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ZEITSCHRIFT
des
Vereins für Volkskunde
Neue Folge der Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft^
begründet von M. Lazarus und H. SteinthaL
Im Auftrage des Vereins
herausgegeben
von
Karl Weinhold.
Zweiter Jahrgang.
1892.
^v
A,
Mit dem Bildnis Eeinhold Köhlers, drei Bildtafeln und
mehreren Abbildungen im Text.
BERLIN.
Verlag von A. Asher & Co.
I
Inhalt.
Abhandlungen. ^ .^^
Fseröische Märchen und Sagen von 0. L. Jmczek 1. 142
Der Matronenkultiis in Germanien von F. Kauffmanu 24
Zu Goethes Parialegende von K. Weinhold 46
Der Gebrauch des Kerbholzes auf dem Thüi-ingerwalde von F. Kunze 50
Das Frauenwettrennen in Padua von E. Lovarini 56
Die "Wünschelrute als Quellen- und Schatzsucher von W. Schwartz 67
Märchen in Saxo Grammaticus von A. Olrik 117. 252. 267
Zur neugriechischen Volkskunde von A. Thumb 123. 285. 393
Zur Giebelentwickelung des sächsischen Bauernhauses von R. Mielke 134
Volkssegen aus dem Böhmerwald. III. von J. Ammann 165
Der Tod im Glauben der Südslaven. II. von Fr. S. Krauss 177
Weiteres über Wind, Wetter imd die Gebirgsnatur von M. Eehsener 189
Volkstümliche Schlaglichter III. von W. Schwartz 245
Aber- und Geisterglauben der Chinesen von C. Ai-eudt 258. 374
Handwerksbrauch in der Iglauer Sprachinsel von Fr. P. Piger 272. 382
Sagengeschichtliche Parallelen von S. Singer 293
Das Schneeschuhlaufen in Norwegen von K. Maurer 301
Zur Volkskunde des Egerlandes von A. John 313
Zwergsagen aus Nordfriesland von Chr. Jensen 407
Reinhold Köhler von Erich Schmidt 418
Sprichwörter und Redensarten aus Ruppin von K. E. Haase 437
Kleine Mitteilungen.
Der Hausgeist in der Neumark, Barnim und Sternberg von H. Prahn 78.
Ochsenhaut als Landmass von J. v. Zingerle 80.
Der Zwieselbaum im Elisenhain von E. Friedel 81.
Pfingstlieder aus Meiderich von C. Dirksen 82. 446.
Kinderlieder aus Ostfriesland von C. Dirksen 83. 324.
Sprichwörter aus Meiderich von C. Dirksen 84.
Gegen Bücherdiebe von W. Schwartz 85.
Zwei Bienensegen von Kr. Nyrop 86.
Sammlungen von Volksüberliefeningen 86.
Nekrologe: H. Frischbier 87. M. v. Lexer 208. J. Zingerle von Sumniersberg 442.
E. L. Rochholz 446 von K. W.
Die gefesselten Götter bei den Indogermanen von W. Schwartz 197.
Zui- S. Kakukabilla-Cutubilla von J. v. Zingerle 199.
Die sieben Grafen (dithmarscher Sage) von H. Carstens 201. Mit Nachtrag von K. Wein-
hold 206.
Erlöschen der Altarkerzen von K. W. 208.
IV Inhalt.
Zahlen und Monatsnamen als Personennamen von M. Hartmann und Mordtmann 320.
Die drei h. Jungfrauen zu Meransen von J. v. Zingcrle 323.
I.ügenreime aus Ostfriesland und Meiderich von C. Dirksen 324.
Mittelalterliche Wunder- und Schatzsagen aus Tirol von S. M. Prcm 326.
Ein paar volkstümliche Miscellen von W. Schwartz 440.
Sagen vom Sinichkopfe bei Meran von J. v. Zingerle 441.
Anmerkiuigen von A. Treichel und Fr. S. Krauss 443.
Aus dem Ötzthal 447.
Aus Oberinnthal 448.
Bücheranzeigen.
Ploss und Bartels, Das Weib in der Natur- und Völkerkunde, angez. von K.Wein-
hold 87.
Glock, Symbolik der Bienen 88.
Meyer, E. H., Germanische Mythologie, angez. von Weinhold 88.
V. Zingerle, J., Sagen aus Tirol. 2. Aufl. angez. von W. Schwartz 89.
Handtmann, E., Was auf märkischer Heide spriesst, von U.Jahn 89.
List, G., Deutsch-mythologische Landschaftsbilder von W. 90.
Höfler, M., Der Isarwinkel, von A. Meitzen 90.
Zivaja Starina, von A.Brückner 91.
Wisla. TomV., von A.Brückner 93.
Celtic Fairy Tales by J. Jacobs, und Beside the fire by D, Hyde, von K. Wein-
hold 95.
V. Wlislocki, Volksglaube und religiöser Brauch der Zigeuner, von K. Pischel 209.
Brenner und Hartmann, Bayerns Mundarten I. 210.
Leeb, Sagen Niederösterreichs 211.
Franziszi, Fr., Kärntner Alpenfahrten 211.
Bulletin de Folklore. L 2., von K.W. 211.
Thuriet, Traditions populaires du Doubs, von Marelle 212.
J. Ammann, Das Passionsspiel des Böhmerwaldes 212.
Kollmann, A., Deutsche Puppenspiele I., von K.W. 213.
V. Amira, K. , Tierstrafen imd Tierprozesse, von M. Pappenheim 213.
Kotelmann, L., Gesundheitspflege im Mittelalter, von K. W. 214.
Stob er, A., Die Sagen des Elsasses, Neue Ausgabe von C. Mündel. I. von K. W. 328.
Meyer, Mart., Schiernsagen und Märchen, von J. Zingerle 328.
Monseur, E., Le Folklore Walion. — The Folklorist Journal of the Chicago folklore
Society. I. 1., von W. 329.
Freund, L., Die Treue im Spiegel der Spruchweisheit. 1. 330.
Treichel, A., Abhandlungen.
Auszüge aus den Sitzungsprotokoll cn von A. Brückner 96. 214. 448.
Litteratur des Jahres 1891, von Max Laue 98. 216. 331. 450.
Fseröisclie Märclien und Sagen.
Aus dem Fasröischeii übersetzt von
Dr. Otto Luitpold Jiriczek.
Die von Hammersliaimb in seiner Faerösk Antologi 8. 326 — 85
mitgeteilten fasröischen Märchen und Sagen bilden einen wahren Schatz
für die Volkskunde und Märchenforschung; dieselben durch eine Über-
setzung aus der wenig bekannten Ursprache leichter zugänglich zu machen,
dürfte daher gerechtfertigt erscheinen. Da die folgende Übersetzung, zu
der Hr. Probst Hammershaimb freundlichst seine Einwilligung erteilt
hat, dem Folksforscher das Original ersetzen will, war grösste Treue und
engster Anschluss an den Text geboten; von diesem Gesichtspunkte aus
wolle man FaBröismen (resp. Islandismen) wie „östlich in Tunga" (austr
i Tüngu) und ähnliches entschuldigen. Die vorliegenden Märchen um-
fassen so ziemlich den ganzen schriftlich fixierten fteröischen Märchen- und
Sagenschatz; nur einige andere, meist rein historische, finden sich noch
in Antiquarisk Tidskrift 1849 — 51 S. 142 ff. (von Schröter mitgeteilt, der
ein höchst unzuverlässiger, willkürlicher Erzähler ist) und S. 322 fT. (von
Hammershaimb). Auf die sonstigen Quellen habe ich in den An-
merkungen (am Schlüsse der Übersetzung) verwiesen.
Herr Cand. mag. Jac. Jacobson, ein geborener Faeringer, liat die
Güte gehabt, mir über zahlreiche zweifelhafte Stellen Auskunft zu geben,
wofür ich ihm auch hier meinen Dank ausspreche.
I. Zwerge.
Die Zwerge sind klein und dick, bartlos, aber doch nicht hässlich
von Aussehen. Sie hausen in grossen Steinen oder in Hügeln unter Blöcken;
solche Zwergensteine findet man weit und breit auf den Inseln. Die
Zwerge sind gutmütig, aber dulden keine Zänkereien in der Nähe ihrer
Wohnungen; da werden sie böse und fahren im Zorne von hinnen;
deshalb steht der grosse Zwergenstein in Sküvoy zerspalten, weil zwei
Burschen, welche einmal dort standen, fluchten und sich rauften; da flohen
die Zwerge und spalteten den Stein. Die Zwerge sind die besten Schmiede;
von ihnen lernten die Menschen zuerst den Stahl im Wasser härten;
Zeitsclirift d. Vereins f. Volkskiindi!. 1892. 1
2 Jiriczek :
früher dehnten sie das Eisen aus und schmiedeten es, indem sie es mit
dem Hammer kalt schlugen. Die Zwergenwerkzeuge schmieden von selbst.
Die Kraft der Zwerge ist im Gürtel, mit dem sie sich um die Mitte gürten;
nimmst du dem Zwerge den Gürtel, so ist es um seine Macht gethan, und
kann man ihn rla zwingen, zu schmieden, was man verlangt, und Kleinodien
dafür zu geben, um den Gürtel zurückzubekommen. Am Fusse der Steine,
wo sie wohnen, kann man oft Asche liegen sehen, welche aus ihrer
Schmiede herausgefegt ist.
Ein Stein steht im Gasadal, wo Zwerge wohnen; dort drinnen hört
man sie bisweilen schmieden. Ein armer Mann war einmal nördlich in
Tun-j-a und stach Torf; er sah den Stein offen und die Zwerge drinnen
schmieden; er ging näher, um sie zu beobachten. Ein Zwerg kam da
heraus in die Thüre und sagte zu ihm: „Naseweis warst du, so arm du
bist; doch sollst du dieses Messer bekommen," und nun warf er ihm ein
Messer heraus, das so scharf war, dass es alles schnitt, was mit seiner
Schneide in Berührung kam, wie hart es auch sein mochte.
IL Huldervolk^).
Sie sind von grossem Wüchse, die Kleider sind ganz grau, das Haar
schwarz; ihre Wohnsitze sind in Hügeln, sie heissen auch Elfen [alvar];
ein „Elfenhügel" ist auf Nordstreymoy, südlich von Yik (Huldorsvik). Sie
leben wie andere Leute, rudern aus, haben Schafe und Rinder, welche
unter den anderen Rindern auf der Weide herumgehen. Die Huldern
können sich selbst und das, was sie besitzen, für Menschen unsichtbar
machen, und deshalb sagt man oft von etwas, das man vermisst, dass die
Hulder es versteckt hat. Sie nehmen gern kleine Kinder, die ungetauft
sind, aus der Wiege und legen dafür die ihrigen in dieselbe, aber diese
werden dann Dummköpfe [Wechselbälge] ^) unter den Menschen. Oft ver-
schwinden kleine Kinder, welche draussen allein gehen, und da ist es das
Huldervolk, das mit ihnen davon gefahren ist; sie werden zuweilen weite
Wegstrecken entfernt von den Wohnsitzen wieder gefunden und haben
dann erzählt, dass ein grosser Mann ihnen Speise gebracht habe, während
sie fort waren. Die Huldermädchen fassen oft Liebe zu Kristenburschen
und versuchen daher sie zu verführen und an sich zu ziehen. Gehen diese
hinaus in die Ö(k' und sind durstig und müde, so öffnet sich der Hügel und
eine Jungfrau konnnt lieraus, um ihnen einen Trunk zu bieten, Bier oder
Milch; blasen sie da nicht den Schaum von oben ab, so trinken sie sich
Vergessenheit, denn in ihm liegt der Zauber, und damit verzaubern sie
sie, bekommen Gewalt über sie und nehmen sie mit sich in den Elfen-
hügel.
1) wörtlich: die Verhülltoii (huldutolk) ; ich habe die bekanntere norwegische Form
(en liulder) gewählt.
2) das färöische bytlingur bedeutet beides.
Fseröische Märclien imd Sagen. 3
in. Die Wichtein und die weise Marjun in Ordavik.
Die Wichteln |v;iettrar] sind klein, luibscli von Ausselien, gute Geister,
welche in den Häusern bei guten Leuten leben und während ihres
Aufenthaltes geuiessen diese Glück und werden von ihnen unterstützt, so
dass alles gut geht in dem Hause, wo Wichteln sind; glücklich ist der
Freund der Wichteln, denn ihm können weder Trolle noch Huldern noch
jemand lebender unter der Erde oder auf der Erde schaden.
Marjun in Ördavik war vom Norden von Kollafjord [Dorf] nach Suduroy
gekommen und soll eines der zaubergewaltigsten Weiber gewesen seiu,
die hier im Gedächtnis behalten worden sind; sie war die klügste und
tüchtigste Frau in jeder Richtung. Sie war überaus reich und besass eine
Menge von Rindern und Schafen und allen Herrlichkeiten ^ — kein Wunder!
— die Wichteln wohnten bei ihr. Sie hatte auf ihrem Hofe einen blöden
Jungen, welchen sie dazu hielt, dass er die Schafe im Sommer aus dem
bebauten Land wegtriebe, wenn sie in die Einhegung hinein kamen;
aber dieser Wechselbalg konnte nichts anderes verrichten, als eben dieses.
In den Lebtagen Marjuns kamen A^kinger aus den Südlanden, Türken,
um die Föroyer zu verheeren. Sie kamen auch nach Suduroy, alles zu
plündern und verwüsten in jenen südlichen Ansiedlungen, wie sie im
Norden gethan hatten. Nun sieht sie Marjun von den Höhen herab süd-
wärts gegen Ördavik kommen. Aber sie fürchtete sich nicht wie jene,
welche vor ihnen in das Gebirge flohen und sich in Höhlen und Löchern
versteckten und schwarzes Tuch vorhängten; — nein, Marjun sandte den
Wechselbalg mit dem Wachthunde ins Feld hinaus und sagte ihm, er solle
diese Männer aus dem Feld vertreiben. Er dachte an keine Gefahr, der
Arme, und ging darum unerschrocken und munter auszuführen, was ihm
die Bäuerin befahl, so wie er gewohnt war. Als er nun gegen die Räuber
mit seinem kleinen Hunde gelaufen kam, als ob das nichts anderes
wäre als einige scheue Schafe, die immer davonliefen, wenn er mit dem
Hunde kam, stand die erfahrene Hausmutter an der Hauswand und winkte
mit der Hand gegen die Türken. Als sie sehen, dass ein Krüppel von
einem Jungen ihnen so kühn mit einem kleinen Hunde entgegen kommt
und ein altes Weib so ruhig an der Hauswand steht, werden sie bestürzt
und denken bei sich, dass diese beiden docli nicht so schwach sein könnten,
als sie gering an Zahl schienen, sondern im Verborgenen das haben
müssten, um sich zu wehren, was ihnen teuer zu stehen kommen könnte.
So wird erzählt, dass sie nicht länger südwärts auf der Insel vorzudringen
wagten, sondern geradenwegs mich Hvalbö umkehrten. Von hier nahmen
sie zwei Mädchen mit sich, welche mit Marjun verwandt waren; und als
sie das hörte, sagte sie, ehe ihr Blut kalt würde (d. i. ehe das siebente
Geschlecht von ihr gestorben wäre) sollte das gerächt werden und dieses
A Jiriczek:
Türkenvolk unter einen König aus einem anderen Reiche zu stehen
kommen.
Marjun in ÖrSavik hatte gutes Glück mit sich in allem, was sie an-
fing, und alles fügte sich ihr wohl; und das kam davon, dass die guten
Wichtein bei ihr im Grossstall wohnten. Aber sie vergass auch nicht
einen Kübel mit Milch für sie hinzustellen, so oft die Kuhmägde die
Kühe o-emolken hatten. Die Wichteln belohnten sie für ihre Wohlthaten:
— nie war Mangel an Milch, wenn die Kühe gemolken wurden, solange
sich die A¥ichteln im Grossstalle aufhielten; keine Krankheit kam über
die Rinder und Schafe, solange sie dort waren. Nicht brauchten die Vieh-
mägde im Stalle nächtelang zu sitzen, wenn eine Kuh kalben sollte; kalbte
sie da in der Nacht, so lag das Kalb am Morgen nicht in der Abzugs-
rinne, obwohl niemand zugegen war, sondern wenn die Kuhmagd kam,
stand das Kalb am Stand mit einem Seidenbande gebunden zwischen den
Vorderbeinen der Kuh, so dass sie es lecken konnte. Die Dirne, welche
in den Stall kam, um die Kühe zu warten, musste da stracks das Kalb
vom Seideubande losen und dieses auf den Querbalken legen, und von
dort nahmen es dann die Wichteln wieder zu sich. Marjun war daher gut
»'•e^'en die Wichteln, welche ihr soviel Nutzen brachten, und sie versicherte
ihrem ältesten Sohne oft und häufig hoch und teuer, dass er das wissen
solle, wenn er den Hof als Bauer nach ihr übernehme, dass es gut sei.
Wichteln zu behausen, und ihnen solle er immer Aufenthalt geben, und
lege er den grossen Kuhstall nieder und breche ihn ab, so werde das ihm
und den andern zum Schaden gereichen. Marjun starb, und der Sohn,
der nun Bauer auf Ördavik wurde, gab nichts darauf, wovor ihn die
Mutter gewarnt hatte, und legte den grossen Kuhstall nieder. Aber dti
flüchteten die Wichteln, wünschten böses über ihn und alle seine Ver-
wandten, welche in Ördavik waren — jähen Todes sollten sie alle sterben,
Am selben Tage, da sich dieses zutrug, kam ein Mann aus Vag nordwärts
über die Insel gegangen; als er zur Mannaskard [Pass] kam, begegnete
er einem winzig kleinen Weib, welches vom Passe lierabkam, zwei winzig
kleine Kinder jedes an einer Hand führend, und das dritte hatte sie am
Rücken; als er bei ihnen vorbeiging, hörte er diese Frau sagen: „Gerächi
soll werden, dass wir tiiehen mussten". Und es wurde gerächt; eine&
Abends, als die drei Brüder ausfuhren, um südlich vom Lande im Fjorde
zu angeln, brach ein AVirbel unterhalb Tjaldarviksholm hervor und stürzte
das Boot um, so dass alle untergingen, die im Boote waren. Marjun hatte
auch drei Töchter, w^elche in Ördavik waren; sie starben kurz danach ar
einer tödlichen Landseuche, welche dort im Platze umging. Alles das
war Rache von den Wichteln, welche aus Ördavik geflohen waren.
Ffieröisflic Märchen und Sas'eii.
IV. Die Mahre.
Die Malire [marra] gleicht der schönsten Dirne, ist aher doch der
ärgste Unhold. Znr Nachtzeit, wenn die Leute liegen und schlafen, kommt
sie herein und legt sich auf sie und drückt so fest auf die Brust, dass sie
nicht den Atem holen, auch nicht ein Glied rühren können. Sie fährt
ihnen mit ihren Fingern in den Mund, um die Zähne zu zählen: wird iln-
Zeit gelassen, sie abzuzählen, so gibt man gleich den Geist auf und wird
leblos. Man muss daher versuchen, die Mahre von sich los zu werden
und sie hinauszutreiben, und ist mau da imstande zu rufen „.lesus", muss
sie fliehen und verschwindet schleunigst. Die Leute glauben oft ganz
wach zu liegen und die Mahre in die Stube zum Bette hereinkommen zu
sehen, und dass sie sicli auf die Bettdecke legt und in den Mund fährt,
nach den Zähnen zu tasten, und sie können doch nichts thun, sich gegen
sie zu wehren. Am Abend kann sie in der Stube sein und doch nicht
gesellen werden; aber du merkst es, wenn du ein Messer nimmst und es
in ein Taschentuch oder ein Strumpfband wickelst, welches nach der
Hälfte doppelt zusammengelegt ist, und das Messer dreimal um dicli aus
einer Hand in die andere gehen lässt. während du hersagst:
Marra, marra, minni,
bist du hier innen?
denkst du nicht an jenen Hchlag
den Sjvirdur Sigmundarson dir gal)
einmal auf das Nasenbein?
Marra, marra, minni,
bist du hier innen,
hinaus sollst du fahren,
tragen beides Erde und Torf
und alles, was hier innen ist!
Liegt nun das Messer im doppelt zusammengelegten Bande in der Buchtung.
wenn dasselbe wiederum aufgewickelt wird, so ist die Mahre in der Stube,
und da muss derselbe Vorgang mit dem Messer und dem IhuKb' gemacht
werden, um zu versuchen, die Mahre herauszuschafFen.
Man sagt auch, um sie daran zu verhindern, in das Bett hinaufzii-
schlüpfen, sei es gut, am Abend, wenn man schlafen geht, die Scdudic
so zu wenden, <lass der Absatz gegen das Bett und «h'r Vorderschuli von
ihm weg über den Fussboden gekehrt ist: dann soll es i\ov Mahr(> scliwei'
fallen, in das Bett hinaufzuschliipfen.
f) Jiriczek :
Y. Der ISTiSagris und der Loddasastein^).
Der Nidagris^) ist klein, dick und rundlich, wie ein kleines Wickel-
kind oder ein grosser Knäuel, von dunkelrotbrauner Farbe. Er soll dort
vorkommen, wo neugeborene uneheliclie Kinder ermordet und begraben
sind, ohne einen Namen bekommen zu haben. Deshalb liegt er und wälzt
sich den Leuten vor die Filsse, um sie im Gange zu stören; kommt er
zwischen die Füsse des Menschen, so überlebt derselbe nicht das Jahr.
In der Mark, bei dem Dorfe „zu Skali" auf Eysturoy steht ein Stein,
welcher Loddasastein genannt wird; hier lag oft ein Nidagris vor den
Füssen der Leute, welche hier in der Dunkelheit gingen; ein Mann, der
einmal hier ging und vom Mdagris belästigt wurde, ward zornig und
sagte da: „So ein Loddasi!" und da grub er sich wieder in die Erde und
wurde nie wieder gesehen, denn da liatte er einen Namen bekommen.
YL Das IjOcIi der Riesin in Sandoy und die Trollweiber am
Fjallavatn in Yägar.
(i) Westlich von Sandsbygd geht ein grosses Loch in die Erde hinab,
welches das Loch der Riesin [Givrinarhol] genannt wird; in demselben
wohnt eine Riesin. So gellt die Erzählung der Leute, dass ein Mann
aus dem Dorfe „heima ä Saudi" auf den Grund des Loches stieg, um
die Riesin aufzusuchen. Die Fahrt ging ihm gut von statten und er
sah dort eine übergrosso Alte stehen und Gold in einer Mühle mahlen;
ein kleines Kind sass drinnen bei ihr und spielte mit einer Gold-
rolle. Die Alte war blind, und deshalb wagte sich der Mann so still vor-
wärts zur Mühle und nahm von dem Golde, das sie mahlte, an sich. Die
Riesin sah und hörte nichts von ihm, aber merkte doch an sich, dass
sich etwas böses zutragen müsse, imd sagte deshalb: „Entweder ist das
die Maus, welche herumläuft, oder der Dieb, der stiehlt — oder geht mir
Alten das Mahlen nicht recht". Der Mann ging nun mit dem Golde weg
von ihr, nahm dem Kinde die Goldrolle und schlug es auf den Kopf; das
begann jämmerlich zu weinen. Als die Riesin dies hörte, ahnte ihr
böses und sie sprang auf die Füsse, tastete nun in der ganzen Höhle nach
ihm, aber fand niemanden, denn der Mann war längst aus der Höhle ent-
kommen, auf das Pferd gestiegen und jagte mit verhängten Zügeln
schleunigst heim mit dem Golde. Die Riesin rief daher so laut als mög-
lich nach ihrer Nachbarin, erzählte ihr von ihrem Unfall und bat sie, ihr
den Dieb fangen zu helfen. Sie war nicht faul zu Fuss, ihm nachzu-
rennen, schritt über den Teich so gewaltig, dass die Fussspuren noch im
1) FA. steht in dor Überscluü't Loddasarsteinur, was mvc ein Drnckfcliler sein kann,
siehe FA 332 Z. 6 und 9.
2) = „Fiusternisschweinchen"; Loddasi ist unerklärt. Zur Sache verweist Hammers-
hai mb, Antikv. Tidsskrift 1849--51 S. 201, auf A. Fayes norske Sagn S. 83.
Faeröisclie Märchen und Sag-on, 7
Felsen gesehen werden, je eine auf jeder Seite des Teielies; sie werden
die Spuren der Riesin genannt. Er war so weit entkommen, dass ein tüchtiges
Stück Wegs zwischen ihnen lag. Als er zum Yolismoor kam. da war die
Riesin ihm so nahe gekommen, dass sie den Schwanz des Pferdes er-
reichen und packen konnte, und sie liess ilm nicht los, sondern hielt das
Ross in der Bewegung auf; der Mann spornte das Ross so liart, dass (>s
einen Sprung vorwärts machte, aber der Schwanz riss ab, weil die Riesin
sich fest auf den Beinen hielt und Kraft hatte, zu widerstehen: das Ross
fiel, und der Mann kopfüber von ihm da sali man die Kirclie. und (h'r
Mann war gerettet, und die Riesin, welche da kein(> Gewalt über ihn
hatte, musste so gethaner Dinge umkehren. Noch hih't man über (h^m
Givrinarhol, wie die alte blinde Riesin in der tiefen Höhle Gold mahlt.
6) Zwei Trollweiber wohnen beim Fjallavatn [See] in Viigar; die eine
bei der Tormansschlucht und die andere jenseits des Sees „am Gebirge"
[a Fjöllura], wie diese Landstrecke heisst. Die eine von ihnen war lalini
und sie hatte ihre rote Jacke auf einen Stein gelegt, um sie zu sonnen,
als ein Mann aus Sandavag hier vorbei geritten kam. Der Mann nimmt
die Jacke und reitet mit verhängten Zügeln weg mit ihr. Nun sieht die
Alte den Mann und die Jacke, die er ihr gestolilen hat, aber lahm wie
sie ist, kann sie nicht selbst ilnn nachrennen, und ruft dcslialb das Troll-
weib jenseit des Wassers an: „Hilf, Schwester! schreite aus, schreite ge-
waltig aus!" Sie schleunigst ihm nach und er auf dem Rücken der Stute
in grossen Sätzen davon. So ging es, bis er zur Vatnsbrekka kam; da be-
gann er wie die Stute müde zu werden; hier am Abliang fliesst ein kleiner
Fluss, hier tranken sie beide, und er sagte da: „Das war mir ein Seelen-
trost (sälarbot)!", und seither heisst der Fluss Sälarböta. Schon rannte
die Alte ihm nach und kam ihm näher und näher; als er über den Ab-
hang gekommen war. da war sie ihm so nahe, dass sie die Jacke zu
fassen bekam und sie ihm entriss, docli so, dass die Jacke zerriss und (h'r
Mann den einen Ärmel behielt; da zeigte sich die Midvägskirche. und das
Trollweib musste so verrichteter Sachen zurückfliehen. Aber der Ärmel
war so gross, dass er zerschnitten zur Altarch'cke in alh-n vier Kirclicn
auf Vagar ausreichte.
VH. Der Neck.
Der Neck [nykur] wohnt in LandseiMi; iim Grinuh' unten in der Tiefe
hat er seinen Aufenthaltsort; aber von (hrrt kommt er oft ans Land, und
es ist nicht gut, ilnn zu begegnen: mitunt(>r ist er einem schönen kloinen
Hengste gleich, der gnt und sanft scheint, und damit h^ckt er die Leute
sich ihm zu nähern, um ihn zu klappen uml ihm ül)er ilen Rücken zu
streichen; aber wenn sie zufällig den Schwanz berühren, werden sie an
ihn «'•efestet, und da lässt er niemanden los, sondern zitdit sie mit sicli
auf den Grund. Oft begegnet er den Leuten in .Menschengestalt als stolzer
8 Jiriczek :
Jüngling', um Mädchen mit sich zu locken und verspricht ihnen Freude
und Genuss in seiner Halle, wenn sie ihm folgen wollen; aber fassen sie
da einen Yerdacht darüber, wer er ist, an den sie sich wegzugeben im
Begriffe sind, so dass sie imstande sind, ihn mit dem rechten Namen:
„Neck" zu nennen, so verliert er die Macht über sie und muss sie los-
lassen und allein in den Teich fahren. Es wird erzählt, dass sich der
Neck ebenso allen vierfüssigen Tieren gleich machen kann, nur die Spitze
vom Hörne des Widders^) soll er sich nicht anschaffen können; aber einem
Pferde ist er gleich, wenn er seine Gestalt nicht verändert hat, und es
ist den Menschen geglückt, Gewalt über ihn dadurch zu bekommen, dass
sie ein Kreuz über seinen Kücken schlugen^), und sie haben ihn dann
dazu gebraucht, mit seinem Schweife grosse Blöcke aus dem Gebirge zu
Feldmauern oder Häusern herabzuziehen, welche noch in Hüsavik auf
Sandoy und zu P]id auf Eysturoy gesehen werd.en, und die grossen Steine,
die hier zusammengekommen sind, geben Zeugnis davon, wie stark er ist.
In den Takmooren auf Sandoy liegt ein grosser Block, den sie ihn nach
Hüsavik ziehen lassen wollten; aber da zerriss der Schwanz, und der Stein
steht noch dort; ein Teil des Neckschwanzes, der am Steine befestigt war,
ist an ihm noch sichtbar.
VHI. Das Meermännlein und der Bauer Anfinn in Elduvik.
Das Meermännlein [Marmennil] gleicht den Menschen, aber ist einen
guten Teil kleiner an Wuchs; es hat lange Finger. Es lebt am Meeres-
grund und schädigt die Fischer, indem es den Köder von den Angeln ab-
beisst und dieselben am Grunde befestigt, so dass sie die Schnur zer-
reissen müssen; wird es von der Spitze gefasst, so ist es so gewandt, dass
es die Angelschnur vom Zugstrick lösen und so dem Los entgehen kann,
wie ein anderer Fisch über Bord gezogen und ins Boot gebracht zu werden.
Einmal als es damit begann, seine Schalkstreiche am Seegrund auszuüben,
ging es ihm schlecht, denn es gedachte das Ende der Schnur des Bauern
Anfinn aus Elduvik zu fassen, um es am Grund zu befestigen, aber gleich-
zeitig zuckte Ansien die Schnur, und die Angel biss das Meermännlein in
eine Hand; mit einer Hand konnte es sich nicht losmachen, und so wurde
es aufgezogen, bekreuzt und heimgebracht. Anfinn verwahrte es bei
sich im Herde und musste jeden Abend daran denken, ein Kreuz über
alle vier Ecken des Herdes, wo es sass, zu schlagen; es wollte nichts
anderes essen als Köder. Wenn ausgefahren wurde, nahmen sie das Meer-
1) Im Original folgt: olla vocturlambs horni, was ich imüLersetzt lassen musste, da
mir (las Wort fehlt, vedmiaml) ist der einjährige Widder: es ist also damit nichts neues
gesagt.
2) rista kross kann ein Kreuz ritzen, wie ein Kreuz schlagen, bedeuten. In letzterer
Bedeutimg wird der Ausdruck heute allgemein gebraucht, wie mir Hr. .1. .Tacobsen mit-
teilt. Ich habe daher überall in der Übersetzung „Kreuz schlagen" gesetzt.
Fseröische Märchen nncl Sagen. 9
männlein mit sich, aber sie durften nicht vergessen, ein Krenz über das-
selbe zu schlagen, wenn es ins Boot gekommen war. Ruderten sie über
einen Zug von Fischen, so begann es im Boote zu lachen und spielen;
warfen sie da aus, so mangelte es nicht an Fischen, besonders wenn es
den Finger in die See tauchte. Anfinn hatte das Meermännlein lange bei
sich; aber eines Tages war eine starke Brandung, als sie das Boot zur
Ausfahrt flott machten, nnd da wurde vergessen, das Kreuz im Boote lilier
das Männlein zu schlagen; als sie vom Lande gekommen waren, glitt es
über Bord, und wie zu erwarten stand, wurde es nicht wieder gesehen.
IX. Der Seedraug.
Der Seedraug [sjödreygur, sjödreygil] wird nach Sonnenuntergang
auf den Aussenscliären stehen gesehen. Wenn Leute ausrudern, ruft
er sie an und bittet sie um Erlaubnis, in das Boot zu kommen; sie
haben ihn bisweilen aufgenommen und auf eine Bank gesetzt, damit er
mit den Männern rudere. Solange es tiefe Nacht ist, rudert er mindesteus
gleich zweien: so stark ist er. Er versteht es gut auf die Fischbank zu
treffen, wenn es [auch] nicht licht [genug] ist, die Marken [am Ufer] zu
erkennen. Aber wenn es gegen den Tag geht, nimmt er ab, und wenn
die Sonne aus dem Meere aufsteigt, schwindet er zu nichts. Sie hab(m
ein Kreuz über ihn geschlagen, aber wie es sicli mehr und mehr im Osten
von der Sonne gerötet hat, hat er immer kläglicher gebeten und die
Männer angefleht, ihn loszulassen. Einmal wollten sie ihn nicht loslassen,
aber als die Sonne aufgegangen war, verschwand er, und da lag ein Kreuz-
bein auf der Bank; denn man sagt, dass sich der Seedraug das Kreuzbein
von den Menschen angeschafft hat, und darum bleibt das Kreuzbein zurück,
wenn der Draug selbst verschwindet. Solche Wechselgestalten hat er:
einmal scheint er einem Manne gleich, einmal einem Hunde; er ist braun
von Farbe; er brüllt und heult, so dass man das weithin hören kann;
er haucht Feuer aus, wenn er auf dem Lande ist; er hat nicht mehr als
einen Fuss (Fischschwanz), aber kann auf ihm weit hüpfen; die Spuren
sind nach ihm im Schnee gesehen worden. Wenn er einem Menschen nuf
dem Lande begegnet, vorsucht er ihn in die See zu stossen.
X. Die Meerfrau.
Die Meerfrau [Haffrii] gleicht oberhalb des Gürtels den Menschen,
liat langes lichtbraunes Haar wie ein Weib, sie lässt das um sich auf dem
Wasser schwimmen; doch hat sie kürzere Arme. Unterhalb des Gürtels
ist sie wie ein Fisch und luvt Sclmpjien und einen Scliwanz. Wendet sie
sich gegen das Boot, wenn sie aus der See auftauclit, so kommt Unwetter,
und da gilt es, so schnell als möglich heimzurudern, und zu versuchen, dem
Wassertod zu entrinnen. Kommt aber der Meermann neben ihr in die
Höhe, so kommt gutes Wetter. Die Moerfrau singt so schön, dass die
]^Q .Tiriczek:
Menschen toll werden, wenn sie ihrem Gesänge lauschen, und deshalb
sollen sie Wattepfropfen in die Ohren stecken, denn sonst wollen sie in
Tollheit und Wahnsinn aus dem Boote in die See zu ihr springen.
XL Seekühe und Hulderkühe.
Seekühe gleichen anderen Kühen von Aussehen, aber melken viel
besser; die Leute wollen deshalb gern diese Kühe haben. Mitunter sind
sie in der dreizehnten Nacht [der Nacht vor ]^]piphanias] im Stall bei den
Kühen gefunden worden; wird ein Kreuz über ihren Kücken geschlagen,
so bleiben die Seekühe ruhig bei ihnen stehen.
In der dreizehnten Nacht findet man auch Hulderkühe bisweilen im
Stalle; aber die will niemand haben, obwohl sie gut melken, aus Furcht
vor ilem Huldervolk, welches solches rächen würde. Diese Kühe sind
leicht von den Seekühen zu untersclieideu, weil sie das Haupt hinauf
o-egen die Berge wenden, die Hulderkühe aber gegen die See. Das Hulder-
volk liat viele Kühe, welche auf den Weideplätzen bei jenen [d. i. ge-
wöhnlichen] Kühen wandeln, obschon die Leute nichts als ihre eigenen
Kühe sehen. Die Hulder in Dal auf Sandoy wurde gehört, wie sie ihre
Kühe zählte: „Ich sass auf dem Hügel mit Rumla und Reiggja, hier hörte
ich Hupul brüllen; von oben schreiten Hakur und Krakur, ich kenne Kina
mit den langen Eutern, Yla und Ala, Eskja und Kala, Geita und Grana,
Flekka und Frana; Hilda mit dem Stern kenne ich wohl, Gullgrima und
Oxakolla; verloren liabe ich Grima, die graue, kleine, kürzeste; gekommen
sind alle unsere Kühe, stöhnend folgt Brynja allen auf den Fersen."
XIL Dulurin.
Einmal in alten Zeiten war Hungersnot auf den Föroyern: eine grosse
Sterblichkeit war über die Schafe gekommen, das Korn war nicht reif,
und nichts war im Meere zu erfischen. In Vagar soll die Not am grössten
gewesen sein, denn es war lange her, dass sie etwas auf den guten Fisch-
bänken westlich im Meere oder weiter draussen auf den Frühjahrsfisch-
bänken gefangen hatten — nicht ein Bissen wurde gefangen — ; sie ver-
suchten auszurudern, aber kamen ganz leer iiachhause. Dort im Westen
ging nun ein armer Mann schwermütig und kummergefesselt und klagte
über seine Not; er hatte viele kleine Kinder, aber wusste sich keinen Rat,
wie er sich einen Bissen verschaffen sollte, um ihn in den Mund der
Kinder zu legen. Während er so in Trübsinn und Ratlosigkeit ging und
über das Schicksal klagte, das so hart war, dass er seine Kinder ver-
hungern lassen müsse und selbst verhungern solle, begegnete er einem
Huldermann, der ihn fragt, warum er in so schlechter Stimmung scheine
und was ihm zur Sorge gereiche. Der Yagmann sagt ihm nun, wie schlecht
es mit ihm steht. Der Hulder antwortet ihm, dass es eine Sünde sei,
dass er solche Not leiden solle, denn der Fisch wür(h^ nicht ausgelien.
Faßröische Märchen und Sagen. 11
wenn sie ihn nnr 7Ai finden vermöchten, und darum wolle er ihm nun
sag-en, wie man die Fischbank finden solle: „Fluss im Thal — Hügel auf
Hardavöll. Bächlein auf der Zunge (Vorgebirge) — hier sollst du Fische
fangen — Eisen gekaut und getreten — wer dort nichts fängt, ist tod-
geweiht." Aber als der Hulder das gesagt hatte, verschwand er plötzlich,
ohne diese dunklen Worte und unbekannten Namen zu deuten. Docli
prägte sich der Mann gut ein, was gesagt worden war, und begann dar-
über zu grübeln, und endlich glaubte er einigermassen erraten zu haben,
wo die Fischbank liegen könne; alte Leute im Dorf kannten die Namen
und wnssten ihm zu sagen, wo diese Zeichen zu finden seien. Aber nun
galt es, noch zu erfahren, warum der Hulder „Eisen gekaut und getreten"
gesagt hatte. Schliesslich fiel ihm ein, dass gekautes Eisen das Mund-
stück an einem Zaum sein könnte, und getretenes Eisen könnte ein Huf-
eisen sein; das nahm er und machte sich Angeln daraus. Als er nun mit
diesem Werke fertig war, bemannten sie ein Boot zur Ausfahrt und fanden
die Fischbank so, wie der Yägmann die Worte des Hulders gedeutet hatte.
Er gab allen Bootmännern die Angeln, die er selbst aus Mundstücken und
Hufeisen geschmiedet hatte, und dann warfen sie aus. Sie waren auf die
rechte Bank gekommen, und sie hatten nicht länger als eine kleine AYeile
gesessen, so war das Boot bis zum Versinken voll von Fischen. Sie
ruderten nun fröhlich von der Fischbank heim, die noch heutzutage Dulurin
[die Verhüllte] nacli dem Hulder [Verhüllten] heisst; dorthin fahren die
Leute noch immer. Auf der Heimfahrt ruderten die Vagmänner an einem
Boote vorbei, das sie nicht kannten, und das war ein Hulderboot; der
Vormaini erhob sich vom Sitze und sagte zum Vägmann: „Ein Glückskind
bist du, gut war es gedeutet, und gut war die Fischbank getroifen." Das
Boot verschwand da aus ihrem Gesicht und wurde nicht mehr gesehen. Aber
die Fisclier aus Vägar waren froh, etwas zu haben, es den Weibern und
Kindern diesen Abend und später zu geben.
XHL Der Gäsad aismann im Hulderboot.
Ln Gasadal in Vägar ist kein flacher Strand; hier ist eine steile Wand,
fünfzehn Faden hoch, gegen die See; das Gäsadalsdorf liegt daher schlecht
zur Ausfahrt, ein Boot kann im Winter wegen der Brandung niclit unter
der Wand liegen, sie können deshalb kein grosses Boot liegen haben, weil
der Landungsplatz an der Wand schwierig und sclüecht ist, und die
Gäsadalsleute haben daher ein Ausfahrtboot zur Meerfahrt in Gemeinsam-
keit mit denen in Bö gehabt und sind gewöhnt, mit diesen auszurudern.
Ein Mami aus Gasadal machte sich eines Nachts bei gutem Wetter
vom Hause auf, um ostwärts nach Akranes zu gehen, wo die Bömänner
ans Land legen und ihn in das Boot aufnehmen sollten. Als er nach
Osten über die Skardsä kam, sah er ein Boot nach Akranes zurudern; er
wollte nicht, dass sie lange auf ihn warten sollten, und begann deshalb
1 2 Jiriczpk :
hastig zu iliuon hin ab zulaufen. Er sah nun, dass sieben Männer im Boote
waren und dass für ihn ein Sitz auf einer Bank frei war; doch erkannte
er die Männer nicht, weil die Dunkelheit sich eben erst zu heben be-
gonnen hatte. Der Gräsadalsmann hatte keinen Verdacht gegen jemand,
sondern meinte, dass alles so war, wie es sein sollte; er sprang rasch in
das Boot, und sie stiessen sofort vom Lande ab. Der Mann setzte sich
auf die Bank, wo er gewohnt war zu sitzen und legte das Ruder aus; aber
als er sich nun bedenkt, kennt er keinen Mann im Boote und argwöhnt
da, dass das Huldern sind, unter die er gekommen; doch stellt er sich
furchtlos und rudert tüchtig wie sie. Sie fahren nordwärts um die Insel,
liinans nach Ravnamüli, einer Fischbank, auf welche die A^ägmänner im
Westen hinauszurudern pflegen. Die Huldern befestigten den Köder und
warfen aus, aber der Gasadalsmann sass still und schwieg, denn die Schnur
hatte er mit sich aus Gasadal genommen, die Angeln aber hingen in
Bö und er hatte keinen Köder. Der Yormaun im Boot fragt ihn nun,
warum er nicht auswerfe; er antwortet: „Kein Haken ist da und kein
Bissen ist da." Der Huldermann gab ihm gleich Angel wie Köder, und
die Angeln waren kaum am Grunde angekommen, als er es zucken fühlte
und einen grossen Fisch lierauszog; als er damit fertig war, ihn aufzu-
schneiden, und ihn ins Boot niederlegte, nahm ihn der Vormann und
zeichnete ihn, und so wurde jeder Fisch, den er aufzog, gezeichnet. Als
sie nun gute Fische in das Boot bekommen hatten, ruderten sie wieder
nachhause und legten bei Akranes an derselben Stelle an, wo sie den
Gasadalsmann aufgenommen hatten. Weil er den Tag in Eigenfischfang
gesessen hatte, warfen sie jeden Fisch an das Land, den sie gezeichnet
hatten. Als er an das Land gekommen war und seinen Fang aus dem Hulder-
boote mitgenommen hatte, merkte er erst, dass er sein Messer im Boote ver-
gessen hatte; er rief ihnen da zu: „Das Scharfe am Schenkel ist zurück-
geblieben." Der Huldermann nahm das Messer und warf es nach ihm,
aber er traf ihn nicht; er rief da: „Sei verflucht, ein Glückskind bist du."
Sie stiessen nun wieder vom Lande ab, aber der Huldermann sagte nun:
„Ein Hund warst du, dass du mir nicht Dank für das Boot sagtest." —
Es ist nicht gut, wenn das Huldervolk zu Wasser oder zu Land nahe ist
(und wer weiss das?), Messer, Schwert, Axt, Köder, Rauch u. s. w.
mit dem rechten Namen zu nennen, ausser mit anderen Worten wie „das
Scharfe", „Bissen", „Hausschatten" und dergl. Auch ist es nicht gut, dem
Huldervolk zu danken, wenn sie einem etwas gutes thun, denn dann be-
kommen sie Gewalt, dem Menschen Schaden zu thun.
Erzählungen, welche dieser gleichen, die nun berichtet worden ist,
gehen über einen Mann in Strondur und einen anderen in Eid auf Eysturoy,
welche beide mit einem Hulderboote ausfuhren, und es wird erzählt, dass
der letztere mit ihm <len ganzen Winter ausruderte.
Faeröische Märchen und Sagen 13
XIV. Das Hiilderweib in Kiiulsiiöteii.
„Nördlich im Hügel", bei dem Dorfe „zu Eid" auf Eysturoy, wohnt
Huldervolk, wie weit umher an anderen Stellen. Einmal sass die Heb-
amme zu Eid, Elseba, vor dem Hause auf dem Steinzaune und rührte
Milch. i\.ls sie im besten Sitz ist und den Quirl am hurtigsten rennen
lässt, damit die Milcli dick werde und im Kübel tüchtig aufschäuuie,
kommt ein Hund zu ihr, ist zudringlich und will von der Milch
schlecken. Sie kennt den Hund nicht und will ihn von sich treiben,
aber er ist widerspenstig und will vor ihren Drohungen nicht weichen; —
sie will daher den Platz verlassen und mit der Milch ins Haus gehen.
Der Hund verfolgt sie, und da sie zur Thür kommt, steht hier ein Hulder-
mann vor ihr und bittet sie, mit ihm zu kommen und seiner Frau zu
helfen, die sich niedergelegt hatte und in Kindsnöten lag. Sie folgte ihm
nun nördlich hi den Hügel und war dort die ganze Nacht; der Hulder-
mann verband ihr die Augen, als er sie nördlich in den Hügel führte.
Als sie am Morgen zurückkam, begann das Volk sich zu erkundigen,
wo sie über die Nacht gewesen und was sie gemacht habe, aber sie ant-
wortete nichts anderes als: „Schön war das kleine Kind mit dem grossen
Kopf, das heute Nacht geboren wurde." Der Huldermann versprach Elseba
Glück bis in das zehnte Glied, weil sie der Hulderfrau aus der Not geholfen
hatte; Hanis in ßürstova zu Eid ist der sechste Mann nach ihr. — Einmal
nach dieser Begebenheit waren die Eidsmänner im Gebirge, um Widder zum
Schlachten zu fangen, und der Mann der Elseba war einer der Treiber;
während die Männer die Schafe jeder an seiner Stelle sammeln. entschlüi)ft
ihm ein Schaf aus der Hürde und er rennt ihm nach. Nun begegnet er
einem Huldermann, der im Zorn zu ihm sagt, hätte er nicht an der Seite
Elsebens gelegen, so sollte es ihm übel gehen <lafür, dass er über ihr
Dach gegangen sei.
XV. Auf dem Kreuzweg sitzen.
Willst du reich werden, so sollst du in der alten dreizehnten Nacht
hinausgehen und auf dem Kreuzweg sitzen, wo vier Wege kreuzweis gehen
und einer von ihnen soll zur Kirche führen. Du sollst ein graues Kalbs-
fell und eine scharfe Axt mitnehmen, das Fell unter dich auf den Weg
breiten, so dass der Schwanz am Fell gegen den Kirchenweg gewendet ist,
aber dein Gesicht soll von diesem abgewendet sein. Du sollst dich da
hinsetzfui und die Axt scideifen, und was auch zu dir gesprochen wird,
du sollst nichts anderes erwidern als: „Ich schleife, ich schleife''. Wie
schlimm es auch zu beiden Seiten von dir zugeht, du sollst nicht aufsehen,
sondern fest auf die Axt hinabschauen, denn sonst geht es dir schlecht
und die Trolle fassen dich. Wenn es gegen Mitternacht geht, kommen
die Trolle lärmend aus allen Windrichtungen, Gold und kostbare Kleinodien
]^^ Jiriczek:
schleppend, welche sie um dich in grossen Haufen schichten, und sie
zeigen dir all dies Gut, um zu versuchen, dich aufschauen zu machen.
Dann beginnen sie zu dir zu reden, Grimassen zu schneiden und alles
mögliche anzustellen. Aber haben die Unholde weder vermocht, dich
zu verlocken, die Augen auf das Gfold zu wenden, das sie neben dich ge-
legt haben, noch dich so bange gemacht, dass du sie aus Angst vor
ihnen anschaust, noch dich zu einer Antwort vermocht, so fassen sie
den Schwanz am Kalbsfell, um es wegzuziehen; da gilt es nun Glück zu
haben und mit der Axt den Schwanz ganz am Ende abzuschlagen, ohne
dass eine Scharte in die Axt kommt. Gelingt dir das, so bist du ein
Glückskind; denn dann verschwinden die Trolle ihres Weges und du ge-
winnst da alle Kleinodien und alles Gold, das neben dich gelegt worden ist;
ülückt es dir aber nicht, so bekommen die Trolle Gewalt über dich, und
du kehrst nicht heil von dieser Fahrt zurück.
XYL Der Siegstein.
Es ist gut, den Siegstein zu besitzen und ihn an sich zu tragen, denn
der Mann, der ihn hat, gewinnt immer den Sieg, wo er auch im Kampfe
steht, ihm geschieht kein Schaden, wo er auch fährt, weder von Menschen
noch Trollen, sondern das Glück folgt ihm, alles geht nach seinem Wunsche
und alle sind ihm wohlgeneigt. Darum ist es nicht zu verwundern, dass
die Ijeute gern einen solchen Stein wollen, der so viel Gutes mit sich
bringt, aber kein Mensch weiss, wo dieser kostbare Stein zu finden
ist; aber der Rabe weiss es, und nun soll gesagt werden, wie du es
machen sollst, dass der Habe nach dem Siegstein fliegt und ihn von
sich gibt.
So geht die Erzählung der Leute, dass der Rabe im Februar sich
begattet, im März Eier legt und im April brütet. Wenn nun der Rabe
Eier gelegt hat, soll man hinauf auf die Klippe oder in die Schlucht
steigen, wo der Rabe das Nest hat; dort muss man versteckt sitzen, den
Raben nichts von sich merken lassen und ruhig warten, bis der Rabe vom
Nest fliegt. Da muss man rasch sein, zum Nest zu schlüpfen, die Eier
zu nehmen, sie hart zu kochen und wieder ins Nest zu legen, ehe der
Rabe wieder heimkommt, so dass er nichts schlimmes vermutet; der muss
rasch sein, der das ausführen soll. Der Rabe kommt da wieder zurück
ins Nest und legt sich auf die Eier; aber wenn er nun die ganze Brüte-
zeit gelegen, beginnt er ungeduldig zu werden, denn er sieht, dass noch
keines aufgepickt ist, und es wird ihm langweilig, länger zu sitzen. Da
beschliesst er, nach dem Siegstein zu fliegen und sich ihn zu suchen, um
ihn in das Nest zu den Eiern zu legen, um sie ausgebrütet zu bekommen;
aber der Mann muss dort stehen und entweder den Raben erschiessen und
ihm den Stein aus dem Sclmabel nehmen, odei- ihn den Stein zu den
Eiern legen lassen und dann plötzlich über ihn kommen, ehe er die
Freröische Märchon und Sagen 15
gekochten Eier ausgebrütet hat; denn dann fliegt er mit dem Stein wieder
dorthin zurück, wo er ihn geholt hat.
XVII. Der Riese und die Alte.
Nördlich von dem Dorfe „zu Eid'^ zu äusserst in dem 8und zwischen
Eysturoy und Ötreymoy, stehen vor dem Lande zwei grosse Klippen, welche
der Riese und die Alte genannt werden, er weiter draussen und sie näher
dem Lande, und durch den Sund zwischen ihnen kann man rudern, wenn
es ruhig ist. Über diese Klippen gelit die Sage, dass Island einmal die
Föroyer zu sich nach Norden zu schaffen gedachte und deshalb einen
grossen Riesen und sein Weib sandte, um sie nordwärts zu tragen. Sie
kamen beide zu dem äussersten Berge, welcher Eidskoll heisst und am
weitesten gegen Nordwesten liegt. Der Riese blieb draussen in der See
stehen, während die Alte auf den Berg ging, um das Tragband um die
Last zu befestigen, die er tragen und die sie auf ihn schieben sollte. Der
erste Griff, den sie machte, war so fest, dass der „äussere Hügel" ab-
sprang; sie versuchte daher das Tragband an einer anderen Stelle des
Hügels zu befestigen, aber es wollte ihnen nicht recht gehen; — der
Grundboden war fest und die Inseln nicht leicht fortzurücken. So w^ird
erzählt, dass die Alte noch auf dem Hügel stand, als sich die Finsternis
zu heben begann; — sie fürchteten sich vor dem Tage und sie eilte
schleunigst zu dem Riesen hinab, welcher im Meer stand und auf sie
wartete; aber allzulange hatten sie verweilt, denn in demselben Augenblick,
als sie sich unter dem Hügel trafen und ihres Weges nordwärts nach
Island zurückwaten sollten, der Riese voran und die Alte hinter ihm, da
erhob sich die Sonne aus dem Meere und sie wurden darum beide zu
Stein, und stehen nun und schauen gegen Island, aber kommen nicht
vom Fleck.
Andere sagen, dass sie gesandt waren, um Korn von den Föroyern zu
holen, weil daheim in Island Kornmangel herrschte. Das sieht man, dass
die Alte eine Art Bündel oder Sack am Rücken hat.
XVIII. Das Seehundweibchen.
Die Seehunde sind zuerst von Menschen gekommen, welche sich selbst
hinabgestürzt und in der See ertränkt haben. Einmai in jedem Jahre, und
(his ist in der dreizelmten Naclit^), ist es ilmen gegönnt, aus dem Balg zn
schlüpfen, und da sind sie anderen Menschen gleicli: sie vergnügen sich
da mit Tanz und Spiel nach der Weise der Menschen auf dem Steingrund
am Strande imd in den Klippenhöhlen.
Nun geht die Sage, dass ein Bursclie auf dem südlichen Hofe in
Mikladal das gehört liatte, dass die Seidiuiidc in der dreizehnten Nacht in
1) Epiphaniasuacht.
1 6 Jiritzek :
einer Höhle unweit des Hofes zusammenkämen. Er ging daher am Abend
hinab, um sich zu überzeugen, ob das wahr sei oder nicht, was von ihnen
erzählt wurde. Er versteckte sich unter einem Steine vor der Höhle; nach
Sonnenuntergang sah er ehie Menge von Seehunden herbeischwimmen; als
sie ans Land gekommen waren, fuhren sie aus den Häuten und legten sie
auf den Steingrund am Strande ab und nun glichen sie richtig anderen
Menschen. Der ^likladalsbursche fand sein Vergnügen daran, sie unter
dem Steine, wo er verborgen lag, zu beobachten. Nun sah er ein
wunderschönes Mädchen aus einem Seehundsbalg schlüpfen, und ihn fasste
gleich Verlangen nach ihr, und er achtete deshalb genau darauf, wohin sie
ihr Fell unweit von ihm gelegt hatte. Der Bursche schlich nun heimlich hin,
nahm die Haut zu sich und verbarg sich dann wieder unter dem Steine.
— Die Seehunde tanzten und vergnügten sich die ganze Nacht; aber als
der Tag zu grauen begann, fuhr jeder wieder in seinen Balg. Aber das
Mädchen, das vorher genannt worden ist, fand ihre Haut nicht wieder und
ging, suchte nach ihr und begann zu klagen und sich jämmerlich zu
härmen, denn da war die Nacht vergangen und die Stunde des Sonnen-
aufgangs gekommen. Aber ehe sich die Sonne aus dem Meere erhob,
bekam sie Witterung von der Haut beim Mikladalsb urschen und musste
ihr deshalb zu ihm nachgehen; sie bat ihn nun so flehentlich und mit
guten Worten, ihr die Haut zurückzugeben, aber er wollte nicht auf sie
hören und ging die Schlucht aufwärts nachhause, und sie musste ihm der
Haut nach, die er mit sich trug, folgen. Er nahm sie nun zu sich und
sie lebten gut miteinander -wie andere Ehegatten. Aber er musste immer
auf der Hut sein, sie nicht zur Haut kommen zu lassen; er verbarg sie
daher in der Kiste, versperrte diese gut und trug den Schlüssel am Leib.
Eines Tages war er ausgerudert, und wie er da draussen auf dem Meere sass
und einen Fisch aufzog, kam seine Hand zufällig an den Gürtel, wo der
Schlüssel gewöhnlich hing; da fuhr es durch ihn, denn er wurde erst jetzt
gewahr, dass der Schlüssel vergessen war, und er rief in Sorge und
Schmerz: „Heute werde ich verwitwet!" Alle zogen ein und setzten sieh
an die Ruder, um schleunigst heimzurudern. Als der Mikladalsmann nach-
hause kam, sah er, dass das AVeib verschwunden war, aber die Kinder,
die sie zusammen hatten, sassen ruhig daheim. Damit ihnen nichts zum
Schaden gereichen sollte, während sie allein drinnen sassen, hatte sie das
Feuer auf dem Herde verlöscht, Messer und alles Scharfe unter Schloss
und Riegel gebracht. Als sie das getlian hatte, war sie zum Strande
hinabgesprungen, in die Haut gefahren und hatte sich in die See ge-
stürzt. Sie hatte (h>n Schlüssel gefunden, als der Mann ausgerudert
war, schloss die Kiste auf und sah hier die Haut liegen und konnte sich
niclit länger beherrschen. Davon ist das Spricliwort gekommen: „Er kann
sich nicht mehr beherrschen als der Seehund, wenn er die Haut sieht."
Gerade als sie in die See sprang, kam das Männehen, welches früher mit
Fseröische Märchen und Sagen. 17
ihr iu liiebe zusammen gelebt hatte, an ihrer Seite auf, und nun schwammen
sie beide von dannen; — alle diese Jahre hatte es hier gelegen und auf
sein Weibchen gewartet. Als die Kinder, die sie mit dem Mikladalsmann
hatte, zum Strand hinab kamen, sah man einen Seehund vor dem Lande
liegen und auf sie schauen, und alle dachten, das möchte ihre Mutter sein.
So vergingen viele Jahre danach, ohne dass etwas vom Bauer auf dem
südlichen Hofe oder den Kindern des Seehundweibchens zu sagen ist.
Aber so geschah es einmal, dass die Mikladalsmänner auf den Paarungs-
platz hinaus wollten, um Seehunde zu schlagen, und die Nacht vorher kam
das Seehundweibchen im Traume zum Bauern und sagte ihm, wenn es so
geschähe, dass er mit jenen auf den Paarungsplatz ginge, so solle er
wissen, dass sie das Männchen, welches vorn vor der Höhle liege, nicht
erschlagen dürften, weil das ihr Gatte sei, und die zwei Jungen, welche
im innersten der Grotte lägen, müssten sie schonen, weil das ihre Söhne
seien, und sie gab ihm an, wie sie gefärbt waren. Aber der Bauer
schenkte dem Traume keine Beachtung; er ging mit den Mikladalsraännern
auf den Paarungsplatz, und sie erschlugen alle Seehunde, welche dort
waren. Bei der Verteilung erhielt der Bauer das ganze Männchen und die
Vorder- und Hinterbeine der Jungen. Zum Nachtmahl hatten sie das
Haupt, die Vorder- und Hinterbeine gekocht, und als es vorgesetzt wurde,
hörte man ein Krachen und grosses Getöse, und das Seehundweibchen kam
da als der hässlichste Troll in die Rauchstube, schnupperte in den Trog
und rief zornig: „Hier liegt der Alte mit der aufgestülpten Nase, die Hand
Häreks und der Fuss Fridriks — gerächt ist und gerächt soll das an den
Mikladalsmännern werden, und sollen etliche ertrinken und etliche von den
Wänden und in die blauen Klüfte stürzen, und soll das fortdauern, bis so
viele dahingegangen sind, dass sie sich an den Händen halten und ganz
Kallsoy umspannen können." Als sie das gesagt hatte, ging sie wieder
mit grossem Getöse und Gepolter hinaus und wurde nicht mehr gesehen.
— Es ist leider nicht so selten gewesen, dass man Unglücksnachrichteu
aus Mikladal gehört hat, dass Männer im Gebirge abgestürzt sind, wenn sie
auf die Wände stiegen, um Eidervögel zu fangen, oder in den Bergen
Schafen nachgingen; — die Zahl ist noch nicht voll geworden, so dass die,
welche abgeschieden sind, genügen würden, Kallsoy zu umspannen.
Bei Skalavik in Sandoy ist ein Paarungsplatz, der „i Bläfellssküta"
heisst, und über ihn geht dieselbe Sage, welche hier vorher erzählt worden
ist. Trond und Niklas, Vater und Sohn, waren die ersten Menschen,
welche hier in der Siedelung „auf der Klippe" (a Hamri) ein Haus er-
richteten. Demmus (Nikodemus), der Sohn Niklas', ging in der dreizehnten
Nacht auf den Paarungsplatz, nahm das Fell, aus welchem ein schönes
Weibchen gefahren war, ging heim mit dem Seehundsfell, und das Weibchen
folgte ihm auf dem Fusse (andere sagen, dass der Vater Demmus' das
Seehundweibchen heimbrachte). Er versperrte die Haut in der Kiste und
Zeitschrift d. Vereins f. Volkskunde 1892. 2
jg .Tiriozfik:
hatte den Schlüssel am Hosengurt befestigt. Eines Tages war er auf der
Ausfahrt und hatte andere Hosen angezogen und nicht daran gedacht,
den Schlüssel an diesen anzubringen, und so verlor er sein Weib. Als er
vom Meere heimkam, stand das Weib als Robbe an dem Klippenrand
aussen vor dem Dorfe. Hier in Skala vi'k werden Leute genannt, welche
ihr Geschlecht von dem Seehundweibchen herleiten.
XIX. Öli der Starke und Tor der Starke.
Früher in alten Zeiten lebte in Clasadal auf Yägar ein Riese, welcher
Tor der Starke genannt wird, und in Mikines wohnte zu derselben Zeit
ein Mann, der Oli der Starke genannt wird. Tor, der Thalbewohner,
beabsichtigte den Mikinesbewohner zu töten und die Insel für sich zu ge-
winnen; er ging daher aus dem Thal auf den Liraberg hinauf und sprang
von dort über den Fjord, hinaus in die Borgarschlucht im Borgardal, öst-
lichst auf Mikines; die Fussspuren stehen noch nach ihm in den Felsen
beiderseits dort, wo er gesprungen. Der Mikinesbewohner hatte seinen
Sitz westlich auf der Insel; Tor hatte deshalb einen langen Weg über
Thäler und Berge zu gehen, ehe er ihn fand; doch der Weg wurde ihm
nicht lang, mit seinen langen Beinen stapfte er im Handumdrehen west-
wärts über die Insel. Als er mit gespreizten Beinen die Bergwand herab-
kam, sah ihn der Mikinesbewohner und Furcht befiel ihn, denn dieser
grosse Riese war schrecklich anzusehen. Er sprang deshalb auf die Füsse
und lief, so schnell er konnte, westwärts über die Insel davon; aber als
er westwärts über die Schlucht gekommen war, war nicht mehr viel
zwischen ihnen. Das Herz begann nii deshalb bis in den Hals zu
schlagen und er begann sich heftig zu fürchten und rief den Notruf:
„Zerreisse die Schlucht!" und damals geschah es, dass Mikinesholm sich
von der Insel loslöste und der Sund dazwischen kam. Das ist sichtbar
an den Uterwänden beiderseits, dass der Holm und die Insel miteinander
verwachsen gewesen sind; wo Höhlen in der einen Uferwand sind, ragen
gerade gegenüber Klippen heraus an der anderen Wand. — Als der Riese
diesen mehr als 20 Faden breiten Schlund vor sich und den Holm sich
loslösen sieht, ruft er: „Reisse, was reissen will, ich springe darüber." Er
setzte hinüber und dort draussen auf d(>ra Holm begannen nun beide zu
kämpfen, weil der Mikinesbewohner sah. «lass keine andere Möglichkeit zu
wählen war, als dem Riesen Stand zu halten und Kraft und Stärke zu
erproben. Sie rangen hart und lange und wühlten die Erde bis zu ihren
Knöcheln auf; — das heisst „i Trakki" [„Stelle, wo gestrampelt worden
ist"] und hier ist kein Gras seither gewachsen, obwohl der ganze Holm
sonst durchaus mit langem Grase vom obersten Berggrat bis zu den Strand-
klippen hinab bewachsen war. Endlich drückte der Mikinesbewolmer den
Riesen auf «lie Kniee nieder, drückte ihm ein Auge aus und drohte ihn
zu t()t('n. Abel- dar Riese wollte das Leben nicht verlieren und begann
Fseröische Märchen und Sag-en. ]9
nun um Gnade zu bitten und versprach Oli drei seltene Dinge, wenn er
ihm Leben und Sicherheit schenken wollte. Das erste, Avas der Kiese
geben wollte, um sich vom Tode zu lösen, war ein grosser Wal, der jähr-
lich in die Hvalaschlucht hier auf Mikiues kommen sollte; das zweite war,
dass ein grosser Baum in einer Schlucht angetrieben werden sollte, welche
nicht weit von jener ist und Vid:arhellisschluclit genannt wird; und das
tlritte war ein Vogel, der sich auf keiner anderen Insel der Föroyer setzen
oder brüten sollte, als auf Mikinesholm. Aber er legte die Bedingung zu
<len Gaben, dass niemand, der in Zukunft sich hier auf der Insel nieder-
liesse und von ihnen geniessen wolle, sie tadeln oder verspotten dürfe.
Der Mikinesbewohner ging auf diese Bedingungen ein und nahm das An-
erbieten Tors an; so verglichen sich beide und lebten ihr ganzes Leben
zusammen. Westlichst auf der Insel, auf der Bergkuppe draussen auf dem
Holm, wurden sie jeder in seinen Hügel beigesetzt, als sie starben; noch
heute lieisst der eine Hügel Oli der Starke, welcher nördlicher ist, und
hier ist der Mikinesbewohner begraben; der andere heisst Tor der Starke,
Avo der Thalbewohner begraben ist.
Der Riese hielt wohl, was er versprochen hatte; jährlich zur Heuzeit
kam der grosse Wal in die Hvalaschlucht, aber jetzt kommt er nicht mehr,
denn die Mikinesleute vergassen, dass sie über ihn nichts böses sagen
durften und so hielten sie ihren Spott mit ihm, weil er nicht mehr als
ein Auge hatte und sie lästerten ihn, weil sie Durchfall bekamen, als sie
sein Fleisch assen, — so verschwand der Wal und kam nicht wieder. - —
Der Baum kam im Frühjahr, aber ging bald desselben Weges wie der
Wal; denn sie lästerten ihn, dass er krumm und knotig sei und sie fluchten
darüber, weil sie ihn jährlich dazu benutzen mussten, eine Kapelle zu er-
bauen; aber die Kapelle wurde jährlich vom Winde umgestürzt, wenn das
Treibholz kam, und vom Berge weggeweht; — sie glaubten daher keinen
Nutzen von dieser Gabe zu haben, und so versehwand sie. Der Vogel, der
das dritte war, was der Riese versprochen hatte, war die „Süla"^); sie kam
in grossen Schwärmen auf die Bergabsätze auf dem Holm und auf die
Klippen auf ihm. Aber die süla will kein Mikinesmann tadeln oder ver-
spotten, damit sie sie nicht verlieren sollen, denn sie ist eine gute Unter-
stützung für die, welche an der Brandung sitzen und selten zur Ausfahrt
auf das Meer kommen. Wenn jemand von den Hauptinseln nach Mikines
herauskommt und die Süla lästert, dass ein xibler Geruch von ihren Federn
ausgehe, oder anderes dergleichen, so verbessert das der Mikinesmann, der
solches hört, und sagt: „Ein guter Vogel ist sie nichtsdestoweniger, und
ein hochgeborener Vogel^ der „trsel" [Knecht] zu jedem Menschen sagt"
(so lautet ihr Ruf). Aber die Süla setzt sich auf keiner anderen Insel als
1) deutsch ..Bassangans'-', „Tölpel": vcrgl. die Anmerkungen am Schlüsse der Über-
setzung.
9*
20 Jiriczek :
in Mikineslioliii auf des Land, ausser wenn sie sterben soll, und doch sieht
man sie weit umher über den Fjorden zwischen den Inseln fliegen. Die
Süla besucht den Holm zurzeit der Paulsmesse [Februar] und ist dann auf
den Yogelbergen bis zur Martinsmesse [November], wo die Jungen ganz
flügge sind; dann ist sie den ersten Teil des Winters fort.
XX. Wälder auf den Föroyern.
Die Föroyer waren ehemals bewaldet; hier findet man deshalb noch
in der Erde grosse Wurzelstöcke im Torf auf den Torf beiden, in den
Steinkohlen sieht man dicke Äste und Laubblätter; solches beweist, dass
hier früher Wald gewachsen, aber nun ist alles in die Erde versunken.
Es wird erzählt, dass, als Olaf der Heilige in Norwegen herrschte, Gesandte
von den Föroyern ausfuhren, um ihn zu treffen. Er sagte zu ihnen, dass
ihm die Steuer zu klein dünkte, welche ihm von den Inseln zuging; des-
halb fragte er sie, was auf den Föroyern wüchse. Die Gesandten sagten
schlechtes davon aus, sie sagten, dass dort nichts sei als Sand und Steine,
Moore und Heiden. Als der König dies hörte, rief er aus: „So werde,
wie davon gesagt ist! wende sich nach unten, was oben gewesen ist, und
wende sich aufwärts, was unten gewesen ist." Da sanken die Wälder
nieder in die Erde und anstelle der schönen Gefilde kamen Moore, Lehni-
felder und Sand. Deshalb sind die Inseln nun so beschaffen. Die Basalt-
säulen einer Klippe auf Mikines gleichen Bäumen; — das sollen Bäume
sein, die zu Stein verwandelt wurden, als König Olaf „So werde" zu den
Gesandten sagte, welche ihm sagten, dass keine Wälder auf den Föroyern
wüchsen.
XXL Svinoy.
Das ist eine Erzählung der Leute, dass Svmoy, wie andere der Inseln,
zuerst eine schwimmende Insel war. Sie tauchte im Norden auf, aber
wurde selten von Leuten gesehen, da sie meist Nebel mit sich brachte,
und selbst in Dunst gehüllt war. Nun soll gesagt werden, wie es zuging,
dass sie eine feste Insel wurde. Im Dorfe „zu Yidareid" auf Vidoy hatten die
Leute eine Sau, aber keinen Eber, und doch war die Sau jährlich trächtig
und hatte Ferkel. Alle wunderten sich sehr darüber und konnten nicht
begreifen, wie das zuging. Die Leute sagten nun, dass sie sie mitunter
im Dorfe vermisst hätten, aber dass sie immer bald zurückgekommen
wäre. Eines Tages lief sie hurtig nach Osten durch das Dorf und über
die Landenge gegen die Eidsbucht. Ein Weib wurde ihrer habhaft und
band einen Schlüsselbund an ihren Schweif; die Sau stürzte sich in die See
und schwamm vom Lande. Bald darauf sehen die Leute in Vidareid die Insel
südlich von der Landeng(3 auftauchen. Sie bemannen so rasch als möglich
ein Boot und rudern zur Insel, und nun konnten sie sie sowohl finden, als
an ihr landen. Als die Sau 1^]isen auf sie gebracht hatte, wurde sie fest,
Faeröische Märchen und Sagen. 21
und gleich wurde es hell im Nebel, der über ihr gelegen, und dort hat
sie seitdem gelegen. Aber sie nannten sie Svmoy, weil sie voll von
Schweinen war, als sie auf sie kamen, und ein Schwein sie am Grunde
befestigt hatte, so dass sie nicht länger eine schwimmende Insel war;
aber auf ihr war es gewesen, wo sich die Vidareidssau ein Männchen ge-
sucht hatte.
XXn. Mikines.
Mikines ist nach der Erzählung der Leute eine schwimmende Insel
gewesen. Ein Mann in Sörväg [Dorf auf der Insel Vägar], der immer
ausruderte, fürchtete sich sehr vor den grossen Walen draussen im Meere,
und da er kein Biebergeil hatte, um sie zu verscheuchen, gebrauchte er
dazu Stierdreck, den er in die See warf, wenn Wale nahe beim Boote
waren. Als er nun auf dem Meere draussen ist und westlich an Yagar
vorbeitreibt, sieht er eine grosse Insel aus dem Dunst auftauchen; alle
ziehen ein und rudern schleunigst zur Insel. Der Sörvagsmann, der sie
zuerst erblickt hatte, warf den Dreck auf ein Yorgebirge, zu dem sie
kamen, und stieg dann selbst auf das Land; da wurde die Insel durch den
Dreck befestigt, der auf den Vorsprung geworfen war, und daher soll die
Insel den Namen Mykjunes (Dreckvorgebirge) bekommen haben. Andere
nennen sie Mikines von dem grossen Yorgebirge [av ti mikla nesinum] an
der äussersten Ostspitze der Insel, welches Niigvunes heisst.
In anderen Erzählungen wird berichtet, dass einmal ein Riese war,
welcher auf den Föroyern wohnen wollte, aber die Inseln, die ihm am
besten gefielen, waren allzu klein, uud deshalb gedachte er, mehrere
zusammenzulegen. Erst kam er nach [der Insel] Koltur und legte sie
dorthin, wo sie nun liegt. Dann fuhr er nach Sküvoy, um sie herbeizu-
ziehen und an Koltm' zu befestigen. Aber die Skuvoyinger fragten ihn,
ob das voller Ernst sei, dass er auf der Insel wohnen wolle, welche Kalv
der Kleine gehabt habe. Als der Riese das hört, dass ein Kalb Sküvoy
gehabt habe, wollte er es nicht haben und dankte ihnen, dass sie ihm
davon gesagt hatten, gab ihnen grosse Gaben dafür und fuhr dann weg.
Nördlich vom Lande fand er nun eine grosse Insel, die ihm passend für
ihn dünkte, darauf zu wohnen; er zog sie daher südwärts im Meere, aber
als er gerade westwärts Yagar gegenüber gekommen war, konnte er sie
nicht weiter bringen. Er lag gegen eine Woche dort und strengte sich
an, die Insel südwärts nach Koltur zu schaffen, aber er war nicht im-
stande, sie weiter zu schaä'en, er konnte sie nicht von der Stelle rühren.
Zornig im Sinn, sagte er da: „Bei meinem Leben, bei meinem Leben!
habe ich die Insel vorher emporgebracht, so kann ich wohl auch diese
unter die Oberfläche bringen;" denn er gönnte keinem anderen auf der
Insel Mikines zu wohnen, als sich selbst. Noch heute sollen die Leute
bisweilen eine Insel nördlich von Yagar sehen; hohe Gebirge sind auf ihr
22 .ririczek:
sichtbar, tiefe Thäler und weisse Wasserfälle; am häufigsten haben sie die
Sörvagsiiiänner, oft deutlich, gesehen, wenn sie auf den Grasgängen waren,
um die Schafe zu bewachen, dort, wo man das ISTordmeer überblickt.
Darum ist es nicht zu verwundern, dass die Mikinesleute in Sorge sind,
wenn zu ihnen die Nachricht gebracht wird, dass wieder jemand diese
Insel gesehen hat; wer weiss, ob der Riese nicht noch lebt und Mikines
ins Meer versenken kann, um jene Insel von Norden herüberzuschaffen
und zu befestigen, wo er sie haben will?
XXIII. Das Eiriksriff.
Unweit vom Tindholm ist ein Riff, welches Eiriksritf genannt wird;
dort ist bisweilen selbst bei herrlichem Wetter und glatter See Bran-
dung; am meisten brandet es bei trockenem Wetter, Hitze oder harter
Kälte. Von diesem Riff haben wir die Sage, welche hier erzählt
werden soll.
Zwei Brüder, Simun und Eirik. besassen alles Land, welches an dem
Dorfe ,,zu Bö" auf Vagar liegt; sie hatten eine Schwester, welche mit
dem Bauer zu Hüs in Midvc4g [Dorf] verheiratet war. Diese beiden
konnten nicht darüber einig werden, das Land unter sich zu teilen; darum
sollten sie zum Lögmann fahren, um ihn zwischen ihnen teilen zu lassen.
Eines Tages war Simun auf der Ausfahrt, aber Eirik sass inzwischen zu-
hause und schärfte die Axt. Am Abend, als das Boot an das Land legt,
geht Eirik eiligst zum Strand hinab zu ihnen und sagt zu Simun, er solle
nun schleunigst mit ihm zum Lögmann fahren, um Entscheidung über die
Landteilung und das Erbe zu erhalten. Simun sagt, er sei sowohl hungrig
als durstig und habe es notwendig, andere Kleider anzuziehen; doch Eirik
wollte nichts davon wissen, dass er sich dem sofortigen Gang entziehe, nun,
da es gelte, diese Fahrt zu unternehmen. Simun gab ihm nun nach und
ging mit ihm; er war durstig und legte sich nieder, um aus dem Flusse zu
trinken, der die Skataschlucht zwischen Bö und Sörvag herabfliesst; —
Eirik nimmt nun die Axt und schlägt seinem Bruder den Kopf ab. Eirik
geht nun zu Fuss um den Teich (Sörvagsvatn) herum und nach Midväg.
Als er gegen die Felder in Hüs rennt, sieht ihn die Schwester und kommt
heraus, um ihn zu fragen, welcher Teil des Landes Simun zugefallen sei;
er antwortet, dass das der Teil sei, der dem Friedhof am nächsten ist. Er
lief dann von hier nach Sandaväg; ein Boot stand hier am Sande, Eirik
war nicht imstande, es zu ziehen, sondern wandte es immer um, bis er es
zur See gebraclit hatte; so machte er das Boot flott. Die Schwester arg-
wöhnte sehr aus der Antwort, die ihr Eirik gegeben hatte, dass er Simun
getötet haben möchte, und bat darum ihren Mann, sich aufzumachen, um
seinen Tod zu rächen. Der Bauer eilte mit der Axt in der Hand Eirik
nach, aber als er auf den Sand herabkam, hatte Eirik vom Lande ab-
gestossen; er warf da die Axt nach Eirik, aber sie fiel auf den Steven und
PaBrnische Märchen und Sagen. 23
beschädigte den Mann nicht. Eirik fuhr nun zum Bischof in Kirkjubö,
um den Mord anzuzeigen, und der Bischof versprach, dass ihm der Mord
verziehen sein sollte, wenn er der Kirche gute Bussen und dem Bischof
jährlich einen fetten Ochsen gäbe; das liess der Bischof alles auf einen
Holzstab einschneiden, dass nun die letzte Busse für Simun in Bö erloschen
sein sollte. Als Eirik die Bussen bezahlt hatte, welche ihm auferleet
waren, fuhr er nach Westen zurück, die ganzen Yägawände vorbei; ob-
zwar das eine gefährliche Fahrt war für einen Mann, hatte er doch das
Glück, durch die harte Strömung und die hohen Wogen den ganzen langen
Weg zu kommen. Er war nun durch den Dragasund in das tote Wasser
und die glatte See innerhalb der Klippen und Tindholm gekommen, und
sah nun das Dorf in Bö und das ganze Land vom Gebirge bis zum Strande,
das er nun allein besass; er glaubte nun allen Gefahren entronnen zu sein,
nahm den Stab und begann froh zu lesen, was daraufstand; — nun glaubte
er, brauchte er vor nichts bange sein zu müssen. Als er nun in diesen
Gedanken sass und nicht daran dachte, Gott zu loben und zu danken, der
ihn über das Meer geführt hatte, oder ihn zu bitten, ihm den Mord zu
vergeben, da erhob sich die Woge vom Grunde und ein Riff kam empor,
wo es früher nicht gebrandet hatte, der Wirbel wälzte das Boot um und
zog Eirik auf den Grund. Später trieb die Leiche in die Skataschlucht
und hatte noch den Stab des Bischofs in der Hand. Daher heisst dieses
Riff noch heute das Eiriksriff.
XXIV. Die Schaukelsteine.
Li der Nähe der Siedelung Yik (im [Dorfe] Oyndarfjord)^) stehen un-
weit vom Lande zwei grosse Steine [in der See], welche immer hin und
her wackeln. Wenn es Windstille und heitere See ist, sieht man das,
wenn ein Seil vom Lande auf den Stein, der dem Laude zunächst ist, ge-
legt wird, dass er keinen Moment ruhig ist. Wie natürlich, wackelt er
stärker, wenn die See unruhig ist. Dieser Block ist ungefähr fünf Faden
hoch, vier lang und drei breit. Man kann nicht recht begreifen, wie das
zugehen kann, dass sie so immer und ewig hin und her wanken können,
ohne vom Grunde, auf dem sie stehen, abgerieben zu werden. Aber die
Sage erzählt, dass das ein Zauberweib war, welches bewirkte, das dem so
ist, und folgendermassen trug sich das zu: Zwei Vikingerschiffe kamen
nach Eysturoy, die Besatzung legte ans Land, wo Dörfer waren, und raubte
das Vieh und erschlug die Leute. Sie waren vom Süden gekommen und
in den Dörfern im östlichen Teil der Lisel gewesen, kamen nun aus dem
[Dorfe] Fuglafjord und ruderten beständig den Strand entlaug; als sie nun
aus dem Fjorde heraus gegen die Siedelung in Oyndarfjord kamen, kam
1) Die Dörfer (bygd) zcrfallou meist in kleinere Gruppen von nioliroren Häusern
(bytlingur „Siedelung").
24
Kauffinann:
die Alte heraus, verzauberte die Schiffe, so dass sie in jene grossen Steine
verwandelt wurden, und verdammte sie hier zu stehen und zu schaukeln
in alle Ewigkeit.
^ - (Schhiss folgt,)
Der Matronenkultus in Gerinanien.
Von Friedrich Kauffinann.
Im ersten vorchristlichen und noch mehr im ersten nachchristlichen
Jahrhundert treten in steigender Progression die Barbaren der nördlichen
und westlichen Provinzen in den Gresichtskreis der ewigen Stadt. Trotz
der Verschiedenheit der Abstammung haben sich die Nationen in er-
staunlicher Ausdehnung zu friedlichem Nebeneinander vereinigt. Die
intensivsten Kulturströme sind von der glanzvollen Metropole des orbis
Romanus nach allen Richtungen hin ausgestrahlt und in verhältnismässig
sehr kurzer Zeit sind die Provinzen aus ihrer Passivität herausgetreten.
Die materielle und intellektuelle Kultur der römischen Provinzialen hat
diese schroff von den stammverwandten Nachbarn, den freien Barbaren
losgerissen. Einer der wichtigsten Faktoren war die mit der Ausstrahlung
der Kultur elemente verbundene Ausbreitung der lateinischen Sprache. Sie
hatte zur Folge, dass die gesamte Kulturarbeit der romanisierten Provinzialen,
die doch nur zum Teil auf römisches Kapital sich stützte, römischen
Stempel trug^). Mit reichen Zinsen hat die Barbarenwelt die Zuwendungen
der kaiserlichen Regierung gelohnt.
Das gesegnete Gallien hat, nachdem es in die römische Interessen-
sphäre einbezogen war, eine grossartige V^irksamkeit entfaltet. Dabei war
die Nationalität der keltischen Bevölkerung geschont worden, soweit es
sich nur irgend mit der Reichseinheit vertrugt). Gallier in den höchsten
Ehrenstellen sind schon im ersten christlichen Jahrhundert nichts seltenes.
Sie haben Provinzen regiert und Legionen befehligt. Die Pflege höherer
Bildung auf den gallischen Hochschulen war von keiner anderen Provinz
erreicht und bewahrte noch über die römische Kaiserzeit hinaus ihre
Anziehungskraft. Der Grossverkehr römischer Bürger und Kaufleute in
den blühenden Städten Südfrankreichs hat die gallische, mit glücklicher
1) Die Folgen dieser Thatsache erstrecken sich bis auf die Ausübung religiöser
Handlungen. Der Römer hat dem Barbaren nicht nur aus seiner Sprache die Namen für
die Gottheiten gegeben und die fremden Beinamen latinisiert, er hat ihn auch den
römischen Brauch der Kultäusserung gelehrt. Die Weihsteine, welche die Inschrifteu
tragen, die Bildwerke, welche den Schmuck abgeben, sind bis auf den letzten Meisselstich
römisch (Siebourg, Westdeutsche Zeitschrift VII 100)
2) Th. Mommsen, Eömische Gescliichte V 76 ff. 0. Hirschfeld, Beiträge zur
Geschichte der narbouensischen Provinz. Westd. Zeitsclir. VIII 119 ff.
Der Matronenkultus in Gennanien. 25
Empfänglichkeit ausgestattete Bevölkerung schnell und tief mit Bildungs-
stoffen durchsetzt — und trotzdem haben nationaler Glaube und nationale
Sprache zähen Widerstand geleistet.
In Blut und Eisen sind die Denkmale gezeichnet, welche den welt-
historischen Anteil der Germanen am Bestände der römischen Kulturwelt
verewigen. Es war ein Soldatengeschlecht. Fast überall ist der Germane
Rom gegenüber hemmend oder zerstörend aufgetreten (Mommsen, Rom.
Gesch. Y 153 f.). Kein glänzendes Bild zeigt uns die Ahnen in Mit-
wirkung an den Künsten des Friedens oder an den Problemen der Wissen-
schaften^). Nicht einmal die „Mischkultur" in den rheinischen Provinzen
hat es zu origineller Kraftäusserung eigenen Stils gebracht. Sofern nicht
das militärische Interesse die Leidenschaften der Germanen erregte, ist in
den letzten Jahrhunderten des römischen Kaisertums bei einzelnen gross
angelegten Naturen die höhere Politik und Staatskuust das Ziel des Ehr-
geizes. Ich sehe von den grossen gotischen Generalen ab und weise nur
auf den edelsten und trefflichsten in der erlesenen Schar, auf Stilicho.
Höchst bedeutsam tritt in den staatsmännischen Yerdiensten dieses Wan-
dalen die Rolle zu Tage, die er im Kampf zwischen Heidentum und
Christentum gespielt hat (vgl. Th. Birt, De moribus christianis quautum
Stilichonis aetate in aula imperatoria occidentali valuerint disputatio.
Marburg 1885).
Wenn Stilicho es gewesen ist, der die bürgerliche Gleichberechtigung
der Heiden und Christen in sein staatsmännisches Programm aufgenommen
liat^), drängt sich die Frage auf, wie überhaupt der Germane, sei es der
hochgestellte oder der gemeine Mann, mit dem römischen Heidentum sich
abgefunden habe. Die Christianisierung soll hier nicht gestreift werden.
Bis auf die Zeit von Stilicho waren Millionen von Germanen aus der
Heimat ihrer Rechte, ihrer Sitte und ihres Glaubens in die Fremde ge-
zogen. Wenn unsere Vorstellung von den Lebensanschauungen der alten
Deutschen irgend begründet ist, so dürfen wir schliessen, dass im Yerband
der Sippe die religiöse Gebundenheit das individuelle Empfindungsleben
aufs nachhaltigste beherrscht hat. Losgerissen von dem heiligen Kreis der
Familie, mit der frommen Scheu vor der Allgewalt seiner Götter im Herzen,
so ist das junge deutsche Blut unter die wilde Soldateska des römischen
Heeres getreten. Wenn auch in einem deutschen Gemüt die Prachtbauten
der Tempelanlagen ohne Eindruck geblieben sein mögen, so konnte doch
das Beispiel der Kameraden die populären Soldatengötter ihm zugänglich
machen. Wohl haben wir vereinzelte Zeugnisse, dass von den germani-
schen Heerführern in römischen Diensten der eine oder andere seinen
Barbaren göttern treu geblieben sei. Wie stand es aber in diesem Punkte
1) Die Scluift des Censorinus, De die natali, ist in Mainz a. 238 geschrieben worden.
2) Vgl. H. Eichter, Das weströoiischc Reich, S. 663.
26 Kauffniann:
mit der grossen Masse? Hat der deutsche Reitersmann, vom Gang der
Ereignisse bald da bald dorthin verschlagen, den alten Göttern die Treue
gehalten? Hat der deutsche Sklave, der in hartem Dienst die Kriegs-
gefangenschaft verbüsste, den Göttern des Olymp geopfert? Haben in
römischen Städten deutsche Familien für ihr Haus die heimatlichen Kulte
gepflegt, aber willig der Majestät des Augustus die schuldige Yerehrung
erwiesen? Das letztere ist jedenfalls unbedingt zu bejahen. War doch
der Kaiserkultus des Civil- und Militärstandes nichts anderes als die un-
bedingt geforderte, gehorsame Anerkennung der römischen Autorität^).
Die Beantwortung der übrigen Fragen ist infolge der Mangelliaftigkeit
unserer Überlieferung ausserordentlich erschwert. Um zu einer Lösung
zu gelangen, müssen wir suchen, Schritt für Schritt vorwärts zu kommen.
Im folgenden soll mit der vielverbreiteten Verehrung der Mütter eine Probe
gemacht werden.
„Die Mütter! Mütter! — 's klingt so wunderlich!" Goethe hat sich
selbst Eckermann gegenüber geäussert: „Ich kann Ihnen nichts verraten,
als dass ich beim Plutarch gefunden, dass im griechischen Altertum von
Müttern als Gottheiten die Rede gewesen. Dies ist alles, was ich der
Überlieferung verdanke, das übrige ist meine eigene Erfindung" (Goethe's
Gespräche VII 179). Plutarch, beziehungsweise sein Gewährsmann Posi-
donius, der Sicilien genau kannte '^), berichtet nämlich im Marcellus (c. 20),
in Engyion auf Sicilien habe ein berühmter Tempel gewisser Gottheiten
gestanden, die man {.laTSQag nenne. Ausführlicher giebt uns die Auf-
zeichnungen des Posidonius Diodor (Bibl. hist. IV c. 79. 80). Er versteht
unter den Müttern die Erzieherinnen des Zeus auf Kreta. Der Kult sei
durch die mit Minos nach Sicilien eingewanderten Kreter dorthin ver-
pflanzt worden. In den Tempel wurden ringsum aus der dortigen Gegend
reiche Weihgeschenke gestiftet, weil man die Wohlfahrt und das Ge-
deihen von Stadt und Person von den Müttern abhängig glaubte. Cicero (in
Verrem IV 44) hat den Tempel für ein matris magnae fanum gehalten und
man wird diese Annahme nicht so leichten Kaufes übergehen dürfen. Die
^Ewv i^iijrr]Q, deren Leib den mächtigsten Gott geboren, hat vorzugsweise
für die Mutter Erde gegolten, in der geheimnisvollen Zurückgezogenheit
des Waldgebirges thronend (u'^rrjQ oQsia. fi'^TrjQ ^löaia). Sie ist vielfach
der Demeter gleichgesetzt worden. Sie wird denn auch mit Persephone
zusammen unter den sicilischen Müttern zu verstehen sein. Demeter bildet
mit Persephone ein in Kult und Sage unzertrennliches Paar, daher sie
gewöhnlich xw ^ecu schlechthin genannt worden sind. Wenn sie sonst
noch als cu at(.ivai oder ai nöxviai oder ai öeauoivai zuweilen als al
(xsydlai i^sai zusammengefasst werden (Preller, Griech. Mythol. P 618),
1) Vgl. 0. Hirsclifeld, Zur Geschichte des römischen Kaiserkidtus. Sitzungsberichte
der Berliner Akad. 1888 S. 833 ff.
2) Vgl. Müllenhoff, Deutsche Alterturaskunde II 128.
I)er Matronenkultus in Gprnianien. 27
SO ist die Entwickeliing der Terminologie zu den sicilischen fii]T£()sg leicht
verständlich. Ausserhalb Siciliens sind die Mütter im rituellen Sprach-
gebrauch überhaupt nicht nachweisbar. Zwei Inschriften auf Schleuder-
bleien, die bei Syrakiis gefunden worden sind, beziehen sich zweifelsohne
auf den Lokalkult. Sie lauten: NIKH MUiEP^2N und stammen aus der
Zeit des zweiten Sklavenkrieges auf Sicilien (103 — 98 v. Chr.). Dazu
kommt ein bei Palermo gefundenes Stück JSIKH MA TEPOC und zeuo-t
dafür, dass die Kombination mit der d^eojv /iiijzrjQ hohe Wahrscheinlichkeit
hat (luscript. Graec. Siciliae et Italiae ed. G. Kaibel [1890] no. 2407, 7).
Nirgends auf italischem Boden ist eine Spur dieses sicilischen Mütterkultes
nachzuweisen. AYas Diodor und Plutarch berichten, trägt den Stempel
einer antiquarischen Notiz, welche für die Zustände der Gegenwart aktuelles
Interesse nicht mehr besass. Folglich ist ganz und gar ausgeschlossen, dass
von Sicilien aus die Verehrung der Mütter in die römischen Feldlager und
Städte Galliens, Spaniens, Britanniens und Germaniens verpflanzt worden
sein könnte. Eine derartige Ausbreitung wäre doch nur verständlich, wenn
Rom und Italien das Beispiel gegeben hätten.
Es handelt sich vielmehr um einen Kultus, der mit dem sicilischen
nur den Namen gemeinsam hat. Schon die Dreizahl der matres und
matronae auf den Reliefs') der iu den Provinzen gefundenen Denksteine
steht mit der sicilischen Vorstellung anscheinend nicht im Einklang. Seit
der planvollen und sorgfältigen Untersuchung von M. Ihm: Der Mütter-
oder Matronenkultus und seine Denkmäler. Mit 3 Tafeln und 19 Holz-
schnitten (in den Jahrbüchern des Vereins von Altertumsfreunden im
Rheinlande, Heft LXXXIII, Bonn 1887, S. 1—200) wissen wir, dass der
Mütterkultus der westlichen und nördlichen Provinzen ein Stück
keltischer Gott es Verehrung gewesen ist. Der Beweis lässt sich noch
etwas detaillierter und schärfer führen, als dies schon bei Ihm ge-
schehen ist.
Die älteste Inschrift, die wir kennen, stammt aus der Regierungszeit
des Caligula (37 — 41 n. Chr.). Sie ist von Narcissus, dem Freigelassenen
des Kaisers, gestiftet und bei Pallanza am Lago Maggiore gefunden
worden:
Matronis sacrum pro salute C Caesaris Augusti Gennanici Narcissus
C. Caesaris (Ihm no. 35. CIL. V 6641).
Diese Inschrift ist von ganz besonderem Werte, weil sie durch ihr Alter
selbständiges Zeugnis liefert für einen damals in den niederen Volkskreisen
herrschenden gallischen Mütterkult. Aus dem Jahr 103 stammt eine zweite
oberitalienische Inschrift (gef. zu Montorfano bei Como):
1) Über die bikUiche Darstellung der Mütter verweise icli ein für allemal auf die
Behandlung- des Gegenstandes bei M. Ihm in der sogleich zu nennenden Abhandlung
S. 37 ff. — Die einzelnen Inschriften Averdo ich nach der Sammlung Ihra's (S. 105 ff.)
eitleren.
28 Kaufifmann :
Imp. Nerva Traiano V cos. matronis v. s. l. l. m. M. Catullms Mercator
et M. Catullius Secundus (Ihm no. 64).
Um die Wende des 1. und 2. Jahrhunderts fallen die frühesten Denk-
steine Untergermaniens und erstrecken sich bis gegen die Mitte des 3. Jahr-
hunderts. Der Zeit nach zunächst stehen die genau datierten stadtrömischen
Inschriften, welche von den Kaiserreitern (equites singulares) unter Traian,
Hadrian und Antoninus Pius gestiftet sind. Die grosse Masse der mehr
als 300 Inschriften gehört dem zweiten und dritten nachchristlichen Jahr-
hundert an. Die Inschriften Britanniens beginnen erst in der Zeit nach
Hadrian. Von den Denksteinen Südfrankreichs ist nur ein einzio-er mit
Sicherheit datiert (Ihm no. 394 a. 193 — 96).
Mit dem schon sehr zwingenden chronologischen Argument vereinigt
sich, was wir über das Kultwesen der Mütter in Erfahrung bringen können.
Unter der Inschrift von Pallanza befindet sich eine Opferdarstellung.
Narcissus opfert, in der rechten hält er eine Opferschale über den Altar;
links vom Beschauer befindet sich ein Flötenspieler, rechts ein Mann mit
Krug und Opferschale, vor diesem ein Opfertier; auf der Rückseite des
Steins drei Frauengestalten mit verschlungenen Händen nach rechts in
tanzender Bewegung, auf den Seitenflächen je eine ähnliche Gestalt: wahr-
scheinlich um die Teilnahme der Frauen an den Opferhandlungen darzu-
stellen (Ihm S. 49). Die stark überwiegende Mehrzahl der Weihungen
stammt von Soldaten niederen Ranges. In Gallia Cisalpina finden wir
unter den Dedikanten verschwindend wenige Soldaten, in Gallia Narbo-
nensis überhaupt keinen, in Lugudunensis nur eineu. In Rom dagegen
gehören alle Dedikanten dem Soldatenstande an, in Britannien weitaus der
grösste, in Germanien ein sehr beträchtlicher Teil. Mit der Darstellung auf
dem Pallanzastein steht es in Übereinstimmung, dass gerade in Oberitalien
die Zahl der von Frauen geweihten Steine verhältnismässig grösser
ist als in den anderen Provinzen. Dieses gleichmässige Interesse der Be-
völkerung an der Mütterverehrung fällt dafür- sehr stark ins Gewicht, dass
die gallischen Gebiete das Haupt- und Heimatland derselben gewesen sind.
In Rom und Britannien finden wir unter den Dedikanten keine einzige
Frau; zuweilen lösen auch Männer und Weiber ihr Gelübde zugleich,
namentlich in Untergermanien. Man wird vorzugsweise an Yeteranen-
familien zu denken haben.
Sehr wichtig ist ferner der Unterschied in den Dedikationen. Wie
anderen Göttern sind den Müttern Tempel, Kapellen, Altäre geweiht
worden. Eine bei Vieune gefundene Inschrift (Ihm no. 145) lautet in den
erhaltenen Resten:
Matris August, aedem et . . .
Deutlicher spricht der Lyoner Stein (Ihm no. 386):
Matris Aug. in honorem domus Saediorum Eutyches lih. aedem cum
ara dat
Der Matronenknltus in Germanien. 29
oder der folgende aus Britannieu (Ihm no. 369):
Matribus omnium gentium templum olim vetustate conlahsum G. Jul.
Cupitiamis centuno primipilarius restituit.
Auf den erstaunlich zahlreichen Steinen Ober- und Unter-
germaniens ist nichts dergleichen nachweisbar. Was man an
baulichen Resten für ehemalige Heiligtümer der Mütter hat ausgeben
wollen (Ihm S. 51). ändert an dieser Thatsache nichts. Für Gallien als
der Heimat der Mütterverehrung sprechen nicht bloss die erwähnten That-
sachen eines alteingesessenen, allgemeinen Gottesdienstes. Auch die
Sprache steuert zur Begründung bei. Die vielbesprochene Inschrift von
^ivie?, {Nemmisus) erzählt uns von dem Mütterkult in der Landes-
sprache. Ton dem Namen des Dedikauten, den man gern als Gartabos
lllanviahos entziifert hätte, sind heute nur noch ungenügende Spuren vor-
handen. AVeiter lautet die Inschrift in griechischen Lettern: .... öeöe
liiaTQsßo vaf.iavöLytaßo ßQarovde. Es ist längst bekannt, dass in ^.luxQEßo
vaf.iavGixaßo uns die altgallischen Wortformeu erhalten sind, vgl. Windiscli
in Paul und Braune's Beiträgen IV 221; W. Stokes in Bezzenbergers
Beiträgen XI 125; Brugmann, Grundriss 11 709. 713. In der Über-
setzung wüi'de lat. matribus nemausicis entsprechen. Das Zeugnis der
Muttersprache fällt so schwer in die Wagschale, dass nunmehr jeder Ge-
danke ausgeschlossen ist, die Mütter könnten in anderen als in altgallischen
Religionsvorstellungen ihre Wurzel haben. Trotz der Yerbreitung des
Lateinischen hat die altgallische Volkssprache während der römischen
Kaiserzeit fortbestanden und uns Kunde von dem ungebrochenen Dasein
gallischen Volkstums hinterlassen^).
Nun lässt sich aber die Beweiskraft von f^iavQsßo vafiavoixaßo noch
verstärken. Auf dem altgallischen -abo beruht wohl die vulgäre Form
lat. matrabus, die gerade im narbonensischen Gallien üblich ist.
Aus ihr lässt sich erst ein zu dem vorauszusetzenden uom. sg. matra ge-
bildeter dat. pl. matris erklären, der wiederum nur in Gallia Narbo-
nensis und Lugudunensis belegt ist. Matnbus in der Dedikations-
formel ist durchweg auf den stadtrömischen, britannischen und spanischen
Inschriften üblich, in Oberitalien und Germanien ist die regelmässige Be-
nennung matronis (selten matronabus^ Ihm no. 81. 83. 86). Der Sprach-
gebrauch der verschiedenen Provinzen ist also nicht derselbe. Auf
einen Wesensunterschied zwischen matres und matronae darf daraus keines-
wegs geschlossen werden. Da in der römischen Mythologie ausser der matrona
Juno^ deren Fest (matronalia) am 1. März gefeiert wurde, nirgends von
matronae oder matres die Rede ist, werden die 31üttor schon durch ihren
1) Vgl. Budinszky, Die Ausbreitung der lateinischen Sprache über Italien und die
Provinzen dps römischen Reichs, S. 114 ff.; Mommsen, Rom. Gesch. V 00 ff.; 0. Hirsch-
feld, Wcsld. Zeitschr. VIII 134 f.
30 Kanffmann:
Namen als barbarische Gottheiten gekennzeichnet (Siebourg, Westd.
Zeitschr. VIII 102).
Wir erkennen jetzt auf Grund von (.latQsßn va/navantaßn in einer
Inschrift wie Matris Aug. Eburnicis (Ihm no. 393) die genau entsprechende
lateinische Fassung: wie dort die Mütter von Nimes, so sind hier die von
Yvours (bei Lyon) gemeint^). Wenn es irgend möglich ist, einen Weg
zu methodischer Erklärung des Mütterkultes zu finden, so wird derselbe
von diesen beiden Inschriften seinen Ausgang zu nehmen haben, die so
vortrefflich im Einklang miteinander stehen und deren Angaben für uns
so klar und deutlich sind.
Gallische Inschriften weisen uns auch auf einen Ritus, von dem aus
allein fernere Aufklärung zu erwarten ist. Wie wir nämlich von Müttern
als gallischen Stadtgottheiten hören ^), so auch von männlichen Göttern,
deren Namen mit Örtlichkeiten verknüpft worden sind. Es ist doch höchst
lehrreich, ausser den Müttern von Nemausus auch einen deus Nemausus
(CIL. Xn 8098. 3100) zu finden. Von dieser Parallele aus erscheinen
dea Bibracte, dea Mogontia, dea Vinovia (Ihm S. 127) als wesensgleich mit
den deabus matrabus. Wenn irgend etwas vom Mütterkultus Anspruch auf
Thatsächlichkeit hat, so ist dies die Annahme, dass darunter Stadt- oder
allgemein Ortsgottheiten zu verstehen, ihre Beinamen als topische aufzu-
fassen sind^). Wie schön trifft es sich, dass eine oberitalienische Inschrift
(Ihm no. 51) lautet: Matronis et vicanis C. Sexsticius Carbasus, in der
ausser dem Orte auch die Ortsbewohner mit einbegriffen sind (vgl. Ihm
S. 36 f.). Dass der Drang nach Schutz und Wohlfahrt die Weihgelübde
an die Mütter veranlasste, wird besonders nahegelegt durch eine in Gallien
gefundene griechische Inschrift . . . ^irixQaai xai öiooynQoig, wo die Mütter
mit dem schützenden Brüderpaar vereinigt sind. Wie der Römer unter
1) Ebenso beziehen sich Matronae Vediantiae (Ihm no. 27) auf die Vediantii in
Gallia Cisalpina. Die Inschxiit ^ Matronis Deruonnis (Ihm no. 49) ist längst auf den bei
Mailand gelegenen Ort Dervo bezogen worden wie Matribus Treveris (Ihm no. 334) auf
Trier u. a.
2) Vgl. 0. Hirschfeld, Westd. Zeitschr. VIII 135.
3) Ganz analog den christlichen Stadtpatronen , beziehungsweise den dahinter
steckenden heidnischen Genien als Beschützern von Städten und Gemeinden, vgl. Eoschers
Lexikon II 1620. Es sind diese Patrone nichts anderes als die civitatum genii, von denen
Arnobius (1, 28) spricht, die wie so viele andere sog. christlichen Vorstellungen mehr
oder weniger vollständig aus dem antiken Heidentum übernommen worden sind. Ter-
tullian (ad nationes 2, 8) meinte: rideo deos decuriones cuiusque municipii quihus honor
intra muros suos determinatur, und Symmachus (in der Ausg. der Monum. Germ. 10, 3):
varios custodes urhihus cultas mens divina distriduit, ut animae nascenti/>us ita popidis fatales
genii dividuntur, ebenso Prudentius (c. Symm. 2, 370): cunctis populis neu moenibus in-
ditur aut fatiini aut genius nostraruin aaimaruin. — Die stadtschützeude Göttin wird auf den
Inschriften auch Tutela (z B. von Tarragona in Spanien) genannt, und tutela ist bekannt-
lich bei den römischen Dichtem der unserem „Schutzpatron" entsprechende Terminus,
Über die dii tutelares orhis christiani vgl. Fabricius, Bibliographia Antiquaria (Hamburg
17C0) S. 357 ff.
l")er MatronpnkultHs in riformanipn. 31
dem Begriff der matrona die ehrwürdige, die Obhut des Hauses und der
Familie führende Frau A'erstaiiden hat (Siebourg, Westd. Zeitschr.
VII 102), so ist diese Yorstelluug in den Matronen als Ortsgottheiten
lebendig (vgl. mat&r: matrona wie fater: patronus). Siebourg hat sich (in
seiner Dissertation de Sulevis p. 32) mit gutem Grund denjenigen an-
geschlossen, die (wie z.B. Th. Mommsen, Archäol. Zeitung 27, 89) glauben:
matres cognomentis numina tutelaria eoruni locorum significari
unde illi homines orti sint („heimatlich"). Ebenso ist FrieMerichs
(Matronarum Monumenta p. 49) zu dem Schluss gekommen, dass wir
lokale Schutzgottheiten in den Müttern zu suchen haben (omnia fere
cognomina barbara quibus in Galliae imprirais et Germaniae titulis latinis
[dii] praediti sunt a pagis montibus fluminibus similibus ducere mihi
constat) ^).
Schliesslich ist noch ein letzter Punkt zu Gunsten der gallischen Her-
kunft des Mütterkultes zu erwähnen. Im Jahre 1885 wurde in Eom an
der Via Tasso, wo die Kaserne der Kaiserreiter lag, eine grosse Zahl a'ou
Inschriften gefunden. Elf derselben nennen die Matres: neunmal unter
anderen Götternamen in der Gruppe: . . , Eponae Matribus Sulevis . . .,
einmal Matribus Suleis (bei Ihm no. 13), einmal Matribus paternis et maternis
meisque Sulevis (Ihm no. 14).
Epona, Name der bekannten Pferde- und Maultiergöttin, gebildet wie
die gall. Epormdus, Eporedia^ Eporedorix u. a. (Glück, Keltische Namen
bei Caesar, S. 42; W. Stokes, Bezzenb. Beitr. XI 135) von gall. ep (^ equus)
ist eine erwiesenermassen gallische Gottheit (Ihm S. 55. 86 f.). Dasselbe
gilt von den Suleviae (Siebourg, Westd. Zeitschr. VH 107 ff.), deren
Namensform schon Glück a. a. O. S. 142. 164 klargestellt hat. Die Suleviae
gehören zu der britannischen c?ea *Sw^ (Siebourg, De Sulevis p. 34), unter
deren Schutz die aquae Sulis (das heutige Bath) gestanden haben. Gerade
bei diesen Quellen ist die Inschrift gefunden w^orden : Sulevis Sulinus scultor
Bruceti filius sacrum fecit l. m. (Ihm no. 344). Die dea Sul gehört in die-
selbe Linie mit den bereits genannten dea Bibracte, dea Mogontia etc. und
so sind denn auch die Suleviae^ wie Siebourg^) und Ihm gezeigt haben,
mit den Müttern nächstverwaudt^). An ihrer keltischen Herkunft ist so
wenig zu zweifeln wie bei der Epona. Wie sollten die Matres, welche
zwischen der keltischen Epona und den keltischen Suleviae aufgeführt
1) Auch E. Hübner, Römische Herrschaft in Wosteui-opa (Berlin 1890) S. 145 hält
zwar den Niederrhein für „die eigentliche Heimat des keltisch -germanischen Mütter- und
Matronenkultus", fälirt alicr fort: „Jede Landschaft, jedes Tlial und jeder Berg und Stein
hatte seine nach dem Ort benannten Mütter".
'Jj Siebourg hätte nur nicJit von Malrcs Suleviae reden sollen, denn wir kennen
nur Snleviae; danach ist auch die Inschrift Matrihua Sulevis aus Britannien (Bonn. Jahrb.
I. XXXIX 241) zu beurteilen.
3) Auch Henzen (Annali dell Instituto 1885 p. 271) sagt: Matres c le Suleviae
sono abbastanza note come numi di provenienza celtica.
32 Kauffjnann:
werden, anders unterzubringen sein, als bei demselben keltischen Volke?
Weder auf den römischen noch auf den Provinzialinschriften hat aucli nur
ein einziger Germane seine Nationalität bekannt, kein germanischer Truppen-
teil ist auf den Matronensteinen vertreten, wohl aber finden sich: coh. 1
ffelvetionim, coh. I Tunc/roru7)i, coh. I Lingonum, coh. IUI Gallorum, milites,
Brittones — lauter Truppenteile keltischer Nationalität, denen aus Britannien
eine vexillatio Germanonim hinzuzufügen ist, ein Detachement, über dessen
Zusammensetzung wir durch den unbestimmten Namen nicht aufgeklärt
werden^).
Endlich noch eines. Beda, De tempormn ratione c. 13, berichtet von
den antiqui Anglorum populi, unter denen er vielleicht auch die keltische Ur-
bevölkerung Britanniens verstanden oder miteinbegriffen hat, bei ihnen habe
man dieWeihmicht gentüi vocabulo modr anecht, i.e. matrum noctem, genannt.
Schon J. Grimm, MythoL* S. 628 wusste diese Mütter nirgends in deutscher
Überlieferung unterzubringen. Aus einem brit. modrenocht (wie z. B.
modreped Zeuss^ S. 291) ist das uns erhaltene ?worfr«w^cÄ^ entweder verderbt
oder anglisiert. Die Benennung kann bei den Angelsachsen nicht ent-
standen sein, ist vielmehr ein letzter Zeuge für die aus den Inschriften
bekannte keltische Müttervorstellung.
Nunmehr sind wir vorbereitet, uns über die Stellung der reichsunter-
thänigen Germanen zu diesem keltischen Kultus Klarheit zu ver-
schaffen. Um die freien Germanen jenseits des Rheins oder jenseits des
Limes kann es sich hier nicht handeln, da bei ihnen die Mütter gänzlich
unbekannt gewesen sind.
Die gewaltigen Truppenmassen, die als stehende Grenzwacht in den
beiden Germanien verwendet waren, sollten gleichzeitig grossen civili-
satorischen Aufgaben dienen. Bald erhoben sich in der Nähe der Feld-
lager bürgerliche Ansiedlungen , die sich rasch zu Dorf und Stadt er-
weiterten. Dieselben waren meist, wie ihre Benennungen verraten, keltischen
Ursprungs: Argentorate, Borbetomagus, Noviomagus, Mogontiacum, Baudo-
briga, Antunnacum, Bonna, Novesium, Gelduba u. s. w. Was die Be-
völkerung der Landstriche betrifft, in denen Höhenzüge, Flussläufe, An-
siedlungen noch bis heute ihre keltischen Namen bewahrt haben, so ist
die Rheinebene zwischen Vosagus und Abnoba zur Zeit des Ariovist in
germanischen Besitz gekommen. Schon zu Caesars Tagen wohnten hier
dem Main nahe, aber westlich des Rheins, innerhalb der römischen Provinz
Gallia, die Vangiones. Die südlichen Nachbarn derselben waren Nemetes
und Triboci, beide Völkernamen keltischer Herkunft. Es ist von diesen
Stämmen „geschichtlich nichts hervorzuheben, als dass sie seit langem
unter den Kelten ansässig, die Schicksale Galliens teilten" (Mommsen,
1) Vexillatio Gerwanoruin besagt wahrscheinlich nicht iiielir als die uns andernorts
bekannte Vexillatio exercilus Germaniae inferioris.
Der Matroncnkultus in Germanien. 33
Rom. Gesch. V 134). Beim Aufstand des Jahres 70 haben Yangionen und
Triboker in den Reihen der Gallier gestanden, aber sobald es anfing, schief
zu gehen, sich auf die Seite der Römer geschlagen (Tacitus, Hisr. IV 70).
Vangionen (Worms), Nemeter (Speier), Triboker (Elsass) waren mit den
Raurikern (Basel), Lingonen (Langres), Sequanern (Besancoii), Helvetiern
(Schweiz) zum obergermanischen Verwaltungsbezirk vereinigt (Mommsen
a. a. 0. S. 109). Wie auch des näheren die Zusammensetzung dieser an-
geblichen Germanen, der Vangiones, Nemetes, Triboci gewesen sein mag:
diese Volksgruppe ist in rascliestem Tempo verwelscht und, hat ihre ger-
manische ISTationalität eingebüsst. Das Übergewicht des gallischen Elements
wird bekanntlich durch keine Thatsache so schlagend bewiesen, als durch
die Angabe des Tacitus, die sog. agri decumates seien durch Kolonisten
aus Gallien besiedelt worden. Germanische Völkerschaften liaben hier
überhaupt nicht gewohnt. Das Land war planmässig entvölkert worden.
In Untergermanien hatte Augustus die Ubier vom rechten Rheinufer
auf das linke verpflanzt in ein Gebiet, das grösstenteils von keltischen
Bewohnern besetzt war. Nördlich von ihnen sassen die germanischen
Cugerner (d. i. Sugambrer?) und weiterliin folgten die den Römern ver-
bündeten aber steuerfreien Bataver. Die keltische Abkunft der sog.
gallischen oder belgischen Germanen steht ausser allem Zweifel. Man darf
sich über die Ausbreitung der linksrheinischen Germanen nicht dadurch
täuschen lassen, dass die Grenzen des administrativen Bezirks Germania
inferior, wie auch die Benennung der Bewohner als Germani über einen
weit grösseren Landstrich sich erstreckt haben. Alle die Germani eis
Rhenum wie Menapier, Aduatuker, Baetasier, Tungrer, 2^ervier, Eburonen,
Condruser, Paemaner, Caerveser u. s. w. gehören mit den Treverern zu-
sammen. Tacitus schildert sie als umbitiosi circa affectationem germanicae
originis (Kiepert, Lehrbuch der alten Geographie S. 520 ff.; Müllen-
hoff, Deutsclie Altertumskunde II 189 ff*.). Wie in allen anderen archäo-
logischen Fragen, ist es auch hier unzulässig, den germanischen Namen
auf dem linken Rheinufer weitei- als auf Bata^•i und vielleicht Cugerni
auszudehnen^). Die Ubier hatten seinerzeit Caesar gegen die Sueben zu
Hilfe gerufen, waren zu Herrenknechten geworden, dass ihnen, wie Tacitus
berichtet, die Scliamröte ins Gesicht stieg, wenn sie an ihre Abstammung
dachten. Die Geschichte thut den ungeratenen Söhnen, den Ubiern, kein
Unrecht, wenn sie dieselben aus der Liste der Germanen streicht. Noch
weniger können Volkshaufen olme ausgeprägtes Nationalgefülil, wie
1) Mommsen, Rom, Gesch. V 153: Eine Durchdi-ingung der beiden Nationalitäten
hat das römische Germanien nicht aufzuweisen oder sie fällt für unsere Auffassung mit
der römisch -gallischen um so mehr zusammen, als die längere Zeit in römischem Besitz
gebliebenen germanischen Gebiete auf dem linken Kheiuufer durchaus mit keltischen Ele-
menten durchsetzt wan'U und auch die auf dem rechten, ihrer ursprünglichen Be-
völkerung grösstenteils beraubt, die Mchrzalil der wnm Ansiedler aus (Jallieii erlii.'ltiMi.
Zeitsclirilt d. Vereins f. Volkskiiixle. 1892. y
34 Kauffmann :
Vaugioneii, Nemeter, Triboker, au deren geriiiauisclier Stammvorwandtscliaft
schon Tacitus zweifelte, von den zugehörigen gallischen Stämmen getrennt
werden.
Es war sehr unvorsichtig, sich auf die Dedikatioueu der equites
Singular es zu berufen, um den Anteil der Germanen am Mütterkult nach-
zuweisen. Die Kaiserreiter haben in jener Zeit, aus der die Inschriften
stammen (Trajan, Hadrian, Antoninus Pius) nur der geringen Minderzahl
nach aus Deutschen bestanden. Die Donauproviuzen, speciell Thrakien,
haben seit Trajan das Hauptkontingent zu dieser vornehmen Truppe ge-
liefert. Eine Anzahl Bataver nennt sich stolz cices Batavi auf der Insclnüft
no. 25 (Henzen, Annali dell' Instituto 1885). Sie ist an den batavischen
Nationalgott Herkules Magusanus (d. i. Thunar) gerichtet; vgl. Paul und
Braune's Beitr. XV 553 ff. Auf keiner Inschrift der Kaiserreiter,
welche die Mütter erwähnt, sind die Bataver oder andere ger-
manische Stämme vertreten. Unter den Dedikanten der Inschr. no. 1
(Ihm) bezeichnen sich mehrere der verabschiedeten Kaiserreiter als Baetasii
Die Baetasier nennt Tacitus (Hist. lY. 56. ßQ) zusammen mit den Nervieru
und Tungrern: es ist auch nicht ein einziges Zeugnis dafür beizubringen,
dass sie Germanen gewesen sein könnten. Die Inschrift no. 9 bietet einen
F.Aelius Vangio wie P.Aelius Felir, P. Aelius Latinus^ P.Aelius Nigrinus u.s.w.
Es ist wahrscheinlich aus dem cognomen Vmigio auf die Heimat des be-
treffenden Soldaten zu schliessen, denn die Inschrift no. 12 enthält einen
cives Tribocus, wie die Inschrift no. 13 einen cives Nemens (— Nemetensis'^).
Es ist nicht gleichgiltig und zufällig, dass auf den Müttersteinen Vertreter
gerade dieser, in zwei Jahrhunderten unter Galliern gallisierten Stämme
erscheinen^).
Trotz der fast ausschliesslich keltischen Bevölkerung Obergermaniens
sind hier die Zeugnisse für die Verehrung der Mütter dürftig. Zu Allmen-
dingen bei Thun sind sechs Votivbeilchen gefunden worden, von denen
eines die Inschrift Matribus (Ihm no. 156), ein zweites Matronis (Ilim
no. 157) trägt. Vier Mütterinschriften stammen aus Besaneon und Um-
gegend, zwei aus Langres, die für uns nicht in Betracht kommen. Die
Inschrift aus Ell (Elsass) weist schon in ihrer Namengebung (Sexius Cle-
mentis filius, Ihm no. 173) auf keltische Herkunft. Der Stein aus Böckingen
(Württemberg) ist von der coh. I Helfe tiorum gestiftet (Ihm no. 177), klärt
uns also wiederum deutlich genug über die Nationalität der Dedikanten
auf. Ausserdem sind folo-ende oberffermanische Inschriften bekannt:
1) Heuzen a. a. 0. p. 271 hält den CanditUnius Saturninus, dmi Dedikanten der
Inschrift: Matrihus paternis maternis meisque Sulevls für einen Bataver, weil zwei Kaiser-
reiter, ein CamUdinius Verax und dessen Bruder Candidinius SpecUdus sich als Bataver zu
erkennen geben {natione Badaus CIL VI 3240). Die Übereinstimmung des "Namens ist
nicht massgebend im Gegensatz zu der ThatsacJic, dass der l)etrefTende Soldat sich durcli
die Dedikation an Matres und iSakviae als K.'lti'ti ausweist.
Der Matronenkultus in Gerinanien. 35
181 Iliin. Xeidoiisteiii (Biuleii); jetzt Musoiiiii in Karlsriilie:
Matronis Alhiahenabus Julius Veranius Super pro se et suis c. s. L
18(> Ihm. Mrtinz-Zahlbacli: jetzt 3Iiiseuiu in Mainz:
Jovi optimo ma.i-imo et Matribus Ferperioa p. c. *. /. /. </.
190 Ihm. Heddernheim:
Matrihus C. Firmus decurio in suo fecit.
103 Ihm. Andernach; jetzt Kgl. Musenm in Bonn:
Matribus suis Similio miles ex classe Germanica pia fideli pieromale
Cresimi i\ s. l. l. m.
Auf der in den deutschen Gewässern streifenden römischen Flotte
waren fast ausschliesslich auswärtige Matrosen eingestellt. Inschriftlich ist
bis jetzt nur ein einziger Germane unter der Bemannung nachweisbar und
dass die Inschrift 193 nicht von einem Germanen stammt, zeigt schon der
Wortlaut. Höchst lehrreich ist die grosse Fülle von Fundstücken, die aus
Untergermanien zu Tage gefördert worden sind. Im Gebiete der Bataver
ist bis jetzt nur eine einzige Mütterinsclu'ift ans Licht gekommen, sie trägt
die Dedikation: Matribus Noricis (Ihm no. 338). Das Territorium, aus
dem wir germanisclie Gottheiten wie Mars Thingsus^ Alaesiagae Beda et
Fimmila, Hercules Magusanus, NeJialennia inschriftlich bezeugt finden, das
Land desjenigen Stammes, der trotz der intimen Beziehungen zu Rom
seine Individualität eifersüchtig gewaln-t hat — kennt die flutte r nicht.
Dieses negative Argument ist von grösster Bedeutung und an sich schon aus-
reichend gegen die Behauptung, beim Mütterkultus sei an nichtgermauische
Herkunft nicht zu denken.
Geographisch gruppieren sich die Fundorte der Denkmäler auf ein
verhältnismässig kleines Gebiet. Die Hauptstätten sind Euskirchen, Zülpich,
Bonn, Köln, Jülich, Uerdingen, Xanten. Die überwiegende Masse fällt ins
linksrheinische Ubierland, beziehungsweise unter die westlich angrenzenden
Gallier.
Wie in den anderen römischen Provinzen ist aucli in Ober- und L^nter-
germanien die Sitte verbreitet, den Müttern insgemein Verehrung zu er-
weisen (Inschriften wie Matribus Ihm 186. 190. 337; Matrotiis Ihm 2"26.
275). 3Iit dem auswärtigen Ritus stimmt ferner überein, dass die Mütter
durch Beiworte unterschieden werden, z. B. Matribus Treveri^- (Ihm 334)
wie Matrae Eburnicae in Südfrankreich u. a.; oder einfach Matribus, Ma-
tronis 7neis, suis, domesticis um die eigene Heimat, paternis resp. maternis
um die Heimat der Eltern in göttlichen Schutz zu stellen. Eine Gruppe
für sich bilden die niederrheinischen Inschriften, welclie nur den Bei-
namen überliefern: es ist z. B. nicht bloss von Matronis Gabiabus, sondern
auch schlechtweg von Gabiabus die Rede u. a. Es ist sehr glaublich, dass
hierdurch wiederum die Fremdartigkeit der Mütter Vorstellung bestätigt
wird. Wie die keltischen Suleviae ohne den Beisatz von Matres oder Ma-
tronae auftreten, so kennen wir 24 Inschriften Untei-germaniens, in welclien
36 Kauliinanii :
die letzteren fehlen. Auch die Germanen kannten weibliche Schutzgottheiten
wie die friesischen Alaesiagae, von denen aber aus verschiedenen Gründen
angenommen werden muss, dass sie jungfräulich gedacht worden sind.
In dem Fehlen von »latres , mat)'07iae darf man wohl einen A^ersueh er-
kennen, den gallischen Brauch für Germanien zu adoptieren und des un-
verträglichsten zu entkleiden.
Die Forschung, soweit sie sich bisher mit dem Mütterkultus beschäftigt
hat, ist durch diese Mütterbeinamen in einseitiger Weise beeinfiusst worden.
Mit Hilfe eines unsicheren Etymologisierens glaubte man soweit gekommen
zu sein, in dem Beinamen, folglich auch in der ^lüttervorstellung, etwas
specifisch Germanisches erkannt zu haben. Hiergegen muss aufs nach-
drücklichste betont werden, dass unter den Beinamen der Mütter auch am
Niederrhein eine stattliche Anzahl solcher sich findet, die klar und deutlich
keltischem Sprachgut angehören. Diese müssen vorweg eliminiert
werden ^).
Die Matronae Octocannae von Gripswald bei Uerdingen bedürfen be-
züglich ihrer keltischen Benennung keiner Erläuterung (vgl. Octodtirum
u. a.. Glück S. 133; Zeuss ^ S. G8): wie die Octo-cannehae sind die 8ec-
cannehae gebildet; sie sin<l bei Blankenheim in der Eifel gefunden und
erledigen sich durch Hhiweis auf gallische Namen wie Seccalm (Glück
S. 160), Sequana, Sequani u. a.; bezügl. -canna vgl. Ihm S. 26. Ich ver-
gleiche mit den Matronis Cuchinehis von Zülpich {Tolbiacum) kelt. Cucalua
(Glück S. 160); mit den Matronis Vesuniahenis, oder einfach Vesuniahenis
von Zülpich und Vettweiss die kelt. Vesunna, Vesunnici (Zeuss'^ S. 774);
mit den Matronis Anesaminehis von Zülpich keltisch Anesus (= Mütter von
der Ens Müll enh off DA. II 222; Zeuss'' S. 785) wie mit den Matronis
Aumenahenis von Köln den keltischen Namen der Heilquellen von Ems an
der unteren Lahn: Aunmiza a. 880, Ouminci a. 959, vgl. Arnold, Ansied-
lungen S. 55; Müllenhoff DA. II 221). Zu den Matronis Axsinginehis aus
Köln wird man kelt. Axona (Zeuss ^ S. 13) halten müssen (anders Holder
im altcelt. Sprachsch. sp. 320), zu Matronis Gesahenis aus Altenberg bei Köln,
aus Eödingen bei Jülich und aus Bettenhofen bei Jülich kelt. Gesoriacum u. a.
(Glück S. 28; Zeuss ^ S. 779). Am letztgenannten Orte sind mit ihnen die
Matronae Ettrahenae vereinigt, wie beide ohne den Beisatz von matronis
wiederum aus Rödingen bekannt sind; zu den Ettrahenae {Etrahenae) bietet
sich kelt. Edro, Edros (Zeuss ^ S. 778). An Stelle von den unsicher ent-
zifferten Matronis Ahiamar. von Floisdorf ist zweifellos nach den Ambiomarcis
1) Auf die Bemülumgen, modenie Spuren des Mütterkultes in der Rheinprovinz auf-
zuspüren, brauche ich nicht einzugehen (vgl z. B. Zeitschrift für deutsche Philol. Ill 434).
— Leider machen immer noch Ortsnamen wie Müddersheim (bei Zülpich) geheimnisvollen
Eindruck; selbst ein ernsthafter Forscher wie Ihm meinte noch (S. 52), das Dorf habe
von den Müttern seinen Namen: d^r Eponjmus hat natürlich Mdtheri geheisseu (Miii/ter(\i-
heim a. 763).
Der IVtatronenkultus in Germanien. 37
(vgl. rheinische Ortsnamen wie Marcomagus, Marcodurum) von Remagen
(Ihm 444) Aiiibiamar. zu lesen und kelt. Ambioriv etc. zu vergleichen
(Glück S. 18). Für die Matres Mediotoutehae aus Köln verweise ich mit
Ihm (S. 19) auf Mediomatnci, Toutates u. a.; für die Matronae Änaneptae^)
auf Glück S. 45, Zeuss' S. 29. 30. 763; für die Matrae Arsacae von
Xanten auf die Oromarsaci bei Glück S.45. 195 {Arsacus bei Holder sp. 222)
oder die Arsana bei Hamm (Müllenhoff DA. H 225). In den Matronis Mahli-
nehis von Köln wird kelt. Maglus, Maglim (Zeuss ^ S.766) stecken, vgl. Magh-
linia, Macldinium u.a. für das heutige Mecheln (Ihm S.22). Vollständig rätsel-
haft sind mir die Atufrafinehae von Berkum. Hier w^ird einmal der bewährte
Spruch Anwendung finden dürfen: was man nicht erklären kann, sieht man
für keltisch an, zumal sich für ein Präfix ahi- übereinstimmende Beleoe aus
dem Keltischen ergeben (Glück S. 8, Zeus s ' S. 866). Die AndrusteUae von
Godesberg bei Köln (vgl. auch Holder sp. 151) und die Matr. Contrusteihiae
von Tetz bei Jülich (übrigens sehr fragmentarisch überliefert) gehören viel-
leicht zusammen, vgl. den gallischen /^ö^ws Condrustis u. a. Die Albiaheiiae von
Ober-Elvenich (sie stecken offenbar in diesem Ortsnamen Albiniacum a. 855,
vgl. auch Arnold, Ansiedlungen S. 126), geben wiederum deutlichen An-
klang an Albion, Albiorir u. a. (Zeuss*" S. 866), man wird sie aucli für
die obergermanischen Matronae Alhiahenae {\\e% Albia-) einzusetzen- haben.
Die Matronae Aserecinehae aus Odendorf bei Buskirchen sind zw^eifellos
nächstverwandt mit dem Acerieria; (Ihm no. 241), der sich ausdrücklich als
Sunux (d. i. aus dem keltischen Stamm der Sunuker) bezeichnet, vgl.
Th. Bergk, Zur Geschichte und Topographie der Rheinlande S. 118;
Sieb ourg, Westd. Zeitschr. YHI 229 f. Mit dem Vorschlag Ihm's, Matronis
Trisavis in Frisavis zu ändern, weiss ich nichts anzufangen, da mir nur
Frisii, Frisiavones, Frisiones bekannt sind, man vergleiche kelt. Composita
mit Tri- (Müllenhoff, DA. H 234; Glück S. 158; Zeuss ^ S. 867;
ebenda Ausava S. 789 u. a.). Die Matres Brittae und die Matres Brittae
Maccacae von Xanten weisen unmittelbar über den Kanal hinüber, die
Matres Treverae von Cleve verdanken wir einem Sohne Triers, so erinnern
auch die Matres Mopates von Xijmegen an die keltischen Völkernamen auf
-ates (vgl. Bergk a. a. O. S. 112).
Die Frage, ob uns nach Abzug dieser Inschriften, welche ein ent-
schiedenes Übergewicht der Fremden im Ubierlaude bew^eisen, ein Rest
germanischer Dedikationen verbleibt, möchte ich nicht bejahen. Es liegt
auf der Hand, dass auch gallische Dedikationen von Germanen ausgegangen
sein können. Zahlreiche Germanen waren in gallischen Siedlungen Ober-
und Untergermaniens sesshaft, aber welche Hilfsmittel bleiben uns für die
Sonderung der Nationalitäten, wenn wir uns der sprachlichen Argumente
1) Sind damit die Matronae Hiannanef. aus Köln identisch? Man niöclite an Orts-
namen wie Honnef im Siebengebirge denken, vgl. übrigens Müllenhoff DA. II 228 f.
231 Anm.
3g Kauffmann:
begeben wollten? Wie wir gesehen haben, beziehen sich die Weihnngen
an die Mütter auf die Ortsheimat der Person; der Germane, der die
Sprache und die Stammesheimat verleugnet, ist für diese ein Fremdling
geworden^).
Um die Mütternamen aufzuhellen, ist vor allem eine Untersuchung der
Wort- und Floxionsbildung erforderlich. Die Beinamen sind nur im dat.
pl. überliefert. Es lassen sich folgenik« Kategorien unterscheiden:
1. Dative auf -is, -i'bus: Treveris^ Noricis; Mopatihus.
2. Dative auf -iabus, -abus: Aufaniabus, Gabiabus; [K]eutJmngabus.
3. Dative auf -kenis, -henabus: Vesuniahenis ; Älbiahenabus.
4. Dative auf -nehis (^-neis), -nehabus: VacallineJiis, Vacallineis: Asereci-
nehabus.
5. Dative auf -elm, -ehiabus, -eihiabus: Hamavehis, Lanehiabus. Julin-
eihiabus.
6. Dative auf -ims: Aflims, Vatuims, Saitchamims.
Die beiden Steine, auf deren einem die Form Veteranehis (Ihm 240),
auf deren anderem die Form Veteralienis (Ihm 238) überliefert ist, haben
sich in Embken beisammen gefunden. Es ergiebt sich hieraus eine gewisse
Freiheit der Wortbildung in der vulgären Yerwendung der betr. Namen.
Das fremdartige Äussere zahlreicher Formen lässt sich leicht beseitigen,
wenn wir unsere gewohnte lateinische Orthographie einsetzen. Schon die
Erkenntnis, dass bekauntermassen das A-Zeichen epigraphisch als Trennungs-
zeichen der Vokale ohne selbständigen Lautwert verwendet worden ist,
leistet viel, vgl. z. B. Fernovineis, Vacallineis (Ihm 215): Vacalinehis (Ihm
225). Folglich hat sich unsere Untersuchung zu halten an Formen wie
Hamaveis, Julineis, Asereciueis, Yacallineis, Veteraneis, Rumaneis u. a.
Diese letzte Gruppe ist gebildet wie lat. eatraneus^ während die voraus-
gehende -i- als Zwischenvokal zeigt wie lat. fraxineus, lanugijieus u. a.
Eine dritte Gruppe zeigt die Ableitung -rnus, vgl. Vetera-enis. Aumeua-
enis^), ebenso wie die zahlreichen Gentilnamen auf -rnus, Westd. Zeitschr.
Vni 131. Wir erhalten auf diese Weise folgende Typen:
1. Matronis Hamaveis (Laneis u. a),
2. Matronis Vacalineis (Julineis u. a.),
3. Matronis Veteraneis (Rumaneis u. a.),
4. Matronis Veteraenis (Aumenaenis),
5. Matronis Aufanis (Aufaniabus. [R]euthungabus u. a.),
6. Matronis Aflims u. a.
1) Sehr interessant ist die Inschrift, Ihm no. 243, wo ein Sunnker den Matronis
Veterane/tabus seine Verehrnng hezengt, daneben aber ausdi-ücklicli seine keltische Heimat
nennt.
2) Es wird gesprochen worden sein Veterajenis, Aumennjenis. Ihm lässt auch die
Lesung Aumenaienis (statt Aumenahenis) auf dem Steine zu, wie vielleicht auch Fernovinei'is
(Bonn. Jalii-b. LXXXVTI 214) zu lesen ist.
Der Matrouenkultus in Germaiiiei]. 39
Ohne weiteres klar sind die Veteraneae, Rumaneae, VacaKneae, Hama-
veae. Den Vetevaneis, Veteraenis weise ich als ihren Schutzbezirk (Castra)
Vetera, d. i. Xanten im Cugernerlande zu. Die Inschriften stammen aus
Wollersheim und Embkeu (Ihm 232. 233. 234. 235. 237. 238. 239. 240.
242. 243). Gleichzeitig wurden in Embken die beiden Steine gefunden
mit der Schreibung Vataraneliahus (Ihm 236. 241), bei denen man gern
ein Versehen des Steinmetzen (a für e) annehmen wird. Th. Bergk
(Westd. Zeitschr. I 146) hat diese Mütter auf castra Vetera bezogen und es
ist nichts stichhaltiges dagegen vorzubringen {Vetera: Veteraneus -^'le extra:
extrancus). Genau ebenso gebildet sind die *Romaneae beziehungsw. Ruma-
neae^ mit u für ö wie got. Ruma, Rumoneis; bei Tacitus Cruptorix gegen
anord. Hröptr; inschriftl. Hludena gegen anord. Hlödyn. Kern hat dieselben
ganz richtig als „Mütter von Eom" gedeutet. In erster Linie spricht dafür
die "Verbreitung der Inschriften über vier verschiedene Orte (Bonn, Ihm
208; Loramersum [bei Euskirchen], Ihm 221; Jülich, Ihm 313; Bürgel,
Ihm 318) '^). Unter den Dedikanten nennt sich ein L. Vitellius Consors
(Ihm 313), der als explorator bei der legio VI victrix gedient hat. Wahr-
scheinlich stammte dieser Soldat aus Rom: oder wir können uns vorstellen,
dass er Avie die anderen Stifter die gewaltige AVeltstadt gesehen oder aus
der Ferne dem römischen (fenius {dea Roma) seine Huldigung dar-
gebracht hat.
Einig sind die Erklärer bei den Matribus oder Matronis Vacalineis^
die in Endenich bei Bonn (Ihm 215), sowie in Antweiler (Ihm 224. 225)
gefunden worden sind. Sie gehören in das Flussgebiet der Vaealis ^ der
heutigen Waal im alten Bataverland. In die nächste Nachbarschaft fallen
die Maironae Hamaveae, die in Altdorf bei Jülich gefunden worden sind
(Ihm 307). Sie sind zweifellos als Schutzgötter des Landes der Hamaven
gedacht^). Eine Inschrift [Matribujs Suebis (Ihm 289) ist in Deutz ge-
funden, eine zweite in Köln: Matribus meis Germanis Suebis, gestiftet von
einem negotiator cretarins (Kreidehäudler) namens Verecunius (ersichtlich
ein Gallier), der die IMütter seiner eigenen Heimat mit den Schutzgottheiten
der Provinz Germanien sowie des deutschen Suebenlandes vereinigt. Hier
mag er auf Handelsreisen Schutz und Frieden erfahren haben ^). Die
Inschrift gibt uns eine neue Erkenntnisquelle dafür ab, wie verkehrt es
wäre, bei Dedikationen an deutsche Mütter unbesehen germanischen Brauch
1) Die Maviaitinene, die hier mit den Rumaneae genannt sind, müssen unberücksichtigt
bleiben, da die Lesung sehr zweifelliaft ist.
2) Hamaveus ist eine Bildung nach dem Muster von lat. laneus, lacteus u. s. w.
3) Zum Dank für Glück und Wohlergehen im Lande werden die Müttersteine häufig
von Fi'emden geweiht worden sehi. Wenn z.B. eine Inschrift aus Winchester (Ihm 340)
lautet: Matribus Italis Geriiiaiüs Gallis Britannis, so wird sie der Stifter Antonius Lucre-
tianus in dankbarer Erinnerung an den Aufenthalt in den betr. Provinzen gespendet haben.
— In Oberitalien heissen die Mütter indulgcntes und werden mit Merevrio Incronun potenti
verbunden (Ihm 38).
40 Kauffmann:
zu erschli essen. Höchst wertvoll ist die vor kurzem in Köln entdeckte und
von Ihm im Rheinischen Museum XLIX 689 (Korrespbl. d. Westd. Zeitschr.
IX 250) veröffentlichte Inschrift:
[Mat]ribus Suehis . . euthungabus Julius Secundus Juli Philtati libertus
V. s. l. m.
Hier haben wir zweifellos in dem Julius Secundus einen geborenen
(kriegsgefangenen?) Sueben vor uns, der, von seinem Herrn freigelassen,
den Schutzgottheiten der Heimat dankbares Gedächtnis bewahrt. Vor
. . euthungabus fehlt ein Buchstabe (andernfalls wäre an die Juthungi zu
denken und auf F. Burg, Runeninschriften S. 114 zu verweisen); ich er-
gänze R- und sehe in dem Reuthungen densell)en Suebenstamm, den
Tacitus Reudigni nennt.
In Müntz bei Jülich ist die Inschrift mit den Matronis Julineihiabus
(Ihm 308) zu Tage gekommen, von einem Älbanius Justinm pro se et suis
gestiftet. Sie beziehen sich auf einen Ort, der mit Jülich (Juliacum) doch
gar zu grosse Ähnlichkeit zeigt, als dass man ihn nicht darauf beziehen
möchte. Julius (Caesar) wird zu Grunde liegen und daraus einerseits
Juliacum, andererseits ein adjektivisches Julineus vulgarisiert sein. Über
die Xamen Lanehiabus; Masanabus, Hiheraiis (oder -apis?)^ Guinehis, Ulau-
hinehis (steckt darin ein germ. vlau-?), Fernovineis wage ich. keinerlei Ver-
mutung zu äussern. Man ist nicht berechtigt, in diesen barbarischen Namen
gerade germanisches Sprachgut zu suchen. Vermutlich hat das ganze
Völkergemenge, welches am Niederrhein sich zusammengefunden hat, Spuren
darin hinterlassen.
So kann ich z. B. auch in den Aufaniabus und Gabiahus nichts specifisch
deutsches entdecken. Die Aufaniae weisen Aveit über die deutschen Grenzen
hinaus: sie sind in Gallien und Spanien belegt (Ihm 894. 398), wie am
Niederrhein. Es liegen folgende Denkmäler vor:
207 Ihm. Bonn:
Matribus sive Matronis Aufaniabus domesticis Q. Clodius Marcellinus
miles legionis I Minerviae v. s. l. m.
223 Ihm. Rh e der (bei Euskirchen), jetzt Kgl. Museum in Bonn:
Matronis Aufaniabus Severinius . .ve iberius Victor ex imperio
pro se et suis.
260 Ihm. Zülpich, jetzt Kgl. Museum in Bonn:
Mafrotiis Aufaniabus . . Tuscinius . . .
277 Ihm. Köln:
Matronis Aufanib. C. Julius Mansuetus miles legionis I Minerciae piae
fidelis V. s. l. m. fuit ad Alutum flumen secus monte Caucasi.
317 Ihm. Bürgel:
Matronis Aufaniabus C. Lucilius Crisj/us v. s. l. m.
335 Ihm. Nijmegen:
Matronis Aufaniabus T. Albinius Januarius o. s. l. m.
Der Matronenkultus in Germanien. 41
210 Ihm. Bonn:
Aufaniab. L. Massonius . . .
244 Ihm. Zülpich, jetzt Kgl. Museum in Bonn:
Aufanis Aulus Valerius Verus et Justinia Ursa v. s. l. vi.
259 Ihm. Zülpicli, jetzt Kgl. Museum in Bonn:
Aufanis Lentinius Mess . . ex imperio ipsarum.
397 Ihm. Lyon:
Pro Salute domini nostri imyeratoris Lud Septimi Severi Augusti
totiusque domus eins Aufanis Matronis et Matribus PannonioruTn [ft^
Delmatarum T. Cl. Pompeianus tribunus militum legionis f Minerviae
loco exculto cum discubitione et tabula v. s.
398 Ihm. Carmona bei CordoTa in Spanien:
Matribus Aufaniabus M. Jul. Gratus.
Diese Inschriften sind verhältnismässig sehr inhaltsreich. Die Lyoner
Dedikation fällt in die Jahre 193 - 196 und zwar stiftet der Legionstribun
den ^Müttern eine Anlage mit Ruhebank und Weihtafel. 3Iommsen
(Archäol. Zeitung 27, 89) meinte, der Tribun verehre die Aufanischen
Matronen in Beziehung auf die Heimat seiner aus Niedergermanien
stammenden Soldaten und die pannonischen und dalmatischen Mütter mit
Rücksieht auf die aus diesen Provinzen gebürtigen Soldaten seiner Ab-
teilung. Die Legion hat sich im zweiten dacischen Krieg unter Trajau
ausgezeichnet. Wir hören aus der Inschrift 277 von den Kriegserlebnissen
eines Soldaten, der den Feldzug mitgemacht hat (sie fällt also nach dem
Jahre 107). Die Legio I Minervia hat offenbar ein besonderes Interesse
an den Aufaniae gehabt. Sie ist von Domitian wahrscheinlich im Jabre 82
gegründet (cfr. Ritterling, De legione Romanorum X gemina p. 72) und
hat für lauge Jahre in Untergermanien (Bonn) gestanden (Mommsen,
Rom. Gesch. V 133. 145). Es ist möglich, dass die Aufaniae einen deutsclien
Namen führen, wenigstens liegen ahd. obana, and. obana^ ags. ufan, ofan
sehr nahe. Die Ablautstufe au- würde sicli sehr gut in die Reihe u-, il-,
tu (vgl. ahd. uf, vf, got. iup, Johansson, Paul und Braune's Beitr.
XV 240 fF.) fügen. Icli bin aber ausser stände, mit dieser Etymologie irgend-
welchen Begriff oder irgendwelche Anschauung zu verbinden, w^enn nicht
vielleicht der hochgelegene Lagerplatz der Legion gemeint war. Einen
Q. Clodius Marcellinus bei der Legio I Minervia kennen wir. Er hat dem
Hercules Magusanus einen Denkstein geweiht (Bonn. Jahrb. LXXIII 74,
Paul u. Braune's Beitr. XV 558). Diese Thatsache fällt allerdings für
die germanische Herkunft der Aufaniae stark ins Gewicht.
Eine besondere Bewandtnis hat es mit den Gabiae. Wir kennen nicht
bloss Matronae, sondern auch Junones Gabiae (Ihm 288). Siebourg hat
Westd. Zeitschr. Vn 103 ff. gezeigt, dass die Junones ihre Heimat in Ober-
italien o-ehabt haben. An Denkmälern kennen wir:
42 Kauffmann :
'l'l'l Ihm. Kirch heim:
Matronis Gah\iahus\ L. Gradon. Clarus miles legionis 1 Minerviae piae
fidelis iussa posuit merito.
250 Ihm. Rövenich (bei Zülpich) : jetzt nicht mehr vorhanden. Ebenso
die folgenden :
Matronis Gahiabus Celorius Jusfus l. on.
251 Ihm:
Matronis Gahiabus Suetoni Certus et Paternus v. s. l. m.
252 Ihm:
GabiabusC. Campanius Victor miles legionis T Minerviae piae fidelis v.s. l.m.
253 Ihm:
Gabiabus Victor Stirri s. l. m.
269 Ihm. Müddersheim:
Gabiabus Justus Quinti filius v. s. l. m.
288 Ihm. Köln:
Junonibus Gahiabus Masius votum retulit.
316 Ihm. Bürgel:
Matronis Alagahiabus Jul. Pusua pro se et Juliis Peregrino Sperato
Severo v. s. l. m.
Ich bin mit Ihm der Ansicht, dass auch in Gahiabus eine Ortsbezeich-
nung zu suchen ist. Fremdartige Erscheinungen wie eine dea Idban. Gabia
(Ihm S. 28), Junones Gabiae mahnen zur Vorsicht, gleich mit einer ger-
manischen Etymologie zur Hand zu sein^). Die beiden Soldaten aus der
legio I Minervia sind wahrscheinlich Germanen gewesen, wie die, welche
den Aufaniae gehuldigt haben. Der Pusua (Ihm 316) ist, nach einem von
Ihm nachgewiesenen Pusa Trougilli filius auf einer Mainzer Grabinschrift,
ein Gallier und dass in den Alagabiae das Präfix nicht germanisch zu sein
braucht, beweisen die Matres Alaterviae^) aus Britannien (Ihm 378) und
eine dem Namen nach gänzlich undeutsche Älateivia aus Xanten (Bram-
bach CIRh. 197).
Die Gavadiae sind durch folgende Inschriften bezeugt:
295 Ihm. Eödingen bei Jülich, jetzt Antiq. in Mannheim:
Matro7iis Gavadiabus Q. Julius Severinus et Secundinia Justina p>ro
se et suis ex imp. ips. l. tn.
1) Wieso die Matronae Gabiae zu got. gahei (Reichtum) gestellt, die Begebenden,
Eeichtum spendenden bezeichnen können (vgl. anord. gaefr u. a.) — auf diese Frage ist bis
jetzt von den Vertretern dieser Etymologie noch keine Autwort gegeben. Bugge's Identi-
ficierung mit lat, cöpia (Beitr. XII 417) aus '^coopl > '*gaabT, mit Schwund des einen -a-, ist
nicht annehmbar. ^Yenu eine Etymologie gewagt werden soll, so hat die Zusammenstellung
mit and. _9e6an, ags. yeo/ora (Meer) die grösste Wahrscheinlichkeit; J. Grimm hat die skandi-
navischen Götternamen Gefn und Gefjon bereits verglichen (Mythol. S. 258).
2) Man wird nicht an die got. Tervingi, wohl aber an den vicus Ambitarvius im
Lande der Treverer denken, vgl. Th. Bergk, Zur Gesch. und Topogi-. d. Rheinl. S. 89 it'.
Über kelt. ala- vgl. Zeuss^ S. 309. 402. — Über Terfinnas u. ähnl. handelt Müllen-
hoff DA. II 42 Anm.
Der Matronenkultus in Germanien. 43
296 Ihm. Desgl.:
Matroim Gavadiabus Sex. Jul. Seatrus et JtiL Januarius v. s. l. m.
301 Ihm. Desgl.:
M\atro\nis G[avarh]abiis AI. Aemilius Pri . . . us et Novellia Secunda
V. S. l. 171.
302 Ihm. Desgl.:
\^Matr6\nis [Gavadjiabus . . . nius . . . e.v pro . . .
304 Ihm. Bettenhofen bei Jülich:
Matt'onls Gavadiabus Caldini (?) Severus et Super l. m.
320 Ihm. Gladbach:
Matronis Gavadiabus Prlmanius .... banus . . .
Gegen die herkömmliche Deutuug der Matres Gavadiae (als matres
sponsales auf Grund von got. gawadjon verloben) ist nur der Ein^Yand auf-
recht zu erhalten, dass eine derartige Beziehung mit dem örtlichen
Charakter der 3Iütter nicht verträglich ist. Ich vergleiche vielmehr Orts-
namen wie das von Forst emann 1507 aufgeführte Wetiun an der Diemel,
ein Ortsname, der ursprünglich „bei den Schwemmen, bei den Furten"
bedeutete (vgl. lat. vadum): die Zusammensetzung deutet auf ein deutsches
Confluentes, dessen Lage sich leider nie wird bestimmen lassen.
Vermutlich beziehen sich auch die Mafronae Ai^vagastae auf eme deutsche
Siedelung (trotz der kelt. Arvioi, Arverni Zeuss ^ S. 774. ^AQSa^caoL
Müllenhoff J)k. II 247). Sie sind nur auf einer Inschrift aus Müdders-
heim genannt (jetzt Provinz. Museum in Bonn):
268 Ihm:
Matronis Arvac/astis A. Vettius Victor l.
Die Übereinstimmung mit dem Franken Arbogast ist frappant. Auf Orts-
namen wie Alagastesheim, Longastesheim hat mit Recht schon Ihm (S. 27) hin-
gewiesen; wir haben folglich an eine Ansiedelung zu denken, die nach einem
''Arvagastiz benannt war; vgl. afries. gestelond (J. Grimm, Kl. Sehr. II 342)?
Den (.icfiQtßo vaf.iavaixaßo (s. 0. S. 29). mit ihrer altgallischen, altertüm-
lichen Flexionsform, entsprechend haben sich zur Bestätigung dafür, dass
auch Germanen am Mütterkultus sich beteiligt haben, am Niederrhein Dedi-
kationen an die Matronen mit Anklängen an die Muttersprache gefunden.
Wir kennen bis jetzt folgende Inschriften:
272 Ihm. Wesseling, jetzt Provinz. Museum in Bonn:
Matronis Aftims M. Jidlionius Agilis v. s. l. m.
282 Ihm. Köln (Ende des 1. oder Anfang des 2. Jahrb.):
Matronis Afliabus M. 3farius Marcellus pro se et .suis e.v imperio
ipsarum.
291 Ihm. Lipp bei Bedburg:
Matronis Vatuims Super Qiiartionis .... Quartioni.s.
299 Ihm. Ködingen bei Jülich, jetzt Antiq. in Mannheim:
Matronis Vatuims T. Julius Vitalis v. s. I. m.
44: Kauffmann:
297 Ihm. Desgl.:
Matronis Vatuiabiis Q. Julius Primus pro se et suis v. s. l. m.
298 Ihm. Desgl.:
Matronis Vatuiabus Julia Vegeti filia Mandia pro sc et suis votum
solvit l. in.
303 Ihm. Gü steil bei Zülpich:
Matronis Vatuiabus C. Secundinius Amandus ex imp. ips. l. m.
314 Ihm. Jüliclierlaiid, jetzt Museum in Köln:
Matronis Vatuiabus Nersihenis Priminia Justina pro se et suis ex imp.
ips. l. m.
Kliukenberg, Bonn. Jahrb. LXXXIX 231 aus Hoven bei Zülpich:
Matronis Saitchamims Primus Freiiattonis l. m.
Desgl. :
Matronis Saithamia\J)us'\ Q. Cominius Primio l. m.
Diese Dative auf -ims sind germanisch (Much, Zeitschr. f. deutsches
Altertum XXXI 355). Auf Grund der latinisirten Aßabus, Vatuiabus,
Saithamiabus, ist für diese Beinamen ein Stammausgang germ. -iö anzu-
setzen: es würden got. ahd. Dative auf -jo7n entspreclien. Allein schon aus
den ahd. Belegen konnten wir den Schluss ziehen, dass die Endung -Jörn
(z. B. ahd. suntiom) ebenso auf einer Übertragung beruht wie ahd. dat. pl,
hirtium neben hirtim. Durch die inschriftlichen Belege wird nunmehr be-
wiesen, dass die älteste Endung -ims gewesen ist, wie auch der nom. sg.
ursprünglich auf - / auslautete. Die dat. pl. aßms, watwims, saithamims (vgl.
Brug'maiin, Grundriss II 708 fP.) entsprechen zunächst den altind. brhatibhis,
nad'ibhis u. a.; -m- gegen altind. -bh- hat bekanntlich das Slavische mit
dem Germanischen gemeinsam. Die ursprüngliche Dativ- (oder vielmehr
Instrumental-) Endung ist folglich gerra. -mis {-miz)., vgl. anord. tveimr^
primr. Die feminine -/'-flexion ist in den Beinamen durch das Genus der
Mütter veranlasst. Nom. sg. *afii stellt ein moviertes Femininum zu einem
Stamm *aflo- dar, von dem wir für die Deutung auszugehen haben.
Jede Etymologie, welche nicht auf eine Ortsbenennung hinausläuft,
muss nach allem, was wir wissen, als verfehlt betrachtet werden. Unsere
Inschriften selbst geben uns dafür einen Anhaltspunkt. In no. 314 smd
mit den Matronis Vatuiabus die Nersihenae verbunden. Die Inschrift, im
Jülicherland gefunden, verrät eine so auffallende Yerwandtschaft mit dem
Orte Neers (Kreis Gladbach) und dem hier fliessenden Flusse Neers oder
Niers (Ihm S. 22), dass sie darauf wird bezogen werden müssen. Förste-
mann 1074 belegt aus dem 9. Jahrhundert die Form Nersa. VatuJms,
beruhend auf nom. sg. *watwi, setzt eine Wurzel wat voraus, die zu got.
watö, ahd. wazzar (Wasser) gehört, dieselbe Ableitung zeigt wie got. ahva
und dieselbe Bedeutung beansprucht, wie das genau entsprechende germ.
*a}wl = ahd. auwa. Die Mütter beziehen sich offenbar auf ein „Wasser-
land" bei dem Flüsschen Niers.
Der Matroneukultus in Germanien 45
Für die Afl/ni.s wird man au kynir. Afallon, d. i. Apfeliiisel (Mülleii-
lioff ])A. I 409 Aum.) denken: ferner erinnert man sich der Insel ÄbahiH
bei Plinius. Es ist durchaus nicht meine Ansicht, dass die der Nordsee-
küste vorgelagerte Bernsteininsel Abalus (Müllenhoff DA. I 476 ff. 484
Anm. 227 f.) in unserer Inschrift gemeint sei : es genügt, die Ortsbenennuug
nachgewiesen zu haben; mit ahd. avcdön, anord. afla nebst Ableitungen hat
dieselbe nichts zu thun. Diese keltische Ortsbenennung ist uns heute noch
überliefert in dem Namen der Eifel, deren älteste urkundlichen Belege auf
altes a- der Stammsilbe weisen; in pago efiirifie a. 762, effiinse a. 772 (eißin>ie
a. 845 u. s. w.) vgl. H. Marjan, Keltische und lateinische Ortsnamen in
der Rheinprovinz (Aachen 1882) S. 16. Man ist also vollberechtigt, die
Matronae Afliae auf das Eifelland zu beziehen, doch kennen wir auch ein
Aualgowe (a. 882, 996 u. ö.) an den Flüssen Sieg und Agger (Annalen d.
histor. Yer. f. d. Niederrhein XXI 170).
Grössere Schwierigkeiten der Erklärung bietet Saitchamim-s, Saithamiahus.
Ein Kompositum kann das Wort nicht sein, weil der stammauslautende
Vokal fehlt (*saita-). 3Iuch vermutete, das erste Kompositionsglied sei
mit anord. seidr (Zauber) identisch. Diese Annahme scheitert nicht bloss
an der Orthographie (t kann nicht für th stehen), sondern auch an der
specifisch nordgerm. Heimat des Wortes -seidr = Zauber; ahd. .seidh, seid
bedeutet Schlinge. Der Dedikant Primu^s Freiiattonis (sc. -jilius) ist ein
Gallier (wir kennen einen Tungrer Freiioverus, Brambach ClRh. 1231),
wie nicht bloss die ganz ungermanische Namensform, sondern auch die
gallische Namengebung beweist^). Saithamim« ist aber sicher deutsch; die
Orthographie Saitchamim-H wird nur ein Versuch sein, den Spiranten p
wiederzugeben. Ich halte das Wort für eine Bildung wie ahd. mi'tam,
resp. Ortsnamen wie Metama (Förstemann 1022) und erkenne in dem
Stamme '*saipa- eine Ablautsform zu ahd. slta (Seite). Das letztere gehört
etymologisch zu altind. .utd Furche, Abgrenzung; ayest. hitha Wohnung.
Die Grundbedeutung der Wurzel ist (wie lat. xitm): in eine feste Lage
bringen. Genau entspricht der germanischen Ablautstufe in saij)a- altind.
setm^ welches u. a. Damm, Brücke bedeutet und das avest. haethush Brücke,
Weg. Eine primäre m- Ableitung stellt altind. miia dar, welches nicht
bloss als Scheitel, sondern auch als Grenze, Markung eines Dorfes erklärt
wird^). Auch im Germanischen ist für Ortsbenennung die m- Ableitung
üblich gewesen (z. B. holm), folglich wird in *.saipama der Bedeutung
nach ein allgemeiner Siedlungsbegriff (etwa „abgegrenzte Wohnstätte") zu
suchen sein.
1) Vgl. CIL. XU pag. 962: patris nomen genetivo oniisso vocabulo tilio vel lilia
more gallico. Vgl. auch Inschrift 291. Auch eine Namengebung wie Julia Vegeti fitia
no. 298 ist nacli Hettner, Wcstd. Zeil sehr. Fi 7 ursprünglich gallisch, im Laufe der Zeit
.iluT auch unter Germanen aufgekommen.
2) Brugm;uni-Ost hoff, Morphologisihe L'nlersuchungeu IV Hl. V6'.'>. 144.
46 Weinliold: ^
Die Stellung der beiden so grundverschiedenen Xarionalitäten, der
Kelten und der Germanen, zu dem Mütterkultus ist nunmehr klar zu
erkennen. Auf keltischem Boden hat er seine Wurzel, die gallisch-römische
Kultur des linksrheinischen Germanien hat ihn aucli in deutsclie Herzen
verpflanzt, in den rheinischen Lagerc[uartieren und Städten ist er durch
die zahlreichen keltischen Bestandteile des Civil- und 3Iilitärstandes vor-
bildlich geworden für eine Klasse von Germanen, die ihren heimatlichen
Glauben ebenso verleugnet hat wie die Muttersprache, von der nur dürftige
Reste uns einen Nachklang geben. Es mochte wohl auch ein deutsches
Herz ansprechen, die ferne Heimat unter göttlichem, mütterlicliem Schutze
zu wissen. Der ]S!^ame beweist nichts, aber es ist doch wahrsclieinlich, dass
in der cexülatio Germanorum^ die wir aus Britannien kennen (Ilimno. 351,
vgl. oben S. 32) auch deutsche 3Iänner gedient haben, dass aucli sie an der
Stiftung des Denksteines: deabu-s Matribus tramarinis mitbeteiligt waren ^).
Der elegische Zug, der sich in solcher Glaubenssehnsucht unverkennbar
geltend macht, ist ursprünglich germanischer Religion und germa-
nischer Poesie fremd. Er ist ein erster Vorbote einer neuen Zeit, einer
neuen Kultur, eines neuen Geschleciites, deren Keime in der Periode der
Römerherrscliaft ausgesät, in der Periode der Völkerwanderung entwickelt,
in der Periode der Christianisierung des deutschen Volkes gereift sind.
Marburg i. H., Februar 1891.
Zu Goethes Parialegeude.
(Ausgabe letzter Hand von 1828. III, 11— IG. Weimarsche Ausgabe von IS'JO. III, 10—15.)
Von Karl Weinhold.
Entkleiden wir das Gedicht des köstlichen Schmuckes, welchen der
deutsche Dichter um den indischen Stoff gewunden, so erhalten wir fol-
gende Hauptakte der dramatisch belebten Erzählung:
Die schöne Gattin eines Brahmanen, die täglich Wasser aus dem
heiligen Flusse holt, wird eines Tages von sündiger Liebe zu einer be-
strickenden Jimglingsgestalt erfasst. Der Gatte erkennt bei ihrer Heim-
kehr ihr Vergehen nnd tötet sie. Der Sohn will im Schmerz darüber sich
in das blutige Schwert stürzen, aber der Vater hält ihn zurück imd sendet
ihn zu dem Leichnam. Er soll das Haupt der Mutter dem Rumpfe wieder
anfügen und sie mit dem Schwert berühren. Zimi Leben zurückgekehrt,
werde sie ihm folgen.
1) [Inzwischen ist in Britannien ein Denkstein keltischer Herkunft mit: Matres Ollo-
toiae sive tranmnarinae gefunden worden: vgl. Korrespbl, d. Westd, Zeitschr. 1891 no. 7.3.
*,)0. Coriecturuote.]
Zu Goetlies Pavialegencle. 47
Vud dann wird weiter erzählt, dass der Sohn in der Verwirrung (\vn
Kopf der Mutter auf den Rumpf einer Verbrecherin setzt und dadurch eine
grauenvolle Verbindung der reinen Frau mit der Sünderin vollzieht.
Bereits Düntzer hat nachgewiesen, dass Goethe, der übrigens schon
vor dem Eintritt in Weinuir durch Uappers Asia auf die indischen Stoffe
aufmerksam geworden war (Dichtung und Wahrheit, 12. Buch, AVeimai'sche
Ausg. 28, 144), den Stoff der Parialegende aus Sonnerats Reise nach
Ostindien und China (Deutsch Zürich 1783) kennen gelernt hatte. Seit
1810 beschäftigte sich Goethe mit der dichterischen Gestaltung desselben,
kam aber erst am 17. Dezember 1821 nach Eckermanns Erzählung damit
zum Abschluss^).
Über den indischen Stoff' hat Th. Benfey 1862 in seiner Zeitschrift
Orient und Occident (S. 710 — 732 Goethes Gedicht Legende und dessen
Indisclies Vorbild) eine sehr dankenswerte Untersuchung veröffentlicht.
Hiernach finden wir die wahrscheinlich älteste Gestalt jener mythisclien
Erzählung in dem Mahäbhärata (III, 11071 ff.). Hier wird sie von der
Mutter des Räma, Renukä, der Gattin eines indischen Heiligen, Dschama-
dagni des Bussreichen, berichtet. Die Frau w^ird bei dem vorschrifts-
mässigen Baden im Ganges von Ijiebe zu dem schönen Fürsten Tschitra-
ratha ergriffen. Der Gatte durchschaut bei der Heimkehr ihr Herz und
befiehlt den fünf Söhnen, die Mutter zu töten. Aber nur der jüngste,
Räma, folgt dem Befehl und spaltet der Mutter das Haupt mit der Axt.
Als nun Dschamadagni den Sohn zum Lohne für die That einen Wunsch
rlum lässt, wählt er sich unter allen W^ünschen, die ihm in der Seele
liegen, als höchsten, die Wiederbelebung der Mutter. Der Wunsch geht
sofort mit allen übrigen Wünschen Rämas in Erfüllung.
Die Creschichte begegnet mehr oder minder ausführlich auch in anderen
Sanskritwerken, so im Kalikäpuräna und im Bhägavatapuräna (Benfey
a. a. O. S. 724 f.), natürlich mit Abweichungen. Aus solchen Quellen ist
auch die Erzählung in Sonnerats Reise geflossen, die am meisten mit
Goethes Legende stimmt, während die Form der Geschichte in Dappers
Asia oder Ausführliche Beschreibung des Reiches des Grossen ^Mogols (ins
Hochdeutsche übersetzt von J. Chr. Beern. Nürnberg 1681) aus junger
mündlicher Überlieferung stammen mag (Benfey 727).
Die Vertauschung der Köpfe gehört gar nicht zu dieser Geschichte von
Ronuka und Räma, sondern Goethe hat sie aus eigenem Willen angefügt,
um einen wunderbaren, von ihm geistvoll gestalteten Abschluss zu geben.
Hr fand das Motiv in Ikens Übersetzung des Touti-Nameh (einer Samm-
hmg persischer Märchen von Nachschebi. 1822. S. 104), die er 1820
kennen lernte. Die persische Erzählung ist aus indischer Quelle geflossen,
1) Vgl. die Kommentare von Düntzor, Virhoi'f, v. Looper.
48 ' Weiiihüld:
denYetalapantscliaviiirati: füufimdzwanzig Erzählungen eines vetala (Dämon,
der in die Leichen fährt) vgl. Benfey a. a. 0. 729.
Bei der weiteren Untersuchung lassen wir also die Yertauschung der
Köpfe ganz beiseite, weil sie der alten Geschichte ebenso fremd ist, als
die herrliche Beziehung der Legende auf die Parias, die Goethes volles
Eigentum ist. Wir beschäftigen uns nur mit der Erzählung von Renukä,
in welcher die Hauptmotive sind: die Todesstrafe eines schönen sündigen
Weibes und die Wiederbelebung desselben.
Aus dem Schatze unserer deutschen Yolkssagen kann ich zu der in-
dischen eine entsprechende Sage aufweisen. Dass dieselbe eine andere
Einkleidung und einige abweichende I^ebenzüge hat, darf die Erkenntnis
der Grundübereinstimmung nicht stören.
In Eisenberg im sächsischen Yoigtlande hatte sich ein Ehemann mit
einem Mädchen vergangen. Als es ruchbar ward, entfloh er; das Mädchen
aber, das eine wunderbare Schönheit war, verurteilte man zum Tode durchs
Schwert. Der Scharfrichter schlug ihr das Haupt mit einem Schlage ab,
legte dann ein Stück Rasen statt des Kopfes auf den Eumpf und führte
den neben ihm herschreitenden neubelebten Leichnam zum Entsetzen des
Yolkes über neun Äcker zu dem Scheiterhaufen, wo er ihn verbrannte.
Für jenes Meisterstück erhielt er die neun Äcker, die oberhalb der
Schneckenmühle bei Eisenberg liegen, zum Geschenk (Sagenbuch des Yoigt-
landes von Robert Eisel. Gera 187L Nr. 936).
Das Mädchen, das gesündigt hatte, M^ar zur Enthauptung und danach
zur Yerbrennung verurteilt worden: das ist aber nicht die nachweisliche
alte Strafe für Ehebruch, sondern ist die Milderung des Feuertodes, welche
in späterer Zeit (noch im 18. Jahrhundert) den Hexen zu teil ward. Ehe-
brecherinnen wurden in jenen strengen Zeiten einfach enthauptet oder
lebendig begraben. In der Yerbrennung erkennen wir also eine jüngere
Zuthat, die aus dem Volksglauben sich ergab, nur eine Hexe habe einen
solchen Gang gehen können; sodann auch aus dem Bedürfnis nach einem
Ziel des wunderbaren Ganges des wiederbelebten Weibes. — Dieser Gang
geht über neun Äcker: das ist eine uralte mythische Raumbestimmung.
Neun Fuss weit geht Fiorgyns Sohn, ck i. Thorr, als die Weltschlange ihn
zum Tode verwundet hatte (Yolusp. 50). Neun Fuss weit Raum muss
zwischen dem Vatermörder, der seine Schuld noch nicht gebüsst hat und
jedem andern Mann, nach Westerlauwer Friesen-Recht (423, 3L Richth.)
bleiben. Beim Gottesurteil des glühenden Eisens ward über neun Pflug-
scharen geschritten oder das glühende Eisen neun Fuss weit getragen
(Kägi, German. Gottesm^teil 46 f.). Ein Mädchen bei Sulzbach in der Ober-
pfalz nahm zur Kühlung des heissen Erntetags einen Strohhalm zwischen
die Zehen und schritt damit über neun Beete: sofort entstund ein Gewittei-
(Schön werth, Sagen aus der Ob(n-pfalz 3, 184). Über neun Grenzen,
Kaine, Scheiden oder Ecken ist in geheimnisvollen (üebräudien eine alt-
Zu Goethes Parialegende. 49
lieilige Raumbestimnmng. In dem Toten- iiml Liistrationskult der arischen
Völker erscheint überall die geheimnisvolle Bedeutung der Zahl ]S^eun^).
Jenes Mädchen unserer voigtländischen Sage schreitet also, getötet,
aber zum Leben noch einmal zurückgerufen, durch einen Raum von alt-
heiligem Maass. Ob es nun dann wirklich tot zusammenbrach (gleich dem
von dem Midgardswurm getroffenen Thörr) oder entsühnt ins Leben zurück-
trat (gleich der indischen Renuka) und denen, die das germanische Gottes-
urteil bestunden, ist eine Frage, die wir lösen können.
Deshalb haben wir von dem Rasenstück zu sprechen, das der
Eisenberger Scharfrichter statt des Hauptes dem Rumpf der Getöteten
auflegte.
Der Rasen hatte als ein Stück der heiligen mütterlichen Erde in dem
alten Glauben der Germanen eine grosse Bedeutung. Denmacli hat auch
der deutsche und skandinavische Aberglaube die geheimnisvolle Kraft des-
selben nicht vergessen.
Nimmt man ein Rasenstück (dänisch graestorv) auf den Kopf, so wird
man unsichtbar und erkennt die Hexen und Bilweisse in ihrer wahren
Gestalt"''); oder auch mau versteht die Yögelsprache (Feilberg a. a. O.).
Durch das Stellen unter den Rasen wird der Mensch in diesem Falle ein
Unterirdischer und erlangt die übermenschlichen Eigenschaften desselben:
Unsichtbarkeit und verschärften Verstand.
Rasenstücke halten ferner böse Geister (Hexen) von der Schwelle ab,
vor die sie gelegt sind (Wuttke 89); sie schützen (wenn sie umgekehrt
werden) gegen aufziehendes Unwetter, indem sie den Wind wenden (Wuttke
444); sie geben, vor dem Sommeraustrieb unter die Schwelle des Stalles
gelegt, dem darüber schreitenden Vieh, namentlich wenn nocli ein Ei uud
ein Stück Eisen (Beil, Schlüssel) dazu gelegt werden, Segen mit auf die
Weide (Wuttke 89).
Andern Glauben, der sich an die Rasenstücke knüpft, können wir
hier beiseite lassen.
Für uns wichtig ist die höhere Begabung oder geradezu die Wande-
lung, die durch den Rasensti'eifen mit dem darunter stehenden oder gehenden
Menschen geschieht. Dies genauer zu erkennen, dient der bekannte alt-
nordische Rechtsbrauch des Ganges unter das Erdband (gänga undir jar-
darmen), über den neuerdings Max Pappen he im in seinen Altdänischen
Schutzgildeu (21 f., 25 f., 34 f.) gehandelt und ihn als symbolische Dar-
1) Diels Sibyllinische Blätter. Berlin 1890., S. 41 f. Kägi, die Neunzahl bei den
Ostariem (in den Philolog. Abhandlungen für H. Schweizer-Sidler) 1891.
2) Nebenbestimmungen: der Easen muss vom Grab eines ungetauften Kindes sein
(Westfälische Sagen: Kuhn I n. 419); er muss vor Sonnenaufgang auf einer .Feldecke ge-
stochen sein (Wuttke, Aberglaube 378): man muss auf einem Kreuzwege stehen
(Wuttke 376), oder in einer Grube auf dem Galgenberge (Feilberg Ordbog s. v.
graestorv).
^Jeitschrift d. Vereins f. Volkskunde. 1892. 4
50 Kunze :
Stellung des Geburtsaktes erklärt hat, bei dem die Erde als Mutter, der
unter den übergespannten Rasenstreifen getretene als im Mutterleib be-
findlich gedacht ward. Kr. Nyrop hat sich in seinem Aufsatz über den
Lappenbaum (Kludetraeet, en sammenlignende undersögelse, Dania S. 1 — 31)
dieser Deutung angeschlossen, indem er in dem weitverbreiteten Brauche,
Krankheiten und Schäden mittels Durchkriechens durch Baumspalten,
Stein- und Erdlöcher zu heilen. Stützen für die Symbolik einer Wieder-
geburt erkannte. Wenn er zugleich aber auch eine Reinigungsceremonie
darin sah, im Anschluss an J. Grimm und K. Maurer, so hat Pappen-
heim (Zeitschrift für deutsche Philologie XXIV, 157 ff.) wie es scheint,
begründete Einwendungen dawider erhoben. Das Gehen unter den Erd-
streifen ist eben nur das Symbol der Wiedergeburt im Schosse der Erde.
Das enthauptete Mädchen von Eisenberg ist mit dem Rasenstück be-
deckt worden, es tritt unter das Erdband, d. h. es wird neu geboren, kehrt
zum Leben zurück, schreitet als eine Lebende einher. Dass nun diese
Wiederbelebung nur geschehe, um sie sofort auf dem Scheiterhaufen wieder
zu töten, wäre ganz widersinnig. Auch von dieser Seite ergiebt sich der
Schluss der Eisenberger Sage als jüngerer Zusatz.
Suchen wir dieselbe auf ihre älteste Gestalt zurückzuführen, so wird
es die mythische Erzählung davon sein, dass ein schönes Weib zur Strafe
eines Vergehens den Tod empfing — ob wir dabei im Schwert ein Bild
des Blitzes sehen sollen, sei dahingestellt. Sie wird aber von den Göttern
begnadigt und durch Wiedergeburt dem Leben zurückgegeben.
Die moderne Umkleidung der deutschen Sage streifen wir von dem
eigentlichen Körper derselben ab. Das Mittel der Wiedergeburt — das
Gehen unter den Rasenstreifen — ist uralt und weit älter als die Be-
rührung mit dem Schwert, die Goethe aus Varianten der indischen Er-
zählung entnommen hatte. Und so erkennen wir in dieser voigtländischen
Volkssage treu bewahrte Züge einer uralten arischen Mythe. Wir erkennen
auch hier wieder, welchen wichtigen Schatz wir iii unseren Volkssagen
haben. Es kommt eben nur auf die Wünschelrute an, um denselben heben
zu können.
Der Gebrauch des Kerbholzes auf dem
Thüringer Walde.
Vom Volksschullehrer F. Kunze in Suhl.
Es ist eine unbestreitbare Thatsache, dass sich in Gebirgsgegenden
(besonders in den Dörfern) Sagen, Sitten und Gebräuche unverfälschter
und lebenskräftiger erhalten, als in den grösseren Ortschaften der dem
regeren Verkehr und der glättenden Kultur mehr geöffneten Ebenen.
Der Gebrauch des Kerbholzes auf dem Thüi'inger Walde. 51
Ein recht interessanter Branch, der jedoch nur vereinzelt und ver-
blasst auftritt, ist die Verwendung des sprichwörtlich gewordenen Kerb-
holzes, welche noch heute im Gasthause „Zum goldenen Hirsch" in Neuen-
dorf bei Suhl auf dem Thüringer Walde zu beobachten ist.
Suhlerneundorf , wie der Ort gewöhnlich im Yolksmunde genannt
wird — zum Unterschiede von dem etwas über eine Meile entfernt
gelegenen Neundorf bei Schleusingen — , kommt urkundlich als „Nuwen-
dorf bi Sule" zuerst anno 1375 vor und besitzt in seinem bereits er-
wähnten Gasthause laut der über dessen steinernem Eingangspförtchen
eingemeisselten Jahreszahl 1616 einen stummen Zeugen fast dreier wechsel-
voller Jahrhunderte.
Unterwirft man die inneren Räume der Gemeiudeschenke einer auch
nur oberflächlichen Besichtigung, so erweist sich die eigentümliche Bauart
schon als ein „Altertum". Die originellen Holzschnitzereien der breiten
Thürbekleidungen, die ursprünglichen Tafeln und Bänke, welche noch vor
sechs Jahren das niedrige Gastzimmer schmückten, dann aber — eine
höchst willkommene Wohn- und Werkstätte der emsigen Holzwürmer —
wegen Altersschwäche ausser Dienst gesetzt wurden, hätten einen würdigen
Platz in einem Museum für Altertümer beanspruchen können.
Alter aber als jene Möbelstücke ist unstreitig die Benutzung des
Kerbbolzes.
Dieses stabförmige Gerät besteht aus zwei ineinander fügbaren Teilen,
welche man mit der Bezeichnung Haupt- und Ergänzungsholz bedenken
und aus nachstehender Figur deutlich ersehen kann.
Fig. 1.
In jener Form ist das lineale Instrument vierkantig, meistens aus
Buchenholz geschnitzt, und hat eine Länge von etwa 32 cm^ während seine
Breite beim Zusammenpassen beider Teile bei 4 cm ausmacht. Der Name
Kerbholz ist ihm in Ansehung der Kerben, welche auf seiner breiteren
Oberfläche angebracht werden, verliehen worden. Mittels einer dreikantigen
Stahlfeile werden die Striche in die glatte Breitseite der dicht aneinander-
gehaltenen Buchenhölzer eingeritzt und deuten in ihrer Reihenfolge die
Anzahl der vom vorübergehenden Inhaber des Holzes auf Rechnung
empfangenen Masse Bieres an.
Nach erfolgter Einkimmung, die sicli auf beide Hölzer erstreckt, er-
hält der Bierempfänger das ihm als zeitweiliges Eigentum übergebene Er-
gänzungsholz zurück und nimmt es aus der Schenke mit nachhause, um
es bei dem nächsten Bierbezugo wieder mit zur Quelle zu bringen. Auf
diese Weise ist der biers])endende Wirt ebenso wie sein Kunde jederzeit
in der Lage, das hölzerne — und stets vor Fälschungen gesicherte — Bier-
4*
52 Knnze:
koiito zu übersehen und zu kontroliereu, selbst dann uocli, wenn letzterer
zur Verscheucliuug des lästigen Durstgespenstes ab und zu ein oder mehrere
Liter in seine Behausung oder auf den Acker holen lässt.
Die Zahl der „Möässer" Bier wird bis zur Höhe von 9 durch ein-
fache Striche bezeichnet, während 10 Liter (20 Kärtle)^) mit einer
römischen X eingeschrammt werden, wie aus nachstehender Figur 2 er-
sichtlich ist.
i'llillilYlllLL
Fig. 2.
Der Scheitelpunkt des vierwinkligen Zifferkreuzes (X) fällt bei der
Einkerbung in die Schnittlinie zwischen beide Hölzer, so dass sowohl auf
dem Hauptholz des Wirtes, als auch auf dem Ergänzungsholze des
Gastes je eine V zu stehen kommt, welche sich dann bei richtiger Zu-
sammenfügung beider Stäbe zu einer X gestaltet.
Werden nun z. B. 6h l Bier gekauft, so wird ausser den sechs vollen
Kerben auf jedem Holz noch ein halber Strich eingeritzt (vgl. Fig. 2),
der dann bei der nächsten Gelegenheit, wo wiederum i l mit im Spiele
ist, zu einem vollen oder ganzen Striche feilend erweitert wird.
Zur erntefetten Zeit des Nachherbstes eines jeden Jahres wird die
Bilanz gezogen, bei welcher das beiderseitige Soll und Haben dieser
einfachen Buchführung, die in Ansehung der beiden Hölzer auch zugleich
eine doppelte ist, so genau stimmt, dass weder auf Seiten des Gläubigers,
noch auf Seiten des Schuldners ein Manko zu finden ist.
W^ard im Laufe des Jahres die angefangene Breitseite des Kerbholzes
völlig mit Kimmen versehen, so dreht man das bisher einseitig benutzte
Instrument zum ferneren Gebrauch einfach herum, um hier von neuem zu
beginnen. Nach Abschluss der Jahresrechnung oder nach erfolgter Ebnung
des Kontos wird das Doppelholz keineswegs wie ein abgenutzter Gegen-
stand beiseite geworfen, sondern es muss nach erfolgter Abhobelung im
kommenden Jahre wiederum dieselben Dienste leisten.
Damit die in Händen des Wirtes sich befindenden Haupthölzer nicht
abhanden kommen, werden sie wie eine Schlüsselfamilie au einen umfang-
reichen Drahtring gefesselt, dem stets sein bestimmter Hängeplatz an der
Wand angewiesen wird.
Damit eine unheilvolle Verwechselung der verschiedenen Merkhölzer
ausgeschlossen bleibe, sind auf der fast 2 cm breiten Rückenfläche der-
selben die Namen der zuständigen Kunden mit schwarzer Tinte ver-
zeichnet. Ausser einigen „Geschirrhalteru" — moderne Bezeichnung für
Fuhrleute — Suhlerneundorfs sind noch etliche Altertumsverehrer Suhls
1) (1. Ii. auf oinmal abgeholtl
Der Gebrauch dos Korliliolzes auf dorn Thüringer Walde. 53
im Besitze von Ergänzungshölzeru, um die Sitte nicht völlig ablebeii zu
lassen. —
Was nun das Alter dieser eigentümlichen Berechnungsweise anbelangt,
so ist zu bemerken, dass sie das ganze Mittelalter hindurch gäng und gäbe
war und bis ins 17. Jahrhundert hinein in Deutschland bei der Zählung
der Vieh- und Clarbenzahl, besonders bei der Entrichtung des Zehnten
(Decem) allgemeine Yerwendung fand. Bei Krämern, Schankwirten und
Kaufleuten vertrat das Kerbholz die Stelle des Kontobuches, in welches
säumige Zahler ein- oder aufgetragen wurden. Da der Bauer dazumal
noch nicht „so geleret was. daz er an den buochen las'^, noch vielweniger
in dieselben schrieb, so erlangten gerade die einfachen Rechenbrettchen
auf dem Lande eine weitgehende Verbreitung, indem Drescher, Fröhner,
Tagelöhner, Müller etc. ihre arithmetischen Auseinandersetzungen auf dem
Kerbholze verewigten.
Der alte Chronist Peccenstein berichtet in seinen mir vorliegenden
Abhandlungen über das alte Thüringen (Jena und Leipzig, 1597) auf
Seite 43, dass die weiland Bewohner dieses Landes „mit Kerbhölzern
berechnet, vnd den Hertzen Ja und Nein bezalet" hätten.
Urkundlich findet sich das alte hanebüchene Instrument im 14. Jahr-
hundert als „kervestock" und im 15. Jahrhundert (1475) als „kerveholz"
vor. Es war ursprünglich ein glatt zugerichteter Stab von ungefähr 1 Fuss
Länge, an welchem der Gläubiger mit römischen Zahlen oder verschiedenen
Kerben die Schuld des borgenden Kunden schneidend anmerkte. Sobald
Abrechnung oder Kerbzählung gehalten wurde, sandte der Gläubiger seinem
Schuldner den Stab als Rechnung zu oder er rechnete auf Grund der An-
gaben desselben persönlich mit ihm ab. Die „Herren'' trugen ihre Ver-
merke auch wohl in die Bücher ein, während die Bauern hierzu ihre Hölzer
gebrauchten. So ist beispielsweise in einem Schiedssprüche vom Jahre 1464
(Lennep Leihe zu Landsiedelrecht. Cod. prob. S. 241) die Rede von „der
alten schuldt, was der ist, die sie (Siedler, Bauern) an ihren Kerben und
auch die Herren in ihren Büchern beschrieben haben."
Bei Einkäufen hatte sowohl der Verkäufer als auch der Abnehmer
sein Holz (ähnlich der Neundorfer Sitte), welche bei der Abrechnung in
ihren Einzeichnungen übereinstimmen mussten. In der Regel waren sie
der Sicherheit wegen „aus einem Stück" geschnitten, ja die deutlich sicht-
baren Jahresringe des Holzes mussten mit ihren Merkmalen die erforder-
liche Sicherheit und Genauigkeit erhöhen helfen. Eine ülmer Gerichts-
ordnung vom Jahre 1621 erkennt darum auch den Kerbhölzern (da der
Schuldherr den Stock behelt, der Einsatz aber und Gegenwechsel dem
Schuldmann zu gestellet wird) eine gerichtliche Beweiskraft zu (Haltaus,
Glossarium germ. Sp. 1082). „Am Tage St. Andrea anno 1594 sind zwey
gleichlautende, einer Handschrift aufeinander ausgeschnittene Briefe, deren
jede Parthey einen zu sich genommen, ausgefertiget worden", beti".
54 Kunze :
die Yorniietiuig der C-remeindeschenke zu Natza, weshalb man „nicht nöthig
gehabt, dergleichen Contracte zu unterschreiben, sondern es haben solche,
wenn sie ordentlich auf einander gepasset, eben die Kraft des Beweises
gehabt, wie denen ausgeschnitteneu Kerbhölzern beygeleget
wird/' (cfr. Klingner, Sammlungen zum Dorf- und Bauren Rechte.
Leipzig 1755, IV. Teil, pag. 825, wo auch eine Zeichnung eines noch vor-
handenen Pachtkontraktes in der Grestalt von Figur 3 gegeben ist.)
Fig. 3.
Laut der „Statuta der Stadt Sula, Wie solche im Jahre 1664 ernewert"
und anno 1666 gedruckt wurden, war auch das Kerbholz in seiner pri-
mitivsten Form hier in Suhl gebräuchlich, und zwar zur Aufzeichnung
des zu entrichtenden Zolles, mit welchem alle auswärtigen Waren, welche
auf den hiesigen Markt gebracht wurden, belegt waren. Der hier ein-
schlägige § 11 des Statuts besagt unter der Überschrift „Vom Spähn-
Ausschneiden" wörtlich: „Alles einkommende frembde Bier, auch Most und
Wein, ehe es denn vom Geschirr abgeladen wird, soll vom Spähn- Aus-
schneider und Stadtschreiber aussgespähnet, und zu Register gebracht; was
aussgezäpffet wird, wie vorhergehends gedacht, gericht und in Register
verzeichnet; was aber wieder hinaus verkaufft und abgeführet wird, die
Spähne eingelegt und abgeschnitten werden^)."
War nämlich das Kerbholz voll, so schnitt man behufs erneuter Be-
nutzung die eingekerbte Schicht los (ähnlich wie heute noch in Naundorf),
was einst Dr. Martin Luther bei verzögerter Beantwortung eines erhaltenen
Briefes mit folgenden Worten bildlich benutzte: „Ich muss einmal das
Kerbholz losschneiden, denn ich lange nicht geantwortet habe" (Briefe,
herausg. von de Wette 5, 448).
Vielfach diente das Kerbholz auch nur zur Unterstützung des Ge-
dächtnisses seines Besitzers. So bezeichneten in Hessen oft die Hirten
des Dorfes jedes Stück ihrer Herde durch einen Einschnitt am Kerbstocke,
ja sie kannten auch jedes einzelne Glied ihrer oft umfangreichen Herde
an der darauf bezüglichen Kerbe. So noch jetzt an der Dierael und unteren
Werra. Von diesem Brauche, das Vieh nach Kerben zu zählen, rührt es
her, dass man in Oberhessen den Viehbestand und die Grösse der Güter nach
Kerben bestimmte. „Ein Gut mit vier Kerben" ist dort ein mit vier
1) Span odin- Ki'rfholzlin; der Gogenspau, kontrollireades Kerbholz, Sclinieller,
Bayr. Wörterb. 11 = 669.
Der Gebrauch des Kerliliolzes auf dem Thüringer Walde. 55
Ochsen oder zwei Pflügen ausgestattetes Grundstück. „Der Sclmllehrer
hat eine Kerbe frei" ~ bedeutet, er hat das Recht, ein 8tück Rindvieh
oder zwei Schweine unentgeltlich mit auf die Weide gehen zu lassen.
Noch in der Mitte dieses Jahrhunderts wurden in Hessen^) Güter nach
Kerben oder Kimmen berechnet, was offenbar auf jene Kerbholzsitte
zurückgeht. Im Suhl benachbarten Dorfe Heinrichs bezeichnet noch heute
der Hirt die Tiere seiner Herde durch einen einfachen Schnitt an seinem
Hirtenstocke, und ein hiesiger Büchsenschäfter zeigte mir nach einem von
mir gehaltenen Yortrag über das Kerbholz in dem meinem Vorsitz an-
vertrauten Gewerbeverein hierselbst, ein aus Amerika bezogenes Büffel-
horn, in welchem (jedenfalls von einem Hirten) ungefähr 10 mm tiefe
Kerben angebracht waren.
In Schwarzenboru in Hessen wurden noch 1816 die Zehntgarben von
den Zehntmännern gekerbt, und im Jahre 1861 merkte der Thorschliesser
in Marburg die sogenannten „Abw^erfescheiter" — Holzscheite, welche die
bäuerlichen Holzverkäufer als Abgabe au die Stadt zu liefern hatten —
beim Einfahren in die Stadt vor dem Zollhause an dem Kerbholze an. In
der fränkisch-hennebergischen Gemarkung war es vor 20 Jahren noch all-
gemeine und ist heute hin und wieder noch gangbare Sitte (z. B. in Mäben-
dorf bei Suhl), dass am Kirmsentage die sogenannten „Platzmeister"
(Burschen, welche die Leitung des Tanzes übernehmen) an der Seite ein
Kerbholz tragen — befestigt an einem seidenen Baude — um auf dem-
selben die Anzahl der Masse Bier einzuschneiden, welche sie für die Tanz-
burschen vom Wirte erhalten haben.
Auch in der Schweiz wurde bis in die Gegenwart hinein auf den Alm-
weiden der Betrag der gelieferten Milch in Holzstäbe unter dem Kenn-
zeichen der einzelnen Lieferanten eingekerbt. Die Hölzer hiessen und
heissen noch Milchbeile. Mit Brotbeilen bezeichnete man zwei etwa
fusslange Zwillingsstäbe, welche man nebeneinander legte, um quer auf
denselben die Anzahl der verabreichten Brote einzukimmen. Bäcker,
Metzger und Milchbauern, Senner auf der Alm, haben diese Beile noch für
sich und ihre Kunden als Berechnungsmittel ^).
Vor einiger Zeit berichtete eine Zeitung von einem ähnlichen Brauche,
der auf dem bairischen Walde in nachvermeldeter Gestalt noch an der
Tagesordnung ist. ,.Der Bauer und der Holzhauer haben ein jeder einen
Holzspahn; beide Spähne werden aufeinander gelegt, und für je einen
Arbeitstag wird ein Einschnitt gemacht, worauf der Bauer seinen Spahn
in den Kasten sperrt und der Holzhauer seinen Spahn mit nach Hause
nimmt, so dass keiner dem Spahne des andern beikommen kann. Am
Schlüsse des Monats wird abgerechnet. Beide Spähne werden zusammeu-
1) Vilmar, Idiotikon von Kurhessen S. 199, 201 (Kimme ist niederhessisch).
2) Über die Beile vgl. Fr. Staub, Das Brot im Spiegel schweizerdeutscher Volks-
sprache und Sitte. Leipzig 1868. S. 48, 67, 173—177.
5() liovarini :
gelegt uiul die Einschnitte am Rücken, die natürlich genau zusammen-
stimmen müssen, gezählt und bezahlt. Die geschehene Abrechnung wird
am Schlüsse durch ein -f- bezeichnet." Die betreffende Zeitung zollte
dieser „durch ihre patriarchalische Einfachheit für sich selbst redende Art
der Buchführung" belobigende Worte, wobei wir uns Justus Möser's
Preises des Kerbstockes in den Patriotischen Phantasien (2, 144. 312.
Ausg. Y. 1778) erinnern wollen.
Da es in früheren Zeiten besonders die Gewohnheit der Wirte war,
sich des Kerbholzes zur Aufzeichnung der Schuld ihrer Kunden zu be-
dienen, so hat sich aus jenen Zeiten bis auf den heutigen Tag die Redens-
art „aufs Kerbholz trinken" erhalten; es bedeutet soviel wie unbedacht
trinken, ohne der künftigen Schuldabtragung zu gedenken. Hat jemand
mit einem andern irgend eine strittige Angelegenheit zu schlichten, so
wird dem Gegenpart oftmals unter die Nase gerieben, dass er „noch etwas
auf dem Kerbholze" habe. Eine alte, jetzt ausser Kurs gesetzte Redens-
art, „ans Kerbholz reden", missbilligte das Drauflosreden ohne jegliche
Überlegung.
In Wallensteins Lager sagt die Marketenderin, als der Wachtmeister
ein Glas auf Piccolominis Wohl leeren will: „Das kommt nicht aufs Kerb-
holz, ich geb es frei." Heutigen Tages bringen die Gastwirte zwar auch
nichts mehr „aufs Kerbholz'^, aber die verabfolgten Speisen und Getränke
an lässige Bezahler werden mittels der Kreide „am Brette" angemerkt,
ein Gebrauch, der, wenn der Empfänger nichts bucht, oft zu unerquick-
lichen Auseinandersetzungen Anlass giebt; denn hat der Schuldner viel
auf der Kreide und eine stattliche Reihe von Strichen mit barer Münze
abzulösen, so beschuldigt er oft den Wirt, dass dieser mit doppelter Kreide
schreibe. Unbedingt war das Kerbliolz der „guten alten Zeit" hierin viel
sicherer.
Die Frauenwettrenneii in Padua.
(Le corse delle donne a Padova.)
Von Emilio Lovarini.
An den alten Festen des italienischen Volkes nahmen die Wettrennen
ohne Zweifel einen bevorzugten Platz ein. Es gab viele und oft sehr
sonderbare Arten derselben; ausser Pferden verschiedener Rassen, Kleppern,
Eseln, Büffeln verwendete man bei den Wettrennen auch Männer, Kinder,
Jünglinge, Greise, und zur grossen Freude des christlichen Volkes die
Juden, besonders in Rom, das sich durch derartige Schauspiele vor allen
übrigen Städten auszeichnete, seitdem der lebenslustige venezianische Papst
Die Frauenwettremien in Padua. 57
Paul ir. die Wettrennen dortliiu verpflanzt hatte. Diese Rennen fanden
am Testaccio statt, im Centrum der Stadt, auf der Strasse, die heute den
Xamen Corso führt, und erstreckten sich bis unter die Fenster seines Pa-
lastes auf der Piazza Venezia^). In Rom lebt auch noch die Erinneruno-
an einen Wettlauf nackter Buckeliger, die „sehr sehenswert waren wegen
der Mannigfaltigkeit ihrer wunderlich geformten Rückgräte," wie ein Be-
richt vom Jahre 1633 sagt-). Dagegen konnte ich keinerlei K'achricht
darüber finden, dass dort auch jene merkwürdigste Art der Wettrennen,
die Frauen Wettrennen, veranstaltet wurden, wie dies an vielen anderen
Orten geschah. Auch der Frauenwettrennen giebt es mehrere Arten: in
den Ortschaften am Bolsenersee, z. B. in Yiterbo, liess man ebenso wie in
Assisi im Umbrischen, die Frauen mit einem Kruge voll Wasser, den sie
auf dem Kopfe im Gleichgewicht zu halten hatten, Wettlaufen. Berühmt
sind auch die Ruderwettfahrten der Frauen in Triest und an anderen
Orten, welche jenen cähnlich waren, die ehemals in Venedig, z. B. zur
Feier der Ankunft König Heinrichs III. von Frankreich veranstaltet wurden
und die viele Jahrhunderte hindurch bestanden. Bei diesen Regatten
zeichneten sich besonders die Bewohnerinnen der Insel Palestrina aus^).
Die Wettrennen, mit denen ich mich beschäftigen will, die ,,cursus
meretricum" (Dirnenwettläufe), haben einen ganz anderen Charakter; sie
waren im Mittelalter sehr gebräuchlich und wurden, wie uns Muratori
berichtet*), im Jahre 1325 von Castruccio Castracani selbst unter den
Mauern von Florenz zum Schimpfe der belagerten Bevölkerung veranstaltet.
Dieser Gebrauch verschwand mit der Zeit, in einigen Städten freilich viel
früher als in anderen. Obwohl man z. B. in Brescia durch einen Beschluss
des Consilio speziale vom 4. August 1444 ihn abzuschaffen versucht
hatte, verschwand er gleichwohl erst 48 Jahre später. B. Zamboni'")
berichtet, dass diese uralte Gewohnheit des Preiswettlaufens, die „von den
allgemeinen Concilien als viehisch und teuflisch angesehen, von der Re-
gierung als abscheulich getadelt und von allen Predigern und Dienern
Gottes verabscheut wurde, schliesslich auf den Rat des ehrwürdigen Paters
1) F. Gregorovius, Storia della cittä di Roma, Venezia, Antonelli, 1875, VII,
250—2. — Burckhardt, Die Cultur der Renaissance in Italien, Leipzig, See-
mann, 1878, II, 163. — A. Ademoll 0, II carnevale di Roma nei secoli XVII e
XVIII, Roma, Sommaruga, 1883, 1 fg , 60 fg. und passim. Cfr. von demselben:
Alessandro VI, Ginlio II e Leone X nel carnevale di Roma, Firenze, AdemoUo,
1886, 22 und passim.
2) A. Ademollo, II carnevale etc. 10.
3) P. de Nolhae e A. Salerti, II viaggio in Italia di Enrico III, re di
Francia, Torino, Roux, 1870, 117—8. — G. Renier Michiel, Origini dclle toste
veneziane, Venezia, AMsopoli, 1827, V, 267.
4) Antiq. M. E., II, 852: cfr. N. Machiavelli, Vita di Castruccio Castra-
cani, Firenze, 1551, 391).
5) Momorie intorno alle pul»l)liche fabhricho piü iusigni della cittä di
Brescia, 1778, 37-8.
58 Lovarini:
Bernardino da Feltre aus dem Orden der Minoriteu, der in Brescia das
Wort Gottes zum grössten Nutzen der Seelen gepredigt hatte, im Jahre
1492 gänzlich aufgehoben wurde." Wenn auch der Podesta und der
Capitano von Venedig, die in Brescia residierten, hier, auf das Wort des
gelehrten Mannes hin. ein solches Schauspiel äusserst tadelnswert fanden,
so gefiel es doch anderswo den venezianischen Behörden recht gut. Wir
wissen unter anderm, dass der Stellvertreter dieses Staates in Ferrara am
Tage des hl. Markus (25. April) 1500, nachdem er am Morgen zusammen
mit Don Alfonso und Messer Sigismondo da Este das gewohnte Opfer in
der Kirche des hl. Evangelisten dargebracht hatte, „durch einen ruchlosen
Befehl, Dirnen über die ,giara' in Ferrara, wo er wohnte, Wettlaufen liess
(der Preis war ein Kattunstück), und dass es das erste Mal war, dass
Stellvertreter eines Staates in Ferrara ein derartiges Fest veranstalteten" ®).
Das gleiche geschah im folgenden Jahre nach demselben Gewährsmanne'').
In der Stadt Padua endlich, wo die Wettrennen noch bis über die Hälfte
des 17. Jahrhunderts bestanden, wurden sie von den Rettori (Regenten) der
Republik selbst erlaubt und gefördert. Es ist merkwürdig, dass die
venezianische Regierung, die sich sonst anderen moralischen Dingen gegen-
über unnachsichtig und streng genug zeigte, um dem Worte und Werke
der katholischen Prediger zuvorzukommen, an diesem Gebrauche gar-
nichts zu tadeln fand, ihn vielmehr bis in eine so späte Zeit erlaubte und
förderte. Ich weiss nicht, ob ein glaubenseifriger Mönch ihn jemals mit
den begeisterten und zündenden Worten eines Moralpredigers auszurotten
versuchte, wie es Bernardino da Feltre in Brescia that. Yielleicht hätte
er es unter der wachsamen und argwöhnischen venezianischen Regierung
nicht ungestraft thun können.
Gewiss ist, dass die Sitte tief in dem Geschmacke des Volkes von
Padua eingewurzelt war, das an ihr grossen Gefallen fand und sie nicht
so schnell aufgab. Oft — öfter noch als uns die Dokumente beweisen —
mussten die unglücklichen Frauen Wettlaufen inmitten der Stadt, auf der
Strasse, die sich von dem Thore Ponte Corbo bis zum Centrum hinzieht,
bei der Universität oder auf der Strada Maggiore, die vom Ponte Molino
nach der Piazza dei Signori führt. Als Zuschauer standen auf beiden
Seiten in dichtgedi'ängter Reihe unter den Säulengängen das lärmende Volk
und die Studenten, die grössten Spektakelmacher. Lärm und Geschrei,
freche und zügellose Reden, Witze und Scherze begleiteten die Dirnen
auf ihrem atemlosen Laufe. Wir wissen, dass in anderen Städten einige
Personen die schöne Gewohnheit hatten, ihnen Mehl oder andere Dinge
6) Diario ferrarese bei Muratori, Rerum ital. scriptores, XXIV, 384. Hier
findet sich die falsche Abschrift der Stelle, Putte Pignolä etc., die vielleicht dui-ch das
Nichtverständnis des Wortes pignolä, von dem wir weiter unten sprechen werden, ver-
anlasst wurde. Cfr. ebenda unter den Tagen 23 u. 24.
7) Ebenda, 395.
Die Fraueuwettrennen in Padua. 59
in die Auoen zu werfen, entweder aus reiner Bosheit oder aber mit der
Absicht, eine der Wettläuferinnen zu verhindern, als die erste am Ziele
anzukommen. In Padua betrug man sich vielleicht nicht anders; dass
man die Hände nicht immer in der Tasche hatte, wird uns ein Sonett
beweisen, in w^elchem ein pikantes Geschichtchen erzählt wird, das sich
während dieses komischen Wettstreites zutrug. Ich habe soviele Doku-
mente, als mir möglich war, gesammelt und die uns von den Geschicht-
schreiberu überlieferten Berichte durchgesehen und will nun die Geschichte
dieser sonderbaren Sitte für Padua im Zusammenhange darzustellen ver-
suchen.
G. A. Sberti, der ein gelehrtes Buch über die Schauspiele und Feste
in Padua schrieb, erzählt, dass nach der Wiedereroberung Paduas durch
Andrea Gritti am 17. Juli 1509 „die Freude des Senats, als derselbe von
dem glücklichen Erfolge des schwierigen Unternehmens erfuhr, so gross
war, dass er den erwähnten glücklichen Tag — das Fest der hl. Marina
— feierlich zu begehen beschloss. Auch in der Stadt selbst konnte man
sofort Zeichen ausserordentlicher Freude wahrnehmen; das Ms. Cittadella,
p. 93, berichtet, dass man an dem Ponte Molino im Jahre 1509 am 17. Juli
Wettrennen mit Eseln, Dirnen und Juden zu veranstalten begann, die sich
bis zur Piazza della Signoria erstreckten und zur Erinnerung an den letzten
Einzug der Santa Marina in die Stadt abgehalten wurden .... und dass
die Renneu bis 1560 bestanden^)." Dies ist die erste Nachricht, die wir
von einem Frauenwettrennen in Padua besitzen. G. Sorgato^) führt in
seiner zusammenfassenden Arbeit über die Schauspiele der Stadt die Ein-
richtung einer solchen Belustigung gleichfalls auf jene Zeit zurück. Gloria
jedoch liess seinen Zweifel an der Genauigkeit dieses Datums durchblicken,
indem er klugerweise nur den Tag und den l^[onat, an denen man solche
Wettrennen abhielt, angab, aber das Jahr der Einführung überging, und
zwar in folgender Weise. Nachdem er über die sehr alten Pferderennen
gesprochen hat, fügt er hinzu: „Aber ein noch merkwürdigeres Wettrennen
konnte man am 17. Juli sehen zur Erinnerung an die Wiedereroberung
Paduas durch die Venezianer im Jahre 1509, nämlich ein Wettrennen mit
Eseln, Dirnen und Juden, das sich vom Ponte Molino bis zur Piazza dei
Signori erstreckte und bis zum Jahre 1560 bestand (Cittadella, Ms., in der
Biblioteca Civica, p. 102")."
Yernünftigerweise wiederholte er das nicht, was die beiden anderen
gesagt hatten; denn, wie kann man glauben, dass die Wettrennen an jenem
selben Tage stattfanden, an dem die Stadt eingenommen wurde, wenn
8) Degli spettacoli e dellc feste che si facevano in Padova, 2. Aufl.
Padova, Cesare, 1818, HO.
9) Memoria sugli spettacoli e sulle feste di Padova, Padova, tip. del' Se-
minario, 184.5, IR.
10) II territorio paduviiuo, Padova, Prosperini, 1862, I, 229,
60
Lovarini :
man jenen ganzen Tag und den darauffolgenden auf den Strassen kämpfte,
bevor man ein wenig Ruhe hergestellt hatte? Die Bürger und der Senat
hatten wohl an andere Dinge zu denken als an Belustigungen zu einer
Zeit, wo die in der Festung belagerten kaiserlichen Soldaten noch heftigen
Widerstand leisteten, und die Stadt geplündert wurde"). Man beachte
wohl, dass man auch in Venedig nicht daran dachte, diesen Sieg in jenem
und dem darauffolgenden Jahre zu feiern, dass der Doge vielmehr erst
1512, am Jahrestage, in pomphafter Prozession nach der Kirche der Santa
Marina, der Tagesheiligen^^), ging, in der sich zufälligerweise auch das Grab-
mal des Dogen Michele Steno befand und auf diesem die Schlüssel Paduas,
das unter seiner Regierung zum erstenmale erobert worden war^^).
Aus solchen Erwägungen ergiebt sich ganz klar, dass sich in den
Abschnitt, der aus jenem dem Andrea Citadella zugeschriebenen Werke
entnommen ist, ein Irrtum eingeschlichen haben muss. Prüfen wir in der
That die Abschrift, die davon in der Stadtbibliothek aufbewahrt wird und
die Sberti und Gloria benutzten, so werden wir bald gewahr, dass an der
fraglichen Stelle anfangs nicht das Jahr 1509 stehen konnte, sondern 1517,
welches letztere dann abgeändert und durch die andere Zahl ersetzt
wurde ^*). Und 1517 findet man auch in einer anderen fragmentarischen
Abschrift derselben Arbeit, die in gewissen Punkten abweicht und auf eine
zweifellos frühere Quelle zurückgeht als die andere Kopie '^). Der richtige
Wortlaut der Stelle würde demnach folgender sein: „Im Jahre 1517 am
17. Juli begann man von dem Ponte Molino bis zur Piazza della Signoria
ein Wettrennen mit Eseln, Dirnen und Juden zu veranstalten zur Erinne-
rung an den letzten Einzug der Santa Marina in die Stadt, wobei nach
dem Geschichtswerk des Justinianus '*') vier Bürger, Trapolino, Bagarotto,
11) A. Gloria, I podestä e capitani di Padova dal 6 giugno 1509 al
28 aprile 1797. Serie cronologica provata co' documenti, Padova, Randi, 1861,
6_7. _ Derselbe, Di Padova depo la lega stretta in Cambrai dal maggio all'
ottobre 1509, cenni storici con documenti, Padova, Prosperini, 1864, 19 sg.
12) Marin Sanudo, Diarii, XIV, 486; XVI, 511; XVIII, 372; XX, 388 „nach der
Gewohnheit, gemäss welcher man seit vier Jahren wegen der Wiedereroberung Paduas
dorthin geht"; es war das Jahr 1515. Siehe auch XXII, 365; XXIV, 746; XXVI, 341;
XXVII, 489; XXIX, 53 etc.
13) G. Renier-Michiel, o. c, IV, 243.
14) La descrittione di Padoa e suo territorio con l'inventario Eccle-
siastico brevemente fatta l'anno salutifero M.D.CV. Et in nove trattati
compartita con tavola copiosa. Ms. B. P. 324.
15) In derselben BibUothek Ms. B.P. 125, II, 28b
16) Anspielung auf die Stelle: ,Venetiis medio foro decemvirum iussu laqueo ne-
cantiu- quattuor patavini cives, claro orti genere, ob eorum infidos, rebellosque in Remp.
animos: hi autem fuere Albertus Trapolinus, Bertutius Bagarotus, Jacobus a Leone et
Ludovicus Conte" Rerum veuetarum ab urbe condita ad annum MDLXXV
Historia Petri Justiniani, Veuetiis, 1575, lib. XI, 299, rr. 36— 9. Diese Exekution,
die von Marin Sanudo (Diarii, Tagebücher, IX, 357—9) genau beschrieben wird, fand
am 1. Dezember 1509 statt und nicht am 28., wie in der handschriftlichen Chronik des
Antonio Buzzacarini gesagt wird (Paduaner Stadtbiblioth , B.P 55, II, 217): allein
Die Frauenwettrennen in Padua. 61
Leone und Conte öffeutlicli gerichtet wurden; das Wettrennen bestand
bis zum Jahre 1560."
Wenn somit auch feststeht, dass die Frauenwettläufe zugleicli mit den
anderen Wettrennen dazu dienten, die Wiedereroberung- der Stadt im
Jahre 1517, und nicht 1509 zu feiern, sind wir darum gewiss, dass die-
selben nicht schon vorher veranstaltet wurden? Bei allen Nachforschungen,
die ich anstellte, gelang es mir nicht, einen anderen Beleg dafür zu finden
als ein Sonett, das indessen zur Genüge beweisen wird, dass es an ähn-
lichen Belustigungen auch im vorhergehenden Jahrhundert nicht mangelte.
Übrigens fehlt, wie auch die Behörden bestätigen können, die im Jahre
1608 den Gebrauch erneuern wollten, „in den Ausgabebüchern der Stadt
jeder Posten für eine solche Anschaffung" von Wettpreisen. Das Sonett
fällt vor das Jahr 1470, wie aus einer dem Kodex, «1er es enthält, bei-
gefügten Notiz hervorgeht, und ist im Bauerndialekt geschrieben. Als Ver-
fasser wird „paduanus quidam" angegeben.
La Tonia e mi e la puta de! Barcega
si corevenu a Pava al pignolo,
e un fante citain, ch'era ivelö,
me de una bruta picega in la nega.
E' me ghe sdrussi incontra si graraega,
che-1 fi stare tuto smaraveio,
e gi dissi: „Chi cri-A'u che sia ampö?"
El disse: „Duosa! mo si ben salvega!"
e po me disse: Non se scorozon.
E' n<in fu mo (. . . . Mo tu si in gran rego !)
El fu quel altro che v'e piii a galon."
„Mo meravia!" diss"io, „e"non ghe vego:
e che si che ve daro ua muson,
che forse trazeron el comparego.''
E' dissighe: „Teton!"
Ben che'l sia citaino zarlaore,
che ghe vegna el biä e l'anzicuore'')-
Die Frau, welche der Autor in obigem Sonette sprechen lässt, erzählt
ein Geschichtchen, das ihr eines Tages in Padua passierte, während sie
mit zwei Gefährtinnen „correva al pignolo"; dieser Ausdruck ist gleich-
bedeutend mit „correre al palio" (um einen Preis Wettlaufen) oder mit
OS scheint, dass auch hier das Datum abgeändert wurde, und dass ursprünglich ge-
schrieben stand ..ai p. i di dicembre". Cfr. A. Gloria, Padua nach der Ligue von Cam-
bray etc. 31.
17) Codex der Gemeinde Udine, betitelt „Poesie de' secoli XIII, XIV e XV"
ohne anderes Kennzeichen, 146b. Das oben mitgeteilte Sonett nebst anderen desselben
Verfassers kann man in meinem demnächst erscheinenden Buche „Testi di letteratura
pavana", Bologna, Roinagnoli, 4, lesen.
ß2 Lovariiii:
,,al veludo", wie mau im vorigen JalirlmiKlert in derselben Stadt sagte ^^).
Pignolö, mit scliriftitalienischer Endung pignolato ^Yar der Preis, den
mau gewöhnlich für die Siegerinnen bestimmte, und bestand in einem
groben Gewebe aus Hanf oder Flachs, selten aus Baumwolle, „operato a
pignoli" (mit Pinienmustern durchwirkt?), daher der Name; es war fast
immer weiss, bisweilen jedoch von anderer Farbe, auch wohl gestreift ^^).
Die Erzählung in der rohen Bauernsprache ist voll Natürlichkeit und
Realismus. Einer der Zuschauer kneift verstohlen eine wettlaufende Dirne;
diese wendet sich um wie eine getretene Yiper, entgegnet ihm, der sie zu
beschwichtigen und sich zu entschuldigen sucht, mit groben und drohenden
Worten, behandelt ihn wie einen elenden Buben und schleudert ihm
schliesslich eine schreckliche Yerwünschung entgegen. Aber alle diese
Wutausdrücke lassen den Streit zu lange dauern, als dass man es für
wahrscheinlich halten könnte, er habe während des Wettlaufes statt-
gefunden, bei dem doch die Dirne im Wettstreit mit den beiden anderen
vor allem daran denken musste, keine Zeit zu verlieren. Es ist nicht
anzunehmen, dass ein derartiges Weib um einer so geringfügigen Sache
willen ihr Stück Zeug (den Preis) verlieren wollte. Vielleicht wollte der Ver-
fasser des Sonetts das Ereignis nicht auf die Zeit des Wettrennens selbst
beschränkt, sondern es auf den Zeitpunkt vor oder nach demselben bezogen
wissen. Worin indessen auch der Fehler des Dichters bestehen mag, uns
genügt zu wissen, dass vor dem Jahre 1470 in Padua ein Frauenwettrennen
abgehalten wurde, bei dem der Preis in einem Stück Zeug bestand. Aber
warum erwähnen die drei Statuten, die republikanischen, die carraresischen
und die verbesserten, die alle ein langes Kapitel über die jährlichen Feste
und Wettrennen und über Beschaffenheit und Wert eines jeden Preises
enthalten, nicht auch diese Wettrennen? Doch dieser Fall steht nicht ver-
einzelt da; auch in den Verordnungen des Rats wurden sie später ver-
schwiegen, und in den Akten der Sechzehn werden wir den vierten, für
die Frauen bestimmten Preis niemals erwähnt finden, obwohl auch er vor-
handen war. Vielleicht hielten sie es unter ihrer Würde, auf diesen ge-
wöhnlichen Spass des Volkes, der überdies sehr wenig kostete, Gewicht
zu legen.
Sehr wenig kostete er im Juni 1546. Facciolati schreibt: „Mense
junio anni sequentis ludos civitati dedit cursu equorum, et quidem geminato
veredorum et astureorum, tum asellorum et meretricum, ex ea pecunia, quae
caponum festivitatis assignata dicebatur . . . aparet in ludos tam magnificos
18) A. Medin, Feste e spettacoli in Padova dal 1767 al 1780, Padova, Pro-
sperini, 1890, passim.
19) G. Eezasco, Segno delle meretrici (Kennzeichen der Dirnen) in Gior-
nale ligustico di archeol., storia e letter., Mai-Juni 1890, 171—2, n. 1; der Artikel
■wurde auch im Dizionario del ling. ital. stör, e amministr. desselben Verfassers
veröffentlicht. <;tr. Du Gange und das Wörtorbnch von Tommaseo u. Bellini.
Die Frauenwettrennen in Padua. 63
pro more illorum ternporum impeiisos fuisse florenos tringinta quinque,
quae summa nmic vix primo proemio satis esset ^*')."
Dieses Zeugnis würde genau in die Zeit zwischen 1517 und 1560
fallen, die vom Verfasser der Descrittione für die Wettläufe zur Erinne-
rung an den venezianischen Sieg vom 17. Juli angegeben wurde. Aber
der Zeitpunkt, an dem sie stattfanden, ist nicht derjenige, den wir erwartet
hätten: der Tag der hl. Marina; vielmehr der Monat Juni, und zwar die
Zeit der Feste zu Ehren des grossen Wunderthäters, des Beschützers der
Stadt, des hl. Antonius, w-elche zusammenfiel mit dem Monat der berühmten
Feste zur Befreiung Paduas von Ezzelino (20. Juni 1256), die auf den
11. Juni jedes Jahres „in via publica, in medio Prati Vallis^^)" festgesetzt
waren.
Was auch immer der Grund zur Abänderung war, ob sie ausserdem
von politischen Wechselfällen, von der passenden Lage der Jahreszeit und
der Messen der Heiligen, oder von der in den Bürgern lebendigen Tra-
dition abhing, will ich nicht untersuchen. Mir genügt es, daraus die That-
sache zu entnehmen, dass im Jahre 1608, als Tommaso Contarini Podesta
und Pietro Duodo Capitano war, diese Zeit definitiv für die Wettrennen
festgesetzt wurde. Bas Dokument befindet sich in den Akten des
Kollegiums der Sechzehn und trägt das Datum des 17. März jenes Jahres.
Es wird darin gesagt, man wolle die Wettrennen erneuern mit Bezugnahme
auf den Titel „de nundinis et paliis" des verbesserten Gesetzbuches (1420),
in welchem „ad perpetuam memoriam victorie, qua serenissimum ducale
dominium venetiorum habuit civitatem Padue, quod. fuit anno nativitatis
domini nostri yhesu xFi 1405, die 17 novembris" grosse Feste für die jähr-
liche Wiederkehr jenes Tages, und für den folgenden Tag die Wettrennen
festgesetzt worden waren. Darauf wird fortgefahren:
„obwohl man immer noch Messen singt und Prozessionen veranstaltet,
scheine die Feier der Wettrennen seit vielen Jahren unterlassen worden zu
sein, was sie (die Sechzehn) nunmehr zur Beratung vorlegen, um zu erfahren,
ob es für gut erachtet würde, bei Gelegenheit der Gnadenbezeigung, die
uns unser durchlauchtigster Principe in Verbindung mit dem wohllöblichen
Senate betreffs der öffentlichen Messe zur Erinnerung an den oben er-
wähnten Sieg erwiesen, jene Feier von neuem einzusetzen, indem man sie
auf den der Messe des glorreichen St. Antonio, unseres Beschützers, un-
mittelbar folgenden Tag verlege, was dieser Messe zu grösserer Zierde und
höherem Schmucke gereichen werde. Wie die Herren Deputierten (nach
20) Fasti gymnasii patavini, III, 11.
21) L. Muratori, Antiq. M. E. IT. 851 — 2. Cfr. A. Gloria, II territ. padov. etc.
I, 227 — 8 u. IV Append. XIII— V, 98—100; Statutum Paduae, B. P. 1235, pp. 115b bis
116a veröffentlicht in Statuti del commune di Padova dal secolo XII all' anno
1285, Padova, Sacchetto, 1873, 181—2; Statutum Paduae, Codex TT derselben Biblio-
tbek, B. P., 1236, lU2b — 3a; und Codex III, 327b— 8a.
ß4 Lovariiri :
dem, was sie aus den zu verschiedenen Zeiten mit den erlaucliten Herren
Kettori gepflogenen Unterredungen erfuhren) versichern, werden dieselben
mit Freuden in eine Erneuerung und A'erlegung des Tages einwilligen.
Nachdem in betreff jenes Vorschlages das Statut vorgelesen worden war,
vereinigen sich alle jene Herren einmütig in der Meinung, dass es eine
lobenswerte und für die ganze Stadt höchst erfreuliche Sache sei, die Feier
aus den oben erwähnten Gründen in der oben erwähnten Weise zu erneuern,
indem sie der Ansicht sind, dass der besagte löbliche Brauch aus keinem
anderen Grunde aufgegeben worden sei, als wegen der schlechten Jahres-
zeit oder wegen irgend eines in jener Zeit erfolgten Ereignisses. Weil
aber in den Statuten selbst nicht ausdrücklich angegeben werde, von
welchem Gelde die Prämien für die Sieger gekauft werden sollen, und
weil unsere Quadernieri (Buchhalter) berichtet hätten, dass sich in den
Ausgabebüchern der Stadt kein Ausgabeposten für eine derartige Ver-
anstaltung linde, und man deswegen ohne die Teilnahme des wolillöbl.
Rates auch nicht beschliessen könne, Geld von der dadia auszugeben,
ausser etwa eine bestimmte ganz kleine Summe, so wurde beschlossen,
„del tratto delli statu et altri utili", die unserer wohllöbl. Stadt bei Ge-
legenheit der öffentlichen Messe zukommen werden, bis zur Summe von
400 lire auszugeben für drei Preise von solcher Beschaffenheit, wie sie
von unseren erlauchten Herren Deputierten und Leitern der Messe für
gut erachtet werde, zugleich aber auch das Gutachten der erlauchten Herren
Rettori einzuholen, dass man von anderem Gelde ausgeben dürfe ^^)."
Hier werden nur drei Preise erwähnt, weswegen man glauben könnte,
es hätte nur die drei gewöhnlichen Wettrennen mit Vierfüsslern gegeben,
von denen allein Gloria spricht"^); indessen war, wie uns ein Zeitgenosse
Nicolö de Rossi^*) erzählt, der die Chronik der Stadt vom 6. April 1562
bis zum Jahre 1621 schrieb, auch ein vierter, für Frauen bestimmter Preis
vorhanden.
„Man veranstaltete", erzählt er, „ein Wettrennen mit Berberhengsten
— eine seit vielen Jahren unterlassene Feier — , das sehr gern gesehen
wurde von dem zahlreichen Volke, welches sich an Ort und Stelle begab,
um die Berberhengste und Rennpferde zu sehen, die von der Strada di
Ponte Corbo, eine Meile ausserhalb des Thores, rechts über die Brücke
von St. Lorenzo bis genau zur Piazza del Vino am Ende der Spitiaria del
Lion d'oro liefen; an dem Endpunkte war eine ziemlich hohe Tribüne
errichtet, auf der die Herren Preisrichter standen, um den zuerst an der
Endschranke Angekommenen die Preise zu überreichen. Von den Preisen
bestand der erste in 10 Ellen karmoisinroten Seidenrasch (raso cremesino
22) Atti del collegio dei sedici, im arcli. civico zu Padua, I (1594 — 1622),
47 a— b.
23) II territorio padovano I, 229.
24) Vedova, Biografia degli scrittori padovani, Padova, 1836, II, 175—6.
Die Frauenwcttreimen in Paduä. ,^5
di seda), der zweite in 10 Ellen scharlachroten Tuches (panno scarlatto
rosso), der dritte in 10 Ellen gelben Grogans (grogan zalo) und der
vierte in 12 Ellen weissen Boinbassins (bonihasina bianca), letzterer für
die Frauen, die vom Ponte Corbo bis zu dem oben angegebenen Orte
liefen'^)."
Nunmehr verstummen die Nachrichten neun Jahre lang; erst unter
der Herrschaft des Giovanni Dandolo und des Nicolo Yendramiu treffen
wir unter dem Datum „Sonnabend, den 27. Mai 1617" auf folgenden Be-
schluss der Sechzehn:
„Bei dem Antrage, ob es gut schiene, an der öffentlichen Messe des
hl. Antonius, wie gewohnt, ein Wettrennen zu veranstalten, wurde be-
schlossen, dass, insofern es den erlauchten Herren Rettori gefiele, und
man auch die derzeitigen wohllöbl. Herren Deputierten dazu bewegen
könnte, man diese Ausgabe mit jener Masshaltung zu machen habe, die
den derzeitigen Herren Deputierten gut scheinen werde ^*')."
Bis zum Jahre 1638 konnte ich wiederum nichts mehr erfahren; in
diesem Jahre hinterliessen dieselben Sechzehn folgendes Schreiben:
„22. März 1638.
Nachdem der Vorschlag des erlauchten Herrn Capitanio, Wettläufe zu
veranstalten und die Statuten wieder aufleben zu lassen, erörtert worden
war, wurde nach reiflicher Erwägung beschlossen, dass die Statuten wieder
in Kraft treten sollen, um offenkundig zu beweisen, dass die Stadt Seiner
Durchlaucht stets ergeben sei^^)."
Und in der That wurde wenige Tage später folgende Bekanntmachung
öffentlich angeschlagen :
„Behufs Neubelebung der Statuten unserer wohllöbl. Stadt, die im
Jahre 1420 zur jährlichen Erinnerung an die Freude über die so glück-
liche Herrschaft und über den Einzug des durchlauchtigsten Principe in
unsere Stadt geschaffen und in allen ihren Teilen beobachtet wurden, aus-
genommen in denjenigen über die Wettrennen mit Pferden und anderen,
die seit einigen Jahren unterlassen wurden, lassen die erlauchten und vor-
trefflichen Herren Zuane Pisano, Podesta, und Girolamo Mocenigo, Capi-
tano, die würdigen Rettori Paduas und seines Gebietes, auf das Ersuchen
der wohllöbl. Herren Deputierten, ad utilia öffentlich bekannt machen und
ausrufen, dass am Tage der Heiligen Vito und Modesto, welcher Tag der
löte des kommenden Monats Juni sein wird, Wettrennen veranstaltet
werden, wobei von der oben erwähnten wohllöbl. Stadt als Preis aus-
gesetzt wird für den ersten Renner der Berberhengste 25 Ellen grünseidenes
25) L' Historie di Paclova tli Niccolö de' Rossi de q. ms. Anzolo, ms. cart.
der nämlichen Gemeinde, B. P. 147, p. 236.
26) I, 109 a.
27) III (1634-46), 109 a.
Zeitschrift d. Vereins f. Volkskuiide. 1892. Ei
66 Lovarini.
Tabin (tabin secia verde), für den ersten Renner der Klepper 25 Ellen
gelbes Ermisin (ormesin zallo), für den ersten Renner der Esel 25 Ellen
Bombassin (bombasina), für die Frauen ein Stück karmoisinrotes Grogan
(grogan cremisin); jedermann wird zu dieser Feier, deren einzige Ur-
sache die grosse Ergebenheit der Stadt gegen Seine Durchlaucht ist, ein-
geladen.
12. April 1638.
Yeröffentlicht am „Loco delle condanne, canton delle busie e casalini"
nach vorausgeschicktem Trompetenstoss, in Gegenwart vieler Leute.
Padua, Crivellari, stamp. Camerale^^)."
Diese Feste wurden immer seltener gefeiert; man muss die Akten der
Sechzehn von weiteren 29 Jahren durchgehen, bis man wieder eine Notiz
antrifft :
„Am 6. Juni 1667.
Nach einer Erörterung über die Neubelebung der Statuten durch Ver-
anstaltung von Wettrennen wurde nach reiflicher Erwägung, unter all-
gemeiner Zustimmung, beschlossen, die oben erwähnten Statuten wieder
in Kraft treten zu lassen und die Wettrennen am Sonntag, dem 19. Juni, zu
veranstalten, zuvor aber die Herren Rettori davon zu benachrichtigen, um
die öffentliche Bekanntmachung durch die gewöhnlichen Ausrufer zu
erlangen ^^)."
Aus dem hier Gesagten kann man jedoch nicht entnehmen, was für
Wettrennen in jenem Jahre veranstaltet wurden und ob auch Frauen daran
teilnahmen; aber ein Dokument, das Sberti mitteilt, worin die Wettrennen
vom folgenden Jahre beschrieben werden, die „nach dem Gebrauche des
(damals) abgelaufenen Jahres" stattfanden, giebt uns den gewünschten
Aufschluss.
„Aus einer Bekanntmachung," schreibt er, „oder einem gedruckten
Aufruf der erlauchten Herren Marco Ruzini, Podesta, und Yettor Contarini,
Capitanio, Rettori der Stadt Padua, mit dem Datum des 19. April 1688,
geht hervor, dass zur Fortsetzung der jährlichen Feier des Tages des Über-
gangs an die glückliche Herrschaft der Republik Venedig, nach dem
Brauche des verflossenen Jahres, hier am 15. Juni des besagten Jahres
1668 Wettrennen mit Berberhengsten, Kleppern, Eseln und Frauen ver-
anstaltet wurden; als Preise waren ausgesetzt für den ersten Renner der
Berberhengste 25 Ellen Tabin mit Blumenmustern (tabin in opera), für
den ersten Renner der Klepper 25 Ellen gelbes Ermesin (ormesin giallo),
für den ersten Renner der Esel 25 Ellen Schleiertuch (rensa) und für
28) Proclami, mss. desselben Archivs. Citiert von Gloria, II territorio pado-
vano I, 229.
29) V (1663—73), 90b. cfr. wegen der Echtheit die schlechte Abschrift in dem-
selben Archiv unter Acta coli. mag. Dom. sexdec, Sitzungen 1662—71, LV.
Schwartz: Die Wünschelrute als Quellen- und Schatzsucher. ß7
die Siegerin der Frauen ein Stück karmoisinrotes Grogan (grogan
cremesino^")."
Dies ist das letzte uns erhaltene Zeugnis der merkwürdigen Sitte, die
hier so lange bestand, um den barbarischen Geschmack des Volkes und
die Laune der leitenden Klassen zu befriedigen. Ein Breve des Papstes
Clemens IX. vom 28. Januar jenes selben Jahres schaffte in Rom das
traurige Judenwettrennen endgiltig ab^^); vielleicht war das Breve auch
insofern von Einfluss, als es die Abschaffung des Frauenwettrennens ent-
schied, das seit undenklicher Zeit, vielleicht seit dem Altertume hier ein-
geführt war^^).
Rom, Juni 1891.
Anm. Ich behalte mir vor, über die Wettläufe der freien Fräulein in den Städten
Deutschlands, sowie über die volkstümlichen Wettrennen, die noch heute in deutschen
Landschaften fortdauern, in unserer Zeitschrift einmal zu handeln. K. Weinhold.
Die Wünschelrute als öiiellen- und Schatzsucher.
Von Wilhelm Schwartz.')
Die Wünschelrute tritt nur gelegentlich in der Litteratur in die
Öffentlichkeit.
Zuerst wird durch eine althochdeutsche Glosse (Graff, Sprachsch. IV,
257) der caduceus des Merkur mit dem Worte wunsciligarta übersetzt und
sie damit als eine Segen und Reichtum spendende Zauberrute wie
jener gekennzeichnet. In mittelhochdeutschen Gedichten wird sie dann
öfter erwähnt, und ein paar Stellen eröffiaen uns die hauptsächlichsten
Eigentümlichkeiten ihres Wesens.
Im Nibelungenliede (Str. 1064) tritt sie nämlich als goldenes Rüt-
lein auf, was auch wieder schon äusserlich zum goldenen Stabe des
Hermes passt; weiter wird sie dann aber vor allem als ein machtvolles
Hauptstück des sagenhaften Nibelungenhortes gefeiert, wohl in demselben
Sinne, wie der Ring Andvarinaut bei dem entsprechenden nordischen
Schatze des Andvari eine, die schwindenden Schätze immer wieder
erzeugende und wachsen lassende Kraft hat.
Der wünsch lac darunder, von golde ein rüetelni.
Der daz het erkunnet, der möhte meister sm
Wol in al der werlde über islichen man.
30) Op. cit. 155.
31) A. Ademollo, II carnevale di Roma etc. 11.
32) cfr. Dionis Cassii C. Historiae ronianae, lib. LXVII: „nl tiuq&^voi tw
ÜQOf^ixM Tjycoviaavjo".
1) Vortrag, gehalten in der Vereinssitzuug am 29. Mai 1891.
5*
68 Schwartz :
Wer dieses Schatzes genoss, der konnte mit seinem Golde der Helden
genug gewinnen und mächtig als König walten oder war aller Wünsche
Herr.
In Konrads „goldener Schmiede'' 664 heisst es dann:
Du bist die wünschelgerte, da mite üz einem steine
wart ein wazzer reine geslagen in der wüeste
und in Konrads trojanischem Kriege 20 006 von der Helena:
Sehoen als ein wünschelgerte kam si geslichen üfreht,
indem der Dichter Helena in ihrer „geraden" stattlichen Gestalt mit einer
aufrecht, gleichsam feierlich einherschreitenden Wünschelgerte vergleicht,
ähnlich wie Homer, um die entsprechende Erscheinung der Nausikaa zu
feiern, dieselbe vom Odysseus mit einem frisch aufsteigenden Sprössling
der Palme verglichen werden lässt.
Damit haben wir gleich einige bedeutsame Züge für die Natur der
Wünschelrute gewonnen, welche dann im Kulturleben des Mittelalters
systematischer und reicher entwickelt worden sind, aber in jener Be-
schränkung immer noch den Mittelpunkt des sich um sie drehenden, ein-
fachen Yolksglaubens bilden.
Sie ist eine Gerte, Rute, gelegentlich von Golde; sie steht in wunder-
barer Beziehung zu einem mythischen Schatze, wie andererseits unter ihrem
Schlage „Wasser" aus dem Felsen quillt. Mit dem Moment der „aufrecht"
einherschreitenden Rute wird endlich schon auf den Gebrauch derselben
als eine Art Fetisch in den Händen der Menschen hingewiesen, indem der
Wasser- oder Schätzesuchende mit ihr, sie vor sich haltend, in solcher
Stellung einherschreitet.
Im XY. Jahrhundert bemächtigten sich nun die Gelehrten ihrer; sie
wird in den Kreis der Alchemie hineingezogen, welche bekanntlich mit
derartigen sagenhaften Dingen zuerst gerierte und ihre Forschungen be-
gann. Man wandte sie besonders in ihrer angeblichen Fähigkeit, ver-
borgene Schätze zu enthüllen, auf den Bergbau an, wollte namentlich mit
ihr Erzadern und dergleichen eröffnen und die Sache selbst dann auch
wissenschaftlich begründen. Es entstand eine vollständige Rhabdomantie.
Der Mönch Basilius Valentinus zu Strassburg, der zugleich die Scheide-
kunst betrieb, gab unter anderm sieben Arten an, wie man die Hasel-
staude halten müsse, damit sie die verschiedenen Einflüsse der in den
sieben Planeten wirkenden Metalle empfinde. An Nachfolgern fehlte es
ihm bis in die neuesten Zeiten nicht, wenngleich unter minder phantasti-
schen Formen, indem man z. B. die angeblichen Wirkungen der Wünschel-
rute schliesslich sogar mit Magnetismus und Elektrizität in Verbindung
brachte, von einer unterirdischen oder animalen Elektrizität bei ihr redete
und dergl. mehr.
Daneben war, was die praktische Verwendung der Rute anbetrifft,
nach dem dreissigjährigen Kriege, wo in der Not der Zeiten viel Geld
Die Wünschelrute als Quellen- und Schatzsuclier. 69
vergraben und einzelnes allmählich zufällig aufgefunden wurde, wieder
viel Schätzesuchen mit ihr aufgekommen, was z. B. in der Mark Branden-
burg mit allerhand Hocus pocus noch bis in die Mitte des vorigen Jahr-
hunderts ganz öffentlich betrieben wurde.
Die Sache hatte zumal neben dem geheimnisvollen Charakter, welcher
die Phantasie immer wieder fesselte, auch allerhand christliche Formen
angenommen, welche die Wünsclielrute in immer weiteren Kreisen im
Volke auch immer wieder fest einbürgerte.
Wuttke stellt das Hauptsächlichste kurz zusammen, wenn er sagt:
„Die Wünschelrute ist ein einjähriger, gabiiger Zweig von einem Hasel-
strauch von 2 — 4 Fuss Länge. Sie wird in der Johannisnacht oder in der
Mittagstunde (in Schwaben und Tirol auch in der Nacht zum Charfreitag)
unter Beschwörungsformeln, mit einem neuen, noch nicht gebrauchten
Messer, geschnitten, indem man rückwärts auf den Strauch zugeht, die
Kute zwischen den Beinen durchzieht und sie vorn abschneidet; man darf
sie dabei nicht mit blosser Hand berühren, sondern mit einem weissen
Tuche, welches man um die linke Hand wickelt. Besonders zauberkräftig
wird sie dadurch gemacht, dass man sie in das Kleid eines Täuflings ver-
steckt und so mit taufen lässt oder dass man sie selbst auf den Namen
der heiligen drei Könige tauft oder auf Kaspar, wenn sie Gold, auf
Balthasar, wenn sie Silber, auf Melchior, wenn sie Wasser finden soll. Sie
wird aucli wohl einer menschlichen Gestalt ähnlich geschnitten, wobei die
Gabel die Beine darstellt."
Aber nicht bloss auf die angegebenen Momente beschränkte man ihre
Verwendung. Ihre angebliche Befähigung, „Verborgenes" zu erschliessen,
liess sie in immer weiteren Kreisen zur Anwendung kommen. „Man ge-
brauchte die Wünschelrute," sagt Perger in seinen deutschen Pflanzen-
sagen, „nicht nur zum Auffinden von Quellen und Erzadern, sondern auch
zur Entdeckung von verlorenen Schätzen und sogar um Dieben und
Mördern nachzuspüren. Ja man ging immer weiter und erkundete mit der
Wünschelrute versteckte Marksteine und verirrtes Vieh, man suchte mit
ihr den verlorenen Weg, kundschaftete den Feind aus, urteilte durch sie
über die Wahrheit und Unwahrheit einer Erzählung; sie gab kund, ob
jemand Entferntes gesund oder krank, tot oder lebend sei, ob eine Frau
einen Sohn oder eine Tochter gebären werde, ja man wollte sogar im
Meer jene Stellen durch sie auffinden, an welchen Waaren untergesunken."
So Perger. Ein alter Fischer erzählte mir sogar auf Rügen, man habe
sie früher angewandt, um zu ermitteln, wo die Heringe lai eilten. Jeder
gebrauchte sie eben in seiner Weise.
Namentlich aber hat das Quellensuchen mit ihr sich noch bis in die
Mitte dieses Jahrhunderts erhalten und findet noch immer seine gelehrten
wie geschäftsmässig es betreibenden Anhänger. Zwei Momente fallen dafür
besonders ins Gewiclit. Einmal ist die Kunst, Wasser zu finden, eine alte
70 Schwartz:
Kunst, die frühzeitig durch die Not nach Möglichkeit gezeitigt ward. Das
Erwägen des Terrains und was auf demselben wächst, spielt dabei eine
grosse Rolle. „Wo wilder Huf lattig wächst," sagt z. B. schon Plinius,
„meint man, dass darunter Wasser sich finde, und die aquileges, die Brunnen-
sucher, halten dies als ein Wahrzeichen." An sich hat die Sache inner-
halb jener Grenzen also einen gewissen Sinn. Das volkstümliche Medium
der Wünschelrute verleiht ihr aber eine Art geheimnisvoller Weihe, und
der Adept bringt in einer gewissen Selbsttäuschung seine eigenen Gedanken
unbewusst mit ihr zum Ausdruck, so dass er sich gleichsam eins mit ihr
fühlt und dies seine Sicherheit hebt, ihn aber auch an die Ente fesselt.
Die Misserfolge zählt man nicht und die Fälle, wo es zutrifft, erhebt man
bis in den Himmel und sieht in ihnen eine neue Bestätigung von der
Macht der Zauberrute.
Die Wünschelrute ist nämlich ein empfindliches Ding und geht dem
Gefühl des sie tragenden, der in dem Augenblick in einer mehr oder
minderen Sensitivität und Spannung sich befindet, gleichsam nach. „Die
Arme fest mit dem Ellenbogen an die Seiten geschlossen, die Rute in
den Händen wie ein Reiter die Zügel, d. h. so, dass das Ende jedes
Zweiges der Gabel von den drei ersten Fingern und dem Daumen gepackt
ist und der Zweig zwischen dem dritten und vierten Finger nach (vorn
und) oben zum gemeinsamen Yereinigungspunkte der beiden Zweige ver-
läuft, also in einer für die Arme und Handmuskeln sehr gezwungenen
Haltung, schreitet der Brunnensucher einher." So beschreibt ein Arzt im
„Daheim'^ den Vorgang^). „Der leiseste Ruck," sagt ebendaselbst K. W^olf
in Warburg, der es selbst so erprobt hat, „teilt ihr eine Bewegung mit,
welche sich dann vermöge der gleichmässigen Struktur der Holzfasern
unaufhaltsam fortsetzt; sie neigt sich und schlägt, wie es heisst, nach
unten. Der Druck der Handmuskeln und die eigentümlichen Spannungs-
verhältnisse der Holzfasern sind also das ganze Geheimnis der Wünscliel-
rute. Ein jeder kann den Versuch, wenn er Lust hat, hinter dem Ofen
machen^)."
Ist die geschilderte Form die gewöhnliche, so besteht die Wünschel-
rute bei anderen nur aus einem einfachen, etwa drei Finger langen, geraden
Haselstab, der auf dem ausgestreckten Zeigefinger oder auf dem Daumen,
im Gleichgewicht liegend, getragen wird. Da ist die Beweglichkeit der-
selben natürlich noch grösser. In allen Fällen ist aber ihre angeb-
liche Kraft nicht das Frühere, sondern nur die Folge der Sensi-
tivität des sie Handhabenden.
Dies ist die Geschichte und der Gebrauch der Wünschelrute, wie er
auf einem aus dem Heidentum stammenden Volksglauben er-
wachsen. Woher ist aber dieser entstanden, das ist die weitere Frage,
welche die Wissenschaft stellt. Und da finden wir, dass das Wecken einer
Quelle durch den Schlag einer Rute, in der Zeit grosser Dürre, ein
Die Wünschelrute als Quellen- und Schatzsucher. 71
altmythischer Zug ist, der nicht nur bei den Indogermanen, sondern auch
bei den Semiten uns entgegentritt.
Wie die deutsche Wünschelrute, wie wir gesehen, aus dem Stein durch
ihren Schlag Wasser sprudeln lässt, so vollbringt auch Moses in Zeit der
Not dieses Wunder wiederholt durch den Schlag seines Stabes^). Dieser
Stab bewährt aber auch sonst eine eigentümliche Kraft, was ausdrücklich
damit motiviert wird, dass der Herr zu Moses sagt: „Diesen Stab nimm
in deine Hand, damit du „Zeichen" thun sollst*)". Mit ihm verrichtet
Moses nicht bloss weiter nun den ägyptischen Zauberern gegenüber seine
Wunderthaten, sondern er wird auch ein siegverleihender Talisman oder
Fetisch in seiner Hand. In dem Streit gegen die Amalekiter bannt Moses
von eines Hügels Spitze, den Stab Gottes, wie er hier genannt wird,
während des Kampfes in der ausgestreckten Hand haltend den Sieg
an Israels Fahnen^), gerade wie hernach Josua seine Lanze gegen die
Stadt Ai ausstreckt und „nicht wieder abzog seine Hand, damit er
die Lanze ausreckte, bis dass verbannt wurden alle Einwohner der Stadt**)".
Diese Bilder und die Rolle, welche der Stab Gottes oder des Josua Lanze
in ihnen spielt, erscheinen um so bedeutsamer, als analoge, wenn auch in
der Form etwas modifizierte Sceuen und Vorstellungen mythischer Art bei
den Indogermanen sich dazu stellen. Denn ist es nichts anderes, als wenn
Odhins Rohrstengel, über ein feindliches Heer geschossen, dies dem
Verderben weihen sollte und es auch sonst nordgermanische Sitte war,
den Speer über das feindliche Heer sich zum Heil beim Beginn des
Kampfes zu schiessen, ähnlich wie die römischen Fetialen durch Schleudern
einer blutigen Lanze in die Feinde oder in ihr Land den Krieg eröffneten
oder bei den Griechen die sogenannten nv()q)pQoi mit brennender
Fackel dem Heere voranschritten, um sie dem Feinde zusclüeudernd die
Schlacht einzuweihen, alles Gebräuche, deren mythische Bedeutung Kuhn
und ich schon seinerzeit eingehend behandelt haben'').
Erhält durch alles dies Moses' Stab schon, wie er uns in der Bibel
entgegentritt, eine besondere Folie, so knüpft der Talmud und die jüdische
Tradition eine Fülle von Sagen noch an ihn, die seinen ursprünglich
mythischen Charakter noch mehr kennzeichnen, den imr eben die Bibel
teils abgestreift, teils ihrem gehobenen Vorstellungskreise angepasst liat.
Nach dem Talmud sollte der Stab gar himmlischen Ursprungs sein, aus
dem Paradiese stammen vom Baum des ewigen Lebens oder von dem der
Erkenntnis des Guten und Bösen seinerzeit dem Adam verliehen sein, von
dem er sich dann auf die Stammväter des Volkes Israel weiter vererbt
habe, bis er nach Josephs Tode in Pharaos Hand gekommen, der ihn
dann dem Reuel (Jethro) geschenkt habe, welcher ihn in seinem Lust-
garten gepflanzt, von wo ihn Moses mit der Zippora gewonnen. Er sei,
heisst es, vom Saphir gewesen; im Garten Jethros habe er sich nach
einer Erzählung in einen Mandidbaum verwandelt; der „erkhirte oder
72 Schwartz :
abgesonderte Name" Gottes, der Sehern hammphorasch, sei auf ihm ein-
geschnitten gewesen und darin habe seine Zauberkraft gelegen und der-
gleichen mehr*).
Ich habe dies etwas ausführlicher behandelt, um daraus die Berechti-
gung abzuleiten, wenn ich der quellenweckenden Kraft des Stabes
Mose, als einem auf alter jüdischer Tradition beruhenden Zuge, einen
mythischen Hintergrund vindiciere und die Stelle in Vergleichung stelle
mit analogen Bildern in indogermanischem Volksglauben®).
In der griechischen Mythologie finden wir nämlich sofort einen der-
artigen Stab in den Händen göttlicher Wesen, dieselbe Kraft bekundend.
So lässt Rhea nach Kallimachos „die Arme hoch gehoben", durch ihres
Stabes Schlag einen Quell hervorsprudeln, so weckt der Thyrsosstab in
der Bacchantinnen Schwärm beim Euripides den frischen Born, so schlägt
Atalante, als sie auf der Jagd vom Durst gequält wird, den Fels, und
hervorspringt der labende Quell. Auch in deutscher Sage vibriert noch
dieser Zug hindurch, wenn ein Heiliger das Wunder angeblich vernichtet,
„einen Ast in den Boden senkt, "^ wie J. Grimm ^ p. 551 sagt, und hervor
das Wasser sprudelt.
Ein irdisches Terrain und irdische Verhältnisse bieten nun für der-
artige mythische Bilder keine Anlehnung, wohl aber der Himmel, wie
wir sehen werden, von dem überhaupt die meisten mythischen Vorstellungen
in ihren Anfängen stammen, welche dann nur zum Teil in der Tradition
auf die Erde übertragen und so irdisch lokalisiert sind. Auf ihn führt
uns sofort auch eine andere Reihe von Sagen, die in anderer Weise den
Ursprung von Quellen mythisch behandeln und sie unter dem Hufschlag
eines Rosses hervorsprudeln lassen. Geht dies, wie sich klar heraus-
stellt, auf den Hufschlag des Donners als eines Rosses dort oben,
so ist der Quell, den es hervorruft, ursprünglich der Regenquell, und
nun ergiebt sich auch sofort in dem Stabe, der ihn auch seinerseits nach
der erwähnten Version hervorzaubert, der Blitz als eine himmlische
Rute, wie dieser auch sonst das Prototyp aller Zauberruten gewesen, im
Polnischen auch z. B. noch geradezu Gottesrute oder Donnerrute genannt
wird^").
Ich habe hierher schlagende Anschauungen von Donner schon ver-
schiedentlich des ausführlicheren behandelt und will deshalb hier nur ein-
zelne typische Momente hervorheben. Die griechische Sage entwickelt
uns die Vorstellung am klarsten. Wie bei Homer die Flüsse, d. h. nament-
lich die Gebirgsquellen , als öiinETelg, d. h. „vom Himmel gefallen", be-
zeichnet werden; Zeus, als den Herakles durstet, „mit dem Wetterstrahl '^
eine Quelle hervorzaubert, so hat angeblich des „Donnerrosses" Pegasos
Hufschlag die Quelle Hippokreue auf dem Helikon zu Troezene oder die
Peirene zu Korinth durch seinen Hufschlag hervorgerufen, gerade wie
Baldurs oder Karls des Grossen Ross, um das durstende Heer zu tränken.
Die Wünschelrute als Quellen- und Schatzsucher. 73
es gethaii haben soll, Au- und Nachklänge derselben Vorstellung auf ger-
manischem Boden").
Bestätigt dies meine Auffassung von dem Ursprung der quellen-
weckenden Rute, die der Aberglaube als eine Art Fetisch festgehalten hat,
so findet sie auch weiteren Halt in der zweiten Beziehung der Wünschel-
rute zu Schätzen.
Schon einfach die oben zu Anfang erwähnte Beziehung, welche man
in der wunscilgerta zu des Hermes Stab fand, weist auf das himmlische
Terrain und analoge Verhältnisse hin, wie auch in dem Hermes- und dem
ihm verwandten zauberhaften Thyrsosstabe schon längst von Kuhn und
mir der Blitz nachgewiesen ist. Schon äusserlich ist auch des Hermes Stab
bald eine einfache „zwieselartige" Gerte, wie die Wünschelrute — was
speziell auf die „gabelförmigen" Blitze geht*'^) — bald zwar noch drei-
sprossig oder dreiblättrig, aber doch auch von Golde, wie die, welche zum
Nibelungenhort gehört, und wird als Geber alles Segens und Reichtums,
also auch als ein ähnlicher Fetisch, wie diese gefeiert.
Aber nicht bloss etwa in der leuchtenden, goldigen Gestalt des Blitzes,
als eines goldigen Zauberstabes, liegt die Beziehung zu einem Schatze.
Der Himmel weist selbst für sich noch verschiedene goldige Schätze
auf. Es sind zunächst die Gestirne, Sonne, Mond und Sterne, welche
nach einer Anschauung goldene Scheiben oder Bälle sind, mit denen die
Himmlischen u. a. im Gewitter spielen, wie auch der heutige Volksglaube
in einem solchen, indem er an den rollenden Donner anknüpft, noch
unsern Herrgott oder Petrus Kegel schieben lässt, und Märchen wie Sage
noch von solchen „zauberhaften" Kegelbahnen wissen, in denen die Geister
mit „goldenen" Kugeln nach „goldenen" Kegeln werfen, ja im schwäbischen
Märchen noch geradezu die Gewitterbrüder „Donner", „Blitz" und „Wetter"
als die Besitzer einer solchen goldigen Kegelbahn auftreten ^^).
Aber noch einen anderen Schatz eigener Art glaubte die Urzeit im
Gewitter zu erblicken, der uns noch mehr hier angeht. Wenn nämlich
ein Gewitter am Horizont heraufkommt, so schien auch ein leuchtender
Schatz angeblich mit ihm heraufzusteigen, der Hebung harrend, zu
der des ersten Donners Stimme gerufen, oder wenn jene missglückt, im
niederschmetternden Donnergekrach wieder in die Tiefe zu versinken.
Allerhand Untiere, der heulende Sturmhund und vor allem der Gewitter-
drache mit den züngelnden Blitzeszungen bewachen ihn in den Sagen und
weisen noch auf seinen mythischen Ursprung hin.
Vor allem schildern aber eine Menge noch volkstümliclier Redens-
arten, die sich an solche versunkenen und gelegentlich wieder hervor-
kommenden Schätze knüpfen, noch lebendig das ursprüngliche himmlische
Terrain und seinen ursprünglichen Charakter. Besonders gehört hierher
der noch ganz allgemeine deutsche Völksglaube von den zeitweise in der
Nacht, d. h. in der Gowitternacht, überhaupt brennenden Schätzen. Schon
74 Schwartz :
im Mhd. heisst es: „wenne kiimt hervür der hört, der mich so riche möchte
machen?" Der betr. Schatz sonnt sich, er „blühet," wie wir auch von
einem aufblühenden Gewitter noch reden. „Er verblüht," heisst es im
Simplicius simplicissimus, d. h. „er muss wieder versinken". Blaue Lohe
wird nach Grimm auf ihm erblickt, „er hat das Aussehen glühender Kohlen,
eines Braukessels voll roten Goldes." Brennt Flamme über ihm, so sagt
man „der Schatz wettert sich". Ich habe diese ganze Vorstellung schon
seinerzeit im Ursprung der Mythologie des ausführlicheren so mit allen
ihren Accidentien begründet, dass ich mich hier wohl damit begnügen
kann, in grossen Zügen so das betreffende mythische Element gezeichnet
zu haben ^*).
Eine solche Art Gewitterschatz liegt nun also ursprünglich auch dem
Nibelungenhort, dem Analogen des nordischen Zauberschatzes des Zwerges
Andvari zu Grunde, so dass es nach beiden Seiten hin erklärlich ist, wenn
der Blitz .als die im Gewitter agierende Zauberrute in dieser Hinsicht als
Schatzgeber und Mehrer mit ihm in Beziehung tritt, wie auch, dass
man zum irdischen Gebrauch sich auch eines solchen Fetisches nicht bloss
als Quellenwecker, sondern auch zur Hebung angeblicher unterirdischer
Schätze zu bemächtigen suchte. Wie die Wirkung der Wünschelrute nach
beiden Seiten hin die von mir gegebene Deutung stützt, so wird dieselbe
auch von dem, der Wünschelrute als Schatzmehrer analogen King And-
varinaut der nordischen Sage von neuem bestätigt. Da ist nämlich statt des
Blitzes als Wünschelrute nur einfach ein anderes goldiges Gewitterstück,
nämlich der (goldene) Himmelsring, wie der Regenbogen auch genannt
wird, mit angeblich derselben Zauberkraft, getreten'^). Wie derselbe an
Odhins Arm als Ring Draupnir prangt und sich auch vervielfältigt, in
jeder neunten Nacht acht neue von ihm träufeln sollten, er also auch so
als ein Schatzmehrer gekennzeichnet wird, so hat auch deutscher Yolks-
alaube das in der nordischen Sage sich so reich entfaltende Bild noch als
einfache, an die Natur sich anschliessende Vorstellung festgehalten, wenn,
wie schon Grimm zusammenstellt, das Volk wähnt, dass an der Stelle, wo
der Regenbogen aufsteht, eine goldene Schüssel oder ein Schatz verborgen
liege, oder aus dem Regenbogen Goldmünzen oder Pfennige niederfallen
und gefundene Goldbleche deshalb Regenbogenschüsselein heissen und
„die Sonne sie im Regenbogen" verzetteln sollte.
Auch der Gewitterdrache selbst erscheint gelegentlich als ein solcher
Schätzemehrer, wie namentlich isländische Sagen von solchen auf Schätzen
liegenden und sie stets mehrenden Drachen wissen, der Name des
nordischen Fafnir, nach Finn Magnusen geradezu, qui aurum quasi texendo
congerit, bedeutet, ihn also gleichsam als „einen Goldspinner" kennzeichnet.
Nach allem diesem reicht die "Wünschelrute in ihrem Ursprung in die
fernste Urzeit hinauf, welche Veränderungen sie auch und der sich an sie
knüpfende Glaube im Verlauf der Zeiten gefunden hat.
Die Wünschelrute als Quellen- und Schatzsucher. 75
Sie steht aber nicht allein da, sondern auch andere Fetische gleicher
Art treten ihr noch zur Seite und bestätigen die gegebene Auffassung.
Vor allem die angebliche Wolkenblume, welche die mythenbildende
Zeit in dem „aufblühenden" Gewitter sich entwickeln wähnte, die
Wunderblume, welche in den Mythensagen auch noch die Berge, d. h. ur-
sprünglich die Wolkenberge öffnet und ihre Schätze enthüllt, ebenso wie
die sogenannte Springwurzel, in welcher der sich schlängelnde oder
zackige Blitz von jenem Standpunkt aus als Wurzel derselben gefasst
erscheint^*').
Was der Naturmensch, in gewissen Analogieen mit der ihn hier unten
umgebenden Welt, auch dort oben zu sehen glaubte, fasste er eben als
Realitäten auf und schrieb so den Momenten, die ihm besonders charak-
teristisch im Gewitter hervortraten, alle die zauberhaften Wirkungen, gute
wie böse, zu, die an dasselbe sich knüpften oder zu knüpfen schienen.
Neben den segenspendenden treten so zur Bestätigung der Sache
auch furchtbare, ja todbringende Wirkungen an diesem, dem Gewitter
entstammenden Fetische hervor. Der Zweig des wunderbaren indischen
A<;vatthabaumes, der Genosse des Vrtratöters Indra, des Mitra und Varunas,
wie er genannt wird, zerschmettert so im grossen Luftmeer die Feinde der
Götter, wie der Tamariske Zweig nach persischer Sage dem Isfendiar, oder
der östlich von Walhall — also im Himmel wachsende — Misteltein dem
Baidur todbringend wird, der Stab in den Händen der Athene bald als
Zauberstab auftritt, mit dem sie z. B. des Odysseus Gestalt wandelt, bald,
wenn sie sich zum Kampf rüstet, in ihren Händen zur furchtbaren Lanze
wird, „mit der sie bändigt die Reihen der Heroen, denen sie zürnt, die
Tochter des gewaltigen Vaters".
Die Zahl dieser geheimnisvoll wirkenden Stäbe, Blumen, Wurzeln
u. dergl. auf dem Boden der indogermanischen Mythen ist fast unerschöpf-
lich. Ich will zum Schluss nur von denselben noch einzelne hervor-
heben, die namentlich mit ihrem feurigen, nur angeblich in der Nacht
sich entwickelnden Glänze und anderen, au Sturm und Donner an-
knüpfenden Accidentien sich als die primitivsten Auffassungen derartiger,
in der Gewitternacht erblühender Wolkenblumen und Pflanzen ergeben.
Zu dem bekannten Kraut Moly, welches Hermes beim Homer als Abwehr
jedes Zaubers giebt, das da gefährlich zu graben, — Götter können frei-
lich alles, setzt der Dichter hinzu, — stellt sich zunächst das sogenannte
Kircaeische Kraut in ähnlicher Bedeutung, mit welchem Prokris den Minos
gegen die Teufeleien der eifersüchtigen Sonnentochter Pasiphae schützt;
dann das sogenannte prometheische oder titanische Kraut, welches angeb-
lich unverwundbar macht ^^). Wie dieses mitten im Feuer blüht und, wenn
die Wurzel geschnitten wird, der Boden erdröhnt, so ist die Aglaophotis
ein ähnliches Zauberkraut, nach Aelian bei Tage vorborgen, des Nachts
aber glänzt sie feurig wie ein Stern. Der sie ausziehen will, stirbt,
76 Schwartz :
wenn er nicht einen Hund an dieselbe bindet, um auf jenen, als eine Art
Substituten, den Tod überzuleiten. Dasselbe erzählt Josephus von einer
Pflanze in der Stadt Baaras. Blitzenden Glanzes in der Nacht, ent-
zieht sie sich wie ein lebendiges Wesen dem, der sie brechen will, bis
er sie durch einen Zauber zum Stehen zwingt. Die Mandragora, mit
welcher Dioskorides die Kircaea identifiziert, ächzt und schreit beim
Ausgraben so entsetzlich, dass der Grabende davon sterben muss. Die
sagenhafte Blüte des Farnkrautes erblüht bei den Polen zu Johannis,
d. h. im Hochsommer, wo die Gewitter am zahlreichsten, um Mitternacht.
Wenn man sie bricht, entsteht, heisst es geradezu, Sturm und Donner.
Auch die deutsche Spring- oder Johanniswurzel blüht nur zu dieser Zeit
angeblich unter dem Farnkraut, und leuchtet wie ein Licht; sie steht
nie still, hüpft fortwährend, wie Nonnus auch vom hüpfenden Blitzfeuer
redet. Kurz, überall treten Momente hervor, welche auf Erden keine Spur
von Anlehnung finden und immer an das himmlische Terrain mit Blitz
und Donner und die tödlichen Gefahren, die diese bringen, erinnern^®).
So hat uns die Wünschelrute, indem wir den labyrinthischen Yer-
schliugungen der Traditionen an ihrem Faden folgten, eine ganz eigentüm-
lich primitive Welt von Anschauungen und Vorstellungen eröffnet, in
denen und mit denen namentlich die indogermanische Zeit die Wunder
des Himmels in ihrer Weise zu begreifen anfing, deren homogene Bilder
noch in dem bildlichen Ausdrucke der Sprache oft nachvibrieren und mit
den sich bietenden Vergleichungen die Deutung bestätigen. Wenn so die
prähistorische Mythologie, richtig betrieben, die Anfänge metaphysischen
wie religiösen Denkens der Urzeit uns näher bringt, so wird sie auch
im Yerein mit der Sprachwissenschaft imstande sein, ethnologische Be-
ziehungen der Völker in einer Zeit aufzudecken, die jenseits aller Kultur-
entwickelung, ja Völkergruppierung liegt. Davon, mit Ihrer Erlaubnis, ein
anderes Mal.
Aumerkungen zu dem Aufsatz „die Wünschelrute".
1) „Daheim" v. J. 1880 S. 707.
2) Ebendas. 780.
3) 2. Moses 17, 6. 4, 20, 11. In den darauf bezüglichen späteren Stellen Ps. 78,
15, 16. Ps. 105, 41. Ps. 114, 8. Jes. 48, 21 wird die Sache, aber nicht mehr der Stab, er-
wähnt. Der mythische Hintergrund schwindet je länger je mehr, gerade wie schon
2. Moses 9, 22, 23, 33. 10, 12, 13, 21. 22 bald der Stab, bald nur die hochgehobenen Hände,
die ihn halten, erwähnt werden.
4) 2. Moses 4. 17.
5) 2. Moses 17, 9—12, wo auch der Stab nur zuerst genannt wird.
6) Josua 8, 18 und 26.
7) Kuhn und ich fauden darin vom Standpunkt der vergleichenden Mythologie eine Nach-
ahmung des hinmilischen Gewitterkampfes, den der dahinfahrende Blitz gleichsam eröffnet.
Kuhn, Herabk. des Feuers ^ S. 199 f. Meine Poet. Naturanschauungen u. s, w. I. 199. II. 99.
Urspr. der röm. Stammsage S. 42. Zu meiner Freude sehe ich, dass neuerdings Weinhold
in seinem Vortrag in der Berliner Akademie vom 11. Juni d. J, „Beiträge zu den deutschen
Die Wünschelrute als Quellen- und Schatzsucher. 77
Kriegsaltertümern" auf anderm Wege unter anderm zu demselben Resultat gelangt, wie
seinerzeit wir, wenn er schliesslich sagt: „Der Speerwurf ist die menschliche Nachbildung
des Blitzes, den der Gott entsendet." Interessant ist übrigens noch eine andere Stelle im
A. T. ähnlicher Art, nämlich 2 Könige 13, 15 ff., wo Elisa zum König Joas sagt: „Spanne
mit deiner Hand den Bogen! Und er spannte mit seiner Hand. Und Elisa legte seine
Hand auf des Königs Hand und sprach: Thue das Fenster auf gegen Morgen! Und er
that es auf. Und Elisa sprach: Schiesse! Und er schoss. Er aber sprach: Ein Pfeil
des Heils vom Herrn, ein Pfeil des Heils wider die Syrer; und du wirst die
Syrer schlagen zu Aphek, bis sie aufgerieben sind." Hier tritt die symbolische Weihe
des abgeschossenen Pfeils und der Erfolg, den er erzielen soll, als prägnantes Residuum
des alten Gebrauchs auch bei den Israeliten noch recht prägnant hervor.
8) Herr Dr. Bloch in Posen teilt mir aus einem Auszuge des Buches Ssefer haja-
schar u. a. noch folgende Sage mit: „Reuel (Jethro) stellte, um den grossen Tross der
Freier der Zippora zurückzuhalten — denn die angesehensten Fürsten der Umgegend
bewarben sich um sie, — die Bedingung, dass nur derjenige sie erhalten werde, welcher
eine bestimmte Aufgabe lösen würde. In dem den Palast des Reuel umgebenden
Lustgarten befand sich nämlich mitten unter allerlei kostbaren Gewäclisen ein saphirner
Stab aufgepflanzt, worauf der unaussprechliche Name des ewigen Gottes zu lesen war und
mit dem die grossen Wunderthaten in Egypten und am Roten Meer vollbracht werden
sollten u. s. w. Und nun folgt die Geschichte des Stabes von seiner Schöpfung in der
Abenddämmerung des sechsten Schöpfungstages und wie er von Hand zu Hand gewandert,
bis ihn Jethro von Pharao empfangen. W^er nun diesen Stab mit eigenen Händen ohne
weitere Beihilfe dem Boden entreissen könne, der solle seine Tochter Zippora zum
Weibe haben. Die kräftigsten Heldensöhne der Midiauiten und Keniten strengten sich
vergeblich an; niemand vermochte an dem Stabe zu rütteln, so fest stand er im Boden.
Und die füi-stlichen Bewerber mussten allesamt mit 8chimpf abziehen, bis es Moses end-
lich gelang, ihn aus dem Boden zu ziehen, worauf er die Zippora zur Frau erhielt. —
Wenn übrigens nach einer Tradition der Stab sich daselbst in einen Mandelbaum ver-
wandelte, so ist eine Art Parallele dazu, wenn auch in der Bibel Moses zur Bestätigung
Aarons Priesteriums dessen Stecken in der Stiftshütte grünend und die Blüte aufgegangen
und Mandeln tragend findet. 4. Moses 16, 8.
9) Über andere im A. T. hindurcliblickende mythische Elemente s. Urspr. der Myth.
unter „Alttestamentarische Parallelen" und was ich über Simson in den Poet. Natur-
anschauungen I. und in den Präliistorischen Studien S. 169. 295. 298 f. und 493 aus-
geführt habe.
10) Mannhardt, Germ. M. S. 62 Anm. 2. Über den Blitz als Rute s Urspr. d. Myth.,
sowie im Indogermanischen Volksglauben die Stellen im Index unter Stab, Zweig, Zauber-
rute. Der Regeuquell steht auch sonst in der Mythologie, wo von Wasser,
Flüssen u. dergl. die Rede ist, immer ursprünglich im Hintergrund. Wie in
dem dürren Afrika der Regenzauberer eine grosse Rolle spielt, so war der angebliche
himmlische Regenmacher, der den Regenqnell durch die Kraft seines Stabes weckte,
sein bedeutsames Gegenbild. Entsprechend treten auch gerade in den tropischen, wie in
Gebirgsgegenden, wo die Beziehung der Gewitterregen zu den irdischen Bächen und
Flüssen in unmittelbarster Anschauung dem Naturmenschen entgegentritt, auch die
Wolkenwasserfrauen, die Najadeu und Nymphen bedeutsam hervor und erscheinen in Ver-
bindung mit den Quellen des Landes als die Schutzgottheiten desselben und mit den
Lokalsagen eng verknüpft, während im Flachlande dies Moment mehr zurücktritt, wenn
es nicht etwa in der Tradition schon vorher aus jenen Verhältnissen her bestimmte Gestalt
in den Sagen gewonnen hat.
11) Urspr. der Myth, namentlich S. 166.
12) Poet. Naturansch. IL Blitz als Gabel S. 109.
13) Rochholz, Schweizer Sagen I. S. 129 f.
14) Im Urspr. d. Myth., sowie im Heutigen Volksglauben -' S. 1 19 hatte ich besonders
S. 64 den angeblich im Gewitter heraufkommenden Schatz in seiner mannigfachen
mythischen Bedeutung verfolgt. Mannhardt betonte demgegenüber mehr die Gestirne.
78 Pralin:
Ich leugne nicht, dass sie auch hergehören. Aber abgesehen davon, dass ich noch den
Keo-enbogen oder Himmelsring als goldenes Halsgeschmeide oder Ring hinzufüge, spielt
doch der Gewitterschatz in den Sagen (als Nibelungenhort n. s. w.) eine grössere Rolle.
15) Urspr. d. Myth. 258. Die Beziehung dieser Schätze zum Gewitter klingt auch ge-
leo-entlich noch in ihrer Lokalisierung hindurch, wenn z.B. der Andvarinaut aus den Wassern
(d. h. aus den himmlischen) stammt, der Nibelungenhort als in solches versenkt gilt; der
Zwerg Andvari, der Besitzer jenes Ringes, der als „Hecht" in dem Wasser lebt, ein
besonderes Bild für den in den Wolkenwassern dahinschiessenden Blitz ist. Ebendas.
unter „Hecht".
16) Urspr. d. Myth. im Index unter Wolkenblume. Indogerm. Volksglaube s. unter
Blume und Kraut.
17) Indogerm. Volksglaube s. unter AQvathazweig, Baidur und Isfendiar.
18) Prähistorische Studien S. 469—480.
19) Indogerm. Volksgl. an verschiedenen Stellen.
Kleine Mitteilungen.
Der Hausgeist in der Neumark, iu Barnim und im
Sternberger Lande.
Von H. Prahu.
Wie in der Mark Brandenburg überhaupt, so glaubt man auch in der Neu-
mark und in Barnim an die Existenz eines Hausgeistes, der bald Kobold, bald
Dräk (Drache) genannt wird. Im Sternberger Lande kennt man nur den letzten
Namen.
In der Vorstellung der Landleute verlässt der Dräk seinen Herrn nicht frei-
willig und tritt bei dem Tode desselben in den Dienst des Erben (Zielenzig).
Wohl aber kann er einem Familienmitgliede überlassen werden. So gab ein Bauer
in Breesen seiner Tochter einen Drachen als Aussteuer mit. Man kommt aber
auch auf folgende Weise in seinen Besitz:
Findet man in der Neujahrsnacht auf einem Kreuzwege ein schwarzes Huhn,
so soll man es mit in sein Haus nehmen, dort verwandelt es sich in einen Drachen.
Jedes Kind aber, das nun im Hause geboren wird, stirbt (Biberteich).
Allgemein herrscht der Glaube, dass der Drache auf dem Hausboden in einer
Tonne gehalten werde, die mit Zeug, Federn und auch wohl mit Flachs gepolstert
sein muss. In Dölzig sagt man, man müsse ihm jedes Jahr einen neuen bunten
Bock hinlegen. Der Kobold ward mit Hirsebrei gefüttert, der aber nicht zu heiss
sein darf, sonst kratzt der Geist die betreffende Person.
Einer Magd in Breesen fiel es auf, dass die Bauersfrau täglich Hirse kochte
und ihn in einer Schüssel verstohlen auf den Boden trug. Sie schlich ilir eines
Tages nach und sah, dass diese den Deckel von einer doi't stehenden Tonne hob,
die Schüssel hineingab und mit jemand sprach. Da wurde sie neugierig, und als
die Frau einmal zu Markte war, hob sie selbst den Deckel in die Höhe und sah
den Drachen; der drohte ihr aber, darum hat sie niemand verraten, wie er aus-
sah. Als die Bauersfrau am nächsten Tage vom Boden kam, war ihr Gesicht ganz
zei'kratzt.
Kleine Mitteilungen. 79
Der Kobold spielt im Gedankenleben der Landleute eine grosse Rolle. Wer
reich geworden, ist es nicht durch Arbeit oder Spekulation, sondern durch seinen
Hausgeist geworden. Er soll nämlich den Leuten bei der Arbeit helfen, z. B. die
Pferde füttern, die Kühe melken. Ganz besonders aber fördert er den Wohlstand
seines Herrn dadurch, dass er den Nachbarn Geld und Getreide stiehlt und diesem
zuträgt. Danach unterscheidet man im Lande Sternberg Geld- und Getreidedrachen ;
die ersteren sind von roter, die letzteren von blauer Farbe.
Ein Mann aus Madlitz hörte auf dem Heimwege um Mitternacht über sich ein
Rasseln. Er blickte auf und gewahrte einen Drachen, der sich eben auf einen
Ast setzte Er hatte einen Katzenkopf und einen roten und einen blauen Flügel,
trug also Geld und Getreide. Der Mann hätte den Geist greifen können; er
fürchtete sich aber sehr, eilte fort und hörte nur noch, dass der Drache mit Ge-
rassel Aveiterflog.
Der Kobold geht nur nachts aus. Man kann ihn dadurch von seiner Behausung
fernhalten, dass man über Naclit die Lampe brennen lässt, was z. B. Frau St. in
Klausdorf stets thut.
Sehen die Leute in der Neumark aus einem Schornstein Funken fliegen, so
sagen sie wohl, da fliege der Drache und gehe auf Raub aus oder trage gestohlenes
Gut davon. Auch Sternschnuppen werden so gedeutet. Und man erzählt, der Drache
sehe aus wie eine feurige Schlange (Wandern).
Von dem Drachen wird man befreit, wenn man ihn in einer Neujahrsnacht
auf einen Kreuzweg setzt, wo er bleiben muss, bis ihn ein anderer mitnimmt.
Auch sagt man, das einzige Mittel, sich seiner zu entledigen, bestehe darin, dass
man das Haus sicher verschliesse und dann niederbrenne.
Der Drache tritt auch als selbständiges Wesen auf, frei von einem Herrn.
Man erzählt, er bewache Schätze in der Erde. In der Mitternachtsstunde kommen
dieselben an die Oberfläche und „brennen". Wer einen solchen Schatz brennen
sieht, darf nicht zugreifen, sondern soll ein eisernes Gerät auf die Stelle werfen
und dann fortlaufen, ohne sich umzusehen, „sonst erwürgt ihn der Drache". Wenn
man am nächsten Tage an der Stelle nachgräbt, an der das Eisen liegt, findet man
den versunkenen Schatz (Wandern). Im Soldiner Kreise besteht der Glaube, dass
ein Schatz nur alle fünfzig Jahre einmal brenne.
Der Kobold wird auch den Unterirdischen gleichgesetzt. In der Umgegend
von Landsberg lässt man bei ungetauften Kindern über Nacht die Lampe brennen,
sonst würden die „Unnerärdschen oder Kobolde" das Kind stehlen und man würde
am andern Morgen einen Kobold in der Wiege haben. (Man nennt hier ein ver-
wachsenes Kind mit dickem Kopf einen Kobold.)
In Barnim hat man wesentlich andere Vorstellungen von dem Hausgeist. Der
Kobold, wie er hier vorzugsweise genannt wird, trägt nicht fremdes Getreide oder
Geld zu, sondern hilft nur bei der Arbeit. Er sucht sich selbst seinen Herrn. Zu
einer Magd in Biesenthal kam ein Kobold dreimal. Da sie den Spruch nicht her-
sagen wollte, durch den sie sich hätte in seinen Besitz setzen können, hat er sie
mit Kuhmist und dicker Milch beworfen.
B. in Biesenthal war früher arm und ist durch einen Kobold reich geworden,
den ihm aber jetzt Diebe geholt haben.
Ein Knecht hatte seiner Braut vom Jahrmarkt einen Strauss Kuhblumen mit-
gebracht, den jene achtlos wegwarf. Am Tage darauf war zu ilu-era Erstaunen
die Rüche von unsichtbarer Hand aufgescheuert, am nächsten Tage von allem
genascht und am dritten waren alle Geräte durcheinander geworfen. Während
sie sich noch das Unheil ansah, stand plötzlich ein Kobold vor ihr und sprach:
so 2ingerle :
„Hättest du mich nicht fortgeworfen, als ich eine Kuhblume war, so hätte ich dir
stets bei der Arbeit geholfen, nun aber habe ich alles entzwei geschmissen."
(Sophienstadt bei Biesenthal.)
Der Kobold trägt auch gelegentlich seinem Herrn Speise zu. In Euhlsdorf
brachte er einer Frau täglich das Mittagbrod. Der Knecht derselben wollte er-
fahren, wie sie zu dem Essen käme, da sie nie kochte, und versteckte sich eines
Tages hinter dem Ofen. Als nun der Kobold kam, zeigte er auf den Ofen und
rief: „Gucket, gucket, trajahn" ('?). Da ihm die Frau aber nicht verstand, erbrach
er sich in die Schüssel und verschwand auf Nimmerwiedersehen.
Der Kobold weiss überhaupt mehr als ein Mensch. So hat ein Ackerbürger
in Biesenthal einen Kobold, der Diebstähle ans Licht bringt. Einmal hat er zwei
Arbeiter im Walde beim Holzstehlen ertappt und es sogleich seinem Herrn erzählt.
Der hat es den Schuldigen am andern Tage auf den Kopf zugesagt, so dass sie
den Diebstahl haben eingestehen müssen.
Berlin.
Ocliseuhaut als Landmass.
Die Sage, die sich an die Gründung Karthagos und im Mittelalter
an die Grunderwerbung mancher Klöster knüpft, begegnet auch in Persien.
General Albert Gastinger Khan, der viele Jahre in hoher Stellung in Persien ge-
weilt, berichtet in seiner Schrift: „Von Teheran nach Beludschistan. Innsbruck
1881" Seite 5 folgendes von dem Dorfe Mehun, das eine kolossale Moschee,
einen wahren Prachtbau besitzt: „Vor tausend Jahren, wie ein vorhandener monu-
mentaler Denkstein nacTiweist, fühlte sich der mächtige Perserkönig Schah Nyme-
tullah der Regierung müde und wahrscheinlich auch durch den Gedanken
an die Sühne der von ihm begangenen Grausamkeiten bewogen, zu Gunsten
seines Sohnes zu abdicieren, und kam als Derwisch gekleidet an dieser Stelle an,
die damaligen Einwohner des Dorfes bittend, man möge ihm nur soviel Erde
schenken, als eine Ochsenhaut bedecke und zur Bebauung vom vorhandenen
Bache wöchentlich soviel Wasser zuweisen, solange als der abgerissene Kopf einer
Wespe sich schwimmend am Leben erhalte, was ihm auch ohne weiteres gewährt
wurde.
Der Derwisch liess sich nieder, fing an die Ochsenhaut in lange schmale
Streifen zu schneiden und damit eine bestimmte Peripherie der Grundfläche zu
belegen. In den abgerissenen Wespenkopf steckte er eine lebende Ameise, ver-
klebte die Öffnung und warf ihn ins Wasser, wo er sich durch mehrere Tage
bewegte, bis die Ameise sich durchgefressen hatte und ertrank. Der Derwisch-
König hatte nun hinreichend Wasser, um die Gegend urbar zu machen, gründete
mit einem souveränen Stammkapital ex voto diese Moschee samt einer Menge
umliegender Ubikationen, wo heute noch 40 bis 50 Derwische ein faules Kloster-
leben führen und ihren freigebigen Gründer preisen. Dieser heilige Wallfahrtsort
ist zugleich eine unantastbare Freistätte für Verbrecher jeden Kalibers."
GuMaun. Ignaz v. Zingerle.
Kleine Mitteilungen.
81
Der Zwiesel -Bauin im Elisenliain bei Greifswald.
Von Ernst Friedel in Berlin.
(Mit 1 Abbildung-.)
Seit Jahren war ich auf einen Baum im Elisenhain nahe Eldena, unweit
Greif swald in Neuvorpommern, aufmerksam gemacht, durch den die Kinder „ge-
holt" würden. Nach langem Suchen gelang es mir, den in der That höchst auf-
fallenden Baum, eine Hagebuche oder Hainbuche (Carpinus bctulus), dessen Blätter
faltiger und länglich spitziger, als sonst bei dieser Baumart gewöhnlich, gestaltet
sind, aufzufinden. Der Baum, dessen unteren Teil unsere Abbildung darstellt,
steht unweit des Weges, an welchem bis vor einigen Jahren ein Bolzenbüchsen-
Scheibenstand lag, etwas südlich von dem letzten
Buchstaben n des gedruckten Namens Elisen-
Hain auf der neuesten grossen Generalstabs-
karte, Nr. 593, Preussische Landesaufnahmen
1885, herausgegeben 1886, Massstab Vsöuoo der
natürlichen Länge. Ob es sich um einen ein-
zelnen Baum oder um die bereits in den
obersten Wurzelverzweigungen stattgefundene
Verwachsung zweier Bäume, unter vollständiger
Überwallung der Berührungsflächen, handelt, ist
nicht leicht festzustellen, wenigstens kann ich,
obwohl ich den Baum mindestens zu sechs ver-
schiedenen Malen eingehend betrachtet habe,
zu keiner Entscheidung kommen. Vom Wege
aus rechts gesehen gabelt sich die rechte Stamm-
seite ungefähr einen halben Meter über der
Erde, bildet einen spitzeiförmigen, etwa einen
Meter langen Spalt, der oben wieder fest ver-
wächst und an den Innenflächen so glatt, im
Gegensatz zu den übrigen Stammflächen des
Baumes aussieht und sich anfühlt, dass man
geneigt sein möchte, diese Glätte wenigstens
teilweise als künstlich bewirkt, anzunehmen.
Als ich den Zwiesel-Baum am 28. Juni 1890
mit meinem Sohn Erwin wieder einmal be-
trachtete, kamen zwei junge Ehepaare des Weges,
die keine Ahnung hatten, weshalb ich dem Baum
besondere Aufmerksamkeit schenkte. Als die eine Frau ihre Begleiterin auf das
sonderbare Loch in dem Baum aufmerksam mnchtc, erzählte die andere, dass
man hier sieche oder verwachsene Kinder durchhole, damit sie gesund würden.
Es war mir dies eine überraschende, nicht unwillkommene Bestätigung dessen, was
ich von dieser Hagebuche bereits wusste.
Die Sitte, Gebresten aller Art dadurch zu heilen, dass man durch ein Loch,
einen Spalt, die Gabel (Zwiesel) eines Baumes kriecht oder hindurch gezogen
wird, ist ungemein verbreitet. Anfänglich scheint man Bäume künstlich gespalten
und die Spalten solange auseinander gehalten zu haben, bis der Leidende hindurch
gekrochen war. Dann Hess man den Baum in die ursprüngliche Gestalt zurück-
schnellen und meinte, dass, wenn der Spalt wieder verwacliscn sei, die Krankheit
Zeitschril't d. Vereins f. Volk.sliunde 1892. (j
Der Zwicsel-Bamn im Elisenhain
bei Greifswald. Weissbuche.
82 Dirksen:
für immer verbannt wäre. W. Mannhardt, „Der Baumkultus der Germanen und
ihrer Nachbarstämme" (Berlin 1875) geht (S. 33) sonderbarerweise auf die spätere
Gewohnheit nicht näher ein: „Es liegt von meinem gegenwärtigen Zweck ab, aus-
zuführen, wie dieses Durchkriechen durch einen gespaltenen Baum sich um-
gesetzt hat in das Durchkriechen durch die natürliche Höhlung, welche durch
zwei unten sich trennende, oben wieder in eins zusammenwachsende Äste ge-
bildet wird."
Auch mit Tieren wird ähnlich verfahren. — Kuhn, Märkische Sagen und
Märchen (Berlin 1843) sagt Seite 379: „Ist die Milch einer Kuh blutig, so muss
man diese durch einen Eichendopp (d. h. durch ein Stück Eichenholz, in dem eine
natürliche Öffnung ist) melken."
Eine Durchsicht vieler Sammlungen von Sitten und Gebräuchen hat mich be-
lehrt, wie wenig der so verbreiteten Sitte des Durcliholens der Kinder durch
Zwieselbäume Erwähnung geschieht ')• Auch deshalb hielt ich die Mitteilung über
die Zwieselbuche in der Eidenaschen Holzung nicht für überflüssig.
Gleichzeitig benutze ich die Gelegenheit, der Akademischen Forstverwaltung
die sorgfältigste Schonung und Erhaltung des Wunder baumes, wie hiermit ge-
schehe, drinijend ans Herz zu lesen.
Pfluffstlied.
Pingsbrüd üss uppgeston
mit die gele, krüse Hoer.
De Brüjem üss groff, die Brüd üss fin —
Mutt watt in de Korf sin!
Eier, Eier in de Korf,
Stüver, Stüver in die Grippe!
Een Ei batt uss niet,
twe Eier schatt uss niet;
fifuntwintig upp den Diss,
wett die Brüd, watt sorgen üss!
Brüjem = Bräutigam; Grippe = die zum Zugreifen bereite Hand; batt = hilft:
uss = uns; wett - weiss; üss = ist.
Vorstehendes Lied ist, wie die Anfangsworte desselben zeigen, ein Pfingst-
licd. Es wurde in Meiderich (Regierungsbezirk Düsseldorf) vor etwa dreissig
Jahren von kleinen Mädchen, welche am 1. und 2. Pfingstfeiertage , um Gaben
bittend, das Dorf durchzogen, gesungen. Diese Mädchen, welche einen grossen
Armkorb, dessen Deckel mit frischen Blumen geschmückt war, mit sich führten,
hiessen Pfingstbräute. Nicht nur Eier, sondern auch andere kleine Geschenke,
wie Weckschnitte u. s. w. wurden gesammelt; Geld dagegen mit den Worten
„Stüver, Stüver in de Rhin!" abgewiesen.
1) Es sei gestattet, zu verweisen auf Grimm, Mythol. - S. 1118 ff. Gervasius
Otia imperialia, herausgegeben von F. Liebrecht S. 180, 236. 241. 243. 246. Wuttke,
Der deutsche Volksaberglaube ^ S. 93. 817. Nyrop, Kludetrseet, in der Dania. I. 1. Unsere
Zeitschrift I. 101. IL 50. K. W.
Kleine Mitteilungen. 83
Das Liedchen ist der letzte Rest des uralten Mai -Umzuges der Pfingst-
braut und des Pfingstbräutigaras ; vgl. Grimm, Deutsche Mythologie- S. 746 ff.
Mannhardt, Wald- und Peldkulto 1, 431 ff. 488 ff. A. Kuhn, Märkische Sagen
319 ff. Westfälische Sagen 2, 160 f['.
Meiderich. C. Dirksen.
Kiuderlied.
Auch in Ostfricsland schlagt der Storch seine Sommerwohnung auf. Er
wird bei seiner Ankunft von Jung und Alt freudig begrüsst. Die Kinder singen
nach unten verzeichneter Melodie:
Storke, storke langeben,
best min fader un möder net sen
up dat lütje böntje? —
Breng' ml 'n lütje söntje!
Die Kleinen verstehen nicht, was sie singen; aber auch die Erwachsenen
scheinen keine Ahnung davon zu haben. Selbst Kern imd Willms, welche das
Kinderlied auf Seite 77 ihrer Sprichwörtersammlung bieten, ist der Inhalt fremd
geblieben. Es heisst nicht in dem Lied: Hest din fader nn moder net sen, son-
dern wie oben angegeben. Die drei ersten Verszeilen bilden sodann eine Frage.
Ferner heisst es nicht, wie jedes Schulkind in Leer und Umgegend weiss, up dat
böge böntje, sondern: up dat lütje böntje. Lütjet böntje — im Gegensatz zu bcene,
dem eigentlichen Söller. Dat lütje böntje ist ein vom Söller oft nur durch einen
einfachen Bretterverschlag abgeteilter Raum, der gewöhnlich als Schlafstube be-
nutzt wird. Die Frage lautet mithin: Hast du nicht meinen Vater und meine
Mutter im Schlafstübchen gesehen?
Im nördlichen Teile Ostfrieslands, wo ich einige Jahre als Lehrer wirkte, habe
ich das Liedchen nicht gehört, obgleich sich unmittelbar unter den Fenstern meiner
Wohnung ein Storchnest befand. — Dort sangen die Kinder: Storke, storke
langeben, wennor wult dut land bescn u. s. w. Das Kinderlied befindet sich auch
bei Dornkaat Koolman III S. 329, wahrscheinlich der Sprichwörtersammlung von
Kern und Willms entlehnt.
Die Melodie lautet:
Storke, storke langeben etc.
E^ig=Jii=f=:f=z:==r.tz-¥=^>— j — }~~' — * — *-g— » — } — ^-^_-^-_j_.-|
— * - ■—■<»- ■
C. Dirksen.
84 Dirksen:
Sprichwörter aus Meiderich.
I.
De Fraulüh upp all de Kirmessen un de Schlübbers in alle Wessen, die
hewwe gau gedohn.
Schlübbers sind Arbeitsschürzen; Wessen Wäschen; gau bedeutet schnell, leicht,
rasch. Arbeitsschürzeu werden leicht schmutzig, müssen oft und stark gewaschen werden
und sind aus diesem Grunde bald abgenutzt. Dasselbe ist nach unsenn Sprichwort mit den
jungen Mädchen der Fall, welche alle Kü-messe in der Nähe und die mit denselben ver-
bundenen Bälle besuchen.
Die Erwähnung der Kirmesse weist auf einen Ort, in welchem die Kirmesse noch
etwas gelten, wie in Meiderich. Zu der bis vor wenigen Jahren hier stattfindenden Herbst-
kirmess wurden die Häuser von aussen und innen angestrichen, Weissbrote gebacken,
frisches Fleisch in Menge gekauft und die Verwandten aus der Umgegend eingeladen.
Dass der alte Meidericher aber auch sehr wohl die mit dem öfteren Besuch der Kii'messc
verbundenen Gefahren für junge Leute kannte, zeigt unser Sprichwort.
Ein ähnliches Sprichwort ist: De beste Köh findt me upp de Stall un Löpers öwcrall.
IL
Hä hcet mit den Räger prozess; hii heet die Küte verlöre.
Küte sind die Waden, das dicke Fleisch an den Unterschenkeln. In Ostfricsland
spriclit man auch von küten in de arms. —
Als Ursache des Verlusts der Küte giebt das Sprichwort an: Hä heet mit den Eäger
prozess. Der Reiher gehört nach 3. Mos. 11 und 5. Mos. 14 zu den unreinen Tieren. In
der poetischen Edda (Havamal 13) ist er das Bild der sinnlosen Trunkenheit. Aber auch
in den mir bekannten niederdeutschen Sprichwörtern und Eedensartcn erweckt die Erwäh-
nung des Reihers üble Vorstellungen. So sagen wir in Ostfricsland: He stinkt as 'n reiger
(Doornkaat Koolman, Wörterbuch III S. 24); und hier zu Meiderich spricht man von einem,
der sich sinnlos betrunken hat: Hä heet sich gekotz äss enu Räger.
Wie in den ostfriesischen Redensarten: He kan't rüggcn, he hed'n gode rügge ein
bildlicher Aiiscb'uck für: er ist reich, vermögend u. s. w. gegeben ist, so können auch die
Ausdrücke .,Küte hewwe"' resp. „die Küte verliere* bildlich genommen werden. Dann
wendet sich das Sprichwort gegen solche, welche ihr Vermögen durch leichtfertig unter-
nommene Prozesse verspielten.
Meiderich, Reg. -Bez. Düsseldorf. C. Dirksen.
Eine mythologische Anfrage.
Miss Gertrude M. Godden in Ridgefteld bei Wimbledon in England, unser
geehrtes Mitglied, hat folgende Anfrage eingesandt, welche sie auch in eng-
lischen und amerikanischen Zeitschriften aufgestellt hat:
„Warum gebrauchen die Urmenschen in religiösen Ceremonien gefesselte
Götzenbilder? und aus welchem Grunde erzählen sie Mythen und Legenden von
gefesselten und gefangenen Göttern? Die vulkanischen Mythen kommen hier nicht
in Betracht.
Als griechische Beispiele erlaube ich mir zu eitleren: die Statue des ge-
fesselten Aktäon, welche Pausanias in Orchomenos sah (Paus. IX. 38. 6); das
Jahresfest, welches zu Ehren der Hera in Samos gefeiert wurde, Toneus ge-
nannt, bei dem die Statue der Göttin, der Legende nach dicht mit Weidenzweigen
Kleine Mitteihmgen. g5
umwunden an die Seeküste getrag-en und versteckt wurde (Athenäus XV. c. 13);
und in der Mythe das Fesseln des Ares durch die Aloiden im festen Gefängnis;
ja in einem Bronzegefäss lag er dreizehn Monate gebunden (Iliad. V, 385 ff.).
Das Fesseln eines Götzenbildes mit einer eisernen Kette kommt im Ritus vor
in China; die Einsperrung der Sonne und des Mondes in einem eisernen Dresch-
haus in der finnischen Mythologie; in Erntegebräuchen das Binden der letzten
Garbe mit ungewöhnlich vielen Strohseilen (Mannhardt, Mythologische Forschungen
S. 320 f.).
Ich bitte um Aufklärung über folgende Punkte:
1. Die Fesselung von Götterbildern, geheiligten Personen, Tieren, Gegen-
ständen; mit Seilen, Zweigen, Ketten u. s. w. , entweder zu bestimmten
Zeiten, oder dauernd;
2. Gebräuche, die dazu in Beziehung stehen;
3. Mythen oder Sagen von solcher Fesselung."
Fürs erste erlauben wir uns, auf die Deutinig der Fesselung griechischer Gottheiten
Idnzuweiseu, die sich unter anderm in Prellers griechischer Mythologie finden, ferner
auf W. Schwartz, Indogermanischer Volksglaube, Berlin 1885. S. 115. 122 ff. 128. 134.
137. 140. 143. Die Red.
Gegen Bticherdiebe.
Neulich fand ich in einer Faniilionbibel aus dem vorigen Jahiliundert folgenden
Spruch eingeschrieben:
Dieses Buch ist mir lieb,
Wer es stiehlt, der ist ein Dieb;
Es sei Herr oder Knecht.
Der Galgen ist sein Recht.
Kommt er an ein Haus,
So jagt man ihn hinaus.
Kommt er an einen Graben,
So fressen ihn die Raben.
Kommt er an einen Stein,
So bricht er Hals und Bein.
Die beiden ersten Zeilen werden häufig angewandt. Die folgenden Ver-
wünschungen klingen altertümlich. Die beiden Zeilen: „Kommt er an einen Graben
So fressen ihn die Raben", erinnern an ein bekanntes Kinderlied ').
W. Schwartz.
1) Der gleiche Schluss findet sich in dem von Simrock, Das deutsche Kinderbuch -
no. 351 gedruckten Anathema gegen Bücherdiebe: „Dieses Buch ist mir lieb, Wer es stiehlt
ist ein Dieb, Kommt er an einen Stein, Bricht er sich ein Bein, Fällt er an einen Graben,
Finessen ihn die Raben." — Über die Sprücdie und Verse gegen Bücherdiebe in älterer
Zeit vgl. Wattenbacli, Das Schriftwesen im Mittelalter ^ S. 443 If. und Pölcbaii, Das Büclier-
wesen im Mittelalter S. 16; vgl. auch Anzeiger für Kunde deutscher Vorzeit (Nürnberg)
1883. Sp. 15. K. W.
gß Weinhold:
Zwei Bieneusegeii,
eingeschrieben in ein Exemplar der Kopenhagener K. Bibliothek von De castitate
sacerdotum. Lipsiae. 1499. 4°, mitgeteilt von Prof. Kr. Nyrop.
Wan die Einen schwermen wollen, das sie nit hinwegk fliegen So sprich
Ich verbiete dir Biene und Imme bie Gots stimme
Das du nit fligest aus desses Hofes Kringe
Du habst dan Gote und Marise vorlieb (1. urlob)
Im namen des Vathers f und des Sons f und des H Geists f
Vel vtero hoc modo
Eine und beninne. Ich gepicte dir bie Jesu stimme
Das du hie bie mir wohnest zu haus und zu hofe
Als die trew und warheitt bie unserm Hern Gode.
Im nahmen des Vathers -}- und des Sons f und des H Geists f
Mache desse drej Creutze mit dem rechten fufz
auff die erden wirff den (1. der) Erden unter deinem fasse
mangk oder pobbcr (I. bober) die Bienen so mögen sie nit
von demem Hofe hinwegk fligen.
Vgl. Sitzungsber. der Wiener Akad. d.Wiss. Ph.-hist. Kl. LH, 5—19, LXIX, 35 f.
Münchener Sitzber. 1866. II, 110 f. Müllenhoff- Scherer, Denkm. - S. 316 f. Ger-
mania I, 109. XXIX, 98. Unsere Zeitschr. I, 321. K. W.
Sammlung rter Yolksüberlieferungeii in Meckleuburg.
Der Verein für mecklenburgische Geschichte und Alterturaskmide hat im
Februar 1891 einen Aufruf zu einer Sammlung mecklenburgischer Volksüberliefe-
rungen erlassen. Dieselbe soll, nachdem die Sagen, Märchen und Gebräuche nebst
dem Aberglauben von K.Bartsch gesammelt worden sind (AVien 1879. 1880. 2 Bde.),
die anderen volkstümlichen Überlieferungen in sich aufnehmen, namentlich die
Volkslieder, Wiegen- und Ammenlieder, allerlei Reime und Sprüche, Rätsel,
Eulenspiegelgeschichten, Schnurren und andere Erzählungen. Gymnasiallehi-er
Wossidlo in Waren hat zur besonderen Förderung des Unternehmens einen halb-
jährigen Urlaub erhalten und während desselben auf einer Wanderung durch das
Land eine reiche Ernte gehalten und vielfach andere zur Hilfe gewonnen. In
einem Ersten Bericht vom 31. Dezember 1891 giebt er Nachricht darüber.
Lettische Sammlungen.
Die lettisch -litterarische Gesellschaft hat beschlossen, ein Verzeichnis anzu-
legen über alle volkskundlichen Materialien, die in den zahlreichen lettischen
Zeitungen und Zeitschriften seit Jahrzehnten gedruckt worden sind, und dieselben
der Forschung zugänglich zu machen.
Zweitens will sie ein Ortsnamenverzeichnis über das lettische Volksgebiet an-
legen, das nicht bloss alle Ansiedelungen, sondern auch die Namen der Felder,
Wiesen, Wälder, Höhen und Gewässer enthält.
Bücheranzeigen.
Hermauii Frisclibier f*.
Zu Königsberg i. Pr. starb am 8. Dezember 1891 nach langen schweren Leiden
der emeritierte Rektor der altstädtischen Töchterschule, Hermann Frischbier,
der eifrigste Arbeiter in der Volkskunde Ostpreussens. Am 10. Januar 1823 zu
Königsberg als Sohn eines Maurers geboren, wuchs er im plattdeutschen Volks-
leben auf, dem er sein Leben hindurch, nachdem er die darin ruhenden Schätze
verstehen gelernt hatte, seine Liebe und seine Kräfte schenkte. Sein erstes Werk
waren die Preussischen Sprichwörter und volkstümlichen Redens-
arten (1864. 1865. 1876). Bekannt ist, dass er dafür „wegen Erregung öffent-
lichen Ärgernisses" auf die Anklagebank kam, aber auf Grund der Verteidigung
der Professoren Rosenki-anz, J. Zacher und 0. Schade freigesprochen ward. Seine
anderen Werke sind: Preussische Volksreime und Volksspiele (1867),
Hexenspruch und Zauberbann (1870), Preussische Volkslieder in platt-
deutscher Mundart (1877), Preussischcs Wörterbuch (1882. 83. 2 Bde.).
Ausserdem hat er in verschiedenen Zeitschriften, namentlich in der Altpreussischen
Monatsschrift, die auch eine Portsetzung seiner Volksreime und Volksspiele bringen
wird, Arbeiten veröffentlicht.
Alle die ihn kannten, schätzten ihn wegen seines treuen Fleisses und seiner
menschlichen Tüchtigkeit. Unserm Verein gehörte er als ordentliches Mitglied an.
K. W.
Bilclieranzeken.
Das Weib in der Natur- und Völkerkunde. Anthropologische Studien von
Dr. IT. Ploss. Dritte umgcarb. und stark vermehrte Auflage. Nach
dem Tode des Verf. bearbeitet und herausgegeben von Dr. M. Bartels.
Mit 10 lithogr. Tafeln, dem Porträt des Dr. Ploss und 203 Abbild, im
Text. Leipzig, Th. Griebens Verlag (L. Fern au), 1891. 2 Bde. S. XIV.
575. Vn. 684. 8^
Ein bereits wohl bekanntes grosses Werk liegt hier in dritter umgearbeiteter
und stark vermehrter Gestalt vor uns. Wie bei der zweiten, hat auch bei dieser
Auflage Herr Sanitätsrat Dr. Max Bartels, der verdiente Berliner Arzt und aus-
gezeichnete Anthropologe, seine Kraft und seine reichen Kenntnisse eingesetzt und
das Buch wieder in Anordnung und Inhalt bedeutend verbessei-t. Für den Volks-
forscher ist das grosse Thema des Werks von ebensolcher Wichtigkeit, als für
den Anthropologen imd den Arzt, wenn auch sein Verhältnis dazu ein anderes ist,
als das der beiden letzteren. In den durch diese gegebenen physischen Grund-
lagen wird er für seine ethischen und historischen Forschungen grosse sichernde
Förderung erkennen, und sich überzeugen, dass er bei seinen Schlüssen und Urteilen
die Berücksichtigung jener nicht entbehren kann.
Das Werk zerfiült in zwei starke Bände. Der 1. Band behandelt in der
1. Abteilung den Organismus des Weibes in sieben Kapiteln, in der 2. Abteilung
das Leben des Weibes in 27 Kapiteln. Diese Abteilung wird im ganzen zweiton
88 Weinhold:
Bande fortgesetzt und in weiteren 33 Kapiteln zum Schluss geführt. Von dem
weiblichen Embryo bis zum Begräbnis des toten Weibes erhalten wir hier einen
tiefen Einblick in das ganze Wachsen, Blühen und Vergehen. Vier nützliche An-
hänge schliessen das Werk.
Einen wichtigen Bestandteil bilden elie vielen Illustrationen, teils auf zehn
Tafeln, teils in 203 dem Text eingefügten Abbildungen, die häufig nach Photo-
graphieen teils von der Natur, teils von Gegenständen der grossen Berliner und
Münchener Sammlungen genommen sind. Es ist dadurch ein ungemein wertvoller
Schatz dem Werke einverleibt worden, das wir als eine wichtige, auch die Volks-
forschung sehr verpflichtende Arbeit mit dem gebührenden Danke begrüsst haben.
K. Weinhold.
Joh. Pli. Glock, Die Symbolik der Bienen nnd ihrer Prodnkte in Sage,
Dichtung , Kultus , Kunst nnd Bräuchen der Völker. Heidelberg,
Tb. Groos, 1891. S. XII. 411. 8^
Aus diesem fleissig zusammengetragenen Buche eines Imkers geht uns im
besonderen das 5. Kapitel des 2. Teils an: die Bienen bei Germanen und Slaven,
worin aus Glaube und Sitte dieser Völker viel auf die Bienen bezügliches ge-
sammelt ist. Der Verfasser des Buches ist kein Avissenschaftlicher Forscher in
diesen Dingen, sondern ein gebildeter Dilettant, belesen und in der Darstellung
gewandt. Gern wird man die volkstümliche Geschichte von der steirischen Bienen-
mutter, der Witwe Magdalena Hermann in Mixnitz, lesen, die in unsere Lese-
bücher übergehen sollte. K. W.
Elard Hugo Meyer, Germanische Mytliologie (Lehrbüclier der germanischen
Philologie. I.) Berlin, Mayer & Müller, 1891. S. XL 354.
Das wichtige Buch, das eine Frucht langjälu'igen Fleisses ist, gliedert sich in
neun Kapitel, von denen die drei ersten die Einleitung enthalten: 1. Geschichte
der Wissenschaft der germanischen Mythologie, 2. Begriff und Aufgabe der Mytho-
logie, 3. Quellen. Darauf folgt die Behandlung des Seelonglaubens und des Maren-
glaubens, als ältester Stufen der Religion; darauf wird der Naturdämonenglaube
nach einer niederen und höheren Stufe vorgetragen, und nun erst gelangen wir zu
dem Götterglauben und Götterkultus. Hr. Meyer teilt die Götter in Gewittergötter
(Tj'r-Ziu, Freyr, Heimdallr), AVindgötter (Odin-Wodan, üllr, Baldr mit Sippe,
Bragi, Njqrdr) AVolkengöttinnen (Frigg-Freyja, Fricke, Harke, Berchta, Holda,
Sprossformen). Im 9. Kapitel wird der Heroenmythus behandelt.
Das Buch soll ein Handbuch der germanischen Mythologie sein und es wird
in der Hand eines Kundigen dazu vortrefflich dienen, da es das Material so
umfangreich vorführt, wie man es sonst nicht findet. Im übrigen wird der Kun-
dige über vieles anderer Meinung sein, ganz abgesehen von der von uns in dieser
Zeitschrift I. S. 451 ff. näher beleuchteten Ansicht des Verfassers über den un-
germanischen Ursprung und das fremde Wesen der meisten nordischen Mythen.
Immerhin aber nimmt dieses Buch neben Mogks Mythologie (im Grundriss der
germanischen Philologie von H. Paul. VI. Abschnitt) eine sehr achtenswerte
Stellung ein.
Die schlechte Ausstattung und der inkorrekte Druck müssen gerügt werden.
K. Weinhold,
Bticheranzeigen. 89
Ignaz V. Ziiigerle, Sagen aus Tirol. Zweite vermehrte Auflage. Innsbruck,
Waguer'sclie Univers. Buchhandlung, 1891.
Ignaz V. Zingerle ist der treue Eckart, der seit länger denn einem Menschenalter
den Schatz der Volksüberlieferungen seines Heimatslandes Tirol hütet und dabei
eifrig dafür sorgt, dass nicht bloss seinen Landsleuten das Bewusstsein von dem-
selben wach erhalten werde, sondern auch in weiteren Kreisen die Wissenschaft
des deutschen Volkstums davon Nutzen ziehen könne.
In zweiter, stattlich vermehrter Auflage sind kürzlich seine Sagen von Tirol
erschienen. Die Ausgabe vom Jahre 1859 bot 764 Nummern, die jetzt vorliegende
zeigt deren 1U22, und zwar hat besonders das Eisakthai, Pusterthal und Vinstgau
neue Berücksichtigung gefunden, während auch sonst aus historischen Notizen und
katholischen Legenden reichliche Nachlese gehalten ist. Die mündliche Über-
lieferung giebt aber nach wie vor den Hauptinhalt des Werkes her und macht die
Sammlung in ihrer objektiven Auffassung des Stoffes und schlichten Darstellung
zur ersten Quellenschrift inbetreff des tiroler Volksglaubens.
Der wissenschaftlichen Behandlung des von Zingerle gebotenen Stoffes kommt
ein angehängtes Kapitel von Anmerkungen namentlich mit Hinweisungen auf die
entsprechende Litteratur, sowüe ein eingehendes Sachregister entgegen. Rezensent
bekennt offen, dass er den gelegentlich in den Anmerkungen hervortretenden
Standpunkt Zingerles in betr. des Charakters des Volksglaubens nicht teilt, wenn
er z. B. S. 70 zum Teil mit Grimm „in vielen Hexen verkappte heidnische Prieste-
rinnen" wiederfindet, bei anderen Gestalten an Freyr oder gar Baldr denkt, über-
haupt die Sagen als Niederschläge alter Mythen fasst, während sie umgekehrt meist
volkstümliche Prototypen solcher sind. Da Zingerle derartige Ansichten aber
nirgends in die Darstellung selbst drängt, so bleibt der eigentliche Sagenschatz, in
dem der Wert des Werkes beruht, davon und von jeder Differenz ganz unberührt,
und dem Dank seiner Landsleute für die neue schöne Gabe gesellt sich auch der
der Wissenschaft. W. Seh war tz.
Haudtniaui), E. Was auf märkischer Heide spriesst. Märkische Pflanzen-
Legenden und Pflanzen-Symbolik. Berlin, Lüstenöder (1891). S. VII,
184. 8^
Der A^erfasser hat in seinen „neuen Sagen aus der Mark Brandenburg, Berlin,
1S83" schon einmal einen Beitrag zur deutschen Sagenkunde in Druck gegeben.
War schon diese Publikation nicht eben glücklich zu nennen, da die Kritik nicht
mit der nötigen Schärfe angewandt und die Sammlung ausserdem durch Aus-
schmückungen stark entwertet schien, so gilt dies von den vorliegenden märkischen
Pflanzensagon in erhöhtem Masse. Mag auch in der Vorrede versichert werden,
dass die einzelnen Sagen dem Volksmunde entnommen sind, dem Kenner des
Volkstums wird es darum doch nicht einen Augenblick zweifelhaft sein, dass er
es hier in keinem Falle mit einem wirklich volkstümlichen Werke zu thun hat.
H. stellt selbst die Frage auf: „AVie mögen derartige sagenhafte Gebilde entstanden
sein. Sinds Erbstücke uralter mythologischer Vorzeit? Sinds Gleichnisse, von
Gelehrten, Priestern, Lehrern, Erziehern aufgestellt? Sinds Grossmütter- oder
Ammenträume?" und giebt darauf die Antwort: „Zweifelsohne hat jede dieser
drei Quellen, und nebenbei noch haben einige andere Phantasiequellchen, etwas
von ihrer Fülle in den durch unser Volksleben plätschernden Giessbach der Sagcn-
bildung und Symbolisierung hineinströmen lassen." Uns will es ebensowenig
90 Meitzen:
zweifelsohne erscheinen, dass diese Gleichnisse des Gelehrten, Priesters, Lehrers
und Erziehers, sowie die anderen Phantasiequellen, von denen das Buch auf jeder
Seite Zeugnis ablegt, auf des Verfassers, bezw. seiner Gewährsmänner Rechnung
zu setzen sei. Jedenfalls sind in der Sammlung wirklich Volkstümliches und
ausgesprochen Nichtvolkstümliches so mit einander verquickt, dass eine Scheidung
kaum möglich erscheint und die Arbeit somit für den Forscher fast wertlos wird.
Anders mag man vielleicht über den litterarischen Wort des im übrigen hübsch
ausgestatteten Buches denken; darüber zu urteilen ist jedoch hier nicht der Ort.
U. Jahn.
Guido List. Doutsch-mytliologischo Laiulsclmftsbilder. Berlin, IL Lüsteiiöder
189L S. 264 8".
Der Verfasser des vorliegenden Buches ist als mythologischer Schwärmer durch
das niederösterreichische Land und Gebirge gewandert und hat überall die deut-
lichen Spuren unserer alten deutschen und nordischen Götter aufgefunden. Er
erzählt seine Porscherwanderungen begeistert, in einer Sprache, die alt, bieder und
kräftig sein soll, die aber durchaus auf unverdorbenen Geschmack je länger je
mehr abstossend wirkt. Er ist in Mythologie und Sprachkunde der ärgste Dilettant,
und wir raten ihm, erst etwas zu lernen, ehe er sich als Mythologe wieder her-
wagt. Patriotische Begeisterung allein thut es nicht! K. W.
Dr. M. Höfler in Tölz. Der Isarwinkel. Ärztlich-topographisch geschildert.
München, Verlag von E. Stahl, 1891. S. 230 8".
Der Verfasser sagt, gerade der Arzt in oder am Gebirge ist in der günstigen
Lage, die Abhängigkeit des Menschen vom Wohnboden und den Einfluss des
letzteren leichter zu überblicken. Er erachtet es für Aufgabe der Ärzte, den natür-
lichen Keim nachteiliger, gesundheitswidriger Zustände, welche jede menschliche
Siedehing in sich trägt, ebenso wie die gesundheitsfördernden Eigentümlichkeiten
der Wohnorte kennen zu lernen und erkUh-t, dass Vegetation, Flora und Fauna,
Bodenkunde, Meteorologie, Hydrologie nicht weniger Gegenstand seiner besonderen
Beobachtung sein sollten, als Anthropologie, Ethnologie und Pathologie.
Dass er selbst diesen Ansprüchen in ziemlich umfassender Weise nachzu-
kommen bestrebt gewesen ist, zeigt das reichhaltige Buch, welches zwar keine
Inhaltsangabe hat, aber durch ein Sachregister über die behandelten Fragen aufklärt.
Der Isarwinkel, d. h. der heutige Bezirk Tölz, wird zunächst in seinen Terrain-
und geologischen Verhältnissen mit besonderer Rücksicht auf die Höhenlage und
Bodenbeschaffenheit der einzelnen Ortschaften beschrieben. Dabei kommt auch
die ältere Besiedelung und die Art zur Sprache, wie sie sich an alte Verkehrs-
wege, namentlich an die Isar und die wichtige uralte Strasse über den Brenner,
sowie die Salzsaumwcge anschloss, welche von Reichenhall längs des Gebirges
gegen Kempten zogen. Schijiiede und Wagner waren die ersten urkundlich be-
kannten Bürger von Tölz. Noch bis in späte Zeit aber blieb das Handwerk und
der Handel in den Flecken beschränkt, weil die Einödbauern durch ihr Gesinde
schmieden, backen, weben, |spinnen, zimmern, tischlern und dachdeckon liessen,
und was dies nicht vermochte, von Haus zu Haus wandernde Handwerker in des
Bauers Stör (Stube) anfertigten. Sehr alt und lange überwiegend war die Alm-
wirtschaft der Bauern, dazu kam Holzhau, Holzschnitt und Köhlerei, für welche
Bücheranzeigen. 91
die Isai- die wichtige Plossstrasse war. Noch 1780 bestanden in Tölz 2o Floss-
meister mit 100 Knechten. Heut sind es nur noch 6. Dem Holzaufschlag war
war der Liasboden der Voralpen stets besonders günstig. Die ältesten Alpen er-
geben sich aus den romanischen Namen wie Telps, Redebein, Torchelin, Ver-
maus u. a.. Dabei bestehen besonders gute Pferdeweiden. Aber sowohl Pferde
wie Rindvieh degenerieren, wenn sie den Boden des Gebirges verlassen und in
die moosige moorige Moränenzone am Fusse der Voralpen herabstiegen.
Die Bevölkerung und ihre Verteilung und ihre Wohnungen sind zum Gegen-
stand eingehender Beobachtungen gemacht. Noch vor 100 Jahren gab es Wohn-
häuser im Isarthal mit hölzernen Schubfenstern ohne Glas, welches durch anein-
ander gereihte, in das Fenstergesims eingesetzte Holzstäbchen ersetzt war. Bezüg-
lich der Ernährung ist die Kost, ihre Bestandteile und ihr Wert für die einzelnen
Arbeiterklassen nachgewiesen. Daran schliessen Angaben über deren Krankheiten.
Die Beschatfenheit und die Einwirkungen des Klimas, Grundwasser und Wasser-
zustäude des Isargebictes sowie die Trink- und Mineralwässer nach den einzelnen
geologischen Zonen sind unter Mitteilung zahlreicher Analysen ganz im Einzelnen
behandelt.
Für die Volkskunde interessieren namentlich die Zusammenstellungen über
romanische Reste in der Bevölkerung, die sich teils in der um den Walchensee
sehr zahlreichen Namen, teils oft recht ausgeprägt in der Körperlichkeit einzelner
Personen und auch ganzer Ortschaften erhalten haben. Riezler verlegt dorthin die
romanische Provinz Valeria. Nach Sepp sprach man hier noch zu Karls des Grossen
Zeit romanisch. Die Farben von Haar und Augen, die Körpergrösse, die Schädel-
bildung werden in ihren Unterschieden zahlenmässig vorgeführt.
Endlich sind die Kretinbildungen, Anomalien aller Art, die Ergebnisse der
Rekrutierung, die Sterblichkeit und die einzelnen Todesursachen und vorherrschen-
den Krankheiten, sowie die verschiedenen Arten der Unfälle mit der vollen Sach-
kenntnis und langen Erfahrung des einheimischen Arztes dargestellt.
A. Meitzen.
^ivaja Starina. Periodiceskoje izdanije otdielenija etiiografii Imp. Riissk.
geogTafic. obscestva pod rodakcijejii. V. J. Lamanskavo. (Lebendes
Altertum, periodische Ausgabe der etnograph. Abteilung der k. russ.
geograph. Gesellschaft unter der Redaktion von V. J. Lamanskij.)
Petersburg 1890 und 1891. gr. 8". 1—4 Heft. LXII, 131, 34, 42,
24; IV, 236 und 2; II und 271; II und 230 S.
Das Ostreich in seiner gewaltigen, die verschiedenartigsten Völker und Stämme
umfassenden Ausdehnung bietet für Folklore ein unerschöpfliches Arbeitsfeld.
Einzelnen und Gesellschaften, vor allem der kais. russ. geographischen Gesellschaft,
verdanken wir bereits Herbeischaffen von Stoff in grossen Massen und aus aHen
Gegenden des Reiches, das meiste davon freilich dem Auslande, v/egeii der Sprache,
nicht uinnittelbar zugänglich. Bei dci' steigenden Bedeutung und Ausbreitung dieser
Studien bewillkommnen wir doch besonders den Beschluss der ethnographischen
Abteilung der Gesellschaft, ein neues folkloristisches Organ ins Leben zu rufen
und die Leitung desselben Prof. Lamanskij zu überti'agen. Von diesem neuen
Unternehmen liegen die ersten vier Hefte bereits vor.
Eine Beschränkung auf bestimmte Länder, Rassen, Völker oder auch imr auf
die Grenzen des Reiches hat nicht stattgefunden, wir linden dabei' Beiträge mannich-
fachster Art. Einer der ausführlichsten und interessantesten ist ,Drei Jahi-e bei
0-2 Brückner:
den Jakuten', ethnographische Skizzen von V. L. Priklonskij, der, von der
Weichsel nach Jakutsk versetzt, über die Sitze und Sitten vornehmlich der Jakuten
handelt, namentlich wichtig sind die Ausführungen über den Schamanismus
und über die Erscheinungen der ,chorea imitatoria', einer Nervenaffection; im An-
hange dazu werden zahlreiche jakutische Sagen, Lieder und Rätsel mitgeteilt, dar-
unter das grosse Lied vom Branntwein, im Original und in der Ucbersetzung eines
Kosaken. Dann die Untersuchungen A'on G. Trusman über die Halbgläubigen (Halb-
heiden) im Pskovschen Gouvernement, d. i. russificirte Esthen, eifrige Orthodoxe,
die ihr esthnisch imd aus den Zeiten, da heidnisches ihnen noch vielfach bei-
gemischt war, auch den entsprechenden Namen, der heute bis auf einiges bereits
als Anachronismus bezeichnet werden kann, beibehalten haben. In die Anfänge
von Slavistik und Folklore versetzt uns zurück der Abdruck der Korrespondenz des
1878 verstorbenen Slavisten Sreznevskij: Land und Leute in der lausitzer Wendel
von 1840 werden geschildert, Eindrücke und Erlebnisse eines eifrigen imd scharfen
Beobachters; desselben Anzeige der slavischen Ethnographie von Safah'k (1842);
würdif reihen sich daran die Briefe des allzufrüh seiner Wissenschaft entrissenen
Preis an Safarik, Kurschat u. a. von 1836— 1846: beides eine Ergänzung förm-
lich zu den von Jagic herausgegebenen Materialien zur- Geschichte der slavischen
Philologie. Einen wertvollen Beitrag liefert J. Zdanov in seinem Studium über
das Lied von Fürst Michael: nach der grossrussischen Version findet der Fürst,
der seine Frau der Obhut der Mutter anvertraut hatte, bei der Rückkehr die Frau
todt und überlebt nicht sein Leid; es werden nun die nächst verwandten und die
entfernteren Versionen in slavischen, romanischen u. a. Volksliedern aufgesucht
und es wird scharfsinnig gezeigt, wie ein historischer Name aus einem historischen
Liede in wandernde Balladen herübergekommen ist. Sehr interessant ist der
Bericht eines Augenzeugen, P. Rovinskij, über eine am 27. August 1890 in
Grbal am adriatischen Meere abgehaltene feierliche Beilegung der Blutrache, eine
wesentliche Ergänzung zu den Studien darüber eines Miklosich u. a. Th. Braun
o-ibt eine Skizze der Griechen in Mariupol (Gouvernement Jekaterinoslaw) d. i.
der letzten Reste der einstigen Krimgothen, wie dies zuerst Kunik ausgesprochen
und der Verfasser in einem deutschen Programm der reformierten Schule in
Petersbui-g 1889/90 (Die letzten Schicksale der Krimgoten) ausgeführt hatte: ver-
einzelt kommt noch der germanische, blonde Typus vor; Sagen, Lieder u. s. w.
haben sich nicht erhalten, die Tradition reicht nicht weiter als über die Herkunft
aus der Krim und den einstigen Druck des Tatarenjoches; griechische und tatarische
Lieder sind gesammelt und sollen herausgegeben, in der Krim selbst Ausgrabungen
vorgenommen werden.
Aus der Reihe weiterer Beiträge heben wir noch hervor; Prof. Veselovskij
giebt diesmal aus dem Schatze seines Wissens nur einige Kleinigkeiten (darunter
über DecameroneX, 3); Prof. Sobolevskij sucht die Namengebung im russischen
Volksepos festzustellen, nach Ursprung und Alter des einzelnen. Vom Heraus-
gebor, Prof. Lamanskij, stammt eine Art Programm, das sich über russische
Journalistik, Kritik. Wissenschaft, dann über die planmässige Erforschung russischer
Geschichte und Ethnographie, zuletzt über Folklore (mit Bezug auf Weinhold,
Zeitschrift f. Völkerpsych. 1890 I und etwas polemisch gegen die bezüglichen
Ausführungen von Gaidoz in der Melusine) ausbreitet; ausführliche Anzeige des
grossen Werkes von Prof. Pypin ,Geschichte der russischen Ethnographie»', welches
seinesgleichen nicht leicht in einer anderen Litteratur haben dürfte. Der Stand-
punkt des Autors und derjenige des Referenten sind jedoch so grundverschieden,
dass Gegensätze der Auffassung sich sogar auf die Einzelheiten erstrecken müssen;
Bücheranzeigen. 93
der Referent betont daher vor allem, was ihm übergangen oder nicht nach Ge-
bühr gewürdigt scheint. Der das Andenken von Fr. Miklosich ehrende Nachruf
wird durch einen Anhang von Anzüglichkeiten und persönlichen Bemerkxingen ent-
stellt; wir übergehen dies und erwähnen lieber die Ausführungen über Alter und
Ursprung des Namens AVeissrussland, die sich anschliessen an entsprechende
Bemerkungen des Prof. Potebnja, der bei einer Anzahl scharfsinniger, doch
öfters allzugewagter AVorterklärungen auch diesen Terminus berührte. Wir schliesscn
diese Uebersicht der Abhandlungen mit einer der wertvollsten, über altes Leben
der Ostjaken imd ihre Helden auf Grund ihrer eigenen Lieder und Erzählungen
von S. K. Patkanov (HI, S. 85—11(3 und IV, S. 67-108). Der Verf\isser hat
ein bisher so gut wie unbekanntes Material gesammelt; er schildert die Sänger,
ihre Instrumente, die Lieder, welche der Ereignisse der späteren Geschichte, der
Unterwerfung durch Tataren, dann durch Russen, nicht mehr gedenken; diese Reste
des nationalen Epos beziehen sich nur auf Kämpfe, oder eher auf bloss räuberische
Überfälle der Ostjaken untereinander und gegen die Samojeden, auf die Zeit vom
XIII. bis XIV. Jahrhunderte etwa; ihr Stil ist durchaus episch, in den Epitheta,
in der Breite der Ausfühningen, in den AViedcrholungen u. s. w.; nach ihnen
schildert der Verfasser das Treiben der Ostjakenfürsten, der Helden dieser Lieder,
in Krieg und Frieden.
Von Materialsammhingen heben wir hervor die Schildcriing der Hochzeits-
bräuche bei den Ruthenen Ungarns; russische imd bulgarische Volkstoxte aller Art
(Bilder, Sprüche, Beschwörungen u s. w.); alte Notizen über Aberglauben; An-
gaben über Spiele, namentlich Rinderspiele; über Bestattungen, Beschreibung von
Dialekten u. s. w. Orientalische Sagen, Märchen und Fabeln, indische (aus dem
Nachlasse des Prof. Minaj ev), kirgisische, armenische u. a. sind besonders reich-
haltig vertreten. Dürftig ist nur der bibliographisch -kritische Teil ausgefallen.
Fragen nach Dialekten, Bräuchen etc. finden wir ebenfalls, wie in der pohli-
schen AVishi.
Aus dieser, noch nicht alles erschöpfenden Inhaltsübersicht erhellt zu Genüge,
wie weit die Redaktion der Zivaja Starina sich ihre Aufgaben gesteckt hat. Der
Ausdehnung des russischen Reiches entsprechend ist die Ethnographie Asiens, zumal
Sibiriens, in vollem Umfange herangezogen worden : die interessantesten Abhand-
lungen der ersten Hefte beziehen sich gerade auf sibirische Völkerschaften. Fährt
die Redaktion auf diesem Wege mit gleicher Umsicht und Eifer fort, so kann sie
ihres Erfolges sicher sein, so wird ihre Publikation den besten fremden ebenbürtig
zur Seite treten. Dass ihr dies gelinge, wünschen wir im Interesse unserer Wissen-
schaft.
Berlin. A. Brückner.
TVista. Miesi(;cziiik gieogTaficzuo-etnogTaficziiy. Tom V. Warszawa 1801.
(Die Weichsel. Geographisch -othnograpliisclio Monatsschrift. Bd. \.
Heft 1—3, S. 1—730, gr. S".)
Das von Dr. J. von Karlowicz mit grosser Umsicht geleitete Organ füi'
pohlischen Foikhirc schliesst bereits den fünften Jahrgang ab. Während in anderen
Publikationen, zumal der Krakauer Akademie, so z. B. im Zbior wiadomosei
do antropologii krajow'cj (Sammlungen zur Kunde der Landesanthropologie,
bisher 14 Bände gr. 8°) Stoffsammlungen mitgeteilt werden, hält die Redaktion dci-
Wisla für ihre vornehmste Aufgabe, orientierende Abhandhingen, kritische Erörte-
rungen von Einzcinheiten und eine äusserst reichhaltige, namentlich periodische
94 Brücknef:
Publikationen erschöpfende bibliographische Übersicht zu bringen; für Stoffsamm-
lungen selbst ist die Biblioteka AVisly bestimmt, welche bereits in 8 Bändchen
neben Märchen und Liedern eingehende ethnographische Schilderungen (von Fede-
rowski M., Wasilewski Z., Dorf Jagodne) und Arbeiten, wie über polnische
Volksmedizin von Dr. M. Udziela und über das AVeib im Volksliede von
K. Skrzyiiska aufgenommen hat.
Auf den reichen Inhalt des neuen Jahrganges können wir im Einzelnen nicht
eingehen; wir heben nur weniges hervor. Von Arbeiten von Ausländern seien ge-
nannt nur die des russischen Folkloristen Sumcow über die polnischen Boginki
oder Mamuny, eine Art Feen; letzterer Name hängt mit der mittelalterlichen Mamona,
nicht, wie Verfasser annimmt, mit (Korn)-Muhme zusammen. Karlowicz handelt
über Alter und Namen gewisser polnischer Osterbräiiche, die von Deutschen her-
stammen (Schmeckostern = smigurst, smigus: Mannhardt hatte irrig das Gegen-
teil, Beeinflussung des deutschen, durch polnischen Brauch, angesetzt; dyngus,
d. i. Dingnuss, Dingniss, depactatio, Loskauf vom AVassertauchen durch Geschenke).
Der Aufsatz von Zmigrodzki über die Geschichte der Swastika ist dem
deutschen Publikum bereits aus dem Archiv f. Anthropologie, 1890, III bekannt-
Wir nennen noch die ausführliche Schilderung weissrussischen Dorflebens,
aus einer vom Weltverkehr fast abgeschlossenen Gegend (Jelenska, Dorf Koma-
rowicze); archivalische Nachrichten aus der Vergangenheit des Städtchens Wawelnica
(H. AViercieiiski), Anregung eingehender Untersuchungen über die Bräuche der
Johannisfeier (Lubicz) u.a. Die neuesten Arbeiten über den Ursprung des polni-
schen Staates, speziell über die Geschichte des Adels, die Theorie der Einwanderung
und Unterjochung, wonach der Adel aus einer fremden Herrscherkaste hervor-
gegangen wäre, bespricht lichtvoll A. Jablonowski imd erschüttert die Beweis-
kraft des Vorkommens nordischer Russen in den polnischen Wappenzeichen durch
Hinweis auf verwandte Erscheinungen in anderen Gegenden. Endlich seien neben
der eingehenden Chronik der Fortschritte der Geographie wärend des Jahres 1890,
von Nalkowski, die zahlreichen Fragestellungen nach Sitten, Sprache etc. von
Seiten der Redaktion und Antworten aus dem Leserkreise hervorgehoben. Das
beste Zeugniss für den Wert dieser Publikation legt der Umstand ab, das sie auf
ähnliche bei anderen slavischen Stämmen nicht ohne bestimmenden Einfluss ge-
blieben ist. Neben der Zivaja Starina (s. o.) nennen wir eine böhmische:
Ceskv Lid, eine Zweimonatschrift für das Studium böhmischen Volkes
in Böhmen, Mähren, Schlesien imd Ungarn, herausgegeben von Dr. L. Nie der le
(für den anthropologisch - archäologischen) und Dr. C. Zi'brt (für den kultui--
historisch - ethnographischen Teil); bisher zwei Hefte, 220 S., kl. 8°, mit zahl-
reichen Illustrationen (Prag, Simacek, 1891). Wir übergehen hier den archäolo-
gischen Teil (darunter die eingehende Schilderung von Gräbern mit hockenden
Skeletten durch Dr. Matiegka); im ethnographischen berichtet der gründliche
Kenner mährischen Volkstums, F. Bartos, über landwirtschaftliche Bräuche und
Aberglauben; J. Kost'al sammelt alle Angaben über den Wassermann, den Nix,
dessen volkstümliche Namen, hastrman, bestrman aus dem deutschen stammen;
auf den Vergleich mit den ähnlichen Erscheinungen bei Deutschen, Iren und
Schotten (wo die Kelpie ebenso mit Vorliebe als Mensch oder Pferd, Rind
erscheint) u. a. wird jedoch nicht eingegangen. V. Tille, in einem Aufsatze über
Erzählungen vom Herrscher, der vom eisernen Tische her auf den Fürstensitz be-
rufen wird, wie dies bei Przemsyl von Böhmen und Stephan von Ungarn die Sage
berichtet, überprüft zunächst die Entwickelung der böhmischen Tradition. Z. Winter
gibt einiges urkundliche Material zum Kapitel von Todtenzeugnissen im alten Ge-
richtsverfahren, vom bekannten Bluten der Leiche bei der Berührung des Mörders.
Protokolle. 95
Eine Reihe anderer Arbeiten, über die Volksküche, über Trachten und Muster,
über das weltliche Lied u. s. \v., seien nur flüchtig erwähnt. Dazu kommen biblio-
graphische Übersichten, namentlich der einschlägigen böhmischen Litteratur, auch
ein Bericht von A. Cerny über Folkloristik bei den Lausitzer Wenden; endlich
Fragen und Antworten, wie in der Wisla.
Nach ihrem Vorgänge werden auch grössere zusammenhängende Untersuchungen
besonders in der Knihovna Ceskeho Lidu veröffentlicht. Das erste Heft dieser
Bibliothek gab der unsern Lesern aus Zeitschrift I, 456 f. bereits bekannte um-
sichtige und unermüdliche Forscher, Dr. C. Zibrt, heraus: .Skritek' in altböhmi-
scher Volksübcrlieferung'; der Skritek — sein Name ist deutschen Ursprunges,
Schratt, Schratzel — ist eine Art Hausgeist, auch Gelddrache und Alp: einen ur-
kundlichen Nachtrag vom Jahre 1382 über den Glauben ,se habere penatem in
domo sua' s. in C. L. S. 186. Im zweiten Heft der Bibliothek wird Fr. Bartos
einen erschöpfenden Bericht über Hochzeiten in Mähren, Bräuche, Lieder, Spiele und
Aberglauben, die sich daran knüpfen, bringen.
Berlin. A. Brückner.
Celtic Fairy Tales selected and edited by Joseph Jacobs, illiistrated by
J. D. Batten. London, David Nutt, 1892. S. XIT. 267. 8".
Herr Jos. Jacobs, der Herausgeber der Zeitschrift Folklore, hat seinen English
Fairy Tales, der ersten Sammlung wirklich englischer Rindermärchen, dies aller-
liebste und wertvolle Weihnachtsbuch folgen lassen, das aus echten irischen und
schottischen Quellen geflossen ist. Der Reichtum der Kelten an Feengeschichten,
an Sagen und Märchen ist bekannt, er übertrifft bedeutend den der anderen euro-
päischen Völker, abgesehen von den Finnen. Uralte Erinnerungen des Volkes
sind darin enthalten und ein unerschöpfliches Feld der Forschung breitet sich
darin aus. Herr Jacobs hat, von seinem Freunde Alfr. Niitt. dem rühmlich be-
kannten Kenner, unterstützt, sechsundzwanzig Geschichten ausgewählt, die er in
englischer Sprache für englische Kinder vorträgt, als eine Art von Haus ollarah
oder sheenachie, bemüht Gesicht und Farbe, Zauber . und Reiz der keltischen
Volksphantasie wirken zu lassen. Ganz vortreffliche Holzschnitte nach Zeichnimgen
von John D. Batten, der selbst ein Kenner keltischen Altertums ist, schmücken
das Buch.
Wir wollen dabei kurz eines andern Werkes gedenken:
Beside the fire, a collection of Ii-ish Gaelic folk stories, edited translated
and annotated by Douglas Hyde, with additioual notes by Alfred
Nutt. London, David Nutt, 1890. S. LTHL 203. 8°.
Es ist eine Auswahl aus der irischen Originalsammlung des Dr. Douglas, die
1889 in Dublin erschien ist: Leabhar Sgenluigheachta; sie bringt sechs Geschichten
in irischem Text mit gegenüberstehender englischer Übersetzung, acht Geschichten
nur auf englisch, zum Schluss eine kleine Rätselsammlung. In einer ausführlichen
Vorrede spricht sich Dr. Hydes über die irischen und schottischen Volksüber-
lieferungen und seine Art des sammelns aus, wozu Herr Alfr. Nutt eine beachtens-
werte Nachschrift gibt. Derselbe hat auch am Schluss Anmerkungen zu jeder
einzelnen Geschichte gespendet, die jeder mit Dank brauchen wird.
K. Weinhold.
96 Brückner;
Aus den
Sitzungs-Protokollen des Vereins für Volkskunde.
Berlin, Freitag, den 18. Dezember. Neu beigetreten: Kais, cliines. Zoll-
direktor a. D. Kleinwächter-Berlin; Realgymnasiallehrer Dr. A. Strack-Giessen.
— Nachdem der Vorsitzende einen kurzen Bericht über den Mitglicderbestaiid des
Vereins gegeben hatte, erhielt Prof. A. Brückner das Wort zu seinem Vortrage
,ein mittelalterlicher Bericht über Weihnachtsbräuche'. Nach einer prinzipiellen
Auseinandersetzung über die Vorsicht, welche bei der Prüfung von Volksbräuchcn
auf ihren angeblichen mythologischen Hintergrund hin zu beobachten ist, nach dem
Hinweis auf die Wanderung von Bräuchen namentlich im Gefolge des Christen-
tumes erörterte der Vortragende den Bericht des Böhmen Johann von Holesow
über Weihnachtsbräuche, das ,Largumscro' desselben aus dem Ende des XIV. Jahr-
hunderts. Us en er s Vermutung, dass der ursprüngliche Verfasser desselben pres-
byter Alsso, ein Deutscher, gewesen, wird zurückgewiesen; die einzelnen Punkte
des Berichtes werden erörtert, wobei sich herausstellt, dass derselbe nichts
spezifisch slavisches, böhmisches enthält; ein Abdruck des Traktates nach einer
besseren Handschrift, als die, über welche Usener verfügte, wird angekündigt;
einige andere Angaben, auf deutsche Bräuche aus dem XV. Jahrhunderte bezüglich,
werden mit besprochen.
Hierauf stellte Hr. Stadtrat E. Friedel eine stattliche Kollektion metallener
Rauchtabaksdosen aus dem XVIII. Jahrhunderte, die den Sammlungen des Märki-
schen Provinzialmuseums entstammen, aus und erörterte das zeitliche Aufkommen
derselben, ihre Verbreitung und die mitunter derbvolkstünilichen Legenden der-
selben, die zudem oft auf bedeutsame Zeitereignisse, namentlich aus der Regierung
Friedrichs IL, Bezug nehmen.
Zuletzt wurde zur Wahl des Vorstandes für 1892 geschritten; mit Akklamation
wurde der alte Vorstand wiedergewählt, bis auf den ersten Schriftführer Dr. U. Jah n,
der durch ethnographische Reisen, die er vorhat, gehindert war, die Wiederwahl
anzunehmen. An seine Stelle wurde als erster Schriftführer Prof. A. Brückner
gewählt.
Freitag, 22. Januar 1892. Der Vortrag von Dr. U. Jahn über Rübezahl
charakterisierte zunächst die neueren darauf bezüglichen Arbeiten, namentlich die
durch das Ausschreiben des Oesterreichischen Riesengebirgsvereins hervorgerufenen
Schriften (Rübezahl, Hohenelbe 1884) und einen Aufsatz von Dr. Vecke nstedt,
deckte ihre methodischen Mängel auf, besprach hierauf die ältere Rübezahllitteratur
zumal das Werk des M. J. Prätorius, Daemonologia Rubinzalii Silesii, welches
für den Sagenforscher besonders durch die älteste schriftliche Fixierung einer
Reihe volkstümlicher Überlieferungen wertvoll ist, wenn auch öfters mit Unrecht
Rübezahl gerade zum Helden aller dieser Sagen von Prätorius gemacht wird.
Hierauf wurde die echte Überlieferung, die sich auf Rübezahl wirklich bezieht,
ausgesondert; sein eigentlicher Name, Johannes, betont, der ihn, neben allen anderen
Zügen, als einen Kobold erweist, auf den alles, was von Kobolden in Deutschland
erzählt wird, zurückbezogen worden ist. Der Vortragende schloss mit einer Auf-
forderung zu weiterem Sammeln und Untersuchen des Stoffes.
Protokolle. 97
Der vorgerückten Zeit wegen gab der nächste Vortragende, Prof. Arendt,
nur die drei ersten Kapitel seiner Auswahl chinesischen Däraonenglaubens, Er-
zählungen, in denen Seelen unschuldig Verurteilter oder Getöteter Rache nehmen
an ihren Verfolgern: darunter besonders charakteristisch eine, in der der Geist
des Getöteten in den Mörder einfährt und ihn selbst zum Geständnisse zwingt.
Nach Verlesung des Geschäftsberichtes für das verflossene Jahr durch den
Vorsitzenden und der Jahresbilanz durch den Schatzmeister wurde der Ausschuss
von 12 Mitgliedern für 1892 gewählt, nämlich die Herren Bartels, Möbius,
E. Schmidt, Voss, Lazarus, Friedel, Heck, Steinthal, Zupitza, Jahn,
H. Grimm, Goerke. An den officiellen Teil des Vereinsabends schloss sich das
Festessen zur ersten Jahresfeier des Vereins an, welches in äusserst animierten-
Weise verlief.
Freitag*, tlen 26. Februar. Zunächst setzte Prof. Arendt den in der vorigen
Sitzung unterbrochenen Vortrag fort; er teilte drei weitere Erzählungen vom Treiben
dämonischer Rachegeister mit, alle ausgestattet mit originalen, uns fremdartig an-
mutenden Zügen, namentlich in der letzten derselben, da der den Mord seines
Herrn rächende Diener wenigstens am Mantel desjenigen der jenen hatte hinrichten
lassen, seine Rache kühlt, was das Hinsiechen des Eigentümers selbst zur Folge hat.
An der Hand reichhaltigen statistischen Materials von 3000 Nummern und mit
Hilfe von Karten demonstrierte hierauf Zeichenlehrer Mielkc den wesentlich
deutschen, zumal süd- und mitteldeutschen Brauch, einzelnen Häusern besondere
Namen zu geben, die zumeist dem Tier- und Pflanzenreiche entnommen, oft Jahr-
hunderte lang am Hause haften. Häufiger treten sie seit dem XHI. Jahrhunderte
auf, und nehmen in späteren Zeiten oft sonderbare Formen an. An der Diskussion
beteiligten sich die Herren Weinhold, Schwartz, Brückner, Belege aus
Breslau, Berlin, Krakau mitteilend.
Prof. Weinhold besprach den Gebrauch der Kerbstöcke als Rechenmittel,
und wies einen solchen aus Suhl vor; Herr Meyer -Cohn verwies auf ähnliche
elsässische. Dr. U. Jahn legte Photographien österreichischer Volkstypen und
eine mit einer Widmung auf den Hubertusburger Frieden versehene Tischdecke
vor, an die vorher besprochenen Rauchdosen und Gratulationsbänder erinnernd.
Prof. Brückner berichtete kurz über die — ziemlich geringfügige — Ausbeute,
welche der Tractatus de superstitionibus des Nicolaus von Jauer von 1412 (auf
Grund zweier Handschriften der königl. Bibliothek in Berlin) für deutschen Aber-
glauben gewährt. A. Brückner.
I
Zeitschrift d. Vereins I". Volkskunde. 1892.
98
Laue:
Litteratur des Jahres 1891.
Von Dr. Max Laue.
Volkskunde im Allgemeinen.
I. Zeitschriften für das ganze Gebiet der Volkskunde.
Zeitschrift für Volliskuude in Sage und
Mär, Schwank und Streich, Lied, Rätsel
und Sprichwort, Sitte und Brauch. Heraus-
gegeben von Dr. Edmund Veckenstedt.
Organ der deutschen Gesellschaft für Volks-
kunde. Leipzig, Frankenstein und Wagner.
III. l. 2. s. Zeitschr. d. Vereins für Volks-
kunde I (1891) S. 114.
in. 3. 1890. V. Estorff-Teyendorf, Der
wilde Jäger. Ein Versuch zur Erklärung des
Phänomens. S. 81. — Veckenstedt, Die
mythischen Könige der arischen Volkshelden-
sage und Dichtung. [Forts.] S. 93. — Vecken-
stedt, Wendische Sagen der Niederlausitz.
Gesammelt und mitgeteilt. S. 97. — Branky,
Volksüberlieferuugen aus Österreich. S. 99. —
Vernaleken, Der Dreisskerl. Eine Reihe
mythischer Vorstellungen. S. 104. — Knoop-
Rogasen, Volkslieder aus Hinterpommern.
Mitgeteilt. S. 108. —Veckenstedt, Bücher-
besprechungen . . . Zur Bücherkunde. S. 117.
III. 4. Veckenstedt, Die mythischen
Könige der arischen Volksheldensage und
Dichtung. S. 121. — Vaclav Tille, Der Traum
von dem Schatz auf der Brücke. S. 132. —
Veckenstedt, Wendische Sagen der Nieder-
lausitz. S. 137. — Branky, Volksüberliefe-
rungen aus Österreich. S. 139. — Verna-
leken, Mythische Volksdichtungen. S. 141. —
Mitkos-Beni-Suef, Albanesische Lieder.
Deutsch von J. ü. Jarnik. S. 143. — Pistor,
Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten
aus Wigand I^auzes hessischer Chronik. S. 146.
— Knoop, Polnischer und deutscher Aber-
glaube und Brauch aus der Provinz Posen.
S. 148. —Veckenstedt, Bücherbesprechungen
S. 151. — Branky, Bücherbesprechungen.
S. 155. — V. Estorff, Bücherbesprechungen.
S. 155. — Zur Bücherkunde. S. 158.
III. 5. Knoop, Die neu entdeckten Götter-
gestalten und Götternamen der norddeutschen
Tiefebene. IIL Die Äsen. S. 161. — Vecken-
stedt, Die mythischen Könige der arischen
Volksheldensage und Dichtung. S. 172. —
Veckenstedt, Wendische Sagen der Nieder-
lausitz. Gesammelt und mitgeteilt. S. 182.
— Jarnik, Albanesische Märchen und
Schwanke. Mitgeteilt und übersetzt. S. 184.
— Branky, Volksüberlieferungen aus Öster-
reich. S. 185. — Gadde, Volkslieder aus
Hinterpommern. S. 187. — Kaufmann, Find-
linge zur Volkskunde. S. 189. — Vecken-
stedt, Bücherbesprechungen. S. 192. —
Wagner, Bücherbesprechungen. S. 193. —
Knoop, Bücherbesprechungen. S. 195. — Zur
Bücherkuude. S. 198.
III. 6. Dürnwirth, Deutsches Element in
slovenischen Sagen des kärntischen über-
rosenthales. S. 201. — Mailand, Der „Fluch"
in der siebenbürgisch-rumänischen Volkspoesie.
S. 208. — Veckenstedt, Wendische Sagen
der Niederlausitz. Gesammelt und mitgeteilt.
S. 215. — Jarnik, Albanesische Märchen und
Schwanke. Mitgeteilt und übersetzt. S. 218.
— Branky, Volksüberlieferungen aus Öster-
reich. S. 221. — Gadde, Volkslieder aus
Hinterpommern. S. 224. — Kaufmann, Find-
linge zur Volkskunde. S. 228. — Knoop,
Polnischer und deutscher Aberglaube und
Brauch aus der Provinz Posen. [S. 229.] —
Knoop, Bücherbesprechungen. S. 235. —
Veckenstedt, Bücherbesprechungen. S. 236.
— Wagener, Bücherbesprechungen. S. 237.
— Zur Bücherkunde.
III. 7. Die Kalewala vom ästhetischen
Standpunkte betrachtet. (Julius Krohn's
finnische Litteraturgeschichte I, 1.) Übersetzt
von 0. P. S. 241. — Knoop, Die Influenza.
S. 261. — Veckenstedt, Wendische Sagen
der Niederlausitz. Gesammelt und mitgeteilt.
S. 262. — Jarnik, Albanesische Märchen und
Schwanke. Mitgeteilt und übersetzt . . . S. 264.
— Branky, Volksüberlieferungen aus Öster-
reich. S. 266. — Poestion, Die alten nor-
dischen Frühlingsfeste. Nach dem Dänischen
des Troels Lund. S. 268. — Veckenstedt,
Bücherbesprechungen. S. 272. — Zur Bücher-
kunde. S. 277.
Litteratur des Jahres 1891.
99
III. 8. Die Kalewala vom ästhetischen
Staudpunkte betrachtet. Übersetzt von 0. P.
S. 281. — Jarnik, Albanesische Märchen und
Scliwänke. Mitgeteilt und übersetzt. —
Branky, Volküberlieferungen aus Österreich.
S. 298. — Prexl, Rumänische Volksromanzen
übersetzt. I. S. 300. — Veckenstedt, Aus
der Provinz Sachsen I. Der Festkalender von
Hornburg (bei Oberröblingen am See) in Sitte,
Brauch und Schwank. Zusammengetragen und
mitgeteilt nebst Vorwort. S.302. — Poestion,
Die alten nordischen Frühliugsfeste. Nach
dem Dänischen des Troels Lund. S. 310. —
Bücherbesprechungen. — Zur Bücherkunde.
III. 9. Knoop-Eogasen, Die neu ent-
deckten Göttergestalten und Götternamen der
norddeutschen Tiefebene und am Harz.
IV. Frau Hinne. S. 321. — 0. P., Die Kale-
wala vom ästhetischen Standpunkt betrachtet.
Übersetzt. S. 328. — Schlossar-Graz, Sagen
vom Schratel aus Steiermark. S. 341. — Gur-
witsch - Petersburg , Kriminalistische Ge-
danken und Anschauungen in den Sprich-
wörtern des russischen Volkes (Mittel -Russ-
land). Mitgeteilt von Veckenstedt. S. 343.
— Schwel a, Die „grosse" wendische Hoch-
zeit. S. 346. — Poestion, Die alten nordi-
schen Frühlingsfeste. Nach dem Dänischen des
Troels Lund. S. 349. — Bücherbesprechungen.
Zur Bücherkunde.
III. 10. 0. P., Die Kalewala vom ästheti-
schen Standpunkt betrachtet. . . . Schlossar,
Sagen vom Schratel aus Steiermark. S. 377.
— Branky, Volksüberliefenmgen aus Öster-
reich. S. 379. — N ottrott-Ranchi, Mundari-
(Kol-) Lieder. Mitgeteilt und übersetzt v. . .
S. 381. — Gurwitsch, Kriminalistische Ge-
danken und Anschauungen in den Bräuchen
und Sprichwörtern des russischen Volkes. Mit-
geteilt von Veckenstedt. S. 382. — Hüser,
Der Schwerttanz von Atteln bei Büren. S. 385.
— Poestion, Die alten nordischen Frühlings-
feste. Nach dem Dänisehen des Troels Lund.
S. 387. — Schwela, Die „grosse" wendische
Hochzeit. S. 390. — Knoop, Polnischer und
deutscher Aberglaube und Brauch aus der
Provinz Posen. S.393. — ßücherbesprechungen.
S. 397.
III. 11. 0. P., Die Kalewala vopi ästheti-
schen Standpunkt betrachtet . . . S. 401. —
Gurwitsch, Kriminalistiiche Gedanken und
Anschauungen in den Bräuchen und Sprich-
wörtern des russischen Volkes. S. 421. —
Poestion, Die alten nordischen Frühlings-
feste. Nach dem Dänischen des Troels Lund.
S. 425. — Schwela-Schorbus, Die „grosse"
wendische Hochzeit. S. 433. — Knoop, Pol-
nischer und deutscher Aberglaube und Brauch
aus der Provinz Posen. S. 427. — Zur Bücher-
kunde. S. 438.
III. 12. 0. P., Die Kalewala vom ästheti-
schen Standpunkt betrachtet . . . S. 441. —
Poestion, Die alten nordischen Frühlings-
feste. Nach dem Dänischen des Troels Lund.
S. 464. — Schwela, Die „grosse" wendische
Hochzeit. S. 475. — Inhaltsverzeichnis. S. 482.
Am Urquell. Monatsschrift für Volkskunde.
Herausgegeben von Friedrich S. Ki'auss.
Lunden in Holstein. Kommissionsverlag
Ejramer in Hamburg.
II, 1. 2.: vgl. Zeitschr. d. Ver. f. Volks-
kunde I. 1891, S. 115.
II, 3 (1891): Handelmann, Zur norwegi-
schen Sagenforschung. — v. Wlislocki: Ma-
gyarischer Liebeszauber. — Feilberg,
„Wetter machen". — Frieschbier, Der Eid
im Volksleben. — Kupczanko, Volksmedizin.
— Sembrzycki, Ostpreussische Sprichwörter
... — Krauss, Geheime Sprachweisen. —
Knauthe, Der Tod als Reisebegleiter . . .
— Kleine Mitteilungen. — Vom Bücher-
tische.
II, 4: Post, Das Volksleben als wissen-
schaftliches Problem. — Knauthe, Das Alp-
drücken in Preussisch- Schlesien. — Schell,
St. Martinstag im Bergischen. — Kup-
czanko, lü'ankheitsbeschwöriingen bei russi-
schen Bauern in der Bukowina. — Sembr-
zycki, Ostpreussische Sprichwörter ... —
Krauss, Geheime Sprachweisen. — Kleine
Mitteilungen. — VomBüchertische. — Kraus s,
Wilhelm Krauss.
II, 5: Mooney, Die Kosmogonie der Che-
rokee. — Landau, 'Non ölet'. — Hoefler,
Das Sterben in Oherbayern. — A., Hexen-
leiter oder Vogelscheuche. — Suudermann,
üstfriesisches Volkstum. — Volksmann,
Volksmedizin. —Sembrzycki, Ostpreussische
Sprichwörter ... — Krauss, Geheime
Sprachweiseu. Eine Enquete. — Vom Bücher-
tisch.
II, 6: Hoefler, Das Sterben in Ober-
bayern. — K.[rauss] , Das Alpdrücken. —
Sundermann, Ostfriesisches Volkstum. —
Sembrzycki, Ostpreussische Sprichwörter,
Volksreime. — Kleine Mitteilungen. — Vom
Büchertische.
IL 7. Andree, Abderiten von heute. —
Spinner, Der Eid im Volksleben. — Ders.,
Diebsglauben. — Krauss, Geheime Sprach-
weiseu. — Haase, Sagen aus der Grafschaft
7*
100
Laue:
Ruppin. — Vari, Volksmediziu. — Kleine
]\Iitteiluugen. — Vom Bücliertische.
II, 8: V. Wlislocki, Ui-men, Schicksals-
frauen der Zigeuner. — Sembrzycki, Här-
tens und Krauss, Scliimpfwörter. —
Sembrzycki, Ostpreussische Sprichwörter,
Volksreime und Provinzialismen.
II, 9: Frisch hier, Rätsel - Geschichten.
— Schell und Volksmaun, Die Fischerin,
ein Märchen aus dem Bergischen. — Höft,
Abderiten von heute.
II, 10: Schiffer, Sündenkauf. — Frisch-
bier, Rätsel- Geschichten. — Kaindl, Alp-
drücken. — Volks mann, Abderiten von
heute. — Sembrzycki, Ostpreussische Sprich-
wörter. — Knauthe , Schimpfwörter. —
Sundermann, Ostfriesisches Volkstum. —
Kaindl, Der Eid im Volksleben. — Volks-
mann, Tierfabeln. — Haase, Sagen aus Neu-
Ruppin. — Volksmedizin.
II, 11: Schiffer, Sündenkauf. — Frey-
tag und Loeb, Zauberglaube. Eine Umfi-age.
Mit Beiträgen von Knauthe imd Volks-
mann. — Kaindl, Knauthe, Volks-
mann, Diebsglauben. — Krauss, Geheime
Sprachweisen. Eine Umfrage. Beiträge von
Feilberg imd Schlegel. — Knauthe und
Lehrmann, Bauopfer. — N. und Paulsen,
Das Alpdi-ücken. — Wlislocki, Volkslieder
der siebenbürgischeu Sachsen. — Ofterding,
Abderiten von heute. — Staake, Geister-
glauben. — Sembrzycki, Ostpreussische
Sprichwörter, Volksreime und Provinzialismen.
— Volksmanu, Schimpfwörter. — Kleine
Mitteilungen von Schiffer, L-n. und
Schierenberg.
Revue des traditions populaires. (Societe
des traditions populaires au musee d'ethno-
graphie du Trocadero.) Paris. J. Maison-
neuve. Tome VI. 6e annee. 1891.
1. Janvier. Sebillot, Traditions et super-
stitions des ponts et chaussees I. Les routes.
— IL Les chemins de fer. p. 1. — Sebillot,
Questionnaii-e des traditions des ponts et
chaussees. p. 16, — Barbet, Chansons du
renouvellement de l'annee. I. Lou Bon an.
p. 18. — Harou, Miettes de Folk-Lore pari-
sien. XIV. p. 21, — Danjon, La Fete des
Rois. XV. Chanson des Rois ä Caen, p. 22.
— Brueyre, Le petit homme rouge et Na-
poleon, p. 25. — Basset, AUusions ä des
contes populaires (suite). p. 30. — Descubes,
ons et coutumes des mariniers.
IIL Les Pilotes Egyptiens. p. 32. P.-S.,
IV. L'invention des flottages. — V. Rivage
haute, p. 32. VL Girard de Rialle, Le Ba-
teier avare. p. 83. — Sebillot, Renaud et
ses femmes IL Haute -Bretagne, de Zmid-
grodzki, La Mere et FEnfant. p. 36. —
Certeux, Rites et usages funeraires IX.
p. 48. — Desaivre, La Legende de Theo-
phile de Viau. p. 50. — Rosieres, La Le-
gende de Didon (suite). p. 52. — Foujou,
Legendes et superstitions preliistoriques.
VII. La pierre de Saint-Martin d'Assevilliers
(Somme). p. 55. — Harou, Coutumes sco-
laires IV. enBelgique. p.56. Bibliographie.
— Livres re^us . . . Illustrations . . .
2. Fevrier. Basset, Contes arabes et
orientaux. V. Le Depositaire infidele. p. 65.
— Le vieux Mari. Bernard, I. Chanson
du pays de Caux. Sebillot, IL Haute-Bre-
tagne. p. 77, 78. — Sebillot, Traditions et
superstitions des ponts et chaussees. III. Les
phares. IV. Les canaux. V. Quais et ouvrages
de ports. VI. Les chaussees et les digues.
p. 79. — Basset, Rupture de la digue de
Mareb. p. 85. — Sebillot, Additions aux
routes: devinettes et proverbes, etc., et aux
chemins de fer. p. 89. — Ney, Une loco-
motive fatale, p. 99. — Bayon, Le Diable et
l'Enfer dans l'Iconographie. Les Tableaux de
Michel Le Nobletz. p. 99. — Montet, La
chanson de Bricou. IV. (suite). p. 102. —
Desrousseaux, V. Version de Lille, p. 107.
— Bourchenin, Contribution au folk-lore
du Bearn. p. 108. — de Zmigrodzki, Les
Cloches. I. Devinettes. p. 110. — Callon,
Saint Pierre et le Veuf, conte de la vallee
d'Aspe. p. 112. — Certeux, Pensees sur les
Traditions populaü-es extraites de divers
auteurs. IL p.ll3. — Basset, Les Meteores.
I. Le feu Saint-Elme. p. 115. — Pommerol,
Le roi d'Angleterre. III. V. de l'Auvergne.
p. 116. — Extraits et lectures: de Rialle,
I. Superstitions chinoises. p. 117. IL Hei-
ne ckc, Le Carneval des Juifs galliciens.
p. 118. — Assemblee generale. — Biblio-
graphie. — Livres reQUS . . . Gravures.
3. Mars. Sebillot, Traditions et super-
stitions des Ponts et chaussees VII. Les Ponts.
Rites de la construction. p.l20. — Heinecke,
Le Pont d'Artos, chant albanais. p. 138. —
Fargue, Pieces de monnaie dans le fonda-
tions. Libations ä la pose de la clef de voüte.
p. 139. — P. S., Les Egouts. VIII. p. 140. —
Ruffie, Chanson des livTees I. Ariege. p. 140.
— Chardin, Les Poissons fantastiques I. Le
Poisson Nicole, p. 142. — Lacuve, Les Cent
Ethius, conte poitevin. p. 143. — de Castel-
nau, Les Mines et le Mineurs VIII additions.
Litteratur des Jahres 1891.
101
p. 144. — Solaiman dans los legendes musul-
manes. VI. Basset, Les Objets merveilleux
(suite) p. 145. — Tiersot, Pastiches de clian-
sons populaires. II. p. 146. — Perraud,
Traditions et superstitions du Dauphine. II.
p. 149. — Certeux, La Galette de pain,
legende arabe. p. 152. — Pellisson, Super-
stitions bearnaises. p. 154. — Bellet, Voya-
geurs fran^ais et etrangers. I. Thevenard.
p. 155. — Murray Aynsley, üne Legende
de sorcellerie en Angleterre. p. 158. —
Basset, Le Culte du marteau. I. Chez les
Lithnaniens: le soleil captif. p. 161. — Fouju,
Legendes et superstitions prohistoriques. VIII.
Pierres qui tournent en Eure-et-Loire. p. 162.
— Basset, Les Villes englouties. IL Baies.
p. 165. — Laven ot, La Legende du Diable
dans le pays de Vannes. p, 166. — Les Rites
de la Construction: Basset, I. Sacrifices
humains en Oceanie. p. 172. Gregor, IL En
Ecosse. p.l72. — Livres populaires. IL Chanson
en fonne de complainte de Jehan Dubus.
p. 174. — Morin, Deux rondes d'enfants:
Aube. p. 181. — Tiersot, Scepticisme popu-
laire. p. 181. — Harou, Origine des roses
mousseuses, legende • d'Anvers. p. 182. —
Bosc, LaDanse desFees, legende d'Auvergne.
p. 183. — Descubes, Extraits et lectures.
I. Superstitions sibmemies. IL Les Zoulous
et le prince imperial. — Bibliographie . . .
Livres re^us . . . Xotes et enquetes . . .
Illustrations . . .
4. Avril. Fitzgerald, Sur quelques ori-
gines de la tradition celtiques I. (suite).
Sources historiques. p. 193. — La ponne
Ferame es Brunes. I. Walhen, Normandie.
p. 207. IL P. S., Haute Bretagne, p. 208. —
Sebillot, Traditions et superstitions dos
Ponts et Chaussees VIII. Les Ponts (Ponts
hantes). — Superstitions diverses, p. 209. —
Harou, Les Chemins des fer. IL (suite).
Superstitions. p. 218. — P. S., Faceties et Ex-
pressions pittoresques. p. 219. — Morin, De-
vinettes. p. 220. — Senequier, I. Les Routes
(suite). p. 221. — de Zmigrodski, Biblio-
graphie du Folk-lore en Pologne. p. 222. —
Certeux, Pelerins et pelerinagesVIII. Peleri-
nages aux Cedres du Liban. p. 238. — P. S.,
Les Mines et les Mineurs. IX. Les Statues
dans les Mines. p. 240. — Penny, Petes et
Croyances X. p. 241. — Basset, Allusions a
des Contes populaires (suite). p. 243. —
de Launay, Les Cloches. IL Presages et
Superstitions. p. 247. — Bayon, Le Peuple
et les Monuments. I. Pien-es gravees. p. 248.
Extraits es Lectures: Blanchard, Sorcellerie
dans les Hautes. Alpes, p. 248. — Biblio-
graphie . . . Livres re^us . . . Illu-
strations ...
5. Mai. Doncieux, Le Cycle de sainte
Marie -Madeleine dans la chanson populaire.
p. 257. — Sebillot, Le Rossignol, chanson
de la Haute-Bretagne. p. 277. — Harou,
Les Rites de la construction. III. La cathe-
drale de Treves. — Sebillot, Traditions et
superstitions des Ponts et Chaussees. VII.
Les Ponts. § 4, Les Ponts merveilleux. p. 279.
— Basset, Pont de Bamberg; le Ponte de
paille. p. 287. — Kerviler, § 1 (suite), Les
Rites de la construction. Le Pont CaUec. Le
p.ont de KeiTcnthal. p. 288. — Basset, Les
chaussees et les digues VI., Les Phares III.
p. 288. — Harou, Les cloches. III. Cloches
englouties. p. 292. — du Zmigrodzki, De-
vinettes et croyances de TUkraine. IV. p. 292.
— Certeux, La Galette de pain IL p. 294.
— Harou, Les Pendus IL p. 295. — Char-
din, Melusine en Champagne, p. 296. —
P. S., Poesie sur des themes populaires. XX.
Emile Blemont et Achille Millien. p. 297. —
Murray-Aynslay, Quelques usages de la
Semaine sainte. p. 301. — Basset, Contes
arabes et orientaux. V. Le Depositaire infidele
(suite). p. 302. — Certeux, Les Eaux ther-
males et minerales. III. p. 305. — Ferrand,
Traditions et Superstitions du Dauphine. IX.
Le bon Dieu et les pays. X. La Revolte. p.307.
— Le Bournisien, Lo premier dimanche
de Careme. IL Dans l'Ai-tois et le Boulonnais.
p. 309. — Harou, Les Mines et les Mineurs.
XL Superstitions diverses (Belgique). p. 312.
— P. S., XII. Quelques questions. p. 313. —
Millieri, Les Pom-quoi LV. Pourquoi le
lievre e la babine fendue. p. 314. — Biblio-
graphie . . . Livres recus . . . Notes . . .
6. Juin. Rosieres, Anciennete de quel-
ques locutions usuelles, p. 321. — Arn au diu.
Quelques usages de la Semaine sainte. IL
Dans les Landes, p. 330. — Tiersot, Si
j'etais Hirondelle. I. Forme morvandelle.
IL Forme normande. p. 332. — Basset, La
Legende de Didon (suite). I. La peau de boeuf
coupee en lancieres. IL La Delimitation par
la voix. V. Delimitation par la vue. p. 335.
— de Zmigrodzki, Les Mines et les Mi-
neurs. XIII. Coutumes, croyances et chan-
sons du mineurs polonais. p. 338. — Cour-
thion, Legendes valaisannes. p. 345. — Or-
tolan, Traditions et superstitions des Ponts
et Chaussees. VII. Les Ponts (suite). Legende
du pont de la Calade a Saint-Raphael. p. 359.
— Basset, Les destructeurs de ponts: les
102
Laue:
Ponts iiiythiques. p. 360. — Basset, Les
chaussees et les digues VI. (suite). p. 362. —
Morin, Les chemins des fer IL p. 363. —
de Lazarque, Folk-Lore de LoiTaine: La
Massue. p. 363. — Bezier, Blasen populaire
de la Loire-Iüfeneure. p. 366. — Basset,
Le chanson de Bricoii VI. (suite). p. 37L —
Defodon, Randonnee VII. p. 373. — Cor-
uelissen, Version de la Campine auversoise.
p. 374. — P. S., Second Congres des Traditions
populaires. p. 376. — Le Carguet, Super-
stitions du Cap-Sizun. p. 377. — P. S., Ne-
crologie. P. Bezier. p. 378. — Bibliographie
. . . Livres rerus . . .
7. Juillet. Stibillot, Le peuj^le etTliistoire.
VI. La Legende Napoleonienne. p. 385. —
Lecocq, Deux chansons bourgignonnes. I. Le
frere et la soeur. IL Le Galant de village.
p. 393. — Tiersot, Xotes sur ces chansons.
p. 396. — Blacque, Secoude vue et inter-
signes. IIL Enterrenient vu ä Favance. p. 398.
— Traditions et superstitions des Ponts et
Chaussees. VII. Heinecke, Les Ponts
(suite). Le reve du tresor sur le pont. p. 399.
— Morin et P. S., Baptemes de ponts. —
Pineau, Les ponts du Diable: le pont de
GenQau. p. 403. — Volkov, Les ponts hantes.
p. 404. — Volkov, I. Les Pioutes (suite).
p. 404. — Volkov, Les chaussees et les
digues. (suite). p. 404. — Volkov, IL Les
Chemins de fer (suite). p. 405. — Volkov,
VI. Une question d'Ethnographie. p. 405. —
Lavenot, La Legende du Uiable chez les
Bretons du pays de Vanues (suite). p. 406. —
Foujou, Les precurseurs de nos etudes.
VII. Legendes normandes du musee deDieppe.
p.415. — R.B., La Legende de Didon. Erratum.
p. 420. — Basset, Les Ordalies. I. Par le
fer rouge. IL Par l'eau bouillante. p. 42L
— de Launaj. Medecine superstitieuse. IV.
En Anjou. p. 422. — de la Cheneliere,
Les Charitcs en Normandie. p. 423. — Fer-
tiault, Les Charivaris. V. Le Charidaue en
Saintonge. p. 429. — Certeux, Second Con-
gres des Traditions populaires. p. 430. —
Basset, Les villes englouties (suite) III — VII.
p. 43L — Fargue, VIII. La lague de Xain-
traiUes. p. 434. — P. S., IX. La ville de Gar-
danne, p. 435. — Harou, Les Mines et les
Mineurs XIV. Coutumes des nüueurs beiges,
p. 436. — P. S., Proverbes. p. 436. — Biblio-
graphie . . . Livres re(jus . . . lUustrations . . .
8. Aoüt. Basset, Contes arabes et orien-
taux. VII. Les Cent nuits et le Kitab ech
Chelli'a VIII. L'Alhaml)ra et le chäteau de
Kaouamaq. p, 449, — Dauj on, Le mal marie.
Version normande. p. 466. — Chantre,
Superstitions des Tatars de TAderbeldjan.
p. 467. — Sebillot, Les Traditions popu-
laires et les ecrivains fran^ais VII. Sarasin.
p. 470. — Heinecke, Les pourquoi LVII.
Pourquoi les pluraes de paon portent malheur.
p. 473. — Doncieux, Appendice au cycle
de Marie Madeleine, p. 474. — Barbet, La
chanson de Petignot, pays de Montbeliard.
p. 477. — Binder, Saint Blaise IV. p. 479.
— Morin, Contes troyes (suite) p. 481. —
Certeux, La Bataille des Roses en Orient,
p. 483. — Musters, Superstitions du sud du
pays de Galles. p. 485. — Harou, Les Mines
et les Mineurs. XVI. Proverbes liegeois. p.485.
XVII. Basset, Les genies de la mine. p. 487.
— Basset, Le feu Saint-Elme. II. p. 487.
— Hovelacque, Traditions et superstitions
des Ponts et chaussees. VII. Les Ponts (suite).
Le Pont des Morts en Perse. p. 488. —
Basset, Le pont des morts ä Java. p. 489-
— Petravick, Le pont qui conduit au ciel.
p. 490. — Basset, Le pont de Mautribles.
— Le pont de Misarella. p. 49L — Che-
guillaume, IL Les chemins de fer (suite).
p. 492. — Fertiault, La priere du Cathere
en Champagne, p. 493. — P. S., Miettes de
folk-lore parisien. XVII. Blason populaire au
XVII« siecle. p. 494. — Basset, Les villes
englouties (suite) p. 495. — Destriche, Les
rose aux qui chantent IV. p. 500. — Basset,
La chanson de Bricou. VII. p. 501. — Biblio-
grajjhie. — Livres recus.
9. Septembre. Basset, Les villes englouties
XVII-XXXVIII.p.513.- Mistral, XXXIX.
La legende de Sainte-Anne. p. 528. — Millien
et Penavaire, La chanson du laboureur,
Nivernais. p. 529. — Chardin, La danse des
fees, ile de France, p. 530. — Sebillot, Le
peuple et l'histoire VII. 1815—1886. p. 531.
— Certeux, Miettes de folk-lore parisien
XV. Les raesses. p. 533. — Chtigauillaume,
XVI. Voirie de Paris, p. 534. — Le Carguet,
Superstitions et croyances du Cap-Sizun. V. La
malechance. p.535. — Lavenot, Superstitions
et coutumes de pecheurs. IV. Morbihan. p.541.
— Sebillot, La Noizille. III. Versions de la
Haute. Bretagne et de la Champagne, p. 542.
— Fertiault, IV. de la Charente. p. 544.
Sauve, Saint Gueuole et le diable, legende
de la Basse-Bretagne. p. 545. — Sebillot,
Traditions et superstitions du Bas-Languedoc.
p. 548. — Sebillot, Les Traditions popu-
laires et les ecrivains franpais. VII. Corneille.
IX. Boileau. p. 551. — de laPorterie, Pe-
lerins et pelerinages. IX. La foutaine de saiut
Litteratiir des Jahres 1891.
108
Jean Baptiste ä Lussagnet (Landes), p. 560.
— Morel-Eetz, Une coutume dijonnaise.
p. 565. — P. S., Les pendus. III. Proverbes
du XVII^' siecle. p. 56B. — Oerteux, IV. Le
patron des pendus. p. 565. — Aynsley, Le-
gendes suisses. p. 566. — Bourcheniu, Cou-
tribution au folk-lore du Poitou. p. 570. —
Harou, Traditions et siiperstitions des Ponts
et Chaussees. IL Les chemins de t'er. (suite).
p. 571. — Bibliographie. — Livres re(;us.
11. Novembre. Sebillot et Harou, Les
inventions modernes. I. Le telegraphe elec-
trique. IL La Poste. III. Les Pendules.
IV. Les luuettes et le telescope. V. La Photo-
graphie, p. 641. — Danjon, Le Voyage du
rossignol. I. Version normande. IL Sebillot,
Version Haute Bretagne. IIL Tiersot, Bour-
gogne. p. 644— 646. — Volkov, Traditions
et superstitions des Ponts et Chaussees. I. Les
Routes (suite). Voyages et voyageurs et
Ukraine et en Biilgarie. p. 647. — Harolu,
Notes sur les routes en Belgique. p. 649. —
Le Carguet, Superstitions, croyances et le-
gendes du Cap Sizun VI. Le Raz de Sein et
les Phares. p. 650. — Certeux, Miettes de
Folk-lore parisieu. XVIII. Les Epouvantails
des eufants. p. 662. — Basset, AUusions ä.
des contes populaires (suite). p. 664. —
Harou, Les Pendus. V. Les Pendus de Beau-
mont. p. 665. — Millien, Le bon Dieu de
Saint-Georges. Histoire d'uu sorcier. p. 666.
— Hein ecke, Les Mines et les Minem-es
XVIII. Le mineur et le genie, legende du
Harz. p. 668. — P.-S., XIX. L'or et la nourri-
ture. p. 670. — Basset, XX. Mines hantees.
p. 671. — Lach Szyrma, Les villes englou-
ties, LX. Cornouaille. p. 671. — Lavenot,
La legende du diable chez les Bretons du
pays de Vannes, IL Deraeles du diable avec
les saints (suite). p. 672. — Marchot,
L'histoire de la voix qui revient (Luxembourg)
p. 677. — Pomnierol, Joli capitaine I. Ver-
sion d'Auvergne. p. 687. IL Sebillot, Haute-
Bretagne. p. 688. — Morin, Livres popu-
laires. III. Oraisons superstitieuses interdites
au XVI«^ siecle. p. 689. — P.-S., Second con-
gres des Traditions populaires. p. 690. —
Basset, Contes arabes et orientaux. VIII.
L'apprenti sorcier et le char de Sesostris.
p. 678. — Morin, La Fraternisation par le
sang. p. 682. — Perot, Les vieux usages du
Bourbonnaies. I. Le Burloir, IL les coqs en
päte. p. 6815. — Lach Szyrma, La dans des
fces. IL p. 686. — Agostini, Les statues
miraculeuses. I. La Vierge de Fozzano (Corse).
p. 690. — Desrousseaux, Transformations
des legendes et des anecdotes. IIL p. 692.
— Ferraud, Le Diable et les metiers. p. 696.
— Hovelacque, Pelerins et pelerinages.
X. Les aux fetiches. p. 697. — Bibliographie.
— Livres re^us.
La Tradition. Revue generale des Contes,
Legendes, Chants, Usages, Traditions et
Arts populaires. Direction: Emile Bleniont
et Henry^ Carnoy. Paris. E. Lechevalier.
V. (1891), 1. Jan.: La Direction, Aux
lecteurs de „La Tradition". — Nicot, La
Saint-Eloi. — Davidson, Elements de tra-
ditionnisme ou folk-lore: 1. La theorie mo-
derne dePanimisme. — Millien, La bergere
aux champs. — Desrousseaux, Monströs
et geants: IX. Les Geants de Bruxelles. —
Lemoine, Le tirage au sort en Belgique.
— Ristelhuber, Contes Alsaciens (troisieme
sei-ie). — C. [aruoy], Folk-lore et histoii-e
des religions. — Lancelin, Chanson berri-
chonne. — de Beaurepaire, Chansons popu-
laires de Quercy.
V. 2, Febr.: Davidson, Elements de Tra-
ditionnisrae ou Folk-lore: IL Le Culte des
Ancetres. — Vau Elven, La Sorcellerie au
Moyen-Age: I. Coup d'ceil historique. —
Carnoy et Nicolaides, Le Folk-lore de
Constantinople: 1. Superstitions et Croyances
des Turcs. — Carnoy, Les Pommiers en
fleurs. — Comb es, Litterature populaire de
Villeneuve-sui'-Lot. — Harou, Le Folk-lore
de la Belgique: XII. Les Geants. -- Plan-
tadis, Les Chevaliers du Papegai, I. —
de Beaurepaire, Chansons populaires de
Quercy. — Chaboseau, Les empreiutes mer-
veilleuses VI.
V. B, Mars: Carnoy et Nicolaides, Le
Folk-lore de Constantinople: 1. Superstitions
et Croyances des Turcs (suite). — de Beau-
repaire, Chansons populaires du Quercy:
III. Les Sabots; IV. Verdiu-ette, Verduron.
— Davidson, Elements de Traditiomiisme
ou Folk-lore: IIL Le Culte des Animaux. —
de Warloy, Saint Barnabe, patron des
Amoiu-eux. — de Zmigrodski, Le Folk-
lore polonais. Cracovie et ses envü-ons: IV.
La Medecine. — H. C, Les mois de Mai, XIV.
— Chaboseau, Les empreintes merveilleuses,
VII. — Berenger-Feraud, Contes de Pro-
vence I. — Ortoli, Les Saints chäties. —
Ristelhuber, Les Vosonöttes en Alsace-
Lorrainc.
V. 4, Avril: van Elven, Les proces de
sorcellerie au moyen-äge. — Beaurepaire,
Chansons pop. du Quercy. — Harou, Lo
104
Laue :
folk-lore de la Belgique, XIII. — Davidson,
Elements de traditionnisme oix Folklore, IV.
Desrousseaux, Monstres et geants. —
Millien, L'enfant noye. — Feroud, Contes
de Provence, II. — Stieb al, surnoms des
reginients et des grades dans l'armee alle-
mande. — Bibliographie.
V. 5, Mai: Berenger-Feraud, Le feu
de Promethee chez les provenQaux de nos
jours. — Prato, Un conte d'Audree de Ner-
ciat dans une nouvelle pop. livonrnaise inedite.
— de Zmigrodzki, Le folklore polonais:
Crocovie et ses environs. IV. — Carnoy et
Nicolaides, Le folklore de Constantinople
IL — Plantadis, Les Chevaliers du papegai.
— Bibliographie.
V. 6, Juin: Berenger-Feraud, Le
crime d'Oedipe dans un conte provenQal con-
temporain. — Prato, Un conto de Grecourt
dans une nouvelle pop. comasque de Ca-
vallasca. — Cannizzaro, Chansons pop. de
Sicile I . . . II . . . — Vigne, Croyauces et
coutumes au Dahomey. — Doncieux, Le roi
Renaud . . . Menü, Chansons pop. de la Pi-
cardie. — Bibliographie.
Melusine. Recueil de mythologio, litterature
populaire, traditions et usages, fonde par
H. Gaidoz et E. Rolland. Dü-ige par
Henry Gaidoz. Paris. E. Rolland.
[Fortsetzung zu Bd. I, 116.]
V, 7: Gaidoz, La fee Melusine ä Luxem-
hourg. — La lecture de la pensee. La chanson
du Petit Jean. Les rites de la construction.
Les Aqueducs. Les digues. Oblations ä la
mer. Le suicide. — Krauss, L'operation
d'Escnlape. — Tuchmann, La fascination
(suite). — Ernault, Chansons populaires de
la Basse Bretagne: XXV., Le passage de la
I.igne.
V, 8: La Fraternisation : IX. En Ukraine,
Volkov; X. Boire SchmolHs, Gaidoz. —
Ristelhuber, Les Acqueducs. — Crusius,
L'Operation d'Escnlape. — Gaidoz, Les de-
vinettes de Meteorologie. Jean de l'Ours.
Les cheveux rouges. — Tuchmann, La Fasci-
nation. — Gaidoz, Les Soniou de M. Luzel.
Les chemins de fer.
V, 9: Gaidoz, Le Chevalier au lion. —
Rolland, Le courroux de l'enfant Jesus. —
Gaidoz, Une incantation enumerative. —
Tuchmann, Effets de la fascination. —
H. G., La Fraternisation. — Rolland, La
Bergere resignee. — Gaidoz, La Coupe de
la vie,
V, 10: Gaidoz, Le chevalier au lion. —
Les Vedas reduits ä leur juste valeur. —
Gaidoz, L'Etymologie populaire et le Folk-
lore. — Ders. , Corporations, compagnonnages
et metiers. — Tuchmann, La Fascination.
— Ernault, Chansons populaires de la Basse-
Bretagne: XXVII, XXVIII. — E. R., La
Fraternisation. — Schreiner, L'enfant qui
parle avant d'etre ne. — Rolland, Le cle
des champs. — Les Ongles. — Gaidoz, Les
Serments et les Jurons. — Ders., Les Esprits-
Forts de l'Antiquite classique (Forts.). —
Ders., L'Operaton d'Escnlape.
V, 11: Doncieux, La belle dans la tour,
texte critique. — Gaidoz, Le tien et le mien.
— Ders., Chansons populaire de la Basse-
Bretague. XXIX. Le Barzaz-Breiz de M. de
Ville marque. — Ders., La Fraternisation.
V, 12: Gaidoz, La pierre de Serpent. —
Tuchniann, La Fascination. — Chansons
populaires de Basse-Bretagne : XXX. L e Br az :
Un mot sur le „manuscrit" de Guinclan.
XXXI. Ernault, La Nourrice et les Voleurs.
— Gaidoz, Groyances et pratiques des
Chasseurs; IV. dans l'Oubanghi. — Levi,
Les Aqueducs III. — Gaidoz, Les dccora-
tions V.
Archivio per lo studio delle tradizioui
popolari. Rivista trimestrale diretta da
G. Pitre e S. Salomone-Marino. Pa-
lermo, libreria internazionale Carlo Clausen
. . . 1891.
X, 1. Gennaio-Marzo. Salomone-Ma-
rino, Buon capo d'anno! Uso contadinesco
siciliano. — Seves, Capo d'anno ed Epifania
in Piemonte. — Köhler, Goethe e il poeta
italiano Domenico Batacchi. — Corsi, Sena
vetus: Superstizioni, Canti, Indovinelli e
Giuochi: Medicina popolare. — Superstizioni
delle ragazze. — Varie superstizioni. —
Nardo-Cibele, La filata, o la coltivazione
del canape nel Bellunese. III. Del tessere.
— Mango, La leggenda dello sciocco nelle
novelline calabre. — Pitre, Novelline popo-
lari toscane : La novella di Ohime. — Le Fate.
— Lumbroso, Spigolature di Usi, Credenze,
Leggende: VII. La giostra dei torri e un
mago di Fano. — VIII. La tana del re Ti-
berio. Leggenda romagnola, IX. Usi novaresi
del secolo XVI. — Renier, L'erba prodi-
giosa di San Giovanni. — Forster, Fiabe
popolari dalmate: Avvertenza. — L El re
Porco. — IL El Becher. — III. I cazzadori.
— IV. La rana. — Folk-Lore delT Agri-
coltura: Motizie dei comuni di Offida e
Litteratm* des Jahres 1891.
105
Rotella e dintorni (Ascoli-Picena). — Notizie
deir Alta Maurienne (Savoie) (Angelini). —
Notizie del Polesinc (Mazzucchi). — Se-
billot, Contes de Marins recueilles en Haute-
Bretagnc: VII. Lc Mousse jete ä la mer. —
VIII. Le matelot qui epousa la fille du roi
d'Angleterre. — IX. Tribord Amnrcs. —
X. Galette des Bisciüt et Quart de Vin. —
XI. Le Guitan et le Maquereau. — XII. Pour-
quoi on emploie le ciment pour lester les ba-
toaux. — Armaforte, Due racconti siciliani:
I. Li tri duonni, chi raali cci abbinni. —
IL Chiddu di lu grecu minchiuni. — Pires,
TracÜQoes portuguezas: Conceito populär da
Sereia. — Misccllanea: 'U ciucciu e 'u
porcu, Favola calabrese (Pas quäle). II modo
popolare di dire: „Un nuovo nato". — La
Processione del Venerdi Santo in Metcovich
nella Dalmazia. — Canzonetta fanciullesca nel
Trentino. — Pregiudizi savojardi nell' XI
secolo. — II nomc popolare tU un carnefice
ncUa Rivicra francese. — Gridata dei vendi-
tori di poini in Normandia. — I „Goeland"
in Bretagna. — Appunti suUa idrofobia nel
Bclgio (Lumbroso). — Rivista Bibliografica
. . . Bulletino bibliografico . . . Rccenti pubbli-
cazioni . . . Sommario dei Giornali (Pitre).
Notizie varie.
X, 2. Ungar elli, Proverbi bolognesi:
Agricoltura, Economia rm'ale. — Crimi-Lo
Giudice, Come si guoca coi bambini a Naso.
— de Pasqualc, Tre Leggende calabresi:
I. Fratia. — IL Mai-cu. — III. S. Stefanu.
— Sebillot, Contes des Marins recueillis en
Haute-Bretagne : XIII. Le Prince Marin. —
XIV. Le Marin Georges, Ic Diablo ecc. —
XV. Le Bar et lc Maquereau. — XVI. Le
Homard et le Congre. — Mazzucchi, Due
macchiette carnevalesche. I. L'orso. — La
torotolola. — Menghini, Canti popolari ro-
laani: 1. II ritorno. — 2. L'abate che rimane
si'nza camicia. — 3. L'anello caduto nel mare.
4. II Confessore. — 5. La fanciulla che vuole
marito. — 6. II mal d'amore. — Pitre,
Blasonc popolare siciliano. — Nardo-
('ibcle, La filata, o la coltivazione del canape
nel Bellunesc: Ai)pendice. — Pumagalli,
Nuovo Contributo alla Bibliografia paremio-
logica Italiana: I. Aggiunte Bernstein. —
Salomone - Marino, La onnipotcnza dei
proverbi dimostrata da una novelletta popo-
lare siciliano. - Forster, Fiabe popolari
<lalmate: V. Fiabe de la Menega rabiosa. —
VI. El re serpente. — VII. El fazzoleto. —
VIIL ElDestin. — IX. El pcsse-can. — Corsi
Seua vetus: Ninno-uamie, pregliiere, storie:
Storia di Giovanni di Bordighiera. — Susanna.
— Lisetta. — Castelli, II canto di S.Giorgio.
— Corsi, Le dodici parole della verita in
Siena. — Ferraro, Folk-Lore del! Agri-
coltura. — Lumbroso, Miscellanea: La
regina Giovanna I'' nella tradizione popolare.
— La festa di Maggio in AiTas (Francia). —
Come si leghi la febbre nel Belgio. — La
morte di Alessio, iiglio di Pieti'o il Grande e
quella di sua moglie nella tradiz. popolare.
— Una superstizione su Napoleone I". — II
malocchio in Senegambia. — Una leggenda
Chinese. — Rivista Bibliografico . . .
Bulletino bibliografico . . . Recenti
pubblicazioni . . . Pitre, Sommario dei
Giornali. Notizie varie . . .
Folk-Lore, a quaterly review of myth, tra-
dition, iustitution, and custom. (Incorpora-
ting The Archaeological Review and The
Folk-Lore Journal. London. 1). Nutt).
VoLII (1891), 1. March: Gommc, Ope-
ning Adress to the Folk-Lore Society for the
Session 1890—91. — Abcrcromby, Magic
Songs of the Finns, No. III. — Gaster, The
Legend of the Grail, No. I. — Maxwell,
Slava. — Gregor, The Scotch Fisher Child.
— Nutt, An Early Irish Version of the Jea-
lous Stepmother and the Exposed child. —
John, Bhuridatta. — Hartland, Report on
Folk-tale Research 1890. — Jacobs, Review:
The Science of Fairy Tales. — Correspondence
(Modern Greek Folk-lore, Paton and Gar-
nett; Glouston, Story of the Girl who
plucked out her own Eyes. — Nutt, Irish
Tales among the Redskins.) — Miscellanea.
(Tom-Tit-Tot, Kirby. — HoUingsworth,
A Basque Superstition. — Feilberg, Making
Weather in Denmark. — Feilberg, 'Liver-
rhyme' in Denmark. — Cox, Italian Peeping
Toms. — Keegan, An Irish Variant of
'Masters of all Masters'. — Black, Folk-
names of British Birds.
II, 2 (June): Balfur, Legends of the
Lincolnshire Cars. — Abcrcromby, An
Amazonian Custom in the Caucasus. — Ja-
cobs, Childe Rowland. — Gast er, The Le-
gend of the Grail II. — Nutt, Remarks
upon the Foregoing Paper. — Jevons, Re-
port on Greek Mythology. — Notes and News.
— Review. — Miscellanea. — Folk-lorc Biblio-
graphy. — Nutt, Les deniicrs travaux alle-
mands sur la legende du Saint Graal.
II, 3. Balfour, Legends of Lincolnshire
Cars. Part IL — Rhys, Manx Folk-Lore and
Superstitionsi — Fairman-Ordish, Folk-
106
Laue :
Drama. — Sibree, The Folk-Lore of Mala-
gasy-Birds. — Nutt and Jacobs, Mr. Stuart-
Glennie on the Origin of Matriarchy. — The
International Folk-Lore Congress 1891.
Balletill de Folklore. Organe de la societe
du Folklore wallon. Directeur E. Monseur.
Bruxelles, J. Lebeque et Co.
I. 1891. Premier semestre: Wil motte,
La chanson populaire au raoyen äge. —
Colson, Jeux d'enfants I-III. — Monseur,
Contes: I. L'os qui chante. — Wil motte,
Chansons: Les noces de la mesange. — For-
mulettes de possessiou. — Gittee, Spectres
et fantomes. — Eevue des livres. — Chro-
nique. — Societe du Folklore wallon.
(Fortsetzung folgt.)
II. Theorie der Volkskunde.
Pitrcj Bibliografia della tradizione popolare.
Turin. 8".
Weinliold, Zur Einleitung (Zeitschr. d. Vereins
f. Volkskunde I, 1).
Liebrecht, Zur Volkskunde (Germania XXV,
2. 1890).
— The science of Folk-Tales (Saturday Review.
Jan. 1891).
Achells, Völkerpsychologie und Völkerkunde
(Allg. Zeitung 253. Beü.).
Blemout, Esthetique de la Tradition. Paris,
Maisonneuve. (= Vol. VII de la Collectiou
Internationale de la TracUtion.) Vlll, 124 S.
IG^ 3,00 fr.
Itueklaiid, Authropological studies. London,
Ward & Downey.
Wilser, Anthropologie und Geschichte (Globus
60, 110).
— Die Anthropologie der Alten (Die Natui".
40. Jahrg. Nr. 41).
Aprent, Die Geschichte des Menschen. Ein
Beitrag zur Begründung einer umfassenden
und einheitlich abgeschlossenen Ansicht von
der Welt und dem Lehen. Leipzig. V, 9G S.
2,00 Mk.
V. Heihvald, Die „Gleichheit" der Menschen
im Lichte der Wissenschaft ( Globus 60, Nr. 23).
Schultheiss, Rasse und Volk (,ib. Nr. 21).
— Lecture of Folk-lore (Maryport News,
13. Dez. 1891).
Schwartz, Volkstümliche Schlaglichter (Ztsclir.
d. Ver. f. Volksk. 1, 17-35. 220. 279—292.)
III. Abhandlungen und Aufsätze,
welche verschiedene oder alle Völker betreffen.
A. Vorgeschichtliche Völker.
1. Allg
Sclieppig f Urgeschichte des Menschen-
geschlechts (Separat-Abdr. aus den „Jahres
berichten der Geschichtswissenschaft".) Ber-
lin, Gärtner. 22 S.
Hoerucs, Die Urgeschichte des Menschen
nach dem heutigen Stande der Wissenschaft.
Mit zahlreichen Tafeln und Textabbildungen.
Vollständig in 30 Lieferungen. Wien, Hart-
leben, ä Lief. 50 Pf.
Keclus, Primitive Folk. The contemporary
science series. Ed. by Havelock Ellis.
London, Scott. 339 S. 3 sh. 6.
Suliaaffhausen, La antropologia y la etno-
logia prehistöricas. Madrid, Impr. Rollo.
7 bajo. 12". 123 päginas. 2 y 2,25.
emeiiies.
Hostmauus, Studien zur vorgeschichtlichen
Archäologie (Globus 59, 141).
Bernhardt, Les Peuples prehistoriques en
Lorraine; par . . . 2^ edition. S". 163 p. et
planche. Nancy, Crepin-Leblond.
Sepp, Die Urbewohner Altbayerns. Grund-
linie einer neuen Altertumsgeschichte unseres
Vaterlandes. (Beitr. Anthroj). und Urgesch.
Bayerns 9, S. 1.)
Bissiii^'er, Bilder aus der Urgeschichte des
Badischen Landes. Karlsruhe. (Badische
Neujahrsblätter.)
— Die Steinzeit Abessiniens (Globus 59,
383).
Litteratur dos Jahres 1891.
107
2. Funde.
Hier ist auf die einzelnen Zeitschriften zu
verweisen, besonders auf:
Xaclirichton über deutsche Altertums-
fuiide. Mit- Unterstützung des königlich
preussisclien Ministeriums herausgegeben
von R. Virchow und A. Voss. Berlin, Asher
& Co. 2. Jahrgang, 1891 [ist Anhang zur
Zeitsclirift für Ethnologie. Berlin, Asher].
Prähistorische Blätter. Unter Mitwirkung
von Forschern und Freunden der prähisto-
rischen Wissenschaft herausg. v. Jul. "Naul.
München, Literarisch artistische Anstalt.
3. Jahrg. 1891. (6 Nummern). Mk. 3,00.
Vorgeschichtliches aus Meisun (Indien): Globus
59, 384.
Jacob, Ein Schädel- und Kuochenfund vom
kleinen Gleichberg bei Römhild (Herzogtum
Sachsen-Moiningen). Mit Tafel VIII. Archiv
f. Anthrop. XX, 3, S. 181-188.
Loth, Fund bei Mittelliausen-Erfurt (Corre-
spondenzbl. deutsch. Ges. f. Anthrop. XXXII.
2, S. 12.)
Meblis, Vorgeschichtliches aus Reichenhall.
(Globus 59, 171.)
Paudler, Vorgeschichtliche Funde. (Mitteil.
nordböhm. Exkursionsklub. 14, 48 — 53.)
Hediuger, Neue Höhlenfunde auf der schwä-
bischeu Alb (in Heppenloch): Correspon-
denzbl. d. Ges. f. Anthrop. u. Urg. XXII,
2. Febr. 1891 u. s. w.
3. Äussere Erscheinung;.
Schmidt, Neue Forschungen über den paläo-
lithischen Menschen in Nordamerika (Globus
(iO, 15G).
Girod et Gautier, Deconverte d'un squelette
humain contemporain dos eruptions vol-
caniques quaternaires du volcan de Grave-
noire (Puy-de-U6me): Comptes rondus heb-
dom. de l'Acad. des Sciences Nr. 20. 21.
War der vorgeschichtliche Mensch linkshändig ?
(Globus 60, 48).
Galtoii, Los empreintcs digitales (Rev. scientif.
1, 557).
— Präliistorische trepanierte Schädel aus
Dänemark (Globus 59, 48).
4. Tracht, Schmuck, Geräte.
V. Hellwald, Früheste Kunstregungen (^ Aus-
land Ü4. Nr. 11 f.).
Rudier, On the Source of the Jade used for
Ancient Implements in Eui'ope and America.
(The Journal of the Anthropological In-
stitute of Groat Britain and Ireland. May.)
Kloos, Jadeitbeilchon aus dem Braunschweigi-
schen (Globus 59 Nr. 24).
Paudler, Steinbeile und Eisenschmelzöfen.
(Mitteil, nordböhm. Exkiu'sionsklub 14, 149
bis 153.)
Uciss, Feuersteingeräte aus Ägypten und
Flinders Pätrics neueste Forschungen. Mit
4 Taf. (Sep.-Abdr. Berlin. Anthrop. Ges.
1891.)
Schubert, Bronze -Funde im Auschaer Rot-
lando. Mit Abb. (Mitteil, nordb. Exkui-sions-
klub 14, 219-223.)
Objets du dernier äge du bronze et du pre-
mier äge du fer decouverts en Berry. Publ.
par la Societe des Antiquaires du Centre.
Bourges. 14 pag. 1 carte.
Hoernes, Die Genesis der alteuropäisclien
Bronzekultur (Globus Nr. 21).
5. Wohnung:.
Weber, Eine Wohnstätte aus der jüngeren
Steinzeit im Südosten Bayerns (Beitr. ür-
gosch. Bayerns IX, 137).
PoHsy Soler, Prähistorische Bauten auf Me-
norka. Mit Abb. (Globus 59, 230.)
Ermliug, Die Nurhagen Sardiniens. (Mit
Abb.): Globus (10, Nr. 22 [voiTömische Fels-
wohnungcn].
Munro, Über die Pfaldbauteu Europas (Globus
59, 142).
Schnarreuberger, Die Pfahlbauten amBoden-
see (Konstanzer Gymii. Progr. 1891).
108
Laue :
6. Wirtschaft.
Schlatterer, Die Ansiedlung-en am Bodensee
in ihren natürlichen Voraussetzungen. Eine
anthropologische Untersuchung. Mit 1 Karte.
Stuttgart, Engelhorn. III, 445 S. gr. 8°,
Mk. 3,60. (A. u. d. T. : Forschungen zur
deutschen Landes- u. Volkskunde. 5. Band,
.• 7. Heft, S. 377—445.)
van Overloop, Prehistoric Workshops of
Spiennes. (Bulletin anthr. Soc. Bruxelles.)
Bleicher, Industries des populations primi-
tives de l'Alsace et de la Lorraine. (Kev.
scientif. 1. aoüt 1891.)
Altersfolge der Feuerzeuge (Glohus 59, 62).
Hoernes, Zur Archäologie des Eisens in
Nordeuropa (Globus 59, 19).
Weber, Vorgeschichtliches aus dem Alpen-
gehiete zwischen Jura und Salzach. 1 Karte.
(Beitr. Anthropol. Urgeschichte Bayerns.
IX, 8).
Hahn, Waren die Menschen der Urzeit zwischen
der Jägerstufe und der Stufe des Acker-
baues Nomaden? (Ausland 64, Nr. 25, 26.)
Büchner, Das goldene Zeitalter oder das
Leben vor der Geschichte. Nebst einem
Anhange: Das Kulturmetall der Zukunft.
Berlin, Allg. Verl. f. deutsche Litteratur.
352 S.
Berger, Histoire de Tecriture dans Tanti-
quite. Paris, Imp. nat. XVIII, 389 S.
B. Geschichtliche Völker,
1. Zeitschriften,
Internationales Archiv für Ethnographie.
Hrsg. V. Schmeltz. Leiden, Trag. 1891.
IV. 1-3: Koike, Zwei Jahre in Korea.
— Schmeltz, Die Sammlungen aus Korea
im ethnographischen Reichsinusemn in Baden.
Mit Tafeln. — Baessler, Ethnographische
Beiträge zur Kenntnis des ostindischen Archi-
pels. Mit Tafeln. — Giglioli, Zwei alt-
peruanische Schädelmasken. Mit Abbildungen.
— Schurtz, Die geographische Verbreitung
der Negertrachten. Mit Karto. — Schlegel,
Chinesische Särge. Mit Tafel. — Jacobs,
Die Baduis. Mit Tafel.
IV. 4: Haddon, Die Tagari -Kopfjäger
von Neu- Guinea. Mit Tafel. — De Grobt,
Die Hochzeitskleider einer Chinesin. Mit
Tafel. — Jacobs, Kritische Betrachtungen
über die Theorie von Dr. H. Ploss über die
Beschneidung bei verschiedenen Völkern. —
de Zmigrodzki, Über das Swastika. —
Grosse, Gegenstände aus Palenque. Fragen
und Antworten. — Museen und Sammlungen.
Bibliographische Übersicht. — Büchertisch.
— Kleine Nachrichten.
IV. 5: Zemmrich, Toteniuseln und ver-
Avandte geographisthe Mjthen. — Jacobs,
Kritische Untersuchungen über die Theorie
von Dr. Ploss bezüglich der Bedeutung der
Beschneidung. — Strcbel, Altmexikanische
Wurfbretter. — Messikomer, Das Pfeil-
schiessen in der Schweiz. — Colini, Eine
halbmondförmige, brasilianische Steinaxt im
Museum zu Eom.
Bulletins de la societe d'anthropologie de
Paris. lY'^ Serie. T. 2. 1891.
Archiv für Anthropologie. Zeitschrift für
Naturgeschichte und Urgeschichte des
Menschen. Unter der Redaktion von Linden-
schmidt und Ranke. Mit Holzschnitten und
Tafeln. Braunschweig. Bd. 20. 1891. 4».
Zeitschrift für Ethnologie. Herausgcg. von
Bastian, Hartmann, Virchow, Voss. Berlin,
Asher. (Organ der Gesellschaft für Anthro-
pologie.) Bd. 23. 1891. [Im Anhang: Ver-
handlungen der Berliner Ges. für Anthro-
pologie, Ethnologie und Lirgeschichte.]
Correspoudeuzblatt der deutschen Gesell-
schaft für Anthropologie, Ethnologie nnd
Urgeschichte. Hrsg. v. Ranke. Jahrg. 22.
1891. München.
Mitteilungen der anthrop. Ges. in Wien.
Red. von v. Hauer, Langer, Wahrmann. N.F.
Bd. 21. 1801.
Archivio per l'antropologia e la etnologia
pubblicato per la parte etnologica da Fclice
Finzi. Firenze. gr. 8«. Bd. 21. 1891.
The Journal of the anthropological Insti-
tute of Great Britain and Ireland. (With
plates . . .) London. (With appendix: Procee-
dings of the Anthropological & Ethnol. So-
cieties of London prior to the dato of amal-
gamation.) Bd. 20. 1891.
L'Anthropologie paraissant tous les deux
mois. Materiaux pour l'histoire de Thommc.
Revue d'anthropologie . . . Revue d'ethno-
graphie . , . reunis. Paris. Tome 2, 1891.
Revue mensuelle de Pecole d'Anthropologie
de Paris. Publice par les Professeurs.
Premiere Annee. (1891. Paris, Alcan.)
Litteratiir des Jahres 1891.
109
2. Bücher und Aufsätze.
a) Die Meusclilieit.
Hassert, Polarkaiie zur Üborsiclit der frülieren
uud heutigen Menschetigrenze. (Petenii.Mitt.
37. VI.)
— Die Nordpolgrenze der bewohnten und be-
wohnbaren Erde (ib.)
Raveiisteiii, I^ands of thc Globe still availablc
for Europeeu Settlement. (Proceed. G. Googr.
See. S. 27—35 [mit 2 Karten].)
Die Bevölkerung- der Erde. VIII. Hrsg. v.
Herrn. Wagner uud Max Supau. (Peterm.
Mitteil. Ergänzungsh. Nr. 101 )
M. Vf., Die mögliche Bevölkerung der Erde.
(Deutsche liundschau für Geographie 13,
418).
Junsch, Die Vermehrungsgesetze der Be-
völkerung. (Vierteljahrsschr. f. Volkswirtsch.,
Politik u. Kulturgesch. 28. Jahrg., 1. Bd ,
2H.).
Zur Bevölkerungsgeschichte der Städte.
(Korresp.-Bl. d. Ges. Ver. deutscher Gesch.
u. Altertumsver. Mai, Juni 1891.).
Keuealy, A new view of the surplus of
wonien (The Westminster Review. 136, 465).
Schmidt, Zur Kenntuiss des Zwergwuchses.
Mit 11 Abb. (Arch. für Anthropologie 20,
43).
Neuhauss, Zur Kenntnis des Zwergwuchses.
Mit Abb. (Globus 60, 145). Die Vererbung
des Zwergwuchses (Globus, 60, 335).
ISchaeffer, Beitrag zur Aetiologie der Schwanz-
bildung beim Menschen. Mit Tafel IX
imd X. [Aus der Kgl. Frauenklinik in
München.] (Archiv f. Anthr. S. 189. XX).
Sobotta, Über den Bau und die Entwicklung
des Uterus, insbesondere beim Menschen
und den Affen. Berlin, Schade. 30 S. 1 Bl.
Ing.-Diss. 25. Juli 1891. [Ersch. vollst, im
Arch. f. mikrosk. Anat.]
Seggels, Brustmessungen bei bayerischen
Soldaten. (Globus 59, 112).
Evelt, Ein Fall von Polymastie beim Manne.
(Arch. f. Anthropologie 20, 105).
Blind, Über Nasenbildung bei Neugeborenen.
Anthropologische Studie. (Aus dem anthr.
Inst, zu München). München, Wolf. Ing.-
Diss. 1890.
Treitel, Die Sprache und Stimme des Kindes.
(Sonntagsbeil. Nr. 5 zur Vossischen Ztg.).
I. Sprachinhalt. IL Sprachform.
Deville, Notes sur le developpement du
langage chez las enfants. (Rcv. de lin-
giustique et de philologio comparee 45.)
Die Vererbung der Taubheit. (Globus 59, 362).
Debierre, L'hermaphrodismc. Paris, Bailliere.
1891. 159 S. 2Frcs.
Rebmann, Anthropologie (Samml. Göschen).
Stuttgart, Göschen.
Aisberg, Anthropologie mit Rerücksichtigung
der Urgeschichte des Menschen, allgemein
fasslich dargestellt. Mit Farbendrucktafeln,
Karten und Holzsclmitten. 2 Aufl. Stutt-
gart, Weisert. 4 Bl., 407 S. 6,00 Mk.
Haeckel, Anthropogenie oder Entwicklungs-
geschichte des Menschen. Keimes- und
Stammesgeschichte. Mit 20 Taf., 440 Holz-
schnitte und 52 Tab. — 4. umg. u. verm.
Aufl. 2 Bde. Leipzig, Engelmann. [XXVI.
S., 1 Bl., 383 S.] (— 906 S.) 16,00 Mk.
Ratzel, Anthropogeographie. IL Die geo-
graphische Verbreitung des Menschen. Mit
1 Karte und 32 Abb. Stuttgai-t, Engelhorn.
XLII, 782 S. 18,00 Mk.
Topinard, Les circonvolutions cerebrales chez
l'homme et les mammiferes. (Rev. scienti-
que 31. Oct. 1891.)
Gaule, Was ist unser Nervensystem und was
geht darin vor? (Zeit. f. Psycholog, d.
Sinnesorg. 2, 31).
Lombroso-Ottolenghi, Die Sinne der Ver-
brecher (ib. 2, 337).
Francotte, L'anthropologie criminelle. Avec
figui-es intercales dans le texte. Paris,
Bailliere. (Bibliotheque scientifique con-
temp.) VIII, 368 S., 3 Fr. 50 c.
Anthropologie der Prostituirten (Globus 59, 31).
Sicard, La selection sexuelle chez Fhomme.
(Rev. scient. 28 novembre 1891).
Die angebliche Leichtigkeit des Gebarens bei
den Naturvölkern. (Globus 59, 191).
Peuka, Der Mensch und das Klima. (Aus-
land Nr. 21, 22).
Fisch, Tropische lü'ankheiten. Basel, Missions-
buclüi. 252 S. Mk. 4,00.
Stockvis, in^er vergleichende Rassenpathologie
und die Widerstandsfähigkeit des Europäers
in den Tropen. (Sep. Abdr. aus: Verh. d.
X. intern, med. Congr.) Berlin, Hirschwald,
24 S. 0,60. gr. 8».
Lammert, Gesch. der Seuchen, Hungers- uiul
Kriegsnot zur Zeit des dreissigjährigeu
Krieges. Wiesbaden, Bergemann.
Diuiitroff, Die Geringschätzung des mensch-
lichen Lebens bei den Naturvölkern. Leip-
zig. Ing. Diss. [Reudnitz, Hoffmann] 22 S.,
1 Bl.
110
Laue:
b) Rassen und Völker.
[Allgemeines über Indogermanen (Arier) s. unter Asien A''.]
Verneau, Les races humaines. Preface par
A. de Quatrefages. Paris, Balliere [o. J.]
gr. 8" 792 S. 500 Fig, (Aus A.E.Brehm,
Les merveilles de la naturc, L'homme et
les animaux).
Featlierman, Social History of the Races of
Mankind. 4'*' Division, Dravido-Turanians,
Turco - Tartar - Turanians, Ugrio - Turanians.
London. Trübner. 626 S.
Neue Forschungen über die Uauerbarkeit der
Menschenrassen. (Globus 59, 381).
Amnion, Völkerwanderungen in Vergangenheit
und Zukuft. (Tägl. Rundschau. Beil. 981.,
985).
Mallery, Israeliten und Indianer. Eine ethno-
graphische Parallele. Aus dem Englischen
von Friedrichs. Krauss. Leipzig, Grieben.
105 S. Mk. 1,.50.
V. Löher, Stiunmebildung im europäischen
Osten zur Völkerwanderungszeit (Ausland
39).
Meyer, Zur Volkskunde der Alpenländer.
(Globus 1891 No. 4).
Zinnner, Über die früheste Berührung der
Iren mit den Nordgermanen. (Sitzungsber.
\k. Berlin 16—18).
Witte, Deutsche und Keltoromanen in Loth-
ringen.
Händler, Beiträge zur Anthropogeogr. d.
Balkanhalbinsel (Aus allen Weltteilen. 22, 9).
Voltz, Unsere Kolonien; Land und Leute.
Mit 71 Abb. und 2 Karten. Leipzig, Brock-
haus. 369 S, Mk. 5,00.
c) Äusseres Leben.
«) Nahrung.
Grösse des Fleischgenusses in verschiedenen
Staaten, (Deutsche Rundsch, f. Geogr.
13, 85).
ß) Kleidung, W
Schnrtz, Grundzüge einer' Philosophie der
Tracht (mit besonderer Berücksichtigung
der Negertracht). 147 S. mit 10 Abb. Stutt-
gart, Cotta. Mk. 3,60.
Sehulthelss, Zur Psychologie der Kleidung,
(Ausland 64, 24).
Liersch, Nachrichten über Tracht und Sitten
der Slaven und Germanen aus dem sechsten
Jahrhundert n. Chr. (Mitteil. Niederlausitzer
Ges. Anthrop. 2, 154).
Hottenroth, Trachten, Haus-, Feld- und
Kriegsgerätschaft der Völker alter und neuer
Zeit. Lief. 11—20 (Schi,) Stuttgart, Weise,
gr. 4°. 5,00 Mk.
AiTOWS and Arrow-Makers by Mason, Hol-
mes, Wilson, Hough, Flint, Hofnian,
Bourke. Washington, Judd and Detweiler.
Abb, 1891,
Ratzel, Die afrikanischen Bögen, ihre Ver-
wandtschaften. Nebst einem Anhang über
Bier und Hopfen in der Volkskunde. (Globus
60, Nr. 24),
Das Bier im Welthandel. (D. Rundsch. f.
Geogr. 13, 568).
äffen, Schmuck.
die Bögen Neu-Guineas, der Veddah und
der Negritos. Eine anthropologische Studie
Leipzig, Hirzel. 5,00 Mk.
Lüders, Über Wurfwaffen. Mit 15 Tafehi Ak.
Aus dem Jahrb. d. Hamburgischen wissen-
schaftlichen Anstalten. XI, Hamburg. 16 S.
Cassel, Von Waffennamen, (Zeitschr. für
deutsche Kulturgesch. N. F 1.) S. 1—9.
Schumacher, Barbarische und griechische
Spiegel. (Mit 7 Zinkogr.), Zeitschr. für
Ethnolog. XXIII, 81—87.
Hein, Mäander, Kreuze, Hakenkreuze imd
urmotivische Wirbelornamente in Amerika.
Ein Beitrag zur allgemeinen Ornament-
geschichte. Mit 30 Abb. Wien, Holder.
48 S.
— Die Verwendung der Menschengestalt in
Flechtwerken. (Mit 8j Text-Illustrationen) :
Mitteil. Anthrop. Ges. Wien. XXI, 45.
y) Wohnung.
Vergleichende Zusammenstellung der Aus-
dehnung einiger Akropolen, Burgen und
zweier Berliner Anlagen. (Berliner philol.
Wochenschr. 11. Jhg., Nr. 37—40).
Barberol, Histoire des styles d'architecture
dans tous les pays depuis les temps anciens
jusqu' ä nos jours. Ouvrage orne de 928
dessins dans le texte. Vol. IL Paris,
Baudry etc.
Litteratiu' des Jahres 1891.
111
J) Wirtschaft
[hier Stufen der Kulturentwifldung, Schifffahrt, Handel, Klassen und Stände].
Rörig-, Die Jagd in der Urzeit in Verbindung
mit der Entwicklung der Gesellschaft in
Central-Europa. Leipzig, Verl. d. illust.
Jagdzeitung [1891] 101 S.
— Jagd in der fränkischen Zeit in Verbindung
mit der Entwicklung der damaligen Gesell-
schaft. Leipzig [1891] 31 S.
Harting, Bibliotheca Accipitraria. A catalogue
of books ancient and modern relating to
falconrj with notes, glossary, and vocabu-
lary . . • London, Quaritsch. XXVIII, 289
S., 1 Bl., 26 Taf.
Olivieri, Le forme midioevali di associazione
e la Influenza loro nella vita ci\ile. Ancona,
Commercio.
Mehlis, Arm und Reich zur Meroviugerzeit.
(Archiv f. Anthropologie 19, 23—30) [be-
zieht sich auf Obrigheim bei Worms].
Waniow, Das Bettlertum in früherer Zeit.
(Sountagsblatt Nr. 48).
Meyer, Das Räuberwesen auf der Balkan-
halbinsel. (Nord und Süd. 59, 22).
du Coulaiiges, The origiu of property in land.
Translated by Margares Ashley with introd.
by W. J. Ashley. London, Sonnenschein.
XLVIIL, 153 S.
Brägelmaun, Die von dem Mittelalter zur
Neuzeit überleitenden Ereignisse, betrachtet
in ihren weiter umgestaltenden Wirkungen.
Die Seeschiffahrt, Vechta v. J. (Leipzig,
Fock). Mk. 2,50.
Arenhold, Die historische Entwicklung der
Schiffstypen vom römischen Kriegsschiff bis
zur Gegenwart in 30 Heliogravüren mit er-
läuterndem Text. Kiel, Lipsius und Tischer.
24 S. Text, 30 Taf., qu. 2" Mk. 20,00.
Serre, I-es Marines de guerrc de FAntiquite
et du Moyen-Age. II partie. Etüde d'ar-
chitectiu-e navale. 1 vol in 8" avec croquis
et planche. Paris, Baudoin.
— Les marines de guerre de l'antiqixite et
du moyen ägl. 2<^ partie: livro IV., chap. I:
mätures et volles. (Ilev. maritime et co-
loniale. janvier.) [suite: il). avril, fin on
mai].
IJeck, Die Geschichte des Eisens in tech-
nischer und kulturgeschichtlicher Beziehung.
1. Abt.: Von der ältesten Zeit bis um das
Jahr 1500 n. Chr. 2. Aufl. Braunschweig,
Vieweg. VIII, 17() S. 5,(>0 M.
Kranss, Alte römische und sächsische Berg-
werke in Bosnien. (Globus 60,50.)
Horcicka, Ein Beitrag zur älteren Geschichte
des Glases in Böhmen. (Mitteil. Ver. Gesch.
d. Deutschen in Böhmen 29,3.)
Steains, La monnaie primitive. (Rev. scientif.
4. juillct 1891.)
Götz, Lehrbuch der wirtschaftlichen Geo-
graphie für Handels-, Real- und Gewerbe-
schulen und zum Selbstunterricht. Stutt-
gart, Enke, IV, 154 S.
Scherzer und BratasseAie, Der wirtschaft-
liche Verkehr der Gegenwart, Wien, Hölzel.
120 S. gr. 8« 2,70 M.
(jibbins, The history of commerce in Europe.
233 S., map. London Macmillan.
Noel, Histoire du commerce du monde dcpuis
les temps les plus recules: temps anciens:
moyen äge. Paris, Plön. 20 fr.
Jacob, Welche Handelsartikel bezogen die
Araber des Mittelalters aus den nordisch-
baltischen Ländern? 2. gänzlich umgearb.
und verm. Aufl. Berlin, Mayer und Müller.
38 S. 2,.50 Mk.
— Die Waren beim arabisch-nordischen Ver-
kehr im Mittelalter. Berlin, Mayer und
Müller. 31 S. Mk. 1,20.
LehmaDn, Das Kamel, seine geographische
Verbreitung und .die Bedingungen seines
Vorkommens. Mit 1 Karte. Weimar, Geogr.
Instit. 51 S. 2,00 Mk.
Uöck, Nährpflanzen Mitteleuropas, ihre Hei-
mat, Einführung in das Gebiet und Ver-
breitung innerhalb- desselben. (Forschungen
zu deutsch. Landes- u. Volkskunde 5, 1
bis G7.)
Report on the Area of Corn, Potatocs and
Tobacco. Publishcd ])y Authority of the
Secretary of Agriculture. Washington,
Juli 1891.
Bnsclian, Zur Kulturgeschichte der Hülsen-
früchte, Sep.-Abdr. aus Ausland 1891.
4 S.
Fhilippi, Coca und Kartoffeln. (Zeitschr. f.
Ethnolog. XXIIF, 247.)
Wallraff, Geographische Verbreitung, Ge-
schichte imd kommerzielle Bedeutung der
Haifa (Stipa tenacissima) nebst Karte des
Verbreitungsgebiets . . . (Aus: Deutsche
geogr. Blätter XIII.) Bremen, v. Halem
112
Laue :
1890. 52 S., 1 Tai'., 1 Karte. luaugural-
Dissertation Bonn 1890.
Oppel, Einzell)ilder aus der Weltwirtschaft.
Unter bes. Berücksiclitigung der geogr.,
ethnogr. und kommerz. Verhältnisse. H. 1.
Der Tabak. H. 2. Der Reis. H. B. Die
Baumwolle. H. 4. Die Wolle, gr. 8". 80,
73, 50, 54 S. Bremen, Noessler.
d) Inneres Leben.
«) Lebenssitte und Recht.
[Familienleben von der Geburt bis zum Tode, Stellung der Frau .... hier auch Spiele
ohne Spruch.]
Heichen, Die Kulturgeschichte in Hauptdaten
vom Altertum bis auf die Gegenwart. Berlin,
Lüstenöder. Mk. 2,00.
Andresen, Die Entwickelung des Menschen.
Studien. Haniburg, Verlagsanstalt. 124 S.
3,00 M.
von Hellwald, Ethnographische Rösselsprünge.
Kultur- und volksgeschichtliche Bilder und
Skizzen. Leipzig, Reissner. 416 S.
(Jentsch,) Volksschule und Volksleben. (Grenz-
boten 1891. 1, 257-267.)
Sepp, Völkerln-auch bei Hochzeit, Geburt und
Tod: Beweis für die Einheit des Menschen-
geschlechts und die Urheimat Asien.
München, Hutsler. 167 S. 5,00 Mk.
Post, Über einige Hochzeitsgebräuche. (Glo-
bus 60, 354.)
Westermark, The historj of human marriage.
London, Macmillan and co. 1891. XIX,
644 S. 14 S.
"Winternitz, Zur Geschichte der Ehe. (Glo-
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Nach dem Tode des Verfassers bearbeitet
und herausgegeben von Dr. Max Bartels.
Mit 10 lithogr. Taf., dem Portr. des Dr.
H. Ploss in Lichtdruck und 203 Abb. im
Text. Leipzig, Grieben. 2 Bde. 24,00 Mk.
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elements arabes de la langue osque. — Les }
elements arabes de la langue italienne. — ■
Les Insultes du patois flamand de Bruxelles. —
Deux Chansonniers namurois inedits. —
Chansons namurois de l'abbe Grisard. —
Paradigmes de la conjugaison des verbes
namurois. — Glossaire phonologique , ety-
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les prefixes du vieux francais du Nord. —
Chronique et mouvement bibliograplüque. —
Revue de Lingnistique.
XXIV. 1. Deville, Notes sur le de-
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■Frisclibier , Rätselgeschichten,
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(Am Ur-
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Köster, Das lyrische Drama im 18. Jahr-
hundert.. (Preuss. Jahrbücher 68, 188).
Märchen in Saxo Gramniaticus.
Von Axel Olrik.
Historiker mögen die ganze altdänische Geschichte des Saxo Grammaticus
bloss als eine Reihe von „Märchen" betrachten. Hier nehme ich aber das
Wort Märchen in der engeren Bedeutung und zwar so: das Märchen han-
delt 1) gewöhnlich von Menschen, denen nicht a priori etwas ausserordent-
liches zuzutrauen ist; der Held des Märchens entbehrt ganz und gar eines
Namens oder trägt einen ganz alltäglichen; 2) erzählt das Märchen immer,
wie solche Menschen grosse Schwierigkeiten überwinden und schliesslich
das Glück erringen; 3) ist das Märchen gewöhnlich bei mehreren Völkern,
bisweilen bei einem grossen Teil der Erdbewohner bekannt. Durch diese
Züge unterscheiden sich die Märchen bestimmt von den germanischen und
nordischen Heldensagen.
Als eigentliche Märchen wollen wir zunächst die Zaubermärchen
betrachten, während wir die übrigen besser Novellen nennen. Die Zauber-
märchen zerfallen ihrem Inhalte nach hauptsächlich in vier Gruppen:
1) Kampf des Helden mit einem Dämon, um eine entführte
Königstochter zu befreien; damit ist gewöhnlich auch der Zug verknüpft,
dass sich ein „roter Ritter" für den Retter der Prinzessin ausgiebt;
2) strebt der Held, sich selbst aus der Gewalt der Dämonen durch
List zu befreien; 3) Erlösung des Helden aus der Bezauberung;
und 4) erringt der Held durch göttlichen Beistand das Glück (bezw.
die Ehe).
Die zauberlosen Märchen oder Novellen zeigen uns zwei den oben-
erwähnten entsprechende Gruppen: der zweiten Gruppe entspricht hier der
Umstand, dass sich der Held durch List aus Schwierigkeiten befreit; der
vierten Gruppe entsprechen die gewöhnlichen Glücksmärchen. Als Bei-
spiele dieser sechs Märchengruppen nenne ich aus Grimms Kindermärchen ^) :
I 1 Dat Erdmänneken, I 2 Hansel und Grethe, I 3 Das singende springende
Löweneckerchen, 1 4 Aschenbuttel, H 2 Das tapfere Schneiderlein, H 4 Jung-
frau Maleen. Ein grosser Teil dieser Beispielsmärchen (I 1. 3. H 4) kommt
1) Grimm No. 91. 15. 88. 21. 20. 198. Nur der letzte Teil des „tapferen Schneider-
leins" gehört, zu dieser Gruppe, der erste Teil gehört zu der entsprechenden Gruppe der
Zaubermärcheu.
Zeitschrift d. Vereins f. Volkskunde 1892. 9
118 Olnk:
iii unserer Saxo- Untersuchung in nordischer Gestalt vor. — Die hier ver-
zeichneten sechs Märchengruppen bihlen den eigentlichen Märchenschatz.
Die übrigen möchte ich Legenden, Schwanke u. dgl. nennen; jedenfalls
werden wir sie in dieser Untersuchung nicht zu betrachten haben.
Die nordische Heldendichtung, wie sie in den alten Gedichten vor-
liegt, kennt diese Motive nicht; da lassen sich alle Auftritte auf drei Ver-
hältnisse zurückführen, welche in den verschiedenen Dichtungen auf ver-
schiedene Weise ineinander verschlungen sind: 1) Yaterrache oder eine
ähnliche That, durch welche der Held zur Handlung erweckt wird und
ins Heldenleben eintritt; 2) Liebe und der dadurch veranlasste Kampf
um die Geliebte; 3) Tod im Kampfe, oft durcli Hinterlist veranlasst.
Weitaus der grösste Teil der isländischen Heldensagas und der Erzählungen
Saxos hat diese Auftritte. Im gegenwärtigen Aufsatz werden einige Episoden
bei Saxo, welche von der aufgestellten Regel eine Ausnahme machen, in-
dem sie an das Märchen erinnernde Motive haben, behandelt und ihr Ver-
hältnis zum Märchen und zur Heldendichtmig eingehender untersucht
w^erdeu.
Für diesen Zweck wäre es erspriesslich, die allgemeinen Grundzüge
unserer Kenntnis von der Entstehung, dem Alter und den Wanderungen
der Märchen feststellen zu können. Leider giebt aber die Wissenschaft
keinen bestimmten unumstösslichen Bescheid, sondern Theorie steht gegen
Theorie. Die ältere Grimmsche (gemein-arische) Auffassung, welche
in den Märcheu verblasste arische Göttermythen erblickt, ist von neueren
Untersuchungen vielfach zurückgedrängt worden. Ihre ärgste Gegnerin ist
die buddhistisch-indische Theorie, von Benfey in seinem Pantscha-
tantra aufgestellt, nach welcher die Erzählungen wesentlich durch litte-
rarische Vermittlung im Mittelalter nach Europa gekommen sein sollen.
Viele der besten Forscher des letzten Menschenalters haben diese Wan-
derungstheorie adoptiert oder sind wenigstens von derselben beeinflusst;
besonders durch die Hervorhebung der litterarischen Wanderungen hat
diese Theorie sich um die wissenschaftliche Erforschung grosses Verdienst
erworben. Aber die neuere kulturgeschichtliche Auffassung, die in
den Volkstraditionen Überreste einer primitiven Cultur sieht, steht dagegen,
und besonders hat Andrew Lang (z. B. in Cupid and Psyche) den buddhisti-
schen Ursprung der Märchenmotive stark angegriffen: bei den Zulus und
den Indianern treffen wir ja dieselben Vorstellungen wieder. Wenn auch
die Langsche Theorie, dass alle Märchen autochthone Verbindungen ein-
heimischer Culturüberreste sind, nicht durchaus befriedigt (es gilt, nicht
bloss die einzelnen Züge, sondern auch die constante Verbindung gewisser
Einzelheiten zu verfolgen), so hat sie doch die prähistorische Urzeit als
den Boden der Märchen gesichert. Besonders die Zaubermotive müssen
der Urzeitstheorie folgen, während die Novellen nebst Legenden und
Schwänken häufig abendländischen Ursprungs zu sein scheinen. Künftigen
Mäi'cIiPn in Saxo Grammaticus. 119
Uiitersncliinigeii oinzeluer ]\[ärclion in allen ihren verschiedenen Formen,
mit Benntzung der sicher zu datierenden Nachrichten, muss es vorbehalten
sein, eine wirkliche (ieschichte der Yolksmärchen zu schaffen. Einen
wenn auch ganz kleinen Beitrag zu einer solchen hoffe ich hier geben zu
können.
1. Amletli.
Das bekannteste Märchenmotiv bei Saxo Grammaticus ist die Novelle
von Amleths Aufenthalt beim Könige von England (Saxo, ed.
P. E. Müller S. 145 — 47). Sie ist schon früher mit einer grossen Reihe
ähnlicher Erzählungen zusammengestellt worden : vergleiche Dunlop-
Liebrecht. Prosadichtung 412: Huth, Zeitschr. f. vergl. Litteraturgeschichte,
X. F. IP). In der Hoffnung, durch grösseren Stoff und besonders durch
genauere Prüfung den Platz der dänischen Erzählung strenger fixieren zu
können, w^erde ich die Sache nochmals vorlegen. Der Auftritt bei Saxo
ist kurz dieser: Der dänische Königssohn Amleth und seine Begleiter
kommen zum englischen Könige und werden mit einem feierlichen Gelage
empfangen; Amleth jedoch will weder trinken noch essen. Um den Grund
seines Betragens auszuspähen, lässt der König einen seinei^ Bedienten
abends an der Thür des Gastzimmers lauschen; dieser hört, dass Amleth,
von seinen Begleitern ausgefragt, sagt, dass das Brot nach Blut schmeckte,
der Speck nach Leichen, das Getränk aber nacli rostigem Eisen, „und —
fügte er hinzu — das ist bei einem Könige mit Knechtsaugen — und einer
Königin, die drei Mägdegewohnheiten hat". Die Begleiter tadelten seine
Worte über einen so herrlichen König; der König aber, vom Diener unter-
richtet, Hess nachforschen, von wo die Ess- und Trinkwaren gekommen.
Da kam es an den Tag, dass das Brotkorn auf einem Schlachtfelde ge-
wachsen, dass die Schweine die Leiche eines Räubers gefressen, dass aber
der Brunnen von alten eisernen Schwertern voll sei. Nachdem die Ant-
worten Amleths insoweit richtig befunden waren, Hess der König seine
Mutter rufen und drohte ihr. bis sie gestand, dass nicht der alte König,
sondern ein Knecht sein Yater war. Das mägdische Benehmen seiner
Gemahlin konnte er nicht entdecken; und Amleth musste es selbst sagen:
sie zöge ihren Überrock über den Kopf, sie schürzte ihr Kleid auf, wenn"
sie ausging, und sie ässe, was sie aus den Zähnen gestochert; sie war
nämlich die Tochter einer geraubten Frau und in der Knechtschaft auf-
gewachsen.
Deraleichen Erzähluniien kommen auch sonst in Dänemark vor. Kin
jütläudisches Märehen (E. T. Kristensen, .Tyske folkeminder YII No. 20)
erzählt: Drei Studenten, von denen der erste esskundig, der zweite trink-
kundiu- und der dritte menschenkundig ist, kehren bei einem Edelmanne
1) Neuerdings von Detter, Z. f. d. Altert. XXXVI, 1—25.
120 Olrik:
ein; der erste will nicht vom Braten essen, der zweite lässt den Wein
stehen und der dritte will nicht auf das Wohl des Wirts trinken. Später
lauscht der Edelmann an der Kammerthür; er hört, wie der erste Student
den anderen erzählt, dass der Braten Hundefleisch sei; der zweite, dass
der Wein nach Leichen schmecke; der dritte, dass der Edelmann von un-
ehelicher Geburt sei. Der Edelmann forscht nach: die Köchin hatte in
einer Yerlegenheit einen Hund geschlachtet; im Weine war ein Kind
ertrunken; und — als seine Schwester verkleidet, die über Kinderlosigkeit
klagt — lockt der Edelmann das Geheimnis seiner Mutter heraus.
Auch in Fühnen hat ein mit der Amlethsage verwandtes Märchen
gelebt; allein mein Gewährsmann erinnert sich aus seiner Kindheit bloss
eines Zuges, dass nämlich im Brote Weibermilch wäre.
In einem magyarischen Märchen besuchen dreizehn magyarische
Jünglinge den Tatarenkönig; dieser soll nachforschen, welcher unter ihnen
der schlaue Kopf sei, und zu dem Ende lässt er seine Mutter im Schlaf-
zimmer der Gäste lauschen. In der ersten Nacht hört sie den Schlaukopf
sagen, es sei Männerblut im Weine; in der zweiten, es sei Weibermilch
im Brote gewesen, in der dritten endlich, der König sei ein uneheliches
Kind^).
Noch weit verbreiteter ist unser Märchenraotiv im Morgenlande, wo
zwei Hauptformen auftreten. Die eine findet sich in 1001 Nacht (459. Nacht,
Breslauer Ausg.) : Die drei Gauner und der Sultan. Jeder der Gauner
hat seine Kunst; durch diese entdecken sie, dass der Edelstein gefleckt
sei, dass das Pferd ein Bastard vom Büffel, und die Favoritin des Sultans
Tochter einer Seiltänzerin, und er selbst der Sohn eines Kochs sei. Der
erste hatte den Makel des Steins durch die Schärfe seines Gesichts ent-
deckt; der zweite, dass die Hufe des Pferdes wie an einem Büffel länglich
seien; der dritte aber sah die schwarzen Augen und buschigen Augen-
brauen der Favoritin (!), schloss aber, dass der Sultan der Sohn eines
Kochs sei daraus, dass er sich um Brot und Fleisch besonders kümmere.
Mit dieser arabischen Erzählung verwandt ist der griechische, auch deutsch
bearbeitete Roman vom Kaiser Eraclius, sowie mittelalterliche Sagen von
Vergil u. s. w. Aber je näher wir an Dänemark kommen, um so geringer
ist die Ähnlichkeit mit dänischen Märchen.
Die andere morgenländische Form ist eine Episode der in Arabien
sehr verbreiteten Geschichte von den drei klugen Königssöhnen, welche
zum Sultan kommen, damit er ihren Erbstreit entscheide. Unter vielen
andern Proben ihrer Klugheit kommen auch diese Reden am Tische des
Königs vor: Dieses Zicklein wurde von einer Hündin gesäugt; dieser Wein
1) Stier, Ungarische Sagen und Märchen (Berlin 1850) No. 2; Jones & Kropf, Folk-
tales of the Magyars (London 1889, Folklore Society) S. 121 Vorrede. Die erste Hälfte
des Märchens (die Rätsel des Tatarenkönigs) entspricht dagegen einem mongolischen
Märchen von der klugen Tochter, welches Child, Populär ballads I 12 citiert.
Märchen in Saxo Grammaticus. 121
ist auf einem Totengrabe gewachsen (oder: dieses Brot ist von einem
kranken Weibe gebacken); dieser Sultan ist ein Bastard. Als dies alles
richtig befunden, gaben die Prinzen ihre Gründe an: auf dem Zicklein lag
der Speck dicht an dem Knochen wie bei einem Hunde ; der Wein machte
nicht heiter, sondern trübe (oder: das Brot war nicht genug geknetet);
der Sultan sass nicht bei Tische mit, da er doch ebenbürtige Gäste hatte.
— Diese zweite Form des Märchens findet sich in 1001 Nacht (ßo. 458)
und bei mehreren anderen arabischen Verfassern. In Europa kommt sie
im Volksbuche „Der persische Robinson" vor, welcher von einem Perser
in Venedig im Jahre 1555 verfasst wurde, und noch früher in einer
italienischen Novelle von ca. 1400. — Mit kleinen Änderungen findet sich
dieselbe Form als ein kirgisisches Märchen wieder. Der erste Bruder
sagt: der König ist ein Knecht, der zweite: das Fleisch ist Hundefleisch,
der dritte: das Korn ist auf den Knochen eines Toten gewachsen. — Auch
in einem bosniakischen Märchen wird es entdeckt, dass der Braten
Hundefleisch war; sonst geht uns dies Märchen nichts an. Eine indische
Variante (vier Brüder, welche auf Werbung ausgehen) lassen wir ganz
ausser Besprechung^).
Es scheint mir evident, dass das Morgenland die Heimat dieses Märchens
von den klugen Tischreden ist: denn 1) Die ganze Erzählung von den
scharfsinnigen Bemerkungen ist im Morgenlande besonders gewöhnlich.
2) Nur in den arabischen Formen hat es die Einfachheit und den Boden
der Wirklichkeit, die es ursprünglich gehabt haben muss: jede scharf-
sinnige Bemerkung geht aus kluger Beobachtung des allen Sichtbaren
hervor. Alle anderen Abfassungen geben nur eine sinnlose individuelle
Klugheit ganz mystischer Art. 3) Doch weisen auch diese anderen Ab-
fassungen auf die arabische zurück. In „Die drei Gauner" fusst nur eine
Bemerkung in mystischer Klugheit, die beiden anderen hingegen in Beob-
achtung des natürlich Sichtbaren. In dem kirgisischen Märchen ist die
erste Bemerkung natürlich, die beiden letzteren mystisch; und selbst in
der Amlethsage finden wir die Naturbeobachtung (die drei Gewohnheiten
einer Magd). Dies alles weist auf die Naturbeobachtung zurück, je
schwächer aber, je weiter wir uns von Arabien entfernen. Auch in anderen
Punkten muss die arabische Form als die ursprüngliche gelten: der süd-
europäische Zauberer weist durch seine drei Künste auf die drei Gauner
zurück, diese drei aber entsprechen den drei Brüdern. Die magyarische
und die kirgisische Form der Bemerkungen lassen sich leicht auf die
arabische (aber nicht aufeinander) zurückführen.
1) Basset, Melusine TI 508 f. (vgl. 575); Huth, Zeitschr. f. vgl. Litteraturgesch. N. F.
II 406—414; Zeitschr. f. Volkskunde (Vernaleken) II 250; Orient u. Occ. III 281. Mit dem
arabischen Brüdermärchen nahe verwandt ist eine jüdische Erzählung (auch russisch, Archiv
f. slav. Phil. TX 308).
122 01"'^ =
Nun bleibt übrig, dass wir die dänischen Märchen mit den anderen
zusammenstellen; dabei genügt es, drei Formen zu berücksichtigen: 1) die
arabische von den „drei Gaunern", 2) die magyarische (hinter welcher ja
die gemein - arabische steckt), 3) die kirgisische. Die Amlethepisode
stimmt im allgemeinen zu dem magyarischen Märchen: nur ein Held, der
von seinen Begleitern abends im Schlafzimmer gefragt wird, während ihn
der Wirt im Zimmer belauschen lässt. In den einzelnen Bemerkungen
aber stimmt sie mit den zwei anderen überein: das Brot vom Totenfelde
findet sich im Kirgisischen wieder; mit den „drei Gaunern^' stimmt aber,
dass sowohl die Herkunft des Königs als die der Königin an den Tag
kommen; und wir finden die Knechtschaftsgewohnheit des Königs und die
Augen des niedrigen Standes bei der Königin — nur umgekehrt — in
Amleth wieder.
Das jütländische Märchen entspricht auch denselben drei Formen.
Im ganzen gehört es zu den „drei Gaunern": es handelt ja von drei
Burschen, von denen jeder seine Kunst hat. Mit dem magyarischen (wie
auch mit Saxo) stimmt es darin überein, dass der Wirt abends im Schlaf-
zimmer lauscht; der AVein mit einem toten Kinde erinnert auch an den
Wein mit Menschenblut. Das als Kindfleisch vorgesetzte Hundefieisch
stimmt aber ganz genau mit dem kirgisischen Märchen.
Das Brot mit der Weibermilch des fühnischen Märchens findet sich
im magyarischen wieder; über seine sonstigen Verhältnisse lässt uns die
Knappheit der Aufzeichnung nichts wissen.
Aus allem diesem geht hervor, dass die Amlethsage des 12. Jahr-
hunderts und das jütländische Märchen des 19. Jahrhunderts in verschiedener
AVeise aus denselben drei Märchenformen gebildet sind; auch das fühnische
Märchen geht wieder in einer anderen Weise auf wenigstens eine dieser
Formen zurück. Das heisst: die Novelle von den klugen Bemerkungen
ist in drei verschiedenen Formen nach dem Norden gekommen, und hier
haben sie sich so ineinander verschlungen, dass drei neue Formen ent-
standen sind.
Die Einwanderung in den Norden und eine der Verschlingungen
(Amleth) geschah vor dem Jahre 1200. Auch die modernen dänischen
Märchen leiten von dieser Einwanderung ihre Herkunft ab; denn sonst
raüssten dieselben drei Märchenformen (die sonst in Europa wenig gekannt
waren) nochmals eingewandert sein und sich nochmals alle drei getroffen
und verschlungen haben. — Von den AVegen des Märchens vom Morgen-
lande nach Norden lässt sich wenig Sicheres sagen. Die kirgisische Form
hat vielleicht slavische Vermittlung gehabt (das Hundefleisch im bosniaki-
schen Märchen); die inagyarische Form ist sicher A^ermittlerin der
arabischen und nordischen; für die dritte Form, „die drei Gauner", kennen
wir garnicht die Vermittlerin zwischen Arabien und dem Norden. Soviel
<lürfen \siv sagen: die Novelle scheint durchaus durch Osteuropa vermittelt,
Märchen in Saxo Gi'ammaticus. 123
denn in Westenropa ist sie als A'olksmärclien garnicht gefunden. Die Zeit
der Einwanderung liegt in der Periode der häufigen Verbindung des Nordens
mit Osteuropa, vom 9. bis zum 12. Jahrhundert. In dieser Yerbindung
können wir auch an die isländische Fassung von dem Eide der untreuen
Gattin (Grettissaga K. 91 — 92), welche in Byzanz unter die nordischen
Va-ringjar geriet, erinnern. Es scheint, dass morgenländische Novellen oder
Schwanke gerade diesen östlichen Weg nach Norden nahmen.
Der Grad der Akklimatisation der morgenländischen Novelle im Norden
lässt sich etwas deutlicher erkennen; die Amlethepisode zeigt sie am besten:
Alle Speisen und Getränke stimmen zu dänischen Sitten, und die Knechts-
augen des Königs finden sich in der nordischen Dichtung als pra^lslig
(knechtische) oder öpraBlslig augu (unknechtische Augen) häufig wieder^);
auch dass man die Knechtschaftsgewohnheiteu auf die Königin übertragen
hat, das hat vielleicht seine Anknüpfungen im Nordischen^). Eine ein-
greifende poetische Umarbeitung findet sich nur im Magyarischen (und von
da aus in der Amlethsage; wie auch teilweise in den südeuropäischen
Dichtungen): aus den drei klugen Genossen ist einer gew^orden, und da-
durch ist eine neue Situation geschaffen worden, wo die Gesellen sich nicht
untereinander bei Tische fragen, sondern die Begleiter den klugen Jüng-
ling abends im Schlafzimmer ausforschen. Die Amlethsage aber bringt
uns keine originale Umgestaltung dieser Form; in die alte dänische Dich-
tung vom wahnsinnigen Amleth sind die klugen Bemerkungen ohne irgend-
welche Anknüpfung an seine eigentliche Natur hineingebracht.
Kopenhagen.
(Fortsetzung folgt.)
Zur neugriediischen Volkskunde.
Von Dr. Albert Thiimb.
I. Die Scliicksalsgöttiuueii im neugriechischen Volksglauben.
Bernhard Schmidt hat in seinem klassischen Buche „Das Volksleben
der Neugriechen" I. Teil, Leipzig 1871, eine massgebende Grundlage für
die wissenschaftliche Behandlung der neugriechischen Volkskunde ge-
schaffen; im besonderen ist das, was den Volksglauben betrifft, soweit
es bekannt oder von Schmidt selbst beobachtet war, zusammengestellt und
kritisch verarbeitet, allerdings mit der einen Einschränkung, dass die
1) Fornaldarsögur I 22. 12; Saxo o71. 70. Helgakvida Hund. II 4; Fafnismäl 5;
vgl. Njäla K. 1 Iijöfsaugu; Daum gl. i'olkeviser Xo. 292 A 12.
2) Volsungasaga K. 12: vgl. Grimm, Kiudermärclicn 112; Simrock, Quellen des
Shakespeare 2 l 132.
1 24 Thnmb :
Beziehung zum klassischen Altertum in erster Linie berücksichtigt wurde.
Jede weitere Forschung auf dem Gebiete neugriechischen Volksglaubens
hat an B. Schmidt anzuknüpfen und auf dessen grundlegender Darstellung-
weiter zu bauen; denn das genannte Werk ist bis jetzt noch durch kein
anderes verdrängt worden. Das Buch des Griechen Politis IIsqI znv ßinv
Tiüv vEiüTFQiov "^Elli^viov^ das allein in Betracht käme, kann sich nach dem
Urteil bewährter Forscher mit jenem nicht messen*).
Es ist selbstverständlich, dass seit dem Erscheinen des Schmidtschen
Buches neues Material gesammelt wurde; Politis hat in kleineren Auf-
sätzen einzelne Seiten des Volkslebens behandelt. In Griechenland herrscht
überhaupt ein löblicher Eifer im Sammeln von Märchen, Volksliedern,
Sagen, in der Aufzeichnung von abergläubischen Vorstellungen, Sitten und
Gebräuchen^). Nur der geringere Teil solcher Aufzeichnungen dürfte wohl
auch bei uns zugänglich sein.
Mit dem Inhalt zweier Schriften, die schwerlich nach Deutschland ge-
langt sind, möchte ich nun deutsche Forscher bekannt machen. Es sind
die Aufsätze eines Griechen, des Scholarchen JI.'^HQsicoTrjg, der in zwei
Programmen der hellenischen Schule auf Aegina einige wertvolle Mit-
teilungen über Volksglauben und Volksbrauch seiner Heimat (Aegina) ge-
macht hat').
Die erste dieser Abhandlungen erzählt den Volksglauben von den
Schicksalsgöttinnen oder Miren (MnlQaf); sie giebt zu dem, w^as B. Schmidt
(p. 210 ff.) darüber beibringt, neue Beiträge. Es ist lobenswert, dass
sich ^HQeiwTr^g den Zwang auferlegt hat, die in seiner Heimat herrschenden
Vorstellungen und Gebräuche einfach zu erzählen, ohne etwa durch ge-
wagte Vergleiche mit dem Altertum oder mit den Volksvorstellungen
anderer Landschaften die Unbefangenheit und Treue seines Berichtes zu
beeinflussen. Da ich Herrn 'HQsiiozTjg auf Aegina persönlich kennen ge-
lernt habe und weiss, dass er aus einheimischen Quellen (einheimischen
Märchen und Volksliedern, ferner Angaben und Erzählungen alter Leute)
schöpft, so verdient seine Darstellung volles Vertrauen. Ich selbst habe
gelegentlich (bei einem Mädchen aus Andres) den Glauben an die Schicksals-
göttinnen mir bestätigen lassen; ein paar Notizen füge ich aus Sikinos
1) Mir selbst hat das Buch von Politis nicht vorgelegen; ich kann mich jedoch auf
Perrot berufen (Annuaire pour l'encour. des Et. gr. VIII 373 if.)-
2) Leider ist das Material sehr zerstreut, zum Teil in Zeitungen vergraben. Von
Zeitschriften, die besonders in Bezug auf Volkskunde zu nennen sind, hebe ich hervor den
TlnQvaaaög und neuerdings das /Uliiov jrji; i9yokoyiy.fig xul laionixi]; iiaiQfing. Mit den
leider sehr bald eingegangenen NfoikXrjvtxii \iva'kfy.itt war der Versuch gemacht worden,
die Publikationen über Volkskunde etwas zu konzentrieren.
3) „'0 Kayoiioigäfifvog xal al ttsqI Moiqcjv öo^ai TittQu tw nlyiyrjjixio Artw" Athen
1888. — „Zv/Lißolri eis ra tov ßfov iwv vioii^Qoiv 'Ekltjvutv"' Athen 1890. (Beides auch
iinter dem Titel: UgöyQnjUfiu toü h Aiyivri mrjvixov ayoldov. 1887/88. 1889/90).
Ziir neugriechischen Volkskunde. 125
hinzu nach Bent, The Cyclades or life among- the Insular Greeks (London
1885) p. 186 ff.
Im allgemeinen bemerke ich, dass der Mirenglaube in den verschie-
denen Landschaften Griechenlands nicht erheblich verschieden ist; was
'HQEUüTrjq von Aegina mitteilt, findet sich in grossen Umrissen auch bei
B. Schmidt, und über Andros habe ich selbst durchaus analoges erfahren.
Ich werde daher besonders auf diejenigen Züge Rücksicht nehmen, die
neu sind oder von dem bei B. Schmidt Mitgeteilten abweichen.
Ich schicke als beachtenswert voraus, dass auf Aegina selbst ver-
schiedene Yorstellungen nebeneinander bestehen und dass der ganze Glaube
von den Miren in eine Art System gebracht ist, in dem keine Eventualität
unberücksichtigt bleibt.
Über die Anzahl der Miren herrscht in Aegina dasselbe Schwanken
wie sonst; gewöhnlich wird allerdings von dreien gesprochen, und die Ob-
liegenheiten der Miren haben immer die Voraussetzung, dass nicht mehr
als drei Personen beteiligt sind; bemerkenswert aber ist die zweite, aller-
dings viel weniger verbreitete Vorstellung, dass es vierzig Miren gebe.
Doch auch aus dieser Zahl ragen drei Miren hervor, von denen eine,
„iy f.ieyalri'-'- oder „i/ nQiüxr] hoIqü'-^ die vornehmste ist; sie geniesst näm-
lich besondere Ehrenrechte, hat z. B. immer den Vortritt oder sitzt bei
Tische immer in der Mitte zwischen den beiden anderen. Die eigentliche
Aufgabe der Miren (s. u.) steht nur den Dreien zu. Was die übrigen zu
thun haben, ist nicht ganz klar: sie werden teils als Dienerinnen der
anderen gedacht, teils aber auch glaubt man — und das ist ein echter
Zug naiven anthropomorphen Volksglaubens — sie seien dazu da, damit
die drei, unter jene sich mischend, sich verbergen können, falls ein vom
Unglück verfolgtes Menschenkind sie aufsuchen wollte, um sie zur Abhilfe
der verhängten Unfälle des Lebens zu nötigen! Das eine müssen wir uns
immer vor Augen halten, dass diese Schicksalsgöttinnen durchaus mensch-
lich, d. h. etwa nach dem Muster einer griechischen Bäuerin gedacht
werden.
Auch die Vorstellung von einer Mire für jeden Menschen begegnet
in einem Volkslied, wo ein Pechvogel „seine" Mire anruft.
Nach äginetischem Volksglauben sind die Miren keineswegs hässlich');
die drei Schwestern stellt man sich sogar gewöhnlich schön vor. Nur bis-
weilen wird die ^älteste", „erste" oder „grosse" Mire davon ausgenommen,
während nur ganz selten allen drei Hässlichkeit zugeschrieben wird.
Zwar sind die Miren unsterbliche Wesen, aber dennoch sind sie von
menschlichen Schwächen und Leiden nicht frei: Krankheiten sind sie unter-
worfen; Lust und Schmerz, Ärger und Zufriedenheit empfinden sie wie
1) Nach Schinidt }». 211 sind es alte nuizeligt^ Frauen, olienso nach Bent.
126 Thiunb:
die Menschenkinder und haben Freude an heiterem Genuss, an Musik,
Gesang und Spiel.
Wo die Miren wohnen, ist nicht so einfach zu beantworten: „an dem
Ende der Welt" ('g xrjv axQt] tov xooiliov') haben sie prächtige Wohnung,
einen Palast mit grossem und herrlichem Garten. Anspruchslosere Be-
hausung schreibt ihnen der Glaube zu, dass jede der drei Göttinnen weit
von der anderen entfernt in einfachem Hause wohne. Endlich wird auch
erzählt, dass zwei grosse Höhlen^), 'natürlich am „Ende der Welt", im
iimern luxuriös ausgestattet, das Heim der Miren seien ^). Dort harrt ihrer
immer eine vollbesetzte Tafel; bald weilen sie in der einen, bald in der
andern Höhle. Aber oft verlassen sie ihren Wohnsitz, sei es, um sich auf
Reisen zu vergnügen, oder um ihren Beruf auszuüben. Mit Blitzesschnelle
sind sie dort, wohin die Erfüllung ihrer Pflicht sie ruft^).
Ihr Beruf legt ihnen die Verpflichtung auf, einem jeden neugeborenen
Kinde drei Tage nach dessen Geburt sein Schicksal zu bestimmen; diese
Thätigkeit wird mit einem eigenen Verbum f.iniQalvio bezeichnet. Die
Lebensdauer, die Ursache und Art des Todes, Wechselfälle des Lebens,
Yerheiratung oder Ehelosigkeit*) werden von den Miren samt allen Einzel-
heiten bestimmt; unabänderlich ist im allgemeinen der Schicksalsspruch
(ro /(oiQafia oder auf Sikiuos (-lOiQiOfia) der drei Göttinnen; sie sind hart
und erbarmungslos. Dem Geschick lässt sich nicht entfliehen: einem
Prinzen wird kurzes Glück zuerteilt, aber mit 12 Jahren wird er Salz ge-
niessen und sterben; der Yater hat diesen Spruch belauscht — doch alle
seine Massregeln nützen nichts, das Verhängnis erfüllt sich.
Oft bestimmen die Göttinnen, dass eine drohende Gefahr durch ein
ebenfalls vorausbestimmtes Mittel abgewendet werden kann. Glücklich der
Vater, der dieses (.ini()a(.ia erlauscht hat und so dem Unheil vorzubeugen
vermag. Vergebene Mühe wäre es jedoch, die Miren zur Änderung ihres
Beschlusses zu bewegen; ein junger Mann versucht es nach einem Märchen;
aber die Antwort lautet unerbittlich „oft syQaipev rj /noiQa^ tyQail'e xal
Tovto öav E.eyQccffetai'-^ „was die Mire geschrieben hat, das hat sie ge-
schrieben und das wird nicht ausgestrichen" oder kürzer „ort y^aipei öev
1) Ähnlich auf Korfu (Schmidt 211), nur dass von eiucr Höhle die Eedo ist. „Un-
zugängliche Berge" auf Sikinos.
2) Die Vorstellung, dass die Miren auf dem Gipfel des Olymp wohnen (Schmidt
a. a, 0.) scheint auf Aegina nicht mehr Icliendig. Über eine Spur dieses Glaubens werde
ich weiter unten handeln.
3) Eine weitere Vorstellung, die '//pf/wT»;« ebenfalls mitteilt, halte ich nicht für echt
volkstümlich, dass nämlich die Miren zu j(!der Zeit üb(!rall gegenwärtig seien: dies ist
nach meiner Meinung nur eine VerÜachung des zuletzt erwähnten Glaubens, dass die Miren
schnell wie der Blitz an den Ort ihrer Bestimmung gelangen; daraus ist durch Rellexion
jene Ansicht entstanden; christliche Reminiscenzen können mitgewirkt haben. Für den
naiven Volksglauben ist der Begriff der Allgegenwärtigkeit zu abstrakt und unfassbar.
4) Für letzteres besteht eine bestinmite Formel: ,,v« /uij frfj) 'g rö jikcic rov yvfcctxa"
oder derl)er ..ve) «/} y.uiov^)']ari ot THx/iQiy.rj nvXtj".
Zur iieiigriochisclieu Volkskunde. 127
Seyoäcpei^' oder „r^g fiolQag xa yQcii.ii.ievu dh ^ayQaipoviai^. Mit fatalistischer
Resignation sagt sich daher jeder „ort ^inv syßL n uoIqu (.inv yQa^iueva va
naÜcü, Oa na'Jio- yiacQixo öiv InuQxei'' „was die Mire mir zu erdulden
bestimmt hat, das werde ich erdulden: dagegen ist kein Kraut gewachsen",
oder in einem Yers
„ 'f « yi>(x(p^ '} i-WiQa fislavci
*0 ^jling dev T^aanolut
„Was schwarz die Mire uiederschreibt,
Das bleichet nicht die Sonne."
Das Verbum yQCifpoj in den augeführten Redensarten weist auf ein
Niederschreiben der Schicksalssprüche; xn yQacpzo, xo yQu^tf-ievo ist geradezu
mit „Schicksal" identisch. B. Schmidt hat eine Reihe analoger Wendungen
(p. 215) zusammengestellt. So denkt sich denn auch die Bevölkerung von
Aegina ähnlich wie auf Zakynthos (Schmidt p. 215), dass die älteste Mire
ein grosses Buch in der Hand habe, in welches das (.loiQa^icc eingetragen
werde. Was einmal in diesem Buch steht, das kann auf keine AVeise ab-
ffeändert werden — nicht einmal von der Mire selbst; denn auch dieser
steht der einmal von ihr aufgezeichnete Spruch so unabänderlich und fest
o-eo-enüber, wie im Altertum das Schicksal selbst über Zeus stehend ge-
dacht wurde'). Nicht vereinbar mit diesen Vorstellungen (und jedenfalls
auch andern Ursprungs) ist der, wie es scheint, seltenere Glaube, dass die
Miren durch Gewalt oder göttlichen Befehl genötigt werden können, ein
Mittel zur Abwehr des bestimmten Unglücks noch nachträglich anzu-
geben oder zu irgend einem Kompromiss sich zu verstehen. So erzählt
ein Märchen: es war einem jungen Manne vorausbestimmt, dass er am
Tage seiner Hochzeit sterben werde; aber die Braut, der 80 Jahre ver-
gönnt waren, willigt ein, 30 Jahre ihres Lebens dem Geliebten zu schenken,
und so leben beide je 50 Jahre").
Wie schon erwähnt, kommen die Miren am dritten^) Tage nach der
Geburt des Kindes, und zwar um Mitternacht, in das Haus des neuen
Weltbürgers. Die Miren sind sehr empfindlich und leicht reizbar; eine
unordentliche Haushaltung macht ihnen einen schlechten Eindruck. Daher
wird von den gläubigen Wöchnerinnen alles aufgeboten, um Haus und Hof
zum Empfang der Göttinnen schön herzurichten und so von vornherein sie
möglichst günstig zu stimmen. Der Säugling wird gewaschen und in
1) Dass (ho Miren auch von einer anderen Matlit abhängig seien, könnte aus einer
äginetischen Vorstelhmg geschlossen werden, wonach die Miren dem 7illniächtigen Gott
untergeordnet sind und ihn mn Hat fragen, was sie bestimmen sollten. Ich halte diese
Anschauung für ein Kompromiss zwischen dem Volksglauben und der christlichen (jottesidee.
2) Bent berichtet aus Sikiuos ein anderes Mittel, um in das Wirken der Miren ein-
zugreifen: ein Mädchen habe von ein»im Zauberer den Wohnort der (Göttinnen erfahren:
wenn es nun gelinge, jenen Salz zu essen zu geben, so würden sii- blind und änderten
das Geschick.
?>) So nicht überall, s. Schmidt p. 211; auf Sikinqs; am , siebenten, .T»g<ii,..
J28 Thumb:
frische Windeln gehüllt; denn es soll schon vorgekommen sein, dass die
Miren beim Anblick eines nicht sauberen Kindes wegliefen mit dem Ruf
„rpxov, cpioxia vä ro xdiliri^^ wpfui, Feuer verbrenne es," und wirklich habe
bald darauf das Kind diesen Tod gefunden. Auch der Hof wird gefegt,
der Hofhund wird entfernt oder angekettet, damit er nicht die Miren an-
packe und beisse. Schlecht ergeht es einem Kinde, dessen Eltern in
solchen Dingen nachlässig sind: denn die drei Frauen bestimmen ihm aus
Zorn und Ärger ein schlimmes Schicksal ()<a>fo//r)/()0(n'ni;)'); ein äginetisches
Yolkslied erzählt von einem solchen Pechvogel, der durch die Nachlässig-
keit seiner Eltern schwer zu leiden hatte ^): die Mire selbst erscheint dem
Unglücklichen, nachdem er sie fluchend angerufen hatte, weil immer und
überall Missgeschick ihn verfolgt. Auf seine leidenschaftliche Frage teilt
sie ihm mit, dass die drei Miren ihm alles Gute zugeteilt hätten, so die
eine Ansehen, die andere Tapferkeit, die jüngste grosses Glück; doch die
Eltern begingen einen schweren Fehler: sie versäumten es, den Hof zu
feffen und die Hunde festzubinden; die eine der Göttinnen wurde von den
bissigen Kötern angefallen, sie fiel und verletzte sich; Zorn und Schmerz
veranlassten sie, dem Schicksalsspruch die harten Worte hinzuzufügen:
„So viele Tage ich liegen muss auf meinem Schmerzenslager,
So viele Jahre sei geplagt dein armes Körperlein;
Es sei geplagt, es sei geplagt und habe keine Ruhe,
Und alles Gute fliehe dich, nur Leid sei dir beschieden."
Doch wird zum Schluss dem Armen die tröstliche Versicherung, dass bald
das Ende seiner Leiden gekommen sei.
In dem Zimmer, wo die Wöchnerin mit dem Kinde sich befindet, ist
der Tisch für die Miren gedeckt: ein Teller Honig, drei Mandelkerne oder
drei Stücke Konfekt und drei Gläser Wasser bilden das anspruchslose
Mahl; drei Löffelchen und drei seidene Handtücher dürfen nicht fehlen.
Das Zimmer wird ausgestattet, soweit es die Mittel des Besitzers erlauben,
das Bett der Mutter wird geschmückt 2). Auch der Besen muss sich am
gehörigen Platz, d. h. hinter der Thür befinden, damit die Miren nicht die
schlechte Wirtschaft der Hausfrau (xay.ovmxnxvQioovvr]') tadeln oder gar
stolpern und fallen und es das Kind entgelten lassen. Andererseits
aber darf auch der Besen im Zimmer nicht fehlen, denn er gilt als ein
Schutzmittel gegen böse Geister (asQixä auf Aegina); es ist nämlich ein
in Griechenland allgemein verbreiteter Glaube, dass Wöchnerinnen und
ungetaufte Kinder leicht dem Einfluss böser Geister unterworfen sind^).
1) „'O xttxoiuoiQäfKvos.'' Der Text ist zuerst von 'HQdMTrii veröirciitlicht in dem
ersten der genannten Programme, dann von mir mit genauerer Wiedergabe des äginetischen
Dialekts in der griechischen Zeitschrift 'Afii^yä III (1891) p. 95 ff.
2) Zu dem Vorstehenden vergl. die sehr ähnlichen Züge bei den attischen Albancsen,
Schmidt p. 214 Anm.
3) Vgl. z.B. Wachsmuth, Das alte Griechenland im neuen p. 34. 74 f. 77 ff. Da«-
selbe auch schon von älteren Reisenden beobachtet.
Zur neugriechischen Volkskunde. 129
Um Dämonen vom Kinde fernzuhalten, werden verschiedene Mittel an-
gewendet: so wird z. B. ein kleiner Besen in die Wiege des Säuglings
o-eleo-t. Wenn das Kind auf einen Augenblick allein gelassen werden
muss, so stellt man den gewöhnlichen Besen neben die Wiege, falls ein
kleiner Besen nicht vorhanden ist. Ein Messer mit schwarzem Griff wird
unter das Kopfkissen der Wöchnerin gelegt, um diese zu schützen; end-
lich wird dafür gesorgt, dass das Herdfeuer nicht ausgehe, solange die
Wöchnerin das Bett hütet. Aber nicht nur vor bösen Geistern, sondern
auch vor den Miren selbst ist das Kind nicht immer sicher; wenigstens
herrscht auf Andres der Wahn, dass die Miren Kinder stehlen. Wenn
daher die Miren kommen, legt die Mutter ihr Kind zwischen sich und die
Wand, damit jenes nicht geraubt werde ^). Dieser Glaube hat eine gewisse
Ähnlichkeit mit dem von B. Schmidt (p. 215) nach Pouqueville mitgeteilten
Zug, dass die Miren die Wöchnerinnen zu schädigen versuchen.
Bevor die drei Göttinnen an ihre Arbeit gehen, kosten sie von den
vorgesetzten Süssigkeiten; die Güte derselben und die schöne Aus-
schmückung des Gemachs entlocken ihnen oft günstige vorbereitende
Segenswünsche für das Kind: ylvxäf.ievo^ ylvxcci-ievo va ijve 'g nXrj rov zij Kur)
„ein Glückskind, ein Glückskind sei es in seinem ganzen Leben" oder
OTTtüQ xaiQiixLnvvE rj yaQÖi'sg ins To (.isli^ iiGi va TaiQmCovve nkeg rov t]
öoiO.eUg „wie die Mandelkerne zum Honig passen, so mögen alle seine
Geschäfte passen (d. i. sich glatt erledigen)".
Dann erst folgt das f.ini()af.icc selbst, d. h. die Festsetzung des Schick-
sals: die zwei untergeordneten Miren machen Yorschläge {^ueleznvvt^'-
nach dem Kunstausdruck), die „grosse" Mire bestätigt oder verwirft. Im
ersten Fall schreibt sie den Spruch sofort in das Schicksalsbuch. Wenn
aber die beiden jüngeren uneinig sind und streiten, sei es über eigene
Vorschläge oder über den der grossen Mire, so hat diese die Entscheidung.
Nach anderer Anschauung macht die erste Mire einen Vorschlag, den die
andern annehmen oder modificieren. Denn sie lässt sich durch inständige
Bitten der Genossinnen oft bewegen, ihren Entschlusz zu ändern. Es
kann auch vorkommen, dass sie überhaupt nicht mit den andern erscheint
(wegen häuslicher Beschäftigung oder Unwohlseins!) und ihren beiden
Genossinnen bloss allgemeine Verhaltungsmassregeln giebt.
Endlich herrscht auf Aegina auch der Glaube, dass jede der drei
Göttinnen bestimmt, was sie wilP), und dass die älteste jene Sprüche ein-
fach in ihr Buch einträgt.
Sehr interessant ist die Anschauung, in der „die hellenisch-italische
Idee eines von den Schicksalsmächten dem Menschen gesponnenen Lebens-
fadens zum Vorschein kommt" (B. Schmidt). Gerade auf Aegina ist diese
1) So erzählte mir das oben erwähnte Mädchen aus Andros.
2) Dies ist die Regel nach Schmidt, p. 212.
130 Tlmmb:
Yorstelhmg sehr deutlicli erhalten und ausgebildet^), während die Beobacli-
tungen Schmidts nur geringe Spuren dieses Zuges bieten^).
Die älteste Mire ist im Besitz einer Scheere; von den beiden jüngeren
hält eine die Spindel (adQdyji)^ die andere den Kocken mit Lein ((toxa
//£ ÄiraQi). Jene mit der Spindel spinnt, unterstützt von ihrer Genossin,
welche den Rocken hält. Während dieser Tliätigkeit bestimmen die Drei
das Schicksal des Kindes; der gesponnene Faden wird um die Spindel
gewickelt; jede Windung (rvli^ä oder xvliyfia) entspricht einem Lebens-
jaln-, das ganze aufgewickelte Stück stellt aber die Länge des Lebens
vor. Die älteste Mire schneidet den Lebensfaden ab in dem Augenblick,
wo das aniQana beendet ist und die Miren sich zum AVeggehen anschicken.
Wenn der Faden zerreisst, bevor die Göttinnen zu Ende sind, so hören
sie sofort auf; der Unglückliche lebt nur so viel Jahre als Windungen
vollendet sind, und wird alles das erleben, was die Miren bis zum Zer-
reissen des Fadens ausgemacht haben. Jährlich am Geburtstage jedes
Menschen wickelt die grosse Mire eine Windung des Fadens wieder ab;
wenn so der ganze Faden abgewickelt ist, kommt die Todesstunde. Nach
etwas modificiertem Glauben wird der Lebensfaden nicht gleich nach Be-
endio-ung des noiQaua^ sondern erst in der durcli die Länge des Fadens
bestimmten Todesstunde von der grossen Mire durchschnitten.
Die Yorstellung vom Lebensfaden hat auf Aegina auch entsprechende
Redensarten geschaffen, wie: Yoa fi^iöw scfTaxoe i) y.'/icijazij tov jo' EonaToe
(oder ey.ojTTjTae) „bis hierher reichte sein Faden und zerriss" oder effw-
■Ür]TOS fj y'/.wanj lov ,.zu Ende ist der Faden" oder loa fi'eöcä roai rnv
^xoxps TTj x?MOTij Tov ,,bis hierher und dann zerschnitt sie (sc. die Mire)
seinen Faden ^)".
Für die Ausführung des iiWiQaf.ia hat die grosse Mire zu sorgen; daher
wird sie y.ai' £ioyj]v als die Mire betrachtet: aviij sivs i] {.ioIqu oXco ^mc,
dioTL xQaxasL 'g to yeQi rlg rvyßg /.lac. Sie spielt oft die Rolle des Schutz-
engels, ist die überall beistehende gütige Fee, falls überhaupt gutes dem
betreffenden Menschen bestimmt wurde. Sie w\arnt, sie schützt ihn, ja sie
arbeitet für ilu'en Schützling*). Das glückliche Mädchen, dem „heitere
Lose" bestimmt sind, kann ruhig schlafen, denn die Mire arbeitet und
sendet Glück und sucht jene auf:
Kniiitrjoov, 'Acdni-iolQr] fiov, n' ri /itolQa oov öov'/lev£i
Kai TO itah') aov (jiCixb oxllvei yal os yvQsi'ei.
1) Der Glaube ist schon lioinerisfh, cfr. Hoiu. Od. 11. 139. 16, 64: daim aiu-li Aeschyl.
Eumen. 321 u. a.
2) cfr. p. 212. 220.
3) Die Redensarten habe icli in der Dialektfonu wiedergegeben (HofiwTTjg normali-
siert etwas).
4) Tgl. auch Schmidt, p. 216.
Zur noiiorierhischen Volkskunde. 131
„O j^'lücklicli Mädchen, schlafe mir. deine Mire macht die Arbeit
Und sendet dir ein schönes Los und suclit dicli allentlinlben."
Freilich wer zum Unglück bestimmt ist, der fühlt ebenfalls das Wirken
der Miren überall, doch nur zu seinen Ungunsten. Uud es ist begreiflich,
dass jeder nach seinem Schicksal bald schmeichelnd seine Mire „gut, goldeu"
oder mit Bitterkeit seineu „schwarzen, bösen, verfluchteu'" Dämon (unJoa^
nennt. Mancher aber tröstet sich mit einer Art Galgenhumor, indem er
sich zuruft:
'H /.iol()Cc nnv /f£ '/twiQare, rJTare fisih^niurf^,
DJs ^finiQGVs yia va rre^ru) Cwtj övaivyjnuevq.
„Die Mire, die mein Schicksal gab, war sicherlich betrunken.
Drum hat sie mir ein Jammerleben auf dieser Welt beschiedeu." ')
Durch das uoiQa/ita allein ist das Wirken der Miren nicht bestimmt
und begrenzt. Xach dem wenigstens auf Aegina herrschenden Glauben
greifen die Schicksalsgöttinnen auch unabhängig von ihrem iim'naiiKx in
das Leben der Menschen ein, oft aus launischen Einfällen. Zum Beleg
teile ich ein Yolksmärchen mit, das ich aus dem Munde eines Aegineten
(des Herrn 'tigeuort]!^) gehört und niedergeschrieben habe^).
„Einmal und zu einer Zeit war ein König, Hypnos (d. i. Schlaf) war
sein Name. Neben dem Palast wohnte ein armes Mädchen, das für andere
arbeitete um zu leben. Es arbeitete die Kacht hindurch, und wenn ihr
der Schlaf kam, nahm sie Bohnen^) und ass und sprach: .^Du bist ge-
kommen. Schlaf, sei willkommen, iss Bohnen uud geh weg". Draussen
war das Gefolge des Königs und hörte das Mädchen sprechen „Du bist
gekommen. Schlaf, sei willkommen, iss Bohnen und geh weg". Jene
sprachen: „Bei diesem armen Mädchen ist unser König drinnen". Die
folgende Nacht kam wieder das Gefolge des Königs, um zu hören, was
jene sagen werde. Sie war wach, und als ihr der Schlaf kam. sprach sie:
„Du bist gekommen. Schlaf, sei willkommen, nimm den Schemel und setze
dich". Jene sagten: „Unser König ist drinnen". Und das Mädchen sagte
wiederum: „Du bist gekommen, Schlaf", u. s. w. *) Die folgende Nacht
kam das Gefolge wiederum um zu hören, was das Mädchen sagen würde,
und hörte dieselben Worte. Da ging das Gefolge zur Mutter des Königs
und sagte ihr, dass der König jede Nacht in das Haus dieses armen
Mädchens gehe. Als dies die Mutter hörte, rief sie ihn und sprach zu
ihm: „Wie erniedrigst du dich selbst, dass du, ein König, dich herablässt,
1) Das mitgeteilte Disticliou habe ich in Kjparissia (Messenien) aus dem Munde eines
12 — 14 jährigen Knaben gehört und aufgezeichnet.
2) Der griechische Text ist von mir in der 'AS-rjt'u III 97 ff. veröffentlicht worden.
Inzwischen wurde mein Text auch in der 'Ekkag III 284 ff. abgedruckt und von Boltz
ebenda übersetzt,
3) y.ovTOÜe d. i. xovxiK.
4} wie im Anfang.
132 Thumb:
jede Nacht in das Haus dieses armen Mädchens zu gehen?" — „Ich habe
das Mädchen nicht einmal gesehen." — „Lass es in Zukunft bleiben hin-
zugehen, mein Sohn. Warum? Es macht dir keine Ehre."
Die Mutter des Königs rief aber auch das arme Mädchen und sprach:
„In Zukunft bricli dein Yerhältnis mit dem König ab, nimm ihn nicht in
dein Haus auf, denn was hast du mit ihm zu schaffen?" Das Mädchen
erwiderte: „Niemals geschah dies, denn bin ich armes Mädchen würdig,
den König in mein Haus aufzunehmen?" Aber das Mädchen nahm es
sich sehr zu Herzen; sie wusste nicht was thun. Alle sagten, dass der
König in ihr Haus komme. Sie nimmt Tücher und bindet sie um den
Leib und stellt sich, als ob sie Mutter würde, geht hinaus in den Hof,
setzt sich auf ein Strohbündel und bindet daran einen Hahn, der das
Strohbündel wie eine Karosse zog^).
Es gingen drei Miren vorbei, sahen sie und lachten aus vollem Herzen
und sprachen: „Drei Jahre haben wir nicht mehr so gelacht, und diese
machte, dass wir aus vollem Herzen lachen. Was sollen wir ihr wünschen?
Wir wollen ihr wünschen, dass sie wirklich Mutter werde, dass sich in
ihren Händen ein Kind befinde wie vom König Hypnos: ihr Strohbündel
soll ein goldener Wagen werden, der Hahn ein goldener Hengst, und sie
selbst soll mitten im Wagen sitzen, und sie wird sich zur Palastpforte be-
geben, und alle werden sie zur Königin ausrufen und verlangen, dass sie
den Hypnos zum Gatten wähle, um Königin zu werden."
0 das Wunder, dass alles geschah, wie die Miren ihr wünschten!
Alle empfingen sie mit grossem Jubel, das Kind glich ganz dem König
Hypnos, so dass alle sagten: „Das Kind ist vom König Hypnos, und er
muss sich mit ihr vermählen". Zum König spricht seine Mutter: „Was
sitzest du da? das Kind ist deines, und du musst sie heiraten". Da
glaubte es der König selbst und entschloss sich, das Mädchen zu heiraten.
Pauken und Trompeten, grosser Jubel: der König heiratete und das
Mädchen wurde Königin und sass auf dem Thron, und sie lebten dort gut,
wir hier aber noch besser."
Einp Vergleichung unserer Darstellung mit den bei B. Schmidt mit-
geteilten Thatsachen lehrt, dass der Mirenglaube auf Aegina (samt den
paar Einzelheiten, die ich von anderswo hinzufügte) in die allgemein
griechischen Vorstellungen im grossen und ganzen sich einfügt, im ein-
zelnen aber doch recht bemerkenswerte Eigenheiten zeigt. Ich hebe als
allgemeines Charakteristicum der aeginetischen Anschauungen hervor, dass
der Mirenglaube vom Volke sehr ins Detail ausgebildet wurde. Bis ins
kleinste, sogar kleinliche, wird die Thätigkeit der Schicksalsgöttinnen nach
1) Was füi- eine Bedeutung dieser Zug eigentlich hat, ist mir nicht recht klar; dass
es für das Verständnis des Volkes etwas Unsinniges, Komisches war, lehrt das Folgende.
Zur neugriechischen Volkskunde. 133
dem Muster menschlicher Handlungen und Schwächen ausgemalt. Wie
viel davon moderner Ausgestaltung redseliger Weiber zuzuschreiben ist,
ist schwierig festzustellen. Denn wenn auch feststeht, dass im neu-
griechischen Yolksglauben altgriechische Yolksvorstellungen fortleben, so
ist es doch schwer, gerade bei genau ausgebildeten Einzelheiten ein Kri-
terium zu finden für alte Überlieferung und neue Zudichtung: denn die
Ausgestaltung eines Volksglaubens im einzelneu konnte zu jeder Zeit, bei
den Alten wie bei den heutigen Griechen, selbständig sich wiederholen,
sofern jene einzelnen Züge sich aus der Gleichartigkeit des menschlichen
Wesens ergeben konnten. Daher ist eine direkte Yergleichung solcher
Züge, deren Entstehung aus jenem Prinzip zwanglos erklärt werden kann,
ohne besondere Beweiskraft. Aber andererseits dürfen wir «-erade wesen
der Gleichartigkeit des menschlichen Wesens solche Gestaltung des neu-
griechischen Yolksglaubens auch im alten Griechenland annehmen, wenn
sie sich auf jene anthropomorphen, dem naiven Menschen von selbst sich
aufdrängenden Züge bezieht^). Eine antike Amme war sicherlich nicht
viel anders als eine griechische Bäuerin heutzutage. Wenn daher im
Altertum und heute der Kern eines Yolksglaubens identisch war (und
das ist ja beim Mireuglauben der Fall), so musste auch die Detaillierung
sehr ähnlich werden, ohne dass etwa diese selbst auf Überlieferung zu
beruhen braucht.
Ich erwähne noch zum Schlüsse, dass der Glaube an Schicksalsgöttinnen
bei den Südslaven eine ganz frappante Ähnlichkeit mit den griechischen
Yorstellungen zeigt; es genüge hier auf Krauss, Yolksglaube und religiöser
Brauch der Südslaven (Münster i. W. 1890) p. 22 ff. hinzuweisen, ohne der
Frage nach dem Grunde dieser Parallelen weiter nachzugehen.
Was nochmals Aegina betrifft, so habe ich bereits an anderem Orte^)
darauf aufmerksam gemacht, dass die griechische Bevölkerung der Insel
aus Attika eingewandert ist. Auf Attika weist vielleicht auch ein oben
p. 128 mitgeteilter Zug, der eine unverkennbare Ähnlichkeit mit den
attischen Albanesen zeigt'). Aber noch etwas erfahren wir nach meiner
Meinung aus der Art des aeginetischen Mirenglaubens: ausser etwaigen
christlichen Ideen, die leicht erklärbar sind, begegneten uns auf Aegina
öfter verschiedene, d. h. voneinander abweichende Yorstellungen, die
nebeneinander bestehen. Dies lässt eine Mischuns; verschiedenartis-er Ein-
flüsse vermuten. Aus der Grestalt des aeginetischen Idioms glaube ich
nachgewiesen zu haben, dass die Hauptmasse der (griechischen) Bevölke-
rung von Aegina athenischen Ursprungs ist: aber die Insel zeigte sich
1) Man vergl. z. B. die Empfindlichkeit der Miren und die damit verbundenen Ge-
bräuche.
2) Miküi) nein irji nrnueQtvtjg fy Aiyi'vrj Xct/.ov/x^yr]s 6ic().^y.Tov in der ll9t]vc( III dbS.
(besonders p. 117 S.).
3) Vgl. Schmidt p. 214 Aiiiu. 1.
Zeitschrift d. Vereins f. Volkskunde. 1892. JQ
134 Mielke;
fremdem Einfluss nicht abgeneigt, wie die Sprache wiederum beweist.
Nur das eine wage ich nicht zu entscheiden, ob dieses Eindringen fremder
(d. h. natürlich griechischer) Elemente erst in neuester Zeit sich vollzog
oder schon seit langem (etwa seit der Einwanderung des Hauptstammes
aeginetischer Bevölkerung^) statt gefunden hat.
Zur Griebelentwickeliing des säclisisclien Bauernliauses.
Von Robert Mielke.
(Hierzu Tafel I. II. III.)
Wenn wir von dem sächsischen Bauernhause sprechen, so schwebt
uns in der Regel jenes altertümliche, schornsteinlose Haus vor, dessen ge-
waltiges Strohdach alles überdeckt, was der Bauer an beweglichem Eigen-
tum besitzt. Man hat w^ohl auch in ihm vermöge seiner ursprünglichen,
bedürfnislosen Einrichtung den Urtypus gesucht, der unserer reich ent-
wickelten Bauern-Architektur zu Grunde liegt. Dennoch lässt sich bei
ihm, so sehr auch im allgemeinen an der alten Grundrissdisposition fest-
gehalten wird, in dem Äussern eine gewisse fortschreitende Entwickelung
verfolgen, die teilweise von struktiven Gesetzen bedingt, teilweise aber
auch von dem Bedürfnis nach Zierformen beeinflusst ist. Gerade beim
sächsischen Bauernhause lässt sich der Übergang von der einfachen,
schmucklosen Giebelfront bis zu einer für norddeutsche Verhältnisse über-
raschend reichen Fassade verfolgen. Vielleicht sind auch die prachtvollen
Fassaden, die die Häuser Braunschweigs, Hildesheims, Quedlinburgs und
anderer durch ihre Architektur ausgezeichneter Städte Norddeutschlands
zeigen, auf das sächsische Bauernhaus zurückführen, wodurch sich so
manche noch unerklärte Eigentümlichkeit derselben, z. B. das Vorkragen
der Geschosse, begründen lässt ^). Im folgenden soll dazu auf Grund
eigener noch nicht veröffentlichter Wahrnehmungen der Versuch gemacht
werden, wobei sich ergeben wird, dass auch das erwähnte Bauernhaus
einer ähnlichen künstlerischen Entwickelung fähig ist, wie das Schweizer-
oder das nordische Haus.
In seiner einfachsten Gestalt zeigt sich der Typus als ein einfacher
Bedürfnisbau, bei dem die konstruktiven Elemente, die Wand und das
1) Ende des 18. Jahrhundei-ts, s. p. 119 meiner oben genannten Abhandlung,
2) Es sei gestattet, hier auf einen interessanten, mit sieben Bildtafeln geschmückten
Aufsatz von K. Brandi hinzuweisen: „Das osnabrückische Bauern- und Bürgerhaus" im
XVI. Band der Mitteilungen des historischen Vereins für- Osnabrück (1891) S. 265 — 314,
wo auch auf die üiebelentwickelung eingegangen wird. K. W.
Zur Giebelentw'ickplnrig- des sächsischen Bauernhauses. 135
Dach, oliiie jede Verzierung bleiben (Fig. 1). Die kräftigen Balken zeigen
sich in unverhüllter Nacktheit, sie wirken als Träger des konstruktiven
Gedankens allein nur durch den Kontrast der dunklen Holzfarbe gegen
das hellere Füllwerk. Vielleicht waren sie dereinst bemalt, rotbraun, wie
noch heute in Norwegen, oder grün, wie es in bescheidenem Masse ein-
zelne Häuser der Altniark zeigen. Hin und wieder tritt zu beiden Seiten
des Einfahrtsthores ein kleines vergittertes Fenster auf, das aber dann
wohl immer Beweis eines späteren Kultureinflusses ist. Der Giebel ist
von der zurückgebogenen Dachkappe vollständig verdeckt, eine Bildung,
die wohl als eine ursprüngliche angesehen werden darf, da bereits die
Hausurnen dieselbe aufweisen^). Die Hinterseite des Hauses ist nicht
immer in derselben Weise gebildet, vielmehr erscheint dieselbe bis zur
Spitze lotrecht, was vielleicht mit der Anordnung der Wohnstuben daselbst
zusammenhängt; doch habe ich diese Weise auch bei unbewohnten Häusern
gefunden, z. B. an einem Schafstall bei Sahrendorf am Wilseder Berg in
der Lüneburger Heide.
Reicher wird die Giebelseite des Hauses, wenn zu Seiten des Thores
Flügel angebaut werden (Fig. 4 Bühren bei Delmenhorst), welche eine
Art von Vorraum (in der Gegend von Ülzen Vorschur genannt) bilden,
der bisweilen, wie später noch zu erwähnen ist, überdeckt wird. Obgleich
das Haus von Bühren einen entschieden altertümlicheren Eindruck macht
als das erste, so tritt in der klugen Benutzung der vorderen Dachbalken
schon ein erheblicher Fortschritt der Konstruktion hervor. Der altertüm-
liche Eindruck ist zunächst dem hohen First zuzuschreiben, der ein ge-
sundes Stilgefühl verrät. Die Neuzeit hat das auch anerkannt und bei
besseren Bauten die ästhetische Wirkung des Firstes durch schmiede-
eisernes Gitterwerk zu erhöhen getrachtet. Diese charakteristische First-
bildung scheint besonders dem Grossherzogtum Oldenburg und dem west-
lichen Teil Hannovers eigentümlich zu sein. Sie ist jedenfalls ursprüng-
licher als die einfache Firstlinie. (Vergl. auch das Haus von Rastede i. d.
Zeitschr. für Ethn. etc. XIX. S. 569.)
Von einer künstlerischen Thätigkeit ist bei dem Bührener Hause noch
ebensowenig zu sehen wie bei dem Reppenstedter; sie beschränkt sicli
liöchstens auf den oberen Thürsturz, dessen Balken bogenförmig aus-
1) Bei dieser Gelegenheit möchte icli auf einzelne Häuser hinweisen, die mir vor
einigen .Jahren in Italien durch ihre frappante Ähnlichkeit mit den Hau-surnen auffielen.
Ich fuhr mit dem Kurierzug von Bologna nach Padua, als ich in der Nähe der Station
Monselice einige Häuser sah (Fig. 2 und 3), die ich, so gut es bei der Eile ging,
skizzierte. Sie waren weiss gestrichen, offenbar Mörtelwerk, und mit Stroh gedeckt. Die
Öffnungen, durch Bretterthüi'en geschlossen, schienen mir eher Luken als Thüren und
Fenster zu sein. Ob sie auf den anderen Seiten noch Öffnungen hatten, ob sie bewohnt
waren oder als Speicher dienten, kann ich nicht sagen. Vielleicht veranlasst dieser Hin-
weis einzelne Forscher, bei gelegentlichen Reisen in Italien nach dem Zweck und Alter
derselben zu forschen.
10*
136 Mielke:
goseliiiitten ist. Bisweilen ist auch die Thürleiste am oberen Ende mit
einer kapitälartigen Yerziorung versehen, wie an einem Hause zu Reppen-
stedt (Fig. 5). Erst mit dem Hervortreten der Langbalken vor die Giebel-
front tritt ein stilistisches Element in die Erscheinung, das einmal den
künstlerischen Trieben die schönste Gelegenheit zur Bethätigung giebt,
dann aber auch die Aufrichtung der geneigten Dachkappe anbahnt und
damit neue, verzierungsbedürftige Flächen schafft.
Den Übergang stellt ein Haus aus dem Dorfe Göterende bei Olden-
burg dar, das nach einer Balken inschrift aus dem Jahre 1700 stammt
(Fig. 6). Die hervortretenden Balkenköpfe, an und für sich ohne Ver-
zierung, sind von einfachen aber geschmackvollen Konsolen unterstützt.
Durch ähnliche Stützen ist das grosse Eingangsthor oben fast halbkreis-
förmio; geschlossen. Interessant ist auch die Behandlung der vorderen
Dachkappe. Während sie bei den vorherbesprochenen Häusern noch die
Balkenköpfe verdeckt, ruht sie hier auf den vorkragenden Balken, eine
insofern wichtige Bildung, als die so markierte wagerechte Linie bei allen
mehr oder minder reich entwickelten Fassaden künstlerisch zum Ausdruck
kommt und dahin führte, das senkrechte Giebeldreieck durch mehrere
übereinander liegende Horizontalen zu teilen. Auch das oberste, das
vordere Firstende bedeckende Dreieck geht für die Dauer nicht mehr ver-
loren, sondern erhält in manigfach künstlerischen Gestaltungen das An-
denken an das einstige Rauchloch.
Noch ist eines Hauses zu gedenken, das mit dem eben besprochenen
äusserlich verwandt, um ein Beträchtliches älter ist als jenes (Fig. 7). Es
ist das ein im Dorfe Suderburg bei Ülzen mit der Nummer 1 bezeichnete.
Nach Ausweis der Inschrift an dem Thürbalken wurde es 1615 erbaut, es
stammt also noch aus der Zeit vor dem Beginn des 30jährigen Krieges
und ist danach, soweit mir bekannt, das älteste bestimmt datierte säch-
sische Bauernhaus. In demselben Dorfe hat sich noch ein zweites'), 1691
erbautes, erhalten, das dem älteren im Innern und Äusseren gleicht. Ob-
wohl beide noch ohne Schornstein sind, so ist doch die ursprüngliche Ein-
richtung nicht mehr vorhanden, aber die Fassaden sind noch völlig intakt.
Die Abbildung 7 stellte das ältere dar, bei dem namentlich die sorgfältige
Technik überrascht. Der obere Teil des Giebels ragt nur wenig hervor;
dafür sind aber die Balkenköpfe eiIs Viertelkreis profiliert und die Räume
zwischen ihnen durch ein schräges Brett geschlossen. Ein Rauchloch ist
nicht vorhanden. Da das Thor ca. 6 Fuss zurücksteht, so entsteht davor
ein freier, wagerecht überdeckter Raum, hier Vorschur genannt, der ver-
muten lässt, dass bei diesem Bau die ursprünglichen flügeiförmigen Vor-
bauten mit in die architektonische Fassade eingezogen wurden.
1) Dem Gastwirt Müller gehörig, in dessen Familie es sich schon seit der Erbauung
befinden soll.
Zur Giebelentwickelung des sächsischen Bauernhauses. 137
Wie zögernd der am Alten hängende Bauer die Umwandlung des
schrägen, strohgedeckten Giebels in die senkrechte Giebelwand vornahm,
bezeugt das folgende, aus Hinterpommern stammende Haus. (Fig. 8.)
Ich kann nicht sagen, ob und wo solche Häuser heute noch vorhanden
sind; die vorliegende Abbildung ist nach einem mit Wasserfarben auf
Leinwand ausgeführten Bilde gemacht, das die seltsame Unterschrift trägt:
„Aus dem Buche der Heraldiek stammt dies Wappen der Familie Huse-
mann aus Hinterpommern 1660^'. Das offenbar moderne, nach einem alten
Original gemachte Bild befindet sich im Wirtshause zn Neuenkoop bei
Hu de in Oldenburg. Über die Herkunft und die Hersteller konnte ich
nichts in Erfahrung bringen; es wurde mir nur bestätigt, dass die Familie
des Besitzers thatsächlich aus Hinterpommern stammt.
Die vordere Front ist senkrecht; an der Stelle, wo in der Kegel die
zurückgeneigte Dachkappe beginnt, ist die Mörtelwand bis zum oberen
Giebeldreieck mit einer Strohlage bedeckt. Bei der Klarheit und Sicher-
heit, mit der das Bild gefertigt ist, ist es undenkbar, dass durch diese
eigentümliche Konstruktion die geneigte Dachkappe angedeutet werden
sollte; es scheint die Strohbedeckung vielmehr lediglich eine Erinne-
rung an die vormalige Form zu sein. Das oben aufsitzende dreieckige
Verblendstück ist das hi Holz übersetzte Firstdreieck des vorigen
Hauses^).
Während vielleicht das pommersche Haus noch die letzte Erinnerung
an die einstige Dachkappe bewahrt, kommt bei den folgenden Häusern
die freie Giebelwand zur Geltung. Letztere steht als raumabschliessende,
tragende Wand in direktem Gegensatz zum bedeckenden, lastenden Dache
und wird die Trennung durch die am First zusammenstossenden Giebel-
leisten auf das bestimmteste symbolisiert. Wo diese Giebelleisten vor-
handen sind, haben wir es mit einer zweiten Phase in der Entwickelung
des sächsischen Bauernhauses zu thuii. Bei dem vorher erwähnten Hause
ist diese Leiste noch unterbrochen, jetzt erscheint sie als ein durchaus
selbständiges Glied, das hier dieselbe stilistische Bedeutung hat, wie am
griechischen Tempel die Cyma. Obgleich diese Leiste beim sächsischen
Hause nicht verziert wird, wie beim Schweizer- oder nordischen Hause, so
verliert sie doch auch nie den Zusammenhang mit diesem, was beim
letzteren manchmal unangenehm auffällt.
Verhältnismässig einfach ist der Giebel eines Hauses aus Wissingen
bei Löhne (Fig. 9). Wenn nicht das Fachwerk als solches eine gewisse
1) Auf dem Original sind die an der Langscitc bciindlichcn halbkreisförmigen
Fenster grün. Denke ich dabei an die farbige Behandlung einzelner Teile des altmärki-
schen oder des nordischen Hauses, dann scheint es mir, als ol) das Bauernhaus überhaupt
früher in farbigerem Schmucke prangte als heute, wo fast alle Farbenfreudigkeit verloren
gegangen ist. Vielleicht gelingt es, wenn erst mehr Beol)achtungen vorliegen, auch für-
das Bauernhaus ein solches polychromes Gewand zu rekonstruieren, wie man es z.B. mit
fJlück bei den alten Bauten Hildesheims und Braunschweigs vetrsuclit hat.
138 Mielke:
Gliederung im Aufbau verursachte, würde das Haus sehr nüchtern erscheinen;
denn die wenigen Konsolen, welche die Front gliedern, vermögen diesen Ein-
druck nicht aufzuheben. Da selbst das obere Giebeldreieck fehlt, welches
allen älteren sächsischen Häusern eigen ist, so charakterisiert sich das
vorliegende als ein Rückschritt in der Entwickelungsreihe. Leider fehlt
mir ein besseres Beispiel und so mag denn dieses sich hier einfügen,
weil bei dem naturgemässen Gange vom Einfachen zum Reichhaltigen der
dem folgenden Hause aus demselben Ort (Fig. 10) vorhergehende
Typus die ganze Dachhälfte als einziges, hervorkragendes Geschoss gehabt
haben wird.
Es ist nicht gut denkbar, dass die bäuerliche Zimmerei einen plötz-
lichen Sprung von dem pommerschen (Fig. 8) zu dem hannoverschen
(Fig. 10) gemacht habe. Eigentümlich ist bei diesem, dass der obere Ab-
schluss des Giebels von Ziegeln ist, während das ganze Haus mit Stroh
o-edeckt ist. Dieses Firstdreieck scheint, von einzelnen Ausnahmen in
Holz abgesehen, der ganzen Gegend von Bückeburg bis Hannover an-
zugehören; ja manchmal füllt es fast die ganze obere Hälfte des Giebels
(Fig. 11). Fast scheint es, als ob diese Neuerung erst seit Mitte des
laufenden Jahrhunderts aufgekommen wäre, wofür spricht, dass diese so
charakterisierten Häuser fast durchgängig mit einem Schornstein ver-
sehen sind.
Zu welchen reizvollen Wirkungen die Ausbildung des Fachwerkgiebels
manchmal gesteigert werden kann, bezeugt ein Beispiel aus der Lüne-
burger Heide (Fig. 12), das zwar keinem Bauernhause angehört, aber doch
unbedenklich der Bauernarchitektur zugesprochen werden kann. Es ist
die Kirche zu Undeloh bei Egesdorf, eine Kapelle, deren doppelte Bau-
periode schon aus der Zeichnung zu ersehen ist. Die westliche Hälfte
bezeugt durch ihre Ausführung in Feld- und Backsteinen, durch die Dicke
der Mauern, durch die spitzbogenförmigen Fenster und den nachträglich
angefügten Strebepfeiler ein höheres Alter als die östliche, die als Fach-
werkbau sich als spätere Ergänzung des ursprünglichen Planes ausweist
und im engsten Anschlüsse au die Bauernhäuser der Gegend errichtet ist.
An die Stelle des grossen Einfahrtthores ist nur ein grosses Fenster ge-
treten; im übrigen haben wir eine direkte Bauernliausfassade vor uns. bei
der das zweimalige starke Hervorkragen zur ausgiebigen Verwendung der
Konsole geführt hat. Wahrscheinlich ist die Zweiteilung der oberen
Giebelhälfte, wie sie hier und an dem Wissinger Hause (Fig. 10) auftritt,
für die ehemalige Dachkappe anzusprechen. Bei dem letzteren ist auch
das Firstdreieck noch in dem Ziegelansatz erhalten, während es bei
der Kirche, vielleicht in Anbetracht des besonderen Zweckes, fehlt
oder wenigstens zu einer kaum noch erkennbaren Form zusammen-
geschrumpft ist.
Zur Giebelenhvickeluug des sächsischen Bauernhauses. 139
In der Altmark ist diesem Dreieck wieder eine erhöhte Bedeutung
zugesprochen. Dort giebt es Veranlassung zu einer erneuten Vorkragung,
so dass wir liier häufig das grosse Giebeldreieck dreifach durch horizontale
übereinander hervorkragende Linien gegliedert finden, die aber nicht mehr
durch Konsolen gestützt werden, sondern sich frei in reich bewegtem
Profil von der senkrechten Wand abheben und dann in der Regel den
Platz für die Weihinschriften abgeben. In der Mitte des Balkens, der in
dieser Weise die Basis des Firstdreiecks abgiebt, erhebt sich der Ständer,
welcher in diesem Falle das Giebelzeichen trägt (Fig. 13 aus Seethen
bei Gardelegen). Auch sind bei diesem Beispiel noch Löcher neben
dem Träger angeordnet, vielleicht die letzte Erinnerung an das einstige
Rauchloch. Auf den beiden Hälften des Dreiecks sind mit grüner Farbe
zwei vierblättrige Rosetten aufgemalt. In späteren, einfacheren Bildungen
verschwindet dann das Firstdreieck, nur der konstruktiv nicht zu ent-
behrende Schaft der Giebelblume bleibt übrig (Fig. 14 aus demselben
Orte).
Bei all den bisher besprochenen Häusern zeigt sich das Bestreben,
den Giebel nach der Emanzipation von der beengenden Fessel der Dach-
kappe als das für eine repräsentative Verzierung geeignetste Feld zu be-
trachten. Dabei ist man fast ängstlich bemüht, an den durch die geschicht-
liche Entwickelung sich ergebenden struktiven Elementen festzuhalten.
So bleibt nach wie vor der ganze untere Teil des Giebels von der Ver-
zierung ausgeschlossen; höchstens wird der obere, bogenförmige Thür-
abschluss aus mehreren Balken zusammengesetzt, um als Platz der Inschrift
zu dienen, die dann am Anfang und Ende von einer raukenartigen Blume
eingeschlossen ist. Beide, Inschrift wie Blume, sind im kantigen Relief
vom Grunde erhaben und mit weisser Farbe, seltener mit grüner, ge-
strichen, z. B. in <ler Altmark und den angrenzenden Teilen Hannovers.
In der letzten und glänzendsten Phase seiner Entwickelung wird aber
auch der untere Teil in den Kreis der künstlerischen Ausschmückung
hineingezogen, und so die ganze Fassade als eine Einheit betrachtet.
Erreicht wird das zunächst dadurch, dass die senkrechten Balken am
oberen Teil durch spitzbogenförmige Bretterverkleidung (Fig. 15 Haus aus
Warmbüchen bei Burgdorf, Lüneburger Heide, 1668 erbaut), eine
originelle und, wie mir scheint, nur der Gegend um Burgdorf eigentüm-
liche Bildung. Auf den Balkeneuden liegen die vorkragenden Langbalken
unmittelbar auf, ohne erst, wie sonst üblich, durch eine Schwelle ver-
bunden zu sein. Diese Langbalken, am vorderen Ende profiliert und
durch Konsolen gestützt, tragen dann das Giebeldreieck, das nach ge-
wohnter Weise wieder durch stark ausgesprochene Vorkragung in zwei
Teile gegliedert wird. Das untere trapezförmige Feld ist dann abermals
durch einen Querbalken in zwei Felder zerlegt, die dm-ch senkrechte
Stützen mehrfach geteilt sind. Dagegen ist das obere Dreieck ohne
140 Mielke:
weiteren Schmuck; nur der hervorragende Firstbalken wird durch eine
Konsole gestützt. Obgleich kein Giebelschmuck vorhanden ist, deutet der
Ansatz auf dem Firstbalken auf das einstige Vorhandensein eines solchen
hin. Ich bringe in Fig. 16 eines aus dem nahen Dorfe Kirchhorst, das
noch dadurch interessant ist, dass auch hier wieder das Firstdreieck in
zwar sehr verkümmerter Gestalt, aber doch noch deutlich erkennbar er-
scheint. Bis auf die Mauerflächen des unteren Teiles sind alle Teile der
Fassade mit senkrechten und horizontalen Brettern verkleidet. Eingesetzte
Rundbalken vermitteln dann den Übergang zwischen dem unteren und
oberen Teil desselben. — Bei einem anderen Hause in Gross-Horst
sind diese Rundbalken und die Kanten der Balken mit einem tauähnlichen
Ornament (Fig. 17) geschmückt, das bei den Fachwerkbauten Braun-
schweigs sehr häufig zu finden ist.
Auffallend ist bei diesem und dem nächsten Hause die Anordnung
des Thores an der Seite, doch befinden sich in denselben Dörfern auch
Häuser, bei denen dasselbe an gewohnter Stelle ist. — Das Haus in
Gross-Horst (Fig. 18, ohne Jahreszahl) zeigt im wesentlichen dieselbe
Fassade, nur ist der Raum zwischen den spitzbogenförmigen Verkleidungen
noch einmal durch einen Querbalken gegliedert und sind die Felder über
der oberen Konsolenreihe ohne Bretterschmuck. In der Zurückschiebung
des Hauptthores erinnert es an die beiden Häuser in Suderburg (Fig. 7).
An der rechten Seite ist noch ein Pferdestall angebaut^).
Es mag bei dem ersten Anblick zweifelhaft erscheinen, ob wir es hier
mit originalen Schöpfungen zu thun haben oder ob nicht bei der Nähe
Braunschweigs und Hildesheims, auch Hannovers, an städtischen Einfluss
gedacht werden müsse. Ich glaube aber dadurch, dass ich gezeigt habe,
wie sehr der niedersächsische Bauer an einzelnen, durch das Herkommen
geheiligten Elementen, wie der Dachkappe, dem Firstdroieck und dem
Hervorkragen der Geschosse, festhält, ein Argument zu haben, das für die
erste Mutmassung spricht. Ausserdem steht die Erscheinung der spitzbogen-
förmigen Verkleidung ganz isoliert da; es wäre doch wunderbar, dass sich
keine ähnlichen Bildungen in den Städten erhalten hätten.
Nicht wenig zu der eigentümlich reizvollen Erscheinung der soeben
besprochenen Häuser trägt die Verkleidung mit Brettern bei. Schon in
dem W i s s i n g e r Haus (Fig. 9) trafen wir sie an, und da sie auch in der
Altmark zu ausgebreiteter Verwendung gekommen ist, so scheint es fast,
als ob sie gerade nach Osten hin zunehme, was durch den märkischen
Hausbau auch bestätigt wird. Zu untersuchen wäre noch, ob das sächsische
1) Es befindet sich in dem Dorfe Kirchhorst ein verlassenes altes Haus, das der
Besitzer jetzt als Eemise benutzt. Vielleicht könnte die interessante Fassade mit wenig
Mitteln für das Volkstrachten-Museum erworben werden, um als Hofdekoration zu dienen.
Abgesehen von dem schönen Objekt, dürfte sich die Gelegenheit sobald niclit wieder zeigen,
ein solches zu erwerben.
Zur Giebelentwickelung- des sächsischen Bauernhauses. 141
Haus als selbständige AVeiterentwickelung dazu gekommen ist, oder ob es
dieselbe durch fremde (slavische?) Beeinflussung erhalten hat.
Als ein charakteristisches Moment erscheint beim sächsischen Hause
ilie Überkragung, sei es als schräge Dachkappe, sei es als senkrechtes
Giebelfeld. Aber abseits von dieser grossen Gruppe erscheint noch eine
zweite, die, inmitten anderer Haustypen, darauf verzichtet und sich nur
mit tler symbolischen Andeutung derselben begnügt. Sie ist namentlich
im nördlichen Teil der Mark vertreten. Schon in Bünde, zwischen Osna-
brück und Minden, erscheint ein Haus^) (Fig. 19), das lebhaft an märkische
Häuser erinnert. Noch ist die Dachkappe und das Firstdreieck, letzteres
als dreieckiges Loch, zu erkennen, aber die Yorkragung fehlt bereits, und
das Fachwerk des oberen Teiles ist mit Brettern, unten senkrecht und
oben wagerecht, bekleidet. Seltsamerweise ist das Dach über der Mitte
eingeknickt, was die Dachkappe besonders zur Geltung kommen lässt.
Die Basis der letzteren wird durch ein nach unten geneigtes Brett, das
von Konsolen getragen wird, gebildet, worüber ein auf der Ecke stehender
viereckiger Ausschnitt als Fenster angebracht ist.
In der Mark kommt der sächsische Typus häutiger vor, als in der
Regel vermutet wird, namentlich aber zeigt sich das Gebiet nördlich der
Spree von ihm durchsetzt, wo sich das fränkische Haus mit ihm in die
Herrschaft teilt. Allerdings zeigen sich bei ihm die Einflüsse des letzteren
unverkennbar. Fast nur der Giebeleingang und das hin und wieder vor-
kommende Leben von Mensch und Tier unter demselben Dache (aber
nicht in demselben Raum!) erinnern an den sächsischen Ursprung. An
die Stelle der Diele tritt häufig die Küche oder ein schmaler Gang, zu
dessen Seiten die Wohnstuben liegen. Den hinteren Teil des Hauses
nehmen dann die Kuh-, Ziegen- und Schweineställe ein. Bei grösseren
Wirtschaften sind Pferdestall und Scheune selbständige Baulichkeiten.
Fig. 20 und 21 sind solche, sächsischen Ursprung verratende Häuser aus
dem Dorfe Rohrbeck bei Spandau'). Während das erstere noch ein-
fach ist, iiat das andere auf den unteren Ziegelmauern ein zweites Stock-
werk aufgesetzt erhalten. Wie bei dem Bündeschen Hause (Fig. 18) haben
die oberen Giebelseiten (bei dem einen auch die Langseiten teilweise) eine
Bretterverkleidung, die, wie schon oben bemerkt, für die Mark Branden-
burg charakteristisch ist. Yom Rauchloch ist nichts mehr zu entdecken.
Die Trennung zwischen Holz und Mauerwerk ist durch ein schräg nach
unten geneigtes, von Konsolen gestütztes Brett hervorgehoben.
1) Icli konnte das Haus nur von der Balm aus betracliten, kann mich daher viel-
leicht in den Einzelheiten irren, doch ist der Gesaniteindnuk so, wie ihn die Zeich-
nung giebt.
2) Für das Alter liess sicli nur soviel ermitteln, dass beide Häuser als die ältesten
des Dorfes gölten.
142 Jiriczek:
Hat sich im Yerlaiife gezeigt, dass das sächsische Bauernhaus durchaus
uiclit auf eine architektonische Entwickehmg verzichtet, so geht diese doch
niemals über die Giebelseite hinaus. Mir ist kehi einziges Beispiel be-
kannt, das an einer anderen Seite des Hauses auch nur die geringste Spur
einer Schmuckform aufweist. Darin liegt ein unterscheidendes Merkmal
gegen andere Typen, die mit seltener Ausnahme der Rückseite, alle Seiten
in den Kreis der architektonischen Entwickelung ziehen. Ein anderer
Gegensatz ist der Verzicht auf selbständige Ausladungen, wie Umgänge,
Balkone, Freitreppen u. a. Nur im nördlichen Teil der Mark finden sich
und überdies höchst selten die dürftigen Ansätze einer Laube.
Die stilgeschichtlichen Merkmale lassen sich also in 5 Punkte zusammen-
fassen: 1) Die Beschränkung der Ausschmückung auf den Giebel, 2) der
Verzicht auf selbständige Ausladungen, 3) das Hervorkragen der Geschosse,
4) die symbolische Beibehaltung der Dachkappe und 5) die ornamentale
Ausschmückung des Firstdreiecks. Ohne Zweifel werden diese 5 Punkte
sich bei genügendem Material noch näher bestimmen lassen, vielleicht
kommt dann auch noch eine Ergänzung hinzu; in der obigen Studie ist
nur ein schwacher Versuch gemaclit worden, aus eitizelnen Beobachtungen
eine stilistische Entwickelung des sächsischen Typus herzuleiten. Ist diese
erst einmal klargestellt, dann dürfte sich für die mittelalterliche Stadt-
architektur noch so mancher w^ichtige Einfluss ergeben.
Fseröisclie Märclien und Sagen.
Aus dem F^röischeu übersetzt von
Dr. Otto Luitpold Jiriczek.
(.Schluss.)
XXV. Tröllanes.
So wird erzählt, dass Trolle gern Häuser der Menschen aufsuchen, um
sich in ihnen aufzuhalten und sieh in der dreizehnten Nacht zu vergnügen.
Nördlich von Nügvunes im Borgardal in Mikines ist ein kleines Haus für die
Schafhirten erbaut, damit sie in gewissen Jahreszeiten darhi liegen können,
wo der Grasgang weit vom Dorfe entfernt ist, wenn sie auf die Schafe achten
sollen, sie am Weideplatze und in der Nähe der Lagerplätze und Schnee-
schutzbauten zu halten und ihnen zu helfen, wenn sie vom Schnee ver-
schüttet sind. Eines Nachts ging ein Hirt so vor sich hin auf den Weide-
platz östlich in Borgardal, und weil ein greuliches Schneegestöber liber
ihn kam, gedachte er sich in dem Hause zu verkriechen; aber da er sich
dem Hause nähert, hört er darinnen (lepolter und Lärmen. Er ging nun
Fperöische Mäa'clien unrl Sagen. 143
zum Fenster, um hineinzuguckeii, uucl wurde uuu gewahr, dass das Haus
innen ganz voll von Trollen war, die sich unterhielten, tanzten und sangen:
„Trum, trum, tralalei, kalt ist's in den Bergen bei den Trollen, besser ist's
im Hause am Hügel „a Skiilavöllum'', trum, trum, tralalei, tanzet dicht
an den Thüren."
Übler soll es in Tröllanes zugegangen sein, was die nördlichste Siede-
lung in Kalsoy ist, denn dorthin kamen die Trolle jede dreizehnte Xacht
lärmend aus allen Himmelsrichtungen in so grosser Schar, dass die Be-
wohner zu dieser Festzeit von hier nach Mikladal flüchten und dort sein
mussten, so lange diese Herrschaft sich in Tröllanes unterhielt; davon hat
der Platz den Namen bekommen. So trug es sich einmal zu, dass ein
altes Weib nicht imstande war, mit den Bewohnern fortzuziehen und des-
halb in der dreizehnten Nacht zu Hause liegen musste ; sie legte sich unter
einen Tisch in der Rauchstube [Zimmer, in dem sich der Herd befindet]
und krümmte sich dort zusammen, dass die Trolle sie nicht sehen sollten.
Als es nun gegen den Abend ging, sah sie die Trolle durch die Thür
hereinwimmelu, wie wenn Schafe in die Hürde getrieben werden, so zahl-
reich, dass man sie nicht zählen konnte. Sie begannen sogleich zu tanzen
und spielen. Aber als sie am lustigsten waren und der Tanz am lautesten
donnerte, begann sich die Alte zu entsetzen und rief in ihrer Not aus:
„Jesus sei mir gnädig!" Als die Trolle diesen gesegneten Namen hörten,
den sie alle hassen und fürchten, begannen sie alle zu schreien und riefen:
„Gydja hat den Tanz gestört," und sie drängten sich alle, nm so schnell
als möglich zur Thür hinaus zu kommen, und haben seither nicht gewagt,
diesem Platze Unfrieden zu schaffen und auf Tröllanes zu gasten. Als
nun das Volk wiederum aus Mikladal nordwärts heimkam, erwarteten sie
die alte Gydja tot zu finden; aber sie war auf den Beinen und konnte
davon erzählen, wie es ihr mit den Trollen gegangen, und wie sie ver-
schwunden waren, als sie sie Jesus nennen hörten.
XXVI. Noas Arche.
An einer Stelle auf dem höchsten Teile von Kunoy liegt ein Brett
von Noas Arche; Muscheln und Seeschnecken sind auf ihm angewachsen.
Wenn sich Leute im Nebel hier im Gebirge verirrt haben, so sollen sie
zu demselben gekommen sein, aber keiner hat es gefunden, der aus-
gefahren ist, es zu suchen.
XXVH. Die Raubschärler').
In Hattarvik auf Fugloy lebten einmal in alten Tagen drei Männer,
welche Halvdan Llvsson, Högni Nov und Rögvi Skel hiessen. Hälvdan
1) Zur Übersetzung des fser, ^^Flokksinenn" nach Analogie von „Freischärler"
gebildet.
144 .Tiriczek:
Ulvsson war der stärkste von ihnen, denn er vermochte einen Stein zn
lüften, der noch auf der Weide dort gesehen wird und „Hälvdan Tlvsson
Hub" üenannt wird: der Stein misst acht Ellen nach der Dicke und zehn
Ellen nach der Länge.
Diese drei, die nun genannt sind, waren eines Herbstes im Gebirge
mit anderen Fugloyingern. Wie es Gewohnheit ist, hatte jeder Mann Schaf-
bänder mit sich; die Schaf bänder waren nicht gleichfarbig und auch nicht
gleich gut, und es kam deshalb zu Streitigkeiten unter den Treibern, weil
sich jeder die besten aneignen wollte. Aber weil diese drei Männer, die
vorher genannt sind, zusammenhielten, wagten jene ihnen nicht zu wehren,
die besten Schaf bänder zu nehmen. Diese drei sahen nun, dass sie die
Oberhand über jene gewannen, und es fiel ihnen da ein, hätten sie den
Willen dazu, da stünde es in ihrer Gewalt, sich erst Fugloy zu unterwerfen
und dann, wenn sie einige als Gefolgschaft für sich gewännen, alle Fjeroyer.
Und es dauerte nicht lange, dass sie beschlossen, das ins Werk zu setzen,
was früher nur in ihren Gedanken gewesen war. Aber das sahen sie, sollte
alles gut gehen, was sie vorhatten, so müssten sie bewaffnet sein, und des-
halb sandten sie einen Brief an den König und baten um Schwerter. Von
dort kam die Antwort zurück, dass die Faeroyinger friedliche Menschen
seien und deshalb bedürfe es keiner Schwerter auf den Faeroyern. Aber
sie waren hartnäckig und wollten sich nicht geben; sie schrieben dem
Könige wiederum und berichteten, dass auf den Faeroyern kein Friede sei
vor ausländischen Eäubern, welche das Volk beeren und erschlagen könnten,
ehe es jemand ahne. So ist es, wenn man hartnäckig ist: — sie erhielten
da Schwerter.
Nun soll der vierte Mann in Hattarvik mit Namen genannt werden;
er hiess Sjürd an der Gellingarä; er war wie jene drei gross und stark;
aber darin war er jenen ungleich, dass er ruhiger und stiller als sie war,
und selten war er ratlos; er war ein reicher Bauer. Diesen Sjürd wollten
jene drei als Teilnehmer gewinnen; aber als sie mit ihm darüber geredet
hatten, wich er ihnen immer aus und wendete es in Scherz. Er hatte zwei
Ursachen, so zu thun; die eine war, dass ihm das nicht gefiel, was sie
vorhatten, die andere Ursache aber war, dass er kurz vorher in Gata ein
Mädchen gesehen hatte, die Tochter des reichen Bauern „unten bei Hüs".
Ihm gefiel das Mädchen sehr, so sehr, dass, als er nach Fugloy zurück-
gekommen war, das Herz in Gata zurückgeblieben war ; er war daher zum
zweitenmale nach Gata gefahren und hatte um sie gefreit. Das Mädchen
hatte ihm so geantwortet: „Kommst du übers Jahr in demselben Boote
wiederum, wie du heute kamst, so soll geschehen, wie du willst." Weil
er nun an seine Hochzeit dachte, war er unwillig, eine solche gefäln'liche
Fahrt zu fahren. Aber nun hatten die drei sich das in den Kopf gesetzt,
dass Sjürd mit ihnen fahren sollte, und da er nun nicht im guten wollte,
kamen sie eines Ostermorgens früh in die Stube, wo er lag und schlief.
Faeröische Märchen und Sagen. 145
zogeu ihn unter der Decke heraus und versicherten, dass er das Leben
lassen solle, wenn er nicht darauf eingehen wolle, was sie im Sinne hatten,
und sich nicht mit ihnen verbinden wolle. Da liess er es sich gefallen.
So gingen alle vier vor die Thür, Hessen sich zur Ader und Hessen
das Blut zusammenrinnen, um zu sehen, ob alle in dem, was man nun vor-
hatte, gleichgesinnt wären. Aber das Blut Sjürds wollte nicht mit ihrem
Blute zusammenfliessen, und darum wurden sie zornig und sie sagten:
„Nun wollen wir dich töten, denn du willst nicht mit uns halten." Aber
Sjürd antwortete: „Das ist nicht so, wie ihr glaubt; ist so wenig Witz in
euch, dass ihr nicht seht, dass deshalb mein Blut mit eurem nicht zusammen-
fliessen will, w^eil euer Blut heiss ist, aber meines kalt?" Sie sahen da
ein, dass das wahr sei. An der Stelle, wo sie ihr Blut mischten, wuchsen
zwei Hügel aus der Erde, und sie sind bis heute gesehen worden.
Am (^lafstag [29. Juli obitus, 3. August translatio scti Olai] fuhren
diese vier Räuber oder Raubschärler, wie sie nun bald genannt wurden,
nach [Thors -]Havn, um mit den anderen Fgeroyingern über ihr Vorhaben
zu reden, sich alle F^eroyer zu unterwerfen, welche damals unter aus-
ländischer Herrschaft standen. Sie bekamen da fünfzig zur Gefolgschaft
als Unterstützung; die meisten von diesen waren aus Suduroy. So wurde
abgemacht, dass sie auf dem Gataisthmus sich treffen sollten, und sie
sollten sich gegenseitig daran erkennen, dass ihre Boote an der einen Seite
geteert sein sollten, und weiss an der anderen. Aber das war den Raub-
schärlern nicht zum Vorteil, dass sie andere als Gefolgschaft für sich ge-
wonnen hatten, denn da wurde ihr Vorhaben ausgetragen und bald auf
allen Fseroyern bekannt, so dass das Volk an den meisten Orten Wacht vor
den Raub schärlern hielt.
Als die vier Raubschärler wieder aus Havn heimkamen, versuchten
sie, sich ganz Fugloy zu unterwerfen. In Fugloy sind nicht mehr als
zwei Siedelungen: Hattarvi'k, wo die Raubschärler wohnten, und Kirkja,
welche so genannt war, weil eine Kirche hier erbaut war. Sie fuhren da
vollbewaffnet nach Kirkja; aber hier hieltend die Leute Wache, und als sie
die Raubschärler sahen, flohen alle aufs eiligste in die Kirche hinein, denn
die Kirche war ein geweihtes Heiligtum, so dass nicht der ärgste Räubej-
es wagte, hier den Frieden zu brechen. Als die Raubschärler das Volk
in die Kirche fliehen sahen, sagten sie zu Sjürd: „Du bist der schnellste,
Sjürd, beeile dich hinabzukommen und töte jeden, dessen du habhaft wirst."
Sjürd rannte da was er nur konnte, und als er zu den Häusern kam, sah
er ein kleines Kind, welches sie in ihrem Entsetzen vergessen hatten, in
die Kirche mitzunehmen. Sjürd wollte am liebsten das Kind wegschaffen;
aber er wollte auch, dass die Raubschärler ihn für tüchtig und böse halten
sollten, damit sie nicht wieder Verdacht gegen ihn fassen sollten. Er
stach daher den Speer in die Kleider des Kindes und warf es über eine
Hausreihe, um es vom Wege wegzubringen, denn jene hätten zweifellos
j46 Jiriczek:
das Kind getötet, hätten sie es gefunden. Aber weil er bebte, so warf er
so hart, dass das Kind steintot blieb, als es wieder anf die Erde nieder-
fiel. Die Fnssspur, in der Sjürct stand, als er das Kind über die Haus-
reihe warf, wird noch gesehen, denn dort ist später kein Grashalm ge-
wachsen. Weil sonst alles Volk im Dorfe in die Kirche geflohen war, so
dass ihnen nichts angethan werden konnte, mussten die Eaubschärler mit
langen Nasen nach Hattarvik zurückfahren.
Sie gedachten nun, es mit dem Bauer in Arnafjord zu versuchen und
zogen daher ihr Boot, geteert an der einen Seite, weiss an der anderen,
ins Wasser.
Als sie ein Stück vom Lande gekommen waren, entschlüpfte es Sjürd:
„Zu schön ist Eystfelli, davon wegzufahren!" Hälvdan ülvsson erwiderte:
„Schwächling, schöner sind alle Faeroyer." „Wenn du sie hast," antwortete
Sjürd. — Sie kamen nun zum Bauer in Arnafjord ins Haus; er war so-
wohl gross wie stark und leistete Hälvdan Widerstand; sie kämpften lange
miteinander und es schien gleich zu stehen. Als der Knecht des Bauern
dies sah, legte er sich vor die Füsse des Bauern, so dass dieser über ihn
fiel. Hälvdan ülvsson hieb ihm da mit seinem Schwerte das Haupt ab.
Als er tot war, wandte sich der Knecht zu dem kopflosen Körper und
sagte: „Nun erhieltest du Lohn für deine [schlechte] Milch."
Von hier fuhren sie durch den Hvannasund und dann hielten sie an
den Kunoyarklippen vorbei, denn sie wollten nach Kunoy. Als sie an den
Klippen vorbeikamen, war hier ein Boot auf der Ausfahrt; als die Männer
auf dem Boote sahen, wie jenes Boot gefärbt war, wussten sie sofort, dass
das die Raubschärler waren, und sie beeilten sich daher, in eine Kluft zu
fahren. Keiner von den Raubschärleru ausser Sjürd hatte das Boot ge-
sehen. Als die Raubschärler an der Kluft vorbeifuhren, musste ein alter
Manu in jenem Boote husten; sowohl Sjürd als Hälvdan Ülvsson hörten
das. Hälvdan sagte: „Hier ist ein Boot drinnen"; aber Sjürd antwortete:
„Immer hast du Verdacht; hörst du nicht, dass das die See ist, welche
sich in der Kluft bricht?" „Es kann sein, dass es so ist, wie du sagst,"
antwortete Hälvdan, und sie ruderten ihres Weges.
So wollte es der Zufall, dass ein Sohn des Bauern auf Kunoy an dem-
selben Tage draussen auf dem Grasgang war. Der Nordwestwind hatte
grosse Schneehaufen aufgehäuft. Als Ami — so hiess der Sohn des
Bauern — den Grasgang zu Ende gegangen hatte, war er müde, denn es
war viel Schnee vor seinen Füssen gewesen. Er hatte sich kaum nieder-
gesetzt, um sich auszuruhen, als er ein Boot sah, das zum Lande hielt. Er
rief sie an und fragte, wohin sie gedächten; sie antworteten: nach Kunoy.
Er war froh, dem Heimwaten durch den Schnee zu entgehen und bat sie,
ihn ins Boot aufzunehmen; das sei ihnen ein Vergnügen, sagten sie. Als
er ins Boot gekommen war, sah er einen Haufen Waffen hier; rückwärts
im Achtersteven lagen vier Schwerter, je eines für jeden Raubschärler;
¥
Fseröische Märchen und Sagen. 147
(lann hatten sie auch sowohl Äxte als Speere. Er begann da zu argwöhnen,
das möchten die Raubschärler sein, bei denen er im Boote war; Entsetzen
befiel ihn, wie zu erwarten steht, aber er liess sie das nicht an ihm merken.
„Willst du mit uns sein?" fragte Rogvi Skel Arni. „Wozu?" antwortete
Arni. „Die Fteroyer zu gewinnen," antwortete Rogvi. „Ja, das will ich,"
erwiderte Arni. Da sagte Rogvi: „Nun sollst du zuerst Vormann nach
Kuuoy bei uns sein, denn wir kennen uns nicht gut aus." „Das will ich
thun," antwortete Ami, „dorthin bekommt ihr keinen besseren Vormann
als mich; ich will nun den Weg in vier Teile teilen: das erste Viertel soll
Rogvi Skel steuern, das andere Högni Nev, das dritte Halvdan Tlvsson und
das vierte Sjürd.
Darauf sass er still und war wie zwischen Erde und Hölle, denn er
erwartete sich den gewissen Tod.
Da begann Sjürd: mit ihm zu reden, doch leise, damit es jene nicht
hören sollten, und sagte: „Nun ist dir der Tod gewiss, denn die Raub-
schärler schlagen dir den Kopf ab, bevor sie ans Land legen; ich weiss
keinen anderen Rat für dich, als dass du auf die flache Klippe unter
Kunoy springst und versuchst, von dort auf das Land zu springen; willst
du das versuchen, so werde ich das Boot dicht an die Klippe steuern."
Arni glaubte, von der Schäre an das Land springen zu können.
Halvdan Ülvsson bemerkte, dass sie im geheimen miteinander sprachen;
er rief Sjürd plötzlich an und sagte: „Was ist das, Sjürd, worüber ihr sitzt
und flüstert; warum dürfen wir das nicht hören?" Sjürd erwiderte still:
„Sage dem Volke, das wohl noch in der Kirche ist, dass sie nicht aus ihr
herausgehen dürfen; denn nirgends sind sie vor den Raubschärlern sicher,
ausser in einer geweihten Kirche. Denke nun wohl daran, was ich dir
gesagt habe." „Das will ich," antwortete Arni. Halvdan T'lvsson nahm
nun zum zweitenmale das Wort, war zornig und sagte: „Was für ein
Geheimnis ist das, worüber du mit ihm zu flüstern hast? Sitze nicht und
flüstere und flüstere, sondern sprich laut, dass wir hören können, was du
sagst." Sjürd antwortete: „Ich fragte ihn, ob die Kühe in Kunoy noch
ebenso fett sind, wie sie in alter Zeit waren, und er sagt, es sei so." Als
sie sich der Landungsstelle in Kunoy näherten, steuerte Sjürd dicht an die
Klippe, und als sie gerade au ihr vorbeifuhren, sprang Arni aus dem Boote
auf die Klippe und von dort auf das Land; die Klippe liegt aber sechst-
halb Ellen vom Lande, so dass ein Achtruderer dazwischen durchfahren
kann. Sjürd nahm eine Axt und warf nach Arni, aber mit Willen traf er
nicht. Halvdan Ülvsson sprang eilig auf die Klippe, um Arni zu ver-
folgen, aber er wagte nicht, auf das Land zu springen und musste deshalb
einen unbequemeren Weg fahren; der Kunoyinger, der leicht zu Fuss war,
kam ihm so um etwas voraus, aber als Halvdan sah, dass er ihn nicht
wieder erwischen konnte, schleuderte er die Axt nach ihm. Sie sauste
acht Faden in der Luft und kam dann auf den Fels in die letzte Fuss-
148 Jiriczek:
spur nieder, welche Ami getreten hatte. Das Loch von der Axt sieht
man noch heute deutlich im Felsen. Arni rief in die Kirche hinein und
warnte jeden, von dort herauszukommen, denn die Raubschärler seien ins
Land gekommen; darauf eilte er in das Gebirge und verbarg sich dort.
Als die Raubschärler zu den Häusern kamen, sahen sie, dass alle
Kunoyinger in der Kirche waren; sie begannen da daran zu denken, dass
es am besten wäre, zu versuchen, sich Freundschaft bei den Kunoyingern
zu gewinnen; sie verbargen darum ihre Waffen, bejahten, dass sie
Räuber seien, aber gelobten, dass sie den Kunoyingern nichts böses an-
thun wollten; und so war hier Friede und Freundschaft. Einmal, als dar-
über gesprochen wurde, dass geweihte Kirchen vor Räubern schützten,
fragten sie die Kunoyinger: ;„Wo ist die Kirche auf den Fasroyern, die uns
schützen kann?" Die Kunoyinger antworteten: „Das ist die Svinoykirche,
denn sie ist die letztgeweihte." Aber das war eine Lüge, denn die Svinoy-
kirche war die einzige Kirche auf den Fasroyern, welche ungeweiht war.
Die Raubschärler sagten, dass ihre Absicht sei, nach Tröllanes zu
fahren und fragten die Kunoyinger, wann es am besten wäre, dorthin zu
fahren. Die Kunoyinger antworteten: „Nord -Nordostwind ist die beste
Windrichtung" und höchster Stand der Westströmung ist die beste Meer-
strömung." Sie verweilten noch einige Tage auf Kunoy, dann aber schien
ihnen die beste Gelegenheit zur Überfahrt nach Tröllanes gekommen zu
sein. Als sie ein Stück vom Lande gekommen waren, war es so schlimm
in der See, dass sie nahe daran waren, unterzugehen; sie wagten deshalb
nicht, ihren Weg fortzusetzen, sondern kehrten nach Kunoy um. Die
Kunoyinger fragten da: „Warum kommt ihr so bald zurück?" „Wir kamen
nicht weiter wegen der Wut der See," antworteten sie. Aber die Kunoyinger
sagten da: „Wäret ihr weiter gefahren, so wäret ihr aus aller Gefahr ge-
kommen." Als die Raubschärler dies hörten, ermannten sie sich und fuhren
zum zweitenmale weg nach Tröllanes. Obwohl die See nun noch schlimmer
war, als das erste Mal, wollten sie nicht umwenden, sondern ruderten
geradeaus dicht zum Landungsplatz von Tröllanes. Aber hier ging die
Brandung bis zum Grase hinauf, über vierzig Ellen schoss sie die Klippen-
wand hinauf, so dass man nicht daran denken konnte, hier zu landen;
Wut war in der See und ein Sturm im Winde, so dass sie am Leben ver-
zweifelten. Sie steuerten deshalb nach Kunoy zurück und konnten gerade
nur von sich selbst Botschaft bringen [d. h. sie mussten zufrieden sein, ihr
Leben gerettet zu haben]. Sie sagten da zu den Kunoyingern: „Wir
kommen niemals nach Tröllanes; wir waren dicht am Landungsplatz, aber
es war nicht daran zu denken, au das Land zu kommen," und so schworen
sie einen teuren Eid darauf, dass sie nicht wieder versuchen wollten, nach
Tröllanes zu kommen, ehe sie sich alle F^eröer unterworfen hatten. Da
antworteten die Kunoyinger: „Wäret ihr um die Zange gekommen, welche
bei der Landung liegt, so war es erreicht." Aber das war eine Lüge, wie
Ffpröische Märchen imd Sagen. 149
alles andere, was die Kimoyinger den Raubschärlern gesagt hatten; würden
sie weiter gefahren sein, so w^ären sie ertrunken.
Die Raubschärler sassen nun ruhig auf Kuuoy, bis sich die Zeit
näherte, wo sie sich, wie abgemacht war, auf dem Gataisthmus treffen
sollten. Sie fuhren da eines Abends weg und steuerten an Götunes vorbei.
An demselben Abend waren die Vagleute auf der Ausfahrt; sie sahen das
Boot der Raubschärler und erkannten es an der Farbe, denn es war Mond-
schein, und flohen daher eiligst in eine Kluft an der Westseite von Bordoy.
Sjürd hatte das Boot deutlich gesehen, und als es in die Mündung der Kluft
einfuhr, bemerkte es Hälvdan Ülvsson. „Hier fuhr ein Boot in die Kluft,"
sagte er. Aber Sjürd antwortete: „Du siehst immer so viel; siehst du
nicht, dass das der Mond ist, welcher auf die Brandungswogen am Lande
scheint?" „Das kann so sein," dachte Halvdan bei sich, und so ruderten
sie ihres Weges. Hernach ist die Kluft Managjögv [Mondschlucht] ge-
nannt worden.
Nun ist davon zu berichten, dass die, welche die Amtsgewalt auf den
Fferoyern hatten, von dieser Zusammenkunft geliört hatten, welche auf dem
Gataisthmus stattfinden sollte, und die Fünfzig, welche sich die Raub-
schärler auf dem Thing in Havn zur Gefolgschaft gewonnen hatten, wurden
nun festgesetzt und konnten deshalb nicht kommen. An dem Tage, an
dem das Zusammentreffen stattfinden sollte, waren in Gata Fa?royinger aus
allen Gegenden, viele Hundert, zusammengekommen, um diese vier
Raubschärler von den Nordinseln zu fangen. Als sie nun mit ihrem Boote
landeten, das an der einen Seite geteert und weiss an der anderen war,
und diese ganze Menscheuschar sahen, und sahen, dass sie alle ihre Feinde
waren, aber keinen Freund sahen, keinen ihrer Männer, da wendeten sie
eiligst das Boot und ruderten aus Gata weg. Ihnen fiel ein, was die
Kunoyinger gesagt hatten, dass die Svinoykirche die letztgeweihte sei,
und deshalb nahmen sie ihre Zuflucht zu der Fahrt nach Svinoy. Sie
legten nördlich von der Landenge an, zogen das Boot auf das Land, gingen
über die Landenge und in die Siedelung hinab, und so vergnügt waren
sie da, dass sie wie kleine Jungen zu spielen und mit Steinen nach einem
Ziele zu werfen begannen.
Aber die Faeroyinger ermannten sich, wappneten sich aufs beste und
fuhren mit zahlreichen Booten nach Svinoy, um die Raubschärler festzu-
setzen. So ward erzählt, dass gegen siebzig Bote miteinander dorthin
fuhren. Als sie unterhalb der Landenge anlegten, sahen sie das Boot der
Raubschärler hier stehen und bekamen auf diese Weise zu wissen, dass die-
selben in Svinoy waren. Sie machten da* Halt und sandten die erste Schar
hinab, um die vier Männer zu ergreifen; aber die hörten da auf zu spielen,
ergriffen ihre Waffen und wehrten sich mannhaft. Als die Fjeroyinger das
sahen, sandten sie unverzüglich die zweite Schar gegen sie; aber die Raub-
schärler wehrten sich tapfer und es ist ungewiss, ob sie nicht gewonnen
Zeitschrift d. Vereins f. Volkskuude 1892. H
150 Jiriczek:
hätten, wären nicht so viele gegen sie gewesen. Die Faeroyinger sandten
da die dritte Schar hinab, und in dieser waren viele starke und wohl-
bewaffnete Männer. Als die Raubschärler sie kommen sahen, verloren
sie den Mut und flohen zur Kirche. Hier legten sie ihre Wafl'en vor der
Kirchonthür nieder, gingen darauf in die Kirche hinein und glaubten nun
ausser aller Gefahr zu sein. Aber die Fajroyinger wussten, dass die Svinoy-
kirche ungeweiht war: sie wählten daher die stärksten Männer aus, zuerst
in die Kirche hineinzugehen und an die Raubschärler Hand anzulegen; so
wurden sie festgenommen und gebunden.
So war das Urteil lange vorher gefallen, dass diese vier Raubschärler
aus den Nordinseln von der höchsten Valaklippe bei Skalabotn herab-
gestürzt werden sollten. Sie wurden da zuerst nach Gata geführt und zu
dem Bauern „unten bei Hüs" eingebracht.
Als die Tochter des Bauern Sjürd mit am Rücken gebundenen Händen
und zum Tode verurteilt sah, weinte sie und sagte: „Ich sehe, du kommst
als anderer heute, als du heute vor einem Jahr kamst, da du um mich
freitest;" das war just der Tag, den sie ein Jahr früher Sjürd bestimmt
hatte, als er um sie warb. Sjürd weinte und konnte vor Sorge und Kummer
kaum reden.
Die Gefangenen erhielten einige Zeit, um sich zum Tode vorzubereiten.
Hälvdan Ülvsson, Högni Nev und Rögvi Skel setzten sich da zu Tisch und
thaten sich gütlich an gedörrtem Fleisch und allerhand guten Speisen und
Getränken, aber Sjürd nahm sein Gebetbuch, um darin zu lesen, und bat
Gott, ihm seine Sünden zu vergeben. Als die Fasroyinger das sahen,
fassten sie noch mehr Wohlwollen gegen Sjürd; sie gedachten daran, dass
er gegen seinen Willen genötigt gewesen, Räuber zu werden, und dass er
versucht hatte, soviel Böses zu verhindern, als in seiner Macht stand, und
deshalb wollten sie ihm Leben und Sicherheit schenken. Aber Sjürd be-
gehrte sein lioben zu lassen; „ich habe in das Böse eingewilligt, das jene
begangen haben," sagte er, „deshalb will ich dieselbe Vergeltung empfangen
wie sie, und wenn ich diesmal losgekommen wäre, so könnte ich dazu
kommen, ein anderes Mal Böses zu thun."
Die Raubschärler wurden darauf auf die höchste Yalaklippe geführt,
von dort hinabgestosseu und unten begraben. Ihre Gräber sieht man noch
heute; die Gräber der Drei sind schwarz und hässlich, Sand und Stein;
aber das Grab, in dem Sjürd ruht, das ist schön; immer ist es mit grünem
Grase geschmückt.
XXVin. Orm, der Bauer auf Skali.
Ein Übelthäter wird auf den Pairoyern erwähnt, Orm, der Bauer,
„a ytra Skala" in Eysturoy. Er war gross und stark und besass viele
Äcker. Er befasste sich nicht mit dem Ausrudern und dem Liegen auf dem
Meere, sondern dachte umsomehr an seine Schafe, und da er nicht von den
Fseröische Märchen und Sagen. 151
seinigen [welche zum Speisen] zu nehmen sich entschliessen konnte, stahl
er sie seinen Nachbarn von der AVoide; denn das Leben dünkte ihm wenig
wert zu sein, wenn kein Fleisch zum Essen da war.
Pastur, der Bauer in Funning, war einer seiner Nachbarn. Orm war
oft im Hage des Funriingsbauern, um ihm Schafe zu rauben. Einmal
gellt Psetur durch seine Flur, und sieht dort Orm gehen und seinen Hund
nach den Schafen hetzen; aber er wusste, dass er das Leben verlöre,
hielte er nicht heimlich, dass er Orm auf unerlaubten Wegen gesehen
habe; er gedachte ihm deshalb aus den Augen zu kommen und ging weg;
aber Orm lief ihm geradenwegs nach. Psetur ging ruhig weiter und that
so, wie wenn er ihn nicht sähe. Orm kam nun zu Pcetur und sagte guten
Tag zu ihm, und er blickte sich da um und sagte, er sei erschrocken, als
er hinter sich reden gehört habe, denn er habe nicht erwartet hier einem
Menschen zu begegnen. Orm fragte ihn nun, ob er ihn nicht früher als
jetzt gesehen habe. Pastur verneinte es und sagte, dass er darum so
zusammengefahren sei, als ihn Orm anredete. Orm erwiderte, wie es
auch sei, er solle ihm nun einen Treueid schwören, was er ihn auch von
diesem Augenblicke an tliuu sehe, das sollte er nie einem Menschen kund-
thun; schwöre er das nicht hoch und teuer, so solle er nicht mit dem
Leben davonkommen. Orm stand nun mit der Axt in der Hand und
drohte ihn zu erschlagen ; Psetur wusste daher keinen anderen Rat sein
Leben zu bergen, als zu schwören, und so entkam er Orm diesmal. —
Einige Zeit verging nach diesem Ereignis, da fuhr der Funningsbauer
nach [Thorsjhavn; aber er hatte soviel dort im Süden zu thun und anderes
zu besorgen, dass er nicht mit dem Funningsboote zurück nach Norden
kommen konnte und sich von den Thorshavnern Überfahrt erbat, welche
ihn einige Tage später nach Strendur überführten, und von hier ging er
dann zu Fuss nordwärts über die Lisel. Er ging nun geradenwegs nach
Skäli, und weil der Weg am Hause Orms „a ytra Skala" vorbeiging,
konnte er nicht anders als zu Orm hineinzugehen, um ihn zu besuchen.
Orm war allein zu Hause und damit beschäftigt, Korn in der Rauchstube
zu dörren; kein Dörrhaus war hier, und deshalb benutzten sie die Raucli-
stube und dörrten auf einem Gestell, so dass zwei Stützen unter die Enden
desselben gesetzt waren, es zu stützen; dann wurde das Korn auf das Ge-
stell gelegt und Feuer darunter angezündet. — Orm war freundlich und
zuvorkommend gegen Paetur und bat ihn, in die Glasstube hinaus zu
kommen; hier tischte er ihm auf und legte ihm Fleisch und den ab-
gesengten Kopf eines Schafes vor; aber zum Unglück hatte Orm nicht
daran gedacht, die Ohren abzuschneiden, und Ptetur erblickt nun sein
eigenes Funningszeichen an den Ohren; er hat darum wenig Lust zu essen
und sagt schliesslich zu sich selbst: „so etwas ist schlimm". Orm er-
widert: „Iss du, es ist gut gekocht". Psetur sagt nun, es sei nicht des-
halb, dass es ihm widerstehe zu essen, als ob es nicht gut gekocht sei,
11*
152 Jii-iczek:
sondern es sei schwer, sein Eigentum und noch dazu das gestohlene zu
essen. Als Orm hört, dass er ihm Diebereien vorwirft, ergreift er die
Axt und setzt sich gerade in die Thüröffnung, um sie zu wetzen. Pstur
weiss sich nun keinen Rat, Orm unbeschädigt zu entkommen. Da fällt
ihm das ein, die Tischplatte von den Tischbeinen zu heben und auf Orm
niederzuwerfen, so dass er über ihn hinaus entkommen könnte, ohne
Schaden von ihm zu nehmen. Er thut so, bringt die Tischplatte in der
Thür zwischen sich und Orm und schwingt sich so an ihm vorbei in die
Rauchstube hinaus; dort packte er die Stützen, so dass alles Korn ins
Feuer unter 'dem Gestell fiel; er sprang nun zur Thüre und begann so
schnell wie möglich den Hügel hinauf zu rennen. Als Orm unter der
Tischplatte sich emporgearbeitet hatte, war Psetur verschwunden; — er
war so sinnlos vor Wut, dass er nicht beachtete, welchen Schaden Pjetur
in der Rauchstube angerichtet hatte, sondern sich so rasch als möglich ihm
nach hinaus auf die Beine machte. Erst hetzte er den Hund nach ihm,
aber Psetur hatte ein Stück Fleisch mit sich genommen und warf ihm
dasselbe zu, und so legte sich der Hund nieder, um dieses fette Fleisch-
stück zu verzehren. Psetur war rasch zu Fuss und soweit vorausgekommen
vor ihm, dass es Orm nicht gut möglich war, ihn zu fangen. Doch näherte
er sich Psetur mehr und mehr; Psetur wandte sich nun um und rief Orm
zu: „Sieh dich um — Feuer im Hause!" Als Orm das sah, dass die
Flamme aus dem Hause aufschlug, kehrte er schleunigst wieder mn, und
Paitur entging ihm diesmal ungeschädigt. Doch als Orm wieder hinab
kam, lagen die Häuser alle in Kohle, und daher wird der Hof seither:
„Zum verbrannten Haus" genannt.
Kurz nachdem sich dieses begeben hatte, traf der Funningsbauer Orm
wieder in seiner Mark, wo er einige Schafe gebunden hatte, von denen
Psetur nicht zweifelte, dass es die seinen waren; aber er wagte nicht, sich
mit ihm hier einzulassen und schlug daher den Weg nach Funning ein;
beide waren zu Ross, und Orm ritt ihm nach bis er zur Funningskleiv kam,
da wagte er sich nicht weiter, denn hier erblickt man das Dorf, und er
befürchtete nun, die Funningsleute würden kommen, um Pietur zu helfen
und den frechen Räuber Orm zu ergreifen.
Nun wird erzählt, dass Orm sich in die Mark des Oyrarbauers wagte,
um Schafe zu stehlen und rauben, wie er gewohnt war. So trug es sich
eines Tages zu, dass der Oyrarbauer mit seinem Sohne auf der Flur bei
den Schafen war. Sie begegnen dort Orm, welcher ein grosses dunkelrot-
braunes Mutterschaf genommen hatte. Jögvan, der Oyi'arbauer, sprang im
Zorn auf Orm los; sie kämpften lange; endlich gelang es ihm, Orm auf
die Knie zu drücken; aber er brauchte beide Hände, um ihn festzuhalten,
und befahl deshalb seinem Sohn, ihm das Messer aus der Scheide zu
ziehen; doch der Junge fürchtete sich, Orm nahe zu kommen und lief fort,
um sich in einer Schlucht in der Nähe zu verbergen. Während nun Orm
Fseroische Märchen und Sagen. 153
unter ihm lag und nicht wieder emporkommen konnte, da gelobte er dem
Teufel das äusserste Glied vom kleinen Finger, wenn er ihm aus dieser
Not helfen wolle. Als er das gelobt hatte, erstarkte er so sehr, dass er
den Oyrarbauer von sich abwarf, und tötete ihn nun mit der Axt, nahm
ihm die Kleider und warf die Leiche in einen Fluss unterhalb Typpafoss.
Er begann nun den Knaben zu suchen, der sich an einer mit liohem Grase
bewachsenen Stelle in der Schlucht versteckt hatte. Orm wagte nicht,
ihm hinab nachzusteigen, denn hier war es steil und beschwerlich; er be-
gann daher Steine auf ihn hinabzuwälzen, so dass ein grosser Block auf
ihn kam und ihn aus dem Grasfleck mitnahm; er fiel da tot in den Fluss
hinab. Orm klomm nun hinab und nahm seine Kleider, legte diese und
das Lamm auf den Rücken des Pferdes, setzte sich auf dasselbe und ritt
dann heim. Er war müde und legte sich zum Schlafe, aber rief laut im
Traume: „Die Kleider liegen unter der Mühle und die Leichen unter dem
Typpafoss". Die Knechte hören das, suchen unter der Mühle nach und
finden dort die Kleider, die sie als die des Oyrarbauern und seines Sohnes
erkannten; sie waren mit Blut besudelt. Sie gehen nun zum Typpafoss,
der eine Yiertelmeile oberhalb Skalabotn ist (in nordwestlicher Richtung);
dort finden sie den Bauer und seinen Sohn nackt und erschlagen. Diese
Nachrichten bringen sie so rasch als möglich zum Lögmann ; der Lögraann
lädt Orm, die Lögrettsmänner und alle Zeugen nach Stevnuväl, welches
der Thingplatz der Eystroyinger war; der Hügel ist zwischen den Fjorden
(Skalafjord und Funningsfjord) eine Yiertelmeile nördlich vom Dorfe zu
Skalabotn. Hier kamen viele zusammen, um gegen Orm zu zeugen; der
Funningsbauer war zugegen, aber so oft der Lögmann ihn fragte, hielt
er die Hände hinter dem Rücken und wies mit dem Finger auf Orm,
weil er nicht von etwas zu reden oder zu zeugen wagte, gebunden vom
Eide, wie er war, den er Orm geschworen hatte, wie vorher erzählt
worden ist.
Orm sass ruhig auf dem Thingplatz, bis der Lögmann das Urteil ver-
kündigte; alle Lögrettsmänner hielten es für zweifellos, dass Orm der
Mörder des Oyrarbauers war, und sie verurteilten ihn deshalb zum Tode.
Aber als der Lögmann das Urteil aussprechen wollte und sagte: „Aus
gerechten Gründen halten wir dich für den Mörder dieses Mannes "
da sprang Orm auf, nahm sein Ross, und mit verhängten Zügeln jagte er
gegen Skäli. Der Lögmann sandte nun drei der raschesten Lögrettsmänner
ihm nach auf den besten Rossen, die liier waren; er gebot ihnen, Orm
lebend oder tot zu ergreifen. Sie waren Orm so nahe, dass sie ihn immer im
Auge behielten; als sie bis auf eine Yiertelmeile vor Skäli waren, fiel eines
der Pferde bei ihnen und der Mann musste da gehen. Etwas näher dem
Dorfe Kumblabarm fiel das zweite Pferd, auf dem ein Lögrettsmann ritt
und das dritte war auf der Höraheide vollkommen erschöpft; nun gingen-
alle drei zu Fuss. Orm sieht dies und reitet geradenwegs ins Gebirge,
154 .Tiriczek:
aber auf dem Välshügel stürzte das Pferd und konnte ihn nicht länger
tragen. Orm musste nun seine Beine gebrauchen, aber einer der Lögretts-
niänner war rascher zu Fuss und ausdauernder, gegen den Hügel zu laufen,
und rannte gewaltig auf ihn zu; bei der Selaträschlucht war er Orm so
nahe, dass er sein Messer ergriff, sich auf den Ellbogen vorwärts warf und
ihm die Sehne an dem einen Fusse durchschnitt; Orm fiel da zur Erde.
Sie packten ihn, verschafften sich ein Ross, ihn zu tragen und gingen so
mit ihm auf den Thingplatz; da war Orm beinahe tot vor Erschöpfung.
Er wurde nun getötet und sie vergruben ihn bei Stevnuval, wo er auf alle
die Weiden schauen konnte, in denen er gestohlen hatte. Und nun ist
von Orm, dem Bauer auf Skali, erzählt worden.
XXIX. Die Hausfrau in Hüsavik.
Ein armes Mädchen, namens Sissal (Cäcilia) lebte einmal in Sküvoy;
sie hatte Unterkunft bei einem Bauer dort; als ein armes Geschöpf lag
sie in der Nacht unter der Mühle mit Lumpen bedeckt; tagsüber sass sie
(h-aussen auf der Weide, um die Kühe zu hüten, dass sie nicht in Gefahr
kommen oder von einer Wand abstürzen sollten. Eines Tages, als sie bei
den Rindern sass, kam eine Schläfrigkeit über sie uud sie schlief im
Sitzen ein und kam auf »las Gesicht zu liegen. Im Traume hörte sie
jemanden zu ihr sagen: „Du schläfst über Gold! Grabe unter dem Rücken
zwischen den beiden Seen, dort sollst du das finden, was dich reich
macht!" Sie erwachte, erfreut über diesen guten Traum; aber hier war
kein Rücken und kein See zu sehen und sie dachte deshalb, dass der
Traum nichts zu bedeuten habe und dass sie sich nichts von dem erwarten
dürfe, was er ihr versprach, sondern sie ging dann wieder nach Hause und
legte sich auf ihr Lager unter der Mühle, wie sie gewohnt war zu thun.
Am nächsten Tage geht sie wieder auf die Weide hinaus, auf denselben
Platz wie am Tage vorher; Schläfrigkeit befällt sie, sie schläft, sich vor-
beugend, im Sitzen ein und hört dieselbe Stimme zu ihr sagen: „Du
schläfst über Gold" u. s. w. Am dritten Tage geht es ihr ebenso. Sie
wunderte sich sehr darüber, tröstete sich, dass dieser Traum doch nichts
werde zu bedeuten haben und ging, einer alten Frau im Dorfe von allem
zu sagen, was sich zugetragen hatte. Die Alte grübelte lange darüber
nach, die Worte zu deuten, welche das Mädchen gehört hatte: endlich
sagte sie zum Mädchen, sie solle versuchen, dort zu graben, wo ihr Antlitz
auf der Erde gelegen hätte: der Rücken, von dem zu ihr im Traume ge-
sprochen war, werde ihr Nasenrücken sein und die Seeen die Augen;
grübe sie dort, so würde sich das Gold finden. Das Mädclien that so, wie
das Weib gesagt hatte und fand das grosse Goldhorn, welches Sigmund
Brestissou gehabt hatte. Nun ging sie froh nach Hause, brachte es zum
Bauer und zeigte ihm, was sie gefunden hatte und sagte ihm von allem.
Der Bauer sali, dass ihr das Glück folgen würde und sa,ndte das llorn
Fseröische Märchen und Sagen. 155
zum Könige nebst der Erzählung, wer es gefunden hatte. So wird erzählt,
dass das Gold so rein war, dass der König es nicht besser in allen Reichen
besass; er gab ihr den Wert des Hernes in Geld und noch dazu ein Land-
gut in Hüsavik. Für das Geld kaufte sie das ganze Land, das gegen
Hüsavik und Skarvanes liegt, und man glaubt, dass sie die reichste Frau
gewesen ist, die auf den Fteroyern gelebt hat.
Die Blockhäuser, die sie sich in Hüsavik erbaute, kamen ganz aus
Norwegen angetrieben, so zugeschnitten, dass sie gleich aufgestellt werden
konnten; nichts fehlte daran ausser dem Ljöarabogi^); diese Stube wurde
'die grosse Stube genannt und war ein Prachtwerk. Der Steinzaun, den
sie um den Friedhof errichten Hess, steht noch; die Wände der Heu-
scheune, der Grund des Boothauses, das Steinpflaster zwischen den Häusern
im Dorfe, alles erinnert noch an die Hausfrau zu Hüsavik. Alle diese
grossen Steine, die man hier sieht, vom Gebirge zu ihrem Hause herab-
zuziehen, benutzte sie den Neck; aber schliesslich ging es ihm schlecht:
als er über die Takkmoore mit einem grossen Steine kam, riss der Neck-
schwanz ab und man sieht ein Zeichen von ihm am Steine, der dort
liegt; aber der Neck verschwand in den „kleinen Teich" und lebt seit-
dem dort.
Die Hausfrau war böse im Herzen; so wird gesagt, dass sie zwei
Mägde lebendig in die Erde vergraben Hess: die eine in Teig [ein Acker],
die andere, welche Bryuhild hiess, im Brynhildarhügel. Wenn die Knechte
vom Feld heimkamen und die Karste auf der Schulter trugen, wurden sie
übel empfangen und bekamen wenig zu essen, denn da dachte sie, sie
wären faul gewesen und hätten wenig gearbeitet. Kamen sie aber heim
und schienen müde zu sein, zogen sie die Karste nach sich, oder waren
sie nass, wenn sie von der Ausfahrt kamen, so war sie sanft und gut und
empfing sie freundlich. In Skarvanes liess sie einen Acker herstellen und
die Erde mit Spaten wenden; sie hatte Viehställe an mehreren Stellen
oberhalb des Dorfes, in Kviggjargil und „am Hügel"; einige Wiesen werden
noch „Leinwiesen" [Linteigar] genannt, hier legte sie Leinwand auf die
Bleiche. Sie band die Felder um den Hof mit Runen, so dass kein Stein
auf sie herabfällt, obgleich kein Zaun um sie ist; wird Geröll von den
Klippen hinabgeworfen, welche gerade über ihnen hängen, so bleibt es
doch auf dem steilen Abhang liegen und kommt nicht herab.
Den Sohn der Hausfrau nennen einige Olaf, den Schäfer; der Enkel
war Einivald, die Tochter Einivalds war Herborg, die Reiche. Sie hatte
ein Kind mit dem Sohne Röalds, welcher [letztere] damals Lögmann [Ober-
1) Ljöarabogi -wird vom Wörterbuch erklärt als: „abgerundetes oder ovales Stück
Holz unter dem das Eauchloch (Ijuari) umgebenden Ralimen, durcli den die Stange,
welche an dem Deckel des Rauchloches befestigt ist, gesteckt wird, um mit ihrem Ende
an einen Querbalken gebunden zu werden." iJas Wort war unübersetzbar und wurde darum
beibehalten.
156 Jiriczek:
richter] war und auf seinem Hofe in Dal in Sandoy sass. Dieser Sohn
Roalds ging mit dem Boote bei der Tangbank, in der Nälie von Skarvanes,
unter. Als die Nachricht von diesem Unglück zu Roald gebracht wurde,
war Herborg dabei zugegen. Sie fragte da den Lögmann, ob ehi Kind,
wenn es im Mutterleibe war, das Erbe bekommen solle, wenn auch der Vater
tot wäre. „Das volle und ganze Erbe," antwortete Röald. Sie sagt da:
„Erinnert euch daran, die ihr es gehört habt!" und fiel in Ohnmacht, als
sie dies gesagt hatte. Nun erst vermutete der Lögmann, dass sie niit
einem Kinde von seinem Sohne gehen könnte, denn sie waren noch nicht
verheiratet. Sie hatte einen Sohn, welcher Asbjörn genannt wurde; er
wuchs bei seinem Grossvater Einivald auf, aber sie vertrugen sich nicht
gut, weil der Grossvater nicht vergessen konnte, dass er ein uneheliches
Kind war. Asbjörn liess sich in Skarvanes nieder und bekam die zwölf
Äcker vom Gebirge bis zum Strande von Hiisavik. Eines Tages trafen
sich die beiden, Einivald und Asbjörn, im Felde und begannen über die
Grenze zwischen Hüsavik und Skarvanes zu streiten; sie rauften sich lange,
und noch mehr als ein Jahr später waren die Gruben dort am Fusse des
Yestfjelds sichtbar, wo sie sich gerauft hatten; endlich neigte sich der Sieg
auf die Seite des Alten und er setzte die Grenzzeichen, wie sie zwischen
ihnen sein sollten. Asbjörn erbaute einen Zaun auf der Grenzscheide, doch
ist er heute nicht Grenzzeichen. Während er hin und herging und Steine
zu dem Zaune zusammenschleppte, sah er einen Mann mit einem Schurz
um die Lenden hin und her gehen «nd Steine schleppen, wie er selbst;
— er glaubte zuerst, dass das ein Huldermann sei, da er ihn nicht kannte;
aber dann entdeckte er, was das war — • das war er selbst, der sich als
Doppelgänger [i hamferd] gesehen hatte; er starb, ehe das Jahr zu
Ende ging.
XXX. Fämjin.
Doffin hiess ein Mann, der einmal in der Siedelung „am Hügel"
[ä Brekku] in Hof auf Suduroy wohnte. Er liatte von Kaufleuten, Avelche
dorthin segelten, Waren empfangen und war in grosse Schulden gegen sie
gekommen; er sagte, er könne die Schuld nicht aufbringen und sie ver-
sicherten ihn hoch und teuer, erhielten sie nicht den Wert dessen, was er
von ihnen bekommen habe, so sollte es ihm schlecht gehen, wenn sie
wieder nach Hof mit ihrem Schiffe kämen. Doffin wagte daher nicht
länger in Hof zu -bleiben, sondern übersiedelte mit allem, was er besass,
nach dem Westen der Insel, nach Yesturvik; so hiess damals die Bucht
und der Platz, der jetzt Famjin heisst. Der Sohn Doffins war in seiner
Begleitung; sie Hessen sich auf dem Herdalsberg nieder, welcher so gut
lag, dass, wenn Schiffe oder Männer sie angreifen wollten, es von hier
leicht gesehen werden konnte, Avenn sich jemand dem Hause näherte, und
es leicht war, ins Gebirge zu jfliehen und sich in Höhlen zu verbergen.
Fperöische Märchen und Sagen. 157
Doffiii scliaffte sich ein Boot an; sie ruderten beide allein aus. Eines
Tages, als sie auf der Ausfahrt waren, sahen sie ein unbekanntes SchifP,
das keines der Lastschiffe zu sein schien, die gewöhnlich zwischen den
Inseln segelten. Sie bekamen Lust, sich über dieses Schiff näher zn
erkundigen und zogen darum die Angelschnüre auf und ruderten auf das-
selbe zu; es erschien ihnen als ein Friedensschiff und sie legen mit dem
Boote an das Schiff und bieten ihnen frischgefangeue Fische zum Tausche
gegen alles an, was den Einsiedlern in Vesturvik annehmbar wäre. Zwei
Frauen sind auf dem Schiffe; sie kommen zum Scliiffsrand und sehen diese
Männer. Sie wundern sich über eine grosse Heiligbutte, die im Boote lag,
einen solchen Fisch, sagten sie, hätten sie nie zuvor gesehen. Doffin
fordert beide auf, ins Boot hcrabzukommen, um ihn näher zu besehen und
sie versprechen ihnen, zu versuchen, ob sie nicht eine andere Heiligbutte
fangen könnten, damit sie sie lebend sehen könnten. Es war windstill und
und die See spiegelglatt, so dass das Schiff nicht vom Fleck kam, denn
kein Hauch kam in die Segel; der Schiffer wollte daher den Frauen nicht
verwehren, dieses kleine Vergnügen zu geniessen. Sie setzen sich nun ins
Boot und Doffin rudert vom Schiffe. Doffin und sein Sohn finden Gefallen
an diesen Frauen und einigen sich darüber, zu versuchen, sie nach Hause
zu führen. Die Sonne schien klar und glänzte auf der spiegelglatten See;
— sie ruderten nun dort, wo die Schiffer die Sonne auf der See glänzen
sehen, denn dort konnten sie das Boot nicht sehen. Gegen Sonnenuntergang
verdunkelte ein Nebel die Luft und nun ruderten sie ans Land. Einige
Zeit, nachdem sie vom Schiffe weggefahren waren und nichts vom Boote
zu sehen war, begannen die Schiffer zu besorgen, die beiden möchten nicht
wiederkommen, sondern die Männer mit ihnen weggefahren sein; sie riefen
vom Schiffe: „Fä nii, fä, mi [gib mir, gib mir]!" und daher soll Vesturvik
den Namen Fämjin erhalten haben.
Als die beiden Frauen nun ans Land kamen und in die Hütte Doffins
geführt Avurden, begannen sie beide zu weinen; er versuchte sie zu trösten
und ging auf die Weide, um ein Lamm für sie zu holen und bat sie, es
zu kochen und zuzubereiten, wie es ihnen am besten däuchte. Das Schiff
lag hier vor dem Lande eine Woche und segelte hin und her; aber die
Brandung in der Bucht war so stark, dass sie nicht daran denken konnten,
zu landen; sie koiuiten auch nicht so verwegen sein, gering an Zahl und
waffenlos zu Doffin zu kommen, um die Frauen zu befreien, die er ihnen
geraubt hatte; es stand zu erwarten, dass er sich wehren würde und des-
halb mussten sie besorgen, Übles von Doffin und seinen Leuten zu er-
fahren, wenn sie eine so gewagte Fahrt versuchten; damit segelten sie
wieder fort, ohne die Frauen mit sicli zu bekomnuMi. Doffin l)egann sich
nun zu erkundigen, woher sie gekommen seien und erfuhr, sie seien aus
Frankreich und das Scliiff habe sie nach L'land bringen sollen, wo die
iiltore Fran ihren Mann hatte, aber das Schiff war von seiner Bahn nord-
158 Jiriczek:
wärts zu den Fferoyern versclilageii worden, da ein Sturm über dasselbe
gekommen war; das jüngere Mädchen war ihre Dienerin. Doffin und sein
Sohn nahmen jeder die seinige zum Weib und hier mussten sie nun bleiben,
weit verschlagen von Vaterland, Verwandten und Freunden. Nun kommt
der Schiffer nach Irland und erzählt dem Mann von allem, wie es sich bei
den PjBroyern zugetragen hatte; als er das erfuhr, dass die Frau ihm ge-
stohlen war, härmte er sich, liess ein Schiff ausrüsten und fuhr selbst aus,
um nach der Frau zu suchen. Sie kamen nach [Thorsjhavn und dort ver-
schaffte er sich ein Fahrzeug und gedachte nach Suduroy ihr nachzufahren;
aber im Skopunarfjord begegneten sie dem Pfarrer von Suduroy, der ihm
sagte, das nütze nichts, wenn er nach Süden führe, weil die beiden Frauen
verheiratet seien, die eine mit Doffin und die andere mit dessen Sohne,
und sie fühlten sicli so glücklich, hier zu leben, dass sie nicht mit Gutem
sich von hier wegführen lassen würden, und ausserdem werde Doffin und
die Dorfbewohner sie nicht fortlassen wollen, wenn man sie von ihnen
verlaugte. Als dieser ausländische Mann das hörte, wandte er zu seinem
Schiffe nach Thorshavn um; aber als er in die See stach, nahm er den
Priester mit sich hinaus, und er entkam nicht früher, als bis zwei Jahre
verflossen waren.
Doffin hatte mit seiner Frau eine Tochter, sie verheiratete sich mit
einem Manne, der sich in Fämjin in der Siedelung niederliess, die nun
Sjürdargard heisst; ihre Tochter war Kagnhild (oder Kannvä), sie ver-
heiratete sich nach Hörg in Sumbae. Viele starke Helden sollen von diesen
ausländischen Frauen in Fämjin stammen und unter diesen dürfen nicht
vergessen werden die Janssöhne Albert der Starke und Gilbert der Tüchtige,
von denen in anderen Sagen berichtet wird.
XXXI. Die Haube.
Die Haube ist ein grosser Stein, der am äussersten Strandrand bei
Fossä, nördlich vom Hvannasund, auf Vidoy, steht. Die Sage geht, dass
in demselben Augenblick, als Krist geboren wurde, dieser grosse Stein
zersprang.
XXXII. Die Schlacht im Mannafellsdal.
Auf dem Akraberg bei Sumbie hatten einige Friesen auf dem süd-
lichsten Teil von Suduroy ihren Wohnsitz. Als die schwarze Pest nach
Suduroy kam, starben alle Friesenhäuser aus; doch entging eines der Pest
und der Bauer darin heisst „der Bauer auf dem Akraberg". Er war ein
berühmter Mann seiner Stärke wegen und liatte acht stattliche und tüchtige
Söhne.
Zu derselben Zeit, als dieser Bauer lebte, wird erzählt, dass der Gh-uud
zur Kirchenmauer, welche noch in Kirkjubö auf Streymoy steht, gelegt
wurde. Der Bischof, der damals in Kirkjubö sass, wurde „Maus" genannt,
Pseröisclie Märchen und Sagen. 159
was doch ein Spitzname sein dürfte. Er orpresste von den Fgerojingeni grosse
Stenern, um die Kirche so prächtig als möglich zn erbauen; das missfiel
allen, und alle, die südlich der Horismeerstrasse (auf Sudurstreymoy, Sandoy,
Sküvoy und Suduroy) wohnten, verweigerten die Steuer und schlössen
einen Bund miteinander, dem Bischof Widerstand zu leisten. Doch der
Bischof brachte alle Männer aus den nördlichen Inseln auf seine Seite,
um sie anzugreifen. Die Nordmänner sollten auf Nordstreymoy zusammen-
kommen und ihre Schar sammeln, um gegen jene zu ziehen und sie dem
Bischof zu unterwerfen; als aber die Südmänner davon Kunde erhielten,
scharten sie sich auch in einen Haufen zusammen und fuhren eiligst nach
Norden jenen entgegen. Im Mannafellsdal [Mannfallsthal], das nördlich
von Kalbaksbotn ist, trafen sich die Heere und rückten zum Kampfe zu-
sammen. Die Südmänner zogen den Kürzern und mussten weichen; hier
ward ein grosser Mannfall; im Thale sieht man noch viele Hügel, wo die
begraben sein sollen, welche im Kampfe fielen; das Gras ist rot, und das
soll von dem Blute kommen, das hier floss. Nördlich vom Thale steht
ein grosser Stein, welcher „der Tisch der Brünnenmänner" genannt wird,
und das ist die Sage, dass er den Namen daher erhalten hat, dass die Nord-
männer hier ein Siegesfest hielten, als die Südmänner flohen. Auf diesem
Block liegt ein Stein, den die Nordmänner zum Hub benutzten; der, welcher
nicht imstande war, den Stein von der Unterlage zu heben, durfte nicht
mit ihnen in den Kampf ziehen.
Das Jahr darauf kamen die Südmänner wieder, um die Niederlage zu
rächen, die sie erlitten hatten. Da fand der Kampf im Thale bei dem
Dorfe im Kollafjord statt, und nun siegten die Südmänner. Sie hatten
den Bauer auf dem Akraberg und seine Söhne als Spitze und als die
Ersten im Kampfe gewonnen. Zwei Wikingers chiffe , welche im Süden
gewesen waren, hatten sie zur Hilfe bewogen und sie waren nach Norden
gekommen, um weit umher in den nördlichen Dörfern zu beeren und zu
rauben; darum wagten sich viele von den Nordmännern nicht vom Hause,
weil sie die Weiber nicht allein zn Hause zurücklassen durften, solange
man diese Heerfahrt zu fürchten hatte. So ging es diesmal, dass die Süd-
mäuner den Sieg über jene Partei gewannen und viele Leute töteten. Der
Bischof musste entfliehen und entkam glücklich nach Birkjubö auf den
Bischofssitz; aber die Südmänner wollten nicht auseinander gehen, ehe sie
den Bischof getötet hätten un<l setzten ihm deshalb nach. Docli wagte
niemand, die Thür zu erbrechen und hineinzugehen und Hand an ihn zu
legen, denn sie waren alle bange, vom Papste gebannt zu werden und
deshalb vermochten sie den Bauer auf dem Akral)erg, der Heide war, ihn
zu töten. Er stand draussen und rief in die Stube hinein: „Ist die kluge
Maus im Hause?" Der Bischof antwortete:
160 Jiriczek:
„Nun sitzt Maus zur Abendmahlzeit am Tische, (a)
er floh nicht vor einem berühmteren Manne im Norden, («)
aber wisse, du zorniger Belsmann, (b)
dass Maus Ruhe bei der Mahlzeit haben avüI!" (6)
Der Bischof stand da vom Tische auf, legte deu Biscliofsornat an und ent-
kam auf die Kirchenmauer, mit einer Axt in der Hand, um sich zu wehren.
Der Akrabirgisbauer und seine Söhne wagten niclit, ihn hier anzugreifen,
weil er eine Waffe hatte und die Mauer geweiht war. Doch gelobten sie,
er solle nicht entrinnen, und sie standen deshalb unter der Mauer, um ihn
zu verhindern, herabzukommen, ehe er sich selbst ergäbe. Drei Nächte
und Tage währte dies so; aber als der dritte Tag gegen Abend neigte, fiel
der Bischof vor Hunger und Durst in Ohnmacht und fiel von der Mauer
auf die Erde herab; er raffte sich zwar nach dem Falle auf, aber da wurde
er gleich vom Bauer erschlagen.
Als der Bauer auf dem Akraberg gestorben war, siedelten sich seine
Söhne in Sumbae an und wurden gekristnet.
XXXHI. Der Kormoran und der Eidervogel.
Der Kormoran und der Eidervogel wollten beide Dunen haben: es
war einem von ihnen angeboten, sie zu bekommen, und sie sollten sich
selbst darüber einigen, wer von ihnen der sein sollte, der sie bekäme.
Aber das war eine schwierige Sache, sich darüber zu verständigen, denn
keiner wollte dem anderen nachgeben — beide wollten gleich gern Dunen
haben. Damit mm dieser Streit zwischen ihnen ein Ende nehmen möchte
und sie nicht beide die Dunen verlieren sollten, so dass sie keinem von
ihnen zum Xutzen gereichten, kamen sie über den Beschluss überein, dass
derjenige von ihnen, welcher am nächsten Morgen früher erwache und dem
andern anzeige, wenn die Sonne über dem Meeresrand auftauche, der solle
die Dunen haben, um sich damit zu wärmen. Beide, Kormoran und Eider-
vogel, setzten sich da an den steinigen Strand, einer neben dem andern, als
der Abend dämmerte. Der Kormoran wusste wohl, dass er hart zu schlafen
pflegte und schwer aufwachte, wenn er fest eingeschlafen war; aus Furcht
davor, beim Sonnenaufgang nicht zu erwachen, gedachte er, die ganze
Nacht nicht zu schlafen; dann, glaubte er, sei es zweifellos, dass er die
Dunen erhielt, die wohl eine Nachtwache wert waren. Und nun setzte
sich der Kormoran ganz stolz darüber, dass er^ der sonst Schlafmütze hiess,
die ganze Nacht nicht schlafen solle rmd den Eidervogel sah er in festem
Schlafe neben sich sitzen. Den ersten Teil der Nacht ging es erträglich
gut, aber als es länger dauerte, begann er schwer zu werden und musste
mit dem Schlafe kämj)feu, der ihn zu übermannen anfing. Doch sass er
noch halbwach und natzte, als es vom Tage zu leuchten anfing; da rief
er vor Freude über sich selbst: „Nun blaut es im Osten!" Über diesen
Ruf erwachte der Eidervogel, der nun ausgeschlafen war; dagegen war
Fseröische Märchen und Sagen. ' 161
der Kormoran so schläfrig, dass er die Augen nicht offen halten konnte
und nun natzte, wo es am meisten darauf ankam, zu wachen. Als die
Sonne aus dem Meer aufstieg, war der Eidervogel nicht faul, dem Kormoran
anzusagen: „Tag im Meer! Tag im Meer!" So erhielt der Eidervogel die
Dunen; der Kormoran musste noch mehr biissen; er verlor die Zunge,
weil er nicht schweigen konnte, wo es galt zu schweigen, und das wendet
man oft in der Rede an, wenn jemand plauderhaft ist, und fragt: „Warum
ist der Kormoran ohne Zunge ?"^, damit er an seine eigene Zunge denken
kann und in Bezug auf <las, was nicht gesagt werden soll, ihr einen Riegel
vorschiebt.
XXXIV. Narrensagen.
Viele Spottgeschichten gehen über die Skardleute auf den Nordinseln
und ihre Dummheit in alten Tagen, wie auch über die Famninger auf
Suduroy.
Eines Abends sah man von Skard in Kunoy den Mond auf den Berg-
spitzen südlich von dem Dorfe; — wer dort oben gewesen wäre, hätte ihn
mit den Händen greifen und nach Skard; herab mitnehmen können; das
wäre etwas sehr Bequemes gewesen, meinten sie, ihn die langen Winter-
abende bei sich zu haben; da würde das nichts macheu, wenn kein Thran
zum Einschütten in die Lampe da war — der grosse scheinende Mond
könnte wohl für sie leuchten. Sie halten es daher für rätlich, dass alle
Männer im Dorfe, die gehen konnten, auf das Gebirge nach dem Monde
steigen und ihn herbeischaffen sollten, um damit wie mit einem Spielzeug
zu spielen und ihn zu heben, dass er ihnen hier immer leuchte. Sie thun
so, froh über diesen witzigen Rat, und steigen schleunigst auf den Berg,
wo der Mond lag, aber oh! als sie dort hinaufkamen, war kein ]Mond mehr
auf dem Berge , er war hoch in die Luft gefahren vor ihnen und weiter
südwärts gegangen, so dass niemand so lange Arme hatte, dass er ihn hätte
erreichen und fangen können. Zurück ins Dorf hinunter ohne den Mond
zu fahren liielten sie für eine allzu grosse Schande; sie gehen da eiligst
auf eine höhere Spitze, die südlicher w^ar und dachten, dort müssten sie
ihn wohl fangen, und es sah auch so aus, als ob ihnen das glücken sollte,
denn je weiter hinab sie von der Bergspitze kamen, desto tiefer sank der
Mond auf die südliche Bergspitze herab, und nun trösteten sie sich und
rannten, was sie nur konnten, auf jenen Berg; aber als sie auf ihn hinauf-
gekommen waren, war der Mond wieder fort. Sie glaubten nun-, der Mond
fürchte sich vor ihnen und begannen von einer Spitze zur- anderen zu
rennen und riefen alle so schmeichelnd, als sie nur konnten:
Mond, Mond, komm in meine Tasche, (o)
du sollst Butterbrot dafür bekommen, (a)
Aber der Mond wollte nicht in die Tasche der Skardmänner kommen und
nicht ihr Butterbrot haben, sondern fuhr seines Weges weiter, über anderen
\Q2 Jiriczek:
als ihnen zu leuchten; erschöpft und todmüde kamen sie nach Hause, aber
keinen Mond brachten sie mit sich.
Eines Morgens gegen Sonnenaufgang kam ein Mann von Osten nach
Famjin gegangen. Als er über den letzten Hügel hinabkommt und sich
dem Dorfe nähert, sieht er ein Mädchen in dem Hause, das dem Wege
zunächst lag, eilig mit einem. Troge in der Hand ein- und ausgehen. Er
sieht, dass der Trog leer ist und fragt darum, was sie da schaffe. Sie
antwortete, dass sie die Nacht heraus- und den Tag hineintrage, damit das
Taa-eslicht in die Stube kommen könne.
Eines Abends war Windstille in der Bucht in Famjin und der Mond
spiegelte sich so klar in der See. Ein Fämninger hatte von einem grossen
Wal gehört, welcher „der rote" lieisst, und als er nun dieses glitzernde
Eote im Wasser in der Bucht sieht, läuft er durch das ganze Dorf und
ruft: „der Rote ist in die Bucht gekommen, kommt nun rasch hinab, ihn
zu erschlagen und zu verteilen." Er wusste, dass oft Seehunde mit der
Flut über die Sandbank in die Bucht hereinkamen; wenn dann die See
wieder zurückwich und es draussen auf der Sandbank seichter wurde,
wollten die Seehunde wieder die Tiefen im Meerbusen aufsuchen, und da
pflegten die Fämninger auf die Sandbank hinauszufahren und die Seehunde
zu erschlagen, während sie über die Sandbank hinüber sollten. Nun hören
die Fämninger, dass das nicht wie gewöhnlich ein Seehund ist, sondern
ein grosser Wal, der in der Bucht ist, und sie sind so erfreut über diese
Botschaft, dass sie sich beeilen, das Korn aus den Tonnen in den Fluss
zu schütten, damit sie diese leeren Gefässe zum Einschneiden des Speckes
vom Walfisch benutzen könnten; — der Wal sollte ihnen das geben, was
mehr wert war, als einige Tonnen Korn, Speck und Fleisch. Sie fahren
nun auf die Sandbank hinaus mit Holzkeulen, Messern und anderen Ge-
räten, um den Wal zu töten und zu verteilen; — aber nun stand es übel,
— kein Wal und nichts zum Einfüllen in die leeren Tonnen, und mit
hängenden Ohren mussten sie ohne irgend etwas nach Hause zurück-
fahren.
Einmal gegen Sonnenuntergang standen einige Fämninger vor den
Häusern und als die Sonne eben in die Meerestiefe dort westlich vom
Dorfe sinken sollte und den Meeresrand so gross und rot berührte, kam
ein grosser Schatten vor sie und das sah so schrecklich wunderlich aus.
Ja, wie es natürlich war, hörte man das bald in den Häusern, dass etwas
Seltsames zu sehen war, und wenn man so etwas in Famjin erwartete,
waren die Dorfbewohner vor Neugierde nicht faul, sich zusammenzurotten
und sich zu erkundigen, was das sein könnte, das das Volk in Haufen
Fseröische Märchen und Sagen 163
herzog. Alle kamen sie nun heraus, diese Wundererscheinung westlich
im Meere zu boobacliten, und alle wollten gern wissen, was dieses grosse
Glänzende zu bedeuten habe, das sie vor sich sahen. Sie äusserten sich
darüber verschieden: der eine sagte, das sei ein Tier, das über tlas Meer
ginge und die Sonne verschlänge, ein anderer glaubte, das sei ein Berg,
eine schwimmende Insel und manches andere, ebenes und unebenes, wurde
vorgebracht. Weil niemand von seiner Meinung ablassen wollte, begannen
sie zu streiten, und so heftig zankten sie sich, dass sie nahe daran waren,
sich zu prügeln. Da ergriff einer der Friedlichsten unter ihnen das Wort,
der verständigste Beschluss sei, die alte Rannvä zu holen. Sie wurde da
schleunigst herausgetragen und als sie eine kleine AVeile auf das, was den
Unfrieden stiftete, geschaut hatte, sagte sie: „Das ist die Klsemintskirche,
welche aus dem Meere aufkommt." Das hielten nun alle für etwas ge-
sprochen, und in dieser Zuversicht wurden sie alle ruhig und gingen in
Frieden jeder in sein Haus, denn sie war die weiseste im Dorfe und nie-
mand zweifelte daran, dass ihr Wort das richtige sei.
Anmerkungen.
ir. Zwei Märchen, die mit dem Hulderglauben Zusammenhang haben, stehen in
Antiqu. Tidsskrift af det kgl. nord. Oldskriftselskab 1849 — .51 cKjöbenhavn) S. 322ff.
und 327 ff. (mitgeteilt von Hammershaimb).
In Debes' Faerose et Fjeroa reserata (1673) finden sich verballhornte Andeutungen
von Huldermärchen und Hulderglauben: S. 321 (ein Mädchen verschwunden), 323 (ein
Manu sieben Jahre bergentrückt), 323 (ein Jüngling von einem [Hulderjmädchen verlockt),
324 (ein [Hulder] mann entführt ein Kind), 335 („Huldemsend" genannt); S. 329 f.
III. Über Türken auf den Fceröern (1629) s. Debes S. 230
Die Flüchtlinge hängen schwarzes Tuch vor, damit der Eingang der Höhle da-
durch in der gleichförmigen schwarzen Farbe der faeröischen Felsen verschwinde.
Es möge hier liervorgehoben werden, dass der fser. Volksglaube (nach Mitteilung
Jacobsens) nur weibliche Wichtein kennt.
IV. Verschiedene Zauberformulare in poetischer Form finden sich in Niels
Winthers Fieröernes Oldtidshistorie (Köbenhavn 1875) S. 373 ff.; vgl. auch 351 f.
V. In Landts Beskrivelse over Fseröerne (Köbenhavn 1800) S. 445 werden die
Nidagrise erklärt als „smaa Skabninger i meuneskelig »Skikktdse med röd Hue paa Hovedet,
de medföre Hfeld i den Gaard, hvor de opholde sig. Vattrar ere gode Aander, som mest
opholde sig ved Kirkegaardene." Landt hat willkürlich die norwegische Nissenvorstellung
auf den Nidagris übertragen und offenbar Wichtein und Nidagrise verwechselt.
X. Vgl. Debes S. 171 („Haffrü" gesehen worden).
XII. und XIII. Vgl. Debes S. 22: det er fast huer Mands Suack udi Landet: huor-
ledis Satan om Nattetjder, naar de tjligen ere udroede oni Vinteren .... er . . . aaben-
bared for dennem udi en Baafls Lignelse med Fiskere udi Baaden og ald Fisker Reed-
skab; hafver taled med dennem, gifvet dennem Fiskeragn, hafver sagt dennem huor god
Fiskermed var at finde.
XVII. Eine Variation (mehrere Riesen) s. Winther S. 20.
Verwandlungen von Rieseu in Stein s. Winther S. 15. 21. 22; eine Bergspitze auf
Vagö heisst Troldkoneflnger (Landt S. 68).
164 Jiriczek: Faeröiselic MärcliPii uiifl Sagen.
Die Isländer galten den Fseringeru überhaupt als zauberkundig, s. Winther S. 336;
alle diese Sagen beweisen die Antagonie zwischen beiden Völkeni, die das fseröische
Sprichwort ausdrückt: Tad er ringt, id ikki livir meira, enn Island livir Föroyum
(FA. 446).
XIX. Schon Debes, S. 165, erzählt diese Sage, doch von dem Baum erwähnt er
nichts. Der „einäugige"' Wal ist der isl. andhvalr (fser. döglingur), balsena rostrata: nach
Debes fast ausschliesslich im Qvalböfjord in Suduroy vorkommend (S. 165), wohin er nach
dem Schelten der Mikjunesbewohner sich zurückgezogen habe (S. 166) ; sein Fleisch sei un-
geniessbar (S. 164): die „siila" wird von Landt S. 259 als Pelicanus Bassanus definiert und
kommt nach ihm nur auf Mikjunesholm vor (S. 73. 259); vgl. auch Debes S. 182. — Über
,.Riesengräber" s. Winther S. 171, wo auch eine Sage mitgeteilt ist.
XX. Über Wälder auf den Fa^röern vgl. Landt S. 3821, Winther 8.8. 9 (in der
Anm. die Litteratur über Wälder auf Island). — Eine ganz abweichende Sage über das
Verschwinden der Wälder s. Winther S. 18 f. nach Pastor Schröter, über dessen Vertrauens-
würdigkeit man die Anm. zu XXXII vergleiche.
XXI. Schon bei Debes S. 21. Über schwimmende Inseln s. ib. S. 19 ff. — Leichte
Variation bei Winther S. 16 f.
XXII. Eine Variante s. Winther S. 19.
Wer Kälv der kleine (Kälvur litli) ist, weiss ich nicht. Winther S. 18 Anm. 6 ver-
weist auf einen Priester Kälvur litli der ..under Catolicismen var paa Sandö og hvis
Grusomhed endnu lever i P^olkets Minde"; woher er diese Nachricht hat, ist mir un-
bekannt. — Biebergeil als Mittel, Wale zu vertreiben, s. Debes S. 167, Winther S. 352.
XXIII. Eine andere Sage über die Entstehung von Wii'beln (zwei feindliche
Schwestern) bei Winther S 22. Debes, S. 29, erzählt, die Einwohner glaubten, dass Wirbel
plötzlich auftauchen, wenn Eisen im Boote sei (Boffverne kumie ikke fordrage Jernet i
Baaden).
XXVI. Ganz abweichend bei Winther S. 10 und 11 Anm. 2, wo zwischen Noas Arche
und dem Brett geschieden wird; letzteres ist bei W. ein Baumstamm, aus dem Blut fliesst,
wenn man ihn schneidet.
XXVII. Schon Debes kennt diese Sage (S. 234 f.)
XXVIII. Zu dem merkwürdigen Zuge, dass Orm an einer Stelle bestattet wird, von
wo er über die Länder sehen kann, vgl. Winther S. 168: Auf Vägö ist ein Hügel, der
Öttisheygjur heisst: ein (unbekannter) Ötti soll sich ihn zum Begräbnisplatz ausgewählt
haben, weil er von dort seine Läudereien übersehen konnte. Dieser Zug ist gewiss
heidnisch.
XXIX. Von einem Goldhorue Sigmunds wissen weder die „Fsereyingasaga" noch das
fjeröische Sigmundarkvsedi etwas; es ist wohl eine dunkle Erinnerung an den Goldi-ing
Sigmunds (F?er. S. S. 28). Über noch lebende Erinnerungen an Sigmund s. Winther S. 142.
158. Sagen von vergrabenen Schätzen s. Winther S. 86 f.
XXX. Die Sagen von den Janssöhnen kommen in den mir bekannten Quellen und
Werken über die Faeröer nicht vor.
XXXII. Über die Friesen auf dem Akraberg teilt Schröter, Ant. Tidsskr. 1849—51
S. 145 ff., eine Sage mit, die trotz Schi-öters Unzuverlässigkeit doch echt sein düi-fte,
wenigstens dem Kerne nach. Vgl. auch die fieröische Frisa visa (FA. 268 f.), deren Wert
als histor. Zeugnis für die Anwesenheit von Friesen auf den Fseröern doch dadurch be-
deutend geschwächt wird, dass dieselbe Visa auch isländisch existiert; das Spiel (ohne
Nennung der Friesen) findet sich auch im Schwedischen (,in der Sammlung von Geiger
und Afzelius). — In Kirkjubö hatten die fseröischen Bischöfe ihren Sitz; die dortige
Kirche ist die einzige Steinkirche auf den Faeröern; daneben eine alte Mauer, die zu einer
Kirche bestimmt war. S. Landt, S. 61 f. Schröter hat a. a. 0. S. 147 ff. eine Sage: „Wie
Kirkjubö Bischofssitz wui-de" nebst historischen Anmerkungen mitgeteilt; Gustav Storni
hat jedoch in Norsk Historisk Tidsskrift II. R?ekke IV Band (Kristiania) S. 253 ff. 1884
Volksspgpii aus dem Böhmorwald. 165
die Sag-fi Schrötei's als eigenes Macliwerk desselben nachgewiesen. — Wer Bischof Miis
war, ist unl)ekannt. Eine Andeutung der Schlacht im Mannfellsdal findet sich bei Debes,
S. 233.
XXXIII. Kormoran, fser. skarvur (Phalaerocorax cormoranus et cristatus).
Eine andere Vogelsage siehe bei Winther S. 403.
XXXIV. Mit dem „roten" Wal ist die Walart Balaena Ply-salis g-emeint, die nach
Landt, S. 240, nicht lebend bei den Fieröern gesehen, aber öfter tot angetrieben wird.
Nach Debes, S. 107, sah man zu seiner Zeit den Rotwal [„Röcr"] lebend bei den Inseln.
Volkssegen aus dem Bölimerwald.
Von J. J. Ammanu in Krunimau.
(Vgl. Jahrgang 1891. S. 197. 307.)
III. Kircliliclie Segen und Gebete gegen Böses und Übles
im allgemeinen.
1. Gegen Unglück im allgemeinen.
Der folgende Segen wurde in Malsching in der Schule von einem geistlichen
Herrn als Argument gegen den Aberglauben des Volkes verwendet.
Während der hl. Messe wurde eine Stimme zu Jerusalem gehört:
Unglück und Verderben wird über das ganze Menschengeschlecht kommen;
wer aber dieses (folgende) Gebet mit Andacht und Betrachtung betet, dem wird
der liebe Gott von jedem Unglück helfen. Dieses Gebet wurde von dem frommen
Bischof Anton verkündet und übersendet. Ein jeder, der es bekommt, soll es
neunmal abschreiben und unter neun Personen austeilen. Wer dieses Gebet aus
Nachlässigkeit verstümmelt, begeht eine schwere Sünde mid es wird ihn ver-
schiedenes Unglück heimsuchen.
Gebet.
Gelobt sei Jesus Christus! Wir rufen zu dir, o heiliger Gott, erbarme dich
unser und des ganzen Menschengeschlechtes, reinige uns von unsern Sünden.
Ewiger Gott, zeige uns deine Barmherzigkeit!
Wir bitten dich, A^erzeih uns unsere Sünden durch dein heiliges Blut jetzt und
allzeit und in Ewigkeit. Amen.
2. Tobiassegen.
Die Tobiassegen scheinen unter dieser Art Segen die grösste Verbreitung ge-
funden zu haben, denn ich besitze aus verschiedenen Gegenden des Böhmerwaldes
mehrere Passungen, die im einzelnen wieder voneinander abweichen Ich will
zunächst einen mitteilen aus Tweras, der auf ein grosses Blatt „zu Colin am Rhein"
gedruckt wurde.
Das ist der rechte und wahrhafte Tobiassegen.
Voraus geht eine Auseinandersetzung über die Wirkung dieses Segens:
„Wer diese Worte und gedruckte Zeichen und Karakter bei sich trägt, der
überwindet alle seine Peinde und kann um Gerechtigkeit willen nicht umkommen
Zeitschrift d. Vereins f. Volkskunde. 189?. 22
]ß(j Ammaiin:
odoi' slerljoiK ov ist sicher vor allen (üll. Hex- und Ztuiborey, vor Ilagol. Donner.
Blitz, vor Feuer- und Wasseiiioth, vor alle Dieb, Mörder und Sti'assenräuber. die
können mit der Hilf (iottt-s keinen Meiisehcn ni(dit angreifen, keinen Schaden zu-
(uiien. und alles, was ei- anCiingt, das überkommt ein gutes End . sey im Kaurcn
oder Verkaufen."
Dann folgt den' formelhafte Teil des Segens. Dieser bildet ein Kreuz. Der
TIauplbalken wird durch drei übereinanderstehende Rechtecke gebildet, der Quer-
balken durch je ein Rechteck rechts und links. Im Innern dieser durch Linien
;>-ebildeten Rechtecke steht immer angegeben, w^ofür der Segen hilft, aussen heium
laufen geheimnisvolle lateinische oder hebräische Segensworte. Neben dem obersten
Rechteck sind ausserdem rechts und links lateinische Sprüche, neben dem untei'sten
Rechteck rechts und links deutsche Sprüche.
Nach diesen Formeln folgt in ganzer Blattbreite eine Erklärung über die Art
der Anwendung und die Wirkung des Segens. Dann ist in der Mitte ein von zwei
Pfeilen durchbohrtes Herz abgebildet, rechts imd links davon ein lateinische)' Spruch;
mit einem längeren Gebete schliesst das Ganze.
Das ober.-te Rechteck trägt ringsherum nach aussen die Worte: „f Jesus
t Lassimarus f Seelen f Sahian j Ducn f Salmseson f Seges f sum f Duo jenam
t Milias t Daches f Michelis f Estes f Animatio.'" Das zweite Rechteck des
riauptbalkens ist umschrieben mit: ..f Angelus f Solim f Sacrilufans f Urx Jesus
t Christus f Amen, f Christus f in Nognes f Christus f in Zotas f in Sanctum
f Amen." Das dritte mit: .^Corsson f Jansiassims Casa f Emanuel Zabaoth f Arassa-
closson Jesus f Christus f Corsson." Das Rechteck des Querbalkens links mit:
„f Melechius f Reu f Jesus f Ubishaut f Samen f Sebesueni f Christus Rius." Das
Rechteck des Querbalkens rechts mit: ^Nolitus f Christus f Xossi f T(>nemiati genua
f Ristomoses Jesus f Christus f Temes.'"
Im Innern dieser Rechtecke steht in derselben Reihenfolge: „Das Zeichen ist
gut vor allerley Gewehr und Geschoss, wer es bei sich tragt, der kann nicht ver-
wundt, geworfen, geschlagen, gehauen, gestochen oder geschossen werden, er ist
vor all seinen sieht- und unsichtbaren Feinden sicher, vor allen bösen Geistern
und Teufelsgespenst, die können ihm an Leib imd Seel mit der Hilf Gottes nicht
schaden, er wird vor Unglück behütet." Ferner: .,Das Zeichen ist gut in aller
Handlung zu Wasser und Land, es sey im Kaufen oder Verkaufen, es gehet ihm
alles wohl von statten, er kann nicht betrogen oder übervortelt w^erden. und alles,
was er anfanget, das bekommt ein gutes End, er ist auch in allen andern Sachen
glücklich und kann nichts verlieren." Ferner: ..Das Zeichen ist gut vor alle giftige
Pestilenz und herumgehende schwere Leibeskrankheiten, vor Hex- und Zauberey.
vor Hagel, Blitz und Donnerwetter, vor Wasser- und Feuernot, vor bös und gäben
Tod, vor alle Dieb, Möi'der und Strassenräuber, die können mit der Hilfe Gottes
weder in Haus noch auf der Strassen angegriffen werden, er überwindet alle seine
Feinde." Ferner: „Das Zeichen ist gut, wenn einer über ein Zauber Teufels Aus-
guss, gelegte, gegossene, eingegrabene Sachen gegangen oder gefahren wäre, und
davon erlahmen, erkruramen oder abdörren muss, wer es bey sich tragt, so mag
ihm mit der Hilf Gottes derer keiner schädlich seyn. er wird in allem behütet."
Ferner: ..Das Zeichen ist auch für alle heimliche Feinde, die einen hassen oder
neidig seyn. wers auf der rechten Seiten trägt, und wird ihm Niemand feind seyn,
er wird lieb und werth gehalten von Jedermann, und er kann auch mit der Hilf
Gottes ohne l>eicht und Buss keines gäben Todes sterben und wird behütet von
unwissenden Schaden und Unglück."
Der lat. Spruch links oben lautet: „Jesus Christus Rex gloria venit in pace:
Volksseoen aus dem Bühinerwald. "1(57
Dt'us Ilonin Caelus ost et Verbiun ('uro lactum est f-j--!-;" rechts oben: ..Christus
viiicit: Christus regnat Christus imberat Christus ab omni nialo nos defendat ff t-'
Der deutsche Spruch unten links: „Christi Kreuz ist mein ewig und wahres H.
Christi Kreuz behüte mich N. jederzeit, und auf der ganzen Welt. Das f Christi
sey ob raii' N., unter mir, hinter mir, neben mir und auf der Seite. Das f Jesu
Chr. überwinde mir N. alle meine Feinde, die wider mich sind, dass sie mir kein
Leid zufügen können, Amen."
Der deutsche Spruch unten rechts: „Ihr Mundt sey versaudt und ihr Herz
verbannt. Jesus Chr. ging in den Saal, da fingen seine Feinde an zu schweigen,
und ihr Gewehr und Waffen stille stehen, als das AVasser in dem Fluss Jordan
gestanden ist, als Johannes der Jünger, Jesum Chr. den wahren und lebendigen
Sohn Gottes getauft hat, Amen."
Dann geht der Text in ganzer Blattbreite weiter:
„Dieser Segen ist oft und vielmal approbirt worden, welcher Mensch diesen
Brief bey sich trä^-t und betet alle Morgen der allerheiligsten Dreifaltigkeit zu
Ehren o Vater unser und o Ave Maria und einen Glauben, der ist sicher vor allen
seinen Feinden, es kann ihm auch durch keinerley Gewehr und Waffen und Ge-
schoss zugefügt werden, er ist sicher vor allen losen und bösen Leuten, vor Hex-
und Zaubereyen und allerley Teufels Gespenst, vor allen Dieben, Mördern und
Strassenräubern. AYelche Frau diesen Brief bei sich hat, der kann [Seite 2] nicht
missiingen in ihrer Geburt, und wer diesen Brief bei sich trägt, der wird Wunder
erfahren, was vor Kraft und Wirkung er in sich hat." Dann folgen, durch ein
Hei'z inmitten getrennt, die lat. Segensworte: „f Benedicat tibi Sanctus Dens,
Dominus Deus Christus, B. V. Maria, S. Joannes, S. Marcus. S. Lucas, S. Mathaeus;
C. t M. t B."
Rechts: „S. Michael, S. Gabriel, S. Raphael, S. Daniel, S. Franciscus, S. An-
tonius de Padua, S. Florianus et omnes angelorum et apostolorum Chori." Das
Schlussgebet auf ganzer Blattseite lautet: „Gleichwie unser Heiland und Selig-
macher Jesus Christus seinen Geist in die Hände seines himmlischen Vaters auf
dem Ülberge befohlen, so befehle ich mich N. N. heut und allezeit in unsers lieben
H. Jesu Christe in seine heil, ö Wunden, dass sie mich wollen behüten vor allen
bösen Unglück und Schaden, vor Ketten und Banden, wie vor Feuer und Wasser,
vor allen Anfechtungen der bösen Geister, vor Hex- und Zauberey, vor allen
Dieben, Mördern und Strassenräubern, alles Gewehr und Waffen sey vor mir
N. N. verschlossen, dass sie mir an meinem Leibe nicht schaden können, so wenig
als dieser Mann vor 32 Jahren gestorben, und zu Asche geworden ist, im Namen
Gott u. s. w. Amen. Jesus steh mir N. N. bey, dass mich kein böser und schlimmer
Geist angreifet, Jesus behüte mich ganz und gar, die allerheiligste Dreyfaltigkeit
sei mein Schutz und Schirm im Hause und Hof, zu Wasser und Land, auf allen
Strassen und Gassen, im Feld und Wald, wo ich fahr und trett, wo ich geh oder
steh, wo ich schlaf oder wach, vor allen meinen Feinden gesegnet sey; ich be-
fehle mich in alle h. Worte der Messen, welche in der ganzen Welt gelesen werden,
damit ich durch die Kraft derselben gestärkt und gesegnet werde; ich N. N. be-
fehle mich in alle priesterliche Segen, so allzeit gegeben werden, damit ich durch
die Kraft derselben gesegnet werde. Ich will heute ausgehen in Gottes Frieden,
ich gehe, reite oder fahre aus, dass mir alle meine Worte und Werke in Gottes
Namen werden fortgehen, und dass alle meine Feinde und Widersacher müssen
zurückstehen und zu Schanden werden, und ich gehe aus in aller Engel Haus, wer
wird mit mir gehen? Die allerschönsten Männer drey, Gott der himmlische Vater
vor meiner, Gott der Sohn, Herr Jesus Christus, gehet neben meiner, und Gott
12*
168
Ammann:
der hl. Geist schwebt obei- meiner, wer stärker ist, als unser Herr Jesus Christus,
der allzeit bei mir ist, der weich weit von mir hinten."
Zuletzt heisst es: ,,Merke aber, mein lieber Christ, dass du auf diese h. "Wort
und Segen nicht vermossentl icher Weis, Raufen und Schlagen, sondern du sollst
alle die Laster und Todsünden meiden, alsdann wird dich Gott der Allmächtige
behüten zu Wasser und Land, vor allen Feinden, wird dich segnen hier zeitlich
und dort ewig, Amen." Gedruckt zu Colin am Rhein. Jahrzahl fehlt.
Andere Passungen des rechten und wahrhaften Tobiassegen sind mehr in
äusserer Fassung als im Inhalte verschieden. Manche sind auf acht Seiten in 8°
gedruckt, mit verschiedenen Bildern geziert und haben die fünf Rechtecke nach-
einander. Im Inhalte weicht besonders die Schreibung der um die Rechtecke ge-
schriebenen Worte ab; grobe Fehler in den lateinischen Sprüchen zeigen, dass die
Arbeit auch oft von unkundigen Leuten besorgt wurde. So lauten auf einem andern
Segen die Worte um die Rechtecke:
„Jesxis t Lassimaus f Seelen Sabian f Deu f Sabuson Se-Segesum f Duo
suam t Milias f Da-ches f Michasis f Aminato.
Melethus f Jesus f Uhibaus Bacbt f Saczhemia f Christus f Kirus.
Nostrius t Christus Tent niia f nolius f in gniss f Ristomofes -Jesus f Christus
t Tmer.
Vglus t Solin t Satrilufan Urx f Jesus f Christus f Am. Christus in f Logues
f Christo in Zoras f in Sanctum f Am. Corsou f lencsiseim Casca Emaruc Zebaoth
f Arassaclossou Jesus f Christ f Corlin."
Sowie hier im Verhältnis zum frühern Segen weichen etwas mehr oder weniger
auch die andern Fassungen in diesen, den Rechtecken umschriebenen Wörtern
ab, der übrige Text zeigt geiingere Abweichungen. Dem Alter nach reichen diese
Tobiassegen in diesen Drucken höchstens bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts
zurück, manche sind auch jünger.
Vgl. Müllenhoff- Scherer, Denkmäler ^ XL VII, 4 u. Anm. S. 481— 85.
3. Richtige und wahrhafte Länge unsers Herrn Jesu Chr.,
wie er auf Erden am hl. Kreuze gewesen ist, und die Länge ist gefunden worden
zu Jerusalem bei dem hl. Grab, als man das Jahr 1655 zählte, unter der Regie-
rung Riemens des Achten, welcher es bekräftigte. (Der ganze Segen ist auf ein
fast bogengrosses Blatt gedruckt, zu Colin a. Rh. ohne Jahrzahl und stammt aus
Höritz. Die Seite ist von oben nach unten durch einen Strich in zwei, von rechts
nach links in fünf Rubriken geteilt. In der ersten Rubrik links ist Christus am
Kreuze abgebildet, in der dritten Rubrik rechts ist folgende Formel):
S.
J. N.
a.
R. J.
M.
t
Jesus
M.
s.
Maria
A.
Joa-
Joseph
t
chim
L.V.
und
10
Anna
C.
M.
B.
(Die übrigen Rubriken enthalten Gebete oder Erklärungen des Segens.)
Volkssegen aus dem Böhmerwakl. 1(59
Im Namen u. s. w.
Gelobt sei der allerheiligste Namen Jesus, und seine Länge in Ewigkeit Amen.
Und wer diese unsers Herrn Lunge bei sich trägt, oder in seinem Hause hat, der
ist versichert vor allen seinen Feinden, sie seien sichtbar oder unsichtbar, und vor
allen Strassenräubern, oder allerhand Zauberei ist sicher behütet und bewahret:
und es mag ihm auch keine falsche Zunge oder falsches Gerücht schaden. Und
so eine schwangere Frau solche bei sich trägt, oder zwischen der Brust umbindet,
die wird ohne grosse Schmerzen gebären und mag ihr nicht misslingen in ihrer
Geburt. Und in welchem Hause die Länge Chr. sein wird, kann nichts Böses
darin bleiben, und kein Donnerwetter mag ihm nicht schaden, auch soll er vor
Feuer und Wasser behüttet sein. Segne dich Christenmensch f alle Morgen früh
mit der Länge Jesu Chr., und bete die ganze Woche, alle Sonntage .J Vater unser,
5 Ave M. und einen Glauben, zu Ehren der hl. 5 Wunden Jesu Chr.; und wer
die Länge Jesu Chr. hat, der soll es im Jahre dreimal lesen, wenn er es selber
nicht kann, durch Andere lesen lassen, oder wenn er im Jahr Niemand haben kann,
der ihms vorlest, so bete er im Jahre 3 Rosenkränze, den ersten am hl. Char-
freitag, den zweiten am Freitag nach Pfingsten und den dritten am Freitag nach
Weihnachten, so wirst du christlicher Mensch f das lange Jahr mit der Länge
Christi allezeit gesegnet sein auf dem Wasser und auf dem Land, bei Tag und
Nacht in deinem Leib und Seele in alle Ewigkeit. Amen.
Jetzt fangen sich an in der Jesu Chr. Länge die schönen Gebete von dem
hl. Franzisko, und lauten also: 0 Herr Jesu Chr.! ich empfehle mich christlich-
katholischer Mensch f durch deine Länge, meinen Leib und Seele, mein Haus und
Hof, und die Meinigen heut und diese acht Tage und Nächte in deine hl. Worte
Gottes, das alle Priester sprechen, von dem du dich verwandelst durch das Wort
zu Fleisch, und vom Wein zu Blut.
Ich empfehle mich christlicher Mensch f heut und die acht Tag und Nächte,
o Herr Jesu Chr. in deine hl. Gottheit, und in deine hl. Menschheit, und in deine
hl. Seele, und in dein hl. Blut, und in deine hl. Gegenwärtigkeit, o Herr Jesu
Chr.! ich empfehle mich heut und alle acht Täg-e und Nächte mein P'leisch und
Blut, meinen Leib und Seele, mein Leben und meine Glieder in deinen göttlichen
Frieden, o Herr Jesu Christe! ich bitte dich, dass du mich in deiner Länge alle-
zeit damit behütest und bewahrest, vor allem Unglück, vor allen Feinden und
schädlichen Wunden und Lästerungen, oder Feuer und Wasser, und vor aller
Strasscnräuberei, vor aller Vergiftung und Vergebung, und vor allem dem be-
schirme mich und meinen Feldbau und Getreid, meine AViesen, Gärten und alle
meine Früchte, mein Vieh, Hab und Gut. 0 Herr Jesu Christe! ich bitte dich,
dass du mir armen sündigen Menschen mit deiner Länge wollest alles dies be-
hüten und bewahren für alle Zauberer und Zauberinnen, für Hagel und Donner
und allen schwangern Frauen eine fröhliche Geburt verleihe. 0 du mein getreuer
Gott und Herr! durch deine hl. Länge und mannigfaltige Güte und Barmherzigkeit.
0 Herr Jesu Chr., ich bitte dich, dass du mich in deine Länge allezeit verbergest,
behütest und bewahrest, heut und diese acht Tage und Nächte in deine hl. ver-
borgene Gottheit, als sich die hohe Gottheit verborgen in die Menschheit, als du
dich verbergest in des Priesters Hand unter der Gestalt des Brotes und des Weines.
0 Herr Jesu Christe! ich bitte dich, dass du mich verbergest in deine hl. fünf
Wunden, und mich abwaschest durch deine hl. Länge und mit deinem hl. roscn-
farben Blut, die hl. Dreifaltigkeit sei mein Schild und Schirm für alle meine
Feinde, sie sein sichtbar oder unsichtbar. Im Namen u. s. w. Amen. Gott der
Va t ter ist mem Mittler, Gott der Sofhn ist mein Vorgeher, und Gott der
1 70 Ammaiin :
hl. Ge f ist ist mein Beistand, und welclier dann stärker ist, als diese drei Mann, und
die Länge Jesu Chr., solcher komme und greife mich an. Das helfe mir Gott der
V. u. s. w. Amen.
Und auf meinem Herrn Jesum Chr., meinen lieben Seligmacher steuere ich
mich christlicher Mensch, der beschütze und führe mich in das Leben. Amen.
Jesus, Maria, Joseph. Zu Gott unser lieben Frau, habe ich christlicher Mensch
meine Hofl'nung und Vertrauen. Wann mein Gott will, so ist mein Ziel, darauf
christl. Mensch mit dieser Länge Jesu Chr. allezeit darinnen hoffe, trauend und
sterben will ich in alle Ewigkeit zur ewigen Seligkeit. Amen. Jesus, M. u. J. Amen.
Bete alle Sonntag 5 V. u., 5 A. M. u. einen Gl. zu Ehren der hl. 5 Wunden Jesu
Chr. Amen.
Christus f vincit, Christus f regnat f imperat. Fax Domini nostri Jesu Christi,
Virtus sacratissimi Passionis ejus, Signum S. f Integritas B. V. M. Benedictio
Sanctorum Electorum Titulus Salvatoris nostri in Cruce J. N. R. J.
Seid mir friedlich wider alle meine Feinde, sie seien sichtig oder unsichtig,
dafür behüte mich Christus, der den Tod am Kreuze nahm. Die hl. Länge Chr.
behüte mich, bis er mich nehme nach diesem Leben zu sich.
Ln Namen u. s. w. Amen.
(Bei diesem Segen ist es von besonderer Wichtigkeit, zu bedenken, dass das
Messen (Abmessen des Körpers mit einem Faden nach Länge und Breite) kranker
Personen ein uralter Brauch ist; nur so wird dieser wunderliche Segen verständlich.
Vgl. Grimm, Myth. 974 — 75 u. Nachtr.)
4. Traum
der allerseligsten Jungfrau und Mutter Gottes Maria von dem bittern Leiden und
Sterben Jesu Christi. Ein Bild : Maria mit dem Kinde. Gedruckt zu Maria Ein-
siedel 1750; in Krummau und a. a. 0. aufbewahrt.
Jesus Christus, der Sohn Gottes und die allerreinste Jungfrau Maria.
Da die Jungfrau Maria in ihrem Kämmerlein eingeschlafen, und wiederum
erwachte, sagte der Sohn Gottes zu ihr: meine allerliebste Mutter! du hast ge-
ruhet? Mein lieber Sohn, antwortete sie ihm: ich habe geschlummert und habe
einen wunderlichen Traum von dir gehabt; denn es träumte mir, dass ich dich
gefangen im Garten gesehen, mit Stricken gebunden, vor den Richter Kaiphas ge-
führt, vom Kaiphas zu Pilato und Herodes, wie sie dich in dein allerheiligstes
Angesicht geschliigen, dein heiliges Haupt mit Dcirnern gekrönt, aus dem Tvicht-
hause haben sie dich geführt, und an das Kreuz geheftet, dann mit dem Kreuze
erhöhet, so, dass ich dich nicht erreichen konnte, deine heilige Seite ist mit dem
Speer eröffnet worden, aus welcher Blut und Wasser geflossen ist, und auf mich
unter dein Kreuze Stehenden herab getropfet ist. Nachdem haben sie dich so un-
barmherzig gekrönter und zerfleischter auf meine Sehooss geleget, so, dass kein
Wunder gewesen wäre, wenn für Sehmc'rz mein Herz zersprungen wäre, .lesus
antwortete: Meine allerliebste Muttei-, dicss war ein wahrhafter Traum, der dir
geti'äumt hat, und wer diesen Traum öfters betrachtet, und gut überlegt, dabei ein
ehrbaies und sündenfreyes Leben führet, von allem Übel werde befreyet werden,
und kann hofl'en, dass er ohne Em])fangung des heiligen Sakraments des Altars von
dieser Welt nicht abscheiden werde, ich aber saniint dir liebste Mutter nach dem
Abschiede dieses zeitliehen Lebens, seine Seele in das ewige Himmelreich auf-
nehmen werden.
Nun folget ein nützliches Gebeth, welches Pabst IjCO seinem Bruder, dem
Kaiser (Karl der Grosse!) zu bethen gerathen hat, da er wider die Feinde ins
Volkssogen ans dorn Bölimenvald. 171
Feld zog. Wer dieses Gebeth bethet, kann zuverlässig- hoffen, dass er des gähen
Todes nicht sterben, und Gott sein Eigenthum vor allen Schaden, vor Feuer und
Wasser beschützen werde. In welchem Hause die Furcht Gottes und IViedlicho
Einigkeit herrschet, Gott mit seinem ers])riesslichen Segen gewiss nicht abweichen
wird. Ein schwangeres "Weib, wenn sie den Gebothen Gottes gemäss gelebt, auch
einer glücklichen Niederkunft entgegensehen kann, und jeder wahrer Christ, der
nach dem Willen Gottes lebet, vieler Gnaden in yei'schiedenen Anliegen sich ge-
trosten kann, und über alle seine sieht- und unsichtbaren Feinde mit der Hülfe
Gottes den Sieg erhalten werde.
Im Namen u. s. w.
Heilige Jungfrau Maria, sei mit deiner Hülfe bei mir. Jesus Christus bewahre
mich vor allen bösen und widerwärtigen. Das f Kreuz Christi seie mein Schutz
in allen Zufällen. Das f Kreuz Christi helfe mir. Das f Kreuz Christi über-
winde alle meine Feinde. Dazu helfe mir Gott der Va f ter, Gott der So f hn und
Gott der hl. Ge f ist, Aller einziger Hausvater von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen.
0 Jesu! erbarme dich über uns Sünder. Christo mache mich gesund, und
befreye mich von aller Sünde, und allem Uebel; beschirme mich von aller Sünde,
und allem Uebel: beschirme mich in allem meinem Thun und Lassen von allen
Feinden. Christe seye mit mir, seye mein gnädiger und mächtiger Beschützer und
Beschirmer. Ich will mich mit dem hl. Kreuze segnen, wenn ich aufstehe und
auch dann, wenn ich mich zur Ruhe niederlege. Durch die heiligen Wörter:
Jesus Messias Emmanuel. 0 h. Kreuz Christus hast überwunden, Christus über-
wunden, Christus ist aus dem Grabe auferstanden: bewahre mich von allem Übel,
vor allen Todsünden, Mutter Gottes! Kreuz Christi beschirme mich vor dem bösen
Feinde, hl. Johannes der Täufer, der du den Sohn Gottes im Flusse Jordan ge-
taufet hast, bewahre meinen sündhaften Leib vom Feuer und Schwert, wie a\ich
von teuflischer List: also, damit ich die Feinde der Erbschaft Gottes überwinden
möge. Dazu helfe mir Gott und alle Heiligen Gottes. Amen.
Sehet das f Kreuz des Herrn, weichet alle ihr meine Feinde! Deim der Lijwe
aus dem Geschlechte Davids hat überwunden, AUeluja Amen.
Jesus von Nazareth ein König der Juden, diese glorreiche Auferstehung seye
mit mir, und bewahre mich diesen Tag vor aller Todsünde, auch von allem Uebel.,
so der Seele als auch dem Leibe schädlich seyn könnte, Amen.
Eine andere F'assung dieses Traumes Maria e
lässt Maria zu Bethlehem auf dem Berge einschlafen und träumen. Das übrige
zeigt wenig Abweichung von dem frühern Traume. Bezüglich der Herkunft heissl
(-S al)(M': Dieser Brief ist gefunden worden im Brittanerland, welchen der Herr
Christus in ein Kloster gesendet hat. In einer dritten Fassung dieses Traumes ist
Itezüglich der Herkunft wieder bemerkt: Folget ein Gebet, welches der Pabst Leo
seinem Bruder Karolo wider seine Feinde geschickt hat.
Es ist gelungen, dass Kaiser Karl der Grosse auch in dieser Zeit noch inid
zu solchem Zwecke seinen Namen hergeben muss. Vgl. Strickers Karl löf). Auch
in diesem Traume zeigt sich der Einfluss P. Cochems, der durch sein Volksbuch
„Das gi-osse Leben und Leiden Jesu und Mariae" auf das ganze Volksleben einen
so bemerkenswerten Einiluss ausübte. Vgl. Das Passionsspiel des Böhmerwaldes,
vom Verfasser im oO. Jahrg. der Mitteil, des Vereins für die Gesch. der Deutschen
in Böhmen herausgegeben und darnach besonders abgedruckt, Prag 181)1' und Das
grosse Leben selbst (Münchner Ausg. von 17-11) 11. Teil !)<"). Kap.
172 Ammann:
Häuiig wird in Segen Christus in persönlichem Verkehr mit Maria vorgeführt,
vgl. Grimm, Myth. Anh. XL (Eingang einer Beschwörung). XLV.
Träume spielten im Aberglauben des A^olkes von altersher eine grosse Rolle,
es dürfte daher auch mit diesem Traume noch ein solcher Zusammenhang bestehen.
Vgl. Gr. Myth. 958 f.
5. Die sieben Schlossgebete,
darin sich eine gottesfürchtige Seele sicher verschliessen kann.
Das Titelblatt zeigt sieben Schlösser, gedruckt zu M. Einsiedeln ohne Jahr-
zahl; aufbewahrt in Krummau und a. a. 0. Es lag ein grosser Sünder tödtlich
krank, zu dem kam täglich ein frommer Mensch und betete mit ihm die sieben
Schloss; als er nun sterben sollte, sah ein Einsiedler viele Teufel vorüberfahren,
welche sagten, sie fahren hin, eine Seele, so ihr wäi-e, zu holen; und als sie ohne
die Seele wiederkamen und befragt wurden, wo sie dieselbe hätten, antworteten
solche ganz erzürnt: sie liegt mit sieben Schlössern verschlossen, eins allein wäre
genug gewesen.
Aus dem Gebetbuche „der grosse Baumgarten" genannt, gezogen, so von dem
ehrnwürdigen P. Martin Kochern Kapuzinerordens, ist beschrieben worden.
Das erste Schloss.
Allmächtiger ewiger Gott, ich armer sündiger Mensch befehle und ver-
schliesse nun und auf ewig meine arme sündige Seele in die Beschirmung der
hochheiligen Dreifaltigkeit, und in die Kraft deiner grundlosen Barmherzigkeit.
Amen.
Das zweite Schloss.
0 Gott Adonai! ich armer und elender Mensch befehle und vcrschliesse nun
ewig meine anno sündige Seele in die Kraft und Bewahrung deiner ewigen Gott-
heit, und in die Verdienste deiner heiligen Menschheit, Amen.
Das dritte Schloss.
0 Gott Enianucl, ich armer elender und sündiger Mensch befehle und vcr-
schliesse nun ewig meine arme sündige Seele in die Verdienste deines heiligen
Lebens und in die Kraft deines bittern Leidens und Sterbens, Amen.
Das vierte Schloss.
0 heiliger, unsterblicher Gott! ich armer elender Mensch iDefehle und vcr-
schliesse nun und auf ewig meine arme sündige Seele in dein gebenedeites gött-
liches Herz, und in die Tiefe deiner heiligsten fünf Wunden, Amen.
Das fünfte Schloss.
0 unüberwindlicher, siegreicher Gott! ich armer elender Mensch befehle und
vcrschliesse nun und auf ewig meine arme sündige Seele in die Beschirmung des
hl. Kreuzes, welches durch deine Gott- und Menschheit am heiligen Charfreitag
ist geheiliget, und mit deinem kostbarlichen Blute besprengt worden ist, Amen.
Das sechste Schloss.
0 erschrecklicher Gott Sabaoth! ich armer und elender Mensch vcrschliesse
nun und auf ewig meine arme sündige Seele in die Kraft und Gnade der hl. Sakra-
mente und in die priesterlichc Consekration, welche durch die ganze Christenheit
verrichtet wird, Amen.
Volkssegen aus dem Böhnierwald. 173
Das siebente Schloss.
0 starker und gewaltiger Gott! ich armer und elender Mensch befehle und
verschliesse nun und ewig meine arme sündige Seele in die Fürbitte und Ver-
dienste der seligsten Jungfrau Maria und aller Heiligen, und in den Ablass und
Gnaden, so durch die ganze Welt ausgetheilet und verdienet werden, Amen.
Die sieben Schloss, damit sie kein Feind aufmache, versiegle mit sieben Vater
unser und Ave Maria, und mit nachfolgendem Schlussgebet.
Schlussgebet.
Mein allerliebster Jesu, ich versiegle und verschliesse meine arme sündige
Seele mit dem blutigen Schweiss, in welchem du am Ölberg dreimal auf dein aller-
heiligstes Angesicht gefallen, mit dem Blutbade, in welchem du in der schmerz-
haften Geisslung für todt herumgezogen worden bist: mit dem Blut, so in deiner
scharfen Krönung über dein Haupt geflossen, mit dem Blutschweiss, so du in der
Kreuzigung vergossen, durch den letzten Todesschweiss, Wasser und Blut, so zu
Ehren deines Lebens aus allen deinen Gliedern geflossen, durch all dein aller-
heiligstes vergossenes Blut nehme auf meine Seele in deinen Schoss. Amen.
Ein schönes Gebet zu den Wunden des Herzens Jesu mit einem
Vorsatz der Besserung.
Ich vereinige mein Herz mit dem verwundeten Herzen meines Jesu. Das
Herz Jesu soll mir eine Höhle sein, darin meine Seele als ein Täublein wohne,
ein Felsen, der mich befestige: wo nicht ist, dass ich hinführe hasse und fliehen
werde als die Sünde, weil sie missfällig ist, dir Gott und allen. Mein Herz ist
bereit, Gott sei mir Sünder gnädig.
Bemerkenswert ist bei diesen Schlossgebeten, dass sie aus einem Gcbetbuehc
des P. Martin von Cochem genommen sind, „der grosse Baumgarten" betitelt.
Hier haben wir einen neuen Beleg für dessen Volkstümlichkeit. Vgl. TH, 4; ferner
C^ochems Sammlung kirchlicher Exorcismen.
Zu diesen Schlossgebeten ist Grimm, Myth. 983 zu vergleichen. Senkelknüpfen,
Nestelknüpfen, Schlossschliessen, Binden sind alte Zaubermittel: Kuhn, Westf. S. II,
208. Vgl. damit auch die folgenden Himmelsriegel.
6. Die hl. sieben Himmelsriegel,
welche ein frommer Einsiedler von seinem hl. Schutzengel bekommen hat.
Jesu Christi: J. N. R. J. Bild: Christus am Kreuze. Maria Einsiedet 17S0,
aufbewahrt in Krummau. Ihr frommen und andächtigen Christen, ich bitte euch
in Jesus Nahmen, ihr wollet anhören die hl. sieben Himmelsriegl, die ein frommer
Einsiedler von seinem hl. Schutzengel bekommen hat, und als der fromme Ein-
siedler sterben wollte, so hat er die grosse Kraft und Wirkung von den hl. sieben
Himmelsriegeln Ihro päpstlichen Heiligkeit Clemens XII. geoffenbaret und ge-
weissaget und gesprochen: Derjenige Mensch, welcher die hl. sieben Himmelsriegel
bei sich trägt, von diesem Menschen müssen alle bösen Geister und Teufels-
gespenster abweichen, bei Tag oder Nacht, und in welchem Hause die hl. sieben
Himmelsriegel gedruckter liegen, in dieses Haus wird kein Donnervvetter nicht ein-
schlagen, auch wird dieses Haus vor gefährlichen Feuersbrünsten gesichert seyn.
Auch wenn ein Weib an schwerer Geburt leidet, so nehmt ihr die sieben Himmels-
riegel, und legt ihrs auf die Brust oder auf das Haupt, so wird sie getröstet und
]74 Ammann:
ohne grossen Schmerz gebühren, und mit einer Leibesfrucht erfreuet werden. Die
hl. sieben Himmelsriegel sind auch zu Prag bei einem Weib probiret worden,
welche schon 5 todte Kinder zur AVeit geboren, als sie aber zum G. Kind schwanger
war, und Mutter werden sollte, so hat ihr die Hebamme die hl. sieben Himmels -
riegeln auf das Haupt gelegt und sie ist glüeklieh mit einem gesunden l(>bendigen
Kinde erfreut w^orden.
Die hl. sieben Himmelsriegel sind auch nützlich probirt worden bei einem
Mannsbild, welcher acht Jahre mit einem bösen Geiste besessen war, da nahm ein
Priester aus der Gesellschaft Jesu die hl. sieben Himmelsriegel und that sie über
die besessene Person bethen und legte dieselben ihm auf das Haupt, höret Wunder!
Der Böse ist augenblicklich von diesem Menschen gewichen, und welcher Mensch
die hl. s. H. bei sich traget, diesem will Gott drey Tage vor seinem Tode die
Stunde, wann er sterben wird, offenbaren. Wenn aber jemand die hl. sieben
Himmelsriegel sieben Preytage nach einander bethet, und opfert das Geboth für
seine verstorbenen Freund oder für andere arme Seelen, so kann er eine arme
Seel aus dem Fegfeuer erlösen. Auch in welchem Hause die s. hl. H. aufbewahrt
werden, ward keine pestüenzische ansteckende Krankheit angreifen, denn es wäre
sehr nützlich, wenn ein jeder Mensch diese hl. Himmelsriegel bei sich traget, wer
aber nicht lesen kann, der bethe alle Freitage 7 Vaterunser und 7 Ave Maria und
einen Glauben zu Ehren des bittern Leiden und Sterbens Jesu Christi.
Im Namen u. s. w.
Gebeth der hl. 7 Himmelsriegel.
0 allerheiligster Herr Jesu Christo, ich ermahne dich deiner hl. Mensch-
werdung, die mit T3ewilligung Gott des Vaters und von dem hl. Geiste in den
unbefleckten Leib der allerseligsten Jungfrau Maria bist empfangen und geboren
worden. 0 Jesu: du hast dein hl. Blut ganz geduldig für uns Sünder und Sün-
derinnen vergossen, o Jesu, du hast uns durch dein bitteres Lcid(>n und Sterben
die himmlische Pforte aufgeriegelt, o Jesu! Du hast grosse Armuth und Verfolgung
deiner ungerechten boshaften Feinde geduldig für uns Sünder gelitten. 0 Jesu!
ich betracht deine schmerzliche Beurlaubung von deiner geliebtesten Mutter.
0 mein gekreuzigter Jesu, ich gedenke an dein demüthiges Gebet am Üehlberg,
als dir vor Mattigkeit die blutigen Schweisstropfen über dein hl. Angesicht herab-
geronnen sind. Ach, mein Jesu, ich betrachte, wie du bist gefangen worden, mit
Stricken gebunden, vom einen Richter zu dem andern geführt, und dein alier-
heiligster Leib mit Geissein geschlagen, dass das Blut über deinen hl. Leib herab-
geronnen ist, hernach hat man dich mit spitzigen Dörnern auf dein hl. Haupt ge-
drucket, dass ein Dornspitz deine hl. Hirnschale durchstochen und abgebrochen
und in deinem hl. Hirn stecken geblieben. Ach mein Jesu! ich betrachte, wie du
mit einem schweren Kreuze bist beladen worden, und musstest dasselbe über den
Calvarien Berg tragen, dass du eine tiefe Wunde an deiner hl. Schulter empfangen.
Ach mein -Jesu, ich betrachte wie du nackend bist an das hl. Kreuz genagelt
worden. 0 Jesu, du bist o Stunden an dem hl. Kreuz lebendig gehlieben, und
hast sieben kräftige Worte gesprochen, nach diesem bist du, o mein lieb.ster Jesu,
an dem hl. Kreuz verschieden. Ach mein Jesu! mit deinem allerheiligsten, bitteren
Leiden und Sterben, und mit den hl. sieben Worten will ich N. N. mein Leih und
Seel zu meinem Heile auf ewig verriegeln. Amen. — /^u Riegel vergl. Gr. Myth.
Anh. XXll, ferner 201. <S34 f.
Volkssegen aus dem Böhmerwald. 175
7. Der hl. Dreikönigszettel
oder Gebet, so zu Colin am Rhein in der Domkirche mit goldenen Buchstaben
geschrieben und aufbewahret wird. Auf eine Quartseite gedruckt; ein Bild:
Anbetung der hl. 3 Könige, ohne Jahrzahl. In Kruramau und a. a. 0. zu finden.
Gebeth (in 3 Rubriken).
Im Namen Jesu stehe ich heute auf, uud neige mich dem Tag, in dem Namen,
den ich in der hl. Tauf empfangen, der erste ist Gott Vaf ter, der andere Gott
Sofhn, und der dritte Gott heiliger Ge f ist. [C f M f B f Heiligen 3 Könige,
Caspar f Melchior f Balthasar f, bittet für uns jetzt und in der Stunde unsers
Absterbens (das Eingekhimmerte steht in der mittlem Rubrik unter dem Bilde
für sich!)] Dieser Name behüte mein Fleisch, Blut, Seele, Leib und Leben,
welches mir Jefsus, der Sohn Gotf tes gegeben. Also will ich gesegnet seyn,
wie der heilige Kelch und Wein, so der Priester auf dem Altar verwandelt, und
wie das wahre Himmelsbrod, so Jesus seinen zwölf Jüngern hat gegeben. Ich
trete über das Thür-Geschwell: Jesus f Maria f Joseph f die drey heiligen Könige,
Kaspar f Melchior f Balthasar f seyen meine AVeggesellen: der Himmel ist mein
Hut, die Erde meine Schuh, der Stern der drey Könige führe mich auf die rechte
wahre Buss- Strassen. Diese sechs hl. Personen sind meine Gefährten im Hin-
und Hergehen; welche mir begegnen, die haben mich lieb und werth, dazu helfe
mir Gott Vater f , der mich erschaffen, Gott Sohn f, der mich erlöset, Gott der
hl. Geist, der mich gehl. hat. Je f sus, Ma f ria, Jo f seph, Ca f spar, Mel f chior,
Bai f thasar, steht mir bey in allen meinem Thun und Lassen, Handel und "Wandel,
Gehen und Stehen, es sey auf dem Wasser oder Land, die wollen mich vor Kugel,
Feuer, Wasser, und alles, was dem Leib und der Seele schädlich ist, allzeit be-
hüten und bewahren, im Leben und Sterben, mit ihrer starken und mächtigen
Gnad. Gott dem Vaf ter ergeb ich mich, Gott dem Sofhn empfehle ich mich,
Gott dem hl. Gef ist versenke ich mich, die H. H. Dreyfaltigkeit f sei ober mir,
Je f sus, Ma f ria, Jo f seph vor mir, Caspar f Melchior f Balthasar f hinter mir,
diese bewahren mich, (mein Haus und alles, was ich hab) jetzt und allzeit bis ich
komm zu der ewigen Glückseligkeit. Im Namen Gott des Yaters f, Sohns f, und
des hl. Geistes f Amen.
8. Wunderbrief (aus Krummau, geschrieben),
welchen Gott selbst geschrieben hat und am St. Michaelsberge hanget, imd man
weiss nicht, woran er hanget, welcher mit goldenen Buchstaben geschrieben ist
und durch den hl. Erzengel Michael dahin gesandt wurde. Wer nun diesen Brief
angreifen will, von dem wendet er sich ab oder weg, wer ihn aber abschreiben
will, dem wendet er sich zu, thut sich selbst auf und lautet also: Wer n\n Sonn-
tag arbeitet, der ist von (iott verlassen, und also gebiete ich euch, dass ihr am
Sonntag nicht arbeiten sollet an euren Gütern, auch sonst keine Arbeit verrichten
sollet, ihr sollet fleissig in die Kirche gehen und mit Andacht beten, ihr sollet
euer Angesicht nicht schmücken und eure Haare nicht krausen, ihr sollet nicht
vergebliche Dinge reden, sollet euern Reichthum mit den Armen theilen und
glauben, dass ich J(^sus Christus diesen Brief mit meiner göttlichen Hand ge-
schrieben und von mir dahin gesandt, dass ihr nicht thut wie unverständliche
Thiere. Ihr sollet in der Wociie sechs Tage arbeiten, und (\cn Sonntag sollet ihr
feiern, in die Kirche gehen jung und alt und mit Andacht Gottes Wort hören.
Werdet ihr dieses nicht thun, so will ich euch strafen mit Krieg, Hunger, Pestilenz
l'jß Ammann: Volkssegen aus dem Böhmerwald.
und Theueruiig. Ich gebiete euch, dass ihr mein Gesetz haltet und betet für eure
Sünden. Begehret nicht fremdes Gut, schwöret nicht unbescheiden bei meinem
Namen, strebet nicht nach Fleischeslust und Begierden, wie auch ich nicht haben
will. Niemand soll den andern tödten, auch nicht hinter'm Rücken nachreden.
Erfreuet euch nicht in euren Gütern und Reichthümern und schämet euch nicht
armer Leute. Ehret Vater und Mutter, gebet keine falschen Zeugen ab, so gebe
ich euch Fried und Gesundheit. Wer an den Brief nicht glaubt, der ist verlassen
und kann kein Glück haben, denn ich sage euch, dass ich Jesus Christus den-
selben mit meiner göttlichen Hand geschrieben habe. Wer an denselben nicht
fflaubet, der soll sterben, und seine Kinder werden auch des Todes sterben. Werdet
ihr euch nicht bekehren, so sollet ihr in der Hölle ewig gepeinigt werden, und
ich werde euch am jüngsten Tage fragen, und ihr werdet mir nicht antworten
können wegen der grossen Sünden. Wer diesen Brief hat und nicht offenbart,
der ist und wird von meinem Allmächtigen verlassen. Denselben soll einer von
dem andern abschreiben lassen, und wenn einer schon so viel Sünden gethan hätte,
als Sandkörnlein im Meere sind, können sie auch ihm vergeben werden. Und wer
den Brief bei sich trägt und verwahret ihn unter dem rechten Arm oder der linken
Seite, so überwindet er seine Feinde, sie seien, wer sie wollen, oder wenn einer
seines Herrn Gunst verloren hat, der nehme diesen Brief zu sich, so bekommt er
des Herrn Gunst und Huld wieder. Wer den Brief im Hause oder bei sich trägt,
dem mag kein Donnerwetter schaden und soll vor Feuer- und Wasscrnoth behütet
werden. Welch schwangere Frau denselben bei sich trägt, die kann eine fröhliche
Geburt auf die Welt bringen. So einer um etwas bittet, wird es ihm gewährt
werden, was er in seinem Anliegen begehrt.
Ich war Jesus Christus, der ich diesen Brief geschrieben habe. Amen.
Ich könnte nun diesen Segen noch viele ähnliche kirchliche Segen ver-
schiedenen Inhalts beifügen, allein die grössere Zahl derselben zählt nicht mehr
zum Aber- und Überglauben, da sich bei ihnen die wunderbare Wirkung nicht
mehr an bestimmte Formeln, Charaktere und Zeichen knüpft, sondern man wird bei
den letztern Segen vor verschiedenen Übeln meist nur durch Gebet und werkthätige
Mithilfe bewahrt. Für die früheren Segen ist es bezeichnend, dass die wunder-
bare Hilfe schon durch den Besitz derselben zu erlangen ist, bei den letzteren
Segen werden Gott Vater, Sohn und hl. Geist, Maria, die zwölf Apostel, besondere
Heilige u. s. w. angerufen, damit sie das Haus und seine Bewohner vor jeglichem
Übel bewahren. Inhaltlich haben auch diese zuweilen noch manches von den
älteren Segen in sich, so liest man auch darin von Zauberei, Teufelsanstellungen,
Feuer-, Wasser-, Gewitterschaden, oder die drei Nägel des Heilands werden zur
Sperre des Hauses gemacht u. s. w.; allein die Bewahrung wird nur durch das
gläubige Gemüt vom Himmel erbeten, ist also wahrhaft religiös. In der Neuzeit
sind aber auch diese Art von Haussegen schon vielfach abgekommen, und man
findet in vielen Häusern des Böhraerwaldes nur noch kürzere Sprüche religiösen
Inhalts, die keinen nennenswerten Zusammenhang mehr mit den alten Segcns-
formeln aufweisen.
Dor Tod in Sitte. Brauch und Glauben der Südslaven. 177
Der Tod in Sitte, Brauch und Glauben der Südslaven.
Vorwiegend nach eigenen Ermittlungen.
Von Friedrich S. Krauss.
Zweiter Abschnitt.
Von den Vo r z e i c h e n.
(Tod verursachen. — Träume, — Tierwelt. — Brautnacht. — Mond. — Glas. — Haar. —
Handflecke. — Besen. — Der Tote. — Nel)el und Ge\Yitter. — Das Haus. — Schatten. —
Fettaugen. — Eauch. — Salz und Sauerteig. — Nachsterhen.)
(Vergl. Zeitsclir. I, 148—163.)
Als im Jahre 1657 oder 1658 die bosnisch -herzogländischen Zaime
und Timarbegen mit ihren Fähnlein oder Rotten unter Dzanüm-Buljuk-
baschas Oberführnng nach Siebenbürgen zur Niederwerfung Rakoczys aus-
zogen, hnb der Obristbannerträger ein gar kläglich Lied zu singen an von
der hochbetagten Mutter, der liebsten Schwester und der getreuen Ehefrau,
so alle daheim auf der Warte verblieben, während er dort weit in fremdem
Lande sich wieder beweiben werde
crnom zemljom i zelenom travom!
mit schwarzem Erdreich und mit grünem Rasen!
Das war Herrn Dzanüm nicht lieb zu hören; denn Niedergeschlagenheit
bemächtigte sich der Truppen. Er versetzte seinem weibischen Banner-
träger eine riesige JMaulschelle, entriss ihm die Standarte und sang selber
ein Lied — Guslaren haben es uns überliefert. Er sang von der trost-
losen Armut daheim und von der reichen Beute und dem grossen Raube,
der dem Helden in Siebenbürgen sicher sei, und schliesslich, was läge am
Leben? denn:
svakako nam valja umrijeti!
wir müssen jedenfalls doch einmal sterben!
So spricht ein „Held" oder Räuber — die Begriffe decken sich in
diesem Falle so ziemlich — aber nicht der Ackerbau und Viehzucht be-
treibende Bauer. In der Tiefe seines Glaubens ist er völlig überzeugt,
dass niemand sterben müsste, wenn er keine Feinde hätte, die ihm den
Tod auf den Hals hetzen. Der Bauer ist zwar Fatalist, doch nur in
äusserster Not, wenn es kein Entrinnen mehr giebt. Die Notwendigkeit
der letzten Auflösung versteht er nicht. Am Tode ist immer jemand
anderer Schuld, ein Geist, ein Zauber, ein Mensch oder ein Tier. So wie
man durch sympathetischen Zauber Liebe sich erzwingen kann, so vermag
man durch völlig ähnliches Verfahren unter Anwendung anderer Mittel
den Feind zu töten. Es giebt eine Unzahl solcher Mittel, aber es wird
hier genügen, eines anzuführen. Man schreibt den Namen des Mannes,
178 Krauss:
Jon man aus der Welt seliaffon will, auf ein Stück Solfo und wirft die
Seife in ein offenes Wasser oder vergrältt sie in die Erde, worauf der
Mann (zadadeni) erkrankt und sich auflöst (topi se = er schmilzt hin),
gleichwie sich die Seife auflöst. Wenn die Seife irgendwo vom Fluss aufs
Trockene ausgeworfen wird und eintrocknet, so trocknet auch der „Zada-
deni" ein, bis er stirbt. Wer ein solches Seifenstück zufällig findet
(zadaden sapun) — man erkennt es daran, dass es mit Nadeln bespickt
ist — hebt es auf und gebraucht es als Heilmittel für einen „Zadadenik".
Zu diesem Zwecke schabt man etwas von der Seife ab, löst das Geschabte
in Wasser auf und giebt es dem Unglücklichen zu trinken. Davon reinigt
er sich ('sjurdisva) und muss wieder gesund werden (Bulgarien).
Ob jemand damit sich abgiebt, einem den Tod zu verursachen, er-
fährt man entweder durch Kräfteabnahme und eintretende Leibschwäche,
oder man wird davon sinnbildlich im Traume verständigt, oder ein naher
Blutverwandter oder ein inniger Freund bekommt ein bezügliches Traum-
gesicht. Wohl sagt ein täglich gebrauchtes SprichAvort: „san Je klapnja
(tlapnja) a Bog je istina" (Der Traum ist eine Phantasterei, doch Gott
[allein] ist die Wahrheit), aber der Glaube an die Vorbedeutung der
Träume wird dadurch nicht erschüttert. Nur von sehr bösen Träumen gilt
jenes Sprichwort. Mir erzählte eine serbische Bäuerin, sie hätte geträumt,
der Dieb ihrer Halsmünzenschnur sei einer ihrer Nachbarn gewesen.
Er habe zwar vor den Dorfgenossen den „furchtbaren Eid" auf seine
Unschuld abgelegt, doch habe er gewiss falsch geschworen; denn nicht
bloss ihr Traum, sondern auch ihre Ahnungen (slutnje) hätten ganz be-
stimmt jenen Mann als den Dieb bezeichnet. Slutnje sind sowohl
Ahnungen im allgemeinen Sinne des Wortes, als auch (böse) Vorbedeu-
tungen und Anzeichen und nebenher Begleiter der Träume. Die guten
Träume erzählt man nicht, nur die schlechten, beängstigenden, damit sie
einem von traumkundigen Frauen oder Männern richtig ausgelegt werden.
Über Träume habe ich den Stoff für eine Abhandlung, namentlich mit
Hinblick auf die schlimmen Traumgesichte, die einem Verderben weissagen.
Hier dürfte die Anführung jener kurzen Träume genügen, von denen
jedermann weiss, was sie besagen.
: Menschliche Körperteile und Gewandstücke deuten Blutverwandte oder
Hausgenossen an. Träumst du z. B., dass dir die Zähne ausfallen, so
wird jemand aus deiner Verwandtschaft bald sterben (Kroatien, Serbien,
Bulgarien). Das ist übrigens ein internationaler Glaube, den uns schon
Artemi dor OS der Daldier in seiner , Symbolik der Träume' (deutsch von
Krauss, Wien 1881) im I. Bd. Gap. 66 und IL Bd. Cap. 67 in seiner
Weise gründlich erörtert hat. Er bemerkt auf S. 39: .Der Zahn zeigt den
Verlust eines Menschen an, dessen Symbol er ist'. — Träumst du von
Leibwäsche, so stirbt jemand aus deiner Sippschaft oder deinem Gesinde
(Steiermark, Kroatien, Slavonien). — Wenn man im Traume einen nackten
Di^r Toit in Sitte, Uraiirli und (ilauben der Südslaveii. J 79
.Menschen scliant, <ii(>ltt es einen Todesfall im Ifauso (allgonn'in). Tortinm
coniparationis: eiiuni Verstorhenen entkleidet man gänzlicli. nm ihn zu
wasclion (xh-r Laden. — Träumt man von heiraten, so stirbt man selber
(allgemein). Tert. comi).: Bei einer Hochzeit wie bei einer Ijeiohenfeier
grosses (Jepränge, Priestersegen und Selimans für Gtäste. — Wenn ein
Weib träumt, sie bemühe sich einen Webstuhl aufzustellen, so stirbt jenuvnd
im selben Hause (allgemein). Tert. comp.: Aufstellung der Leichenbahre.
— Träumt einem von eimnn Toten, so bedeutet dies, dass man einen
schweren Schaden erleiden oder dass ein Unglücksfall eintreten werde
(Krain, Kärnten, Kroatien, Serbien). So man aber vom Tode selbst
träumt, so lebt man noch lange. Desgleichen ist jenem ein langes Leben
beschieden, den man totsagt (Krain, Küstenland, Herzogland).
In einem gewissen Sinne darf man einige Tiere als die Boten des
Todes bezeichnen. Sie sind unter Umständen sogar nur Verwandlungen
böser Geister, die dem Menschen Unheil bringen oder verkünden. Tieren
ist eine feinere Fühlung als dem Menschen beschert und sie besitzen sehr
häufig bei bestimmten Gelegenheiten die Gabe des zweiten Gesichtes oder
der Geistersichtigkeit, die selten einem gewöhnlichen Menschenkinde eigen
ist. Schon durch ihr blosses, auffälliges Gehaben verraten deshalb manche
Tiere <lrohendes Verderben. In solchen Fällen deutet und versteht jeder
Bauer die Rätsel der Tiersprache.
Im schwarzen oder richtiger im dunklen Schmetterling glaubt man
einen Boten des Todes erblicken zu müssen. Wer z. B. im Frühjahr zu-
erst einen schwarzfarbigen Schmetterling (cernego metulja) erschaut, der
lebt das Jahr nicht aus (Murinsel). Man muss sich merken, dass Hexen,
Maren und andere ihnen ähnliche Unholde in Schmetterlinggestalt den
Menschen heimzusuchen pflegen. Man lese darüber in meinem Volk-
glaubeu der Südslaven auf S. 112 nach.
Das geistersichtigste Tier ist der treue Freund des Menschen, der
Haushund. Heulen die Haushunde vor dem Hause, so stirbt bald der
Hausvorstand (Slavonien). Wenn der Haushund nachts winselnd heult,
so stirbt l)ald darauf jemand im Hause (Krain, Dalmatien, Montenegro,
Bosnien, Serbien). Dagegen glaubt man in Bulgarien: wenn in einem
Hause der Hund wie ein Wolf zu heulen anfängt, so nmss im selben
Hause oder in der Nachbarschaft jemand sterben. Wer den Hund zuerst
heulen luu't, muss ihm fluchen, damit das Unheil zu seinem Kopfe aus-
gehe: „Hour nur, heul'! sollst dir den Kopf ausheulen! ja wohl!'' Auch
durch sein Gehaben kann der Hund den Tod ansagen. Wenn z. B. ein
Hund mit den Hiuterfüssen die Erde aus <lom Hofe hinausscharrt, so
glaubt man, jemand von den Hausleuten oder <ler Hund selber werde
hinausgescharrt (ee ste se zarovi) und begraben werden, d. i. sterben
(Bulgarien). Es giebt zwar ein Ersatzopfer für den gefährdeten Menschen,
] 30 Krauss :
»locli davon soll ein andermal die Rede sein, um nicht liier zu weit von
unserem Gegenstande abzuirren.
Auffällig ist, dass die Katze kein Todesbote ist, die Sau dagegen
wenigstens in einem Falle. Wirft nämlich in einem Gehöfte die Zucht-
sau lauter Weibchenferkel (prasicice skoti) so wird die Hausvorsteherin
sterben, wirft aber die Sau lauter Männchenferkel , so geht bald hernach
der Hausvorstand mit Tode ab (Kroatien). Eine Sau, die ihre Ferkel auf-
frisst, wird abgestochen; doch als ein Unglück betrachtet man sie nicht.
Das Pferd war einst bei den germanischen und vielleicht auch bei
den slavischeu Völkern im gleichen Masse ein den Geistern geheiligtes
Tier. Spuren davon haben sich bis in die Gegenwart erhalten. Wenn im
bosnischen Savelande die Pferde heimkehren, die den Toten zum Fried-
hof gefahren, giebt man Acht, ob sie das Maul zum Gähnen aufsperren
werden, denn man sagt: „gähnt das Pferd, so wird bald einer aus der
Verwandtschaft des eben Bestatteten sterben." Ein Bauer gab mir folgende
fragwürdige Erklärung für diesen Glauben: „das Pferd reisst den Rachen
auf, als wollte es eine Seele verschlingen." Wohl hängt mit diesem
Glauben der Brauch in Verbindung, dass man den Rossen, die den Toten
hinausgeschafft, etw^as Kleien und Salz reicht, angeblich, damit sie es den
Leuten verzeihen, dass man sie zur Hinausbeförderung eines Toten ver-
wendet hat (da biva alale, sto su mrtvog vukli).
Mauhvurf, Kröte und Sehlange sind unmittelbar verhasste Tiere,
und darum ist ihre Beziehung zum Tode leicht begreiflich. Wühlt ein
Maulwurf an der Hauswand oder gar unter der Hausschwelle, so wird ein
Mitglied des Hauses sterben. Ebenso stirbt bald jemand aus dem Hause,
wenn eine Kröte ums Haus herumhüpft (Slavonien, Kroatien, Bosnien).
Wenn einer den Weingarten behauend eine Schlange ausgräbt, so muss
ihm jemand aus seiner Verwandtschaft sterben (Kroatien). Falls in einem
Hause oder Baume eine zweiköpfige Schlange (stupan) haust, so muss
man sie in Frieden lassen; denn derjenige bezahlt es mit seinem Leben,
der sie erschlägt. Wenn aber ein solcher Stupan stirbt (umsteht, verreckt)
so fälle man den Baum oder reisse das Haus ein (Bulgarien).
Wolf und Hase bedeuten äusserst schlimmen Angang, letzterer allein
jedoch in dem Falle einen Todesfall, wenn er im Dorfe vor einem Hause
vorüberläuft. Wer ihn zuerst erblickt, der muss vor Ablauf des Jahres
das Zeitliche segnen (Bosnien).
Von den Hausvögeln sind vorzüglich Todboten Hahn und Henne,
und unter den wilden Vögeln der Rabe, die Krähe, der Kuckuck und
das Geschlecht der Nachteulen. Zumal der Hahn ist geistersichtig. W^enn
die Seele den Leib verlässt, so hält sie sich noch eine geraume Frist in
der Nähe ihrer alten Behausung auf und solange ist auch nicht alles Leben
aus dem Verstorbenen entwichen. Um Mitternacht schauert der Tote zu-
sammen. Aber man sagt auch, wenn der Hahn um halb zwölf nachts
I
Der Tod in Sittp, Brauch und Glauben der Südslaven. 181
kräht, so fälirt ein Schütteln durch den Leib des Toten. Kräht der Hahn
nocli vor Abend, so stirbt bahl jemand im selben Hause (Istrien. Kroatien).
Fliegt der Hahn unters Fenster, um zu krähen, so wird jemand im selben
Hause sterben (Kroatien, Sirmien). Kräht der Haushahn auf einem der
steinerniMi oder hölzernen (irundpfeiler. auf" denen das Haus ruht (na
poceku), so wird es im selben Hause 1)ald einen Toten geben (Krain.
Kroatien, Slavonieu, Serbien).
Nicht minder ahnungreich ist die Henne, besonders di(» ganz weisse
oder schwarze. Fängt in einem Gehöft eine w'eisse Henne wie ein Halm
an zu krähen, so stirbt jemand im selben Hause. Eine solche Henne muss
man sogleich abschlachten, ihr Fleisch aber darf man nicht essen, weil es
furchtbar (wie Gift) schädlich ist, sagt das Bauern Aolk in Kroatien. In
Steiermark und Istrien hält man dagegen die schwarze Henne für eine
Unglückverkünderin, selbst wenn sie nur ungew^öhnlich gackert, doch kann
ihr Gegacker auch auf das Nachbarhaus bezogen werden. Wenn eine
Henne zu krähen anfängt, glaubt man in Bosnien, dies prophezeie dem
Hause ein grosses Sterben (relikom pomoru onoj kuci sluti). In Süd-
bulgarien glaubt man, das Krähen einer Henne bedeute nur den Tod einer
einzigen Person des Hauses; oder, wenn eine Henne wie ein Hahn zu
krähen anfängt, so gereicht dies dem betreffenden Hause nicht zum Yor-
teil: entweder verarmt es oder es stirbt jemand aus dem Hause. Um
diesem Unheil vorzubeugen, empfiehlt man als Gegenmittel, eine derartige
Henne zu verkaufen oder einem Kloster als Geschenk darzubringen (Bul-
garien). Allgemein gilt im A^olke als ein A-'orzeichen für einen bevor-
stehenden Todfall zu frühes Gackern der Hennen im Morgengrauen.
Der Galgenvogel Rabe wird allgemein als schlimmer Todesbote an-
gesehen. Krächzt z. B. ein Rabe (kavran, gavrau, garvan, crna ptica) bei
jemandes Gehöfte oder gar auf dem Hausfirst, so giebt es in der Nähe
bald einen Toten.
Fangen gegen Abend die Krähen (garagaski) zu krächzen an, so
wird ehestens eine Krankheit oder ein grosses Sterben eintreten (Bulgarien).
AVenn ein Kuckuck über dem Hause Kuckuck ruft, stirbt jemand.
Der Yolksglauben aller slavischen Völker hat diesen Yogel mit geheimnis-
vollem Ursprung ausgestattet. Es mögen hier kurz drei südslavische Sagen
angemerkt werden:
Eine serbische Sage erzählt, der Kuckuck (kukavica. weibl.) sei ein
Weib gewesen, dem der einzige Bruder gestorben. Sie habe so masslos
geklagt und gejammert (kuku lele = wehe geschrieen!), bis sie sich in
einen Kuckuck verwandelte. Nach einer anderen Fassung soll sie vom
Bruder im Grabe verflucht worden sein, weil ihm ihr ewiges Jammer-
klagen lästig gefallen (den Frieden im Grabe gestört); andere wieder
meinen, Gott habe sie verdammt und in einen Kuckuck verwandelt, weil
sie den Bruder unablässig beweinte, den Gott zu sich genommen. Dadurch
Zeitschrift d. Vereins f. Volkskunde 1892. 13
182
Krauts :
hätte sie sich gegen Gruttes Ratschhiss aufgelehnt. Hört zufällig eine Serbin,
der ein Bruder gestorben, einen Kuckuck rufen, so fängt sie auch an leid-
voll zu kucken.
Diesen Glauben niuss man sich vor Augen halten, um es zu verstehen,
warum vielfach in Serbien auf das grosse Grabkreuz zu Raupten eines
Toten, der Schwestern zurückgelassen, ein Kuckuck aus Holz geschnitzt
gesetzt zu werden pflegt.
In Bulgarien glauben die Bäuerinnen, der Kuckuck (gugücka oder
o-uo'ütka) sei ein Frauenzimmer gewesen, das einen einzigen Sohn ge-
habt, der Giigo (Georg) geheissen und früh verstorben sei. Ihr Gram
und Kummer um ihn war grenzenlos, und vor gewaltigem Leid ging sie
morgens und abends aufs Grab und weinte und klagte. Ihres endlosen Ge-
jammers wurde Gott überdrüssig und eines Morgens kam Gott hin zu ihr
und fragte sie: „Was plärrst du da und kuckst da, du närrisches Weibchen,
immer und ohne Unterlass auf dem Grabe?" — „So lang ich lebe, guter
Alter, werd' ich weinen und nie verstummen! O Gügo, Gügo, Gügo, o du
mein liebstes Kind!" Und da segnete Gott das W^eib: „Sollst gesegnet
sein und dich in einen Kuckuck verwandeln und von nun an bis in alle
Ewigkeit kucken!" Im selben Augenblicke verwandelte sie sicli in einen
Kuckuck und flog davon, um zu kucken und zu klagen, und mit jedem
neuen Frühling erschallt ihre Klage um den Sohn von neuem. Sie klagt
,kiirror!' und ihre Flügel schlagen dazu: ,slak, Slak, slak!'
Es ist üblich, dem ersten Kuckuck, den man im Frühjahre zu hören
bekommt (zu sehen ist dieser scheue Vogel selten) die Rufe nachzuzählen.
So vielmal als er Kuckuk ruft, so viele Jahre hat der Zähler noch zu leben.
Dagegen gilt es, besonders unter den Altgläubigen in Bosnien, als eine
frevelhafte Versündigung, einem Kuckuck den Ruf nachzuäffen, oder
vollends gar den A^ogel zu töten, weil man glaubt, dem betreffenden Spötter
oder Töter werde sogleich der Vater oder die Mutter sterben.
Zur Begründung dieses Glaubens ist folgende Sage im Umlauf: Der
Kiickuck (beschönigend nennt man ihn meist pjevacica, d. i. die Sängerin)
war „Kaiser" Lazarus' Schwester. Nachdem der Kaiser zu Leitengeben
(so heisst Kosovo polje zu deutsch, nicht aber ,Amselfekr) sein Leben ver-
loren, weinte und kuckte (kukala) seine Schwester ohne Aufhören. Am
Fest der hl. drei Könige (bogojavljenje, d. i. Tag der Gotterscheinung oder
Gottmeldung) wurde sie von Gott verflucht mit den Worten: „Du sollst in
alle Ewigkeit vom Lazarsamstag an (Lazarova subota, d. i. der Samstag
vor dem Palmsonntag) bis zum St. Petrustag (den 29. Juni) nur , Kuckuck!'
rufen!" So geschah es und geschieht es noch alleweil. Verspotten aber
Kinder den Kuckuckvogel, so flucht der Vogel den Spöttern:
Kukala ti majka do Fetrova danka
ot Petrova danka i otac i majka!
Der Tod in Sitte. Brauch und Glauben der Südslaven. 183
Die Mutter soll dir kucken bis zum Fetertage,
vom Petertag jedoch der Vater und die Mutter!
Naolitvögel aus dem Eulengeschlechte (euk. sova, soviiljaga. lunja,
uiijaca. jejina. bul)a) zeigen durch ihre unheimlicheu Rufe in der Nähe
menschlicher Behausungen immer Todfälle an. Allgemein glaubt man:
setzt sieh ein Uhu auf ein Haus und lässt seinen Ruf ertönen, 'so stirbt
jemand von den Bewohnern, ausser jemand ladet augenblicklich sein Ge-
wehr mit Eisennägeln, die in der Kirche während des Hochamtes unter
dem Altarkissen gelegen, und schiesst den Uhu herab. Wenn eine Schleier-
eule in der Nähe des Hauses ,uhu" schreit, so sagen die Bosnjaken, dass
noch im selben Jahre der Hausvorstand oder die Hausvorsteherin mit dem
Tode abgehen müssen.
Wie der Vogel, so ist auch sein Name jejina (Nachteule) verpönt
auszusprechen; man sagt lieber zur Vermeidung eines bösen Vorzeichens
velika Iniba oder velika baja (die grosse buba, d. i. strix bubo, oder
die grosse Zauberin). Entschlüpft einem unwillkürlich in Gegenwart von
Kindern das Wort jejina, so zieht man piepsend die anwesenden Kinder
bei den Ohren, damit jede mögliche Beschreiuug rückgängig gemacht
werde (Bosnien).
In Kroatien glaubt der Bauer, die Smrt lasse sich durcli jenen Vogel
anmelden, der aufs Dach geflogen kommt und den Ruf ausstösst: spis. spis,
spis! (du schläfst). In jenem Hause müsse es bald einen Toten geben.
Welcher Vogel damit gemeint ist, konnte ich nicht in Erfahrung bringen.
Bei wichtigen, für den Einzelnen tief in das Leben einschneidenden Ver-
änderungen, z. B. bei Eheschliessungen, beim Wechsel des Wohnortes,
bei dem Bezug eines neugebauten, noch nicht liewolmten Hauses, beim
Antritt grosser Reisen, entwickelt sich von selber unter dem Eindruck des
grossen Ereignisses der Hang und der Drang, in manchen untergeordneten
Umständen bedeutsame Vorzeichen für die zukünftige Gestaltung des
Lebens und auch für das Lebensende zu entdecken. Um nur ein Beispiel
anzuführen: Wer von den Brautleuten in der Brautnacht zuerst einschläft,
stirbt auch früher (aus Pleternica in Slavonien). Mehr von derart Glau-
ben mag man in meinem Buche Sitte und Brauch der Südslaven (Wien
1885) nachlesen. Im übrigen ist das ganze Leben des Bauern mit lauter
solchen Weisheiten durchspickt. Wo er geht und wo er steht, immer
heisst es, auf der Hut sein, um sich nicht den Tod aufzuladen. Von der
Bedeutung der Gestirne habe ich in meiner Studie ,Sreca. Glück und
Schicksal im Volkglauben der Südslaven' und in dem i^uclu^ .Volk-
glauben" genug gehandelt. Hier wäre noch in Bezug auf den Tod nach-
zutragen: Wer vor dem Neumonde eine Verbeugung macht, der stirbt im
selben Monate gewiss nicht (Slavonien, Bosnien).
Die Wohnstätten dienen niciit bloss Menschen sondern zuweilen auch
Geistern zum Aufenthalt. Je älter ein Haus, ein Wirtsehaftgebäude, ein
13*
184 Krauss:
Einkelirwirtshaus oder gar eine Mülile ist, desto eher gehen darin böse
Geister nra (zineasva). Sind die Bewohner eines Hauses ausgestorben, so
nehmen in der Regel vom verlassenen Heim Geister Besitz (allgemeiner
Glaube). In einem solchen Hause verstirbt sehr leicht jemand, der un-
bedacht oder unklug genug ist, darin zu übernachten (Bulgarien). Wenn
in einem' Hause ein Balken, ein Thürstock oder ein Einrichtunoo-eo-enstaud
von selber knarrt, so ist dies ein Zeichen, dass im selben Hause ein Mensch
sterben werde (Bulgarien). Wenn ein Hausbalken oder Pfosten springt, so
bedeutet dies den Tod eines der Hausleute. Man denke dabei au das Sprich-
wort: ,Die Söhne sind des Hauses Stützgebälke." Wenn zwei Wandnägel im
Zimmer von selber aus der Wand herrausspringen, so ist dies ein Zeichen,
dass in dem Hause bald jemand sterben wird. Geschenke haben Bezug
auf den Geber. Mit jedem Stück, so man aus Liebe verschenkt, giebt
man einen Teil seines Ichs weg. Springt von selber ein Trinkglas oder
ein Spiegel, den man von jemand zum Geschenk erhalten hat, so deutet
dies den Tod des Spenders an (Slavonien).
Im allgemeinen beruht die Erkennung von Yorzeichen auf demselben
Grunde, auf dem die Kunst der Traumdeutung fusst. Es ist z. B. nicht
gut, wenn ein Frauenzimmer beim Haarflechten einen Zopf nicht zu
Ende flicht, weil sonst im selben Jahre jemand aus ihrem Hause sterben
muss (Bosnien, Herzogland, Serbien). Aufgelöstes Haar ist ein Trauer-
zeichen. Auf der Handfläche oder auf dem Daumen auftretende gelbe
Flecken nennt der BoSnjak mrtva knä (Totenfärbung). Man sagt: zeigen
sich die Flecken auf der rechten Seite, so wird dem damit Gekenn-
zeichneten ein Hausgenosse sterben, wenn aber mehr auf der linken, so
stirbt ihm ein Freund im Dorfe. In Bulgarien glaubt man wieder: be-
kommt einer auf der Hand gelbe Flecken, so bedeutet dies, es werde ihm
jemand mit dem Tode abgehen; gewahrt man zuerst solche Flecken, wenn
man gerade im Hause weilt, so wird einer von den Hausleuten sterben;
gewahrt man sie im Gehöfte stehend, so stirbt einer von den Arbeitern;
ist mau zur Zeit aber auf der Strasse, so stirbt ein Nachbar. — Es ist
nicht gut, , dass man einen Menschen oder ein Tier mit dem Besen haue;
denn die Angehörigen oder das Vieh des Dreinhauenden werden vom
HERRN weggekehrt, d. i. dem Tode überliefert (Bulgarien). Dieser
(xlaube hat mit jenem vom Besen als Hexenross nichts gemein.
Da alles und jedes in der Natur, nach dem Volksglauben, durcli-
geistert ist, so liegt es nahe, dass man auch z. B. in Gewitterbildungen
Anzeichen des Todes erblickt. Wenn am Tage der Verklärung St. Pauli
(preobra.^enje sv. Pavla) dichter Nebel die Berge bedeckt, so werden im
selben Jahre mehr Herrenleute als Bauern sterben, lagert sich aber der
Nebel über den Ebenen, so sterben mehr vom gemeinen Volke. Im
krainischen Küstenlande glaubt man, wenn ein Gewitter lange anhält, es
sei jemand ertrunken. Über den Ursprung der Gewittergeister lässt uns
Der Tod in Sitte. Braucli und Glauben der Südslaven. 185
der Volkglanbe nicht im Unklaren. In den windischen Gegenden, in
Istrien, im Dalmatinischen und in Kroatien, wo deutscher und italienischer
Hexenglaube sich eingelebt, macht man die Hexen, den Ortspfarrer oder
die Yilen häufig verantwortlich, wenn sich böse Stürme einfinden. Im
Bosna- Herzoglande dagegen weiss man, dass mit dem Ungewitter die
Seelen Ertrunkener heimkehren. — Bricht nämlich unverhoft't tnn Hagel-
wetter ein, bevor noch die Sommerfrucht eingeheimst wurde, so trägt der
Bauer und die Bäuerin schleunigst vors Haus hinaus den Speisetisch und
den Dreifuss, kehrt sie auf dem Boden um. legt Löfi'e]. Brot und Salz
auf den Tiscli, und eine von den Frauen aus dem Hause spricht die Be-
schwörung: ,Wir empfingen dich als unseren teuersten Gast und Freund,
so füg' uns auch keinen Schaden zu!' (mi tebe docekali ko najveceg dosta
i prijatelja pa i ti uama ne ucini nikakva zijana!). Dann ruft sie den
Geist oder die Seele eines ihr bekannt gewesenen Verstorbenen an, der
durch Ertrinken den Tod gefunden: ,0 Johannes! (oder wie er geheissen)
ich beschwöre dich mit dem Namen Gottes, wehre den Hagel von hier
ab!" (0 Jovane, kumim te imenoni bozim, ne daj gradu vamo!).
Brot und Salz bietet man dem Gaste au, denn das sind Symbole der
häuslichen Wohlfahrt. Brot und Salz haben also Bezug auf das mensch-
liche Leben. Wenn man beim Brotkneten vergisst, dem Mehl oder Teige
Salz beizumengen, so glaubt man, es wird einem jemand im Hause oder
in der Verwandtschaft ferne sterben (Bosnien, Bulgarien). Dem toten Vor-
stande einer Hausgemeinschaft zielit man unterm Arme ein Gefäss mit
Salzwasser durch oder rührt mit seiner Hand ein Salzwasser um und giebt
es nach seiner Bestattung dem Hausvieh zu trinken, damit es nicht dem
Hausvorstande nachsterbe (Bosnien). Wird in einem Hause der Sauerteig-
wurmig (kvas crvivi), so wird noch im selben Jahre jemand aus diesem
Hause sterben (Kroatien, Küstenland).
Vorzeichen für Tod und Leben werden einem auch bei der Jahr-
wende kund wie auch bei der Toten waschung. Am besten werden dies
einige Beispiele erläutern. In der ersten Weihnachtnacht stehen (im
bosnischen Hochlande) alle Hausleute (Christen) vor Morgengrauen auf
und verrichten vor brennenden Kerzen eine Andacht. Wer von den Haus-
leuten hei dieser Gelegenheit seinen Schatten (svog osinja) anf der AVand
nicht sieht, der wird im selben Jahre sterben. Man merke sich, dass der
Bauer das Jahr von einem Weilmachtfest zum anderen rechnet. Am
ersten Weihnachtmorgen Avird in jedem Bauernhause (bei Altgläubigen)
ein Fruchtbrei (cicvara) mit Schmalz gekocht. Ist der Brei gar und
schwimmen oben dicke Fettaugen, so beugen sich die Hausleute der Reihe
nach über das Gefäss und schauen in die Fettaugen hinein. Wer sein
Spiegelbild in den Fettaugen nicht erblicken kann, der muss im selben
•lahre das Zeitliche sea'nen.
186
Krauss :
Wie beim Opferdienste ist auch bei der Totenwaschung oder Ab-
kochimg des Badewassers die Eauch- oder Dampfwendimg von eigener
Bedeutung. Die Rauchwendung ist bei feierlichen Anlässen überhaupt ein
Vorzeichen. So z. B. steckt man zu Weihnachten in das mit allerlei
Feldfrüchten gefüllte Gefcäss auf dem Tische so viele Kerzen hinein, als
die engere Familie seit drei Generationen Verstorbene zählt. Nach dem
Nachtmahl betet man für das Seelenheil der Hingeschiedenen ■ und löscht
darauf die Lichter durch Übergiessung mit Wein aus. Die Person, gegen
die sich der Rauch hinwendet, wird zuerst von den um den Tisch
Versammelten sterben (Lika, Otocacer Bezirk). Die Mohammedaner glau-
ben, steigt der Rauch von dem Feuer, über dem das W^asser zur
Totenwaschung gewärmt wird, kerzengerade gen Himmel auf, so giebt es
nicht bald in der Nähe einen Todesfall; senkt sich aber der Rauch aufs
Trauerhaus nieder, so stirbt demnächst jemand im selben Hause nach;
schlägt er nach einer Richtung gegen das Viertel um (die Mohammedaner
sind meist in grösseren Orten ansässig), so stirbt ehestens jemand in dem
Teil des Ortviertels, wohin der Rauch weist. Auch bei den Christen im
bosnischen Gebirgsland wird das Wasser unter freiem Himmel lauwarm
gekocht (uznilace vodu). Aus der Richtung, die der aufsteigende Wasser-
dampf nimmt, prophezeit man, in welchem Hause demnächst jemand
mit dem Tode abgehen werde; der Dampf zeigt nämlich deutlich das
Haus an.
Was immer mit einem Todfall zeitlich zusammentrifft, erlangt eine
ominöse Bedeutung. Liegt wo in einem Hause ein Toter, so darf mau
nicht durchs Fenster hineinschaueu oder hineinsprechen in die Stube, weil,
wer da hineinschaut, das ganze Jahr krank sein wird (allgemein). Ist
ein Toter im Hause, so ist es nicht ratsam, dass einer von den Hansleuten
irgend eine Feldarbeit verrichte, weil sonst Unfruchtbarkeit eintreten würde.
Diese Erklärung ist nicht sicher (Kroatien). In der Lika und im nord-
westlichen Teile von Slavonien scheut man sich sowohl im Totenhause als
in der Nachbarschaft rechts und links zu spinnen und zu weben, so lange der
Tote in dem Hause aufgebahrt liegt; denn die Weiber glauben, dass wenn sie
es unterliessen zu ruhen, ihnen künftighin bei der Arbeit die Hände ein-
schlafen (trnuti) oder erstarren würden. Im Hause des Toten vermeiden
die Leute, wie sich dies fast von selber versteht, jede iVrbeit, bis auf die
notwendigen Vorbereitungen zum Trauer- oder Totenmahl. Darüber wer-
den wir später genauere Auskunft geben.
Der Tote zieht die Lebenden sich nach ins Grab. Das Nachsterben
sucht man auf verschiedene Weise zu hintertreiben. Wenn in Zagorjen
(in Kroatien) der Sarg nicht gefärl)t werden kann, umwindet man ihn mit
Werg (rusica). Dieses Werg wird nach der Bestattung heimgebracht und aufs
Dach geworfen. Man glaubt, so lange das Werg von selber auf dem Dache
bleibt, ohne hinabzufallen, so lange werde sich im betreffenden Hause
Dpi- T(I(I in Sitte, Bi-aucli iiml Glaul)eii der Sü(lsla\-ei). 187
kein Todfall ereignen. In Altserbien pflegt man heim Hinaustragen des
Toten aus dem Hause sich nicht umzuschauen, eiie man nicht bis ans Grab
gekommen ; ebensowenig blickt man nach rückwärts auf dem Heimwege
vom Gottesacker. Das geschieht ausdrücklich, damit nicht bald ein zweiter
Todfall im Hause vorkomme. In der windischen Steiermark scheuen
sich die Hauslente im Leichenzuge das Krenz, das Weihwasser oder gar
den Toten zu tragen oder sonst irgend eine Verrichtung zu ühernehmen
(bei den slavischen Mohammedanern ist das Gegenteil üblich); denn man
sagt, eine solche Teilnahme käme einer Schadenfreude über den Todfall
gleich, und der Betreffende müsste selber bald nachsterben. Verwandt ist
damit im Grunde genommen der Glaube christlicher Bosnjaken. dass man
ein totes Kind nicht mit Blumen schmücken dürfe, sonst schmückte sich
der Friedhof mit Kindern.
Bei der Daca (dem Toteumahl) südungarischer Serben dürfen auf (h'm
Tische keine dreizehn Teller vorhanden sein, selbst dann nicht, wenn an
Gästen nur dreizehn zugegen Avären, weil man glaubt, einer von den
dreizehn müsste sonst noch im selben Jahre nachsterben. Andererseits
müssen "alle Becher, Becken, Schüsseln mid Teller in ungerader Zahl
— dreizehn ausgenommen — auf dem Tische stehen; denn eine gerade
Anzahl wäre nicht minder Unglück verheissend, als die Zahl dreizehn.
Die Teller dürfen lieim Mahle nicht geM^echselt werden, mögen noch so
viele Speisen auf den Tisch gelangen. Das versteht sich natürlich nur
von wohlhabenden Häusern. Bei Mahlzeiten hat man übrigens auch sonst
auf mancherlei zu achten, um nicht durjh Hervorrufung böser Vorzeichen
den Hausvorstand zu erl)Osen und die Anwesenden zu verstimmen. Manche
derartio-e Omina könnte man rationalistisch erklären als billige Schreck-
mittel, um gewisse Regeln des Anstandes und der guten Sitte zum un-
verbrüchlichen Gebote zu machen. Solche Erklärungen bekam ich öfters
zu hören, aber ich halte sie für unbrauchbar, weil sie die Wirkung als
Ursache bezeichnen. Der Volkglaube allein führt uns schon auf den
richtigen Weg. Bei Tisch darf man ein Messer nicht auf den Rücken
legen, weil sich eine Seele an der Schneide verwunden könnte. Wenn
jemand bei der Mahlzeit den Uöffel auf den Rücken legt, so glaubt man,
der Unachtsame werde, wenn er einmal stirbt, mit aufgesperrtem Munde
daliegen (Kroatien). Vollends schlecht ist es, den Brotlaib auf den Rücken
zu legen.
Den eben Verstorbenen denkt man sich noch halb und halb mit den
Lebenden im Wechselverkehr. Wenn es ein Mensch sein lebelang nicht
gewesen, so wird er wenigstens als Leichnam zum Propheten. Da ihm
nun die Lautsprache fehlt, drückt er sich, glaubt man, durch Mienen und
Geberden aus. Die Mohammedaner glauben, weim der Tote die Augen
nicht schliesse, so sei das ein Zeichen, der Tote trage noch Begehren nach
dieser Welt (ostao zeljan svijeta). Anders die Christen: stirbt jemand im
188 Kraiiss:
bosnischen Savelaiide und scliliesst er niclit die Augen, so prophezeit man
(gata se), es werde Lahl in der Terwandtschaft ein zweiter Todfall ein-
treten. Liegt der aufgebahrte Tote mit einem offenen Auge da, so legt
man ihm einen Kreuzer aufs Auge; scliliesst sich das Auge trotzdem nicht,
so ist dies ein Zeichen, dass jemand bald nachsterben Averde (Kroatien).
Behält ein Toter das rechte Auge ofPen, so muss entweder ein Kind oder
sonst jemand aus der nächsten Verwandtschaft bald nachsterben; steht das
linke Auge offen, so stirbt jemand aus der fernen Yerwandtschaft (Kärnten,
Kroatien, Slavonien). Oder man sagt, das offene rechte Auge deute den
nahe bevorstehenden Tod eines männlichen, das linke Auge den eines
weiblichen Verwandten an (allgemein). Behält ein totes Kind das linke
Auge offen, so wird ihm seine Mutter bald mit Tode nachfolgen. Es sehnt
sich noch nach der Muttermilch (allgemein).
Zeigt der aufgebahrte Tote ein ruhiges, freundlich sanftes Gesicht, so
weissagen (caraju, gataju) die Bauern, es werde ihm bald jemand aus der
Sippe nachfolgen (Perusicer Gegend in der Lika). Überall sonst wird dies
als ein gutes Zeichen aufgefasst, dagegen glaubt man in anderen Land-
strichen: hat der Tote eine verzerrte Miene, als ob er lache, so wird ihm
in nächster Zeit jemand aus der Verwandtschaft nachsterben. Die slavi-
schen Mohammedaner glaul)en wiederum, dass, wenn beim Toten keine
Starre eintritt, bald jemand im selben Hause nachsterben müsse.
Aus meiner Abhandlung über südslavische Pestsagen dürfte den Fach-
genossen der seltsame Glaube noch erinnerlich sein, wonach bei manchen
Toten eine ungleiche Verkürzung der Füsse eintrete. Dies hat seine be-
sondere Bedeutung in Pestzeiten und eine andere unter gewöhnlichen Ver-
hältnissen. In der Lika glaubt man: liat der Tote den linken Fuss länger
als den rechten, so stirbt bald ein Frauenzimmer im Hause nach; ist der
rechte Fuss länger, ein Mann. Sonst heisst es allgemein: ist bei einem
Toten der eine Fuss länger als der andere, so stirbt bald ein Mitglied der
Familie nach.
Um nicht durch weitere Aufzählung solcher allbekannten Dinge die
Fachgelehrten zu ermüden, möchte ich zum Schluss nur noch kurz auf
einen Zug des Schicksalglaubens hinweisen, der als Vorzeichen auf-
gefasst wird. Der Glaube ist bei den Südslaven allgemein, dass Menschen,
die zur selben Stunde oder beiläufig innerhalb desselben engeren Zeit-
raumes das Licht der Welt erblicken, auch ein gleiches Lelienslos be-
schieden erhalten. Man sagt z. B. u sretan cas (in glücklicher Stunde),
u nesretan cas (in unglückl. St.) oder dan (Tag) oder mjesec (Monat),
selten u sretnoj godiiii se rodio (in einem glücklichen Jahre ist es geboren
worden). (Ausführlich besprochen in meiner Studie: Sreca, Glück und
Schicksal.) Daraus erklärt sich manches. Die südungarischen Serben und
auch jene im Königreiche Serbien hegen den Glauben, dass blutverwandte
Kinder, die zufällig im selben Kalendermonat geboren sind, in der Weise
\
Der Tod in Sitte, Brauch und Glauben der Südslaven. 189
von einander abhängen, dass, wenn das eine Kind stirbt, das andere l)aldigst
nachsterben müsse. Durch zwei Mittel sucht man dem gefürchteteu Nach-
sterben vorzubeugen: erstens legt man zum Sarg des verstorbenen Kindes
ins Grab einen Schilfrohrstab und spricht dazu den Bann: ,Möge dieses
Schilfrohr statt des zweiten Kindes verwesen!' (ova trska neka trune mesto
ovog drugog deteta). Das zweite Mittel heisst man: otvoranje is puta
(Die Öffnung [des Sarges] auf dem Wege [zum Grabe]). Dieses A^ erfahren
konnte ich leider nicht genau ermitteln, doch kenne ich ein drittes, das
auf Loskauf beruht und als sehr wirksam betrachtet wird. Ist der eine
„Einmouatling" (jednomesecic) noch nicht bestattet, so erscheint der andere,
ihn ülierlebende Gefährte vor der Balire und ein altes Weib legt eine
Fessel um den Fuss des Toten und des Lebenden. Nun spricht der
Letztere zu einem dritten, o-leiclifalls anwesenden Altero-enossen: , Nimmst
du bei Gott und dem hl. Johannes die Beschwörung an, einen Sklaven
aus dem Grab zu erlösen?' Der Angerufene willigt darauf ein. Dreimal
legt das Weib die Fessel dem Toten und seinem Partner an und dreimal
löst sie sie wieder los. Liegt der Tote schon im Grabe, so wird der zu
spät erschienene, überlebende Einmouatling an das Grabkreuz gefesselt
und darauf erfolgt die übliche Fragestellung. Den Loskaufer hält der
Erlöste von da ab hoch in Ehren als seinen Wahlbruder (pobratim).
Als ein Ausfluss des Schicksalglaubens ist wohl auch die ziemlich
verl)reitete Meinung zu betrachten, dass es nicht gut sei, in einer und der-
selben Hausgemeinschaft an einem Tage zwei Kinder taufen zu lassen,
denn sonst lebe eines von ihnen das Jahr nicht aus. Besonders streng hält
man sich in Bosnien daran.
Dunkel ist mir der Ursprung des Glaubens, es sei nicht geheuer, wenn
zwei Menschen zu gleicher Zeit aus derselben Quelle Wasser trinken, weil
sie zugleich werden sterben müssen (Bosnien, Herzogland, Montenegro).
Wien. (Fortsetzung- folgt.)
I
Weiteres über Wind, Wetter, ßegeii, Schnee nnd
Sonnenschein nnd die Gebirgsnatnr.
Von Marie Rehsener.
Wind.
„Der Wind hat in unserer Gasse seine Heimat (dort geht er oft). Er
kommt bald, wenn er will." Jetzt rüttelt er am Schornstein — „hm, hm,
der Feine! sie haben schou gesagt, dass sie ihn in der Frühe gehört haben,
la- luit in den Bnlkcn ,geschnakelt"."
190 Eehsener:
Ein starker Wind, aber ein gesunder Wind, niclit wie in Italien! hent
thut er .billn' und ,lurln\
Er wird mich gut abpfeifen, wenn ich auchn auf den Brenner geh und
die Brodtragerin von Sterzing nicht auer lassen^).
Weht zu Gregori der , äussere' Wind und scheint die Sonne, so haben
die Bauern das Korn (der nächsten Ernte) schon in der Kiste. In der
alten Zeit stieg an dem Tage einmal ein Bauer gar mit der brennenden
Pfeife bis auf das Dach seines Hauses, um am Rauch zu sehen, ob der
Wind nicht gehe. Jetzt braucht man nicht mehr erst aufs Dach zu steigen,
jetzt geht er wol allni.
Macht es im ,Langis' noch ein starkes , Gefriere", so schützt der Wind
die jungen Pflanzen, dass sie nicht ,derfrieren"; sie leiden weniger, wenn
er sie in der Bewegung erhält.
Wenn es aber im Herbst und Winter , stürmet", so schützt wieder der
Frost den Wald; denn ist die Erde recht gefroren, ,haltef sie die Wurzeln
der Bäume fester^), als wenn sie ,rogr (locker) ist, und der Sturm reisst
keinen Baum um.
Wetter.
Wie das Wetter die 12 Tage zwischen AVeihnachten und Heil, drei
König ist, sein die Monate im Jahr.
In Pflersch war ein Pfarrer, Herr Wenzel, der hat ein Fernrohr ge-
habt und die Sterne in den heiligen Nächten beobachtet, danach wusste
er, wie das Wetter sein würde; aber wenn in der obern lAift ein anderer
Wind kam, dann stimmte es nicht, sagte der Herr Postmeister. „Der Wind
bringt Haufen AVetter mit."
Der Jänner ist ein Holzbrenner.
1) Ich werde eben von Fräulein M. Gröbner auf die eigentümliche Ausdrucksweise
in der unverändert alten Bauernsprache - was die Bewegung hin und her, nach oben
und unten und in die ThiUer lietrifft — aufmerksam gemacht, die ein Fremder nicht zu
unterscheiden vermag, vielleicht schon in Innsbruck niemand mehr verstellt. Verändert
wird die Sprache durch die Sprüche und Verse des 100 jährigen Kalenders, den Verkehr
mit Fremden und die Schule. Die Ausdrucksweise ist durch die Lage des Ortes bedingt.
z.B.: Steht jemand auf dem höher gelegenen Freithof und möchte er, dass ein anderer
zu ihm heraufkäme, so ruft er: ,Kimm auer' und geh hier nach Schelleberg ,auchn
(den Berg hinauf). Dort kommt ein anderer von Schelleberg ,6 er' (herab) und will nach
Gossensass ,ochn' (hinab).
Ich gehe nach Brixcn ,ochn' und kimm .auer' (hinab und herauf),
., nach dem Brenner , auchn' luid kimm ,6er' (hinauf und herab\
" nach Bozen \ -^^j^ ^.jj^j, ,„„| j^|,„j,j ^ausser' (hinein und lieraus),
., ins Pflerschthal I
„ auf Innsbruck ,aussn' und kimm ,eier' (hinaus und herein).
„ zum Hause ,aussn', zum Dorf ,ummeu'; komm du zu mir ,ummcr\
2) Wie die plastisch — als Niobe — dargestellte Erde schon erstarrend, das h'tzte
ihrer Kinder mit den Armen hält.
Weiteres über Wind, Wetter, Regen. Schnee unil Sonnenschein. 191
Taut es zu Maria Lichtmess vom Dach, so sagt man, da tropft die
Milch herab, die, welche die Kühe in reicher Fülle geben werden.
Wenn der März schön eingeht, geht er schiech ans. Es ist ein
schönes Wetter, wenn es nicht zu früh ist; es thut schon ,langislin"! (der
Lenz naht).
„Du, es gleicht nicht" (es scheint nicht zu dem zu kommen, was
man hofft). „Das Wetter wird mehr anders" (schlechter), „hann ich
Sorge."
Der Freitag geht nicht mit der Woche. A¥ar das Wetter schön, so
wird es am Freitag schlecht und umgekehrt. Am Samstag ist es immer
schön, weil au ihm „Unsre Frau" geboren wurde. Nur an drei Sams-
tagen im ganzen Jahr regnet es. Die Leut haben aufgepasst, dass es so
ist, auch ich.
Gestern hat es den ganzen Tag , wettergemessen' (zwischen gut
und schlecht geschwankt) und Abends hat es von unten her soviel
,wettergelacht!" man nennt es so, wenn es ,himmblitzr ohne Regen und
Donner.
Der Blitz ist eine Kugel, innit voller Spiesse; fahrt er in die Erde,
so dauert es sieben Jahr, bis er wieder .ausserwachset'.
Zwei haben miteinander studiert. Der eine ist Geistlicher geworden,
der andere ein Lump. Später sind sie wieder zusammen gekommen, da
hat der Lump zum Geistlichen gesagt: Ich bin doch mehr geworden als
du; ich kann .wetterraachen" ! und er hat ein Wetter gemacht. Da hat der
Geistliche die Wetterglocke läuten lassen und den Wettersegen gehalten
und nachher gleich den Messner vor die Kirchenthür geschickt, zu sehen,
ob nicht einer daläge. Der andere aber hat schon tot dagelegen.
Der Pfarrmessner von Sterzing hat selbst gesagt: soweit man die
Glocke hört, schlägt der Blitz nicht ein.
Regen.
Die Jännertropfen thun den ,Här fast völlig' auszopfen. Januarregen
gibt gute Flachsernte; es ist viel da zum auszupfen.
Noch ist es .kilbe' (-= gehülbig, trübe), bald wird es wieder ,koater'
(= geheiter, klar).
Wenn der Schnee hingeht und es regnet, ist es ein , unlustiges' Wetter.
Die Nacht ist .woach' gewesen, morgens waren die Berge ,aper'^).
Wenn es nach dem Bauen (der Feldbestellung) regnet, .zieht es die
Körner, die aufliegen, in die Erde eichn^) und alles wächst; wenn es
trocken ist und der Wind es noch trockener macht, geschieht das nicht.
1) auch wurde gesagt: Bei mir hültct (hi,s Haar lang, manche sein früh japer'.
2) Die Vor.stelhing von dem Hineinziehen des Saatkornes in die Ei-de kommt dem
[Mythus von dem Rauli der Proserpina nälier, als wenn gesagt wird : das Korn ist in die
lErde gesenkt.
192 Rehsener:
Es hat lange nicht geregnet, sehr lauge nicht; doch die Leut haben
gesagt: Wir müssen uns grad in den Willen Gottes ergeben! und es ist
Haufen Zeug gewachsen, als wenns geregnet hätte.
Zu Lorenz (10. August) ist der ,Hörbist" an der lirenz, und zu
Bartholomä (24. August) ist er im Klee.
Im Herbst ist das Wetter (der Regen) nur hinter dem Zaun. Nach
dem ,Gallensümmerle' kommt das ,Kathreingschlatter" ^).
Der ,Galle' (Gallus) treibt das ,Kunter (Vieh) zum Stalle, und der
Martein sperrt es gar ein.
Schnee.
Willst in den Himmel eini kemmen,
Musst du dir die Handschige mitnohnien:
Denn im Himmel ist es kalt,
Weil der Schnee dort 6er fallt.
Der Schnee kommt so viel ungern ,huire' (dieses Jahr). ,Geschnieben*
hat es grade nur sov"l, dass man eine Katze spürt. Es macht einen breiten
Schnee und er getrauet sich überall eichn, wenn der AVind auch geht.
Im tiefen Winter, anno 27, da sind die Lauen gangen!
W^enn der Tag umkehrt, steht im Kalender: ich glaube, es ist der
Thomastag (21. Dezember). Besser ist es schon. w(nm der Tag umgekehrt
hat, wenn er aufersteht!
„Sieh, Taut „Mi," sagte auf einem sonnigen Spazierwege d^r <h-ei-
jährige Otto Gröbner, „heute ist aller Schnee Gold und Silber! Das haben
die Heil, drei Könige gebracht."
Sonnenschein.
Ich komme morgens in einen Laden; die Händlerin fragt: ..Sind Sie
schon auf, haben Sie die Sonne schon gesehen?"
Die Sonne hat ein jeder gern!
„Ich mal wohl!" ruft ein junges Mädchen.
„Mit der Sonne ist es so," sagt ein alter Mann, „im Winter ist man
froh, wenn sie kommt und im Sommer war man manchmal froh, wenn sie
ginge; aber wie die Sommer jetzt sein, derleidet man sie allm."
Der Mond scheint so klar!
„Den Mond hab ich wohl öfterer gesehen; vom Mondsehen werde ich
nicht gescheiter! Der freudet mich nicht — die Sonne wol, die freudet
mich! — CS wird wol ehnder kälter als wärmer, wenn der ,Muhne" klär
scheint."
Wenn der Mond klein, schwach ist, sind auch die Därme der Tiere
schwach; man schlachtet daher um die Zeit (besonders bei abnehmend
1) Gallus IC. Oft., Katharina V. f. M. '2h. Nov
Weiteres über tlie Gebirgsnatur. 193
Lieht) nicht gern einen Fäcken. Die Darm könnten nicht stark genug
fürs Wursten sein.
Im Muhne ist das Taxenmandle; man sieht es, wie es , Taxen' (Fichten-
zweige) hackt ^).
Ein Herr hat beim Melcher gesungen:
Des Abends geht die Sonne unter und der Mond geht auf,
Die Mädchen gehen schlafen und die Buabn stehen auf!
Seitdem nennt man den Muhne auch die ,Buabnsunne'. Den hat
man wol auch ehnder schon so genannt. (Weber- Zenze.)
Zur Gebirgsnatur u. s. w.
Am Mittwoch, den 27. Januar 1892, fuhren bei Schneesturm drei
Herren an unserer Hütte vorbei nach Pflersch, um von dort aus zum
(rletscher und weiter in die Eiswelt zu steigen.
„Warum thun sie das? Verdienen sie viel Geld damit? Oder thun
sie es, weil es sie freudet?"
Weil es ihnen Vergnügen macht. Es soll wunderbar schön im Winter
dort oben sein!
„Bei dem Wetter! Das ist Übermut! Was finden sie? Allm den
Stein, allm Eis und Schnee."
Sie wollen nach dem ünterstandshaus am Ferner, dann noch zwei
andere aufsuchen und erst Sonntag wieder ,ans Land kommen', sagt Herr
Gröbner.
„Die müssen ein Herz haben! Wenn die Führer auch viel Geld
bekommen — das Leben kann man nicht kaufen!"^)
„Giebt es ninderst solche Schneeberge und , Ferner' wie hier?"
Noch grössere, aber nicht so nahe an der Bahn.
Der Ferner hat früher bis nach Deutschland ,ummen' gereicht, hat der
alte Huisum allm sagen gehört. Die grosse Sündflut wird ihn wohl fort-
gebracht haben. Mit dem Worte Ferner meint er nicht nur den Feuerstein-
gletscher, der von hier sichtbar, in 12 bis 14 Kilometer Luftlinie liegt,
sondern die Gletschermasse überhaupt.
„Die Ferner reichen weit! bei Ffitsch bin ich zu einem zukommen,
ja, da hätte der Weg bis Sterzing (^4 St.) nicht gereicht, ihn entlang zu
gehen, und wie lange muss man warten, wenn man einen Stein in eine
hjisspalte wirft, bis er auffällt! Die Ferner gehen tief! Wie tief sie
"■eben? da ist kein Mittel. —
1) Dem Vieli eine gute Luft zu verschaffen, werden Fichteuzweige kleingehackt und
als ,Strebe' (Streu) benutzt.
2) Sie haben IV2 Tage in der Magdeburger Hütte bei aussergewöhniicheni Sturm
gewai-tet und sind dann umgekehrt.
194 Rehsener:
Das Meer hat bis Marün (Meran) gereicht; dort sieht man noch in
den Felswänden die eisernen Ringe, an denen sie damals die Schifte an-
ffehänfft haben. Noch ein zweiter See war auf dem Brenner. Und nur
drei Häuser w^aren auf dem ganzen Berge: ein Fischer-, ein Räuber- und
ein Jägerhaus.
Die Römer, als sie hier die Strasse — , Hochstrasse' nannte man sie
— gebaut haben, sind allm dem Himmelswagen nachgangen, und bis
wie weit sie gekommen sind, da haben sie einen ,Turn' (Turm, eine
steinerne Säule) aufgebaut."
Oben führte nur ein Steg. 800 Jahr nach unsers Herrn Geburt ist
ein grosser Heiliger dort gegangen und hinter ihm sein Esel, der den
Packen trug. Plötzlich ist ein wildes Tier, ich glaube ein Bär, aus dem
Walde gekommen und hat den Esel zerrissen. Der Heilige hat es aber
wohl so gemacht, dass der Bär nachher selbst seine Sachen w^eiter tragen
musste.
Alles kam über den Jaufen. Weinbeeren hat man zuerst getragen,
nachher gezogen und zuletzt ,geführt'; über Innsbruck bis Mittenwald im
Bairischen; dann wurden sie auf die Flösse geladen und zu Wasser weiter
nach München gebracht.
Getragen wurden sie von den Kraxentragern ; die hatten viel zu leiden
vom Pfeifer-Huisele. Yon den Bergschneiden, wenn da der Schnee lag, hat
er ihn nur mit den Händen geschoben, dass die Lauen oergingen. Einem,
der ,Nussen' gestohlen hatte, hat er sie aufgeschlagen, bis er sie in sein
Körbl that.
Manche Bauern, die auf dem Felde waren, hat er gewarnt, ehe er ein
Wetter öergelassen: Schleunt euch, schleunt euch! Andere, denen er Feind
war, auf die er ,eine Muck' hatte, aber nicht. Einen ,Tusch' nach dem
andern hat es gethan und schwarz ist es hergangen.
Betrogen hat es sich aber aucli: die Bäuerin hat Krapfen gebacken,
es hat als Fliege von den Blättern (gebräunte Blasen auf dem Gebäck)
naschen wollen; sie hat mit der Gabel nach ihm gestochen und seine Hand
o-etroffen — das that wehe! Und bei einer andern hat er immerfort Milch
, geschleckt', bis er vor der zornigen Frau weichen musste.
Wie die Überlieferung (der Sagen) ist. erzählte der Postmeister, Stephan
Schuster, so habe ich den Vater selig immer erzählen gehört, ist das
Pfeifer-Huisele nicht hier, sondern bei Mauls auf dem Ziegenbock öer-
gefahren. Das Dorf bei Sterzing ist ganz auf der Thalsohle gelegen und
dicht daneben Grasstein. Die beiden hat es umeinander geworfen.
Hier ist es vom Platzerberg auf einem klaftergrossen Stein oergefahren.
Der Stein liegt noch oben in dem Mahd auf der Stelle, wo es seitwärts
biegen musste, als die Glocke der Barbarakapelle anschlug; er ist aus-
gehöhlt wie ein Sessel.
Weiteres über die Gebirosnatiu-. ]95
Dass (las Hexeiiniandl ein Tulferer genannt wird, mag damit znsammen-
liängen, dass der grosse See in Pfitsch dort au der Wöhr durchgebrochen
ist. Die Leute waren alle Frühjahr immer hingegangen .zum Wehren',
aber vergeblich. Damals ist die Überschwemmung bis Mauls gegangen
und hat halb Sterzing mitgenommen.
Als Brixen in Gefahr geriet, hat der Kloster stier angehebt zu brüllen
und die Reihermoos-grillen zu singen; so hat Pfeifer-Huisele die grosse
Glocke des Klosters und zwei kleine Glocken einer Kapelle genannt, welche
wetterläuteten.
Ich hab vom Vater selig immer gehört, das Huisele war ein Pflerer
gewesen von der , Gattige' der Pfeiferer, die noch dort sind und noch sein
Geburtshaus — in dem er auch in Ol gesotten wurde — bewohnen; und
wenn das wirklich wissenschaftlich erwiesen wäre, müsste dieses Geburts-
haus nach meiner Meinuug (,Moanige') gezeichnet werden. Es ist hinter
der ersten Kapelle die Mühle und ,Sage\ die ein Wasser miteinander treibt.
Nur um soviel Erde bat er, als hinter einem Fingernagel hängen bleiben
kann; aber vergeblich. Auch wird gesagt, es wären Kapuziner gekommen
— das sind hier die , Höchstgeweichten' — und hätten verboten, ihm
etwas zu geben; sie hätten gew^eihte Kräuter in den Kessel gethan, worauf
der , starke Loter' ^) untersank. Wie er im Sterben war, hat eine Stimme
gerufen — die des Teufels: Ich half dir immer, jetzt hilf ich dir nimmer!
Als die Glocke mittags um 12 Uhr anschlug, bog er sich zusammen, krümmte
und wand sich und war verschwunden wie eine Schlange^).
Des Nusser-Glaas (Klaus) ,]S"enr (Grossvater) hat das Pfeifer-Huisele
noch gekannt. Er ist mit ihm einmal auf dem Jaufen über Nacht ge-
legen. Die Leute haben, als er fortgegangen war, in seinem Kraxel nach-
gesehen, was es darinnen hätte und sie haben lauter Kinderhände und
sellis Zeug gefunden. Der Nusser-Glaas hat das selbst beim Carl-Metzger
erzählt und ich und auch noch mehrere andere w^aren dabei. (Huisum.)
Diese Sage deutet wohl auf die kleinen und schwachen Wasseradern
hiu. die die Quellen so grosser Macht sind. —
„Wie oft wird das jetzt gedruckt?" fragte unsere Wirtin.
Wohl mehrere 100 Mal, denke ich, und in die ganze Welt verschickt,
nach England, Frankreich, Italien u. s. w.
„Wenn das Pfeifer-Huisele so weit umeinander kommt (bekannt wird),
wird es vielleicht auch bald erlöst!" so sagte teilnehmend die kleine Wild-
Maidl und die alte Bäuerin setzte hinzu: „Wir beten ja für. die ,aller-
ärmisten' Seelen im Fegefeuer; aber — wenn es in der Hölle ist, hilft
es nicht."
1) Wird von Lottor (Bettler) nnter.sc]iiedeii.
2) Die Schiauge ist ein Naturbild des Flusses, der sich durch die Wiese schlängelt.
Moritz Carriere.
196 Rehsener:
„Aufwärts kugelt kein Stein und aufwärts rinnt kein Wasser, wenn
man es nicht so kehrt! Das war immer so." —
Zur Seite der Felswand, von der das Ziroger-Mandl die Steine wirft,
ermöglicht das Schlüssellöchl-jöchl das ganze Jahr den Übergang ins Pfitsch.
Das sehr wasserreiche Hochthal soll vor noch nicht langer Zeit ein grosser
See gewesen sein. Vielleicht weil es später als die Nachbartliäler dem
Bebauer den fruchtbaren Boden dargeboten hat, ist es den Leuten .minder"
ehrwürdig und auch seinen Bewohnern wird manches angedichtet. Hier
nur wie einstmals einem solchen die M^elt erschien.
„Aus dem entlegensten Pfitsch kam ein Mann zum erstenmale herab
und ging das Thal ,längs'. Da hat er ein weisses Ross gesehen und es
für eine Kirche gehalten. Er ging ,gleime'^) zu; das Ross aber war
,wilde', hat hinten ausgeschlagen und ihm die Zähne getroffen. Darauf
rief er:
0 du hebes Kirchlein mein,
Schlag mir nicht all meine Ziihiule ein!
Ein anderer ist nach Sterzing gegangen und wie er soweit gekommen
ist, dass er nach der Stadt und nach Elzenbaum sehen konnte, hat er
gesagt :
„Jetzt seh ich, dass die Welt kein Ochsenaug ist" — nicht so klein,
das sagt man hier wohl öfter — „ich seh bis in die Türkei eini!"
Ganz aus den Bergen heraus kam von Gossensass ein Zimmermann.
Er, der JendeP) (Jennewein) Linder, erzählte: „Bei Murnau, im Bayerischen,
ist es mir gewesen, als wenn man unter einem Korb ,aussergeschlupft'
war. Die Dörfer haben dagelegen — man hat gemeint ganz nah und
nachher war es zwei Stund weit hin. Zuerst hat es mich fein gedünkt;
aber wenn der Wind gangen ist, nicht, und wie ein Wetter kam, das war
schrecklich! und im Winter hat es einen Nebel gegeben! eiskalt, ganz
,niedergedruckt' — wenn der Wind ihn nicht vertragen hat — nicht wie
in den Bergen!
Wie es in den Bergen ist? Wie es besonders auf einem Joch aus-
sieht? — es giebt dem ganzen liöhern Teil des Gebirges den Namen: die
Jöcher — dies vergessen zu haben, hat zu nachfolgender ergötzlicher Er-
zählung \'eranlassung gegeben. Darin knüpft das Volk Dummheit an
Dummheit, wie sich an die herabkommende Lawine der Schnee hängt.
Leute bauten eine Mühle auf ein Joch. Sie haben alles hinauf-
geschleppt, zuletzt den grossen schweren Mühlstein. Als der auch oben
war, sahen sie, dass sie auf dem Joch kein Wasser hätten und die Mühle
nicht gehen konnte. Das hatten sie nicht bedacht. Sie steckten einen
Menschen mit dem Ko])f in das Loch des Mühlsteins, damit er ihn ,loaten'
1) (iiflit, nahe.
2) keiu jdäiger' Name.
Weiteres über die Gebirgsnatur. 197
(leiten) sollte und Hessen diesen ,oclm' (hinabrollen). Nachher konnten
sie den Kopf des Menschen nicht mehr finden, soviel sie auch suchten.
So stark ist nicht leicht einer, einen Mühlstein mit seinem Kopfe zu
loaten! Sie brachten den Mann zu ,ihr' (seiner Frau) und fragten sie, ob
er denn morgens den Kopf noch gehabt habe. „O wol!" antwortete sie,
„haben muss er ihn! ,gzwognet' (gewaschen) hat er ihn!" und dann ging
sie hin zu suchen, ob er ihn vielleicht noch im Feiertagshut stecken
hätte.
Kleine Mitteilungen.
Die gefesselten Götter bei den Indogermanen.
Von Wilhelm Schwartz.')
Die Vorstellung gefesselter Götter gehört in ihrem Ursprung den primitivsten
Zeiten an und entwickelte sich aus gewissen Naturanschauungen, so dass man
richtiger auch eigentlich nicht von „Göttern", sondern von „Naturwesen" dabei
spricht, welche man in der Urzeit einem solchen Schicksal unterworfen wähnte;
wenngleich das betreffende mythische Bild in der Weiterentwicklung von Sage und
Mythus dann auch an Göttern haften geblieben ist.
Der Hauptausgangspunkt ist der Sturm. Wie wir auch noch sagen „der
Sturm bricht los", er gleichsam der ihn fesselnden Bande ledig wird, so glaubte
der Naturmensch, ihn aus den angeblichen Wolkenbergen oder Wolkenhöhlen,
welche letztere ja auch noch griechischen wie römischen Dichtern als Realitäten
vorschweben, hervorbrechen zu sehen. In denselben hauste er angeblich-). Die
sommerlichen Wetter mit dem Hinzutreten von Donner und Blitz entfalteten das
Bild reichhaltiger, indem bald das Donnergepolter, welches man als das Weg-
rollen massiger Steinblöcke deutete^), die Vorstellung weckte, als sei ihm der
Ausgang aus seiner Höhle durch solche versperrt gewesen, bald die am Himmel
sichtbar werdenden Blitzesfäden als die Banden erschienen, die er zerriss oder in die
er bezw. geschlagen wurde, wenn er umgekehrt mit der Zunahme der elektrischen
Erscheinungen sich legte*).
1) Im Anschluss an die Anfrtage von Miss Gcrtrude M. Godflen im II. Bande unserer
Zcitschr. S. 84.
2) Sclmartz, Urspr. d. Mythologie, S. 122. Prähistorische Studien, S. 266.
3) Urspr. d. Myth., S. 85. Simrock, Myth. ^ 238. Präh. St., S. 310.
4) Über den Blitz als Faden s. Urspr. d. Myth., S. 151 f., 233. Poetische Natur-
anschauungen I. 104. Wenn ein späterer, kulturhistorisch schon affizierterer Standpunkt
aus den leuchtenden Blitzesfäden gewöhnliche Fesseln oder Ketten machte, so fasste eine
primitivere Zeit jene mehr in zauberhaft geheimnisvoller Form, wie z. B. die Edda von
dem Bande Gleipnir berichtet, welches den heulenden Sturmeswolf Fenrir fesselte, das so
weich gewesen sein sollte wie ein Seidenband, das aber, je mehr der Wolf sich anstrengte,
desto mehr erhärtete, oder Homer von dem Bande berichtet, welches Ares und Aphrodite
fesselte, das an sich so fein wie Spinngewebe war, das man in seiner Kraft erst fühlte,
wenn man unwiderbringlich verloren und gefesselt war.
Zeitschrift d. Vereins i. Volkskunde. 1892. 14
198 Schwartz:
AVie der Sturm in das Gewitter übergeht, erscheinen auch die Gewitter-
wesen der Fesselung unterworfen, und wenn sie im Winter nicht auftraten, dann
Sassen sie ^gefesselt" in den Tiefen der Erde, wohin sie im Donnergekrach hinab-
gefahren zu sein schienen, um zur Frühlingszeit ihre Rolle wieder am Himmel zu
spielen. In den Götterkämpfen wird dies von den Griechen in der Weise ver-
wandt, dass bald Uranos, bald Kronos die Kyklopen fesselt, bis sie dann Zeus
wieder befreit und mit ihrer Hilfe die ewige Herrschaft im Himmel erlangt.
Als ähnliche Gewitterwesen erscheinen auch Prometheus xmd Picus, bezw.
Faunus gefesselt, nur hat der Mythus die Sache verschieden ausgesponnen. Der
erstere wird vom Zeus gefesselt, weil er im Blitz den Menschen das himm-
lische Feuer gebracht, die beiden letzteren in ritueller Sage, damit dies irgendwie
vermittelt werde, indem sie den Menschen die Beschwörung des Blitzes lehren
sollten ').
Tn dieselbe Kategorie gehört dann, nur immer unter anderen Bildern und
Motiven, wenn an Ares, Dionysos (vom Pentheus), Kronos-), ja selbst am Zeus
die Fesselung herantritt, und endlich auch in den Sagen die alten himmlischen
Wassergötter Nereus und Proteus gefesselt werden, um als Propheten (im Donner)
die Zukunft zu verkünden^).
Endlich schien aber auch an der himmlischen Frau, der Sonne, sich diese
Fesselung im Gewitter zu vollziehen. Ich habe in dem „Indogermanischen Volks-
glauben" eine Reihe von Mythen dahin entwickelt, dass, wie Zeus der Here sich
stets unter Donner und Blitzen nahen sollte, so auch in vielen Sagen unter den
primitivsten Bildern eine Heimsuchung der Sonne in demselben Sinne in den ver-
schiedensten Formen uns entgegentritt, und wenn dabei das weibliche Wesen
sich der Buhlschaft durch Wandelung in allerhand Gestaltungen, wie das Gewitter
sie am Himmel aufzuweisen schien, z. B. durch AVandlung in Wasser, Feuer u. dergl.,
zu entziehen suchte, unter den Mitteln, sie zu zwingen, auch das Fesseln eine Haupt-
rolle spielt. In der Form einer Mahrtensage gehört zunächst hierher die Sage von der
Thetis, dann die von der Nicaea auf griechischem Boden, vom Odin und der Rindr
auf nordgermanischem ^). Als Dionysos dann um die Aura wirbt, droht sie ihn zu
fesseln, wie es dann Brunhild am Gimther direkt vollzieht^). Hesione und
Andromeda sind an den Felsen gefesselt, während der Gewitterheld den Kampf
mit dem sie bedrohenden Drachen besteht. Es kommt eben auf die Wendung der
Sage an, in der das betreffende mythische Element haften geblieben, bezw. ein-
geflochten erscheint. So heisst es bei Homer, Zeus habe die Here zur Strafe „ge-
fesselt" aufgehängt, während nach einer anderen Version sie ihn einmal mit Hilfe
des Poseidon und der Athene hatte fesseln wollen''). Dazu kommen noch allerhand
besondere Variationen, wenn z. B. griechische Tradition von einer anderen Fesse-
lung der Here von Seiten des Hephästos durch einen zauberhaften Sessel erzählte,
der jeden, der sich auf ihm niederliess, festhielt, oder im Menglada -Mythus ein
fesselndes Gitter als Schutzwehr derselben eine Rolle spielt, indem es jeden
Fahrenden fasst, der es hinweg will heben, was noch durch seinen Namen Thrym-
1) Prähist, Studien 395. cf. 209 ff. und über die Sage von des Picus Fesselung Kuhn,
Herabkunft des Feuers und Poet. Naturansch. I. 45.
2) Urspr. d. Myth. 151.
3) Urspr. d Myth. 124. 2B4
4) Über die ursprüngliche Form der Thetis -Sage in dieser Hinsicht s Indogerm.
Volksgl. 126. Ül)er die Biihlschaft Berliner Zeitschr. f. Ethnol. 18, 665 f.
5) Prähist. Studien 159 ff.
6) Poet. Naturansch. II 35 ff.
Kleine Mitteilungen. 199
gialla („Donnerschall") in signifikanter Weise auf die gezeichnete Szenerie hin-
weist'). Dass auch nach allem die auf S. 197 Anm. 4 erwähnte homerische Szene
von der gefesselten Aphrodite und dem Ares nicht erfunden, sondern auch ur-
sprünglich durch analoge mythische Bilder vermittelt und nur bei Homer humo-
ristisch verwandt worden, bedarf wohl nicht mehr besonderer Erwähnung.
Haben wir es aber mit dieser Fesselung so mit einem uralten mythischen
Naturbilde zu thun, so kann es auch nicht auffallen, dass es gelegentlich in Ritus
und Kultus noch reflektiert hnd durch fxijuriaig der himmlischen Vorgänge bezw.
Bilder, die eigentümlichsten Formen in dieser Hinsicht zu Tage treten-). Es wird
in jedem Falle zu untersuchen sein, ob die Vorstelhmg an eine der gezeichneten
Kategorieen anknüpft und an welche. Nach allem dürfte die Beziehung wohl
hauptsächlich dabei in Momenten zu suchen sein, bei denen, wie oben bei den
Kyklopen ausgeführt worden ist, der Wechsel der Jahreszeiten mit der Fesselung
oder Lösung der betreffenden Wesen zusammenzufallen schien^).
Ostern 1892.
Zur Sancta Kakukabilla-Cutubilla.
Zur Notiz über diese Heilige (Bd. I. S. 444) erlaube ich mir einen Nachtrag
zu geben.
Ganz richtig ist bemerkt, dass hinter dieser Heiligen die St. Gertrud steckt,
die als Attribut eine, manchmal zwei Mäuse hat. Sie gilt als Schutzfrau gegen
Ratten und Mäuse, besonders Feldmäuse. Mir liegt ein Doppelbild, ein Holz-
schnitt aus der ältesten Zeit dieser Kunst, im Nachdrucke vor, das ich Herrn
Antiquar Heinrich Lesser in Breslau verdanke. Das eine Bild stellt den hl. Michael
vor, wie er eine Seele abwägt. Zwei Teufel zerren an der einen Schale der Wage,
in der andern sitzt die Seele. Neben dem Erzengel steht die Gottesmutter mit dem
göttlichen Kinde.
Das zweite Bild zeigt uns eine Nonne, die am Spinnrocken sitzt, an dem
eine Ratte emporsteigt. Zu ihrer Linken ist ein Lesepult mit einem aufgeschlagenen
Buche, auf das sie blickt, zu ihrer Rechten schwebt ein Engel, der Garn aufwindet.
Auf dem Haupte der Nonne ruht ein weisses Lämmlein.
Über dem Bilde liest man: Kakukilla gros gnade sage ich dyr von
gote her | wil dich lozen aws aller not du salt grosze ] gewalt von gote
haben du salt dy ratten vor | treyben unde vorlagen Amen.
Es kann kein Zweifel w\alten, dass hier die hl. Gertrud dargestellt ist. Auf
dem Altarbilde (17. Jh.) in Zenoberg steht die Heilige, unter dem linken Arm
hält sie den Rocken, an dem eine Maus emporkriecht, in der Rechten den Wirtel.
Das alte Altarblatt, das dort noch im Jahre 1639 sich befand und die hl. Gertraud
1) ürspr. (l. Myth. 207.
'2) Prahlst. Studien S. 341 if. und meinen Aufsatz über „prähistorische Mythologie,
I Phänomenologie und Ethik"' in der ßerl. Zeitschr. f. Ethnol. v. J. 1886. 539.
3) In eine gewisse Parallele träten dann dazu, dass die Gewitterwesen (bezw. die
Sonne) im Winter gelähmt, entmannt, kurz irgendwie geschädigt und erst im Frühling
ihre volle Kraft wieder zu erlangen schienen. Urspr. d. Myth. Cap. I. Nr. 15.
I
200 Zingerle:
und den hl. Bischof Zeno darstellte'), ist leider verschollen. "W. Menzel schreibt:
„Die hl. Gertrud wird abgebildet niit einem Spinnrocken, an welchem eine Maus
hinaufläuft und den Faden abbeisst" (Die vorchristliche Unsterblichkeitslehre IT,
326). In der Symbolik II, S. 116 schreibt er: „Maus, Attribut der hl. Gertrud,
weil sie die Mäuse, die das Feld verwüsteten, vertrieben haben soll. R. Ryckel,
Hist. S. Gertrudis 1637. Doch bemerkt Molanus (Eist. imag. p. 267), die Maus
habe in Bezug auf die Heilige auch die Bedeutung des Teufels-)."
Ich bemerke hierzu, dass nach der Legende der Teufel als Maus erschienen
und die Heilige beim Spinnen wiederholt zur Ungeduld und zum Zorn gereizt
habe, sie aber die Versuchungen siegreich best^den habe. — Weil sie durch
Geduld und Gebet die Teufelsmaus vertrieben habe, gilt sie im Volksglauben als
Patronin gegen diese Schadentiere. — Im tiroler Bauernkalender war früher der
Gertraudentag mit einer Maus, später durch eine Wergwocke (z. B. 1868) bezeichnet.
Schon Grimm bemerkt in seiner Mythologie ^ S. 248 Anm., dass „St. Gertrud im
krainischen Bauernkalender mit zwei Mäusen dargestellt sei, die an einer Spindel
mit Flachsgarn nagen, zum Zeichen, es dürfe an ihrem Festtage nicht gesponnen
werden. Im steirischen Bauernkalender (z. B. Graz 1853 und 1862) findet sich
dasselbe Zeichen für den Gertrudentag.
Dass St. Gertraud und Cakukilla identisch sind, scheint mir Fischart zu
bestätigen: „Andere (geloben sich) zu dem Heyligthumb zuAndechs: Vil zu allen
Heyligen, und eilff tausend Jungfrauen, zu den drei Königen gen Cöln, Aguluch
Maguluch (deren einem kurtz zuvor die Perlengestickte Schuch gestolen waren)
zu Sanct Cukakille Mäusen, zu Sanct Wentzel inn Behmen etc." Geschicht-
klitterung, herausg. von A. Aisleben, S. 326. Später S. 412 liest man: „S. Gertraut
mit Mäusen, die den Mägden das Werck abbeissen."
Abraham a santa Clara sagt in seinem „Judas der Erzschelm": Die hl. Jung-
frau Gertraud wird jederzeit als eine Abbtissin mit einem Stab entworffen, an
welchem etliche Mäuss auffkriechen, die Ursach dessen such der Leser in der
Lebensbeschreibung erstbenannter Heiligen, diessmahls ist das schon genug, dass
die Bildnuss besagter H. Gertraud niemahlen ohne Mäuss vorgestellt wird.
Das müssen die Jungfrauen wol in Obacht nemmen, wann sie Gern-traut heissen,
und so unbehutsamb fast allen gern traunen, dass sie von Mäusen genug und zwar
von grossen, kecken, frechen freyen Mäuss -Köpffen werden angefochten (Ausgabe
V. 1690 S. 94).
In Tirol ward einst St. Gertraud sehr verehrt, denn noch vor 40 Jahren führten
viele Bauern- und Bürgermädchen ihren Namen, in vornehmen FamiUen musste er
seit längerer Zeit anderen weichen. Auffallend zu den einst unzähligen Taufnamen
ist die geringe Zahl der ihr geweihten Kirchen. Auf dem landesfürstlichen Schlosse
Zenoberg wurde ihr 1288 neben St. Zeno das Kirchlein geweiht (Thaler, Der
deutsche Anteil der Diözese Trient, S. 213). Zwei Dörfer, „St. Gertraud in Llten"
und „St. Gertraud im Unterinnthal" haben sie zur Kirchenpatronin imd führen ihren
Namen. Im deutschen Anteil der Trientiner Diözese habe ich, ausser in Ulten, sie
nur in Margreid, in der Brixener Diözese in Mühlwald, Ausservillgraten,
Sustrans und Sulden als Kirchenpatronin gefunden. Margreid scheint den
1) Jos. Thaler, Der deutsche Anteil der Diözese Trient, S., 213.
2) "Wir dürfen Avohl anmerken, dass, wie auch E. H. Meyer, German. Mythol.
§ 93. 238 annhnnit, die Mäuse Symbole der Seelen sein können, die nach dem Abscheiden
vom Körper die erste Nacht, deutschem Volksglauben gemäss, bei S. Gertrud Herberge
fanden.
Kleine Mitteilungen.
201
südlichsten Punkt des Gertrudenkultus zu bilden. Es ist auffallend, dass in ganz
Wälschtirol, wo doch viele Martins- und mehrere Leonhards-, ja Wolfgangskirchen
sind, nirgends eine Gertrudenkirche vorkommt.
Gufidaun. Ignaz Zingerle.
Die sieben Grafen.
Eine dithmarscher Sage.
Vor vielen, vielen Jahren lebte in Deutschland ein Graf, der hatte sieben
Söhne. Seine Frau starb früh. Aber die sieben Söhne wuchsen und gediehen
prächtig zur Freude des Vaters. Als sie nun herangewachsen waren, wünschten
sie alle sieben zusammen in die "Welt zu reisen. Der Vater wollte es anfangs
nicht zugeben, dass sie ihn alle auf einmal verlassen sollten; als sie aber nicht
nachliessen, mit Bitten in ihn zu dringen, gab er endlich nach Zuvor mussten
sie ihm aber feierlich schwören, einander nicht verlassen zu wollen, sondern treu
zusammenzuhalten in Glück und Unglück. Und so zogen sie denn fort in die
Welt, nachdem sie den Segen des Vaters empfangen hatten.
Lange waren sie schon gereist, da wurden sie eines guten Tags ein schönes
Schloss gewahr. Sie gingen hinein und wurden auch ganz freundlich empfangen.
Des Abends trug man ihnen ein prächtiges Essen auf. An dem Abendessen nahm
auch die Besitzerin des Schlosses, eine Frau von wunderbarer Schönheit, teil. Sie
unterhielt sich mit ihren Gästen aufs freundlichste und wies allen sieben ein
prächtiges Schlafzimmer an. Sie begaben sich denn auch bald zur Ruhe. Am
andern Tage wollten sie schon weiter reisen. Als sie aber von der Gräfin — denn
das war nämlich die Besitzerin des Schlosses — Abschied nehmen wollten, ward
diese sehr traurig und bat, sie möchten doch noch eine Zeitlang bei ihr bleiben.
Sie wollte dann mit ihnen nach ihren andern Gütern reisen, was ihnen gewiss
Freude machen würde. Die sieben Grafen willigten auch gern ein. Die Gräfin
bot nun alles auf, ihnen den Aufenthalt bei ihr so angenehm wie nur irgend mög-
lich zu machen. Sie reiste mit ihnen nach ihren andern Gütern und sparte auch
keine Mühe, sie mit der Gegend bekannt zu machen. Den sieben Grafen gefiel
dieses Leben so sehr, dass sie eine ganze Zeitlang gar nicht an ihren alten Vater
daheim dachten und an ihn schrieben.
Die Gräfin hatte sich in den ältesten der sieben Grafen verliebt. Sie war vom
ersten Augenblick des Zusammentreffens an auf Mittel und Wege bedacht, ihn
allein zu treffen, um ihm ihre Liebe zu gestehen. Endlich traf es sich einmal,
dass der älteste der sieben Grafen und die Gräfin sich einander beim Spazieren
im Garten trafen. Da gestand sie ihm ihre Liebe und sagte, wenn er sie auch
lieb habe, so sei sie geneigt, ihn zu heiraten. Der Graf Avar über diese Nachricht
hocherfreut; denn auch er mochte die Gräfin sehr wohl leiden. Doch müsse er
erst einmal mit seinen Brüdern sprechen, und wenn die nichts dagegen hätten,
würde er je eher je lieber Hochzeit machen und ihr gewiss ewig treu bleiben.
Als die beiden den Garten verliessen, ging der älteste Graf sogleich zu seinen
Brüdern und erzählte ihnen alles, was sich zugetragen und was die Gräfin mit
ihm gesprochen. Diese hatten durchaus nichts dagegen und freuten sich über
ihres Bruders Glück. Nun schrieben sie an ihren alten Vater und baten ihn um
die Einwilligung zur Heirat des ältesten Sohnes. Aber da kam die Nachricht aus
der Heimat, dass der Vater bereits gestorben sei und dass sie eilig heimkehren
müssten, um ihr Erbteil anzutreten. Das aber wollte die Gräfin ungern; und so
202 Carstens :
wurde denn das väterliche Gut verkauft und die sieben Grafen blieben, wo sie
waren. Jeder der Brüder erhielt nun ein Gut. Der älteste Graf heiratete die
Gräfin. Alle lebten glücklich und zufrieden: sonderlich die Gräfin mit ihrem
Manne.
Wie nun einige Jahre vergangen waren, wollten die sechs jüngeren Brüder
eine Seereise machen. Sie wünschten natürlich ihren ältesten Bruder mitzuhaben.
Dieser aber mochte ungern seine Frau verlassen. Als aber die Brüder darauf
bestanden, dass er mit ihnen müsse, weil sie geschworen hatten, einander nicht
zu verlassen, da willigte er endUch ein.
Die Gräfin nähte nun zwei ganz neue Hemden. Das eine musste der Graf
anziehen und das andere zog sie an und sprach: „Solange als dein Hemd rein
und unbeschädigt bleibt, solange bin ich dir getreu; wird es aber schmutzig und
zerrissen, so kannst du daraus schliessen, dass ich dir untreu geworden bin; und
solange mein Hemd rein und unbeschädigt bleibt, bist du mir treu; wird es aber
schmutzig und zerrissen, so kann ich daraus schliessen, dass du den Eid der Treue
gebrochen hast, den wir einander geschworen haben." Darauf nahmen die beiden
zärtlich Abschied von einander, und die sieben Grafen gingen an Bord eines sehr
schönen Schiffes und fuhren mit gutem Winde davon. Eine Zeitlang waren sie
bereits auf der See gewesen, da bekamen sie verkehrten Wind und wurden an
eine unbekannte Küste verschlagen. Kaum hatte man sie hier bemerkt, als man
sie auch schon gefangen nahm und als Sklaven verkaufte. Die sieben Grafen
wurden nun dem türkischen Sultan überbracht und mussten in dem kaiserlichen
Garten arbeiten. Alle Sklaven waren gezwungen, hier nackend zu gehen. Nur
den sieben Grafen ward erlaubt, ihre Hemden anzubehalten.
Und merkwürdig! Das Hemd des ältesten Grafen blieb stets sauber und rein,
während die Hemden der Bmder schmutzig wurden und auch bald zerrissen.
Darüber wunderte sich der General des Sultans so sehr, dass er den ältesten
Grafen eines guten Tages fragte, wie das doch zuginge, dass sein Hemd so sauber
und heil bliebe, während die Hemden seiner Brüder schmutzig und zerrissen
seien. Da erzählte der älteste Graf ihm, dass er in der Heimat eine Frau habe,
und was diese über sein Hemd gesagt habe. Da lachte der General und sprach,
dass er ein Narr sei, wenn er glaube, dass seine Frau ihm noch treu wäre. Der
Graf aber beteuerte, dass seine Frau ihm niemals die Treue brechen würde, möge
da kommen, was da wolle. Sprach der General: Ich will einmal hinreisen nach
Deutschland und deine Frau auf die Probe stellen; und wenn ich dann finde, dass
sie dir wirklich die Treue bewahrt hat, so will ich dir und deinen Brüdern zur
Freiheit verhelfen.
Der General reiste auch wirklich bald darnach ab, und als er am Ziele seiner
Reise war, Hess er sich sofort bei der Gräfin anmelden und ward auch nach seiner
Wüi'de empfangen. Er fing auch sofort mit ihr über ihren Mann an zu sprechen,
dass er mit seinen Brüdern in der Türkei und Sklave des Sultans sei. Er aber
wolle ihnen die Freiheit verschaffen, wenn sie ihm eine Bitte erlauben wolle,
nämlich die: Eine Nacht bei ihr zu schlafen. Die Gräfin versprach ihm das und
bat ihn, er möge nur des Abends wieder kommen; und so ging er fort. Die Gräfin
gedachte aber ganz anders. Sie stellte ihre Diener mit Peitschen bewaffnet in
einem Nebenzimmer auf und befahl ihnen, auf ihren AVink herbeizueilen und den
General hinauszupeitschen.
Der Abend kam und mit ihm der General. Die Gräfin empfing ihn ganz
freundlich und wies ihm ein prächtiges Bette an. Der General wollte mit seinen
Kleidern hineinsteigen. Die Gräfin aber sprach, sie sei es nicht anders gewohnt,
Kleine Mitteilungen. 203
als bei einem nackenden Mann zu schlafen. Er musste sich also ausziehen und
nackend ins Bett legen. Nun trat die Gräfin zu ihm und erfragte noch dies und
jenes über ihren Mann und seine Brüder; und als sie alles genau wusste, gah sie
ihren Dienern einen Wink, die denn mit ihren Peitschen herbeieilten und den
General so fürchterlich schlugen, dass er jämmerlich schrie und nackend, wie er
war, nach seinem Schiffe lief.
Die Gräfin aber wollte jetzt ihren Mann und seine Brüder retten, oder auch
mit ihnen sterben. Noch in derselben Nacht Hess sie sich Pilgerkleider machen,
die so fein waren, dass sie dieselben in der Tasche tragen konnte. Diese zog sie
am andern Morgen an, nahm eine Harfe und ging als Pilgrim verkleidet nuch dem
Schiff'e des türkischen Generals. Hier gab sie sich für einen Pilger aus, der sein
Brot mit Singen und Spielen verdienen müsse, und bat, er möge ihn mitnehmen
nach der Türkei. Der General hörte gern Musik und Gesang und nahm den
Pilger mit. Unterwegs auf der See musste der Pilger dem General oft etwas vor-
singen und vorspielen. Unter anderm sang und spielte er folgendes Lied:
1. Was fehlet dir, mein Herz, 2. Ich weiss die Ursach' wol,
dass du in mir so schlagest'? darf solches nur nicht sagen!
Wie kommt es, dass du dich Der Himmel hat jetzt Lust
in mir so heftig regest? mein Herze so zu plagen.
Warum erhältst du dich Es schlagen über mich
mit deiner starken Macht? die Unglücksw^ellen her;
Warum entziehst du mich (mir) ich schweb' in voller Angst
den süssen Schlaf bei Nacht? auf einem wilden Meer.
3. Mit einem Trauerflor
hat sich mein Herz umhüllet;
mein ganzer Lebenslauf
mit Rummer angefüllet;
ich kenn" mich fast nicht mehr,
ich lebe ohne Ruh',
das Glück, das ist mir feind,
kehi-t mir den Rücken zu.
Endlich kam das Schiff in der Türkei an. Der Pilger verliess dasselbe und
ging in die Stadt. Der General ging zum Sultan und erzählte diesem, dass er
einen Pilger aus Deutschland mitgebracht habe, der ausserordentlich schön singen
und spielen könne. Auch der Sultan war ein grosser Freund von Musik und
Gesang und liess den Pilger sofort holen. Und als dieser nun A^or dem Sultan
vortrefflich sang und spielte, behielt er ihn bei sich. Als er einige Tage hier
gewesen war, ging er eines Tages im Garten spazieren und sah die sieben Grafen.
Er nahm seine Harfe und spielte und sang:
4. Ich kam vor kurzer Zeit 5. 0 edle Rose, du!
in einen schönen Garten; die unter Dornen sitzest,
daselbst erblickte ich und wenn du mir auch gleich
der Blumen manche Arten; mein ganzes Herz durchritzest,
und unter selben sah so will ich lieben dich,
ich eine Rose blüh'n; die Wunden trage ich;
ich wünsche mir nichts mehr vergönne mir die Ehr',
als die zu mir zu zieh'n. gedenk' einmal an mich!
204 Carstens:
6. Jetzt muss ich ganz betrübt
aus diesem Garten gehen,
und niemand fraget mich,
wie mir es wird ergehen.
Wer meinen Zustand weiss,
der spottet meiner nicht;
sonst wollte wünschen ich,
dass ihm wie mir geschieht.
Der Pilger war ausserordentlich schön. Kein Wunder also, dass die türkische
Prinzessin sich in ihn verliebte. Eines Tages fand sich auch Gelegenheit, ihm ihre
Liebe zu gestehen. Der Pilger entgegnete allerdings: Ach, ich bin ja viel zu
geringe für dich, und dein Vater, der Sultan, wird einer Heirat zwischen uns
beiden nie seine Zustimmung geben. Die Prinzessin aber sprach: „Ich rechne
nichts auf meines Vaters Reichtum und Krone, und wenn du ebenso denkst, wie
ich, so wollen wir beide miteinander nach Deutschland entfliehen." Da ward der
Pilger sehr froh und sprach: „Ich willige mit Freuden ein und wir werden in
Deutschland miteinander auch glücklich und zufrieden leben können. Aber, wie
sollen wir unbemerkt fortkommen?" „Wohlan!" entgegnete die Prinzessin, „mein
Vater hat eine wichtige Reise vor. Er wird dich mitnehmen wollen, da er deinen
Gesang kaum einen Augenblick entbehren mag; aber du musst dich krank stellen;
dann wird er dich freilassen. Ich will unterdessen alles zur Abreise bereit machen
lassen."
Bald darauf reiste nun der Sultan fort. Der Pilger blieb zu Hause, weil er
krank geworden war. Die Prinzessin hatte in aller Stille ein grosses Schiff aus-
rüsten lassen. Als nun alles zur Abreise bereit war und man schon an Bord
gehen wollte, sagte der Pilger zu der Prinzessin: „Ich habe noch eine Bitte."
„Und welche denn?" fragte die Prinzessin. „Die sieben Grafen, die da und da
in dem Garten arbeiten," sprach der Pilger, „sind meine Landsleute und die möchte
ich gerne mitnehmen." „Gut," sprach die Prinzessin, „die Bitte sei dir gewährt,"
und sofort wurden nun die sieben Grafen geholt, an Bord gebracht, und das Schiff
segelte mit gutem Winde davon.
Als das Schiff in Deutschland ankam, erhielten die sieben Grafen ihre Frei-
heit. Sie bedankten sich unter Thränen und gingen nach dem Schlosse der Gräfin.
Alles freute sich hier, dass der gnädige Herr wiedergekommen sei. Aber die
Gräfin, sagte man ihm, sei nicht zu Hause, die sei vor einigen Jahren mit einem
türkischen General davongereiset, um ihn und seine Brüder zu erlösen. Da erschrak
der Graf und meinte, dass seine Gemahlin ihm ohne Zweifel untreu geworden sei.
Ja, wenn sie wiederkehren sollte, so würde er sie nicht als seine Gemahlin an-
sehen, sondern für ihre Untreue strenge bestrafen.
Die Gräfin war noch auf dem Schiffe. Sie zog ihre Pilgerkleider aus, offen-
barte sich der Prinzessin und sprach, dass sie einander nicht heiraten könnten, da
sie einerlei Geschlecht seien. Der älteste der sieben Sklaven sei auch ihr Mann.
Da wurde die Prinzessin sehr betrübt und weinte. Die Gräfin aber sagte, sie solle
nur ruhig sein, sie solle ein prächtiges Gut haben und könne dann in Deutsch-
land ebenso vergnügt und zufrieden leben, als in der Türkei. Hierauf verliess sie
das Schiff und versprach der Prinzessin, sie sobald als möglich abzuholen.
Wie nun die Gräfin heimkam auf ihr Schloss, wollte ihr Mann sie nicht als
seine Frau anerkennen, sondern nannte sie eine Hure und liess sie ohne weiteres
ins Gefängnis werfen. Das war also der Lohn für ihre Treue und Hingebung.
Kleine Mitteilungen. 205
Als sie im Gefängnis sass, merkte sie, dass ihr Mann vorüberging. Rasch
nahm sie ihre Harfe zur Hand und sang und spielte:
7. Ach, hätt' ich meinen Fuss
dir nie zu nah' gesetzet,
so hätt' der Dornen Stich
mein Herze nicht verletzet;
mein allzukühner Sinn
hat mich dahin gebracht,
dass ich bin ganz verirrt
und auch dazu veracht'.
Der Graf aber merkte und hörte nichts davon, sondern wollte sie am andern
Morgen nach dem Richtplatze hinausführen und hinrichten lassen. Seine Brüder
freilich baten ihn dringend, die Sache doch erst gehörig zu untersuchen. Doch
der Graf liess sich nicht bereden, und so ward die Gräfin in einem Yerdeckwagen
nach dem Richtplatze geführt. Unterwegs aber sang und spielte sie:
8. Ist jetzt denn das mein Lohn?
— 0, zärtliches Verlangen —
dass ich bin weit um dich,
bin über's Meer gegangen
und habe dich erlöst
aus Ketten und aus Banden.
Die Rose, die ich lieb'
ist jetzt in fremden Händen.
Im Wagen zog sie ihre Pilgerkleider wieder an, und als Pilger stieg sie auf
dem Richtplatz aus dem Wagen und sang und spielte:
9. Kennst du den Pilger nicht,
dass du ihn so verstossest?
der viel gewagt um dich,
dass du nun bist erlöset
wohl aus der Türken Hand
gebracht bis in dein Land;
ist das für meine Lieb
die ich an dir gewandt?
Wie der Graf das sah und hörte, stand er da, wie vom Donner gerührt und
konnte kein Wort reden. Sie aber sang und spielte weiter:
10. Ade, mein wertes Kind!
Thu' dich doch recht besinnen,
wie ich dich dort empfing,
wie mir die Thränen rinnen
von meinen Wangen her,
da ich dich liebt' so sehr.
Der Sultan wundert sich
alsbald sehr über mich.
Da schlug der Graf in sich und erkannte, dass jener Pilger seine Gemahlin
bei, und dass die ihn erlöset habe aus der Sklaverei und fing jetzt auch an zu
Bingen:
206 Weinhold:
11. Jetzt bricht mein Herz entzwei. 12. Weil du mich hast erlöst
Wie hab' ich mich vergangen aus Ketten und aus Banden,
an dir, mein wertes Kind, Von Türken frei gemacht,
wie ich dich hab' empfangen; gebracht bis in mein Land;
ich falle nieder hier will ich mein Lebenlang
auf meine matte Knie; dir willig sagen Dank,
ich küss' dir Hand und Fuss, ich will dein Diener sein,
ach Kind, verzeih' es mir. von Herzen, Schönste, mein.
Sie vergab ihm natürlich gern, denn sie liebte ihn noch immer so zärtlich
wie früher und sang:
13. Weil du, mein wertes Kind,
so zärtlich hast gebeten,
so sei versichert nun,
kannst freudig zu mir treten;
du bist's, den ich geliebt
und hab' um dich gewagt
mein Leben, Leib und Blut.
War nicht um's Herz verzagt.
Sie stiegen nun zusammen in die Kutsche und fuhren unter dem Jubel des
Volkes zurück nach dem Schlosse. Noch an demselben Tage ward die Prinzessin
vom Schiffe geholt. Der jüngste Graf heiratete die Prinzessin und alle lebten
glücklich bis an ihr Ende, und wenn sie nicht tot sind, so leben sie noch-
Von meiner verstorbenen Tante vor ungefähr 50 Jahren in Lmiden in Dith-
marschen aufgezeichnet. Eine Aufzeichnung aus dem Lauenburgischen bei Müllen-
hoff. Sagen, Märchen und Lieder aus Schleswig-Holstein und Lauenburg No. DCVII
Von dem König von Spanien und seiner Frau.
DahrenwT^irt bei Lunden in Holstein. Heinrich Carstens.
Zu den Sieben Grafen.
K. Müllenhoff hat in der Anmerkung zu der von ihm mitgeteilten Variante
dieser weit verbreiteten Geschichte auf die Zusammengehörigkeit mit dem alten
Liede vom Grafen von Rom (Uhland, Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder
n, 784) und dem flämischen Volksbuche vom Ritter Alexander aus Metz und
seiner Frau Florentine (Auszug daraus als „Der Mann im Pflug'' in den deutschen
Sagen, herausgegeben von den Brüdern Grimm, No. 537, 3, Aufl.) hingewiesen.
Über die Verbreitung des Stoffes können wir in Küi-ze verweisen auf Franz
Böhme, Altdeutsches Liederbuch. Volkslieder der Deutschen in Wort und Weise.
Leipzig 1877. S. 41— 43, wo ausgeführt wird, dass die älteste erhaltene poetische
Bearbeitung des Stoffes ein im 15. Jahrhundert verfasster Meistergesang ist:
Alexander von Metz in gsangswyss, der im 16. und 17. Jahrhundert öfter gedruckt
ward (nach einem Züricher Druck bei Ph. M. Körner, Historische Volkslieder.
Stuttgai-t 1840. S. 49—67). In diesem Meistergesang findet sich auch das Wunder-
hemd der dithmarscher Erzählung, auf das auch Fischart im 5. Kapitel der
Geschichtklitterung in den Worten anspielt: „auf dass sie ihren Alexander von
Kleine Mitteilungen. 207
Metz (im weissen Badhembd) im Pflug nicht verliere". (Ausgabe von Alsleben.
Halle 1891, S. 107.)
Sangmässig im Hildebrandston ist das Volkslied Der Graf von Rom oder
der Graf im Pfluge, als dessen ältester Druck ein Bamberger von 1493 bekannt
ist. Die Weise ist von Fr. Böhme wiedergefunden und a. a. 0. S. 38 gegeben.
Der Inhalt stimmt im wesentlichen zu dem Meistergesänge, nur ist das Wunder-
hemd vergessen. Das Lied ward oft gedruckt und kommt auch niederdeutsch vor.
(Vgl. Böhme a. a. 0. Gödeke, Grundriss I. S. 310. 2. A. Weller, Annalen I.
S. 199. 200.)
Die Gedichte verbreiteten sich weit, auch über die deutschen Grenzen, und
auf sie, namentlich auf den älteren Meistergesang, gehen nach aller Wahrscheinlich-
keit die prosaischen Erzählungen zurück. So weist auch das niederländische Volks-
buch Florentina de getrouwe sichtlich auf ein Lied als Grundlage hin (Mone, Über-
sicht der niederländischen Volkslitteratur älterer Zeit, S. 65).
Li Steiermark war ein Lied vom Grafen Säuberlich noch in diesem Jahr-
hundert bekannt. Es beruhte auf Abschriften eines fliegenden Blattes: „Ein sehr
schönes neues Lied von dem Grafen von Rom, wie es ihm ergangen ist, als er
von den Türken gefangen worden. Li seiner eignen Melodey zu singen."
Der Stoff ist aus zwei Sagen verbunden. Die eine erzählte die Befreiung
eines gefangenen Kreuzfahrers oder Palästinapilgers aus der Sklaverei, die zweite
berichtete von einer Keuschheitsprobe mittels eines wunderbaren Hemdes. Wir
finden die zweite Sage im 69. Kapitel der Gesta Romanorum (de castitate): Ein
Baumeister (carpentarius) hatte die schöne Tochter eines Ritters wegen seiner
Klugheit und Kunst zur Frau bekommen. Nach der Hochzeit übergab die Schwieger-
mutter ihm ein Hemd, das solange rein und unverändert in der Farbe und un-
zerschlissen sein werde, solange die Gatten sich treu seien; das aber jene Eigen-
schaft verliere, sobald eines von ihnen die Treue verletze. Der Baumeister ward
wegen eines Schlossbaues zum König berufen und zog das Hemd an, das zu aller
Verwunderung ganz rein blieb. Inzwischen versuchten drei Ritter die junge Frau
zu verführen, die aber sie abwies und einen nach dem andern bei Wasser und
Brot eingesperrt hielt, bis der Gatte zurückkehrte, dessen Hemd rein und ganz
geblieben war. Beide blieben bis zu ihrem Ende in echter Liebe sich treu.
Die Geschichte von dem Hemd scheint aus dem Orient zu stammen, vgl. die
Nachweisung in Oesterleys Ausgabe der Gesta Romanorum, S. 723.
Die dithmarsische Aufzeichnung, die oben mitgeteilt worden ist, lässt die alten
Grundzüge der Geschichte noch gut erkennen. Der Märchenzug, dass mehrere
Brüder ausziehen, ihr Glück zu suchen, ist in ihr besser bewahrt, als in der lauen-
burgischen Fassung bei Müllenhoff. Die falsche Klage gegen die Frau ist in der
dithmarsischen Erzählung bis zur Verurteilung derselben gesteigert. Die alte
Mönchsverkleidung ist hier zum moderneren Pilgergewand geworden; in der lauen-
burgischen Fassung vermummt sich die Frau in einen Einsiedler. Das senti-
mentale Lied, übrigens in achtzeiliger Strophe, gehört wohl in jetziger Gestalt
erst unserm Jahrhundert an; die Aufzeichnung bei MüUenhofC hat nur die erste
Hälfte der sechsten Strophe bewahrt, und noch dazu mit Veränderung. Wichtig
ist, dass beide norddeutsche Texte noch das Wunderhemd kennen. In der hessi-
schen Variante Konrad von Tannenberg (J. W. Wolf, Hessische Sagen. Leipzig
1853. No. 238) wird es nicht erwähnt. K. Weinhold.
k
2Q8 Weinhold: Kleine Mitteilungen.
Erlöschen der Altarkerzen.
"Weit verbreitet in Deutschland ist der Glaube, dass das Erlöschen einer Altar-
kerze den Tod eines an der Kirche angestellten Geistlichen anzeige (Wuttke, Der
deutsche Volksaberglaube der Gegenwart. 2. Aufl. § 301. Berlin 1869). In Schlesien
wird an Kirchen, die mehrere Geistliche haben, jedem derselben seine Kerze von
abergläubischen Leuten zugeteilt. Ein alter Beleg für den Glauben an dieses Vor-
zeichen findet sich in dem Briefe Luthers an Wenzeslaus Link vom 23. Januar 1527
(de Wette, Briefe Luthers 3, 156), worin er seinem Freunde das ihm von Nikolaus
Ambsdorf geschriebene wunderbare Ereignis mitteilt, dass im Magdeburger Dom
am Feste der Beschneidung Christi (1527) in der Mette plötzlich alle Kerzen, die
auf allen Altären, auch in den Seitenkapellen brannten, sowie alle Lampen er-
loschen seien, ausgenommen eine einzige vor dem Allerheiligsten. Unmöglich
könne das der Windzug gethan haben. Manche deuteten es auf den Tod der
Domherren, unter Erinnerung daran, dass vor dem Tode des Erzbischofs Ernst
(f 3. August 1513) die grosse Kerze herabgefallen, erloschen und zerbrochen sei.
Dens videbit, fügt L. hinzu. Signa multa flunt non irrita futura (es giebt viele
Vorzeichen, die nicht täuschen). K. W.
Matthias v. Lexer f.
Am 16. April d. J. starb zu Nürnberg auf der Rückreise von Berlin nach
München Matthias v. Lexer, ord. Professor der deutschen Philologie an der königl.
Universität zu München, ord. Mitglied der königl. bayerischen Akademie der Wissen-
schaften und des obersten Schulrates des Königreichs Bayern.
Geboren am 18. Oktober 1830 zu Liesing im Lesachthal in Kärnten, nahe der
Tiroler und der italienischen Grenze, hatte er in Klagenfurt seine Gymnasial-
studien gemacht und dann auf den Universitäten Graz, Wien und Berlin haupt-
sächlich der deutschen Sprach- und Litteraturwissenschaft sich gewidmet. Zwei
Jahre war er Hilfslehrer am Gymnasium in Krakau gewesen. Nach einer Thätig-
keit als Hofmeister in einer vornehmen ungarischen Familie ward er als Hilfs-
arbeiter an den deutschen Städtechroniken nach Nürnberg berufen. 1863 ward er
Professor der deutschen Philologie an der Freiburger Universität. 1868 erhielt er
einen Ruf nach Würzburg und wirkte an der Julius -Maximilians -Universität bis
zum August 1891. Da übernahm er seine einflussreiche Stellung in München.
Die wissenschaftlichen Hauptarbeiten v. Lexers sind sein Mittelhochdeutsches
Handwörterbuch (1869—1878. 3 Bde.) und der VH. Band des deutschen Wörter-
buchs der Brüder Grimm (N— Q); von dem XI. Bande T. U. waren ihm nur drei
Hefte zu vollenden vergönnt. Für die Volkskunde ist er von Bedeutung durch
sein treffliches Kärntisches Wörterbuch mit einem Anhang: Weihnachts-Spiele und
Lieder aus Kärnten (1862) und durch kleinere dialektliche und mythologische Bei-
träge zu K. Frommanns Deutschen Mundarten und J. Wolfs und W. Mannhardts
Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde.
In der Beilage No. 99 zur Allgemeinen Zeitung vom 28. April 1892 und in dem
2. Hefte des XXV. Bandes der Zeitschrift für deutsche Philologie habe ich den
teuren Verstorbenen, der ein ebenso tüchtiger Gelehrter als vortrefflicher Mensch
war, näher geschildert. ' K- "^.
Büchcranzeigen. 209
Büclieranzeigen.
Wlislocki, Dr. Heinrich von, Volksglaube und religiöser Brauch der
Zigeuner. Vorwiegend nach eigenen Ermittelungen. (Darstellungen
aus dem Gebiete der nichtchristlichen Religionsgeschichte. IV. Band.)
Münster i. W. 1891. S. XIV, 184.
In einer Sammlung von „Darstellung-en aus dem Gebiete der nichtchristlichen
Religionsgeschichte" einem Buche zu begegnen, das von der Heligion der Zigeuner
handelt, wird manchen in Erstaunen setzen. Die besten Kenner der Zigeuner wie
Zippel, Borrow, Paspati, Liebich u. a. sind einstimmig der Ansicht, dass von Re-
ligion bei den Zigeunern kaum die Rede sein kann. Und was wir bisher darüber
wussten, war in der That sehr wenig. Liebich (Die Zigeuner in ihrem Wesen
und in ihrer Sprache. Leipzig 1863 p. 29 ff.) hat so ziemlich alles zusammen-
gestellt, was man als Religion ansehen kann. Die eigentümlichen Gebräuche der
deutschen und englisch-schottischen Zigeuner beim Tode eines Verwandten (Smart
and Crofton, The Dialect of the English Gypsies 2. Edition London 1875 p. 202 f.
Leland, The English Gipsies and their Language Lon(]on 1874 p. 48 ff. Walter
Scott, Guy Mannering p. 4G1 der Tauchnitz-Edition), sowie ihre Verehrung und
Scheu vor den Toten, der allgemein unter den Zigeunern verbreitete Glaube an
Gespenster aller Art — dies und anderes Hesse sich verwerten, um den Ahnen-
kultus als ursprüngliche Religion der Zigeuner zu erweisen. Die Totenverehrung
hat in Indien von frühester Zeit an eine hervorragende Rolle im religiösen Leben
gespielt (Caland, Über Totenverehrung bei einigen der indogermanischen Völker.
Amsterdam 1888) und sie könnte bei den Zigeunern sehr wohl ein Erbe aus ihrer
alten Heimat sein. Was Sun dt gelegentlich von dem Gotte Dundra-Alako erzählt,
steht ganz vereinzelt da und ist keinesfalls ursprünglich, da Dundra das dänische
dundre (donnern), Alako aber das finnische alakuu (abnehmender Mond) ist
(Beretning om Eante-eller Landstrygerfolket i Norge. Christiania 1852 p. 20. 105 ff.).
Der Mond wäre gewiss eine passende Gottheit für die Zigeuner; aber seine Ver-
ehrung lässt sich glaubAvürdig nicht nachweisen und ebensowenig findet Lelands
Angabe Bestätigung, dass die zigeunerischen Namen für Sonne und Mond ein Ge-
heimnis seien (The Gypsies, London 1882 p. 344). Paspati versichert; „qu'il
n'y a aucun vestige de religion, ou de foi, importee de leur propre pays. Tout
a ete oublir Meme dans leurs chansons et contes, dont plusieurs datent des gcne-
rations passees, il n'y a aucun vestige d'antique foi" (Les Etudes sur les Tschin-
ghianes. Constantinople 1870 p. 27).
Um so überraschender muss die Fülle der Mitteilungen wirken, die Wlislocki
in dem vorliegenden Buche über Glauben und religiösen Brauch der Zigeuner,
speziell der transsilvanischen, macht. Ein sehr grosser Teil des hier Veröffent-
lichten ist schon aus andern Arbeiten AVlislocki's bekannt, namentlich aus seinem
Buche: „Vom wandernden Zigeunervolkc". Hamburg 1890. Ich habe dieses Buch
eingehend besprochen und schwere Bedenken gegen seinen Inhalt und die von
Wlislocki angewendete Methode ausgedrückt (Göttingische Gelehi-te Anzeigen 1890
p. 969 ff.). Dieselben Bedenken habe ich gegen das vorliegende Buch. Wlislocki
ist der Ansicht, dass „in Siebenbürgen und Ungarn allein die Zigeuner vielleicht
210 Pischel:
die meisten Bruchstücke ihres alten Glaubens erhalten haben" (Vom wandernden
Zigeunervolke p. 253), und so hat er auch in diesem Buche „in erster Reihe die
Zigeuner der Donauländer in Betracht gezogen, weil hier noch uralter Glauben
unverfälscht oder weniger von fremdem Einfluss durchsetzt zu finden ist" (p. XII).
Niemand wird leugnen, dass viele Mitteilungen in dem Buche für Denken und
Glauben der transsilvanischen Zigeuner des heutigen Tages von hohem Interesse
sind, aber darin uralte Gebräuche sehen zu wollen, die die Zigeuner aus ihrer
indischen Heimat mitgebracht haben, ja sie sogar auf Naturmythen zurückzuführen
(p. 56), heisst die geschichtlichen Thatsachen verkennen. "Weitaus der grösste
Teil der Gebräuche trägt deutlich den Stempel der Entlehnung. Die Zigeuner
sind ein abergläubisches Volk, dass sich ungemein schnell in den Gedankenki-eis
fremder Nationen einlebt, um so leichter, wenn es, wie in den Donauländern,
ungehindert in beständigem Verkehr mit ihnen bleiben kann. So erklärt es
sich ganz von selbst, dass gerade dort die Zigeuner sich so viele Lieder, Märchen
und Erzählungen angeeignet haben, die nachweislich ungarisch, serbisch oder
rumunisch sind. Und nicht anders steht es mit den Volksgebräucben und dem
Glauben. Dass die Zigeuner selbst an die von ihnen verfertigten Amulette, Zauber-
apparate u. dgl. glauben, wie Wlislocki versichert, ist ganz unwahrscheinlich.
Man lese z. B. was er p. 65 (vgl. p. 146) von der „Haselschlange" sagt und ver-
gleiche damit, was Sundt (1. c. p. 152 f.) von dem „busten" und dem „hvid-
ormsryg" der norwegischen Zigeuner berichtet und man wird sich unschwer über-
zeugen, dass es sich nur um einen Betrug der dummen gaje handelt. Wlislocki
unterscheidet das nirgends und jeder Leser muss den Eindruck gewinnen, dass
die Zigeuner selbst an den Schwindel glauben, den sie ausüben. Auch in diesem
Buche sind die Übersetzungen oft sehr frei. Ich muss daher auch von ihm aus-
sprechen, was ich von dem früheren bemerkt habe, dass es mit der grössten Vor-
sicht benutzt werden muss. Für die Kenntnis echtzigeunerischer, alter Sitten und
Anschauungen ist es von dem Laien nicht zu gebrauchen.
Halle a. d. Saale. R. Pischel.
Bayerns Mundarten. Beiträge zur deutschen Sprach- und Volkskunde,
herausgegeben von Dr. Oskar Brenner und Dr. August Hart-
mann. Band I. Heft 2. 3. München 1891/92. Christian Kaiser.
S. 161-480. 8^
Der erste Band des in unserer Zeitschrift I, 345 begrüssten neuen Unter-
nehmens ist hiermit abgeschlossen. Es zeigt sich nunmehr noch entschiedener
als im 1. Hefte als nah verwandt den deutschen Mundarten des sei. Karl Frommann,
indem der Inhalt fast ganz der Dialektkunde, hauptsächlich der bairischen und
angrenzenden Landschaften , zu Gute kommt. Die grosseren Artikel sind Fort-
setzungen von im 1. Heft begonnenen. Prof. Brenner hat eine Bücherschau und
ein Register beigegeben, die beide nützlich sind. Wir wollen wünschen, dass es
den Herausgebern gelingt, recht viel tüchtig geschulte Mitarbeiter zu gewinnen.
Die Dialektforschung erfordert eine Menge Kenntnisse und auch Fertigkeiten, soll
sie der Wissenschaft wirklichen Dienst leisten. K. W.
Büchemnzeigen. 211
Sagen Niederösterreichs. Gesammelt, erzählt mid erläutert von P. Willeb.
Luchv. Leeb. 1. Band mit Einbegleitung von K. Landsteiner. Wien
Heinr. Kirsch. 1892. S. XIV. 156. 8^
Für die Sammking der Volkssagen Niederösterreichs ist noch viel zu thun.
In Erlvenntnis davon hat sich Herr P. Leeb die AusfiÜlung- dieser Lücke vor-
gesetzt, und er ist jedenfalls dazu wohl geschickt, da er aus dem Volke stammt
und unter dem Volke lebt. Der vorliegende 1. Band bringt 195 Nummern, die
vom Herrn Verfasser und einigen Helfern mit geringen Ausnahmen unmittelbar
aus der Quelle geschöpft sind. Die Sagen sind schlicht erzählt. „Um die ge-
bildeten Kreise für den wundersamen Sagenhort unseres Volkes mehr zu interessieren,
meinte ich Erklärungen und erläuternde Analogien anmerken zu sollen, und zwar
auf Grund der sog. Kuhnschen Lehre;" so Herr P. Leeb. Gegen solche An-
merkungen ist an sich nichts einzuwenden, sie können sogar sehr nützlich und
anregend oder, wenn sie Sachliches enthalten, notwendig sein. Andererseits können
sie aber auch, wenn sie irriges und schiefes ausführen, was bei mythologischen
Dingen leicht geschieht, Schaden stiften, da die Scheidung von Wahrem und Falschem
nicht jedes Lesers Sache ist. Weit nützlicher wäre die durchgehende Anführung
der Varianten der Sagen in anderen Sammlungen, wozu freilich eine mythologische
Bibliothek gehört, die sich nur selten findet. Übrigens hat Herr P. Leeb manchen
Sagen solche Nachweisungen beigegeben.
Eine hübsche Zugabe des Buches sind drei Landschaftsbilder in Holzstich
nach photographischen Aufnahmen, die fremde Leser in die Heimat der Sagen
versetzen und ein empfehlenswerterer Schmuck sind, als massige Darstellungen
dieser oder jener Sagenscene. Möge das '2. Bändchen bald nachfolgen!
K. Weinhold.
Kärntner Alpeufalirten. Landschaft und Leute. Sitten und Bräuche in
Kärnten. Geschildert von Fr. Franziszi. Mit einem Geleitbrief von
A. Frhr. v. Öchweiger-Lerchenfeld. Wien. F. Rörich. 1892. S. 136. 8^
Der Verfasser dieses Büchleins, Herr Dechant Franziszi in Grafendorf im
Gailthal in Kärnten, hat sich bereits 1879 durch seine Kulturstudien über Volks-
leben, Sitten und Bräuche in Kärnten (Wien, Braumüllcr) als guter Beobachter
des Volkslebens seiner Heimat bekannt gemacht. In seinem neuesten, von dem
Grillparzerverein in Wien herausgegebenen Werkchen giebt er allerdings mehr
Schilderungen von Bergwanderungen, die er in den kärntischen Alpen machte;
allein es fällt dabei auch für Kunde der Sitten und Bräuche der deutschen und
windischen Bewohner des schönen Landes gar manches Schätzbare ab. So wird
auf den S. 55—66 das dramatisch belebte Gespräch zwischen dem Brauttruhen-
führer (Välesfüerer) und den Wächtern der Klause, die vor dem Wohnort des
Bräutigams errichtet ist, aus einer Heiligenbluter Handschrift mitgeteilt. Das
Bildnis des Herrn Verfassers und eine Ansicht des Grossglocknergipfels schmücken
das saubere Büchlein. K. Weinhold.
Bulletin de Folklore. Organe de la Societe du Folklore Wallon. Di-
recteur pour 1891 Eugene Monseur. I. 2. Bruxolles, J. Lebegue
et Cie. 1891. S. 83—180. 8".
Von dem Questionnaire und von dem ersten Heft der neugegründeten Gesell-
schaft für wallonische Volkskunde in Brüssel haben wir schon in uiaserm 1. Bande
212 Weinhold:
S. 454 Nachricht gegeben und den vielversprechenden Anfang der Arbeiten dieses
Vereins gebührend begrüsst. Die zweite Hälfte des Bulletin liegt nun vor und
bestätigt unsere gute Meinung. Das Heft enthält: das Kinderspiel Porte d'enfer
et porte paradis (unser Brückenspiel, vgl. Zeitschr. für deutsche Mythologie IV,
301 — 320) von M. Wilmotte. — Neue Varianten zu dem Märchen vom singenden
Knochen (Grimm, Kinder- u. Hausmärchen Nr. 78) von F. Simon u. E Monseur.
Eine wallonische Variante des Machandelbom, von Delaite; ein Rezept aus dem
13. Jahrhund, aus einer Darmstädter Handschrift von "Wilmotte mitgeteilt; Wallo-
nische Volksbotanik von J, Feller; Bücherbesprechungen und Gesellschafts-
berichte. K. W.
Ch. Thuriet. Traditions populaires du Doubs. Paris, E. Lechevalier,
Librairie historique des provinces. I. Yol. in 16. S. XXXV. 535.
256 recits recueillis dans les quatre arrondissements du dcpartement du Doubs,
Besancon, Baume-les-Dames, Montbeliard, Pontarlier. Traditions merveilleuses et
legendes religieuses, contes histoires tr^iques et bourlesques relatives aux villes
et villages, aux chäteaux et forteresses, aux monasteres, eglises et chapelles, aux
forets, rivicres, sources, torrents, ponts, rochers, cavernes et precipic(^s de la contree.
Un personnel fantastique varie figure dans ces recits: gcants, fees, dames blanches,
dames vertes, follets, demons, diables, sorciers et sorcieres, chasseurs infernaux,
revenants, saints et saintes, ermites, meines et nonnes, Chevaliers, dames, damoi-
selles et bergeres, bücherons, laboureurs et bourgeois. animaux fabuleux, dragons,
betes parlantes, arbres enchantes, fleurs animces etc. etc. Parmi les legendes,
Celles de la Vierge sont particulierement interessantes pour la Volkskunde des
pays catholiques.
Berlin. M. Marelle.
Das Passionsspiel des Böhnierwaldes. Von J. J. Am mann. Aus dein
30. Jahrgange der Mitteilungen des Vereins für die Geschichte
der Deutschen in Böhmen. Prag, Hofbuchdruckerei A. Haase. 1892.
S. 118. S\
Herr Gymnasialprofessor Ammann zu Krummau in Böhmen, unser geschätzter
Mitarbeiter, veröffentlichte in der zu besprechenden Schrift das im Markte Höritz
durch den Leinweber Paul Gröllhesl 1816 verfasste Passionsspiel, das im wesent-
lichen nach Stoff und Text aus dem Volksbuche „Das grosse Leben Christi — —
von P. Martin von Cochem" genommen ist. Aus der Erinnerung an die Höritzer
Aufführungen „des Passion" und mit Benutzung des Cochem stellte der Vorbeter
Anton Pangerl in Tweras (f 1869), ein in seiner Gegend beliebter Volkspoet,
auch ein Spiel zusammen, das im Bunde mit dem Höritzer Drama das Passions-
spiel des Böhmerwaldes ergiebt. Als Vorspiel ist dem Höritzer Passion ein Para-
deisspiel vorangestellt, das auf Bekanntschaft mit den verwandten Spielen des
gleichen Inhalts schliessen lässt, sowie sich auch im eigentlichen Passion von
Cochem unabhängige Berührungen mit anderen Volksschauspielen vom Leiden
Christi finden. Darüber sowie über alles Einschlägige, auch über die sprachliche
Form, hat Herr Amman wohl überlegt gehandelt. In den Anmerkungen führt er
das Verhältnis des Höritzer Passion zu Cochems Leben Jesu und zu dem Twe-
raser Spiel sorgfältig aus. K. W.
i
Bücherauz(?igen. 213
Deutsche Puppenspiele, gesammelt und mit erläuternden Abhandlungen
und Anmerkungen herausgegeben von Artur Kollmann. Erstes
Heft. Leipzig, F. W. Grunow. 1891. S. 109. 8°.
Herr K. legt mit diesem ersten Heft den Anfang einer umfangreichen Samm-
lung von Puppenspielen vor. Er hat viel mit Puppenspielern verkehrt und be-
richtet darüber in breitem Plauderton, wobei einzelnes für die Geschichte der
Texte abfällt. Leider geht dem Herausgeber die Schulung für seine Aufgabe ab,
imd so wird sein sonst dankenswertes Unternehmen dilettantisch bleiben, gleich
diesem ersten Heft, das ausser einem allgemeinen Vorworte das Spiel: Judith
und Holofernes nach der Niederschrift eines Puppenspielers P. K. von 1849, und
eine Plauderei zum Puppenspiel von Dr, Paust enthcält. K. W.
Karl von Amira, Tierstrafen und Tierprozesse. Aus: Mitteilungen des Li-
stituts für österreichische Geschichtsforschung. XII. Band, 4. Heft. Inns-
bruck 1891. S. 57. 8».
Zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten begegnet die eigen-
tümliche Erscheinung, dass Tiere anscheinend prozessualischer Verfolgung und
öffentlicher Bestrafung wegen Missethaten unterw^orfen werden. Sie wird, nachdem
sie schon vielfach und unter sehr ungleichartigen Gesichtspimkten erörtert worden,
in der vorliegenden Schrift von einem unserer ersten Rechtshistoriker einer syste-
matischen und eindringenden Untersuchung unterzogen, durch welche unsere Er-
kenntnis in allen Beziehungen wichtige Förderung erfährt.
Der Verfasser hat dem Gegenstande ein langjähriges Studium gewidmet luid
so ein Material zusammenbringen können, wie es in dieser Vollständigkeit bisher
nicht annähernd vereinigt worden ist. Von den germanischen Quellen des Mittel-
alters ausgehend (S. 5 ff.) betrachtet er nach einander die emschlägigen Verhält-
nisse auch bei Slaven (S. 28 ff.), orientalischen Völkern (S. 30 ff.), Gräko-Italikern
(S. 32 ff.) und Afrikanern der Gegenwart (S. 35). Auf dem Wege sorgfältigster
Analyse der einzelnen in Betracht kommenden Erscheinungen gelangt er namentlich
zu der auch in dem Titel der Schrift zum Ausdruck gebrachten Trennung der
Tierstrafen und der Tierprozesse. Was trotz mancher Ähnlichkeit und gegen-
seitigen Annäherung beide scheidet, wird scharf hervorgehoben (S. 6 ff. u. 16 ff.).
Die Tierstrafen der germanischen Welt anlangend erklärt sich der Verfasser
(S. 37 ff.) gegen die in neuerer Zeit herrschend gew^ordene Auffassung, dass ihnen
eine Personifikation der Tiere zu Grunde liege. Unleugbar hat er hier mit
manchem Scheinargument aufgeräumt. Gleichwohl dürfte nicht jeder Widerspruch
ausbleiben. So scharfsinnig z. B. seine Auslegung (S. 41) des altnorwegischen
Sprichworts „Bär und Wolf sollen überall friedlos sein" unzweifelhaft ist, so muss
doch dahin gestellt bleiben, ob dasselbe nicht jedenfalls ursprünglich die all-
gemeine Bedeutung hatte, die ihm auch v. Amira selbst (altnorweg. Vollstreckungs-
verfahren S. 3) früher zugeschrieben hat. Auch dass der friedlose Mensch als
Wolf bezeichnet wurde, deutet darauf hin, dass der Wolf als friedlos galt. Neben
dem von dem Verfasser (S. 47 ff.) wahrscheinlich gemachten Einfluss der alt-
testamentarischen Lehre auf die Entwickelung der Tierstrafen dürften daher die
übrigens von Amira wohl beachteten (S.' 49 ff.), die „Rezeption" „vorbereitenden
Rechtssätze" sehr wesentlich in Betracht kommen.
Endgiltig durch des Verfassers Untersuchung gelöst zu sein scheint uns die
Frage der Tierprozesse. „Der Tierprozess ist Gespensterprozess" (S. 55) lautet
Zeitschrift d. Vereins f. Volkskunde. 1892. jr,
214 Brückner:
das Ergebnis seiner Betrachtungen. Es handelt sich bei ihm um ein „zauberisches
Bannen von Menschen- oder Dämonenseelen", die als das Tier bewohnend ge-
dacht werden. Dem Berichte der Eyrbyggja von dem Thürengerichte gegen die
Wiedergänger wird die ihm für diese Frage gebührende, wichtige Beweisrolle zu-
gewiesen (S. 5.5 f.).
Der Leser, welcher der germanischen Rechts- und Volkskimde sein Interesse
zuwendet, wird v. Amiras Schrift mit dem Gefühle reich empfangener Belehrung
und Anregung aus der Hand legen.
Kiel. Max Pappenheim.
L. Eoteliiiaiin, Cxesundheitspflege im Mittelalter. Kulturgeschichtliche
Studien nach Predigten des 13., 14. und 15. Jahrhunderts. Hamburg
und Leipzig, Leopold Voss. 1890. S. YEL 276. 8".
Der Verfasser, Augenarzt in Hamburg, hat in seinen Mussestunden die
deutschen Prediger von Berthold von Regensburg bis Geiler von Kaisersberg, so
weit sie ihm zur Hand waren, durchgelesen und seine Lesefrüchte in diesem
Buche nach sechs Kapiteln zusammengestellt: 1) Ernährung mit einem Auhang
von der Wohnung: 2) Kleidung, Haut- und Haarpflege; 3) Prostitution und Un-
sittlichkeit; 4) Körperliche Übungen; 5) Ärztliche Hilfe; 6) Krankenpflege und
Totenbestattung. Die Beschränkung auf einen kleinen Kreis von Quellen gewährt
den Vorteil, dieselben möglichst auszuschöpfen, und dies ist von Dr. K. fleissig
geschehen. Andererseits hat diese Beschränkung sehr grosse Nachteile, da Ein-
seitigkeit und Unvollständigkeit notwendige Folgen sind, denen nur durch Ver-
weise auf Behandlung der vorgetragenen Stoffe in anderen umfassenderen Werken
einigermassen abgeholfen werden kann. Das hat aber Herr Dr. K. zu seinem
Schaden nicht gethan, abgesehen von verstreuten Hinweisungen auf einige Ab-
handlungen von W. Wackernagel. Über die Prediger wird nur selten, am meisten
im 5. Kap., hinüber ins Weltliche gegriffen.
Die Stellen aus den Predigten werdeji wörtlich ausgehoben und dem Texte
eingefügt; altdeutsche Worte sind dabei, wo es dem Verfasser nötig schien, in
Klammern übersetzt. In der Regel geschah das richtig; doch hat diese Regel Aus-
nahmen. S. 126 z. B. wird daz bewillet sich übertragen zeigt sich willig
statt besudelt sich, S. 182 ebd. toeber übersetzt Tobende statt Bläser,
Trompeter. Unter dem drizigesten, dem sibenden S. 128 sind die kirchlichen
Offizien nach einem Todesfalle gemeint.
In dem Schluss des Buches (S. 264 ff.) äussert sich der Verfasser sehr
günstig über die geistige Bildung imd die sittliche Tüchtigkeit der Prediger, welche
er als Quellen benutzte. Mit vollem Rechte. Sie gehörten zu den ausgezeich-
netesten deutschen Männern ihrer Zeit. K. Weinhold.
I
Aus den
Sitziin^s-ProtokoUen des Vereins für Volkskimde.
Berlin, Freitag, den 25. März. Hr. Privatdozent Dr. G. Huth erstattete
einen vorläufigen Bericht über mongolische Volkslieder, zählte die wenigen
Quellen auf, gab Textproben und hob einiges Charakteristische hervor, namentlich
ProtoküUe. 215
das Vordringen buddhistisch -asketischer Elemente, andererseits den indi-\aduellen
Zug. der sich in dem steten Nennen bestimmter Vögel, Bäume, Quellen u. dergl.
offenbart.
Hr. G. AVeissstein handehe über Volksetymologie, im besonderen der
Berliner, illustrierte dieselbe an Beispielen aus der Praxis des Gerichtes, der Apo-
theke, aus Strassen-, Vögel- und Pflanzennaraen. An der lebhaften Debatte be-
teiligten sich die Herren Kronenholm, Lazarus. Minden, Schwartz und
Waiden, Einzelheiten über den Krousohn, die Wonnegans u. dergl. beibringend.
Hr. Geheimrat Prof. Weinhold teilte Bemerkungen von K. Maurer über
Häusernamen im Norden (zum Vortrag von H. Mielke, s. o. S. 97) mit. Prof.
Brückner machte Angaben über moderne Traumdeutung bei Polen und Küssen.
Hr. Dr. Hampe besprach die Fassung der Eingparabel in einem Meisterspruche
aus dem XVI. Jahrhundert.
Freitag-, den 22. April. Hr. Privatdozent Dr. P. Kretschmcr handelte über
den Berliner Volksdialekt und seine niederdeutschen Elemente. Nach
einer Übersicht der spärlichen älteren Quellen sowie der Siedelungsverhältiüsse in
den Marken erörterte er die niederdeutschen Spuren des Vokalismus und Kon-
sonantismus des Berliner Dialekts, verwandte Erscheinungen namentlich in den
Marken hervorhebend. Seine Angaben wurden in einer regen Debatte durch die
Hrn. Dir. Schwartz, AValden, Seelmann, Minden, Bartels und Mielke
teilweise erweitert.
Hr. Gymnasiallehrer Dr. U. Jahn legte Neuerwerbungen des Volkstrachten-
museums vor imd ging sodann zu seinem Vortrage über Hexenwesen und
Zauberei im heutigen Volksleben über, wie letztere erworben und fort-
gepflanzt wird, über Zauberbücher, über die Momente, welche das Volk in seinem
Glauben bestärken, z. B. die direkte Bekämpfung von der Kanzel aus, wodurch
der Sache zu viel Gewicht beigelegt wird: alle seine Angaben entstammten eigenem
Verkehr mit Zauberern und dem zaubergläubigen Volke. Die Debatte, in welche
die Herren Meitzen, Pappenheim, Schwartz und Waiden eingriffen, bezog
sich zumal auf die Praxis der mittelalterlichen Ordalien.
Freitag, den 27. Mai. Hr. Professor A. Brückner sprach über Heide n-
dichtung auf Grund russischer Bylinen: im Gegensatze zur mythologischen
und historischen Erklärung der Heldenlieder betonte er das märchen- und novellen-
hafte Element, welches den dürftigsten historischen Kern völlig überwuchere, und
nannte eine Reihe der am meisten in den Liedern behandelten Stoffe. Er schloss
mit einer Übersicht der Überlieferung der russischen Lieder, mit Angaben über
ihre Heimat und ihre Technik.
Hr. Sanitätsrat Dr. M. Bartels handelte über Geburtsabnormitäten und
Missgeburten im Volksglauben, wie sie die Phantasie der Völker beein-
flussen; er verweilte bei den am häufigsten vorkommenden Fällen, Geburt in der
sogenannten Glückshaube, Fussgeburt, Missgeburten, Zwillingsgeburten, Geburten
von blödsinnigen Kindern und von Albinos; er hob hervor, wie bei den einzelnen
Völkern derselbe Fall verschieden aufgefasst wird. — Debatten und Mitteilungen
wurden von der Tagesordnung abgesetzt. A. Brückner.
15*
216
Laue :
Litteratiir des Jahres 1891.
Von Dr. Max Laue.
(Fortsetzung.)
Das deutsche Volk.')
A. Allgemeines.
I. Verbreitung und versprengtes Deutschtum.
Nabert, Karte der Verhreitung der Deutschen
in Europa. Nach . . . amtlichen Quellen . . .
Massstab 1 : 925 000. Glogau, Flemming
(1891). In 8 Sektionen ä M. 3,00.
— , Uie Bevölkerung von Deutschland. (Globus
59, 255.)
Kobbelt, Die Deutschen in Rumänien. (Tägl.
Euudschau ^ 721.)
Spuren erloschenen Deutschtums im nordöst-
lichen Siebenbürgen (Centralblatt d. Vereins
f. siebenb. Volkskunde 14, 96, 105).
Nenniann, Die deutschen Gemeinden in Pie-
mont. Freiburg i. B., Mohr. 40 S. M. 0,80.
Kaibier, Gegenwärtiger Zustand der deutschen
Gemeinden am Südfusse des Monte Rosa.
(Globus 59, 38.)
Giordani, La colonia tedcsca di Alagna-Val-
sesia e il suo dialetto. Opera postuma . . .
Publicata per cura e spese della Sezione
Valsesiana del Club Alpino Italiano col con-
corso di amici. Torino, Candeletti. (VIT,
201 S., 1 Bl.) M. 4,00.
Zemmrich, Das deutsche Element in der
Bevölkerung der französischen Schweiz.
(Deutsche Rundschau f. Geogr. u. Stat. 13,
337.)
Vanaque, Die Schweizerbevölkeruug in Frank-
reich. (Bull. Soc. Neuchateloise de Geogr.
VI.)
Knnz, Chile und die deutschen Kolonieen.
Leipzig, Klinkhardt [1891] (IX 306 S., 1 Bl.,
S. 307-633, 5 Taf., 2 Kart., 1 Tab.)
Fortschritte des Deutschtums in Nord-
schleswig. (Globus 59, 288.)
(iehre, Die neue deutsche Kolonisation in
Posen \mä Westpreussen (ebenda 273)^).
II. Verteilung nach einzelnen Gegenden.
Küster, Die deutschen Bundsandsteingebiete,
ihre Oberflächengestaltung und anthi-opo-
geographischen Verhältnisse. (Forschungen
zur deutschen Ijandes- und Volkskunde V.*)
Stuttgart, Engelmaun (S. 167—267).
Klinger, Verteilung und Zunahme der Be-
völkerung im Thüringer "Wald nach Höhen-
stufen. (Mitteil. d. Geogr. Ges. Jena IX.)
Meitzen, Land und Leute der Saalegegenden
(Zeitschi-, d. Ver. f. Volkskunde 1. 2).
Leinhose, Bevölkerung und Siedelungen im
Schwarzagebiete. (Mitteil. d. geogr. Ges.
Jena IX.)
Burgkhardt, Die Bevölkerungsdichtigkeit des
Elsass. Mit Karte. Leipzig-Reudnitz. Real-
schul-Programm.
Commenda, Materialien zur landeskundlichen
Bibliographie Oberösterreichs. Linz, Verl.
d. Museum Franzisco - Carolinum. 790 S.
M. 8,00.
Topographie von Niederösterreich. (Schil-
derung von Land, Bewohnern und Orten.)
1) Viel Material, besonders nach sprachlichen Gesichtspunkten für die europäischen
Völker bietet die vierteljährlich erscheinende ,Bibliotheca philologica oder . . . Bibliographie
der auf dem Gebiete der klassischen Philologie und Altertumswissenschaft, sowie der Neu-
philologie . . . neu erschienenen Schriften und Zeitschriften- Aufsätze. Hrsg. v. Dr. August
Blau, Göttingen, Vandenhoeck & Ruprechts Verlag'. Dieselbe ist auch bei dieser Zusammen-
stellung benutzt worden.
2) Vgl. auch unter B. II, 3, c.
Litteratur des Jahres 1891.
217
Herausg. vom Verein für Landeskunde von
Niederösterreich. 3. Bd. Wien, Verl. d. Ver.
f. Landesk. v. Niederösterr.
Stnbei, Thal und Gebirg-, Land tind Leute.
Mit 306 Abb. u. 3 Kart. Leipzig, Duncker
& Huniblot. XX, 742 S., 1 Titelport., 18 Taf.
3 Kart. 4».
m. Die deiitsclien (und die andern germiiuisclien) Volksstämme.
Wilser, Die Ostgermanen. (Ausland No. 43.)
Stolzenber^:-Lut(mersen, Die Spuren der
Longobarden vom Nordmeer bis zm- Donau.
Hannover, Hahn.
Saleilles, De l'etablissement des Bürgendes
sur les domaines des Gallo- Romains; (Rev.
bom-guignonne de l'enseigneinent superieur,
tome 1, no. 1 [suite et fin au no. 2].
Heierli, Alamannische Grabfunde aus der
Gegend von Kaiseraugst. (Anz. f. Schweiz.
Altertumsk. Nr. 2. 3.)
— , Ein alamannischer Gräberfund aus Mö-
rüigen (ebenda).
Erdmaiin; Über die Heimat und den Namen
der Angeln. Upsala, Lundström. 119 S.
gr. 8^'. M. 3,nO
V. Witte, Deutsche und Keltoromanen in
Lothringen nach der Völkerwanderung. Die
Entstehung des deutschen Sprachgebiets.
Strassburg, Heitz. (97 S., 1 Kart.) = Beiträge
zur Landes- imd Volkskunde von Elsass-
Lothringen. 15. Heft.
Winkler, Friesland, Friesen und friesische
Sprache in den Niederlanden. (Globus Bd. 60.
Nr. 2—6.) Mit einer Karte.
Bennike, Nord-Friserne og deres Land.
Skildringer fra Vesterhaus. 68 S. u. 6 lith.
Billedcr. Aarhus 1890.
Sundermann, Ostfriesisches Volkstum. (Am
Urquell II, 5—10.)
Diercks, Helgoland. Hamburg, Verlagsanstalt.
33 S. M. 0,60. (- Sammlung geraeinverständl.
wissensch. Vorträge. H. 121.)
Odricli, Die Insel Sylt mit besonderer Berück-
sichtigung des Nordsee- und Stahlbades
Westerland. Mit Abbildungen und einem
Plan der Insel. Friedenau bei Berlin, Eigen-
tum und Verl. v. Otto Odrich [1891J (48 S.,
1 Kart.) 8". [behandelt „Sitten und Ge-
bräuche der Bewohner Sylts S. 19—22].
Hansen, Das Nordseebad Westerland auf Sylt
und dessen Bewohner. Durchges. und um
eine Biographie Hansens vermehrt von Chi*.
Jensen. Garding, Lühr & Dircks. IV. 234 S.,
1 BL, 1 Kart.
Riese, Die Sueben. Ein Schlusswort. (West-
deutsche Zeitschi-, f. Gesch. u. Kunst 10, 3.)
Kosiinia, Nochmals die Sweben. Eine Ant-
wort (ebenda X, 1 S. 104—111).
Wieseubacli, Die blinden Hessen. Eine sprach-
lich-historisch-herakUsche Studie. Hamburg,
Verlagsaust. 32 S. M. 1,00.
V. Pflster, Vom Ursprünge der Franken unter
Bezugnahme auf Trittenheims Chi'onik, so-
wie auf ÄthikusHistorius. Darmstadt, Aigner.
43 S. .
Y. Reinliardstoettner, Laud und Leute im
bayerischen Walde. Zeichnungen von Otto
E. Lau. Bamberg, Büchner. (Bayerische
Bibliothek Bd. 17) 3 BL 102 S.
»
B. Einzelheiten.
I. Äusseres Leben.
1. Äussere Erscheinung.
Meisner, Die Körpergrösse der Wehrpflichti- I Vorarlberger. Mit 2 Tab. u. 1 Kart. (Mitteil,
gen in Mecklenburg. (Archiv f. Anthro- 1 d. anthr. Ges. Wien. XXI, S. 69.)
pologie, 19 Bd., 4.Vjsh. 1890.) Mit Karte. ] Seggels Brustmessungen bei bayrischen Sol-
Toldt, Die Körpergrösse der Tiroler und I datcn. (Globus 59, 112.)
2. Nahrung-.
Staacke, Wie man in alten Zeiten in unserm
Vaterlande ass und trank. (Die Heimat
1, 87.)
Aufruf: Das Yolkstüniliche Backwerk der
Deiitsclien. (Korrespondenzblatt des Gesamt-
vereins der deutschen Geschichts- und
Altertumsvereiue 39, Nr. 2, S. 17—19).
Westfalens Schinken und Pumpernickel.
(Globus 59, 208.)
Der Verbranch geistiger (weträuke in
k
218
Laue:
Württemberg und seine wirtschaftliche Be-
deutung. (Württemberg. Jahrbücher f. Stat.
u. Landesk. 1889. Stuttgart 1891, S. 43
bis 81.)
Buschan, Zur Geschichte des Hopfens, seine
Einführung und Verbreitung in Deutsch-
3. Kleidung, Schmuck
Stüclielberg,Mittelalterlicher Kleiderschmuck
(Anzeiger f. Schweiz. Altert. 24, 486.)
Jacobs, Bürgerliches Ehrenkleid 1648. (Ztschr. i
d. Harz. Vereins 24 \ 297 f.) [für die letzte
Ehre, Entschädigung dafür.] |
U. Jahn und AI. M. €ohn, Jamund bei Köslin. [
(Zeitschr. d. Ver. f. Volksk. 1, 77.) j
Körner, Alemannischer Silberschmuck (]\Iitteil.
d. K. K. Central-Kommiss. 17, 55).
V. Essenwein, Nürnberger Schrank aus der
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts (Mitteil. :
d. germ. Nationalmuseums. 1891. Bog. 10
[Beil. z. Anzeiger]). i
4. Wohnung, Dorf und
Die Erforschung der deutschen Wolin-
hanstypen und die Teilnahme der Amateur-
photographen an der Gewiimung von Beob-
achtungsmaterial. (Deutsche Rundschau f.
Geogr. u. Stat. 13, 390.)
Hofifmaun, Wohnung, Ti-acht und Lebens-
weise im Mittelalter. [Referat nach einem
Vortrage.] (Mitteil. d. Ver. f. Chemnitz.
Gesch. 7. Jahrb. für 1889—90. Chemnitz.
0. May, 1891.)
Göpfert, Unser Haus und Heim im Lichte
der Sprache und Kulturgeschichte. (Zeitschr.
f. d. deutsch, ünterr. 5, 386.)
Itancalari, Forschungen über das deutsche
Wohnliaus. (Ausland 64, Nr. 31—34.)
Peez, Das Bauernhaus in Österreich-Ungarn.
Mit 1 Text -111. (Mitteil. d. Anthr. Ges.
Wien. XXI, 57.)
Fressl, Über Haus und Hof des baiwarischen
Landmanns. (Beitr. z. Anthr. u. Urgesch.
Bayerns 9, 33.)
Brandi, Das osnabrückische Bauern- und
Bürgerhaus. (Mitteil. bist. Ver. Osnabrück
16, 265.)
(ifoetz, Das nordische Wohnhaus während des
16. Jahrhunderts, sonderlich im Hinblick auf
das Schweizerhaus. (Virchow -Wattenbach:
Samml. gem. "Vorträge H. 131.)
Westpreussische Häuser. (Zeitschi-, f. Ethnogr.
XXIII 3, S. (187).)
land, speziell Schlesien. (Ausland 64,
Nr. 31.^
Schumann - Löcknitz , Zur Geschichte des
Hopfenbaues in Deutschland (ebenda Nr. 36).
Lorenzeu, Geschichte des Branntweins in
Schleswig-Holstein. (Die Heimat 1, 233.)
, Geräte und Waffen.
Die Zinnkannen der Leipaer Bäckerzunft.
(Mitteil. d. nordböhm. Exkursionski. 14,
249—250.)
Die drei „Willekommeu" auf dem Rathausc
zu Duderstadt. (Korrespondenzbl. d. Ges.
Ver. 39, 111.)
Schröder, Zur Waffen- und Schiffskunde des
deutschen Mittelalters bis um das Jahr
1200. Eine kulturgesch. Untersuchung auf
Grund der ältesten deutschen volkstümlichen
und geistlichen Dichtimgen. Kiel, lipsius
& Fischer. 1890. gr. 8". 44 S. M. 1,60.
Stadt, alte Bauwerke.
Hansen, Die Besiedelung der .Marsch zwisclien
Elb- und Eidermündung. (Petermannsche
Mitteil. 1891, 105.)
Schlatterer, Die Ansiedlungen am Bodensee
in ihren natürlichen Voraussetzungen. Eine
authropogeogr Untersuchung. Mit 1 Karte.
Stuttgart, Engelhoni. (= Forschungen z.
Landes- und Volkskunde 5. 7, S. 377—445.)
John, Dorf und Bauernhof in Deutschland
sonst und jetzt. (Deutsche Zeitschr. für
Kulturgesch. N.F. 1, 436-468.)
Bräss, Ein sächsisches Dorf in Siebenbürgen.
fLeipz. Zeitung B Nr. 117-119.)
V. Fischer-Benzon, Unsere Bauerngärten. (Die
Heimat 1, 166.)
Kaufmann, Zur Entstehung des Städtewesens.
Progr. Münster. 32 S.
Kuntze, Die deutschen Städtegründungen oder
Römerstädte und deutsche Städte im Mittel-
alter. Leipzig, Breitkopf & Härtel. M. 1,.50.
Zui- Bevöllieruugsgeschichte der Städte.
(Korrespondenzbl. d. Ges. Ver. d. Gesch. u.
Altertumsvereine 39, 69—71.)
Hoeniger, Die Volkszahl deutscher Städte
im Mittelalter. (Jahrbuch f. Gesetzgebung,
Verw. und Volkswirtsch. im deutschen
Reich 15.)
Kallseu, Die deutschen Städte im Mittelalter.
L Gründung und Entwickehmg der Städte.
Halle, Waisenhaus. X, 710 S. M. 7,50.
Litteratiir des Jahres 1891.
219
Knntze, Les villes allemandes du inoyen äge.
(Rev. critique, 25eme annee, Nr. 41.)
SchTvartz, Anfänge des Städtewesens in den
Elbe- und Saale- Gegenden. Bonn, Haupt-
mann Ing.-Diss. [nur Titel und Thesen.
2 Bl]
Strnye, Die Entstehung der Städte in der
Mark Brandenburg. (Programm d. Progymn.
z. Steglitz 1890.) 4». S. 55-65.
Schweljel, Aus Altberlin. Stille Ecken und
Winkel der Reichshauptstadt in kultur-
liistorischen Schilderungen. Älit 308 111. nach
alten Originalen. Berlin, Lüstenö der. 4''.Vin,
487 S. M. 15,00.
Meyer, Eine deutsche Stadt im Zeitalter
des Humanismus und der Renaissance.
(Samml. gemeinverst. wisseusch. Vorträge,
Heft 122.) Hamburg, Verlagsanst. 36 S.
M. 0,80.
Lange, Eine Steierische Stadt im 17. Jalu*-
hundert. Graz, Moser. 140 S. M. 1,60.
Korth, Köln im Mittelalter. (Annal. d. bist.
Ver. Niederrhein 50, 1.) (1890).
Jacob, Ein arabischer Berichterstatter aus
dem 10. Jahrhundert über Fulda, Schles-
wig, Soest, Paderborn und andere deutsche
Städte. Zum ersteumale aus dem Arabischen
übertragen, kommentiert und mit einer Ein-
leitung versehen. Zweite, um zwei Anhänge
vermehrte Ausgabe. Berlin, Mayer & Müller.
34 S.
Hegel, Städte und Gilden der germanischen
Völker im Mittelalter. 2 Bde. Leipzig,
Uuncker & Humblot. XVIII, 457 ; XII, 516 S.
gr. 8". M. 20.00.
Hellwig, Auf den Spui-en des alten Sachseu-
walles. (Die Heimat 1, 177.)
Vug, Schlesische Heidenschanzen, ihre Er-
Ijauer und die Handelsstrassen der Alten;
ein Beitrag zur deutschen Vorgeschichte.
2Bde. Berlin, Calvary. XXX, 504 S., 118 Abb.,
2 Kart. M. 10,00.
Treichel, AVestpreussische Schlossberge und
Burgwälle. (Zeitschr. f. Ethnogr. XXIII,
178.)
>^erong. Die Gruudhofer Kirchhofsmauer. (Die
Heimat 1, 127.)
Ruinen in Sachsen. (Leipz. Ztg. " Nr. 135.)
Veckenstedt, Rillen und andere Marken an
den Kirchen und Teuf elsst einen , besonders
in der Pro\inz Sachsen. (Archiv f. Landes
u Volksk. d. Prov. Sachsen 1.)
Dittrich, Inneres Aussehen der Kirchen des
ausgehenden Mittelalters. (Zeitschr.f. christl.
Kunst 3, 235—50.)
5. Wirtschaft. Leben einzelner Stände.
fTothein, "Wirtschaftsgeschichte des Schwarz-
waldes und der angrenzenden Landschaften.
Hrsg. von der badischen historischen Kom-
mission. In Lieferungen. Strassburg, Trübner.
5 Lief. (— S. 480.)
(Quetsch, Geschichte des Verkelu-swesens am
Mittelrhein. Von den ältesten Zeiten bis
zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. Nach
den Quellen bearb. Mit 42 Abb. Freiburg i.B,
Herder. VIII, 416, IX S. gr.S». M 7,00.
Winckelmann, Ein Förderer des Verkehrs-
wesens in Elsass-Lotliringen im 16. Jahi-h.
(Jahrb. f. Gesch., Sprache u. Litt. Elsass-
Lothi'ingens 7, 83 )
Korb, Vor hundert Jahren. (Ein Beitrag zur
Geschichte des Sti'assennetzes [in Nord-
böhmen].) (Mitteil. d. nordböhm. Exkursions-
klubs 14, 160-162.)
Brunner, Beiträge zur Geschichte der Schiff-
fahi't in Hessen, besonders auf der Fulda.
(Zeitschr. f. hess. Gesch., N.F., 16, 202.)
Thüinmel, Der Landsknechte Recht und Ge-
bräuche. (Deutsche Ztschr. f. Kulturgesch.
1, 409—435.)
Haun, Bauer und Gutsherr in Kursachsen.
(Abh a. d. staatswissenschaftl. Seminar in
Strassburg IX.) Strassburg, Trübner 1892.
Lamprecht, Der Urspnmg des Bürgertums
und des städtischen Lebens in Deutschland.
(Hist. Zeitschr. N. F. 31, 3.)
(J6ny, Aus dem Schlettstadter Bürgerleben
des 16. Jahrhunderts. (Zeitsclu-. f. Gesch. d.
Oberrheins, N. F. 1, 283.)
Fischer, Aus Berlins Vergangenheit. Ges.
Aufsätze zui'Kultiu"- undLitteraturgeschichte
Berlins. Berlin, Oehmigke. 2 Bl., 205 S., 1 Bl.
V. Woikowsky-Biedau, Das Armenwesen des
mittelalterlichen Köln in seiner Beziehung
zur wirtschaftlichen uiul politischen Ge-
schichte der Stadt. Breslau, Schles. Volks-
zeit.-Buchh. Ing.-Dissertation. 3 Bl, 105 S,,
1 Bl.
Siegel, Aus alten Geschossregistern. (Ztschr.
f. hess. Gesch. N. F. 16, 344.)
Brzobohaty, Mittelalterliches Städte- und
Handwerkerleben mit besonderer Berück-
sichtigung Wiens. (Monatsschrift f. christl.
Sozialreform. 13, 347.)
220
Laue:
Lahmer, Alte Gesellen-Sitten und Gebräuche
der Schwarz- u. Schönfärberzunft. (Mitteil.
des Nordböhm. Exkursionsklubs 14, 14
bis 22.)
Meyer, Chr., Deutsche Handwerkerverbände
und deutsches Gewerbeleben im frühen
Mittelalter. (Vierteljahrsschr. f. Volksw.,
Politik und Kultm-gesch., .Jahrgang 28,
Bd. III 2 ff.)
(A. H.), Grüudungs-Urkunde d. Schuhmacher-
Innung zu Bergen a. R. vom 31. Okt. 1355.
(Monatsbl. f. Pomm. Gesch. und Altert.,
S. 41 f.)
Jeclit, Satzungen der Görlitzer Böttcherinnung
aus dem 15. Jahrhundert. (ProgT. d. städt.
Gymn. zu Görlitz 1890.) 12 S. 4«.
Aus dem Gildebriefe des Bäckergewerkes in
GoUnow von 1749. (Monatsbl. f. Pom-
mersche Gesch. u. Altert. 1891, 163.)
Treichel, Handwerks - Aussin-achen. (Sep.-
Abdi-. a. d. Altpreussischeu Monatsschrift,
Bd. XXVII, H. 7, 8., S. 642-660.) Königs-
berg i. Pr. 1890.
Fritz, Der Ausstand der oberrheinischen
Schuhmachergesellen im Jahre 1407, nach
ungedi-uckten Archivalien des Strassburger
Stadtarchivs. (Zeitschr. f. Gesch. d. Ober-
rheins. N. F. 6, 132.)
Mühle niid Müller im Nösnergau. (Correspon-
denzbl. f. siebenb. Volkskunde 14, 73.)
Partz, Die Weberei unserer Vorfahren. I.
(Die Heimat 1, 2.)
Deutsche Goldschmiedewerke des sechzehn-
ten Jahrhunderts. (Deutsclie Rundscliau
18, 3.)
y. Czihak, Schlesische Gläser. Breslau, Verl.
d Museums 1891.
Schurtz, Das Alter des mitteldeutschen Zinn-
bergbaues. (Ausland 43.)
Kist, Studium und Studentenleben vor 46
bis 50 Jahren und eine schwere Prüfung
nach absolvirtem Universitäts-Studium. Ein
Beitrag zur Kulturgesch. d. XIX. Jahr-
hunderts. Innsbruck, Vereins - Buchhandl.
1891. VII, 587 S.
Fabricius, Die Studentenorden des 18.
Jahrhunderts und ihr Verliältnis zu den
gleichzeitigen Landsmannschaften. Mit 4
Tafeln. Jena, Doebereiners Nachfolger.
M. 3,00. (4 Bl., 102 S.)
II. Inneres Leben.
1. Lebenssitte und Recht.
a) Znsauiineufassende Darstelluugeu.
Müllenhoff, Deutsche Altertumskimde. I.Band.
Neuer vermelu'ter Abdruck, besorgt durch
M. Rödiger. Berlin, Weidmann. XXXV,
544 S. M. 14,00.
Gruudriss der germanischeu Philologie
unter Mitwirkung von K. v. Amira,
W.Arndt, 0. Behaghel u.a., hsg. v.Herm.
Paul. 1. Band Begriff und Geschichte
der germanischeu Philologie. — Methoden-
lehre. — Schriftkunde. — Sprachgeschichte.
— Mythologie. 6. Lfg. Strassbm-g i. E.,
Trübner. XVIII. u. S. 1024—1138 mit 1
Runentaf. u. 1 Kai-t. gr. 8^ 1 Bd. M. 18,00.
V. Löher, Kulturgeschichte der Deutschen
im Mittelalter. 1. Bd. Germanenzeit und
Wanderzeit. München, Mehrlich. XII,
531 S. M. 9,50.
Klee, Bilder aus der älteren deutschen
Geschichte. 1. Reihe. Die Urzeit bis
zum Beginn der Völkerwanderung. (XII,
284 S.) 2. Reihe. Die Zeit der Völkerwan-
derung (XII, 400 S.) Gütersloh, Bertels-
mann. 1890. 1891.
Cordes, Geschichte des deutschen Volkes
und seiner Kultur im Mittelalter. 1. Band:
Zur Zeit der Karolinger und der sächsischen
Könige. Leipzig, Duncker und Humblot.
709 S.
Rabe, Aus vergangener Zeit. Separat-
abdi'uck aus dem „Schönebecker General-
Anzeiger". Verl. V. Georg Wolff, Schöne-
beck a. E. 0. J. 20 S. [Bräuche bei Hoch-
zeiten, Kindtaufen und Leichenbegängnissen,
sowie Tracht um 1750 nach der hand-
schriftl. Chi-onik des Pastors Carstedt zu
Atzendorf.]
Sach, Deutsches Leben in der Vergangenheit.
(Nation 1891. 14. Mrz.)
Kanffinann, Findlinge zur Volkskunde. (Zeit-
schrift f. Volksk. 3«.)
Stösser, Das Kultiu-historische im „Meier
Helmbrecht' von Werner dem Gärtner.
Bochum, Realschul-Programm.
Kotelmann, Gesundheitspflege des Mittel-
alters. Kulturgeschichtliche Studien nach
Predigten des 13., 14. und 15. Jalu-h. Harn»
bürg, L. Voss. 1890. 276 S.
Kootz , Kirchenvisitationen im sieben-
bürgisch - deutschen Unterwald. Ein Bei-
traii' zur Kirchen- u Kulturgesch. des
Litteratur des Jahres 1891.
221
17. Jahrli. (Mülilbacher Programm ) Her-
mamistadt 1890. 32 S. 4«.
Pilk, Fehden und Räubereien im 15. Jahr-
hundert. (Über Berg und Thal 14, 157,
165.) j
Zapf, Aus der Buschklepperzeit des IG. Jahr- [
hunderts. (Archiv f. Gesch. v. Oberfranken \
18, 214.) '
V. Hörmami, Volksleben des Stubei. (Stubei, i
Thal und Gebirg, Land und Leute, S. 597
bis 612.)
Förksen, Aus allen Zeiten. (Die Heimat
1, 248.)
Petersen, Aus alter Zeit (ebenda 1, 88.)
La vie et les moenrs daus l'Allemague
d'aujourd'hui. ;Rev. de deux mondes.
15, mars. [Vgl- Leben und Sitten im
Lande der deutschen Barbaren. (.Grenz-
boten 2, 253)]
Unruh, Bilder aus der pommerschen Kultur-
und Sittengeschichte. (Zeitschr. f. d. Kul-
tiirgesch. II ^)
Volkstüiuliches aus Hinterpommeru Ja-
munder Hochzeitsbräuche. Monatsbl. f.
Pommersche Gesch. S. 33—36, 53 f., 69
bis 71, 87—89, 119—121.)
ßorcherdt, Das lustige alte Hamburg. Scherze,
Sitten und Gebräuche unserer Väter. 2. Hälfte.
Hambm-g, Dörliug. 308 S.
ßranch und Sitte in Schleswig-Holstein im
Anfang des 19. Jahrhunderts (Zeitschr.
f. deutsch. Kulturgesch. II ^)
Jensen, Die Nordfriesischen Inseln Sylt, Föhr,
Amrum und die Halligen vormals und jetzt.
Mit besonderer Berücksichtigung der Sitten
und Gel)räuche der Bewohner bearbeitet.
Mit 61 Abb., einer Karte und 7 farbigen
Trachtentafeln. Hamburg, Verlagsanstalt
und Druckerei - Aktiengesellschaft. VIII,
292 S., 7 Taf., 1 Karte. M. 12,00.
Y. Bertouch, Vor vierzig Jahi-en. Natui' u.
Kultur auf der nordfriesischen Insel Nord-
strand. Weimar, Jüngst o. J. IX, 195 S,
M. 2,00.
Prahn, Glaube und Brauch der Mark Branden-
burg. (Zeitschr. d. Vereins f. Volksk. 1^.)
Stockmaun, Aufzeichnung eines schlesischen
Arztes aus dem Jahre 1740. (Zeitschr. d.
Ver. f. Gesch. u. Alt. Schlesien, Bd. 25.)
Kelirein, Volkstümliches aus Nassau. Sprach-
proben, Sagen, Kinderliedchen, Märchen,
Volkswitze, Sprichwörter, Bräuche. Leipzig,
Lesimple. 296 S. M. 1,25 (Neue Titel-
ausg.)
Genj-, Aus dem Schlettstädter Bürgerleben
des 16. Jahrhunderts. (Zeitschr. f. Gesch.
d. Oberrhetns. 6, 283.)
.Weyer, Die Familienchronik des Ritters
Michel V. Ebenheim. (Zeitschr. f. deutsche
Kultiu-gesch. N. F. 1, 69—96, 123-146.)
Martin, Notizen eines Strassburger Bürgers
um 1G25. (Jahrb. f. Gesch., Sprache, Litte-
ratur V. Elsass-Lothringen 7, 109.)
Eathgeber, Aus einer elsässischen Familieu-
chi-ouik. Büder aus dem dreissigjähi-igeu
Kriege (ebenda 7, 123.)
Cetty, Die altelsässische FaraiUe. (Monats-
schrift f. clu-istl. Sozial-Reform 13, 586.)
— Die altelsässische Familie. Einzig ge-
nehmigte Übersetzung aus dem Franzö-
sischen. Freiburg i B., Herder. XI, 228 S.
M. 2,00.
Stehle, Volksglauben, Sitten und Gebräuche
in Lothringen. (Globus 59, 377.)
Kortli, Volkstümliches aus dem Kreise Berg-
lieim. (Annalen d. bist Vereins f. d Nieder-
rliein 52, 1.) [Gebräuche, Aberglauben,
Woi-terklärungen.]
V. Rodt , Berns Bürgerschaft und Gesell-
schaft. Mit 11 LichtcU-uck-Taf. (Fest-
schrift z. VII. Säkularfeier. 1191—1891.
Bern, Schmid.)
b) Familienleben \on der Geburt Ms zum Tode.
Matthies, Die zehn Altersstufen des Men-
schen. Aus dem Nachlasse von Julius
Zacher. i^Zeitschr. f. deutsche Philologie
23, 385.)
Lemcke, Verlobungs-, Hochzeits- und Kind-
taiifsordnung der ehemaligen freien Reichs-
stadt Nordhausen. (Harzer Monatshefte
2, 3. März 1891. S. 54-56).
Wassermann, Aussteuer armer Jungfrauen
im Mittelalter. (D. KathoHk 5, 432—40.)
Schaefer, Wie man frülier heiratete. (Zeitschr.
f. deutsche Kulturgesch. N. F. II.*).
Hermann, Lieder und Bräuche bei Hoch-
zeiten in Kärnten. (Arch. f. Antlu'opologie
19, 3.)
Brauttanz im Amtsbezirk Janien, Kreis Rends-
bm-g. (CoiTespondeuzbl. d. Ges. Ver. 39, 48.)
Buchivald, Ein Geburtsbrief, ausgestellt vom
Chemnitzer Abt Heinrich ^Mitteilungen d.
Ver. f. Chemnitz. Gesch. 8, 148).
V. Oechelhäusei', Philipp Hainhofers Bericht
über die Stuttgarter Kindtaufe im Jahre
1616. (Neue Heidelberger Jahrbücher T, 2.
S. 254 f.)
k
222
Laue:
Stephan, Die häusliche Erziehung- in Deutsch-
land wähi-end des 18. Jahi-hunderts. Mit
Vorwort von Karl Biedermann. Wiesbaden,
Bergmann. M. 3,60.
Katt, Väterliche Ermahnungen vor 2 Jahrh. :
Brief v. Beichling's an seinen Sohn Wolf
Dietrich. (Burschenschaftliche Blätter 5,
16 f.)
Hoefler, Das Sterben in Oberbayern. (Am
Urquell 11.^)
Dirksen, Sitten und Gebräuche bei Sterbe-
fällen in Meidrich (Eeg.-Bez. Düsseldorf).
(Zeitsclii-. Ver. Volksk. 1, 219.)
Kaibier, die Leiclienbretter. Mit Abb. (Glo-
bus 59, 184.)
Hein, Die Totenbretter im Böhmerwalde.
Mit 2 Tafeln und 6 Text-Illustrationen.
(Sonderabdr. aus: Bd. 21 d. Mitt. d. au-
thropol. Ges. in Wien.) Wien 1891.
Beispiele des Balirrechtes. Bäyerland 2,
372.)
Baechtold, Die Anwendung der Bahrprobe
in der Schweiz. (Romanische Forschungen
5 (1890), 221—228.)
Lemcke, Mordkreuze in Pommern (Monatsbl.
d. Ges. f. Pommer. Gesch. S. 24 f.)
Trauer, Die Kreuzsteine des sächs. Vogt-
landes. (Mitt. Altertumsver. Plauen 8, 57.)
[Sind nur zum Teil Mordkreuze.]
Weinhold, K., Beiträge zu den deutschen
Kriegsaltertümern. (Sitzungsber. der K.
Preuss. Akademie der Wissenschaften. Berlin.
543—567.)
V. d. Brlele, Kulturgeschichtliches aus dem
deutschen Frauenleben in vorchristlicher
Zeit. (Vortr. geh. im Frauenverein am
23. Febr. 1891.) Programm d. städt. höheren
Töchterschule zu Halberstadt. S. 3—15.
Halberstadt, Doelle. 4«.
Steiiihauseii, Die deutschen Frauen im sieb-
zehnten Jahrhundert. (Zeitschr. f. deutsch.
Kulturgesch. N. F. 1, 10—25.)
Behrens, Deutsches Ehr- und Nationalgefühl
in seiner Entwickelung durch Philosophen
imd Dichter. (1600-1815.) Leipzig, Reud-
nitz. Hoffmann. 152 S., 1 Bl. Inaugural-
Dissertation.
Deuecke, Beiträge zur Eutwickelungsge-
schichte des gesellschaftlichen Anstands-
gefühls in Deutschland. Dresden-Altstadt,
Kreuzschul-Gymnasial-Programm.
Fuhse, Sitten und Gebräuche der Deutschen
beim Essen und Trinken von den ältesten
Zeiten bis zum Schlüsse des XI. Jahrh. —
Eine germanistisch -antiquarische Abhand-
lung. Wolfenbüttel, Wollermann. 2 Bl.,
44 S., 1 Bl. Göttinger Ing. - Dissertation.
M. 1,00.
c) Sitte.
Jacobs, Sittengeschichtliches aus Wernige-
rode. 1574. (Zeitschr. d. Harzvereins 24,
291 f.) [ein Bierki-awall.]
Frauenhäuser in Oberschwaben. (Würtem-
berger Vierteljahrshefte 13, 771.)
Jacobs, Ed., Ein Dockenkind machen. 16.56.
(Zeitschr. d. Harzvereins 24.^ 304) [einem
Mädchen zum Schimpf.]
— th, Altertümliche Zeitbestimmung bei dem
Rossen des Hanfes und Flachses. (Centralbl.
d. Ver. f. siebenbürg. Landesk. 14, 33.)
Steinhaiisen , Geschichte des deutschen
Briefes. Zur Kulturgeschichte des deutschen
Volkes. 2. Th. Berlin, Gaertuer 189 L III,
420 S. kl. 8«. M. 9,00.
Ribheck, Ein Liebesbrief a. d. 16. Jahrh.
(Jalu-b. d. Ver. f. niederd. Spracht. 15, 73
bis 78.)
Schmidt, Ein Schmähbrief des 15. Jahrh.
(Zeitschr. d. Harzver. 24 ', 323-327.)
Grössler, Ein in den Felsen gehauenes
Stammbuch bei Naumburg. (Archiv f.
Landesk. d. Prov. Sachsen 1, 150—154 =
Mitteil. d. Vor. Erdk. Halle 1891, 150—154.)
Rüdiger, Der Komödiendoctor auf dem
Hopfmarkt. (Mitteil. d. Ver. f. Ham-
burger Gesch. 13, 19—21.)
Fränkel, Bemerkungen zur Entwickelung des
Grobianismus. (Germania 36, 181.)
d) Recht.
Wieszner, Zusammenstellung einiger deut-
scher Rechtsaltertümer aus Willems Ge-
dicht van den vos Reinaerde. Breslau.
Elisabeth-Gymn.-Progr.
Pyl, Beiträge zur Pommerschen Rechtsge-
schichte. IL Die Verwaltung und die Ge-
richtsbarkeit d. Rügisch-Pommerschen Abt.
d. Ges. f. Pommersche Gesch. — Univ.
Buchhandl. in Komm. 4 BL, 152 S.
V. Rockiuger, Denkmäler des Baierischen
Laudrechtes vom 13. bis in das 16. Jalir-
hundert. 2 Bde. München, Hist. Verein f.
Ober-Baiern.
Litteratur des Jahres 1891.
223
Leist, bayerisches Gerichtswesen in alter
Zeit. (Allg. Zeit. " Nr. 269.)
— th, Schulden. Ein Stück Eechtsaltertum.
(Correspondenzbl. des Vereins f. sieben!).
Landesk. 14, 35.)
Siegel, Das pflichtmässige Rügen auf den
Jahrdingen und sein Verfahren. Ein Bei-
trag zur Geschichte der Rechtsverfolgung
in deutschen Landen. Sitzungsber. d Akad.
d. Wissensch. z. Wien. Hist -pbil. Classe.
125.) (1891.)
Osswald, Nordhäuser Kriminal -Akten von
1498-1657. (Zeitschr. d. Harzver. 24.',
151—200.)
Das Tliürmchen auf der Steilau. (Centralbl.
V. f. siebenb. Landesk. 14, 89, 104.)
Frahm, Zum Zweikampf. (Die Heimat 1,
214.)
Beck, Ein Volksgericht in den Alpen. (Zeit-
schrift f. deutsche Kulturgesch. N. F. 1,
97-103.)
V. Staniford, Ein Prozess vor dem peinlichen
Halsgericht. 1636-1641. (Zeitschr. d. V.
hess. Gesch. N. F. IG, 285.)
Brunner, Abspaltungen der Friedlosigkeit.
(Zeitschr. d. Savigny- Stift. Germ. Ab-
teilung XI, 62-100.)
e) Volksbelustigung'en.
Stehle, Volkstümliche Feste, Sitten und Ge-
bräuche im Elsass 1891. (Jahrbuch f. Gesch.,
Sprache, Litteratur i. Elsass-Lothringen 7,
200.)
Gradl, Volksbelustigungen in Alt-Eger (Egerer
Jahrbuch, 2L. Jahrg.)
Hergel, Die Jugendspiele. Programm Brüx.
15 S. 8«.
Veckeustedt, Der Festkalender von Homburg
(bei Oberröblingen am See) in Sitte, Brauch
und Schwank. Zusammengetragen und mit-
geteilt nebst Vorwort. (Zeitschr. f. Volksk.
in», 302.)
Lichttanz, Kreis Plön. (Correspondenzbl. d.
Ges. Ver. 39, 48.)
Ss., Weihnachts- und Neujahrsbräuche.
Corresp. d. Ver. f. siebenbürg. Landesk. 14,
43.)
Krause, Zur Geschichte des Weihnachts-
baumes. (Die Heimat 1, 219 )
Bösdi, Fastnachtsbelustigung 1657. (Mitteil.
a. d. Germ. National-Museum 3, 22—24.)
Ortwein, Auf der Suche nach Pfingstbräuchen
im Harz und den angrenzenden Ortschaften.
(Harzer Monatshefte 2, 6.)
Hartmann, Der Maigraf. (Ebenda 1. (1890),
S. 69.)
Jacobs, Über den alten Gebrauch des
Stinkpfisters oder Stinkefeist. (Zeitschr.
d. Harzvereins 24 S 302—304) [Vertreibung
des Winters durch den Mai.]
Alberti, Rolandreiten — Rolandfahren. (Die
Heimat, Monatsschr. d. Ver. f. Natur- u.
Landesk. in Schleswig-Holstein 1, 77.) [Ro-
landspiele = uralte Maispiele.]
Peters, Rolandreiten in Windbergen. (Ebenda
S. 58.)
Schmidt, Schiff- und Pflugziehen als Früh-
lingsbräuchc. (Nationalzeitung 1890. Nr.
142, 144.)
Mitzschke, Beiträge zur Kirschfestfrage.
(Naumburger Kreisblatt, Beilage z. Nr. 176
u. 178)
Schell, St. Martinstag im Bergischen. (Am
Urquell IL*)
Der Lichtbrateu, (ein Zunftbrauch). (Cor-
respondenzbl. d. Ver. f. siebenb. Landesk.
14, 53.)
Grössler, Schmaräkeln und Platzen, zwei
eigenartige Kegelspiele der Grafschaft Mans-
feld. (Mit 2 Tafeln.) Mansfelder Blätter 4
(1890), 118—132.
Heineck, Ein lateinisches Schulgespräch über
das Schmaräkel-Kegelspiel aus dem Jahre
1696. Neu herausgegeben (ins Deutsche
übertragen von H. Gross 1er): ebenda 5,
155—163.
Der Tanz zu Kölbigk. (Harzer Monatshefte
2.').
Sächsische Adeltäuze im 16. und 17. Jahr-
hundert. (Leipz. Zg. 15 Nr. 131.)
Hüser, Der Schwerttanz von Atteln ])ei Büren.
(Zeitschr. f. Volkskunde III '^)
E. K., Das Trommeln in Basel. (Vom Jura
zum Schwarzwald 8, 2.)
Messikomer , Das Pfeilschiessen in der
Schweiz. (Internat. Archiv f. Ethnogr.
IV, 5.)
Tille, Einladung zum Schützenfeste nach
Augsburg 1509. (Alemania, 18, 193 bis
201.)
Knoop, Von der Schützengilde in Rogasen.
(Zeitschr. d. hist. Ges. z. Posen 6, 34.)
Nathansen, Zur Geschichte der Hamburger
Schützengilde : kulturhistorische Skizze.
Hamburg, Meissner, illustr. 43 S. M. 1,00.
Jacob, Die Torgauer Geharnischten und
der Auszug der Torgauer Bürger -Kom-
pagnien. Torgau, Jacob, o. J. [1890] 44 S.
224
Laue:
2. Glaube und Aberglaube.
a) Religion.
Weinhold, Beiträge zu den deutschen
Kriegsaltertümern, vgl. oben II. 1. c.
Lecliner, Mittelalterliche Kirchenfeste und
Kaiendarien in Bayern. Freiburg i. Br.,
Herder. 4 Bl., 287 S. M. 6,00.
Hoef 1er, Die Kalenderheiligen als Krankheits-
patrone beim bairischen Volke. (Zeitschr.
Ver. f. Volksk. 1, 3.)
Nilles, Abergläubische Verehrung der 24 Äl-
testen der Apokalypse. (Zeitschr. K. Theo-
logie 15, 172.)
Wossidlo, Gott und Teufel im Munde des
Mecklenburgischen Volkes. (Correspondenz-
blatt d. Ver. f. niederd. Spracht. XV. 2,
S. 18. 14.)
Höf 1er, Votivgaben beim St. Leonhards-Kult
in Oberbayern. (Beitr, Anthrop. u. Urgesch.
Bayern IX, 1091)
MattliiaB, Die Hölle in der volkstümlichen
Überlieferung. (Leipz. Zg.ß Nr. 140.)
Hellwig-, Stations- und Marterkreuze. (Mit
Abb.) (Die Heimat 1, 215.)
St. (xeorg' in Legende und bildender Kunst.
(Archiv, f. cliristl. Kunst. 9, 9f., 17 f.)
Strohschneider, Eine mittelfränkische Agnes-
legende. (Progr. Prag. 35 S. 8".)
Düuimler, Legenden vom heiligen Nicolaus.
(Zeitsclu* f. deutsche Altert, u. d. Litt. 35,
401.)
Glöde, Zum heiligen Nikolaus. (Zeitschr. f.
deutsch. Unterr. 59, 352.)
b) Mythologie.
Meyer, Germanische Mythologie. Berlin,
Mayer & Müller. XI, 354 S. (Lehrb. d. germ.
Philol. I.)
Kauffmann, Deutsche Mythologie. Stuttgart,
Göschen. 107 S.
Herrnianowski, Die deutsche Götterlehre
und ihre Verwertung in Kunst imd Dich-
tung. 1. Band: Deutsche Götterlehre. (2B1.,
284 S.) 2. Band: Germanische Götter und
Helden in Kunst und Dichtung. (2 Bl ,
278 S.) Berlin, Nicolaische Verlags-Buch-
handl. M. 7,50.
Mogk, Mythologie. (Grundriss der ger-
manischeu Pliilologie hrsg. v. Herrn. Paul.
Bd. 1, 982— 11B8.)
Schröter, Germanische Mythologie. Allgem.
Zg. B, Nr. 238—243.
Jänsch, Die altdeutsche Religion auf dem
Unterharze. (Norddeutsche allg. Zg. ^^
70 f., 74.
List, Deutsch -Mythologische Landschafts-
bilder, Berlin, Lüstenöder. gr. 8'*, 4 Bl.,
264 S. M. 4,50.
Knoop, Die neu entdeckten Göttergestalten
und Götternamen der norddeutschen Tief-
ebene. III. Die Äsen. (Zeitschr. f. Volksk.
III, 5, S. 161.) IV. Frau Hinne (ebenda
S. 321.)
Siebs, Beiträge zur deutschen Mythologie.
1) Der Todesgott Henno Wotan - Mercurius
2) Things. 3. Hludana. (Zeitschr. f. deutsch.
Phil 24.)
V. Grienberger , germanische Götternameu
auf rheinischen Inschriften. 1) Mars Hala-
mardus. 2) Dea Saudraudriga, 3) Mer-
curius Leudisio. 4) Dea Vagdavercustis.
5) Hercules Saxo. (Zeitschr. f. deutsch.
Altert, u. deutsch. Litteratur 35, 4.)
Krause [Carus Sterne], Das Alter und die
angebliche Fälschung der Baidursage.
(Sonntagbeil. Nr. 4 und 5 zur Voss. Zei-
tung.)
Much, Jupiter Tanarus. (Zeitschr. f. deutsch.
Altert, u. d. Litt. 35, 4. S. 372.)
Kanlfmanu, Mythologische Zeugnisse aus
römischen Inschriften. 2. Mars Thingsus et
duae Alaesiagae. 3. Dea Nehalennia. (Beitr.
z. G. d. deutsch. Spr. u. Litt. 16, 200.)
Jaekel, Die Hauptgöttin der Istväen. (Zeitsclir.
f. deutsch. Phil. 24, 289.)
— Ertha Hludana [Friesengottheit]. (Zeitsclir.
f. d. Philol. 23, 129.)
Sievers, Die angebliche Göttin Ricen. (Bei-
träge z. Gesch. d. deutsch. Sprache u. Litt.
16, 366.)
Bangert, Od und Oda. (Zeitschr. d. Ges. f.
Schleswig-Holstein. Land. Geschichte XX,
213.) [Kiel 1890, ausgegeben 1891.]
Schürz, Fergunna. (Ausland 63, 301.)
Much, Die deutschen Namen derDeae Matres.
(Zeitschr. f. deutsch. Altert. XXXV, 3.)
Dahn, Feuer, Wasser, Luft und Erde in
d. Götterglauben der Germanen. (Wester-
manns Monatsh. 70, 54 — 65.)
Litteratur des Jahres 1891.
225
Sepp, Die Keligiön der alten Deutschon und
ihr Fortliestand in Volkssag-en, Aufzügen
und Festbräuchen bis zur Gegenwart, mit
durchgreifender Religions - Vergleichung.
München, Lindauer. 419 S. M. 6,00.
Schwarz, Reste des Wodankultus in der
Gegenwart. (Nach einem Vortrage des
Verfassers im Künstlerverein zu Celle.)
Leipzig, Neumann. 8". 30 S. M. 1,00.
Lehmauu, Die Götterdcämmerung in der
nordischen Mythologie. 2. Aufl. Königs-
berg, Bon. 43 S. M. 0,80.
Hang, Die Viergöttersteine. Westdeutsche
Zeitschr. X, 1., S. 9—61. [Fortsetzung von:
Die Wochengöttersteine (ebenda IX, 1 bis
58.)]
Spaldiug, Der König der Tiere bei den alten
Germanen. Teil I, Verehrung des Bären.
Programm d. Kgl. Gymn. z. Neumark i.
Westpr. 1890. 30 S. 4".
Schullerus, Zur Sagenkunde. (Correspon-
denzbl. d. Ver. f. siebenbürg. Landeskunde
14, 27—29.)
Deutsche Sagen. Herausgeg. v. d. Gebrüdern
Grimm. Bd. 1. 2. Besorgt von Herrn.
Grimm. Berlin, Nicolai. XX, 268 und
21.5 S. M. 6,00.
Kiiauthe, Sagen und Märchen. (Am Urquell
11, 8.)
Müller, Walther, Haine uud Bäume in Ge-
schichte und Sage. (Zeitschr. f. deutsch.
Kulturgesch. II, 1.)
Röhricht, Sagenhaftes und Mythisches aus
der Geschichte der Kreuzzüge. (Zeitschr.
deutsch. Phil. 28, 4.)
Singer, Salomosagen in Deutschland. (Zeit-
schrift, f. d. Altert, und deutsch. Litt. 35,
177.)
Zinzow, Die erst sächsisch-fränkische, dann
normannische Mirmann-Sage nach Inhalt,
Ursprung und Deutung. Pyritz, Gymn -
Progr.
Roediger, Die Sage von Ermenrich und
Schwauhild. (Zeitschr. Ver. Volkskunde
1, 3.)
Estorif, Der wilde Jäger. Ein Versuch zur
Erklärung des Phänomens. (Zeitschr. Volksk.
3, 3.)
(liander, Der wilde Jäger und sein Ross.
Vortrag. (Mitteil Niederl. Ges. f. Anthrop.
TL 1.) "
Henne am Rhyn, Der Geisterspuk in der
deutsclien Volkssage. (Deutsche Zeitschr. f.
Knltm-vsch. N. F. 1, 375—390.)
V. Eynahten, Nixenzauber. (Harzer Monats-
hefte 2. 3.)
Schröder, Die deutsche Kaisersage. Geh
Heidelberg, 4". 28 S.
Haas, Rügensche Sagen und Märchen. Ge-
sammelt und hrsg. Greifswald, Bamberg.
XII, 263 S. M. 2,80.
— Rügensche Legenden. Nach mündlicher
c) Sagen.
Mitteilung aus Trent a. R. (Monatsbl. f.
Pommersche Gesch. u. Altert. 75—76.)
Eine Sage von der Insel Wollin. (Monatsbl.
f. P. G. 1891, S. 1.)
West])reussische Volkssageu. No. 1. Die
Teufelskanzel zu Sartowitz. Hrsg. v. Ru-
dolf Knopf. Graudenz, Gaebel. 9 S.
No. 2. Die Pfingstglocken vom Kloster-
see. Hi-sg. V. Rudolf Knopf. Graudenz,
Goebel. 6 S.
No. 3. Der Schwedenschimmel von Stulni.
Hrsg. V. Knopf. 8 S.
No. 4. Der Kaplan vom Hagelsbergc.
10 S.
No. 5. Das Festungsgespenst von Grau-
denz. 9 S., 1 BL
Haase, Sagen und Märchen aus der Graf-
schaft Ruppin und Umgegend. (Am Ur-
quell, IL 6. IL 10.)
Grauder. Sagen und sagenhafte Mitteilungen
aus Kreis Guben. (Mitteil. NiederL Ges.
f. Anthrop. II, S. 121.)
Handtmann, Was auf märkischer Heide
spriesst Märkische Pflanzenlegenden und
Pflanzensymbolik. Berlin Lüstenöder. 184 S.
M. 3,00.
Harweck-Waldstedt, Was die Selke plät-
schert! Geschichtliches, Gedichte, Sagen
und Märchen aus dem Selkethale. Ges.
und hrsg. Mit Original-Beiträgen lebender
Autoren. Wanderung von der Quelle bis
zur Mündung. Osterwieck, Harz, Zickfeldt.
XI, 160 S.
Heinecke, Les Mines et les Mineures. XVIII.
Le mineur et le genie, legende du Harz.
(Revue des traditions pop. VI, 11.)
Förstner , C. [lara] , Neues uud Altes aus
dem Sagenkreise des Vater Brocken. Märchen
und Sagenerz. Quedlinburg, Vieweg. [1891 ],
2 Bl., 72 S.
(wünther. Aus der Geschichte der Harzlande.
3. Bändchen: Wie die Harzer Christen
wurden. (Das Heidentum in den Harz-
226
Laue:
landen, den Bewohnern der Harzlande wird
das Christentum gebracht, Reste und
Spuren des Heidentiuns.) 4. Bändchen:
Aus der Zeit der sächsischen Kaiser. [Darin
viel Sagenhaftes.] Hannover, Meyer. 162
und 92 S. kl 8». M. 1,50 und 1,00.
Wiicke, Sagen der mittleren Werra und der an-
grenzenden Abhänge des Thüringer Waldes.
2 Aufl., lirsg. V H. Ullrich. Eisenach,
Kahle.
Wettig:, Der Sagenkrauz des Kyffhäusers.
Zur Erinnerung an die Errichtung des
Denkmals Kaiser Wilhelm I. Bremen,
Nössler. 42 S.
Crrössler, Zweite Nachlese von Sagen und
Gebräuchen der Grafschaft Mansfeld und
ihrer nächsten Umgebung. (Mansfelder
Blätter 4. [1890], 140—159.)
Schurtz, Der Seifenbergbau im Erzgebirge
und die Walensagen. (Forsch, deutsch.
Landes- u. Volksk. 5, 85-166.)
Paudler, Nordböhmische Lokal-Sage. XV.
Nr. 153-160. (Mitteil. d. nordböhm. Ex-
kursionskl. 14, 125-129.)
Richter, Zwei Sagen (ebenda, 123 — 125.)
Zekel, Die Schätze des Taubenberges (ebenda
359—361.)
Keiter, Aus der Sagenwelt der öster-
reichischen Alpen. Eine Studie. (Öster.-
Ung. Revue 11, 152.)
Zingerle, Sagen aus Tirol, 2. Aufl. Inns-
bruck, Wagner. XX, 738 S., 1 Bl. —
M. 9,G0.
Meyer, Schiern -Sagen und Märchen. Inns-
bruck, Wagner. M. 3,20.
La Mare de Lak (Tyrol): (Revue des tra-
ditions pop. 6, 636.)
Le Lac Weerer (Tyrol): (ebenda, 637.)
Branky, Volksüberlieferungen aus Österreich.
(Zeitsclu-. f. Volksk. IIL 6, S. 221, 379.)
Dürnwirth, Deutsches Element in slove-
nischcn Sagen des kärntischen Oberrosen-
tbales (Zeitschr. Volksk. IIL 6, S. 201.)
Waizer, Sagen vom Schlosse Stein. (Ca-
rinthia, Mitteil. d. Gesch. Ver. Kärnten,
81. Jahrg., 2. Heft.)
Franziszi, Sagen aus dem Gailthale. (Neue
Carinthia, 3. H.)
Schlossar, Sagen vom Sclii-atel aus Steier-
mark. (Zeitschi-, f. Volksk., IL 9. S. 341.)
Barguiiinn, Elsässer Sagen. (Jahrb. Gesch.
Elsass-Lothringen 4.)
Warker, Wintergrün, Sagen, Geschichten,
Legenden und Märchen aus der Provinz
Luxemburg. Ges. u hrsg 2. bedeutend
verm. Aufl. Arlon. Willems Poussin. 8" [er-
scheint in Lieferungen.]
Kaufmann, Sagen vom Donnersberg. (Zeitschr.
f. Volksk. III, 6.)
Rlieinlauds Sang und Sage m. e. Leit-
gedichte V. E. Ritters haus. Bonn, Strauss
[1891] (2. BL, 53 S., 1 BL, 20 Taf.)
d) Aberglauben (hier: Volksmedizin).
Fischer, Aberglauben unter den Angel-
Sachsen. Meininger Realgymn.-Progr. 4".
Amersbach, Aberglauben, Sagen u. Märchen
bei Grimm eishausen. I. Programm Baden-B.
4«. 32 S.
Wilhelm, Aberglaube und Volksbrauch im
Karlsbad - Duxauer Gelände. Karlsbad,
Jakob, V, 90 (+1) S. 8«.
Uhlhorn, Volkstümliches. (Jahrb. Gesch.,
Sprache u. Litt. v. Elsass-Lothr. 7, 146.)
[Aberglaube u. Sage.]
Über Aberglaulieu im Feuerlöschwesen.
(Zeitschr. f deutsche Kulturgesch. II*.)
Martiny, Aberglaube im Molkereiwesen. Ein
Beitrag zum Verständnis des Aberglaubens
und zur Geschichte des Molkereiwesens.
Bremen, Heinsius Nachf. 45 S.
Prahn, Glaube und Brauch in der Mai-k
Brandenburg. (Zeitschr. Ver. Volkskunde
L 1.)
Ammaun, Volkssegen aus dem Böhmerwald.
(Zeitschr. V. Volksk. I, 197. 807.)
Ammann, Sagen und Zauberformeln aus
Hohenfurt. (Zeitschr. f. deutsches Altertum
85, 248.)
Schlossar, Volksmeinung und Volksaber-
glaube aus der deutschen Steiermark.
(Germania 24, 4.)
Weinhold, Volksüberlieferungen aus Eisen-
erz in Obersteiermark. (Zeitschr. Ver.
Volksk. 1, 215.)
Losch, Deutsche Segen, Heil- und Bann-
sprüche. Nach gedruckten, schriftlichen
und mündlichen Quellen zusammengestellt
und hrsg. (Württemberg. Vierteljahrs-
• hefte z. Landesgesch. XIII. 3. 157 bis 258.)
Kouleu, Ein alter Heilspruch. (Zeitschr. f. d.
deutsch. Unterricht 5. 694.)
Freund, Diebes- und Feuersegen. (Mitteil,
d. Niederl. Ges. f. Anthr. IL H. 1., S. 42.)
Zingerle, Segen und Heilmittel aus einer
Wolfsthurner Handschrift d. 15. Jahi-h.
(Zeitschr. d. Ver. f. Volksk. I, 315.)
Meli, Zur Gesch. des Hexenwesens. (Deutsche
Litteratur des Jahres 1891.
227
Zeitsclirift füi* Kulturgeschichte N. F. 1,
317-335.)
Strecker, Zui- Geschichte der Hexenprozesse
in Pommern. Aus den Kirchenbüchern von
Fritzow, Kj*. Kammiu. (Mouatsbl. für
Pommersch. Gesch 1891. S. 145 f.)
Philo vom AValde [Johann Reinelt], Die
Dorfhexe, ßauernkomödie mit Gesang in
3 Akten. Mit einem Nachworte. Grossen-
hain und Leipzig, Baumert und Rouge.
119 S.
Kurth, Anklageschrift aus einem Hexen-
prozesse. (Der Bär 17, 7, 16.)
Rapp, Die Hexenprozesse und ihre Gegner
in Tirol. 2. verm. Auflage. Mit d. B.
Tartarottis. Brixen, Wejer. 170 S.
Lehnert, Weihnachtsmistel. (Leipz Ztg.
Nr. 298.)
Bartels, Zm- Feier der „Zwölften" im nörd-
lichen Deutschland. (Zeitschr. f. d. deutsch.
Unterr. 5, 283.)
Eschenberg, Osterbrauch und Osterglaube in
imserer Heimat. (Die Heimat, 1, 867)
Ostersingen , Osterwasser in Waltersdorf.
(Frankf. Oderzeitung, Nr. 64.)
(lilöde, Vom Osterhasen. (Zeitschr. f. deutsch.
Unterr. 5, 702.)
Rackwitz, Grenze der Osterfeuer. (Correspon-
denzbl. d. deutsch. Ges. f. Anthropologie,
Etlmol. u. Urgesch. 1890. XXI, 160)
Meyer-Birlinger, Der grosse Jahi-tag auf
dem Wurmlinger Berg. (Alem. 19, 49 bis
67.)
Veckenstedt, Rillen und andere Marken an
den Kirchen und Teufelssteinen, besonders
in der Provinz Sachsen. (Archiv f. Landesk.
d. Prov. Sachsen 1, 102—110 und Mitteil.
d. Ver. f Erdkunde z. Halle a. S. 1891,
102-116.)
Rehsener, Wind, Wetter, Regen, Schnee und
Sonnenschein in der Vorstellung und Rede
des Tii-oler Volkes. (Zeitschr. Ver. Volksk.
1, 67.)
Kemmerj Der Wisperwind. Bingen, Real-
schul-Progr. 1891.
Wagler, Die Eiche in alter und neuer Zeit.
Eine mytliologisch - kulturgeschichtl. Ab-
handl. I. Würzen, Gymn.-Progr. 1891.
Resch, Der Wolf als günstiges Vorzeichen.
(Zeitschr. f. d. deutsch. Unterr. 5, 58, 276,
697.)
Korb, Die Klinge und das Knorrloch. .Mitteil.
d. nordböhm. Exkursionsklubs 14, l20 bis
123.)
Knaiithe, Das Alpdrücken in Preussisch-
Schlesien. (Am Urquell II, 4.)
Gegen Nasenbluten und Blutflüsse. (Globus
59, 208, 304.) [betr. Ostflanderu und Ost-
preussen.]
Höfler, Der Isarwinkel, ärztlich topo-
graphisch geschildert. München, Stahl sen.
8». 280 S. mit Tafeln u. eingedr. 111.
Gall^e , Mittelniederdeutsches Arzneibuch.
(Jahrb. f. niederd. Sprach! XV, 105.)
Wieth, Eine Chirurgenrechnung aus dem
Jahre 1764. (Aus Aachens Vorzeit 3 [1890],
14.)
3. Die Sprache.
a) Zeitschriften.
Bayerns Mundarten. Beiträge zur deutschen
Sprach- u. Volkskunde. Hrsg von Osk.
Brenner u. Aug. Hartmann. I. Bd.
München, Kaiser.
1. Heft: Franke, Über den wissenschaft-
lichen Wert der Dialektforschung; Ost-
fränkisch u. Obersächsisch. — Jacob, Aus
Mittelschwaben. — Himmclstoss, Aus dem
bayerischen Wald. — Gradl, Die Mundarten
Westböhmens. — Holder, Über Joh. Aug.
Fischer. — Hart mann, Ein .sprachlich in-
teressantes Lied: Ältere Nachrichten über
Dialekte. — Steindel, Die Bejahung im
Sechsämter-Dialekt.— B r e n n c r , Altbayerische
Sprachproben. I. Der Prinz von Arkadien.
[1701] . . .
2. Heft: Holder, J. R. Fischers „Letzte
Weltsucht" und „Des Teuffels Tochter. —
Jakob, Aus Mittelschwaben. (Forts.) —
J a c 0 b i . Schwäbische Taufnamen. — Brenner,
Altbayer. Sprachproben. 1. Der Prinz von Ar-
kadien (Forts.); Der andächtige Bauer; Zu un-
serer liautbezeichnung. — Riegel, Aus Alt-
regensburg. — Hart mann. Ein altes nieder-
bayrisches Dialektgedicht; Alt. Nachrichten
über Dialekte. (Forts.). — Himmels toss.
Aus dem bayerischen Wald. (Forts.). —
Franke, Ostfränkisch und Obersächsisch. —
D emmier, Einiges aus dem Donau-Lech-
winkel. . .
3. Heft: Holder, J. R. Fischers „Letzte
Weltsucht" und „Des Teuffels Tochter".
(Forts.). — Brenner, Altbayerische Sprach-
proben 1. Der Prinz von Arkadien (1701).
(Forts.). — Ders., Titl des Oebristen vber die
Schneiderzunft. — Himmelstoss, Aus dem
228
Lane :
bayerischen Wald. (Forts.). — Hertel, Die
Grenze des Frank. -Henneb. gegen NW. (Mit
Karte.) — Franke, Ostfränkisch imd Oher-
sächsisch. (Forts.) — Holder, geschichtliche
Skizze der neueren schwäbischen Dialekt-
litteratur. — Gradl, Die Mundarten West-
böhmens. (Forts.) — Brenner, Volksgesang.
— Kleine Mitteilungen. — Bücherschanregister.
Jahrbuch des Vereius für niederdeutsche
Sprachforschung'. Jahrgang 1890. XVI.
Norden U.Leipzig, Diedi'. Soltaus Verlag 1891.
Brandes, Hermen Botes Boek van veleme
rade. — Schröder, Jacobs vonEatlingen Lied
auf das Breslauer Hostienmirakel von 1453.
— Walther, Zum Redentiner Spiel. —
Krause, Die Bohne und die Vietzebohne. —
Puls; Tanuhäuserlied und Maria tzart. —
H an s e 1 m an n, Braunschweigischc Fündlinge :
VIIL Sanct Annen Preis IX. Marienieich.
X, Ave maris Stella verdeutscht. XI. Ritmen
de assensione domhii. XII. Weiss und grün.
XIII. Weltspruch. XIV. Judeneid. XV. Heil-
zauber. XVI. ..Wo soll ich mich hin keren" etc.
niederdeutsch. XVII. Schampcrnolleken. —
Hansel mann. Eine merkwürdige alte Fäl-
schung. — Walther, Über die Sprache der
Wedemer Urkunde: In Drunten varen, na
Drunten gliden. — Fischer, Joh. Leonh.
Frisch als Sammler märkischer Idiotismen. —
Schröder, Eulenspiegels Grabstein. —
Jellinghaus, Lübecker Schulvokabular v. J.
1511. — Sprenger, Bemerkungen und
Besserungen zum Sündenfall: Zur Kritik
und Erklärung des Theophilus. — Dam-
köhler, Zu Gerhard von Minden. —
Schröder, Ein lat.-niederdeutsches Traktat
aus Bursfelde. — Luther, Salzwedel und
die übrigen Ortsnamen auf -wedel. — Bre-
mer, Anzeige: Van Helfen, Altostfriesische
Grammatik.
KorrespondenzhLatt des Vereins für nieder-
deutsche Sprachforschung. Jahrgang 189L
Hamburg. Heft XV.
No. 1. (26. März 1891.) . . . Mitteilungen
aus dem Mitgliederki-eise. 1. Zum Limes
Saxonicus (Jellinghaus). 2. Vam olden
unde nyon Gade (Hofmeister). 3 Zur Ver-
breitung der plattdeutschen Sprichwörter und
Redensarten aus Hinterpommern, ges. von
0. Knoop (Sprenger). 4. Zu Priens Bei-
trägen zum mnd. Wortschätze (Sprenger,
Schierenberg, Carstens). 5. Drefand
(Carstens). 6. Fale page (K. E.H. Krause).
7. Mnd. hunden (Peters). 8. Imbetscherf.
(Mielck). 9. jrät (Schultz). 10. Kalmus,
Kalms (K. E H, Krause.) 11. Mnd. kram
(Sprenger). 12. Kranewaken (Winkler,
K. E. H. Krause). 13 misse (Birlinger).
14. Peckel, Pretzel (K, E. H. Krause). 15.
Schnotterig (Sprenger). 16. Stoppelmeter
(Peters). 17. wedderstromich (Sprenger). —
Litteraturnotizen.
No. 2 (12. Mai 1891): . . . Mitteilungen aus
dem Mitgliederkreise. 3. Gott und Teufel im
Munde des Mecklenbiu-gischen Volkes. (R.
Wossidlo.) Notizen . . .
No. 8 (10. Juli 1891): . . . Mitteilungen aus
dem Mitgliederkreise. 1. Gott und Teufel im
Munde des Mecklenburgischen Volkes. (R.
Wossidlo) [Schluss] ...
No. 4 (11. August 1891) : . . . Mitteilungen
aus dem Mitgliederkreise. 1 . Volkserzählungen
aus Mecklenburg. (Fabricius). — 2. Zum
Schwerttanz (K. E. H. Krause). — 8. Zu
Reinke de Vos (Sprenger). — 4. Zu Laurem-
bergs Scherzgedichten, a) (Pul s), b) (Bern-
hardt). — 5. Zu Priens Beiträgen zum mnd.
Wortschatze (Tümpel). — 6. Zum Mittel-
niederd. Wörterbuch. 1. twistelik? 2. varsk —
frisch, ungesalzen. 8. wracht (Sprenger).
— 7. Imt (Wossidlo, Gillhoff). - 8. Kape-
horne (Sandvoss). — 9. Rokbestia (Car-
stens). — 10. Zu Jahi-b. XV, 53 ff. [Redens-
arten aus Holstein] (Bernhardt), — 11. Sole.
Säle (K. E. H. Krause). — 12. Diele und
Delile (Jellinghaus). — 18. meit (Roethe).
— 14. Isarnho a) (Carstens), b) (Schieren-
berg). — 15. Tadel, Tal (Carsten). —
16. Zur niederdeutschen Spruchdichtung.
a) (Holstein), b) (Mielck). — Litteratur-
notizen.
No. 5 (3. Februar 1892) : . . . Mitteilungen
aus dem Mitgliederkreise. 1. Ostpreussische
Sprachproben aus der Mitte des 18. Jahr-
hunderts (Babucke). — 2. Zum Hartebok
(Nerger). — 3. Verzeichnis von hansischen,
aus dem Norwegischen entlehnten Wörtern
(Schumann). — 4. Sinken und vloien
(Frensdorff). — 5. Anfragen (Schröder).
— Litteraturnotizen . . .
No. 6 (4. März 1892): . . . Mitteilungen aus
dem Mitgliederkreise. 1. Über den Flurnamen
Segen. Nach dem auf der Jahresversanimlung
des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung
am 20. Mai 1891 zu Lübeck gehalteneu Vor-
trage (Prien). — 2. Zu Konemanu (Kopp-
manu). — 8. Panzewel a) (Sandvoss),
b) (Roethe), c) (Nerger). — 4. wiiden
wracht a) (Frensdorff), b) (Koppmann).
— Litteraturnotizen . . .
Litteratur des Jahres 1891.
•229
b) Allgemeines.
Miehlke, Die Geschichte unserer SpracUaute
und Ortliographie in kurzem Abriss dar-
gestellt. ProgT. d. hohem Bürgerschule zu
Graudenz. 4". 1 Bl., 39 S. M. 1,20.
Hubert , Die Grundlagen der deutschen
Sprache. BerUn, Cronbach. VIII, 130 S.
M. 1,25.
Kosinna, Germanischer Dativ [auf— ms] aus
der Römerzeit (Zeitschr. f. deutsch. Altertum.
XXXV, 1).
Andresen, Wortspaltung auf dem Gebiete der
nhd. Schrift- und Verkehrssprache. (Ztschr.
f. deutsch. Phil. 23, 265.)
Trautmann, DerS-Unfug (Wiss.Beil. z. Ztschr.
d. allg. deutsch. Sprachver. Nr. 1).
Grimm, J. u. W., Deutsches Wörterbuch.
VIII. Bd., 7. Lief. Romanbauher — Ruck.
Bearb. unter Leitung von M. Heyne. Lpzg.
Hirzel. M. 2,00.
Beliaghel, A short historial grammar of the
German language. Transl. and adapted from
B.'s „Deutsche Sprache" by Trechmann.
London, Macmillan. 194 S. 4 sh. 6 d.
Ditsclieiners grammatisch - orthographisch-
stilistisches Handwörterbuch d. deutschen
Sprache . . . 3. Aufl. v.Wessely. Lpzg., Friese.
ä Lieferung M. 0,75.
c) Sprachgeschiclitliclies.
Wenker, Sprachatlas des Deutschen Reiches
. . . [über sein Fortschreiten vgl. Deutsche
Litteraturzeitmig 1891, Nr. 41, Sp. 1511 f.
Ferner das Referat von Nörrenberg, vgl.
Zeitschr. d. Ver. f. Volksk. 1, 232.]
Wrede, Über die Sprache der Ostgoten in
Italien. (Quellen und Forsch., 68.) Strass-
burg. Trübner. 1891. VII, 208 S. M. 4,00.
Dasselbe teilw. als Habilitationsschrift:
— , Specimen einer ostgotischen Grammatik.
Marburg, Otto 1890. 1 Bl., 33 S.
Prellwltz, Die deutschen Bestandteile in den
lettischen Sprachen. Ein Beitrag zur Kenntnis
der deutschen Volkssprache. 1. Heft-. Die
deutschen Lehnwörter im Preussischen und
Lautlehre der deutschen Lehnwörter im
Litauischen. Göttingen , Vandenhoeck &
Ruprecht. XII, 64 S. M. 2,40.
Meier, J., Studien zur Sprach- und Litteratur-
geschichte der Rheinlande. Einleitung.
Habilitationsschrift. Halle, Karras. [Voll-
ständig: Beitr. z. Gesch. d. deutsch. Sprache
und Litt Bd. 16 f.]
Witte, Deutsche und Keltoromanen in Loth-
ringen nach der Völkerwanderung. Die
Entstehung des deutscheu Sprachgebietes.
Mit 1 Karte. (Beitr. z. Gesch. d. deutsch.
Sprache und Litt. Bd. 15.) Strassburg, Heitz.
100 S. M. 2,50.
Zimmerli, Die deutsch -französische Sprach-
grenze in der Schweiz. 1. Teil. Die Sprach-
grenze im Jura. Basel und Genf, Georg.
8». SOS.
Die deutsch-französische Sprachgrenze (Allg.
Zeitg.B Nr. 238-243.)
Andree, Die deutsch -französische Sprach-
grenze im Schweizer Jura. (Globus
60, 8.)
Galdoz, Die Sprachverhältnisse in Luxemburg.
(Globus 59, 246.)
Winkler, Die niederdeutsche Sprache in Fran-
zösisch-Flandern. (Globus, 59, 149.)
Kauffmann, Deutsche und niederländische
Mundarten. (Grundriss der germ. Philol.
Hrsg. von H. Paul. Bd. 1, 5. Lfg. p. 960
bis 974.)
Drandstetter, Die Reception der neuhoch-
deutschen Schriftsprache in Stadt und Land-
schaft Luzern 1600-1830. (Der Geschichts-
freund 46, 191.)
Asninssen, Deutsche Sprachinseln im ungari-
schen Erzgebirge. (Deutsch, geogr. Bll. 14,
206.)
Eichler, Die deutsche Sprache in Amerika.
(Lpz. Ztg. '5 Nr. 147.)
Wilckens, Die Sprache der Deutschen in
Nordamerika. (Deutsche Warte II, 4.)
d) Mundarten.
Koch, Mundartliches. (Zeitschr. f. d. dtsch.
Unterr. 5, 643.)
Kluge, Die Behandlimg der lebenden Mund-
arten. (Paul, Grundriss d. german. Philol.
1. Bd., 5. Lief.)
Verschiedenheiten in der Aussprache Süd-
Zeitschrift d. Vereins f. Volkskunde. 1892.
und Norddeutschlands. (Zeitschr. f. deutsche
Sprache. V. Jahrg., H. 11.)
Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der
schweizerdt'utscheu Spraclio. Gesammelt
auf Veranstaltung d, Antiqu. Ges. in Zürich
16
230
Laue:
unter Beihilfe aus allen Kreisen des
Schweizervolkes. Hrsg. mit Unterstützung
des Bundes und der Kantone. XIX. Heft.
XX. H. Bearbeitet von Staub, Tobler,
Sehe eh. Frauenfeld, Huber. 4«. ä Heft
fr. y,00.
Schild, Brienzer Mundart. 1 . Teil. Allgemeine
Lautgesetze und Vokalismus. Basel, Sall-
mann & Ronacker. 106 S., 1 Bl., fr. 2,80.
[auch Göttinger Diss.]
Wissler, Das Suffix -i in der Berner resp.
Schweizer Mundart. Ein Beitrag zur ver-
gleichenden "Wortbildung und Flexion der
schweizer. Mimdart. Diss. -Bern. (Fraueufeld,
Huber & Co.) 39 S, M. 0,75.
Wilkens, Zum hochalemannischen Konsonantis-
mus der althochdeutschen Zeit. Beiträge
zur Lautlehre und Orthographie des ältesten
Hochalemannischen , auf Grundlage der
deutschen Eigennamen in den St. Galler
Urkunden (bis zum Jahre 825.) Leipzig,
G. Fock. Auch: Lig.-Diss. Leipzig.
Das Wörterbuch der elsässischen Mundarten
(Jb. f. Gesch., Sprache u. Litt. Elsass-Loth-
ringens 7, 207.)
Lienhart, Laut- und Flexionslehre der Mund-
art des mittleren Zornthaies im Elsass.
Strassburg, Trübner, Vlll, 74 S. (Alsatische
Studien H. 1) [auch: Lig.-Diss. Strassburg
1891].
— , Alliteration, Assonanz und Vergleichimgen
in der Zornthaler Mundart. (Jahrb. f. Gesch.,
Sprache u. Litteratur Elsass-Lothringens 7,
187.)
Follmann, Die Mimdart der Deutsch - Loth-
ringer und Luxemburger. IL Teil. Vokalis-
mus. Metz 1890. 4«.
Graf, Die germanischen Bestandteile des Pa-
tois Messin. Metz, Druckerei d. Tjothringer
Zeitung. Strassburger Inaug.-Diss. 1890.
43 S.
"Waguer, Der gegenwärtige Lautbestand des
Schwäbischen in der Mundart von Eeut-
lingen. IL Teil. Reutlinger Rcalanstalt. Pro-
gramm. S. 97 — 19'-. Taf. 4 — 10. gr. 4".
M. 2,50.
Breunig', Über die Mundart des Bezirks Buchen.
Tauberbischofsheim. Programm.
Schneller, Die Mundart des Stubei. (In:
Stubei (s. o.) S. 613— G.50.)
Kühiiel, A Thoumsöübtel. In Rosendorfcr
Mundart erzählt von V. Ehen, mitgeteilt
von . . . (Mitteil d. nordböhm. Exkursions-
klubs 14, 152 f.)
Zur Erforschung des siebenbürgisch- sächsi-
schen Dialekts. (Korrespondenzbl. des Ver.
f. siebenb. Volksk. 14, 1.)
Roth, Siebenb.-sächs. Dialekt (ebenda 18, 12).
Weber, Abschied. In Zipser Mundart. [Ge-
dicht.] (Ung. Revue 11, 749.)
Toinanek, Über den Einfluss des Cechischen
auf die deutsche Umgangssprache in Österr.
Schlesien bes. von Troppau und Umgebung.
Ein Beitrag zur Sprachvergleichung. Gymn.-
Progr. Troppau.
Brenner, Mundarten und Schriftsprachen in
Bayern. (Bayerische Bibliothek Bd. 18.)
Bamberg, Buchner. 1890. 1 Bl., 83 S., 1 Bl.
Österreichische Spracheigenheiten. (Ztschr.
f. deutsche Sprache 5, 9.)
Leithäiiser, Gallicismen in niederrheinischen
Mundarten. Barmen. Realgymn. - Progr.
(32 S.)
Jardon, Laut- imd Formenlehre der Achener
Mundart. (Aus Aachens Vorzeit 4, 1.) [I. Teil
von:]
— , Grammatik der Aachener Mundart. Aachen,
Cremer. 40 S. M. 1,50.
Reis, Beiträge zur Syntax der Mainzer Mund-
art. Giessen. Ing.-Diss. 8«. 46 S. M. 1,00.
Heiuzerliug, Probe eines Wörterbuchs der
Siegerländer Mundart. Siegen. Realgynm.-
Progr.
Leidolf, Die Naunheimer Mundart. Eine laut
liehe Untersuchung. Darmstadt , Otto.
[Jenaer Ing.-Dissertation.] 2 Bl., 53 S., 1 Bl.
M. 1,20.
Kehreiu, Volkssprache und Wörterbuch von
Nassau. 2. Ausg. Leipzig, Lesimple. gr. 8°.
XIL 464 u. 64 S.
Hedrich, Die Laute der Mundart von Schön-
eck i. Voigt! Leisnig, Realschul-Progr.
Grössler, Die Mansf eider Mundart,- ihre
Grenzen, innere Gliederung und Abkunft.
(Mansfelder Blätter Mitteil. d. Ver. f. Gesch.
u. Altert. Mansfeld 4 (1890), 1—14.)
Dittmar, Die Blankenheimer Mundart. Eine
lautliche Untersuchung. Dissertation, Jena.
48 S.
Weiss, Die Breslauer Klabatschke. Eine humo-
ristisch - lokalsprachliche Studie. Grünberg
i. SchL 112 S.
Andree, Die Grenzen der niederdeutschen
Sprache. Mit Karte: Die Südgrenze der
Litteratur des Jahres 1891.
231
niederdeutschen Sprache. (Globus, Bd. LIX,
n. 2. 3.) [Sonderabdruck 19 S. kl. 8«.]
Wiukler, Die niederdeutsche Sprache in
Französisch-Flandern (ebenda S. 149).
Kirchhoff, Die unterste Saale keine Grenze
zwischen Mittel- und Niederdeutsch (ebenda
150).
Krause, Niederdeutsche Handschriften. (Jahrb.
d. Ver. f. niederd. Sprache 15, 38.)
Eckart, Lexikon der Niedersächsischen Schrift-
steller von den ältesten Zeiten bis zur
Gegenwart. Osterwieck, Zickfeldt 181 S.
Knoop, Plattdeutsches aus Hinterpommern.
3. Sammlung: Fremdsprachliches im hinter-
pommerschen Platt, nebst einer Anzahl von
Fischerausdrücken und Ekelnamen. (Wissen-
schaftl. Beil. z. Progr. d. Kgl. Gymn. Ro-
gasen. 4". 18 S.) [l. Sammlung: Gnesen
1890; 2. Samml. Rogasen 1890.]
— , Plattdeutsches ... 4. Samml. (Monatsbl.
f. Poramersche Gesch. u. Altert., S. 38-40.)
Heibey, Die liaute der Mundart von Börssum.
Halle, Karras. 48 S. [Jena Inaug.-Disser-
tation.]
Behaghel und Gallee, Altsächsische Gram-
matik, 1. Hälfte. Halle, Niemeyer. (Samml.
kurzer Gramm, d. germ. Dialekte. 6.)
Adler, Die Volkssprache in dem Herzogtum
Schleswig seit 1864. Mit 1 Karte [deutsch,
friesisch, dänisch]. (Zeitschr f. Gesch. v.
Schleswig-Holstein 21, 1.)
Siebs, Geschichte der friesischen Sprache.
(H. Paul, Grundriss der german. Philol.
I. Bd.)
Bremer, Zeugnisse für die frühere Verbrei-
tung der nordfriesischen Sprache. (Jahrb.
d. Ver. f. niederd. Spracht'. XV, 94.)
— , Pelwormer Nordfriesisch. (Ebenda S. 104.)
Jaekel, Zur Lexikologie des Altfriesischen.
(Beitr. z. Gesch. d. deutsch. Spr. 15, 532.)
Helten, Frisica. (Ebenda 16, 314.)
I
e) Bedentnng
Kluge, Etymologisches Wörterbuch. 5. Aufl.
Strassburg, Trübner. In 10 Lieferungen.
— , An etymological dictionary of the German
language Transl. from the 4. German. ed.
by ... Davis. London, Bell. 8". 430 S.
Faulmann, Etymologisches Wörterbuch der
deutschen Sprache. Halle, Karras [in Heften].
a Lieferung M. 1,20.
Uhlenbeck, Etymologica. (Tijdschr. f. neder-
landsche Taal- en Letterkunde X, 283.)
Müller, Die Wiederbelebung alter Worte.
(Wiss. Beihefte zur- Zeitschr. d. allgem.
Sprachver. 6. Jahrg. Nr. 2.)
Nebe, Die Lehnwörter im deutschen Unter-
richt. (Zeitschr. f. d. deutsch. Unterr. V,
665.)
Wustmanii , Allerhand Sprachdummheiten.
Kleine deutsche Grammatik des Zweifel-
haften, des Falschen und des Hässlichen.
Ein Hilfsbuch für alle, die sich ötfentlich
' der deutschen Sprache bedienen. Leipzig,
Grunow. 8". 320 S. M. 2,00.
Allerhand Sprachdnmmheiten. (Grenzboten,
S. 238.)
Genthe, Deutsches Slang. Eine Sammlung
familiärer Ausdrücke und Redensarten.
Strassburg, Trübner. XV, 73 S. M. 1,20
Hildebrandt, Wie die Sprache altes Leben
fortführt. (Zeitschr. f. d. deutsch. Unterr. 5,
23, 120, 199, 260, 307.)
Sohns, Zur „Verwertung der Reden.sarteu im
Unterricht" (ebenda 647).
Kuntze , Sprachliche Neubildungen im Süd-
westen (ebenda 36). Bemerkungen dazu
(ebenda 289).
Frischbier, Volkswitz. (Altpreuss. Monatsschr.
28, 90.)
Sembrzycki, Schimpfwörter. (Am Urquell
II, 8.)
Knauthe, Schimpfwörter. (Am Urquell II, 20.)
Kluge, Aar imd Adler. (Zeitschr. f. deutsche
Phil. 24, 311.)
Zehelmayr, Zwölf und zwelf. (Bll. f. d. bayr.
Gymnasialschulwesen 27, S. 18.)
Schröder, Frisch. (Zeitschr. f. deutsch. Altert.
u. deutsch. Litt. 35, 2. S. 262.)
Damköhler, Diele, dele, däle. (Jahrb. d.Ver.
f. niederd. Sprachforsch. XV, S. 51.)
Krause, Zitolose (ebenda XV, 44).
Zingerle, Rose. (Zeitschr. f. deutsch. Philol.
24, 281.)
Glöde, Über Tiernamen im Volksmunde und
in der Dichtung. (Zeitschr. f. d. deutsch.
Unterr. 5, 741.)
— , Zm- Erklärung des Hasennamens Lampe
(ebenda 5, 585).
— , Auf eigenem Zaum (ebenda 5, 56, 566).
Puls, Auf eigenem Zaum (ebenda 5, 703).
Sprenger, Qualm bei Uhland (ebenda 57).
Helmsturz (ebenda 60).
Sprenger, Saum = Saumross (ebenda 281,
849).
Schürmann, Zu Gunsten, Von (ienaden (ebenda
643), Feist (785).
16*
23:
Laue :
Döhler (Schlag, Koch), Hinte (etenda 60,
287, G44).
Metger, Auf dein Holzwege sein (ebenda
277).
Krüger, Einem etwas am Zeuge flicken. —
Der Topf will klüger sein als der Töpfer
(ebenda 278).
Puls (Cflöde, Kohrs), Zur Erklärung des
Namens Nüssler (ebenda 281, 416, 418).
Hofmanii (Glöde, Sprenger), Der Gassen-
name „Am Brotkorb" (ebenda 353, 480 f.).
Feist, Zu dem Worte Eitt (ebenda 355).
Jeep, Schildbürger (ebenda 357).
Köhler, Eine mundartliclie Bezeichnung des
Schmetterlings (ebenda 357).
May, Verstümmelte Wörter (ebenda 358).
Enntze, Holla und Hallo (ebenda 360).
Sprenger, Bönhase (ebenda 361).
— , Kastemännchen (ebenda 482).
— , Schafschinken (ebenda 483).
firlöde, Nägelein (ebenda 783).
Kluge, Das Wort Buch in seinem Verhältnis
zu Buche (ebenda 634).
Menge, Deutsch reden (ebenda 635).
Becker, Der guckt ins Gerstenfeld. Einen
pfeifen, (ebenda 645, 77i)).
Schmitz, Stein imd Bein schwören, (ebenda
C97).
Sprenger, Geruhen, (ebenda 784).
Heilig, Zum deutschen Fluchwort Henker
(ebenda 785).
Stehle, Einem einen Bären aufbinden (ebenda
845).
Sprenger, Weissbinder (ebenda 848).
f) Namen.
Krüger, Eigennamen als Gattungsnamen.
(Berlin, Realgymn.Progr.)
Köcher, Die Taufnamen. Eine pastorale
Studie. (Pfarrhaus 7, 113.)
Schmidt, Arminius. Siegfried. (Germania
36, 315.)
Keiper, Französische Familiennamen in der
Pfalz und Französisches im Pfälzer Volks-
mund. (Progr. d. Studienanstalt Zwei-
brücken. 76 S. [2. verm. Aufl. Kaisers-
lautern, Gotthold. 82 S. M. 1,00.]
Pflster, Gegen die Eindeutigkeit des chat-
tischen und hessischen Namens. (Hess.
Quartalbl. 3.)
Kehrein, Nassauisches Namenbuch, enth. alle
Personen-, Orts- und Gemarkungsnamen.
2. Ausg. Leipzig, Lesimple. VIII, 644 S.
M. 2,25.
KeUeter, Namen in Aachen. (Aus Aachens
Vorzeit 3 (1890), 25 f, 41 f., 71 f.)
Cascorbi, Die Rufnamen der Mündener Schul-
jugend. (Münden, Realgymn.-Progr.)
Die Familiennamen der Helgoländer. (Globus
59, 304.)
Ortjohann, Die deutschen Tieniamen. Eine
sprachliche Betrachtung. (Tägliche Rund-
schau, Wissensch. Beil. 1046.) [Vgl. auch
S. 1063.]
Eschenburg', Eine Betrachtung über die
Entstehung unserer volkstümlichen Pflanzen-
namen. (Die Heimat 1, 50.)
— Einige Bemerkungen über die Verbreitung
unserer volkstümlichen Pflanzennamen
(ebenda 225.)
Schwartz, Volkstümliche Schlaglichter. II.
Von der volkstümlichen Naturerkenntnis mit
einem Exkurs über die deutschen Pflanzen-
namen. (Zeitschr. d. Vereins f. Volkskunde
1, 279.)
Saul, Alte Gassen- und Häusernamen.
(Deutsche Zeitschr. f. Kulturgesch. N.F. 1,
336—339.)
Seltsame Umformung von Strassennamen.
(Zeitschr. f. deutsche Sprache 5, 9.)
Besler, Die Ortsnamen des lothringischen
Kreises Forbach. [1. Teil: Die Ortsnamen
im engeren Sinne. Forhach 1888.1 2. Teil:
Die Namen der Flüsse, Bäche, Quellen
und Weiher, der Berge und Hügel, der
Wälder und Forstbezirke und der Ge-
wannnen. Forbach 1891. [Ostfranken und
vorher Alemannen.]
Lersch, Kockerellstrasse, Komphausbadstrasse,
Druffnas. (Aus Aachens Vorzeit 3 [1890],
63.)
Bazing, Zur Ortsnamendeutung. (1. Schild.
2. .lud. 3. Thalfinger) : Württemberg. Viertel-
jahrshefte f. Landesgesch. XIII, 4, S. 272
bis 274.
Caspert, Die Ortsnamen im Oberamt Reut-
lingen. (Reutlinger Geschichtsbl. 11.)
Brandstetter, Beiträge zur Ortsnamenkunde.
II. (Der Geschichtsfreund 44.)
Prinzinger, Die Tauern in der Geographie
und im Leben des Volkes. (Der Tourist.
23. Jalirg. Nr. 4, S. 25-27.) [Über den
falschen Gebrauch des Wortes auf Karten
und in Büchern gegenüber dem richtigen
Volksgebrauch, der unter „Der Tauern"
nur die über- imd Durchgänge (Scharten)
Litterahiv des Jahres 1891.
•233
in der Urgesteinskette der Alpen in Steier-
mark, Kärnten und Salzburg versteht.]
Stanuig, Die Flurnamen des Burgamtes
Villach nacli dem Urbar des Martin Behem.
(Progr. Villach. 8". 28 S.)
Böhme, Die Ortsnamen auf -grün in Böhmen.
(Mitteil. Ver. Gesch. der Deutscheu in
Böhmen 2'.), 807.)
Wolff, Deutsche Dorf- und Stadtnamen in
Siebenbürgen (Progr. Mühlbach 31 S i".)
Bernau, Böhmens deutsche Burgnamen.
(Mitteil. d. nordböhm. Exkursionsklubs 14,
34-35.)
Needon, heimische Flurnamen. (Leipz. Zei-
tung b . Nr. 120—122.)
Rieniaiiii, Über Orts- und Flurnamen des
Herzogthums Coburg. Coburg. Gymn.-Progr.
16 S. 4°.
Bacli , Beiträge zur Deutung der Ortsnamen
in der Umgegend von Homburg. (Mitteil,
d. Ver. f Gesch. v. Homburg. 4.)
Cassel, Deutsche Landes- und Ortsnamen.
1) Schlesien und sein Name. 2) Der
Name Erfurt und die Ortsnamen auf -ftirt.
(Deutsche Zeitschr. f. Kulturgesch. N. F.
1, 147-154, 154-160.)
Schulte, Ujazd und Lgota. Ein Beitrag zur
schlesischen Ortsnaraenforschung. (Zeitschr.
f. Gesch. u. Altert. Schlesien. 25.)
Hiiser, Über den Namen eines Baches
und eines Berges in der Umgegend der
Stadt Brilon. 1. Die Untrügge. 2. Der
Gudeu. (Progr. d. Gymn. Peh-inum zu
Brilon. 1890. 4". S. 8—11.)
Vogt, Die Ortsnamen im Engersgau. Eine
Untersuchung. (Programm d. Kgl. Gymn.
zu Neuwied. 1890. 8». 61 S.)
— Nachtrag zu der Abhandlung des vorigen
Programms „Die Ortsnamen im Engers-
gau". (Gymn.-Progr. Neuwied. 1891. 4".
S. 11 bis 13..)
Jansen, Die Stadt Kiel und ihi- Weichbild
im Munde der Vorzeit. (Schriften d. Ges.
f. Kieler Stadtgesch. H. 8.)
Bouk, Ortsnamen in Altpreussen. (Altpreuss.
Monatsschr. S. 599—638.)
g) Sprichwörter.
BablinaiMi, Sprichwörter aus Joh. Murmellius
Pappa puerorum. (Germania 35, 400 bis
402.)
Pistor, Sprichwörter und sprichwörtliche
Eedensarten aus Wiegand Lanzes hessischer
Chronik. (Z. f. Volkskunde III, 4, S. 146.)
Maas, Über Metapher und Allegorie im deut-
schen Sprichwort. Ein Gang vom Begriffs-
bild zum Gedankenbild. Progr. Wettiner
Gymn. Dresden. 23 S. 4". M. 1,00.
Rathgeber, Elsässische Sprichwörter und
sprichwörtliche Redensarten. (Jahrb. für
Gesch., Sprache u. Litt. v. Elsass-Lothringen.
7, 141.)
Hörmann, Volkstümliche Sprichwörter und
Redensarten aus den Alpenlanden. Leipzig,
Liebeskind. XXIII, 165 S.
Spieser, Münsterthäler Sprachproben. Sprich-
wörter. (Jahrb. f. Gesch. v. Elsass-Lothrin-
gen. 6.)
Knoop, Allerhand Scherz, Reime und Er-
zählungen über pommersche Orte und ihre
Bewohner. [Aus: Zeitschr. f. pommersche
Gesch. u. Altert.] Stettin. 105 S. M. 2,00.
Treichel, Das Alphabet in preussischen
Redensarten. ' (Altpreuss. Monatsschr. 28,
332.)
Sembrzycki, Ostpreussische Sprichwörter,
Volksreime und Provinzialismen. (Am Ur-
queU II, 2-8, 10, 11.)
Dirksen, Ostfriesische Sprichwörter und
sprichwörtliche Redensarten mit historischen
und sprachlichen .Anmerkungen. 2. Heft.
Ruhrort, Andreae. 95 S.
Volksdichtung.
a) Allgemeines.
Scherer, Deutsche Studien. 2. Aull. Leipzig,
Tempsky. 129 S.
Leimbach, Zur Einführung in das deutsche
Volkslied. Auswahl und Erläuterung von
92 Volksliedern der älteren und neueren
Zeit. Bremen, Heinsius. XVI, 227 S.
M. 3,00.
Des Knaben Wuuderhorn. Alte deutsche
Lieder ges. v. Arnim und Brentano.
Neudruck der Heidelberger Originalausgabe
von Ettlinger. Th. 1. 2. Halle, Hendel.
[1891] (XXIl, r.93S., 2 Port.), (395-844 S.)
- Bibliothek des In- und Auslandes No. 531
bis 539.
Häuften, Leben und Fühlen im deutschen
Volkslied. 20 S. M. 0,20. (Sammlung ge-
meinnütziger Vorträge. Nr. 143.)
234
Laue:
Streicher, Zur Entwickelung der mhd. Lyrik.
(Zeitschr. f. deutsche Phil. 24 Bd., H. 2 )
Bielschowsky, Geschichte der deutschen Dorf-
poesie im 13. Jalirhundert. I. Leben uud
Dichten Neidliards von Reuenthal. Unter-
suchungen. (Sonderabdr. a. d. Acta Ger-
manica.) Berlin, Mayer & Müller. 1. Bl.,
VII, 294 S. 8».)
Marold, Über die poetische Verwertung der
Natui' und ihrer Erscheinungen in den Va-
gantenliedern und im deutschen Minnesang.
(Zeitschr. f. deutsche Philol. 23. 1—25.)
Weddigeu, Beiträge zui' Geschichte des deut-
schen Meistergesanges. Wiesbaden Real-
gymn.-Progr. 1891.
Suck, Volksreime. (Die Heimat 1, 189.)
Mundartliche Dichtung. (Jahrb f. Gesch.,
Sprache, Litt. 7, 179.)
Einenkel, Der Hase im Volksliede. (Leipz.
Zeitung, no. 294.)
Crciner, Wanderung und Wandlung eines
Volksliedes. (Zeitschr. f. d. deutsch. Un-
terr. 5, 687.)
b) Das
a) Einzelne A
Cremer (Bartels, Eiiglert), Zum Wiegen-
lied vom schwarzen und weissen Schafe.
(Zeitschr. f. d. deutsch. Unterr. 5, 59, 282,
359.)
Menk, Zwei Kinderlieder (ebenda 132).
Zander, Kinderreime. (Altpreuss. Monats-
schrift 1891, H. 1. 2.)
Schüttelkopf, Kinderspiele, gesammelt im
oberen Görtschitzthale, am Krappfelde und
um Osterwitz. (Carinthia I, 5. Heft.)
Eskuche, Hessische Kinderliedchen. In
Kassel im Verein mit Johann Lew alter
gesammelt und erläutert. Kassel, Huhn.
2 BL, 95 S. M. 1,00.
Volkslied.
Iter und Stände.
Eskuche und Lewalter, Kasseler Kinder
liedchen. (Hessenland 5, 187, 200, 210,
223, 240, 25G, 272, 283, 29G.)
Mathis, Elsässische Kinderlieder in Rapolts-
weiler Mundart. (Jahrb. f. Gesch., Sprache,
u. Litt V. Elsass-Lothringen 7, 150.)
Eber, Elsässische Kinder- und Wiegenlieder,
Kinderreime (ebenda 6).
Hoffs, Das Marschlied der Landsknechte.
(Wissensch. Beihefte z. Zeitschr. d. allg.
Sprachver. G. Jahrg. Nr. 2.)
Klein, Bergmannslieder aus Graupen. (Mitteil.
d. nordböhm. Exkursionski. 14, 351 — 354.)
ß) Besondere Gelegenheiten.
Nardelli, Le primavere liriche della Ger-
mania. Roma. 183 S.
Wagner, Sechs Faschingslieder aus dem Jahre
1793. (Musik. Wochenbl. Nr. 38.)
Weeber, Aus der Weihnachtszeit. [Krippel-
lieder aus Rumburg.] (Mitteil. d. nord-
böhm. Exkursionski. 14, 234-238.)
Zwei Hochzeitslieder aus Schönberg. [Sieben-
bürger Sachsen.] Mitget. von Anna Seh.
(Correspondenzbl. d. Ver. f. siebenbürg.
Landesk. XIV, 7, S. 69—70.)
Roth, Deutsch -lateinische Gedichte zu der
y) Bestimm
Meyer, Zur Volkskunde der Alpenländer.
(Globus 59, 49, 70.) [Über Schnadahüpferl,
Marterln u. s. w.]
Tobler, Nachträge zu den schweizerischen
Volksliedern. (Anz. f. Schweiz. Gesch. 4.)
Ellinger, Das Volkslied in Tirol. (Die Nation
1891. no. 13.)
Baragiola, Aristide, II canto popolare a
Bosco 0 Gurin, colonia tedesca nel cantone
Zeit des 30jährigen Krieges. (Germania
36, 179.)
Paudler, Aus der Franzosenzeit. [Volkslieder
aus dem Anfange des 19. Jahrh.] (Mitteil.
d. nordböhm. Exkursionski. 14, 226 bis
228.)
Fr. J., Zur Geschichte der sächsischen Jäger.
[Aufruf, Gedicht im Dialekt der sieben-
bürger Sachsen, vom Jahre 1809.] (Cor-
respondenzbl. d. Ver. f. siebenbürg. Landes-
kunde XIV, S. 66-68.)
te Gegenden.
Ticino. Cividale, Fulvio Giovanni. 1891.
(175 S., 1 Titelbl.) L. 3,00.
Tor Thewelt ün s Turtal. Gedicht in Völler-
dinger Mundart von J. Dahlet (Jahrb. f.
Gesch., Sprache u. Litt. v. Elsass-Loth-
ringen 7, 195.)
Levissohn, Eine obersteierische Fassung des
Volksliedes vom Tannhäuser. (Zeitschr.
f. deutsch Litt. u. Altert. 35, 439.)
Litteratur des Jahres 1891.
235
Deutsche Volksliedei* aus Böhmen. Heraus-
gegeben vom deutschen Verein zur Ver-
breitung gemeinnütziger Kenntnisse in
Prag. Redigiert von Alois Hruschka und
Wendeliu Toischr. Prag, Verlag d. D. V.
XIV, 542 S.
Oertel, Deutsche Volkslieder aus Böhmen.
(Leipz. Zeitung no. 298.)
Wlisloeki , Volkslieder der siebenbürgischen
Sachsen {Am Urquell. II, 11.)
Dalrnau, Jüdisch-deutsche Volkslieder aus
Galizien und Russlaud 2. Ausg. Schriften
d. Inst. Judaicum in Berlin Nr. 12.) Berlin,
Ev. Vereinsbuchh. VIII, 74 S. M. 1,50.
Grüdde, Volkslieder aus Hinterpommern. (Z.
f. Volksk. III, 5, 6.)
V. Trais, Wetterauer Sang und Klang
Dreissig neue Gedichte in Wetterauer Mund-
art, als Fortsetzung der Heimatsklänge
aus der Wetterau. Giessen, Roth. (1891.)
VI, 82 S.
J) Einzelne Lieder.
Odiuga, Ein Lied von dem Tod und einem
jungen Mann. (Vierteljahrsschr. f. Litte-
raturgesch. 4, 152.)
Abelj Ein Gespräch vom Frauenvolk und
dem Ehestande A. IfiOG. Ein Gespräch
vom Mannvolke und dem Ehestande A. 1717.
Die verkehrte Welt. Drei plattdeutsche
Satiren München, Buchholz und Werner.
2. Bl, 24 S.
Treiclie], Das Lied vom Krambambuli. (Alt-
preuss. Monatsschr 28, 338-44.)
Krüsrer, Zu dem Liede vom „Rummelpott".
(Zeitschr. f. d. deutsch, üuterr. V, G'J8.)
Cremer (Si)reiiger,Teuber,KöhIer, Schmalz,
Schlag), Ein Napoleonslied. (Zeitschr. f.
deutsch. Unterr. 5, 59, 138, 209, 210, 285 f.
635.)
c) Sprüche und Rätsel.
Falck, Art und Unart in deutschen Bergen.
Volkshumor in Reimen und Inschriften.
Berlin, Meiding-er. o. J. [1890.] VIII,
110 S.
Engelhard, Die Hausinschriften der Stadt
Duderstadt. In d. Programm: Beiträge z.
k
d) Geschichten
Fabricius, Volkserzählungen aus Mecklen-
burg. (Correspondenzbl. f. niederd. Sprach-
forschung.)
Deecke, Lübische Geschichten und Sagen.
3. verbesserte u. verm. Aufl. Lübeck, Ditt-
mar 1890. 8". 334 S.
Jensen, Schildbürgergeschichten in der Sage
der nordfriesischen Inseln. (Tägliche Rund-
schau, Wissensch. Beil. 1138.)
Heydenreich, Ein Humanist des 16. Jalir-
hunderts über die Freiberger Sage vom
ungeratenen Sohn. [Poetische Behandlung
durch Martinus Balticus.] (Mitteil. d. Frei-
berger Altertumsver. 27, 41 — 48.)
Ehlers, Was die Sage von der Entstehung
Altenas erzählt. (Die Heimat 1, 239)
Staacke, Die ruhelose Jungfrau. Eine Sae:e
aus dem östlichen Holstein. (Die Heimat
1, 30.)
Struve, Wallensteineiche (ebenda 203.)
Kunstgeschichte Niedersachsens. Duder-
stadt. 4". 1891.
Frischbier, Die Menschenwelt in Volks-
rätscln aus den Provinzen Ost- und West-
preussen. (Zeitschr. f. d. Philol. 23, 240.)
lind Märchen.
Zwetz, Sagen und gescliichtliche Erzählungen
aus dem mittleren Saalthal. Der reiferen
Jugend gewidmet. Mit 15 Illustrationen.
Jena, Fr. Mauke. IV, 107 S.
Zum musikalischen Ton der Sprache. Unter-
schied zwischen männlicher uml weiblicher
Rede. [Volkserzählung des Harbaclithales.]
(Correspondenzbl. d. Ver. f. siebenb. Volksk.
14, 3.)
Beckstein, Deutsches Märchenbuch. Halle,
Hendel o. J. [1891], IV, 156 S., 1 Portr.
= Bibl. Ges. Litteratur d. Inn- u. Auslandes
No. 471. 472.
Fränkel, Zum Protciismärchen und andern
wandernden Stoffen. (Germania 24, 3.)
Jahn, Volksmärchen aus Pommern und
Rügen. 1. Th. Norden und Leipzig, Soltau
1891. 382 S. (Forscliungcn hrsg. v. Verein
f. niederdeutsche Sprachforschung IL)
236
Laue:
Deutsche Puppenspiele. Ges
handlungen und Anmerkungen hrsg. von
Arthur K oll mann. I.Heft. Allgem. Vor-
wort. Judith und Holofernes. A. Einleitung.
B. Text. C. Anmerkungen und Varianten.
Leipzig, Grunow.
Deutsche Volksschauspiele. In Steiermark
gesammelt. Mit Anmerkungen und Er-
läuterungen nebst einem Anhange: Das
Leiden Christi-Spiel aus dem Gurkthale in
Kärnten. Herausgegeben von Dr. Anton
Schlossar. Bd. 1. (VIII, 347 S.), 2. (III,
404 S.) M. 10,00. Halle, Niemeyer.
Paludan, Ältere deutsche Dramen in Kopen-
hagener Bibliotheken. (Zeitschr. f. d. Phi-
lologie 23, 226.)
Schweizerische Schauspiele des 16. Jahrh.
Bearb. durch das deutsche Seminar der
Züricher Hochschule unter Leitung v. Jac.
Bächtold. 2. Bd. Zürich, Frauenfeld, Huber
i. Comm. 353 S. M. 4,00.
Holstein, Zur Litteratur des lateinischen
Schauspiels des 16. Jahrh. (Zeitschr. f.
deutsche Phil. 23, 436.)
Bahlmann, Aachener Jesuiten -Dramen des
17. Jahrh. (Zeitschr. d. Aachener Geschichts-
vereins 13, 175.)
Jacobs, Zur Geschichte des Schauspiels in
Wernigerode. 1588. 1593. 1618. (Zeitschr.
d. Harz Ver. 24 ', 292-294.) [Darstellungen
auf offenem Markte.]
Holstein, Zur Topographie der Fastnachts-
spiele. (Zeitschr. für deutsch. Phil. 23,
104.)
e) Drama.
u. m. erl. Ab- Reuling, Die komische Figur in den wich-
tigsten deutschen Dramen bis zum Ende
des 17. Jahrhunderts. Stuttgart, Göschen.
1890. 181 S. M. 4,nO.
Rache, Die deutsche Schulkomödie und die
Dramen vom Schul- und Knabenspiegel.
Leipzig. Baldamus. M. 2,00.
Bielschowsky, Das Alter der Faustspiele.
(Viert eljahrsschr. f. Litteraturgesch. IV. 2,
193.)
Widmann, Das Brucker St. Mkolaus-Spiel.
Ein Beitrag zur Litteratur des Volksschau-
spieles in Salzburg. Gymn -Progr. Salz-
burg. 27 S. gr. 8«.
Jellinghans, Das Spiel vom jüngsten Ge-
richte. (Zeitschr. für deutsche Phil. 23,
426.)
Ludwig, Das Oberammergauer Passionsspiel.
Vortrag. Davos, Richter. 106 S. M. 1,25.
Schmidt-Wartenber^, Ein Tiroler Passions-
spiel im Mittelalter. (Publ of the mod
lang, assoc. of Am. V, 2.)
Sprenger, Zu den Königsberger Zwischen-
spielen von 1644. (Altpreuss. Monatsschr.
28, S. 102.)
Sembrzycki, Noch eine Bemerkung zu den
Königsberger Zwischenspielen aus dem
Jahre 1644 (ebenda 100, 330.)
Schröder, Das Redentiner OsterspieL (Cor-
respondenzbl. d. Ver. f. niederd. Sprachf. 3.)
Werner, Der Laufener Don Juan. Ein Bei-
trag zur Geschichte des Volksschauspiels.
(= Theatergesch. Forschungen, hi-sg. v.
Berth. Litzmann. 3. Bd.) VII, 152 S.
5. Musik und Tanz.-
Tobler, Kühreihen oder Kühreigen, Jodel
und Jodellied in Appenzell. Zürich. [Mit
Musikbeilagen.]
Radecke, Das deutsche weltliche Lied in der
Lautenmusik des 16 Jahrhunderts. Leipzig,
Breitkopf und Härtel. 2. BL, 52 S., 1 Bl.
8" [= Inaug.-Dissert. Berlin.]
Niessen, Das Liederbuch des Leipziger Stu-
denten Clodius vom Jahre 1609. Ein Bei-
trag zur Geschichte des deutschen Liedes
im 17. Jahrh. Leipzig, Breitkopf. 66 S.,
1 Bl. 8". [= Berliner Ing.-Diss.]
Krause, Abriss der Entwickelungsgeschichte
der Oper mit litterarischen Hinweisen.
Hamburg, Verlagsanstalt VIII, 130 S.
M. 2,00.
Zelle, J. Theile und N. Strungk. Zweiter
Beitrag zur Geschichte der älteren deut-
schen Oper. (Humboldt-Gymn. - Programm
Berlin.) [I. Beitr. ib. 1889.]
Benecke, Vom Takt im Tanz, Gesang und
Dichtung mit besonderer Berücksichtigung
des Volkstümlichen. Diss. Leipzig. 91 S. 8*^.
Litteratur des Jahres 1891.
237
Die übrigen Germanen.
A. Holländer.
I. Zeitschriften.
Volkskunde. Tijdschrift voor Nederlandsche
Folklore onder Eedactie van Pol de Mont
en Aug. Gittee. 4>= Jaargang. Gent 1891.
1. Aflevering: Walcheren iu Zeeland. I. De
Walcherische Beer, door K. Baart. — Gittee,
Eenige Beschouwingen over ons oud Klucht-
spel. — Gittee, De Humor in de Taal. (Ver-
volg.) IL LichameUjke Pijn en Ongemak.
— Sagen. 1. De Waterduivel. 2. De dikke
Linde te Vlierzeln 3. Brabantsche Overleve-
ringen. — Tragen en Aanteekeningen.
2. Aflevering : Pol de Mont, EeneKleiuig-
heid over „Verloren Maandag*. — Ders.,
Jetz over Sint- Märten, Sinter- Greef en Sint-
Nikolaes. — Boekbeoordeling: L. L. De Bo,
Westvlaamsch Idioticon heruitgegeven door
Joseph Samyn. Aug. Gittee. — Vragen en
Aanteekeningen. Kronick.
3. Aflevering: Walcheren in Zeeland.
II. Baardt, Vertelsels: 1. De Domme CJilen-
spiegol. — Zeden en Gebruiken: Gittee, De
Doodendans. — Kronick. — Vragen en Aan-
teekeningen. (Baarloop.)
4. Aflevering: Gittee, Volkshumor in
Geestelijke Zaken. (Vervolg.) — De Mont,
Volksliedereu. I. (18) De Muzikant. — De
Mont, Boekbeoordelingen: Tiroler Schnada-
hüpfeln, Tiroler Volkslieder, Haussprüche aus
den Alpen, — Gittee, Antwerpsche Kelder-
mondvertellingen. — Vragen en Aanteeke-
ningen.
[Fortsetzung folgt.]
Ons Volksleven. Antwerpsch - Brabantsch
Tijdschrift voor Taal en Volks dichtveer-
digheit, voor Oude Gebruiken, Wangeloof-
kunde, enz. in twelf nommers van acht
bladzijden in 8''. Onder Leiding van J.Cor-
nelissen et J. B. Vervliet. 3. Jaargang
1891. Brecht, L. Braeckmanu, Drukker-
üitgever.
1. Aflevering: Vervliet, Volksdichtveer-
digheid. — Cornelissen, Bijdrage tot den
Dietschen Taalschaft. l^t? (13^'«') Woorden-
zange. — Een Friesche Nieuwjaerwensch van
Eenen Vlaming. G. G. Etymologische Woorden-
boeken der Nederlandsche taal. — Boek-
bespreking: J. B. Vervliet, Inhoud van Tijd-
schriften.
3. Aflevering: Cornelissen, Bijdrage tot
den Dietschen Taalschaft. 2'^''^ (U^t?) Woorden-
zange. Beeldspraak. Liederen. 9. Reuzeliedje.
St. Mertenslied, NieuwjaarsUeke. Boomen,
Wouden en Gewassen. Christelijke Legenden.
Kempsische Spreekwoordeu. Sagen 3 (28.) Wat
een Watergeest eens aanvong. "VVangeloof.
Vallende Sterven. Niuwskes. Folklore waUon.
Boekbespreking: Cornelissen. — E. T. —
Harou. — Lehember. — Vervliet.
4. Aflevering: Cornelissen, Levende
Spraakkmist. III. Uitgangen der Verklein-
woorden (Vervolg.). — Harou, Hoe het Volk
Wappenschilder en Sommige Opschriften uit-
legt. — Vervliet, Sagen 4. (29.) De Geest.
— Sprookskesen. Vertelsels. — Cornelissen,
Spotrijmen op Steden en Dorpeu. — deRaadt,
Een Woord over het Rechtgebied der ßezitters
van Heertijkheeden in Brabant. — Boek-
bespreking, Vragen en Aanteekeningen.
[Fortsetzung folgt.]
Fernere Zeitscliriften für niederländische Volks-
kunde sind :
Volk en Taal. Maandsschrift over Gebruiken,
Geschiedenes, Taalkunde enz., uitgegeveu
door de Zantersgilde van Zuid-Vla an-
deren. Ronse, A. Courtin.
't Daghet iu den Osten. Limburgsch Tijd-
schrift voor alle liefhabbers van Taal-
eu andere Wetensweerdigheden. Hasselt,
M Ceysens. 7^« Jaargang. 1891.
II. Bücher uud Aufsätze.
[Friesen und friesische Sprache, s. unter: Deutsche.]
1. Äusseres Leben.
Nederland en zijne Bewoners. Handboek der | Dr. H. Blink. [Erscheint in Heften.]
12. Aflevering. Amsterdam, Gerlings. S. 129
Aardrijkskunde en Volkenkunde van Neder-
land. Met Kaarteu vu at'befldiiiüeu (loor
bis 192.
238
Laue:
de Cock, Volksgeneeskunde in Vlanderen.
Gent, Vuylsteke. VII, 3G8 S. 8«.
M. 3,00.
de Ricard, Les Hollandais dans l'arcliipel
Indien. (Eev. -scientif. 1, 593.)
2. Inneres Leben.
A. de Cock, Volksgeneeskunde in Vlanderen.
Gent,Vuylsteke. VII,368S. M.3,00. [Volks-
medizin.]
WoordeuboekderNederlaiidscheTaal. üeelV.,
All. 2. Bewerkt door A, Beets en J. W.
Muller. 's Hage en Leiden, Nijhoff. 2.reeks.
Aflev. 11 bewerkt door Klu}^er.
Bouui<nu, Proeve van eeue kaxt der dialecten,
die in Nederland worden gesproken. (Tijd-
schrift van het Nederlandsch Aardrijksk.
Genootschap. IL Serie. 8, 541.)
Sermon, De Vlaamsche Vertaal- en Woordeu-
boeken van het begin der boekdrukken-
kunst tot den jare 1700. Gent, Siffer.
40 S.
Pauwels, Der viamische Sprachstreit. (Globus
59, 177.)
Les insnltes du patois flamand de Bruxelles.
(Langues et Dialectes. mai 1891.)
de Beer, Merkwaardige overgang van be-
teekenis. (Noord en Zuid, XIV, 1.)
J. H. d. B , Verandering van beteekenis door
valsche analogie. (Noord en Zuid. XIV, 3.)
Oude volksuitdrukkingeu. (Noord en Zuid
XIV, 2.)
Stoett, Spreekwiizen verklaard.
1. Jemand eene blauwe huik omhangen.
2. Jemand de Kap vullen.
3. Zieh uit de voeten maken. (Noord en
Zuid XIV, 1.)
4. Den dans entspringen (ebenda XIV, 2).
5. Jets onder de roos verteilen.
6. Slapen als eene roos en slapen als op
rozen.
7. Fiolen laten zorgen (ebenda XIV, 3.)
— , Men moet geen slapende honden wakker
maken. (Tijdschr. voor nederl. Taal- en
letterk. X, 118.)
Waterpassen en enkele andere werkwoorden.
Jemand naer St. Veiten wenschen. Vrouw
Snaversnel. Daar gaat een domine voorbij.
(Noord en Zuid XIV, 2.)
Müller, Glimp-glimpen. (Tijdschr. voor nederl.
Taal- en letterkunde X, 14.)
Kern, Wak, loeme, moker. (ib. X, 114.)
Grenard, Jets over de oude naamvalsbiugingen
der nederlandsche eigennamen. (Verslagen
en Mededeelingen der K. Vlaamsche Aca-
demie voor taal- en letterkunde 1890.) 250 S.
Bolte, Ein Antwerpener Clucbtboek von 1576.
(Overgedr. uit Tijdschr. v. Nederl. Taal- en
Letterk. 1891. 2. Afl. 17 S. 8°.
B. Engländer.
I. Äusseres Leben.
Le recensement de la population de l'Angle-
terre, en 1891. (Economie francj. 1891, 10.)
Le recensement decennal en Angleterre (ib.
460).
Le recensement general de l'Angleterre et
le recensement special de la cite de Londres
(ib. 652).
Le recensement de 1891 en Angleterre et
les causes de diminution dans la vitesse
d'accroissement de la population angiaise
(ebenda 1891, 777).
Garson, Remarks on Skulls dredged from the
Thames in the neighbourhood of Kew.
(Journ. anthrop. Inst. Great Britain 20, 20.~
Old English Pewter. [Zinngerät.] (Reliquary
N. S. 5, 20, 72.)
Ward, Notes on Tracing and Drawing Me
dieval Encaustic Tiles for Plates. (ib. N. S.
5, 239.)
Wlieatley, London, Past and Present: its
Historj, Associations, and Traditions. Based
upon the ,Handbook of London' by the late
Peter Cunningham. London.
Loftie, A history of London. With Maps and
lUush-ations. Third edition. London.
Hodges, The Pele Towers of Northumberland.
(Reliquary N. S. 5, 1.)
Ditchfleld , ViUage Antiquities (ebenda N. S.
5, 134).
Litteratur des Jahres 1891.
239
Round, The introductiou of Knight Service
into England. (English historical review 6,
417, fi25.)
Lambert, Two Thousand Years of Gild Life;
. . . Together with a Füll Account of the
gilds and trading companies of Kingtson-
upon-Hull. From the 14th to the 18th
Century. Hüll, Brown & Sons. XI, 414 S.,
1 Bl., 11 Taf.
II. Inneres Leben.
1. Lebenssitte und Recht.
Wordsworth, Parochial Papers relating to
Glaston in the County of Rutland. (Reli-
quary. N. S., 5, 40, 153.)
Wallis, A London Citizen's Diary in the
Eighteenth Century (ebenda 5, 13.)
C. C. B., Yorkshire Folk-lore. (Notes and
Queries 12, 13.)
Brand, Allerlei aus Albion. Leipzig, Reissner.
156 S. M. 2,00.
Hope, The Mace [Amtsstab] of the House of
Commons. (Reliquary N. S. .5, 2G.)
Burton, Rush-bearing: a History of the Old
Custom. (Hüll. Litt. Club.)
Howlett, Burial in Woollen, (Reliquary 5,
N. S., 205.)
Gregor, The Scotch Fisher Child. (Folk-
lore 2, 73.) [Betrifft Spiele.]
J. Cooper Morley, The Fairs of Old Liver-
pool. (Reliquary N. S. 5, 32.)
Batcliffe, Ducks' Eggs. (Notes and Queries
12, 75.)
2. Religion un
Hooppell, Matres Ollo totae (Reliquary N. S.
5, 129.) [In Binchester bei Bishops Auck-
land.]
Herford, The Confraternities of Penitence, I
their Dramas and their Lamentations. [
(Eglish bist, review G, t)4().)
Drake, New England Legends and Folk-
Lore. Boston, Estes and Laurial. 4to.
461 S. !
Balfour, Legends of the Lincolnshire Carts.
(Folk-lore 2, 145, 257, 401.)
A. (x., Out Oniuns. (Notes and Queries. 12,
.56. [Vgl. ebenda 11, 387, 475.]
Witclies in Cornwall. (Folk-lore 2, 248.)
Legge, Witchcraft in Scotland. (Scottish Re-
view. October XVIII.)
Fischer, Aberglaube unter den Angelsachsen.
Meiningen. 4°. 42 S.
Harnley, Sailors' Anti-Friday Superstition.
(Notes & Queries 12, 364.)
Terry, Folk-lore of Black berries (ebenda
12, 306 f., [CC. B.:] 376.)
d Aberglaube.
C. E., [Folk-lore] Glass, broken. (Notes &
Queries 12. 489.)
X., The Stork and
(ebenda 12, 226).
L. L. K., The Stork .
Terry, The Stork
the New-born Child
. . (ebenda 291).
(ebenda 414).
.4. H., Inlauts" tecth (ebenda 267).
VValford, Folk-lore of the Hourglass (ebenda
505).
Jackson, Weather-lore : Staffordshire (ebenda
486).
Burus, May Dew Folk-lore (eb. 447).
Prideaux, The red mouse (eb. 465).
Black, Swan Folk-lore (eb. 324).
K. P. 1). E., [Folk-lore:] Viper and its
young (eb. 268).
Peacock, Spiders (eb. 12, 35) [vgl. 4, 506;
5, 93, 197; 11, 497.]
Joicey, Spiders [giftisre Eigenschaften] (ebenda
211).
N. M. & A., Wood pecker (ebenda 125).
€. C. B., Wood pecker (ebenda 218), Terry
(S. 218).
3. Sprache.
Wüodward, Palatal consonants in English.
Dissertation. New- York. 59 S. 8».
Kluge, Geschichte der englischen Sprache:
(Paul, Grundriss der germanischen Philo-
logie.)
Englisli Miscellanies A volume of illustra-
ting the history and language of the nor-
theru Counties of England. [Public, of tho
Surtees Society, vol. 85] London, Whittaker.
V, 100 S.
Uixon, Dictionary of idiomatic English phra-
ses. New-York, Nelson. 384 S. 1,.^.0 Doli.
Studio sui verbi inglesi d' uso piü frequente
per il Prof. A. 0 li v i e r i. Palermo,
Clausen.
Schultz, Die Sprache der „English Gilds"
240
Laue:
aus dem Jahre 1839. Ein Beitrag zur
Dialektkunde von Norfolk. Hildesheim,
Gerstenherg. Jena Phil. Ing.-Diss. 45 S.
Bauer, Über die Sprache und Mundart der
altenglischen Dichtungen Andreas, Güdläc,
Phoenix, hl. Kreuz und Höllenfahrt Christi.
Marburg, Üniv.-Buchdr. 3 Bl, 98 S., l Bl.
Ing.-Diss. 1S90.
Leutzner, Wörterbuch der englischen Volks-
sprache Australiens und einiger englischer
Mischsprachen. Nebst einem Anhange.
Halle— Leipzig. Karras. A. u. d. T. : Colo-
nial English: A glossary of Australian,
Anglo-Indian, Pidgin English, West-Indian
and South African words . . . London,
Kegan PauL 1 Bl., XII S., 2 BL, 237 S,
IBl.
Primer, The pronunciation of Fredericksburg.
(Publ. of the mod. lang, assoc. of Am.
V. 2.)
Schochardt, Beiträge zur Kenntnis des eng-
lischen Kreolisch. III. Das Indoenglische.
(Englische Studien XV, 286.)
Stoffel, Annotated specimens of „Arryese"
a study in vulgär EngUsh. (Taalstudie
XI, 4.)
Blackmar, Spanish American words. (Mo-
dern language notes VI, 2.)
Grandgent, Notes on American pronunciation.
(Modern lang, notes VI, 2.)
Norton, Political Americanisnms : a glossary
of termes and phrases current at diiferent
periods in American politics. London, Long-
mans. 2 sh., 6 d.
Grrade, Das Neger-Englisch an der Westküste
von Afrika. (Anglia 14, 362 )
Skeat, Principles of English Etymology.
Second Series. Foreign Element Oxford,
Clarendon Press.
Baskerville, The etymology of English „Tote*-.
(Modern language notes VI. 6.)
Skeat, Notes on English etymology. (Trans-
actions of the philol. Society III, 284.)
Atkiiisou, A Study on some Archaic Place-
names. (Reliquary N. S. 5, 147.)
— Further Remarkson Personal Names and
their distribution in 1302. (ib. 5, 84.)
Uuppy, Homes of Family Names in Great
Britain. London, Harrison. 664 S.
Black, Folk-names of British Birds. (Folk-
lore 2, 136-138 )
Westphal, Englische Ortsnamen im Altfran-
zösischen. Strassburg, Dusch. 39 S. Inaugu-
ral-Dissertation.
Mackay, Scottich proverbs, chieffly of Fife
origin. Fife, Westwood. 55 S. 1 sh.
4. Diclitung;.
(xoulü and Sheppard, Songs and ballads of
the west: a collection made from the
mouths of the people. Harmonised and
arranged for voice and pianoforte. Conipl.
in 4 parts. Part 4. London, Methuen. 5 sh.
O'C, Saying for a Wet Day. (Notes & Que-
ries 12, 15.)
Terry, Old Christmas Night. (Notes & Que-
ries 12, 96.)
Braud, Englisches Theaterwesen. (Nord und
Süd .59, 226.)
Fairman-Ordish Folk -Drama. (Folk-Lore
2, 314.)
5. Musik.
Balfour, The Old British ..Pibcorn'- or
„Hornpipe' and its affinities. (Journ. of
the antlirop. Inst.
Ireland 20, 142.
of Great Britain and
C. Skandinavien (einsclil. Island)/)
1. Allß'emeiues.
Nyare bidrag tili käuuedoiii om de Svenska
laudsmäleu ock Svenskt l'olklif. Tid-
skrift utgiven pä uppdrag af Landsmäls-
föreningarna i Uppsala, Helsingfors ock
Lund genom J. A. Lundell. Stockholm,
Samson & Wallin. 8».
42. Heft. Eva Wigström, AUmogeseder
i Rönnebärgs härad i. SkAne.
Dauia, tidskrift for folkemäl og folkeminder,
udgivet for Uuiversitets-jubilieets danske
samfund af 0. Jespersen og Kr. Nyrop.
1) Mit Unterstützung des Herrn Professor Axel Ohik in Kopenhagen.
Litteratur dos Jahres ISiU.
•241
Kjolienhavn, Cybecker & Meyer. I, 2. bis
3." Heft. 1891.
2. Heft. Vilh. Andersen, Gentagelsen,
en sproglig Studie. Axel Olrik, Tre danske
folkesagn. 1. Et Starkadsagn fra Sonder-
jyUand. 2. Tishmd-stenen. 3. Dannevirke og
dronning Tyre. — Smäting. Anmeldelser.
3. Heft. H F. Feilberg, Bidrag til
stroeddernes saga. — SophusBugge &Axel
Olrik, Sagnet om roeveren ved Grasten og en
episode i det angelsaksiske digt om Beo-
•wulf. — Otto Jespersen, Tydskriftprover.
— Anmeldelser. Smäting.
Aarbog for dansk kultnrhistorie, udgiven
af Poul Bjerge. KJ0benhavn. Lehmann &
Stage.
1881. H. F. Feilberg, Cyprianus.
1892. H. F. Feilberg, Levende be-
gravet.
E. P. KristenseOj Eflersloet til Skattegra-
veren. Kolding (& Kjobenhavn, Gyldendal)
1890. 280 S.
— Gamle folks fortsellinger om det jyske
almueliv, som det er blevet foert i mands
minde, samt enkelte oplysende side otykker
fra oeerne. Afd 1. KJ0benha\ia, Gylden-
dal. 8".
— Mikkel Skradders historier. Viborg(KJ0ben-
havn. Gyldendal. 1890).
Kvolsgärd, Spredte trak af landbolivet,
optegnede troek ijysk mundart. Kjobenhavn,
Universite t:s-jnbil?eets danske Samfund.
Kristensen, Oeen Anholt i saan og sced efter
gamle folks mundtlige meddelelser. Kjoben-
havn, Gyldendal i Bl. 128 S.
Male, Minder fra den yderste danske Sprog-
grcändse. (Sönderjydske Aarbuger, udg.
af H. P. Hansen-Nörremolle. Flensborg
1891. S. 256—63.)
Friis, SkildringerfraFinmarken. Med Illustra-
tioner af Wilh. Peters. Kristiania,
Cammermeyer.
Hart, Nordgermanische Reiseeiudrücke aus
Norwegen. (Tägl. Eundschau, Wissensch.
Beil. 1094, U29.)
Kittelsen, Fra Lofoten. Billeder og Text.
2. Sämling. Ki-istiania, Dybrad. Tverfolio.
4 Kr.
Haukenoes, Hardanger. Natur, folkeUv og
folketro. VII. üllenswang. Bergen, Floor.
588 S. 4,50 Kr.
Maurer, Zur Volkskunde Islands. (Zeitschr.
Ver. Volkskunde 1, 1.)
0 Svahn, Svenskt skämtlynne. Folklifsbilder,
sägner och anekdoter. Med tekningar af
E. Ljung och B. Liljefers. 2. uppl. 8.
bis 9. Heft. Stockholm, Bonnier. ä 0,25 Kr.
Sagor och Sägner, viser skrock och ordspräk
frän Vestergötland. (Särtryck ur „All-
mogelif i Vestergötland af Vestgöta lands-
smälsförening i Uppsala). Öreskrifter lir
foket. 148. 60 S. Stockholm, Bonnier.
0,30 Kr.
Linnieiis, Gothländska resa 1741. Med an-
märkningar uti oeconomien, naturalhistorien,
antiquiteter etc. Ny upplaga. 116 S. Visby
(Stockholm, Skoglund) 1890. 1,50 kr.
2. Äusseres Leben.
Troels Lund, Danmarks og Norges Historie
i Slutningen af det 16 de Aarh. Indre
Historie. XI, Dagligt Liv: Bryllup. 560 S.
Kjobenhavn, Reitzel. 9 Kr.
Mejborg, Bondesgaarde i. Eidcrsted. (Mu-
seum 1890, S. 374—92.)
— Slesvigske Bondesgaarde i det 16de, 17 de
og 18 de Aarhundrede. 1.— 4. H. Kjoben-
havn, Lehmann & Stage. h 1,.50 Kr.
— Om Bygningsstükkcr i Slesvig. Et illustre-
ret Foredrag, 32 S. 4". Kjobenhavn, Leh-
mann Ä Stage. 1,50 Kr.
Dietrichsen, De norske Stavkirker. Christiste,
nia, Alb. Cammermeyer. (Erscheint in
Heften, 14 in Umschlag.)
Bore, Bärgsmanslif i början af 1800 — talct.
Anteckningar frän nora eck lindes bärgs-
lager. Stockholm, Norstedt 1891. - Nyare
bidrag tili kännedom om de Svenska lands-
mälen ock svenskt folklif V, 7.
Islenzkar gätiir, pulur og skemtanir. 3. H.
Kaupmannshöfn , hid islenzka bdkmenta-
fjelag 1890. [Inhalt: Ölafur Davidsson,
Icikir, listir, kvedskapur etc.]
E. T. Kristensen, Den jydske almues sel-
skabeligc sammenkomster (in d. Zeitschr.
Gylland, udg. af Jessen. Aarhus. 1891).
Ett bondsbröllop pä Gotland fir 50 är sedan.
(Ny illustrerad titende 1890, S. 129.)
Guldberg, Om skandinavemes hvalfangst
(Nord-tidskr. utg. af letterstedtska före-
ningen 1890, S. 251—271).
Kniidsen Lysliolm, En alsingsk bylov. (Son-
derjyske Aarboger. 1890, S. 116—119.)
242
Laue :
3. Inneres Leben.
a) Mythologie.
3lousenr, Travaux rocents sur la mjthologie
scandinave. (Rev. d. l'hist. des religions
XXIII, 1.)
Poestion, Die alten nordischen Frühlings-
feste. Nach dem Dänischen des Troels
Lund. (Zeitschr. f Volkskunde 3, 268, 310,
349. 387, 42.% 4G4.)
Sander, Harbardsangen jänite grundtexten
tili Völuspä. Mythologiska uudersökningar.
Stockholm, Norstedt & söner. 72 S gr. 8".
M. 2,25.
Jouas Lie, Trold, en tylst eventyr. Kjoben-
havn, Gyldendal. [Novellistisch.]
Drachmaiiu, Troldtöj. Kj^ibenhavn, Bojesen.
[Novellistisch.]
porkelson, Ein isländischer Blutsegen. (Zeit-
schrift Ver. Volksk. 1, 102 f.)
Kahle, Aus isländischer Volksüberlieferung.
(Germania 24, 4 )
Lnnd, Tolo Fragmenter om Hedenskabet med
sserligt Hensyn til Forholdene i Nord-
og Mellemeuropa. I, 1. H. Kjobenhavn,
Eeitzel. 304 S. G Kr.
E. H. Meyer, Eddische Kosmogonie. Ein
Beitrag zur Geschichte des Alterturas und
des Mittelalters. Freiburg i Br. U8 S.
— Skabelseslaeren i Eddaerne af Prof. E. H.
Meyer i Freiburg ved Herrn an Anker.
Hamar (& Kristiania, Aschebourg). 30 S.
0,25 Kr.
Feilberg, ..Making Weather' in Denmark.
(Folk-lore 2, 133.)
b) Sagen.
Eirlks saga rauda og Flatoebogens Graenlcn-
dingathättr samt uddrag fra Olafssaga Trygg-
vasonar udg. f. Samfund til udg. af gammel
nord. litt. ved. , . G. Storm. Kjobenhavn,
Moellers bogtr. 2 Bl., 16 S., 1 Bl., 79 S.
[= Samfund til udgivelse af gammel nord.
Htt. Bd. 21.]
Morgenstern, Zur Überlieferung der grossen
Olafsaga Tryggvasonar. (Arkiv för Nor-
disk Filologi. N. F. IV, 2.)
Beer, Über die Orvar-Odds saga (ib. IV, 2.)
Laxdoela saga udg. f. Samfund til udg. af
gammel nord. litt. ved. Kr. Kälund. (In
3 Hftn.) Kjobenhavn, Moellers bogtr. 1889
bis 1891, 2. Bl., LXX, 372 S.) [= Samfund
ttl udg. . . Bd. 19.]
Zwei Fornaldarsögur. (Hrölfssaga Gautreks-
sonar und Asmundar - saga Kappabana.)
Hrsg. V. Detter. Halle , Niemeyer. LVI,
107 S. M. 4,00.
Die Völsungasaga. Nach Bugges Text mit
Einl. u. Glossar hrsg. v. W. Rani seh.
Berlin, Mayer u. Müller. XVIII, 216 S.
M. 3,60.
Isländische Yolkssagen. Aus d. Samml. v.
Jon Arnason ausgewählt u. aus d. Islän-
dischen übers, v. M. Lehmann-Filhes.
N. F. Berlin, ebenda. XXX, 266 S. M. 4,00.
Islendingabök, er skrifadh hetir Ari Thor-
gilsson, og Landnämabok. Büidh hefir til
prentunar Vald (imar) Asmundarson. Reyk-
javik, Kristjansson. VII, 256 S. = Islen-
dinga sögui", Nr. 1. 2.
Hardhar saga ok Holmverja. Thorleifr
Jonsson gaf iit. Reykjavik, Kristjansson.
VII, 104 S. = Islendinga sögur. Nr. 3.
Küchler, Nordische Heldensagen. Aus dem
Altisländischen übers, u. bearb. Bremen,
Heinsius. III, 264 S. M. 3,00.
Yoretzsch, Über die Sage von Ogier dem
Dänen und die Entstehung der Chevallerie
Ogier. Halle.
Cederschiöld Medeltids berättelser. Sagor,
legender ock anecdoter frän fornisländskan.
Stockholm 1885-1891, Norstedt. = Nyare
bydrag til kännedom om de svenska lands-
mälen ock svenskt folklif. V. 1
Handelmann, Zur norwegischen Sagen-
forschung. (Am Urquell II, 3).
c) Sprache.
Passy, De nordica lingua quantum in Is- ' Ross, Norsk Ordbog. Tillaeg til „Norsk Ord-
landia ab antiquissismis temporibus mutata j bog" af Ivar Aasen. Femte Hefte. Christia-
sit. Thesis. Paris, Firmin-Didot. 64 S. | nia og Kjobenhavn, Cammermeyer.
Litteratur des Jahres 1891.
243
Kristensen, Danske ordsprog og mundheld,
skjaemte sprog, stedlige taleinader, ordspil
og samtaleord Kolding. Kr. 7.
Söderwall, Ordbok öfver svenska medeltids
spräket. Tolfte haftet. Lund. 4». 120 S.
(Samliiigar utgifna af svenska fornskrift
sällskapet haft 100.)
Larsson, Ordförradet i de älsta islanska
handskrifterna, leksikaliskt ock gramatiskt
ordnat. Lund, Lindstedt. V, 438 S. 4".
M. 25,00.
— Södermannalagcns spräk I. Ljudlära.
Akad. afhandl Upsala. Stockholm. 1 BL,
158 S. 8° [- Antiqvar. Tidskr. för Sverige
XII, 3. 4.]
Hayfors, Gamlakarlebymäler. J.jud- och form-
lära samt spräkpro. Diss. Helsingfors.
122 S., 1 Kart. 8".
Nielsen, Bidrag til fortolkning af danske
stednavne. (Blandinger til oplysning om
dansk sprog i aeldre og nyere tid. II, 1.)
Hjelmquist, Naturskildringarna i den norröna
diktningen. (Antiqv. tidskrift för Sverige.
XII, 1. 2: S. 1-217.) [Darin über Orts-
und Personennamen, die auf Natureindrücke
weisen.]
Rygii, Norske stedsnavne paa lo (lä, slö, og
lignende) : Arkivförnordiskfllologie VII,244.
Specht, Das Verbum reflexivum und die
Superlative im Westnordischen. Berliner
Ing.-Diss. 1. BL, 30 S., 1 Bl.
Specht, Ein Beitrag zur nord. Grammatik. (Aus
Acta Germanica.) Berlin, Mayer & Müller.
56 S. M. 1,80.
H. F. Feilberg-, Bidrag til en ordbog over
jyske almuesmal. 7. H. KJ0benhavn, Uni-
versitets-jubikeets danske samfund.
X. Andersen, Digte i Sönderjydske Maal.
(Sönderjydskc Aarboeger. 1890, S. 294
bis 316.)
— Landsbylöje.(Flensborg Avis. 1891. Feuille-
ton.)
Wenström och Jeurling, Svenska sprakets
ordförrad eller 80000 inhemska och främ-
mande ord och naran med öfversättningar
och förklaringar jemte uttalsbeteckning
och accentuering enligt Sv. akademiens
Ijudenligaste stafsätt. Under medverkan
af Hera sprakmän utarbetad. Stockholm
Skoglund. 109G S. 4 Hefte ä 50 0re.
Peter Läles ordspräk, och av motsvarandc
svensk samling, utg. av AxelKock och
Carl av Petersens. 2. H. Kjobenhavn,
Samfund til udgivelse af gammel nordisk
literatur.
Balling, Ordsprogsloerdom. Kjobenhavn 1890.
219 S.
Hiiseby, Norske Namebog, indeholdende 300
kinde- og 500 mandsname. 40 S. Folke-
skriftselshabet. 0,30 Kr.
Lundell, SkandinaAasche Volkspoesie (Paul
Grundriss II. 1, 719 fl')
Evald Tang: Kristensen, Gamle Viser i Folke-
munde. Fjerde Samling. (Jyske Folkeminder.
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4«. Olaf Hussby. 2 Kr.
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Zu der ditmarsi sehen Fassung der Sage sind ferner zu vergleichen die Oden-
wälder Geschichte von der getreuen Frau, von Plönnies erzählt in Wolfs Zeitschr.
f. deutsche Mythologie II, 377 (dazu vergl. auch Wolf, Hausmärchen, S. 98), und
die Waldecksche Geschichte, Die treue Frau, bei Curtze, Volksüberlieferangen
aus dem Fürstentum Waldeck (Arolsen 1860, S. 141 ff). Beide Fassungen ent-
halten dasselbe Lied, wie die Ditmarscher; auch haben sie das Hemd als
Keuschheitsbeweis bewahrt. K. W.
yV^. /■ /Jans LH üci/ire/^i UstfriesI<Kn<-i-
liQ.cJ Jiep-
^a . h/i^,.<D. ticLusev ciiu J lonsejxce
'iQ 7 Hctit % in ßucUrhu-rj i^i 0"/?, en. J^/t) i-röa u t.
Fl a- y. Baus l^ fvissi/7^en.
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y^t^^
FiQ.'^^ fJaiis 177 hz\3 scrrc^cn
II 17. if^./fartLs in Bänölg.
T if- 0. Jji^tii Miis l/i^iterpo^mneT'ii
Volkstümliche Schlaglichter.
Von Wilhelm Schwartz.
(Zeitschrift I, 17. 279.)
III. Von der Farbeu- und Zahlenkenntnis des Volkes.
Wie die Naturkenntnis des Menschen, so wird auch die Farben-
kenntnis bedingt durch seinen Horizont und durch die Lebens-
beziehungen, welche ihm die Bezeichnung der einzelnen Farben zum
Bedürfnis machen. Auch hierbei erscheint der reale Hintergrund zu-
nächst als massgebend.
Tritt dies besonders charakteristisch z. B. sofort beim Färber, Gärtner
oder Maler hervor, in deren Beruf die Farben eine Hauptrolle spielen, so
gilt es doch verhältnismässig von jedem Menschen, und so ergeben sich
auch hier verschiedene Phasen in der Entwickelung des betreffenden Sinnes.
Wenn ich demgemäss in der Kette der Betrachtungen, die ich in den
„volkstümlichen Schlaglichtern" gebe, von der Farbenkenntnis rede, so
kommt es auch hier darauf an, den Gegensatz zu zeichnen, welcher in
dieser Beziehung zwischen den einfachen, natürlichen und den ent-
wickelteren Kulturverhältnissen besteht. Es gilt also auch hier, in grossen
Linien an dem eigenen Volke zu zeigen, wie von einfachen Anfängen aus
infolge reicherer Kulturentwickelung, namentlich in Tracht, Mode und
Kunst sich auf jenen Grundlagen eine reiche Fülle von Nüancierungen
auch in der Farbenkenntnis entwickelt.
Wenn die moderne Wissenschaft mehr von der Theorie der Farben,
vom Regenbogen und Spektrum und einem etwa in dieser Hinsicht sich
modificierenden Sehvermögen einzelner Menschen oder Völker ausgeht, wie
es in der sogenannten Farbenblindheit zum Ausdruck gekommen, und so
mehr schematisch die Sache ansieht, so wird unsere Betrachtung, gerade
umgekehrt, mehr historisch verfahren, indem sie der faktisch im Leben
liervortretenden Kenntnis und Bezeichnung von Farben nachgeht und dabei
als letztes Ziel eine Geschichte der Farben bei den verschiedenen Völkern
im Auge hat, die dann erst mit den Theorieen a priori sich auszugleichen
hätte.
Machen wir nach den jetzigen volkstümlichen Kreisen uns ein Bild in
betreff des Horizonts, innerhalb dessen die oben angedeutete „Bedürfnis-
frage" in Hinsicht auf Bezeichnung der Farben sich entwickelt haben
Zeitdcbrilt d. Vereins f. Volkskunde. 1692. -,„
246 Schwartz:
dürfte, so möchten als die primitivsten hierher schlagenden Bezeichnungen
die Begriffe von ^hell" und „dunkel" anzusehen sein, die mit jedem Licht-
wechsel am Himmel, namentlich dem von Nacht und Tag, sich dem
Menschen aufdrängen, dann auch innerhalb der verschiedenen Farben-
kategorieen als eine Art Gegensatz hervortreten und auch vom Volke oft
noch geradezu als Substitut für eine bestimmte Farbe angewandt werden;
so hört man z. B. oft einfach: „Sie hatte ein helles (bezw. dunkles)
, Tuch um".
Die nächste weitere Anregung zum Anwenden von Farbenbezeich-
nungen dürfte vor allem das Haar der Menschen, sowie das Fell der Tiere
und das Gefieder der Vögel gegeben haben. Hier entwickelt das Bedürfnis
schon eine grössere Mannigfaltigkeit. Erscheint der obige Gegensatz unter
der Form von „schwarz" und „weiss", so treten sofort als Übergaugsphasen
unter dem Reflex des mehr oder minder Hellen bezw. Dunklen „braun"
und „blond" (gelbrot) ein, während eine mechanische Mischung von schwarz
und weiss in „grau" erscheint.
Bei den Augen wird volkstümlich zunächst mehr der in ihnen sich
abspiegelnde Charakter, als gerade die Farbe an sich erfasst. Man spricht
von starren, rollenden, feurigen und hellen (d. h. feurig- und hellblickenden)
Augen, welche letztere der Grieche mit ekixiüi}u unser Landmann besonders
bei Mädchen mit dem Ausdruck „krill" (gTell) bezeichnet (Sie hat so reclit
krille Augen). Nur gelegentlich redet man von „so recht schwarzen" oder
„blauen Augen" (wie Vergissmeinnicht).
„Grün" schliesst sich an Laub und Gras, „gelb" und „rot" gesondert
sowie „blau" entwickeln sich weiter und reicher an Früchten und Blumen.
Wie die letzteren Farben aber gleichsam schon einem geweiterten Hori-
zont angehören, der nicht so unmittelbar auf das Lebensbedürfnis der
Menschen sich bezieht, so fasst auch noch heutzutage der Landmann sie
oft unter dem Kollektivuamen „bunt" zusammen.
Die so o-ewonnenen Farben decken etwa das erste Bedürfnis der
Menschen in ihrer natürlichen, kulturloseren Zeit, wie uns auch die An-
fänge der griechischen Farbenlehre zeigen, nur dass dort die Philosophen
sofort in dem Bestreben, die Farben prinzipiell auseinander zu entwickeln,
allerhand theoretische Betrachtungen hineintragen.
Bei der Erweiterung der Farbenbezeichnungen hat offenbar zu allen
Zeiten, sowie noch jetzt, das weibliche Geschlecht in dem ihm inne-
wohnenden Bestreben, sich und seine Umgebung zu schmücken, eine grosse
Rolle gespielt. "Wie namentlich die Mädchen dabei vor allem auf die
mannigfach gefärbten Blumen noch jetzt zurückgreifen und an ihnen ihr
Farbensinn sich entwickelt, so inehrte sich dies einst offenbar, als unter
ihren Händen allerhand bunte Gewebe entstanden und andere Gegenstände
zum Schmuck herangezogen und verziert wurden, denn „in" uml „an" dem
Bunten entwickelt sich zuerst der Geschmack.
Volkstümliche Schlaglichter. 247
Auch das bei allen Naturvölkern übliche Schminken, das ja noch nicht
völlig ausgestorben, spielte in der Verfeinerung des Farbensinnes seine
Rolle.
Namentlich aber trat und tritt durch den Handel eine grössere
Mannigfaltigkeit in den Farben ein und eine Art Scheidung zwischen
volkstümlichen und Kulturfarben, wenngleich die Grenzen sich
wieder stellenweise verwischen. Wie die Kultur den Griechen neben dem
„Blutrot" (rpni.vog, fpoivioc, rpoivrjttg, öaq^niroc) „das phönizische Rot"
(fpnlvii^ cpoivixnsic) und endlich „den Purpur" (rr.oQq^vQsoc) in ihren ver-
schiedensten Nüancierungen brachte, so auch unserer ländlichen Bevölke-
rung z. B. das bei ihr dann sehr beliebt gewordene „Lila", welches von
dem sogenannten spanischen Hollunder, dem Lilak oder blauen Flieder,
den Namen hat.
Man geht fehl, wenn man aus einer so neu auftauchenden
Farbenbezeichnung heutzutage öfter schliesst, das betreffende
Volk habe bis dahin kein Auge für die entsprechende Farbe
gehabt. Sie wurde nur erst bezeichnet, als sie in ihrer Eigentümlichkeit
in den Horizont der Menschen trat und ein Bedürfnis entstand, sie zu be-
nennen. Man kann überhaupt nicht vorsichtig genug sein, auch in anderer
Weise, aus dem Umstand, dass dieses oder jenes Volk etwas nicht mit
einem uns gäng und gäben Farbenepitheton bezeichnet, schliessen zu wollen,
das Volk habe jene Farbe nicht gekannt, wie man z. B. aus dem Umstand,
dass Homer den Himmel nicht „blau" nenne, neuerdings auf eine gewisse
Farbenblindheit des Dichters in dieser Hinsicht hat schliessen wollen. Die
Sache hängt z. B. in diesem Falle ganz anders zusammen. Wenn wir den
Himmel „blau" nennen, so ist diese Bezeichnung aus einer unmittelbaren
Anschauung entstanden, derzufolge wir den Himmel, mehr oder minder be-
wusst, als eine Wölbung, gleichsam als eine riesenhafte, die Erde deckende
Glocke, fassen, wozu die (blaue) Farbenbezeichnung sich dann als ganz natür-
lich stellt, wie auch die Römer zu der analogen Ausdrucksweise coelum (Ante
mare et terras et, quod tegit omnia, coelum Ovid. Metam. 1, 5) ganz ent-
sprechend von einem caeruleum coelum, caerulea templa coeli, d. h. einem
blauen Himmelsgewölbe reden. Den Griechen, oder genauer gesprochen, der
homerischen Zeit, fehlte aber jenes Anschauungssubstrat, wie auch unsere
Maler — eine höchst charakteristische Parallele — es nicht verwenden.
Wie diese bei einem Bilde, welches eine Landschaft darstellt, nicht vom
Himmel reden, sondern dafür den Ausdruck „Luft" gebrauchen, so thut
es auch ähnlich Homer, indem bei ihm die eigentliche Bezeichnung für
den Himmel alitriQ ist, OvQavng hingegen gleichsam erst in der Entwicke-
lung zu jenem Begriff sich befindet^). In dem aid^7J{) sahen die Griechen
1) Als mythische Person ist Uranus ursprünglich mehr vom indogermanischen Stand-
piinkt aus die „bergende nächtigende Wolke", wie es seine Parallele mit dem indischen
n*
248 Schwartz:
aber nichts Fassbares, dem sie eine besondere Farbe beilegten, sondern
bloss „die helle Luft" gegenüber der „dicken" Nebel- und Wolkenregion,
dem ai^Q. Nicht also das Blau, sondern unsere Vorstellung vom Himmel,
gleichsam als der Decke der Erde, mangelte ihnen als Ausgangspunkt einer
jene Farbe in das Bild hineinziehenden Anschauung. Sie sagten nicht,
wenn die Wolken sich wieder verzogen, „es wird schon wieder blau", son-
dern analog unserm „es klärt oder heitert sich auf" vnEQ()äyri al^qQ^ der
Äther bricht wieder hindurch^). Und wenn sie den Äther dann wirklich
lokal fassten als die Region, in der die Götter weilen, so passte auch dafür
das Prädikat „blau" ebenso wenig, wie wir auch nicht von einem „blauen"
Paradies der Seligen dort oben reden würden. Sie verliehen ihm heiteren,
ewigen Glanz, gerade wie die Edda Odhins Wohnung dort oben „golden"
schimmern lässt und auch sonst im deutschen Altertum nur von einem
„goldglänzenden" Haus oder Halle dort oben, einem „Goldberg" u. dergl.
die Rede ist (Grimm, Myth. ' 780).
Doch kehren wir zu den Farbenkategorieen zurück, wie sie das volks-
tümliche Leben uns ergeben hat.
Wir erhielten schwarz, weiss, gelb, rot, braun, blau und grün
als Produkt; von Kulturfarben etwa ausser goldig und silbern noch
lila. Gelegentlich treten einige, aus unmittelbarer Anschauung noch
stammende Modifikationen hinzu, im ganzen aber kommt das Volk mit
dem obigen aus und hilft sich in einem einzelnen Falle mit Heranzielmng
einer Vergleichung, wenn es gilt, eine besondere Nüancierung auszudrücken.
Man spricht so z. B. von raben- oder pech- schwarz, von himmelblau,
semmelblond, fuchsrot u. s. w.
Wie aber mit jedem Schritt, den ein Volk in der Kultur vor-
wärts thut, sich sein Sprachschatz weitet, so entwickelt sich auch, wie
schon angedeutet, die bis dahin einfache volkstümliche Farbenlehre zu
einer feinen Kunst, die ein geübtes Auge, viel Erfahrung und auch einen
gewissen Grad von Geschmack voraussetzt, bis zuletzt die wechselnde Mode
soviel Nüancierungen ausbildet, dass nur wenige ihnen folgen können, ganz
abgesehen von der technischen Ausbildung der Farbentheorie, welche sie
in Weberei, Gärtnerei, Malerei u. s. w. erfährt.
Varnnas zeigt, und in rton Hesiodeischen ^^y«? ovgavoi vixxn fnnywv noch nachklingt,
dann erst der Nachthimmel, wozu bei Homer das stehende Epitheton «oTf()o*(f passt, bis
zuletzt, je mehr die mythischen Beziehungen erblassten, der Name überhaupt die lokale
Bedeutung von Himmel erhielt. S. Urspr. d. Myth S. 132.
1) OvnavöOiv rf'wp' VTifnQnyri lianfTog tti&rjo, Hom. H. VI 11. 55S, oder in vollerer
Ausführung \les Bildes XVI. 297 ff.
o'ig rf'oi' «(/i' vijjrjlfis xoQV(ffji ooeog ^(ynkoio
y.iviqari nvxiv^v vtq)ikriv ajtQOTirjyfQita Zsvi,
fy. t' iifavtv naaui ay.ontal xa) nowofis axooi
xat vancd, ovoayöOty d'f<'(^ vntQQi'yr] aansioc cdf^tJQ.
Volkstümliche Schlaglichter. 249
Ich stelle in der nachfolgenden Tabelle den aus den ländlichen
Kreisen gewonnenen Hauptfarben nun die in grossstädtischen Verhält-
nissen „allgemeiner" üblichen und bekannten gegenüber, um auch auf
dem Gebiet der Farbenkenntnis den Gegensatz zu zeichnen, der bei den-
selben Grundlagen zwischen dem volkstümlichen und Kulturleben
bei uns sich entfaltet.
1. schwarz; ebenholz-, kohl-, pech-, rabenschwarz Cschwarzblau,
schwarzbraun, schwarzrot, letzteres z. B. von den völlig reifen
sauren und einigen Arten süsser Kirschen).
2. weiss; blendendweiss, creme (elfenbeiuweiss), kreide-, milch-
(blau-), schnee- und silberweiss.
3. grau; asch-, blau-, blei-, dunkel-, elefanten-, eselsgrau, fahl, hell-,
mause-, pulver-, stahl-, silber-, stein- und taubengrau.
4. blond; asch-, dunkel-, hell-, rot-, semmelblond.
5. gelb; bernsteinfarbig, chamois, citronen-, dunkelgelb, ecru (grau-
gelb), eiergelb, erbsfarbig, fahlgelb, honigfarbig, goldgelb, bronze-
farbig, isabellfarbig, ockergelb, orange, quittegelb, safrangelb, sand-
farben, schwefelgelb.
6. rot; blass-, blutrot, bordeaux, karmoisinrot, cerise, dunkelrot,
rosinenfarbig, feuer-, fuchs-, granaten-, hellrot (rosenrot), korallen-,
krebsrot, kupferfarben, lachsfarben, ponceau, purpur, rosa, rubinrot,
Scharlach, ziegelrot, zinnober.
7. braun; bismarckbraun, chokoladenbraun, dunkelbraun, havannah-
braun, kaifee-, kastanienbraun, modefarben, nuss- und olivenbraun,
rehfarben, rot- und zimtbraun.
8. grün; apfel-, blass-, blau-, dunkel-, flaschen- (glas-), gift- (Schwein-
further) grün; gras-, mai-, meer-, moos-, oliven-, papagei-, see- und
smaragdgrün ;
9. blau; dragoner- und gendarmenblau, hell- und himmelblau, indigo-,
kornblumenblau (azur-), marine-, preussisch-, saphir-, schiefer-,
stahl-, ultramarin-, veilchen- und wasserblau.
10. lila; amaranth, amethyst, heliotrop, pensee, pfirsich-, pflaum- und
Veilchenfarben, violett.
Während also das Volk, namentlich das ländliche, mit circa zehn
Farben auskommt, zeigt der entwickeltere Standpunkt der weiblichen
grossstädtischen Kreise circa 133 Nuancen derselben.
Hellwalds Ethnographische Rösselsprünge, Leipzig 1891, welche mir
während dieser Arbeit zu Händen kamen, namentlich das Kapitel über
„die Zählkunst der Völker", giebt mir Veranlassung, auch einige Be-
merkungen hierüber zu macheu, zumal gerade auf diesem Gebiete der
250 Scbwartz:
primitive Charakter der volkstümlichen und der entwickelte der
Kulturkreise sich in höchst prägnanter Weise scheidet. Reisende wun-
dern sich über die begrenzte Fähigkeit in der Kunst des Zähleus bei den
Naturvölkern. Im eigenen Volke kann jeder bei allseitiger, eingehender
Beobachtung die Erfahrung machen, dass trotz aller Schulbildung ganze
Schichten vorhanden sind, mit denen es nicht viel anders steht. Und die
Sache ist auch ganz natüi'lich.
Wenn das Faktum zunächst Kuhn und mich bei unseren Wanderungen
in Norddeutschland überraschte, dass die ländliche Bevölkerung, abgesehen
von Grossbauern, Händlern, Hirten u. dergl., namentlich aber die Frauen
nur meist innerhalb des Zahlenkreises von 1 — 30 (30 Silbergroschen machten
damals einen Thaler) und höchstens bis 100 mit einiger Sicherheit sich
bewegten, bei Angabe des Alters z. B. häufig Verwechselungen von 56
und 65, 76 und 67 und ähnlicher, höherer Zahlen stattfanden, so schwand
die Verwunderung bei weiterem Verfolgen der Sache.
Der Horizont des Menschen wird auch hier durch die Be-
dürfnisfrage bedingt. Selbst wenn der einzelne in seiner Jugend theo-
retisch das Zählen weiter gelernt hat, wenn nicht das Leben ihm weiter
Substrate für sein Denken „in Zahlen" liefert, so verkümmert allmählich
die Kenntnis, gerade wie der Mensch auch mit der Zeit eine fremde Sprache,
die er gelernt, ja sogar die Schrift (Lesen und Schreiben) verlernt, wenn
er sie nicht übt.
Die Verhältnisse und die Kultur schaffen auch hier überall bestimmte
Grenzen, ja die Individualität des einzelnen, ob er etwa sparsam und
geizig oder leichtlebig mit dem Gelde umgeht, wirken dabei mit. Schliess-
lich bietet ja auch die Natur des Menschen überhaupt, selbst in den kulti-
viertesten Kreisen, eine Grenze; denn wenn auch der Astronom oder
Banquier heutzutage mit Millionen und Milliarden auf dem Papier zu
rechnen gelernt hat, so giebt es auch für ihn einen Punkt, wo das
Ausdenken der Zahl aufhört und er die Schranke fühlt, welche den
Menschen von dem, in den Begriff des Unendlichen übergehenden Masse
trennt.
Die Grenze der Entwickelung des Zahlenkreises schliesst für jeden
Menschen eigentlich schon da ab, wo für ihn der Begriff der Vielheit an-
fängt und er damit dem Zählen zu entsagen anfängt.
Die prähistorischen Studien namentlich innerhalb der indogermanischen
Sprachen zeigen uns nun in höchst charakteristischer Weise die Stufen der
Entwickelung, welche die Kulturvölker in betreff des Begriffes der Viel-
heit durchlaufen haben, und erklären damit, wie es nicht zu verwundern
ist, wenn die Schichten der heutigen Kulturvölker, deren Leben in der
Unmittelbarkeit der täglichen Lebensbedürfnisse sich bewegt und damit
einen primitiveren Charakter bewahrt, auch immer nur mehr in den An-
fängen des Erfassens der Zahlenverhältnisse sich halte.
Volkstümliche Schlaglichter. 251
Der Begriff der Vielheit gegenüber der Einheit entwickelt sich zu-
nächst in der Konjugation, in dem Gegensatz von wir, ihr, sie gegenüber
dem: ich, du, er; einzelne von den indogermanischen Sprachen, z. B. das
Griechische, zeigen daneben noch als eine Art Übergang den Charakter
der Zweiheit in dem Dualis: wir beide, ihr beide, sie beide, doch ist er
von den meisten als unwesentlicher aufgegeben worden^).
Beim Zählen selbst treten dann verschiedene Kepräsentanteu grösserer
Zahlen als Vertreter des Begriffs der Vielheit auf. Wie uns im gewöhn-
lichen Leben noch oft hundert oder tausend so gilt, gebrauchten die Römer
trecenti, sescenti in diesem Sinne, die Griechen f.iv()toi^ was sie in dieser
Bedeutung durch die Aussprache dann von f.ivQini, 10 000, unterschieden.
Der Begriff Million als neue Grundzahl tritt erst im XV., der der Milliarde
erst im vorigen Jahrhundert auf und ist erst durch den deutsch -französi-
schen Krieg gleichsam populär geworden. Astronomen steigen zu Billionen
und Trillionen auf, doch schwindet bei alledem je länger je mehr, wie
gesagt, das Ausdenken der Zahl.
Das Volk bildet sich bei seinem einfachen, beschränkteren Verhält-
nisse, wenn es einmal genötigt wird, mit grösseren und ihm unbequemer
werdenden Zahlen zu rechnen, wieder eigene Formen aus. Die Praxis
überwiegt bei ihm. Von ersterem bietet der Verkehr mit den Berliner
Droschken, seitdem deren Nummern in die Tausende reichen, ein Bei-
spiel. Auf den Bahnhöfen werden dieselben nicht nach ihrem Zahlenwert
2456, 3678 u. s. w., sondern geteilt, 24 — 56, 36 — 78 u. s. w., aufgerufen.
Und was den zweiten Punkt anbetrifft, bei der Bruchrechnung steigen die
Berliner Käuferinnen, selbst der höheren Stände, sowie Händlerinneu nicht
zu den Achteln hinab, sondern fordern, bezw. verkaufen ein halbes, oder
anderthalb Viertel (Schinken) und dergl. mehr. Die Grundlagen des Zählens
und Rechnens sind auf dem Gebiet des Volkstums wie der Kultur die-
selben; indem sie sich aber nach den Bedürfnissen regulieren, entfalten
sie sich dort eben mehr vom praktischen, hier vom theoretischen Stand-
punkt aus verschiedentlich.
1) Hat dann sich an dem „ich", „du", „er" verschiedentlich die Dreizahl als Grund-
lage des Zählens ausgebildet, die bei einzelnen Völkern zum Duodecimalsystem führte, so
entfaltete sich bei den meisten an den Fingern und Zehen das Decimalsystem, so dass
mit Recht Hellwald von demselben sagt: das Decimalsystem, welches die moderne Welt
benutzt, das sieb auf eine nicht sehr geeignete Grundzahl stützt, da dieselbe weder durch
drei noch durch vier teilbar ist, ein Vorteil, den die Duodecimalteilung bieten würde,
gründet sich einfach auf die menschliche Anatomie und ist ein Erbstück dos Urmenschen,
das er auf dem von der Natur selbst gebotenen Rechenbrett, am eigenen Körper, aus-
gebildet hat.
252 <^Wk:
Märchen in Saxo Grammaticus.
Von Axel Olrik.
(Fortsetzung. Oben S, 117—123.)
2. Sigrid und Othar.
Saxo erzählt (YI. Buch, S. 330—34) : Sigrid (Syritha), die Tochter des
dänischen Königs Sivald, wurde von einer ganzen Schar junger Männer
geliebt; sie aber war so keusch, dass sie keinem einen Blick gönnte. In
dieser Selbstbeherrschung erbat sie von ihrem Vater, dass nur derjenige
ihr Bräutigam werde, welcher ihren Blick gewinnen könne.
Unter ihren Freiern war auch Othar, der Sohn des Ebbe; allein ihm
ging es nicht besser als den andern. Da geschah es, dass ein Riese, welcher
sich in Sigrid verliebt hatte, ein Weib zu ihr schickte, dem es gelang,
ihre Zofe zu werden und sie in den Wald zu locken, von wo sie der Riese
in seine Felsenwohnung entführte. Andere sagen, dass sie der Riese selbst
in der Gestalt eines Weibes weglockte. Als Othar dies erfuhr, durchsuchte
er alle Schlupfwinkel des Gebirges, bis er sie endlich fand, den Riesen
tötete und sie wieder aus der Höhle führte. Nochmals versuchte er die
Jungfrau zu bewegen, ihn anzublicken; aber vergebens. Sie wanderte fort
auf unbekannten Pfaden, bis sie zur Wohnung eines hässlichen Waldweibes
kam, das ihr die Ziegen zu weiden aufgab. Auch hier fand sie der treue
Othar wieder, befreite sie und wiederholte seine Bitte, lieber mit ihm zu
ihren Eltern zurückzufahren, als hier den Unholden zu dienen. Sie aber
hielt immer ihre Augen gesenkt und wanderte, während Othar zu seinen
Schiffen zurückkehrte, wieder in die Wildnis hinein. Endlich kam sie auf
ihrem Umherirren zum Hofe Ebbes, des Vaters Othars, wo sie sich, ihrer
Armut und dürftigen Kleidung schämend, für ein Bettelmädchen ausgab.
Wie entstellt sie auch war, so wurde sie doch von der Mutter Othars als
„ein Zweig edlen Blutes" erkannt und als vornehmes Fräulein aufgenommen.
Vergebens bat Othar sie, den Schleier abzulegen. Um sie noch stärker zu
versuchen, veranstaltete er zum Schein seine Hochzeit mit einem anderen
Mädchen. Abends, als sich das Brautpaar in die Hochzeitskammer begab,
sollte Sigrid die Hochzeitskerze vor ihnen tragen. Das Licht war fast
niedergebrannt, und die Flamme berührte schon ihre Finger; noch aber
stand sie still und schien keinen Schmerz zu empfinden; denn die äussere
Hitze war nichts gegen das, was sich in ihrer Seele bewegte. Da bat sie
Othar, ihre Hand zu hüten; furchtsam erhob sie da ihr Auge und schenkte
ihm ihren zärtlichsten Blick. Nun war die scheinbai-e Hochzeit zu Ende,
diu wirkliche begann und Sigrid stieg ins Brautbett. — Später kam Othar
Märchen in Saxo Grammatdcus. 253
in die Gewalt des Königs Sivald, der ihn, als den "Verführer seiner Tochter,
hängen lassen wollte; Sigrid aber erzählte alles, von da ab, als sie geraubt
worden, und versöhnte nicht nur den König, sondern bewegte ihn auch,
die Schwester Othars zu heiraten. Hiernach erzählt Saxo von einer Schlacht
gegen die Schweden, in welcher Sivald, mit Hilfe Othars, den Tod seines
Vaters rächt — und damit verschwinden alle diese Personen plötzlich aus
Saxos Geschichte, und eine neue Generation tritt auf.
Wer altnordische oder überhaupt altgermanische Heldensagen kennt,
muss sich wuudern, dass diese Sage mit anderen dergleichen so wenig
übereinstimmt. Kampf zwischen irdischen Helden kommt nur als aus-
wendig angehängter Schmuck, nicht in der eigentlichen Handlung vor.
Der Kampf in der Riesenhöhle, um eine geraubte Königstochter zu be-
freien, ist der Heldensage fremd, in den Märchen aber gewöhnlich. So
sind auch alle anderen Auftritte der Sigridsage in der Heldendichtung un-
bekannt, z. B. dass die Heroine bei einer Hexe dient, dass sie sich im
Hause ihres alten Liebhabers aufhält, ferner, dass sie an der Hochzeits-
feier teilnimmt, welche durch eine Metamorphose ihre eigene wird; — dies
alles sind Märchensituationen , und die ganze Sigridsage ist eine Reihe
solcher Auftritte.
Sehen wir einmal den ersten Auftritt an, die Befreiung der Königs-
tochter. Diesem entspricht eine ganze Gruppe von Volksmärchen; das
Märchen, welches am nächsten liegt, wird gewöhnlich „Die drei Königs-
töchter"- genannt und ist ungefähr folgenden Inhalts^): Es ist prophezeit
worden, dass die drei Töchter des Königs nicht das Haus ihres Vaters
verlassen dürfen, bis sie zwölf Jahre alt sind: das würde ihr Unglück
werden. Sie wagen sich dennoch hinaus und eine schwarze Wolke (oder
ein Wirbelwind) überrascht sie und führt sie fort. Ein Soldat zieht mit
zwei anderen aus, sie zu suchen; ein altes Weib zeigt ihnen den Weg
(oder sie sehen einen Unhold durch ein Loch im Gebirge verschwinden);
der Soldat lässt sich herabwinden, findet ein Zauberschwert und einen
stärkenden Trank, erschlägt den dreiköpfigen Riesen und bringt die drei
Köuigstöchter aus der Pelsenwohnung hervor. Die letzte Hälfte des
Märchens (worin die zwei Begleiter die Rolle des „roten Ritters" spielen)
geht uns hier nichts an. Im hier mitgeteilten Abschnitte des Märchens
mögen wir aber die vollständigere Gestalt der SigTidsage erkennen, also,
dass in dieser alles mythologisch Übernatürliche vermieden ist (der Un-
hold in der Wolke oder im Wirbelwinde, das Zauberschwert und der
Stärketrank). Nur das Herauslocken der Königstöchter entspricht nicht
1) S. Grundtvig, Ganilc daiiske minder I No. 34; J. Madseu, Folkeminder fra Hauved
sogn ved Flensburg, S. 11; Kl. Berntsen, Folkeseventyr I No. 12 u. 30; J. Kamp, Danske
folkeseventyr I No. 1 und 11; die ungedruckten Märcheusammlungen S. Grundtvigs (Kgl.
Bibliothek zu Kopenhagen) No. 5; Cavallius och Stepheus, Svenska folksagor No. 4;
Ashjörnsen og Moe I No. 3.
254 Olrik:
ganz g-enaii dem Märchen (es erinnert an Loki und Idun in der Snorra
Edda). Aber auch dieses lässt sich von unserm Standpunkte aus erklären:
der Anfang des Märchens fehlt in vielen der Aufzeichnungen, und es be-
ginnt einfach so, dass die Königstöchter plötzlich verschwunden sind und
die drei Gesellen ausziehen, dieselben zu suchen.
Dass dieses Märchen die Quelle der Sigridsage sei, halte ich für wahr-
scheinlich, aber nicht für ganz ausgemacht. Sicher scheint es mir, dass in
unserer Geschichte eine Märchen-Entlehnung vorliegt, und zwar aus einem
oder mehreren bestimmten Märchen.
Festeren Boden unter den Füssen erreichen wir, wenn wir in der
anderen Abteilung der Sage gleich auf das wichtigste Moment losgehen.
Das Mädchen, welches bei der Hochzeit seines ehemaligen Geliebten die
Hochzeitskerze trägt, und erst als diese hinuntergebrannt ist, durch den
Bräutigam erlöst und als die rechte Braut anerkannt wird, ist einem be-
stimmten Märchen eigentümlich. Es ist eine in Dänemark gewöhnliche,
aber sonst seltene Form des Märchens von der Braut des Hundes (Amor-
und Psychemärchen). Dieses kommt bei uns in drei Hauptformen vor:
1) „Der weisse Bär" oder „Der verwundete Wolf" (wo die Lösung
des Knoten durch die drei Wachnächte des Mädchens im Zimmer ihres
ehemaligen Gatten bewirkt wird); 2) „Der kleine weisse Hund", wo
die Leiden der Hundsbraut — wie in Amor und Psyche — gleich nach
der Höllenfahrt enden ^); und 3) „Der allerliebste Freund". Diese
letzte Form, welche mir in zwei gedruckten und sechs noch nicht veröffent-
lichten Aufzeichnungen vorliegt^), schliesst sich in den meisten Einzel-
heiten nahe an den „kleinen weissen Hund'^; aber das Motiv mit der
Kerze ist beigefügt und ein neuer Zusammenhang geschaffen. Der Gang
der Erzählung ist gewöhnlich folgender: Als die Hundsbraut von ihrem
Gatten verlassen ist, wandert sie durch den Wald und nimmt bei einer
Hexe Dienst. Die Hexe giebt ihr schwarze Wolle, die sie weiss waschen
soll, wenn sie ihr Leben lieb habe; dann kommt der Knecht daselbst und
verspricht ihr zu helfen, wenn sie ihn ihren allerliebsten Freund nenne.
„Einen einzigen Freund habe ich nur", antwortet sie, „und ihm will ich
treu bleiben". „Doch werde ich dir helfen", sagt er und giesst Wasser
über die Wolle, also dass sie weiss wird. Am folgenden Tage soll sie den
Schafstall reinigen. Da stand sie mit einer Mistgabel, so schwer, dass sie
sie nicht heben konnte, und wusste nicht, was anfangen. „Was weinst
1) S. Grundhig, Gamle danske minder I No. 107; Berntsen, Folketeventyi- II No. 12:
und noch sechs ungedruckte Aufzeichnungen.
2) Kristensen, Jyske Folkeminder VII No. 50; Kristensen, Folkeseventyr optagnede
of folkemindesamfundet No. 1; S. Grundtvigs Märchenmss. No. 26 e, f, h, m, n, s. Svend
Grundtvigs „Wolfkönigssohu" (Danske folkeseventyr I No. 16 = Dan. Volksmärchen, übers,
von Leo, S. 252) ist eine poetische, schöne, aber moderne Vereinigung aller drei Haupt-
formen, zum Teil vom Herausgeber gemacht, und nur durch eine volkstümliche Aufzeich-
nung gestützt.
Märchen in Saxo Grammaticus. 255
du?"' fragte der Knecht, „ich will dir helfen, wenn du mich deinen aller-
liebsten Freund nennen willst/' Sie aber wollte ihrem alten Herzens-
freunde treu bleiben. Doch half er ihr: begann den Mist auszuwerfen und
dann arbeitete die Mistgabel von selbst fort. Nochmals sagte die Hexe:
„Du musst mir aus der Hölle den Brautschmuck für meine Tochter holen."
Das Mädchen kannte den Weg garnicht, der Knecht aber zeigte ihr den-
selben, obgleich sie ihn nicht ihren Herzensfreund nennen wollte, und riet
ihr zugleich, den Dienstmägden am Ofen zu helfen, die Höllenhunde zu
füttern, die Brücke zu stützen, leise an das Thor zu klopfen, sich nicht in
den Höllenstuhl zu setzen und nichts zu essen. Allen diesen Anweisungen
folgend, kam sie mit dem Brautschmuck glücklich zurück, aber dann öffnete
sie das Kästchen und der Schmuck war fort. Da kam wieder der Knecht
zu ihr, und versprach „diesmal und noch einmal" zu helfen; und so kam
sie mit dem Schmuck zur Hexe. Nun ward die Hochzeit der Hexen-
tochter und des Knechts gefeiert, und die Hexe liess das Mädchen die
Hochzeitskerze tragen, und zauberte sie an ihre Finger fest; so folgte sie
dem Hochzeitspaare bis ans Bett. Die Kerze brannte bis auf ihre Hand
nieder, und voll von Schmerz schreit sie zum Bräutigam: „Mein Herz-
allerliebster, hilf mir doch!" Und als sie dies rief, erkannte sie ihren alten
Herzensfreund in ihm wieder, und er bekam sogleich die Macht ihre Ver-
zauberung zu heben: er nahm die Kerze von ihr weg und setzte sie auf
die Hand der Hexentochter, und die Hexentochter verbrannte, und die
Hexe verbrannte, und die ganze Wohnung der Hexe und alle Hochzeits-
gäste verbrannten, und der Jüngling und das Mädchen waren von ihnen
ganz befreit.
Ehe wir die Ähnlichkeit dieses Märchens mit der Sigridsage für unsere
Untersuchung verwerten, wollen wir einige andere Formen des Hunds-
märchens herbeiziehen. Zwei noch ungedruckte dänische Märchen -Auf-
zeichnungen (S. Grundtvig 26 g p.) erzählen, die eine: „Als die Prinzessin
die Hochzeitskerze beim Teufel geholt hatte, wurde die Hochzeit des Hundes
und der Hexentochter gefeiert. Die alte Frau giebt jener am Hochzeits-
abend die Lichter zu tragen und befiehlt, dieselben nicht fallen zu lassen;
der schwarze Hund aber riet ihr, dass sie, wenn nur noch wenig davon
übrig wäre, zur Braut gehen und sie bitten sollte, die Kerzen zu tragen;
dann sollte sie weggehen: denn wer sie zuletzt trug, konnte sie nicht los-
werden. Und so geschah es. Und die Braut verbrannte, und die Mutter
und das ganze Haus mit ihr verbrannten; nur der Hund und die Prin-
zessin blieben am Leben. „Schlag mir den Kopf ab," sagte er; sie that's,
und siehe, da stand er als Prinz da.
Die andere Aufzeichnung lautet: „Am Abend der Hochzeitsfeier des
Wolfs und der Hexentochter gebot die Alte dem Mädchen, vor dem
Hochzeitsbette Platz zu nehmen, und sie befestigte Kerzen auf seine beiden
Daumen. Dann kam der Wolf und nahm die Kerzen weg und setzte sie
256 Olrik:
an die Hexentochter; und sie verbrannte mit Mutter und Haus; der Wolf
aber wurde der Gratte der jungen Frau, wie er zuvor gewesen war." —
Der seltsame Platz der Kerzen findet sich auch in mehreren Formen des
„Allerliebsten Freundes" wieder. Nur drei Aufzeichnungen haben „eine
Kerze" oder „ein gar kleines Kerzlein"; die vier anderen haben „ein
Stückchen Wachskerze an ihre Finger fest", „drei Kerzen, so gross wie
eine Fingerspitze, ein Kerzlein zwischen jeden zweiten Finger", „zehn
Lichter zwischen ihren Fingerspitzen", „ein Kerzenstückchen an jeder
Fingerspitze".
Diese dänischen Erzählungen stehen nicht vereinzelt da. Dasselbe
Märchen findet sich mit derselben Auflösung im Sizilianischen wieder : die
Rusidda muss, eine Kerze in der Hand, am Fussende des Hochzeitsbettes
des Königs Amor sitzen, bis dieser seiner Braut sie abzulösen befiehlt:
dann zerplatzt die Kerze oder — nach gewöhnlicher Fassung — die Erde
verschlingt sie. Nach einer Variante aus den Abruzzen bekommt sie
„zehn Lichter, eins auf jeden Finger"; in der lothringischen Form trägt
sie zehn Lichter zwischen den Zehen eingesteckt^).
Das Märchen von der Hochzeitskerze findet sich also in verschiedenen
europäischen Ländern wieder. In Dänemark kommt ausser der gewöhn-
lichen Form auch eine besondere vor „Der allerliebste Freund". Wir
finden sie nur in Dänemark, Norwegen und Schweden, und sie scheint denn
spezifisch nordisch zu sein^).
Die dänische Sigridsage kann nicht die Quelle des weit verbreiteten
Kerzenmärchens sein. Das Umgekehrte muss der Fall sein. Die Ent-
wicklungsreihe ist: Kerzenmärchen (europäisch) — der allerliebste Freund
(dänisch) — Sigridsage (dänisch).
Noch in anderer Weise werden wir es wahrscheinlich finden, dass die
festgezauberte Kerze älter ist, als die zauberlose Erzählung der Sigridsage.
Wir finden sie auch als einfaches Volkssagenmotiv: Die niederländische
Legende vom heiligen Abt Bernhard zu Afslighem erzählt, dass ihn einmal
der Teufel besuchte; der Abt aber gab ihm die Kerze zu halten und zauberte,
dass er sie nicht fallen liess; der Teufel schrie laut auf, während sie seine
Hand durchbrannte, und er hütete sich wohl, wiederzukommen^).
Auch wenn wir Saxos Erzählung allein für sich betrachten, sehen wir,
dass sie nicht die ursprüngliche Form des Märchens enthalten kann. Nicht
1) Über diese Foraien des Psychemärchens siehe Cosquin, Contes populaires de
Lon-aine, No. 65. Auch ein serbisches Volkslied, welches von dem Ursprung der Sitte des
Schweigens in der slavischen Hochzeit handelt (JCrauss, Volksglaube der Südslaven, S. 8),
scheint eine Akklimatisation des gemeineuropäischen Märchens zu sein.
2) Cavallius och Stephens , Svenska folksagor No. 19 C. Professor Moltke Moe in
Kristiania hat mir freundlichst mitgeteilt, dass er in seinen ungedruckten Sanmilungen
verschiedene Aufzeichnungen desselben Märchens hat.
•i) J. W. Wolf, Niederländische Sagen, 1843, S. 556.
Märchen in Saio Grammaticus. 257
nur das Kerzeutragen, sondern die ganze Handlung entspricht der Er-
zählung des Märchens: so oft das Mädchen in Not ist, sucht sie der Lieb-
haher auf, rettet sie und knüpft seine Werbung daran. Jedesmal antwortet
sie nein, bis sie endlich, von der Kerze verbrannt, sich demütigt. Die
Schilderungen, durch welche diese Handlung ausgeführt wird, entsprechen
auch Zügen desselben Märchens: Sigrid wandert einsam durch den Wald,
bis sie zu der Wohnung einer Hexe kommt, welche ihr eine schwere
Arbeit aufträgt. Noch näher liegen sich die beiden Erzählungen von ihrem
Aufenthalt in derselben Wohnung mit ihrem Liebhaber, und dass sie an
seiner Hochzeit, welche auch die ihrige wird, teilnimmt. Die ganze Sigrid-
sage (den Anfang ausgenommen) hat nur Situationen, welche denen des
Märchens entsprechen; nur ist in der Sigridsage alles Übernatürliche ver-
mieden. Aber hier treffen wir den Unterschied: die ersten Werbungen
des „allerliebsten Freundes" knüpfen alle an eine bestimmte That an; der
Aufenthalt Sigrids bei der Waldhexe hat keine solche Aufgabe, und daher
wird Othars Besuch sehr schwach motiviert (der Dichter deckt hier die
episch schwache Stelle durch ein schönes lyrisches Gedicht). Wir dürfen
daraus schliessen, dass diese Situation einer andern Dichtung entlehnt ist;
aus dem Märchen konnte der Sigriddichter die Situation bekommen, aber
ihren Inhalt, die zauberhafte Hilfe, konnte er in seiner historischen Er-
zählung nicht verwerten.
Es scheint also festgestellt, dass die Sigridsage bei Saxo ganz ans
Märchen hervorgewachsen ist; und ich darf zum Schluss die chronologischen
Daten fixieren: Saxos Arbeit um 1200, Sigridsage wohl nicht später als um
1100, Allerliebster Freund in Dänemark vor 1100 entstanden, noch früher
Einwanderung in Dänemark des gemein-europäischen (und auch dänischen)
Hundsmärchen mit dem Kerzenmotiv. Die zwei Märchenepochen lassen
sich nicht genauer feststellen. Bemerkungswert ist es aber, dass unsere
drei Dichtungen drei verschiedene Stufen der menschlichen Greistes-
entwickelung darstellen. Im gewöhnlichen Kerzenmärchen bringt der Held
die Kerze in die Hand der Hexentochter. Das ist ganz wie in anderen
Unholdsmärchen: der Held vertauscht die Mützen seiner Brüder, und der
Riesentöchter, also dass sie an ihrer Stelle getötet werden; oder er kocht
an seiner Stelle die Hexentochter im Kessel. Dies ist die rohe Auffassung;
jedes Mittel ist ihr gut genug, das Feindliche zu überwinden, sie freut sich
des Sieges ohne alles Mitleid. Die andere Auffassung bedient sich der-
selben Zaubervorstellungen wie jene, aber sie legt nicht diu Entscheidung
in eine zufällige Benützung des Zaubers oder der Thorheit des Feindes:
das einzig erlösende Mittel ist die Liebe, die finstere Macht der Unholde
kann nur durch das Liebeswort gebrochen werden. Und dieses Motiv
wird hier poetisch weit besser verwertet, indem es die ganze Erzählung
durchdringt und durch dasselbe die Handlung zu immer grösserer Spannung
sich entwickelt. Die dritte Epoche stellt uns die Sigridsage dar. Das
258 Arendt:
Zauberhafte ist hier vermieden; die Macht, welche der Liebhaber über-
winden muss, ist keine äussere, sondern eine dem Menschen innewohnende.
Diese poetische Behandlung verwertet einen weit kleineren Teil der
Handlungsmomente als das Märchen, und die Entscheidung der Sage ist
um eine ganz kleine Bewegung — das einmalige Aufblicken — kon-
zentriert. Auch das bezeichnet sie als moderne Dichtung.
Kopenhagen.
Ein Kapitel aus dem Aber- und Geisterglauben
der Chinesen.
Von C. Arendt.
Indem ich mich anschicke, die Aufmerksamkeit des Lesers für einige
Mitteilungen aus dem Kreise der volkstümlichen Anschauungen, wie sie sich
im äussersten Osten des Asiatischen Kontinents entwickelt haben, in An-
spruch zu nehmen, muss ich im voraus bemerken, dass ich mich auch diesmal,
ebenso wie in meinem früheren kleinen Aufsatz (unsere Zeitschrift I, 325 ff.),
im wesentlichen darauf beschränken werde, das mir zu Gebote stehende
Material in authentischer Form vorzulegen, und zwar sind es im ganzen
sechs Geschichten, welche ich in ihrer traditionellen Form an der Hand der
einheimischen Quellen vorzuführen gedenke. Das gemeinsame Band aber,
welches diese für ein so abgelegenes Gebiet immerhin schon ziemlich statt-
liche Anzahl mit einander verknüpft und mich berechtigt, sie als Illustrationen
zu einem und demselben Kapitel aus dem Gebiete des chinesischen Aber-
und Geisterglaubens hinzustellen, ist dieses, dass es sich in allen Fällen
— mit nur teilweiser Ausnahme der, aber doch enge verwandten, No. 5 —
darum handelt, in welcher Weise denjenigen, der sich in gewaltthätiger
und ungerechtfertigter Weise, wenn auch nicht immer durch Mord, an dem
Leben seiner Mitmenschen vergriffen hat, durch die Wirksamkeit dämoni-
scher Kräfte die Kache ereilt. Wir werden aber die Sühne, welche dieser-
gestalt der Blutthat auf dem Fusse folgt, sich unter drei wesentlich von
einander verschiedenen Formen vollziehen sehen. Diesen drei Formen
aber wird wieder das gemeinsame und für chinesische Denkungsart charak-
teristische Merkmal anhaften, dass es mit einer, nur scheinbaren und
halben Ausnahme, nicht die erzürnte Gottheit ist, welche die Störung der
von ihr gesetzten moralischen Weltordnung mit rächender Hand sühnt,
sondern dass jedesmal entweder der gekränkte Geist des gewaltsam ums
Leben Gekommenen selber, oder aber seine Freunde und Getreuen zur
Herbeiführung der Kache dämonische Einflüsse in ihren Dienst nehmen.
Ein Kapitel aus dem Aber- und Geisterglauben der Chinesen. 259
Damit aber ist das Interesse, welches ich für meine Geschichten in
Anspruch nehmen zu dürfen glaube, noch nicht ganz erschöpft. Es handelt
sich nämlich in allen sechs Fällen um durchaus historische Persönlich-
keiten, ja um in ihrer Grundlage auf das Allerentschieden ste historische,
gut beglaubigte Thatsachen, für welche sich das Jahr und der Monat, ja
teilweise der Tag des Geschehens angeben lässt. Nur in die Ver-
knüpfung eines Teils der Thatsachen sind einzelne wunderbare Momente
hineingemischt, welche doch auch ihrerseits grossenteils wieder sich un-
schwer als psychologische Erscheinungen und also sozusagen als inner-
liche Thatsachen charakterisieren. Bedenken wir aber, dass es sich
eben durchweg um anerkannt geschichtliche Persönlichkeiten handelt, so
kommt in den auf die Ereignisse aufgepfropften Wundererscheinungen die
Art und Weise zum Ausdruck, wie der chinesische Volksgeist sich den
von ihm instinktiv als Wahrheit mehr gefühlten, als erkannten Satz,
dass die Weltgeschichte das Weltgericht sei, zurechtzulegen und
gewissermassen handgreiflich zu veranschaulichen gesucht hat. Dass ich
aber diese freischöpferische Gestaltung der betreffenden geschichtlichen
Thatsachen als ein in das Gebiet der Volkskunde fallendes Thema in
Anspruch nehme, rechtfertigt sich dadurch, dass diese Gestaltung, wie ich
glaube behaupten zu dürfen, nicht auf die individuelle Erfindung der ein-
zelnen Schriftsteller, die ich benutzt habe, zurückgeht, sondern die durch
sagenhafte Überlieferung fixierten, in der allgemeinen Denkungsart der
Menge wurzelnden und durch sie getragenen Anschauungen des chinesi-
schen Volkes repräsentiert. Dass ich mich in dieser Auffassung nicht
irre, wird, wie ich glaube, schon aus dem bei aller Verschiedenheit stets
aus denselben Ideen-Associationen sich aufbauenden Gange der Erzählungen
klar, ohne dass ich mich auf die Führung des Nachweises im einzelnen
einzulassen genötigt wäre.
Ich habe diese allgemeinen Gesichtspunkte und Betrachtungen voran-
geschickt, um nunmehr in rascher und ununterbrochener Folge die von
mir ausgewählten Erzählungen aneinander zu reihen; inwiefern durch die-
selben die von mir aufgestellten Sätze bestätigt werden, muss ich dem
kompetenten Beurteiler selbst zu erwägen überlassen.
1.
Meine erste Geschichte, welche ich dem 1. und 2. Kapitel des Histori-
schen Romans Tung Chou Lie Kuö, d. h. „Geschichte der Fürstentümer
zur Zeit der Östlichen Chou -Dynastie" entnehme, führt uns in die Jahre
785 und 782 vor Christi Geburt zurück. In China regierte damals, und
zwar bereits seit dem Jahre 827, der Kaiser Hsüan. Im erstgenannten
Jahre hatte der Kaiser die Hinrichtung seines Oberstaatsrates Tupo wegen
mangelhafter Ausführung eines ihm erteilten Auftrages befohlen und das
harte Urteil auch in der That trotz der energischen Fürbitte des Unter-
260 Arendt:
Staatsrates Tsojü vollstrecken lassen, worauf Tsojü, mit dem Hingerichteten
auf das Engste befreundet, sich selber den Tod gegeben hatte. Als der
Kaiser den Selbstmord des Tsojü erfuhr, bereute er die übereilte Hin-
richtung des Oberstaatsrates und schloss die darauffolgende Nacht kein
Auge. Er litt seitdem an krankhafter Zerstreutheit und redete oft irre.
Er ward in hohem Grade vergesslich und die Audienzen mussten häufig
o-anz ausoesetzt werden. Erst im Herbst des Jahres 782 fühlte der Kaiser
sich soweit wieder hergestellt, dass er zu seiner Erholung eine grosse Jagd
zu veranstalten beschloss. Die Jagd ging auf das glänzendste von statten
und der Kaiser Hsüän war in der heitersten Laune. Unterdessen neigte
sich die Sonne zum Untergang, die Jagd wurde für beendigt erklärt und
der Rückzug angetreten. Plötzlich überkam den Kaiser auf seiner Equi-
page ein Gefühl des Schwindels, es flimmerte ihm vor den Augen und er
sah aus der Ferne einen kleinen offenen Wagen gerade auf sich zu kommen.
Auf dem Wagen standen zwei Männer, jeder einen Bogen von roter Farbe
über den Rücken gehängt und rote Pfeile in der Hand haltend. Die
grüssten den Kaiser und sprachen: „Wie ist es Ew. Majestät seit unserer
Trennung ergangen?" Als der Kaiser genau hinsah, erkannte er in den
beiden Männern den Oberstaatsrat Tupo und den Unterstaatsrat Tsojü.
Als er sich aber voll innerer Bangigkeit die Augen rieb, um besser sehen
zu können, waren Menschen und Wagen plötzlich verschwunden. Der
Kaiser fragte sein Gefolge, ob sie irgend etwas gesehen hätten, aber nie-
mand wollte das Geringste bemerkt haben. Während nun der
Kaiser noch über den Vorfall nachgrübelte, erschienen Tupö und Tsojü
plötzlich von neuem, beständig dicht vor der kaiserlichen Equipage daher-
fahrend. Der Kaiser riss sein Schwert aus der Scheide und hieb damit
in die leere Luft. Da hörte er die Beiden mit lauter Stimme rufen:
„Deine Stunde ist gekommen, hier sind wir, uns zu rächen. Du musst
die Blutschuld mit dem Leben sühnen!" So sprecliend, spannten sie ihre
roten Bogen, legten die roten Pfeile auf und drückten ab, gerade auf des
Kaisers Herzgrube zielend. Letzterer that einen lauten Schrei und fiel
auf seinem Wagen rücklings nieder. Als er aus seiner Betäubung erwachte,
klagte er über Beklemmungen in der Gegend des Herzens. Man kelirte
darauf eilends nach der Stadt zurück und trug den Kaiser in den Palast.
Der „Greis mit dem wallenden Barte" sagt darüber in einem seiner Ge-
dichte: „Sie kamen mit rotem Bogen und roten Pfeilen, wie Götter anzu-
schauen; mitten im Jagdgefolge fuhren sie wie im Fluge liin und her" u. s. w.
Der Kaiser aber konnte sich von der Erschütterung, die er erlitten hatte,
nicht wieder erholen. Sobald er seit dem erzählten Ereignis die Augen
schloss, glaubte er den Tupo und den Tsojü vor sich zu sehen. Er wusste
selber reclit gut, dass er nicht wieder genesen würde. Er weigerte sich
Arzenei zu nehmen und starb bald darauf. -^
Ein Kapitel aus dem Aber- und Geisterglauben der Chinesen. 261
Diese einfache Erzählung, die nichts specifisch Nationales bietet, lässt,
die geschilderten Yorgänge als Thatsachen aufgefasst, recht gut eine rein
psychologische Erklärung zu, wobei besonders darauf hinzuweisen, dass
das Gefolge des Kaisers garnichts Auffälliges bemerkt hat. Nur der
verhältnismässig lange Zeitraum, welcher zwischen der That und der Ver-
geltung liegt, ist auffallend. Man sucht nach einem speciellen Anlass der
Geistererscheinungen gerade bei der Jagd. Vielleicht ist in der Über-
lieferung hier eine Lücke.
Der Roman, dem ich die Geschichte entnommen, rührt wahrscheinlich
aus der Zeit zwischen 1621 und 1645 her, aber der „Greis mit dem
wallenden Barte", dessen Verse oben citiert worden sind, d. h. Su-tung-p ö,
einer der chinesischen Dichterheroen, dem wir eine Unzahl historischer
Epigramme verdanken, lebte von 1036—1101, und seine Verse beweisen,
dass zu seiner Zeit die Tradition schon ein Gemeingut des Volkes ge-
wesen sein muss.
2.
Die zweite Erzählung, der ich mich jetzt zuwende, gehört insofern in
dieselbe Kategorie wie die erste, als auch hier die Seele des Erschlagenen
ihren Rachezweck nur dadurch erreicht, dass sie den Thäter als Geister-
erscheinung verfolgt und ihm keine Ruhe und Rast gönnt.
Im Jahre 200 nach Christus befand sich ein gewisser Sun Tse in
bereits damals ziemlich unbeschränktem Besitz der Landschaft Wu, d. h.
der Gegenden am unteren Yang-tse, da, wo jetzt Nanking und Shanghai
liegen. Er war ein junger Mann von nur 26 Jaln-en, von ritterlicher Ge-
siimung, aber gar ungeduldigem Temperament. Einstmals, als er seine
Offi eiere zu einem Gastmahl um sich versammelt hatte, geschah es, dass
ein grosser Teil seiner Gäste plötzlich mitten während des Weingelages
den Stadtturm, in welcliem dasselbe stattfand, verliess und auf die Strasse
hinabstieg. Auf Befragen erfulir Sun T'se alsbald, es sei der Wundermann
Yüchi, welcher eben unten am Turme vorübergegangen sei, der soviel
Anziehungskraft auf seine geladenen Gäste ausgeübt habe, — Yüchi, welcher
schon seit einer Reihe von Jaliren mittels seines heilkräftigen Zauber-
wassers der leidenden Menschheit viele Wohlthaten erwiesen habe. Sun
T'se, ärgerlich über die Störung seines Gastmahls und auch sonst aus
inneren und äusseren Gründen ein entschiedener Gegner solchen Treibens,
welches er für eitel Zauberei und Blendwerk erklärte, liess den Wunder-
mann vor sich bescheiden und derselbe missfiel ihm so sehr, dass er seinen
Dienern alsbald befahl, ihn niederzumachen. Nur durch die Fürbitten
seiner Gäste wurde er bewogen, von der Vollstreckung dieses Urteils ab-
zustehen und sich damit zu begnügen, den Yüchi ins Gefängnis zu werfen.
Yüchi stand ancli in dem Rufe, imstande zu sein, durch seine Gebete Wind
und Regen herbeizuführen. Da nun gerade damals eine anhaltende Dürre
Zeitschrifi U. Vereins I'. Volkskuude. 1892. 18
262 AroiKlt:
in Wu eingetreten war, gestattete Sun T'se, wiederum auf inständiges Bitten
seiner Officiere, dem „Wundermann", seine Kunst zu zeigen. Yüchi ver-
sprach denn auch, dreissig Zoll Regen vom Himmel lierunterzuflehen. Sun
T'se gewährte ihm zu diesem Zweck eine Frist bis Mittag; wenn er bis
dahin sein Wort nicht eingelöst habe, solle er den Flammentod erleiden.
Da nun bis unmittelbar vor Mittag zwar schwarze Wolken sich am Himmel
zusammengeballt haben, aber noch kein Regen eingetreten ist, so lässt
Sun T'se den Yüchi in der That auf den bereits fertig aufgeschichteten
Scheiterhaufen schleppen und diesen an allen vier Ecken anzünden. Da
aber fängt der Regen au, sich in Strömen aus den Wolken zu ergiessen,
die Strassen der Stadt verwandeln sich in rauschende Bäche. Genau
30 Zoll fallen, dann klärt der Himmel sich wieder auf. Das Yolk, ein-
schliesslich des persönlichen Gefolges und der Officiere des Sun T'se selber,
trägt den Yüchi im Triumph vom Scheiterhaufen herunter, befreit ihn von
seinen Ketten und fällt mitten im strömenden Wasser anbetend vor ihm
zur Erde nieder. Gerade hierüber wird Sun T'se auf das äusserste erbost,
er erklärt den Wundermann für einen mit bösen Mächten im Bunde
stehenden Zauberer und Rebellen, der ihm die Herzen des Volkes ab-
wendig mache, und lässt ihn in der That an Ort und Stelle hinrichten.
Der Geist des Getöteten aber entschwebt sichtbar in Gestalt einer nebel-
artigen, weissgrauen Dunstsäule. Sun T'se lässt den Leichnam zur War-
nung für alles Volk öffentlich auf dem Marktplatze ausstellen, aber in der
Nacht bricht ein furchtbares Ungewitter los, und am folgenden Morgen ist
der Leichnam Yüchis spurlos verschwunden. Sun Tse will darauf im Zorne
die Soldaten, denen die Wache anvertraut gewesen war, hinrichten lassen:
da plötzlich sieht er einen Menschen gemessenen Schrittes auf die offene
Vorhalle seines Palastes zukommen; als er näher hinsieht, erkennt er in
ihm den Yüchi. Li aufloderndem Zorn zieht Sun T'se sein Schwert, noch
ehe er aber zimi Hiebe ausholen kann, fällt er ohnmächtig zu Boden und
erholt sich nur langsam.
Als er in der darauffolgenden Nacht in seinem Bette liegt, erhebt sich
plötzlich ein geheimnisvoller Luftzug: die Lampe erlischt von selber und
flammt dann von selber wieder hell auf, — im Schatten des Lampenlichts
aber sieht er den Yüchi vor seinem Bette stehen. Sun T'se schreit ihn an:
„Ich habe geschworen, solange ich lebe, dem mir verhassten Geisterspuk
überall, wo er mir vorkommt, den Garaus zu machen; wie also kannst du.
ein dem Schattenreich angehöriger Geist, es wagen, mir nahezukommen?"
So sprechend, ergriff er das am Kopfende seines Bettes befindliche Schwert
und warf es nach Yüchi; aber siehe da: dieser war plötzlich verschwunden!
— Auf die inständigen Bitten seiner Mutter, die er sehr liebte, begiebt
sich Sun T'se nun nach dem Kloster Yüch'ingkuän, um die zürnenden
Manen des Yüclii durch Verbrennen von Weihrauch zu versöhnen. Aber
der stolze Mann kann sich wohl dazu entsohliessen, den Weihrauch zu
Ein Kapitel aus dem Aber- und Geisterglauben der Chinesen. 263
verbrennen, aber nicht, sowie es die Ceremonien erfordert hätten, sich
huldigend auf die Erde niederzuwerfen. Da ballen sich die aus dem
Räucherbecken senkrecht aufsteigenden Wolken kuppelartig zusammen,
und oben auf ihnen sitzt Yüchi in aufrechter Haltung. Sun T'se speit vor
ihm aus und verlässt unter Schmähungen das Kloster. Vor dem Thor der
grossen Klosterhalle aber trifft er wiederum den Yüchi, welcher, dort
stehend, ihm zornige Blicke zuwirft. Sun T'se fragt seine Begleiter, ob
sie auch die Erscheinung gesehen? Sie alle antworten verneinend. Da
zieht Sun T'se wiederum sein Schwert aus der Scheide und wirft damit
nach Yüchi, das Schwert aber verfehlt sein Ziel und trifft vielmehr einen
Mann aus Sun T ses eigenem Gefolge. Dem ist die Spitze gerade in das
Gehirn gedrungen und er sinkt tot zu Boden. Als man näher zusieht, ist
der Getroffene kein anderer, als der Soldat, welcher auf Sun
T'ses Befehl das Todesurteil an Yüchi vollstreckt hatte. Als
nun Sun T'se das äussere Thor der das Kloster umgebenden Mauer passiert
hat, trifft er den Yüchi, welcher dasselbe Thor nach innen zu in der Rich-
tung auf das Kloster durchschreitet. „Dies Kloster," ruft Sun T'se, „ist
ja nichts als ein Zufluchtsort für böse Geister." Er bleibt also dort vor
dem Thore und lässt 500 Mann Soldaten kommen, welchen er das Kloster
einzureissen befiehlt. Kaum aber sind dieselben auf das Dach gestiegen,
um ihr Zerstörungswerk zu beginnen, als auch Yüchi auf dem Dache er-
scheint und von dort Ziegelsteine zur Erde wirft. Jetzt befiehlt Sun T'se
in gesteigertem Zorne, die Priester aus dem Kloster hinauszuwerfen und
dieses zu verbrennen. Mitten aber in den lodernden Flammen erscheint,
vom Feuerglanz umflossen, Yüchi von neuem. Als nun Sun T'se, ausser
sich vor Zorn, in seinen Palast zurückkehren will, steht wiederum Yüchi
aufrecht vor dem Palastthor. Da steht Sun T'se davon ab, seinen Palast
zu betreten; er sammelt sein ganzes Kriegsheer um sich und schlägt vor
den Stadtthoren sein Lager auf, um sich zu einem Feldzuge, den er schon
längst im Sinne gehabt hatte, zu rüsten. Aber schon in der ersten Nacht,
die er in seinem Feldherrnzelte zubringt, erscheint ihm mit aufgelöstem
Haupthaar auch dort der Geist des Yüchi, und weithin durch das Lager
hört man ohne Unterbrechung die Zurufe ertönen, durch welche Sun Tse
das Gespenst zu verscheuchen und aus seiner Nähe zu weisen bemüht ist.
— Am folgendf'ii Morgen folgt Sun T'se einer dringenden Aufforderung
seiner Mutter, sie im Palaste zu besuchen. Mit fieberglühendem Antlitz
tritt er ihr entgegen. „Mein Sohn," sagt die Mutter erschreckt, „Du siehst
ja ganz entstellt aus." Sun T'se nimmt einen Spiegel zur Hand und sieht,
dass er wirklich ganz abgemagert aussieht. Er erschrickt und sagt zu
den Leuten seiner Umgebung: „Wie kommt es denn, dass mein Antlitz
dermassen von der Fieberhitze afficiert ist!" Noch aber hatte er nicht
zu Ende geredet, als er plötzlich den Yüchi mitten im Spiegel
stehen sieht. Kr führt einen Faustschlag nach dem Spiegel und fällt
18*
264
Arendt:
mit einem lauten Schrei zu Bodeu, während die Wunden, die er vor einiger
Zeit bei einem gegen ihn gerichteten Attentat erhalten hatte und die noch
nicht völlig geheilt waren, wieder aufbrechen. Als er von seiner Ohn-
macht endlich wieder zu sich kommt, sagt er selber: „Meine Lebensfrist
ist abgelaufen".
Sein Wort wurde wahr. Er schied kurze Zeit darauf aus diesem
Leben, nachdem er vorher seinen jüngeren Bruder, den hochberühmten
Sun Ch'üän, zu seinem Nachfolger eingesetzt hatte. Diesem gelang es, im
Laufe der Zeit seine Machtsphäre immer weiter auszubreiten; das ganze
südöstliche China fiel ihm zu, im Jahre 222 nahm er den Titel eines
Königs von Wu an; seine Residenz war in Nanking, dort regierte er bis
zu seinem Lebensende, im Jahre 228.
Die obige Erzählung, welche ich in abgekürzter Form aus dem
Sankuöchih, d. h. aus dem 29. Kapitel der „Geschichte der drei Reiche",
des beliebtesten Yolks- und Heldenbuches der Chinesen, entnommen habe,
zeigt, obgleich sie noch entschieden zu derselben Kategorie wie die erste
gehört, doch schon eine Anzahl ihr eigener, charakteristischer Züge; am
bemerkenswertesten für uns aber ist in ihr das offenbare Bestreben, rein
seelische Vorgänge zu veräusserlichen und als etwas Gesondertes, der greif-
baren Wirklichkeit Zugehöriges, hinzustellen. Steht somit unsere zweite
Geschichte an innerer Wahrheit und schlichter Hervorhebung des Wesent-
lichen hinter der ersten zurück, so ist doch die Darstellung eine, wie mir
scheint, ausserordentlich packende, und der letzte Zug, die Erscheinung
von Yüchis Bilde im Spiegel, ein geradezu bewunderungswerter Ab-
schluss, über welchen hinaus eine Steigerung mit Recht nicht versucht
worden ist.
3.
Ich gehe nun zu der zweiten Form des auf mein specielles Thema
bezüglichen chinesischen Aber- und Geisterglaubens über, welche, wie ich
glaube, durch ihre Originalität ein holies Interesse beanspruchen darf, und
ich bin in der That gespannt, von Kundigeren als ich zu erfahren, ob sich
ein ähnlicher Yorstellungskreis auch noch bei irgend einem anderen Volke
nachweisen lässt.
Die übrigens kurze Geschichte, die ich als Beispiel wähle, steht im
7. Kapitel des schon erwähnten Romans Tung Chou Lie kuö und fällt in
die Regierungszeit des Herzogs Chuang von Cheng, welcher den Thron
dieses damals bedeutenden, in der jetzigen Provinz Honan gelegenen Staates
von 743 — 701 vor Chr. innehatte.
Zwischen zwei höheren Officieren des Herzogs Chuang hatte schon
seit lange Eifersucht, die in Feindscliaft auszuarten drohte, bestanden.
Beide waren verdiente und tapfere Männer, der eine liiess Ying-k'ao-slni,
der andere, ein Verwandter des herzoglichen Hauses, füln-te den Namen
Ein Kapitel aus dem Aber- und Geisterglauben der Chinesen. 265
Kungsun E oder Kungsun Tszetu. Er ist der Nireus der chinesischen
Heldensage. Mencius erwähnt seiner mit den Worten: „Wer von der
Schönheit des Tszetu nichts weiss, der hat keine Augen." Bei einem
Feldzuge, welchen der Herzog Chuang gegen den kleinen Staat Hsü unter-
nahm, gelang es dem Ying-k'ao-shü, die Fahne seines Herzogs in der Hand
haltend, als Erster die Mauer der feindlichen Stadt zu erklimmen. Als
Kungsun E dies sah, wurde er von Neid erfüllt; mitten im dichten Haufen
fixierte er den Ying-k'ao-shü mit sicherem Blick; sausend flog der ver-
räterische Pfeil; Ying-k'ao-shüs Schicksal musste sich eben erfüllen; gerade
im Rückgrat getroffen, taumelte er hintenüber und fiel mit der Fahne zu-
gleich rücklings von der Mauer herunter. Die andern Officiere von Cheng
aber, als sie den Ying-k'ao-shü , wie sie glaubten, von feindlicher Hand
fallen sahen, wurden nur mit noch mehr Kampfesmut erfüllt und die Er-
oberung der Stadt gelaug ohne Schwierigkeit. Als sich aber später heraus-
stellte, dass Ying-k'ao-shüs Wunde sich im Rücken befand, wurde natür-
lich allseitig Yerdacht rege. Der Herzog Chuang konnte den Gedanken
an diesen Zwischenfall garnicht los werden und als er in seine Hauptstadt
zurückgekehrt war, beschloss er, den Thäter, den niemand zu nennen
wusste, unter allen Umständen zu entlarven. Er befahl daher eines Tages
allen, die au dem Feldzuge gegen Hsü teilgenommen hatten, sich in Trupps
von je hundert Mann zu ordnen. Jeder Trupp von hundert musste ein
Schwein mitbringen, welches feierlich geschlachtet wurde. Je 25 Mann
ferner mussten sich in eine Reihe stellen und je einen Hund und ein Huhn
als Opfer schlachten. Zugleich wurde ein Priester herbeigeholt, welcher
Beschwörungsformeln recitieren musste. Kungsun E aber, der Mörder des
Ying-k ao-shü, lachte im stillen über alle diese Vorbereitungen.
Nachdem das Recitieren der Beschwörungsformeln drei Tage lang fort-
gesetzt worden war, begab sich der Herzog Chuang selber in Begleitung
aller seiner Minister und höheren Beamten an Ort und Stelle, worauf die
Beschwörungsformeln verbrannt wurden. Hierzu ist zu bemerken, dass das
Yerbrennen von Gebeten und ähnlichen Kundgebungen noch jetzt in China
üblich ist und ein uralter Gebrauch der chinesischen Staatsreligion zu sein
scheint. Jedoch fahren wir in unserer Erzählung fort.
Nachdem die Beschwörungsformeln verbrannt waren, sah man plötzlich
— offenbar meint der Schriftsteller, als Wirkung dieser Ceremonie —
einen Mann mit aufgelöstem Haar und verstörten Gesichtszügen gerade
auf den Herzog Chuang zueilen, vor demselben niederknieen und also
sprechen:
„Ich bin dein Unterthan Ying-k' ao-shü, der die Mauer von Hsü er-
klommen hat. Wodurch habe ich mich am Lande vergangen? Aber der
böswillige Tszetu (d. h. Kungsun E) hat mich aus Neid und Eifersucht
meuchlings durch einen Pfeilschuss getötet. Deshalb habe ich zu Shangti
(dem höchsten Gotte des Himmels) gefleht, und Er hat mir versprochen,
266 Aioiidt:
meinen Mörder zu bestrafen. Dir aber, mein Herzog und Herr, bin icli
noch im Tode dankbar, dass du meiner gedacht hast."
Nachdem er so gesprochen hatte, fuhr er mit der Hand in seine Kehle
hinein. Aus der Kehle floss ein Blutstrom hervor, und tot sank er zu
Boden.
Der Herzog Chuang, der bereits erkannt hatte, dass dieser Mensch
kein anderer als Kungsun E war, rief sogleich um Hilfe. Aber es
war schon zu spät, das Leben war für immer entflohen.
Die Seele des (ermordeten) Ying-k'ao-shü nämlich war in
den Körper (seines Mörders) des Kungsun E hineingefahren,
um Kache an ihm zu nehmen, und hatte ihn gezwungen, sich
selber vor dem Herzog Chuang als Thäter zu erkennen zu
geben.
Ich bemerke ausdrücklich, dass die gesperrt gedruckten Worte, welche
den Schlüssel zu dem Verständnis des Vorganges geben, gleichfalls — und
zw^ar wörtlich so — im chinesischen Original stehen.
Der Weise von Lunghsi — schliesst unsere Erzählung — tadelt den
Herzog Chuang in einem Gedicht (oder Epigramme), in welchem es heisst:
„Hätte der Herzog es verstanden, unter seinen Beamten die Scheu
vor Verletzung der Gesetze aufrecht zu erhalten, so hätte er es nicht nötig
gehabt, mit Opfern von Hühnern und Hunden die himmlischen Mächte
anzuflehen."
Über den „Weisen von Lunghsi" kann ich keine weiteren Angaben
machen, als dass Verse von ihm in der „Geschichte der Fürstentümer"
mehrfach citiert werden; aus dem obigen Citat aber geht hervor, dass die
Sage von der Art und Weise, wie der Mörder des Ying-k'ao-shü entdeckt
wurde, zur Zeit der Entstehung der Verse bereits allgemein in den ge-
bildeten Kreisen des chinesischen Volkes im Umlauf gewesen sein muss,
denn die fast änigmatische und aus lauter nur dem Wissenden verständ-
lichen Anspielungen bestehende Kürze solcher chinesischen Epigramme
mit historischem Hintergrund setzt bei dem Leser mit Notwendigkeit die
genaue Kenntnis der Ereignisse, auf die sie sich beziehen, voraus.
In der vorstehenden Erzählung nun sehen wir die „halbe" und „nur
scheinbare Ausnahme'* vor uns, von welcher ich oben sprach, denn
allerdings liegt hier ein Eingreifen der Gottheit vor, aber sie greift nicht
aus eigenem Antriebe ein, sondern auf inständiges Bitten der Seele des
Ermordeten, wozu noch die vom Herzog Chuang anbefohlenen Ceremonien
kommen müssen, um — so scheint es — dieses Eingreifen überhaupt zu
ermöglichen.
Das eigentlich Interessante bei unserer Geschichte aber ist, wie ich
schon angedeutet habe, der eigentümliche Vorstellungskreis, welcher sich
hier vor uns entrollt, und ich wiederhole daher die Frage, ob sich etwas
Ähnliches bei einem andern Volke nachweisen lässt?
Eiu Kapitel aus dem Aber- und Geisterglauben der Chinesen. 267
4.
Ein ganz genau entsprechender zweiter Fall, wo der Geist des Er-
mordeten von dem Mörder Besitz ergreift, um diesen gleichzeitig zu ent-
larven und zu töten, ist mir auch aus der chinesischen Litteratur nicht
bekannt, wohl aber zwei andere Geschichten, welche in dieselbe Kate-
gorie gehören und zu deren erster ich jetzt übergehen will. Diejenigen
Teile derselben, auf welche ich hier näher eingehen muss, finden sich im
13. und 14. Kapitel der „Geschichte der Fürstentümer".
Die jetzige Provinz Shantung bildete zu der Zeit, von der wir hier
reden, zwei Herzogtümer, das nördlichere T'si und das südlichere Lu mit
Namen. Der Herzog Hsi von T'si, welcher von 730 — 698 vor Chr. regierte,
hatte zwei ebenso sehr durch ihre Schönheit, wie durch ihre Sittenlosig-
keit ausgezeichnete Töchter, Hsüan Chiang und Wen Chiang. Hier haben
wir es nur mit der letzteren zu thun. Sie war mit dem Herzoge Huän
von Lu vermählt, dessen Regierung in die Jahre 711 — 694 fällt. Dem
Herzoge Hsi von T'si folgte im Jahre 698 sein Sohn Chu Örh, welcher
in der Geschichte unter dem (posthumen) Namen „Herzog Siäng von
T'si" bekannt ist. Er war ein Halbbruder der Wen Chiang. Schon vor
Wen Chiangs Vermählung hatte eine über die Geschwisterliebe hinaus-
gehende Zuneigung zwischen den Beiden bestanden, und als im Jahre 694
der Herzog Huän von Lu mit seiner Gemahlin einen Besuch in T'si machte,
traten der Herzog Hsiang von T'si und seine Halbschwester Wen Chiang
in ein jeder Sitte hohnsprechendes Verhältnis zu einander. Das Vor-
gefallene aber blieb dem Herzoge Huän nicht verborgen, und um sich vor
der Rache des Gekränkten zu schützen, liess nun der Herzog Siäng seinen
herzoglichen Gast durch einen seiner Getreuen, den Kungtsze (d. h. Prinzen,
oder vielmehr wörtlich: Herzogssohn) P'engsheng ermorden. Nach einem
Abschiedsmahle nämlich, welches der Herzog Siäng seinem Gaste, dem
Herzoge Huän, gegeben und an welchem dieser letztere gezwungen teil-
genommen hatte, musste P'engsheng den Halbtrunkenen zu Wagen in die
ihm zur Verfügung gestellte Gastwohnung zurückgeleiten, und auf dem
Wege dahin wurden ihm von P'engsheng die Rippen eingedrückt. Mit
einem lauten Schrei hauchte er, während ein Blutstrom seinem Munde ent-
quoll, sein Leben aus. Ihm folgte als Herzog von Lu sein und Wen Chiangs
Sohn, der Herzog Chuang, welcher von 693—662 regierte. In T'si aber
trafen alsbald Boten aus Lu ein, einerseits, um den Leichnam des er-
mordeten Herzogs Huän nach Lu zurückzugeleiten , andererseits um ein
im Namen der sämtlichen Minister von Lu abgefasstes, an den Herzog Siang
gerichtetes Schreiben zu überreichen, welches seinem wesentlichen Inhalte
nach lautete wie folgt:
„Vor einiger Zeit hat unser erhabener Fürst sein T^and. wo er
glücklich lebte, verlassen, um in T'si einen Besuch zu machen. Er
268 Arendt:
ist gegangen, aber nicht wieder zurückgekommen. Auf Strassen und
Wegen schwirren Gerüchte. Jedermann spricht von dem grossen
Unglück, das sich im Wagen ereignet, aber von einem Bestraften ist
nichts zu hören. Das macht uns Schande bei allen Nachbarstaaten
ringsum. Wir bitten, dass P'engsheng die That mit dem Leben
sühne."
Als der Herzog Siäng den Brief zu Ende gelesen hatte, liess er so-
gleich den P'engsheng zu sich bescheiden. P'engsheng, im Bewusstsein
des erworbenen Verdienstes, trat mit erhobenem Haupt ein. Da schmähte
ihn der Herzog Siäng in Gegenwart der Gesandten von Lu, warf ihm den
plötzlichen Tod des Herzogs Huän, der seiner Obhut anvertraut gewesen
sei, vor, und befahl den umstehenden Dienern, ihn gebunden auf den
Richtplatz zu führen und zu enthaupten. Ehe er aber abgeführt wurde,
rief P'engsheng mit lauter Stimme: „Nachdem du zu deiner eigenen
Schwester in ein unerlaubtes Yerhältnis getreten, hast du den gewaltsamen
Tod ihres Gatten herbeigeführt. Jetzt versuchst du die Schuld auf mich
zu wälzen. Wenn ich aber nach dem Tode Bewusstsein behalte,
so möge ich zum Rachegeist werden, der dir bis in den Tod
nachstellt!" Der Herzog Siang hielt sich die Ohren zu, um die Ver-
wünschung nicht zu hören, die Umstehenden aber lachten.
Das unerlaubte Verhältnis zwischen den Geschwistern wurde auch nach
diesen Ereignissen — zuletzt ganz offen vor aller Welt Augen — fort-
gesetzt. Einige Jahre nach den erzählten Vorfällen aber schickte der
Herzog Siäng von T'si eine Garnison unter den Befehlen zweier Officiere,
Lien Ch'eng und Kuän Chih-fü, nach einem Orte namens K'we-ch'iu, wo
sie Grenzwacht halten und einem etwa nahenden Feinde die südwestliche
Strasse verlegen sollten, denn von dort aus hatte der Herzog Siäng aus
Ursachen, die uns hier nicht interessieren, Grund, einen Angriff auf sein
Land zu erwarten. Es scheint, dass ICwe-ch'iu in einer unwirtlichen Ge-
gend lag, denn die Officiere fragten, ehe sie sich auf den Weg machten,
den Herzog, wann sie auf Ablösung zu rechnen hätten, und dieser, welcher
gerade dabei war, Melonen zu essen, antwortete: „Jetzt ist gerade die Zeit,
wo die Melonen reif sind. Wenn im nächsten Jahre die Melonen wieder
reif sind, werde ich euch ablösen lassen."
Als im nächsten Jahre die Zeit eingetreten war, wo sie ihres müh-
samen Dienstes hatten enthoben werden sollen, ohne dass der Herzog Siäng
das Geringste von sich hören liess, schickten die beiden Hauptleute einen
Boten an ihn, um ihn unter gleichzeitiger Überreichung einer Anzahl reifer
Melonen an sein Versprechen zu erinnern. Der Bote wurde aber sehr
ungnädig empfangen und mit dem Bescheide entlassen, die Festsetzung
des Zeitpunktes für die Ablösung hänge von des Herzogs freiem Willen
ab; sie möchten nur in K'we-ch'iu bleiben, bis die Melonen wiederum reif
geworden sein würden. Die Hauptleute beschlossen, für diese Behandlung
Ein Kapitel aus dem Aber- und Geisterglauben der Chinesen. 269
blutige Rache zu uelimeu und knüpften zu diesem Zweck Verbindungen
mit anderen unzufriedenen Elementen in der Hauptstadt an.
Im Spätherbst des Jahres 686 vor Chr. machte sich der Herzog Siäng
auf den Weg, um auf dem Berge Pech'iu in der Wildnis von Kufen eine
grosse Jagd abzuhalten. Eine Nacht wurde in der herzoglichen Villa zu
Kufen zugebracht, am folgenden Morgen ging es zum Berge Pech'iu. Der
Herzog liess seinen Wagen auf einem hohen Hügel Halt machen und be-
fahl dann, den Wald in Brand zu stecken. Dann ward das Treiben be-
gonnen. Die Pfeile flogen, die Jagdfalken und Hunde wurden losgelassen,
die Flamme prasselte, der Wind sauste, der aufgescheuchten Füchse und
Hasen Geschlecht lief in allen Richtungen durcheinander.
Plötzlich kam ein grosses Wildschwein, wie ein Stier ohne Hörner
oder wie ein Tiger ohne Streifen anzusehen, aus dem Feuer herausgestürzt,
rannte geraden Weges den Hügel hinan und setzte sich dort gerade vor
dem Wagen des Herzogs auf die Erde nieder. Die meisten Begleiter des
letzteren waren zu dieser Zeit mit der Verfolgung des Wildes beschäftigt,
nur sein Vertrauter und Liebling Meng-yang nebst wenigen anderen befand
sich an seiner Seite. Da blickte der Herzog den Meng-yang an und for-
derte ihn auf, einen Pfeil auf das Schwein abzudrücken. Meng-yang aber
sah das Tier mit weit geöffneten Augen an, bekam einen grossen Schreck
und sprach: „Das ist ja kein Schwein; es ist der Kuugtsze P'engsheng."
(Man erinnert sich, dass dies der Mann war, der im Auftrage des Herzogs
Siäng den Fürsten von Lu ermordet hatte und dann auf Befehl des Her-
zogs selber hingerichtet worden war.) Die Worte Meng-yangs versetzten
den Herzog in Zorn, er riss seinem Begleiter den Bogen aus der Hand
und spannte mit den Worten: „Ha! wagt P'engsheng sich vor mir zu
zeigen?" selber die Sehne. Drei Pfeile schoss er hintereinander ab, aber
sie verfehlten alle ihr Ziel. Das Wildschwein aber stellte sich auf die
Hinterbeine, machte mit den beiden Vorderpfoten eine bittende Bewegung
und schritt wie ein Mensch vor dem Herzoge auf und ab, während es ein
lautes und klägliches Heulen ertönen liess. Dem Herzog Siäng standen
die Haare zu Berge, ein Schauder fuhr ihm bis in das Mark seiner Knochen,
er stürzte der Länge nach aus dem Wagen herab auf die Erde, verletzte
sich dabei den linken Fuss und verlor den einen, mit Seide durchwirkten
Schuh; der Schuh fiel in das Gras, wo das Schwein ihn alsbald
mit dem Maule aufhob, damit davon lief und plötzlich ver-
schwand. Der „Alte mit dem Barte" sagt darüber in einem Gedichte:
„Im Wagen fand Herzog Huän von Lu seinen Tod; im Wagen be-
gegnetest du heute dem furchtbaren Gespenst. Der schändlich hingemordete
P'engsheng musste sich in einen Rachegeist verwandeln . . . ." (Hier
folgt noch eine Verszeile, welche sich auf den Herzog von T'si bezieht,
aber wegen Verderbtheit des chinesischen Textes unverständlich ist.)
270 Arendt :
Der Geleitsmann^) Fe nebst einigen andern aus dem Gefolge hoben
den Herzog vom Boden auf und legten ihn wieder in den Wagen. Die
Jagd wurde nicht weiter fortgesetzt und man kehrte nach der Villa bei
Kufen zurück, wo man von neuem Nachtquartier nahm. Der Herzog Siäng
lag in einer Art von Betäubung im Jagdschlosse. Um die zweite Nachtwache
(etwa 10 Uhr abends) sagte der Herzog, welchen der linke Fuss dergestalt
schmerzte, dass er sich schlaflos auf dem Lager hin und her wälzte, zu
seinem — oben bereits erwähnten — Vertrauten Meng-yäng: „Richte mich
doch auf und stütze mich mit dem Arm, ich will ein wenig umhergehen".
Nun aber hatte der Herzog, als er vorher vom Wagen gefallen war, in der
Verwirrung und Aufregung garnicht bemerkt, dass sein einer Schuh ver-
loren gegangen war, jetzt aber ward er es gewahr und fragte den Geleits-
mann Fe danach. „Den Schuh", antwortete der Geleitsmann, „hat ja
das grosse Wildschwein im Maule mit fortgeschleppt". Dem
Herzog waren diese Worte ein Greuel; er geriet in den heftigsten Zorn
und versetzte dem unglücklichen Geleitsmann mit der Peitsche Hiebe auf
den Rücken, bis das strömende Blut den Boden rotgefärbt hatte. Mit
miterdrücktem Stöhnen verliess der Gepeitschte das Zimmer.
Inzwischen waren die unzufriedenen Hauptleute Lien Ch'eng und Kuan
Chlh-fu mit einer Anzahl Genossen, die es ihnen gelungen war, für ihre
Pläne zu gewinnen, in der Nähe der Villa eingetroffen. Ihre ausgesprochene
Absicht wa^, den Herzog Siäng zu töten: für einen neuen Inhaber des
herzoglichen Thrones war schon gesorgt.
Lien Ch' eng war zunächst mit nur wenigen Begleitern vorausgegangen,
um den Verbleib des Herzogs und die Lage der Villa auszukundschaften,
ehe der Hauptstreich geführt würde. Ihm begegnete der Geleitsmann Fe,
als er nach der Züchtigung, die er soeben erfahren, die Villa verlassen
hatte. Dadurch, dass er seinen noch von Blut triefenden Rücken entblösst
und dem Lien Cli eng den Glauben beibringt, dass er selber auf Rache an
dem Herzog sinne, weiss er das Vertrauen des Empörers zu gewinnen und
wird von diesem mit dem Auftrage freigelassen, den Verschworenen seinen
Beistand zu leihen. Aber unerschütterlich in seiner Treue gegen seinen
Herrn trotz der grausamen Behandlung, die er erlitten, eilt er vielmehr in
die Villa zurück und meldet dort alles, was er erfahren.
Da beschliesst Meng-yäng, der uns schon bekannte Vertraute und
Liebling des Herzogs, sein Leben für seinen Herrn zu opfern. Er legt
sich, das Gesicht der Wand zugekehrt, an Stelle seines Herrn in das Bett,
der Herzog breitet seinen eigenen, mit Goldfäden durchwirkten Mantel
über ihn, und versteckt sich selbst, auf dem Boden kauernd, hinter der
Thüre.
>) Auf Chinesisch Tü-jen, d. h. nach dem Kommentar „ein Mann, der zu Fuss neben
dem fürstlichen Wagen hergeht oder läuft".
Eiu Kapitel aus dem Aber- niid Geisterglauben der Chinesen. 271
Eiligst sammelte nun der Geleitsmann Fe und des Herzogs „getreuer
und starker Knappe" SMli cMh ten jü die das Jagdgefolge bildenden
Mannen, um die Thore des Schlosshofes zu verteidigen, aber die kleine Schar
wurde von der unter Lien Cli'eng und Kuan Chih fu vordringenden Bande
der Verschwörer bald überwältigt, worauf letztere in das Schlafgemach des
Herzogs eindrangen. Meng-yäng wurde in der That für den Herzog ge-
halten und erlag einem Schwertstreiche des Lien Ch eng. Als man aber
Fackeln herbeiholte und den Erschlagenen beleuchtete, erkannte man als-
bald den vorgefallenen Irrtum. Nun begann eine Durchsuchung des ganzen
Schlosses. Beim Lichte der Fackel, die er selbst trägt, bemerkt Lien Ch'eng
hart an der Thürschwelle einen mit Seide durchwirkten, eben mit der
Spitze hervorguckenden Schuh. Man schlägt die Thür zurück, und richtig,
dahinter kauert mit seinem schmerzenden Fuss auf der Erde, wie eine
Kugel in sich selber zusammengerollt, der Herzog. Aber merkwürdig, an
dem einen Fusse trug er den einen, mit Seide durchwirkten Schuh wie
vorher, der Schuh aber, welchen Lien Ch'eng unter der Thür hatte hervor-
gucken sehen, war derjenige gewesen, welchen der Herzog bei der Jagd
verloren und welchen das Wildschwein darauf fortgeschleppt hatte. Den
hatte das Wildschwein, in welches der rachedürstende Geist des ermordeten
Fengsheng gefahren war, heimlich dorthin gelegt. Unter den Streichen
Lien Ch'engs hauchte darauf der Herzog Siäng alsbald sein Leben aus; er
wurde mit Meng-yäng zusammen von den Yerschworenen unter der Thür
beerdigt. —
Ich habe obiger Erzählung nur noch hinzuzufügen, dass die wesent-
lichen Grundzüge derselben, namentlich die Erscheinung des Wildschweins
bei der Jagd und alles, was damit zusammenhängt, sich bereits genau so
in der in das 5. Jahrhundert vor Chr. zu setzenden Geschichtserzählung
des Tso-ch'iu-ming zu der unter dem Namen „Frühling und Herbst" be-
kannten Chronik des Confucius vorfinden. Das Verstecken des verlorenen
Schuhs unter der Thür ist freilich ein späterer Zusatz, welcher aber
gleichfalls durchaus volkstümlich - chinesisch gedacht ist. So ungern man
übrigens diesen geschickt ersonnenen Zug vom Standpunkt des Aufbaues
der Geschichte missen würde, so ist doch klar, dass er fehlen könnte,
ohne die Zugehörigkeit der Erzählung zu dem von uns besprochenen
Vorstellungskreise irgend zu alterieren.
(Schluss folg-t.)
272 T\p;cr:
Handwerksbrauch in der Iglauer Sprachinsel
in Mähren. .
Von Franz Paul Piger.
Vorbemerkungen.
Auf den Hügeln zwischen Böhmen und Mähren, welche die Wasser-
scheide bilden zwischen Elbe und Donau und die einst zum böhmisch-
mährischen Grenzwalde gehörten, der ganz Böhmen in meilenweiter Breite
umsäumte, setzte sich infolge des reichen Bergsegens im 12. und 13. Jahr-
hundert eine deutsche Bevölkerung mitten unter Slaven fest, die bis zur
Zeit der Hussitenkriege in stetigem Wachstume begriffen war, von da an
aber, als bereits Kuttenberg, Deutschbrod und andere Städte von den
Hussiten eingeäschert worden waren, allmählich zerbröckelte und heute
nur noch in Iglau und seiner Umgebung besteht.
In der Stadt und auf dem Lande, teils in Böhmen, teils in Mähren,
wohnen gegen 40 000 Deutsche bairischen und fränkischen Stammes, die
sich nur schwer gegenüber der slavischen Zuwanderung zu behaupten ver-
mögen. Besonders gefährdet ist das Deutschtum in Iglau selbst, da die
deutsche Umgebung zu klein und wohl auch zu sesshaft ist, um ihren Vor-
ort hinlänglich mit deutschem Nachwüchse zu versehen. Was von weiterher
kommt, ist tschechisch und bleibt heutzutage meist tschechisch. In dieser
Beziehung war unsere Stadt bis zur Aufhebung des Innungszwanges besser
daran. Die Innung verstand es hier, wie in allen deutschen Städten mit
slavischer Umgebung, fremdsprachige Elemente sich anzupassen oder fern-
zuhalten. Der damals bestehende Wanderzwang führte überdies vielfach
deutsche Gesellen nach Iglau, die hier ihre zweite Heimat fanden. Es ist
daher nicht zu verwundern, dass das zünftlerische Wesen sich hier tiefer
in die Volksseele eingrub und dass heute noch, obwohl kein Zwang mehr
nötigt, das eine oder andere Handwerk desselben nicht völlig entraten
mag. Besonders drei Handwerke setzen noch ihr zünftlerisches Treiben
fort: die Tuchmacher, die Gerber und die Maurer und Zimmerleute, welch
letztere ich als zusammengehörig betrachte. Die wichtigste Zunft für Iglau
war von jeher die Tuchmacherzunft, denn das Tuchmachergewerbe bildete
seit der Versiegung der Bergwerke die Hauptnahrungsquelle der Stadt.
Es ist daher nur billig, dass ich, wenn auch das Tuchmachergewerbe in
unserer Stadt seit etwa 15 Jahren nur mühsam mehr das Leben fristet,
vorerst das zünftlerische Leben und Treiben der Tuchmacher schildere und
dann, um nicht zu weitläufig zu werden, in aller Kürze dasjenige hervorhebe,
was Gerber, sowie Maui-er und Zimmerleute besonderes aufzuweisen haben.
Hanchverksbrauch in rler Iglauor Sprachinsel in Mähren. 273
A. Tuchmacher.
I. Ansichten über Entstehung und Vergangenheit
des Tuchmachergewerbes.
Wie einst bei den Dynastieen, zeigt sich bei den Innungen das Be-
streben, ihre Entstehung möglichst weit hinaufzurücken. Die Tuchmacher
behaupten, Methusalem, der siebente Sprosse Adams, wäre der erste Tuch-
macher gewesen. Yor der Zunftstube ist er als schwacher, gebückter
Greis abgebildet mit dem Stabe in der Hand. Unter dem Bildnisse steht
zu lesen, er habe zuerst die Schafe geschoren und aus Wolle Tuch bereitet,
Lein habe man damals noch garnicht gekannt. Die Tuchmacher unter-
lassen es auch nicht, die Thätigkeit Methusalems sagenhaft auszuschmücken
und ins Ungeheuerliche zu vergrössern. Statt des gewöhnlichen Haspels
(SchwafFrähm) soll er die Kette (Worf) um den Gartenzaun gezogen haben
und statt des WeberschifPleins (Schütze)^) sich zu bedienen, soll er eine
Katze, an die er den Faden gebunden, durch die Kette gejagt haben.
Veranlassung zu diesem Glauben gab der einst gebräuchliche Ausdruck
Ketzer **) für Spule, die man ursprünglich durch die Kette gezogen haben
mochte. Wenn aber die alten Tuchmacher erzählen, ursprünglich sei der
Lehrbub mit ,der Spulen durch die Kette gekrochen, so nehmen sie diese
Übertreibung wohl selbst nicht ernsthaft.
Was die Entstehung des Tuchmacherhandwerks in Iglau und den
übrigen deutschen Städten des Ostens anlangt, so herrscht durchweg die
richtige Ansicht, dass Flamänder^) hier wie anderwärts das Tuchmacher-
gewerbe eingeführt, denn sie haben den ganzen Osten bis nach Ungarn
hinein mit Tuchwaren versehen.
Als besonderen Förderer ihrer Zunft ehren die Tuchmacher noch
heute Karl V., da er neben den Berg- und Edelknappen auch den
Tuchmachergesellen erlaubte, sich Knappen zu nennen, weil 1000 der-
selben in eigentümlicher Gewandung ohne Panzer und Helm auf seinem
Zuge nach Afrika ihn begleitet und tapfer vor Goletta gekämpft haben
sollen.
Nicht vergessen darf ich hier, dass die Tuchmacher sich ein Wappen
zusammengestellt, wie selbes noch ob der Thüre der Iglauer Zunftstube zu
sehen ist und womit sie manchmal einen der zwei Igel des Stadtwappens
1) In Tirol fand icli ilas Zeitwort schützen in der Bedeutung von schleudern. Vgl.
Schöpf, Tirol. Idiotikon S. 654; Schmeller, Bayr. Wb. II, 494.
2) Ketzer bedeutet eigentlich der Fangball.
3) Das Wort ist heute zum Schimpfworte geworden und bedeutet einen Land-
.streiclier, was wohl daher rührt, dass die Flamänder oft bloss fliegende Warenlager
liatten und mit diesen von Stadt zu Stadt zogen. [Vgl. Flandern, Grimm 1). Wörterb.
Iir, 1722.1
274 Figer:
verdrängten. Das Tuchmacherwappen enthält die Tuchschere, daneben
befinden sich links und rechts eine Karde und darunter zwei gekreuzte
Fachbogen *).
II. Standesbewusstsein und Kastengeist.
Die Tuchmacher dünken sich heute noch, trotzdem das Handwerk in-
folo-e des Fabrikbetriebes und des Eindringens fremder wohlfeiler Ware
völlig darniederliegt, besser als die übrigen Handwerker. Es ist daher
nicht zu verwundern, wenn der Tuchmacher seine Tochter nur wieder
einem jungen Tuchmachermeister zur Frau gab. Für Kirchweih und
andere hohe Festtage kaufte die Frau Meisterin einen Indian (Truthahn),
denn diesen sieht man als den Tuchmachervogel an, die Gans überliess
man als Schustervogel den Schustern. Aber auch nach aussen bestrebte
man sich, die Standesehre zu wahren. Kein Knappe durfte barfuss über
den Dachtropfen (Dachtraufe) hinaus, ebenso war es ihm verboten, un-
schickliche Arbeit zu verrichten, etwa mit dem Schubkarren durch die
Stadt zu fahren u. s. w. Am Sonntage hingegen und an Feiertagen musste
er Handschuhe tragen und den Stock in der rechten Hand halten, wenn
er spazieren ging, und bei Processionen und Feierlichkeiten der Zunft
sich mit dem Degen umgürten. Ein ordentlicher (gabiger) Knappe hatte
aber auch eine lange Pfeife: vor dem Jahre 1848 musste er sie aber vor
einem Wachposten wegnehmen, denn dieser hätte sie ihm aus dem Munde
geschlagen.
Es ist nicht zu verwundern, dass sich diese Überhebung gegen andere
Stände auch geltend machte gegenüber niedriger stehenden Personen des
eigenen Handwerkes. Der Meister verkehrte nur wieder mit Meistern, der
Knappe mit Knappen. Ein Meisterssohn hätte es nicht über sich gebracht,
auch wenn er erst Lehrling geworden, mit einem anderen Lehrling
geringeren Standes Freundschaft zu schliessen. Ja auch die Knappen
sonderten sich wieder nach dem Range. Der gewanderte Bursche hatte
ein Vorrecht vor dem. der noch nicht in die Fremde gegangen, der Haus-
knappe wieder, der nicht beim Meister wohnte, sondern eine eigene
Wohnung hatte, vor den übrigen. Letzterer durfte bei der Arbeit die
Batzen (runde Mütze) auf dem Kopfe haben, während die übrigen sie am
Webstuhle aufhingen. Auch das Alter bot natürlich gewisse Vorrechte.
Ein jüngerer Bursche durfte einem älteren nicht schenken (zutrinken),
und erst nach mehrfacher Aufforderung durfte er sich's herausnehmen, zu
ihm „Du" zu sagen. Dieser Kastenzwang, der das ganze Zunftwesen
durchdrang, wurde von allen willig anerkannt. Nach dem Range ordnete
man sich bei Festlichkeiten und Versammlungen, bei der Arbeit und im
W^irtshause, als wenn es so sein musste.
1) Der Fachbogeii l)i;stt'ht aus einein langen Holze, auf «las i-inc Saite oder liit-ke
ScLuur gespauat ist, und dient zum Krämpeln der Wolle.
Handwerksl)raucli in der Iglauer Sprachinsel in Mähron. 275
III. Yorstandschaft des Handwerkes.
Der Kastengeist und besonders die Bevorzugung des Alters zeigt sich
auch in der Zusammensetzung der Yorstände und der einzehien Organe
der Zunft. Der Yorsteher der Gesamtzunft heisst „Öltast", der natürlich
ursprünglich der physisch älteste war. Ferner giebt es vier Altgeschworene
neben zwei Junggeschworenen.
Der Knappschaft steht wiederum vor der Altgeselle und als Yertreter
der fremden Gesellen der fremde Altgeselle. Als der Wanderzwang auf-
hörte, wurde letzterer allmählich das, was man sonst Obmannstellvertreter
nennt. Unter den beiden Altgesellen standen der erste Schreiber und der
Ladenschreiber. Alle vier bildeten neben den gelegentlich beigezogenen
Besitzmeistern das Tischgesäss oder den Tisch schlechthin. Für „Ein-
sagungen" und ähnliche Dienstleistungen standen der Yorstandschaft zwei
Jungknappen oder Gesellenboten zur Yerfügung.
lY. Freispruch und Aufnahme in die Innung.
Die Aufnahme in die Zunft ging besonders bei den Knappen in grosser
Feierlichkeit und Förmlichkeit vor sich. Die dabei vorkommenden formel-
haften Reden sind darauf zurückzuführen, dass dem einfachen Handwerker
naturgemäss die Gabe des freien Wortes fehlte und er daher an die seit
Jahrhunderten fortgeerbten Formeln gebunden war. Der Meister erhielt
die Meisterschaft ziemlich einfach. Er kaufte sich die „Gerechtigkeit", die
allein die Ausübung der Meisterschaft ermöglichte, liess sich das Meister-
stück bei den vier Altgeschworenen prüfen, die das Bleisiegel darauf
drückten und selbes in der Zunftstube zur Ansicht vorlegten. Der auf-
genommene Meister gab sodann ein Meisteressen und galt jetzt als Meister
mit dem Rechte zur Aufnahme in die Bürgerliste. Nicht so einfach ver-
lief die Aufnahme des Lehrlings in die Knappschaft, das Ziel der Sehn-
sucht während dreijähriger vielgeplagter Lehrlingszeit. Die Aufnahme fand
alle Quartale in der Zunftstube statt, die mit ihrem vom Alter geschwärzten
Getäfel und den ernsten Bildern, die von den Wänden herabschauten, nicht
wenig zur Erhöhung der Feierlichkeit beitrugen.
War das Tischgesäss beisammen und hatte die Knappschaft nach Alter
und Rang Platz genommen, so öffnete der Altgeselle die seit 1669, dem
Gründungsjahre der Bruderschaft, in Yerwendung stehende Mutterlade, das
Heiligtum der Knappschaft. Alle erheben sich von den Sitzen, lautlose
Stille herrscht in der Stube. Die übrigen Knappen setzen sich auf ein
gegebenes Zeichen, der Altgeselle aber bleibt stehen und hält einen
li()lzernen Hammer in der Hand, mit dem er bei jedem gewichtigen Worte,
das er spricht, auf ein Eisenblech, das auf den Tisch genagelt ist, schlägt,
um so seinen Worten mehr Nachdruck zu geben. Jede Rede wird be-
oonnen und beschlossen mit den Worten: Mit Gunst! Nachdem sich noch
276 Piger:
der Altgeselle umgesehen, ob alle nach Rang und Ordnung Platz genommen,
wird der Lehrling hereingerufen, der jetzt zum ersteumale die Zunftstube
betritt. An der Thür bleibt er stehen und erscheint erst auf mehrmalige
Aufforderung hin vor dem gewaltigen Altgesellen mit den zaghaft ge-
sprochenen Worten: „Mit Gunst zum Tisch!" Ist der Lehrling ein Meisters-
sohn, so darf er die Bitte um die Aufnahme in die Bruderschaft selbst
vortragen, sonst übernimmt dies für ihn ein gelernter und gewanderter
Geselle.
Der Lehrling bittet die grossgünstigeu, wohlvorgesetzten Altgesellen
und die deputierten Herren Meister als Beisitzer, die Gesellen des Tisches
samt einer ehrbaren Bruderschaft, mit Bescheidenheit einige "Worte reden
zu dürfen. Der Altgeselle ermahnt ihn, zu reden sich selbst zum Nutzen
und der Mutterlade nicht zum Schaden. Der Bittwerber fährt dann fort:
„Dieweil ich von meinem Vater (Lehrmeister) das Handwerk erlernt habe
und dem hochgeehrtesten Herrn Ältesten und einem ehrsamen Handwerk
frei- und losgesprochen worden bin und keine andere Zuflucht weiss, als
Gott und eine ehrbare Bruderschaft, so hätte ich zu bitten, Stuhl- und
Schreibgeld erlegen zu dürfen, wie es hier und andern Orts Gebrauch ist.
Mit Gunst!"
Bevor aber die Aufnahme stattfindet, wird über die aufzunehmenden
Lehrlinge Gericht gehalten. Der Altgeselle fordert die Lehrlinge, mit
Ausnahme der Meisterssöhne, auf, ihm und der Bruderschaft zu Gefallen
hinauszugehen. Wird nun befunden, dass ein Lehrling geraucht, gezankt
oder sonst sich ungebührlich benommen, so wird er auf Wochen, auch
Monate von der Aufnahme ausgeschlossen, „damit er abgestraft würde, so-
lange es Zeit sei." Die der Aufnahme gewürdigten Lehrlinge ruft der
Gesellenbote wieder herein und sie legen der Reihe nach mit der rechten
Hand Stuhl- und Schreibgebühr auf den Tisch. Meisterssöhne lassen es
sich nicht nehmen, noch einen Ehrenthaler beizulegen, der dann an einem
farbigen Bändchen am Deckel der Lade aufgehängt wird. Name und
Nummer des nunmehrigen Jungburschen wird vom Ladenschreiber in die
Tabelle mit weisser Tinte eingetragen. Diese Tabelle ist ein Buch, dessen
Blätter aus schw^arzgefärbten Holztäf eichen bestehen, deren Rand etwas
verdickt ist.
Wie bei der Taufe soll der Aufgenommene einen neuen Menschen
anziehen und sich seiner Würde wohl bewusst werden. Er erhält daher
auch gleichsam als Eingebinde Yerhaltungsregeln , die sogenannten sechs
Punkte, für seine neue Lebensbahn mit.
Diese sechs Punkte bilden einen Auszug der Gesamtartikel, die nur
selten der Knappschaft vorgelesen wurden. Der Altgeselle ermahnt die
Jungburschen in eintöniger AVeise, unter Hammerschlag jedesmal beginnend:
„Mit (limsl ziini orstcii, zum zweiten u. s. w." Der gekürzte Inhalt der
Ermahnung ist folgender: Der Jungbursche solle die alte Gesellschaft
Handwerksbrauch in der Iglauer Sprachinsel in Mähren. 277
(die Lehrlinge) meiden und mit ungezogenen Frauenzimmern sich nicht ab-
geben (1), bei offener Lade „Mit Gunst!" grüssen (2), die Obrigkeit ehren
und an Sonn- und Feiertagen dem vorgeschriebenen Gottesdienste bei-
wohnen (3). Er solle ohne öftere Aufforderung die gewanderten Burschen
nicht mit „Du" anreden, denn es würde ihm auch gefallen, wenn ihm, aus
der Fremde heimgekehrt, das Ehrenwort widerführe, und sich mit seinen
Mitbrüdern gut vertragen (4). In des Meisters Werkstätte möge er gute
Arbeit machen, den Lohn nicht schwächen, sondern ihn jederzeit zu stärken
suchen (5). In der Fremde soll er, wenn er in eine Stadt einwandere,
den „Bünggl" stets auf der linken Schulter tragen und den Herrn Vater
und die Frau Mutter (in der Herberge) mit Achtung begrüssen (6). Beob-
achte er genau, schliesst der Altgeselle, diese sechs Pimkte, so würde er
von jedermann geachtet und geliebt werden. Nun reicht der Altgeselle
den neuaufgenommenen Brüdern die Hand, wünscht ihnen Glück zum
Gesellenstande und empfiehlt sie dem Wohlwollen der Mitknappen. Mit
den Worten: „Mit Gunst vom Tisch!" treten die Jungburschen zu den
übrigen, die sie ebenfalls beglückwünschen und ihnen am unteren Ende
des Tisches Platz machen. Sie sind jetzt Knappen mit allen Pflichten und
Rechten, das Ziel ihrer jugendlichen Sehnsucht ist erreicht.
Y. Die Auflage.
Vor allem müssen die Jungburschen mit den übrigen regelmässig zur
Auflage erscheinen, um ihren geringen Beiti'ag für die Krankenkasse und
für ein würdiges Begräbnis der verstorbenen Standesgenossen zu leisten.
Die Auflage findet alle vier Wochen statt: die „Quartalisten", d. h. die-
jenigen, welche bereits dreissig Jahre Auflage gezahlt, sind teilweise, die
„Steuerbrüder", die bereits 50 Jahre aufgelegt, sind ganz befreit.
Auch die Auflage geht mit einer gewissen Feierlichkeit vor sich. Meist
an einem Sonntage versammeln sich die Kna})pen in der Zunftstube, das
„Gesäss" nimmt Platz am Tische, auf welchem die Mutterlade steht. Das
Stammbuch, welches bis zum Errichtungsjahre der Bruderschaft. 1669,
zurückreicht und die Namen aller lebenden und verstorbenen Brüder ent-
hält, wird aufgeschlagen, die Namen jedoch werden aus der Tabelle ver-
lesen. Der Verlesene tritt vor das Tischgesäss, die rechte Hand zwischen
zwei Knöpfen des geschlossenen Rockes, die linke mit dem Hute an der
Hosennaht und spricht: „Mit Gunst zum Tisch". Der Altgeselle erwidert:
„Mit Gunst genug!" Darauf zahlt der Knappe mit der rechten Hand die
Auflage und tritt wieder ab mit den Worten: „Mit Gunst vom Tisch!"
Da zu einer Auflage oft über hundert erschienen, so ist es nicht zu ver-
wundern, dass es unter diesen auch Zanklustige gab. Alle wusste aber der
Altgeselle, der doch ihresgleichen war, zu bändigen und im Zaume zu
halten. In den Herzen aller Gesellen lebte eine schier religiöse Scheu
vor der geöffneten Lade, die der Altgeselle und das übrige Tischgesäss
Zeitschrift d. Vereins f. Vollcskunde. 1892. 19
278
Pisrer:
nur zu mehren suchten. War die Lade geöffnet, musste daher lautloses
Schweigen herrschen, man durfte nicht den gewöhnlichen Gruss gebrauchen,
vor dem „Tisch" nur in militärischer Haltung erscheinen, nicht zum
Fenster hinaussehen u. s. w. Wollte aber dennoch der eine oder andere
einmal seinen Groll vor den versammelten Brüdern auslassen, so musste
er trachten, dass die Lade geschlossen werde. Dies erreichte er, wenn er
ein Geldstück in die offene Lade warf, ein Sacktuch oder ein Kleidungs-
stück auf dieselbe schleuderte. Der Altgeselle musste sodann die also
entehrte Lade schliessen, um sie erst wieder bei eingetretener Ruhe mit
aller Feierlichkeit zu eröffnen. Gar selten mochte dieser äusserste Fall
vorgekommen sein, und doch stand dem Altgesellen nur das eine Straf-
recht zu, dass er einen auffordern konnte, „unbeschwert" vor dem Tische
zu erscheinen, um eine Kleinigkeit als Strafgeld zu erlegen.
YL Leben und Treiben der Tuchmacher.
a) Der TucUinaclier Werktage.
Die Tage der Arbeit waren für Meister und Knappen keine I^ast,
denn der Feierabend wird um keine Arbeit des Tages zu teuer erkauft.
Das Leben der Tuchmacher war ein streng geregeltes und mit Ausnahme
der Sonn- und Feiertage steter Arbeit gewidmet. Um 5 Uhr stand man
auf. Der Tag wurde durch ein heiliges Lied begrüsst. Als Frühstück
genoss man trockenes Brot. Um 9 Uhr, wenn in der Kirche die Segen-
messe gelesen wird, sang man das Segenlied und machte sich so der gottes-
dienstlichen Handlung teilhaftig. Um 12 Uhr speiste man zu Mittag.
Fleisch kam täglich mit Ausnahme des Mittwochs und Freitags auf den
Tisch. Lehrlinge und Knappen, auch die Hausknappen, alle nach Alter
und Rang geordnet, speisten mit dem Meister und der Meisterin und den
übrigen Familiengliedern an demselben Tisch. Nach dem Essen schickte
man den Lehrling mit einer grossen zinnernen Kanne, auf die die ganze
Familie stolz war, um Bier in einem der eben „schenkenden" Mälzerkeller.
Mit dem Hausknappen gab es nicht selten Verdruss, wenn er zuviel auf
die Seite legte, um es seinem Weibe zu bringen. Wenn der Meister auch
nichts sagte, so sah er doch mit scheelen Augen hin, wenn er ein allzu-
grosses Stück Brot in die Brusttasche gleiten Hess. Nach dem Essen ging
man gleich wieder an die Arbeit. Nachmittags wurden weltliche Lieder
gesungen, die aber, wenn der Meister oder die Meisterin anwesend waren,
nimmer die bürgerliche Ehrbarkeit verletzen durften. Lieder traurigen
Inhalts wurden vorgezogen. Wenn einer in jener Zeit durch die Gassen
der Stadt ging, so hörte er neben dem Geräusch des Webens von Haus
zu Haus Gesang. Man sang gern vom Mädchen, das der Geliebte im
„Grünen" Wald vorlassen, vom Vater, den der Sohn aus dem Hause trieb,
ihn aber ob der Milde, mit der er dies aufnahm und betteln ging, gerührt
Handwerksbrauch in der Iglauer Sprachinsel in Mähren. 279
wieder heimführte, und am liebsten die Lieder des eigenen Handwerks.
Zur Abwechselung- erzählten die Wolle krämpelnden Weiber Märlein (Ge-
schichten), besonders Gespenstergeschichteu, die sich gern in Walken ab-
spielten. Zum Feierabend sang man: „Die Feierabendstunde schlägt"
oder: „Hat acht geschlagen." So passend derartige Lieder waren, um bei
der doch mehr oder weniger gedankenlosen Arbeit die Zeit zu vertreiben,
so nahm es sich doch manchmal schier gotteslästerlich aus, wenn einer
neben den heiligsten Worten eines Liedes einen kräftigen Fluch ausstiess.
Auch der Rosenkranz, der, wenn man nicht sang, vielfach gebetet wurde,
mochte sich über die Bedeutung eines Lippengebetes nicht erheben. Um
8 Uhr ging der Meister fast täglich, der Knappe Samstag, Sonntag und
Montag ins Wirtshaus, natürlich jeder in ein solches, wo sich seinesgleichen
einfand. Blieb man daheim, so setzte man sich im Sommer mit den
übrigen Familiengliedern auf die Steinbank vor der Hausthür.
Hier erzählte man sich Spässe und Schnurren und sang Lieder, dass
es in den mählich dunkelnden Gassen den Wiederhall wachrief. Auch
über die Gasse wurde von einer Bank zur andern gescherzt und mancher
„Hansal" und manches „Liesal" wussten in erheuchelter Fehde miteinander
zu kosen. Da die Tuchmacher sich sozusagen alle als Familienglieder be-
trachteten, riefen sie sich nur beim Taufnamen. Der Meister sagte zum
Gesellen „Er", der Geselle ehrte den Meister durch „Sie". So verrann
ein Werktag wie der andere ohne besondere Freud' und ohne besonderes
Leid.
Am meisten geplagt von allen war natürlich der Lehrling, wenn er
auch durchwegs als Mitglied der Familie angesehen wurde. Mit vielen
guten Lehren wurde er dem Meister übergeben und durfte dann die Seinigen
nur noch an Sonn- und Feiertagen besuchen. Ihm wurde das Brot von
der Meisterin vorgeschnitten, während die Gesellen sich nach Belieben
nehmen durften. Der Lehrling musste mindestens einen Gesellen mit
Spulen bedienen und daneben noch Pfeifen zum Werfe spulen, wobei der
durch die Finger laufende Faden ihm das jugendliche Fleisch zerschnitt.
Hatte für die andern die Abendglocke den Feierabend eingeläutet, so
musste er noch seinen Spulstock reinigen, die Werkstühle abstauben, das
Zimmer kehren u. s. w. Lange dauerte es, bis man den armen Lehrling
zum „Wirken" hinter dem Stuhle, was er doch eigentlich lernen sollte,
zuliess. Dieser Tag war daher auch für ihn ein Freudentag, denn der
Freispruch winkte in nicht allzuferner Zeit. Doch ganz ohne Freuden
ging das Leben eines Lehrlings auch nicht dahin. Jede Unterhaltung der
Familie, z. B. eine Landpartie, machte auch der Lehrling mit, wenn er
dabei auch zu kleinen Dienstleistungen verpflichtet wurde und mehr
springen musste als alle übrigen zusammen.
Im Herbste, „wann der Wind einmal aus den Hähnen kam", ver-
fertigte er dem Meistorsöhnlein Drachen und liess sie fliegen. Das Johannis-
19*
280 ^ger:
feuer war geradezu iu den Händen der Tuchmacherlehrlinge. Sie suchten
die alten Besen zusammen, tauchten sie offen oder geheim, wie die Sache
es forderte, in der Binder Pechmasse und schleppten all die Besen hinaus
auf die nächsten Hügel, um dort das Johannisfeuer zu entzünden und sich
unter Freudensprüngen an der lodernden Flamme zu freuen.
Dass aber der Lehrling trotz all seiner Drangsale das Meisterhaus
liebgewann, ersieht man daraus, dass er, wenn er auch freier Geselle ge-
worden, selten den Lehrmeister sogleich verliess, war er ja jetzt einer
freundlicheren, rücksichtsvolleren Behandlung sicher. Da nämlich jeder
Geselle als Familienglied angesehen wurde, wechselte man nicht gerne
und nur schwer entschloss sich der Meister, den Jungknappen aufzusuchen,
um sich einen neuen Gesellen vorführen zu lassen. Auch Gewohnheit und
Sitte hinderte so viel als möglich eine Kündigung in der Erregung des
Augenblicks. Kein Geselle durfte die Arbeit „aufsagen", wenn er nicht
vom Stuhle „abgewirkt" hatte. Geselle wie Meister durften bloss voll-
ständig angezogen „mit Stiefel und Rock" einander kündigen. War die
Trennung schon einmal unvermeidlich geworden, so sagte der Meister
freilich oft: „Petrus geht und Paulus kommt", von Herzen ging es ihm
aber nicht.
War der Geselle sparsam oder gar ein Meisterssohn, so konnte er,
wenn er wenigstens ein Jahr gewandert, unschwer Meister werden; er
brauchte sich bloss die „Gerechtigkeit" zu kaufen. Anfangs vergrösserte
sich der junge Meister nur die Sorgen, arbeiten musste er wie ein
Geselle.
Damit nun des jungen Meisters Würde ersichtlich sei, schaffte er sich
für den Hausgebrauch einen Spenser an, denn der Geselle arbeitete in
Hemdsärmeln, die er noch aufstülpte. Um aber den Spenser zu schonen,
bedurfte er einer blauen Brustschürze, und in deren oberem Teile wurde,
da der junge Meister doch auch eines Sacktuches bedurfte, dieses für
einen Gesellen noch weniger nötige Anhängsel aufbewahrt. Je mehr der
Kinder, Lehrbuben und Gesellen wurden, desto grösser wurde die Würde
des Meisters. Zum Einkaufen freilich benötigte er den klugen Rat der
Frau Meisterin, und machte daher diesen Weg selten allein. Sonst aber
wusste er auf seine Ehre zu halten. Er öffnete am Morgen das Haus und
schloss es am Abend, er segnete morgens und abends Haus und Werk-
stube mit Weihwasser. Ihm allein war es erlaubt, abends täglich und
Sonntags Nachmittag ins Wirtshaus zu gehen, wenn auch die Meisterin
dies Recht oft arg beschränkte. In seinem höchsten Glänze sah man ihn
auf Spaziergängen an Sonutagsnachmittagen. Voraus gingen die Kinder,
paarweise, nach dem Gcschlechte und Alter geordnet. Den Schluss dieses
oft nicht ganz kurzen Zuges bildeten die Frau Meisterin in ihrem Sonntags-
staate und der Herr Meister.
I
Handwerksbrauch in der Iglauer Sprachinsel in Mäliren. 281
Dieser hatte in der linken Hand die Meerschaumpfeife, in der rechten
den Stock. Aus der einen Tasche des etwas langen Rockes schaute ein
Zipfel des Sacktuches heraus und aus der andern der Pfeifenstürer, der
am Tabaksbeutel befestigt war. So schritt er langsam und bedächtig
dahin, als dächte er bei jedem Schritte daran, dass ohne die Tuchmacher
die Stadt nicht bestehen könnte, als überlege er den tiefsinnigen Satz,
den die Tuchmacher fortwährend im Munde führten: „'S Moasterhaus ist
unser.''
b) Der Tuchmacher Festtage.
Ihren grössten Feiertag, ihr Ehrenfest, feiern die Tuchmacher seit
1669, dem Errichtungsjahre der Bruderschaft der Tuchknappen, am
Sonntag nach Anna-Jakobi ('25. 26. Juli). Gegen 10 Uhr versammeln sich
die Knappen im Meisterhause, das der Tuchmacherzunft bereits seit 1630
gehört, und ziehen unter Trompeten- und Paukenschall und unter dem
Geläute der „Susanna", der weitbekannten grossen Glocke, über den Platz
zur St. Jakobspfarrkirche, wo die Tuchmachergenossenschaft einen eigenen
Altar und zwar den Hauptaltar besitzt. In früherer Zeit ermangelte die
Hauptwache nicht, beim Herannahen des Zuges, der oft 400 — 500 Knappen
zählte und an dessen Spitze der Aelteste und die Geschworenen gingen,
ins Gewehr zu rufen, wofür sie vier Pulitsch (grosses hölzernes Gefäss)
Iglauer Bier erhielt. Beim Festgottesdienste dienten Knappen als
Ministranten und Fakulanten. Letztere hatten bis in die neueste Zeit das
Vorrecht, während des ganzen Tages Degen tragen zu dürfen, worauf sie
nicht wenig stolz waren. Nach dem Hochamte bewegte sich der Zug
wieder feierlich über den Platz, die Wache trat wieder ins Gewehr und
erst beim Meisterhause löste er sich auf.
Nachmittags versammelte sich die Knappenschaft im Meisterhause zum
„Eintrunke", um, wie es deutschen Handwerkern geziemt, bei schäumendem
Biere ihr Ehrenfest zum würdigen Abschlüsse zu bringen. An langen
Tischen nahmen die Knappen Platz. Und nun erhebt sich mit gewicht-
vollem Ernste der einheimische Altgeselle und fordert den fremden Alt-
gesellen, seinen günstigen Bruder, auf, sich ebenfalls zu erheben. Mit
nicht weniger Würde erhebt sich dieser, hält den mit einem Blumenkranze
gezierten „Willkomm", den silbernen Ehrenbecher der Knappenschaft, in
die Höhe und erklärt in längerer Rede, sie seien nicht gekommen, den
Jahrtag zu schwächen, sondern ihn zu stärken, und weil der Reihetrunk
an ihn gekommen sei, wolle er die übliche Ovation machen. Er erzählt
nun von Methusalem, ihres Gewerbes Patron, der 969 Jahre alt geworden.
zuerst die Schafe geschoren und der erste Wollweber gewesen. Hierauf
folgt ein Lob des Tuchmacher-Handwerks. Die Tücher, welche die Tuch-
macher verfertigten, trügen Fürsten und Grafen, und sei das Handwerk
noch so klein, so trage es ein goldenes Krönlein. Schliesslich bringt er
282 Tiger:
die Gesundheit des Kaisers aus. Im Wesen des Zünftlers liegt es, die
Obrigkeit zu ehren, hat er sich doch selbst obrigkeitliche Personen ver-
schiedentlicher Art vorgesetzt.
Es wechseln daher Trinksprüche auf Kaiser und Papst, Statthalter
und Biscliof, Bürgermeister und Dechant. Auch auf den Herrn Aeltesten
und seiner Verwandten Wohl wird getrunken und selbst der Fakulanten
und Ministranten nicht vergessen. Ein schönes Zeugnis für die Gemüths-
tiefe unserer Tuchmacher ist es, dass sie sich im Jubel der Freude auch
der fernen Genossen erinnern, „die vielleicht allen Fährlichkeiten des
Wanderlebens ausgesetzt sind." Es gilt daher ein Trinkspruch „allen
braven Tuchmachern, die zu Land und zu Wasser schweben, die das Brot
fechten und verkaufen und das Geld in Wein oder Bier versaufen." Nach
jedem Trinkspruche wird ein Tusch geblasen. Es giebt Trinksprüche in
Prosa, die sie vielleicht einmal in einem Buche entdeckten und die sich
immer auf das Lob derTuchmacher beziehen, oder auch gereimte, von denen
der eine oder andere von den Meistersingern herstammen mag, die 1571
hier eine Bruderschaft errichteten. Es kann dies leicht möglich sein,
da die Sprüche von Yater auf Sohn sich vererben und wie ein teurer
Schatz gehütet und nicht jedem vorgesagt werden. Meistersingerart verrät
der Spruch auf Karl V., den ich dem Leser nicht vorenthalten will:
Als zu Kaiser Karls Zeiten
Im Begriffe war die Welt zu streiten,
War's jener grosse Held,
Der 1000 Tuchmacher zu seinen Kriegern zählt';
Und bei der Krieger Scharen
Die Tuchmacher an der Spitze waren.
Da sprach er das edle Wort:
Ihr seid Krieger, Ihr seid mein Hort,
Dafür sollt ihr den edlen Namen Tuchknappen führen,
Scepter, Schwert und Krone soll Euer Wappen zieren.
Hatte der Sprecher den Spruch, den er oft nur verstümmelt wiedergab,
hergesagt, rief er: Yivat hoch! und alles stimmte in den Ruf ein. Zum
Schlüsse erhebt sich der einheimische Altgeselle, nachdem man der
Menschen so viele hat hochleben lassen, und spricht also:
Es lebe der Adler in der Luft,
Der Löwe in der Gruft,
Der Hirscli im grünen Wald,
Ich trinke die Gesundheit, bis mir das Herz erkalt'.
Vivat hoch!
Nun hab' ich meine Lieb' und Treu genügsam spüren lassen,
Wer es besser kann, dem steht es frei und wird ihm zugelassen.
Aber eins habe ich noch vorzubringen,
Wen es angeht, dem soll's zu Ohren klingen:
Hand Werksbrauch in der Iglauer Sprachinsel in Mähren. 283
Es lebe aller braven Deutschen Treu und Redlichkeit
Und der Iglauer Mädchen Schönheit.
Vivat hoch!
Alle erlieben sich und stimmen ein:
Bruder es gilt mir und Dil-,
Ich trinke lieber Wein als Bier.
So sonderbar die zweite Zeile erscheinen mag und obwohl der Wein
ein frommer Wunsch bleibt, so thut dies doch der stolzen Erhebung des
Augenblicks keinen Eintrag. Ist die Festlichkeit zu Ende, suchen die
wackern Gesellen wieder ihr Heim auf, um wieder wochenlang geduldig
hinter dem Webstuhl zu sitzen.
Als Korporation rückte die Knappenschaft ausser am Jahrtage nur
noch bei der Frolmleichnamsprocession mit „ihrem Fahn" aus. Nur die
das Recht dazu hatten, durften sich diesem Zunftzeichen anschliessen; er
gehört „zum Fahn", bedeutet daher so viel wie Zunftgenosse.
Den dritten der vier Altäre, an denen die Evangelien gelesen werden
und der Segen erteilt wird, errichten noch heute die Tuchmacher vor
ihrem Meisterhause.
Schon daraus geht die einstige Bedeutung der Zunft hervor. Die
Blumen, mit denen der Altar geschmückt ist, werden nach der Procession
dem Ältesten und den Geschworenen ins Haus geschickt, denn sie schützen
gegen Blitz und Feuersgefahr. Andere Feste und Festlichkeiten giebt es
nicht gerade viele. Im Herbste wird das „Lichtbratl" gefeiert. Der Tag,
an dem zum erstenmale bei Licht gearbeitet wird, ist für die Handwerker
überhaupt von grosser Bedeutung, denn Monate lang sollen sie nun Stunden
hindurch bei schlechtem Licht arbeiten und die Farben genau unterscheiden
können. Es ist daher nicht zu verwundern, wenn die Handwerker diesen
Tag sich zu versüssen suchen. Die Tuchmacher feiern aber, um keinen
Arbeitstag zu verlieren, das Lichtbratl erst am folgenden Sonntag. Den
Montag freilich können sie dazu nehmen, dies ist alter Gebrauch. Es
wird daher Montag gewöhnlich eine „Lompartie'" (Landpartie) in unsere
schönen Wälder unternommen, wohin es unsere Tuchmacher treibt, selbst
wenn die Witterung nicht mehr dazu ladet. Leider zeigt sich diese Liebe
zur Natur auch in der Leidenschaft für den Vogelfang (Goggsch)*), denn
ein Rotkehlchen oder ein Stieglitz musste neben dem Wirkstuhle hängen,
um während des langen Winters an den vielgeliebten grünen Wald zu
erinnern. —
Im Advent baut sich der Tuchmachermeister die Weihnachtskrippe.
Mit kindlicher Freude und sinnigem Verständnisse werden noch jährlich
„Krippen" errichtet, welche die Geburt Christi im Stalle, die Hirten, die
1) Das Wort weiss ich nicht zu erklären.
284 Pig®r =
drei Könige, Bethlehem und viele mittelalterliche Schlösser auf Höhen der
Umgebung u. s. w. durch hölzerne Figuren und Pappendeckel zur Dar-
stellung bringen. Je mehr Figuren auf der oft mehrere Meter grossen
Fläche, hinter der noch ein gemalter Hintergrund den Blick bis ins Un-
endliche schweifen lässt, aufgestellt sind, desto mehr Leute pilgern zur
Krippe und mehren den Ruhm des Hauses. Manchmal ist auch ein kunst-
reicher Mechanismus angebracht und gern kriecht der Hausherr hundert-
mal des Tages unter die das Gestelle verhüllende Decke, um den Mecha-
nismus in Bewegung zu setzen, auf dass alle Personen, Männlein und
Weiblein, soviel ihrer angebracht sind, sich rühren und regen, so dass die
zuschauenden Kinder aufjauchzen vor Freude.
Am Vorabende des Festes der hl. drei Könige wird nach dem Feier-
abende der Dreikönigsumzug gehalten. Meister, Meisterin und sämtliche
Familienglieder im weitesten Sinne versammeln sich in der Wirkstube.
Die Lehrlinge erhalten Glühpfannen, in die sie zeitweilig Weihrauch oder
wenigstens Harz, das man in Ameisenhaufen zusammengelesen, streuen.
Die Kinder empfangen Behältnisse mit Weihwasser. Es wird das Drei-
königslied angestimmt und man durchzieht das ganze Haus, überall die
Räume mit Weihwasser besprengend. Der Meister löscht ob jeder Thür
und an jedem Wirkstuhl die Anfangsbuchstaben der hl. drei Könige samt
der Jahrzahl aus, um sie für das laufende Jahr zu erneuern. Acht Tage
hindurch wird während der Arbeit das Dreikönigslied gesungen.
Ein kleines Fest, wenn auch die Arbeit nicht gerade unterbrochen
wurde, bildete das Namensfest des Herrn Meisters und der Frau Meisterin.
Gesellen und Lehrlinge, natürlich in der Reihenfolge, wie selbe die Zeit
seit dem Eintritte in die Arbeit bedingte, beglückwünschen den Meister
oder die Meisterin beim Erscheinen in der Wirkstube. An diesem Tage
wurde ein besseres Frühstück, Kaifee und Kugelhupf ^) verabreicht. Häufig'
besuchten an Namenstagen die Gehilfen vor der Arbeit die Frühmesse.
Nicht Feste, sondern Unterbrechungen der Arbeit waren die Quatember-
messen für die verstorbenen Brüder, wobei auch ein Opfergang stattfand.
Zu diesen Messen wurde man durch den Hauptknappen entboten und die
Wegbleibenden mussten bei der nächsten Auflage Strafe zahlen.
Versäumnisse der Arbeit waren noch Besuche der Leichenbegängnisse
von Mitbrüdern und die Proben der Feuerspritze, wozu ebenfalls eingesagt
wurde.
Natürlich wurde der Fasching^), die Zeit der allgemeinen Freude, auch
von den Tuchknappen ausgenutzt. Im Fasching hielten die Meister Haus-
bälle, die Knappen „Tischveränderungen", wozu aber auch Meister geladen
wurden, die dann einen Silberthaler dem Altgesellen für die gemeinsame
1) In der bairischen Mundart heisst das Wort Gugelhupf. Die Ableitung von Gugel
= Kappe ist bekannt.
2) Die östen-eichische Form für Fastnacht.
(
Handwerksbrauch in der Iglauer Sprachinsel in Mähren. 285
Kasse zu überreichen pflegten. Über die Hausbälle ist wenig zu sagen,
die Tischveränderungen waren weit feierlicher. Es fand nämlich vorher
eine Mahlzeit statt und der Eintrunk wurde in derselben Weitläufigkeit
durchgeführt, wie beim Jahrtage. Mochten die Mädchen, die höchstens
der Trinkspruch auf ihre Schönheit interessierte, noch so ungeduldig werden
und Botschaft auf Botschaft senden, um an die eigentliche Aufgabe des
Abends zu erinnern, so musste doch der letzte Trinkspruch ausgebracht
sein, bevor man die Tische wegrückte — daher der Name — und dem
Tanzvergnügen sich hingab. Mahl und Eintrunk dauerten gewöhnlich über
Mitternacht hinaus.
Hatte man aber einmal zu tanzen begonnen, so genoss man das Ver-
gnügen bis zur Neige. Nicht bloss dauerte der Tanz bis zum lichten
Morgen, es wurden auch die zwei folgenden Nächte gewöhnlich durchtanzt.
Einiger Schlaf bei Tage und die kräftige Gesundheit des Tuchmachers
machten dies möglich. Zu Hause backte ihm die vorsorgliche Meisterin
Faschingskrapfen.
Wenn auch kein Festtag, so doch ein Freudeutag ist der „krumpe"
Mittwoch in der Osterwoche, weil an diesem zum letztenmale bei Licht
gearbeitet wird. Der Lehrling muss, sobald Feierabend wird, die brennende
Kerze aus der Werkstatt hinaustragen, wobei ihn, der gewissermassen ein
Bild des Winters ist, die Gesellen peitschen. Es entspricht dieser Vorgang
dem Winteraustrageu, wie es hier bei der Landbevölkerung gebräuchlich
ist oder dem anderswo vorkommenden Winterauspeitschen.
(Schluss folgt.)
Zur neugriecMschen Volkskunde.
Von Dr. Albert Thumb.
II. Zur YolkstümUchen Mantik der heutigen Griechen.
Den Schleier zu lüften, der über unsere Zukunft ausgebreitet ist, und
einen Blick in die geheimen Beschlüsse des Schicksals zu thun, ist ein
Wunsch, der dem Menschengeschlecht sozusagen eingeboren ist und dessen
Erfüllung der Volksaberglaube auf die verschiedenste Weise zu erreichen
sucht. Und gerade diejenigen Gebräuche, die sich auf Erforschung des
Schicksals beziehen, dürften wohl am festesten haften. Ertappen wir doch
in den gebildeten Kreisen Deutschlands noch immer solche, die Blei in
der Neujahrsnacht giessen oder ähnliches üben und sei es auch nur zum
286 Thumb :
Scherz — immerhin aber ist es noch der allerletzte Rest abergläubischen
Brauches.
Uns sollen hier aus dem Kreise volkstümlicher Mantik der heutigen
Griechen solche Gebräuche beschäftigen, die zum Mirenglauben in Be-
ziehung stehen.
Nicht bei jedem traf es sich so glücklich, dass seine Angehörigen das
l40iQafxa erlauschten (s. oben S. 126). Über den zukünftigen Beruf des
Kindes sucht man auf los (Beut 186) dadurch etwas zu erfahren, dass
man ihm Schreibfedern, Geld u. a. vorlegt und das von dem Kind zuerst
berührte als ein Yorzeichen der f.wlQa betrachtet: die Berührung von
Federn weist z. B. auf gelehrten Beruf. Der Erwachsene greift zu andern
Mitteln, welche die Miren nötigen, einen Blick in die Zukunft zu ge-
statten. Dazu dienen Traumorakel, von denen ich im folgenden be-
richten wilP).
Die äginetischen „Traumorakel" beschränken sich darauf, der neu-
gierigen Jungfrau über ihren Zukünftigen Aufschluss zu geben. Sofern
die Miren in Betracht kommen, sind die Gebräuche ein „xdleofta" oder
„öeGi/no TTJg |UOfc(;ag", d. h. ein Anrufen oder Beschwören^) der Mire. Es
handelt sich immer nur um eine Mire, d. h. die specielle Mire des ein-
zelnen Menschen, der die Yerantwortlichkeit für die Erfüllung des (ioiQaf.ia
obliegt (s. oben S. 125. 130).
Am einfachsten ist jene Form der Beschwörung, welche an keinen
bestimmten Tag im Jahr gebunden ist; sie bestellt in folgendem: das
Mädchen, welches seinen Zukünftigen kennen lernen will, bindet sich ein
yiQOVGO(xävTr}ko (ein goldfarbenes Tuch) um, und während sie drei Knoten
hinter ihrem Rücken schürzt, spricht sie die geheimnisvollen Worte:
'2tri Molißo, 'gxrj Kökvßo^),
^^Trj TovQXof.iaQ/iiaQonTjyij ,
^Exet elv^ r] (.lolQsg tcT (.ioiqco^
^Exsl elve x^idutij ^nv.
^Idv xdd^STai vd or^xcod^fj^
Kl av fjv'' oQ&ri^ vd. öqu^-itj,
NanQiyrj doifJs vd f.iov elnfj,
Hovbv dvTQa S^sld nÜQto.
„In Molivo, in Kolivo,
In Turlomarmaropigi,
Dort weilen die Miren alle,
Dort weilet auch die meine;
1) Aus Ägina, sofern niclit auderes angegeben ist. 'IlQeitöjrjg hat im zweiten der
genannten Programme (S. 11 — 14) derartige (iebräuchc besclirieLen.
2) ä^at/iio (J^ajf) ist der allgemeine Ausdruck für „Beschwörung",
3) Var. KöXoßo.
Zwr neugTiechischen Volkskunde. 287
Wenn sie nun ruht, so steh' sie auf,
Und wenn sie steht, so lauf sie.
Mir kund zu thun noch diese Nacht
Den Mann, der mir beschieden."
Nach dieser Beschwörung legt sich die Orakelsuchende sofort zum
Schlafe nieder und erwartet, dass sie über den ihr bestimmten Gatten
etwas erfahren werde, ,./fa va iöfj ovbiqo nnv i^cc cpaviOTrj j) (.lo'iQa tr]?,
va ZTJg slnfj tÖv avvQa riqg nov &cc naQTj"^ „dass sie einen Traum haben
werde, wo die MolQa erscheint, um ihr den Mann zu nennen, den sie be-
kommen wird".
Yon Interesse ist die angewendete Zauberformel. Der Sinn des Ganzen
ist klar, nur die phantastischen Ortsnamen sind offenbar Verstümmelungen
der ursprünglichen Namen. Die einheimische, d. h. auf Ägina circulierende
Erklärung besagt, dass Molißo und Kölvßo in Äthiopien liegen, und dass
TovQloi-iaQ^iaQonriyri an einem dieser Orte der Hauptsitz der Miren sei.
Diese volkstümliche Erklärung hat für uns natürlich keinen realen Wert.
Einer wirklichen Deutung der merkwürdigen Namen werden wir näher
gebracht durch Varianten desselben Spruchs, die wir bei B. Schmidt S. 219
zusammengestellt finden :
I. aus Kephissia (aus Wordworth, nach der Ullrich'sschen Fassung bei
Passow, Carmina popularia graeca No. 574. b).
2x6v'Olv(.i7zov, "'gzbv Kolvf-inov^),
Ta^) TQia axQa tovquvov
^Onovv'^) cl'l fwiQai tcov (.lOiQuiv^
'Q löia*) f-iov finlQa,
"^Ag sX^fi T(juQa va (.le äyfi^).
Lesarten: 1) xoXvfißov schreibt Schmidt: dies widerspricht jedoch den Lautgesetzen
des Neugriechischen; die Lautgruppe /uß existiert nicht, sondern entweder un oder ß mit
Ausfall des fx, also xoXvßo, was zur äginetischen Version passt. 2) '?tk richtiger Schmidt.
3) onov (d Wordwoi-th und Schmidt (der jenem folgt). 4) auch von Schmidt acceptiert;
Wordworth ^Jih'c. 5) Mjj Schmidt. Syri d. i. rfijj ist eine dialektisch verschiedene Form.
Ich lese daher (in der reinen Volkssprache):
2It6v "OKv/uno, \i6v y.ökvfino,
.Zt« TQÜi lixQCi TOVQKVOV,
'Onoi)v''r, fiolQü T(o /j-oiqü,
'i2 iöicc fiov fioiQa (richtiger vielleicht -/tiityri ^lov ,uoii>ct),
"Ag (Xd^ri rioQK va jus Ö'Tj.
„Auf dem Olymp, auf dem Gipfel,
An den drei Enden des Himmels,
Wo die Miren der Miren sind,
Ist auch meine eigene (?),
Sie komme, mich zu sehen."
II. (Ileuzey).
'yiTTo zov "OXvfinov, zov XOQVflßoV,
Ta TQia axQa xov ovQccvov,
288 Thumb :
"Onov cu MolQai xwv Moiqwv
Kai ^ Idixrj f.iov MoIqu^
Aq axnvaj] xai ag skif^rj.
„Yom 0. etc. (wie oben)
Sie höre und komme."
Aus der Yergleichung der beiden Texte mit dem von mir oben mit-
geteilten ergiebt sich uns zunächst für die zwei ersten Zeilen meiner
Version eine leichte Erklärung: Mnlißo ist eine Verstümmelung von
"Olvfinov. Da der Name des alten Olymp dem Gedächtnis entschwunden
war (wenigstens für die Ägineten), so ist eine solche Verstümmelung.leicht
begreiflich; den Weg dieser Umwandlung NO\\"Olvf.ino(; zu MoXvßo glaube
ich bestimmen zu können: was zunächst das ß statt un betrifft, so ver-
dankt es vermutlich dem Reim zu KoXvßo (worüber unten) seine Ent-
stehung. Dass man aus * OXvßo weiterhin ein MoXvßo machte, erklärt sich
aus dem Bedürfnis des Volks, dunkle Namen sich etymologisch zurechtzu-
legen: (.loXißi („Blei") war das dem Klang nach zunächstliegende Wort*).
Endlich wurde der Name auf Ägina femininum, w&il man ihn als Orts-
bezeichnung auf die gleiche Stufe stellte mit zahlreichen anderen Orts-
namen wie ^ KoQd^o (Korinth), «/ 2df.io, rj Nin^ jj IJceQO etc.
Dass KoXvßn mit dem KöXvfxßov der Wordworthschen Version identisch
sei, habe ich oben bereits gezeigt. B. Schmidt hat ferner darauf hin-
gewiesen, dass xöXvfxßov für xoQVfiSov („Gipfel, Spitze") stehe und dass
diese Deutung durch das Heuzeysche xoQVfxßnv gesichert sei. Das ursprüng-
liche Vorhandensein des q wird auch durch das KnQOißog des Pittakis^)
bestätigt. Der Übergang des q in l hat jedoch keinen lautlichen Grund;
Q zwischen Vokalen bleibt unverändert; das spontane Übergehen eines
intervokalischen ^ in A ist mir wenigstens nicht bekannt^). Am ein-
fachsten ist es daher, den Ursprung des X in KöXvßo aus einer Anlehnung
an 'OXv^nov (bezw. MnXvßo) zu erklären. Dieser Binnenreim schien mir
bereits Ursache des ß in WloXvßo; ein altes i-in wird nicht ß, wohl aber
kann altes ^ß im Neugriechischen durch ß vertreten sein. Daher muss
KoXvßo das ß von MoXvßo, umgekehrt dieses das X von KoXvßo hervor-
gerufen haben*). KoXvßo wurde weiterhin, weil nicht mehr verständlich,
1) Ich weiss wohl, dass auf Lesbos eine Stadt Molivo liegt, aber ich glaube uicht,
dass dieser Name eine direkte Beziehung zu unserm Worte hat.
2) bei B. Schmidt a. a. 0.
3) Q wird zu A durch Dissimilation, s. die Beispiele bei Foy, Lautsystem der griech
Vulgärspr., p. 38.
4) Zur Vertretung des agr. ßß, vy, vö durch ß, y, rf siehe Psichari, To laSeiäi fxov
p. 178 f. Essais de grammaire n6o-grecque II p. C. Danach müssten wir xögvßo, bezw
Zur neugriechischen Volkskunde. 289
zum Eigennamen und erfuhr in Bezug auf das Geschlecht dieselbe Um-
bildung wie der erste Name.
Der zweite Vers unserer äginetischen Beschwörungsformel hat ein
seltsames Aussehen.
Während sonst in Griechenland der Olymp als Wohnung der Miren
gedacht wurde, wie die beiden Versionen I und 11 zeigen, wusste man
davon auf Ägina nichts: daher jene Verstümmelung des ersten Verses. Aber
obgleich auch in Ägina die Vorstellung herrscht, dass die Miren „an den
Enden der Welt" hausen (s. oben S. 126), so hat doch der zweite Vers
des Spruches
'gra TQia axQa rovQavov
auf Ägina eine vollständig veränderte Gestalt bekommen. Ich muss ge-
stehen, dass ich mit dem wunderlichen TovQXo(.iaQf.iaQonr}yri wonig anzu-
fangen weiss. Die einzelnen Glieder des Wortes sind verständlich; TovqXo-
gehört offenbar zu TOVQka (oder iQovXa) „Kuppel", einem gemein -neugr.
Worte. Dass es in Ableitungen auch zu Ortsnamen verwendet wird, be-
zeugt der Name TovqXut^ für einen Hügel, s. IlaoTrazi^g, Xiaxbv yXioaoa-
Qinv S. 364 (s. V. xqovXo). Wie freilich das dreigliedrige phantastische
Wort in unsern Text gekommen ist, weiss ich nicht anzugeben. Ich äussere
nur die Vermutung, dass der Name einem Märchen entstamme. Es fehlt
mir die Möglichkeit, diesen Punkt weiter zu verfolgen^).
Vers 3 und 4 stimmen mit dem Heuzeyschen Text nahezu überein.
Die vier letzten Zeilen unseres Spruches sind an die Stelle eines Verses
von I und II getreten. Unsere Form ist eine anschauliche Ausmalung
der dort nur kurz angedeuteten Situation. Der letzte Vers ist im be-
sonderen der vorliegenden Situation angepasst.
Die weiteren Arten der Mirenbeschwörung beruhen auf demselben
Prinzip, wie die eben mitgeteilte, sind aber an bestimmte Zeiten des
Jahres geknüpft, so z. B. an den Tag des hl. Theodor. Das orakelsuchende
xöXvßo für ein auf gelehrtem Wege eingedrungenes Wort ansehen. Ich sträube mich etwas
dagegen, echt volkstümliche Worte -wie z. B. avyvgtXw so zu erklären. Ich kann mir zwar
wohl denken, dass einzelne Wörter durch gelehrten Einlluss ins Volk eindringen (solches
geschieht ja in Griechenland fast täglich, cf. z. B. aüßaai, avßovloi u. ä.), ich weiss
mir aber nicht recht zu erklären, wie solcher Einfluss sich geltend machen konnte, wenn,
wie in unserm obigen Fall, offenbar sehr alte Zauberformeln einfach gedächtnismässig
und ohne eigentliches Verständnis reproduciert werden. Ich halte daher die Erklärung
von Psichari noch nicht für ganz abschliessend, sondern sehe noch eine Möglichkeit als
der Untersuchung wert, ob nicht etwa die verschiedene Beliandlung von Nasal -f agr.
Media nach Dialekten verschieden sei und gegenseitige Mischung bezw. Dui'chkreuzung
stattgefunden habe. Zu einer näheren Untersuchung fehlen mir zui" Zeit die Materialien.
1) Vgl. auch weiter unten (S. 292) JVlaQjuaQoxQOvaoTiTjy^ : ob dieses die ursprüngliche
Form und das obige daraus verderbt, wage ich nicht zu entscheiden.
290 Tlmmli:
Mädchen holt au diesem Tage emige Weizenkörner von den icolvßa^), die
in der Kirche ausgeteilt werden, und begiebt sich damit um Mitternacht
in den Garten oder an einen andern, beim Hause liegenden Platz; die
Jungfrau umgürtet sich, nach Osten gekehrt, mit dem oben erwähnten
yQovaoiiidvrrjlov und spricht dreimal, während sie die beiden Enden mit
drei Knöpfen hinter ihrem Kücken zusammenbindet, „os öavio, (lolQa fiov^
vaQÜ-rjg anoips 'g tov vtivo uov va (xnl einf]q nolo ^d naoto^ yal a dsv
sQ&r]g. ÖE oe avVw" „Ich beschwöre dich, meine Mire, dass du heute Nacht
im Traum mir erscheinst, um mir zu sagen, welchen (Mann) ich bekommen
werde, und wenn du nicht kommst, so gebe ich dich nicht frei". Hierauf
lässt sie das Tuch zur Erde fallen. In den Kreis, der durch dasselbe ge-
bildet wird, sät sie die Weizenkörner und legt eine Sichel daneben. Die
Mire ist nun gebannt; sie muss dem Mädchen seinen Willen thun: dieses
geht eilends zur Ruhe, „ytd va I6fi ovsiQn nov l^cc cpavioTTJ 'fj (.ioIqu trjg
i>d xrjq elnrj tov avTQa, nov ,'>« naQrj^^ (wie oben). Es ist notwendige
Voraussetzung zum Gelingen, dass nicht eine andere zugesehen hat und
durch die Worte „(tv oneQveig x^syco va iöto %o oveiQO^ „du säest und ich
will den Traum haben" den Erfolg für sich vorwegnimmt.
Auch der Beginn der Fastenzeit ist zu solchem Zauberwerk geeignet:
am „reinen Montag" (/ai^aQcc öevxäQaY) kann die Mire ebenfalls in den
Kreis des %Qvoo^ävxrjlov gebannt werden; beim Binden der Knöpfe spricht
man folgenden Spruch:
'^Ayia JsvTsqa ßyalvovzag^
'^Ayia TQiTr] finalvovTag^
'^Ayia TexQocd^ alri^ivrj,
'Onov GS axsh'io va diaß^g'
M^xe vä (fag [.irjzs. va nifjg,
Blijxs ^C avXQa va. xoifJj]d^fjgj
Tij f.io~iQa fiov va nag vä ^ß(>[}g,
Nagd^rj anoil'e vä fjov elnfj,
TIoiov avxQa S^eXä naqio.
„Heiliger Montag, wenn du gehst.
Heiliger Dienstag, wenn du kommst,
Heiliger Mittwoch, du fürwahr.
Dorthin, wohin ich dich sende, geh!
1) Ein Brei ans Weizen, Eosinen, Mandeln, Granatäpfelkörnern, Honig und anderen
Ino-redienzicn wird den Abgestorbenen an bestimmten Tagen aufs Grab gestellt, dann an
die Teilnehmenden ausgeteilt.
2) Entspricht der Zeit nach unserm Fastnachtmontag; doch schliesst der Fasching
{unöxnnoi) in Griechenland bereits mit dem Sonntag („t^? Tvooqxxyov''). Der Montag
darauf {xn&aQu dtviiqu) ist der erste Tag der in Griechenland streng beobachteten grossen
Fasten {auQaxoai^), entspricht also der Sache nach dem Aschermittwoch der katholischen
Länder. Übrigens unterscheidet sich der „reine Montag" von den folgenden stillen Tagen
durch harmlose Volksvergnügungen.
Zur neugriechischen Volkskunde. 291
Esse nicht und trinke nicht,
Schlaf auch nicht bei einer Maid^),
Die Mire such und hole sie:
Sie komme heute und sage mir,
Wer der j\Iami, dem ich bestinnnt bin."
■ Hierauf erwartet das Mädchen, wie oben, einen Traum.
Der Samstag der letzten Faschingswoche (öäßßaxo rijc. TvQoqxxyov)
eignet sich zu demselben Zweck. Wenn das Mädchen beim Abendessen
die erste Gabel Maccaroni isst, macht sie sich einen Knopf ins Taschen-
tuch und spricht dazu: „ai divw, f.ioli)a fxov, onoiog sivs, xslvog nov ^d
TKXQOi vaQd-i] duoipe 'c; tov vnvo (.lov vä f.iov öwot] veno vd niio"' „ich be-
schwöre dich, meine Mire, wer es ist, den ich (zum Manne) bekommen
werde, der möge heute Nacht im Traume kommen, um mir Wasser zum
Trinken zu geben". Sie beendet ihre Mahlzeit, ohne Wasser zu trinken,
und erwartet nun, wer ihr im Traum Wasser bringen wird, denn der ist
ihr Zukünftiger — jedenfalls ein galanter Mann.
Mit dem eben mitgeteilten Orakel hat ein anderes den Hauptzug ge-
mein. Durch die „Salzbretzel" (^d()i.ivQoxovXovQo) kann nämlich ähn-
liches erreicht werden, wie mit den Maccaroni, nur erfordert die Zuberei-
tung jener Bretzel einige Umstände^): am „reinen Montag" holt sich das
junge Mädchen aus drei Häusern, deren Bewohner nicht eine zweite Ehe
eingegangen sind (ßovooxicpava Gnixia)^ Wasser, Salz und Mehl. Daraus
macht sie einen Teig zurecht, wobei vor allem am Salz nicht gespart wird,
stellt das verwendete Gefäss auf die Schwelle des Hauses, knetet den Teig
mit nach hinten gekehrten Händen und formt ein xovIovqi, ein „Ringel".
An einem Dreiweg (TQiGXQaTo) wird dasselbe gebacken. Diese reichlich
gesalzene Bretzel wird vor dem Schlafengehen verzehrt; natürlich stellt
sich bald Durst ein, der sich im Traum entsprechend äussert; das Mädchen
glaubt, dass der vom Schicksal bestimmte Gatte im Traume erscheinen
wird, um den Durst der schmachtenden Geliebten zu stillen. Ganz die-
selbe Sitte (an demselben Tage) herrscht in loannina, wie in dev'EoTia
1892 (I) S. 100 erzählt wird.
Dieser Brauch hat keine unmittelbare Beziehung zu den Miren; dass
aber eine solche vorhanden war, zeigt mir eine ganz ähnliche Ausführung
desselben Orakels, wie es in den NeneXlrjvixct ^AvdXeyixa I S. 335 mitgeteilt
wird. Wo das Orakel im Gebrauch ist, wird nicht angegeben; aus der
Sprache der sogleich mitzuteilenden Verse schliesse ich auf eine der Inseln
im ägäischen Meer. Am Feste der hl. Katharina ("7' pe JenFb<^y bitten die
Mädchen bei drei zum erstenmale verheirateten Frauen (uovoozeq>av€g) um
1) Gemäss dem grammatischen Geschlecht der deutschen Worte „Montag" etc. habe
ich mir in der Übersetzung diese kleine Änderung erlaubt.
2) S. 'HQiiwirig S. 14.
292 Thumb: Zur neugriechischen Volkskunde.
drei Handvoll Mehl und Salz und bereiten daraus ein Brot (nXaxovvxa),
das sie vor dem Schlafengehen verzehren; während sie essen, rufen sie die
hl. Katharina mit folgenden Yersen an:
'!^yicc (xov KatsQiva (.lov
Ntszoqov ^vyaTeQa
'.2 TTJ MaQi.iaQOXQOVoonrjyri,
JJovve fj fxo^Qeg töj (xoiqw
Kai Xovyoviai xat vlßyovzai
JW aorjfioxoQÖoviCovTai,
Ki^ av X E(xsvri^) ij MV/^f (lov
Ki^ av slve cc^ia xal xalij,
Ilsg zrjg vccqxu^) ^cc (xe ßQjj.
„Heilige Katharina mein,
Eines Doktors^) Tochter,
Geh nach cQOvXa (?)
Und nach xccQovXa (?),
Nach Marmorgoldenbrunn,
Dort weilen die Miren alle
Und baden sich und waschen sich
Und schmücken sich mit Silber schmuck;
Wenn dort auch die meine ist
Und wenn sie würdig ist und gut,
Sag ihr, dass sie mich besuche."
Der Schluss des Orakels wie oben: im Schlafe erwartet das Mädchen
den wasserbringenden Geliebten.
Bemerkenswert ist die Übereinstimmung von V. 5. 6. 10. 12 mit den
oben mitgeteilten Beschwörungsformeln, wodurch zugleich bewiesen wird,
dass auch die äginetische Sitte des aQ/nvQoxovlovQO in die Kategorie der
Mirenbeschwörungen gehört. Unklar sind V. 3 und 4. MuQ^aQoxQovao-
nriyri ist ein fingierter Ortsname mit durchsichtiger Etymologie ; ob freilich
das Wort von Anfang an im Vers gestanden hat, ist eine keineswegs ganz
klare Frage (s. oben S. 289).
"
1) etwa agovnn mit Dissimilation des zweiten q?
2) Bedeutung mir nicht bekannt; beide Wörter vielleicht nur Reimspielerei. Auch
Griechen, die ich darüber befragte, kannten die Wörter aQOvla und xaQOvla nicht.
3) = ^/x^ya.
4) = vägd^ri, d. i. va f'Aö-jj. Der Aorist ^p/a (statt ^g9a nach Analogie von
fQ/ofiiti) ist auch sonst bekannt: ich selbst habe ihn auf los gehört, Ross bezeugt ihn von
Kythnos.
5) vi^Togas, it. dottore „Doktor", wie ja auch bei uns Bezeichnung für den „Arzt".
Einige Heilige sind als Heilkünstler berühmt.
i
Sagengeschichtliche Parallelen aus dem babylonischen Talmud. 293
Eigenartig ist ein Gebrauch am Sylvesterabend (d. i. Vorabend des
hl. Basilios): das Mädchen kämmt sich und legt die ausgekämmten Haare
samt Kanmi und Spiegel unter ihr Kopf kissen ; hierauf bindet sie sich ein
XQvon/^idvTTjknv um und verfährt dann weiter wie in dem zweiten der mit-
geteilten Orakel.
SagengescMchtliche Parallelen aus dem babylonischen
Talmnd.
Von S. Singer.
Wenige Sagenforscher werden wohl imstande sein, den Talmud im
Original zu lesen. Allen übrigen hat nun gewiss Dr. August Wünsche
mit seiner Übersetzung „Der babylonische Talmud in seinen haggadischen
Bestandteilen (Leipzig 1886 — 89)" einen unschätzbaren Dienst geleistet.
Leider hat er es versäumt, seinem AVerke ein Register beizugeben. Wenn
ich im folgenden einige Zusammenstellungen biete, so mache ich durchaus
keinen Anspruch auf Vollständigkeit, erlaube mir vielmehr nur für die
Fachgenossen einiges, was mir bei der Lektüre aufgefallen ist, zusammen-
zustellen :
1. Bugge, „Studien über die Entstehung der nordischen Götter- und
Heldensagen" (übers, von O. Brenner S. 47 ff.) legt, von einer Bemerkung
K. Hofmanns (Germania H, 48) ausgehend, grosses Gewicht auf die Über-
einstimmung der Erzählung der „Toledoth Jeschu" von dem Tode Christi
an einem Kohlstengel mit dem Tode Baldrs. Die Übereinstimmung ist
allerdings eine sehr grosse, der Fehler ist nur, dass sich die jüdische Er-
zählung nicht über das 13. Jahrhundert zurück verfolgen lässt. Ohne etwas
Bestimmtes behaupten zu wollen, will ich hier nur zeigen, dass sie sich
sehr wohl als selbständig aus jüdischen oder internationalen Sagenmotiven
entstanden denken lässt und zwar: a) nach Hrabanus Maurus, contra Judaeos,
erzählen die Juden, dass Jesus in einem Kohlgarten begraben worden sei.
Das ist wohl als Ausgangspunkt anzunehmen; b) Wünsche H 1, 76 w^ird
von einem Krautstengel berichtet, der so hoch war, dass man daran mit
einer Leiter auf- und absteigen musste; c) internationales Märchenmotiv
von den Tieren und auch leblosen Gegenständen, die sich weigern, einem
Menschen, der ihnen früher wohlgethan hat, auf Befehl eines andern etwas
Übles zuzufügen (s. Gonzenbach, Sicilian. Märchen No. 13, Anm. von
R. Köhler; Cosquin, Contes populaires de Lorraine H, 239 ff.). Auch ein
Baum weigert sich etwa, den Betreffenden aufzuspiessen (Pitre, Fiabe
novelle e racconti popolari siciliane No. 18).
Zeitschrift d. Vereins f. Volkskunde. 1892. 20
294 Sinper:
Bei dieser Gelegenheit will ich denn gleich das Übrige, was mir an
Berührungen der „Toledoth Jeschu" mit abendländischer Litteratur auf-
gefallen ist, notieren. Dabei ist die Recension Wagenseils in seinen „Tela
ignea Satanae" (Altdorfi Noricorum 1681) und die Huldrichs, Historia
Jeschuae Nazareni (Lugd. Bat. 1705) auseinanderzuhalten (s. Rösch, theolog.
Stud. u. Krit. 1873, S. 83 fP.).
Bei Huldrich ist die zwischen Joseph Pandera und Mirjam spielende
Geschichte vernünftig und zusammenhängend, bei Wagenseil dagegen ist
sie recht unsinnig: Mirjam ist mit dem ehrbaren und gottesfürchtigen
Jüngling Jochanan verlobt, was aber folgt, hat eigentlich nur Sinn, wenn
man annimmt, dass sie mit ihm verheiratet ist. Joseph Pandera nämlich,
der sich in Liebe zu ihr verzehrt, schleicht immer um ihr Haus, bis er
endlich an einem Sabbathabend — man muss annehmen, dass es schon
ganz finster gewesen sei — sie vor der Thüre ihres Hauses sitzend trifft,
mit ihr in die Kammer geht, und sie dort, ohne ein Wort zu reden, be-
schläft, was sie sich gefallen lässt, da sie ihn für Jochanan hält. Er ver-
lässt sie, ohne sein Schweigen gebrochen zu haben, kommt aber, von
böser Lust getrieben, in der Mitte der Nacht ein zweites Mal. Der
erstaunten und erschreckten Mirjam, die ihn fragt, was das zu bedeuten
habe, giebt er wieder keine Antwort. Nach drei Monaten merkt
Jochanan, dass sie schwanger sei und geht zu seinem Lehrer Simon,
sich bei ihm Rats zu erholen. Dieser meint, der Übelthäter werde sein
Beginnen gewiss noch wiederholen, dann solle ihm Jochanan auflauern
und ihn bei Gericht verklagen. Dieser thut aber nichts dergleichen, son-
dern flieht nach Babylon. Man sieht, dass die beiden Züge: das Wieder-
kommen des Ehebrechers, sowie der Rat des weisen Simon für die Öko-
nomie dieser Erzählung gänzlich überflüssig sind. Wir haben hier vielmehr
den Typus einer bekannten Novelle vor uns, der nur durch Hineintragen
von Zügen der wirklichen Joseph- und Mariasage alteriert wurde: der-
jenige, der das zweite Mal wiederkommt, ist der Ehemann, und an der
Frage der Frau erkennt er, dass er betrogen worden ist, den Rat des
weisen Freundes aber befolgt er. Im grossen und ganzen ist das ja auch
die Geschichte des Plautinischen Amphitruo und des lakedämonischen
Königs Aristo (Herodot YI, 68 ff.); genau aber stimmt Boccaccios Novelle
vom Langobardenkönig Agilulf, deren Quelle noch unbekannt ist. Sie
kann mit der hier besprochenen Erzählung recht nahe verwandt ge-
wesen sein.
Wenn bei Wagenseil Jesus angiebt, seine Mutter habe ihn durch den
Seheitel empfangen, so ist dies ebenso wie die muhamedanische Tradition,
wo dies dadurch geschah, dass Gabriel sie anhauchte, wo ihr Hemd sich
an den Hals schloss — nichts anderes als die verwandelte christliche Auf-
fassung der Empfängnis durch deis Ohr. Wemi ihn aber Huldrich aus der
Sagengescliichtliche Parallelen aiis dem babylonischen Talmud. 295
Stirn seiner Mutter geboren werden lässt, so muss man wohl an die Geburt
der Minerva aus dem Haupte des Zeus denken.
Dass eine Königin, namens Helena, zu Jesus' Zeit in Palästina herrscht,
mit ihm verwandt und ihm freundlich gesinnt ist, mag zur Aufklärung des
Anachronismus beitragen, mittels welches die hl. Helena in unserem
Spielmannsgedichte Orendel als Christi Zeitgenossin erscheint und ihm
den hl. Rock wirkt. Über Helena v. Adiabene s. Massmann, Kaiserchron.
HI, 848. [vgl. jetzt Heinzel, über das Gedicht vom König Orendel
Seite 12.]
Waa-enseil erzählt, nach seinem Tode sei Jesus' Leichnam durch die
Strassen geschleift worden und ihm dadurch das Haar vom Kopfe ab-
gegangen. Um dem Herrn nun gleich zu sein, hätten seine Jünger ihr
Haar «-eschoren und daher käme die Tonsur der Mönche. Anders gewendet
ist die Geschichte bei Huldrich: dort wird Jesu das Haar geschoren und
mit einem Wasser begossen, welches das Nachwachsen verhindert, um ihn
als unehelich geboren zu bezeichnen; er habe dann auf den Rat des
Johannes an seinen Jüngern dasselbe gethan, und dies sei der Ursprung
der Taufe. Von anderen, ferner liegenden Parallelen absehend, will ich
hier nur auf die bekannte Erzählung vom Herzog Adelger in der Kaiser-
chronik verweisen.
Zum Talmud zurückkehrend, kann ich für das wenige, was er von
Jesus erzählt, auf Rösch a. a. 0. 77 ff. verweisen. Wenn Hrabanus Maurus
a. a. O. berichtet, die Juden erklärten den Geruch, den man oftmals des
Sommers in den Frühstunden wahrnehme, als von den Qualen herrührend,
die Jesus in der Hölle erduldet, so ist auf Wünsche H 1, 160 zu verweisen,
wo Jesus in der Hölle in siedendem Kote gemartert wird.
Weniger bekannt sind andere Sagen, in denen der Name Jesus' nicht
erscheint. Wie nach der Ansicht einiger Mythologen in gewissen Legenden
die Heiligen nur an die Stelle der alten Götter getreten sind, so nimmt
etwa der fromme Rabbi Chanina ben Teradjon Jesus' Stelle ein.
Wünsche H 3, lU heisst es „Ein Weib ging umher, um Staub unter den
Füssen Chaninas zu sammeln. Er sagte zu ihr „wenn es hilft, geh und
thu es" — das ist vielleicht eine Kontrafaktur der Salbung durch Maria
Magdalena. Ib. 340 wird von der Marterung Chaninas durch die Römer
berichtet. Er soll verbrannt werden, und damit die Qual länger dauert,
wird ihm ein nasser Lappen aufs Herz gelegt. Da sprach der Scharfrichter
zu ihm: „Rabbi, wirst du mich, wenn ich die Flamme vergrössere und
den wollenen Lappen entferne, in die künftige Welt bringen?" Chanina
schwört es ihm zu. Der Scharfrichter thut, wie er gesagt, und springt
dann selbst in die Flamme. Eine Stimme vom Himmel ertönt: „Rabbi
Chanina ben Teradjon und sein Scharfrichter sind beide für das Leben der
künftigen Welt bestimmt". — Die Ähnlichkeit mit Jesus letzten Stunden
ist wohl nicht zufällig.
20*
296 Singer:
Auch die bekannte Kindheitserzählimg (Ev. Thom. graece A Kap. 6 — 8.
14. 15. Pseudo-Matth. 30. 31. 38. 39. Evang. Arab. 48—50) findet sich,
aber ohne Nennung des Namens I, 155: „Die Rabbiner sagten: Es sind
jetzt Kinder in das Lehrhaus gekommen und haben Dinge gesagt, die
selbst zu Josua ben Nuns Zeiten nicht gesagt worden sind: Aleph-Beth
heisst . . . ." u. s. w. bis zum Schlüsse des Alphabeths.
Die in dem Rätselwettkampf zwischen Josua ben Chananja und den
griechischen Weisen erscheinende Frage und Antwort: „Wenn das Salz
übelriechend wird, wodurch soll man es salzen?" „Durch die Nachgeburt
eines Maultiers." „Hat denn ein Maultier eine Nachgeburt?" „Wird denn
das Salz übelriechend?" — hat man richtig als Parodie auf die Bergpredigt
aufgefasst. Auch sonst ist dieser Rätselkanipf interessant, weil er in Form
und Inhalt Parallelen bietet zu dem, w^as Uhland, Schriften 3, 213 ff.,
„Lieder von unmöglichen Dingen" nennt. „Wo ist der Mittelpunkt der
Welt?" „Hier." „Wieso?" „Bringt Siebe und messet!" (vgl. Grimm,
Kinder- und Hausmärchen No. 152 und Anm.) „Bring uns den Brunnen
von der Wiese herein!" „Dreht mir Stricke aus Kleie, so will ich ihn
damit bringen." „Nähe diese zerbrochenen Mühlsteine zusammen." „Dreht
mir Zwirn aus den Steinsplittern, so will ich sie damit zusammennähen!"
CM. Kremnitz, Rumänische Märchen S. 11, Uhland a. a. O. 336, Anm. 263,
Volkslieder No. 4 B, 10, Grimm a. a. 0. No. 129). „Womit mäht man
eine Ebene, auf der Messer wachsen?" „Mit Eselshörnern." „Hat denn
ein Esel Hörner?" „Giebt es denn eine Ebene mit Messern?" (vgl.
Walahfrid Strabo, „Cornutos acquirat equos" bei Uhland a. a. 0. 319
Anm. 170). Die Erzählung endlich, wie ihm die Aufgabe gestellt wird,
ein Haus zwischen Himmel und Erde zu bauen; er erhebt sich nun durch
Zauber in die Lüfte und heisst die Gegner ihm die Baumaterialien hinauf-
reichen; da sie es nicht können, hat er gewonnen — findet sich wieder in
1001 Nacht (Nacht 561 — 68, Habicht XIII, 86). Die Einkleidung: ein
Gast kommt sich mit den Wirten im Rätselwettkampf zu messen, wobei
sein Leben zu Pfände steht, gemahnt an bekannte nordische Typen.
2. Zimmer hat (Zeitschr. f. d. A. XXXHI, 127 ff. 258ff.) die irischen
Quellen aufgedeckt, auf welche die Brandanerzählungen des Mittelalters
zurückgehen und hat dann diese irischen Quellen selbst wieder (a. a. 0.
324 ff.) als aus thatsächlichen Erlebnissen irischer Fischer, von heidnischer
Zeit her zurückgebliebenen Vorstellungen, endlich aus klassischen Reminis-
cenzen entstanden, erklärt. Daneben werden wir aber doch auch wohl
mit dem Christentum eingeführte orientalische Bestandteile anzunehmen
haben.
II 2, 179. 3, 212 finden wir die Einleitung der zweiten Brandan-
sagengruppe: Ein Schüler hört von seinem Lehrer von 30 Quadratellen
grossen Edelsteinen, ungläubig spottet er darüber. Kurz darauf macht er
Sagengeschichtliche Parallelen aus dem babylonischen Talmud. 297
eine Seereise, da trifft er Engel, welche Edelsteine dieser Grösse sägen.
Reuig kehrt er zurück zum I^ehrer, dieser aber verwandelt ihn durch einen
Zornesblick in einen Knochenhaufeu.
n 2, 171 finden wir den Jasconius: Rabba bar bar Ghana erzählt:
„Wir fuhren einmal in einem Schiffe und sahen einen Fisch, auf dessen
Rücken Sand lag und es waren Binsen darauf gewachsen. Wir glaubten,
es wäre trockenes Land, stiegen hinauf, buken und kochten auf ihm.
Als ihn das heiss machte, wandte er sich um, und wenn nicht das Schiff
in unserer Nähe gewesen wäre, so wären wir untergesunken." Andere
Parallelen bei Schröder S. Brandan S. 40, Zimmer a. a. 0. 181, De Goeje
in De Gids 1889, S. 281 ff. Zu vergleichen ist auch die Stute des
serbischen Lügenmärchens, die zwei Tage lang und bis Mittag breit ist
und auf deren Rücken Weiden wachsen (Uhland a. a. 0. 235).
II 3, 113. bietet eine Parallele zur Geschichte von Judas: Am
Sabbath steigt kein Rauch vom Grabe des Sünders, denn am Sabbath feiert
auch die Hölle; vergl. auch II 2, 174. 3, 284.
Beiläufig will ich hier zwei weitere Episoden des Brandan besprechen.
Das eine Mal kommt Brandan in einen herrlichen Palast, als aber einer
aus seinem Gefolge einen kostbaren Gegenstand aus demselben mitnehmen
will, wird er vom Teufel getötet. Die celtischen Quellen dieser Erzählung
hat Zimmer a. a. 0. nachgewiesen. Eine Parallele bietet die Erzählung
von Gerbert, der mit seinem Diener in eine unterirdische Schatzkammer
kommt, da dieser aber ein Messerchen daraus entwendet, erlischt der die
Schatzkammer erleuchtende Karfunkel und sie finden mit Mühe den Aus-
weg (Comparetti, Yirgil im Ma. 259 ff.). In anderen Versionen kommt der
Übelthäter wirklicli bei seinem Unternehmen elend um (Massmann, Kaiser-
chronik III, 450).
Ein anderes Mal kommt er auf eine Insel, die von Vögeln bewohnt
wird, welche sich als Engel zu erkennen geben, die sich im Kampfe
zwischen Gott und Lucifer neutral gehalten haben. A. Graff hat diese
neutralen Engel im Giornale storico della lett. ital. 9, 5 ff', noch im Huon
d'Auvergne und in Dantes Inferno III. nachgewiesen, zu welchen beiden
Belegen er später in seiner Naturgeschichte des Teufels S. 30 den
Parzival, allerdings auf eine etwas confuse Weise — wenn nicht die
herzlich schlechte Übersetzung, die ich in Ermangelung des Originals be-
nutzen muss, daran schuld ist — hinzufügt. Wenn er aber dieselbe Vor-
stellung S. 407 bei Origines findet, so ist es mir trotz eifi-igen Suchens
nicht gelungen, etwas Entsprechendes bei diesem zu entdecken. Hingegen
findet sie sich bei Jans Enenkel:
Sumlich gedächten in ir muot,
swer under in daz pest tuot,
da, schul! wir bi beliben.
wer mac uns dann vertriben?
298 Singer:
di selben waren zwiflser,
da von wären si unmser
dem vil hoch gelobten got,
da von so litens grozen spot.
wan sie sint oueh verstozen
von andern ir genozen.
(Einschub in der Arolsener Christherrecln-ouik.)
Diese sind es, Vielehe in die Besessenen „zwischen Fleisch und Haut"
fahren. Auf die Stelle im Parzival 471, 15 (revocirt 798, 11 ff.) geht
Wartburgkrieg 115 zurück. Zu erinnern ist etwa daran, dass die irischen
Elfen Engel sind, die mit Lucifer gesündigt haben, doch nicht so arg wie
dieser und darum von Gottes Angesichte verbannt sind (Grimm, irische
Elfenmärchen S. XIII. XX. LXII. 20). [auch in deutschen Sagen siehe
Seeber, Ztschr. f. d. Phil. XXl.V, 32 ff. Lütolf, Sagen aus den Fünf Orten
50. 473.]
3. Der Talmud kennt einen eigentlichen Fall der Engel freilich
nicht, wohl aber eine Episode bei der Weltschöpfung, welche der Auf-
fassung des Falles durch den Koran, die Yita Adae etc., nahe steht.
Wünsche II 3, 63 spricht sich eine Schar der Engel über die Absicht
Gottes, den Menschen zu schaffen, im Hinblick auf dessen künftigen Fall,
tadelnd aus. Zur Strafe werden sie von Gott verbrannt, ebenso ergeht es
einer zweiten Schar, eine dritte, die sich dem Willen Gottes beugt, wird
verschont.
Gott erscheint in Gestalt eines alten Mannes dem zum Sterben be-
stimmten I, 371. II 3, 184. 4, 53 — erinnert an nordische Odinsagen.
Gespräche Gottes mit der Gerechtigkeit I, 136. II 3, 290 — vergl.
Weilen, d. ägypt. Joseph 8 anm., woselbst Litteratur.
Cantica allegorisch ausgedeutet I, 396.
II 3, 120 wird die Ansicht aufgestellt, der Baum der Erkenntnis sei
ein Feigenbaum gewesen (andere nennen daselbst den Weinstock und den
Weizenhalm). Im Abendlande gilt er gewöhnlich als Apfelbaum, doch
nennt Gottfried v. Strassburg (Massmann 450, 30) die Feige. Eine andere
Ausschmückung des biblischen Berichts vom Sündenfall, wonach Gott dem
Adam gleich bei der Erschaffung herrliches Gewand gegeben habe, welches
ihm erst nach der Übertretung des Gebotes entfallen sei (Lassbergs
Liedersal Nr. 95, 73, Keller, altd. Erzähl. 13, 36. 20, 3), geht nicht auf
talmudische, sondern auf mohammedanische Tradition (Weil, bibl. Legenden
der Muselmänner S. 27) zurück.
Streit zwischen Leib und Seele II, 3, 150.
I, 456. Choni liest Psalm 128, 1: „Als der Ewige die Gefangenschaft
Zions wendete, da waren wir gleich Träumenden." Er sprach: „Ist es
denn möglich, dass ein Mensch 70 Jahre im Traume sei?" Darauf schläft
Sagengeschichtliche Parallelen aus dem babylonischen Talmud. 299
er ein, durch ein grosses Felsstück den Augen der Welt entzogen, und
schläft 70 Jahre. Als er erwacht, sind alle seine Zeitgenossen gestorben,
keiner erkennt ihn mehr und er wünscht sich den Tod — dazu die Sasen
von der Relativität der Zeit (W. Hertz, Deutsche Sage im Elsass 263 ff.).
II 4, 161. Um das Vorhaben des E. Simeon zu befördern, fährt ein
Teufel in die Tochter des Kaisers und verlässt sie waeder auf die Be-
schwörung desselben, wodurch dieser vom Kaiser alles erlangt, was er
will — vergl. L. Bechstein, Deutsches Märchenbuch S. 270 u. a. m.
I 135. „Einem Manne war sein Weib gestorben und hatte ihm
einen Säugling hinterlassen, er besass aber nicht so viel, um einer Amme
Lohn zu geben Da geschah ihm jedoch ein Wunder, es thaten sich ihm
seine Brüste auf, gleich den zwei Brüsten eines Weibes, und er säugte
seinen Sohn'' — die Tegeaten erzählten von Ares, wie er aus der Brust
einer gestorbenen Mutter dem durstenden Kinde Nahrung gespendet habe
(E. Curtius, Abh. d. Berlin. Akad. 1890, p. 1150).
I 375 Zettel vom Himmel. Vergl. Wackernagel, Litteraturgesch. 2. Aufl.
§ 78, 41. Nie. V. Basel S. 338.
n 2, 116. Herodes lässt die Leiche seiner Geliebten, Mariamne, ein-
balsamieren und beschläft dieselbe durch sieben Jahre — vergl. Deutsche
Volksbücher (Bibl. d. litt. Ver. 185) S. XVIH.
II 1, 280. Der eiserne Sarg des Joseph schwimmt auf dem Wasser —
schwimmende metallene Reliquien AA. SS. 1. Febr. 106.
I, 163 Edelstein im Magen eines Fisches gefunden.
II 3. 27. Schwert im Bette zwischen einem Mann und der Frau eines
andern — Nibelungen, Tristan, Märchen.
II 4, 167 Alexandersage. Der Augapfel, der in andern Sagen ein
Stein ist, erinnert an die Näpfchensteine mit augenähnlichen Vertiefungen,
welche in Palästina gefunden werden und die H. Guthe (Zeitschrift des
deutschen Palästinavereins XIII, 123ff.) mit dem Stein mit 7 Augen
(Sacharja 3, 9) vergleicht. Eine Erwähnung einer Alexandersage bei
einem abendländischen Schriftsteller des 9. Jahrb. s. Dünmiler, Abh. der
Berl. Akad 1890, p. 939, woselbst die Chazaren mit Gog und Magog identi-
fiziert werden.
II 3, 326. Antoninus spricht zu Rabbi: „Die Grossen Roms quälen
mich." Da führte ihn R. in einen Garten und riss täglich einen Rettich
von einem Beete vor ihm aus — vergl. Livius I, 54. Die darauf erzählte
Correspondenz zwischen den genannten durch' Zusendung von Pflanzen er-
innert an die zwischen Darius und Alexander.
11 3, 278. Prokrustesbett in Sodom, Urteil des Schemjaka.
n 3, 239. Jemand erkennt durch besonders scharfsinnige Combination
an den Spuren, die ein Kamel hinter sich gelassen hat, dass dieses auf
einem Auge blind gewesen sein und zwei Schläuche getragen haben müsse,
deren einer mit Wein, der andere mit Öl gefüllt war, endlich, dass zwei
300 Singer:
Männer, ein Israelit und ein Heide, es geführt hätten — vergl. jetzt diese
Ztschr. II, 120 ff.
I, 41. Jemand belauscht das Gespräch zweier Geister und gewinnt
dadurch grossen Reichtum, ebenso gelingt es ihm im darauf folgenden
Jahre, im dritten Jahre aber erklären die Geister einander, schweigen zu
wollen, weil er mittlerweile das Geheimnis seinem Weibe verraten hat,
und sie dadurch erfahren haben, dass sie nicht ungestört sind — vergl.
Cosquin, contes populaires de Lorraine Nr. VII.
I, 448. II 3, 274. Ein frommer Mann wird als Gesandter mit einer
Kiste voll Kostbarkeiten zum Kaiser geschickt. Die Leute in der Her-
berge, in der er übernachtet, stehlen dieselben und legen Erde an ihre
Stelle. Als er sie aber zum Kaiser bringt, zeigt es sich, dass die Erde,
in die Luft geworfen, sich in Schwerter verwandelt, so dass der Kaiser
alle seine Feinde damit bezwingt. Als jene falschen Wirtsleute nun hören,
dass dem Gesandten ihrer Erde halber so viele Ehre angethan worden
sei, reissen sie alle ihre Häuser ein und bringen die Erde dem Kaiser.
Da sich aber an derselben keine Wunderkraft zeigt, werden sie als Be-
trüger umgebracht — vergl. Cosquin Nr. X, XX, XLIX, LXXI.
11 1, 163. „Es war nämlich gebräuchlich, dass bei der Geburt eines
Knaben ein Cederbäumchen und bei der Geburt eines Mädchens ein Kiefer-
bäumchen gepflanzt wurde" — vergl. Cosquin Nr. V.
H 1, 130. Ein Mann lebt von seinem Weibe getrennt; sie veranlasst
ihn, sie zu beschlafen, indem sie sich als Buhlerin verstellt, und giebt sich
ihm erst zu erkennen, als er sich aus Reue über seine That töten will —
vergl. Ende gut, alles gut.
II 1, 341. Ein Götzenbild Jerobeams wird durch einen Magnet
zwischen Himmel und Erde schwebend erhalten — ebenso das Sonnenbild
im ägyptischen Serapeion, vgl. Burckhard, d. Zeit Constantins d. Gr. 196,
woselbst richtig die Erzählung vom Sarge Mohammeds herangezogen wird.
II 1, 188. Sowie die Ansichten in betreff der Speisen verschieden
sind, so sind auch die Ansichten in betreff der Weiber verschieden. Dem
einen fällt eine Fliege in den Becher, er schüttet ihn aus und trinkt nicht,
der andere nimmt die Fliege heraus und trinkt, der dritte trinkt die Fliege
mit — dies kursiert vielfach heutzutage als Anekdote, aber ohne Nutz-
anwendung auf das Verhältnis zu den Weibern, als Antwort auf die Frage
nach dem Unterschied zwischen dem Engländer, dem Deutschen und dem
Russen.
4. Einiges hier Einschlägige habe ich in meinem Aufsatze über:
„Salomosagen in Deutschland" (Zeitschr. f. d. Alt. 35, 177 ff.) zusammen-
gestellt. Man erlaube mir hier einige Nachträge zu diesem Aufsatze an-
zuschliessen.
5. 179. Eine nicht unwichtige Form der Moroltsage bieten zwei
Münchener Handschriften, deren Inhalt W. Meyer in seiner Abhandlung
i
Sagengeschichtliche Parallelen aus dem babylonischen Talmud. 301
über die Geschichte des Kreuzholzes vor Christus (Abh. d. Bayr. Akad.
d. Wiss. XYI, 103 ff.) mitteilt: Als Adam stirbt, legt ein Engel einen Kern
des Baumes der Erkenntnis in seinen Mund. Daraus wächst ein Baum,
unter dem Salomo Gericht zu halten pflegt. Die Sibylle mit den Gänse-
füssen kommt und betet den Baum an. Beim Abschied bittet sie Salomo,
ihr seinen Halbbruder väterlicherseits, einen Zwerg, mitzugeben. Dieser
trägt nun dem Bruder auf, die Königin wegen des Grundes ihres Be-
nehmens auszuforschen. Darauf die übliche Sibyllenprophezeiung.
S. 183. Zu der Litteratur über den Schamir ist noch Baring-Gould,
Gurions myths of the middle ages 386 ff. hinzuzufügen.
S. 184. Die Stelle im Wigamur ist nicht für unsere Sage beizuziehen,
vielmehr ist a. a. 0. nach einer mir von Heinzel freundlichst mitgeteilten ein-
leuchtenden Besserung alder statt adler zu lesen, wodurch jede einschneidende
Änderung überflüssig wird.
S. 186. Die Leichen der HH. Florian, Stanislaus, Bacchus durch
überfliegende Adler vor den wilden Tieren geschützt (AASS. lY. Mai 465.
VII Mai 202. 231. YII. Oktober 838 867. 869).
Bern.
Das Schiieeschulilaiifen in Norwegen.
Von Konrad Maurer.
Unter dem Titel: „Norsk Idraet, ved Laurentius Urdahl. Illu-
streret af A. Bloch" hat ein Werk in Christiania, bei Alb. Cammermeyer
zu erscheinen begonnen (1891), welches die in Norwegen üblichen Arten
des Sport zu behandeln bestimmt ist; man verzeihe den Gebrauch des
fremden Wortes, für welches ein entsprechendes deutsches nicht zu Gebot
steht. Nach dem kurzen Vorworte sollen behandelt werden: der Sclinee-
schuhlauf und Schlittschuhlauf, das Fahren, Traben und Wettreiten, das
Büchsenschiessen, die Jagd und Fischerei, das Segeln, Kudern und
Schwimmen, die Touristerei (wieder ein Fremdwort!), das Ballschlagen,
Wettlaufen, Turnen und die Radfahrerei. Nur zum Teil, wie man sieht,
handelt es sich dabei um altvolkstümliche Übungen, und nur insoweit ge-
hört das auf etwa 10 Hefte zu 60 Öre berechnete Werk dem Bereiche
dieser Zeitschrift an. Da aber, wie billig, gerade derartige Übungen an
die Spitze des Ganzen gestellt siud, mag immerhin auch die „Volkskunde"
das schön ausgestattete Unternehmen beachten.
In den mir vorliegenden vier Heften wird zunächst der Schnee-
schuhlauf (Skisport) in sechs Aufsätzen behandelt, von welchen der erste
302 Maurer:
(S. 7 — 11) einen Auszug aus Dr. Fridtjof Nansens Untersuchungen über
die Entwickelungsgeschichte dieser Übung bringt, der zweite (S. 12 — 17)
aber, vom Premierlieutenant K. J. Nandrup bearbeitet, die Schneeschuh-
läufertruppen des norwegischen Heeres bespricht. Zwei weitere Aufsätze
sind dem Schlittschuhlaufen gewidmet (S. 41 — 50), worauf dann noch
zwei Aufsätze über das Schlittenfahren und ein solcher über den Trab-
sport folgen. Ich will hier nur, nach ein paar vorgängigen Worten über
das Schlittschuhlaufen, den Schneelauf besprechen, diesen aber allerdings
eingehender, als dies in dem genannten Werke geschehen ist.
Die ältesten Schlittschuhe bestanden im Norden wie anderwärts aus
Tierknochen. Wie man anderwärts in Pfahlbauten zu solchem Gebrauche
hergerichtete Knochen gefunden hat, so besitzt auch die Sammlung nor-
discher Altertümer in Christiania ähnliche Fundstücke aus uralter Zeit,
und auch die Geschichtsquellen gedenken der „i'sleggir", d. h. Eisknochen,
wenn auch nur sehr selten. Als K. Eysteinn Magnüsson seine Vorzüge
mit denen seines Bruders, Sigurdr Jörsalafari, verglich, rühmte er unter
anderm von sich: „ek kunna ok ä i'sleggjum, svä at engan vissa ek pann,
er pat kepti vid mik, en pü kunnir pat eigi heldr en naut" (Heimskr..
Kap. 25, F. M. S., YII, S. 120; fehlt in der Morkinsk. S. 186). Noch bis
in die neueste Zeit herunter dauert der Gebrauch von Knochen, sei es nun
von Pferden, Rindern oder Schafen, in Norwegen sowohl als auf Island
(vgl. Islenzkar Gatur, pulur og Skemtanir, S. 85 — 87), ganz wie derselbe
auch bei uns noch stattfindet, hier wie dort freilich nur noch als Spiel
von Knaben; mit einem Stachelstocke, broddastafr, oder auch mit zweien,
schiebt man sich dabei voran, und scheinen die modernen Schlittschuhe,
in deren Benutzung die Nordleute jetzt ungewöhnliche Fertigkeit ent-
wickeln, erst von Holland oder England aus eingeführt worden zu sein.
Ihre Bezeichnung, Skoiter, will auf das holländische Schuit zurückgeführt
werden (Dansk Ordbog VI S. 390; Molbech, Dansk Ordbog H, S. 836);
aber das holländische Wort bedeutet ein kleines Schiff, während die
Schlittschuhe holländisch Schaats heissen, was zum englischen skate und
allenfalls auch zum norwegischen Worte stimmt, von dem deutschen Schlitt-
schuh oder Schrittschuh aber weit abliegt.
Weit grösseres Interesse bietet aber der Schneeschuhlauf, welcher
schon in den Quellen der älteren Zeit eine erhebliche Rolle spielt und bis
in die Gegenwart herunter eine specifisch nationale Kunstfertigkeit ge-
blieben ist. Über ihn waren schon früher tüchtige Arbeiten vorhanden,
von denen zwei hier genannt sein mögen, nämlich einmal der auf die
geschichtliche Entwickelung des Schneelaufes bezügliche Abschnitt von
Fridtjof Nansens bekanntem Reisewerke „Paa Ski over Grönland"
(Christiania 1890) S. 72 — 127, sodann aber die, vorwiegend vom mili-
tärischen Standpunkte aus gearbeitete Schrift 0. Wergelands, „Skilob-
niugen, dens Historie og Krigsanvendelse " (Christiania 1865). Beide
Das Schneeschuhlaufen in Norwegen. 303
Arbeiten sind für die beiden ersten Abschnitte unseres Sammelwerkes
reichlich benutzt worden; auf beide stützen sich meistenteils auch die
folgenden Ausführungen.
Man bedient sich in Norwegen zweier verschiedenen Geräte zum Gehen
oder Laufen über den Schnee. Einmal nämlich kommt in Betracht die
trüge oder tryge, welche als prüga auch auf Island und als truga oder trjoga
auch in Schweden in Gebrauch ist, d. h. der auch bei uns übliche Schnee-
reif, also eine runde oder viereckige Holztafel oder ein ebensolches Flecht-
werk, welches unter die Füsse gebunden wird, um über tiefen Schnee
leichter wegzukommen, und welches allenfalls auch bei Pferden angewendet
wird. Beim Schneereif ist es nur darauf abgesehen, die Last des Menschen
oder des Tieres über eine grössere Fläche zu verteilen; im übrigen aber
ffeht man mit ihm wesentlich ebenso wie mit blossem Schuh, d. h. schritt-
weise und stapfend. Sodann aber kommt der eigentliche Schneeschuh in
Betracht, welcher unter zwiefacher Bezeichnung auftritt, einmal nämlich
als das ski, dialektisch das skid oder die skida, dem skid der Isländer und
dem skid oder snöskid der Schweden entsprechend; sodann aber als die
onder oder aandr, d. h. die öndurr der altnordischen Quellen. Man braucht
beide Ausdrücke bald als gleichbedeutende, und dies scheint in der älteren
Zeit die Regel gewesen zu sein, bald aber so, dass man unter der onder
eiuen auf der Unterseite mit Pelz belegten, unter dem ski aber einen un-
belegten Schneeschuh versteht (so Nansen S. 85; aber auch schon Svein-
björn Egilsson unter Berufung auf G. Schöning und P. A. Munch, Saml.
Afhandl. I S. 185 — 86), oder dass man als onder den kürzeren Schnee-
schuh bezeiclmet, welchen man vielfach an dem einen Fusse trägt, während
der andere auf einem längeren, dem ski, ruht (Ivar Aasen). Im einzelnen
sind die norwegischen Schneeschuhe sehr verschieden gestaltet, insbesondere
bald länger bald kürzer, bald breiter bald schmäler; manchmal auf der
Unterseite mit dünnen Stahlplatten beschlagen, um besser zu gleiten,
anderemale mit Pelz oder Leder besetzt, um festeren Halt zu geben; manch-
mal auch mit Rändern oder auch mit einer Hohlkehle auf der Unterseite
versehen. Der Regel nach sind sie ungefähr 8 Fuss lang und 3 — 4 Zoll
breit; aus Holz gefertigt, sind sie vorn, und nicht selten auch hinten etwas
aufwärts gekrümmt, auf der Unterseite aber flach und glatt; in der Mitte
haben sie ein Band, unter welches der Mann seine Fussspitze einschiebt,
und allenfalls noch ein zweites, welches ihm von dem Zehenbande aus um
den Absatz herumläuft. Man geht aber auf den Schneeschuhen nicht,
indem man den Fuss hebt, sondern man gleitet auf ihnen wie auf Schlitt-
schuhen, nur dass die Füsse dabei nicht wie bei den letzteren seitwärts
ausfahren, sondern parallel miteinander und stets möglichst nahe aneinander
vorbeigeführt werden. Nur bei dem Aufstieg auf einen steilen Berg wird
diese Art der Bewegung etwas modificiert, indem man die Schneeschuhe
solchenfalls in einen Winkel zu einander bringen und dabei stets den
3Q4 Maurer:
hinteren mit seinem hinteren Ende über das hintere Ende des vorderen
bringen muss; gerade um dieses zu erleichtern, empfiehlt sich der Gebrauch
von Schneeschuhen ungleicher Länge. In der Hand führt man dabei zu-
meist einen Bergstock, oder auch deren zwei; für ihn galt früher die Be-
zeichnung geisl oder geisli, während er heutzutage skidstav genannt wird.
Neuerdings wird übrigens dessen Gebrauch vielfach unnötig befunden. Auf
der Ebene geht die Fahrt sehr hurtig, wenn anders der Schnee von
günstiger Beschaffenheit ist, und bergabwärts vollends geht sie blitzschnell,
ohne dass man für mehr als für die Steuerung und die Erhaltung des
Gleichgewichts zu sorgen hat; bergaufwärts geht es allerdings mühsamer,
indem die Höhe entweder in Windungen erstiegen oder seitwärts Stufe für
Stufe erklommen, oder endlich in der vorhin geschilderten Weise gerade
aufwärts gegangen werden muss, was indessen nur für kürzere Strecken
und bei nicht allzu langen Schneeschuhen möglich ist. Nicht günstig für
den Gebrauch der Schneeschuhe ist natürlich der nasse Schnee, weil er
sich leicht einhängt und klumpt; nicht günstig ist auch neuer, oder allzu
feiner und staubartiger Schnee, wie er bei starker Kälte zu fallen pflegt,
weil er den Lauf nicht recht gleiten lässt. Möglichst glatt und einiger-
massen fest soll vielmehr der Schnee sein, und dies ist er, wenn er bei
nicht allzu kaltem Wetter gefallen und dann etwas in sich zusammen-
gesessen ist; überdies soll dann noch eine leichte Decke von Keif oder
weichem Schnee sich darauf gelegt haben, damit nicht übermässige Glätte
dem Schneeschuh den festen Einsatz benimmt und ihn schwer regierlich
macht. Was sich aber von guten Läufern auf guter Bahn ausrichten lässt,
zeigt das Ergebnis eines im Jahre 1884 in Jokksmokk in Norrbotten ver-
anstalteten Wettlaufes: Die Bahn von 220 Kilometer Länge wurde von dem
Sieger, einem Lappen, in 21 Stunden 22 Minuten zurückgelegt, und selbst
der letzte unter den sechs Bewerbern brauchte nur um 46 Minuten mehr!
(Nansen S. 124).
In Norwegen war die Kunst des Schneeschuhlaufens schon in sehr
früher Zeit üblich, und hat dafür schon 0. Wergeland, und neuerdings, von
G. Storm freundlichst unterstützt. Fr. Nansen zahlreiche Belege erbracht.
In der jüngeren Edda wird von der Riesentochter Skadi, der Frau des
Gottes Njördr und später Odins, gesagt, dass sie viel „ä skidum" fahre und
darum „öndurgud" oder „öndurdis" heisse (Gylfag. Kap. 23 S. 94); in der
That bezeichnet sie Eyvindr skäldaspillir in seinem Haleygjatal als öndurdis
(Ynglinga s. Kap. 9), und Bragi skäld nennt ihren Vater, pjassi, öndurdisar
fadir (Skäldskaparm. Kap. 23 S. 318). Andererseits wird^ auch der Gott
Ullr als „skidfserr" (Gylfag. Kap. 31 S. 102) und „Öndur-Ass'^ bezeichnet
(Skäldskaparm. Kap. 14 S. 266) und „skid" wie „öndurr" werden gelegent-
lich zu „kenningar" für Schiff oder Schwer dt vorwendet. Auch die Yölun-
darkv. Str. 4 und 8 erwähnt des Schneeschuhlaufes, und ebenso (une Strophe
der Ketils s. htengs, Kap. 3 S. 120; in dem „Fuudinn Noregr" über-
Das Schneeschiihlaufen in Norwegen. 305
Schriebeneil Stücke aber wird erzählt (Flbk. I. § 176 S. 219), wie Norr auf
„gött skiSfaeri" wartet, um seine Reise anzutreten. Schon aus diesen
mythischen Zeugnissen geht hervor, dass der Schneeschuhlauf in Norwegen
bereits im 10. Jahrhundert üblich war, und die Berichte der geschicht-
lichen Quellen bestätigen diese Thatsache vollkommen. Die Eigla, Kap. 18
S. 50 — 51 und Kap. 71 S. 260 (ed. Fiiinur Jönsson) spricht wiederholt
von norwegischen Schneeschuhläufern; die Heiraskr. Olafs s. helga, Kap. 20
S. 230 rühmt von Einarr pambarskelfir: „skidfoerr var hann hverjum manni
betr", — sie nennt ferner den Schweden Arnljötr gellini als einen aus-
gezeichneten Schneeschuhläufer (Kap. 151 S. 406 — 7) und erwähnt auch
sonst der Schneeschuhe in Schweden (Kap. 96 S. 314), während nach dem
Eaudulfs p., Kap. 2 S. 337, in Norwegen gleichzeitig Kolbjörn Arnason
sich seiner Kunst in der „ski'daferd" rühmt. Zu den acht Künsten, deren
K. Haraldr hardrädi sich mächtig nennt, gehört auch das „skrida ä skidum"
(Morkinsk. S. 15) und zu seiner Zeit lebte auch Hemingr Asläksson, der
beste Skiläufer (Flbk. III, § 56 S. 405 und 408—9), von welchem in Nor-
wegen und in Schweden, auf den F^eröern und auf Island soviele Volks-
lieder gesungen wurden. Zu Anfang des 12. Jahrhunderts rühmt sich
K. Eysteinn Magnussen in dem bereits erwähnten Wettstreit mit seinem
Bruder Sigurdr seiner Kunst „ä ski'dum" (Heimskr. Sigurdar s. Jörsalaf.
Kap. 25 S. 682), und wieder etwas später sagt Rögnvaldr jarl von den
Orkneys, seine neun Künste aufzählend, gleich K. Harald: „skrida kann ek
ä skidum" (Orkneyinga s. Kap. 61 S. 95). Für das 13. Jahrhundert bezeugt
eine klassische Stelle des Königsspiegels § 9 S. 20 (ed. Christ.) den
Gebrauch der Schneeschuhe, zumal auch bei der Renntierjagd, und das
gemeine Landrecht, Landsleigub. § 60 verbietet im Interesse der im losen
Schnee hilflosen Tiere die Jagd auf Elentiere den Leuten „er ä skidum
renua."
Die Belege für den Gebrauch der Schneeschuhe in Norwegen aus
späterer Zeit Hessen sich mit geringer Mühe noch häufen, und in der That
wird sich noch Gelegenheit bieten, einige weitere von einem anderen
Gesichtspunkte aus zu besprechen. Hier darf von dergleichen abgesehen
werden; um so entschiedener ist aber die sehr beachtenswerte Thatsache
zu betonen, dass unter allen germanischen Ländern eben nur Norwegen
und Schweden diesen Gebrauch kennen. In Dänemark wusste man nie
etwas von Schneeschuhen; denn was Saxo X S. 329—31 (ed. Holder) von
K. Haraldr blätönn und Pälnatoki erzählt, d. li. dieselbe Geschichte, welche
anderwärts von K. Haraldr hardrädi und dem oben schon erwähnten Hemingr
berichtet wird, ist unzweifelhaft norwegischen Ursprunges, wie dies bei
Nansen, S. 86, sehr richtig bemerkt wird. Sehr charakteristisch ist aber,
dass derselbe Saxo, III, S. 81 — 2, dem Ollerus nacherzählt, „illum adeo
praestigiorum usu calluisse, ut ad traiicienda maria osse, quod diris car-
minibus obsignavisset, nauigii loco uteretur, nee eo sognius quam remigio
306 Maurer:
preiecta aquarum obstacula superaret". Mit Recht wird aus dieser Angabe
geschlossen (Nansen a. a. 0.), dass Ullr in Dänemark nicht der Gott des
Schneeschuhlaufes, sondern des Schlittschuhlaufes gewesen sei, und erst in
Norwegen jene erstere Bedeutung erlangt habe. Auffälliger ist, dass auch
auf Island und in Grönland meines Wissens in der älteren Zeit nie von
Schneeschuhen die Rede ist, obwohl man diese von Norwegen her sehr
wohl kannte. Allerdings werden solche in Rechtsformeln erwähnt (Kgsbk.
§115 S. 206; Stadarhlsbk. §. 388 S. 406-7; HeiSarviga s. Kap. 33 S. 381
bis 82; Grettla Kap. 73 S. 165), indem die Tryggdamäl den Versöhnten
die Haltung des Friedens auferlegen „hvar sem {)eir hittaz, ä lande eda
lege, skipi eda ä skidi, i hafe eda ä hestsbake", und den Friedbrecher soweit
geächtet wissen wollen als „Fidr skridr, füra vex, valr flygr värlangan
dag". Aber diese Formeln sind sichtlich norwegischen, nicht isländischen
Ursprungs, und erst hinterher in einzelne isländische Rechtsbücher auf-
genommen und in einzelne isländische Sagen eingeschaltet worden, wogegen
ich aus dem erzählenden Teile dieser letzteren nicht einen einzigen Beleg
für den Gebrauch von Schneeschuhen auf Island beizubringen vermöchte.
Auch in der späteren Zeit kommen diese dort nur ganz vereinzelt vor (vgl.
Islenzkar Gätur u. s. w. II S. 83 — 85). Es mag dahingestellt bleiben, ob sira
Magnus Olafsson, dessen Äusserungen über die Schneeschuhe Stephanius in
seinen „Notae uberiores" zum Saxo, S. 126, anführt, unter den „nostrates",
welche diese gebrauchen, Isländer versteht, zumal da er unmittelbar darauf
diesen Gebrauch den „veteres Norvagi" beilegt. Grewiss ist dagegen, dass
der Rektor Jon porkelsson in einem Berichte, welchen er zu der im Jahre
1748 erschienenen dänischen Übersetzung von Andersons „Nachrichten von
Island" beisteuerte, ausdrücklich bemerkt, dass zwar der Gebrauch der
Schneereife auf Island allgemein üblich sei, dagegen der Gebrauch von
Schneeschuhen kaum vorkomme ausser im Fnjoskadale im Nordland.
Ganz ähnlich äussert sich Eggert Olafsson in seiner Reisebeschreibung,
und zwar mit dem Beifügen, dass zumal ein Pfarrer porgrimr im Fnjoska-
dale und dessen Sohn Jon zu Hals die Kunst des Schneeschuhlaufes
gekannt und geübt habe; ich bemerke dazu, dass porgrimr Jönsson in den
Jahren 1712 — 39, und sein Sohn, Jon porgrimsson, in den Jaln-en 1739
bis 1795 Pfarrer zu Hals im Fnjoskadale war, und dass der vorhin ge-
nannte Magnus Olafsson in den Jahren 1622-36 die Pfarrei Laufäs in
demselben Thale inne hatte (vergl. Sveinn Ni'elsson, Prestatal, S. 189 und
191 — 192). Auch dem Eggert Olafsson selbst (f 1768) wurde grosse
Fertigkeit im Schneeschuhlaufe nachgerühmt; etwas später aber ist es ein
Unterassistent Buch beim Handel in Hüsavik, welcher sich der Kunst
mächtig erweist, und welcher sodann von der Regierung angewiesen wird,
gegen Zusicherung einer Belohnung in ihr Unterricht zu erteilen (1780).
Erst dureli ilm, einen geborenen Dänen (Jon Espolin, Arbaekur, XI, Kap. 46,
S. 53), wurde der Schneeschuhlauf auf Island weiter verbreitet, zunächst
Das Schneeschuhlaufen in Norwegen. 307
in der pingeyjarsysla. dann aber noch weiter herum, zumal im Nordlande
und im Ostlande als den schneereichsten Teilen der Insel. Man sieht, auf
Island ist die „skidaferd" keine von Alters her überkommene Kunstfertig-
keit. Wenn in isländischen wie in norwegischen Werken die Sache zu-
meist so aufgefasst wird, als ob sie auch dort ursprünglich heimisch ge-
wesen und erst später abgekommen wäre, so ist dies ein Irrtum, welcher
sich nur darauf stützt, dass nicht gehörig zwischen den auf Island und
den auf Norwegen bezüglichen Angaben der älteren Quellen unterschieden
wird; sehr deutlich lässt sich dagegen erkennen, dass das spätere allmähliche
Aufkommen der Kunst in einzelnen Gegenden des Landes auf deren Ein-
führung vom Auslande her beruht, sei es nun, dass einzelne Handelsleute,
oder auch einzelne gelehrt gebildete Männer sie von Norwegen, oder
auch von Kopenhagen aus dahin mitbrachten, wo ja immer eine grössere
Zahl junger Nordleute zu studieren pflegte. Durch ihre Lehre und ihr
Beispiel, hin und wieder auch durch hilfreiches Eingreifen der Regierung
gefördert, erlangte nur sehr allmählich das Schneeschuhlaufen auf Island
das geringe Mass der Verbreitung, welches es jetzt dorten zeigt; wie
fremd aber die ganze Sache eigentlich den Isländern ist, zeigt sich schon
daraus, dass die Bezeichnung „öndrur" auf den Yestmannaeyjar für etwas
ganz anderes, aber eben so fremdes, nämlich für die Stelzen, gebraucht
wird (Islenzkar gätur, II, S. 85). — Wie erklärt sich nun dieses Fehlen
des Schneeschuhlaufens auf Island? Offenbar nicht aus der Verschiedenheit
des Klimas und der Beschaffenheit des Landes, denn diese könnte höchstens
etwa für den Süden und Westen der Insel dessen Aufgeben begreiflich
machen, unmöglich aber für das kältere und schneereichere Nord- und
Ostland, wie sich schon aus der raschen Einbürgerung seiner Übung in
diesen Gegenden während der neueren Zeit ergiebt. Eher möchte man
annehmen, dass zu der Zeit, in welcher die Einwanderung auf Island er-
folgte, die skidaferd auch in Norwegen, oder doch in den Teilen von
Norwegen, aus welchen die Einwanderer vorzugsweise kamen, noch nicht
allgemein in Übung war, und dafür dürfte noch Folgendes sprechen.
G. Storni hat bereits (bei Nansen, S. 88) mit aller Bestimmtheit den
Satz ausgesprochen, dass die Kunst des Schneeschuhlaufens den Norwegern
sowold als den Schweden von den Lap])en oder Finnen her zugekommen
sei, welchen sie, wie allen Polarvölkern der alten AVeit, seit unvordenk-
lichen Zeiten bekannt gewesen war. Schon um die Mitte des 6. Jahr-
hunderts nennt Prokop, Gothenkrieg IL Kap. 15 in Skandinavien das wilde
Volk der -xQLdUpivni als ein lediglich von der Jagd lebendes, und er-
wähnt Jordanes, Getica III. Kap. 21 das Volk din- Screrofennae ebenda, von
welchem er sagt, dass es sich nur von Wild und Vogeleiern nähre. Etwas
später nennt der Geograph von Ravenna die Sirdifeni oder Scirdifrini, und
im 8. Jahrhundert bemerkt Paulus Diakonus, Hist. Langob. I. Kap. 5 von
den • Scritobini: „Hi a saliendo iuxta linguam barbaram ethimologiam
308 Maurer:
ducunt. Saltibus eiiim utentes arte quadam ligno incurvo ad arcus simili-
tudinem feras adsecmitur." Scridefinnas nennt K. Aelfred in seiner Über-
setzung des Orosius dasselbe Volk am Ende des 9. Jahrhunderts, und um
das Jahr 1070 erwähnt es Meister Adam, lY. Kap. 31, unter dem Namen
der Scritefingi, mit der Bemerkung: „qui etiam feras praevolant suo cursu
per altissimas nives." Um das Jahr 1200 endlich bespricht Saxo Gramma-
ticus, Praef. S. 8 die Scricfinni als eine „gens inusitatis assueta uehiculis'^,
indem er zugleich ihrer eigentümlichen Art, bergaufwärts zu laufen, ge-
denkt; an einer spätem Stelle, V, S. 165, sägt er von den Finnen: „Pandis
trabibus uecti, conferta niuibus iuga percurrunt", und an der schon ange-
führten, von Palnatöki handelnden Stelle, X, S. 330, bezeichnet er den
Schneeschuhlauf als eine Kunst, „qua Finnii niuales saltus peragrant."^ Nun
bezeichnet das Zeitwort „skrida" nicht nur das Dahingleiten einer Schlange
oder eines Schiffes, sondern auch das des Schneeschuhläufers, und es ist somit
klar, dass jener Name den Lappen von den Nordleuten nur in Anbetracht
ihrer Fertigkeit in dieser Kunst beigelegt worden sein konnte; in der
That hat denn auch schon K. Zeuss (Die Deutschen und die Nachbar-
stämme, S. 684) den Namen der Skridefinnen ganz richtig von dem
„skrida" abgeleitet, wenn er auch durch die Übersetzung von „skid" mit
„Kletterschuh" ungenügende Kenntnis des Schneeschuhlaufens verrät, und
haben auch R. Keyser, Samlede Afhandl., S. 135, P. A. Munch, Det norske
Folks Historie, I, 1, S. 90 und G. Storni (bei Nansen, S. 83) dieselbe Ab-
leitung des Namens vertreten. So ist denn auch in den nordischen Quellen
oft genug von dem Skilauf der Finnen oder Lappen die Rede. Die oben
angeführte isländisch -norwegische Rechtsforniel sagt: „Fidr skridr", und
bezeichnet damit die skidaferd als etwas ganz specifisch Finnisches.
Ebendahin deuten die bereits erwähnten Stellen des Saxo und Meister
Adams, welcher aus dänischen Quellen schöpfte und doch wohl auch schon
die gleichfalls mitgeteilten Worte des Paulus Diakonus. In dem Stücke
„Hversü Noregr bygdiz" heisst es (Flbk. I, S. 21) von den Qvsenen, dass
sie opferten „til pess at sujöfa gerdi ok vjeri skidfaeri gött; pat er ar peirra",
und in der Historia Norwegias, S. 83, wird von den Finnen, d. h. Lappen
gesagt, dass sie „levigatis asseribus pedibus subfixis (quod instrumentum
ondros appellant)" „per condensa nivium ac deuexa montium — — ave
velocius transferuntur", wobei übrigens zu beachten kommt, dass nach
V. Thomsen (Über den Einfluss der germanischen Sprachen auf die finnisch-
lappischen, übersetzt von Sievers, S. 130) das Wort andri, öndurr ein ur-
sprünglich germanisches, von den Finnen erst hinterher aufgenommenes
sein soll. Gunnhildr Özurardöttir rühmt (Heimskr. Haralds s. harf., Kap. 34)
ihren beiden Finnen nach: peir kunna ok sva vel a ski'dum, at ekki ma
fordast pä, hvarki menn ne dyr", und noch zu Anfang des 12. Jahrhunderts
sind es die Lappen, welche vorzugsweise Schneeschuhe liefern, wie sich
aus dem Sprichworte schliessen lässt: „snseliga snuggir, sveiuar, kvädu
I
Das Sclineeschublaufoii in Norwegen. 309
Fimiar, tittu audra fala" (Heimskr. Magnüss s. Berf., Kap. 8). Ja noch in
weit späterer Zeit bespricht der schwedische Erzbischof Olaus Magnus an
zahlreichen Stellen seines Werkes: „De gentium septentrionalium variis
conditionibus statibusue" die Kunst des Schneelaufes als eine besonders
den Finnen eigene, was er auch durch zahlreiche, freilich herzlich
schlechte, Holzschnitte erläutert (z. B. I, Kap. 4, S. 8—9; IV, Kap. 3,
S. 124, und cap. 12, S. 135; ich eitlere nach der Baseler Ausgabe von
1567), und selbst Stephanius bezeugt in den „Notae uberiores", welche er
seiner Ausgabe des Saxo beigab, S. 126, dass die Finnen noch zu seiner
Zeit (t 1650) die Anfertigung der Schneeschuhe ganz besonders gut ver-
stünden. Nach allem dem könnte man allenfalls die Yermuthung wagen,
dass der Schneeschuhlauf in Norwegen erst nach der Zeit, in welcher
Island besiedelt wurde, allgemeinere Verbreitung gefunden haben möge.
Zum Schlüsse bleibt noch eine interessante Frage zu beantworten
übrig, die Frage nämlich, wieweit etwa die Schneeschuhläuferei im
Norden zu öffentlichen Zwecken benutzt werde oder doch benutzt
worden sei? Von Gr. Storni wurde (bei Nausen, S. 87) bereits darauf auf-
merksam gemacht, dass zu Anfang des 16. Jahrhunderts Briefe durch
Schneeschuhläufer über Dovrefjeld und weiter nordwärts befördert wurden,
falls der Zustand der Wege deren Beförderung zu Pferd nicht gestattete;
aus den Jahren 1525 und 1535 liegen hierfür urkundliche Belege vor
(Diplom. Norveg., VII, Nr. 612, S. 649, und XII, Nr. 558, S. 687). Auch
im Kriege kamen die Schneeschuhe schon frühzeitig gelegentlich zur
Verwendung. Wir erfahren, wie K. Sverrir im Jahre 1200 vor der Schlacht
bei Oslo den Pc411 belti mit seinen Uppländern beauftragte, zu ihren
„Skid ok skidfjeri" zu greifen, um auf die Höhen über dem Bauernheere
zu laufen, und dessen Stärke festzustellen, was denn auch mit gutem Er-
folge geschah (Sverris s. Kap. 163, in den EMS. VIII, S. 400). Wir hören
ferner, wie Hreidarr sendimadr, von K. Sverrir auf dem Schlossberge zu
Tünsberg belagert, einen Boten auf Schneeschuhen ausschickt, um in
Hamarr von K. Ingi sich Hilfe zu erbitten (ebenda Kap. 177, S. 437). Es
wird uns auch erzählt, dass ein paar Jahre später der junge Häkon Hä-
konarson, als es galt, ihn vor den Verfolgungen der Baglar zu retten,
einmal zwei tüchtigen Schneeschuhläufern zur Weiterbeförderung anver-
traut wurde, weil sich das übrige Gefolge durch die gewaltigen Schnee-
massen nicht rasch genug durcharbeiten konnte (Häkonar s. gamla, Kap. 3,
in den F. M. S. IX, S. 233—34). Aber dem gegenüber fällt auf, dass der
in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts geschriebene Königsspiegel zwar,
wie bereits bemerkt, eine sehr anschauliche Beschreibung der skidaferd
und ihrer Verwendung bei der Jagd bietet (§ 9, S. 10), und zwar mit dem
vollen Bewusstsein, damit eine ausschliesslich nordische Kunstfertigkeit
zu schildern, dass er aber von deren Verwerthung zu kriegerischen Zwecken
nicht das Mindeste zu berichten weiss. So sorgfältig die Quelle auch die
Zeitschrift d. Vereins f. Volkskunde. 1892. 21
310 Maurer:
körperlichen Übungen, die Waffenfülirung zu Fuss und zu Pferde, zu Land
und zur See, dann auch zum Angriff auf Burgen und zu deren Yer-
theidigung bespricht (§ 37 — 39, S. 84 — 91), so erwähnt sie dabei doch
mit keinem Worte der Schneeschuhe als eines zur kriegerischen Aus-
rüstung gehörigen Gerätes, oder des Schneeschuhlaufes als einer bei
Kriegsleuten üblichen oder für sie nützlichen Übung. Ebensowenig nennt
der Utgerdarbälkr der GpL. , § 295 — 315, und der Utfararbälkr der
FrpL. Vn, der Landvarnarbälkr des gemeinen Landrechtes, III, und des
gemeinen Stadtrechtes, oder endlich die Hirdskrä, die Schneeschuhe unter
den vorschriftsmässigen Gegenständen der kriegerischen Ausrüstung, welche
sie doch sämtlich aufzählen. Endlich liat auch 0. Wergeland bereits be-
merkt, dass in den Geschichtsquellen bis in vergleichsweise späte Zeit
herab von einer Benutzung des Schneeschuhlaufes zu eigentlich mili-
tärischen Operationen keine Spur zu finden ist. Zu Rekognoscierungen
oder zum Überbringen von Nachrichten sehen wir zwar Schneeschuhläufer
gelegentlich verwendet, wie die oben angeführten Beispiele zeigen; aber
weder zu Umgehungen des Feindes, noch auch nur zur rascheren Sammlung
zerstreuter Abteilungen oder zur Bewältigung schwieriger Bergübergänge
im Winter finden wir die Schneeschuhe jemals verwendet, obwohl die
Quellen oft genug von den sehr bedenklichen Schwierigkeiten zu be-
richten haben, welche die ungeheuren Schneemassen den Bewegungen von
Heeren oder Heeresabteilungen in den Weg legten. Erst im Jahre 1644,
während der Hannibalsfehde, sehen wir einmal schwedische Bauern aus
den Thallanden unter ihrem Kaplan Daniel Buscliovius auf Schneeschuhen
einen Einfall in Norw^egen machen, und dabei die Kirchspiele Jdre und
Serna erobern (vergl. Yngvar Nielsens interessanten Aufsatz in der nor-
wegischen Historisk Tidsskrift, III, S. 195 — 99); von Norwegen aber er-
fahren wir zunächst noch nichts ähnliches, und selbst ein Wegweiser,
welchen eine an sehr verschiedene Zeiten und Orte sich anknüpfende
Volkssage fremdes Kriegsvolk, dem er zu dienen gezwungen ist, auf Schnee-
schuhen voranlaufend, listig dem Verderben entgegeuführeu lässt (Werge-
land, S. 56 — 57, Nansen, S. 91 — 92), ist ein Lappe, kein Nordmann. Erst
um einige Jahrzehnte später findet sich die erste Spur einer Benutzung
der Schneeschuhe zu eigentlich militärischen Zwecken, sofern nach einer
mündlichen Sage (Wergeland, S. 65) während der Gyldenlövfehde
(1676 — 79) ein norwegischer Lieutenant im Drontheimischen mit 16 ge-
übten Schneeschuhläufern eine Abteilung schwedischer Dragoner überfallen
und übel zugerichtet haben soll. Etwas bestimmter tritt die Verwendung
von Schneeschuhläufern aber am Anfang des 18. Jahrliunderts hervor. Im
Jahre 1716 sehen wir norwegische Sclmeeschuhläufer zum Rekognoscieren
gebraucht (Wergeland, S. 68 und 70 — 71), zunächst freilich zwei Finnen,
aber hinterher auch zwei Soldaten; ausserdem versuchen jetzt auch schon
einzelne, sei es nun Soldaten oder Freiwillige, als Schneeschuhläufer auf
Das Sclineeschuhlaufen in Norwegen. 311
eigene Faust dem Feinde Abbruch zu thun (ebenda, S. 72 — 73) und auch
im Jahre 1718 beteiligen sich ein paar hundert solche an der Verfolgung
des Feindes (ebenda, S. 98). Mag sein, dass damals schon ein besonderes
kleines Korps von Skiläufern bestand. Ein Reskript vom 11. Dezember
1710 verfügte nämlich die Errichtung einer Kompagnie ausgesuchter Leute,
welche mit Feuerröhren bewaffnet, und, wie es scheint, auch mit Schnee-
schuhen ausgerüstet werden sollten; nur auf sie kann es sich beziehen,
wenn ein weiteres Reskript vom 28. Januar 1713 anordnete, dass 100 be-
urlaubte „Skil obere" in Österdalen nach Dänemark geschickt werden sollten,
wie es scheint, um dort den Vertretern fremder Mächte als etwas Neues
gezeigt zu werden (ebenda, S. 105—106). Indessen scheint dieses Korps
der Feuerröhrer (Fyrrörer) nach Beendigung des Krieges, im Jahre 1719,
wieder aufgelöst worden zu sein, und erst nach wiederholten vergeblichen
Anläufen wurde gelegentlich der Ordnung der Landesverteidigung im
Jahre 1742 bleibend für die Errichtung von zwei Schneeschuhläufer-
Kompagnien bei der Landwehr gesorgt. Durch ein Reskript vom
24. Juni 1747 wurde sogar die Errichtung von sechs Milizkompagnien
von solchen angeordnet, und nach dem Kriege von 1759—62 kamen noch
vier weitere hinzu, wobei sich die ganze Zahl der zehn Kompagnien auf
die östliche Reichshälfte beschränkte. Es ist hier nicht angezeigt, die
einzelnen Veränderungen aufzuzählen, welche das militärische Schnee-
schuhläufer tum im Laufe der Zeit durchzumachen hatte; ich erwähne viel-
mehr nur, dass im Jahre 1774 die anfängliche Verteilung der Skiläufer-
kompagnien unter die verschiedenen Linienregimenter beseitigt, und aus
ihnen ein eigenes Korps mit sechs Kompagnien gebildet wurde, welches
auch in demselben Jahre für seine Winterübungen ein eigenes Exerzier-
reglement erhielt, — dass ferner im Jahre 1781 dieses eigene Korps
wieder aufgelöst, und dafür aus je drei Kompagnien je ein Skilöberbataillon
o-ebildet wurde, deren eines man dem ersten drontheimischeu, und deren
anderes man dem ersten opländischen Infanterieregimente zuteilte. Als
später ein eigenes Jägerkorps errichtet wurde, traten die beiden Skilöber-
bataillone bald in nähere Beziehungen zu diesem; für ihre Sommerübungen
wurde das Jäger exerzitium eingeführt (1797 und 1799), während sie für
ihre Winterexerzitien ein neues Reglement erhielten (1804), auch ihre Be-
waffnung der der Jäger gleich gemacht. Im Jahre 1802 wurde das süd-
liche Skiläuferbataillon, sow^ie das Linienbataillon von Ullensakar dem
Jägerkorps förmlich einverleibt, und auch die Ausbildung der Chargen
des nördlichen Bataillons diesem übertragen. Kongsvinger, wohin das
Jägerkorps kurz zuvor verlegt worden war (1801), wurde fortan die Central-
station für den Schueeschuhlauf; das ganze „Norske Jägerkorps" bildete
sich bald mehr oder weniger zu einer Skiläufertruppe aus, und wurde
eine Mustertruppe, welche zumal im Rekognoszierungsdienste der ganzen
Reichsgrenze entlang vortrefflich ausgebildet war. Aber freilich konnte
21*
312 Maurer: Das Schneeschnhlaufen in Norwegen.
man die Skiläufer nur aus Gegenden rekrutieren, in welchen der Geljrauch
der Schneeschuhe üblich war; der Versuch, aus Lerdalen eine neue Kom-
pagnie von solchen zu ziehen, misslang, weil -die im übrigen sehr tüchtige
Mannschaft das Schneeschuhlaufen nicht verstand, und auch die Abteilungen
aus Bergenhus wussten vorkommendenfalls nur Schneereife, nicht aber
Schneeschuhe zu gebrauchen (vergl. Wergeland, S. 116). Aber durch die
regelmässigen Winterübungen der betreffenden Truppe, welche grösstenteils
in kleineren Abteilungen gelegentlich des Kirchganges abgehalten wurden,
dann durch die Gewährung von Prämien für die besten Schneeschuhläufer,
wurde diese Fertigkeit allmählich in weiteren Kreisen volkstümlich und
üblich, wie denn auch die Skiläufertruppe eine ganz besonders populäre
wurde, und nie Mangel an Rekruten hatte. Im Kriege von 1808 kam sie
zu ernster Verwendung. Während die Schweden, welche keine eigens
geübte Schneeschuhläuferabteilungen hatten, nur etwa zum Behufe ihres
Aufmarsches, zumal bei ihren nördlichen Regimentern, sich der Schnee-
schuhe zu bedienen vermochten, konnte man norwegischerseits seine Ski-
läuferkompagnien mit Erfolg zur Sicherung der eigenen Kantonnierungen
und Verbindungslinien, sowie zur Bedrohung der feindlichen benutzen,
und selbst bei einzelnen Gefechten fanden diese Gelegenheit sich aus-
zuzeichnen. Dennoch Hess man nach Beendigung des Krieges die Ski-
läufertruppe allmählich wieder verkümmern, worauf der Umstand nicht
ohne Einfluss gewesen sein mag, dass sich im Sommerfeldzuge des
Jahres 1814 selbstverständlich keine Gelegenheit ergeben konnte, sie als
solche zu verwenden. Man reduzierte aus Sparsamkeitsrücksichten die
Zahl der Skiläuferkompagnien, verkürzte die Dienstzeit ihrer Mann-
schaften, und Hess nach und nach auch deren Winterexerzitien abkommen;
man zog auch die Prämien für den Schneeschuhlauf wieder ein, — die
Folge aber war, dass der Aufschwung, welchen dessen Betrieb auch ausser-
halb der Armee genommen hatte, rasch wieder nachHess. Im Jahre 1830
wurde zwar die Frage wieder in Anregung gebracht und eifrig diskutiert,
ob eigene Skiläufertruppen überhaupt nötig, und ob eigene Winterexerzitien
für solche überhaupt erforderlich wären, wobei zugleich auch über die
andere Frage verhandelt wurde, ob nicht etwa der Schneeschuhlauf für
die ganze Armee mit Vorteil nutzbar gemacht werden sollte; die Verhand-
lungen blieben aber ohne praktischen Erfolg, und auch Oberstlieutenant
Wergelands angeführte Schrift, in welcher mit aller Wärme die Ansicht
ausgeführt wird, dass die Schneeschuhläufer für Norwegen „die natürliche
Winterreiterei " seien (vergl. z. B. S. 9, 32, 81, 162, 218), hatte keinen
besseren Erfolg. Doch wurde der Schneeschuhlauf seit den sechziger
Jahren dieses Jahrhunderts wieder entschieden populär in Norwegen, und
wird jetzt in allen Teilen des Landes eifrig und kunstvoll geübt. Was
mittelst desselben geleistet werden kann, hat Fridtjof Nansens erfolgreiche
Durchquerung Grönlands auf Schneeschuhen inzwischen glänzend bewiesen.
Zur Volkskunde des Egerlandes. 313
und mag sein, dass jetzt auch Premierlieutenant Nandrups, auf Werge-
lands Buch gestützter Aufsatz über die „Skilöberafdelinger", oder doch
die hübsche, ihnen beigegebene Illustration eines Überfalles feindlicher
Reiterei durch eine Abteilung von Schneeschuhläufern mehr Eindruck
macht als jene frühere, eingehendere Schrift.
Der Schneeschuhlauf scheint sich in Folge der in erfreulicher Weise
sich mehrenden Beziehungen zu Norwegen in neuester Zeit auch bei uns
einbürgern zu wollen. Wie weit dessen militärische Yerwendung sich bei
uns für den Fall eines Krieges mit unserm östlichen Nachbarn etwa
empfehlen würde, überlasse ich Fachleuten zu beurteilen, denen aber
unter allen Umständen Wergelands Schrift zum Studium empfohlen
sein mag.
München.
Zur Volkskunde des Egerlandes.
Von Alois John.
Eine systematische Volkskunde, welche nach wissenschaftlichen Grund-
sätzen alles Wissen über unser Volk in Buchform zusammenstellt, giebt
es für das Egerland zur Zeit nicht. Dagegen haben sich allerlei Ansätze
dazu im Laufe der Jahre zusammengefunden, zumeist Aufzeichnungen von
Heimatsfreunden; ich selbst habe als Student manche Lieder, Volkslieder,
Sagen, AVorte der Volksprache gesammelt, ohne sie bisher litterarisch zu
verwerten. Unter den Sitten und Gebräuchen des Volkes aufgewachsen,
aus einem alten stattlichen Egerländer Bauernhof hervorgegangen, ist mir
die ganze Atmosphäre dieses Volkstums, seiner Art, seines Benehmens,
seines Glaubens und Aberglaubens, von Kindheit auf vollkommen bekannt,
auch der Dialekt noch durchaus geläufig. Zur Kenntnis und allgemeinen
Orientierung über das Egerland verweise ich auf mein kleines Buch: Im
Gau der Narisker, Schildereien aus dem Egerland (Eger, im Selbst-
verlag 1888); zur wissenschaftlichen Orientierung auf meine „Litterarischen
Berichte aus dem Egerland" (L 1887, IL 1889, III. 1890), endlich
auf das von mir herausgegebene „Litterarische Jahrbuch" für Nord-
westböhmen und die deutschen Grenzlande, dessen I. Band 1891 zur Aus-
gabe gelangt ist und das auch die Volkskunde gebührend berücksichtigt,
insbesondere ein Sammelbuch alles Volkswissens für jene Landschaften
werden will, das man bisher noch vermisste.
Kein geringerer als Goethe ist es, der zum erstenmal eine Volks-
kunde des Efferlandes aiireüte. Bezeichnend dafür ist seine Bekanntschaft
314 John:
mit dem Magistratsrat Jos. Seb. Grüner in Eger, den er auf seinen Bäder-
fahrten nach Carlsbad ^) zum erstenmal am 26. April 1820 kennen lernte.
Grüner war sein Begleiter auf seinen geologischen Ausflügen im Eger-
land, auf den problematischen Kamerbühl und die kleinen Vulcane. Er
musste auch Bericht erstatten über die Egerländer und ihr Volksleben.
Gleich bei der ersten Bekanntschaft stellte ihm Goethe Fragen über die
Kleidertracht, Sprache und Geschichte des Egerlandes.
„Es ist ein wackeres abgeschlossenes Yölkchen", urteilt Goethe.
„Ich habe die Egerländer wegen ihrer beibehaltenen Kleidertracht, die
ich in früheren Jahren wahrnahm, lieb gewonnen. Sie haben mit den
Altenburgern viele Aehnlichkeit." Er ermuntert Grüner zur Yollendung
seines Manuskriptes über „Sitten und Gebräuche der Egerländer" und
sendet ihm Kronbigls „Sitten und Gebräuche der Altenburger." Als Goethe
am 26. August 1827 den St. Yinzenztag in Eger (zugleich Erntedankfest,
wozu die Bevölkerung der Umgebung mit Prozession in die Stadt zieht)
betrachtete, sagt er: „Es ist ein stämmig robustes Volk von gesundem
Aussehen. So viel ich bemerke, haben die Egerländer weisse gesunde
Zähne, dunkelbraune Haare, doch wenig Waden." Später auf seinen Aus-
flügen über Land interessierte sich Goethe auch für den „schönen rein-
gehaltenen Egerländer Yiehschlag" und über eine Maschine zum Zügeln
der Ochsenhörner, von der ihm Grüner eine nach Weimar schicken
musste. Dorthin berichtete auch Grüner über seine Zusätze zu den
Egerer Sitten, worauf Goethe das „Egersche Sittengemälde ganz vor-
züglich bedeutend und schätzenswert" erklärte mit der Bemerkung: „Ver-
säumen Sie auch das Geringste nicht, denn bei Charakterdarstellungen
sind gerade die kleinsten Züge oft die bedeutendsten." Am 19. Juni 1822
notiert Goethe in seinem Tagebuch: „Mit Notiz von Grüner. Dessen Werk
über die Sitten des Egerer Volkes mit schönen Zeichnungen", wozu Grüner
bemerkt: Er blätterte wohlgefällig in meinem Manuskripte über die Sitten
der Egerländer und bezeugte Freude über die kolorierten Zeichnungen.
In einem Brief von Marienbad, 19. Juni 1822, heisst es: „Die Lieder der
Egerländer habe sämtlich gelesen und finde sie probat."
Am 24. August 1823 notiert Goethe Grüners Abhandlung über die
Egerer Trachten, die einen eigenen Abschnitt bildeten. Grüner hatte die
älteste und neueste Tracht bildlich zur Vergleichung dargestellt und Goethe
billigt es mit den Worten: „Das hat sein Gutes, man kann in der Folge
wahrnehmen, ob und inwiefern der Luxus auf sie eingewirkt hat. Es
wäre interessant, solche Aufzeichnungen auch von anderen Völkern zu
haben."
1) Über Grüners Bezidiunoen zu Goethe veriil.: Briefwoclisel und mündliclier Verkehr
zwischen Goethe und dem llate Grüner. Leipzig' 1853. Über „Goethe in Deutschböhmen"
meine gleichnamige Monographie. Eger 1889.
Zur Volkskunde des Egerlaufles. 315
In dieser Weise wechseln Gespräche, Briefe, Tagehuchnotizen, Auf-
zeichnungen und Beobachtungen. Goethe ist der eigentliche Anreger, der
erste, der die Yolkskunde des Egerlandes nach bestimmten Gesichtspunkten
zusammenzufassen sucht und Grüner zur Abfassung seiner Schrift er-
muntert. Diese Schrift Grüners, unter dem Einflüsse und auf Anregung
Goethes entstanden, führt den Titel: „Über Sitten und Gebräuche
des Egerischen Landvolkes" (ursprünglich Manuskript', nach seinem
Tode veröffentlicht) und ist die erste Schrift über die Volkskunde der
Egerländer überhaupt. Der Inhalt liat die Überschriften: „Lustbarkeiten
und Unterhaltungen des egerischen Landvolks, Nationaltänze, Kleidung
der Egerländer, uralte Gebräuche bei einer egerländischen Bauernhochzeit
(Leihkauf, Anreden des Prokurators, Einladung zur Hochzeit, der Trauungs-
tag, Tischgebet, Danksagung nach dem Essen, Brautlied zur Nacht („Wir
kommen vor des Bräutigams Thür, in Züchten und in Ehren" etc.), hocli-
zeitliche Kleidung. Begräbnisse)."
Dieser bedeutungsvollen Einleitung zu einer Yolkskunde des Eger-
landes folgten im Laufe der Jahre lose Sammelarbeiten, Aufzeichnungen
aller Art, ohne besonderes System, meist in Lokalblättern und Kalendern
erschienen ; einzelne, das Egerland streifende Aufsätze sind für Westböhmen
interessant, in wissenschaftlicher Fassung brachten sie die „Mitteilungen
des Vereins der Deutschen in Böhmen" (Prag)^).
Es sei in folgendem ein kurzer Überblick über den gegenwärtigen
Stand der Volkskunde im Egerlande gegeben mit Berücksichtigungen der
bisher nie bekannten Veröffentlichungen und nach meinen eigenen Beob-
achtungen und Wahrnehmungen.
Im allgemeinen halte ich mich an Karl Weinholds, des Herausgebers
dieser Zeitschrift, vortreffliches Schema (Heft 1. Einleitung). Ich möchte
aber das folgende noch nicht als eine abschliessende, oder gar wissen-
schaftlich erschöpfende Arbeit, sondern als vorläufigen Orientierungsbericht
über das Volksleben eines kleinen deutschen Gaues betrachtet wissen.
Über die Herkunft und Abstammung der Deutschböhmen und der
Egerländer sind mehrere Hypothesen, zum Teil recht diskutierbar, in
früheren Jahren aufgetaucht (vergleiche Rassel, Mitteilungen III, 3).
Dr. Schlesinger, die Abstammung der Deutschböhmen (Sammlungen des
gemeinnützigen Vereins).
1) Insbesondere die Aufsätze von Ant. Aug. Naaff: Das deutsche Volkslied iu Böliinen
(1882, Heft 4). Agrarische Gebräuche aus der Schönbacher Gegend von J. K. S. (1883,
Nr. 2). Das Jahr im Volkslied und Volksbrauch in Deutschböhmen von Ant. Aug. Naaff
(1884, 2, 3). Deutschböhm. Dorfweistümer von Dr. Schlesinger (1884, 4). Ausserdem Sagen
aus dem südlichen Böhmen von Hübler (1886, 1). Joachimsthaler Christspiele und
Ansinglieder von VV. K. (1880, 4). Aus dem Sagenbuche der ehemaligen Herrschaft
Königswart von Dr. Urban (1879, 1) u. A.
316
John:
Tracht, Dialekt, Sprache, Borfanlage wurden mit mehr oder minderem
Glück und Geschick ins Treffen geführt. Auch der äussere Typus, die
physische Konstitution des Egerländers speciell verführte zu mancherlei
unhaltbaren Annahmen. So hielt Urban v. Urbanstädt die Egerländer für
Abkömmlinge der Friesen und von Schönwerth die benachbarten Oberpfälzer
von der Ostsee stammend. Nach dem Dialekt hat Weinhold (Bairische
Grammatik § 2) die Egerländer zu den bajuvarischen Oberpfälzern gestellt.
Das Kapitel über die physische Erscheinung des Volkes ist noch wenig
beachtet worden. Etwas besser sind wir über die äusseren Zustände,
insbesondere über Tracht und Schmuck, Haus und Hof unterrichtet.
Wie in der ganzen Geschichte und Politik Deutschböhmens kommen wir
auch hier auf den Unterschied zwischen deutsch und slavisch. Besonders
die Egerländer Tracht wollte man als wendisch erklären und mit den ein-
gesprengten Resten derselben (den Hummelbauern südlich von Bayreuth),
auch mit den Halloren und den Altonburgern Vergleiche ziehen, freilich
wenig überzeugend und in neuester Zeit allseits aufgegeben. Ebenso bei
der Hofanlage, die wir als fränkisch^) ansprechen müssen, obwohl viele
Ortsnamen slavisch sind (die alte regio Slavorum wimmelt davon). Man
kennt jetzt genau den Typus der slavischen und deutschen Dorf- und Hof-
anlage, findet aber im Egerland immer nur das charakteristische deutsche
Dorf, wenn auch der Name oft slavisch zu erklären ist. Eine Beschreibung
der Egerländer Tracht findet sich bei Seb. Grüner und in Prökls „Eger
und Egerland", in letzterem auch einige Trachtenbilder. In neuester Zeit
hat Dr. Habermann sehr hübsch kolorierte Trachtenbilder herausgegeben,
die auch seinem Buch: „Aus dem Volksleben des Egerlandes" (Eger 1886)
beigeheftet sind. Die Egerländer Tracht ist jetzt so ziemlich ausgestorben,
Goethe erfreute sich noch an ihr; heut benutzt man die sogen. „Huasen-
antouleres", den grossen Messingknopf, als Egerländer Specialität zu Broschen,
und die kleidsame, hübsche und nette Tracht kann der fremde Gast an
den Cafemädchen im Franzensbader Park oder bei Maskenbällen finden.
In demselben Buch findet sich auch eine genaue Beschreibung des Eger-
länder Bauernhofes, mit Abbildungen, Plänen und Massen. Auch über
die inneren Zustände des Volkslebens, über Sitten und Bräuche
sind wir seit Goethe und Grüner besser unterrichtet. Die Hochzeit, der
Leihkauf, die Totenfeier sind wiederholt beschrieben und dargestellt
worden, ebenso die Gebräuche im Anschlüsse an das Jahr (Weihnaehts-,
Faschings-, Oster- und Pfingstbräuche im Egerland), alter Ackerglaube
und Ackergebräuche bei der Bestellung der Saat im Frühjahr und der
herbstlichen Ernte. Eine Art Egerländer Fest- und Bauernkalender hat
1) Vergl. Meitzen: Das deutsche Haus 1882; Eud. Hcuuiu.t;-: Das deutsche Haus iu
seiner historischeu Entwickehmg- 1882. Auch verweise ich auf meinen Aufsatz: Dorf und
Bauernhof in Deutsehland, sonst und jetzt (in der „Zeitschr. f. deutsclie Kulturgeschichte,
herausg. v. Dr. Chr. Meyer. 1. Bd., Heft 4).
Zur Volkskunde des Egerlaudes. 317
bisher noch niemand zusammengestellt, Wetterregeln hat Dr. Urban
gesammelt. Sehr wenig, fast gar nicht ist man auf die Rechts-
anschauungen und Rechtsbräuche eingegangen. Auch ein eigent-
liches Sagenbuch des Egerlandes fehlt, wie es Eiselt für das Vogtland
herausgegeben hat, obwohl uns manche schöne Sage durch Dr. Adam
Wolf in Novellenform erhalten blieb. Ein gutes Stück deutscher
Mythologie liegt insbesonders in den Sagen vom Ochsenkopf im Fichtel-
gebirge, und in den Sagen vom Tillenberg; in beiden will man wotanische
Spuren^) gefunden haben. Abergläubische Bräuche, Zauber-
formeln und Yiehsagen sind meines Wissens nach nicht aufgezeichnet,
über Yolksmedizin hat Dr. Urban mitgeteilt. Eine der schönsten Kreuz-
fahrerleoenden des Eo-erlandes ist an den Namen des alten Geschlechtes
der Juncker^) geknüpft und im Lied oft gefeiert worden. Sehr gute und
tüchtige Beiträge sind seit Prof. Retters ausgezeichneten „Andeutungen
zur Stoffsammlung in den deutschen Mundarten Böhmens" (Prag 1864) in
neuester Zeit über den Egerländer Dialekt erschienen. Prof Neubauer
veröffentlichte 1887 (Wien, Carl Gräser): „Altdeutsche Idiotismen der
Egerländer Mundart" mit einer kurzen Darstellung der Lautverhältnisse,
in welchem wir manchem urwüchsigen Kernwort der Yolkssprache be-
gegnen; allerdings haben sich durch die mannigfachen Berührungen auch
Fremdwörter eingeschlichen (vergl. desselben Verfassers Aufsatz: Die
Fremdwörter im Egerländer Dialekt. Prag 1889), die aber verschwindend
klein sind und von dem deutschen Erbgut der Sprache wenig zn ver-
drängen vermochten. Auch Dr. Oskar Brenners Buch: „Mundarten und
Schriftsprache in Bayern"*) streift öfter in altverwandte Lande herüber, in
die alte Urheimatder Bayern (vgl. Dr. Sepp, Der Bayernstamm). „Egerer
Familiennamen" hat Prof. Trölscher (im „Egerer Gymnasialprogramm"
1883) zusammengestellt.
Wir kommen nun auf die poetischen Gattungen unseres von
jeher sanges- und liederfreudigen Volkes zu sprechen. Die erste Sammlung
Egerländer Volkslieder gab Dr. Adam Wolf im Jahre 1869 heraus, die
er aus Volks- und Bauernmund im Jahre 1846 und 1848 gesammelt, als
der Volksgesang im Egerland in den Spinnstuben, im Wirtshause, bei
Hochzeiten noch recht lebendig war, ebenso die alten Volkstänze (der
Dreischlag) mit Dudelsackbeglcitung und die raschen Vierzeiler.
Die kleine Sammlung enthält circa 56 Volkslieder epischen und
lyrischen Inhalts, auch Weihnachts- und Wallfahrtslieder, Brautlieder,
Kinderreime, Neujahrs- und Ansinglioder. Wir finden die meisten der-
selben, teilweise vermehrt und in korrektei-er Fassung, wieder in der
Sammlung „Deutsclio Volkslieder aus Böhmen", herausgegeben vom
1) Vergleiclie Alois .lohn: III. literarischer .Jahresbericht S. 28 u. S. 31.
2) Ehenda S. 43.
3) Bayrische Bibliothek (BinnlxT- 1880, 18 Bd.).
318 John-:
Deutschen Yerein zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse in Prag 1888
bis 1891. Kindersprüche und Kinderspiele hat Dr. Urban gesammelt.
Ältere Egerländer Dialektdichter, wie Dr. Lorenz („Erzählungen und
Geschichten in Egerländer Mundart"), Graf Klemens Zedtwitz, haben in
Dünel („Egerländer Dialektgedichte") und Krauss Nachfolger gefunden^).
Rätsel, Sprüchwörter, Bauernregeln, Sentenzen, Volksmelodieen
bringt Dr. Habermann in seinem schon früher erwähnten Buche; Vier-
zeiler hat besonders Dr. Urban gesammelt, zum Teil auch selbst gedichtet.
Sehr interessant und beachtenswert sind die Fest- und Volksspiele in
unserem Gau, heute freilich zu verkümmerten Resten herabgesunken
(es sind jetzt nur noch Weihnachtsspiele oder Krippenspiele in Eger Sitte,
die gut besucht sind. Einige sind auch nach dem Schubertschen Manu-
skripte Teröffentlicht worden). Dass in einer alten deutschen Reichsstadt,
wie Eger im Mittelalter gewesen, auch Fastnacht-, Oster- und Passions-
spiele stattfanden, geht aus den Aufzeichnungen des Egerer Rats hervor,
insbesondere aus den Ausgabebüchern der Stadt, wie sie Prof. Trötscher
veröffentlichte. So giebt der Rat 1443 den „goltsmidsgesellen 10 groschen
zu trinckgelt von dem vasnachtspiel", 1444 den Schreibern und Stein-
metzen 40 groschen von zweyen vasnachtspil , 1449 den schreybern
5 groschen zu trinkgelt, als sie ein spil an der vasnacht vor dem rathaus
hetten". Ausser Fastnachtspielen wurden auch geistliche Spiele aufgeführt:
„1476 item 20 groschen geben den Schreibern auf der schul von dem
Spill an sanct Steffanstag, 1477 item geben den Schulmeistern und den
spilleuten von dem Spil in den Osterfeiertagen 22 groschen. 1480 item
geben den Spylleuten und Schreibern 30 groschen von dem spyl zu den
Weynachts- Heiligentagen, zu vertrinken an aller kyndlein tage." Die
wichtigsten Feste und Volksfeste, an denen wohl der ganze Gau in die
Stadt strömte, waren die Frohnleichnamsfestspiele. Das litterarhistorisch
wichtigste und bedeutendste ist das „Egerer Frohnleichuamsspiel",
herausgegeben von Gustav Milchsack (Litterarischer Verein in Stuttgart.
156. Publikation) Tübingen 1881. Das Original wurde von Urban v. Urban-
stedt entdeckt und befindet sich jetzt im germanischen Museum zu Nürn-
berg unter der Bezeichnung „Ludus de creacione mundi uro 7060" ^). Das
Spiel ist für drei Tage eingerichtet, umfasst die heilige Geschichte von
der Weltschöpfung bis zu Ostern (mit einem sehr interessanten Schluss-
satz) und beschäftigte wohl über 200 Personen.
Wir gewinnen einen sehr intimen Einblick in die Spielweise, in das
Scenar, durch reichliche Angaben, es fehlt nicht an echt volkstümlichen
1) Vergleiche ,,Litteransches Jalirbucli'-, lierausg. von Alois Joliii, I. Bd., Eger 1891:
„Neuere Dialektdicht.nngen".
2) Vgl. darüber Bartschs ausführliclie Beschreibung in PfeiiTers Germania III (1858,
Seite 267— 297) und „Anzeiger füi- Kunde der deutschen Vorzeit" 1859, S. 88 f., S. 1301". und
S. 168 f.
Zur Volkskunde des Egerlandes. 319
Figuren und Apostroplien an das Publikum, an drastischen Scenen aus dem
Leben des Mittelalters; die Sprache ist originell, volkstümlich, ohne in
allzu grosse Derbheiten zu verfallen. Angaben über Einteilung des Lokals
und Arrangements fehlen, doch werden wir uns dasselbe am Marktplatz,
von den auf Tribünen befindlichen Zuschauern umgeben, vorzustellen haben.
Der Marktplatz, die Stadt selbst war die Bühne, deren nähere Einrichtungen
nicht zu ersehen sind. Dagegen finden sich wieder in den Ausgabebüchern
Kotizen, die uns über die Schauspieler (Zünfte, Bürger, Schüler der Stadt-
schule) und das Kostüm einiges verraten. So heisst es 1465: „aufP gots-
leichnam geben den spilleuteu 40 groschen zu vertrincken; item 2 groschen
den Rittern; item dem hutel Sneyder 2 groschen für Adams und Evas
rock zu pessern, item 3 groschen für rynglein zu dem stern. 1475
4 groschen den „Trumetern und Spilleuten zu trinken, item den reymern
und rittern 40 groschen von dem spil zu vertrinken." Auch im XYI. Jahr-
hundert setzen sich diese Spiele aus der hl. Schrift fort, wie uns Kriegel-
steins Chronik belehrt: 1537 das spil vom verlornen Sohn, 1538 Susanna
und Judith, 1543 Jacob und seine Söhne, 1549 die Historia vom Propheten,
1585 das gespiel von der Rebecca; allerdings fehlten auch weltliche Ein-
lagen nicht, so: 1545 das spil oswaldi, 1550 der reiche Mann, 1557 Ritter
Galieni, 1629 Andreas, der ungarische König, mit seinem getreuen Statt-
halter Baucbano u. s. f. Diese weltlichen und öffentlichen Volksspiele
o-insen im XVII. Jahrhundert in die Räume der Stadtschule über, wo sie
unter der Leitung der Jesuiten reichlich Allegorie und Symbolik annahmen.
Dr. Georg Schmidt hat seinerzeit auf derartige Spielzettel Egerer Jesuiten-
dramen aufmerksam gemacht und auch einige Titel angegeben („Apollo
im Chore der Musen erquickt den Kriegsgott Äneas; Faustus, ein adeliger
Engelländer (1739), Garindus des wider ihn von seinen Missgönnern ge-
schmiedeten Unglücks der allermildeste Rächer (1752), der mit Gift er-
loschene Blutdurst Dyouisii, Wüterichs von Sizilien etc. etc. Einer persön-
lichen Mitteilung des Herrn Baron Juncker in Breslau verdanke ich auch die
Notiz, dass diese Spiele, auch die Frohnleichnamsspiele, noch im XVII. Jahr-
hundert in Eser o-ebräuchlich waren. So wurde bei Paul Junkher gegeben:
ö
Die Comedia mit der von Abraham verstossenen Hagar nebst ihrem Sohne
Ismael, ferner Abrahams und Abels Opfer etc.
Von allen diesen geistlichen und weltlichen Volksspielen des Mittelalters
ist uns heute bis auf die oben citierten Stellen aus den Ausgabebüchoru
und dem Text des Egerer Frohnleic]inamss})iels niclits erhalten. Litterar-
historisch interessant für die (rescliichto des deutschen Volkslieds und des
protestantischen Kirchenlieds und den Einfluss des Humanismus auf die
Literatur Westböhmens ist das Buch von R. Wolkan: Böhmens Anteil an
der (knitschen Litteratur des XVl. Jahrhunderts (Prag, A. Haase), von dem
der erste Teil „Bibliogra])liie" (1890) 401 Nummern von neuen Mären,
neuen Liedern, Predigten, Übersetzungen der Andria und des Eunuchus
320 Hartmann :
von Terenz u. A. bringt. Der zweite Teil (1891) giebt 17 ausgewählte
Texte, der dritte wird eine zusammenfassende Darstellung der Litteratur
Westböhmens im XYI, Jahrhundert bringen.
Damit sei unsere flüchtige Musterung und literarische Übersicht über
die bisherige Thätigkeit auf dem Gebiet der Volkskunde im Egerlande ab-
o-eschlossen. Wir sehen alle Seiten des Volkstums bald eingehender, bald
flüchtiger beachtet, aber auch oft klaffende Lücken. Eine von der bis-
herigen Lässigkeit abweichende systematische und wissenschaftliche Zu-
sammenfassung und Bearbeitung ist dringend geboten. Insbesondere ist
die Herausgabe eines Sagenbuches und einer grundlegenden Arbeit über
das heute fast entschwundene Volkstum im Egerland als nächste Arbeit
ins Auge zu fassen. Nur einigermassen vermag das von dem hochverdienten
Dr. Georg Schmidt gegründete „Egerländer Museum", mit seiner Bauern-
stube eine Erinnerung wachzurufen an die reiche Fülle echten deutschen
Volkslebens, wie es in diesem Gau einst bestanden hat.
Eger.
Kleine Mitteilungen.
Zahlen- und Monatsnamen als Personennamen.
Herr Dr. Mordtmann, deutscher Konsul in Salonik, schreibt mir: Es giebt
einen türkischen Namen jirmi sikiz tschelebi = Monsieur 28, den Hammer nicht
recht erklärt .... im Neugriechischen kommt ein gleichbedeutender Name vor:
BevroV-i^o = venti otti: dies führt nach Italien .... ich kenne nur etwas, das damit
in Verbindung stehen dürfte: den „Februarmonat''. — Es ist klar, dass „Herr 28"
nur eine, mit besonderer Absicht oder nur aus Scherz gewählte Bezeichnung für
„Herr Februar'' ist. Dieser Monat wird in der That in zahlreichen Sprachen als
Personenname verwandt. Hier sei nur das weniger leicht Zugängliche davon
erwähnt: das arabische schubät, das ich in Syrien, wo es meist •scZ/J«^ und daneben
shät gesprochen wird, mehrfach als Personennamen gefunden habe. Knüpfen sich
doch auch im arabischen Orient au diesen Monat besondere Vorstellungen, wofür
hier als Gewährsmann nur der ausgezeichnete Kommentator des arabischen Wörter-
buches des FirCizäbädi angeführt sein mag, der in seinem tädsch el-arüs Bd. V
S. 149 u. d. W. sabbat sagt: subät und schubät Name eines Monats im Griechischen
[in "Wirklichkeit ist es ein altsemitisches Wort, das noch im Hebräischen und
Armenischen vorkommt], vor dem adär (d. i. März), zwischen dem Winter und dem
Frühling; el-azharl sagt: dieser Monat gehört zum Winter; in ihm wird der Tag
voll, dessen Bruchteile auf mehrere Jahre entfallen, und wenn dieser Tag in diesem
Monat voll wird, so nennen die Leute in Syrien das Jahr 'am el-kehu (Schaltjahr);
Kleine Mitteilimgen. 321
wird in einem solchen Jahre ein Kind geboren oder kommt jemand aus einem
Orte an, so hält man das für gleichbedeutend. Von anderen syrisch -christlichen
Monatsnamen ist mir keiner als Benennung von Personen bekannt.
Von den Monaten des islamischen Jahres sind mir folgende vorgekommen:
1) ramadäv. am häufigsten; eine nicht unbedeutende muslimische Familie, die über
Syrien zerstreut ist, führt heut diesen Namen und er kommt schon in älterer Zeit
vor (so z. B. ein Traditionslehrer ramadän ihn ''all um 500 d. Fl. = 1106/7 bei
dem arabischen Geographen Jilküt I 217); 2) schdbn?}, wohl mehr bei den türkisch
redenden Bewohnern Nordsyriens; dort hörte ich als Namen: kara schdbän, der
schwarze Scha'bän; 3) Muharrem^ kam mir nur in einem Exemplar vor: einem
türkisch -arabischer Mischfamilie entsprossenen Muharram hey\ 4) safai\ nicht nur
bei Türken üblich, bei denen ich Sefer Pascha fand. Bei 1, 3 und 4 ist die Ver-
wendung des Monatsnamens leicht erklärlich: der Fastenmonat Ramadän hat für
den Muslim einen eigenen Zauber: das Heraustreten dieses Monats aus dem ge-
wöhnlichen Geleise, sein Charakter als Ferienmonat, in dem an ernstliches Arbeiten
kein Mensch denkt, das reichliche und fette Essen, mit dem man sich, nach den
mehr oder minder gewissenliaft durchfasteten Tagen, nachts den Magen verdirbt,
die derben Spässe des Karagöz-, oder wie man in Syrien sagt, Karaküz- Schatten-
spieles, prägen ihm im Gemüt des heranwachsenden Muslims einen besonderen
Charakter auf, und die ganze islamische Welt hat für diesen Monat, trotz der
mancherlei Leiden, die er mit sich bringt, eine besondere Sympathie: wie sollte
man da nicht gerade ihn als Personennamen wählen? No. 3, der Muharram, ist
der erste Monat im Jahre und hat daher sein Ansehen, No. 4 hat den Beinamen
i<afar el-c/iair, der Glücks-Safar, und empfiehlt sich deshalb abergläubischen Ge-
mütern. Nur für No. 2 scheint eine besondere Veranlassung nicht vorzuliegen.
Von ostasiatischen S])rachen kennt, nach gütiger Mitteilung des Herrn Professor
Arendt, das Chinesische den „Schaltmonat" und die Zahl Siebenundsiebenzig als
Personennamen.
Es versteht sich, dass diese Notizen eben nur solche sein und das, durch die
Mitteilung dos Herrn Mordtmann in Erinnerung Gebrachte, kurz fixieren wollten.
Der einzelne wird hier das gesamte Material nur schwer sammeln können. Giebt
ein jeder, was er aus Studien oder Beobachtungen hierzu beitragen kann'), so
wird in absehbarer Zeit genügendes Material vorliegen, damit ein Berufener die
Frage nach Verwendung der Monatsnamen und Zahlen als Personennamen
systematisch und einigermassen erschöpfend behandeln kann.
Von Herrn Mordtmann ging mir unter dem 24. Juli v. J. noch folgende Mit-
teilung zu:
1) [Es sei vorläufig hier verwiesen auf A. Pott, Die Personennamen, insbesondere
die Familiennamen und ihre Entstehungsarten. Leipzig 1853. S. 284 — 286, 538 — 543.
Vilmar, Die Entstehung und Bedeutung der deutschen Familiennamen. Marburg 1855.
S. 29, 57. Fr. Becker, Die deutschen Geschlechtsnamen. Basel 1864. S. 12. Andrescn,
Die deutschen Faniihennamen. Mülheim a. d. Ruhr 1862. S. 19. Hoffmann v. Fallers-
leben, Breslaucr Namenbüchlein. Leipzig 1843. S. 16. (Geisheim) Berliner Namen-
biichlein. BerUn 1855. S. 20. Hoffraann v. F., Braunschweiger Namenbüchlein. Braun-
schweig 1867. 8.14. Fröhner, Karlsruher Namenbuch. Karhuhc 1856. S. 51. Knorr,
Die Familiennamen des Fürstentums Lübeck. Eutin 1882. II, 36. Kehrein, Nassauisches
Namenbuch. 1862. S. 14. A. Matthias, Niederrhciiüsche Familiennamen. Düsseldorf
1886. S. 6. S. Kleemaun, Die FamiUennamen Quedbnburgs. QuecUiuburg 1891. S. 158.
Cämmerer, Thüringische Fanuliemianien Arnstadt 1855. I, 15. D. Red.]
322 Hartinann:
Unter der mohammedanischen Bevölkerung der Türkei kommen folgende
Monatsnamen als Personennamen vor:
Moharrem, der erste Monat des mohammedanischen Mondjahres.
Redscheh j
Schaban \ der 7., 8. und 9. Monat desselben.
Ramazan )
Diese drei Monate bilden zusammen einen besonderen Abschnitt des Jahres;
sie werden volkstümlich als „das Quartal" {ütsch ailar) bezeichnet und gelten als
„gesegnete Monate" (schuhur-i-mubareke). v. Diez, Denkwürdigkeiten von Asien
2, 465, bemerkt „Die drey Monate Redscheb, Schaban und Ramazan werden
besonders in Ehren gehalten. In letztern fällt das grosse Pasten der Mohammedaner.
Viele fangen es schon im Redscheb an und setzen es bis zu Ende des Ramazan
fort. Man hält sie aber in Verdacht, dass sie sich nur so stellen, um sich der
Esslust in allen drey Monaten ungesehen zu überlassen. Dies hat zu folgendem
Sinngedichte Gelegenheit gegeben:
„Bilde dir nicht ein, o Monat Redscheb, dass sie (jene Andächtigen)
den Schaban halten!
Hier giebt es Heilige, welche den Ramazan verschlucken')."
Noch heute giebt es Strenggläubige, welche während des ganzen gesegneten
Quartals fasten und beten, fi-eilich wohl nur in geringer Zahl.
Wenn ich mich nicht täusche, sind diese vier Namen besonders in Rumelien,
und wiederum die Namen Redscheb und Schaban in Albanien und Bosnien häufig.
Von Pesten entlehnt sind die Namen Bairam (nicht zu verwechseln mit
Behraml) und Mevlud. Letzterer ist nicht häufig. Mevlud bezeichnet das Geburts-
fest des Propheten, das von Murad HL im Jahre 1558 eingesetzt und am 12. Rebi 1
begangen wird (v. Hammer, Des Osmanischen Reichs Staatsverfassung und Staats-
verwaltung 1, 468 fi".).
Mit „Bairam" der Bedeutung nach identisch ist der arabische Name „Mu'id".
Schon weiter ab liegt der Name Kadri: so heisst derjenige, welcher am 27. Ramazan,
dem Tage der „Radir getschessi", der heiligen Nacht, geboren ist.
Von Wochentagen werden, soviel mir bekannt, keine Namen abgeleitet.
Parallelen zu den vorstehenden Namensbezeichnungen dürften sich bei allen Völkern
finden. Bei den Griechen und Römern scheint ausser Januarius kein Monatsname
als Personenname vorzukommen; wohl aber dürfte 'KaXdv^iwv den bezeichnen, der
an den Kaienden des Jahres zur Welt gekommen ist (Kct)ictV(^a, neugriechisch
= 1. Januar 2). Nach den Wochentagen sind benannt
napao-xeijvf, neulateinisch Veneranda, = Freitag,
Sabbatius, Sambatius, = Samstag,
Kopiocxo'q, Kujaictxyj', = Sonntag.
Von diesen sind UApacry.£v>i und KvpMxoq, letzterer in Ableitungen noch heute
üblich; alle drei tauchen erst spät auf und sind jüdisch -christlichen Urspnmgs.
Dasselbe gilt vermutlich auch für Januarius und KctXavciiwv.
Berlin. Martin Hart mann.
1) Dageg-en drückt sich der alte Thomas Smith, De moribus ac institutis Tm-carum
Oxonii 1674 S. 45. so aus: non dcsunt qui jcjunandi tcmpus, stultä apud Dominum meriti
opinioue, mcnsc superiori incipiuiit, sed non ultra limitem finalem a MohaninKHlo fixum
e.\tendendum est.
2) Vgl. den armenischen und persischen Namen Nevruz = Neujahr.
Kleine Mitteiluugen. 323
Die drei heiligen Jungfrauen zu Meransen.
Fn meiner Sammlung „Sagen ans Tirol" (2. Aufl. Innsbruck 18!U) schrieb ich:
„Auch in Latzfons soll die Legende von den drei hl. Jungfrauen bekannt sein
und alte Leute haben gesagt, dass sie in einer Fclsenkapelle vor den wilden
Heiden, die sie verfolgten, Zuflucht gefunden haben." S. 31. — Bei späterem
Nachgehen fand ich diese Überlieferung bestätigt, ohne weitere Züge dieser Sage
zu erhalten, erfuhr aber, dass zur Zeit der Dürre die Latzfonner nach
Meransen wallfahrten, um Regen zu erbitten, oder zur Zeit epidemischer Krank-
heiten dort Hilfe zu suchen. Da diese Kreuzgänge in sehr alte Zeit zurück-
reichen, ist ein früher Kult der sagenhaften Heiligen an beiden ziemlich fern
liegenden Orten, eine Verbindung zwischen beiden nicht zu leugnen.
Prof. W. J. Hey 1 hat im „St. Kassian-Kalender für 1891" einen Aufsatz „Eine
Volkssagc aus dem Eisackthal. Die drei Jungfrauen von Meransen" S. 57 — 61
veröffentlicht, den wir, was Latzfons betrifft, in bündigerer Form mitteilen, denn
die Legende von Meransen ist ausführlich in meiner Sammlung, S. 29 — 31, ge-
geben und auf die einschlägige Litteratur, S. 596, verwiesen. Nach Heyl ritt in
uralten Zeiten ein heidnisch Volk von Morgen her, dessen vorderster einen Götzen
mit drei Köpfen trug, wie dieser noch heute zum ewigen Gedächtnis zu Brixen
als Standbild zu sehen ist. Drei königliche Jungfrauen flohen vor ihnen auf den
Berg, wo Latzfons liegt. Hier wohnten sie einige Zeit verborgen, beteten und
fasteten und gaben viel Almosen, denn sie waren sehr reich. Der heidnische
König erfuhr aber ihren Zufluchtsort und wollte sie fangen lassen. Die Königs-
töchter wurden aber gewarnt und flohen gegen Meransen. Am frühen Morgen,
als sie den Berg halb bestiegen hatten, rasteten sie ermattet auf einem Steine.
Es wird nun die Erhörung ihrer Gebete und die bekannte Legende, wie sie an
Meransen haftet, berichtet. Heyl teilt dann die Sage, wie sie in Latzfons er-
zählt wird, folgendermassen mit.
In uralter Zeit brachen Kriegsstürme und Drangsale über Wälschland herein
und die Christen wurden mit Feuer und Schwert verfolgt. Damals lebten drei
fromme Schwestern dort und suchten ihr Heil in der Flucht und kamen gegen
Sähen, wo ein Bischof wohnte. Deshalb nahmen sie ob Sähen in Latzfons ihre
Wohnung und pflogen eifrigen Gottesdienst. Wie dies die Latzfonner, die noch
blinde Heiden waren, sahen, verhöhnten und bedrohten sie die frommen Jung-
frauen. Da sprach einmal die älteste zu den Götzendienern: „Weil ihr uns, die
euch nur Gutes gethan haben, so kränkt, gehen wir fort. Aber schwere Zeiten
werden über euch und eure Kinder kommen und nie werden diese Ruhe und
Frieden haben, bis sie uns im Grabe besuchen und eure Unbill sühnen." Dann
schnallten sie ihre Bündel und zogen auf den Berg von Meransen.
Die Latzfonner hatten nun böse Jahre; Krankheiten, Unwetter und Misswachs
hörten nicht auf. Da gedachten sie traurig der drei Jungfrauen und wünschten
sie zurück.
Sie bekehrten sich, bauten eine Kii'che und zogen mit ihrem frommen Priester
nach Meransen, um der Jungfrauen Fürbitte zu erflehen. Sie fanden aber die-
selben nicht mehr am Leben, hörten aber von ihren Wunderthatcn viel erzählen.
Da beteten sie mit grösstcr Andacht und siehe, von nun an war in Latzfons
Misswachs, Hungersnot und Siechtum verschwunden. Die drei hl. Jungfrauen
standen weit und breit in höchsten Ehren. Wallfahrer kamen aus Nah und Fern.
324 Zingerle:
Merkwürdig ist, dass die drei Jungfrauen im Ablassbriefe von 1500 den 11000
Jungfrauen der hl. Ursula beigezählt wurden. Hochverehrt war auch die Stätte
„zur Linde" (,, Jungfrauenrast") , wo die drei Heiligen ihre Rast gehalten hatten.
Seit 1515 fanden zahlreiche Wallfahrten und Bittgänge mit Kreuzen und Fahnen
statt und an Opfern für die Kirche in Meransen war kein Mangel.
Die alte fromme Verbindung zwischen Latzfons und Meransen dauerte bis
in die neueste Zeit fort. Die Latzfonner suchten in allen Drangsalen Hilfe bei
den drei Jungfrauen. Als man im Jahre 1861 fürchtete, dass wegen anhaltender
Trockenheit auf Feldern und Äckern alles zu Grunde gehe, ward ein Kreuzgang
auf Meransen unternommen. Um Mitternacht zog man aus dem hochgelegenen
Dürfe; in der schon Ulrich v. Lichtenstein bekannten Mahr (Merre) beschritt der
Priester ein Reitpferd und nun ging es über Brixen und Schahs nach Mühl-
bach, von wo sich der steile Weg nach Meransen abzweigt. Der den Bittgang
führende Priester erzählte mir, dass er manchmal auf dem Rosse einschlummerte,
viele Beter seien schlafbefangen mechanisch weiter marschiert. Kein Wunder bei
dem nächtlichen Zuge, der wenigstens sieben Stunden Weges zurücklegen musste.
Nach einem folgenden Bittgange ward das Gebet von den Jungfrauen erhört und
bei der Heimkehr fiel so überreicher befruchtender Regen, dass eine ausser-
ordentlich reiche Ernte folgte.
Auch die Valser wallfahrten häufig zum heiligen Baume und zum
Brünnlein auf der Jungfernrast. Als die Bittgänge nach Meransen mehr
und mehr aufhörten, fing das Brünnlein auf der Rast zu schwinden an und mit
dem letzten Wallfahrer wird es ganz versiegen. Sobald dies geschieht, naht der
jüngste Tag mit dem Antichrist.
Der auch verbreitete Glaube, dass die drei Jungfrauen aus Augsburg ge-
ilohen seien, weist auf Bayern, wo der Kult der drei Jungfrauen am verbreitetsten
war, wie Panzer und Sepp nachwiesen. Da das Hochstift Augsburg viele
Besitzungen in Tirol hatte und früher die regste Handelsverbindung zwischen
dieser Stadt und Bozen herrschte, ward früher bei uns Augsburg für die Haupt-
stadt Bayerns angesehen.
Im alten Kirchlein von Clerant auf dem Mittelgebirge bei Brixen sieht
man unter den alten Fresken auch die drei Jungfrauen, welche die Namen:
S. Ampet, S. Gewer und S. Bruen tragen.
An die Heiligen in Meransen knüpft sich auch eine neuere Sage. Als die
Franzosen 1809 gegen Meransen vorrückten imd die Jungfrauenrast erklommen,
qualmte der Berg und es erschienen die Heiligen in blendendem Scheine und
drohten den Feinden, die erschrocken rasch die Flucht ergriffen.
Gufidaun bei Klausen in Tirol. Ignaz Zingerle.
Lügenreime.
L Aus Ostfriesland.
Ik wil jo wat fertellen
un legen, wat ik kan:
Ik sag 'n mölen liegen,
de müller d"r a^ter an.
Kleine Mitteilungen. 325
As ik in Lammerdiden kwam,
sag ik dar so'n grot wunner an:
Püskatje sat bi 't für un spun,
dat kalf lag in de weg un sung,
de hund, de karn de botter,
de fleddermiis, de fegd' dat hüs,
de swälfkes drogen de drek derüt
mit hör fergüllen flögelkes. —
Siind dat not dikke lögentjes?
jo - euch. legen = lügen. Lammerdiden = Lombardei. karn, verkürztes Prät.,
für karnde, zu kamen: buttern.
2. Aus Meiderich, Keg.-Bez. Düsseldorf.
„Küklekük", seed ussen Hahn,
truck sin Stofels mit Sporen an,
gung dermit na fräen
na Lapedäen
Äss ick van Lappedäen kom,
hör äss, watt ick do vernom:
Die Kuh, die sat be t Für un spunn,
datt Kalw, datt lag in de Wieg un sung,
denn Hund, denn kann' de Botter,
die Katt', die wies die Schottle.
Die Flerr'mus, die kerr'n et Hüs,
die Schwall', die drog denn Dreck herüt,
die Rrai sät upp ctt Hecken
un sagg, ett wor'n all Gecken.
Die Sog lag achter denn Omend
un sagg, ett wor gelogen.
Varianten eines in Niedcrdeutschland verbreiteten Lägengedichtes, vgl. Volkstüm-
liche Lieder aus Norddeutschland, herausgegeben von Ph. We gener. Leipzig 1879.
S. 94 — 97. K. Simrock, Das deutsche Kinderbuch. Frankfuii a. M. 1857. Nr. 463
bis 465.
Meiderich. C. Dirkscn.
Kindergeschichte vom armen Jan.
Ostfriesisch.
Jan wul pankok bakken.
Pankök fung an f schören.
do Icp Jan na de dörcn.
Dören wassen to,
do lep Jan na de ko.
Ko wul hum stöten,
do lep Jan na de nöten.
Nöten wassen rund,
do lep Jan in d' strunt.
Zeitschrift d. Vereins f. Volkskunde, 1892.
326 Prem:
Strunt was so nat,
do lep Jan na d' stad.
Stad was so grot,
do lejo Jan sük dod.
Vs. 2. t' = to — 9. Strunt, Dreck.
C. Dirksen.
Mittelalterliche Wunder- und Seliatzsagen aus Tirol.
Aus dem reichhaltigen Aktenbändel A VII -29 des Statthaltereiarchivs in Inns-
bruck habe ich in der Zeitschr. f. d. Altertum, Anz. 15, 144 und Z. 36, 51 — 53
bereits mehrere Stücke mitgeteilt; ich lasse hier zwei weitere grössere Beiträge zur
Kenntnis tiroUschen Volksglaubens folgen, die durch den Inhalt für sich selbst
sprechen. Sie sind aber auch in Hinsicht auf die Form nicht uninteressant, daher
biete ich sie in diplomatisch genauer Abschrift. Zwei kurze Proben, die hier klein
gedruckt erscheinen, brachte die genannte Zeitschrift').
Der hl. Wolfgang. Bischof von Regensburg am Ausgange des 10. Jahrhunderts,
wird in Ober- und Niederbayern, sowie im angrenzenden Teile von Franken, Ober-
österreich und Osttirol viel verehrt. Aus einem oberbayerischen Wallfahrtsorte
des Landgerichts Haag berichten die unten folgenden Wunderaufzeichnungen, die
ich vollständig gebe. Das Eingangswort item deutet übrigens auf andere derartige
Aufschreibungen hin, die nicht mehr vorhanden sind.
Noch merkwürdigei- und kulturhistorisch wichtiger sind die leider nicht mehr
vollständigen, von nekromantischem Hokuspokus begleiteten Aufzeichnungen über
Schätze in Tirol. Sie bieten ein interessantes Seitenstück zu den Sagen, welche
Reg.-Rat I. v. Zingerle aus derselben Quelle geholt und in der Zeitschr. f. deutsche
Philologie 18, 321 f. veröffentlicht hat.
1. Auf vier Blättchen eines jedenfalls erst später zusammengenähten Heftchens
stehen mm die folgenden Aufzeichnungen über Wunder S. Wolfgangs:
Item das sint dy zaichen des heyligen hörn sant Wolfgang in dem pueckholcz
an Swindacher pfarr und in Hager graffsachft (so!).
Item zw dem ersten mal ist ain stain gefallen auf ain kindt das man das kind
für dott umb hat zogen auf ain stun (? dr 0 Redlich: stund) also hat dy mueter
sand wolfgang an gerüeft und das kind ab zewegen mit wachs also ist das kind
frisch gesunt worden und der stain hat X Ib. swere.
Item Wilhalm von Tolcz-) ist VII jär plint gewesen der hat sant wolfgang
versprochen I Ib. wachs ist gesunt worden.
Item schmid von Rot der ist XVIII jar grob zeprechen gewesen das jm chain
arcz wolt helffen da versprach er sant wolgan ain pfund wachs da wäre er frisch
gesunt.
Item ain odlig fraw von Osterreich dy hat in IX jaren nit geret also hat sy
sich versproch. gan dem lieben herrn sant Wolfgang mit zwein almoscn alspald
sy in dy kirchen kam da wäre sy frisch gesunt.
1) Dem Aktenbündel ist ferner einverleibt eine lateinische Abhandlung über die
Wissenschaften von Maf,^ Joannes Hellerus Aenipontanus, d. d. Friburgi 14. März 1581.
ein lateinischer Psalmenauszug und eine „oratio de fortuna".
2) Tölz an der Isar.
Kleine Mitteilungen. 327
Item mer ain edlig fraw von Osterreich dy hat in XY jaren nit gesechen da
versprach sy sant wolfgang ain siiiii gelcz in den stock da wart sy frisch gesunt
wider stat.
Item Hanns Lindmair von Freyssing der ist XIIII jar geprochen gewesen der
hat sich versprochen gan sant wolfgang mit seinen pinit alspald das geschach da
wart er frisch gesunt.
Item ain man von Dyefurt der ist zway jar plint gewesen der hat sich ver-
sprochen gan sant wolfgang mit aim pfnnd wachs alspald das geschach, da wart
er frisch gesunt an seinen äugen.
Item Jörg von Semlhueb der ist gross zeprochen gewesen der vei'sprach sant
wolfgang ain pfund wachs alspald das geschach da wart er frisch gesunt.
Item ain fraw ist swanger gewesen dy hat dragen XIIII woclien und ist des nider
kumen also das chain leben in dem kind nit was, da versprach dy mueter das kind gan
dem lieben herrn sant wolfgang mit wachs abzewegeii alspald das geschach da wart das
kind ki'isniet und däuft.
Item Jörg Ganskopff der ist gros geprochen gewesen das ym chain arcz mocht
helffen da versprach er sant wolfgang ain Ib. wachs und seinen punt alspald das
geschach da wart er frisch gesunt.
2. Auf zwei Blättchen kl. 8°, mit Faden geheftet und ebenfalls von ca. 1400,
steht: .... man tarno dem abegat dar auf ligent stain. darunder grab fünf schuch
so vindest du grossen schacz.
In Tryendnergassen an der obern eher mit ii'en welffen dy sind goldes vol
zw der heyligen stat zw der alten pruckke pey der pxirck hawbt da sind zway
grab dar, in ist ein stain mit ainem chrawcz darunder grab fünff schuch so vindest
ainen grossen schacz, da selben ist ein prun, der entspringt und flewst dar imie
vindest dw ainen schacz mysch auch von dannen vier schuch und grab drey schuch
tieff da vindest dir vyl goldes.
Auf dem Melten do ist rozhawpt vnd ain cliraücz da enzwischen grab X schuch
da vindtst du tysch gülden mit aller zirde und XV haffen voll golds und silber.
Daseiben such ein chycz ergraben an ainem stain dar under grab siben schuch
so vindest dw XI sawm goldes. Da engegen such ainen grchoten (?) menschen an
ainem stain grab gen der sunn ze mitten tag X schuch da vindest du ain gülden
tysch mit aller czyrde und ain chamer vol schacz. dasolben such ainen stain ain
hörn (?) ergraben da grab III schlich gen dem tayl do dy sunn zc mitten tag stet
da vindest du XI müt goldes und silbers.
In sand Larenczy pharr an der stat no') (?) da ist ein hol und ain stain dar
in ist gen der sunne vndergankch ain ros vol goldes und di'cy mawl und ein
ochssen"-^) vol goldes und silbers.
In dem Intal zw dem Hallein do sind zwo swoster junckchfrawen dye ze prich
ze den prusten so vindest du vyl goldes.
Ze Triendt da such ain hirssen in ainem necze ergraben dar vber grab und
zeprich auch den hirssen, so vindest du vyl goldes; daselben such zwen tritt ains
menschen und zwen wagen grab dar vber vnder drey schuch so vindest dw grosses
gut und zw dem vorderen tayl da mis vier schuch so vindestu grossen schacz.
Auf dem perg Burdana da such ainen essel vnd mys von seinem hawpt XV
schuch so vindestu grossen schacz.
1) übergeschrieben: da ist ein prunen pey des chunigs palast.
2; ,, vnd III mau.
22*
328 Weiiihold:
Da der Czyler') entspringt da such zway chräwcz vnd zwo slangen und mys
von irem zag] vier schlich da vindest du grossen schacz.
An dem end ze Triend so such zwo slangen hawbt an aiueiii stain ergraben, dar
vnder grab da vindest du vyl guidein trinkchfas vnd mys da von vier schuch so vindstu
zwyualtigen schacz.
Ye mach ein chräwcz vnder dy äugen et die amen f amen f amorum f et
ille deus adonay q dedit gratiam Jose])h in egypto vnd mer graciaz in conspectu
omni qui me respiciunt in nomine et patris et fdij et Spiritus sancti amen, pater
noster.
Ohne mich weiter in Erklärungen und Deutungen einzulassen, bemerke ich,
dass die übergeschriebene Angabe „da ist ein prunen pey des chunigs palast"
vielleicht auf den „haidennisch kunig des gepirges Arostoges" geht, dessen .Fabel
I. v. Zingerle aus einer gleichalterigen Handschrift des Statth. -Archivs zu Inns-
bruck gezogen hat, Z. f. d. Ph. 18, 323. — Meine Quelle ist der Rest eines Heftes,
dessen übrige Teile verloren sind, die Ränder imd teilweise auch die Textspatien
des Blättchens tragen Pederproben von späterer Hand.
Bielitz in Österr. Schlesien. Dr. S. M. Prem.
Bücheranzeigen.
Die Sagen des Elsasses, getreu nach der Volksttberliefemng, den Chro-
niken und andern gedruckten und handschriftlichen Quellen, gesammelt
von August Stob er. Neue Ausgabe, besorgt von Curt Mündel.
Erster Teil: Die Sagen des Ober-Elsasses. Strassburg, Heitz und
Mündel, 1892. S. XV. 151. 8^
Es ist erfreulich, dass dieses Werk des um deutsches Leben im Elsass hoch-
verdienten August Stöber nach seinem Tode in einer neuen und vermehrten Aus-
gabe wieder erscheint. Die Sagen des Elsasses von Stöber erschienen zuerst
St. Gallen 1852 (Neue Titelausgabe 1858). Der treue Sammler hat dann in der
Zeitschrift für deutsche Mythologie imd Sittenkunde von J. Wolf, imd besonders
in seiner Alsatia viele Nachträge gegeben. Alles dieses und eigenes Neues ist
von dem jetzigen Herausgeber C. Mündel dem Buche eingefügt worden. Dazu
sind dankenswerte Quellennachweise und Anmerkungen gekommen, die den Wert
der Ausgabe erhöhen.
Der zweite Band, die Sagen des Unter-Elsasses, soll Anfang 1893 erscheinen.
Derselbe wird auch ein Sachregister bringen, das allen Sagensammlungen zu
wünschen wäre. K. Wein hold.
Sclileru-Sageu und Märchen von Martinus Meyer. Innsbruck, Wagn ersehe
Uuiversitäts- Buchhandlung 1891. S. 268. 8^
Das Buch wird .,Sommerfrischlcrn" am Fasse des Schiern Vergnügen machen.
Der Verfasser, ein guter Zeichner und Aquarellmaler, giebt uns gehmgene
1) ZiUer in Tirol.
Bücheranzeigen. 329
Landschaftsbilder, zeigt feine Beobachtungsgabe für das Sinnen und Leben des
Volkes, das er uns treu und mit Glück erzählt, — aber echte Sagen und Märchen
begegnen uns selten im Buche, wenn sie auch oft die Grundlage der hübschen
Erzählungen bilden. Der grösste Teil giebt uns anmutende Phantasieen des talent-
vollen Schriftstellers. Zu bedauern ist, dass wir hier manchen Stellen begegnen,
die aus der Luft gegriffen sind und weiter dringen werden. Dies gilt von dem
„Hauensteiner - Tann", der im Buche eine Hauptrolle spielt. Ln Vorworte
heisst es „der hochromantischen Waldidylle, schon in ältester (!) Zeit unter dem
Namen der „ Hauensteiner - Tann " bekannt". S. 157 liest man „vordem von
mächtigen, Jahrhunderte alten Stämmen bewachsen war und schon in den alten
Heldenbüchern als der sagenhafte mid mythenreiche Hauensteiner-Tann
gefeiert und besungen worden ist". S. 264 „So hatte Wolf Dietrich (sie) von Bern
sein unbesiegbares Schwert und sein undurchdringlich Panzernetz von den Zwergen
des Hauensteiner-Tanns erhalten". Wir würden dem Verfasser sehr dankbar
sein, wenn er uns die Quellen, aus denen er dies geschöpft hat, nennen würde. —
Unseres Wissens kommt der genannte Tann erst in Oswald v. Wolkensteins Ge-
dichten vor. — In der reizenden Erzählung „Margarethas Schwan" S. 243 ist das
alte, längst widerlegte Märchen, dass Oswald v. Wolkensteins Frau vor ihm
gestorben sei, wiederum aufgetischt. — So Schönes das Buch auch als Dichtung
bietet, für die Forschung ist es ohne Wert.
Gufidaim. Ignaz Zingerle.
Le Folklore Walion par Eugene Monseur. (Bibliotheque Beige des
connaissances modernes, vol. YL) Bruxelles, Ch. Rosez (1892).
S. XXXYI. 144. 8^
Der eifrige Leiter der Societe du Folklore wallen, Hr. Prof. Monseur von der
Brüsseler Universität, beantwortet in diesem empfehlenswerten Büchlein zuerst die
Frage: Q'est-ce que le Folklore? Am Schluss dieser interessanten Einleitung erklärt
er den Folklore als einen Trümmerhaufen aus allen Zeitaltern, vergleichbar den
Pflanzenabdrücken auf Steinkohlen und den Knochen vorsündflutlicher Tiere. Er
lässt die ganze alte Menschheit wieder aufleben. Man muss diese Trümmer
sammeln und studieren; sammeln, weil sie bald verschwunden sein werden,
studieren, weil in einem albernen Dorfaberglauben ebenso wie in einer Erzählung
aus dem innersten Afrika sich die Lösung eines dunkeln Problems der moralischen
Geschichte des Menschen finden kann. Den Hauptteil des Buches bilden Proben
des wallonischen Folklore, nach Kapiteln geordnet, und in naher Beziehung zu
dem Qucstionnaire de Folklore (Liege 1890), den wir in unserm I. Bande S. 454
angezeigt haben. Ein Register kommt der Benutzung des Buches sehr zu statten.
K. Weinhold.
The Folk-lorist. Journal of tlie Chicago folk-lore society. Vol. I. no. L
July 1892. Chicago. Fletcher S. Bas satt, editor. S. 82. 8".
Die Chicago Folk-lore Society hat sich im Dezember 1891 gebildet, um die
Volksüberlieierungen hauptsächlich der Landschaften im Westen der Alleghenies
zu sammeln und zu veröll'entlichen. Das vorliegende Heft soll der Vorläufer einer
regelmässig erscheinenden Zeitschrift sein. Aus dem Inhalt desselben heben wii-
heraus: Nachlese in Mexikanischer Volkskunde, von L. Aynie; die Geschichte von
330 Weinhold: Bücheranzeigen.
dem Geistertanz mit zwei dazu gehörigen Liedern in Siouxsprache mit englischer
Übersetzung von G. Sword; zur Negervolkskunde; Volkstümliches aus Illinois
(hübsch erzählt von Helen M. Wheeler); der böse Blick (the evil eye) von Rabbi
Em. Hirsch.
Wir wünschen der Gesellschaft und ihrer Zeitschrift das beste Gedeihen.
K. Weinhold.
Die Treue im Spiegel der Spruchweislieit. Von Leoiihard Freund.
1. Deutsche Sprüche und Sprttchwörter. Zweite, durch Nach-
träge vermehrte Ausgabe. Leipzig, Kösslingsche Buchhandlung
(H. Graf) 1892. S. 50. 8".
Das kleine Heft ist auch als Volksweisheit und Wcltklugheit. Studien auf
völkerpsychologischen und socialethischen Gebieten, Heft 1, etwas anspruchsvoll
bezeichnet. Es sind darin unter einer Zahl von Kapiteln deutsche Sprüche und
Sprüchwörter gesammelt, die sich auf Treue und Untreue, in einer sehr weiten
Bedeutung dieser Worte, beziehen. Als Schluss ergiebt sich dem Verfasser, dass
Treue, Ehre und Wahrheit bewegende Kräfte des deutschen Lebens sind. Fran-
zosen, Italiener, Russen sollen später unter jenem Gesichtspunkt behandelt und
darauf kurz auch Finnen, Ungarn und Chinesen untersucht werden auf Treue und
Ehre im Spruch. K. W.
Abhandlungen von A. Treichel.
Herr A. Treichel, Rittergutsbesitzer auf Hoch-Faleschken in West-Preussen,
unser geschätztes Mitglied, hat uns kürzlich eine Reihe seiner Aufsätze gütigst
geschickt, welche in Freussischen Zeitschriften erschienen sind. Wir wollen auf
einige derselben, die unser Gebiet berühren, aufmerksam machen.
Provinzielle Sprache zu und von Tieren und ihre Namen (aus der
Altpreuss. Monatsschrift Bd. XXIX. Heft 1. 2): eine sehr reichhaltige Samm-
lung. Wir machen besonders auf den Abschnitt von den Hundenamen
aufmerksam.
Provinzielle Kegelrufe. — Sprüche beim Binden und Hansen (Alt-
preuss. Monatsschr. Bd. XXVL Heft 5. G).
Dialektische Rätsel, Reime und Märchen aus dem Ermlande. (Ebd.
Bd. XXVII. Heft 3. 4.)
Das Beutnerrecht von Gemel, Kr. Schlochau. (Zeitschr. des histor. Vereins
für den Reg.-Bez. Maiienwerder, Heft 23), Abdruck eines Beutner (Bienen-
züchter)-Weistums von 1689, mit Bemerkungen. Zu der angeführten Lite-
ratur wäre nachzutragen
Ulrichs, Das Büthenerrecht im Lande Laucnlnirg und Biitovv. Berlin 1792.
Litteratur des Jahres 1S91.
331
Litteratur des Jahres 1891.
Von Dr. Max Laue.
(Fortsetzung.)
Die nichtgermanischen Völker Europas.
I. Oraeco-Italiker.
1. Äusseres Leben.
Lübker, lieallexikon . . . hrsg. v. Erler. T.verb.
Aufl. Leipzig, Teubuer. VI, 1332 S. M. 14,00.
— , Lessico ragionato della antichitä classica,
della sesta edizione tedesca tradotto con
molte aggiuute e correziouidaCarloMurero.
Roma, Forzani e compagiii. 8°.
Xettleship & Sandys, Dictionary of classical
aotiquities, adapted froni the work of pro-
fessor Seyifert. London, Sonnenschein. 4".
710 S. 21 sh.
Smith, W.iyte, Marimlin, A dictionary of
Greek and Roman antiquities. 3rd ed. reviscd
aud enlargod. I. London, I\[urray.
Pauli, AltitaHsche Forschungen. 3. Bd. [Bd. 1;
1885, 2: ISSfi]. Die Veneter und ihre Schrift-
denkmäler, gr. 8". (IX, 470 S. mit 2 Licht-
fbucken und 7 zinkographischen Tafeln.)
Leipzig, J. A. Barth. M. 40.00. [Darin als
besonderer Abschnitt ..Das Volk".]
ßarrili, Gli antichissimi Liguri. (Ateneo ligure
XII, 7— 4G.)
Bruginann, Umbrisches und Oskisches. (S.A.)
Leipzig. 39 S.
Gfriechische und römische Portrait» nach
Auswahl und Anordnung von Hein. Brunn
und Paul Arndt, hsg. von Ferd. B ruck-
mann. 1. Lief.: Taf. 1 — 10 mit Textbeil.
München, Verlagsanstalt f. Kunst un(nYissen-
schaft. fol. M. 20,00.
Curtius, Das menschliche Auge in der grie-
chischen Plastik. (Sitzungsber. d. Kgl. Akad.
d. Wissensch. 35, (591.)
Becker, Bienenzucht und Bienenkenntnis der
Griechen und Römer im Altert, nach (Jolu-
mella bearb. M. e. Vorwort v. Dzierzon.
Nürdlingen, Beck. IV, 42 S. M. 0,,Sit.
Scliaafhausen, Die Schneckeuzucht der Römer
(Jahrbücher d. Altertumsfreunde des Rhein-
landes 90, 208).
Rhode, thynnorum captura quanti fuerit apud
veteres momenti. Leipzig, Teubner. 79 S.
M. 2,00.
Buschan, Das Bier der Alten. (Ausland
Nr. 47.)
Hirschfeld, Die Entwickelung des Stadtbildes.
Im Altertum nachgewiesen. (Zeitschr.d. Ges.
f. Erdkunde 24, 277-302.)
Kiepert, Die alten Ortslagen am Südfuss des
Idagebirges. (Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. 24,
290—303.)
Jaspar, Studien über die Altertümer von
Pergamon I. {EU.ng 3, 159.)
Baziu, Nimes gallo-romain. Guide dutouriste-
archeoiogue. Nimes, Michel. (2 Bl., III,
300 S., 1 Bl.) = Villes antiques p. Bazin.
Bd. 1.
— , Vienne et Lyon gallo - romains. Paris,
Hachette e CIo. (XII, 407 S., 2 PI., 1 Taf.)
- Villes antiques p. Bazin. Bd. 2.
de Marchi, Ricerche intorno alle 'Insulae'
0 Gase a Pigione di Roma antica. Con una
tavola. Memoria presentata al Reale Istituto
Lombardo di Scienze e Lottere nell' adu-
nanza del 14. niaggio 1891. Milano. IV,
GS S.
DUbi, Studien zur Geschichte der römischen
Altertümer in der Schweiz. Programm, Bern,
j Huber. 4». 42 S. fr. 1,50.
Back, Römische Spuren und Überreste im
oberen Nahegebiete. 1. Abt. Programm.
Birkenfeld. 8". 91 S.
Mertz, Der Römergang in Köln. (Mit 5 Abb.
I im Text.) (Jalirb. d. Altertumsfr. d. Rheinl.
i 90, 67.)
332
Laue :
Lewis, Roman antiquities of Ratisbon and
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Kiräly, Ulpia Trajana Augusta Colonia
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fövärosa, a mal Varhely Hunyadmegyeben.
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militaire, 15 avril, suite le l«"'' et le 15 mal,
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Luebeck, Seewesen der Griechen und Römer.
n. Teil. (Johanneumprogramm Hamburg
1891.) 48 S., 3 Taf. 4° [1. Teil 1890.]
M. 8,00.
Assmaun, Kritisches in Sachen des antiken
Seewesens. (Berliner philol. Wochenschr.
14. Jahrg., Nr. 37—40.)
Biiresch, Die Ergebnisse der neueren For-
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f. class. Phil., Sp. 23-28, 79, 8(i, 107-110,
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Pollack, Hippodromica. Ing.-Diss. Leipzig,
Ruhl. 1890. 8°. 112 S. M. 2,50. [Fahrkunst
der Alten.]
Schlieben, Römische Reiseuhren. (Annal. d.
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Anschluss an „Das Römerbad in Riekingen
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(Westdeutsche Zeitschrift IX*, 315.)
Stein, Über Piraterie im Altert. 1. Teil: Zur
Gesch. der Piraterie bis auf d. Begründung
der römischen Weltherrschaft. A. Bis zum
Jahre 227. Gymn.-Progr. v. Köthen. 4".
34 S.
Fisch, Die Walker oder Leben und Treiben
in altrömischen Wäschereien. Mit einem
Exkiu's über lautliche Vorgänge auf dem
Gebiete des Vulgärlatein. Berlin, Gärtner.
IV, 39 S. M. 1,20.
2. Inneres Leben.
a) Lebeiissitte
Mitteis, Reichsrecht und Volksrecht in den
östlichen Provinzen des römischen Kaiser-
reichs. Mit Beiträgen zur Kenntnis des
griechischen Rechts und der spätrömischen
Reichsentwickelung. XIV, 562 S. gr. 8».
M. 14,00.
Brieger, Die Verfassungsgeschichte von Athen
nach Aristoteles neu aufgefundener Sclnift.
(Unsere Zeit 1891 2, 18.)
Ciccoti, Le instituzioni pubbliche Cretesi.
(Studi e documenti di storia e diritto. 12-^-^,
205.)
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(Rheinisches Museum für Philologie. N. F.
46, 250.)
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beschlüsse (ebenda 481).
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3 Heften. J
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— , Geographie historique de la Vasconie
espagnole jusqu'ä la fin de la domination
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Stempf, Besitzt die baskische Sprache ein
transitives Zeitwoi-t, oder nicht? Bordeaux,
Riffaud. 16 S. S°.
Stempf, La langue basque possede-t-clle, oui
QU non, un verbe transitif ? Traduit de Talle-
niand avec quelques modifications. Bordeaux,
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linguistique et de phil. comp, avril 1891.)
Saiut Julien rt'Aiitioclie, pastorale en langue
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Vocabulaire basqne recueilli par un peleriu
de Saint Jacques en 172(;. (Revue de
linguistique et de philol. comp, april 1891.)
lY. Kelten.
1. Allgemeines.
a) Zeitschriften.
Fondee par H. Gaidoz
Revue celtique
1870 — 1885. Publice sous la direction de
H. d'Arbois de Jubainville ... avec
le concours de J. Loth . . ., E. Ernault
... et de plusieurs savants des lies bri-
tanniques et du continent. G. D ottin ...
Secretaire de la redaction. Tome XII.
Paris, Bouillon 1891.
No. 1. Janvier: H. d'Arbois de Jubain-
ville, Rechcrches surlaplus anciimnc histoire
des Teutons. — de la Villemarciue, An-
ciens Noels brotons. — Stokes, The s^econd
battle ofMoytura. — Thedenat, Noms gau-
lois, barbares ou supposes tels dans les in-
scriptions. — Nettlau, Notes on welsh con-
sonants. — Melauges: Textes irlandais
publies par E. Windisch. — H. d'A. d. J.,
Donnotaurus. — Reinach, Les Hyperboreens.
H. d'A. d. J., Saint Denis portant sa tete sur
la poitrine. — Bibliographie: H. D'A. d. J.,
Recherches sur l'origine de la propriete fon-
ciere et des noms de lieux habites en France.
— Chrouiqxie.
No. 2. Avril: Nutt, Les deruiers travaux
allemands sur la legende du Saint -Graal. —
Nettlau, Du texte irlandais intitule Togail
Bruidne da Derga et des recits qui s'y ratta-
chent. — Thedenat, Noms gaulois, barbares,
ou supposös tels, tires des inscriptions. —
Luzel, Sacramant ami nouenn, „L'extreme-
onction", conte bretou. — Me langes: Loth,
Acigne, Aguenoac. — Guaroiniaou, Goariva.
336
Laue:
— Hartwell Jones, Les romans d' Arthur —
Bibliographie: Pinkerton, Vies des Saints
d'Ecosse, nouvelle editiou par W. M. Metcalfe.
— Chronique.
No. 3. Juillet: de Barthelemy, Le mon-
nayage du nord-ouest de la Gaule — d'Ar-
bois de Jubainville, Comment le drui-
disme a disparu. — Stokes, Vie de saint
Fechin de Fore. — Thedenat, Noras gau-
lois, barbares, ou supposes tels, tires des in-
scriptions. — Nettlau, Notes sur les con-
sonnes galloises. — Melanges: Loth,
Remarques sur les noms de lieu en ac en
Bretagne. — Ledenes. — Chronique.
No. 4. Octobre: Ernault, Noms bretons
des points dans l'espace. — Stokes, Seconde
Vision d'Adamnan. — Nett lau, Etüde sur le
texte irlandais du Togail Bruidne Da Derga.
— Melanges: Meyer, Mots que le vieil ir-
landais a emprunte au vieux norrois; ä l'anglo-
saxon; au latin; ä Tancien fran^ais. —
Chronique. — Post-Scriptum. — Table,
par E. Ernault des mots etudies dans le
tome XII de la Revue Celtique.
Ib) Aufsätze und Abliandlnii^en.
«) Äusseres Leben.
Schaaffhausen, Die Kelten. (Festschrift zum
50jährigen Jubiläum des Vereins d. Alter-
tumsfreunde der Rheinlande am 1. Okt.
189L) Bonn, Marcus.
de Tourville e Demolins, Les Celtes. —
Leur installation. (Science sociale. 6. annee.
Tome XT, 379.)
Bertrand, Nos origines. La Gaule avant les
Gaulois d' apres les monuments et les textes.
Seconde edition entierement remaniee. Avec
notes - annexes de Collignon, Hamy,
Berthelot, Piette et Reinach. Accom-
pagnee de 195 figures ou planches et de
quatre cartes. Paris, Leroux. XV, 349 S.,
4 Kart.
Waifs and strays of Celtic Tradition. Ar-
gyllshire Series. No. III.: Folk- and Hero-
Tales. CoUected, edited, translated and
annotated by ... Mac Dougall. With an
introduction by . . . Nutt. London, Nutt.
8" XXIX, 311 S. — No. IV.: The Fians:
Stories, Poems and Traditions of Fionn
and bis Warrior Band. CoUected entirely
from Oral Sources by John Gregorson
Campell . . . With Introduction and Biblio-
graphical Notes by . . . Nutt. XXXVII,
292 S.
Olivier, La mardelle de Moladier. (Annales
Bourbonnaises, 5, 235.) ['etage souterrain
des Premiers habitations gauloises'.]
Eck, Les deux cimitieres gallo -romains de
Vermaud et de Saint-Quentin. Recit com-
plet des fouilles faites durant les annees
1885, 1886 et 1887. Paris, Leroux. Avec
1 Plan, 1 Planche ... et 20 Planches en
noir. 311 S.
ß) Inneres Leben.
Goulanges, Histoire des institutions politi-
ques de l'ancienne France: la Gaule ro-
maine. Revue et completee sur le manu-
scrit d'apres les notes de l'auteur, par C
JuUian. Paris, Hachette — Fr. 7,50,
Arbois de Jubainville, De quelques termes
du droit public et du droit prive qui sont
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Teubner. 1. Lief. : A — Atep-atu-s. 256 Sp.
gr. «. Fr. 8,00.
Duplan, Patois de Bigorre. Langue primitive
d'oii toutes les langues celtiques se sont
formees. Vocabulaire de six langues com-
parees, ä Fusage des etudiants et des phi-
lologues etymologistes. Tarbes, Larrien.
129 S. ä 6 col. — Fr. 5,00.
Pothier, Etüde experimentale de quelques
mots antiques de l'epoque preromane. (Me-
moires de TAc. de Nimes. VII, 13.)
d'Arbois de Jubainville, Les noms gaulois
chez Cesar et Hirtius de hello Gallico . . .
avec la collaboration deErnault et Dot-
tin. 1. Serie. Les composes dont rix
est le dernier terrae. Paris, Bouillon. XV,
259 S. — Mk. 4,00.
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d'Aiu-ais. (Rev. historique de l'Ouest 1'^.)
Sebillot, liegendes chretiennes de la Haute-
Bretagne. (Rev. de Bretagne, deVendee et
Anjou 0*.) suitc (ib. 5".) (ib. 6*.)
Lavenot, La legende du diable chez les Bre-
tons du pays de Vannes, (Rev. des trad.
pop. VI, 7-11.)
Chardin, Les Poissons fantastiques.
Poissou Nicole. [Haute-Brctagne.]
des trad. 6, 142.)
— , Croyance bretonne. (ib. 6, 607.)
J *Goelands' in Brettagna [Sturmverkündende
Möven.] (Archivio delle tradizioni 10, 124.)
Punech, Le Mabinogion et la legende gal-
loise. (Annales de la Bretagne 4, 452.)
I. Le
(Rev.
Loth, Remarques sur les noms de lieux en-ac
en Bretagne. (Revue celtique 12, 380.;
Moal, Supplement lexico - grammatical au
Dictionuaire pratique fran(jais - breton du
colonel .A. Troude (ed. 1869), en dialecte de
Leon. Landcrneau, Desmoulins. V, 525 S.
Eruanlt, Noms bretons des points de Tespace.
(Revue celtique 12, 413.)
Villemarque , La poesie populaire dans la
Haute-Bretagne. (Bull arch. de Tass. bret.
7, 207.)
Chansons yopiüaires bretonues: Er Plah
iouank tromperez: la jeune Fille parjure.
(Rev. de Bretagne, de Vendee et d' Anjou
6, 232 f.) Er Plah dies de Zimecin: la tille
diflieile ä marier par Yan Kerhlen. (ib.
422.) Hun ar mabik e Kraouck Bethleem:
le Sommeil de l'Enfant. — Jesus dans la
creche de Bethleem pai- le Barde du
Menez Bre. (ib. 5, 47.) L'Aguila-neuf ou
la Quete des Etrenncs par Yan Kerhlen.
(ib. 149.) La belle Jeanette v. De ms. (ib-
239.) Petit Jean le bon gar<;on. üers.
(ib. 380). Chant pour Tinstallation de M. le
chanoine d. Le Pon ä Plougrescaut (Cötes-
du-Nord) par le Fröre Barde du Menez Bre.
(ib. 485.)
Oaidoz, Chansons populaires de la Basse-
Bretaguc XXV. (Melusine V'. ».)
Ernaultj Chansons populaires de la Basse-
Bretagne. (Melusine V^".)
Sebillot, Le Rossignol, chanson de la Haute-
Bretagne, (Rev. des trad. pop. VP, 277.)
— , chanson de la Haute-Bretagne. (ib. 77, 78.)
— , Renaud et ses femmes. [Haute-Bretagne.]
(ib. VI^)
— , Contes de Marins recueillis en Haute-Bre-
tague. (Archivio 10, 103, 169.)
— , Contes . . . S. A. 8". 60 S.
Lnzel, La femme du Diable, conte breton.
(Rev. de Bretagne et d'Anjou V'-*.)
La Villemarque, Anciens noels bretons. (Rev.
celtique 12, 20.)
Leronx, Rai)ports entre la musique bretonne
et la musique Orientale. (Rev. de Bretagne,
de Vendee et d'Anjou 5^)
Litteratur des Jahres 1891.
339
Y. Romanen.
1. Allüemeines.
Revue des langnes lomaues. Publiee par
la societe poiir l'etude des laugues romaucs.
IV. Serie, 5. toine. (tome XXXV. de la col-
lection.) Montpellier, au bureau . . . de la
societe; Paris, Maisoimeuve 1891.
V, 1: Exilac, Lou Rou pouetsicou. Frag-
inan doii 7"><'" chant. (iJialecte de Saint-Mau-
rice-de rp]xil) (Isere). — Foures, Poesies
lauragaises. — Blanc, Vocabulaire proven-
cal-latiu. — (.'habaneau, Fragment d'un
chansonmer proveuQal. — Söderjheira, La
dama sanza niercede, Version italienne du
poenie d'Alain Chartier: La belle dame sans
luercy. — Menage, Lettres ä Magliabecchi
et ä Carlo Dati, publiees par L.-G. Pelissier.
— Pelissier, Notes pour les lettres de Dom
de Vic — Bibliographie. — Necrologie.
V, 2: Camus, Notices et extraits des
niauuscrits fran<;ais de Modene. — Foures,
Les jeux des enfants en Lauraguais. — Ders.,
Voucabulari anatoumic e de las malautios del
Lauragues. — Jourdaune, Jammeto. —
Brissaud, Chant de noces de l'Agenais. —
Blanc, A propos de l'expedition en Sardaigne
de Guillaume II, vicomte Narbonne. —
Castets, II Fiore et ses critiques. — Chroni-
(|ue. — Errata
V, 3: Pelissier, Les amis d'Holstenius.
— Chabaneau, La langue et la litterature
ilu Limousin. — Roque-Ferrier, Une poesie
niontpellieraine de Theodore Hipert— Mar-
chot, Etymologies liegeoises (suite). — Har-
vey, L'etat de la populatiou frani^-aise du
Canada. — Bibliographie. — Periodiques. —
Chronique. — Errata.
V, 4: Novati, Nouvelles recherches
sur le roman de Florimont. — Pelissier,
Les Amis d'Holstenius. — Revillout, La
Legende de Boileau. — Lagarenne, Quatrc
fables de Lafontaine en saintongeais. —
Blanc, Le groupe et de Sanctus. — Oon-
stans, A propos d'un compte rendu du Ro-
man de Thebes. — Pdlissier, Manuscrits
proven^aux de Marseille. — Ders., Epitaphe
anacyclique de Richelieu. — Bibliographie. —
Errata — Table des matieres.
Iserloh, Darstellung der Mundart der delphi-
natischen Mysterien. Bonn. Inaug.-Diss.
Univ.-Druckerei v. Georgi. Gl S., 1 Bl.
Barthj Laut- und Formenlehre des Waldensi-
schen. Ing.-Diss Bonn
Meyer, Le langage de Die au XIII'' siecle.
(Romania 20, 70.) [Vgl. Censier de l'eveche
de Die, ä Die, Montmaur et Aurel. Docu-
ment du XIII^ siecle, en langue vulgaire,
annote et publie par J. Brun-Durand.
Lyon, Brun 1890. 71 S. (Extrait du Bull.
de l'academie delphiuale. 4« serie, t HL)]
Bos, Glossaire de la langue d'Oil. (XI'' —
XIV'' siecles.) Paris, Maisonueuve . . .) XX,
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Siicliier, Le Fran^ais et le provenQal. Tra-
duction par P. Monet. Paris, Bouillon.
IX S., 1 Bl , 224 S. [Org. im Grundriss d.
rom Philol. Bd. L]
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provenzalischeu Handschrift Acq. nouv.
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zu Paris. Ing.-Diss. Halle. 43 S.
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Hoepli. VIII, 220 S.
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Berlin.) 26 S, 1 Bl. [auch Ing.-Diss. v.
U.März 1891.]
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en proven(;aI de XIII>^ siecle. (Revue des
langues romanes 4.)
Doncieux, La Pernette, origine, histoire et
ristitntion critique d'une chanson jxtpulaire
romane, Paris. 52 S. [= Sep.-Abdr. aus:
Romania 20, 86.]
P. M., Les trois Maries, cantique provencal
du XV^- siecle. (Romania 20, 139.)
2. Spanier und Portugiesen.
Die Balearen. In Wort und Bild geschildert. Cliabäs, Los Mozärabes valencianos
7. Bd. Die eigentlichen Balearen. Leipzig,
Brockliaus. 463 S.
Die Insel Menorca. IL Specieller Teil
ebenda. 4 ".
(El Ar-
chive. Valencia. 5, 6.)
Fernändez y Oonzülcx, Ampliacion sobre
los Mozärabes valencianos. (ebenda 28.)
340
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Melida, La Torre inclinarla da Zaragoza.
(ebenda 5, 240.)
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el siglo XVII. (Eevista de Espana 134, 425,
524; 135, 192, 830.)
Cadic, Impot du sang dans les Pyrenees.
(Rev. des Pyrenees 3, 1041.)
Blutsteuer in den Pyrenäen. (Tägl. Rund-
schau, No. 197.)
Vidart, Las coridas de toros. (La Espana
moderna, Abril, ])äg. 69.)
Simonet, La Mujer arabigo-hispana. (El Ar-
chivo 5, 265.) '
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Flaubert, La Loyenda de San Julian Hospi-
talario. (Espana nuova, Abril. p. 150.)
AdivinaQoes (0 Elvense, n. 1062. 12. apr.)
d'Almada y Soreiro de Brito, Colleccäo de
requebros ou remates de algunas modas de
roda. (0 Elvense XI, 14. Mai.)
Basset, Le pont de Misarella (Portugal). (Rev.
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Bell, Gramatica de la lengua castellana desti-
nada al uso de los Americanos. Edicion
hecha sobre la ultima del ai;tor con extensas
notas y con copioso indice alfabetico de
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Primera parte. Fonetica. Leipzig, Reisland.
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lehre. (Zeitschr. f. rom. Philol. 15, 518.)
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Schuchardt, Kreolische Studien. IX. Über
das Malaioportugiesische von Batavia und
Tugu. (- Sitzungsber. d. Ak, d. Wiss.) "Wien,
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bras y frases bables que se hablaron anti-
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el principado de Asturias, seguido de un
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castellano ... y un ensayo de ortografia
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literatos, bajo la direccion de D. Constan-
tino de Llombart. Cuaderno 20. (Paginas
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1 y 1,25.
Caballerio y Eubio, Diccionnario de mo-
dismos, voces populäres y frases hechas
puramente castellanas; . . . primero y ünico
de SU genero en Espana, colecciouado y ex-
plicado. Cuaderno 2. [paginas 25 ä 48.)
Madrid, F. Garcia Herrero. En 4" mayor,
ä 2 columnas. 0,.50 y 0,75.
Skarbi , Monografia sobro los Refranes,
Adagios y Proverbios Castellanos y las
obras ö fragmentos que expresamente tratan
de ellos en nuestra lengua, obra premiada.
Madi-id, Huerfanos. 414 S.
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requebros. (0 Elvense XI.)
— , Cantos populäres do Minho. (ib.)
— , Cantos populäres do Douro. (ib.)
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2. Serie. Paris, Savine. 3-22 S. fr. 3,50.
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341
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Hoefft, France, Franceis und Franc im Ro-
landsliede. Ing.-Diss. Strassburg, Triibner.
74 S. gr. 8 ". M. '2,00.
LeTasseui'j La population franpaise. Histoii-e
de la population avant 1789 et demographie
de la France comparee ä celle des autres
nations au XIXe siecle prec. d'une intro-
duction siu- la statistique. T. 1 — 3. Paris,
Eousseau 1889—1892. 3 Bde. I. 1889.
(2 Bl., XLVir, 468 S., 3 Kart.) II. (1891.
3 Bl., 533 S., 3 Tab.) III. 1892 (2 Bl., 569 S.,
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1174.)
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60, 176.)
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rische Inseln.] (Bull. Soc. iSeuchateloise de
Geogr. VI.)
Boissouade, Essai sur la geographie histo-
rique et sur la demographie de la province
d'Angoumois du dix-septieme siecle au dix-
neuvieme. Angonleme, Coquemard,
(iould S. Baring, Im Troubadour- Land: A
Ramble in Provence and Languedoc. lllu-
strated by J.E.Roger. 8". 340 S. London.
Allen. 22 sh. 6 d.
G[aidoz, Die französischen Thäler Piemonts.
(Globus 59, 3.)
Laponge, Granes Modernes de Montpellier.
(L'Anthropologie II, 1.)
Die künstliche Verunstaltung der Köpfe in
Europa. (Globus 59, 118.)
Loubier, Das Ideal der niänulichen Schönheit
bei den altfranzösischen Dichtern des 12.
und 13. Jahrhunderts. Halle, Kaemmerer
& Co, Ing.-Diss. 1890. 142 S., 1 Bl.
Yoigt, Das Ideal der Schönheit und Hässlich-
keit in den altfranzösischen Chansons de
geste. Ing.-Diss. Marburg. 61 S.
Egli, Über eine Genfer Thonlampe mit dem
Symbol des Fisches. (Anz. Schweiz. Alter-
tumskunde No. 4.)
de Verneilli, Causeries archeologiques. —
Sarlat et ses vieilles maisons. (Bull. d. 1.
soc. bist, et archeol. du Perigord 18, 278.)
Le Carquet, Les Chapelles. I. Les clefs de
saiut Tujen, preservant de la rage. (S. A.
Bull. d. 1. Soc. archeol. de Finistere.) Quimper,
Contonnte. 8". 15 S.
Meyer, Die Stände, ihr Ijcben und Treiben,
dargestellt nach den altfranzösischen Artus-
und Abenteuerromanen. (- Ausgaben und
Abhandl. a. d. Gebiete d. roman.Phil. No.79.)
M. 3,50.
Bernier, Essai sur le tiers etat rural, ou les
paysans de Basse -Norman die au XVIII e
siecle These. XVI, 317 S. Mayenne, Nezan.
Brntails, Etüde sur la condition des popula-
tion s rurales du Roussillon au moyen äge.
Paris, Imp. nat. 1891. XLIV, 314 S. —
M. 7,50
Ledleu, Les vilains daus les (euvres des trou-
veres. Paris, Maisonneuve. 1890. {- Collect,
intern, de la Tradition. VIII) 8". VII, 114 S.
Fr. 3,00.
Les anciennes mesures de Cambrai et du Cani-
bresis. (Mem. d. 1. soc. emul. Camhrais. 46,
33-52.)
«) Recht und Sitte.
Baist, Le duel juridique depuis son origine
et dans la chanson de Roland. (Romanische
Forschungen 5'-.)
Pasqnier, ('outumes municipales de Foix sous
Gaston Phoebus, d'aprcs le texte roman de
1387. Toulouse, Privat. 46 S. 8".
Zeitschrift d. Vereius f. Volkskuude. 1892.
b) Inneres Leben.
Bourciez, .Les mceurs polies et la litterature
! de cour sous Henri II. Paris. 487 S.
Daudet, Costumbres de Paris. (Espana nuova.
Febrero. pag. 51.)
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lore parisien. XIV. (Rev. des trad. pop. 6,
21.) VII. Blasen populaire au XVII. siecle.
(ib. 494.) XV. Certeux, Les Messes. (ib.
23
342
Laue :
533.) XVI. Chequillaume, Vorrie de
Paris, (ib. 534.) XVIII. Certeux, Las
Epouvantails des enfants. (ib. 663.)
Boiirchenin, Contribution au Folk-lore du
Bearn. (ib. 6, 108, 732.)
Nogiies, Les moeurs d'autrefois en Saintonge
et en Aunis. Saintes, Secretariat de la
Commission des Arts. 8°. VIII, 177 S.
Fr. 3,50.
Fertiaiilt, Les Charivaris. V. Le Charidane
en Saintonge. (Rev. des trad. pop. 6, 429.)
Oraiu, Ciu-iosites, croyances et superstitions
de l'Ille-et-Vilainc. Rennes, Oberthür. 16 S.
Rosapelly, Au pays de Bigorre. Us et cou-
tumes. Paris, Champion. 92 S. M. 2,50.
Morel-Ketz, Une Coutume dijonnaise. (Rev.
des trad. pop. 6, 565.)
Perot, Les vieux usages du Bourbonnais. I. Le
Bourlois. Les Coqs en päte. (Rev, des trad.
pop. 6, 685.)
de Lazarqiie, Folk-lore de Lorraine. (ib.
6, 6.)
Mason (Amelie Gear), The Women of the
French Salons. 8«. 286 S. 25 S.
Franklin, La vie privee d'autrefois. Arts et
metiers, modes, moeurs, usages des Parisiens
du XII e au XVIIIe siecle d'apres des docu-
ments originaux ou inedits. Paris, Plön,
Nourrit et C»'".
1. Les medicaments. 269 S.
2. Varietes gastronomiques. 280 S.
Robinson, Private Life in France in the
Fourteenth Century. (The Fortnightly Re-
view 50, 244.)
Desciibes, Coutumes de Mariages. IX. Correze.
(Rev. des trad. pop. 6, 615.) [Hochzeitsbrauch
in Argentat.]
Henninger, Sitten und Gebräuche bei der
Taufe und Naniengebung in altfranzösischen
Dichtungen. Halle, Kaemmerer. Ing.-Diss.
87 S.
Momm6ja, Les plates-tombes du moyen-äge.
Essai d'esthetique archeologique. (Bull,
archeol. et hist. d. 1. soc. arch. de Tarn-et-
Garonne XVII [, 189.)
Spitzer, Französische Kulturstudien. 1. Bei-
träge zur Gesch. des Spieles in Alt-Frank-
reich. Heidelberg, Winter. 54 S. M. 1,60.
[auch Ing.-Diss. Heidelberg.]
La festa di maggio in Arras. (Aixhivio delle
trad. pop. 10, 276.)
Plaget, La Cours amoureuse dite deCliarlesVI.
(Romania 20, 417.)
ß) Glaube und Aberglaube.
au) Frommer Glaube.
Sabarthes, Le pelerinage et le culte des
Saints avant la Revolution dans le Nar-
bonnais. (Rev. des Pyrenees 3, 18.)
Fertiault, La Friere du Cathere en Cham-
pagne. (Rev. des trad. 6, 493.)
Binder, Saint Blaise IV. (Rev. des trad. 6,
479.)
Mistral, Le Legende de saintc Anne. (ib. 6,
528.)
Sebillot, Legendes chretiennes de la Haute-
Bretagne (Rev. de Bretagne de Vendee et
d'Anjou 5, 322, 329, 370, 380, 479, 484: 6,
69, 239, 482.)
Doncieux, Le Cycle de sainte Marie-Made-
leine dans la chauson populaire. (Rev. des
trad. 6, 257.)
Lavenot, La Legende du Diablo dans le pays
de Vannes. (Rev. des trad. 6, 166.)
Arnaudin, Quelques usages de la Seniaine
sainte. IL Dans les Landes, (ib. 330.)
Le Bournisien, Le premier dimanche de
Careme. IL Dans l'Artois et Boulonnais.
(ib. 309.)
Morin, Fontaines guerissantes de l'Aube. (ib.
607.)
de la Porterie, La Fontaine de saint Jean-
Baptiste ä Lussagnet (Landes), (ib. 560.)
Renier, L'erba prodigiosa di S. Giovanni.
(Archivio delle trad. pop. 10, 73.)
de la Cheneliere, I:es Charites en Normandio
(Rev. des trad. 6, 423.) [Eine Brüder-
schaft.]
ßß) Heidnisches und Aberglaube.
Morillot, Transformation et remplacement
des monuments du pagänisme en Bourgogne.
(Bull, de l'hist. religieuse de Dijon 9, 197,
257, 277.)
— , Une idole dans une source. (ib. 295.)
Floriis, Monuments megalithiques de la region
du Re-de-Sol. (Annales Bourbonnaises 5,
334.)
Plytoff, Les sciences occultes. Paris. 8". avec
174 fig. Fr. 3,50.
Morin, Oraisons superstitieuses interdites au
XVL siecle. (Rev. des trad. 6, 691.)
Pellisson, Superstitions bearuaises. (il). 154.)
Le t'arguet, Superstitions du Cap-Sizun.
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VI. Le Phares. (ib. 659.)
Ijitteratur des Jahres 1891.
343
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Fouju, Coutumes de Noel etc. Les betes par-
lent. (ib. 72G.) [aus Chäteaudun.]
Blacque, Seconde vue et intersigues. III. En-
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de Lazarque, Folk-Lore de Lorraine: la
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Sebillot, Traditious et superstitions de la
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Reymond, Traditions et superstitions de la
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Fr. 10,00.
Orain, Curiosites, croyances et superstitions
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thür. 16 S.
yy) Hexenwahn.
Fournier, Une epideniie de sorcellerie en
Lorrainc au XVI'^ et XVIIIe siecles. (An-
nales de l'Est 5, 228 )
Blanchard, Sorcellerie dans les Hautes-Alpes.
(Rev. des trad. 6, 248.)
Dnrieux, Sorciers et Sorcieres a Cambrai.
(Mem. soc. emul. Cambrai 46, 119.)
Badel, D'une sorciere qu'aultrefois on brusla
dans Saint Nicholas. Nancy, Berger,
Levrault et C'^.
Millien , Le bon Dieu de Saint - Georges.
Histoire d'un sorcicr. (Rev. des trad. 6,
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JJ) Volksmedicin.
Salmoii, Remcdes populaires du moyen äge.
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Mauheiiuer, Etwas über die Ärzte im alten
Frankreich. (Romanische Forschungen 6,
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Broussolle, Medecins et chirurgiens dijonnais
au XVIIIe siecle. (Rev. bourgignonne de
l'enseign. super, tome 1. no. 1.)
de Lauuay, Medecine superstitieuse. IV. En
Anjou. (Rev. des trad 6, 422.)
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Ploix, Le surnaturel dans les Contes popu-
laires. Paris, Leroux. IV, 211 S. Fr. 8,50.
Foujou, Les Precurseurs de nos etudes.
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üieppe. (Rev. des trad. 6, 415.)
Mushacke, Das Elfenreich im französischen
Epos . . . Krefeld, Gymn.-Progr.
Chardin, La Danse des fees. I. Ile de France.
(Rev. des trad. 6, 530.)
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Chardin, Melusine en Champagne, (ib. 296.)
Haron, Origine des roses mousseuses, legende
d'Auvers. (ib. 182.)
Foujin, Legendes et superstitions prehisto-
riques. VII. Pierre de St. Martin d'Asse-
villiers. VIII. Les pierres qui tournent. [Eure
et Loire.] (ib.)
Courtliion, Legendes valaisannes. (ib. 345.)
Destriche, Les Roseaux qui chantent. (ib.
500.)
Lefebvre, La Legende du trou sans fond.
(ib. 616.)
Marcliot, L'histoire de la voix qui revient.
(ib. 678.)
Pineau, Les. Ponts du Diable: Le pont de
Gen^ay. (ib. 403.)
Ortolan, Les Ponts (suite): Legende du pont
de la Calade a Saint-Raphael. (ib. 359.)
Sebillot et Lebrun, Le Peuple et l'histoire.
VI. La Legende uapoleonienne. (ib. 6, 385,
605.) VII. Sebillot, 1815-1886. (ib. 531.)
Brueyre, Le Petit Komme rouge et Napoleon.
(ib. 25.)
Chasles, Legendes beauceronnes. Chäteaudun,
Lecesne.
Seves, I soursiers, leggenda dclle Alpi Cozie.
(Le cento cittä italiane. Suppl. al Secolo
XXVI, no. 8970.)
Lntel, La Legende de Champagne. Paris,
Lemerre.
Le Bourdelles, La legende du Toul-ar-serpant.
(Societe Archeol. du Finistere. XVII. 8. 9.)
Louail, Le mene et sa legende. (Rev. des
provinces de l'Ouest 1, 8.)
23^
344
Laue :
y) Die Sprache.
act) Ällgeiiieines.
Claus, iJie geograjjhische Vcrbreituiiti;- der
französischen Sprache. (Sep.-Abdr.) Tü-
bingen, Fues. 21 S. gr. 8". JVI. 0,80.
Hovelacque, Les limites de la languefran^aise.
(Rev. de linguistique et de phil comparec.
Juillet.)
Ziiumerli, Die deutsch-französische Sprach-
grenze in der Scliweiz. 1. Teil : Die Sprach-
grenze im Jura. Basel und Genf, Georg.
VII, 80 S., 1 Kart. M. 3,00.
Die romanische Sprache der Westschweiz.
(Schweizerische Eundschau.)
Yiusou, La langue fraucjaise en Indo- Chine
par A. Ay monier. (Rev. de linguistique
et de philol. comparee. Avril 189L) [vgl.
Rev. scientif. 1, 289, 328.]
Dietrich, Les parlers creoles de Mascareignes.
(Romania 20, 216.)
Französisch - arabische Mischsprache in Al-
gerien (Globus 59, 62.)
Legendre, La langue fran(;aise au Canada.
Quebec-Darveau petit. 179 S.
Kassewitz, Die französischen Wörter im
Mittelhochdeutschen. Ing.-Diss. Strassburg.
119 S.
Leitliänscr, Gallicismen in uiederrheinischen
Mundarten. I. Realgymn.-Progr. Barmen.
Keiper, Französische Familiennamen in der
Pfalz und Französisches im Pfälzer Volks-
munde. Progr. Zweibrücken.
Hatzfeld et Dannsteter, Dictionnaire general
de la langue fran^aise du commencement
du XVIIc siecle jusqu'ä nos jours. Fase. 6.
Paris, Delagravc. Fr. 1,00.
Espagnolle, L'origine de notre vieille langue
ou du galou. „Specimen de cet ouvrage".
Paris, Mersch. 46 S.
Matzke, Dialektische Eigentümlicldieiten in
der Entwickelung des moullierten 1 im Alt-
französischen. (Publ. of the mod. lang, assoc.
of America V, 2.)
Garrigon, Observations de Linguistique. vRev.
des Pyrenees 3, 853.)
ßß) Einzelne Dialekte,
[alphabetisch geordnet.]
Revue des patois gallo - romains. Recueil
trimcstriel public par Gillieron et
Rousselot. Tome IV. Paris, Welter. 1891.
Nu. 13. (Janvier): Passy, Patois de Sainte-
Jamme (Seine- et -Oise). — Marchot, Les
I patois du Luxembourg central. — Dion, Pa-
I tois de Lachaussee (Meuse). — Rabiet,
Tjettre de Jean Tiercelet sur Ic chemin de
fer de Chätillon a Besan^on. ■ — Edmont,
Lexique Saint-Polois (suite). — Chronique.
No. 14 et 15. (Avril -Juillet): Patois de
Cellefrouin. Etüde experimentale des sons.
L'abbe Rousselot. (Les modifications pho-
netiques du langage etudiees dans le patois
d'une famille de Cellefrouin [Charente]).
No. 16. (Octobre): Rousselot, La Me-
thode graphique appliquee ä la recherche des
transformations inconscientes du langage. —
Koschwitz, La Phonetique experimentale et
la Philologie franco-proven^ale. — Camelat,
Le Patois d'Arrens. — Roussey, Le conte
ie Jean qui danse (Patois de Bournois, Doubs).
— Edmont, Lexique Saint-Polois (suite). —
Chronique. — Tables.
Gillieron, Reman^ues sur la vitalite phone-
tique des patois. (Etudes rom. ded. ä G.
Paris, 459.)
Caro, Syntaktische Eigentümlichkeiten bei
der französischen Bauernsprache im roman
champetre. Berlin, Mamroth. Ing.-Diss. 41 S.,
1 Bl.
Horning, Zur Lautgeschichte der ostfranzösi-
schen Mundarten. (Zeitschr. f. roman. Philol.
14, 376.)
Bigarue, Patois et Locutions du Pays de
Beaune. Contes et legendes. Chants popu-
laires. (Paroles et Musique.) Beaune, Ba-
tault. XIX, 250 S., 1 Bl., 21 S. Noten.
Uchard, Les lamentations d'un paiivre labou-
reur de Brcsse. Poeme en patois bressan
du XVII<' siecle, edite avec une introduction
et un glossaii'e par Ed. Philipson. Paris,
Welter. 50 S.
Schwol, Le Jargon des Coquillars en 1455.
(Memoires de la Soc. de linguistique de
Paris VII. 3.)
€hapuis, Recit en patois des Cr ans [Jura].
(Rev. de phil. frauQ. et prov. 4, 3.)
Gauchat, Le Patois de Dompierre. These.
Zürich. 70 S., 2 Taf. [auch in: Zeitschr. f.
roman. Philol. 14, 397 mit Karte.]
Gueriu, Textes en patois de File d'Elle
(Yendee). (Rev de phil. francj. et prov. 4^).
Dagnet, Le patois fongerais (dialecte haut-
breton). Essai de grammaire. Laval, Bonnieux.
90 S.
Flenry, Essai sur le patois normand de la
Hague. Piitersbourg, 1886. (2 Bl., IV S.,
LittPi-atuv des Jahres 1891.
84;
1 Bl., oCS S.) [Supplement ii. d. T.:] La
presqu'ile de la Manche et rarchipel anglo-
normaud. Essai sur le patois de ce pays.
Supplem. . . . par Fleury. Paris, Maisou-
neuve, 1891. (1 Bl, 5G S.) [S. A. aus: Mem.
de la Sog. de C'herbourg-.]
Ferrand, Termes du patois de Jons. (Isere)
(Rev. de phil. franc. et prov. 4^.)
Yillefranche, Essai de grammaire du patois
lyonnais. Bourg; Inipr. Villefranche. XXI,
30n S., 1 Bl.
Nizier du Puits pelii, Dictionnaire etjinoln-
gique du patois lyonnais. 5 fasc. Lyon,
Lechevalier.
Dagüet, Le Patois Manceau. Telqull se
parle entre Le Maus et Laval. Etüde sur
les Sons, les Articulations et les Mots parti-
culiers au Manceau, et la PhrasT'ologie Man-
celle. „Houhilles et Birouilles". Nouvelle, en
patois manceau p. Amand Dagiiet. I-aval,
Bouuieux. 1 Bl., XIII, 180 S. '
Bonnardot, Trois textes en patois de Metz:
Charte des chaiviers; I^a grosse enwaraye;
Une figuve recreative. (Etudes rom. ded. a
(x. Paris, 331.)
Jonaiicoux et J)evaucliolle, Etudes poiir
servir a un glossaire etymologiquc du patois
picard. 4". 228 p. Amieus, imp. Jeunet.
Fr. 7,00.
Logie, Some peculiarities of gendre in the
modern Picard dialect. (Modern language
notes 6-.)
ßiviere, Patois de St.-Maurice de FExil,
Loucayion de Plitonconrt. (Eev. de philol.
franc- et prov. 4"*.
de Yinols, Vocabulaires patois vellavien-
frauQais et frauQais-patois vellavien, puhlies
par la Societe d'agriculture, sciences, arts
et commerce du Puy. Le Pur, Prades-
Freydier. 211 S.
Fertianlt, Dictionnaire du language populaii-e
vtM-duno-chalonnais, lettre C. (Rev de
])hilol. iVanr;. et qrov. 4. 4.)
yy, Namen.
Devaux, Etymologie des noms de Septeme,
Oytier et Diemoz [Isere]. (Bull, d'hist.
eccles. et d'arch. de Valence, Grenoltle et
Viviers. 11, 177.)
Bourlier, Glossaire etynudogique des noms
lieux du departement de la Cote d'or. (Bull.
d'histoire religieuse de Dijon 9, 245.)
Riconart, Etudes sur les noms de lieux du
Pas-de-Calais (Mem. de l'acad. d. sciences,
1. e arts d'AiTas 2. XVIII.)
Kebouis, Des prenoms usites au moyen-age
dans la region Garonnaise. Raymond VII
et Castelsarrasin. (Bull, archeol. de Tarn-et-
Garonne XVIII, 289.)
Les prenoms d'hommes et de femmes [du
compte de la Bahne]. (Soc. Savoisienne
d'histoire et d'archeologie 80, 393.)
Prenoms de femmes ä Chaumont. (ib. 452.)
Zimmer, Beiträge zur Namenforschung in den
altfranzösischen Arthurepen. (Zeitschr. f,
franz. Spr. u. Litt. XIII, H. 1-3.)
Keiper, Französische Familiennamen in der
Pfalz und Französisches im Pfälzer Volks-
mund. 2. venu, und vcrb Auf! Kaisers-
lautern, Gotthold. 88 S. M. 1,00.
II uome popolare di un carnefice nella Ri-
viera Francese. (Arch. dclle trad. pop. 10,
124.)
Sacaze, La ilorc populaire de Luchon. (Revue
des Pyrenees 3, 105.)
Joret, Bibeux. [Name der Daucus carota im
pays de Bray.] (Romania 20, 286.)
Chamberiain, Folk-etymology in Canadian
French. (Modern language notes 6*.)
Lauglois, Adserum, innoctem, demane. (Ro-
mania 20, 285.) [zur Erklärung des Patois
im dep. de la Meuse.]
(jJeijer, Cabarct [ - 'tcte de belier'] (Romania
20, 462.)
JJ) Sprichwörter und Redensarten.
S.[ebillot], Proverbes. (Rev. des ti-ad. pop.
(;, 436.]
Harou, Proverbes liegeois. (ib. 6, 485.)
Thuriet, Proverbes judiciaires. Paris. Le-
chevalier. XII, 181 S. Fr 10.00.
Rosieres, Anciennete de quelques locutions
usuelles. (Rev. des Irad. 6, 321.)
Matile, Explication de quelques proverbes et
locution de la langue francjaise. (Taal-
studie 11.)
Diüac, I^u dicton gascon dans Montaigne:
Bouha prou bouha. Reponse aux Solutions
de l'abbe L. Louture. Tarbes. 18 S.
Grridata dei venditori di pomi in Normandia
(Arch. trad. pop 10, 124.)
Delboulle, Avoir des crignons, des gresillons
ou des grillons dans la tete. (Romania 20,
287.)
B^zier, Blason populaire dehiLoire-Inferieure.
(Rev. trad. pop. 6, 3(;8, (518.)
346
Laue:
J) Poesie.
aa) Allgemeines.
Paris, Les origines de la poesie lyrique eu
France. (Journ. des savants. Decembre.)
Ducros [= Recension von Jeanroy], Les
origines de notre poesie lyrique. (Rev. pol.
et litt. 1891 1, 27.)
Tiersot, Histoire de la chanson pop. en France.
(Zeitschr. f. frz. Sprache u. Litt. 12.)
Naetebus, Die nichtlyrischen Stroplienformeu
des Altfranzösischen. Ein Verzeichnis, zu-
sammengestellt und erläutert. Leipzig, Hirzel.
227 S. 8«. 1 Tab. fol. M. 5,00.
ßß) Lieder.
Craue, Chansons populaires de la France. A
selection from French populär ballads ed.
w. introd. a. notes. New York, Putnam's
sons (1891). (2 Bl., XXXIX, 282, VII S.) -
Nuggets, Knickerbocker vol 32. lüoll. -lOc.
Brakelmanu, Les plus anciens chansonniers
fran^ais (XII. siecle) publies d'apres tous
les manuscrits. Paris, Bouillon 1870—1891.
III, 228 S.
Bouvier, Les Chansons du peuple. Paris,
Marpon et Flammario. 339 S. avec portr.
Fr. 3,50.
Flach, Le Corapagnonnage dans les chansons
de geste. (Etudes romanes dediees ä G.
Paris. S. 141.)
Eriiault, Un vieux cantique sur sainte Anne
d'Auray. (Societe , archeol. du Finisterre
18. 4.)
Courage du Parc, Chants populaires de la
Normandie. (Etudes romanes d. ä G. Paris
II, 45.)
Fagot, Folklore du Lauraguais [Languedoc].
I: Chants speciaux: Poesies pastorales:
Pastourclles; Poesies religieuses, Noels. Albi,
Amalric. 48 S.
Foures, Les jeux des enfants en Lauraguais.
(Rev. des langues Romanes. Montpellier.
Avril-Juin.)
Seljillot, Renaud et ses femmes. II. Haute-
Bretagne. (Revue des trad. pop. 6, 34.)
Barbet, Chansons du renouvellement de
l'annee. I. Lou bon an. (ib. 48.)
Danjon, La Fete des Rois. XV. Chansons des
reis ä Caen. (ib. 22.)
Bernard, Le vieux Mari. I. pays de Caux.
IL Sebillot, Haute-Bretagne. (ib. 77. 78.)
Montet, La chanson de Bricou IV. (il). 102);
Desrousseaux, V. Version de Lille, (ib.
107); Basset, VL (suite) (ib. 371);
Defodon, VIL Randonnee (ib. 373); Cor-
nelissen, VIII. Campine. Anversoise;
Basset, IX. (ib. 501.)
Pomnierol, Le Roi d'Angleterre. III. V. de
TAuvergne. (ib. 116.)
Tiersot, Pastiches de chansons populaires II.
(ib. 140.)
Rüffle, Chansons des liwees. I. Ariege. (ib.
146.)
Morin, Deux rondes d'enfants. Aul^e. (ib.
181.)
Wallien, La bonne Femme es preunes. I. Nor-
mandie. IL S.[ebillotJ, Haute-Bretagne. (ib.
207. 208.)
Le Cycle de sainte Marie-Madeleine dans la
chanson populaire. Appendice ä ce Cycle.
Erratum. (Doncieiix) (ib. 2.57, 474, Ü04.)
Sebillot, Le Rossignol. I. Haute-Bretagne.
(ib. 277.)
Tiersot, Si j'etais hirondelle. I. Forme mor-
vandelle. IL Forme normande. (ib. 332.)
Lecocq, Ueux chansons bourguiguonnes. I. Le
Frere et la sceur. IL Le Galant de village.
(ib. 393.)
Tiersot, Notes sur ces chansons. (ib. 396.)
Daujoii, Le Mal Marie, version normande.
(ib. 466.)
Barbet. La Chanson de Petignots, pays de
Montbeliard (ib. 477.)
Mlllieu et Peuavaire, La Chanson du labou-
reur. Nivernais. (ib. 527.)
Sebillot, La Noizille. I— III. Versions de la
Haute-Bretagne et de la Champagne, (ib.
541.) IV. V. Fertiault, De la Charente.
(ib. 544.)
— , La Fille soldat I. IL Versions de la Haute-
Bretagne. (ib. 580.)
Doncieux, La Belle dans la tour, version
boulonnaise. (ib. 603.)
Baujoii, Le Voyage du rossignol. I. Version
normande. (ib, 644); IL Sebillot, Haute-
Bretagne. (ib. 645); Tiersot, Bourgogne.
(ib. 646.)
Joli capitaine. I. Po mm er ol, de l'Auvergne
(ib. 681). IL Sebillot, lUe-et-Vilaine. (ib.
690.)
Sebillot et Tiersot, Beau marinier. I. Vers.
de la Haute-Bretagne. (ib. 716.)
Hrissaud, Chants de noces de F Agenais. (Rev.
des langues romaines. Montpellier. Avr.-
Juin.) (auch: Rev. des Pyrenees 3, 1625.)
Chanson ä la vicrge en vers franpais et latins
alternees. (Romania XX.)
Lamy, Poesies en patois cambresien. (Mem.
soc. emul. 46, 143 )
Litteratur des Jahres 1891.
347
yy) Geschichten.
Pineaii, Les contes populaires du Poitou.
Paris, Leroux. V, BIG S. Fr. 5,00.
Wistasse le Moine. (Roman d'Eustache le
Moine) Altfrauzösischer Abenteuerroman d.
XIII. Jhs. nach d. einzigen Pariser Hand-
schrift V. neuem hrsg. v. Wendelin Po erster
u. Joh. Trost. Halle, Niemeyer. XXXI.,
88 S. - Romanische Bibliothek, herausg. v.
Wendelin Foerster. No. 4.
Das Adainsspiel. Anglonormanu Gedicht d.
XII. Jhs. m. einem Anhange. Die fünfzehn
Zeichen des jüngsten Gerichts, hrsg. v.
K. Grass, ebenda. VIII, 173 S., 1 Bl. =
Rom. Bibl. No. 6.
W.alter [Gautier] v. Arras, lUe und Galeron.
Altfranzösisclier Abenteuerroman d. XII.
Jhs. nach d. einzigen Pariser Hs. hrsg. v.
Foerster. ebenda. XLYIII, 244 S. = Rom.
Bibl. No. 7.
Köhler, Ein anscheinend deutsches Märchen
von der Nachtigall und Blindschleiche und
sein französisches Original. (Ztschr. d. Ver.
f.Volksk. 1, 1.)
IJassct, AUusions ä des contes populaires.
(Rev. des trad. pop. 6, 30, 243, 66.5.)
('allon, Saint Pierre et le Veuf, conte de la
Vallee d'Aspe. (ib. 112.)
LacuYe, Les cent Ethius, conte poitevin. (ib.
143.)
Morin, Contes troyens (suite ) (ib. 481.)
Pineau, Contes du Maine, (ib. 584.)
Marchot, Le blanc Cheval, conte du Luxem-
bourg. iib. 613.)
Deux contes de la Haute Bretagne. I. Gau-
tier, Les enfauts, qui u'ont pas vu le jour.
II. Bergerat, Le Mouchoir blanc. (ib.
751, 752.)
JJ) Drama.
Hiisserl, Zur Entwickeluugsgeschichte des
französischen Dramas. Progr. Brunn. 13 S.
I.arroninet, La Comedie en France au moyen-
äge d'apres un ouvrage recent. (Rev. des
deux mondes 108, 814.)
l'iolin, Le theätre chretien dans le Maine,
au cours du moyen äge. (Rev. hist. et ar
cheol. du Maine 29, 24, 209, 249.)
Veucliii, Comediens nomades du XVIII« siecle.
Bei-nay, Veuclin, 4 S.
f) Musik.
Gfalino, Musique et versification franpaises
au moyen - age. Leipzig, impr. A. Pries.
Ing.-Diss. 39 S.
Coquard, de la musique en France depuis
Rameau. Paris. XLIV, 294 S. — Fr. 3,50.
Tiersot, Melodies populaires des provinces
de France , recueillies et harmonisees.
deuxieme serie. Paris, Henquel.
4. Wallonen.
(Juestionnaire de Folklore public par la
Societc du Folklore Wallon. Liege, Vail-
lant-Charmanne. 155 S.
Hock, Moeurs et coutumes bourgeoises; Liege
sous le regime hollaudais 1820 ä 1830 avec
une prefaco parA Micha. Tome VI. Liege,
Vaillant-Charmanne. XIII, 187 S.
Harou, Coutumes scolaii-es. IV. En Bel-
gique. (Rev. des trad. 6, 56.)
— , Coutumes des mineurs beiges, (ib. 436.)
(üaeys, Le boun-eau de Gand; suite: endroits
oü se faisaient les executions capitales;
instruments employes par le bourreau.
(Messager des sciences hist. de Belgitjuo.
l'f' livr.)
Uuricux, Les Rosieres de Canibrai. (Memoires
de la SOG. d'em. de Cambrai 46, 1.) [Als
Sep.-Abdr.: Cambrai, Regnier freres 36 S.]
Colson, Questionnaire des enfantines et jeux.
Liege. 32 S.
Harou, Les Mines et les Mineurs. XL Super-
stitions diverses (Belgique.) (Rev. des trad.
312.)
— , Notes sur les routes en Belgique. (ib. 649.)
Lemoine, Le tirage au sort en Belgique.
(Tradition V^)
Appuuti sulla idi-ofobia nel Belgio. (Archivio
delle trad. 10, 125.)
Coiue si leghi la febbre nel Belgio. (ib. 10, 277.)
Wilinotte, Etudes de dialectologie Avallone.
[S. A. aus Romania.] Paris, Bouillon. —
Fr. 5,00.
Deliuotte et Noien, Dictionnaire des idiotis-
mes, necrlandismes, gallicismes, proverbes
et expressions proverbiales tigurees et fa-
milieres de la languc neerlandaise et de la
langue fran^aise. (Neerlaudais - franpais.
Gande, Hoste. 312 S. — Fr. 2,50.
Dejardin, Dictionnaii-e des Spots ou Pro
verbes wallons. T. I. (Ijiege 1891.)
348
Laue:
Defrecheux, Vocabulaire des noms wallons
d'animaux. (Liege, Liixembourg, Namur,
Hainaut) avec leurs equivalents latins,
fraiiQais et flamands. 2. ed. Liege, Vaillaiit-
Charmanne. VIII, 200 S. — Fr. 2,50.
0-n Dumant a marjatch, saynete wallonne
par A. Vierset. Transcrite dans une gra-
phie phonetique et commentee philologique-
ment par P. M ar c h o t. Paris, Bouillon. 23 S.
Les insultes du patois flamand de Bruxelles.
(Langues et dialectes. 1. Mai.)
Marcbotj Le patois de St.-Hubert. (Luxem-
bourg, Belgique) Phonetique et vocabulaire.
(Rev. de phil. fran^. et prov. 4".)
Marchot, Etymologies liegoises. (Rev. des
langues rom. 34, 426.)
— , Etymologies wallonncs. (Rov. des patois
gallo-ronians 12.)
Wilmotte, Gloses walloncs. (Etudes rom. ded.
ä G. Paris 239.)
Witteryck, Gentes populaires. (Annales de
la Societe d'emulation pour Tetude de l'hi-
stoire et des antiquites delaFlandre. 5,1)
5. Italiener.
La Calabria. Monteleone. [Vgl. I, S. 358.]
An. III. n. 4. 15. Dicembre: Julia, Con-
trasti. — Moscato, Canti popolari di S. Lu-
cido. — März an 0, Usi e Costumi ... di
Laureana di Borrello. — Bruzzano, Canzone
albanese di Vena. — Ort o na, S. Franc, di
Paola nella trad. della Calabria.
n. o. 5. Genn. 1891: Julia, Contrasti. —
Coppola, Canti popolari di Malvito. — Ca-
tenacci, Canti e Giuochetti infantili. — M.
[oscato], Indovinaglie di S. Lucido. — 11
Falegname, Novelli pop. di Mantineo.
n. 6. Febb: Marzano, Usi e Costumi ...
di Laureana di Borrello. — Tacconi, Canti
della Sila. — Galati, Farsa popolare di
Acquaro. — Capialbi, Novellina greca di
Roccaforte. — [Moscato], Giuoclii di S. Lu-
cido.
n. 7. Marzo: C. [apialbi] e B. [ruzzano],
Racconto greco di Roccaforte. — De Gia-
como, Canti di Malvito. — Catenacci,
Canti e Giuochetti infantili
n. 8. 15. aprile 1891: Agostino, Usi e
Costumi di Serra di S. Bruno. — Moscato,
Canti di S. Lucido. — Bruzzano, Novellina
albanese di Barile. — Taccone, Loggende
jonadesi. — Bonelli, Canto per la notte di
Natale in S. Gregorio inferiore. — II faleg-
name, Novellina popolare di Piscopio.
n. 9. 15. maggio: Moscato, Canti di S.
Lucido. — Ortona, S. Francesco di Paola
nelle tradizioni popolari di Calabria. —Ago-
stino, Usi e Costumi di Serra S. Bruno. —
Bonelli, Canti religiosi di S. Gregorio In-
feriore. — Galati, Farsetta di Acquaro.
n. 10. 15. giugno: De Fazio, Indovinelli
nicastresi. — Bruzzano, Novellina greca.
— Manfrida, II cuculo, leggenda di Capi-
strano.
n. 11. 15 luglio: Mesiaui, Canti popo-
lari di .Jatrinopoli. — Agostino, Usi e co-
stumi di Serra San Bruno. — Bruzzano,
Novellina greca. — Moscato, Indovinelli di
San Lucido. — De Cristo, Canti pop. di
Cittanova.
n. 12. 15. Agosto: Bruzzano, Novellina
greca di Roccaforte. — Scalfari, Usi e co-
stumi dei villani del Monteleonese.
An. IV. n 1. 15. sett: Marzano. Usi e
costumi ... di Laureana di Borrello. — Scal-
fari, Usi e costumi ... La mietitura. — P.
P., Canti popolari di S. Caterina di Badolato.
— II falegname, Novellina popolare di
Favelloni.
n. 2. 12. ottobre: Marzano, Usi e costumi
... di Laureana Borrello. — Marin aro e
Bruzzano, Le tre sorelle, novellina albanese
di S. Nicola dell'Alto, teste, riduzione in
caratteri greci, versione letterale italiana. —
De Giacemo, Credenze, Usi e Costumi dei
villani di Cetraro, nel circendario di Paola.
— P. P., Canti di Santa Caterina di Bado-
lato. — Canti di Pantone.
a) Äusseres Leben.
Gemelli, I primissimi abitatori dei dintorni
di Como, conferenze tenuta nella sede so-
ciale deir associazione comense fra gli im-
piegati civili la sera del 7. aprile 1891.
Gerne, Cavalleri. 22 S.
Vuillier, La Corso. (Le tour du moude,
S. 209.)
— , La Sardaigne. Texte et dessins inedits.
(ib. 145.)
ßölscbe, Im sizilianischen Spreewald. Eine
Litteratiir des Jahres 1891.
349
Somraerfahrt zu den Papyrus - Stauden von
Sjrakus. (Tägl. Rundschau ", 1022.)
Dotta, Longevitä nel Cantone Ticiuo. (La
Libertä, n. 42.)
Statut! della Societä dei Mercauti di Monza
ora per la prima volta niessi a stampa, trad.
in ital., corredati di note e di tav. p. c, di
cittadiui monzesi. Monza, Corbetti (XII,
243 S., ITaf., 2 Facs.) 4°.
Cerasoli, Ceusimento della popolazione di
Eoina dairanno 1600 al 1739. (Studie e
documenti di storia e diritto 12, 169.)
b) Inneres Leben.
«) Recht und Sitte.
Sartori - Mentecroee, Die Thal- u. Gerichts-
gemeiude Fleims und ihr Statutarrecht. Im
Anhange: 1. II quadernoUo della commu-
nitä (1533/34). 2. Beitrag zu einer Biblio-
graphie der italienisch-tirolischen Statuten.
Innsbruck, Wagner. VIII, 223 S.
Cianci, I campi pubblici di alcuni castelli del
medio evo in Basilicata. Studio giuridico
feudale c. docum. Napoli, Pesole. 176 S.,
1 Bl.
Dresdner, Kultur- und Sittengeschichte der
italienischen Geistlichkeit im 10. u. 11. Jh.
Breslau, Koebner. 392 S. — M. 10,00.
Floeke, Italisches Leben. Geschichten und
Abenteuer aus alten Skizzeubüchern. Stutt-
gart, Cotta. M. 5,00.
Lumbroso, Spigolature di usi, credenze, leg-
gende V. VI. (Archivio trad. pop. 9.)
Pitre, II pesce d' Aprile. Palermo. 2-5 S.
Rosa, Tradizioni e costumi lombardi. Ber-
gamo, Cattaneo. 107 S.
de Nino, Usi e Costumi Abruzzesi. Vol. V.
Mattie e Rimedii. Firenze, Barbera. —
L. 2,50.
ß) Glaube und Aberglaube.
Moderne Geissler in Sizilien. (Globus 59, 224.)
A Gurions Custom [Procession] in Sicily.
(Foreign Office Report No. 813. Italy) [nach:
Journ. anthr. Inst, of Great Britain 20, 364.]
Moderne Heiden im nördlichen Italien. (Glo-
bus Nr. 18.)
Aberglaube in Mittelitalion. Hexen. Reli-
giöse Tättowierung. Teufel. Allerlei Geister.
(Globus 59, 341.)
Riccardi, Pregiudizi e superstizioni del po-
polo modenese. (Archivio per 1' anti-opologia
e la etnologia 20, 3.)
Panizza, I processi contro le streghe nel
Trentino. (Arch. trentino 8, 181: 9, 49.)
Bürkli-Wyss, Eine Mailänder Hexenge-
schichte 1891, (Globus 60, 174 f.)
Piccarolo, La bella Galiana, leggenda viter-
bese. Alba, Vertamy. 52 S.
y) Sprache und Dialekte.
Archivio glottolog:ico italiauo diretto da
G. J. Ascoli. Roma . . . 1891.
XII, 1: de L Ollis, Dell' influsso dell'-i o
del j postonico sulla vocale accentata in
qualche dialetto abruzzese. — Ascoli, Ap-
pendice ai 'SaggiuoU diversi'. — Morosi,
L'odierno liuguaggio dei Valdesi del Pie-
monte. — Ders., II dialetto frauco-proven-
zale di Faeto e Celle, ncU' Italia merdionale.
— Andrews, II dialetto di Mentone, raffron-
tato al provenzale e al ligure. — Pieri,
Fonetica del dialetto lucchese, con appendice
lessicale. — Ascoli, indarno, eudar.
Sessa, Dottrina popolare in (luattro liugue
(Italiana, Francese, Inglese, Toscaua, Te-
desca.) I. Espressioni famigliari e Motti
popolari. IL Frasi commerciali. III. Pro-
verbi, Milano, Hoepli. 4, 211 S.
Demaria, Curiositä del vernacolo ble niese
(dialetto locale). Bellinzona, Tip. cantonale.
58 S. — Fr.- 1,00.
Pirandello, Laute und Lautentwickelung der
Mundart von Girgenti. Halle a. S., Buchdi-.
d. Waisenhauses. 2 Bl., 52 S. = Ing. Diss.
Bonn. gr. 8«. — M. 2,00.
Pieri, Fonetica del dialetto lucchese. Ap-
pendice. Appunti lessicali. (Arch. glott. XII,
107.)
(Pulle), Letteratura del dialetto di Mo de na.
Vol. I. (Bologna: Romagnoli Dali' Acqua) =
Scelta di curiositä letterarie ined. o rare . . .
da Carducci. Disp. 242.
Roeco, Di alcune voci napoletane usate
dal Tansillo. (Atti dell' Academia Ponta-
niana 21, 15.)
Pariset, Vocabolario parmigiano-italiano.
Disp. 21. (S. 637 — 716); 22.(717—796).
Parma, Ferrai'i e Pellegrini. ä Disp. 0,50.
Uavnzzi, Vocabulario piemontese-italiano.
Torino, Roux. XII, 692 S. — L. 5,00.
(jtuarnerio, Postille sul lessico sardo. (Ro-
mania 20, 56.)
350
Laue:
Avolio, Del valore fonetico del digramma
ch nel vecchio siciliano. Palermo. 33 S.
[S. A. aus: Archivio storico siciliano. n. s.
XV.]
de Gregorio, Capitoli della prima compaguia
di disciplina di sau Nicolo in Palermo del
sec. XIV. in volgare siciliano, publicati
per la prima volta da un codice della Bibl.
Naz. di Palermo con illustrazioni storico-
litterarie e filologiche. Palermo , Clausen.
43 S.
Rosa, Etimologia di alcuni nomi locali di
Val di Susa. Alessandria, Chiari e Filippo.
15 S.
Ninni, Materiali per un vocabulario della
lingua rusticaua del contado di Treviso,
con r aggiunta sopra le superstizioni, le
credenze ed i proverln rusticani. Serie I.
Venezia, Longhi e Montanari. 124 S. Serie II.
ib. 192 S.
Avanzi dell' antico dialetto triestino, cioe i
sette dialoghi piacevoli pubbl. dai Mainati,
un sonetto ed altri cimeli linguistici, con
prefazione, traduzioue moderna e annota-
zioni critiche-esegetiche di Schatzmayr.
Trieste, Balestra. 143 S. — L. 2,50.
Bertauza e Lnzzarini, II dialetto vene-
ziano iino aUa morte di Dante Alighieri
(1321): notizie e documenti editi e inediti.
Venezia, tip. di M. S. fra Compositori tipo-
grafi. XIV, 88 S. 4».
J) Poesie.
Zeitschrift: Rassegna di Letteratura Popo-
lare e Dialettale. Diretta da A. Men-
ghini, A. Parisotti, F. Sabatini. Si
pubblica ogni mese. Direzione e Ammistra-
zione, Piazza Pollarola. Eoma. Direttore
proprietario responsabile Francesco Saba-
tini.
Maniffi, La poesia popolare italiana. Appunti
bibliografici. (Rivista delle biblioteche
III, 68.)
Contributo alla bibliografia delle rime vol-
gari dei primi tre secoli. (II Propugna-
tore 22.)
Volpij Poesie popolari italiane del secolo XV^.
Verona, Tedeschi. 18 S. (Estr. dalla Bibl.
d. scuoli it. vol. IV, no. 3.)
Pitre, Biblioteca delle tradizioni popolari
siciliane. Vol. I. II: Canti popolari siciliani.
Seconda edizione. 2 Bde. (XXIII, 438;
487 -f 46 S. ä Lire 5,00. Palermo,
Clausen.
(Carmi), Canti popolari emiliani. (Nozze
Carmi-Niemack.) 16 S.
Ciaii, Saggio di canti popolari Logudoresi.
Palermo. (Nozze Beniardi-Calbo.)
Menghini, Antichi proverbi in rima. Bologna.
15 S. (Estratto dal Propnguatore. NS.
vol. III; parte II; fasc, 16. 17.)
Pilre, Curiositä popolari tradizionali pubbli-
cate per cura . . . vol. X: Saggio di Novel-
line, Canti e Usanze popolari deUa Cio-
ciaria. Per cura del dott ... Tozetti.
Palermo, Claussen. VIII, 108 S.
Mango, Novelli popolari sarde. ib. 144 S. —
L. 4,00.
La Via-Bonelli, Motteggi popolari Nicosiani
e Sperlinghesi. ib. 11 S.
Armaforte, Due racconti siciliani. (Arch.
trad. pop. 10 \)
d'Ancoua , Origini del teatro italiano , libri
tre con due appendici sulla rappresenta-
zione drammatica del contado toscano e
sul teatro Mantovano nel sec. XVI. 2. ed.
riv. e accr. 2 vol. Torino, Loescher. 2 Bde.
(3 BL, 670; 2 Bl., 626 S.) L. 20,00.
*) Mixsik.
Bertolotti, Musici alla corte dei Gonzaga in
Mantova dal sec. XV. al sec. XVIII. No-
tizie e documenti raccolti negli archivi
mantovani. Milano, Ricordi. [1890].
130 S.
6. Rhaetoromaueu.
a) Zeitsclirifteu.
Pagine Friulane. Udine. Anno IIL
n. 9. 15. Nov. 1890: del Torre, L' ombre
nere für dal pozz dirocäd de' Qhase del Bosch,
leggenda.
n. 10. 7. Dicem. 1890: Barnaba, Costu-
manze uuziali nel comune di S. Vito di Ta-
gliamento. — 0. [st ermann], L' origiu da'
Sucete.
Anno IV. n. 1. 5. Aprile 1891: C, II mulin
a vint, tiabe sintüde a S. Zorzi di Nojax-. —
0.[stermann] , Legenda de inont Ambruset
0 (^hampou.
Litteratur des Jahres 1891.
351
n. 2. 26. Aprile : 0, Leggenda delF Abazia
di Maggio.
n. 4. 14. Giugno: Galerio, II linguaggio
dei bambini in Friiili, lettera al dott. Vin-
cenzo Joppi. — Pre Na dal 8ale, Saggio
nel dialetto di Fonii.
n. 5. 11. Luglio: Napoleon a Qhampfuar-
niid. — 0., Legende del (^hischel di Pinzan.
n. 6 16. Agosto: Gortani, II prin Gialt
a Glemone, fiaba. — Z., II puint del diäul
snl Nadison, leggenda friulana. — (Sulla
copertina:) Le villotte friulane. — S. E., il
Conte F. Coronini e le leggcnde pop. del
Goriziano.
n. 7. 20. Sett. : Joppi, Vita privata e
costumanze udinesi nel sec. XIV. — G. B , II
favri hacän, fiaba del ciclo dei viaggi di G. C.
n. 8. 1. Ottobre: Pocar, La rocca di
Monfalcone, storia e leggenda. — I tre fints
mago.s, fiaba raccolta a Porpetto. — (Nella
copertina:) As coli, I nomi locali.
Aiinalas della societad rhaeto romausclia.
5. annada. Ediziune proprietad della socie-
tad. Cuera [Chnr]. Stampa da Manatschal
& Ebner 1890. 408 S. gr. 8". Fr. 8,00.
Garelli, Lena del Eociaralon. Comedia.
Vaudeville in duos Acts. Vertida dal dialect
Piemoutais tres S. Caratsch. — Bardola,
L'Epiphania u T appariziun. Legenda coni-
posta in rima — Material historic : I. Muoth,
caschun e descriptiun del Tumult u Ujarra
dols de Sagoign 1701. II. Plaids de cumin.
1. Muoth, Plaid d' abdicaziun, tenius dad
in mastral alla fin dil davos tschentaner.
2. Qaviezel, Plaid teneu sin cumin grond a
Trin 1700 da mastral Brincatzi Caprez da
Trin. 3. Caviezel, Plaid, teneu da mastral
J. Cahenzli sin cumin grond aTrin, anno 1710.
4. Caviezel, Discurs da mastral Gion Bena-
detg Cawiezel, teneu avaunt il cumin graund
d'Ortenstein a Tumel 1798. 5. Caviezel.
Discurs ner Pled da Landamma Franzesc
Cawiezel, teneu siu cumin graund d'Orten-
stein a Tumel 1840. III. Caviezel, Üna
Charta da Blasius Alexander, del an 1622.
IV. Muoth, Products de Utteratura vulgara
(Observaziun.) II Litgun de Sagogn. — Pro-
vas da dialects. I. Malloth, Ün process.
(Dialect da Samagnun.) IL 1. Ser Pteverenda
Clo Juvalta a Bravuogn, discuors salvo alla
conclusion d'la scola, 21 Avregl 1890 (dialect
da Bravuogn.) 2. Toast salvo alla festa d'in-
faunts 1885 par Sigr, Eev. Juvalta ä Bra-
vuogn. — Scoperta d'alchüns defetts chi
regnan in nossas familias, et chi non sun
tegnüts per hier mal. Da ser mastral Florin
Pitsch da Müstair p. m. Publicaziun perve-
gnida da Rev P. Justiniau Lombardin a
Müstair. — Nolfi, L' invasiun francesa et
austriaca in Vall Müstair nelP ann 1799. —
Cape der, Extract or digl protocoU digl
ludevel cumegn de Barvogn. Publitgia se-
gond la chronica manuscripta de Podestat
Pol Tini de Casti. — M. Legns. Publ. cun
remarcas. — Mathis, II pouver Orv Schwarz I
— Mathis, Uua Marenda nella Valleta da
Samedan! — Mathis, LaPredgia da Giunfr'
Annetta et ils ögls cregns e fazöl alv da Sar
Gianin! — Mathis, Annetta Margretta! —
Bühl er, L'Indian Grischun. — Vinzeus, La
Dertgira nauscha. Documents pri or d' in
Copial de P. A. Spescha a Chiltgiadira (Trun).
— Poesias. Sonetto per . . . Publ. cun remar-
cas da C. P. — Mathis, Las fantschellas da
temp vegl e las fantschellas d' hoz indi! —
Mathis, Las lavunzas in Engiadina e las
lavunzas a Genova! — Lanz, Botta e ras-
posta. (Dialect da Baiva). — Baiaster, II
piz mezzaun, in meditatiuns d'utuon, — Bar-
dola, Silvester nel' ester. — Bardola, La
cura da Bombast. — Necrologs. — Collecziuu
da plaids rhätoromanschs specialmein da noms
locals raccolts nella vallada st, gallaisa del
Rheno tras Signur Maggior Hilty a Sevala,
ellaborada in romaunsch e surdada alla statnpa
tras Maggior Ths. Gross a Cuera. Coinmuni-
tad Sennwald, Gams, Grabs, Buchs, Sevelen,
Wartau. — Donaziuns pigl archiv della Socie-
tad. — Rapport linanzial. — Register dels
commembers.
I)) Aufsätze und Abliaudlungeu.
Die Rhätoronianeu in Graubünden. (Globus
59, 384.)
Unterforcher, Rätoromanisches aus Tirol.
(Progr. Eger.) 42 S. 8".
Moroder, Das Grödenerthal. St. Ulrich in
Gruden 1891.
Occioiii-Boiialoiis, Usi matrimoniali: docu-
mento inedito iriulano. IJdiue. 4". 12 S.
üstermann, Superstizioni, pregiudizi e cre-
denze popolari relativi alla cosmografia,
geogralia fisica e mcteorologia. Capitolo di
saggio d' un' ()[)ora in corso di stampa sui
352
Laue;
costumi, usi, snperstizioni o credenze del
popolo friulano. Udine , Doretti. 81 S.
[Estr. d. Giornale 'In Alto'. Anno 1, 2.)
trallerio, II linguaggio dei bambini in Friuli.
Udine. 8 S. [S. A. aus Pagine friulane.]
(Jötzinger, Die romanischen Ortsnamen des
Kantons St. Gallen. Freiburg Ing. - Diss.
St. Gallen, Huber. IV, 91 S. - Fr. 3,00.
[mit Karte.]
— , Die romanischen Ortsnamen . . . (Globus
60, 223.)
Fischer, Die romantische Sprache der West-
schweiz. (Schweiz. Rundschau. Nr. 11.)
Stella, Versi friiilani, ed. Joppi. (Nozze
Pog-nici - Dianese ed. Del Negro.; Porto-
gruano, Ditta Castion. 11 S.
Tuoi', Poesias romonschas ti-anslatadas ed
originalas. P [I.], II. Cuera, Stampa de
Frars Casanova. 2 Bde. (48, III: 49 — 96,
III S.)
Nies tschespet. Bibliotheca romauscha ed.
da Decurtins. Ko. I-. Bundi, II viadi a
Jerusalem, ed. da Florin Berther. XIII,
51 S. Basel, stamp. d' il Basler Volksbl.
1891.
Grnidotti, (^oUeziun da Proverbis rhaeto-
romanschs. (Arch. trad. pop. 10, 554.)
V. Tr.iYers, Joseph. Engadinisches Drama
des XVI. Jhs. Hrsg. u. m. Glossar vers.
V. Jakob Ulrich. Zürich, Dr. v. Zürcher
u. Furrer. VIII, 43 S. i".
7. Rumänen.
Neue romanische geographische und ethno-
graphische Litteratur. (Globus 60, 336.)
11 Millionen Romaenen. [Statistik] (Romae-
nische Porschgn. 7, 137.)
Tamni, Über den Ursprung der Rumänen.
Ein Beitrag zur Ethnographie Südost-
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Xenopol, Geschichte der Romanen im traja-
nischen Dacien. (Rom. Revue 7, 11. 12.)
Harta etnograflcä a regatuliii Ungar dupä
Andi'ee si a Romänilor de la dunare. (Rom.
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Die Ungarischen Rumaeiieu und die un-
garische Nation. Antwort der Hochschul-
jugend Ungarns auf das Memorandum der
Rumänischen Universitätsjugend. Budapest,
im Juli 1891. (78 S.)
Zur Lage der Rumänen in Ungarn. (Rom.
Rev. 7, 65.)
Architelitonische Streifzüge in Rumänien.
(Romanische Woclienschr. hrsg. v. Reiniger.
Bucuresci I, Nr. 1.)
Dische, Über Hochzeitsbräuche bei den Ro-
manen. (Rom. Revue 7, 309, 418) ist Re-
cen.sion von: Nunta la Romäni. Studiu
istorico-etnograficu comparativu de S. Fl.
Mari an. Editiune a Academiei romäne.
Bucuresci, Götel 1890.
Marienescu, Baba Dokia, eine volksmytholo-
gische Gestalt der Rumänen. (Anz. Ges. f.
Völkerk. Ungarns 1, 1.)
— , Az äldozatok. Roman nepmythologiai
kepek es szokäsok. (Ethnographia, II evfo-
lyam, 1 füzet.)
Mang'iuca, Dacoromanische Sprach- imd Ge-
schichtsforschnngeu. 1. Theil. Sell)stverl.
d. Autors. Oravicza, Wunder. 235 S., gr. 8".
— Fl. 1S)C).
Xenopol, Elements grecs auciens dans la
langue roumaine. (Le Museon 5.)
Voileauö, Codicele Mateiu Voileauu. 1891.
Taverny, Phonetique roumaine: le traitement
de tj et du suffixe ulum, ulam en roumain.
(Etud. rom. ded. ä G. Paris, 267.)
Graster, Chrestomathie Roumaine. Textes
imprimes et mss. du XVI. au XIX. siecle.
Specimens dialectales et de litterature popu-
laü"e, accompagnes d'une introduction, d'une
grammaire et d'un glossaire Roumain-Fran-
Qais. Lipsk, Brockhaus. 2 t. CXLIX, 368,
VII, 562 S. — M. 18,00.
Manliu, Crestoraatia Romänii. Bucuresci.
— , Antologia Romänä. ib.
Texte Macedo - Romäne. Basme si poesii
popolare de la Crusova, culese de Obede-
naru, publicate dupä manuscrisele origi-
nale, cu un glossar complet, de Bianu.
Bucarest IX, 388 S. [zwei Geschichten und
zwei Volkslieder aus Crusova in Mace-
donien.]
Morarin, Die romanische Litteratur der Buco-
viua. (Romaeu. Forschungen 7, 34, 174, 301,
409, 514, 633.)
Carmen Sylra a Venezia e la poesia popo-
lare rumena. (L' lUustrazione popolare.
Milano, 23. Agosto 1891.)
Härsu , Macedo - romanische Volkslieder.
VIII— XXI. (Rum. Forschungen 7, 199,
329.)
Vacaresco, La via alla felicitä, canto popo-
lare runieno, trad. in tedesco da Carmen
Svlva (' ritradotto in italiano da Anna
T.itteratur des Jahres 1891.
353
Miliani Valloiiiani. (LMllnstr. pop. 13. Sett.
1891.)
Prexl, Kumiinischc Vulksroman/on übers. (Z.
f. Volksk. III, nOO.)
Alecsandri, Ring und Tuch, Volkslied übers.
V. Fischer. (Roniaen. Forschgn. 7, 49.)
Mai'ienescu, aus der Samml. ,Poesii pop.":
Die Hochzeit der Geschwister übers, von
Fischer, (ib. 7, 432.)
Mailand, Der „Flucli" in der slebenbürgisch-
rumänischen Volkspoesic. (Zeitschr. f. Volks-
kunde 3, 208.)
Heinzendorf, Die geizigen Brüder. Rumäni-
sches Volksmärchen aus Süd-Ungarn. (Ro-
maen. Forsch. 7, 214.)
Pop Retegauul, Des Teufels Weihrauch.
Volksmärchen. Deutsch v. G. Eromia. (Ro-
maen. Forsch. 7, 331.)
VI. Neugriecheu und Albanesen.
Kuhlenbeck, Der gegenwärtige Verfall des
Hellenismus in Deutschland und seine Ur-
sachen. (EA;.«f 3, 300.)
V. Belllieim, Die modernen Griechen. (Aus
allen Weltteilen 22".)
Die Bevöllieriing Griechenlands. (Deutsche
Rundschau f. Geogr. 13, 182.)
Asmnssen, Die Mainoten. (Aus allen Welt-
teilen 22".)
^nvQidwfog TTay av^kt], TleQuv tov ^Ia(^iuov.
nikonovvr]atay.c(\ ^vivnwang xal avctjUP)]-
aiig . . . 'Ev 'A^r'ivuiq , Kaaööfrjg. 1891
(354 S., 6 Taf.) [BißXionwlsiov ifjg Emiag.']
Melena [= Marie v. Schwarz], Erlebnisse
und Beobachtungen eines mehr als 20jähri-
gen Aufenthaltes auf Kreta. Mit 14 Photo-
typien und 1 Karte. Hannover, Schmorl.
296 S.
Krumbat;lier 5 Griechen im heutigen Italien.
(Neueste Münchener Nachrichten, 14. Febr.
1891.)
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Mineur au point de vue anthropologique
[enth Schädclmessungen ] (L'Anthropologie
2, 1.)
Millet, Souvenirs des Balkans, de Salonique
ä Beigrade et du Danube ä TAdriatique.
Paris, Hachette.
Ornsteiu, Silberfarbiges Haar in Griechen-
land. (Zeitschr. f. Ethnologie XXIII, 346.)
Kuoop, Die Inüuenza. [Griechischer Aber-
glaube.] (Zeitschr. f. Volkskunde 3, 261.)
Meyer, Albanesische Studien. III. Lautlehre
der indogermanischen Bestandteile des Al-
banesischen. (Sitzungsber. d. Ak. d. Wiss.
hist.-phil. Klasse 125 )
Müller, Historische Grammatik der helleni-
schen Spraclie, oder Ubersiclit des Ent-
wickelungsganges der altgriech. zu den
neugriech. Formen, nebst einer kurzen Gesch.
der mittlem und neuesten Litteratur . . .
1. Bd. Grammatik. Leiden, Brill. (V, 225 S.)
A. u d. T: Hellenische Bibliothek. T. 1.
llatzidakis, Zur Geschichte des Mittel- und
Neugriechischen. (Zeitschr. f. vergl. Spracht.
V. Kuhn 31, 103.)
— , Zur Abstammungsfrage des Neugriechi-
schen. (Elkn; 3, 1.)
Tlinnib, Die neugriechische Sprache und ihre
Erlernung, (ib. 3, 459.)
Müller, „Wie spricht man in Athen?" Echo
u. s. w. von Jannaris. (ib. 299.)
Pavolini, Über Dvanda-Composita im Neu-
griechischen, (ib. 290.)
2iy.iag, Tltgl trjg KgriJiy.rjq Siak^xxov. Athen,
Leipzig: Liebisch. M. 3,50.
Meyer, Etymologisches Wörterbuch d. alba-
nesischen Sprache. Strassburg, Trübner.
XIII, .522 S. M. 12,00.
Babuder, Considerazioni sulla poesia popo-
lare in generale, con ispeciale riguardo a
quella della Grecia moderna. (Progr. Capo-
destria. 61 S.)
Pavolini, Verbesserung zu Passow, Carmina
popularia Graeciae recentioris. (Ekkag 3,
295.)
Krumbacher, Griechische Volkslieder. (Allg.
Zg. B no. 10.)
Mitkos - Beni - Suef , Albanesische Lieder.
Deutsch V. Jarnik. (Zeitschr. f. Volksk. 3*.)
Jarnik, Albanesische Märchen und Schwanke.
Mitgeteilt und übers, (ebenda 184, 218,
264.)
Boltz, König Schlaf im aeginetischen Märchen.
{Eilag 3, 284.)
354
Laue:
YII. Lettoslaven.
1. Letten und Litauer.
Ethnographisclie Beilage des Lettischen Tage-
blatts: „Deenas Lapas" peelikums. 1891.
Riga.
I. Latweeschu diswe un waloda — Lat-
weescliu tautas chdeeneem. — Rad neezibas
nosaukumi — Wardnizas druskas. — No
kureenes zebluschees wahrdi „ligho" un
„lighaAva" ? — Teiksmainas latwju wirsaitis.
— Rakati par leisehu etnografiju. — 1879 —
1890. — Tautas atimologija.
III. LaatwecBchu tautas ehdeeni. — Ward-
nizas druskas. — Par weleem. — Swehtku
laiki mahntizibas atleekäs. No. D. Osolina. —
Jann-Rose III. Tautas teikas un nostahsti. —
Mums peesuhtitas schadas gralimatas un lai
kraksti.
Wolter, Novyc trudy i materialy po latysskoj
etnografii, odbitka z zesz. VII kwartalnika
Etnograficeskoe Obrozrenie. 9 S. [lettische
Ethnographie.]
Ulanowska, Lotysze Inflant polskich apo
szcegölnosci z gminy wielonskiej powiatu
rzezyckiego. (Les Lettons de la Livonie
polonaise.) (Zbiör wiadomosci do Antropo-
logii Kraj. III parttie, S. 181.) [Auch als
Sep.-Abdr. Krakow, 103 S.]
Sjlwestrowicz, Wiadomosci o swieceniu
hiczywem w chatach wiejskich na Litwie.
(Note sur Feclairage par la resine les chau-
mieres de la Lithuanie) (ib. S. 44.)
Lohiiieyer, Ein Bericht über Reste des letti-
schen Heidentums. (Sep.-Abdr. a. d. Mitt. d.
Littauischen litt. Ges. III, 16.)
Basset, Le Culte du marteau. I. Ohez les
Lithuaniens: le soleil captif. (Rev. trad.
pop. 6^.)
Lerchis - Piiszkajtis, Ba.suie ludowe (po
lotcwsku). Czesc I. Mitau. XI, 188 S.
[Volksfabeln.]
— , Lotewskie basnie ludowe. Czesc II. 93 S.
Czesc in. 52 S.
2. Slaven. Allgemeines.
a) Zeitschriften.
Wisla. Miesieczuik gieograficzno-etnogra-
flczny. Tom V. Rok 1891. Warszawa. Sktad
glowny w ksiegarui M. Arcta, Nowy-Swiat
53. 1891. gr. 8°. 4 Bl., 1029 S., 5 Taf.
1. Wiercienski, Probki szperäu po archi-
wach. — Smoleiicöwna, Grydziecigcie. —
Kowtyiiski, Ze starejksiazki. — Karlo-
wicz, Raz jezcze do ..Brzozy Gryzynskiej".
— Jastrgbowski, Sobotka we wsi Mikulo-
wice. — Iks, Kopernacka. — KarJowiez,
Podanie o Madeju. — Wawrzeniecki,
Okienka av chatach. — Ders., Zakoiiczenia
dachow. — Biegeleisen, Motywy ludowe
w balladzie Mickiewicza „Lilje"'. — Jablo-
nowski, Najnowsze teorje hereldyczne po-
chodzenia polskiego spoleczei'istwa szlache-
ckiego, z stanowiska etnograficznego. —
Zabawki dzieci^ce. — Mo . . . ow, Bajka-
zagadka o zabityni kochanku. — Wie.'^niak z
Radzynskiego. — 1) o w gi r d , Bulawa kamienna.
— Scmbrzycki, Zagadki mazurskie. —
Karlowicz, Piosnka o babulence i jej
koziolku. — Poszukiwania : I. Leczictwo
ludowe. Przy czynki prof . d. Malin owskiego,
dra d. Czarkowskicgo. II. Nasz obszar
etnograficzny, III. Kula. IV. Chata, Pawel
Plichta. V. Przyslowia. VI. A pochylone,
Sz. Jastrzgbowski. VII. Zwyczaje jirawne.
VIII. Pismo obrazowe, St. Ciszewki.
IX. Nawolywania. X. Nazwy topograficzne.
XI. Pilealnie, L. Krzywicki. XII. Niecenie
ognia, St. Ciszewski, M. Wawrzeniecki.
XIII. Naszwy Kröw, Z. Rokossowska,
XIV. Pisanki, Z. Gloger, S. Ciszewski.
XV. Zydzi na prowincji. XVI. Liscie makowe,
Z. Rokossowska, M. Dowojna-Sylwe-
strowicz. XVII. W sprawie czytelnictwa
ludowego, Z. W. XVIII. Sobötka, Kwestjona-
rjusz, Rafal Lubicz. — Bibljografja krytyka
i wiadomosci biezace.
IL Orzeszkowa, Ludzie i kwiaty nad
Niemnem. — Meyet, Kilka slow o szkolach
zawodowych w Zakopaneni. — Karlowicz,
Dyngus i ."^niigus. — .Jelenska, Wies Koma-
rowicze w pow. Mozyrskim. — Korotyi'iski,
Wi-ozby z kichania. — Zmigrodzki,Historja
swatyki. — WLsniewski, Przesady zlod-
ziejskie. — Achelis, Rozwoj etnologji nowo-
Litteratur des Jahres 1891.
355
czesnej. — Biege leisen, Uziipeluieuia do
artykulu : Motywy ludowe w balladzie Mieckie-
wicza „Lilje". — Cerny, Za piesnia luzycka,
notatki z -w^drowek po f^uzycach. — Poszuki-
wauia: I. Medycyna ludowa. Przyczynski A.
Milewskicj, R. Lubicza. II. Nasz obzar
etüogralicziiy , M. Dowojna- Sylwestro-
wicz. III, Kula, E. Lubic z, Sz. Jastrzg-
bowski. IV. Chate. V. Przyslowia. VI. Ä
pocliylonc. VII. Kwestjonarjusz prawny.
VIII. Pisrao obrazowe. IX. Nawolywanie
zwierzat, Z. Rokossowka. X. Do slownika
nazw topograficznych, P. Plichta, Znisz-
czynski. XL Pilkalnie. XII. Niecenie ognia
przez tarzie, Rafal Lubic z, Krzesiwo i hubka,
W. Plawinska. XIII. Naszwy kröw i wolow.
XIV. Pisanki AI. P, XV. Zydzi na prowincji.
XVI. Lipcie makowe. XVII. Czytelnictwo
ludowe. XVIII. Sobötka. Rola kota w Sobötce,
L. Lissowski. — Bibljograi^ia, krytyka i
i wiadomosci biezace.
III. Jelenska, Wies Komarowicze w pow.
Mozyrskim (dok.). — Nalkowski, Kronika
gieogroliczna. — Krzywicka, Gri i zabawy
ludowe w Rcsciszewie. — Wawrzeni ecki,
Cepy. — Lubic z, Dwa zamawiania strozytne.
— Sumcow, Boginki-Mamuny. — Achelis,
Rozwyj etnologji nowoczesnej (d. c). — Pola-
czek, Z podän i wierzei'i ludowych. —
ßogdanowiczüwna, 0 lalkacli. — Poszu-
kiwania: I. Lecznictwo ludowe. Przyczynki
Pawla Plichty, Z. Wasilewskiego, A.
AVisniewskicgo. IL Nasz obszar ctnogra-
ficzny. IIL Kula, Rafal Lubicz. IV-VIII.
Chata: przyslowia: a pochylone; zwyczaje
prawne; pismo obrazowc. IX. Zwicrzgta i
rosling w poj^ciach ludowych, L, Czar-
kowski. X. Naszwy topograliczne, M. Wawr-
zeniecki, Z. Wasilcwski. XL Pilkalnie.
XII. Miecenid ognia. XIV. Pisanki, Rafal
Lubicz. XV. Zydzi na prowincji. XVI. Liscie
makowe, Jadwiga Kosköwna, R. L. XVII.
Czytelnictwo ludowe. XVIII. Sobötka, Win-
centy Roni'sc. — Bibljografja, krytyka i
wiadomosci biezace.
IV. Ronisz, Wies Dreglin w Sierpckiem.
— Matlakowski, Dyngus i smigus. —
Zawilii'iski, Z Archiwum parafjalnego. —
Nalkowski, Kronika gieograficzna za r. 1890
(dokonczenie). — Udziela, Dozynski w
üobrzechowie w Galicji 50 lat temu a tcraz.
— Zawilii'iski, Ulamek polskiej „Lenory".
— Ciszewski, Pröbki poezn ludowej chor-
wacko-serbskiej. — Achelis, Rozwüj etno-
log'i nowoczesnej. — Krzywicki, Spostrze-
zenia nae barwa wlosöw i oczu. — Sembi-
zycki, Ziemie polnocne i zachodnie kraju
zudwii'iskiego i ich granice. — Jastrz§-
bowski, Przyczynek do wierzei'i ludu o zyciu
pozagrobowem i legienda o ,,Matusinej Dusy".
— Ciszewski, Folklorystyka chorwacko-
serbska, przeglad historyczno-bibljograficzny.
Poszukiwania. I. Lecznictwo ludowe. Przy-
czynki Siarkowskiego, Lissowskiego,
Kröla. IL Nasz obszar etnograficzny.
III. Kula. PrzyczjTiki Jastrzgbowskiego.
IV. Chata. Przyczynki Cerchy. V. Pryslo-
wia. VI. Materjaly do a pochylonegaMatla-
kowki i Lubicz. VII. Zwyczaje prawne. J K.
VIII. Pismo obrazowe. Matuszewski.
IX. Zwierzgta 1 rosliny w pojgciach ludowych.
Karlowicz, Siarkowski, Matlakowski i
üembowski. X. Nazwy topograficzne.
Jastrzgbowski. XL Pilkalnie. XII. Nie-
cenie ogna. J. K. XIII. Pamigc o zmarlycli.
XIV. Pisanki; J. K. XV. Zydzi na prowincij.
XVI. Liscie makowe. S., K.. L. XVII. Czytel-
nictwo ludowe XVIII. Sobötka. Przyczynki
Mieczyslawa Dowojny - Sylwestrwicza.
W. 0., T. J., L. Z , Jana Karlowicza-
Szczesnego Jastrzgbowskiego i Leona
Lissowskiego. — Bibljografja, krytyka i
wiadomosci biezace.
b) Abhandlungen.
Smirnöw, Zadaci i znaczenie mestnoj etno-
grafii-kazan. 1891 [Bedeutung lokaler Ethno-
graphie ]
Neliring, Die ethnographischen Arbeiten der
Slaven. (Zcitschr. d. Ver. f. Volksk. I.)
Uoguslafvski, Szkicelitowindyjskie IL Teorja
nazwiknaawa. Krakow. S. BT — 229. Fl. 2,00.
[Litowindischc Studien.]
Bidermauu, Übersicht der Slavenreste in
Tirol. 1, 2. (Globus 59, Nr. 19/20.)
Girabow, Slovenische Forschungen über Tirol.
(Globus 60, 220.)
Krauss, Slavische Feuerbohrer. (Globus 59,
140, 317.)
Brückner, Mythologische Studien. (Arch. f.
slav. Phil. U-.)
Senf, Das lieidnische Kreuz und seine Ver-
wandten zwischen Oder und Elbe. (Arch. f.
Antlu-opol. 20 !• -.)
Machal, Näkres Slovanskeho bäjeslovi. Praga,
35fi
Laue;
Szyinaczek. 224 S. Fl. 2,20. [Slavische
Mythologie.]
Udziela, Wiek dzieciecy w medycynieludowej.
Tarnöw. 57 S. [Das Kiiulesalter in der Yolks-
medicin.]
Weisker, Slavische Spraclii-este, insbesondere
Ortsnamen, aus dem Havellande und den an-
grenzenden Gebieten. Rathenow, Babenzien.
44 S. M. 1,00.
Kühnel, Die slavischen Orts- und Flurnamen
der Oberlausitz. Ges. u. erkl. [Aus „"Neues _
Lausitz. Mag."] L Heft. 53 S. Lpz., Köhler. I
M. 1,00. *
Celakowsky, Slovanske närodni pisne a zpevy
litefvske. " Wyd. IL Praga, Kober. S. 171
bis 502. Fl. 0,80. [Slavische und litauische
Volkslieder verglichen.]
3. Westslaven.
a) Zeitschriften.
Zbiör wiadomosci <Jo antropologii krajo-
Tvej. Wydawany staraniem komisyi antro-
pologicznej akademii umiejetnusci w Kra-
kowie. Tom XV. (Z. 5. tablicami rysunko-
wemi, 36 rysunkami w tekscie, dwiema
mapami i jedna tablica graficzna). Krakow.
Nakladem akademii umiejftnosci. 1891.
(3 Bl., 98 S., I Bl., 39 S., 1 BL, 282 S., 5Taf.,
IKart., iTab.):
I. Dzial archeologiczno - antropologiczny.
1. Ossowski, Sprawozdanie drugie zwycieczki
paleoetnologicznej po Galicyi w. r. 1890 (tablic
osobnych 5 i 36 rysuuköw w tekscie. 2. Ders.,
0 grobach niecialopalnych w Myszkowie (11
figur w teksie). IL Dzial Antropologii w
scislejszem znaczeuiu. l. Zakrzewski, Wzrost
w Krölestwie Polskiera. Przyczyuek do cha-
rakterystyki fizycznej Polaköw (z 2 mapkami
i 1 tablica graficzna III. Materyjaly etno-
logiczne. 1. Kopernicki, Gadki ludowe gö-
rali bieskidowych z okolic Rabki. 2. Mieczys-
law Dowojno - Sylwestrowicz , Wiado-
mosc 0 swieceniu luczywem w chatach wiejs-
kich na Litwie. 3. Kosinski, Niektöre
zabobony i przesady ludu polskiego z okolic
Makowa i Andrychowa. 4. Udziela, Lud
polski w powiecie Ropczyckim w Galicyi.
5. Ulanowska, Lotysze Inflant Polskich, a
w szczegölnosci z gminy Wieloi'iskiej powiatu
Ezezyckiego. Obraz etnograficzny.
Cesk^ Lid.
Vol. L 1891.
1. Tyrsova, La broderie nationale dans
l'exposition du royaume de Boheme (avec
4 flg.). — Bar tos, Les superstitions et cou-
tumes dans la vie rurale en Moravie. —
Koula, Sur le costume slovaque (avec 5 flg.).
— Hostinsky, Notre chanson populaire pro-
fane. — Hrase, Maison des prieres des
Freres bohemes ä Nachod (avec 1 fig.). —
Matiegka, Les tombeaux des squelettes aux
jambes repliees en Boheme (avec 2 tables).
— Vykoukal, La cuisine paysanne dans le
district de Cesky Brod. — Kostäl, L'ondin
dans la tradition Boheme. — Vavra, Les
nouvelles archeologiques (avec 1 fig.). Un
extrait du livrc des temoins ä Beroun. —
Pittnerovä, La vie dans les montagnes de
Zdär. Les anciennes coutumes dans les en-
virons de Domazlice. — I. Le bapteme. —
IL Les noces. — Cerny, Coup d'oeil sui- les
travaux de folk-lore des Serbes Lusaciens.
— Novacek, Rapport sur le bornagc des
charaps pres de Polepy (Boheme). — L'hocquet
dans la tradition populaire. — Revue des
livres. — Revue des journaux. — Biblio-
graphie. — Correspondance et nouvelles. —
Demandes et reponses.
h) Äusseres Leben.
de Zmlgrodski, Bibliogi-aphie du Folk-lore
en Pologne. (Rev trad. pop. 6".)
Über eine polnische Gesellschaft für Volks-
kunde üalizieus (Präsident: Kopernicki
[t 25. Sept. 1891] s. Am Urquell 2, 180.
Jelinek, Materialien zur Vorgeschichte und
Volkskunde Böhmens. I. (Mitteil. d. anthr.
Ges. in Wien XXP.)
Weltzel, Besiedeluug des nördlich der Oppa
gelegenen Landes, nach Urkunden und
amtlichen Aktenstücken bearbeitet. Teil IL
Leobschütz, Kolbe. 171 S. M. 1,00.
Kyacsala, Beiträge zur Geschichte der Slo-
vaken. (Ung. Revue 11, 840.)
Wiadomosci statystyczne o stosunkach kra-
jowych, wydane przez krajowe biure
Litteratur des Jahres 1891.
357
statystyczne, pod redakcja prof. dra T.Pilata.
T. XIU. Lwüw. 15'.) S. 4«. Fl. 2,00. [Be-
völkerungsstatistik von Galizien.]
Ossowski, Sprawozdanie drugio z wjcieczki
paleontologicznej pro Galicyi w. r. 1890.
(Odb. ze Zbioru wiad. do aiitrop. kraj.
Krakow 1891 ) 89 S. Fl. 1,50. [Rechen-
schaftsbericht über eine anthropol. Reise in
Galizien.]
de Zmigrodski, Le Folk-lore polouais. Cra-
covie et ses environs. IV. La Medicine.
(Tradition 5^)
Kolberg', Przemyskie Zarys etuograficzuy,
kosztem muzeum imienia Dzieduszyckich
w Lwowie z posmiertnych materijalöw wydal
Dr. J. Kopernicki Z protretem autora i
4 rycinami. Krakow. XX, 242 S.
Zakrzewski, Wzrost w Krolestwie Polskim.
Przyczynek do charakterystyki fizycznej
Polaköw. (La taille moyenne dans le
Royaume de Pologne.) (Zbiör wiadomosci
do Antr. Krak. IL S. [1—39]. Dass. auch
als Sep.-Abdr. Krakow. 39 S., 2 Kart.,
1 Taf.
Listy z öeskych dejin kulturnicL. Sapsal
Dr. Ccnek Zibrt. V Praze Jos. R. Vili-
mek. 123 S. 8". Dejiny kroje v zemich
ceskych az po välky Husitske. Sepsal Dr.
Cenek Zibrt. I. Svazek: Dola nejstarsi az
do polovice stoleti XI IL V Praze, Simacek.
132 S. IL Svazek: Rytirske odoni v zemich
ßeskych ve ctoleti XIII. a. XIV. S. 135 bis
274. [Blätter a. d. böhmischen Kulturgesch.
Gesch. d Tracht in den böJimischen Landen
bis zu den Hussitenkriegen. 1. Heft: Die
älteste Zeit. 2. Heft: Rittcrkleidung in den
böhmischen Landen im 13. und 14. Jahr-
hundert.]
Noyakovä, Kroj lidovy a närodni vysiväni na
Litomyslsku. Olomuniec. Fl. 0,80. [Kostüm-
kunde.]
Odrzywolski, Zabytki przemyslu artystycz-
nego w Polsce. Zesz. 2. Krakow. 6 tahl.
7—12) fol. Kröl. Fl. 1,20. [Denkmäler des
Kunsthandwerks in Polen.]
Ossowski, 0 ceramice domowej w okresie
grobow Kamiennych skrzynkowych. (Odb.
z. Wiadom. num.-arch.) Krakow 1891. 16 S.
4 °. Fl. 0,30. [Steinkastengräber.]
Sembrzycki, Auffindung der alten Burg Oneda.
(S.-A. Altpr. Monatsschr.) 6 S.
Luszczkiewicz, Przyczynek do historyi arclii-
tektury domu szlacheckiego w Polsce 16.
wieku. ['Wohnhaus des Polnischen Edel-
manns im 16. Jahi-hundert.'] (Denkschr. d.
Krakauer Akad. 16-18, 193.)
Luszczkiewicz, Restes d'une maison du style
renaissance ä Krosno, devant de l'annee
1525. (S.-A. Bull, de Facad. de sciences.)
Krakau. 78-80 S. 8".
Weger, Rybnikäistvi a rybäistvi na panstvi
Pardubickem. (Vyrocent zpräva c. k. vyssi
skoly reälni v Pardubicich zar. 1890.) Par-
dubice. 28 S. 8-. [Über die Fischer in
Pardubiz.J
c) Inneres Leben.
ß) Lebenssitte.
Krauss, Zwischen Narowa und Nienicn. Bal-
tische Erzählungen und Skizzen. Libau.
189 S.
(jloger, Pojjas w Slawopohi, z rysunkami.
Warszawi). 69 S.
Udziela, Lud polski w powiecie ropczyckim
w Galicyi. (Le peuple polonais dans le
district de Ropczyce, enGalicie. (Zbior wiad.
Antr. Krak. III, S. 53-180.)
Pamjatuaja knizka Plockoj gub. na 1891 g.
Plock. 20 S. 1 Ruh. 50 Koj). [Gedenkbuch
des Gouvernements P.]
Pamjatnaja knizka Ljublinskoj gul). no. 1^91
gol. Lublin. 496 S. 1 Rub. [Gedenkbuch d.
Gouv. L.]
Cerny, Luzicke obrazky. Praga. 155 S. FL 0,50.
[Lausitzer Bilder.]
Zeitschrift d. Vereins f. Volkskunde. ISya.
Karlowicz, Die Liebestaufc bei den Polen.
(Am Urquell II 1. 2 )
Schwela, Die 'grosse' wendische Hochzeit.
(Zeitschr. f. Volkskunde. H. 9-12.)
Ossowski, 0 grobach niecial opalnych w
Myszkowie. [Sepultures par inhumation ä
Myszköw] p. 89—98. (Zbior wiad. antr.
Krak.)
Gloger, Zabawy, gry, zagadki, z arty i
przypowicpci z ust ludi i ze starych ksiazek.
(Skarbczyk IL) Warszawa. 76 S. 12 Kop.
[Spiele, Fabeln und Erzählungen aus dem
Volksmunde.]
de Zniigrodzki, Les Mines et les Mineurs.
XIII. Coutumes, croyanccs et chansons des
mineurs polonais. (Rev. trad. pop. VI^)
24
358
Laue:
ß) Glaube und Aberglaube.
Liibicz, Sobötka. (Wigilja s-w. Jana Chrzci-
ciela dnia 23. czerwca. Obchod Sobötki.)
Kwestjonarjusz. (Odb. z. t. V. Wisly.) War-
szawa. 11 S. [Johaiinisfest in Polen.]
v.Zittwitz, Kastellanei und Kirche zu Ritschen,
Ki-eis Brieg. Ein Beitrag zur polnischen
Religions- und Kulturgeschichte. (Ausland
64, Nr. 46.)
Zil)rt Vincens, Listy z ceskych dcjin kultur-
nich. [Blätter zur böhmischen Kultur-
geschichte.] Prag, ViUmek. 123 S.
Weineck, Glaube und Brauch in der Um-
gegend von Lübben und Luckau. (Mitteil.
niederl. Ges. f. Anthr. 2, 133.)
Kranss, Böhmische Korallen aus der Götter-
welt. (Ausland 64, 1—3.)
Teige, Ruznocteni legend o ceskych svatych
z rukopisu ki-. dvorni a stätni knihovny
mnichovske. (Sitzungsber. der Böhm. Ges.
d. Wiss. zu Prag. Phil.-liist. Klasse. S. 51.)
Moser, Die Lut'chen, nach wendischen Sagen
mitgeteilt. (Leipz. Tagebl. 85, 228.)
Veckenstedt , Wendische Sagen der Nieder-
lausitz. (Zeitsclu-. f. Volksk. 3, 182, 215,
262.)
Zmorski, Ba?u o Sobotniej görze z podau
szlaskich. Warszawa 20 S. [Sagen vom
Zobtenberg in Schlesien]
Eosinski, Niektöre zabobony i przesady ludu
polskiego z okolic Makowa i Andrychowa.
[Quelques superstitions et prejuges du
peuple polonais des environs de Makow.]
(Zbidr wiadom. antr. kraj. III, 46.)
Euoop, Polnischer und deutscher Aberglaube
und Brauch aus der Provinz Posen. (Ztschr.
f. Volksk. III, 148.)
Böhmischer Jagdaberglaubeii. (Globus
59, 61.)
Majcwski, Bocian w mowie i pojeciach ludu
naszejo. Warszawa. [Der Storch in der Vor-
stellung des Volkes]
Totenfetisclie (Am Urquell II, 179.) [Juden-
knochen gegen Typhus in Rzeszow(Galizien).]
Udziela Marjaii, Medycyna i przesady lecz-
nicze ludu polskiego, przyczynek do etno-
grafji polskiej. (Bibl Wisly. VII.) War-
szawa. 288 S. 85 Kop. [Volksmedizin in
Polen.]
Kaindl, Bida [Das Unglück. In Galizien].
(Am Urquell II, 207.)
Siinicöw, Kolduny, vedvmy i upyri. Przewodnik
bibljograficzny. Charkow. 50 S. [betr.
Hexen].
y) Sprache.
Malinoivski, Studja nad ctymologja ludowa.
(Prace filologiczne III, 3 )
Matyäs, Slowniczek gwary ludu zamieszkuja-
cego wchodniopoludniowa najblizsza okolice
Nowego Sacza. Krakow. 17, 1 S. [Wörter-
buch der Volkssprache von N eu- Sande z]
(Sprawozdania kom. jez. 4.)
Sierakowski, Slowniczek gwary ludowej z
okolic Pinczowa. (Sprawozdania kom. jezy-
kowej Ak. Umiej. 4) Krakow. 6 S. [Dialekt
von Pinczow.]
Zloza, Zbior wyrazöw uzywanych w okolicach
Chocholowa. (Sprawozdania . . . 4 ) [Dialekt
von Chocholow.]
Botuicki, Slowniczek wyi-azow obcych i
wyrazen oraz zwroty i przyslowia cud-
zoziemskie uzywane w prasie peryodycznej
i w mowie potocznej polskiej. Zebral i ulo-
zyl . . . [Wörterbuch fremder Ausdrücke und
Ausdrucksweisen.] Berlin, Behr. 2 Bl.,
136 Sp. 8°. M. 1,20.
Zloza, Zbiör wyrazöw uzywauych w^ okolicach
Chocholowa. (Odb.) Krakow. 12 S. [Samml.
von Volksausdrückeu.]
Rzeszowski, Spis wyrazow ludowych z okolic
Zywca. (Sprawozdania ... 4.) [Mundart der
Umgegend von Saybusch.]
Matlakowski, Zbior wyrazöw dawnej ziemi
czerskiej. (ib. 4.) [Mundart der Landschaft
Czersk.]
Kosinski, Niektöre wlasciwosci mowy pisarzo-
wickiej (ib. IV, 1—85). [Einige Eigen-
tümlichkeiten der Mundart von Pisarzo-
wice.]
Berka, Slownik kaszubski poröwnawczy.
(Prace filologiczne III, 3.) [Kassubisches
Wörterbuch.]
Pribik Jau, 0 parataxi a hypotaxi v prosto-
närodnich pohädkach a o slohu jejich.
Karlin 1890.
Tomanek, Über den Einfluss des Cechischen
auf die deutsche Umgangssprache in
Österreichisch-Schlesien, bes. von Troppau
und Umgebung. Progr. Troppau. 39 S.
Dembowski, Verzeichnis von Wörtern und
Redensarten, die in der Tatragegend üblich
sind, als Ergänzung früherer Sammlungen:
Spis wyrazow wyrazen uzywanych na Pa-
dhalu, jako uzupelnienie poprzednich. zbio-
row. (Sprawozdania ... 4.)
Evacsala, Beiträge zur Geschichte der slo-
vakischen Sprache. (Ungar. Revue 11.'-)
Kühuel, Die slavischen Orts- und Fluinameu
Litteratnr des Jahres 1891.
859
der Oberlausitz. II. (Neues Lausitz. Mag.
67, 43.) [Forts zu Th. 1 (ib. 66.)]
Woisker, Slavische Sprachreste, insbeson-
dere Ortsnamen aus dem Havellande und
den angrenzenden Gebieten. Rathenow,
Babenzien. IV, 44 S. — M. 1,00.
Knothe, Zur Orthograi^hie deutscher, wie
wendischer Ortsnamen. (Leipz. Zg. ^- No. 9.)
J. Poesie.
Erbrich, Straduna, Polnische Volkslieder der
Oberschlesier. Breslau, Max & Co. XIV,
98 S.
Suesser, Szkice z literatury zargonowej. II.
Piesni ludowe Lwöw 1891. 11 S. [Jargon-
Utteratur, Volkslieder ]
Kranss, Die Prinzessin von England. Eine
Volksballade der Slovaken. (Am Urquell
ILO
Kopernicki, Gadki ludowe görali beskido-
wych z okolic Rabki. [Recits populaires
des montagnards des Beskides, aux envi-
rons de Rabka] (Zbiör wiadomösci Ant.
kraj. III, 1—43.)
Skrzynska, Kobieta w piesni ludowej. (Bibljo-
teka Wisly, VIII.) Warszawa. 100 S. 40 Kop.
[Die Frau im Volksliede.]
Kasprowicz, Swiat sie könczy, dramat z zycia
ludu wielkopolskiego w 5- iu odslonach.
Nakladem autora. Lwöw. 126 S. 60 Kop.
[Volksdrama.]
Kraus, Das böhmische Puppenspiel vom
Doktor Faust. Abhandl. u. Übers. Breslau,
. Koebuer. VI, 169 S.
4. Ostslaven
Die russische Zeitschrift für Volkskunde
ist:
Xiraja starina. Periodiceskoizdanie. St.Peters
bürg. III. Heft. 268 S. Lex. 8°.
a) Äusseres Leben.
Die Bevölkerung des russischen Reiches.
[Deutsche Rundschau f. Geogr. u Stat. 13,
372.)
Russia: its people and government. (Qua-
terly Review. January.)
Zbanköw, Babja storona. Statistiko - etno-
graficeskij ocerk. Kostroma. 1 Rub. [Be-
schreibung Russlands.]
Wladimirski Budanöw, Naselenie jugoza-
padnoj Rossii ot poloving XV v. do Ljub-
linskoj Unii. Kijow. [l)ie Besiedelung des
sw. Russlands.]
Turczynski, Straszna druzyna, obraz Hu-
culszczyzuy z przeszlego stule cia. Krakow.
157 S. 8". [Ein ruthenisches Karpaten-
Vülk.]
Perejaslavl Zaljesskij. Materialy dlja istorij
Danilova monastyra i naselenija gorola XVII
stoljetija. Moskwa. HO S. 4". [Die Be-
siedelung des russischen Klostergebiets
Danilow.]
Lewicki, Ocerki starinnago byta Volyni i
Ukrajny. Zesz. IL (2. Materi prestupnicy.
3. Prevelebnyi svat.) Kijow. 32 S. [Früheres
Leben in Wolynien.]
Stariköw, Istoriko-statistiöeskij oöerk oren-
burgskago kazaö'jago vojska, s prilü?.eniem
stati 0 domasnem byte orcnburgskicli ka-
zakov, risunkov so znamen i karty. Oren-
burg. 2 Rub. [Kosaken in der Umgegend
von Orenburg.]
Martynöw , Donskoe dvorianstvo i zaselenie
ih semel krestjauami. (Szkic historyczny)
Peterburg. 15 S. (Odbitotylko 35 egzempl.)
[Die Besiedelung am Don.]
Louder, Volzskij sputnik. Z mapa. Wyd. IL
Peterzburg. . VI, 276 S. 75 Kop. [Wolga-
führer.]
Kirpicznikow, K voprosu o drevne-russkih
skomorohah. Peterzburg. 22 S.
Astyrew, Na taeznych progalinach. Oöerk
zyzny nasidenija vostoönoj Sibiri. Moskwa.
458 S. 1 rub., 75 Kop. [Über die Besiede-
lung Ostsibü'iens ]
Materialy dlja izuöenija ekonsmiöeskago byta
gosudarstveunych krestjan i inorodcev za
paduoj Sibiri XII, 2. Peterburg. 406 S.
[Besiedelung Westsibiriens.]
JadrincÖTV, Sibirskie inorodcy ih byt i sovre-
mennoe polozenie. Etnografiöeskija i sta-
tisticeskija izsledovanija. Peterburg. 308 S.
Rub, 2,00. [Über die Lage der Ansiedler
in Sibirien.]
Staelir, Über Ursprung, Geschichte, Wesen
und Bedeutung des russischen Arteis. Ein
Beitrag zur Cultur- und Wirtschafts-
geschichte des russischen Volkes. IL Ge
schichte. (211 S.) Ing.-Diss. Dorpat.
24*
L
360
Laue:
Tarnowska, Vorovki. Antropologiöeskoe
izsljedovanie. Peterburg. 79 S. [Athrop.
Untersuchungen.]
Iwauowsky, Über die pathologisch-anato-
mischen Erscheinungen bei einer in Chan-
kow endemischen Krankheit. (Festschr.
Eudolf Virchow gewidmet III, 235.)
Zapiski Imp. russkago geogr. obscestva po
otdeleniju etnografii. T. XX. Smolenskij
etnograiiöeskij sbornik. Ulozyl. Dobro-
wolski Cz. I. Peterburg. XXVII, 716 S.
[Ethnographische Sammlung betr. Smo-
lensk ]
PnteTOditel po muzeju Tmp akademii nauk
po antropologii i etnografii. Peterburg.
IV, 70 S. 30 Kop. [Führer durciis Mu-
seum.]
Sbornik snimkov s prednietov drevuüsti,
nachodjascichsja v Kievje v castnjch ru-
kach Kiew. 31 S. 4». " 1'2 Taf. [Archäo-
logische Gegenstände von Kiew.]
b) Inneres Leben,
a) Sitte und Recht.
Kovalevsky, Modern Customs and Ancient
Laws of Russia, being the Ilchester Lectu-
res for 1989—90. London, Nutt
Tenze, Certy nravov iz russkago byta v.
XVII V. Kazan 1891. 20 Kop. [Russisches
Leben im 17. Jahrhundert.]
Böhling', Aus nordrussischen Dörfern. Er-
lebtes und Studirtes Minden, Köhler.
M. 1,00.
Bucetic, Istoriceskie ocerki goroda Saratov
i ego okrugi. sostavlennye A. J. Sachma-
tovym. Heft 1. Saratov. XI, 205, 15 S.
[Stadt Saratov.]
Volkov, Rites et usages nuptiaux en Ukraine.
(L'Anthropologie II, 408.)
Kupczanko, Hochzeitsgebräuche der Weiss-
russen. (Am Urquell II, 137, IBl.)
Panijatnaja, knizka Sedleckoj gub. na 1891
god. [Siedice 1891, w oddziale II, str. 23
bis 346, zamiescila p. Janczuka-Wesele
maloruskie w paraijiKornickiej ...] (Gedenk-
buch des Gouvernements S ) [enthält einen
Aufsatz über eine kleinrussische Hochzeit.]
Gurwitsch, Kriminalistische Gedanken und
Anschauungen in den Sprichwörtern des
russischen Volkes. (Mittel-Russland.) Mit-
geteilt von Veckenstedt (Zeitschr. f,
Volksk. III 343, 382.)
Nelidowa, Dobraja i zlaja zena po narodnym
kartinkam, zakljucajuscimsja v izvestnom
izdanii senatora Rovinskago. Soobscenie,
sdelannoe v ocerednom zasedenii obscestva
arheologii, etnografii i istorii Il-go aprelja
1891. Kazan. [Die gute und die schlechte
Frau nach Volksdarstellungen.]
ß) Glaube und Aberglaube.
Ostpreussische Lippowaner. (Globus 60,
334.)
SapoznikÖTV, Samosozzenie v russkom ras-
kolje. Moskwa 1891. 170 S. 1 Rub.
50 Kop.
Lozinski, La madone de Busowiska. Moeurs
houtsoules Adaption par M me Marguerite
Poradowska. (Revue de deux mondes,
S. 8^)— 130). [Houtsoulen- Ruthenen in den
Karpathen.]
Gars/yn, Syhnal albo razkaz ab toni, jak
dabro peremahlo zlo u czalawieka. Pere-
lozeno, z malymi pereraienami z razkaza
wsewoloda Garszyna. Moskwa. 32 S.
[Macht des Guten über den Teufel.]
V. Stenin, Vorstellung des russischen Volkes
vom Tode. (Globus .50, 286.)
Kosinski, Niektöre zabobony i przesady ludu
polskiego z okolic Makowa i Andrychowa
(Odb ze Zbioru wiad. do antr kraj.) 7 S.
[Volksaberglaube.]
SumcÖT>', Koldung, vjedmy i upyri. Char-
kow. 50 S [Spukgeister]
Zagoskin, Vraci i vracebnoe djelo v starinnoj
Rossij. Kazan 72 S. 50 Kop. [Ärzte im
alten Rnssland.]
Kupczanko, Volksmedizin. Krankeitsbeschwö-
rungen bei russischen Bauern in der Buko-
wina. (Am Urquell II, 1 — 4.)
Jaszczurzynski , 0 prevrascenijah v malo-
russkih skazkah. Kijöw. 32 S.
Zleglen, Ali Baba i 40 rozböjniköw opra-
cowal po cze.sci wedlug niemieckiego orygi-
nalu, a po czesci wedlug podai'i ludowych
Z. Z. Warszawa. 45 S. 15 Kop. [Märchen.]
y) Sprache.
Sokolöw, Russkija imena i prozwisöa v XIII
veke, Kazan. 16 S. 10 Kop. [Namen im
im 18. Jh.]
Slovar' russkago jazyka sostavlennyi vtorym
otdeleniem Imper. Akafl. Nauk. Vypusk.
[Wörterbuch 'der russischen Sprache zu-
Litteratur des Jahres 1891.
361
sammengestellt v. d. 2. Section d. Kais.
Ak. d. Wiss. Ug. 1.] S. -Peterburg. 4".
Lief. 1.
J) Poesie.
Lederle, Solovusko, sbornik russkih hudo-
zcstvennyh i narodnyh pesen. Z rysunkami
M. Klodta. Peterburg. 80 Kop. Wydruko-
wano w nim 44 picsni ludowe wielko-
rossyiskie. [Sammlung russischer Volks-
dichtungen.]
Balakirew, Sbornik russkich naroduech pesen.
Peterburg. 9 S. 3 Eub. [Sammlung russi-
scher Volkslieder.]
Sorokin, Svadby i svadebnyja pesni u malo-
russov i velikorossov m. Dmitrovki Aleksan-
dryjskago uezda Hersonskoj gub. Kiiow.
54 S. [Gross- und kleinrussische Lieder]
Lisowskl, Opyt izucenija malorusskih dum.
Poltawa \>dO. 58 S [Kleinrussische Volks-
lieder.]
Lyseiiko, Zltirnyk ukrainskych pisen. Zesz. I.
Kijow. ^>.'i S. i". I Ukrainische Lieder.]
Gerber, Great Eussian Aninial Tales. — A
CoUection of Fifty Tales, with an Intro-
duction, a Synopsis of the Adventures and
Motives, a Discussion of the same, and an
Appendix. Baltimore. Published by the
Modern Language Association of America
XII, 112 S
Tichonrawöw , Piat bylin po rukopisiam
XVIII veka. Moskwa. [Volkserzählungen
des 18. Jhs.J
Gizowski, Jelena, rzecz osnuta natle stosun-
kow ludowych na Bukowinie. Lwöw. 144 S.
Fl. 0,60. [Die Volkszustände in der Buko-
wina schildernde Erzählung.]
Vorobeva, 0 dvuchsotlety komedijnago dela
V Rossii. (Russkij Archiv 3, 570.)
Kauf man, o Russkow teatr v Sevepozapadnom
krae. (Russkij Archiv 3, 448.)
*) Musik.
Schneider, Pflege der Musik in Russland.
(Unsere Zeit, 5. Heft.)
Fauiincyu , Domra i srodnye ej muzykalnye
instrumenty russkago naroda: Balalajka,
kolza, bandura, torban, gitara. Istoriöeskij
ocerk s mnogoc isleunymi risunkami i
notnymi primerami. Peterburg 1891. 3, III,
128, 14 S. 4". [Volksmusikinstrumente.]
5. Südslaven.
Zeitschriften für Volkskunde:
1. Bulgariens: Sbornik za narodni
umotvorenij a, nauka i Knniznina. Sofija
1891. IV. Bd. 4". 909 8. mit mehreren Ton-
farbendruckbildem. [Sammelwerk für Erzeug-
nisse des Volksgeistes, für wissenschaftliche
und schöngeistige Litteratur, hrsg v. Mini-
sterium für Volksaufklärung.j
Ausserdem für bulgarische Volkslitteratur:
Periodiöesko spisanie na blgarskoto
knizovno druzestvo v. Srjedec. Pod redakci-
jata na V. D. Stojanova. God osma. kn.
XXXVII i XXXVlil. Srjedec. 1891. 342 S.
gr. 8", [Zeitschr. d. bulgar. litterar. Gesell
Schaft.]
2. Serbiens: Letopis matice srpske.
[Jahrbuch d. serbischen Muttervereins.] I.Heft.
Neusatz 1891. 130 S.
a) Äusseres Leben.
Jireöek, Das Pürsteuthum Bulgarien. Seine
Bodengestaltung, Natur, Bevölkerung, wirt-
schaftliche Zustände , geistige Kultur . . .
Mit 42 Abb. und 1 Karte. Prag, Tempsky.
XVI, 573 S. — M. 14,00.
Irecek, Etnograficeski promencnija v bul-
garija ot osnovanieto na knjazestvoto.
(Sbornik za narodni . . . Nauöen otdel 5, 500.)
[Ethnographische Veränderungen seit Ent-
stehung des Fürstenthums.]
Z., Zwei Sandzake [Bezirke]. (Periodiöesko
spisanie XXXVl, XXXVll und XXXVIIl.)
Eaindi, Ethnographie und Folklore der Buko-
vina. fRom Forsch. 7, 18G.)
— , Die Besiedelung der Bukovina. (Mitt. d.
k. k. geogr. Ges. Wien. Nr. 7.)
Berghaus, Die „Zadi-ugen" in Bulgarien. (Mit
Abb.) (Aus allen Weltteilen 2, 10.)
Lay , Kulturhistorisch-ethnographischer Atlas
d. König!-. Serbien. Wien, Gerold. 4°.
Weigand , Vlacho - Megleu. Eine ethno-
graphisch-philologische Untersuchung. [Er-
forschung der Sprache und Ethnographie
der Zinzaren (Makedo- Romanen), dabei in
362
Laue:
Makedonien Walachenenklave gefunden.] 1 Trinkgefässe , in Bosnien vmd im Herzögi-
4 Lichtdrucke. 8°. M. 3,00.
Glück, Ergebnisse der Körpermessungen von
140 bosniscli-herzögisclien Soldaten. (Glas-
nik zemaljskog muzeja u Bosni i Hercego-
vini 1891, 2. 3.)
Krawss, Das Tättovieren bei den Südslaven.
Mit Abb. (Globus 59, 72.)
sehen. (Am Urquell II. 2.)
T. Grienberger, Bosnische Holzthüreu. (Kunst-
gewerbeblatt, Juni.)
Peez, Mostar und sein Kulturkreis. Ein
Städtebild aus der Herzegovina. Leipzig,
Brockhaus. VIIT, 245 S., 1 Bl. — M. 4,00.
b) Inneres Leben.
Tichöw , Materialy dlja istorii razvitija
slavjanskago zilisöa. Bolgarskij dorn i
otnosjascijasja k nemu postrojki po daunym
jazyka i narodnyh pesen. Kazan. 52 S.
[Geschichte und Entwickelung des slavi-
schen Lebens. Bulgarisches Haus . . .]
TulkuTanija na prirodni javlenija razni
narodnija vervanija prokobjavanija. (Sbor-
nik za narodni umot. 5. Narodni umotvo-
renija S. 109 — 218.) [Bulgarische Volks-
gebräuche.]
Sprache, Sitten, Gebräuche und Volksglaube.
(Periodicesko spisanie XXXVII, 243—263.)
F. S. K., Frauenkauf bei den Südslaven. (Am
ürqueU 2, 136.)
Vid Viiletic Vukasovic, Narodni obicaji na
otoku Korculi. I. Moreska. IL Debeli Kraj.
[Volksbrauch auf der Insel Curzola.]
Agram 1891.
Kranss, Liebeszauber in Bosnien. (Ausland 64,
Nr. 52.)
Das Alpdrücken. [In Bosnien und im Herzog-
land.] (Am Urquell II, 6.)
Delle, Zauberglaube. (Glasnik zemaljskog
muzega u Bosni i Hercegovini 1891 ^.)
F. S. K., Der Eid im Volksleben. Aus Monte-
negro und dem Herzögischen. (Am Urquell
n, 142.)
Kaindl , Baba Jaudocha-Dokia. Volksglaube
aus der Bukowina, (ib. 150.)
Zorko, Volksglaube. (Glasnik . . . 1891 2.)
Ealina, Studyja nad liistoryja jazyka bul-
garskiego. Czesc IL [Studien zur Geschichte
der bulgarischen Sprache.] (Rozprawy Aka-
demii Umiejltnösci. Wydzial filolog. 1891,
396—592.)
Masing, Zur sprachlichen Beurteilung der
macedonischen Slaven. 1. Vertretung von
tj diu-ch dj. Ing.-Diss Dorpat. 4". III,
106 S.
Oblak, Das älteste datierte slovenische Sprach-
denkmal. (Arch. f. slav. Phil. 14, 2.)
Bulgarski narodni pesni sobrani od bratja
Miladinovci Dimitrija i Konstan-
tina i izdani od Konstantina, v Zagreb na
1861 godina. Vtoro izdanic ot Mitra, sjn'uga
na D. Miladinov. [Bulgarische Volks-
lieder] Sofija, Liberalnij Klub. XIII S., 1 Bl.,
548 S.
Pesni periodiceski i religiozni. (Sbornik za
narodni ... 5. Narodni umotvorenija. (S.3 —
103) [bulgarisch.]
Guslaren und Reigenlieder. (Periodicesko
spisanie ... 37, 294.)
Millien, Chants populaires de la Grece, de
la Serbie et du Montenegro. Paris, Lamerre.
III, 175 S. |in französischen Versen.]
Ivanov, NoToselo im Vidiner Kreise. (Perio-
dicesko spisanie . . . 06.)
Kosla Risticz i Wasa Loncarski, Srpske
narodne pripovetke. Skupili po Banatu . . .
Novry sad. 92 S. [Serbische Sprichwörter.]
Vrcevics , Südslavische Volkserzählungen.
(Globus 59, 252.)
Krauss und Dragißevic, Die Menschwerdung
des heiligen Panteleimon. Ein Guslaren-
lied der Altgläubigen in Bosnien. (Am Ur-
quell II, 1.)
YIII. Fennotataren.
1. Allgemeines und verschiedene Völker.
Hansen, Über Einwanderungen in Skandi-
navien. (Det Norske Geografiske Selskabs
Arbog. IL)
Retzius, Das Gehirn eines Lappländers. (Int.
Beitr. z. wissensch. Med. Festschr. Rud.
Virchow gewidmet I, 41.)
Haläsz, Sved-lapp nyelv. IV. Deli-lapp szötar.
[Die schwedisch-lappische Sprache. IV. Süd-
Litteratur des Jahres 1891.
363
lappisches Wörterbuch.] Budapest, Akade-
mie. 264 S.
Schwanenflügel, Kalevala, Finnernes Natio-
nal-Epos. En kulturhistorisk Skitse. Kopenh.
Hast. G2 S. Kr. 2,00.
Die Kalewala vom ästhetischen Standpunkte
betrachtet. (Jul. Krohns finnische Litteratur-
geschichte I, 1.) Übers, von 0. P. (Z. f.
Volkskunde III ^-iS-)
Heilige Haine der Finnen. (Globus 59, 350.)
Alcenins, Hatte Schweden eine finnische Ur-
bevölkerung? (Geografiska Föreningens Tid-
skrift III'*.)
Karsikot. Die entästeten Bäume in Finnland.
(Globus 59, 313.)
Varonen, Suomen kansan muinaisia taikoja.
I. Metsästys taikoja. Helsingfors. 243 S.
[Jagdabenteuer.]
Reuter, Finlands natiu-, folk och kultui*. En
öfverblick. Stockholm, Fritze. 173 S. Kr. 2,75.
Gurt, Sammlung von Materialien zur Kenntnis
esthnischer Volkssagen, [russ.] (Zapiski imp.
Ak. nauk 64, 13S-137.)
Pinegin, Svadebnyja obyöai kazanskik tatar.
Kazan. 20 S. [Hochzeitsbräuche d. Tataren.]
Tronöw, Materialy po antropologii i etno-
logii Kirgiz. Peterburg. 42 S.
Dingelstedt, Le regime patriarcal et le droit
coutumier des Kirghiz d'apres Tetudc entre-
prise sous les auspices du gouvernement
russe par le general Grodekoft. XLXI, 96 S.
Lausanne, Duvoisin. — Fr. 3,00.
Michaijlow, Obrjady i obycai Cuvas. Peter-
burg. 42 S. [Gebräuche und Sitten der
Tschuvassen.]
2. IMagyaren.
Die ungarische Zeitschrift für Volkskunde ist :
[früher „Ethnologische Mitt. aus Ungarn".]
Anzeiger der Gesellschaft für Völkerkuude
üngarus. Ptedigiert Anton Hermann und
Ludwig Katona 1. Jahrg., 1 H. 1891. -
Anderer Titel: Ethnographia A Magyar
örszagi Neprajzi Tärsasag Ertesitöje Szer-
kestik. Herr mann Antal et Katona Lajos.
Megjelenik augusztust es szeptembert Kiveve
mindeu hönap elyen. Budapest. A Magya-
rorszägi Neprajzi Tärsasag Kiadäsa. 1, 1. Ja-
nuar 1891: Mitteilungen der Eedaktion. —
Leland: Aus dem Begrüssuugsschreiben
an die Gesellschaft. — Kälmäny, Kos-
mogonische Spuren in der magyarischen
Volksüberlieferung. — Rethy, Die Arme-
nier in Ungarn. — Marlene sc u, Baba
Dokia. — Czambel, Ziu- Kritik der Edi-
tionen slovakischer Volksdichtungen. —
Strausz, Fremd zu Hause. (Aus Ungarn
ausgewanderte Bulgaren.)
Keleti, Vorläufige Ergebnisse der Volkszäh-
lung 1890. (Ung. Revue 11, 282.)
Volkszählnug und Magyarisierung in Ungarn.
(Globus 60. 112)
Mocsäry, Über die Nationalitätsfragc. (Ro-
maen. Forsch. 7, 26.)
Lakits, Die Landnahme der Ungarn und die
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Vämbery, Ein ungarischer Volksstamm, (ib.
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Kulturhist. und polit. Skizzen. Hamburg,
Verl.- u. Dr.-A.-Ges. 70 S. -- H. 1881/82 der
deutschen Zeit und Streitfragen.
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f. rom. Phil. 15. 1. 2.)
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Siebenbüi'gen. Hamburg, Verlagsanstalt.
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(Kunstgewerbeblatt. NF. 2, 25, 47.)
ßallagi, Budapest vor ITO Jahren. (Ung.
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zustände im 'Arväer Comitat. (Ung. Rev,
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Magyarische Kultur und Litteratur. (Romaen.
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Ballagi, Eheschlies^ungen in Ungarn im
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dem Kalotaszeger Bezirk.) (Am Urquell IF.)
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Benedek, Az erdelyi reszek helysegnevtära.
A legüjabb közigazgatäsi . . . beosztäs
szerint közkivatalok es magänosok haszndla-
tära összeällitotta, Kolozsvar, Stein. [Der
siebenbürgischen Landesteile Ortsnamens-
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364
Laue :
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365
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Saitscliik, Beih-äge zur Gesch. d. rechtlichen
SteHung der Jiiden, naraeütlich im Gehiete
des heutigen Österreicli-Ungarn vom K». his
16. Jahrh. Frankfurt, Kauftmaun. 50 S. —
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(Zombor es Videke 1891. No. 38 [nach
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Lelaud , Gypsy sorcery and fortune telling.
Illustrated by numerous incantations, spe-
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(Ethnolog. Mitth. aus Ungarn II, 2—5.)
Gipsy eharms, (Notes and Queries, 23. Mai.)
Märchen in Saxo Grammaticus.
Von Axel Olrik.
3. Die Königstocliter im Hiigel.
Saxo, VII. Buch, S. 351 — 52: Ein wilder schwedischer Seeräuber,
namens (lunnar, landet im Jather (Jedder) an der Südküste Norwegens
und verheert das Land entsetzlich. Der alte norwegische König Regnald
zieht ffegren ihn, zuvor aber lässt er eine unterirdische Höhle einrichten
und verbirgt da seine einzige Tochter Drott nebst Dienern und Speise für
lange Zeit, und versteckt hier auch seine zwei trefflichen Schwerter.
Gunnar erschlägt den König Regnald und giebt zum Spott den Norwegern
einen Hund zum König; dann sucht er überall nach der Prinzessin; end-
lich hört er einmal Menschenstimmen unter der Erde, er lässt graben und
findet die Höhle; die Diener werden erschlagen und die Königstochter und
der Schatz weggebracht; nur die Schwerter hat sie also versteckt, dass
er sie nicht findet. Sie wird gezwungen, sein Weib zu werden und gebiert
ihm einen Sohn Hildeger.
So lautet die Sage bei Saxo, der Anfang seiner Hildebrandsage. Auch
die isländische Fassung derselben Sage, die Asmundar saga kappabana,
kennt die Königstochter (in der Prosa Hildr genannt, aber Drott in einer
Strophe), sowie die Geburt ihrer zwei Söhne von verschiedenen Vätern,
und die Verbergung der zwei Schwerter des Königs Regnald, welche
seinen Enkeln verhängnisvoll werden. Die unter der Erde eingerichtete
Höhle kommt jedoch hier nicht vor; wir treffen sie aber in nordischen
Märchen und Volkssagen.
Eine dänische Volkssage erzählt: Ein König auf Fühnen hatte drei
schöne Töchter; drei wilde Kämpen warben um sie, wurden aber ab-
gewiesen. Sie drohten sich zu rächen. Daher machte der König in einem
Hügel eine Grube und setzte seine drei Töchter hinein mit Speise für lange
Zeit. Die Kämpen kamen wieder, erschlugen den alten König und suchten
überall nach den Jungfrauen; endlich wurden sie durch das Bellen eines
kleinen Hundes, den sie bei sich hatten, entdeckt, und die Kämpen gruben.
Als aber die jüngste Königstochter die Männer erblickte, erstach sie sich
selbst mit einem Messer, und so thaten auch ihre Schwestern. Noch heute
hört man, wie die Kämpen als Gespenster über den Hügel wegfahren und
Zeitschrift d. Vereins f. Volkskunde. lö'Jl'. 25
368 . Olrik:
an einer Südseite sieht man drei kleine Lichter; auch den Hügel des
Königs zeigt man am Meeresufer und die kleineren Hügel seiner Mannen
ringsum^).
Ein weit verbreitetes dänisches Märchen beginnt folgendermassen :
Der „Hyldekong" wirbt um des „Yindekongs" Tochter (oder der Englands-
könig um des Dänenkönigs Tochter), bekommt aber einen Korb und
droht mit Krieg. Der König verbirgt in eine im Hügel ausgegrabene
Stube die Tochter mit ihren Dienerinnen, ihrem Hund und genügender
Speise für sieben Jahre ^). Sieben Jahre lang sitzt die Königstochter im
Hügel (gewöhnlich sterben dann die Dienerinnen vor Hunger), dann gräbt
sie sich heraus und kommt unkenntlich zu dem Schlosse ihres Vaters, wo
ihr alter Liebhaber, der aufgegeben hat, sie zu finden, ein anderes Mädchen
heiraten soll. Das folgende Hauptstück des Märchens, wie sie seine Braut
wird, geht uns in dieser Verbindung nicht an.
Dieses Märchen ist in Dänemark sehr verbreitet^) und kommt auch
in Schweden vor*); in Norwegen ist es bezeugt^) und im isländischen
Volksmärchen von Festram und Isol erkennen wir trotz neuerer Ändernngen
die „Königstochter im Hügel" wieder'). Südlicher als in Dithmarschen
(MüllenhofP No. 5 =- Grimm No. 198) kommt — meines Wissens — dieses
Märchen (Begräbnis im Erdhügel und die alte Braut in der Kleidung der
neuen) nicht vor; es scheint original nordisch zu sein.
Ein dänisches Volkslied mag noch erwähnt werden, „König Göreis
Tochter"''): Der König lässt seine Tochter mit ihrer Bedienung in eine
unterirdische V^ohnung im V^alde bringen, damit kein Jüngling sie ver-
führe; ein Knecht verrät es aber dem Grafen Henrik, und diesem gelingt
es, als Mädchen verkleidet, in ihren „^A^aldsaa^' zu kommen. Dieses Lied,
eine Umdichtung des alten dänischen Heldenliedes von Hagbard und Signa,
ist ohne Zweifel jünger als die Geschichte Saxos, und interessiert uns nur
als ein Zeugnis, wie sich das Hügelmotiv von einer Dichtung zur anderen
verbreitete.
Unter den drei andern Sagen ist die Erzählung Saxos die am frühesten
niedergeschriebene, aber sie kann nicht die Urform des Erdhügelmotivs
1) Thiele, Daum, folkesagn I 9, und vollständiger Welcker, Zoegas Leben I 211.
2) Zwei Varianten sagen nur: ein König, oder ein Edelmann, ehe er in den Krieg
zog, verbarg in einem Hügel seine drei Töchter. Die Zahl der Dienerinnen ist bald eine,
bald zwei, oder sieben.
3) S. Grundtvig, Gamle danske minder II No. 5 und 308; Molbech, Eveutyr 1. 88;
Berntsen, D. folkeseventyr I No. 23; Kamp, D. folkeseventyr I No. 3; Kristensen, Jyske
folkeminder V No. H— 9; Kristensen, Folke?eventyr af folkemindesamf. No. 37; Kristensen,
Skattegraveren IX 185, 566; und noch vier ungedruckte Varianten (S. Grundtvig 48).
4) Cavallius och Stephens, Sv. folksagor No. 16.
5) N. M. Petersen, Den danske literaturs historie V, 1 S. ^ 134.
6) Arnason, Islenzkir Iijodsögur II 315 — 26. Ähnliche Umgestaltungen bisweilen
auch in Schweden.
7) Syv. No. 11; Abrahamson No. 175; Grimm, Altdän. Heldenlieder No. 10.
Märchen iu Saxo Grammaticus. 369
sein. Denn wo dies entstanden ist, muss es für die ganze Erzählung etwas
zu bedeuten haben; in Saxo hat es gar keine Bedeutung: er endet damit,
dass Gunnar sich der Königstochter durch Gewalt bemächtigt, — was er
auch ohne dieses Motiv gethan hätte! Das Hügelbegräbnis ist also kein
Motiv der Handlung, sondern nur ein Motiv der Ausschmückung; der-
gleichen Staffierung findet sich mehrmals in derselben Sage; der Hund-
könig in Norwegen ist eine solche, eine andere ist die Schilderung eines
Wiking Eetho, „er band bisweilen den rechten Fnss eines Mannes an die
Erde und den linken an einen niedergebogenen Baum fest und Hess ihn
so zerreissen." Hier sehen wir Entlehnung aus der wohlbekannten klassi-
schen Sage von Theseus und Sinis zur Ausschmückung verwendet.
In der dänischen Volkssage und dem nordischen Märchen ist die
Bedeutung des Begräbnisses viel grösser. Ohne dieses existierte die Yolks-
sage überhaupt nicht, während das Märchen durch den Verlust desselben
nur modificiert würde. Das Märchen kann auch aus entscheidendem Grunde
nicht seine Quelle sein, denn die Märchendichtung muss es aus einer
Wirklichkeits -Vorstellung geholt haben. Wenn nun das Märchen nordisch
ist, ist die Wirklichkeit wahrscheinlich auch nordisch; und dann liegt es
auch nahe, sie in den grossen Grabhügeln Dänemarks aus dem Steinalter
zu suchen. Die Bedeutung dieser Steinstuben in Erdhügeln als Motiv
dänischer Volkssagen habe ich schon anderswo hervorgezogen (Dania I
244), und es darf uns nicht Wunder nehmen, dass auf den ebenen Feldern
Dänemarks diese Steinmonumente die Aufmerksamkeit erregten und zur
Erklärung durch Volkssagen einluden. Ein solcher Erklärungsversuch ist
die Sage von den drei verborgenen Königstöchtern. Dass diese Sage
primitiv und nicht ein Reflex höherer Dichtung sei, ist mir wahrschein-
lich, auch weil die drei von Räubern verfolgten Jungfrauen ein Volkssagen-
motiv sind; die höhere Dichtung, Märchen oder Lied, wird immer eine
einzelne Person hervorheben, und so thut auch unser Märchen^). Ein
anderes Kennzeichen ist, dass der Hund im Hügel (welcher in der Volks-
sage seine Herrin verrät) auch in einem grossen Teil der Märchenaufzeich-
nungen wiedergefunden wird, ohne jedoch so bedeutend zu sein; das Märchen
hat hier eine Einzelheit festgehalten, die Bedeutung aber nicht.
Saxos Sage von Drott im Hügel scheint beim ersten Anblick der
Volkssage entlehnt; denn aucli hier treffen wir den Angriff des wilden
Räubers und schliesslich die Entdeckung der Königstocher; der Umstand,
dass Gunnar ihre Stimme im Hügel hört, könnte dem Bellen des Hundes
entsprechen. So gewiss scheint mir die Sache doch nicht : nur eine Königs-
tochter mit ihrer Dienerschaft entspricht viel genauer dem Märchen; und
dass die eigene Stimme sie verrät, ist ein weit schwächeres Motiv als das
1) Wenn zwei dänische Märchenvarianten drei Töchter nennen, muss das aus der
Volkssagc entlehnt sein.
25"
370 ^1"^^ =
Bellen des Hundes, welches die Drottsage, wenn sie es gekannt, wohl auch
verwendet hätte. Der Zusammenhang ist dann
Yolkssage
Märchen Saxo
oder wahrscheinlicher
Volkssage — Märchen — Saxo.
4. Jugend des Königs Jarmunrik.
Nur der letzte Teil des Lebens Jarmunriks (Ermanrichs) entspricht
den Eddaliedern von Jormunrekr, und nur ein paar Züge, die Ermordung
seiner Neffen und der Ermanriksschatz , finden sich in deutschen Quellen
wieder. Seine ganze Jugendgeschichte kommt nur bei Saxo vor (VIII. Buch,
S. 408 — 411): Der König Syward ist zuerst in Schonen vom Schweden-
könig Götar überwunden, und dann auf Fühnen von Slaven erschlagen;
sein junger Sohn Jarmunrik und seine zwei Töchter werden gefangen.
Die zwei Mädchen werden nach Deutschland und Norwegen verkauft, der
Königssohn lebt in Sklaverei am wendischen Königshofe und arbeitet sich
zu einer höheren Stufe herauf; König Ismar war ihm gut, nur die Königin
konnte ihn nicht leiden.
Als einst der König zu der Beerdigung seines Bruders ausgezogen
war, beschloss Jarmunrik, sich zu befreien, und hielt mit seinem Pflege-
bruder Gunne deshalb Rat; dann verfertigte er aus Wolle und Zweigen
eine Puppe, wie die, welcher die Bauern sich bedienen, um die Yögel zu
verscheuchen, setzte einen lebendigen Hund hinein und zog dieselbe mit
seinen eigenen Kleidern an. Darauf nahm Jarmunrik den Schatz des Königs
und verbarg ihn; Gunne aber ging in das Schloss mit seiner Puppe, und
als der Hund anschlug und die Königin fragte, was das sei, antwortete er,
es sei sein Genosse, der wahnsinnig geworden sei, und die Königin hiess
ihn denselben hinausbringen; er trug die Puppe hinaus und legte sie in ein
Bett. Der wirkliche Jarmunrik ging in die Wachtstube, überwältigte die
Wächter durch einen starken Trunk, schlug dann ihre Köpfe ab und legte
dieselben — ihnen zum Spotte — an ihre Hintern. Die Königin hörte den
Lärm und steckte den Kopf zur Thttr hinaus, um zu sehen, was los wäre;
Gunne aber stand da und gab Acht und tötete sie sogleich; sterbend drohte
sie ihnen: „Wenn ich noch leben könnte, solltet ihr nie mit dem Leben
wegkommen!" Nun fahren Jarmunrik und sein Genosse zum Trauer-
schmaus und zünden das Gebäude an. Von den Gästen verfolgt, fliehen
sie erst zu Pferd und dann zu Puss, bis sie einen Pluss erreichen; als die
verfolgende Schar auf der Brücke reitet, stürzt diese zusammen, und wer
nicht seinen Tod in den Wellen findet, wird von den Schwertern der
Märchen in Saxo Grammaticus. 371
beiden Dänen zerhanen. Sie erreichen nun leicht das Meeresufer und
finden ein kleines Fahrzeug; noch auf der hohen See hörten sie die Wenden
am Ufer laut rufen: wenn sie nur zurückkehren wollten, sollten sie das
Königtum bekommen, bei ihnen sei es Gesetz, dass, wer den König tötete,
selbst König werden sollte. Aber sie segelten nach Dänemark. — In seinem
Vaterlande fand Jarmunrik seinen Oheim Buthle als Reichsverweser, dieser
aber gab nun ihm die Königswürde. Zuerst erschlug er König Götar und
unterwarf Schweden, dann besiegte er die Wenden; vierzig Gefangene liess
er mit Wölfen zusanmien hängen, „wie es einst mit Vatermördern Sitte
war", um ihre Raubzüge gegen die Dänen zu rächen. Während Jarmunrik
die Ostseevölker plünderte, empörten sich die Wenden und plünderten in
Dänemark; Jarmunrik begegnete ihrer Flotte und schlug sie; ihre Häupt-
linge liess er, Riemen durch die Schenkel gezogen, von wilden Stieren,
die von Hunden gejagt wurden, durch Moor und Hügel fortschleppen. —
Hier beginnt die gewöhnliche Ermanriksage: von seinem Schlosse und
seineu Reichtümern, vom Ratgeber Bikke u. s. w.; nur einmal hören wir,
dass die Wenden sich nochmals empören, und ihre Häuptlinge, Riemen
durch die Schenkel gestochen, von Pferden zerrissen werden.
Diese ganze Jugendgeschichte Jarmunriks und alle die Wenden-
ereignisse haben mit der übrigen Jarmunrikgeschichte Saxos keinen Zu-
sammenhang; sie kann also nicht aus ihr entwickelt sein. Ihr Schöpfer-
geist ist ein unersättlicher Hass gegen die Wenden. Einen solchen Hass
kennen wir nur in dem grossen Vertilgungskrieg der Wenden und der
Dänen in der Mitte des 12. Jahrhunderts. Dass die Dichtung so neu ist,
erklärt uns auch, dass sie poetisch noch so formlos ist: der Erzähler kann
zuletzt nur die schon einmal benutzte Wendenstrafe wiederholen. Alle
Feldzüge Jarmunriks gegen die Wenden sind garnicht poetisch geformt,
sie sind bloss eine Reihe von Bestrafungen der Todfeinde, nur ein Ver-
zeichnis der Grausamkeiten, durch welche die heimgesuchten Dänen sich
zu rächen wünschten. Die Jugendsklaverei Jarmunriks ist dagegen eine
zusammenhängende Geschichte, und sie muss ilu-e litterären Vorbilder ge-
habt haben.
Ich wage es zu sagen: die Vorbilder scheinen nur die Märchen von
Unholden zu sein. Setzen wir statt „Wenden" die „Unholde" ein und
gehen wir der Geschichte nochmals nach: Zwei Menschenkinder sind in
Sklaverei der Unholde gekommen; einmal ist der Unholdvater ausgegangen,
die Hexe ist zu Hause und soll die Menschenkinder hüten. Sie machen
eine Puppe, die anstatt des einen Genossen im Bette liegt und deren
Stimme als die seinigo gilt; er selbst raubt den Schatz der Unholde und
flieht; die Hexe steckt den Kopf durch die Thür hervor, in demselben
Augenblick wird er abgeschlagen; die zwei Menschenkinder flüchten, und
erst jenseit des Flusses sind sie sicher; die Unholde stehen zuletzt am
Meeresufer und rufen, ob die Menschenkinder nicht zurückkommen wollen;
372 Olrik:
— dies scheint ja eine ganze Reihe von Märchensituationeu zu sein. Ein
einzelnes durchaus entsprechendes Märchen kennen wir niclit, sondern eine
Gruppe Yon Märchen, wo zwei Menschenkinder bei den Unholden dienen
und von ihnen weglaufen, oder wo das Menschenkind die Unholdschätze
wegstiehlt und oft zugleich die Unholde tötet. Die Yorstellung von einem
Flusse, welcher die Unholdenwelt von der Menschenwelt trennt, kommt oft
in unsern Märchen vor; oder der Mensch segelt über die See hinweg, und
die Unholde stehen am Ufer und rufen ihm nach, wann er zurückkomme?
Die Tötung in der Thür kommt in einem norwegischen Märchen vor:
„Dann wunderten sich die Unholde, wer da wäre und mitspräche; und sie
o-ino-en es zu sehen; als sie aber in die Thür kamen, sass Smörbuk da
droben und warf Mühlensteine und Tannenwurzel ihnen auf den Kopf und
tötete sie; dann nahm er alles Gold und Silber und zog heim zu seiner
Mutter^)." In einem andern norwegischen Märchen steht der Mensch mit
dem Zauberschwert in der Hand und schlägt den Kopf des Unholden ab,
indem er durch die Thür hereintritt ^).
Nur ein einziges Motiv ist noch zu beleuchten. Die Puppe „wi« eine
Vogelscheuche" mit einem lebendigen Hunde ist ein so unpraktisches Werk-
zeug, dass es nicht nur in der wirklichen Welt unmöglich ist, sondern auch
in der poetischen nicht ursprünglich eine so horrible Form haben kann.
Nun ist die Frage: Wo ist ihre ältere einfachere Form? Auch hier müssen
wir zu den Unholdmärchen gehen. Die Puppe, welche für eine Person
ausgegeben und als solche ins Bett gelegt wird, so dass auch ihre Stimme
für die des Menschen gilt, entspricht dem Märchen, wo der Knabe vom
Unholde entflieht und das Mädchen dann in sein Bett eine Puppe von
Stroh legt, die sie an seiner Stelle zu antworten zaubert^); nach anderen
Fassungen ist es ein Stück Brennholz im Bette, oder Bettdiele und Bett-
schere antworten, oder die Puppe am Ofen, oder die Puppe im Bette, eine
andere in der Stube, eine dritte in der Yorstube*) und dergl. Die Er-
klärung des sinnlosen Hundes in Jarmunriks Puppe ist die, dass sie eine
rationalisierende Umbildung ist und die zauberhafte Sprechfähigkeit der
Märchen -Puppen repräsentiert.
Die Sage von der Jugend des Königs Jarmunrik ist demnach im ganzen
eine Vermenschlichung der Unholdmärchen. Der Hass der Dänen gegen
die Wenden war zu jener Zeit, als die zwei Völker miteinander so stritten,
1) Asbj. og Moe I No. 52 und 1 ^ 388.
2) Asbj. og Moe I No. 9. „De tre prinsesser i Hvidtenland''. Dieses Märchen ist
sonst eines der zu dem Anfang der Sigridsage besprochenen Märchen.
3) Ungedriicktes Märchen (S. Grundtvig 27 l).
4) S. Grundtvig 28 c (- Danskc folkeseventyr I No. 5): 27 c; 27 a; Cav. & Stephens
ÜB mit Anm. 2 und 6; Krücke und Schieber am Ofen (Grundtvig 27 q). In vielen
andern Varianten kommen (wie bei Grimm,. Km., III 97 No. 56) drei Bluttropfeu oder drei
Spuckflecken vor: Grundtvig 271,o, Cavallius & Stei^hens 14 B mit Anm. 45; Asbj. I
No. 77.
Märchen in Saxo Grammaticus. 373
dass das eine oder das audere vernichtet werden musste, so wütend, dass
keine audere Dichtung als die primitive vom Kampfe der Menschen gegen
die Unholde ihn ausdrücken konnte. Wie der Kampf auf Leben und Tot
gegen feindliche Nachbaren wahrscheinlich zum grossen Teil den Ursprung
solcher Märchen bildet, wenden sie sich in Fällen, wie in diesem, zu den-
selben menschlichen Verhältnissen zurück.
Wir haben nun das Verhältnis zwischen den von Saxo erwähnten Sagen
und den Volksmärchen gesehen. Hinter seinen alten Helden des dänischen
Volkes blickten hier und da die seltsamen Bilder der Märchenwelt hervor.
Wir folgten der Amlethnovelle, wie sie aus dem Morgenlande hervorquoll,
sich zerstreute, und wie die zerstreuten Teile sich wieder kreuzten, indem
man sieh bestrebte, eine Erzählung mit dänischer Färbung zu schaffen;
wir fanden die morgenläiidische Novelle im Lauf ihrer Wanderungen nach
Westen und ihrer verschiedenen Niederlassungen. Wir erblickten eine
Reihe von Märchen hinter andern Erzählungen: die Hundsbraut, die ent-
führten Königstöchter, die Königstochter im Hügel, die Flucht von den
Unholden und den Raub des Unholdenschatzes. Hier fanden wir kein
Märchen in seiner Entwickelung; die uns bekannten Märchen liegen schon
den Pleldensagen Saxos voraus; auch die speciell dänischen Märchen-
gattungen zeigen sich als schon existierend: „Königstochter im Hügel" und
„Allerliebster Freund".
Die Verwertung der Märchenmotive in der Heldensage scheint sehr
neu; in der isländischen Litteratur findet sich keines der besprochenen
Motive wieder. W^enn auch diese Umdichtuhg der Heldensage auf die
letzten Jahrhunderte, ja vielleicht auf das letzte Jahrhundert vor Saxos
Zeit beschränkt ist, ist sie doch eine bedeutende poetische Thätigkeit. Sie
hat die alte Heldendichtung mit wenigstens einem Paare der schönsten
Gestalten bereichert (Othar und Sigrid) und auch in der Jugendgeschichte
Jarmunriks hat sie eine neue Erzählung geschaffen; in diesen beiden Sagen
besteht die Schöpfung in einer durchgreifenden rationalisierenden Um-
deutung der Märchonmotive. Die Drottsage dagegen verwertet solche als
eine Ausschmückung, und die Amlethsage nimmt in sich eine ganze
morgenländische Anekdote auf ohne irgendwelche wesentliche Änderung.
Geändert oder nicht geändert brechen sich die Märchen den Weg in die
Litteratur. Diese Einwirkung steht nicht vereinzelt da. AVir brauchen
nicht nach England zu gehen, wo das mit Saxo gleichzeitige Leben Offas
(Müllenlioff, Beovulf 78) den Anfang des Märchens vom Mädchen ohne
Hände, oder wie icli lieber sagen möchte, von dem Aschenputtel, in sich
aufnimmt. Die dänischen Volkslieder des Mittelalters wimmeln von Märchen-
motiven der Verzauberung und Erlösung, und auch in ihrer poetischen
374 Arendt:
Auswahl des tägliclien Lebens scheint es oft, als ob die Märchenwelt
dahinter stecke. Ebenso nimmt die mittelalterliche Litteratur Islands
Märchen in sich auf. Aber diese Verhältnisse erfordern besondere Unter-
suchungen.
Kopenhagen.
Ein Kapitel aus dem Aber- und Geisterglauben
der Chinesen.
Von C. Arendt.
(Schluss.)
5.
Bei der fünften Erzählung will ich mich kürzer zu fassen suchen.
Ich halte dieselbe, obwolil vielfach interessant, überhaupt für weit ober-
flächlicher concipirt, als irgend eine der andern. Ich habe sie überdies
bereits, wenn auch von einem ganz andern Gfesichtspunkte aus, in englisclier
Bearbeitung im Jahre 1886 — bekannt gemacht, kann man freilich kaum
sagen, denn die „Zeitschrift der Orientalischen Gesellschaft in Peking"^,
in welchem sie in Bd. I. S. 55 — 59 erschienen ist, dürfte kaum weiteren
Kreisen zu G-esichte gekommen sein.
Wir lesen im 108. Kapitel der romantischen „Geschichte der Drei
Reiche", aus welcher bereits meine zweite Erzählung entnommen war,
dass Chuko Ch'üe, der Premier- Minister des Staates Wu, sich durch
Grausamkeit, Willkür und Hochmut auch dem Landesfürsten Sun Liaug
gegenüber so verhasst gemacht hatte, dass der König in Übereinstimmung
mit einem andern hohen Würdenträger, namens Sun Chün, den Tod des
gewaltigen Ministers beschlossen hatte. Er sollte zu einem Gastmahl im
Palast eingeladen und dabei ihm von gedungenen Meuchelmördern der
Garaus gemacht werden.
Um dieselbe Zeit — im Jahre 253 n. Chr. — hatte Chuko Ch'üe an
einer Anzahl Soldaten, welche vor seinem Palaste Wache standen, aus
einem geringen Anlass (weil sie einen — sich in der Erzählung höchst
mysteriös ausnehmenden — Fremden unbemerkt in den Palasthof hatten
schlüpfen lassen) die standrechtliche Hinrichtung zum Vollzuge gebracht.
Zugleich mit ihnen war auch der Fremde hingerichtet worden.
Als Chuko Ch'üe in der folgenden Nacht schlaflos auf seinem Bette
lag, wurde er plötzlich durch ein einem Donnerschlage ähnliches Geräusch
erschreckt: der mittlere Balken des Hausdaches war ohne ersichtliche
Ein Kapitel aus dem Aber- und Geisterglauben der Chinesen. 375
äussere Veranlassung auseinander geborsten. Zu seiner Lagerstatt zurück-
gekehrt, glaubte er wahrzunehmen, wie der Fremdling und die Soldaten,
welche er hatte hinrichten lassen, ihre eigenen Köpfe in ihren Händen
haltend, sich seinem Bette näherten und ihr Leben von ihm zurückforderten.
Er verfiel darauf in eine mehrere Stunden währende Ohnmacht. Als er
sich am folgenden Morgen waschen wollte, verbreitete das Wasser einen
starken Blutgeruch. Er Hess das Wasser vielmals wechseln, aber es half
alles nichts, der Geruch des Blutes war nicht zu vertreiben.
Gerade in diesem Augenblick langte vom König die Einladung zu
dem Weingelage im Palast an, bei welchem, wie bereits erwähnt, be-
schlossen war, den Chuko Ch'üe zu töten. Er aber bestellte arglos seinen
Wagen, um der Einladung nachzukommen. Als er jedoch im Begriff
stand, den Wagen zu besteigen, kam plötzlich ein gelber Hund auf ihn
zugerannt und zerrte ihn, unaufhörlich winselnd, am Saum seines Ge-
wandes, als wenn er ihn zurückhalten wollte. Chuko Ch'üe jagte das Tier
fort und liess sich auch durch eine weitere unglückliche Vorbedeutung —
wir brauchen diesen Teil der Geschichte nicht im Einzelnen zu verfolgen —
nicht abhalten, den Palast des Königs zu betreten. Dort wurde er in der
That mit noch einem Freunde ermordet. Die Körper der Getöteten
wurden in Matten eingewickelt und in einen Graben ausserhalb der Stadt-
thore geworfen.
Inzwischen befand sich des ermordeten Chuko Cli'^üe Weib, nichts
Böses ahnend, in dem Palast ihres Gatten, als plötzlich eine ihrer
Dienerinnen in das Zimmer eintrat. Wie kommt es, sagte die Frau zu
dem Mädchen, dass du heute am ganzen Körper nach Blut riechst? Da
fing das Mädchen an, die Augen zu verdrehen und die Zähne zu fletschen,
während es mit einem gewaltigen Satze so hoch sprang, dass es mit dem
Scheitel die Zimmerdecke berührte, während es gleichzeitig rief: „Ich bin
Chuko Ch'üe; ich bin auf Anstiften des ruchlosen Sun Chün ermordet
worden." So sprach sie, denn der Geist ihres gemordeten Herrn war in
sie gefahren. Da fing Chuko Ch'ües Weib und alle Mitglieder des Haus-
standes zu weinen an. Nicht lange darauf wurde das Haus wirklich von
bewaffneten Soldaten umzingelt, und alle Insassen desselben, einschliesslich
der Frau Chuko Ch'ües, wurden gefesselt auf den Richtplatz geschleppt
und dort auf der Stelle enthauptet. Diese Ereignisse, insoweit sie auf
dem Boden der nüchternen Wirklichkeit stehen, fanden im zehnten chine-
sischen Monat, d. h. im November oder Dezember 253 n. Chr statt.
Die Geschichte, insofern sie sich im Gebiete des Al)er- und Geister-
glaubens bewegt, erscheint mir trotz des mannigfaltigen Interesses, welches
sie bietet, ziemlich zerfahren, und der innere Gehalt durch äusserliche
Effekte mehr verwisclit, als gehoben. Was der „Fremdling", welcher
im chinesischen Text als ein ganz rätselhaftes Individuum auftritt, eigentlich
soll, bleibt unklar. Das nach Blut riechende Waschwasser wird den
376 Arendt:
europäischen Leser lebhaft an die erste Seene des fünften Aktes des Shake-
speareschen Stückes erinnern, aber, wie ich dies bereits in meinem Auf-
satz in der Pekinger Zeitschrift nachgewiesen habe, darf man diese Ana-
logie nicht zu weit verfolgen wollen. Wenn Lady Macbeth ruft: „Noch
immer riecht es hier nach Blut", so ist das mit dem nach Blut riechenden
Waschwasser in der chinesischen Erzählung durchaus nicht auf gleiche
Stufe zu stellen, denn dass nach der Absicht des chinesischen Schriftstellers
der Blutgeruch nicht als ein eingebildeter, sondern vielmehr als ein wirklich
vorhandener zu verstehen ist, ergiebt sich nachher zur Evidenz aus dem
nach Blut riechenden Mädchen, bei welchem eine rein psychologische
Erklärung aus der Seele der Frau des ermordeten Ministers heraus ja ganz
ausgeschlossen ist. Jedoch dies Alles nur beiläufig.
Im Rahmen meiner speziellen Erörterung und meines Themas inter-
essirt uns hier diese arme Magd hauptsächlich insofern, als sie von dem
Geiste des ermordeten Chuko Ch'üe besessen ist und dieser Geist in
eigener Person aus ihr redet.
Dass der Geist des Ermordeten nicht in den Mörder, wie in unserer
Nr. 3, sondern auch in einen anderen, für seineu Endzweck geeigneten
Körper fahren kann, wissen wir schon aus Nr. 4; der typische Unterschied
besteht aber hier in dem Endzweck; es handelt sich in diesem einzigen
von den sechs Beispielen, welche es mir zusammenzubringen gelungen
ist, nicht um Ausübung der Rache, aber auch nicht etwa um den Schutz
oder die Warnung der gleichfalls gefährdeten Angehörigen, sondern nur
um das Bedürfnis der Mitteilung des Geschehenen an dieselben, und
insofern steht in dieser, wie in anderer Hinsicht, unsere Nr. 5 ganz ver-
einzelt und für sich da, und sie ist weniger in sich geschlossen und
weniger charakteristisch für den von mir behandelten Yorstellungskreis,
als irgend eine der fünf anderen, welche uns bis auf eine, nämlich die
von dem „Ermordeten Mantel" — zu welcher ich jetzt übergehe und auf
welche ich den höchsten Wert lege — bereits alle bekannt sind.
6.
Diese meine sechste und letzte Geschichte nun, welche uns den volks-
tümlich-chinesischen Sülmegedanken in seiner dritten Form, und zwar
in einer ganz eigentümlichen und von allem Bisherigen durchaus ab-
weichenden Ausgestaltung zur Anschauung bringen wird, bildet den Schluss
des 84. und den Anfang des 85. Kapitels des Tung Chou Lie-kuö. Ich
kann nicht leugnen, dass diese Geschichte, als ich sie vor Jahren zum
ersten Mal kennen lernte, einen tiefen Eindruck auf mich gemacht hat,
und dass sie mir auch jetzt, wo ich sie aus ihrem Yersteck hervorgesucht
habe, wieder als ungewöhnlich wirkungsvoll in ihrem Aufbau und ihrer
Entwickluno- erschienen ist.
Ein Kapitel aus dem Aber- und Geisterglauben der Chinesen. 377
In der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts vor Christus hatten in
dem grossen Königreich Tsin, welches im wesentlichen der heutigen
Provinz Öhansi entsprach, vier altadelige Familien und deren Chefs fast
alle Gewalt au sich gerissen, während die Hausmacht des Königs gänzlich
gesunken war. Es waren dies die Familien Chi, Chao, H'an und Wei.
Die drei letztgenannten sind später selber zu königlichen Ehren gelangt,
indem sie die Könige von Tsin entthronten und das Land unter sich
teilten. Zu der Zeit aber, von der wir jetzt reden, war die Familie Chi
die mächtigste von allen; an ihrer Spitze stand ChT-yao, oder, wie er ge-
wöhnlich genannt wird, CliT-pö, d. h. der Graf Chi. Diesem war es ge-
lungen, die Chefs der Familien H an und Wei zu bereden, ihm bei einem
Feld- oder richtiger vom Zaune gebrochenen Raub- und Eroberungszug
gegen das Familienoberhaupt von Chao, Chao Hsiängtsze oder Chao Wuhsü
mit Namen, ihre Unterstützung zu leihen. Chao Wuhsü wurde in der
Stadt Tsinyang belagert und ein in der Nähe derselben vorbeifliessender
Fluss in ein anderes Bett geleitet, um diesergestalt die Stadt zu über-
schwemmen. Die Unternehmung wäre auch von Erfolg gekrönt gewesen,
wenn nicht im letzten Augenblick H'an und Wei, die überhaupt nur durch
die Umstände gezwungen sich an Chipö angeschlossen hatten, von diesem
abgefallen wären und sich gegen ihn gewandt hätten. Durcli Durch-
stechen eines Dammes wurde das Wasser des abgegrabenen Flusses gerade
auf Chipos Lager losgelassen und dadurch letzterer zur Flucht gezwungen,
welche nur mittels eines kleinen Bootes bewerkstelligt werden konnte.
Auf der Flucht aber fiel er seinem ergrimmten Gegner Chao Wuhsü in
die Hände, welcher ihm alsbald den Kopf abhieb. Von da aus zogen die
Sieger nach der Stadt, in w^elcher die übrigen Mitglieder der Familie Chi
wohnten. Die Häuser derselben wurden umzingelt und sämtliche Insassen
derselben ohne Unterschied des Alters und Geschlechts niedergemacht.
Auch diese Ausrottung der ganzen Familie seines Feindes genügte dem
Chao Wuhsü noch nicht zur Befriedigung seines Hasses. Er liess Chipös
Schädel mit Lack überziehen und benutzte ihn als Trinkschale, um sich
seines Triumphs beständig zu erinnern. So wenigstens wird in den von
mir verglichenen chinesischen Geschichtswerken erzählt, der Verfasser
unseres Romans aber macht daraus ein Nachtgeschirr, so dass es sich
also hier um eine schmachvolle Behandlung des Feindes noch
über dessen Tod hinaus handelt.
Diese streng geschichtlichen Ereignisse fallen in das Jahr 453 vor
unserer Zeitrechnung.
Die wenigen getreuen Anhänger Chipos, darunter vor allen ein ge-
wisser Yüjaug, waren nach der unglücklichen Wendung der Dinge bei
Tsinyang in die unwegsamen Scliluchten des Shi^-sln*-sliän, d. h. des
Steinhöhlengebirges geflohen. Als aber Yüjang den weiteren Verlauf der
Ereignisse erfuhr, beschloss er an Chao Wuhsü für seinen Herrn, den
378 Arendt:
unglücklichen Chipö, „der noch nach dem Tode einer so schmählichen Be-
handlung seitens seines Mörders ausgesetzt war"/) Rache zu nehmen. Er
nahm einen andern Namen an und verdingte sich als Arbeiter. So fand
er Gelegenheit, sich mit einem kurzen, scharfen Dolche bewaffnet, in das
Haus Chao Wuhsüs, des Mörders seines Herrn, unbemerkt einzuschleichen.
Dort lauerte er versteckt in einem abgelegenen, für gewöhnlich leer-
stehenden Räume ■^) dem Hausherrn auf. Als nun Chao Wuhsü diesen
Raum betrat, „kam", wie es ganz wörtlich in dem chinesischen Original
heisst, „eine plötzliche Bewegung über sein Herz".
Ich mache auf diesen kleinen Zug in der Erzählung besonders auf-
merksam, denn er giebt den Schlüssel zu ihrem Verständnis. Der Rache-
durst ist etwas dämonisches und wird von dämonischen Mächten und
Kräften unterstützt und zum Ziele geführt. In dem Augenblick daher,
wo Chao Wuhsü in Yüjangs Nähe kommt, ohne doch noch von seiner An-
wesenheit die geringste Ahnung zu haben, tritt er in den dämonischen
Bannkreis der gegen ihn gerichteten Rachegelüste ein, und kann seinem
Schicksal nicht mehr entrinnen.
Die eigentümliche Regung, die ihn überkommen hat, veranlasst nun
den Chao Wahsü, den Raum durchsuchen zu lassen. Yüjang wird aus
seinem Versteck hervorgezogen, die Waffe gefunden. Befragt, leugnet er
nicht die meuchelmörderische Absicht, in der er hergekommen. Die
Leute Chao Wuhsüs dringen nun in letzteren, mit dem Entlarvten kurzen
Prozess zu machen, aber Chao Wuhsü sagt: „Dass Yüjang für seinen ver-
storbenen und der Nachkommenschaft beraubten Herrn, Chipö, Rache
nehmen wollte, ist ein Ausfluss seiner treuen Gesinnung, ihn aus solcher Ur-
sache zu töten, würde mir Unheil bringen." Er befahl daher seinen Leuten,
ihn unbehelligt nach Hause gehen zu lassen. Ehe aber Yüjang sich auf
den Weg machte, fragte er ihn noch: „Wirst Du nun von jetzt an, nach-
dem ich Dich begnadigt habe. Deine Rachegedanken ein- für allemal auf-
geben?" Yüjang antwortete: „Dass Du mir das Leben schenkst, ist Dein
freier Entschluss und Deine persönliche Güte; dass ich aber Rache nehmen
muss, ist die Forderung eines Prinzips und meine moralische Pflicht."
Die Leute Chao Wuhsüs ermahnten ihn nun nochmals, den Yüjang un-
schädlich zu machen, Chao Wuhsü aber sagte: „Ich habe ihm einmal mein
Wort gegeben; kann ich es brechen? Es genügt, wenn ich ihm in Zu-
kunft sorgfältig aus dem Wege gehe."
So ging denn Chao Wuhsü nach Tsinyang zurück, Yüjang aber in sein
eigenes Haus, wo er seinen Racheplänen weiter nachsann. Er beschloss,
den Chao Wuhsü auch in Tsinyang aufzusuchen. Um aber unentdeckt zu
bleiben, schor er sich Bart und Augenbrauen und gab seinem Körper durch
1) Anspielung auf den Gebrauch, den Chao Wuhsü von ChT-pös Schädel gemacht
hatte.
2) Nämlich dem Abort.
Ein Kapitel aus dem Aber- und Geisterglauben der Chinesen. 379
Anwendimg ven Lack das Aussehen eines Aussätzigen. So verändert, begab er
sich auf die Strasse und mischte sich unter die Bettler. Seine eigene Frau,
die ihn überall suchte, erkannte zwar seine Stimme, als sie ihn aber selbst sah,
sprach sie: „Das ist seine Stimme, aber es ist nicht sein Selbst", und ging
wieder von dannen. Indessen fühlte sich Yüjang so doch noch nicht ganz
sicher; er verschlang Holzkohlen, um seine Stimme zu entstellen und
rauh zu machen. Als er nun wieder bettelte und seine Frau wieder bei
ihm vorüberging, erschien er ihr als ein gänzlich Fremder, aber einer
seiner früheren vertrauten Freunde erkannte ihn dennoch. Yüjang begab
sich nun, um keinen weiteren Entdeckungen ausgesetzt und dem Opfer
seiner Rache näher zu sein, nach Tsin Yang, wo er fortfuhr zu betteln.
Nun aber hatte Chao Wuhsü den Befehl gegeben, über das, wie vor-
her erwähnt, bei der Belagerung von Tsin Yang neu ausgegrabene Fluss-
bett eine Brücke zu bauen. Als der Brückenbau fertig war, beschloss er,
sich selbst hinzubegeben, um ihn in Augenschein zu nehmen. Yüjang,
welcher von dieser Absicht Chao Wuhsüs Kenntnis erlangt hatte, versteckte
sich nun, wiederum mit seinem Dolche bewaffnet, unter einem Brücken-
pfeiler, wo er sich unbeweglich hinlegte wie ein Toter. Als Chao Wuhsüs
Equipage sich der Brücke näherte, fing das Pferd, mit dem sie bespannt
war, an kläglich zu wiehern und wollte trotz aller Peitschenhiebe nicht weiter.
Dies galt als böse Yorbedeutung, nach dem Sprüchwort: „Ein edles Ross lässt
seinen Herrn nicht zu Schaden kommen (Liäng-ma pu-hsien ch'i chü)."
Chao Wuhsü Hess unter der Brücke nachsuchen. Man meldete ihm, man habe
dort nur einen Toten liegen gefunden. Chao Wuhsü aber belächelte diese
Meldung und ahnte gleich, dass es niemand anderes als Yüjang sei. Als
ihm darauf der Mann, der seine Verstellung als Toter nicht länger auf-
recht erhalten konnte, vorgeführt wurde, erkannte er, trotz aller künst-
lichen Veränderungen, die Yüjang mit sich vorgenommen hatte, doch
seinen alten Feind. Nachdem er ihm seinen Undank vorgehalten, befahl
er, ihn zu töten. Da fing Yüjang laut an zu weinen und mit Blut unter-
mischte Thränen entströmten seinen Augen. Verwundert fragte man ihn,
ob er denn aus Furcht vor dem Tode weine. „Nicht desshalb," erwiderte
Yüjang, „sondern weil nach meinem Tode niemand mehr da sein wird,
um für meinen Herrn Rache zu nehmen." Da entgegnete Chao Wuhsü:
„Zum zweiten Male begnadigen kann ich Dich nicht, aber einen ehren-
vollen Tod will ich Dir in Anerkennung Deiner treuen Gesinnung ge-
währen." So sprechend, gürtete er sich sein eigenes Schwert ab und
überreichte es dem Yüjang, damit dieser sich selber den Tod gebe. Da
sprach Yüjang: „Ich habe gehört, dass ein treuer Unterthan sich nicht
scheut, wenn nötig, sein Leben daliin zu geben, dass aber auch ein er-
leuchteter Fürst einen treuen Unterthan in der Betätigung seiner treuen
Gesinnung nicht behindert. Um mein Leben bitte ich nicht zum zweiten
Male, mir hast Du genug Milde bewiesen, aber nachdem meine beiden
380 Ai-enrlt:
Anschläge vereitelt worden sind, ist mein Groll durchaus unbefriedigt ge-
blieben. Ich bitte Dich daher, Dir Deinen Mantel auszuziehen und ihn
mir zu überlassen, damit ich danach steche und meine Rache wenigstens
sinnbildlich stillen kann. Wenn ich dann sterbe, werde ich im Tode die
Augen zu schliessen vermögeuk" Chao Wuhsü willfahrte dieser eigentüm-
lichen Bitte des Mannes, entkleidete sich seines reichgestickten Mantels
und Hess ihn durch seine Begleiter dem Yüjang überreichen. Yüjang
stand da mit gezücktem Schwerte, sah mit zornigen Blicken auf den
Mantel, als hätte er den Chao Wuhsü selber vor Augen, machte dann
einen dreimaligen Anlauf und stach mit den Worten: „So denn nehme
ich nunmehr Rache für den ChTpo, dessen Gebeine unter der Erde
modern", dreimal mit der spitzen Waffe in das Gewand. Darauf stürzte
er sicli selbst in das Schwert und verschied auf der Stelle. Die Brücke,
in deren Nähe sicli dieser Y orfall ereignete, und welche zuerst den Namen
der „Roten Brücke" erhalten hatte, heisst seitdem im Volksmunde „die
Brücke des Yüjang."
Den Chao W^uhsü hatte bei jedem Hiebe, den Yüjang gegen den
Mantel führte, ein kalter Schauer durchzittert; er befahl jetzt seinem Ge-
folge, den Leichnam ehrenvoll zu bestatten. Als ihm aber darauf sein auf
die Erde gefallener Mantel von seinen Gefolgsleuten überreicht wurde,
zeigten sich an den drei Stellen, wo Yüjang mit dem Schwerte hinein-
gestossen hatte, frische Tropfen roten Blutes. Dies war — so heisst es
ausdrücklieh im Original — eine Wirkung der intensiven treuen
Gesinnung des Yüjang gewesen. Ich muss jedoch bemerken, dass
„Wirkung" das hier im chinesischen Text gebrauchte Wort kan^ nur
sehr unvollkommen wiedergiebt, denn kan^ drückt, wie auch das Zeichen
dafür selber andeutet, allemal eine Einwirkung auf das Herz und Gemüt
des anderen aus, weshalb es beispielsweise auch „dankbar sein" bedeuten
kann. Chao Wuhsü aber wurde durch den Anblick des blutbefleckten
Mantels im Innersten dermassen erschüttert, dass er vom selbigen Tage
an zu kränkeln anfing. Er sollte nicht wieder genesen, sondern verstarb
nach Verlauf von wenia; mehr als einem Jahre.
Nachtrag.
Meiner Frau verdanke ich die erstaunliche Entdeckung, dass zwei der
von mir in meinem Aufsatz über den Aber- und Geisterglauben der Chi-
nesen wiedergegebenen, bezw. berührten Geschichten bereits seit Jahr-
zehnten in die deutsche Litteratur übergegangen sind. Meine zweite Er-
zählung — diejenige von Sun T'se und Yüchi (oben S. 261 — 264) — bildet
den Stoff der von Paul Heyse im Jahre 1856 verfassten Novelle in Versen:
Ein Kapitel aus dem Aber- und Geisterglauben der Chinesen. 381
„König und Priester" (s. Paul Heyse, Gesammelte Werke. Novellen in
Versen. 1. Bd. 4. Aufl. Berlin 1889. S. 147 — 165). Der Dichter hat sich
hier dem Original getreu angeschlossen; er benutzte zu seiner Bearbeitung
die französische Übersetzung eines Teiles der „Geschichte der drei Reiche"
von Th. Pavie (San-koue-tchy. Histoire des Trois Royaumes. Roman Histo-
rique. Traduit par Theodore Pavie. 2. Bd. Paris 1851. 8.269—281). Die
von mir auf S. 267 nur andeutungsweise berührte Geschichte der schönen
Hsüan Chiang ferner hat Heyse in der bereits im Jahre 1852 gedichteten
Novelle „Die Brüder", welche in demselben Bande seiner Werke (S. 39
bis 53) abgedruckt ist, in ausgezeiclmeter Weise, wenn auch in einer von
der chinesischen Originalerzählung wesentlich abweichenden Form be-
arbeitet. Diese Abweichungen beruhen aber zunächst weniger auf be-
wusster Absicht, als auf der Unvollständigkeit der von dem Dichter be-
nutzten Quelle. Diese nämlich ist in dem „Schi -King, Chinesisches
Liederbuch, gesammelt von Confucius, dem Deutschen angeeignet von
Friedrich Rückert. Altena 1833" zu suchen, woselbst sich die fünf Stücke:
„Die unzufriedene Königsbraut Swen-Kiang"; „Swen-Kong und Swen-
Kiang"; „Die Königin Swen-Kiang ist um ihre beiden Söhne besorgt'';
„Ausgang der Liebesbethörung" und „Verwilderte Zucht" (S. 57 — 63^ auf
diesen Stoff beziehen.
Die Umwandlungen, welche die Geschichte der Hsüan Chiang (bei
Rückert Swen-Kiang, bei Heyse Swen-Kjang, beides in durchaus zu billi-
gendem Anschluss an die ältere, und noch jetzt mittelchinesische Aus-
sprache) bei den beiden deutschen Dichtern erfahren hat, scheinen wohl
zu einer kleinen litterar-historischen Studie geeignet; da aber unsere Zeit-
schrift hierfür des nicht in die „Volkskunde" gehörigen Stoffes wegen nicht
das passende Organ ist, beabsichtige ich, eine kleine, diesen Gegenstand
behandelnde Arbeit an einem anderen Orte zu veröffentlichen.
Der Umstand, dass keinem meiner Zuhörer bei meinen über chinesi-
schen Aberglauben im Verein für Volkskunde gehaltenen Vorträgen die
Heyseschen Novellen eingefallen sind, beweist von neuem, wie schwer
sich chinesische Namen dem europäischen Ohr einprägen. Hierin liegt in
der That ein Hauptgrund, weshalb sich chinesische, auch noch so anregende
Stoffe, so schwer bei uns einbürgern, und im allgemeinen nur auf geringe
Teilnahme rechnen können.
Berlin, im Oktober 1892. C. Arendt.
382 Piger:
Handwerksbrauch in der Iglauer Sprachinsel
in Mähren.
Von Franz Paul Piger.
(Schluss.)
VII. Die Wanderschaft der Tuchmacher.
' Kicht lange duldet es den jungen Gesellen in der heimatlichen Stadt.
Hat er etwa ein Jährlein bei einem Meister gearbeitet, so treibt es ihn
hinaus in die weite Welt, denn wer die Welt nicht gesehen, bleibt ein
„Linkmichl" (ungeschickter Mensch) sein Leben lang. Gern holt er sich
daher das Wanderrecht und schickt sich an, zum Thore hinauszuziehen,
den „Bünggl" (Bündel, Felleisen) auf der Schulter, um die Lenden eine
breite Binde mit langer Quaste. Nur Muttersöhnlein freuen sich nicht
darauf. Alle Poesie der Fusswanderung mit ihren Abenteuern thut sich
vor dem fröhlichen Wandergesellen auf und unzählige Volkslieder wissen
davon zu erzählen.
Die Wanderschaft ging gewöhnlich nach Deutschland oder den gewerbe-
treibenden Städten Ungarns, die zum grössten Teile deutsch waren. Dass
er sich oft mit „Fechten" behelfen und manchmal wohl auch bei der
„grünen Bettfrau" sich in die Herberge legen musste, that seiner Fröhlich-
keit keinen Eintrag. Nur selten machte sich einer den Bettel zum Gewerbe
und bildete sich zum Stromer aus. Gewöhnlich entschuldigte ein solcher
mit Kurzsichtigkeit, die dem Tuchmacher, da er die Farben genau unter-
scheiden muss, die Ausübung seines Handwerks unmöglich macheu kann,
seine Beschäftigungslosigkeit. Am besten ging es dem Waudergesellen in
Städten, in denen das Tuchmachergewerbe blühte. Seiner Bedeutung wohl
bewusst, schritt er stolz durch die Gassen der Stadt, der Herberge zu, den
Bünggl vorschriftsgemäss auf der linken Schulter; dort fand er gewöhnlich
schon wandernde Brüder. Der Zunächstsitzende musste ihm den Bünggl
abnehmen und selben dem Herbergsvater übergeben, der dann von dem
Anköumiling nach Vorschrift gegrüsst wurde. Mit Gruss und Handschlag
wurde sodann der „Eingewanderte" von allen Anwesenden empfangen und
das trauliche „Du" tönte ihm entgegen, mochten seine neuen Kameraden
auch vom Rhein oder von der Nord- und Ostsee sein. Erzählungen und
Schnurren, die mit Liedern abwechselten, vertrieben dem sorglosen Völk-
lein die Zeit. Waren Landsleute im Orte, so steuerten sie Geld zusammen,
um ihn an einem Abende „auszuschenken" (bewirten). Die Vermittlung
zwischen Meister und Gesellen übernahm der Herbergsvater. Brauchte der
Hanclwerksbrauch in der Tj^laiier Sprachinsel in Mähren. 383
Meister einen eingewanderten Gesellen, so schickte er zwei Groschen in
die Zechhütte (Herberge).
Die Knappen hatten viel von den fahrenden Schülern sich angeeignet.
Sie fingen auch manches Studentenlied auf. So lassen sie drei Tuchknappen
über den Rhein ziehen und bei der Frau Wirtin einkehren. Auch das
Lied vom Tabak und manch anderes war ihnen geläufig. Aber noch mit
ganz anderen Elementen kamen vielgewanderte Burschen in Berührung.
Das Bedürfnis, eine geheime Sprache zu haben, machte sie mit der Gauner-
sprache, dem Jenischen, vertraut, sie lernten schmusen. Sie freuten sich,
wenn sie, ohne dass man sie verstand, vom Brod (lechem) reden konnten,
das sie gefochten (getalft), vom Branntwein (sorof), den sie dafür ein-
getauscht, und wenn sie ungescheut über des Meisters (bost) und der
Meisterin (kröne) Schwächen sich unterhalten durften^).
Oft genug mochte es vorkommen, dass der Wanderbursche seine
Heimatstadt nicht mehr sah. Es machten daher die Tuchscherer, die lange
mit den Tuchmachern eine Zunft gebildet und selbst meist aus Deutschland
eingewandert waren, das Scherkind (Tuchschererlehrling) darauf gefasst,
indem sie ihm häufig bei der Aufnahme folgenden Mahnspruch erteilten:
Ob ich gleich soll inid muss mein Vaterland verlassen,
Geh' ich doch willig fort und reise fremde Strassen.
Sterb' ich in fremdem Lande,
Ruh' ich doch in solchem Sande
Wie in meinem Yaterlande.
Nicht selten erwarb der Knappe in einer fremden Stadt das Meister-
recht und siedelte sich daselbst an. Des Meisters Töchterlein Hess ihn
gar oft seiner Lieben daheim vergessen. Nur ungern sah man einen
wackern Gesellen scheiden, und manche Schü.ze mochte dabei nass werden.
A'olkslieder wissen davon zu erzählen. Doch in der Regel kehrte der
Bursche, so gern er in die Fremde gegangen, wieder ebenso gern heim.
Längere Zeit wusste er sich fremdartig zu gehaben und kannte wohl auch
einige Brocken einer fremden Sprache oder auch nur einer ]Mundart, oder
hatte gar einen verschnürten Rock und aufgewichsten Schnurrbart und
M^irde so der Gegenstand der Bewunderung nicht nur bei Lehrlingen imd
jungen Gesellen, sondern verursachte auch bei den Meistern einiges Auf-
sehen. Doch bald trat die Alltäglichkeit an ihn heran und zwang ihn
deich den andern hinter den Wirkstuhl. Nimmer aber konnte er die Zeit
seiner Wanderschaft vergessen, sie blieb seine liebste Erinnerung.
VHL Der Einfluss des Handwerks auf die Sprache.
Dass ein Handwerk, das fast die Hälfte der städtischen Bevölkerung
mittelbar oder unmittelbar beschäftigt, auf das geistige Leben und
1) Zu diesen Ausdrücken vergl. man Ave-Lallemant, Deutsches Gaunei-tum, 3. Teil.
Zeitschrift d. Vereins f. Volkskunde. 1892. 26
384 Piger:
besonders auf die Sprache einwirkt, ist selbstverständlich. Spielen ja selbst
die Kinder in Handwerkerstädten zumeist Handwerkerspiele- Auf die
allgemeine Schriftsprache konnte das Tuchmacherhandwerk keinen be-
sonderen Einfluss ausüben. Man könnte höchstens hieher rechnen: ver-
zetteln, herunterhaspeln. Auch in der eigenen Stadt kann ein nicht all-
gemein verbreitetes Handwerk die Sprache nicht stark beeinflussen. Man
sagt wohl agwirkt (abgewirkt) von einem, der mit seinem Gelde oder
seinem Verstände fertig geworden, man nennt einen täppischen Menschen
Motscher^), weil die Tuchmacher viel in verschiedenen Flüssigkeiten ohne
sichtlichen Erfolg herumhantieren, doch vielmehr derartige Ausdrücke
lassen sich nicht finden. Desto grösser ist aber der Einfluss allgemein
vorkommender Handwerke, wie das der Zimmerleute, Schmiede, Tischler,
Schuster, Schneider, Gerber, Bäcker u. s. w. Man spricht von „über die
Schnur hauen", „verklopfen", „in die Zange nehmen", von „abgehobelten"
und „nicht abgehobelten Menschen", von ,,alles über denselben Leisten
schlagen, einfädeln, durchgerben, altbackenen Ansichten" u. s. w. u. s. w.
Dieses möge genügen, vielleicht wird es einst gelingen, für jedes
Handwerk seinen besonderen Einfluss auf unsere Sprache nachzuweisen.
B. Gerber.
Man unterschied Weissgerber, Lederer und Loh- und Rotgerber. Die
Lederer verfertigten Sohlleder und die Loh- und Rotgerber Oberleder.
Heutigen Tages ist diese Unterscheidung kaum mehr anzuwenden. Auch
bei den Gerbern zeigen die Gesellen mehr Anhänglichkeit an die Zunft-
gebräuche als die Meister. Erstere haben daher, als der Zunftzwang im
Jahre 1859 zu bestehen aufgehört hatte, sofort Bruderschaften gebildet zur
Unterstützung armer Brüder und in diese das Meiste von dem zünftlerischen
Treiben herüber gerettet. Diese Bruderschaften geben noch heute Gesellen-
scheine aus, die den Meistern und der Behörde gegenüber wertlos sind,
dem Inhaber aber bei jeder Bruderschaft eine nicht unbedeutende Unter-
stützung sichern. Kommt der notleidende Geselle an Wochentagen, so
bekommt er hierzulande 80 Kreuzer, an Samstagen, an denen der Lohn
ausgezahlt wird, das Doppelte. Mir kam zufällig ein solcher Gesellenschein
vor Augen. Er lautet:
„Wir ehrsame Loh- und Rotgerbergesellen bestätigen hiermit, dass
Bruder N. aus Z. im Jahre 1881 vor oifener Lade und von rechtschaffenen
Gesellen freigesprochen wurde. Urkund dessen sind unsere eigene Unter-
schriften." Selbst tschechische Bruderschaften ß-eben deutsche Gesellen-
1) Man vergleiche das süddeutsche G'matsch, welches dasselbe bedeutet wie das
lateinische tabes.
Handwerksbrauch in der Tirlauor Sprachinsel in Mähren. 385
scheine aus, damit ihre Mitglieder in Kärnten, Steiermark. Nieder- und
Oberösterreich, wo man auch noch auf das Zunftwesen hält Ansprache
und gegebenen Falles Unterstützung finden. In früherer Zeit hatte der
Zünftler vor dem Arbeiter, den etwa der Meister bei der Gerberei ver-
wendete, gesetzlich Vorrechte. Sobald einmal die Haut in die eigentliche
Werkstätte kam, durfte sie nur mehr der Geselle anrühren. Aber auch
heute wissen die Zünftlerischen demjenigen Gesellen, der sich nicht in
ihre Bruderschaft aufnehmen Hess und also kein Vertrinken gab, das
Leben sauer zu machen. Sie wissen es, besonders wenn sie in der Werk-
stätte die Mehrzahl bilden, so einzurichten, dass der Nichtzünftlerische
die unbeliebteste Arbeit erhält, am ungünstigsten Platze seiner Arbeit ob-
liegen muss und was der Plackereien mehr sind. — Die Gerber thun mit
ihren Zunftgebräuchen besonders geheimnisvoll, und nur mit Mühe konnte
ich etwas Näheres über ihr Treiben erfahren, denn Geheimhaltung scheint
bei ihnen Gebot zu sein.
Die Auflage zum Zwecke der Beitragsleistung halten die Loh- und
Rotgerber wie die meisten Gesellenbruderschaften alle 4 Wochen am
Nachmittage eines Sonntags, wobei auch die Aufnahme neuer Mitglieder
stattfindet.
Die Vorstandschaft besteht aus dem Altgesellen, dem Kumpan (Stell-
vertreter) und dem Junggesellen, der verschiedene Dienstleistungen zu
versehen hat. Der Altgeselle schlägt vor einer Rede dreimal mit der
Faust auf den Tisch, der Kumpan zweimal und der Junggeselle einmal
wie alle bereits aufgenommenen Brüder. Wer noch nicht aufgenommen
ist, darf auf den Tisch nicht aufschlagen.
Mir liegt ein gar fehlerhaft geschriebenes Büchlein vor, in welchem
die Regeln der Bruderschaft enthalten sind, die derjenige auswendig
lernen muss, der aufgenommen werden will. Diesem Büchlein folgend,
will ich, nachdem ich da und dort Belehrung geschöpft, dem Leser sagen,
was man alles wissen muss, um ein richtiger zünftiger Loh- und Rot-
gerber zu sein.
AVenn man auf die Reise geht, so muss man immer Hut und Stock
haben und auf dem Hute ein Tuch oder eine Masche. Beim Einwandern
in eine Stadt trägt man den Berliner auf der linken Schulter und den
Stock ebenfalls in der linken Hand, der Rock ist auf drei Knöpfen zu-
geknöpft. Wenn man bei einem Meister vorspricht, lässt man den Berliner
draussen vor der Tliür, der Riemen ist gegen die Wand gerichtet. Kommt
man in das Zimmer, so grüsst man den Meister, je nachdem die Zeit ist,
den Stock in der linken Hand haltend, den Rock auf drei Knöpfen zu-
geknöpft, der Hut wird ein wenig gehoben. Jede Rede und Gegenrede
beginnt mit den Worten: „Mit Gunst!" Der Geselle tritt vor den Meister
und sagt: „Loli- und Rotgerbermeister und Gesellen lassen Sie grüssen
2(5*
386 Piger:
wegen ehrsamen Handwerks". Darauf erwidert der Meister: „Ich weiss
nichts anderes." Jetzt erst fragt der Geselle um Arbeit an.
Wird der Geselle angenommen und kommt er in die Werkstätte, wo
die Gesellen arbeiten, geht er zum ersten hin und spricht: ^,Erlaub'
Bruder, ist Er ein Geselle?" Darauf antwortet dieser: „Zum Erlauben:
Bin ich." Sodann fragt er wieder: „Erlaub Bruder, was bist Du für ein
Landsmann?" Der Angeredete beantwortet die Frage und stellt dieselbe
Gegenfrage. Das Gleiche thut man jedem andern Gesellen gegenüber,
indem man von dem einen zum andern geht, aber immer nach der rechten
Seite hin. Erst nachdem dies abgethan, erhält der neue Geselle seine
Arbeit zugewiesen.
Kommt man auf die Herberge, wohin übrigens der Handwerksbursche
meist zuerst seine Schritte lenkt, so fragt man vor allem, ob hier Ge-
sellen sind. Wird dies bejaht, legt man den Berliner auf die Bank oder
auf den Fussboden, den Riemen wieder der Mauer zugewendet. Ist der
Altgeselle anwesend, der den Ehrenplatz inne hat und daher von dem An-
kömmling sogleich erkannt wird, so tritt dieser zu ihm hin und sagt:
Hui Gerber! worauf jener antwortet: Hui! Hierauf geht man zu dem
zunächstsitzendeu Gesellen, klopft mit der Faust einmal auf den Tisch
auf und spricht: „Erlaub', bist Du ein Bruder?" Auf das hin stehen alle
Gesellen auf und der Angeredete erwidert: „Zum Erlauben, bin ich."
Darauf der Ankömmling: „Erlaub' Bruder, was bist Du für ein Lands-
mann?" Dasselbe wird gegeugefragt. So stellen sich die Gesellen ein-
ander vor, indem der Angekommene von einem zum andern geht, aber
wieder nach der rechten Seite hin, und nie über den Tisch mit einem
spricht. Ist einer der Gesellen ohne Rock oder mit Essen oder Karten-
spiel beschäftigt, so muss man warten, bis der betreffende Geselle den
Rock angezogen, das Essen oder das Kartenspiel zu Ende ist. Giebt Dir
einer zu trinken, heisst es in den Vorschriften, so sage Prust! (prosit!)
oder wie man auch anders sagt, wenn Du aber das Glas aufstellst, so
klopfe auf und reiche die ganze Hand beim Biertrinken, die zwei Mittel-
finger beim Weiutrinken, den kleinen Finger und Daumen und dann die
ganze Hand beim Schnapstrinken. Will ein Geselle mit dem Ange-
kommenen Bruderschaft trinken, so hat dies folgendermassen vor sich zu
gehen:
A. : Ich sage mit Gunst! für was erkennst Du mich?
B.: Ich sage mit Gunst! für einen rechtschaffenen Loh- und Rot-
gerbergesellen. Ich sage mit Gunst! für was erkennst Du mich?
A. : Ich sage mit Gunst! für dasselbe.
Hiernach wird auf den Tisch geklopft, mit den Gläsern zusammen-
gestossen, Bruderschaft getrunken, dann wieder aufgeklopft und je nach
dem Getränk die Hand gereicht.
Handwerksbraiich in der Iglauer Sprachinsel in Mähren. 387
Bevor ein Zugereister in die Bruderschaft aufgenommen wird, muss
er 14 Tage in der betreffenden Stadt in Arbeit stehen. Sodann wird er
auf dieselbe Weise aufgenommen, wie ein Einheimischer, den der Meister
freigesprochen. Die Aufnahme findet, wie bereits oben gesagt wurde, bei
der Auflage statt, die alle vier Wochen abgehalten wird. Ehe der Zu-
gereiste oder der heimische Bittwerber in die Gesellenstube eingelassen
wird, fragt der Altgeselle dreimal: „Mit Gunst Brüder! Ist dem einen oder
andern etwas bekannt, was des Meisters und der Gesellen Treu und Ehr'
anlangt, so bringe er es vor und verschweige es nicht. Zum erstenmale,
zum zweitenmale, zum drittenmale! Verschweigt er es für dieses Mal, so
verschweige er es für immer und allemal, damit Friede und Einigkeit
unter uns bestehe." Hat niemand etwas gegen den Aufzunehmenden ein-
zuwenden, so fährt der Altgeselle fort: „Mit Gunst Bruder Junggesell',
wirst du so gut sein und mir die Zugereisten (Lehrlinge), welche schon
über 14 Tage arbeiten, hereinrufen?"
Nachdem diese eingetreten sind, schreitet der Junggeselle vor den
Tisch, auf dem die offene Bruderlade steht, klopft einmal auf den Tisch
und sagt: „Bruder Altgesell! Hier haben wir einen Zugereisten (Aus-
gelernten), der den rechtschaffenen Loh- und Rotgerbergesellen beitreten
will." Sodann tritt der Junggeselle ab, wenn der Aufzunehmende nicht
etwa ein Lehrling ist, dem er vielleicht nachhelfen muss. Ist der Aufzu-
nehmende ein Fremder, so ist die richtig-e Beantwortuno; der Fragen des
Altgesellen, welche auch Spitzfragen heisseu, ein Beweis, dass der Bitt-
werber bereits anderswo ein richtiger Geselle war. Es entspinnt sich also
zwischen dem Altgesellen und dem fremden Gesellen folgendes Zwie-
gespräch, wobei jede Rede und Gegenrede wieder beginnt mit den Worten:
Mit Gunst!
Altgeselle: Was ist dein Begehren, dass du hier bei der Bruderschaft
erscheinst?
Fremder: Was jedem rechtschaffenen Loh- und Rotgerbergesellen
widerfahren ist, soll auch mir widerfahren.
Altg. : Was willst du zum Besten geben für die Bruderschaft?
Fr. sagt was er geben will.
Altg.: Was bist du für ein Landsmann?
Fr. sagt es.
Altg.: Bist du ein Meisterssohn oder ein Gelernter?
Fr. sagt es.
Altg.: Wie lange lernt man bei euch?
Fr.: Drei Jahre.
Altg.: Sage mir deine drei Werkstätten, in denen du zünftig über
14 Tage gearbeitet hast?
Fr. sagt sie.
Altff.: Wird dort auch Handwerksbrauch gehalten?
388 Figer:
Fr.: Weiss nichts Anderes.
Die voransgelienden Fragen ist jeder imstande zu beantworten. Von
nun an folgen aber die eigentlichen Spitzfragen, die nur ein Zünftiger
richtig zu beantworten weiss.
Altg.: Was hat dir der Meister auf den Weg gegeben?
Fr.: Einen Gruss, den ich noch nicht ausgerichtet habe. Den wnll ich
nun ausrichten. Meister und Gesellen aus N. (nennt die Stadt, in der er
zuletzt in Arbeit gestanden) lassen euch grüssen wegen ehrsamen Hand-
werks.
Altg.: Ich werde den Gruss bei der nächsten Bruderschaft ausrichten.
Altg.: Wo hast du gelernt?
Fr.: Bei einem zünftigen Loh- und Rotgerbermeister.
Altg.: Worauf hast du das Handwerk gelernt?
Fr.: Auf Leder und Holz.
Altg.: Womit hast du das Handwerk gelernt?
Fr.: Mit Stahl und Eisen.
Altg.: Womit war die Stube bestreut bei deinem Gesellenmachen?
Fr.: Mit lauter rechtschaffenen Loh- und Rotgerbergesellen.
Altg.: Warum wanderst du mit dem Berliner auf der linken
Schulter ein?
Fr.: Weil es Handwerksgebrauch und Gewohnheit ist.
Altg.: Warum trägst du die gelbe Rolle ^)?
Fr.: Zum Zeichen des ehrsamen Handwerks.
Altg.: Warum trägst du die gelbe Schürze?
Fr.: Dem Meister zum Ruhm', den Gesellen zur Ehr.
Altg.: Wo hat das Schild gehangen? (Das Schild ist das Wappen der
Loh- und Rotgerber und besteht aus einem Bottich, darüber senkrecht
ein Falz vom Streich- und Schabeisen überkreuzt).
Fr.: Es hat nicht gehangen, sondern zwischen Tisch und Decke
geschwebt.
Altg.: Wieviel Lichter haben gebrantit bei deinem Gesellenmachen?
Fr.: Zwei. Eines zum Tabakanzünden und eines zu Ehren der
Bruderschaft.
Altg.: Bei was bist du zum Gesellen gemacht worden?
Fr.: Bei Bier, Wein und Schnaps.
Altg.: Wer hat dich zum Gesellen gemacht?
Fr.: Eine rechtschaffene Bruderschaft.
Altg. : Was für einen Rock hat der Altgeselle gehabt, als du bist zum
Gesellen gemacht worden?
Fr.: Gerade einen solchen wie du und ich und hätte ich gewusst, dass
1) Die Eolle ist der Berliner, der nach der Farbe der Lohe gelb sein nmss und vom
Ellenbogen bis zur Sjjitze der Hand reicht.
Handwerksbrauch in der Iglaucr Sprachinsel in Mähren. 389
du so neugierig bist, so hätte ich einen Knopf von den dreien abgeschnitten
und ihn zum Beweise mitgebracht.
Altg.: Was hat der Altgeselle an deinem Leibe gethan, wie du bist
zum Gesellen gemacht worden?
Fr.: Er setzte mir den Hut auf den Kopf, gab mir den Stock in die
linke Hand und sprach: Damit kannst du reisen zu Wasser und zu Land
und begegnest du einem Gerber, so alt wie der Mährerwald, und hat er
einen Bart bis auf die Schuh, so heisst es Bruder, du und du.
Kann der Fremde diese Spitzfragen beantworten, so wird er gleich
aufgenommen, sonst muss er noch bis zur nächsten Bruderschaft lernen.
Spitzfragen werden von Gesellen einander auch in der Herberge oder auf
der Landstrasse gestellt. Kann einer in der Herberge die Spitzfragen nicht
beantworten, erhält er kein Bruderschaftsgeschenk, kann er sie mangelhaft,
muss er Strafe zahlen. Haben auf der Landstrasse durch Beantwortung
der Spitzfragen zwei Gesellen sich gegenseitig als rechtschaffene Zunft-
brüder erkannt, so fühlen sie sich als Freunde und unterstützen einander
redlich durch Rat und That, soweit sie es vermögen. Diese Kenntnisse
genügen, um ein wackerer Loh- und Rotgerbergeselle zu sein. Die er-
wähnten Vorschriften enthalten nichts Weiteres.
C. Maurer und Zimmerleute.
Maurer und Zimmerleute waren nie sehr angesehen unter den Hand-
werkern, die fast geneigt waren, jene für blosse Arbeiter zu betrachten,
denn selten mochte sich ein Maurer oder Zimmermann zu einigem Wohl-
stande aufschwingen. Doch auch sie halten noch an dem alten Zunft-
gebrauche fest und werden noch lange daran festhalten, da sie nicht Gefahr
laufen, von den Fabriken verdrängt zu werden wie unsere armen Tuch-
macher und andere Handwerker.
Maurer und Zimraerleute sind Geschwisterkinder und gehen an manchen
Orten auch nur eine Innung ein, aber nichtsdestoweniger sind sie gar eifer-
süchtig aufeinander. AVenn sie am Frohnleichnamstage mit den übrigen
Zünften mit „ihrem Fahn" ausrücken, so streiten sie regelmässig um den
Vortritt. Die Zimmerleute tlmn sich viel zugute auf ihren Patron, den
hl. Josef, den Nährvater Christi, der auch ein armer Zimmermann gewesen
und dem Christus selbst die Schnur gehalten haben soll. Die Maurer hin-
gegen, die nur den hl. Rochus zu ihrem Schutzherrn haben, sagen, ihre
Zunft sei die ältere, sie reiche bis in die Römerzeit zurück und habe
früher bloss Adelige als Mitglieder aufgenommen. Man sieht deutlich, dass
in unseren Maurern noch eine dunkle Erinnerung an die Bauhütten des
Mittelalters fortlebt. ^
390 Piger:
Die Zunftgebräuche sind teilweise dieselben wie bei Tuchmachern und
Gerbern. Bei Maurern und Zimmerleuten wird dreimal im Jahre Auflage
gehalten und dadei werden auch Lehrlinge, wenn sie vom Meister frei-
gesprochen sind, in ihre Bruderschaft aufgenommen.
Doch viel wichtiger als die Zunftstube ist für Maurer und Zimmerleute
der Bauplatz. Er gilt als geweihter Raum, in dem jedes unanständige
Benehmen, jedes kecke Wort verpönt ist. Wer flucht und schwört oder
Uneinigkeit stiftet, wird nicht geduldet, die Mitgesellen selber fordern seine
Entlassung. Schon die Gefahr, die mit jedem Bau verbunden ist und jeden
Augenblick einen aus der Brüder Mitte wegraffen kann, verleiht dem ganzen
Gebahren der Maurer und Zimmerleute bei einem Baue einen gewissen
Ernst. Es gehen daher auch, bevor der Bau begonnen wird, alle, die
dabei beteiligt sind, in die Kirche, um Glück und Segen zu erflehen.
Will ein Wandergeselle am Bau um Arbeit einsprechen, so lässt er
Stock und Felleisen draussen, wie die anderen Gesellen, vor der Thür.
Yor allem muss er den Baumeister um Aufnahme bitten, und erst wenn
diese gewährt ist, dürfen ihm die Gesellen Red' und Antwort stehen. Der
Aufgenommene muss jedem die Hand reichen, selbst wenn er einen Feind
treffen sollte, denn auf dem Bauplatze darf sich kein Groll äussern.
Die tägliche Arbeit verläuft nicht so eintönig, als sich es mancher
vorstellen mag, der an einem Bau vorübergeht. Mit dem Gebete: „In
Gottes Namen fang' ich an, Gott soll uns segnen diesen Tag, dass uns
kein Unglück g'schieht" beginnen Maurer und Zimmerleute in aller Frühe
ihr Tagewerk. Der Polier untersucht jedesmal die Gerüstbalken, hier
Landenen (lange Tannen?) genannt, ob sie nicht eine ruchlose Hand ein-
gesägt und ob das Gerüst überhaupt nicht überlastet sei. Jedem teilt er
sodann nach seiner Kraft und Einsicht die Arbeit zu. Wird ein Bau ausser-
halb der Stadt aufgeführt, so erlaubt er auch ab und zu Gesang.
Viel verspottet wird die Langsamkeit der Maurer und Zimmerleute.
Zu der langsamen Bewegung der Säge brummen, wie die böse Welt be-
hauptet, die Zimmerleute gern:
"Wenn's — nur — Gott — gab,
Dass — bald — Nacht — war.
Wegen der Unkosten und Ungelegenheiten, die Maurer und Zimmer-
leute verursachen, hört man öfters den Stossseufzer:
Behuf uns Gott vor teurer Zeit,
Vor Maurer und vor Zimmerleut'.
Dem Trünke sind Maurer und Zimmerleute nicht abhold, wenn sie
sich auch zu bescheiden wissen.
Handwerksbrauch in der Iglauer Spracliinsel in Mähren. 391
Ein Vierzeiliger sagt von ihnen:
Maurer und Zimmerleut'
San rechte Lump'n,
Wenn sie ka Geld nit hab'n,
Gehn's zu der Pump'n.
Der Maurer und der Zimmermann sagt aber zum Wirte niclit: „Schenk
noch eins ein", wie die anderen Leute, sondern: „Bind' no ans an".
Auch ihre Ängstlichkeit, besonders die der Maurer, wird öfters ver-
spottet. Der Ausdruck: „Kaspar räum' dei' Zeug z'samm", den ein Maurer
zu seinem Kameraden vor einer Einsturz drohenden Mauer gethan haben
soll, ist hier sprichwörtlich für das Aufgeben einer misslichen Sache.
Grössere und kleinere Festlichkeiten unterbrechen das Einerlei des
Tagewerkes, vor allem die Grundsteinlegung und die Aufrichtung des
Dachstuhls. Die dabei üblichen Gebräuche sind bekannt und überall in
Deutschland gleich.
Unter den Liedern, die bei dem Richtfest gesungen werden, sticht
das Maurerlied hervor, das jeder ordentliche Maurer kennen muss. Es
lautet:
Im Sommer und im Mai
Hammer und Köll' erscheint.
Die Nachtigall thut singen,
Das Meistergeld thut klingen,
Da hebt sich eine Lust
In unsres Herzens Brust.
Man zieht die Schnur hinaus
Nach Regel und Handwerksbrauch,
Den Zirkel zum Abstecken,
Den Zollstab zum Abmessen
Die rechte Läng' und Weit',
Die Höh' ist auch dabei.
I Wo kommen Kirchen her,
Häuser, Schlösser noch vielmehr?
Die Häuser auf die Bürsten (Pfähle)
Wir aufbauen müssen.
Auf Moos und trock'nes Land,
Ist unser Handwerksstand.
Kaum ist ein Bau vorbei,
Da giebt's viel Schmauserei,
Viel z' essen und zu trinken,
Gcbrat'ne Wurst' und Schinken,
Gut Bier und auch ein' Wein,
Da möcht' ein jeder Maurer sein.
Die letzte Strophe wissen die Maurer gegebenen Falles folgender-
massen umzuändern :
392 Thurab :
Raum ist ein Bau vorbei,
Da giebt's ka Schmauserei,
Nichts zu essen und nichts zu trinken,
Keine Wurst' und keine Schinken
Kein Bier und auch kein' Wein,
Der Teufel möcht' da Maurer sein.
Nur selten lässt ein geiziger Bauherr diesen Spott über sich ergehen.
Das Lied der Zimmerleute ist dem der Maurer ähnlich, nur erscheint
statt des Hammers und der Kelle die Axt und das Beil.
Zur neugriecliisclieii Volkskunde.
Von Dr. Albert Tlmuib.
III. Der Elidonas.
Wir haben früher (Zeitschr. II, 285 — 293) verschiedene Formen volks-
tümlicher Mantik besprochen, die mit dem Mirenglauben in Zusammenhang
stehen. Eine solche Beziehung fehlt vollständig bei einer andern Orakel-
form, die in ganz Griechenland verbreitet ist und sich in ihren Orundzügen
direkt an die Mantik der Alten anknüpfen lässt: ich meine den sogenannten
Klrjdovag (Klidonas).
Soweit Mitteilungen aus Agina in Betracht kommen, berichte ich
wiederum nach 'HQSituzrjg (2. Programm p. 3 — 11).
Das Wort xlijdovag ist uralt: es ist das altgriechisclie ij xXrjöwv bezw.
xk€r]d(6p, das bei Homer in der Bedeutung „Vorzeichen, Vorbedeutung"
begegnet, z. B. Odyss. 18, 117. Herodot, Äschylus, Sophokles kennen das
Wort in derselben Bedeutung; die späteren haben Ableitungen dazu ge-
bildet wie xlT]dovL^a) „eine Vorbedeutung geben, als eine Vorbedeutung
aufnehmen", xXrjdovio/iwg „Wahrnehmen eines Vorzeichens aus zufälligen
Worten und Lauten", xlrjöoviOTijg, xlrjö6viafj.a. Das zu gründe liegende
Wort y.lrjöoji' hat im Neugriechischen^) eine etwas abweichende Umbildung-
erfahren: statt *ri xlrjönva, wie wir nach sonstiger Analogie erwarten, ent-
stand o xlrjönvag mit Zurückziehung des Accents und Geschlechtswechsel;
die Ursachen dieser Umbildung sind mir nicht ganz aufgeklärt; an die
Form */} xXrjöova erinnert vielleicht noch das in Thessalien neben o xXnj-
1) In mittel griechischen Texten ist das Wort bis jetzt nicht belegt; wenigstens
geben weder Ducange noch Sophokles (Greek Lcxicon of the Roman and Byzantine
periods, 1888) Belege. Das Wort taucht erst in der neugriecliischen Volkssprache
wieder auf.
Ziir neugriechischen Volkskunde. 393
dovag gebräuchliche rä ytlridovu. Von den Ableitungen scheint in der
heutigen Sprache nichts mehr zu existieren. Die Bedeutung des Wortes
verschob sich im Xeugriechischen in der Weise, dass es auf eine ganz
bestimmte Art von Vorzeichendeutung eingeschränkt wurde.
Das Johannisfest ist der allgemein übliche Tag für den xAifdorag^);
in Thessalien, wo er eine wesentlich andere Gestalt hat, ist der 1. Mai
dazu bestimmt '), auf Cypern der 1. bezw. 3. Mai"). Auf Ägina sind zwei
Tage dazu ausersehen, das Fest Johannis des Täufers*) und der Himmel-
fahrtstag. Der Klidonas ist überall (auch in Thessalien) Sache der Mädchen;
die Burschen dürfen nicht daran teilnehmen, können sich jedoch von Mutter
oder Schwester vertreten lassen, indem sie diesen irgend einen kleinen
Gegenstand als „Zeichen" (s. unten) geben.
Ein Mädchen ^), welches die Vorbereitungen übernommen hat, sammelt
zunächst am Vorabend von allen Teilnehmerinnen kleine Abzeichen {or]-
(.läÖLo) ein, wie Ringe, Münzen und dergl., und wirft dieselben in einen
Krug, der bis dahin noch nicht benutzt wurde (aovQxo^) xavari): der Krug
wird hierauf mit „unbesprochenem" Wasser (ajullrjTo'') vsqo) gefüllt, d. h.
mit solchem Wasser, das vom Brunnen geholt werden musste, ohne dass
die Wasserträgerin irgend ein Wort w,echselte — eine nicht ganz leichte
Leistung, wenn man das lebhafte Treiben griechischer Schönen am Dorf-
brunnen kennt. Auf Kreta holt ein Knabe das afiUrjvo vego; als Grjfxddia
werden Früchte (Birnen, Äpfel), die mit einem Zeichen versehen sind, in
den Krug geworfen^). Auch in den NeoalX.''Av(xl., wo leider eine Angabe
der Herkunft fehlt, wird ähnliches mitgeteilt, dass man nämlich mit Gold-
streifen verzierte Äpfel gebrauche, die mit besonderen Kennzeichen ver-
sehen werden. Mit einem Frauenfez oder einem roten Tuch wird der Krug
bedeckt, mit Myrten und Lorbeer geschmückt (Passow). dann mit Hilfe
eines Zweiges der Brustbeere (?tCug)ta) zugebunden, wobei noch gar die
Enden des Zweiges mit einem Hängeschloss geschlossen werden. Zu dieser
Ceremonie spricht man die Verse:
1) s. Passow Carmina popularia Graeca p. 014. Jeannarakis, Kretas Volkslieder
p. 340. NtofXlrivixu 'Avc'dtxitt I 338, KaviXXäxrii, Xiaxa 'Aväk(x%n (Athen 1890) p. 3-21.
2) 'Em Ca 1890 (I) 268.
3) ZttXiUänio?, Tu KvnQiaxä I (1890) p. 709. Auf Cypern nennt man den Gebrauch
loayov^i 70V Mü >Mailied'- : doch begegnet das Wort xX)\6ovc(g in dem von ZaxakÜQioi
II 180 mitgeteilten Lied, das während der Ceremonie gesungen wird.
4) daher "AC-Fiawiov lov xXridovu oder "yli-Fictwiov nov ßnlvovn in ^lyxä
(,,Johanni, wo man die oi^ixä [s. u.] legt") genannt.
5) Nach Pervanoglu, Kulturbildcr aus Griechenland (Leipzig 1880) p. 84 werden
zwei Mädchen damit betraut.
(j) Derselbe Ausdruck auch Neoekl. 'Aväk. a. a. 0.
7) Solches Wasser spielt auch sonst eine Rolle, vergl. z. B. Wachsnnith, Das alte
Griechenland in neuen, p. 53. Bekanntlich begegn(>t es auch im deutschen Volksglauben.
8) Jeannarakis a. a. 0. •
394 Thumb:
KXsidcoaaTe tov xItJöüvk /lis t^ ai-rmvviov^) ttj xciql
^vQLO d^a cpaveqcod^i] novbg eivs QitLuctQig.
„So schliesset nun den Klidonas; sei gnädig uns Johannis!
Denn morgen wird es offenbar, wem Glück von uns beschieden."
Während der Nacht bleibt der Krug im Freien stehen, „damit ihn die
Sterne schauen""), wird aber vor Sonnenaufgang ins Haus gebracht, weil
man fürchtet, dass die Sonnenstrahlen die gute Wirkung wieder aufheben
könnten. Übermütige Burschen machen sich oft das Vergnügen, den Krug
verschwinden zu lassen und so die armen Mädchen zu kränken ; denn alles
war dann umsonst — %vvovv xal zalya xai %u xakd&ia „sie verlieren die
Eier samt dem Korb"^). An manchen Orten bestellt man daher zwei
Mädchen zur Wache*).
Am Morgen des Festtages'*) versammeln sich die Mädchen und Mütter,
um den Hauptteil des Klidonas vorzunehmen. Ein Knabe, der mit einem
roten Tuch bedeckt wird, hat die Aufgabe, den Krug zu öffnen®). Zur
Eröffnung des xXrjdnrac, d. h. während der Verschluss des Kruges gelöst
wird, spricht eines der Mädchen ein Distichon, das auf Ägina so lautet ''):
Idvol^ers TOV xXrdova f.is T^^Ai-riavviov zrj %aQi,
^tJ^isqu cpavEQiJüVSTai, noiog dve QL^ixccgig.
„So öffnet nun. den Klidonas; sei gnädig uns, Johannis,
Denn heute wird es offenbar, wem Glück von uns beschieden."
Was den Mädchen eigentlich die Hauptsache ist, verrät deutlich eine
andere Fassung^) des Spruches, die bei geringer Abweichung des ersten
Verses®) also schliesst:
Gtj/.ieQa (pavEQtüVExai 6 viog nnv &ä f.i8 naQ7]
„Heute wird mir kund gethan der Mann, der mich wird nelnnen."
Aus zwei Distichen besteht der einleitende Spruch auf Kreta, der nach
der genaueren Fassung von Jeannarakis (Kretas Volksl. Nr. 309) lautet:
1) bezw. fih tov Xqiotov irj x"Qh j^ "^^^i fl^"^ Tage (s. oben).
2) j/£« va to fSovvs Taax(Qiu (Ägina und nach den NtoiXk. 'AydL), ocaiQoq>(yyinCi''(<'
(Kreta).
3) Dieser Zug nach den NtotU. 'Aval. a. a. 0. und nach Bent p. 161 (los).
4) Passow a. a. 0.
5) 3. Mai in Cypern.
6) Dieser Zug wird nur aus Ägina besonders hervorgehoben.
7) Von 'HofiMirji wird zwar nicht besonders erwähnt, dass der Spruch in diesem
Moment gesagt werde, aber da er Nr, 1 der (jiCixn (s. unten) ist, so besteht darüber kein
Zweifel.
8) NtotlX. 'AväXtxta a. a. 0. p. 334.
9) ''ix'' "A'i- Fittwiov.
Zur neugriechischen Volkskunde. 395
^Avni^Eze tbv Tili^önvcc 'gz' ai-Fiawinv rr^ XocQi
Kai ori(.iEQO &£vcc ßQs^ij anov V« QitixocQig.
Kai Tiäli §avavoi^ETe va ßyf^ y.al rb öixov lorj
Toij xalof-ioiQag xal §c(^'ijg vä ßyfj to qi^lxov totj^).
(V. 1. 2 wie oben. .3. 4: „Und öffnet nun zum zweitenmale, auf duss
ihr eigenes, der Glücklichen, Blonden Schicksalslos herauskomme").
Nach dieser Einleitung sagt ein Mädchen irgend eines der vielen
Disticha auf, die speciell für den nkr^dovag (wenigstens auf Ägina) im
Volksmund geläufig sind; inzwischen holt der Knabe ^) ein o)]jnadi hervor,
das der Besitzerin übergeben wird; in jenem aufs Geratewohl gesagten
Spruche erkennt man eine Andeutung des künftigen Schicksals. Dieses
Spiel wird wiederholt, bis alle „Zeichen" wieder in die Hände ihrer Be-
sitzerinnen gelaugt sind.
Nur in unwesentlichen Dingen finden wir in andern Gegenden kleine
Abweichungen: z. B, während das or]ixddi gezogen wird, ruft ein Mädchen
einen beliebigen herbei, auf dass er irgend eines der zahlreichen Distichen
sage, die von Liebe handeln^). Nach den Neoell. L^vaAexr« singen die
Mädchen selbst der Reihe nach allerhand Disticha, während die Lose ge-
zogen werden*).
Auf Ägina, wie gesagt, bestehen ganz bestimmte Sprüche y,QitLxd^\
die nur für diesen Zweck gebraucht werden. Aus der Sammlung von
^H()Su6TT]g teile ich einige mit. Sie versetzen uns gewöhnlich in eine genau
gezeichnete Situation; eine so allgemeine A^erheissung wie Nr. 3 bei
'HQ€i(üTrjg ist wohl nur eine Art Einleitung zu den folgenden Sprüchen,
von denen gleich der erste zu den grössten Hoffnungen berechtigt:
"Avoi^exs T^g xdf-iaQeg xal ozqoJoxe tcc ßsXovda,
Fid vd nsQdo'' b ßaoiXiag i-is rr. ßaaiXonovXa.
(„Öffnet die Kammern und leget Sammetteppiche,
Damit der König vorbeiziehe mit der Königstochter").
1) Varianten hei Fassow (bezw. Bybilakis): V. 2. arifinjov. Qt^ixünr]. 3. y.m nükiv
tbv ^uyot'ifTf. J/zö TOT] {Siy.öiCr] B.). 4. ^nvdris. vci äyfj. (va'iäTi. qiCixoiCt] B.). Die
Varianten bei Passow (mit Ausnahme von va Jj/;]) sind eine Folge von ungenauer Auf-
zeichnung der gesprochenen Sprache. — Das zweite Distichon des Spruchs hat 'Hoeitötrn
mit unerheblicher A1)weicliung als selbständigen Spruch angcfülu-t (anter Nr. 3) :
Kai näli '^avavoiitJt vu ßyf, xai i6 Sixö T»js
T^g y.aXofxoi'Qcci r^g xvQÜg ib ;^()iioo ^tCixo jr)g.
[Diese Auf/ciclmung giebt übrigens nicht genau den Dialekt von Ägina wieder.]
2) Ein Mädclien auf Kreta und sonst, s. Jeannarakis und Passow; ein „kleines"
Mädchen nach den NeoUl. "Aval, und HaxtlUnnag a. a. 0. Ich bemerke beiläufig, dass
auch im Altertum zu solchen Zwecken „keusche Knaben" verwendet wurden.
3) Jeannarakis a. a. 0., Passow a. a. 0.
4) Ähnlich aufCypern; die einleitenden Verse sind andere als die oben angeführten,
s. Zaxf.'k'KäQiog II 180.
396 Thumb:
Vornehmlich ist es die künftige Ehe, von denen die meisten Sprüche
handehi. So wird auf die Aussteuer angespielt (Nr. 6):
"Falidi, XQVooipaXiöo, nov xoßeig Ta ßelovöa,
KnSsig T^g vt(prjg ra riQOixicc nah xov yaf.niQnv ra qovxc-
(„Schere, goldene Schere, die du Sanmiet schneidest.
Du schneidest die Aussteuer der Braut und des Bräutigams Kleidung")
oder ihre Pracht hervorgehoben (Nr. 7):
ndnlioiiia, yiQVGo nanliof.ia oo" Qaßovve 'g z^v Ilokri
Kai 6s 'g 10 ^STsXsicovovvs s^TJvta ovo f^iaGxoQoi.
(„Eine Decke, eine goldene Decke nähen sie dir in der Stadt')
Und nicht vollenden sie dir zweiundsechzig Meister").
Einer andern wird ein Gatte aus fremdem Land verheissen (Nr. 14):
"Eva xuQaßc sQxezai and t^v EyylrjzsQa
Kai cpsQveL xä oxsqxxvia ooi>, aonQT] iitov naliGxiQa»
(„Ein Schiff kommt her von England
Und bringt dir, weisse Taube, deinen Brautkranz mit")
oder es wird einem jungen Manne ein „weisses Täubchen" aus England
in Aussicht gestellt (Nr, 16, ganz ähnlich Nr. 15):
"Eva xaQctßi sQxexai ano xr^v 'EyyXrjXEQa
BaOTciei xai 'gr^ nQV(.ivyj xov f^iiav aauQrj nsXioxeQa.
Auch rühmt man die vornehme Schwägerschaft der künftigen Ehe
(Nr. 13):
!//^' xi] (.iLav axQr] xovQuvoZ ooo va nag 'g xriv alX?j
^vinTe.'hEQtn syafiafj.6 /iie xi>pn (.iByälrj.
(„Bis du von einem Ende des Himmels zum andern gehst ^),
Sind wir verschwägert mit einer grossen Frau").
Scherzhaft ist die Strophe, wo einem heiratssüchtigen Mädchen p]rfüllung
ihres Wunsches in Aussicht gestellt wird, wenn sie nur ruhig warte (Nr. 24):
liaoe^ xoQYi^ l-irj onovddCf]g,
Kf 0 xaiQog ^sld oov cpsQTj
JayxvKiÖL /iiea' xo yjQi
JaxxvXidi xi ctQQeßiova
Kai 'gT^ xecpaXri xoQtuva.
(„Bleib sitzen, Mädchen, arbeite nicht;
Die Zeit wird dir doch bringen
Ein Ringchen an den Finger,
Ein Ringchen und Verlobung
Und auf das Haupt den Brautkranz").
1) d. i. Konstantinopel.
2) Der Vordersatz ist mir nicht recht klar.
Zur neugriechischen Volkskunde. 397
Das Glück heimlichen Liebesgenusses erhofft eine andere aus dem
Spruch (Nr. 21):
^e naXei^vQL yQi/^iszai nalXrjxaQiov i^iovccQi
Kai ynrcsliag ^Tinxdjinao fiF tn (.laQyciQnaQi-
(„Am Fenster hängt eines Pallikaren Gürtel,
Und eines Mädchens Hemd mit dem Perlen schmuck").
Und dieses Glück wird noch gesteigert durch die Verheissung eines un-
schätzbaren Perlenschmuckes (Nr. 19):
MaQyaQiTccQ'' axii^iioxo yQ6f.i£Tai 'gro laifzo ooi\
UalXr^xaQoixi XtvreQo unmäxai gto nXevQO oov.
(„Ein unschätzbarer Perlenschmuck hängt an deinem Halse,
p]in freier Pallikare schläft an deiner Seite.")
Doch nicht alle Verheissungen beziehen sich auf die künftige Ehe,
auch andere Dinge werden in Aussiclit gestellt, vor allem Reichtum, grosser
Grundbesitz, Schätze, Dienerschaft:
(Nr. 8.) 'Aveß' anavio 'g zb ßnvvb yat xvttaSe roig yd/^iJiovg
Kl nüa ^€vya<^ia x/av lÖTJg va fjve zov qiZixov oov.
(„Geh hinauf auf den Berg und betrachte die Felder,
Und soviel Gespanne du siehst — alles sei dir vom Glücke
beschieden.")
(Nr. 18.) "Eva xaQccßi eQX^tCiL (ni otccql /lis xQi^a()i
Kai TccTcoGxivlöia zov oXa f,iaQyaQiTdQi
(„Ein Schiff kommt mit Getreide, mit Gerste,
Und seine Spreu sind lauter Perlen.")
(Nr. 22.) ^'Oosg iqvneg biel dXoqyog
Tnanvg oxXdßnvg vdnntd^r^g,
(„Wie viele Löcher das Sieb hat,
S'o viele Sklaven sollst du dir unterthan machen.")
Ein bequemes Leben hat ein Mädchen zu erwarten, wenn ihm folgende
Verse zufallen (Nr. 11):
Käae^ xnQ7], odv xäd^eoai xct xeQia OTavQCü/.iiva
K' iy f.iüli)a oov x' ri zv^r} onv ÖovXsiovpe yid oeva.
(„Bleib sitzen, Mädchen, wie du sitzest mit gekreuzten Händen,
Deine Mire und dein Glück arbeiten für dich.")
Ein solch' glückliches Ding brauclit nicht zuarbeiten: das besorgt die Mire
für sie, gerade wie es in einem Märchen erzählt wird^).
Kriegerischer Ruhm wird dem Pallikaren zu teil, dem die stolzen
Verse verkündet werden (Nr. 2):
1) B. Schmidt, Neugr. Volksmärchen Nr. 1.
398 Tlmmb ;
Kai naXi Bavoi^STS va ßyfi 6 y^aQniO(.iivng,
WV ola Tcc xäatQa nolsfia yal ßyaivei ysQÖe/uevng,
(„Und wieder öffnet, damit herauskomme der Herrliche,
Mit allen Schlössern führt er Krieg und siegreich kehrt er heim.")
Einige der Sprüche sind mir nicht recht verständlich; es werden be-
stimmte Gegenstände angeredet:
(Nr. 25.) FovQva f.iov nslsxrjTi^
MaQiiiaQsvia xal yvri^
Kdd^s räcoLO to xaiQO
KdvEig xQvo ro vsqo.
(„Mein schön gemeisseltes Becken,
Aus Marmor und wie gegossen.
Jedesmal in solcher Zeit
Machst du kühl das Wasser.")
(Nr. 26.) ^Aorif.ievio f.iov azskiTO,
Gd otE(pavtod^ovf.ie cpszo.
(„Mein silbernes Stilett,
Wir werden dieses Jahr noch Hochzeit haben.")
(Nr. 27.) ^AarifXEvLo (xov qoIoC
riov siaai (.ISO TaQxovtoXo'i.
(„Meine silberne Ulir,
Du bist in vornehmer Gesellschaft^).")
(Nr. 28.) 'Aöi^f-ievin fxnv (.ia%aiQi
^8 yta)^ dvTQeicofievnv xeqi
(„Mein silbernes Messer,
In recht tapferer Hand.")
(Nr. 29.) KdviGXQo (.lov ynvQyovlaTo
Kai TQiavrdcpvXXa yei-iaro
(mir unklar wegen des ydvioxQo 'Kov}) und 70 t;(>70i)AaTo 'glu-glu- machend
von einem enghalsigen Gefässe).
(Nr. 30.) 'Aori(.i8VLa (.1 dXvoiöa,
BlsQsg eyco nov Ss o eido.
(„Meine silberne Kette,
Seit Tagen sah ich dich nicht.")
Inwiefern Nr. 25. 29. 30 zum xlijöovag gehören, weiss ich nicht. Bei
Nr. 26. 28 müssen wir uns wohl in der Anrede die Besitzer der betreffenden
Gegenstände (arj/ndöia s. oben) denken; für diese passen dann die angefügten
Worte und können als Omen aufgefasst werden.
1) ttQxo^^oXoC „die Honoratioren".
Zur neu^echischen Volkskunde. 399
Wie wir sehen, sind alle diese Sprüche glückverheissend — ein mensch-
lich begreiflicher Zug; will doch niemand mit eigenem Munde Unheilvolles
aussprechen, denn nomen est oraen^).
Die Sprüche, von denen wir eine Reihe mitgeteilt haben, heissen
Qil^ixa; so heissen aber auch die a/]uädia, jene Gegenstände, die als Zeichen
der einzelnen Teilnehmer in den Krug gelegt werden; daher „öng (xot
Qitiy.ö va. onv ßäviu 'g xov xlT]öova^ wo^®^ ^^^^^' ^^^^ oiLiy.n^ damit ich es dir
in den Klidonas lege", „ßalvio va iöio vo qiIlao f.inv^ „ich lege ein, um
mein qi^ixö (Schicksal) zu sehen", oder kurz „ßaivco za QiCtyd^ „ich lege
die Qitiy-a^. Da nun die Orakelsprüche sozusagen mit dem Hervorholen
der Gru-idöia wie Lose gezogen werden, so kann mau mit Doppelsinn sagen
ßydvovvs rd Qitcxd oder ßyaivo) vd Idai zo QiCixö f.iov „Man zieht die (ntmd
(d.h. Schicksalslose)", „ich ziehe, um mein Qitutö zu sehen".
Das Wort QiOy.ö^) hat interessante Bedeutungswandlungen durch-
gemacht, die ich kurz skizzieren will: zunächst bedeutet das Wort, seinem
Ursprung aus risico (rischio) entsprechend „Wagnis" periculum malum
(Passow, Carm. pop. Index s. v.), dazu das Verbum l>iCiy.d()(i) andere^).
Einen allgemeineren, wenn auch dem Grundwort immer noch nahestehenden
Sinn erhält QtCixn durch die Bedeutung „Geschick" „Schicksal" (ro QiCutn
1.10V eIvs vd ndi^ii) avxö „es ist mein Schicksal, das zu erdulden"); es wird
personificiert gedacht in Wendungen wie „et Xhi xh qiCixo onv"' „Was
sagt dein Schicksal". Erst durch den Zusatz eines Adjektivs wird das
neutrale Wort näher bestimmt: xo Kalo, xb ofnoQcpo , to xQ^voo qi^ixo
„Glück", zb xaxb, xb do%rif.io Qi'Qixö „Unglück", wozu die allgemein üb-
lichen Adjektiva yaloQiCutog und xayoQiCcxog*). Weiter bedeutet (>/^txo
auch den einzelnen Schicksalsspruch, insbesondere die oben mitgeteilten
Zweizeilen, dann den Gegenstand, der als arjf^idöi beim y.Xijdovag verwendet
wird (s. oben); letztere Bedeutung entwickelte sich mit dem brachylogischen
Gebrauch von ß(y)aivio xd Qitixd = ß(y)aivo} xd örjfxddia vd f.uii>io xb
QltlXC lilOV^).
Die media vox qi^ixo hat auch die bestimmte euphemistische Bedeu-
tung „Glück" bekommen, so z. B. Jeannarakis, Kretas Volksl. Nr. 176, 2;
aber auch das Pendant dazu „Unglück" darf uns nicht wundern, cfr.
Paspatis, Xiaxbv ritoooaQiov^ p. 312. Doch bedeutet das von l)i^ixb ab-
geleitete (HtixaQig ganz allgemein „glücklich" (cfr. Korais, '.Axaxia 11 320),
1) Auf Cypern werden freilich auch Disticha mit schlimmer Vorbedeutung vor-
getragen, vgl. 2axiXläQiog a. a. 0.
2) qO^ixo Ducange, das B. Schmidt verwirft, auch bei Jeannarakis, Kretas Volksl.
Nr. 176, 2 und Index s, v.
3) In derselben Bedeutung ist das Verb ins Albanesische übergegangen, vergl.
G. Meyer, Wörterbuch der albanes. Spr. s. v. rizikomm.
4) cf. Korais, "Ataxia II 166.
5) Dieselbe Bedeutung (- ö»j^«J'< jov xkrjöavu) hat das Wort xkr/Sovas in einem
Distichon bei Passow Nr. 1023: ro»' xkij^ovä /uov ^Q()iH xiX.
Zeitschrift d. Vereins f. Volkskunde. 1892. 27
400 Tlimnb :
also (l<iss(3llje, was y.aXoQiCixog. Diese Bedeutung können wii- aucli \'i\v
Ägiiia in dem oben (p. 395) mitgeteilten Vers feststellen ^). So hat also
ein Wort seine ursprüngliche Bedeutung nahezu ins Gegenteil verwandelt;
von 1)1^1x6 „gefährliches Wagnis" kommen wir zu ^lUy-d^ig „der glück-
liche" — eine volkspsychologische Illustration zum Sprüchwort „fortes for-
tuna adiuvat".
Wir kehren zu den Gebräuchen des xXijdovag zurück. ^Nachdem man
auf die geschilderte Weise die Zukunft der Unverheirateten erforscht hat,
folgt der xl'^öovag für die Eheleute nach dem gleichen Verfahren; aber er
hat nur den Zweck der Unterhaltung und besteht in scherzhaften Spott-
versen oft nicht sehr anständigen Inhalts. Auf einem Schweine zu reiten:
KaßäXXa zo xoIqo
Kai cpeQS yvQo
(„Besteige das Schwein
Und reite herum"),
oder einen Esel zu hüten:
"EuaQS ipojpd XI ayyovQL
Kl' (x'ivTS ffvla zo ya'idnvQi
(„Nimm Brod und Zwiebel
Und hüte doch den Esel"),
und andere liebliche Dinge:
//«(/ TTj lere loa
Kai B,vo Ti]v xaoida
(„Nimm das Messer
Und schabe den Grind")
werden spottweise den armen Eheleuten zugerufen; hier ist die eigentliche
Beziehung zum xlnjdovag ganz verwischt.
Was wir bis jetzt dargestellt haben, bildet gewissermassen nur ein
Vorspiel zum Hauptteil des Klidonas. Das Wasser, das unter den be-
schriebenen Ceremonieen geweiht und verwendet wurde (In'CixövaQo
„Schicksalswasser") hat geheimnisvolle Kraft. Man giesst es zur weiteren
Verwendung in eine flache Schüssel; jedes Mädchen wirft zwei Gersten-
körner hinein, die es dem Maienstrauss ''^) entnommen hat. Die beiden
(nicht enthülsten) Körner vertreten das Mädchen und seinen Geliebten;
wenn sie aufeinander zuschwimmen und zusammenstossen, so ist das ein
1) l'assow deutet den betreffenden Spruch in seiner Sammlung (Dist. Nr. 85) mit
„qui peviculum alicuius rei init". Diese Bedeutung hat dort das Wort sicher nicht; nur
Messe sich streiten, ob nicht (nitxürns etwa den unbestimmten Sinn hat ,.einer, dem ein
Schicksalsspruch zuteil wird".
2) M((i]g, IJlumonstrauss, der am ersten ]\Iai an der Ilausthüre aufgehängt wird.
Zur neugriochiscliou Volkslainde. 401
jilückverheissendes Zeichen; fliehen sie einander, so haben des Mädchens
Wünsche keine Aussicht auf Erfüllung.
Näheren Aufschluss über den Namen des Zukünftigen giebt ein anderes
Mittel: das Mädchen nimmt einen Schluck Schicksalswasser in den Mund
(oder giesst etwas davon in den Schuh)'), tritt vor das Haus und wartet,
bis es einen (männlichen) Namen zu hören bekommt — es ist der Name
des vom Schicksal bestimmten Gatten^). Wenn nun gar dieser Name mit
dem des schon erwählten Geliebten identisch ist, so besteht natürlich sichere
Aussicht auf Vereinigung der Liebenden. Treffen aber Schimpfworte des
Mädchens Ohr, so erblickt man darin eine schlimme Yorbedeutung.
„Manchmal trinken die Mitspielenden das in dem Gefäss befindliche
Wasser aus, und wenn bei dem Annähern der Lippen das Wasser zu
schäumen und zu kochen scheint, so ist dies ein gutes Zeichen für den
Trinkenden; wenn hingegen das Wasser ruhig und klar bleibt, so ist nicht
viel Gutes zu erwarten" (Pervanoglu, Kulturbilder, p. 85).
Auch der Brauch des Bleigiessens ist auf Ägina bekannt; man giesst
das flüssige Metall in ein mit QitmnvBQo gefülltes Gefäss. Ganz gleich ist
die Verwendung des Eiweisses^): man schüttet es ebenfalls in jenes Wasser,
um dann aus den Formen, die das Eiweiss annimmt, eine Deutung heraus-
zuklügeln: wenn z. B. der Liebhaber ein gebildeter Mann {diaßaof-ievog
„belesen") sein wird, so werden sich die Umrisse eines Mannes zeigen, der
ein Buch in der Hand hält oder schreibt; oder das Eiweiss formt sich zu
einem Schifflein, in dem ein Mann das Steuer führt — ein Seemann wird
dadurch als Gemahl verheissen*).
Wenn auf diese Weise nicht nur über die Frage einer künftigen Ehe
im allgemeinen, sondern auch über Name und Stellung des bestimmten
Gatten das Schicksal befragt ist, sucht man weiter Antwort darauf, bis
wann ein Mädchen seine Verheiratung zu erwarten hat. Ein Orakel,
welches diesen Zweck verfolgt und gleichfalls zum Klidonas gehört, wird
in den NeoeIL^^vüI. a.a.O. mitgeteilt: am Nachmittag des Klidonastages
werden die orn-iaöia wieder in den mit qiIixÖveqo gefüllten Krug geworfen,
der Krug wird an einem Dreiweg aufgestellt, und die Mädchen ziehen
wieder unter Absingen von Distichen ihre ar]ßadia heraus. Hierauf schneidet
sich das orakelsuchende Mädchen eine Distel, brennt sie etwas an und
setzt den Zweig dem Nachttau aus : wenn die Distel in der Nacht aufblüht,
1) So auf los nach Bent.
2) Ebenso in den Ntotll/AvaX. a. a. 0. p. 334. Ebenda wird der Ausdruck ünih]io
viciö im Zusammenhang mit dem erzählten Brauch erklärt: das Wasser werde a/nii.r]io
genannt, weil man nicht sprechen könne, solange man es im Munde hal)e. Die oben,
p. 393, gegebene Erklärung ist allgemeiner, d. h. sie stimmt für alle Fälle und ist daher
richtiger.
3) Auch auf los nach Bent, p. Ifi2.
4) Das letztere nach NtoUk. \lp(d. a, a. 0. #
27*
402 Thumb :
dann schliesst das Mädchen daraus, dass es innerhalb eines Jahres Braut
sein wird^).
Ich habe bereits oben auf eine wesentlich verschiedene Form des
y.lrjöovaq aufmerksam gemacht, wie sie in Thessalien und zwar zwischen
Agrapha, Pharsala und Trikkala bekannt ist. Darüber berichtet Xqloto-
ßaailriq in der 'Eovia 1890 (I) 268 f.
Das Wort xlt^dovac; bezeichnet daselbst nicht nur eine bestimmte Art
von Gebräuchen zur Erforschung der Zukunft, sondern auch und vor allem
die Weihung der Quellen und Brunnen, die am 1. Mai stattfindet. Diese
Wasserweihe des 1. Mai (jiQO)TO{.iayiä) gehört derselben Kategorie von Ge-
bräuchen an, wie die Flurumgänge und Yerwandtes.
Früh am Morgen versammeln sich die 7- bis 10jährigen Mädchen des
Dorfes festlich geschmückt in Gruppen von je fünf, von denen jeweils die
jüngste die „Braut", die übrigen das „Brautgefolge" darstellen. Jene ist
aufgeputzt, wie wenn sie wirklich Hochzeit hätte; so trägt sie den roten
Schleier wie eine rechte Braut; sie wird von zweien der Kinder geführt,
während die beiden andern vorangehen, einen irdenen Krug (^oxaf.iva) an
den Henkeln haltend. Der Krug wird mit „unbesprochenem" ^) Wasser
angefüllt, kleine Gegenstände von Burschen und Mädchen werden hinein-
geworfen, Zweige von allen Bäumen und Sträuchern gesammelt und gleich-
falls in den Krug gelegt. So ziehen die Kinder zu jedem Brunnen und
jeder Quelle des Dorfes. In jeden Brunnen wird der Krug zur Hälfte
ausgeleert und dann wieder aufgefüllt, wobei die Braut sich fortwährend
verneigt (nQooxvva'), die übrigen eine Art Weihelied singen:
Urjyadi MsadavLZtxo^)
^ög fiov v€q6
z/6g fiov ÖQOoia,
Nä ßdXio(.te t« xl/jdova
T^v U^ioToi^iaym
Kai ticcIl vd xä ßydXio(.iE
T^'lA'i- Gavaoiov to yuu(.ia
„Mesdanis heimatlicher Quell,
Gieb frisches Nass,
Gieb Himmelstau;
Wir werfen ein den Klidonas
Am ersten Mai
Und holen ihn am Morgen drauf,
Am Taa: des Athanasius."
1) Ebenso auf los nach Bcnt a. a. 0.
2) Hier uxquo genannt.
3) bezw. Kakvßiwitxo u. a., je nach dem Namen des Dorfes (MfoJ«v/, KaXvßia etc.).
Zur neugriechischen Volkskunde. 403
KlcuTGa, vvcprj (.C , xkcovoa,
KXcOTGa tu XQEVTTQl,
N ccyiaaovv tcc nrjyddia^
iV' ayiaa' iy xöafiog ovXog,
N ayiaa v y.al tcc noTdf.ua.
(an das Mädchen gerichtet, das die Braut darstellt)
„Stosse, Braut, zerstosse,
Stosse ein den Eimer ^),
Zur Weihe unsrer Brunnen,
Zur Weihe der ganzen Welt,
Zur Weihe auch der Flüsse."
Auch während die Mädchen von einem Brunnen zum andern ziehen,
werden verschiedene Lieder gesungen; ich unterlasse es, die Texte mitzu-
teilen, da sie zur Feier selbst nur in loser Beziehung stehen.
Am folgenden Tag, dem Fest des hl. Athanasius, öfiPnet man um die
Zeit des yuo(.ia (jsvi.ia\ d. h. Va^^ Uhr „die ylTjönva'-'- und holt die hinein-
geworfenen Gegenstände, wie Ringe, Brechen, Messer heraus. Aus den
Flecken, welche diese Dinge nach 28 stündigem Aufenthalt im Wasser be-
kommen haben, deutet man auf das künftige Schicksal des Inhabers:
Tov Tivog slv td xlrjöova;
Tov . . . (r^g . . .) elv xd xX^öova,
JJOV ßaLVOf.l£,
Av eiv T] (.iBQCi ()il^iy.id
Nd ßyovv kafiTiQd^
Ki av SLVS xaaoQiLiy.ijd
Nd ßyovv öxovQid.
„Sagt, wem gehört der Klidonas?
Dem (der) N. N. gehört der Klidonas,
Den wir erlosen.
Wenn Glück das heut'ge Fest verheisst,
So schein' er hell.
Wenn aber Unglück uns bedroht.
So sei er schwarz.
Die Deutungen beziehen sich nicht nur auf die Frage nach der Heirat
überhaupt, sondern auch auf andere Dinge, z. B. ob die Ehe glücklich
sein wird oder nicht, ob der betrefPende lange leben wird, oder ob er eine
baldigen Tod zu erwarten hat u. ä.
1) Nachahmung eines Hochzeitsgebrauches : die Braut stösst beim Betreten der ehe-
lichen Schwelle mit einem Tritt einen irdenen Krug voll Wasser ein, damit ihr Eintritt
Überfluss ins Haus bringe.
404 Tliiiiul):
Allen Arten des >{).ijöovcfg ist eines eliarakteristisch: die Bestimmung
des Schicksals mit Hilfe von kleinen Gegenständen, die unter bestimmten
Ceremonieen in einen Krug mit Wasser gelegt und hierauf herausgeholt
werden. In diesem Zug stimmen wenigstens alle Fälle überein, die ich
erwähnt habe; was sich daran anschliesst (z. B. in Ägina) oder vorhergeht
(Thessalien), scheint nicht ursprünglich dem Klidonas angehört zu haben.
Auch in Bezug auf den eigentlichen Kernpunkt des Brauches findet man
Yariationen, deren ich schon einige kleinere erwähnt habe. Etwas bedeu-
tender — obgleich sie das Wesen der Sache nicht verändern — sind die
Abweichungen, wie sie sich auf Chios finden. Darüber hat Kavellä^triq in
seinem für die Volkskunde wertvollen Buche Xianä'Avalsy.xct (Athen 1890)
p. 321 ff. Mitteilung gemacht.
Die Einleitung des Klidonas ist ungefähr wie oben, nur kürzer; man
wirft jedoch nur einen Ring in das betreffende Gefäss. Hierauf setzt man
sich im Kreis um den Krug herum; ein von den Genossinnen bestimmtes
Mädchen greift rasch hinein und sucht ebenso rasch den Ring herauszu-
ziehen, während gleichzeitig die Nachbarin zur Linken ein Distichon singt.
Falls jene nicht beim ersten Griff den Ring erwischt hat, kommt jeweils
die folgende an die Reihe, bis es einer gelingt, den Ring herauszuholen:
wenn nun zufällig im gleichen Augenblick ein Liedchen beendet ist, dann
glaubt man, dass der Inhalt des betreffenden Distichon eine Prophezeiung
für jene ist, die den Ring herausgeholt hat. Die Distichen sind zum Teil
typisch, zum Teil werden sie improvisiert; die meisten werden zum Tanz
gesungen, nachdem jedes Mädchen sein Schicksal erforscht hat. Weitaus
die Mehrzahl der Verse, die Kavelläyjjc veröffentlicht hat (es sind im
ganzen 32 Disticha), sind Neckereien und Spottverse, also von der Art wie
auf Ägina beim Klidonas der Verheirateten. Diejenigen Distichen, die sich
auf das eigentliche Orakel beziehen, haben den formelhaften Anfang
"AvoiBexe xbv idijöova, und gleich das erste ist eine Variation zu dem oben
(p. 394 f.) erörterten einleitenden Spruch:
^Avoi^exE xov xX/jöava 'gxo ayf rmvviov x^ yiä^i
Ki oynja \s yaloQi^ixi] xwqa &£ va f.(nQoßah].
„So öffnet nun den Klidonas, sei gnädig uns, Johannis,
Und wem das Glück beschieden ist, wird jetzt das Los sich zeigen."
Es ist nicht meine Absicht gewesen, alles zusammenzustellen, was vom
Klidonas aufgezeichnet ist; ich wollte nur einiges von dem mitteilen, was
aus neuerer Zeit über die eigenartige Sitte mir bekannt wurde. Ältere
Literatur verzeichnet Wachsmuth, Das alte Griechenland im neuen p. 84,
ohne jedoch seine Angaben zu erschöpfen. Leider stehen mir nicht die
Hilfsmittel zur Verfügung, um die Bibliographie vollständig anzuführen.
Ich verweise etwa noch auf die etwas abweichende Darstellung des
Zur noiiS'ri^<^l"schen Yolkslanule. 405
y^dovag auf Synie bei rQriyoQOTT.nvloq 'H vrjaog ^vf-irj (Athen, 1877)
p. 74 ff. Die Sitte ist schon älteren Keisenden aufgefallen. Ich kann es
mir nicht versagen, aus einem solchen Reisewerke, nämlich von Sonnini,
einen Auszug über den Brauch hier folgen zu lassen, einmal weil das ge-
nannte Werk wohl nicht so leicht jedem zugänglich ist, dann weil Berichte
älterer Reisenden über Volkskunde leicht der Vergessenheit anlieimfallen ^).
Die Vorbereitung am Vorabend wie oben. Der Krug bleil)t über
Nacht unter freiem Himmel stehen. „Den andern Morgen, d. h. am Feste
des heiligen Johannes selbst, kommen sie (die Mädchen) nach beendigtem
Gottesdienst abermals zusammen, und man kann sich denken, dass keine
von ihnen lange auf sich warten lässt. Nun werden einige Gebete an den
heil. Johannes ^) verrichtet, die im Grunde nur Anrufungen der Liebe sind ;
hierauf wird das Gefäss mit einer religiösen Sorgfalt und Feierlichkeit
herbeigebracht, geöffnet, uud von jedem Mädchen eine kleine Quantität
von dem geheimen Wasser nebst ihrem Apfel, der aber bestimmt der
ihrige sein muss^), in ein kleineres Gefäss gethan. Über dieses machen
sie nun mit einer ausserordentlichen inbrünstigen Andacht das Zeichen
des Kreuzes und sagen dabei folgende Worte: „„Grosser heiliger Johannes
gieb, dass, wenn ich N. heiraten soll, dieses Gefäss sich rechts . umdrehe,
dass es sich aber links umdrehe, wenn er mein Gatte nicht werden soll.""
Dasjenige Mädchen, das dieses Gebet verrichtet hat, faltet hierauf die
Hände, sodass die Daumen in die Höhe und von einander entfernt stehen,
eine von ihren Freundinnen stellt sich vor sie und faltet die Hände auf
die nämliche Art. Hierauf wird auf diese solchergestalt in die Höhe
stehenden vier Daumen das Gefäss gestellt, und dieses fehlt dann nie, wie
man sagt, sich von freien Stücken rechts oder links umzudrehen, und da-
durch zu bestimmen, ob der bezeichnete Mann der Gatte des mit Sehn-
sucht auf Antwort wartenden Mädchens werden wird oder nicht. Alle
übrigen Mädchen befragen hierauf dieses seltsame Orakel auf die nämliche
Art. . . . Wenn die Probe mit dem sich herumdrehenden Gefäss vollendet
ist, so waschen sie sich auch mit dem geheimen Wasser, worin ihre Apfel
geschwommen haben; hieraufgehen sie auf die Strasse, und der erste Mann,
dessen Namen sie hier aussprechen hören, ist der ihnen vom Schicksal
bestimmte Gatte*)."
1) Sonnini bereiste 1779/80 Griechenland, besonders die Inseln des ägäischen Meeres,
Mir liegt die Übersetzung seines Reisewerkes vor: „Reise nach Griechenland und der
Türkei", aus dem Französischen übersetzt von Ch. Wcyland, Berlin 1801; über den Kli-
donas p. 221 f. Zur Charakteristik Sonninis bemerke ich übrigens, dass er geneigt ist,
seine Mitteihmgen über gi-iechischcs Volksleben romanhaft aufzuputzen; das gilt liesonders
von seinen Schilderungen über das Liebesleben der Inselgriechen.
2) Offenbar Sprüche wie die oben von mir mitgeteilten.
S) Der Apfel (das oriuf'ah, s. oben) wird mit einem I\lcrknial versehen.
4) Also eine Variation zu dem, was wir p. lOl mitgeteilt haben.
406 Thumb: Zur neugriechischen Volkskunde.
Ich habe nicht ohne Grund es vermieden, die von mir mitgeteilten
Orakelformen mit den altgriechischen zu vergleichen: da ich nur einen
kleinen Beitrag zur Kenntnis neugriechischen Orakelwesens gegeben habe,
so hielt ich es für verfehlt, solche einzelne Thatsachen ohne weiteres
mit der antiken Mantik zu verbinden: man würde leicht in den Fehler
fallen, auf zufällige Übereinstimmungen zu grosses Gewicht zu legen.
Denn jene Yergleichung wird nur dann methodisch richtig sein, wenn sie
annähernd die Gesamtheit der neugriechischen Erscheinungen zu der Ge-
samtheit der altgriechischen in Beziehung setzt und so im stände ist, die
Züge wesentlicher Übereinstimmung und Verwandtschaft von bloss zu-
fälligen scharf zu scheiden. Aber zwei Thatsachen möchte ich doch hervor-
heben: 1. man wird die Elemente, welche die neugriechische Mantik
charakterisieren, auch in der Mantik der Alten wiederfinden können, und
2. darf man behaupten, dass der xXijöorag auf bestimmte altgriechische
Orakelformen zurückgeht. Ich weise nur auf die ylrjQoiiiavTela der Alten:
kleine Kieselsteine, die durch Merkmale unterschieden werden, warf man
in ein Gefäss, betete zu den Göttern und zog hierauf jene Steinchen wieder
heraus, um aus ihrem Aussehen eine Deutung der Zukunft zu erschliessen.
Gerade diese Form des Orakels, die wir oben als eine bestimmte Variation
des Klidonas kennen gelernt haben, ist auch heute nicht vereinzelt; sie
findet sich, allerdings nicht im Zusammenhang mit dem Klidonas, auch bei
dem Quellorakel des "^'Ayioq FewQying BalaafAkrjg auf Amorgos, wovon
fast alle Besucher der Insel zu berichten nicht unterlassen haben ^);
eine Art dieses Orakels besteht nämlich darin, dass der Priester aus der
wunderbaren Quelle Wasser schöpft und die zufällig darin vorhandenen
Gegenstände (Insekten, Schlamm, Blätter) zu einer Weissagung zu deuten
versucht. — ,
Doch ich breche ab, um nicht selbst in den von mir gerügten Fehler
zu verfallen. Auch die Seite des neugriechischen Volkslebens, welche ich
in den vorliegenden Blättern besprochen habe, verstärkt den Eindruck,
den wir überhaupt beim Studium neugriechischer Volkskunde bekommen;
Sitte und Volksglaube der heutigen Griechen ist ein Erbe althellenischer
Zeiten, das zwar manche Umwandlung, Verstümmelung oder Erweiterung,
hin und wieder auch fremde Beeinflussung erfahren hat, im allgemeinen
aber doch seinen Ursprung deutlich an der Stirne trägt.
1) Näheres bei Mrjhaocixrig, 'AfxoQyöi (Athen 1884) p. 37 und zuletzt Beut, The
Cyclades or Life among the Insular Greeks (London 1885) p. 481 f.
Zwergsageli aus Nordfriesland. 407
Zwergsagen aus Nordfriesland.
Von Christian Jensen.
Der Afrikareisende Mr. Stanley berichtete in seiner Rede, welche er
bei der Festlichkeit hielt, die ihm zu Ehren die Geographische Gesell-
schaft zu London gab, dass er und seine Begleiter auf der letzten Reise
in der Nähe des Dorfes Avetiko am Ituri die ersten Zwerge gefunden
hätten. Sie durchzogen mindestens 100 Dörfer, welche von Zwergen be-
wohnt waren. Er beschreibt diese kleinen Menschen, welche nur 39 bis
50 Zoll massen (12 engl. Zoll = 3072 ^^'^) folgendermassen : „Die Hautfarbe
ist ein lichtes Rötlich-Braun; sie sind ausserordentlich gleichmässig gebaut
und könnten, wenn es nicht um ihre Kleinheit wäre, für normale Menschen
gelten. Sie führen ein nomadisches Leben, sind die Zigeuner des Urwalds
und bei den anderen Eingeborenen des Urwalds, die kleine Flächen der
Wälder gelichtet und bebaut haben und sich durch grossen Fleiss aus-
zeichnen, verhasst, da sie stehlen, wo sie können. Sie erweisen sich auch
nützlich, indem sie die Mitbewohner des Urwalds von dem Herannahen
feindlicher Stämme verständigen und ihnen bei der Verteidigung helfen.
Sie fangen auch Wild und Vögel, und versorgen mit dem Fleisch und den
Federn ihre grossen Mitbrüder. Beim Marsche laden die Zwerge die
Lasten den Frauen auf. Einzelne von ihnen kannten die nützlichen wilden
Pflanzen und die essbaren Schwämme." Stanley sagt, diese kleinen Leute
hätten die Herrschaft über ihr Land 50 Jahrhunderte behauptet, und ihr
Geschlecht habe die stolzen Pharaonen, das auserwählte Volk von Palästina,
die Könige von Babylon, Niniveh, Persien und die Reiche von Rom und
Macedonien überlebt.
Mich erinnerte diese Schilderung lebhaft an die Sagen, nach welchen
unser deutsches Vaterland einst auch von Zwergen bewohnt war, die in
den Wäldern, nicht selten auch in Höhlen hausten. Waren nicht diese
auch hilfreich, wenn ihre grösseren Mitbrüder angefochten wui'den? Ob
Siegfried, die reinste Heldengestalt unserer Sage, ohne den Zwerg den
Drachen besiegt hätte? Aber auch manche andere Eigentümlichkeiten,
wie sie Stanley an den afrikanischen Zwergen sah, treten uns entgegen,
wenn wir den Zwergsagen in Nordfriesland nachgehen, wie sie von den
Unterirdischen, Onnerbalkissen, Onnerbänkisseu, Otterbaankin (Föhr und
Amrum), Önnereesken (Sylt), Aennerbansken (Helgoland), Uuuerbierts-
wogter (Wiedingharde), Onnerersken (Brecklum) etc., erzählt werden.
Was zunächst die Gestalt der Zwerge betrifft, so heisst es darüber:
Sie hatten einen grossen Kopf und kurze krumme Beine. Vom Niss Puck
408 Jensen:
wirti^ ausserdem erzählt, dass er lange Arme, kurze Beine, einen grossen
Kopf, aber kleine kluge Augen gehabt habe. Im Sylter Sprieliwort sagt
man heute noch: „Hi glüüret üs en Puck!" und bezeichnet damit ein an-
haltendes, scharfes Sehen. Sie waren klein von Gestalt, aber sehr stark.
Über die Kleidung heisst es fast übereinstimmend, sie habe aus einer
roten Jacke und einer kleinen spitzen Schlafmütze auf dem Kopfe be-
standen und zwar war diese gewöhnlich auch von roter Farbe. Der Puck
scheint hier eine Ausnahme gemacht zu haben, da er eine rote Haube,
eine kleine grüne Jacke und rote Hosen anhatte. Die Aennerbansken
auf Helgoland waren mit roten Beinkleidern un<l grünen Mützen be-
kleidet. — Als Fussbekleidung trug Puck grosse weiche Pantoffeln, auf
welchen er auf Böden und Treppen umherschlarrte.
Sonach benutzte er als Wohnung die Häuser der Menschen, während
sonst Grabhügel und Grabkeller, die Kliffe und Ufer der Inseln, kleine
Hügel des Festlands die beliebteste Wohnung der kleinen Leute waren;
auf Helgoland hatten sie ihren Hauptsitz unter der grossen Treppe^).
Nach der Sage waren sie früher als die Menschen erschaffen, konnten sich
unsichtbar machen, waren kräuterkundig und mit Wunderkräften begabt,
liebten Tanz und Musik. Sie waren äusserst geschäftig, verfertigten allerlei
künstliche Schmiede- und Töpferarbeiten^). Den Glockenton und die
ackerbauenden Menschen mochten sie nicht leiden, doch kam es vor, dass
sie sich mit Töchtern der Menschen verheirateten.
Sie stahlen gern Menschenkinder und verwechselten sie mit ihren eigenen
verkrüppelten Kindern^). Dies gelang ihnen allerdings nur, wenn die
Menschenkinder noch ungetauft waren. Diese wurden auch geschützt durch
eine Stopfnadel, welche man in die Windeln steckte, durch eine kreuz-
weise vor die Wiege gelegte Scheere, durch ein auf die Wiegenkante
aufrecht (mit der Spitze nach oben) gestelltes Messer (also durch Metall-
sachen), durch eine in die Wiege gelegte Bibel, durch ein brennendes
Licht, das Bestreichen der Füsse des Kindes mit Butter (Helgoland). In
ihrem Bestreben, die Menschen zu ärgern, pressten sie durch ihre Fuss-
tritte aus den niedrigen Gegenden der dünnen Erdscheibe das überflüssige
Quell- und Flusswasser heraus. Als beliebte Nahrung der Zwerge wird
Brei, mit einem guten Stück Butter darin, genannt. Aus dem häuslichen
Leben der Unterirdischen ist uns ein Wiegengesang erhalten, ebenso das
Lied eines glücklichen Freiers, und die Beschreibung einer Zwerghochzeit.
1) Oetker, Helgoland, Berlin 1855, S. li)3.
2) Von diesen findet man im Morsumkliff und den Ufern von Föhr und Amrum noch
grosse Mengen in Gestalt von Röhren, Dosen, Töpfen, Kugeln u. s. w. und nennt sie auf
Sylt Ünnereeskpottjüg, auf Amrum Traaldasker.
3) Vergleiche Jensen, Die nordfriesischen Inseln Sylt, Föhr, Amrum und die Halligen
vormals und jetzt. Hambui-g 1891. Verlagsanstalt und Druckerei Actieu- Gesellschaft
(vormals J. F. Richter). S. 219 ff., wo ich im Ahschnitt ,.das Kind in Brauch und Sitte"
diese Dinge erwähnte.
Zwergsagen aus Noidfrieslanfl. 401)
Die letzten Zwerge fanden ihren Tod tlurcli das Feuer, nachdem sie durch
aufgestellte Räder, deren Speichen Kreuze bilden, an der Flucht gehindert
worden waren.
Nach Kielholts Aufzeichnungen hiessen auf Sylt die Puken: „IIus-
puken", auf den Schiffen dagegen „Klabauterniännchen", uml <liese waren
den Zwergen verwandte Männlein. Sie lebten vereinzelt, waren selten
sichtbar, oft aber durch Poltern hörbar und durch ihre Thaten bemerkbar.
Ihre Wohnung hatten sie in Scheunen, Ställen, auf Böden und Schiffen
und leisteten nicht selten, wenn ihnen nichts zu Leide gethan wurde, hilf-
reiche Hand. Hans Kielholt sagt von ihnen: „Ick heb twar wonderlicke
Dingen gehört und vormerket, sonderlich fan de Huspuken, de hier in
etlicke huyser gewesen siut, und seggen my, wo wol ick et nicht gelouen
kan, dat dar sint fan de Puken gewesen, de etlicke worden mit de luden
gespraken hebben oder geredet."
Die nachfolgend mitgeteilten Sagen entstammen grossenteils einem
handschriftlichen Sagenbuche C. P. Hansens, die übrigen habe ich bei
Gelegenheit der Stoffsammlung für mein sclion genanntes Buch gefunden.
I. Yon der Entstehung der Unterirdischen^).
Es w^ar einmal eine Frau, welche fünf hübsche und fünf hässlicho
Kinder hatte. Die fünf hässlichen Kinder waren verwachsen, sie hatten
kleine kurze Beine und ihr Kopf war viel grösser als der anderer Kinder,
sodass die Frau sie niemand zeigen wollte. Sie verbarg dieselben deshalb
im Keller und Hess sie nie mit den hübschen Kindern zusammenkommen.
Da kam einst der Herr Christus zu der Frau. Als er sie fragte, ob sie
noch andere als die ihm gezeigten fünf hübschen Kinder habe, sagte sie
„Nein!" denn sie wusste nicht, dass er Christus war. Darauf segnete er
die fünf hübschen Kinder und sagte:
„Asst boppe is, schalt boppe blef;
Asst onner is, schalt onner blef."
Deutsch :
„Wie's oben ist, soll's oben bleiben,
Wie's unten ist, soll's unten bleiben.
Als die Frau nach ihren hässlichen Kindern sehen wollte, war der
Keller leer, die Kinder waren weg und kamen nicht wieder.
1) Müllenhoff, Sagen, Älärchen und Lieder aus Schleswig-Holstein und Laueuburg
Nr. 379 (mit Verweisung auf J. Grinim.s Aufsatz: Die ungleichen Kinder Evas (Z. f. deutsch.
Altertum II, '257 ff.) Dr. Clement von Amrum teilt diese Sage als eine Amringer im Lappen-
korb, Leipzig, 184(5, S. ;5?.0, mit.
410 Jenseö:
Aus ihnen sind die Unterirdischen entstanden, welche in der Erde am
liebsten in Hügeln wohnen.
IL Vom Menschenraub der Zwerge auf Sylt^).
Die Zwerge stahlen oft ungetaufte Kinder aus den Wiegen und legten
statt derselben ihre krüppelhaften Wechselbälge hinein. Yon diesen Yer-
wechselungen leitete man daher in alten Zeiten den Übelstand ab, dass es
verhältnismässig viele Missgestalten unter den Einwohnern der Insel gab.
Um die Verwechselungen zu verhindern, wurden die neugeborenen Kinder
nicht selten noch im vorigen Jahrhundert am Tage nach ihrer Geburt,
spätestens am dritten, getauft. Jedenfalls wurden sie bei Tage und bei
Nacht, so lange sie ungetauft waren, sorgfältig bewacht. Man legte ihnen
zum Schutze eine Bibel in die Wiege. Einst wäre es aber beinahe den
Zwergen gelungen, aus einem Hause zu Keitum sogar eine Wöchnerin zu
rauben. Der Gatte kehrte jedoch noch zeitig genug vom Felde, woselbst
er beschäftigt gewesen war, heim, um die Räuber zu verjagen, und seine
Frau aus dem Netze, in welchem sie fortgeschleppt werden sollte, zu be-
freien. Als die Zwerge auf ihrer Flucht einen Augenblick inne hielten,
rief einer derselben dem siegenden Ehemanne zu: „Desmal heest du
Wonnen, man sa bald üs du aur din Wüf flockst, da sünkt jü deal ön de
Grund, en kumt nimmer wedder ap." (Dieses Mal hast Du gewonnen,
aber sobald Du über Deine Frau einen Fluch aussprichst, wird sie in den
Grund hineinsinken und nimmer wiederkommen.) Einige Zeit darauf be-
suchte die Frau eine Gevatterin und blieb ihrem Manne zu lange aus, so
dass er darüber erzürnt bei ihrer Rückkehr in die Worte ausbrach: „Hur
heest du Düwel sa lung wessen?" (Wo bist Du Teufel so lange gewesen?)
Darauf verschwand die Frau und kam nie wieder zum Vorschein.
in. Ein Zwerg verliebt sich in eine Rantumerin.
Zu dieser bei Müllenhoff, Nr. 419 erwähnten Sage fand ich in einer
Handschrift von 1824 den Gesang so mitgeteilt:
„Ik skell delhng Maalt grinj en mearen bruu,
En ik jit Nekkepen, en min Brid jit Jng,
En dit weet er nemmeu üüs ik alliining."
Zu deutsch:
„Ich soll heute Malz mahlen und morgen brauen,
Ich heisse Nekkepen und meine Braut heisst Ing
Und das weiss niemand als ich allein.
1) Vergl. Müllenhoff Nr. 421.
Zwergsagen aus Nordfriesland, 411
lY. Eine Sylterin heiratet eiuen Zwerg.
Ein junges Mädchen zu Braderup musste das Los so vieler Lands-
männinnen teilen, mit schweren Arbeiten namentlich auf dem Felde fast
überladen zu sein. Sie fühlte sich deshalb sehr unglücklich und beneidete
die immer fröhlichen und selten arbeitenden Zwerge, die sie gar oft in
ihren unterirdischen Wohnungen singen und tanzen hörte. Eines Morgens
ging sie in Begleitung ihrer Nachbarin aufs Feld, um dort eine Arbeit zu
verrichten. Auf ihrem Wege kamen die Jungfrauen an einem Hügel vor-
bei, in welchem die Zwerge hausten. „Wenn man's doch so gut haben
könnte, wie die Leutlein da drunten!" sprach traurig die erste der Jung-
frauen. „Möchtest Du bei ihnen wohnen?" entgegnete fragend die andere.
„Ach ja, warum nicht!" Das hatte aber einer der Zwergjünglinge gehört.
Als nun am folgenden Morgen die Mädchen wieder nach dem Felde ge-
gangen waren, kehrte die erste derselben nicht wieder heim.
Der lauschende Zwerg hatte sich über Hals und Kopf in sie verliebt,
um ihre Hand geworben, als sie abermals seiner Wohnung sich nahte und
sie, da sie eingewilligt, sofort in seine unterirdische Behausung geführt
und geheiratet. Die Sage fügt sogar hinzu, dass sie unter den Zwergen
glücklich gelebt und ihrem Gatten mehrere Kinder geboren habe. Ihr
werden auch die Worte des Liedes von Finn (Müllenhoff Nr. 411) in den
Mund gelegt^).
V. Von einer dankbaren Zwergin zu Braderup^).
Einst war in einem Hause zu Braderup (später Wohnung von Theide
Peters Ww.)') eine frühere Besitzerin des Hauses mit Bierbrauen be-
schäftigt. Unterdessen schlüpfte eine dicke Kröte unter der Mauer des
Hauses hervor in die Küche und leckte einige verschüttete Biertropfen von
der Diele.
Die Wirtin liess das durstige Tier gewähren, ohne es zu verscheuchen.
Später wurde eines Tages der Frau gemeldet, dass eine Zwergin in einem
nahen Grabhügel in Wochen gekommen sei und die Zwergin von ihr eine
Wochenvisite erwarte. Die Frau ging nach dem Hügel, wurde in einen
geräumigen Keller, in welchem die Wöchnerin samt dem neugeborenen
Zwerglein lag, geführt und auf das Freundlichste von den Zwergen be-
wirtet. Während der Mahlzeit gewahrte die Frau jedoch über ihrem Kopfe
einen grossen Stein an einem dünnen Faden hangend. Da verliess sie die
1) Über die Hochzeit der Zwerge vergleiche Jensen, Die nordfriesischen Inseln etc.,
"S. 308 f., C. P. Hansen, Sagen und Erzählungen. Garding 1875, S. XI, XII, Friesische Sagen
und Erzählungen, Ältona 1858, S. 155/56.
2) Vgl. Müllenhoff Nr. B97.
b) Theide Feters, geb. 1764, gest. 1819,
412 .T.ni,^cn:.
bisherige SeeU-iirulit'. Sie Ijeiigto sich unwillkürlich und erwartete mit
Angst, dass der Stein auf sie fallen werde. — Die Wöchnerin tröstete sie
aber, indem sie sagte: „Du hast meiner geschont, als ich während meiner
Schwangerschaft nach neuem Bier Yerlangen hatte und mich in Deine
Wohnung schlich, um einen Trunk zu erhalten; glaubst Du, dass ich so
undankbar sein könnte, Dich in meiner Behausung umkommen zu lassen?
Sei unbesorgt, geh' ungefährdet wieder heim und nimm diese Späne zum
Andenken an mich mit." Die Zwergin w^arf ihr darauf eine Menge Hobel-
späne in die Schürze und entliess sie. Die Frau, froh, dem gefährlichen
Loche entkommen zu sein, yerschüttete auf dem Heimwege die meisten
der Hobelspäne. Bei ihrer Zuhausekunft wurde sie jedoch mit Erstaunen
gewahr, dass die mitgebrachten Späne in Gold verwandelt worden waren
und sie bedauerte es, die weggeworfenen ungeachtet alles Suchens nicht
wiederfinden zu können.
AT[. Yon der Verwechselung zweier Kinder durch die Zw^erge.
a) Ungeachtet aller Sorgfalt wurde einem Manne auf Amrum eines
seiner Kinder yon den Onnerbänkissen , wie die Zwerge hier genannt
werden, gestohlen. Das Kind, welches an die Stelle des gestohlenen ge-
legt w^orden war, sah diesem aber in dem Grade ähnlich, dass die Eltern
anfangs den Betrug nicht bemerkten und später, als das verlorene Kind
wieder heimkehrte, nicht wnissten, welches von beiden sie als eigenes,
rechtmässiges Kind anerkennen sollten, bis ein Zufall ihre Ungewissheit
beseitigte.
Es war zur Zeit der Ernte. Der Hausvater war in der Tenne und
reinigte mit der Wurfschaufel das Korn. Da sprach eines der Kinder:
„Also thun wir nicht, wenn wir unser Korn reinigen." „Topp," erwiderte
der Yater, „Du bist der Sohn der Unterwelt!" und verstiess diesen^).
h) Eine Frau auf Föhr hatte ein Kleines in der Wiege. Sie musste
in der Erntezeit, da Heumacher nicht zu erhalten waren, ihr Heu allein
zusammenbringen. Es war ein schöner Tag und deshalb nahm sie ihr
Kind mit und legte es am Ende des Ackers nieder. Als sie eine Weile
gearbeitet hatte, ging sie hin, nach dem Kinde zu sehen. Wer aber be-
schreibt ihren Schrecken! Neben dem Kinde lag ein zweites, ebenso ge-
kleidetes Kind, welches genau so freundlich lächelte als das andere. Das
eine musste ein unterirdisches sein; aber welches war es? Sie nahm beide
mit, verpflegte sie wie ihre eigenen und kehrte sich an das Gerede der
Leute nicht. Doch ging sie mit den beiden Kindern zu einer alten hundert-
t) Vergl. Müllenhoff, Nr. 425, 3.
Zwergsagen aus Nordfriesland. 413
jälirigot) FruLi, dif crfalirungsreicli war und deshalb viel um Rat gefragt
wurde, und fragte, ob sie ihr nicht sagen könne, welches Kind das der
Unterirdischen sei. Das konnte sie nicht, aber sie gab der besorgten
Mutter doch eine Auskunft, auf welche Weise ihrer Mutter Grossmutter
bei ähnlichem Zufall Hilfe geworden war. Die Frau mit den beiden
Kindern ging heim und begann nach Anweisung der Hundertjährigen die
Stube auszufegen, indem sie den Besen umkehrte und mit dem Stiel des
Besens auf der Diele fegte. Das eine Kind in der Wiege wurde unruhig
und rief: „Ich bin so alt wie die weite Welt, habe aber noch nie gesehen,
dass jemand so gefegt!" Die Frau nahm es schnell aus der Wiege und
setzte es zur Thür hinaus^).
VII. Von der Leckerheit und Reizbarkeit der Zwerge.
Die Zwerge auf Amrum assen gern Grütze und sahen es sehr gern,
wenn dieselbe durch ein wenig Butter fett gemacht wurde. Ein Mann, in
dessen Hause einige der Unterirdischen ihre Wohnung hatten, wollte aber
seinen Spass mit ihnen treiben und legte eines Tages die den Zwergen
sonst gewöhnlich zugeteilte Butter unter ihre Grützportion auf den Boden
des Topfes, sodass jene anfangs von den Onnerbänkissen vermisst wurde.
Im Zorne hierüber töteten dieselben sofort ihrem Hauswirte eine Kuh.
Als sie jedoch auf dem Boden des Topfes die übliche Quantität Butter
fanden, that ihnen ihre voreilige Rache leid. Um ihr Vergehen wieder
gut zu machen, reiste einer der Zwerge nach Föhr, kaufte dort auf Kosten
der sämtlichen Unterirdischen jenes Hauses eine Kuh und führte sie dem
Wirt in den Stall").
A^in. Dienstfertigkeit der Zwerge.
Die Alten erzählen, dass westlich von Oldsura auf Föhr die Onner-
bänkissen in einer Vertiefung, welche die Lei genannt wird, gehaust haben.
Sie verstanden das Messerwetzen, Sensenstreichen, Schleifen und Haren
(Dengeln) sehr gut und besser als die Menschen. Wenn nun jemand eine
stumpfe Pflugschar hatte, so legte er sie abends nach Sonnenuntergang an
den Rand der bezeichneten Grube. Er musste aber einen Schilling darauf
legen. Dann war am andern Morgen die Pflugschar blank und geschliffen,
wenn er sie abholte und der Schilling war fort").
1) Vcrgl : FeiTeng au ömreng Allemnack för't Juai- 1893. Fan Dr. Otto Bremer an
Neggels Jirrius. Halle 1893, Seite 65 ff., wo diese Sage mundartlich mitgeteilt ist.
2) Dasscllic ist in der Ilattstcdter Marsch geschehen. Vergleiche auch MüUenhoff
Nr. 451, 2.
;•) Eine ähnliche Sage teilt MüUenhoö' vnn Sylt mit (Nr. 405), auch steht sie bei
Chr. Johausen in den Schi. -Holst. L. .Tahrliüchern, Bd. IX, S. 133.
4.|4 Jensen:
Auf Helgoland heisst es, dass sie dem helfen, dem sie wohlwollten,
besonders gern den Frauen beim Mahlen des Korns.
IX. Vom Puk auf ßombüll.
Ein Puk auf Bombüll (ein grosser Bauernhof in der Wiedingharde)
stand in der Bodenluke und weidete sich an seinen zierlichen krummen
Beinen: „Hirr es Pükkes iin Biin^)," sagte er und streckte das eine Bein
heraus. „Hirr es Pükkes ohr Biin^)," sagte er beim zweiten. „Eu hirr
es Pükkes allhieP)," sagte der Knecht, der eben mit einer Harke ankam
und den Puk zur Bodenluke hinaUsstiess. Ein Gelächter erscholl — und
unten lag ein Topf in Scherben.
Kurze Zeit darauf erwachte der Knecht in einer sehr gefährlichen
Lage — quer über einem Brunnen liegend. Das war eine Warnung der
gutmütigen Zwerge. Auf einem bestimmten Stall daselbst gedeiht kein
Tier, deshalb steht derselbe leer. Man hat versucht, ein solches dort ein-
zustellen, nachts fegt Puk jedoch die Stalldiele mit demselben. Früher
ging es dort besser, da hat man den Zwergen einen Breitopf hingestellt,
damit sie bei guter Laune bleiben sollten. Es soll dort noch soweit
kommen, dass man, um sich vor der Rache der Zwerge zu schützen, ein
Wagenrad statt einer Thür gebrauchen muss; was man übrigens auf einer
zweiten, jetzt abgebrochenen Bauernstelle in KlanxbüU auch gesagt hat.
Die Zwerge fürchten sich vor dem Rad als Symbol der Sonne und vor
Stahl und Eisen, die auf den Blitz deuten.
C. P. Hansen überliefert diese Sage 'in der folgenden Fassung, auch anders als bei
MüUenhoff, Seite 331. Die Handschrift ist diejenige seines Vaters, des Sylter Komödien-
dichters J.P.Hansen, die Sage wurde also vor 1855 aufgezeichnet. Sie lautet:
„Auf dem Hofe Bombüll in der Wiedingharde hauste weiland ein sehr gefrässiger
und leckerer Puk. Man musste ihm nicht bloss allabendlich eine tüchtige Grützmasse auf
den Boden des Hauses hinstellen, sondern dieselbe mit Butter fett und wohlschmeckend
machen, sonst war der Puk nicht zufrieden. Einst, als die Butter teuer und rar geworden,
entzog man ihm dieselbe. Er tötete aus Eache sofort die beste Kuh im Stalle*). Darüber
verschworen sich sämtliche Hausgenossen, dem Kobolde das Leben nehmen zu wollen.
Eines Tages kehrten die auf dem Hofe dienenden Knechte von der Feldarbeit heim, da
gewahrten sie den Puk in einem Loche am Giebel des Hauses sitzend, die Hofhunde
neckend. Einer der Knechte schlich auf den Boden, ohne dass der Puk ihn bemerkte.
Dieser hockte noch in der Giebelluke, sich bald auf dem einen, bald auf dem andern Bein
wiegend, und hatte eben einen Gesang angestimmt, in welchem er sich selbst und nament-
lich seine Beine ungeachtet ihrer Kürze und Dünnheit rühmte*). Plötzlich stiess der
1) Hier ist Puks eines Bein.
2) Hier ist Puks anderes Bein.
3) Und hier ist Puk vollständig.
4) Vgl. MüUenhoff Nr. 438.
5) Sein Gesang lautete nach Chr. Johaunsen, der diese Sage dem Besenbinder Jens
neben Sylter, Fölirer und Amrumer Sagen in den Mund legt. Die Nnrdfriesische Sprache
nach der Föhringer und Amnimer Mundart. Kiel 1862, S. 270, folgendermassen ;
Zwergsagen aus Nordfriesland. ^15
hinterlistige Knecht ihn lieftig an und warf den armen Puk auf den Hofplatz hinunter,
den übrigen Knechten zurufend: „Da habt ihr ihn, schlagt ihn nun tot!" Doch als diese
mit Flegeln und Stangen auf ihn zustürzten, da lagen, wo der Puk gefallen war, nur einige
Topfscherben dort. Der Puk war aber uusichtbarerweise in seine alten Schlupflöcher ent-
kommen und trieb sein Wesen daselbst in der Folge wie zuvor. Indes ärgerte ihn jener
unfreiwillige Flug, welchen er aus der Bodenöffnung hatte machen müssen, über die
Massen, und er beschloss anfangs, dem Knechte, welcher denselben veranlasst hatte, seine
ganze Wut entgelten zu lassen. Jedoch später besann er sich eines Bessern und nahm
sich vor, grossmütig sein zu wollen, ohne Zweifel, um dadurch die Hausgenossen zu be-
schämen. In einer Nacht bemerkte er den ihm besonders feindlich gesinnten Knecht auf
dem Hofplatze schlafend. Er schlich hinzu und trug den Schlafenden nach einem nahen
Brunnen, nachdem er denselben zuvor geöffnet hatte. Er stiess den Knecht aber nicht
hinein, sondern Hess ihn am Eande des Brunnens liegen. Als der Knecht am Morgen er-
wachte, erkannte er sofort das Gefährliche seiner Lage und dass der Puk ihn in dieselbe
versetzt habe. Er besclüoss, dem Puk nicht mehr nach dem Leben stellen zu wollen.
Später, als einst grosser Futtermangel auf dem Hofe entstand, spielte der Puk noch
fortwährend den Grossmütigen gegen seine früheren Feinde. Er füllte die Scheune des
Hofes mit dem erforderlichen Heu und Stroh, indem er dasselbe von den Vorräten des
Nachbars stahl, wenn diese schliefen und er rettete dadiirch das Vieh seines Hausherrn
vor dem Hungertode."
MüUenhoff fängt diese Sage von Niss Puk in der Luke (Seite 331) mit der Erzählung
des letzten Umstandes an und bemerkt, dass der Puk „die Aufsicht über das melkende
Vieh gehabt habe". Nach ihm neckt der in der Giebelluke sich sonnende Puk die Leute,
indem er denselben auf plattdeutsch wiederholt zurief: „Hier Puke een Been! etc." Der
Knecht stösst ihn herunter, wird zur Strafe von ihm aus der Kammer geholt und über den
Brunnen gelegt: „Der Sclireck machte ihn lange Zeit krank!" Eine ähnliche Sage ist aus
HoUbüllhuus bei Schwabstedt überliefert.
X. Der verlorene Kirchenbecher.
Ein Mann aus Yiöl ritt einst nachts heim. Bei einem Hügel be-
gegnete ihm ein Unterirdischer und reichte ihm einen Becher zum Trünke.
Er traute ihm nicht und goss den Inhalt des Bechers weg, den Becher
aber nahm er mit und ritt, so schnell er konnte, denn es wurde ein Lärm
hinter ihm gemacht, als wenn der Teufel ihm folgte. Das Pferd war
schweisstriefend und am Hinterleib ganz verbrannt von dem verschütteten
Becherinhalt. Den Becher schenkte er der Kirche zu Viöl; das Prediger-
haus aber, in welches er ihn brachte, brannte ab und der Becher ging
verloren ^).
„Kopf gross. Geschickte Hand [wirft]
AVeisheit viel. Saat ins Land
Aug' so rund Beinchen kurz,
Ist nicht blind. Doch nicht (zu) kurz.
Zahn so spitz, Bell, fluch und schlag.
Der beisst gewiss [sicher]. Puk ist zu geschwind.
Züngelzung', Puk, Puk, Puk,
Näscherzung. Er ist klug.'"
1) Bei MüUenhoff Nr. 4U2, 1 heisst es ausserdem, die verfolgenden Zwerge hätten den
Eeiter mit Steinwürfen begleitet, sodass dieser sich nur durch einen Sprung über das Thor
retten konnte.
Zeitschr. il. Vereius f. Volkskuude. I?y2. 28
41^
Jensen :
XL Der Puk in der Hattstedter Marsch.
In der Hattstedter Marsch liess Harro Harrsen ein neues Haus er-
bauen. Er war nur ein armer Mann, aber er war mit Niss Puk gut be-
kannt, und wusste ganz genau, wie der Puk es gerne haben möchte.
Er liess deshalb einen Ständer im Stall hohl machen. Das war etwas
für Niss, der jeden Tag dort Brei mit Butter und was er sonst gern hatte,
erhielt. Dafür that der Zwerg alle Arbeit und schleppte zusammen, was
er konnte, so dass Harro in einigen Jahren ein reicher Mann wurde.
Niss war aber auch gut Freund mit dem Knecht, namens Hans. Hans
hatte eine Braut, welche nicht weit davon diente, und wenn Hans bisweilen
spät nach Hause kam, so hatte Niss für ihn immer die Stallthür auf der
Klinke (d. h. lose stehen) gelassen. Als Hans verheiratet wurde, und
Thede an seine Stelle kam, da war es mit Niss Puks und des neuen
Knechts Freundschaft zu Ende, denn er mochte den Thede nicht leiden.
Harro Harrsen starb bald, Niss Puk zog deshalb zu Hans, welcher Wirt
geworden war. Er freute sich nicht wenig, als Niss Puk bei ihm einzog.
Der Puk hatte es gut und Hans bekam es so gut, dass er bald reich wurde.
Thede dagegen, der andere Knecht, blieb ein armer Porren- oder Garneelen-
fänger ^).
XH. Der Puk in Kampen auf Sylt.
In einem Hause zu Kämpen hauste einst Niss Puk, den man auf
keinerlei Weise wieder los werden konnte. AVenn ihm nach seiner Meinung
etwas zu Leide geschah, so machte er während der Nacht einen solchen
Lärm, dass keiner schlafen konnte; wenn er aber unbehindert gelassen
wurde, so war er ganz ruhig. Die Bewohner des Hauses stellten im
Herbste während der Dreschzeit an jedem Abend eine Schüssel mit Milch
und Grütze für ihn auf den Boden. Dafür war er so dankbar, dass er
jedesmal während der Nacht die zum Dreschen bestimmten Korngarben
ton dem Boden in die Loh oder Dreschtenne hinunterwarf, ehe die Drescher
ihre Arbeit anfingen.
XIII. Der Klabautermann.
Ähnliches erzählt man von dem Klabautermännchen auf den Schiffen,
welches, wenn es bei guter Laune ist, während der Nacht manche Arbeiten
für die Matrosen vorbereitet oder verrichtet, in böser Laune aber gräulichen
Lärm macht, mit Brennholz, Kundholz und mit Schiffsgerät umherwirft, an
die Schiffswände klopft, Gegenstände zerstört, Arbeiten hindert, auch wohl
1) Dieselbe Sage steht, ausführlicher, inhaltlich übereinstimmend, bei MüUenhoff.
Nr. 433.
Zwergsagen aus Nordfriesland. 417
den Matrosen, ohne sichtbar zu sein, sehr fühlbare Ohrfeigen erteilt und
dergleichen mehr^).
Auf einem Schiffe, welches zum Teil mit Sylter Seefahrern bemannt
war, hauste einst ein solches Klabautermänuchen. Es neckte auf alle
Weise die Matrosen und störte sie nachts in ihrer Ruhe, blieb jedoch ge-
wöhnlich unsichtbar. Nur einmal erschien es dem SchifFszimmermann.
Dieser, ein beherzter Mann, ergriff sogleich ein Stück Brennholz und warf ,
dasselbe nach dem Kobolde, welcher ganz die Gestalt eines kleinen dicken
Männchens hatte. Er traf denselben so heftig, dass das eine Bein des
Klabautermannes zerbrach. Was geschah aber? Tags darauf brach der
Zimmermann durch eine ihm unsichtbar gestellte Falle ebenfalls ein Bein,
und ein Hohnlachen, welches in demselben Augenblick aus dem Schiffs-
raum heraufschallte, machte es dem Schiffszimmermanne und der übrigen
Mannschaft begreiflich, dass der Klabautermann Rache geübt habe.
„Lärmt dieses Männchen gar zu gewaltig, oder zeigte es sich in einer
Nacht in den Masten und Segeln auf den Spitzen der Raaen sitzend, so
ist dieses ein schlimmes Zeichen und die Schiffer fürchten dann, dass es
mit ihrem Schiffe ein baldiges Ende nehmen werde. Kurz vor dem Unter-
gange des Schiffs erscheint das Klabautermännchen dem Kapitän, nimmt
Abschied von ihm und fliegt dann vor seinen Augen davon."
XIY. Die Meerweiber^).
Merkwürdig ist bei allen diesen Zwergsagen, dass fast ausschliesslich
von Zwergen und nicht häufig von Zwerginnen die Rede ist, welche auf
dem Lande wohnen und thätig sind; während auf dem Meere am Bord
der Schiffe der Klabautermann sein Wesen treibt und die sonstigen Er-
scheinungen, welche der Seemann auf dem Meere zu haben wähnt, weib-
lichen Geschlechts sind und darum als „Meerwüffen" (Meerweiber) dar-
gestellt werden. Sie werden als schöne, den Menschen ähnliche Geschöpfe
beschrieben, mit menschlichen Gesichtern, Augen, Armen und Händen,
mit langen Haaren und mit Brüsten ähnlich den Weibern, aber statt der
Beine mit einem Fischschwanze, mit Schuppen und Flossen versehen.
Das Erscheinen der Meerweiber am Bug segelnder Schiffe oder auf einer
Wellenspitze deutet auf einen nahen Sturm und veranlasst nicht selten
Einziehung der überflüssigen Segel des Schiffes durch die Schiffsmannschaft.
Sylterinnen trugen einst eine auf den Strand gespülte Meerfrau ins Dorf,
beeilten sich indessen das auf dem Lande ruhelose Geschöpf seinem Ele-
ment zurückzugeben. Von dem weitverbreiteten Aberglauben an diese
Meerweiber und Wasserjungfern zeugt der Umstand, dass auf dem Gehäuse
1) MüUenhoff Nr. 431.
2) MüUenhoff Nr. 453.
28-^
418
Schmidt :
fast aller zu Anfang dieses Jahrhunderts aus Holland nach Nordfriesland
gebrachten Wanduhren zwei Bilder von Meerweibern angebracht sind.
Eine ähnliche Yerwendung der Bilder von Zwergen, Hausgeistern und
Klabautermännchen scheint indessen nicht stattgefunden zu haben, obwohl
die Sagen, welche von diesen Zwergen handeln, zahlreicher sind als die-
jenigen von den Wasserjungfern und Meerfrauen.
Oevenum bei Wyk auf Föhr.
ßeinliold Köhler.
Von Prof. Dr. Erich Schmidt.
1.
Am 1.5. August 1892 ist zu Weimar ein Gelehrter gestorben, dessen
Dasein sich im engen und engsten abgespielt, dessen Wissen und Wirken
aber die weite Welt umspannt hat, so dass auch er, unser aller Lehrer,
berechtigt gewesen wäre, mit Goethe zu sagen: „Bin Weltbewolmer, bin
Weimaraner". Wo immer Litteratur- und Volkskunde gepflegt wird,
empfindet man schmerzlich die Lücke, und wer dem Entschlafenen einmal
in seiner Heimat nahe getreten ist, kann sich die Ilrastadt ohne den lieben
Dr. Köhler gar nicht denken.
Reinhold Adalbert Johannes Köhler war als einziger Sohn des aus der
Buttelstedter Pfarre stammenden Diakonus Dr. Köhler am Johannistage
1830 zu Weimar in der Dienstwohnung nahe der Stadtkirche und dem
Gymnasium geboren. Ihm folgten vier Schwestern. Die Mutter hatte ihre
Jugend im Forsthause von Heida, einem Dörfchen bei Ilmenau, verlebt
und aus dem Thüringer Wald auch einen Schatz von Märchen mitgebracht,
denen das Kind begierig lauschte. „Ist das nun wahr? oder erfunden?"
pflegte der künftige Forscher zu fragen. Als er dann, des Lesens kundig,
ein kleines Handbuch der Mythologie geschenkt bekommen, schleppte er
das immer mit sich herum und hielt bis in die Küche hinein Vorträge aus
der geliebten Götterlehre. An demselben einfachen Schreibtisch, wo er bis
zuletzt gesessen hat, empfing er den Elementarunterricht und später die
erste Unterweisung im Latein von seinem Vater, der ihn zärtlich liebte
und den 24. Juni alljährlich mit ernsten oder heiteren Versen feierte.
Jeden Sonntagmorgen schritten die Zwei Hand in Hand zur Kirche. Als
Mann hat Köhler dann wohl auf Mahnungen, den Gottesdienst zu besuchen,
lächtdnd erwidert, er sei ja als Kind oft genug dabei gewesen, und sein
Frommsein brauchte keine äusseren Zeichen. Der Vater, ein allgemein
Reinhold Köhler. 419
beliebter Prediger, verband lutherische Glaubensfreudigkeit mit milder
Duldmig. Der russische Geistliche war sein vertrauter Freund; eine
reformierte und zwei katholische Hausgenossinneu gingen, so oft sie Rates
oder Trostes bedurften, zu dem verehrten Diakonus, der seinen Wahlspruch
„Unter allerlei Volk wer Gott fürchtet und recht thut, der ist ihm an-
genehm" dem Sohn einprägte. Köhlers vorurteilslose Menschenliebe war
Erbschaft von den Eltern durch Lehre und Beispiel.
Nachdem er Ostern 1848 das Gymnasium durchgemacht und aus Sauppes
Händen ein rühmliches Zeugnis empfangen hatte, bestand der Vater keines-
wegs auf dem Herzenswunsch, Reinhold möge wie seine Vorfahren den
geistlichen Beruf ergreifen, sondern liess der früh erwachten Liebe zur
Philologie freien Lauf. Reinhold verbrachte, der klassischen Altertums-
wissenschaft ergeben, ein Jahr im nachbarlichen Jena, den Sommer 1849
von Otto Jahn angezogen — M. Haupt las krankheitshalber nicht — in
Leipzig, wo er sich aber nicht gefiel, dann zwei glückliche und anregungs-
reiche Semester in Bonn als Schüler Welckers, Ritschis, Lassens. Der
Kreis seiner Interessen erweiterte sich gewaltig durch Sanskrit und Sprach-
vergleichung, und Diez führte ihn mit der Interpretation des „Standhaften
Prinzen" ins romanische Gebiet hinüber. Das nächste Jahr (Winter 1850,
Sommer 1851) sah unsern Thüringer wieder in Jena bei seinem Gönner
Göttling, dem Philologen Hand, dem Orientalisten Hoffmanu, den Jüngern
Docenten und Freunden H. Rückert und K. B. Stark, die ihm mittelalter-
liche Dichtung und Kunst erschlossen; flüchtiger wirkten Hettners Vorträge
über Shakespeare und Calderon; zur Umschau und Vertiefung forderte
O. L. B. Wolffs Vielgeschäftigkeit auf. Ernst und gründlich erzogen, stets
auf Erweiterung der Interessen und Kenntnisse bedacht, emsig, unbestech-
lich gegen Phrasen und Einfälle, eine lautere Natur, hätte Reinhold Köhler,
wenn er nach des Vaters Willen noch ein paar Jahre durch die Welt ge-
gangen und dann in die gelehrte Laufbahn eingetreten wäre, menschlich
und litterarisch viel freiere Kreise beschrieben, als ihm vergönnt wurde.
Im Juli 1851 starb sein Vater, und die Mutter hatte Mühe genug, mit
einer kargen Witwenpensiou die Erziehung von fünf Kindern zu vollenden
und einfach in alten Ehren fortzuleben. Reinhold Köhler liess sich nun,
unter Verzicht auf manches Zukunftsideal und ohne einen Laut der Be-
schwerde, in Weimar nieder und blieb fortan seiner Vaterstadt treu. Er
erteilte Privatunterricht und arbeitete mit eisernem Fleiss auf der Bibliothek.
Als 1853 und 1854 die beiden jüngeren Schwestern dahinstarben, schloss
die Trauer das Familienband nur immer fester. Bis zum Tode der Mutter
(1879) hat die kleine behagliche Wohnung am Graben auch manchen
deutschen oder ausländischen Ankömmling gastfrei empfangen.
Ende März 1853 bewarb sich Köhler, auf Grund seiner gedruckten
Studie über Nonnos, in Jena um den Doktortitel, der ihm ehrenvoll erteilt
4-20 Schmidt:
wurde ^). Sauppes Empfehlung bezeugte: Köhler „steht sowohl seiner
gründlichen und ausgebreiteten Kenntnisse als seines liebenswürdigen
Charakters und seiner durchaus unbescholtenen Sitten wegen bei allen,
die ihn kennen, in der grössten Achtung" (von Professor Kluge aus den
Fakultätsakten mitgeteilt). Das Staatsexamen hatte Köhler schon im Mai
1852 in Berlin bestanden, und zwar für alte Sprachen und Deutsch in
allen Klassen. Aber nicht durch das lebendige Wort sollte und wollte er
wirken, sondern, seitdem jene Katastrophe das bischen Wandertrieb und
Ehrgeiz in ihm erstickt hatte, sah er auf die Grossherzogliche Bibliothek
wie auf eine angelobte Braut. Auch da brachte dieser eifrigste Benutzer
und unverdrossenste Bücherkenner seinen Fuss nur sehr langsam in den
Bügel. Als Rat Kräuter, einst Goethes Schreiber, starb, machte Ludwig
Preller sein Verbleiben in Weimar davon abhängig, dass ihm Köhler als
Bibliothekar an die Seite gegeben werde, und erwirkte erst eine vorläufige,
1861 eine definitive Bestallung. Der eigentliche Dienst auf der Bibliothek
1) Schon ein Jahi- vorher, als Heinrich Rückert einem Ruf nach Breslau folgte,
■war von Köhlers Habilitation für klassische und altdeutsche Philologie in Jena die Rede
gewesen, und dieser Plan Göttlings und Wehers, des weimarischen Gymnasiallehrers, hatte
sogleich Rückerts lebhafte Billigung gefunden. Ich kann mich nicht enthalten, ein Stück
aus Köhlers Brief (18. April 1852) an Rückert abzudrucken, denn er vergegenwärtigt uns
den ganzen Mann. Einem zweiten Abschied ist er aus dem Wege gegangen, fühlt sich nun
aber tief beschämt durch das übergrosse Zutrauen: ..Ich habe zwar nie Ihnen gegenüber
irgend mehr scheinen woUeu als ich bin, aber es scheint mir doch nicht gelungen zu sein;
denn sonst könnten Sie mich nicht für fähig halten, mich jetzt zu habilitieren, — mich,
der von der mhd. Litteratur kaum den kleinsten Teil gelesen hat, der am Gothischen und
Althochdeutschen bisher nur herumgenascht hat, dem also für wirkliche grammatische
Kenntnisse die Basis bis jetzt durchaus mangelt. Sie werden vielleicht wie Prof. Weber
sagen, dass ich doch genug wüsste, um Leuten, die noch gar nichts wissen, einen leichten
Dichter erträglich zu erklären, dass man von einem Privatdocenten, der sich eben habilitiert
hat, nicht gar zu viel erwartet, und dass ich genug Zeit hätte, um die hauptsächlichen
Lücken bald auszufüllen. Ich glaube allerdings, dass ein Anfänger einzelnes bei mir
lernen kann; dass ich aber ein einigennassen gründliches Kolleg werde lesen können, ist
unmöglich. Wie entsetzliche, auch dem eifi'igen Anhänger nicht unbemerkbare Blossen
könnte ich mir geben! Ich rechne das ganz besonders zu dem unschätzbaren Gewinn, den
mir Ihre Vorlesungen gebracht haben, dass ich gelernt habe, was es heisst, einen mittel-
hochdeutschen Dichter, oder überhaupt Mittelhochdeutsch zu verstehen, und dass ich zu-
gleich neben der grossen Achtung vor wirklichen Kenntnissen einen Hass gegen mittel-
mässige, anmassliche Stümperei gefasst habe. Wie sollte ich ferner bis Michaelis eine
für die Habilitation notwendige Dissertation schreiben, zumal man berechtigt sein wird,
es mit dieser Dissertation möglichst streng zu nehmen . . . Um es kurz zu sagen, es steht
bei mir fest, dass ich vor mindestens P/j Jahren nicht daran denken kann, mich zu
habilitieren; auch dann werde ich natürlich noch ein schwacher Anfänger sein, ich werde
aber doch diesen Schritt eher vor mir verantworten können, als jetzt." Er stellt auch die
materiellen Schwierigkeiten dar und sagt, nach einem Hinblick auf die Laufbahn als
Gymnasiallehrer: „Besonders angenehm wäre es mir, und ich glaube auch für meine An-
lagen passend, wenn ich einmal eine, auch nur untergeordnete Stellung an einer Bibliothek
erlangen könnte. ** Mit der Habilitation also sei es nichts, aber für Zuweisung litterarischer
Arbeiten werde er dankbar sein und den Ertrag zu Ankäufen auf dem Gebiet altdeutscher.
Philologie verwenden. Rückert möge ihn „unbekannterweise" seinem Vater empfehlen,
„den ich unter den neueren Dichtern, wie keinen andern, verehre und liebe".
Eeinhold Köhler. 421
lag fortwährend in Köhlers Händen, selbst sehr geringe Geschäfte; oft
genug schleppte er sogar die verlangten Bücher herbei, wenn der alte
Grosse wieder einmal als Fremdenführer seinen gereimten Kommentar zu
den Bildern und anderen Sehenswürdigkeiten absang. Prellers Nachfolger
Adolf Scholl trat 1861 in ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu Köhler.
Fast jeden Nachmittag sah man die beiden durch den Park nach Ober-
weimar wandern; aber die Stellung des unweitläufigen Köhler blieb doch
bis zu Schölls Siechtum und Tod eine ziemlich subalterne, und zum
äusseren Ansehen seiner mit grosser Freiheit ausgestatteten Vorgänger hat
er es nie gebracht. 1881/82 trat Köhler an die Spitze, erst 1886 wurde
ihm auch der Titel „Oberbibliothekar" zuteil, den er, vor die "Wahl ge-
stellt, dem „Hofrat" vorzog. Seine Bibliothek liebte er über alles. Von
einer Berufung nach Greifswald liess er kaum ein Wort verlauten. In der
Sommerfrische hielt er es, so wohl das Grün seinen angegriffenen Augen
that, nie länger als zwei bis drei Wochen aus, und ein besonderer Urlaub
würde diesem hingebenden Bücherwart mehr Strafe als Lohn gewesen sein.
Er durchschweifte die Welt nur in Gedanken und auf dem Papier, ja er
ist nie über die Grenzen unseres deutschen Reiches hinaus gekommen:
vor langer Zeit einmal zu einem Freund an die Nordsee, dann ab und zu
auf Philologenversammlungen, wo Alt und Jung ihn froh begrüsste und
tüchtig ausfragte, nach Augsbm'g, Hannover, Heidelberg, Leipzig, Wies-
baden ... In den sechziger Jahren fuhr er gern Sonntags zur „Vogel-
weide" nach Kosen und hatte mit Rudolf Hildebrand, Schleicher, Bech,
Bechstein, Heyne, Lucae, Boxberger, Regel, Witzschel anregende Zu-
sammenkünfte unter Kobersteins Vorsitz. Die kurze Ferienrast suchte er
in Ilmenau, der Heimat seiner Mutter, der dort auch das letzte Bett bereitet
worden ist, da wo er als junger Mann, vor dem Felsenkeller sitzend, den
Bergleuten ihre Lieder abgefragt hatte; seit 1879 aber in Friedrichsroda,
stets mit den Schwestern zusammen, nie ohne ergiebigen Verkehr mit
gelehrten Sommergästen.
Sein Tageslauf in Weimar war überaus einfach und regelmässig: die
Bibliothekstunden am Morgen und mehrmals auch nachmittags, der Spazier-
gang durch den Park, dann das unvermeidliche bescheidene Vesper-
schöppchen im Baumgarten oder Winterquartier der „Erholung". 1860
war er dem gegen das blosse Ausruhen auf Goethischer Erbschaft ger
gründeten Verein „Neu-Weimar" beigetreten und so auch mit Gutzkow
und Dingelstedt, Genelli und Hoffmann von Fallersleben , mit Liszt und
seinem Anhang in lockere Beziehungen gekommen. Er lebte mit F. Preller
und seinen Söhnen auf vertrautem Fuss und hatte unter anderem Wand-
schmuck ein trefPliches Bleistiftportrait Hebbels von der Hand des Meisters
in seinem Zimmer hängen. Sein Herzensfreund war in schweren Tagen
der Musiker und Dichter Peter Cornelius geworden, von dem er gar
manchen Reimgruss gevatterlich empfing und dessen Nachruhm ihn UQpli
422 Schmidt:
in den letzten Jahren wie ein helles Abendrot beglückte. So lang ich ihn
kannte — und wir sind während meiner weimarischen Dienstzeit fast täg-
lich spazieren gegangen — , entzog er sieh allen Einladungen, war aber
mit der ganzen Stadt bekannt und vielen befreundet, auch Kleinstädter
genug, um mitten im wissenschaftlichen Gespräch innezuhalten und, einem
fremden Gesicht nachschauend, zu fragen: wer war denn das? So manche,
die ihm vertraulich zunickten, haben nie geahnt, dass der Dr. Köhler ein
berühmter Gelehrter und der Unbekannte an seiner Seite ein namhafter,
ihm zu Liebe, sich selbst zum Nutzen herbeigereister Forscher dövS Aus-
landes sei. Mit seinem ungepflegten Haupt- und Barthaar, der sajiberen,
aber von keiner neuen Mode berührten Kleidung, ohne jede Neigung und
Fähigkeit sich geltend zu machen, die Scheidemünze geistreicher Kon-
versation auszugeben, sein Wissen in gefälligen Formeln darzubringen, war
Köhler ganz und gar kein Mann für den Hof. Er hätte auch lieber sein
Amt niedergelegt, als den Auftrag, von Zeit zu Zeit über Neuigkeiten des
Büchermarktes zu plaudern, übernommen. Fachgenossen dagegen gingen
nie ohne rasches Erwarmen, ohne rege Unterhaltung und Belehrung von
ihm. Auf der Bibliothek und peripatetisch spendete er seine Weisheit;
und kein Tag verstrich, wo er nicht ein paar Postkarten zur Beantwortung
von allerlei litterarischen Anfragen geschrieben hätte, mochten sie von
befreundeter oder unbekannter Seite, von angesehenen Professoren oder
einem über der Dissertation brütenden Doktorandus kommen. Selten ver-
sagte sein so vielseitiges wie schlagfertiges Wissen eine knappe sachliche
Auskunft, aber die Frager vergassen manchmal den Dank, was ihn übrigens
wenig schierte. Auch ungebeten trat er an den Arbeitstisch heran und
sagte in seinem ruhigen Tonfall: Kennen Sie denn . . .? oder besser: Sie
kennen gewiss schon . . .? denn er hatte eine allerliebste Art, unauffällig
zu belehren, und pflegte ausdrücklich beizufügen, woher er gerade diesen
Wink und jene Berichtigung eben jetzt im Kopfe habe. Wie oft begegnet
man in Büchern und Aufsätzen der Anführung: Reinhold Köhler macht
darauf aufmerksam . . ., Reinhold Köhler teilt freundlich mit . . ., Einer
unserer gelehrtesten Fachgenossen sagt mir . . . Er war eine wandelnde
Encyklopädie, ein Doktor Allwissend, dabei von der prunklosesten Be-
scheidenheit durchdrungen, ein reines liebreiches Menschenkind, das Muster
eines Sohnes und Bruders, ein treuer aufopfernder Freund, den Kleinen
gütig zugethan, unbedingt wahrhaft ohne zu verletzen, keiner Redensart,
Frivolität, Unsauberkeit zugänglich, sparsam in Lob und Tadel, wie er
auch als Recensent meist mittelbar Vorzüge oder Fehler bezeichnete. Ein
Mensch musste schon ungewöhnlich verworfen sein, wenn Köhler seiner
Abneigung anders als durch ein Kopfschütteln und die halblauten Worte
„Ein närrischer Kerl!" Ausdruck gab. Der Geistliche hatte ein gutes
Recht, ihm das Bibelwort „Selig sind, die reines Herzens sind" in das Grab
nachzurufen, das seit dem 17. August eine seltene Last der Gelehrsamkeit
Reinhold Köhler. 423
und eine seltene Fülle schlichter Tugend umschliesst. Köhlers Leben war
eine Kette unverdrossener stiller Arbeit, grossenteils der Mühe für andere.
Aliis inserviendo consumor. Mitten in der täglichen Pflichterfüllung, am
11. Oktober 1890, hatte er das Unglück, niederzustürzen und einen Ober-
schenkel zu brechen. Schweres Siechtum streckte ihn aufs Lager, innere
Leiden wurden immer fühlbarer und trotzten aller Pflege, als ein verlorener
Mann wurde er im letzten Sommer von den Seinen nach Ilmenau und
wieder nacli Weimar geleitet, wo ihn, früher doch als man erwartet hatte,
ein sanfter Tod hinwegnahm. Von seinem engsten Kreise sagt die würdige
Grabrede : Siehe wie fein und lieblich ist es, wenn Bruder und Schwestern
einträchtig bei einander wohnen! Aus der Ferne kamen zahllose Kund-
gebungen*, viele selbst den Schwestern überraschend. Was man äussere
Ehren nennt, hat Köhler nie begehrt, z. B. keinen Orden getragen, aber
die Mitgliedschaft gelehrter Vereine, zuletzt noch der Sächsischen Gesell-
schaft (auf Zarnckes Betrieb) mit stiller Freude wert gehalten.
Reinhold Köhler war ein rechter promus condus. Schon die das
Mittelmass der Doktordissertationen an Umfang und Gehalt sehr über-
bietende Studie über die Dionysiaka des Nonnos, eine ungemein belesene
und besonnene mythologische und quellengeschichtliche Abhandlung, zeigt
die Richtung des Sammeins und Sichtens. Die Oberlehrerarbeit über
Hans Sachs fiel der Berliner Kommission als ungewöhnliches specimen
eruditionis auf. Köhler ist aber nie ein Schriftsteller geworden, weder
durch die Bogenzahl noch durch die Form seiner Spenden. Unbestreitbar
der gelehrteste Kenner der Märchen und Novellen, hätte er etwa in einer
Neubearbeitung des dritten Bandes der Grimmschen Kinder- und Haus-
märchen oder des Dunlop - Liebrechtschen Werkes den Meister zeigen
können. Ihm genügte es, die Sammlungen anderer mit reichen Beilagen
auszustatten und seine Kenntnisse in Aufsätzchen, Notizen, Recensionen
an den Mann zu bringen. Ebenso verfuhr er nach jeuer Ilmenauer Gabe
auf dem Gebiete des Volksliedes. Ohne den weimarischen Mittwochsverein
würden wir auch den freier ausschreitenden Vortrag über die europäischen
Märchen nicht besitzen. Ich muss es nochmals sagen, wie eng und weit
zugleich Köhlers Kreise waren. Er schrieb die zahllosen kleinen Beiträge
zur Weltlitteratur in derselben Stadt, wo Herder seine „Volkslieder" aus
allen Ländern und Zeiten abgeschlossen und der greise Goethe gerufen
hatte :
Wie David königlich zur Harfe sang,
Der Winzerin Lied am Throne lieblich klang,
Des Persers Bulbul Rosenbusch umbangt,
Und Schlangenhaut als Wildengürtel prangt,
Von Pol zu Pol Gesänge sich ernenn -
Ein Sphärentanz harmonisch im Getümmel —
Lasst alle Völker unter gleichem Himmel
Sich gleicher Habe wohlgemut erlreun!
!424 Schmidt:
An Belesenheit hatte er kaum seinesgleichen und war ebenso bewandert
auf den Höhen der Kunst wie in den verstecktesten Niederungen volks-
mässiger Reime und Geschichten, Sprichwörter und Rätsel, Bräuche und
Aberglauben. Yon der klassischen Altertumswissenschaft kam er streng
geschult her, mehr Sach- als Wortphilolog, mehr ein Jünger Welckers,
doch ohne dessen kühn kombinierende und rundende Phantasie, als ein
Zögling Ritschis. Nicht lange galt sein Studium vornehmlich den griechi-
schen Dichtern, von Homer bis zu den wüsten Epigonen, und der antiken
Mythologie. Ausserhalb des Hörsaales müssen ihn frühzeitig die Schriften
der Brüder Grimm angezogen haben, und wiederum mehr die registrierende
Umschau des dritten Märchenbandes als ihre poetische Andacht für die
Volksphantasie. Er that behutsame Schritte auf den verschlungenen Pfaden
der deutschen Mythologie und Sage, lernte die altdeutsche Litteratur be-
herrschen und den lebenden Dialekten lauschen und wurde ein so kundiger
Wortforscher, dass seine Teilnahme am Deutschen Wörterbuch — vom J
an — eine Zeitlang gesichert schien. Köhler war der vornehmsten romani-
schen und germanischen Sprachen in ihrem gegenwärtigen Gepräge und
ihren geschichtlichen Wandelungen mächtig und mit manchen anderen
wenigstens soweit vertraut, um nicht bloss von Übersetzungen abzuhängen.
Seine Detailkenntnis der deutschen Litteratur beschämte die Männer oft,
deren gesamte Lebensarbeit diesem Gebiete gewidmet war. Er hat kleine
Lessingiana erörtert, mannigfache Beiträge zur Goethephilologie gegeben,
zum brasilianischen Schlangenliede wie zu Hanswursts Hochzeit, Schillers
ästhetische Schriften für Goedeke sauber bereitet und z. B. aus Tausend
und einer Nacht eine Stelle der Turandot aufgeklärt, die Quellenforschung
für Wielands Oberon und Herders Cid ganz wesentlich gefördert und eine
Reihe anderer Dichtungen der beiden, gleich Werken Bürgers, Z. Werners
u. s. w., zum Ursprung zurückgeführt, den Text Heinrichs v. Kleist auf
Grund der ersten Ausgaben und stilistischer Beobachtung für immer von
der Willkür Tiecks und J. Schmidts gereinigt. Die köstliche Prosa des
Hans Sachs verdankt ihm ihre Auferstehung. Er kannte Moscherosch und
Grimmeishausen, die lateinischen Sammelwerke des Mittelalters wie die
krausen Rumpelkammern eines Praetorius, altchristliche Legenden und
Mysterien wie junge Gesellenspässe und Puppenspiele. Er hat zahlreiche
Bausteine zur englischen Litteraturgeschichte herbeigetragen und „Shake-
speare in Deutschland* besser kennen gelehrt, indem er deutschen Anteil
im Theater der englischen Wandertruppen nachwies und eine alte Be-
arbeitung der „Widerspenstigen" mit reichen Anmerkungen ans Licht • zog.
Sirarocks Buch über die Quellen Shakespeares ist ihm gewidmet. Er
war ein gelehrter Kenner des Chaucer, des Boccaccio und seiner Nach-
folger. Die deutschen Danteübersetzuugen Hess er in ausgiebigen Proben
überschauen und erklärte einzelne Stellen der Divina Commedia. Die
Kunstgeschichte dankt ihm ein paar ikonographische Beiträge. Auf dem
Reinhold Köhler. 425
Gebiete der sogenannten Volksbücher ist Köhlers Artikel über Griseldis,
bei Ersch und Gruber, ein vielbewundertes und vielbestohlenes Muster;
Genovefa und Eulenspiegel, um nur weniges zu nennen, wurden genauer
verfolgt. Köhler hat Formeln wie „Und wenn der Himmel war' Papier"
durch die Welt begleitet, und in deutschen Landen dem tiefsinnigen Spruch
„Ich lebe, ich weiss nicht wie lang . . . Mich wundert, dass ich fröhlich
bin" sein Augenmerk geschenkt, zum zweitenmal als ihm selbst der Ab-
schied nahte. Man braucht nur etwa die Anzeigen Köhlers im Litterarischen
Centralblatt durchzufliegen, um zu wissen, in wie viele Sättel er gerecht
und dass er namentlich in den meisten Disciplinen der Volkskunde — der
Name folk-lore blieb ihm fremd — ausnehmend beschlagen war. Besonders
ergiebig sind seine vergleichenden Sammelarbeiten zu den Lais der Marie
de France und einer Menge einzelner Märchen oder kleinerer und grösserer
Märchengebinde der Deutschen und Isländer, Slaven und Esthen, Albanesen
und Türken, Venezianer und Sicilianer, Bretonen und Lothringer, Perser
und Inder, Mongolen und Awaren; auch nach Afrika rief ihn die Thätigkeit
seines lieben Jugendfreundes Bleek. Wie ein Botaniker von der Reise
um die Welt eine ungeheure Fauna im Herbarium heimbringt, so kannte
Köhler die Märchen der Erde nach ihren Ursprüngen, Zusammenhängen,
Ähnlichkeiten, Abweichungen. Er war entschieden mehr Systematiker als
Physiolog. Er beschied sich meistens die Dinge nüchtern nebeneinander
zu stellen und ging selten darauf aus, die Völkerpsychologie durch un-
mittelbare Nachweise zu bereichern, den Wandel künstlerischer Motive
zu ergründen, den Stil in seine Elemente zu zerlegen; vielmehr kam es
ihm darauf an, möglichst viel Konkretes beizubringen und dann nach
einiger Zeit den Vorrat nachzuprüfen. Er war kein Mann der Hypothesen,
sondern der festen Kenntnisse, die er ohne allen Redeschmuck darbot:
„Zu ..." sind zahlreiche kleine Abhandlungen uud Notizen — die Haupt-
forni seiner schriftstellerischen Arbeiten — überschrieben. Als Recensent
charakterisierte dieser geborene Anmerker nicht viel, sondern nahm ge-
lassen das Inventar auf und versah es, ohne je im Besserwissen zu
schwelgen, mit Berichtigungen und Zusätzen. Den verschiedensten Zeit-
schriften des In- und Auslandes war er ein willkommener und eifriger
Mitarbeiter. Wenn er die Wissenschaft nicht mit neuen Ideen am-egte
und befruchtete, so gab er garbenbindend und ährenlesend eine erstaunliche
Fülle positiver Belehrung im einzelnen für die Forscher der ganzen Welt.
Mit Ehrfurcht blicken wir diesem allkundigen, bescheidenen, reinen
Manne nach.
Seine zerstreuten handschriftlichen Notizen sollen einmal mit der ge-
samten Bücherhabe der weimarischen Bibliothek zufallen. Ein paar für
den „iVIitt Wochsverein" entworfene Vorträge harren der Veröffentlichung.
Aus den gedruckten, teilweise schwer erreichbaren Arbeiten eine sorgsame
Auswahl für einen oder mehrere Bände „Kleiner Schriften" zu treffen,
^26 Schmidt:
wäre die würdigste Art, wie Facligenosseu und gelehrte Körperschaften
das Andenken Reinhold Köhlers ehren und lebendig fortwirkend erhalten,
sich ihm übers Grab hinaus für seine treuen Dienste erkenntlich zeigen
und wiederum viele verpflichten könnten. Dazu bedarf es der Hilfe: nicht
bloss des Rates und hingebender Thätigkeit, sondern auch finanzieller
Unterstützung. Erwäge ich, dass derlei Wünsche und Anregungen von
nah und fern, in Gesprächen und Briefen, zumal in Zuschriften an die
liebevollen Pflegerinnen des Nachlasses laut geworden sind, und wie jetzt
Italiener, Franzosen, Spanier, Skandinavier, Slaven mit uns in dankbaren
Nachrufen wetteifern, wie beredt z.B. Giuseppe Pitre ,1a erudizione stra-
ordinaria' und ,le squisite doti dell' animo' Köhlers zu würdigen weiss, so
zweifle ich nicht an dem Erfolg einer solchen Bitte, die sich hiermit an
Zünftige und Unzünftige, an Einzelne und Vereine, an In- und Ausländer
wendet.
2. Verzeiclinis der Scliriften.
Die folgende Liste habe ich, dank den Schwestern Mathilde und Elise
Köhler, aus zwei Notizbüchern meines verstorbenen Freundes gezogen und
die Zeitschriften alphabetisch geordnet, auch einiges Wenige nachgetragen,
aber der Sorgfalt des Verfassers trauend, keine genaue bibliographische
Musterung und Ergänzung der Titel besprochener Bücher vorgenommen.
Hierzu fehlte mir die Müsse, und da diese jedenfalls sehr lehrreiche Mit-
teilung doch für Kundigere bestimmt ist, wird jeder sich leicht näher
umthun können. Für Nachträge zu diesem Verzeichnis werde ich dank-
bar sein.
I.
Über die Dionysiaka des Nonnus von Panopolis. Von Reinhold Köhler. Halle, Pfeffer,
1853.
Alte Bergmannslieder. Herausgegeben von Reinhold Köhler. Weimar, Böhlau, 1858.
Vier Dialoge von Hans Sachs. Herausgegeben von Reinhold Köhler. Weimar, Bölilau,
1858.
Zu Heinrich von Kleists Werken. Die Lesarten der Originalausgaben mit den Änderungen
L. Tiecks und J. Schmidts zusammengestellt von Reinhold Köhler. Weimar, Böhlau,
1862.
Kunst über alle Künste Ein bös Weib gut zu machen. Eine deutsche Bearbeitung von
Shakespeares The Taming of the Shrew aus dem Jahr 1672. Neu herausgegeben mit
Beifügung des englischen Originals und Anmerkungen von Reijihold Köhler. Berlin,
Weidmann, 1864.
Dantes Göttliche Komödie und ihre deutschen Übersetzungen. Der fünfte Gesang der
Hölle in zweiundzwanzig Übersetzungen seit 17G3 bis 1865. Zusammengestellt von
Reinhold Köhler. Weimar, Böhlau, 1865.
Herders Cid und seine französische Quelle. Von Reinhold Köhler. Leipzig, Vogel, 1867.
Oberon. Ein Gedicht in zwölf Gesängen von Christoph Martin Wieland. Mit Einleitung
und Anmerkungen herausgegeben von Reinhold Köhler. Leipzig, Brockhaus, 1868.
Ein bisher noch nicht gedrucktes Gedicht Göthes an Lili [,.lm holden Thal". Privatdruck
unterzeichnet: W. 1868. R. K.].
Schillers sämtliche Schriften. Historisch -kritische Ausgabe. Zehnter Teil. Ästhetische
Schriften. Herausgegeben von Reinhold Köhler. Stuttgart, Cotta, 1871.
Reinhold Köhler. 427
ir
Des Herodotos Geschichte, deutsch von Adolf Scholl. Unter Teilnahme des Verfassers neu
durchoesehen von Reinhold Köhler. 1. — 3. Band Stuttgart. Metzler, 1855.
Ausgewählte Aufsätze aus dem Gebiete der klassischen Altertumswissenschaft von Ludwig
Preller. Herausgegeben von Reinhold Köhler. Berlin, Weidmann, 1804.
Römische Mythologie von L. Preller. Zweite Auflage, revidiert und mit litterarischen Zu-
sätzen versehen von Reinhold Köhler. Berlin, Weidmann, 1805.
Esthnische Märchen. Aufgezeichnet von Friedrich Ki'eutzwald. Aus dem Esthnischen über-
setzt von F. Löwe. Mit einem Vorwort von Anton Schiefner und Anmerkungen von
Reinhold Köhler und Anton Schiefner. Halle, Waisenhaus, 1869.
Sicilianische Märchen. Aus dem Volksmund gesammelt von Laura Gonzenbach. Mit An-
merkungen Reinhold Köhlers und einer Einleitung herausgegeben von Otto Hartwig.
Leipzig, Engelmann, 1870.
Awarische Texte. Herausgegeben von A. Schiefner [Memoires de l'Academie Imperiale des
sciences de St.-Petersbourg, VII*' serie, t. XIX no. 6]. St. Petersburg, 1873. S. IV bis
XXVI Dr Reinhold Köhlers Bemerkungen zu den awarischen Texten.
Gentes populaires recueillis en Agenais par M. Jean-FrauQois Blade. Traduction francaise
et texte agenais suivis de notes comparatives par M. Reinhold Köhler. Paris, Baer,
1874.
Islendzk iEventyri. Isländische Legenden, Novellen und Märchen. Herausgegeben von
Hugo Gering. 2. Band. Anmerkungen und Glossar. Mit Beiträgen von Reinhold
Köhler. Halle, 1883.
Die Lais der Marie de France , herausgegeben von K. Warnke. Mit vergleichenden An-
merkungen von Reinhold Köhler. Halle, Niemeyer, 1885. S. LVII. LTX— CVIII.
Posilecheata di Pompeo Sarnelli M. DC. LXXXIV. Ristampa di CCL esemplari curata da
Vittorio Imbriani. Napoli, 1885.
Novelle inedite di Giovanni Sercambi. Pirenze, 1886 [S. 67 — 71 Annotazioni, vgl. S. 8].
Poemetti popolari italiani. Raccolti ed illustrati da A. D'Ancona. Bologna, 1887 [S. 59
his 100 Vorrede zur Storia del Cavaliere Senso].
III.
The Academy. London, Publishing office.
[1877, 1. Dezember, S. 511 anonyme Notiz zum Vitulus des Schonaeus?]
1885, 17. Januar, S. 44 Klopfan.
Alemannia. (Birlinger.) Bonn, Marcus 3, (1875), 135 Zu den zwei Sprüchen von Paris.
Allgemeine «leutsche Biographie, (v. Liliencrou, Wegelc.) Leipzig, Duncker & Humblot.
13 (1881), 642 f. Christian Joseph Jagcmanu. — 13, 643 Karoline Jagemann.
Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste (Ersch und Gruber).
1. Section 91. Teil (Leipzig 1871) S. 413—421 Griselda.
Am Urquell. (F. S. Krauss). Hamburg, Kramer. N. F.
1 (1890), 72 f. Aus einer Zuschrift von R.Köhler. — 1, 113-115 Die Haut (das
Fell, den Bast) versaufen.
2, 27 Volksmedizin. — 2, 98 Geheime Sprachweisen. [Auch S. 99, Z. 1 f.
von K.]
Anglia. Zeitschrift für englische Philologie. (Wülker.) Halle, Niemeyer, 1878 ff.
1, 38—44 Zu Chaucers The Milleres Tale. S. 186-188 Nachtrag.
2, 135 f. Nochmals zu Chaucers The Milleres Tale. — 2, 137—140 Der Mann
im Mond und eine Stelle in S. Rowleys When you see me, you know me. —
2, 388 - 394 How the Plowman lerncd his Pater Noster. [Übersetzt in La Enciclo-
pedia, 2. Epoca (Sevilla 1879) 3, 165.]
3, 379-382 Anzeige von The Folk-Lore Society L
Anzeiger für Knnde der deutschen Vorzeit. N.F. Organ des germanischen Museums.
Nürnberg, 1854 ff.
1858, Sp. 86 Zum Holen der Speckseite.
1876, Sp. 48 Nachtrag zu den lateinischen Versen „zur Schafzucht".
428 Schmidt:
Archly für die Geschichte dentscher Sprache und Dichtung;. (J. M. Wagner\ Wien.
Kubasta & Voigt, 1874.
S. 452—457 Michael Caspar Lundorfs Wissbadisch Wiesenbrünnlein.
S. 458—462 Bild und Spruch von den verschiedenen Ständen im menschlichen
Leben. Weimar, am Goethetage 1873.
Archiv für Litteratiirgeschichte. (I 1870 R. Gosche, II— XV 1872-1887 F. Schnorr v.
Carolsfeld.) Leipzig, Teubner.
1, 108 f. Nachtrag [zu R. Hildebrand , Der Verfasser der Chemnitzer Rocken-
philosophie]. — 1, 228-251 Um Städte werben in der volkstümlichen Poesie be-
sonders des 17. Jahrhunderts. — 1, 291-295 Joh. Mich. Moscherosch und sein
..Sprachverderber" und ,,JJer teutsche Michel wider alle Sprachverderber''. —
1, 295—298 Zu zwei Stellen der Simplicianischen Schriften Grimmeishausens. —
1, 298 f. Joh. Freinsheims Gedicht auf die Buchdruckerei. — 1, 326 f. Zu Heinrich
von Kleists Werken [S. 577 Berichtigung]. — 1, 409-427 Die Griseldis-Novelle
als Volksmärchen.
3, 145—147 Schiller und eine Stelle aus Tausend und einer Nacht. —
3, 416—421 Die Quelle von Wielands Hann und Gulpeuheh.
5, 1—5 Eine Stelle in Ariostos Orlando Furioso und Nachahmungen derselben
5, 78-83 Zu Wielands Clelia und Sinibald.
6, 230-232 Zu Goethes Tagebuch. — 6, 526-527 Zu Adolf Strodtmanns
Ausgabe der Briefe von und an Bürger.
7, 32 Zu Lessings Grabschrift auf einen Gehenkten.
9, 4—8 Das älteste bekannte deutsche Sonett und sein italienisches Original.
9, 76 f. H. Dunger, Rundäs und Reimsprüche aus dem Vogtlande.
11, 386 — 395 Ein Brief Goethes an Alessandro Poerio und Aufzeichnungen
des letzteren über seinen persönlichen Verkehr mit Goethe. — 11, 582—585
H. Varnhagen, Ein indisches Märchen auf seiner Wanderung.
12, 92—148 Albanische Märchen, übersetzt von Gustav Meyer, mit An-
merkungen von Reinhold Köhler. — 12, 640 Zu Archiv 8, 183 und 12, 474 [Mich
wundert, dass ich fröhlich bin; H. v. Kleist]. — 12, 641 f. Zu Archiv 12, 480
[Schubart, Voss etc.]
Archiv für slavische Philologie. (Jagic.) Berlin, Weidmann, 1876 ff.
1, 154 f. Eine serbische Kuhhautsage [Anmerkungen]. — 1, 267—289 Aus
dem südslavischen Märchenschatz [Anmerkungen]. — 1, 335 f. Zu S. 95 des
Archivs [vgl. 12, 310—312].
2, 192-194 Eine türkische Version der Condemnatio Uvae. — 2, 614—641
.4us dem südslavischen Märchenschatz [Anmerkungen].
3, 216—219 Der undankbare Sohn und die Kröte [Anmerkimgen].
5, 17 — 79 Aus dem südslavischen Märchenschatz [Anmerkungen].
7, 88 [Aus einem Schreiben an V. Jagic].
12, 316 f. Zu Bd. XI S. 16a
Archivio per lo studio delle tradizioui popnlari. Rivista trimestrale diretta da
G. Pitre e S. Salomone-Marino. Palermo, 1882 ff.
1, 70—72 Perche gli uomini non sanno piü quando devono morire.
2, 117—120 Leggenda di un sant' uomo cruciato e rigenerato.
Berichte über die Verhandlungen der Kgl. Sächsischen Gesellschaft der Wissen-
schaften zu Leipzig. Philologisch-historische Klasse. Leipzig, Hirzel.
39(1887), 105—124 Herders Legenden „Die ewige Weisheit" und ..Der Friedens-
stifter" und ihre Quellen.
42, 72—78 Goethe und der italienische Dichter Domenico Batacchi [Ein
längerer „estratto" erschien im Pitreschen Archivio, Sep.-Abdr. 7 S.].
Blütter für litterarische Unterhaltung-. Leipzig, Brockhaus.
1862, S. 629 f. Zwei angeblich noch ungedruckte Gedichte Gellerts.
Deutsche Litteraturzeitung (Fresenius). Stuttgart -Berlin, Spemann.
1890, Sp. 9 J. C. Dunlop, Historj of prose fiction ed. by H. Wilson 1888. —
1890, Sp. 1200 J. Bolte, Der Bauer im deutschen Liede 1890.
Reinhold Köhler. 429
Die deutschen Mundarten. Herausgegeben von K. Frommann. Nürnberg.
4 (1857), 361 f. Des Kaisers Bart wachsen hören.
5, 420—422 Ältere Sprachprobe aus Clansthal auf dem Harze.
6, 60—76 Bemerkungen zu 0. Schades , Satiren und Pasquillen aus der Re-
formationszeit". — 6, 369 f. Kunzenjägerspiel.
Englische Studien. (Kölbing.) Heilbronn, Henninger.
2 (1878), 115 f. Zu einer Stelle des altenglichen Gedichts von der Kindheit
Jesu.
Ethnologische Mitteilungen aus Ungarn. (A. Herrmann.) Budapest, 1889.
1, Sp. 312— 318 Nachträge zu meinem Aufsatz „Und wenn der Himmel war'
Papier" [Orient und Occident 2, 546—559].
Oermania. ^Pfeiffer, Bartsch.) 1—3 Stuttgart 1856-1858: 4 ff. 1859 ff. Wien, Gerold.
2, 431—434 Der nackte König. — 2, 481—485 Die stärksten Dinge.
3, 199—209 Die dankbaren Toten und der gute Gerhard. - 3, 251—253 An-
zeige von Grässes Jägerbrevier.
4, 482—493 Rosenblüts Disputaz eines Freiheits mit einem Juden.
5, 64—67 Das Grab und seine Länge. — 5, 220-226 Der Spruch der Toten
.an die Lebenden. — 5, 448—456 Ein altes Kindergebet [vgl. 11, 435]. — 5, 461
—463 Bruchstücke eines Gedichts aus dem Artuskreisc. — 5, 463—467 Der
Bauer schickt den Jäckel aus.
6, lOG f. Zur- Litteratur Hans Rosenplüts. — 6, 306 Ein Weib und ilrei Lieb-
haber. — 6, 368-372 Mich wundert dass ich fröhlich bin [vgl. 33, 313 ff.,
Schnorrs Archiv 12, 640].
7, 235—237 Zu den deutschen Appellativnamen. — 7, 350- 354 Adams Er-
schaffung aus acht Teilen. — 7, 371—380 Anzeige von Neumanns Ausgabe der
Reisen Joh. Schiltb ergers. — 7, 476—480 Die Erde als jungfräuliche Mutter
Adams.
8, 15—36 Quellennachweise zu Hugos von Langenstein Martina. — 8, 62 f.
Zum zweiten Morseburger Zauberspruch. — 8, 304 f. Die Ungleichheit der mensch-
lichen Gesichter. — 8, 305—307 Ein Bild der Ewigkeit.
10, 245 f. Ein Engel flog durchs Zimmer. — 10, 447 - 455 Die Legende von
den beiden treuen Jacobsbrüdem.
11, 85—92 Der weisse, der rote und der schwarze Hahn. — 11, 217—221 Zu
dem Gedicht von Hans Sachs „Die achtzehen Schön einer Jungfrauen. — 11, 389
—406 Tristan und Isolde und das Märchen von der goldhaarigen Jungfrau und
von den Wassern des Todes und des Lebens. — 11, 435—445 Ein altes Kinder-
gebet. Nachträge zu Germania 5, 448 — 456.
12, 55—60 Zum guten Gerhard.
13, 158 f. Der Leviathan am Angel. — 13, 178 — 188 Segensprüche. —
13, 399 f. Der Fisch Celebrant [vgl. 28, 9. 29, 512].
14, 243—245 Zum Spruch vom König Etzel. — 14, 246 f. Zu Tristran. —
14, 269-271 Zu von der Hagens Gesamtabenteuer Nr. LXIII. — 14, 300—304
Zur Legende vom h. Albanus.
15, 105 f. Zum Spruch vom Nagel im Hufeisen. — 15, 284 291 Zur Legende
von Gregorius auf dem Steine.
17, 62—64 Das altdeutsche Gedicht „Der Busant" und das altfranzösische
^L'escouflc".
18, 41—45 Der Maler mit der schönen Frau. -- 18, 113 f. Weinende Augen
haben süssen Mund. — 18, 147—152 Eine Sage von Theoderichs Ende in dem
„Libro de los Enxemplos". — 18, 152—159 Die Schwanke vom Bauer Einhirn
und dem Bauer Grillet.
19, 189—194 Das Schicksalsrad und der Spruch vom Frieden. — 19, 349 f.
Nachträge zu Lemckes Jahrbuch 6, 350. — 19, 426—428 Mittelalterliche Ansichten
über die Träger des Namens Petrus.
20, 383 X für U. — 20, 383 f. Johami von Morssheim, der Dichter des Spiegels
des Regiments.
430 Schinirlt :
21, 66 Abermals Johann von Morssheim. — 21, 18—27 Zur Mägus-Sas-a. —
21, 201 Der alte Hildebrand als Puppenspiel [S. 384 zwei Druckfehler berichtigt].
22, 19 f. Das Spiel von den sieben Weibern, die um eiiii'U ^Jann streiten. —
22, 285 Zu einer Stelle in Rudolfs von Ems Barlaaiii und .Josaphat.
23, 24—27 Zu einer Stelle in Ulrichs von Eschenbach Wilhelm von Wemlen.
24, 18 — 15 Über ein Meisterlied von dem roten Kaiser. — 24, 382 Zu Ger-
mania 23, 52. — 24, 385-391 Von den zwei Sanct Johannsen.
25, 360 Schiltebürger als Name des Todes.
28, 9—11 Der Fisch Celebrant [vgl. 28, 512]. — 28, 11—14 In die Hand,
nicht in die Speisen schneiden. — 28, 185 — 187 Zu einem Spruche Meister
ßumeslants. — 28, 187 f. Erbagast, der aller Diebe Meister ist [vgl. 29, 58]. —
28, 512 Zu Germania 28, 9 ff.
29, 53—58 Zur Legende von der Königin von Saba oder der Sibylla imd dem
Kreuzholze. - 29, 58 f. Abermals von Elbegast. — 29, 408 Jammer lernt weinen.
31, 49—51 Zu Dietrichs von Glezze Gedicht ..Der Borte".
33, 313-332 Mich wundert, dass ich fröhlich bin.
(TiaiiLbattista Basile. Anno I, Napoli 15 Agosto 1883.
Nr. 8, S. 62" Risconti alla fiaba rovignese El Poüliso e'l Padücio [vgl. Errata
Nr. 11, S. 88b].
Giornale storico della letteratura italiana. (A. Graf, F. Novati, R. Renier.) Torino,
Loescher, 1883 ff.
14 (1889;, 94—101 Illustrazionii comparative ad alcune novelle di Giovanni
Sercambi.
15, 180-182 desgleichen.
16, 108—118 desgleichen.
(joethe - Jahrbuch. (L. Geiger.") Frankfurt a. M., Litterarische Anstalt.
2 (1881), 249 Briefe von Goethe. Nr. 8 An? 6. März 1801. - 2, 450 Zusatz
zu 1, 258 über B. J. Schütz.
3, 361 Kilian Brustfleck.
9, 109—113 Drei Briefe Goethes an Einsiedel 1803—1813.
12, 268 Berichtigungen.
Oöttingische gelehrte Anzeigen.
1866, St. 28, 1112—1120 A. Chodzko, Contes des paysans et des patres slaves.
1868, St. 35, 1361-1393 S.Baring-Gould, Household-Storics. - J. F. Blade,
Contes et proverbes populaires recueillis en Annag-nac. — Toppen, Aberglauben
aus Masuren. — A. Peter, Volkstümliches aus Österreich. -Schlesien IL —
Ch. Schneller. Märchen und Sagen aus AVälschtirol. — L. Strackerjan, Aberglaube
und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg. — F. Leibing, Sagen und Märchen des
Bergischen Landes. — P. Chr. Asbjörnsen & J. Moe, Norske Folkeeventyr.
3. Udgave. — J. P. Möller, Folkesager etc. fra Bornholm. — 1868, St. 49,
1926—1931 B. Jülg, Mongolische Märchen. Die neun Nachtragserzählungen des
Siddhi-Kür und die Geschichte des Ardschi-Bordschi Chan.
1869, St. 20, 761—774 Libro di Novelle antiche. — La Novella di Messer
Dianese e di Messer Gigliotto. — Due Novelle antichissime inedite. — 1869,
St. 45, 1761—1767 Novellette, Esempi morali e Apologhi di S. Bernardino di
Siena.
1870, St. 32, 1270—1277 A. de Gubernatis, Le Novelline di S. Stefano di
Calcinaia. — 1870, St. 42. 1656—1663 E. Steere, Swahili Tales.
1871, St. 4, 121—128 A. Mussafia, Über eine altfranzösische Handschrift der
k. Universitätsbibliothek zu Pavia. - 1871, St. 36, 1401—1415 .Vsofnrjvtxa
Avttkixia. Töfioi A'. <f>vklä6. A'.~B'. - 1871, St. 52, 2095-2098 J.V. Zingerle,
Kinder- und Hausmärchen aus Tirol - und : Sitten, Bräuche und Meinungen des
Tiroler Volkes. 1. Aufl.
1872, St. 31, 1205-1225 Th. Steele, An Eastern Love Story. Kusa Jatakaya.
1873, St. .32, 1241 — 1250 M. Toppen, Volkstümliche Dichtungen.
Reinhold Köhler. 431
Jahrbuch der Deulschen Dante- Gesellschaft. Leipzig, F. A. Brockhaus, 18G7 ff.
2 (1869), 237 f. ,OM0' im Menschenangesicht. Eine Parallele.
Jahrbuch der Deutschen Shakespeare-Gesellschaf I. Weimar, Huschke.
1 (1865), 406—417 Einige Bemerkungen und Nachträge zu Albert Cohns
„Shakespeare in Gcrmany".
3, 397-401 Zu Shakespeares The Taming of the Shrew.
22, 276 f. Zu Jahrbucli 21, 305.
Jahrbuch für Litteraturgeschichte. (R. Gosche.) Berlin, Dümmler, 1865.
S. 166—198 Zu (lern Märchen von der Lebenszeit.
Jahrbuch für romanische und englische Litteratur. (Ebert, Lemcke.) 1—12 Leipzig,
Brockhaus. 1859-1871. N. F. 1-3 Leipzig, Teubner, 1874-1876.
3, 56-63 Zu F.Wolfs Proben portugiesischer und katalanischer Volksromanzen,
— 3, 338 f. Zu Rabelais.
5, 1—25 Volksmärchen aus Frankreich.
6, 196—212 Quellennachweise zu Richard Rolle's von Hampole Gedicht „The
Pricke of Conscience". — 6, 326—331 Die Legende von dem Ritter in der Ka-
pelle [vgl. 9, 351]. — 6, 350 Zu Jahrbuch 5, 400 [vgl. Gennania 19, 349].
7, 1—36. 121—354. 249—290 Volksmärchen aus Venetien. Gesammelt und
herausgegeben von Georg Widter und Adam Wolf. Mit Nachweisungen und
Vergleichungen verwandter Märchen von Reiuhold Köhler.
8, 44—65 Zu der Erzählung Adams von Cobsam ,The Wrighfs chaste wife'
[vgl. Berichtigung S. 437]. — 8, 241—270 Italienische Volksmärchen. — 8, 356
—359 Zur Volksliederlitteratur. — 8, 409—417 Italienische Nachtgebete.
9, 117 f. Ein bolognesisches Lied aus dem 13. Jalirhundert. -- 9, 351 f. Zu
der Legende von dem Ritter in der Kapelle. — 9, 399—402 Volksmärchen aus
der Landschaft Forez in Franki-eich.
11, 231 f. Zum Fabliau vom Stadtrichter von Aquileja. — 11, 313—324 An-
zeige von La Leggenda di Vergogna e la Leggenda di Giuda.
12, 106—108 Anzeige von D. Comparetti, Ricerche intorno al Libro di Sindibäd.
— 12, 286—316 Zu der altspanischen Erzählung von Karl dem Grossen und seiner
Gemahlin Sibille. — 12, 347-352. 407-414 Anzeige „Italienischer NoveUen"
[Novelle di G. Sercambi. — Storia di S. Ismeria. — Novella d'una donna e d'uno
uomo che non poteano aver figliuoli. — Novella del Fortunato. — Novella di
A. Doni. — Novella di Franc. Angeloni da Terni.
13, 328—336 Zu Hermann Oesterleys Ausgabe des Dolopathos des Johannes
de Alta Silva.
14, 1—31 Die Beispiele aus Geschichte und Dichtung in dem altfranzösischen
Roman von Girart von Rossillon. — 14, 423—436 Anzeige von G. Papanti, Dante
secondo la tradizione e i novellatori.
Jenaer Litteratur/eitung. (Klette.) Jena, Dufft.
1874, Nr. 21, 318 F. M. Luzel, Gwerzieu Breiz-IzeL T. IL
187.5, Nr. 30, 535 H. Oesteriey, H. Steinhöwels Aesop. — Nr. 43, 758 A.v. Keller,
Hans Sachs Bd. 7. 8.
1876, Nr. 14, 224 J. G. Th. Graesse, Die Quelle des Freischütz. — Nr. 24, 380
W. H. J. Bleek, A brief account of Bushman Folk-lore. — Nr. 40, 622 L. Brueyre,
Contes populaires de la Grande-Bretagne.
1877, Nr. 16, 255 Melusine 1—0. — Nr. 38, 390 J. Haltrich, Deutsche Volks-
märchen aus dem Sachsenlande in Siebenbürgen. 2. Aufl. — Nr. 42, 644 E. Rolland,
Faune populaire de la France. Les mammiferes sauvages.
1878, Nr. 1, 13 A. v. Keller, Altfranzösische Sagen. 2. Aufl. — Nr. 18, 277
L, F. Sauve, Proverbes et Dictons de la Basse -Bretagne. — Nr. 20, 305—307
B. Schmidt, Griechische Märchen, Sagen und Volkslieder.
Korrespondenzbhitt des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. Haml>urg,
1877 if.
4, 2(') Witte Stock.
Zeitschrift d. Vereins f. VolUsltuude. Uai. 29
4.32 Schmidt:
6, '29 f. Pampe. — 6, 36 Up der hut werpen — G, 4(j f. Der alte Hildebrand.
— 6, 53 Jord.
8, 89 f. Uas Substantiv des Verbums.
Kuiistchroiük. Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst, (v, Lützow.) Leipzig,
Seemann.
22 (1887), 669 f. Erklärung zweier Bilder Bartolomeo Mantagnas [Z. 1 lies:
10. Juni].
Litterariscbes Centralblatt. ^) (Zarncke.) Leipzig, Avenarius-Eeisland.
1856, Nr. 40, 637 f. Cte de Marcellus, Nonnos. Les Dionysiaques. Rh. K. —
Nr. 49, 787 f. 0. Schneider, Nicandrea. Rh. K.
1861, Nr. 23, 373 f. R. Keil, Gesellenstammbuch. — Nr. 23, 376 f. Brunet,
Manuel I.* — Nr. 45, 732 f. Brunet, Manuel II 1.* - Nr. 51, 837 Didot, Missel
de JJ. des Ursins.*
1862, Nr. 8, 142 f. Opel und Cohn, Der dreissigj ährige Krieg.* — Nr. 17, 325 f.
Brunet, Manuel II 2.* — Nr. 24, 493 f. Brunet, Manuel III l.-' — Nr. 49, 1093
Brunet, Manuel III 2.*
1863, Nr. 26, 621—623 Brunet, Manuel IV.*
1864, Nr. 2, 41 f. .J. Schmidts 2. Ausgabe der Schriften H. v. Kleists.* —
Nr. 2, 46 f. Brunet, Manuel V 1.* — Nr. 45, 1073 f. Brunet, Manuel V 2.*
1865, Nr. 5, 105 A. de Backer, Essai bibliographique sur le livre de imitatione
Christi.* — Nr. 9, 241 f. Büchmann, Geflügelte Worte. Rh. Kö. — Nr. 42, 1118 f.
Brunet, Manuel VI.*
1866, Nr. 20, 543 f. Walther, Les Elzevir.* — Nr. 46, 1192 f. Grimme, Das
Sauerland. — Nr. 48, 1259 f. Gott ehre das Handwerk! — Nr. 49, 1290-1292
Radics, Der verirrte Soldat.
1867, Nr. 3, 81 f. Hauswald, Dornröschen. — Nr. 20, 552—554 Lorenz, Cata-
logue general de la librairie fran<j,aise 1840—1865. Livr. 1—3. — Nr. 23, 634
—636 Radioff, Proben der Volkslitteratur der türkischen Stämme Süd-Sibiriens I.
Nr. 27, 752 f. Janicke, Über magdeburgische Häusernamen. — Nr. 31, 848 f.
Vischer, Die Sage von der Befreiung der Waldstätte.* — Nr. 34, 946 Zehender,
Der Rheinfall im Lichte der Naturanschauung verschiedener Zeitalter. — Nr. 35,
968 f. Jülg, Mongolische Märchen. — Nr. 43, 1196 Mühlbrecht, Der holländische
Buchhandel.*
1868, Nr. 5, 117 Weller, Index Pseudonymorum. 3. Supplementheft. — Nr. 27,
726 Wcntzel, Goethe in Schlesien. R, K.
1869, Nr. 3, 73 f. Radioff, Proben IL
1870, Nr. 26, 742 f. Traditions et legendes de la Belgique.* — Nr. 52, 1397
—1399 Radioff, Proben III.
1871, Nr. 11, 255—257 Comparetti, Ricerche intorno al Libro di Sindibäd.* —
Nr. 21, 541 Westermayer, J. Bälde.* — Nr. 27, 709-711 R.Keil, Frau Rat. R. K.
1874, Nr. 21, 702 f. van Vloten, Nederlandsche Baker cn Kinderrijmen. —
Nr. 43, 1434 f. dasselbe. Derde druk.
1875, Nr. 4, 121—123 Dunger, Kinderlieder und Kinderspiele aus dem Vogt-
lande.
1876, Nr. 52, 1747 Lorenz, Catalogue gen. V 1.
1877, Nr. 26, 862 f. Graesse, Geschlechts-, Namen- und Wappensagen des
Adels deutscher Nation.*
1878, Nr. 13, 447 Frischbier, Preussische Volkslieder in plattdeutscher Mund-
art. — Nr. 24, 803—805 Witzschel, Sagen, Sitten und Gebräuche aus Thüringen,
— Nr. 43, 1419 Lorenz, Catalogue gen. VI 2.
1879, Nr. 21, 683, Deecke, Lübische Geschichten und Sagen. 2. Aufl. — Nr. 48,
1573 Ijaistner, Nobelsagen.*
1) Ein Sternchen bezeichnet Anonymität; diu seltenen Chifferu Rh. K. oder R. K. oder
-r habe ich angeführt; alles übrige ist Rho. Kö. unterschrieben.
Reinhold Köhler. aq^
1880, Nr. II), 627 Pfannenschmid, Gcrinauische Erntefeste.* — Nr. 43 1428
-1430 V. Schulenburg, Wendische Volkssagen und Gebräuche. - Veckeiistedt
Wendische^ Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche.
1881, Nr. 1, 12 f. Ave-Lallemant, Die Mersener Bockreiter. — Nr 10 337 f
Kaden Unter den Olivenbäumen. - Nr. 33, 1148 f. Asbjörnsen, Auswahl nor-
wegischer Volksmärchen und Waldgeister-Sagen. — Nr. 38, 1323 f I egraud
Reciieil de contes populaires grecs. - Nr. 50, 1725 f. Sebillot^ Contes'populaires
de la Haute-Bretagne II. - Ders , Litterature orale de la Haute-Bretagne.
1882, Nr. 18, 611 Long, Eastern proverbs and emblems. — Nr 21 718 f
Dozon, Contes albanais. - Nr 45, 1524 v. Sehulenburg, Wendisches Volkstum*
Nr. 49, 1671 f. Leskien und Brugman, Litauische Volkslieder und lAIärchen. —
Haltrich, Deutsche Volksmärchen aus dem Sachseulande. 8. Aufl.
1883, Nr. 22, 772 Meinardus, Der historische Kern der Hameler Rattenfänger-
sage. — Nr. 22, 773 Wrubel, Sammlung bergmännischer Sagen. — Nr 33 1155 f
Riviere, Contes populaires de la Kabylie du Djurdjura - Leger, Recueil de
Contes populaires slaves. - Nr. 38, 1349 f. Koch, Die Siebenschläferlegende.
1884, Nr. 1, 28 Coen, Di una leggenda relativa alla nascita e alla gioventü
(b Costantino Magno. - Nr. 12, 397 f. Ratston, Tibetan Tales. - Nr 404 f
Weddigen u. Hartmann, Der Sagenschatz Westfalens. — Nr. 26, 897 f. Vecken-
stedt. Die Mythen, Sagen und Legenden der Zamaiten.
1885, Nr. 6, 184 f. Mündel, Elsässische Volkslieder. — Nr. 12, 392 f Linniug
[Linnig], Deutsche Mythen-Märchen. - Nr. 13, 513 f. Poestion, Isländische
Märchen. - Nr. 19, 656 f. Junker von Langegg, Japanische Thee-Geschichten.
Nr. 19, 657 Meyer, Der Aberglaube des Mittelalters. — Nr. 30, 1009 f. v. Pfister,
Sagen und Aberglaube aus Hessen und Nassau. — Nr. 49, 1683 Wossidlo Volks-
tümliches aus Mecklenburg L - Nr. 49, 1683 f. Knoop, Volkssagen aus dem öst-
lichen Hinterpommern.
1886, Nr. 15, 516 f. Keith-Falconer, Kalilah and Dimnah. — Nr. 21 733 f
F. u. Th. Dahn, Walhall, -r. - Nr. 21, 734 Jahn, Die deutschen Opfergebräuche.*
Nr. 37, 1286 Poestion, Lappländische Märchen.
1887, Nr. 17, 580 Cram, Italian Populär Tales. — Nr. 30, 1011 f. Gaidoz La
Rage et St. Hubert. '
1888, Nr. 4, 128 Rochholz, Wanderlegenden. — Nr. 17, 592 f Petitot Tra-
ditions indiennes. - Nr. 21, 733 f. Wlislocki, Märchen und Sagen der trans-
silvanischen Zigeuner. - Nr. 21, 734 f. Cosquin, Contes populaires de Lorraine.
- Nr. 29, 986 f. Schreck, Finnische Märchen. - Nr. 29, 987 Maass, Das Deutsche
Märchen. - Nr. 30, 1021 f. Elberling, Oehlenschläger og de osterlandske Eventyr.
— Nr. 36, 1238 f. Rappold, Sagen aus Kärnten.
1889, Nr. 4, 118 Johannis de Capna Directorium vitae huinanae I. — Nr 4
123 f. Knowles, Folk-Tales ofKashmir. - Nr. 26, 894, Overland, Fra en svunden
tid. — Nr. 29, 988 f. Giannini, Canti popolari della Montagna Lucchcse. —
Nr. 45, 1553 f. Sauve, Folk-lore des Hautes -Vosges.
1890, Nr. 49, 1709 f. Chants populaires des Afghans.
Litteraturblalt für germanische und romanische Philologie. (Behaghel, Neumann.)
Heilbronn, Henninger.
1880, Nr. 4, 125-127 Liebrecht, Zur Volkskunde. — Nr. 11, 421—424 Guerrini,
La vita e le operc di G. C, Croce.
1881, Nr. 6, 217—219 Reinhardstöttner, Die Plautinischen Lustspiele in späteren
Bearbeitungen I.
1882, Nr. 8, 320—322 Finamore, Tradizioni popolari abbruzzcsi I.
1883, Nr. 2, 73 f. Tradizioni popolari catalane. — Indovinelli popolari siciliani.
— Nr. 7, 270—273 Rochs, Über den Veilchen-Roman und die Wanderungen der
Euriaut-Sage. — Nr. 11, 412-415 Müller- Fraureuth, Die deutschen Lügen-
dichtungen.
29*
434 Schmidt:
Melnsine. Eecueil de mythologie, litterature popiüaire, traditions et usages. (Gaidoz,
Eolland.) Paris, Viaut, 1878 ff.
1, 158 f. Observations sur le eoiite breton ,Les trois Freres, ou le Chat, le Coq
et l'Echelle'. — 1, 213 f. Observations siir le coute breton ,Les trois filles du
Boulanger', — 1, 384—386 Observations sur les deux contes bretons ,Le pape
Innocent' et ,Histoire de Christic'. — 1, 473—476 Observations sur le conte
breton ,Fanch Sconarnec'. — 1, 549 Le Diable et les Eognures d'ongles.
5, 38 f. Ne frapper qu'un seul coup.
Mitteilungen der K. K. Central -Kommission für Erforschung und Erhaltung der Bau-
denkmäler. (V. Helfert.) Wien, Gerold. N. F. 1875 ff.
N. F, 9, LXXV Wandmalereien in der St. Barbara-Kirche zu Kuttenberg.
Mitteilungen der Litauischen Litterarischen (iesellschaft. Heidelberg, Winter, 1880 fif,
3. Heft (1880), 164 — 166 Vergleichende Bemerkungen zu den litauischen
Märchen von dem listigen Menschen und dem dummen Teufel. — 9. Heft (1884),
148 f. Eine litauische Sage und das deutsche Volksbuch von Fortunatus.
Monatsclirift für die (ieschichte Westdeutsclilauds. (Pick.) Bonn, Strauss.
7 (1881), 64 f. Die Ziege als Hochzeitsgeschenk.
Jfene Jahrbücher für Philologie und Pädagogik. (Fleckeiscn) Leipzig, Teubner.
70 (1854), 464—472 Anzeige von Ballhorn-Rosen, Zur Vorgeschichte des römi-
schen Rechts.
71, 389-396 Anzeige von Köchly, Quintus Smyrnaeus.
73 (19—29), 19—29 Anz. von Pott, Personennamen. — 73, 377—384 Anz. von
Pyl, Mythologische Beiträge.
75, 138—141 Anz. von Hübner, Quacstiones onomatologicae latinac.
119 308 Zur Odyssee t 162.
Notes und Queries. London, G. Bell, 1850 ff. Ob K. kleine Notizen beigesteuert hat,
Hess sich vor der Hand nicht ermitteln.
Orient und Occident. (Benfey.) Göttingen, Dietrich, 1862—1866.
1, 431—448 Nasr-eddins Schwanke. — 1, 764 f. Zu Nasr-eddins Schwänken.
2, 98—126. 294—331. 486—506. 677-690 Über J. F. CampbeUs Sammlung
gälischer Märchen. — 2, 546 — 559 Und wenn der Himmel war' Papier [vgl, oben
Ethnolog. Mitteilungen].
3, 63 — 103 Zu dem Märchen von dem dankbaren Toten. — 3, 184 Nachtrag
zu Dr. Allwissend [1, 374]. — 3, 185—187 Sagen von Landerwerbung durch
zerschnittene Häute. — 3, 350—352 Nachtrag zu 2, 506.
II Propngnatore. Bologna 1870.
3, 392 — 395 La leggenda di prete Giustino.
Repertorium für Kunstwissenschaft. (F. Schestag.) 1876 ff.
7 (1884), 367 Zur Ikonographie der lil. Martha.
Revue celtique. (Gaidoz.) Paris, Vieweg.
1 (1870—1872), 132—134 Observations sur le conte precedent [Koadalan]. —
1, 222—225 Sainte Tryphine et Hirlande. — [1, 487 f. Beitrag zu Gaidoz' An-
zeige von Stokes, Life of S. Meriasek: vgl. 2, 508.] — [1, 502 Zu W. Stokes,
Man octipartite.]
[2, 351 Notiz über einen wälschen Katechismus der Grossh. Bibliothek in
Weimar.] — [2, 507 f. Notiz zur Sage von Labraidh I>orc.]
3, 367—373 Observations sur le conte precedent [Rashin Coatic]. — 3, 376
bis 378 Observations sur le conte precedent [Nicht, Nought, Nothing].
4, 447—449 Taliesins Little World. — [4, 479] Zwei Bemerkungen zu S. 202
und 209.]
5, 410 Anzeige von J. Leite de Varconcellos, Estudo ethnographico a proposito
da Ornamentacäo dos jugos e cangas dos bois.
Revue critiquc d'histoire et d(! litterature. (P.Meyer etc.) Paris, Franck, 1S6G ff.
1868, Nr. .52, 412-415 Casati, Richard li biaus.
ßeinhold Köhler. 435
Rheinisches Museum für Philologie. X. F. ^Welcker, Ritschi). Frankfurt a M , Sauer-
länder, 1842 ff
12 434—436 Ausonius und die macaronische Poesie.
13, 316 Zu den Kyprien.
14, 471 Sarpedon.
16, 152 Angebliche Homerfragmente.
Rivista di letteratnra popolare. (Pitre, Sabatini.) Torino, Loescher, 1877 ff.
1', 213—221 Das Rätselmärchen von dem ennordeten Geliebten.
Romauia. (P. Meyer, G. Paris.) Paris, Vieweg, 1872 ff.
5 (Xr. 17, Janvier 1876), 76—81 La nouvelle italienne du pretre .Jean et de
Tempereiu- Frederic et un recit islandais.
8 (Nr. 29, Janvier 1879), 118—120 L'änie en gage.
11 (Nr. 44, Octobre 1882), 581—584 Le conte de la reine qui tua son senechal.
15 (Nr. 60, Octobre 1886), 610 f. Le conte de la reine qui tua son senechal.
Serapeiiui. Zeitschrift für Bibliothekswissenschaft. (Naumann.) Leipzig, Weigel, 1840 ff.
21 (1860), 107 f. Eine Ausgahe eines Dialogs von Hans Sachs aus dem
17. Jahrhundert.
27, 222 Ein zweites Exemplar des „Alamodischen Quodlibets" [vgl. Berichti-
gung S. 384.]
Vierteljahrschrift für Litteralurareschichte. (B. Seuffert) Weimar, Bühlau 1883 ff.
1, 150 f. Adams er.^ter Schlaf. — 1, 492—494 Zu Lessings Gedicht: das Muster
der Ehen.
2, 275 — 278 Noch einmal Lessings Gedicht: Das Muster der Ehen.
Weimarische Beiträge zur Litteratur und Kunst. Weimar, Bölüau, 1865.
S. 181—203 Über die em-opäischen Volksmärchen [Vortrag im Mittwochs-
vereiu, Winter 1864. Hierzu hat K. einmal ein Lob verzeichnet, aus dem Litter.
Centralbl. 1867, Nr. 5, 184: „Der so gelehrte wie gediegene Vortrag von R. K."]
Weimariscües Jahrbuch füi- deutsche Sprache, Litteratm- und Kunst. (Hoffmann v. F.
und Schade.) Hannover, Rümpler, 6 Bde. 1854 — 1857.
1, 479—483 Über das Fortleben der Seelen in der Pflanzenwelt. Ein Nach-
trag zu A. Kobersteins Abhandlung.
3, 329—358 Waidsprüche und Jägerschreie. — 3, 475—477 Eine Ode Rud-
nicks. — 3, 477 — 482 Aus Lorbers Gedichte „Die edle Jägerei".
4, 473—478 Bemerkungen zu der Abhandlung von C. Anthes „Das deutsche
Hildebrandslied und die iranische Sohrabsage"'
5, 329 — 356 Zweiundvierzig alte Rätsel und Fragen. — 5, 477 — 480 Zu
Eulenspiegel.
Weimarisches Sonntagsblatt. Weimar, Böhlau.
1855, Nr. 27 Das Johannisfest.
1856, Nr. 15 H. Heines Gebm-tstag. — Nr. 25 Zur Kunde unserer Namen.
1857, Nr. 13 Portugiesische und katalanisdie Volksromanzeu. — Nr. 20 Über
den Stoff von Z. Werners 24. Februar. — Nr. 33 Walachische Volkspoesie.
Weimarer Zeitung. Weimar, Böhlau.
1863, Nr. 228 Jakob Grimm.
1864, Nr. 7 Baudiy.
1865, N. 140 Anekdote von Goethe.
Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. Leipzig, Brockhaus und
Avenarius, 1847 ff.
29 (1876), 633—636 Die Pehlevi-Erzählung von Gosht-i-Fryäno und der kir-
gisische Büchergesang „Die Lerche".
31, 550 Zu 0. Blaus Griechisch - tüi-kischen Sprachprobeu aus Mariupoler
Handschi-iften.
Zeitschrift des Vereins für Volltsknnde. (K. Weinhold.) Berlin, Asher.
1 (1891), 53—56 Ein anscheineml deutsches Märchen von der Nachtigall und
der Blindschleiche und sein französisches Original.
436 Schmidt: Reinhold Köhler.
Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Litteratur. (Steinmeyer.) Berlin,
Weidmann.
20 (N. F. 8, 1876), 119—126 Harlekins Hochzeit und Goethes Hanswursts
Hochzeit.
21, 143 f. Zu Zs. 20, 250.
23, 88—90 Zu Zs. 11, 212 [Nachtrag 28, 844].
27, 96 Zu Zs. 25, 170. 244. [Vgl. auch die Berufungen auf Nachweise R. K.s
18, IGO. 26. 294. Anzeiger 5, 305.]
Anzeiger der Zs.
6, 263—275 A. Reifferscheid, Westfälische Volkslieder.
9, 402—407 M. Grünbaum, .Jüdisch-deutsche Chrestomathie.
11, 76—84 L. Tobler, Schweizerische Volkslieder I.
Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde. (J. W. Wolf, Mannhardt.)
Göttingen 1853—1859.
2, 110—113 Eine römische Sage. — 2, 113 f. Ungarische und walachische
Märchen. — 2, 114—116 Schwalbensprache.
3, 298—300 Sage, Fabel und Legende. — 3, 300 Johannessegen. — 3, 301
Zauberstück eines Mönchs. — 3, 408—410 Einige Anmerkungen zu R. Panzers
bayrischen Sagen und Bräuchen.
4, 180-185 Das Lied von der verkauften Müllerin.
Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte. (J. H. Müller.) N. F. Hannover, 1872 f.
4, 776 Schildwachtsbücher.
Zeitschrift für deutsche Philologie. (Zacher.) Halle, Waisenhaus, 1869 ff.
1, 452 — 459 Cornelius. Eine Ergänzung zum Deutschen Wörterbuche an
Rudolf Hildebrand in Leipzig.
3, 200 Ein Druckfehler in Wielands Werken. — 8, 475—480 Goethiana.
4, 131 — 134 Eine Stelle in der Luise von Voss und ein Gedicht Sclmbarts
[vgl. Schnorrs Archiv 12, 641]. — 4, 134 f. Kosegarten. — 4, 311—313. Ich
schätz nein. Ein Novellenstrauss des 15. Jahrhunderts. Erläuterungen.
5, 69 — 73 Die deutschen Volksbücher von der Pfalzgräfin Genovefa und von
der Herzogin Hirlanda. — [5, 83 Mitteilung an Zacher über eine Lesart in der
Braut von Messina.]
7, 91 Eine Textberichtigung zu Lessings Sckriften.
8, 101—104 Die Quelle von Bürgers Lenardo und Blandine.
14, 96 — 98 Zur Legende vom italienischen jungen Herzog im Paradiese.
16, 362 f. Zu Bürgers Lenardo und Blandine.
Zeitschrift für Ethnologie und ihre Hilfswissenschaften. (Bastian, Hartmann.) Berlin,
Wiegand & Hempel, 1869 ff.
13, 301—306 Sator-Arepo-Formel.
17, 145—147 Die Zacharias-Inschrift zur Abwehr der Pest.
18, 819 Sagen aus der Bretagne.
Zeitschrift für romanische Philologie. (Gröber.) Halle, Niemeyer, 1877 ff.
1, 865—375 Über die von F. Zembrini herausgegebenen Dodici Conti morali
d'Anonimo senese. — 1, 478 f. J. Chenai;x et J. Cornu, Una panerä de revi fri-
bordzey [Romania Nr. 21].
2, 180—182 A. Wesselofsky, Le Dit de l'Empereur Constantiii [Romania
Nr. 22]. — 2, 182 E. Cosquin, Contes populaires lorrains [Romania Nr. 22]. —
2, 350 f. E. Cosquin, Contes populaires lorrains [Romania Nr. 24]. — 2, 518 Nach-
trag zu S. 218, zu S. 304.
3, 73—78 La Fabula del Pistello da l'agliata [Übersetzt in La Enciclopedia,
Sevilla 15 de agosto de 1879, Num. 14, pag. 227—229]. — 3, 166 f. Cosquin,
Contes populaires lorrains [Romania Nr. 28]. — 3, 272—277 Dos obras Didäcticas
y dos Lcgendas. — 3, 311-313 H. Carnoy, Contes [Romania Nr. 30] — 3, 617
—619 Cosquin, Contes pop. lorr. [Romania Nr. 32]. — 3, 619 J. Fleury, Rindon
[Romania Nr. 32].
Sprichwörter und Redensarten aus der Grafschaft Euppin etc. 437
4, 583 Zu Zeitschrift 4, 2G6.
5, 171 f. Cosquin, Contes pop. lorr. [Romania Nr. 35]. — 5, 174 Nyrop, Bribes
de litterature populaire [Romania Nr. 35].
6, 165 Rajna, Una versione in ottava del libro dei Sette savi. III [Alles
im 6. Bande bezieht sich auf die Romania]. — 6, 173 f. Cosquin, Contes pop.
lorr. — 6, 174 Smith, Chants populaires du Velay et du Forez. — 6, 478
Legrand, Chansons populaires recueillies ä Fontenay-le-Marmion. — 6, 482 f.
Cosquin, Contes pop. lorr. — 6, 483 Smith, Renaud-la-Perchcronne.
8, 120—122 ,Oci, oci' als Nachtigallensang.
15. 235 f. Zu E. Stengels Sammlung kleinerer Schriften von Ferdinand Wolf.
Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung. (Kuhn.) Berlin, Dümmler, 1852 ff.
11, 397 f. Dürängeln.
Berlin.
Sprichwörter und Redensarten
aus der Grafschaft Ruppin und Umgegend.')
Gesammelt von K. Ed. Haase.
1. Er handelt wie um einen kranken Schimmel.
2. Det soll du häbben, un wenn du de Schult ut Dörp bist.
3. Ik will di helpen, un wenn du de Prester ut Werder bist. — Über
die Entstehung der Redensart erzählt sich der Yolksmund Folgendes : Kommt
einst ein Bauer die Chaussee entlang gegangen, da ruft ihm eine klägliche
Stimme aus dem Chausseegraben zu: „Hilf mir auf!" „Ik will di helpen,"
meint der Bauer, „un wenn du de Prester ut Werder bist." Und richtig,
es war der Geistliche aus Werder, einem Kirchdorfe in der Grafschaft, der
in der Trunkenheit in den Graben gefallen war und sich vergebens be-
mühte, wieder auf die Beine zu kommen.
4. Klein Yieh macht auch Mist. — Der Redensart werden oft die
Worte hinzugefügt: „Aber ein Ochse mehr wie tausend Nachtigallen."
5. Besser eine Laus im Kohl als gar kein Fleisch.
6. Das kommt gleich nach dem Hundeflohen (von einer unangenehmen
Arbeit), — nach dem Pferdestehlen (von einer wenig lohnenden Arbeit).
7. Das Schwein liegt am liebsten da, wo es am schmutzigsten ist.
8. Dafür kann ich den Teufel barfuss tanzen sehen.
9. Wat der Bür nich kennt, dat fret er 6k nich.
10. Es giebt was raus aus der Armenkasse = es giebt Prügel.
11. Er hat sich das Lügen angewöhnt, wie die Krähe das Kappeln;
oder: Er hat es stets an Worten wie die Krähe am Kappeln.
1) Gesammelt in Dierberg, Klosterheide, Kraatz, Neustadt a.D., Protzen, Ruppm
(Alt- und Neu-), Gadow (Ost-Prignitz), Preddöhl (dgl.), Brunne (Ost-Havolland), Fehrbellin
(dgl.), Friesack (dgl.).
438 Haase:
12. Ungebetene Gäste geliören unter den Tisch.
13. Wo Myrte gedeiht, da wird nicht gefreit.
14. Det is 6k ene ut de säbente ßitt =- eine hinterlistige, verläum-
derische, überhaupt niederträchtige Frau, vor der man sich in acht nehmen
muss.
15. Wer einen Strick sucht, um einen Hund zu hängen, findet ihn.
16. Einem das Abendbrot abtreten oder einem das Freien abtreten
= einem auf die Hacken treten. — „Du willst mir wohl das Abendbrot
abtreten? Ich habe schon gegessen."
17. Es ist nicht leicht, wenn der Bock lammen soll, und er kann nicht.
18. Die Liebe geht durch den Magen oder durch den Geldbeutel.
19. Es ist leichter, einen Sack voll Flöhe zu hüten als ein junges
Mädchen.
20. Wenn der Bettelmann nichts haben soll, verliert er's Brot aus
dem Sacke.
21. Das Licht hat einen Dieb (= eine grosse Schnuppe); in Nassau
sagt man: Es sitzt ein Jüd auf dem Licht.
22. Pastors Kinder und Müllers Küh,
Wenn sie geraten, ist's gut Vieh.
23. Wer weiss, wo Fuchs ist, wenn's Gras wächst.
24. Er hält sich an den Trunk wie die Stöffiner Kühe, sagt man von
einem Trunkenbold. — In Stöffin reicht jedes Grundstück bis an den
flachen See heran. Waren nun die Kühe auf der Weide, so gingen sie oft
so weit in den See hinein, dass sie nur noch mit dem Kopfe aus dem
Wasser herausragten.
25. Das merkt ein Pferd, und wenn's ein Schimmel ist.
26. Wenn die Pferde und Kühe gut stehen und die Frauen gut sterben,
wird der Bauer bald ein reicher Mann.
27. Zerbrochenes Glas bringt bald eine Braut in's Haus.
28. Bei dem einen fällt die Liebe auf ein Rosenblatt, bei dem andern
auf einen Kuhpladder.
29. „Es will sich jemand erhängen und kann keinen Strick finden;
darum heult der Sturm so lange," sagt man, wenn der Sturm mehrere
Tage hintereinander recht hohl heult.
30. Der Bauer spricht beim Obstessen:
Geft mi dat 6k kene Kraft in die Knäken,
So holt et mi doch det Näslock äpen.
31. Wat dat för en lustget Lewen is, wenn de Perdstall dicht bi'n
Kohstall is.
32. Er isst mit dem grossen Löffel (= Er ist zum Essen eingeladen).
33. Dat is en auner Kürn, seggt de Möller, wenn er in en Muse-
köttel bitt.
34. Das kann einen Hund jammern.
Sprichwörter und Redpiisarton aus der Grafschaft Ruppin etc. 439
35. Die Pferde, die so schnell aus dem Stall laufen, verlieren den
Odem.
36. Wenn das Christkind ist geboren,
Haben die Rüben ihren Geschmack verloren.
37. Wenn sich die jüngere Schwester vor der älteren verheiratet, so
sagt man von dieser: „Sie kommt auf den Backofen."
38. In Walsleben werden die Dummen nicht alle; denn es werden
auf dem Schneefolde (einem sehr sandigen Ackerstücke), immer wieder
welche ausgesät.
39. „Du hast dich gewiss an die grosse Zehe gestossen," sagt man zu
einem, der etwas vergessen hat.
40. Der Schlesier seh . . sst ein Loch höher, als er das loch hat
(= er ist sehr hochmütig).
41. Die alten Böcke haben die steifsten Hörner (= sind am geilsten).
42. Er hat einen F . rz im Kopfe (= ist nicht recht bei Verstände).
43. Wenn die Mücken f.rzen wie die Elefanten, dann platzt ihnen
's Loch.
44. Ich kann kein Kind erzürnen ,, oder es muss mich mit Gewalt in
den Hintern beissen.
45. Wenn der Schwanz steht, ist der Verstand im . rsche.
46. Der Teufel seh . . sst immer auf den gi'össten Haufen.
47. „Der weiss den Hund zu führen, dass er ihm nicht auf den Strick
seh . . sst," sagt mau von einem, dem alle Unternehmungen glücken.
48. Wem der Rock, der zieht ihn sich an.
49. AVer morgens vergnügt ist, hat am Tage Unglück.
50. „Das ist Verkehrt-Lindow," hört man in der Grafschaft oft sagen,
wenn eine Sache nicht so ist, wie sie sein soll. Denn in Lindow steht
die Kirche nicht wie in andern Orten, in der Mitte der Stadt, sondern an
dem einen Ende; auch der Turm, die Kanzel und der Altar sollen nicht
an der richtigen Stelle stehen. Auch sonst soll in Lindow vieles verkehrt
gemacht sein. Dahin rechnet man namentlich die Entfernung des Rathaus-
turmes, der der Stadt einst zur Zierde o-ereichte.
51. Besser twemäl ut det Wäter treckt, as enmäl hinner de Hell
(= Raum hinter dem Ofen) voer.
52. „He hätt de Katf up den Schwanz träden," sagt man von einem,
der sehr viel Unglück hat.
53. Holl, wat du hast, un nimm, wat du kriegen kannst.
54. Ein Bauer, der zu „sprichen" (= hochdeutsch zu reden) anfängt,
bekommt aus Hohn zu hören: „Bist wohl nach Berlin gewesen, hast sprichen
gelernt, hat dich zwiunzwinzig Dahlers gekostet.
55. Er ist hinterher, wie Lüdicke hinter der Ente.
56. Nun komme ich dahinter, wie Lüdicke hinter die Ente.
57. Hochmut müt Pein lieden.
440 Schwartz :
58. „Dat was en kotten Öwergaiig", seggt de Voss, as em 't Fell üwer
de Ohren treckt war.
59. Er (sie) is neilicli as 'n oll Zick.
60. 011 Lüt sind wünnerlich; wenn't regnt, gälm's in't Heun, un wenn
de Sünn schient, bliewen's to Hus.
61. Je eher daran, je mehr daran.
62. „Da, Katt, häst'n Plötz" (ein Fisch), erwidert man, wenn einer
einem eine versteckte Grobheit sagt.
63. Oft strieken un wenig kieken, dat geft en glatten Mäjer.
64. Läuft einem ein kalter Schauer über den Rücken, so sagt man
von ihm: „Der Tod läuft über sein Grab."
65. Wo kein Dreck, da kein Speck.
Q6. Ein Mann kann mit vier Pferden nicht soviel fahren ins Haus,
Als eine Frau mit der Schürze trägt heraus.
67. „Es ist wohl eine Ratte in der Buttermilch ertrunken," pflegt man
in der Prignitz zu sagen, wenn jemand ein allem Anschein nach fehler-
haftes Geschenk erhält. Zur Erklärung der Redensart dient folgende kleine
Geschichte: Hans, ein kleiner Banai'nknabe, ruft seinem älteren Bruder zu:
„Fritz kumm rinn!" Dieser antwortet: „Wat soll ik?"^ Hans erwidert:
„Bottermelk drinken." Aufs höchste verwundert, fragt Fritz: „Hotz, wo
ffeit dat to?" Die Antwort lautet: „Is Rott in verdrunken."
Kleine Mitteilungen.
Ein paar volkstümliche Miscellen.
Von Wilhelm Schwartz.
Fast jede Sache erhält im Volksleben ihre typische Form. Selbst
der Krebsfang, wie er bei Fackellicht vorgenommen wird, hat derartige. So
wurde mir einst in Neu-Ruppin folgende Beschreibung eines solchen geboten, wie
er sich dort abzuspielen pflege.
Sieht während des Fanges, der bei hereinbrechender Dunkelheit vor sich geht,
wo die Krebse durch Kienfackeln geblendet werden, einer von den Leuten einen
Krebs munter im Wasser herumschwimmen, und will, dies seinen Kameraden
schnell mitteilen, so ruft er: „Kir secht ter (tä)!" Damit wissen alle, dass ein
Krebs sich zeigt, und leuchten begierig nach der Stelle hin. Fällt nun der ein-
gefangene Krebs dem soeben beglückten Krebsfänger wieder aus der Hand, —
was bei einem einstündigen Fange doch immerhin einige Male geschieht, — so ruft
dieser wehklagend aus: „Putsch secht tä!" Das plätschernde Geräusch selbst,
welches der wieder in das Wasser zurückfallende Krebs verursacht, wird diu'ch:
Kleine Mitteilungen. 441
„Bätsch secht tä!" bezeichnet. — Sucht dann der Krebs durch schleunige Flucht
zu entkommen, so hört man die Worte: „Fück, Filck secht tä!" — Bei dem
Knistern der von der Kienfackel, die Känspohn genannt wird, in das "Wasser
fallenden Funken ruft alles: „Knätz, Rnätz secht tä!"
So verleiht das Volk allem, was es treibt oder um ihn vorgeht, ein lebendiges
'Gepräge, indem es ihm seine Gedanken imterschiebt.
Das gilt von der Stadt wie vom Lande. Noch immer summt es mir z. B.
gelegentlich des Abends aus der Zeit meiner Ruppiner Wirksamkeit in den sechziger
Jahren in den Ohren, wenn um 10 Uhr die Post nach Gransee abging, und der
Postillon, ehe er in die Nacht hinausfuhr, sein Hörn durch die Strassen schmetterte,
dessen Klängen der Volkshumor dann die wehmütigen Worte imterlegte:
Ach du mein lieber Gott,
Muss ich schon wieder fort
Auf die Chaussee!
Hin nach Gransee!
Hin nach Gransee!
Spiegelte sich hierin der kleine Horizont der kleinen Stadt ab, so klang es in der
ersten Hälfte dieses Jahrhunderts in Berlin grossstädtisch -preussisch in dem Text
an, welchen man dem Retraiteblasen bei den Kasernen des Abends um 9 Uhr noch
in Erinnerung an das Jahr 1813 lange unterlegte, in dem es hiess:
Die Preussen haben Paris genommen.
Es werden bessere Zeiten kommen!
Trara! Trara! Trara!
Das Volk, Jung und Alt, ist eben bei allem, was ihm begegnet, frisch dabei, mit
Leib und Seele, und so erhält das Unbedeutendste durch die menschliche Teil-
nahme, die es erfährt, eine Art poetischen Anhauch, welcher der einförmigen Mono-
tonie des täglichen Lebens einige hellere Farben verleiht.
Sagen vom Siniclikopfe in Mais bei Meran.
Dr. B. Mazegger sagt in seinem Aufsatze: „Das alte Giischloss auf dem Sinich-
kopfe in Mais" (Zeitschrift des Ferdinandeums 3. Folge 35. Band S. 293 ff.), dass
an dieser prähistorischen Stätte viele Sagen haften. Der Güte des Verfassers
danke ich zwei derselben, die ich hier mitteile.
L
Hii-ten und Knechte vom nahen Hoch platt er Hofe begegneten oft auf dem
E^usssteige einsam wandernden Mönchen. Von den Leuten mit Ehrfurcht bogrüsst,
gingen die Pater stumm und ernst weiter und verschwanden plötzlich bei einer
Biegung des schmalen Pfades.
Das Erscheinen der Pater ist hier um so auffallender, da derartige Sagen hier
zu Lande nur an Klöstern und alten Hospizen haften.
n.
Die Sage von verschollenen Weinkellern ist durch die Sage bei Saliirn (Grimm,
Sagen, 2. Aufl. I, 17; Zingerle, Sagen aus Tirol, 2. Aufl. S. 292), von einem wein-
442 Zingerle :
spendenden Ritter durch die Sage bei Juval (Sagen aus Tirol, 2. Aufl. S. 249), von
einer weinbietenden Jungfrau durch die Sage „Das Fräulein von Windeck'' bekannt.
In folgender Sage ist der entrückte AVeinkeller und die Jungfrau in Verbindung
und dazu kommt noch ein für die Meraner Gegend bezeichnender Zug:
„Einem jungen, frischen Hirten vom Maiser Freiberg, der auf dem Sinich-
kopf das Vieh hütete, erschien eine blühendschöne Frau in schneeweissem Gewände
und winkte ihm freundlich, ihr zu folgen. Er gehorchte ihr und sie kamen zu
einem mächtigen Thore, das er früher nie bemerkt hatte. Auf ihren ^Yink öffnete
sich dasselbe und sie traten in einen grossen hochgewölbten Keller, welcher mit
grossen Fässern gefüllt war, auch Truhen voll glänzenden Goldes standen heioim.
„Diesen Schatz," sprach die schöne Frau zum staunenden Hirten, „kann derjenige
heben, der imstande ist, ein „Fassl" Wein, ohne berauscht zu werden, auszu-
trinken."
Da dachte sich der Bursche, hast wohl öfters soviel getrmiken, als dies „Fassl"
haltet, und bist doch noch „gerade" heim gekommen. Mutig ging er ans Werk,
aber der Wein war höllisch stark, und obgleich er das Trinken von der Wiege
an gewohnt war, stieg er dem Säufer in den Kopf, dass er taumelig wurde und
neben dem 'Fässlein einschlief).
Am nächsten Morgen wachte er in seinem Bette auf, ohne zu wissen, wie er
heim gekommen sei. Oft trieb er noch das Vieh auf den Sinichkopf zur Weide,
fand aber ungeachtet alles Suchens nie mehr das Kellerthor und sein Lebenlang
sah er die schöne Frau nicht wieder.
Gufidaun, Mai 1892. Ignaz Zingerle.
Ignaz Zingerle von Summersberg.
Als ich im 1. Bande unserer Zeitschrift (S. 344) einige Worte der Erinnerung
dem am 14. April 1891 verstorbenen Domherrn von Trient, Josef Zingerle widmete,
hatte ich keine Ahnung, dass ich gleichen Nachruf sobald dem Bruder des Heim-
gegangenen, meinem lieben Freunde Ignaz Vincenz, schreiben müsse. Professor
Ignaz Vincenz Zingerle Edler von Summersberg ist zum Schmerz seiner Familie
und seiner vielen Freunde am 17. September 1892 zu Innsbruck verschieden.
Wir wollen uns hifer-) auf das beschränken, was der vielfach thätige und um
Tirol hochverdiente Mann für die Volkskunde seines Heimatlandes geleistet hat.
Angeregt zum Sammeln der Sagen und Märchen seiner Heimat, des Burggrafen-
amts, ward Ignaz Zingerle schon auf der Schule durch den Pfarrer von Kuens,
Josef Thaler, der ihn und seinen Freund Georg Gschwari mit Grimms Märchen
bekannt machte, und durch seinen würdigen Oheim P. Pius Zingerle, der ihm
Simrocks Rheinsagen lieh. Thaler und P. Pius forderten ihn auf, ähnliches zu
versuchen, und auch Beda Weber ennunterte zur Sammlung.
1) Dies überrascht um so mehr, da es vor 50 Jahren hiess, ein Mais er oder
Algunder Bm-sche müsse imstande sein, eine „Pazeiden" (6 Liter) Weines auf oineiu
Sitze zu trinken, „ohne sich etwas anmerken zu lassen".
2) Vgl. meinen Nachruf in der Beilage zur (Münchener) Allgemeinen Zeitung vom
1. Oktober 1892 Nr. 273. Hyac. Holland in derselben Beilage vom 22. September Nr. 264.
L. V. Hörmann im Boten für Tirol und Vorarlberg vom 19. September Nr. 213. Auch die
Innsbruck er Nachrichten vom 19. September, Nr. 213, brachten warme Worte des
Andenkens.
Kleine Mitteilungen. 443
So erschienen 1850 die Sagen aus Tirol, denen 1852 Kinder- und Haus-
märchen, gesammelt durch die Brüder Zingerlc, folgten. Ignaz hatte sich dazu
mit seinem Bruder Josef verbunden, und geholfen hatte Bettina Baumgartner, die
früh verstorbene erste Gattin unseres Freundes. Ein zweites Bändchen erschien
1854 zu Regensburg (zweite verm. Aufl. Gera 1870). Daran reihten sich Sitten,
Bräuche und Meinungen des Tiroler Volkes, gesammelt und herausgegeben
von Ignaz V, Zingerle 1857 (zweite vermehrte Auflage 1871), und Sagen,
Märchen und Gebräuche aus Tirol 1859, deren zweite stark vermehrte Auf-
lage als Sagen aus Tirol 1891 die letzte grössere Arbeit von Ignaz war.
In diesen Büchern ist eine reiche Fülle von Sagen- und Märchenstoff aus dem
deutschen Tirol mit ileissiger, reiner Hund zusammengetragen, und aus den Sitten
und Meimmgen des Volkes voll geschöpft worden. Die zweite Auflage der Sagen
giebt zugleich Auskunft über die Verbreitung der einzelnen Stücke und sucht die
Bedeutung derselben klar zu legen.
Von den philologischen, litterargeschichtlichen und mythologischen Arbeiten
Zingerles, von seinen Schildereien aus Tirol und seinen Dichtungen schweigen wir
an dieser Stelle.
Geboren ward er am 6. Mai 1825 zu Meran, studierte in Meran, Innsbruck,
Marienberg, widmete sich dem Lehramt und war von 1850—59 Lehrer am Inns-
brucker Gymnasium. Dann erhielt er die ord. Professur der deutschen Sprache
und Litteratur an der Innsbrucker Universität, die er dreissig Jahre lang versah.
1890 trat er wegen Kränklichkeit in den Ruhestand und erhielt den erblichen
Adel mit dem Prädikat von Summersberg, das von seinem Schloss Summersberg
in Guftdaun bei Klausen entlehnt war. Am 17. September 1892 starb er in seinem
Hause zu Wilten, dem Vorort von Innsbruck, tief betrauert von den Seinen, ver-
misst von den Besten in Tirol und beklagt von den Frexmden auch draussen im
Reich, denn er war ein wackerer Mann, rein von Gesinnung, treu und wahrhaft.
Sein Andenken bleibt eeseg:net. R- Weinhold.
Anmerkungen zu Zeitschrift II.
1.
Für die Tabelle der Farben, welche durch Herrn Direktor Prof. Dr. Schwartz
in seinen Volkstümlichen Schlaglichtern HI. (diese Zeitschrift IL S. 249) zusammen-
gestellt wurden, erlaube ich mir, einen kleinen Nachtrag zu geben, in welchem
man den meisten Bezeichnungen nicht das A'olkstümliche absprechen kann, zumal
sie sich an die auch dem Landvolke zunächst liegenden Gegenstände begrifflich
anlehnen und deren Reihe ich wohl noch um einige vermehren könnte:
1. schwarz: kohlen-, mohren-, nacht-, tief-, tinten-, torf-;
2. weiss: alabaster-, bläulich-, blitz- (blank), gelblich-, grau-, käfer- (?),
käse-, kalk-, leichcn-, licht-, lilicn-, marmor-, schleier-, schloh (schlohr)-,
schmand-, schwanen-;
3. grau: eisen-, erbsen-, gries-, grün-, hecht-, katzen-, kater-, livree-, nebel-,
perlen-, schmutzig-, schwarz-, staub-, wolfs-; Salz und Pfeffer: couleur de
Muschel;
4. blond: erbson-, ferkel-, gold-, hoch-, impertinent-, stroh-, tornister-;
444 Treichel:
5. gelb: ähren-, bohnon-, brand-, braun-, chrom-, fuchs-, geil-, indisch-,
kack-, leder-, lehm-, leuchtend-, niais-, niohrrüben-, neapel-, pergament-,
post-, schwamm-, stroh-, tornister-, wachs-; altgold; serin;
(). rot: blut-, brand-, bronze-, burgunder-, chrom-, cyclamen-, düster-, erd-
beeren-, üammend-, fleisch-, Garibaldi-, glut-, hektisch-, hoch-, husten-,
karmin-, kirsch-, knall-, lachs-, leuchtend-, licht-, matt-, nelken-, orange-,
päonien-, postillon-, puter-, rost-, schäm-, schreiend-, tief-, tulpen-, türkisch-,
wein-; brique, roux, solferino, vermillon.
7. braun: biiren-, hier-, braten-, brot-, damast-, erd-, floh-, gold-, käfer-,
licht-, Otter-, pfefferkuchen-, rost-, sepia-, tabaks (schmirgel)-, terracotta-,
urnen-, zigeuner-;
8. grün: algen-, apfel-, blatt-, bronze-, enten-, epheu-, frosch-, jäger-, käfer-,
katzenaugen-, körn- (Getreide, pre), kuhfladen-, laub-, myrten- pistazien-,
preussisch-, reseda-, roggen-, russisch-, saat-, saftig-, satt-, Seladon-, Thee-,
Veroneser-, weiden-, wiesen-;
9. blau: amethyst-, äther-, azur-, berliner-, blitz-, daraast-, elektrisch-, flachs-
blüten-, flieder-, lapislazuli-, matt-, metall-, milch-, militär-, pfauen-,
tauben-, tief-, tuch-, türkisen-, vcrgissmeinnicht-, wasch-; bleu terne,
outremer ;
10. lila: braun-, Dahlia-, flieder-, nialven-, rötlich-, süsslila; ardoise, lie de
vin, mauve.
Hoch-Paleschken. A. Treichel.
2.
Zu Bd. II. H. 3. S. 251. Unser Altmeister, Herr Direktor W. Schwartz, hat
in seinen farbenprächtigen „Volkstümlichen Schlaglichtern" auf der angegebenen
Seite auch das Zählen des Volkes zum Gegenstande der Betrachtung gemacht, wie
mir aber scheinen will, im einzelnen nicht ganz genau seine Meinung ausgedrückt,
so dass eine Missdeutung unterlaiifen könnte. Er sagt mit Hinblick auf das „Aus-
denken der Zahl": „Beim Zählen selbst treten dann verschiedene Repräsentanten
grösserer Zahlen als Vertreter der Vielheit auf. Wie uns im gewöhnlichen Leben
noch oft hundert oder tausend so gilt, gebrauchten die Römer trecenti, sescenti u.s. w."
Allerdings, doch nur als relative Grössen- oder Vielheitangaben, regelmässig
jedoch bei Übertreibungen, so z. B. wenn der in Notlage befindliche Südslave
behauptet, es hätten ihn dreihundert Leiden (tri sta jadi) heimgesucht, oder er
sagt, er habe es jemandem dreissigmal gesagt. Diese „Grundzahlen" deuten durchaus
kein unentwickeltes Zählungsvermögen an (mangelhaftes Ausdenken der Zahl), son-
dern sind für sich als Überlebsel zu betrachten. Die [Hcldenjschar (ceta) bestand
je aus dreissig Mannen (trides drugä) und einem Hauptmanne, einem Adjutanten
imd einem Fähnrich. Die zehnfache Anzahl (300 Reisige) mit entsprechenden
Führern bildete eine „grosse [Heldenjschar" (velika ceta), dagegen sind 6000 Mann
eine mala und 12 000 eine velika vojska (grosses Heer) oder silni narod (mächtiges,
zahlreiches Volk), wofür parallel der Sänger trotz genauer Angabe der Heerzahl
noch immer sagt nebrojeno vojske (zahlloses Heer) oder: da imbroja ni hesaba
nejma (man kann sie nicht zählen und nicht berechnen).
Ausschlaggebend ist die Bequemlichkeit und häufig der Wunsch, sich einer
jeden Zweifel ausschliessenden Deutlichkeit zu befleissigen, um Zeit zu ersparen.
Man dürfte dies unter Umständen eine Sprachschlamperei des Alltaglebens nennen.
Der Berliner Droschkenkutscher unterscheidet gewiss besser 24 — 56 als „zwei-
tausend vierhundertsechsundfünfzig". Der gleiche Zählungsbrauch hat sich auch im
Kleine Mitteiluiig-eu. 445
Telephon verkehr in Wien entwickelt. Dagegen wenn man z. B. mit Nr. 17Ü() ver-
bunden werden will, verständigt man die Centrale so 17 — 0— (5; denn die Xull
wird stets besonders hervorgehoben. Beim K. K. Handels- und Landgerichte in
Wien, w^o in einem Jahre bei 500 000 Akten „einranschiert" (eingereiht) werden
und häufig abgelegte Stücke aus dem Archive hervorzuholen sind, verlangt man in
der Registratur z. B. 203, 678 so: 20 — 3, G — 78, oder zweihundertdrei, sechs-
achtundsiebenzig. In den grossen Modewarengeschäften hat jeder Ladendiener
einen besonderen kleinen Block von eigener Farbe. Hat er einem Kunden eine
Ware verkauft, so schreibt er den Gesamtpreis auf ein Blatt des Blocks, reisst es
los, händigt es dem Käufer ein, indem er ihn zur Zahlstelle (Cassa) verweist, mid
schreit dem Kassierer kurz den Betrag zu, z. B. dreizehn vierzig, d. h. 13 Gulden
40 Kreuzer.
Die Bemerkung, dass Berliner Käuferinnen, selbst der höheren Stände, sowie
Händlerinnen, nicht zu den Achteln hinabsteigen, sondern fordern bezw. kaufen
ein halbes oder anderthalb Viertel (Schinken) zeigt uns, dass imser Altmeister
wohl solchem Handel zugehört, doch nicht als Sachverständiger im Warenfache.
Ein halbes Viertel Schinken ist ohne Bein, und zwar vom dicken Teil; ebenso
das anderthalb Viertel'). Wo man wirklich misst, dort unterscheidet auch das
Volk aller Stände genauer zwischen Viertel und Achtel. Man hört ja in unseren
Gasthäusern oft genug den Gast bestellen: „ein Viertel mit" (Sodawasser) oder
„ein Achtel mit" oder „ein Achtel ohne". Verlangt einer „zwei Viertel", so erhält
er zwei Gläser mit je einem Viertel Wein darin. Wo immer es sich in der
Welt um Geld und Geldwert handelt, sind die Menschen, selbst jene, die sich
einen „primitiveren Charakter bewahrt haben", in der Regel mehr als erhaben über
die -Anfänge des Erfassens der Zahlenverhältnisse".
Zu Bd. H. Heft 3. S. 256. Herr Axel Olrik sagt in der Anmerkung: „Auch
ein serbisches Volkslied, welches von dem Ursprung- der Sitte des Schweigens in
der slavischen Hochzeit handelt (Krauss, Volksglaube der Südslaven S. 8) scheint
eine Akklimatisation des gemein- europäischen Märchens zu sein." Es sei mir
hierzu eine Richtigstellung gestattet. Das Lied handelt keineswegs vom Ursprung
der Sitte des Schweigens in der slavischen Hochzeit, es behandelt vielmehr einen
besonderen Fall, wo die jmige Frau das ihr durch den Brauch auferlegte Schweigen
nicht eher bricht, als bis ihr eine Kerze, die sie in der Hand hält, bis zu den
Fingernägeln herab niederbrennt. Dieses Lied, das ein mythendüftelnder
Gelehrter als einen verkappten Sonnenmythus erklären zu müssen glaubte, giebt
uns nur eine Erklärung für den Ursprung der südslavischen Redewendung: „dogorje
ti svjec'a do nokata" (die Kerze brannte dir bis zu den Nägeln herab). Im übrigen
kann bei diesem thatsächlich noch geübten Brauche unter Südslavcn kaum die
Rede von der Akklimatisation eines gemein -europäischen Märchens sein. Der
Brauch ist auf die Exogamie der Sippen zurückzuführen. Die junge Frau niuss
sich als Fremde ihre Rechte in der neuen Sippe erst erschmeicheln durch blinden
1) Niclit bloss heim Scliinken, sondern bei jedem Aufschnitt, z. B. auch bei Lachs,
Wurst und Käse hcisst es noch immer in Berlin „ein halbes Viertel" statt Vg und
„anderthalb Viertel'' statt ^s (Pfund). Ehe das Metermass in Gebrauch kam, hiess es
('ntsjjrecliend aucli beim ..Zeug"' gelegentlich „andei-thalb viertel Ellen".
W. iSchwartz.
446 Dirksen:
Gehorsam, Willfährigkeit und Arbeitsfreiidigkeit Vor allem muss sie die schwere
Kunst des Schweigens an den Tag legen; denn, wie es unzählige Male in den
Guslarenliedern heisst:
u mlagjega pogovora nejma
beim Jüngern giebt es keine Widerrede.
Wien. Dr. Friedr. S. Krauss.
Pfingstlied
aus Meiderich, Reg.-Bez. Düsseldorf.
Vögelkc geflogen, gestowten wall öwer de Rhin,
wo die fette Farke sin.
Farkc hewwe Statter,
Köj' hewwe Hönder,
Jüffers hewwe Tönder.
Üss der dann gcnne rikc Mann,
denn uss bräw watt gcwe kann?
Gew watt, häl watt; — !
ander Jor wer watt.
Bowen an die Feste,
dö hange die langen Wöstc.
Wenn die langen upp sind,
dann sind die kotten ett beste.
Lät datt Mest maar rije
dör die dicke Sije,
lät't noch 'n betje dieper gon,
dann meent denn Biir, die Katt heet't gedon.
Die Katt üss belogen,
denn Bür üss bedrögen.
Frau, lät uss niet länger ston,
we mutten noch 'n Hüsken wijer gon!
Hier un do un öwerall
sind de Mäk'sche Lüh noch all.
Stattcr Sterzo, Schwänze — Hönder, Tönder: Hörne, Thürme — genne kein —
häl hole — -wer wieder — bowen oben — Feste sind die aus alten Sghiffstauen durch
Zerteilen gewonnenen Bändchen, deren man sich zum Anbinden der Würste bedient —
Wüste Würste — kotten kurzen — Mest Messer — mär nm- — rije reiten — Sije Seiten,
Speckseiten — betje bisscheu — wijer weiter — Lue Lüli Leute.
Karl Dirksen.
Ernst Ludwig Rochholz.
(Geboren den 3. März 1809 in iXjisbach, gestorben den 3L Oktober 1892 in Aarau.)
Der Tod hat unter den deutschen Forschern im Volkstum heuer eine grosse
Ernte gehalten. Am IG. April starb Matthias v. Lexer, am 15. August Reinhold
Kühler, am 17. September Ignaz Vincenz v. Zingerle, und am 31. Oktober
Kleine Mitteilungen. 447
E. L. Rochholz in Aarau. Mit ihm ist ein Forscher geschieden, der nicht bloss
die Sagen, Spiele und Kinderlieder der Schweiz mit grossem Fleiss gesammelt hat,
sondern auch vom historischen, kulturgeschichtlichen und mythologischen Stand-
punkt aus auf Grund der lebenden oder aufgezeichneten Volksüberlieferungen der
deutschen und namentlich der alemannischen Lande in den ältesten Glauben miA
Gottesdienst, sowie in das Leben unseres Altertums überhaupt einzudringen sich
bemühte, und, mit Fleiss und forschendem Blick begabt, viel Interessantes aus-
geführt hat. Eine (wahrscheinlich nicht ganz vollständige) Zusammenstellung seiner
Schriften und Aufsätze kann schon durch die Titel von seinen Leistungen eine
Vorstellimg geben.
L Eidgenössische Lieder-Chronik. Bern 1835. 2. A. 1842. — Schweizersagen
aus dem Aargau. Gesammelt und erläutert. Aarau 1856. 2 Bde. — Alemannisches
Kinderlied und Kinderspiel aus der Schweiz. Gesammelt und sitten- und sprach-
geschichtlich erklärt. Leipzig 1857. — Naturmythen. Neue Schweizersagen. Leipzig
1862. — Deutscher Glaube und Brauch im Spiegel der heidnischen Vorzeit
Bd. 1. Deutscher Unsterblichkeitsglaube. Bd. 2. Altdeutsches Bürgerleben. Berlin,
1867. — Drei Gaugöttinnen, Walburg, Verena und Gertrud als deutsche Kirchen-
heilige. Sittenbilder aus dem germanischen Frauenleben. Leipzig 1870. — Deutsche
Volks- imd Heldenbücher. Leipzig 1875. — Die Schweizer Legende vom Bruder
Klaus V. Flüe. Aarau 1875. — Aargauer Weistümer. Aarau 1876. — Teil und
Gessler in Sage und Geschichte. Nach urkundlichen Quellen. Heilbronn 1877. —
Die Aargauer Gessler in Urkunden von 1250—1513. Heibronn 1877.
n. Aufsätze a) in der Germania herausgegeben von Franz Pfeiffer. Wien.
Die Rute küssen, ein Abschnitt aus der deutschen Erziehungsgeschichte.
l^ 134 — 155. Zu den vier Dialogen von H. Sachs IV, 97 — 106. Ohne Schatten,
ohne Seele. Der Mythus vom Körperschatten imd vom Schattengeist. V, 69—94.
175-207. Gold, Milch und Bhd. Mythologisch. VII, 385—428. Das Ällerseelen-
brod. 1. Das Kornopfer. 2. Das Kuchenopfer. XI, 1 — 29. Teil als Zauberschütze
XIII, 39—58. Aus einem Briefsteller von 1492. XIII, 207—210. Schweizersagen
von Weibertreue. XIII, 311—318. Heinrich Steinhöwel. XIV, 411. 12. Jakob
Funkelin XIV, 412-415.
b) In der Zeitschrift für deutsche Philologie, herausgegeben von E. Höpfner
und J. Zacher. Halle.
Das Tiermärchen vom gegessenen Herzen. I, 181 — 198. Der Storch nach
Schweizer Volksglauben. I, 344—350. Ein schlechtes Tüchlein sein. I, 459—465.
Mimdartliche Namen des Kretinismus. III, 331—342. Nibelungen in oberdeutschen
Urkmiden. IV, 349—50.
e) In der Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde, herausgegeben
von J. Wolf und Mannhardt. Göttingen.
I, 129—168. 363. Schweizerische Volksrätsel aus dem Aargau. II, 224—254.
Aargauer Sagen und Legenden. IV, 103—140. Aargauer Besegnungen. 283 bis
295. Hortsagen aus der Schweiz.
Aus dem Ötzthal.
Aus dem Buche des bekannten Tiroler Dichters und Gelehrten Adolf Pichler,
Zu meiner Zeit, Schattenbilder aus der Vergangenheit (Leipzig, Liebeskind, 1892)
heben wir zwei bedeutende Erzählungen heraus, wichtig für die Kenntnis des
Tiroler Bauern.
Zeitschrift d. Vereins f. Volkskuiule. Ia92. ' 30
^^g Weinliold:
Ad. Pichler schreibt S. 37 des genannten Buches:
„Ich will eine kleine Geschichte erzcählen, die ich der Mitteilung des bekannten
Pfarrers Adolf Trientl verdanke. Zu hinterst im Ützthal, mitten unter Gletschern,
liegt das Dorf Gurgl. Wie überall im Oberland, ist auch hier die Güterzersplitte-
rung Erbrecht und Vätersitte. Auf der geteilten und beim Zuwachs der Bevölke-
rung wieder geteilten Scholle kann sich kaum mehr eine Familie zur Not erhalten
und so entsteht ein trauriges Bauernproletariat. Als nun die Bewohner jenes
Dorfes sahen, wie das Elend mit jeder Geburt fort und fort wuchs, traten an einem
Sonntag Jünglinge und Jungfrauen vor den Altar und machten das feierliche Ge-
löbnis, nicht mehr zu heiraten. Sie haben es hoch und heilig gehalten; dadurch
kam alles wieder in das Gleichgewicht. Der Pfarrer hatte auch nicht ein unehe-
liches Kind zu taufen. — —
Weil ich im Erzählen bin, noch ein Geschichtchen aus dem Ötzthal. Muren
hatten das Gütlein eines armen Bauern überschüttet. „Was nun thun," rief das
^eib schluchzend und zeigte auf die Kinder. „Müssen wir schon betteln gehn,"
antwortete der Mann, „so wollen wir es thun, wenn die da schlafen, damit wir
uns vor ihnen nicht zu schämen brauchen." — Da fiel aus den grauen Wolken,
die ihnen die Verwüstung geschickt, plötzlich ein heller Sonnenstrahl in die Stube
.... Sie haben nicht gebettelt, sondern bei magerer Brennsuppe und trockenem
Türkenwirler die Steine fortgeschleppt, Block um Block, den Schotter weggeführt,
Schubkarren um Schubkarren, und ihre Felder gedeihen jetzt wie in den besten
Zeiten. Das ist sittliche Grösse!"
Aus Oberinnthal.
Wenn im Oberinnthal ein Bursch von seinem Mädel Abschied nimmt, um
nach Arbeit zu wandern, so küsst er einen Stein. Sie nimmt ihn mit in ihre
Kammer mul bewahrt ihn zu treuer Erinnerung, bis der Schatz im Herbst heim-
kehrt. Adolf Pichler, Zu meiner Zeit. Leipzig 1892. S. 310.
Aus den
Sitzimgs-Protokollen des Vereins für Volkskunde.
Berlin, Freitag, den 24. Juni. Herr Professor M. Rödiger sprach über
neue Aufstellungen auf dem Gebiete der deutschen Mythologie, nannte
und charakterisierte einige der jüngsten Publikationen, verweilte besonders bei
dem Werke über deutsche Mythologie von Prof. H. E. Meier, polemisierte gegen
dessen Methode und wies an Einzelnheiten das Gewaltsame oder Misslungene seiner
Erkläiaingen nach.
Hr. Dr. U. -Jahn sprach über das auf der Worlds Columbian Exposition
in Chikago zu errichtende deutsche Nationalmuseum, gab die Geschichte
Protokolle. 449
des ganzen Unternehmens und entwickelte seinen Plan; das Museum wird dem-
nach Abteilungen für Prähistorie mit Nachbildung deutscher Haustypen aus Dorf
und Stadt, für die Entwickelung des Waffenwesens, für deutsche Trachten (die
Figuren vereint zu einem Gruppenaufzug um Germania und die Heldenkaiser) ent-
halten; ausserdem legte er vor eine stattliche Reihe von Neuerwerbungen, Halliger
Silbersachen, Frauenkopfputz aus dem Wendlande u. dgl. m.
Freitag-, den 28. Oktober. Hr. Geheirarat Prof. Dr. K. Weinhold sprach
über den Wettlauf im deutschen Volksleben: der Vortrag wird in der Zeit-
schrift abgedruckt werden.
Hr. Stadtrat E. Friedel sprach über Taufgebräuche und Taufschüsseln
in Norddeutschland, stellte die Veränderungen des alten Taufritus fest und wies
eine Reihe von Taufschüsseln des XVI. und XVH. Jahrhunderts meist märkischer
Kirchen, heute im Besitz des Märkischen Provinzialmuseums, vor, wobei er
Schmuck und Inschriften derselben erörterte. A. Brückner.
m*
450
Laue:
Litteratur des Jahres 1891.
Von Dr. Max Laue.
(Schluss.)
Die Völker der aussereuropäischen Erdteile.
I. Asien.
A. Mittelländische Rasse.
1. Indogermanen.
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tained by the aid of comparative mjiiho-
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Zeitschrift für Sprache:
Indogennanische Forschungen. Zeitschrift
für indogermanische Sprach- und Alter-
tumskunde, herausgegeben von Karl Brug-
manu und Wilhelm Streitberg, mit
dem Beiblatt : Anzeiger für indogermanische
Sprach- und Altertumskunde, herausgegeben
von Wilhelm Streitberg. 1. Band,
Strassburg, Trübner 1891. X u. .546 S., '
IV. u. 206 S. Mk. IG.--.
Inhalt: K. Brugmann und W. Streit-
berg, Zu Franz Bopp's hundertjährigem Ge-
burtstage. — H. Hirt, Vom schleifenden und
gestossenen Ton in den indogermanischen
Sprachen. I.Teil. — R. Schmidt, Zur kel-
tischen Grammatik. — K. Brugmann, Lat.
velimus, got. vileima und ags. earrT. — W.
Streitberg, Betonte Nasalis souans. — A.
Noreen, Über S))rachrichtigkeit (für deutsche
Leser bearbeitet von A. Johann son). —
Litteratur des Jalu-es 1891.
451
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0. Wiedemann, Got. hröt. — H. Hirt,
Vom schleifenden und gestossenen Ton in
den indogermanischen Sprachen. II. Teil. —
A. Johann son, Zu Noreens Abhandlung
über Sprachrichtigkeit. — 0. Wiedemann,
Zur Gutturalfrage im Lateinischen. — 0.
Wiedemann, Got. saihvan. — W. Streit-
berg, Der Genetiv Pluralis und die baltisch-
slavischen Auslautgesetze. — Ch. Bartholo-
mae, Griech. ovo(a,ci> dvöfimoi. — G.Meyer,
Etymologisches. — R Thurneysen, Das
sog. Praesens der Gewohnheit im Irischen. —
Fr. Stolz', Lat. strufertärius. — J. Wacker-
nagel, Über ein Gesetz der indogerma-
nischen Wortstellung. — 0. Wiedemann,
Got. faii-guni. — S. Bugge, Beiträge zur
etymologischen Erläuterung der armenischen
Spräche. — R. Thurn eisen, Der irische
Imperativ auf -thc. — H. Hirt, Die Urheimat
der Indogermanen. — Ch. Barth olmae,
Arica II. — J. Strachan, Lat. perendie, —
K. Brugmann, xaTrtsßüjfai bei Herodas. —
H. Lewy, Kyprisches. — 0. Wiedemann,
Gotische Etymologien. — W. Streitberg,
Anord. tyggja und Verwandtes. — Sach-
register. — Wortregister.
Bartholomae, Arisches und Linguistisches.
S. A. aus den „Beiträgen z. Kunde der
indogermanischen Sprache, l.o. u. 17. Bd.
mit ausfih'lichen Indices versehen. Göttin-
gen, Vandenhoeck. IV, 179 S. Mk. 5,—.
Brug'Uiann, Grundriss der vergleichenden
Grammatik der indogermanischen Sprachen.
2. Hälfte, 1. Lief. gr. 8«. [384 S.] M. 10,-.
Bartholomae, I. Indogermanisch sk und
skh. — IL Altindisch äsis lateinisch
eräs. Halle a. S., Nicmeyer. A. u. d. T.:
Studien zur indogerm. Sprachgesch. II.
(VIII, 262 S.) M. 7,-.
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nach dem Apasta-mbiya-Grihyasütra nebst
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übrigen indogermanischen Völkern. [Aus:
Denkschr. der k. Ak. der Wiss. XL.] Wien,
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Astronomical work. The text, ed. with an
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english translation and introduction by
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den Jahren 1747—1750.]' Nach d. Berliner
Handschrift, hrsg. u. mit einer Einl. u.
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8 S. [40 Legenden.]
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litzsch u. Haupt. II ^ Lpzg., Hinrichs. —
M. 17,-.
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phoenicischen Inschriften. 1 Theil. Berlin,
Zahn & Baendel. Leipziger Ing.-Diss. 45 S.,
1 Bl. [Vollständig erschienen im Verlage
V. Mayer u. Müller, Berlin.]
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III. (Amer. Journ. of Philology XII '\)
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III Rawl. 41 — 45 nach den Originalen um-
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zum ersten Male veröffentlichten Text der
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Leipz. Ing.-Diss. [Erschien vollst, in Beitr.
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308 S. gr. 8". [Ausserdem auch russischer
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1 Mk.
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5. Volgreeks. Bd. 6. s'Gravenhage 1891.
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3
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en Volkenkunde, uitgegeven door het
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Nr. 20.)
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(Mitteil. Ges. Erdk. Berlin 18, 47 L)
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Berghaus, Ein Ausflug ins Innere von Min-
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(Aus allen Weltteilen 22. Jahrg., H. 12.)
Bluiueutritt, Die Eingeborenen der Insel
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166, 181.) [Es finden sich 1) Negritos,
2) Negromalaien, 3) Malaien.]
Litteratur des Jahres 1891.
459
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V. Hellwald, Im Lande der Laoten. (Osten*.
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Martin, Exhibition of a Fire Syiinge from
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Pleyte, Indonesisches Feuerzeug. [Verschie-
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59, 52.)
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Wilken, Over liet Huwelijks- en Erfrecht bij
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Schultheiss, Ehe- und Erbrecht bei den Völ-
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Pleyte Wzn, Zur Kenntnis der religiösen
Anschauungen der Bataks. I. (Globus
no. 19.)
Middel, Djoeroe bahasa melajoe - olanda.
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Albrecht & Rusche. 382 S., 1 Bl.
Helfrich, Lampongsche raadsels, spreek-
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0. L. H. (Bijdragen tot de taal-, land- en
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Kern, Opmerkingen over 't Galelareesch naar
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(Deutsche geogr. BU. 14, 241.)
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technik. Magdel)urg, Grudzinski. 62 S..
1 Bl.
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Jahrb. 46—65.)
460
Laue:
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48 S.
V. Hellwald, Gruss in Afrika. (Magdeburger
Ztg.)
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Schneider, Die Eeligion der afrikanischen
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V. VI.)
Vercoutre, Sur quelques divinites topiques
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6, 750.)
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V. Büttner, [im Jahre 1891 nichts er-
schienen.]
Schleicher, Afrikanische Petrefakten. Ein
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durch Sprachvergleichung festzustellen.
Berlin, Fröhlich, gr.8». V, 93 S. M. 3,00.
Seidel, Die Sprachverhältnisse in den deutschen
Schutzgebieten. (Koloniales Jalu-buch, 26
bis 45.)
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1. Semiten.
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Carton, Tunesie. I^es megalithes de Bulla
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Herreh. (L' Anthropologie II'.)
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Marocco. 61 S. London, Paul.
Rohlfs,Abessinien-Äthiopien. (Deutsche Eund-
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Bellucci, Documents per la Paletnologia dell'
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foro rinvenuti in Italia. (Arch. per l'antrop.
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nale della soc. asiat. ital. 5, 27.)
2. Hamiten.
Janko, Die Barabra [in Nubien]. (Deutsche
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de Preville, L'Egypte ancienne. V. L'organi-
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Brugsch, Das Museum von Gizeh. (Deutsche
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Certeux, Les Calendriers a emblemes hiero-
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M. 22,00.
Litteratur des Jahres 1891.
461
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de oudhcid, tot op Alexander den Grood.
Nieuwe, geheel omgewerkte en venneerderde
uitgave van „De geschiedenis van den gods-
dienst tot aan de heereschappij der weredd-
god.>-diensten." 1, deel. 1 helft. Amsterdam,
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lirsg. 3. Lief. Leipzig, Hinrichs, 932 S.
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Register.
Aandr 303.
Aberglaube, chinesischer 258. 374.
afliae 43. 45.
Ägina 124. 132. 392. 395.
albiahenae 37.
Alexander v. Metz 206.
Alexandersage 299.
Altarkerzen erloschen 208.
Altgeselle 275. 385. 387.
ambiamarae 37.
Atnira, K. v. 213.
Amleth 119.
Ammann, J. J. 212.
Amor und Psyche 254.
Amorgos 406.
ananeptae 37.
Arendt, C. 97.
Arostoges 326.
arsacae 37.
arvagastae 43.
Aschenputtel 373.
asenaminehae 36.
aserecinehae 37.
Asmundarsaga 367.
Athanasiustag 403.
Äther 248.
attefrafinehae 37.
Attika 133.
aufaniae 40.
Auflage 277. 385.
Augensteine 299.
Augsburg 324.
Baldrs Tod 293.
Bartels, C. 87. 215.
Bataver 33.
Batzen 274.
Bauernhaus, sächsisches 134.
Bäume, gepflanzt 300.
Begräbnisplatz 154. 164.
Bonfey, Th. 118.
Bergstock 304.
Besessene 298.
Bibliographie 98. 216. 331. 450.
Bieneusegen 86.
Bikke 371.
Bischof von Kirkjebö 158.
Bleigiessen 401.
Blitz 191. als Faden 197. im Spoerwurf 77.
als Eute 72.
Blutbrüderschaft 145.
Blutgeruch 375.
BombüU 414.
Brandansage 296.
Brenner, 0. 210.
Breterverkleidung am Giebel 139.
Brotbeile 55.
Brückner, A. 96. 215.
Brudermord 22.
Bruderschaftsregeln 385.
Bubensonne 193.
Bücherdiebe, Sprüche dagegen 85.
Buhlerin, verstellte 300.
Buthle 371.
Bylinen 215.
Cakukilla 200.
Celtic fairy tales 95.
Chanina Rabbi 295.
Chao Wuhsü 377.
Chikago 329. 448.
Chinesischer Aberglaube 258. 374.
„ Dämonenglaube 97.
Chios 404.
Chipu 377.
Christi Empfängnis 294. — Tod 293.
Christianisierung 25.
Chuang 265.
Ohuko Chüe 374.
Clerant 324.
corse delle donne 56.
Cugemi 33.
Register.
469
Cukakilla 200.
cursus merelricum 57.
Cutubilla 199.
J>achkappe 137. 141.
Dative in -ms 44.
Deutschbölimeu 315.
Poppelgäuger 156.
Drak 78.
Dreieck am First 136.
Drei Jungfrauen 323.
Dreikönigsumzug 284. — zettel 175.
(beizehn 186. dreizehnte Nacht 15.
(Irott 367.
Dulurin 10.
durchkidechen durch Spalten 50. 81.
JEgerland 813.
EiderTOgel 160.
Einsagung 275.
Eintruuk 281.
Eiriksriff 22.
Eiweiss 401.
Engel 298.
Epona 31.
Erde in Schwerter verwandelt 300.
ettralienae 36.
Eule 183.
Fachwerkgiebel 137.
Famjin 157.
Famningar 161.
Farbenkenntnis 245. 440.
Farnkraut 76.
Fseröische Märchen und Sagen 1. 142.
Fastenzeit 290.
Ferner 193.
Fesselung der Götter 84. 197.
Finn 411.
Finnen 307.
Folklore Wallon 211. 329.
Folklorist 329.
Föroyer bewaldet 20. 164.
Franziszi, Fr. 211.
Frauen zu erlösen 442.
Frauenraub 157.
Frauenwettlauf 56.
Freispruch 275.
Freitag 191,
Freund, L. 330.
Friedel, E. 96. 449.
Friesen 158. 164.
Frischbier 87.
Fugloy 143. 145.
Gabiae 41.
Gallien 25 29.
Gang unters Erdband 49,
Gäsadal 11. 18.
Gaunersprache 383.
gavadiae 42.
Gebirgsuatur 193 — 197.
Geister 183. 300.
Gerber 384.
Gerechtigkeit 275,
Germanen 25, 33.
Gertrud, St. 199.
gesahenae 36.
Gesäss 275. 277.
Geschmack, verschieden 300.
Gesellenschein 384.
Gewitterdi-ache 74.
Gewitterschatz 74. 77.
Gewitterwesen 198.
Giebelent^^ickelung 134.
Glock 88.
Glocken 191. 195.
(jlücksmärchen 117.
Goethe 46. 313.
Goggsch 283.
*Toldhorn 154. 164.
K. Göreis Tochter 368.
Gossensass 189 — 197.
Graf im Pfluge, von Rom 206. 207.
Graf Säuberlich 207.
Grafen, sieben 201.
Grenzstreit 156.
Grimm, J. 118.
Gunnar 367.
Hafirü 9.
Hagbard und Sygne 368.
Hahn 180.
hamferd 156.
Hampe 215.
Handtmann 89.
Handwerk und Sprache 383.
Handwerksbrauch 272.
Häreiotäs 124.
Hartmann, A. 210.
Hauensteiner Tann 329.
Haube 158.
Hausfrau, böse 155.
Hausgeist 78.
Haushund 179.
Hausknappe 274.
Häusernameu 97. 215.
Heiliger auf dem Jaufen 194.
Heldendichtung 118. 215. 373.
Helena 295,
Hemd als Keuschheitsprobe 207.
470
Eeffister.
Henne 181.
Hciii-ik, Graf 368.
herab hinab 190.
heraus hinein 190.
Herberge 386.
Herodes 299.
Hexenweson 215.
Heyses chinesische Novellen 381.
Himmelsriegel 173.
Himmelswagen 195.
hin nnd her 190.
Hobelspäne zu Gold 412.
Höfler 90. -
Hsüan Chiang 259. 381.
Hufschlag 72.
Hulderkühe 10.
Huldervolk 2. 10. 12. 13. 163.
Hund 179. 375.
Hundkönig 367. 369.
Hundsmärchen 254,
Huth, G. 214.
Hyde 95.
Hyldekong 368.
Hypnos 131.
larmunrekr 370.
Iglau 272 ff.
Isländer 164.
Jacobs, J. 95.
Jahn, ü. 96. 215. 448.
Jahrtag der Tuchmacher 281.
Jan, armer 325.
Jaufen 194.
Jesu Länge 168. Tod 295.
Jochanan 294.
Johann von Holeschau 96.
Johannisfest 393. 405.
Joseph Pandera 294.
.Judenwettlauf 55. 67.
julinehae 40.
Jungbursche 276.
Jungfernrast 324.
Kakukabilla-Kakukilla 199,
Kameelspuren 299,
Kapuziner 195.
Karl V. 273.
Katharinentag 291.
Katze 180.
Keller ]nit Schätzen oder Wein 441.
Kerbholz 50.
Kerzenmärchen 255. 445.
Kinderhände 195.
Kinderlied 83.
Kinderraub 410,
Kindertausch 408, 412.
Kirchenbecher verloren 415.
Kirchenfrieden 145. 148.
Klabautermann 409. 416.
Kleromanteia 15.
Klidonas 392. 400. 402. 406.
Klosterstier 195.
Knappen 273.
Kobold 78,
Köhler, Eeinh., Leben 418. Schriften 426.
Kollmann, A. 213.
Kolybo 288.
Königstochter im Hügel 367.
Königstöchtermärchen 253,
Kormoran 160,
Kotelmaun 214,
Kraftprobe 159,
Krähe 181,
Kreta 394.
Kretschmer, P. 215.
Kreuzweg 13.
Krippe 283.
Kröte 180. 411.
Krug beim Klidonas 393.
Kuckuk 181.
Kuhnamen 10.
Kunoy 146,
liade 277.
Landmass 80.
Lang, Andr. 118.
Länge Jesu 168,
Lappen 307.
Latzfons 323.
lebendig begraben 155.
Lebensfaden 129.
Leeb, L. 211,
Lehrling 275. 279,
Leichen geschützt 301.
Lettische Sammlungen 86,
Lexer, Matth, 208.
Lichtbratel 281.
Lindow 439.
List 90.
Loddasi 6.
Lüdicke 439.
Lügenreime 324.
Maccaroni 291.
Magnet 300.
Mahre 5,
Mai, erster 402,
Maibraut 402 (82),
Maibusch 400.
Mannafellsdal 158,
Mantel durclistoehen 380,
Register.
471
Mantik, neugriech. 285.
Maria Schwangerschaft 294.
Marjtin 3.
marmemiil 8.
marra 11.
Märchen 117. 253. färöische 1. 142. fühnisches
120. 122. jütisches 119. 122. magyarisches
120, morgenländisches 120. im Saxo 117.
252. 367.
Martin 328.
matres 27. 35.
Matronenkult 24. 27. 34.
Maulwurf 180.
Mäuse 200.
Maurer 389. Maurerlied 391.
Mecklenburgische Sammlimgen 86.
Meerfrau 9. 20, Meerweiber 417.
Meermänulein 8.
Meiderich 82. 446.
Meister 280.
Meran 194.
Merausen 323.
Methusalem 281,
Meyer, E, H. 88.
Mielke 97,
Mikines 21,
Milchbeil 55.
Miren 124. 287. 289.
Miscellen, volkstümliclie 440.
Missgebtirten 215.
Mittwoch, krumme 285.
Modraneht 32.
Moirai 124.
Molibo 287.
Monatnamen, Personennamen 320.
Mond 192.
Monseur, E. 211. 329.
Mosis Stab 71.
Mutterlade 277.
Mündel, C. 328.
Mütter als Gottheiten 26.
Mythologie 448.
Xachsterben 186.
Nan-ensagen 161. 196. 439.
Neck 7. 155.
Nekkepen 410.
Neugriechischer Volksglauben 123.
Neun 48.
Neu-Ruppin 437.
Nicolaus von Jauer 97.
Nidagris 6.
Noahs Arche 143. 164.
Nordfriesland 407.
Novellen 117.
nykur 7.
Oberinnthal 448.
Ochseuhaut 80.
octocannae 36.
Offa 373.
Oli 18.
Olymp 126. 287.
Onnerbänkisse, Onnorerskou 407.
ündun- 303.
Orm auf Skäli 150.
Ortsbezeichnungen 190.
Othar 252-258. 373.
Otterbaankin 407.
Ötzthal 437.
Padua 58—67.
palio 61.
Paradiesbaum 298. 301.
Parialegende 46.
Personennamen 330.
Pfeif er-Huisele 194- 19G,
Pfingstlied 82. 446.
Pfitscher Thal 196,
pignolo 61.
Ploss, H. .87.
Preise des Wettrennens 61. 64. 66.
Proki-ustesbett 299.
Puck, Puk 408—416.
Quellensuchen 69. 72.
Quellorakel 406.
Rabe 14. 181,
Räkoczy 177.
Rasenstück 49.
Rätselwettkampf 296.
Raubschärler 143.
Rauch 186.
Rauchtabakdosen 96.
Redensarten 437—440.
Regen 191.
Regenquell 77.
Regnald 367.
reichwerden 13.
Riese 15. 18, 21. 163.
Riesin 6.
rizika riziko 399.
Rochholz, E, L. 446.
Rödiger, M. 448.
romancae 38.
Ross 379.
Rübezahl 96.
Rückerts Schi-King 381.
Runen 155.
Ruppin, Grafschaft 427,
472
Register.
Sagen, fseröische 1 — 24. 142 — 165. Meraiier
441.
saitcliamiae 45.
Salz [85. Salzbretzel 291.
Sau, trächtig 20.
säugender Mann 299.
Saxo Grammaticns 117—123. 252—258. 867
bis 374.
Schatten 185.
Schatzfinden 73. 442.
Schatzsagen 326. 442.
Schaukelsteine 23.
Schauspiele in Eger 318. Padua 59.
Schicksalsbuch 127. 129. Schicksalsglauben
188. Schicksalsgöttinnen 123 f. Schicksals-
spruch 126. 129 f. 286. Schicksalswasser
401.
Schlange 180.
Schlesier 439.
Schlittschuhe 302.
Schlossgebete 172.
Schmetterling 179.
Schmiedearbeit der Zwerge 413.
Schnee 192. Schneeschuhlaufeu 301 f. 309.
Schwert im Bett 299.
schwimmende Reliquien 299.
seccanehae 36.
Seedraug 9.
Seehunde 15. Seekühe 10.
Segen, geistliche 165—176.
Seife 178.
Siang von Tsi 267.
Siebzigschläfer 298.
Siegstein 14.
Sigrid 252—258.
Simadia 399.
Sinichkopf 441.
sjödreygur 9.
Sjurd 144. 150. 165.
Skardi 304.
Skardleute 161.
ski, skid, skida 303.
skidaferd 305. 309.
Skisport 301.
Skridefinnen 307.
Sonne 198. Sonnenschein 192.
Sonnini 405.
Spahn 55.
Spitzfragen 387.
Spricliwörter 84. 437—440.
Sprüche beim Klidonas 395. 399. 400—403.
Stab 71. 76.
Stadtgottheiten 30.
Stanley 407.
Steinstuben in Hügeln 369.
Stilicho 25.
Stöber, Aug. 328.
Stöffin 438.
Storke Langeben 86.
Sturm 197.
Südslaven 177—189.
süla 19.
suleviae 31.
Sun Chün 374.^: Sun Liang 374. Sun TsG 261.
Svebae 39,
Svinoj 20.
Sylvesterabend 29.'^.
Syme Insel 405.
Syritha 252.
Syward 371.
Talmud 293.
Taufritus u. Taufschüsseln 444.
Taxenmandle 193.
h. Theodor 289.
Thessalien 402.
Thrälslik 123.
Thm-iet, Ch. 212.
Tisclu-eden, kluge 119.
Tobiassegen 165 f.
Tod im südslavischen Glauben 177—189.
Todesboten 179 f.
Tonsur 295.
Tor, der starke 18.
Totenmal 186.
Totenopfer 290.
Tracht, Egerländer 316.
Traum 154. Traum Maria 170.
Träume 178. 184.
Traumdeutung 178. 215.
Traumorakel 286. 290. 293.
Treichel, A. 330.
Trolle 143. Trollweiber 6. 7. 163.
Tröllanes 142. 148.
trüge, tryge 303.
Tuchmacher 273—285. 382—384.
Türken 3. 163.
Turlomarmaropege 289.
Ubier 33.
mir 306.
Ungleiche Kinder Evas 409.
Unholdenmärchen 371.
ünnerbiertswogter 407.
Unterirdische 409-415.
Uranos 247.
Vacalineae 39.
vatviae 43.
vtettrar 3.
Verkehrt -Lindow 439.
vesuniahenae 36,
Eeffister.
473
veterahenae 38. 39.
Volksdialekt, Berliner 215. Egerländer 317.
Volksetymologie 215.
Volkslieder Egerländer 317. mongolische 214.
Volksschauspiele 318.
Vorzeichen 183—185.
Wagenrad 414.
Waizenkörner 290.
Wal (baliena) 164.
Walsleben 439.
Wanderschaft 382.
Wasser, unbesproclieues 393. 401.
Wasserweihe 402.
Weihnaclitsbräuche 96.
Weinhold, K. 97. 215.
Weisstein, G. 215.
Wendenki-iege 371.
Werder 437.
Werktage 288 f.
Wetter 190. Wettersegen 191.
Wettrennen 57—67. 449.
Wichtel 3. 163.
Willkomm 281.
Wind 189.
Wirbel 164.
Wisla 93.
Wlislocki 209.
Wöchnerinnen 127 f.
Wunderbrief 175. Wunderhemd 207. Wunder-
sagen 326.
Wünschelrute 67—78.
Yüchi 261 f.
Yüjang 377 f.
Zahlen als Personennamen 320.
Zahlenkenntnis 249. 444.
Zauberei 215.
Zauberformel 163. Zauborniärchcn 117.
Zigeuner 209.
Zimmerleute 389-392.
Zingerle, Ign. 89. 442.
Zivaja starina 91.
Zwerge 1. 2. 407. 408. 410-414.
Zwergenhochzeit 411.
Zwergsagen, nordfriesische 407—414.
Zwieselbaum 81.
Priick von Gebr. Unger in Berlin, Schönebergerstr. 17a.
GR Zeitschrift Tür Volkskunde
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