisdad'  in  chiam  e  saung. 
La  povTa  muongia  vogo  stremida 

Chia  taunt  dad*  àt  la  crida. 

85  La  pigia  sii  dalunga 

Et  quorra  bain  dabot 
La  va  in  chiapella  langa. 

La  chiata  là  il  sacerdot, 
Al  consegna  seis  mantschun  — 
90      Al  quinta  tott  et  voi  pardon. 

5)er  Joalles  tott  alkgnmaing 
Pigi'  il  Thesar  in  qnbt  mant- 

schon. 
Et  mütscha  via  .secrettamaing 
Senz'  ad  un  da  far  menaiun. 
95  La  clastra  gnit  surpndsa  — 
La  muongia  non  palaisa. 

1  mane  il  confefsur, 
Non  saun  il  viv  o  mort, 

Ç^ai  mett  fin  gron  terror; 
100      II  vulgo  bler  chi  la  da  tort; 

D'intaunt  eis  tott  secreti 
Ingon  chi  vegn  a  pertschet. 

Davo  lung  temp  scuorfi 
Et  increscher  da  contili, 
105  Ingûn  non  ves  nvfi 

Chial  fofs  it  sSl  Trcotùi, 
Cherchiond  ona  chiapella. 
In  un  goad  el  chiata  quella. 

Con  zelo  fett  el  l'intentiim, 
110      Chi  sita  sco  chi  sita, 

D*imponder  qua  sia  devotion 


^  11  vel  alb  intuom  il  peti. 


EIN  MÜNSTERISCHER  DICHTER. 


539 


Et  maincr  sonchia  viltà. 
Et  quella  taunt  constante 
Per  vitta  sia  durante. 

115  El  aintra  in  sia  chiapella, 

Post'  il  schgiazi  san  1*  titer, 
D*in taunt  chia  l'eis  a  quella. 

Voi  rezer  amo  pii  clor, 
La  müdaziun  el  less  savair 
130       Schal  eis  amò  seo  fu  a  Müstair. 

Con  tott  rispett  el  riva  sii, 
Crajond  da  chiatnr  fraunc 
La  mudaziun  sco  fìi  quasü, 
La  sonch*  iiblada   in  chiara   e 
125  Tott  atter  Tha  chiatà         [saung. 
Et  vegn  tottalraaing  consterna. 

Chiarn  e  saung  eis  transfuormà 
In  bel  e  taunt  graxius  bambin  ; 

Joalles  da  quai  miraveglià, 
130      Non  voi  vair  vifs  uífaunt  sehe 

Con  fatscha  divin'  amabla,      [ñn, 
La  tschera  confortabla. 

Prostrati  avaunt  a  quel 

£1  fett  sia  debita  aduratiun, 
135  Quasi  transporta  vegn  ci 

Col  spiert  in  plain'  ellevatiun. 

In  una  capsla  al  mettal  aint, 
Pro  interim  l'ai  lasch'al  quaint. 

In  jejuna  et  oraziun 
140      Adurai  Dieu  con  tal  fervur. 
Sia  viti'  eis  spür  consols^iun, 

Bè  a  Dieu  vol  dar  Thonur. 
Stand  in  paina  da  con  tin, 

Darchè  voi  vezer  il  bambin. 

145  Joafies  guarda  bain! 

Ma  paras  mafs'  un  pà  curius, 
Teis  gaudi  pò  eir  gnir  al  main 
Teis  spiert  pò  gnir  confus. 
Il  chiar  Bambin  non  eis  grazius 
150      Ofs'  el  muda  in  ,,honi   serius". 

Sur  quai  el  vegn  streniì 

Sa  tem*  avair  falà. 
Sa  tem'  avair  schon  Iraperì, 

Con  maneschar  tauntas  jà. 


155  O  viv  meis  Dieu  dumond  pardun! 
Jau  fetsch  un  act  da  contritiun. 

Via  d'un  temp  il  grond  fervur 

Al  fìi  da  nov  curius 
Sur  seis  pcchiats  hai  grond  dolur 
160      El  voi  vezer  l'hom  serius. 
Ma  l'hom  as  iransmâdet 

In  bel  et  alb  agnè  mansuet. 

La  clastra  intaunt  in  colisiun, 
Frau  Agnes  pigia  part, 
165  In  scmpels  fa  risolutiun 
Et  palaisa  tott  il  fait. 
Probabel  non  saveva 
Ingiù'  Joafies  steva. 

Ofs'eis  netta  sia  conscienzia 
170      Dumond'  a  totts  pardun; 
La  fa  SCO  auda  sia  pententia 

Et  vegn  a  somifsiun. 
In  sia  Zella  s'ha  serrada 

Per  viver  et  morir  beada. 

175  Pro  temp  regneva  l'Abadefsa 
Adeüuit,  nativa  da  Novena, 
Prudainta  et  pia  conte fsa 

Chi  survivet  a  quista  Scena 
liimarcabla  naun  da  fond 
T  80      Et  pnblichiad'  in  tott  il  mond. 

Con  alchünas  sias  consors  — 
Con  famails  et  Capelan, 

Totts  munits  con  lur  bun  cors 
Et  SCO  l'haveva  fat  seis  plan 
185  Eis  ida  fìn  a  là 

Ingina  a  Joafies  l'haun  chiatà. 

Bain  long  al  haun  chierchià, 
Con  ansietà  et  gron  premura 

Intìn  chi  l'haun  chiatà 
190      In  una  multa  schgiira. 

Territori  da  Trient 

Et  que  fu  nofs  Credent. 

A  ser  Joanes  hala  dit, 
Ma  tott  mansuetamaing  : 
195  Vu  vauat  fat  zond  tritt, 

Ans  portar  via  secretamaing 

Ouel  gron  miracul  in  Dieu  viv. 
Quel  Act  d'amur  uschè  intensiv. 


540 


e.  DECTTRTINS, 


Jau  s'comond  per  obbedienza 
200       Da  tuornar  sul  momaint 
Sott  paina  da  conscienza 

Con     quist    divin    son    Sacra- 

maint. 
Ser  Joannes  Tobedit 

—  Et  a  Müstair  turnet  subit. 

205  11  Segner  qua  tuornet 

In  fuorma  sco  la  prüma  ja 
Chia  frau  Agnes  al  chiatet, 

Et  uscheta  fol  resta 

Cioè  in  chiam  e  saung 

2ro       Sco  public  vis  per  fraunc. 

Prus  fidels  Thaun  vis  eir  qua 

In  seguito  dels  ofis. 
In  diversas  species  transmuda 

l'or  rinforzar  malcrajonds. 
215  Sur  quai  laschain  seis  pais 

Sco  plus  chid  haan  prêtais. 


IJ  Abadefsa  ordinescha 
Scrupolus  inquisitiun, 

l*ercio  chi  s*  constatescha 
220      L*adequat'  inforraatiun 

Fatta  tal  resoma 
La  procedura  vegn  a  Roma. 

Per  gnir  dal  Papa  Urbano  quart 
Tenor  rito  auttenticada 
225  II  qual  piglet  speciala  part 
Per  dar  sia  confirmada. 

Il  sacramaint  fu  tal  e  qual  porta 
In  chinm  e  saung  sco  qua  mais  dii. 

L'agent  da  Clastra  fu  eletl: 
230       Ser  Bertold  un  sacerdot 
Per  ir  a  Roma  be  dirett 

Scoi  jeva  di  et  nott. 
Consegn  al  I^apa  il  Sacramaint, 
Transmuda  sco  ditt  nel  argu- 

maint. 


235  NB.    II  papa,  plain  miravegla  sur  quist  miracul  doma  su:  Bcnedi  e 

lauda  sia  Dieu  in  seis  sonchs  duns  et  miracolusas  ovras  operadas  con 
quist  sacramaint  in  la  Clastra  da  Miistair  sco  similiond  qnà  in  Roma  da 
pac  long  devaintet  sot  Papa  Gregori  I. 


Da  lunga  il  Papa  ordinet 
240       Da  far  un  vas  cristal , 
Nel  qual  el  riSñetet 

11  miracul  tal  e  qua!. 
A  Bertold  hai  cumondà 

D'ai  riportar  ñn  aqua. 

245  Efsend  miracul  auttenticà 

Pardun  plenari  fu  concefs  -  - 
Tn  tott  il  mond  Hi  publichià 

<\)  quist  miracul  fu  succefs 
Et  <}uel  pardun  eis  per  son  Saung 
250       Et  tott  Toctava  fraunc. 

Amò  ses  oient  quaraunta  dits 
A  totts  pardun  plenari 

("hi  confefsan  et  sun  contrits 
Seo  requisit  preliminari, 
255  Et  sun  activs  da  maint 

Andur.md  il  sacramaint. 

Ser   joano  tuotii  ad  ir 

A  Star  sul  romitori 
l'tT  Dien  el  vi^  suffrir 


260      Et  miitschar  il  purgatori 
Seis  efser  fò  un  sacrosant 
Et  usché  sarai  restÀ  constant. 

Appendix:  Qaist  miracul  dcU'aoiur 

In  baselgia  fu  porta 
265  Et  a  vard  Palter  majar 

Aint  n  mûr  fù  déposa 
Inseri  dadaint  ferrada 

Con  dadora  glfim  vüdada. 

L'aduratiun  gnit  freqnentada 
270      Con  solecit  grond  concoors. 
Pu  \i  et  plu  gnit  ampHada 

In  ons  duoi  cient  decuors. 
La  chiarn  e  saung  Tisibel« 

Il  cas  fu  rar  et  tott  plansibcl. 

275  Milli  sett  cient  cinquantasctt 
La  cbiapeUa  un  ha  bUi, 
L'alter  gnit  bain  costrett, 

11  miracul  là  fu  translocù. 
<Tnii  fat  il  Tabemacnl 
2  ho       Per  impofier  il  miracnl. 


EIN  MUNSTERISCHER  DICHTER. 


541 


In  üna  bela  mostranza 
Eguala  SCO  pel  Vcncrabel 

Gnit  mifs  la  divina  substanza 
Dà  comprender  quala  ingiin  ca- 
285  Per  gnir  al  comprensibel    [pabel 
Be  viv*  eretta  ans  fa  possibel. 

La  trista  guerra  gnit  a  qua 
Neil  ofi  nonaunt'  e  nov  (  1 799) 

Il  Tabernacul  ha  sclavezà 
290       Et  chiai  vain  vis  da  nov? 

Il  son  miracul  ha  manca 
Et  fii  probabel  devasta. 

Baselgia  e  clastra  handunada 
In  temp  da  confusiun, 
295   Paramainta  devastada 

Con  spretscli  et  devisiun, 

Neaunc  ad  un  chi  gnit  a  maint 
Da  tor  il  miracul  a  salvamaint. 

La  sonch'  Eucharistia 
300       Sott  tala  specie  presentada, 
Ans*  fett  bain  grond'  fadia 


D'ans  efser  manquantada. 
Quants  blers  da  grazia  privs 
Et  mezs  morts  chi  sun  gnits  vivs  ! 

305  Quistas  tauntas  müdatiuns 

Aint  il  sacramaint  d'amur, 
Sun  tottas  cing  exortatiuns 
Per  s'imprimer  il  fervur. 
Sun  sia  reala  presenzia 
310      Dieu  spetta  confìdenzia. 

Il  di  Sant  Saung  in  procefsiun 
Quist  grond  Thesar  gnit  com- 

Sott  il  Ciel  et  in  uniun     [porta, 
Air  alter  celebrant  tachi;\. 
315  Passada  la  fiinctiun, 

Benedittan  effetts  da  devoti  un. 

Miraculs  tais  da  coneguen/a 
Sa  chiatan  pacs  notats, 

Ma  la  divina  providenza 
320       In  nofsa  clastra  ans* hai  graziats, 

Per  ans  confermar  in  la  eretta 
Et  far  vair  chial*  eis  la  dretta. 


III.    Historia. 

rumili. (la  duoi  impromifs  nel  Chiastè  Haldensikin  nel  temp  délias 
Cruciatas  cunter  ils  infidels  in  Palestina. 


1. 
Diletta  mia  promifsa! 

Sias  hoz  a  Dieu  remifsa. 
L'ins*  metta  sulla  prova 
Hoz  vegn  con  nascha  nova. 
5  Tu  sas  co  nofsa  promifsiun 

Da  svefs  leis  bab  fu  stipulada, 
Et  con  la  clera  conditiun 

In  quel  reguard  fu  riservada. 
Per  havair  tia  nöbla  maun 
IO       Jau  n'ha  impegna  mia  vitta 
Schal  di  dad  ho/  o  quel  dumaun 
Dindet  ma  doma,  pront  chia  sitta. 


Per  trar  in   Palestina 

Ala,  sarà  sco  Dieu  destina, 
15  Per  batter  malpofsaivels 

Et  venscher  malcrettaivels. 

Sun  ('avalier  da  vocatiun, 

Sco  meis  vegls  siin  nofs  chiastès, 


Haun  totts  défais  la  religiun, 
20       Uschè  vö  far  cir  jau  scho  ès. 
La  domada  eis  già  rivida 

I  schglingian  nofsas  armas, 
Quist'  ofsa  eis  mia  partida, 

Meis  Öls  ma  vann  in  larmas. 

3. 
25  Teis  nobel  bab  fo  eir  un  tal, 

Et  voi  eir  mai  per  tal  egual: 
Plus  Caropagnas  con  victoria 

Hal  fati  con  Mera  gloria. 
Mia  vittft  eis  hofsa  san  un  fìl, 
30      Taunt'  una  lain  sperar 

Chia  bot  il  Segner  mett'iin  Zihl 
Et  jau  non  perda  meis  Thesar. 
O  sebi!   sper  Dieu  tu  meis  The- 
sar — 
Tu  netta  mia  Tiblaina, 
35  Nu  vain  s'amats  sco  sor  e  frar 
Et  huofsa  stains  in  paina. 


5P 


e.  DECURTINS, 


O  nobel/  meis  promifs! 

(^o  pechiadus  am  guardas  íifs, 
Tü  vezas  ai  ni  meis  cor 
40      La  pafsiiin  chim*  vo  surtor. 
Quista  trista  nova 

Dnfatt  m'  ha  consternada, 
Tü  vezas  qua  la  pnrova, 

Co  ferm  nel  cor  plajada. 
45  Tall' immensa  chiarità 

Non  s*chiata  fácil  neis  humauns 
(^hid*  haun  lur  vitta  taunt  í^}\ 

Per  trar  una  Dona  ils  mauns. 


Iiigiua  vegn  per  ricompensa? 
50      Per  tal'buntà  immensa, 
t>a  mai  svefsa  non  pois  plü 

Scha  quel  sQsura  non  fa  sü. 
Per  pegn  la  duni  meis  amur. 
Tal  e  quai  seo  Dieu  m*  ha  dat, 
«>5  Mettel  sura  per  sia  honur, 

Schi  vain  un  sonch  contratt. 
Meìs  bain  stat  bler  Pavaunt 

Et  slatta  bler  afflitta, 
Perdont  mia  pozza  et  bun  ufTaunt, 
60       Eir  in  priel  vegn  mia  vitta. 

6. 
D'intaunt  sün  tai  ma  spondi 

Al  destin  da  Dieu  secondi» 
Con  nus  agcschel  con  amur, 
Nu  vain  da  spettar  seis   favur. 
65  F<irtüna  temporala, 

Ora  (la  tai  non  spetti  sii, 
PÜ  bod  la  botta  am  gnis  mortala 

Scha  tii  non  tuomas  plii. 
(^o  fefsi  a  ma  quietainter? 
70       Morir  piì  bot  con  meis  fidel 
<^o  qua  plii  ma  tormaintar 
Et  al  chiater  chiad  in  Ciel. 


Sta  sii  mia  zariia  purità, 

O  chiar  Tesar  da  chiarità! 
75  Jau  t*ingraz  per  taunt  amur, 

Dieu  surlevia  nofs'  dolur. 
Per  pegn  ta  duni  meis  aaé 

(.*on  pedra  clera  scoi  Cristal, 
Sehe  long  mia  vitta  sta  in  pè 
80      In  clerità  starai. 

Schal  gnis  da  saung  et  tuorblentà 

Malavita  sunt  mort, 
Pro  tai  jau  pia  non  tuomarà 

Ne  con  vita  ne  cuffort. 

8. 
85  O  chiara  compognia! 

Con  Dieu  sta  san  la  tia. 
Eir  jau  scha  san  absaint 

Meis  cor  pro  tai  sarà  proschaint. 
Sta  su  meis  pnis  Tesar 
90      Innozainta  scoi  Son  paun, 
Kefud' ìntaunt  a  deplorar, 

Dam  naon  amó  tia  mann. 
Il  dett  da  Dieu  m*  ha  der  mofsà 
Da  buttar  Pol  san  tai, 
95  Tott  perfett  fofs  bain  grattiá 
Taunt  per  mai  et  seo  per  tai. 


Co  asper  eia  quist  cernia! 

L'eis  ofsa  bot  glivrà. 
Âddieu,  tü  povr'aÎBîcta! 
100      Non  pigiar  malavitta; 
Taanter  tema  e  sprannsa 

Il  Segner  ans  toI  ha^air, 
Sun  el  stain  vair  fìdaaiua 

Et  far  il  nofs  dovalr. 
IÜ5  Scha  plû  non  ans  veaain 

Et  gnin  a  mala  Sort, 
Àlmain  non  s'imblûdain 

In  fin*  a  nofoa  mort. 


Addieu! 
iio  Meis  cor  plajà! 

Al  meis  tachià, 
Jan  sun  allas  armas 

Et  tü  in  larmas. 
O  (.^ontin  enenza! 


Í  ytùna. 

115      O  dura  partensa! 
A  Dieu  remetta, 

A  quel  ta  metta, 
Surdain  ad  El,  — 
Just  a  quel.  —  Vol  dir: 

A  Dieu! 


EIN  MÜxVSTERISCHER  DICHTER. 


543 


120  Va  addieu  cufFort, 
Non  ir  a  mort! 
Jau  t*  obbcdesch, 

Ma  taunt  mMncresch! 
Non  s'imblüdain 
125       Ingina  stain  o  jain 


Ultima  cantra, 

A  bain  s'  revair, 

Col  vegl  plaschair, 
Dilett  promifs! 
Stain  remifs: 
130  A  Dieu! 


Il   signal    da   mort  in   la   pëdra   sanguinada. 


O  grond  dolur! 

In  mez  l'amur. 
O  frizza  töfsiantada! 

Co  m*  has  il  cor  plajnda .-  ! 

135  La  pedra  in  saung  — 
Il  meis  cuffort  — 
Mort  êl  fraunc  — 
Dal  cert  êl  mort. 

Co  mai  pafsùr 
104       Con  meis  promifs  — 
Col  disgrazia 
Et  chi  ha  vifs? 

Chi  vegn  am  dir? 
Jau  sto  languir. 
145  Laschai  chia  crida 
Sun  tal  ferida. 

Mia  ferma  s]X)nda 

Eis  hoz  crodada, 
Ingün  risponda 
150       A  mai  varziada. 

Non  per  V  horn 

Ma  per  sia  gron  pietà  — 
Neanc  seis  nobil  nom 

lía  taunt  meis  cor  plajà. 

iv=>  O  Dieu  piel  us! 

Pigia  sii  meis  spus. 
A  mai  bandunada 
Fam  bot  bcada  ! 

Fam  segnar  a  meis  spus  - 
160       Sco  in  Tata  chianzun  — 


Quel  bun  e  pietus 
Pel  quai  mia  pafsiun. 

Clomam  prò 

Meis  spus  fidel  — 
165  Jau  vegn  naun  prò  — 
Pel  chiatar  in  Ciel. 

Ingiua  ma  tegn  — 
Ingiua  chia  vegn, 
Schi  chiat  sia  mort, 
1 70       Quist*  eis  mia  sort. 

O  Segner! 

Sias  tu  meis  spus, 
Ve  am  sustegner, 

Meis  spiert  eis  confus. 

175  Non  pofs  ma  ievaintar, 
Jau  sto  languir  — 
Non  pofs  ma  süstaintar. 
Et  vegn  a  morir. 

Ag-onia. 
O  Segner  chiar  ! 
180      Tu  meis  prüm  Tesar, 
Müa  ultima  poza, 
Fam  tu  mía  nozza! 

Meis  Öls  sa  nimpan  »— 
Meis  flà  sa  scuorta  — 
185  Mias  nervas  commpan  — * 
Mia  vitta  s'fa  cuorta. 

Addieu  fadia! 

In  quist  desiert, 
Jau  vegn  in  angonia  — 
190       Pigia  Segner,  tu  meis  spiert! 


544 


e.  DECÜRTINS, 


IV.    Matrimoni  MAi.aRATiA  causa  la  dona. 

Bun  di,  bun  dì  meis  cusdrín  Jofi  !  Per  mur  da  quella  roba 

IIoz  suni  bain  varzià.  N'ha  fat  quel  sauber  patsch, 

Daplü  dais  atters  dits  dell*  oil  N'ha  tutt  quella  bella  goba. 

Da  fatt  sun  consterna.  Et  sun  it  aint  il  satsch. 


5  Ho/  n'  hai  siin  tett  il  sprêr, 
„Mars''  in  spada  sun  balcun 
Ser  „Bachus"  eis  jo'n  feebler 
£t  jau  sto  pafsar  per  cojun. 

Schon  hoz  bain  a  bun'  ura 
ID       Det  litschaiders  tuns  terribels 
Et  sajettas  pur  lasura 
("on  iiilmins  incredibels. 

Uschè  non  pofs  plü  ir  avaunt 
Con  quista  trista  norma, 
15  Sto  guardar  eir  frataunt 
Chia  pofsa  salvar  l'orma. 

0  Dieu,    o    Dieu,    meis   povers 

uífaunts, 
Quels  ma  faun  un' aíFlictiun  ! 
Quels  ston  gnir  in  atters  mauns 
20      Uschetla  jcfsni  in  perditiun. 

Tu  eisch  bain  un  pover  Leider, 
Lefs  bain  la  cioccar  ora, 

Mez  dadaint  e  mez  dadora 
Et  far  un  rett  schûschaiver. 

2-;  Chiüfla  las  darscholas, 
Tirla  brav  intuorn! 
Infm  dcvaintas  stuorn! 
Bè  senza  far  parolas. 

1  stolan  gnir  jüdadas, 

30      Bain  PÜLs  haun  fatt  da  quellas 
Kt  eir  d'amò  j)ü  belas 

In  lin  chis*  haun  mudadas. 

In  vol  chia  ün  sa  sforza, 
1  vol  resolutiun 
35   Kt  prüma  intimaziun. 

Pel  Sathan  dovrà  forza. 

Un  Sathan  chiatschar  ora, 
Et  Sett  jaraun  in  aint, 
Il  Iura  vegn  landrora 
40       Chi  rest'  il  végl  scrpaint. 


45  Chia  cuselg  ma  dasch? 

Ch'  or  d' Un  mal  non  vegna  dus 
Da  tott  l'objett  tus  sasch 
Per  mai  sun  mez  confus. 

Tott  real  pro  interim 
50      Requinta  a  nofs  Plavaun, 
Un  qualche  mez  darai  amaun 
Per  gnir  a  qualche  fìo. 

Tott  quai  al  nha  dngUi  quinti, 
Et  el  a  tott  pudair 
55  S'ha  bler  presta  e  grìtaintà 
Senza  mainar  a  dovair 

Dim:  con  quala  lingua  hasch  recita 

Las  grond' lamentatiuns, 
Tias  talas  aíAictiuns? 
60      Et  co  eisi  dopo  resulta.^ 

Un  pad'  todaischg,  un  pad'  francés. 
Un  pad' latin,  un  pad' Uta  n. 

Quai  chia  sa  fa  sett  e  ses 
Seo  mal  stQdiá  chia  sun. 

65  Co  hasch  ta  declara.' 

Pels  plongs  Us  principals. 
Da  fais  venials  e  fais  mortals, 
D^  tott  amó  öna  ja. 

„Nha  dit  col  cor  in  mann: 
70      Reverende  Sr  Plavann! 
Per  spinto  da  consdenna 

Per  forza  al  rov  sentenxia! 
Mia  orma  vegn  al  main 
Et  fonda  nd  terrain,        [mats 
75  Us  povers  uffannts  seo  malcoitñ- 
Faun  quort  da  gnir  minata. 
Amor,  amoris,  amori. 

Sa  convertit  in  „Tricolori". 
Colur  alb  il  prûm  romnr  dd  taimp» 
80      Colur  verd,  colnr  Serpût. 
("otschen  eis  colnr  da  lo, 
A  totts  mia  dolla  &  dar  là. 


KIN  ML-NSTRRISCHER  DICHTKR. 


545 


N'ha  (lii  perfin  al  Schur  Curat 
Chial  (lefs  ilisfar  il  noss  contratt. 
ii^   Tot  chi  disch  et  bain  supoña 
(Hìial  am  pigi'  ino  la  Dona, 
ijjuisla  famusa  ludimajjistra 

Tira  aduna  a  parte  sinistra. 
Non  datur  hue  silentium, 
gO       Sed  nimis  stridor  dentium. 
Fides,  spes  et  caritas 

Sun  its  et  mifs  perversitas. 
Seis  Spiritus  vitalis 
Est  lapis  infernalis. 
*)5  Seis  duos  tamus  custodis 
Subit  i  muossan  monis. 
Un  frar  et  un  cojjn;\ 

i'n  spenà  et  un  scorna 
Totts  chi  sbriian  senza  Schiern 
100       Seo  chia  foss  il  Schelm. 
Sun  conlin  in  Santinella 

Per  chiirar  schura  falilella 
i/omai  forma  dictatura 
La  dinasta  superiura. 
\u^  Chiar  Signur  plevaun! 

("hialam  detta  un  me/,  a  mann, 
Jau  mai  combaterà 

I*ü  tschönsch  jau  morirà. 
Nom  lasch  eir  plü  tormaintar 
lio       Laschai   chia  pofs  m'absaintar. 
Piglain  davent  ils  pover  uft'aunts 

Sch'  un  voi  chi  restan  sauns. 
(.'on  bain  sarà  absaint 
Meis  cor  sarà  preschaint. 
1 1 5   Nofs  jüdisch  pupilar 

Seis  dovairs  gniral  a  far. 
Con  pitras  larmas  al  n'  ha  roà 
Kt  rest  con  (¡uai  tranquilisà. 
N'  ha    tutt    (juintà    mias    circum- 

stanzas 
1 20       Kt  dat  il  cuint  da  mias  linan/.as. 
Alla  fo  trist  et  consterna 

Il  presi<lent  ha  svefs  cridà".  — 

Meischiarcusdrin  tottquai  nha  dit 
(^ol  Sr  Plavaun,  ne  plü  ne  main, 
I2ç;  Kt  el  ha  mifs  tott  quai  per  scritt, 
Sco  bè  nus  duos  sa  vain. 

Amó  al  schetti  or' in  sala: 
Scha  strias  pur  chi  defs, 
Ztiuohr.  f.  rom.  Phil.   VU. 


Pél  main  metta  sarai  a 
130       Am  lid  da  far  proccfs. 

Vefit  eir  pudü  da  quai  taschair 
Per  efser  glieut  da  T^j, 

Ma  r  ira  va  uschè  a  manair, 
Kt  fa  chi  non  s' impaisa  quai. 

135  Chia   schett   il    Ser   Plavaun    sün 

quaist?  — 
—  El  dett  culs  rnaun»  inscmel 
Et  schett  ch'il  tira  bain  sai. 
Et  bù  a  s'impaifser  trcmbl*  el. 

El  disch  :  O  Spiert  da  mártir  in- 

chiarnà 
140       Un  Sudit  SCO  sott  1' Alcoran, 
Tu  eisch  un  martyr  publichiä 
Scols  martyrs  sot  Trajan. 

Da  tai  sün  bain  edìfìchià, 

Tu  stimasch  l' orma  sur  da  tott, 
145  l*er  quai  sun  eir  certifìchià 

Chial  Scgner  at  jüda  da  pertott. 

Teis  fatts  avaunt  reglescha, 

Jls  pitschens  mett'  in  salv. 
Fa  Öls  et  observescha 
1 50       Chi  non  tuornan  aint  il  schialf. 

(xhia  lunga  contumazia! 

Hasch  tu  patiaint  sufert, 
PIÜ  lunga  co  Dalmazia, 

Per  tuott  eisch  stat  perdcrt. 

¡55  Miracol  eis  sch' un  onna 
Poi  efser  preservada 
A  viver  taunter  coma 
Et  restar  conservada. 

Bain  jent  ta  dun  permefs 
160       Chia  tu  ta  posch  absaíntar, 
Senza  far  alchün  procefs 
Per  non  ta  plü  grìtaintar. 

Va  pur  con  Dieu  in  ajüd, 
Ad'  ella  avaunt  la  dischas  quai: 
165  Sta  a  Dieu  jau  ta  salud, 

Sco  tueca  a  glieud  da  Lai. 

L' ingraz  infìnitamaing, 
Reverende  Ser  Plavaun! 

35 


5*6 


e.  DKCt^RIINS, 


Ad  El  reccomand  tott  humelmainç 
170       Et  vegn  al  biitscliar  maun. 

Ctimià  della  <loña  chia  pijjlara 
Essend  un  pover  saimpel 

Sarà  SCO  Dieu  am  dictará 

Fer  dar  la  un  píi  d'exaimpel. 

Cumia. 
1 7  S  Xantippa,  tu  meis  prüm  Tormaint  ! 
Id  eis  in  tin  rivi  il  momaint 
Chia  jau  da  tai  m^abísaint. 
Tu  sasch,  per  disfortuna 
Chia  nus  eschen  conjugáis, 
iî<o  Stats  saimper  malperíina 

Seo'  n  pover  peer  basguals. 

Ta  disch  „a  Dieu"  istefs, 
E  pigi  meis  brav  eßrefs 
Per  ßlivrar  quist  procefs. 
185  Chi  eis  da  quai  la  causa? 
Co  da  contin  factiuns 

C^hi  progredan  sainza  pausa 
In  sustegn  da  tias  pafsiuns. 

Audacia  et  vaunitii, 
iijo       Falda  et  cecità 

Per  tai  fu  deretà. 
Totts  mezs  sun  evacuáis 

Per  tía  conversiun, 
Ingüns  sun  adoptats. 
ms       Totts  its  in  perditiun. 

Di  a  tiá  lenüra 

(^hi  mainta  bler  et  jüra 
Chi  spettan  fm  chi  dura! 

Chiastj  da  Dieu  gnirà 
loft      Per  tai  et  per  tia  banda. 

Ma  da  quai  severità 

Piglarasch  seo  Dieu  la  manda. 

Con  bel  chid  eis  teis  Oaunz: 
Tiranna  cols  Crnstianns, 
20^       Et  Tigra  cols  Uffaunts. 

Spelt*  il  ili  «lei  grond  jüdici 
Cur  il  cudcsch  vegn  avert 

Cur  ^arà  quel  grond  schnuizi 
(  hia  t(ïlt  il  mal  ans'vcgn  sc« »vert. 

210  D'inlaunt  tras  tia  nardà 

Gnirasch  bain  bot  in  povertà 


Teis  spiert  sa  sbafserà. 
Di  a  teis  second  Minister 
Chi  s*  doma  TAstarot 

(Diab.  II.  in  gradui. 
215  Chial  maina  bun  register 

Avaunt  chial  maglia  tott. 

X'  ha  tauntas  jà  roà 

A  Christ  cruzitìchià 

Chia  vegna  delibra: 
220  Delibram  o  5>egnerî 

Sicut  Moysem  e  manu  Pharao- 
Ma  jiida  bain  sustegner         [niü. 

Sicut  Daniel  in  lacu  Leonis! 

Il  Segner  fett  uraglias  sco  sablas. 
225       Meis  cloms  jenn  tras  elas  nubla«. 
Quai  vaira  et  nà  bè  schüblas. 
Jau  n*ha  fati  tras  tott  l'Alphabet 

Et  fatt  meis  brav  fagot, 
N'ha  fatt  dal  „A"  in  fin  al  .,Z''. 
230      Ofsa  basti  et  eis  abot. 


Sta  qua,  sta  qua,  meis  Nicola  ! 

Lain  far  sco  fatt  aduna, 
La  glieud  pudefsan  dir  laprò 

Sco  fufsan  mal  perûna? 

-35  ^(^  Quà,  sta  qaà  meis  hom, 
Tu  stasch  ja  bain  abot; 
Tii  eisch  pur  ofsa  hain  in  tnm« 
A  tai  ta  maunchi  niiot. 

I  voi  un  pad'  pazienza, 
240      Con  quella  gnins'a  Ciel, 
Vers  gliater  confidenzia 
Et  dutscha  pasch  sen  mèi. 

Lambe  me  in  podice, 
TU  eisch  una  lima  suorda. 
2(5  In  folio  et  in  mariane 

Con  tai  non  vo  plA  corda. 

Onà,  Onà  Padierla! 

Tu  nom  rìva.sch  più  als  pails, 
Tu  nom  mainas  pl3  in  Schnicria 
2  SO      Ne  tu  ne  teis  fanuuls. 

VÚ.  tost  vo  vair  la  grippât 
Ofsa  da  tal  ma  mundi. 


.—   ~  ji 


KIN  MrNSTKKlSCHRR  DICHTER. 


547 


Adié.   Adié,   Xantippa, 
Sic  transit  gloria  mundi. 

2^ S   ^'^  etiam  propria  nostra 

Tott  eis  transit  scoi  vent. 
Id  eis  paisà  la  jastra. 
Et  jau  ma  fetsch  davent. 

Mala  es  amica  mea, 
2ÒO       Macula  magna  est  in  te. 
Tu  hasch  la  mail*  idea, 

Taeditim  magnum  est  in  me. 

Adieu  cusdrin  eir  vu, 
Saludé  cornar  Polonia; 
2i>5  Jo  son  diretto  per  Corfìi, 
Me  forza  eir  Cefalonia. 

Davent  jau  vegn  sco  sculozà. 

Et  pafs  per  il  mar  Jonic, 
l'Iiitost  co  qua  star  mez  varzià 
270       Et  morar  malinconie. 


PÜ  tost  VÖ  cuorrar  à  galopt» 
Intìn  al  Poi  semptentrional, 

Schi    fefs    basögn    jau   tuoro    iiu 

atter  toc 
Intìn  al  Poi  meridional. 

275  Jau  s'biitsch  meis  chiar  cusdri», 
Reccomond  meis  pitschefis  Uf- 

faunts, 
S*  ingraz  minch'  ara  et  da  conti«. 
Per    taunt    del    bain    da    vof* 

bun  mauBs. 

Scha  piti  non  vess  da  luornar, 
280       Eat  il  just  et  bain  regla, 
Non  s'iascharai  subuoraar, 
Jau  s' rov  per  chiarità! 

Stat  con  Dieu,  e  Dieu  coa  vu, 
Stat  sauns  et  properus; 
285  Jau  vegn  a  chierchiar  meis  Corfu 
Avaunt  chia  vega  confus.  — 


E  i  n  i  s. 


\\    Matrimoni  triblí..\  caá  í/mom. 


O  (luai  a  mai  sco  dona  et  maina. 

Il  guai  ma  va  tras  l'ofsa: 
La  trista  et  mala  fama 

Ei<  gniida  in  chiasa  nofsa. 

:;   Nofs  credit  eis  it   pers 

Ma  hùtsch  per  causa  mia, 
Nofs  cred't  ofsa  schmers 
Ma  lolt  per  causa  sia. 

0  Dieu,  cl   a  pais  nbii  jau  ?ȟl  cor! 
Il)       Ma  Icfs  iniìna  perder  via. 

1  chialla  pac  chia  mor 

Da  spür  schagrign  per  via. 

<)  chiars  para'nts   jau  plonsch  al 

Ciel, 
Sa  disch  il   vaira  et  niigla  fiut, 
1  ^   Meis  cor  eis  plain  da  pitra  fei, 
Efseml    in    Strada    11    „c/own- 

Scha  ciò  nescheÌN  da  pur  disgrazia 
Chiatcfsens  bain  eir  compafsiun. 
Dieu  et  mond  ans  fefsan  grazia, 
20       Non  iofs  da  temar  perditiun. 


Pur  mafsa  non  eisi  qua  quel  ca$, 
I  para  infina   ''^tt  a  posta, 

Chial  metta  pur  ofs*  aint  il  nas 
Cur' in  platt  e  cur' in  costa 

2f;  Scha  gur  d  nofs    pitscfaens  inno- 

zaint!» 
Sch'  im  vegn  üb  dubel  guai, 
Et  cur  chia  crid  a  ccrts  momainttt 
Schi  cri<lan  eis  con  mai. 

O  vefsi  amó  meis  genituors! 
30       S^hi  gnifsi  cuifortada 

Con  totts  iUmeis  basgnus  sucuur!$. 
Non  vefs  da  gnir  »n  Strada.* 

Ma  chia  gnifspn  quels  da  dir, 
C^hia  san  in  quist  prociBt 
35  Am'  vezer  qua  languir. 

Am'  vczcr  far  qaist  cuint. 

O  chiara   maina!   inguà  eis   meis 

bab,  - 
Ingün  vol  dar  risposta. 
Da  mezza  nott  jau  s' elf  un  dad'àt 
40      Per  saintar  qual  proposta. 

3S» 


54« 


e.  DKCÜRTINJi, 


•O  Dieu  sa  renda  e  Dieu  sa  píija 
Per   tott   vofs   sprogn   e   taunt 

Seo  tott  ha  vifs  et  craja,  [pifser, 
In  nofs  conìiin  inter. 

45  Ofs  eis  la  chiasa  devastada 
Con  barbuogn'  et  derifsiun, 
Mia  dotta  eis  sclavezada 
Senza  plii  da  far  menziun. 

Nha  bain  aduna  fìtsch  temii 
50       Pifóla  malinconia 

Uscheta  non  sa  jeva  più 
n  chiar  fu  tott  or  via. 

Seis  modo  da  s*  impaiser  : 
Pazias  orgogliusas 
55  Sa  craja  quasi  Kaiser 

Con  crettas  fitsch  confusas. 

El  vol  persunas  grondas, 

Per  ir  as  conversar, 
Illura  al  mainan  aint  in  jondas 
60       Et  quai  al  quosta  chiar. 

Sun  nofs*  ecconomia 

S*  impaifs'  iinguott'  afiatt, 

El  scz*  in  r  usteria 
Infìn  chia  Teis  saziat. 

65  La  servitù  sun  maltîdëls, 
I  mainan  totts  la  cogna, 
Et  jau  sun  naira  da  spür  (eis 
Ingün  ünguot  guadogna. 

Da  spür  patocs  crajaintamaints 
70       HaM  piain  la  sia  busatscha 
Sumaglia  bain  a  certs  armaints, 
Al  rian  totts  in  fatscha. 

L'eis  tott  quostaivel  in  vestir 
Seo  eir  per  atters  mobils, 
75  Tnfin  chil  manca  seis  respir 
Vol  star  a  per  dais  nobils. 

El  va  contin  a  spender 

In  prescha  sco  per  Hir  con  fain, 
Dumaun  el  tuoma  a  vender 
80       1/  objett  per  bier  damain. 

Barata  e  venda  con  minch'  un 
Et  (.'onsünia  mal  ils  bazs. 


Et  SCO  chi  disch  schgiadün, 
Schi  fa*  l  d' un  vair  fiirbaz. 

85  Per  ir  a  mezza  saira 

El  tuorna  a  mezza  nott. 
EI  eis  contin  in  faira 

Non  guard'  a  chiasa  ünguott 

Ma  ih  contin  tormaint 
90      Et  senza  refrigeri 

Da  taunt  chil  vegn  in  maint 
Eis  propi  un  vituperi. 

El  fa  debits  a  tott  pudair, 
Impegna  dubel  et  con  fraud, 
95  Fä  finta  sco  per  non  savair, 
U  eis  scalter  et  bain  caut. 

Ofsa  bot  varal  Jahr  aus 
n  möz  eis  ofsa  piain, 
Et  El  po  tor  Reiiìsaus 
100      Con  atter  taunt  da  main. 

Quant  pechià  chia  V  inozaint 
Sto  painer  pel  cuolpaivel, 

Combain  chia  eir  da  quist  tormaint 
Insajeral  il  malcrettaivel. 

105  Ma  el  tott  quai  merita 

Sco  Stat  malign  poltron, 
Momain  per  meldrar  vitta, 
Sa  spera  pac  da  bun. 

Be  r  otter  di  al  n*  ha  imbuttä 
no      Sia  beir  indiferenzia 
Al  trand  a  risponsabiltà 
Et  cuolpa  da  conscientia. 

L' import  da  nofs  passiv 
Non  voi  pSr  brichia  palesar 
115  Per  confimntar  coXV  activ 
Et  plu  manaivel  calcolar. 

Palpablas  imposturas 

Am  sporsch'el  in  liipostas. 
Et  in  malplazadas  nras 
120      Eir  bottas  sun  las  costas. 

Tott  quai  nha  goadogoà 
Tras  taunt  fiístidis  di  et  nott« 

Tott  mias  larmas  liami  vanaà 
Nügla  et  main  d'iin  gnotL 


EIN  MÜNSTER  I  SCHER  DICHTER. 


549 


123   La  buna  glicut  da  bain 
M*  invian  a  pazienzia, 
Et  sella  vcfs  da  gnir  al  main 
Sun  Dieu  la  confidenzia. 

O  scili  sia  plonsch  a  tai! 
130       TU  Segner  meis  creader, 
Tu  vezas  taunt  perfett  in  mai 
Et  posch  ta  persuader. 

Innozainta  sun  seo  tu  in  crusch 
Num  laschar  zond  varziar 
135  Ma  laschan  daldar  quella  gusch 
Chini*  vegna  a  refectar. 

C)  gusch,  divina  gusch! 
Con  tai  sa  confortain, 
A  tai  unfresch'  mia  crusch 
140       <Jualjà  meis  cor  eis  plain. 

Ta  lascha  gnir  pechià 
Dels  povers  innozaints 


Chid'  haun  ne  cuolpa  ne  pechià 
D'intuorn  a  quists  fragmaints. 

145  Vendetta  doma  in  Cicl 

A  sguitschar  povers  pitschens 
Infin  las  beschgias  piglan  fél 
Et  grimafsan  per  lur  pitschens. 

O  Segner  chiar,  fa  tu  meis  cor 
150       A  Tai  raintà  chial  resta, 

Da  mal  num  laschar  britsch  surtor 
In  quista  vitta  mesta. 

La  povertà  eis  mala  trapla 
Vaschin'  als  mais  adiis, 
155  Scha  pur  ad  un  la  clapa 

Sco  là  bain  tschüff  a  plus. 

O  Segner  meis  sulett  appogi 
Per  mai  et  meis  ufìfaunts, 
Recomond  per  un  alloggi 
160      In  teis  sonchifsens  mauns. 


A. 


VI.    Lamaint  deix  Mama  via  da  dl'os  vkìlas. 


IO 


I. 
O  chiaras  ligias  chiaras  —  15 

Chia  daldi  eau  da  vu? 
Vu  hauat  pac  judici  \^ 

Et  niafsa  bier  chiaprizi 

Lische  non  fevni  nu. 


l'isèr  per  vofsa  chiasa 

ijuai  hauat  pac  abot 
Daschiitlas,  marschas  levas 
Inibliidan  sco  las  levras 

Faun  tott  lur  fatt  Schip-schop. 


20 


<  rajauat  Mania  vêgla, 

La  non  s'incorscha  quai? 
O  povras  franzinellas  !  25 


Crajauat  eir  da  quellas 
D'  am  far  sul  nas  a  mai  ? 

Las  duos  figlas  rispondanr 

I. 
Hoz  hauat  nascha  gliina, 

Qualchiin  s'  ha  frizà  su. 
Nus  eschen  matas  scorias 
Et  brichia  mezzas  mortas, 

Chia  lefsat  mo  daplii? 

2. 
Nu  mai  non  jain  in  trosia   — 

Sco  fevan  da  temp  vegl, 
Tott  tleisig  nu  lauraini, 
Sul  nas  eir  britsch  sa  faini 

La  glicut  da  nu  hau  fêl. 


Las    duos    Sors   traunter   ellas: 


/m   T(\i^'-/(i  : 
Turla  narra  vl^.ís  <juà 

Nha  ta  ditla  launtas  jà: 
Lascha   star  ad  ir  a  spafs 

<Jr  da  Í  liià  non  vegn  un  pafs! 


La  yuvna: 
30  Chiara  tu  non  dir  da  mai, 

TÜ  hasch  da  far  abot  per  tai; 
Crajas  tott  da  far  dascus, 

Forz'  hasch  schon  an  mez  marus. 


550 


e.  DECURTINS, 


B. 


Mama  : 


I. 

Scha  zop  un  qualche  plo/.iar 
^^       Per  mcis  hasöf^n  ila  chià. 
Schi  chìerlschni  siin  corunas 
Las  xazzas  buserunas 
In  tin  chid  haun  chiatù. 


Da  tauntas  laurs  da  chiasa 
40       Non  sa  qual  tor  avaunt 
Da  quai  non  s*  impisauat 
Sco  asolat  rupelauat 

Sa  dund  bun  senn  intaunt. 


Vu  jauat  launt  in  Schnierla 
50       A  chierchiar  ber  nardats 
Cucond,  laiclond  sulctta« 
Kl  jauat  con  tcrlettas 
Per  scuflar  su  nostats. 

B«       Las   fiólas   rispondan. 

1. 
Vos  ploziars  mai  lucchaini. 
5(>       ('hia  laini  far  con  qaai? 
Tcrlettas  mai  portaini 
Schin'  s  quintan  schi  taschaini 
Quai  Schelms  chi  dischan  quai. 


45 


^5 


Almain  qucllas  laurcttas 

Schii  fefsat  flcisij»  (juai, 
Purschlins,  vades,  jalinas 
Kt  attras  laurs  pii  finas 
Dumondni  blér  dò  quai. 


La   vìigla: 


Higuard  las  laurs  da  chiasa 
60       Pudefsat  taschar  qoiei 
Lain  jcnt  sa  jädar  ora 
Schi  fois  con  quai  riz'  ora. 
Ma  mai  non  eis  fat  reit. 


Ofsa  daldasch,  causa  tai 
Vej;ni  tott  cir  sur  da  mal, 

Marsch'  cisch  bain  scoi  bel  laithim 
Aint  il  fluT  da  juvcntüm. 


Las   sors   trauntcr   per: 

La  y  UV  na: 
Tu  cumondar  sasch  pulit 

Teis  scusai  non  fasch  gnir  tritt 
70  Tu  sasch  fiir  il  {rniogn  con  toll 
Et  intaunt  jau  vegn  il  poz. 


(!. 


Mama: 


/."> 


I. 
Sa  rovi:  fatt  jüdizi! 

Uschlia  disch  con  bab  ; 
'Jau  discherä  cui  pader 
Et  forza  cul  Schlobiader 

Et  brajarain  dad'  át. 


Jau  sun  da  fall  sl'orzada 

Da  s'  dir  tott  clor  c  nett 
Sco  n*  ha  sün  mia  conscicnzia 
80  Et  disch  in  mia  conscicn/ia 
i*er  dar  mcis  quint  indrctt. 


.>• 


Anguoscha  chia  };u;^larda> 

Kabizan  qua  id  a  là. 
Scha  pur  chis'  resolvcHian 


85  Scha  pur  chis'  maridefsan 

Quel  hom  fofs  bain  segna. 


I  ñlan  pozadüraü 

Et  mandan  aint  curais. 
Ma  cur  chi  vegn  ils  cromars 
90  Ans  fauni  su  las  comas 
Et  volan  becs  scufsals. 

('•       Las  figlas  rispondan: 

1. 
Anj^uoscha  quant  jûdici 

Chi  para  chia  nu  vain, 
Ne  bab  ne  pader  crajan 
05  Las  femnas  cur  chi  brajan 
Piitosl  ans  metían  train 


EIN  MUNSTERISCHER  DICHTER. 


551 


Fur/a  lain  maridar, 

Lain  far  infìn  chi  va. 
Vofs  fuor,  scili  berrai  via 
iO(j  Ils  jalts  sa  purtan  via 

Non  vain  britsch  rabiza. 


Cilia  lauat  vu  s'  almaintar 
A  cumprar  nofs  scusals 

Guardai  las  attras  mallas 
105  Chi  lischan  sun  baintratta«* 
Schibain  chi  faun  corals. 


La   7 •('•'¿'/a 


Gulla  lunj^'a  quai  tcis  dun 

Mania  ha  bain  un   toc  raschun 
Ito  l'umpa  vikla,  plazs  dascus, 

Quel  nas  lunj;  tcis  \\n  puoglus. 


Las    duos    sors    taunt  er    p  ê  r. 

La  juz'tia  : 
Tu  non  clapasch  ncaunc  da  quces, 
Neaunc  als  portar  pels  chiavces, 
Chi  malom  vo  tor  a  tai 
115       Tu  guglarda  per  da  quai. 


1). 


I-.\  Mama. 


I  20 


i: 


I. 
An^'uoscha  bundriusas 

Chi  ({uoran  sül  balcun 
l'ci  minchia  each  chi  paisa 
Las  esi  totl  da   mafsa: 

rii!  chiitta  quel  caghm. 


I  rumpan  las  cupallas 

Kt  /oppan  via  ils  tochs. 
Las  toccas  lumbardunas 
LaN  Ncroccas  >trapatschuna> 
Comainzar  stögn  con  clochs. 


Las  mandi  ora  a  zerclar 

Sellini  faun  una  bela  lin; 
Sa  bulan  per  t|uai  via, 
l'cr  spula  daschütlia 
130       Darschian  loti  nofs  glin. 


»35 

D. 


140 


»45 


Medcni  eis  eir  cui  cusar, 

Faun  toil  dabot  —  dabot 
Imbliidan  la  niasiiras 
launtiina  grond  fajüras 
Et  faun  un  bel  chiampott. 

Las  figlias  rispondan: 

I. 
Co  vaini  bain  da  zerclar  — 

Ils  pecs  tor  sün  calöz.** 
Nus  eschen  qualchia  jadas 
Ün  pà  eir  surmenadas 
Da  dofias  sül  mez  möz. 


Hundriusas  eschens  brichia, 
Scuain  avaunt  nofs  üsch 
Per  rumper  la  Vaschella 
Scha  pur  chi  fofs  a  quella 
Vain  pac  d'  ans  a  trar  su. 


Lu  vt\i{/a 


Las    s  o  r  a  s    l  r  a  u  n  t  e  r   peer: 

Lii  j'uvna: 
i'i^lia  i  lilscha  su  per  tai  150  Mezza  narra  tu  gnirasch 

(Jiiai  non  va  bö  prò  a  mai,  U^ai  ta  dischi  chia  tu  sasch. 

Scriva  sii  sün  palanlschiu  Straunia  senza  remifsiun 

Ic^na  quint  da  nofs  purschliu.  U^ai  sarà  tía  vocatiun. 


C  o  n  c  1  u  s  i  u  n. 


L(i    Miuñii: 
Alluna  sa  chj^ij^nainlan 
r-^;   Sfo  fof-ian   (  hiaim   e  jail 


Con  tollas  sorts  slichadas 
Con  totlas  sorts  ögladas 
Totl  rpiai  non  eis  bain  fait. 


Fini  s. 


552 


e.  DFXÜRTINS, 


II.    Interven /.iun  (reslras  amias. 


Î. 
DiletUs  carneradas! 
1 6o       Con  tott  nofs  bain  plaschair 
Vain  bandunà  las  rodas 
Per  far  il  nofs  dovair, 
Crajevan  da  sa  chiatar 
In  buna  harmonia,  — 
165  In  buna  compognia, 

InUunt  eis  tott  in  crusch. 


Vu  Mama  rabiantada 
Sa  dat  un  pà  bun  sen 
185  Con  quista  bel  bargiada 

Chi  faun  tott  il  mcdem. 
Schu  vefsan  nu  per  ñglas 

Nu  fofsan  bain  pu  scortas 
Scrrefsan  nofsas  portas, 
190       Tiridum,  titum  titell. 


Ànguoscha  chia  strcmizi 
A  daldar  quist  combatt, 

Ànguoscha  chia  sbrajizi, 
170       Chi  para  tic  i  tac 

Titum,  Titum  Titella 
Chia  litta  buserunu 

La  busra  s' incoruna 
I  para  chiauns  e  jatts. 

3. 
175  Chia  diantras  comanzauat 

Iflaspetta  damaing? 
A  MaiSa  respondauai 

Bain  arrogantamaing 
Ingina  eis  vofsa  Scola  r 
180       Vu  scortas  juvantschella^ 
Prudaintas  madmoisellas 

Hauat  pers  V  educatiun  ? 

VII.     CHIANZIUNS  l^A  DIVER  I IMAINT 

I. 
Nofsas  chiaras  amidas 
Nu  gnin  as  saludar, 
Con  bunas  partidas 
Lain  jcnt  conversar 
5  Fain  pafsar  la  saira 

Fain  pofsar  las  roda> 
Chia  nu  pofsan  sa  refar 
E  dumaun  bain  levar. 


Nofsas  chiara>  canuradas 
fo       Tott  prus  Cl  bain  jcnt 
In  honur  da  lott  fcrmada> 

idìlli  star  allej^ramenl 
Schia  las  veglias  ins  --abrunclan 

K  Ñchi  volan  ins  ranfuñar 


Crajai  co  gnitan  smortas 

A  daldar  quels  discuorss 
Conbain  nus  eschen  scortas 

Parett  da  vezcr  V  uors. 
195  Fortuna  a  chi  chi  tacca 

Da  justar  quista  litta 
A  fermar  la  dispitta 

Tirìdum  titum  Titell. 

6. 
1^1  Prussia  con  la  Frauntscha 
200       Sa  mettan  aint  intaont. 
Con  quai  havaini  spraunza 
Chi  vegna  sco  awaunt. 
Et  forsa  vegn  a  quella 
Chis'  metta  Tlngilterra 
205  Con  nova  mail*  in  terra, 
Illura  lustig  sein. 

PKK  LAü  J  i:  VN  AS  I)II.S  PLAZS  DE  FILAK. 

15  Schi  podaini  las  sa  dir 

Non  eis  temp  dad  urdir. 

3. 
Be  taunter  da  nu  femnas 

Dischaini  la  vairdà 

Taunts  dits  e  tauntas  emnas 

20      dm  sezzar  s*  vegn  maUu 

Nofsas  chiaras  ju\Tias  vitas 

Fleisi  s'lain  parchûrar 

Chin  non  gnifsa  indebolidas 

O  defett  d'  vaintefsan 

{PartiMd  M  ßau) 


25  O  dilettas  cognoschaüitas 
O  amidas  e  pOTnintat 


¿  «: 


EIN  MUNSTERISCHER  DICHTER. 


553 


Contott  chi   fofsan  cir  maridadas 
Qua    in    quisl    plaz    accompo- 

^nadas 
II  arresps  bain  scuafsar  jo 
30       E  lotts  chi  dormán  con  prò. 

UfC  at  tra. 
I. 
Nu  eschan  arrivadas 

In  quist  laudabel  plaz 
Per  quintar  las  fadias 

Per  causa  da  bler  fjlatsch 
35  Cura  in  pé  e  cura  in  rain 

Simpisai,  co  quai  jea  bain 
Per  saludar  las  amias 
Eschni  gnidas  qua 
Per  vezzer  co  quai  sia 
40       E  chiaminar  da  qua  in  pii. 


2. 
Bc  launler  da  nu  feninas 

Fois  quai  bun  star 
Schi  fofsan  eir  3  emnas 

Fofs  bun  per  ans  conversar. 
45  Schi  fofs  inqualche   maschel  qua 
Schial  s*  retira  fort  ün  pà 
A  riserva  il  Schur  Patrun 
Al  quai  dumondain  pardun. 

Con  partir. 
Nu    lain    tor    la    via   ad    ir    vers 

nofsa  chià 
50  E  pafsar  con  legria  per  efser  slatas 
La  buna  saira  giavüschain    [qua. 
A  Tollas  qua  chià  nu  lain  bain 
E  quai  loll  in  sincerità        [qua! 
Usche    vaira    chia   eschan   statas 


Vili.     PkR  LAS  Jl  VANTSCHELLAS. 


I. 


Unfri  a  Dieu  vu  juvantschellas 
Vofs  cor  toll  nett  da  minchia  mal 
Fortunadas  sujii  quellas, 
Cor  angelij^s  adingual. 

5  Sun  cllcttas  per  sia  spusas 

Con  taunt  plaschair  da  toll  il  Ciel 
In  amur  dad  ormas  prusas, 
Et  al  saltan  per  sia  fêl. 

3- 
Appaina  fait  (juist  Sacrifìci 
IO  Sco  rosas  finas  lisch' il  cor 
Fina  taunl  chià  Un  nasch  vizzi 
(jucl  vanlaz  las  \*egn  al  tor. 

4. 
In  disgrazia  surmainadas 

1   sun  in  grond  dispcratiun 

15   Vczzan  co  disfortunadas 

E  non  saun  })lü  (piai  chi  sun. 


Un  lai  don  ireparabel 
Causa  eir  plus  et  attars  mais. 
Dubel  guai  insurportabel 
20  Guais  del  corp  et  spirituals. 

6. 
Una  scorta  juvanlschella 
Vezza  bain  quai  loll  avaunl 
Bain  pro  temp  la  miilscha  quella 
Sco  sto  far  iin  bun  ufl'aunt. 


25  La  lema  bleras  jadas 

Da  bleras  sorts  conversaliuns 
Schgiva  buceas  mal  lavadas 
Et  suprima  allas  tainlalciuns. 

8. 
Quel  chi  fa  loti  seis  pufsibel 
30  A  Dieu  varal  per  seis  ajud 
Fa  Vitoria  al  impofsibcl 
Quai  der  orma  sia  salud. 

C.  Decürtins. 


Bibliographie  des  traditions  et  de  la  littérature  populaire 

du  Poitou. 

l/aiiciciiiR'  proviiiCL'  du  Pf)itou,  qui  [)arle  un  dialccU-  de  langue- 
d'oïl,  su  compose  des  trois  dcpartumunls  actuels  do  la  Vienne,  de.s 
I)(Uix-S«'vres  et  de  la  Vendée.  Bien  cjue  ce  pays,  sauf  pour  \c.s 
chansons,  n'ait  pas  été  l'objet  d'une  exi)loration  aussi  complete  au 
point  d(i  vue  du  folk -Lore  proprement  dit  (jut;  la  Bretagne,  et 
(juekiues  autres  provinces  de  France,  on  y  trouvera  i>ourtant  l'indi- 
cation de  iminbreux  ouvragi;s  on  s(î  riincontr«nt,  en  quantités  varia- 
bles, des  renseigntnnents  rtîlatifs  aux  traditions,  aux  tuteurs  t;t  aux 
usages. 

Nous  avons  suivi  à  i)eu  de  chose  près  le  même  plan  que  dans 
nos  deux  i)récédentes  publications'  sur  le  même  sujet;  après  avoir 
relevé  les  glossaires  »;t  les  ouvragtìs  de  linguistique,  si  souvent 
intimtîment  liés  A  la  littérature  orale,  nous  avuns  ensuite  passé  en 
revuti  les  traditions,  mteurs  et  usages  —  les  contes  populaires  --  -  les 
Chansons  --  les  N(^ëls  —  les  Devhiettes  —  les  Formulettes  et  les 
prièri's  f)Of)ulaires  —  les  Prov(»rbes  —  les  Costumes  —  les  livres 
populaires  et  les  almanachs  les  faïences,  l'imagerie  et  la  plom- 

berie —  le  théâtre  populaire. 

riusieurs  savants  du  I^)itou,  et  parmi  eux  M.  I-éo  Desaivre, 
ont  bien  v«)ulu  n«)us  envoyer  de  précieuses  notes  qui  ont  singulière- 
ment enrichi  notre  travail,  et  sans  les  quelles  nous  serions  loin  de 
de  j)résenter  un  ensemble  aussi  complet.  Qu'il  accepte  nos  rcmcr- 
•:ieinents  et  ceux   de  nos  lecteurs  pour  son  dévoué  concours. 

Aire   linjjuihtiquc    »lu    putois   poitevin. 

Dkki  \  i)i:  Kadikk.     Bibliothèque   histor.  et   crit.  du    Poitou.    5  vol.     Paris, 

Gaueau,   1754.     Journal  »le  Verdun  fevr.  1758,  t.  93,  p.  123. 
DrriN,  jircfct  des  2.  Sèvre».    Statistique  des  2.S.  lermém.  p.  56;  2«  mcm. 

p.  204  et  205;  mcm.  de  la  ^oc  des  antiq.  de  Fr.  lome  l«  p.  195  et  seqq. 
l)K    LA    F<»NTKNKi.i.K   i)K   Vaudork.      Keclierclies    sur    la    langue    poite\îne. 

J3ull.  cle  la  Société  d'aj»riculture  etc.  du  Poitou   1830. 
< '«)nimunications   »le  M.  M.  ('ardin   (de  Poitiers)  et  De  la  Fontenelle  de  Vau- 

lloré  au  (\)nj^rè>  scicntifuiue  »le   Bloi>   1836. 

>  Hihlio^Mapliie  »k->  traditions  et  de  la  littérature  populaire  de  la  Brc- 
ta;;nc  (Revue  (eliiiiue  t.  V  p.  277  —  339)-  Bibliographie  des  traditions  et 
de  la  liitéralure  ])0))ulaire  (le  l'Alsace.    Strashourj»,  Noiriel,  1883  (tirage  &  part 

sUi   Polybihlion  <le   Novend^re   1882). 


BIBLIOGK.  DES  TRADII".  ET  DE  LA  LI'IT.  POPUL.  DU  POFTOU.       555 

ScHNAKK\Brk(ì.     Tableau  synoptique  et  comparatif  des  idiomes  populaires  ou 

patois  de  la  France.     Berlin,   1840. 
Favre.     Glossaire  du  Poitou.     Introduction  p.  2. 
ToURTouioN  (Ch.  de)  et  Brin(;i  îer  (O.).    Rapport  sur  la  limite  géographique 

de  la  lanj^'ue  d'oc  et  de  la  langue  dVil.    Archives  des  Missions  3«sér.  t.  Ill, 

1876.     Il  existe  un  tirage  à  part. 

Sur  Iti  limite  du  Poitevin  cf.  ia  page  54. 

BoicHERiK  (A.).     Patois  de  la  Saintonge;    curiositi  î  étymologiques   et  gram- 
maticales.    Angoulème,  A.  Nadaud,  1865. 

Dans  V introduction  M.  Boucherie  rattache  le  Poitevin  et  le  Saintongeais 
à  la  langue  d^oïl. 

Patois.     Glossaires   et    Grammaires. 

Dk<u  HF/i   (Jean),     ha  Moirie   de  Sen  Moixont   o  les  vervedé    de  tretoule  lez 

autre  (la  Mairie  de  St.  Maixeut  où  il  est  parlé  de  toutes  les  autres). 
La  Mizaille  à  Tauni,  comédie  en  vers  (sic)  avec  l'explication  des  mots  poitevins 
les  plus  difficiles  à  savoir.     Poitiers,  Pierre  Amassard,   1660  et  1661. 

Oit  peut  considérer  cette  explication  comme  le  premier  essai  de  Glossaire 
fait  en  Poitou. 

Ai.KRKi)  Rk  HARD,  Archiviste  de  la  Vienne.  Les  (t'uvres  de  Jean  Drouhet, 
Mp  apothicaire  à  St.  Maixeut.  (La  moirie  de  Sen  MoixOnt  —  la  mizaille  à 
fauni  —  Dialogue  Poictevin  de  Michea,  Pérot,  Jouset  Huguenots  et  Lucas 
Catholique  sur  ce  qui  s'est  passé  à  la  conversion  de  M»"  Cotibi,  ministre  de 
Poictiers  en  I660  —  Lez  bon  et  bea  prepon  do  bounhoume  Bretau  —  La 
dcfonse  dos  enfous  de  la  ville  de  Sen  Moixont  contre  les  railleries  do  gens 
de  Poetey  le  grou  fremage  d'Hollande.)  Avec  notes  expliquant  les  mots 
difficiles.     Poitiers,  Druineau,   1878. 

La    Revei.likre-Lkpkai  X   (L.  M.).      Notice   du    Patois  Vendéen.     Mém.  de 
l'Acad.  Celt.  t.  IH  (1809)  p.  267 — 290.     Il  existe  un  tirage  à  part  sans  pa- 
gination spéciale. 
Notice  du  patois  vendéen,    précédé    d'une    biographie    de  l'auteur.     Niort, 
1868,  gr.  in  8"  de  80  p. 

-  Essai    d'un    vocabulaire    vendéen.      Mém.  de  l'Acad.  Celtique    t.  Ill  (1809) 

p.  384-398. 
Uk  \.x  F(JN'iENEiJ-E  DE  Vaidoré.    Recherches  sur  la  langue  poitevine.    Poi- 
tiers, F.  A.  Saurin,  in  8^.  s.  d.  (P.  G.) 

Les  exemplaires  complets  comprennent  une  seconde  partie  pour  la  gram- 

maire  etc. 

Poi-^Y  d'Avant.    De  l'Influence  du  langage  poitevin  sur  le  style  de  Rabelais. 

Paris,  1855,    i"  8".     (Kxtr.  de  la  Revue  des  provinces  de  l'Ouest.     Nantes, 

A.  (îuéraud.) 
Düca.st-Matifeux.     Ktude    sur   le  patois  poitevin.     Revue  des  provinces  de 

l'Ouest.     Nantes,  A.  Guéraud,   1858. 
Aidé  (Léon).     Du  langage  populaire  en  Vendée.     Najwléon -Vendée,   1858. 
Pressac  (biblrc  de    hi    ville    de    Poitiers).     Glossaire    à   la    suite   des   poésies 

patoises  de  l'abbé  Gusteau.    Poitiers,  Henri  Oudin,   1855,  in  12.    61. 
(RííNDiER.)    (Quelques  mots  du  patois  poitevin,     (le  Mellois  28  Juillet  1861.) 

—  Génie    du    patois    poitevin    par  un  paysan,    (le  Mellois  14  Juillet,  21  Août, 
L^^rSept.  1861.) 

Gennes  (Ch.  de).     Sur    l'duvrc    du    patois    Poitevin.     Poitiers,  Dupré,    1863, 

broch.  in  8^. 
Bealchet-Fiileat.     Fssai.sur  le  patois  poitevin.     Melle,   1863,  in  8". 
C^est  un  glossaire  avec  grammaire. 

Dreux  di:  Radier.     Kssai  sur  le  langage  poitevin.     Niort,  18Ò6,  in  8**. 

Di  <;ast-M ATiKEiîX  (Ch.).  Réimpression  de  Particle  du  Journal  de  Verdun: 
lettres  sur  l'orig.  des  langues  espagnole  et  italienne  ou  essai  sur  la  lan- 
gage poitevin  de  Dreux  du  Radier,  voir  cidessus. 

Dr  VAI.  (L.).  PUudes  critiíjues  sur  le  patois  poitevin.  Niort,  Ch.  Mercier, 
i8(»7,  in  8". 


556  H.  (iAlDOZ  KT  P.  SKBILLOT, 

Lf.vrikk  (Gabriel).      Dictionnaire    élymologiiiuc    du    patois    poitevin.      Nioit, 

Ch.  Mercier,  1867,  in  S^  de  195  p. 
Kavre  (L.).    Glossaire  du  Poitou,  de  la  Saintonge  et  de  TAunis,  precede  d'une 
introduction  sur  l'ori^jine,  le  caractère,  les  limites,  la  grammaire  et  la  biblio- 
graphie des  patois  poitevin  et  saintongeais.    Niort,   1868,  in  8<^  de  356  p. 
Lalannk  (abbé),     (ilossaire  du  j)atoiis  Poitevin.     Poitiers,  1867,  in  8**. 

For  MC  le  tome  XXX  II  2^  partit*  des  Mém.  de  la  Soc.  des  Ant.  de  P  Ouest. 
Cf.  not.  de  Paul  Meyer  Rev.  Soc.  savantes  4e  sér.  t.  IX  p.  405. 

R(»L*ssRAi;  (abbé),  (ilossaire  poitevin.  Paris,  1869,  in  8"  de  95  p.,  a  paru 
i\  la  même  époipie  dans  la  Rcv.  de  l'Aunis.  de  la  Saintonge  et  du  Poitou. 

HourHKRii:.  Le  dialecte  poitevin  au  XIII«  siècle.  Paris,  l*edonc  Lauriel, 
in  «",   1873. 

l'etit  Glossaire  poitevin  —  à  la  suite  des  Etudes  sur  les  poésies  de  Christophe 
des  Frances,  seigneur  de  la  Chidonnière  et  de  la  Jalonsicre,  imprimées  à 
Niort  che/.  Th.  }*ortau,   15OS»  et  intitulé: 

Histoire  des  poetes  compris  au  grand  Olympe  et  ensuivant  la  Méta- 
morphose d'Ovide. 

Kavrk  (L.).  Supplément  au  dictionnaire  du  Poitou.  Niort,  L.  Favre,  1881, 
gr.  in  8". 

Traditions,    M <e u r s    et    Usages. 

BorcHKT  (Guillaume).     Les  Serées.     Poitiers.  G.Bouchet,   1584.  in  4'*. 

YVKR  (Jacjues,  Sgr.  de  Plaisance).  Le  jirintemps  d'hiver,  conten,  plus.  liiM. 
discourues  en  cinq  journées,  en  une  noble  compagnie  au  chateau  de  Prin- 
temps. Niort,  Thomas  Portau,  1598,  pet.  in  12  (pourrait  être  mis  parmi  les 
livres  populaires  anciens). 

Discours  facétieux  des  fmesses  île  Ooustelle,  accommodé  aux  afl'aires  de  ce 
temps.  Aux  admirateurs  de  la  tournure  moderne,  jouxte  la  copie,  imprimé 
à  Poitiers  par  Pierre  I^oyrier,  imprimeur  s.  d.  gloss.  Favre. 

BoDiN  (Jean,  né  à  Angers,  mort  à  Laon  en  1596).  (Bibl.  i*oil.  Clouzot  1878.) 
Le  lléau  dos  démons  et  sorciers.     Niort,  David  du  Terroir,   1616,  in  8®. 

Discours  lamentables  et  espouvantables  des  merveilleux  ténèbres  advenus 
sur  la  ville  de  Poitiers  et  cinq  lieues  à  la  ronde,  le  3«  novembre  1613,  en- 
semble les  estranges  signes  de  feu  en  forme  de  dragon,  aVcc  cris  effroyables 
et  demeurèrent  l'espace  de  trois  jours  sans  y  avoir  aucune  clarté.  Lyon, 
Doret,   161 4,  in  8'. 

Dk  la  IIavk  (Jean,  baron  des  (.'oustaux).  Les  mémoires  et  recherches  de 
l'Vance  et  de  la  Gaule  uijuitanique  à  Paris,     (iuillon,  1619,  pet.  in  8®. 

('nLi.ARi)KAL*  (Julien).  Peste  de  village  i)ar  Julien  Collardeau,  procureur  du 
Roy  ;\  Fontenay  (1^37).  Fontenay,  Kobuchon,  s.  d.,  br.  in  8**.  (Publié  par 
les  soins  de  M.  Dugast-Matifeux.) 

DKorcHKi    (Jean).     La  Moirie  de  Sen  Moixont  1660,  ouv.  cité. 

On   Y  trouve  la  description  d^un  festin  de  mairie  et  des  détails  Je  tnœurs. 

M\i<nix  (A.).  Histoire  de  Saint<mgc,  Poitou,  Aunis  et  Angnumois.  Saint- 
Jean-d'Angély.   1671,  2  j)artics  en  un  vol.,  in  folio. 

Drkix  1)1;  Radikr.  Bibliothècpie  historique  du  Pintou.  1754-  Ouvr.  cité. 
Le  t.  1  p.  368  et  sqq.  contient  un  long  article  òur  les  raretés  du  PoUou^ 
extrait  du  Reductor iu m  repertorium  et  Dictionnarium  morale  etc»  de 
Petrus  Berchorius  Poitevin  (mort  en  1362)  L.  /  T  C.  43  éd.Colog'fie  1692. 
Ce  passai(e  est  relatif  à  des  superstitions  sur  les  oiseaux;  sur  le  privi' 
li'îfes  qu\tnt  certaines  familUw  de  chasser  le^  serpents  etc. 

Ai'BiN.  Histoire  des  diables  de  Loudun ,  ou  la  possession  des  religieuses 
L'rsulines,  et  de  la  condamnation  et  du  supplice  d'Urbain  Grandier,  curé 
lie  la  même  ville.  Cruels  effets  de  la  vengeance  du  cardinal  de  Richellen. 
A   Amsterdam,    1752,   in    12. 

J<n  vNF.Ai  DKs  Lur.Es,  fondateur  du  affiches  du  Poitou  le«"  Janv.  1773  — 
31  Dec.  1781  plus.  art.  dans  cette  précieuse  collection. 

DuMiU.siiKR  ])K  i.\  Font.  Essai  sur  1* Hist,  de  Loudun,  2  vol.  in  8",  Poitiers 
Chevricr.    177M. 


BIBLIOGR.  DES  TR  ADIT.  ET  DE  LA  LITT.  POPUL.  DU  POITOU.        557 

THrBAUDKAi  .  Aliréiîé  de  riiistoire  du  Poitou,  contenant  ce  qui  s'est  passé 
de  plus  remarquable  dans  cette  province,  depuis  le  règne  de  Clovis  jusqu'au 
commenceirent  de  ce  siècle.  Poitiers,  1782,  6  vol.  in  12..  Errata  de  Tabregé 
de  l'hisl.  du  P.  ou  lettres  îi  M.  Thibeaudeau  suivies  d'un  petit  Commentaire 
par  M.***  (Allard  de  la  Resniere  en  France  1783)  plus,  fascicules  dont  le 
dernier  en  resté  ms. 

Thibaidkai.  Histoire  du  Poitou,  nouvelle  édition  précédée  d'une  intro- 
duction, par  M.  H.  de  Sainte-Hermine,  avec  notes.  Niort,  Robin,  1839, 
3  vol.  in  8^. 

La  Vai-LÉe  etc.    Voyage  dans  les  départements  de  la  Fr.  (Vienne,  Deux-Sèvres, 
Vée).     Paris,  Desenne  etc.,   1794,  in  8". 

DoRi-'ELiLLK.  Dissertation  sur  l'existence  des  dragons,  présentée  à  l'administra- 
tion centrale  du  Département  des  Deux  Sèvres  à  la  séance  du  16  fructidor 
de  l'an  6.  par  le  citoyen  C.  H.  W.  Dorfeuille.  A  Saint  Maixent  chez 
F.  Laîné.     An  VII  in  12,  de  XVI-59  pp. 

C^t  opuscule,  dâs  plus  curieux  par  la  crédulité  de  P auteur  fermement 
persuadé  de  V existence  des  dragons,  rentrerait  dans  les  généralités ,  si 
en  quelques  passages  et  notamment  p.  25  et  26,  //  ne  parlait  d^une 
légende  poitevine  oft  un  soldat  combat  le  dragon  de  Niort  avec  un 
masque  de  verre,  afin  de  se  présenter  du  venin  que  lance  le  fnonstre. 

Oraison  funèbre  du  Mardigras,  prononcé  le  29  pluviôse  au  IX  sur  la  place  de 
la  Brèche  de  la  ville  de  Niort  etc.  Niort  de  l'imprimerie  de  P.  A.  Elie 
au  IX  in   12. 

Jacqiin  (E.).  Annuaire  statistique  du  département  des  Deux-Sèvres  an  XIII, 
(1804  et  1805).  Niort,  Plisson,  an  XIII,  un  vol.  in  8®,  avec  la  carte  hydro- 
graphique du  département. 

Vendée  (Annuaire  statistique  du  département  de  la)  pour  1803 — 1804,  par 
le  citoyen  Cavoleau,  se  vend  a  Fontenay  chez  Goichot,  in  8". 

Trioli-ET.     Antiquités  et  monuments  du  Poitou.     1804  in  8**. 

Dltin.      Mémoires   statistiques   du    département    des    Deux-Sèvres.     Paris   an 

XII.  in  fo. 
PlET.     Mémoires  laissés  ;\  mon  fils.     Noirmoutiers   1806,  in  4°. 

JorvN'EAL  DES  Loc.ES.     Sur  les  Noces  noires  des  marais  du  Bas-Poitou.    Mém. 

de  l'Acad.  Celt.  t.  V  (1810)   p.  275— 280. 
Barré  de  Jam.ais.     Essai  sur  les  mniurs,   l'administration   et  les  besoins  de 

la  Vendée   1815. 
JouYNEAi    des  L(k;es.     Note    sur  le   dragon    de  Poitiers   et   celui    de  Niort. 

Mém.  de  l'Acad  celtique   1809  n°  13. 
Richer  (Edouard).     Statistique  de  Noirmoutiers,  vers   1820.^ 

DuPLN  (Baron).  Notice  sur  quelques  fêtes  et  divertissements  populaires  du 
département  des  Deux-Sèvres.  Mém.  de  la  Société  des  Antiq.  de  France 
t.  IV  (1823)  p.  104—127. 

DuFouR.     De  l'ancien  Poitou  et  de  sa  capitole.    Poitiers,  Loriot,   1826,  in  8®. 

Souvenirs  pittoresques  du  Poitou  A.  Noël.      1828,  in  f**. 
Massé  (Isidore).     La  Vendée  poétique  et  pittoresque.     Nantes,  1829,  in  8". 
Marchés  de  louage  et  de  fiançailles   des  garçons  et  des  filles  dans  la  Vendée. 

Magasin  pittoresque   1834  p.  135. 
MÉRIMÉE  (Prosper).     Notes   d'un  voyage    dans    l'Ouest    de   la  France.     Paris, 

Fournier,   1836  in  8«. 

La  Foni  en  elle  de  Vaudoré.     Notes  sur  l'Ile  Dieu,  1836,  in  8®. 

Le   même   —   Les   arts   et   métiers   à   Poitiers,    pendant   les  XIII«,   XI V«   et 

XV«   siècles.     Poitiers,  Saurin,   1837,  ^^-  *"  ^• 
Dar  TIGE.     Le  Poitou  Pittoresque.     1838  in  4®. 
GiJERiNiERE.     Histoire  générale  du  Poitou   1838 — 40,  2  vol.  in  8°. 
Notice   sur  les   feux   de   la  St.  Jean  dans  le  cant,  de  Gençay  par  M.  Nicolas- 

Clémot.     Soc.  des  antiq.  de  l'O.,  Bull.  1838. 

Savarv  (chef  de  bataillon  du  génie).  Notice  sur  les  huttiers  de  la  Sèvre. 
Mémoires  de  la  Soc.  de  statistique  des  Deux  Sèvres.      1838 — 1839. 


55^  H.  (iAII)OZ   KT   P.  SKBILLOT, 

ítL'Kkrv.     Ni)te  sur   les  usajjcs  et   traditions  dii  Poitou.     Mém.  Soc.  Ant.  <!e 

France  VITT  1830.  p.  45»  -  4i>5- 

Feux  de   foie  à  St  Jean  —  Mariage   —  rubans  de  la   mariée  —  bœuf  a 
bthiis  Jour  de  St.  Blanc  —  œuf  coq ua tri  —  chanson  de  ¡a  mariée. 

Bkm.in  dk  ta  LiBf>RLiKRF..     Second  rapport  sur  des  gâteaux  truno  forme  par- 
ticulière.    Poitiers,  Saurin,  1840,  br.  in  S**. 
-  Le   pr  mémoire   a  pour  titre:    Sur  Melusine  et  des  gâteaux  qui  la  repré- 
sentent par  M.  de  la  Liborlière.     Bull,  de  la  soc.  des  antiq.  de  TO.,  184O, 
avec  \\'¿. 

\j^  KoNTKNKM.E  DK  Vaidork.     (Chronique  fontenaisiennes  1841,  in  8**. 

I.)K  LA  Vii.i.E(;iLLK  (A.).  Mœurs  et  Coutumes  du  Poitou.  Bull.  Soc.  des 
Ant.  de  l'Ouest  4t*  Trimestre  1H42,  p.  300  312.  Avec  la  chanson  de  la 
Mariée  en  patois. 

Richard  (J.,  avocat).  Notice  sur  rétablissement  des  rosières  de  La  mothe 
St.  Heraye  et  son  fonda- eur.     Soc.  de  stat.  des  2  S.     Livraison  1843 — 44. 

1)K  Lastic  st.  Jal.  Zoologie  du  départ,  des  2  Scv.  Soc.  de  stat.  des  2  S. 
Livraison  1843 — 44. 

Mandïvt.     ITerpétologie  de  la  Vienne.     Poitiers  1844. 

DrpRK.  Tableau  indicateur  des  principeaux  monuments  historiques  des  sites 
et  des  curiosités  naturelles  de  Poitiers  et  de  ses  environs.  Poitiers,  Dupré, 
s.  d.,  in  8". 

BAriiiKR  et  Ch.  Arnalld.  Monuments  religieux,  militaires  et  civils  du 
Poitou.     Niort,  Robin,  in  4*». 

l^i'jRK-C'HF.VALiKR.  Les  Noces  vendéennes.  Musée  des  familles  1845 — '^4^ 
p.  207—208. 

Défaits  sur  la  danses;  chansons  de  noces. 

De  la    r.iBORLiKRE.     Vieux   souvenirs   du   Poitou    d'avant    1789.      Poitiers, 

1 846.  (Notice  sur  la  grand*  Goule.) 

FiLLON  (Benjamin).  Recherches  historiques  et  archéologiques  sur  Fontenay. 
Tome  L  Fontenay,  Nairiére  -  Fontaine,  1846,  un  vol.  in  8®  br.  (T.  I,  le 
seul  paru.) 

//  existe  quelques  e.Kemplaires  du  sec.  vol.^  tous  incomplets. 
Journal  de  Guillaume   et   de  Michel  I^  Riche   avocats   du   roi  à  St.  Maixent 
(de  1534  ;\  1586)  pubi,   par    I^i  Fontenelle  de  Vaudoré.     St.  Maixent.  Re- 
versé, 184O. 

A  la  suite  Requête  présentée  par  les  hab.  de  St.  M.  à  Moreau  de  Beau- 
mont,    lieutenant   du  Poitou  pour  iibtenir  les   entrées  {en  patois)   d* après 
un  imprimé  du  temps  (  V.  1 748). 
Babinet.    Melusine,  Geoffroy  la  grîinde  dent,  lég.  poitevines.    Paris,  Techener, 

1847,  broch.  in  8». 

Superstitions  populaires  dans  TAlmanach  du  bon  agriculteur  pour  l'année  1848. 

Niort.  Robin. 

C\'.st,  dit  M.  Desaivre  (Croy.  etc.  p.  5),  la  confession  d*UM  ex'Sorctert  ^w 
raconte  ses  anc'.'nnes  pratiques,   tont  en  s^en  moquant,   à  un  instituteur 
et  à  ses  éltTes. 
BiîssiKKK  (Th.  de).     Histoire   de    Sainte  Radegonde,   reine.     Paris,    1830,  gr. 

in  8".     Dans  l'Introduction,  récit  populaire  d'un  miracle. 
GiRAiM)EAr  (J.).    Précis  historique  du  Poitou  pour  servir  à  l'histoire  générale 

<le  cette   province,   suivi   d'un   aper^^u  statistique  de  la  Vienne»  des  Deaz- 

Sèvres  et  de  la  Vendée.     S.  1.,  in  8".  cartes.     Cf.  plus.  art.  de  la  Romania 

sur  la  Badin  (de  Niort)  Couvent  lupanar   (pic  l'on  disait  avoir  été   fondé  ä 

Niort   par  un  comte  du  Poitou. 
LoNta  KM  VR  (A.  de).    Chroni(|ues  et  légendes  populaires  du  Poitou,  des  Gaulois 

à  l'an   1000,  recueillies  sur  les  bords  de  la  Vienne,  du  Clain  et  de  la  Gar- 

icmpc.     Poitiers,   1851,  un  vol.  in  8"  avec  carte  et  gra^nires. 
Al  KKR.     Recherches   sur   la  Paroisse    de  St.  Pierre  Les  Eglises,   prèn  Chan- 

vigny->ur -Vienne.      Mém.  Soc.  Ant.  ile  l'Ouest  Année  1851.   P.  4^$ — 416: 

l 'sajúes  vt  coutumps. 
La  VtMuléi'   en    1852    j)ar    le    baron    de  Wismcs.     Gr.   in   fol.   avec   planches 

j^ravét's. 


nilU.IOGk.  DES  IKADIT.  ET  DK  L\  UTV.  POPUL.  DU  POITOU.        55g 

Li  NlKR  (Dr.i.      Recherches    sur    quelques    déformations    du    crâne    observées 

dans  le  département  des  Deux-Sèvres.     Mém.  de  la  Soc.  de  statistique  des 

Deux-Sèvres  1852. 

6V//<?  déformation  ri' était  pas  rare  autrefois;  elle  était  obtenue  au  moyen 
Je  Varmature  d'aune  coiffure  en  carton  posée  sur  la  tête  de  Penfant. 
Melusine   poème   relatif  h    cette    fée    poitevine    comp,    dans   le  14«  siècle    par 

CouMrette,    publié   jiour   la   première   fois   par   Francisque  Michel.      Niort, 

Robin,    1854,  i"  8"- 
Histoire  de  Melusine  princesse  de  Lusij;nan  avec  Thist.  de  Geoffroy  surnommé 

à  la  grande  dent,  par  Nodot,  précédé  d'une  introduction  sur  la  légende  de 

Melusine.     Niort,  L.  Favre,  in  8". 
DrcHKMix.     Récits   du  pays  du  Bocage,    traditions,   légendes    et    chroniques. 

Laval,   1855,  in  12»  de  400  p. 
Thiais  (David  de).     Le  paysan  tel  qu'il  est,  tel  qu'il  devrait  être.    Actualité. 

Poitiers,  Hileret,   1856,  un  vol.  in  S*». 
Superstitions  populaires  dans  l'Almanach  du  bon  agriculteur  pour  Tannée  1857. 
Les  rives  de  la  Vienne,    légendes  du  Poitou,    par   le    comte  de  Croy.     Paris, 

1857,  in  12". 
Marcel  (T.).     De  la  Bachelerie  de  Melle.     Niort,  Favre,  1857. 

Détails  d^anciennes  mœurs.  * 

Ledain  (B.).  Histoire  de  la  ville  de  Parthenay,  de  ses  anciens  seigneurs  et 
de  la  Gatine  du  Poitou,  portrait  et  carte.     Paris  et  Poitiers,  1858,  in  8®. 

Notice  sur  les  feux  de  la  St.  Jean  par  M.  Ch.  des  Courtis.  4e  bull.  1859  Soc. 
des  antiq.  de  l'Ouest. 

Bi»i;cHARi)  (Henri  Edm.).  Annette  Taudet  ou  les  Sorciers  du  Poitou  au 
XIX«  siècle,  croquis  de  mœurs  d'après  nature.  Poitiers,  Dupré,  1867,  in  12**. 
Cf.  sur  ce  livre  la   Revue  de  V Aunis  25.  Mai  1867. 

JozKAii  (Dr.).     Elena,   1867. 

Roman:  détails  sur  les  marais  de  la  Sévre. 

LiBoRLiKRK  (de  la).     La  Grand'  Gueule   de  Poitiers.     Soc.  des  Antiquairs  de 

rOuest   1867,   I  er  bulletin. 
Chkr<;k  (('h.  de).     Guide  du  voyageur  ;\  Poitiers. 
Fii.i.oN   (Benjamin).      Lettres    écrites    de   la  Vendée    à   M.  Analole   de    Mon- 

taiglon.     Paris,  Tross,   1861   (figures),  in  8<^.    Tiré  à  120  exemplaires,  et  non 

mis  dans  le  commerce. 
Superstitions  flans  Annuaire  de  la  Soc.  d'émulation  de  la  Vendée  1861   p.  I42. 
lV\ri>RV  (abbé).     Antiquités  celtiques  de  la  Vendée  et  légendes.     La  Roche- 
sur- Yon   1862,   1864,   1873.     Extrait  de  l'Annuaire  de  la  Société  d'émulation 

<le  la   Vendée    1872  p.  1 10 -136. 
Ai.BARKF    (abbé).     Pèlerinage   de  N.  D.  de  Pitié.     Poitiers,  Oudin,  1866. 
KoNDiKR.     Vie  de  Saint-Junien,  Poitevin  et  bénédictin,  patron  des  laboureurs 

(lu  I*oitou.     Xiori,  riouzot,  1866,  un  vol.  in  8**. 
Baidrv  (abbé  Ferdinand).    Mémoires  lus  au  Congrès  archéologique  de  France 

(Fontenay  le  C:omte   1864).     Niort,  Clouz.ot,   1865. 
Caii.i.ki    (Pierre).      Les    Veillées    du    Mardigras,    entretiens    sur    l'agricultur. 

Xiort,  Mercier,   1867,  in  18". 
Cmi.i.kt  (i*ierre).     Michelle,  Roman  Poitevin,  1868. 

Ces  deux  romans  contienent  des  détails  sur  les  mœurs. 

Xicoi.iKRK  (Stephane  de  la).     Une  paroisse  poitevine.     Nantes,  1866. 

Viai:i)-Grani)MARAIs.     Tableau  des  Serpents  de  la  Vendée.     Nantes,  1868. 

Gai. 1,1.1  ((Jh.  Edouard).  La  ville  de  Beauvoir  sur  mer  (Vendée).  Nantes, 
1868,  in  8»,  217  p. 

BKAirHF.T-Fii.i.KAi  .  Simples  notes  sur  quelques  pèlerinages  oieuses  pra- 
ii(|ues,  usages  etc.  du  diocèse  de   Poitiers.     Paris,   1869,  in  8". 

LoNi.iKMAR  (de).  (îéographie  populaire  du  département  de  la  Vienne.  Poi- 
tiers, Lélang,   1869,  un  vol.  in  12". 

HihKiKREs  (L.).  Petite  géographie  communp^e,  histoire,  biographie,  statistique 
et  usage*<  locaux  du  (léparlement  des  Deux-Sèvres,  avec  i  carte  coloriée,  etc. 
Niort,  L.  l'avrc  impr.     In  16^,  96  p. 


560  H.  (;aII>0/  et   p.  SKBILLOT, 

KiJi.oN  [h.)  cl  O.  DK  KncHEHRLNK.      Poitou  ct  Vendée.     Etncleil  liistoriqiio 

et  artistiques  avec  eaux -fortes  par  Rochebrune.     In  4®. 
Df.saivrk  (J.éo).     Lu  chasse  Gallery.     Revue  de  la  Saintonge,    du   Poitou    ct 

de  l'Aunis  25  DCt.,  29  nov.  i86q. 
Dksaivke  (Léo).     Garj^antua  en  Poitou  avant  Rabelais.     Brocli.  in  8".     Kxir. 

de  la  Revue  »le  l'Aunis,  de  la  Saintonjje  etc.  du  2!^  juin  1869  t.  IX  p.  354 

et  suiv.  avec  .idditions. 
LiK.vRK  (A.  F.).     Xotes    sur   ('(udié    ct    ses   environs.      Niort,    Clou/.ol,   i8</<). 

2  vol.  in  X". 

Détails  sur  Mt'lusint\ 
TkEvs.vv  (abbé  de).     CJuelques  mots  sur  Tile  d'Yeu.     Luçon,   i8óq. 

Quelques  traditions. 
l^KArr'HJhVi-Kn.i.KAU.     Pièces  inédites  rares   ou  cur.    Concernant  le  Poitou  et 

les    Poitevins.     1870.    in  8*^.     (Rachat    d'un    repas   dû   par   le    commandeur 

d'Ensigué,  appelé  la  tripe.) 
rfr(;rF.*î  Imhrrt.     Histoire  de  Thouars.     Extr.  des  Mém.  «le  la  Soc.  de  slat. 

des  Deux-Sèvres   1S70. 
(.lkmknt-Prif.ir.     La  Vendée  en   1873.     An)^oulênie,  Nadaud.     In  8*». 
lh;(;rKS  îmjîKki.     Une  quenouille  de  raariaj;e  avec  planche.     Notice  sur  cer- 
tains ilroits  <lu  Sgr.  de  Thouars.     Bull,  de  la  Soc.  de  stat.  des  Deux-Sèvrc;» 

187O  p. 7^- 
Barbirr  DR  Montai  i.i.     Jeu   de   la  (juintaine   en  Poitou  dan.s  la  Commune 

de  (^lasscneuil.     Mém.  de  la  Soc.  des  Antiq.  de  VOuest  1874,   14s — 146. 
Dksaivre  (I^éo).     Le  coîj,  la  poule  et  l'o'uf.     Dans  Bull,  de  la  Stic.  de  stat. 

des  Deux-Sèvres   1876  p.  il 2. 
Le  Serpent,    le  Lé/ard  et  le  (Trajiaud.     Niort,    Clouzot.     Bull,  de  la  Soc. 

de  stat.  des  Deux-Sèvres  1877  P«  .VH- 
UNafjes    et    trailiiions    du    Poit(iu     -    Dans   la   préface  de  Lalanne:    (rlossaire 

du   Patois  Poitevin.     Mém.  <le  la  Société  des  Antiq.  de  VOuest  t.  XXXII. 

année  1877  p.  XIII- 

Buche  de  Xoi-l  —  -  (iuilloneu  (cf.  p.  i6o)      -  i'gu  de  St,  Jean  -  -  Ensùrcei' 
lernen ts  —    (râteaux  de  Frie.    {Nau/et,  forme  grotesque  d^un  petit  en- 
fa  nt         Mer/  u  s  ine). 
Laïsnki.  1)K  la  Sai, le.     ('royances  et  léjjendes  du  centre  de  la  France.    2  vol. 

in  8"  (plus,  faits  relatifs  au  Poitou). 
Dksaivrk.     K.s>ai  sur  le  Noyer   et  le  Pommier.     Niort,   Clouzol,    1879.   in  8* 

»le  19  p.     Extr.  des  Bull,  de  la  Soc.  de  stat.  des  Deux-Sèvrcs. 

—  Jeux  et  divertissement  populaires  en  Poitou   avant  la  Kévolution.     Niort, 
1870,    in  8**  de  24  p.     Extr.  des  Bull,  de  la  Soc.  <le  stat.  des  Deux-Sèvres. 

—  A    propos   du   saut   de  Verruyes.      Bull,  de   la  Soc.  de  statist,  des  Deux- 
Sèvres   5.  12.   1876. 

-  Analyse  »l'un  IVIémoire  relatif  au   préjujfé  superstitieux  sur  les  Sorciers  et 

les  devins  dans  les  départements  de  TOuest.     Bull,  de  la  Soc.  de  .stat,  des 

Deux-Sèvres   1880  p.  273. 
Etudes  de  Mythologie  locale:   I.  Les  Abeilles;  II.  Noël;  III.  les  Oiseaux. 

Niort,  i'Iou/,ot,   1880,   in  8°  de   14  p.     Extr.  des  Bull,  de  la  Soc.  de  statist. 

des  Deux-Sèvres. 
StuTHK.     Croyances  présages  et  Superstitions  diverses.     Niort,  Clousot,  1881, 

in  8*^  lie  32  p.     Extr.  des  Bull,  de  la  Soc.  de  stat.  des  Deux-Sèvres. 
Dksaivre  (L.).     ('royances  présages,   usages,  traditions  diverses  et  proverbes. 

Niort,  Clou/.ot,   1881,  in  8<>  de  39  p.     Extr.  des  Bull,  de  la  Soc  de  statist. 

des  Deux-Sèvres. 
SoL(:hé.    Proverbes,  traditions  diverses,  conjurations,  formulcttes  et  devinettes. 

Niort,  Clou/.ot,  1881   (1882),   in  8<>  de  82  p.     Extr.  des  Bull,  de  la  Soc  de 

stat.  des  Deux-Sèvres. 
Dk>aivrk  (Léo).     P'ormulettes   et  enfantines   du    Poitou.     Niort,    1881»  in  8^ 

Beai:<'HE1-Fii.i.eau  (iL).     Croyances,   superstitions,  médecine,  usages  et  pré- 
jui^és    du    canton    de    Chef-Bouionne.     Bull,  de   la  Soc.  de  rtat.  des  Denx- 

Sèsres    i  881      82  p.  543      565. 


lîIMLlOiiK.  DH:S  TRADIT.  Kï  DK  LA  LUT.  POPUU  DU  POirOU.        56 1 

Desaivrk  (L.).     Eludes  de  mytholojjie  locale.     Le  monde  fantastique.     i882, 

in  8*^  de  25  p.     Dans  Bull,  de  la  Soc.  de  stat.  des  Deux-Sèvres. 
S>:bji.l«»t  (Paul).     Gargantua   dans   les  traditions  populaires.     Paris,    Afaison- 
neuve,   1883,  in  12®. 

Ijt  chapitre  V  {de  In  pnj^e  170  n  la  pa¿rc  185)  est  relatif  à  Gar¿^antua 
en    PnitflU. 

Races   maudites. 
Onvrngeri  u  consulter. 
Mn:HKi.  (Fr.).     Hist,  des  races  maudites  (Calots  du  Poitou). 
Arnai  IJ)  (Ch.).     Hist,  de  l'abbaye  de  Maillezais.     Niort,  Robin,  p.  3.  (Colli- 

berts  du   Poitou). 

(  fr.  sur  les  C'oUiberts: 
Ai.FRF.i)  Ri(  HAKi).     Mém.  de  la  Soc.  des  Antiq.  de  l'Ouest  t.  XXXIX  Djs- 

cour>  <lt'  la  séance  publique  annuelle. 
ARrÎKK  (T*.).     ITist.  de  la  Rochelle  et  du  pays  d'Aunis  I  p.  96. 
Dl'Fni  R.      De  l'anc.  Poitou  et  tie  sa  cajiilale  p.  121. 
Savarv.     Notices  sur  les  Huttiers  de  la  Sèvre.     Mém.  de  la  Soc.  de  Ktatiüit. 

des  Deux-Sèvres   1838     39. 
Dk  I  a  F'îiNTF.nkij.k  1)F.  Vaidork.     Statistique  de  la  Vendée  p.  93. 
L\r, ARDKi.i.K.      Note   anthropologique   sur   les    Huttiers    de   la    Sèvre,    revue 

d'Aunis   i86f)  p.  343,     etc.  etc. 

Contes. 

FiLLON  (B.).     Frère  Fadet.     Revue  des  jirovinces  de  l'Ouest  t.  I  p.  243  sqq. 
l'oKv  d'Avant  (M»le).     La  Monéte  de  quene  (Moitié  de  Cane).     Dans  Revue 

des  prov.  de  l'Ouest   1858.     Tirage  ;\  part.     Nantes,   1859,  in  8". 
Vax  dkr  Crïjvssen.     La  messe   nocturne.     Soc.  de  statist,  des  Deux-Sèvres, 

Bull.  1—3,   1880. 
Dksaivrk  (Léo).     Le   curé    de  Parihenay    le    vieux,   conte   analogue   au    pré- 

cfdenl  id. 
DdVai.i.k  (Charles).      Poésies.     Paris,    Charpentier,    1868.    in  18".     (I-a  chasse 
invisible.     Conte  en  vers.) 

I^s  i^ens  de  Saint- Maixont  sont  de  ¡a  part  de  /ears  voìsìms  r objet  de 
facêtiis  et  les  héros  d* histoires  drCdes,  un  numéro  de  V Ancien  Figaro 
contient  sur  ce  sujet  un  article  de  J/  de  Co  ralles.  -  Ai.  Gelin,  ancien 
instituteur,  a  recueilli  beaucoup  de  contes,  de  traditions  et  de  légendes 
i¡u  il  se  propose  de  publier. 

(Chansons    et    danses. 

iiiKRRN.     Ouvr.  cité,    p.  462.      (^Jianson    fie    la   mariée.      Deux    versions    en 

fran<^ais. 
V'iLi.K(rii,i.K  (de  la).      Ouvr.  cité,     ('hanson    <le   la    mariée    en    patois.      Citée 

dans  Instr.  rei.  aux    poésies    pop.    com.  figurant  à  la  p.  26  de  Notice  arch. 

>ur  Chavague  en   Paillers. 
Instruction^    relatives    aux  poésies  populaires  <le  la  France.     Impr.  imp.  1853, 

in  8".  j>.  49.  Rossignolet  des  bois,    rossignolet  sauvage,    recueillie    près    de 

Niort  par  M.  de  ('orcelle. 

p.  >ü.   Le  Rossignolet  dc>  bois. 
Ma.y>k  (Isidore^.     La   Vendée  poétique  et  pittoresque.     (!(mt.  chans. 
IÍ1  jKAii)  (Jérôme).     Chants  et  Chanson»  populaires    des  provinces  de  l'Ouest, 

Poiiou,    Saintonge.  Aunis  et  Angoumois,    avec  les  airs  originaux  recueillis 

et  annotés.     Niort,  Clou/ot.     2  vol.  gr.  in  8".    K\tr.  dos  Mém,  de  la  Soc.  de 

Ntat.  îles  Deux-Sèvres. 
La   Vii.i.KMARoUK  (H.  de).     Analyse    des   chants   et   chansons   populaires   des 

provinces  de  l'Ouest.     Bulletin  du  bouquiniste,   I  nov.  1866. 
Bh.At  i.iKi    (Désiré  .Martin).     .Mém.  sur    quelques   airs   nationaux  qui  sont  dans 

la  tonalité  grégorienne.     Kxtr.  des  Mém.  de  la  Soc.  de  stat.  des  Deux-Sèvres. 
Chan.sitns  Vendéennes  avec  la  traduction.     Mémoire.«  de  PAcad.  OItique  1.  III 

p.  370 — 383.     Musique  ù  la  im  du  volume. 

Zeitáchr.  f.  rom.  Phil.    VU.  ^6 


502  H.  «AIDO/   Kl    P.  SKIULLOT, 

RoHiN.     Etude    sur   certains   airs  de  danse  du  Poitou  au  XVIc  siècle.     Bull, 
de  la  Soc.  des  Antiq.  de  r(3uest,  9e  série. 

Cf.  G.  Bertrand,  Rev.  des  Soc.  Sav.  4.  st'r.  t.  Ill  p.  283. 
Dk  lÀ  Marsonnikrk.     Coup  d'oeil  sur  la  poésie  poitevine.     Bull,  de  la  Soc. 
'   des  Antiq.  de  TOuest  i860,  2»  Bull. 

—  Etude  sur  la  gente  poitevin*rie.  Mém.  de  la  Soc.  des  Antiíj.  de  l'Ouest 
1858—59.  —  Voir  plus  loin:  Chansons  en  Dialecte  Poitevin. 

ForiLLOi;x  (Jacques  du).     La  vénerie  etc.,   précédé  de  quelques  notes  biojjr. 
et  d'une   notice   bihl.   par  Prcssac,    avec  j^rav.  sur  bois.     Angers,    Ch.  Le- 
bossé,   1844,  g^'  *"  ^***     Plus,  airs  poitevins  notés. 
Chanson  poitevine:  Al  cntrade  del  tens  ciar,  citée  en  partie  dans  La  Rousse. 

verbo.  Vadurié  t.  XV  p.  720. 
('hansons   poitevines  publiées  dans  le    (.'anard    pote  vin.     Journal  hebd.  en 

Patois  Poitevin  publié  à  Melle,  Deux-Sèvres,  in  8°. 
Annonce  du  20  août  1877  du  Journal  la  Melusine,  Paris,  Viaut. 
Branles  di:  Ponor.     Les  Poitevins  jouissaient  .lu  Moyen  fige  d'une  grande 
reputation  comme  danseurs,    (^f.  le  recueil  de  proverbes  dit  de  l'Aposloile. 
Paris,  Crapelet,  in  4**  et  Abel  Jouan,  Recueil  et  discours  du  voyage  <lu  roi 
Charles  LX.  (passage   de   la  cour  à  Thouars).     V.  La  description  du   branle 
dans   Torchésographie    de  Thoinot  Arbeau.      Les   autres  danses   <lu    Poitou 
sont  descrites  dans  les  Chants  et  Chansons  populaires  des  prov.  de  l'Ouest 
de  Jérôme  Bujeaud.    St.  Maixent,   1866.      Extrait    des    Mém.  de   la  Soc.  de 
stat.  des  Deux-Sèvres. 
Gaitthikr  (K.).     Etudes  sur  les  chants  i>opulaires  de  la  Bretagne  et  du  Poitou, 
recueillies  et  annotés  par  M.  A.  Guéraud.     Nantes,   1859. 

I^  travail  de  M.  Artnand  Gucrand  y  ronron fit^  en  1858  par  la  S*tcit'tt 
académique  de  Nantes,  allait  enfin  para)tre  quand  fa  mort  est  venue 
surprendre  fauteur,  f^  ms.  fut  dépost'  à  fa  bibl.  de  la  viff^  de  Nantes. 
{Note  des  Citants  et  Cfiansons  populaires  des  prov.  de  C  Ouest  de  feu 
y.  Buj^eaud,  biôlio^s^rapliie.) 

N  o  ë  1  s. 

Les  Grands  Noëls  nouveaux  en  François,  en  poitevin  et  en  ecosKois.  Paris 
in  8",  goth.  s.  d. 

//  y  a  eu  deux  éditions,  cf.  Nouvelles  ree  fie  relies  /.  //  p.  107  et  F,  Denis. 
Revue  de  Paris  t.  XL  Vil  p.  105— 2 06,    //;/   article   sur  tes  Noels,   oft  il 
donne  quelques  citations,  mais  françaises,  de  ce  volume.     (G.  fi.) 
Recueil  des  plus  beaux  Noëls  i*oitiers  1668.    Grande  bible  des  Nocís.     Phu. 
éditions   de   ces   Noëls    ont   été    imprimées   à   Orléans,    ;\   Poi  tiers  cl  à 
Nantes  pendant  le  XVIIl«?  siècle,     ((.ilossaire  L.  Favre). 
Gl  STKAf  (abbé).     Noëls   très-nouveaux   dans   tous   les  styles,   par  un  pasteur 
i\  l'usage  de  sa  paroisse.     Fonlcnay,  J.  Poirier,  1738,  48  p.  in  I2«. 

î'n  avertissement  dit:  quelques  uns  de  ces  Noëls  quoyque  imprimez  ailleurs, 
sont  du  même  autfieur.     Cette  impression  est  restée  inconnue.     {G.  B,) 

—  Noëls  très-nouveaux  composé  par  un  pasteur.  Fontenay,  1738,  nouvelle 
édit.  en   1742,  84  p.  in  \2^. 

Contient  p.  10,  23,  27  et  30  quatre  Noè'fs  en  patois;  un  fragment  a  été 
reproduit  par  G.  Jhunet,  Recueil  de  plusieurs  pièces  etc.  p.  137  -  I38. 

(irsTiAi  (abbé).  Noëls  nouveaux  dans  tous  les  styles  povr  les  différents 
goûts  par  un  pasteur,  edition  revue  par  l'auteur,  augm.  de  notes  cvrîeuses 
ft  d'une  pastorale  en  cantique  pour  servir  de  rejouissance  aux  familles 
rhrcsticnnes.  Fonlcnay,  Jacques  Poirier,  1742,  in  12*.  Avertissement,  jn**'- 
sur  bois  (Armes  de  Fontenay),  84  p.  (Favre  Gloss,  abbe  Gustcau  v.  ci-après 
el  ci-dessus.) 

•—  Autre  édition  des  NoëN  de  M.  Fr.  Gustcau  1756  avec  avertissement  in  I2*t 
I2Ü  p.  Fontenay,  Chambonneau  imp.  du  roi.  (G.  Bardy,  préface  des  poésies 
de  l'abbé  (iusteau  v.  ci-après.) 

■  -  Plu»iieur»j  autres  éditions:  en  1776  avec  avtTtiss.  nouv,  bois  représentant 
l)uvid  jouant   de  la  harpe,  imi  1780  édition  difVérente  contenant  plus  de  120  pw 

lie.    t'ti". 


HIHLIOÜK.  DRS  TRADFr.  ET  DE  LA  LUT.  POPUL.  DU  POITOU.        563 

—  Poésies  patoises  ornées  d'un  portrait  de  rauteur  avec  glossaire  par  Pressac 
sousbihliothécaire  de  la  ville  de  Poitiers  et  notices  sur  l*abbé  Gosteau  et 
Pressac.  Poitiers,  H.  Oudin,  1855  —  61,  et  sur  la  couverture  Niort,  M<ie 
riouzot  et  fils,   1862. 

Cotí  fit' ut  plusieurs  Noci  s  et  Chansons  dont  une  pour  la  ter  emonie  du 
gâteau  et  du  bouqtiet  de  la  mariée  qu'on  chantait  encore  dans  ma  jeU' 
Hesse  dans  les  l'illages.  —  £¡n  attendant  les  adieux  cU  ses  compag^nes, 
il  t'fait  traditionnel  que  la  mariée  fondit  en  larmes.  —  Complitnent  sous 
forme  de  dialogue  à  r  ève  que  de  la  Rochelle  {Roch  de  Menou),  qtte  fai 
entendu  encore  réciter.  La  misère  dau.x  paysans  au  sujet  dau.v  man- 
geoux.  Première  églogue  de  l'irgile  rappelant  une  traduction  faite 
par  un  autre  patoisier  poitevin,  le  curé  Bnbu. 

Xoëls  ¡)oitevins  (au  nombre  de  87),  manuscrit  indiqué  au  Bulletin  du  Biblio- 
phile publié  par  la  libr.  Tecliener,  2'' série  n"  371. 

Nouveau  recueil  des  plus  beaux  Noéls  (français  et  poitevins).  Poitiers,  Oudin. 
s.  il.  in  I2<*. 

Recueil  de  Xocls.     Poitiers   1824;  (juelques  pièces  en  patois. 

—  Nouveau  recueil  des  plus  beaux  noëls  poitevins.  Niort,  Robin,  1845, 
un  vol.  in  12^. 

Lk  MüIí'.nk.  S'en  suivent  plusieurs  chansons  de  noëls.  Nouelz  nouveaulx. 
J'aris,   1520.  pet.  in  8«,  t;oth.,  63  ft»«. 

L^ auteur  était  curé  de  Saint  -Georges  du  Puy- la -Garde,  en  Poitou.  Ce 
volume,  oil  se  montre  une  grande  naïveté,  est  d'aune  rareté  extrPfne;  un 
exemplaire  fait  partie  ds  la  belle  bibliothèque  de  M.  Cigongne,  achetée  en 
bloc  par  le  duc  d'' Au  ma  le  [catalogue,  n^  1 284).  /m  Société  des  biblio- 
philes français  en  a  donné  une  édition  nouvelle  {Paris,  Lahure,  i860. 
in  U>",  XI' let  lyz  p.);  elle  n'a  été  tirée  qu\)  ^d  exemplaires;  on  y  a 
joint  leo  nocís  composés  {vers  1524),  par  les  prisonniers  de  la  Concier- 
gerie et  deux  autres  tirée  du  Recueil  des  noëls  du  plat  d'argent.  {Poly- 
Inblion.) 

Daniki  (Jean).  Dit  maître  Mitou:  Noëls  (i 520 — IS30),  précédés  d'une  étude 
sur  «>a  vie  et  ses  poésies  par  Henri  Chardon.  Le  Mans,  Monnoyer,  1874, 
un   vol.   in  8*'.     (Noëls  en  patois  poitevin  du  XVI«  siècle.) 

Recueil   des  plus  beaux  Noël^,    choisis    entre    tous    ceux  qui  ont  paru  jusqu'à 

jirèsenl.      Poitiers,   Barbier,   1824,  un  vol.  in  12". 
Nouveau  recueil  des  plus  beaux  noëls.     Poitiers,  Barbier,   1838,  in  12. 
Cunilipies   spirituels    composés    par    Messire  Louis  Marie  Grignon  de  Monfort 

}>rètre  et  missionaire  apostolique,  décédé  en  odeur  de  Sainteté  à  St.  Laurent 

sur  Saivre  (sic)  le  20  avril  1716.     4' édition.     Niort,  Jacob  Desbordes,   1740, 

in  12". 

(antiiiues  des  mission>  par  L.  M.  (irij^non  de  Monfort.     Poitiers,   1779,  in  12*; 

(lantiipies  des  missions  comp,  par  L.  M.  Grijjnon  de  Monfort,  prêtre  et  mission. 
apost.,  né  en  Hrctajjne  le  31  Janv.  1673  et  m.  en  odeur  de  sainteté  en  fais. 
la  mission  à  St.  Laurent  sur  Sèvre  en  Poitou  le  ?8  Avril  1716.  Poitiers, 
l'r.  aine  Barbier,  1817,  in  12",  avec  bois,  (('es  cantiques  sont  encore  très- 
répandus  et  constituent  un  livre  populaire  si  non  patois.) 

(H ARON  (Louis  Pierre,  ))aysan  Vendéen).  Précis  historique  de  la  prétendue 
éj^dise-lrançaise,  dans  les  communes  de  Pouillé  et  de  Petosse  (Vendée)  de- 
dice aux  bal),  des  Campagnes.     Kontenay,  Xairière  Fontaine,   1843. 

Devine  \!<i  e  s. 

Dksaivkk  (L.).     Kormulettes  et  enfantines  du  Poitou.     Niort,   Clouzot,   1881, 
in  S"  de  35  p.     Extr.  des  Bull,   de  la  Soc.  des  statist,  des  Deux-Sèvres. 
Contient   39  devinettes. 

Si)i  Í  HK.      Proverbes  etc.  ouv.   cit. 
Contient  66  devinettes. 

Dksaivkk  iL. i.     Journal  la   Melusine  p.  24Ü. 

36» 


56  I  II.  OAIhO/    Kr    I\  SKIULLOT, 

K  o  r  m  u  1  e  1 1  e  s. 

Desaivkk  (L.).     Ouvr.  cité  et  Melusine  ]>.  366. 

SoiTCHK.     Proverbes  etc.  ouvr.  cil. 

Dom  Thamari)  (bi'nédiclin  de  Lijjuíjé).    Bull,  de  la  Soc.  des  Antiq.  de  l'OueM, 

4«  trimestre  1865.     Note  relcitive  ;\  une  formule  dMneantation. 
Df.saivrk  (Ix'o).     Prières  populaires   du    Poitou.     Bull,  cle  la  S4»c.  île  stutibt. 
des  Deux-Sèvres   1883. 

i*  r  o  V  e  r  b  e  s. 

Cam. LET  (Pierre).     Les  Veillées  du  Mardigra^î,  i>uvr.  cité. 
Desaivrk  (L.).     Ooyances  etc.  ouv.  cité. 

ContiVtif  à  la  fin  des  proverbes. 
SniCHK.     Ooyances  (passim).     Proverbes,  Traditions  «Uverses  (etc.). 

Contient   120  proverbes   sur    ie,\   Mammipre.s    et   /e\'  Oñettnx.      It  y  en  a 

iVautres  dans  ie  mrnie  ouvraj^e. 

Costumes. 

Mi.)NBAn-  (comteE.de).  Monuments  religieux,  militaires  et  civils  du  Poitou. 
(Département  de  la  Vendée.)  ((.'oiftures  des  femmes  de  Kontenay,  Les  Salde«; 
d'Olonne,  Bourbon -Vendée  etc.) 

Vues  et  Costumes  j)ittores(jues  du  déparlement  des  Deux -Sèvres  par  P.  Geîlé 
avec  texte  par  Ch.  Arnaud.  Niort,  typo.-litho.  Morisset.  Contient  seule- 
ment 4  litli.:  Sortie  de  l'Ej^lise  St.  André  de  Niort,  les  Grisettcs  de  Niort, 
une  foire  à  Niort,   un  marché  à  Niort:   resté  incomplet. 

//  existe  plusieurs  autres  lit  h,  de  (telle  représentant  des  scènes  villa- 
geoises vejidues  séparément  et  dant  il  est  tri'S-difficile  de  réunir  aujourd* hui 
une  collection  complète.  ¡J'une  représente  le  philanthrope  Sauguet  Javelft 
distribuant  des  aliments  aux  p<iuvres,  titre:  Sauguet  Javelot:  une  autre 
une  noce  villageoise:  une  y  une  noce  {à  \iort)\  une  ^^  une  <i  s  semblée  de 
village:  une  5*'  g^  deux  tableaux,  la  mariage  à  P église»  le  bouquet  de  la 
mariée:  une  6«  une  l'illageoise  allaitant  son  enfant  et  une  scèfL*  d*ahreu» 
voir  {aussi  en  deux  tableaux);  une  7»?  la  veillée  de  Noi'l  dans  une 
ferme  du  Poitou:  une  8«"  P adoration  des  bergers  du  Poitou:  une  Qf  des 
mendiants  etc.  etc.  -  -  P.  Ci  elle  a  fourni  des  des.^ins  aux  o'uvres  agricoles 
de  Jacques  Bujault  qui  ont  paru  p<tr  fragments  dans  P  almanack  de 
Morisset  et  ont  été  réunies  en  un  vol.  sous  le  titre:  (Euvres  de  Jacques 
Bujaultt  illustrées  de  34  sujets  grai'és  sur  bois  par  Guiilaumot  diaprés 
les  dessins  de  Gellé.  Il  est  aussi  Pauteur  de  la  lithographie  du  premier 
volume  de  Phistoire  de  P  administration  supérieure  du  département  de* 
DeuX'Sèi'res  représentant  la  proclamation  de  la  patrie  en  danger  dans 
un  village  des  J)eu.\-Sti'res  et  de  diverses  études  lithographiées. 

Suite  de  ('ostumes  n«"  i  \\  6.  Lith.  de  Cbar|K*ntier.  Char|>entier  pcrr  et  fiU 
et  ('5c..  Editeurs  à  Nantes.  —  Département  des  Deux-Sèvres. 

I.  Grisettes  de  Niort:  2.  I^iitières  et  marchandes  de  légumes  de  Niort: 
3.  Femmes  des  environs  de  Niort.  Costumes  d^été:  4.  Paysannes  des  en- 
lirons  de  Niort  allant  au  marcile:  5.  Femmes  des  empirons  de  Niort  en 
grande  mante:    6.   /\iysannes  des  environs  de  Niort, 

Nif»rt  in  histoire  des  principales  villes  de  France  de  L.  Fa\Te.     Niort,  Robin. 

i;r.  in  8"  s.  d. 
Mi'RiMKK  (1^.).     Lettres  à  une  inconniie. 

//  y  est  question  de  la  coiffe  des  femmes  de  la  Gâtine  {Partkenay)  q%Cil 
assure  remonter  au  XV*  siècle. 

A  l'occasion  du  concours  réjjional  de  Niort,  M.  H.  (iclin,  ancien  institntevr 
a  publié  dans  le  Mémorial  des  Deux-Sèvres  2  Mars,  iK  Mars  et  8  Juin  1882 
ties  articles  sur  les  costumes  de  la  région. 

Les  institutrices  avaient  envoyé  à  Tcxpositirm  scolaire  des  poiii>ées  habillées 
suivant  lu  mode  actuelle,  et  en  même  temps  plusieurs  spécimens  de  modes 
anciennes.  M.  iielin  avait  émis  plusieurs  idées  originales  et  formé  des 
groupes  de  costumes. 


niBLIOGR.  DES  TR  ADIT.  ET  DE  LA  LITT.  POPÜL.  DU  POnOU.        565 

Livres   populaires,    alnianachs. 

ílisloirc  de  la  vie,  jurandes  voleries  et  subtilités  de  Guillery  et  de  ses  coni- 
pajjnons;  et  de  leur  fin  lamentable  et  malheureuse.  Paris,  1608,  pet.  in  P. 
Réimprimée  ;\  Troves  et  ailleurs  et  dans  les  Hist,  tragiques  de  F.  Rosset, 
réimpression  récente  (1H48)  ¡>ar  B.  Fillon  i\  Fontenay  chez  Robuchon  sous  ce 
titre:  Histoire  veridicjue  des  {grandes  et  exécrables  voleries  et  subtilités  de 
Guillery  depuis  sa  naissance  jusqu'à  la  juste  punition  et  de  ses  crimes, 
remise  de  nouveau  en  lumière.    In  8**. 

-  La  ])rinse  et  defiaicte  du  capitaine  Guillery  qui  a  esté  pris  avec  62  voleurs 
«le  SCS  compaj^^îons  qui  ont  esté  rouez  en  la  ville  de  La  Rochelle  le  25^'  de 
Nov.  1608;  avec  la  complainte  qu'il  a  faicte  avant  de  mourir.  Paris  jouxte 
la  copie  imprimée  à  La  Rochelle  par  les  héritiers  de  Jerosme  Hautain  1609, 
pet.  in  4". 

Reproches    du    capitaine  Guillery    faits  aux  carabins,    picoreurs  et  pillards 
de  l'armée  des  princes.     Paris,  de  l'impr.  d'Ant.  du  Breuil,   16 15,  in  8<*. 
La  complainte* lì  e   Guillery  souvent  publiée  {en  patois  poitevin)   se  chante 
t'ncore  aujourd" hui. 
Tollet  le  célèbre  voleur,  mort  au  bajjne  de  Rochefort  vers  1835,    a  aussi  joui 
d'une  «^aande  célébrité  en  J*oiton.     Ch.  Moreau  imprimeur  à  Melle  a  publié 
ks:  Mémoires  d'un  condamné  ou   Vie  de  Collet. 

i,cs  autres  publications  populaires  locales  n'ont  guère  plus  iVimportance 
et  ne  méritent  point  une  mention  spéciale. 
Dr.  Chabot    Conseils    aux    cultivateurs    sur    leur    santé    ou    précis   d'un    cours 
d'hyjiiène  fait  à  l'école  primaire  de  St.  Romans  les  Melle.     Melle,  Moreau, 
1841.   fort.  vol.  in  18**. 
L.i    ministresse   Nicole.     Diah)^ue    Poitevin    de  Josué   et  de  Jacob.     Poitiers, 
IL  Oudin,  s.  d.  l'original  serait  à  la  bibl.  nat.  d'après  le  gloss,  de  Favre. 

Jean  Babu  curé  de  Soudan.  Kglogues  Poitevines  sur  différentes  matières 
de  controverse.     Nyort,  J.  Elie,  1701.    Réédité  par  L.  Favre.     Niort,   1875. 

Du  liiênie.  Les  deloicremont  d'in  oncien  des  Huguenots  de  ('hondoné  apre 
la  rouinc  do  prêche,  sur  tout  ce  qui  >>'est  fait  et  passé  pendant  la  démo- 
lition du  temple  le  trci/.iènie  septembre  1663.  Poitiers,  Pierre  Amassard, 
s.  d.  8  p.  in  8",  attribuée  à  tort  i\  Drouhet. 

A.  lùivre  Gloss,  cite  deux  éditions  ;  réédité  dam  son  glossaire.  Babu  ai-ait 
célébré  aussi  la  destruction  des  temples  de  St.  A/aixent  et  de  la  Mothe. 
C/r.  la  réédition  de  la  Moi  rie  et  autres  œuvres  poétiques  de  Jean  Drouhet 
par  Alfred  Richard  1878,  Notice  sur  J.  Drouhet  p.  \\. 

Jean  Babu  avait  peut-être  emprunté  sttn  titre  à  yaques  Béreau  Poitevin, 

auteur  des  égloguci   et  autres  auvres  poétiques,  à  Poitiers,  par  Bertrand 

Xoscereau,   maistre  imprimeur  de  la  dite  ville  MDLXV.     îm   3*-'  égloguc 

de  Béreau  a  été  réimprimée  par  Rei'ersé  à  St.  Maixent,   1869,  gr.  in  8", 

tiré  à   25  exemplaires  avec  courte  notice  de  M.  Charles  Dugast-Matifeux. 

La  lUbliitgraphie  poitevine  de  M.  Clouzot  (1878)  indique  une  réimpression 

iitus   forme  de  placard  à    10  exempt,  s.  l.  n.  d. 

I.'cnondrcmcnt  du    palais  tic  Justice  de  Fontenay  le  Comte   arrivé   le   8  Janv. 

Hv)i)  >uivi    d'un    ])ot'me    sur  le  m.  sujet  et  de  stances  à  la  gloire  de  AI.  le 

maire  perpétuel  de  cette  ville.    Poëme  burles(|ue  en  3  p.  dont  une  en  patois 

poitevin    du   XV'lKs.,    attribué  à  Duchesne  de  Denant,    pubi,  par  les  soins 

<lc  B.  Killoii.     Niort.  Clouzot,    l8i)6,  broch.  in  8**. 

Dialogue    de    la  mère   Catjuet  et   »le   Jeanneton  par  C.  P.  (('harles    Palliot)  en 

patois  poitevin.      Fontenay  vers    1850,  4  p.  in  8". 
Le  nicme  auteur,  aujourd'hui  décédé,  a  pui>lié  plus,  articles   patois  dans  l'In- 
dicateur de  Fontenay. 

L.e  journal  le  Mellois  s'eòt  .surtout  fait  remarquer  par  plus,  publications 
de  ce  genre:  il  i  ver  s  pseudonymes  cachent  les  noms  de  AL  M.  Moussaut 
d.  m.  p.  Rondier.  h'eauchet  Filleau  etc.  Des  lettres  patoises  ont  aussi  paru 
dans  ces  derniers  temps  dans  le  Jfémorial  des  Deu.X'S?vres  et  la  Revue 
de  r  i)i(e\t  de  Niort.  Nous  croyons  devoir  ñgnaler  plus  spécialement 
celles  ijm    sont   signées  feandu. 


306  H.  GAir>OZ   El    l».  SF.hILLOT, 

Lanterne  nia^i({uc  roniiqu«,  hislori(|UL'.  ])oliti(iue,  morale  et  locale,  où  Ton 
verra  journal,  animal  sans  c¿;al  et  autres,  le  tout  à  Toccaaion  ilu  carnaval. 
Prix  75  centimes  au  profit  des  Polonais.     Niort,  Morissct,  1831,  in  8**. 

(Trand    catéchisme    nation.il    par    André    Bouin.     de    St.   Gelais    près    Niort" 
(Deux-Sèvres).     Niort,  Dépicrris  (après  1830). 

Jardin  d'amour  ou  Catéchisme  des  jurandes  tilles,  très*  répandu  dans  ma 
jeunesse  et  (jue  je  ne  puis  retrouver,  in  1 2**?  n'était  point  immoral  mai«» 
stupide.  Le«;  amants  bien  édu(]ués  se  récitaient  le  jardin  d'amour  d*un 
bout  à  l'autre         c'est  un  dialogue. 

A  1  m  a  n  a  c  h  s. 

Vienne. 

Le  Poitou   est   un    pays    d'almanach?».     Cette    série   se   i>rcscnte    <lès   le  régne 

de  Louis  XIH    sous   forme   de    calendriers    de  cabinet  ou  placards.     Après 

eux,  L'Almanach  de  d'Ar^joly  nmiain  et  Poitevin  {^rand  astrolo^rf^e  (sic)  est 

signalé  dès  l'année   1^73,  on  K'  croit  même  antérieur  à  celte  dale. 

—  L'Almanach  d'Argoly  change  un  instant  île  nom  à  la  Tin  du  siècle  dernier 

pour  reprendre  en  l'an  XI 1  son  ancien  titre  (ju'il  conser%-e  jusqu'en  1833. 
Il  existe  des  almanachs  imprimés  ;\  Niort  et  ;\  Fonten.iy  au  type  de  d'Argoly. 
Le   véritable   almanach    de   Poitiers   pour  1791    par  Argoly   romain    grand 
astrologue.      Niort,    Jian    Heaujcau    M«l  rue    du   chaudronnier   près  l'hôlcl 
<les  Cavaliers  de  la  Maréchaussée. 

Le   véritable   almanach   de   Poitiers    pour  1792    par  Argoly    romain   grand 
astrologue.     Fontenay,  ('hambonneau. 

Quoique  Pa/mautich  ii\lf\i;'o/y   de  Poitiers  fut  très-réptimiu,    iti   coflection 
en  est  dt'pourvue  iVinft'rrf. 
L'Almanach    du  Poitou    (in  12")    antérieur  à  1732    est    en    grand    ¡jrogrès  sur 
son  devancier  sans  pouvoir  cependant  être  comparé  à  Talmanach  provincial 
(|ui  le  semplace  en   1772    t*t   continue    avec  une  année  d'interruption  (1791) 
jus(|u'en   1792  (en    cette    dernière    année    aous    le    nom  d'Almanach  du  ilép. 
de  la  Vienne). 
L'Almanach    provincial    du    Poitou,    véritable    annuaire    de    la    province,   est 
à  ce  titre  très-recherché  des  travailleurs. 

Son  formai  pet.  in  1 2"  le  fut  facilement  Jistinj^uer  des  autres  aitutiHacki 
publiés  à  cette  êpot/ue  tituf  en   Poitou  que  dans  ¡es  provinces  voisÏHes. 
Dans  ces   derniers  temps,   la  plupart  des  imprimeurs  de   Poitiers  uni  eu  leur< 
almanachs.     Celui    do  Dépierris   ]>i-i'nait    en   1840  le  nom  d'Almanach  de  la 
Vienne,    celui  de  Pellet  fds  aine,   celui  d'Almanach  populaire  de  la  Vienne 
(1853),  l'Almanach  de  IL  Oudin  portait  le  titre  d'Almanach  de  bon  labou- 
reur (1851)   et   même   celui    d'Almanach   agricole   el   instructif  de  Niort  en 
1863;  il  est  vrai  de  dire  qu'eu  1787  l'imprimeur  Pierre  Klies  de  Niort  avait 
fait  un  almanach  de  i'oiiiers.     Citims  encore  l'Almanach  du  bon  cultivateur, 
Poitiers,  A.  Dupré,   1851.  52,  et  surtout  le  Calendrier  Poitevin  poor  l'année 
1841   avec  vue  des  principaux  monuments  de  Poitiers.     Poitiers,  Pichot. 
Almanach  de  l'arrondissement  de  Loudun.     J^ouilun,  Mazeau,  1861. 

J>cux-Sèvres. 

Nous  n'avons  point  rencontré  justpi'ici  d'almanachs  Nioriai»  antérieurs  à 
Louis  XVL  i,es  Ci )iitr(. faisons  de  l'almanach  de  Poitiers  sont  la  preuve  de 
la  vogue  dont  jouissaient  oxcbwivcinent  les  almanachs  de  celle  vUle. 

On  retrouve  l'almanacli  <le  Heaujeau  m'i  rue  du  Chaudronnier  sous  le  nom 
•le  Calendrier  ])our  l'.in  VI.  K.  et  P.  Dépierris  avaient  peut-être  importé  ce 
n<im,  l'année  précédente  en  imprimant  un  calendrier  pour  l'an  V.  Ce  titre 
était  conservé  par  eux  en  l'an  VI.  Kn  1793  Jean  Joseph  Dugrit  (usait 
imprimer  chez;  Le  Kranc  Mlies  un  almanach  des  Deux-Sèvres. 

La  publication  de  l'Almanach  de  I'.  Klies,  sans  doute  antérieure  à  l/S/i  ae 
continue  sous  la  Képublitpie  et  l'Empire,  pcn<lant  plus,  années,  la  petite 
brochure  porte  sur  la  converture  un  bois  représentant  Onon  entouré  des 
>ignes  du  Zodiacpic,  en  1816,  il  devient  l'almanach  Royal  et  passe  en  1817 
à  Morisset  successeur  de  P.  Klies  associé  conune  lui  à  M'^^  V^«  Elies  OrillaL 


HIIil.IOr.R.  DES   IR  ADIT.  ET  DK  LA  LITF.  POPUL.  DU  POITOU.        567 

■ 

En  1822  Robin  succède  à  son  tour  à  M<le  Elies  Orillat  et  rassociation 
continue,  en  1825  Morisset  reste  seul.  En  1832  cet  almanach  prend  un 
intérêt  véritable  par  suite  de  la  collaboration  de  Jacques  Bujault  qui  donne 
successivement  divers  extraits  de  son  agriculture  populaire.  En  1834,  35 
et  36  cette  publication  produit,  chose  assez  exceptionnelle,  un  supplément; 
Talmanach  dès  1833  prenait  le  titre  d*almanach  du  cultivateur  et  même  de 
Îjrand  almanach  du  cultivateur  à  partie  de  Tannée  suivante.  Les  articles 
agricoles  continuent  après  la  mort  de  maître  Jacques  arrivée  en  1843  et 
bientôt  apparaissent  les  illustrations  d'un  artiste  local  épris  de  la  vie  rurale, 
P.  Gellé.  Après  être  successivement  passé  aux  mains  de  M^c  Morisset  (185 1) 
et  de  ses  gendres,  cet  almanach  est  aujourd'hui  continué  par  M.  Mercier 
(1882).  Il  a  donné  deux  fois  (1845  ^^  1861)  l'histoire  surprenante  et  mer- 
veilleuse de  M.  de  B.  (Boisragon)  gentilhomme  poitevin;  puis  L'histoire  ad- 
mirable et  prodigieuse  du  jeune  Creusé  (1847)  ^^  enfin  la  sorcière  et  le 
gentilhomme  (1848).  L' Almanach  de  E.  et  P.  Dépierris  que  nous  avons 
signalé  dès  1791  et  qui  porta  un  instant  le  nom  de  Calendrier,  reprit  sa 
dénomination  d'Almanach  sous  la  direction  de  la  V^e  Dépierris  en  l'an  X; 
en  181 1,  E.  Dépierris  aine  lui  donnait  le  nom  d'almanach  de  la  préfecture, 
Cet  almanach  existait  encore  en  1837;  a  signaler  comme  annexe  à  l'alma- 
nach  de  1809:  Le  Dialogue  entre  pierre  ***  de  la  commune  de  St.  Liguairc 
et  Kené  ***  de  la  commue  de  Bessine  au  sujet  de  l'entrevue  de  son  maire 
avec  S.  M.  l'empereur  —  en  patois  poitevin. 

Robin  que  nous  avons  vu  tout  d'abord  associé  à  Morisset  fondait  à  son  tour 
en  1832  l'almanach  curieux  des  Deux-Sèvres,  qui  devenait  en  1834  ^'alma- 
nach  des  foires  et  marchés  des  Deux-Sèvres  et  en  1842  l'almanach  du  bon 
agriculteur  titre  que  lui  conservait  en  1873  M.  L.  Favre,  successeur  de  Robin. 
A  signaler  en  1830  l'histoire  surprenant  de  la  belle  fée  Mellusine,  en  1840 
l'hist.  de  Guy  de  Lusignan,  roi  de  Jerusalem,  et  de  son  frère  Urian,  roi  de 
Chypre,  fils  de  Mellusine;  en  1841  la  vie  de  Geoffroi  la  grand'  dent  fils 
Mellusine  et  le  combat  entre  un  (Iragon  ailé  et  un  soldat  Niortais;  en  1842 
la  véritable  chanson  de  la  mariée  (à  partir  de  cette  époque  les  deux  va- 
riantes lie  cette  chanson  apparaissent  tour  à  tour  chaque  année  dans  les 
divers  alinanachs  Niortais);  en  1846  Hist,  extraordinaire  et  aventures  mer- 
veilleuses de  Louis  Têtard,  cultivateur  vendéen.  Cf.  conte  breton  publié 
l)ar  E.  r>ouvestre  dims  le  foyer  Breton.  En  1848  et  1857  articles  sur  les 
superstitions  et  préjugés  populaires,  etc.  etc. 

Almanach  du  père  Gérard  pour  l'année  1792  la  3e  de  l'Ere  de  la  liberté  par 
J.  M.  Collot  d'Herbois.     Niort,  Lefranc  Elies,   1792,  in  12°. 

Almanach  des  Muses  de  l'h^cole  centrale  du  département  des  Deux-Sèvres. 
Niort,  (le  l'impr.  de  E.  Dépierris,  de  l'an  VI  à  l'an  X.  5  tomes  en  2  vol. 
in  I  2",  grav. 

Almanach  de  l'association  agricole  du  centre  de  l'Ouest  pour  les  départ. 
de  la  Charente,  de  la  (Charente  inférieure,  des  Deux-Sèvres,  de  la  Vendée 
et  lie  la   Vienne.     Niort,  Robin,    1846,  in  12". 

—   Le  même  Almanach  pour   1847.     La  Rochelle,  Caillaud,  in  12°. 

Ce  double  Almanach  (hi  cidlivateur  pour  1842.  A  Niort  chez  Bonncau 
près  la  l)arrière  de   Paris,  Saintes  Pathouot  libr.  (impr.  à  Limoges). 

Alnianacli  nouveau  <le  Niort  183Í.  Niort,  Pathouot;  Autres  Almanachs  des 
yO  (Urnièns  années:  Ahnanach  de  Maitre  Jacques,  Almanach  agricole, 
Almanach  du  bon  laboureur,  Ahnanach  Napoléonien  (1850),  Almanach  de 
la  Sanie  pour  1X50  Niort,  Morisset,  pour  1851  Niort,  Métivier.  Calendrier 
d'horticulture  florale  par  Desprez  aine.     Niort,  Desprez,   1867. 

Partlienay  a  publié  un   Almanach  <le  la  République  Française  en  1881. 

St.  Maixent  (Deux-Sèvres). 

L'Alnianacli  Cniiir  porte  diflérents  nonis,  en  l'an  II  Etrennes  de  la  raison  ou 
Talendrier  rc'j)uhlicain  :  entretiens  de  l'écclectique  l'hocion  avec  ses  frères 
de  la  (.ampa<^ne.  Laine,  St.  M.;  en  l'an  IV  c'est  le  Calendrier  républicain. 
Cainé,  Si.  Maixent;  en  l'an  V  et  1797  Calendrier  grégorien  et  républ.  par 
(l'Arj^oly,  romain  astrologue,  F.  Cainé,  St.  M.  puis  le  simple  titre  de  (jalen- 


568  H.  GAIDOZ  KT  P.  Sl^BILLOT, 

drier,   ans  VU.   VIIT.  IX.  XI   et  enfin  en    ¡«Soy,    c'est    encore    le    Calendrier 
Krc};orien  par  il'Arf^iily.  romain  astniloj^uc.     St.  Maixent,  François  Laine. 
En  ces   Jerniirrs    temps  M.  Cßi.  Rêvent  a  imprimé  plusieurs  de^  Almu- 
michs   qui  ont    rem  [torte    le  prix  fondé  pur    Jacques  BujauH  pour    fa 
meilteure  de  ces  utiles  publications. 

Veiuiée.     Kontenav. 

Les  plus  anciens  almanachs  de  la  Vendée  paraissent  être  ceux  de  Fontenay. 
Ln  l'an  VII  le  cili)ycn  K>nard  défenseur  oñlcicux  à  Fontenay  le  peuple 
public  chez  (.'ochi>n,  TAlmanach  du  départ.  <le  la  Vendée  avec  un  précis 
historique  sur  t|uehiues  lieux  princij)aux  du  dcjiart.  (Il  y  est  parlé  de  Me- 
lusine à  propos  de  Vouvent).  Nous  avons  sij^nalé  antérieurement  (  1792}  un 
almanach  au  type  d'Ar;;oly  chez  Chambonneau,  impr.  à  Fontenay.  En  i^Mt 
la  V^c  Beaujeau  donnait  l'Alnianach  nouveau.  Ilabcrt  (Auj».  Vict.)  eut  en- 
suite ses  annuaires  (1S26  etc.),  vers  le  même  temps  (1826—36  .  .  .)  apparaît 
l'Almanach  royal  «le  l'ctitot  puis  rAlmanacli  Vendéen  tie  Gaudtn  fd^ 
(1838  -44),  <pii  donnait  encore  le  double  Ahiianach  Vendéen  en  184'!.  I^a 
V^*«Fillon,  successeur  de  (iaudin,  imposait  à  son  tour  le  ntmi  de  grand 
almanach  Vendéen  à  cette  publication  ...  1H62     68... 

T/ Almanach  national  ihi  départ,  de  la  Vendée  de  Robuchon  (1850)  prenait 
plus  tard  vers   1868  la  dénoniinatitm  d'Almanach  jjénéral  de  la   Vendée. 

Knfin  Nairière  -  Fontaine  confiait  aux  ])resscs  de  (Vaudin  fds  en  1843  le> 
Ktrcnnes  Vendéennes,  d'abord  impriniécs  à  Nantes  (1840)  et  à  Luçon  (184O. 

La  Koche  sur  Von  (Vendée). 

L'Almanach  île  la  Roche  sur  Von,  sorte  d'annuaire  publié  avec  suin  portait 
rn  iSoi)  le  ntnn  il'Ktrenne«  de  Napoléon  et  du  dé])art.  de  la  Vendée.  Kn 
1816.  17  etc.  celui:  d'Eirenncs  de  Bourbon  Vendée  et  du  départ,  plus  Urd 
Ktrenncs  du  départ,  de  la  Vendée  nu  plus  simplement  encore  Ktrcnnes  île 
la  Vendée  .  .  .  1833.   1S30  .  . . 

LutjOn  a  aussi  son   almanach  depuis  (juelqucs  années,  etf.  etc. 

Chansons    en    Dialecte    Poitevin. 

(.'hanson  joyoust:  in  linj;a;4e  poetevinea  fate  do  sej^'e  mis  devant  l'octer»  |»ìit 
l' Amiro.     Poeters,   iy»9,  in  8".     (*Iì.  B.  réimpr.  par  tic  la  Fouchardièrc  I.e. 

La  gente  pf»etevin'rie,  tout  «le  nouvea  racontrie  ou  J'albot  ben  et  bea  fat 
raiponse  à  Robinea.  Avec  le  procès  de  Jorget  et  de  si>n  Vesin,  et  chan- 
sons jeouses  compousi  cu  bea  poictevin.  l'oeteis  amprimì  lout  avourc  pre 
iMner  Mesner  1572,  pet.  in  f(d.  de  55  lì",  sign.  A  -  G  iij  lettres  rondes  tig. 
s.  bois.     (L.  Favre  gloss,  (h.  B.) 

La  gente  poetevin'rie  etc.  amprimi  tout  avoure  à  l'oetcrs,  pre  la  veufve  Jon 
Blonchei  demouranl  pn/.  le  grond  Horloge  1605,  in  8**  sans  pag.  (J-.  F.  glos».) 

La  gente  poetevin'rie  ouectjue  le  precez  de  Jorget  et  de  son  Vesin  ei  chan- 
sons jeouses  com])ousie  en  bea  ¡X)itevin  et  le  preces  criminel  d'in  Marcassin. 
Poeters,  Jelian  Tliorea.    i62ii,  pet.  in  12".     ('h.  B. 

La  gente  poetevin'rie  ttc.      Poeters.   V^i^"  Jon  Blonchet.   I62U,  in  12"*.     (L.  F.^ 

La  gente  poetevin'rie  etc.      Poiticjs,  <ìabìiel  Garné,  pet.  in  S**  s.  d.     t'h.  B. 

La  gente  poetevin'rie  etc.  Poeter>,  J.  Flevrea.  1646,  pet.  in  12*,  avec  une 
seconde  partie  intitulée  Kolea  divisi  in  beacol  de  pèces. 

La  gente  poetevin'rii-  etc.  recueillis  et  mis  en  ordre  par  J.  Fleunau.  Avec 
le  Rolea  divisi.     Poelers.    |.  Kleuriau,   H)6o,  in  12". 

La  gente  poetevin'rie  etc.  Pdiliers  1671.  ("h.  B.  (Le  nienclogc  de  Robin 
y  pièce  de  la  gente  poct'.'viii'rir  de  1572  par  Jean  Boicenu  sgr.  Je  la  Bor- 
derie  Jurisconsulte  Poitevin)  avait  été  imprimé  ])our  la  première  fois  à  Poi- 
tiers à  l'enseigne  tic  la  Fontaine  en    LvSS- 

Rééditions   récentes: 

• —  I-;v  gente  ptiiteviniie  (sic)  avecpie  la  procès  de  Jorget  et  de  äun  V^e^D  et 
«■hans«)ns  ieouses  comi>ousi  en  liea  ptùctevin.  réimpression  conforme  \  l'édi- 
tion de  1572.  Introduction  par  Alfred  .Morel-Fatio.  Niort,  MartincU  et 
Nargot,   1877,  pet.  in  4". 


BtBLlOGR.  DES  TRADIT.  ET  DE  LA  MTT.  POPÜL.  DU  POITOU.       569 

—  Rolra  divisi  in  bcncot  de  pcccs  ov  Tunivcrsc  ov  poelevinea  fat  pre  dia- 
logo suivi  de  preces  criminel  d'in  marcassin,  réimpression  conforme  à  Tcdi- 
lion  do  1660,  pet.  in  4",     Niort,  Martincau  et  Xargeot,   1879. 

La  gente  poetevin'rie  ouecquc  le  precez  de  Jorgel  et  de  San  Vesin  et 
chonsons  jeouses  compousie  in  bea  poitevin.  Av.  introduction  par  L.  Favre, 
pet.  in  4".     Niort,  L.  Clouzot  lihr.,  1878. 

—  Kolca  divisi  in  l)ea  cot  de  peces  ov  l'universeov  poetcvinea  fat  pre  dialoge 
suivi  du  procez  criminel  d'in  marcassin,  pet.  in  4^    Niort,  L.  Clouzot,  1878. 

Hymne,  ode,  couplets  et  ronde  poitevine  sur  la  naissance  du  roi  de  Rome 
par  K.  M.  Dépierris  jeune,  ini})r.  h  Niort  1811,  in  12"  d«  16  p.  (L.  Favre 
glossaire.) 

Faïences,    imagerie,    plombs. 

FilJ.ON  (B.).  L'art  de  Terre  chez  les  Poitevins,  suivi  d'une  Ktudcs  sur  l'an- 
cienneté de  la  fabrication  du  verre  en  Poitou.  Niort,  Clouzot,  1864,  in  4**. 
Reproduit  en  partie  dant;  Poitou  et  Vendée  du  même  auteur. 

Faïences  d'Oiron  (ouvrages  à  consulter): 

Bro.ngni.\kt  (A.).     Traité  des  arts  céramiques. 

PoiiiEK  (A.).  Monuments  inédits  ])Our  servir  à  l'histoire  des  arts  réunis  par 
Willcmin  (texte  par  A.  Pottier). 

Saivftai    (A.).     Technologie  céramique. 

Labartk  (Jules).  Catalogue  raisonné  du  Cabinet  Debruge  -  Üumesni!  (Intro- 
duction). 

Bf)Rl)K  (L.  de  la).     Le  château  île  Boulogne, 

Thork  et  A.  Taixii  RlER.  Notice  sur  les  faïences  du  XVl«  siècle,  dites  de 
Henri  II  (Alliance  des  Arts  1847). 

L.  Ci.KHK.Ni    i>F  Ri.^.     Article  in  Ga/ette  des  Beaux-arts   i8i)0. 

DRr.Wi'.F,  (père  et  lils).  Recueil  de  toutes  les  pièces  connues  jusqu'à  ce 
jour  de  la  faïence  frant^aisc  dite  de  Henri  IL 

1)K  IA  Fkrkiî;rk-Pfr(:\.  Une  fabrique  de  faïences  ;\  I^yon  sous  le  règne  de 
Henri  II.     Paris.  Aug.  Aubry,    t862. 

Dkm.min  (Auguste).     Guide  de  l'amateur  de  faïences. 

Pn»T  (Eugène).     Le  Cabinet  de  l'amateur   1862  n"  19.  etc.  etc. 

Montatoi  ON  (Anatole  dei.  Les  œuvres  de  Maitre  Bernard  Salissy,  réimpri- 
mées d'après  les  éditions  originales  etc.     Fontenay  le  c'e,  p.  Robuchou. 

Lnseigncs  de  pèlerinage.     (Ouvrages  à  consulter:) 

RjCH  \KJ>  (Alfred).  Note  sur  quelques  enseignes  de  pèlerinages.  BulL  df  la 
Soc.  des  antiq.  de  l'Ouest    1875.    I.lrim. 

1)k..sainrf  (Léo).  Note  sur  une  enseigne  du  Mont  St.  Michel  au  péril  de  la 
mer.     Bull,  de  la  Soc.  de  statist,  ties  Dcux-Scvres   1881,   10 — 12. 

Tribfrt  (abbé).  Don  d'une  croix  de  pèlerinage  du  Notre  Dame  de  Liesse. 
2»' Bull.  île  la  Soc.  des  aniiq.  de  l'Ouest   1882. 

La  symboliijue  de  l'armée  Vendéenne.  Cfr.  Inventaire  archéologique  par  For- 
tuné Parenteau.  conservateur  du  Musée  archéol.  de  Nantes.  Nantes,  Vincent 
Forest  et  Fmile  Grimaufl,    Í878,  in  4**. 

1>k>aivrk  (Léo).  Note  sm  un  sceau  présumé  du  Conseil  supérieur  de  ramier 
Vendéenne.      Bull,   de  la  Soc.   de  statist,  des  Deux-Sèvres   1881,    1-3. 

Méreaui    protestants.     Cfr,: 

LiKVRK  (Aug.).  Histoire  «ks  protestants  et  des  églises  réformées  du  Poitou. 
>  vol,  in  X",     Paris,  (irassart  et  Cherbuliez,     T.  3  p,  362  et  sqq. 

1'  II  i.oN  iB.).     Eludes  numi«;mariques. 

M  Mil  ARI),     Bull,  du   Protestantisme  Fr.   I  p.  343,  etc. 

Imag«:rie   populaire. 

Frpmn  CiKANDiKR.  I.  Kfligic  de  la  condemnation  à  mort  |1  au  dessous  boifr 
représentant  le  curé  de  Loudun  assis  de  face  sur  son  bûcher  entre  un 
bourreau  muni  d'tinc  tout  che  qui  attire  le  feu  à  ilroite  et  un  magistrat  à  g. 
^cène  d'exorcisiiHt  daîis  une  chapelle  h  g.  derrière  le  magistrat,  au  dernier 
plan,  l'église  Si.  l'iene  de  Loudun  !|  et  exécution  d'Urbain  Grandicr  curé  de 
'^t.  Pierre  «lu  .Marché  <lc  Loudun,  atteint  et  convaincu  de  magie,  sortilèges 
cl  maléfut >,  lecpiel  a  esté  brulé  vif  dans  la  dicte  ville.  ||  Fac-sim.  très-réduit 


570  H.  G  AIDO/  KT  I>.  SKHILI.Or, 

en  tête  du  traite  du  célibat  des  prêtres  par  leti.  Urbain  Grandier,  cure  »le 
Loudun,  opuscule  inédit  introduction  et  notes  par  Robert  Luzarchc  frontis- 
pice à  l'eau-forte  de  Ulm.     Paris,  René  Pincebourdc,   1866. 

—  2.  l'ourtrait  représentant  au  vif  ||  Tcxécution  faicte  i\  Loudun  en  la  per- 
sonne de  Urbain  Grandier  i|  Prestre  curé  de  S.  Pierre  et  chanoine  de  Tej^lisc 
Ste.  Croix  dudit  lieu  atteint  et  convaincu  des  crimes  de  sacrilèf^e,  ||  magie 
sortilège,  maléfice  et  possession:  brulé  tout  vif  par  arrest  des  Juges  com- 
missaires députe/  de  par  le  roy  [\  en  la  dite  ville  de  Loudun,  le  vendredi 
13  Aoust  1634.  Plxéputé  le  même  jour.  ;|  Ensemble  la  copie  de  TArrcsl  et 
les  noms  des  ditz  Commissaires. 

Au  dessous  Urbiiin  Grandier  assis  sur  un  bûcher,  tourné  à  jjauche,  3  bourreaux 
attisent  le  feu,  prêtre  arrosant  le  bûcher  d'eau  bénite  à  g.,  église  à  g.,  hc- 
rault  fi  cheval  à  droite,  diables  dans  la  fumée  etc.  à  droite  et  à  g.  de  la 
composition  se  trouve  un  énoncé  du  procès. 

A  Poitiers  par  René  Allain  imprimeur  et  libraire  demeurant  en  la  rue  notre 
dame  la  petite  et  sa  bouticjue  dans  la  grande  allée  du  palais  1634  avec 
l)ermission.  In  fol.  reproduit  grand,  nat.  en  fac-similé  in  Gabriel  Legué 
Urbain  Grandier  et  les  possédées  de  Loudun  documents  inédits  de  M.  Charles 
Barbier.     Paris,  Ludovic  Haschet,   1880. 

Tout  le  reste  de  l'imagerie  populaire  poitevine  —  portraits  de  Sie.  Kudigondc. 
du  j)ère  de  Montfort  ((.irignon  de)  etc.  a])partient  îi  l'hagiographie  qui  ne 
me  parait  mentionnée  dans  le  travail. 

Bois  rejiréseniant  Ste.  Macrine  semant  dublé  dans  un  sillon  ;  V"  de  la  cou- 
verture inférieuri-  de  l'histoire  abrégée  de  Ste.  Macrine  et  de  Sie.  Pczenne 
])rcs  Niort  i)ar  rabl)é  P.  P.  (Picard)  desservant  de  Magné.    Niort,  Morisset. 

'J' h  é  à  t  r  e   p  <  )  p  u  1  a  i  r  c. 

Rabkî.ais.  Pantagruel  i^ivre  IV  Chap.  XIII  raconte  que  sur  ses  vieux  jours 
Fran^'ois  Villon  se  relira  à  St.  .Maixent  en  Poitou  sous  la  protection  d'un 
abbé  du  monastère  bénédictin  et  c|u'il  entreprit  d'yfaire  jouer  la  passion 
en  gestes  et  languaige  Poitevin.  11  parle  à  ce  sujet  des  diableries  (myulêres) 
joués  au  temps  de  Villon  dans  le  parlouère  de  Poitiers  (hôtel  de  ville.")  cl 
à  Montmorillon.  Plusieurs  localités  situées  hors  du  ]*oitou  sont  aussi  cilcess: 
Saumur,  Angers,  Doué,   Langes  (Langeais),  St.  Kspain. 

—  Pant.  Livre  HT  Chap.  XX VÌI,  il  est  encore  ({uestion  de  la  i'assion  jouée 
à  St.  Maixent.  Le  parcpiet  (}ui  servait  de  théâtre  était  sans  doute  celui 
de  l'abbaye  situé  en  face  de  la  grande  porte  de  l'église  des  bénédictins. 

On  a  cru  (jue  la  passion  jouée  ;\  St.  Maixent  était  le  mystère  de  Jean  Michel 
joué  à  Angers  en  i486  il  la  fin  d'août  (v.  J.  B.  Brunei,  Manuel  du  libraire 
édition  de   1862  t.  JJI,  2«  p.   1971     72,  verbo  niy.stère). 

Journal  de  Chiillaume  et  de  Michel  Le  Riche  j)ublié  par  de  la  Kontenelle  de 
Vauiloré.     St.  Maixent,   Reversé. 

Guillaume  Le  Riche  (|ui  avait  lui  même  joué  la  Passion  à  i*oitiers  le  19  Juillet 
IS.)4>  ^'^^  ^I  y  >'ivait  tant  de  peuple  qu'il  y  en  demeura  plus  de  la  tierce 
partie  (pii  n'y  entra  nous  apprend  (jue  le  12  Juillet  IS45  *-*t  autres  jours 
prc-cédenls,  10  ou  12  jeunes  gens  c(mmiencèrent  à  jouer  la  Passion  (à  Sl.- 
Maixent)  ce  qui  dura  1 5  jours  et  à  la  tin  de  chaque  Mystère  jouèrent  une 
farre  joyeuse. 

Nous  voyons  enfin  que  le  i  Octobre  1.S7X,  des  enfants  »le  Paris  jouèrent  ¿ 
St.  Maixent  cl  continui  rent  à  jouer  des  jeu\  en  la  salle  haute  de  Pauinn- 
ncric  (h.'s  fcnimes.  Ils  jouèrent  du  luth,  des  violes  et  chantèrent  en  musique 
in  iiuair»-  parties  (journal  de  Michel  le  Riche). 

B(»r(  HM  ijchan).  Annales  (l'Aquitaine,  Poitiers,  Abr.  Monnin,  1644,  p.  474 
donne  les  <létails  suivants  sur  les  mystères  jcmés  i\  Poitiers  en  1534  (5  Juillet) 
,. furent  faites  joyeuses  et  triomphantes  monstres  des  mystères  de  l'Incarna- 
tion, nativité.  Passion,  rcssurection  et  ascension  de  X.  S.  Jésus  Christ  et  de 
la  mission  tlu  St.  Ksprit,  les(juels  mystère  on  joua  quinze  jours  aprùs  au 
Marché  Vieil  de  la  dite  ville,  en  un  théâtre  fait  en  nmd  fort  triomphant 
tl  tut  le  lUt  jeu  r.-commencié  le  Dimanche  iq  iludit  mois  et  dura  onxc 
jour-  r.imtiniicls  et  subsécutifs  oii  il  y  eut  de  très-bons  jobeurs,  et  richement 


BTBLIOGR.  DES  TRADIT.  ET  DK  LA  LUT.  POPUL.  DU  POITOU.        57  I 

accoustrés  .  .  .  Ou  joua  aussi  la  Passion  et  Resurrection  troi^  semaines 
après  ou  environ,  en  la  ville  de  Sauniur  où  je  vy  d'excellentes  feintes." 

Le  Journal  de  Géncroux  notaire  à  Partenay  publié  par  M.  B.  Ledain  dans  les 
Meni,  de  la  Soc.  de  statist,  des  Deux-Sèvres  de  1862  donne  les  détails  sui- 
vants sur  les  représentations  scéniques  de  Partenay. 

„Le  Jeudi  10  de  Juin  (1571),  jour  de  Trinité,  je  fis  jouer  au  carrefour  de  la 
Croix  du  Marchioux  de  Partenay,  la  tragédie  ou  histoire  d'Abcl  tué  par 
Caïn ,  son  frère.**  Le  chroniqueur  a  voulu  conserver  le  souvenir  des 
acteurs,  les  rôles  de  femmes  étaient  tenus  par  des  hommes,  un  festin  suivait 
la  représentation.  L'année  suivante  à  la  môme  fête  et  au  même  lieu,  Géné- 
roux  fit  jouer  la  tragédie  de  Médée*,  dont  il  donne  encore  la  distribution 
«¡ui  réveille  la  même  observation  quand  à  l'absence  des  femmes. 

„C'était,  dit  il,  chose  fort  magnifique  tant  pour  être  bien  jouée  oue  pour  les 

feux    artificiels    et    autres    singularités La  farce  fut  composée  par  M" 

François  Ju  Vignault  S«"  de  Magot,  de  trois  femmes  qui  trompèrent  leurs 
marisjurés,  l'un  desciuels  je  jouais." 

Nous  ignorons  si  la  tragédie  patoise  suivante  a  été  jouée  en  son  temps:  Les 
amours  de  Cola^;  comédie  Loudunaise  en  beau  langage,  dédiée  à  M.  M.  les 
économes  de  la  Tour-volu  (par  St.  Long).  Loudun,  R.  Billault,  1 732,  in  8". 
Ch.  B.  cite  une  première  édition. 

Les  amours  de  Colas,  comédie  Loudunaise  en  beau  langage,  dédiée  à  M.  M. 
les  oeconomes  de  la  Tour-volu  par  S.  L.  Loudun,  Chachercau,  in  S**  de 
2  ff.  et  37  p.  réédition  chez  Techener  à  Paris  par  les  soins  de  M.  Ch.  Brunet 
en   1842,  aussi  in  8^^. 

A  la  Révolution  les  tragédies  reparaissent  dans  les  campagnes,  Dupin  dans 
l'une  de  ses  statistiques  raconte  que  la  mort  de  César  fut  représentée  dans 
une  grange  à  Champdeniers,  bourg  d'un  millier  d'âmes,  les  acteurs  semblent 
avoir  appartenu  ;\  la  localité. 

Le  paysan  écrivain,  comédie  en  cinq  actes  par  L.  P.  Charon,  paysan  vendéen, 
avec  glossaire.  Fontenay  le  c»«',  Gaudin  père,  vers  1840,  in  8®  de  48  p.  s.  d. 
Gloss.  Favre. 

Ai  I.KMATN  (P.).  Les  élèves  en  chirurgie  ou  l'amour  de  l'hôpital,  Vaudeville 
en  un  acte,  représenté  sur  le  théâtre  de  Poitiers  le  3  Janv.  1840.  Poitiers, 
Dépierris,   1840,  in  8". 

Le  siège  de  Poitiers,  drame  lyrique  en  3  actes  et  en  vers,  in  8",  indiqué  dans 
le  cat.     Saurin  frères,   Poitiers,  vers  1830. 

*    pnr  .K'iui    lie    la  l'6rii!*9c    poitovin   ami  de   Jeun    liuic«au  Juri.^connulte   poUcrlu  tt 
piitol(>ier. 

H.  Gaidoz  et  Paul  Skbillot. 


M  I  S  C  E  L  L  E  N. 


I.    Zur  Lautlehre. 

Ein  vulgärlateinisohes  Betonungsgesetz. 

R(;kaiintlich  sind  die  klassischen  I^ildungen  hathit^n ,  ronstirrr, 
mtiliercmy  pan'ekm,  ahietem,  aridem  ^  phiala  und  filioiua  nebst  allen 
iihnlichcii  DiMninutivii  auf  -ioliis  gemeinromanisch  zu  hdUcrf^  fnnsî^erf^ 
m  ulti' rem,  ¡Hxruiem,  alntcm  (it.  abeto,  sp.  abeto),  ariekm  (sp.  ariete 
ist  gelehrt),  filiòìus  ge\v< irden;  dazu  kommt  it  pitta.  V\\x  dies** 
Verschiebung  des  AcciMites  ist  meines  Wissens  noch  keiiie  einhcit- 
liclie  l>klärung  versucht  worden.  Diez  handelt  über  «.Uiescllw  R(i 
1  502  und  503  in  drei  verscliiedenen  Paragraj)hiin,  Bàttere  und 
ohisvf/y  solliîn  tlurch  irrige  l.'bertragung  des  Accentes  des  Praesens 
fníttío,  i'hisiío  (îiitslanden  sein.  Filioìus  soll  zu  fiìiòìus  geworden  sein, 
weil  ii\  sich  bess(»r  zum  Diphthong  fügte,  als  io.  Für  "iolus  ha))en 
(i.  Paris,  De  Paccent  S.  37  und  M.  Miriseli  ((ieschichtc  i les  Suffixes 
'>///.v  in  drill  romanischen  Sprachen)  andere  Deutungen  versucht,  die 
eben  so  wenig  befriedigiMì  als  die  Diezsche.  —  Alle  jene  l^'f^niien 
jialxMi  das  gt»meinsam(i,  dafs  in  denselben  /',  /  oder  ft  vor  kurzem 
\'okal  in  lateinischer  drittletzter  Sillxi  erscheint  Ks  ergielit  sich 
das  (lesetz 

/'.    Ì    und    //    vor    kurzem   Vokal    in    lateinischer    drill- 
It^tzter  Silbe  sin<l   unfähig  den  Ton  zu  tragen. 

Der  Accent  rückt  daher  auf  dio  vorhergehende  Silbe  \ì\k\  in 
htUt^rt  o<.ler  auf  die.  folgende  wit»  in  muHt'rem ,  afr.  mui/hVr,  Das  / 
kann  lit-harrcüi  wie  ni  fi/ióìus  od(»r  schwinden  wie  im  it.  abete  und 
im  ,ü:''meinromanischiMi  part  if  m  \  ptirt/ts  stecht  in  einer  allen  Inschrift 
Bulini iiK»  della  commiss.  arch.  ci»munalt»  di  Koma  1873,  165.  Da 
(las  (ii'sriz  für  das  gesammte  romanische  (iebiet  gilt  und  Ausnahmen 
nicht  VMrkMinmeii ,  so  ist  man  berechtigt,  es  als  ein  schon  vulgär- 
lateinisches  zu  betrachten  mögliclurrweise  als  ein  sehr  altes. 
D.ifür  spnchtMi  di<'  Messungen  «>///*/<  bei  Knnius,  ähjetfbuSj  tlrjMi, 
ahjfii,  parjitihiis,  tniria  bei  Vergil  und  den  späteren  Dichtem;  vgl. 
Lachmann,  /um  Lucrez  S.  129.  130.  Man  wird  es  natürlich  finden, 
<iafs  sobald  paru  it  m  zu  ¡nirtitm  wanl,  das  1  »etonte  e  lang  ^^iirde; 
auffällig  abíT  ist,  «lafs  in  ßlit'tlus .  mu/it-rtm  <»  un<l  e  kurz  blieben« 
wie  die  romanische  Diphlh«uigierung   zeigt,    und  dafs  sie  trotzdem 


•  <^. 


A.  HOKNlNCi,  EIN  VL'Lí  i  AR  LATEINISCHES  BETON  UNGSGESETZ.      573 

in  dieser  Stelliuig  den  Ton  erhielten  ^  —  eine  in  der  Geschichte 
der  lateinischiin  Spraclie  nur  hier  und  in  Wörtern  wie  tniêhraf,  in^ 
itfrrumy  colûbra  vorkommende  Abweichung. 

Fnigt  nian,  aus  welchem  (irunde  jene  Vokale  den  Ton  nicht 
tragen  k<  »nuten,  st>  läfst  sich  folgendes  antwi>rten.  Ks  ist  bekannt, 
dafs  gemeinj« »manisch,  als<»  auch  vulgärlateinisch  die  unbetonten 
kurzen  e,  /,  //  vor  Vokal  ihre  Sonderexistenz  als  Vokale  aufgaben  und 
sich  als  jW  oder  v  dem  vorhergehenden  Consonanten  anschlössen; 
für  //,  das  in  dieser  StclUmg  auch  ausfallen  konnte,  steht  die  Sache 
nicht  weniger  f(»st  als  für  c  und  /,  wie  it.  morio^  quaüroy  cardo  =  r<//-- 
thms  (it.  sp.  arduo  ist  gelehrt)  und  die  Messungen  ^enva^  tenvis  bei 
Lachmann  1.  1.  beweisen.  Auf  die  Thatsache  der  romanischen  Ac- 
centverschiebung  gestützt,  darf  mau  als  sicher  annehmen,  dafs  jene 
Vokah»  auch  dann,  wenn  sie  ursprünglich  betont  waren,  derselben 
Neigung  zur  K< »ns< »nantirung  folgten,  was  eine  Verrückung  des 
Accentes  zur  notwendigen  h'olge  hatte.  In  zweisilbigen  Wörteni 
wie  meus  y  tua,  Jeus,  dû's,  pius  behi(»lt  der  erste  Vokal  den  Accent, 
weil  er  im  l'halle  der  Verlegung  auf  die  Kndung  hätte  übergehen 
müssen,  dies  aber  einem  (Grundgesetz  der  lateinischen  Sprache 
wiílíírstrebt.  Sobald  j(î<loch  Pronomina  wie  mea^  tua  als  Prociiticae 
unter  Anlehnung  an  t^n  anderes  Wort  des  eigenen  Accentes  ver- 
lustig gingen,  so  trat  das  Cn;setz,  nach  dem  /,  /%  u  vor  Vocal  zu 
(  onsonantcMi  werden  oder  schwinden,  wieder  iii  sein  Recht,  und 
so  entstandtMi  ma,  ta ^  sa  etc.,  die  sehr  alt  sein  können;  vgl.  R(ì 
11  80  das  lat.  som,  sos,  sis  =  suam,  suos,  suis. 

A.  Horning. 


II.   Syntaktisches. 

1.    Altfranz,  mar,  mal  mit  demi  Konjunktiv. 

Wohlbekannt  ist  die  altfrz.  Verwendung  von  ;/////'  mit  einem 
Futurum  in  demsellxín  Sinnt^  wie  ein  Optativ  oder  Imperativ  mit 
Negation,  s.  Diez,  Gram.  lU  2S2,  Anm.  z.  li.  Tobler,  Mitth.  13,9: 
(h  A>.v7  as  tir  mes/  mar  i'os  escha/tera,  eigentlich:  „er  wjril  euch  zum 
l  Ix'l  entkommen,  tnier  Unglück  wird  es  sein,  wenn  er  entkommt", 
was  auf  dasselbe  hinausläuft,  wie  wenn  maii  sagte:  „er  darf,  möge 
eui  h  nicht  entkommen".  Indem  man  flic  üblen  Folgen  eines  Thuns 
vorher  verkündet,  will  man  jemanden  von  dem  Thun  zurückhallen. 
Das  F'uturum  mit  mar  erscheint  daher  auch  einem  Wunschsatze 
im  Konjunktiv  oder  Imperativ  coordinirt,  wie  Mitth.  62,  29:  ÍMissits 
ítn  pais,  mar  i  eri  adtsts\  ib.  77,5:  Li  cuetis  a  pris  ses  gens  a  chasloier 
Que  il  se  lieu^fieui  io  ut  ad  sans  desrengier.  Afar  se  motaron/  por  Aubri 
veri^oignier,     Ken.  .Mont.  93,21   rät    der   alte  Aymé    ironisch  seinen 

'  [Kur/  waren  sie  für  die  hittcratursprache,  lang  für  «Uc  Volkssprache, 
iVitr  fi/iô/u.\,  mnìit'repfì  mit  lanj^ein  offenen  Vokal  sprach,  wie  die  Diphthon- 
gierung <les  o  und  e  in  solchen  Wörtern  selbst  /eigt,  und  wie  jedes  lat.  ?  Tt 
vor  einlachem  Konsonant  erst  lang,  dann  Diphthong  wurde.     .G.]  '    *" 


574  MISCKLI.KN.     II.    SYNTAKTISCHES. 

Söhnen  sich  diircìi  Strafsenríiul)  zu  ernähren:  A7  dei  sien  îfos  donni, 
si  li  faites  pardon,  Ei  qui  nei  7'oidra  faire,  mar  aura  raençon.  Fühlte 
man  nun  hier  nur  das  Verbot  oder  (ieii  negativen  Wunsch,  so  ist 
es  nicht  zu  verwundern,  liafs  sich  an  St(îlle  des  Futurs  unlogisch 
auch  d(T  Modus  des  W'uììsclìes  nach  mar  einstellte;  in  dem  mar 
i  eri  adest's  fühlte  man  ein  quii  ne  soi/  fias  /our/h\  und  so  kam  es 
dahin,  dais  man  schliefslich  auch  sagte:  mar  soi/  adeses,  wie  Mitth. 
52,23:  (>//V/  vi(\sfne  ti  moi  en  al  palais  lis/e.  Afar  ai/  fiaour  d'home 
de  mere  ne;  ib.  2;^2f2i:  E/  cil  respondent:  ia  mar  i  ai/  do/e.  Durch 
(une  ähnliche  (Jbertragung  erklärt  sich  <ler  Konjunktiv  in  dem  Aus- 
drucke» fei  soi/  qui.  Man  sagt:  „ein  schlechter  Mensch  wird  der 
sein,  der  ilas  unfl  das  thun  wird*';  es  ist  eiii  mifsbilligendes  Urtheil, 
das  aber  ausgesprochen  wird,  um  von  der  Mandlung,  die  es  hervor- 
rufen würd(s  abzuschrecken,  also  in  gleichem  Sinne  wie  „Keiner 
thuo  es".  Ks  sollte,  hei fsen  yir/  ier/  qui  n^i  ferra\  statt  dessen,  weil 
man  doch  die  Kmpfindung  hatte,  dafs  man  mahnte,  erschien  der 
Konjunktiv,  Mitth.  13,28:  fei  soil  qui  n^ i  ferra;  ib.  152,13:  Ei  dis/ 
li  dus  :  fei  soi/  qui  ne  l'o/rie;  Antioche  1  258:  Ains  verra  de  son  Dien 
quel  puissance  il  aura,  E/  del  Dieu  ans  François  li  quieus  miens  en 
vaura.     Fel  soi/,  s* il  n*es/  li  mieudres,  qui  mais  l'onorerà. 

Afar,  mal  oder  das  gleichbedeutende  a  mal  L'ur  treten  aber 
oft  auch  zu  einem  Konjunktiv  Imperfekti,  s.  liischoff,  „Der  CV»n- 
jmiktiv  bei  Chrestien"  (Halle  1881),  p.  12.  So  z.  1^.  Mitth.  85,  13: 
Cisl  Jior^if^nons  a  bien  au  euer  le  rai  fr  e,  Alar  venis/  il  onques  en 
ces/  her  halite!  Aye  d'Av.  p.  78,  wo  Cìanor  das  Hausge.sinde  mit 
Schlaftrunk  betäubt  hat,  um  (iuiot  zu  rauben:  .-l  ros/el  eftvoya  (näm- 
lich Ave)  CO  m  men/  ííc  con/ien/  (has;  Mais  cil  (d.  i.  der  Hôte)  ni  pue/ 
en/rer,  /uit  fur  en/  endormi.  Le  prevos/  e/  li  autre  :  mal  le  hëusseni  il. 
Und  hier  isl  die  Ausdrucksweise  auch  pn>venj5.  in  dem  so  gewöhn- 
lichen mala  nasques  und  mala  fos,  z.  ii.  Sta.  Agnes  v.  296,  sagt  ein 
Netie  zu  der  Heiligen,  als  man  entdc^ckt,  dafs  sie  (liristin  sei:  Que 
mala  fosas  /u  anlic  nada;  ib.  v.  1432  ein  Romer  zum  Senator: 
X*  Aspani,  semer,  que  far  em  Xi  quai  consevi  aver  poirem  D* agues/a 
femna  hlas/emada  Que  mala  pi)guesa  esser  natiti,  Gaucelm  Faidit, 
M.  W.  11  109:  Qu  una  fats' enganairi/z,  On  heuiaiz  mala  nasques ^  Me 
l'es  faillir  tan  .  .  .  Peire  Vidal,  2,42:  Quel  cor  ai  ian  feio  Vas  ieis 
qu\mc  mata  fos.  ib.  43, 12:  Don  ja  ses  Ieis  no  ere  aver  garensa, 
Qu\inc  mata  fos  tan  hela  ni  tan  bona.  Raimbaut  d'Aureng^,  M.  G. 
.357»  5»  '/li  Amors:  Ades  o  die  sur  auras  De  ros  qtianc  maia  sai  foi 
Vostra  rnitura  mesi  nos.  —  Dies(Mi  Formeln  mit  mar^  mala  treten 
«lann  korrcspondierenrle  mit  buer,  bona  gegenüber,  wie  Parton.  8830: 
Partotmpfus   sace    Pespee    Qui  buer  fust  el  sarcia   irovee,      ib.  6084: 

I  'rrake .  Je  suis  vostre  sers,  Ruer  i  pissase  jo  les  mers,  Ren.  Mont 
1 22,  38  :   ¡ìiaus  nies,  dist  rempereres,  huer  fuissies  onques  ms,    Antioche 

II  2  2(),  der  Bischof  Ademar,  den  ('bristen  predigend:  Baron^  distil 
a  eus,  buer  fuissies  onques  né.  prov.  Peire  d'Alvemhe,  M.  G.  231,2: 
El  dous  temps,  que  bona  nasques.  Paulet  de  Marselha,  Revue  des 
lang.  roui.  111  7,  p.  285:    Cantra   vetz   ai  vist  seih   que   boriane  fos^ 


A.  G  ASP  AR  Y,  ALTKRAN/.  MAR,  MAL  MIT  DEM  KONJUNKTIV.        575 

Lo  Villen  rei  a  cui  s\ipeìt  Leos,  î.icîbeshof,  Revue  des  lang.  rom. 
Ill  6,  p.  2 OC)  V.801:  K  die  :  Oiìlz,  bona  fosses  (anc)  nai,  Quar  henees 
per  vii  donz  pìorot  (Chahaneau,  Revue,  III  7,  p.  94  liest:  y'(?.v  anc\ 

Wir  haben  es  hier  mit  Wunschsätzen  zu  thun,  die  mir  einer 
Erklärung  bedürftig  scheinen.  Man  wünscht  doch  in  der  Tliat  nicht 
jemandem,  dafs  er  zur  guten  oder  zur  bösen  Stunde  geboren  sei, 
u.  dergl.  m.,  sondeni  man  beliauptet  es  von  ¡hm:  „Du  bist  zur 
schlimmen  Stunde,  d.  i.  zu  meinem,  deinem,  unserem  Unheil  ge- 
bijren",  u.  s.  w.  Und  man  bedenke,  um  das  Unlogische  jener  Aus- 
drucksweise zu  erk(*nuen,  dafs  es  ein  Wunsch  in  der  Form  der 
Unerfüllbarkeit  wäre,  aUo  nicht  das  deutsche  „miïgest  ílu  zu  böser, 
guter  Stunde  gebon^n  sein",  was  hiefse  mar^  huer  soies  neSy  sondern 
„wärest  du  doch  zu  böser,  guter  Stunde  geboren",  du  bist  es  also 
nicht.  Wir  kann  man  aber  das  sehiem  Feinde,  resp.  Freunde  sagen? 
Ks  wäre  das  (iegentheil  dessen,  was  am  l^latze  ist.  Was  ist  gar 
i\\c  süfse  Ialir(\szeit,  von  der  man  wünscht,  sie  wäre  zu  guter  Stunde 
entstandeii?  Ks  sind  also  jenes  Formeln,  die  man  verwendete,  ohne 
sich  dabei  eigentlich  zu  denken,  was  sie  wörtlich  besagten,  und 
sie  müssen  ihre  Existenz  einer  Übertragung  verdanken.  Ursptûng- 
lich  stand  dtT  Indicativ,  wie  lluoii  de  Bord.  p.  12Ò:  Que  de  male 
heitre  fustes  vous  owjues  nés.  (laut.  de  Coinsy,  Nat.  Jesu,  H(»rrigs 
Arch.  Ò7,  p.  248,  V.9Ó8:  Ki  disoit  :  Lasse,  mar  fui  née.  Mitth.  51,5: 
mar  vos  77  ne\  ib.  149,5:  lie  Guihors  dame,  tant  mal  vos  vi  ains  née 
u.  dgl.  m.,  s.  auch  Hischofi  p.  84.  Mit  huer  z.  B.  Gaut.  de  Coinsy, 
I.  c.  p.  242,  V.  4i(^:  /)ist  li  angles  :  X^aies  peour,  Marie;  car  tu  fus 
huer  née.  prov.  z.  H.  Peire  Vidal,  44,17:  Mala  vi  sa  gran  heutat  e 
sa  cortesia.  Im  Poinna  ilei  Cid  stets  el  que  en  huen'ora  nasco  oder 
nació.  \\"w  nun  aber  das  Futur  mit  mar  den  Sinn  eines  erfüllbaren 
n(\giitiven  Wunsches  tThält,  so  fuar  mit  dem  IVaeteritum  den  eines 
uiierfüllbanMi  negativen  Wuîisches.  Indem  man  die  üblen  Folgen 
eines  zuküíiftigen  l'r<Ngnisses  konstatiert,  sucht  man  es  abzuwenden; 
indem  man  (liej<nigen  eines  vergangenen  Ereignisses  konstatiert, 
bedauert  man  s<Mnen  Eintritt,  wünscht  (vergeblich),  es  wäre  nicht 
eingetreten.  Was  man  zur  üblen  Stunde  sah,  wünscht  man  nicht 
gesehen  zu  haben;  von  dem,  der  zur  üblen  Stunde  geboren  ward, 
wünscht  man,  er  wäre  nit»  gebc^reii  worden.  Das  mar  vi  wird 
also  gleichbedeutiMid  einem  n*et/sse-/e  ¡amais  vu,  das  itiar  fustes  ou" 
(¡ues  nes  einem  ne  fussiez-vous  jamais  ;//,  u.  s.  w.  Und  nun  geschieht 
dasselbe  wie  bei  der  Konstruktion  des  mar  mit  dem  Futur;  dort 
trat  unlogisch  der  Konjunktiv  Praes.  ein,  so  hier  der  Modus  des 
Tiegativen  unerfüllbaren  Wuîisches,  der  Konjunktiv  Imperfekt,  oder 
PlusquamptTf.  mar  renist  il  ist  ein  mar  inni  ti  mit  dem  Modus  von 
ne  venist  il,  ílas  man  in  jenem  mar  vint  il  fühlte;  mala  nasques  ist 
mala  nasquet  mit  dem  Modus  von  anc  no  nasques.  Bischoflf  hat  alsc» 
nicht  Unrecht,  wenn  (*r  bi;i  der  Übersetzung  an  Stelle  des  mar 
eiîifach  die  Negation  setzt;  thut  man  das  nicht,  so  kann  man  im 
Deutschen  nicht  den  Modus  der  frz.  prov.  Formel  wiedergeben.  - 
Was  dann  <lie  Verbindung  «des  Konjunktiv    mit    huer,  hona    betriiit, 


576  MISCKLLF.N.      II.    SYNl  AXllSCHKS. 

so  biTuht  siti,  \vi(^  ich  glaiilu^  auf  blofser  Nachbildung  derjenigen 
rait  mar.  Als  man  einmal  an  dir  Formel  mit  mar  als  eine  ver- 
wünschendíí  gewöhnt  war,  bildete  man  mecham'sch  danach  eine 
segnende  mit  ftuir\  man  wälilte  das  korresponditirende  Adv*Tb  und 
lii^fs  alles  andere  ungeändert,  ohne,  an  den  Widersinn  zu  «ionken, 
der  in  dtMi   Worten   nunmehr  lag. 

A.  (ÍA.SPARY. 


2.  Über  zwei  merkenswerte  Übertragungen  der  Modusverba 

Potere,  Dovere,  Volere. 

A.    Das  Hilfsverb  îles  „regierten"  Zeitworts  ül)erträp:l 

sieh    auf    das    Modusverb. 

Dafs  die  Verba  poterv^  dm^erty  l'ohn  ihre  Zeiten  an  sich  mit 
ai'rrr  bilden,  entspricht  der  allgemeinen  Regel. 

Lt  ¡Uli  ht  volte  che  ho  imonirato  la  vir  it)  y  ho  dovuto  sempn  com' 
pia f Iterili.  Foscolo,  Ortis  7.  —  /  cipressi  ih\'^ìi  vi  post  non  hanno 
potuto  allii^nare.  Fose,  (  )rtis  i,^.  —  //  cielo  mm  ha  voluto  con' 
cedermi  un  maschio  che  conservasse  il  mio  nome,     Xota, 

Wenn  aber  ílas  negierte  Zeitwort  (»ines  der  intransitiven  Verba 
ist,  (he  ihre  Zi^iten  mit  essere  bilden,  so  wird  jenes  Hilfsverb  geni 
auf  das  Modusverb  ül)ertragen.  Wie  geläufig  der  heutigen  Sprache 
ditîsr   l'lxírtragung  ist,  zeigen  folgende   Heispiele: 

Quella  r"sa  che  tanto  poco  era  pet  uta  durare.  D'Azeglio, 
Nice.  1,1.^2.  —  Questo  non  vi  i  voluto  entrare  prr  il  momento. 
Pungolo  250,16.  —  Siamo  pochi  mesi  dopo  potuti  entrare  in  San 
Marco,  Lamarmora,  120.  Il  Re  non  vi  ì.  potuto  intervenire. 
111.  l^)j).  20,7.  7g.  —  Xon  7.'i  f  mai  potuto  riuscire  il  colpo,  Pietro 
l'erri.  111.  Pop,  22,4.  7g.  —  //  mondo,  come  le  l'ecchie  bisce ^  vien 
mutando  ta  pelle.  I^cg^ìo  per  noi  d*  esser  dovuti  l'izze  re  durante 
r operazione.  D'Azeglio,  Ricorfli  1  158.  —  Atcuni  deputati  gli  face* 
vano  osservare  quanti  soprusi  sarebbero  potuti  nascere  da  qwsiu 
arbitriti  concisso  al  governo,     lionghi,  Cavour  49. 

Auch  Ditíz  (Gram.  Ill  2Ò8)  erwähiit  diese  „raerken.swerte  Ülxrr- 
iragung*'  beilegt  sie  abcîr  nur  mit  älteren   Heispielen. 

„Hei  den  Modusverben  ftotere,  volere  s<»  wie  bei  sapere^  die  ihre 
Temjjora  s«»nst  mit  allere  umschreibtMi ,  kommt  es  vor,  dafs  sie  zu 
Inlransitivrn  construiert  essere  annehnuin  als:  ella  non  era  ancóra 
pot  util  run  ir  e.  (\N.  150.  ■--  Sr.  io  /'ossi  voluto  andare.  Dee.  4,6. — 
Costui  ottima  mi  ntt    essere  saputo  uscire.     I»ò". 

DtT  l'ionnitiner  Kigutini  (Rettori(::a  p.  7)  verlaugt  dagegen  als 
allgemeine  Regel,  dafs  die  Verba  pottn,  volere  stets  dasjenige 
Hilfszi'itworl  ncihnuMi,  welches  das  v«)n  ihnen  regierte  Zeitwort  zu 
erhalten  hat.  V.r  sagt:  Xon  ho  poluto  dor  mir  t;  non  ho  voluto  cam* 
minare.  w(  il  dor  mir  Cy  camminare  ihn*  Ziùten  mit  innere  bilden.  Aber: 
Sim  dovuti  vtnir  sol/;  In  cosa  non  tra  pulula  riuscire,  weil  zvjvfW, 
riuscire  ihre  Zeiten  mit  essere  bilden. 


< 


E.  KADE,  ÜBER  ZWEI  MERKENSWERTE  ÜBERTRAGUNGEN.  577 

Gleichwohl  gesteht  Rigatini  seihst  ein,  dafs  der  Gebrauch  in 
diesem  Punkte  etwas  schwankt,  indem  er  hinzufügt:  Afa,  doi^e  da 
fini  io  S  can  i  speda/ mente  sí  erra  spesso,  è  sui  uso  dei  due  ausiliari 
Esstrt  t-  Avere,  coi  verbi  Dovere,  Potere  ì    Volere, 

B.    Das  Passiv  der  Verba  potere,  dovere,  volere. 

/.    Die  einfachen  Zeiten. 

1.  Wenn  den  Verbis  potere,  dovere,  volere  ein  passiver  In- 
finitiv folgt,  so  kann  derselbe  selbstverständlich  entweder  durch 
ein  Ililfsverl)  [essere,  venire  u.  a.)  oder  durch  si  ausgedrückt  werden. 

I.a  verità  no  può  essere  celata  oder  celarsi. 

Uli  studi  comparativi  pò  uno  essere  condotti  con  un  solo  intento. 
Correnti'.  —  Dopo  lungo  pensiero  deliberò  di  voler  sapere,  se  quelle 
(lue  cose  poi  e  s  ser  venir  fatte.  Dee.  —  Moltissimi  altri  riscontri 
di  un  tal  uso   potrebbono  ad  dur  si.     Gold.  Pretaz. 

2.  Nach  den  allgemeinen  Gesetzen  läfst  sich  si  auch  voran- 
stellen. 

Iai  ver  ili)  non  si  dee  celare.  Gold.  Accid.  I  7.  —  La  prima 
scienza  è  quella  dell* uomo,  la  quale  non  si  può  studiare  fiella  solitu" 
line.  Fose.  Ortis  34.  —  Xon  si  dee  aspettare  libertà  dallo  straniero. 
Fose.  Ortis  118.  —  Si  dovrebbero  bandire  gl* inventori  di  mode, 
comt   fomentatori  dell* Umana  ambizione,     (iold.  Donna  di  Garbo.  I  4. 

3.  Durch  diesí^  so  geläufige  Voranstellung  von  si  entsteht  der 
S(liein,  als  seien  die  Verba  />i>/f;v,  dovere,  volere  selbst  passivisch 
gebraucht.  Infolge  dieses  Mifsverständnisses  macht  die  Sprache 
den   VtTsiich,  das   Passiv  dieser  Verba  auch  durch  essere  zu  bilden, 

Fai  verità  non  i^  potuta  celare. 

Auf  diese  Weise  überträgt  sich  das  Passiv,  welches  eigentlich 
dem  regierten   Iniiniliv  zukommt,  auf  das  Modusverb. 

La  camera  fu  dovuta  sciogliere.  Bonghi,  C  avour  38.  —  //  cou" 
voglio  diretto  incontrò  un  convoglio  di  merci.  Vurto  non  fu  potuto 
tvitare.  Pungolo  di  Milano  1874,  22.  12.  —  //  contratto  dai  primi 
assuntori  non  fu  potuto  mantenere.  P.  74,  2  1.4.  —  T^  libertà  con" 
qui  statt  non  furono  potute  conservare.  P.  72,  23,3.  —  Quanto  alla 
polémica  col  cancelliere  dell* impero,  Arnim  dichiara  che  essa  fu  voluta 
itderc  tra  le  linee  della  sua  lettera.  P.  74,  6.  5.  —  //  marito,  più 
jredulo  alle  altrui  falsità,  che  alle  verità  da  lui  per  lunga  esperienza 
potuta  conoscere,  la  fi  uccidere.  Dee.  II  Q.  —  Questi  sono  provvedi^ 
menti  o  insufficienti  per  se,  o  non  potuti  far  (osservare  (i.  e.  che  non 
SI  possono  far  osstnuiri).     Circolo  Gei^gr.  1872. 

Wenn  Blank  diese  Fonnen  als  ganz  veraltete  bezeichnet,  so 
beweisen   obige   Beispiele  das   (ìegenteil. 

//.    Die  zusammengesetzten  Zeiten, 

I.  Die  zusamnienges(»tzt(in  Zeitfm  der  Verba  potere,  dovere, 
volert    vor    eiiìeni    passiven   hifìnitiv    lassen    ebenfalls   eine    doppelte 

/.Itsclir.  f.  rom.  IM.II.    VU.  3j 


57^  MISCKLLRX.     II.    SYNTAKTISCHES. 

Hob  an  (1  lui  I  ji^  zu.  a)  KntwecU-r  konjuj^iort  man  sie  als  Aktiva  mit 
tiTft-fif  (xliT  {))  als  Passiva  mit  rssi'/r.  Im  ersleren  Kalir  bJeilil  (ia^ 
Parlicip  poittio,  dovuio.  voluto  unvcränderlicii,  im  zweiten  Falle  C(»n- 
^ruierl  es  mit  dem  Subjekt  der  i*assivconstruktioii. 

Iai  verità  ìivii  si  ha  potuto  ù/iin'  (.)der  ;/////  si  r  potuta  (tUìn, 

a)  La  guardia  nazionaii  fu  più  attiva  di  tjueììo  che  si  av  reit  h  e 
potuto  spcrart-,  ( 'u(>c<)  275.  —  J^*'^ti  stessi  insorgiuti  si  avrebbero 
potuto  formare  tanti  amici.  /Cssi  seguivatw  un  capo,  it  quale  per  /" 
più  non  era  che  un  ambizùisv:  questo  capo  quando  non  avesse  potuto 
rstinifuersi,  si  poti  va  ¡^uadai^ìuire.  ('uonn  260.  -  Si  az*ea  bisoi^no  di 
un  inquisitor  di  stato^  r  si  scdsr  ]\innn^  per  ¡a  ra^^ione  ¡stessa  per  ta 
qua  ti  wm  si  avrebbe  dovuto  scegliere^  Cuoco  47.  —  Per  io  meno 
avrebbe  si  dovuto  fissate  F  ordine  dei  guarno,  V.  74,  15.  5.  —  La 
fortezza  ha  dovuto  essere  eTuicuata.     V. 

b)  I  preparativi  per  ta  partiuza  si  sono  dovuti  fare  colla  mas^ 
sima  rapidità.  T.  74,  11.4.  -  I'rim/>ossibile  e  ri  de  re  che  non  si  avesst 
potuto  /'acilmint'  conservare  quei  re¡rno  che  si  r  potuto  tanto  facile 
mente  ricuperare.  Cuoa»  140.  —  Xon  si  ,"  questa  volta  potuto  tro-- 
7'are  uno  che  7'ottsse  sobtmrearsi  alfimprrsa  di  formare  un  gahinttto, 
P.  74,  12.  5.  —  Xon  entrerò  qui  à  spiegare  come  quest*  alture  non 
si  siano  da  noi  potute  manttuere.  Lamarmora  3.5 j.  —  /,/■  harclu 
cannoniere  w>n  transi  potute  per  la  troppo  precipUd'olc  fuga  taspor- 
tare  in  Sicilia.  Cuoco  14  j.  -  -  Xessun  altra  amministrazione  si  era 
potuta  costituire.  H<»n,içbi,  Cavour  62.  —  io  mi  senio  alla  fine  della 
vita,  non  esst  n dosi  potuto  trovar  mai  rimedio  a  questa  mia  /astidiosa 
indisposizione.     '1  asso  (iMaiìei,   inderai.  1  .^04). 

Anni.  I.  Dafs  ilicsolhe  Kuiistrukiioii  auch  Rctìexivbetleuluni;  haben 
kann,  vorsteht  >ith.  tWtù  v/  \ono  potuti  salvare.  X»)ta ,  Bcnef.  I,i.  -- 
Aber  lV>l}^'cnde   ncliaiipuin«i   Kii^uiinis  will  mir  nicht  irinlouchtcn. 

„Coi  verbi  rcJh'SAivi  e  rtviprot'i.  sf  tu  particella  pronominale  è  tiffis^a 
al  7'ert)n,  rau.\Hiarc  di  Doì't'rr,  Potere  e  Volere  è  il  7'erfto  Avere,  come:  Lu 
non  ai- rest  i  dovuto  afjìiji^^erti  t.ìj/.  Ma  se  r  dii'i.sa  dal  proprio  verbo  è  pre- 
niess't  a  uno  di  t/ucòti  tri-,  allora  r ausiliare  /  Essere,  come:  tu  non  ti  Saresti 
doeuto  aflìigi(er  co.\}". 

Dafs  dio  Walil  von  aeere  odor  essere  sich  durch  die  blofse  Stellung;  des 
J<olìcxivj)r()n(»nions  ho>tinìnio,  ist  schwor  cin/usehen.  Denn  obige  Beispiele 
/.(•iíjcn,  dafs  l)cini  I<.cnoxj)a>.siv  aiere  sich  sehr  wohl  mit  vorgesetztem  si 
vcrträ^'l. 

Anni.  2.  Ob  »lio  Sj)rachc-  auch  den  Vorsucli  gemacht  hat,  die  zusainmen- 
i,'e««ot/.ton  Zeilen  ohne  .w.  mit  diippcliem  Hilfsverb  zu  bilden,  kann  ich  nicht 
bohaupion.  V.s  ist  \v(»hl  nn');^liih.  dafs  í.¡ih  I''ormon  iinden,  wie:  La  ferità 
Htoi   t-  .\/a/a  p-ttuta   celan. 

¡IJ.     Das  uiipirs'hiliclu    Passiv  der  Wrl^a  potere,  dovere,  volere, 

ai  Wenn  den  Verbis  potere,  do-vre.  volere  ein  aktiver  Infinitiv 
follet,  wclebtT  kein  Objekt  n'»,nert,  das  zum  Subjekt  der  Paf«iv- 
k(»nsiruklii»n  wcnlrn  k<)nnt<*,  so  ¡st  i^^lcicbwobi  das  un  person  liehe 
Passiv    ¡euer   Vi'rl»a   sebr   ^iieläiili.ii. 

Xtai  S.Ì  pu-'  (man  kann)  t ssere  più  im^desti.  P.  —  Si  Ì  dovuto 
(man   bat  nuisstMi)  rico) rere  atto  scioglimento  della  Camera.    P.  —  Se 


I.  HAKC/YK,  EINE  BEMERKUNG  ZUM  T.EHRAUCHE  VON  TRÈS.        57g 

(iisposiz/oni  si  /'ossero  prese  con  più  sollecitudine^  si  sarebbe  potuto 
impedire  (so  hätte  verhindert  werden  k(*)nnen)  che  F  ordine  sempre 
esemplare  nella  nostra  città  fosse  turbato,     P.  74,    i-5. 

!))  Aber  auch  dann,  wenn  der  aktive  Infinitiv  ein  Objekt  re- 
giert, das  zum  Subjekt  der  Passivkonstruktion  werden  könnte,  wird 
häufig  das  unpersönliche  Passiv  vorgezogen.  Statt  zu  sagen: 
Jai  verità  non  si  ?  potutu.  celare  kann  man  auch  sagen:  Ä^on  si  t" 
potuti)  ce/are  la  írrita.  Dann  ist  verità  Accusativ.  Denn,  nachdem 
potere  die  Passivform  übernommen  hat,  ist  celare  wieder  Aktiv,  folg- 
h'ch  transitiv  geworden. 

Ä'on  mi  sorprendo  che  non  si  sia  potuto  prendere  nessuna  de- 
cisione, P.  74,  26.  IO.  —  Sembra  che  si  sia  voluto  fare  una  pres- 
sione politica  sul  Ministero.  P.  74,  IO.  5.  - —  Di  otto  0  dieci  degli 
tì'asi  non  si  era  ancora  potuto  rinvenire  le  traccie.  P.  74,  7.  5.  — 
Per  raggiungere  la  meta  j  i%^  dovuto  revescia  re  i  troni  dei  Principi 
legittimi.  P.  74,  15.  4.  —  Si  è  voluto  dare  il  supremo  comando  a 
Bene  deh.  Scettri  e  Corone,  P.  74,  II.  6.  —  Cento  mila  ferite  egli  ha 
già  avuto  y  Xì  ucciderlo  però  mai  s^  è  potuto.  Ori.  Fur.  XV  65.  — 
.-//  postutto  non  si  è  potuto  accusarlo  che  d'arni  errore,  P.  74,  2"^.  9. 
—  Xon  si  t"  potuto  scoprire  più  alcuna  traccia  di  bande  armate. 
P.  74,  15.  8.  —  .Von  lo  si  poteva  pigliare  a  gabbo.  Scettri  e  Co- 
rtine,    P.  7  f,    I  2.  5. 

E.  Kade. 


3.    Eine  Bemerkung  zum  Gebrauche  von  très. 

In  einigte!  alten,    nach   Racines  Tode    erschienenen  Ausgaben 
lauten   in  der  Thébaide  3,3.  633  f.: 

Mcneccc,  cn  iin  mot,  digne  frère  d'Hémon, 
Ht  /;vj-indij4nc  aussi  d'être  fils  de  Créon,  .  .  . 

während  die  beglaubigte  Lesart  der  älteren  Texte  trop  indigne 
biclíH.  Jene  an  sich  geringfügige  Änderung  ist  doch  recht  be- 
mt'rk(Misw(îrt,  weil  sit;  zu  einer  für  den  Sprachgebrauch  der  fran- 
/.(■)sis(lu'n  'iVagödie  nicht  unwichtigen  Beobachtung  (jelegenheit  giebt. 
Jenes  très  ist  nicht  nur  eine  willkürliche,  unberechtigte  Änderung, 
sondern  .L;(;radezu  eine  Unmöglichkeit;  denn  in  Racines  Tragödien 
kommt  diiî  Partikel  tr?s  nirgends  vor.  Ja  man  kann  den  Satz 
aufsl(»llen,  dafs  der  ganzen  hcWiern  profanen  neufr.  Dichtung, 
wi<»  der  Trago(li(\  der  Ode  u.  s.  w.,  das  Steigerungsadverb  tri" s 
ganz  frcMnd  ¡st.  Dagegen  ist  das  Wort  in  der  kirchlichen  Poesie 
inrht  zu  entbehren,  weil  es  hier  archaisch  den  allerhöchsten  Grad 
bezeichnet,  wi(î  in  très  haut,  très  saint  (vgl.  hiermit  auch  die  pro- 
saische Devot  ion  sfonntd  l<  très  humble^  très  obéissant  et  trh  fidèle 
serviteur  et  sujtt\.  Ab(T  schon  vor  der  klassischen  Periode  findet 
sich   très  in  der  Tragödie    nur    sehr    spärlich,    so  z.  P.  bei  Robert 

37» 


580  MISCELI  KN.     111.    KTYMOLOGISCHES. 

Garnier  wohl  nur  dreíuiai:  M.  Antoine  4O4  (ed.  ?T)rster)  a  ;;/</;/ 
tresgratui  malheur  \  Troado  1017  nitre  1res  ^  mise nihlt'\  ¡b.  138Ó  Jr 
félicitez  royne  ires  -accomplie.  Wenn  sich  nun  später  bei  Kotruu, 
Antigone  2,2  ires-sensilflement  findet,  so  ist  diese  seltene  Erscheinung 
höchst  auffaUig,  ohne  dafs  jetloch  hierdurch  die  obige  Regel  um- 
gest»>rsen  wird.  —  Während  nun  ires  der  Tragödie?  allmählich  frinnd 
wurde,  behauptete  es  in  der  Koiniklie  immer  seinen  Platz,  z.  H. 
bei  Racine  in  den  Plaideurs  2,  11.  568  uncf  2,4.  434.  Im  all- 
gemeinen ist  Racine  damit  sehr  sparsam;  aufser  in  dem  Epigramm 
Bd.  4  S.  187  (bei  Mesnard)  une  eliose  irts  claire  dürfte  es,  natürlich 
unter  Abrechnung  der  geistlichen  Hymnen,  schwerlich  noch  einmal 
auftauchen.  Auffällig  könnte  es  erscheinen,  dafs  très  bei  Molière 
in  der  F.cole  des  maris  gar  nicht,  in  den  Femmes  sav.  nur  einmal, 
5,3.  1O40:  im  Misanth.  und  Tart.  je  zweimal,  in  seinem  Jugend- 
werke I/Ktourdi  dagegen  etwa  zwanzigmal  erscheint;  doch  möchlci 
ich  daraus  keinen  naheliegenden  Schlufs  ziehen,  weil  es  sich  im 
]\Ial.  imag.  doch  wieder  zeigt.  Wohl  aber  dürfen  wir  nach  allem, 
was  wir  bisher  gesehen,  folgern,  dafs  lr!s  schon  vor  ilem  ersten 
Drittel  des  17.  Jahrhunderts  (R(»nsard  hat  es  z.B.  viel  seltener  als 
Marot)  als  ein  unpoetisches  Wort  empfunden  wurde,  ebenso  wie 
unser  sehr,  an  dessen  (irundbedeutung  niemand  mehr  denkt,  und 
das  sich  nur  noch  im  alten  Kirchenliede  linden  dürfte. 

Wcin'ger  verpíMit  als  tris  ist  in  der  klassischen  Tragödie 
fort.  Racine  hat  es  freilich  nur  an  zwiii  Stellen  beim  Verbum: 
Théb.  5,  2.  1222  o?i  tient  si  fort  t)  r amour  und  Alex.  2,  2.  558  Qui 
m\ihaisse  si  fort  au-dessous  ¡r Alexaudri  ?y  wo  es  durch  j/ noch  modi- 
liciert  wird;  bei  Corn,  aber  trifft  man  auch  das  schlichte  yi)/-/,  z.B. 
Ileraclius  2,  8.  761  ¡e  m'étonne  fort.  Dagegen  scheint  fori  beim 
Adj.  und  Adv.  niclit  der  Tragt "xliti  zu  ziemen;  denn  .schon  ho\ 
(iarnier  ist  das  W«»rt  sehr  selten:  Hipp«»|.  igS^  for/  hlesm€\  Antig. 
15O3  J^  ir  ois  fort  volontiers,  —  Die  Konì<")dici  alxìr  verwendet  fort 
überall  und  liberaus  häufig,  viel  lieber  als  très  und  in  allen  mög- 
lichen Verbindungen.  —  So  bleiben  denn  für  die  Tragödie  als 
.Steigerungsadverbia  die  auch  s<)nst  gebrauchttM)  beaucoup^  bien,  trop, 
Kür  tuen  wäre  zu  bemerken,  dafs  es  alle  l^cgrifio  steigert,  nicht 
(itwa  blofs  die  in  di^r  allgemeinen  Sphäre  des  Guten  liegenden 
(vergi,  auch  Hannnesfahr,  Zur  Kom])aralion  im  Afr.  S,  25),  Wenn 
Racine  bien  malheureux,  biin  funeste'.  Garnier  Juifves  437  bien  foibitt 
sagen,  so  ist  hier  gewiis  jede  Spur  <ler  ursprünglichen  Bedeutung 
geschwunden.  —  Di»*  engere  grammatisch«.'  Verwendung  von  beau' 
coup  bringt  es  mit  sich,  dafs  es  seltener  als  bien  erscheint;  dabei 
hängt  diT  Gebrauch  öfter  n«»ch  vmuì  Versmafs  ab;  daher  mag  e.s 
\\ohl  konnnen,  dafN  kaueoup  nicht  in  allen  Stücken  von  Racine 
erscheint.  Kine  \veit  îHisgedehnteni  Verwendung  hat  trop^  wel- 

ches n<»ch  in  der  klassischen  Zeit  nicht  nur  „zu  sehr",  sondern 
archaÌM:h  auch  „Nehr,  hr)chst"  bedeutet,  also  zur  Bildung  des  Ela- 
tivus  dient;  «»in  trop  htunux  entspricht  »»ft  unserm  übcrghlcklich. 
Schli<  rslii^h    könnte    hierbei    auf   die   abgeschwächte  Bedeutung  des 


A.  SCHKLRK,  AD  VERHL'M  NOURRICE.  58  I 

cl('Uti>cli(Mi  z  u  hirigt'wicscn  wiTclcn,  wie  sic  bei  uns  längst  merklich 
gcwordiMì  ist;  man  erinnere  sich  z.  ÌÌ,  nur  an  Hallers 

ln\  Innere  der  Natur  dringt  kein  erbcliaflener  Geist; 

Z  u  glücklich,  wem  sie  noch  die  äufsre  Schiale  weist. 

I.  Harczyk. 


III.   Etymologisches. 

Ad  verbum  nourrice 

(Zeitschr.  VI  436). 

Herr  Horning  thut  mir  Unrecht  wenn  er  mir  einen  1862  be- 
gangenen Fehler  [nourrice  =  lat.  nutriceni)^  den  ich  in  meiner 
2.  Ausgabe  (187.3)  mit  Vorbedacht,  nach  Littrés  Anleitung  ver- 
besserte, 1882  noch  nachträgt.  —  Seine  Gleichung  norriçon  = 
nutrìttioìicm  halte  ich  für  sehr  gewagt  und  möchte  sie  durch 
einen  analogen  Fall  belegt  sehen.  Mir  scheint  das  weibliche 
Subst.  (die  übliche  Form  im  Norden  war  noreçon,  nourresson,  bei 
Froiss.  non  ree  hon)  aber  nur  eine  Anlehnung  an  das  männliche  (= 
*  nui  r  il  ione  m ,  abgeleitet  von  nuiricius),  das  nicht  gerade  als  das 
werbliche  in  concreter  Bedeutung  aufgefafst  zu  werden  braucht. 
l'brigens  läfst  sich  auch  das  weibliche  noreçon  eben  so  gut  auf 
nuiriiionem  zurückführen  als  souspeçon  auf  suspicionem^  für 
wrlclu^s  letztere  selbst  Herr  Horning  kein  suspicationcm  zu  Hilfe 
ruft,  sondern  suspect ioncm^  und  zwar  nur  wegen  der  Analogie 
der  in  den  Schwestersprachen  üblichen  Form.  Zu  vergleichen  wäre 
noch  parecen,  parcho  fi  =  pariitionem  (?). 

A.  SCHELER. 


RPX'KNSIOXEX  UNI)  ANZEICIKN. 


La  Vita  e  le  opere  del  trovatore  Arnaldo  Daniello.  Kili/.ioiic  critici. 
c<jrrc(l;ilii  delle  variante;  di  tulli  i  manoscritti,  •!' un' introduzione  blori»i)- 
letterarid  e  diversione,  note,  rimario  e  |jl(ìssario  a  cura  ili  U.  A.  Can  eli«». 
Halle   1883.    M.  Xiemeyer.    «•\   VI,  283  S. 

Es  liej^'t  uns  liicr  die  kritische  Ausgabe  eines  tier  scli\vicrij»sten  Tniu- 
badours  vor.  auf  welche  der  leider  inzwischen  der  Wissenschaft  entrissene 
Merausj^eber  einen  Fleifs  und  eine  Sor;,'raU  verwendet  hat,  wie  wohl  n(icli 
keinem  altprovcnzalisclien  Dichter  a\\  teil  {geworden  i^t.  In  der  Vorrede  heln 
der  TIerausjjeber  die  Schwicriijkeiten  hervor,  mit  denen  er  bei  dem  Manj^el 
an  litterarischen  Hilfsmitteln  in  l*adua  zu  käm])fen  halle,  indem  ihm  zum  Teil 
die  wichtijjsten  Hilfsmittel  fehlten;  um  so  mehr  verdient  Anerkennung  die 
Jieharrlichkeit,  die  solcher  Hindernisse  Herr  wurde.  Ebenfalls  in  der  Vorre<le 
erwähnte.:  *il  terribile  lavoro  della  classazione  dei  codici',  welche  er  aK 
'lavoro  di  Sisifo'  bezeichnet.  Und  mit  Recht;  fast  bei  allen  Lietlem,  die  in 
einer  j^rofsen  Zahl  von  Texten  überliefert  sind,  kehrt  diese  Scliwicripkcit 
wieder,  dafs  eine  reinliche  Scheiilun;^  der  Familien  fasi  unmö};Iich  ist,  wenn 
m.m  nicht  sehr  häuli«;  zu  tlem  immer  nicht  unbedenklichen  Auskunftsniittel 
tier  Mischhandschriften  ;^Tcifi.  Der  (irund  scheint  noch  von  keinem  unserer 
Philologien  hervor^^ehoben  oder  erkannt  worden  zu  sein.  Er  liegt  mcinvh  Er- 
achtens  wesentlich  »larin ,  dafs  die  Niederschriften ,  au?»  denen  unsere  Hund- 
schriften stammen,  zimi  Teil  «jemacht  wurden  nach  dem  X>ictat  des  V4>rlra{;en- 
tien  Sänjrers.  Dieser  lernte  den  Text  auswendig;,  wi)bei,  wie  es  in  der  Natur 
des  menschlichen  Gediichlnisses  ließt,  er  hin  und  wieder  kleine  .\nderunj:en 
sich  iilaul)te,  die  bei  der  leichten  Art  des  provenzalischen  Dichtens  si:h 
leicht  einstellten.  Kr  winl  dabei  nicht  jedesmal  j^enau  denselben  Text  wieder- 
holt, wird  manchmal  in  der  Fol;:ie  der  Strophen  sich  j^eirrt  und  abgewechselt 
haben.  I^s  liej^'t  also  alk-rdin<is  eine  Mischunj^  von  Texten  vor,  aber  nichl 
ujiter  lionutzunj^  ualirerei  Ilandachriften  neben  einander  (wiewolil  auch  dieser 
MihIus,  namentlich  Mir  ('.  nicht  in  Abrede  j^estellt  werden  kann),  sondern  auf 
tieni  We^^e  müiidliclu-r  Koripll.m/im«;.  Daraus  erkliirt  sich,  dafs  mitunter  nicht 
vt.rwandte  Handschriften  in  Zahl  und  Kol^'c  der  Strophen  stimmen,  verwandte 
Handsclirifli.n  abweichen. 

In  tkr  l'Ünleiiunc,'  S.  3  ¡^itl)t  (  ".  den  Text  tier  provenzalischen  Biographie 
nach  Al^a  mit  «kn  Lesarten  tltr  ¡ibrij^^en  Hamlschriften.  Eini^^c  Bemerkungen 
und  IViicliiiu'niîL^t  11  nii'»;^«  11  liit  1  «I.izu  fol«ieii.  Z.  i  fehlt  sì  in  K.  nach  meiner 
i.^llaiiini.     In  tUrselben  Zeile  scheiden   sich    die  Handschriften,    indem  ABa 


(  ANKLI.O,    LA  VITA  E  LH  OPKKK  DEL  TKOV.  ARNALDO  DANIELLO.       583 

.lr/i'U//z  Ji-  J/,  EIKN-'R  Xaniautz  de  M.  lesen.  Ich  «glaube,  dafs  lclzte^e^ 
die  richlij»e  Lesart  isi,  die  Handschriften  haben  theilweise  ausgleichen  wollen, 
beidemal  ohne  en  (Aßa),  beidemal  mit  en  (X-).  Aber  am  Anfang  einer  Bio- 
graphic wird  en  nicht  gesetzt,  weil  die  Person,  deren  Leben  erzählt  werden 
soll,  noch  als  unbekannt  vorausgesetzt  wird;  wo  aber  im  Verlauf  einer  Bio- 
graphitr  auf  eine  andere  Persönlichkeit  Bezug  genommen  ist,  wird  en  öfter 
gesetzt.  Doch  beginnen  einige  Biogra])hien  auch  mit  En,  wie  die  von  Blacatz, 
Blacassct,  der  beiden  Italiener  Bertolompu  Zorgi  und  Lanfranc  Cigala,  auch, 
was  auffalk*nd  ist,  die  von  Aimeric  de  Peguillan ,  der  doch  von  Hause  aus 
ein  Bürgerlicher  war.  Deutet  das  'Herr'  bei  den  Italienern  daraufhin,  dafs 
der  Verfasser  der  biographischen  Nachrichten,  der  unzweifelhaft  ein  Zeit- 
genosse derselben  war,  in  Italien  lebte?  Das  en  entspricht  dann  dem  italie- 
nischen Messer,  das  auch  nicht  leicht  dem  Namen  eines  irgendwie  angc- 
>ohcnen  Mannes  fehlen  durfte.  Wenn  nun,  wie  ich  vermuthe,  Arnautz  Daniel 
und  NArnautz  de  Maroill  die  richtige  Lesart  ist,  dann  würde  sich  weiter 
daran«,  ergeben,  ilafs  der  Verfasser  der  biographischen  Nachrichten  über  beide 
Dichter  die  von  Arnaut  de  Maroill  früher  schrieb  als  die  von  Arnaut  Daniel, 
weil  er  in  dieser  auf  jene  Bezug  nahm. 

In  Z.  3  spricht  C.  selbst  einen  Zweifel  aus,  den  wir  mit  Sicherheit  lösen 
können  und  zwar  zu  Ungunsten  von  ABa.  Diese  hatten  offenbar  in  älterer 
Vorlage  e  de  feitet  se  en  tr^ìbar  et  \jibandonet  ¡as  letras  e  fetz  se  j\ífiar  e  près 
und  nuinieira  de  frobar']  en  cariis  rimas.  Die  eingeklammerten  Worte  fehlen 
in  ABa:  tier  Schreiber  ihrer  gemeinsamen  Vorlage  sprang  von  trobar  auf 
//vA/;- über:  die  Handschrift  a  lies  das  nun  allerdings  überflüssige  ¿?/ von  AB, 
das  noch  auf  die  Lücke  hindeutet,  willkürlich  weg.  Auch  R  begeht  hier 
einen  ganz  ähnlichen  Fehler,  indem  es  von  letras  auf  letras  übersprang.  Bei- 
läutig:   hat  R   wirklich  près  manyeyra  und  fehlt  hier  una} 

Der  zweite  Teil  der  Biographie,  den  nur  R  enthält,  steht  bei  C  auf 
S.  0,  und  zwar  in  urkundlichem  Abdruck,  ohne  Auflösung  der  Abkürzungen 
und  ohne  Abtrennung  der  Worte  mittelst  diakritischer  Zeichen.  Ich  gesiehe, 
d.if^  ich  k\m\\  (irund  dieses  Verfahrens  nicht  einsehe,  da  ja  doch  im  übrigen 
l)e.ir])eilcle  Texte  gegeben  sind.  In  einigen  Fällen  möchte  man  zweifeln,  ob 
die  Handschrift  wirklich  >o  schreibt:  so  bei  Z,  3  tene  so  a  desquern.  Zu 
■as  se  s  /,  5  bemerke  ich.  dafs  ursprünglich  der  Schreiber  lasset  geschrieben 
h.itu-  und  vias  /  in  v  verwandelte,  wodurch  es  eine  Art  Ähnlichkeit  mit  tz 
iickoinml.  Statt  col  trays  se  s  isqurr**  Z.  10  f.  ist  zu  lesen  col  tr.  ad  isquern, 
entsprechend  den  Ausdrucksweisen  tener  ad  esquern,  traire  a  cap,  a  lutz, 
.1  i^'-aren.  a  def>ort  etc.  Diese  Vermutung  hat  schon  Mahn  in  der  zweiten 
Ausgabe  st-iner  Bingrajihien  S.  37  unter  Xo.  }^%^  die  angelilich  auf  KIR  be- 
ruht ;  doch  ist  CS  keineswegs  ein  treuer  Abdruck  des  letzten  nur  in  R  ent- 
haltenen Stücke^,  wicwold  es  sich  durch  Hinzufiigung  von  Buchstaben  in 
Klamniern  diesen   Anschrin  giebt. 

/.  5   des    l\\te>  von   unten    1k i  fanello    las    ich    in    der  Handschrift  de- 

ifi'indt\.     /.  5  v.u.   si(  ht  .dlirdings  in  der   Handschrift  aqititiast,  aber  dies  ist 

'ino   unniogliclu-  l'oiin.  <•>  niufs  ,iqnitat  heifsen  ;  ein  aquitiat  wäre  etwa  noch 

h  nkb.ir.     Rayii..   Lex.  R.  5,  24   führt    unter    Berufung    auf  unsere    Stelle   eine 

Ncbinforni    njui stitir  aw,  die  al>o  zu   streichen  ist,  da  >ie  handschriftlich  nicht 

existiert. 

# 


5^4  RKCBN'SIOXKN  UND  AX/KUiKN.     K.  liAKTSl.II, 

D;is  ;im  Sclilusso  der  Ri()jira]ì]iic  von  R  anjicfiihrte  Lieil  kiinn  nitht  ilas- 
jcnif^e  sein,  das  der  Ji)ugleur  dichtete  und  das  ihm  Arnaut  vorwej^ahni : 
denn  da  es  heifst,  der  Jonj^lcur  habe  sich  anheischi;;  gemacht,  in  schwereren 
Keimen  als  Arnaut  zu  dichten,  so  mufs  es  ein  Lied  in  schweren  Heimen 
gewesen  sein.  Das  angeführte  Lied  hat  höchstens  in  den  Endungen  ama  und 
orna  solche.  Es  ist  mithin  eine  ähnliche  Verwechslung,  wie  sie  in  tier  Bio- 
graphie von  Guillem  de  (^abestanh  vorkommt. 

Im  weiteren  Verlaufe  der  Einleitung  behandelt  C.  die  A.  Daniel  sonst 
nocli  beigelegten  Werke,  namentlich  die  Stelle  im  l'urgat.  XXVI,  ferner  giebl 
er  die  Erklärung,  wie  Dante  dazu  gekommen  sei,  den  Dichter  unter  die  Sodo- 
miten  zu  versetzen  ;  ofl'enbar  auf  Grund  des  Sirventes  gegen  R.  de  Durforl  und 
Turc  Malee.  Ausführlich  und  eingehend  wird  der  Eintlufs  Arnauts  auf  die 
provenzalische  und  italienische  Poesie  dargestellt  und  die  Beschäftigung  mit 
den  Liedern  des  Dichters  bis  auf  lUe  Gegenwart  begleitet. 

Der  letzte  Abschnitt  legt  in  verständiger  Weise  die  kritischen  Grund- 
sätze dar,  die  der  Herausgeber  befolgt  hat.  Die  Anordnung  der  Lieder  be- 
treffend, mufste  auf  eine  chronologische  verzichtet  werden;  auch  die  Reihen- 
folge, in  der  die  J-ieder  in  den  Handschriften  stehen,  hat  ('.  nicht  berück sichtigl, 
da  die  Handschriften  und  Gruppen  hier  trotz  mancher  Üiiereinstimmung  doch 
erheblich  abweichen.  So  hat  er  denn  ein  Verfahren  eingeschlagen,  wie  ich 
es  ähnlich  schon  in  meinem  Peirc  Vidal  (1857)  beobachtet:  eine  Anordnung 
nach  der  Form,  aufsteigend  vom  einfacheren  zum  kunstvolleren. 

Die  Einrichtung  der  Ausgabe  ist  die,  dafs  zunächst  der  kritisch  con- 
stituierte  Text,  dann  die  italienische  Übersetzung,  dann  die  Lesarten,  endlich 
die  Anmerkungen  kommen.  Das  hat  freilich  für  <lie  Benutzung  grofse  Un- 
bequemlichkeiten, indem  man  an  vier  Stellen  des  Buches  nachschlagen  mufs. 
Dii*  Einrichtung  der  Lesarten  ist  so,  dafs  jede  einzelne  Handschrift  eine 
Rubrik  für  sich  bekommt,  höchstens  die  ganz  nahe  verwandten  Handschriften, 
wie  IKN*  oder  UV,  in  eine  Rubrik  gestellt  sind.  Auch  das  ist,  abgesehen 
von  grofser  Raumverschwendung,  eine  Unbequemlichkeit,  da  man  viel  schwerer 
M)  ül)ersieht,  welche  Handschriften  stimmen,  welche  etwa  Kreuzungen  der 
Lesarten  zeigen  u.  s.  w.  Der  Variantenapparat,  bei  welchem  mit  Recht  das 
Orthographische  ausgeschlossen  ist,  zeigt  sich  im  g<inzen  recht  sorgläUig  und 
genau:  dafs  einzelne  Versehen  und  Fehler  vorkommen,  wird  bei  dem  grofscn 
Material  nicht  wunder  nehmen.  Wünschenswert  wäre  es  gcwebcn,  bei  den 
einzelnen  Liedern  die  Blattzahl,  wo  sie  in  den  Handschriften  sich  linden,  an- 
gegeben zu  sehen. 

Lied  L  V.  2  hai  (.'  nicht,  wie  ('anello,  M.ihn  (Gedichte  421)  folgend, 
.ingicbt,  tiefen,  sondern  defrn.  aN»)  ein  Syni)nymum  zu  chapten\  ferner  ist 
angegeben,  dafs  dies  Wort  in  R  unleserlich  sei  (von  ('.  durch  Punkte  be- 
zeichnet; R  hat  iff  M'n.  w«ihl  verlesen  aus  Jr/t'n  (==().  Für  den  Eigen- 
namen liat  R  Raum  i;cla«.-en,  was  die  Punkte  bei  ('.  auch  nicht  richtig  aas- 
drücken. Auch  ist  nicht  genau,  daf>  ('  na  ynan,  IK  na  i/ui  haben;  alle 
drei  Handschriften  schreiben  zusammen  nur  nan  naina ,  und  daraus  ergiebt 
sich,  dafs  n\iina[n\  /u  Hennen  ist.  Die  (Übereinstimmung  zwischen  C  und  IK 
/eigi  ferner,  ilaf«*  ('anello-.  Loart  nu  Ena  nicht  richtig  ist;  denn  auch  die 
cntsullto  Le-iari  nu  muriti  in  A  tacili  auf  nahm,  ila  /'/  iìlTenbar  m  gelesen 
wurîc,    unti    endlich    aprichi    für  den  Auslaut  n  in  «lern  Namen  die  Überein- 


CANia.r.o,  LA  vu  A  e  lp:  oiuckk  dkl  tkov.  ai<naij)0  danmello.     585 

.slimiiiun}^»  zwischen  C  und  D,  wohl  auch  A,  da  ri  aus  n  entstellt  sein  kann. 
Der  Vers  ist  mithin  zu  lesen  chapten  ti* Ainan  e  sos  decs.  Die  Reimform 
(liman  bei  Raimon  von  Durfort  weist  ebenfalls  auf  consonantischen  Auslaut. 

Z.  3  hat  C  nicht  cauecx,  wie  C.  nach  Mahn  fehlerhaft  angiebt,  sondern 
richtig'  ciifit'cx:  ferner  hat  R  nicht  einfach  can,  sondern  es  wäre  zu  bemerken 
gewesen,  dafs  auch  hier  R  nach  can  einen  leeren  Raum  läfst. 

Z.  7  ist  übersehen,  dafs  auch  D  que,  nicht  que/,  queil  hat,  also  mit  CR 
stimmt. 

8  issir  hat  allerdings  A,  allein  die  Entstellung  csser  in  DHIK  weist 
auf  eissir,  als  die  ursprüngliche  und  ältere  Form,  deren  sich  also  der  Dichter 
bedient  hat,  eines  der  vielen  Beispiele,  wo  wir  durch  abweichende  Lesarten 
der  Handschriften  auf  ältere  Schreibung  hingewiesen  werden.  Wer  auf  der- 
gleichen Dinge  sein  Augenmerk  zu  richten  gelernt  hat,  wird  sich  doch  wohl 
berechtigt  fmden ,  von  der  Autorität  des  Schreibers  einer  Handschrift  sich 
loszusagen.  In  derselben  Zeile  liest  ('.  wieder  mit  Mahn  fecx  in  C,  ich 
las  secx. 

Z.  0.  I  schreibt,  wenigstens  nach  meinen  Angaben,  nicht  quies,  sondern 
qui  CS,  also  anders  aufgefafst.  Auch  hier  weist  die  Entstellung  auf  eis,  nicht 
die  triphthongischc  Form  icis;  eis  haben  DH  bewahrt.  In  R  las  ich  nicht 
nimtrcis,  sondern  mintrels  (==  C). 

Zu  1 1  gebe  ich  die  abweichenden  Lesarten,  weil  es  einer  der  Fälle  ist, 
wo  die  richtige  Lesart  in  keiner  Handschrift  sich  erhalten  hat,  sondern  erst 
aus  dem  Zusammenhall  der  Handschriften  sich  ergiebt.  el  becs  fos  Iones  et 
a¿;utz  haben  DHIK,  CR  el  bccx  que  fos ,  A  c  quel  becs  fos.  Die  echte 
Lesart  war  e  lo  becs  fos  loncò  et  agutz.  e  lo  ist  in  s|)äterer  Zeit  ungewöhn- 
lich, weil  die  Anlehnung  des  Artikels  Regel  wurde.  Wahrscheinlich  hatte 
schon  die  Vorlage,  auf  welche  alle  uns  erhaltenen  Handschriften  zurückgehen, 
fehlerhaft  cl  bccs,  und  die  Lesarten  von  A-fCR  r»ind  verschiedene  Versuche, 
den  zu  kurz  gewordenen   Vers  auf  das  richtige  Mafs  zu  bringen. 

Einen  ganz  gleichen  Fall  haben  wir  im  folgenden  Verse,  der  ursprüng- 
lich lautete  que  lo  corns  es  fers  e  pelutz.  Die  Schreiber  sprachen  quel  oder 
landen  es  schon  in  ihrer  Vorlage  ;  sie  streckten  daher  den  Vers  auf  ver- 
schiedene Weise:  (*R  haben  quar  lo  für  quel  {que  lo),  AH  schieben  nach 
fers  ein  liiitz.  IK  hal)en  latz;  dafs  dies  Wort  in  D  fehlt,  hätte  den  Heraus- 
geber stutzig  machen  sollen. 

13-15  hat  der  Herausgeber  anders  geordnet  als  sie  die  Handschriften 
haben;  er  bespricht  diese  Anordnung  S.  i8ò,  aber  es  wäre  doch  übersicht- 
licher gewesen,  wenn  er  bei  den  Lesarten  seine  Abweichung  von  der  Über- 
lieferung auch  markiert  hätte,  ebenso  das  Fehlen  und  Umstellen  einzelner 
Verse  in  CR,  was  S,  i86  besprochen  ist,  aber  bei  den  Lesarten  trotzdem 
nicht  telilen  duifie.  Als  V.  13  folgt  in  allen  Handschriften  V.  14  <les  Canello- 
>clien  Textes.      Dieser   V'ers  wird  von  ('.  so  hergestellt 

et  rs  prions:  ti  ins  ha  palutz. 

Ihi  ist  Conitetur  für  la  sänmitlicher  Handschriften.  Allein  schon  der  etwas 
abgerissene  Siil  dieser  Zeile  macht  die  Herstellung  nicht  wahrscheinlich. 
Auch  ist  autVallend,  dnfs  nicht  blofs  A  prion  hat,  nicht  prions,  wahrend 
diese   HanNthrift    die    Nominaliv-Rcgel    floch    durchaus  beobachtet,    sondern 


5^6  RIXKNSION'KN  UNJ)   AN'ZKKilON.     K.  HARTSCH, 

auch  (lie  I'lntsidhin^'en  in  CR  un.l  IK.  i/f//  un«l  />or^)  wci^fii  \\xlí  prion,  iiiclu 
auf  prion.s  hin.     Ich  Lîhiube  (hilier,  thifs  der  Vers  laulele 

r  pn\>fnP  ins  fs  la  palutz, 
priond  ins  wurde  als  pn'oti  dins  aufj^cfafsl,  und  dies  hatte  /.nx  Fol;:;e,  da  nun 
prion  la  palutz   nichl    >.timnilt.-.    dafs  iW  in  rn  verwandelt  wurde.     Die  Lesati 
vt)n  CK  Ie«4l    einen    íjan/,    and(?ren  Sinn    hinein:    tapón    j^ehört    zu  tapir  *  ver- 
stecken'. 

15.  Dais  C  tcllicn  lese,  i-^t  wieder  ein  Fehler,  den  der  Ilerausi^cbcr 
aus  Mahns  Abdruck  hat:    ('  hat  rcllirn. 

16.  Die  Schwieri^jkcit  dieses  Verses  bespricht  die  Anmerkung,  uline 
jciloch  /u  befricdij^cndem  Ergebnis  zu  j;clangen.  Ich  erwähne  zunächst,  dafs 
ADHIK  übereinstimmend  in  einem  Worte  haben  corne,  nicht  cor  nc,  was 
die  Lesarten  hätten  anj^eben  müssen.  Mir  scheint  audi,  dafs  corne  richtif» 
ist,  Conj.  praes.  vi)n  cornar,  rcdutz  ist  sicher  nur  andere  Form  von  rendut'^, 
vielleicht  soj^ar  die  ur^prün^jliche  J.esart,  da  redrc  seltener  als  rendre  ist. 
Sicher  ist  es  nichl,  wie  Chabaneau  vermutet,  in  re  dutz  zu  trennen.  Lsi  ren- 
du f..  in  dem  Sinne  von  'Mönch'  zu  nehmen?  Den  Pfaffen  sajóte  man  v<»n 
jeher  nach,  dafs  .sie  St)domiterei  trieben.  Dann  wäre  ein  Gej^cnsatz  zwischen 
dem  Miinch  und  dem  drufj,  dem  höfischen  Liebhaber,  anzunehmen,  prezi, 
«las  AD  haben  (D  hat  presi,  nichl  prezi\  ist  vielleicht  die  richtige  Lesart, 
wenn^^leich  (.'R  mit  per  so  die  l-,esart  per  si  zu  bestälii»cn  sclieinen;  es  ist 
I.  ]iraes.  von  prezar  und  davon  der  Satz  {que)  corne  rendutz  ahhän^^i^.  Dodi 
j;estehe  ich,  dafs  auch  dies  mich  nicht  recht  befricdijjcn  will. 

In  der  ftd^'enden  Zeile  ist  bei  den  Lesarten  nicht  angcj,'ebcn,  dafs  I 
(wohl  auch  FL)  haben  nia  sia  statt  mais  sia.  '¿.  18  ist  unrichtig»  an{*eführt. 
dafs  K  sabora  habe,  die  II >.  liest  vielmehr  sa  bocca,  als«)  der  echten  I^Mirl 
viel  näher  stehend.  Auch  habe  ich  mir  notiert,  dafs  cef  in  II  fehlt:  bei  ('. 
linde  ich  das  nicht  erwähnt.  Zu  19  i>t  fehlerhaft  bemerkt,  ilafs  K  lese  </iijjfii.>. 
es  liest  wie  ('  un«i  die  übrij^en  assais.  Auch  ist  nicht  ^enau,  dafs  C  pro  / 
habe,  ;;erade  die  üblich(t  Aussprache  als  eine  Silbe  (wie  /<»/.  tioi)  hat  die 
llinzufüj^uiif^  von  <///,ir  veranlafst,  weil  der  Vers  zu  kurz  erschien.  V.  29  i>l 
icns  cnn  R  bei  den  Lesarten  ein  Lese-  oder  Druckfehler:  die  Hs.  hai  ieu^ 
lini.  V.  24  hätte  nach  t'.'s  Anj^abe  nur  (.*  lor  ays,  aber  auch  R  hat  (or  ais, 
nicht  /('  rais. 

Zu  27  stimme  ich  tlem  Schlüsse  der  Anmerkuni»  bei,  dafs  die  Verande- 
run«;  corn  el  aus  comes  nicht  nötig  ist.  Der  Tempuswechscl  ist  hier  ^anz 
}^erechtferti}4t. 

28.  Die  Lesart  von  CR  (R  hat  nöz,  was  nicht  nonz,  sondern  nom  auf- 
/ulö^iiMi  war,  ein  Fehler,  der  sich  mehrfach  wiederholt;  vj^l.  TI  ii.  34,  VII  7  ele.) 
erwrist  sich  sofort  als  eine  Ánderun;^,  um  dem  zu  kurzen  Verse  eine  Silbe 
hiii/uzurü«;en.  Aber  es  fragt  ><ich,  ob  no  m\n.  was  .\  für  notn  aller  übrigen 
llandscliriften  hat,  nicht  auch  eine  solche  An»lerung  ist.  nom  acori  ist  die 
Lesart,  von  ilcr  auszugehen  i>t;  dafs  sie  fehlerhaft  ist,  erweist  der  Vers.  Ich 
denke,  auch  hiei  wird,  ähnlich  wie  in  V.  Fl  und  12,  die  nach  {j^ewöhnlichcm 
Sprachgibiauch  \idl/ogene  .\nlehnung  des  Pronomens  den  Kehler  veranlaf^t 
haben.  Dei  Dichter  schrieb  no  mi.  lUnn  no  me  wird  man  vor  vocalischem 
Anlaut  .h>  \'erbuni<  Wohl  nielli  wagen  tlürfeii.  Vielleicht  ist  mi  aach  als 
in  i  aul/iila-'.sen. 


CANKLLO,    LA  VU  A  K  LE  Ol'ERIÍ  DEL  TKOV.  ARNALDO  DANIELLO.       587 

3u.  R  liat  nicht  //..  sondern  ¿\  also  btr\  in  iler  folgenden  Zeile  liest  K 
corna  se.  nicht  conuise,  was  in  den  Lesarten  bei  Candió  den  Eindruck  einer 
Conjunctivform  macht;  eine  solche  ist  nur  das  cornessa  in  C,  eine  aus  jüngeren 
Quellen  wohlbekannte  Form  des  Praet.  conj. 

34  las  ich  in  R  fents,  mchi  fetn s ,  und  so  mufs  wohl  auch  gelesen 
werden,  da  sonst  der  Vers  in  R  zu  kurz  wäre.  Ferner  verdiente  bemerkt  zu 
werden,  dafs  D  zusammenschreibt  peizol ,  weil  daraus  die  entstellte  Lesart 
pezoill  in  A  sich  erklärt. 

37.  Fehlt  gran  wirklich  nicht  in  D.^  Ich  hatte  es  mir  so  notiert. 
Kbenso  ist  mir  zweifelhaft,  ob  die  Angabe,  dafî*  D  in  der  folgenden  Zeile 
vostre  {=  (  R)  liest,  richtig  sei.  Dies  wäre  eine  merkwürdige  Übereinstim- 
mung in  einer  fehlerhaften  Lesart,  die  einen  näheren  Zusammenhang  zwischen 
D  und  CR  verriete,  als  er  sonst  begründet  ist. 

39  gicbt  Canello  nach  Mahn  als  Lesart  von  C  an  tug  lj\  allein  die 
ILindsclirift  hat,  wenigstens  wie  ich  las,  tugh. 

40.  Möglich  ist  allerdings,  dafs  A  xíví'í  fora  recht  hat  gegen  vengra 
DHIK,  indem  diese  die  Wiederholung  von  fora  38  vermeiden  wollten;  aber 
denkbar  ist  doch  auch,  dafs  A  fehlerhaft  in  den  früheren  Vers  hineingeriet. 
Dafs  in  der  folgenden  Zeile  nicht  le  fonili,  sondern  Vefonill  zu  schreiben  ist, 
hat  Chabancau  bereits  hervorgehoben;  ich  bemerke,  dafs  C  nicht  le  fonili, 
sondern  lefonill  in  einem  Worte  schreibt,  was  die  Zusammenfassung  be- 
.sliiligt.  Übrigens  wird  der  in  DHIK.  überlieferten  Form  enfonill  der  Vorzug 
zu  geben  sein.  Bei  42  hätte  auch  pcntenil  als  Lesart  von  C  Erwähnung  ver- 
dient. Bei  43  ist  zwar  angegeben ,  dafs  dieser  Vers  in  A  fehle,  aber  nach 
meiner  (  'oUation  der  AViener  Abschrift  von  D  fehlt  er  auch  in  D.  Gleich- 
falls uidjemerkt  geblieben  ist  bei  den  Lesarten,  dafs  R  zum  Ersatz  für  V.  42 
hier  eine  Zeile  einschiebt. 

46  at  rail  in  11  ist  oflenbar  entstellt;  (.'R  haben  e'^/r///r,  Canello  schreibt 
./////.  Aber  //■  ist  durch  die  Lesarten  beider  Klassen  gesichert,  und  da  ail 
in  11  des  Reimes  wegen  falsch  sein  mufs,  so  war  die  letzte  Silbe  trill.  Ein 
atrillar  giebt  es  nicht,  man  kcinnte  nun  estrilh  nach  CR  schreiben.  Ich  lese 
mit  näherem  Anschlufs  an  H  astrili  =  lat.  adstrigilare.  estrilhar  heifst  über- 
iragcii  'plagen,  placken',  altd.  'müejen',  astrilhar  wäre  a^so  'bemühen', 
\\istrilliar  'sich  bemühen'. 

48  el  sein  nehme  ich  im  Sinne  'im  Sitzen',  und  schreibe  für  das  ent- 
stellte traig  del  in  il,  nach  traue  la  CR,  trauquel. 

40  ist  bei  den   Lesarten  übersehen,  dafs  R  liest  e  pueis. 

Lie<l  11.  Mir  ist  nicht  wahrscheinlich,  dafs  der  Dichter  in  der  ersten 
/eile  jeder  Sirophe  einen  inneren  Reim  beabsichtigt  hat.  Darauf  führt  zu- 
nächst der  Umstand,  dafs  die  Stellung  desselben  wechselt;  in  der  ersten 
Siroj)he  lallt  er  nach  der  3.  Silbe,  in  der  zweiten  nach  der  2.,  in  der  dritten 
11. iL  h  der  5.,  ili  der  vierten  nach  der  4.,  in  der  sechsten  nach  der  2.  Dazu 
kommt,  dafs  er  in  der  fünften  ganz  fehlt,  in  der  sechsten  nur  in  drei  Hand- 
sclnilten  sich  rindet.  Nun  ist  allerdings  Wechsel  in  der  Stellung  des  inneren 
Reimes  etwas  nicht  ungewöhnliches,  aber  eine  solche  Unregelmäfsigkeit  ist 
doch  kaum  naeliweislich,  und  eineni  Verskünstler  wie  Arnaut  Daniel,  der  in 
Licil  IX  ein  Strophengebäude  mit  tien  künstlichsten  Inreimen  ganz  streng 
durcliführi,    am  wenigsten  zuzutrauen.     Man  müfste  ferner  annehmen,   dafs  er 


.5«^8  KKCRNSIONMCN  UNM)  AN/KKiKX.    K.  HAKTSCH, 

•Itni  Rcimt-  /u  Kicbc  in  V.  I  o  ori^^oi//  siati  ttf^i^-oiV/s  pcsaj^t  hätte,  was  ln-i  iluii 
koine  Analtj<iic  hai.  Was  die  Strophciibilihiiiy  betrilVt,  so  kann  man  schwanken, 
ob  die  viersibipen  Verse  nicht  teilweise  /u  Paaren  zusaninicnzufassen  siml; 
ich  wäre  j^eneij^t  V.  4  und  5,  7  und  S  jeder  Stroplie  zu  achtsilbi^'cn  Zeilen  /u 
verbinden,  da  Strophen  mit  s<>  vielen  kurzen  Versen  nicht  üblich  sind.  Doch 
darüber,  wie  gdsaj^t,  läfst  sich  rechten. 

Im  einzelnen  bemerke  ich  zu  Text  nnd  l^sarten  folgendes.  Z.  i  hat  C 
nicht  tfofi,  sondern  (fo/.  Die  Erklärung,  welche  Canello  in  der  Anmerkung 
von  {/(>//  giebt.  ist  nicht  richtig:  fioiV  ist  nicht  aus  de  ubi  illi  entstanden, 
s»)ndern  aus  de  unde  illi,  es  steht  fur  doiilh\  wie  franz.  ¿r/  aus  cnL  so  ward 
iioulk  doih,  aus  doni  dol.  Allerdings  kommt  0  für  on  aus  uhi  vor;  ein  dv 
aus  de  ubi  i^t  mir  nicht  bekannt,  und  wenn  es  wirklich  vorkäme,  so  wäre  e> 
damit  als  Vertreter  de»  Genitivs  des  relativen  Pronomens  nicht  erwiesen,  dieser 
lautet  immer  don.  Die  Frage,  ob  doi!  einen  reinen  Reim  auf  ori^uiU  etc. 
giebt,  komitii  hier  für  uns  nicht  in  Betracht,  ila  wir  an  dieser  Stelle  über- 
haupt keinen  Keim  annehmen.  Aber  wenn  man  Reim  annimmt,  so  folgt 
daraus,  dafs  auch  toiil.  broilt  etc.  zu  schreiben  ist,  und  nicht  blofs  in  diesem 
l.ie«le,  sondern  durchgängig,  da  der  Dichter  nicht  o  :  uo,  sondern  0:0  ge- 
reimt hat. 

V.  2  hat  R  eras,  nicht  rni  ;  V.  7  haben  nicht  IKN-  e  c,  e  b.,  sondern 
ilie  Handschrift  c.  V.  iS  hat  N  knbrii\  wenigstens  ist  C.'s  Angabe  irreführend, 
da  bei  R  /'.».  angemerkt,  al>o  der  Artikel  beigefügt  ist,  könnte  man  glauben. 
dafs  N  den  Artikel  nicht  habe.  Diese  Undeutlichkeil  der  T^csarten  begegnet 
mehrfach. 

V.  10  hal)en  den  Singular  /V/  brnoi/i  u.a.  nur  BLPRSc.  also,  was  Be- 
achtung venlient.  nicht  A,  die  sonst  mit  BÎJ*S  zusammengeht.  Ferner  i>t 
bemerkenswert .  dafs  c  schreibt  /V/v  (mit  fehlerhafter  Initiale  für  /«•/.».  wie 
auch  !.  was  ('.  nicht  angiebl,  /)r/.  statt  /VA.  \va\)  hrui/h,  also  das  erste  Wort 
noch  in  pluralischer  Forni.  Man  sieht,  ilafs  die  Vorlage  von  c  den  Plural 
halte,  und  <rst  der  Schreiber  >eizte,  um  einen  Reim  zu  gewinnen,  bruilh  im 
Singular.  Kin  gleiches  ist  hier  und  an  anderen  Stellen  anzunehmen  für  die 
llandschrifun,  die  abweichend  von  tlcn  übrigen  in  <ler  ersten  Zeile  der  Strophe 
inneren   Reim  h.d)en. 

V.  n  l)i:iierke  ich,  «lafs  nach  meiner  Collation  der  Wiener  Copie  von  D 
vliesc  Hs.  iiai  //■'  ntt-n,  nicht  ntni.  Die  ur>prüngliche  Fassung  des  Verses  war 
f  /.'•/•  </:(\*fff  n-i  ntt-  f,i.<sti  crim.  Sämmiliche  Änilerungen  der  Handschriften 
;^ohen  auf  die  Hoeitigung  iles  //i»  w,-  zurück,  da  nom,  die  angelehnte  Form 
Ics  Pri»noinens.  im  1  v  Jahrh.  «las  übliche  war.  Daher  die  Einschiebnng  von 
»  •  in  Ali.  von  r  1:  in  l'RS.  un<l  ilie  l.e>.'irt  no  nte-n  in  den  übrigen,  mit  Aus- 
nahuK'  von  L  un  1  N-.  N-  hai  r-^»f  n*»/.  L  tyn<  no,  beide  also  fehlerhaften 
Vers:  ^ic  haben  niiihin  ilas  echie  relativ  ani  treusten  bewahrt.  Vennutlich 
liattc  schon  «lie  Vorlage  der  Mss.  die  übliche  angelehnte  Form  (nom),  und 
der  min  cnistandene  iiuiii-clu-  Fehler  wurde  auf  verschiedene  Art  beseitigt 
iv;^l.  /u  111'.  WtiuM  halle  idi  vue  Lesart  t//é\'w.  nicht  cue  {=■  ABL)  fur 
lie  rirhiiijr.  -Kî   I*^,    lie  >.mi-i  mil  ABl.  gehen,  hier  zu  den  übrigen  stimmen. 

i;.  Wi.r.n  .lie  l.i^aii  ;  :  i:'  L  betnerkt  wurde,  «¿o  war  vielleicht  noch 
:'.'i»  ■:  Mivichnn!.  '...Ñ  F  .'./.  "  li-sî.  Bei  1 7  ist  unerwähnt,  dafs  R  mit 
..•:^c!u  lì    l\>.i:iu    lie»-:     .•*•  .\-.     In   V   10  hat    I*    nicht    Pfti/   ho   ihU,    soDdeni 


CANKLLO,    LA  VITA  E  LK  OFFKK  DKL  TROV.  ARNALDO  DAXIKLLO.       58g 

Petit  vai,  mil  febìcrhaflem  Verse  wefjen  d\imor  für  d\imador,  während  S 
(lie  richtijíc  Lesart  bewahrt  hat.  Sollten  ferner  nicht  die  Lesarten  von  G  und 
Q  vertausclit  sein? 

20  ziehe  ich  die  Lesart  qu^ades  vor,  da  sie  durch  die  Übereinstimmung 
von  PS  mit  CD  etc.  bestätigt  wird.  Freilich  kann  dem  entgegengehalten 
werden ,  dafs  auch  R  mit  ABL  in  leu  zusammentrifft.  Aber  R  stimmt  mit 
L  auch  /.  B.  in  V.  23  überein,  wo  sie  doch  nicht  die  richtige  Lesart  haben. 

26  terrim,  nicht  tenim  hat  der  Abdruck  von  P  im  Archiv,  also  ■*  S. 
Auch  in  der  folgenden  Zeile  hat  der  Abdruck  contr,  nicht  conq,  wie  Canello 
angiebt;  ebenso  29  Bella,  nicht  Della,  auch  der  Abdruck  von  S  bei  Mahn 
hai   bella.     34  hat  I  iawJc. 

36  ist  auf  Grund  der  handschriftlichen  Überlieferung  sicherlich  que  lor 
o  coilla  die  richtige  Lesart,  jedenfalls  auch  grammatisch  richtiger  als  lor  acoilla: 
'dafs  ich  es  ihnen  {=  von  ihnen)  hinnehme,  mir  von  ihnen  gefallen  lasse'. 
Aiifserdem  steht  acoilla  schon  V.  51. 

37  hat  C  nicht  ad  estlalh,  sondern  ad  est  talh.  Dafs  esdaill  als  ein 
Wort  zu  schreiben  ist,  hat  schon  Chabaneau  in  der  Anmerkung  mit  Recht 
hervorgehoben. 

41.  Warum  hat  (fanello  der  Lesart  ans,  die  doch  nur  in  dr«i  Hand- 
schriften (DJÍN)  überliefert  ist,  den  Vorzug  gegeben?  partir  kann  ebenso 
gut  intransitiv  wie  reflexiv  gebraucht  werden,  wie  im  Deutschen  'scheiden* 
und  'sich  scheiden'. 

42.  Auch  hier  geben  die  Lesarten  zu  Mi fs Verständnis  Anlafs,  indem  bei 
nill  der  Artikel  teils  gesetzt,  teils  weggelassen  ist:  ST  Poil,  L  Poil,  DIK  etc. 
oill.  Danach  kcinnte  es  scheinen,  als  wenn  letztere  Handschriften  den  Artikel 
nicht  hätten,  was  doch  nicht  der  Fall  ist. 

46.  Die  Übereinstimmung  von  AB  mit  allen  Handschriften  aufser  LPS 
macht  es  wahrscheinlich,  dafs  die  Einführung  des  inneren  Reimes  auch  hier 
eine  Änderung  ist.  Denn  wie  wäre  sonst  genealogisch  jene  Übereinstimmung 
/u  erklären?  Bei  den -Lesarten  wäre  übrigens  zu  bemerken,  dafs  L  liest  6>.c 
noPH    toill. 

52  las  ich  in   P  nicht  trinuidor,  sondern  truizador  (IKS  haben  trizador). 

Lied  IIL  14  hat  a,  was  bei  den  Lesarten  nicht  angegeben  ist,  cobre  en 
siali  cìiehrem  (!K.  Hier  ist  o  statt  uè  in  einer  Handschrift  überliefert,  in 
V.  33  voll  stall  lueill,  vuelh.  Wenn  in  II  doill  :  ori^'^oill  reimt,  wie  Canello 
innimml,  so  ergiebi  sich  daraus,  dafs  A.  D.  so,  und  nicht  rueill,  und  in  unserm 
Liede  nicht  fueilla,  tueilla  etc..  sondern  foilla,  tailla  gesprochen  hat.  Wir 
>iiid  also  nicht  l)lof«>  berechtigt,  sontlern  vom  Standpunkte  methodischer  Kritik 
verpflichtet,  auch  dann  diese  Formen  zu  setzen,  wo  sie  wie  in  HI  Strophe  l 
von  keiner  der  drei  Handschriften  ('Ea  überliefert  sind.  Dies  im  Hinblick 
auf  die  Anmerkung  I    S.  "¡i). 

28  glaube  ich  nicht,  dafs  C  die  richtige  Lesart  in  den  beiden  ersten 
Silben  überliefert  hat.  C  hat  tornieu,  a  trou  tran,  E  terra  torn.  Daraus 
ersieht  sich ,  <laf>  zwei  mit  /  anlautende  Silben  auf  einander  folgten.  Ich 
«lenke  trestorn  oder  trastorn  wird  <lie  richtige  I^sart  sein,  troti  kann  ver- 
lesen sein  aus  fräs,  ferra  aus  T/v/  entstanden,  und  dies  aus  /m*,  indem  «las 
übergeschriebene  s  als  Abkürzungs/eichcn  gelesen  und  daher  an  falsche  Stelle 
gesel/t   wurdi'. 


5gO  RKCKNSIONF.N  UND  ANZKl(ib:N.     K.  HAR ISCH, 

3v  r>ii'  onl-ilcUtcn  Lesarten  von  CK  scheinen  mir,  im  Zusnnimenliali 
mit  a,  auf  .*/  (/u\un  Jail  inemblc  zu  weisen,  (-anello  schreibt  si  tjii'eii.  (' 
hat  v/  qut'tt  nianihlt'.  was  auf  si  qucun  iti  mble  (=  memble)  zurückgeht,  K 
v/  ijuen  Uiial  mamhlt'  aus  si  quenti  iiil  membie.  Aber  auch  wenn  man  tjueu 
liest.  So  ist  die«*  ein  J^cwcis,  dafs  die  Vorlaj;e  von  CE  eu^  nicht  ifu  schrieb, 
und  jene  ältere  Form  ist  daher  für  Arnaut  durch/.ufühzen,  auch  wo  die  Hand- 
schriften icu  haben. 

45  ai  plus  hat  a,  plus  ai  K,  ein  im  {ganzen  fjlcichgiltifjer  Punkt.  Aber 
wahrscheinlicher  ist  doch  inmier,  dafs  bei  der  Lesart  dont  cu  ai  plus  (r=  a) 
eine  Umkehr  wegen  des  Zusammenstofses  tu  ai  stattfand,  als  das  ent;jcj;en- 
«»esetzte. 

48  «jiebt  ('anello  an  ciurlili  K,  aber  sein  Text  hat  ja  nicht  cill,  son- 
dern cel. 

4»).  Ich  bin  auch  der  Ansicht  (.'ancUos,  dafs  in  a  die  echte  Lesart  er- 
halten ist  (S.  201).  Die  Veibindunj^  taut  per  ist  nicht  anfìal1en<l,  da  A\< 
verstärkende  per  seine  Stell  un  jj  j^ewidmlich  vor  »lem  Verbum  und  nach  einem 
antlercn  Adverbium,  meistens  molt^  hat  (Hoethius:  molt  per  foretiS. 

58  hat  a  nicht  //,  sondern  /*•.  aufserdem  /«•/,  was  Beachtung  verdient, 
weil  auch  hier  die  diphlhonp^ische  Form  leis  «ler  triphthon{>i^i'hen  lieis  al< 
die  ältere  vorzuziehen  ist. 

Lied  ÍV.  Das  Lied  ist  in  den  Handschriften  sowohl  Arnaut  Daniel  (A) 
al«i  (iuiraut  de  Borneill  (r)"N-)  beij^elejit.  Die  Autorität  der  Handschriften 
ist  ziemlich  gleichstehend,  vlenn  die  Bedeutung  von  N'  wird  man  nicht  hoch 
anschlagen  dürfen.  Auch  seinem  (-harakter  nach  kann  das  Lied  sowohl  von 
dem  einen  wie  von  dem  an«lern  Troubadour  verfafst  sein,  <lcnn  beide  haben 
in  schweren  Riimen  gedichtet,  (ileichwohl  spricht  manches  j^cf^cn  die  Auto- 
rität von  A  und  für  DN-.  Arnaut  j^llegt  fast  in  allen  Liedern  im  Geleit  oder 
in  der  letzten  Strojdie  (VÎ  34)  seinen  Namen  anznbrin(;en.  Ein  Bertrán,  der 
hier  im  (Teleile  angeredet  wird,  kommt  sonst  bei  A.  I).  nicht  vor,  wohl  aber 
hat  ihn  (iuira\it  de  Horneil:  li  dui  Bertrán  Çtx.i\i^  \(i,  Allerdin^  macht 
('.mello  auf  mögliche  Beziehungen  zwischen  Bertrán  de  Born  und  A.D.  auf- 
merksam tS.  3K  anderseits  aber  hat  er  selbst  eine  autVallende  Übereinstimmung 
im  (ieleilf  niit  einem  Licde  Guiraul  s  tiìr.  242.  4<))  hervnr^hobcn.  Man  winl 
daher  be^sov  iluin.  »la^  Lied  bei  A.D.  zu  sireichen  und  im  Gr.  nach  242.42 
ein/ureihen. 

V.  4  ««ch  reibt  *  .  ,■/  t-utretim,  A  hat  eu  lent  ricini,  Y  en  ìantrecim\  es 
ist  kein  (ìrund  vi^rhandcn,  das  in  beiilen  INs.  Überlieferle  en  /*  in  r/  zu  ver- 
wandeln. 

5.  AuiVallcnil  isi.  dafs  beide  INs,  nicht  clar^  sondern  cìcr  (A  f//>r)  haben 
i(\nullo  gioln  nur  r.VíV  an.  hat  D  wirklich  rlar?).  Da  die  Form  im  Reime 
bellici  1*^1.  bei  Bern.îri  vimi  Veniailorn  </",—,  z-,/  :  elent  etc.  Gr.  70,  3)  so  ist  sie 
nicht  .^Ivie  weiteres  .11  voiwerfen.  wenngleich  sie  wie  auf  franzoMSchem  Ein- 
liiiÑ  beiulitnd  .iU sticht. 

ÌO.  In  .Irin  :  von  A.»/;:  da*  zu  :\'.',-  gehörige  frflexîve  s  zu  when,   wie 

t '.mello  in  lîvi   Annurkiin;^  tüi   möglich  hält,    gehl  nicht  an,    da  dies  nicht  in 

V.  I    li.mv'i    \\\  i-i'    .\n;:.  lehnt    wiid.     ,-\us    »lie-em   Grunde   trage   ich    auch  Be- 

ienUt  n  ,*  •    '  ;.     .-  .'.  ■/?.    33  .d-   tichiig   anzuerkennen.     Denn   die  in 

lìti   A:;mìi  Tkr.:;:^    .íí-.^i  lull  ili  ií    .'limliihen   KälK-    «»o   harter  Knklíscn  haben  doch 


CANELLO,    LA  VITA  E  ÌM  OPERE  DEL  TKOV.  ARNALDO  DANIELLO.       59  I 

nicht  ohne  weiteres  für  jeden  Dichter  GeUnnfj  und  sind  überhaupt  so  selten, 
dafs  sie  in   den  Text  einzuführen  bedenklich  ist. 

V.  13  (ioas  zweisilbig  gebraucht  ist  nicht  ein  Archaismus,  sondern  ent- 
spricht durchaus  dem  Gebrauche  der  guten  Zeit. 

19.  Das  von  (fanello  gesetzte  esclembla  ist  allerdings  sinnreich  aus  dem 
Italienischen  begründet;  da  jedoch  escletnba  in  D»»  ebenso  gut  ein  Schreifehler 
für  t'scembla  sein  kann  und  auf  diese  Lesart  auch  A  {ceiembfa  =  rcsenibia, 
s  und  /,  c  und  e  vei lesen)  zurückzugehen  scheint,  so  bleibe  ich  bei  escembia, 
welches  ich  =  *exinvo]are  nehme;  sc  wie  in  escemir  (=  eximere),  das  das 
(tIoss.  occ.  hat. 

23  hat  auch  D  tnons^a.  In  V.  27  ist  o  auf  V.  25  zu  be7Íehen:  'sie  be- 
nimmt mir  das  Leben  ohne  sie'. 

30.  Mit  na  weifs  ich  nichts  anzufangen;  die  Personifikation  der  Mes- 
volitila  wäre  wohl  statthaft,  aber  das  beigesetzte  devisa  als  'stessa,  in  per- 
sona' zu  erklären  geht  nicht  wohl  an.  Es  mufs  daher  wohl  mit  D  gelesen 
werden  sa  devisa,  auf  yíwc/' bezüglich  ;  als  Object  \çm  falsar.  In  der  letzten 
Zeile  behalte  ich  m^en  posea  bei,  w'  ist  in  medialem  Sinne  zu  nehmen;  D 
hat  poscovi,  aus  dem  schliefsendcn  ///  nehme  ich  die  zu  ergänzende  Silbe  und 
schreibe  m'en  posea   neis  falsar  un  fil. 

35  Po  ist  wohl  nicht  richtig:  wenn  es  bedeutete  'es  ihm*,  so  würde  A 
dem  üblichen  provenzalischen  Gebrauche  gemäfs  geschrieben  haben  loi,  es  ist 
also  lo  'es'  zu  schreiben  oder  o  mit  D,  denn  man  kann  sillo  in  A  trennen 
sill  0  (D  hat  seil  0),  und  man  trennt  vielleicht  besser  so,  da  die  Handsidirift 
die  Mouillierung  im  Auslaut  meist  durch  ///  bezeichnet. 

37  hat  A  (jand  el,  nicht  qan  del,  also  eine  unrichtige  Wortabteilung 
und  demgemäfs  Auffassung,  die  Wiener  Abschrift  von  D  hat  cane  del,  was, 
wenn  es  wirklich  so  in  der  Handschrift  steht,  anzugeben  war. 

39  sol"]  die  Angaben  von  Canello  weichen  ab  bei  den  T^sarten  und  in 
»len  Anmerkungen.  Dort  wird  als  Lesart  von  D«  angegeben  sei,  hier  sol 
( — ■■  A);  nach  meiner  ('oUation  der  Wiener  Abschrift  ist  sol  die  Lesart  von 
D«.  Dies  in  el  /u  verändern  ist  kein  Grund  vorhanden;  ich  übersetze  'wenn 
«lie  Liebe  ihm  das  Auge  ausreifst,  so  dulde  und  folge  er  mit  demütigem 
llcr/eii,  wenn  sie  (die  Liebe)  nur  es  ihm  dann  salbt'. 

40  hat  D  nach  der  Wiener  Abschrift  sifre  e  se^-^ua.  Dies  scheint  mir 
darauf  hinzudeuten,  <lafs  von  den  beiden  a,  welche  hier  als  elidierbar  in  Be- 
tracht kommen  (sofra  --  sei^'-ua)  das  erstere  zu  elidieren,  also  snfr^  e  seç-a  zu 
schreiben  ist.  Dies  stimmt  auch  besser  zum  Khvthmus,  denn  wenn  auch  der 
sieben-  oder  achisilbige  Vers  keine  feste  ('äsur  hat,  so  fallt,  falls  eine  vor- 
handen, dieselbe  meist  nach  der  dritten  oder  vierten  Silbe,  hier  also  ist  tier 
Hiatus  am  wenigsten  störend.  Canello  schreibt  sofra  e  sega,  ohne  eine  Ab- 
weichung von  D  an/.uge]>en,  und  läfst  somit  unentschieden,  welches  a  zu  eli- 
dieren sei. 

47  halte  ich  die  Lesart  von  D»  für  die  richtigere;  loigna  in  A  ist  Lese- 
fehler für  ioigna  'jungat':  'denn  nicht  will  ich,  dafs  Scherz  mit  Schande  und 
Tadel  mit  Khre  sich  verbinde',  joigner  intransitiv  gebraucht  kommt  öfter 
vor.  Daher  ist  ;iuch  bla^tne<i  in  D"  richtig,  wenngleich  die  Hinzufügung  des 
Artikels  nicht  richtig  ist.     Wäre  i^abs  Acc.  ])lur.,    nicht,   wie   ich    es   nehme. 


5g  2  RECENSIÓN  EN  Í^Nl)  ANZEIGExN.     R.  BARTSCH, 

Nom.  sinj^.,    dann    wünlc    ilio  Inconj^iucn/.    nutìallcn,    tier  Dichter   halte    tlann 
wohl  i^ap  ^^CM'hrit'hcn. 

Lied  V.  2  fiä  ist  si)ra('hlicli  unrichtig:  t'ii  Io  kann  nur  ei  ^eben.  In 
V.  4  haben  nach  meinen  Aiil/eichnungcn  sowohl  E  als  a  nicht  latiwi,  sondern 
tiuzel.  Die  richti^^e  Le>art  hat  sich  also  in  a  erhalten,  ranas  -  auzel  ohne 
ArtiUel;  K  sctzlc  den  Artikel  und  vorletzte  dadurch  das  Metrum.  Auch 
vertlicnit    l-'-iwähnunj,',  tiafs  a  statt  hose  liest  boi. 

\.  Die  Änderung;  von  (anello  scheint  mir  nicht  richtijj.  denn  sie  sel/t 
die  (!äsur  nacii  der  sechsten  Silbe  voraus.  wa.>  bei  A.  D.  keine  Analogie  hat, 
wenn  sie  auch  zuweilen  vorkonmil.  ich  ^jlaube  vielmehr,  dafs  a  mit  fior  das 
richtige  bewahrt  liat.  Kntweder  ist  ein  Verbum  fiorar  anzunehmen  {ßoratz 
hat  das  Gloss.  (Hc.  ohne  Beleg,  aufserdem  kommt  es  bei  Arnaut  Vidal  vor) 
oder  von  fiorir,  eine  nicht  inchoativische  Bildung,  da  bekanntlich  bei  Verben 
auf  ir  beide  I*'ormen  (reine  und  gemischte  Conjugation)  mehrfach  vorkommen. 

U  hat  K  nicht  rft^iiia,  wie  Mahn  druckt,  >ondern  entweder  ist  rt'r.\itia 
oder,  was  wahrscheinlicher,  rci^sida.  also  die  ganz  richtige  Form,  zu  lesen. 

~.  Hat  K  wirklich  autrr  ji^t-n':  Ich  las  aufra  ¿i^en ,  mit  einem  Keim- 
punkte dahinter,  wie  auch  in  iler  vorhergehenden  Zeile  nach  .;'t'//.  worin  tier 
Schreiber  otïenluir  Reimworte  gesehen,  und  da«,  war  lier  Grund,  weswegen  er 
••rii  statt  irrn.-^  hier  schrieb. 

()  las  ich  in  a  st'/.'-tfra/t.  nicht  scji^^urai:  1 1  hat  E  nicht  ca-pors  (Mahn), 
sondern  capdes,  also  die  häutige  Verlauschung  von  s  und  /.  Hat  Z.  12  a 
wirklich  fnior't  ich  las  paor.  V.  14  hat  K  nach  meiner  Lesung  /»//,  nicht /fi/. 
wie  Mahn  hat.  Da  von  der  Lesung  iai  mithin  auszugehen  ist  {¡ai  fehlt  in  a), 
so  ist  von  tier  Krkläiung,  die  (anelh)  in  der  Anmerkung  giebt,  abzusehen. 
In  per  <;ehe  ich  einen  allen  Lesefehler  Vxlx  pren:  lai  pre»  estar  *  nimmt  dort 
Wohnung*.  Da  p  un<l  /  oft  in  Handschriften  verwechselt  werden,  so  ist  eine 
Knistellung  von  prett  in  per  wohl  möglich. 

17  liest  K  nicht  e.sfrui^,  sondern  estuj^  mit  übergeschriebenem  1/,  der 
Schreiber  geriet  also  in  das  Keimwort  von   15,  besserte  aber  den  Fehler. 

20.  Hat  a  enfili  a:  ich  las  e\iit/a,  und  die  Vorlage  von  a  hatte  in  jedem 
i''alle  so.  Ich  nehme  Merces  ebenfalls  ])er.sönlicii,  wie  Awors;  denn  dafs  ein 
antleres  Wc-^en  hier  angeredet  wird ,  ist  aus  dem  e  vos  der  vorhergehenden 
Zeile  wahrscheinlich:  auch  liie  iïorm  mereeò  weist  darauf  hin,  man  würde 
sonst  merce  erwaiten. 

24  hat  a  liir,  nicht  liij^^.  In  V.  25  ist  die  Angabc  der  Lesarten  von  E 
bei  Mahn  um!  ("anello  nicht  genau:  M  hat  w\i¿\\l  mentirs  espei,  sonatiti /uertfir 
sespei.  Da  nun  a  meníirs  .sespt'ì  hat,  so  emi)längt  ilurch  E  diese  Lesart  eine  Be- 
stätigung, und  demgemäfs  ist  mentirs  s*espel  zu  schreiben.    Vgl.  Candios  Anm. 

2.S  las  icli  in  a  sel  soi,  nicht  eei  soía.  V.  38  sind  die  Lesarten  von  E 
unrichtig  nach  Mahn  angegel)cn  :  K  hat  richtig  sis  nan  (s=  a),  aufserdem  nicht 
pie/...  sondern  vielleicht  piei...  wenn  nicht  etwa  prêt.,  /.u  lesen  ist. 

Lied  VI.  Auch  hirr  sind  mehrere  auf  dem  Abdrucke  bei  Mahn  be- 
ruhende L-nrichligkeiien  in  den  Lesarten  zu  bemerken.  5  hat  E  guieu,  nicht 
quien.  ()  ist  in  ("  ausgelassen,  tlic  Punkte  im  Abdruck  bei  Mahn  konnten 
allerdings,  da  sie  bei  E  das  weggeschnittene  bezeichnen,  zu  dem  Irrtum  ver- 
anlassen, tlafs  sie  hier  «lie  gleiche  Betleutung  haben.  14  hat  K  f//ii7/fiiw,  nicht 
nai//,i}i.      17  liest  (!  (]uel>ui.\.   nicht  quelaiis.     2»)  hat  E  senher. 


CANELLO,    LA  VTl'A  E  LE  OPERE  DEL  TROV.  ARNALDO  DANIELLO.       593 

In  der  Schreibung;  schliefst  sich  Canello  hier  im  j^anzen  an  E  an,  aber 
mit  mehrfachem  Schwanken:  V.  5  haben  beide  Handschriften  quWeu,  Canello 
«ichreibt  qu'^u,  dage^jcn  V.  7  etc.  qii'ifu.  14  hat  E  d'ai,  C.  mit  C  qu^ai. 
20  K  soi,  C.  mit  C  sui.  21  K  carte,  C.  qu'ami  C  hsLt  qui^u.  26  haben  beide 
Handschriften  puec\  da  in  anderen  Fällen  ue  beibehalten  ist  (z.  B.  in  Hueimais 
29  etc.),  so  fragt  man  sich,  warum  hier  o  gesetzt  wurde.  In  der  Anm.  sagt 
der  Herausgeber,  er  habe  es  der  Gleichmäfsigkeit  der  Reime  dol,  vol  etc. 
wegen  gethan.  Allein  puec  ist  hier  I.Person,  nicht  3.,  yi2S  dol,  z/a/ etc.  sind. 
äuei,  vuel  lautet  diese  niemals,  die  Diphthongierung  ue  ist  dagegen  in  der 
I .  Person  in  jüngeren  Handschriften  ganz  üblich  ;  Jue/h,  vuelh  schreiben  z.  B. 
CR  immer.  Und  wenn  einmal  die  Gleichmäfsigkeit  bei  der  Schreibung  in 
Betracht  kam,  so  mufste  sie  in  ganz  anderem  Mafse  einwirken.  26  defamar 
nìit  ;  haben  beide  Handschriften,  fanello  s.  27  E  cela,  C  selha,  CaDello 
schreibt  celha,  aber  talk,  wie  C  hat,  giebt  er  wieder  durch  toi  s»  E.  Richtig 
war  beiiiemal  cela  und  toi.  28  anz  hat  keine  Hand.schrift,  beide  haben  ans, 
32  cofti  hat  K,  Canello  mit  C  schreibt  cuvi.  34  bella  hat  E  (nach  Mahns 
Abdruck  auch  C,  was  aber  unrichtig,  C  hat  bela),  Canello  bela, 

V.  12  schreibt  Canello  statt  des  fehlerhaften  quautre  he  {pen)  CE  quei 
autre  bes  und  übersetzt  dies  S.  125  'nessuna  sua  opera*.  Ich  glaube  nicht, 
d;if«i  dies  richtig  aufgefafst  ist,  vielmehr  wird  zu  lesen  sein  qu* antra  res  be 
noi  podia  »y?  Av/r 'nichts  anderes  (als  Gnade)  konnte  mit  Fug  ihn  retten'.  Der 
Ausfall  einer  der  beiden  Silben  ra  res  konnte  in  der  Vorlage  von  CE,  die 
durcli  ihre  Lesarten  auf  eine  (Quelle  weisen,  leicht  stattfinden,  namentlich 
wenn  etwa  autra  re  be  überliefert  war. 

16.  Die  Lesung  s'o  statt  so  hatte  ich.  noch  ehe  ich  Canellos  Anm.  las, 
vorgezogen  und  fmde  sie  durch  (^habaneaus  Bemerkung  bestätigt,  der  auch 
mit  Recht  pnas  in  der  Bedeutung  'aber',  nicht  'da',  nimmt  und  zugleich  dit 
Vermutung  mal  ausspricht. 

33  macht  die  T^sart  von  C,  nicht  die  von  E,  welche  Handschrift  über- 
haupt in  diesem  (ietlichte  die  besseren  Lesarten  hat,  den  Eindruck  einer  will- 
kürlichen Änderung,  laus  aus  K  konnte  ein  Schreiber  für  eine  Dittographie 
halteu,  während  es  thatsächlich  =  ///  tos  aus  ist,  und  dadurch  veranlafst 
werden  ieu  einzuschieben.  Dafs  in  der  folgenden  Zeile  cort  nicht  '  Hof  be- 
deuten könne,  sehe  ich  nicht  ein:  'nehmt  in  (euren)  Hof  auf  kann  von  einer 
vornehmen  Dauie,  die  einen  Liebenden  zu  Gnaden  aufnehmen  .soll,  wohl  ge- 
sagt werden:  eine  Form  cort  (corde)  für  cor  'Herz'  scheint  mir  sehr  bedenk- 
licli  zu  sein. 

Lied  VII.  2.  Hat  G  wirklich  tor}  ich  las  toz,  r  und  s  sehen  bekannt- 
lich in  Hianchen  Handschriften  einander  sehr  ähnlich.  —  3  hat  Y^  emfai  tnirar, 
imd  mirar  hat  auch  D,  wo  aber  nach  meiner  Collation  nicht  efn  fai,  sondern 
e  J'ai  steht.  Man  sieht  die  allmälige  Entstellung  aus  dem  Schreibfehler  in  D 
zur  Lesart  in  K.  —  5  hat  R  que  ben,  was  freilich  nicht  richtig,  aber  doch 
ebenso  gut  anzuführen  war  wie  nos  rr=  nos  in  c  Z.  4.  —  8  hat  D,  wenigstens 
die  Wiener  Abschrift,  per  quem.  —  1 1  hat  R  mescarida.  —  12  las  ich  in  I 
wenigstens  Un,  nicht  leu,  un<l  wahrscheinlich  ist  dies  auch  nach  der  Ver- 
wan<lischaft  mit  den  anderen  Handschriften;  es  ist  nur  verlesene  Initiale  (für 
Ben).  J)  hat  übrigens  nach  meiner  Collation  der  Wiener  Abschrift  Eu  (=s=  E), 
nicht  Sit,  wie  Canello  angiebt.  -  13  hat  N  nicht  tetnens,  sondern  temers, 
ZelticUr.  f.  roiu.  Plill.    VII.  jJJ 


5()4  KKCKNSIONKN  UND  AN/EIGKN.     K.  BARTSCH, 

14.  Ich  halte  plain^i^,  wie  A  urn!  fünf  andere  Handschriften  haben,  fur 
die  richtifje  I-esart.  TMe  Zunge  ist  dem  Her/en  entijegengestellt;  (lie«ie> 
schmachtet,  aber  beklaj^t  sich  nicht  (V.  16).  die  Zunge  klagt,  obgleich  auch 
^i»•  wenig  sagt  (V.  12). 

15.  Der  Lesart  von  A  vor  ¡;(en  aller  anderen  Handschriften  (nur  R  hat 
f  />//)  den  Vorzug  zu  geben  scheint  mir  kein  Grund  vorhanden. 

17.  Hill  ('  wirklich  a  randa':     Xach  meiner  Collation  fehlt  a  in  ('. 

18.  Hat  c  et  fa':  ich  las  terra-,  vielleicht  abgekürzt  r  geschrieben  ? 

24  hat  I)  ausgeschrieben  ;//)/;/.  nicht  //(".  dagegen  hiit  uon  noch  fj,  w;ih- 
cnd  (ic  nich  nom.  sondern  ///"  haben,  was  also  nom  wie  7wn  bedeuten  kann. 

25  mi  dot  haben  auch  GO,   nicht  men  dot. 

27  que  hilt  auch  R ,  und ,  nach  meiner  Collation  der  Wiener  Ab. 
Schrift,   D. 

20  las  ich  in  IK  nicht  man.  sondern  nan.  wie  auch  N*  hat;  elienso 
nicht  huoit/,  sondern  mc'iíí.  In  der  folgemlen  Zeile  hat  D  quim  {=r.  K).  A 
ilagegen  cum.     fem  statt  ten  hat  auch  X. 

37  las  ich  in  der  Abschrift  von  D  Cadorna,  »loch  kann  sein,  ilafs  die 
Handschrift  tadorna  hat. 

39  ein  in  DE  etc.  weist  auf  eum.  wie  yem  (nicht  i>///)  in  R  auf  t>um, 
unii  eum  wird  daher  zu  schreiben  sein. 

46.  Ich  halte  afi  für  die  richtige  T,esart,  weil  eher  wahrscheinlich  i^t, 
dufs  Schreiber  an  dem  zweimaligen  at?  An.stofs  nahmen  al«  umgekehrt. 

4q.  Nach  meiner  Abschrift  hat  ('  quenquera»  nicht  t]uenqurran\  ferner 
G  fügt  ein  s  bei,  also  qanqera'.  Die  Lesart  sint  haben  auch  GO  tinti  N: 
wahrscheinlich  ist  sie  die  echte,  sint  als  i.  Person  verhält  sich  zu  sent  wie 
ri  HC,  tinc  zu  veno,  tene. 

^  I  hat  G  nicht  ne,  sondern  lies  //  sp<inda  ;  li  ist  aber  Abkürzung  für 
HO  oder  non.  In  der  folgenden  Zeile  haben.  IK  (auch  N*.')  nicht  ttmen,  si»n- 
dfMii  souen,  also  =  A  DK  etc. 

54  hat  D  nach  meiner  Lesung  der  Wiener  Abschrift  ^w^(=^E^,  nicht  ^MfW. 

57  las  ich  in  ('  nicht  ni  a^s^ra,  sondern  maf^ra,  was  auch  allein  ilem 
Metrum  entspricht.  ("  uiihm  oflcnbar  an  der  Form  fes  Anstofs  und  setzte 
<laiur  die  gewöhnliche  /ì's^j.  daher  mufste  pius  gestrichen  wenlen;  durch  ni 
aifra  wäre  dies  nicht  erreicht  worden.  O  hat  nicht  sen,  sondern  s7\  was 
auch  in  sem  aufgelöst  werden  kann. 

50  auch  N  (=  D)  hat  lir.  Die  Lesart  von  R  os  (=  o)  ist  unverstand- 
li  ("h.  K  liest  mostr  atorna,  also  ein  olVenbarer  Schreibfehler  fur  mo  trastorma. 
Dagegen  wäre  vielleicht  noch  zu  bemerken  gewesen,  dafs  TK  lesen  tratortia, 

60  las  ich  in  D  nicht  maliama,  sondern  mi  /tama. 

62.  Statt  noilt  haben  IKR  uo/,  und  dafs  wirklich  so,  weniffstens  in  R, 
is  gemeint  ist.  ergiebt  sich  aus  dem  Reimpunkte  nach  rot,  wodurch  ein  Reim 
auf  7'o/  (Z.  60)  hergestellt  werden  soll.  In  der  fcdgcndcn  Zeile  hat  nicht  E, 
sondern  C  mas  {r=  \)  für  ans. 

Lied  VIH.  2  habe  ich  in  D  nicht  gefunden,  dafs  ii  ram  fehlt,  sondern 
I)  hat  et  rams;  ferner  hat  X  et  rans.  nicht  e/s  rans.  ('anello  schreibt  mit 
A  //  ram  ei!  rene.  Allein  er  >ieht  sich  dadurch  genötigt  für  ntnc  eine  Be- 
driilung  an/unehmen,  die  nicht  nachzuweisen  ist.  nämlich  'Hecke*.  Vielmehr 
i',t    mit    «h'n    anderen   Hand-achriften    zu  schreiben  eis  rams  it  retici    e«  ist 


L 


CANKl.LO,    LA  VITA  E  LE  OPERE  DEL  TKOV.  ARNALDO  DANIELLO.       595 

konstruieren  //  rene  df  jlors  'die  Reihen  von  Blüten'  t'is  rams  'an  de« 
Zweii^en'.  Ein  (TCgensatz  von  atitet  e  bas,  auf  den  sich  ram  und  rene  be- 
zöge, ist  nicht  vorhanden,  sonclern  nutet  e  bas  bedeutet  'auf  der  Höhe  und 
im  Thal'. 

II  ist,  wie  ich  <;laube,  besser  mit  dem  fol<;enden  zu  verbinden:  'durch 
ihre  Erkenntnis  kam  mir  Kreude'.  In  der  folgenden  Zeile  hat  auch  D,  nach 
meiner  Collation,  anei,  und  nach  tier  t'^bereinstimmung  in  naui  der  folgenden 
Zeile  ist  dies  auch  wahrscheinlich. 

lO.  Die  Lesart  em  K,  eu  X'-'  {gehört  zu  V.  15;  übrijjens  hat  auch  1  em 
(oder  ist  K  für  I  verdruckt?);  ferner  hat  in  \i^  nicht  nur  A,  sondern  die 
meisten  Handschriften  ferms\  ich  habe  mir  nur  von  D  ausdrücklich  die  Les- 
art f refus  an<jemerkl.  Die  Anmerkung  sagt,  <lafs  alle  Handschriften  ferms 
liât  ten.  was  wieder  nicht  richtig. 

19.  Ich  glaube  nicht,  dafs  durch  die  I^esart  c'ara  s  A,  die  Canello  auf- 
nimmt, der  tiefer  liegende  Fehler  gehoben  ist;  vielmehr  wird  car  die  richtij^e 
Lesart  sein.  Es  ist  nicht  genau,  wenn  Canello  als  Lesart  von  DHIKNN'* 
ungiebt  '//',  sie  schreiben  sämtlich  car.  wonach  gar  nicht  sicher,  dafs  sie  dies 
als  i\ir  auflfafsten.  Wäre  dies,  dann  wäre  doch  wohl  ara  auch  von  anderen 
Handschriften  gesetzt  worden;  ich  denke  vielmehr  car  mi  acoiils  wird  die 
ufiprüngliche  Lesart  sein,  nii  wurde  wie  üblich  vor  folgendem  Vokal  elidiert 
und  so  entstand  die  falsche  Lesart  fn\icoi//s.  Die  Lesart  von  E  ist  auch  nicht 
richtig  angegeben,  nach  ('anello  hat  es  den  Anschein,  als  wenn  amors  in 
K   fehlte. 

23  hat  T  pel  sus.  woraus  sich  auch  die  falsche  Lesart  Jte/  ins  in  H 
erklärt. 

26.  Die  Angabe  <ler  Lesart  von  A  ist  «lurchaus  unverständlich ,  ja  un- 
richtig, pusteìlaiì  ist  pustella-lh  (Dat.  sing,  vom  I'ron.)  'eine  Eiterblatter  ihm 
auf  seine  Wange'.  Auch  die  anderen  Handschriften  haben  getrennt  pusteila 
ien  (D  ^eu),  auch  C  weist  auf  die  Lesart  pustela  en  (— ^  E).  Dafs  (gleichwohl 
die  vi)n  Canello  hergestellte  Lesart  die  richtige  ist,    bestreite  ich  keineswegs. 

3X  ist  die  Lesart  von  IK  unrichtig  angegeben  :  IK  (wenigstens  I)  haben 
///,  nicht  //.  aufserdem  frene,  nicht  tene.  Ebenso  hat  D  trenc,  nicht  tene. 
Ks  stehen  mithin  il\  mit  der  Lesart  tene  allen  anderen  Han<lschriften  gegen- 
über, und  trene  wird  daher  wohl  das  richtige  sein.  Denn  es  ist  an  sich  auf- 
fallig. dafs  A.  I).  den  Keim  trenc  sollte  übergangen  haben,  während  tene  in 
refere  \,  46  schon   verwan<lt  ist.     Ich  lese  daher  tnas  ab  jauzir  celat  lo  trenc. 

4u.  Iwms  hat  nicht  nur  H,  sondern  auch  D.  Die  Lesart  von  E  ist 
wieder  unverständlich  ;  ill  steht  verlesen  für  XÍ..  wie  DHTK  schreiben,  C  hat 
das  Wort  ausgelassen,  was  Canello  hier  durch   i*unkte  statt  f  bezeichnet. 

42.  Auch  1  hat  en  sus.  In  der  nächsten  Zeile  steht  A  mit  totz  allein, 
e-.  ist  daher  wahrscheinlich  erst  ein  Zusatz,  imi  den  zu  kurzen  Vers  zu  ver- 
längern. Nach  meiner  Ansicht  liegt  hier  ein  alter,  atif  die  gemeinsame  Vor- 
l;4ge  aller  Handsihviftcn  zurückgehender,  aber  leicht  erklärliches  Fehler  vor: 
es  hicfv  tih  sf  sems,  dafür  wurde  ////  sems  geschrieben,  A  machte  willkürlich 
daraus  tot ^  essetns.  sems  ist  zwar  ebenso  wenig  belegt  wie  absems,  doch 
düiikr  CS  mieli   wahrscheinlicher  als  die  Bildung  absems. 

Lied  IX.  Ich  hatte  die.>  Lie<l  in  meine  ('hrestomathie  aufgenommen  in 
der  richtigen  Zusanmicnfussung  der  kürzten  Verse  durch  Binnenreime,  als  sieben- 

38* 


5«)Ö  RECKNSIONKN  TNI)  ANVKIfiKN.     V,  URIîRKCHI', 

(nicht,  wie  (Janello  an«,nel)t,  als  aclit-)  zeilijje  Strophe.  Schon  der  Umstand, 
(lafs  (He  Handschriften  in  «îer  Sct/unj»  der  den  Versschlufs  bezeichnenden 
Punkte  von  einander  abweichen,  miifste  darauf  führen,  ilafs  hier  innere  Reime 
an/.unehmcn  sind.  Dazu  kommt  die  (ileichhcit  des  Strophenbaues  mit  LiedXITI; 
der  Unterschied  besteht  (von  <lcr  Melodie  abgesehen,  über  die  wir  kein  ITrtcil 
haben)  eben  nur  darin,  dafs  in  TX  innere  Keime  sind,  in  XIII  nur  Endreime. 
In  der  Darstellung  von  (fanello  zeigt  sich  IX  als  ein  rhythmisch  durchaus 
ungefüges  und  regelloses  (.ipus  in  Bezug  auf  Strophenbau,  in  der  meinigen 
als  ein  kunstvolles  Gebäude  von  einfacher  Stilistik,  aber  mit  reichem  Schmuck 
innerer  Reime. 

V.  4  ist  die  Lesart  nicht  richtig  angegeben  ;  R  hat  espHssat^  so  wenig- 
stens las  ich,  iiuch  fueih.  nicht  fuelhs.  In  Z.  5  hat  R  auch  et  (=  DN). 
Z.  14  hat  R  aman,  also  eine  wirkliche  l^sart,  da  es  anders  aufgefafst  ist. 
N  hat  in  Z.  17  nicht  sil,  sondern  .v/.f  (=  sil.^}).  So  verführerisch  es  auch  ist. 
.v//.v  mit  IKRN*^  zu  schreiben,  so  erblicke  ich  doch  in  dieser  Lesart  eben  nur 
einen  Änderungsversuch,     asotnar  ist  in  intransitiver  Bedeutung  zu  nehmen. 

Bei  V.  19  hätte  die  Glosse  von  H  prima  .  i .  subti/is  erwíihnt  werden 
können.     In  der  folgenden  Zeile  hat  N  titr  sir,  also  r=  CD. 

24  ist  bei  ('  durch  Punkte  bezeichnet:  warum  nicht  durch  ein  Kreuz. 
da  diese  Worte  doch  in  C  fehlen  :     25  hat  N  Sffst  luç  =  DH. 

In  29  nehme  ich  deportz  und  Toiers  beide  als  Subjekte  zu  M*es,  es  ist 
die  bekannte  Konstruktion  ro/)  xnivttv.     bos  motz  ist  Objekt  von  adauur. 

34  hat  R  sotna,  nicht  coma,  wie  die  anderen. 

36.  ben  vengutz  wird  als  richtige  Lesart  schon  dadurch  widerlegt,  »lafs 
es  nur  in  CV,  also  z.B.  nicht  in  U,  das  sonst  ganz  genau  mit  V  stimmt,  sich 
lindct.  Auch  würde  schwerlich  sui  ben  veti^^ufz  que  —  so  verstanden  werden 
können,  wie  Canello  übersetzt  'io  son  venuto  (a  tale)  che'  — . 

39  hat  R  tat  desf,  nicht  tats  tiest»  wie  man  nach  f^anellos  Lesart  an- 
nehmen mufs.  45  hat  X  fenrs,  nicht  femrs.  Bei  46  stehen  für  die  I^sart 
von  ('  Punkte,  ebenso  47,  aber  (1  hat  ja  tne  fai  suß'rir  mafüis  vers,  49  halie 
ich  wenigstens  in  I  bais,  nicht  bas  gelesen.  55  hat  H  sii,  nicht  si,  56  hat 
(  '  itt't  qutxx,  nicht  dets  quecx.  59  hat  D  for,  nicht  fort,  so  dafs  also  R  mit 
fort  {UW  fortz)  allein  steht.  Daher  ist  /i>r  sicher  die  richtige  Lesart,  es  ist 
Gegensatz  zu  dedins. 

i)5  ist  nicht  angegeben,  dafs  die  Worte  queill  prec  in  R  fehlen.  Ferner 
hat  1)  ¿n-ei,  dagegen  hat  K  nicht  ¿^rei.  sondern  brry;  es  scheint  hier  eine 
Verwechslung  der  beiden  Handschriften  vorgelegen  zu  haben.  Das  gleiche 
ist  vielleicht  bei  66  der  Kall,  hier  hat  wenigstens  N  sicher  caichon,  was  als 
Lesart  von  D  angegeben  ist.     h'erner  haben  auch  IK  tem  (=  UV)  für  ten, 

70  ist  nicht  angemerkt,  dafs  H  liest  b  totz  aips  d.h.  cara'b  (ab)\  N  hat 
iiirah  d.  h.  cara,  aber  die  Vorlage  von  N  hat  sicher  cara  ab  oder  cantò  ge- 
habt. Das  Hinüberziehen  über  den  inneren  Reim  ist  etwas  häufiges,  und 
gerade  das  ist  ein  weiterer  Beweis,  dafs  wir  es  in  unserm  Liede  mit  inneren 
Reimen  zu  thun  haben.  Die  Streichung  von  ab  ist  dadurch  veranlafst,  dafs 
von  den  Schreibern  der  Reim  nicht  als  innerer  angesehen  wurde,  wodurch 
dann  allerdings  die  zweite  Hälfte  eine  Silbe  zu  viel  bekam. 

7O  hat  X  nicht  bruit z,  somlern  brutz.  81  hat  I  nicht  fWr.f,  ich  wenig- 
stens la»;  f///f'/  ». 


HALLEK,   ALTSl'ANISCHE  SPRICHWÖRTER  ETC.  597 

Hei  85  hätte  die  wichtige  Glosse  von  H  erwähnt  werden  sollen,  die 
wenigstens  bezeugt,  wie  ein  nicht  viel  späterer  die  Stelle  auffafste:  doma  rs 
US  fnons  fort  autz  on  es  sohimen  una  maissos  domes  spiritals  fo^tz. 

87  hat  I  nicht  Cane,  sondern  dins.  90  hat  R,  wenigstens  nach  meiner 
Collation,  nicht  car  uer,  sondern  ca  uer.  92  hat  V  car  lai  es,  nicht  wie  U 
cai  lai  el.  Ich  sehe  keinen  Grund  das  chai  {cai)  der  meisten  und  besten 
Handschriften  in  sai  zu  verändern:  'denn  Ruhm  sinkt  trocken  (oder  blind) 
dahin,  dort  (bei  dem  Könige)  ist  er  verdoppelt'. 

08  hat  I  nicht  decs,  sondern  ders.  loo  hat  Canello  bei  der  Lesart  von 
N  ein  Fragezeichen  gesetzt;  N  hat/<7/;r  für  iorn.  loi  hätte  angegeben  werden 
^ollen,  dafs  UV  haben  ///  7'ol  guesir,  weil  daraus  die  falsche  Lesart  no  vol 
:ruerir  in  R  sich  erklärt.  In  107  hat  C  ses,  nicht  ser.  108  abir  hat  nicht 
nur  Fi,  sondern  auch  DN. 

Raum  und  Zeit  gestatten  mir  nicht  auch  die  zweite  Hälfte  der  Gedichte 
in  gleiclier  Weise  durchzugehen.  Ich  kcmime  bei  der  Ausarbeitung  des  Textes 
für  meine  Gesamtausgabc  der  Troubadors  auf  Canellos  fleifsige  und  verdienst- 
liche Arbeil  zurück,  und  kann  mir  nur  viele  solche  Vorarbeiten  wünschen 
wie  diese. 

K.  T^ARTSCH. 


Haller,  Joseph,  A  Its  panisch  e  Sprichwörter  und  sprichwörtliche 
Redensarten  aus  ilen  Zeiten  vor  Cervantes,  ins  Deutsche  über- 
setzt, in  spanischer  und  deutscher  Sprache  erörtert,  und  verglichen  mit 
den  entsprechenden  der  alten  (rriechen  und  Römer,  der  Lateiner  der  späteren 
Zeiten .  der  sämmtlichen  germanischen  und  romanischen  Völker  und  einer 
Anzahl  der  Basken,  emllich  mit  sachlichen,  sprachlichen,  geschichtlichen, 
litterarhistorischen,  l)iographischen ,  geographischen  und  topographischen 
Krläuterungen  versehen,  nebst  Vorwort,  Einleitung,  Index  und  einem  kleinen 
Anhang.  Erster  Teil.  Regensburg.  Im  .Selbstverlage  des  Verfassers  und 
in  Commission  der  G.  J.  Manz'schen  Buchhandlung  1883.  XXXII  und 
652  Seiten  (Juart. 

Wir  hal)en  es  hier  mil  einer  sehr  gewirjsenhaften,  mit  grofser  Liebe  und 
Austlauer  gehandhabten  Arbeit  zu  thun,  an  welcher  sich  zwar  mancherlei, 
nacli  dem  jemaligen  Geschmack  derer,  die  es  gebrauchen,  auszusetzen  findet, 
die  t!s  jetioch  jedenfalls  vervlient,  sie  ebenso  gewissenhaft  zu  beurteilen,  zuvor 
aber  sich  mit  derselben  bekannt  zu  machen.  Allerdings  keine  kleine  Aufgabe! 
Man  bedenke,  fast  700  Ouartseitcn  !  Und  es  genügt  nicht,  blos  den  spanischen 
oder  ilen  deutschen  (einander  gegenüber  gedruckten  Teil)  ins  Auge  zu  fassen, 
^ondern,  um  gereclu  zu  sein,  müssen  beide  beachtet  und  oft  verglichen  werden. 
Keine  kleine  Aufgabe  ! 

I'm  dem  Verf.  gerecht  zu  werden,  wollen  wir  zuvörderst  „Vorwort  und 
Kinleilung"  nicht  bei  Seite  liegen  lassen,  sondern  sehen,  was  er  uns  milzu- 
icilen  hat.  Wir  ersehen,  tiafs  das  „jetzt  aufserordentlich  selten  gewordene 
Buch*'  des  Mosen  l'edro  Valles,  welches  1549  zu  Saragossa  mit  dem  Titel 
,, Libro  de  Refranes"  herauskam  und  worüber  der  zweite  Teil  des  vorliegenden 
Werkes,  ,,der  die  Lilteraiur  der  Sprichwörter  der  romanischen  und  germanischen 


598  RECKNSIONKN  UND  ANZKIGEN.     F.  LÎEBRECIÏT, 

Sprachen  l>rin4jcn  wird",  ilic  <ìiiiinlla|^c  von  llallcr.s  Aihoil  bildet,  von  welcher 
/.unächsl  nur  (.-in  Teil  vorlitj^i;  lUnn,  wie  er  bemerkt,  „das  alphabctÌM:h  ;;e- 
ortlneU"  '  I.ibro  de  Refranes'  enlliält  nämlich  K^ck)  s))anischc  Sprich würtcr. 
tlas  meini;;c  nur  die  unter  dem  Huchstaben  A  mitì^eteilten  555  an  der  Zahl. . . 
Aber  mit  Hinzufiij;un;,'  der  /alilreichen  Synonymen  und  dor  cnlsprcchendcii 
Sprich\V()rtev  in  den  vielen  .indern  Sprachen,  werden  es  viele  Tausende.  Zu- 
dem bildet  meine  Arbeit  ein  in  sich  abj^e^jchlossenes  Gan/.es,  da.s  sehr  wol 
für  >ich  bestehen  kann,  auch  wenn  keine  Fortset/unjj  des  Werko  folgen 
<>ulUe**.  Der  Verf.  >ieht  nämlich  bereits  in-.  73.  Lebensjahre,  /.war  frisch  und 
rüstig,  jedoch  „jeder  laj^  kann  eine  unerwartete  Anderunjj  brinjjen".  —  Dci 
Verf.  spricht  dann  von  den  Sprichwíirtern  im  Alljjenieinen ,  von  Kntstchun;: 
und  Ouellen  der  Sprich wínter,  von  der  \Vichti;;keit  und  Bedeutung!,  míxiic 
M«n  der  Schwierijjkeit  ilc^  Verständnisses  derselben,  vtm  <ler  iicncM'*  und 
Ausai beilun;;  seines  Buches,  von  »lessen  Zweck,  von  den  L'bcrscl/unjîen  und 
cmilich  von  den  Mundarten.  Aus  allen  »iieson  Mitteilungen  ist  vieles  /u  er- 
sehen und  /u  lernen  und  wei  Lust  und  Lielx*  /.um  Sprichwiirterstutliuin  liat. 
winl  dem  Verf.  sicherlich  jjrofsen  f^enk  /.ollen  für  die  Menj^e  von  lJin;;en. 
die  ihm  in  dieser  Kinleitunj,'  und  mehr  noch  in  dem  Werke  selbst  cntj;e;:cn- 
trt'ten.  Wenn  /u  eiw arten  stünde,  d.^f»«  da^-^elbe  einer  ;^rofsen  Verbreitung 
thrilhafi  würde.  <o  liefse  -sich  alUrdinj;«  der  (irundsat/  »les  Verf.  „superflua 
n»»n  nocent"  mit  hinnehmeii .  auch  in  Be/u;;  auf  »lie  Í*l>crsetzuní;en.  wtirübti 
rr  bemerkt:  .,L'm  mein  Buch  allen  Klassit-n  vnn  Lesern  /u;;än};lich  und  vrr- 
<>tändlich  /.u  machen,  hab».*  ich  e^  lur  unerliifsltch  gehalten.  Alles,  was  in  ileni- 
-»clben  in  einei  frennliii  Spracht  vurkijnnnt .  auch  in  mri;^dichsi  wortj;etrcuei 
deutscher  Í'ber«<el/unj;  mit/uieileii".  und  allenliniijj'i  sind  von  «len  aU;»riechischen 
^piichw»irtevn  trotz  Leutsch  unii  Schnei^lewins  Coipuo  nur  sehr  wcniüe  /.ur 
Kenntnis  des  :^r(>rven  rid)likmns  ;^t.-k«immen .  uml  Heller  hat  sich  »lurch  •li'' 
teilweise  Mitteilunj;  un»l  l'beisei/un;:  deiselben  ^ewif-  ;;r«if!*fs  Verdienst  er- 
Wiuben.  In  wit\iel  Hän«le  wir.l  aber  seine  Arbvii  :;ila!»;^'en .'  wie  viele  werden 
^ich  diesen  ;i:r»»fsfn.  ^larken  ijuanband  an^challen:  war  v«mi  demselben  nicht 
numches,  y\  M^^^ar  xiele*«  wr;,'^ida>«»en  r  I)ie  Kcniitni^  de^  vier  otler  t'üntlausen»! 
I.dirr    allen,     in    KeiNcliiifi    uns    überlittertei»    .dt babylonischen    Sprichwoif' 

*^.  IX  ..l>u  i^iiiiist.  'In  ìiahrjì^i  da-  I'eld  di-"  Feinde-:  c-  ;;in|i;.  es  nahm  drin 
l-cld  «lei    Feind**:  rni-jiu-vtu-n.i  dem  Deui-chcr-   ..wit-  du  mir.  so  ich  dir**i  ist 

w.u  .dleidiu;;-  an/ichvnd:  i-i  liv-  aiici  .luck  die  A'.if/Iihlun;;  der  in  Ucut^i*!!- 
laiui,  l'ianknich  un.l  Kii^lan.i  ;eî  *.  Irbenìen  n.\upi\<.rtreter  der  Ass)  río1oi;ie. 
wiiiij^Niin'.  füi  dip.  .11  suh  WA:  Sj  li^hw.'.neikurdc  beschaftij;!.'  Der  Verf. 
w.i'.lu-  timcii  -cii:  !ì:.v  ii  ■  v.:ci'.  lí«.'ili;i;;  "îr..:  Maie!!..l  liefern  zur  Culiur- 
^»-ciiicliu.  ui  iÑ.\nv.*;;;-  x."*:  X.i'.u*  lird  f  n.itakter  dei  verschifilenen 
N..;io"'er..  vUi  >;m:'ai    v>^^  «."toi  u  :  »^   -»K   uïiterh.illeii  und  belehren /u;;lcicb. 

l; .  Li.vi  Mil:;.  .;;»i*  ■  ;.■  -  wlì:  »:ù-c  rr.îtrii.iTiiic.^-  un.ì  Belehrun;:  mil  <len 
^i'tv  ■•\\,»i;.ir-   ::•    \'- 1  "m-  ."•.i-:^   -■.•.'::    ■.:.'>..    < -i-i  'v.'aIh-    -ias  xorlie^endc   Werk 

r;«'.   I  vv\vu»ì>...;'.v  \\v:..i ;--;•■.  u  \;.   .-  .i-.:.i-.  c'.r.jn  Anlaut  nimmt.     Gleich 

^  ;  ill  .Vîî'i.viivi:  .;  .1  . ■  .»•"./.  1  -.t::".  c.':r"i\.  ur.^eh'"»ii«;  wie  die  auf  S.  S 
•■.■  î;   Tx  1 '..:;.  ■•>      :.    livi". .'.  .  >   \'     ..•.::.    i.i«    ^ciií-rt    in   die  Mythulüp« 

■■.■î^l     v.^:i    V..'.-. .-    .  :v    Iv'.vlii.-.j:    .  .-.v.  .t    ..v -■.-..  ■::   wirien:    und    gleiches    oder 

.!•.;■.'•..!•■.«.  l.;i-'  -'v  ■  ';"^;'i  -,  ■.  -/;  ■  \-c*i  Ar;v.< íÍLu:'¿:i n  <a};en:  î«o  nanienüich 
•<^:       '■      ^   .';.    •.'■-,:.■  \\      :     ";.— :   w.i-     =ai.ir     ru    wì^m'U.    dafs    <ia5  Slätll- 


HALLER,    ALTSPANISCHE  SPRICHWÖRTER  ETC.  599 

chen  Cucllar  in  der  Provins  Scí^'ovia  zwei  Casinos  besitzt  (la  Castellana  und 
el  Circulo  de  la  Amistad)  so  wie  eine  Briefpostexpedition,  und  Sitz  eine.s 
Kichtcis  erster  Instanz  ist?  (S.  40)  ;  dafs  der  Flecken  Cantimpalo  5  jjröfsere 
und  2  kleinere  Gassen  besitzt  u.  s.  w.?  (S.  358);  dafs  es  in  Spanien  4  Dorici 
oder  (Jrtc  Namens  Embid  giebt  und  die  Pfarrkirche  eines  derselben  auf  ihrem 

rhurm  eine  Uhr  hat?  (S.  494).  Die  betrelVenden  Anmerkungen  sind  aber  bei 
weitem  län^^er  als  hier  angeführt  und  so  noch  zahlreiche  andere  von  ähnlicher 
Wichtigkeit.  Was  soll  (S.  409  f.)  die  endlose  Bemerkung  aus  Pedro  Valles, 
wo/u  lier  Verf.  beifügt:  „Ich  habe  diese  Erläuterung  vollständig  hier  ange- 
führt, weil  sie  Einblicke  thun  läfst  in  die  sittlichen  Zustände  und  die  Ver- 
hällnisse  des  sjianischen  Volkes  und  Landes  zu  der  Zeit,  wo  sie  geschrieben 
wurde,  also  um  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts*'.  Sie  lehrt  indefs  sehr  wenig 
oder  gar  nichts,  denn  dafs  es  in  jener  Zeit  Bauernschinder  gab  wie  überall 
>o  auch  in  Spanien,  ist  nichts  neues  und  unbekanntes.  Auf  S.  65  findet  sich 
linier  den  Bemerkungen ,  wie  man  in  verschiedenen  Sprachen  den  Ausdruck 
, .gegen  den  Strom"  bezeichnet,  auch  folgende  Angabe:  „Die  Basken:  góaia 
gora  ó  goaiaz  goiti  (den  Strom  hinauf,  stromaufwärts).  Góaia  auch  göaya 
(bei  goaiaz  ist  das  z  am  Ende  nur  Artikel,  der  den  Ablativ,  das  spanische 
</c'  andeutet)  =  Strömung,  Strom,  gora  oder  goiti  =  dem  latein.  supra,  oben, 
hinauf,  aufwärts.  Bei  «len  Basken  fügt  sich  der  Artikel  am  Ende  des  Sub- 
stantivs an,  im  Genitiv  und  Ablativ  durch  ein  z,  wenn  das  Substantiv  mit 
einem  Vocal  endigt  wie  hier  góaia,  durch  die  Silbe  ez,  wenn  das  Substantiv 
mit  einem  Cimsonanten  endigt".  Wer  wird  sich  für  diese  Notiz  interessieren? 
Den,  der  sich  nicht  mit  Baskisch  beschäftigt,  gewifs  nicht;  und  wer  Baskisch 
versteht,  wirtl  das  hier  mitgeteilte  längst  wissen.  Gehört  wol  in  dieses  Werk 
über  Sprichwörter  die  Abhandlung  über  die  Synonyma  des  altgriech.  (Só^a'r 
(S.  410)  und  über  die  Bedeutung  von  (i{ttii]'r  (S.  562).  Und  so  begegnen  wir 
einer  ül)crgrofsen  Anzahl  Bemerkungen  aller  Art,  die  oft  auch  lehrreich  genug 
>irul,  die  aber  durchaus  nicht  in  das  vorliegende  Werk  gehören,  dasselbe  viel- 
mehr überbürden  und  seiner  Verbreitung  als  CJuartband  im  höchsten  Grade 
hinderlich  sein  werden.  Der  Hauplzweck  des  Verf.  war  allerdings,  dem  Leser 
jede  Schwierigkeil  aus  dem  Wege  zu  räumen  und  überhaupt  so  vollständig 
wie  njnglicli  zu  sein;  ein  unerreichbares  hleal  !  nach  welchem  zu  streben  blos 
dazu  tlicnen   win!,    selir  viel  überllüssiges  geboten    zu    haben,    wie  z.B.  auch 

lie  >oviel  Kaum  einnehmende  l'bersetzung  alles  (iriechischen  ins  Lateinische 
und  Dentedle.  Hatte  der  Verfasser  dabei  die  Absicht  seinem  Werke  auch 
finen  Weg  nacli  Spanien  zu  crölVnen ,  so  zweitle  ich  sehr,  ob  ihm  dies  ge- 
lingen wird  un<l  ob  viele  Spanier  die  deutsche  l'bcrsctzung  gern  mit  in  den 
Kauf  nehmen  un<l  bezahlen  werden;  ^cin  llau])tpul)likum  bleibt  doch  nur  das 
deut>che:  und  dies  wird  sich,  wenn  e>.  das  Original  der  langen  >Iesiodischen 
Stelle  (S.  53)  niclil  verstclit,  mit  iler  deutschen  l'bersetzung  begnügen,  die 
lateinihche  .d)er  kaum  ansehen,  uml  so  auch  wohl  die  sämtlichen  ^nitgeteilten 
laleinisclien  Í  bersetzungen  der  castilischen  Sprichwörter  durch  Ferdinando  de 
Benavente.  Dabei  sehe  ich  ganz  davon  ab,  dafs  jene  Stelle  aus  llesiod  cigent- 
licli  gar  nicht  in  ein  Werk  über  Sprichwörter  gehört;  aber  der  Verfasser  läfst 
sijli  heilich  oll  gellen,  giebt  nicht  selten  eine  Stellensammlung  und  verliert 
;;anz  die  Sprichwörter  aus  den  Augen.  Was  sollen  ferner  (S.  52)  die  deutschen 
Ridcnsartcn:   ,,G(h   weiter!    —    (iehl   eures   Weges!  Dort  hat   der  Zimmer- 


600  RECKNSIONKN  UND  ANZEIGEN.     F.  LIRBRECHT, 

mann  das  Loch  hinaus  ;»eniachl".  I)a.s  >ind  keine  sprichwörtlichen  Kedcn>- 
artcn,  und  so  noch  oft,  wie  No.  lOi:  Pack  Dich!  Fort  mit  Dir!  Hinwej:! 
Zum  Henker!  No.  280:  Xach  Wunsch,  nach  Herzenslust,  nach  Wunsch  un'! 
Willen;  die  spanischen  Xo.3if):  .1  sobre ptynt\  obenhin,  oberflächlich;  No. 31 7: 
A  pie  juntülas  u.  s.  w.  u.  s.  w.  —  Infolj^c  davon  dafs  der  Verfasser  sich  von 
der  Fülle  seines  angesammelten  Stoii'es  fortreifsen  läfst,  bringt  er  oft  das  hun- 
dertste und  tausendste  zusammen,  \va.s,  wie  es  scheint  durchaus  nicht  zusammen- 
gehört oder  es  gehört  wenigsten««  ein  scharfer  Sj)ürsinn  «lazu  um  die  Zusammen- 
gehörigkeit heraus  zu  fmden,  wovon  fast  jede  Seite  Beweise  liefert;  so  z.  B. 
fmdet  man  schwer  das  Verhältni>i  des  deutschen  .Sprichworts:  „Gesottenem  Fisch 
hilft  das  Wasser  nicht**  zu  dem  spanischen:  ,,y/  täja  casada,  salen  los  yernoò*'. 
Was  will  die  griech.  Redensart:  ,,Kin  arabischer  Flötenspieler**,  zu  deren  Er- 
klärung hinzugefügt  wird:  „Man  sagt,  dafs  die  Araber  bei  den  Nachtwachen 
sich  einer  länglichen  Flöte  bedient  haben;  diese  Flöte  aber  sei  von  einem 
dem  andern  behändigt  worden,  und  so  hätten  sie  beim  Wachtfeuer  Flöte  ge- 
blasen, bis  es  Tag  wurde.  Zenob.  2,3«),  Menandr.  17'*,  wie  gehört,  fragen  iRnr. 
iliese  griechische  Redensart  /u  dem  s}>anisclien  Sj)richwort  :  „-i/  rnyn  quanto 
mas  ìe  ruegan,  mas  sc  estìendc*':  und  st>  noch  oft  sehen  wir  derartiges  zu- 
sammengebracht, was  weiter  zu  belegen  übcrtlüssig  wäre,  da  wir  nur  auf^ 
(rcratcwohl  hineingreifen.  —  Dafs  >ich  bei  der  Überfülle  des  Stofles  vielfache 
Wiederholungen  finden,  ihirf  nicht  Wunder  nehmen;  so  findet  sich  da«;  be- 
kannte „Donec  eris  felix  etc.'*  auf  S.  161  und  288;  ferner  „amicus  certUK  in 
re  incerta  cernitur'*  S.  162  N<í.  io  und  S.  i6<)  No.  78  und  zwar  in  der  nSni- 
liehen  Sprichwortnumnier  175  „AI  que  no  tiene  amigos  etc."  Das  schwc<l. 
Sprichwort  :  „Wer  Fleischstücke  und  Mehlhaufen  hat,  der  bekommt  Kumpane" 
steht  S.  I7i,d  und  S.  173SS.  :  auf  derselben  S.  336  steht  „medio  tutissimas 
ibis"  zweimal  u.  s.  w.  —  Warum  hat  der  Verfasser,  der  iloch  soasi  längere 
Artikel  (wie  z.  11  Xo.  260  A  poco  caudal,  poca  ganancia  [S.  295  —  Jiol; 
\o.  340  Antes  caùcça  de  gafo,  tjnc  cola  de  leon  [S.  423—443];  No.  450  Aqufi 
se  hazc  mucho  derogar,  ijue  no  le  plaw  virtudes  ttbrar  [S.  562 — 5^1»  No.  IJ-î 
yU  i/uc  no  tiene  amigas ,  pobre  le  llaman  [S.  150--I94!])  durchaus  nicht 
scheut,  das  wirklich  /usammengehtirige  nicht  auch  zusammengestellt;  so  z.  B. 
ilje  Sprichwortnummer  227:  „Antc^  cue.z  que  hiervas  (zuvor  koche,  che  Du 
»•iedest)'*  und  No.  336:  Aun  no  asamos,  ya  empringamos  (Noch  braten  wir 
nicht  und  tauchen  schon  ein)".  Diese  Sprichwörter,  wenn  irgend  welche. 
nebst  ihren  Anhängen  gehörten  zusammen  und  eine  Verweisung  des  einen 
auf  das  andere  hätte  genügt.  —  Auf  S.  76  teilt  der  Verfasser  die  deutiichen 
Sprichwörter  mit:  „Wenn  die  Maus  satt  ist.  so  schmeckt  das  Mehl  bitter" 
und  „Wenn  die  Maus  satt  ist.  so  ist  da^  Mehl  bitter"  und  die  beiden  schwe- 
dischen: „Wenn  die  Maus  >att  ist,  schmeckt  das  Mehl  bitter**  und  „wenn 
die  Ratte  satt  ist.  ist  das  Mehl  bitter*.  War  es  nun  notwendig,  diese  sich 
fast  wortgenau  entsprcchemlen  vier  Sprichwörter  in  ihrer  Gesamtheit  mit- 
zuteilen und,  da  sich  dergleichen  unendlich  oft  wiederholt,  das  Volumen  de^ 
Bandes  anzuschwellen,  dadurch  auch  den  l*reis  desselben  zu  steigern?  vgl. 
S.  84  schwed.  i)  „Dei  Bauui  fäll  niiht  auf  den  ersten  Hieb".  2)  Baum  fSllt 
nicht  auf  den  ersten  Hieb*'.  Dan.  1)  Der  Baum  fiillt  nicht  vom  ersten  Hieb. 
2)  Der  Baum  fallt  nicht  vom  ersten  Hieb.  S.  301  schwed.  18)  Frisch  gewagt 
ist  liaU)  gewonnen.     10)  Rasch  gewagt  ist  halb  gewonnen;   u.  s.  w.  n.  s.  w. 


HALLER,    ALTSPANISCHE  SPRICHWÖRTER  ETC.  6oi 

Ich  komme  nun  /m  einigen  einzelnen  Ausstell uni^en,  die  bei  einem  so 
umfangreichen  Werke  nicht  Wunder  nehmen  dürfen,  jedoch  den  Beweis  liefern 
sollen,  dafs  ich  dasselbe  sehr  sorgfältig  durchgegangen  habe,  wobei  ich  aber 
nur  das  eine  und  andere,  nicht  alles  hervorhebe,  was  mir  aufgestofscn  ist. 
Zuvörderst  will  ich  erwähnen,  dafs  der  Verfasser  selbst  oft  bemerkt,  dafs  es 
ihm  trotz  aller  angewandter  Mühe  nicht  gelungen,  Autklärung  über  verschie- 
dene dunkele  Ausdrücke,  Redensarten,  ganze  Sprichwörter  u.  s.  w.  zu  erlangen, 
und  dafs  wir  daher  bei  dergleichen  Mängeln  uns  in  Geduld  ergeben  müssen; 
ihm  kann  daraus  kein  V\)rwurf  gemacht  werden.  So  z.B.  gleich  Xo.  i: 
Aùad  y  ba/ìestdro  :  mala  pura  /os  nwros  (Abt  und  Armbrustschütze:  Übel 
für  die  Mohren),  liifst  trot*  des  langen  Commentars,  bei  dem  auch  sogar 
Pindar  herangezogen  wird,  an  der  Richtigkeit  der  gegebenen  P>klärung  zwíá- 
feln.  Die  Sache  mufs  sich  amiers  verhalten.  S.  ferner  No.  94:  A  la  moca 
fnala,  la  campana  la  llama,  a  la  mala,  mala,  ni  catnpana  niñada  (die 
schlechte  Magd  ruft  <lie  (îrlocke,  die  schlechte  [Magd]  eine  schlechte  [Glocke] 
nicht  einmal  eine  Kinderschelle.  Ko.  331:  A  quien  mal  quieras»  pleyto  le 
veas  :  v  a  quien  mal  mal,  pleyto  y  urinal  (Wem  Du  übel  willst,  sprich  vom 
Procefs:  und  wem  übel  übel  [recht  übel]  vom  Procefs  und  Nachttopf).  Mit 
der  Erklärung  „  l  'er  d.  pleito*'  will  sagen  :  Bericht  sich  erstatten  lassen  über 
vlen  Stand  des  Prozesses,  wenn  die  Parteien  mit  ihren  Advokaten  sprechen. 
Ks  ist  eine  bei  den  Gerichten  gebräuchliche  Redensart  (Domingues).  Die 
Erklärung  läfst  die  Sache  so  dunkel  wie  sie  war.  Was  soll  hier  der  „Nacht- 
lopf".^  lassen  die  spanischen  Mägde  denselben  zu  einem  so  aufserordentlichen 
nuisance  werden.'  Das  wäre  allerdings  ein  Stück  Kulturgeschichte,  woran 
sich  mancherlei  Betrachtungen  knüpfen  licfscn  über  Stubenmädchen,  Haus- 
frauen und  Reinlichkeit  in  Spanien.  Xo.  272:  A  quien  Dios  quiere  bien,,  la 
casa  le  sähe  :  y  a  quien  mal,  la  casa  y  el  hoifar  (Wem  Gott  wohl  will,  defs 
Haus  nimmt  ihn  wahr  [wird  ihn  inne];  und  wem  er  übel  will,  defs  Haus  und 
Heerd).  Der  lange  aber  ungenügende  Commentar  läfst  die  Schwierigkeit 
einer  genauen  Erklärung  dieses  Sprichwortes  erkennen;  und  so  noch  oft.  — 
Zu  den  nicht  sehr  bedeutenden  Versehen  oder  Mängeln  die  dem  Verfasser 
•«clbst  zuzuschreiben  find ,  gehören  imter  andern  auch  folgende.  S.  8  heifst 
es:  ,.Los  antiguos  Romanos  :  Incidit  in  Scyllam,  (|ui  vult  (cupiens)  vitare 
riiarybdim.  {Autor  incertus)*'.  Der  Autor  ist  jedoch  sehr  wohlbekannt,  ge- 
hört aber  nicht  dem  römischen  Altertum,  sondern  dem  Mittelalter  an;  siehe 
(raulier  von  (^hatillons  (aus  Lille  fi20i)  Alexandreis  5,301,  wo  der  Vers 
laulei  :  ,J^t•i(li^  in  Scyllam ,  cupiens  etc."  —  S.  06  Xo.  74  A^^ua  ile  Mayo  : 
sana  me  rsia  sarna  que  frayo.  Der  Verfasser  übersetzt:  „Mai-Regen  heilt 
mir  diese  Krät/e,  die  er  gebracht".  Mir  scheint  indefs  trayu  nicht  =  trujo 
oder  trajo,  sondern  so  viel  wie  traverò  (ich  habe)  und  die  agua  Je  Mayo 
vielleicht  auf  den  Maitliau  /u  gehen,  über  dessen  heilsame  Wirkungen  siehe 
(Tervas.  von  Tilh.  S.  57,  Rocliholz,  Drei  Gaugöttinnen,  Leipzig  1870  S.  54  ff. 
,,Der  .Mythus  vom  Maientau".  Bujeaud,  Chants  el  Chansons  de  TOueiit  etc. 
I.  281  führt  an;  ,.P'.n  Saintonge.  Ics  amoureux  vont  se  rouler  nus  dans  la  rosée, 
pour  être  ainus  de  qui  ils  aiment.  Cela  s'apelle  prendre  Vaiguail  de  mai**. 
S.  85  wird  das  Romansche  Sj)richwort  angeführt:  „Afai  una  Parida  /a  *  lg 
Pumér-Buc  dar  ant  urn  a  terra  schecr.  (Palabra  por  palabra  en  francés  : 
Jamais  un  coup  ne  fait  le  ])ommier  tomber,   à  terre  giser".     Statt  glser^    wie 


602  RECENSIONES  UND  ANZEIGEiV.    F.  LIEBRKCHT, 

dreimal  f^cMlrmkl  steht,  i>{  /u  K>cii  ,</'*"':  iiulcf^  i>l  st/uur  nûlil  .  .:  ;^C'-Í! 
sonilcrn  =  cli^oir.  —  S.  lü.^  No.  128  .//  buey  o  cavualLo  mahftio  ci  pt/o  ir 
Iuu\  Zu  (1er  beij^efü^tcu  Erklärung;  dieses  Sprichwortes  nach  dem  Dice,  de 
la  Acad.  íiigt  der  Verfasser  die  Bemerk  un*;;:  „Der  innere  Zusammenh;ui;¿  diocr 
Auslej^unj^'  mit  dem  Wortlaute  des  Sprichwortes  ist  nicht  klar".  Ich  hahe 
jedoch  letzteres  verdeutlicht  in  dieser  Zeitschrift  III  I  2»»  jrele^^entlich  deh  sici- 
li.schen:  A  cavaddru  jastimatu  ci  luci  hi  ¡lihi".  ~  S.  122  ist  unter  den  deut- 
schen s})richwörtlichcn  Redensarten  anjjefiihrt:  „Mücken  seichen  [sie]  und 
Kameclc  verschlucken".  üie>e  stammt  aus»  Kv.  Matth.  23, 24.  —  S.  131  /.  i 
C(int/ifn'uò  bedeutet  nicht  „der  Kruj;'*  sondern  „der  Wallach  ^(iaul)".  Das 
>pan.  cántaro  mag  wohl  /u  der  unrichti;;en  Übersetzung^'  verunlafst  haben, 
liei  dieser  (lelegenheit  will  ich  auch  noch  auf  einige  andere  fehlerhafte  (rber- 
selzungen  aufmerksam  machen,  so  weit  sie  mir  aufgefallen  sind.  S.  140  ./ 
/;/<//!  mav  hohi  his  toni^iw  in  an  ill  time  il.  h.  Man  kann  auch  zur  unrcclilen 
Zeit  schweigen  (vgl.  schwed.  „Oft  schweigt  man  /u  seinem  eigenen  Schaden**): 
•  1er  Verfasser  übersetzt:  „Kin  ^lann  halte  seine  Zunge  (schweige)  zu  einei 
>chlechten  Zeil,  d.  h.  er  spreche  nicht  zur  unrechten  Zeit".  S.  l/ii  dün.  z.  H. 
Uro  ci  vil  lide  paa  miudelsc  af  .sin  ven.  er  7'trrJ  a  J  lid  e  straf  aj  sin  jii'ftJe; 
d.  h.  „wer  sich  nicht  verlassen  will  auf  die  Erinnerung  (Weisung)  von  seinem 
Freund,  ist  werth  Strafe  zu  leiden  von  >einem  Feinde".  Der  Verfasser  ulwr- 
sctzl  :  .AVer  nicht  gehen  will  auf  Erinnerung  (Weisung)  von  *>einein  Freuml 
U.S.W."  S.  214  Sterne  tori>.^ ,  adhitje  laut  is  bella  lia  mensis  übersetzt  der 
Verfasser  ..Schlag  nur  Stiere  und  füge  zur  üppigen  Tafel  den  Nacllti^ch'^ 
Sternere  toroò  (i.  e.  lect«»)  heif>l  aber  hier:  die  Speisesofas  mit  Teppichen 
bedecken.  S.  221  No.  H)*)  /-f  piours  a  moro  c'est  tie  nonains ,  nberi>elzt  dei 
Verfasser  „die  fríimme  Liebe  i^t  liie  \on  Xonncn":  stdl  aber  heif>en:  „die 
schlimmste  Liebe  u.  s.  w."  —  S.  l')^:  Iranât.  skaltu  tn'ia  ùnt^ttr  Ik'oniálunt 
.'.,'  brotnu  A7erf)i:  kaum  sollst  du  trauen  der  Braut  Bettredc  und  gebrochenem 
Schwerte.  Dies  ist  als  islän»li>ches  Sprichwort  angclührt,  stanimi  aber  ei|;enl- 
lieh  aus  //i/,-'«/////// iSi)  (î<5i.  —  S.  2M>  L'ber  den  dort  angeführten  l)ekannicn 
Spruch:  ..(>// /</y///i/  '/.4,'/.».  prudent  er  ajilas  et  respite  jinem''  h.  Büchiuann, 
iietlügeltc  Worte  12.  Aull.  S.  27.  —  !^- ,>-'»  Los  I^itinos  I)  Cürrijfit  Deu^ 
t/ueni  díli,í,'it.  2)  l'tisti^^'iit  /.>eus  et  cor r i i: it  quem  diltiçit.  Diese  beiden 
•Sprüche  sjiul  aus  dem  liebriierbriet  12,0.  3)  (> ue m  IK  us  perdere  ruft,  priUA 
ilcuicntat:  s.  liüchmaiiii  a.  .1.  ().  S.  258.  Zu  ilem  dort  angeführten  füge  n»K"h 
folgende  Stelle  aus  I*achym.  Dr  Michaele  Talaeol.  1,10  (]>•  5'»  I'd.  Bonn): 
,./<;■.'  yf'.i».  tUftfd .  Torun\:  rò  itò(uìiuuy.  xaì  xò  /.í-yn/tn'or  ¿A,t¿{}t^,  iv<i 
n  if  r  I  ^nl  T  nt  r  h  .■  tf  n  /.'  r  n  .*  o  r  t(  .1  o  /,  i  a  m  u  i-  /./.n  r  n  H  tlit  v  *'.  —  S.  4 1  u 
Ni».  3^1  ./  '/  /o  di:: o.  hijutlii  :  enciende  /i«  /«,  /;//  nore„uela..  Zu  den  Aníüh- 
runden  des  Vei lassers  lüo».-  noch  -las  ital.:  ,.Dico  a  te.  suocera.  |>erchè  tu, 
nuor.v.  inii  mia".  l'iirè.  Cinti  pop.  1.5«»  Anm. ;  ani  Kreta:  Tii  ).hyw  atra 
l.'ihnr.  yn\  ì'f(  r'  Aidtv  ì,  vnffi-  Jeannaraki,  .'|.S".)/-1ÏM  KlHiTIKA,  Leip- 
zig if<7i»  s.  311:  und  auf  (  ypivu:  tùìv'  rò  /j\o  .if .'>/Ai-*#/V  yifc  va  r'  nxov^ 
¡,  yini-  inMi,.  l\H\i:,LÌ.\l*lnl\  TA  KMIPÌAKA,  AOHMi^i.  i«6i. 
Ili  i^r.  S.  f2i  No.  ^44    „Eher    ■  Lieben    Katzenkt>pf  als   LöwenschwciO*. 

liier  wir.l  .mui  .indem  nach  Kr.isinus  angefülirt:  ..Julius  Caesar  maluit  in 
iVij^id"  •>|ipidul«»  primus  esso,  »|u.im  Rfunae  secumlus".  S.  hierüber  Plutarch. 
<  Mt^-.ii    II   und    d«n-.cll)eii   in  Reg.   ti    Inipt-i.   .ipophth.  <\ijiis  <"at.'S,  V. —  S.  603 


HALLER,    ALTSPANISCHE  SPRICHWÖRTER  ETC.  603 

,,Nach  andern  AngHl)cn  stammt  der  ¿weile  obige  Vers  von  Kratinos  aus 
Pytine  her".  Kratinos  war  jedoch  aus  Athen  gebürttj^  und  namentlich  be- 
rühmt \var  sein  Lu.sts])iel  //er/V//  (die  Weinflasche).  Es  mufs  also  an  jener 
Stelle  vielmehr  heifsen  :  „aus  seinem  Lustspiel  *  Pytine  *  ". 

Jedoch  genügt  es  an  diesen  einzelnen  Berichtigungen,  die  nur  unbedeu- 
tend sind  im  Verhältnis  zu  dem  ungeheuren  Stoff,  den  der  Verfasser  des  vor- 
liegenden Werkes  mit  bewundernswerter  Ausdauer  in  erstaunlicher  Fülle 
zusammengetragen  hat,  und  wenn,  wie  wir  gesehen,  manches  <laran  auch  aus- 
zusetzen ist,  so  ist  dies  doch  uur  die  Folge  seines  vielleicht  zu  weit  ge- 
triebenen Strebens  etwas  Vollständiges  zu  liefern,  was  eben  niemand  verliehen 
ist.  Viel  leicliter  imd  angenehmer  würde  es  sein,  Stellen  des  Buches  hervor- 
zuheben, welche  man  mit  Vergnügen  und  grofser  Befriedigung  durchliefst. 
Man  schlage  nur  auf  und  dies  wird  sich  fast  überall  bewährt  finden.  Das 
Mangelhafte  und  zu  Tadelnde  bildet  eben  nur  die  Ausnahme  und  bestärkt 
blos  die  Regel.  Beispielsweise  frühe  ich  an  No.  359:  „A  quùn  buena  muger 
(iene,  n¿H¿^'Uft  mal  le  puede:  reñir,  q  no  sea  de  sufrir**  und  No.  360:  „A  tjuien 
tiene  mala  wnger,  ningún  bien  le  puede  venir,  que  bien  se  pueda  dezir*'. 
nier  hndel  man  vieles  zusammengestellt,  was  die  Volksweisheit  für  und  wider 
/u  Tage  gefr>rden  und  man  mit  grofsem  Ergötzen  lesen  wird.  Diese  (felegcn- 
lirit  will  ich  auch  benutzen  um  zu  den  holländischen  Sprichwörtern  von  dem 
..kwaad  wijf*  (S.  4Ó7  Anm.  4-  8)  ein  spafshaftes  Epigram  von  Huygens  (Boek 

XXV  108)  hinzuzufügen: 

Aen  Dirck. 

l'w'vrouw,  die  zoele  ziel,  ilacr  van  gh'u  .soo  beroemt. 

En  die  ghy,  koninghs  wijs,  de   Gocdertieren  'noenU, 

Kijft,  hot)r  ick,  vroeg  en  laet:   Dirck,  heet   dat  goederiieren, 

Soo  kan  ick  gcen   goed  duytsch  :  ick  weel  geen  tjunder  Iteren. 

Vgl.  Hormatis,  Leven  van  Sinte  Christina.  (ìent  1830  p.  320  f.  —  Sehr  trcfiend 
und  anziehend  ist  auch  alles  was  gesammelt  ist  unter  Xo.  231:  ,,Anda  ei  ma- 
/'adero  de  ulero  en  otero  y  rie  ne  a  quiebrar  en  el  hombre  bueno".  Tch  füge 
hinzu  eine  ne.ipoliíanische  Redensart  oder  S])richwort:  ,,Si  mme  metesse  a  fa 
lo  tantararo  —  L'uomniene  nasciarriano  senza  culo".  Schon  Kreidank  hol 
;^esagl  (S.  71,  2.  A.  Grimnih  .,swcr  zéime  helblinc  ist  erborn  —  wirbt  der  nach 
/wein  er  ist  verlorn**:  und  vor  ihm  Ebn  Ezra  (F>ra)  :  „If  Í  took  to  shrou- 
niaking,  I  believe  mankind  wuld  cease  to  die  :  or  if  I  adojHcd  candle-making 
\\)\  ,\  i)r<)fessinn,  the  sun,  T  leel  sure,  would  shine  by  night  as  well  as  by 
day.  till  the  hour  of  my  death**.  Spectator  26.  May  1877  p.  ()6g^•.  Will- 
konunen  sind  ferner  alle  auf  «lie  Katzen  bezüglichen  Sprichwínter,  gesammelt 
unter  Xo.  3i>2  :  ,,Aues  visto  mocas  mi  gato  en  galochas" r  und  so  noch  sehr 
>ieles  andere,  >o  dnfs  es  überflüssig  wäre  hier  noch  einzelnes  weiter  hervor- 
luben  zu  Wollen,  Wir  haben  hier  einen  wahren  Schatz  von  Sprichwörtern 
\Mrliegen,  «icr  zwar,  wie  jeder  andere  Schatz  sich  noch  vielfach  vermehren 
li(  r«.,  aber  «leslialb  doch  immer  einen  sehr  bedeutenden  Wert  besitzt,  so  dafs 
rille  i)ben  lior vorgehobenen  Mängel  u.  s.  w.  eben  nur  als  Beweis  dienen  sollen, 
wie  «'orgfallig  ich,  wie  ich  schon  früher  bemerkt,  denselben  durchgegangen. 
Einen  audirn,  freilich  nicht  sehr  angenehmen  Beweis  davon,  will  ich  aber 
.\\\c\\  noi  h  hirclì  den  Xachweis  einer  Reihe  von  Druckfehler  liefern,  und 
/wai    n\ir  so  weit  mir  dieselben    in    der   ersten  Hälfte    «les  Bandes    aufgefallen 


604  RECENSIONKN  UND  AN/EIGE.V.     F.  LIEBRECHT, 

unci   ich    dieselben    angemerkt   habe;    >päter   hal>c   ich   dies  unterlassen.     S.  2 
Holland,   i)  sl.  paper  1.  pcper.     -  S.  1 3  Z.  5  u.  29  st.  AvxHor  1.  Avxf-ior. 
S.  I4l>  Z.  29  st.  Phalaephatus  1.  Palaephalus.  —  S.  17"  Ital.  i)  sl.  corte  1.  cori»i. 

—  S.  i8f)  sl.  Alábete  1.  Alábate.    -  S.  20"  Z.  13  st.  ¿vu(fia(^t^  1.  HpHfhih^. 

—  S.  42«  st.  tinnungulus  1.  tinnunculus.  —  S.  45a  Z.  2  v.  u.  st.  le  grassa  1. 
l'ingrasso.  —  S.  56»«  Z.  20  sl.  venare  1.  venari.     Z.  13  v.  u.  sl.  agnac  1.  agnar. 

—  S.  60«  Z.  14  V.  u.  st.  dar  1.  da.  —  S.  61»  Z.  23  st.  akta  1.  aktar;  Z.  35  sl. 
toi  1.  soi;  ib.  ^  Z.  23  st.  Hungrige  Ksel  achten  1.  Hungriger  Esci  achtet.  - 
S.  f)qo  Z.  9  V.  u.  st.  kücken  1.  koeken.  S.  72«  Z.  u  sl.  novit  1.  nooit.  -- 
S.  151« b  Z.  15.  If)  V.  u.  sl.  ejo  1.  ojo.  —  S.  199»«  Z.  5  st.  gor  1.  gîir.  ■  S.  203» 
Z.  5  st.  l'ublian  1.  Publilii.  —  S.  215«  Z.  i<>  si.  come  1.  conio.  —  S.  223» 
Z.  20  V.  u.  st.  needry  1.  needy.  —  S.  243»  Z.  2ü  :>t.  upptinnigens  1.  upplìonin* 
gens.  —  S.  250«  Z.  16  st.  cum  1.  un.  S.  252«  Z.  13  st.  skjale  l.  .skjule;  Z.  24 
sl.  schorfths  1.  schürft.  —  S.  266"  Z.  16  v.  u.  st.  orn  1.  om.  —  8.272»  Z.  0 
>t.  nylt  .  .  .  sader  1.  nytt  .  .  .  seder.  —  î>.  303,  11)  st.  uten  1.  uit'en.  — 
S.  304»  Z.  2  st.  helly  1.  belly.  —  S.  310"  Z.  9  st.  vuro  1,  ouro.  —  S.  326«  Z.  19 
st.  pierde  l.  pierda;  Z.  20  st.  i)ascarillo  1.  pajaritlo. 

JJie  vom  Verfasser  selbst  nachgewiesenen  io  Druckfehler  reichen  also, 
wie  wir  eben  gesehen,  durchaus  nicht  hin  und  er  hätte  deshalb  über  das 
Wandcrsche  Werk  nicht  so  streng  /,u  Gericht  sitzen  sollen,  wie  er  es  (S.  XIV) 
gelhan. 

F.  r.lERRECHT. 


(TargantuA  dans  1  es  Ti  adi  tion>  populaires  p a r  Paul  Sébillot.    Paris 
Maivonneuve  et  Cî^  1883.    XXVIII  und  342  Seiten.    S«. 

I>er  vorliegende  Band  ist  der  Tome  Xll  der  Littératures  Popufairci  Je 
tonttw  /e.\  .Vtitiofts,  deren  frühere  Bände  ich  an  dieser  Stelle  (VI  I36flr.  4iJ  f(.\ 
besprochen  habe.  In  der  gegenwärtigen  Arbeit  Scbillots,  den  wir  bereits  als 
tüchtigen  Korscher  auf  dem  Gebiete  <ler  Volkskunde  kennen  gelerai,  hat  der- 
selbe ^iih  »lie  sehr  verdienstliche  Aufgabe  gestellt  und  auch  ausgeführt,  sfimt- 
liche,  in  verschiedenen  Ländern,  namentlich  aber  in  den  Provinzen  F^ankreich^ 
wcit/.ersireuie  auf  (iar^anfua  bezügliche  Sagen  unti  Überlieferungen  xu  sam- 
meln und  bekannt  ¿w  machen,  um  weitere  Forschungen  hinsichtlich  dieser 
mythischen  Persönlichkeil  /u  ermöglichen.  In  der  sehr  lehrreichen  tntro- 
duct  ion  bespricht  der  Verfasser  aufser  den  früheren  Forschern  Jacob  Grimm 
und  Bourquet.  welche  in  (ìari^antua  eine  L'bcrlicferung  der  keltischen  Epoche 
erkannten,  namentlich  noch  den  Essai  de  mythologie  ceftique  des  bekannten 
Kcliisten  Henri  Gaido/  (in  der  AVz/zc  archéologique^  septembre  1868),  der  an 
«leu  Schlüssen  kam  : 

„1"  (Jue  Gargantua  est  certainement  un  type  antérieur  à  Kabelais»  et 
»|ue  ce  mythe  est  celtique,  puist|u'on  le  retrouve  répandu  en  France,  en  Grande- 
Bretagne  et  non  ailleurs; 

,.2"  (hic  (rargantua  est  probalflfment  le  développement  populaire  d'un 
liercule  gaulois; 

,,3"  <Jue  Gargantua  est  peut-être  un  mythe  solaire. 


SKHILLOT,  GARGANTUA  DANS  LES  TRADITIONS  POPULAIRES.       605 

,,Peut-être  pourrait-on  y  rattacher  le  Gayant  de  Douai,  le  GraulH  de 
Metz,  la  Gargouille  de  Rouen,  la  Chair  Salée  de  Trois,  etc." 

Die  Richtigkeit  dieser  Schlüsse  Gaidozs  hat  jedoch  Gaston  Paris  in  der 
Reviu  critique  1868  pp.  326  ff.  bezweifelt,  wogegen  Sébillot  sich  so  ausdrückt: 
„J'ai  reproduit  les  parties  essentielles  de  l'argumentation  de  M.  H.  Gaidoz  qui 
avait  très  ingénieusement  exposé  cette  théorie.  Mais  à  part  le  fragment, 
page  83,  où  Gargantua  produit  de  la  neige  et  la  fait  ensuite  fondre,  je  ne 
crois  pas  que  les  nouveaux  documents  que  j'ai  pu  réunir  apportent  beaucoup 
d'arguments  pour  ou  contre  la  thèse  soutenue  avec  prudence,  d'ailleurs,  dans 
Garganttia^  Essai  de  Mythologie  ceitique^''.  Der  Verfasser  schliefst  seine 
Introduction  mit  folgenden  Worten  :  ,,I1  est  permis  de  penser  qu'antérieure- 
ment au  XVI  siècle  il  pouvait  exister  quelque  part,  en  France,  un  géant 
appelé  Gargantua,  dont  les  aventures  étaient  répandues  dans  le  peuple.  Ra- 
belais, fort  an  courant  des  croyances  et  des  traditions  de  son  temps,  a  pu  en 
avoir  connaissance  et,  transformant  au  gré  de  son  génie  le  récit  confus  du 
])euple,  il  en  a  fait  l'u'uvre  immortelle  que  l'on  connait.  Le  retentissement 
des  Grandes  Chroniques^  et  surtout  de  l'œuvre  de  Rabelais,  auront  fait  con- 
naitre  un  peu  partout  un  héros  qui,  peut-ôtre,  n'était  d'abord  que  local;  les 
Vies  du  fameux  Gargantuas ,  l'imagerie  populaire  sont  venues  ensuite  et, 
quoique  sous  une  forme  altérée,  ont  répandu  ce  nom  de  Gargantua,  expressif, 
cnmpris  de  tous  et  facile  à  retenir,  et  qui  sera  peu  a  peu  devenu  synonyme 
(le  géant*'.  Gaidoz  hat  nämlich  gezeigt,  dafs  alle  romanischen  und  selbst 
keltischen  Dialekte  die  onomatopöische  Wurzel  gar  besitzen,  die,  mit  welchem 
Suffix  auch  immer  verbunden,  die  Idee  ,, verschlingen"  erweckt,  so  dafs  Gar- 
l^'antua  also  eigentlich  ,,un  grant  mangeur"  bezeichnet. 

Der  Verfasser  hat  nun  in  seiner  Arbeit,  wie  bereits  bemerkt,  alles  zu- 
sammengestellt, was  sich  irgendwo  auf  Gargantua  bezügliches  vorfindet  und 
in  einer  sehr  willkommenen  Table  alphabétique  des  Gestes  de  Gargantua  et 
dt'  ses  similaires  das  Auffmden  der  betreffenden  Gegenstände  und  Sagen 
hiichst  l)equem  gemacht.  Ich  selbst  hebe  nur  einige  wenige  Punkte  daraus 
hervor:  so  aus  dem  Kapitel  „Popularité  de  géants  similaires^*  das  folgende 
(p.  I2q):  ,,A  plusieurs  blocs  remarquíibles  est  associé  le  souvenir  de  géants 
ji.irfois  anonymes.  'On  voit  dans  la  forêt  de  Quénécan,  en  Camors,  [Bretagne], 
les  roches  dites  Castel  Finatis  ou  Castel -Géant ,  citées  dans  la  vie  de  Saint 
(ìildas,  et  ilans  le  traité  de  Roch  de  Baillif,  qui  y  découvrit,  en  1577,  des 
monnaies  d'argent  portant  une  tour  et  ayant  \iO\\x  exergue  Castri  Gigantii 
[sic].  (Ogce,  art.  Camors,  nouvelle  édition)'.  D'après  un  article  du  même 
ilictionnaire  la  partie  sud  de  l'île  aux  Moines  se  nomme  Gurgantelec,  nom 
(ju'il  est  intéressant  de  comparer  avec  celui  de  Gargantua".  Ferner  folgende 
Legende  aus  Poitou  :  ,,Une  legende  chère  aux  maraichins  nous  montre  sainte 
Macrine  fuyant  devant  <  rargantua,  montée  sur  une  mule  ferrée  à  l'envers.  La 
bête,  harassée  de  fatigue,  s'arrête  dans  l'île  de  Magne,  près  d'un  champ  où 
des  paysans  sèment  de  l'avoine.  Macrine,  se  fiant  en  la  miséricorde  divine, 
les  prie  de  dire  à  tout  venant  (|u'elle  a  passé  le  jour  où  ils  mettaient  leur 
grain  en  terre. 

„(rrand  étonnement  des  laboureurs,  en  trouvant  le  lendemain  leur  avoine 
mûre;  ils  reconnaissent  à  .ses  oeuvres  l'envoyée  du  Seigneur,  et,  quant  sur- 
vient (iarguniua,    ils   se   hâtent    de  lui  apprendre  que  l'avoine  n'était  pas  née 


Òo6  KECKNSIONKN  l'ND  AN/KK^KX.     F.  I>IEHRRCHT. 

]ors  fìii  passavìe  de  la  sainte"  (p.  174).  Ol)er  diese  weitverbreitete ,  hochet 
wahrschernlich  aus  einem  orientalischen  Märchen  entstammende  legende  s. 
meine  Hemerkunj»  in  Bartschs  German.  27,  377  ff.  —  Endlich  vergleicht  der 
Verfasser  (S.  30H  f.)  eine  corsische  Sage,  wonach  (Targantua  auf  Ritten  einer 
sich  vergeblich  abmühenden  Volksmenge  in  einem  Handumdrehen  einen  Thurm 
zur  Krde  wirft,  mit  einer  Stelle  eines  ossianischen  (icdichtes,  welche  Henri 
Afariin  (Kludes  d'archéologie  celtique  p.  93)  auf  folgende  Wei<.e  erzählt  :  „Os- 
sian,  marié  ii  une  fée  de  Killarncy,  se  souvient  tie  son  peuple  et  de  sa  patrie, 
et  il  désire  les  revoir.  î-a  fée,  consentant  ;\  grand'  peine,  lui  donne  un  cheval 
magique  et  lui  recommande  sur  toutes  choses  de  ne  pas  mettre  pied  h  terre 
durant  son  voyage.  Il  se  retrouve  dans  le  pays  des  Finiens,  dont  les  rafhs 
et  les  Juns  jonchent  les  valées  de  débris.  Comme  il  s'en  allait  le  coeur 
triiste.  il  aperçoit  une  grande  foule  de  peuple  qui  s'efforçait  de  dresser  une 
haute  pierre,  et  n'y  pouvait  parvenir.  Im  foule  implore  l'aide  «lu  cavalier 
qui  passe.  Ossian  s'approche  et  son  bras  puissant  me  debout  le  menhir.  Il 
n'a  pas  quitté  la  selle,  mais  dans  son  grand  effort,  son  pié  a  touché  la  terre. 
I,e  cheval  disparaît,  et  Ossian  se  retrouve  seul,  abandonné,  aveugle,  et  courbé 
sous  le  poids  de  trois  siècles".  Die  verwandten  Züge  der  beiden  Sagen  von 
Gargantua  und  Ossian  wird  man  leicht  entdecken.  Let/.tere,  die  irische  Sage, 
ist  mir  auch  aus  K.  v.  K(illinger)s  Krin  Bd.  Ill  (Sagen  und  Märchen  i,  161 — 5) 
Stuttgart  und  Tübingen  1847  bekannt,  mit  dem  Titel:  „Osschin  und  das  Land 
der  Jugend",  welche  Sage  mir  um  so  merkwürdiger  dünkt ,  als  sie  mit  der 
altbritischen  vom  König  Herla  sehr  genau  verwandt  scheint;  s.  Zur  Volks- 
kunde S.  27  ff. 

Nur  diese  wenigen  Punkte  aus  tlieser  erschöpfen<len ,  Gar^i^anfun  be- 
treffen<len  Sagensammlung  habe  ich  hervorgehoben,  es  dem  Leser  überlassend, 
den  Reichtum  derselben  auszubeuten  und  Folgerungen  daraus  zu  ziehen;  nach 
Sébillots  Forschungen  wird  auf  diesem  Felde  nichts  neues  mehr  zu  entdecken 
bleiben. 

F.  Ij  EHR  ECHT. 


£.  Rolland,    Kimes   et  Jeux    de    l'Enfance.     Paris  (Maisonneuve  &  O«) 
1883.    II r.  396.    8". 

Wir  haben  hier  den  vol.  XIV  der  Littt'rafures  populaires,  dessen  Verf. 
aufser  durch  andere  Arbeiten  auch  durch  seine  Fnuiit  populnire  rühmlich 
1)ekannt  ist.  Er  beschäftigt  sich  vorzugsweise  mit  der  Volk.skunde.  der  auch 
die  vorliegende  Arbeit  angehcirt  und  in  Bezug  auf  welche  er  bemerkt:  „On 
ne  se  rendra  compte  de  la  gen¿*se  de  la  tradition  enfantine  que  <]uand  chaque 
peuple  aura  recueilli  et  classé  la  sienne.  La  France  a.  jusqu'à  présent  apporté 
peu  de  matériaux,  à  cet  édifice  de  l'Avenir",  und  er  hat  es  nun  unternommen 
einen  Beitrag  /.u  diesem  Gebäude  zu  liefern.  Li  Deutschland  besitzen  wir 
verschiedene  hierhergehiirige  Sammlungen,  von  denen  ich  blofs  die  von  Roch- 
holz (Allcmannischcs  Kindcrlied  und  Kinderspiel)  und  J.  V.  Zingerle  (Das 
deutsche  Kinderspiel  iin  Mittelalter)  erwähnen  will ,  da  sie  auch  schätzbare 
littcrarische  Nachweise  enthalten  und,  namentlich  ersteres  Buch,  auch  auf  ver- 


E.  kOIXANü,  kIMKS  KT   lEl'X  i»K  I/KNFANCK.  6oT 


/ 


ijicichende  Untersuch  an  gen  eingehen.  Rolland  beschränkt  sich  gewohnlich 
auf  Hcrbei/.iehen  de<?  Stoffes  und  /war  aus  allen  Provinzen  Frankreichs,  so 
dafs  dem  Forscher  auf  diesem  Gebiete  derselbe  hier  in  reichem  Mafse  vor- 
liegt. Ich  selbst  will  nicht  auf  diesen  Gegenstand  naher  eingehen  und  nur 
flie  eiozelnen  Abteilungen  der  Kim£s  ^tc.  anfuhren.  I.  Brrcrusrs.  —  IT.  y^ux 
fi  Formuhttfs  pour  amuser  Us  tout  petits  enfants.  Die  No.  13  handelt  von 
den  vertauschten  Füfsen  (Formnlettes  de  rembrouillement  des  pieds)  und  knüpft 
sich  \nclleicht  an  die  auch  anderwärts  bekannte  Schnurre  an .  s.  meine  Be- 
merkung in  Bartschs  German.  XTX  3Q0  und  X\Tri  170.  în  Xo.  25  wird  auf 
die  Frage  des  Kindes:  „One  m*as-tu  apporter"  geantwortet:  „Un  petit  rien 
du  tout  dans  une  boîte  perece".  Mir  wurde  (in  Breslau)  von  der  Magd  ge- 
antwortet: „Ein  silbernes  Xixchen  und  ein  goldenes  Warteweilchen".  — 
ITT.  Prières  enfantines.    —     ÍV.    Rondes.  V.   Chansonnettes.     Fasi    lauter 

T.ûgenlieder,  über  welche  Liedergattung  s.  Uhland,  Schriften  zur  (tesch.  d. 
Dichtung  u.  Sage  3,  223  ff.  —  VI.  Randonnées,  enthalt  Haufellieder  oder  viel- 
mehr Häufelsprüchc,  wie  sie  sich  weit  und  breit  und  selbst  unter  den  Holten?, 
totten  finden:  s.  mein  .,Zur  Volkskunde**  S.  iSo  zu  Xo.  273.  Xahe  verwandt 
sind  die  Kettenliedrr,  worül>er  ebend.  S.  17S.  —  VII.  Jeu.x  et  Formulettcs  de 
jeux.  —  Vni.  Ga^cs  et  Penitences  de  j'eu.x,  —  IX.  Devinettes.  Hierzu  wird 
bemerkt:  „Ce  chapitre  peut-être  consideré  comme  un  supplément  ;\  mon  Re- 
cueil d*énigmes  populaires,  publié  en  1877".  Zu  Ende  dieses  Abschnittes 
finden  sich  einige  „Phrases  à  répéter  avec  volubilité  sans  se  tromper".  Der- 
gleichen finden  sich  auch  in  Deutschland  und  in  vielen  anderen  IJindei-n. 
Hier  lautet  das  letzte:  .»Haut  nid  pie  a  —  Bas  nid  caille  a,  —  Kn  mare  cane 
est".  —  X.  Tht'âfre  enfantin.  —  XI.  Formulettes  d\'iifnination  nu  /eu.  - 
XII.   Formulettes  satyriques  et  facétieuses.  XIII.  Formulettes  diverses. 

Hiermit  verlasse  ich  vorliegende  Arbeit,  die  sich  vielfach  verwerten 
lafst.  indem  der  Verf.  z.B.  ganz  richtig  bemerkt,  wie  mir  scheint  (p.  242): 
„Je  crois  que  beaucoup  de  fornìulctles  enfantines  sont  d'anciennes  incantations" 
und  zugleich  daselbst  ein  Beispiel  anfuhrt,  so  dafs  er  nicht  ohne  Grund  in 
dem  Avant-propos  sich  äufsert:  „Notre  livre  sera  sans  doute  bien  accueilli 
des  savants  qui  étudient  In  démopsychologie". 

\\  LlEimF.CHT. 


Raffaello  Fomaciari,  Studi  su  Dante  editi  ed  i  ned  i  li.     Milano,  Tre- 
visini,   1883.    VI.   188  S.    8«. 

Unter  der  grofsen  Masse  von  Schriften  über  Dante,  welche  beständig 
publiziert  werden,  verdient  das  neue  Buch  Kornaciaris  eine  besondere  Beach- 
tung, und  der  Verfasser  ist  vollständig  I)erechtigt,  diese  in  der  Vorrede  für 
seine  Studien  in  Ansj)ruch  zu  nehmen.  Von  den  5  Abhandlungen  beschäftigen 
sich  die  4  ersten,  welche  schon  einmal  in  periodischen  Publikationen  erschienen 
sind,  mit  der  allegorischen  Deutung  einzelner  Gestallen  und  Züge  der  Komödie, 
welche  von  jeher  ganz  besondere  Schwierigkeiten  darboten  und  die  zugleich 
für  die  Gesamtanft'assung  von  D;uUes  Komposition  von  grofser  Wichtigkeit 
sind.     Fornaciari  ist  es  nicht  darum  zu  Ihun,   durch  die  Neuheit  seiner  Aus- 


Òofi  RECENSIONMÍN  UNI)  AN/KIGKN.     A.  GASPAR V, 

le^^un^n  tm  ^Vàn/.vn,  und  so  die  verwirrende  Menj;e  der  Mutinafsungen  noch 
zu  vermehren,  ohne  jemand  überzeugen  zu  können;  vielmehr  acceptiert  er 
ohne  Bedenken,  wo  es  ihm  passend  erscheint,  die  von  Anderen  gemachten 
Krjclärunjjsversuche,  und  sein  Streben  {ijeht  dahin,  inmitten  der  zahllosen  sich 
widersprechenden  Meinunj^en  einen  Halt,  eine  Entscheidung  auf  fester  Grund- 
lage zu  finden.  Diese  Grundlage  sucht  vr  in  dem  s()rgíaUígsten  Studium  des 
ganzen  Gcdiciites:  er  leitet  aus  der  Gesamtanlage  desselben  den  Sinn  der 
einzelnen  Stelle  her  und  setzt  sie  in  Beziehung  zu  anderen  oft  weit  entfernten 
Stellen,  die  mehrfach  in  überraschender  Weise  über  den  streitigen  L*unkt  Licht 
verbreiten.  So  versteht  er  die  Methode,  Dante  mit  Dante  zu  erklären,  indem 
er  sich  nicht  mit  <ier  äufserlichcn  (regenüberstellung  von  Worten  begnügt, 
sondern  dem  Zusarnuicnhangc  der  Gedanken  nachforscht,  und  die  Ernsthaftig- 
keit dieser  Bemühung  mufs  mairauch  da  anerkennen,  wo  man  mit  dem  Re- 
sultate nicht  einverstanden  ist. 

Der  erste  Artikel  Su/  Si¿'-nif¡cafo  A//eji;orico  ddfia  Lucia  entscheidet  zu 
gunsten  einer  Ansicht  von  Ruth,  dafs  die  Lucia  der  Komödie,  die  man  sonst 
meist  als  die  Gnade  auHafste,  vielmehr  die  Gerechtigkeit  sei;  sie  steht  über 
Virgil,  der  Philosophie,  die  zum  aktiven  Leben  anleitet,  wie  die  göttliche 
Barmherzigkeit  (Maria)  über  Beat  rice,  der  Theologie  steht,  welche  die  Kuhrerin 
im  coniemplalivcn  Leben  ist.  Dieser  Flrklärung  gicbt  JMimaciari  durch  seine 
weiteren  Ausführungen  zum  wenigsten  eine  grofse  Wahrscheinlichkeit.  In 
<ier  Vision  Purg.  TX  sieht  sich  Dante  von  einem  Adler  an  den  Eingang  des 
Purgatoriums  emporgetragen,  und  Virgil  erzählt  ihm  dann,  dafs  dies  Lucia 
gethan  habe  :  also  ist  das  Bild  für  Lucia  der  Adler,  das  Zeichen  der  Universal- 
monarchic  und  der  Gerechtigkeit.  Lucia  heifst  nemica  di  ciascun  crudele, 
weil  die  Gerechtigkeit  in  Dantes  idealer  Monarchie  alle  Übergriffe  beseitigt, 
allem  Streite,  aller  Gewaltthat  ein  Ende  macht.  Maria  nennt  Dante  Lucias 
(ìetreuen,  und  er  hielt  sich  vor  allem  für  den  Apostel  der  Gerechtigkeitt  für 
tien  poeta  della  rettitudine,  wie  er  sich  selbst  bezeichnet.  Weniger  ist  es 
Foruuciari  geglückt  nachzuweisen .  was  den  Dichter  bewogen  habe,  gerade 
diese  Heilige  zum  Symbol  für  seine  Idee  zu  verwenden.  Die  Bezüge,  welche 
(*r  zwischen  ihr  und  <ler  Gerechtigkeit  ausfindig  macht,  scheinen  gar  subtil; 
solche  SophÌNiikationen  sind  freilich  durchaus  nicht  gegen  Dantes  Verfahren, 
und  er  hat  sirh  ihrer  auch  sonst  bedient:  aber  das  Schlimme  ¡st  dabei,  dafs, 
wo  er  uns  nidu  selbst  den  Schlüssel  gegeben  hat,  wir  heut*  bei  einem  so 
mühselig  aufgespürten  Zusammenhange  niemand  mehr  recht  überzeugen  können, 
Dantes  Gedanken  getroffen  zu  haben,  wie  denn  auch  Fomaciari  zwischen 
mehreren  Auffassungen  schwankend  bleibt,  in  den  Anmerkungen  ist  noch 
i)eiläufig  die  I^edeutung  des  Veltro  bes])rochen  und  gegen  Del  Lungo,  der  in 
ihm  wieder  die  Prophezeiung  eines  grofsen  Papstes  sehen  wollte,  mit  guten 
(iründen  die  Ansicht  verteidigt,  dafs  ein  mächtiger  und  gerechter  Kaiser  oder 
dessen  Vicar  gemeint  sein  müsse. 

/.//  Ruina  di  Dante  secondo  F  opinione  di  un  ultimo  commentatore  ver- 
teiiligt  und  l>egründet  eine  von  Bcnnassuti  gegebene  Deutung.  Von  den  Wol- 
lüstigen im  ;.  (Te>angc  des  Inferno  heifst  es,  sie  klagten  und  weinten  und 
fluehlen  d'ji  j,MJitliclien  Macht,  wenn  ^io  vom  Sturm  getrieben  an  die  rmna 
gelangten.  Die  ruina,  sagt  Fornaciavi,  mufs  von  derselben  Art  sein  wie  die 
in    c.  XII    erwähnte,    d.  h.    ein    Bergsturz,   welcher   stattfand   bei   dem   Erd- 


FORNACI  AKT,    STUDI  M'  DANTE  EDI  1 1  KD  INEDITI.  609 

beben  /iir  Zeil  von  Christi  Tixie.  Ini  l2.(Tesanj;c  deutet  Virj^l  ausdrücklich 
an,  daf>  »oldier  Kinslur/  auch  nodi  anderswo  eingetreten  sei;  man  bezojj  das 
auf  «lie  zertrümmerten  Ikücken  in>  8.  HöUenkreise:  aber  es  ist  unmöglich, 
weil  von  <liesen  Virgil  noch  garnichts  weifs.  Der  Bergsturz  des  12.  Gesanges 
bietet  den  Weg.  um  von  den  Unenlhaltsamen  /u  den  Gewaltthätigcn  hinab- 
zusteigen, die  eine  steile  Felswand  scheidet:  es  i>t  natürlich,  dafs  auch  die 
Vorhölle  von  den  l'nenthallsamen  durch  eine  solche  steile  Felswand  gesondert 
war,  und  dafs  auch  hier  ein  Einstur/  die  Möglichkeit  des  Zuganges  bot,  nur 
ein  weniger  abschüssiger,  entsprechend  der  geringeren  Verworfenheit  dieser 
Sünder.  Bei  den  folgenden  grofsen  Abteilungen  der  Verdammten,  denen  der 
Betrüger  und  Verräter,  hnden  sich  solche  IJbergänge  nicht  mehr,  und  es  treten 
daiür  andere  genau  bezeichnete  Arten  der  Beförderung  ein;  dieser  Unterschied 
hat,  wie  Fornaciari  zeigt,  einen  bestimmten  allegorischen  Sinn.  Die  Gebehr- 
«lung  der  Sünder  des  v  iresanges  vor  jener  ruiìia  erklärt  sich  daraus,  dafs 
dieselbe  sie  an  das  I-lreignis  erinnert,  dem  sie  den  Ursprung  verdankt,  an 
f'hri>ti  Tod.  sie  zugleich  an  die  Macht  Gottes  gemahnt,  und  sie,  die  noch 
nicht  so  verslockt  sind  wie  die  Bewohner  der  lieferen  Hölle,  mit  Gewissens- 
bissen  erfüllt. 

Jeder  der  Höllenkreise  hat  eine  mythologische  Figur,  welche  in  Be- 
ziehung zu  der  in  demselben  bestraften  Sünde  steht  ;  um  daher  den  allego- 
rischen Sinn  von  Dantes  P'urien  zu  erkennen ,  fragt  sich  Fornaciari  in  dem 
3.  Artikel  //  Mifo  ilellt'  l-urie  in  Intinte,  wohin  man  sie  zu  beziehen  habe 
Kr  sucht  zu  zeigen,  dafs,  obschon  sie  auf  den  Mauern  der  Höllenstadt  er- 
scheinen, sie  dennoch  dem  vorhergehenden  5.  Kreise  angehören,  zu  dem  sie 
sich  hinwenden,  und  dafs  umgekehrt  P'legias,  obgleich  er  die  Seelen  über  den 
Sumpf  des  V  Kreises  übersetzt,  dennoch  nach  Dite  hineingehört,  wo  sein 
eigenlliches  Gebiet  ist.  Fornaciari  glaubt,  dafs  der  5.  Kreis  mit  dem  stygischen 
Sumpfe  vier  Kategorien  von  Sünden  enthalte,  alle  hervorgehend  aus  dem 
Hasse  als  Wurzel,  d.i.  die  iracondi,  accidiosi,  sufierbi  und  invidiosi.  Die 
l'urien  wären  nun  die  Personifikation  des  Hasses  und  zwar  vorzugsweise  oder 
allein  des  Neides,  concepita  come  un  odio  morta/e  a^/i  uomini,  corne  l'opposto 
deir  amore  verso  il  prossimo.  Damit  stimmt  ihr  Benehmen  ;  sie  schreien, 
weinen,  zerfleischen  sich  selbst,  wie  es  der  machtlose  Neidische  verzweifelnd 
iliut;  dazu  passen  die  grünen  Schlangen,  tlie  sie  umgürten.  Die  Medusa  be- 
deutet dann,  wie  schon  Boccaccio  erklärte,  die  irdischen  Güter,  welche  den 
.Neid  erregen  und  damit  die  Seele  versteinern.  Fornaciari  zieht  zur  Bestäti- 
gung die  in  l*urg.  XI II  und  XIV  geschilderten  Wirkungen  des  Neides  heran, 
die  in<lessen  keine  zwingende  Analogie  bieten;  eine  solche  Verhärtung  der 
Seele  kann  ja  durch  verschiedene  Laster  hervorgebracht  werden.  Dafs  Dante 
gerade  hier  den  Leser  aufVordert,  auf  die  Allegorie  zu  achten,  kommt  nach 
«lern  Verfasser  daher,  dafs  die  wörtliche  Bedeutung  der  Verse  eine  ungehörige 
sei,  vom  Versteinern  des  Menschen  in  der  Hölle  nicht  die  Rede  sein  könne; 
hier  überwiege  <ler  moralische  Sinn  ganz  und  gar  den  buchstäblichen,  wie 
auch  an  der  einzigen  an<leren  Stelle,  wo  sich  eine  gleiche  Aufforderung  findet 
(Turg.  VITI  19). 

niese  Deutung  der  Furien  ruht  ganz  auf  der  Einteilung  der  Sünder  des 
5.  Kreises  in  4  Kategorien,  für  die  sich  der  Verfasser  auf  einen  mir  nicht  zu- 
gänglichen Artikel    Del   Lungos    beruft;    allein    die   besten   neueren   Erklärer, 
ZditHchr.  f.  rom.  l'hll.   VII.  39 


6 IO  RECKNSIONEN  UM)  AXZKIfiEX.     A.  GASPARY, 

unter  ihnen  Wiitc  unti  TodcÑchini,  sclicn  in  den  Bcwolìnern  des  styi^isciien 
Sumpfes  nur  die  Zornniüliíícn;  der  accitUoso  fummo  bezeichnet  hier  nicht  «lie 
J-,:issigkeit,  sondern  die  «^alliije  Gemütsart,  welche  in  allen  Dinfjen  einen 
Stachel  fmtlet,  alst)  da^.  was  l'ctrarca  und  andere  die  accidia  nannten.  Der 
Neid  und  die  Lässijjkeit  haben  nach  Wittes  über/eupender  Ausfiihrun«; 
(Puntes  Sii  ndcìì  system  in  I/ö///r  und  Ft'^:^u\fcuer.  Dante -Jahrb.  IV  ,^73  und 
Oanteforsoh.  IT  I2i  fl.)  j^ar  keinen  Platz  in  der  Hidle,  da  hier,  im  Gcßcnsat/e 
/um  I*ur«;atorium.  nur  die  Tlial,  nicht  die  (resinnunfi  fjestrafl  winl,  un«l  jrne 
keine  Thatsünden  siml.  Ferner  hat  Kornaciari  auch  nicht  hinreichen<l  klar 
;,'emacht,  wie  Dante  da/u  kam,  die  Furien  als  Symbol  des  Neides  zu  ver- 
wenden ,  da  er  doch  aus  Viridi  und  Ovid  gewohnt  sein  miifste,  sie  als  die 
Erre«^'erinnen  von  Streit,  Wut,  Schrecken  zu  betrachten. 

Zum  Schlüsse  sticht  der  Verfasser  zu  beweisen,  dar>  der  A/esso  de/  l'te/.: 
der  Dante  und  Virjjil  den  Eini^an;^'  in  die  Stadt  Dite  er/winf^t,  kein  anderer 
sein  kiuine  als  Christus.  Va-  ölVnete.  wie  Virgil  sagt,  ehedem  das  Höllcnthoi  : 
nur  er  kann  auch  dieses  Thor  der  Statlt  Dite  aufthun:  ein  Engel  oder  eim- 
mythologische  Gestalt  würden  eine  solche  Macht  nicht  besitzen.  Auf  ('hri'*lH% 
deutet  die  Feierlichkeit  der  l^scheinung  und  Virgils  mysteriöse  Kedcweisi-, 
der,  wie  auch  sonst  immer,  den  Namen  Gottes  nicht  ausspricht,  sondern  iim- 
>chreibt.  Dante  giebl  »iüiner  Reise  eine  hohe  Bedeutung  für  die  Menschheit: 
daher  war  es  miiglich.  dafs  er  i'hristi  j)ersönliches  F.ingreifen  fingierte. 

In  der  Scene  des  Odysseu»*,  mit  der  sich  ilie  4.  Studie  beschäftigt,  weicht 
Dantes  D.usteHung  vun  der  klassischen  I'.rzählung  in  merkwürdiger  Weise  .d». 
irnlem  xie  i\n\  HeMen  nicht  nach  Ithaka  heimkehren,  sondern  auf  einer  kühnen 
Seereise  jeuscit  der  Säulen  des  Hercules  seinen  To<i  in  den  Wogen  finden 
läfst.  h's  ist  bisher  nicht  /u  ki)nstatiercn  gelungen,  ob  diese  poesiereiche 
lùlìiidung  von  Dante  »«elbst  herrührt,  oder  ob  er  sie  aus  einer  mittelnlterlichvn 
I'iadition  sch(i|)fte.  Nach  l''ornnciaris  Ansicht  hätte  dieselbe  ihren  Keim  in 
di'in  Glauben  «ler  Sjiäteren,  der  Fingang  in  die  Hnterwelt,  den  Odysseus  anf- 
<uclu,  habe  sich  au  <ien  fernen  Küsten  «les  (.)ceans  befunden;  auch  die  mittel- 
alt<rlichon  Legenden  verlegen  die  Vi^ionen  der  anderen  Welt  jenseit  iles 
Meeres  (lìrauikin)  oder  nach  irlftnd  (Tun«lalu.s  uml  Hurgatorium  cles  li.  I'ntricius), 
und  di«.'s»'  seien  eben  für  Dante  ilie  Veranlassung  gewesen,  seinen  Purgatoriiim- 
brrg  in  die  westliche  TTeuiisphäre  zu  setzen.  Dahin  nun  gehe  ja  Odysseus' 
Fallit,  von  der  ihn  der  Dichter  nicht  habe  k('mnen  heimkehren  lassen,  weil 
iniin  damals  dns  Durchmessen  des  Oceans  für  ein  unmögliches  Wa|TnÌR  hielt. 
luiles^cn  bleibt  «lieser  Zusammenhang  /wischen  iler  Reise  von  Dantes  Ulisse 
uinl  der  klassischen  Sage  nou  der  Fahrt  zur  Unterwelt  doch  xweifelliaft,  weil 
ihis  Ziel  •le'i  ersteren  nicht  «las  i.nnd  der  'l'oten  ist,  und  er  zu  demselben 
uhne  «.ein«-  Absicht  gelaugt.  Allegiuisrh  «leutet  Fomaciari  die  l^ntcrnchmung 
des  rii^si«  auf  die  l'berhebung  des  menschlichen  Geistes,  der  die  };5ttlirhcn 
Geheinini«.se  erforschen  will,  «diiur  von  <ler  (itinde  geleitel  zu  sein.  Aber  er 
verkenni  «labei  nicht  die  lebhnfte  Symj)athie.  mit  welcher  der  Dichter,  trot« 
dieser  mi>ralischen  Absicht,  ilic-  (restait  behandelt  hat.  Im  Ulisse  ist  der 
i\ri<\  dr^  W'eheneiitilecker«»;  ei  i^t  der  ])oetische  Vorlaufer  eines  Columbus 
un»l  V.i-cti  d»-  ri.iiua.  uiiil  iliesr  Leiilenschnft  iles  Frkennens,  der  alle  Aflektc 
um!  da'>  Ltbeii  selbst  gioph-n  wi-nUn.  mufste  Dante  bewundem.  Da  forna- 
ciai i   hiei    \nt\   den   Keisrn  M.iu'n  I'ul(w   redet,    so   hätte  er   wohl   auch  ein 


FORNACIARI,    STUDI  SI'  DANTE  EDllT  KD  INEDITI.  6 li 

iimlereh  Ereignis  erwähnen  können,  welches  mit  Dantes  Darstellung  in  viel 
näherer  Beziehung  sieht,  und  an  welches  Grion  l>ei  Gelegenheit  des  Ulisse  er- 
innert hat  (s.  //  Pozzo  di  S.  Patrizio,  Propugnatore  ITT,  I**,  p.  67  ff.).  Gegen 
lindo  dt's  I  ^.  Jahrh.  (die  Zahlenangaben  schwanken  zwischen  1 281  und  I2qi) 
waren  zwei  genuesische  Schiffe  aus  der  Knge  von  (ribraltar  hinausgefahren, 
unì  einen  westlichen  Seeweg  nach  Indien  zu  suchen,  und  waren  nicht  wieder- 
;4eke]irt.  Dieses  Unternehmen,  das  in  «les  Dichters  jüngere  Jahre  fiel,  mufste 
^eine  Phantasie  beschäftigen,  und  wenn  es  nicht,  wie  (xrion  will,  der  ganzen 
lirlindung  vi>n  Ulisse  den  Ursprung  gegeben  hat,  so  wird  es  wenigstens  ge- 
dient haben  die  Wärme  von  Dantes  Inspiration  zu  erhöhen.  Es  fragt  sich 
auch,  ob  nicht  etwa  der  Wiederauflindung  der  canarischen  Inseln  durch  die 
Genuesen,  die  nach  Petrarcas  Aufserung  (De  Vita  Sol.  1.  II,  sect.  VI,  cap.  3) 
in  diese  Zeit  fallen  müfste,  irgeml  ein  EinHufs  zuzuschreiben  ist. 

im  Anhange  teilt  Eornaciari  Facciolis  ital.  Übersetzung  eines  Gedichtes 
von  Tennyson  auf  Odysseus  mit,  welches,  sagt  er,  mirahi/mente  ritrae  e  pone 
in  atto  ¡o  spirito  </<•//'  episodio  da  tne  i/lustrato.  Aber  der  Dienst,  den  diese 
Anführung  Dante  leistet,  scheint  mir  vielmehr  der  zu  sein,  dafs  sie  die  ganze 
irröfse  und  Kraft  seiner  Dichtung  durcli  den  Gegensatz  einer  schwachen  Nach- 
alimung  hervortreten  läfst.  Dantes  Schilderung  giebt  uns  in  ihren  kurzen 
Í  iieigischen  Zügen  die  wahre  Poesie  des  Meeres,  den  Zauber  der  Uncndlich- 
ktit,  das  rastlose  Vorwärtsdringen  ,,(ler  Sonne  nach,  in  menschenlose  Weiten", 
d;is  (Telieimnisvolle  des  Zieles,  das  die  Phantasie  in  Bewegung  setzt.  Tennysons 
(  )dy.ss('iis  <lagegen  ist  ein  breiter  Schwätzer,  der  sich  in  abstrakten  Betrach- 
ningen  ergeht  und   unser  Herz  kalt  läfst. 

Die  wichtigste  unter  Kornaciaris  fünf  Al)handlungen  ist  die  letzte,  hier 
zmn  er^iten  Male  veröffentlichte,  betitelt:  Jai  Tri/o¿^''ia  Dantesca.  Die  drei 
italienischen  Werke  Dantes,  die  Vita  Nuova,  das  Convivio  und  die  Komödie, 
bihlen,  wie  Witte  ehedem  zu  zeigen  suchte,  eine  Trilogie;  sie  stehen,  wie  er 
meinte,  in  engem  Zusammenhange  mit  einander,  indem  jede  eine  der  drei 
IMiasen  seiner  geistigen  Entwicklung  darstellt,  die  V^ita  Nuova  die  Periode 
der  unbefangenen  Gläulngkeit,  das  (Convivio  die  Entfernung  von  der  einfachen, 
w.uimn  Keligiosiiät  durch  Vertiefung  in  die  Philosophie,  die  Komödie  «lie 
Rückkehr  auf  den  wahren  Weg  <ies  Heiles.  Witte  bemühte  sich  zu  erweisen, 
dafs  Dantes  Sünde,  von  <ler  er  sich  auf  der  mystischen  Reise  befreit,  wegen 
dert!)  er  die  heftigen  Vorwürfe  Beatrices  über  sich  ergehen  lassen  mufs,  eine 
¡ntcUckluelle,  eine  Abirrung  von  <lem  rechten  (ilauben  in  Grübelei  und  Zweifel 
gewesen  sei;  Beatrice,  die  Theologie,  die  Oflenbarung  werfe  ihm  die  Uber- 
litbnng  im  IMülosophieren  vor.  Witte  selbst  hat  das  später  eingeschränkt 
und  neben  diesen  Vergehungen  bei  Dante  amlere  zugegeben.  In  der  That 
w.ir  j<'ne  einseitige  Deutung,  an  der  Scarta/zini  festhält,  eine  l'bertreibung; 
aber  an<lcrerseits  kann  man  nicht  wohl,  wie  Ruth  und  Klaczko  thaten,  gänz- 
lich l)esti eilen,  <lafs  Dante  unter  die  Sünden,  deren  er  sich  anklagen  läfst, 
aucli  eine  Uberhebung  der  Vernunft  begreift,  und  es  ist  nicht  gut  möglich, 
die  oft  besprochene  Stelle  Purg.  XXX 11 Í  85  ff.  anders  zu  rerstehen  als  dafs 
hier  die  ir«l¡sche  Wissenschaft  der  göttlichen  entgegengestellt,  Dantes  Ver- 
tí autii  auf  jene  als  eine  Entfernung  von  der  Offenbarung,  ein  straniarsi  von 
der  íkMuice,  entIHrh  aK  eine  Schuld  bezeichnet  wird.  Dieses  ist  die  Ansicht, 
welche  auch   I*'üiiiaciari   veruitl. 

39* 


6l2  KKCKNSIONKN   IJ^'I)  AN/KKiKN.      A.  GASPARV, 

Der  Ziisammenlianjí  /wischen  den  «Irei  italienischen  Werken  Dantes 
scheint  aber  nicht  ein  solcher  zu  sein ,  <lafs  «las  /weile  in  der  Darstellung; 
jenes  geistij^jen  Kntwickelunj^spro/esscs  da  anknüpft,  wo  das  erste  endet,  son- 
dern dafs  der  Inhalt  der  Vita  Nuova  über  den  des  Convivio  hinausreicht, 
ihn  abgekürzt  in  sich  bej,Meirt,  und  tlaf>  die  Komiidie  unmittelbar  da  einsetzt, 
wo  die  Vita  Nuova  schliefst.  Gej^en  Knde  der  letzteren  Schrift  er/ählt  Dante, 
wie  er  einst,  als  er  tief  in  ilie  Trauer  um  Beatrices  Tod  versunken  [»ewesen, 
an  einem  Fenster  eine  schöne  Krau  bemerkt  habe,  die  ihn  voll  Mitleid  an- 
schaute, wie  er,  sie  wieder  un<l  wieder  sehend,  allmählich  solches  Gefallen  an 
ihrem  Anblicke  j^efunden  habe,  dafs  er  in  Crcfahr  ;^'eriet.  den  Schmerz  um  die 
dahinf;eschiedene  fieliebte  zu  verj^essen ,  und  wie  daraus  ein  heftiijer  Kan)]>f 
in  seinem  Innern  entstand,  der  aber  schliefslich  nach  einer  Vision  mit  dem 
Siege  der  verklärten  Beatrice  endete.  Diese  Triisterin ,  diese  Donna  ¿'^t'fitii*\ 
wie  sie  Dante  zu  nennen  pHegt .  war  nun ,  wie  uns  im  Convivio  gesagt  wirtl, 
niemand  anders  als  die  I*hilosoj)hie,  dieselbe,  an  welche  sich  die  allegorischen 
Canzonen  richten,  von  der  das  Convivio  handelt,  und  wir  hätten  damit  hier 
jene  Abwendung  vom  Glauben  und  jene  Rückkehr,  die  uns  bis  zum  Eingang 
der  Komödie  führt.  Kerner  heifst  es  im  41.  Kap.  der  V.  N.  von  dem  Sonette 
Deh  pere^i>^rim^  es  wende  sich  an  gewisse  I*ilger,  welche  durch  Florenz  kamen 
„in  jener  Zeit,  da  viele  Leute  gingen  um  das  gebenedeite  Bild  zu  schaueo, 
das  Jesus  Christus  uns  als  \Vie<lergabe  seines  sehr  schönen  Antlitzes  gelassen 
hat".  Dies  hat  man  von  Alters  her  auf  das  Jubiläum  des  Jahres  1300  be- 
zogen. Endlich  ist  am  Schlüsse  des  Huches  von  einer  wunderbaren  Vision 
die  Rede,  nach  der  der  Dichter  sich  vorsetzte,  von  der  Geliebten  nicht  mehr 
zu  singen,  bis  er  sich  in  würdiger  Weise  vorbereitet  hätte,  und  danach  liotTte 
er  von  ihr  zu  sagen,  was  noch  von  keiner  gesagt  worden.  Hier  glaubte  man 
«lie  Andeutung  derjenigen  Vision  zu  haben,  welche  den  Inhalt  der  Kumötlic 
bildet.  Daher  setzte  man  die  Beendigung  der  V.  X.  um  1300,  und  zwar 
schon  im  15.  Jahrhundert,  wie  «He  in  der  früher  Witte  gehörigen,  jetzt  strafs- 
burger  Ils.  in  Kap.  25  der  V.  N.  interpolierten  Worte  zeigen.  Das  Convivio 
aber  wird  damit,  wie  Lubin  und  Carducci  sich  ausdrückten,  zu  einer  blofscn 
Episode  der  Vita  Nuova. 

Indessen  gewisse  Schwierigkeiten  blieben  hierbei  in  der  Deutung  der 
Donna  gentile.  Die  einzelnen  Umstände,  welche  die  V.  N.  berichtet,  das 
Anschauen  aus  dem  Fenster,  des  Dichters  Zorn  gegen  sich  selbst  wegen 
seiner  Niedrigkeit  und  der  Eitelkeit  seiner  Augen,  <lie  Bezeichnung  seiner 
Neigung  für  die  Trösterin  als  eines  avversario  delia  rai^ione  (Kap.  40)  machen 
es  uns  schwer  verständlich,  wie  es  sich  unì  eine  blofse  Personifikation  der 
Wellweisheit  handeln  könne.  Auch  finden  sich  Abweichungen  und  Wider- 
s|)rüche  zwischen  der  Darstelhnig  der  V.  N.  und  der  des  Convivio.  Die  Donna 
gentile  der  ersteren  zeigt  sich  sogleich  freundlich  und  mitleiderfüllt ,  fordert 
die  Neigung  des  ganz  in  sich  Gekehrten  fast  heraus;  Madonna  la  Filosofia 
ist  zu  Anfang  grausam  und  s])röde,  belohnt  erst  nach  langem  Miihen  den 
Anbeter  mit  Zeichen  ihrer  (inade.  Ferner,  mag  man  die  Angaben  der  wenigen 
Tage  {aiqunnti  t/i) ,  welche  nach  der  V.  N.  die  Neigung  zur  Donna  pietosa 
getlauert  hätte,  auch  nicht  so  ¿,'cnau  uehnien,  immer  erscheint  hier  das  Ver- 
hältnis als  ein  vorübergt-liemles,  als  eine  Verirrung,  wird  v<in  dem  Gctlanken 
an  Beau  ice  bald  wieder  besii;^i,    tier    ilann    tier  Dichter  von  neuem  ganz  ge» 


FORNACIAKI,    STUDI  SU  DANTE  EDITI  ED  INEDITI.  613 

hört.  1st  (liisc  Donna  pietosa  die  Philosoplìie,  so  hätte  also  Dante  vor  dem 
lalirc  1300  (lie  Bcschäftifjunji  mit  ihr  als  eine  Verirninj;  erkannt,  als  der 
Beatrice  feindlich  und  sie  reiiij,'  aufgegeben.  Allein  die  Kommentare  des 
(unvivio  reichen  doch  bestimmt  über  1300  hinaus,  und  hier  finden  wir  den 
htichsten  Enthusiasmus  für  die  Philosophie.  War  es  ein  Rückfall  in  die  schon 
überwundene  Verirrung?  Dann  wäre  doch  irgendwo  etwas  davon  gesagt. 
Auch  das  Verhältnis  zwischen  Beatrice  und  Philosophie,  wie  es  sich  im 
(Duvivio  darstellt,  ist  ein  anderes  als  das  /wischen  Beatrice  und  Donna  pie- 
tosa in  der  V.  N.  Jenes  ist  ein  allerdings  ursprünglich  feindliches,  aber  doch 
vtTsohntes;  denn  einerseits  nennt  der  Verfasser  (Conv.  II  2)  die  Verstorbene 
tpicihi  lient rict'  beala,  che  vive  in  cielo  co-i  ^{>/i  An^ioii,  e  in  terra  colla  mia 
anima ,  andererseits  spricht  er  von  dem  nuovo  pensiero  (der  Donna  gentile) 
<■//<•  t-ra  virtuosissimo  siccome  virtìi  celestiale.  Also  liebte  er  wieder  seine 
Beatrice,  ohne  sich  von  der  l*hiloso])hie  abzuwenden.  Philosophie  und  Bea- 
trice hatten  zugleich  in  seiner  Seele  Raum,  was  mit  der  Donna  pietosa  und 
Beatrice  der  V.  X.  nicht  der  Kall  war.  Daher  haben  denn  viele,  und  unter 
ihi'.en  ausgezeichnete  Kritiker  wie  Todeschini,  D'Ancona,  Carducci,  angenom- 
men, dafs  die  Donna  pietosa  der  V.  N.  eine  reale  Persönlichkeit  gewesen  und 
erst  in  späteren  Jahren  von  Dante  umgedeutet  worden  sei,  und  auch  V^ittc 
bekannte  sich  neuerdings  zu  dieser  Auffassung  (Proleg.  zur  V.  N.  p.  X),  wäh- 
rend er  sich  ehedem  streng  an  die  Deutung  des  Convivio  gehalten  hatte 
(Dantef.  1  58  fl*.  und  anderswo).  Gegen  jene  jetzt  so  verbreitete  Ansicht  haben 
andere  in  jüngster  Zeit  heftigen  Einspruch  erhoben,  Renier  (Vita  Nuova  c 
l'iammetta,  p.  185  ff.)  und  Bartoli  (Storia  della  Lett.  Ital.  IV  220  if.)  mit  grofsem 
Aufwände  von  nioralischer  Indignation  über  eine,  wie  sie  meinen,  so  schmäh- 
liche Lüge,  deren  man  Dante  zeihe;  Imbriani  (Uuando  nacque  Dante,  p.  89  f.) 
mit  den  gewcihnlichen  Kraftworten,  die  er  über  seine  Gegner  auszuschütten 
liebt;  aber  keiner  von  ihnen  hat  es  unternommen,  die  Widersprüche  zu  be- 
seitigen, welche  sich  aus  Dantes  eigenen  Aussagen  ergaben,  und  dieses  gerade 
war  die   Hauptsache,  während  mit  dem   Deklamieren  wenig  geholfen  ist. 

Fornaciari  nun  macht,  nachdem  er  die  verschiedenen  bisher  gegebenen 
l'ikhirungen  angeführt  und  beurteilt  hat,  einen  bemerkenswerten  Versuch, 
lue  Frage  zu  lösen,  und,  wenn  auch,  wie  ich  glaube,  das  gewonnene  Rc- 
>ullat  anfechtbar  ist,  so  hat  doch  seine  Untersuchung  in  mehreren  Punkten 
Kl.irheit  geschallt.  Das  Haupt  verdienst  derselben  scheint  mir  dieses,  die  Zeit 
■  1er  .Abfassung  für  die  V.  X.  gegen  die  gewöhnliche  Annahme  dcñnitiv  fest- 
gestellt /u  haben,  womit  ein  Teil  der  Schwierigkeit  und  Verwirrung  aus  der 
Danteschen  Chronologie  schwiniiet.  Fornaciari  setzt  die  Vollendung  des 
lUichleins  wieder  in  das  Jahr  1292.  So  that  allerdings  auch  Fraticelli,  aber 
mit  mangelhafter  Begründung;  so  that  Todeschini;  aber  seine  Schrift  über 
die  (■hn)m)logie  der  V.  X.  blieb  Fragment.  Dante  selbst  .sagte  im  Convivio 
I  I,  indem  er  die  Vita  Xuova  jener  Schrift  gegenüberstellte:  E  io  in  quella 
ti  i  nan  J  alT  entrata  di  mia  ^ioventute  parlai,  e  in  questa  dipoi  quella  ^ià 
traf^a.ssata.  Man  solite  nun  freilich,  nach  Dantes  Einteilung  der  Lebensalter, 
scliliefsen,  liie  V.  X.  müsse  spätestens  in  sein  25.  Jahr  fallen,  also  in  die  erste 
Hiilfie  von  I  290,  was  aber  unmöglich  ist,  da  er  mit  ausdrücklicher  Zeitangabe 
mehr  als  ein  Jahr  über  Beatrices  Tod  hinausgeht.  F2ntweder  drückte  er  sich 
etwas  ungenau  aus,  oder  man  mufs  mit  Fraticelli  die  Worte  in  quella  dinanzi 


6l4  RECKNSIONEN  UNI)  ANZEIGEN.     A.  GASPARY, 

/usaitiiuciinchnicn  .,iii  jciiei  fr>i<.'r(.'n",  wie  audi  Witte  wollte  (Lyr.  Gcd.  IT  o, 
Anm.).  Auf  alle  Fälle  ist  es  da^e^^en  uiulenkbar,  dafs  Dante  mit  ilen  Worten 
all^ entrata  di  mia  ^i^ioventutc  auf  sein  ^j^.  Jahr  ;4edcutet  hätte,  wo  «lie  ;»i<)- 
Ventil  tiir  ihn  schon  halb  vcrtlossen  war.  Lubin  meinte,  die  Zeitbestinmiun«; 
beziehe  sich  nicht  auf  die  j^an/.en  Bücher,  sondern  nur  auf  die  in  ihnen  ent- 
haltenen Poesieen,  dii'  der  leichter  al>  deren  Kern  betrachte:  aber  Fornaciari 
(p.  155)  erklärt  das  niii  Kecht  lür  unniö«ilich;  Dante  spricht  offenbar  von  dem 
«ganzen  Werke,  von  <les«,on  Absicht  als  «^an/eni.  bezieht  sich  auf  Dinj^e,  die 
nur  in  der  Prosa  enthalten  sintl.  Die  Zeit  der  Piljjerzügc,  von  der  ^^e^cn 
ICndc  der  V.  N.  die  Rede  ist,  l>raucht  nicht  die  ties  Jubiläums  zu  sein; 
Dante  konnte  an  «lie  alljährlich  statllindende  Vorzeigung;  (Icn  Schweifstuchc> 
denken,  unii  um  so  mehr  ist  dieses  anzunehmen,  als  viele  und  die  besten  Ils«». 
lesen:  ///  quel  tempo  che  molta  trente  va  pr:y  reiiert'  .  .  .  >talt  aniiara»  >,  Vax- 
naciari,  ]>.  116.  Ja.  die  Slimmunj;,  au>  der  Dante  mit  den  l'iljjern  r«;det,  wiir<le. 
wie  Fornaciari  bemerkt,  ;;arnicht  für  da>  Jahr  Ijtx».  für  cinc  Zeit  *w>  lanj^c 
nach  dem  Tode  tier  (ieliebten  pa>sen:  «.ein  Schmerz  nnifstc  noch  ein  frisclifi 
î.ein,  wenn  er  die  <;anze  Stadt  an  ihm  partizipieren  läfst.  Und  auch  die  Visitjn 
.vm  Schlüsse  und  den  \^)rsatz  einer  j^rofNartij^en  Dichtunj^  /um  Preise  der  Ver- 
>lorl)enen  darf  m.m  nicht  einfach  mit  der  Vision  der  Komödie  und  der  Idee  de« 
(icdichies  in  seiner  späteren  Ausführung  i<lentitizieren:  denn,  sagt  Fornaciari 
treffend,  die  unschuldige  Neigung  zur  Donna  gentile  ist  keine  so  SiChwcre 
Sünde ,  und  nirgend  xm^t  in  der  Vita  Nuova  finden  sich  Vergehungen  an- 
gedeutet, die  solche  Mittel  der  Bekehrung  wie  die  Wanderung  durch  «lie 
Hölle  nötig  gemacht  hätten.  Vielmehr  liegt  die  wahre  Fpoclie  tier  Sündig- 
keit für  Dante  hinter  der  l'>/ählung  der  V.  N. ,  uml  in  dieser  Zeit  hat  sich 
ihm  der  anfängliche  Plan  des  <ie«lichte'i  umgestaltet.  In  der  V.  N.  bemerken 
wir  schon  eine  gewisse  Bekanntschaft  mit  der  Philosophie:  zweimal  i^it  .iiich 
Aristoteles  zitiert  (Kap.  25  und  42):  aber  das  bietet  keinen  Kinwand  gegen 
jene  Zeitbcslimmimg;  entwed(T  lallt  da<  Buch  schon  in  tlrn  Anfang  von  Dantes 
philosophischen  Studien,  wozu  da^  Jahr  1292  sehr  wohl  jiafst,  oder  jene>  KÎnd 
Rcminisceuzen  der  Schule:  <lenn  ganz  unbekannt  war  ja  der  Dichter  auch 
vorher  mit  diesen   Dingen  nicht  geNxesen. 

Somit  hört  ilas  Convivio  auf,  eine  blofse  K])i<ode  im  Verliültnis  /ui 
Vita  Nuova  zu  ^ein  un»!  lìillt  ganz  und  gar,  sowohl  ilie  Can/ouen  aN  <lie 
Kommentare,  hinter  ilie  Vollendung  der  letzteren  Schrift.  Wenn  nun  die 
V.  N.  von  einer  Neigung  zur  Donna  pietosa,  k\.  i.  zur  Philo.sOphie.  und  einer 
Rückkehr  zur  Beatrici  erzählt ,  und  wir  Dante  im  Convivio  wieder  als  den 
rntliuMaslischen  Jüngei  dei  Phil«)>ophie  lindeu ,  su  glaubt  Fornaciari  hier  in 
der  I  hat  an  einen  Rückfall.  ,\n  zwei  verschiedene  Perioden  der  philosophischen 
Studien,  eine  crvic  kürzeie,  die  schnell  durch  die  Rückkehr  des  GedankeUìì 
an  die  verstorbene  Geliebii  endctf,  und  eine  weil  längere,  deren  Denkmal 
•  hl*.  ('«)n\ivio  i>i .  und  während  deren  iler  Dic.hlei  auf  Abwege  geriet,  bis 
ihn  die  mysii^eht  l<»isr  zum  Heile  zurückluhrlt .  Dante«  Fehllrilt  bestand 
iber,  wie  Fornaciari  (p.  161  IV.)  ausfühit.  idcht  in  d<*m  Philosophieren  an  sich, 
^luidern  in  der  Art  und  Weise  seines  PhiloMiphierens,  in  dem  zu  grufsen 
lüfcr,  mit  dem  ei  sich  ijer  «irübelei  hingab,  in  der  weltlichen  Richtung, 
die  damit  sein  ganze>>  Denken  erhielt.  Die  Philosophie  an  sich  ist  nicht  die 
^ünde:  im  íMgenieil,    -ie,    die  /um  aktiven  J-eben  anleitet,   ist  mittelbar  der 


FORNACIAKI,    S 1  UDÌ  SU  DANTK  EDITI  ED  INEDITI.  6  I  5 

Wc;^  /.un.  coiitcniplaliven ,  /.uni  c\vi«jcn  Heile;  Dantes  Kchlcr  sci  j^cwescn, 
<lafs  cr  sich  das  Mittel  zum  Zwecke  machte,  dafs  er  die  Philosophie  an  Stelle 
der  Beatrice  setzte.  Die  Umkehr  geschieht  auf  demselben  Wege  wie  der 
Fall;  die  Philosophie  in  ihrer  rechten  Auffassung  führt  ¿um  Glauben,  zur 
liealrice  zurück,  zuerst  Virgil,  Statins,  d.i.  die  heidnische  Philosophie,  in 
die  sich  der  Dichter  zu  sehr  vertiefte,  dann  Matelda,  die  Fornaciari  in  einer 
längeren,  sehr  scharfsinnigen  Ausführung  mit  der  Scholastik  und  zuglcicli  mit 
der  Donna  gentile  der  Vita  Nuova  und  des  Convivio  identifiziert  (p.  167  ff.). 
Mit  dieser  Scheidung  zwischen  ilem  rechten  und  dem  unrechten  Philo- 
M)pliieren  in  Dantes  Auffassung  hat  Fornaciari  unzweifelhaft  recht.  Die  Phi- 
l«)sophie  spielt  ja  in  der  ganzen  Komödie  eine  so  hervorragende  Rolle;  selbst 
iu)ch  in  dem  Glaubensexamen  des  Paradiso  werden  ihre  Argumente  neben 
der  Autorität  iler  Kirche  ausdrücklich  als  gültig  anerkannt;  die  Ratio,  Scicn- 
li.i  neben  der  Aucloriias  erscheint  zum  Beweise  für  die  Existenz  und  Macht 
(iotles  im  Briefe  an  Can  Grande  (§  2[  f.),  und  in  einer  seiner  letzten  Schriften, 
dem  rraktate  />><'  jlt/ua  ei  Tt-rra  (vom  2ü.  Jan.  1320)  nennt  sich  Dante  phi- 
lo.\oplioyuni  ininimusy  zeigt  dieselbe  Liebe,  wie  im  Convivio,  für  Aristoteles 
und  die  Phih)sophie.  Nicht  in  dieser  selbst  also,  deren  Anhänger  er  sein 
Leben  laiig  blieb,  kann  die  intellektuelle  Schuld  liegen,  sondern  in  ihrer 
i'berhebung,  wenn  sie  sich  auf  Gebiete  wagen  will,  die  ihr  versagt  sind.  Die 
Beatrice  des  Purgatorio  will  mit  den  Worten  E  Teg¿^i  vostra  vìa  dalla  di- 
iina  Di.stai  cotanto,  tjuanto  si  discorda  Da  terra  il  ciel  che  più  alto  festina 
nicht  allgemein  das  menschliche  Wissen  verdammen,  sondern  es  nur  dem  Glauben 
unterordnen;  eben  in  die-em  Sinne  führt  ja  Dante  in  der  Schrift  De  Aqua 
et  Terra,  §  22  die  nämlichen  Worte  des  Jesaias  an,  die  er  hier  der  Beatrice 
in  y\.itu  Mund  legt.  Aber  können  wir  das  Convivio  als  das  Denkmal  einer 
solchen  Epoche  j)hilosophischer  I'berhebung  in  Dantes  Leben  betrachten r 
Schon  die  Zeil  tier  Abfassung  dieses  Werkes  widerspricht  dem.  Fornaciari 
hat  freilich  (j».  1^4)  die  Chronologie  Selmis  acceptiert,  nach  welcher  Gedichte 
und  Kommentare,  soweit  wir  sie  besitzen,  im  wesentlichen  vor  1300  gcsclnic- 
boii.  und  nach  dem  Exil  nur  einige  Zusätze  gemacht  wären.  Allein  das  wider- 
Mtiiilu  Dantes  eigener  Aufserung,  der  gerade  auf  seine  durch  das  Irren  in 
.1(1  Verbannung  geschaffene  Lage  die  ganze  Darstellungsweise  im  Buche 
zurück fülm.  und  die  Begrümlung,  welche  Selmi  für  die  Hypothese  jener  selt- 
>anieii  Flickarbeit  gab,  ist  eine  höchst  subtile,  bisweilen  sophistische.  Witte 
(Lyr.  (led.  II  Oo)  ^cizte  das  Convivio  nach  1307,  mit  guten  Gründen,  und,  was 
felini  dagegen  vorbringt,  wiegt  nicht  schwer:  alles  dreht  sich  schliefslich  um 
den  Schuster  Asdente  von  Parma,  ilen  Dante  mit  seinem  òareOOe  più  nobile, 
IV  \i)  als  nt)ch  lebend  bezeichne,  während  er  ihn  in  der  Komödie  (1300)  be- 
ri ils  unler  «leu  Schallen  trifft;  Witte  dachte.  Asdente  könne  sprichwörtlich 
gewesen  sein  und  this  mreOOe  dann  auf  den  Toten  gehen;  vielleicht  steht  das- 
selbe noch  in  ilem  allen  Sinne  eines  Condii,  jiraeter.  statt  sa reOOe  stato;  vielleicht 
•  liückle  sich  Dante  nur  nachlässig  aus.  Jedenfalls  müfste  man,  wenn  man  eine 
solche  Erklärung  ablehnt,  konsequent  sein  unii  zugeben,  dafs  Conv.  IV  14 
>j'älcr  geschriebell  sei  als  IV  lO;  denn  wird  hier  Asdente  als  lebend  genannt, 
-o  d(ul  Glierardo  d.i  Cammino  als  tot,  und  er  starb  1307  und  bestimmt 
nach  I  iO'J'  'Il  ^''  /•»"■  '''«•'it  der  grofsen  Vision  Dantes  noch  lebte.  Ich  halte 
<.s  für  ausgLinai  ht,  dafs  das  Convivio  nach  1307  zu  setzen  sei,  also  weit  später 


6l6  REClíN'SIONEN  I'M)  AN/EIGEN.     A.  GASPARY, 

ills  (lie  niyslischo  Kci^t?  <K'r  Ktniiöiiic.  Vnd  wo  lindel  >icli  in  «icii  i-ehr<n 
jc!ie>  Jiucbes  amh  iij^end  ein  Maii«,'cl  an  Drlluxloxie?  Dante  ¡)hilt>>n|ihiert 
hier,  wie  das  stets  anerkannt  worilcn  ist,  ^lrení;  eliristlieh,  wie  S.  Tommaen. 
dessen  Doktrinen  i*r  j;rofsenteil>  reprodii/.iert:  er  or<lnel  so  oft  ausilnickliili 
sein  Denken  dem  Glauben  unter,  be/eicbnet  deutlich  die  Grenzen,  w«)  dit 
Thätifjkeit  der  Vernunft  auf/uhüren  hat,  und  wo  die  OfFenbarunj;  allein  redet. 
Beatrice  und  die  Donna  ijentile  >ind,  wie  ^^e^aj^t,  im  (.'onvivio  versöhnt,  wohnen 
neben  einander  in  des  Verfassers  Geiste.  Kr  steht  mit  seinem  Philosophieren 
auf  [janz  demselben  Stantlpunkte  wie  in  der  Komödie,  und  nirjjend  ist  etwas 
von  einem  Gej^ensat/e  der  beiden  Werke  sichtbar,  wie  er  vorhamlcn  sein 
müfstc,  wenn  sie  zwei  ñíí  stark  kontrastierenden  Epochen  seines  Denkens  eni- 
si>rechen  sollten.  Die  Canzonen  ties  Convivi«»  Mn<l  freilich  vor  1300  ent- 
standen; aber  auidi  sie  spief^'cln  keine  an<lere  Denkweise.  Auch  hier  heir>l 
es  v«)n  Madonna  la  Filosofia,  wr»  >ie  re<le,  sleij^e  ein  Geist  vom  Flimmel. 
der  Glauben  brin«;e,  ihre  \Virk«<anikeit  sei  ho,  dafs  sie  den  (rlnuben  unter- 
stütze, und  zu  diesem  Zwecke  sei  sie  von  (iott  j^eschaflen  (Canz.  Amor  ehr 
nrlla  mente  mi  ra¿^iofiii,  str.  3).  [Tn<l  hätte  in  den  (.'anzonen  etwas  von  Un- 
«^lauben ,  von  Überhebunf;  ^^esteckt,  so  hätte  das  Dante  in  dem  Kommentar, 
der  strenji  i^läubij^  ist,  doch  anj^enicrkt.  Conv.  IV  i  erwähnt  Dante,  er  lialic 
sich  zu  der  Zeit,  als  er  die  Canzone  /,*'  tfo/ci  rime  tfamor  verfafste.  nïit  iler 
J''raj,'e  beschäftigt,  ob  die  materia  ])rima  von  (jott  j^eschaflcn  sei,  also  hier. 
wie  Witte  nachdrücklich  hervcirliol».  allerdin^^s  mit  einer  Kra^e,  die  die  Kirche 
entschieden  hatte.  Aber  die>e  Bemerkung:  des  Convivio  bezieht  sich  auf  ilic 
Verj^'angenheit ,  und  sie  allein  wür»le  uns  llüchti^  eine  Kpoche  de**  niel.i- 
jdiysischen  Zweifels  andeuten,  j^ej^en  welche  Beatrices  Vorwürfe  jjchen  könnten. 
und  deren  Spuren  wii   in   D^intes  Schriften  selbst  .s<mst  ver^jeldich  suchen. 

So  mufs  man,  wie  ich  ;^laube,  dem  Convivio  in  Dantes  };eistif;<^ni  Knt- 
wickelunjjs^an}:ie  eine  andere  Stelle,  neben,  nicht  vor  der  Komödie  anweÌM.*n. 
uml  die  strcuj,'e  Einheit  der  Triloj^ie  i>t  j^oiört.  Aber  auch  in  Re/.U};  auf 
<len  Zusanunenhan;^'  zwischen  Vita  Nuova  und  Convivio  bleilien,  trot/.  P'oma- 
ciaris  sinnreicher  Deutung.  ^;ewi>.sc  Schwicri;»keiten.  Es  soll  zwei  vcfMiliicilene 
I.i«besverhältnisse  zur  Donna  ]»ietosa  jícjíeben  haben,  vcm  denen  das  Convivio 
dA>  zweite  behandele:  aber  dieses  macht  doch  vielmehr  «len  Anspruch,  uns 
das  näuiliche  zu  schildern  wie  die  Vita  Xuooa.  In  V.  N.  und  im  (*onv.  win! 
ja  die  Jk'kann tschaft  mit  iler  Donna  pietosa  von  Anfanj;  an  berichtet,  uuil, 
wenn  eine  so  bedeutsunic  Cnterbrechun;:  des  Verhältnisses  stattfand,  warum 
wird  'las  im  Convivio  nicht  erzählt:  Immerhin  hätte  Dante  also  hier  Ver- 
schiedenes vermischt  odir  Wichtif^'c^  verschwie}.;en ,  uini  auffallen  mufs  auch. 
dafs  >ich  im  Kommeniar  der  V.  N.  nicht  «1er  jjerinj^iste  Wink  über  «lie  alle- 
}Tv)ri<che  Bedeutun}^  (kr  Doniia  j^eiitile  findet,  und  sie  erst  ein  anderes  Buch 
ii>  Jahre  später  anj^'eben  niuf^.  So  ilrän|;t  >\c\\  <lem  I,eser  dt)ch  immer  wieder 
der  (iedanke  auf,  dafs  die  Donna  })ietosa  tier  V.  N.  eine  wirkliche  Person 
¿:ewe?»en  und  er«^t  iKulitraj^lich  zur  J*hili)sophie  ^jewonlen  sei.  in  der  nämlichen 
Weise,  wie  die  wirkliche  Beatrice  später  zur  Allej^orie  der  Theölof^e  wurde. 
Cnd  schreibt  man  deiiii  mit  iliescr  ruHleutun«^'  Dante  eine  so  grufse  Sünde 
zur  Man  le^^'te  die>e  in  di«  .Xb-icht,  die  er  dabei  {gehabt  hStte,  sich  von 
einem  Vorwurfe  zu  b«'freien.  Allein  uian  l)e«lenke,  dafs  er  im  Convi\io  nicht 
sa«;i,    er   wolle    sich    rcini^'en    \on    der  infamie  der  Liebe  zur  Donna  pietosa, 


FORNACIART,    STUDI  SU  DANTE  KDITT  ED  INEDITI.  617 

son<itrn  von  «1er,  wrîchc  ilim  scino  aìle<x<>riscìien,  falsch  vorslandcncn  Canzoncn 
rinj;cl»rav'hl  hätten.  Dafs  <liesc  Can/onen  auf  die  Donna  pietosa  der  V.  N. 
j;in^;cn,  beweist  nichts,  und  es  ist  sehr  unwahrscheinlich;  sie  waren  gcwifs 
von  Anfanjj  an  alle¿j(jrisch,  und  als  Dante  1294  das  Gedicht  Voi  che  intendendo 
verfafsic,  mochte  das  Verhältnis  zur  Donna  pietosa,  das  1291  bejjann,  längst 
zu  Ende  gewesen  sein,  ja  war  es  sicherlich,  wenn  die  Vollendung  der  V.  N. 
1292  fällt.  Es  war  eine  flüchtige  Neigung,  von  keiner  Bedeutung  und  sehr 
unschuldig;  in  <1er  Entfernung  betrachtet  mochte  sie  so  auch  dem  zuerst 
exaltierten  Liebenden  erscheinen,  und  er  fand  es,  nach  16  Jahren,  als  er  sein 
gelehrtes  Buch  schrieb,  bequem,  sie  als  Allegorie  für  seine  philosophischen 
Studien  zu  beniitzen;  eine  leicht  verzeihliche  Fiction,  da  mit  ihr  sich  keine 
besondere  Absicht  verband;  denn,  wie  gesagt,  wegen  jener  fluchtigen  Km- 
phndung  hatte  er  sich  gar  nicht  zu  rechtfertigen.  Auch  Fornaciari  leugnet 
übrigens  durchau»;  nicht,  dafs  der  Donna  pietosa  eine  reale  Persönlichkeit  zu 
Grunde  liege;  nur  will  er,  tlafs  in  ihr  und  so  in  der  Vita  Nuova  überhaupt 
zugleich  von  Anfang  an  auch  schon  der  allegorische  Sinn  vorhanden  gewesen 
sei  (p.  H>0)..  Dies  war  tue  Ansicht  des  Marchese  Trivulzio,  die  neuerdings 
Renier  verleidigt  hat.  Indessen,  meint  Fornaciari,  habe  Dante,  als  er  die 
V.  X.  schrieb,  diesen  allegorischen  Sinn  selbst  nur  unklar  gesehen  und  zum 
grofsen  Teil  ihn  dem  Buche  erst  nachher  beigelegt.  Damit  erklärt  er  die 
Stelle  Convivio  Í  i,  welche  Renier  und  Bartoli  zum  Beweise  für  den  allego- 
rischen Gehalt  der  V.  N.  heranzogen;  das  Convivio  sei  ,, männlicher"  geschrieben, 
d.  h.  der  Schleier  werde  hier  gehoben  und  die  Bedeutung  dargelegt,  die  Liebe 
verwandelt  ^ich  in  das  Studium;  das  Convivio  will  der  Vita  Nuova  ,, keinen 
Abbruch  thun",  weil  es  nicht  die  Wahrheit  des  buchstäblichen  Sinnes  in  ihr 
leugnet;  e>  will  ,,ihr  helfen",  indem  es  das  Mittel  giebt,  auch  deren  wissen- 
schaftliche Seite  zu  verstehen.  Aber  giebt  das  Convivio  denn  wirklich  dieses 
Mittel.-  Höchstens  doch  für  eine  Ej»isode  der  V.  X.,  die  der  Donna  gentile, 
währentl  wir  über  den  Hauptgegensland  nirgend  Aufklärung  erhalten,  und 
auch  im  Convivio  von  einer  allegorischen  Betleutung  der  Beatrice  noch  nicht 
gesprochen  wir«!.  Ich  glaube,  daf>»  die  Stelle  Dantes  nicht  richtig  gedeutet 
worden  ist.  Er  sagt:  sr  nt'lla  presente  opera,  la  quale  Convivio  è  nominata 
Í-  vo\/ie  sia.  pili  virilmente  si  trattasse  che  nella  V'ita  Nuova,  non  intendo 
però  a  quella  in  parte  alcuna  derogare,  ma  magj^iormente  giovare  per  questo 
quella,  i'ri,''¿:,''cndo  siccome  raj^ionevolmente  quella  fervida  e  passionata,  questa 
temfnrata  e  virile  essere  conviene,  und  er  verweist  auf  die  Lehre  von  den 
vier  Lebensaltern  un<l  ihren  verschiedenen  Tugenden  in  Traktat  IV.  Hier 
>agt  Dante  klar  genug,  worin  die  Hilfe  bestehen  soll,  nämlich  nicht  in  der 
Auf  Weisung  cinc^  verborgenen  Sinnes  für  das  frühere  Buch,  sondern  darin, 
dafs  an  einer  bestinmitcn  Stelle  ties  (!onvivit>  die  Berechtigung  jener  früheren 
verschiedenen  Schreibweise  nachgewiesen  werde.  Die  Schreibweise  der  Vita 
Xm)va  ist  leidenschaftlich  und  glühen<l,  die  <les  Convivio  gemäfsigt  und  männ- 
lich; ihiN  scheint  \\\\x  zu  l)e«leuten ,  ilafs.  während  die  letztere  Schrift  die 
l'rucht  wissenschaftlicher  Beschäftigung,  ein  opus  doctrínale  ist,  die  erste  <las 
geratle  nicht  un<l  nur  Ausdruck  ile*.  Afl'ektes  sei,  und  Dante  will  sagen,  er 
Ncrurteile  dir^e  Noine  ehemalige  Schreibweise  jetzt,  wo  er  sich  einer  anderen 
zugewendet  hat,  dennoch  nicht,  halte  sie  für  die  in  jener  Epoche  seines 
Lelien>  berechtigte,  unti  «iieses  ist  eben  die  Hilfe,  ilie  das  (convivio  der  Vita 


6l8  RECENSIONKN  UNI)  AN/EIGE:^.     A.  GASP  AR  Y, 

Xuova  leistet,  dafs  cs  ilurch  die  Lelirc  von  den  vier  r.ebensaltcrn  int  {.  Tiak- 
l:ite  deutlich  weiden  läfsl,  wie  eine  Selirit't  gleieli  der  V.  N.  für  ila*.  Jiin;;lin;:>' 
alter  aiij^eniessen  í>cin  könne. 

A.  (ÍA.S1»ARY. 


Giornale  di  Filolog^ia  Romanza.     Vol.  TV,  fase.  3  -4. 

C  Anlona- Traverbi,  /m  Lia  deirAmcto.  Der  Verfasser  wei>l  sein 
umständlich  die  von  Renier  aufj^estelUe  Hypothese  /.urück,  dafs  Lia  cinc  (ìe- 
liebte  Boccaccios,  die  Mutter  seiner  natürlichen  Kinder  j^cwcscn  sei,  ein 
/.ienilich  überliüssijjer  Beweis,  wenn,  wie  Tr.  selbst  sajil,  Keniers  Gründe  j;ar- 
nichts  wert  waren,  und  ihn  zudem  Kiaiinj^',  wie  er  versichert  und  durch  Über- 
setisunii  lauj^er  Stellen  zeigt,  in/wischen  scln)ii  j^eiuhrl  hai. 

B.  Wiese,  Ai'  C'inzonttir  di  Ltvuanio  (Jiusiiniafti  secondu  il  cihìÌkc 
^'  5»  7'  47  t'f//'í  Pafatifiu  di  Firfuu.  Die  Balladen  des  Vcnetianers  J.,cünardo 
Giustiniani  haben  ein  bedeutendes  litterarhistoriüches  Interesse,  soMohl  durch 
ihren  inneren  AVert,  da  sich  hier  in  ansprechender  Weise  mit  den  kunven- 
tionellen  Elementen  der  alten  Liebesdichtnng  echt  volkslümMche  Zü|{c  mischen, 
wie  auch  die  Sprache  vielfach  die  Spuren  des  Dialektes  zci|»t,  als  besonders 
auch  dadurch,  dafs  sie  aus  einer  Zeit  staumuMi,  wo  die  Produkte  der  K.un«>i- 
dichtun^r  in  italienischer  Sjirachc  .«selten  sind,  und  der  Kmcucrung  durch 
Loren/o  tie'  Medici  und  J'oli/iano  voranj^ehen.  Ks  war  <laher  ein  vortreff- 
licher Gedanke,  die  unifanj^reiche  Samuìlunj;  ilieser  J.icder,  welche  eine  ¡lala- 
tinische  li>.  in  Morenz  enthält,  und  von  denen  I'alenno  einige  bekannt 
j»emacht  liatte.  vollsiändij:  zu  verütfentlichcn.  Wiese  jjiebl  hier  eine  ]i¡cnauc 
Bcschrcibun;^  der  Jls. ,  welche  die  unzureichende  l'alcnTi«)s  verbessert  und 
ergänzt,  und  Xachrichten  von  einent  schon  bekannten  Drucke  und  einem 
anderen  von  14X5,  «len  er  selbst  aulVand  ;  ei  hat  auch  nieiircre  der  Liciler 
in  einem  liccardian.  ('odex  entdeckt.  Ferner  teilt  er  8  der  (iedichte  nach 
der  I.A-.>art  der  palat.  Hs.  ndt.  Durch  ilie  inzwischen  erfolgte  l'ublikation  der 
jjunzen  Sanindung  (Porsir  cditt  rd  inedite  dì  L.iìiustininni  per  cura  dì  Jj.H'if^e. 
Bologna,  1SS3,  Scella  ili  (urioMi.'i,  di.sp.  1^3)  hai  freilich  «licse  Probe  ihren 
eigentlichen  /weck  verloren.  Die  hier  gegebeneu  Stücke  simi  übri};ens  ^ut 
an>>gcwäldt  und  wohl  geeignet,  Giustinianis  eigentümliche  Manier  /u  kenn- 
zeichnen, bt-iomlers  die  vier,  welche,  nach  der  in  der  populären  Poesie  be- 
liebten Weise,  Wechselgespräche  zwischen  den  Í bebenden  und  zwischen  Mutter 
und    locliler  enthalten. 

\'.  ( .'  r  e  >  c  i  lì  i ,  Hort- s  y  Bianca  dar,  Inhal tsangubc  de>  S|>anischen  KonuU!» 
natii  eint.in  Diucke  des  i().  jahrh.,  der  sich  in  der  Bibliothek  von  S.Marco 
lu  lindel.  Bei  «ler  Seltenheit  de^  Buche>  und  der  Wichtigkeit,  die  man  ihm 
liir  die  J'!ni Wickelung  des  Sioile>  in  ikr  I.itteratur  beigelegt  hat,  inufs  man 
dem  Veri'a>s(  r  ile^  Artikels  dankbai  sein,  da  Du  Morii  über  diese  Kcdaktion 
nur  wenige  llüchtige  J>enierkungen  machte.  Zum  Schlüsse  sind  noch  die  nicht 
unbedeutenden  Abweichungen  eines  ganz  modernen  Druckes  (Madrid,  1877) 
verzeichnet,  l.'ber  die  Beziehung  der  spanischen  Redaktion  £U  dtn  anderen 
bekannt«  n,  hc.^onilers  zum  FU'Uudn  beschränkt  sich  Ocscini  hier  auf  vereiaxdtc 


GIORNALE  DI  FILOLOGIA  ROMANZA  IV  3 — 4.  ÓIQ 

Andeutungen,  indem  er  sich  das  Weitere  für  eine  andere  Arbeit  vorbehält. 
Man  niiichtc  wünschen,  dafs  er  weniger  zurückhaltend  wäre,  und  die  Resultate 
seiner  interessanten  Studien  über  die  südlichen  Versionen  der  verbreiteten 
Sage,  die  er  hier  und  in  einer  früher  erschienenen  Schrift  (Due  Stuäi  riguar- 
danti opere  minori  del  Boccaccio,  Padova,  1 882)  nur  teilweise  bekannt  machte, 
bald  vollständig  publizierte. 

G.  F  usi  na  to.  Un  Cantastorie  Chioggiotto ,  Nachricht  von  einem  vor 
kurzem  verstorbenen  Ermenegildo  Sambo  aus  Chioggia,  welcher  in  Venedig 
dem  niederen  Volke  die  alten  RittergeschiclUen  erzählte,  einem  letzten  Über- 
reste jener  ehedem  >(»  beliebten  cantastorie,  wie  es  in  Neapel  die  kürzlich 
von  I*io  Rajna  so  anziehend  geschilderten  Rinaldi  sind.  Fusinato  hat  den 
vcnetianischen  cantastorie  in  seiner  Kindheit  selbst  erzählen  gehört  und  ihn 
>päter,  nachdem  derselbe  sich  von  der  Ausübung  seiner  Kunst  in  ein  Alters- 
hospital zurückgezogen  hatte,  dort  besucht,  um  weiteres  über  diese  Reste  der 
allen  romantischen  Volkslitleratur  zu  erfahren.  Sambo  erzählte  alle  seine,  oft 
verwickelten  Geschichten  völlig  aus  dem  Gedächtnis;  er  konnte  selbst  nicht 
lesen,  behauptete  aber  seinem  Publikum  gegenüber,  was  er  vortrug,  einst  vor- 
lesen geliöri  zu  haben,  um  sich  so  mehr  Ansehen  zu  verschaflen,  da  für  das 
Volk  da?>  Buch  die  höchste  Autorität  ist.  In  Wahrheit  hatte  er  vielmehr. 
\va><  er  wufsle,  selbst  durch  mündliche  Tradition  von  einem  älteren  cantastorie 
Cl  halten.  Fusinat<í  teilt  al«  Probe  für  seine  Darstellungsweise  die  aus  seinem 
eigenen  Munde  vernommene  und  stenographisch  niedergeschriebene  naive  Er- 
zählung von  der  Schlacht  von  Ronceval  mit,  und  merkt  ge\\nsse  IJberein- 
^limmungen  n»it  dem  Margante,  tier  Spagna  m  Prosa  und  der  Spagna  in 
rima  an,  von  der  er  beiläufig  ein  wertvolles  Ms.  der  <'orsiniana  und  einen 
Druck  ei)cndasclb>.t  bochreibl.  Schliefslich  berichtet  er  von  anderen  can- 
tastorie, welclie  in  ('hioggia  selbst  ihre  Vorträge  hielten  oder  halten,  vom 
Volke  cupidi  genannt,  namentlich  von  dem  noch  leben«len  Lodovico  Dupuis, 
del,  seinem  Berufe  nach  eigentlich  Barbier,  im  Gegensatze  zu  Sambo  ausge- 
sprochene liiierarische  Prätentionen  hat,  seinem  Publikum  vorliest  und  erklärt, 
un<l  selber  die  handschriftlich  überkommenen  Geschichten  eines  früheren 
cupido  bearbeitet. 

VARIETÀ;  T.  (Ianni ¿zuro,  Sulla  Canzone  della  íVolina.  Zu  den 
verschiedenen  von  S.  Ferrari  im  Giornale,  vol.  Ill,  betrachteten  Versionen  dcs 
\nlkstiimlichen  Liedes  teilt  C.  noch  eine  sicilianische  mit,  und  eine  spanische 
Romanze,  welche  dasselbe  Motiv  bebandelt.  —  E.  Te  za,  Per  il  Rofnanzo  di 
li/andino  da  Cornoraglia,  giebt  die  von  P.  Meyer,  nach  dem  irrigen  Citate 
Kaynouards,  vergeblich  gesuchte  Stelle  der  Memorie  dell'Accademia  di  l'orino, 
\v«)  \r)n  der  Hs.  des  Romans  in  der  kgl.  Bibl.  zu  Turin  und  einer  Analyse 
desselben  von  Portalis  de>  Luckels  die  Rede  ist.  Teza»  Nachforschungen 
nach  letzterer  blieben  fruchtlos.  -  J .  Casini,  Di  Alcune  Rime  Attribuäe  a 
il /lo  (ill  Pi^lnia,  liefert  den  dehnitiven  Beweis,  dafs  in  <ler  Ausgabe  der 
í.íííIm  (  iiin>  von  J'austino  Ta^si  3  Sonette  des  i.  Buches  und  das  ganze 
:.  Buch,  deren  lùhlheil  Bartoli  bereits  leugnete,  in  der  That  eine  wissentliche 
K.iUchung  de«.  Herausgebers  -.ind,  der  sie  aus  <len  Gedichten  des  Pctrarchisten 
Marco  l^iaceniini  entlehnle,  indem  er  die  Anspielungen  auf  Iwiura  in  solche 
auf  Selvag;jia    vorv^andelte.  José  Leite  «le  Vasconcellos,    Litteratura 

]'i>rliii'ueia.     Contos  Populares  do  cyclo  de  Christo  e  S.  Pedro. 


620  RKCKNSIONKV  UND  AN/KÎGKN.     A.  GASPARY, 

KASSKGNA  lUBLlOGKAFU'A  :  </.  Rrz^tsco.  Dizionarnulr/  /in::wt.i:i:io 
îtnlitino  storico  e  iimtninisttatho  ((.'.Paoli,  mil  intcressniitni  Zusäl/.cn). 
/'.  Ciisi'm',  J.t:  Rime  dri  poeti  JJo/ttifucsi  lit'i  scy.  XIII  (Morj>urj;<)).  —  A'.  Renu-r. 
Uriche  rditc  rd  inedite  di  /ut zio  de^ç-/i  liberti  (cltTsclIie;  zwei  wiclit!í»c  uml 
lehrreiche  Arlikel.  von  aufscrj^cwölinliclier  Vcrlraulhcit  mit  der  fillestcn  il.il. 
LiUeratur  zeugend,  wie  aile  ]<ecensionen   Morpur^^os). 

BULLETTIXO  BIBLIOGRAFICO. 

An  iUm'  Sj)it/e  dieses  I  lelles  des  (.ìiornale  stehen  /.wei  schöne  unti  wanne 
Xekrolo«»e  auf  (^ai.\  nnil  Canello  aus  der  l*"eder  von  Rajna  und  D'Ovitlio:  am 
l^nde  des  Heftes  findet  sich  eine  Xachrichl,  welche  von  <len  Romanisten  mit 
lehhafleni  Bedauerii  aufj^'enommcn  werden  wird,  nämlich,  dafs  das  (ìiorniiir, 
welches  seinerseits  einst  tlie  Riiistii  di  Fihloî^ia  Romanui  ablöste,  auch  in 
der  jelzijien  Geslnlt  seine  Kxisten/  als  rej;elmäf«»i},'e  periodische  Publikation 
nicht  fortzuführen  ini  Stande  ist,  uml  dafs  iler  llerausj^eber  an  Stelle  dessen 
künfliji  Sfndi  di  I''i/tdoi^'ifi  Roinanza  in  freien  /wischenräumen  und  ohne  Alion- 
nement  trrscheinen  /u  lassen  beabsichtiget.  Alan  kann  nicht  jíenuj»  die  in  Italien, 
wie  bei  uiis,  immer  zunehmende  Zersplilterunj;  der  Kräfte  auf  romanistischeni 
(rebiete  beklagen,  welche  nun  einem  an  sich  so  };esundcn  und  von  Monaci 
so  vortrefllich  ;jeleiteten  Unternehmen  den  Fortbestand  unmöjjlich  gemacht  hat. 

A.  Gaspary. 


Giornale  Storico  della  Letteratura  Italiana.  Diretto  e  redatto  da 
.\.(ìraf,  Fr.  Novati,  R.  Renier.  Roma  —  Torino  --  Firenze.  Krm. 
Loescher.      Voi.  I,  fase.  i".    18S5. 

PROCìRAMMA.  Die  neue  Zeitschrift  will  sich  mit  der  italienischen 
Litteralurjjeschichle  aller  Epochen,  auf^er  der  nllerneuesten,  boschSftif^n,  Ab- 
handlun;;en,  Texte.  Xotizen  unti  eine  umfanj^reichc  Ril>li()}:rr^]>bio  ^eben  und 
Sí)  «lie  st)r<;fälli<,^en  kritischen  Siu<lien  fönlern,  welche  notwendig  sind,  um 
eine  wisvon^chafiliche  Geschichte  der  italienischen  Utteralur  vorzubereilcn. 
Die  Herausgeber  übertreiben  vielleicht  etwas,  wenn  sie  behaupten,  dafs  c»  fiir 
die  Arbeiten  auf  dem  bezeichneten  (icbiete  ^anz  imd  j^ar  in  Italien  an  einem 
Orinane  fehle.  Der  Propujjnatore  brachte  ehedem  die  wcrtviiUslen  Untcr- 
suchunj^en  und  Publikationen  von  D'Ancona,  Rajna,  D'Ovidio  und  anderen, 
un<l  ist  erst  in  neuerer  Zeit,  ich  weifs  nicht  aus  welchen  Gründen,  »o  herunter- 
l^'ekommen.  Das  Giornale  di  Filolo^da  Romanza  führt,  trot/,  der  ernstliaflen 
Bemühunjjen  seines  trelVlichen  Leiters,  eine  kärgliche  Existenz,  doch  wohl 
nur  aus  Mancad  an  re^^er  Beteiligung:;  von  Seiten  der  italienischen  Gelehrten. 
Damit  will  ich  die  Berechtigung  der  neuen  Unternebmunfr  nicht  bestreiten, 
und  nur  wünschen.  daf>  sie  ein  besseres  Schicksal  haben  raö^^e  als  jene  beiden. 

Ttimmaso  Casini,  La  Colt  um  ììdo^ttese  dei  Secoli  Xi  I  e  XU  i.  In 
diesi-m  inleresvanten  Artikel  sucht  der  durch  eine  Reihe  wichlif^er  Pablika- 
tionen  über  die  älteste  bolo^jnesische  Litleratur  bekannte  Verfasser  in  einem 
/usammenfasNcnden  Bilde  das  reichbewejjie  j^ei'^tij.^e  Leben  BulofniAS  im  12. 
und  1,5.  Jahrh.  darzustellen,  wie  t^  die  Grun<llaj;e  für  die  fo1|;ende  Entwicke- 
lun«;  der  Dichtun«;  wurde.    Die  lTnivcr>ität  war  eine  in  ganz  Europa  berfibmte 


(ÍIOKNALE  STORICO  HELLA  LEITKKAIURA  ITALIANA  I,    I.  6^1 

Stätte  tier  Ivlnssischen  SliuUen,  und  nicht  h\of^  des  römischen  Rechtes,  sondern 
auch  (1er  Phil()>()|)hic  und  besonders  der  Grammatik  und  Rhetorik,  deren 
Haupiaufi^ahc  damals  die  Anweisun^i  zum  Epistolar-  und  Urkundenslil  bildete. 
Xel)en  diesem  klassischen  Elemente  erscheint  das  ritterlich-romantische,  die 
proven/alis:hc  Lyrik,  verbreitet  durch  m)  viele  aus  der  Provence  eingewanderte 
Troubadours  und  fortjjeseizi  von  deren  italienischen  Nachahmern,  unter  welchen 
ein  Bolo^^iiese.  Kamberliuo  Buvalelli,  einer  der  frühesten  war,  und  die  fran- 
zösischen Chansons  de  «,'pste.  welche  die  Spielleute  dem  Volke  auf  der  Strafse 
vortruf^en.  Hier  bleibt  die  fremde  Sprache  der  Originale  herrschend;  aber  in 
(1er  /weiten  Hälfte  iles  I  \.  [ahrh.  tindet  sich  der  heimische  Dialekt  verwendet 
in  j)()pulären  DiclUvmgen  des  verschiedensten  Inhaltes  und  Charakters,  im 
j)«)liti.schen  Seivcnlesc,  in  Gebeten  und  Lauden,  in  plebejisch  cynischen  Hal- 
laden, in  Liebcslie<iern  von  zarterer  Empfindung.  Aus  diesen  drei  Strömungen, 
der  klassischen,  der  nnllclalterlich-romantischen,  der  volkstümlichen,  welche 
hier  noch  gcsonderl  neben  einander  herlaufen,  ging,  wie  Casini  bemerkt,  in 
ihrer  Verschmelzung  die  grofse  nationale  Dichtung  des  folgenden  Jahrhunderts 
hervor.  —  ('a^inis  Mitteilungen  über  die  grammatischen  Studien  in  Bologna 
sind  unvollständig  und  teilweise  irrtümlich  ausgefallen,  weil  ihm  die  Arbeiten 
Rockingers  unbekannt  geblieben  waren  :  /  'öfr  die  Ars  äictandi  und  die  Summuf 
dictaminum  in  Italien,  in  Sitzungsber.  der  kgl.  bayer.  Akad.  d.  W.  zu  München, 
Jahrg.  1861,  vol.  I  p.  98  fi",  und  Brief  steiler  und  Formelbücher  des  eiiften  bis 
vierzehnten  Jahrhunderts,  in  Quellen  und  Erörterungen  zur  bayer,  u.  deutsch. 
Geschichte,  vol.  IX.  München  1863  und  1864.  Von  den  Schriften,  welche 
Boncompagno  in  seinem  Hauptwerke,  dem  nach  ihm  selbst  benannten  Bon- 
compai^nus,  als  die  seinigen  aufzählt,  sagt  Casini,  p.  16,  sie  seien  nicht  mehr 
vorhanden  oder  imbekannt  ;  aber  sie  finden  sich  alle,  aufser  der  Jsagoga^  dem 
Liber  amicitiae  und  der  Rota  ì'eneri^,  nach  Rockingers  Angabe  (Q.  und  E. 
1.  c.  p.  117)  in  einer  Münchener  lis.,  und  Thurot  in  den  Notices  et  Extraits 
XXII,  2«î  partie,  p.  37  f.  weist  in  zwei  Pariser  Mss.  10  Werke  Boncompagnos 
nach,  unter  ihnen  auch  Rota  l'eneris  und  Über  de  amicitia,  so  dafs  also  nur 
die  Isiii^oga  bis  jetzt  unbekannt  ist.  An  den  beiden  Stellen  finden  sich  dann 
auch  einige  Schriften  des  Grammatikers  genannt,  deren  Titel  bei  Casini  fehlen. 
Kockinger  publizierte  den  Cedrux  ganz  und  von  dem  Boncompagnus  umfang- 
I eiche  Stücke,  so  dafs  wir  nicht  mehr  auf  <lie  Auszüge  Sartis  angewiesen 
sind.*  Der  Boncompagnus  beginnt  nicht  mit  einem  Dialoge  zwischen  Lehrer 
und  Schüler,  wie  (-asini  sagt,  sondern  mit  einem  solchen  zwischen  dem  Autor 
und  seinem  Buche.  Der  Empfehlungsbrief  für  Bernart  de  Ventadorn  trägt  bei 
Boncompagno  nicht  den  ganz  unpa.sscnden  Titel  De  violatore  et  lyratore,  über 
den  sich  ("asini  p.  23  wumlert,  sondern  hat  ganz  richtig  De  inventore  cantionum, 
d.i.  die  gew()hnliche  l'bersetzung  des  Wortes  troöador,  s.  Q.  u.E.  I.e.  p.  163. 
Das  Jahr  der  Publikation  des  Boncompagnus  ist  nicht  1227,  sondern  1226, 
wie  man  bei  Rockinger  un<l  Thurot  sieht.  Hatte  Casini  Rockingers  Arbeiten 
gekannt,    so   würde    er  wohl    aufser  Boncompagno  und  Bene  auch  andere  be- 

'  Delisle  ini  Annuaire-Bulletin  de  la  Société  de  l'Histoire  «le  France, 
Année  i  <S6<),  p.  152  teille  die  Vorrede  von  Boncompagnos  fJber  decern  tabu' 
larutn  mit,    die  von  Interesse    ist  wegen    tier  l'olemik    des  Autors    gegen  die 

Schule   \()n  ()ilcauá. 


022  RECENSIONEN  UND  ANZKIGEN.     A.  GASPARY, 

deutenile  (rramniatiker  von  Boloj^a  erwähnl  haben,  wie  Hu^o  von  Bolo^^na. 
der  noch  in  die  i-rste  Hälfte  ties  12.  Jahrb.  ¿jehört,  und  namentlich  Guido 
Faba,  Kaplan  von  S.  Michele  in  Bolofjna,  der  eines  seiner  Werke  I22g  dem 
Podestà  Alijírandus  Faba  widmet,  und  dessen  in  <J.  u.  Kr.  I.e.  p.  l85flr.  jje- 
druckter  Traktat  so  besonders  interessant  ist,  weil  er  neben  drn  hiteinischcn 
eine  j^anze  Reihe  von  Musterstücken  in  der  Vulfjär^j »räche  giebt.  d.  h.  wohl 
die  ältesten  bekannten  Proben  /usammenhäni^ender  italienischer  Prosa.  In- 
dessen ilürfie  Casini  wejjen  jener  Unkenntnis  /u  entschuldigten  sein,  weil  ihm 
an  seinem  Wohnorte  die  genannten  Hücher  vit-lleicht  nicht  znf;änf*lich  waren: 
Xovati  hat  sie  in  diesem  selben  Hefte  des  Giornale  citiert  (p.  <>)).  aber  in 
einer  Weise.  <iie  vormuten  läfst,  dafs  er  sie  nicht  j;csehen  habe. 

fi .  M  a  /  /.  a  t  i  n  t  i ,  Inventario  dei  Codici  dâlfit  BiblU>teca  yiscontfO'Sforze.<ca 
redatto  da  Ser  Facino  da  iùii>riano  nel  1459  e  1469.  Von  der  ehemaligen 
Bibliothek  der  Visconti  un<l  Sforza  in  T*avia.  welche  in  der  ersten  Hälfte  de> 
lit.Jahrl).  anj^elegt,  dann  be<leutend  vermehrt,  bei  der  Erobening  des  Herzog- 
tums von  Ludwig  Xn.  nach  Frankreich  geführt  ward,  und  sich  jetzt  gröfsicn- 
teils  in  der  Pariser  Xationalbibliothek  befindet,  giebt  es  ein  Ver/oichni«.  von 
142O,  welches  der  Marchese  l)'A<ida  publiziert  hat,  und  ein  anderes  von  1459 
mit  Nachtrag  von  I46q,  welches  Delislc  teilweise  bekannt  machte,  und  da- 
nun  Mazzatinli  vollständig  veröffentlicht  nach  der  Hs.  11400  fonds  lat.  der 
I'ariser  Xationalbibl.  Dieses  Inventar  bezeugt  den  grofsen  Reichtum  ilcr 
Hiblioiluk,  besitzt  aber  sonst  eine  weit  geringere  Wichtigkeit  als  die  früher 
ili  der  J<omania  abgedruckten  der  Ksle  und  Gonzaga,  erstens  weil  der  Bücher« 
scliaiz  nur  wenige  Werke  tier  ritterlichen  T-ilteratur  enthielt,  und  dann  weil 
der  Verfasser  der  fristen  die  Bücher  ganz  allgemein  und  unbestimmt  bezeich- 
nete, ohne  nähere  Andeutungen  über  »len  Inhalt  und  das  Aussehen  des  Exem- 
plars zu  geben,  weshalb  auch  der  Herausgeber  es  unterlassen  mnr>te.  Identiíi- 
kationen  mit  den  noch  vorhandenen  FIss.  zu  versuchen. 

Marco  Landau,  A<*  Tradizioni  Giudaiche  nelìa  NoitlUstica  Italiana. 
>ucht  für  die  Trcschichte  von  Bileam  im  Novellino  und  iiir  einen  Zug  in 
Boccaccios  Tiriselda  einen  wenigstens  indirekten  Ursprung  aus  der  hebräischen 
Lilteratur  des  Mittelalters  nachzuweisen. 

Fr.  N ovati.  Tre  Latiere  Giocose  di  Cecco  d^Asco/i.  E»  sind  drei  kleine 
l.iteinische  Briefe,  der  erste  ein  scherzhaftes  Schreiben  an  die  Heller  and 
Gtdden,  welche  <ler  Veríiisser  verherrlicht  un<l  um  Beistand  bittet,  der  zweite 
die  Antwort  <ler  Heller  und  Gulden;  diese  beiden  fand  der  Herausgeber  in 
einer  l^Is.  (.'orsini  und  einer  von  S.  Marco:  er  fafst  sie  als  eine  Parodie  de* 
durcli  die  damalige  grammatisch-rhetorische  Kunst  in  Fonnelbiicheni  und  Brief- 
Ntellern  typi*»cii  geregelten  und  erstarrten  Epistolarstiles,  und  macht  bei  dieser 
firlcgenheii  interessante  Mitteilungen  über  alte  handschtiftlich  oder  in  sel- 
tenen Drucken  erhaltene  Parodien  von  Predigten  und  Briefen.  Das  dritte 
Schreiben,  nur  im  Cod.  (^)rsini  betin<llich  und  aus  wenigen  Zeilen  bestehend. 
i>t  eine  Liebeserklärung  an  eine  Nonne,  welche  mit  einem  gottcsISsterlicben 
Wun-che  vchlicfM.  Xovati  glaubt,  dafs  der  Inhalt  dieser  Briefe  sich  recht 
Wdhl  mil  >U-:ii  un>  bekannten  riiarakter  Ceceos  von  Ascoli  vertrage,  ist  aber 
iloch  nicht  ganz  sicher,  ob  die  Briefe  wirklich  von  ihm  herrühren,  und  ihm 
nicht  tiwa  jiacli  .meinem   l'ode  untei geschoben  worden  sind. 


GIORNALE  STORICO  DELLA  IXTTER ATURA  ITALIANA  I,   I.         623 

Achilìe  Neri,  f^na  Commeâùt  deìr Arte^  handelt  von  einer  italienischen 
Komödie  Trnfaliliito  Afedico  Vofanfe  (ijedr.  Milano  1673,  aber  auch  schon 
vorher),  welche  mit  ausijelührtem  Dialogue  genau  dem  von  Bartoli  publizierten 
Scenario  entspricht.  Das  Interessante  an  dem  Stücke  ist  dieses,  dafs  es  in 
seiner  vernachlässijjten  unlitterarischen  Form  uns  unmittelbar  den  Dialog  zu 
hielen  scheint,  wie  ihn  die  Schauspieler  improvisierten,  und  nicht  eine  nach- 
trägliche Bearbeitung  desselben,  wie  die  von  Bartoli  angeführten  Beispiele 
von  Stücken,  die,  zuerst  improvisiert,  nachher  vollständig  gedruckt  wurden. 
Neri  setzt  den  Scenario  Harlolis  und  damit  auch  die  von  ihm  besprochene 
Komödie  in  die  erste  Hälfte  des  17.  Jahrh.  und  hält  sie  für  die  Originale 
Molieres,  indessen,  solange  der  Beweis  für  ein  solches  Alter  des  italienischen 
Stückes  fehlt,  kann  man  immer  nicht  bestimmt  entscheiden,  ob  es  nicht  etwa 
selbst  eine  Nachahmung  und  Erweiterung  von  Molieres  Farce  ist.  Das  Lust- 
spiel von  Boursault .  welches  dem  Molieres  sehr  nahe  steht,  hat  Neri  nicht 
mit  in  Betracht  gezogen;  jenes  ist  nach  Angabe  des  Verfassers  aus  dem  Ita- 
lienischen übersetzt,  welchen  Ausdruck  man  freilich  nach  dem  damaligen 
Sprachgebrauchc  nicht  so  genau  zu  nehmen  braucht,  so  dafs  er  Neris  Ansicht 
nicht  widerstreitet.  Weiter  glaubt  Neri  eine  bisher  unbekannte  Quelle  für 
Molieres  TartutVe  in  einem  Scenario  Flaminio  Scalas,  dem  Pedante,  entdeckt 
zu  haben;  Scalas  Pedant  ist  ein  Heuchler,  der  grofscn  Einflufs  im  Hause 
Pantalones  erlangt  hat  und  unter  dem  Scheine  strenger  Tugend  und  Frömmig- 
keit Pantalones  Frau  Isabella  zu  verführen  strebt,  aber  von  dieser  durch 
scheinbare  Bereitwilligkeit  gefangen,  entlarvt,  luid  von  dem  Gatten  gezüchtigt 
wird,  pjne  Ähnlichkeit  ist  also  freilich  vorhanden,  doch  vielleicht  nicht  eine 
solche,  welche  flie  Entlehnung  zu  völliger  Gewifsheit  erhebt. 

Giuseppe  Biadego,  Vua  I^'itera  di  Vincenzo  Monti,  publiziert  einen 
kurzen  unedierten  Brief  Montis  an  den  Grafen  Giovanni  Roverella,  datiert 
Milano,  10.  Ott.  1821,  der  zu  einer  chronologischen  Berichtigung  in  Montis 
Briefwechsel  Gelegenheit  giebt. 

KASSEfiNA  BIBLIOGRAFICA.  D' Ancona  e  Campar  etti,  U  Antiche 
Rime  ì'oìi^ari.  voi.  //  (('asini).  Dieser  umfangreiche  Artikel  giebt  eine  grofsc 
Anzahl  Emendationen .  namentlich  zur  Berichtigung  der  metrischen  Form, 
ferner  Bemerkungen  über  die  Attribution  der  Gedichte,  bisweilen  auch  über 
die  Personen  der  Autoren.  Die  Textverbesserungen  sind  teilweise  vortreff- 
lich, mehrfach  aber  auch  gewaltsam  und  wenig  überzeugend.  So  mufsten, 
um  das  erste  Lied  des  Bandes  ganz  in  Ottonarien  herzustellen,  dem  Dichter 
die  abscheulichsten  Verse  zugeniutet,  vielfach  der  tonlose  auslautende  Vokal 
im  Hiatus  als  besondere  Silbe  gezählt,  c'iera,  sembiante,  sembianza  etc.  ange- 
nommen werden ,  was  wenigstens  so  oft  in  einem  Stücke  kaum  vorkommt. 
Für  das  zweite  Lie<l  hat  wohl  ('asini  das  richtige  Schema  der  Strophen  ge- 
bmden;  nur.  statt  V.  4  und  8  für  Ouinarien  zu  halten,  ist  es  einfacher  auch 
als  3.  Vers  einen  endecasillabo  mit  Binnenreim  zu  setzen;  die  Änderungen 
im  einzelnen  verdienen  auch  hier  nicht  alle  Reifall  ;  unter  anderem  hat  Casini 
lî^nrecht,  sollenanza  in  sollevanza  zu  ändern;  das  erstere  steht  in  gleichem 
Sinne  auch  bei  D'Ancona.  Venti  Sonetti  Inediti  (Propugnatore  VI  i'^)  No.  17, 
w<»  e^  Carbone  gleichfalls  mil  Unrecht  bessern  wollte,  das  Verb  so/lena  bei 
Trui  i  hi  I  1 40  zweimal,  und  bei  Brimetto  Latini,  Tesor.  XIX  127  (ed.  Zannoni), 
wn   es   iiuich    Reim    auf  mena  gesichert   ist;    man    vergleiche   auch   das  noch 


024  RRCENSIONKN  UND  ANZI-.IQKN.     A.  GASHARY, 

vorhandene  ull^mue.  Die  jjrnfse  Menge  von  Casinis  Bemerkun((en  isi  hier 
/u  bespivchen  uniniij^^liih.  Bti  No.  177  fragl  er,  wie  es  komme,  dafü  nach 
<Jaix  der  (.'od.  V  <la.s  Gedicht  Jiinaltlo  d'Aquino  zuschreibe,  und  im  Drucke 
kein  Aiiiornanu-  -îUrhc:  ein  Blick  in  Giion»  Verzeichnis  liätte  ihm  die  Ant- 
wort gej[;cl)en  :  dtr  Name  Rinaldo  d'Aquino  ist  nachträglich  äl)er;;esch rieben.  — 
.-/.  GlierarJi^  (ili  Statuti  dfila  (.'niversità  f  Studio  FiorifniOio  (Novali).  — 
/'.  Sraäiifo,  Stato  f  (liùsa  /tv^/i  scritti  politici  ecc.  (Chiapjielli).  —  /».  Im» 
banca,  Marsi/in  dit  ì^ufova  iChiappelli).  —  P.  Vitìari^  Niccolò  Machiavelii, 
Voi.  ni  ^Ferraj).  /•.  Sahicrajt^^iio,  Le  Odi  del  Pari  ni  (Novati).  —    iì.  Finù, 

i^ziani  di  Storia  delia  I^tt,  ¡tal.  {Renier.  Der  Recensent  kennt,  nach  p.  129. 
eine  fis.  von  Malas]uni^  ("hronik  ans  dem  14.  Jahrh.  in  der  Bibliothek  Lord 
A^hburnh.im-»,  von  der,  wie  ich  glaube,  man  bisher  nichts  wufste.) 

BOLi.KJTlNO  BIBLIOGRAFICO. 

SPOGLIO  DKLLE  PUBBLICAZIONI   PKRIODICHK. 

Kür  diese  beitlen  sehr  umfangreichen  Littcraturübcrsichten  mufs  man 
den  Herausgebern  namentlich  auch  im  Auslande  dankbar  sein,  da  sie  ¿um 
gror>en  Teile  von  i  Publikationen  Nachricht  geben,  diu  nicht  in  den  Handel 
gekomnien  oder  in  zahllosen  ilies-icit  *ler  Alpen  unerreichbaren  Journalen  ver- 
^treut  sind. 

(  RONACA.  

Anno  1,  vol.  I,  fase.  2". 

Michele  ?'  a  1  o  e  i  P  u  1  i  g  n  a  n  i ,  Ar-  Arti  e  le  Lettere  alla  corte  ilei  Trìnci 
di  Foliii^nio.  Die  Trinci  herrschten  über  Foligno  von  1 305  bis  1 439,  und 
mehrere  Mitglieder  der  P'amilie,  besonders  Ugolino  III.  (+  1415)  **'>*J  CoX' 
rado  III.,  dor  let/.te  der  Dynastie,  waren  Beschützer  der  Kunst  und  Dichtung, 
wie  so  viele  der  kleinen  Herrscher  Italien>  im  Zeitalter  der  Renaissance.  Im 
ersten  Abschnitte  des  vorliegenden  Artikels  zählt  der  Verf.  <He  Überreste  von 
Kimstwerkcn  in  Foligno  auf,  welche  in  dieser  Epoche  entstanden,  die  Fresken 
in  der  Sala  dei  Giganti  des  ehemaligen  Palastes  der  Trìnci,  die  der  Haus- 
kapelle, welche  von  Ottaviano  Nelli  aus  Gubbio  1 424  vollendet  sind,  die 
Madonna  mit  dem  Kinde  von  dem  Fulignaten  Bartolomeo  di  Tommaso  in 
S.  Salvatore  (1 430),  u.  s.  w.  Der  zweite  Abschnitt  handelt  von  den  Dichtem, 
und  zwar  zuerst  von  Tommasuccio,  dem  Nachfolger  Jacopones.  Pulignani 
verteidigt  gegen  Mazzatinti  die  Richtigkeil  der  Angabe,  dafs  Tommaso  Unno, 
vom  Volke  Tommasuccio  genannt,  in  Gualdo  geboren  sei;  aber  er  lebte  in 
Foligno  und  scheint  in  freundlicher  Beziehung  zu  Trincia  Trìnci  gestanden 
zti  haben.  P.  giebt  eine  umfangreiche  Bibliographie  über  diesen  naiven  und 
ungebildeten  Dichter,  berichtet  über  seine  Profezia  und  die  anderen  teilweise 
ungedruckten  Lieder,  und  sucht  in  seiner  in  Prosa  abgefafsten  Vistone  Re- 
miniscenzen  aus  der  göttlichen  Kommlie  nachzuweisen.  Von  Paolo  da  Foligno, 
Knde  de<  14.  und  Anfang  des  15.  Jahrb.,  ist  so  gm  wie  nichts  bekannt,  da 
2  liss.,  welche  Gedichte  von  ihm  enthielten,  und  welche  noch  im  vorigen 
Jahrh.  existierten,  inzwischen  verschwunden  sind.  Der  Artikel,  der  fortgesetat 
werden  soll ,  schliefst  mit  Pierangelo  Bucciolini  und  seiner  Leggenda  di 
S.  Feliciano,  welche  kürzlich  von  Mancinelli  im  Propugnatore  veröffentlicht 
worden  ist.  und  deren  poetisches  V'erdienst  P.  mit  Recht  sehr  gering 
schlägt. 


GIORNALE  STORICO  DFXLA  LETTERATURA  ITALIANA  I,  I,  2.       625 

Michele  Scherillo,  La  Prima  Commedia  Musicale  a  Venezia.  Venedig 
war  die  Stadt,  welche  zuerst  ein  stehendes  musikalisches  Theater  besafs;  1637 
ward  hier  die  Androtneda  von  Benedetto  Ferrari,  mit  Musik  von  Francesco 
Mamelli  gegeben.  Aber  in  der  volkstümlichen  komischen  Oper,  der  später 
sogenannten  opera  buffa,  ging  Neapel  voran.  Die  erste  komische  Oper,  die 
in  Venedig  aufgeführt  wurde,  war  die  Elisa  (171 1)  von  Domenico  Lalli,  wie 
sich  pseudonymisch  der  Neapolitaner  Sebastiano  Biancardi  nannte.  Von  diesem 
giebt  Seh.  biographische  Nachrichten,  Aufzählung  seiner  Werke,  und  zeigt, 
dafs  seine  Elisa  nichts  mit  der  populären  Oper  in  Neapel  gemein  hat,  viel- 
mehr aus  der  gelehrt  klassischen  Richtung  stammt,  welche  statt  der  gegen- 
wärtigen Realität  die  fremdgewordenen  Verhältnisse  der  plautinischen  Komödie 
darstellte.  Die  Elisa  ist  nicht  original,  sondern  Bearbeitung  von  Niccolò 
Ameutas  Gostanza,  die  ihrerseits  wieder  aus  den  Inganni  des  Niccolò  Secchi 
geschöpft  ist.  Aus  diesem  letzten  Stücke  stammt  das  so  stark  hervortretende 
unsittliche  Element,  das  bei  Amenta  noch  sehr  sichtbar,  bei  Lalli  verhüllt  ist. 
Die  Häufigkeit  des  Plagiats  an  älteren  Stücken  mufs  uns,  wie  Seh.  am  Schlüsse 
bemerkt,  vorsichtig  machen,  wenn  wir  eine  Komödie  als  das  Spiegelbild  der 
Sitten  ihrer  Epoche  auffassen  wollen  ;  es  gilt  zuerst  zu  ergründen,  welche  Be- 
standteile aus  einer  anderen  Zeit  etwa  verarbeitet  worden  sind. 

G.  A.  Scartazzini,  Gli  Studi  del  professore  Scheß'er - Boichorst ,  ist 
eine  Kritik  des  Buches  „Aus  Dante*s  Verbannung**,  eine  Kritik,  deren  An- 
fang und  Ende  mit  dem  Reste  schlecht  genug  zusammenpafst.  Zu  Anfang 
und  Ende  spendet  der  Recensent  Scheffer-Boichorst  ein  hohes  Lob,  nennt 
sein  Buch  eine  der  wertvollsten  Publikationen  über  Dante  im  verflossenen 
Jahre,  und  acceptiert  doch  von  allen  in  dem  Buche  verfochtenen  Ansichten 
nur  eine  einzige,  nämlich  die  betreffs  der  Authcnticität  des  Briefes  an  Can 
Grande,  erklärt  hier  aber  den  Beweis  im  Grunde  für  überflüssig  und  von 
einigem  Nutzen  nur  in  Deutschland,  und  bestreitet,  sehr  mit  Unrecht,  dafs 
der  Verfasser  für  die  Echtheit  irgend  ein  neues  Argument  beigebracht  hat. 
Alle  anderen  Resultate  von  Sch.-B.s  Forschungen  verwirft  Sc.  durchaus,  ja 
klagt  den  Verfasser  der  Nachlässigkeit  und  Leichtfertigkeit,  des  Widerspruchs 
mit  sich  selbst  an,  beschuldigt  ihn,  die  Werke  Dantes  nicht  ernsthaft  studiert 
zu  haben  (p.  272).  Scartazzini  glaubt  allerdings,  dafs  Dante  nicht  erst  1320 
nach  Ravenna  gekommen  sei,  aber  aus  anderen  Gründen  als  Sch.-B.;  denn 
den  Brie!  von  1313  an  Guido  von  l^olenta  fahrt  er  fort  für  unecht  zu  halten, 
und  er  setzt  jene  Übersiedelung  auch  nicht  131 3,  sondern  1316,  weil  ihm  der 
Aufenthalt  in  Lucca  kein  blofser  Ausflug  sein  zu  können  scheint.  Hat  man 
übrigens  Recht,  diesen  von  Dante  flüchtig  angc<leuteten  Aufenthalt  in  Lucca 
mit  solcher  Bestimmtheit  zwischen  1314  und  131Ò  zu  setzen.^  Man  thut  es, 
weil  die  Stailt  vorher  guelfisch  war;  aber  Dante  weilte  ja  so  oft  bei  Guelfcn, 
bei  den  Malaspina,  bei  (iuido  Novello,  bei  Guido  Salvatico,  der  sogar  zu  den 
Schwarzen  gehörte.  Warum  konnte  der  Dichter  nicht  in  einer  Zeit,  wo  der 
Parteihader  weniger  heftig  war,  etwa  1308,  kurz  oder  lang  sich  auch  in  Lucca 
befinden?  Sc.  verteidigt  weiter  Gemma  Donati  gegen  Sch.-B.,  wie  er  es 
früher  bei  Gelegenheit  anderer  Angriffe  that,  und,  wie  ich  glaube,  ist  ihm 
hier  beizustimmen;  denn  alle  Nachrichten  oder  positiven  Andeutungen  über 
das  Verhältnis  zwischen  Dante  und  seiner  Gattin  fehlen  uns.  Wenn  man  sich 
wundert,  dafs  Dante  sie  nirgend  in  seinen  Dichtungen  erwähnt  hat,  dafs,  wie 
Zeitüohr.  f.  rom.  Thil.    VII.  ^O 


626  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     A.  GASPARY, 

Sch.-B.  sagt,  „kein  Lied  sie  verherrlicht",  so  heifst  das  doch  wohl  die  Zeiten 
verwechseln.     Die  Liebe,   wie   sie   in   den  Gedichten  Dantes  und  seiner  Zeit- 
genossen zum  Ausdrucke   kommt,   lag  von  derjenigen  weit  ab,   welche  er  bei 
seiner  Gattin  finden  konnte.    Alle  diese  Dichter  schweigen  von  ihren  Familien- 
verhältnissen ;    die  Gattin  spielt  eine  prosaische  Rolle;   sie  befindet  sich  ganz 
aufscrhalb  des  litterarischen  Horizontes,  und  neben  dem  Affekte,  welchen  man 
ihr  widmete,  konnte  ein  anderes  Gefühlsleben  bestehen,  welches  als  das  höhere 
galt.    Die  Ehe  konnte  daher  auch  in  Dantes  Augen  nicht  als  Gegensatz  gegen 
seine  Liebe,   nicht  als  Untreue  gegen  Beatrice  erscheinen,  wie  sie  Scartazzini 
selbst  irrtümlich  aufgefafst  hat.     Dantes  Schweigen  kann  uns  somit  nicht  be- 
fremden;   wie  viele   giebt  es  denn  sogar  heut*,    bei  unseren  so  verschiedenen 
Begriffen,   die  ihre  Khefraucn  besingen?     Auch  in  dem,  womit  Sc.  die  gegen 
Dante  erhobene  Beschuldigung  einer  starken  Sinnlichkeit  zurückzuweisen  sucht, 
ist  mancherlei   Zutreffendes;    über   das   Verhältnis    zur   Gentucca   wissen   wir 
nichts  Sicheres  ;  der  Brief  an  Maroello  Malaspini  braucht  nicht  unecht  zu  sein, 
wie  Sc.  will,  von  sinnlicher  Liebe  redet  er  gewifs  nicht.     Die  Zeugnisse  von 
Schriftstellern   des  14.  Jahrh.   fallen   wenig  ins   Gewicht;    denn,   wie   Sc.  mit 
Recht   bemerkt,    die   Liebesdichter   kamen   damals   leicht   in  schlechten  Ruf. 
Geben  wir  zu,  dafs  Dante  ein  Mensch  war,  machen  ihn  aber  auf  solches  Ge- 
rede  hin   nicht  zu  einem  Wüstling  und  Weiberverfiihrer.  —  Die  Zeit  für  die 
Abfassung   der  Monarchia   hält  Sc.  jetzt   für   gamicht   fest  bestimmbar,    setzt 
dieselbe   allerdings   in  Dantes   spätere  Jahre,   jedoch   auf  Grund   anderer  Er- 
wägungen  als  Sch.-B.,   dessen  Argumentation   er   als  verfehlt  ansieht.     Noch 
mehr  scheint   es   ihm    diejenige   bezüglich   der  Echtheit   des  Briefes  an  Frate 
Ilario,   der,   selbst   wenn   der  Codex  Boccaccio   gehört   haben  sollte,   was  Sc. 
bezweifelt,   doch   nur   eben   ein   älterer  Betrug   wäre;    denn   vor   allem  sei  es 
undenkbar,  dnfs  Dante  schon  1308  das  Inferno  vollendet  gehabt  habe.    End- 
lich die  zweite  kürzere  Redaktion  der  Vita  di  Dante  hält  Sc.  auch  fernerhin 
nicht  für  Boccaccios  Werk,   ohne  dafs  er  sich  auf  die  Gründe  cinliesse;    die 
historische  Glaubwürdigkeit  Boccaccios   scheint   ihm   unzureichend  begründet, 
wenn  man  immer  nur  die  Vita  di  Dante  in  Betracht  ziehe;  aus  seinen  anderen 
historischen  Arbeiten,  den  Büchern  De  dar,  mul.  und  De  cas,  vir.  iU.  sei  zu 
ersehen,  dafs  er  gerne  Geschichten  erfand. 

VARIETÀ:  A.  Graf,  //  Zibaldone  attribuito  ad  Antonio  Pucci,  giebt 
nach  dem  Cod.  Rice,  den  Inhalt  dieser  ehedem  von  D'Ancona  bekannt  ge- 
machten Excerptcnsammlung  vollständig  an  und  teilt  ein  Sonett  Puccis  und 
die  Geschichte  der  Giündung  von  Florenz  daraus  mit,  welche  letztere  in 
mehreren  Punkten  von  den  bekannten  Darstellungen  abweicht  und,  was  von 
Wichtigkeit  ist,  auch  die  bei  dem  angeblichen  Ricordano  Malispini  sich  fin- 
dende Er/.ählun;;  von  der  Liebe  Catilinas  zur  Königin  Belisea  und  der  des 
Centurionen  /a\  deren  Tochter  Teverina  enthält.  Dafs  die  Sammlung  von 
Pucci  hcrrührr,  und  mit  dem  Zwecke  angelegt  worden  sei,  dem  Bänkelsänger 
als  Rcpertoir  zu  dienen,  wie  D'Ancona  annahm,  hält  Gr.  für  sehr  gut  mög- 
lich, wagt  aber  nicht  Inrstimmt  zu  entscheiden.  —  R.  Renier,  Un  Codice 
Malnoto  del V Acerba,  Fiesclìreibung  einer  Ils.  der  kgl.  P'rivatbibliothek  zu  Turin, 
nach  R.  von  Mitte  des  14.  Jahrb.,  und  Mitteilung  von  54  Versen  als  Prolïc.  — 
A.  M  ed  in.  La  Biblîoi; rafia  della  Mandra¿^ola,  verteidigt  gegen  Borgognoni 
Villaris  Ansicht,  dafs  Macîiiavcllis  Komödie  nicht  vor  15Í3  vcrfafst  sei.    Der 


GIORNALE  STORICO  DELLA  LETTERATURA  ITALIANA  I,  I,  2.        627 

Beweis,  dafs  die  erste  Ausgabe  von  15 13  sein  müsse,  ist  mangelhaft;  denn 
daraus,  dafs  ein  Druck  von  Ariostos  Supposai  ähnliches  Papier  und  Format 
und  ähnliche  Typen  zeigt,  folgt  doch  noch  nicht,  dafs  beide  Ausgaben  dem- 
selben Jahre  angehören.  Freilich,  da  es  unzweifelhaft  ist,  dafs  die  Mandra- 
gola nicht  vor  15 13  entstand,  so  kann  auch  der  erste  Druck  nicht  älter  sein.  — 
C.  Paoli,  Uli  Sonetto  al  Duca  d* Atene.  Dieses  Lobgedicht,  aus  einer  lauren- 
zianischen  Hs.  herrührend,  ist  von  einem  Piero  d'Anselmo. 

RASSEGNA  BIBLIOGRAFICA  :    U.  A.  Canello,    La    Vita  e  le   Opere 
del  trovatore  Arnaldo  Daniello  (Renier.     Der   Recensent    entwickelt    gewisse 
Ansichten  über  die  Kritik  provenzalischer  Texte,  die  sich  wenig  durch  Klar- 
heit  auszeichnen    und    auf  keine   besondere  Vertrautheit   mit   diesen   Studien 
schliefsen  lassen.     Dann    geht   er   mit  grofser  Breite  auf  die  berühmten  prose 
di  romanzi  ein,    die    Arnaut   Daniel    nach    Dante    geschrieben    haben    sollte, 
schiebt  G.Paris  (p.  315),    wenn   ich   recht    verstehe,    die  Meinung  unter,   dafs 
nach  Dante  Arnaut  auch  frz.  geschrieben  habe,  und  giebt  mit  einiger  Selbst- 
gefälligkeit als  ganz  neu  (p.  318)  im  Grunde  gerade  die  Auffassung  von  Dantes 
Versen,    welche    diejenige   von  G.  Paris   ist.     Und    abermals   verkehrt   er   des 
letzleren  Ansicht,   sie   bekämpfend,    p.  320,   indem   er  ihn  sagen  läfst.   Tasso, 
nachdem   er   in   den  Discorsi  del  Poema  Eroico  Arnaut  einen  Lancelot  zuge- 
schrieben   hatte,    thue    es    in    dem  Discorso  sopra  il  parere  fatto  dal  signor 
Fr.  Patrizio   nicht   mehr,    weil    er   es   vergessen   habe,    während  in  Wahrheit 
G.  Paris  (Rom.  X  480  f.)  sagte,    an    der   ersten    Stelle    schreibe  Tasso  Arnaut 
einen  frz.  Lancelot  zu,    und  an  der  zweiten  habe  er  sich  korrigiert,   und  rede 
vielmehr  von  provenz.  Romanen ,    ohne    einen  Lancelot   zu    nennen.     G.  Paris 
beging   hier   allerdings   ein  Versehen,    aber   ganz    anderer  Art;    der  Discorso 
sopra  il  parere  etc.  ist  nämlich  vom  8.  Sept.  1585,  und  die  Discorsi  del  Poema 
Eroico   waren    am  9.  Juni  1587  noch    blofses   Projekt    und    sind    erst  1594  er- 
schienen (s.  Lettere  del  Tasso,  ed.  Guasti,  III  210).     Also  ist  die  in  den  letz- 
teren   enthaltene    Stelle    über  Arnaut   die   spätere,    und    von    einer   Korrektur 
seiner  früheren  Ansicht    kann  bei  Tasso  nicht  die  Rede  sein.     Renier  meint, 
Tassos  Äufserung  sei   schwerlich   grundlos,   und  wenn  er  auch  im  Irrtum  sei, 
Arnaut  einen  Lancelot  beizulegen,  so  habe  doch  gewifs  ein  provenz.  Lancelot 
existiert,    wofür   er   sich    auf  das  Citat  Chabaneaus   aus   einem  alten  Inventar 
beruft,  und  auf  die  Möglichkeit,  dafs  das  Ms.,  dessen  eine  Merlin-Übersetzung 
enlhaltendcs   Fragment    der   Abbó   Guillaume   auffand,    zur   Zeit   seiner  Voll- 
ständigkeit  auch    eine    Lancelot-Übersetzung   enthalten    habe.     Reniers   ganze 
Darlegungen  würden    offenbar   gewinnen,    wenn  er,    anstatt   mit   so  vielen  ge- 
lehrten Citaten  zu  prunken,    die  Stellen,    auf  welche  er  sich  bezieht,    genauer 
ansähe.     A  me  sembra  che  uno  scrittore,  prima  di  accusare  gli  altri  di  legge- 
rezza »   dovrebbe  cercare  di  non  essere  leggero  egli  stesso,    sagt  er  mit  Recht, 
p.  320;  nur  pafst  das  nicht  auf  G.Paris,  auf  den  er  es  anwenden  will,  sondern 
auf  einen  anderen,     p.  323  beschuldigt  er  sich  selbst  eines  solenne  sproposito, 
und  fügt   hinzu:    //  mio  errore  si  deve  tutto  alla  memoria,  cui  talora  troppo 
facilmente  m* affido;  eine  üble  Gewohnheit!).  —  E.  Celesia,  Storia  delle  Lette- 
ratura Italiana  nei  Secoli  Barbari  (Graf.     Gerechter  Tadel   dieses   wertlosen 
Machwerkes).    —     G.  Sif^igaglia ,     Saggio   di  uno   studio   su   Pietro   Aretino 
(Luzio;  am  Ende  teilt  der  Recensent  ein  Dokument  aus  dem  Archiv  Gonzaga 
zu  Mantua  mit,    aus  dem   hervorgeht,    dafs  Pietro  Aretino    durch    einen  Fall 

40* 


628  RFXENSIONEN  UND  ANZEIGEN.    A.  GASPARY, 

mit  dem  Stuhle  starb).  —  K.  IVon,  Bciivenuto  Cellini  (Campori).  —  Fr.Ruspoli, 
Poesie,  p,  da  C.  ArDa  (Toci).  -  R.  Koehler,  Ein  Brief  Goethe* s  an  A.  Poerio 
(Novati). 

BOLLETTINO  lUBLIOGRAFICO.  Bei  Besprechuni;  von  Serafinis 
Canzoniere  Ji  Dante  heif>t  es  ¡i.  348,  -Bartolis  Vcrmutunf;  über  die  von  Dante 
im  Briefe  an  MarocUo  Malaspina  und  der  zu;;ehörij^cn  Canzone  geschilderte 
Geliebte  sei  vielleicht  falsch,  verdiene  aber  nicht  den  Vorwurf,  der  ihr  im 
I-iteraturbl.  f.  fjcrni.  u.  roni.  Thil.  1883  p.  68  gemacht  worden.  Kinigc  Bemer- 
kungen mögen  /eigen,  dafs  die  Beschuldigung  der  Verkehrtheit  nicht  ohne 
Grund  gegen  Bartolis  Ansicht  erhoben  wurde.  Nach  dieser  wäre  die  Can- 
zone allegorisch;  die  Erscheinung,  welche  den  Dichter  zu  plötzlicher,  furcht- 
barer Leidenschaft  fortreifst,  soll  das  Bild  seiner  Vaterstadt  sein,  als  einer 
besseren,  so  wie  sie  seinen  Wünschen  entsprechen  würde.  Die  Curia,  von 
der  Dante  geschieden  ist,  erklärt  B.  für  Florenz,  wie  es  Torri  geihan  hatte. 
Allein  wie  kommt  Florenz  dazu,  ein  ,,Hof**  genannt  zu  werden?  Und  wie 
kann  der  seit  lange  Verbannte  (seit  lange;  denn  es  heifst.  Amore,  d.  i.  nach 
Bartoli  die  Liebe  zu  seiner  Stadt,  sei  nach  langem  Exil  in  ihn  wieder  ein- 
gekehrt, und  Bartoli  will,  er  habe  damals  schon  an  der  Komödie  geschrieben), 
wie  kann  er  sagen  :  mihi  a  limine  suspiratae  curiae  separato  . .  .  çuum  primum 
pedes  juxta  Sarni  fi uenta  ...  defif^eremì  da  mufste  er  doch  eben  erst  aus 
Florenz  verstofsen  sein.  Und  wie  konnte  der  Marchese  in  FJorenz  beobachten, 
dafs  Dante  vom  Dienste  der  Liebe  gelassen  habe  (iV/  "qua,  velut  . . .  %ñdistis, 
fas  fuit  sequi  libertatis  officia)^  da  jener  doch  weit  entfernt  in  der  Lunigiana 
weilte?  Und  diese  libertas  wäre  doch  nun  die  Freiheit  von  der  Liebe  zu 
F'lorenz;  also  in  Florenz  selbst  war  Dante  von  Liebe  zu  Florenz  frei,  sie  fiel 
ihn  an,  als  er  herauskam.  Aber  damit  ist  es  nicht  gcnng;  Dante  sagt  zn 
Ende  des  Gedichtes:  „o  Lied,  sage  meiner  grausamen  Vaterstadt,  dein  Ver- 
fasser könne  jetzt  nicht  mehr  Krieg  gegen  sie  fuhren;  ihn  hält  jetzt  eine  Kette 
fest,  dafs,  riefe  man  ihn  auch  zurück,  er  nicht  mehr  Freiheit  hat  heimzukehren". 
Also  das  Bild  eines  idealen  Florenz  fesselt  Dante  in  den  Bergen  so,  dafs  er 
in  das  wirkliche  F'lorcnz  nicht  zurück  kann.  Und  diese  Auslegung  der  Stelle 
acceptiert  Bartoli  ausdrücklich,  und  dergleichen  kostbare  Gedanken  mutet  er 
einem  grofsen  Dichter  zu,  um  ihn  von  einer  angeblich  unpassenden  Handlung 
frei  zu  sprechen  (unpassend  nach  heutigen  Begriffen ,  nicht  nach  damaligen)! 
Heifst  das  nicht  auf  Abwege  geraten? 

SPOGLIO  DELLE  PUBBLICAZIONI  PERIODICHE. 

CRONACA.  

Anno  I,  vol.  I,  fascicolo  3". 

Fr.  Novati,  Im  Cronaca  di  Sa  limbe  ne.  Diese  vortreffliche  Arbeit  hat 
den  Zweck,  eingehenden  Bericht  über  das  Verhältnis  der  einzigen  Vatican.  Hs. 
zu  dem  bekanntlich  stark  verstümmelten  und  entstellten  parmcnser  Drucke 
von  Fra  Salimbencs  Chronik  zu  erstatten,  da  die  früheren  Mitteilungen  Clédats 
diese  Aufgabe  nur  in  mangclhaficr  Weise  erfüllt  hatten.  Den  UmCing  der 
Fortlassungen  in  der  Ausgabe  hat  man  wohl  übertrieben,  und  dieselben  schä- 
digen, wie  Novali  bemerkt,  das  Werk  mehr  in  seiner  litterarischen  als  in 
seiner  historischen  Bedeutung,  aber  crstercs  doch  in  einer  solchen  Weise,  dafs 
eine   neue    Publikation   durchaus   geboteu  erscheint.     Was  Monsignor  Marini 


GIORNALE  STORICO  DELLA  LITFRRATURA  ITALIANA  I,  I,  3.        62Q 

in  der  unter  seiner  Leitung  angefertigten  Kopie  unterdrücken  lies,  war  nament- 
lich eine  sehr  grofse  Anzahl  der  von  Salimbene  beständig  verwendeten  Citate, 
wodurch  der  Text  oft  ganz  unverständlich  wird;  femer  ist  das,  was  der  Ver- 
fasser gegen  die  Weltgeistlichkeit  und  insonderheit  gegen  die  Kurie  vorbringt, 
entweder  ganz  ausgeschieden  oder  verstümmelt;  bei  manchen  Auslassungen 
läfst  sich  endlich  gar  kein  Grund  angeben,  oder  es  hat  hier,  wie  so  oft  bei 
den  Herausgebern  historischer  Monumente  im  vorigen  Jahrhundert,  eine  ganz 
subjektive  Ansicht  über  Nützlichkeit  und  Überflüssigkeit  gewaltet.  Für  diese 
verschiedenen  Arten  von  Gewaltsamkeiten  gegen  den  Text  giebt  Novati  stets 
Proben,  durch  welche  uns  zugleich  höchst  interessante  Stellen  aus  dem  un- 
edicrten  Teile  der  Hs.  bekannt  werden.  Drei  andere  Stücke  dieser  Art  fügt 
er  noch  im  Anhange  hinzu,  die  Invective  des  Bruders  Hugo  von  Montpellier 
gegen  die  Kardinäle,  den  kurzen  Rhythmus  auf  Adam  und  einen  solchen 
De  Contemptu  Mundi,  Auch  das,  was  die  parmenser  Ausgabe  enthält,  ¡st 
sehr  mangelhaft  wiedergegeben;  die  Fehler,  sei  es,  dafs  sie  aus  der  Abschrift 
stammen,  sei  es,  dafs  sie  sich  im  Drucke  einschlichen,  sind  zahlreich;  die  von 
Salimbene  selbst  herrührenden  und  recht  wichtigen  Rubriken  sind  meist  fort- 
gelassen, die  grofsen  Lücken  der  Hs.  nicht  angezeigt,  u.  s.  w.  Der  Tractatus 
de  Praelato,  den  die  Ausgabe  als  besondere  Schrift  des  Autors  an  das  Ende 
stellt,  ist  nichts  anderes  als  eine  der  zahllosen  Digressionen  und  gehört  an 
die  Stelle,  wo  von  Frate  Elia  die  Rede  ist,  da  sie  sich  auf  ihn  bezieht.  — 
Indessen  eine  Enttäuschung  hat  das  bessere  Bekanntwerden  der  Hs.  bereitet; 
die  Ilofl'nung,  in  derselben  noch  weit  mehr  Proben  von  satirischen  lateinischen 
Versen  und  populären  Poesieen  in  der  Vulgärsprache  zu  fìnden,  ist  nicht  in 
Erfüllung  gegangen;  Marini  hat  alles  hierher  gehörige,  mit  Ausnahme  zweier 
anderweitig  bekannter  Rhythmen  des  Primas,  aufnehmen  lassen,  wennschon 
mehrfach  die  Lesart  verdorben,  tuch  Verse  ausgefallen  sind.  Novati  giebt  auch 
hier  einige  Verbcsserungen.  Für  die  sprichwörtlichen  Vtrse  auf  die  Eigen- 
schafton des  guten  Weines,  p.  412,  hatte  bereits  Clédat  die  wahre  Lesart  der 
Hs.  geben  wollen,  Revue  des  lang.  rom.  IIIc  S.  t.  VIII  p.  lOO;  dieselbe  weicht 
übrigens  auffallend  stark  von  der  Novatis  ab,  und  dieser  ist  dabei  ohne  Zweifel 
im  Rechte.  Was  dann  das  Vorkommen  ähnlicher  Weinregeln  betrifft,  so  war, 
aufscr  auf  diesen  Artikel  Clédats,  noch  auf  den  umfangreicheren  von  P.  Meyer 
/u  verweisen,  Romania  XI  572  ff.  —  In  einer  langen  Anmerkung  zu  Anfang 
bestreitet  Novati  in  überzeugender  Weise  Clédats  Ansicht,  dafs  die  Hs.  Auto- 
graph Salimbcncs  sei.  Im  Anhange  ist,  aufser  den  schon  erwähnten  Stücken, 
die  satirische  Epistola  Luciferi  ad  Preìatos  Ecclesiae  nach  2  Hss.  abgedruckt, 
von  welcher  Novati  im  Giornale  Stör.  I  71  gehandelt  hatte,  und  welche  nach 
einer  Stelle  der  Chronik  (s.  Novati  p.  400  Anm.  I)  schon  Salimbene  bekannt 
gewesen  sein  mufs. 

VA  RIPETA:  C.  Cipolla,  Laudes  yacoponi  Lay  ci  in  un  Manoscritto 
Torintwc.  Der  Codex  Manoscritti  Varí,  No.  13  der  kgl.  Bibl.  von  Turin,  der 
gegen  Mitte  «les  15.  Jahrh.  geschrieben  ist,  enthält  unter  anderm  5  Gedichte 
als  ¡Mudt-s  Jacopoiii  ÍMyci.  Das  erste:  Poi  che  sei  fatto  frate  o  caro  amico 
i>t  ein  Serventese  von  Domenico  Cavalca  ;  die  anderen  4:  Audite  nova  pazzia, 
lùinian  fitti  or  farciamo.  Chi  vote  trovar  amore ^  Jesu  nostro  amatore,  sind 
in  Wahrheit  Lauden  Jaco¡)ones.  Cipolla  giebt  vom  ersten  Gedichte  die  Va- 
rianten   zu   dem    Drucke   in   der   Palermitaner  Sammlung   der  Rime  Antiche, 


630  KECKNSIONEN  UND  ANZRIGKN.     G.  GRÖBKR,    G.  BATST, 

vom  2.  und  3.  die  Varianten  zu  Tresattis  Ausgabe,  das  4.  und  5.  läfst  er  voll- 
sländijj  abdrucken ,  weil  hier  die  Abweichung  von  der  bekannten  Lesart  be- 
deutend ist. —  R.  Renier,  Cinque  Sonetti  di  yacopo  da  Montepulciano,  5  un- 
edierle  petrarchisierende  Sonette  des  Dichters  der  Fimerodia,  den  Renier 
selbst  das  Verdienst  hat  vor  kurzeni  dem  Publikum  zuerst  bekannt  gemacht 
zu  haben.  Die  Gedichte  linden  sich  in  einer  früher  Pietro  Vitali  gehörigen, 
jetzt  in  der  Bibl.  Nazion.  in  l*arma  bcfmdlichen  Hs.  vom  Ende  des  14.  oder 
Anfang  des  I5.jahrh.  In  einer  1820  erschienenen,  jetzt  sehr  seltenen  Schriit, 
über  die  Renier  zu  Beginn  seines  Artikels  berichtet,  zog  Vitali  aus  dieser 
Hs.  eine  Anzahl  von  Poesieen  des  13.  und  14.  Jahrh.  und  Varianten  zu  Werken 
Dantes,  Petrarcas  und  Boccaccios.  -  V.  Crescini,  Notizia  d'una  Ignota 
Biografia  di  Arnaldo  Daniello.  Diese  biographische  Notiz  ist  enthalten  in 
den  ungedruckten  Vite  d^  uomini  illustri  volgari  des  Cinquccentisten  Marco 
Antonio  Nicoletti,  einem  Werke,  von  dem  das  Autograph  im  Besitze  des 
Grafen  Francesco  di  Manzano  in  Jassico  bei  Cormons  ist  und  eine  Kopie  in 
der  Bibl.  ('ivica  zu  Udine.  Nicoletti  schöpfte  vorzugsweise  aus  Vcllntello; 
irgend  welchen  historischen  Wert  hat  also  seine  Nachricht  natürlich  nicht.  — 
G.  Biadego,  Due  Lettere  di  Carlo  Tedaldi-Fores.  Sie  sind  von  1819  nnd 
1822,  an  Ippolito  Pindemonte  gerichtet,  ein  Begleitschreiben  bei  Sendung  des 
Romans  Narcisa,  und  ein  Dankschreiben  nach  Empfang  der  Odyssee-Über- 
setzung. 

RASSEGNA  BIBLIOGRAFICA:  O,  Tommasini,  La  VUa  e  gii  Scritti 
di  N.  Machiavelli,  voi.  I  (Pellegrini;  langer,  interessanter  Artikel,  voll  von 
höchstem  Lobe  für  das  besprochene  Werk).  —  R,  Renier^  Liriche  Edite  ed 
Inedite  di  Fazio  degli  liberti  (Casini,  mit  zahlreichen  Textverbessenin^en).  — 
A*.  For  nadar  i.  Studi  su  Dante  (Renier;  cine  oberflächliche  Polemik,  welche 
dem  Ernste  von  Fornaciaris  Arbeiten  durchaus  nicht  gerecht  wird.  Wie 
Renier  des  letzteren  Buch  gelesen  hat,  zeige  nur  ein  Beispiel:  Fornaciari  setzt 
die  Vita  Nuova  um  1 292,  vor  das  Convivio,  und  zwar  ausdrücklich  ganz  und 
gar,  und  Renier  dagegen  p.  481:  io  mi  penso  che  almeno  il  Fornaciari  non 
vorrà  negare  che  il  §  45  della  V.  N.  sia  posteriore  al  Convito,  mutet  also  dem 
Autor  die  entgegengesetzte  Meinung  zu  von  der,  die  derselbe  ausgesprochen 
hat).  —  Le  Poesie  di  (/go  Foscolo,  pubbl,  da  G,  Biagi,  D^  Sepolcri,  carme 
di  Ugo  Foscolo,  con  discorso  critico  e  comfnento  di  Fr.  Trevisan  (Novali).  — 
l).  Bortolan,   Giambattista  Maganza  Seniore  (Morsolin). 

1K)LLKTTIN()  BIBLIOGRAFICO. 

SPOGLIO  DELLE  PUBBLICAZIONI  PERIODICHE. 

(CRONACA,  p.  523  f.  ein  Brief  Luciano  Banchis,  der  bekannt  macht, 
dafs  D:iiitcs  Pia  nicht  die  Pia  de'  Tolomci  gewesen  sein  kann,  da  diese  noch 
13 18  als  Wittwe  Baldo  Tolomeis  lebte.  Die  Frage,  wer  sie  in  Wahrheit 
gewesen,  verspricht  B.  in  einem  Buche  über  die  Pia  zu  beantworten. 

A.  Gaspart. 


Romania,     iie  année.  —  1882.  Janvier. 

Das  zweite  Dezennium  ihres  Bestehens  eröffnet  die  Romania  mit  einem 

Vortrage  von 


ROMANIA  XI,  631 

G.  Paris,  Paulin  Paris  et  la  littérature  française  du  moyen  âge,  ge- 
halten am  Collège  de  France,  8.  Dezember  1881,  eine  sympathische  Skizze  der 
litterarischen  und  Lchrthäti^keit  seines  um  die  Kenntnis  der  altfranzösischen 
Litterat ur  vor  allem  so  hochverdienten  Vaters. 

P.  Meyer,  V histoire  de  Guillaume  le  maréchal,  comte  de  Striguil  et 
de  Pt-mbrocke,  régent  d* Angleterre.  Poème  français  inconnu.  Die  Hs.  bc- 
tindet  sich  in  Middlchil  und  jjehort  dem  13.  Jahrh.  an.  Das  reimchronikartigc, 
in  a^jnorm.  Mundart  überlieferte  Gedicht  zählt  192 14  achtsilbige  Verse  und 
ist  nach  M.s  Urteil  von  einem  historischen  Werte  und  litteraturgeschichtlichen 
Interesse,  wie  es  selbst  Villehardouin  und  Joinville  nicht  beanspruchen  können. 
Es  handelt  in  einer  an  Einzelnheiten  reichen  Darstellung  von  dem  Leben  des 
Rcichsverwesers  Englands  in  den  Jahren  1216 — 19,  der  1219  nahe  Sojährig 
starb,  und  über  ca.  cbensoviele  Jahre  englischer  Geschichte.  M.  legt  über- 
zeugend dar,  dafs  nach  verschiedenen  im  Gedicht  enthaltenen  Andeutungen 
anzunehmen  ist,  das  Werk  sei  nach  einer  Prosavorlage  verfafst,  die  der 
Dichter  zu  ergänzen  in  der  Lage  war  und  die  von  einem  Vertrauten  G.s  de  P., 
Johan  d'Erlec  (f  vor  1231),  herrührte.  M.  teilt  über  1400  von  historischen 
Erläuterungen  begleitete  Verse  aus  verschiedenen  Teilen  des  Gedichts  mit,  in 
dessen  ungenannten  Verfasser  er  einen  normannisch  schreibenden  Bewohner 
der  englischen  Besitzungen  in  Frankreich  sehen  möchte.  Einzelne  der  edierten 
Verse  besprach  bereits  K.  Hofmann  in  den  Sitzungsber.  der  bayr.  Ak.,  phil.- 
hist.  Kl.  1882,  IT  S.  234  ff.;  vgl.  dazu  Romania  1882  S.  624.  G. 

J.  Cornu,  Etudes  de  grammaire  portugaise.  (Suite).  II.  VA  pros  thé' 
tique  devant  rr  en  portugais ,  en  espagnol  et  en  catalan.  Cornu  bringt  als 
Beleg  der  Prosthese  von  a  vor  r  im  Span.,  Port,  und  auch  Catal.  eine  lange 
Reihe  von  Fällen,  in  welchen  ein  Wort  mit  arr  anlautend  dem  mit  r  anlau- 
tenden vorhandenen  oder  vorauszusetzenden  synonym  steht.  Davon  dafs  die 
port.  Sprache  die  meisten  Beispiele  biete,  kann  ich  mich  nicht  überzeugen; 
liic  Gleichung  Port,  zu  Span,  wie  Moraes  (92)  zu  Wb.  der  span.  Akad.  (63) 
ist  bedenklich;  die  span.  Reihe  wäre  zu  vervollständigen,  und  es  dürfte  so 
ziemlich  Sjian.  =  Port,  herauskommen.  Von  vornherein  müssen  aber  die  ara- 
bischen Worte  wegfallen,  da  ja  hier  a  bezw.  ar  der  arabische  Artikel  ist  und 
in  demselben  Verhältnis  als  bei  den  anderen  Buchstaben  (ungefähr  i  :  i)  zum 
Worte  gezogen  und  nicht  gezogen.  Auch  bei  Fällen  wie  arranciarse  =  en- 
ranciarse ==  ranciarse  kann  von  Aphärese  und  Prosthese  sicher  nicht  die  Rede 
sein,  obwohl  die  Verstärkung  des  Begriffs  durch  die  Partikel  unmerklich  wird. 
Wenn  wir  alles  derartige  abziehen,  schrumpft  das  Verzeichnis  erheblich  zu- 
sammen. Da  sich  nun  aber  nicht  weniger  starke  Reihen  aus  irgend  einem 
anderen  Buchstaben,  z.  B.  dem  t,  beibringen  lassen,  so  kann  hier  ein  Vorgang, 
der  dem  baskischen  regel mäfsigen  durch  a  oder  e  ausgedrückten  vokalischen 
Einsatz  vor  anlautendem  r  auch  nur  ähnlich  wäre,  nicht  gesucht  werden.  Es 
ist  vielmehr  a  vor  t  und  r  einheitlich  zu  erklären,  wie  das  von  Diez  RG 
I  355,  II  425.  437  mit  Recht  geschieht.  Es  treffen  zwei  Vorgänge  zusammen. 
I.  Dafs  der  vor  s,  s,  z',  ç,  dz,  d,  dh,  t,  t»  th,  n,  r  assimilierte'^  arabische 
Artikel  ebenso  wie  al,   und  wie  er  bei  arabisch-spanischen  Worten  gelegent- 

'  Wo  für  az-  al  eintritt  (algerife,  algeroz),  wandelt  sich  z  in  j. 
-  Auch  vor  1  resultiert  für  das  Span,  a-f-l. 


6^2  KECÜNSIONKN  UND  ANZEIGEN.     G.  BAIST, 

lieh  für  korrektes  :il  eintritt,  auch  lateinischen  Worten  vorgesetzt  wird,  bedarf 
weder  einer  Krkliirunfj  nocli  eines  Beweises.  2.  Zu  der  Bedeutung  des  Er- 
reichens  und  Hinzufü^ens,  welche  die  Präposition  ad  dem  Compositum  ver- 
leiht, entwickelte  sich  die  einer  schwachen  begrifflichen  Verstärkung,  so  leise 
dafs  sie  oft  j»anz  verschwindet  und  das  einfache  Verbum  mit  dem  Compositum 
jjleichbedeutend  ist.  Weder  der  häufige  Gebrauch  noch  die  Abschwächung 
der  Bedeutung;  können  auffallen,  und  bedürfen  ebensowenig  einer  Erklärung 
durch  den  liinllufs  des  arab.  Artikels,  als  man  daran  denken  wird,  das  farb- 
lose gc-  im  Deutschen  durch  auswärtigen  Einflufs  oder  als  Prosthese  zu  er- 
klären. Wohl  aber  mag  in  einzelnen  Fällen  gefragt  werden,  ob  das  Verbum 
oder  das  Substantiv  ursprünglich  sei;  so  durile  arranzon  durch  arranzonar 
veranlaf^t  sein,  während  arrebolar  (wie  port,  alcorcovar  von  alcorcova)  von 
arrebol  kommt,  das  als  Schminke  arabisiert  ward.  Bei  anderen,  wie  arrotar 
und  arroto,  franz.  rot,  das  rüctus,  rüctare,  ital.  rutto,  span,  erutar  eruto  nicht 
sein  kann,  mufs  die  Herkunft  überhaupt  erst  festgestellt  werden.  Comu  hat 
Romania  IX  58  ^  überzeugend  nachgewiesen,  dafs  das  altport.  Adv.  ar  er  nicht 
ora,  sondern  re-  ist.  Er  fragt  nun,  ob  er  dar,  ar  dar  aus  ♦redare  durch 
Transposition  des  e  oder  aus  einer  Zwischenform  *err[e]dar  *arr[e]dar  komme; 
er  neigt  sich  zu  der  letzteren  Annahme  und  es  ist  ihm  wahrschainlich ,  dafs, 
wie  im  Baskischen  der  stumme  prosthetische  Vokal  e  oder  a  ist,  ursprünglich 
auch  *errependersc,  *erruido,  *crredar  neben  arrependerse,  arruido,  *  arredar 
gestanden  seien.  Als  ein  scheinbarer  Beweis  wäre  hier  gal.  engurra,  enniga 
für  ruga  aufzuführen,  kommt  indessen  von  irrugare  wie  arruga  von  arrugar. 
Die  Hypothese  lallt  mit  der  oben  bestrittenen  Meinung,  als  sei  arrasar  anders 
zu  erklären  als  atalar,  arroyo  anders  als  almadreîla  und  gar  arrope  anders  als 
anoria.  Ich  betrachte  die  ar,  er  als  Verstärkung  eines  vokalischen  r,  aber 
dessen  Eintritt  im  ['ort.  ich  im  Anschlufs  an  Cornus  vorausgehenden  Artikel 
gesprochen  habe.  Damit  ist  zugleich  das  Fehlen  der  ar  im  Spanischen  be- 
gründet, weil  hier  ein  r-V(ikal  nur  viel  seltener  als  im  Portugiesischen  vor- 
kommt. -  -  ///.  Li' s  nominatifs  tie  us,  mee  st  re  mestre,  ladro,  t  redro  trtdo, 
anvii/os,  fins  /is,  prestes,  suites,,  mnire.  Eine  Anzahl  von  Ausdrücken  haben 
span.  ])ort.  ihr  Nominativ -s  bewahrt.  So  deus,  weil  es  vurzugsweise  im 
Nomin.  und  Vocat.  gebraucht  wird;  ('arlos,  Domingos  und  andere,  weil  im 
täglichen  Leben  die  Figennamen  meist  vocative  gehört  werden.  Ähnlich 
niccsire  meslre  und  als  .Schimpfworte  ladro  und  altport.  tredro  tredo.  Auch 
einige  Adjektive  blieben  im  Nominativ,  dem  meistgehörten  Fall:  Nächst  dem 
auch  altport.  in  einer  Anzahl  von  Stellen  nachgewiesenen  anvidos  haben  fias 
fis  von  fidus  und  prestes  von  einem  Adjektiv  *praestis  aufgehört  dekliniert 
zu  werden,  weil  sie  fast  immer  mit  sedere  und  stare  verbunden  wftren;  saget 
von  saj)iens  vielleicht,  weil  es  häutig  in  biblischen  und  sprichwörtlichen  Phrasen 
vorgekommen  wäre;  maire  maior  in  zwei  altport.  Texten  mufs  vorläufig  ohne 
Begründung  bleiben.  -  Im  gewcihnlichen  Leben  sagt  und  sagte  man  gewib 
so  oft  con  dios  und  por  dios  als  santo  dios;  die  vom  Sprachgebrauch  ab- 
weichende Haltung  des  Wortes  mufs  also  auf  die  Kirche  zurückgehen,  wo 
allerdings  Anrufung  und  Nennung  vorwogen  und  in  welcher  der  Casus  rectos 
geraile  im  Gegensatz  zur  Lingua  vulgaris  betont  werden  mochte.  So  scheint 
CS  nicht  ohne  Bedeutung,  wenn  Berceo  V.  S.  Dom.  277  die  Mönche  auf  das 
Benedicite   des  Abtes   dominus   statt    dominum   antworten.     Die  rcgelmäfsige 


ROMANIA  XI.  633 

und  die  kirchliche  Form  sind  (wie  bei  presbyter)  neben  einander  bestanden, 
die  letztere,  vielleicht  begünstigt  durch  den  volleren  Klang  des  bedeutenden 
Wortes,  hat  erst  später,  obwohl  vor  der  Zeit  der  ältesten  Sprachdenkmäler 
überwogen;  der  Jude,  der  nicht  in  die  Kirche  ging  und  kein  Latein  konnte, 
bewahrte  dio  bzw.  diu.  Auch  sand^u,  sandio  ist  ein  lebendes  Zeugnis,  und 
zwar  ein  Vocativ.  Der  Eigenname  Carlos  kommt  durch  die  Kirche  und 
Litteratur  aus  Frankreich,  und  ebenso  aus  der  Kirche  Domingos  etc., 
während  alle  wirklich  im  gemeinen  Leben  übliche  Eigennamen  die  regel- 
mäfsige  Form  haben.  Auch  mestre  und  maestre  sind  nicht  aus  der 
Syntax  zu  erklären,  so  wenig  als  preste,  ligustre  Scheideform  zu  ligustro 
lat.  ligustrum,  lustre  alt  fur  lustro,  spanisch  lastre  portugiesisch  lastro,  desastre 
neben  astro  und  (RG.  Il  391)  Suffix  -astre  =  astro  in  sollastre.  Einwirkung 
von  SuíBx  -stris  -ster  ist  hier  unverkennbar,  fällt  bei  maestre  (als  Titel)  gegen- 
über maestro  allerdings  mit  einer  gelehrten  Betonung  des  Casus  rectus  zu- 
sammen, während  preste  (cfr.  auch  baste  neben  basto  und  preboste,  prioste) 
im  ganzen  Abendland  sich  als  wenn  auch  noch  so  altes  Fremdwort  charakte- 
risiert. Ladro  aber  (neben  ladräo,  gal.  auch  ladra)  und  das  offenbar  ziemlich 
seltene  tredro  genügen  mir  nicht ,  um  populäre  Fortexistenz  des  Vocativs  als 
gesichert  zu  betrachten.  Amidos  ist  Adverb.  Mayre  ist  ein  deutlich  franzö- 
siches  Lehnwort.  Auch  bei  sages  legt  sage  ina  Reim  auf  die  franz.  Lehn- 
worte gage  und  domage  die  einzig  mögliche  Erklärung  von  sage  und  sages- 
mente  nahe  genug;  fis  und  fius  dürfte  von  Diez  unter  Fi  richtig  erklärt  sein; 
prestes  neben  preste  und  presto*  zeigt  gleich  sagesmente  unrichtige  Auffassung 
des  franz.  Nominativzeichens;  bei  dem  unermefslichen  Eindufs  Frankreichs  im 
Mittelalter  ist  es  gewifs  nicht  zu  verwundern,  wenn  sich  hier  ähnliche  Er- 
scheinungen zeigen  wie  die  uns  Deutschen  geläufige  mifsbräuchliche  Verwen- 
dung des  franz.  Infinitivs  -ier.  Dais  prestes,  maires,  sages  und  fis  der  Volks- 
sprache fremd  waren  ist  auch  aus  ihrem  völligen  Verschwinden  zu  schliefsen. 
Ebenso  dürfte  lestes  (Diez  s.  v.  presto)  zu  beurteilen  sein  ;  testes  neben  toste 
ist  nur  Adverb.  —  Etymologies.  Aro  •=.  agrum.  Ist  sehr  wahrscheinlich; 
doch  ist  vorläufig  in  Rücksicht  auf  yero  etc.  neben  yerbo '-^  auch  arvus  zu 
erwägen.  Ero  kenne  ich  aufser  bei  Berceo  span,  noch  in  dem  Sprichwort 
('astig.  e  Doc.  175a:  da  dios  trigo  enei  ero  sembrado  parallel  zu  quien  se 
ayuda  dios  le  ayuda,  ziemlich  sicher  Ackerfeld,  nicht  Brachfeld.  Für  ero 
aus  ager  wäre  allerdings  1166  in  einer  port.  Urkunde  eher  eiro  oder  airo  zu 
vermuten.  Doch  ist  das  nicht  entscheidend,  ager  jedenfalls  wahrscheinlicher 
als  etwa  goth.  arjan,  ah d.  ero  etc.  —  Bicha  r=  bestia ,  bicho  =.  bestius.  Be- 
stätigung dieser  sicheren  Erklärung.  —  Üb  vielleicht  chibo,  a  aus  bicho  durch 
Methathese  erzeugte,  dem  Tier  verständlichere  Koseform  ist?  —  Bradar  von 
einem  balatro  entsprechenden  balatrarc.  Erledigt  die  Deutungen  von  Diez 
und  Caix.  Vielleicht  auch  *balaterare.  —  Cas  und  chez  in  und  wegen  der 
adverbialen  Verwendung  durch  Satzphonetik  aus  casa,  ähnlich  wie  la  primer 
VC/  und  andere.  Ohne  Zweifel  richtig.  —  Coima,  irrig  bei  Dozy,  ist  calumnia, 
wie  vollständig  nachgewiesen  wird.  —  Er  dans  Gil  Vicente,  einem  der  letzten 


*  Als  Adverb  von  praesto  in  praesto  esse. 

'■*  Cfr.  RG.  I  286.     Der  Ausfall  des  v  in  dieser  beliebten  Verbindung  ist 
unspanisch,  ein  lat.  *erum,  *arum  etymologisch  wohl  möglich. 


034  KECKNSíONKN  UNI>  ANZEIGEN.     G.  BAIST, 

Autoren,   die  die  Piirlikel  kennen,   fast  immer  vom  Verbum  getrennt,   ein  in 
älterer  Zeit  sehr  seltener  Fall.  —  Espoens  =  propter,  häufig  in  der  Regra  de 
S.  Benito,  sonst  nur  in  zwei  Stellen.    Der  Gedanke  an  exponens,  der  ja  auch 
Cornu    nicht   befriediget,   hat  wenig  für  sich.  —   Faro  für  *fraro  aus  fragrare 
(cheirar).     ist   bestechend,    aber   nicht   ohne   Bedenken,    die   durch   galtzisch 
farun  (cfr.  port,  fortum),   catal.  farum,  farumear  und  furmear  verstärkt  werden; 
vgl.  ah/,  enfruni,  und  fpf(()0^  =  ipf((>vy^  wurzelgleich  frumcn.  Dem  span,  husmar 
(Diez  Orrna)  entspricht  catal.  ensumar.  —    Ne¿;^a,  utì^o  sinon  bei  Gil  Vicente 
von    ni    qua.     (^)rnu    betrachtet  e  aus  î  als   einen    Ilispanismus   entsprechend 
dem  bis  auf  Augustus' Zeit  heruntergehenden  ei.    Ein  scheinbar  ganz  sicheres 
Beispiel    wäre   span,  cerrión   aus   stïria,  E.  \V.  ll^>  s.  v.     Aber   diese   Deutung 
vergifst  die  Nebenform  cencerrion,  welches  mit  Bestimmtheit  auf  das  von  Diez 
zu  cencerro  gegebene  bask,  cinccrria,  cinzarria*  verweist,  also  übertragen  wie 
die  synonymen  calamoco,   pinganello,   catal.  caramell.     Unter   den    von   Comu 
erbrachten  Fällen   erklärt   sich  carena   und  gal.  otcga  aus  Suftìxverwechslung, 
escrevo  aus  escrevir,    esteva  aber  zeigt,   dafs  slips  =  stipes  bei  Petronius  ein 
kurzes  i  hat   gleich    stipula.     Für   pega   allein   werden   wir  kaum  in  die  Zeil 
der  Republik    und   der  Gracchen   zurückgreifen.     Das  se  für  sì  ist   nicht   nur 
portugiesisch,    und  die  Annahme  eines  altlat.  nei  =  nî  =  nîsi  oder  =  nei  sei 
dürfte   an   sich   den  allerbedcnklichsten  Bedenken  unterliegen.     Ob  aber,   wie 
ich  glaube.   Cornus  Vermutung  in  der  Hauptsache  richtig,   nega  in  der  That 
*nîqua  ist,   mufs  eine   genauere  Untersuchung   des  Verhaltens  der  sie,  sí,  si, 
nee,   ne,   ne,   nï-,   nï-,  nî  im  Vulgärlat.  und  Komanischen  lehren.     Nego  aus 
ni  (jua  durch  Einflufs  der  Labialen  lieber  als  aus  ni  quo  zu  erklären,  ist,  zu- 
mal in  Rücksicht  auf  lat.  si  quo  wenn  etwa,  kein  Grund  gegeben.  —  Ninho 
aus   nido    durch  Einflufs   der   ersten  Nasalen.   —    Olhar  =  '"'adoculare.     Das 
Wesentliche,    dafs  port,  aolhar  durch  oolhar  olhar  ergab,   ist   erwiesen;    doch 
dürfte   auch   ein   oculare  bestanden  haben,   cfr.  asp.  ojar.     Span,  aojar  ist  nur 
in  der  Bedeutung   mirar   veraltet.  —    Ontem  gal.  onte  gestern  durch  oÖlc  aus 
ad  noctem,  in  Überlieferung  und  lautlich  erwiesen.  —  Zu  span,  anoche  gestern 
Abend  cfr.  mhd.  naht,  nahten  und  die  Zählung  nach  Nächten.  —  Par  per  por 
=  por.    Par  altport.  beim  Schwur,  hier  und  im  Span,  (in  gleicher  Verwendung) 
regelrecht   aus   per  als   die   em])hatischc  Form.     Por  und  per  sind  altportug. 
genau  geschieden,    par  deus  ist  Bcteurung,    por  deus  Bitte.     Para  beteuernd 
im  D.  (Juixote  ist  par,    entweder   durch  Verwechselung  oder  wahrscheinlicher 
durch  Verlängerung:  par  ^pra  para.    Auch  tonloses  per  und  pro  sind  altporU 
in  der  Regel  geschieden,  por  für  per  entstand  durch  Einwirkung  der  Labialen. 
Das  heutige  i)ello,  pella,  erst  seit  dem  i6.  Jahrh.  häufig,  entweder  durch  Ver- 
wechselung in  Folge  jenes  lautlichen  Vorganges  oder  durch  Verwandlung  von 
por  in  per  wie  fermoso  aus  formosus.     Castil.  por  íur  per  ñndet  sich  in  den 
ältesten  Texten,    ])er   aufser  im   Alexandre   besonders   in   mehreren  Hss.  des 
F.  J.     Aus   allen   diesen  Thatsachen   geht   hervor,   dafs  nicht   per  durch  pro 
ersetzt  wurde,  sondern  (durch  Einwirkung  des  p,  bezw.  des  r  auf  den  Vokal) 


>  Hieraus  vielleicht  zarria  E.  \V.  II  i\  cfr.  jedoch  auch  cazcarria  und 
zarrio  =:  charro.  Wie  cencerrion  =--  cerrión  zu  erklären  sei,  durch  ein  ur- 
spriin>i;liclies  rcduplikatives  oder  ein  sekundäres  cccerrion,  muís  eine  nähere 
Untersuchung   des   baskischen  Wortes   lehren.     Griech.  aia&^iov  sei  nur  der 

Vollständigkeit  halber  erwähnt. 


ROMANIA  XI.  635 

lautliche  Verwechselung  eintrat.  In  pero  allein  blieb  per  infolge  der  Accent- 
verschiebung.  Para  ist  nicht  pro  ad,  sondern  per  ad.  Per  für  per  und  pro 
im  Catal.  und  Provenz.  ist  ebenfalls  phonetisch;  wie  im  Italienischen  bleibt 
dahingestellt.  —  Wären  die  Schlüsse,  welche  Cornu  aus  seiner  wertvollen 
Zusammenstellung  zieht,  in  der  That  unwidersprechtich ,  so  läge  der  Wider- 
spruch vor,  dafs  im  Castilianischen ,  wo  sich  höchstens  zweifelhafte  Spuren 
der  Beeinflussung  eines  tonlosen  vokalischen  Lautes  durch  vorausgehende  oder 
folgende  Labiale  finden,  das  einzige  per  zu  por  wurde,  während  im  Port.,  wo  jene 
Erscheinungen  häunge  und  alte  sind,  per  neben  por  bis  ziemlich  spät  bestand. 
Wenn  wir  von  lat.  per  nichts  wüfsten,  würden  wir  die  gesamte  Verwendung 
des  span,  por  ohne  Anstand  aus  lat.  pro  entwickeln;  umgekehrt  ebenso  bei 
ilal.  und  prov.  per.  Es  hat,  so  scheint  mir,  schon  vulgärlat.  ein  teil  weises 
Übergreifen  der  einen  Partikel  in  das  der  anderen  in  der  Schriftsprache  zu- 
kommende Gebiet  stattgefunden*;  die  teilweise  Ersetzbarkeit  aber  der  einen 
durch  die  andere  konnte  leicht  die  vollständige  nach  sich  ziehen.  Die  Öko- 
nomie der  Sprache  mufste  bei  vollständiger  Vertauschbarkeit  zu  Eliminierung 
der  einen  um  so  mehr  führen,  als  die  beiden  tonlosen  Wörtchen  sich  lautlich 
nur  wenig  unterschieden.  Es  mag  also  die  lautliche  Ähnlichkeit  die  Ver- 
tauschung befördert  haben  (RG.  II  429;  Gaston  Paris,  Rom.  X  45),  aber  nicht 
sie  ist  der  eigentliche  Grund  derselben;  hätte  per  und  und  por  von  bedeutet, 
so  wären  sie  ebenso  geschieden  geblieben  wie  portero  von  partero,  cordero 
von  carderò  etc.  Dafs  hier  per,  dort  por  überwog,  anderwärts  beide  in  nur 
teilweise  vermischtem  Gebrauch  erhalten  bleiben,  ist  genau  der  entwickelte 
Vorgang.  So  erklärt  sich  ungezwungen  die  abweichende  Haltung  des  Span, 
und  Port,  und  zeigt  sich,  warum  span,  für  tonloses  per  in  fester  Zusammen- 
setzung und  wurzelhaft  nicht  por  eintritt,  während  bei  Annahme  eines  laut- 
lichen Vorganges  doch  auch  pordiz  und  pordigon  für  perdiz  und  perdigón  etc. 
zu  erwarten  stünde,  das  Verhalten  des  Span,  sowohl  als  des  Ital.  unbegreif- 
lich bliebe.  Kurzum,  Diez  hat  vollständig  Recht.  Dafs  im  heutigen  Port, 
pello  pella  steht,  auch  wo  nach  altport.  Gebrauch  polho  zu  erwarten  wäre, 
dürfte  allerdings  mit  fermoso  (redondo,  arrebol,  reloj,  seror  Alex.,  Berceo, 
redor,  redoma,  cfr.  remor,  retular,  veluntad)  insofern  zu  vergleichen  sein,  als 
bei  vollständiger  Verwechselung  und  im  Übrigen  Ersatz  des  per  durch  por, 
hier  durch  Dissimilation  per  vorgezogen  und  wegen  pello  auch  pella  gesagt 
wurde;  da  es  sich  um  die  Auswahl  zwischen  zwei  vorhandenen  Formen, 
nicht  um  die  Erzeugung  einer  neuen  handelte,  konnte  jene  Neigung  or  vor 
bot.  o  in  er  zu  wandeln  um  so  eher  zu  Einflufs  kommen.  Differenzierung 
gegen  puUus  hat  sich  kaum  geltend  gemacht.  Bei  heutigem  para  für  altspan. 
altport.  pora  und  pera  scheint  Assimilation  und  die  Verwandtschaft  des  r  mit 
a  zusammengewirkt  zu  haben:  vgl.  da  qua  für  de  qua  bei  Ewald-Löwe  X,  XI 
und  die  zahlreichen  vardasca,  maravedí  etc.  Por  ad  neben  per  ad,  por  hoc 
neben  per  hoc  gehen  vielleicht  bis  ins  Vul  gärlateinisch  e  zurück.  Schwieriger 
dürfte  es  sein,  altport.  auch  altspan.^  par  im  Schwur  zu  erklären.     Dafs  man 


*  Man  vergleiche  das  gegenseitige  Verhalten  ihrer  deutschen  Verwandten 
vor  und  für.     Auch  in  der  lat.  Schriftsprache  ist  perinde  =  proinde. 

^  Ich  streiche  eine  Bemerkung  über  das  Spanische,  weil  das  an  sich 
schwankende  Verhalten  verdunkelt  wird  I.  durch  die  Unverlässigkeit  der 
Drucke,  die  die  Sigel  willkürlich  und  oft  falsch  auflösen,  wie  z.  B.  der  Alex.- 


636       RIÌCKNSIONEN  UND  ANZEIGEN.     GROFIER,    STENGEL,   MEYER, 

j)cr  für  die  Bctcucrunj;  beibehalten  hätte,  während  por  zur  Bitte  dienle,  wäre 
selir  bcííreiílich,  unverständlich  aber  ist,  warum  hier,  und  nur  hier,  par  dafür 
eintrat.  Die  Emphase  lie^t  doch  nur  auf  dem  Hauptwort;  ein  hinlänglich 
passendes  Beispiel  bietet  deutsch  der  Teufel  !  den  Teufel  !  :  man  hört  hier  wie 
in  j^ebundener  Rede  in  der  Rejjel  nur  ein  vokalischcs  r  und  n  für  den  Artikel. 
Für  Diez*  Ansicht,  dafs  par  höfisch-französisch  sei,  spricht  noch  der  Umstand, 
dafs  der  Fall,  in  welchem  es  volksüblicli  blieb,  ein  entschieden  altfranz.  ist: 
pardiez*.  Auch  über  beteuernd  para'^  ist  vorläufig  keine  Entscheidung  mög- 
lich; nur  dürfte  diese  schwerlich  der  von  Cornu  bevorzugten  Auffassung  ent- 
sprechen. Ich  betrachte,  wie  dargelegt,  mehrere  der  von  Comu  behandelten 
Fragen  anders  als  er;  auf  jeden  Fall  sind  dieselben,  auch  da,  wo  er  nicht 
Recht  behalten  sollte,  in  diesen  Studien  formell  und  materiell  aufs  wesent- 
lichste gefördert.  —  Rí¿''onha  in  der  Regra  de  S.  Bento  iracundia.  —  Sarar 
von  sanare,  indem  an  sar  aus  saar  die  Infmitivcndung  nochmals  angesetzt 
ward,  nicht  mit  von  Die/  und  Coelho  angenommener  (ganz  unzulässiger)  Ver- 
wandlung des  n  in  r.  —  Vielleicht  ähnlich  span,  enaguarchar.       G.  Baist. 

G.  Paris,  V^crsions  incdites  de  la  chanson  de  Jean  Renaud,  15  unge- 
druckte französische  Varianten  des  ergreifenden  Volksliedes  z.  T.  aus  einer 
handschriftliclicn  Sammlung  der  Pariser  Nat.-Bibl.  G.  P.  kündigt  eine  ein- 
gehende Arbeit  über  den  Gegenstand  an. 

J.  Cornu,  kacheveì,  chachevel  ^=  caccabeU%is\  sichere  Hcrleitung  des 
Q.  L.  d.  R.  vorkommenden  Wortes.  Godefroy  weist  es  noch  an  einer  anderen 
Stelle  nach. 

Ders.,  urc  ^r=  utrum,  das  Primitiv  des  altfrz.  amb-urc,  das  schon  Diez 
auf  ''^ambutrum  zurückführte,  eine  Florleitung,  die  er  später  mit  einer  un- 
wahrscheinlichen vertauschte.  G. 

(Ì.  Paris,  Un  manuscrit  inconnu  de  la  Chronique  de  Weihenstephan. 
G.  Paris  beschreibt  hier  ein  neues  Ms.  der  sogenannten  Weihenstephaner 
Chronik,  welches  vor  kurzem  unter  den  IIss.  des  Pariser  Institut  von  Laianne 
vorgefunden  ist.  Doch  ist  ihm  die  lehrreiche  Anmerkung,  welche  Dönges  in 
seiner  Marburger  Dissertation  (Heilbronn  1880)  S.  24  ff.  über  diese  Chronik 
geliefert  liat,  entgangen,  wie  umgekehrt  D.  die  von  Paris  angezogene  Stelle 
der  Geschichte  der  altdeutschen  Dichtkunst  in  Bayern  von  Holland,  Kegcns- 
burg  1802  p.  17  unbekannt  geblieben  war.  Dönges  spricht  aufser  von  der 
eigentlichen  Weihenstephaner  Chronik  (Hs.  1839  der  Münchener  Bibliothek, 
18.  Jahrh.)  von  zwei  Hss.  315  und  259  der  Münchener  Bibl.,  von  denen  in- 
dessen keine  Arelins  Vorlage  lür  seine  ,, Älteste  Sage  über  die  Geburt  and 
Jugenil  Karls  des  Grofsen.  München  1803**  gewesen  sein  könne.  Interessant 
ist  nun,    dafs  die  neue  Pariser  Hs.  zwar  auch  nicht  als  diese  Vorlage  gelten 

viel  häufiger  per  und  pera  hat  als  bei  Sanchez- Janer;  2.  dadurch  dafs  das 
tUirchslrichene  p  ebensowohl  für  i)ar  als  per  gebraucht  ist.  Ausgeschrieben 
hat  die  ll>.  <ies  P.  C.  pera  V.  3440,  sonst  nur  ¡)ora;  die  Hs.  Ac.  hist,  der 
Vida  do  So.  Domingo  bietet  104  fehlerhaft  ausgeschrieben  peia,  sonst  durch- 
weg j)a.  Wir  dürfen  eine  weitere  Verbreitung  annehmen,  als  sie  uns  das 
14.  Jahrh.  sehen  läf>t. 

^  W;ire  diez  hier  eine  der  häufigen  verdunkelnden  Schwurvarianten  = 
de/em.  so  ulüf^te  docli  auch  jior  diez  vorkommen. 

-  So  vielleicht  Alex.  2  202  par[a]  las  barvas  mias.  Im  D.  Quixote  noch 
eine  Stelle  ^^ara  mi  santiguada)  H  33. 


ROMANIA  XI.  637 

kann,  aber  doch  näher  zu  Aretin  stimmt  als  die  beiden  Münchener  Hss.  Auch 
über  das  Verhältnis  der  Chronik  zum  Stricker  hat  sich  D.  verbreitet  und 
zahlreiche  Abweichungen  von  letzterem  nachgewiesen,  darunter  auch  einige, 
worin  die  Chronik  mit  Konrads  Rolandredaktion  übereinstimmt.  Die  jetzige 
Ansicht  von  G.  Paris,  wonach  die  ('hronik  aufser  Stricker  für  Karls  Jugend 
keine  andere  schriftliche  Vorlage  benutzt  habe,  scheint  mir  durch  die  Dönges- 
schen  Auseinandersetzungen  vollkommen  ausgeschlossen.  Strn<jf.l. 

A.  Morel -Fat io,  Al  buen  callar  llaman  Sancho.  Die  ingeniöse  Er- 
klärung, die  M. -F.  hier  von  dem  vlelgedeulcten  Sprichwort  im  Don  Quich. 
II  43  giebt,  beruht  auf  der  Annahme,  dafs  sancho  eine  alte,  von  santo  später 
verdrängte  Form  für  sanctus  gewesen  sei,  die  als  Figenname  fortlebte,  und 
die  weitere  Bedeutung  von  „weise,  klug"  gehabt  habe,  sodafs  das  Sprichwort 
ursprünglich  lautete:  al  buen  callar  llaman  sancho. 

J.  Cornu,  Coco,  fruit  du  cocotier.  Die  scheinbar  abgeleitete  Bedeutung 
des  Wortes  „Kindskopf,  Bobanz'*  erscheint  nach  einer  Angabe  des  Joam  de 
Barros  (z.  T.  bei  Conslancio  gedruckt)  die  ursprüngliche  und  der  Name  aul 
die  Cocosfrucht  übertragen  zu  sein  wegen  ihrer,  einem  fratzenhaften  Gesicht 
ähnlichen  Aufsenseite. 

E.  Rolland,  I^s  trois  saints  de  Palestine;  Conte, 
A.  Grain,  Le  grand  loup  du  bois;  ronde  bretonne, 
A.  Morel-Fatio,  Corrections  aux  textes  publiés  du  m  s.  de  Carpentras 
No.  377  :  zu  den  von  Mussafìa  herausgegebenen  catalanischen  Sieben  weisen 
Meistern,  zu  dem  Dispute  entre  En  Buch  et  son  cheval  (Ztschr.  I  78  íT.),  beide 
von  W.  Foerster  kopiert,  und  zu  dem  von  Mariano  Agnolo  veröffentlichten 
Libre  dels  mariners.  G. 

Nachtrag  zu  Romania  X  346  ff.  Lambrior,  Essai  de  phonétique  rou- 
maine. Voyelles  toniques  a.  Der  Verfasser  fährt  fort,  die  Fälle  zu  betrachten, 
wo  lat.  a  im  Rum.  nicht  bleibt  (vgl.  Rom.  IX  366  ff.).  Inzwischen  hat  Miklo- 
sich  Bcitr.  z.  Lautlehre  d.  rum.  dial.  Vokalismus  I  15  ff.  die  gleiche  Frage  be- 
sprochen, ohne  zu  einem  Resultate  zu  kommen.  Er  vermutet  den  Grund  in 
der  Kürze  (?)  des  a.  Unter  III  bespricht  L.  die  3.  sg.  perf.  iz  =  avit,  nach 
deren  Vorbild  im  heutigen,  nicht  im  alten  Rum.  und  im  Wal.,  die  I.  2. 
äi  a.f/  statt  ai  asi  gebildet  sind,  ä  soll  aus  avt  au(t)  o  entstanden  sein;  aus- 
lautendes ó  werde  zu  a.  Der  letzte  Satz  ist  falsch.  Zum  Beweise  werden 
angeführt  vii  vos,  nä  nos,  la  illos,  ca  quod;  dies  sind  aber  ursprünglich  nur 
tonlose  Formen;  wenn  sie  heute  im  Verse  den  Ton  tragen  können,  beweist 
das  nichts  dagegen;  nä  :  noi  =dupä  :  poi.  tau  siiti  PI.  tHi  siii  aus  tuus  suus, 
loos  soos,  tos  sos;  ganz  anders  erklärt  Miklosich  1.  c.  II  38;  mit  Rücksicht 
auf  das  ilal.  dial.  t(r7>os  (Arch.  IV  408)  ist  auch  eine  andere  Auffassung  mög- 
lich. Jc<icnfalls  kiinnen  diese  vieldeutigen  Formen  nicht  ein  schwaches  Gesetz 
stützen.  —  Magy.  -ó  erscheint  rum.  als  Hu.  Wie  wird  dieses  o  gesprochen? 
A7  (lavai  lava)  dií  stií  fa  ((ac)  7^7  (vade)  aus  *laut  *lo;  dieses  von  *lao  *launt 
a»is  gebildet.  Aber,  abgesehen  von  au  =  habet  und  *habunt,  beeinflufst  im 
Ruin,  der  PI.  den  Sg.  nicht  (wie  die  l.  sg.  impf,  zu  fassen  sei,  lehrt  der  Ver- 
gleieh  (le>  ("agi);  wenn  *laut  lii  giebt,  so  kann  man  billigerweise  auch  lii 
-  *lau  und  launt  erwarten,  es  sei  denn  man  nehme  hier  Einwirkung  der 
übrigen  Verba  an.    Viel  einfacher  ist  es  da  aus  da  u.s.  w.  aus  deni  Einflufs  von 


638  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN.     W.  MEYER. 

cìnta  zu  erklären;  da  kein  Fall  fau  ==  *faco  *facunt,  ßi  =  *faut  vorkommt, 
so  ist  dies  die  cin/.ifj  mögliche  Deutung  für  fa  und  va.  —  Mit  den  gegen 
sein  Gesetz  sprechenden  Formen  wird  Lambrior  zu  leicht  fertig.  Wenn  poi 
wegen  des  /  nichts  beweisen  sollte,  so  sind  dagegen  acoló  tncotrô  sicher  nicht 
aus  catrao  ccciUo  entstanden;  ital.  dial,  und  lad.  Formen  lehren,  wo  in  ältester 
Zeit  der  Accent  stand.  Auf  roa  p.  550  verspricht  der  Verfasser  später  zurück- 
zukommen. Ich  bemerke,  dafs  im  Rum.  nicht  von  rore(m)  auszugehen  ist. 
Mehr  anderswo.  —  Die  fragliche  3.  sg.  perf.  fìndet  ihre  Erklärung  bei  Vcr- 
gleichung  der  „unregelmäfMgen"  Perfectformen  der  «-Conj.  in  den  übrigen 
rom.  Sprachen,  und  bei  Berücksichtigung  des  Umstandes,  dafs  im  alten  Rum. 
Perf.  4  =as  Praes.  4  war.  Es  würde  mich  zuweit  führen,  die  Sache  ausein- 
anderzusetzen; die  Andeutungen  mögen  vorläufig  genügen.  —  1*.  347,  2  werden 
einige  Fälle  von  Ditterenzierung  ursprünglich  gleicher  Formen,  die  zu  ver- 
schiedener syntaktischer  Verwendung  gekommen  waren,  aufgeführt,  cintare 
wurde  Subst.;  um  den  Inf.  davon  zu  scheiden,  läfst  man  im  letzteren  Falte 
das  -rc  fallen.  Solche  Erklärungen  durch  Diflerenzicrungstrieb  findet  man 
allerdings  häutig,  sie  sind  aber  weder  psychologisch  noch  sonst  wie  verständ- 
lich und  dienen  meist  nur,  um  schwierige  Formen  wegzuräumen.  In  unserm 
Falle:  tilgten  die  Rumänen  auslautendes  -r,  dann  mufs  es  überall  weg,  oder 
sie  tilgten  es  nicht,  dann  bleibt  es  überall.  Die  Berufung  auf  j/iViar^  suh^ire, 
wo  sekundäres  r  vorliegt,  ist  wenig  glücklich.  Eine  Erklärung  der  Differenz 
zwischen  cinta  und  cintare,  wobei  auch  das  Genus  berücksichtigt  wird,  werde 
ich  demnächst  an  anderm  Orte  geben.  In  are  —  ar,  das  übrigens  sicher 
falsch  erklärt  ist,  beruht  die  Differenz  auf  der  verschiedenen  Stellung  im 
Satze.  —  IV.  behandelt  die  Fälle,  wo  im  Moldauischen  nach  i  und  f  á  zu  ^ 
wird,  sofern  die  folgende  Silbe  einen  palatalen  Vokal  enthält:  muiere,  Part. 
p].  7nuü(r;  durch  Übertragung  mute,  mutet \  von  der  2.  sg.  [und  2.  pi.]  des 
Impf.,  wo  caí  ea(í  zu  ei  e(i  werden,  wird  das  ganze  Tempus  umgestaltet. 
Nach  ^v  wird  heute  ä  gesprochen,  wie  lat.  a  wird  auch  lat.  e  =  mm.  a  {f<i</^) 
behandelt.  Die  Relege  für  diese,  dem  Moldauischen  eigene  und  nur  sporadisch 
ins  Rum.  dringende  Erscheinung  reichen  bis  ins  XVI.  Jahrhundert  zurück.  — 
V.  Eine  Anzahl  Feminina  mit  innerem  a  veru'andelt  dieses  im  PI.  auf  7  in  S. 
Die  relativ  junge  und  keineswegs  durchgreifende  Erscheinung  ist  das  Produkt 
einer  feilschen  Analogie,  deren  Ausgangspunkt  später  gezeigt  werden  soll.  — 
Hoffentlich  läfst  uns  Hr.  T^mbrior  nicht  zu  lange  auf  die  Fortsetzung  warten; 
denn  dafs  er,  wenn  auch  Miklosich  in  2  Heften  ihm  manches  vorweggenommen 
hat,  noch  recht  Interessantes  bringen  kann,  zeigt  namentlich  Abschnitt  IV 
des  vorliegenden  Aufsatzes.  W.  Meybr. 


Berichtigung. 
S.  457  Z.  7  v.  u.  1.:  nicht  nach  statt  nach. 


Sachregister. 


Aberglaube,  port.   105. 

A  i  m  e  ri  e  von  Pegulhan,    Verf.  eines 

Liebesbriefes  1 61. 
Alberico  de  Romano,    it.  Trobador 

233- 
Albert  de  Scstaron,  Schmahlied  auf 

die  Frauen  181. 

Albertet  Cailla  179  ff. 

Alexius,  prov.   159. 

Andra  de,  Francisco  de  501. 

André  de  Contances,  Roman  des 
François,  Hs.  166. 

Anonimo  Fiorentino  66  ff.  Ver- 
gleich, mit  Dino  69  ff.  Der  A.  von 
Dino  unabhängig  76. 

d'Anselmo,  Piero,  Sonett  627. 

Aretino,  Pietro  627. 

Arnaut  Daniel,  Ausg.  s.  Werke 
582  flf.  627.  Bemerk,  u.  Berichtig, 
zum  Texte  der  prov.  Biographie 
582  ff.  Biograph.  Notiz  630.  Ein- 
flufs  Ar.*s  auf  die  prov.  u.  it.  Poesie  ; 
it.  Übers,  s.  Lieder;  Verbesserung, 
zum  Texte  u.  zu  den  Lesarten  der 
verschied.  Hss.  584  ff.  Lancelot 
zugeschrieben  627.  Bearbeitung  des 
L.  durch  U.  v.  Zazichoven  von  Diez 
bestritten  484. 

Arnautz  d'En  tre  venas  487. 

A  üb  er  t,  David,  Chroniques  abrégées, 
Hs.    165. 

Aufzüge  u.  Vorstellungen  aus  der 
heil.  Geschichte  im  Neapolitanischen, 
Beschreibung  der  —   166. 

Aycard,  Tenzone  zwisch.  —  u.  Gi- 
rard  161. 

Raidi,  Epigramme;  Mss.  derselben 
in  der  Nat.-Bibl.  zu  Neapel   170. 

Barbazan,  Biographien  afrz. Dichter, 
Hs.   165. 

Hcichtformcl,  prov.   159. 

Bembo,  Pietro,  Versi  Spagnuoli  166. 

Bene,  (irammatiker  von  Bologna  621. 

Be  mart.  Tenzone  zwisch.  —  u.  Bla- 
caz   163. 

Bertrand  von  Anduze,  Beslätigungs- 
urkunde   183. 


Bibliothek  der  Visconti  u.  Sforza, 
Verzeichnisse  622. 

Blacaz  s.  Bemart. 

Blandino  da  Cornovaglia,  Romanzo 
di  —  619. 

Blandrate,  Graf  von,  it.  Trobador 
232. 

Boccaccio,  Sicil.  u.  Verones.  Wörter 
im  Decam.  170.  Moralisches  darin 
171  ff.  Lia  nicht  Geliebte  B.'s  618. 
Frz.  Hs.  165. 

Bodel,  Jean,  Flexion  des  Vokativs 
in  s.  Chans,  des  Saxons  26. 

Bologna,  Das  geistige  Leben  B.'s 
im  12.  u.  13.  Jahrh.  620  ff.  Gram- 
matiker u.  grammat.  Studien  da- 
selbst 621  ff. 

Boncompagno,  Grammatiker  in  Bo- 
logna, Werke  621. 

Borchard  Lalemant,  Advis  pour 
faire  Ic  saint  voyage,  transi,  p. 
J.  Mielot,  Hs.  165. 

Brief  des  Priesters  Johannes  an  Kaiser 
Friedrich,  prov.   163. 

Brunetto  Latini,  Der  Tesoretto  u. 
Favolello  236  ff.  Hss.  168.  236  ff. 
Drucke  237.  Handschriften  Verhält- 
nis 237  ff.  Sprache  249  ff.  Text 
des  Tes.  u.  Favol.  mit  Varianten 
334  ff.  Verdienst  um  die  Wieder- 
belebung des  klass.  Altertums;  der 
erste  Allcgoriker  Italiens  (?);  Ent- 
stehungszeit des  Tesoro  457. 

Bucciolini  da  Foligno,  Leggenda  di 
S.Feliciano,  in  ottava  rima  169.  624. 

Caix,  Nekrolog  auf  —  620. 

Calvo,  Bonifaci,  it.  Trobador  225  ff. 

Camoens'  sämmtl.  Gedichte  übers,  v. 
Storck,  Bemerkungen  darüber  1 31  ff. 
407  ff.  494  ff.  Inhalt  der  Ausg.  ; 
Anordnung  der  verschied.  Gedicht- 
gruppen 136  ff.  Echtheit  u.  Unecht- 
heit  einzelner  Gedichte  1 37  ff.  407  ff. 
Einrichtung,  Strophenbau  u.  Reim- 
stellung 138  ff.  Bemerkungen  zu 
dem  Kommentar;  histor.  Quellen- 
werke lür  das  Studium  des  C.  1 39  ff. 


640 


W.  LIST, 


Ribliojjr.  Vcr/cichnis  der  in  Deutsch- 
land bis  heute  üb.  C.  geschriebenen 
Werke;  Zerlepunj»  derGedichtf^rup- 
]ìen  in  ihre  Bestandteile  u.  Storcks 
Verhältnis  (was  den  Inhalt,  d.  h.  die 
Summe  der  CTedichle  betrifTi)  zu  den 
JNj^'j;.  Juromenha  u.  Rraj^a  141  ff. 
Inedita  de  CamHes:  2  Sonette  und 
eine  Retl()n<lilha  407  IT.  Abdruck 
<ler  2  Sonette  40«).  (*.  wahrscheinl. 
nicht  der  Verf.  des  Gedichtes  „Ab- 
sa^^ebrief  eines  Verschmähten**  412. 
Disparates  des  f!.  421)  Í1'.  Prosabriefe 
434  IV.  Bemerkunj»en  /u  <len  Ele- 
i^ien  :  Datierung;,  Echtheit  u.  Un- 
cchthcit  einzelner;  Krcirterunj^'en  üb. 
Personen,  an  welche  die  K.  «icrichtet 
sind  4<)4  fl'. 

C  a  n  c  i  o  n  e  i  r  o  d'E  vora,  zum  94  ÍT. 

('anello,  Nekrolog  auf         hzo. 

( .'  a  n  t  a  s  t  o  r  i  e  s.  Märchenerzähler. 

Cartas  de  giròes,  span.  Dicht- 
•:,Mttung  422. 

('asar,  J.,  frz.  Ils.   165. 

(.'  at  al  a  n  i  seh  ;  Ms.  (  .'arjientras  N0.377. 
Textverbesserunj^en  zu  den  „Sie- 
ben weisen  Meistern",  zu  dem  „Dis- 
pute entre  En  Buch  et  son  cheval" 
u.  zu  dem  „Libre  dels  mariners" 
637.  —  Prosthese  von  a  vor  r  und 
t  í.^l. 

('a  vale  a,  Domenico.  Serventesc  629. 

í'avalcanti,  Guido,  litterarischer 
(iej»ner  Dantes  450. 

(lecco  Angiolieri,  lilterarischer 
Gegner  Dantes  459. 

('ecco  d'Ascoli,  3  lat.  Briefe  622. 

('en toes,  sj)an.  Dichtgattung  422. 

('h  art  i  er,  J..  ('hrímif|ue,  Us.   165. 

('ha  s  tel  lain,  (t.,  Le 'l'empie  Boccace, 
lis.    H)^. 

G  h  i  o  gg  i  a ,  Märchenerzähler  daselbst 
6  H). 

('h  res  ti  en  de  Troves,  Ausg.  seines 
Perceval  4X0.  Nominaltlexion  in  s. 
Werken   26. 

('hristine  de  Pizan,  Ejiistre  d'Othca, 

Ils.     If»i). 

('hroniíjues  d<?  St.  Denis,    Ils.   165. 
(id,  (juellen  tier  ("reseli.  <les  Gi<l  175. 

Knm.inzen   vom  41S.  481. 

Gino     ila     Pistoia,     3  Siluette    de> 

I .  Buches  u.  das  ganze  2.  Buch   der 

von  Faustino  Tassi  besorgten  Ausg. 

der   Lieder   G. 's  gefälscht  (>I<). 
Glaros,  Romanze  vom  ("onde  —  41(1. 
Com  e  st  or.  fr/.  II ss.    lOv    '(>(i- 
Courtecuissc.  jehan.   Le   Livre  Sc- 

nècpie,   lis.    K»-^. 
Cupidi   s.  Märchenerzähler. 


Curtius  Ru  fus,  frz.  Hs.  165. 

Dante,  T-«ben  u.  Werke  von  Wcgelc, 
Bemerkungen  darüber  454  ff.  Can- 
zone pietrose  169  ff.  Sonett  an  Lippo 
174.  Son.  an  Betto Brunei leschi  175. 
Purgatorio  168.  D.  versucht  sich 
im  Provenz.  235.  Dantckommen- 
tare  72.  Dantestudien  ôoy  ff.  630. 
Sul  Signitìcatico  Allegorico  della 
Lucia,  T^  Ruina»  Il  Mito  delle 
P^uric,  Ulisse  nella  Div.  C,  La  'l'ri- 
logia  Dantesca  i>o8  ff.  Hs.  der  Vita 
Nuova;  Abfassungszeit  der  V.  N.; 
Widersprüche  zwisch.  der  V.  N.  u. 
dem  Convivio  612  ff.  Abfassungs- 
zeit  des  Gonv.;  De  aqua  et  terra 
615  ff.  Entstehungszcit  des  Ge- 
dichtes „Voi  che  intcn<lendo"  617. 
Über  Scheffer- Boichorsts  Buch  „Aus 
Dantes  Verbannung"  625  ff.  Ab- 
fassungszeit der  Monarchia  626. 
Canzoniere  628.     D.*s  Pia  630. 

Dante  da  Majano  schrieb  2  Sonette 
provenz.  235.  Litterarischcr  Gegner 
Dante  Alighieris  ^$8. 

Deschamps,  E.,  CEuvres  iiiéd.,  Ils. 
I()6. 

Diätetik,  prov.   159. 

Diaz  de  Toledo,  Pedro,  Sprichwort- 
sammlung 105. 

Dichterschule,  Sicilian.  455. 

Diez,  Fr.,  Briefe  von —  an  J.Grimm 
481  (f.  Diezstiflung  480.  Geschichte 
tier  Troubadours  482  ff.  Frz.  Ely- 
mologicon  489.  Romanische  Laut- 
lehre 491. 

Dino  ('ompagni.  Wiederholter  Be- 
weis, dafs  die  Chron.  des  D.  C.  ge- 
fälscht ist  66  ff.  Quelle  Dinos  80  ff. 
Verhältnis  zu  Villani  80  ff.  Wider- 
sprüche der  C^hronik  D.*s  zu  den 
benutzten  Quellen  88  ff. 

Diogo  Bern  ardes,  Stanzen  auf  die 
heil.  Ursula  138.  149.  Elegien  517. 
528. 

Disparate,  portug.  u.  span.  Dicht- 
gattung 420. 

Doria,  Perceval,  it. Trohador  221  ff. 

Doria,  Simon,  it.  Trobador  220  If. 

D  u  p  u  i  s ,  T^udovico  6 1 9. 

E  n  s  a  1  a  f  1  a  s ,   f  K>rl.  Dichtgattung  422. 

Evangelium  Nicodemi,  prov.,  Hss. 
der  poet.  Form  u.  der  Prosaauf- 
lr'>sung;  Bemerkungen  zu  dem  Ge- 
dichte  158. 

F  aba,  Guido,  Grammatiker  von  Bo- 
logna 620. 

Faillit,  (jauselm  s.  Raimbant. 

Falcilo  de  Resende,  Micrcxrosrao- 
giaphia  137.   148. 


SACHREGISTER. 


641 


Ferrari,  B.,  Andromeda,  mit  Musik 
von  Franc.  Mamelli  625. 

Ferrari  de  Ferrara,  it.  Trobador 
231  ff. 

Fulastre,  G.,  Thoy  son  d'or,  1er  livre, 
Us.   165. 

Floire  und  Blanche  flor.  Il  Poema 
Italiano  166.  Inhaltsang.  des  span. 
Rom.  nach  einem  Drucke  des  16. 
Jahrh.  (in  der  Bibl.  von  S.Marco); 
Abweichungen  e.  modern.  Druckes; 
Bezieh,  zu  Boccaccios  Filocolo  618. 
Flexion  im  Reim  des  fri.  Rom.  26. 

Folquet  de  Marseilla  179. 

Foscolo,  Ugo  630.  Entstehungs- 
gesch.  des  Rom.  „Jacopo  Ortis"  175. 

Francesco  da  Barberino,  lat. Rand- 
glossen  i6(). 

Französisch,  Hss.'.  Chronique  de- 
puis Adam  jusqu'à  Jésus -Christ; 
Trésor  des  hystoires;  Mirouer  hys- 
torial,  vol.  II;  Légendes  des  saints; 
La  vie  Notre  Dame;  traité  pour 
cognoistre  qu'est  pechié  mortel  ;  En- 
seignements; La  vie  .St.  Clement; 
Vie  de  Marie  et  de  Jésus;  Le  livre 
du  trésor,  cont.  un  abrégé  de  l'his- 
toire des  Hébreux;  Hyst.  troyennes; 
Lts  histoires  de  Rome;  Hystoires 
romaines  abrégées  ;  I^  fait  des  Ro- 
mains; (chronique  des  comtes  de 
Savoie  ;  Croniques  et  hystoires  de 
France  (bis  1383);  Chroniques  de 
France,  d'Angleterre  et  de  Flandres 
(12(^6 — 1370);  Ancienne  Chronique 
de  Valenciennes  (1290  1345);  His- 
toire des  guerres  de  la  Terre  Sainte  ; 
Konian  de  la  marquise  de  Saluées 
1 65.  Theologica  u.  Moralia  in  Prosa 
u.  Versen;  Jubinals  Kopien  franz., 
span.,  ital.  Dichtungen;  Kopien 
Méons  u.  Trébutiens;  Roman  go- 
thique p.  ex  le  roman  de  la  Rose 
suivi  tlu  Codicille  de  Meung;  Le- 
benden (frz.?);  Psautier  [?];  Traité 
de  div.  temptacions;  Le  jeu  des 
Felices  moralisé  ;  Les  ystoires  a  tous 
les  aages  dou  monde  ;  La  3«  partie 
des  costumes  de  l'ordre  de  ('har- 
irouse  laquelle  appartient  es  frères 
lays;  Legenden  (frz.)  1O6.  Pariser 
Hss.  der  Hihi.  nat.  frani,'.  1745,  1747» 
0 1 1  S  157.  Cheltenhamer  Liederhs. 
157.     Londoner  Harl.  7403    157. 

Texte:  Les  trois  saints  de  Pa- 
lestine, Conte;  Le  grand  loup  du 
bois,  ronde  bretonne  637. 

lAiutUht e',  a  vor  der  Tonsilbe 
/.u  e  183.  Über  lat.  e  vor  e  und  i 
im  Pikard.  103!!.   Auslaut,  ce  (i)  wird 

ZeiUchr.   f.  roin.   l'hll.    VII. 


im  Pik.  durch  s  nie  durch  c  oder 
ch  dargestellt  163.  s  statt  z  164. 
SS  oder  c  wie  stimmloses  s  ausge- 
sprochen 164.  V  vokalisiert  sich 
zu  u  182. 

Deklination  :  Die  Flexion  des  Vo- 
kativs im  Altfrz.  u.  Provenz.  23  ff. 
Entstehung  des  Vok.  24.  Nomina- 
tivform für  Vok.  24  ff.  Nom.  für 
Acc.  '  25  ff.  Bald  Nom.,  bald  Acc. 
für  den  Vok.  25  ff. 

Konjugation  :  Die  analog.  Wirk- 
samkeit in  der  Entwickelung  der 
franz.  Konjug.  45  ff. 

Syntax  :  Ausruf  mit  quel  im  Acc. 
27.  Afrz.  Adverbien  der  Zeit  (Be- 
deutung u.  Gebrauch  derselben)  I  ff. 
Afrz.  mar,  mal  mit  dem  Konjunktiv 
573  ff',  buer,  bona  mit  Konj.  575. 
Bemerkung  zum  Gebrauche  von  très 
579  ff.  Die  Steigerungsadverbia 
beaucoup,  bien,  fort,  trop  580. 

Froissart,  Hs.  165. 

Gaiferosromanze  418. 

Gargantua,  auf  ihn  bezügliche  Sagen 
u.  Überlieferungen  604  ff. 

Gerson,  frz.  Hs.   165. 

Gesta  Florentinorum  84. 

Giacomo  da  Leona,  Kenner  des 
Provenz.  235. 

Gibert  de  Montreuil,  Behandl.  der 
Flexion  in  s.  Veilchenroman  26. 

G  i  ral  don.  Tenzone  zwischen  —  u. 
einem  Grafen   162. 

Girard  s.  Aycard. 

Ciiustiniani ,  L.,  Hss.  u.  Drucke  s. 
Lieder  618. 

Gonzalez,  Fernán,  Romanze  424. 

Graal,  roman  du  St.  —  ,  Hs.   166. 

Grill,  Jacme,  it.  Trobador  220. 

Grimm,  J.  s.  Diez,  Fr. 

Gui  Folqueys,  Die  sieben  Freuden 
Marias  161. 

Guillaume  de  Guilleville,  Le  pèle- 
rinage de  la  vie  humaine,  Hs.   166. 

(iuillaume  le  maréchal,  Histoire 
de       ,  Hs.  u.  Text  631. 

Guillaume  de  Nangis,  Hs.   166. 

(ÌU  il  lau  me  de  Sylvecane,  Beweise 
für  s.  provenz.  Abkunft  185. 

(iuillaume  de  Tyr,  A.,  Hs.   165. 

<  Ì  u  i  1 1  e  m  de  Berguedan  487. 

(iuionet,  Tenzone  zwisch.  —  u.  Po- 
mairol  163. 

Guiraut  von  Bomeil  161. 

Ciuiraut  de  Cabreira  487. 

Handschriften:  Hss.  der  Arsenal- 
bibl.  in  Paris,  in  Avignon,  Bagnères, 
Beauvais,  Bourg,  Chalons-sur-Saone, 
Chalons  -  sur  -  AÎarne ,    Chateauroux, 

41 


1^ 


U  .  U^T, 


Í  hciliourj^,  Í  luiiy,  •  «»iit.iiu t.-.  Dijmi 

(i.ivttjii,  Frcrc,  Li\r'.-  ■n;  hi  lit.ui  -i»- 
Iii^ioire-)   Ao  la  terre  ii'Mrifm,    JI>. 

IIoiic>lc  d«.r  Mcliciicr.  I  uuriiicic 
Ma^keraiit-n ,  Tänzf.  Bc-chrt-ibunu' 
der   —    17Ó. 

Huí» o  von  Bologna,  G rainmaii(çcr  '»22, 

Jacobus  de  Voraj^ini.-,    frz.  H^.    lOv 

Jacopo  da  Montepulciano.  Fimerodia 
170.   173.     5  Sonette  630. 

Jehan,  Lettre  du  prêtre  — .  Hs.  i6v 

Jehan  de  Courcy.  Us.   165. 

Joseph  us,  Hs.   165. 

Italienisch,  I/ss.:  Xo.  5  «ler  Arse- 
nalh^s.  in  Paris:  Laudi  di  íie-^u- 
í.'risto,  di  María  vergine  et  di  alcuni 
santi,  XIII— XIV  S.  165.  Vat.-Hs. 
174.  Hs.  von  S.  Marco  h22.  Hss. 
der  Xat.-Bibl.  zu  Xcai»el  170.  M^. 
der  Corsiniana  619.  Hs.  der  kgl. 
Prívatbibl.  zu  Turin  62O.  Hand- 
schriftenkatalog  der  Bibl.  Pubi.  P^vo- 
rense  408. 

Texte'.  Gcílichte  des  13.  und 
14.  Jahrh.   174. 

Lautlehre-.  Ltl.  des  Tcsorctto 
und  Favolello  B.  Latinis  252  ff. 

Deklination  :  Acccntverschiebuni; 
beim  nomen  proprium  325.  l'bcr- 
gang  aus  einer  Deklination  in  die 
andere  327. 

Kunjuj^ation  :  Flexionsverhält- 
nisse im  Tcsorctto  und  Favolello 
Br.  Latinis  328  fi. 

Syntax:  Übertragungen  der  Mo- 
dusverba  potere,  <lovcre,  volere 
(A.  Das  Hilfsverb  des  „regierten" 
Zeitworts  überträgt  .«»ich  auf  das 
Modusverb.  B.  Das  Passiv  der 
Verba  potere,  dovere,  volere)  576  fV. 
quel  mit  dem  Vokativ  27. 

J/etriÂ':  Strophen  zu  achtsilbigcn 
Zeilen  588.  Ottava  rima  169.  Ter- 
zinen  171. 

Kalender,  prov.   159. 

Keltisch:  Die  onomatopöische  Wur- 
zel ,.gar'*  in  allen  kelt.  Dialekten  605. 

Kinderlieder  und  Kinderspiele  in 
Frankreich  606  flf. 

Kin  der  reim,  ein  frz.         des  XI. 
XII.  Jahrh.  94. 

Kreuzlegende,  ])rov.   159.   168. 

L  a  d  i  n  i  s  c  h  ,  7  exte  :  R  ü  gel  i  eil  99  ñ. 
Romanische  Schultibel;  Übersetz, 
des  kanisisch.  Katechismus;  t'ber- 
setz.  der  alten  Statuten  des  Hoch- 
gerichtes Münster;  münsterisches 
(lebetÑ-    und    l'nterrichtsbuch  531. 


Vtilk^-î.igcii  :în  i  Lit  it-r  :  !i.  "..  Ri*.:- 
ehioniken  ^32.  Pt-»:  in  Mûr.-:-.: 
;  32  rt".  I )a»  Blutw  iiu¿¿z  z  ;-  ñ.  Eir.-.- 
rälische  Ritler>.i;;c  54 i  fr.  V  n  .irr 
unglücklichen  Ehe  544  n.  Dial:.: 
zwi>chen  Mutter  uni  Tochtrr  »^  j  tt. 
Spinnlieder  352  flf. 

Sprache:    Au^bilduni:    -ie«!    Díj- 
lektes  des  Münsterthaies  531. 

Lain.  D..  s.  Elisa  die  I.  kùnî.  «'per. 
die  in  Venedig  aufgefìihrt  v  urde  : 
biograph.  Nachrichten  und  »eine 
Werke  ^?^. 

Lan  franc  Cigala,  it.  Trubador  2ióri. 

Lanfranc,    Paul  de  Pi-ioja.    i:. 

Trobador  229  fl". 

Lanza  marques,  it.  Trobador  1S7  tT. 
=3  Manfred  IL  Lancia  1S7. 

Lateinisch:  Vokativ  im  Lat.  24. 
Unterschied  des  Vok.  vom  Nox. 
u.  Acc.  24.  —  Participial pr¿ep><- 
sitionen  125  fi. 

Laudes  Jacoponi  Layci  f>2g. 

Le  fé  vre,  Raoul,  Hs.  165. 

Leonard  de  A.,  Li\Te  de  la  I*  guerre 
punique  von  — ,  übers,  von  J  eh.  Le 
Bègue,  Hs.   105. 

Liebesbrief,  prov.,  Verf.  desselben 
161. 

Liederhandschriften:  Nieder- 
schriften von  I jedem  zum  Teil 
nach  dem  Diktat  des  vortragenden 
Sängers  gemacht  582. 

Livius,  frz.  Hs.  165. 

Loherains,  Chans,  de  j;.  des  —, 
Hs.  166. 

Luca  Grimaldi,  it.  Trobador  219  fr. 

Lu  q  uc  t  Gattilusi,  it.  Trobador  223  fl'. 

Luxembourg,  P.  de,  Epistre«.  H«. 
165. 

M  a  c  h  i  a  v  e  11  i ,  s.  Leben  a.  s.  Schriften 
630.  Abfassungszelt  der  Mandra- 
gola 626  ñ, 

Magalotti,  Conte  L.,  171. 

Malaspina,  Albert,  it.  Trobador: 
Biographic  188  ff.  Wilhelm  and 
Conrad,  s.  Neffen  189  ff.  Tenzone 
mit  Rambaut  von  Vaqueiras  iqi. 
Datierung  der  Tenzone  192. 

Malaspini,  Chronik,  Hs.  624. 

M  a  n  de  V  i  11  e ,  Jehan  de  — ,  IIsïi.  1 65. 
166. 

Mar,  genuesischer  Familienname  1 93. 

Märchenerzähler,  it.  619. 

Matfre  Ermengaus  Sprachfonnen 
390  ff.  Breviari  d'amor  390.  Ent- 
stchungszeit  des  Gedichtes;  Heimat 
des  Dichters;  Hss.  des  Breviari  390. 
Ein  in  Reimen  ver&sster  Brief  des 
M.  E.  392. 


5iACHREGL<>TER. 


643 


Maurin  und  Alfonso  Ramos,  Ro- 
manze von  der  schönen    —    4i*i. 

Melibeo.  Rom.  de   — .  Hs.    ihh. 

Meneses,   D.    Henricjue  de   S^f)  íí*. 

Menc/es.   D.   Mij^uel   de   ^03  fT. 

.Mij^jlii^ri  dejLjli  Aliali.  Kenner  des 
Proven/.  235. 

Nfofin.i  Menden  133.  Sprithwoit 
über         434. 

Molière,  Tarlufìe,  Oueile  623. 

Mon  s  irei  el.  Eng.  de.   lis.   165. 

Montcniayor  415.  426. 

Monti ,  v..  Brief  623. 

!Mou^kci.  Phil.,  in  s.  Keinichronik 
nur  9  gesicherte  Vokative   26. 

Neapel,  kom.  Oper  daselbst  625. 

Ni  cole  t  de  Turin,  it.  Trobador  214  ff. 

Ni  col  et  ti,  M.  A.,  Vite  d'uomini  il- 
lustri volgari,  Ms.  630. 

Noronha,  Antonio  de,  2  port.  Edel- 
leute,  Biographisches  494  ff.   514  ff. 

Obs  de  Biguli,  it.  Trobador,  233. 

Ol  i  vero  s  und  Montesinos,  Romanze 
von  —  418. 

Ordinamenta  82. 

Oro  si  US,  frz.  Hs.   165. 

Palais,  cobla  194  ff. 

Paolo  da  Foligno  620. 

Paris,  Paulin,  litterarische  u.  Lehr- 
thätigkeit  desselben  631. 

Paves,  Li,  it.  Trobador  214. 

Pecorone,  Novelle   1 70. 

Pei  re  de  Bussignac  487. 

Peire  Cardinal  487. 

Peire  de  la  Cavarana,  ein  Proven- 
zale 182  ff.    Datierung  seines  Liedes 

183. 
Peire  Guillem  de  Luserna  205. 
Peire  de  la  Mula,  it.  Trobador   194  ff. 
Peyre  de  Ruer,  ein  Provenzale  oder 

Italiener.-   185  ff. 
Peire  Vidal   184. 

Petrarca  171.    Hs.  165.   Trionfi  138. 
Pi  Is  eh,    P'iorian,    ein   münsterischer 

Dichter,    s.    Biographie,    s.  Werke 

531  ff. 
Poitou,  Bibliographie  des  traditions 
et  de  la  littérature  populaire  du 

554  ff. 
Polo,  Marco,  JIs.   165. 

Po  m  ai  rol  s.  Guionet. 

Portugiesisch:   Elision  des  tonlos. 

Vokals  und  Erweichung  der  Tenuis 

k    zur    Media    105.     Prosthese    von 

a  vor  r  und  t  631. 
Provenzali  seh,  //s.:  Fragment  d'un 

poëme    prov.    sur    la    prise    de   Da- 

miette   165. 

/V.v/:  Bruchstück  eines  Romans 

161. 


Laiitléltrt'\  bei  Matfre  Ermengau 
392  ff.  1  zu  \  197.  Vertauschung 
von  s  und  l  592. 

Delilinatioii  :  bei  Matfre  Ermen- 
gau 400  ff.  Die  Flexion  des  Voka- 
tivs im  l'rov.  39  ff. 

írorthí¿i/uit¿r:  Bildung  «ler  Orts- 
namen auf  ..ana"   183. 

Kon/u j^iitìon  :  bei  Matfre  Ermen- 
gau 403  ff. 

Aìftrìk  :  Paarweise  gereimte 
Achtsilber;  Assonanz:  Accent  auf 
der  unbel.  Endsilbe;  Weibliche 
Reime;  leonynische  Reime  bei 
inännl.  Versausgang;  Dreireime  391. 
Zehnsilb.,  paarweise  gereimte  Verse 
392.  Binnenreime  595.  „ist"  bald 
ein-,  bald  zweisilbig  396.  Casur 
beim  sieben-  oder  achtsilb.  Vers 
meist  nach  der  3.  od.  4.  Silbe  591. 

Pucci,  Antonio  626. 

Raimbaut,  Tenzone  zwisch.  —  und 
Gauselm  Faidit  162. 

R  aim  on  de  Castelnou,  Doctrinal, 
Textberichtignngen   160. 

Rambertin  de  Buvalel,  it.  Trobador 
197  ff.   621. 

Renard,  Roman  du  —  484. 

Renaud,    Chanson   de  Jean  —  636. 

Ricaut  de  Tarascón  487. 

Richart  de  Berbezieux  487. 

Rime  volgari,  Antiche  —  Vol.  II, 
Emendationen  dazu  623  ff. 

Rolandslied,  frz.  Hss.  166  s.  auch 
Weihenstephaner  Chronik  u.  Sam- 
bo, E. 

Romanische  Sprachen:  Kürzung 
der  Endung  „atc"  zu  „a"  232.  — 
Die  onomatopöische  Wurzel  „gar" 
in  den  roman.  Dialekten  605.  — 
Verschiebung  des  Accents;  üb.  das 
Suffix  „-iolus"  572.  —  Kennzeichen 
der  rom.  starken  Flexion  492.  — 
Artikel  bei  Appellativen  im  Voka- 
tiv 26.  Entstehung  der  rom.  Par- 
ticipialpraepositioncn  125  ff. 

Romanze,  Die  alte  —  in  Portugal 
beliebt  416. 

Romanzen,  altspan.,  übersetzt  von 
F.  Diez  481  ff. 

Rose,  Rom.  de  la,  Bearbeitung  in 
ita!.  Sprache  457. 

Rou,   roman  de,  Vokative  darin  26. 

Rugetto  da  Lucca,  it.  Trobador 
^  Guiraut  de  Luc  234. 

Rumänisch:  Lautlehre:  lat.  a;  3. sg. 
perf.  ä  =  avit,  darnach  heute  die  i .  2. 
iii  S^T  statt  ai  así;  á  aus  aot  au(t) 
o  entstanden;  ausi,  ó  zu  ä  Çr)\ 
Magy.  -Ó  rum.  als  Su;  Aussprache 

41» 


644 


\V.  LIST, 


dieses  o;  la,  da,  stii,  fii,  vìi  aus  laut, 
lo;  dieses  von  lao,  la,  aut,  aus  ge- 
bildet 637.  Im  Moldauischen  nach 
i  u.  Ç  á  zu  c,  sofern  die  folfjendc 
Silbe  einen  palatalen  Vok.  enthält 
638.  nach  Ç  wird  heute  a  gesprochen  ; 
wie  lat.  a  wird  auch  lat.  è  =  rum. 
a  behandelt;  eine  Anzahl  Feminina 
mit  innerem  a  verwandelt  dieses  im 
PI.  auf  Î  in  n  638.  —  Diflferenzie- 
rung  ursprünglich  gleicher  For- 
men 638. 

Deklination',  Das  Wallachischc 
besitzt  noch  heute  eine  bes.  Form 
für  den  Vokativ  44. 

Sagensammlung  604  fl". 

Salerno,  G.  N.,  2  Sonette  170. 

Salimbene,  Chronik,  Verhältnis  der 
einzig.  Vatican.  Tis.  zu  dem  par- 
menser  Drucke  628  ÍT. 

S  ambo,  Ermenegildo,  it.  Märchen- 
erzähler, PIrzählung  von  der  Schlacht 
von  Ronceval  619. 

Schwur,  port.  634  ff. 

Scot,  Li,  it.  Trobador  234. 

Seneca  ins  Span,  übertragen    105. 

Servcri  de  (Hrona,  Lehrgedicht   161. 

Sforza  s.  Bibliothek. 

Silva,  D.  Pedro  da         523  íT. 

Silvestre,  Gregorio  415. 

Sor  del,  it.  Trobador  202  il'. 

Spanisch,  IIss.:  No.  22  der  Arscnal- 

bibl.  in  Paris:  Historia  de  Eutropio; 

No.  23:  ^Martin  iVdono,  (.'roñica  165. 

Fai  ut  lehre:  Prosthese  von  a  vor 

r  u.  t  631. 

Sprichwiirtcr:  S]ìr.  u.  sprichwiirll. 
Redensarten,  altspan.  —  aus  den 
Zeiten  vor  ('ervantes,  ins  Deutsche 
übers,  von  J.  Haller  597  fl'.  Span. 
416.  436.  Span.  u.  j)ort.  Sprich- 
wort Sammlungen  104.  Port.  102. 
412.  415.  425  n;  428.  434.  442.  449. 
Käst.  412.     Neapolit.  603. 

Sünders  Reue,  Des  — ,  prov.   150, 

J'cdaldi  -  Kores,  Carlo,  Due  Lrllere 
^30. 


Tcnnysons  Gedicht  auf  Odysseus 
ins  Ital.  übers.  61 1. 

Thomas  Tl.  von  Savoyen,  it.  Troba- 
dor 233. 

Tommaso  Un  zi  o  s.  Tommasuccio. 

Tommasuccio,  Biographisches  624. 

Trinci,  Kunst  u.  Wissenschaft  am 
Hofe  der  —  624. 

Trobadors,  Ital.,  Lebensverhältnisse 
derselben  1 77  ff.  Provenz.  Trob.  in 
Italien  1 77,  Ital.  Trob.  dichten  in 
der  provenz.  Sprache  177.  lebhafter 
Verkehr  zwisch.  Genua  u.  der  Pro- 
vence 177.  Sind  einzelne  von  den 
bisher  als  Italiener  angesehenen  Tro- 
badors Provenzalen  gewesen  }  1 78  ff. 

Trufaldino  Medice  Volante,  it.  Ko- 
mödie 623. 

liberti,  Fazio  degli — 630.  schreibt 
provenz.  Verse  235. 

Uc  de  Pena,  s.  provenz.  Herkunft 
178. 

Valerius  Max.  p.  Simon  de  If  csdin» 
frz.  Hs.   165. 

Valles,    Pedro,    Libro   de  Refranes 

597- 
Venedig  besafs  zuerst  ein  stehendes 

musikalisches  Theater  625. 

Villani  75  ff. 

Vi  oli  na,  Can/one  della  -,  sîciL 
Version  u.  eine  span.  Romanze  des- 
selben Motivs  619. 

Visconti  s.  Bibliothek. 

Volkslitteratur  604ff.  619.  s.  auch 
Poitou. 

Vu  1  gä r  1  a t ci n :  Vulgärlat. Beton ungs- 
gesetz  572.  Reduplikation  vermie- 
den 4b.  Lat.  Vulgärsprachc  ersetzt 
unbet.  P'lexioncn  durch  betonte  46. 

Wace  s.  Ron. 

Weihenstephan  er  Chronik,  Ms.  in 
Paris  63Í). 

W c  1 1  c  h  r  o  n  i  k ,  Über  die  Quellen  der 
romanischen  -  -   157. 

Zeichen  des  jüngsten  Gerichts,  Die 
fiinf/chn      -,  prov.  159, 

Z orz i,  Bertolomeu,  it. Trobador  226 ff. 


Wortregister. 


Italienisch. 
;icointanrc  2SS. 
Albcnga,  Alberga 

iSo. 
all  ore   255. 
anchore  255,. 
androni-   124. 
bua   116. 
Inibbonc   1  if>. 
cardo  573. 


caiogn.i    iif). 
i  lionlan/a   2SS. 
chonto   288. 
«lovcrr   «i7<). 
rndice   III. 


galoppare   1  \<). 
ga//,a   110. 
leccare   1 1 7. 
I.Ticia,  Bedeutung 
608. 


lìnaro,  verb.  320.  marco   121. 

lino,  praep.   130.  morto  1^73. 

t'oi.i,  tore   275.  orea   124. 

fuor,   fuori    275.  i)rr  255, 

(Tai/  184.  perire  330. 


pietà  572. 
piusor  328. 
plusor  328. 
l>otere  576. 
prasor  328. 
quattro  573. 
sciatto  124. 
tacchetta  116. 
talore  255. 
toccare  492. 


WORTREGISTER. 


645 


tuttore  255. 
verone  124. 
Vidallana  =  lat. 

Vidilianum  214. 
volere  576. 
zolla  116. 

Französisch. 

ades  13. 
adone  20. 
ainçois  21. 
ainques  21. 
ains  I  ff. 
alors  IO.  21. 
anc'ouan  9. 
antan,  anten  io. 
antenois  10. 
après  20.    en,  par, 

a  r  —  21. 
assener  480. 
asteur,  astur  ==  a 

ceste  heure  2. 
atoivre  492. 
aucunesfois,    au- 

cunefois  17. 
l'aiitrier  20. 
avant  1. 
avanthier  20. 
a  wan  9. 
l)eaucoup  580. 
bien  580. 
bobo   1 16. 
l)runela  120. 
car  5. 

cependant   18. 
ehalt  pas  21. 
chatte   125. 
cointe  288. 

covoitise,  convoi- 
tise, convoitise 
288. 

cran    1 16. 

cuivre   Ili). 

delivrement  20, 

demain    15. 

ilenianois  20. 

dementrc,  deinen- 
tres,  dcmentier.v 
18.  que   18. 

en         21. 

ilemettres   18. 

depuis,  <iu  depuis 
12. 

Hepuisque   i  ^, 

de  rechief  itt. 

desja  20. 

désormais  3. 

dcvanthicr  20. 

(i'ist  di  en  avant  3. 


donc  I. 

donques  21. 

d'or  en  avant  = 
dorénavant  3. 

d'ores   a    altres, 
d'ores  en  altre 
=  de   temps  à 
autre  3. 

eclanche  116. 

el  588. 

empres  20. 

encores  21. 

encui  20. 

endemain  16. 

enquenuit  20. 

a  ces  entrefaites 
18. 

entrementres  18. 

entresait  20. 

entretant  18. 

entretemps  18. 

entrues  18. 

cnwan  9. 

erranment   20. 

errant  20. 

a  estros  20. 

et  —  or  4. 

évanouir  492. 

ferir  405. 

liner  329. 

fois   1 7. 

a  la  fois  17. 

fort  580. 

horion   120. 

hors  5. 

houcre   124. 

hourque   124. 

hui  9.     en  -  -  21. 

huimais  20. 

jadis  21. 

idonc   20. 

incontinent  20. 

jocr  9. 

i sn element  20. 

isnele  pas  21. 

kachcvcl,  chache- 
vcl   636. 

lonjjes  20.  a  —  21. 

longtemps  21. 

lonfjuement  2ü. 

lors  20. 

lues  I. 

main   15. 

maintenant  20. 
de  —   21. 

maintcsfois,  mainte- 
fois   17. 

mais  20. 

maishui  20. 

mar,  mal  574. 


matin  16.  par  — 
16. 

mesouan  9. 

n  agüeres  20. 

nichet  m. 

nourrice  581. 

oan  9. 

onques  I. 

or  I  ff. 

orains  3. 

orainz  i. 

orendroit  2. 

ore  que  4. 

ores  21. 

ouan  9. 

ouanmes  9. 

owan  9. 

pareçon,  parchon 
581. 

a  la  parestrousse 
21. 

parmain  16. 

pennon  123. 

picca  20. 

poire  195. 

posa  20. 

premerein,  preme- 
reinement,  pri- 
mereinement  1 1 . 

premier,  promier, 
prumier  10.  pre- 
mièrement, pre- 
mier de  faire, 
pr.  que  faire, 
pr.  qu'il  fasse 
II. 

present  9.  de  — , 
a  —  21. 

présentement  9. 

primereinement 
20. 

jirimes  10.  de  — , 
a  -  10.  de 
prim  saut  21. 

primos  IO. 

puis  1 1.     puis  — 
puis:r=nfrz.  tan- 
tôt—tantôt 12. 

puis  di,  puissedi 
12. 

puisque   13. 

rarement   17. 

semprcs   13. 

sire  491. 

souspeçon  581. 

souvent   1 7. 

sus  5. 

tandis  18.  —  que, 
-    comme    19. 
en  —  19. 


tantost  20. 

tard  15. 

taudir  123. 

tempre  15. 

toise  123. 

tost  5. 

tousdis  14« 

tousjours  14. 

tous  tens,  toutes 
ores  14. 

toute  jor  15. 

très  579. 

trop  580. 

tutes  ures  =  sem- 
per 14. 

ure   =  utrum 
636. 

Provenzalisch. 

ab  486. 
anar  404. 
aver  406. 
carogna  116. 
cazer  405. 
cercimons  487. 
creire  404. 
dar,  donar  404. 
défendre  404. 
deissendre  404. 
dementia  18. 
despendre  404. 
dire  406. 
doil  588. 
emperáire  =  em- 
perador 486. 
esser  406. 
estar  404. 
far  406. 
ferir  405. 
jazer  405. 
Jhesus  401. 
joigner  591. 
issir  405. 
lagot  117. 
legisme   399. 
mas  593. 
meisser  404. 
Mendcs  432. 
motz  486. 
n.iisser  404. 
peire   195. 
plazer  405. 
querré  406, 
re(n)dre  404. 
rescondre  404. 
respandre,  ir  404. 
respondre  404. 
rezemer  404. 
rompre  404. 
saber  233.  405. 


646 


/     \V.  LIST,    WORTREGISTER. 


segre,  seguir  404. 
sónher  486.  492.« 
soar  430. 
sonar  234. 
so vén  486. 
tener  406. 
tolcr  400. 
trácher  =  trachòr 

486. 
vencer  404. 
vestir  405. 
vezer  406. 
viure  404. 

Ca  t  ala  ni  se  h. 

barana  124. 
fai  agar  i  iq. 
farum ,    farumear, 

furmcar  634. 
urea  124. 
veral   124. 
xaLo  124. 
xolla,  xulla   116. 

Spaniseli. 

arapcnde  123. 
arduo  573. 
armuelle   115. 
ate/ar  124. 
atobar  123, 
avedcllo   118, 
1)aranda   124. 
buba   IH>. 
carroñar  116. 
cerrión  634. 
cholla  1 1  (). 
cuerdo   113. 
deus,  nom.  632. 
dintel   124. 
enguera   uj. 
estrado  482. 
fai  agar  117. 
fascás   120. 


ganzúa   no. 
gayo  119. 
halagar  117. 
bascas   i 2ü. 
jilguero  121. 
buho  Ó32. 
lagotear  ir 7. 
Icjo   I  iS. 
le/.da    120. 
lóbrego,    lobrigo 

120. 
loro   120. 
mangia  121. 
marco   121. 
mas  434. 
maslo,  nia/do  1 17. 
mego  113. 
nidal  I  n . 
nieve    121. 
nollo  118. 
papagayo   i 1 9. 
péndola   1 23. 
pintacilgo   121. 
podenco   122. 
prestes,  nom.  (132 . 
sages,  nom.  63 2. 
sancho  O37. 
santiguar   113. 
sesgo  122. 
silguero  121. 
tesar  123. 
tieso  123. 
toba  123. 
tobera  123. 
tobillo   123. 
tralladar   1 17. 
trayo  6ül. 
umbral  124. 
urca   124. 
uzlar^ustulareí  17. 
vereda   124. 
xata,  xato  124. 
/.urdo   125. 


Portugiesisch. 

ainda  <]ue  no. 
anguoira   n7. 
anvídos,nom.632. 
Aram  $0^. 
armuelle  n^. 
aro  BB  agrura  633. 
a/.uutar  428. 
bicha    =     bestia 

033. 
bicho   =  besiius 

^>33- 
bra  dar  633. 
bruxa  114. 
cas  f.33. 

coco,  Bdtg.   í)37. 
coima:-  -calumnia 

com(]uanto   109. 

ere na   l n . 

deus,  nom.  632. 

rilo   I  Ib. 

em  que  :-~  émquc 
IU9  fl". 

enupie    =    ainda 
({ue   1 10. 

éndes ,    cnde¿ 
noff. 

éndice  ni. 

er,  Partikel  d^^, 

ospoens  =::=  prop- 
ter 633. 

estriga  n4. 
faro  034. 
fcros  424. 
lius,  fis.  nom.  632. 
gazua  119. 
Gonial  ves  429. 
index   II  I  ff. 
incjuc  no. 
leira  120. 
lóbrego  1 20. 


louio   120. 
maire  032. 
mais  434. 
mangra   i  2 1 . 
marco  121. 
meestre .      ujc^lre 

032. 
meigo   113  fl. 
meiguices   lij^. 
méndes  =&  nicdi" 

432- 
naja,  neja  108. 

namja.    nan  ja 

1 05  ff. 
nega,  nego  =  ni 

qua  634. 
nemja,  nenja  105. 
ninhu  634. 
t)lhar= adocuUre 

^34- 
ontein  =  ad 

nocttni  634. 

papagayo  il<). 

par  per  por  = 
por  634. 

]ìintasirgo  X2i. 

prestes,  nom.  632. 

(Juarcsma  428. 

rigonha  =  iracun- 
dia 636. 

sages,  nom.  632. 

sarar  636. 

saudades  429. 

sengo  102  ff. 

sesgo  122. 

sesta  122. 

so  ares  431. 

tolda,  toldar  133. 

toldo  123. 

tredro,  tredo  632. 

urca  124. 

varanda  124. 

vereda  124. 


//alU,  Druck  ron  K.  Karra». 


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