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Full text of "Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete des deutschen, griechischen und lateinischen"

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PW,\ol      I*       '«-) 


HARVARD 
COLLEGE 
LIBRARY 


ZEITSCHRIFT 

FÜR 

VERGLEICHENDE  SPRiCHFOESCHÜNG 

AUF  DEM  GEBIETE 

DE« 

;      DEUTSCHEN,  GRIECHISCHEN  und  LATEINISCHEN 

1 

HERAUSGEGEBEN 


D".  THEODOR  AUFRECHT, 

PRIVATDOCEWTEN    AS  DKR  UNIVEBS1TABT  ZV   BERLIN, 
UND 


D«.  ADALBERT  KÜHN, 

LEHRER    AM    COBLH.    GTUHASIUM  *  EBENDASELBST. 


ZWEITER  BAND. 


^  BERLIN. 

FERD.    DÜMMLEr's    YERXAGSBUCHHAIfDLUlfG. 


1853. 


(PUUt/jT    ^ 


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-Ic6l,.   ZT,  -VA    a£*6-,  //J~<rö 


UNIV.kslTY 

LIBRARY    i 


Namen  der  bisherigen  mitarbeiten 

Dr.  Th.  Aufrecht,  jetzt  io  Oxford. 

Prof.  Th.  Benfey  io  Göttiogen. 

Prof.  Ag.  Benary  io  Berlin. 

Sophiis  Bugge  in  Christiania. 

Dr.  Corssen  in  Pforte. 

Prof.  6.  Curtius  in  Prag. 

Prof.  A.  Dietrich  in  Pforte. 

Dr.  Lorenz  Diefenbach  in  Frankfurt  a.  M. 

Dr.  Ehe  1  in  Filehne. 

Dr.  Forste  mann  in  Wernigerode. 

Hofrath  Prof.  Jacob  Grimm  in  Berlin. 

Hofrath.  Prof.  Holtzmann  in  Heidelberg. 

Adjunkt  Dr.  Kirchhoff  in  Berlin. 

Dr.  K.  v.  Knoblauch  in  Tubingen. 

Dr.  A.  Kuhn  in  Berlin. 

Prof.  H.  Leo  in  Halle. 

Prof.  A.  F.  Pott  in  Halle. 

Prof.  R.  Roth  in  Tübingen. 

Prof.  A.  Schleicher  in  Prag. 

Prof.  H   Schweizer  in  Zürich. 

Dr.  H.  Steinthal,  jetzt  in  Paris. 

Dr.  Strehlke  in  Danzig. 

Dr.'A.  Weber  in  Berlin. 

Prof.  Weinhold  in  Grätz. 

Dr.  Westphal  in  Tübingen. 

Fr.  Woeste  in  Iserlohn. 

Prof.  Zyro  in  Bern. 


Inhalt 


Seile 

Ueber  die  formen  und  bedeutungen  des  namens  Mars  in  den  ita- 
lischen dialckten,  von  Corssen' 1 

Numerische  lantbeziehungen    des  griech.,   latein.  and  deutschen 

zum  sanskrit,  von  Förstemann 35 

Akmon,  der  vater  des  Uranos,  von  Roth 44 

Rednplicirte  aoriste  im  griechischen,  von  Ebel 46 

Bemerkungen   über  deutsch  -  slawische  Wörtergemeinschaft,    von 

Diefenbach 48 

Eine  oskische  inscbrift  aus  Pompeji,  von  Aufrecht     .     .     .     .  55 

(Misch es,  von  Ebel 58 

Homerisches  glossarium  von  L.  Döderlein,  angezeigt  von 

Schweizer ,     .     .  63 

Köne,  werthung  der  fremdwörter  in  der  deutschen  spräche,  an- 
gezeigt von  Ebel 74 

wÖQoptoq  von  Aufrecht 79 

loxicuqa  von  Ebel 80 

ava,  von  Weber 80 

Vokale  der  niederdeutschen  mundart  in  den  kreisen  Iserlohn  und 

Altena,  von  Woeste 81 

Metaphern,  vom  leben  und  von  körperlichen  Verrichtungen  herge- 
nommen, von  Pott 101 

Ueber  das  alte   S  und   einige   damit  verbundene  lautcntwicklun- 

gen,  von  Kuhn 127 

Ueber  einige  seltnere  suffixe,  von  Aufrecht 147 


Seile 

casnar,  cascus,  Casinum,  canus,  höss,  von  Aufrecht    .  .  151 

vitare,  in  vi  tos;  jod  zwischen  vokalen  im  griechischen ;  nrjytalficd- 

Xoq,  von  Gnrtins 153 

Germani,  von  Schweizer 156 

Das  auslautsgesetz  des  gothischen,  von  Westphal  .     .     »  161 

Vokale  der  niederdeutschen  mandart  in  den  kreisen  Iserlohn  and 

Altena,  Ton  Woeste    .     . 190 

Die  lateinischen  suflue  ceus  und  eins,  von  Aufrecht    .     .     .  210 
Die  sufflxe  t?/,  tu  (4te  decl.)  sammt  &tu;  tu  (2te  decl.)  und  6tu; 
dov,  din  (nom.  do);   tiidin  (nom.  tüdo);   ta,  -ny,  von 

Benfey 215 

al*»>y  aevum,  aivs,  von  Kuhn 232 

kravya,  x^f'a?,  hraiva,  von  Kuhn 235 

munu,  skulu,  mundu,  skyldu,  von  Aufrecht 240 

Ueber  den  inßnitiv,  von  W.  v.  Humboldt 242 

Walhen  und  Deutsche,  von  Leo 252 

Ueber  das  alte  S  und  einige  damit  verbundene  lautentwicklun- 

gen,  von  Kuhn  260 

Grund  rifs  der  grammatik  des  indisch -europäischen  sprachstamraes 

von  M.  Rapp,  angezeigt  von  Steinthal      ,     .     .     .     •  276 
Homerisches   glossarium   von   L.  Döderlein,   angezeigt   von 

Schweizer    ... 288 

Bemerkungen  zu  Försteniannl.  412,  von  Zyro 306 

Stcura,  ripa,  von  Benfey        308 

Namen  der  milchstrafse  und  des  höllenhundes,  von  Kuhn      .     .  311 

Die  sufflxe  maya,  neus,  nus,  eus,  «o«  von  Kuhn       319 

Die  aspiraten  der  indogermanischen  sprachen,  von  Curtius  .    .  321 
Die  diphthonge  im  verbrüderungsbuch  von  St.  Peter  zu  Salzburg, 

von  Försiemann    .     .    - 337 

De  titulo  Mummiano;  de  miliario  Popilliano  und  de  epigrammate 
Sorano;  de  Aletrinatium  lapide;  drei  akademische  gele- 
genheitssch  ritten  von  prof.  dr.  Fr.  Ritschi,  anzeige  und 
entwicklang  der  sprachgeschichtlichen  ergebnisse,  von 

Schweizer 350 

Zur  erklarung  der  oskischen  Sprachdenkmäler,  von  Bugge      .     .  382 

Die  wurzel  ci,  t*,  qui,  fi  von  Kuhn 387 

Ueber' die  durch  nasale  erweiterten  verbalstämme,  von  Kuhn    .  392 

Lateinisches  f  Cur  altes  dh,  von  Curtius 398 

r  im  altdeutschen  präteritura,  von  Schweizer 400 


Seite 

Numerische    lautyerhaltnisse     in    griechischen    dialekten,     von 

Förstemann 401 

Benennungen  des  regenbogens,  yon  Pott      .    .    . 414 

Proben   eines  bernischen   idiotikons   mit  vergleichung   der  yer. 

wandten  mnndarten,  von  Zyro 434 

Ueber  die  durch  nasale  erweiterten  yerbalstSmme,  yon  Kuhn   .  455 

Ueber  zwei  lateinische  prSpositionen,  yon  Kuhn       471 

Frigg,  Fiörgjn  und  rodor,  yon  Leo 477 

Wechsel  der  labialen  und  gutturalen,  yon  Woeste       .     .     .     .  479 

cena,  yon  Schweizer ; 480 


Um  irrthümer  zu  vermeiden  lassen  wir  hier  noch  die  von 
uns  befolgte  Umschreibung  des  sanskritalphabets  folgen: 

Vokale. 

Einfache:        a,  ä,  i,  i,  u,  ü,  r,  r 
Diphthonge:  e,  ai,  o,  au 

Consonanten : 
Gutturale:        k,  kh,  g,  gb,  u 

Palatale:  c,  ch,  j,  jh,  1'  | 

Linguale:  t,  th,  d,  dh,  11 

Dentale:  t,  th,  d,  dh,  n 

Labiale:  p,  ph,  b,  bh,  m 

Semivocalen:  y,  r,  l,  v 
Sibilanten:       $,  sh,  s$  h. 

Aousvära  m,  Visarga  h.  '  # 


I.  Abhandlungen. 


lieber  die  formen  und  bedentongen  des  namens  Mars  in 
den  italischen  dialckten. 

Die  vorliegende  Untersuchung  stellt  als  ihr  ziel  die  erkUrung 
weniger,  namensformen  hin,  bezweckt  aber  in  der  that  nicht  so« 
wohl  das  nackte  ergebnifs,  als  die  begründang  desselben  aas  der 
lautlehre  and  wortbildangslehre  der  italischen  dialekte.  Da  diese 
aber  weder  erschöpfend  erkannt  noch  allgemein  anerkannt  sind, 
so  bedürfen  sie  einer  sorgfältigen  prüfung,  and  so  mag  die  anter* 
suchang  selbst  ihre  ausfuhrlichkert  rechtfertigen. 

1)  Verschiedene  ableitangen  des  namens  Mars. 

Schon  die  alten  leiteten  die  namen  Mars  und  Mavors  auf 
verschiedene  weise  ab.  So  erklärt  Cicero  (Nat.  Deqr.  II,  28.): 
Iam  qui  magna  verteret  Mavors.  Cedrenos  (Corp.  Bjs.  Nieb. 
1. 1,  p.  295,  21  ff.):  on  tot  MaQrep  ol  'Pwfiaioi  fiOQtefi  ixdXov* 
oiovel  ödraror,  rj  xivt]rq9  reo?  rar*»«*,  ij  zbw  nag*  ä$#*pmw 
xai  pormv  tifAeipepor.  Varro.  (L.  L.  V,  §  73  ed.  O.  Maell.)  Mars 
ab  eo,  qood  maribus  in  bello  praeest,  aut  quod  ab  Sabinis  ac- 
ceptus,  ibi  est  Mamers.  Von  heueren  hat  Heffter  (religion  der 
Griechen  and  Römer  p.  434)  die  Varronische  ableitung  verworfen 
wegen  des  auslautenden  t  des  Stammes  nnd  leitet  den  namen  des 
gottes  her  von  martos,  mors,  mareeo.  Allein  das  t  beweist  nichts 
gegen  Varros  ableitung  von  mas;  denn  es  könnte  ja  wie  bei  den 
sabstantivischen  stammen  mor-t,  for-t,  ar-t,  do-t,  men-t,  gen-t 
das  t  erat  an  eine  wnrael  mar  herangetreten  sein,  und  das  ist  ja 

11.  l.  1 


2  Corssen 

auch  in  martus  und  mors  geschehen  (Pott  etym.  forsch,  p.  221). 
Da  ferner  bei  der  Heffterschen  ableitung  die  formen  Marmar,  Mar- 
mor, Mavors,  Mamers  gar  nicht  in  betracht  gezogen  sind,  so  fehlt 
der  beweis  für  die  behauptung,  dafs  Mars  der  vernichtende  be- 
deute. Nach  Härtung  (religion  der  Römer  II,  15$)  sind  die  for- 
men Mannar,  Mamers  und  Mavors  desselben  Stammes  wie  lat. 
arma,  griech.  fatog,  sanskr.  warayami  (schütze)  und  Mars  aus  Ma- 
vors zusammengezogen.  Diese  ableitung  aber  erscheint  aus  meh- 
reren gründen  als  unhaltbar.  Denn  erstens  ist  es  ohne  beigpiel, 
dafs  im  lateinischen  anlautendes  m  vor  einem  worte,  wie  arma, 
wegfiele  und  bei  dem  andern  desselben  Stammes,  wie  Marmar,  sich 
hielte.  Das  dafür  angeführte  beispiel  mox  neben  ocius  ist  kein 
beispiel  dafür.  Denn  lat.  ocius,  griech.  o>xt/,  skr.  äcu  hatte  kein 
anlautendes  m  (Pott  etym.  forsch.  II,  278).  Wäre  also  m-ox 
wirklich  mit  ocius  zusammenzubringen,  dann  wäre  m  ein  prfifix, 
das  jedenfalls  erst  zu  erklären  wäre,  damit  diese  Verwandtschaft 
glaublich  erscheinen  könnte  (Pott  das.  II,  338).  Zweitens  aber 
gehören  lat.  ar-ma  (waffen)  ar-mus  (bog),  griech.  og-oi,  goth. 
ar.ms  (arm)  zur  sanskritwurzel  ar,  haben  also  weder  mit  wara- 
jami  noch  mit  ^tJqmq  etwas  gemein ,  die  von  der  sanskritwurzel 
war  stammen  (Pott  I,  222.  II,  593  u.  230.  Vgl.  Höfer:  zur  laut- 
lehre  p.  236  anm.  92).  Ueberdies  bleibt  bei  der  Hartungschen  ab- 
leitung  das  lautliche  verhältnifs  von  Marmar,  Mamers  und  Ma- 
vors zu  einander  ganz  unerklärt 

Pott  erklärt  (I,  124)  Mavors:  qui  mares  vertit  i.  e.  hostes 
fugat  und  Mars  aus  Mavors  durch  zusammenziehung  entstanden, 
nimmt  aber  (I,  222)  diese  ableitung  zurück  und  erklärt  Mavors: 
Mavor-tis  d.  h  der  mannsschützende,  indem  er  vor  wie  griech. 
ßAiftS  f&QMtog  auf  die  sanskritwurzel  war  (bedecken)  zurück- 
führt Auch  bei  Mamers  schwankt  Pott,  ob  mers  durch  assimi- 
lation  des  v  zu  m  aus  vors  entstanden,  oder  wie  lat.  mor-ior 
auf  die  sanskritwurzel  mar  zurückzuführen  sei,  so  dafs  Ma-mers 
men8chenmörder  bezeichnete.  Aber  auch  gegen  diese  zweifelhaft 
hingestellten  ableitungen  erheben  sich  bedenken.  Die  altlateini- 
schen formen  des  namens:  Marmar,  Marmor,  die  sich  im  Arval- 
liede  finden,  und  die  davon  gebildeten  adjectiva:  Mamurius,  Ma- 
mnralia  sind  nämlich  von  Pott  nicht  in  die  betrachtung  gezogen 
Mag  sich  nun  auch  der  zweite  bestandtheil  in  Marmar  aus  der 
wurzel  mar  oder  war  erklären  lassen,  so  liegt  es  doch  gewifs 
näher,  so  lange  nicht  gründe  dagegen  sprechen,  Mar -mar  für  eine 


formen  and  bedon langen  des  namens  Mars  io  den  ital.  dialekten.    3 

reduplicirtc  wortform  so  halten,  als  den  beiden  völlig  gleichlau- 
tenden silben  grundverschiedene  abstammung  beizulegen. 

Eine  solche  reduplication  nimmt  auch  Mommsen  (die  unter- 
Haiischen  dialekte  p.  276)  an,  denkt  sich  aber  Mar-mar  als  das 
rednplicirte  Mart,  und  dieses  wieder  zusammengezogen  aus  Ma- 
vort,  das  aus  einem  unerklärten  M  und  avortere  zusammengesetzt 
sein  soll.  Gegen  diese  ansieht  mob  eingewandt  werden:  Erstens 
ist  die  ableitung  Mavort  von  M(?)  -f-  avort  eine  unbegründete  ver- 
muthung,  solange  die  bedeutung  des  m  nicht  erklärt  ist  Zwei- 
tens kann  Mar-mar  nicht  entstanden  sein  aus  M-a-vort -f- M-a- 
vort,  denn  dafs  ein  doppelt  zusammengesetztes  wort  noch  redu- 
plicirt  würde,  ist  unerhört  im  lateinischen,  das  wie  die  verwandten 
sprachen  nur  einfache  stamme  reduplicirt  Drittens,  auch  wenn 
man  Mart  nicht  als  compositum  falst,  kann  Mar-mar  schwerlich 
aus  Mart-Mart  entstanden  sein,  wie  dies  weiter  unten  nachgewie- 
sen werden  wird.  Dafs  endlich  auch  die  von  C.  Schmidt  (Ber- 
liner jahrb.  no.  35.  1834)  aufgestellte  ableitung  unhaltbar  ist,  nach 
der  Ma-vors  ans  skr.  maha  (grofs)  und  war  (schützen)  zusammen- 
gesetzt sein  und  «grofser  Schützer »  bedeuten  soll,  beweist  das 
erste  r  in  Marmar.  Denn  dafs  und  wie  Mavors  aus  Marmar, 
Marmor  entstanden  sei,  wird  weiterhin  dargethan  werden. 

2)  Die  lateinischen  formen  Marspater,  Marspiter, 
Maspiter. 
Es  liegt  nahe  aus  dem  bisher  gesagten  zu  folgern,  dafs  man 
bei  der  erklärung  der  vorliegenden  namensforroen  nicht  von  Ma- 
vors oder  Mamers  ausgehen  könne.  Die  für  den  zweck  dieser 
Untersuchung  zunächst  in  betracht  kommenden  formen  sind  dem- 
nach: Marspater,  Marspiter,  Maspiter.  Unter  diesen  ist  natürlich 
Marapater  ebenso  wenig  eine  eigentliche  organische  wortcompo- 
sition  wie  Neptunuspater,  Saturnnspater,  Januspater,  Dispater, 
da  das  erste  wort  derselben  das  nominativzeichen  s  gewahrt  hat, 
und  im  zweiten  das  a  nicht  zu  i  geschwächt  ist,  wie  dies  z.  b. 
in  Jupiter,  Diespiter,  Opiter  und  bekanntlich  auch  sonst  in  latei* 
nischen  compositen  geschieht  und  durch  das  zurücktreten  des  Jo- 
nes veranlaßt  scheint.  Die  beiden  Wörter  mars  und  pater  sind 
also  nur  zusammengeschrieben,  weil  man  sie  oft  und  unmittelbar 
nacheinander  sprach  wie  jusjurandum,  respublica,  Ususfruktus,  me 
duisfidius  u.  a. 

Die  form  Marspiter  ist  vielleicht  überhaupt  nur  ein  schreib- 

1* 


4  Corsseii 

fehler9);  da  sie  sich  nun  aber  einmal  vorfindet,  so  fragt  sieh,  wie 
sie  zu  erklären  ist.  Ist  das  s  nominativzeichen,  dann  hat  diese 
form  in  der  abschwächung  des  a  zu  i  ein  wesentliches  merkmal 
einer  ächten  Zusammensetzung  und  im  Widerspruch  damit  einen 
nominatiy  als  erstes  glied  derselben.  Für  eine  solche  Zwitterbil- 
dung giebt  es  im  lateinischen  kein  beispiel.  Denn  dafs  in  Dies- 
piter  das  s  nicht  noniinativzeichen  ist,  zeigt  der  accusativ  Diespi- 
trem  (Macrob.  Sat.  1, 15)  und  der  genitiv  Diespitris  (Priscian  VI. 
Patsch,  p.  695),  da  man  doch  wie  usumfructum,  reipublicae  auch 
Diempitrem  Dieipitris  erwarten  sollte.  Pott  erklärt  daher  (II,  210) 
das  dies  in  Diespiter  au*  skr.  diwas  in  dem  compositum  diwas- 
pati  (tages-herr).  Noch  weniger  beweist  Ju- piter  für  Mars -piter. 
Noch  in  neuester  zeit  ist  nämlich  (Weifsenborn  lat.  schulgramm. 
p.  15  anm.  3)  Juppiter  für  die  richtige  Schreibart  erklärt,  die  aus 
Jus -piter  durch  assimilation  des  s  zu  p  entstanden  sein  soll.  AI* 
lein  die  grofse  menge  von  lateinischen  Wortbildungen,  die  sp,  st, 
sc  im  anlaut  oder  inlaut  haben,  zeigt,  wie  wenig  s  vor  einer  te- 
nuis  noch  einer  assimilation  bedurfte.  Ja  das  s  hält  sich  in  der 
Zusammensetzung  vor  p,  c,  t  sogar  stets,  wo  es  z.  b.  vor  f  assi- 
miltrt  wird,  z.  b.  diffido,  difFero,  diffugio  u.  a.,  hingegen  displiceo, 
disputo,  distnli,  discerno.  Also  kann  auch  Juppiter  nicht  gegen 
alle  analogie  ans  Juspiter  entstanden  sein.  Ebenso  wenig  ist  es 
durch  assimilation  des  v  zu  p  aus  Jov-  piter  zu  erklären,  die  auch 
ohne  beispiel  wäre;  sondern  wie  ju-cundus  aus  jov-cundus,  nu- 
per  ans  nov-per  so  ward  Ju- piter  aus  Jov -piter,  indem  das  v 
sieh  in  folge  des  herantretenden  consonanten  zu  seinem  vocal  u 
erweichte  und  als  Vertreter  des  so  entstandenen  diphthongen  ou 
nur  u  geschrieben  ward.  In  ganz  analoger  weise  ward  aus  Av- 
piter  Au-piter  und  ebenso  erging  es  den  stammen  nav,  av  nach 
abfall  ihres  ableitungsvocals  i  in  den  compositis  nau-fragium1  au- 
spex,  au-gur.  Indem  nun  o  bekanntlich  oft  im  lateinischen  als 
Vertreter  des  diphthongen  au  auftritt,  wird  aus  Aupiter  Opiter. 

*)  Bei  Varro  steht  an  drei  stellen:  L.  L.  VIII,  §  26.  IX,  §  46. 
X,  §  65  Maspiter;  an  einer:  L  L.  VIII,  §  33  Marspiter;  bei  Priscian 
findet  sich  nur  Maspiter  an  zwei  stellen:  XII,  p.  1284  bei  Putsch.  Bei 
Gellias  N.  A.  V,  12,  5  Marspiter,  doch  ist  hier  auf  die  Zuverlässigkeit 
der  handschriften  nicht  eben  viel  zn  bauen,  da  die  texte  der  römischen 
grammatiker  überhaupt  sehr  verdorben  sind.  Doch  hat  auch  eine  auf 
dem  palatinischen  hÖgel  gefundene  Inschrift  Marspiter.  Oreüi.  Corp. 
Inscr.  1360. 


formen  und  bedentungen  de»  namens  Man  in  den  ital.  dialekten.    5 

Man  vergleiche  lava*tum,  lau- tarn,  lo-tum.  Ich  kann  daher  in 
der  Schreibart  Jappiter  nnr  eine  anorganische,  mißbräuchliche 
Verdoppelung  des  p  sehen,  und  mnfs  in  den  compositis  Jn-piter, 
O-piter  den  ersten  bestandtheil  für  den  stamm  ohne  flexionsen- 
dung  halten,  sowie  in  Dies-piter  das  s  jedenfalls  nicht  für  da» 
nominativzeichen.  Ist  dem  so,  dann  erscheint  es  bedenklich  in 
Marspiter  gegen  alle  regel  lateinischer  wortcomposition  das  s  als 
nominativzeichen  anzusehen.  Es  fragt  sich  also,  ob  sich  dasselbe 
anders  erklären  läfirt. 

Man  könnte  Mars  für  den  blofsen  stamm  Mart  ansehen,  so 
dafs  das  t  wegen  des  folgenden  consonanten  p  in  Marspiter  zu 
s  herabgesunken  wäre.  Allein  dagegen  spricht,  dafs  die  auf  rt 
auslautenden  nominalstämme  im  lateinischen  ihr  auslautendes  t  in 
der  Zusammensetzung  gegen  Zerstörung  durch  den  anlautenden 
consonanten  des  «weiten  Wortes  mittelst  eines  bindevocals  i  schützen 
z.  b.  part-i-ceps,  art-i-fex,  sort-i-legus,  mort-i-ferus.  Danach 
müfste  man  auch  ein  compositum  Mart-i-piter  erwarten.  Mars- 
piter aus  Martpiter  zu  erklären  ist  also  ebenso  mifslich  als  das  s 
als  nominativzeichen  zu  fassen.  Weiterhin  wird  sich  ein  anderes 
auskunftsmittel  darbieten;  doch  mufs  zuvor  die  form  Maspiter  in 
die  Untersuchung  gezogen  werden. 

Es  fragt  sich,  was  ist  Maspiter  für  eine  Zusammensetzung. 
Ist  Maspiter  aus  Marspiter  entstanden,  oder  umgekehrt?  Man  könnte 
geneigt  sein,  für  die  erste  annähme  zu  entscheiden,  denn  dafs  r 
vor  8  unter  umständen  schwand,  beweisen  advosem  für  advorsum, 
prosa  für  prorsa  (pro-vorsa),  retrosum  ffirretrorsum  (retro-vorsum), 
susum  für  sursum  (sub-vorsum).  So  könnte  ja  auch  Mas  aus 
Mars  geworden  sein.  Dagegen  spricht  jedoch  zweierlei:  1)  dafs 
aus  dem  simples  Mars  nicht  Mas  wurde,  dafür  sprechen  die  no- 
minative  aller  auf  rt  auslautenden  stamme,  die  nach  abfall  des  t 
vor  dem  nominativzeichen  s  ihr  r  stets  gewahrt  haben,  z.  b.  ars, 
pars,  sors,  fors,  mors;  2)  dann  müfste  also  in  dem  compositum 
Maspiter  das  an  rs  herangetretene  p  den  vernichtenden  einflufs 
auf  das  r  geübt  haben.  Doch  das  ist  nicht  glaublich,  da  sich 
sonst  in  der  composition  das  r  vor  s  mit  folgender  tenuis  stets 
hält,  wie  in  perscribo,  perstringo,  perspicio,  während  doch  das, 
beispiel  pejero  neben  perjurium  zeigt,  dafs  das  r  von  per  zerstö- 
rende einflösse  durch  einen  folgenden  consonanten  erleiden  kann. 
Ich  mufs  daher  in  advosem,  prosa,  retrosum,  susum  es  vielmehr 
der  Stellung  des  rs  zwischen  zwei  vocalen  zuschreiben,  dafs  das 


6  Corssen 

t  schwand.  Bekannt  ist,  daft  die  Stellung  zwischen  «Wei  vocalcn 
im  lateinischen  das  s,  mag  es  der  wursel,  der  Wortbildung  oder 
der  wortbiegung  angehören,  so  schwächte,  dafs  es  zu  r  sank,  wie 
ara,  Lares,  arena,  foederum,  honoris  ans  asa,  Lases,  asena,  foede- 
stun,  honoris  entstanden  sind.  Dafs  ein  r  in  der  Stellung  «wi- 
schen zwei  vocalen  ganz  sehwinden  konnte,  dafür  geben  die  alten 
formen  speres,  speribns  und  das  verbum  spero  neben  spe-s  (aus 
sper-  es  spe-es)  spe-i  ein  freispiel.  Es  ist  wohl  nicht  grundlos,  auch 
bei  rs  zwischen  zwei  vocalen  eine  ähnliche  schwächende  einwir- 
kung  dieser  Stellung  anzunehmen,  so  dafs  rs  zu  8  schwand.  Die 
beispiele  advosem  susum  u.  s.  w.  beweisen  also  für  Maspiter  nichts. 
So  erleidet  z.  b.  bv  in  sursum  aus  subvorsum  zwischen  zwei  vo- 
calen dieselbe  Zerstörung  wie  das  v  allein  in  retrorsum  rursus  u.  a. 
Die  alten  genitire  Maspitris  und  Maspiteris*)  zeugen  jeden- 
falls dafür»  dafs  mas  ein  stamm  ohne  flexionssilbe  ist,  und  die 
weiterhin  erörterten  reduplicirten  formen  Marmar  Marmor  werden 
dafür  den  beweis  bieten,  dafs  in  diesem  stamme  die  ursprüngliche 
form  des  namens  der  gottheit  enthalten  ist. 

3)  Die  formen  Marmar,  Marmor,  Mamuri  Veturi  in  alt- 
lateinischen priestergesängen. 
Im  liede  der  fratres  Arraks  finden  sich  neben  Mars  die  bei- 
den benennungen  des  gottes  Marmar  und  Marmor,  alle  drei  durch 
dreimalige  Wiederholung  vollständig  verbürgt**).  Von  diesen  be- 
spreche ich  zuerst  die  form  Marmar.  Diese  kann  nicht  aus  Mart- 
Mart  entstanden  sein,  denn :  1)  nie  werden  solche  auf  rt  auslau- 


*)  Priscian,  VI,  Putsch  p.  695.  Inreniuntnr  tarnen  apad  veiastisei- 
mos  haec  ancipiüs  genitivi :  hie  aeeipiter,  hujus  aeeipitris  et  aeeipiteris, 
Opiter,  Opiteris  et  Opitris,  Maspiter,  Maspiteris  et  Maspitris.  Diespi- 
ter,  Diespitris  et  Diespiteris;  sie  etiam  Jupiter  Jupitris  et  Jupileris, 
ut  Caesellio  Vindici  placet,  debuit  declioarL 

••)  Ich  habe  Origenes  poesis  Rom.  p.  92  den  tezt  genau  nach  Ma- 
rin! gli  Atti  e  monumenti  de'  fratelli  Arvali  tab.  XL1  gegeben;  behan- 
delt ist  das  gedieht  auch  Lanzi  Saggio  di  lingua  Etrusca  I,  p.  144. 
Herrn,  elem.  doctr.  metr.  p.  613.  Claosen  de  carmine  fratrum  Arva- 
lium  p.  23  sq.  Grotefend,  lat.  gramm.  p.  286  (ed.  3.).  Egger,  lat.  serm. 
vetnst.  rel  p.  68  sq. ,  cum  theil  mit  ongenauigkeiten  und  nnnöthigen 
änderungen  des  textes.  Auch  die  yon  mir  gegebene  erklirang  enthalt 
manches  unrichtige  und  nnerklSrte,  was  ich  anderen  orte«  zu  berichti- 
gen und  zu  ergingen  denke.  • 


formen  und  bedeuLungen  des  namens  Man  in  den  ital.  dialelcten.    7 


tende  stamme,  deren  t  nicht  wurzelhaft  ist,  sondern  der  Wortbil- 
dung angehört  wie  part,  mort,  sort  u.  a.  redoplicirt;  2)  ein  auf 
rt  auslautender  stamm  bitte  das  nominativzeichen  bewahrt,  wie 
pars,  so»,  mors,  Lars  (wenn  in  den  namen  Lars  Tolümnius,  Lara  ' 
Porsenna,  Lars  Herminins  für  Lars  aneh  Lar  steht,  so  beruht  das 
wo  nicht  auf  Schreibfehlern,  auf  einer  Verwechselung  de»  tusd- 
sehen  Vornamens  Larth,  lat  Lar(t)s,  mit  dem  namen  des  hausgot- 
tes  Lar).  Marmar  ist  also  die  reduplication  eines  nackten  auf  r 
auslautenden  Stammes  wie  murmnr,  fnrfur,  tortor,  caroer,  an  die 
in  farfar-ns  farfer-us  (hoflattich),  qnerquer-a  (febris)  so  wie  in 
den  aabinischen  eigennamen  Farfar-ns  (amnis)  und  Gurgur-es 
(montes)  noch  ein  suffix  getreten  ist  Der  vocativ  Marmar  in 
dem  arvalliede  zeigt  wie  der  nominativ  und  vocativ  aller  auf  li- 
quiden auslautenden  stamme  im  lateinischen  nur  den  reinen  stamm. 
Dies  Marmar  ist  nun  eben  nichts  anderes  als  die  Verdoppe- 
lung jener  ursprünglichen  form  Mas,  die  sich  nur  im  compositum 
Mas-püer  gehalten  hat,  deren  s  in  der  reduplicirten  form  aber 
an  beiden  stellen  zu  r  herabgesunken  erseheint.  So  wird  ja  im 
lateinischen  auslautendes  s  jeder"  art  zu  r  geschwächt    So  war- 

zelhaftes  s  in  Lar  für  Las,  das  s  des  nominalsuffixes  os  (or)  in 
honor,  Janitor,  arbor,  robor  für  honos,  Janitos,  arbos,  robos, 
s  des  comparativsufffees  ios  (ior),  griech.  10*,  skr.  ijas  in  melior 
für  melios,  endlich  s  des  verbalsuffixes  in  der  lateinischen  passiv» 
bildnng,  d.  h.  des  pronomen  reflexivum  se  z.  b.  in  amant-u-r, 
amat-u-r  für  amant-u-s,  amat-u-s.  So  sank  im  jüngeren  um- 
brachen dialekt  der  6ten  und  7ten  Iguvinischen  tafel  das  s  im 
auslaut  fast  durchgehend^  bis  auf  wenige  ausnahmen  zu  r  herab.  *) 
An  der  ersten  stelle  in  Marmar  könnte  man  das  sinken  des 
8  zu  r  dem  einflufs  des  folgenden  m  zuschreiben,  wie  in  Car- 
menta,  Carmena,  carmen  neben  Casmena.  Ebenso  wirkte  folgen- 
des n  und  v  auf  das  s  in  ornamentom  aus  osnamentum,  veternus 
aus  vetus,  furvus  verglichen  mit  foscus  (Pott  et.  forsch.  I,  132  ff.), 
da  sich  s  mit  einem  folgenden  liquiden  oder  halbvocal  im  latei- 
nischen überhaupt  so  wenig  verträgt,  dafs  die  Verbindungen  sm, 


*)  Der  nachweis  daffir  ist  zu  finden  bei  Aufrecht  and  Kirch  hoff: 
die  umbrischen  Sprachdenkmäler  I,  §  29,  5.  Ich  werde  noch  öfter  Im 
verlauf  dieser  Abhandlung  auf  die  ergebnisse  dieses  Werkes  zurückkom- 
men, die  durch  gründliche  spraebkeontnifs,  feine  beobachtuog  and  be- 
sonnene methode  der  Untersuchung  gewonnen  sind. 


S  Corssen 

§1,  SD,  sr.  sj,  sv9  die  sich  in  anderen  italischen  dialekten  verein- 
seit  finden,  wenigstens  dem  classischen  latein  fremd  sind.    Wer 
sich  das  erste  r  in  Marmar  aus  s  so  entstanden  denkt,  mute  an- 
nehmen, dafs  eine  reduplicirte  form  Mas-mas  wirklich  vorhanden 
war.    Dagegen  spricht  aber  zweierlei:  1)  die  erscheinnngen  der 
rednplication  im  latein.,  soweit  sie  die  Wortbildung  angeht  und 
nicht  als  flexionsmittel  des  verbum  dient.    Denn  am  häufigsten 
redoplicirt  finden  sich  wortstämme,  die  auf  liquida  ausgehen,  und 
unter  diesen  wieder  am  häufigsten  auf  r  auslautende:  populns^ 
ulula,  gurgulio,  Fulfulae,  curculio,  tutulus(?);   cucumis  $   tintin- 
nire,  tintinnare,  cincinnus,  ciconia;  memor  (von  sanskritwnrsel 
amar?),  marmor,  murmur,  furfur,  turtur,  Gurgures,  Farfarus,  far- 
farus,  farferus,  carcer,  querqüera,  perperam,  susnrrus.    Seltener 
sind  vocalisch  auslautende  stamme  reduplicirt:  cacare,  lalare,  pap- 
pare,  papas,  taia,  mamma,  papilla,  papaver,  pipio,  titio(?),  gingiva 
gingrire,  gingrina,  cuculus,  bubo.    Sehr  selten  verdoppelt  finden 
sich  auf  muten  auslautende  stamme:  Cucurbita,  upupa,  titubare, 
cicindela;  und  kein  beispiel  findet  sich  für  die  Verdoppelung  eines 
auf  s  oder  einen  anderen  Sibilanten  auslautenden  Stammes. 

Deshalb  erscheint  es  angemessener  sich  das  herabsinken  des 
auslautenden  s  von  Mas  zu  r  schon  vor  der  Verdoppelung  einge- 
treten zu  denken,  so  daft  also  eine  form  Mas-mas  nie  existirt 
hat.  Dann  gilt  also  für  das  erste  r  in  Marmar  dasselbe,  was  oben 
für  das  zweite  bemerkt  ist;  2)  ein  sinken  des  s  zu  r  im  einfachen 
stamme  ist  auch  deshalb  anzunehmen,  weil  die  form  Mar-t  nicht 
nach  dem  herantreten  des  t  ihr  s  hätte  zu  r  sinken  lassen  kön- 
nen. Denn  nie  findet  diese  abschwächung  des  s  statt  vor  den 
scharfen  lauten  p,  c,  t,  die  mit  dem  scharfen  zischlaut  sich  leicht 
verbinden.  Man  vergleiche  nur  fuscus  furvas,  Etruscus  Etruria, 
vetustus  veternus,  haustum  haurio,  gestum  gero,  tostum  torreo, 
moestus  moereo,  festus  feriae,  hesternus  heri,  questus  queror, 
ustus  uro,  nefastus  nefarius,  tempestas  tempero.  In  diesem  laut- 
gesetz  liegt  also  der  grund,  weshalb  sich  in  Mas-piter  neben  Mar« 
mar  die  ursprüngliche  form  des  Stammes  hielt. 

Auch  die  in  den  auguralbüchern  der  Römer  gebräuchliche 
form  quirquir  für  quisquis  (Varro  1. 1.  VII,  §  8),  ein  beispiel  wo 
einmal  im  lateinischen,  wie  gewöhnlich  im  neuumbrischen,  das  s 
einer  flexionsendung  zu  r  sank,  läfst  sich  nur  so  erklären,  dafs 
dies  sinken  schon  vor  der  reduplicaüon  am  simples  eintrat  So 
findet  sich  in  eben  jenen  auguralbüchern  veter  für  vetus,  wo  das 


formen  and  bedentangen  de»  namens  Man  in  den  ital.  dialekten.    9 

sinken  des  s  zu  r  noch  die  Schwächung  des  a  tu  e  nach  sich 
zog  wie  in  Venera,  sceleris,  generis,  foederis  u.  a.  neben  Venös, 
scelns,  genas,  foedas.  Diese  beiden  formen  qairqair  and  veter 
aber  in  den  alten  auspicialformeln  neben  Marmar,  Marmor  in  dem 
arvalliede  zeigen,  dafs  schon  im  altlateinischen  aaslautendes  s  zu 
r  sinken  konnte,  was  dann  im  nenlateinischen  weiter  nm  sich 
gegriffen  hat. 

Neben  Marmar  findet  sich  im  arvalliede  die  form  Marmor, 
in  welcher  die  betonte  silbe  ihr  a  wahrte,  die  zweite  hingegen, 
die  durch  die  redaplication  ihren  selbständigen  ton  verlor,  ihr 
a  zu  o  herabsinken  liefs.  Ohne  hier  die  falle  beizabringen,  in 
denen  die  vergleichende  Sprachforschung  gezeigt  hat,  dafs  ursprung- 
liches a  im  lateinischen  sich  zu  o  trübte,  mag  es  genügen,  hier 
nur  ein  nahe  liegendes  und  schlagendes  beispiel  dafür  abzuführen, 
nämlich  marmor,  das  im  verhältniis  zum  griech.  pdQpaQ-og  (der 
glänzende  stein)  in  der  zweiten  silbe  durch  die  redaplication  ganz 
dieselbe  ton-  und  lautschwächung  erlitt,  wie  Marmor  im  verhalt» 
nüs  su  Marmar. 

An  die  form  Marmor  schliefen  sich  zunächst  zwei  adjectiv* 
bildaagen  Mamuralia  und  Mamurius.  In  diesen  ist  wie  in  den 
beiden  anderen  reduplicirten  formen  dieses  namens,  die  zur  ver- 
doppelang des  Stammes  noch  ein  sufibt  fügen:  Mavors  und  Ma- 
mers  das  s,  welches  in  Marmar  und  Marmor  zu  r  herabgesunken 
war,  vor  m  ganz  geschwunden  nach  der  anaiogie  von  Casmena, 
Carmena  (Carmenta,  Carmen)  Camena.  Ohne  den  durchgang  durch 
r  schwand  wohl  das  s  vor  m  in  Casmilus,  dusmosas,  osmen,  res- 
mus,  postmoerium  (wo  erst  das  t  dann  das  s  schwand),  die  spä- 
ter nur  in  der  gestalt  Camillus,  dumosus,  omen,  remus,  pomoe» 
rium  erscheinen»  Da  nun  in  Mavors  und  Mamurius  das  a  lang 
erscheint,  so  ist  wohl  anzunehmen,  dafs  nach  ausfall  des  s  sich 
in  allen  formen  dieses  namens  das  ursprünglich  karze  a  des  Stam- 
mes mas  längte  wie  in  remus  verglichen  mit  dem  griech.  iqerfiog. 
In  den  adjectivbildungen  Mamur-ios  und  Mamor-alia  von  Marmor 
verdunkelte  sich  nan  das  o  zu  u,  als  die  suffixe  io  und  ali  heran* 
traten  in  der  art  wie  aus  praetor,  quaestor,  praetura,  quaestora 
gebildet  ist,  oder  wie  das  partidpialaffix  turus  (actoros)  sich,  aus 
tor  (actor)  entwickelte. 

Es  ist  nun  die  bedeutung  der  beiden  adjectiva  zu  erörtern. 
Mamuralia  heilst  die  festfeier  des  Mars  am  14.  März  (vgl.  Gutber- 
leth  de  Salus  Martis  sacerdotibus :  Opusc.  t.  IV,  p.  84.  85,  Origin. 


10  Corsaen 

poes.  Rom.  p.  25)  and  ist  mit  demselben  suffix  vom  Hamen  des 
gottes  gebildet  wie  z.  b.  Qiürinalia,  Terminalia,  Iaberalia,  Robi- 
galia*  Floralia,  Volcanalia,  Saturnalia  und  ähnliche  festnamen.  Ma- 
marias nennt  die  römische  sage  bekanntlich,  den  etrurischen  künst- 
ler,  der  auf  Numas  befehl  nach  dem  bilde  des  einen  vom*  Jupiter 
Elicius  aus  dem  himmei  herabgeworfenen  Schildes  11  ähnliche  an« 
cilia  gefertigt  haben  soll.  Auf  diesen  deutete  man  den  aasruf 
Harn  uri  Veturi,  der  in  den  alten  gesangen  der  Salier  gehört  wurde. 
Allein  wenn  schon  Varro  (1. 1.  VI,  §  45)  diese  worte  ganz  anders 
erklärt,  nämlich  veterem  memoriam,  so  ist  klar,  dafs  die  sage  aus 
jenem  ausruf  die  person  eines  künstlers  gebildet  hat  Was  bedeu- 
ten nun  also  die  beiden  worte?  Dafs  Veturi  eine  bildung  von  ve- 
tus  sei,  hat  Varro  gesehen.  Vetos  aber  ist  ursprunglich  dasselbe 
wie  griech.  jhog  und  bedeutet  annus  (Pott  I,  108)  und  davon 
ist  Veturius  mit  dem  sufhx  io  gebildet,  wie  Annius  von  an- 
nus, bedeutet  also  soviel  wie  annuus  d.  h.  jährlich  wiederkeh- 
rend.*) Mamurius  ist  von  Marmor  mit  demselben  suffix  io  ge- 
bildet, wie  Martius  von  Mars;  da  nun  Marmor  dasselbe  wesen 
bezeichnet  wie  Mars.,  so  bedeutet  auch  Mamurius  ursprünglich 
dasselbe  wie  Martius.  Die  vocative  Mamuri  Veturi!  haben  also 
den  sinn:  Marti  annue! 

Es  fragt  sich  nun,  wie  dieser  sinn  zu  der  bedeutung  der  an* 
cilia  und  der  ganzen  gottesdienstlichen  feier  der  Salier  vom  lsten 
bis  30sten  März  stimmt.  Dais  die  sage  recht  hat  pelasgischen  Ur- 
sprung des  saliercultus  anzunehmen,  indem  derselbe  in  den  pelas- 
gischen städten  Veji,  Falerii,  Tibur,  Tusculum  wie  in  dem  latini- 
schen Alba  bestand,  dafs  er  zugleich  mit  der  etrurischen  blitzsühne, 
mit  der  neuen  eintheilung  des  Jahres  nach  dem  Sonnenlauf  und 
mit  manchem  anderen  ritual  aus  Südetrurien  nach  Rom  kam,  ist 
durch  übereinstimmende  Zeugnisse  verschiedener  art  verbürgt**) 
Nun  ergeheinen  bei  dieser  festfeier  zwölf  priester  mit  zwölf  hei- 
ligen Schilden.  Dafs  diese  nach  der  zahl  der  zwölf  italischen  mo- 
nate  eingesetzt  sind,  sagt  Lydns  (de  Mensib.  IV,  2.)  ausdrücklich, 


*)  Gic.  Nat.  D.  II,  39:  Idem  annuas  frigorum  et  caloram  facit  va- 
rietates.    Tib.  II,  1,  48:  Deponit  flavas  annua  terra  comas. 

**)  Die  beweise  dafür  habe  ich  zusammengestellt  Origg.  Poes.  Rom. 
21  sq.  und:  Nene  jenaiache  allgem.  littz.  jahrg.  6  no.  200,  p.  798  — 
800.  Ebenda  siod  auch  die  beweiaatellen  für  das  übrige  hier  Über  den 
cultus  der  Salter  gesagte  zu  finden. 


formen  und  bedeotangen  de»  namens  Mars  in  den  ital.  dialekten.  lt 

Die  sehüde  bedeuten  also  die  zwölf  monate.  Jupiter  Elicins  durch 
elrurische  blitzsühne  versöhnt  wirft  den  ersten  sehild  vom  hinv» 
mel  herab;  d.  h.  der  mildere  himmel  bringt  den  ersten  frühiings- 
monat  Martius.  Dem  ersten  ancile  werden  elf  ähnliche  nachge* 
bildet:  d.  h.  dem  März  folgen  elf  ähnliche  monate  in  der  Jahres« 
eintheilnogi  auf  Nomas  auftrag  werden  sie  nach  der  sage  verfer- 
tigt, da  dieser  könig  es  ist,  dem  die  neue  jahreseintheilung  nach 
dem  Sonnenlauf  zugeschrieben  wird.  Ein  etrurischer  künstler  ver- 
fertigt sie,  denn  etrnritch  ist  diese  jahreseinLheilung  und  etrurisch 
alle  kunst  im  ältesten  Rom.  Diese  bedeutung  der  ancilia  und  der 
ganzen  festfeier  wird  durch  eine  inschrift  bestätigt,  in  der  die  an- 
cilia arma  annalia  genannt  werden  (Orelli  2244).  Est  ist  also  na* 
türlich,  dafis  die  tanzenden  priester  des  Mars  bei  ihren  aufzügen 
im  März  den  dem  gotte  geheiligten  monat  mit  dem  anruf  Mamuri 
Veturi  d.  h.  Marti  annue  begrüfsen.  Aus  dem  Martius,  der  nach 
alter  jahreseintheilung  die  reihe  der  monate  eröffnete,  macht  dk 
sage  dann  einen  künstler  Mamurius,  der  die  elf  schilde  nach  dem 
musler  des  ersten  verfertigt.  Auch  da  nach  dem  neuen  kalender 
der  Januarios  der  erste  der  monate  ward,  blieb  die  feier  des  Mar« 
Uns  als  anfang  des  natürlichen  jahres  mit  dem  frühling,  und  die 
volksthümliche  sage  bleibt  in  ihrer  daroteUung  bei  der  alten  ein* 
heimischen  6itte  und  fafst  auch  den  Numa  als  begründer  der  al- 
ten, nicht  der  neuen  jahreseintheilung. 

Wie  nnn  in  Rom  die  sage  den  gründer  des  saliercultus  Ma- 
murius nennt,  so  bei  den  Vejentem  Morrins  (Serv.  Virg.  Aen. 
Ylil,  285).  Diese  latinisirte  form  eines  etrurisehen  namens  scheint 
zu  dem  einfachen  stamme  Mar  in  demselben  Verhältnis  zu  stehen, 
wie  Mamurius  zu  dem  reduplicirten  Marmor.  In  Morrins  schwächte 
sich  das  a  nach  herantreten  des  affixes  an  den  stamm  zu  o,  wie 
in  do-(t)-e  do-nnm  vom  stamme  da  und  wie  in  portio  von 
part.  Ein  name  Maris  findet  sich  auf  etrurisehen  götterdarstellun- 
gen  als  bezeiehnnng  eines  starken  Jünglings  (Gerhard,  zeitschr.  für 
alterthumsw.  1847,  no.  85).  Dafs  auch  dieser  den  stamm  maa, 
mar  enthält  und  mit  dem  sinne:  der  männliche,  der  starke  ein  dem 
römischen  Mars  ähnliches  wesen,  oder  Mars  selbst  bezeichnet  habe, 
liegt  zwar  nahe,  kann  aber  erst  vollständig  erwiesen  werden  durch 
das  verständniü  der  etrurisehen  spräche,  das  uns  noch  verschlos- 
sen ist  Jenen  könig  Morrius  aber  für  gleichbedeutend  anzusehn 
mit  Mamurius  d.  h.  ebenfalls  als  eine  bezeichnung  des  monats 
Martius,  dafür  spricht  die  ähnlichkeit  des  namens  wie  der  sage. 


12  CorMen 

Es  bleibt  nun  noch  zu  erwägen,  welche  bedeutung  die  redu- 
plioation  für  den  namen  Marmar,  Marmor,  Mamurius  hat,  und  dazu 
genügt  es,  ohne  zu  wiederholen,  was  die  vergleichende  Sprach- 
forschung über  die  redoplication  bereits  festgestellt  hat,  an  ein- 
zelnen erscheintragen  im  lateinischen  die  bedeotnng  desselben  zu 
beobachten.  Am  natürlichsten  bezeichnet  zunächst  die  Wiederho- 
lung des  Wortstammes  die  Wiederholung  der  Vorstellung,  die  im 
sprachlichen  laut  verkörpert  erscheint,  indem  die  spräche  die  sinn- 
liche Wahrnehmung  malend  nachahmte.  So  bezeichnet  lalare  das 
trällern  des  Wiegenliedes,  tintinnire  und  tintinnare  klingeln,  nlu- 
lare  heulen,  susnrrare  flüstern,  murmurare  murmeln,  titubare  stot- 
tern, pipire,  pipare  nnd  pipilare  piepen,  bubire  das  dumpfe  schnar- 
ren der  rohrdommel,  bubulare  das  schreien  des  uhu's,  gingrire 
das  schnattern  der  gänse,  baubari  das  klaffen  des  hundes,  cncurire 
das  kikriki  des  hahnes,  cuculare  den  kukukschrei.  Von  diesem 
einförmigen  klang  ihrer  stimme  sind  dann  die  reduplicirten  namen 
von  vögeln  abgeleitet:  pipio  der  junge  vogel,  turtur,  turturilia 
die  turteltaube,  upupa  der  Wiedehopf,  ulula  die  eule,  cuculus  der 
kukuk,  bubo  der  schutra,  cicirrus  der  haushahn.  Was  die  Wie- 
derholung gleichartiger  töne  nacheinander  für  das  ohr,  ist  die 
Wiederholung  gleichartiger  färben  nebeneinander  für  das  äuge. 
Daher  dient  die  redoplication  auch  zur  bezeichnung  solcher  dinge, 
die  dem  äuge  als  eine  menge  gleichartiger  einzelheiten  nebenein- 
ander erscheinen  z.  b.  furfur  kleien,  papaver  mohn,  cincinnua 
lockengekräusel,  populus  volk.  Auch  der  schimmernde  und  flim- 
mernde glänz,  der  dem  äuge  als  eine  schnell  wiederholte  lichtbe- 
wegung  erscheint,  wird  in  einzelnen  Allen  durch  reduplicirte  Wör- 
ter bezeichnet  z.  b.  titio(?)  der  glimmende  feuerbrand,  marmor  der 
glänzende  marmorstein,  cicindela  das  funkelnde  Johanniswürm- 
chen. Man  wiederholt  den  satz  in  der  rede,  das  wort  im  satze, 
das  man  besonders  hervorheben  will,  und  doppelt  gesagt  ist  stär- 
ker und  eindringlicher  gesagt.  So  scheint  in  den  ersten  benen- 
nungen  der  lallenden  kindersprache  mamtna,  papas,  tata,  die  das 
lateinische  mit  vielen  sprachen  gemein  hat,  die  Wiederholung  des 
wortstammes  die  eindringlichkeit  und  Innigkeit  der  noch  mit 
mühe  gestammelten  anrede  auszudrücken.  So  scheint  auch  in 
dem  gebet  der  alten  feldpriester  die  reduplication  des  gottesna- 
mens  die  eindringlichkeit  und  Innigkeit  des  anrufes  auszudrücken. 


formen  and  bedeotnngen  des  namens  Mars  in  den  ital.  dtalekten.  13 

4)  Die  lateinische  form  Mars  und  die  umbrischen 
Marte,  Marti,  Martier. 
Es  -kommen  nun  diejenigen  bildungen  des  gottesnamens  in 
bet rächt,  bei  denen  ein  t  an  den  einfachen  oder  reduplicirten 
stamm  herangetreten  ist.  Indem  dies  t  im  lateinischen  an  den 
stamm  herantrat,  entstand  die  gangbarste  benennnng  des  got- 
tes:  Mars»  Es  ist  also  zu  untersuchen,  wie  ein  solches  t  als 
affix  oder  als  rest  eines  affixes  im  lateinischen  erscheint  Von 
geringerer  bedentnng  sind  für  den  vorliegenden  zweck  die  falle, 
in  denen  das  t  zur  bildnng  eines  abstrakten  substantivum  aus 
einem  verbalstamm  verwandt  erscheint,  wie  inmor-t,  for-t.  ar-t, 
do-t,  men-t,  gen-t,  weil  sie  die  bedeutung  des  t  in  Mars  nicht 
aufklären.  Besser  für  diesen  zweck  passen  schon  die  beispiele, 
wo  das  t  an  die  verbalwurzeln  sta,  da,  i  herantritt:  Prae-sti-t-es 
(Lares),  Anti-sti-t-es,  super-sti-t-es,  Sacer-do-t-es,  com-i-t-es,  denn 
hier  bezeichnet  das  t  offenbar  die  person.  Von  derselben  art  ist 
das  t,  mittelst  dessen  aus  Ortsnamen  namen  von  personen  d.  h. 
einwohnern  oder  umwohnern  gebildet  erscheinen:  Tuder-t-es, 
Tibor-t-es,  Picen-t-es,  Fiden-t-es,  Fucen-t-es,  Nar-t-es.  Am 
genausten  pafst  aber  für  Mars  ein  beispiel,  wo  das  t  dazu  dient, 
von  einem  vorhandenen  personennamen  einen  neuen  zu  bil- 
den, nämlich  von  dem  namen  des  hausgottes  Lar  den  Vorna- 
men Lar-(t)-s.  Dieser  vorname  stammt  bekanntlieh  aus  Etru- 
rien,  wo  ihn  die  könige  Porsenna  und  Tolumnius  fuhren.  Die 
etrurischen  formen  desselben  sind  Larth,  Larths,  Lart*)  Aus 
Etrurien  wandert  der  vorname  nach  Rom,  wo  ihn  ein  consul 
Lars  Herminius  fuhrt  (Liv.  III,  65).  Von  dem  Vornamen  ist  der 
geschlechtsname  Lartii  gebildet,  der  einem  ursprünglich  etruri- 
schen geschlecht  gehört,  das  seit  Porsennas  zeit  in  Rom  auftritt 
Das  beispiel  Lars  fär  Mars  kann  aber  deshalb  vollständig  als  ana- 
logie  aas  dem  lateinischen  gelten,  weil  die  Römer  alle  ursprüng- 
lich etrurischen  namen,  die  sie  sprachen,  nach  den  gesetzen  ihrer 
lautlehre,  Wortbildung  und  wortbiegung  gestalteten,  sobald  sie  zu 
derselben  nicht  stimmten.    So  wird  Lanchme  zu  Lucumo,  Arnth 


*)  So  am  häufigsten  auf  den  grabinschriften  des  geschlechtes  der 
Fete  Lanzi  Sagg.  di  ling.  Etrasc.  II,  73 ff.  Mit  anderen  Suffixen  gebil- 
det finden  sich  von  demselben  stamme  Laris  und  Larce. 


14  %  CoMMIl 

zu  Aruns,  Tarchofiu  zu  Tarqumius,  Cfelne  zu  Ciloius  u.  a.*)  So 
muß  auch  Lara  neben  den  etruskischen  formen  Lart,  Larth, 
Larths  als  römische  Wortbildung  gelten.  Sind  doch  auch  die  na- 
men  der  Etrusker  Porsenna  und  Tolumnius  in  der  gestalt,  in  wel- 
cher wir  sie  haben,  römische  Wortbildungen. 

Der  gebräuchlichsten  römischen  form  Mars  entspricht  die 
umbrisehe,  von  der  auf  den  Igavinischen  tafeln  nur  die  dative 
Marte,  Marti  vorkommen  in  folgenden  opfer Vorschriften: 

Tab.  Ig.  I,  a.  12:  (Aufr.  und  K.  II,  p.  186)  Marte  Krapuvi 
fetu  ukripe  Fisiu  tutaper  Ikuvina  d.  h.:  Marti  Grabovio  facito 
pro  monte  Fisio,  pro  civitate  Iguvina. 

VI,  b.  1:  Marte  Grabovei  in  demselben  zusammenhange. 

I,  b.  2:  Marte  Hurie  fetu  popluper  tutas  Ijuvinas,  tutaper 
Ikuyina  d.  h.  Marti  Hodio  facito  pro  populo  civitatis  Iguvinae,  pro 
civitate  Iguvina.  (A.  u.  K.  II,  234).    Ebenso 

VI,  b.  43:  Marte  Hone  fetu . .  et  d.  h.  Marti  Hodio  faeüo. 
Endlich: 

II,  a.  11 :  Ahtn  Marti  abrum  perakne  fetu,  von  welcher  for- 
met mit  Sicherheit  die  worte  —  Marti  aprum  —  facito  erkennbar 
sind  (A.  u.  K.  II,  379ff.). 

Aufserdem  findet  sich  ein  dem  lateinischen  Martins  entspre- 
chendes bei  wort  auf  den  Igavinischen  tafeln,  namentlich  häufig 
anf  der  Vorderseite  der  siebenten  als  bejwort  eines  gottes  Cerfua, 
der  durch  dasselbe  dem  Mars  in  irgend  einer  weise  angehö- 
rig oder  untergeordnet  bezeichnet  wird.  Davon  finden  sich  der 
vocativ  Gerfe  Martie,  der  dativ  Cerfe  Martie  und  Cerfe  Marti 
und  der  genitiv  Cerfe[s]  Marlies  und  Cerfer  Martier  (vgl.  Aufr. 
und  Kirchh.  II,  265).  Aufserdem  findet  sich  der  genitiv  in  der 
Verbindung  piquier  Martier,  wahrscheinlich  in  der  bedeutung  pici 
Martii,  wodurch  umbrisch  wie  lateinisch  der  specht  als  heiliger 
vogel  des  Mars  bezeichnet  scheint  (das.  II,  367). 

Ein  anderes  beispiel  dafür,  dafs  im  umbrischen  ein  t  unmit- 
telbar an  eine  nominalwurzel  herangetreten  erschiene,  findet  sich 
nicht,  wie  auch  auf  den  umbrischen  Sprachdenkmälern  kein  auf 

*)  Eine  Zusammenstellung  etrurischer  namen  findet  sich  bei  G.  T. 
Grotefend:  Neues  archiv  für  pbilologie  und  pädagogik  1829  p.  107—112. 
Die  frage,  welche  von  den  dort  aufgeführten  geschlechtsnamen  von 
Etrurien  nach  Rom  und  welche  von  Rom  nach  Etrarien  gewandert 
seien,  ist  noch  nicht  gelöst.  Ich  habe  daher  nnr  einige  von  unzweifel- 
haft ctrurischem  Ursprung  angefahrt 


formen  und  bedeutnngen  des  namens  Mars  in  den  ital.  dialekten.  15 

rt  auslautender  nominalstamm  vorkommt.  Es  zeigen  aber  die 
nrnbrisefaen  ableitungssuffixe:  men,  no,  ro,  to,  klo  (lat.  clo,  colo), 
flo  (lat  bulo),  feie  (lat.  bilis),  tur,  ter  (lat.  tor);  ari,  all,  ano, 
ino,  asio  (lat.  ario)  all,  itia,  io,  iio  (ejo),  ko  (vgl.  Anf.  u.  K.  I, 
162  L)  eine  solche  Übereinstimmung  mit  lateinischen  suffixen,  dafs 
anbezweifelt  Mart  im  umbrachen  ganz  dieselbe  Wortbildung  ist 
wie  im  lateinischen.  Da£s  auch  im  nmbrischen  vor  herantreten 
des  affixes  t  das  s  zu  r  sank,  erhellt  daraus,  dafs  sich  selbst  im 
neuumbrischen  gerade  wie  im  lateinischen  ursprüngliches  s  hielt, 
wo  es  durch  eine  folgende  tenuis  gestützt  ward  z.  b.  esis- co 
(cum  his),  esunes»co,  pesondris-co,  veris-co  (das.  I,  104)  und  die 
2te  pert.  sing,  fut  II.  fust  (faerit),  benust  (venerit)  verglichen 
mit  den  pluralformen  ambre  —  furent  (ambiverint),  benurent 
(venerint).  Dafs  schon  im  altumbrischen  frühzeitig  auslautende! 
s  zu  r  sinken  konnte,  zeigen  passivformen  wie  terkantur,  emantur, 
wo  das  t  aus  dem  s  des  reflexivpronomens  entstanden,  und  der 
nominalstamm  pir  (m>Q)  neben  (vorauszusetzendem)  sanskrit  puvas 
(Aufr.  und  K.  I,  36. 105)'). 

Im  lateinischen  wie  im  nmbrischen  ist  also  das  t  an  den  aus 
Mas  entstandenen  stamm  Mar  unmittelbar  herangetreten  zur  be- 
zeichonng  einer  bestimmten  persönlichkeit. 

Hit  derselben  bedeutung  erscheint  das  t  auch  in  namen,  die 
mit  den  suffixen  ati,  iti  (oder  at,  it?)  et  gebildet  sind.  Hierher 
gehören  die  zahlreichen  völkernamen  auf  ati  wie  Arpinates,  Fide- 
nates,  Attinates  u.  a.,  mit  denen  die  adjectiva  summas,  primas, 
infernas  supernas  in  suffix  und  örtlicher  bedeutung  des  grundwor- 
tes  stimmen.  Umbrisch  haben  dasselbe  suffix  die  völkernamen 
Atiieriate,  Kureiate,  Museiate,  Tarinate  u.  a.  Namen  mit  dem  suf- 
fix iti  sind  Samnites,  Quirites,  Caerites,  Curitis  (Juno)  aus  Samni» 
ites,  Quiri-ites,  Caere-ites,  Curi-itis  von  curia  =  hasta,  woher 
das  i  lang  im  gegensatz  zu  coelites,  alites,  equites  u.  a.  Pott 
(etym.  forsch.  II,  559)  erklärt  das  a  wie  das  i  in  diesen  beiden 
Suffixen  für  die  sanskritwurzel  i  und  ya  (ire).  Möglich,  dafs  auch 
das  suffix  et  in  dem  götternamen  Indig-etes  so  zu  erklären,  dafs 
das  e  desselben  nur  eine  abschw&chung  jenes  i  ist,  und  dafs,  wie 


*)  Dafs  nmbr.  utur=ador  aas  alas  entstanden,  bleibt  zweifelhaft, 
da  ein  adjectivam  adosiosos  fÖr  adoriosas  im  lateinischen  sich  nirgends 
findet,  sondern  von  Th.  Bergk  Comment  de  carm.  Saliarium  relL  pregr< 
1847—1848  p.  3  aus  den  bachsUben  o  dori  eso  gebildet  ist. 


16  Corssen 

Pott  annimmt,  in  Tiburtes,  Camertes,  Fidentes  u.  a.  dieses  i  ganz 
geschwanden  ist  Für  Mars  und  Lars  gilt  dies  aber  deshalb  nicht, 
weil  hier  das  grnndwort  kein  Ortsname,  sondern  ein  personenname 
ist;  hier  ist  das  t  ebenso  anmittelbar  an  den  stamm  getreten  wie 
in  iners,  exspers,  demens  u.  a.  In  allen  diesen  namen  aber  be- 
wahrt das  t,  mag  es  nun  mittelst  einer  verbalwurzel  an  das  grund- 
wort  angefügt  sein  oder  nicht,  die  demonstrative  kraft  der  hin- 
weisung  auf  eine  bestimmte  person,  wie  in  den  griechischen  Suf- 
fixen rrjgf  ny(>,  tOQ.  Ob  jene  Suffixe  auf  dem  boden  der  italischen 
dialekte  die  gestalt  at,  it,  t  oder  mit  vokalischer  deklination  die 
gestalt  ati,  iti,  ti  hatten,  ist  nicht  mit  Sicherheit  zu  erkennen. 
Die  ablative  sing,  auf  e  in  Arpinate,  Samnite,  Marte,  parte  spre- 
chen für  die  erste,  die  genitive  auf  ium  in  Arpinatiam,  Qairitinm, 
partium  für  die  zweite  annähme. 

Nachdem  somit  das  simplex  Mars  erklärt  ist,  mufs  die  erör- 
ternng  des  compositum  Marspiter,  die  oben  nicht  zu  ende  gebracht, 
wieder  aufgenommen  werden  Dafs  und  warum  dieses  eine  mi£s- 
bildong  sei,  ist  bereits  nachgewiesen.  Es  steht  wesentlich  auf 
einer  stufe  mit  solchen  schon  im  sogenannten  silbernen  Zeitalter 
der  lateinischen  spräche  hervortretenden  Wortbildungen  wie  ra- 
muscnlos,  domuscula,  lacoscalus,  wo  das  suffix  ganz  anorganisch 
an  die  nominative  ramus,  domus,  lacus  gehängt  ist.  Zu  diesem 
mifsgriffe  verleiteten  Wortbildungen  wie  corpuscalum,  mnnuscu- 
lam,  musculus,  pluscalum  u.  a.,  wo  dasselbe  suffix  culo  an  den 
wortstamm  trat,  den  man  falsch  als  norainativ  fafste.  Man  kann 
also  Marspiter,  wenn  es  nicht  blofs  verschrieben  ist,  nur  ansehen 
als  eine  art  erklärende  form  für  Maspiter,  in  der  statt  der  alten 
ans  dem  sprachbewufstsein  geschwundenen  form  Mas  die  gebräuch- 
liche Mars  eingeschmuggelt  wurde,  um  die  bedeutung  des  wortes 
wieder  deutlicher  zu  bezeichnen.  So  entstand  zwischen  Maspiter 
und  Marspater  die  zwitterform  Marspiter.  Aus  dem  bestreben  be- 
deutung und  abstammung  eines  compositum  wieder  zu  verdeutli- 
chen scheint  es  hervorgegangen  r  wenn  spätere  Schriftsteller  die 
organische  abschwächung  des  a  zu.  e  oder  i  in  der  Zusammen- 
setzung von  verben  mit  präpositionen  unterlassen,  wie  in  deha* 
beo,  desacro,  in&rcio,  obcanto,  peranno,  praecarpo,  praejacio  u.  a., 
eine  sehr  übel  angebrachte  etymologische  reflexion,  welche  die 
unmittelbare  sprachschöpfung  meistern  wollte  ohne  einsieht  in 
das  wesen  derselben. 


formen  und  bedeutungen  des  namens  Mars  in  den  itai  dialekten.  17 

5)  Die  lateinische  form  Mavors  und  Mavortius  pater. 
Was  über  die  bildung  der  formen  Marmor  und  Mars  gesagt 
ist  findet  bei  der  erklärung  der  form  Mavors  anwendung.  Wie 
an  den  einfachen  stamm  Mar  das  suffix  t  herantritt,  so  ist  es  an 
den  redaplicirten  stamm  Marmor  gefugt,  und  nach  dem  herantre- 
ten desselben  schwand  das  r  vor  m  ebenso  wie  in  Mamurius.  So 
entstand  die  vorauszusetzende  form  Mamors  und  durch  sinken  des 
zweiten  m  zu  v  Mavors.  Doch  die  möglichkeit  dieses  consonan- 
tenwechsels  bedarf  noch  eines  beweises.  Für  ein  unmittelbares 
umschlagen  des  m  zu  v  im  inlaut  lateinischer  Wörter  weifs  ich 
kein  beispiel.  Daher  nehme  ich  an,  dafis  zunächst  das  m  zu  b 
ward  wie  in  hibernus  ans  hiems,  skr.  hima,  griech.  ^etpcoV  (Pott 
I,  141)  und  in  der  von  Festus  aufbewahrten  form  dubenus  für 
dominus  verglichen  mit  sanskr.  dama,  griech.  dopog,  depoo,  goth. 
timrjan  (Pott  I,  261).  Dann  erweichte  'sich  das  b  zu  v.  Die 
Verwandtschaft  dieser  beiden  laute  ist  bekanntlich  so  nah,  dafs 
sie  in  der  schritt  älterer  Sprachdenkmäler  häufig  verwechselt  wer- 
den (Schneider  lat.  gramm.  I,  227).  Für  den  vorliegenden  zweck 
genfigt  es  einige  sichere  fälle  beizubringen,  wo  b  zwischen  zwei 
vocalen  im  inlaut  zu  v  sank.  So  steht  Fovii  neben  Fabii  (Fest.), 
Sevini  neben  Sabini,  Sabus  (Plin.  H.  N.  III,  12)  Avella  neben 
Abella  aus  Aperula  d.  h.  Eberstfidt,  wie  Atella  aus  Aterula  (osk. 
aderl . . .  Mommsen:  die  unteritalischen  dialekte  p.  245)  d.  h. 
Schwarzburg,  Stovenses  neben  Stobenses  Stobi.  Im  späteren  la- 
tein  findet  sich  auch  lavor  statt  labor,  manu  via  statt  mannbia 
(Schneider  a.  a.  o.)  und  ähnliches*).  Dafs  also  in  Mavors  das 
ursprüngliche  m  durch  die  mittelst ufe  b  zu  v  abgeschwächt  wer- 
den konnte,  wird  man  wohl  zugeben.  Es  läfet  sich  auch  ein 
grund  dafür  angeben,  nämlich  die  auch  im  lateinischen  nicht  sel- 
ten hervortretende  neigung  der  spräche  gleichen  coosonantischen 
anlaut  zweier  auf  einander  folgenden  silben  durch  dissimilation 
der  consonanten  zu  vermeiden**)  Im  lateinischen  trifft  diese 
Wandlung  den   consonanten   entweder    an  der    ersten   oder   an 


*)  Bei  rabula,  ravas,  Cebenna,  Cevenna,  loberna,  Iaverna,  Sabio, 
Savio  wage  ich  nicht  zu  bestimmen,  ob  b  oder  v  ursprünglich  war; 
ebenso  bei  fribolns,  frivolos. 

**)  Pott,  etjm.  forsch.  II,  66 ff.  hat  die  ausgebreitete  Wirksamkeit 
dieser  dissimilation  in  den  indogermanischen  sprachen  durch  eine  reiche 
beispielsammlnng  erhärtet 

IL    1.  2 


18  Corasen 

der  aweiten  stelle;  dann  schlägt  derselbe  entweder  in  einen  an- 
deren consonanten  derselben  lautföhigkeit  um.  So  tritt  tennis 
für  tenois  ein  in  Otricoli  für  Ocricoli  (von  ocris=mons),  me- 
dia für  media  in  Bedriacom  für  Bebriacam  (vergl.  Ligures  Be- 
biani  und  bebra  wurfspiefs),  liquida  für  liquida  in  Parilia  für  Pa- 
lilia  (fest  der  Pales),  caerulens  für  caelnlens  (von  caelnm).  So 
tritt  ein  and  dasselbe  suffix  in  der  gestalt  alis  an  die  auf  r,  in  der 
gestalt  aris  an  die  auf  1  auslautenden  nominalstämme  z.  b.  con- 
sularis,  collaris,  talaris,  oeuiaris,  alaris  u.  a.,  hingegen  rnralis,  rau- 
ralis,  augaralis,  corporalis,  pectoralis,  am  den  gleichen  anlaat  der 
beiden  letzten  silben  zu  vermeiden.  Oder  der  eine  der  beiden 
consonanten  trübt  sich  zu  einem  anderen  desselben  organes.  So 
wandelt  sich  der  Zungenlaut  in  meridies  für  medidies  und  deli- 
cavit  für  dedieavit  (Fest.  p.  73);  der  kebllaut  in  jugulum  für  gu- 
gulum;  der  lippenlaut  in  dem  flulsnamen  Fab&ris  neben  Farförus 
(indem  das  r  wie  in  pejero,  susum,  Mavors  u.  a.  schwand).  Einen 
beleg  für  die  dissimilation  des  m  zu  b  und  v  bietet  ein  aus  dem 
lateinischen  in  andere  sprachen  übergegangenes  rednplicirtes  wort, 
nämlich  Iah  marmor,  franz.  marbre,  engl,  marble,  ungarisch  mär- 
väny  (Pott  II,  97).  So  ist  also  auch  das  v  in  Mavors  aas  m 
durch  dissimilation  entstanden.  In  derselben  bedeutung  wie  Marti 
patri  steht  auf  einer  römischen  inschrift  auch  Mavortio  patri 
(Orelli  €.  I.  1348  vgl.  1347).  Die  in  einer  restituirten  Tnscula- 
nischen  inschrift:  M.  Fourio  C.  F.  Tribunos  militare  de  praidad 
Mavrte  dedet  (Mommsen  p.  276)  vorkommende  form  Mavrte  ist 
schwerlich  mehr  als  verschrieben  für  Mavorte.  Der  aasfall  des 
o  und  das  herantreten  des  v  an  den  folgenden  consonanten  ist 
wenigstens  lateinischen  lautgesetzen  nicht  gemäfe.  Denn  in  com- 
positis  schwindet  das  v  zwischen  zwei  vocalen  vor  folgendem  o 
z.  b.  de-orsum,  se-orsnm  und  dann  verschmolzen  die  vocale  in 
der  regel  wie  z.  b.  in  malo,  prorsus,  rursus  u.  a.  Jedenfalls  ist  jene 
inschrift  nicht  zuverlässig  genug,  am  auf  sie  Schlüsse  zu  gründen. 

6)  Die  form  Mamers  im  oskischen  und  sabinischen 
dialekt. 
Die  oskische  form  des  gottesnamens  ist  Mamers  (Fest.  p.  131 
Muell.  Diod.  XXI,  p.  493  Wess.)  und  von  ihr  gebildet  sind  die 
osk.  adjeetivformen  papegzwo =Mamertiua,  /ua^TwotTi' =Mamer- 
tinorum  (Mommsen  p.  276),  der  name  der  bruttischen  stadt  Map%Q- 
rwr  (Strabo  VI,  l.  9)  und  der  osk.  vorname  Mamercos.    Es  ist 


formen  und  bedentungen  des  namens  Mars  in  den  ital.  dialekten.  19 

klar,  daÜB  man  auch  bei  der  erklärung  von  Mamers  auf  die  redu- 
plicirte  grundform  Mannar  zurückzugehen  hat,  und  ea  fragt  sich, 
ob  auch  nach  oakiachen  lautgeaetzen  1)  das  sinken  des  a  zn  e, 
2)  die  abschwächang  eines  ursprünglichen  s  za  r,  3)  das  gänz- 
liche achwinden  desselben  vor  m,  4)  das  herantreten  des  Suffixes 
t  erklärt  werden  kann.  Um  den  ersten  pnnkt  zu  erläutern  muls 
die  lateinische  lautlehre  zu  hülfe  gezogen  werden.  In  Mamers 
liefae  sich  die  abschwächang  des  a  zu  e  in  der  zweiten  ailbe  nach 
lateinischem  lautgesetz  auf  doppelte  weise  erklären,  je  nachdem 
man  sich  dieselbe  vor  oder  nach  dem  herantreten  des  aüßxes  t  an 
den  stamm  eingetreten  denkt.  Im  letzten  falle  bewährte  sich  auch 
an  Mamers  die  bekannte  abschwächung  des  a  zu  e  in  geschlosse- 
ner silbe,  wenn  durch  reduplication  oder  compositum  das  wort 
einen  vorsalz  erhält  und  somit  eine  Verminderung  des  tones  der 
Stammsilbe  eintritt  z.  b.  in  der  compositum  mit  pronomen  expers, 
coerceo,  condemno,  Antemnae  (d.  h.  ante  amnem  sitae)  mit  der 
negativen  partikel  in:  inermis,  iners,  indemnis,  ineptus,  mit  Zahl- 
wörtern: biennium  Iriennium  u.  s.  w.  und  in  der  composition  von 
zwei  Substantiven:  Lup-ercus  (Lupum-arcens);  ebenso  bei  der 
reduplication  von  verbalstämmen  z.  b.  fefelli  peperci.  Es  lädt 
sich  aber  zweitens  auch  denken,  dafs  das  a  in  Marmar  sich  vor 
dem  herantreten  des  t  an  den  stamm  zu  e  schwächte,  da  auch  in 
offener  silbe  vor  oder  nach  r  in  der  lateinischen  composition  und 
reduplication  dasselbe  statt  findet  z.  b.  Gradior  ingredior,  pario, 
reperio,  peperi.  Die  besten  belege  dazu  geben  zwei  reduplicirte 
auf  r  auslautende  stamme,  nämlich  farfarus  (der  huflattich),  wo- 
für auch  farferus  vorkommt,  und  lat.  carcer  neben  griech.  xctQxa- 
qov.  Die  neigung  den  vorhergehenden  vocal  zu  e  zu  schwächen 
zeigt  das  r  auch  sonst  im  lateinischen.  So  erscheint  es  aus  u  ab- 
geschwächt in  Veneris,  generis,  foederis  u.  a.  neben  Venus,  genus, 
foedus  und  in  der  composition  pejero  neben  perjurium,  aus  i  ent- 
standen in  teg-e-ris  (aus  teg-i-s-i-s)  neben  teg-i-tur.  Dieser 
Zuneigung  des  r  zu  e  ist  es  auch  zuzuschreiben ,  wenn  das  e  in 
zusammengesetzten  verben  vor  r  unverändert  bleibt  z.  b.  congero, 
aufero,  desero,  detero,  während  es  sich  sonst  zu  i  schwächt  z.  b. 
diligo,  adimo,  erigo,  contineo  u.  a.  Da  auch  in  Marmor  die  vo- 
calschwächung  der  zweiten  silbe  vor  herantreten  eines  t-suffixes 
eingetreten,  so  scheint  es  angemessener,  auch  für  Mamers  die 
zweite  der  beiden  angeführten  erklärungen  anzunehmen  und  sieh 
das  t  erst  an  die  form  Marmar  herangetreten  zu  denken. 

2* 


20  Corasen 

Da  sich  nun  aber  auf  oskischen  Sprachdenkmälern  kein  schla- 
gendes seitenstück  zu  Mamers  findet,  so  müssen  die  fälle  in  be- 
traeht  gezogen  werden,  wo  das  oskische  e  als  abschwächang  an- 
derer vocale,  namentlich  eines  ursprünglichen  a  erscheint*)  Wur- 
zelhaÜes  a  ist  im  oskischen  zu  e  gesunken  in  folgenden  fallen: 
ofik.  mefiai  entspricht  umbr.  mefa,  griech.  t**Gog,  lat.  medius,  skr. 
madhja.  Osk.  Vereorei,  lat.  Versori,  als  beiname  des  Jupiter, 
steht  neben  voraus  (ein  oskisches  ackermafs)  wie  lat.  vertere  ne- 
ben vortere,  umbr.  ku vertu,  junger  coverto,  =  convertito  neben 
kuvurtust  =  converterit  von  der  sanskritwurzei  vart  Osk.  petora 
ist  umbr.  petur  (in  petur — pursus  =  quadrupedibus)  lat,  quatuor, 
skr.  catur;  osk.  dekmanniois  =  deenmanis  und  der  oskische  name 
Decimius  sind  adjeetive  von  der  oskischen  zehnaahl  gebildet.  Dem 
entsprechen  umbr.  desen-duf=:duo-decim,  tekuries,  jünger  de- 
qurier  =  deenriis,  lat.  decem,  griech.  dexa,  goth.  taihun,  skr.  da- 
$an;  osk.  knmbened  =  convenit,  cebnust  =  venerit,  umbr.  bennst, 
benurent,  benuso,  latein.  venire,  goth.  quiman  stammen  von  der 
sanskritwurzei  gam  (Pott  I,  260),  osk.  estud  =  esto  von  sanskrit* 
wurzel  as  (sein),  vgl.  umbr.  est;  anter  ist  lat.  inter,  skr.  antar. 
In  em-bratur  imperator  ist  die  oskische  praposition  en,  zu  em  as- 
similirt,  gleich  umbr.  en  (z.  b.  en-tentu),  griech.  «V  und  dra, 
goth.  ana.  In  per-temust  ist  die  osk.  praposition  per,  latein.  per, 
umbr.  per  (z.  b.  ahtis-per,  per-naiaf)  auf  sankr.  pari  zurückzu- 
führen. 

Ursprüngliches  a  eines  Suffixes  wird  oskisch  zu  e  in  folgen- 
den fallen:  das  comparativsufGx  skr.  tara  sinkt  osk.  zunächst  zu 
türü  (d.  h.  toro)  z.  b.  puturuspid  =  uterque  und  putiiru  . . .,  dann 
weiter  zu  tero,  wie  in  osk.  potereipid  und  lat.  al-tero,  griech. 
i-t8Q0.  Schliesslich  fiel  das  e  in  der  deklination  ganz  aus  z.  b. 
osk.  alttrei  =  alteri,  alttram  =  alteram ,  minstreis,  mistreis,  der 
form  nach  =  ministri,  dem  sinne  nach  minoris,  wie  im  lat  utrius, 
neutrum  u.  a.,  umbr.  e-traf,  hu-tra,  mes-tru,  pu-tres  (Aufr.  u. 
Kirchh.  I,  67).  Griechisches  a  von  'HQcudijg  ist  oskisch  zu  e  ge- 
sunken in  Herekleis,  Herekloi;  lateinisches  a  von  Italia  ist  oskisch 
zu  e  gesunken  in  Vitelio,  name  der  stadt  Corfinium  zur  zeit  des 

*)  Dies  ist  um  so  mehr  nöthig,  da  Mommsen  in  der  oskischen 
lautlehre  diese  und  ähnliche  Untersuchungen  nicht  angestellt  hat  Die 
erkenntnifs  der  ambrischen  laullehre  ist  in  dieser  hinsieht  durch  Aufr. 
und  Kirchhof?  schon  viel  weiter  vorgerückt  durch  masterhafte  Unter- 
suchungen über  die  genesis  der  vocale,  sowie  über  die  pathologie  der 
vocale  und  consonanten. 


formen,  and  bedeatangen  des  namens  Mars  in  den  ital.  dia leiten.  21 

bundesgenossenkrieges  (Mommsen  p.  260).  In  der  flexion  des  ver- 
bum  sinkt  ursprüngliches  a  zu  e  in  folgenden  fällen:  In  der  oski- 
schen  3ten  pers.  sing.  conj.  präs.  sta-iet  entspricht  das  ie  dem 
ja  des  skr.  potent ialis  der  zweiten  conjogationsklasse,  das  sich 
im  nmbrischen  ia  bewahrt  hat  z.  b.  aseria-ia[m],  porta-ia[t]  =s 
portet,  eta-ians=i  itent  (Anfr.  n.  K.  I,  141),  während  im  oskischen 
wie  im  lateinischen  sies,  sient,  siet  das  a  zn  e  sank.  Aus  a  ab- 
geschwächt ist  das  e  im  oskischen,  wo  der  wurzelvocal  a  war, 
in  der  redaplicationssilbe,  so  in  deded  =  dedit  neben  dat  von  Wur- 
zel da,  fefacust  =  fecerit  (fnt.  II),  fepaeid  =  fecerit  (perf.  conj.??) 
neben  faetnd  =  facito.  Umbrisch  findet  dasselbe  statt  in  fernst = 
dederit  von  wnrzel  da,  8estu=sisto,  sesnst  =  stiterit  von  sanskrit- 
worzel  sthä  lat.  sta,  pepnrknrent  von  sanskritwurzel  prach  n.  a. 
bei  Aufr.  u.  K.  I,  43,  vgl.  146;  im  lateinischen  ebenso  cecidi,  te- 
ligi,  pepigi  n.  a.  von  den  stammen  cad,  tag,  pag. 

Auf  dem  boden  der  italischen  dialekte  tritt  e  vor  liquiden, 
meist  in  suffixen,  im  oskischen  nicht  selten  neben  oskisch,  latei- 
nisch, umbrisch  u  und  o  anf,  und  ist  dann  ab  abschwächung 
dieser  vocale  anzusehen.  So  osk.  famel,  famelo  neben  lat  famu- 
lns  (familia),  zicel  neben  zicolom,  zicolois,  ziculud,  comenei  ne- 
ben comonei,  comonom,  comono.  Aehnlich  steht  nmbr.  ti$el,  ka« 
tel  neben  lat.  catolus  (Anfr.  u.  K.  I,  p.  43).  Die  3te  pers.  pass. 
zeigt  im  osk.  ter  als  affix,  wo  im  lat.  tur,  tor,  nmbr.  tur.  So 
osk.  vinkter  =  vincitur  oder  vincitor,  sakarater  =  sacrator  (nicht 
res  sacra  fit,  wie  Mommsen  bei  erklärung  der  weiheinschrift 
von  Agnone  p.  128  übersetzt),  sakahiter  3te  pers.  sing.  conj.  präs. 
von  einem  osk.  verbam  saka-nm,  der  a-conjugation  angehörig, 
dem  der  form  nach  ein  lateinisches  sancare  entsprechen  würde, 
der  bedeutung  nach  sancire  entspricht  Umbrisch  3te  pers.  plur. 
conj.  präs.  pass.  terkantur,  emantur.  Da  die  erklärung  dieser 
oskischen  formen  insofern  noch  nicht  zweifellos  ist,  als  bei  ein- 
zelnen noch  nicht  erwiesen,  ob  man  sie  als  indicative  oder  als 
imperative  anzusprechen  hat,  so  mufs  die  frage  hier  noch  ruhen, 
in  welchen  von  ihnen  ein  ursprüngliches  a  erst  zu  u  oder  o  und 
dann  weiter  zu  e  geschwächt  ist.  Die  oskische  o  -  declination  bil- 
det ihren  genitiv  auf  eis  und  den  locativ  auf  ei.  In  beiden  fäl- 
len ist  der  ableitungsvocal  ti=o,  der  sich  in  den  übrigen  casus 
dieser  declination  erhalten  hat  zu  e  gesunken.  Vgl.  suveis=sui, 
tereis= terrae,  terei=in  terra  mit  hortoi=:horlo  (dat),  aragetud 
=  argento,  degetasios=dictatores  (nom.  pl.)9  abellanum=Abeiia- 
norum,  abellanois=:Abellanis. 


22  Corssen 

Ans  i  entstanden  ist  e  in  amfr-et  =  anibit;  hier  gestaltet  sieh 
die  wurzel  i  gehen  osk.  zu  e  wie  im  Iat.  eo,  eunt  und  im  nmbr. 
fast  immer  z.  b.  etu  =  ito,  eneto  =  inito,  upetn  =  obito,  amprehtu, 
apretn  =  ambito,  etaians  =  itent.  Dafs  im  oskischen  wie  im  la- 
teinischen ein  folgendes  r  ein  vorhergehendes  i  zu  e  schwächen 
konnte  zeigt  die  form  Ninmeriis  =  Nnmerins  neben  Niumsieis  = 
Nnmerii.  Ans  der  ursprünglichen  form  des  namens  .Niumiaiis 
ward  nämlich  entweder  durch  sinken  des  s  zu  r  zwischen  zwei 
▼ocaten  Ninmeriis  oder  das  i  ward  vor  s  unterdrückt  etwa  wie 
in  Pupdiis  neben  Pupidiis,  und  dann  bekam  das  s  halt  durch  das 
vorhergehende  m  und  blieb  in  Niumsieis. 

Die  häufige  abschwächung  eines  ursprünglichen  a  zu  oskisch 
e  bewährt  sich  also  auch  in  Mamers  neben  den  lateinischen  for- 
men Marmor,  Mavors,  Mamurius,  wie  in  den  oskischen  passivfor- 
men auf  ter  neben  den  lateinischen  und  nmbrischen  auf  tur  und 
tor.  Oben  ist  gezeigt,  wie  im  oskischen  das  comparativsufißx  tara 
sich  erst  zu  toro  dann  zu  tero  schwächte  und  wie  auch  sonst 
das  oskische  e  als  Schwächung  eines  italischen  u  und  o  erscheint. 
So  wird  man  auch  das  oskische  e  in  Mamers  als  eine  stärkere  ab« 
Schwächung  des  ursprünglichen  a  von  Marmar  anzusehen  haben 
wie  das  lateinische  o  und  u  in  Marmor,  Mavors,  Mamurius. 

Es  sollte  zweitens  untersucht  werden,  ob  ein  sinken  eines 
auslautenden  s  zu  r,  wie  es  oben  für  das  lateinische  Marmar, 
Marmor  nachgewiesen  ist,  auch  nach  oskischen  lautgesetzen  ge- 
rechtfertigt werden  kann.  Es  ist  behauptet  worden,  im  oskischen 
sänke  s  nie  zu  r.  Wäre  dem  so,  dann  müfste  man  annehmen, 
dais  der  oskische  dialekt  den  ursprünglichen  stamm  von  Mamers 
Mas  nicht  gehabt,  sondern  ihn  erst  in  der  gestalt  Mar  oder  re- 
duplicirt  Marmar  überkommen  habe.  Denn  dafs  namen  in  einem 
dialekt  nach  dessen  besonderheiten  gebildet  und  in  schwesterdia» 
lekte  fertig  übertragen  werden,  ist  nichts  seltenes.  Aber  jene  be- 
hauptung  ist  unrichtig*)  und  um  das  darzuthun,  ist  es  nöthig 

*)  Mommsen;  die  unterital.  dial.  p.  236,  359  behauptet,  der  rkota- 
cismu8  sei  dem  osk.  völlig  fremd,  p.  225  mufs  er  doch  alle  anerkennen, 
wo  er  eingetreten  ist,  und  dann  schliefst  er,  da  der  rhotacismus  dem 
oskischen  fremd  sei,  so  könne  im  oskischen  so  wenig  wie  im  lateini- 
schen das  schließende  r  der  passiv  formen  aus  dem  8  des  reflexivprono- 
mens  3ter  person  entstanden  sein.  Schwerlich  wird  jemand  dieser 
schlnfsfolge  beistimmen,  um  darauf  hin  ein  sicheres  ergebnifs  der  ver- 
gleichendes Sprachforschung  zu  verwerfen. 


formen  und  bedeatangen  des  namens  Mars  in  den  ital.  dia leiten.  28 

das  oskische  s  an  den  stellen  zn  beobachten,  wo  es  im  lateini- 
schen zu  r  sinkt,  nämlich  im  inlaut  zwischen  zwei  vocalen  und 
im  anslaut. 

Für  alle  fälle,  wo  sich  oskisches  s  zwischen  zwei  vocalen 
gewahrt  hat,  finden  sich  analogieen  aus  dem  lateinischen  und  um* 
brischen.  Für  wurzelhaftes  s  in  dieser  Stellung  findet  sich  nur 
ein  beispiel  nämlich  osk.  aasai  (dativ),  dem  altlat  asa,  altumbr. 
und  neuumbr.  asa  entspricht  Im  suffix  bleibt  das  s  zwischen 
fcwei  vocalen  in  FJu-usai  =  Florae  und  flusare  =  florali.  Hier  hat 
das  lateinische  das  ursprüngliche  s  nur  im  auslaut  von  flos  ge- 
wahrt, wo  das  nackte  thema  als  nominativ  steht,  sonst  zu  r  sin* 
ken  lassen.  Das  oskische  adjectivsuflix  asio  in  degetasis,  vereha- 
sioi,  purasiai,  fluusasiais  findet  sich  im  altombrischen  kurclasiu, 
plenasier,  sestentasiarum,  urnasiarnm  nnd  auch  im  lateinischen, 
wenn  auch  selten:  Vespasius  Vespasianus,  amasins,  amasio. 

Ursprünglich  zwischen  zwei  vocalen  stehendes  s  hält  sich  im 
oskischen  wie  im  neuumbrischen  und  neulateinischen,  wenn  einer 
der  beiden  vocale  ausfällt  und  sich  das  s  nun  an  einen  consonan- 
ten  anlehnt.  Daher  hat  sich  das  8  von  der  dten  pers.  conj.  des 
verbum  substantivum  set  =  sit  gehalten,  wo  bei  der  verbalbildung 
das  e  hinausgedrängt  ist  z.  b.  fu-st«  dicu-st.  hipu-st,  pruhipu-st, 
während  es  im  lateinischen  in  den  entsprechend  gebildeten  for- 
men fuerit,  dixerit,  habuerit,  prohibuorit  zu  r  sank,  weil  die  bei- 
den vocale  sich  hielten.  Ganz  auf  einer  stufe  mit  diesen  oski- 
schen formen  stehen  die  neuumbrischen  singularformen  fu-st, 
benu-st,  covorta-st,  während  die  pluralformen  wie  benu-rent, 
faku-rent,  ambrefu-rent  schon  im  altumbrischen  aus  demselben 
gründe  wie  die  lateinischen  venerint,  fecerint,  ambiverint  ihr  s 
zwischen  zwei  vocalen  zu  r  sinken  lassen.  Eine  entsprechende 
oskische  pluralform  ist  uns  leider  nicht  aufbewahrt.  Jene»  oski- 
sche a  konnte  vor  einer  tenuis  ebensowenig  zu  r  sinken,  wie 
oben  im  lateinischen  und  umbrischen  nachgewiesen  ist.  Daher 
bewahren  es  oskisch  und  lateinisch  minstreis  =  ministri  aus  min- 
us-tero.  mit  doppeltem  comparativsuf&x  gebildet  neben  lat.  minor 
und  oskisch  kvaisstur  =  quaestor  neben  lat.  quaero. 

Wie  der  folgende  consonant  oft  der  rettungsanker  des  s  ge- 
worden ist,  so  konnte  es  im  oskischen  auch  ein  vorhergehender 
werden,  wenn  der  vocal  zwischen  diesem  und  dem  s  wegfiel.  So 
bewahrte  osk.  opsannam  (aus  opsandam)  =lat.  operandam  das 
ursprüngliche  s  von  opus*  indem  sich  nach  dem  ansfall  des  vor- 


24  Corssen 

hergebenden  e  das  s  an  das  p  lehnte.  Dafs  dies  richtig  ist,  ja 
dafs  das  oskische  in  einem  und  demselben  wort  beide  wege  ein* 
schlagen  konnte,  zeigt  die  schon  oben  erwähnte  form  Niumsieis 
neben  Niumeriis,  von  denen  die  erste  von  der  ursprünglichen  form 
Niumisio  das  s  rettete,  indem  der  vorhergehende  vocal  ausfiel,  die 
zweite  das  s  zwischen  zwei  vocalen  zu  r  sinken  liefs,  welches, 
dann  das  vorhergehende  i  zu  e  schwächte,  wie  das  lateinische 
Numeriu8  aus  Numisius  entstanden  ist.  Auch  das  lateinische 
athlägt  denselben  doppelten  weg  ein.  In  den  alten  perfektformen 
faxint  =  fac-sint,  axint  =  ag-sint  hielt  sich  das  ursprüngliche  s 
von  sint  an  den  vorhergehenden  consonanten  gelehnt,  in  den  ge- 
wöhnlichen formen  fecerint,  egerint  sank  das  s  zwischen  den  bei- 
den vocalen  zu  r. 

Dafs  das  s  auch  im  oskischen  zwischen  zwei  vocalen  leicht 
eine  Schwächung  erleidet,  zeigt  sein  Übergang  in  z  in  fallen,  wo 
es  umbrisch  und  römisch  zu  r  sank.  So  im  oskischen  pronomen 
izik,  umbr.  erek,  altosk.  eiso,  neuosk.  eizo,  umbr.  eru,  so  in  der 
form  der  a-conjugation  censazet,  dessen  zet  aus  set  geworden  ist 
=  lat.  censuerit.  Der  gen.  plur.  der  a-declination  ist  aus  einem 
ursprünglicken  asum  osk.  zu  azurn,  umbr.  und  lat.  zu  arum  ge- 
worden. Bei  Aufrecht  und  Kirchhoff  (1, 108)  ist  vortrefflich  nach- 
gewiesen, dafs  in  diesem  sinken  des  s  zu  z  das  oskische  mit  dem 
gothischen  gleichstehe  und  dafs  das  z  einen  sanfteren  laut  ge- 
habt haben  müsse,  der  den  Übergang  des  s  in  r  vorbereitet  habe. 
In  der  form  Niumeriis  zeigt  sich,  dafs  dieser  Übergang  wirklich 
erfolgen  konnte. 

Dafs  auch  im  auslaut  s  zu  r  sinken  konnte,  zeigen  die  pas- 
sivformen vincter,  sacarater,  sakahiter,  lamatir,  deren  r  wie  im 
latein.  passivum  und  in  den  umbr.  passivformen  emantur  terkan- 
tur  aus  dem  s  des  pronomen  reflexivum  dritter  peroon  entstan- 
den ist,  wie  die  vergleichende  Sprachforschung  überzeugend  dar- 
getban  hat.  Weiter  unten  wird  auch  aus  dem  sabinischen  dialekt 
ein  beispiel  einer  ähnlichen  passivbildung  beigebracht  werden. 
Hier  ist  also  pronominales  s  im  auslaut  zu  r  geschwächt;  dafs 
wurzelhaftes  s  dasselbe  erlitten,  dafür  geben  die  oskischen  denk- 
mäler  kein  beispiel,  aber  auch  ebenso  wenig  eines,  in  welchem 
ein  solches  s  sich  gehalten  hätte. 

Da  man  also  zugeben  mnfs,  dafs  das  sinken  des  s  zu  rsich 
im  umbrischen,  oskischen,  lateinischen  und  sabinischen  dialekt 
unter  denselben  lautlichen  bedingungen  findet,  nur  dafs  es  im 


formen  and  bedeutungen  des  namens  Mar*  in  den  ilal.  dialekten.  35 

neuumbrischen  am  weitesten  am  sich  gegriffen  hat,  weniger  im 
altombrisehen  und  lateinischen,  am  wenigsten  im  oskischen  und 
sabinischen ,  dafs  ferner  in  jedem  dieser  dialekte  sowohl  bei  ver- 
schiedenen Wörtern  zu  derselben  zeit  als  bei  demselben  wort  zu 
verschiedenen  Zeiten  Schwankungen  statt  gefunden  haben,  so  ist 
auf  dem  boden  des  oskischen  die  entstehung  einer  form  Mar  aus 
Mas  erklärlich,  obgleich  man  aus  den  wenigen  auf  uns  gekomme- 
nen oskischen  sprachdenkmalern  nur  das  sinken  auslautenden  pro- 
nominalen 8  zu  r  durch  beispiele  belegen  kann. 

£s  wäre  drittens  ein  beispiel  aus  dem  bereich  der  oskischen 
spräche  nachzuweisen,  wo  t  als  suffix  oder  rest  eines  Suffixes  an 
einen  auf  r  auslautenden  stamm  so  tritt,  wie  in  Mamers  anzu- 
nehmen, und  oben  für  Mars  erwiesen  ist.  Ein  solches  beispiel 
bieten  indefs  die  oskischen  Sprachdenkmäler  nicht.  Allein  mau 
überblicke  nur  die  oskischen  suffixe,  die  hier  nur  nach  ihrer  äafse- 
ren  gestaltung  übersichtlich  zusammengestellt  werden  mögen:  a, 
o*  i;  men  (in  mento),  imo;  no,  ano,  ino,  inio,  onio;  ulo,  clo,  ilio; 
ro,  ri,  erio,  irio,  erno;  asio,  isio,  ivo,  iio  =  aiio  =  eia  (lat~  ejus, 
eja,  vgl.  Aufr.  u.  K.  I,  24, 163  umbr.  iio)  io;  co,  ico$  to,  tur,  ter, 
iio,  toro  =  tero,  ati,  ato,  atio,  atu,  eta,  etio,  itio.  Jedes  dieser 
einfachen  oder  mehrfaltigen  suffixe  findet  sich  im  lateinischen. 
Man  ist  daher  berechtigt  anzunehmen,  dafs  auch  das  herantreten 
eines  t  an  einen  stamm  wie  mar  der  oskischen  Wortbildung  ebenso 
angemessen  ist  wie  der  lateinischen. 

Von  dem  Wegfall  eines  s  oder  daraus  entwickelten  r  vor  m, 
der  in  Mamers  anzunehmen  ist,  findet  sich  zwar  kein  weiteres 
beispiel;  aber  dafs  der  oskische  dialekt  die  Verbindung  sm  rm 
nicht  liebte,  geht  daraus  hervor,  dafs  sich  für  dieselbe  ebenfalls 
kein  beispiel  findet*).  Es  wird  also  wohl  nicht  gewagt  erschei- 
nen auch  für  das  oskische  Mamers  den  Wegfall  eines  aus  s  ent- 
standenen r  ebenso  anzunehmen  wie  für  die  lateinische  form  des 
namens  Mamarias  und  Mavors,  zumal  da  reduplicationssilben  über- 
haupt leicht  Verstümmelungen  und  abschwächungen  ausgesetzt  sind. 

Auch  bei  den  Sabinern  war  die  namensform  Mamers  hei- 
misch,  ebenso  wie  der  name  Mamercus  (Varro  1.  1.  V,  §  73.) 


*)  Mommsen  liest  tab.Bantin.  16  posmom,  doch  die  lesart  ist  sehr 
unsicher,  da  Lepsius  Inscr.  Umbr.  et  Ose.  Commentat.  dos  mo  XX 
liest  and  die  erklärong  des  Zusammenhanges  der  stelle  noch  im  argen 
liegt. 


26  Cornea 

Denn  Mamercus  heifst  ein  söhn  des  Sabinen  Numa,  von  dem  die 
Mamerci  Aemiiii  ihren  namen  herleiten  (Plut  Numa  8.).  Wenn 
aber  die  Marcii  ein  satanisches  geschlecht  genannt  werden,  (Plut. 
Num.  21)  so  kann  man  daraus  schliefsen,  dafs  aach  die  namens- 
form des  gottes,  von  der  das  sabinische  adjcctiv  Marcius  gebildet 
ist,  nämlich  Mars,  bei  den  Sabinern  gebräuchlich  war.  Daher  wer- 
den die  Marcier  denn  auch  bald  von  dem  Mamercus,  dem  söhn 
des  Numa  abgeleitet,  bald  von  Marcius  einem  vetter  desselben 
(Plut.  1.  c.  Säet.  Caes.  6,  Ovid  Fast  VI,  803  ff.).  Wenn  vom  sa- 
binischen  dialekt  uns  nichts  erhalten  wäre  als  der  name  Mamers, 
so  würde  wohl  niemand  bedenken  tragen,  diese  sabinische  Wort- 
bildung mit  der  oskischen  zu  identificiren.  Nun  sind  uns  aber 
einige  wenige  bruchstucke  des  sabinischen  dialektes  erhalten,  also 
müssen  diese  auch  befragt  werden,  namentlich  über  die  abschwä- 
chung  des  s  zu  r  und  das  sinken  des  a  zu  e  in  Mamers. 

Ein  ursprüngliches  wurzelhaftes  a  sinkt  im  sabinischen  dia- 
lekt zu  e  in  folgenden  fallen:  der  beiname  Ner-on  bedeutet  sa- 
tanisch der  starke.  Von  demselben  stamme  mit  dem  suffix  ia 
gebildet  ist  der  name  der  göttin  Neria  (Martis)  der  gemahlin  des 
Mars.  Dieser  name  lauiet  nach  herantreten  eines  neuen  affixes 
on:  Nerio(n)  wie  aus  amasius  amasion  oder  aus  Jov-na  Ju-n-o(n). 
Nerio  bedeutet  fortitudo  und  bildet  den  accusativ  Nerienem,  indem 
das  o  sich  zu  e  schwächte  wie  in  Anienem  vom  stamme  Anion. 
Die  vocativbildung  Nerienes  setzt  einen  eben  solchen  nominativ 
voraus,  in  welchem  das  nominativzeichen  s  mittelst  des  vocals  e 
an  das  zu  en  geschwächte  suffix  on  trat  (Gell.  N.  A.  XIII,  22)  *). 
Desselben  Stammes  ist  das  umbr.  ner-f  =  viros  und  griech.  a-rsg, 
Ist.  ner-vus  von  der  sanskritwurz.  nar  (Pott  I,  106.) 

ver-na  ist  ein  sabinisches  wort  (Fest.  p.  372)  und  ist  wie  der 
latein.  name  der  göttin  Ves-ta  und  der  voücische  Ves-une  (dativ 
auf  der  bronzetafel  von  Antinum :  Mommsen  p.  321)  und  der  name 
der  sabinischen  Stadt  Ves-bula  von  sanskritwurzel  was  =  habitare 
herzuleiten  (Pott  I,  279).  Die  verbalformen  f er  enter,  feret  (auf 
der  bronze  von  Rapino,  Mommsen  p.  336.  341)  wie  lat.  ferre, 
umbr.  fertu,  fertuta,  ferest,  arfertur,  jünger  arsfertur,  anferener 
u.  a.  sind  auf  die  sanskritwurzel  bhar  zurückzuführen.  Der  name 
der  alten  stadt  im  sabinerlande  Mefula**)  scheint  gebildet  aus 

*)  In  der  form  NfiQtvrj  bei  Lydoe  de  mens.  IV,  42  scheint  Nerienes 
verwechselt  mit  Nerine  =  Nereis ,  denn  das  e  in  Nero  n.  t.  ist  kurz. 
**)  Dion.  Halle.  A.  R.  I,  14  steht  MqyvX*.    Das  y  läfet  hier  eben 


formen  and  bedeutungen  des  namens  Mars  in  den  ital.  dialekten.  27 

einem  sabinischen  adjectiv,  das  identisch  ist  mit  oskiseh  mefiai, 
nmbr.  mefs,  lat.  medius,  skr.  madhya.  Denn  dafs  der  sabinische 
dialekt  Vorliebe  für  die  labiale  aspirata  f  hatte,  zeigen  die  formen 
fasena,  fedus,  fircns  f&r  harenä,  hedns,  hircos.  In  Mefula  ist  dann 
das  j  nach  dem  f  verschliffen  wie  im  umbr.  mefa.  Mef-ula  ist 
also  dem  sinne  nach  soviel  wie  Medi-ola-num  d.  h.  mittelstädt. 
Auch  der  name  der  stadt  Medullia  ist  wohl  ans  Medio -villia  ent- 
standen und  bedeutet  dasselbe.  Einem  griech.  a  entspricht  ein 
sabinisches  e  wahrscheinlich  in  lepestae  =  griech.  lenaata.  *)  Das 
sabinische  Cnpencus  soll  nach  Servias  (Virg.  Aen.  XII,  539)  sa- 
cerdos  bedeuten.  Dieses  wort  scheint  ein  compositum  zu  sein, 
dessen  beide  bestandtheile  sich  noch  nachweisen  lassen.  Der  erste 
bestandtheil  Cup  erklärt  sich  aus  Varros  notiz  (1. 1.  V,  159):  nam 
cyprum  Sabine  bonum.  In  Picenum  finden  sich  zwei  städte:  Cu- 
pra  montana  und  Cupra  maritima,  deren  name  also  eiuen  ähnli- 
chen sinn  hat  wie  Bononia,  Beneventum,  und  eine  Dea  Cupra = 
Dea  bona  (Mommsen  350,  Grater  insc.  1016,  2).  In  Rom  heifst 
der  Vicus  Cyprius  (vielmehr  Cuprius,  wie  Sulla  nicht  Sylla  zu 
schreiben)  =  Vicus  bonus  nach  demselben  sabinischen  wortstamm, 
unweit  des  vicus  sceleratus  gelegen.  Der  zweite  bestandtheil  von 
Cupencus :  encus  ist  nichts  arideres  als  ancus  =  minister  (Fest.  v. 
ancillae  19.),  das  in  dem  sabinischen  vornamen  Ancus  erhalten 
ist.  Davon  heifsen  gewisse  gottheiten  Ancuii,  Anculae  d.  h.  die- 
nende gottheiten,  und  ancnlare  oder  anclare  bei  den  alten  so  viel 
als  ministrare.  Daher  ist  anciabris  =  mensa  ministeriis  divinis 
aptata  (Fest.  p.  II)  eine  Wortbildung  wie  salu-ber,  cele-ber,  can- 
dela-brum,  deren  suffix  ber  nichts  anders  ist  als  der  verbalstamm 
fer,  durch  welchen  das  compositum  die  bedeutung  des  mittels  oder 
Werkzeugs  enthält,  das  dem  ersten  bestandtheil  des  Wortes  dient. 
Daher  heifsen  auch  die  opfergef&fse,  quibus  sacerdotes  utuntur  (Fest, 
a.  a.  o.)  anclabria.  Vom  stamm  anc  ist  ebenfalls  gebildet  anc-He, 
wie  von  hast :  hastile.  Ein  calendarium  bemerkt  beim  2.  März: 
arma  ancilia  movent,  das  heifst  also:  arma  ministeriis  divinis  ap- 
tata oder  arma,  quibus  sacerdotes  utuutnr,  movent  —  Ancile 
heifst  also  nichts  als:  geräthschaft  zum  heiligen  dienst,  wird  aber 


sowenig  einen  richtigen  schlufs  thnn  auf  die  qnantitlt  des  e  wie  in 
der  griech.  form  NqQhn  neben  Nero,  Neriene  u.  a. 

•)  O.  Müllers  lesart  Varro  L  1.  V,  123  scheint  unzweifelhaft. 


28  Corssen 

besonders  von  den  schildeu  der  Salier  verstanden.*)  Wie  nun 
im  lateinischen  minister  und  ministra  häufig  den  priester  und  die 
priesterin  bedeuten,  die  den  gottesdienst  verrichten,  so  heifst  sa- 
binisch  ancas  der  gottesdiener  oder  priester,  anclabria  und  ancilia 
gottesdienstliche  geräthschaflen.  So  wird  auch  Camillus  und  Ca- 
milla,  der  knabe  und  das  mädchen,  das  beim  opferdienst  zur  hand 
ging,  administer  und  administra  erklärt  (Varro  1.  1.  VII.  34.). 

Sehen  wir  nun  auf  die  form,  weiche  die  beiden  bestandtheile 
des  compositum  Cupencus  in  der  Zusammensetzung  gewonnen 
haben.  In  Cup  haben  wir  den  nackten  stamm,  an  den  das  ad- 
jectivum  cup-ro  sein  suföx  ro  gehängt  hat.  Das  a  von  ancus 
hat  sich  in  geschlossener  silbe  zu  e  geschwächt  wie  in  Lup-ercus, 
Ant-emnae,  Ma-mers.  Cup-encus  ist  eine  Zusammensetzung  wie 
lateinisch  mali-corium,  sacri-portus,  aogi-portos,  pleni-lunium, 
veri-verbium,  vivi-radix  und,  was  wegen  des  vocalischen  anlauts 
des  zweiten  wortes  am  besten  herpafet,  cav-aedium.  In  allen  die- 
sen Zusammensetzungen  enthält  das  erste  wort  rein  eine  eigen- 
schaftsbestimmung  des  zweiten,  wie  sie  ein  adjectivum  seinem 
substantivum  beilegt,  Cup-encus  heifst  also  wörtlich:  guter  die- 
ner  und  bezeichnet  den  geheiligten  priester.  Solche  composita 
zur  bezeichnung  von  priestern  nach  ihren  Verrichtungen  sind  ge- 
bräuchlich. So  sacerdos  der  opfergeber,  antistes  der  Vorsteher 
(d.  h.  caerimoniarum  et  sacrorum  Cic.  Dom.  39  oder  templi  Liv. 
XXIII,  11),  Salisubsuics  heifsen  die  nachtanzenden  Salier,  im  ge- 
gensatz  zum  Praesul,  dem  vortänzer  (vgl.  succentores  und  prae- 
centor),  Pontifices  die  br&ckenbauer,  bekanntlich  vom  bau  des 
pons  Sublicius  benannt,  Luperci  die  wolfsabwehrenden  priester. 
Wenn  in  Cupencus  der  priester  der  gute  zubenannt  ist,  so  ge- 
schieht dies  wohl  boni  ominis  causa.  So  heifst  die  dienerin  der 
Vesia  in  der  priestersprache  Amata. 

Das  herabsinken  des  a  zu  e  in  Mamers  ist  also  auch  nach 
sabinischem  lautgesetz  gerechtfertigt. 

Es  bleibt  zu  untersuchen,  in  wie  weit  eine  abschwächung 
des  s  zu  r  im  sabinischen  dialekt  nachweislich  ist.    Stammhaftes 


*)  ancile  von  amb-cidere  herzuleiten  ist  nicht  rathsam,  denn  es 
wäre  seltsam,  dafe  im  lateinischen  vom  suffix  ili  das  erste  i  wegfallen 
und  in  folge  dessen  der  auslautende  consonant  des  verbalstamm  es  weg- 
fallen sollte.  Gegen  die  erklSrung  in-cid-ile  von  inctdere  macht  sich 
ganz  dasselbe  bedenken  geltend. 


formen  und  bedeutnngen  des  namens  Mars  in  den  ital  dialekten.  29 

s  bleibt  sabinisch  zwischen  zwei  vocalen  in  Casinam  (d.  h.  alt« 
stadt,  wie  cas-cus  alt,  cas-nar  greis),  ausuin  =  aurum  (Fest.  p.  8), 
Auselii  =  Aurelii*),  fasena  =  arena.  *  Diese  formen  stehen  also 
auf  einer  stnfe  mit  den  altlateinischen  asa,  Lases.  Auch  in  sabi- 
nischen  suüQxen  ist  das  s  zwischen  zwei  vocalen  erbalten  in  Va- 
lesii,  Valesus  wie  im  altlateinischen  Leucesie,  in  Libasius  =  Liber 
und  dem  städtenamen  Vespasia,  wie  im  lat.  amasius,  amasio(n), 
in  Papisius  wie  in  lat.  Calvisianus,  Numisius.  Es  ist  also  klar, 
dals  das  sabinische  in  der  bewahrung  des  s  zwischen  zwei  voca- 
len mit  dem  oskischen  und  alilateinischen  auf  einer  stufe  steht. 
Doch  scheint  ein  sinken  des  s  zu  r  in  sabinischen  Wörtern  eben- 
so wenig  ohne  beispiel  wie  in  altlateinischen  und  altumbrischen. 
Yarro  sagt  1.  1.  VI,  5:  Secundum  hoc  dicitun  crepusculum  a  cre- 
pero.  Id  vocabulum  sumpserunt  a  Sabinis,  unde  veniunt  Crepusci 
nominati  Amiterno,  qui  eo  tempore  erant  nati,  ut  Lucii  prima 
luce.  Nach  diesen  Worten  ist  creperus  sabiniscb,  wie  crepuscu- 
lum und  Crepusci  und  von  da  ins  lateinische  übertragen;  crepus- 
culum aber  setzt  ein  sabinisches  crepus  voraus,  wie  lat.  mnnus- 
culum,  corpusculum,  musculus:  munus,  corpus,  mus.  In  dem  von 
crepus  gebildeten  adjectiv  creperus  =  dämmerig,  zweifelhaft  (vgl. 
Yarro  1.  1.  VII,  77)  sinkt  zwischen  den  vocalen  das  s  zu  r  und 
dann  schwächt  das  r  das  vorhergehende  u  zu  e  ab.   So  sind  lat. 


*)  Aus  der  notiz  (Fest.  p.  23),  dafs  die  Aurelier  vom  sonnendienst 
den  namen  hätten,  nimmt  Mommsen  eine  sabinische  form  ansei  =  sol 
an.  Allein  dafs  die  Sabiner  die  sonne  sol  nannten,  sagt  Varro  1.  1.  V, 
27  mit  dürren  worten:  Sol,  vel  qnod  ita  Sabini,  vel  solns  ita  lucet, 
ut  ex  eo  deo  dies  sit.  Die  gloase  des  flesychius:  avxtjlwq  (wofür  M. 
richtig  avarfloi^  oder  ouVijA  schreibt)  %mq  vno  TvQfarwv  beweist  nichts 
weiter,  ab  dafs  derselbe  stamm  ans  wie  im  lat  aurora",  griech.  *«?  auch 
etrnskisch  die  morgenröthe  bezeichnet,  und  das  und  nichts  mehr  bezeich- 
net der  name  nsil  auf  elrnrischen  metallspiegeln  neben  Gguren  der 
Aurora  nnd  des  Sonnengottes.  Dafs  von  diesem  stamme  ans  der  name 
Anrelii  herzuleiten,  dafür  spricht  der  in  diesem  geschlecht  einheimische 
sonnendienst  allerdings.  Dafs  aber  dieser  stamm  keinesweges,  wie 
Mommsen  ganz  ohne  beweis  annimmt,  derselbe  ist  wie  so],  ist  von 
Pott  bewiesen,  der  I,  p.  131  sol  von  dem  sanskritstamm  swar  (coelnm), 
hingegen  anrom  und  aurora  vom  sanskritstamm  nah  =  nrere  ableitet. 
Varro  erklärt  daher  richtig  VII,  83:  aurora  dicitur  ante  solis  ortum, 
ab  eo  qnod  ab  igni  solis  tum  anreo  ae>  anrescat,  freilich  ohne  e6  zu 
wissen. 


30  #       Corssen 

von  genus  tempus,  opus,  Venus:  genero,  tempero,  opera,  Venereos 
gebildet.*) 

Vor  einem  liquiden  im  inlaut  sinkt  wurzelhaftes  s  zu  r  in 
ver-na9  wie  schon  oben  gezeigt  von  sanskritwurzel  was  (habitare) 
wie  im  latein.  veter-nus,  or-namentum,  während  es  vor  der  te- 
nnis  c  in  crepnscos,  crepasculnm  sich  hielt  wie  im  latein  fuscus, 
Etrnscus. 

Dafs  im  auslaut  sabinisches  s  zu  r  sinken  konnte,  dafür  giebt 
es  ein  bebpieL  Auf  der  bronze  von  Rapino  sind  die  schon  er- 
wähnten Wörter  ferenter  und  feret  unzweifelhaft  richtig  von 
Mommsen  als  verbalformen  erkannt.  Ferenter  kann  nicht  feren- 
tes  sein,  da  in  der  declination  das  auslautende  s  auf  jener  bronze- 
tafei  stets  gewahrt  ist,  wie  in  aisos  pacris,  asignas,  aviatas,  joves  pa- 
tres ( jovis  patris),  ocres  (vgl.  osk.  ocris=lat.  mons)  und  da  überdies 
ein  verbum  finitum  für  deu  satz  erfordert  wird,  während  weiter 
keine  verbalformen  erkenntlich  sind.  Also  beweist  ferenter,  mag  es 
nun  feruntur,  ferantur  oder  feruntor  bedeuten,  dafs  das  sabinische 
dieselbe  passivbildung  hatte,  wie  das  lateinische,  umbrische  und 
oskische,  d.  h.  dafs  das  auslautende  r  aus  dem  s  des  pronomen 
reflexivum  dritter  person  entstanden  ist.  Sehen  wir  also  hier  sa- 
binisches s  im  inlaut  und  auslaut  unter  gleichen  bedingungen  wie 
im  lateinischen  zu  r  werden,  so  wird  es  wohl  nicht  zweifelhaft 
sein,  dafs  auch  das  sabinische  wie  das  lateinische,  umbrische  und 
oskische  den  stamm  mas'zu  mar  wandeln  konnte,  wenn  sich  auch 
unter  den  wenigen  sabinischen  worten  keine  analogie  für  wur- 
zelhaftes s  im  auslaut  findet. 

Das  herantreten  eines  t  zum  zweck  neuer  Wortbildung  an 
einen  auf  r  auslautenden  stamm  findet  wie  in  Mamers  statt  bei 
den  namen  der  sabinischen  gottheit  Fors  und  Fortuna  vom  stamme 
fer  skr.  bhar,  deren  gestalt  im  sabin.  dialekt  mit  der  lat.  form 
überein  kommt.  Für  den  wegfall  oder  das  verbleiben  eines  aus  s 


*)  Varro  sagt  1.  1.  V,  74:  Et  arae  Sabinam  Hnguam  olent,  quae 
Tati  regia  voto  sunt  Romae  dedicatae.  Dann  nennt  er  «anter  den  gott- 
heiten,  denen  sie  geweiht  sind:  Florae,  Larandae,  Laribas,  und  setzt 
schliefslich  hinzu :  E  qais  nonnnlla  nomina  in  atraqae  lingna  habent  ra« 
dices.  Dafs  jene  drei  namen,  in  denen  ursprüngliches  s  zu  r  gesunken 
erscheint,  in  sibirischer  form  mitgetheilt  wären ,  ist  'mindestens  sehr 
zweifelhaft.  Wahrscheinlich  ist  die  lateinische  form  gegeben;  ich  baue 
also  keine  schlösse  darauf 


formen  and  bedeatangen  des  namens  Mars  in  den  ital.  dialekten.  31 

gewordenen  r  vor  m  nTst  sich  ans  den  den  dürftigen  satanischen 
sprachresten  kein  beispiel  anfahren. 

7)  Das  wesen  des  gottes  Mars  im  verhältnifs  zu 
seinen  namen. 

Nach  den  bisherigen  Untersuchungen  stehen  also  in  den  ita- 
lischen dialekten  die  formen  Marmar,  Mavors,  Mamers  hinsicht- 
lich der  ablautong  ihrer  vocale  neben  einander  wie  innerhalb  des 
lateinischen  pars,  expers,  proportio,  wie  griech.  daQ&dro)  neben 
lat.  dormio  und  dermio,  griech.  t«(><7öV,  ta^gog  neben  lat.  terra, 
extorris,  wie  sanskrit  vas,  acc.  dat.  gen.  d.  2ten  pers.  plnr.  des  pron. 
personale,  neben  lat.  voster,  yester,  sanskritwurz.  vart  neben  lat. 
vortere,  vertere,  sanskritwurz.  bhar  neben  lat.  fero,  fore;  sanskritw. 
man  neben  lat  mens,  moneo.  Ursprüngliches  a  sinkt  in  allen  fäl- 
len, die  hier  vorliegen,  zu  o  und  e  im  latein,  theils  in  folge 
von  tonschwächung,  wenn  das  wort  vorn  einen  zusatz-  erhält, 
theils  wenn  sich  die  wurzel  im  latein.  mit  einem  suffix  bekleidet. 

Nachdem  somit  die  entwickelung  der  verschiedenen  namens- 
formen  aus  dem  stamme  mas  nachgewiesen  ist,  wird  es  nothig 
sein,  sich  nach  der  ursprünglichen  bedeutnng  der  wurzel  omzu- 
sehn.  Potts  ableitung  des  Stammes  mas  von  sanskritwurzel  man 
(cogitare)  hat  viel  ansprechendes,  ist  aber  nicht  zweifellos.  Mas 
hätte  nach  derselben  den  vocal  der  wurzel  gewahrt,  den  auslau- 
tenden consonanten  derselben  aber  verloren,  und  das  dem  suffix 
»gehörige  s  in  dessen  rechte  eintreten  lassen  (etym.  forsch.  II, 
206).  Sonst  wahrt  umgekehrt  diese  warzel  im  lateinischen  den 
auslautenden  consonanten,  Ufst  aber  den  vocal  a  zu  e  sinken  in 
mens,  der  dann  nach  lateinischen  lautgesetzen  weiter  zu  i  und  o 
wird  iu  memini,  moneo.  Aber  selbst  wenn  jene  erklärung  die 
richtige  ist,  so  wäre  es  sehr  fehlgeschossen  danach  Mars  als  den 
denkenden  gott  zu  erklären.  War  vor  der  Sprachtrennung  mas 
wirklich  eine  bildung  von  wurzel  man,  so  ist  doch  die  bedeutung 
des  denkens  nach  derselben  auf  dem  boden  des  lateinischen  ganz 
ans  dem  bewufstsein  dieser  spräche  geschwunden.  Denn  mas 
masculus  u.  a.  bezeichnen  bekanntlich  im  lateinischen  nicht  blofs 
von  menschen  und  thieren,  sondern  auch  von  pflanzen,  wie  von 
epheu,  cypresse,  eppich,  Weihrauch  das  männliche,  das  im  ge- 
gensatz  zum  weiblichen  das  erzeugende  ist.  Wo  die  bedeutung 
der  wurzel  man,  denken,  im  bewufstsein  der  lateinischen  spräche 
geblieben  ist,  erscheint  sie,  wie  oben  bemerkt  ist,  in  der  gestalt 


32  Corssen 

men,  min,  mon.  Wer  keine  andere  zweifellose  ableitung  von 
mas  zu  geben  weifs,  der  niufis  sich  an  jene  faktische  bedeutung 
von  mas,  masculus  u.  a.  halten. 

Die  bedentang  von  mas:  mann,  erzeugender  geht  nun  also  in 
den  goltesnamen  über,  wird  aber  durch  composition,  reduplication 
und  affix  verschiedenartig  ausgeprägt.  So  giebt  das  compositum 
Maspiter  den  sinn  mann  —  vater  oder  erzeugender  —  vater.  Die 
reduplicirte  form  Marmar,  Marmor  enthält  den  begriff  von  mas 
intensiv  verstärkt:  der  sehr  erzeugende.  Durch  da»  herantreten 
des  sufnxes  t  an  den  stamm  mas  wird,  wie  oben  gezeigt,  die 
persönlichkeit  des  gottes  als  solche  bestimmter  bezeichnet,  und 
Mars  heifst  also  der  männliche  oder  der  zeugende  gott.  Die  for- 
men Mavors  und  Mamers  haben  sowohl  die  intensive  Verstärkung 
des  begriffe  von  mas  durch  die  reduplication,  als  die  bezeichnung 
der  bestimmten  persönlichkeit  durch  das  t-suffix  an  sich,  bezeich- 
nen also  den  sehr  männlichen  oder  sehr  zeugenden  gott. 

Es  bleibt  noch  übrig  zu  erwägen,  ob  diese  bezeichnung  des 
gottes  auch  zu  dem  wesen  desselben,  wie  es  in  italischen  gottes- 
diensten  und  sagen  sich  darstellt,  übereinstimmt.  Die  beinamen 
des  Mars:  Silvanus  und  Campestris  zeigen,  dafs  wald  und  feld 
sein  bereich  war  (Cato  R.  R.  23,  Orelli  corp.  inscr.  no.  3496. 
1355),  daher  behütet  er  die  rinder  auf  der  weide  und  zwei  thiere 
des  waldes  sind  ihm  heilig,  der  wolf  und  der  weissagende  specht: 
picus  Martius  (umbr.  Piquier  Martier),  durch  den  er  in  der  alten 
Aborigenerstadt  Tiora  Matiene  Orakel  gab  (Dion.  Halic.  1, 14).  In 
dem  gebete  •  bei  dem  opfer  der  suovetaurüia  wird  er  angerufen 
(Cato  R.  R.  141):  dem  landmann,  seinem  hause  und  gesinde  gnä- 
dig und  gewogen  zu  sein,  sichtbare  und  unsichtbare  krankheiten, 
mifswaclis  und  Verwüstung,  hagelschlag,  Unwetter  abzuwehren, 
feldfrüchte,  getraide,  weinstöcke  und  gesträuche  wachsen  und  gut 
gedeihen  zu  lassen,  hirten  und  heerden  unversehrt  zu  erhalten 
und  dem  ganzen  hausstand  gut  gedeihen  und  gesundheit  zu  ver- 
leihen. Den  Marmar  und  die  Laren  rufen  die  feldpriester  im 
Carmen  arvale  vor  beginn  der  ernte  im  monat  Mai  um  schütz 
und  segen  an;  dem  Mars  opfern  umbrische  priester  für  volk  und 
gemeinde  der  bergstadt  Iguvium  im  Apennin  (Aufr.  u.  K.  II,  486), 
wie  die  schon  oben  mitgetheilten  Opfervorschriften  der  priester- 
schaft bezeugen.  Nach  ihm  war  der  erste  frühlingsmonat,  mit 
dem  das  altrömische  jähr  begann,  Martius  genannt,  in  dem  ihm 
geweihten  frühlingsmonate  feiern  ihn  und  andre  himmels-  und 


formell  and  bedeotangen  des  namens  Mar»  in  den  ital.  dialekten.  33 

jahresgoitheiten  zu  Rom  die  Salier  mit  gesängen,  tanzen  und 
schmausereien.  Ihre  Schilde  bedeuteten,  wie  oben  gezeigt  ist,  die 
zwölf  monate,  ihr  verfertiger  ist  eine  personification  des  März 
selbst,  und  wenn  bei  ihren  umzögen  ein  mann  ein  herging,  dicht 
eingehüllt  in  feile,  auf  den  alles  mit  Stangen  loshieb  (Joh.  Lydus: 
de  mens.  HI,  29.  IV,  36),  so  sieht  das  bei  einer  feier  zu  frühlings- 
anfang  einem  austreiben  des  winters  sehr  ähnlich.  In  den  altpe- 
lasgischen  städten  Tibur,  Tusculum,  Veji,  Falerii  wie  in  dem  la- 
unischen Alba  war  seit  den  ältesten  zeiten  eine  ähnliche  feier 
heimisch,  wie  die  nmzüge  und  feste  der  Salier  zu  Rom.  Dem 
Mars  oder  Mamers  weihten  sabellische,  launische  und  oskische 
Völker  das  ver  sacrum,  die  erstlinge  des  frühlings  von  pflanzen, 
thieren  und  menschen,  von  allem  was  zwischen  dem  1.  März  und 
dem  1.  Mai  geboren  war  (Serv.  Virg.  Aen.  VII,  796.  Liv.  XXXIV, 
44.  Fest.  v.  Maniertim  p.  158.  v.  ver  sacrum  p.  379),  wenn  pest 
oder  andre  schwere  noth  das  land  bedrängte.  Das  -Sinnbild  des 
Mars  war  vor  alters,  ehe  Rom  gölterbilder  kannte,  die  hasta  pura, 
ein  friedlicher  stab,  sabinisch  curis  genannt  (Pellegrino:  andeu- 
tungen  über  d.  urspr.  religionsnnterschied  d.  röm.  patricier  und 
plebejer  p.  49 ff.),  der  gute  friedensfurst  Numa  soll  ihm  einen  Ha- 
men eingesetzt  haben. 

Mit  dem  wesen  des  Mars  erscheinen  eine  anzahl  weiblicher 
gottheiten  von  untergeordneter  art  eng  verbunden.  Gattin  des 
Mars  ist  bei  den  Sabinern  Nerio  oder  Neria,  d.  h.  die  starke  göt- 
tin,  die  in  einem  alten  alliterirenden  gebete  von  der  sabinerin 
Hersilia  um  frieden  und  glückliche  eben  angerufen  wird  (Gell. 
N.  A.  XIII,  22,  13);  die  in  römischen  priesterbuchern  genannten 
Molae  Martis  sind  mahlgöttinnen,  als  töchter  oder  begleiterinnen 
des  gottes  zu  denken,  der  das  getraide  grofs  wachsen  und  gut 
gedeihen  läfst.*)  Here  Martea  hiefs  eine  göttin  (Fest.  h.  v.  p.  100), 
welche  die  alten  nach  übernähme  einer  erbschaft  verehrten  und 
sich  als  eine  der  begleiterinnen  des  Mars  dachten,  der  ja  acker 
und  vieh,  haus  und  gesinde,  das  ganze  hab  nnd  gut  des  Sandmanns 
schützte.     Von  umbrochen  priestern  werden  drei  gottheiten,  eine 

*)  Aach  bei  den  Griechen  gab  es  solche  mahlgottbeiten.  Zeus  hatte 
deu  beinamen  MvXth  Lycophr.  435;  zu  Rhodos  ward  ein  Teichine 
Mylas  verehrt  als  erfinder  des  müh  Isteines,  der*zu  Eameiros  heiligthfi- 
mer  der  mahlgötter  (i*Q<*  MvXarcewv)  errichtet  haben  soll  (Hesych.  v. 
Mvlus).  So  hat  Härtung  relig.  d.  Rom.  II,  172  die  Molae  Martis  be- 
reits richtig  erklärt. 
-     IL    1.  3 


34  Corssen 

männliche;  Cerfos  Martins  nnd  zwei  weibliche:  Praestota  Cerfia 
Cerfi  Martii  nnd  Tursa  Cerfia  Cerfi  Martii,  jedenfalls  dem  Mars 
untergeordnete  gottheiten  und  seinem  wesen  verwandt,  in  wie- 
derholten gebetformeln  angerufen,  volk  nnd  gemeinde  der  stadt 
Iguvium  gnädig  und  gewogen  zu  sein.  Insbesondere  beten  jene 
priester  zur  Prestota  Cerfia  Cerfi  Martii  volk  und  gemeinde  von 
Iguvium  ungefährdet  zu  erhalten,  und  alles  was  iguvinisch  heifst, 
menschen  und  vieh,  äcker  und  saaten  zu  behüten.*)  Aehnliche 
anrufungen  wiederholen  sich  auf  den  Iguvinischen  tafeln;  aber 
von  einem  kriegsgott  Mars  ist  in  den  Opfervorschriften  und- gebe- 
ten derselben  nirgends  die  rede. 

Anch  in  der  einheimischen  römischen  sage  tritt  das  wesen 
des  gottes  bedeutsam  hervor.  Juno,  ab  göttin  des  mondenwech- 
sels  und  mondenjahres  Covella,  als  göttin  der  begattung  und  der 
geburten  Caprotina,  Juga,  Fiuonia,  Opigena,  Lncina  benannt,  er- 
zeugt den  Mars,  den  gott  des  ersten  Jahresmonats  ohne  zuthun 
eines  mannes  mit  hülfe  eines  wunderthatigen  krautes  der  blumen- 
göttin  Flora,  durch  dessen  berührung  die  unfruchtbare  ferse  träch- 
tig wird  (Ovid.  Fast.  V,  229  ff.).  Anna  Perenna,  die  alte  Jahres- 
göttin,  tritt  dem  Mars,  dem  gott  des  ersten  frühlingsmonats,  mit 
verhülltem  antlitz  wie  eine  neuvermählte  neckend  entgegen,  als 
er  mit  der  Minerva  buhlen  will  (Ovid.  Fast.  III,  678  ff.).  Bei 
dem  jahresfest  der  Anna  Perenna  im  März,  wo  man  nach  alter 
sitte  allerhand  lockere  spSfse  trieb  und  lüsterne  liedchen  sang,  da 
dachte  man  auch  dieser  sage.  Derselbe  gott  erzeugt  mit  der  jung- 
fräulichen priesterin  der  heerdgöttin  Vesta  die  gründer  Roms, 
welche  von  den  ihm  geheiligten  thieren  wolf  und  specht  gesäugt 
und  gefuttert  werden. 

Dafs  dieser  gott,  dessen  bereich  wald  und  feld,  dessen  jah- 

*)  Ich  führe  als  belege  ans  den  Iguvinischen  tafeln  nur  zwei  ge- 
betsformeln  an,  deren  erklSrung  am  zweifellosesten  ist:  Tabb.  Ig.  VI 
b,  6lff.:  £erfe  Martie,  Prestota  £erfia  £erfer  Martier,  Tursa  £erfia 
£erfer  Martier,  fututo  foner,  pakrer  pase  vestra  pople  totar  Ijovinar,  v. 
Aufr.  und  K.  II,  263-275  erklärt  und  übersetzt:  Cerfe  Marti  ctt.  estote 
volentes  propitii  pace  vestra  populo  civitatis  Iguvinae,  civitati  Iguvinae. 
T.  Ig.  VII  a,  16 ff.  u.  29 ff:  Prestota  QerGa  §erfer  Martier  salvo  se- 
ritu  popler  totar  Iovinar,  totar  lovinar  nonie,  nerf,  arsmo,  viro,  pequo, 
castrno,  frif;  von  A.  u.  K  II,  285  übersetzt:  Praestita  Cerfia  ctt.  sal- 
vam  servato  populi  civitatis  Iguvinae  nomen,  principes(?)  —  os,  viros, 
pecua,  praedia,  segetcs.(?) 


formen  und  bedeutangen  des  namens  Mars  in  den  ital.  dtalekten.  3& 

reszeit  der  erste  frühlingsmonat  ist,  von  dem  man  wachsthnm, 
gedeihen  und  erzeugung  für  pflanzen,  thiere  and  menschen  hofft, 
Mars,  der  männliche  oder  eraengende  heilst,  ist  somit  gerechtfer- 
tigt, eine  bedeutnng  wie:  vernichter  oder  mensehenmörder  pafst 
zu  solchem  wesen  nicht. 

Aber  mit  dem  wiederkehrenden  frühling  mnfste  der  mann 
nicht  nur  zn  Viehzucht  und  ackerbau,  sondern  auch  zn  kriegszü- 
gen  ins  feld;  die  durch  ein  ver  sacrum  dem  Mars  geweihte  jagend 
zog  mit  frübiingsanfang  von  der  heimischen  flur  aus,  am  sjch  mit 
dem  Schwerte  neue  Wohnsitze  zu  erkämpfen;  in  dieser  Jahreszeit 
pflegte  der  römische  consul,  bevor  er  ins  feld  zog,  in  den  tempel 
des  Mars  zu  treten,  und  die  heiligen  wafTen  des  gottes  zu  rütteln 
mit  dem  ruf:  Mars  vigila!  (Serv.  Virg.  Aen.  VIII,  3).  So  war 
Man  der  männliche  gott  auch  vor  alters  schon  der  kriegsgott, 
und  je  mehr  sich  Rom  zu  dem  kriegerstaate  ausbildete,  wie  er 
sich  schon  zu  Servius  zeit  im  heerbanne  auf  dem  campus  Mar- 
tins darstellte,  desto  mehr  ward  diese  bedeutung  des  gottes  die 
hervortretenäste.  Die  römische  gelehrte  dichtung  übertrug  dann 
auf  ihn  die  eigenschaften  nnd  benennungen  des  griechischen  Ares 
und  verwischte  die  ursprunglichen  und  volkstümlichen  züge  die* 
ser  fichtitalischen  gottheit 

Corssen. 


Rmnwisehe  hatbeziehuDgen  des  griech»*  latein.  und 
deutschen  zom  sanskrit* 

Nachdem  ich  im  ersten  bände  dieser  zeitschr.  s.  163ff.  einige 
bemerkungen  ueber  die  in  zahlen  auszudrückenden  lautverhält- 
nisee  zwischen  griech«,  lat.  und  deutsch  niitgetheilt  habe,  gehe 
ich  hier  einen  schritt  weiter  und  betrachte  diese  sprachen  im 
Verhältnis  zum  sanskrit.  Meine  methode  ist  hier  ganz  dieselbe 
wie  dort  und  ich  mufs  in  dieser  hinsieht,  nm  Wiederholungen  so 
weit  es  irgend  angeht  zu  vermeiden,  hiemit  durchgängig  auf  je- 
nen aufsatz  verweisen.  Fuer  die  angaben  aus  dem  lautsystem  des 
sanskrit  ist  zu  bemerken,  dafs  jede  das  resultat  einer  wenigstens 
fünfmaligen  zaehlung  ist,  da  eine  geringere  anzahl  von  zaehlungen 
bei  der  grofsen  menge   der  sanskritbnchstaben  und  der  daraus 

3* 


36  Förstemann 

hervorgehenden  kleinheit  der  zahlen  nicht  genug  bfirgschaft  faer 
genaaigkeit  gegeben  hätte.  ' 

Das  Verhältnis  der  consonanten  zu  den  vocalen  ist  unter  hun- 
dert lauten  in  den  vier  sprachen  folgender: 
skr.    griech.    lat.    goth. 
voc.      42        46        44      41 
cons.    58        54        56      59 
Folgerungen: 

1}  Auch  im  skr.  treten  dievocale  gegen  die  conso- 
nanten zurück  wie  in  den  andern  sprachen. 

2)  Das  skr.  ist  weicher  als  das  goth.,  härter  als  lat. 
und  griech. 

3)  Das  skr.  steht  hinsichtlich  des  mischungsver- 
hältnisses  der  voc.  und  cons.  dem  goth.  am  naechsten, 
dem  lat.  ferner,  dem  griech.  am  fernsten. 

In  unbestimmterer  weise  macht  diesen  eindruck  schon  das 
laute  vorlesen  eines  jeden  beliebigen  Stocks  sanskritischer  rede. 

Folgendes  ist  die  uebersicht  der  verhältnismaefsigen  Verwen- 
dung jedes  consonanten  unter  100  consonantischen  lauten,  wobei 
ich  der  klarheit  halber  in  der  sanskritischen  reihenfolge  der  laute 
nur  die  Veränderung  eintreten  lasse,  dafs  auf  die  aspirirte  tenuis 
jedes  organs  die  aspirirte  media  unmittelbar  folgt: 


skr.  griech 

.lat. 

goth. 

skr.  griech.  lat.    goth. 

anusT.  4 

t  8  t  15     1 16    t    4 

risarga  3 
k  2    x 

6 

c    7 

k   1 

:?•»    »» 

khO) 

1 

ch    0 

h    8 

d  6   0   4    d    6    d    5 
n  9    *  18    n  14   n  18 

«3   y 

1 

S  2 

8   3 

p6   a:    9    p    5    p    0 

ng  0 
6  4 

SS»»  '« '» 

iQ 

b  0   £    1     b    2    b    0 

«» 

• 

mt/i   4    m  12  m    9 

8* 

y  7               }   0    j   6 

A  0 

r9  ?    7     r  10   r    8 

t  0 

1116      14    13 

thO 

v  7  (/•  0)   v    2  v    7 

dh  0 

«5 

$0 

sh  1 

n  2 

s  6  <r  21     s  15    s  12 

numerische  lautbeziehungen  des  griech.,  lat.  u.  deutschen  zum  skr.  37 


skr 
h  2 

.  griech. 

CO) 
v>  0 

ut. 

hl 

goth. 

skr, 

■  griech. 

11 

.  lat. 

xO 

qu3 

goth. 

quO 
z2 

100     100    100     100 
Folgendes  ist  hienach  das  Verhältnis  der  mutae  und  liqnidae 
zu  einander: 

skr.    griech.    lat.    goth. 
mut.  38        42       39      35 
liqu.  62        56       58      63 
Folgerungen: 

4)  Alle  vier  sprachen  brauchen  die  liquidae  weit 
häufiger  als  die  mutae. 

5)  Das  skr.  bevorzugt  die  liquidae  mehr  als  das  lat. 
und  griech.,  aber  weniger  als  das  goth. 

6)  Das  Verhältnis  der  beiden  consonantenklassen 
im  skr.  ist  dem  goth.  am  aehnlichsten,  steht  vom  lat. 
ferner  ab  und  dem  griech.  am  fernsten.  Vergl.  zu  diesem 
satze  oben  no.  3. 

Zunaechst  ist  nun  das  Verhältnis  der  gutturalen,  dentalen,  la- 
bialen mutae  zu  einander  zu  erwaegen,  die  skr.  palatalen  und  lin- 
gualen sind  hier  bei  sehe  zu  lassen,  da  ich  nur  die  äufserlich 
(phonetisch)  nicht  die  innerlich  (etymologisch)  übereinstimmen- 
den laute  vergleiche.  Hier  gilt  folgende  tabelle: 
skr.  griech.  lat.  goth. 
gutt. 
dent. 
lab. 
Folgerung: 

7)  Die  gutturale  sind  im  skr.  und  griech.,  die  lab. 
im  lat.  und  noch  auffallender  im  goth.  die  seltensten, 
die  dent.  ueberall  die  häufigsten,  so  dafs  sie  in  allen 
vier  sprachen  häufiger  sind  als  gutt.  und  lab.  zusam- 
men. Was  die  dem  skr.  im  Verhältnis  zu  den  drei  andern  spra- 
chen fast  eigenthuemlichen  palatale  und  linguale  betrifft,  so  ist 
ihr  vorkommen  gegenueber  den  drei  gemein 'indogermanischen 
organklassen  ein  sehr  beschränktes.  Man  sieht  statt  32  guttura- 
ler, dentaler  und  labialer  mutae  nur  6  palatale  und  linguale.  Die 
Verhältnisse  .der  tenues,  aspiratae  und  mediae  gestalten  sich  wie 
folgt: 


6 

8 

9 

12 

18 

22 

22 

20 

8 

12 

8 

3 

38  Fftroteniann 

skr.   griech.    lat.   goth. 
ten.    20        30       28        5 
asp.      7  6         1      22 

med.  11  6        10        8 

Folgerungen: 

8)  Das  griech.,  lat.  and  skr.  bevorzugen  die  ten., 
das  goth.  die  aspir.,  keine  von  allen  vier  sprachen  die 
media  e. 

9)  Die  aspiraten  treten  im  skr.  bedeutend  gegen 
die  beiden  andern  klassen  zurück,  noch  auffallender 
aber  im  lat.,  waehrend  das  goth.  die  tenues  zurück- 
setzt. Im  griech.  findet  gleichmaefsigkeit  zwischen 
aspir.  und  med.  statt. 

10)  in  keinem  punkte  sind  sich  alle  vier  sprachen 
so  unaehnlich  wie  in  der  vertheilug  dieser  drei  laut- 
klassen. 

YerhSltnismaefsig  die  geringsten  Schwankungen  finden  bei 
den  mediae  statt. 

Gehn  wir  jetzt  von  den  muten  zu  den  liquiden,  und  zwar 
zuerst  zu  den  nasalen  ueber,  so  finden  wir  in  ihnen  folgendes 
Verhältnis: 


skr. 

griech.   lat. 

goth. 

gutt. 

0 

0        0 

0 

pal. 

0 

ling. 

2 

dent. 

9 

18      14 

18 

lab. 

6 

4      12 

9 

11)  Wie  bei  den  muten,  so  ueberwiegen  auch  bei 
den  nasalen  in  allen  vier  sprachen  die  dentale;  dann 
folgen  die  labiale,  die  gutturale  dagegen  sind  ueberall 
fast  ganz  verkümmert. 

Nur  das  skr.  hat  noch  ein  besonderes  zeichen  fuer  gutturale 
nasale,  die  drei  europaeischen  sprachen  haben  dafuer  nur  noth- 
dttrftige  Stellvertreter,  77,  yx,  77,  yj;  ng;  gg,  gk. 

Die  hiufigkeit  der  Zischlaute  (d.  h.  skr.  $,  sh,  8,  griech.  0, 
lat.  s,  goth.  s  und  z)  ist  folgende: 

skr.   griech.    lat.    goth. 
12        21       15      14 

12)  Am  meisten  bevorzugt  die  Zischlaute  das  grie- 
chische, am  meisten  setzt  sie  zurück  das  sanskritische; 


7 

0 

6 

9 

7 

10 

8 

1 

6 

4 

3 

7 

2 

7 

den 

m  litis 

und 

bei 

numerische  lautbeziehungen  des  griech.,  lat.  u.  deutschen  zum  skr.  30 

das  gothische  und  lateinische  stehn  «wischen  beiden 
sprachen. 

Die  bevorzogung  der  Zischlaute  im  griech.  ist  eine  folge  der 
Verwandlung  zahlreicher  z  in  #*),  die  Zurücksetzung  im  skr.  geht 
aus  mannigfachen  lautregeln  hervor,  aus  der  Verwandlung  des  s 
zu  visarga  am  ende,  zu  u  vor  toenenden  consonanten,  dem  aas- 
fall des  s  nach  ä  vor  denselben  consonanten  u.  a.  m. 

Es  bleiben  nun  noch  von  den  consonanten  (indem  ich  das  h 
und  die  doppelcons.  uebergehe)  die  semivocale  uebrig: 
skr.   griech.   lat.   goth. 
gutt.  j 

dent.j' 

lab.   v 

13)  Das  bei  den  mutis  und  bei  den  nasalen  be- 
merkte bevorzugen  des  dentalen  organs  findet  sich  in 
allen  vier  sprachen  bei  den  semivocalen  wieder. 

Bemerkenswerth  ist,  dafs  alle  vier  sprachen  zwei  dentale  in 
dieser  abtheilung  haben**),  dagegen  hoechstens  nur  je  eine  gut- 
turale oder  labiale.  Doch  auch  die  gutturale  ist  im  latein.  sehr 
selten;  im  griech.  sind  sowol  guttur.  als  lab.  untergegangen. 

14)  Ueberall  ist  dasr  der  häufigste  der  semivocale; 
zugleich  stimmen  in  seiner  häufigkeit  die  vier  spra- 
chen merkwürdig  ueberein. 

15)  Im  skr.  spielt  das  1  eine  bedeutend  geringere 
rolle  als  in  den  europaeischen  sprachen. 

Daran  mag  die  in  den  letztern  sprachen  nicht  selten  vorkom- 
mende entstehung  eines  1  aus  frueherem  r  ßchuld  sein. 

Wir  kommen  nun  zur  numerischen  ueb ersieht  der  vocal Ver- 
hältnisse, die  aus  folgender  tabelle  hervorgehn: 

skr.  griech.   lat.    goth.  skr.  griech.    lat.    goth. 

k    lg     «17    al6  i     1      *7      l27 


*)  Die  angebliche  abneigung  der  Griechen  gegen  den  Sigmatismus 
(s.  die  citate  bei  Pott  etym.  forsch.  II,  18)  ist  deshalb  durchaus  keine 
allgemeine  (wie  etwa  die  des  lat.  gegen  aspiration),  sondern  reducirt 
sich  auf  einzelne  fälle. 

**)  Es  darf  hier  unberücksichtigt  bleiben,  dafs  die  indischen  gratu- 
raatiker  das  r  zur  lingualen  (cerebralen)  Hasse  rechnen. 


40 


Försteuunn 

«kr. 
u    7 
ü    1 

griech. 
v    6 

lat   goth. 
«16  U9 

skr. 
ai  1 
au  1 

griech. 

(XV  1 

lat.   goth. 

ail2 

au  1  au  11 

e    5 

el9 

n  13 

eM  ki 

£4  4 
04  2 

ei  6 

6    3 

ol3 

oo    6 

014   *4 

. 

SV  1 

ov  5 

r   0 

ae2 

r    0 

iu    1 

100      100       100     100 

Sehn  wir  zuerst  auf  das  Verhältnis  der  einfachen  vocale  zu 
den  diphthongen.    Die  beim  skr.  in  parenthese  gesetzten  zahlen 
ergeben  sich,  wenn  man  £  und  6  zu  den  diphthongen  rechnet; 
die  ohne  parenthese  geschriebenen,  wenn  man  der  gleichmaebig- 
keit  halber  e  und  6  zu  den  einfachen  vocalen  zaehlt. 
skr.     griech.    lat.    goth. 
einf.  voc.  98(90)      81       97      70 
diphth.    2(10)      19         3      30 

16)  Das  skr.  steht  dem  diphthongenarmen  lat.,  das 
griech.  dem  diphthongenreichen  goth.  naeher. 

Der  zweite  gegenständ  der  beachtung  ist  das  Verhältnis  der 
kürzen  und  längen  zu  einander. 

17)  In  allen  vier  sprachen  sind  die  kürzen  bedeu- 
tend häufiger  als  die  längen. 

Man  betrachte  folgende  gleichungen: 

skr.  a  -I-  i  -I-  u  =  70        goth.  a  +  i  +  u  =  62 
skr.  ä  -f-  i  -f-  ü  =  20 

skr.  £  -f-  6         =8        goth.  e  -f-  6         =8 
griech.  fi  -f-  o  :=  32 
griech.  tj  -f-  od  ==  19 
Hit  dem  uebergange  der  organischen  kürzen  in  die  anorga- 
nischen längen  hängt  das  allmäliche  schwinden  der  drei  urvocale 
a,  i,  u,  im  Verhältnis  zu  den  jungem  e  und  o  zusammen.    Hier 
gilt  folgende  uebersicht: 

skr.    griech.    lat.    goth. 
ältere  voc.     90        30       59      62 
jüngere  voc.    8        51       38        8 
Folgerung: 

18)  Dem  skr.,  das  den  alterthuemlichsten  vocalis- 


numerische  lautbeziehungen  des  griech.,  lat.  n.  deaUcben  zam  skr.  41 

mus  aufweist,  steht  am  naechsten  das  goth.,  ferner  das 
lat.$  am  fernsten  und  entartetsten  ist  das  griech.,  bei 
dem  im  gegensatz  zn  den  drei  andern  sprachen  die  jun- 
gem vocale  sogar  ueberwiegen.  Vgl.  oben  no.  3  und  6. 

Endlich  zeigt  sich  das  Verhältnis  des  hellen  e  +  i  zum  dun- 
keln o  -fr-  u  folgend  efmafsen: 

skr.    griech.   lat.    goth. 
helle  voc.     16       39       51      22 
dunkleroc.il        35       30      13 

19)  In  allen  vier  sprachen  stehn  die  hellen  vocale 
zu  den  dunkeln  etwa  im  Verhältnis  von  3  :  2. 

Hierin  liegt  jedenfalls  eine  der  merkwürdigsten  uebereinstim- 
mungen  in  unserm  sprachstamm.  Wenn  ich  uebrigens  band  I. 
s.  174  fuer  das  skr.  statt  16  und  11  die  zahlen  15  und  10  ange- 
geben habe,  so  liegt  diese  kleine,  fuer  das  Verhältnis  unbedeutende 
ab  weichung  daran,  dafs  ich  dort  das  lange  i  und  ti  mit  in  an- 
schlag  zu  Dringen  vergessen  hatte. 

Endlich  kommt  es  mir  besonders  darauf  an  die  unterschiede 
der  lautmischung  zwischen  je  zwei  der  verglichenen  sprachen  im 
allgemeinen  zu  fixiren.  Dieser  letzte  und  hoechste  punkt  solcher 
betrachtungen  wird  durch  jede  neu  zur  vergleichung  herbeigezo- 
gene spräche  um  vieles  fruchtbarer;  denn  waehrend  sich  zwischen 
zwei  sprachen  nur  eine  Unterschiedszahl  zeigt,  ergeben  sich  fuer 
drei  sprachen  schon  drei,  fuer  4  schon  6',  fuer  5  sprachen  schon 

10,  oder  allgemein  fuer  n  sprachen  —-  (n  —  1)  sprachenpaare  und 

2 

unterechiedszahlen. 

Die  Unterschiedszahlen  sind  nun  bei  den  hier  verglichenen 

vier  sprachen  folgende: 

cons. 

griech.  u.  lat.  46 

skr.  u.  goth.  74 

lat.  u.  goth.  78 

griech.  u.  goth.  80 

skr.  u.  lat.  84 

skr.  u.  griech.  92        120        212*) 


voc. 

summa 

64 

110 

78 

152 

96 

174 

102 

182 

112 

196 

*)  Es  ist  anziehend  hiemit  die  durchschnittlich  kleineren  unter- 
schiedsuhlen  von  vier  sprachen  desselben  sprach  zweig  es  zu  verglei- 


42  Förstemann 

Folgerungen : 

20)  Der  unterschied  des  vocaüsmus  ist  stets  groes- 
ser  als  der  des  consonantismus. 

21)  Das  sanskrit  steht  in  seiner  allgemeinen  laut- 
mischung  dem  griech.  am  fernsten,  dem  lat.  etwas  nae- 
he r,  um  ein  sehr  bedeutendes  am  naechsten  dem  goth. 

Wie  in  meiner  frueheren  abhandlung  sich  mehrfach  dasselbe 
abstandsyerhältnis  zwischen  griech.,  lat.  und  goth.  bestaetigte,  so 
bestaetigt  sich  hier  in  meinen  Sätzen  3,  6,  18  und  21  auf  merk- 
würdige weise  die  groefsere  oder  geringere  naehe  des  skr.  von 
den  drei  andern  sprachen.  Sowol  im  Verhältnis  der  consonanten 
zu  den  vocalen,  als  in  dem  der  muten  zu  den  liquiden  als  in  dem 
der  altern  vocale  zu  den  Jüngern  als  endlich  in  dem  allgemein 
nen  unterschiede  der  lautmischung  tritt  die  groefsere  naehe  des 
skr.  und  goth.,  die  grofse  entfernung  des  skr.  und  griech.  und  die 
mittlere  entfernung  des  skr.  und  lat.  hervor.  Man  darf  sich  an* 
naehernd  die  drei  abstände  durch  die  zahlen  7,  9,  10  veranschau- 
lichen. —  Wer  meine  angaben  scharf  ins  äuge  fafst,  wird  mir 
freilich  einwenden  können,  dafs  meine  sätze  6  und  18  nicht  ganz 
unabhängig  von  21  sind  und  schlagende  bestaetigungen  eines 
satzes  durch  einen  andern  nur  solche  heüsen  können,  die  auf 
einem  ganz  verschiedenen  (unabhängigen)  wege  gewonnen  sind. 
Allein  selbst  dies  zugegeben,  so  hängen  doch  die  sätze  6  und  13 
nur  theilweise  von  21  ab,  sind  unter  einander  ganz  unab- 
hängig und  alle  drei  haben  endlich  nicht  die  mindeste  abhängig- 
keit  von  dem  satze  no.  3. 

Aus  der  tabelle  der  Unterschiedszahlen  geht  ferner  hervor: 

22)  Wo  bei  zweien  der  vier  verglichenen  sprachen 
der  unterschied  des  vocalismus  groefser  ist  als  bei 
zwei  andern,  da  ist  auch  der  des  consonantismus  b  e- 


chen.    Folgendes  ist  die  tabelle  ueber  die  abstände  des  goth.,  ahd.  (Ot- 
fried),  mhd.  and  nhd.  von  einander: 

cons.      voc.      summa. 

mhd   u.  nhd.       16  35  51 

ahd    u.  mhd.       44  64        108 

goth.  a.  ahd.      44  85        129 

ahd.  u.  nhd.       46  89        135 

goth.  u.  mhd.     60        101         161 

goth.  a.  nhd.      58        113        171     * 
Eine  vergleichung,  die  zu  manchen  anziehenden  folgerangen  veranlagt. 


numerische  lautbeziehungen  des  griech.,  lat  u.  deutschen  zom  skr.  43 

deutender;  wo  jener  geringer  ist,  da  ist  auch  dieser 
kleiner. 

Wir  sehn  nämlich  in  der  letzten  tabelle  sowol  in  der  ersten 
als  zweiten  rnbrik  eine  fortlaufende  scala  von  der  niedern  zur 
hoeheren  zahl.  Dies  ergebnis  ist  mir  unter  allen  mitgetheil- 
ten  resultaten  das  ueberraschendste  und  erfreulichste  gewesen. 
Denn  es  läfst  sich  wol  denken,  dafs  zwei  stammverwandte  spra? 
chen  z.  b.  im  consonantismus  weiter  von  einander  abstehn  ab 
zwei  andere,  dagegen  im  vocalismus  sich  naeher  beruebren  ab 
jene.  Der  fall  kommt  gewiß  vor  und  wird  sicher  in  Zukunft, 
wenn  anders  solche  Untersuchungen  weiter  gepflogen  werden,  ans 
licht  treten.*)  Bei  den  vier  sprachen  aber,  von  denen  ich  hier 
rede,  findet  mit  dem"  groelseren  divergiren  des  consonantismus 
zugleich  ein  groefseres  des  vocalismus  statt.  Das  heifst  mit  an- 
dern worten:  die  Sprachveränderung  ist  auf  diesem  gebiete  eine 
harmonische  gewesen;  es  hat  nicht  in  der  einen  hälfte  des  laut- 
lichen Sprachorganismus  eine  bewegung  stattgefunden,  waehrend 
die  andere  hälfte  in  todesachnlicher  erstarrung  blieb,  sondern  das 
sprachleben  hat  gleichmaefsig  den  ganzen  Organismus  dieser  spra- 
chen durchzuckt  und  ihn  gleichmaefsig  umgebildet. 

Am  klarsten  tritt  diese  schoene  harmonie  des  sprachlebens 
hervor,  wenn  man  die  erste  und  letzte  zeile  der  untersehiedsta- 
belle  vergleicht.  Das  lat.  steht  dem  griech  in  seinem  vocalismus 
genau  halb  so  fern  ab  das  griech.  dem  skr.  (46  :  92)  uod  fast 
eben  so  genau  (64 :  120)  steht  der  consonantismus  bei  jenen  bei- 
den sprachen  sich  halb  so  fern  ab'  bei  diesen. 

Es  giebt  in  aller  menschlichen  spräche  zwei  arten  von  laut- 
wechsel,  von  denen  die  eine  hervorgeht  aus  dem  Verhältnis  zweier 
laute  im  lautsystem,  die  andere  aus  der  Stellung  zweier  laute 
im  worte**).     Auf  aehnliche  weise  kann  auch  die  numerische 


*)  Ein  wenig  auffallendes  bebpiel  findet  sich  schon  in  der  tabelle, 
die  ich  oben  in  der  anm.  mitgetheilt  habe. 

**)  Es  gebricht  meines  wissens  an  hinreichend  klaren  ausdrücken, 
um  den  einen  und  den  andern  lautwechsel  zu  bezeichnen.  Es  ist  mifs- 
lich,  jenen  den  etymologischen  oder  lexicalischen  oder  systematischen, 
diesen  den  grammatischen  oder  euphonischen  lautwechsel  zu  nennen. 
Vielleicht  darf  man  die  worte  esoterischer  und  esoterischer  lautwech- 
sel vorschlagen,  so  dafs  man  unter  jenem  die  aus  der  innern  natur  der 
laute  an  sich,  unter  diesem  die  aus  ihrer  Sufseren  Verbindung  hervor- 
gegangenen Veränderungen  begreift. 


44  Roth 

betrachtung  der  lautverh&ltnisse  eine  zwiefache  sein,  indem  sie 
entweder  von  dem  wesen  der  laute  an'  sich  oder  von  ihrer  Ver- 
bindung mit  einander  handelt.  Ich  habe  bisher  nur  den  ersten 
punkt  erörtert,  der  zweite  kann  sicher  nicht  minder  fruchtbar 
gemacht  werden;  forderliche  Vorstudien  data  finden  sich  bei  Pott 
etym.  forsch.  II,  292  ff. 

Ich  wünsche  diesen  Untersuchungen,  die  ich  im  dränge  an- 
derer Studien  wol  fuer  lange  zeit  werde  bei  seite  legen  müssen, 
einen  rüstigen  forderer;  sie  sind  muehsam  aber  lohnend.  Nur  ist 
enthaltsamkeit  bei  den  folgerungen  anzuempfehlen ;  sonst  beginnt 
der  boden  unter  den  fuefsen  zu  schwanken. 

Wernigerode.  E.  Förstemann. 


Akmon,  der  vater  des  Uranos. 

Akmon,  sagt  Eustatbius  comm.  1154,  23  heifse  der  vater 
des  Uranos,  und  es  ist  nur  ein  irrthum,  wenn  er  ihn  in  einer 
früheren  stelle  1 1 50,  59  den  vater  des  Kronos  nennt ;  das  ergiebt 
sich  aus  den  eigenen  worten  des  gelehrten  erzbischoffc  in  der  erst- 
genannten stelle.  Und  er  glaubt  das  wort  mit  «unermüdlich" 
deuten  unf  die  nie  ruhende  himmelsbewegung  beziehen  zu  müssen. 

Allerdings  bietet  die  griechische  spräche  für  sich  allein  nicht 
die  hand  zur  erklärung  dieses  mythologischen  namens,  welcher 
aus  der  geläufigen  götterfabel  gänzlich  verschwunden  ist,  wiewohl 
er  dem  Hesiod  selbst  als  ein  söhn  der  Gaea  bekannt  war,  wenn 
wir  den'scholiasten  des  Simmias  glauben  dürfen.  Es  scheint  bei- 
nahe unmöglich  akmon  den  ambos  und  Akmon  den  vater  des 
Uranos  in  einer  grundbedeutung  zu  vereinigen.  Mit  leichter  mühe 
aber  löst  man  den  knoten,  wenn  man  die  verwandten  sprachen 
zu  hülfe  ruft,  bei  welchen  man  schon  zum  voraus  um  so  eher 
rath  hoffen  darf,  als  es  sich  hier  um  einen  offenbar  alten  begriff 
handelt. 

Das  sanskritwort  äeman  msc,  buchstäblich  übereinstimmend 
mit  axfiMv  und  in  der  alten  spräche  sehr  häufig  gebraucht,  hei&t 
wie  dieses  sowohl  ambos  oder  hammer  als  himmel;  enthält 
aber  aufserdem  noch  den  im  griechischen  verlorenen  mittelbegriff, 
von  welchem  jene  beiden  beiden  bedeutungen  nach  zwei  verschie- 


Akmon,  der  vater  des  Uranos.  45 

denen  Seiten  ausgehen,  den  begriff  fels,  stein.  Es  bedarf  keiner 
besondern  beispiele,  am  diese  bedeutung  zu  belegen,  sie  ist  so- 
wohl dem  Weda  als  dem  späteren  sanskrit  geläufig.  Aas  ihr 
entspringt  die  bedeutung  des  himmelsgewölbes,  welches  man 
hienaeh  zu  einer  gewissen  zeit  als  steinern  sich  dachte.  Wäh- 
rend das  wort  in  diesem  sinne  nicht  gerade  häufig  im  Weda  ge- 
funden wird,  tritt  es  um  so  entschiedener  in  den  iranischen  spra- 
chen auf,  wo  im  zend  agman,  im  neupers.  äsmän  stehende  be- 
zeichnungen  des  himmels  sind,  doch  so  dafs  dem  zend  auch  die 
bedeutung  stein  noch  ganz  geläufig  ist. 

Auf  der  andern  seite  aber  ist  agman  das  felsstück  oder  der 
stein  in  bestimmter  form,  zu  bestimmtem  gebrauche:  1)  schleu- 
derstein als  ein  ihm  ähnliches  wurfgeschofs,  donnerkeil,  und 
2)  der  zum  hämmern  gebrauchte  harte  stein,  am  bog  oder  ham- 
mer,  und  weiterhin  dasselbe  geräthe  auch  von  anderem  Stoffe. 

Wie  nahe  diese  beiden  Vorstellungen  einander  stehen,  mag 
man  daraus  ersehn,  dafs  bald  keil,  bald  keule,  bald  hammer  aus 
des  deutschen  gewittergottes  hand  fliegen  (s.  Schwartz,  der  heu- 
tige Volksglaube  s.  16).  So  trägt  und  schleudert  fndra  den  agman 
(Rv.  IV,  3,  1,  1.  1, 18,  1,9);  so  entsendet  Zeus  den  ehernen  ax- 
fioov  (Hesiod  Theog.  722) ,  welcher  zehen  tage  vom  himmel  zur 
erde  und  andere  zehen  von  dieser  zum  Tartaros  zu  fliegen  hat; 
und  es  erklärt  sich  damit  das  von  dem  dichter  für  die  gröfte  der 
entfernnng  angeführte  beispiel. 

Die  bedeutung  des  Schleudergeschosses  ist  rar  das  wort  mit 
die  gangbarste  im  Weda,  es  fehlt  aber  auch  nicht  an  belegen  für 
die  zweite,  wenn  wir  z.  b.  IX,  7,  9,  2  lesen: 

jaratibhir  oshadhibhih  parnebhih  cakunänäm,  | 
kärmäro  acmabhir  dyubhir  hiranyavantam  ichati|| 
wo  die  mehrzahl  des  wortes  die  verschiedenen  Werkzeuge  be- 
zeichnet, die  zum  schmieden  dienen.  «Mit  zerbrechlichen  reisern, 
mit  vogelfedern,  mit  hammer  und  ambos,  mit  funken  (d.  h.  mit 
den  dingen,  die  zum  verfertigen  von  pfeilen  und  anderen  waffen 
dienen)  sucht  der  Waffenschmied  die  reichen  anzuziehen.» 

Nach  diesen  zusammenhängen  ist  also  Akmon  des  Uranos 
vater,  und  akmon  der  ambos  wirklich  ein  und  dasselbe  wort; 
und  jener  mythologische  name  ist  ein  beleg  dafür,  dafs  die  Grie- 
chen das  wort  in  der  bedeutung  himmel,  himmelsgewölbe  gekannt 
haben,  in  welcher  es  nur  in  den  iranischen  sprachen  auf  die 
dauer  sich  gehalten  hat.    Gewagt  aber  wäre  es,  wie  mir  scheint, 


46  Ebel 

hieraus  weiter  zu  schliefsen,  dafs  auch  die  indische  sage  ihrem 
Varuua  einen  vater  Acman  einst  gegeben  habe,  wie  die  griechische 
dem  Uranos  den  Akmon. 

Die  nächsten  verwandten  des  indischen  wortes  sind:  acan 
(m.  oder  n.)  stein,  wurfgeschols;  äcna  m.  stein  z.  b.  zum  soma- 
ausschlagen;  acani  f.  keil,  spitze  des  Speeres,  wurfgeschofs ,  die 
des  zendischen  acna  and  acan  (wie  im  sanskrit),  die  des  griechi- 
schen axfioop  sind  axan>  (entsprechend  dem  skr.  Acan)  Wortspiels 
and  vielleicht  0x0*17,  Schleifstein. 

Tübingen.  R.  Roth. 


Redaplicirte  aoriste  im  griechischen. 

Von  einer  reihe  scheinbar  anomaler  aoristformen  im  sanskrit 
hat  Bopp  (kl.  sanskritgramm.  s.  214)  nachgewiesen,  dafs  sie  ur- 
sprünglich der  siebenten,  reduplicirenden  bildung  angehören;  am 
einleuchtendsten  ist  dies  von  apaptam  statt  apapatam  and  von 
avdcam  =  a  +  va  +  ucam  statt  avavacam.  Ein  gleiches  läfst  sich 
von  mehreren  griechischen  aoristen  darthan,  die  sonst  keine  er- 
klärung  ihrer  form  zulassen. 

~  Zunächst  dasjenige  wort,  welches  dem  skr.  avöcam  entspricht, 
erfror,  hutov.  Curtius  (bildung  d.  temp.  s.  150)  stellt  es  mit 
egootOTior  und  invtvov  zusammen,  sieht  es  also  der  form  nach  als 
ein  imperfect  an  «da  es  eine  dem  aoristos  fremde  lautsteige- 
rung  enthält,  die  nicht  für  augment  gehalten  werden  darf,  weil 
sie  alle  modi  durchdringt.»  Dafs  das  «  kein  augment  enthält, 
ist  unzweifelhaft  richtig,  and  wird  noch  zum  uberflufs  theils  durch 
das  homerische  iemor,  theils  durch  das  digamma  bestätigt;  eben 
so  wenig  ist  aber  mit  der  auffassung  der  form  als  imperfect  die 
angebliche  lautsteigerung  erklärt.  Eine  lautsteigerung  könnte  u 
überhaupt  nur  in  zwei  fällen  heifsen:  entweder,  und  nur  dann 
mit  vollem  recht,  wenn  es  guna  von  i  wäre,  —  das  ist  aber  hier 
nicht  möglich,  da  j:elnov  mit  jrenog,  jrmp  zur  würzet  jrm  :=  skr. 
vac,  lat  voc  gehört,  also  zum  wurzelvocal  nicht  t,  sondern  s  = 
skr.  a  hat  —  oder  wenn  es  ein  umgestelltes  j  enthielte,  was  be- 
kanntlich in  der  regel  nur  bei  liquidis  stattfindet  (wie  tsfrw  ss 
rsVjoo,  ibIqco  =.  vs'qjw).  Wir  müssen  folglich  annehmen,  dafs  das 
£i  in  ünov  durch  contraction  entstanden  sei,  and  zwar  in  unserm 


redaplicirtc  aoriste  im  griechischen.  47 

falle  aas  €  -#-  e,  da  die  wurzel  kein  i  kennt.  Demnach  wäre  die 
ursprüngliche  form  ivnov  oder  vielmehr  jrdsnop,  welches  sodann 
in  jutzo*  ganz  in  derselben  weise  zusammengebogen  wäre  wie 
is%ov  in  zlfpv.  Da  nun  das  digamma  in  der  mitte  der  Wörter 
viel  leichter  schwindet  als  am  anfange  (finden  wir  doch  bei  Ho- 
mer oio?  neben  oi'og,  ja  neben  dem  nur  durch  ein  sehr  stark  ar- 
ticulirtes  digamma  zu  erklärenden  Sieg  d.  i.  ojrfiegl),  so  hat  es 
durchaus  keine  Schwierigkeit,  ßeinov=j:ienov  statt  jrijrenov  als 
redupücirte  aoristform  anzusehn,  wodurch  sich  genügend  sowohl 
das  durchgehn  des  et  durch  alle  modi,  als  auch  das  vortreten  des 
augments  in  kjremap  (vgl  mcpQadov  und  im'cpQadov)  rechtfertigt. 
Interessant  ist  hierbei  besonders  der  umstand,  dafs  dieselbe  Wur- 
zel hn  skr.  wie  im  griech.  ihren  aorist  auf  gleiche  weise  bildet : 

avöcam  :  avavacam  =.  ipetnov  :  ifd(jr)enov 
ein  fall,  der  bekanntlich  eben  nicht  allzuhäufig  eintritt. 

Eine  zweite  aoristform  von  entsprechender  bedeutung,  die 
auf  griech.  boden  keine  genügende  erklärung  findet,  ist  inner  8. 
Offenbar  gehören  fomco,  incnslr,  innere  oder  innere  unter  sich 
zusammen,  nicht  aber  mit  einew,  wie  man  gewöhnlich,  durch  die 
ähnlichkeit  der  bedeutung  getäuscht,  angenommen  hat  Es  kann 
nämlich  keinem  zweifei  unterliegen,  dafs  das  <s  in  hinneXv  ebenso 
wurzelhaft  ist,  wie  das  f  in  jemeZv.  Was  also  bd.  I.  s.  352  vom 
lateinischen  insece  gesagt  ist,  das  gilt  ebensowohl  vom  griech. 
ivene  (iwene  kann  sein  doppeltes  v  eben  so  gut  einem  ausgefal- 
0  verdanken,  wie  einem  digamma).  Die  wurzel  von  ivinto,  in- 
sece wie  von  inopcu,  sequor  ist  in=aen9  seq  =  skr.  sac.  Aus 
dieser  entwickelt  sich  der  syncopirte  aorist  aneiv,  ivtaneiv,  wie 
nrea&cu  von  netz-  und  <5%w  von  l%~  statt  <reg;  rpusnov  steht  mit 
r\\mi<5yoy  ganz  auf  einer  linie.  Das  i  in  innere  oder  innere  kann 
aber  nur  eine  reduplicationssilbe  sein,  wie  in  Inrrifit  und  inrqxa 
statt  ninrypi  und  ninrrjxa.  Die  analogie  läfst  also  nicht  lnnere9 
sondern  innere  erwarten,  welches  ganz  übereinstimmend  mit  ne- 
<pvot>  gebildet  ist. 

Damit  erklärt  sich  zugleich  eine  dritte  derartige  form:  enno- 
firjr.  Auch  hier  ist  der  spir.  asper.  nicht  unorganisch  eingedrun- 
gen, wie  Buttmann  meinte*,  sondern  der  sprachgemäfse  Vertreter 
eines  ursprünglichen  o\  Wir  erkennen  somit  auch  hierin  einen 
rednplicirten  aorist  inn&pqv  =  nenniya^  analog  mit  xexMprjv,  da- 
her innapcu  u.  s.  w.  in  den  modis;  wogegen  innSpqv  mit  injpv 
fibereinstimmt,  also  conj.  nnäpeu  u.  a.  w.  —  In  vollständiger  ana- 


48  Diefehbach 

logie  mit  den  aoristen  ianete  and  ianofiyr  stehn  dann  auch  die 
präsent  ia  feg  od  und  iJod,  jenes  aas  4<rjra>  =:  <r/<r(fi)^o) ,  dieses  aas 
ia(e)dci>  =  al<j(e)doo  entstanden,  also  formen  wie  fiifwm  und  nintta 
entsprechend. 

Eine  vierte  form  ist  zwar  immer  als  redaplicirt  anerkannt, 
jedoch  für  ganz  anomal  erklärt  worden:  yvinanov.  Nimmt 
man  indessen  die  nach  form  und  bedeatung  trefflich  passende  ab- 
leitung  Pott's  (I,  181)  aus  h-ianrao  an,  (man  vergleiche  die  skr. 
zusammenziehungen  von  vac  in  uc,  yaj  in  ij),  so  erscheint  die  ano- 
malie  durchaus  nicht  so  stark.  Abgesehn  von  dem  verschobenen 
augment,  das  sich  auch  in  qvianov  und  r\\mi<5ypi>  wiederfindet, 
erklärt  sich  vielmehr  r\vincuiov  aus  iv-)dn-ctnov  wie  mqoqov, 
ijyayov  (das  im  schwinden  begriffene  j  mochte  die  attische  redu- 
plication  nicht  hindern)  ganz  befriedigend;  die  länge  des  l  ver- 
dankt wohl  zunächst  der  contraction,  dann  vielleicht  dem  stre- 
ben, die  reduplicationssilbe  zu  verstärken,  ihre  entstehung.  In 
der  andern  form  ivivlnov  ist  dagegen  das  bewüfstsein  der  Zu- 
sammensetzung schon  gänzlich  verloren. 

Schliefslicji  erwähne  ich  noch  irerpov,  um  zu  bemerken, 
dafs  ich  darin  wirklich  nichts  anderes  erkenne,  als  einen  redu- 
plicirten  aorist  von  r«pra>;  vergl,  unser  «treffen,  auf  jemand  sto- 
fsen»  und  ähnliche  ausdrücke.    . 

H.  Ebel. 


Bemerkungen  über  deutsch -slavische  wSrtergemeinschaft. 

(Zu  den  abhandlungen  der  hm.  Fö'rstcmann  und  Weinhold  in  heft 
3  n.  5  dieser  Zeitschrift.) 

Zu  den  an  den  a.  o.  verhandelten  Wörtern  versuche  ich  hier 
niclit  etwa,  erschöpfende  erläuterungen ,  sondern  nur  einige  Zu- 
sätze und  hauptsächlich  citate  reichlicheren  Stoffes  aus  zugäng- 
lichen buchern  zu  geben,  welche  leicht  vermehrt  werden  können, 
aber  hinreichen  mögen,  um  ein  endurtheil  über  die  fraglichen 
Wörter  zu  begründen.  Ich  lehne  sie  zunächst  an  Förstemanns 
Sammlung.  Abkürzungen:  W  =  Weinhold  a.  a.  05  BM.  =  Be- 
necke— Müller  (mhd.  wb.)$  Sm.  =  Schmeller  (bair.  wb.);  Fr.  = 
Frisch  (iat.   wb.)$  Br.  W.  =  Bremer  Wörterbuch;  B.  =  Bernd 


bemerkungen  über  deutsch -sUritche  wörtergemeinschsft.*        49 

deutsche  spräche  in  Posen;  GW.  =  mein  vergl.  Wörterbuch  der 
gothischen  spräche. 

balge  (kufe)  ist  allgemein  germanisch,  besonders  nl.  nd. 
nord.,  zugleich  aber  auch  allg.  keltisch  s.  6.  W.  I,  270;  die  dort 
mangelnden  Wörter  lett.  balla,  balje  «balge,  zuber»  lith.  bald« 
f.  wanne,  poln.  balia  f.  waschfafe  a.  d.  d. 

baranken  auch  posenisch  B.  14.  377» 

blöd  (koth)  =  din.  blöde,  altn.  bleyta,  vergl.  G.  W.  I, 
306  ff.,  wo  ich  aslv.  blato  palus,  wol  mit  recht,  nicht  augezo- 
gen  habe. 

brag'en  (formen  bei  B.  218),  braken  (schwätzen)  sind 
deutsch,  vergl.  u.  a.  mhd.  breglen,  braht  o.  deriv.  Sm.  1,  256. 
B.  M.  1,  235.  269;  G.  W.  B.  9  nebst  nachtraegen.  Dagegen  gehoert 
poln.  bredzid  zu  würz,  brd,  s.  G.W.  1,269. 

braken  (ausschielsen)  ist  a.  d.  d.  ins  slavische  uebergegangen, 
wie  schon  die  form  der  slav.  Zeitwörter  andeutet;  vgl.  G.W.  1, 
233.  234  ff.  321.  2,  746.   Das  echte  slav.  brak  bedeutet  nuptiae. 

britsche  —  poln.  bryczka  dim.  von  bryka  großer  wagen, 
echt  slavisch,  nicht  a.  d.  lat.,  wie  B.  30  annimmt. 

bruddeln  (mischen)  bedeutet  sonst  nd.  pfuschen,  vgl  Br. 
W.  1,  145;  poln.  brud  schmutz;  vgl.  prudeln  bei  B.  222.  413. 

chappen,  chapsen  (greifen)  =  nd.  happen,  hapsen  Br. 
W.  1,  694. 

nd.  drummeln  u.  drömken  (Br.  W.  1,254)  schlummern 
sind  echt  deutsch  und  gehören  zu  dröm  somnium. 

dubs  (podex)  auch  bei  B.  46,  der  auch  deutsche  Wörter 
vergleicht. 

d watsch  ist  aUg.  nd.  (vgl.  u.  a.  Br.  W.  1,  283.  3,  359.  ne- 
ben nd.  nl.  dwas  nd.  dwatzig,  dwatje  (fatua). 

flaken  (durch  herden  düngen)  =  poln.  flakowal,  das 
nach  form  und  namentlich  unslawischem  f  nebst  seinem  stamm- 
worte  flak  a.  d.  d.  entlehnt  ist,  nicht  umgekehrt,  am  mindesten 
d.  fleck  a.  d.  sL,  das  auch  in  bhm.  flak»  wend.  fljak  (sloven. 
flika)  übergegangen  ist,  wenn  auch  nicht  in  der  bedeutung  in- 
testinum (dis8ecatum  et  comestibile) ,  welche  es  dagegen  längst 
und  vielfach  im  deutschen  besitzt,  vgl.  Fr.  1,  273«;  Sm.  1,  584. 
G.  W.  1*  480  (nach  sinne  und  stoffe  ähnliches  ebendas.  384),  An- 
ton oberlaus.  id.  h.  v.,  österr.  flecke,  flock,  pl.  eJabare  einge» 
weide. 

f  lunder  (pleuronectes)  ist  deutsch,  englisch,  nordisch,  i 

IL    1.  4 


80  Diefenbach 

altn.  fiydra,  and  am  wenigsten  slav.  Ursprungs,  vielmehr  das, 
mialayisch  anlautende,  poln.  lehn  wort  vereinzelt.  Anklingende 
formen  haben  mehrere  andre  sprachen.  Für  die  grundbedeutung 
vgl.  nL  v linder  papilio,  woher  auch  der  vlindervisch  schmet- 
terlingfiaeh  blennina  ocellaris  benannt  ist. 

galupe  (xaXvßt],  poln.  chalnpa),  in  andern  d.  mundarten 
kalnppe,  kalnpje,  s.  B.  111.  Anton  h.  v.,  mnaechsta.  d.  slav. 

giebsen  (schwer  athmen),  auch  bei  Fr.  1,  348  •.  B.  392;  bei 
B.  75  giepsen  «von  giepen»,  echt  deutsch  (ahd.  gewön  u.  a.). 

glnpen,  glupsch  W.  oberlaus,  glubschen,  Anton  h.  v. 
nl.  gluipen;  gluip  f.  kleine  Öffnung;  daen.  glnbsk,  glnbende 
(heimtückisch,  bissig).  S.  n.  a.  Fr.  1,  358;  Br.  W.  1,  520.  3,  380. 

hutui  (luderlich)  lautet  mehr  wie  ein  schall  wort  ohne  or- 
ganische bildung,  wie  sie  in  volksmundarten  häufig  fuer  aehnliche 
begriffe  vorkommen.  Indessen  erinnert  es  auch  an  oberlaus,  hut- 
tig,  hottig  bei  Anton  (stück  1.  8.)  vgl.  Fr.  1,471  v.  hndel; 
Sm.  2, 153.  256.? 

kabacke  =  poln.  rnss.  kabak  schenke. 

kaddik  (juniperus),  in  andern  d.  mundarten  kaddig,  kat- 
tich  u.  s.  w.  (Nemnich  Fr.  1,  495  %  503«),  in  Esthland  kaddak 
allerdings  aus  esthn.  kaddakas,  kommt  in  mehreren  finn.  spra- 
chen vor  und  mag  ans  diesen  in  die  lithauische  gelangt  sein,  da 
es  ihren  Schwestern  fehlt,  obwol  slav.  kaditi  suffire  ein  etymon 
bietet. 

nd.  kaldunen,  kalden  Fr.  1,  162b,  hamburg  kalunen, 
klnnen  Br.  W.  1,  812.  mit.  caldnna  gloss.  man.  daen.  kal- 
dun,  kallun  (pl.  -er)  n.  poln.  kaldun,  kaldon  m.  (mehrdeu- 
tig, doch  ohne  etymon)  sorb.  kaldunaf.,  boehm.  kaldounm., 
fehlt  den  suedslav.  sprachen. 

kantschuh  vgl.  B.  112. 

karbatsche  geht  durch  die  meisten  deutschen  (incl.  nordi- 
schen) und  lituslavischen  sprachen,  so  wie  durch  mehrere  roma- 
nische und  erscheint  auch  im  türkischen  und  persischen.  Vergl. 
n.  a.  B.  115;  Fr.  1,501«. 

kate  ist  schon  altdeutsch;  ausführliches  6.  W.  2,  546. 

katsche  (anas)  =r  pos.  gatsche  B.  71.  392. 

koddern,  bei  Nesselmann  ein  kodder  sing.  =  lith.  kud- 
duris,  kndderis  m.,  vgl.  verkoederte  kleider  Fr.  1,  530 b, 
hat  mit  poln.  koldra,   d.  kolter  ans  lt.  culcitra  nichts  ge- 


bemerlcuogen  ober  deutsch -slavfcche  wörtergemeinschaft.        51 

k omst,  kompost  etc.,  in  voce,  des  15.  jh.  hd.  compost 
chrautt,  chuemmost,  kumpost,  cupest  kraut,  eunpipist, 
gumpst  u.  s.  ni.  ans  dem  gib.  d.  mit.  compoaitam;  wogegen 
schon  ahd.  kabuz,  spaeter  kappes,  gabia  u.  s.  w.  mit.  capiata 
o.a.  w.,  slav.  kapuata,  lith.  kopustas,  lett.  k&pösts  ans  lt. 
caput,  braaaica  capitata  (vgl.  n.  a.  Sin.  2, 10),  obgleich  auch 
Finnen,  Torken  n.  a.  Völker  bis  nach  Asien  hinein  den  namen 
entlehnten. 

komurke,  bei  W.  knmurke,  bei  B.  112  kamarke,  ge- 
fangnift,  loch. 

kracke,  auch  bei  W.,  dessen  nebenform  kricke  so  Irans, 
criquet  stimmt,  kommt  auch  in  Mitteldeutschland  häufig  vor, 
besonders  in  der  zs.  schindkracke  f.,  bei  Fr.  1,  541  b  krack, 
schinderkrack  m.,  bei  B.  141  kracke,  sejiingerkracke  £, 
daen.  krak,  krakke  c.  lett.  krakkis  (virgnl.  k).  W.  vergleicht 
mit  unrecht  galisch  gragh,  greigh  (=lat  grex,  greg). 

kretscham  haben  auch  Lausitzer  nnd  Obersachsen  von  den 
Slaven  überkommen;  alt  nhd.  kretschem  caapona  Fr.  1,  547% 
vgl.  B.  142  339. 

kraschke,  grantschke,  W. ,  bei  Nemnich  u.  a.  krnt- 
schen  pyrn8  comm.  sylvestris,  ist  allgemein  slavisch,  aslv.  grnsha 
pirus  neben  krushyka  pirum;  lith.  krauszef. 

kukkel  bedarf  naeherer  bestimmuhg,  poln.  boehm.  kakla 
cucullns  a.  d.  lat.,  wie  d.  kogel  u.  s.  v. 

kamt,  kämmet  (helcium)  ist  ein  in  Deutschland  sehr  ver- 
breitetes wort;  vgl.  noch  G.W.  2,  526. 

kutte  vulva,  podex,  sehr  verbreitetes  d.  wort,  vergl.  n.  a. 
B.  367  ff. 

Inlke,  zwar  =  poln.  lnlka,  vergl.  üiyr.  lulati  tabak  ras- 
chen, törk.  1«16,  ngr.  lalig  tabakspfeife,  pfeifenkopf;  aber  vgl. 
auch  nd.  nl.  lullpipe  etc.  Br.  W.  3,  98,  hd.  lullen  sugere  Fr. 
1, 627  °;  Sm.  2,  464 ;  Stalder  2, 184. 

mangeL,  mange,  zw.  mangeln,  mangen  auch  im  Main- 
lande, in  Posen  (B.  167),  der  Lausitz  (Anton  st.  2)  und  anderswo 
in  Deutschland  nebst  Niederland  und  Nordland  seit  ahd.  mango 
machina  verbreitetes  wort,  wenn  auch  vielL  lehnwort;  vgl.  meine 
Celtica  1,  75;  die  nebenform  mandel  bei  Fr.  I,  638«;  Anton  st.  2. 

manschen  auch  in  Mitteldeutschland  (Wetterau  u.  s.  w.)  u. 
Lausitz,  vgl.  Sm.  Fr.  h.  v.  Anton  st  2.  15,  s.  20;  B.  168.  496; 
bei  AltenstaJg  menschen  conrandere. 

4* 


82  Diefenbacb 

margelle,  auch  in  Ostprenfsen  maedchen;  aber  in  Posen 
vetula  B.  168. 

nug'eln  (conctari)  hat  viel  deutsches  zubehoer,  s.  G;  W. 
2,  95ff. 

palte  ist  nach  mehrfacher  analogie  das  sonst  läppen  bedeu- 
tende nd.  wort;  vgl.  indessen  das  znbehoer  lett.  paltas  blutku- 
eben,  lith.  paltis  f.  Speckseite. 

parowe  von  polnisch  parowa,  parow  schlucht,  abzugs- 
graben. 

pas,  auch  bei  B.  202;  darueber  und  ueber  pojas  s.  G.  W. 
1,  344.  29  756ff. 

pisakken,  auch  in  Br.  W.  2,  323,  doch  unerklaert. 

plauze  bedeutet  in  andern  deutsch  -slawischen  lSndern  lunge 
und  eingeweide  (wetter.  gelänge),  auch  schlechte  betten;  s.  B. 
212;  Anton  st.  3.  11. 

pomadig,  pomade  (otium  gratum)  wol  in  ganz  Deutsch- 
land, namentlich  in  der  Studentensprache;  posen.  pomale;  andre 
formen  s.  bei  B.  206. 

pofs  (basium)  gehoert  zunaechst  zu  schwed.  pufs  m.  id., 
zw.  pussa,  und  demnaechst  mit  busserle  bei  W.  (mit  oberd. 
dim.  suff.)  zu  oberd.  engl,  bufs  id.  (Fr.  1, 159;  Sm.  1, 211;  Anton 
st.  7),  gewifs  nicht  zu  kufs.  Exoterische  vergleich,  s.  G.W.  1. 266. 

präm  nhd.  nnd.  nnl.  u.  s.  w.  aus  gr.  mgapa.  Vgl.  u.  a.  B. 
218;  Br.  W.  3,  358;  Pott  lett.  I,  59. 

qu&sen,  quafsen  schon  mhd.;  s.  G.  W.  2,  602. 

schabe),  pos.  schabbel,  B.  248,  auch  in  schabelmoeh- 
ren  scandix  pecten  bei  Nemnich? 

schände,  schanne,  kommt  in  hd.  und  nd.  mundarten  vor, 
s.  Fr.  2,  161 e;  Br.  W.  2,  605.  Slavisch  kenne  ich  nur  niederlaus, 
(sorb)  schandaf.  achselband,  vgl.  schaut  m.  bindetuch. 

schick  ist  echt  nd.,  vgl.  Br.  W.  2, 652. 

schlammpeisker  stammt  nebst  vielen  andern  d.  formen 
vermutlieh  aus  slav.  piskar  (pfeifer)  s.  G.  W.  1, 269.  362. 

schmackoster,  schmeckostvr  f.  (vergl.  W.)  heilst  die 
osterpeitsche  auch  bei  den  deutsch  redenden  Lausitzern  s.  Anton 
st.  12  und  steht  den  deutsehen  Wörtern  schmacke,  smicke  u. 
s.  w.  für  peitsche  naeher,  als  dem  poln.  smagad.  oster  ist  wol 
nicht  suffix,  sondern  das,  etwa  mit  einem  imper.  (zw.  schmicken 
Fr.  2,  208*;  B.  268;  vgl  Br.  W.  2,  864),  zsgs.  hauptwort 

schmor  nicht  zu  pln.  czmyr  (pruritos),  sondern  zu  schmor 


bemerkuDgen  über  deutsch -slavische  wörtergemeinschaft.        53 

voll  nl.  versmdrt  (tranken  Fr.  2,  209 ff.),  smördronken  ma- 
xime  ebrius,  d.  i.  benebelt!  vergl.  G.  W.  2,  275 ff. 

schrägen  ist  echt  deutsch  und  bedeatet  eigentlich  schrae- 
ges  gesteil,  vgl.  Sm.  3,  609;  Br.  W.  2,  689. 

schrobben,  schrubben,  ein  echt  deutscher  stamm  (vgl. 
u.  a.  Br.  W.  2,  098),  entspricht  dem  poln.  skrzyb,  skrzyp  (s. 
G.W.  2,421),  nicht  aber  szorowa6,  das  als  gemischtes  lehn-^ 
wort   d.   schoren,    scheuern   und   schirrren   zu   enthalten 
scheint  s.  G.  W.  2,  248.  250. 

schubchen  ist  nach  form  und  bedeutungen  eher  deutsch  als 
slavisch;  vgl.  G.  W.  2,  250,  besonders  die  Schweiz,  bedeotung. 

stepke  (vll.  Spitzname  des  gefurchteten  gertchlsboten?)  ist 
formell  =  stepchen,  was  in  Mitteldeutschland  in  der  formet  « dafs 
dich  das  stepche!"  den  teufel  vertreten  soll. 

st  ritz  el,  strützel  ist  ein  schon  altes  deutsches  wort  für 
ein  back  werk,  s.  Fr.  2,  348;  Sm.  3,  091 ;  Anton  st.  4.  13;  Schwenk 
d.  wb.  088  und  erscheint  auch  in  roman.  und  slav.  formen.  In 
der  Wetterau  kommen  die  nebenformen  strützen  —  u.  sprützen 
—  gebackenes,  bei  Emmelins  a.  1592  spruetzen  gebachens, 
vor. 

tangnet  vermutlich  zunaechst  aus  poln.  tandeta  (nicht 
tandela)  troedelmarkt  =  mit.  tendeta,  oberd.  tändelmarkt 
(woraus  boehm.  tarmark  id.  entstellt),  vgl.  Fr.  2,  301  c;  Sm.  1, 
448;  mit.  tenda  bedeutet  in  Spanien  =  span.  tienda  bude,  eig. 
zeit,  wie  dieses  häufig  in  Deutschland. 

timf,  bei  B.  315  timpf  |  thaler. 

wildschur,  vgl.  B.  351. 

w rucke  kommt  auch  bei  Nemnich  vor  und  heifst  wirklich 
brücke  (brassica  napobrassica)  bei  B.  30;  poln.  brukiew,  russ. 
brjukva  lauten  eben  so  slavisch,  wie  wrucke  sächsisch. 

zergen  ist  echt  deutsch,  s.  G.  W.  2,  055.  001 ,  wo  poln. 
targal  zur  nebenwurzel  tr  zu  stellen  sein  wird. 

zuk,  vgl.  zauke  bei  W.,  ist  ein  von  suckel  (G.  W.  2, 359) 
grundverschiedenes,  echt  und  alt  deutsches  wort  =  ahd.  zoha, 
mhd.  zohe  u.  s.  w.  Sm.  4,  248. 

zuprine,  schibrine  W. ,  oberlaus,  schttprine  Antonst. 
12;  andre  formen  B.  254.  415;  G.  W.  2,  257. 

kollat8chen  scheint  zweierlei  Wörter  zu  vermischen;  vgl. 
Ft.  1,  532»-  B.  138.  398;  Sm.  2,  290. 


54  Diefenbach 

stadel  kam  aas  deutschen  sprachen  in  lituslavische,  s.  6. 
W.  2,  302. 

tartsche  ist  in  occident  und  Orient  verbreitetes  wort,  s. 
m.  Celtica  1,  152.  und  kommt  im  deutschen  schon  lange  vor 
Luther  vor. 

traben  (W.),  s.  ausfuehrliches  in  G.W.  2,636. 

Ich  komme  nun  noch  zu  folgenden  nach  Weinhold  (heft  39 
8.  252ff.)  aus  dem  slavischen  stammenden  Wörtern  der  schlesisch- 
deutschen  mundart. 

gab s che  gehoert  zu  einer  vielgestalteten,  hohlhand  und  was 
diese  (meist  die  beiden  zusammen)  fafst,  bedeutenden  menge  deut- 
scher Wörter,  von  welchen  ich  einige  nennen,  für  den  rest  citate 
geben  will:  nl.  gaps  f.  nd.  göpse  u.  s.  m.  nordengl.  gaupen, 
goupen,  ahd.  coufan,  mhd.  goufen,  gouf  u.  s.  w.9  ä.  nhd.  gauf* 
m.  gebsei  (Fr.),  altn.  norweg.  gaupn,  norw.  gauvn  f.,  schwed. 
goepenm.,  daen.  gioevn  c.  wetterau.  westerw.  ganversch. 
Vgl.  Fr.  1,  325  b;  327*;  346b;  Schmidt  westerw.  id.  64;  Maaler 
158;  Stalder  1,  429;  Br.  W.  1,  528;  Outzen  gloss.  91;  Sm.  2, 17 ff; 
Graff  4, 177;  Grimm  gr.  1  3,  193;  BM.  1,559*;  Leo  rect.  angl. 
(ueber  ags.  geöf);  G.  W.  2,  402. 

halas  =  pos.  hallafs  B.  87. 

kadel  bedeutet  nach  Anton  st  9.  laus,  kienkamin,  schles. 
Idenrufs  und  mag  deutschen  Ursprungs  sein;  vergl.  Fr.  1^495e; 
Oberlin  749;  Ziemann  175.  —  Poln.  kadzil  und  kazic*  gehoe- 
ren  ganz  verschiedenen  wurzeln  an. 

kaenigt  =  laus,  kaenig,  bei  Anton  st.  9.  hat  echt  deutsche 
bildung. 

leduche  (vgl.  leidak  bei  Förstemann)  =  laus,  ledicher 
Anton  st.  9.  s.  16;  vgl.  G.  W.  2,  557  ff. 

leschak,  bei  Förstemann  leg'ak,  wird  in  deutsch  Öster- 
reich scherzhaft  von  sehr  wohlbehalten  aussehenden  menschen  ge- 
braucht; boehm.  lezak  faullenzer. 

1  us che  (palus)  auch  pos.  u.  lausitz.  B.  160.  401;  Anton  st.  9. 

nusche  (schlechtes  messer)  ebenso  B.  193;  Anton  st  2. 

paerschen  =  poerschen  u.  s.  w.  bei  B.  216;  Anton  st  2. 
11.  die  es  mit  d.  (em-)  por  verbinden. 

schleifserin  =  laus,  schleufserin,  Anton  st.  4,  sicher 
deu  Uch ,  wie  hd.  s  c  h  1  i  e  f s  e  r ,  nd.  s  1  u  e  t  e  r  dispensator  Fr.  2, 
199*;  hd.  beschliefserin  dispensatrix. 

gabsch  (ru8ticus, stultus)  ist  deutsch,  s.  Sm.  2, 9;  G.  W.  1, 92. 


bemerkungen  über  deutsch -slaviscbe  wftrtergemeinschaft.        65 

bisein  (laus.  Anton  st  1)  geht  bis  in  den  germ.  norden  hin- 
ein, vgl.  B.  daen.  bisse;  Tgl.  u.  a.  Graff  3,  216:  Richthofen  afrs. 
worterb.  620. 

grabschen  ist  aaeh  pos.,  laus.,  wetteraa.  n.  s.  w.;  vgl.  B. 
79.  392;  Anton  st.  8.  s.  15;  G.  W.  2,  430. 

grätschen  u.  s.  w.,  auch  pos.  B.  80,  ist  ein  vieldeutiges 
deutsches  wort;  vergl.  u.  a.  ergretschen  prehendere  bei  Alten- 
sUig;  Fr.  1,  368  k;  Sm.  2, 125;  G.  W.  2,  432. 

jechen,  auch  pos.  nnd  laus.  B.  80;  Anton  st  2.  9;  vgl.  u. 
a.  jachen  u.  dgl.;  Fr.  1,  483  b;  Stalder  2,  71. 

müdeln  (cunctari)  ist  vielleicht  deutsch;  vgl.  G.  W.  2, 10. 

rabatzen,  in  Mitteldeutschland  rabastern  u.  s.  m.;  viele 
formen  dieses  schwerlich  ursprünglich  slav.  Wortes  s.  bei  B.  231; 
Br.  W.  2,  413.  3,  444. 

raegern  (coaxare)  auch  laus.  Anton  st  12.  In  der  Wetteraa 
heilst  der  den  fruehlingsanfang  intonirende  frosch  raeling  («die 
raelinge  singen»),  verschieden  von  dem  fischnamen  regling  u. 
dgl.  und  von  roerling  rana  portentosa. 

Frankfurt  a   M.  Lorenz  Diefenbach. 


Eine  oskische  üuehrift  ras  PomjMgi. 

Der  freundlichkeit  des  hr.  dr.  Hensen  in  Rom  verdanke  ich . 
die  mittheilung  der  folgenden  mit  oskischem  alphabete  eingegra- 
benen inschrift,  welche  gegen  ende  des  vorigen  jahres  bei  auf- 
deckung  eines  thores  an  der  sudmauer  in  Pompeji  gefunden  wurde. 
Sie  lautet: 

.  nuttiis.  m.  n.  punüis.. 

.  idilis.  ekak.  viam.  terem . . 

.  tens.  ant.  pünttram.  staf . . 

anam.  viu.  teremnatust  per 
5)  . .  iussu.  via.  pümpaiiana.  ter 

eranattens.  perek.  III.  ant.  ka  • . 

la.  iuveis.  meelikiieis.  ekass.  vi 

ass.  ini.  via.  iuviia.  ini.  dekkvia 

rim.  medikeis.  pümpaiianeis 
10)  serevkidimaden.  uupsens.  iu . . 

au.  aidilis.  prufattens 


56  Aufrecht 

Ich  glaube  sie  etwa  in  folgender  art  konstitoiren  zu  können : 
.  Siuttiis  M.,  N.  Ponliis .,  aidilis,  ekak  via  mteremnattens  ant 
pontram  stafianam  Vio  teremnatost  per[ek.].  Jnssn  via  pom- 
paiiana  teremnattens  perek.  III  ant  ka[i]la  Ioveis  Melikiieis.  Ekass 
viass  ini  via  joviia  ini  dekviarim  medikeis  pompaiianefe  serevkid 
imaden  opsens,  joasu  aidilis  profattens. 

and  übersetze:  .  Suttius  M.  f.,  N.  Pontius  .  f.,  aediles,  hanc  viam 
terminaverunt  ante  portam  stabianam.  Via  terminata  est  pertieis. 
Jnssn  viam  pompejanam  terminaverunt  pertieis  (?)  III  ante  cel- 
lam(?)  Jovis  Meilicbii.  Has  vias  et  viam  joviam  et  decialem  med- 
dicis  pompejani  in  -i  -a  fecerunt,  jnssn  aediles  probaverunt. 

Sprachlich  bietet  die  inschrift  mancherlei  neues.  Sintiis  ist 
ein  neues  beispiel  zu  den  bd.  I,  87  zusammengestellten,  wo  einem 
u  ein  i  vorgeschlagen  ist;  die  vermuthung,  als  habe  die  folgende 
liquide  darauf  eingewirkt,  wird  freilich  dadurch  widerlegt.  — 
Aidilis  ist  das  erste  beispiel  eines  notn.  pl.  der  i-deklination 
und  lehrt,  dafs  wie  im  lateinischen  nnd  wahrscheinlich  auch  im 
nmbrischen  derselbe  durch  blöke  vokalverlängernng  bei  hinzufn- 
gung  des  pluralischen  s  gebildet  wurde,  während  die  konsonan- 
tische deklination  dieses  unmittelbar  an  den  stamm  anfügte  (med- 
diss  aus  meddik-s).  —  Ekak  ist  der  acc.  sg.  f.  für  ekam-k  und 
erscheint  ebenso  bei  Mommsen  T.  X,  24.  —  Teremnattens  und 
das  späterfolgende  opsens,  profattens  sind  3.  pers.  perf.  pl., 
deren  sg.  wir  in  profatted  und  opsed  haben.  Die  oskische  per- 
fektbildnng  in  der  a-konjugation  bietet  mir  bis  jetzt  unlösliche 
Schwierigkeiten.  Einerseits  sehen  wir  in  ämanaffed,  aikdafed  das- 
selbe durch  antreten  der  wurzel  f  u  gebildet,  während  in  profat- 
ted, profattens,  teremnattens  (vergl.  noch  tribarakattins,  tribara- 
kattuset)  von  den  stammen  profa,  teremna  iu  dem  doppel-t  der 
tempuscharakler  zu  liegen  scheint;  opsed,  opsens,  proffed  entbeh- 
ren vollends  scheinbar  ganz  eines  solchen.  Bemerkenswerth  ist 
auch  der  Übergang  des  alten  t  in  s  bei  der  indicativendung  ens. 
—  Pontram,  welches  wohl  irrthümlich  mit  tt  geschrieben  ist, 
trage  ich  kein  bedenken  der  örtlichkeit  gemäfs,  wo  die  inschrift 
gefunden  ist,  mit  porta  zu  übersetzen,  mit  dem  es  freilich  etymo- 
logisch nichts  gemein  hat.  Vielmehr  stelle  ich  es  mit  pons,  nov- 
togt  narog,  skr.  panthin  (via)  zusammen  und  glaube,  dafs  aus  der 
allgemeinen  bedeutung  des  gangs  sich  die  besondere  des  durch  - 
gangs,  wie  bei  pons  des  Übergangs  gebildet  habe.  —  Terem- 
natost ist  eine  für  prosaische  rede  bemerkenswerthe  zusammen- 


eine  oskische  inschrift  aas  Pompeji.  OT 

Schmelzung  von  teremnato  est.  -~  Per[ek].  Der  stein  ist  hier  sehr 
abgenutzt,  so  dafs  man  in  den  Überresten  des  k  eine  X  hat  erken- 
nen wollen.  Für  die  buchstaben  ek  und  X  bietet  sich  indefs  kein 
räum,  so  dafs  ich  bezweifle,  dafs  hier  überhaupt  eine  zahl  vor- 
banden gewesen.  Perek.,  offenbar  eine  abkürzung,  habe  ich 
willkürlich  mit  pertica  übersetzt,  ein  längenmafs  ist  darin  Jeden- 
falls enthalten.  Vielleicht  täusche  ich  mich  nicht,  wenn  ich  m 
perek  das  umbrische  perca  wiederfinde.  Das  letztere  konnte  bei 
der  bekannten  Vorliebe  des  oskischen  für  einschiebnng  eines  vo- 
cals  hinter  einer  liqoida  sich  kaum  anders  gestalten.  Perca  aber 
scheint  anf  den  iguvinischen  tafeln  (vgl.  nmbr.  sprd.  II,  107)  einen 
stab  zn  bezeichnen,  der  leicht  auch  ein  maäfs  vorstellen  konnte. 
Demnach  ergänze  ich  perek  an  beiden  stellen  in  perekais.  — 
iussu  ist  jedenfalls  aus  dem  römischen  entlehnt;  für  den  ab- 
fall  des  d  im  abl.  giebt  es  im  oskischen  kein  beispiel.  —  Via 
pompaiiana  sind  acc.  sg.  mit  abgefallenem  m,  wie  gleichfalls 
das  folgende  ka[i]la,  und  via  jovia.  Nimmt  man  hiezu  den  abfall 
des  d  vor  Joveis,  so  darf  man  die  inschrift  in  ziemlich  späte  zeit 
setzen.  —  Ka[f]la.  Hinter  ka  ist  eine  kleine  lücke  für  einen 
buchstaben;  sehr  einfach  ist  die  ergänzung  des  Wortes  in  kaila 
=  cella;  doch  bleibt  die  diphthongische  natur  des  e  in  cella  noch 
nachzuweisen.  —  Ekass  vi  aas  zeigt,  dafs  auch  in  der  a-dekli- 
nation  die  endung  -s  ans  ns  entstanden  zu  denken  ist,  wofür 
auch  das  äolische  -aig  spricht  —  Dekvian'm,  wofür  der  stein 
dckkviardn  liest,  ist  der  acc  sg.  eines  adj.  auf  ari-s,  das  wahr- 
scheinlich von  einem  subst.  dekvia  abgeleitet  ist.  Dem  entspricht 
tekvia  auf  tab.  iguv.  IIb  1,  leider  unbekannter  bedeutung.  Em 
Zusammenhang  mit  dem  eigennamen  Decius,  Dequius  liegt  auf  der 
hand.  —  Medikeis  pompaiianeis  hängt  von  serevkid  ima* 
den  ab.  Von  diesen  letzteren  Wörtern  ist  nun  soviel  klar,  dafs 
serevkid  das  subst ,  abl.  sg.  der  i-deklination  weibl.  geschlechts, 
und  im  ad  das  adj.  ist,  en  ist  die  sufQgirte  präposition  wie  in 
exaiac-en,  eisuc-en,  censtom-en  auf  der  TB.  —  Auch  sachlich 
sind  in  der  inschrift  mancherlei  dunkdheiten,  die  ich  an  einem 
anderen  orte  hervorzuheben  beabsichtige. 

A. 


58  Ebel 

Oskisches* 

1)  Die  dritte  pers.  plur.  zeigt  im  oskischen,  soweit  wir 
es  bis  jetzt  kennen,  zwei  verschiedene  formen,  in  denen  es  nach 
zwei  Seiten  von  der  analogie  des  lateinischen,  wie  der  meisten 
europäischen  sanskritsprachen  abweicht.  Fassen  wir  diejenigen 
stellen  zusammen,  in  denen  lesart  und  constrnction  unzweideutig 
erscheint,  so  erhalten  wir  folgende  formen: 
3.  sing.  ind.  ist  C.  A.  12.  15.  31.  33.  34.  49.  56,  (eit  XXIX. 

b.  ?)  faamat  XXIX.  a.b.  anglt,  upsed  IV.  aikdafed  V. 

prdffed  XVIII.   prüfatted   XXI.  XXIV.   aamanaffed 

XXI.  XXII.  kümbened  C.  A.  10.  deded  XX.  XXIV.  he- 

re8t,  pertemesi,  didett,  fusid  C.  A.  19,/usf,  urwt,  hipust^/e- 

facust,  cebnutt,  pertemust,  dewast, 
conj.  stait  Ag.  48,  fuid^  hipid,  pruhipid,  fefacid,  deivaid, 
imp.  estud,  factud,  deivaiud^  Ucüud, 
3.  plnr.  indic  set  C.  A.  16.  Ag.  1.  TB.  25,  ovnaw  XXXIX. 

amfret  C.  A.  33.  46.  fufans  C.  A.  10.  tribarakattaset 

C.  A.  39.  42.  e  est  int  Ag.  26; 
conj.  staiet  C.  A.  58,    .  errins  C.  A.  54,  tribarakattins  C. 

A.  48,  patensins  C.  A.  50.  51,  deicans, 
imp.  eituns  XXIX  a,  deivatuns. 

Wir  finden  also  die  ursprünglichere  form  auf  -nt  mit  aus- 
nähme eines  einzigen  Falles  nirgends,  sondern  durchgängig  entwe- 
der -ns  mit  Verwandlung  des  t  in  s,  oder  -et  mit  vertust  des  na- 
sals.  Das  verhältnifs  zwischen  beiden  formen  scheint  folgendes 
zu  sein:  wo  die  endung  -nt  an  den  vocal  der  wurzel  (fufans) 
oder  des  tempus-  oder  moduscharacters  (ovrtaerg,  patensins, 
eituns)  unmittelbar  antreten  konnte,  blieb  der  nasal,  nur  t  ging 
in  s  über;  wo  dagegen  ein  bindevocal  nöthig  wurde  (set,  staiet), 
fiel  der  nasal  fort,  und  t  blieb  unverändert.  Das  oskische  steht 
also  in  dieser  beziehung  in  ziemlich  genauer  analogie  mit  dem 
griechischen,  wie  mit  dem  skr.,  nur  dafs  es  in  der  consequenz 
einen  schritt  weiter  gegangen  ist,  als  beide  sprachen;  denn  wäh- 
rend sie  im  medium  zwischen  vrcu,  vro,  nte,  nta,  ntäm  und  arou, 
ato9  ate,  ata,  atäm  wählen,  hat  das  griechische  im  activ  durch- 
weg sein  v  oder  dessen  nachwirkung  (ä<rt  =  am,  ovai  =  orti) 
bewahrt,  das  skr.  das  n  nur  in  den  reduplicirten  formen  (bibhrati 
aufgegeben.  Die  einzige  form  im  oskischen,  die  das  -ntganz  un- 
verändert behalten  hat,  ist  eestint;  den  grund  davon  vermag 


oskisches.  59 

ich  freilich  ebensowenig  anzugeben,  ab  den  des  eigenthümlichen 
umlaute.  Räthselhaft  erscheinen  zwei  formen  der  TB  censuxet  19 
und  angeiuxet  20,  die  man  nach  der  obigen  Zusammenstellung  für 
plur.  halten  sollte,  während  die  construction  in  beiden  fällen  auf 
sing,  hinzuweisen  scheint. 

2)  Das  iu  in  tiurri,  diumpais,  eitiuva,  niumsis  hat 
Mommsen  mit  dem  neapolitanischen  ie  verglichen;  mir  scheint 
eine  andere  analogie  noch  näher  zu  liegen.  Wie  nämlich  zwi- 
sehen  dem  u  der  übrigen  roman.  sprachen  und  dem  ü  des  franz. 
das  engl,  iu  in  der  mitte  liegt,  so  erscheint  mir  dies  osk.  iu  als 
eine  Vermittlung  zwischen  dem  lat.  u  und  dem  gr.  v.  Man  be- 
rücksichtige dabei  den  Übergang  des  *  in  <r,  der  vor  v  bisweilen, 
vor  t  fast  regelmässig  eintritt,  die  ahd.  Schreibung  iu  nicht  blofs  für 
den  ahd.  diphthong  eu,  ie,  sondern  auch  für  den  umlaut  des  u, 
endlich  die  griech.  Schreibung  des  oskischen  Nivpaduitg  z=  Nium- 
sieis  gegenüber  dem  Annülovvtit,  nmt  u.  a.  Sollte  etwa  iu 
gar  nur  bezeichnung  des  ü- lautes  sein? 

3)  C.  A.  20—23  wird  umbr.  sprachd.  1, 167  folgendermaßen 
ergänzt:  eiseis  sakarakleis  i[nfm]  terefs  fruktatiuf  fr[uk- 
tatiuf]  müinikü  putüru[mpid  estu]d,  dem  sinne  nach  ge- 
wifs  vollkommen  angemessen.  Nur  befriedigt  uns  die  lesang  des 
letzten  Wortes  insofern  nicht  vollständig,  als  der  stein,  wenn  die 
Zeichnung  bei  M.  richtig  ist,  unzweifelhafte  spuren  eines  i  zeigt. 
Ebenso  unzweifelhaft  ist  es  aber,  dafs  M.'s  ergänzung  fusid  falsch 
ist,  selbst  angenommen,  dafs  der  stein  fusid  gestatte;  denn  so 
oft  formen  auf  -sid  (oder  -«/)  vorkommen,  zeigen  sie  nicht  im- 
perativbedeutung,  sondern  die  eines  fut.  oder  fut.  ex.  Wenn  ich 
deshalb  vorschlage,  die  noch  unbelegte  form  fuvid  zu  lesen, 
so  mag  das  auf  den  ersten  blick  sehr  kühn  scheinen;  die  kühn- 
heit  ist  indessen  nicht  so  grofs,  wenn  man  bedenkt,  dafs  das 
eituas,  eituam  der  TB.  in  den  älteren  inschriften  als  eitiuvas, 
eitiuvam  erscheint,  folglich  das  fuid  der  TB.  im  altoskischen 
fuvid  lauten  mufste.  Ein  anderes  bedenken,  welches  man  daraus 
entnehmen  könnte,  dafs  fuid  immer  nur  in  Verbindung  mit  der 
negation  mit  imperativbedeutung  vorkommt,  wird  wohl  hinrei- 
chend durch  die  augenscheinlich  Imperativisch  gebrauchten  con- 
junctive  patensins  CA.  51,  [hjerrfns  54,  staiet  58,  statt 
Ag.  23  wiederlegt. 

4)  C.  A.  16.  pai  tereräenniü  A.  wird  umbr.  sprachd.  1, 167 
übersetzt:  ubi  terniinalia-probata  sunt   Einfacher  scheint  mir,  in 


60  Ebel 

pai  die  zu  teremenniü  gehörigen  n.  pl.  n.  za  suchen:  quae  ter- 
minalia-probata  sunt.  Wie  im  lateinischen  den  mehrsilbigen  foi> 
men  auf  -a  die  einsilbigen  haec,  quae  sowohl  im  neutrum  pl.  wie 
im  fem.  sg.  gegenüberstehen,  so  hat  wahrscheinlich  auch  im  osk. 
den  mehrsilbigen  auf  -ü,  -o  in  beiden  fallen  das  einsilbige  pai 
gegenübergestanden.  Der  locativ  wird  nicht  nur  entbehrlich  durch 
das  adv.  puf,  sondern  man  sieht  auch  nicht  ab,  auf  welches  fe- 
mininum  pai  sich  an  unsrer  stelle  beziehen  sollte.  (Einem  qua, 
was  man  allenfalls  voraussetzen  könnte,  würde  wohl  eher  ein 
osk.  päd  entsprechen). 

5)  Die  demonstrativpronomina  im  oskischen  (und 
umbrischen). 

Ueber  die  oskischen  demonstrativa  ist  mit  ausnähme  einiger 
andeutungen  in  den  umbr.  sprachd.  noch  nichts  einigermalsen  be- 
friedigendes gesagt  worden.  Bei  Peter  stehn  fetc,  eixuc,  toc,  idic 
in  buntem  gemisch  neben  einander;  Mommsen  hat  zuerst  in  den 
oskischen  Studien  wenigstens  die  verschiedenen  reihen  im  ganzen 
richtig  herausgefunden,  indessen  irriger  weise  theils  eks-  und 
eis-  gleichgestellt,  theils  sämmtliche  andere  formen  nur  als  ergfin- 
zungen  zum  stamme  i  angesehn,  wie  er  denn  in  den  unterit.  dial. 
alles  wieder  durcheinander  wirft;  bei  Corssen  läuft  neben  einigem 
wahren  noch  viel  falsches  unter.  In  den  umbr.  sprachd.  I,  134  ff. 
finden  wir  zuerst  einen  unterschied  der  bedeutung  zwischen  den 
verschiedenen  stammen  bemerkt;  leider  ist  jedoch  dabei  den  verf. 
ein  versehn  begegnet,  welches  sie  verhindert  hat,  die  richtige  ana- 
logie  zwischen  den  umbr.  und  osk.  pronominalformen  zu  verfolgen. 

Ganz  richtig  wird  nämlich  ab  eigentliches  substantivprono- 
men  =  lat.  is  mit  dem  umbr.  erek  das  osk.  %%ic  zusammenge- 
stellt, von  dem  uns  aber  nur  folgende  formen  bekannt  sind:  n. 
sg.  m.  izic  TB  (1?)  7.  14.  29.  30.  überall  subst.  gebraucht,  f.  iük 
G.  A.  39.  42.  adjectivisch  (iük  tribarakkiuf  inim  uittiuf),  n.  idik 
G.  A.  17.  18.  adj.  =  idic  TB.  6.  9.  30.  subst.,  acc.  m.  tone  TB. 
12.  17.  26.  subst,  n.  a.  pl.  n.  ioc  TB.  5.  adj.,  sämmtlich  mit  an- 
gehängtem k.  Zu  demselben  stamme  würde  exum  als  g.  pl.  ge- 
hören (TB.  10),  falls  es  wirklich  pron.  wSre,  sowie  ip  C.  A.  34. 
(26?)  =  ibi  und  isidum  XXIV.  (XX.  XXI.)  =  idem  ebenda. 
herstammen;  ex  aiscen  ligis  TB.  25.  ist  aber  falsche  abtheilung 
st  exaUcen  (es  müfste  vielmehr  iaUcen  lauten). 

Unrichtig  erscheint  dagegen  die  vergleichung  des  osk.  eisti 


oskisches.  61 

mit  umbr.  esu,  sobald  man  die  bedeutung  genauer  verfolgt,  in 
der  sich  deatlich  ein  gegensatz  knnd  giebt.  Gerade  so  wie  näm- 
lich im  umbr.  hie  und  iüe  durch  esu  und  eru  bezeichnet  wer- 
den, finden  wir  im  osk/eksu  und  eku  dem  eisü  entgegenge- 
setzt, wie  folgende  Zusammenstellung  der  betreffenden  stellen  zei- 
gen mag.  Das  nächstliegende  (hie)  ist  bezeichnet  durch:  ekss 
adv.  =  sie,  C.  A.  10.  ekss  kümbened  mit  beziehung  auf  das 
unmittelbar  folgende,  TB.  7.  piei  ex  comono  periemesi  mit  bezog 
auf  das  eben  angeführte;  ekkum  (st.  ekdum?)  €.  A.  27.  41. 
offenbar  =  item;  abl.  m.  n.  eksuk  (st.  eksudk)  XXIX.  a.  b.  ek- 
suk  amyianud  dem  durch  die  inschrift  bezeichneten;  abl.  f.  in 
poei  exae  TB.  8.  23.  =  posthac,  deutlich  unterschieden  von  posi 
elxuc  29.  30.  (dort  ist  von  der  zeit,  nachdem  das  gesetz  erlassen 
ist,  die  rede,  hier  von  der,  nachdem  jemand  i acutum  nerumfttst); 
abl.  pl.  f.  in  exaiscen  UgisTB.  25.  (das  vorliegende  gesetz);  end- 
lich conirud  exeic  TB.  II.  17.  26.  syntactisch  zwar  nicht  ganz 
klar  (etwa  contrud  mit  dem  loc?)  wohl  aber  in  seiner  beziehung 
auf  das  nächstliegende.  Ebenso  die  formen  ekask  Ag.  26.  n.  pl. 
f.;  ekik  V.  (acc.  n.  zu  sakaraklüm,  oder  adv.  =  hie?);  ekak 
XX.  XXIV.  (abl.  f.  statt  ekadk?),  ekaXIV.  und  ekhadXXVI. 
werden  wir  also  wohl  auch  so  fassen  müssen. 

Hingegen  beziehn  sich  auf  das  entferntere  (ille):  eis  eis  g* 
sg.  n.  in  C.  A.  20.  eiseis  sakarakleis,  m.  (subst.)  in  TB.  22» 
pari  elzeis  fusi;  eise!  oder  es  ei  loc.  m.  n.  €.  A.  46.  49.  51. 
und  mit  c  TB.  7.  elxeic  xicelei  (in  jenem  gebiet,  in  jenem  schätz, 
an  jenem  tage)»  sahst  TB.  21.  in  eixeic  vincier  (wenn  er  dabei 
ertappt,  dessen  überfuhrt  wird;  t=  et  in  eo  (con)vincitur  oder 
vincitur?);  abl.  sg.  eisud  sakarakludC  A.  13.,  eisucen  ziculud 
TB.  16.,  posi  eiMuc  TB.  29.  (s.  oben,  was  zu  post  exae  bemerkt 
ist),  auch  wohl  TB.  30.  eizuc  Miculuä"!  und  XXXVI.  ecot;  abl. 
pl.  op  eizois  TB.  23.  subst.  =  coram  Ulis;  eizasc  TB.  9.  (gen.  f. 
zu  iangineis  oder  acc.  pl.  zn  ei/wo*?);  loc.  fem.  eisai  viaiC.  A. 
67.;  abl.  eisak  eitinrad  XXIV.  auf  das  eitiuvam  paam  A. 
znrückbezogen,  eizac  egtnad  TB.  10.,  gen.  pl.  eizazunc  egmazum 
TB.  24.  Endlich  das  adv.  esuf  TB.  19.  21.  (man  sollte  eisuf  er- 
warten) dort  in  Bantia  (man  könnte  also  schon  aus  dieser  stelle 
folgern,  dafs  die  inschrift  nicht  in  Bantia,  sondern  in  Rom  abge- 
faßt sei). 

Man  sieht,  überall  deuten  die  formen  mit  eks-  oder  ek-  auf 
ein  hie,  die  mit  eis*  oder  ei*-  auf  ein  ille  hin.     Die  heransge- 


02  Ebel,  oskisehes. 

ber  der  umbr.  sprachd.  hätten  sich  deshalb  in  der  I.  108.  aasge- 
sprochenen vermuthung,  dafs  mit  dem  umbr.  eru  das  osk.  eisu 
zu  vergleichen  sei,  nicht  sogleich  wieder  durch  umbr.  es  n  sollen 
irre  machen  lassen.  Aufser  der  bedeutung  weisen  vielmehr  auch 
die  lautverhfiltnisse  beider  sprachen  ganz  entschieden  auf  eine 
solche  identität  hin.  Das  umbr.  eru  hat  dieselbe  Verwandlung 
des  s  in  r  erfahren,  wie  der  inf.  eru,  erom  =  esse,  der  gen.  pl. 
hapina-ru,  das  pron.  erek,  das  osk.  eisu  im  neuosk.  denselben 
fibergang  des  s  in  z,  wie  in  exum  =  esse(?) ,  im  gen.  pl.  egma- 
»um,  im  pron.  i*ic;  kurz,  die  analogie  kann  nicht  vollkommener 
sein,  zumsd  da  umbr.  e  auch  sonst  dem  osk.  ei,  ei  entspricht 
(vgl.  den  gen.  k apres  und  senateis).  Danach  hätten  wir  also 
das  skr.  £sha  nicht  in  esu,  sondern  in  eru  ==  osk.  eisu  wieder- 
zufinden. Es  liegt  uns  nun  nur  noch  ob,  umbr.  esu  mit  osk. 
eksü  lautlich  zu  vermitteln.  Auch  das  durfte  nicht  schwer  sein, 
wenn  man  bedenkt,  dafs  in  umbr.  x  nur  in  dem  einzigen  worte 
fratreks,  fratrex  sich  findet,  wogegen  dem  röm.  dextro  ein 
umbr.  te8tru,  destru  entspricht  (1,81);  nimmt  man  dazu,  dafs 
sich  auch  esst«,  issoc  findet,  so  wird  es  sehr  wahrscheinlich,  dafs 
ks  sich  in  der  mitte  zu  ss  assimilirt  und  nur  nach  der  gewöhn- 
lichen umbr.  Schreibart  (I,  70)  einfach  s  geschrieben  ist.  Schwie- 
riger ist  die  erklärong  der  osk.  doppelform  eks-  und  ek.  An 
assimilation  zu  denken,  verbieten  formen  wie  meddiss  aus  (und 
neben  fjieddet%*) ;  eher  mag  also  in  eks-  eine  doppelte  Zusammen- 
setzung stecken,  sodafs  ek-  auf  skr.  eka  (vgl.  per,  das  mit  pia 
und  fiopos  stammverwandt  erscheint,  und  de  aus  djre  v.  ovo;  eka 
wurde  also  einen,  d.  h.  den  ersten,  den  einen  bezeichnen),  eks- 
auf  eka-hsa  (wie  tüvtiks  aus  tuvtik-ä-s)  zu  beziehen  wäre; 
doch  will  ich  das  nicht  für  gewifsheit  ausgeben.         H.  EbeL 


*)  Wo  kk  sonst  im  osk  erscheint,  lfifst  es  sich  in  dk,  kd  oder  kt 
(?)  auflösen,  wie  pukkapid  (pocapit)  =  pudkapid,  ekkum  =  ekdum 
(?  merkwürdig  neben  afkdafed,  lfganakdfkef,  maakdiis)  tribarakkiuf 
etwa  =  trfbaraktiuf?  Dagegen  konnte  ks  wohl  nur  in  ss  übergehn.  Was 
das  verhällnifs  von  ks  und  ss  im  osk.  belrifft,  so  scheint  ks  sich  zu 
assimiliren,  wenn  es  ursprünglich  zusammenstiefs  wie  im  nom  sg  -ined- 
dfss  XVIII.,  meddfs  XVI.,  oder  der  vocal  der  endnng  abfiel  wie  im 
nom.  pl.  meddfs 8  XV.  (pedtiaS  XXXIX.  vielleicht  nur  bezeich nung  des 
ss,  wie  tt  des  f)  —  auch  estfnt  mag  sich  so  ans  eekstfnt  erklSren(?)  — 
hingegen  unverändert  zn  bleiben,  wenn  ein  vocal  am  ende  des  Stammes 
abfiel,  wie  in  tuvtfks.  Das  x  in  prumedixud  weifs  ich  nicht  zu  erküren. 


Schweizer,  anzeige.  63 

II.   Anzeigen. 


Homerisches  glossariom.   Von  I,  Dßderiein. 

(Erster  band.    Erlangen  1850.  X  n.  260s.  s.) 

Hauptzweck  dieses  längst  vorbereiteten  und  angekündigten 
buches  ist  dem  verehrten  herausgeber  Interpretation,  und  die 
etymologischen  und  grammatischen  Untersuchungen  sind  ihm  zu- 
nächst nur  ein  notwendiges  mittel  zu  diesem  zwecke.  Wo  aber 
die  spräche  Homers  gegenständ  der  Forschung  und  deutung  ist, 
da  müssen  wie  von  selbst  etymologische  und  grammatische  Prü- 
fungen oft  in  die  breite  und  tiefe  gehen,  und  so  nehmen  diesel- 
ben sehr  naturgemäfs  auch  in  dem  vorliegenden  buche  einen  an- 
sehnlichen räum  ein.  Doch  darauf  verzichtet  D.  die  letzten  wur- 
zeln der  Wörter  zu  verfolgen,  was  freilich  nicht  ohne  einigen 
schaden  für  die  richtige  anschauung  und  deutung  abgeht;  er  ver- 
sammelt, eingedenk  seines  obersten  Zweckes,  auch  nicht  sämmt- 
liche  aus  einer  und  derselben  würzet  hervorgegangenen  Wörter 
um  die  fruchtbare  mutter,  was  kaum  zu  tadeln  ist,  ist  nur  aus 
dem  ganzen  das  einzelne  richtig  ausgesondert.  Aber  warum 
nicht  einmal  die  Wörter  eines  Stammes,  sofern  sie  doch  home- 
rische sind  und  D.  sie  sicher  für  stammgenossen  hält,  um  densel- 
ben sich  einreihen  und  aufstellen  sollen,  ist  uns  zur  stunde  nicht 
klar,  vielleicht  damit  dem  leser,  welchem  die  interpretation  die 
hauptsache  ist  und  dem  der  verf.  sein  buch  besonders  gerne  nahe 
legen  will,  die  überschau  des  mäfsig  gehaltenen  bildes  ermög- 
licht sei.  In  der  vorrede  giebt  D.  einige  hauptgrundsätze  seines 
Verfahrens  an:  das  streben  der  spräche  in  ihrer  fortentwicklung 
gehe  auf  kürzung  der  wortgestalten,  aber  diese  Operationen  seien 
von  änderungen  im  interesse  des  Wohllautes  begleitet,  endlich 
werde  dem  geknickten  und  gekürzten  worte  nicht  selten  Scha- 
denersatz geleistet  durch  assimilation  und  metathese  des  lautes. 
Der  erste  dieser  sfitze  dürfte  im  allgemeinen  kaum  noch  bestrit- 
ten werden,  nachdem  die  historische  grammatik  besonders  im  be- 
reiche  der  deutschen  dialekte  die  sinnliche  formengewalt  der  alten 
zeit  der  verhältnifsmäfsigen  schwäche  und  dünnheit  der  neuesten 
gegenüber  gestellt  hat.  Aber  nur  im  allgemeinen  gilt  dieser  satz. 
Denn  abgesehen  von  solchen  sprachen,  in  denen  eine  entstehende 
literatur  sichtbar  auf  vielen  punkten  die  vollkommenere  form  erst 


64  Schweizer 

wieder  hergestellt  bat,  wie  im  sanskrit  und  römischen,  sachten 
sich  gar  oft  matt  und  anscheinbar  gewordene  oder  zu  allgemeine 
formen  namentlich  durch  eine  innig  anschliefsende  Zusammen- 
setzung, durch  reduplication,  durch  entwickeluiig  von  nasalen  im 
innern  und  im  auslaute  wie  neu  zu  beleben  und  zu  kräftigen; 
ich  erinnere  nur  an  die  Zusammensetzung  von  magern  verbalwur- 
zeln mit  dh,  gr.  #,  lat.  d;  bh  u.  a.,  oder  auch  mit  sc,  <S;  and 
oft  rettete  eine  spräche  eine  schöne  perle  aus  dem  nicht  hinläng- 
lich verwendeten  Überflüsse  der  Vergangenheit  hinüber  in  die  mehr 
intellectuell  ordnende  and  verarbeitende  zeit,  and  nun  erst  erhielt 
dieser  edelstein  den  rechten  glänz  und  trug  zur  veredelang  der 
rede  bei.  Solche  gebilde  sind  im  griechischen  der  conjunctiv  und 
der  aorist,  im  lateinischen  die  reichen  formen  des  locativs  und  der 
ablativ,  dem  man  sein  gutes  alter  nicht  abgesprochen  hätte,  hätte 
man  weiter  nur  auf  italischem  boden  am  sich  geschaut.  —  Dafs 
nun  bei  Verkürzung  und  alterirung  der  Wörter  auch  Wohllaute- 
gesetze  mitwirken,  ist  natürlich  nnd  noth wendig;  aber  ob  der 
Verfasser  mit  seiner  ihm  offenbar  wichtigsten  und  mit  einem  gro- 
fsen  aufwände  von  Scharfsinn  durchgeführten  ansieht  über  den 
gar  verschiedenartigen  ersatz  der  laute  durchzudringen  vermöge, 
das  ist  gröfsern  zweifeln  unterworfen,  und  wenigstens  läfst  nicht 
eine  kleine  reihe  von  fallen  einfachere  deutung  zu.  —  Die  er- 
klärungen  sind  mit  recht  möglichst  auf  die  weit  hinaufrei- 
chende tradition  durch  die  alten  grammatiker  gegründet.  Doch 
ist  diese  an  manchem  orte  durch  schärferes  eindringen  und  auf 
dem  umfassenden  gründe  neuerer  fbrschung  durchbrochen  wor- 
den; wie  könnte  der  seeptische  deutsche  anders?  Um  wie  vieles 
gefährlicher  es  anderwärts  sei  der  Überlieferung  blindlings  zu 
folgen,  hat  neulich  R.  Roth  auf  lichtvolle  weise  gezeigt.  Die  an- 
Ordnung  des  Stoffes  ist  nicht  eine  innerlich,  etwa  durch  die  ety- 
mologie  bestimmte,  sondern  Döderlein  folgte  mehr  dem  Vorgänge 
Buttmanns;  aber  Buttmann  schrieb  eben  nicht  ein  umfassendes 
homerisches  gl  ossär,  und  gerade  bei  forschungen  der  art  hätte 
unstreitig  die  alfabetisch- etymologische  ordnnng  den  vorzug  ver- 
dient. —  Dieses  werk  wird  jedem,  der  sich  näher  und  durch- 
gehends  damit  beschäftigt  hat  und  nicht  nur  einzelne  stücke,  de- 
ren allerdings  manche  nicht  gerathen  sind  und  die  vereinzelt  ge- 
wifs  mehr  blöfsen  bieten,  herausgreift,  als  eine  frucht  .rüstiger 
und  munterer  emsigkeit,  einem  grofsen  theiie  nach  nicht  rasten- 
den eindringenden  Scharfsinnes  erscheinen,  überall  aber,  auch  wo 


anzeige.  65 

es  mifslungen  oder  weniger  gelungen  ist,  als  eine  grundsätzlich 
durchgeführte  und  gleichmäfsige,  durchaus  nicht  tumultuarische 
arbeit  sich  erweisen.  Von  sei  teil  der  vergleichenden  Sprachfor- 
schung ist  das  buch  einer  nicht  blofs  oberflächlichen  Betrachtung 
werth,  da  es  jedenfalls  seinerseits  ihren  stoff  um  etwas  mehrt, 
oder  wenigstens  oft,  wo  er  versprengt  ist,  ihn  zusammen fafst, 
und  da  es  durch  seine  weise  entschieden  auf  eigentümliche  wege 
der  forschung  hinweist.  Auch  tritt  der  Verfasser  gar  nicht  etwa 
feindselig  gegen  diese  junge  und  jugendlich  kräftige  richtung  in 
der  philologie  auf,  sondern  legt  an  mehrern  stellen  unumwunden 
seine  volle  achtung  für  dieselbe  an  den  tag  und  fiberläfst  ihr  be- 
scheiden ein  sinniges  gebiet,  das  der  wurzelforschung  im  engsten 
sinne,  ganz  und  gar.  Denn  mifsachtung  wollen  und  können  wir 
es  doch  nicht  nennen,  wenn  er  zuweilen  ihre  nothwendig  küh- 
nen geberden  ein  wenig  anstaunt.  Wir  wagen  es  Lobecks 
merkwürdigen  aussprach:  si  natura  nobis  concederet  viwg  Hg 
zfoai  xal  ytQwrtag  ov  nakiv,  du  plicata  vitae  spatia  —  quoniam 
simplex  vix  unius  linguae  cognitioni  suppetit,  divideremus  utrisque, 
d.  h.  dem  sanskrit  und  der  vergleichenden  Sprachforschung  einer- 
seits und  der  griechischen  Specialforschung  anderseits,  auch  herrn 
Döderlein  in  mund  und  feder  zu  legen.  Ist  nun  auch  in  der 
formeolehre  der  sogen,  klassischen  sprachen  und  ihrer  töchter 
und  erbinnen  kaum  ein  ganz  sicherer  sehritt  möglich  ohne  bei- 
zieh an  g  der  nächstverwandten  sprachen  und  namentlich  des  in 
seiner  sinnlichen  dnrchsichtigkeit  und  seiner  unverwelklichen  ju- 
gendfalle beneidenswerthen  und  anstaunenswürdigen  sanskrit,  so- 
bald es  auf  erklärung  der  gebilde  und  nicht  nur  auf  ihre  kriti- 
sche sichtung  und  feststellung  abgesehen  ist;  so  steht  es  uns  an- 
derseits nicht  zu  zu  läugnen,  dafs  in  griechischer  Wortforschung 
im  engern  sinne  sich  von  eiuem  begabten  und  mit  reichem  ma- 
terial  ausgestatteten  forscher  auch  dann  immerhin  erkleckliche 
und  fördernde  resultate  erwarten  lassen,  wenn  er  nicht  in  jenen 
weitern  kreis  hinaustreten  will  oder  kann.  Ja,  der  verf.  scheint 
uns  wirklich  mehrmals  zu  weit  hinausgetreten  zu  sein;  denn 
nicht  selten  irrt  er  bedeutend,  wenn  er  heimische  ausdrücke  äl- 
terer ond  neuerer  zeit  zur  vergldchung  heranzieht. 

Wir  waren  gesonnen  in  unserer  besprechung  dieses  reichen 
buche«  zunächst  dessen  ergebnisse  für  die  griechische  lautlehre 
vorzulegen ,  dann  in  derselben  weise  prüfend  auf  die  leistungen 
einzugehen,  welche  der  Wortbildung  zu  gute  kommen  sollen  und 

IL    1.  5 


66  Schweizer 

endlich  einzelne  deutungen  kritisch  zu  verfolgen.  Aber  wir  dür- 
fen uns  nicht  erlauben  unsern  befand  in  extenso  darzustellen  und 
begnügen  uns  mit  der  aushebung  von  einzelnem  und  wenigem  in 
diesen  verschiedenen  richtungen;  anderes  werden  wir  in  eigenen, 
arbeiten  späterhin  besprechen  können. 

Nicht  selten  kommt  in  diesem  buche  die  angleichung  und 
anähnlichung  zur  spräche,  wie  z.  b.  opßQog  aus  apvQog,  6nX6- 
tSQog  ans  äaaXorsQog,  vntQonXog  aus  vnsQaaaXog ,  attiog  aus 
avdrtog,  durch  angleichung;  xopt/fa,  xoGfMvXpa,  xvdoipog  u.  a., 
dann  formen  wie  fnjyeaipaXXog,  ferner  odovg  u.  a.  durch  anfthn- 
lichung erklärt  werden.  In  opßgog  hat  das  vor  ß  aufgestiegene 
p  sicher  eben  so  grofsen  antheil  an  dem  dunkeln  o  als  folgendes 
o;  denn  aufgestiegen  und  unorganisch  ist  p,  wenn  wir  Ofißgog 
an  skr.  abhra  halten  dürfen,  welches  gerade  in  den  alten  ve- 
dischen  glossen  nicht  nur  als  name  der  wölke,  sondern  auch 
des  wassers  erscheint,  gleicher  bedeutung  mit  abhva,  ambha  und 
ambu(?).  Nicht  uneben  vergleicht  Weber  V.  S.  spec.  I.  s.  18.  mit 
abhra  griech.  äcpQog;  vergl.  denselben  in  seinen  ind.  stnd.  I,  s.  183. 
In  onXoreQog  ist  freilich  ein  altes  aber  nicht  ein  griechisches  a 
in  o  geschwächt,  doch  nicht  aus  dem  streben  nach  anglei- 
chung verwandelt;  denn  kaum  ist  die  wnrzel  eine  andere 
als  skr.  sac,  lat.  seq.  griechisch  m  und*  dasselbe  gilt  von  vxe'(>o- 
nXog.  Die  w.  w.  x6gv£a  und  xofffwXfia  sind  entschieden  unrich- 
tig als  Zusammensetzungen  mit  xata  angesehen,  unsicher  sind 
die  übrigen,  in  denen  v  aus  a  hervorgegangen  sein  soll  eines  fol- 
genden oi  wegen.  In  Zusammensetzungen  wie  fn^yeaifiaXkog  u.  a. 
soll  a  eines  folgenden  t  wegen  in  s  fibergehen,  während  in  der- 
selben art  von  Zusammensetzungen  das  a  blieb,  sobald  <s  ausge- 
stofsen  und  der  vokal  mit  *  zu  einem  diphthongen  verschmolzen 
ward.  Vielmehr  erscheint  hier  eine  fortgehende  trubung  und 
Verdünnung  des  alten  lautes;  denn  den  genannten  formen  liegen 
sicher  nicht,  wie  D.  annimmt,  durchaus  nur  v.  v.  intensiva  auf 
a£ö>  zu  grnnde,  sondern  den  ersten  theil  der  Zusammensetzung 
bilden  entweder  wie  Pott  et.  f.  II,  381  annimmt,  subst  abstr. 
auf  <k=t«,  oder,  was  uns  richtiger  scheint,  einfache  part.  präs.? 
Rosen  zum  RV.  XXII;  vergl.  die  sanskrit.  vididvasu  «reich- 
thnm  spendend»  u.  a.,  Aufrecht  de  accentu  compos.  p.  16.  Dafs 
ein  solches  e  nicht  durch  ein  folgendes  i  hervorgerufen  sein 
müsse,  beweisen  uns  formen  wie  dq-fita  Pott  et.  f.  II,  39, 
Ebel  in  dieser  z.  f.  s.  298.    In  altiog,  wäre  auch  diese  etymo- 


anzeige.  67 

logie  richtig,  konnte  ebensowohl  ^r  als  a  in  i  übergehen.    Ganz 
ohne  grund  ist  aber  deutsches  irdisch  neben  er  da  verglichen,  da 
hier  gerade  i  der  ursprüngliche  deutsche  laut  ist,  der  sich  bei  fol- 
gendem i  erhielt,  während  er  durch  nachfolgendes  a  gebrochen 
ward.     In  odovg  für  odovg  sehen  wir  das  o  lieber  als  mildere 
Schwächung  des  alten  a  denn  als  Verstärkung  von  *  an ;  das  alte 
a  findet  sich  noch  im  skr.  ad  «edere»,  in  latein.  ador,  in  goth. 
atisk;  es  wurde  daraus  o,  e  oder  es  konnte  völlig  sehwinden. 
Das  griechische  ist  hier  wie  im  verb.  ei/u  im  vortheile  nicht  nur 
gegen  das  lateinische  und  deutsche,  sondern  auch  gegen  das  sanskrit 
durch  zäheres  festhalten  eines  donnern  oder  festern  lautes.  Auch 
über  das  schwanken  von  av,  ov,  ev  lassen  sich  kaum  so  bestimmte 
sätze  aufstellen  als  D.  zu  thun  versucht.    Nicht  sicherer  sind  die 
Alle  der  dissimilation,  die  D.  gelegentlich  bespricht,  so  dafs  z.  b. 
aloXog  für  ein  älteres  aivXog  stehen  soll,  was  durch  eine  schein- 
bare analogie  des  lateinischen  nicht  begründet  ist;  denn  in  filiolus, 
alveolns  ist  das  ursprünglichere  des  vorausgehenden  i  oder  e 
wegen  eben  nur  geblieben.    In  didvpog  wird  di  für  djri  stehen, 
die  etymologie  von  Xtypvg  ist  nicht  sicher  gestellt.   In  ansog  und 
eaper  stiefsen  wohl  diese  vokale  von  anfang  gar  nicht  zusam- 
men, und  wie  ansog  ist  auch  ohÜQeov  aus  oivOQBßov  zu  erklären. 
In  diog  hat  Benfey  mit  recht  vorausgegangenes  guna  angenom- 
men,   wie  in  oveidog  von  wnrzel  nid  u.  a.     Der  vokal  a,  e  soll 
zu  *  'werden  in  einer  durch  syncope  entstandenen  position,  z.  b. 
in  ia&fiog,  cxigrär  u.  a.    Wenn  auch  axiQtäp  fast  unzweifelhaft 
einen  solchen  fall  bietet,  so  mufs  es  für  sehr  kühn  gelten  ia&fiog 
nach  analogie  von  faux  aus  ia&ipog  entstehen  zu  lassen,  so  dafs 
es  gleich  yaarriQ  eigentlich  der  esser  wäre.    Eine  ableitung  aus 
w.  t  würde  dem  sinne  und  der  form  nach  sicherlich  erwünschter 
sein,  sobald  über  <r  vor  0  auskunft  gegeben  werden  kann;  will 
herr  D.  die  von  Lobeck  nnd  Curtius  beigebrachten  beispiele  für 
einen  blofs  euphonischen  einschob  nicht  gelten  lassen,   so  steht 
noch  immer  die  w.  ish  zu  geböte,  die  in  iog  gleich  einem  skr. 
*isha9  gew.  ishu  unverkennbar  auch  im  griechischen  wirksam  ist. 
Umgekehrt  entsteht  nach  D.  «  aus  i  in  äQtepijg  =  äQttfxarog, 
«vfohlgemuth»  und  JJQtapig,  dürfen  wir  es  dazu  rechnen,  würde 
uns  sogar  ein  a  an  der  stelle  des  alten  i  zeigen.    Angenommen, 
Dftderleins  ableitung  von  aQTefiijg  sei  die  richtige,  so  dürfte  denn 
doch  immerhin  in  OQrs  das  volle  oqtio  stecken.   Wir  halten  übri- 
gens aQjSfiijg  für  ein  einfaches  wort  von  im  griechischen  aller- 

6* 


68  Schweizer 

dings  seltener  bildung,  indem  wir  es  gleich  artamant  od.  rtamant 
nehmen;  Jägiepig  oder  J^gtauig  aber  scheint  ans  das  femininum 
einer  kürzern  form  artama,  wie  skr.  arnava  für  arnavant,  arvan 
für  arvant  und  yahva  für  yahvant  steht.  Unbegründet,  so  weit 
wir  sehen,  ist  auch  der  satz,  es  müsse  ein  inlautendes  v  zu  o 
werden,  wenn  im  anlaute  <r  zutrat,  in  wtoXiog,  in  Grifpg.  Dage- 
gen, dafs  Gtoypg  von  tei%(o  komme,  spricht  manches  und  nament- 
lich die  daneben  bestehenden  dcra^vg  u.  s.  f. ,  die  auf  eine  modi 
fication  der  wurzel  sta  führen,  der  wohl  auch  atonog,  ronog  an 
gehört,  wie  tabula  =  stabula  ist.  Ohne  weitern  ersatz  soll  o  ab- 
gefallen sein  in  öaxew  für  odaxetv.  Im  skr.  haben  wir  die  Wur- 
zel dag,  goth.  tahjan,  lat.  lac  in  lacer  u.  s.  f.  im  griech.  ddxQV, 
lacruma,  goth.  tagr,  unser  «zähre».  So  wird  ebenfalls  aphärese 
angenommen  in  yqmevg,  lateinischem  gerere,  in  yc&Qog,  ydwG&cu, 
pvew,  hd&ö&cu,  paco,  fiuffl,  vortex  u-  a.,  meistens  nachweisbar 
unrichtig;,  der  verf.  ward  oft  von  dem  streben  irre  geleitet,  kür- 
zere gestalten  neben  vollem  immer  als  die  spätem  zu  erklären, 
möglichst  selten  zusätze  im  anfange  der  wurzeln  zuzugestehen. 
Als  ein  beispiel  solcher  art  soll  auch  der  name  jttjtoi  gelten  «die 
umherirrende0.  Gegen  eine  solche  deutung  spricht  6tark,  was 
wir  als  ursprüngliche  anschauung  dieses  götterwesens  ansehen 
müssen;  denn  ihre  Irrfahrten  sind  doch  grofsentheils  nur  ethische 
ausflösse,  wie  sie  erst  entstehen  konnten,  als  einmal  Here  ihre 
ansprüche  mit  allen  mittein  durchsetzen  wollte.  Aristo  scheint 
ursprünglich  ein  nacht wesen,  sie  könnte  aber  in  ihrem  namen 
ebenso  gut  als  gattin  und  geliebte  des  himmelsgottes  aufgefafst 
sein;  deute  man,  wie  man  wolle,  so  dürfte  man  nicht  ungereimt 
an  w.  ram  denken,  von  der  I,  359.  geredet  ward,  vergl.  beson- 
ders ratri  f.  und  rämjä  als  bezeichnungen  der  nacht.  Rücksicht- 
lich des  inlautenden  vokales  verhielte  sich  Arjroi  zu  indischem 
rati,  volnptas,  wie  iirjng  zu  mati.  —  Wenn  ovta  wirklich  gleich 
ovrace  steht,  so  läge  hier  ein  ähnlicher  fall  vor,  wie  wenn  im 
sanskritaorist  im  st.  isham,  und  im  lat.  perf.  -ei,  i  für  dasselbe 
sich  findet.  Die  apocope  von  a  in  dvd  kann  niemand  läugnen, 
aber  darum  ist  Döderleins  erklärung  des  d  intensivum  nichts 
weniger  als  sicher.  Ganz  verfehlt  ist  die  deutung  von  acrv  aus 
darvy  von  crdyeiv,  wie  sich  jeder  durch  die  einfache  Zusammen- 
stellung der  verwandten  überzeugen  kann,  welche  auf  w.  vas, 
goth.  visan  zurückleiten.  Einiges  eigentümliche  bietet  auch  die 
behandlung  der  consonantcn  dar.   Döderlein  nimmt  altes  j:  an  in 


anzeige.  69 

idup  wegen  des  lateinischen  vesci,  erklärt  afiaa&at  aus  ehemali- 
gem affieip  für  aftfuip,  svimman.  Noch  verkehrter  ist  die  gleich- 
Stellung  von  w.  *<x  mit  goth.  visan,  also  skr.  vas,  und  hog  soll 
dann  gleich  einem  ^ecetov  sein.  In  gataro?,  #e£a*ra>p,  ayandto, 
ßlmm  aus  angenommenen  ßoldfon  soll  n  aus  jr  entstanden  sein. 
Hier  erwächst  schaden  daraus,  dafs  Döderlein  nicht  mit  dem 
wurzelvermehrenden  p  bekannt  ist,  und  die  ableitung  und  deu- 
tung  von  ßkmm  wird  auch  sonst  nicht  befriedigen.  Noch  freier 
springt  unser  verf.  mit  tJem  armen  latein.  um,  so  dafs  es  nicht 
einmal  mehr  eine  palcra  filia  pulcrioris  matris  bleibt.  S.  109 
werden  eigentümliche  ansichten  über  diese  spräche  offenbar,  die 
aufs  deutlichste  widerlegt  werden  könnten.  Unter  anderm  wird 
feba  aus  ag><wy(?)  gedeutet,  während  es  seine  schöne  und  einfache 
ableitung  in  w.  bhaksh,  gr.  cpay  findet,  also  eigentlich  «die  zum 
essen  seiende1*  aussagt,  wie  dieses  Grimm  in  seiner  abhandlung 
über  die  diphthongen  und  in  seiner  neuen  über  die  entstehung 
der  spräche  so  sinnreich  ausgeführt  hat.  Die  deutung  von  latei- 
nischem serus,  sero  aus  fjSQog,  ijQog  ist  weder  dem  laute  noch 
dem  begriffe  nach  recht  begründet.  Erwägt  man  Potts  Erklärung, 
etym.  forsch.  2,  174,  der  das  lateinische  wort  wie  Bopp  zu  skr. 
aaya  stellt,  so  wird  dessen  etymologie  keine  besondere  Schwie- 
rigkeit machen.  Wie  das  verschwinden  des  s  und  sein  Wechsel 
mit  dem  blofsen  hauche  für  die  griechische  grammatik  besonders 
wichtig  ist,  so  zieht  auch  seine  vorsei zung  vor  dem  anlautenden 
konsonanten  und  seine  entwicklung  wieder  vorzüglich  im  grie- 
chischen inlaute  unsere  Aufmerksamkeit  auf  sich.  Das  vorgesetzte 
8  ist  sicher  nicht  allenthalben  desselben  Ursprunges  und  bedarf 
einer  weit  gründlichem  vergleichenden  Untersuchung  als  sie  ihm 
der  verf.  werden  liefs,  der  auch  einzeln,  wie  z.  b.  im  ags.  sciran 
mit  unrecht  ein  späteres  s  annimmt  Die  entwicklung  des  a 
im  griech.  inlaut  ist  uns  noch  nicht  recht  klar;  aber  dessen  sind 
wir  mit  Benfey  überzeugt,  in  den  bildungen  auf  -0/*at  und 
-  <y&i}v  u.  a.  -ist  dieses  hinzutretende  o  weit  eher  eine  bestimm ung 
und  füllung  der  endung  als  ein  Überbleibsel  von  sogen,  intensiv- 
formen, wie  sie  von  Döderlein  massenhaft  angenommen  worden. 
Ein  Hofs  lautliches  und  brückebildendes  s  nimmt  der  verf.  auch 
an  in  den  deutschen  w.  w.  fest  =  pactus,  inast  =  mactue,  tasten 
von  einem  taetare,  börste  =  (pQixroe,  mist  =  mictus,  fuxtog  und 
last  =  gelegt  (lectus).  Diese  vergleichungen  fast  alle  zu  wider- 
legen müfste  zu  weit  führen:  zu  fest  vergl.  die  alte  gotli.  form 


70  Schweizer 

]>vaste,  über  matt  vergl.  Diefenbach  g.  w.  11,57;  gehörte  börste 
zu  der  w.  <vouc,  was  wir  sehr  bezweifeln,  so  wäre  es  von  der 
form  bhrsh  abzuleiten,  mist  goth.  maihstus  ist  anmittelbar  von  der 
wäre,  mih  gebildet,  last  von  hladan,  goth.  blasen  heilst  im  ags.  hütet, 
hatte  also  in  seiner  w.  gnttoralen  aulaut,  dentalen  anslant.  Recht 
schön  und  oft  treffend  erklärend  sind  die  hier  dargestellten  ge- 
setze  der  einwirknng  eines  a  auf  verbundene  consonanten,  die  Assi- 
milation u.  s.  f.,  nur  durfte  auch  hier,  nicht  alles  über  ein  mafs 
geschnitten  werden,  wie  z.  b.  taacuv  nichts  anderes  sein  soll 
als  *rd£eip  d.  h.  ein  intensivum  von  tarn,  während  die  ganze  fa- 
milie  dieses  wortes  uns  auch  nicht  einen  augenblick  darüber  zwei- 
feln läfst,  dafs  die  betreffende  wurzel  auf  g  auslaute,  unangetastete 
präsensform  wohl  ray\m  wäre;  auf  diesen  einflufs  eines  einstigen 
j,  der  sogar  in  ganzen  abhandlangen  nachgewiesen  ist,  achtete 
überhaupt  D.  zu  wenig.  Ueber  das  ausgefallene  j  im  griech.  fin- 
den wir  eine  willkommene  bemerkung  s.  240 f.;  über  den  Wech- 
sel von  p  und  ß  s.  67  und  s.  209;  r  läfst  D.  zur  Verstärkung 
eines  p  eintreten  im  perf.  vasprijpvxa,  freilich  sind  die  als  beläge 
angeführten  beispiele  nicht  so  sicher  als  von  dem  verf.  angenom- 
men wird.  Dem  lautersatze  wird  eine  tiefeingreifende  bedeutung 
gegeben.  Nicht  allenthalben  findet  ersatz  statt,  und,  wo  er  statt- 
findet, gar  nicht  auf  gleiche  weise.  Zuweilen  finden  sich  in  der 
spräche  nur  leise  andeutungen,  dafs  ein  vocal  geschwunden  sei, 
wie  wenn  sich  darum  ein  spir.  a.  in  einen  lenis  verwandelt  in 
acfitrog  für  qadftevog,  oder  wenn  sich  eines  ausgefallenen  *  we- 
gen ein  o  der  vorhergehenden  silbe  in  v  umsetzt  in  igvfipog  für 
OQoqitvog,  oder  ein  e  in  *  in  xiQnjfii  für  xeQawvfii.  Sonst  wird 
ein  ausgefallener  voeal  oft  ersetzt  durch  aspiration,  und  dieser 
hauch  sucht  sich  im  worte  verschiedene  stellen,  besonders  aber 
auf  dem  vokalischen  anlaute,  so  in  aiQeia&at=deiQeladtti,  ev^eiv 
=  äf8QW,  0H(pi=Hl(ni,  fang  =.y8Q<ß7og,  iader=idadeir,  adgoe 
=ddijQog  u.  s.  f.  vgl.  a.  65  und  s.  181  «wftw;  die  aspiration  kann 
sich  aber  auch  einem  konsonanten  verbinden,  in  lpd6&Xtj  =  lpa- 
araXri,  ü»x/ucfc=u»xtpoff,  in  ftXox(Mg=itX6xapog9  dxax(ie*og  = 
äxaxtiiMvog,  dtda&cdog  =z  einem  dra<j&X6gz=:  aramaUg\  vergl. 
auch  anm.  114.  Auch  ausgefallene  konsonanten  sollen  in  einzel- 
nen fallen  nach  anm.  38  und  65  durch  spir.  a  auf  anlautendem 
vocale  ersetzt  werden,  selbst  mit  überspringung  von  silben  z.  b. 
in  dficcQteTv  von  dfiegozog,  äfUQdta.  Zuweilen  leistet  j:  ersatz, 
so  in  evxtjlog,  Zxqlog  und  yeyxaXog  und  8.  182  scheint  D.  ijraöep, 


anzeige.  71 

evaöev  für  idadev  zu  nehmen.  Ein  geschwundener  vocal  wird 
häufig  durch  längung  einer  frühem  kürze  ersetzt,  nud  auch  in 
dem  falle  finden  wir  nicht  selten  ein  überspringen  zwischenlie- 
gender silben  angenommen,  weil  «ein  durch  euphonische  oder 
andere  rücksichten  verdrängter  laut,  so  oft  er  kann,  sich  in 
irgend  einem  winkel  desselben  Wortes  rette.»  So  ist  ftdacar 
■=i*a%*chov9  niiywpi-=.nayi9*v\uy  nhjpfxeXijg^inXairopehjg,  Äjf- 
fAog=dapaog,  (pevyazzzyvyso),  qdeipzzzadssiir,  <riinzwz=.Gwniz%,vy 
r{kvl  =  ahmtog ,  nQOffl&ijg  =  nQopd&rjTog ,  dXq&ijg  =  dld&ytog, 
d<Jxtj^ijg  =  d(Jxäüjetog,  £axQipjg=:CaxQdeTog  (anm.  101.  s.  120). 
So  erklärt  der  verf.  auch  xijqvI;  z=xctQvxT6gy  den  eigennamen  7Y- 
ra9=Jirarr6g;  aiyhj=dyaXitj  und  cdxd)Aeiv=:dxaliXew.  Um- 
gekehrt wird  ein  weggefallener  anlaut  durch  längung  des  Inlau- 
tes ersetzt  in  Xirjv  dXianog,  mänes  =  dfAevugy  q>ä(>og=v<paQQgy 
da<mXiJTig=da<mehirTig  oder  daidofreXdtig ,  dptjrog,  dfiij<Jig=da- 
fiarog,  ddpaag,  xtjXeir—dxaleWy  voo{hjg=dpo&8Tog,  rrjpe(>Tijg= 
drapdQTfjrog ,  rtjTä<y<&cu  =:  äratäa&eu,  vergl.  anm.  161.  s.  228. 
Wir  wollen  nicht  läugnen,  dafs  in  diesem  verfahren  Wahrheit 
enthalten  ist,  müssen  aber  auch  hier  rügen,  dafs  alles  über  ein 
raafr  gelegt  ist  So  ist  darauf  keine  rücksicht  genommen,  dafs 
so  gut  als  in  andern  sprachen,  im  lateinischen  und  deutschen, 
einerseits  ein  unechter  spir.  a.  vor  vocalen  antrete,  ein  echter  ver- 
haucht sei,  dafs  ein  haucher  als  halbvocal  fortexistiren  oder  auch 
in  einen  nahestehenden  vocal  umgewandelt  sein  kann,  dafs  die 
natur  folgender  consonanten  wesentlichen  einfluft  ausübt  u.  dgL 
In  aapsvog  ist  sv  untergegangen,  wie  in  e&co,  e7h'£o>  neben  sue- 
sco  u.  a.  und  <r  ist  aus  d  entstanden,  igvpvog  ist  wohl  nur  des 
accentes  wegen,  der  sonst  nicht  selten  von  D.  wenig  berücksich- 
tigung  findet,  so  erklärt,  dafs  es  als  eine  zusammenziehung  au8 
dem  langen  ogoyivog  erscheinen  soll;  denn  sonst  ist  die  deutung 
aus  jreQv-fierog  bedeutend  einfacher  und  durchaus  sprachgemäfs; 
dürfte  es-  aber  nicht  für  jreQv^og  stehen  und  dann  der  unge- 
wöhnliche accent  erklärbarer  sein?  In  xiQnjpi  ist  die  Ursprung* 
liehe  form  erhalten;  denn  kaum  steht  xsQdvwfii,  wie  Grimm 
in  seiner  gesch.  d.  d.  spr.  sinnig  vermuthete,  mit  xiqag  «dem 
trinkhorn»  in  Verbindung,  sondern  liegt  zunächst  an  der  indischen 
w.  <;ri  ««mischen,  kochen».  Die  ableitung  von  cuQsia&at  und 
ebQtlv  ist  sehr  fraglich.  *H(pi  und  tjQwg  sind  in  neuerer  zeit  mehr- 
mals von  andern  und  auch  von  uns  anders  erklärt  und  wir  mei- 
nen mit  gröfserer  Sicherheit  an  die  ursprüngliche  ansebauung  ge- 


1%  Schweizer 

halten  worden.  Here,  die  gattin  des  himmlischen  lichtgottes  be- 
zeichnete bestimmt  anfänglich  nicht  nur  die  dichte  laft,  tjqwg  nach- 
weisbar nicht  den  luftigen;  sondern  in  jenem  namen  ist  die  eigen- 
schaft  der  Zensgattin  ausgedrückt,  in  diesem  die  hervorleuchtende 
heldenkraft.  Wie  wir,  legte  auch  J.  Sonne  in  seinen  epilog. 
8.  21.  die  wurzel  svar  «leuchten,  glänzen»  zu  gründe  und  erklärte 
"Hqu  als  «die  leuchtende"  und  fJQag  ist  nichts  anderes  als  eine 
participialform  derselben  wurzel,  wie  nach  anderer  denk-  und 
auffassungs  weise  das  vedische  süri  den  «weisen»  und  «priester» 
benennt.  Dahin  gehören  auch  die  ZeXkoi,  die  "EXkrjveg,  aeXqrq, 
'Eldvri  u.  s.  f.  Wie  in  der  vorigen  wurzel  so  auch  in  avbavv*  u. 
8.  f.  ist  der  ursprüngliche  volle  anlaut  sv,  womit  so  ziemlich  alle 
Schwierigkeiten  sich  lösen  lassen.  Sehr  bedenklich  ist  die  an- 
nähme, dafs  ein  ausfallender  vocal  als  hauch  sich  einem  conso- 
nanten  verbinde,  oder  will  uns  D.  auf  dieselbe  weise  oq&qo?9 
ßd&QW9  teißti&QOv,  ols&Qog  u.  s.  f.  deuten?  Es  scheint  uns  da 
Bopps  meinung  (vergl.  gr.  s.  1140)  viel  wahrscheinlicher,  dafs 
sich  besonders  vor  halbvocalen  die  tenuis  gerne  erweichte,  und 
auch  das  lateinische  bietet  uns  hier  nicht  selten  beispiele;  zu- 
weilen könnte  ein  ursprüngliches  s  eingewirkt  haben.  In  apag- 
tavm  ist  der  spir.  a.  um  so  mehr  ein  unsicheres  gebilde,  als  er 
nicht  die  -ganze  conjugation  des  verbums  durchzieht.  Der  kompa- 
rativ &o6G(ov  ist  entschieden  falsch  aus  ragscrtW  gedeutet,  was 
nicht  weiterer  ausfuhrung  bedarf,  sobald  man  diese  komparativ- 
bildung  auf  iW  im  griechischen,  iyas  im  sanskrit  und  ior,  alt  ios 
im  lateinischen  scharf  ins  äuge  faist,  oder  woher  darf  zwischen 
stamm  und  endung  ein  so  erwartet  werden?  In  nijyrvfii,  in  ofao*, 
in  yevya  u.  a.  wird  kaum  jemand,  der  sich  mit  den  resultaten 
der  vergleichenden  grammatik  bekannt  gemacht  hat  oder  den  schö- 
nen Untersuchungen  von  J.  Grimm  gefolgt  ist,  mit  D.  eine  blofse 
Versetzung  des  vocals  aus  der  endung  annehmen  wollen,  anstatt 
darin  eine  schöne  theilweise  aus  der  bedeutung  entsprungene  und 
auf  die  bedeutung  einwirkende  architektonische  Verstärkung  der 
wurzel  zu  sehen.  Ueber  die  ableitung  von  Öijpog  sind  wir  nicht 
ganz  sicher,  aber  so  viel  ist  ausgemacht,  dafs  seine  ursprüngliche 
anschauung  nicht  das  gebändigte  aussagt.  Ueber  die  adiect.  auf  qg 
können  wir  erst  bei  der  behandlung  der  Wortbildung  näher  ein- 
gehen, hier  bemerken  wir  nur  das,  dafs  die  Wörter  dieser  art 
jedenfalls  eher  an  das  part.  präs.  als  an  das  part.  perf.  gehalten  wer- 
den müssen,  wie  dieses  aus  Kuhns  abhandl.  über  S  klar  hervor- 


anieige  73 

geht.  Und  wie  oft  mofs  mit  gewalt  ein  park  perf.  pass.  oder  ein 
sogen,  adiect.  verbale  erst  gebildet,  eine  schwache  form  statt  einer 
starken  angesetzt  werden,  so  auch  in  dem  beispiele,  welches  D. 
neu  hinzubringen  wird :  PB&Qyg  aus  viOQtjrog  oder  veogsrog  für  das 
gebräuchliche  vioQrog.  In  formen  wie *  Tnav  und  ttjräa&at  u.  a. 
sehen  wir  einfach  intensiva ;  in  ofuftfco  u.a.  ist  doch  die  meta- 
thesis  des  wurzelvocales  in  anschlag  zu  bringen,  dann  finden  wir 
genug  analogieen  der  hervorgerufenen  vocallänge  in  den  ver- 
wandten sprachen.  Am  wenigsten  aber  befriedigt  uns  die  erklä- 
rnng  des  lateinischen  mänes  aus  griechischem  aptreig:  form  und 
bedeutung  sprechen  dagegen.  Denn  nach  den  alten  grammafikern,' 
welche  wir  denn  doch  nicht  ohne  alle  gründe  beiseite  schieben 
können,  ist  die  alte  und  ursprüngliche  form  für  manis  manus  und 
bedeutete  dem  alten  Römer  positiv  gut,  xQ7}<n6g.  Es  ist  ferner 
keine  hinreichende  Ursache  vorhanden  immänis  von  manis  zu  tren- 
nen und  etwa  als  unermefslich  zn  deuten,  nun  ist  es  aber  höchst 
sonderbar  immanis  aus  einem  dvafievqg  entstehen  zu  lassen.  Wir 
meinen,  die  alten  römischen  grammatiker  haben  uns  über  dieses 
wort  ganz  vernünftig  und  wahr  berichtet;  seine  form  erklärt  sich 
wohl  durch  die  annähme  von  consonantenausfall  nach  a;  aber 
welcher  consonant  ausgefallen  sei  ist  unsicher.  Schwenk  meinte 
g  oder  h,  so  dafs  manus  am  ende  gleich  magnns  wäre,  was  frei- 
lich noch  nicht  dem  griech.  pdxaQ  entspricht.  Wir  ziehen  eine 
etymologie  vor,  die  uns  das  zweideutige  im  worte  erhält.  Es  ist 
nicht  zu  läugnen,  dafs  gar  nicht  selten  in  einer  konsonantengrappe 
r  ausfällt  und  wir  sind  also  nicht  unberechtigt  eine  wurzel  mit 
anlautendem  mr  anzusetzen,  also  eine  w.  mra  mit  irgend  einem 
schliefsenden  consonanten,  vielleicht  mit  d.  Von  wurzel  mrad 
oder  skr.  mrd  wäre  nun  manus  für  mradnus  eine  participialform 
wie  magnus,  vanus  u.  a.  und  würde  in  der  bedeutung  ziemlich 
zusammentreffen  mit  mollis,  skr.  mrdu,  mild;  manes  wären  dann 
«die  hingewelkten M  wie  «die  guten*.  Die  deutung  Benfey's,  der 
manus  zweifelnd  von  wurzel  ma  «messen»  also  «gemessen,  be- 
scheiden, gut»  ausgehen  laust,  wird  als  name  der  todten  kaum 
befriedigen  können.  In  formen,  wie  aiylrj,  alxdXlco  u.  a.  wird 
eine  Zusammensetzung  mit  präposition  zur  erklärung  verhelfen: 
denn  dafs  gh  oder  skr.  bh  im  griechischen  oft  als  9  oder  %  wie- 
der erscheint,  ist  noch  kein  grund  anzunehmen,  es  dürfe  nicht 
auch  dieser  buchstabe  spurlos  wegfallen.  —  Wir  bekennen  in  be- 
ziehung  auf  diese  ganze  darstellung  des  lautersatzes  freimüthig, 


74  Ebel 

dafs  nach  unserer  ansieht  zwar  ein  ersatz  sehr  richtig  angenom- 
men wird,  wenn  be\  ausfallenden  consonanten,  besonders  aber 
vor  ursprünglicher  posifion,  der  unmittelbar  vorausgehende  vocal 
gedehnt  wird,  dafs  uns  aber  ein  solches  freies  spiel  der  laute, 
wie  es  herr  Döderlein  annimmt,  der  Wahrscheinlichkeit  in  hohem 
grade  zu  ermangeln  scheint;  offenbar  hat  hier  die  lost  des  Ver- 
fassers eine  einmal  gefalste  ansieht  mit  allen  mittein  der  gelehr- 
samkeit  und  des  Scharfsinnes  durchzufuhren  denselben  oft  irre 
gefuhrt,  wovor  ihn  ein  umfassenderer  blick  in  die  werkstätte  der 
sprachen  überhaupt  leicht  hätte  sichern  können. 
(  Fortsetzung  folgt  ) 

H.  Schweizer. 


KSne,  werthung  der  fremdwörter  in  der  deutschen  spräche. 

(72  s.  in  4.    Münster  1849  ) 

Ein  mit  eifer  und  begetsterung  geschriebenes  büchlein,  das 
des  trefflichen  und  anregenden  gar  viel  enthält,  und  das  gelesen 
zu  haben  niemand  gereuen  wird,  so  weit  er  auch  im  einzelnen 
von  den  ansiebten  des  verf.  abweichen  mag.  Es  beginnt  in  her- 
kömmlicher weise  mit  einem  lobe  der  deutschen  spräche  und  einer 
klage  über  ihre  jetzige  entstellung  namentlich  durch  die  fremd- 
Wörter,  deren  zahl  auf  mehr  als  10,000  geschätzt  wird,  und  geht 
dann  auf  die  gründe  dieser  erscheinung  über.  Wenn  der  verf. 
aber  alle  gründe,  die  zur  vertheidigung  der  fremdwörter  vorge- 
bracht sind,  kurzweg  für  nicht  stichhaltig  erklärt,  und  mit  Ver- 
werfung auch  «der  ausländischen  Wörter,  die  von  altersher  ein- 
gebürgert sind,  oder  deren  begriff  ein  deutsches  wort  nicht  voll* 
ständig  bezeichnet,  oder  die  auf  etwas  geschichtliches  hinweisen, 
endlich  aller  sogenannten  kunstwörter»  die  wahren  gründe  dieses 
Unwesens  nur  in  unkenntnifs  der  muttersprache,  eitelkeit,  tücke 
und  unbewafster  gewöhnnng  dnreh  häufige  beschäftigung  mit 
fremden  sprachen  findet;  so  hat  er  damit  ein  etwas  gar  zu  ra- 
sches urtheil  gefällt  in  einer  frage,  die  noch  nicht  in  allen  bezie- 
hungen  spruchreif  ist.  Jeden  kunstausdruck  werden  wir  schon 
so  lange  beibehalten  müssen,  bis  ein  passendes  und  hinreichend 
bestimmtes  deutsches  wort  dafür  gefunden  ist,  was  in  den  meisten 
fallen  sehr  schwer,  oft  unmöglich  sein  dürfte;  die  weiter  unten 


anzeige.  75 

als  moster  aufgestellten  umlaut  und  ablaat  sind  nicht  Verdeut- 
schungen, sondern  neue  Wörter  für  einen  neuen  begriff,  mit  dem 
sie  gleichzeitig  eingeführt  sind,  beweisen  also  nichts  in  der  vor- 
hegenden frage;  J.  Grimm,  den  der  verf.  gewifs  nicht  der  frenid- 
sncht  bezüchtigen  wird,  hat  sein  grofses  werk  mit  absieht  nnd 
bewufstsein  «deutsche  grammatik  genannt,  und  herr  K.  selbst 
hat  «mathematik,  Substantiv,  adjeetiv,  verbum,  gymna- 
sinm»  den  bekannten  Verdeutschungen  vorgesogen.  Noch  miß- 
licher steht  es  mit  der  ausmärzung  der  «von  altersher  eingebür- 
gerten» ausländischen  w.  Schon  Ulphilas  hat  eine  gar  nicht  un- 
beträchtliche anzahl  lat.  nnd  griech.  w.  aufgenommen  (z.  b.  prau- 
fetus*  apawiaulusi  aivaggeljo,  cfat'monar/t«,  /tiAartt,  atfrkeis,  arka, 
kaupon,  kapillon),  und  bei  dem  wegen  seiner  reinen  spräche  mit 
recht  gepriesenen  Luther  lesen  wir  z.  b.  prophet,  psalm,  ka- 
pitel,  tyrann,  pfaffe,  tempel,  lampe,  specerei;  die  aus- 
drücke kirche,  bischof,  bibel,  pries  ter  wird  herr  K.  selbst 
nicht  verwerfen  wollen.  Vor  allen  dingen  kommt  es  eben  darauf 
an,  ob  ein  fremdes  wort  eingebürgert  ist  (lehn wort)  d.  h. 
deutsches  gewand  angezogen  (uhr,  körper,  sicher,  bisthum,  prüfen, 
preisen,  pferd,  kirsche,  almosen,  armbrust,  wildschur)  und 
sich  den  gesetzen  der  deutschen  lautwandlung,  wortbeugung  und 
-bildung  gefügt  hat  (form,  formen,  förmlich;  punkt,  pünktlich), 
oder  ob  es  (fremd  wort  im  engern  sinne)  starr  und  steif  im 
ausländischen  kleide  einherwandelt  (wie  religion,  interesse).  Die 
Unterscheidung  ist  aber  nicht  immer  so  leicht,  da  die  behandlung 
des  entlehnten  sprachstoffes  (auch  in  endungen,  wie  -ei  in  maie- 
rei neben  -ie  in  harmonie)  die  mannichfaltigsten  stufen  zeigt; 
während  z.  b.  über  zuber  und  eimer  selbst  die  gelehrten  in 
zweifei  sind,  (s.  Graff  III,  148.,  Benary  röm.  lautl.  256)  preisen 
sogar  starke  beugung  angenommen  hat,  stehn  andre  Wörter  wie 
das  von  hrn.  K.  angefochtene  natur  auf  der  äufsersten  gränze 
zwischen  lehn  -  und  eigentl.  fremdwörtern. '  (Hinsichtlich  des  um- 
laut«  steht  natürlich  mit  bischöflich  für  das  deutsche  Sprach- 
gefühl auf  einer  stufe;  übrigens  ist  die  s.  62  aufgestellte  behaup- 
tung,  dafs  der  umlaut  nie  die  endung  treffe,  falsch,  wie  ahd.  -ari, 
mhd.  -aere,  nhd.  -er  zeigt).  Diese  bemerkungen  mögen  dem  verf., 
mit  dem  wir  im  ganzen  einverstanden  sind,  daran  erinnern,  dafs, 
wer  zuviel  beweist,  nichts  beweist. 

Nachdem  im  folgenden  zum  theil  an  schlagenden  beispielen 
gezeigt  ist,  wie  die  fremdwörter  in  den  untersten  kreisen  des  ge- 


76  Ebel 

wohnlichen  leben«,  in  der  kirche,  in  den  Wissenschaften,  im  cu- 
rial-  and  kanzleistil,  in  den  gymnasien,  endlich  in  den  Zeitungen 
wuchern,  wird  zur  beantwortung  der  frage  geschritten,  welche 
mittel  und  wege,  welche  mächte  und  kräfte  dagegen 
anzuwenden  seien.  Der  verf.  empfiehlt  zunächst  als  quellen 
des  ersatzes  die  als  veraltet  bezeichneten  Wörter  des  nhd.,  das 
ahd.,  die  mundarten,  die  Wörter  des  gemeinen  lebens,  zuletzt  nea- 
bildungen.  Dafs  manches  schöne  wort  theils  aus  der  älteren 
spräche,  theils  aus  den  mundarten  hervorgeholt  zu -werden  ver- 
dien 1,  unterliegt  keinem  zweifei,  doch  möchten  wir  zu  grober 
vorsieht  rathen,  damit  nicht  dadurch  ein  der  mehrzahl  ebenso 
unverständliches  deutsch  entstehe,  wie  durch  die  fremden  Wörter; 
die  entlegneren  gebiete  der  spräche  sollte  man  nur  in  der  gröfsten 
noth  betreten,  namentlich  aber  abgestorbene  stamme  vermeiden. 
Wir  können  den  ablaufenden  ström  nicht  bergauf  führen,  und 
werden,  so  sehr  wir  es  bedauern  mögen,  manches  wort  vor  dem 
veralten  nicht  retten  können,  also  auch  nicht  anwenden  dürfen, 
wenn  wir  nicht  blofs  den  gelehrten,  sondern  dem  volke  verstand« 
lieh  sein  wollen;  dies  trifft  selbst  die  öfters  eingetretene  änderung 
der  bedeutung.  (Bekanntlich  ist  das  goth.  sauhts,  ahd.  suht  gleich- 
stämmig mit  siuk,  siuh,  siech  und  siukei,  siuchi,  seuche,  heifst 
also  nichts  anders  als  krankheit,  und  doch  lesen  wir  s.  11.  «die 
krankheit  an  der  sucht  nach  fremdwörtern  »,  sehen  also,  dafs  auch 
hr.  K.  sich  der  im  volke  gewifs  allgemein  gewordenen  ableitung 
von  suchen*)  nicht  entziehen  konnte).  Am  dankenswertesten 
ist  die  Untersuchung,  die  den  folgenden  theil  der  schrift  ausfüllt, 
wie  man  die  bisher  bei  den  Verdeutschungen  begangenen  fehler 
zu  vermeiden  hat.  Gewifs  findet  das  fortwuchern  der  fremdwör- 
ter  viel  weniger  in  böswilligkeit  und  nachlässigkeit  der  sprechen- 
den und  schreibenden**),  (mit  wenigen  ausnahmen,  worunter  frei- 
lich das  grobe  heer  der  Zeitungsschreiber  obenan  steht),  als  in 


*)  Vergl.  Förstemann  über  Volksetymologie,  in  bd.  I,  d.  Zeitschrift. 
**)  Das  beweisen  theils  das  leicht  zu  vermehrende  verzeichnils  deut- 
scher Wörter  aas  den  Zeitungen  der  letzten  jähre  auf  s.  12.  13.,  theils 
sonstige  beispiele  aus  dem  gemeinen  leben  zur  genüge.  Ich  selbst  kam 
aus  einer  schule,  wo  unter  andern  hälft en  für  halbiren  eingeführt 
war,  aufs  gymnasium,  und  wurde  zuerst  von  meinen  mitschOlero  aus- 
gelacht, als  ich  das  wort  gebrauchte,  fand  aber  schon  in  der  nächsten 
stunde  nachahmer. 


anieige.  77 

der  Verlegenheit  wegen  eines  ersatzes  Unterstützung,  und  den  mei- 
sten schaden  haben  offenbar  die  ungeschickten  Verdeutschungen 
angerichtet,  von  denen  es  seit  Campe  in  allen  fremdwörterbuchern 
wimmelt.  Der  verf.  verlangt  Vollkommenheit  in  der  ge- 
stalt  und  vollk.  in  der  bedeutung  der  neuen  Wörter,  fuhrt 
aber  nur  das  erstere  weiter  aus.  Als  Vollkommenheiten  des  laut- 
standes  werden  Wohlklang  im  einzelnen  und  in  der  lautfolge 
(namentlich  Vermeidung  der  Zischlaute,  der  unmittelbaren  berüh- 
rnng  der  stimmlaute  und  harter  Zusammenstellung  der  mitlaufe) 
nnd  deutliche  Verschiedenheit  von  andern  Wörtern  gefordert  und 
beides  mit  beispielen  erläutert,  die  nur  mitunter  zu  sehr  ins  ein« 
zelne  gehen ;  bei  aufstellung  der  regeln  c.  d.  (auf  s.  26.)  hat  sich 
der  verf.  offenbar  übereilt,  denn  Wörter  wie  lachtaub e,  stock- 
taub, ho  ft  hör  enthalten  sicherlich  keine  «mundwidrige»  Verbin- 
dung von  mitlauten  (der  auslaut  hätte  ebenfalls  berücksichtigung 
verdient:  gracht,  schrift).  Bei  betrachtung  der  Vollkommenheiten 
der  fällung  (declination)  ist  manch  treffendes  wort  gesagt,  über 
wähl  des  gesohlechts  (echo,  mode),  unbefugtes  verwerfen  der  ein- 
oder  mehrzahl  (bnnd,  Alpen);  wenn  aber  die  w.  ganz  äufser- 
lich  nach  der  zahl  der  fallendungen .in  «stocke»  abgefeilt  werden, 
so  verliert  sich  die  Untersuchung  theils  ins  kleinliche,  theils  ins 
unwissenschaftliche.  Vom.  Standpunkt  einer  wissenschaftlichen 
Sprachbetrachtung  aus  werden  wir  weder  die  Wörter,  deren  mehr- 
zahl ein  -er  annimmt,  als  erste  stufe  anerkennen  können,  da  die 
Sprachgeschichte  zeigt,  dafs  -er  ursprünglich  eine  ableitungssilbe 
ist  =  griech.  og,  die  mit  zunehmender  Schwächung  der  spräche 
und  des  sprachbewufstseins  immer  weiter  um  sich  gegriffen  hat; 
noch  den  u miaut  so  unbedingt  vorziehen  wie  der  verf.  s.  40,  so 
willkommen  er  uns  als  unterscheidungsmittel  ist  (wissenschaft- 
liche Sprachforschung  wird  formen  wie  hünde  z.  b.  unbedingt  ver- 
werfen, da  wir  aus  dem  goth.  und  ahd.  sehen,  dafs  der  stamm 
ursprünglich  auf  -a  endigte,  also  der  umlaut  gar  keinen  geschicht- 
lichen grund  hat).  Zuletzt  wird  mannichfaltigkeit,  also  «thale» 
neben  «thäler»  für  berechtigt  erklärt.  In  der  spellung  (conju- 
gation)  wird  aus  demselben  rein  aufserlichen  gründe  die  gemischte 
form  der  starken  ebenso  vorgezogen,  wie  diese  der  schwachen 
(wer  übrigens  sehen  will,  wie  weit  dergleichen  eintheilungen  füh- 
ren können,  der  lese  die  abhandlung  des  verf.  im  museum  des 
rhein.-westph.  schulmännervereins  bd.  III.  heft  1  s.  1—29).  Mehr 
Zustimmung  wird  der  verf.  für  das  finden,  was  über  den  wort- 


78  Ebel 

wuchs  (Wortbildung)  gesagt  ist.  «Jegliches  wort  mufs  an  sich 
und  in  sich  die  fahigkeit  tragen,  dafs  es  neue  Wörter  von  sich 
erzeugen  läfst.»  Als  muster  wird  hier  mafs  hingestellt,  weil  aus 
einer  wurzel  entspringen: 

s.  mafs        a.  mäfsig  v.  messen 

a.  mäfsig  s.  mäfsigkeit  s.  messer 
y.  messen  v.  mäfsigen  a.  mefsbar; 
sodann  minder  vollkommene  stamme  nach  den  fehlenden  Wortar- 
ten aufgeführt.  Aus  diesem  gesichtspunkte  werden  dann  s.  55 
einige  vorgeschlagene  Verdeutschungen  geprüft,  und  an  beispielen 
nachgewiesen,  wo  man  sich  mehr  oder  weniger  streng  an  jene 
forderung  zu  binden  hat  (gesichtskreis  für  horizont  z.  b.  gut  be- 
funden, weil  horizontal  in  einen  andern  begriflskreis  übergeht, 
also  ganz  wohl  durch  wagerecht  wiedergegeben  wird,  ebenso  die 
Übertragungen  von  officiell,  resultat,  weil  diese  Wörter  im  deut- 
schen einzeln  dastehn).  Endlich  wird  darauf  aufmerksam  gemacht, 
dafs  man,  wenn  die  deutschen  bezeichnungen  schlecht  sind,  des- 
halb nicht  das  fremde  wort  für  unentbehrlich  halten,  sondern 
nach  bessern  deutschen  suchen  müsse.  Beispiele,  die  mitunter 
vortrefflich  gewählt  sind,  erläutern  auch  hier  die  sache  (wie  fahn- 
den für  vigiliren).  Bei  der  ableitung  erklärt  der  verf.  die  form 
für  die  vollkommenste,  die  durch  die  meisten  und  kräftigsten 
merkmale  vom  stamme  unterschieden  ist,  läfst  sich  jedoch  durch 
die  Vorliebe  für  den  umlaut  auch  hier  zur  bevorzugjung  mancher 
nicht  zu  rechtfertigenden  form  verleiten.  S.  61.  Vollkommen 
stimmen  wir  ihm  bei,  wenn  er  das  kürzeste  wort  für  das  beste 
erklärt,  folglich  das  einfache  dem  zusammengesetzten  {stock  dem 
Campe'schen  wort  für  capital,  bug  für  prora  dem  Vossischen  Vor- 
schiff), weniger  zusammengesetzte  den  mehrfach  zusammenges. 
(geschrift  bei  Auerbach  dem  Schriftwerk,  bahn  wart  dem  bahn- 
wärter)  vorzieht.  Endlich  wird  auch  hier  mannichfaltigkeit  ver- 
langt, also  eichbaum  neben  eiche  nicht  verworfen. 

Betrachten  wir  zum  schlufs  noch  die  von  hrn.  K.  vorge- 
schlagenen oder  gelobten  Verdeutschungen,  so  werden  wir  man- 
ches vortreffliche  darunter  finden,  wie  reichsbole  für  reichsdepu- 
tirter,  dienstlich  und  amtlich  für  officiell,  sondern  für  privat  = 
und  particulär,  vertrieb  für  debit,  ertrag  und  ergebnifs  für  resul- 
tat; anderes  vermag  uns  weniger  zu  befriedigen,  wie  das  schlep- 
pende ahnherrlich,  fremdländisch,  Vereinbarung,  das  übelklingende 
sfaafsfeger,  (wir  sagen  schlotfeger  ohne  den  mißliebigen  Zischlaut, 


miscellen.  79 

brauchen  übrigens  das  neue  wort  gar  nicht,  da  wuhler  viel  kür- 
zer and  allgemein  verständlich  ist),  behördlich,  das  zweideutige 
fuge  s.  25.  (das  sonst  im  andern  sinne  gebraucht  wird)  meute 
(statt  meuterei,  welches  letztere  der  deutlichkeit  wegen  vorzuzie- 
hen ist).  Das  hergebrachte  Schriftsteller  möchte  trotz  seines 
Ungeschicks  schwer  zu  verdrängen  sein,  jedenfalls  aber  besser 
durch  Schrifter  (wie  im  holländ.)  als  durch  schriftner.  Wun- 
derlich nimmt  sich  s.  13.  trubel  als  «deutsches  wort*1  aus,  wel- 
ches der  verf.  von  treiben  abzuleiten  scheint;  auch  die  ableitung 
von  volk  aus  folgen  s.  15.  durfte  sich  schwerlich  rechtfertigen 
lassen.  —  Doch  wir  wollen  die  gränzen  einer  anzeige  nicht  gar 
zu  weit  überschreiten ;  wir  scheiden  daher  von  dem  verf.  mit  dem 
wünsche,  dafs  er  aus  den  gemachten  ausstellungen  die  theilnahme 
erkennen  möge,  mit  der  wir  seine  bestrebungen  begleitet  haben. 

H.  Ebel. 


III.  Miscellen* 


dvdQOfieog. 

Kein  zweites  wort  ist  im  griechischen  mir  bekannt,  das  in 
der  bildung  mit  dem  obigen  übereinkäme.  Ich  theile  es  in  Avöqo- 
fieo-g  und  erkenne  in  fiso  ein  affix,  das  im  sanskrit  namentlich 
in  der  späteren  zeit  häufig,  aber  auch  schon  in  den  veden  er- 
scheint Das  sekundäre  in£ya  bildet  eigenschafts Wörter,  welche 
bezeichnen,  dafs  entweder  aus  einem  stoffe  etwas  bereitet,  oder 
von  einem  stoffe  etwas  erfüllt  sei:  vgl.  ayasmäya  eisern  (Yv.  Av.), 
tejomäya  glanzvoll.  Das  gr.  dvÖQopeog  heifst  freilich  dem  men- 
schen angehörend,  wie  in  dvögo/xeov  cupa,  aus  menschen  beste- 
hend, wie  in  dvÖQopeog  opiXog,  auch  stimmt  der  accent  nicht, 
beides  hindert  nicht  diese  affixe  für  identisch  zu  halten.  Ich  bin 
übrigens  mit  Pott  etym.  forsch.  11,474  geneigt  maya  als  eine 
verbalableilang  anzusehen  und  von  der  wurzel  mä  =  mi  facere, 
creare,  die  ja  auch  im  gr.  durch  fUfieiö&ai  (=  thunthun  ==  noch 
einmal  thun)  vertreten  ist,  abzuleiten.  A. 


80  miscellen. 

lo%£aiqa. 

Zu  den  seltensten  Suffixen  im  griech.  gehört  -ccq.  Wenn 
man  von  den  secundären  bildungen  der  neatra  auf  -oq  absieht, 
(s.  Kuhn  über  das  alte  S)  bleiben  nicht  viel  Wörter  dieser  endung 
übrig;  doch  findet  sich  [idxaQ,  pdxaiQa,  mit  doppeltem  sufQx 
fjidxcuQa  (ähnlich  bq  in  TtQecßsiQa,  metga,  iöeiga'!  (idyeiQogl). 
Offenbar  gehört  io%iaiQa  mit  den  erwähnten  femininen  in  eine 
kategorie.  Bei  der  alten,  noch  von  Benfey  wiederholten  erklä- 
rung  «die  pfeilfrohe»  bleibt  das  6  völlig  unerklärt;  alles  löst  sich 
aber  befriedigend,  wenn  man  das  doppelsuffix  -ag  -ja  darin  er- 
kennt. Als  wurzel  bleibt  dann  ge-,  d.  h.  %ef-,  also  guna  von 
XV-  übrig,  und  io-%i-aiQa  heifst  die  pfeilausgiefsende,  (oder, 
wenn  man  es  wie  Nicander  (Ath.  111,99)  von  der  schlänge 
braucht,  die  giftausgiefsende),  ein  bei  wort,  welches  der  ver- 
sinnlichenden  plastik  des  alten  epos  gewifs  viel  angemessener  ist, 
als  die  pfeilfrohq,  H.  Ebel. 


ava. 


ava  ist  au,  ab,  a :  es  fehlt  aber  vor  der  hand  im  lateinischen 
theils  an  ableitungen,  theils  an  formen,  wo  sich  diese  präposition 
in  ihrer  ursprünglicheren  gestalt  zeigt:  nur  auster,  der  südwind, 
hat  mau  schon  als  avastara  erkannt.  Ein  anderes  dgl.  wort  ist 
Avernus,  das  sich  zu  avara  wie  infcrnus  zu  adhara,  internus  zu 
antara  u.  s.  w.  stellt  Die  Griechen  haben  dafür  %OQvog,  dessen 
ableitung  aus  ogvig  natürlich  nichts  gelten  kann.  Auch  averran- 
cus  mit  seinem  denominativnm  averruncare  scheint  mir  hieher  zu 
gehören,  und  zwar  zu  ava-runc,  nicht  zu  averrere,  denn  runcare 
ist  ganz  das  s.  runc,  lunc:  im  griechischen  haben  wir  von  dieser 
wurzel  kixog*),  das  weder  mit  vrika  noch  mit  lupus  zusammen- 
zustellen ist,  mit  letzterem  höchstens  insofern,  als  die  wurzel 
lump,  rumpere,  mit  lunc,  runc  runcare  ursprünglich  identisch  ist. 

A.  Weber. 


*)  Im  skr.  wird  lunc  recht  eigentlich   vom  zerreifsen  des  wolfes 
gebraucht,  s.  ind.  sind.  II,  36. 


Gedruckt  bei  A.  W.  Schede  in  Berlin,  erttnetrefee  IS 


I*  Abhandlungen. 


Vokale  der  niederdeutschen  mnndarten  in  den  kreisen 
Iserlohn  und  Altena. 

YV  as  das  westfälische  niederdeutsch  anziehend  macht,  ist,  aufser 
vielen  eigentümlichen  Wörtern  und  flexionsformen,  vornehmlich 
auch  die  reiche  tonleiter  seiner  vokale.  In  letzterer  hinsieht  ste- 
hen die  in  der  Überschrift  genannten  mundarten  mit  in  erster 
reihe.  Wir  gedenken  hier  die  vokal  Verhältnisse  derselben  so  ab- 
zuhandeln, dafs  wir  die  mundart  der  landgemeinden  um 
Iserlohn  mit  ihren  30  vokalischen  lauten*)  in  den  Vordergrund 
stellen,  das  abweichende  aber,  was  die  sogenannte  iserlohner  alte 
stadt,  die  grafschaft  Limburg,  die  Stadt  Altena  und  die  gegend  um 
Lüdenscheid  zeigen,  nebenbei  berücksichtigen. 

Ueberflüssig  ist  es,  den  nutzen  einer  solchen  arbeit  ausein- 
anderzusetzen, und  hoffentlich  auch,  die  ausfuhrlichkeit  zu  recht- 
fertigen, welche  einer  mundart  gewidmet  wird,  die  sich  kaum 
über  H  geogr.  geviertmeilen  verbreitet.  Wir  verweisen  auf  Grimm 
gramm.  I,  s.  228. 

Wie  allenthalben  die  niederdeutschen  mundarten  mehr  und 
mehr  von  ihren  eigenthümlichkeiten  verlieren,  so  ist  das  auch  bei 
denen  der  fall,  von  welchen  hier  gehandelt  werden  soll.  Manche 
Wörter  leben  nur  noch  in  dem  gedächtnisse  älterer  leute,  die  uns 
zu  sagen  wissen,  dafs  jene  einst  gangbar  waren;  andere  werden 

*)  die  nur  in  wenigen  Interjektionen  vorkommenden  6,  ü  und  fi 
nicht  gerechnet. 

D.    2.  6 


g2  Woeste 

zusehends  seltener  gebraucht.  Die  starken  unterschiede,  welche 
noch  vor  40  Jahren  zwischen  mundarten  ganz  nahe  liegender 
Ortschaften  auffielen,  verschwinden  vor  und  nach.  Der  iserlohner 
dialekt  z.  b.  zeigt  schon  nicht  häufig  mehr  nnd  nur  im  munde 
ganz  ungebildeter  leute  ein  ui  für  y;  ebenfalls  selten  ist  ihm  ein 
für  a  geworden,  und  wahrscheinlich  werden  die  noch  sehr  ge- 
bräuchlichen eäu  und  äi  (=  altem  ä)  allmählig  den  oa  und  öä 
der  umgegend  platz  machen.  Auf  dem  lande  lassen  sich  die  laute 
iä  und  iu  durch  eä  und  Su  verdrängen,  ebenso  mildert  sich 
eau  häufig  zu  iu  und  äu.  Auch  in  Altena  gewahrt  man,  dafs 
der  ältere  —  tief  herauf  gegurgelte  —  dialekt  in  schneller  ab- 
nähme begriffen  ist.  Ueberhaupt  haben  seit  1814  der  ungleich 
gröfsere  verkehr,  die  schulen  und  die  allgemeine  Wehrpflicht  tüch- 
tig an  der  Vermischung,  milderung  und  Zerstörung  unserer  mund- 
arten gearbeitet.  Dem  einen  oder  mehreren  dieser  umstände  ver- 
danken wir  auch  die  barbarische  mischsprache  vieler  unserer  jun- 
gen kerle  und  dirnen,  welchen  —  um  ein  bild  unserer  «fabriker»» 
zu  gebrauchen  —  der  rauhe  gufs  zu  schlecht  däucht,  während 
doch  ihr  messing  nicht  politur  genug  erhalten  hat,  um  blank  zu 
sein.  Trotz  dem  ist  die  zahl  der  in  aller  munde  verderbten  for- 
men nicht  eben  grofs.  Ein  verdrängen  der  echten  formen  durch 
platthochdeutsche,  wie  biusse  bufse,  buissen  büfsen,  griufs  grufs, 
gruissen  grüfsen,  ist  sehr  selten. 

Ehe  wir  uns  zur  darstellung  der  einzelnen  laute  wenden, 
wird  es  passend  sein,  eine  übersieht  derselben  nebst  angäbe 
ihrer  numerischen  Verhältnisse  aufzustellen. 

Unter  500  aus  fünf  verschiedenen  texten  genommenen  voka- 
lischen und  konsonantischen  lauten  fanden  sich  189  vokale  und 
311  konsonanten;  mithin  nahezu  38|  vokale. 

Unter  500  ebenso  gewählten  vocalen  ergaben  sich; 

1)  an  kurzen  einfachen: 

52    14    7    —    190    46    25    3     19    6 
aftääe        ioöuü 

2)  an  zusammengesetzten  von  verschiedenem  zeitmafse: 

15      6      3      1      7      4 
iä      ie     ue    üe     uä    üä 

3)  an  langen  einfachen: 

15      5      7      2    — 
ä       »     oa     öä     i 


vokale  der  niederdeutschen  mandarten.  83 

4)  an  langen  zusammengesetzten: 

10    10    12      8      1     11    8    13    — 
ai      äi      y      elu    äi     iu     ui    au    aü. 
Wahrscheinlich  hat  hier  der  zafall  den  ö,  ü,  ie,  üe,  ii  und 
aü  zum  yortheile  der  ä,  o,  n  und  an  zu  niedrige  verhfiltnifszah- 
Jen  angewiesen. 

I.   Knrze  einfache  vokale. 

Sie  stehen  mit  wenigen  aasnahmen  nur  vor  verstärkter  kon- 
sonanz. 


Die  meisten  alten  a  vor  einfachem  consonanten  worden  a; 
einige,  selbst  vor  mehrfachem,  rückten  eine  stufe  weiter,  nach  oa. 
Vor  ld  und  lt  ward  a  wol  ohne  ausnähme  zu  ä. 

al  all;  balhöärich  schlecht  hörend;  galten  stöhnen;  palm,  m. 
bachsbaum;  galpern  heulen,  tö  yelp;  swalfte  schwalbe;  spalken 
bände  und  fufse  heftig  bewegen,  geräusch  machen,  schwed.  sparka; 
kwalster  baumwanze,  vgl.  qualster  und  engl,  knolster;  —  gram 
heiser;  ram  widder;  hamme,  f.  sensengriff;  ampele  lampe;  ampelte, 
hampelte  ameise;  swampen  schwanken,  von  sumpfigem  boden; 
gamfen,  hamfen  stehlen,  ?a:>a;  —  an  an;  wanner  zuweilen;  an- 
vera  antworten;  länver  landwehr,  Verbindung  des  hinterwagens 
mit  dem  vorderwagen,  vgl.  ahd.  Jantjan;  mangest  zuweilen;  sik 
orangen  ringen;  sik  klaoken  sich  winden,  ahd.  gaklankjan;  mankse, 
manskau  unfruchtbare  kuh;  pant  paar;  gante  gansert;  schransen 
fressen,  vgl.  hofschranze;  —  barwes  barfufs;  targe  Untersatz  eines 
bienenkorbs;  sark,  n.  sarg;  harke  rechen;  —  awe  ab;  babbe  va- 
ter;  drabbe,  f.  trSber,  vergl.  ags.;  gribbelgrabbel  rapuse;  habbeln 
schnell  und  undeutlich  sprechen;  —  knap>  m.  absatz,  anhöhe; 
schap  schrank;  knappen  knacken;  tappen  zapfen,  Züchtigung,  cla- 
des;  grapsen  raffen,  ahd.  hraspön,  engl,  to  grasp;  —  af  ab;  alal 
allen  vor;  graf  grab;  laf  fade;  slaflitk  flfigel;  —  haggen  un  tag- 
gen  streiten  und  zanken;  plaggen  tuch;  —  plak  fleck;  snak 
schlank;  dacken  laufen;  kracke  schlechtes  pferd;  shicker  langbei- 
niger mensch;  —  mach  mag;  prachen  abdringen;  lachter  klafter; 
sachte  sanft;  smachten  hungern;  wachten  warten;  —  badde  nützte, 
radde  schweinchen;  smadder  weicher  koth;  vadder  gevatter;  — 
at  als,  dafs;  gat,  n.  loch;  glat;  schat  Steuer;  watbroae  wade; 
pratten  aus  trotz  etwas  nicht  thun;  spatteln  zappeln,  ahd.  spra- 

6* 


84  Woeste 

talön;  talte,  täte  vater;  batsen,  m.  hinterbacke;  —  as,  aase  ab, 
wie;  a  jäs  a  jas  pfui;  plas  platz;  was  war;  was  wachs;  a  jasses 
pfui;  krassen  kratzen;  tassen  (tasten)  fohlen;  sik  vrassen  sich 
balgen;  raspe  lattengekäuse  über  grabhügeln ;  aske  asche;  wasken 
waschen;  bast  bast;  hast  fleisch,  ?==  barst  zu  harstjan. 

An  merk.  1.  Dem  hochd.  gegenüber  sind  in  qualit.  oder 
quantit.  hinsieht  zu  erwähnen:  faste  fest;  trappe  treppe;  —  lam- 
mer lämmer;  kalwer  kälber;  —  Warren  Werden  a.  d.  Ruhr;  — 
karsberte  kirschbeere  (Johannisbeere);  —  sal  soll;  sas  sollst;  van 
von;  —  dach  tag;  gaf  gab;  gaflfcl  gabel;  gras  gras;  spas  spafs; 
spassen  spafsen;  spat  spath  (krankheit).  Die  hiesige  ausspräche 
des  hochdeutschen  zeigt  in  gras,  spafs,  spafsen,  spath  und  oft  in 
vater  kuuzes  a. 

2.  Für  a  vor  einfachem  konsonant  tritt  mit  Verlängerung  des 
Wortes  gewöhnlich  a  ein:  dage,  gräsich.  Umgekehrt  verlangt  die 
Verlängerung  durch  komparation  eine  Verkürzung  des  vokals. 


Meist  umlaut  von  a,  selten  =  i,  ist  weniger  häufig  als  a. 

1)  =  a.  balle;  knalle,  schlage;  lällebek  (lallemund)  laffe; 
sälme  psalme;  hälfken,  n.  halbes  mafs;  waskehält  waschkufe;  — 
ramme,  Schafböcke;  stamme;  rämler  raminler;  krampe  krämpfe; 
slampämper  schlammpeizker;  —  man  aber,  nur;  männer;  bännich 
wild,  böse,  mnd.  bendig,  Grimm  r.  a.  s.  570,  Cläws  B.  616;  hän- 
nich  bequem,  dienstfertig;  gängesk  oft  oder  gern  gehend;  tänges* 
ken  zängelchen;  mär  aber  (Limburg);  närrisk  leicht  gereizt;  — 
sik  kabbeln  in  Wortwechsel  sein;.schäbbich  häfslich;  —  knappe 
absätze;  läpper  dicker,  pfuscher;  päppe  frauenbrust;  schräppelse 
schabsei;  knäpsk  spröde;  —  gäffelken  gäbeichen;  kä'ffen  husten; 
däftich  gediegen;  käfter  verschlag;  kräfte;  —  täggesk  zänkisch; 
föggeln,  umherfahren ;  —  kwäkkeler  quacksalber;  näcken  zerbre- 
chen, tödten;  pläckich  fleckig;  min  säks!  alte  betheuerung  des 
Sassen  bei  seiner  national waffe  (sahs);  —  kacheln  keifen;  ächter 
hinter;  nachte;  pachte;  sachten  sänftigen,  to  soften;  —  bläddern 
meckern;  plädder  weiche  masse;  —  slät,  n.  stück,  sorte,  ahd.  slaht; 
siät  schlägt;  nätter  nasser;  tätteln  schwatzen;  prätsch  maulend; 
—  pässer  zirkel;  passet  passt;  wäsket  wäscht. 

2)  =i.  rächt  recht;  säs  sechs;  fö  pfui;  fräch  frech. 
Anm.  £rwähnenswerth  ist  noch  das  hier  so  häufige  vlätsich, 

schmutzig,  häfslich  in  jedem  sinne,  vläts  hälslicher  mensch,  vgl. 


vokale  der  niederdeutschen  mundarten.  85 

ags.  vlaetan  foedare.  Der  Wechsel  von  anlautendem  w  und  v  (f) 
ist  in  unserer  mundart  nicht  selten,  vergl.  vi,  verhaftich,  vräseo, 
vrensken,  vräit,  vringen,  vrymen,  vrieweln,  vruntsel,  vlitse. 

ä. 

Mittellant  zwischen  a  and  o,  gehört  nur  einer  geringen  zahl  • 
von  Wörtern  an.     Altstadt  Iserlohn  spricht  dafür  zuweilen  eau. 
Unsere  mnd.  erkunden  drucken  ihn  häufig  durch  o,  bisweilen 
durch  ae  aas. 

1)  =  a  vor  ld,  1t;  vgl.  das  mnd.,  engl,  und  schwed. 

alt  alt;  aller  alter;  balle  bald;  gewalt  gewalt;  hallen  halten; 
kalt  kalt;  kältkntte  espe;  mall  malz;  maller  malter;  mlllerse 
(=  maldersede)  maltersaat;  salt  salz;  sälterich  salzig;  schalle 
(schalte)  riegel;  opschallen  aufschalten;  smält  schmalz;  falle  falte; 
fallen  falten;  verhallen  verstauchen,  lähmen;  verhalt  aufenthalt, 
dauerhaft!  gkeit;  verhaltsam  dauerhaft;  verkallen  durch  kälte  zer- 
stört werden;  walt  wald;  wällemai  gemeinhude  im  walde. 

2)  =  a  vor  andern  konsonanten.  ach  ach;  ädder,  ar  oder 
(=  ander);  awer  aber;  katterlysebät  Katharina  Elisabeth. 

3)  =  4  vor  der  tonstelle,  kaficke  (=  quade  ficke)  schlech- 
tes loch,  hütte;  ästuirich  frech,  polternd. 

4)  =  ä  (a)  im  plur.  präs.  mancher  verba.  gat  geht,  gehen; 
ISt  lassen;  rät  rathen;  slät  schlagen;  versmät  verschmähen. 

6)  =  o  vor  der  tonstelle  in  fremdwörtern ,  z.  b.  kämysich 
verächtlich  (wie  ein  commis  des  ehemaligen  königr.  Westfalen). 

0 

ä 
Umlaut  von  ä,  ist  sehr  selten  und  wird  bisweilen  ö  gesprochen, 
aller  älter  (neben  eller);  alle,  aide  (elde)  alter;  käller  kälter; 
källe  (kölde,  kelde,  kelle)  kälte;  wäller  wälder;  —  nägger  (nöäger, 

O0<0  0 

nseger)  näher;  nachte,  nägede  nähe;  Kätte  Käthe;  kättentoieh  ge- 
siodel. ' 

e. 
Das  hier  gemeinte  e  der  Stammsilbe  entspricht  öfter  altem 
a,  denn  altem  i,  seltener  entspringt  es  aas  6  oder  iu.  In  allen 
fallen  ist  die  ausspräche  geschlossen  (suono  stretto).  Einige  fälle 
von  offenem  e,  s.  unter  ä.  Dem  mhd.  e  gegenüber  ist  unser  e 
(i)  besonders  durch  iä  und  ie  beschränkt.  Vor  1,  m,  n  hegt  sich 
i  weniger,  als  im  hochdeutschen. 


86  Woeste 

1)  =  a.  me  man;  —  helle  hölle;  elwen  elfen;  —  schem  fufs- 
brocke;  klemmen  klemmen;  —  smennen  abrahmen  (smant);  lan- 
gen verlängern;  —  der  da;  wliberte  heidelbeere;  —  hewen  ha- 
ben; webbe  gewebe;  —  scheppen  schöpfen;  —  leggen  legen;  »egge 
sage;  —  recken  ausdehnen;  verpecken  wegpacken ;  —  gemechte, 
n.  ingaina;  wechelte  Wacholderbeere;  —  bedde  Stratum;  wedde 
wette;  —  met  fleisch;  sik  leiten  sich  aufhalten;  —  Hessen  flach- 
sen; mesten  mästen. 

2)  =  i.  he  er;  te  zu;  —  fei  feil;  inbellen  einbilden;  wellen; 
—  klemmen  klimmen;  stemme  stimme;  krempen  krimpfen ;  prem- 
pcn  (=  prenten*),  to  print)  fraktur  schreiben;  —  renne  rinne ; 
brengen  bringen;  blenken  blinken;  schenken  schinken;  weuken 
winken;  grendel  riegel;  grensen  grinsen;  vrensken  wiehern,  vom 
hengste,  dän.  vrinske;  —  klepper  glockenklöpfel,  ags.  clipur;  — 
ef  ob;  —  weggebry  weckenbrei,  vgl.  häitewigge;  —  blek  blois, 

Tgl.  blicke  blofser  h ;  —  siecht  schlecht,  einfältig;  flechten;  — 

et  es;  met  mit;  swetten  schwitzen;  es  ist;  bessern  besen;  geste 
hefe. 

3)  =  e.  bredder  breiter  (bräit);  bredde  breite;  edder  eiter; 
emmer  eimer;  ens,  es  einmal;  ledder  leiter;  mester  meister;  wen- 
nich,  wainich  wenig. 

4)  =  iu.  denst  dienst;  depper  tiefer  (daipe);  depte  tiefe; 
lecht  licht. 

Anm.  1.  In  einigen  reduplic-voc.  steht  e  zunächst  aus  e 
verkürzt:  hei  hielt;  fei  fiel;  genk  gieng;  henk  hieng;  fenk  fieng. 
Daneben  gelten  o-  formen. 

2.  Dem  hochd.  gegenüber  haben  sich  nicht  selten  geschwächte 
bildungsvokale  erhalten,  z.  b.  menske,  daipe,  faste. 


ist  ungeachtet  seiner  Verluste  an  ä,  e,  u,  ü,  &?,  äi,  iä  und  ie  ein 
häufiger  laut.    Es  steht  gewöhnlich  =  altem  i,  zuweilen  =  i. 

1)  =  i.  dril  drillich;  hille  boden  über  stallen;  gilpern 
schreien,  von  jungen  vögeln;  mute  milz;  —  slim  schlau;  tim- 
mern zimmern;  alimp  Schlauheit;  timpen  zipfel;  —  in  in;  pin 
pflock;  tin  sinn;  sinner  schlacke;  vringen  ringen;  ink  euch;  krink 


*)  Man  vgl.  fiir  diese  Umwandlung:  Letmete,  arkdl.  1276  Letpraete, 
jetzt  im  volkamande  Lepmte;  Dortaun  (Dortmund),  Dortpman,  jetzt 
beim  volke  Düfipm 


vokale  der  niederdeutschen  mundarten.  87 

kreis;  kiokel  fleisch-,  speckstreif;  linken  schwach  sein,  nachlassen, 
vgl.  links;  pinken  in  die  höhe  werfen;  winkel  kramladen;  inkst 
dinte;  lint  band;  finsen  spotten;  flinse  streif  fleisch;  Hinsehen 
liebkosen;  —  schirm,  n.  schirm;  schirpen'  zirpen;  swirken  rund 
sagen;  hirts  hirsch;  —  kiwe  schweinchen;  gibbeln  lachen;  knib- 
beln  abkneipen;  libberich  gallertartig,  weich;  libbers&i  (Lüden- 
scheid: liewersei)  gemeines  nostock,  vgl.  holi  leverzee,  lebermeer; 
ribbe  rippe;  —  kip,  fip  spitze;  kippen  schwach  anhauen;  siippe, 
f.  schoofa;  snippeln  schnitzen;  kips  angeschlagen;  —  griffel  ga- 
belspaltiges;  gift,  m.  zorn;  knifte  abgekniffenes  theilchen;  —  slik 
schlämm;  sprik  dörre«  reis;  hickeln  wackeln,  von  messerklingen; 
pricken  dürrer  ast;  sticke!  stecken;  swickel  zwickel;  flickern  flim- 
mern; wicken  wahrsagen;  fiks  schnell;  flikstern  flimmern;  — 
lichte,  £  tragband;  inlichten  einspannen;  iutlicbten  ausspannen, 
vgl.  Claws  B.  58;  plichtich  unterworfen;  schiehtich  gescheid  t;  — 
bidden  bitten;  widdeman  wittwer;  widdefrau  wittwe*);  —  bit 
bis;  wit  beraubt,  leer;  hitte  ziege;  hitte  und  hitse  hitze;  pitten- 
patten  und  papenpitten  arum  macul.;  litte  zitze;  tittentäiwen  Ze- 
henspitzen; —  pis,  m.  nenis;  dissel  distel;  gisse  menge;  gissen 
vermuthen;  hiegedissel  eidechse;  kisse  Werkzeug  der  böcker;  ris- 
sen ritzen;  wispelich  unruhig;  wispelte  mispel;  wispeltuite  Wir- 
belwind; hisken  fohlen;  fisk  fisch;  wiskeldauk  taschentuch;  bistetv 
bin  irrweg. 

2)  =  i.  fi!  fia  fi!  fi  tane  ß!  pfui;  kicken*1)  hauchen,  vgl. 
keichen;  —  bichten  beichten;  lichte  leicht;  —  widder  weiter 
(wyt);  widde  weite;  —  wit  weifs;  witter  weifser;  wittein  tün- 
chen; —  im  präsens  st.  v.  2  u.  3  sing,  und  ganzen  plur.:  bis, 
bit  (byten  beifsen);  kris,  krit  (kry gen  kriegen) ;  kint  (kynen  kei- 
men); schint  (sehynen  scheinen).  Besonders  zu  erwähnen  sind 
die  i  vor  gg,  welche  meist  hochd.  ei  (i)  entsprechen,  brautbigge 
brutbiene  (neben  bymeaur);  diggen  gedeihen;  kligge  kleie;  riggen 
reihen,  lose  nähen;  siggen  seihen;  sniggen  schneien;  sniggelgäise 
schneegänse;  spiggen  speien;  tiggen  trachten  (zeigen),  zeihen;  Tig- 
ges  Matthias:  friggen  freien;  frigge  frei;  wiggen  weihen;  ligge 
(leihe)  windel. 

Anm.  1.    Alte  kürze  hegen:  liggen  liegen;  nigge  neu   und 


*)  Zusammensetzungen  mit  wit  =  wid,  beraubt  leer,  vgl.  hai  es 
wit  er  ist  seiner  habe  beraubt 

•Ä)  Seilen  LS  hiät  nit  dervan  kicket  Adder  atmet =*  nichts  gesufcert. 


88  Woeste 

niggelik  neugierig,  seltsam,  vergl.  alt«,  nigi;  figgent  fand,  vergl. 
fich  abgeneigt  —  sliggen  bretterzaun  ist  assimilirt  ans  mnd« 
dingen. 

2.  Das  i  in  sinitte  schmiede  wie  im  ahd.,  das  in  bibbel  ent- 
spricht biblia. 

3.  Quantität  und  qualität  änderten:  hillich  (httag),  griddich 
(grädag),  twintich  (tuentig). 

4.  Qualität  änderten:  kricken  krachen,  woraus  sich  krik  des 
däges  morgendämmerung  erklärt;  bicken  backen;  illerbest  allerbest. 

5.  Hochd.  e  steht  i  gegenüber  in:  gistern  gestern;  «kwiksilwer 
quecksilber;  windeltrappe  Wendeltreppe;  wirkelich  (wirkerich) 
welk;  finster  fenster. 

6.  Je  nach  betonung  gelten  mi,  di,  vi,  i,  bi  (bei)  neben  my, 
dy,  vy,  y,  by;  min,  din,  sin  neben  myn,  dyn,  syn;  ik  und  it 
(ihr)  neben  iek,  ieke  (ahd.  ihha)  und  iet;  finner  und  fyner  lau- 
tet der  komparativ  von  fyn  schön. 


Meist  =  altem  n,  zuweilen  6,  a,  ä.  Die  zahl  der  o  ist  be- 
sonders durch  uä,  öä  vermindert. 

1)  =  u.  mol  locker;  knolle,  f.  kartoffel;  molle,  f.  maul  warf, 
mulde;  fäimolle,  f.  bunter  molch;  stollen  starr  werden,  vgl.  twe- 
lan;  tolle  reis;  molm  mulm;  kolk,  m.  wasserloch;  golt;  holt;  — 
korre  (kürre)  schweinchen;  —  dop  schale;  top  wipfel;  trop  trupp; 
koppel  haube  eines  vogels;  soppe  suppe;  —  profien  pfropf;  — 
roggen  roggen;  —  bok  bock;  plok  flocke;  klocke  glocke;  —  doch- 
ter tochter;  locht  luft;  —  kodde  seh  weinchen;  vgl.  holl.  kudde; 
—  dot  darm,  eiogeweidetheil,  vgl.  dotter;  pot  topf;  —  fos  fuchs; 
osse  ochse;  kost  kost. 

2)  =  6,  hoddel  hode;  los  los;  pos  pauste;  wos  wuchs; 
wosk  wusch. 

3)  =  a,  ä,  krop  haken*),  ahd.  krapho;  lobbe  (läppen)  kra- 
gen; sik  noppen  und  sik  gnappen  sich  stofsen;  -skop  -schaft; 
trotten  trotzen;  —  mondach  montag. 

Anm.  1.  Kurzes  o  statt  eines  ehedem  langen  vocals  zeigen 


*)  Bei  unsera  lan dienten  ein  kleiner  kesselhaken  (hoal)  von  holz, 
zum  warmhalten  von  speisen  dienend,  neben  dem  grofsen  eisernen.  Da- 
niel s.  25  bezeichnet  benkomen  nnd  krop  nicht  «Unterkleid  und  kragen», 
sondern  auskommen  (nahrang)  und  hahl  (synekd.  =  herd,  wohnung). 


vokale  der  niederdeutschen  mundarten.  89 

die  aas  redaplication  entstandenen  präteritformen  hol,  fol,  gonk, 
honk,  fonk;  s.  e. 

2.  Verkürzt  ist  o  in  prät.  schw.  v.:  hoch  (hochte),  kof 
(kofte),  soch  (sochte)  strof  (strofte)  von  hangen  hauen,  kelupen 
kaufen,  saüken  suchen,  straipen  streifen. 

3.  Je  nach  betonung  steht  ok  und  eluk  auch,  so  und  seäu  so. 


Meist  umJaat  von  o  =  u,  entspringt  zaweilen  ans  nd.  6,  sel- 
tener ans  a  oder  in.  Altena  zeigt  kiö  für  küe,  z.  b.  kiönech  = 
knenink  könig. 

1)  =  u.  döllern  lärmen;  dölwen  prügeln;  hölter  hölzer; 
röls  hitzig,  von  sauen;  —  sik  schrömpen  sich  scheuen,  vergl. 
schrumpfen;  —  können  können;  —  körsink  (pelzrock)  rock,  vgl. 
ahd.  crusina  und  kurschner;  döppen  ausschälen;  kröppen  kröpfen, 
köpken  tasse;  söpken  suppchen;  —  köfferken  köfferchen;  söffi 
sollen  wir;  —  bocke  bocke;  klöksken  glöckchen;  —  fröchten 
furchten;  —  födder  furder;  —  dötte  einge weide;  ötteken  koh- 
chen;  pötte  topfe;  össen  den  ochsen  begehren;  köster  küster; 
kosten  kosten. 

2)  Aus  ö  entsprungen,  gösset  gänschen  (geäus);  grötter  grö- 
ßer (greäut);  högger  höher  (belüge);  höchte  höhe;  löslik  lose; 
mödder  tante,  base  (von  meäuder,  wie  vedder  von  väder). 

3)  =  a.  mömme  mama;  pöppelkriut  malve,  alts.  pappila. 

4)  =  iu.  lochten  leuchten;  söchten  seufzen;  frönt  freund; 
vöttich  vierzig,  aus  alts.  iiortig,  vgl.  engl,  forty  aus  ags.  feövertig. 

Anm.  1.  In  swödder,  swögger  schwerer  (swoar)  und  swödde 
schwere  ist  ö  aus  öä  (=  ä)  verkürzt. 

2.  Das  o  sing,  prät  indic.  wird  im  plur.  prät.  ind.  und  im 
ganzen  prät.  conj.  zu  ö.  So  vi  gongen  wir  gingen;  hai  fönge  er 
finge;  it  pössen  ihr  pafstet;  hai  söchte  er  suchte;  sai  möchten  sie 
mufsten;  sai  holte  sie  müfste. 

u. 

Meist  altes  u,  vor  1  und  n  oft  da  noch,  wo  andere  dialekte 
schon  froh  o  zeigen;  seltener  =:  i,  iu,  u. 

1)  =  u.  dultoll;  ful  voll;  bulle  stier;  bullern  poltern;  swul- 
len  geschwollen;  wulle  wolle;  wulf  wolf;  bulkenbeäum  wilder 
Pflaumenbaum;  —  grummeln  kl&mpern,  leise  donnern;  kummer 
erdreich,  abraum;  kump,  m.  napf;  rump  weste;  humpeln  hinken; 


90  Woeste 

—  un  and;  nanne  nonne;  schrannen  geschrunden;  staune  stände; 
sunne  sonne;  tanne  tonne;  wanne  wonne;  bange  kästen  (mit 
lein  wand  umzogen);  dünge  düngang;  kungeln  heimlich  tauschen 
und  verkaufen;  ungel,  n.  talg,  auch  ags.;  ungern  mittagsruhe  hal- 
ten, vergl.  alts.  undarn;  spunt  eater;  vruntsel  runzel;  grunselte 
gründling;  —  harken  wärmen,  brüten;  korken  quaken;  —  rabbel 
Unebenheit;  schrubben  scheuern;  slubbert  schlucker;  —  happen 
zurufen  (auf  der  jagd);  kluppe  scheere,  gespaltenes  holz;  —  nuf 
stofs;  pufmauge  bauschärmel ;  jufler  Jungfer;  knuffen  die  faust  ballen, 
faustschläge  geben ;  knuffel  falte;  sluffen  pantoffel ;  —  mi  schruggelt 
mir  schaudert,  vgl.  to  shrug;  —  sluk  mark  der  ge  wachse;  hacke, 
f.  kröte;  häitmucke  grasmücke;  muckel  holzmark;  muckelholt 
holunder;  hukstern  sich  hockend  fortbewegen;  hucht  staude; 
klucht  zange,  gespaltenes  holz;  schucht  schulter;  tucht  zucht; 
uchte  morgenfrühe;  —  puddek  wurst,  vgl.  pudding,  boudin;  rud- 
dek  räudiger  hund,  unansehnliches  geschöpf;  fuddek  stinkender 
gegenständ;  fuddentach;  —  but  plump,  grob;  butten  bauth;  but- 
telte  hagbutte;  matte  mutterschwein;  putse  posse;  —  bus,  kus 
kufs;  lust,  m.  blumenstraufs;  lustern  horchen,  flüstern. 

2)  =  i.  spaggen  gespien;  vul  viel  (berg.  völ);  wüste,  was 
wafste. 

3)  =  iu,  u.  drubbel  traube;  buggen  bauen;  bugget  ärate; 
bruggen  brauen;  truggen  trauen;  facht  fachtich  feucht 

Anm.  1.  Ahd.  a  entspricht  u  in  kurmel  durcheinander  lau- 
fende und  sprechende  menge,  ahd.  carmula. 

2.  Im  prät.  sing.  st.  verba  ist  u  neben  a  gebräuchlich;  halp, 
hulp;  sank,  sunk;  span,  spun;  sprank,  sprank. 

3.  Je  nach  der  betonung  wechselt  u  mit  iu  in  bu  wie,  du 
du,  na  nan. 

4.  Zaweilen  ist  neben  u  mit  geminate  ein  ue  mit  einfachem 
konsonanten  in  gebrauch:  hubbeln,  huebeln  hinken;  tusseln,  tue- 
sein  schütteln. 

ü. 

Meist  =  mhd.  ü,  selten  =  i,  wi,  iu. 

1)  =  altem  u.  krüi  scheitelhaar;  lül  bierart;  mül  staub; 
düllen,  m.  beule;  prallen  pl.  Siebensachen;  fülle  schöpf gefäls;  pülf 
pfühl;  sülte  sülze;  sülten  eingemacht  (sülten  maus  Sauerkraut,  Bal- 
ten raüwen  u.  s.  w.);  bülster  Samenschale  der  erbse;  —  um  am; 
krümme  krümme;  dümpel  löschhorn;  kümpel  tümpfel;  —  bünne 


vokale  der  niederdeutschen  mundarten.  91 

schale,  rinde;  dünne  dünn;  dünninge  schlafe,  ahd.  dunwengi;  pün- 
gel  last;  sehüngen  anhetzen;  dünken;  bünde  Verpflichtungen; 
münte  münze;  fiinter  drahtabfall;  lünse  achsnagel;  prünsel  ver- 
kümmerte pflaume;  —  dürpel  (auch  düärpel)  schwelle;  würpel 
(wüärpel)  würfet;  hürker,  der  durch  hurken  und  besprechen  heilt; 
—  lübben  verschneiden;  lübbestiek  liebstöckel,  ahd.  lubestical; 
schrübber  bürste  zum  schrubben;  —  knüp  knoten;  dröppel,  tropfen; 
düppen  irdener  topf;  hüppe  erdfloh;  schuppe  spaten;  —  büffel 
grobian;  knüffeln  mit  fausten  schlagen;  küfle  schlechte  mutze, 
vgl.  ital.  cuffia;  muffen  nach  Schimmel  riechen;  snüffeln  schno- 
bern; snüfken  prise;  —  brügge  brücke,  erdrücken,  butterbrot; 
mügge  mücke;  rüggen  rücken;  flügge  flfick;  —  lük  (=  luttic) 
ein  wenig;  bücken;  drücken;  glücke  glück}  krücke;  nücke  tücke; 
plücken;  fücke  scherze;  bükse  hose  (?vonbiuk);  —  tüchtern  er- 
zeugen; tüchtlink  züchtling;  —  müdde  getraidemafs;  schüdden 
schütten,  schütteln;  —  püt  Ziehbrunnen;  schüt  schutzbrett  an 
schleusen;  bütten  ausweiden;  büttein  den  bauch  aufschneiden; 
hütte  winkel;  nütter  nützer,  vielmehr;  schütte  schütze;  schütten- 
spiel Schützenfest;  stütte  stütze;  — *  süs  so;  büsse  büchse,  auch 
im  sinne  von  Daniel  8.  98:  de  buffen  (1.  bussen)  dregen  se  alle 
vele  =  corpore  quaestum  faciunt;  küssen  küssen;  büske  büsche; 
lösten  gelüsten;  rüstern  säubern. 

2)  =  i.  ülmen  dampfen;  ülk  (neben  illekatte)  iitifs;  bülte 
pilz,  vgl.  jedoch  boletus;  krübbe  krippe;  drüdde  dritte;  düt  dies; 
bus  bist;  -nüs  und  -nis  -nis. 

3)  =  wi.   sül  schwelle;  süster  scjiwester;  tüsken  zwischen. 

4)  =  iu  (ü).  ümmer  immer;  nümmer;  ümmes  jemand;  nüm- 
mes.  Hier  sind  einige  Wörter  mit  ügg '  besonders  aufzuführen: 
grüggel  greuel,  mhd.  griuwel;  grüggeln  gespenster  fürchten;  klüg- 
gen,  n.  knäuel,  ahd.  kliuwa;  schüggen  scheuen,  ahd.  sciuhan; 
trügge  treue,  ahd.  triuwa;  —  strüggen  streuen,  ahd.  streuuan; 
süggel  ahle,  ahd.  suila. 

Anm.  1.  ü  entspricht  manchen  ahd.  o  nhd  ö,  z.  b.  gtillen 
golden;  wüllen  wollen;  hülten  hölzern;  gönnen  gönnen;  snürkel 
Schnörkel;  rüggenbry  roggenbrei;  süs  sonst. 

2.  sünte  =  sanctus. 

3.  Wo  sing,  prät  indic.  st  v.  u  hat,  zeigt  der  plur.  und  das 
gan^e  prät.  conj.  ein  ü,  z.  b.  vi  gewüanen  wir  gewannen;  sai 
spönne  sie  spönne. 


92  Woeste 


II.   Zusammengesetzte  vokale  von  verschiedenem 

zeitmafse. 

(  Brechungen, ) 

Während  viele  dieser  laute  wahre  kürzen  vorstellen,  sind 
andere  deutliche  längen,  und  wieder  einige  werden  bald  lang, 
bald  kurz  gebraucht.  Sehen  wir  hiervon  so  wie  von  dem  um- 
stände ab,  dafs  ein  kleiner  theil  zu  den.  Schwächungen  gehört, 
so  berechtigt  uns  die  unter  konsonantischem  einflösse  liegende  ent- 
atehung  der  meisten,  sie  b rechungen  zu  nennen.  Im  allgemei- 
nen läuft  dieser  einflufs  auf  das  hinaus,  was  wir  schwache 
konsonanz  nennen,  wohin  aufser  den  einfachen  konsonanten  ge- 
wisse Verbindungen  zweier  liquiden  fgeminaten  nur  rr)  und  der 
liquiden  mit  muten  gehören.  Man  suchte  der  silbe,  die  sich 
schwach  fand,  durch  brechung,  wenn  nicht  Verstärkung  des  zeit- 
msüses,  doch  gröfseres  gewicht  zu  geben.  Obgleich  in  mär- 
kischen Urkunden,  so  weit  wir  solche  durchzusehen  gelegenheit 
hatten,  bis  in  die  ersten  jähre  des  17.  Jahrhunderts  nur  ie-bre- 
chungen  gefunden  werden,  so  glauben  wir  doch  annehmen  zu 
dürfen ,  dafs  die  ältere  volksmundart  die  jetzigen  iä  =  i  und  uä 
(üä),  wenn  auch  leise,  wenigstens  andeutete.  Ihre  wahrschein- 
lich ehemals  dem  monophthonge  näher  stehende  ausspräche  wird 
Ursache  sein,  dafs  urkundenschreiber  keine  derselben  in  nieder- 
deutsche Schriftstücke  einfliefsen  liefsen,  wie  ihnen  das  nun  und 
dann  mit  anderen  mundartlichen  eigenthümlichkeiten  begegnet  ist. 
Das  kräftige  hervortreten  der  alten,  so  wie  die  bildung  der  neuen 
brechungen,  worunter  sogar  unentwickelte  umlautungen  (iä  =  a), 
beginnt  in  der  zeit,  wo  durch  den  überhand  nehmenden  einflufs 
des  hochdeutschen  die  herrschaft  des  schriftniederdeutschen  gebro- 
chen und  so  die  volksmundart  ihres  bisherigen  zügels  entlas- 
sen war. 

iä,  iae. 

Altena  spricht  ia,  iä;  Herscheid  und  Valbert  zeigen  ie.  Am 
häufigsten  ist  der  laut  iä;  i«  erscheint  bei  ausgefallenem  d,  ein- 
fachem r  und  g,  vor  w  schwankt  die  ausspräche.  Entsprungen 
sind  diese  laute  theils  aus  altem  i,  theils  aus  altem  a.         * 

1)  =  i  (mhd.  i  und  e),  nicht  selten  =  ags.  eo  (ie),  in  eini- 
gen =  altn.  ia,  iö  und  goth.  ai.   Die  brechung  zeigt  sich  vor  je- 


Totale  der  niederdeutschen  mnndarten.  93 

dem  einfachen  consonanten,  einmal  vor  rr  (assimilirt  ans  rd),  vor 
rm,  bei  folgenden  Verbindungen  der  liquida  mit  mnta :  lg,  lk,  (lh), 
rw,  rp,  rf,  rg,  rk,  (rh),  rch  (=  ansl.  rg),  rd,  rt,  rs,  rak,  rat, 
endlich  vor  ps. 

sik  biaeen  beten;  biaeen  gebeten;  trisoen  treten;  —  giäl  gelb; 
miäl  mehl;  schiäl  scheel;  wiäldäge  Wohlleben;  wiälmaut  ausge- 
lassenheit;  ^efiälen  befehlen;  kiäle  kehle;  kwiälen  quäl  leiden; 
stiälcn  stehlen:  wiäiich  wohlig;  wiälgen  ausgelassen  sein;  miälke 
milch*);  —  iäm  ihm;  niämen  nehmen;  wüeme  pastorat;  —  iän 
ihn;  siäne  sehne;  sliänen  lehnen;  —  bia^r  birne;  di&r  (difir)  der, 
ahd.  d8rä;  hiser  her;  iser  (iä/)  ihr;  liaer  leder;  liärbek  (weichschna- 
bel)  laffe;  smiaer  schmier;  tiaer  theer,  ags.  teoru;  twiserwint  Wir- 
belwind; fiaer  feder;  ?fiaer  über  jährig;  ?wiaer,  f.  bewegung,  arbeit, 
vgl.  wßre  praestatio;  wiarr  wetter;  wiaerwnlf  (häufiger  wärwulf) 
werwolf;  giaered  gähren;  gebiaeren  gebären;  schiaeren  scheeren; 
tiaeren  zehren;  Hiärmen  Hirmin**);  piärre  pferde;  biärwe  bieder,  , 
sanft;  gewiärwe  ge werbe;  kiärwen  kerben;  schiärwel  Scherben; 
stiärwen  sterben;  verdiärwen  verderben;  schiärpe  schärpe,  ags. 
sceorp;  kiärf  kerbe;  verdiärf  verderb;  wiärf  ge  winde;  biärgen 
bergen;  hiärbiärge  herberge;  iärgens  irgendwo;  tiärgen  necken, 
ags.  tirigan;  biärke  birke;  kiärke  kirche;  piärk  eiterstock  (wenn 
=  piderik),  vgl.  ags.  pitia  medulla;  stiärke  junge  kuh,  ags.  stire; 
twiärk  zwerg;  twiärk  (Rheda:  twiälk)  taumellolch;  wiärk  werk; 
biärch  berg;  hiärt  herz;  hiärtebok  hirschbock;  piärtpferd;  smiärt 
schmerz;  stiärt  sterz,  ags.  steort;  diärtich  dreifsig;  biärsten  ber- 
sten; giärste  gerste;  wiärste  rist,  frtes.  wriost;  diärsken  dreschen; 
—  hiaewen  himmel;  iaewen  eben;  Jäwert  eberhard;  iäwai  ephen; 
kiaewe,  f.  käfer;  kliaewen  kleben;  1  iaewen  leben;  liäwer  leber; 
?swiaewe  deckbrettchen  auf  gemüsetonnen;  swiäwel  schwefel; 
wiaewen  weben;  —  riäp  gerippe;  driäpen  treffen;  piäper  pfeffer; 
iäpsken  stofsen,  necken  (=  tiepsken);  —  ?striäf  stark ;  —  diaegen 
degen;  liaegen  gelegen;  pliaegen  pflegen;  —  bliak  blech;  gebriäk 
gebrech;  piäk  pech;  briäken  brechen;  yskiäkel  eiszapfen,  ags.  isgi- 
cel;  priaeke  predigt;  riäken  rechen;  riäke  herd;  spriäken  sprechen, 
stiäken  stechen;  wiäke  woche;  —  stiäch  sieg;  verpliäeh  pflege; 
wiäch  weg;  —  biädeln  betteln;  —  brtät  brett;  gebiät  gebet;  iät 


•)  Iserlohn  millke,  Altena  mialke,  Herscheid  mielke,  Halver  mälke, 
Schwelm  mälk,  Barmen  melk. 

**)  in  mvth.  redensarten  hiesiger  gegend. 


94  Woeste 

(=  it)  es;  iSten  essen;  miäten  messen;  siäten  gesessen;  vergiäten 
vergessen;  friäten  fressen;  —  diässen  indessen;  liäsen  lesen;  Gase 
fese;  wiäsen  gewesen. 

2)  =  a  (a),  zuweilen  =  ags.  ea.  Sie  erscheint  in  verben, 
im  sing,  und  plur.  von  subst.  und  adjeck,  in  komparativen,  im 
pronomen,  Zahlwort,  adverb  and  in  folge  der  Zusammensetzung. 
Wir  finden  sie  vor  jedem  einfachen  oder  vereinfachten  konsonan- 
ten,  vor  rr  (=rd),  bei  der  Verbindung  ungleicher  liquiden:  ml, 
rl,  rm,  bei  liquida  mit  muta:  lw,  mp,  mst,  rw,  rp,  rft,  rg,  rk, 
rs,  rt,  nk,  nd,  endlich  v^r  ks,  kst. 

a.  Verba.  infiämen  einfädeln;  scjjuämen  schämen,  ags.  sceam- 
jan;  swiämen  Schwaden  verbreiten ;  tiämen  zähmen;  hiämpeln  sich 
begatten,  v.  vögeln,  vgl.  himphamp  verwickelte  sache;  hiämstern 
arbeiten,  prügeln;  —  briänen  brennen;  —  niaeren  nähren;  swiss-. 
ren  schwören;  verhiasren  verheeren;  wiaeren  wehren;  wiärmen 
wärmen;  iärwen  erben;  fiärwen  förben;  schiärpen  schärfen;  iär- 
gern  ärgern;  miärken  merken;  ?kwiärken  widerlich  schreien,  vgl. 
quarren  und  quirren;  ?8niärken-=ansnauen;  swiärken  =  swarken 
(swalken)  rauchen;  hiärschen  rösten,  schwach  gefrieren,  vgl.  ahd. 
harotjan  und  verharschen;  —  dringen  tragen;  sik  verhisegen  sich 
verbergen;  —  siädigen  (siärgen)  sättigen;  —  hiät  hat,  riäteln  (ras- 
seln) schwatzen;  sniätern  (schnattern)  schwatzen;  —  hiäs  hast. 

b.  Subst.  und  adj.  sing,  diäle  tenne,  vergl.  dal  (verschieden 
ist  diele);  iäle  eile;  iälerte  eller;  siälich  selig;  —  hiämplink 
hänfling;  kiämerken  kämmerlein ;  schiämlik  beschämend ; —  hiln- 
ken  hähnchen;  tiänken  zähnchen;  fifinken  fahnlein;  wiände  ge- 
wöhn nng;  —  miaer  stute;  pliaermius  fledermaus,  vgl.  plaren  flat- 
tern; vulschiärich  vollständig;  iärle  erle;  iärmel  ärmel;  wiärre 
insel;  hiärwest  herbst;  iärfte  erbse;  miärgel  märgel;  miärgenblume 
marienblömchen  (bellis  perennis);  hiärkelse  harksel;  stiärke  stärke; 
fiärken  seh  wein;  swiärte  (swätte)  schwärze;  —  ?schriäf  mager; 
driäf  (derbe)  stark;  driäwel  (derbe)  stark;  —  miägerlink  hunger- 
blume;  —  iäkereichel;  miäker  macher;  fliäke  seitenbrett  an  mist- 
wagen; iäkse,  f.  axt;  iäkster  (iäster)  eist  er;  —  driäch  bürde;  — 
iädel  edel;  miäder  mäh  er;  schiädelik  schädlich;  —  hiäseken  has- 
chen; hiäselte  hasel;  kiäsek  (käsek)  Strunk;  niäseken  naschen. 

c.  Subst.  und  adj.  plur.  stiaee  (stat)  städte;  —  hiämel  (hä- 
mel)  hämmel;  hiämer  (hämer)  hämmer;  fiäme  (fam)  fäden;  — 
tiäne  (tan)  zahne;  —  bliaer  und  blär  (blat)  blätter;  riaer  und  rar 
(rat)  räder;  diärme  därme;  iärme  (arm)  arme;  swiärme  schwärme; 


yokale  der  niederdeaUchen  mandarten.  95 

siärke  (sark)  sarge;  visers  (vär)  väter;  —  griäwer  (graf)  gräber; 
griäwens  (gräwen)  graben;  —  schiäpe  (schap)  schränke;  —  miae- 
gede~(mäget)  mägde;  niägel  (nägel)  nägel;  slisege  (stach)  schlage; 
sniägel  (snägel)  schnägel;  —  miaekes  mädchen;  riaekes  rädchen; 
—  fiäte  (fat)  fässer;  wiäters  (wäter)  gewässer;  —  gliäser  und 
gläser  (glas)  gläser;  griäser  (gras)  gräser. 

d.  Komparative,  biäter  besser;  iärmer  (arme)  ärmer;  wiär- 
iner  (wärme)  wärmer;  schiärper  (scharp)  schärfer;  iärger  (arch) 
ärger;  stiärker  (stark)  stärker. 

e.  Pronomen,   diäm  dem;  diän  den. 

f.  Zahlwort,    twiälwe  zwölf. 

g.  Adverb,   jiä  ja,  ags.  gea. 

h.  Komposita,  giaerkammer  Sakristei,  vgl.  gär,  giärwen;  giaer- 
kauken  pfefferkuchen;  Hiärguat  herrgott. 

Wohin  gehört  hiaer  räum  über  dem  herde?  Es  scheint  nicht 
=  hert,  wofür  wir  haert  (häirt)  oder  riäke  gebrauchen.  Sollte 
es  eirifrlei  sein  mit  hiaer  in  hiaerbrant  (auch  hiaewenbrant)  feuri- 
ger drache,  hiaerreäuk  höhenrauch?  —  Ist  kwiärder  schleim,  hchd. 
koder  eins  mit  querdar,  queldar  köder?  —  Ist  swiärder  in  «dat 
häl  der  swiärder!»  auf  swSrt  zurückzuführen? 

ie,  ie. 

Häufiger  ist  ie  als  ie,  letzteres  steht  in  der  regel  vor  w  und 
g..  Sie  finden  sich  fast  immer  vor  einfachem  oder  vereinfachtem 
koiisonanten.  Dem  Ursprünge  nach  sind  sie  öfter  =  i,  als  =  i, 
hi,  a.  Die  ausspräche  läfst  beide  vokale  hören.  Zu  beachten  ist 
ihr  vorkommen  in  niederd.  Schriftstücken  und  im  nhd. 

1)  =  i  (£).  Es  .erscheint  vor  jedem  einfachen  konsonanten, 
r  ausgenommen,  vor  verstärkter  konsonanz  nur  selten  (mp,  mst,  ps, 
ft),  es  sei  dejm,  dafs  ein  s  oder  t  der  flexion  auftritt. 

spiel  spiel;  stiel  stiel;  viel  viel;  diele  diele;  kielen  schreien; 
kwiele  federkiel;  miele  milbe;  smiele  schmiele;  swiele  schwiele; 
?wielen  wellen,  vgl.  ahd.  willan;  spielt  spielt;  stiels  stiehlst;  — 
hiemel  himmel;  kriemeln  krimmein;  schiemern  schimmern;  siemel 
semmel;  striemel  striem,  streif;  wiemein  wimmeln;  pänwiemel 
mistkäfer;  siempel  einfältig;  niemt  nimmt;  —  se  kienen  sie  keim, 
ten;  se  schienen  sie  schienen;  schienen  geschienen;  schrienen 
schrinnen;  et  schrien t  es  brennt  (die  wunde);  schrienich  kalt 
bitterkalt;  verkwiehen  verkümmert;  —  wiebelbeäune  wibbel- 
bohne;  —  biewen  beben;  biewer  biber;  vi  bliewen  wir  blieben; 


96  Woeste 

driewen  getrieben;  giewen  geben;  giewen  gegeben;  giewel  giebel; 
liewern  liefern;  niewel  nebel;  sie  wen  sieben;  schiewe  flachssplit- 
ter,  Tgl.  geschiebe;  stiewel  Stiefel;  tiewe  (tifte)  hündin;  vriewen 
gerieben;  —  griep  griff;  kniep  kniff;  schiep  schiff;  se  griepen  sie 
griffen;  kniepen  gekniffen;  riepe  riffel;  riepen  flachs  riffeln;  swiepe 
peitsche;  tiepsken  stofsen,  necken,  ahd.  zispjan;  —  drief  stofs; 
gief  gib;  klief  anhöhe;  sief  sieb;  krieft  krebs;  —  diege,  dieger, 
diegel  tüchtig,  schwed.  diger;  iegel  igel;  niegen  nenn,  alts.  nignn; 
fsiege  ziege;  Siegel  siegel;  s wiege  schwiege;  sieget  roggensense; 
—  iek  ich;  kiek  blick;  siek  sich*;  stiek  stich;  striek  strich;  bie- 
ker  becher;  blieken  bellen  (==  bilken,  birken,  ags.  beorcan); 
kwieke  sorbos  auc,  ags.  vice;  priekel  Stachel,  ags.  pricele;  prie- 
keln  prickeln;  siekel  sichel;  sieker  sicher;  stiekedaister  stockfin- 
ster; kiekst ern  kichern;  —  kniedern  knittern;  knieder  zorn;  lie- 
dich  (liech)  ledig;  wieder  gegen;  —  biet  bifs;  driet  sordes  ven- 
tris*);  glietgtied;  iet  ijir;  iet  ifs;  mietmifs;  smiet  schmifs;  smiet 
schmied;  spliet  splifs;  vergiet  vergifs;  wiet  wiede;  bieten*  gebis- 
sen; se  drieten,  von  dryten  cacare;  kieteln  kitzeln;  niete  nifs; 
schieten,  v.  schyten;  verplieten  versessen  auf;  wieten  wissen,  ge- 
wufst;  —  biesen  rennen;  grieselik  dämmernd,  furchtbar,  ags.  gri- 
slic;  kiesel  kiesel;  piesek  (ochsen)ziemer;  fiesel  f äserchen,  vergl. 
fiser;  wiese  wiese;  wiesei  wiesei. 

2)  =  i.  biese  regenschaner,  vgl.  ahd.  bisa;  griemeln  und  gry- 
men  dämmern,  vgl.  ags.  grima;  riedern  zittern,  vgl.  ahd.  ridön; 
schiene  schiene,  ahd.  sei  na. 

3)  =  iu.  prienken  stechen,  vgl.  prain  ahle,  ags.  pre6n;  sie- 
mern  sickern,  vgl.  ags.  seöm  rima;  vriemeln  zu  riemen  reiben, 
vgl.  alts.  riomo;  wiete,  f.  unkraut,  ags.  veod. 

4)  =  a.  ?hie1wiäch  hellweg  (todtenweg),  milchstrafse,  hietnt 
hemd;  der  diene  von  dannen;  wiene  (berg.  wenj  geschwulst, 
pocke,  ags.  venne;  brient  brennt;  hie  wen  heben;  hiewich  schwer- 
fällig, ags.  hefig;  griewel  dachs;  griewet  gräbt;  kniewel  knebel ; 
stic wich  stämmig,  vergL  stäwen;  drieget  trägt;  giegent  gegend; 
hiege  hecke;  hiegedissel  (heckenläuferin)  eidechse,  vgl.  dy[h]sen 
laufen;  lege  egge;  iegemöäner  (eggenkäfer)  hirschkäfer;  ingiegen 
hingegen;  ?kriegel  munter;  flieget  flegel;  wiegen  wegen;  dieke 
decke;   diekel  deckel;   hiekel  hechel;   riekel  männlicher  hund; 


*)  noch  driet  noch  schiet  nicht  das  geringste,  so  Cllwa  Bor  683. 


vokale  der  niederdeutschen  mundarlen.  97 

liepel  ldffel;  schiepel  scheffel;  kietel  kessel;  nietel  nessel;  wietke 
(waddeke)  käsewasser;  lese!  esel;  gienssyt  jenseits. 

Anm.  1.  Zam  nhd.  vergleiche  man:  bieke  baeh,  alts.  biki; 
kieper  köper,  vgl.  kippen  kerben;  piekel  pökel,  engl,  pickle. 

2.  Hochd.  ei  entsprechen:  stieget  steil,  ahd.  Steigal;  triesel 
krcisel.*) 

3.  Aus  zwei  silben  zusammengeflossen  oder  durch  consonan- 
tenausfall  entstanden:  nienkein;  tienzehn;  tiegen  gegen;  hiekst er 
(hagelfiter)  häher;  liet  liegt;  siet  sagt 

4.  Wohin  gehören  smieder,  smiederich  schmächtig,  dünn, 
schwach;  fiekeln  schwach  stolsen,  züchtigen;  hannerfiekel  höh« 
nersitz? 

ue 
steht  vor  einfachem  oder  vereinfachtem  consonanten,  vor  mehr- 
fachem nur  bei  na,  cht,  ts  und  in  fallen  der  verbalflexion.  Zu- 
weilen wechselt  ue  vor  einf.  consonanten  mit  u  oder  o  vor  ge- 
minate,  z.  b.  dueseln,  huebeln,  tuebeln  (tobbeln).  Der  laut  ist 
nicht  selten  von  unbestimmter  quantität,  entschiedene  länge  hat 
süege  schwein.  Er  entspricht  gewöhnlich  altem  u,  zuweilen  nihd. 
o.  Die  brechung  wurde  offenbar  nur  durch  schwache  consonanz 
hervorgerufen,  welchem  dann  einige  geminatenfälle  folgten. 

tuele  altes  weib;  —  druem  endchen  garn;  kuemen  kommen; 
suemer  sommer;  se  kuemt  sie  kommen;  —  suen  söhn;  duene  (ge- 
spannt) enge,  nahe;  dnener  donner;  wuenen  wohnen;  wuent 
wohnt;  —  buebel,  f.  Wasserblase,  engl,  bubble;  huebeln  hinken, 
to  hobble;  schuebeln  schütteln,  schieben;  tuebeln  zerren,  zobeln; 
—  huep,  m.  hafte;  huep  Wiedehopf;  stuepen  junges  pferd,  ahd. 
stolin;  stuepen  abhauen,  stutzen;  —  kuegel  kugel,  kappe;  vuegel 
vogel;  —  bueke  viehglocke;  hänenpuekel,  f.  giebeljoch,  hahnen- 
balken;  —  unduecht .  Untugend,  taugenichts;  buedel  ganze  masse, 
plunder,  alts.  bodal;  snueder  rotz;  sueder  unreine  flössigkeit;  flae- 
der  zerrissenes  kleidungsstück,  vgl.  holl.  floddern ;  fluederich  zer- 
lumpt; kluedern  und  suedern  sich  umbcrtreiben,  vgl.  ags.  loddere 
nebulo;  sluedern  schlottern;  smuederich  (=  smuldcrich)  drückend 
warm;  smuederlachen  schmunzeln,  vgl.  alts.  smultre;  —  kniet,  n. 
nachtheil;  nuet  nufs;  suet  süd;  fuet,  f.  podex;  bueter  butter; 
knuetern  murren,  schwed.  knota;  rueteln  rütteln;  tueteln  schwaz- 


*)  Wechsel  von  k  und  t  auch  in  taärk  kork. 
IL  2. 


98  Woeete 

seil,  undeutlich  sprechen,  engl,  twattle;  stuetern  stottern;  faetse 
schelte  für  mädchen;  dneseln  düsseln;  knneseln  zusammendrücken, 
faltig  machen.  Tgl.  ahd.  farknnsjan;  kuese  mutterschaf,  altes  thier; 
knesel  unreinliches  frauenzimmer;  kueselich  unsauber.  —  Alts.  6 
entsprechen:  guenstach  mittwoche,  guet  gut.  Zu  huedel  (berg. 
hoddel)  zerrissener  läppen  vgl.  mhd.  hadel;  zu  druedel  zerrissenes 
kleidungsstück,  vgl.  trödel. 

üe. 

Umlaut  von  ue,  vor  jedem  einfachen  consonanten,  vor  mehr- 
fachen bei  cht,  st  und  in  flexionsfallen.  Der  umlaut  hat  hier  wei- 
ter gegriffen,  als  im  mhd.,'  da  namentlich  auch  plur.  prät.  ind.  st. 
v.  ihn  zeigen. 

jüe  vorwärts!  —  höelen  (höhlen)  wühlen;  müele  mühle; 
müeler  muller;  füelen  füllen;  hüelt  wühlt;  —  küem  kümmel; 
drüeme  trumme;  drüemeln  schläfrig  zu  werke  gehn,  to  drumble; 
küemt  kommt;  —  büen  bühne,  Zimmerdecke;  düener  enger,  nä- 
her; düenen  häufen;  küenink  könig;  müenek  mönch;  süene  söhne; 
gedüent  vnl  gehäuft  voll;  düent  häuft;  —  drüewen  dürfen;  hüe- 

wel  hobel;  hüewelhügel;  schüewe  schöbe;  üewel  übel;  —  süep 
soff;  vi  krüepen  wir  krochen;  stüepel  kluthenne;  —  rüef  kruste, 
ahd.  hruf;  schüef  schub;  —  düegen  taugen;  düegenich  (düenich) 
tugendhaft;  lüege  lüge;  müegen  mögen;  slüegen  schlugen;  — 
brüek  bruch;  jüek  juck;  rüek  geruch;  brüeken  brauchten,  ags. 
brucun;  jüeken  jucken;  knüekel  knöchel;  küeke  kücbe;  nüekel 
hügel;  nüekels  augenknochen ;  slüeken  schluckten;  sprüeke  spräche ; 
rüekleaus  sorglos;  —  büech  bug;  tüech  zog;  düecht  tugend;  — 
—  büedeker,  büeker  böttcher;  —  güet  gufs;  schüet  schufs;  flüet 
flu£s;  güeten  gössen;  genüeten  genossen;  flüeten  flössen;  küetel 
koth;  prüeteln  protzein,  murren;  schüetel  schüssel ;  slüetel  Schlüs- 
sel; spüetern  spützen;  —  knüesel  und  nüesel  lichtschnuppe;  rüe- 
teln  rütteln;  knüestern  künsteln.  —  Mhd.  uo  entsprechen:  drüe- 
gen  trugen;  güeder  guter;  föeren  fuhren.  Für  i  stehen:  düese 
dieser,  düet  dies. 

uS 
steht  vor  jedem  einfachen  oder  vereinfachten  consonanten,  außer- 
dem vor  lg,  nk,  rr,  rm,  rn,  rw,  rp,  rf,  rg,  rk,  (rh),  rch  (=  ausl. 
rg,  rt,  rst,  rsk,  lest,  ss,  st.     Vor  einfachem  r,  g  und  bei  ausge- 


vokale  der  niederdeutschen  mundarten.  99 

stofsenem  d  ist  es  lang.  Wir  finden  anter  uä  meist  mhd.  o,  sel- 
ten n.  Die  Übereinstimmung  eines  theils  dieser  brechungen  mit 
golh.  aü,  sowie  das  vorkommen  der  lesarten  gnod  (=:  god),  daok 
(~  thoh)  im  Heliand,  lassen  vermuthen,  dafs  dieser  laut  wenig- 
stens theilweise  alt  und  nicht  erst  ans  o  hervorgegangen  ist.  nS 
scheint  ein  umgesetztes  aü,  wie  einzelne  iä  umgedrehte  ai.  Be- 
nietkenswerth  ist,  dafs  einigemal  dem  goth.  aü  ein  Verdichtetes 
oa  gegenübersteht. 

buSe  böte;  duSer  dotter;  luSe  lote,  schöfiding ;  —  bu£l  hohl;  buäl- 
wifirken  wühlen;  huäl  loch;  kuäl,  m.  kohIenmeiler;.wual  wohl; 
buäle  bohle;  kusle  kohle;  suSle  sohle;  uSlge  oel;  —  bufim  boden; 
nuämen  genommen;  hnänech  honig;  ruänken  ger&usch  machen, 
holl.  ronken;  bulr  bohrer;  bnär  hob;  duär  thor;  muär  möhre,  ahd. 
moraha;  geboiren  geboren;  kuSren  kosten;  smolren  schmoren; 
fuarm  form;  wuärm  wurm;  hnärnte  hornisse;  schuirwet  schorf, 
vgl.  skorbut;  stuärwen  gestorben;  duärp  dorf,  stuSrpeln  stolpern; 
kuärf  korb;  schuärf  schorf ;  tuSrf  rasen;  buärgen  borgen;  mulrgen 
morgen;  suSrge  sorge;  luSrk  lorch  (schelte);  stuark  storch;  stuSr- 
kein  straucheln  (v.  Steinen  schrieb  vor  100  jähren  stulkeln);  tuärk 
kork;  beswuärken  bewölkt;  liuhuärken  aufmerksam  horchen; 
fuärke  gabel;  buärch  borg;  buärch  bürg;  kuärt  kurz;  fuärt  furz; 
duSrte,  duärtke  dröhne,  geschwätziges,  sich  überall  aufhaltendes 
weib,  vgl.  ahd.  drozjan;  wuartel  würzet;  uärtswiärk  obstwerk; 
fuärsk  frosch;  buarst  brüst;  duärst  durst;  klarste  kruste;  fuhrst 
frost;  —  buawen  oben;  luawen  geloben;  stuSwe  stube;  tuäwen 
stark  dampfen  (?  —  tuärwen  torf,  rasen  verbrennen) ;  uiwen  ofcn; 
uäwes  obst;  doabel  kubus;  duSbeln  (dobbeln)  würfeln;  —  druä- 
pen  getroffen;  druäpen  tropfen;  kruäpen  gekrochen;  kuSper  kupfer; 
suäpen  gesoffen;  —  grusf  grob;  huSf  hof;  luSf  lob;  stuSf  staub, 
stoß;  —  buagen  bogen;  tuägen  gezogen;  tuSge  tau;  —  kuik  koch; 
luäk  loch;  tuäk  zuck;  bruäken  gebraucht;  brüsken  gebrochen; 
knuSken  knochen;  kuäker  kocher,  kdcher;  nuiken  harter  gegen- 
ständ; ruSke  rabe;  schulken  knochen,  bein;  sluäkern  schlottern; 
apruken  gesprochen;  stiiaken  anschüren,  heizen,  vergL  stochern; 
flnäkster  flatterhaftes  mädclien;  —  druSch  trug;  doich  doch; 
nuäk  noch;  tru&ch  trog;  flu  Seh  flog;  wintfuSke  dem  winde  aus- 
gesetzte stelle;  —  gebult  gebot;  guat  gott;  puSt  setzling;  schuat 
(schofs)  Schublade,  verschlag;  schuat  schufs  (von  gewachsen); 
schulten  schössen;  ?schu5tstäin  Schornstein;  schuitschuir  schieb- 
bares Schutzdach  für  garben;  schuätsypen  quersiepen;  slutt  schlofs; 

7* 


100  Woeste 

sultbriänen  Sodbrennen;  guäte  gösse;  gutlen  gegossen;  kalten, 
m.  kleines  haus,  kleine  ackerwirthschaft,  ags.  cot;  slypkuaten 
schleifrolle;  pulten  setzen,  pflanzen;  schulten  geschossen;  stalten 
geschlossen;  spralte  sprosse;  stralte  kehle,  ags.  Jvote,  italien. 
strozza;  yerdrnlten  verdrossen;  dultern  zittern,  schwatzen;  drua- 
teln  schwatzen;  —  halse  strumpf;  dralssel  drossel;  dralst  drost, 
bodensatz;  rnlst  ferrago. 

Anra.  1.  Aus  I  hervorgegangen  und  für  altes  a  stehend: 
btiarch  verschnittener  eber  (urk.  borgellswin) ,  ags.  bearg;  nuar- 
ken  weinerlich,  eigensinnig  sein;  snulrken  schnarchen;  slulrwen 
zerrissener  (schlotteriger)  schuh;  slulrwich  schlotterig,  schwed. 
slarvig;  slulrpen,  slulrps  tiefe  Schnittwunde;  smuärren  schmarre, 
schnitte;  wult  etwas. 

2.  Aus  wi  entstanden:  tulrsak  quersack;  tulrt  quere,  nach- 
theil (in  te  tuarte  dauen). 

3.  Aus  6:  duale  dohle,  vergl.  ags.  de!hl  =  deagol;  kolwen 
kofen,  ags.  cofa. 

4.  Wir  fügen  ohne  bestimmung  noch  folgende  hinzu:  blulte, 
plulte,  bluete,  pliute  (berg.  plute)  altes  messer;  plulden  (berg. 
plüten)  geringe  habseligkeiten;  druanen  stöhnen  (mechten),  vom 
vieh,  vgl.  dröhnen;  knolen  (knuaden)  festtreten. 

üä. 

Umlaut  des  vorigen,  steht  im  ganzen  unter  denselben  bedin- 
gungen.  Die  Wörter  düär  und  vüär  haben  als  präpositionen  kur- 
zen, als  adverbe  langen  vokal.- 

lüäern  pl.  (windeln)  bauch,  ahd.  ludra;  hüälen  höhlen;  küa- 
len  dampfen,  schwelen;  hüälerte  holunder,  ahd.  holer;  —  düär 
durch;  düär  thür;  küär  wähl;  müär  mürb;  stüär,  f.  starkes  weibs- 
bild,  vgl.  ags.  stör;  stüärwllt  der  sich  überall  kräftig  durcharbei- 
te l*);  fuär  für;  vüär  vor;  büären  heben,  ahd.  burjan;  glüären 
schimmern;  glüärerseken  leuchtkäfer;  spüären  spüren;  stüären  sich 
kräftig  bewegen,  ags.  styrjan;  verduärwelink  verdorbene  sache; 
düärpel  (dürpel)  schwelle;  wüärgen  würgen;  wüärgel  band  am 
dreschflegel;  alts.  wurgil;  snüärgel  eine  nörgelnde  pfeife;  spüärkel 
februar  (auch  spüärkelsche ,  Petersen  schrieb  spörkel  Eisken); 
güärdel  =  wüärgel;  büärtich  gebürtig;  güärte  grülze;  küärter  kür- 


*)  Witte  H.  A.  Sax.  p.  535:  bombarda  raaxima  quam  volgari  auo 
stfirwalt  nominabant 


vokale  der  niederdeutschen  mnndarten.  101 

zer;  schüärte  schürze 5  stüärten  stürzen;  fuärte  fürze;  küärsk  wäh- 
lerisch; büärfel  bürste;  düärsten  dürsten;  —  grüäwer  grober;  gftä- 
weln  (göbbeln)  vomieren,  vgl.  altn.  gubb;  üäwer  über;  küäpern  w  Sil- 
lerisch,  vgl.  ags.  cop  pretiosus;  —  lüäfte  gelübde;  —  tüSger  draht- 
licher; büäken  rülpsen,  to  boke;  güäke  (godeke)  admater;  prüä- 
keler  stocher,  von  pruäkeln;  schüäkern  beinern;  stüSkern  stochern; 
tüäkstern  laut  gejagter  amselii?  —  küäter  kleiner  ackerwirtli; 
müätich  mürbe,  vom  holze;  püäter  setzer;  rüäts  morsch,  vergl. 
alts.  roton;  süätern  =  dualem;  strüäten  würgen;  strüätebiaeren 
wörgbirnen;  rüästern  rosten.  —  Wir  fügen  noch  hinzu:  slüär 
schlechtes  gel  rank,  schlotteriges  frauenzimmer  ('ne  slüär  vanner 
däirne);  slüären  schlendern,  langsam  sein;  tüärre,  tüärhäken  thflr- 
angel;  sik  trüägen  zanken  (se  trüäget  sik  um  kaisers  boart). 
Iserlohn.  Fr.  Woeste. 


Metaphern,  vom  leben  and  von  körperlichen  lebensyer- 
richtungen  hergenommen. 

Es  ist  hier  nicht  meine  absieht,  aus  A.L.Z.  oct.  1847  no. 
233—234  die  klage  über  gegenwärtig  zu  arge  Vernachlässigung 
sprachlicher  figuren  and  den,  an  vielerlei  beispielen  geführten  be- 
weis zu  wiederholen,  von  wie  hoher  Wichtigkeit  sich  dieselben 
nicht  nur  zum  behufe  der  poetik,  sondern  auch  für  den  endlichen 
aufbau  eines,  wenn  gleich  noch  ungeschriebenen,  doch  dringend 
nöthigen  theiles  der  Sprachwissenschaft,  d.  h.  der  «bedeutnngs- 
lehre"  erweisen.    Jede  spräche   nämlich  ist,  in  rücksicht  gei- 
stiger beziehuD gen,  nach  Jean  Paul's  treffendem  ausdruck,  «ein 
Wörterbuch  erblasseter  metaphern ",  d.  h.  metaphern  nach  un- 
serer,  mit  verstandesmäfsiger  schärfe  unterscheidender,  nur  in 
exaltirteren  augenblicken  z.  b.  vom  dichter  verlassenen  Vorstellung. 
Denn  sehr  wahr  setzt  derselbe  Jean  Paul  in  §  50  seiner  ästhetik, 
die  auch  von  guten,  der  Sprachbeobachtung  nützlichen  winken 
strotzt,  hinzu:  «Der  bildliche  witz  kann  entweder  den  körper 
beseelen,  oder  den  geist  verkörpern.  —  Ursprünglich,  wo 
der  mensch  mit  der  weit  auf  einem  stamme  geimpfet  blühte,  war 
dieser  doppeltropus  noch  keiner;  jener  verglich  nicht  unähnlich- 
keiten,  sondern  verkündigte  gleichhcit;  die  metaphern  waren,  wie 
bei  kindern,  nur  abgedrungene  synonymen  des  leibes  und  geistes.* 


102  Pott 

Mit  hülfe  solcher,  anderer  figuren  jetzt  zu  geschweige!!,  me- 
taphern  d.  h  poetischen  (von  der  einbildungskraft  erst  geschaf- 
fenen) identificirungen  des  an  sich  zwar  ungleichen,  was 
aber  die  spräche  gleichwohl  im  bilde  für  gleich  nimmt,  oder 
anch  auffindungen  des  wirklich,  nach  dieser  oder  jener  rück* 
sieht  gleichen  nur  in  verschiedenem,  —  hierdurch  erweitert 
sich,  und  zwar  keineswegs  immer  zugleich  unter  aufbietung  neuer 
lautlicher  mittel*),  die  spräche  ins  unendliche  hinein,  und  ver- 
leiht so  den  meisten  ihrer  körpergebilde  auch  eine  innere  gei- 
stes fülle,  die,  bei  aufmerksamer  anwendung  derselben,  in  un- 
endlich geringerem  maafse  durch  Vieldeutigkeit  verwirrt,  als 
man  sich  sonst  vorstellen  möchte.  —  Dazu  halte  man  auch  eine 
stelle  W.  v.  Humboldt 's  (versch.  des  sprachb.  s.  383),  welche 
statt  meiner  sprechen  mag:  «Die  er  Weiterung  der  begriffe  und  der 
sprachen  mufs  darauf  leiten,  neue  gegenstände  durch  verglei. 
chung  mit  andren,  schon  bekannten,  zu  bezeichnen,  und  das 
verfahren  des  geistes  bei  der  bildung  ihrer  begriffe  in  die  sprachen 
überzuführen.  Diese  methode  mufs  allmfilig  an  die  stelle  der  frü- 
heren treten,  den  eiu druck  durch  die  in  den  articulirten  tönen 
liegende  analogie  [also  bei  der  wurzelschöpfung,  indefs  demnächst 
auch  ferneren  Weiterbildung  der  spräche  mittelst  Zusammensetzung 
und  ableitung]  symbolisirend  wiederzugeben.  Aber  auch  die  spätere 
methode  tritt  bei  Völkern  von  grofser  lebendigkeit  der  einbildungs- 
kraft  und  schärfe  der  sinnlichen  auffassung  in  ein  sehr  hohes  alter 
zurück,  und  daher  besitzen  vorzugsweise  die  am  meisten  noch  vom 
Jugendalter  ihrer  bildung  zeugenden  sprachen  eine  grofse  anzahl 
solcher  malerisch  die  natur  der  gegenstände  darlegenden  Wörter. » 
Es  gilt  in  Wahrheit  der  schon  in  Valck.  et  Lennepii  libro  de 
anal.  1.  Gr.  p.  41.  253.  ed.  2  gethane  aussprach:  Paucissimas  re- 


*)  Die  mehrsinnigkeit  oder  Vieldeutigkeit  der  wörter  ist  gewisser- 
mafsen  das  umgekehrte  von  jener  definitioa  zweier  freunde:  «Eine 
seele  in  zwei  leibern»,  nämlich:  mehrere  befreundete  seelen  in  einem 
körper  (worte);  —  also  eher  entsprechend  den  tria  corda,  der  sich 
Ennios  rühmte,  weil  er  drei  sprachen  verstand.  —  Vergleichung  stellt 
das  zweien  dingen  gemeinsame,  also  ein  allgemeines,  worin  sie  sich 
berühren  und  decken,  d.  h.  mehr  nach  dem  charakteristischen  gewichte 
als  nach  der  blofsen  zahl  der  merkmale  und  unter  fallenlassen  ihres 
bleibend  oder  momentan  unwesentlichen  Überschusses  im  besonderen, 
zusammen.  —  Unterscheidung  von  Wörtern  durch  den  accent  z.  b.  im 
englischen.   Fiedler  graoim   s.  157. 


metapbern.  103 

vera  esse  proprias  verborum  significationes  etc.  —  Die 
spräche,  weil  durch  und  durch  symbolisch,  liegt  insofern  zu  einem 
grofsen  theile  im  gebiete  der  phantasie.  Der  verstand  hat 
keine  Wörter.  Er  ist  beständig  gezwungen,  sich  und  seine 
thfitigkeit  in  bilder  hüllen  zu  lassen.  Erst  da,  wo  das  bewufst- 
sein  über  den  Ursprung  und  wahren  werth  sprachlicher  gebilde 
verdunkelt  oder  ganz  geschwunden,  nimmt  man  viele  ausdrücke 
so,  als  wären  sie  von  haus  aus  —  verstandeswörter.  Wer  denkt 
noch  bei  verstand  selbst,  bei  vorstellen  u.  v.  a.  an  ihre  etyma, 
d.  h.  an  ihre  ursprungliche  Wahrheit? 

Viele  Übertragungen,  darf  man  anders  nach  obigem  diesen  aus- 
druck  des  gewöhnlichen  Sprachgebrauchs  beibehalten,  gehen  vom 
lebenden  auf  das  unbelebte  über;  —  eine  Scheidung,  die  freilich 
wieder  aufzuheben,  mindestens  einzuschränken  eine  neuere  natur- 
betrachtung  (Fechner  Nanna,  Zendavesta)  allen  ernstes  sich  an- 
schickt. Jedenfalls  behält  für  die  Sprachforschung  der  dichter 
(Lamartine,  werke  von  Herwegh  IL  68.,  vgl.  auch  Auerbach 
schrift  und  volk  s.  32  mit  bezug  auf  Hebel;  oder  selbst  Heine 
reisebilder  I.  126.  ausg.  von  1840)  recht,  wenn  er  sagt:  »Das  le- 
ben ist  überall  wie  der  geist!  Die  ganze  natur  ist  beseelt, 
die  ganze  natur  fühlt  und  denkt!  Wer  das  nicht  sieht,  der 
hat  noch  niemals  über  die  unversiegbare  fruchtbarkeit  des  schöpfe- 
rischen gedankens  nachgesonnen!  Er  durfte,  er  konnte  nie  stille 
stehen;  die  ganze  Unendlichkeit  ist  bevölkert;  und  überall,  wo 
leben  ist,  ist  auch  empfindung;  der  gedanke  hat  ohne  zweifei  ver- 
schiedene grade,  nirgends  aber  fehlt  er  ganz."  Ueber  die  spräche 
aber  als  «System  von  zeichen  für  die  selbständigen  Vor- 
stellungen [wahre  oder  auch  falsche,  dunkle  und  deutliche 
u.  s.  w.]  in  der  einheit  mit  den  freien  anschaunngen» 
siehe  das  ausführliche  kapitel  über  spräche  in  Daub's  vorles.  bd.  I. 
s.  245ff. 

Wie  das  grammatische,  d.  h.  eigentlich  wider  die  na- 
tur (qtvaig)  anlaufende  und  blofs  übereinkünftliche  (posi- 
tione,  face*)  geschlecht  auf  einer  grofsartigen  metapher  beruht, 
mittelst  deren  der  charakter  geschlechtlicher  geschiedenheit 
auch  auf  das  an  sich  ungeschlechtliche  ausgedehnt  und  übertragen, 
dieses  also  abseiten  des  sprachschöpferischen  geist  es  unter  eine 
ihm  von  natur  fremde  uud  blofs  von  dort  entliehene  beleuch- 
tung  gebracht,  ja  durch  eioen  akt  der  freiheit  gleichsam  in  ein, 
durch  die  phantasie  geschaffenes  reich  von  anderem  aussehen 


104  Pott 

als  die  Wirklichkeit  versetzt  wird,  so  gilt  auch  dem  inneren  sinne 
oft  über  die  strenge  naturwahrheit  hinaus  für  lebend  und  le- 
bendig, was  dem  leben  analoge  erscheinnngen  (und  womit  wäre 
das  nicht  der  fall?)  zeigt 

In  der  spräche  des  nordamerikanischen  Indianerstammes,  der 
Delaware,  «werden  alle  nomina  in  zwei  allgemeine  klassen  ge- 
sondert, belebte  und  unbelebte.  Zn  der  ersteren  gehören 
thiere,  [und,  gewifs  wegen  ihrer  größeren  langlebigkeit]  bäume, 
alle  gröfseren  gewächse,  während  jährliche,  [also  nicht 
perennirende]  pflanzen  und  kräuter  in  die  letztere  klasse  ge- 
rechnet werden1»  Talvj,  indian.  spr.  s.  18.,  Tgl.  Fechner,  Nanna 
s.  18;  —  eine  eintheilung,  die  sich  nicht  nur  bei  deminutiven,*) 
z.  b.  lenno-tit  das  männchen,  aber  wikwam-es  ein  bauschen, 
beim  pronomen  s.  19 ,  sondern  sogar  beim  verbum  s.  22  kund 
giebt.  Z.  b.  nolhatton  und  nolhalla  bezeichnen  beide  im  Delaware: 
ich  besitze,  allein  ersteres  wird  nur  vom  besitze  unbelebter  Sa- 
chen, letzteres  von  dem  lebendiger  geschöpfe  gesagt.  (Also  gleich- 
sam ein  analogon  zur  Unterscheidung  zwischen  persönlichem 
und  dinglichem  recht;  und  wie  das  neutrum  nur  im  gefohle 
des  gegensatzes  vom  unpersönlichen,  ja  geschlechtslosen  sächli- 
chen zu  seinem  antipoden,  in  bewufsterer  form  wohl  allein  in- 
nerhalb des  indogermani8mus  und  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
auch  hier  erst  spät  aus  dem  masc.  sich  empor  rang,  so  gehört 
scheiden  des  unbelebten  vom  belebten  jedenfalls  schon  einer 
periode,  mit  kälterem  blute  reflectirenden  Verstandes,  an.)  Auch 
im  Cree  (Howse  gramm.  p.  41)  z.  b.  Wunnehayoo  He  loses 
him,  aber  Wunnet ow  (inan.)  He  loses  if,  or  them.  Desgleichen 
p.  181.  Unterscheidung  einer  lebenden  und  unbelebten  klasse 
beim  nomen. 


*)  So  auch  persisch  bei  belebtem  demin.  auf  {&,  z.  b.  kentz-ek 
puellula,   aber  bei  unbelebtem  &£»,  z.  b.  mäh-tscheh  lunnla  Wil- 

V 

ken  inst  p.  86,  also  mit  der,  wie  im  deutschen  wer,  was,  auch  im 
pronomen  p.  30.  zwischen  keli,  knrd.  ke  (qui),  ki  (quis)  einerseits, 
und  tscheh  (ans  tscfais  im  zend  =  aliquis,  oder  zu  skr.  kiutscfait), 
knrd.  ce,  ci  (qnod,  quid)  auf  der  anderen  Seite,  indefs  nicht  allznstreng 
beobachteten  Unterscheidung,  so  dafs  man  mit  diesen  pron.  das  dem. 
componirt  zu  glauben  geneigt  wird.  —  Im  pers.  plur.  desgleichen  -In 
bei  tbieren  und  menschen,  -hl  bei  leblosem,  bei  sacken  p.  10,  auch  je- 
doch zuweilen  mit  freierem  gebrauch.    Siehe  weiter  Bindseil  s.  503. 


meUphern.  105 

Wir  wenden  uns  zu  beispielen,  die  auch  anderwärts  über 
das  animale  leben  hinaus  noch  einen  unterschied  zwischen  le- 
bendigem und  todtem  festhalten.  Lebendig  heifst  die  noch 
wachsende  hecke  (viva  sepes  Colum.)  gegenüber  dem  zäune  von 
(todtem,  bereits  geschlagenem)  holze;  und  lebendiges  holz,  wel- 
ches, wenn  es  abgetrieben  worden,  von  neuem  ausschlägt.  Im 
welsch  co edwryc,  A  quiekset  hedge;  a  hedge,  von  coed  wood 
und  gwryc  A  hedge -row,  auch  the  bristles  of  the  neck  of  swine 
(also  auch  eine  Übertragung,  jedoch  von  unbelebtem  auf  belebtes). 
Engl,  quick  ist  auch:  lebendig.  Frz.  haie  vive,  Schweiz,  grün- 
hag.  Adelungii  gloss.  I,  754:  Practici  Galli  Boscum  vivum,  seu 
Bois  vif  appellant  arbores  et  virgulta  nemorum  infruetifera,  ob 
idque  mortuum  boscum,  Mort  bois  dieunt,  quod  fruetus  non  fe- 
rant:  boscum  vero  mortuum,  seu  Bois  mort  [also  in  umgekehr- 
ter Stellung]  appellant,  qui  revera  mortuus,  id  est,  siecus  est. 
Vivi  igitur  bosci  usus  est  ad  aedificaudum,  mortui  vero  ad  arden- 
dum.  —  Bei  Richelet  mort- bois  c'est  tout  le  blanc  bois,  commc 
le  saule,  le  peuplier  et  Forme.  Bois  mort  cest  le  bois  qni  est 
abatu,  ou  qui  etant  debout  est  sec,  et  ne  peut  servir  qu'ä  brüler. 
Dict.  de  Facad.:  On  appelle  dans  les  arbres,  Bois  vif,  Le  bois 
qui  pousse  des  branches  et  des  feuilles.  Et  Bois  mort:  Les 
branches  qui  ne  reeoivent  plus  de  seve.  On  appelle  aussi:  Bois 
mort:  Tout  arbre  seche  sur  le  pied.  Mort-bois:  Certaines  Sor- 
te» d'arbres  de  peu  d'usage  et  de  service  [also  todt,  als  nutz- 
oder  brennholz  unbrauchbar];  comme  Marsau?,  Epines,  Ronces, 
Genäts  u.  s.  w.  Vgl.  deutsch  weichholz  z.  b.  pappel,  eller,  weide. 
—  Mulieres  quando  nubunt  volunt  lectum  delignissiccis,  sed 
de  arbore  vivente.  Odofredus  in  1.  legata  digest.  de  supellect. 
leg.  bei  Grimm  myth.  s.  662.  ausg.  1.  In  welchem  sinne?  etwa 
nur  von  bäumen,  die  noch  im  kräftigen  lebenswuchse  gefällt  wor- 
den? —  Engl,  quick-grass,  quecken,  heifsen  so  als  ein  schwer 
vertilgbares  und  immer  rasch  wiederwachsendes  unkraut.  Ebenso 
frz.  dartre  vive,  qui  revient  toujours,  et  qui  parait  extremement 
enflammle.  Vgl.  ferner  die  compp«  mit  goth.  quius  (vivus)  Grimm 
II.  638.,  z.  b.  ags.  evic-beäm  (juniperus),  ich  weife  nicht  ob 
seines  immerwährenden  grün  wegen,  aber  altn.  quik-tre  (sta- 
ticulum)  eig.,  als  eine  person  vorstellend  (äfdgeixelov)  s.  v.  a., 
lebendiger  bäum.  —  Engl,  quick-match  ist  die  brennende 
lunte.  Umgekehrt  spricht  man  von  todt en  kohlen;  holl.  doove 
(d.  i.  taube)  koolen,  cen  doof  hout  (eig.  ein  taubes  holz),  ein  aus- 


106  Pott 

gelöschter  brand.  Vergl.  De  Groot,  Javaansche  spraakkunst  p. 
45:  maar  in  het  Javaansch  zegt  man  ook  dooden  (matenai) 
voor  doovcn,  uitdooven,  uitblusschen.  Welsch  marwar 
pl.  aggr.  Embers.  Adj.  Dying  like  embers.  Glo  marvar  Dying 
coal.  Die  kohle  stirbt,  la  chandelle  se  meurt,  das  leben  er- 
lischt, gleich  einem  lichte,  wefshalb  man  auch  auf  sargen,  ehe 
sie  mit  der  leiche  fortgetragen  werden,  aus  symbolischem  gründe 
pflegt  lichter  niederbrennen  zu  lassen.  Das  lebenslicht  jemandem 
ausblasen.  —  Noch  weiter  gehen  die  Caraiben,  indem,  zufolge 
Rochester  p.  363.  no.  32:  Qm  te  beteykenen  dat  een  ding  ver- 
loren is,  of  dat  het  is  gebroken,  seggen  sy  gemeenlijk  dat 
het  d  o  o  d  is.  —  Für  den  gesichtssinn  todt :  Frz.  couleurmorte, 
sehr  blasse  (also  keine  lebhafte,  couleur  vive)  färbe;  ein  ding  von 
todtem  aussehen,  wie  auch  mourant  matt,  schwach,  it.  bleich, 
als  bleichblau,  woher  bleu-inourant,  bei  uns  verdreht  zu:  blü- 
merant. Holl.  eenedoodschekleur,  eine  bleiche  dunkle  färbe, 
todtenfarbe,  doodsche  lippen  (frz.  levres  mortes.  C'est  a 
dire,  levres  päles  et  defaites.  Richelet),  doodverw  blasse  färbe, 
erdfarbe;  it.  bei  den  malern,  der  erste  abrifs,  die  erste  Zeichnung 
eines  gemäldes.  —  Der  ort  des  wiederhalls  heifst  im  Vaskischen 
oyarzuna,  arribicia  (lebender  stein).  Mith.  IV,  303.  Hil  veut 
dire  mort,  obscurite;  de  lä  hil  arguia,  lumiere  des  morts,  pour 
designer  la  lune.  Der  mond  als  nachtgestirn  scheint  also  nur 
gewissermafsen  den  dann  wachen  todten,  s.  in  Oihenart,  prov. 
Basques  p.  284.  — ;  Engl,  dead  drink  das  schale  [also  für  den 
geschmack  todte,  unwirksame]  getränk.  Dagegen  dead  water 
(holl.  dood  water)  die  lache,  also  stehendes  wasser,  entgegen- 
gesetzt dem  lebendigen  quellwasser,  frz.  ea  u  v  i  v  e  quell  wasser, 
it.  hartes  wasser  (als  weich  gilt  z.  b.  das  regenwasser),  lat.  aqua 
viva  d.  i.  fliefsend.  Mare  mortuum,  franz.  mer  morte,  das 
todte  meer,  aus  anderem  gründe,  nämlich  weil  alles  leben  in 
seiner  nähe  erstirbt,  wie,  wenigstens  angeblich,  Averaus  aus  &oq- 
pog.  Celtisch  Morimarusa  bei  Plinius,  wieder  aus  anderem 
gründe,  als  eismeer.  —  Skr.  maru  m.  1)  a  region  or  soil  desti* 
tute  of  water^  sands,  a  desert;  2)  a  mountain;  3)  the  province 
Marwar.  Et.  mri  to  die  (where)  bei  Wilson  ist  allerdings  fakch, 
wenn  man  es  als  eine  gegend  fafst,  worin  man  hungers  sterben 
mufc;  man  dachte  vielmehr  an  eine  öde,  unfruchtbare  und  deshalb 
unbelebte,  gls.  todte  gegend;  wahrsch.  damit  in  Zusammenhang 
zend.  Möuru  (eig.  le  desert  depourvu  d'eau),  name  der  stadt  Merw, 


meUphern.  107 

Brodelt,  s.  385.  Damit  vgl.  man  z.  b.  t  o  d  t  e,  unbelebte  •  t  r  a  f  s  e,  dgt. 
Fra.  on  ditqu'un  attelier  est  vif,  quandily  abeaud'ouvriers (leb- 
haftes, flottes,  d.  i.  nicht  auf  dem  gründe  sitzendes,  geschäft);  et 
qu'une  foret  est  vive,  quand  il  y  a  de  beaux  et  grands  ar- 
bres.     Les  chasseurs  disent  aussi,  qu'une  foret  est  vive,  pour 
dire,  qu'il  y  a  beaueoup  de  betes  fauves;  qu'une  garenne  est 
vive   cet     So  ist  ghösha  (sound)  wegen  des  lebhaften  viehge- 
schreis  auch  im  skr.  a  Station  of  herdsmen,  wogegen  eng),  nach 
Ray,  Collect  p.  20:  Deafely;  lonely,  solitary,  far  from  neigh- 
bors ;  mithin  so  zu  sagen :  taubartig,  der  geräuschlosen  stille  we- 
gen.   Hoil.  het  is  dood  stil,  es  webet  nicht  ein  luftchen;  den 
zeil  dood  aanslaan,  ein  segel  dicht  anschlagen,  so  dais  dazwi- 
schen und  der  raa  nicht  der  geringste  räum  gelassen   wird.  — 
Welsch  marwlanw  m.,  the  dead  water,  or  turn  of  the  tide, 
von    llanw  fullness,   copiousness;    the  flowing    in  of  the   tide. 
Ebenso  im  Bundo  (deutsche  morgenl.  zeitschr.  II,  157):  Minna 
mäffui  aguas  mortas  (aestus  languidiores),  aber  die  flut  heilst 
menha   ma  muenhu  (wasser  des  lebens).     Frz.  eau  morte 
sumpfiges,  stehendes  wasser;  morte  eau  wird  die  ebbe  und  flut 
genannt,   wenn  sie  zur  zeit  des  ersten  und  letzten  mondviertels 
am  schwächsten  ist.    Vif  de  Teau.    C'est  la  haute  eau   d'une 
maree.    C'est  le  plus  grand  aecroissement  de  la  maree.  —  Engl, 
quicksand  flugsand,  triehsand,  altn.  quiksandr  (syrtes),  aber 
quiksyndi  (palus  impervia)  wegen  seiner  zu  grofsen  beweglich- 
keit.  —  Von  dieser  eigenschaft  nicht  minder  frz.  vif  argen t  mit 
voraufgehendem  vif,  engl,  quicksilver  quecksilber.  —  Quick- 
lime,  frz.  chaux  vive,  der  frische,  ungelöschte  (noch  im  was- 
ser aufbrausende)  kalk.    Soufre  vif,  lat.  vivum  sulphur,  natür- 
licher, gediegener  schwefel;  ags.  quic-fyr  (sulfur).  Lat.  vivus 
lapis  feuerstein,  als  gewissermaisen  lebensfunken  von  sich  ge- 
bend.   Vgl.  das  vom  feuerstein  mit  hergenommene  argument  der 
Indianer,  wie  es  einen  feuergott  geben  müsse,  in  Williams,  key 
to  the  Indian  lang.  1827  p.  110.  —  Tete  morte,  in  der  chemie 
caput  mortuum.   Holl.  dooding  (eriodtung) ,  in  der  chemie 
zernichtung  der  äufseren  gestalt,  z.  b.  wenn  dem  quecksilber  sein 
flufs  und  bewegung  genommen  wird;  es  heifst  auch  so  eine  mäfsi- 
gung  der  schärfe  in  den  geistern  und  salzen.  —  Theol.  tödtuug 
des  fleische«/  Vif  m.    Chair  vive.    II  a  fallu  couper  beaueoup  de 
chairs  mo  rtes  (wildes  fleisch;  engl,  dead  flesh,  das  faule  fleisch); 
avant  qne  de  trouver  le  vif.    Der  gesunde  und  empfindliche  theil 


106  Pott 

an  thicr-  nnd  pflanzenkörpern  (den  haf  bis  auf  das  leben  aus- 
wirken d.  h.  bis  auf  den  fleischigen  theil  des  pferdehufes;  einen 
dürren  ast  bis  auf  das  leben  abschneiden;  daher:  es  geht  oder 
dringt  bis  aufs  leben,  d.  h.  ins  innerste,  durch  mark  and  beia. 
Lat.  ad  vivum  resecare  sehr  tief  einschneiden;  bildlich:  zu  ge- 
nau nehmen.)  —  Im  oldenbnrgischen  heifsen,  sagt  Goldschmidt, 
Der  Oldenburger  s.  42.,  «leben  sehr  bezeichnend  die  geschlechts* 
theile»,  nämlich  als  leben  gaben d,  wie  frz.  nature  (von  nasci). 

—  Chevenx  vif 8  (jetzt  gewöhnlich  eh.  naturels)  haare,  so  wie 
man  sie  vom  köpfe  eines  menschen  abgeschnitten  bat,  ohne  sie 
vor  dem  gebrauch  zn  kochen  und  zu  backen.  Im  deutschen 
hutm.,  grüne  haare,  gern,  grüne  haut  d.  h.  unzubereitet, 
noch  nicht  zugerichtet.  Grün  für  saflvoll,  frisch,  entg.  dorr, 
trocken,  z.  b.  grünes  holz;  grüner  aal,  lachs  u.  s.  w.  entg.  dem 
geräucherten,  gesalzenen  n.  s.  w. ;  —  mithin  hier  eine  Übertragung 
von  der  pflanze  auf  lebendiges  oder  vom  lebenden  stammendes. 
Lat.  nicht  nur  viridis  aetas,  senectus  d.  h.  noch  frisch  und 
blühend,  sondern  auch  limus,  caseus,  wie  griech-  %XcoQog  von 
rvQog  gebraucht,  nicht  etwa  grünen  kräuterküse,  sondern  fri- 
sche n  kfise  anzeigt,  und  dasselbe  epitheton  von  frischem,  nickt 
eingesalzenem  oder  eingepökeltem  fleisch,  frischen  fischen  dgl. 
gilt.  Engl,  to  he  green,  neu,  noch  unerfahren.  —  Frz.  Oeuvres 
vives  (m  ort  es)  die  theile  des  schiffes,  so  unter  (über)  dem  was- 
ser  gehen.  —  Fonds  vif,  guter  und  fester  grund,  zu  bauen.  — 
On  appelle  röche  vive,  une  röche  qul  a  ses  racines  fort  pro- 
fondes  cu  terre,  qui  n'est  point  melee  de  terre,  et  qui  n'est  point 
par  couches  commes  les  carrieres.  —  Todtes  kapital,  frz.  argen t 
mort  (vgl.  oben  vif  argent),  das  keine  zinsen  trägt,  nicht,  so  zu 
sagen,  kinder  (toxoi  zinsen)  erzeugt.  Dat  de  lucro:  nihil  detraxit 
(reseeavit)  de  vivo  d.  h.  er  gab  nichts  weg  vom  (noch  wucher- 
föhigen)  kapital.  Todtes,  unlebendiges  und  unfruchtbares  wis- 
sen. Frz.  saison  morte  d.  h.  ohne  verdienst.  —  Todte  hand 
in  juridischem  sinne,  z.  b.  eine  gemeinde,  ein  stift,  weil  wirklich 
nur  eine  fingirte  moralische,  keine  in  physischer  Wirklichkeit  vor- 
handene person.  Viva  vox,  frz.  de  vive  voix,  mündlich,  im 
gegensatze  schriftlicher  mittheilung  (muti  magistri,  bücher),  weil 
in  ersterem  falle  die  lebendige  gegenwart  einer  person  vonnöthen. 

—  Aufserdem  nicht  nur  z.  b,  une  personne  a  les  yeux  vifs, 
sondern  nun  auch  mit  Übertragung  auf  geist  und  geistiges: 
Avoir  l'esprit  vif,  Timagination  vive,  wie  avoir  le  sen- 


metaphern.  109 

timent  vif  et  les  sens  vif 8,  ja  das  Geistesleben  überhaupt. 
—  Welsch  inarw-vis  (marw-mis)  m.,  the  dead  montb,  orthat 
part  of  winter,  when  vegetable  is  dormant  (Winterschlaf;  der 
schnee,  das  leichen-  oder  doch  betttuch).  Evehito  luna  silenti 
eig.  schweigend,  verstummend,  statt  sich  nicht  zeigend,  unsicht- 
bar, d.  i.  am  ende  des  monats.  Silens  sarmentumu.  s.  w.  auch 
bildlich  für:  ruhend,  noch  nicht  ausschlagend.  Mutum  forum, 
muta  solitudo,  bei  Ovid  muta  silentia  noctis,  bei  Sil.  It.  caeca  si- 
lentra  i.  e.  nox,  weil  in  der  nacht  schweigen  sowohl  als  finster- 
nifs  stattfindet.  Dafür  engl,  dead  of  night,  bei  Shakesp.  dead 
of  darkness  ( todtenstille ).  Im  Leipz.  Appendix  io  Shakesp. 
1826.  deepest  darkness  erklärt,  mit  dem  höchst  unpoetischen  und 
zugleich  sprachlich  unüberlegten  zusatze:  Perhaps  by  paronomasti- 
cal  abuse  of  language  from  totus,  as  in  dead  drunk  (so  be- 
trunken, dafs  man  einem  todten  gleicht),  dead  lift  (schwäche), 
dead-dull,  d.  h.  bis  zum  äufsereten,  welches  etwa  vom  tode 
vorgestellt  sein  kann,  albern.  Vgl.  indefs  auch  tö  dt  liebe  lange- 
weile*.  —  Im  Yoruba  bei  Crowther  kuh  v.  n.$  to  die,  to  whi- 
ther;  to  be  blunt.  Oku-ye  a  person  of  a  doli  memory  (iye 
mind);  auch  sühn  v.  n.  to  sleep;  to  congeal,  as  oil  (weil  es  nicht 
mehr  in  lebendigem  flösse  bleibt).  —  Im  beet juanischen  sjoä 
(todt)  Lichtenst.  IL  626.,  ieetshaatsi  sfula  sonne  stirbt  (geht 
unter),  während  wir  höchstens  sie  sich  zum  ausruhen  niederle- 
gend (se  coucher)  denken.  Unter  gleichem  bilde,  Bundo  bei  Can- 
necatf im :  Porse  o  sol  (sol  oeeidit),  rieümbi  aeubdea,  oder  r i - 
cumbi  uäffuf  oeeidente  (occasus)  bandu  quiaeuffila  o  ri- 
eümbi [seite  der  untergehenden  sonne].  Sol  posto  (sol  in  00- 
casü)  ri cumbi  uäffu;  vgl.  apagada  coosa.  Acabada  cousa,  i.  e. 
morta,  ou,  extineta  (exstinetus)  q  u  i  m  a  q  u  i  ä  f  f  u.  Im  Kongo  m  a- 
fua,  füa  morte,  affua,  Bundo  cüffua  expirar,  morrer  (animam 
efflare).  —  So  auch  Cong.  affu&dia  esquecer  (in  oblivionem  ve- 
nire), wie  holl.  die  zaak  is  lang  dood,  die  sache  ist  lange 
todt,  d.  h.  vergessen.  —  Bei  Tuckey,  Narr.  p.  389.  Malemba  me- 
sou-mafoa  (von  mesau  eye,  m'foa  die  v.,  Embomma  foi  dead) 
blind,  also  eig.:  »mit  erstorbenen  äugen»,  skr.  nasht'atshak- 
sh u 8  Bopp,  malay.  spr.  s.  63,  sodafs  mafoi  im  £mb.  nicht  fög- 
lieh,  wie  angegeben  wird,  auch  schon  für  sich  allein:  blind  be- 
sagen kann.  In  beiden  dialecten  matoomafoo  deaf,  was  nicht 
eig,  wie  Tuckey  meint,  ear  blind,  sondern:  mit  todten  ohren, 
welche  Mal.  cooto-matoo  (d.  h.  eig.  die  form  dafür  sowohl 


110  Pott 

im  sg.  als  plur.  angegeben),  Emfo.  matoo  (ear)  heifsen.  Im  wa- 
lachischen  ist  orbu  (zunächst  verwaiset,  beraubt)  für  blind  in 
aofnahme  gekommen,  ohne  den  zusatz  laminis  bei  Ovid.  — - 

Ferner  sinnesthätigkeiten  nnd  spräche,  deren  abwe- 
senheit  oder  mangelhaftigkeit  man  durch  übertragen  vom  belebten 
auf  sonstige  ähnliche  fehler  oder  mängel  des  unbelebten  in  anwen- 
dung  bringt.  Auch  findet  häufige  Vermischung  von  beziehungen 
statt,  die  eig.  verschiedenen  sinnen  zukommen,  im  generalsinne 
jedoch,  so  zu  sagen,  einander  wieder  begegnen  müssen,  theils 
unter  sich,  theils  der  äufseren  sinne  mit  dem  inneren.  Zu- 
dem hält  die  spräche  den  unterschied  nicht  immer  fest  zwischen 
dem  beschauenden,  sinnlich  aufnehmenden  subject,  und  dem 
beschauten,  auf  das  subject  einwirkenden  object,  indem  ihr 
die  beiden  endpunkte  der  linie  von  diesem  zu  jenem  und  umge- 
kehrt (d.  h.  aktivität  und  passivität)  in  einen  sinnlichen  eindruck 
▼erschwimmen.  Z.  b.  sieht  der  himmel  grau  (aus),  stellt  sich  so, 
in  dieser  färbe,  dar  (speciem,  d.  h.  eig.  anblick,  prae  se  fert) 
dem  äuge,  des  ihn  anblickenden  beschauers,  er  wird  aber  nicht 
blofs  so  gesehen,  nein,  er  schaut  wirklich  selber  drein.  Male 
audire  (schlechten  ruf  haben),  in  übelem  geruche  stehen.  Ich, 
dieser  mensch,  schmecke,  rieche  die  sache,  aber  auch  letztere 
schmeckt,  riecht  u.  s.  w. 

1)  Blind:  a)  mit  schein  ohne  sein,  also  blendend,  blind  ma- 
chend, täuschend;  z.  b.  blinddarm,  ein  darm  ohne  Öffnung  im 
menschlichen  körper;  blind  kohle,  nicht  hinlänglich  ausgebrannte 
kohle.  Dänisch  blind  aveugle,  fig.  faux,  feint.  Blindt  skud 
(conp  sans  balle),  blinder  schuf s,  wie  blinder  lärm,  blinde  ta- 
schen,  fenster  u.  8.  w.  Engl,  a  blind  story,  ein  mährchen 
(unwahre,  kernlose  geschichte).    Blind -wall  spanische  wand.  — 

b)  Caeci  rami  ohne  äugen  (knospen),  caecare  oculum,  ein  äuge 
(an  der  pflanze)  verderben.  Span,  ciego  se  dit  d1un  pain,  d'un 
fromage  qui  n'a  pas  d'yeux.  Griech.  ta  tvcpXd  nicht  nur  die 
(augenlose,  mithin)  rttckenseite  des  menschen,  wie  bei  Sallu6t 
caecum  corpus  (rücken;  vergl.  caecum  vulnus  rücken  wunde), 
sondern  auch  am  hause:  rückseite  ohne  fenster  zum  heraus- 
schauen. In  diesen  fallen  steht  «blind»  noch  mehr  eigentlich  für: 
augenlos  (frz.  aveugle,  DC.  abocellus,  aboculis,  exoculatus).  — 

c)  activ:  nicht  sehend,  z.  b.  caeca  honorum  cupido,  o  pectora 
caecal  Blinder  gehorsam,  eifer,  glanbe  dgl.  —  d)  passiv:  unge- 
sehen, nicht  sichtbar,  wie  blinde  klippen,  griech.  rvcplog  von 


metaphern.  111 

ttmlddeg,  caeca  vada,  caecae  fossae,  caecuni  vallum  und  in 
ähnlicher  weise  gr.  xaxpog  für  verschollen,  surda  lyra,  die  nicht 
tönt,  also  weniger  taub  ab  stamm  ist,  mntum  aevum,  unbe- 
sprachen,  onherühmt.  Ital.  cieco  aach  verborgen,  verdeckt,  z.  b. 
ana  fossa  cieca,  wie  engl,  blind  staircase  die  verdeckte  treppe. 
Ferner  unmerklich,  z.  b.  ciechi  ondeggiamenti  delF  aria,  unmerk- 
liche bewegungen  der  luft.  Dunkel,  finster  z.  b.  chiuso  gran  tempo 
in  questo  cieco  legno  (in  diesem  finstern  schiffe,  eig.  in  diesem 
blinden  holze,  eingeschlossen)  cpravi.  Port  cego  aveugle;  obscur; 
combte  (d.  h.  wohl  blind  durch  einander,  ohne  Ordnung),  (fig.) 
imprudent.  Umgekehrt  in  Cornwallis  (Treenoodle  p.  93.)  Durk, 
dark,  blind,  und  bei  Grose  gloss.  of  prov.  Words  p.  44.  dark 
blind;  quite  dark,  stone  blind  [wir:  stockblind].  North.  — 
e)  durch  Übertragung  auf  das  gehör  bei  Virgil:  Murmure  caeco, 
wie  gr.  tv(plbg  ?d  cJto  (stumpf  auf  den  ohren).  Natürlich  auch 
geistige  blindheit,  blödsinn,  wie  blöde  äugen,  aber  auch  Müdig- 
keit nur  so  viel  als  Schüchternheit. Eine  menge  sonstiger 

nüancen  übergehend,  gedenke  ich  nur  noch  des  skr.  andha  blind, 
als  n.  darkness  (vergl.  lat.  caeca  nox,  caligo;  skr.  andhatamas 
great  darkness,  bei  der  man  nichts  sehen  kann),  auch  andha- 
kära  (eig.  blind  machend,  weil  sie  die  ßbigkeit  des  sehens  mo- 
mentan aufhebt).  2.  water;  —  etwa  nur,  Wenn  es  tief  ist,  so  dafs 
man  nicht  auf  den  grund  sehen  kann?  Andhaküpa  a  blind  well: 
one  of  which  the  mouth  is  hidden.  Andhälaji  s.  a  blind  boil, 
one  that  does  not  snppurate,  von  alaji  inflammation  of  the  eye, 
at  the  edge  of  the  coraea;  dagegen  franz.  dartre  vive  hitzige, 
feurige  seh  winden  (impetigo).  Andhamüshä  a  small  covered 
crucible,  with  a  hole  in  the  side.  Wie  es  scheint,  aus  ähnlichem 
gründe  (in  derchemie)  tuy  au,  alembique  aveugle  röhre,kolbeu, 
der  nur  eineöfraunghat  (mithin  höchstens  einäugig),  vgl.  TvyXocrofiog. 
2)  Taubheit.  Taube  d.  h.  kernlose,  mithin  unnütze  nufs 
(Cornisch  deef,  rotten,  as  a  bad  nut  is  said  to  be  deef,  engl. 
deaf,  taub,  dumpf),  taubes  gestein.  Taube,  d.  h.  ausgebrannte 
und  gedämpfte,  kohlen.  Taub-gerste,  «hafer,  -roggen,  taiub- 
korn  als  hordeum  murinnm,  denn  als  lolium  temulentum  vielm. 
f.  betäubend;  taubtrespe  (bromus  sterilis)  s.  Nemnich,  natur- 
historisches wb.  8  590  ff.;  den  beigesetzten  getraidearten  ähnelnde, 
aber  keinen  nutzbaren  samen  tragende  kräuter.  Surda  tellus 
für  die  kultur  taub,  d.  h.  unempfänglich.  Taube  (nicht  brennende) 
nessel  (laminm.  galeopsis.  stachys),  im  welsch  danadien  [a 


112  Pott 

nettle]  zall  (aus  dall  blind,  Uh.  aklinai),  —  vud  (aas  müd  mute, 
dumb)  oder  —  varw  (mar w  dead)  dead  nettle,  or  archangel.  Dan. 
döv  (tanb)mit  neide  (ortiemorte);  mitkniv:  Couteau  emoasse. 
Vgl.  griech.  xaqpö*  ßelog  als  gegensatz  von  o£v;  ferner  stumpf 
auch  von  alten,  schwachen,  ihres  körpers  and  der  sinne  nicht 
recht  mehr  mächtigen  leaten.  Ein  glied  ist  taub  (gefühllos,  ohne 
empfindung).  Taub,  thöricht  (also,  för  guten  rath  taub),  schwäb. 
nach  v.  Schmidt,  aber  zornig,  toll  and  rasend  (viell.  ab  einer, 
der  sich  durch  kein  reden  besänftigen  läfst;  doch  vergl.  toben) 
Schweiz,  bei  Stalder.  —  Hamburgisch  bei  Richey  doof,  a)  taub, 
b)  betäubet,  erstickt:  doove  eyer,  wo  keine  küchlein  auskom- 
men; doof  für,  ein  feuer  ohne  glut;  doove  emern  (engl,  em- 
bers),  ausgebrannte  asche,  s.  ob.;  c)  trübe,  unscheinbar:  doove n 
tafft,  der  keinen  glänz  hat  (vgl.  obentodte  färbe);  doof  sül- 
ver,  silber,  das  matt  und  nicht  polirt  ist;  vgl.  frz.  sourd  (von 
edelsteinen)  dunkel,  so  keinen  rechten  glänz  hat,  aber  lat.  cae- 
cae  genimae,  undurchsichtig,  dunkel.  Lat.  surdus  vom  geruch, 
gesiebt,  gefühl  (also  mit  synkretistischer  Vermischung  jener  sinne), 
zudem  noch  stumpf,  schwach,  dumpf,  plump  u.  dgl.,  z.  b.  color; 
spirant  cinnama  surdum.  Dahin  gehört  auch  einigermafsen  die 
redensart:  up'n  dooven  dunst  (auf  blofses  gerathewohl,  ich 
weifs  nicht  ob  mit  hmblick  auf  den  sich  zerstreuenden  und  da- 
her leichter  treffenden  vogel-dunst,  oder  in  die  blaue  luft  hin- 
ein, blindlings);  d)  seicht,  untief:  vadosus,  von  wasser  und  kanfr- 
len,  z.  b.  de  doove  Elve,  «in  seichter  arm  der  Elbe,  der  so 
heifat.  —  Frz.  sourd  fig.  (von  laut,  schall)  dumpf,  nicht  hell 
klingend,  wie  auch  latein.  z.  b.  vox  surda,  engl,  deaf  zuweilen 
dumpf,  oder  (von  gemurmel,  schmerzen)  heimlich.  Bruit  sourd, 
heimliches  gemurmel,  heimliche  sage.  Die  blendlaterne,  diebesla- 
terne  unstreitig  aus  gleichem  gründe  laterne  sourde,  um  das 
versteckte  dabei  anzudeuten,  während  sie,  nur  mit  dem  allerdings 
näher  liegenden  bezug  auf  das  gesiebt  im  ital.  lanterna  cieca 
heilst.  Sourdes  pratiques,  sourdes  menees  (vgl.  luv.  13, 
191  surdo  verbere,  still,  geheim).  Von  zahlen  und  linien,  so  nicht 
in  gleiche  theile  kann  getheilt  werden.   Nombre  sourd  irratio- 

nalzahl. Vgl.  noch  gr.  xmqtog  stampf;  stumm,  sprachlos; 

überhaupt  geräuschlos,  still,  ruhig.  Bei  jüngeren:  stumpf  an  den 
sinnen  a)taub,  ß)  blind,  z.  b.  die  Schlangenarten  rvqifopog,  xw- 
Cpiag  b  lindschleiche,  y)  stumpf  an  geist:  dumm,  thöricht  u.  s.  w.9 
d)  eitel,  nichtig,  leer,  vergeblich.     TvqtXog  (wie  man  meint,  zu 


uietaphero.  H3 

Tvquo  und  dann  eig.  vom  rauche  geblendet,  jedoeh  was  freilich 
nicht  röcksichtlich  der  lahtverschiebung  recht  pabt,  goth.  daubs 
taub,  verslockt,  neruaQtaiävog,  af-dobnan  verstummen  a)ipov<rtta<): 
blind,  aber  auch  von  andern  sinnen  und  vom  verstände.  Bei  Sopk. 
rvylog  rd  t  cot«,  töV  re  tovv,  zd  7'  oppeeza.  rdla  tvqtlovtat 
die  milch  bleibt  aus.  Auch  oijqoq  an  einem  gtiede  gelähmt,  ge- 
schädigt, yviotg,  ofipaai;  blind,  taub,  stumm,  lahm  (naturlich  je 
in  verschiedenem  zusammenhange);  stumpfsinnig,  sinnlos.  —  Skr. 
badhira,  bandhura  (deaf)  Hemachandra  s.  80.  ed.  ßdhtlingk, 
angeblich  von  bandh  (to  bind),  das  wäre  also:  gebunden,  ge- 
lähmt, impediiu8  (aure),  in  ein  klang  mit  dem  tropus  für  stamm- 
heil:  mit  gebundener  zunge  s.  Lassen's  zeitsehr.  Itt.  37.  Dem  be- 
gegnen, trotzdem  dafs  der  vocal  in  letzteren  sich  nicht  recht  mit 
dem  ersten  a  des  sanskritwortes  in  emverständnifs  setzen  will, 
doch  gewüs  welsch  byddar  oder  byzar  (a  deaf  pereon),  ir. 
nnd  gael.  bodhar,  auch  bei  Armstrong  baoth  Pict  p.  11.  108. 
Bopp,  kelt  spr.  s.  9.  und  goth.  bau]>8,  Dief.  goth.  wb.  f.  279. 
—  Daran  reiht  sich 

3)  zunächst  spräche  und  Sprachlosigkeit.  Sprechend 
ähnlich,  als  sei  der  gemalte  er  selbst  und  brauche  nur  den  mond 
aufzuthun,  um  als  lebendig  zu  erscheinen.  Beredte  blicke; 
ansprechend;  entsprechen  (ehemals:  antworten,  tat.  respon- 
dere,  gleichsam  ein  abbild  des  hinüber  und  herüber  im  dialog). 
Nach  Heyse  stumm,  niederd.  auch  f.  matt,  ohnegeist;  z.  b.:  zu 
stark  geschwefelter  wein  ist  stumm,  was  ungefähr  so  heraus- 
kommt, wie  «wenn  das  salz  dämm  wird.**  VgL  stumm  wie  ein 
fisch,  und  dumm  wie  ein  Stockfisch  (wohl  wegen  stockdumm), 
Hippels  lebensl.  I,  473.  Mhd.  tump  unerfahren,  ohne  weit-  und 
men8chenkenntnisse;  ahd.  tumb  bei  Graff  V.  425.  dumm,  stumm, 
taub,  mutus,  surdus,  bratus,  hebes,  stultus.  Goth.,  angels.,  alln. 
dumb,  stumm,  mutus,  wie  noch  gegenwärtig  im  engl.  Viel!, 
damit  verwandt  ahd.  taub  surdus;  absurdus,  absonus;  hebes,  sto- 
Iidus351.  (tobän  insanire  348.)?  ja  möglicherweise  rvylog,  doch 
s.  oben.  Im  übrigen  vgl.  man  die,  wie  immer,  reichen  art.  goth. 
daubs  in  Dief.  goth.  wb.  II,  613ff-  und  dumbs  635 ff  —  'Elld- 
öog  q>o*räg  xwyog,  der  kein  griechisch  sprechen  kann,  fragm. 
Pythag.  nuiyXtocooq  y  urspr.  zungenlos  *  nach  Sophokles  (Trachin. 
V.  1049  ed.  Herrn.)  und  anderen,  auch  für  nichtgriechen,  fremde, 
gleichs.  eine  unartikulirfe  spräche  redend,  was  )a  auch  ßaQßaQog 
ursprünglich  heilst »  Frennd,  verh.  der  7.  philoL-vers.  1845.  s.72. 
II.    2.  8 


114  Polt 

AyXwGGov  JSocpoxXijg  tov  ßaQßaQOP  dne,  sagt  Pollux  1. 109.  Epi~ 
curaei  nostri  graece  ferc  nesciunt,  nee  "graeci  latine.  Ergo  hi  in 
illoram  et  Uli  in  horura  sermone  surdi  cet.  Cic.  Tusc.  5,  40,  116. 
«Stammer  handel,"  wo  käafer  and  Verkäufer  sieb  einander 
nicht  durch  worte  verständlich  zu  machen  im  stände  sind.  Frfiho, 
Ihn  Foszian  s.  227.  OBrien,  irish.  dict. '  hat  Briotach  and 
Briot-bhalbh,  lat.  Brito-balbus,  stammering,  like  a  Brittain; 
beeaase  the  Brittons  seemed  to  the  Irish  to  speak  in  a  stammer- 
ing and  awkward  manner.  Briotainis,  tbe  British  tongue. 
Briotaire  a  stammerer,  or  stuttering  person.  Im  frz.  c' est  du 
bas  Breton  pour  moi,  dies  ist  eine  unverständliche  spräche. 
VSp  barbarus,  peregrino  sermone  utens.  Rabbinis  barbari  sunt 
graeci,  romani,  reliquique  omnes,  qui  non  loquuntur  lingua  saneta 
seu  Ebraica.  Stockii  clavis  hebr.  —  Ich  habe  indogerm.  sprachst. 
8.  44  und  zig.  II,  339  gezeigt,  wie,  indem  kein  voik  als  volk  eine 
fremdzüngige  spräche  versteht,  vielen  Völkern  ihnen  gegenüber, 
wo  nicht  alle,  doch  dem  besonderen  sprachgebranche  nach,  ge- 
wisse Völker  für  stumm  gelten  und  danach  benannt  werden. 
Vgl.  auch  Miklosich  Radd.  p.  10:  RncHan  yellifa*  balbu- 
tire.  Huc  refer  Bjiaxi»,  slavi  enim  homines  latine  loquentes 
BjiaxM  (balbos),  germanos  plane  HfcMbija  (mutos),  se  ipsos 
CjiOB^Hbi^a  {loyiovg,  distineta  loquela  praeditos)  appellabant. 
Cf.  tarnen  Schaff.  Staroz.  6*.  10.  et  14.  8;  und  Herrn.  Müller,  Germ, 
und  Teutonen  s.  3:  «Wenn  aber  der  Slawe  den  Deutschen  nje- 
metz  nennt,  so  bezeichnet  er  ihn  wol  als  stummen,  verstummen- 
den, seiner  slawischen  spräche  nicht  kundigen  (Grimm  I.  s.  20. 
ausg.  3.),  und  ich  möchte  glauben,  dafs  wir  den  Slawen  nicht 
anders  behandeln,  da  slavan  gothisch  schweigen  heifst;  die  Sla- 
wen selbst  ziehen  aber  eine  andere  erklärung  vor.»  Doch  blie- 
ben dabei  mancherlei  etymologische  bedenken,  z.  b.  die  mögliche 
beziehung  von  wlach  zu  wälsch,  woher  wälschen  u.  s..w.,  erst 
noch  zu  beseitigen.  —  Deutsch,  deuten,  deutlich  (verständ- 
lich, selbst  etym.  populär)  s.  Grimm  gramm.  I,  ausg.  3. 

4)  Sodann  von  eigenschaften,  welche  den  sinnen  sich  in 
objeeten  offenbaren,  z.  b  sufs,  herb,  bitter,  sauer  zunächst 
vom  geschmack,  aber  auch  von  anderem,  insbesondere  geisti- 
gem. Z.  b.  bitterkalt,  bittere  armuth,  saurer  schweifs  (nicht  um- 
gekehrt), herbe  erfahrungen,  bittere  ironie,  saures  gesiebt  ma- 
chen, süfse  worte,  süfse  melodieen,  süfser  lohn.  Aesthetischer  ge- 
schmack; mann  von  geschmack;  geschmackvolle  kleidung,  schwäb. 


metaphern.  115 

g'schmack  hübsch,  angenehm,  von  kleidang,  häuslicher  einriclt- 
tung,  Witterung,  äufserlieh  vom  betragen,  v.  Schmid  s.  469;  oder 
zu  schmuck?  Abgeschmackt.  Sapere,  weise  sein,  eig.  schmecken. 
—  Für  das  gefühl,  z.  b.  wärme  und  kälte.  Warmes  gefuhl, 
kaltes  benehmen,  wärme  des  danks,  der  darstellung,  wie  xpvxgog, 
frigidus  in  vielerlei  anwendung.  Eisige  kälte  des  henkers.  — 
Vom  geruche:  wittern,  feine  nase  haben,  obesae,  emunctae  na« 
ris.  Odorari  und  sentire  öfters  als  ein  tieferes,  wenn  auch  un- 
bestimmteres eindringen  in  das  innere.  Sagax  canum  vis.  —  Oft 
ist  schwer  zu  ermitteln,  von  welchem  sinne  ursprünglich  die 
bedeutung  eines  wortes  gilt:  so  sehr  verlaufen  oft  verschiedene 
8i  dd  es  Wahrnehmungen  sprachlich  in  einander.  Galt  z.  b.  hell, 
lat.  clarus  früher  (und  das  ist  mir  allerdings  etymologisch  wahr- 
scheinlicher, vgl.  hallen,  xatei*)  von  heller,  klarer  stimme  oder 
vom  hellen  lichte,  wassern,  s.  w.?  Dann  heller  verstand,  ein- 
sieht, scharfsichtigkeit  (ph)sisch  und  intellectuell)  u.  s.  f.  Weil 
im  ganzen  das  äuge  treuer  ist  und  minderem  irrthum  ausgesetzt 
als  das  ohr,  wird  hören  zwar  öfters  für:  in  erfahrung  bringen, 
ferner  für:  seinen  willen  von  fremdher  bestimmen  lassen  (auf 
rath,  befehl)  gebraucht,  kaum  aber  je  von  intellektueller  thä- 
ligkeit.  —  Schmecken,  noch  im  sebwäb.  (v.  Schmid  s.  470) 
1)  riechen,  subj.  und  obj.,  2)  nach  fäulnifs  riechen,  3)  in  einer 
öffentlichen  rede  aus  dem  coneepte  kommen.  Schmecket  f. 
blumenstraufs.  Schmecker  m.  nase.  —  Frz.  sentir  v.  a.  und  n. 
fühlen,  empfinden;  riechen;  einen  geruch  von  sich  geben:  nach 
etwas  schmecken;  übel  riechen.  —  Auch  die  starke  kälte  brennt: 
frigore  uri.    Vgl.  auch  thränen  der  freude. 

5)  Gebrechen  in  der  fortbewegung.  Lahmes  thürschlofs, 
lahme  entschuldigung.  XwXiccfißog,  wegen  seines  hinkenden  oder 
hüpfenden  (Scazon)  rythmus;  lahme  verse.  Claudicat  hie  versus, 
ingenium.  Clauda  fides.  Stabilia  probant  (aures),  clauda  [schwan- 
kend, unsicher]  deprehendunt.  Der  vergleich  hinkt.  X(aX6g  über- 
tragen: hinkend,  ungleich,  sowie  lahm,  stumpf  vom  gebte. 

6)  Zusichnehmen  von  speise  und  trank:  Baum  im  skr.  oft: 
fufstrinker  geheifsen.  Arena,  Charta  bibula,  holt,  zuigpapier 
(saugend);  die  trockene  erde  durstet;  thatendurst;  geld-durst; 
auri  sacra  fames.  Etwa  daher  im  Yoruba :  yeh  to  eat,  to  dine; 
to  owe;  to  gain?  Yiell.  weil  sich  das  hauptint eresse  dieser  neger 
um  das  essen  drehen  mag,  besteht  bei  ihnen  die  schuld  wirklich 
in  verzehrten  und  darum  nur  ungern  wieder  zu  erstattenden 

8* 


116  Pott 

nahrungsmitteln,  und  auch  der  er w erb  stellt  sich  unschwer  als 
vorzüglich  der  ernährung  dienend  dar.  Der  rost  frifst  das  eisen ; 
fressendes  geschwur;  der  zahn  der  zeit.  Der  kummer  nagt,  frifst 
ins  herz  hinein.  Köder,  lockspeise  u.  s.  w.  —  «Türkisch:  Je  min 
etmek.  And  i6mek  qs.  juramentum  bibere,  pro  quo  Persae  di- 
cunt  comedere,  sewgiend  khorden»  Clodii  lex.  turc.  p.  312, 
und  ebenso  im  kurdischen  (Garzoni  p.  155)  nur  in  entstellterer 
form:  Giurare.  Sund  bokum,  sundboköi,  sund  boköt,  pret. 
Sund  koar  (mit  aufrech thaltung  des  etym.  wichtigen  r),  neg. 

Sund  nakum  aus  Giuramento,  sund  (pers.  OJS2»J)  und  bo- 
kum cet.  Mangiare  p.  182.  Also  gewissermafsen:  einen  eid  hin- 
unterschlucken, als  etwas,  was  man  bei  sich  behalten,  mit  seinem 
selbst  assimiliren  muß. 

7)  Zeugen  und  gebähren  im  thier-,  pflanzen-,  ja  (z.  b. 
sich  erzeugende  krystalle)  im  mineralreiche.  Auch :  geisteserzeug- 
nifs,  geistige  Wiedergeburt;  skr.  dvig'a  (zweimal  geborenes  z.  b. 
ei,  aber  auch  als  einmal  physisch,  einmal  spirituell  geborener :  der 
brahmane).  Samen  der  ge wachse,  z.  b.  ontgiiariag  samengurke, 
gegens.  €VPOv%iag.  Spado  auch  von  unfruchtbaren,  samenlosen 
pflanzen.  Semen  virile;  aus  Abrahams  samen;  leibesfruchh 
Lat.  satus  1)  saat ,  2)  erzeugung.  Engl,  race  aus  frz.  race  (lat. 
radix),  verschieden  nun  von  dem  hinten  erweiterten  racine  (wur- 
zel).  Stamm,  zweig  (linie  von  abtheilungen  der  familien  s. 
luv.  VIII.  in  stemma,  d.  i.  guirlande,  virga),  sprofs,  soboles,  pul- 
lus,  oQGog,  poaxos,  von  abstammung  (selbst  von  stamm)  ge- 
braucht*).  Gael.  bei  Armstrong:  Siol  seed;  com 5  issue;  children; 

*)  Der  grobe  gegensatz  des  morgen-  und  abendlandes  bewährt 
sich  auch  in  dem  bilde  ihrer  geschlechtsabtheilong,  sagt  hr.  v.  Ham- 
mer, sitiungsber.  der  österr.  äkademie,  5  heft.  1849  s.  39.  Der  abend- 
länder  versinnlicht  dieselbe  durch  einen  bäum,  dessen  wurzel  der  zu- 
erst bekannte  gründer  des  geschlecbtes  ist  Aas  ihm  erhebt  sich  der 
stamm,  der  sich  in  äste  verzweigt  und  seine  sprossen  von  allen  Seiten 
in  die  luft  emportreibt.  Die  terminologie  des  europäischen  genealogen 
kennt  nur  die  vom  bäume  hergenommenen  benenn ungen  der  wurzel, 
des  Stammes,  der  zweige  und  der  nebenzweige  ohne  Zahlbeschränkung 
dieser  eintheilung;  der  arabische  geschlechtskundige  hingegen  (das 
thun  übrigens  auch,  wie  ich  meinerseits  hinzufugen  will,  die  alten 
Deutschen,  s.  Grimm  R.  A  )  nimmt  seine  bilder  nicht  vom  bäume,  son- 
dern vom  menschlichen  Icörper  (der  somit  gewissermafsen  ver- 
wandtschaftliche gliederung  vertritt)  her;  und,  während  jener  von  der 


metaphern.  117 

a  tribe,  a  clan.  —  Viele  ehrbare  und  (s.  Priapeia)  anehrbare 
aasdröcke  von  befruchtang  nicht  blofs  des  ackere,  sondern  auch 
des  weibes.  Muliebria  conserere  arva  Lucret.  IV.  1103.,  onei- 
Qtir,  im  aaidwv  yvr\ai(av  ooöVro,  auch  oQWQa  (mutterschoofs). 
Salcns,  xijnog,  taqtow  von  der  weiblichen  schäm;  and  sanskr. 
längala,  ihe  plough;  2)thepenis,  wie  engl,  share  pflugscbaar; 
das  schamglied,  die  rothe.  —  Desgleichen  castrare  a)  menschen, 
thiere;  b)  pflanzen.  Tropisch  c.  vina  saccis,  durchseihen  und  da- 
durch der  schärfe  berauben.  (Wein  verschneiden,  frz.  couper,  d. 
h.  verschiedene  weine  mischen,  also:  sie  durch  andere  theilen, 
beruht  nicht,  scheint  es,  auf  der  gleichen  Vorstellung).  Siligo 
campana,  quam  vocant  castratam,  d.  i.  gereinigt  (des  gröberen 
beraubt?).  Span,  castrar,  a)  chatrer,  b)  laver,  nettoyer  une 
plaie.  Vgl.  lat.  putare,  reinigen,  patzen  (was,  unstreitig  daher 
stammend,  dann  auch  die  bedeatang  positiven  ausschmückens 
annimmt),  z.  b.  den  bart  abputzen,  bäume  von  schlechtem  holze 
reinigen,  ausschneit  ein;  amputiren.  c)  Emonder  un  arbre.  d) 
Castrar  las  colmenas,  chatrer  les  ruches,  öter  une  partie  des 
gaufres  oü  est  le  miel.  Lat.  castrare  alvos  apum.  Castrirte  Schul- 
ausgabe. 

Nach  diesem  allen,  um  hierauf  zurückzukommen,  kann  es 
uns  nicht  befremden,  dafs,  wo  sich  mikro-  und  makrokosmos, 
d.h.  mensch  nnd  weit,  in  einander  spiegeln  und  wechselseitig 
das  eine  vom  anderen  ein,  nicht  gleiches,  aber  analoges  abbild 
zurückwerfen,  dafs  da  die  große  Scheidewand  der  geschlech- 
ter, welche  von  der  spitze  der  erdenschöpfung  anhebend  durch 
thier-  und  theil  weise  pflanzen  weit  sich  hindurch  zieht,  gleichfalls 
in  vielen,  beiweitem  nicht  allen  sprachen  sogar  in  den  lautlichen 
abdruck  alles  dessen  trennend  eingreift,  was  an  sich,  und  dies 
ist  namentlich  mit  allen  abstrakten  begriffen*)  der  fall,  jeglichen 
geschlechtes  ermangelt. 


wurzel  zum  giebel  aufsteigt,  beginnt  dieser  vom  Scheitel  des 
kopfes,  herunter  zu  steigen  and  beschränkt  die  stamniabtheilungen  auf 
die  beilige  sieben  u.  s.  w 

*)  Bilden  wir  doch  beute  noch  die  spcs,  fania,  fides,  themis, 
bygica  u  s.  w.,  selbst  nike  oder  victoria  unserem  mannhaften  siege 
zum  trotz,  die  vir  tos  (von  vir!)  u.  a.  weiblich.  Für  eins  der  beiden 
geschlechter  mufs  sich  die  kunsl,  im  fall  der  daratellung,  ohnedies  ent- 
scheiden. 


118  Pott 

«Hat  man,  schrieb  ich  im  jähre  1839  (A.  L.  Z.  März  s.  428.. 
vergl.  Okt.  1847  s.  711  ff.)  gelegentlich  einer  beurtheilung  von 
Bindseil's  gprachvgl.  .abh.,  deren  zweite  «die  verschiedenen  be- 
zeichnungsweisen des  genus  in  den  sprachen»  —  bis  jetzt  am 
weitgreifendsten  —  erörtert  es  begriffen,  dafs  die  spräche,  gelenkt 
von  den  faden  der  ähnlichkeit  und  ideenverbindung.  es  liebt,  auch . 
das  unbelebte  in  den  kreis  des  lebendigen  zu  ziehen,  und  dem. 
was  ohne  ödem  ist,  diesen  dennoch  einzublasen,  dann  wird  man 
keinen  augenblick  über  den  grund  in  zweifei  kommen,  warum 
in  vielen  sprachen  das  grammatische  geschlecht  weit  über 
.das  natürliche  hinausragt.  Es  ist  eine  grofsartige  prosopopoiie 
(vgl.  etym.  forsch.  11,  402  ff.),  welche  der  gedanke  vorgenommen 
und  in  der  spräche  verwirklicht  hat.  Ein  manne r-  und  wei- 
berreich von  dingen  und  begriffen  ist  auseinander  und  sich  ge- 
genübergetreten ;  und,  mag  die  folgezeit  diesen,  die  rede  schmücken- 
den und  belebenden  unterschied,  weil  nicht  produkt  des  reflek- 
tirenden  Verstandes,  noch  diesem  fafsbar,  in  Verwirrung  gebracht, 
ja  einzeln  wieder  aufgegeben  haben,  er  ist  im  kindlichen,  dem 
scheine  als  Wahrheit  sich  unbefangen  hingebenden  gemüthe  und 
in  der  schöpferischen  poetischen  kraft  der  vorweit  tief  und  fest 
begründet.» 

Gebt  man  doch  in  Übertragung  menschlicher  Verhältnisse  auf 
das  unbelebte  ohne  alles  bedenken  oft  noch  weiter  als  in  blofs 
grammatischer  andeu  tu  ng  von  g  es  cht  echt  8  unterschieden;  näm- 
lich —  in  ganz  bestimmten  worten  und  bildern.  «Das  wort  Jung- 
frau ist  so  edel,  dafs  wir  das  beste  und  schönste  damit  bezeich- 
nen, und  jungfer-erde  (gereinigte),  -blei,  -silber,  schwefel  (ge- 
diegene) haben,  Jungfern -honig,  -öl,  -pergament,  -vitriol,  -tabak, 
selbst  Jungfern- bienensch  wärme»  u.  s.  w.  Weber,  Demokr.  II,  382. 
Vgl.  Freund  v.  Virgo.  —  Maritae  arbores.  Ulmi  vitibus  mari- 
tantur.  —  Freytag  lex.  arab.  I,  54.  ^f    mater.     Tum:    radix, 

principium,  quod  in  quavis  re  praecipuum  est  cet  und  aufserdem 
viele  bildliche  Verbindungen  damit,  wie  mit  of  pater.  Vgl.  auch 
z.  b.  MrjiQonoXig  routterstadt  in  bezug  auf  ihre  töcktei;"dann 
überhaupt  grofse  stadt.  Wekch  mam-drev  a  cbief  town.  Mam- 
cglwys  a  mother-church;  a  cathedral.  Vergl.  mutterloge,  filial 
dergl.  Balk,  called  by  tue  natives  omm-el  baldan  or  «mo- 
ther  of  cities»  Palmer  memoir  p.  59.  Braut  (a'rus)  oft  bei  ismae- 
litischcn  Völkern  für:  hauptstadt  eines  landes  s.  Hosen,  buch  des 


melaphern  ]  19 

Sudan  s.  3.,  also  gleichsam  die  vor  allen  andern  städten  des  laa- 
des  als  jungfräuliche  braut  vom  volke  erkorene.  Und  so  auch 
im  hebräischen  ähnliche  bilder  von  städten,  wie  z.  b.  wenn  der 
feind,  welcher  eine  stadt  besiegt  and  sich  unterwirft,  als  mit  ihr 
buhlerei  treibend  dargestellt  wird.  Auch  PßTT  (meretrix,  scortum) 
vom  abgöttisch  gewordenen  jüdischen  volke  oder  Jerusalem,  auch 
Tyrus  wegen  seines  wuchere.  Hebr.  g)fett  (adulleravit ,  moechatus 
est)  metaphorice  notat  idololatriam  exercere,  idola  colere. 
Ebenso  bffl  Jer.  3,  2.  —  Wundert  man  sich  noch,  wenn  der 
Römer  seine  gleichsam  mütterlich  schützenden  städte  als  frauen- 
gestal|en  in  der  kunst  darstellt  und  lange  zuvor  in  der  spräche 
ata  weiber  auffafste?  Ostermeyer,  lith.  gramm.  §  25.  hat  eine  der 
bedeutung  gewisser  begriffsklassen  entnommene,  d.  h.  in  Wahr- 
heit, da  grammatische  endung  nur  folge,  nie  Ursache  des  erwähl- 
ten geschlecht 8  sein  kann,  allein  vom  gründe  solcher  wähl  etwas 
aassagende  geschlechtsregel,  die,  trotzdem  dafs  sie  nicht  ohne  hin- 
blick  auf  das  latein  hingestellt  worden,  hiedurch  nichts  an  werth 
einbüfst,  und  durch  ungewöhnliche  Übereinstimmung  mit  dem  la- 
tein in  dem  zum  theil  übereinkunftlichen  geschlechte  doch 
einen  gewissen  drang  der  natur  bekundet.  Masc.  sind  aber  da- 
nach im  lith.  nicht  nur  1)  mannspersonen,  sondern  2)  die 
inonate,  die  freilich  als  eig.  ad].,  z.  b.  kowinnis  (krähenmonat 
d.  i.  februar)  zu  ihrer  ergänzung  das  männliche  menfi  (monat) 
verlangen,  3)  die  windenamen  (mit  hinzudenken  von  wejas  m. 
wind).  Hingegen  fem.  I)  weiber,  2)  bäume  (vergl.  die  bäum* 
nymphen),  3)  städte,  allein  auch  4)  —  abweichend  vom  latein, 
wenigstens  der  hanptregel  nach,  —  flüsse. 

Eine  schöne  bemerkung  von  O.  Jahn,  archäol.  beitr.  Berl. 
1847  s.  291  lehrt,  wie  sich  die  alten  bei  künstlerischen  darstel- 
lungen  nur  höchst  selten  in  einen  naturwidrigen  Zwiespalt 
setzten  mit  dem  philologischen  geschlechte,  jitpog  erscheint  un- 
ter gestalt  einer  frau,  weil  das  wort  auch  fem.  rdpog  ist  ein 
gott,  nicht  göttin.  Es  finde  sich  nur  ein  beispiel,  wo  XQvaog 
einer  weiblichen  figur  beigeschrieben  worden.  —  Die  winde 
hat,  wie  die  spräche,  so  auch  die  kunst  am  thurm  der  winde  zu 
Athen  (s.  Stuarts  werk)  nur  als  kräftige  manusgestalten,  jedoch 
verschiedenen  alters  und  verschiedener  stärke,  darzustellen  für  gut 
befanden;  und  zwar  in  durchaus  naturgemäfser  art,  indem  das 
volksbewufstsein  der  Griechen  und  Römer  sie  sich  als  männliche 
persönlichkeiten  (Mehlhorn,  griech.  gr.  s.  126)  auch  wirklich  vor- 


120  Pott 

stellte.  In  dem  aufsatze:  Ueber  die  windscheiben  der  alten  (Wolfs 
lit.  anall.  IV.  s.  461  ff.)  wird  z.  b.  s.  463  bemerkt:  «Es  war  ein- 
mal die  allgemeine  art  des  grauen  altertbums,  die  erscheinungcn 
in  frei  lebende  individuell  umzuschauen»  und:  «Nicht  der  punkl 
am  horizonte,  von  woher  wind  jedesmal  wehete,  wurde  beson- 
ders verzeichnet,  sondern  der  daher  wehende  wind  bekam,  als 
besonderes  wescn  betrachtet,  einen  persönlichen  namen,  dVr 
von  seiner  eigenschaft  als  charakter  gedacht  oder  etwa  von  dem 
nächsten  sichtbaren  gegenstände  der  erde,  über  welchen  er  zu 
ihnen  kam,  gleichsam  als  von  seinem  Wohnorte  entnommen  wurde.  »* 
Im  germ.  sogar  windisprüt  (venti  conjux)  Grimm  III.  391.  — 
Bei  den  bergen,  Aussen,  bäumen,  landschaflen,  inseln  und  städten 
giebt  es  im  lat.  freilich  der  ausnahmen  viele  (Schneider  III.  s.  1 1  ff.), 
und  auch  im  griech.  darf  man  vom  weiblichen  geschlechte  des- 
gleichen nur  bei  «den  meisten  der  bäume,  städte  und  länder» 
sprechen.  —  Nicht  ganz  unrecht  aber  hat  Johannes  Diaconus, 
Allegor.  Thcog.  Hesiod.  p.  442.  ed.  Gaisf ,  wenn  er  das  gramma- 
tische geschlecht  oft  nach  stärke  oder  schwäche  der  benann- 
ten gegenstände  gewählt  glaubt,  wie  z.  b.  p.  467.  bei  den  Aussen 
das  masc.  und  bei  einigen  dementen  (p.  457.).  das  femin.,  vergl. 
Lersch,  sprachphilos.  I,  20.  23.  —  Freilich  wird  der  satz  nicht 
umgestofsen  werden  können,  dafs  kein  volk  den  kategorieen  von 
männern  oder  w eibern  dinge  und  begriffe  im  allgemeinen  je  an- 
ders als  nach  dem  ersten  eindrucke  einordnete,  den  diese,  sei  es 
nun  in  gröfserer  Übereinstimmung  mit  dem  männlichen  oder  weib- 
lichen charakter  entweder  einzeln  oder  klassenweis,  auf  sein  ge- 
müth  hervorbrachten.  Indem  wir  hierbei  jedoch  stets  an  die 
subjeetivität  eines  dunklen  und  Jeickt  fehlgreifenden,  oft  durch 
widersprechende  momente  bestimmten  gefühls  gewieseu  sind, 
dürfen  wir  uns  auch  nicht  wundern  über  häufige  Verschiedenheit 
des  geschlechts  des  an  sich  ungeschlechtlichen  in  verschiede- 
nen sprachen,  ja  mitunter  sogar  ungeschlechtlichkeit  oder  schein- 
bar unpassendes  geschlecht  an  der  stelle  des  richtigen,  z.  b.  das 
weib,  huhn,  pferd  u.  s.  w.  Ferner  z.  b.  im  skr.  die  bäume  der 
hauptregel  nach  masc.  (freilich  auch  neutr.  und  fem.)  Benfey, 
sanskritgramm.  §  708.  wahrscheinlich  nicht  unter  dem  gesichts- 
punkte  baumbewohnender  nymphenoder  fruchttragender  mütter, 
obsebon  die  fruchtnamen  neutra,  wie  im  lat.,  sondern  als  die  stär- 
keren, mächtigeren  im  gegensatz  des  (so  zu  sagen  weiblichen 
§  709)  —  gesträuchs  (vgl.  ob.  indianisch);  auch  Aüsse  —  fem. 


metaphern.  121 

—  Man  kann  sich  aber  über  den  wirklichen  eindrnck,  den  ein 
gegenständ  auf  uns  ausübt,  aufserordentlich  leicht  selbst  täuschen, 
und  daher  möchte  ich  nicht  unbedingt  unterschreiben,  die  von 
Weber  Demokritos  II,  283.  gemachte  bemerkung:  «Selbst  unsere 
spräche  ehrt  das  weib  mehr  als  andere  sprachen,  alles  was 
stärke,  gewalt,  macht,  furchi barkeit  bezeichnet,  ist  der;  was  mit 
anmuth,  wohlthun,  stiller  Wirksamkeit  und  selbstbeschränktcr 
macht  waltet,  ist  eine  die,  z.  b.  der  geist,  die  seele;  der  arm, 
die  band;  der  tag,  die  nacht;  der  steril,  die  luft;  der  berg,  die 
höhe;  der  wald,  die  wiese;  der  bäum,  die  blume;  die  liebe  u 
s.  w.  Das  schöne  wort  frauen  kommt  von  freuen,  frohma- 
chen (?  ahd.  frawa  i.  e.  domina  GrafFIIf,  805),  nur  die  sonne 
und  der  raond  ist  eine  anomalie.»  Eine  oft  gemachte  bemer- 
kung, welche  freilich  durch  das  masc.  sunna  und  vielleicht  neutr. 
saull  neben  fem.  sunnö  im  goth.  u.  s.  w.  einschränkung  erleidet, 
worüber  s.  Grimm  III.  349.  Selbst  der  Indianer  Wenebea  (ein  Sank) 
glaubte  in  dem  monde  ein  weibliches,  in  der  sonne  ein  männli- 
ches wesen  zu  erkennen,  prinz  v.  Wied,  reise  I,  241.  vgl.  A.  L.  Z. 
1849.  s.  434.  —  Ich  gehe  absichtlich  nicht  weiter  ein  in  dies  uner- 
schöpfliche thema,  sondern  breche  ab  mit  der  bemerkung,  wie  der- 
artige personificationen  nicht  nur  verglichene  ganze  in  ihrer  ganz- 
beit  treffen,  sondern  auch  oft  weiter  in  ihre  einzelnheiten  (kör- 
pertheile  —  gliedmaafsen  u.  dgl.)  eindringen;  z.  b.  «the  hüls  in  Wa- 
les are  generally  denominated  by  metaphors  from  some  part,  of 
the  body"  Ray,  collect,  p.  127.  Welsch:  Ael  theeye-brow;  ael 
bryo  the  brow  of  a  hill:  also,  the  skirt  or  border  of  a  garment, 
as,  ael  man  teil;  ar  ael  nigh,  by  near  to.  Frz.  z.  b.  sourcilleux 
von  bergen.  —  Nach  acht  mönchischen  ideen  ferner  heifst  eine 
weinart  ihrer  milde,  die  andere  ihrer  herbigkeit  wegen,  jene  lieb- 
frauenmilch  (nach  der  madonna),  letztere  lacrimae  Christi! 
Die  baierische  pfalz  gebraucht  desgleichen  nach  v.  Klein,  aller- 
dings frivol  genug,  vom  busenpaar  (sororiare  Plant.)  des  mäd- 
chens:  Peter  und  Paul,  die,  auch  im  kamtschatka'scben  hafen 
Petropawlowsk  vereinten  apostelnamen ,  wie  der  gemeine  Ham- 
burger (Ricbey  s.  369.)  sich  nicht  des  dualistischen  ausdruckes 
schämt:  Pingsten  un  paschen  wysen,  pfingsten  und  ostern 
weisen,  für:  sich  hinten  und  vorne  entblöfsen. 

Wie  wegwerfend  immer  der  phantasielose  verstand  über  den, 
schneller  Spracherlernung  nichts  weniger  als  förderlichen  unter- 
schied blofs  grammatischen  geschlechts,  als  eine  unnütze  last,  ab- 


122  Polt 

zuurtheilen  geneigt  sei,  auch  ihm  wird  sich  begreiflich  macheu 
lassen,,  dafs  geschlechtsunterscheidung  noch  aufserhalb  der  gren- 
zen der  natürlichkeit  als  eine  qualitative  bestimmung  der  Sub- 
stanz neben  der  quantitativen  nach  zahl  (numerus)  oder  um- 
fang (ampliativa,  deminutiva)  und  relativen  (Verhältnisse,  ca- 
sus anzeigenden)  nicht  blofs  phantastischen,  sondern  auch  we- 
sentlich seinen  kühleren  zwecken  diene. 

Abgesehen  nämlich  von  der  monotonen  einfarbigkeit  oder 
vielmehr  todten  farblosigkeit,  welche,  über  sprachen  hingebreitet., 
denen  aus  bezeichnung  grammatischen  geschlechts  keine  wohl- 
thuende,  ohr  wie  inneren  sinn  erfrischende  abwechselung  ent- 
springt, diese  für  immer  zu  dem  aussehen  so  zu  sagen  dürrer  bei- 
den verurtheilt;  hievon  absehen  genommen,  entgeht  den  ge- 
schlechtslosen sprachen  jener,  aufgelöster  red^  wie  dichtung  gleich 
sehr  zu  statten  kommende  vortheil  eines  nach  sogar  noch  mehr 
als  zwei  rucksichten  (numerus,  casus)  beobachteten  zusammeuhal- 
tens  von  Substanz  und  attributiv  in  mindestens  so  inniger  weise, 
als  der  schatten  den  körper  begleitet.  Aufserdem  entwickelt 
sich  aus  geschlechtsverschiedenheit  sonst  etymologisch  verwandter 
substantiva  auch  selbst  von  leblosen  gegenständen  nicht  selten 
eine  der  motion  bei  belebten  analoge  begriffs Unterscheidung. 
So  schon  in  älteren  sprachen,  wie  z.  b.  deutsch  röhr,  röhre; 
der  muth,  hochmuth,  aber  die  grofsmuth,  demuth,  wehmuth  u.  a. 
Diefenb.  deutsche  sprachl.  s.  122.;  latein.  tubus,  a;  animus  a- 
genius,  in  gen i um;  dies  als  leuchtender  tag  im  gegensatze  der 
nacht  (daher  auch  meridies  nur  masc.)  männlichen,  dagegen  im 
abgeblafsteren  sinne  von  termin,  frist,  also  mehr  zeit  überhaupt, 
weiblichen  geschlechts;  pomus,  -um  u.  s.  w.  Schneider  lat.  gi*. 
III.  49ff..  4 66 ff.;  griech.  6  tyyog  joch,  rb  £vyov  wage;  6  deöpo*; 
band,  y  deofiij  bündel  aa.  Härtung,  griech.  gr.  s.  31.  Aber  auch 
bis  in  die  jüngsten  sprachen,  wie  die  neulateinischen,  hinein.  Bei- 
spiele von  letzteren  in  menge  bei  Fuchs  romanische  spr.  s.  133 ff. 
—  Nach  bemerkenswerter  neuerung  aber  wird  «in  den  romani- 
schen sprachen,  übereinstimmend  mit  dem  deutschen,  der  bäum 
(aber  nicht  im  deutschen  die  baumarten,  wie  eiche,  buche,  birke, 
weide,  erle,  ulme  u.  v.  a.  Grimm  III.  369.)  als  das  grofse,  kräftige, 
zeugende,  die  frucht  als  das  kleine  und  schwache  betrachtet», 
sodafs  letztere  im  gegensatze  der  hier  männlichen  bäume  als 
weiblich  gedacht  und  bezeichnet  werden.  Anders  bekanntlich 
im  lateinischen,  wo  die  frucht  als  produkt,  als  kind  (rsxvov)  rieh 


metaphera.  123 

durch  neutrales  geschleeht  von  dem  sie  gebärenden,  gleichsam  als 
matter*)  vorgestellten  bäume  unterscheidet.  Darüber  später.  — 
'£.  O'C.  Gaelic  (i.  e.  Irish)  gr.  p.20.  sagt:  Names  of  countries. 
towDs,  diseases  are  feminine.  Im  gaelischen  nach  Armstrong 
pref.  p.  VI:  Names  of  trees  are  commonly  masc;  aggregate 
names  of  trees  are  feminine;  as  dar  ach,  oak-wood.  Ferner  sind 
fem.:  Names  of  countries,  especially  those  ending  in  achd,  or 
which  have  a  sfaort  vowel  in  the  last  syllable,  as,  Gaidheal- 
tacfrd,  tbe  highlands;  Eirin  Ireland.  The  names  of  districts  have 
their  gender  commonly  regulated  by  their  termination.  Auch 
fem.:  names  of  mosical  instruments,  as,  piob,  a  pipe;  cruit,  a 
harp.  Endlich:  Names  of  diseases,  as  buineach,  a  diarrhoea. 
Ausführlicheres  im  dict.  der.highl.  soc.  vol.  I,  p.  6\,  wo  z.  b.  na- 
mes of  such  kinds  of  trees  as  are  natives  of  Scotland;  as  'darach' 
oak,  'giubhas'  fir,  'uinseann'  ash  ab  —  masc.  angegeben  werden, 
mithin  abweichend  vom  welsch  und  latein.  Auch  als  fem.  names 
of  the  heavenly  bodies;  as  'Grian'  sun,  'Gealach'  moon.  — 
Bei  Richards  p.  11.  heifst  es  vom  welsch:  The  proper  names 
of  men,  winds,  months  (wie  im  lat.);  also  qualities  of  good 
and  bad;  metals  (weil  hier  das  nentrum  fehlt,  nicht  neutral, 
wie  s.  b.  im  skr.,  germ.  und  lat.);  and  the  inf.  mood  of  verbs, 
when  used  substantively  (im  germ.  neutral,  wie  skr.  subst.  abstr. 
auf  -ana;  griech.  to  bei  inf.)  are  known  by  their  signification 
to  be  of  the  masc.  gender.  —  The  names  of  wo  men,  coun- 
tries, cities,  rivers  (die  letzten  abweichend  von  den  gewöhn- 
lich masc.  lat.);  also  appellative  of  trees  (also  wie  lat.)  and 
stones,  are  of  the  fem.  gender.  —  The  appellatives  of  birds, 
beasts  and  fish  es,  are  of  the  epicene  gender,  that  is,  some 
masculines,  otbers  feminines.  Yer  under  the  same  gender  are  both 
sexes  comprebended  (d.  h.  man  legt,  ohne  riicksicht  auf  ihre  ge- 
sehiedenheit  in  zwei  geschlechter,  sexüs,  der  thiergattung  ein, 
d.  h.  grammatisches  geschlecht  bei);  and  are  distinguished  only, 
by  adding  gwr-ryw  (from  gwr  a  man;  a  male;  a  husband, 
and  rhyw  a  kind  or  sex,  a  kind  or  sorl),  to  signify  the  male, 


*)  Mehrere  wildwachsende,  wie  piraster,  oleaster,  sind  masc,  rer- 
muütlich  nicht  sowohl  der  gröfseren  stärke,  wie  es  Reisig  vorl.  s.  140. 
heifst,  als  der  Unfruchtbarkeit  wegen.  Vgl.  &rjkvq  von  edlen,  fracht- 
tragenden, aber  a<teV  TOn  wilden  bäumen,  die  keine  oder  schlechte 
f nicht  haben.     Mehlhorn,  griech.  gr.  s.  127. 


124  Pott 

and  b eil yw  (a  female,  properly  a  woman),  to  signify  the  feciale, 
whatever  gender  the  Substantive  is  of;  as  eryr  gwr-ryw,  an 
he  eagle;  eryr  benyw  a  she  eagle;  colommen  wr-ryW  a 
he-pigeon;  colommen  fenyw,  a  she  pigeon.  Ever  giving  the 
additional  words  gwr-ryw  and  benyw  an  initial  proper  to  the 
gender  the  welsch  word  for  the  animal  is  of.  Die  Wörter  auf -es 
sind  Richards  zufolge  fem.,  und  so  bemerkt  man  denn  auch  viele  roo- 
tionen  mittelst  -  e  s ,  als  b  a  n  w  -  e  s  (a  young  sow),  the  fem.  of  b  a  n  w. 
Häufige  vergleiche  zwischen  mensch  und  bäum*)  s.  zähl- 
methode  8.234 ff.  Franz.  mere-branche  hauptast  heifst  so  im 
gegensatze  von  den  kleineren  zweigen  und  nebenästen;  und  ähn- 
lich bat  span.  higo  (filius)  zuweilen  den  sinn  von  chose  produilc 
par  une  autre,  rejeton  d'arbre  cet.  —  Auch  werden  im  armenischen 
einige  ordinalia  nach  Peterm.  s.  168.  mittelst  filius  gebildet,  was, 
viell.  mit  ausnähme  von  filius  primi  und  f.  primorum,  für  primus, 
das  erst  später  den  anderen  nachgebildet  scheint,  vielleicht  so  zu 
verstehen  ist,  dafs  filius  duorum,  trium,  quatuor  pro  secundus, 
tertius,  quartus  gewissermafsen  den  söhn  oder  jüngsten,  d. 
h.  auch  letzten  unter  zweien  u.  s.  w.  (vergl.  ähnliches  im  Galla 
zählmeth.  s.  224  )  bezeichnen.  —  Was  wunder,  wenn,  wie  z.  b. 
aus  mehreren  negersprachen  A.  L.  Z.  sept.  1849  s.  435.  dargethan 
worden,  eine  baumfrucht  geradeweges  « k i n d  des  baumes »  ge- 
nannt wird,  und. im  sanskrit  dafür  eine  patronymische  form, 
nur  mit  neutralem  geschlechte,  Bopp  gr.  crit  p.  269.  zur  anwen- 
dung  kommt?  Neutra  sind  auch  im  poln.  die  deminutiven  be- 
zeichnungen  von  thierjungen  auf  e  und  o,  wie  im  deutschen :  das 
knäbchen,  mädchen,  das  junge,  das  füllen  u.  aa.,  allein  nicht  min- 
der die  augmentativa  auf  ysko,  isko  Bandtke  gramm.  §41.  Es 
bedeuten  aber,  um  ein  beispiel  anzuführen,  bei  Schoen,  vocab. 
of  the  Haussa  lang,  in  dieser  spräche:  Yaya,  pl.  of  yaru,  and 

*)  Dichterische  vergleiche  der  pflanzen,  insbes.  der  blmnen,  bald 
mit  kindern  bald  mit  frauen.  Fechner,  Nanna  oder  über  das  Seelenle- 
ben der  pflanzen  s.  347.  Desgleichen  s.  82:  «So  wird  die  rose  mit 
dem  blühenden  mädchen,  und  das  blühende  mädchen  mit  der  rose  ver- 
glichen [«erröthendes  mädchen»  hat  man  sogar  eine  rosenart  getauft}; 
die  lilie  steht  wie  ein  weifser  engel  anter  den  blamen,  und  das  reine 
engelgieiche  mädchen  vergleichen  wir  gern  wieder  der  lilie;  bo  erin- 
nern die  eitle  dame  und  die  tulpe,  ein  bescheidenes  kind  und  ein 
veilchen,  ein  starker  mann  und  eine  eiche  [vgl.  baumstark]  leicht 
und  gern  aneinander  » 


metaphern.  125 

shiriri,  and  dab,  s.  Boys,  children,  ofTspring;  fruit«,  i.  e.  of 
trees.  Skr.  z.  b.  ainguda  n.,  tbe  fruit  of  tbe  plant  called  in- 
gada  m.,  ingudi  f.,  aber  eben  so  auch  wird  iäutika  m.  (tbe 
pearl  oyster)  als  nentram  zum  prodakt  der  perlmatter,  näm- 
lich die  perle  selbst,  weshalb  sich  auch  im  lat.  vinum  (jedoch 
gr.  oho&  m.)  als  prodakt  der  reben  (vites)  in  neutraler  form  zeigt. 
Etym.  forsch.  II,  427.  In  gleicher  weise  entstehen  im  skr.  collec- 
tivneutra,  wiez.  b.  aus  vrikshachayä1  f.,  the  shade  of  a  single 
tree  das  neutr.  -yam,  the  shade  of  many  trees,  or  a  grove*  — 

Zu  mann  nnd  frau  stellt  sicfy  als  tertium  das  geschlecht- 
lich noch  anentwickelte  and  ans  diesem  gründe  nebst  den  demi- 
nutiven häufig  neutral  hingestellte  kind.  Ich  führe  anderwärts 
aas  (s.  vorläufig  A.  L.  Z.  a.  a.  o.),  wie  vermöge  der  kleinheit 
des  kindes  auch  sein  name  in  vielen  sprachen  zu  bezeichnung  von 
deminutiven  dient,  selbst  bei  unbelebtem,  und  erinnere  jetzt 
nur  an  das  wort  Adelung's  Mithr.  I,  76.:  «Wie  das  chinesische 
dsu,  so  ist  auch  hier  (im  barmanischen)  das  wort,  welches  kind 
bedeutet,  ein  gewöhnlicher  anhang  anderer  subst.,  und  bildet  fast 
deminutiva;  ein  kleines  gewicht  heilst  daher  gewicht -kind.»  In 
anderem  sinne  bei  DC.  caseus  infans,  i.  e.  recens,  Gallis  fro- 
mage  mou.  Das  vergleichsdritte  liegt  nämlich  hier  nicht  in  der 
gröfse,  sondern  im  alter,  wie  z.  b.  auch  bei  jungem  weine  u. 
dgl.  Vergleiche  werden  bald  nach  dem  sab;,  sinne  der  Wörter, 
bald  nach  der  weiteren  entwickelang  ihres  objektiven  sinnes 
gemacht.  Vergl.  zählmeth.  s.  231.  Das  zweite  ist  hier  der  fall, 
indem  es  auf  die  benennung  des  kleinen  kindes  nach  seiner  « Un- 
fähigkeit zu  sprechen»  bei  obigem  vergleiche  so  wenig  ankommt, 
dafs  man  sogar  diese  etymologie  vergessen  mufs,  um  nicht  in  eine 
Ungereimtheit  zu  gerathen.  —  Bei  menschen  und  thieren,  nament- 
lich den  dem  menschen  vertrauteren  hausthieren  pflegt  man  auüser 
den  geschlechtlichen  auch  unterschiede  des  alters  hervorzuheben, 
wie  kind,  knabe,  jungling,  mann,  greis,  oder  kalb,  rind. 
ochs  u.  s.  w.  Dieser  altersabstufung  entsprechend  bildet  sich  dann 
auch  in  andern  dingen  eine  gröfsen-scala  von  deminutiven 
und  ampliativen,  denen  sich  ferner  öfters  moralische  förbun- 
gen,  wie  die  liebkosung,  verächtlichen  spottes  u.  s.  w.,  na- 
mentlich häufig  im  italienischen  und  lithauischen  beimengen.  Be- 
griffliche nfiancen  in  dem.  und  augm.,  die  noch  aufserhalb  des 
reinen  gröisenunterschiedes  liegen,  z.  b.  im  poln.  bei  Bandtke 
§36.37.  z.  b.  stöl  der  tisch,  stolek  der  schemel;  kley  der  leim, 


126  Pott 

klcjek  schleim  der  perlen,  oder  hafergraupensuppc.  Szabla  der 
säbel,  szabelka  das  säbelchen,  szablislco  ein  plumper,  alter  oder 
häfslicher  säbel,  szablina  ein  armseliger  schlechter  säbel.  —  Eine 
der  weitest  verbreiteten  erscheinnngen  ist  ein  von  der  spräche 
durch  ganz  verschiedene  aasdrücke  für  die  brüder  und  Schwestern 
ungleichen  alters  festgehaltener  unterschied,  der  auch,  wie  die 
erstgeburt  im  erbrecht,  oft  sehr  ceremoniös,  und  gleichsam  als 
handele  es  sich  um  specißsch  verschiedene  gattungen,  beobachtet 
wird.  Siehe  z.  b.  Bindseil  s.  536.  In  Europa  ung.  bätyam  mein 
älterer,  öts£m  mein  jüngerer  bruder,  Farkas  s.  49.  In  Hinterasien 
z.  b.  chinesisch,  vergl.  Zig.  IL  384,  Darfur  in  Afrika  Vater,  pro* 
ben  s.  327.  In  Amerika  Huasteca  und  Cora  s.  323.  und  sonst 
Duponceau,  mein.  p.  355.  Endlich  im  fünften  welttheile  kawi- 
werk  H,  248.  —  Sogar  mit  noch  feinerer  Spaltung  brasilianisch 
(v.  Murr,  journ.  VI,  204):  Nde  rykyyra,  frater  tuus,  natu  maxi- 
mus;  nde  rybyra,  frater  tuus  natu  minor;  nde  ryb y  kyra,  natu 
minimus,  si  ad  maremfiat  sermo:  si  vero  ad  feminam,  dicitur:  Nde 
kybyra,  generaliter,  vel  si  de  fratrum  omnium  minimo,  nde  ky- 
bykyra.  Soror  tua  dormit;  oker  [dormit]  nde  rendyra,  si  ad 
marem;  si  autem  ad  feminam  sermo  fit;  nde  rykera,  sciiicet 
natu  major;  vel  nd6  pykyyra,  soror  natu  minor. 

Zuletzt,  um  hiermit  den  schlufs  zu  machen,  werde  eines 
wechseis  der  bedeutung  gedacht,  den  nicht  blofs  in  quantitativer 
(z.  b.  mortes  todes- arten,  vgl.  tot  consularium  caedes,  tot  fe- 
minarum  exsilia  et  fugas  Tac.  Agric.  45.;  nives  schnee-flockcn) 
und  intensiver  (z.  b.  irae,  animi)  des  grades,  also  auch  schon  in 
nicht  mehr  rein  arithmetischer,  sondern  selbst  in  qualitativer 
rücksicht  ein  wort  durch  die  mehrheitliche  sprachform  zu  erhal- 
ten im  stände  ist.  Vgl.  Reisig's  Vorlesungen  s.  130  ff.  —  Dahin 
gehört  z.  b.  der  sog.  pl.  aggreg.  im  welsh,  der  als  collective 
einheit  sich  mit  den  distributiven  einzelnheiten  in  Widerspruch 
setzt.  Man  vgl.  auch  Basbreton  bei  Legonidec  gramm.  p.  44.  z. 
b.  die  singuliers  deterjnines  auf  -en  z.  b.  kaolen,  chou,  gegen- 
über ihren  angeblich  gekürzten  plur.  (eig.  primitivformen  von 
collectiver  bedeutung)  z.  b.  kaol,  des  choux.  Gwenanen, 
abeille,  gwlnan,  des  abeilles.  —  Noch  mehr  andere,  wie  pol- 
nische Bandtke  §  155.  z.  b.  woda  (aqua),  aber  pl.  wody,  wie 
lat.  aquae  für  gesundbrunnen.  S'rebro,  silber,  pl.  srebra  sil- 
berne gerät be  (im  latein.  blofs  argentum,  auch  mit  factum,  vergl. 
aurifex,  im  gegens.  von  sign a tum),  zelazo  das  eisen,  pl.  zelaza 


metapliern.  127 

eisernes  gerSthe  (deutsch  die  eisen  z.  b.  für  fesseln).  Chleb  das 
brod  coli.,  aber  pl.  chleby  wecken  brod.  Auch  öfters  die  frocht 
z.  b.  owies  hafer,  bnrak  eine  rothe  rübe,  unterschieden  von 
den  saaten  z.  b.  pl.  owsy  hafersaaten,  buraki  die  rothen  ruhen 
auf  dem  felde,  auch  ein  gericht.  Aehnlich  im  lat  aedes  sg.  ten> 
.  pel,  pl.  haus;  copia,  ae;  opera,  ae  u.  s.  w.  Krüger  latein.  gramm. 
8.  231.  534  ff.  Mit  verschiedener  bedeutung  der  doppelte  plural 
loci,  loca  und  derartig  viele  doppelformen  in  romanischen  spra- 
chen, Fuchs  s.  137  ff.  —  Bei  Lithauern,  Letten,  Esthen  sind  viele 
benennungen  von  fruchten  und  Werkzeugen  entweder  nur 
im  plur.  in  gebrauch,  oder  der  sg.  z.  b.  lilh.  ruggys  (ein  rog- 
gen-korn),  pl.  ruggei  (roggen)  hat  einen  anderen  sinn.  Vergl. 
hierüber  comm.  lith.  II,  31.  Viel  ähnliches,  aufser  dem  dort  schon 
bemerkten  ital.  z.  b.  i  segali,  noch  im  englischen  bei  Wagner, 
engl,  gramm.  s.  102—109,  als: Sands  (lat.  arenae  Reisig  s.  131.), 
rains,  snows,  dews,  bloods,  aber  auch  fears  (timores,  ein- 
zelne äufserungen  der  furcht  s.  132,  aber  graduell:  magni  ter- 
rores  Nep.  Att.  9.),  heats  (hitze,  vgl.  etwa  gluthen,  nimii  solis 
ardores  Cic.  Sen.  15.),  slumbers  (schlummer),  leaves  (abschied, 
wohl  der  gegenseitigkeit  oder  mehrmaligkeit  wegen;  vgl.  nup- 
tiae;  dapes,  epulae  von  der  mehrheit  der  speisen,  aber  epu- 
lnm  mehr  collectiv;  vgl.  aber  auch  die  mehrheit  der  gaste  und 
die  athroistischen  partikeln  in  convivinm,  avpaoaior,  cvaakiov)n 
apprehensions  (besorgnifs),  cries  (geschrei;  also  eig.  mehrere 
aufschreie) ,  understandingsu.  s.  w.  Wegen  der  mehrgliede- 
rigkeit  esthn.  kärid  scheere,  wie  franz.  les  ciseaux,  forces 
(latein.  forfex),  engl,  scissars,  pair  of  bellows,  franz.  une 
paire  de  ciseaux,  lunettes,  mouchettes  u.  s.  w.,  deutsch 
ein  paar  hosen,  d.  i.  eine  hose,  wegen  ihrer,  freilich  nicht  wie 
bei  einem  paar  stiefel  getrennten  dualität.  — 

Ostern,  1852.  Pott. 


Heber  das  alte  S  und  einige  damit  verbundene  laotent- 
wickelungen. 

Dritter   artikel. 

In  den  beiden   ersten  artikeln  -wurde  das  häufige  entstehen 
eines  s  aus  vorangegangenem  t  entwickelt  und  gezeigt,  wie  sich 


128  Kahn 

dieser  Übergang  nur  aus  dem  antritt  eines  hauche*  an  den  dental 
erklären  lasse,  weshalb  auch  die  natur  dieses  s  nur  die  eines 
scharfen  Zischlautes,  entsprechend  unserm  sz  und  dem  gotbischen 
s  gewesen  sein  könne.  Dieser  schlufs  drängt  sich  denn  auch  bei 
einer  betrachtung  der  form  der  Wörter,  denen  ein  ursprüngliches 
8,  anlautend  und  inlautend,  im  griechischen  zukam,  auf;  denn 
wir  sehen  hier,  dafs  ein  altes  s  zwischen  zwei  vocalen  sehr  häu- 
fig von  der  spräche  aufgegeben  ist,  während  es  vor  mehreren 
consonanten  so  wie  im  auslaut  in  der  regel  erhalten  blieb.  Da- 
gegen hat  der  anlaut  dasselbe  gleichfalls  verloren,  zeigt  aber  an 
seiner  stelle  fast  durchweg  den  spiritus  asper.  Wenn  dessenun- 
geachtet sowohl  im  inlaut  zwischen  zwei  vocalen  als  im  anlaut 
zahlreiche  <r  erscheinen,  so  läfst  sich  dies  nur  daher  erklären,  dafs 
die  spräche  entweder  den  ursprünglich  scharfen  laut  gemildert 
habe,  ihn  gewissermafsen  in  die  media  habe  übergehen  lassen, 
wie  dies  in  den  deutschen  sprachen  mehrfach  der  fall  gewesen 
ist,  oder  dafs  sie  bereits  in  .alter  zeit  neben  jenem  scharfen  laut 
den  weicheren  besessen  habe.  Die  erstere  annähme  wird  in  den 
meisten  fällen,  wo  ein  a  unter  den  angeführten  bedingungen  auf- 
tritt, als  regel  aulzustellen,  die  letztere  dagegen  wird  nur  als  aus- 
nähme gelten  dürfen  und  meist  durch  Verbindung  mit  anderen 
lauten  zu  erklären  sein.  Es  dürfte  zweckmäfsig  sein,  einen  blick 
auf  diejenigen  Wörter  zu  werfen,  die  nach  fast  übereinstimmender 
annähme  ein  c  im  griechischen  sowohl  anlautend  als  inlautend 
verloren  haben. 

Betrachten  wir  zuerst  den  einfachen  anlaut  mit  s,  so  gehö- 
ren hierher  folgende  Wörter  (vgl.  Grimm  gesch.  d.  spr.  1.  299 ff.) 

aXloficu,  lat.  salio. 

alg,  sal,  salt,  sara. 

apa,  dfiog,  simul,  goth.  sama,  skr.  sama,  wobei  zu  bemerken, 
dafs  apa  dor.  dpa  (Ahr.  dial.  dor.  §  4.  11.)  und  dpa  dem  vedi- 
schen  samäyä  entspricht,  welches  zusammen  heifst  und  inslr.  8g. 
des  feminini  von  sama  ist;  da  nun  in  den  Veden  der  instrumen 
talis  im  feminin  um  nicht  selten  statt  ayä  auf  ä  ausgeht  (z.  b.  de* 
vata,  manishä,  parushatä,  bandhutä,  vacasyä,  päkyä,  dhirya,  tväyä, 
kaxya))  so  wird  auch  das  Sä.  V.  II.  2. 1.  2.  4.  stehende  sama  als 
ein  solcher  instrumental  aulzufassen  snin,  zumal  auch  das  prono- 
men  sama  (all,  jeder)  wie  es  scheint  immer  enklitisch  und  dies 
sama'  ebenso  wie  samäyä  den  accent  hat.  Das  zurückweichen 
des  accents  auf  die  erste  silbe  im  attischen  dialekt  erklärt  dann 


über  das  alte  S  o.  einige  damit  verbundene  lautenlwickclnngen.  129 

wohl  die  bewahrung  des  a,  die  im  dorischen  der  neigung  dieses 
dialekts  für  die  Tolleren  vocale  zuzuschreiben  sein  möchte, 

d .  .  d .  .  skr.  sä-  z.  b.  in  ddeXyeog,  ddsXcpog  skr.  sagarbhya 
(Vaj.  S.  4.  20;  6.  9.  bhräta  sagarbhyah  der  leibliche  bruder),  sa- 
garbha. 

oLQnr\>  sarpere  (Grimm  gesch.  302.);  da  auch  ahd.  sarf  neben 
scarf  offenbar  hierzu  gehört,  des  altsächsische,  angelsächsische  und 
nordische  (scarp,  scearp,  scarp)  aber  übereinstimmend  den  guttu- 
ral hinter  dem  s  zeigen,  so  könnte  der  spiritus  asper  im  griechi- 
schen auch  aus  der  gutturalen  spirans  hervorgegangen  sein;  wir 
werden  auf  die  ableitungen  dieser  wurzel  noch  zurückkommen. 

eXixtj,  lat.  salix.  ahd.  salaha. 

iXog,  ndd.  soll,  sei,  skr.  saras. 

wog,  lalein.  senex,  senior,  Senium,  semper,  goth.  sineigs,  si- 
nista,  sinteins,  ahd.  sin,  skr.  sana  lauge  dauernd,  alt,  bis  jetzt  nur 
in  compositis  z.  b.  säna^ruta  allberühmt  und  in  den  adverbien  sa- 
na t,  sana,  (verkürzter  instrumental)  nachweisbar  sowie  in  den 
ableitungen  sanäj  von  ewigem  dasein,  sanaya  alt,  sanayü  ewige 
dauer  wünschend,  sanäyate  ewig  sein.  Die  verwandten  sprachen 
zeigen  hier  durchweg  den  begriff  von  langer  dauer,  alter,  den 
auch  die  überlieferten  alten  erklärungen  zunächst  für  das  attische 
inj  xal  via  zur  bezeichnung  des  tages,  an  welchem  der  neumond 
eintritt,  bestätigen;  ivtj  bezeichnet  demnach  das  alte  licht  oder 
den  letzten  tag  des  monats  wie  des  Pheidippides  worte  (Arist. 
nub.  1179 — 1180  ov  ydg  ia&'  onaog  \u  TJfisga  yivori  av  y/MQcu 
ovo  und  1182 — 1183  nvg  yaQ;  ei  pij  neQ  y'  dpa  avtij  yivotxo 
ygavg  re  aal  via  yvnj.)  deutlich  ergeben,  nach  dessen  Sprachge- 
fühl in  evt]  der  begriff  der  ygavg  damals  noch  vorhanden  war. 
Wenn  nun  aber  evij  den  letzten  tag  des  monats  bezeichnete  und 
dieser  in  3  theile  den  iozdfievog,  psGoiv  und  qt&ivtov  zerfiel,  so 
ergiebt  sich  hieraus  die  entwickelung  des  begriff*  ivq  für  über- 
morgen, als  den  dritten  tag  von  heute,  wie  sie  Göttling,  jedoch 
auf  grund  einer  andern  etymologie  zu  Hes.  i.  x.  r\.  410  angenom- 
men hat.  Wenn  Proclus  übrigens  bei  erklärung  der  letztgenann- 
ten stelle  lg  r  evvqqiip  als  ig  ttjv  ia%drriv  tov  pqvog,  trjv  tqia- 
xäda  auffafst,  so  möchte  nach  unserer  auffassung  auch  diese  er- 
klärung zu  rechtfertigen  sein,  indem  ig  ?'  IvvTjqnv  unserem  «bis 
auf  die  letzt»  entspräche.  Was  die  episch -ionische  und  äolische 
Form  hvr\  mit  spir.  lenis  und  doppeltem  v  betrifft,  so  ist  der  er- 
stere  diesem  dialekt  angemessen ,  das  w  weist  auf  assimilation 

IL    2.  9 


180  Kuhn 

und  stützt  sich  wahrscheinlich  auf  eine  nebenform  aVjo,  die  sich 
an  das  obige  skr.  sanaya,  latein.  seniam  anschliefsen  möchte.  — 
Bei  dieser  zurückführung  auf  den  stamm  san  sen  iv  erklärt  sich 
nun  auch  das  bei  Aristophanes  Ach.  610.  vorkommende  inj  aufs 
trefflichste,  wozu  der  schoüast  bemerkt:   ovrag  iv  tolg  aHQiße- 
<ndtoig  hy,  ha  Isyrj  ix  noTlov.    Das  ist  genau  das  obige  indi- 
sche sana,  welches  die  bedeutung  «immerfort»  hat.   Endlich  mag 
noch  erwähnt  werden,   dafs  das  in  der  bedeutung  «vorjährig»* 
vorkommende  bog,  da  es  stets  in  dem  ausgesprochenen  oder  ge- 
dachten gegensatz  von  viog  in  bezug  auf  fruchte  und  sprossen 
steht,  sich  genügend  aus  der  für  erog  bisher  entwickelten  bedeu- 
tung erklärt,  doch  mag  ein  von  den  grammalikern  und  lexiko- 
graphen  bezeugtes  i*og,  bog  das  jähr  zur  fixirung  des  begriffes 
auf  die  vorjährige  frucbt  beigetragen  haben.     Dieser  in  baevog, 
dürog,  TQisvog  unzweifelhaft  bewahrte  stamm  hat   übrigens  mit 
dem  unseren  keine  gemeinschaft,  sondern  ist  gleich  dem  indischen 
in  samä  das  jähr,  dem  lateinischen  in  bimus  f.  bismus  enthalte- 
nen; das  p  hat  den  im  griechischen  inlaut  nicht  seltenen  Über- 
gang in  v  erfahren,  wie  er  sich  z.  b.  in  tfria :  ijfiSQog,  sanskritwur- 
sel  yam  u.  a.  w.  zeigt  Benfey  hatte  früher  GW.  W.  1.  306  &?  f. 
mit  skr.  amä  the  day  of  conjunction  or  new  moon  zusammen- 
gestellt, ist  aber  selbst  schon  2.  367  über  diese  ableitung  wegen 
des  w  der  äol.  form  zweifelhaft  geworden;  aufserdem  ist  amä 
in  dieser  bedeutung  nicht  belegt,  das  gewöhnliche  wort  dafür  ist 
istamäväsya,  wovon  amä  vielleicht  nur  eine  spätere  Verkürzung 
sein  möchte;  auch  der  Spiritus  asper,  dessen  unorganisches  auf- 
treten Benfey  hier  wie  so  oft  annimmt,  möchte  schon  bedenken 
erregen.    Dagegen  wäre  Zusammenhang  eines  anderen  vedischen 
vrorts  mit  unserem  stamme  möglich,  nämlich  von  siniväli;  dieses 
bezeichnet  nach  Yäska  Nir.  11.  31.  die  erste  bälfte  der  amäväsyä, 
während  die  zweite  knhü  heifst*).    Die  siniväli  ist  demnach  gleich 
der  griechischen  üny  und  da  Yäska  den  zweiten  theil  des  worts 
(vält)   auf   väla   zurückfuhren    will,   so  könnte  in   dem   dun- 
keln sini  ein  mit  sana  verwandtes  wort  stecken.    Uebrigens  er- 
klärt Yäska  das  wort  väla  in  diesem  fall  durch  parva n  inler- 
luoium,  während  es  bis  jetzt  in  den  Veden  nur  in  der  bedeutung 


#)  In  einer  von  Weber  mitgeteilten  stelle  des  ShaoMncabr.  (ind. 
stud.  I,  39.)  wird  dagegen  der  neomond  knhd,  der  zunehmende  sintvlti 
genannt,  wahrend  der  Vollmond  r£kä  nnd  der  abnehmende  annmati  helfet. 


ober  das  alte  S  o.  einige  damit  verbundene  lantentvrickel  tragen.  131 

schweif  belegt  ist  (z.  b.  Väj.  S.  19.  88),  weshalb  erst  weitere  bestft- 
tigong  für  jene  bedeutung  abzuwarten  ist;  einstweilen  mag  indeb 
auf  einen  deutschen  aasdruck  für  die  mondphasen  hingewiesen 
werden,  der  gleichfalls  die  bedeutung  schweif  hat,  nfimlich  nhd., 
mhd.  wadel,  wedel,  ndd.  waal  (Grimm  d.  myth.  674;)  allein 
ob  hier  etymologische  Verwandtschaft  vorhanden  sei,  mufs  jetzt 
noch  zweifelhaft  bleiben.  # 

ifndj  Septem,  sibun,  sapian. 

incoj  lat.  sequor,  skr.  sac;  neben  der  letzteren  wdrzel  steht 
in  den  Veden  noch  eine  mit  ihr  aus  muthmaislichem  sakv  =  lat. 
sequ  entstandene,  nämlich  sap,  sequi,  colere,  die  sich  der  griech. 
form  sowohl  in  laut  als  bedeutung  noch  näher  anschliefst,  indem 
es  mit  dem  activcn  inm  (namentlich  in  Verbindung  mit  nsqi,  dpcpi 
u.  8.  w.)  die  bedeutung  besorgen  gemein  hat;  in  dieser  wird  es 
besonders  häufig  mit  Harn  angetroffen. 

*EQiV9vgy  skr.  Saranyü'. 

'Egpeiae,  'EQ/uje,  skr  Särameyas. 

#£*raj>  lat.  serpo,  goth.  sliupa,  skr.  srp  (präs.  sarpämi). 

*£,  lat.  sex,  goth.  saihs  skr.  shash. 

h°>y  ^»)  ^<Tc°>  fox°*>  ehor>  8^r* 8an- 

tjfti.  lat.  semi,  ahd.  sämi,  skr.  sämi. 

*f(o,  ?£opat,  edog,  lat.  sedeo,  goth.  sita,  skr.  sad,  pr.  st- 
dämi,  sbst.  sadas  n. 

ipag,  skr.  8  im  an,  simanta,  alts.  simo,  altn.  sim. 

o.  v,  alt?,  sim,  sam,  sos,  goth.  sa,  so,  skr.  sa,  sä. 

oXog,  ion.  cilog,  osk.  sollus,  d.  all,  skr.  sarva. 

vXrj  (v  durch  umlaut  vgl.  I.  p.  515),  lat.  silva,  saltus,  ahd. 
holz,  ndd.  holterberg  sallas,  ags.  holt  lucus,  altn.  holt  aspre- 
tum,  saltus. 

vpvog,  skr.  s  uro  na*  n. 

V7ZSQ,  vttbiq,  super,  ufar,  upari. 

in 6,  sab,  uf,  upa. 

ig,  ovg,  lat.  sus,  amhd.  sei,  nhd.  sau. 

&r,  ortog,  lat.  -sens,  skr.  8 an,  gen.  satas;  —  fotSg,  skr. satya 

Wir  sehen  demnach  fast  durchweg  den  spiritus  asper  das  s 
der  verwandten  sprachen  vertreten,  während  der  lenis  nur  in  ein 
paar  einzelnen  fallen  auftritt;  einmal,  nämlich  in  vg  neben  ovg, 
tritt  auch  noch  der  ursprüngliche  Zischlaut  neben  dem  starken 
hauche  auf.  In  einem  andern  falle  scheint  sogar  der  lenis  neben 
dem  <t  zu  stehen,  nämlich  in  sf£o>,  wenn  es  mit  attQa  von  einer 

9* 


132  Kuhn 

wurzel  stammt,  was  lat.  sero,  series,  goth.  sail,  sanskritwurz. 
si  binden  (cf.  Pott  1.  206.  225)  wahrscheinlich  machen.  Auch 
noch  in  einigen  anderen  fällen  hat  sich  anlautendes  <r  erhalten, 
allein  hauptsächlich  nur  da,  wo  hinter  demselben  ein  anderer 
consonant,  namentlich  ^r,  geschwunden  ist.  Ein  unzweifelhaftes 
beispiel  der  art  ist  tfiyjf,  aydco  neben  ahd.  s  vi  gen,  ags.  svigan, 
8 v ig jan;  fast  eben  so  sicher  wird  man  mit  Benfey  1.  466  tfifljy- 
Qog  zu  d.  schweifsen,  schmieden  stellen  und  auf  lat.  sudare, 
skr.  svid  id.  zurückfuhren,  und  endlich  auch  in  <?o/fy,  ooßew  ne- 
ben (poßrj  wurzelverwand  Ischaft  mit  goth.  sveiban  und  noch 
nähere  mit  alte,  svipan,  altn.  svipa,  ndd.  swipen  peitschen 
swipe  f.  (vergl.  Diefenb.  GW.  2.358.360)  anzunehmen  haben. 
Hat  demnach  das  digamma  zu  einer  längeren  erhaltung  des  <x  im 
anlaut  beigetragen,  während  es  selber  zuletzt  verschwand,  so  ist 
auch  anzunehmen,  dafs  in  den  fällen,  wo  der  spiritus «asper  an 
der  stelle  von  sv  der  verwandten  sprachen  auftritt,  er  mehr  ein 
Vertreter  des  ersteren,  als  des  letzteren  sei.  Diese  annähme  be- 
stätigt sich  auch  noch  dadurch,  dafs  im  allgemeinen  das  digamma 
im  anlaut  häufiger  durch  spiritus  lenis  als  asper  ersetzt  wird;  eine 
Zusammenstellung  hierhergehöriger  beispiele  wird  das  nähere  er- 
geben. Ich  stelle  die  mit  anlautendem  einfachem  digamma  voran 
und  lasse  die  mit  ursprünglichem  <Tf  folgen. 

acrrv,  skr.  västu. 

Ioq,  1.  ver,  skr.  vasanta. 

eixoaiy  skr.  vin$ati,  lat.  viginti. 

eimXv,  inogy  skr.  vac  aor.  avavacam,  contr.  avocaro  (vgl. 
oben  2.  46),  vacas. 

sxrjlog,  äol.  evxtjXog,  ixw?  altes  particip  der  wurzel  va$,  das 
sich  zu  dem  erhaltenen  skr.  particip  ucat  ebenso  verhält  wie  sag 
(?«'$)  zu  ushas;  für  beide  ist  deshalb  eine  ursprünglichere  form 
mit  anlautendem  ^re  vorauszusetzen,  auf  welche  auch  das  äolisch- 
epische  svxTjlog  führt. 

ifiim,  lat  vomo,  skr.  vam. 

irrvpi,  lat.  vestis,  goth.  vasti,  d.  weste,  skr.  vas.  Von 
dieser  wurzel  stammt  eavog,  als  Substantiv  mit  kurzem  a  sich  an 
skr.  vasana  n.  clothes,  clothing,  an  Ornament  worn  by  women 
round  the  loins  anscbliefsend.  Das  adjectiv  mit  langem  a  ist 
eigentlich  altes  participium  und  gleich  sanskr.  vasäna  sowohl 
«umhüllend,  bedeckend»  als  «umhüllt,  angethan  mit  etwas. »  Das 


ober  das  alte  S  u.  einige  damit  verbundene  lautentwickelungen.  133 

i  in  der  epischen  uebenfonn  elavog  ist  ersatz  der  ausgefallenen 
spirans,  ebenso  wie  dpa,  Sol.  sfipa  =  skr.  vasman. 

fyyov,  ahd.  wer  ah  nhd.  werk. 

iQyoo,  isQyoi),  etQyco,  eijp/a»,  sanskr.  vrj  pr.  vrnakti  pf.  va- 
varja,  cause,  varjayati  beide  in  der  bedeutung  «ausschliefsen, 
abhalten»,  goth.  vrkan  u.  s.  w.,  vgl.  Diefenb.  GW.  I.  V.  no.  75 
— 79;  besonders  gehören,  da  vrj  auch  die  intransitive  bedeutung 
(«yenneiden,  entfliehen M  hat,  hierher  ags.  vringan  (Diefenb.  no.  79) 
n.  s.  w.;  an  den  gegensatz  des  engl,  right  und  wrong  schliefsen 
sich  vollkommen  die  von  gleicher  wurzel  stammenden  vedischen 
rju  und  vrjina,  recht  und  unrecht,  gutes  und  böses;  man  vergl. 
z.  b.  R.  4.  8. 11.  2.  «surah  —  rju  marteshu  vrjina  ca  pa- 
$y  an  die  sonne,  die  gutes  und  böses  unter  den  sterblichen  sieht" 
Ebenso  R.  3.  4.  15.  2.  stiryah  —  rju  marteshu  vrjina  ca 
pacyan. 

Üpcn/.,  itQGtj,  skr.  varsha. 

SanzQog,  (Sol.  (pfonegs  Alnvdiall.  1.32.)  tane^a,  lat.  vesper. 

wog,  skr.  vatsa,  ved.  das  jähr. 

iy,  lat.  ve,  skr.  vä. 

log,  lat.  virus,  skr.  vis  ha. 

*|o?,  lat.  viscus 

lg,  lat.  vis;  der  stamm  von  lg  ist  durch  r  erweitert  wie  der 
von  rig. 

irdkog.  lat.  vitulus,  skr.  vatsa  kalb. 

Itvg,  ire'a,  lat.  vitis,  d.  wida,  skr.  vitikä  the  betel  plant, 
a  tie,  a  fastening. 

olda,  laper,  taaai,  etoiü,  sideiTjr,  ia&t  ferro»,  efomg.  skr.  ve- 
da,  vidmä,  vidus,  vidam,  videyam,  viddhi,  vittat,  vid- 
vas.  In  bezug  auf  die  dritte  pl.  praes.  ist- zu  bemerken,  dafs 
die  mediale  form  in  sanskrit  sowohl  vidate  als  vidrate  lautet;  die 
letztere  form  ist  aber  eine  periphrastische,  deren  r  wie  das  der 
formen  auf  ran  und  re  seinen  Ursprung  dem  s  des  verbi  substan- 
tivi  verdankt,  so  dafs  vidrate  für  älteres  'vidsate  steht,  welches 
sich  dann  in  überraschender  weise  an  das  griechische  laaci  des 
activs  anschlief8t,  das  in  gleicher  weise  periphrastisch  gebildet  ist, 
und  für  id-aarzi  steht. 

olxog,  lat.  vicus,  goth.  veihs,  skr.  ve<ja. 

ohog,  lat.  vinum,  d.  wein,  skr.  vena. 

o%og  n.,  orä»,  lat.  veho,  d.  wagen,  skr.  vah,  vahana 
wagen. 


134  Kuhn 

$%f>,  lat.  vox,  skr.  väc. 

vda>Q,  lat  udor,  goth.  vato,  skr.  udan. 

wog,  lat.  ven um. 

Während  in  den  hier  aufgeführten  beispielen,  wie  bereits  ge- 
sagt ist,  der  spiritns  lenis  überwiegend  als  Vertreter  des  digamma 
auftritt,  zeigt  sich  fast  nur  spiritus  asper  bei  den  mit  ursprüng- 
lichem üf  anlautenden  Wörtern: 

dvddrooy  lat.  suädeo,  skr.  svad  undsväd;  die  grundbedeu- 
tung  der  wurael  ist  «sflb,  angenehm  sein,  schmecken»  und  im 
adj.  tjdvg,  suävis,  goth.  sutis,  ags.  svete,  skr.  svädu  der  be- 
griff der  söfeigkeit  und  des  Wohlgeschmacks  erhalten.  In  den 
Veden  ist  das  reihum  svad  häufig:  svadasva  havyä  lafs  dir 
die  opfer  schmecken,  sie  mögen  dir  wohl  gefallen  R.  3.  3.  27.  7. 
havyä  te  svadantäm  die  opfer  mögen  dir  gefallen  Väj.  S.  6.  7. 
tä  asmabhyam  svadantu  die  mögen  uns  süfs,  angenehm  sein. 
Väj.  4.  12.  svadäti  yajnam  er  möge  das  opfer  schmackhaft  ma- 
chen Väj.  20.  45.  n.  s.  w.  atdivuv  ist  daher  eigentlich  schmack- 
haft sein,  gefallen,  später  auch  transitiv  ergetzen,  s  uadeo  schmack- 
haft, annehmlich  machen;  rathen.  Grimm  gesch.  d.  d.  spr.  p.  303 
bezweifelt  wohl  mit  unrecht  die  ursprungliche  Zusammensetzung 
des  worts  aus  su  und  ad  essen,  die  wenn  auch  unbewufst  in  der 
flexion  von  avdavn  im  aorist  evadov  noch  durchbricht. 

ixvQog,  lat.  socer,  goth.  svaihra,  ahd.  svehor,  sanskr. 
cya$ura. 

rjliog,  lat.  sol,  altn.  söl,  skr.  sürya,  ved.  sura  und  sur, 
zend.  hvare;  als  gemeinsamer  stamm  ergiebt  sich  urspröngliches 
svar,  das  in  den  Veden  auch  noch  mit  der  bedeutung  «licht, 
sonne,  himmel»  auftritt,  aber  bereits  die  beugungsföbigkeit  verlo- 
ren hat. 

y&oc,  iQog,  goth.  sidus,  ahd.  sito,  skr.  svadhä,  eigentlich 
«selbstsetzung,  Selbständigkeit»  in  den  Veden  mehrfach  «eigner 
wille,  wünsch,  kraft*  ,aber  auch  entschieden  in  der  bedeutung  ge- 
wohnheit,  namentlich  in  der  Verbindung  anu  svadhäm  und  in 
dem  daraus  entstandenen  adverbium  anushvadham.  Man  ver- 
gleiche R.  1.  6.  4:  äd  aha  svadhäm  anu  punar  garbhatvam 
erire.  R.  3.  3.  16.  6.  (M.  3.  51.  11.):  yas  te  ame  svadhäm 
asat  sute  niyacha  tanvam  dem  trank,  der  wie  du  ihn  gewöhnt 
bist,  sein  möge,  gieb  hin  deinen  leib w  mit  R.  1.  81.  4  kratvä 
mahän  anushvadham  bhfma  ävävrdhe  cavah  und  Väj.  S.  7. 
38  =  Nir.  4.  8:  pibä  somam  anushvadham  madäya.    Inder 


ober  das  alte  S  u.  einige  damit  verbundene  lauten t Wickelungen.  136 

letzten  stelle  pafst  die  von  Yaska  und  nach  ihm  an  den  übrigen 
stellen  von  den  commentatoren  gegebene  erklSrung  durch  anu 
annam  gar  nicht,  denn  ich  entsinne  mich  keiner  stelle  in  den 
Veden,  wo  dem  Indra  andere  als  trankopfer  gebracht  worden; 
nehmen  wir  aber  anushvadham  als  «nach  gewohnheit»,  so  ist 
dies  mit  dem  ganzen  charakter  Indra's  in  bester  Übereinstimmung, 
der  bei  seinen  kämpfen  mit  den  dämonen  sich  stets  erst  muth 
za  ihrer  Vernichtung  trinkt  Ebenso  pafst  Vaj.  S.  17.  88:  anus- 
vadham  ävaha  die  bedeutung  «führe  nach  deiner  gewohnheit 
(die  götter  zum  opfer)  herbei»  augenscheinlich  viel  besser  als  die 
gewöhnliche  erklSrung.  Dazu  vergleiche  man  noch  die  von  We- 
ber Vaj.  Sanh.  spec  II.  p.  149  angeführten  stellen,  in  denen  s  vadha 
mit  der  bedeutung  gewohnheit,  sitte  häufig  einen  viel  besse- 
ren sinn  giebt. 

tdoofff,  lat  sudo,  sudor,  ags.  svät,  ahd.  sveiz,  skr.  svid, 
svidyämi,  sveda  m. 

oAxo?»  lat.  sulcus,  ags.  sulh  die  vokale  o,  u  deuten  wohl 
auf  zosammenziehnng  aus  va. 

ov,  ol,  e,  lat  sui,  sibi,  se,  goth.  seina,  skr.  svayam  und 
off,  v,  or,  so?,  09.  «oV,  lat.  suus,  goth.  seins,  skr.  sva. 

vnpos,  lat.  somnus,  altn.  sv£fn,  skr.  svapna. 

t/pa|,  lat.  sörex. 

Wenn  sich  in  den  bis  jetzt  betrachteten  Allen  ergab,  dafs 
altes  s  im  griechischen  anlant  zwar  meist  aufgegeben  wurde,  an 
seiner  stelle  aber,  wenigstens  im  gemeingriechischen,  in  der  regel 
der  spiritus  asper  sich  entwickelt  hat,  so  ergiebt  sich  daraus, 
was  wir  im  aofang  behaupteten,  dafe  nämlich  das  alte  s  die  na- 
tur  eines  scharfen  sauselauts  gehabt  haben  müsse,  dessen  natür- 
liche Schwächung  zunächst  der  einfache  starke  und  demnächst 
der  schwache  hauch  ist.  Dieser  entwickelung  gemäfs  zeigen  denn 
auch  noch  dialektische  formen  ganz  dasselbe  verhältnifs,  indem 
sie  das  0  der  übrigen  dialekte  auch  im  inlaut  in  den  spiritus  asper 
verwandeln  und  endlich  auch  diesen  aufgeben;  die  Überlieferun- 
gen der  grammatiker  über  diesen  punkt  werden  durch  alte  Inschrif- 
ten bestätigt  und  lassen  deshalb  keinen  zweifei  an  der  rieht  igkeit 
ihrer  angaben  aufkommen.  Man  vgl.  Ahr.  diall.  dor.  §  9.  Auf 
diese  weise  ist  denn  auch  unzweifelhaft  der  aasfall  des  0  im  in- 
laut zwischen  zwei  *ocalen  zu  erklären,  dem  in  älterer  zeit  ein 
inlautender  spiritus  asper  vorangegangen  sein  imifs;  letzterer 
schwand  dann  allmählig  entweder  ganz  oder  wurde,  namentlich 


136  Kuhn 

im  ionisch -epischen  dialekt  durch  t  ersetzt,  wie  dies-z.  b.  in 
slag,  eia*6g  =  iaQ,  iavog  and  anderen  Wörtern  geschehen  ist. 
Dieser  aasfall  des  6  zwischen  zwei  vocalen  ist  bereits  so  vielfäl- 
tig besprochen,  dafs  es  nur  der  kurzen  Zusammenstellung  der 
Wörter,  in  denen  er  zweifellos  ist,  bedarf. 

Aus  den  flexionen  gehören  vor  allen  die  des  epischen  geni- 
tiv's  auf  010  =  skr.  asya,  sowie  des  plur.  auf  aa)?  =  skr.  äsäm, 
lat.  arum  hierher,  sowie  aus  der  dritten  declination  die  neutralen 
stamme  auf  og,  nebst  den  adjectiven  auf  tjg,  egl  An  die  letzteren 
schließen  sich  die  davon  abgeleiteten  abstracta  auf  sia9  c&ij&8icc 
n.  a.  an ,  die  mittelst  des  femininsuffixes  yä  von  dem  adjectiv- 
stamme  gebildet  sind,  welches  im  epischen  dialekt  die  länge  (oAj?- 
&rjiq)  bewahrte;  im  sanskrit  sind  vacasyä,  varcasyä  dergleichen 
bildungen  und  zu  äXföeia  stellt  sich,  nur  mit  dem  neutraten  snf- 
fix,  rahasya  geheimnifs.  Ferner  gehört  dahin  die  endung  des  fem. 
part.  pf.  act.  auf  via  =:  skr.  ushi.  In  der  verbalflexion  zeigen  be- 
kanntlich die  zweiten  personen  in  den  formen  auf  rj  und  ov  diese 
erscheinung,  während  doch  auch,  namentlich  in  der  conjugation 
auf  jtu,  sich  das  6  von  cai  und  ao  noch  daneben  erhalten  hat.  In 
gleicher  weise  ist  das  <r  des  futur.  u.  aor.  in  den  verbis  puris,  wohl 
wegen  der  eingetretenen  Verlängerung  des  themavocals  geblieben, 
wie  es  auch  aus  gleichem  gründe  in  der  sg.  pf.  und  plusqpf.  pass. 
derselben  sich  erhielt;  wie  der  aus  fall  des  c  in  den  verbis  auf  X9 
p,  p,  o  zu  erklären  sei,  werden  wir  später  besprechen. 

Von  nominal-  und  verbalstämmen,  welche  den  ausfalJ  des  g 
zeigen,  gehören  hierher: 

ywoftcu,  yev<a,  1.  gus-tus,  gustare,  goth.  kiusa,  sanskr. 
jushate  kosten,  erkiesen. 

YQaw,  yodGTig,  ypa<mCa>,  lat.  grä-men,  d.  gras. 

flfit/co  benetze,  färbe,  skr.  dush,  dushyati  sündigen,- fehlen, 
dushayati  beflecken,  verderben,  dann  auch  sündigen.  Davon 
dos  ha  m.  sünde,  fehler,  aber  auch  doshä  f.  die  nacht,  als  die 
das  dunkel  herbeiführende;  die  bedeutungsent Wickelung  ist  die- 
selbe wie  in  rajas,  welches  sowohl  dunkel,  als  wasser  und  licht 
bedeutet  und  auf  w.  ranj  tingere  zurückführt,  ebenso  wie  ahd. 
tunkal  auf  tauchen,  tunken. 

iavog  t  iävog,  skr.  vasana  und  vasana,  vgl.  oben  p.  132. 

iaoy  elcLQ  wird  von  Eusthatius  und  anderen  in  der  bedentung 
cdfuz  nachgewiesen;  dazu  stimmen  lat  assir,  (Fest  assaratum 
apud  antiquos  dicebatur  genus  quoddam  potionis  ex  vino  etsan- 


aber  das  alte  S  u.  einige  damit  verbundene  Iantent wickelangen.  137 

guine  temperatum,  quod  latini  prisci  sanguinem  assir  vocarent) 
skr.  asan,  asrj  ohne  dafs  ich  jedoch  eine  sichere  etymologie  zu 
geben  vermöchte;  lal.  sanies  und  sanguis  hat  bereits  Pott  l. 
275  als  wahrscheinlich  ebenfalls  dazu  gehörig  herbeigezogen;  $oq, 
{toyarriQ  avnpiog  und  iogeg,  nQogrtxoneg,  evyyeviig  Hesych.  scheint 
auch  wohl  demselben  stamme  zugewiesen  werden  zu  müssen. 

evcoy  evto,  avto,  lat  uro,  skritw.  ush. 

w.  ia.  Wie  das  anlautende  <x  in  den  formen  des  verbi  sub- 
stantivi,  welche  den  wurzelvocal  verloren  haben,  demnächst  sel- 
ber gewichen  ist  (tu?  u.  s.  w.,  eist,  irsog),  so  hat  dasselbe  auch 
das  inlautende  <r  überall  aufgegeben,  wie  die  ionischen  formen  &», 
ioifiiy  imv  sowie  die  dorischen  CAhrens  diall.  II.  321  ff.)  zeigen. 

C«o>,  ahd.  jesan,  gerjan,  nhd.  gären,  nbd.  gisht,  ndd. 
j  es  cht,  ags.  gist,  e.  yeast,  skr.  yas  operam  dare,  adniti  mit 
nir  to  exude  (Wils.),  mit  pra  ptc.  prayasta  überwallend  (vom 
kochenden  topfe)  R.  3.  3.  23.  2,  vgl.  Roth  z.  lit.  des  Weda.  p.  109. 

yoig,  img,  lat.  aurora,  skr.  ushas. 

fhog,  lat.  tu 8. 

log,  skr.  ishu. 

16 gy  lat.  virus,  skr.  visha. 

iotj/u,  gehört  zu  sanskritw.  ish  cf.  Pott  1.  269. 

pvg  (jivog),  1.  mus  (muris),  ahd.  müs,  skr.  müsh. 

fAvco,  (WGTrjg,  pvovyQiov;  —  skr.  mish  liegt  der  form  und 
bedeutung  nach  der  griechischen  wurzel  sehr  nahe,  doch  stimmen 
die  vocale  nicht,  man  möfste  denn  im  sanskrit  Übergang  von  u 
in  i  annehmen  wollen,  wofür  ich  keine  sicheren  beispiele  wüfste. 

vhfiai,  roatog,  skr.  nas,  nasate  gehen.  Nigh.  2.  14.  aufge- 
führt als  gatikarmä  Nir.  7.  17.  ghrtasya  dhäräh  samidho  na- 
santa  von  Yäska  durch  äpnotikarmä  vä  namatikarmä  vä  erklärt 
R.  2.  6.  18.  3.  «te  sumatibhih  sam  patnibhir  na  vrshaao 
n^asimahi  deine  gnade  mögen  wir  erlangen  wie  der  stier  die 
kuh»,  hat  es  eigentlich  die  bedeutung  zusammenkommen,  zusam- 
mentreffen durch  die  präposition  sam,  vgl.  auch  noch  R.  2.  5.  5.  2. 
ta  im  giro  janayo  na  patnih  surabhishtamam  naram  nasanta;  in 
jedem  falle  scheint  die  identität  mit  vdopai  unzweifelhaft. 

wog,  ivrvog,  lat.  nurus,  ahd.  snur,  snura,  snora,  sanskr. 

8DUshä. 

wag,  äg9  lat.  auris,  goth.  auso. 

ndog,  lat.  pe-nis  (f.  pes-nis),  ndd.  pis  m.,  skr.  pasas. 

jQew9  skr..tras. 


138  Kahn 

cpdog,  skr.  bhäsas. 

Endlich  gehöreu  zu  den  verbalst  ämmen,  welche  den  ausfall 
von  <x  zeigen,  noch  die  meisten  derjenigen,  welche  den  kurzen 
vocal  im  futurum  behalten  und  das  ihnen  ursprünglich  zukom- 
mende 0  zum  theil  noch  in  ableitungen,  zum  theil  noch  in  den 
nominibus,  von  denen  sie  selber  stammen  zeigen.  So  £eo>,  |s0?o?? 
{«'ctyta,  yeldo)  neben  yelaaeioo,  yeldcifiog,  yekacwog,  yeXaafiau. 
8.  w.  von  einem  alten  stamme  yeXag,  'dessen  nebenform  oder 
Schwächung  das  äoi.  yikog  (vgl.  $Q(og  und  fyog,  vömq,  vdar  und 
vdog)  ist,  das  aber  auch  im  attischen  dialekt  vorhanden  gewesen 
sein  mufs,  wie  yelotog  zeigt  (yeXotog  :  y&og  =r  yeQcuog  :  (yeQag) 
ytjgag\  wegen  des  unorganischen  rj  vgl.  noch  yeQ<ov.  Ferner  at- 
deofjicu,  TfiAea),  veixew  neben  uidzaiiiog,  aiöeaig,  aideörog,  aidoiog, 
itkog,  vsiHog  u.  s.  w,;  wie  in  ytXam  das  ausgefallene  <r  an  stelle 
eines  früheren  r  getreten  sein  mufs,  so  werden  sich  auch  ärvm, 
aQvm  neben  denen  arvico,  aQvim  stehen  aus  einer  zwischen  bei- 
den formen  liegenden  mit  <J  erklären.  Das  neben  Korsu,  norao- 
pai,  fut.  xoTEGGopai  stehende  xoteivog  deutet  auf  einen  nicht  vor- 
handenen stamm  xorog  n.,  der  auch  im  futurum  auftritt,  zu  dem 
es  sich  wie  oqeivoq  zu  ogog  u.  8.  w.  verhält,  vgl.  Benf.  gött.  gel. 
anz.  1852.  55  st.  p.  543. 

Die  zahl  dieser  Wörter,  welche  den  ausfall  eines  o  zwischen 
zwei  vocalen  zeigen,  wird  sich  noch  namhaft  vermehren  lassen,  doch 
genügen  die  gegebenen  beispiele  vollständig  um  den  umfang  der  er- 
scheinung  im  griechischen  einigermafsen  zu  zeigen.  Im  allgemeinen 
wird  man  das  gesetz  aufstellen  dürfen,  dafs  der  ausfall  überall  nach 
kurzen  vocalen  eintritt,  und  in  vielen  der  dagegen  scheinbar  strei- 
tenden fölle  wird  sich,  wenn  auch  vielleicht  jetzt  noch  nicht  im- 
mer mit  entschiedenheit  nachweisbar,  doch  mit  Wahrscheinlichkeit 
das  haften  gebliebene  <r  als  durch  einflufs  eines  vor  oder  nach  ihm 
geschwundenen  consonanten  gewahrt  erklären.  Ein  solcher  fall 
wenigstens  zeigt  sich  in  ÖQoaog,  welches  Benfey  (gl.  zum  Sam.  V. 
8.  v.  drapsa)  mit  skr.  drapsa  tropfend,  thauend;  m.  der  tropfen 
(besonders  mythisch :  der  befruchtende  thautropfen,  welcher  dem 
himmel  bei  der  umarraung  seiner  tochter  der  morgenröthe  auf  die 
erde  entfällt)  zuerst  zusammengestellt  hat.  Nur  ist  seine  ablei- 
tung  mittelst  einer  alten  causalform  drapayämi  wohl  etwas  zu 
künstlich.  Die  würzet,  aus  welcher  das  wort  entsprang,  ist  drav 
(daraus  dram  =  tyop,  ÖQsp,  tyop),  laufen,  fliefsen;  causa,  drä- 
vayämi  fliefsen  machen,  schmelzen  (R.  4.  5.  3.  4),  dravi  der 


Aber  das  alte  S  u.  einige  damit  verbundene  lauten  Urickelungen.  139 

goldschmied  ib.  u.  s.  w. ;  durch  autritt  des  s  verhärtete  das  v  im  »kr. 
zu  p,  da  keine  Verbindung  vs  vorkommt;  aus  demselben  gründe 
ging  v  im  zend  in  f  vor  der  scharfen  sibilans  sh  über  (drafsha) 
und  fiel  ß  vor  dem  c  im  griechischen  aus,  welches  jedoch  eben 
durch  das  wahrscheinlich  längere  haften  des  f  vor  dem  Unter- 
gang gerettet  wurde.  Das  hochdeutsche  tropfen,  ahd.  tropfo, 
tropho  scheint  das  ps  durch  pf,  ph  zu  ersetzen,  obgleich  anch 
formen  mit  der  einfachen  aspirata  f  daneben  stehen,  oder  es  hat 
das  8  aufgegeben,  was  aus  ags.  dropa,  alts.  dropo,  ndd.  drä- 
pen,  droppen,  engl,  drop  hervorzugehen  scheint;  doch  braucht 
man  im  scherz  auch  noch  ndd.  drops.  Wie  ÖQoaog  die  erhal- 
tung  des  <r  dem  ehemals  vor  ihm  stehenden  f  verdankt,  ist  das 
<x  in  vocog  wahrscheinlich  aus  gleichem  gründe  geblieben,  wie 
man  wohl  aus  dem  epischen  fovaog  schliefsen  darf;  die  würzet 
möchte  trotz  des  ff  dieselbe  wie  in  vexvg  nämlich  skr.  nag  lat. 
nee-  (nex,  necare)  goth.  na-us  und  die  ursprünglichere  form 
nagva  (skr.  nagvara  verderbenbringend)  gewesen  sein;  über 
die  gleichstellung  von  $  mit  a  soll  noch  in  einem  späteren  arti- 
kel  gesprochen  werden,  hier  will  ich  nur  ein  entscheidendes  bei- 
spiel  geben,  nämlich  <Ji£a>,  fut.  <J«£a>,  perf.  aiatya  zischen,  pfeifen; 
bei  Homer  (Od.  i.  394)  von  dem  pfähle  gebraucht,  der  dem  Po- 
lyphemos  zischend  ins  äuge  fährt,  bei  späteren  vom  geräusch  beim 
braten,  vom  pfeifen  des  winde«  und  dem  tone  der  drossel  (xotpi- 
%og)y  sowie  von  den  dem  hunde  pfeifenden  jagern.  Daher  die 
schol.  zu  Od.  i.  394  es  auch  durch  icvQ^e  erklären  (2i£ev  dttl 
rov  iavQt&v  jjroi  qxDPtjv  dnetüsi  oig  im  tov  ßccnropepov  cidt(Qov). 
Die  unmittelbare  Zusammenstellung  mit  öfyfia,  wogegen  sich  schon 
Lobeck  parall.  407  ausgesprochen  hat,  ist  sicher  unrichtig.  Die* 
sem  tfi'f«  entspricht  offenbar  skr.  cjn  j,  welches  das  geklingel  der 
schelle,  das  summen  der  bienen  und  zwitschern  der  vögel  be- 
zeichnet und  bereits  in  den  Veden  vorhanden  ist,  wo  der  klang 
der  bogensehne  der  feinen  stimme  der  frauen  mit  den  Worten 
«yoshe'va  ginkte  vitatä  *dhi  dhanvan  wie  eine  frau  singt 
sie  ausgespannt  an  dem  bogen»  verglichen  wird  (Nir.  9.  18.);  da- 
her heifst  auch  noch  im  späteren  sanskrit  $injä  f.  und  ginjini 
die  bogensehne.  Mit  dieser  wurzel  hat  schon  Diefenbach  GWB. 
2.206.,  goth.  siggvan  verglichen,  dessen  Vertreter  und  ableitun- 
gen  in  den  übrigen  deutschen  dialekten  mehrfach  gleiche  bedeu- 
tungsentwickelungen  wie  die  indische  und  griechische  wurzel  zei- 
gen; uns  singt  noch  heute  das  wasser  im  kessel  so  gut  wie  der 


140  Kahn 

vogel  und  die  schwedische  oder  deutsche  nachtigal.  Jenes  ge- 
räusch  des  bratenden  fisches  in  der  pfanne  (oi&w),  und  dieser 
singende  kessel  zeigen  dann  auch  ahd.  seng  an,  nhd.  sengen, 
ags.  saengan,  e.  singe  in  klarer  Verbindung  mit  singen,  aber 
die  sinnreiche  vermuthung  J.  Grimm's,  dafs  siggvan  mit  siu- 
jan  zusammenhange  (über  diphthongen  nach  abgef.  cons.  p.  24.)? 
wird  dadurch  zweifelhaft. 


Ich  knüpfe  an  diese  Untersuchungen  noch  einige  nachträgli- 
che Bemerkungen  über  die  neutra  auf  as,  da  herr  Benfey  in  einer 
ausführlichen  recension  des  dritten  und  vierten  heftes  dieser  Zeit- 
schrift (Gott.  gel.  anz.  st.  52 — 58  mehrere  bedenken  gegen  ein- 
zelne meiner  aufstellungen  erhoben  hat. 

Was  hr.  B.  über  die  bildung  des  accusativs  ushäsam  sagt, 
ist  eben  nur  eine  andere  auffassung  des  lautlichen  Vorgangs  und 
eine  bestimmte  entscheidung  für  das  eine  oder  andere  ist  hier  jeden- 
falls schwer;  wenn  aber  hr.  B.  einen  widersprach  darin  findet,  dafs 
ich  ushäsam  aus  ushantam  erkläre  und  doch  eine  erklärung  von  ma- 
häm  als  syncope  für  mahäntam  nicht  wolle  gelten  lassen,  so  habe 
ich  bereits  in  meinem  aufsatze  (p.  275)  die  analogieen  angeführt, 
die  mir  für  die  gröfsere  Wahrscheinlichkeit  meiner  auffassung  zu 
sprechen  scheinen.  Den  kontrahirten  accusativ  ushäm  erklärte  ich 
aber  gerade  nicht  für  eine  unmittelbare  zusammenziehung  aus 
einem  vorauszusetzenden  ushantam,  sondern  aus  dem  wirklich  vor- 
handenen ushäsam,  ushäsam  und  der  bis  jetzt  nicht  nachgewiesene 
ausfall  von  nt  zwischen  zwei  vocalen  hindert  mich  noch  immer 
die  form  mahäm  für  eine  contracüon  aus  mahäntam  anzusehen 
und  die  von  hrn.  B.  angenommene  blofse  möglichkeit  einer  sol- 
chen contraction  kann  mich  vorläufig  nicht  vermögen  von  der 
erklärung  nach  analogie  anderer  contractionen  abzugehen. 

Was  hr.  B.  gegen  meine  auffassung  der  deklination  neutraler 
stamme  auf  as,  neben  denen  ich  für  die  schwachen  casus  stamme 
auf  an  annahm,  vorbringt,  hat  mich  ebensowenig  überzeugt  Hr. 
B.  will,  wie  es  scheint,  nur  die  Überlieferung  der  indischen  gram- 
inatiker  gelten  lassen,  die  doch  anerkanntermafsen  für  die  vedi- 
sche  spräche  nicht  überall  ausreichend  ist.  Wenn  nun  hr.  B. 
sagt,  diese  themen  seien  an  und  für  sich  einer  vollständigen  flexion 
nach  beiden  Seiten  fähig,  so  mag  dies  für  die  declination  einzelner 
Wörter  richtig  sein,  doch  wird  man  für  andere  entschieden  be- 
haupten dürfen,  dafs  sie  in  der  declination  zwischen  beiden  for- 


aber  das  alte  S  o.  einige  damit  verbundene  lauten  twickelaogen.  141 

schwanken;  ich  stutzte  mich  bei  der  annähme  einer  declination 
nach  doppelten  themen  auf  die  erscheinung,  dafs  z.  b.  udhas  in 
den  Veden  vom  stamme  udhas  nur  nom.  acc.  sg.  und  plur.  bil- 
det, dagegen  von  üdhan  die  übrigen  casus  zu  bilden  scheint, 
weil  die  sonst  nur  noch  vorkommenden  locativ  sg.  und  inst.  pl. 
mir  bis  Jetzt  nur  in  der  form  üdhani  üdhabhis  erschienen  sind. 
Bei  dieser  gelegenheit  bemerkt  hr.  B.,  dafs  es  ihm  nicht  recht 
begreiflich  sei,  wie  ich  ahan  als  schwache  form  von  ahas  ausge- 
ben könne,  da  es  fast  eher  umgekehrt  der  fall  sei,  indem  z.  b. 
von  dirghähan  der  acc.  6g.  dirghähäiiam  u.  s.  w.  heifse ;  doch  ge- 
rade dies  beispiel  beweist  doch  wohl  für  meine  annähme,  da  die 
letzten  glieder  der  composita  häufig  für  die  declination  ein  schwä- 
cheres thema  annehmen.  Hr.  B.  mufs  daher  meinen  ausdruck, 
der  von  der  deutschen  declination  hergenommen  allerdings  nicht 
ganz  passend  ist,  mifsverstanden  haben,  indem  damit  nur  das  in 
der  declination  dieser  stamme  auf  as  und  an  allmählig  überwie- 
gende thema  bezeichnet  werden  sollte.  Man  könnte  jene  vielleicht 
passender  die  alte,  diese  die  neue  form  nennen,  da  jene  die  für 
die  flexion  offenbar  im  absterben  begriffene  ist ;  doch  wollen  wir 
uns  bei  diesen,  blofse  namen  betreffenden  differenzen  nicht  wei- 
ter aufhalten,  da  in  der  that  jede  weitere  auseinandersetzung 
darüber  überflüssig  wäre.  Einem  ähnlichen  mifsverständnifs  ent- 
springt eine  andere  bemerkung  hrn.  B's,  wenn  er  nämlich  p.  635 
seiner  anzeige  sagt:  « Bezüglich  der  form  des  neutr.  nom.  voc. 
acc.  sg.  des  ptc.  pf.  act.  bemerke  ich,  dafs  die  form  vat  belegt 
ist,  aber  selbst  wenn  sie  nicht  belegt  wäre,  wäre  dies  kein  fall, 
wo  man  Pänini's  autorität  zu  bezweifeln  hätte.»  Ich  hatte  mich 
ja  gerade  auf  Päninfs  autorität  gestützt  und  hinzugefügt,  wie  ich 
nicht  zweifelte,  dafs  sich  derartige  formen  wirklich  finden  wür- 
den. Hr.  Benfey  hätte  uns  deshalb  mehr  verpflichtet,  wenn  er 
derartige  belegsteilen  wirklich  angeführt  hätte;  ich  kenne  übri- 
gens bis  jetzt  nur  die  eine  form  tatanvat  (R.  4.  6.  11.  3  =  Nir. 
5.  15),  welche  demnach  Pänini's  regel  bestätigt. 

In  betreff  meiner  ansieht,. dafs  das  q  in  den  griechischen  for- 
men auf  oQy  mg  aus  t  in  at  auf  rein  phonetischem  wege  entstan- 
den sei,  entwickelt  hr.  B.  eine  andere,  nach  welcher  die  grundform 
dieser  stamme  auf  arnt  oder  rant  ausgegangen  sein  soll,  und  setzt 
zunächst  diejenigen  gründe  auseinander,  welche  ihm  gegen  meine 
ansieht  zu  sprechen  scheinen.  Wenn  er  dabei  geltend  macht, 
dafs  die  vedischen  laulgesetze  in  vielen  punkten  ab  weichungen 


142  Kahn 

von  denen  des  späteren  sanskrit  zeigen,  so  kann  ich  ihm  darin 
natürlich  nur  beistimmen,  und  wenn  ich  der  annähme  Lassend, 
dafs  die  Wandlung  von  as  in  o  durch  die  mittelstufe  von  ar  hin- 
durchgegangen sei  zustimmte,  so  kann  ieh  natürlich  die  von  hrn. 
B.  angeführten  beispiele  svo  roh&va  f.  svar  rohäva  und  Avo  ar- 
cishä  f.  Avar  arcishA  nur  ganz  in  der  Ordnung  finden;  wenn  hr. 
B.  dagegen  auch  aus  RV.  If.  6.  2.  6  ein  sahasAnas  varena 
nachweisen  will,  so  scheint  dies  auf  einer  falschen  lesart  zu  be- 
ruhen, da  die  zwei  besten  von  mir  benutzten  handsehriften  (cod. 
chamb.  no.  |44.  67.)  das  richtige  sahasano  varena  haben;  da 
herr  B.  diesem  beispiele  jedoch  die  worte:  «und  viele  a.  a." 
hinzufügt,  so  bleibt  abzuwarten,  ob  diese  vielen  anderen  beispiele 
nicht  vielleicht  auf  gleichen  falschen  lesarten  beruhen.  Dafs  übri- 
gens das  r  der  von  mir  besprochenen  sanskritstämme  sich  nicht 
immer  aus  den  allgemeinen  phonetischen  gesetzen  des  sanskrit 
erklären  Ififst,  zeigen  die  beispiele  vanarshad,  aharpati  (vgl.  das 
gebliebene  r  in  svarpati  und  vlrkarya)  von  denen  ich  p.  371  ge- 
sprochen hatte,  und  wenn  sich  hr.  B.  darüber  wundert,  dafs  diese 
stumme  auf  r  im  sanskrit  allein  so  unfruchtbar  geblieben  sein  soll- 
ten, während  sie  in  den  verwandten  sprachen  das  r  auch  in 
den  übrigen  casus  und  seeundairen  ableitungen  bewahren,  so 
wäre  an  und  für  sich  eine  Verwunderung  über  eine  derartige  er- 
scheinung  ebensowenig  am  orte,  als  wenn  es  jemand  wunderbar 
finden  wollte,  dafs  nur  die  deutschen  sprachen  eine  schwache 
declination  in  vollem  mafse  ausgebildet  haben;  andererseits  ist  die 
behauptung  aber  auch  geradezu  unrichtig.  Lobeck  sagt  Parall.  p. 
207.  Quum  autem  magna  pars  horum  nominum  indeclinabilis 
sit,  eorum  vero  quae  declinantur,  pleraque  in  genitivo  pro  rho 
ex  affini  terminatione  ag  suseeperint  litteram  tau  v.  Anecd.  Bekk. 
p.  1174  non  mirandum  est,  compositorum  numerum  esse  exiguum 
etc.  Unter  den  von  ihm  gesammelten  Wörtern  auf  oq  sind,  wenn 
wir  die  einsilbigen  die  nicht  deutlich  dnreh  contraction  aus  boq 
in  rjg  entstanden  sind,  unberücksichtigt  lassen,  die  folgenden  in- 
declinabilia  oder  solche,  bei  denen  casus  aus  dem  stamme  auf  q 
nicht  nachweisbar  sind:  ovoq  nom.  acc.  (bildet  seine  übrigen  casus 
aus  dem  durch  o  erweiterten  stamme  ovsigog  und  ovtiQOv),  re'x- 
ficcQ,  rtHfia>Q9  /jioSfiaQ,  friJzaQ  (ftygoff),  &a>qp<z£,  vttoQ,  'bvoq  (nwog), 
avq>OQ,  pv&OQ,  XvpaQ  (töpa)  mag,  ninaq,  nanaq,  adfioQ,  xrjdaQ 
(xrjdog),  iyftaQ  (ijfiog),  akxaq  nom.  acc.  (das  Efym.  m.  führt  den 
sonst  ungebräuchlichen  genitiv  aXkaQog   an).     Der   flexion  der 


über  das  ahe  S  a.  einige  damit  verbundene  lantentwickelnngen.  143 

stimme  auf  ar  folgen  qpos'og,  erioQ,  ovMOQy  vyeaq,  t*vpaQ>  ottioQ, 
(ansog),  miqoq  (neigog),  ovöctQ,  deleag,  xxiaQ,  altiaQ,  Moq 
(deog),  zldaQ,  ijrtaQy  ijitaQ,  xdqt}aQ,  xvoq,  xatag;  den  stamm  mit 
q  bewahren  dagegen  auch  in  der  flexion  nur  xfjg  (xbolq),  ?<o- 
xoq  (?),  axifciQ,  iaq  (j/(>)  und  ft'xrog,  welches  letztere  aber 
schwerlich  mit  dem  affix  ag  gebildet  ist;  ob  dies  bei  v<ohoq  und 
<rxiW{>  der  fall  sei,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden.  Wenn  daher 
hr.  Benfey  fragt,  wie  es  komme,  dafs  diese  stamme  auf  ar  im  skr. 
so  unfruchtbar  geblieben  seien .  während  in  den  verwandten  spra- 
chen themen  auf  q>  welche  mit  themen  auf  t  und  s  auf  dieselbe 
weise  zusammenhängen,  z.  b.  nioQ,  #a#,  wazar,  über  u.  aa.  das 
r  auch  in  den  übrigen  casus  und  secundären  ableitungen  bewah- 
ren, so  sind  die  letztgenannten  fünf  beispieie,  von  denen  eigentlich 
nur  iaQ  sicher  hierher  gehört,  die  einzigen  des  griech.,  in  denen  der 
stamm  auf  q  flexionskraft  behielt,  während  die  ganze  masse  der 
übrigen  gegen  seine  behauptung  steht,  denn  die  secundären  ab- 
leitungen beweisen  nichts  für  die  flexionskraft  des  q,  da  sie 
gewöhnlich  den  aolritt  eines  neuen  stammvocals  zeigen.  Das  in- 
declinable  moQ  kann  wohl  nur  aus  versehen  von  hm.  B.  mit 
iaq  zusammengestellt  sein.  £s  stehen  demnach  in  hezug  der  de- 
clination  dieser  stamme  das  griechische  und  sanskrit  ziemlich  auf 
derselben  stufe,  wogegen  im  lateinischen  und  deutschen  die 
stamme  mit  r  volle  entfaltung  gewonnen  haben,  ganz  in  überein. 
Stimmung  mit  den  übrigen  erscheinungen  dieser  sprachen,  welche 
ans  das  hervortreten  der  stamme  auf  r  auch  anderweitig  zeigen. 
Dies  führt  mich  denn  zu  dem  anderen  einwände  des  hrn.  B.,  der 
gegen  meine  annähme  eines  Überganges  von  t  (besser  d)  in  v  ge- 
richtet ist.  Da  ich  voraussetzen  konnte,  dafs  der  Übergang  der 
dentalen  in  r  namentlich  für  das  lateinische  und  deutsche  keiner 
Anfechtung  unterliegen  würde,  hatte  ich  denselben  nur  für  das 
sanskrit  in  den  vermittelnden  consonanten  der  cerebralen  klasse 
nachgewiesen ;  dafs  das  sanskrit  allein  diese  zwischen  r  und  d  lie- 
genden laute  auch  durch  besondere  buchstaben  ausgedrückt  hat, 
liegt  in  der  schärfe  seines  schriftsystems,  dafs  aber  nichts  desto 
weniger  dieser  lautwechsel  in  den  italischen  und  deutschen  dia- 
lekten  ebenso  häufig  vorhanden  sei,  zeigt  sowohl  das  umbr.,  des- 
sen aiphabet  den  mittellaut  (rs)  besonders  bezeichnet,  als  auch  das 
latein.  z.  b.  in  den  bekannten  meridies,  arbiter,  wie  in  dem  über- 
gange in  das  in  ältester  zeit  mit  r  fast  ganz  zusammenfallende  1 
(z.  b.  impelimenta  f.  impedimenta,  olfacit  f.  altes  odefacit  hei 


144  Kahn 

Fest.)-  In  niederdeutschen  dialekten  ist  der  Wechsel  zwischen  d 
mit  r  und  1  fast  regel,  so  dafs  wedder,  werrer,  weller  =  hd. 
wieder,  hadde,  harr  (auch  im  göttinger  dialekt  vgl.  Grimm  d. 
myth.  p.  434.  z.  12  v.  u.),  hall  =  hd.  hatte,  drüdde,  drürre= dritte, 
bedde,  berre  =  hd.  bett  und  andere  zahlreiche  beispiele  auftreten ; 
andererseits  zeigen  aber  auch  hochdeutsche  dialekt e  dieselbe  er- 
scheinung  z.  b.  der  fränkische,  aus  dem  ich  einige  beispiele  her- 
ausgreife: Firmenich  germ.  völkerst.  II.  p.  93  —  101.  düre  = 
todte,  rerre=  retten,  freizeirig  frühzeitig,  mer  em  mit  ihm 
Wearrera  Wetterau,  haaelwerrer  hagelwetter,  brouerbra- 
der,  lair  e  liegt  ein,  wairer  weiter,  gir  c  geht  ein,  oarrer 
oder,  gerore  gerathen,  gir  ach  geht  auch,  gir  alls  geht  immer, 
wirrer  wieder,  se  horr'n  ir  leabte  sie  hat  in  ihren  lebtagen, 
laurer  lauter,  reatzerure  grellrothe,  gräre  an  genau,  horr  e 
hatte  ein  u.  s.  w.  Diese  beispiele  werden  genügen,  um  zu  zeigen, 
dafs  der  Übergang  aus  t,  d  in  r  in  den  italischen  und  deutschen 
dialekten  kein  auffälliger  sei  und  dafs  auch  hier  der  Übergang 
durch  jenen  cerebralen  laut  vermittelt  werde  kann  man,  in  den 
niederdeutschen  dialekten  wenigstens,  taglich  hören.  Für  das 
sanskrit  und  griechische,  wo  diese  erscheinung  von  t  =  r  seite- 
uer ist ,  hatte  ich  auf  die  form  avabhari  =  avabhäti  und  von  ari 
=  gr.  oqi,  igi  aufmerksam  gemacht.  Jenes  liefs  sich  nicht  be- 
zweifeln, da  die  zweite  form  in  einer  andern  recension  des  textes 
daneben  steht,  dies  hält  herr  B.  für  mehr  *als  zweifelhaft,  ich 
glaube  aber  kaum,  dafs  arigürta  (R.  2.  5.  4.  3.)  und  aridhä- 
yas  (R.  2. 1.  11.  5.)  anders  erklärt  werden  können.  Wenn  herr 
B.  p.  551  sagt,  dafs  es  ein  irrthum  von  meiner  seite  sei,  wenn 
ich  gesagt  habe :  « Ferner  bilden  in  den  Veden  viele  adjeetiva  mit 
suff.  van  ihr  femininum  auf  vari. »  und  dann  behauptet,  dafs  diese 
bildung  nicht  blofs  vedisch,  sondern  allgemein  sanskritisch  sei, 
und  mich t  viele  adjeetiva  betreffe,  sondern  allgemeine  regel 
sei,  so  genügt  es  wohl  herrn  Benfey's  seitdem  erschiene  sanskrit- 
grammatik  zu  citiren,  um  zu  zeigen,  dafs  solcher  irrthum  einigen 
grund  habe,  denn  §  699.  5*)  heifst  es:  «Die  auf  primäres  van 
no.  1.  2.  3.  hinter  vocalen  oder  harten  consonanten  (§  7.  3)  haben 
im  fem.  vari;  vedisch  bisweilen  auch  hinter  weichen  consonan- 
ten und  nach  der  hauptregel  vani;  in  der  gewöhnlichen 
spräche  dann  gar  kein  fem.  char.;  in  bahuvrihi's  kann  diese  regel 
oder  4,  2.  eintreten  u.  8.  w. " 

Nachdem  herr  Benfey  dann  im  ferneren  verlauf  seiner  an- 


über  das  alte  S  u.  einige  damit  verbundene  lantentwickelnngen.  145 

zeige  noch  mehrere  dankenswerthe  beitrage  zu  einer  vergleichung 
der  stamme  auf  t,  r,  1  beigebracht  hat,  geht  er  zur  begründung 
seiner  eigenen  ansieht  über,  indem  er  dabei  von  den  sanskritthe- 
men  yakrt,  cakrt,  lat.  jeeur,  ynctQ,  gxojq  ausgeht;  der  umstand, 
daf8  diese  noch  ein  r  neben  n  und  t  zeigen,  welches  in  dapaQz 
in  der  ganzen  flexion  auftritt,  veranlafst  ihn  in  allen  diesen  stam- 
men als  ursprüngliches  sufGx  derselben  die  form  arnt  oder  rant 
anzusetzen,  für  welche  er  eine  anderweitige  bestätigung  in  den 
3plur.  einiger  sanskritverba  findet,  die  auf  rate  f.  rante,  rata  f. 
ranta  ausgeben,  indem  er  sich  dabei  auf  die  auch  sonst  hervor- 
tretende analogie  der  3  plur.  mit  dem  partic.  präsentis  stutzt, 
dessen  suflix  ant  ja  auch  das  der  hier  betrachteten  nomina  sei. 
HeiT  Benfey  befindet  sich  auch  hier  im  widersprach  mit  seiner 
sanskritgrammatik,  wo  er  §  813  anm.  4  das  r  dieser  formen  aus 
organischem  s,  das  er  der  wurzel  as  zntheilte,  erklärt  und  auch 
das  ran  in  iran  mit  dem  griechischen  aav  im  optat.  und  plusqpf. 
zusammengestellt  hat.  Spricht  schon  dies  aav  gegen  seine  jetzige 
annähme,  so  wird  die  Schwierigkeit  noch  durch  die  ionisch -epi- 
schen formen  auf  aiai,  aro  vermehrt,  denn  dem  von  ihm  angeführ- 
ten gerate  entspricht  ja  genau  xearai,  xsiarat,  in  welchem  der  aus- 
fall  eines  a  anzunehmen  ist,  ebenso  wie  in  ri&saai,  dtdoaai  u.  s. 
w.  Hier  müssen  wir  also  offenbar  bei  der  alten  annähme  einer 
aus  dem  verbum  as  angetretenen  endung  stehen  bleiben  und  da- 
mit föllt  wenigstens  diese  stutze  der  ansieht  des  herrn  B.  Es 
bleiben  aber  noch  die  allerdings  auffälligen  themen  yakrt,  cakrt 
u.  s.  w.,  die  sich  aber,  so  lange  wir,  wie  bis  jetzt,  ihre  wurzeln 
nicht  kennen,  zur  aufstellung  von  regeln  über  die  bildung  aller 
übrigen  wenig  eignen  und  daher  am  besten  vorläufig  als  ausnah- 
men stehen  bleiben.  Die  erheblichsten  gründe  für  herrn  Benfey's 
ansieht  liefern  noch  1)  die  Verlängerung  des  vocals  in  vücoq,  tdx- 
ft(oQ  die  noch  am  ersten  auf  den  ausfall  eines  schliefsenden  con- 
sonanten  schliefsen  läfst,  obwohl  sie  doch  auch  als  blos  lautliche 
erweiterung  begreiflich  ist  und  2)  das  griechische  dapagr  neben 
cakrt,  yakrt}  allein  ehe  wir  zu  den  etwas  monströsen  formen  da- 
paQvr  gakarnt  yakarnt  unsere  Zuflucht  nehmen,  werden  wir  doch 
lieber  nach  anderen  erklärungen  suchen.  Eine  solche  möchte  we- 
nigstens für  eins  dieser  Wörter,  nämlich  gakrt,  axoiQ  in  der  Wur- 
zel zu  finden  sein.  Wie  hr.  B.  nehme  ich  c,  in  cakrt  für  ursprüng- 
liches s,  das  a  dagegen  für  einen  einschub,  da  sk  eine  im  skr. 
unbeliebte  Verbindung  ist,  wie  in  einem  späteren  aufsatze  gezeigt 
O.    2.  10 


146  Kahn 

werden  soll.  Danach  würde  sakrt,  skrt  =  gxoqt  sein,  das  angel- 
sächsische skeani  sich  davon  nur  durch  die  nebenform  desselben 
suffixes  mit  n  unterscheiden.  Die  wurzel  kr  ausstreuen,  ausgie- 
fsen  hat  nun  im  skr.  in  Zusammensetzungen  mit  mehreren  prfipo- 
sitionen  ein  s  im  anlaute  Pän.  1.  3.  21.  anm.,  6.  1.  142.  Vopad. 
XXIII.  6.  und  Benfey  sanskritgr.  §  241  bem.  5.  Diesen  zeigt  sie 
z.  b.  in  der  Zusammensetzung  mit  apa,  wo  sie  von  hund,  hahn 
und  stier  gebraucht  wird,  die  resp.  um  sich  ein  lager  zu  machen 
(kul&yakarane,  v&seche,  andere  Boehtlingk  u.  Benfey),  um  nahrung 
zu  suchen  und  vor  freude  mit  den  juTsen  scharren;  ebenso  zeigt 
sie  ihn  in  dem  subst.  avaskara  m.  1)  a  privity,  a  part  to  be  con- 
cealed;  2)  ordure,  faeces;  3)  dirt,  4)  sweepings  Ws.;  ferner  nach 
prati  in  der  bedeutung  verletzen  und  nach  upa  in  der  bedeu- 
tung  abschneiden,  skr  ist  daher  hier  zweifellos  die  ursprüngliche 
wurzelform  und  gleich  unserm  ahd.  sceran  scheeren,  einschnei- 
den und  ahd.  sc  er  ran  scharren,  denn  scharren  ist  eben  nur  eine 
besondere  entwickelung  der  bedeutung  schneiden,  nämlich  die  des 
einschneidens  in  den  erdboden.  Davon  leite  ich  denn  c,akrt  für 
sakrt,  0X0)0  und  ags.  scearn,  indem  es  zunächst  den  in  der 
erde  verscharrten  unrath  der  thiere  zu  bezeichnen  scheint,  doch 
möchte  vielleicht  der  begriff  des  vom  körper  ausgeschiedenen, 
sich  trennenden  ebensowohl  denkbar  sein,  wie  erge^o*  und  0j*C<»> 
ahd.  seeidan  und  seizan  nahe  verwandte  wurzeln  sind  und 
exerementum  denselben  begriff  zeigt;  und  damit  wäre  das  r 
wenigstens  in  einem  dieser  schwierigen  Wörter  erklärt,  während 
sich  das  aufgeben  des  0  in  der  declination  von  0x0)0  durch  die 
analogie  von  vdag  erklären  möchte.  Sollte  stercus  wirklich 
durch  Umstellung  aus  scertus  und  antritt  eines  neuen  suffixes 
us  entstanden  sein,  wie  h.  B.  p.  562  annimmt ,  so  würde  es  auf 
dieselbe  wurzel  wie  0x0)0  u.  s.  w.  zurückzuführen  sein. 

Anmerkung.  Oben  ist  p.  134  z.  5  v.  u.  der  druckfehler  ame  sva- 
dham  st  ann  svadham  stehen  geblieben;  dabei  bemerke  ich  1)  dafs  die 
Zusammenstellung  von  ij^oq,  f&oq  mit  ftvadh*  schon  von  Weber  in  den  ind. 
stud.  gemacht  ist;  2)  dafs  doch  dem  Indra  zuweilen  auch  andere  als  blofse 
trankopfer  gebracht  erscheinen,  wie  namentlich  h.  52  des  3.  man4ala  zeigt  An 
einer  anderen  stelle  R.  m.  5.  29.  8.  heifst  es:  »tr?  ya'chatä'  mahishi'nam 
6gho  mtfs  trt  airafisi  maghtfv*  somytfp&h  als  du  das  fleisch  von  drei- 
hundert stieren  verzehrt,  trankst  du  drei  ströme  soma's,  o  Maghavan.«  und 
auf  ähnliches  wird  sich  die  auslegung,  welche  die  scholien  von  anu  svadham 
geben,  gründen;  nichts  desto  weniger  scheint  mir  die  oben  gegebene  erkla- 
rung  dieses  Wortes  aber  festzuhaken. 

A.  Kuhn. 


misceUea.  147 

II.  Hiseellen. 


Einige  seltnere  safflxe. 

1)  Bildungen  auf  nus,  rog,  nas. 
Bekannt  ist,  dafs  sowohl  im  griechischen  als  lateinischen  vor 
dem  neutralen  affixe  us  og  za weilen  ein  n  sich  findet.*)  Einsein 
tritt  sogar  inns,  svog  anf.  Die  hierher  gehörigen  Wörter  sind: 
facinus.  Es  ist  bei  diesem  worte  schwer  zu  entscheiden,  ob 
man  fac-inos  oder  fac-i-nns  abzutheilen  habe.  Ferner.*  fenus, 
welches  mit  recht  auf  die  wurzel  fe  als  das  hervorgebrachte,  ge- 
tragene zurückgeführt  worden  ist  Bei  jecinor-  glaube  ich  nicht, 
dafs  das  skr.  yakrit  d.  i.  yakart  so  maßgebend  sei,  dafs  man  das 
schliefsende  r  als  dem  r  von  art  entsprechend  halten  müsse.  Ich 
theile  es  in  jec-in-or  und  glaube  das  or  aus  us  hervorgegangen, 
so  dafs,  wie  auch  Düntzer  Wortbildung  p.  184  will,  in  jecua-cu- 
lum  die  ältere  gestalt  erhalten  wäre.  Munus  mit  Benfey  g.  wl. 
II,  36.  368  anf  man  zurückzuführen  wird  wegen  der  allbekann- 
ten älteren  form  moenus  nicht  angehn;  ich  theile  es  moe-nus  und 
erkenne  in  mce  die  gesteigerte  form  der  wurzel  ml,  einer  neben- 
form  von  ma.  Pig-nus  von  pango,  vul-nus  von  vello.  Zu 
Tergleiehen  sind  noch  it-in-er,  dessen  er  jedoch  gewifs  nicht  aus 
es  hervorgegangen  ist,  und  penas,  insofern  die  von  Gellias  IV, 
1,  2  angeführte  genitivform  pen -it- er- is  wirklich  vorhanden  war. 
Etwas  gröfser  ist  die  anzahl  der  aus  dem  griechischen  hie- 
her  gehörigen  Wörter.  Zunächst  ayevog  Bei  diesem  worte  kann 
ich  weder  der  von  Benfey  gr.  w.  II,  267  gemachten  Zusammen- 
stellung mit  skr.  dhdna  (divitiae),  noch  weniger  der  von  Butt- 
mann mit  aqt&ovog  beitreten,  acp-erog  scheint  mir  auf  die  wur- 
zel af  zurückzuführen,  die  wir  in  dem  vedischen  abh-v£  (als  adj.: 
grols,  stark,  ab  neulrum :  gröfse,  stärke)  treffen.  Gewils  treffend 
hat  damit,  wenn  ich  nicht  irre,  Schweizer  zuerst  das  goth.  ab-r-s 
(stark),  ags.  ab-al,  altn.  af-1  (stärke)  zusammengestellt.  Diebe- 
griffe stärke,  macht  und  reichthum  laufen  gar  häufig  neben  ein- 
ander. —  ytijvog  ist  schon  längst  mit  Xda>t  mit  skr.  glau  (mond) 
von  Benfey  zusammengestellt,  es  scheint  aus  ylaf-evog  zusam- 
mengezogen. —  ÖTjvea  ist  sicherlich  auf  dafjvcu,  dq&  zurückzu- 


*)  vergl.  Pott  etjm.  forsch.  II,  609. 


10* 


148  Aufrecht 

leiten.  Diese  verben  scheinen  zu  dem  zendischen  das  sciens  zu 
stimmen,  welches  sich  zu  ende  von  kompositen  findet  z.  b.  hudao 
bene  sciens.  Brockkaus  Vend.  Sade  p.  369.  —  ÜQavog  von  dgdoo. 

—  Für  fovog  weifs  ich  keine  befriedigende  ableitung,  eQpog  ist 
von  Pott  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  aus  §QÖ-vog  gedeutet, 
d.  h.  auf  die  wurzel  ardh  (rtdh)  wachsen  zurückgeführt  worden. 

—  fyvog  würde  sich  namentlich  der  ableitungen  willen  genau  an 
die  sanskritwurzel  ih  (gewöhnlich  petere)  anschliefsen,  wenn  sich 
die  bedeutung  ire  (Yäska  Nigh.  2,  14  var.)  belegen  liefse.  Vor- 
läufig ist  es  rSthlicher  das  wort  an  die  wurzel  inkh,  ikh  ire 
anzulehnen,  von  der  freilich  bis  jetzt  nur  die  causalform  in  der 
bedeutung  bewegen,  treiben  bekannt  ist.  Dafs  skr.  kh  durch 
griechisches  %  vertreten  wird,  läfst  sich  mehrfach  nachweisen.  So 
ist  cankha*  =  xoyxWi  nakha  =  owjf-,  mdkha  (mund)  =  [*vx°Gi  kfta 
(höhlung)  =  gd-0£.  —  xrrjvog  von  nta-opai,  Xijvog  aus  Xax-vog, 
vgl.  Xccxnj.  —  cxijvog  wird  von  Pott  etym.  forsch.  I,  243  (Gxtjrq) 
auf  die  skr. -wurzel  chad  =  skad  zurückgeführt;  vgl.  vedisch  cha- 
dis  haus.  —  Zu  opijvog,  GTQtjvog  weifs  ich  nichts  genügendes.  — 
Hingegen  sind  klar  ze'p-evog  von  repvG),  ztQx-vog  (Benfey  wl.  I, 
95)  von  einer  wurzel  tarh,  trah),  die  wir  auch  in  r^tg-,  altn. 
]>rö-a-st  (wachsen,  gedeihen),  ags.  )?rogen  (validus)  an1  reffen. 

Auch  dem  älteren  sanskrit  fehlt  es  nicht  an  gleichen  bildun- 
gen,  obgleich  auch  hier  ihre  anzahl  sehr  beschränkt  ist.  Ich  zähle 
dazu  folgende  Wörter:  äp-nas  werk  oder  reichthum  von  yap 
perficere,  adipisci.  —  ar-nas  wasser,  meer  von  j/ar  ire.  Die 
speciellere  bedeutung  dieser  wurzel  hat  sich  im  deutschen  rin- 
nan  erhalten,  deren  n  höchst  wahrscheinlich  nur  konjugationszu- 
satz  ist  (vgl.  skr.  rinäti  und  rinoti),  so  dafs  scheinbar  das  ags. 
irnan  die  ältere  gestalt  behauptet  hat.  —  6-nas  sünde  scheint 
mir  mit  £h-as  sünde  auf  die  gleiche  wurzel  ih  cupere  zu  füh- 
ren, also  für  ih-nas,  eh-nas  zu  stehn.  —  drav-inas  reichthum, 
habe,  von  dru  currere  bedeutet  eigentlich:  laufendes,  bewegliches, 
«farende  habe.»  —  pär-inas  findet  sich  meist  als  adjektiv  in 
der  bedeutung  reichlich.  Auf  die  wurzel  par  füllen  zurückge- 
führt wurde  das  wort  zuerst  richtig  von  Weber,  ind.  Studien  I, 
66.  —  bhär-nas,  eine  ableitung  von  der  wurzel  bhar  ferre, 
scheint  nur  in  dem  kompositum  sahasrabharnas  vorzukommen. 
Das  wort  findet  sich  Rv.  raand.  IX.  60,  2  ab  attribut  des  soma, 
ebendaselbst  6-1,  25.  26  von  der  stimme  desselben  und  ist  wol  mit 
«tausendfältige  geschenke  bringend»  zu  übertragen.  —  rlk-nas 


mtscellen.  149 

reichthum  von  ric  linquerc  etwa  das  hinterlassene?*)  —  Zu  er- 
wähnen bleiben  noch  zwei  masculina:  dam- Anas  der  bewältiger 
von  w.  dam,  ein  beiwort  des  Agni  und  Savitri,  und  U^-anas  n. 
pr.  von  w.  vac. 

Soll  ich  zuletzt  über  die  natur  unseres  affixes  meine  meinung 
äufsern,  so  glaube  ich,  dafs  darin  eine  verdunkelte  Zusammen- 
setzung zweier  primären  ableitungselemente  vorliegt.  Zwar  in 
dravinas,  parinas,  damünas  darf  i  und  u  nur  als  bindevocal  ge- 
fafst  werden,  das  gleiche  läfst  sich  aber  bei  ucanas  nicht  anneh- 
men und  bei  ayevog,  tifupog  bleibt  man  Ober  das  «  mindestens 
im  zweifel,  da  pv,  q>v  im  griechischen  gewöhnliche  Verbindungen 
sind.  Mir  ist  das  wahrscheinlichste,  dafs  in  dem  n  uns  der  Über- 
rest des  primären  masc.  und  neutra  bildenden  affixes  skr.  an, 
griech.  ov,  lat.  en  vorliege.  Vgl.  skr.  äh-an  dies,  £9 -an  stein, 
ux-an  ochse,  tax- an  Zimmermann,  rex-rair,  af-cor,  ingu-en  (vgl. 
skr.  anj-ipudenda  Yv.  XVII,  97.  XXI II,  21),  pect-en,  ungu-en. 
Curtius  de  nom.  graec.  formatione  p.  49. 

2)  it. 
Die  stärkere  abschwächung  der  participialendung  ant  in  as 
hat  Kuhn  in  dieser  Zeitschrift  1,372  besprochen,  eine  geringere, 
aber  schon  im  sanskrit  nachweisliche  ist  die  in  it.  Sie  findet 
sich  aufser  den  Substantiven  tad-it  blitz,  sar-ft  flufc,  ro-hit, 
harit  rofs  in  zwei  formen,  die  nur  in  den  Veden  vorkommen, 
div-ft  und  bodh-ft.  Das  erstere  findet  sich  in  der  ableitung  di- 
vitmat  glänzend,  hell,  laut.  Jedoch  finde  ich  es  auch  alleinste- 
hend Rv.  X,  76,6: 

bhurdntu  no  yacäsah  sötur  Andhaso  gr&'v&no  vädk'  divitä 

divitmatA 
wo  divitä  divitmatatä  etwa  «mit  strahlendem  glänze*  zu  übertra- 
gen ist.  Bodhit  findet  sich  nur  in  dem  kompositum  bodhinma- 
nas.  Dies  ist  Rv.  V,  75,  5  den  Acvinen,  VIII,  82, 18  Indra  bei- 
gelegt und  bedeutet:  wachen  geist  habend,  wachsam,  aufmerk- 
sam.   Ich  erwähne  noch  die  gleiche  Schwächung  von  at  zu  it  in 


*)  Was  bedeutet  amnas  oder  amnar,  welches  Pin.  VIII,  2,  70  er- 
wähnt und  das  auch  im  gaita  svarädi  vorkommt.  Ich  finde  das  wort 
Albarw.  VIII,  15,  9: 

je  amnar  jätin  märayanti  satiki  anucerate  | 
strlbh&gän  pingo  gandharvan  vlto  'bhram  ivl)atu|| 


150  Aufrecht 

dem  nentr.  des  pari  perf.  cikitvat,  zu  cikitvit,  Rv.  IV,  52, 4  in 
derbedeut.  « aufmerksam»*,  und  in  dem  comp,  cikitvi'nmanas. 
£s  wird  nun  gerathener  sein  die  lateinischen  bildungen  auf  es, 
itis,  die  das  i  durch  alle  kasus  mit  ausnähme  des  nom.  sg.  durch- 
fuhren wie  dives,  divitis;  tudes,  tuditis  (Festus)  den  obigen  bei- 
spielen  anzureihen-  Im  griechischen  wüfste  ich  nur  x*Qni  ^cr 
form  ganz  gleich  jenem  harit,  und  das  etymologisch  noch  dunkle 
fMXn  als  sich  anschliefsend  zu  nennen. 

3)  asAna. 
In  den  Veden  finden  sich  eine  anzahl  adjectiva  mit  der  en- 
dung  asäna,  die  mit  seltener  ausnähme  oxytona  sind.  Ich 
kenne  folgende:  ar^asanä  Rv.  I,  130,  8.  II,  20,6.  VIII,  12,  9. 
X,  99,  7.  schädigend,  verderblich;  vgl.  ärcas  n.  hämorrhoiden  Yv. 
XII,  97.  —  ördhvasanä  emporgerichtet  von  ürdhvä  dass.  Rv. 
X,  99,  7.  —  rinjasäna*  Rv.  I,  58,  3.  96,  3  gepriesen  von  w.  rinj 
schmücken,  rühmen.  —  jarasanä  mensch  Un  11,83  wörtlich: 
alternd,  hinfällig;  vgl.  jaräs  f.  alter.  —  jrayas&nä  Rv.  ^^669  5. 
kräftig,  siegreich;  Tgl.  jrayas  n.  kraft  —  dhiyasänd  weise  Rv. 
V,  33,  2.  X,  32,  l;  vergl.  dhi  f.  verstand;  namas&na,  verehrend 
Av.  VI,  19,6;  vgl.  namas  n.  Verehrung.  —  mandasanä  freudig 
Rv.  I,  10,  11.  100, 14  Av.  XIV,  2,  6  von  w.  mand  gaudere.  — 
yamasana  Rv.  VI,  3,  4  in  einem  verse  an  Agni: 

tigm&m  cid  ema  maiii  v£rpo  asya,  bhasad  £cvo  n£  yama- 
säna äsä'  | 
«scharf  ist  sein  gang,  grofe  seine  gestalt,  wie  ein  gezögeltes  rofs*) 
mit  dem  munde  f rillst  er»,  von  w.  yam  frenare.  —  rabhasänä 
robustus  Rv.  VI,  3,  8;  vgl.  rabhas  adj.  fortis,  rabhäs-vat  kraftvoll. 
—  vfidhasänä  von  w.  vridh  wachsend.  Das  fem.  in  der  be- 
deutung  «pflanze9  (wohl  mit  ergänzung  von  öshadhi)  finde  ich 
Rv.  II,  2,  5:  hiriciprö  vridhasänä'su  jarbhurat  «der  gelbrachige 
(Agni)  frifst  die  wachsenden.»  —  gavas&n*  stark,  mächtig  Rv. 
I,  62,  1.  2.  13.  VIR,  46,  6;  vergl.  cävas  n.  kraft.  —  sahasän* 
mächtig  Un.  11,84;  Tgl.  sahas  n.  macht.  —  Abweichend  im  ac- 
cenle  ist:bhiy£sana  furchtsam  Av.  IV,  2, 3 ;  vgl.  bhiyas  f.  furcht*). 


*)  wahrscheinlich:  in  das  gebifs  beifst 
**)  Hr.  Benfey  nimmt  als  thema  bhiyrfsa  an;  so  lange  indefs  nur 
die  von  keinem  adj.  begleiteten  instr.  bhiyas'«  and  der  acc.  bhiyasam 
belegt  sind,  halte  ich  es  gerathener  mich  an  die  auctoritlt  von  Slyaaa 


miscellen.  151 

Schon  vom  sanskritischen  Standpunkte  aus  wird  man  ober 
die  natur  der  vorgeführten  bildungen  in  zweifei  bleiben.  Von  den 
beigebrachten  14  Wörtern  haben  8  neben  sich  neutra  oder  fem. 
anf  as  und  wer  kann  dafür  stehn,  dafs  uns  Wörter  wie  rinjas, 
mandas,  vridhas  nicht  noch  bekannt  werden.  Dazu  kommt, 
dafs  ürdhvasanä  eine  offenbare  denominativbildung  ist  äna  ist 
freilich  gewöhnlich  nur  pariicipialafüx,  doch  haben  es  die  Veden 
einzeln  auch  sekundär  (vgl.  Benfey  sanskritgr.  p.  98).  Anderer- 
seits liegt  nichts  näher  als  in  asana  das  pari  med.  von  as  (esse), 
also  in  unsern  bildungen  aoristbildungen  zu  erkennen.  Das  wird 
wol  die  richtige  erklärung  sein,  da  in  den  meisten  bildungen  die 
verbale  natur  noch  zu  stark  hervorleuchtet.  Das  zusammentreffen 
mit  formen  auf  as  wird  zufällig  sein,  da  von  jedem  verb  eben- 
sowohl eine  solche,  als  ein  particip  gebildet  werden  kann.  In 
dieser  ansieht  bestärkt  mich  das  griech.  airetjvog,  die  einzige  form, 
welche  man  mit  bestimmlheit  hieher  ziehen  darf  und  die  einem 
skr.  patasänä  entsprechen  würde.  Mit  minderer  Sicherheit  ziehe 
ich  hieher  das  homerische  &\uvrpo$,  das  für  Ap&vtriv6$t  afisve^ö)^- 
vog  steht,  welche  letztere  form  vielleicht  nur  deshalb  nicht  erhal- 
ten ist,  weil  die  anfangenden  drei  kurzen  im  verse  nicht  zu  ver- 
wenden waren.  Von  pivog  darf  dieses  wort  auf  keinen  fall  ab- 
getrennt werden,  doch  ist  wenig  unterschied  zwischen :  nicht  den- 
kend, nicht  lebend  und :  nicht  leben  habend.  —  Hingegen  wollen 
formen  wie  ßke[t£aw<v,  pir«<uVa>>  &afißaiv<a,  xtQdcu?w  im  Zusam- 
menhang mit  den  übrigen  bildungen  auf  aivm  behandelt  sein  nnd 
sind  denominativ.  A. 


casnar,  cascus,  Casioum,  canus,  hUss. 

Varro  ed.  Müller  VII,  28: 
«<ln  carmine  Priami  quod  est: 

Veteres  Casmenas  cascam  rem  volo  profan 

Et  Priamum; 
cascum  significat  vetus;  ejus  origo  Sabina  quae  usque  radices  in 
Oscam  linguani  egit.  Cascum  vetus  esse  significat  Ennius,  quod  ait: 

Quam  prisci  casci  populi  tenuere  Latini. 

zu  halten,  der  das  wort  mit  dem  afßxe  -as  ableitet  —  Herr  Benfey 
fuhrt  in  seiner  sanskritgrammatik  p.  150  ji'yasAna  als  Kv.  ma«rf.  II, 
9,  5  vorkommend  an,  dort  steht  aber  jä'yamlna  geboren. 


152  Aufrecht 

£o  magis  Manilius,  quod  ait: 

Cascum  duxisse  cascam  non  mirabile  est, 
Quoniam  Caron  eas  conficiebat  nuptias,  etc. 
Item  ostendit,  quod  oppidum  vocatur  Ca  sin  am;  hoc  enim  ab  Sa« 
binis  orti  Samnites  tenuerunt,  et  dudc  nostri  etiam  nunc  Casinam 
forum  yctas  appellant.    Item-  significant  in  Atellanis  aliquot  Pap- 
pum  senem,  quod  Osci  casnar  appellant.» 

Dafs  etymologisch  die  drei  von  Yarro  zusammengestellten 
Wörter  zusammenhängen  ist  offenbar,  nur  die  art  der  ableitung  nnd 
die  aufdeckung  der  würz,  bedarf  einiger  worte.  Das  af&x  co,  wel- 
ches in  cas-cus  auftritt,  ist  sonst  primär  sehr  selten.  Damit  gebil- 
det sind  im  lat.  einige  noch  immer  zweifei  lassende  Wörter:  sic- 
cus,  Tgl.  zend.  hush-ka  gegen  skr.  $ush-kä),  buc-ca  (skr.  bhu  j 
edere),  paueus  (vgl.  nav-gog,  aber  goth.  fav-a),  gr.  öijxtjj  &a>-xo?, 
yXav-xog,  skr.  6t -ka,  £ush  kä,  c,lo-k£.  In  betreff  der  bildung  von 
cas-n-ar  kann  ich  mit  Pott  etym.  f.  II,  109,  der  darin  eine  Zu- 
sammensetzung von  casco  -j-  skr.  nri  (=  alter  mann)  erkennen  will, 
nicht  übereinstimmen.  Mir  ist  casnar  eine  ableitung  von  casnus 
d.  i.  canus  mit  dem  aflix  äri,  äli,  vgl.  Caesar,  laquear.  Freilich 
wissen  wir  vom  osk.  nicht,  dafs  es  hinter  r  wie  nach  1  den  ab- 
leitungsvocal  sammt  der  casusendung  im  notn.  abwarf  (die  von 
Mommsen  beigebrachten  beispiele  censtur,  kvaistur,  einbratur  sind 
natürlich  keine),  das  liegt  aber  daran,  dafs  uns  überhaupt  keine 
themen  auf  ro,  ri  vorliegen.  In  betreff  des-umbr.  vgl.  umbr.  spr. 
I,  67.  Beachtenswerth  ist  der  eigenname  Casnasius  (vgl.  Momm- 
sen unterital.  dial.  p.  268),  eine  Casnasia  steht  Orelli  2429.  — 
Ueber  Casinum  vgl.  Mommsen  a.  a.  o.  p.  349.  —  ca-nus  erkläre 
ich  wieCurtiusin  dieser  zeitschr.  1,33  aus  cas-nus,  die  entsteh- 
ung  dieser  form  aus  cad-nus  kann  ich  aber  nicht  zugeben,  da 
der  Übergang  von  d  vor  n  zu  s  nicht  erwiesen  ist.  —  Ich  führe 
alle  vier  lat.  Wörter  auf  die  w.  kas  zurück,  die  in  der  bedeutung 
«glänzen»  bekannt  frühzeitig  die  modificirle  von  «weifs  oder  grau 
sein»  erhalten  haben  mufs,  so  dafs  «alt»  erst  aus  der  bedeutung 
« weifs,  grau»  nach  meiner  meinung  sich  entwickelt  hat.  Eine  be- 
stätigung  dieser  ansieht  finde  ich  in  einem  deutschen  worte.  Das 
altn.  höss,  ein  seltnes  wort,  mit  dem  wahrsch.  auch  der  eigenname 
Hösvir  Edda  63*  zusammenhängt,  hat  zum  thema  has-va  (das 
schliefsende  a  ist  für  das  altn.  richtig,  goth.  könnte  das  wort  eben- 
sowohl hasv-s  als  hasvu-s  gelautet  haben)  und  bedeutet  «grau.»  ülfr 
inn  hösvi  heifst  im  Eiriksmal  der  Fenriswolf.   Das  genau  entspre- 


miscellen.  153 

chende  ags.  haso,  d.  i.  has  v,  gen.  hasves  vereinigt  die  bedeutangen: 
schön  (d.  i.  glänzend)  und  dunkel  (grau?).  Im  cod.  exon.  er- 
scheint das  wort  mehrfach:  206,  4  heilst  der  phönix  se  hasva 
fag  el  (Thorpe  «the  variegated  fowl»),  208, 10  derselbe  hasvigfettra 
(«variegated  of  feathers»,  hasvig  ist  eine  weitere  ableitang),  381,  6 
recas  stigaft  hasve  ofer  hröfum  (the  smoke  mounts  dusky  o'er  the 
roofs>0t  392,  23  hrägel  is  min  hasofäg  («my  garment  is  party-co- 
lour'd»),  394,26  hasve  blede  («variegated  leaves,»  flores?),  406, 
21  j^pe  hasvan  earn  («the  dusky  eagle»)-  Andere  stellen  bei 
Et! muller  ags.  wörterb.  p.  459.  Ich  bemerke  nur  noch,  dafs  das 
ahd.  adject.  has  an  Graff  IV,  1047  einmal  auch  mit  «venustus" 
glossirt  wird.  Auch  unser  hase  wird  besser  als  «der  graue"  ge- 
fafst,  denn  mit  skr.  $ac,a  zusammengestellt,  das  seiner  form  nach 
nur  «den  Springer»  bezeichnen  zu  können  scheint.  A. 


Vermischtes, 
i. 

vitare,  invitus. 

Fleckeisen  bespricht  in  seinen  »beitragen  zur  lateinischen 
grammatik  im  rhein.  mns.  jabrg.  VIII.  s.  221  ff.  eine  reihe  latei- 
nischer Wörter,  in  welchen  sämmtlich  eine  zusammenziehung  mit 
ausstofeung  eines  consonanten  statt  gefunden  hat.  Wie  es  dort 
sehr  wahrscheinlich  gemacht  wird,  dafs  con-vi-tiu-m  aus  con- 
vic-i-tu-m,  in-vi-ta-re  aus  in-vic-i-ta  re  (skr.  vac,  gr.  j:m*) 
entstanden  ist,  so  möchte  noch  in  zwei  andern  fällen  langes  i 
aus  ici  zusammengezogen  sein. 

Deutlich  liegt  das  in  vitare  zu  tage,  das  wir  unbedenklich 
als  frequentativ  der  w.  vic,  also  =  vic-i-tare  ansetzen  dörfen. 
Die  w.  vic  aber  ist  natürlich  dieselbe,  welche  dem  gr.  «xoj  zum 
gründe  liegt ;  denn  das  digamma  von  eixrn  ist  durch  das  von  He- 
sychius  angeführte  yi^ai  %cqqti6(u  (Ahr.  dial.  äol.  p,  171)  und 
durch  deutliche  spuren  beim  Homer  (Hoffman»  quaest.  Hom.  §  116) 


*)  Bei  gelegenbeit  des  skr.  vac  mag  hier  bemerkt  werden,  dafs 
die  von  hm.  Ebel  s.  46  dieses  Jahrgangs  der  zeitschr.  f.  sprachf.  auf- 
gestellte erklSrung  von  ftinov  =s  ^t^mov  =  a-yöc-am  schon  von 
Sonne  in  seinen  epilogomena  zu*  Benfey's  wurzellexikon  (Wismar  1847) 
s.  39  und  von  mir  in  der  berl.  zeitschr.  f.  gymnasial wesen  1848.  s.  218 
anerkannt  ist. 


154  Curtius 

sicher  gestellt.  Auch  von  Seiten  der  bedeutung  läfstsich  gewifs 
kein  einwand  erheben,  denn  meiden,  vermeiden  ist  ja  in  der  that 
ein  wiederholtes  und  ängstliches  ausweichen.  Wir  dürfen  nun 
ferner  mit  dieser  w.  vic  auch  altn.  vikja,  ahd.  wichu  (Grimm  d. 
gr.  H,  161)  und  mit  Bopp  (gloss.)  skr.  vic  (separare)  verbinden, 
obwohl  die  bedeutung  des  letzteren  etwas  abweicht,  während 
das  verhältniiB  des  lat.  vici-s  mit  seinen  nahen  verwandten  ahd. 
weh-sal  und  goth.  vikd  (series)  zu  dieser  wurzel  noch  manchen 
zweifeln  unterliegt.  —  Uebrigens  sagt  schon  Döderlein  (l^syn. 
und  etym.  bd.  VI.  s.  407)  in  seiner  weise  «vitare  frequentativ  von 
ausweichen  M,  macht  aber  die  vergleichung  dadurch  wieder  zwei- 
felhaft, dafs  er  eine  andere  vermuthung,  welche  er  ebenfalls  für 
zulassig  hält  (videre),  hinzufügt. 

in -vi  tu- 8  ist  man  auf  den  ersten  blick  geneigt  aus  w.  vel 
(volo,  velle)  abzuleiten,  also  als  in-vil-tu-s  zu  deuten,  was  Dö- 
derlein a.  a.  o.  s.  178  nebst  anderen  vermuthungen  vorbringt.  Für 
die  entstehung  des  i  aus  il  liegt  die  analogie  von  vi-s  aus  vil-s 
nahe.  Allein  formen  wie  eultus,  adultus,  sepultus,  pulsus  (vgl. 
Alb.  Dietrich  Commentat.  gramm.  duae  p.  47)  würden  von  w. 
vel  vielmehr  in-vul-tus  oder  des  v  wegen  in-vol-tu-s  erwarten 
lassen.  Es  dürfte  daher  sich  mehr  empfehlen  in -vi -tu -8  auf  in- 
vic-i-tu-s  zurückzuführen  das  heilst,  das  wort  von  jener  wurzel 
abzuleiten,  die  im  gleichbedeutenden  d-e'x-cop  d.  i.  d-/«x-wi', 
oax^-rt  d.  i.  a-jrfix-jyrt  und  im  skr.  vac,  wollen,  steckt.  Die 
entstehung  des  i  wäre  dann  der  in  in-vi-tare  ganz  gleich,  wo 
ebenfalls  ein  aus  a  geschwächtes  i  in  folge  der  zusammenziehung 
zu  i  ward. 

2. 
Jod  zwischen  vocalen  im  griechischen. 
Herr  Benfey  zieht  in  den  gdttinger  gel.  anz.  1851  s.  1407  fl., 
die  von  mir  im  ersten  bände  dieser  Zeitschrift  s.  25  ff.  aufgestellte 
deutung  des  sogen,  ersten  passivaorists  in  erwägung.  Der  Vor- 
schlag, öy-r  in  &e-t]-v  in  der  art  zu  zerlegen,  da£s  &s  die  be- 
kannte w.  =  skr.  dhä,  r^-v  aber  =  skr.  yä-m  sei,  scheint  ihm 
deshalb  nicht  annehmbar,  weil  «yy-?  =  skr,  yä-m  die  organi- 
sche form»  sei,  das  y  falle  zwar  «im  griechischen  mit  leichtigkeit 
hinter  consonanten  spurlos  aus,  allein  zwischen  zwei  vocalen 
würde  es  sich  nach  der  allgemeinen  analogie  in  i  umgewandelt 
haben.»    Eine  anzahl  unzweifelhafter  falle  beweist  aber  das  ge- 


raiacellen.  155 

gentheil,  nämlich  dafs  ursprüngliches  y  gerade  zwischen  vocalen 
im  griech.  sehr  oft  ausfiel.  Die  verba  auf  aw,  sa>,  ooj  wird  doch 
auch  hr.  B.  wohl  mit  den  sanskritischen  auf  ayami,  die  stofiad- 
jectiva  auf  eo-g  (hom.  bisweilen  eio-g)  mit  den  sanskritischen  auf 
eya-s,  die  genitive  auf  ov  durch  ©o  und  hom.  oio  mit  den  sanskri- 
tischen auf  asya  vergleichen.  Das  sufßx  peo-g  führt  er  selbst 
(wurzelt.  II,  32)  auf  skr.  maya-s  zurück,  wird  also  auch  mit 
Anfr.  (8.  79  dieses  Jahrganges)  dasselbe  in  drÖQOfuog  anerkennen. 
Die  form  dei  kaon  auch  h.  B.  nicht  umhin  durch  aiei  dem  skr. 
äyus  näher  zu  bringen  (ebenda  1,8.);  freilich  erklärt  hr.  B.  die 
ionische  form  aiei  für  «die  gewöhnliche",  woraus  —  etwa  die 
ungewöhnliche?  —  dei  entstanden  sei  und  nimmt  für  diesen  Über- 
gang eine  besondere  veranlassung  an.  «Aus  der  dor.  form  diig  ent- 
steht dig,  aus  der  gewöhnlichen  dei  durch  ausstofsung  des  t;  in 
beiden  fallen  um  den  zu  ähnlich  klingenden  ton  der  beiden  Sil- 
ben aufzuheben.»  Es  gehört  nun  aber  ein  ganz  besonderes  ohr 
dazu,  um  den  diphthong  cu  zugleich  einem  s  und  dem  diphthong 
ei  zu  «ähnlich  klingend»  zu  finden.  Die  Griechen  scheuten  sich 
nicht  im  mindsten,  die  diphthonge  cu  und  et,  welche  nur  moder- 
ner mifsbrauch  gleich  spricht,  neben  einander  zu  stellen.  Nicht 
blofs  ist  aiei  die  ionische  und  überhaupt  poetische  form  —  und 
warum  sollten  wir  denn  gerade  den  dichtem  weniger  sinn  für 
wohllaut  zusprechen?  —  sondern  formen  wie  xaiei,  xlaiet,  raiei, 
nakaiet,  maust  finden  keinen  anstofs,  so  wenig  wie  der  bakchi- 
sehe  ruf  evoi,  ja  nicht  einmal  otoi,  toloi,  rtoioi,  nanoloi,  Hxaieu, 
veqaiai,  veixeiuv.  Wenn  die  Attiker  an  die  stelle  von  aiei,  xaim, 
xXaim  —  dei,  xdeo,  xkdea  setzen,  so  geschah  das  nicht  aus  eupho- 
nischen gründen,  sondern  aus  eben  jener  weit  verbreiteten  nei- 
gung  t  zwischen  vocalen  zu  unterdrücken,  wonach  schon  beim 
Homer  neben  xeiatai  xiwtai  und  neben  nketov  nXeov  sieb  ein- 
stellt, um  hier  auf  entlegnere  dialekte  z.  b.  äol.  Xa%6i}v  ==  hv/pitj^ 
(Ahr.  de  dial.  äol.  p.  100 ff.)  gar  nicht  einzugehen.  Diese  bei- 
spiele,  welche  sich  ohne  weiteres  suchen  gleich  auf  den  ersten 
griff  darboten,  werden  die  von  mir  aufgestellte  erklärung  von 
lautlicher  seite  als  hinlänglich  gerechtfertigt  und  hrn.  B.'s  ein- 
wand als  völlig  unbegründet  erscheinen  lassen. 

3. 
nfiysGipaXXog. 
S.  461  des  ersten  Jahrganges  dieser  Zeitschrift  weist  Kuhn 


156  Cartiae 

sehr  schön  den  Ursprung  des  Wortes  nqya<so-g  aus  päjasa-s 
nach.  Ein  griechisches  wort,  das  noch  mehr  ab  das  adjectiv 
nr\yoq  mit  skr.  p&jas  (kraft)  verglichen  werden  kann,  hat  sich  in 
nriyBül-fioXko-g  erhalten.  Gewöhnlich  wird  dies  homerische  com- 
positum zu  Wörtern  wie  ihwai-nmXogy  TO{ie<ji-xQme>  dXyeai-ßoia 
gestellt;  allein  dazu  pafst  die  bedeutung  schlecht.  In  jenen  Zu- 
sammensetzungen hat  der  erste  bestandtheil  verbale  kraft,  nicht 
so  in  mjyeöCfiodlog  dickflie&ig.  Richtiger  fuhrt  daher  schon  Damm 
in  seinem  lexicon  homericum  das  wort  auf  ein  freilich' von  ihm 
erdachtes  ro  ni\yog  zurück,  das  eben  jenem  päjas  entsprechen 
würde.  So  betrachtet  vergleicht  sich  7TrjyeatficüJ.og  mit  bildungen 
seltnerer  art  wie  drd-eG-i-xQMSy  (taxeo-l'XQarog  (Hesych.,  wie 
Lob.  Paralipp.  p.  19  vermuthet  aus  Aeschylus),  fiaxea-i-dQOfiog, 
noEG -  i-iQoyog  (kräuternährend),  nosa-i-xQOog,  bei  denen  stamme 
auf  g  entweder  zu  tage  liegen  oder  vorausgesetzt  werden  müssen. 
Dafs  bei  diesen  Wörtern  mit  der  annähme  eines  dativ  plur.  nicht 
auszukommen  ist,  hat  schon  Lobeck  (Phryn.  p.  687.  Prol.  Pathol. 
p.  144)  von  seinem  Standpunkte  aus  gezeigt  Wir  werden  in  die- 
sen Wörtern  t  als  bindevocal  zu  betrachten  haben,  wie  denn  in 
mehreren  Zusammensetzungen  vom  stamme  wxr  (wxr-i-  /uog-qpog, 
wxz-i-nolog),  in  den  weniger  deutlichen  m>x-  t-pijdtjg,  dgy-i- 
novg>  aQy-i'XSQiwvog  i  die  stelle  des  gewöhnlichen  o  übernimmt, 
hat  man  sich  einmal  überzeugt,  dafs  diese  und  ähnliche  formen 
nicht  dative  enthalten,  so  wird  man  auch  manchen  andern  lieber 
ein  bindendes  als  ein  flexi visches  t  zusprechen  z.  b.  dovQixXvTOg, 
XSQiOQäv  (rsxrovcop  Pind.  Pyth.  V,  53),  iyxeG-i-fAMQog.  Wiesich 
in  dem  letzteren  und  den  vorhin  angeführten  Zusammensetzungen 
mit  stammen  auf  g  das  stammhafte  sigma  unversehrt  erhalten  hat, 
so  schwand  es  anderswo  zwischen  zwei  vocalen,  wodurch  dann 
der  diphthong  ei  entstand:  iyxeiMQcwpog,  iyx^OQyog,  OQBißdttjg, 
oQBiyevqg,  OQEivopog,  OQuneXoQyog.  G.  Curtius. 


Germani. 

Wir  gehen  nicht  darauf  aus  etwas  neues  zu  finden,  wir  wol- 
len nur  musterung  halten  über  einige  und  die  wichtigsten  mei- 
nungen ,  welche  in  älterer  und  neuester-  zeit  über  diesen  namen 
und  seinen  sinn  laut  geworden.  Unter  ihnen  ist  besonders  eine 
näherer  prüfung  und  Widerlegung  werth,  da  sie  von  hervorragen- 
den Vertretern  der  Wissenschaft  aufgestellt  noch  jetzt  von  man- 


miscellen.  157 

cheo  aiwehiflicheD  deutschen  rechtslehrern  angenommen  wird;  an- 
dere fordern  zur  Untersuchung  auf,  weil  sie  noch  in  den  neusten 
erläuterungsschriften  ober  des  Tacitus  Germania  und  in  geschichts- 
werken  sich  wiederholen.  Das  resultat  unserer  Sichtung  wird  am 
ende  dasselbe  sein,  welches  durch  J.  Grimm  und  Leo  begrün- 
det worden. 

Der  name  Germani  kommt  zuerst,  wenn  auch  nicht  ganz 
sicher  und  unbezweifelt  in  den  fasti  triumphales  capitolini  vom 
jähre  DXXXI  U.  C.  vor  (bei  Baiter  s.  CLVI);  Plinius  3,  4.  über- 
liefert von  den  Oretani  in  Hispania,  dafs  sie  Germani  zubenannt 
wurden;  am  wichtigsten  sind'aber  die  stellen  Cäsars  d.  b.  g.  2,  4. 
und  6 ,  32. ,  welche  zusammenzuhalten  sind  mit  denjenigen  des 
Tacitus,  in  welcher  der  Ursprung  und  die  weitere  Verbreitung  des 
namens  bezeichnet  werden.  Trotz  nicht  unbedeutender  geschicht- 
licher hindernisse  suchte  man,  durch  verkehrten  Patriotismus  ver- 
leitet, das  wort  Germani  aus  deutschen  Sprachelementen  zu  deu- 
ten. Die  meisten,  welche  dieses  ziel  verfolgen,  nehmen  an,  -mi- 
nus sei  unser  mann;  und  unmittelbar  an  den  göttlichen  Mannus, 
den  söhn  des  erdgeborenen  Tuisco,  hält  diesen  zweiten  theil 
Middendorf  im  koesf eider  programm  von  1848.  Dagegen  ward 
z.  b.  von  Ritter  der  einwurf  vorgebracht,  es  müfste  dann  Ger- 
mani heifsen,  ein  einwurf,  der  kaum  viel  zu  sagen  hätte;  denn 
die  form  mit  doppeltem  n  ist  nicht  nur  etwa  eine  gothische, 
sondern,  wie  sich  aus  Mannus  schliefsen  läfst,  auch  eine  vor- 
taciteische,  und  so  unecht  die  Verdoppelung  sein  mag*),  sie 
mufs  doch  schon  sehr  früh  angehoben  haben.  Es  dürfte  demnach 
-roänus  für  mannus  stehen  und  der  doppelte  consonant  durch  die 
länge  des  vocales  ersetzt  sein,  ja  es  ist  auch  erlaubt  anzunehmen, 
dafs  die  Römer  ihrer  spräche  zu  liebe  -mänus  statt  mannus  sag- 
ten, zumal  da  sie  den  namen  sogar  lateinisch  zu  deuten  versuch- 
ten. Wichtiger  ist,  wie  man  nun  den  ersten  theil  aufheilte.  Ein- 
mal stellte  man  ihn  zu  dem  ahd.  ger,  so  noch  der  wenigstens 
des  angelsächsischen  nicht  ganz  unkundige  Greverus  im  olden- 
burger programme  von  1850.  «Was  den  namen  Germania  betrifft, 
so  stammt  er  in  seiner  ersten  silbe,  wie  auch  allgemein  angenom- 
men ist,  von  dem  ahd.  worte  ger,  ags.  gär,  d.  i.  Speer,  als  einer 
charakteristisch  deutschen  waffe. Demnach  bedeutete  also 

*)  Vgl.  J.  Grimm  gesch .  d.  d.  spr.  s.  853.  Nur  scheint  uns  da 
der  einfache  laut  in  sune  noch  nicht  ausgemacht,  welches  wort  seiner 
etymologie  nach  höchst  wahrscheinlich  einen  zweiconsonantischen  In- 
laut hatte. 


158  Schweizer 

der  name  Germ  an  8.  v.  a.  speermann,  kriegsmann  a.  s.  f.»  Diese 
erklärung  ist  sprachlieh  unmöglich;  denn  1)  dürfte  kaum  in  so 
alter  Zusammensetzung  der  bindevocal,  oder  sagen  wir  lieber  der 
themavocal,  des  ersten  wortes  fehlen,  2)  ist  die  alte  form  des 
wortes  nicht  ger,  sondern  gais,  und  es  mfifste  erst  bewiesen  wer- 
den, dafs  ein  deutscher  dialekt  schon  in  dieser  zeit  solches  s  in  r 
vergröberte  Wie  lange  sich  aber  in  Zusammensetzungen  zu  eigen- 
namen  gerade  in  gais  das  ursprungliche  s  erhalten,  das  lehrt  den- 
jenigen, der  lernen  will,  Wackernagel  im  ersten  hefte  des 
schweizerischen  museums  für  histor.  Wissenschaften,  s.  103 ff. 
Speermannen  hiefsen  demnach  Gaisamanni  oder  Gajsomani. 
Nach  andern,  z.  b.  Gutmann  in  seiner  lesenswerthen  Übersetzung 
des  Tacitus  ist  ger  =  franz.  guerre.  Dieses  ist  entstanden  aus  alt- 
deutschem werra  (Graff  I,  945).  Wollen  wir  nun  auch  anneh- 
men, dafs  sich  nach  analogie  keltischer  mundarten  aus  w  ein  gw 
entwickeln  konnte,  so  wäre  doch  kaum  der  inlaut  so  sehr  ge- 
schwunden, dafs  er  auch  keine  spur  seines  einflusses  zurückge- 
lassen, etwa  e  in  u  oder  o  umgewandelt  hätte.  Dann  fehlte  auch 
hier  der  themavocal  des  ersten  gliedes,  und  überdies  scheint  rr 
des  wortes  werr  aus  rs  entstanden  zu  sein.  Gleiche  gründe  ma- 
chen eine  ableitung  der  silben  ger  von  wari,  weri  =  wehre  un- 
möglich, aufserdem  dafs  bei  dieser  erklärung  auch  der  umlaut 
nicht  in  anschlag  gebracht  wäre.  Schon  Goldast  und  einer  der 
berühmtesten  rechtsieh rer  unserer  tage  wollten  in  den  Germanen 
heermannen  sehen,  d.h.  freie,  heerfähige  männer,  welche  spä- 
ter he  er  mannen,  langob.  arimannen,  hiefsen.  Das  anlautende 
g  sollte  dann  durch  ein  dickes  fränkisches  ch  hindurch  entstan- 
den sein.  Aber  damit  ist  nur  ein  sehr  geringes  sprachliches  be- 
denken gehoben,  während  die  wesentlichen  unberührt  bleiben. 
Heer  heifst  im  gothischen  harjis  (thema  harja),  und  bei  der  an- 
genommenen deutung  ist  man  gezwungen,  einen  für  jene  zeit  un- 
erhörten umlaut  zu  setzen  und  nicht  nur  den  themavocal,  son- 
dern die  ganze  ableitungssilbe  des  ersten  wortes  schwinden  zu 
lassen,  etwas  nicht  minder  unerhörtes.  Zu  gutem. glücke  sind 
uns  noch  eine  reihe  von  eigennamen  erhalten,  die  uns  auf  die 
rechte  fährte  leiten.  Vgl.  Wackerna  gel  a.  a.  o.  s.  100 ff.  Heer- 
mann konnte  zu  Tacitus  zeit  nur  Hariomannus  oder  Ariomannua 
lauten.  Aber  überhaupt  ist  eine  Zusammensetzung  in  diesem  na- 
men  nicht  recht  wahrscheinlich;  Grimm,  deutsche  gramm.  3.  auü. 
s.  11:  «nur  kein  zusammengesetztes  Her -man,  Ari-man  darf  man 
sich  einbilden.»    Wichtiger  ist  eine  frühere  deutung  von  Jac 


miscellen.  159 

Grimm  1.  1.  «Unfern  von  Germanus  zu  liegen  schiene  unser 
alterthfimliches  Irman,  Ermao,  Herrn  an,  ags.  Eormen,  Geor- 
men,  das  in  frohen  Sprachdenkmalen  noch  eine  gewisse  allge- 
meine und  heilige  bedeutung  verräth,  und  gar  nicht  mehr  für 
sich,  blofs  in  der  compositum  als  überbleibsei  der  vorzeit  dasteht. 
Auffallend  gemahnen  irmingot,  irminman,  irmindiot,  irminsöl,  zu- 
mal in  den  eigennamen  Irmanrih,  Irmanperaht  u.  a.  m.  an  die 
ähnlichen  diotgot,  Diotrih,  Diotperaht;  das  präfix  irman  verstärkt 
wie  diot.»  Nach  J.  Grimm 's,  Müllenhoff's  u.  a.  forschungen 
steht  es  nun  so  ziemlich  fest,  dafs  Irman,  goth.  Airman,  Erman 
ein  persönliches  göttliches  wesen  bezeichnete,  wenigstens  beiname 
von  göttera  oder  eines  gottes  war.*)  So  worden  wir  freilich, 
wären  Germani  etwa  Verehrer  oder  angehörige  des  Irmin,  statt 
dieser  form  eher  Germinones  erwarten,  mit  derselben  schwachen 
declination,  die  uns  in  Herminones  deutlich  genug  entgegen  tritt, 
oder  Germanisci  wie  Cherusci  od.  ä.  Dafs  aber  schwache  form 
oder  deutliche  ableitung  dabei  nicht  unumgänglich  noth wendig, 
das  lehren  uns  die  volksnamen  Marsi  und  Chatti  (Grimm  gesch. 
d.  d.  spr.  s  577  ff).  Aber  bedenken  macht  das  anlautende  g,  die 
daneben  stehenden  Herminonen,  und  besonders  der  Umstand,  dafs 
«die  benennung  Germani  nimmer  unter  das  volk  gedrangen.» 
Götzinger  und  nach  ihm  Wackernagel  in  seinem  wörter- 
buebe  s.  CCC1X  leiten  Germanus  ebenfalls  von  Irmin  und  erklä- 
ren g  aus  einer  uralten  Zusammensetzung  mit  der  präposition  ga, 
so  dafs  g'ermanos  ein  Volksgenosse  wäre.  Gegen  diese  er- 
klärung  gelten  dieselben  gründe,  wie  gegen  die  J.  Grimms,  und 
überdies  ist  völlig  unbewiesen,  dafs  irmin  je  «volk»  bedeutet 
habe.  Wie  wenig  das  aus  den  Zusammensetzungen  mit  irmin  zu 
erschliefsen  sei,  zeigen  uns  die  mannigfachen  compositionen  mit 
ags.  tir,  nordisch  ty.  Grimm  mythol.  177.  Was  über  die  deu- 
tung  von  Germanus  aus  dem  lateinischen,  die  auch  keinen  genü- 
genden aufschlufs  bieten,  zu  sagen  ist,  das  hat  Grimm  in  seiner 
gramm.  3.  aufl.  s.  10.  trefflich  zusammengestellt  —  Alles  drängte 
zu  einer  herleitung  aus  dem  keltischen  hin,  aufser  sprachlichen 
gründen  auch  die  Germani  in  Hispanien  und  die  bekannte  stelle 
des  Cäsar  und  des  Tacitus,  welche  letztere  hier  in  möglichster 
kürze   auszulegen    ist.     Die  hauptschwierigkeit  in    dieser   stelle 


*)  Das  wort  scheint  gebildet  mit  man,  wie  akman,  hliuman,  blo- 
man  usf.  aus  der  wurzel  ar,  skr.  r  «gehen».  An  eine  zusammen  lie- 
hung  aus  indischem  Aryaman  su  denken,  erlauben  wir  uns  noch  nicht. 


160  Schweizer. 

(Germania  c.  II.)  verursachen  die  worte  ut  omnes  primum  a  Victore 
ob  metum  etc.  Ob  metum  kann  nacb  lateinischem  sprachgebrauche 
nichts  anderes  bedeuten  als  «aus  veranlassung  der  furcht;»  oder 
«durch  die  furcht  veranlafst,»  «aus  furcht;»  nur  in  bestimmten 
formein,  wie  ob  rem,  nimmt  ob  eine  bedeutung  an,  welche  auch 
durch  ad  wiedergegeben  werden  durfte.  Die  stelle,  welche  Do- 
der  lein  beibringt,  um  wahrscheinlich  zu  machen,  dafs  ob  metum 
gleich  ob  metum  incutiendum  sei,  hat  Hand  Tursellinus  IV,  360 
feiner  gedeutet;  sie  bewiese  aber  schon  wegen  des  beigesetzten 
moderandas  nicht,  was  sie  beweisen  soll.  Darf  dieses  als  festste- 
hend angenommen  werden ,  so  kommen  nun  einzig  noch  die  w.  w. 
a  victore  in  frage.  Sie  können  heifsen:  «von  dem  sieger»  oder 
«nach  dem  sieger.»  Die  letztere  auffassung  ist  die  von  Hand 
Türe.  IV,  360:  Primum  Galli  vocabant  omnes  eilra  Rhenum  ha- 
bitantes  nationes  Germanorum,  qui  se  vicerant,  nomine,  postea 
hae  naliones  sibi  nomen  virtutis  ipsi  arrogabant.  Und  kaum  wurde 
gegen  diese  erklärung  Widerspruch  erhoben  worden  sein,  wenn 
nicht  unmittelbar  non  a  se  ipsis  invento  nomine  folgte.  Um  ab 
nicht  in  so  grofser  nähe  und  in  anscheinender  beziehung  des  einen 
auf  das  andere  verschieden  auslegen  zu, müssen,  zog  man  es  in 
neuerer  zeit  vor  auch  a  victore  «von  dem  sieger»,  so  dafs  er  die 
handelnde  person  wäre,  zu  deuten.  So  Orelli,  D  öd  er  lein  u. 
a.  Damit  gerieth  aber  Orelli,  der  ob  metum  nicht  als  ad  me- 
tum incutiendum  fassen  will,  in  einen  sonderbaren  Widerspruch; 
denn  sein  nomen  metum  ineutiens  sagt  doch  wieder  nichts  ande- 
res als  eben  ad  metum  incutiendum.  Es  ist  also  entweder  die 
deutung  Hand's  anzunehmen  oder  die  stelle  ist  zu  ändern,  und 
zwar  in  der  weise,  wie  Grimm  wollte,  dafs  statt  a  victore  a  victo 

§elesen  wird.  Erkläre  man  aber  so  oder  so,  in  beiden  fällen  ist 
ie  entstehung  des  namens,  in  welchem  an  und  für  sich  et- 
was schreckhaftes  gelegen  haben  mufs,  aus  dem  keltischen 
wahrscheinlicher.  Grimm  und  Leo,  denen  auch  Hö Ische r  bei- 
stimmte, gaben  ihm  die  bedeutung  schrei  er,  und  bringen  das 
wort  geschickt  nnd  ungezwungen  in  Zusammenhang  mit  Wörtern, 
welche  heute  noch  in  den  keltischen  zungen  fortleben.  Die  ww. 
gairm,  garm  werden  unter  die  sanskritwurzel  gr  einzureihen  sein, 
unter  welcher  Bopp  in  seinem  glossare  gairim  clamo  beigebracht 
hat.  Einer  anderen  sinnreichen  deutung  des  namens  Germani  aas 
dem  keltischen,  die  in  Schmidts  Zeitschrift  für  geschiente  zu  le- 
sen ist,  will  ich  nicht  weiter  gedenken.  Sie  hat  denselben  werth, 
wie  die  deutungen  des  sonst  sehr  verdienten  herrn  schulrath  Gro- 
tefend,  der  in  Idistavisus  campus  eine  eidgenössische  ebene, 
in  Istaevones,  idstaeven,  eidstaeven  «eidgenossen»  findet  u.  s.  f. 
Auch  Zeufs,  die  Deutschen,  s.  59 ff.  nimmt  einen  keltischen  Ur- 
sprung des  wortes  Germani  an,  seine  scharfsinnige  hypothese  aber, 
es  hange  mit  einem  *germ  =  sanskr.  giri  «berg»  zusammen,  ist 
sprachlich  zu  unsicher.  H.  Schweizer. 


Gerockt  bei  A.  W.  Schade  in  Berlin,   GrSnstrato  18. 


I.  Abhandlan^en. 

Das  auslantsgesetz  des  gothischen« 

JUie  sprachen  des  indogermanischen  Stammes  suchen  gewisse 
laute  und  lautverbindungen,  die  dem  Sprachgefühle  hart  erschei- 
nen, zu  vermeiden.  Aus  diesem  gründe  mufs  bekanntlich  in  einer 
inlautenden  consonantengruppe  oft  eine  Veränderung  des  einen 
oder  des  anderen  der  zusammenstehenden  consonanten  statt  fin- 
den. Noch  zarter  ist  die  spräche  im  auslaute;  consonantenver- 
bindungen,  die  im  inlaute  geduldet  werden,  scheinen  hier  aostö- 
fsig;  selbst  mancher  einfache  consonant  gilt  hier  als  härte  and 
wird  nicht  geduldet. 

Durch  dieses  euphonische  princip  geschieht  der  alten  ur- 
sprünglichkeit der  flexionen  eintrag.  Consonanten,  welche  zur 
bezeichuung  von  begriffsbestimmnngen  und  beziehungen  dienen, 
müssen  abfallen,  weil  sie  nach  den  im  verlaufe  der  spräche  ein- 
getretenen euphonischen  gesetzen  im  auslaute  nicht  stehen  können. 

In  den  sprachen  unseres  Stammes  ist  der  lateinische  ans- 
taut von  dem  euphonischen  principe  am  freisten  geblieben,  daher 
hier  am  meisten  die  ursprünglich  auslautenden  flexionsconsonan- 
ten  sich  zeigen.  Jeder  consonant  kann  auslauten;  kein  anderes 
gesetz  gilt  für  den  consonantischen  auslaut  als  für  den  inlaut.  — 
Dem  lateinischen  steht  das  zend  am  nächsten.  Hier  wird  nur 
der  auslaut  nt  auf  n  beschränkt  —  Das  sanskrit  duldet  im 
auslaute  bis  auf  wenige  falle  nur  einen  consonanten ;  von  zweien 
mufs  daher  der  zweite,  von  dreien  der  dritte  abfallen.  —  Das 
griechische   duldet   hier   nur   eine  solche  Verbindung  zweier 

n.    3.  11 


162  Westpiial 

consonanten,  deren  letzter  ein  8  ist,  £,  \p.  Auch  an  vg  und  qs 
nehmen  wenigstens  einzelne  dialekte  keinen  anstofs.  Ferner  kann 
auch  nicht  jeder  einfache  consonant  als  aaslaut  stehen  bleiben, 
t  und  d  mufs  stets  abfallen,  eXeyer  mufs  zu  tXaye,  rod  zu  ro  wer- 
den, nur  g,  Q,  v  widerstrebt  dem  griechischen  organe  nicht;  in 
ovx  und  ix  erscheint  auch  x  als  auelaut.  —  Mit  dem  griechischen 
kommt  in  den  meisten  fallen  das  altpersische  überein,  wo  ein 
auslautendes  t  und  d  sich  ebenfalls  nicht  behaupten  kann.  —  Im 
altslavischen  ist  die  Weichheit  des  auslantes  am  weitesten  vor- 
geschritten; hier  ist  jede  doppelconsonanz  unstatthaft,  und  von 
einfachen  consonanten  mufs  nicht  blofs,  wie  im  griechischen  t, 
d  abgeworfen  werden,  sondern  auch  r  und  s  wird  nicht  gedul- 
det; der  einzige  consonantische  auslau t,  der  sich  behaupten  kann, 
ist  der  nasal. 

Zu  diesen  sprachen  steht  der  aus  laut  des  gothi sehen 
wie  überhaupt  der  germanischen  dialekte  in  einem  auf- 
fallenden gegensatze.  Während  dort  eine  jede  harte  doppelcon- 
sonanz und  mancher  einfache  consonant  vom  auslaute  entfernt 
wird,  kommen  hier  im  gothischen  die  härtesten  consonaotenver- 
bindungen  vor,  welche  vielleicht  je  eine  spräche  aufzuweisen  hat. 
So  hilms,  balgs,  halbs,  vulfs,  hul]>8,  blinds,  brunsts,  bansts,  fram- 
aldrs,  spaiskuldrs,  bairhts,  fingrs,  tungl,  smair)>r,  vaurstv,  usbeisns, 
garehsns,  röhsns,  haifsts,  matyms,  sköhsl,  svumsl  und  svumfsl.  Die 
härtesten  kombinationen  von  drei  und  vier  consonanten  hat  die 
gothische  spräche  nicht  zu  vermeiden  gesucht.  Jede  consonanten- 
verbindung  ist  möglich,  mit  der  einzigen  beschränkung,  dafs  das 
singulare  nominativzeichen  s  hinter  einem  vorhergehenden  s  und 
oft  auch  hinter  r  nicht  gesprochen  werden  kann,  obgleich  ein 
auf  andere  weise  entstandenes  ss  wie  in  qviss,  viss,  stass  im  aaslaute 
geduldet  wird.  Selbst  die  ausgänge,  die  am  wenigsten  den  eindruck 
der  härte  machen,  wie  blinds,  salbönds  wären  in  keiner  anderen 
indogermanischen  spräche  möglich;  sogar  die  lateinische,  welche 
am  wenigsten  empfindlich  ist,  kann  diesen  auslaut  nicht  dulden 
und  muGs  nts  in  ns  verwandeln  wie  in  mens,  amens.  Gröfsere 
ursprünglichkeit  in  erhaltung  der  flexionen  kann  nicht  als  grund 
dieser  consonantenhärten  geltend  gemacht  werden,  vielmehr  ist 
unter  den  angeführten  Wörtern  kein  einziges,  in  welchem  nicht 
ein  flexionslaut  abgefallen  ist.  Auch  die  übrigen  sprachen  be- 
wahren nicht  immer  ihre  flexionslaute,  aber  wo  ihnen  ein  sol- 
cher fehlt,  da  haben  sie  denselben,  wie  wir  oben  bemerkten,  meist 


das  auslantsgesetz  des  gothischen.  163 

iin  streben  nach  Weichheit  aufgegeben.  Im  gothischen  hingegen 
hat  der  verlust  des  flexionslautes  keinen  euphonischen  grund, 
sondern  vielmehr  der  spräche  gerade  jenen  harten  Charakter  des 
auslauts  verliehen;  wäre  sie  hier  iin  festhalten  der  flexionen  zä- 
her gewesen,  so  wurde  sie  jene  auffallenden  Härten  nicht  dar- 
bieten. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dafc  früher  in  der  gothischen 
spräche  ein  anderes  auslautsrerhältnis  gewaltet  haben  mufs;  die 
Sprachvergleichung  vermag  mit  ziemlicher  Wahrscheinlichkeit  den 
ursprünglichen  auslaut  herzustellen.  So  hat  J.  Grimm  in  seiner 
geschichtc  der  deutschen  spräche  (s.  912)  die  ursprünglichen  en- 
dungen  aufgestellt,  aus  denen  sich  die  jetzt  vorliegenden  ent- 
wickelt haben  müssen.  So  lassen  sich  auch  die  cenjugationsen- 
dungen  auf  ursprünglichere  formen  zurückführen.  Damit  ist  aber 
die  geschichte  des  gothischen  auslautes  nicht  erledigt.  Denn  es 
drängt  sich  die  frage  auf,  ob  das  gothische  auf  einer  früheren 
stufe  nicht  ein  gesetz  des  auslautes  gehabt  habe  wie  das  griechi- 
sche und  die  übrigen  sprachen,  ob  nicht  auch  einmal  im  gothi- 
schen ein  streben  nach  Weichheit  des  auslautes  bestanden  hat, 
welches  auf  kosten  der  ursprünglichkeit  der  endungen  gewisse 
einfache  consonanten  und  consonantenverbindungen  am  wortende 
nicht  duldet? 

Die  form  des  gothischen,  welche  im  Ulfilas  vorliegt,  zeigt 
eine  reiche  zahl  von  eigentümlichen  erscheinungen ,  welche  uns 
rieht  blofs  nöthigen,  jene  frage  im  allgemeinen  zu  bejahen,  son- 
dern uns  auch  in  den  stand  setzen,  das  frühere  Verhältnis  noch 
im  einzelnen  zu  erkennen.  Ich  will  bei  der  darlegung  dieser 
Verhältnisse  nicht  den  analytischen  weg  einschlagen,  welchen  ich 
bei  der  aufßndung  derselben  zu  gehen  hatte,  sondern  es  mag  mir 
gestattet  sein,  das  resultat  meiner  Untersuchung,  die  gesetze  des 
gothischen  auslautes,  voranzustellen  und  sie  dann  an  dem  flexions- 
systeme  nachzuweisen.  Hierdurch  wird  zugleich  die  prüfung  mei- 
ner arbeit  erleichtert. 

L 

Von  ursprünglich  auslautenden  doppelconsonan- 
ten  hat  das  gothische  blofs  diejenigen  geduldet,  deren 
zweiter  consonant  ein  s  ist;  von  allen  übrigen  mufs 
der  zweite  abgeworfen  werden. 

Von  auslautenden  einfachen  consonanten,  mögen 

11* 


164  Westphal 

sie  ursprünglich  oder  auf  die  eben  angegebene  weise 
aus  einer  doppelconsonanz  entstanden  sein,  hat  das 
gothische  blofs  s  und  p,  aber  keine  muta  und  keinen 
nasal  geduldet.  Jeder  andere  consonant  als  s  und  n 
erscheint  dem  gothischen  am  ende  der  Wörter  als  härte 
und  wird  auf  zwei  weisen  vermieden: 

entweder  wird  er  abgeworfen, 

oder:  er  wird  durch  annähme  eines  auslautenden 
hülfsYoeales  a  zum  inlaut. 
Das  gothische  steht  hierin  ungefähr  auf  derselben  stufe,  in 
welcher  das  griechische  uns  vorliegt.  Die  auslautenden  doppel- 
con8onanten  werden  in  beiden  sprachen  auf  gleiche  weise  behan- 
delt. In  beziehung  auf  den  einfachen  ist  aber  das  gothische  noch 
weicher  als  das  griechische,  da  nicht  blofs  die  auslautende  den- 
tale muta,  sondern  auch  der  dentale  nasal  als  härte  erscheint, 
während  das  griechische  blofs  die  dentale  muta  i  oder  8  vom 
laute  entfernt,  dagegen  an  dem  nasale  v  keinen  anstois  nimmt. 
Auch  in  der  art,  wie  die  härte  des  auslautes  vermieden  wird, 
zeigen  beide  sprachen  einen  unterschied,  da  das  gothische  hier 
nicht  immer  abfall  eintreten  zu  lassen  braucht,  sondern  auch  durch 
annähme  eines  hülfsvocales  die  ursprünglichen  endconsonanten  er- 
halten kann. 

II. 

Hierzu  tritt  nun  noch  folgendes  gesetz  über  die  behandlang1 
von  flexionsvocalen. 

In  ursprünglichen  endsilben  mehrsilbiger  Wörter 
wird  kein  ursprünglich  kurzes  a  und  i  geduldet,  son- 
dern es  tritt  apokope  oder  aphäresis  ein,  je  nachdem 
der  vocal  den  auslaut  bildet  oder  ein  einfacher  con- 
sonant darauf  folgt.  Auch  der  diphthong  ai  kann,  wo 
er  ursprünglichen  auslaut  bildet,  in  den  meisten  fäl- 
len sein  i  nicht  behalten,  sondern  mufs  zu  a  werden. 
Dagegen  bleiben  u  und  au,  und  ebenso  auch  a  und  i, 
wenn  diese  letzteren  aus  ä  oder  ja,  ja  entstanden  sind. 

Das  zweite  gesetz  scheint  mit  dem  ersten  im  Widerspruche 
zu  stehen.  Jenes  wirft  consonanten  ab  und  fügt  vocale  hinzu, 
um  Weichheit  des  auslautes  hervorzurufen,  dieses  verlangt  aus- 
und  abfall  von  vocalen  und  bewirkt  hierdurch  härte,  die  in  an- 
deren sprachen  unerhört  sind.    Die  nach  dem  ersten  gesetze  ein- 


das  außlautsgesetz  des  gothischen.  165 

tretende  euphonie  wird  durch  das  zweite  aufgehoben,  dessen  re- 
sultat  eine  grofse  zahl  schwer  auszusprechender  und  man  darf 
wohl  sagen,  auslautender  consonanten Verbindungen  ist  Wie 
kommt  es,  dafs  in  derselben  spräche  zwei  so  entgegengesetzte 
principien  neben  einander  bestehen? 

Die  antwort  darauf  ergiebt  sich  von  selbst.  Beide  ge- 
setze  sind  nicht  neben  einander,  sondern  nach  einan- 
der aufgekommen,  das  erste  ist  das  frühere,  das  zweite 
das  spätere.  Auf  einer  früheren  stufe  hat  auch  die  gothische 
spräche  dem  in  jeder  indogermanischen  spräche  auftretenden  stre- 
ben nach  euphonie  und  Weichheit  des  auslautes  die  ursprünglich- 
keit mancher  endungen  opfern  müssen.  Das  streben  nach  kürze 
kann  um  so  weniger  der  grund  dieser  erscheinung  sein,  als  nicht 
blofs  abfall  des  consonanten,  sondern  auch  hinzufugung  eines 
hülfsvocals  statt  findet. 

Erst  auf  einer  spätem  stufe  hat  sich  das  zweite  auslautsge- 
setz  entwickelt.  Dieses  ist  lediglich  hervorgegangen  ans  dem 
streben  nach  kürze  der  formen,  welches  früher  oder  später  in 
einer  jeden  spräche  eingetreten  ist  und  die  flexionen  verdrängt 
oder  abgestumpft  hat.  Während  andere  sprachen  in  ihrem  wei- 
teren verlaufe  hauptsächlich  die  flexionsconsonanten  einbüfsen, 
wie  das  prakrit  und  das  italienische,  hat  sich  im  gothischen  diese 
Verkürzung  der  formen  besonders  auf  die  kurzen  positionslosen 
vocale  bezogen  und  dadurch  jene  dem  gothischen  eigenthümliche 
härte  des  auslauts  veranlafst.  Die  Weichheit  des  auslautes,  welche 
sich  auf  einer  früheren  stufe  entwickelt  hatte,  ging  unter,  und 
nur  aus  einzelnen  erscheinungen  läfst  sich  das  frühere  Verhältnis 
verkennen. 

Wir  haben  jetzt  die  aufgestellten  lautgesetze  am  auslaute  der 
einzelnen  gothischen  Wörter  nachzuweisen  und  zu  dem  ende  die 
nominal-  und  pronominalformen,  die  verbalformen,  endlich  die 
Zahlwörter  und  partikeln  ihrem  auslaute  nach  einer  Untersuchung 
zu  unterwerfen. 

1. 

Auslaut  der  nominal-  und  pronominalformen. 

Bei  einer  nominalform  haben  wir  zwischen  der  casusendung 
und  dem  stamme  zu  scheiden,  der  in  den  germanischen  dialekten 
stets  aus  einer  wurzel  und  einer  an  dieselbe  tretenden  ein-  oder 
mehrsilbigen  stammcndung  (slammsuffixe)  besteht.    So  ist  in  den 


166  Westphal 

pluralen  accusativen  vigans,  matins,  fotuns  das  gemeinschaftliche 
ns  die  plurale  accusativendung,  viga,  mati,  fötu  sind  die  nominal- 
stämme,  welche  in  die  wurzeln  vig,  mat,  fot  (vah,  mad,  päd)  und 
die  stammsaffixe  a,  i,  a  zu  zerlegen  sind,  und  in  einer  compo- 
situm ohne  casusendung  erscheinen :  viga-deina,  mati-balgs,  fotu- 
band.  Bei  weitem  die  meisten  nominalstämme  des  gothischen  ha- 
ben ein  vocalisches  oder  wenigstens  vocalisch  auslautendes  stamm- 
suffix.  Es  giebt  stamme  auf  a,  i,  u,  ä.  Die  auf  a  sind  masc. 
oder  neutr.  (Grimm's  erste  starke  masculin-  und  neutral-deklina- 
tion),  die  auf  i  masc.  oder  fem.  (Grimm's  vierte),  die  auf  u  masc, 
neutr.  oder  femin.  (Grimm's  dritte),  die  auf  ä  femin.,  (Grimm's 
erste  femininal-deklination);  das  a  der  letzteren  ist  sowohl  in 
compositionen  als  auch  im  nom.,  acc,  voc.  sing,  zu  a  verkürzt 
worden.  Von  consonantisch  ausgehenden  stammen  kennt  das  go- 
thische  blofs  stamme  auf  an  und  tar,  wie  naman  (nomen),  guman 
(homon),  auhsan  (sanskr.  uxan).  fadar  (pater),  bro)>ar  (frater). 
Stämme  mit  anderem  consonantischen  auslaute  giebt  es  nicht, 
denn  die  in  den  verwandten  sprachen  vorkommenden  auf  ant, 
ijas  sind  im  gothischen  durch  einen  vocalisch en  zusatz  in  die  vo- 
calisch auslautenden  stamme  auf  anda,  iza  und  öza  umgewandelt 
worden.  Die  pronominalstämme  zeigen  keinen  anderen  auslaut 
als  a,  ä,  i  5  sonst  gilt  auch  von  ihnen  das  über  die  nominalformen 
gesagte. 

Nur  in  einer  composition,  im  singularen  vocativ  und  für 
einige  fälle  auch  im  singularen  nominativ  erscheint  der  reine 
stamm,  sonst  ist  an  denselben  immer  eine  casusendung  getreten. 
Die  im  germanischen  gebräuchlichen  casusendungen  gehen  entwe- 
der auf  einen  vocal  oder  auf  n,  s,  t  aus.  Da  nun  der  stamm, 
wie  oben  bemerkt,  keinen  anderen  consonantischen  auslaut  als  n 
und  r  darbietet,  so  können  für  die  nominal-  und  pronominalfor- 
men entweder  nur  vocale  oder  nur  die  consonanten  n,  s,  t,  r  als 
ursprünglicher  auslaut  erscheinen. 

Auslautendes  t. 
Die  dentale  media  ist  in  den  verwandten  sprachen  die  sin- 
gulare aecusativ-  und  nominativendung  der  neutralen  pro- 
nomina.  Skr.  ta-d,  eta-d,  zend.  ta-t,  lat.  istu-d,  i-d.  Im  grie- 
chischen und  slavischen  wird  eine  dentalis  als  auslaut  nicht  ge- 
duldet, daher  zeigen  hier  die  genannten  formen  den  blofsen  stamm, 
griech.  to  ti  statt  rod,  rid9  altslav.  to,  ono  statt  tod,  onod.    Im 


das  auslautsgesetz  des  gothischen.  167 

gothischen  mufs  das  casuszeichen  d  zu  t,  hochd.  zu  fs  werden; 
der  gebrauch  desselben  ist  von  den  pronominaistämmen  auch  auf 
die  neutralen  adjectivstämme  ausgedehnt,  wie  überhaupt  in  den 
germanischen  dialekten  die  adjectivdeklination  mit  der  pronomi- 
nalen identisch  geworden  ist.  Das  gothische  kommt  nun  darin 
mit  dem  griecb.  und  altslav.  überein,  dafs  es  eine  dentale  muta 
im  auslaute  nicht  stehen  läfst,  aber  es  bedient  sich  zur  Vermei- 
dung dieses  lautes  nicht  blofs  der  apokope,  sondern  auch  der  hin- 
zufugung  eines  auslautenden  hülfsvocals  a.  )>at,  hvat  kann  im  go- 
thischen eben  so  wenig  gesprochen  werden,  wie  im  griech.  rod, 
im  slav.  tod;  es  mufs  der  auslaut  entweder  abfallen  oder  durch 
zutritt  eines  hülfsvocals  a  zum  inlaut  werden.  So  entsteht  aus 
hvat  ein  hva,  aus  J>at  ein  J?ata,  aus  it,  dem  Iat.  id,  ein  ita.  Im 
enteren  falle  schwindet  bei  mehrsilbigen  stammen  aufser  der  en- 
dung  auch  der  vocal  der  endsilbe  nach  dem  unter  II.  aufgeführ- 
ten gesetze:  allat,  mikilat  sinkt  nicht  blofs  zu  alla,  mikila,  son- 
dern zu  all,  mikil  herab.  Beide  behandlungsarten  des  auslauten- 
den t  können  in  den  meisten  fällen  willkürlich  neben  einander 
angewandt  werden;  so  stehen  allata  und  all,  mikilata  und  mikil, 
wair]?ata  uud  vair]>,  juggata  und  jugg,  svaleikata  und  svaleik  ne- 
ben einander.  Während  die  Vermeidung  des  dentalen  auslaute 
unverbrüchliches  gesetz  ist,  bleibt  der  spräche  die  freiheit,  von 
jenen  zwei  mittein  das  eine  oder  andere  nach  belieben  anzuwen- 
den. Wenn  das  neutrum  J?ata  mit  folgender  kopula  ist  verbun- 
den in  der  form  }>at  erscheint,  —  und  dies  ist  der  gewöhnliche 
fall  — ,  so  haben  wir  darin  wohl  kaum  eine  ausnähme  von  un- 
serem gesetze  zu  erblicken;  ist  scheint  sich  hier  in  ähnlicher 
weise  wie  nh  in  }>atuh  als  enklitika  mit  dem  pronomen  verbun- 
den und  die  einfache  form  desselben  veranlafst  zu  haben. 

Auslautendes  u  oder  m. 

Der  nasal  bildet« den  ursprünglichen  auslaut  in  den  enduogen 
des  accusativ.  sing,  und  genitiv  plur.,  sowie  für  einige  formen 
der  stamme  auf  an. 

I)  Als  endung  des  accus,  sing,  erscheint  der  consonant 
n  in  den  masculinen  und  femininalen  nominalstämmen  der  meisten 
indogermanischen  sprachen,  nur  die  neutralstämme  auf  i  und  u 
sind  endungslos,  während  die  auf  a  ausgehenden  der  accusaiiv- 
bildung  der  masculina  und  feminina  folgen  und  auch  für  den  nom. 
sing,  sich  dieses  Casuszeichens  bedienen.     Mit  recht  hat  Grimm 


168  Westphal 

a.  a.  o.  auch  für  den  gothischen  accusativ  sing,  der  vocalischen 
stamme  die  endungen  an,  in,  un  als  die  ursprünglicheren  aufge- 
führt. Aber  das  auslautende  n  schien  dem  gothischen  sprachor- 
gane  von  nicht  minder  unerträglicher  härte,  als  die  auslautende 
dentale  muta;  es  mufs  wie  diese  entweder  abfallen  oder  durch 
annähme  eines  hülfsvocales  a  zum  inlaute  werden.  Wo  abfall 
eingetreten  ist,  da  ist  in  mehrsilbigen  Wörtern  auch  der  vor  dem 
n  stehende  vocal  a  und  i  geschwunden,  während  sich  u  unver- 
letzt erhalten  hat.  Apokope  und  annähme  des  hfllfsvocals  sind 
aber  für  das  accusativzeichen  nicht  willkürlich  bei  demselben 
worte  gebräuchlich,  wie  dieses  bei  dem  neutralen  t  der  fall  ist, 
sondern  die  apokope  ist  auf  die  substantivstämme  und  die  weib- 
lichen pronomina  und  adjectiva  die  annähme  des  hülfevocals  auf 
die  männlichen  pronominal-  und  adjectivstämme  beschränkt.  So 
wird  J?an,  hvan,  gödan  zu  )>ana,  hvana,  gödana,  die  substantiva 
giban  (statt  giban),  sunun,  handun  zu  giba,  sunu,  handu;  stdlan, 
▼aurdan,  munin,  mahtin  zu  stol,  vaurd,  mun,  mäht,  indem  hier 
aufser  den  auslautenden  n  auch  der  kurze  vocal  a  und  i  abfallen 
mufs.  Auch  in  den  übrigen  germanischen  dialekten  scheint  die- 
selbe behandlung  des  accusativzeichens  stattzufinden.  Dafür  spricht 
wenigstens  der  altsächsische  und  angelsächsische  dialekt,  wo  das 
männliche  pronomen  und  adjectivum  im  acc.  sing,  auf  na  oder 
ne  auslauten.  Nächst  J?ana,  )>ena,  J>ane,  ]>ene,  blindana,  blindane, 
ags.  ]>one,  J?äne,  blindne. 

2)  Die  endung  des  genit.  plur.  ist  am  oder  säm,  jenes 
im  nomen  (skr.  uxanäm,  gr.  Ttaregoop)^  dieses  vorzugsweise  im 
pronomen  (skr.  t£shäm,  täsam).  Ebenso  sind  auch  im  gothischen 
diese  endungen  unter  die  nomina  und  unter  die  pronomina  und 
unter  die  damit  gleich  flektirten  adjectiva  vertheilt;  ihr  langes  & 
ist  zu  e  und  bei  femininalstämmen  auch  zu  6  geworden.  Aber  von 
den  so  entstehenden  endungen  cm,  6m,  sem,  söm  oder  en,  6n, 
sen,  sdn  wird  der  auslautende  nasal  nicht  geduldet,  daher  die  for- 
men stöle,  godaize,  gibo,  gödaizo,  mune,  mähte,  sunive,  handive, 
bröj?re,  auhsne,  abne\  Die  Vermeidung  des  basalen  auslautes  durch 
annähme  eines  auslautenden  hiilfsvocals  findet  hier  nicht  statt  $ 
vielleicht  ist  die  gröfsere  schwere  der  langvocalischen  endung  der 
grund  davon. 

3)  Die  stammendung  n  zeigen  die  mascul.  auf  an  im 
nom.,  voc.  sing.,  die  neutr.  aufserdein  auch  im  accus.  Im  voc. 
and  im  nom. -accus,  der  neutra  kann  hier  niemals  ein  flexionszei- 


das  auslautsgesetz  des  gothischen.  169 

chen  gestanden  haben ,  und  auch  der  nom.  des  masculinums'  bie- 
tet bis  auf  das  griech.  fi&ag  and  rakag  (statt  ptlav-g,  idlav-g) 
in  keiner  der  verwandten  sprachen  eine  nominativendung,  so  dafs 
dieselbe,  wenn  sie  hier  ursprünglich  bestanden  hat,  schon  in  der 
nrzeit  aufgegeben  sein  mufs,  and  dafs  also  von  dem  Standpunkte 
des  gothischen  aus  in  allen  genannten  formen  der  an -stamme  der 
consonant  n  als  ursprunglicher  auslaut  anzusehen  ist.  Ein  ur- 
sprungliches n  wird  aber  im  gothischen  auslaut  nicht  geduldet, 
und  daher  ist  der  abfall  des  n,  der  in  manchen  der  hierher  ge- 
hörigen formen  auch  für  das  griech.  und  latein.  und  überall  im 
skr.  statt  findet  (homo  neben  nomen,  ovopa  neben  rt'xTcw,  näma, 
taxä)  im  gothischen  durchgehendes  gesetz.  So  werden  die  stamme 
guman,  auhsan  im  nom.  voc.  sing,  zu  guma,  auhsa;  naman,  augan 
im  nom.  acc.  voc.  zu  namo,  augö.  Die  Verlängerung  des  a  zu  6 
in  den  neutralen  stammen  ist  eine  dem  gothischen  eigen thümliche 
erscheinung,  welche  von  der  analogie  aller  anderen  sprachen  ab- 
weicht. Denn  diese  lassen  die  Verlängerung  vielmehr  in  den 
männlichen  stammen  eintreten,  bewahren  dagegen  in  den  neutra- 
len die  kürze  des  vocals.  Wir  vermögen  diese  erscheinung  nur 
so  zu  erklären,  dafs  wir  für  das  gothische  eine  ausdehnung  der 
vocalverlängerung  auf  alle  an -stamme  annehmen,  sowohl  auf  die 
neutralen  als  die  männlich en ;.  es  mufs  im  goth.  einst  gumä  und 
namä  gesprochen  worden  sein.  Das  lange  ä  ist  bei  neutr.  zu  ö, 
bei  masc.  zu  a  geworden,  ähnlich  wie  die  auf  ä  auslautenden  fe- 
minina  diesen  vocal  bald  zu  a,  bald  zu  6  verändert  haben.  So- 
mit ergiebt  sich  auch  der  grund,  weshalb  in  guma,  ausha  das  a 
der  endsilbe  nicht  abgeworfen  ist:  es  ist  wie  in  giba  aus  ä  ent- 
standen und  wird  deshalb  beibehalten;  denn  nur  das  ursprünglich 
kurze  a  mufs'  in  einer  endsilbe  weichen. 

Auslautendes  s. 

s  erscheint  in  den  ursprünglichen  endungen  des  nom.  sing., 
genit.  sing.,  nom.  plur.,  acc.  plur.,  dat.  plur. 

1)  Die  endung  des  nomin.  sing,  ist  s  bei  den  männli- 
chen a-,  und  den  männlichen  und  weiblichen  i-  und  u -stammen, 
in  Übereinstimmung  mit  den  verwandten  sprachen.  Auslautendes 
s  wird  im  goth.  geduldet,  weshalb  sich  in  den  genannten  stam- 
men das  nominativzeichen  erhalten  kann.  Es  fehlt  in  einigen  pro- 
nominal8iämmen  wie  sa,  J>u,  wo  auch  die  meisten  übrigen  spra- 
chen den  casus  unbezeichnet  lassen,  o,  skr.  sa,  lat.  tu,  cv.    Von 


170  Westphal 

den  cd  dangen  as,  is,  us  behält  aber  nur  die  letztere  ihren  vocal 
z.  b.  sunus,  handus,  fotus;  as  und  is  müssen  nach  dem  oben  ge- 
nannten lautgesetze  den  vocal  aufgeben  und  daher  wird  vigas, 
stölas,  matis,  mahiis  zu  vigs,  stöls,  mats,  mahts  synkopirt.  Nur 
in  dem  einen  falle  kann  a  nicht  synkopirt  werden,  wenn  es  mit 
einem  vorhergehenden  j  zu  ei  oder  ji  sich  vereinigt  hat:  hairdeis, 
bökareis,  harjis  stalt  hairdjas,  bökarjas,  harjas.  Tritt  durch  diese 
synkope  das  nominativzeichen  mit  einem  vorhergehenden  s  in  un- 
mittelbare Verbindung,  so  wird  anstatt  des  ss  nur  einfaches  s  ge- 
sprochen, also  ans,  drus,  hals  statt  anss,  druss,  halss.  Derselbe 
wegfall  des  nominativzeichens  tritt  auch  oft  bei  vorhergehendem 
r  ein:  vair,  gabaur,  stiur,  hva]>ar,  unsar  statt  vairs  u.  s.  w.  Wir 
können  die  durchgängige  Übereinstimmung  nicht  unerwähnt  las- 
sen, worin  das  gothische  in  seiner  singularen  nominativbildung 
mit  dem  qmbrischen,  oskischen,  zum  theil  auch  mit  dem  latein. 
steht,  o  (aus  a)  und  i  lallt  aus  vor  s:  Pompaiians,  horz,  cevs,  — 
Ikuvins,  pihaz,  fons  statt  Pompaiianos,  hortos,  cevis,  Ikuvinos,  pi- 
hatos,  fonis,  aufser  wo  j  vorhergeht:  Aadiriis,  Trutitis  statt  Aadtr- 
jos,  Trutüjo«.  Hinter  r  schwindet  auch  das  s-:  pacer.  Ebenso  im 
latein.  mens  statt  mentis,  vir  statt  virus. 

Stämme  auf  ä,  an,  tar  haben  im  goth.  kein  nominativzeichen. 
Der  grund  davon  ist  nicht  in  den  lautgesetzen  des  gothischen  zu 
suchen,  da  dieser  mangel  des  nominativzeichens  auch  in  den  übri- 
gen sprachen  sich  findet,  und  mithin  der  Standpunkt  des  gothi- 
schen als  ein  ursprünglicher  sich  darstellt.  In  den  übrigen  spra- 
chen zeigt  der  singul.  nominativ  dieser  stamme  Verlängerung  des 
vocals;  griech.  %&Qa,  tifiij,  noiprjv,  daificov,  narriQ,  qt^wq^  das 
gothische  hat  die  länge  nur  bei  den  neutralen  stammen  auf  an 
bewahrt,  während  sonst  Verkürzung  des  a  zu  a  eingetreten  ist: 
giba,  guma,  fadar  wie  im  griech.  Möoa,  Xeaiva.  Die  ursprüng- 
liche länge  zeigt  sich  darin,  dafs  der  vocal  nicht  verschwunden 
ist;  denn  ursprünglich  kurzes  a  hätte  in  der  endsilbe  apokope 
erleiden  müssen. 

2)  Endung  des  genitiv  sing,  ist  s  sowohl  für  vocalisch 
als  consonantisch  auslautende  stamme.  Meist  unterscheidet  die 
Verstärkung  des  vorhergehenden  vocals  oder  einschiebung  eines  a 
den  genitiv  von  dem  nominativ:  skr.  nom.  aris,  pa$us,  gen.  ares, 
pacos,  in  den  Veden  auch  aryas,  pagvas,  griech.  nom.  nolig,  nrj- 
yyg,  gen.  nokemg  und  noXiog,  »^«ws,  iyx&vog.  So  unterscheidet 


das  auslantsgeselz  des  gothischen.  171 

anch  das  gothische  den  genit.  anstais,  sunaus,  bandaas  von  dem 
nomin.  anst(i)s,  sanas,  handos.  Das  nordische  schiebt  hier  wie 
das  griech.  und  die  angeführten  veda formen  ein  a  ein:  belgjar, 
son(v)ar,  wobei  j  häufig  and  v  durchgängig  ausfällt.  Weibliche 
stamme  auf  ä  behalten  im  genit.  ihren  langen  vocal:  gibös.  Die 
konsonantisch  auslautenden  müssen  die  endung  as  zu  s  werden 
lassen,  weil  kurzes  a  sich  in  der  endgilbe  nicht  halten  kann: 
fadrs  (nargog),  namins  (nominis).  Die  stamme  auf  a  haben  im 
gothischen  die  endung  is,  im  sächs.  as :  ambahtas,  nithas.  Grimm 
gesch.  d.  d.  spr.  s.  647  setzt  für  das  gothische  dagis  hiernach  ein 
älteres  dagas  voraus.  S.  914  verwirft  er  diese  annähme,  weil 
wenn  der  genitiv  ursprunglich  dagas  gelautet  hätte,  er  sich  vom 
nomin.  sing,  dagas  nicht  unterschiede.  Wir  glauben  mit  unrecht, 
vielmehr  mufs  sich  der  genit.  dagas  von  dem  für  den  nominat. 
anzunehmenden  dagas  durch  ursprüngliche  länge  der  endsilbe  un- 
terschieden haben,  so  dafs  hier  dasselbe  verhältnifs  gewaltet  hat, 
wie  in  sunus  und  sunaus.  Die  ursprüngliche  länge  der  genitiv- 
endung  ist  zugleich  der  grund,  dafs  hier  der  vocal  nicht  synko- 
pirt  werden  konnte,  während  das  kurze  a  im  nomin.  dagas  sich 
nicht  zu  halten  vermochte.  Auch  für  das  gothische  dagis  müssen 
wir  eine  ursprüngliche  länge  der  endsilbe  voraussetzen,  weil  sonst 
das  i  hätte  synkopirt  werden  müssen.  Doch  lassen  wir  es  dahin 
gestellt,  ob  dagis  aus  dem  im  s.  erscheinenden  dagas  hervorgegan- 
gen ist,  oder  ob  das  i  hier  einen  ähnlichen  Ursprung  hat,  wie  im 
lat.  illiu8,  umbr.  puples,  gr.  ifieio.  Dasselbe  gilt  auch  von  dem 
genitiv  der  männlichen  i- stamme,  die  hier  den  a  stammen  analog 
ein  is  darbieten. 

3)  Endung  des  nomin.  plur.  ist  s  für  männliche  und  ' 
weibliche  stamme,  vor  welchem  wie  im  genit.  sing,  entweder 
verlängerter  vocal  oder  eingeschobenes  a  erscheint:  stölos,  gibös, 
muneis,  sunjus,  skr.  pädas,  sünavas.  Consonantisch  auslautende 
stamme  haben  die  endung  as:  skr.  uxänas;  im  goth.  kaun  aber 
der  kurze  vocal  der  endsilbe  nicht  bleiben,  daher  die  form  auh- 
sans.  Statt  des  hier  zu  erwartenden  fadars  finden  wir  aber  fadr- 
jus,  indem  die  tar- stamme  im  plur.  meist  nach  analogie  der  u- 
stämme  flektirt  werden. 

.  4)  Die  endung  des  accus,  plur.  ist  ns  bei  männlichen 
und  weiblichen  i-  und  u- stammen:  stölans,  munins,  mahtins,  su- 
nuns,  handuns.    Lang  vocalisch  auslautende  feminina  haben  s  wie 


172  Westphal 

im  skr.:  gibos;  consonantisch  auslautende  stamme  nehmen  vor  s 
den  bindevocal  a  an,  skr.uxanas,  der  aber  im  gotb.  als  kurzer 
endsilbenvocal  sich  nicht  halten  kann. 

5)  Die  endung  des  dativ  plnr.  war  im  germanischen 
ursprünglich  mis,  entsprechend  den  litauischen  instrum.  plur.  ran- 
kömis,  avimis,  sunumis.  Im  altslavischen  erfährt  diese  endung 
apokope  des  auslautenden  consonanten,  daher  die  formen  gostimi. 
slugami,  im  golhischen  synkope  des  kurzen  vocals,  und  so  ent- 
steht hier  die  endung  ms,  die  sich  im  altnordischen  tveimr  und 
]>rimr  erhalten  hat.  Sonst  ist  im  nordischen  und  überall  im  gotb. 
das  ms  zu  m  verkürzt:  fiskam,  gödaim,  giböm,  munim,  sunnm; 
bei  stammen  auf  an  mit  bindevocal  a:  abn-a-m,  valn-a-m.  Der 
abfall  des  s  scheint  vielmehr  in  dem  allgemeinen  streben  der 
spräche  nach  kürze  der  formen,  als  in  einem  bestimmten  lautge- 
setze  seinen  grund  zu  haben,  da  eine  auf  s  auslautende  doppel- 
consonanz  in  stolans,  saihs,  gibats  sich  findet.  Eine  spur  der  ur- 
sprünglicheren endung  ms  haben  wir  in  dem  beharren  des  kur- 
zen vocals  a  und  i;  denn  in  einer  endsilbe  kann  sich  kurzes  a 
und  i,  wie  es  in  fiskam,  munim  und  besonders  in  abnam,  vatnam 
sich  zeigt,  nur  dann  erhalten,  wenn  dieselbe  auf  eine  doppelcon- 
sonanz  ausgeht  oder  ursprünglich  nicht  endsilbe  war,  sondern  hin- 
ter ihr  eine  andere  endsilbe  verschwunden  ist. 

Auslautendes  r. 
r  begegnet  uns  im  nomin.  und  voc.  sing,  der  stamme 
auf  tar:  brö)>ar,  fadar,  r  ist  neben  s  der  einzige  consonant,  wel- 
cher im  auslaute  stehen  bleiben  kann,  daher  ist  auch  hier  die 
volle  endung  }>ar  und  dar  bewahrt.  Nur  insofern  hat  diese  die 
ursprünglichere  form  verloren,  als  der  lange  vocal  ä,  welcher  hier 
wie  bereits  oben  bemerkt,  seine  stelle  hatte,  zu  a  verkürzt  ist. 
Die  frühere  länge  ist  der  grund,  weshalb  das  a  keine  synkope 
erlitten  hat,  denn  ursprünglich  kurzes  a  hätte  nach  gothischem 
lautgesetze  aus  der  endsilbe  weichen  müssen. 

Auslautende  vocale. 
1)  Wo  ein  stamm  auf  a,  i,  u  als  erstes  glied  eines 
compositums  erscheint,  ist  das  auslautende  a,  i  zum  inlaute  ge- 
worden und  daher  findet  hier  das  lautgesetz  vom  abfall  der  end- 
vocale  keine  an  Wendung.  Nur  ausnahmsweise  tritt  synkope  ein: 
gu]>bl6strei8  statt  gu)>abl6streis ,  gudhus,  veindrunkja,  ]?iumagus, 
allvaldans,  hauhhairtei,  bru)?faj?s. 


das  anslautsgesetz  des  golhischen.  173 

2)  Der  vocativ  sing,  ist  bei  consonantisch  auslautenden 
Wörtern  und  bei  adjectiven  und  pronom.  dem  nominative  gleich, 
wie  diefs  auch  mehr  oder  weniger  in  anderen  sprachen  der  fall 
ist.  Bei  substantivstämmen  auf  a,  i,  u  sind  nom.  und  voc.  von 
einander  unterschieden,  indem  der  letztere  das  casuszeichen  des 
nominativs  nicht  annimmt.  Daher  erscheint  hier  bei  den  genann- 
ten stammen  vocalischer  aaslaut  a,  i,  u,  von  welchem  der  letz- 
tere ähnlich  wie  im  skr.  zu  au  verstärkt  werden  kann,  so  dafs 
z.  b.  sunu  und  sunau  mit  einander  wechseln  (Luc.  18,  38  und 
39).  Die  Wörter  auf  a  und  i  können  ihren  endvocal  nicht  be- 
halten, daher  stöl,  vaurd,  mäht  statt  stola,  vaurda,  mahti. 

3)  Nomin.,  voc.  sing,  der  feminina  auf  ä.  Das  lange 
ä  erscheint  nur  in  so  und  hvö,  sonst  wird  es  zu  a  verkürzt,  das 
aber  seines  Ursprungs  wegen  keine  apokope  erleiden  kann. 

4)  Nomin.,  accus,  plural.  der  ueutra  hat  überall  a  zur 
endung,  vaurda,  göda,  ija,  }>rija,  namna,  hairtöna,  gödöna.  Das 
beharren  des  a  weist  auf  ursprüngliche  länge  hin,  und  diese  wird 
bestätigt  durch  die  pronominalform  ]>6. 

5)  Der  instrumentalis  sing,  hat  die  endung  ä,  welche 
im  althochdeutschen  zu  u  wird.  Im  goth.  erscheint  der  instru- 
mental nicht  als  besonderer  casus,  sondern  nur  iu  einigen  adver- 
bialformen mit  modalitätsbedcutung  wie  }>£,  sve,  hve,  svare,  simle. 
Aufserdem  sind  hierher  noch  eine  reihe  anderer  formen  zu  rech- 
nen, welche  sich  zu  den  genannten  verhalten  wie  die  griechischen 
dat.-locat.  anf  cpi  zu  denen  auf  «.  Zwischen  die  stamm-  und  in- 
8trumentalendung  ä  ist  hier  der  dem  griechischen  g>  entsprechende 
consonant  b  getreten.  Der  auslaut  ä  ist  zu  a  verkürzt:  abraba, 
bairhtaba,  bal)>aba,  hauhaba,  vair]>aba,  agluba,  harduba. 

6)  Den  dat.  sing,  hält  Bopp  vergl.  gramm.  s.  190  für  ur- 
sprünglich identisch  mit  dem  instrumental  und  sieht  demnach  in 
vulfa,  sunau,  ahmin,  br6J>r,  gibai,  ^izai  keine  eigentlichen  dative, 
sondern  instrumentale,  als  deren  ursprüngliche  formen  er  vulfä, 
sunavä,  ahminä,  gibaiä,  )>izaiä  aufstellt.  Wir  können  hiermit  be- 
sonders aus  dem  gründe  nicht  übereinstimmen,  weil  das  ahd.  und 
skr.  beide  casus,  den  dativ  und  instrumental,  für  die  minnlichen 
stamme  durch  besondere  formen  unterscheiden,  dat.  fiska,  palka, 
instrum.  hskü,  palkü.  In  diesen  dialekten  wird  man  doch  sicher 
nicht  den  dativ  als  ursprüngliche  instrumentalform  auffassen  und 
den  vedischen  und  zendischen  formen  wie  savjä,  bhräträ,  bähavä, 
pacvä,  mit  dem  griechischen  na.vtr\%  mj,  dorisch  ftawa,  na  iden- 


174  Westphal 

tificiren  wollen,  da  diesen  instrumentalformen  der  verwandten 
sprachen  vielmehr  das  ahd.  und  sächs.  fiskü,  palku  nicht  blofs  der 
form,  sondern  auch  der  bedeutung  nach  entspricht.  Für  den  ahd. 
und  skr.  dativ  mufs  eine  andere  erklärung  gesucht  werden.  Da 
nun  aber  der  dativ  des  gothischen  mit  dem  ahd.  und  s.  dativ 
identisch  ist,  so  dürfen  wir  auch  den  gothischen  dativ  nicht  als 
instrumental  aufTassen. 

Wir  haben  in  den  dativen  des  gothischen  und  seiner  dialekte 
vielmehr  den  vocal  i  als  ursprüngliche  casusendung  anzunehmen, 
dessen  sich  auch  das  griech.  als  dativzeichen  der  meisten  stamme 
bedient.  Diefs  geht  aus  dem  altnordischen  hervor,  harmi,  gammi; 
barni,  fati;  syni,  megi;  belg;  femin.  giöfu,  grönu;  tonn,  hönd; 
ast(u).  Wie  verhalten  sich  zu  diesen  nordischen  dativen  die  go- 
thischen? In  den  a-deklinationen  tritt  dem  nordischen  armi,  stoli, 
Jriofi  ein  arma,  stöla,  ]>iuba,  dem  neutralen  barni,  orfJi  ein  barda, 
vaurda  gegenüber.  Grimm  gesch.  d.  deutsch,  spr.  s.  915  setzt  dem 
nordischen  zufolge  auch  für  das  gothische  eine  ursprünglichere 
casusendung  i  an.  Aber  wie  soll  aus  i  ein  a  hervorgegangen  sein? 
Grimm  selber  findet  diefs  auffallend.  Wir  müssen  sagen,  es  steht 
im  Widerspruche  mit  allen  bis  jetzt  bekannten  lautgesetzen,  welche 
man  zu  gunsten  einer  erklärung  umzustofsen  kein  recht  hat,  wenn 
die  form  auf  anderem  wege  gedeutet  werden  kann.  Einen  sol- 
chen weg  zeigt  die  nordische  form.  Grimm  erklärt  am  a.  a.  o. 
das  nord.  dativzeichen  i  für  ein  achtes,  also  für  ursprüngliches  i 
und  findet  hierfür  den  beweis  in  dem  umlaute,  welcher  ausnahms- 
weise in  degi  erschiene.  Wir  können  uns  dieser  neuen  ansieht 
Grimms  nicht  anschliefsen  und  müssen  vielmehr  zu  der  zurück- 
kehren, welche  er  d.  gr.  I,  651  aufgestellt  hat.  Hiernach  ist  das 
dativ -i  unorganisch,  weil  es  keinen  umlaut  bewirkt;  ursprüngli- 
ches i  hätte  noth wendig  die  dative  hermi,  gemmi,  hlynni,  doemi 
hervorgerufen;  statt  dessen  lauten  sie  ohne  umlaut  harmi,  gammi, 
hlunni,  ddmi.  Die  ausnähme  degi  statt  dagi  rechtfertigt  Grimm 
durch  den  auch  bei  anderen  a -stammen  vorkommenden  Übergang 
in  die  u-deklination.  —  Es  fragt  sich  nun,  woraus  dieses  nicht 
umlautende  i  hervorgegangen  ist.  Zunächst  vergleicht  es  sich  dem 
i  präsentischen  Optativs,  fari,  farir,  galli,  blasim,  blötirj,  gioti. 
Auch  hier  bewirkt  i  keinen  umlaut,  während  von  den  gleichlau- 
tenden endangen  des  optativischen  perfecta  der  umlaut  eintritt: 
foeri,  foerir,  gyti,  gytim  u.  s.  w.  Diese  verschiedene  geltung  des 
i  hat  ihren  grund  in  der  verschiedenen  entstehung  desselben.  Das 


das  aaslaotsgeeetz  des  gothi sehen.  175 

umlautende  ist  ursprungliches  i  (gothisch  ei,  ahd.  i:  föreis,  föreima, 
fuorimes,  fuoris),  das  nicht  umlautende  ist  aus  dem  diphthongen 
ai  hervorgegangen  (vgl.  farir  mit  goth.  farais,  ahd.  fares). 

Nach  dem  gesagten  kann  kein  zweifei  sein,  dafs  auch  das  i 
jener  nordischen  dative  der  a-deklination  aus  ai  hervorgegangen 
ist,  und  dafs  wir  demnach  für  stöli,  harni,  ]>iofi  ein  älteres  sto- 
lai,  harnai,  J>iofai  anzusetzen  haben.  Das  nordische  hat  hier  das 
ai  wie  in  optat.  präs.  zu  i  kontrahirt,  aber  in  dem  fehlende  um- 
laute die  reste  der  früheren  form  erhalten. 

Die  form  ai  stellt  sich  demnach  auch  für  das  gothische  als 
die  ursprüngliche  endung  der  männlichen  und  neutralen  a-stämme 
dar;  sie  ist  in  der  uns  vorliegenden  gestalt  ihres  i  verlustig  ge- 
gangen und  zu  a  verkürzt,  stölai,  barnai,  vaurdai  sind  zu  stöla, 
barna,  vaurda  geworden.  Ebenso  sind  auch  die  pronominal-  und 
adjeetivformen  )>amma,  gödamma  aus  ]>ammai,  gödammai  hervor- 
gegangen.  Entsprechen  diese  gothisch  en  dative  ihrer  form  nach 
den  griechischen  lokativen  otxoi,  pt^o*,  noX,  'Ia&poi,  oder  den 
dativen  otxwi,  fiv%(oif  ftrffyiwt?  Ist  das  a  in  stolai  ein  ursprüng- 
lich kurzer  dem  griech.  o  analoger,  oder  ein  ursprünglicher  langer 
dem  griech.  o>  analoger  vocal?  Das  letztere  haben  wir  wenigstens 
für  die  pronominalen  dative  anzunehmen.  Die  dative  von  hva, 
hvarja,  hva)>ara  und  aina  lauten  nämlich  mit  folgendem  h  und 
hun  verbunden  hvammöh,  hvarjammeh*  ainummehun,  hva]>aram- 
meh,  ohne  zweifei  ursprünglichere  formen  als  die  einfachen  hvam- 
ma,  hvarjamma,  ainamma,  da  auch  in  anderen  fällen  vor  diesen 
Partikeln  die  ältere  form  gehalten  ist*).  Hiernach  müssen  die 
pronominalen  dative  auch  im  isolirten  zustande  die  endung  amind 
oder  ammä  statt  amma  gehabt  haben,  und  somit  ergiebt  sich  nicht 
ammai,  sondsrn  ammäi  als  ursprüngliche  dativendung,  welche  ge- 
nau mit  der  pronominalen  dativendung  des  skr.  asm&i  überein- 
stimmt Ob  auch  die  dativendung  der  substantiva  ein  ursprüng- 
liches ai  statt  ai  gewesen  ist,  mögen  wir  nicht  entscheiden. 

Ist  aber  —  wie  wir  erwiesen  haben  —  das  masculine  )>amma, 
imma  mit  dem  skr.  tasmäi,  asm&i  seiner  endung  nach  völlig  iden- 
tisch, so  hat  auch  das  femininale  }>izai,  izai  mit  dem  skr.  tasjäi, 
asj&i  ein  und  dieselbe  endung.  Das  skr.  äi  ist  also  im  goth.  fem. 
zu  ai,  im  masc.  und  neutr.  mit  abfall  des  i  zu  a  oder  ö  gewor- 
den.   Bei  )>izai,  izai  kann  von  einem  abfall  eines  casuszeichen, 


*)  vergl.  aina  und  ainohnn,  hweila  und  hveildhun. 


176  Westphal 

welchen  Bopp  anzunehmen  genöthigt  ist,  eben  so  wenig  die  rede 
sein  wie  bei  dem  sanskr.  asjäi,  tasjäi.  So  stimmt  auch  der  gothi- 
sche  geniiiv  {uzos,  izos  durchaus  mit  dem  sanskritischen  tasjäs, 
asjäs. 

Diese  folgerang  führt  ans  auf  die  erklärung  des  dativs  der 
substantivischen  a -stamme.  Hat  in  dem  pronominalen  J>izai,  izai 
kein  abfall  eines  Casuszeichens  statt  gefunden,  so  darf  diefs  auch 
nicht  für  gibai  statuirt  werden,  sondern  wir  haben  vielmehr  in 
ai  die  cotnbination  des  Casuszeichens  mit  dem  stammsuffixe  zu 
sehen,  gibai,  godai  entspricht  demnach  dem  griech.  axiäi,  dya&rji, 
dem  latein.  aolae,  aulai. 

Für  die  gothischen  a-  und  ä- stamme  besteht  die  dativendung 
also  in  dem  vocale  i,  welcher  mit  dem  stammsuffixe  zu  ai  zu- 
sammentritt. Die  a- stamme  haben  die  dativendung  ai  unverletzt 
bewahrt,  die  a  -stamme  dagegen  das  i  eingebüßt  und  somit  den 
für  den  dativ  charakteristischen  laut  verloren.  Eine  gleiche  apo- 
kope  hat  bei  den  consonantisch  auslautenden  stammen  statt  ge- 
funden, gumin,  namin,  fadr  steht  statt  gumini,  namini,  fadri,  ent- 
sprechend dem  latein.  homini,  nomini,  patri,  dem  griech.  najqL, 
noifievi.  Nach  gothischem  lautgesetze  mufste  das  kurze  i  in  der 
endsilbe  abfallen.  —  Hiernach  ist  auch  in  sunau  der  abfall  eines 
i  zu  statuiren.  Nur  dem  anscheine  nach  ist  es  dem  skr.  locaL 
sunau  identisch,  wie  bereits  Bopp  vergl.  gr.  s.  191  bemerkt  hat. 
Doch  können  wir  seiner  annähme  von  dem  abfalle  eines  ä  nicht 
beistimmen,  da  nach  analogie  von  gibai  vielmehr  die  form  sunavi 
vorauszusetzen  ist,  eine  dativbildung ,  welche  dem  griech.  aaret, 
mjxei  statt  aarepi,  mfaifi  gleich  kommt.  Hier  hat  den  lantge- 
setzen  der  spräche  gemäfs  synkope  des  /-,  dort  apokope  des  i  statt 
finden  müssen.  Für  das  ursprüngliche  Vorhandensein  des  i  im 
dativ  der  u- stamme  legt  das  nordische  syni  unabweisbares  zeug- 
niffl  ab,  welches  ebenso  aus  synvi,  wie  der  genitiv  sonar  aus  son- 
var  entstanden  ist. 

Wie  verhält  es  sich  endlich  mit  dem  dativ  der  femininalen 
stamme  auf  i,  denn  die  entsprechenden  masc.  können  hier  anbe- 
rücksichtigt bleiben,  da  sie  im  ganzen  goth.  Singular  nach  analo- 
gie der  a- stamme  flectirt  werden?  Wir  glauben  nicht,  dafs  vistai, 
mahtai,  dedai  u.  s.  w.  einen  abfall  des  dativzcichens  erlitten  ha- 
ben, sondern  stellen  die  form  mit  dem  genit.  plur.  viste  mähte, 
dlde  zusammen.  Hier  ist  von  der  genitivendung  e  der  stamm- 
vocal  i  verdrängt,  dede  steht  statt  dedie  oder  wie  Grimm  will 


das  auslautsgesetz  des  gothischen.  177 

(gesch.  d.  d.  spr.  s.  912),  statt  dedije.  Ebenso  hat  auch  im  da- 
tiv  eine  synkope  des  stammvocals  statt  gefanden,  vistai  ist  ans 
vistiai  oder  yistjai  hervorgegangen  und  mit  dem  skr.  dat.  vastjäi 
identisch. 

Fassen  wir  das  gesagte  zusammen,  so  ergiebt  sich  folgendes 
resultat.  Die  gothische  dativendung  ist  ai  oder  i.  Nach  den 
lantgesetzen  aber  mufe  i  weichen,  daher  die  formen  fadr,  gumin 
statt  fadri,  giimini;  sunau  statt  sunavi.  Auch  in  ai  weicht  das 
i  bei  männlichen  und  neutralen  stammen,  stola,  vaurda,  }>ainma 
statt  stolai,  vaurdai,  )>ammai,  bleibt  dagegen  in  den  weiblichen 
auf  a  und  i  unversehrt:  gibai,  )>izai,  dedai. 

7)  Den  abfall  eines  auslautenden  vocals  haben  wir  endlich 
noch  in  einigen  pronominalformen  mis,  ]>us,  yit,  jut,  mik, 
}>uk,  ik  anzunehmen,  mis  und  }>us  ist,  wie  Bopp  nachgewiesen 
hat,  eine  Verstümmelung  von  mismai  and  J?usmai.  Das  t  in  vit 
und  jut  ist  der  anlaut  des  Zahlwortes  tvai<  wie  Grimm  in  seiner 
gesch.  d.  d.  spr.  dargethan  hat.  mik  und  J>uk  ist  eine  kombina- 
tion  von  den  accusativen  mi  and  Bu,  die  ihr  kasuszeichen  n  ver- 
lieren mufsten  und  einer  enklitika,  welche  im  griech.  mit  auslau- 
tendem vocale  ya  oder  ye  lautet:  ifiivya,  avye,  iycoye.  —  Die 
form  ik  verhält  sich  zu  dem  skr.  aham  in  beziehung  auf  ihren 
auslaut  ebenso,  wie  die  konsonantisch  auslautenden  accusative 
sing,  der  gothischen  a- stamme  zu  den  auf  am  auslautenden  des 
sanskrit;  wie  im  accusativ  stöl  mufste  auch  in  ik  die  endung  am 
nach  den  lantgesetzen  verloren  gehen. 

2. 

Auslaut  der  verbalformen. 
Die  reine  verbalwarzel  erscheint  in  den  germanischen  dia- 
lekten  niemals  isolirt;  conipositionen  wie  tibicen  sind  denselben 
fremd.  Daher  lassen  wir  hier  den  auslaut  der  wurzel  unberück- 
sichtigt und  wenden  uns  blofs  den  flexionsendungen  des  ver- 
bums zu. 

Präsensendungen. 

1)  sing,  u.  3.  plür.  prfis.  Dem  gothischen  sind  im  Vorzüge 
vor  den  übrigen  germanischen  dialekten  die  endungen  des  me- 
diums  mit  meist  passivischer  bedeutung  und  des  activen  duals 
verblieben.  In  einigen  wenigen  formen  aber  steht  es  dem  hoch" 
deutschen  an  treuer  bewahrung  des  ursprünglichen  nach.  Hierher 

D.    3.  12 


178  Westphal 

gehört  die  endnng  von  1.  sing.  Nor  in  dem  einzigen  im  hat  das 
gothische  das  rar  diese  person  charakteristische  m  festgehalten, 
im  hochdeutschen  dagegen  erscheint  m  noch  In  einer  reichen  zahl 
von  beispielen,  indem  nicht  blofs  die  wurzeln  bi  (bu),  ga,  stä, 
ta  (dha)  in  1.  sing,  pim,  gäm,  stäm,  tnom  bilden;  sondern  alle 
verba  der  zweiten  und  dritten  schwachen  konjugation  auf  6m 
und  em  ausgehen.  Auf  einer  früheren  stufe  mufs  auch  die  ahd. 
bindevocalische  starke  und  die  erste  schwache  die  endung  um 
und  jum  statt  u  und  ju  gehabt  haben,  und  somit  ist  auch  für 
das  gothische  das  m  als  allgemeine  endung  der  1.  sing,  voraus- 
zusetzen, giba,  satja,  salbo,  ]>aha  sind  aus  gibam,  satjam,  salböm, 
)>aham  hervorgegangen,  aber  nur  der  bindevocal  ist  geblieben. 

Die  2.  und  3.  sing,  und  3.  plur.  haben  hinter  dem  bindevo- 
cale  ihr  personal-  und  numeruszeichen  erhalten:  gibis,  gibi)>,  gi- 
band,  ahd.  gibis,  gibit,  gibant.  Wie  diese  formen  uns  vorliegen, 
scheinen  sie  den  oben  aufgestellten  auslautsgesetzcn ,  die  sich  für 
die  deklination  überall  bewährten,  zu  widersprechen.  Das  m  der 
ersten  person,  das  ]>  nnd  d  in  3.  sing,  und  plur.  sowie  der  binde- 
vocal i  müfste  abgefallen  sein.  Denn  es  kann  als  consonantischer 
auslaut  nur  s  oder  r  und  als  vocal  der  endsilbe  nur  u  oder  ein 
durch  quantität  oder  position  langer  vocal  geduldet  werden.  Die- 
ser Widerspruch  fuhrt  notwendig  zu  der  annähme,  dafs  1.  3.  sing, 
und  3.  plur.  ursprünglich  einen  anderen  auslaut  als  m,  ]>,  nd  und 
dafs  namentlich  2.  3.  sing,  einen  anderen  endsilbenvocal  als  den 
bindevocal  i  gehabt  haben.  Die  vergleichung  der  verwandten 
sprachen  ergiebt  sofort  die  form  des  ursprünglichen  auslauts,  denn 
diese  aHe  zeigen  in  den  genannten  präsensformen  des  aktivs  ein 
auslautendes  i  hinter  dem  personalzeichen.  Skr.  tudämi,  tudasi; 
tudati,  tadanti.  Griech.  didapi,  ical,  Mdwai  and  didoaai,  dorisch 
didmri  und  didorti,  Ijecn  oder  fyofTi.  Altslavisch  dami,  dasi, 
dastt,  dadanti,  vezeshi,  vezeti,  vezonti.  Litauisch  dumi,  dudi,  dusti, 
dusti.  Auch  in  den  latein.  präsensformen  hat  einst  der  vocal  i 
im  auslaute  seine  stelle  gehabt,  wie  das  in  den  frgm.  der  salia- 
rischen  gesänge  erhaltene  tremonti  beweist. 

Hiernach  lauteten  einst  die  gothischen  präsensformen  in  den 
genannten  personen  gibami,  gibisi,  gibij>i,  gibandi,  aber  das  schlie- 
fsende i  fügte  sich  dem  gothischen  lautgesetze,  welches  kein  kur- 
zes a  und  i  in  der  endsilbe  duldet.  Dagegen  brauchten  weder 
die  consonanten  der  endungen,  noch  die  ihnen  vorhergehenden 
bindevocale  zu  weichen,  weil  jene  ursprünglich  nicht  auslautend, 


das  auslautsgesetz  des  gothischen.  179 

sondern  inlautend  waren,  und  diese  nicht  die  letzte,  sondern  die 
vorletzte  silbe  bildeten. 

Eine  gleiche  apokope  des  i  wie  im  aktiv  hat  auch  im  me- 
dium stattgefunden.  Die  verwandten  sprachen  haben  hier  den 
ausgang  ai,  diÖopat,  ftidorai,  didowcu,  skr.  mit  contraction  des 
ai  zu  c:  tud6,  tudase,  tudate,  tudante,  und  fast  ebenso  auch  das 
zend.  Das  gothische  hat  von  dem  diphthong  ai  das  i  verloren 
und  somit  statt  azai,  adai,  andai  die  endungen  aza,  ada9  anda. 
Die  gothischen  medialen  präsensformen  stehen  mit  den  dativen 
stola,  J?amma,  die  aktiven  mit  den  dativen  gumin,  fadr  auf  der- 
selben stufe.  Wie  gumini  und  fadri,  so  haben  ligisi,  ligtyi,  H- 
gandi,  wie  stolai  und  J>ammai,  so  haben  ligazai,  ligadai,  ligandai 
ihr  i  verloren. 

2)  2.  plur.  u.  dual.  präg.  J)iese  enden  im  skr.  auf  tha 
and  thas,  im  griech.  auf  re  und  rov.  Auch  alle  übrigen  sprachen, 
welche  plural  und  dual  unterscheiden,  haben  für  den  plural  eine 
vocalisch  auslautende,  dem  tha  und  re  analoge  endung,  der  man- 
gel  an  einem  auslautenden  consonanten  bezeichnet  den  unterschied 
des  plurals  vom  dual.  Das  lat.  bedient  sich  der  endung  tis  so- 
wol  für  dual  als  plural,  nachdem  hier  die  Unterscheidung  beider 
mehrheitsformen  durch  besondere  endungen  aufgehört  hat.  Das 
gothische  hat  sich  in  diesen  endungen  völlig  dem  skr.  angeschlos- 
sen; dem  indischen  tudatha,  tudathas  entsprechend  mufs  das  go- 
thische die  formen  gibfya  und  gibaf>as  gebildet  haben,  aber  we- 
der das  auslautende  a  des  plur.,  noch  das  inlautende  des  dual 
konnte  im  gothischen  geduldet  werden,  und  so  mufsten  die  vor- 
liegenden- formen  gibij>  und  gibats  entstehen.  Ebenso  ist  auch 
das  ahd.  gebat  zu  erklären,  nur  dafs  dieses  den  bindevocal  nicht 
zu  i  geschwächt,  sondern  in  seiner  ursprunglicheren  form  a  be- 
wahrt hat. 

3)  1.  plur.  u.  dual.  präs.  Die  pluralendung  der  ersten 
person  hat  das  ahd.  treuer  bewahrt  als  das  gothische.  Das  ahd. 
zeigt  die  endung  mes  oder  mit  bindevocal  atnes,  entsprechend  dem 
dorischen  opes,  skr.  ämas,  lat.  imus.  Das  gothische  dagegen  hat 
die  numerusbezeichnung  verloren  und  blofs  das  personalzeichen 
mit  dem  bindevocale:  am  erhalten.  Die  entstehung  dieses  am  ist 
ähnlich  wie  die  der  pluralen  dativendung  am,  im,  um.  Hier  war 
die  ursprüngliche  form  amis,  imis,  umis;  das  kurze  i  der  endsilbe 
mufste  ausfallen,  und  so  hat  auch  das  kurze  a  der  ersten  perso- 
nalendung  amas  eine  synkope  erleiden  müssen,  während  dasselbe 

12* 


180  WesLphal 

im  ahd.  durch  Verlängerung  zu  e  geschützt  war.  Von  den  so 
entstehenden  formen  gibams,  st 61a ms  hat  das  goth.  auch  das  s 
abgeworfen;  im  verbum  ist  es  durchgängig  vom  ahd.  (gebames), 
im  nomen  wenigstens  einzeln  vom  nordischen  (tveimr,  J>rimr) 
erhalten. 

In  der  ersten  person  wird  der  dual  vom  plural  durch  den 
Wechsel  des  personalzeichens  m  mit  v  unterschieden,  die  ursprung- 
liche endung  ist  vas,  mit  bindevocal  avas;  skr.  ävas,  lit.  ava, 
siav.  eve  und  eva.  Das  v  ist  im  goth.  optat.  ligaiva  bewahrt, 
im  präs.  dagegen  finden  wir  statt  der  zu  erwartenden  endung 
avas  ein  ös:  ligös.  Das  a  der  endsilbe  in  avas  mufste  nach  den 
lautgesetzen  ausfallen  und  so  zunächst  Äie  endung  avs  entstehen, 
av  aber  geht  vor  folgendem  consonanten  in  au  über  wie  im  nom. 
sing,  die  aus  J>ivas  synkopirle  form  ]>ivs  (vgl.  gen.  ]>ivis,  plur. 
J>ivos)  zu  }>iu8  werden  mufs.  Der  dipbthong  au  endlich  ist  zu 
6  kontrahirt  und  so  die  endung  6s  gebildet  worden.  Die  Über- 
gänge avas,  aus,  6s  haben  an  tavida,  taujan,  tojis  ihr  ebenbild. 
—  Diefs  ist  die  entsteh ung  der  gothischen  dualendung  6s,  wie 
sie  den  gothischen  lautgesetzen  und  namentlich  dem  gesetze  des 
auslautes  gemäfs  ist.  Unrichtig  ist  Bopps  annähme  (vgl.  gr.  s.  637), 
welcher  die  ursprüngliche  endung  avas  mit  ausfall  des  v  zua-as 
und  dieses  zu  6s  werden  läfst. 

Aus  der  Umgestaltung,  welche  1  pl.  und  dual  im  gothischen 
erfahren  haben,  zeigt  sich,  dafs  amas  und  avas,  nicht  aber  amasi 
und  avasi  die  ursprünglicheren  gothischen  endungen  gewesen  sind. 
Auf  frühster  stufe  mufs  natürlich  auch  das  gothische  wie  die  ve- 
densprache  und  das  zend.  jene  volleren  formen  mit  auslautendem 
i  gehabt  haben,  aber  der  abfall  geschah  im  gothischen  viel  frü- 
her in  1.  pl.  und  dual,  als  im  sg.  und  3.  plur.,  wie  ein  gleiches 
auch  namentlich  für  das  sanskrit  nachzuweisen  ist.  Zu  der  zeit 
nämlich,  als  die  auslau tsgesetze  in  der  gothischen  spräche  auftra- 
ten und  den  abfall  eines  kurzen  vocals  der  endsilbe  verlangten, 
zu  der  zeit  hatte  amas  und  avas  sein  schliefsendes  i  bereits  ein- 
gebüfst,  wogegen  dieses  in  ami,  isi,  i)>i,  andi  noch  fortbestand. 
Daher  mufste  hier  das  auslautende  i,  dort  das  inlautende  a  wei- 
chen und  die  Verstümmelung  zu  ams  und  avs  (6s)  eintreten;  hät- 
ten die  auslautsgesctze  das  schliefsende  i  in  erster  plural-  und 
dualperson  noch  angetroffen,  so  würden  uns  auch  jetzt  noch  die 
formen  amas  und  avas  vorliegen. 


das  auslantsgesetz  des  gothischen.  18t 

Optati  yendungen. 

1.  sing,  und  3.  plur.  optat.  Die  optativendungen  un- 
terscheiden sich  von  den  indikativen  präsensendungen  nicht  bloe 
durch  den  modusvocal  i,  welcher  vor  dem  personaizeichen  er- 
scheint und  mit  dem  bindevocale  in  den  diphthongen  ai  übergeht, 
sondern  auch  in  der  form  des  eigentlichen  personalzeichens.  Am 
deutlichsten  tritt  dieses  im  sanskrit  hervor.  Das  auslautende  i 
der  präsensendungen  fehlt  hier  durchgängig;  dem  mi,  si,  ti,  anti 
steht  im  optativ  ein  jäm,  jäs,  jät,  jus,  dem  ämi  asi,  ati,  anti  ein 
ejam,  es,  et,  ejus  gegenüber.  Aehnlich  im  griechischen,  dem 
(pijpi,  cprjg,  (ptjGh  gpaffi  im  optativ  <fair\v,  yaiqg,  paiy,  yaiev. 

Derselbe  unterschied  findet  auch  im  gothischen  und  den  übri- 
gen germanischen  dialekten,  namentlich  dem  althochdeutschen 
statt.  Ahd.  salpöm,  salpös,  salpot,  salpont,  opt.  salpoe,  salpöes, 
salpoe,  salpoen;  goth.  gibis,  gibij>,'  giband;  opt.  gibais,  gibai,  gi- 
baina.  Um  von  1.  sg:  zunächst  hier  abzusehn,  so  zeigt  die  3.  sing, 
und  plur.  im  präsens  ein  J>,  im  optativ  kein  personalzeichen,  im 
präsens  ein  nd,  im  optativ  ein  na.  Nur  die  2.  sing,  hat  sowohl 
im  präsens  als  im  optativ  ein  s.  Der  unterschied  dieser  form 
beruht  auf  demselben  principe,  welches  in  den  präsens-  und  den 
optativendungen  des  sanskrit  und  griechischen  waltet.  Im  gothi- 
sehen  hatten  jene,  wie  wir  gezeigt,  ein  schliefsendes  i,  diese  hin- 
gegen einen  schliefsenden  consonanten.  Dort  griffen  die  auslauts- 
gesetze  den  schliefsenden  vocal,  hier  den  schliefsenden  consonan- 
ten an.  Denn  kein  anderer  ursprünglicher  consonant  als  s  und 
r  kann  am  ende  stehen  bleiben,  und  somit  kann  von  den  in  rede 
stehendem  optativformen  blos  die  2.  sing,  ihre  ursprüngliche  volle 
form  behalten:  ligais,  ahd.  liges,  wie  im  griech.  Xiyoig,  skr.  tu- 
des.  Die  3.  sing,  ging  auf  \  aus,  skr.  tudet.  Im  gothischen  und 
den  übrigen  germanischen  dialekten  konnte  dies  so  wenig,  wie 
im  griech.  und  slavischen  geduldet  'werden,  daher  ist  das  ur- 
sprüngliche ait  in  allen  diesen  sprachen  seines  consonantischen 
personalzeichens  verlustig  gegangen,  gothisch  gavigai,  griech.  fyo*, 
altslav.  vezi  statt  gavigait,  ejotr,  vezit. 

Die  3.  plur.  endet  im  griech.  auf  sv:  (paievy  Xe'yoiev.  Im  gothi- 
schen mufs  hier  derselbe  auslaut  bestanden  haben,  aber  die  aus- 
lantsgesetze  beider  sprachen  differiren  darin,  dafs  sich  dort  ein 
schliefsendes  v  behauptet,  während  es  hier  ebenso  wie  schliefsen- 
des t,  \  als  härte  erscheint  und  deswegen  vom  auslaute  entfernt 
wird.     Dazu  stehu  dem  gothischen  zwei  mittel  zu  geböte  *  es 


132  Westphal 

lSfet  den  consonanten  entweder  abfallen  oder  durch  hinzufügung 
eines  hülfsvocals  a  zum  inlaute  werden  Bei  dem  n  der  3.  plur. 
ist  das  letztere  geschehen,  die  endung  ain  ist  zu  aina  geworden 
wie  ]>an  zu  ]>ana,  wie  ]>at  zu  ]>ata.  Zu  den  medialendungen  ada, 
aza,  ända  steht  der  optativ  aina  in  keiner  bezieh  ung;  dort  ist 
das  a  das  ursprüngliche,  den  verwandten  sprachen  gemeinschaft- 
liche medialzeichen,  hier  eine  blos  euphonische  entwicklung,  die 
dem  gothischen  eigenthümlich  ist.  Bopp  läfst  (vgl.  gr.  s.  WQ 
eine  doppelte  möglichkeit  gelten,  einerseits  dafs  a  in  aina  unor- 
ganisch sei,  andererseits  dafc  aina  durch  Umstellung  aus  aian, 
griech.  ow  entstanden  sei,  «zieht  aber  die  letztere  ansiebt  vor, 
weil  sie  besser  mit  der  urgrammatik  stimme.  Wenn  wir  daran 
festhalten,  dafs  das  gothische  ein  ursprüngliches  schliefsendes  n 
ebensowenig  duldet  als  ein  auslautendes  ]>,  so  kann  a  nur  für 
einen  unorganischen,  d.  h.  erst  später  hinzugetretenen  dem  gothi- 
schen eigentümlichen  laut  erklärt  werden.  Das  sächsische  und 
angelsächsische  hat  wie  bei  ]>ata,  blindata,  so  auch  in  der  vor- 
liegenden verbalform  den  hülfsvocal  wieder  aufgegeben,  während 
es  denselben  hinter  dem  aecusativzeichen  n  bewahrt  hat,  ]>ana, 
)>one,  blindana,  blindne.    Ebenso  auch  das  hochdeutsche. 

Aus  der  beschaffenheit  der  3.  pluralperson  haben  wir  noch 
ein  weiteres  resultat  für  die  gothischen  ausiautsgesetze  zu  ziehen. 
Die  ursprüngliche  endung  mufs  aint  gelautet  haben,  wie  im  la- 
teinischen legent  ament.  So  sollte  man  auch  für  das  gothische 
nicht  die  form  ligaina,  sondern  ligaind-a  erwarten.  Aber  ehe  im 
gothischen  das  gesetz  über  den  auslautenden  einfachen  conso- 
nanten auftrat,  und  den  abfall  desselben  oder  die  annähme  eines 
hülfsvocales  verlangte,  hatte  sich  bereits  das  auch  im  skr.  und 
den  übrigen  sprachen  vorhandene  gesetz  über  die  zulässigkeit  oder 
unzulässigkeit  einer  auslautenden  doppelconsonanz  geltend  ge- 
macht, vermöge  dessen  nur  solche  doppelconsonanten  geduldet 
wurden,  deren  zweiter  ein  s  war,  dagegen  jeder  andere  den  zwei- 
ten consonanten  verlieren  mufste.  In  Übereinstimmung  mit  dem 
skr.,  zend.,  griech.,  slavischen  mufste  das  gothische  nt  sein  t  auf- 
geben und  ligaint  zu  ligain  verkürzt  werden.  Das  hierin  sich 
kundgebende  streben  nach  Weichheit  des  auslautes,  ging  aber  im 
gothischen  noch  weiter  und  griff  auch  einen  auslautenden  ein* 
fachen  consonanten  an.  Auf  dieser  stufe  wurde  nur  schliefsen- 
des s  und  r  geduldet,  jeder  andere  endeonsonant  und  somit  auch 


das  auslautsgeseta  des  gotbischen.  183 

das  aus  nt  hervorgegangene  n  mnfste  durch  abfall  oder  annähme 
eines  a  vom  auslaute  entfernt  werden. 

In  der  1.  sing.  opt.  hat  das  ahd.  die  endung  e,  welche  ohne 
zweifei  wie  es,  emes  aus  ai  hervorgegangen  ist.  Hier  zeigt  sich 
kein  m  als  personalzeichen,  welches  im  präsens  indikativ  noch 
ziemlich  häufig  bewahrt  ist.  Man  vergleiche  salpom  und  salpoe, 
hapem  und  hapee.  Im  präsens  bildet  nicht  m  sondern  mi  den 
ursprünglichen  aaslaut,  daher  fiel  der  endvocal  ab  und  m  konnte 
bleiben;  im  optativ  aber  mufsle  em  zu  e  werden,  weil  m  hier 
wie  skr.  tudejam  im  auslaute  stand.  Auf  die  entsprechende  go- 
thische  endung  an  können  wir  hier  ebensowenig  wie  auf  die 
medialen  endongen  aidao,  aizan,  aindau  eingehn  und  behalten  uns 
eine  Untersuchung  über  deren  Ursprung  und  stellang  im  gotbi- 
schen flexionssysteme  für  eine  andere  gelegenheit  vor,  da  wir  den 
bis  jetzt  darüber  aufgestellten  theorieen  nicht  beipflichten  können. 

Es  bleiben  uns  hier  von  den  optativformen  noch  die  endung 
ai)>  übrig,  welche  in  bairai]>  (Gal.  5, 10),  tiuhai])  (1.  Thess.  4, 14), 
8vignjai]>  (Col.  3,  15)  statt  ai  als  dritte  sing,  erscheint.  Gabe- 
lentz  und  Lobe,  welche  zuerst  auf  diese  formen  aufmerksam  ge- 
macht haben,  sehen  sie  1,315,  111,86  und  150  als  entwickelun- 
gen  einer  spätem  zeit  an.  Allein  in  späterer  zeit  konnte  ein  j> 
wohl  abfallen,  aber  nicht  antreten.  Die  geringe  anzahl  der  bei- 
spiele  weist  keineswegs  anf  spätere  bildung,  wohl  aber  auf  reste 
einer  einst  allgemeiner  gebräuchlichen  form  hin.  Für  die  3.  sing, 
opt.  müssen  einst  die  endungen  ai  und  aij?  neben  einander  be- 
standen haben.  Wie  ai  auf  aij>,  so  ist  ai]?  auf  aij>i  zurückzufüh- 
ren. Hier  zeigt  sich  also  eine  optativform  mit  präsensvocale. 
Auch  in  andern  sprachen  kommen  derartige  btldungen  vor.  So 
im  medium  des  zend  büidhjoimaidhe  mit  dem  ausgange  des  me- 
dialen präsens.  Im  griechischen,  wo  1 .  sg.  act.  in  der  bindevocal- 
losen  conjugation  die  endung  ir\v  darbietet  ohne  auslautendes  i, 
in  Übereinstimmung  mit  dem  skr.  jam,  tritt  uns  in  derselben  en- 
dung der  bindevocalischen  conjugation  die  endung  aipi  mit  dem 
i  des  präsens  entgegen,  und  nur  in  wenigen  formen  wie  TQtyoiv 
zeigt  sich  hier  die  endung  oi?,  die  wir  hier  nach  analogie  der 
sonstigen  optativbildung  erwarten  sollten.  In  demselben  Verhält- 
nisse wie  igecpoiv  zu  rQeyoifu  steht  im  gothischen  bairai,  tiuhai 
zu  bairai]»,  tiuhai}) ;  denn  bairai]),  tiuhai)?  sind  aus  bairai]>i,  tiu- 
haij>i,  dagegen  bairai,  tiuhai  aus  bairai]),  tiuhai])  hervorgegangen; 
von  jenen  mufste  ebenso  wie  im  präsens  der  kurze  endvocal,  von 


184  Westphal 

diesen  der  schlickende  dental  abfallen.  So  gehen  im  skr.  .auch 
conjunktivformen  mit  schliefsendem  i  nnd  ohne  schließendes  i 
nebeneinander  her;  neben  asi  steht  äs,  neben  Ali  die  endung  4t- 
Hiernach  ist  die  gewöhnlich  aufgestellte  regel,  dafs  der  conjunk- 
tiv  durch  die  personalendnngen  des  präsens,  der  optativ  durch 
die  des  präteritums  gebildet  würde,  zu  beschränken.  Auch  fin- 
den conjunktiv  erscheinen  präteritumsenduugen  wie  für  den  Op- 
tativ auch  präsensendungen.  So  gehören  das  skr.  patäl,  patas, 
das  griechische  *Qiyoii>,  das  gothische  tiuhai  der  präteritumsklasse, 
dagegen  patäti,  patäsi,  rpeipoipi,  tiuhai]>,  der  präsensklasse  an. 

Man  möchte  versucht  sein,  in  tiuhai]»,  bairai]>  die  letzten  reste 
des  sonst  nach  den  lautgesetzen  ablallenden  }>  zu  sehen,  allein 
diese  annähme  ist  unstatthaft,  da  wir  einerseits  den  principien, 
die  sich  überall  als  richtig  bewährten,  alle  einzelnen  vorkommen- 
den fälle  unterwerfen  müssen  und  da  sich  andererseits  eine  mit 
diesen  principien  völlig  übereinkommende  erklärung  ergeben  hat, 
die  uns  zugleich  einen  blick  in  den  frühern  formenreichthum  der 
gothischen  spräche  thun  läfirt.  Wie  uns  oben  der  mangel  des 
umlauts  die  ursprüngliche  dativform  erkennen  liefs,  so  ist  auch 
hier  das  J>  ab  letzte  erinnerung  an  eine  frühere  mannigfaltigkeit 
gothischer  formen  übrig  geblieben.  Weswegen  sollen  wir  end- 
lich dem  gothischen  weniger  consequenz  zutrauen  als  dem  grie- 
chischen, welches  neben  Xiyoi  in  keinem  einzigen  beispiele  das 
ursprünglichere  Isyoii,  neben  ikeye  kein  ikeyet  duldet?  Weshalb 
soll  dieses  auslautsgesetz  im  gothischen  nicht  völlig  durchgedrun- 
gen sein,  da  doch  gerade  das  gothische  in  der  beschrankung  der 
auslautenden  consonanten  noch  weiter  gegangen  ist  als  das  grie- 
chische, und  nicht  blos  die  muta  sondern  auch  den  nasal  im  aus- 
laute verdrängt  hat? 

2)  1.  und  2.  plur.  und  dual  opt.  Im  plural  und  dual 
der  zweiten  person  kommt  der  optativ  bis  auf  dem  verschiede- 
nen modusvocal  mit  dem  präsens  indik.  überein,  wie  dies  auch 
im  griechischen  der  fall  ist.  Vgl.  ligt)>  und  ligai}>,  ligats  und  li- 
gaits,  Ufere  und  Xe'yoire,  Uyerov  und  isyonor.  Das  hochdeutsche 
zeigt  auch  in  1 .  plur.  ideutität  zwischen  optativ  und  präsens  Ke- 
gamta  und  legemes.  Dagegen  macht  hier  das  gothische  im  plu- 
ral sowohl  als  im  dual  einen  unterschied,  indem  es  sich  für  den 
optativ  der  endungen  aima,  aiva  bedient.  Auffallend  ist  der  aus- 
lautende vocal.  Wir  können  nicht  umhin,  denselben  für  einen 
ursprünglich  langen  zu  erklären,  denn  ein  kurzes  a  hätte  dem 


das  auslautsgesetz  des  gothischen.  185 

lautgesetze  zufolge,  welches  diesen  vocal  in  der  endsiibe  nicht 
duldet,  verschwinden  müssen,  wie  dies  in  der  tbat  im  indikativ 
geschehn  ist,  wo  der  dual  avas  zu  avs  und  dieses  zu  6s  gewor- 
den ist.  Im  optativ  mufs  einst  die  endung  aimas  und  aiväs  ge- 
lautet haben;  nur  aus  diesen  langvocalischen  endungen  konnte 
sich  ein  aima  und  aiva  entwickeln.  Um  so  mehr  grund  haben 
wir  für  diese  annähme,  da  auch  das  hochdeutsche  in  seinem  plu- 
ral  »ames  und  eines  —  ein  dual  wird  hier  nicht  gebildet  —  die 
länge  der  endsiibe  festgehalten  hat.  Das  lange  e  ist  hier  ebenso 
als  ein  verlängertes  a  anzusehn  wie  im  nominativ  der  adjectivi- 
schen  a- stamme:  guoter,  plinter.  Einen  grund  für  die  Verlänge- 
rung vermögen  wir  nicht  anzugeben*),  doch  glauben  wir  an  die 
entsprechende  Verlängerung  in  dem  skr.  tudätäm,  dem  griech. 
Xeyoirrjv  erinnern  zu  müssen,  dem  gegenüber  die  präsensendang 
unverläogerten  vocal  der  endsiibe  darbietet,  tudatas  liyvzov.  Nach 
unserer  oben  aufgestellten  ansieht  hat  das  gothische  einen  solchen 
Wechsel  zwischen  kurzem  und  langem  vocale,  je  nach  dem  prä- 
sens  und  optativ  in  1.  plur.  und  dual  eintreten  lassen. 

Perfektendungen. 
Die  1.  und  3.  singularperson  des  perfekts  ist  in  allen 


*)  Bopp  (vgl.  gr.  s.  635)  nimmt  mit  Graff  einen  nähern  Zusammen- 
hang zwischen  dem  althd.  mes  und  dem  vedischen  masi  an;  das  am 
ende  weggefallene  i  soll  durch  Verlängerung  des  a  ersetzt  oder  in  die 
vorhergehende  silhe  zurückgetreten  sein  und  mit  dem  a  sich  zu  e  ver- 
einigt haben.  Allein  hiergegen  spricht  die  thatsache,  dafs  das  vedische 
masi  nur  im  prSsens  indik.,  nicht  aber  im  optat.  vorkommt;  das  alt- 
hochdeutsche rnds  dagegen  steht  auch  im  optat ,  und  so  könnte  nur  fär 
das  indikativische,  nicht  aber  för  das  optativische  mes  ein  Zusammen- 
hang mit  masi  statuirt  werden.  So  würde  hierdurch  nur  das  indikative 
meW  erklärt  werden,  nicht  aber  das  optativische,  ungeachtet  in  beiden 
formen  das  lange  d  denselben  Ursprung  haben  mufs.  Aufserdem  ist 
aber  auch  jeder  der  beiden  wege,  auf  welchen  Bopp  sich  masi  zu  rnds 
entwickeln  läfst,  im  althochdeutschen  ohne  analogie.  Kein  beispiel 
zeigt,  dafs  ein  am  ende  weggefallener  vocal  durch  Verlängerung  des 
vorhergehenden  ersetzt  wurde.  Was  ferner  die  epenthese  des  i  in  die 
vorhergehende  silbe  betrifft,  so  wäre  diese  andern  sprachen  wie  dem 
zend.  und  griechischen  angemessen,  aber  im  hochdeutschen  besteht  an 
deren  stelle  das  umlautsgesetz,  wonach  der  vocal  i  das  a  der  vorher- 
gehenden silbe  in  kurzes  e  verwandelt,  während  doch  im  vorliegen- 
den falle  ein  langes  6  steht 


186  Westphal 

germanischen  dialekten  endungslos,  die  zweite  hat  im  gothischen 
und  nordischen  t,  in  den  übrigen  dialekten  t  oder  i  (e)  zur  en- 
dung,  und  zwar  ist  hier  i  das  gewöhnliche,  t  steht  nur  in  den 
perfekten,  welche  präsensbedeutung  angenommen  haben.  Alle 
diese  perfektformen  haben  apokope  erlitten,  wie  die  vergleichung 
mit  den  verwandten  sprachen,  namentlich  mit  dem  skr.  ergiebt. 
Im  gothischen  ist  überall  ein  a  abgefallen,  frah,  fraht,  frah  aus 
fraha,  frahta,  fraha,  vait,  vaißt,  vait  aus  vaita,  vaista,  vaita,  wäh- 
rend das  sanskrit  papracha,  papraktha,  papracha,  das  griechische 
ofö«,  ofo&a,  olde,  den  auslautenden  vocal  erhalten  hat.  Im  go- 
thischen mufste  derselbe  nach  den  lantgesetzen  abfallen;  der  wur- 
zelauslaut  sowohl  wie  das  t  der  zweiten  person  war  ursprüng- 
licher inlaut,  und  deswegen  konnte  hier  kein  consonantenabfall 
stattfinden.  So  läfst  sich  das  ehemalige  Vorhandensein  eines  end- 
vocals  in  den  gothischen  perfektformen  schon  durch  die  lautge- 
setze  nachweisen,  wenn  sich  gleich  nur  durch  die  Sprachverglei- 
chung bestimmen  läfst,  welcher  vocal  hier  seine  stelle  hatte. 
Dasselbe  gilt  auch  für  die  übrigen  dialekte,  soweit  diese  mit  dem 
gothischen  übereinstimmen.  In  dem  althd.  säßi,  sächsisch  6&ti, 
ags.  saete  kann  das  kurze  i  (e)  nicht  ursprünglicher  auslaut  ge- 
wesen sein,  denn  sonst  hätte  dasselbe  ebenso  wie  das  a  der  1. 
und  3.  person  abfallen  müssen.  Das  nähere  verhältnifs  ergibt 
sich  hier  aus  dem  sanskrit,  in  welchem  für  die  2.  singularperson 
neben  tha  auch  die  endung  itha  erscheint.  Wie  das  ahd.  t  in 
weist  dem  skr.  th  identisch  ist;  so  kann  auch  das  i  in  saßi  nichts 
anderes  sein  als  das  skr.  itha  in  s6ditha.  Das  verhältnifs  des 
wurzelvocals  vor  den  endungen  itha  und  i  macht  diese  annähme 
zur  gewifsheit  Bopp  vergl.  gr.  s.  S4S. 

Die  übrigen  endungen  des  perfekts  sind  bis  auf  den 
verschiedenen  bindevocal  mit  denen  des  präsens  identisch,  nur 
J.  plur.  zeigt  ein.  n  statt  nd.  Aber  auch  hier  mufs  einst  die  en- 
dung ndi  bestanden  haben,  nicht  die  endung  nt  oder  n,  weil 
sonst  die  perfekte  s&tun,  et  an  u.  s.  w.  entweder  zu  sätu,  etu  oder 
seluiia,  etuna  hätten  werden  müssen. 

Imperativendungen. 

Im  plural  und  dual  ist  der   imperativ    mit  dem  präsens 

identisch;  die  2.  sing,  zeigt  in  der  starken  conjugation  weder 

personalendung  noch  bindevocal.    In  dem  mangel  der  personal- 

endung  kommt  das  gothische  mit  den  übrigen  sprachen  überein, 


das  auslantsgesetz  des  gothischen.  187 

griech.  Xiye,  latein.  lege,  skr.  tuda.  Die  Übereinstimmung  der 
sprachen  deutet  darauf  hin,  dafs  dies  verhältnifs  ein  sehr  altes 
ist,  und  wir  müssen  daraus  auch  für  das  gothische  den  schlufs 
ziehen,  dafs  der  abfall  der  personalendung  in  das  höchste  alter- 
thum  hinaufreicht. 

So  stellt  sich  uns  für  2.  sing,  des  gothischen  Imperativs  keine 
andere  endung  entgegen  als  der  bindevocal.  Dieser  hat  sich  aber 
nur  in  der  schwachen  conjugation  gehalten,  wo  er  mit  dem  vor- 
hergehenden ableitungslaute  zu  einer  länge  vereinigt  ist.  So  in 
sökei,  läget;  ei  mute  auf  gleiche  weise  entstanden  sein  wie  in 
sokeis  sokeij?  d.  h.  durch  Vereinigung  des  j  mit  dem  bindevocale 
i;  sokeis  sökei)?  steht  statt  sdkjis  sökjij>,  so  mufs  auch  der  im- 
perativ sdkei  aus  sokji  hervorgegangen  sein.  Das  nach  dem  j 
erscheinende  i  ist  der  bindevocal  des  Imperativs,  identisch  mit 
dem  e  des  griech.  liye,  des  latein.  lege,  mit  dem  a  des  sanskr. 
tuda. 

Gemäfe  der  imperativform  der  schwachen  conjugation  haben 
wir  auch  für  die  starke  die  2.  sing.  imp.  ligi,  fari,  giuti  als  ur- 
sprunglich vorauszusetzen;  das  i  kommt  hier  mit  dem  bindevocal 
von  ligis,  faris  überein,  wie  auch  die  plural-  und  dualpersonen 
des  imperativs  und  präsens  in  der  form  des  bindevocals  überein- 
stimmen. Den  lautgesetzen  gemäfs  mufste  ligi,  fari,  giuti  apokope 
des  kurzen  endvocales  erleiden. 

Infinitivendung. 

Die  Infinitiven  düng  an,  die  in  der  schwachen  conjuga- 
tion ihr  a  mit  dem  ableitungsvocale  zu  6  und  a  (e)  kontrahirt  hat, 
mufs  als  substantivendung  und  somit  als  bestimmter  casus  ge- 
fafst  werden.  Wahrscheinlich  haben  wir  in  dem  infinitiv  den 
accusativ  sing,  eines  neutralen  Stammes  auf  ana  zu  sehen,  sodaüs 
giban  den  lautgesetzen  gemäfs  aus  gibanan,  wie  vaurd  aus  vaur- 
dan  hervorgegangen  wäre.  Von  demselben  stamme  bedienen  sich 
einige  dialekte  auch  des  genilivs  und  dativs  zum  ausdrucke  des 
infinitiv  Verhältnisses,  indem  zu  an  die  genitivendung  as,  es  oder 
die  dativendung  a,  e  hinzutritt,  gewöhnlich  mit  Verdoppelung  des 
n.  Man  könnte  auch  in  der  infinitivendung  an  eine  dativbildung 
wie  in  namin  u.  s.  w.  erblicken  wollen ,  aber  dann  müfste  auch 
im  infinitiv  statt  an  die  endung  in  auftreten. 


188  Westphal 

3. 
Aaslaut  der  Zahlwörter  und  partikeln. 
1)  Die  gothischen  Zahlwörter  sibun,  niun,  taihun  schei- 
nen sich  dem  lautgesetze  nicht  gefügt  zu  haben ;  denn  es  ist  hier 
der  auslautende  nasal  geblieben,  welcher  dem  lateinischen  Septem, 
novem,  decem,  dem  skr.  saptan,  na  van,  dacan  zufolge  hier  ur- 
sprunglicher auslaut  sein  und  deshalb  apokope  erleiden  mufs. 
Aber  es  ist  die  frage,  ob  nicht  das  gothische  seinen  conso  nautisch 
endenden  Zahlwörtern  einen  vocali sehen  ausgang  gegeben  hat, 
wie  dieses  auch  bei  den  meisten  consonantischen  stammen  ge- 
schehen ist  (vgl.  ant  und  ijas).  Auch  in  andern  sprachen  sind 
jene  Zahlwörter  in  vocalische  stamme  verwandelt  worden.  So 
hat  das  litauische,  welchem  das  germanische  überhaupt  in  seinen 
Zahlwörtern  näher  kommt  als  den  älteren  sprachen,  aus  catvar, 
saptan,  ashtan  und  dem  hier  statt  navan  gebräuchlichen  davan 
für. das  maskulinum  ein  keturi  oder  ketveri,  septini,  ashtoni,  de- 
vini,  für  das  femininum  ein  keturös  oder  ketveres,  septinos,  ashtö- 
nos,  devinös  gebildet,  welche  wie  regelmässige  plurale  adjektive 
flektirt  werden.  Dafs  dasselbe  auch  im  gothischen  geschehen  sei, 
unterliegt  keinem  zweifei.  Denn  von  taihun  wird  ein  dativfimf 
taihunim,  von  niun  ein  genitiv  niune,  von  fidvör  ein  dativ  fid- 
vörim  gebildet.  Dies  sind  deutlich  plurale  casus  der  i-deklina- 
tion,  nicht  der  an-deklination,  wie  wir  sie  für  niun,  sibun,  tai- 
hun erwarten.  Das  thema  an  ist  also  zu  ani  erweitert  worden 
wie  die  participialendung  and  zu  anda,  fem.  andi.  Nomin.  und 
acc.  lauten  sibun,  niun,  taihun,  fidvör,  aber  auch  hier  mufs  wie 
im  genitiv  und  dativ  vocalisch  auslautender  stamm  gesprochen 
worden  sein,  sibuni,  niuni,  taihuni,  fidvöri,  dessen  i  dem  auslauts- 
gesetze  zufolge  weichen  mufste.  Zwischen  dem  lateinischen  Sep- 
tem, novem,  decem,  quattuor  und  den  gothischen  formen  besteht 
danach  dasselbe  verhältnifs  wie  zwischen  dem  lateinischen  tot, 
quot  und  dem  skr.  tati  kati,  accus,  tati  kati,  dativ  tatibhjas  ka- 
tibhjas,  instrument.  tatibhis  katibhis,  loc.  tatishu  katishu,  gen.  ta- 
tfnäm  katinäm.  Mit  diesen  sanskritformen  stimmen  die  obigen 
Zahlwörter  des  gothischen  in  der  endung  und  flexion  vollkommen, 
soweit  die  Übereinstimmung  bei  Verschiedenheit  der  sprachen  mög- 
lich ist.  Die  vollständige  flexion  liefse  sich  danach  folgenderma- 
fsen  bestimmen: 

nom.  sibuni,  niuni,  taihuni,  fidvöri 


das  auslaotsgesetz  des  gothischen.  189 

acc.  sibuni,  niuni,  taihani,  fidvori 

dat.  sibuniin,  niunim,  taihunim,  fidvörim 

gen.  sibung,  niune,  taihune,  fidvori. 

Das  auslautende  i  des  nominativ  und  accnsativ  mnfste  nach 
gothischem  lautgesetze  ausfallen.  —  Auf  die  althochdeutschen  for- 
men, welche  unsere  ansieht  noch  weiter  bestätigen  würden,  kön- 
nen wir  hier  nicht  eingehen. 

Das  zahlwort  fimf  scheint  von  den  übrigen  abweichend  be- 
handelt worden  zu  sein,  wie  auch  das  lateinische  quinque  sich 
von  septem,  novem,  decem  entfernt.  An  den  abfali  des  vocals 
a  hinter  fimf  (vgl.  skr.  panca)  brauchen  wir  kaum  zu  erinnern. 
Dagegen  verbietet  die  vergleichung,  in  dem  zablworte  saihs  einen 
frühem  vocalischen  auslaut  zu  statuiren,  da  es  auch  in  den  ver- 
wandten sprachen  auf  einen  zisch  laut  ausgeht:  sex,  ££,  zend. 
khshvas,  skr.  shash.  hs  konnte  sich  im  gothischen  halten,  da 
eine  auf  s  ausgehende  doppelconsonanz  vom  aüVaute  nicht  ent- 
fernt zu  werden  braucht.  Das  litauische  hat  freilich  auch  dieses 
zahlwort  ebenso  wie  die  oben  genannten  zu  einem  vocalisch  aus- 
lautenden stamme  gemacht  und  flektirt  sheshi,  sheshös  wie  sep- 
tini,  septinös. 

2)  Der  zweck  dieser  abhandlung  erlaubt  nicht,  sämmtliche 
partikeln  einzeln  nach  ihrem  auslaute  durchzunehmen.  Wir 
müssen  uns  hier  auf  einzelne  bemerkungen  beschränken,  nament- 
lich bleiben  diejenigen  adverbia  und  con junetionen ,  welche  sich 
deutlich  als  casus  eines  nomens  oder  pronomens  darstellen,  hier 
unberücksichtigt. 

Die  präpositionen  af,  at,  and,  und,  uf,  in,  mi)>  mufsten  ihren 
kurzen  vocalischen  auslaut  schwinden  lassen,  denn  es  bedarf  kei- 
nes nachweises,  dafs  diese  Wörter  einst  in  ihrem  auslaute  dem 
skr.  und  griechischen  apa,  ano,  adhi,  upa,  ana  oder  in,  pera 
gleichgekommen  sein  müssen.  In  compositionen  hat  sich  noch 
bisweilen  der  auslautende  vocal  erhalten,  weil  er  hier  im  inlaute 
geschützt  blieb.  So  anda  in  andanei]>s,  andanems,  andas&ts,  uo)>a 
in  un}>a]>liuhan.  Die  präposition  bi  (griech.  ini)  ist  durch  aphä- 
resis  des  anlauts  einsilbig  geworden  und« konnte  daher  des  i  nicht 
verlustig  gehen. 

Die  conjunetion  uh  oder  h,  welche  als  enklitika  mit  dem 
vorhergehenden  worte  zu  einer  einheit  verwächst,  ist  wie  das 
lateinische  que,  mit  dem  sie  in  gebrauch  und  bedeutung  gänzlich 
übereinkommt,  auf  ein  ursprüngliches  ka,  skr.  ca  zurückzuführen. 


190  Woeste 

Vgl.  hvasuh  quisque,  hvoh  quaeque,  hvah  qaodque,  nih  neque. 
Das  kurze  auslautende  a  mufste  wegen  mehrsilbigkeit  der  so  ent- 
stehenden form  verloren  gehn.  Ebenso  ist  es  auch  mit  hun,  lat. 
cunque,  skr.  cana:  hvashun  kaccana  quicunque.  Auch  hier  hat 
das  auslautende  a  apokope  erleiden  müssen. 

Wo  in  mehrsilbigen  Wörtern  auslautendes  a  erscheint,  raufs 
entweder  langes  ä  oder  auslautender  consonant  bestanden  haben : 
ana,  faura,  vij>ra,  ufta,  aftra,  alja,  sunja ,  vaila  u.  s.  w.  Eine  an- 
zahl  anderer,  die  in  ihrem  vorliegenden  auslaut  eine  dentale  muta, 
einen  nasal  oder  a  zeigen,  wie  daiaj),  alja]?,  hva}>,  sama]>,  J>an, 
hvan,  aftana,  utana  müssen  hier  übergangen  werden,  da  das  er- 
kennen ihres  ursprünglichen  auslautes  von  der  noch  nicht  ange- 
stellten Untersuchung  abhängig  ist,  welche  Stellung  diese  Parti- 
keln in  dem  flexionssysteme  einnehmen.  Eine  solche  aber  hier 
vorzunehmen,  würde  uns  zu  weit  führen. 

Tübingen.  Dr.  R.  Westphal. 


Vokale  der  niederdeutschen  mnndarten  in  den  kreisen 
Iserlohn  nnd  Altena. 

(  Fortsetzung  ) 
III.   Lange  einfache  vokale, 
ä 
findet  sich  vor  ch  und  f  nur,  wenn  sie  ausl.  =  g  und  v,  sonst 
vor  allen  einfachen  und  vereinfachten  konsonanten,  ausserdem  vor 
rl,  rm,  rn,  rt.     Es  umfafst,  ein  paar  i  ausgenommen,  wol  nur 
alte  a. 

1)  =  a.  baen  baden;  läen  laden;  sael  sattel;  släe,  slade, 
sledtie,  f.  schmales  thal,  ags.  släd;  —  säl,  n.  saal;  smäl  schmal, 
jedoch  a  in  smalle-kuk  magere  speise;  tal  zahl;  fäl  fahl;  halen. 
Lüdensch.  huälen  holen;  malen  molere,  ahd.  malan;  slälen,  m 
bein,  von  tisch  u.  s.  f.;  stalen,  m.  musler  (täikenstaJen) ,  model 
bes.  von  zeugpatronen;*)  —  läm  lahm;  rämbeäum  gränzbaum 

*)  Vorzeiten  galt  stalen  namentlich  auch  von  probemünzen,  die  bei 
behörden  niedergelegt  worden,  um  falsch  engen  leichter  zu  entdecken; 

vgl.  Seib.  W.  urlr.  no.  401  'moneta qoe  dicitor  in  vnlgari  stal«' ; 

ähnlich  'gelt  vor  staF,  Cl.  Bar  438. 


vokale  der  niederdeutschen  mundarten.  191 

vgl.  goth.  hramjan;  swäm  =  swadem  dunst;  fäm  =  fadem  faden; 
hämel,  .hämer*)  hammel;  hämer  hammer;  näme  namen;  rämc,  m. 
krampf,  ags.  hramma;  räuien  rahmen;  —  swän  schwan;  tän  zahn; 
wän  ausgezeichnet,  grofs;  häne  hahn;  ?kränek  kranich;  ?  krauen, 
m.  hahn  an  gefäfsen;  ?krukränen  kraniche;  mäne,  f.  mahne; 
mänen  mahnen;  fäne  fahne;  —  bar  baar,  aber  barwes;  bar,  f. 
bahn;  gar  gekocht;  gewär  gewahr;  kär,  f.  karre;  pär,  par  paar; 
schär,  n.  p flugschar;  vär,  zuweilen  väder  vaterj'wär,  f.  waare; 
plären  flattern;  waren  beobachten;  Karl  Karl;  arm  arm;  wärm 
warm;  ärn  narbe;  ärt,  m.  und  f.  art;  hart,  n.  eisen  zum  sensen- 
scharfen; Hart  und  Här,  f.  namen  zahlreicher  anhöhen;  märt,  n. 
raarder,  alp,  ags.  mearö;  tärt  und  tsärt  zart;  tärte  torte,  engl, 
tart;  —  häwek  habicht;  käwe,  f.  selten  kaf  spreu,  ags.  ceaf; 
kawekuärf  flacher  länglichrunder  gartenkorb,  eig.  bestimmt,  spreu 
von  der  hilde  zu  holen;  näwel  nabe,  nabel;  räwe,  f.  rabe;  schäwe, 
f.  Schabeisen;  spräwe,  f.-slaar;  säp  saft;  kläpert  rhin.  crista  g.**); 
stapeln  langsam  (am  stabe)  gehn,  aufhäufen;  —  bräf  brav,  viel; 

—  bläge  f.  kind,  ?vgl.  wechselbalg;  dägen  tag  werden;  knägen, 
gnägen  nagen,  ags.  gnagan;  mäge  magen;  mägetmagd;  ragen  ra- 
den,  lych.  gith.;  sägen  sägen;  wägen  sich  bewegen;  wägen  cur- 
ins;  —  däk,  m.  dach;  snäk  spafs,  spafsmacher;  swäk  schwach; 
fäk  fach;  äke,  äkeldruft  abzucht,  aquadukt;  bräken  flachs  bre- 
chen; kräken  krachen ;  läken,  n.  tuch;  mäken  machen;  näkenich 
nackend;  räken  in  gewalt  bekommen,  ags.  racjan;  säke  sache; 
smäken  schmecken;  fäke  (für  fäken  vicibus)  mannigfach,  oft;  wä- 
ken  wachen;  ächterbäks  rücklings,  vgl.  alts.  bac;  —  ädel  adel; 
swäden  stark  prügeln,  to  swaddle;  —  pät  pfad;  bäte,  f.  hülfe; 
bäten  nutzen,  helfen;  läte  spät;  pläte  lamina  (platte  stirn,  Schei- 
tel); rätel  rassei;  wate  sensen  eisen,  vgl.  alts.  huat;  wäter  wasser; 

—  bäs  gut***);  gräsich  unreif;  häse  hase;  kwäse  gerte;  vräsen 
rasen,  ahd.  waso.  — 

Ferner  folgende  praet.  sg.  st.  v.:  ät  afs;  bat  bat;  befäl,  be- 
faul befahl;  bräk  brach;  dräp  traf;  gebär  gebar;  kwäm  kam;  las, 
laus  las;  mät  mafs;  näm  nahm;  pläch,  plauch,  plochte  pflag;  räk 

*)  Daher  ostfr.  belhämer  glockenhammel,  leithammel  =  rSdelsführer. 
**)  -ort  aus  altem  wurt  geschwächt;  so  in  golvert,  grannert,  lan- 
kert,  moadert,  rainert. 

***)  Inflexibles  subst.,  adj.  und  adv.:  'n  hfiilen  bis  ein  ganzer  held 
(spanisch);  en  bis  kaerl  ein  trefflicher  mensch;  ne  bU  saisse;  dat 
mes  snit  bis;  vgl.  holl.  baas. 


192  Woeste 

rechte,  rechnete;  sät  safs;  spräk  sprach;  stak  stach;  stäl,  staul 
stahl;  vergät  vergafs;  frat  frafs. 

2)  =  i  (e):  bar  bär;  wärwulf  werwolf. 

3)  Fremdlinge,  aufser  den  schon  eingereihten:  prame  presse; 
prämen  obst  zu  mus  pressen,  lat.  premere. 


vertritt  in  mäfsiger  zahl  das  st.  iserlohner  äi,  wodurch  Verwechse- 
lungen wie  baer  eber,  bäir  bier;  haer  herr,  häir  hirt;  kserne 
kerne,  käirne  kirne;  saer  sehr,  säir  hautkrankheit;  steern  stern, 
stäirn  stirn;  faer  fern,  väir  vier;  waert  werth,  wäirt  wirth  ver- 
mieden werden.  Es  giebt  in  unserer  mundart  wol  kein  beispiel 
für  umlautung  des  ä  in  ae  auf  dem  wege  der  deklination  und 
Steigerung,  da  hier  iä  dient  Dem  Ursprünge  nach  sind  die  ae  = 
alten  ä,  e,  a,  i. 

1)  =  ä.  i.Hieher  gehören  vorab  praet.  plur.  st.  v.,  wo 
goth.  e,  ahd.  alts.  ä,  ags.  meist  ae:  aetenafsen;  baeten  baten;  be- 
faelen  befahlen;  braeken  brachen;  draepen  trafen;  gebaeren  geba- 
ren; kwaemen  kamen;  laesen  (lausen,  lüesen)  lasen;  macten  ma- 
fsen;  naemen  nahmen;  plaegen  (pluegen,  plöchten)  pflegten;  rae- 
ken*)  rechten  rechneten;  saeten  saften ;  spraeken  sprachen ;  staeken 
stachen;  staelen  (stüelen)  stahlen;  traten  traten;  vergasten  ver- 
gafsen;  fraeten  frafsen;  waeren  (wöären)  waren.  In  folgenden 
beispielen  steht  das  ae  theils  regelrecht  zu  obigen  verbalformen, 
theils  erklärt  es  sich  aus  der  neigung  unserer  mundart  öä  mit  ae 
zu  vertauschen:  aeren,  m.  geschäft,  anlafs,  vorwand,  ahd.  ärunti; 
baegelich  vermessen,  vgl.  verboach,  alts.  bäg;  bekwaem  bequem; 
daeen  thaten,  alts.  dädun;  grcwe  brauchbar,  gesund;  alt  gebaeren 
wie  ein  alter  sich  gebarend,  verständig**);  genaem  was  das  nies- 
ser  annimmt,  weich;  kraemer  krämer;  schscper  schäfer;  verretlik* 
böse,  gefährlich;  fraetich  gefräfsig;  wuärmaetich  wurmfräfsig. 

2)  =  alts.  £,  ags.  ä,  meist  vor  r  oder  dem  entsprechenden 
8:  aer  früher;  aere  ehre;  aeker,  aeken  messingener  kessel***);  baer 
eber;  Draschen  schreien  (v.  kind,  esel)  =  bräiren,  raren,  mnd. 


*)  Lüdenscheid  se  rÄken  sie  rechneten. 
**)  pfc.  praes.,   zn  alts.  gibarian  se  gerere,  vgl.  berg.  beaeren  aus- 
sehen.    Das  d  abgeschliffen  wie  bei  aeren. 

***)  =  aerker  und  wie  byker  (byken)  mit  caf  gefäfs  zusammenge- 
setzt, vgl.  ags.  ärfät    Man  unterscheidet  aeker  von  knlpern  kietel. 


yotale  der  niederdeutschen  mnndarten.  193 

brescheir;  brachen;  gaese,  bcrg.  gäre  aegop.  podagr.;  haer  hcrr; 
kaer,  f.  mal;  kaeren  vertere;  laeren  lehren,  lernen;  maer  mehr; 
neren  br allen,  schreien,  ags.  rärjan;  sser-noa  beinahe.  —  ksese 
käse. 

3)  =  a,  bisweilen  mit  konsonantenansfall:  ?kwsel,  n.  docht, 
borte;  faele  feil,  ags.  fäle;  spsenen  entwöhnen,  ahd.  bispenjan;  aer, 
n.  m  orgenfruhe,  vgl.  alts.  adro;  aers  podex;  gluäraers  Aafurovotg; 
mser  meer;  meerte,  f.  märz;  haepe,  f.  Strauchmesser,  ahd.  happa; 
baester  stock,  prögel;  pldestern  platzen,  heftig  regnen. 

4)  =  i,  meist  goth.  ai:  oeren  irden;  aernst  ernst;  aerde  erde; 
gaerne  gern;  harrde  herde;  haert  herd;  inaer,  Jserl.  inhäir,  n.  ein- 
geweide,  ahd.  inniherdar;  kaern  kern;  ksertse  kerze;  staern  stern; 
faer  fern;  faerste  ferse;  waeren,  waerden  werden;  met  waeren,  met 
gewaeren  in  frieden,  ruhe;  waert  werth;  —  ik  dae  ich  tbat,  gab, 
alts.  gideda;  schraeken  schreien,  von  hühnern,  alts.  scricon. 

Anm.  paelen  schlagen  dafs  es  schallt  (versch.  von  pöälen 
pfählen)  scheint  engl,  to  peal,  ags.  pilan  zu  entsprechen. 

oa 
Gndet  sich  vor  allein  einfachen  oder  vereinfachten  kousonanten, 
aufserdem  vor  m,  rd,  rt,  sk.  st,  ks.  St.  Iserlohn  zeigt  dafür  ein, 
so  dafs  hoar  haar,  noaht  naht,  troan  thran  wie  heäur  hure,  nelut 
noth,  treaun  thron  lauten.  Wie  beinahe  der  ganze  vorrath  un- 
serer a  aus  alten  a  besteht,  so  hat  sich  oa  fast  aller  alten  a  be- 
mächtigt, woraus  sich  auf  hinneigung  auch  das  altwestf.  ä  zu  u 
schliefsen  läfst,  wie  Grimm  gramm.  I,  543  solches  von  der  aus- 
spräche des  ahd.  und  altn.  ä  vermuthet.  Aufser  den  alten  ä  sind 
einige  6,  a  und  o  hieher  getreten. 

1)  =  ä:  bloa  blau;  boa  wo;  doa  da;  droa  schnell,  ahd.  dräto 
groa  grau;  noa  nah;  bloaer  b latter,  ahd.  plätara;  broaen  braten 
roaen  rathen;  schoaen  ertrag  geben*);  veremoaen  verschmähen 
watbroae  wade;  —  kwoal  quäl;  moal  mahl;  oal  aal;  woal  wähl 
moalen  pingere,  alts.  malon  notare;  proalen  schwatzen,  prahlen 
sproale  staar;  stroalen  strahlen;  Westfoalen  Westfalen;  —  broame, 
£.  besenginster,  ags.  brom");  joamer  Jammer;  kroam  kram,  wo- 

*)  3.  8g  prSs  schSt;  prfit.  schalt;  ptc.  schoaen;  in  Lüdenscheid 
schwach:  prät.  schildere;  vgl.  ags.  scÄdan  tribaere,  rond.  schaden  zins. 
(ark.).    S.  unten  schoanen  secernere. 

**)  Dagegen  fähren  brlmmen  brombeerstaaden ,    brammerte  broin- 
beere  anf  altwestf.  brama  rnbus. 

IL  3.  W 


194  Woeßte 

chenbett;  oam  ahm,  mhd.  äme;'oam  athem;  oame  funken,  altn. 
äma;  oames,  n.  mittagessen;  ?äma  —  muos;  oamaetich  asth- 
matisch; —  goan  gehn;  spoan  epan;  stoan  stehn;  moane,  f. 
mond;  moane  f.  mobn;  oane  ohne;  schoanen  laichen*);  —  boar, 
f.  bahre;  gefoar  gefahr;  hoar  haar;  joar  jähr;  swoar  schwer,  alts. 
sn&ri;  woar  wahr;  koarde  vertebat**);  —  goawe  gäbe;  oawent 
abend;  —  schoap  schaf;  sloapen  schlafen;  woapen  waffe,  alts. 
wäpan;  —  groaf  für  groawe  graf;  stroafe  strafe;  —  swoager 
schwager;  vloage,  f.  stein  und  luflschicht,  anflug,  gemuthstim- 
mung,  mnd.  vläge***);  froage  frage;  woageu  audere;  —  broak 
sterilis;  koak,  m.  pranger,  mnd.  kaekf);  loak  gränze,  mnd. 
laekeff);  sproake  spräche;  —  troach  träge,  ahd.  trägi;  woach 
tiefes  wasser,  alts.  wäg;  —  groat  faden  vor  einer  schneide,  vgl. 
mhd.  grät;  kwoatböse;  loat,  m.  bienenschwarm ;  noat  naht;  roat 
rath;  soat  saat;  schoat  laich;  snoat  gränze,  mnd.  snäde?.sn6defff); 
loaten  lassen;  moate,  f.  mafs;  noatel  nadel;  roate,  roatel,  f.  wabe, 
alts.  rata;  soaterdach  samstag;  —  Kloas  Klaus;  oas  aas;  bloasen 
blasen;  roasen  rasen.  —  ?boase,  f.  stengclbundel  (vom  rübstiel); 
?kroasen  sich  unreinlich  oder  unordentlich  beschäftigen;  ?kroas- 
seln  dichten  (von  jungen  vögeln). 

2)  =  6:  oar  ohr;  schroaen  schroten,  gerinnen;  hoarde  hörte. 

3)  =  a. 

a.  vor  r,  w  und  ch:  snoar  schnell;  goaren  garten;  goarn 
garn;  boart  bart;  schoart  scharte;  swoartel,  f.  schwarte;  woartel, 
f.  warze;  —  kloawe  klaue,  ags.  clavu;  kloawer,  m.  kiee,  ags. 
cläfer;  —  geschoach  geschah;  soach  sah;  toach  zähe,  ahd.  zahi; 
toaster  sehne,  vgl.  toach. 

*)  =  schoaen  aus  allvvestf    seäthan   secernere,   excernere,   vergl. 
schoat,  schöänert.   Dies  wort,  wie  vielleicht  auch'groane  gräte,  scheäune  " 
schote,   liefert  ein  beispiel   des  seltenen  wechseis  von  d  und  n;   vgl. 
Grimm  gesch    d.  d.  spr.  s.  355. 

**)  aber  kiaerde  (kiajren  verrere),  I©rde  (lasren  docere);  vgl.  Grimm 
gr.  I,  254. 

***)  setzt  altweslf.  wliggian  =  liggian  voraas. 

t)  eigentl.  knebel,  wie  denn  unsere  landleute  ihre  thurknebel  so 
nennen;  vgl.  ags    caege,  engl.  key. 

tt)  vgl    alts.  lähan,  ahd.  Iah  incisio;  noch  immer  dienen  eingekerbte 
oder  theilweiae  geschlichtete 'loakbäime'  zur  beslimmung  der  waldgränzen. 
ttt)  so  snoatbeaum,  snoalstäio,  ?nach  einem  altwestf.  snÄthan;  dage- 
gen Seib.  W.  urk.  n.616  'arbores  que  dieuntur  snetbome'. 


vokale   der  niederdeutschen  mnndarten.  195 

b)  vor  vereinfachtem  konsonant:  schroam,  in.  schramme; 
groane,  f.  gräte,  vgl.  granne;  woafel  waffel. 

c)  in  folge  einer  zusammenziehung:  stoal  stahl;  sloan  schla- 
gen; troan  thran,  vgl.  ahd.  trahan;  oar,  n.  ähre,   vgl.  ahd.  ahir. 

4)  =  o(u).  Ausnahmsweise  entspricht  dem  goth.  au  unser 
oa  vor  rn  und  rd  (oder  ausl..  rt  =  rd);  vgl.  mnd.  a  (k)  för  un- 
ser uä. 

inoaren,  moarne  cras*);  doarn  dorn;  hoarn  hörn;  koarn  körn; 

—  noarden  nord;  boart  breit;  oart  ort,  anfang;  woart  wort.  — 
Vereinzelt  steht  miuloapen  (maulafTen)  Ins  germanica. 

5)  Fremdlinge:  poarte  pforfe;  poawe,  f.  pfau;  poawes  papst; 
toafel  (afel;  toaks  frwy.og;  slroate  strafse;  das  zwitterwort  win- 
noatel  winbrief,  vgl.  mnd.  nottel,  lat.  notula;  poas  knabe;  poas- 
ken  ostern;  pl oasler  pflaster;  —  kanoal;  spitoal;  altoar;  saldoate; 
siloat  salat. 

öä, 

umlaut  von  oa,  ist  wie  dieses  zu  beurtheilen.    St.  Iserlohn  spricht 

dafür  ai.    Manchmal  sieht  ae  für  öä,  andere  male  gilt  sc  neben  dl. 

dröälcn  langsam  sein,  die  worte  ziehen,  holl.  dralen,   engl. 

to  drawl;  nöälen  säumen,  zögern,  dän.  nale;  pröäler  Schwätzer; 

—  öämen  athmen;  —  möänken  möndchen**);  schöänert  und 
gröäner  rogener;  spöäne  späne;  —  höären  hören;  vi  wöären  wir 
waren;  döärne  dörner;  göärner  gärtner;  höärne  hörner;  öärden 
orten  (den  schuh);  pöärtern  wiederholt  ein  und  ausgehn;  du 
wöärs  du  warst;  —  klöäweken  kleine  klaue;  —  slöäpken  kose- 
form  des  v.  sloapen;  —  söädinge  sämerei ;  nöätler  nadler;  —  hai 
blöäset  er  blaset. 


wenn  auch  nicht  ganz  reines,  haben  die  mundarten  des  limbur- 
gischen und  des  kreises  Altena  für  das  um  Iserlohn  und  jetzt 
meist  auch  in  der  stadt  herrschende  y.  Iserlohn  und  umgegend 
zeigen  aber  ein  reines  i  statt  i  vor  ausgefallenem  d,  namentlich 
im  plur.  prät.  und  ptc.  prät.  st.  v.     Der  kreis  Altena,   welcher 

*)  aber  subst  mnärgen;  tin  inoaren  muargen=to  morrow  morning. 
*•>  im  kampfspiele  'Sännken  «der  Möänken',  arspr.   vielleicht  eine 
drtmatisirte  mythe,  mit  der  hübschen  sangzeile  'daiit  de  gfkldne  poarte 
Danen  f 


196  Woeste 

gern  gutturalen  ausstofst,  bietet  dabei  Ähnliche  erscheinungen;  z. 
b.  gniel  =  iserL  gnickel  grobian. 

1)  Verbalformen:  gliSn  glitten,  geglitten;  lien  litten,  gelitten; 
rien  ritten,  geritten;  schrien  schritten,  geschritten;  snfen  schnitten, 
geschnitten;  Strien  stritten,  gestritten;  verlien  vergangen,  neulich, 
v.  alts.  farlithan. 

2)  kiel  kittel;  lferwäik  sehr  weich,  schwach,  vgl.  ags.  litta- 
vac;  slifcn  schütten;  smfen  schmieden;  verstriens  schrittlings;  vli- 
ren  angenlider,  ahd.  hlit  (altweslf.  wlid);  flirenblaumen  flieder- 
blüthen;  fri€n  frieden. 

Anm.  Zu  der  Verschiebungsreihe  i,  2,  y,  IserL  ni  halte  man 
die  Ähnliche  a,  a,  oa,  Iserl.  ein. 

IV.   Lange  zusammengesetzte  vokale. 

ai 
steht  vor  allen  einfachen  konsonanten  mit  ausnähme  des  r  nnd 
und  ch,  ausserdem  vor  ss,  sk,  st  und  entspricht  altem  &,  a  nnd 
a,  ia,  i,  iu  (io),  uo. 

1)  =  alts.  6,  hchd.  ei  =  ai,  und  zwar  so,  dafs  zuweilen  ü 
daneben  gebräuchlich  ist:  rai  =  raide  bereit,  fertig;  sprai,  f. 
spreite;  haie  haide;  haien  =  haiden  brutus*);  raien  =  raiden  su- 
recht machen;  schaie  scheide,  alts.  scethia;  spraien  spreiten;  waie 
Viehweide;  —  gail  geil;  —  Hahnen,  pl.  =  Elwen,  heimchen, 
elbe;  —  gemain  gemein;  klein  (kompar.  kienner)  klein;  rain 
(komp.  renner)  rein;  gaine,  gai,  gäi  gang  zwischen  gewächsrei- 
hen, Schwaden;  vgl.  ahd.  geinen;  hainken  insekt  (schriep-,  muir-, 
biärguala-);  mainen  meinen;  rainert  rainfarn;  wainich  wenig;  — 
saiwer,  säiwer  geifer,  ahd.  seifar;  —  raiger  reiber;  faige  dem 
tode  nahe;  —  aike,  äike  eiche;  —  baide  beide;  haide  beide,  zi- 
geuner;  —  -hait  -heit;  halten  heifsen;  waiten  walzen;  —  raise 
reise,  mal;  raisen  reisen,  erziehen **);  raisen,  pl.  krämpfe  der  kin- 

•)  einzig  epitheton  von  dyr  und  v*i,  z.  b.  'n  k»rl  as  'n  haien  v«; 
lat  den  raien  goan,  et  es  j5  mSn  'n  baien  dyr!  die  kirche  griff  dies 
adj.  einst  auf,  um  die  Unvernunft  der  gfttzendiener  zn  bezeichnen,  indem 
sie  passend  ihr  paganas  daneben  stellte.  Die  begriffe  campester  (pa- 
ganus),  brutus,  idolatra  folgen  sieh  so  natürlich,  dafs  das  längere  haf- 
werdet  J*lde?lhuni8  aof  dem  landc  «ar  nicbt  in  ^schlag  gebracht  zu 

)  cde  Irinner  im  duarpe  sit  nit  so  gerätst  as  dai  inner  stat.» 


vokale  der  niederdeutschen  mondarten.  197 

der,  ahd.  freisa;  snaise,  f.  stange  zum  raucbfleisch,  vergl.  altn 

811*8*). 

2)  =  &  oder  a  mit  konsonantauflösung. 

a)  eines  folgenden  .w  (h,  j),  und  zwar  ao9  dafs  zur  fullung 
des  hiatas  ein  g  eintritt:  bälgen  bähen,  ahd.  bäwan;  blaige,  f. 
blase,  ags.  biegen,  vgl.  ags.  blävan;  daigen  regelari,  ags.  )>avan**); 
draigen  drehen,  ags.  >rävan;  düärnaigen  durchtrieben,  schlau,  vgl. 
ahd.  duruhnoht;  haigen  heu  machen;  iutnaigen  wegeilen,  ahd. 
nähjan;  kraige  krähe,  ags.  cräve,  alts.  cräia;  kraigen  krähen,  ags. 
crävan;  laige,  f.  steiles  felsgehfinge,  alts.  leia,  ags.  hläv;  maigen 
mähen,  ags.  mävan;  naigen  nähen,  ags.  na  van;  saigen  säen,  ags. 
sä  van.  —  Anm.  Im  Ludenscheidschen  sagt  man  ssegen,  msegen, 
aber  kraen;  in  Herscheid  säggen,  mäggen,  kräggen. 

b)  eines  folgenden  g:  ai  ei;  aier  eier  (im  köln.  Suderlande 
noch  ägger);  aisen  grauen,  vgl.  alts.  egiso;  aisich  graunhaft,  ags- 
egesig;  aislik  graunhaft,  alts.  egislic;  baise  f.  =  bagese  binse 
(? verlorn,  bagan,  wie  juncns  zu  jüngere);  saisse,  f.  sense,  ags. 
sägese  ensis;  taierwieten  ;=  tager  (tage!)  wieten  schwanzunkräu- 
ter,  queckenwaizen. 

3)  =  a,  erweitert  bei  konsonantausfall :  ?haien  von  werrig; 
noa  kailen  entstellend  nachsprechen,  vgl.  berg.  kallen***);  kaimen 
kämmen;  kaimer  jedes  in  seiner  art  grofse  und  feiste  thierf); 
slaite,  f.  latte  für  Strohdächer,  ?=  statte,  nordam.  slat.  —  Anm. 
In  aisk  turpis,  flofs  ai  mit  ausstofs  von  w  aus  zwei  silben  zu* 
sammen,  wenn  es  =  ags.  aevisc  saecularis,  turpis;  vielleicht  aber 
ist  es  =  a^isk,  vgl.  die  kindersprache  4dat  es  a  (&),  Äks;  Äks 
könnte  ein  verdichtetes  a-isk  mit  umgesetzten  sk  sein,  wie  sich 

*)  'siewen  es  'ne  snaise  vul*  sprichw. 
**)  daigewiser  thauwetter;  versch.  ist  dauen  rorescere. 
***)  da  bei  ans  kallen  (sprechen)  sonst  durchaus  nicht  vorkommt, 
so  dürfte  noa  kailen  anf  ähnliche  weise  wie  franz.  habler  u.  a.  in  Um- 
lauf gekommen  sein.  Die  alte  Stammeseifersucht  zwischen  diesseitigen 
rheinfranken  und  sassen  zeigt  sich  in  mehr  als  einer  erscheinnng  der 
spräche;  so  sei  hier  noch  erwähnt,  dafs  bergische  in  nnserm  *min 
aäks!'  eine  6  finden  wollen  und  es  durch  'min  sdwen!'  zu  überbieten 
suchen. 

t)  Die  Volkssprache,  welche  überflüssige  epith.  orn.  lieht,  setzt  oft 
noch  dücbtich  hinzu.  Das  wort  gilt  besonders  von  basen,  rehen,  Schwei- 
nen and  dürfte  ursprünglich  den  eher  bezeichnet  haben. 


198  Woeste 

dergleichen  Umsetzung  im  ags.  findet,  bei  uns  umgedreht  lask, 
pl.  leske  lachs. 

4)  =  ia  in  ehemals  redupl.  prät:  laip  lief;  raip  rief;  slaip 
schlief;  —  brait  briet;  lait  sah  aus,  liefs;  rait  rieth;  schalt  brachte 
ertrag;  schreit  gerann;  stait  stiefs  (häufiger  stodde);  —  biais, 
blaus  blies.  —  haif  hieb  ist  verfehlte  analogie  des  hochd.,  erträg- 
licher haich,  pl.  haigen,  gebräuchlicher  hochte,  hoch. 

5)  =  i:  dai  der;  hai  er;  vai,  Tai  vieh;  gaitlink,  m.  drossel*). 
wir  fuhren  noch  folgende  hier  auf,  für  die  vielleicht  besser  alt- 
westfälische  io- formen  anzunehmen  wären:  waige  cunae,  ahd. 
wiga;  waigen  wiegen;  waike,  wäike  docht,  ags.  vecce,  veoca 
(?veoca),  draisk  nicht  flöfsbares  heuland,  ?ahd.  drisc. 

6)  =  iu(io),  was  in  ia  übergegangen  und  umgestellt  ist. 
Zuvörderst  gehören  hiebe r  der  inf.,  die  1  8g.  und  der  pl.  präs.  st. 
v.  (ai;  elu,  üe;  uä)  mit  dem  Charakter  h,  g,  d,  t,  s:  geschaien 
geschehen;  saien  sehen;  taien  ziehen;  —  bedraigen  betrügen;  läi- 
gen  lügen;  flaigen  fliegen;  —  baien  bieten;  —  gaiten  giefsen 
genaiten  geniefsen;  schalten  schiefsen;  slaiten  schliefsen;  spraiten 
spriefsen;  verdraiten  verdriefsen;  flaiten  fliefsen;  —  -kaisen  kiesen; 
verlaisen  verlieren;  fraisen  frieren.  An  in.  Die  verba  geschaien, 
saien  (urk.  mnd.  gescheyn,  seyn)  sind  hier  aufgeführt,  weil  die 
formen  geschult,  suis,  suit,  sui,  die  nomina  gesuine,  unsuine  deut- 
lich genug  auf  altwestf.  gisciohan,  siohan  hinweisen.  Die  v.  mit 
dem  eh.  d,  t  haben  2.  und  3.  sg.  präs.  ü  z.  b.  bös,  büt;  die  übri- 
gen ui  z.  b.  fruises,  fruiset.  Statt  slaiten  kommt  auch  sliutcn  vor. 
—  Ferner  fallen  unter  iu  (io):  dai  die;  knai  knie;  sai  sie;  maien 
miethen;  —  wallen  rotare,  mit  der  waile  (windelholz)  festdre- 
hen, vgl.  ags.  hveöl;  —  raimen  rieinen;  —  prain  pfriem,  ags. 
preon,  mnd.  pren;  dainen  dienen;  —  daiwen  stehlen;  —  daip 
tief;  —  daif  dieb;  laif  lieb;  staifvär  Stiefvater;  laifde  liebe;  — 
snaigen  =  smaigen  stehlend  umher  schleichen,  vgl.  ags.  smeögan, 
dän.  snage;  snaigesk  diebisch.  —  lait  lied;  rait,  n.  rieth;  verdrait 
verdrufs;  baitel,  m.  meifsel,  ags.  beötul;  —  lais  liesch;  baist  biest, 
ahd.  biost;  ?knaisten  kränkeln,  stöhnen,  holl.  kniezen. 

7)  =  au.    Die  ausspräche  der  laute  ai  uud  aü  steht  sich  so 

r)  andere  mark,  formen  sind:  gallink  (auch  urk.  eigenname),  giet- 
link,  gillink,  getlink;  berg.  gilde,  gelde,  vgl  ags  gidd,  giedd  canlüena. 
Sprich  wörll.  redensart:  4dat  es  rai  ok  de  r Ächte  gaitlink'  (von  einem 
schlechten  menschen). 


vokale  der  niederdeutschen  inandarten.  199 

nahe,  dafs  in  einigen  fällen  ai  für  au  völlig  eingetreten  ist:  blai- 
gen  blühen,  ags.  blovan;  draise  drüse;  faien  nähren,  alts.  födian; 
faikalf  zuchtkalb;  waiste  wüste.  —  Die  formen  wuiste,  druise 
sind  platthochd. 

8)  Fremdlinge:  braif  brief;  kraike  kriechpflaume;  raister  ra- 
st erbrett,  ahd.  riostar;  spaigel  Spiegel;  taigel  ziegel. 

äi 
steht  vor  allen  konsonanten.     Der  kreis  Altena  spricht  dafür  ei. 
Es  ersetzt  altes  e,  ei  (=  ai),  i,  iu  (io),  a.   Vgl.  ae. 

1)  =  alts.  e,  ahd.  e  und  ei:  näi  nein;  räi  reh;  räiskop  ge- 
räthschaft;  säi  see;  släi  stumpf;  snäi  schnee;  twäi  zwei;  faimolie 
bunter  molch;  wäi  weh;  schalen  scheiden;  —  däil  theil;  häil 
ganz,  heil;  sail  seil;  siile  seele *) ;  —  häime  heimat;  läimen  lehm; 
verhäimen  verheimlichen;  —  äin  ein;  bäin  bein;  Ifiinen  leihen; 
swäine  hirt;  —  häirnietel  eiternessel,  ahd.  hcitirnezila;  kwoatsäir, 
n.  kopfräude;  äirst  erst;  —  äiwelt  einfach,  alts.  ewald;  iuträi- 
wen  leichen  entkleiden;  läiwerk,  m.  lercbe,  ags.  läverce;  -räip 
seil;  släip  schräg;  gläipe,  f.  spalte,  vgl.  mbd.  gleif;  gläipen  klaf- 
fen; mistgräipe  mistgabel;  säipe  seife;  släipe,  f.  diagonale;  — 
schäif  schief,  ahn.  skeifr;  släif,  slaif  grofser  löffel,  altn.  sleif;  — 
äigen  verdienen;  läige,  läge  schwach,  leidend;  fläige  wohlgenährt, 
schön  (von  thieren);  —  bläik  bleib;  st  räi  k  sireich,  Werkzeug  zum 
streichen;  wäik  weich;  äiken,  n.  eichhörnchen ;  räiken  reichen; 
säiken  seichen;  täiken  zeichen;  —  däich  teig;  wiaerläichen  welter- 
leuchten, vgl.  ahd.  leih  ludus;  — äidem,  Lüdensch.  eidum,  eidam, 
ahd.  eidum;  —  äit  eid;  bräit  breit;  häit,  m.  haidekraut,  ags.  haeö; 
•häit  heifs;  häitraännken  waldgeist  der  aufhockt;  läit  leid;  mäit 
ziel,  dän.  meed;  swäit  blut,  schweifs;  swäitwuärst  blutwurst; 
vräit  strenge,  böse,  ags.  vraö;  —  häis  heiser,  alts.  lies;  mäise 
meise';  wäise  waise;  fläisk  fleisch j  gäist  geist;  mäist  meist;  haister 
junge  buche  (sonst  und  anderwärts  auch  =  äikentelge);  läiste 
leisten.  —  Hieher  gehören  auch  folgende  prät.  sg.  st.  v.  (y;  äi, 
ie;  ie):  bäit  bifs;  blaif  blieb;  däis  lief;  dräif  trieb;  dräit  cacavit; 
gläik  glich;  gläit  glitt;  gräin  weinte;  gräip  griff;  käik  guckte; 
käin  keimte;  knäip  kniff;  kräit  schrie,  weinte;  kvväik  quiekte; 
läit  litt;  mäich  minxit;  näich  neigte;  päip  pfiff';  präis  pries;  räit 


*)  die  alts.  formen    eeola  und  siola  sind  in  unsern  säile  und  'min 
sail!'  vertreten. 


200  Woestc  • 

ritt,  rifs;  räip  pruina  adparuit,  maturuit;  räis  fiel,  pfropfte;  schäm 
schien;  schäit  cacavit;  schräit  schritt;  schräif  schrieb;  säip  troff; 
släik  schlich;  släip  schliff;  släit  schlifs;  smäit  schmifs;  snäit  schnitt; 
späichspie*);  spÜit  splifs ;  stäich  stieg;  sträit  schritt,  stritt;  sträik 
strich;  swäich  schwieg;  verkwäin  verkümmerte;  verwäit  ver- 
wiefs;  vräif,  räif  rieb**);  wäik  wich;  wäis  wies;  —  praterito- 
prses.  wäit  weifs. 

2)  =  i,  vor  r,  h  und  dem  das  letztere  vertretenden  w;  man 
vgl.  die  goth.  brechang  ai:  ?äirgake  wildgänse,  kraniche,  ?äir  = 
caterra***);  äir  heftig,  scharf,  ags.  irri;  häir  hirt;  schäirlink 
schirlingf);  häirn  hirn;  twäirn  zwirn;  käirnen  buttern;  stäirne 
stirn;  wäirt  wirth;  —  väi  vieh;  —  gäiwen  gähnen,  ahd.  giw&n; 
täiwe  zehe.   —  Vereinzelt  steht  jäider  jeder,  aus  gihueder. 

3)  =  iu  (io):  däirne  dirne,  schon  alts.  tberaa;  väir  vier. 

4)  =  a  bei  konsonantausfall:  ?häie,  f.  werrig;  späir,  n.  Spar- 
ren; späiren  sperren. 

Anm.  Besondere  erwähnung  verdient  beswäigen,  prät.  be- 
swäigede  (Lüdenscheid  beswaien,  prät.  beswaiere);  vgl.  beswau- 
wen,  prät.  beswauwede  (Marsberg),  alts.  suogan,  ags.  svögan  und 
svegan  rauschen,  engl,  to  swoon.  Daneben  erhielt  sich  in  der 
gegend  von  Soest  ein  st.  v.  beswäigen  (ai;  eäu  [Soest  au],  üe; 
uä).  War  es  die  empfindung  des  rauschens  im  beginn  einer  Ohn- 
macht, was  zu  dem  jetzigen  begriffe  des  Wortes  führte,  oder 
däuchte  un8ern  alten  gleich  dem  träume  (s.  alts.  drdm  drohtines) 
die  ohnmacht  ein  seliger  rausch,  ein  sein  bei  gott,  wie  denn 
in  unsern  redensarten  für  'ohnmächtig  sein9:  'bi  der  geüus  sin, 
geausen,  im  geausehiemel  sin9  ein  god  oder  Gwöden  stecken 
durfte? 

5)  Fremdlinge:  bäist  vieh;  däiwel  teufel  (st.  IserL);  mäile 
kornschaufel;  ?päigen  im  sterben  sein;  präi,  n.  aas,  ?preeda;  pläi- 
ten  prozessiren,  mnd.  pleiten  v.  placitum;  täike  waarenschrank, 


*)  8pigg«n  speien  hat  auch  schw.  prät.  spuchte  und  spiggede;  ptc 
gpnggen  und  spigget. 

**)  die  beiden  formen  werden  unterschieden;  vom  reiben  mit  einem 
reibeisen  sagt  man  niemals  vrSif. 

***)  oder  ist  fiir  as  goth.  alras:  anseres  nuntii   sc.  nirium  (sniggel- 
gSise)? 

f)  von  8carno  -wird  weder  unsere  form,  noch  die  nhd.  stammen. 


yokale  der  niederdeutschen  raundarten.  201 

y 

lautet  e  mit  nachgeschlagenem  i.  In  Iserlohn  und  mehr  noch  in 
Menden  hört  man  auch  dafür  ui.  Kreis  Altena  und  das  limburgi- 
sche ersetzen  es  durch  i.  Es  ist  in  der  regel  =±  altem  1,  selten 
=  i.  iu,  ia. 

1)  =  i;  bymeäur  weisel,  ags.  beömodor*);  bly  blei;  bry  brei; 
hyroat  heirat;  fry  frei;  glyen  gleiten;  lyen  leiden;  snyen  schnei- 
den; stryen  streiten;  —  gyl  hals  (v.  vieh);  kyl  keil;  pylricht 
senkrecht;  gylen  keichen;  yle  eile;  pyler  p feiler;  spyler  speiler, 
stütze;  tyle  zeile,  20garben;  wyle  weile;  —  lym  leim;  rym 
reim;  slym  schleim;  kwymen  kränkeln;  kwymelich  kränklich, 
schwächlich;  —  kyn  keim;  lyn  lein;  sehyn  schein;  swyn  seh  wein; 
fyn  fein;  begynealbernesweib,  verschnittenes  weibliches  seh  wein**); 
begynen  verschneiden;  grynen  weinen;  kynen  keimen;  kwynen 
kränkeln,  ags.  dvinan;  —  sehyr  rein,  hell,  alts.  sein;  spyr,  n. 
kdrnchen,  hälmehen;  myre  ameise  (selten),  ags.  mire;  myre  miere; 
sik  opsehyren  heiter  werden,  vgl.  to  cheer  up ;  —  ankly wen  an- 
hangen; bly  wen  bleiben;  drywen  treiben.;  ywer  eifer;  knywe 
dicke  schnitte;  rywe  verschwenderisch,  ags.  rif  frequens;  rywe 
rankendes  unkraut,  vogelwicke;  schywe  scheibe;  schrywen  schrei- 
ben; stywe  stärke,  amylum;  twywel  zweifei;  vrywen  reiben;  — 
ryp  pruina;  grypen  greifen;  knypen  kneifen;  nype  angedrängt, 
nah"*4');  pypen  pfeifen;  rype  maturus;  rypen  reifen;  slypen  schlei- 
fen; strypen,  m.  streif;  —  lyf,  n.  leib;  styf  steif;  wyf  weib;  — 
gygen  keichen;  krygen  kriegen;  mygen  mingere;  nygen  neigen; 
syge  (kompar.  sigger)  niedrig  f);  styge  zahl  von  20;  swygen 
schweigen;  —  dyk  teich;  spyk  Stauung,  dämm;  kyken  gucken; 
kwyken  quieken;  lyke  leiche;  lykem,  lychem.  n.  leichnam;  lyke 
gerade,  gleich;  lyken  zielen;  ryke  reich;  slyke  schleiche,  regen- 
warm; slyken  schleichen;  spyken  aufstauen;  spyker  Speicher; 
ßtryken  streichen;  wyken  weichen;  —  krych,  krich  nimm;  stych 
steig;  swych  schweig;  —  syde  seide;  smydich  geschmeidig;  — 


*)  man  vgl.  jedoch  bigge  biene,  frigge  frei. 

**)  ein  mendener  hexen protokoll  von  1592  hat  schon  'eine  witte 
begine'  znr  bezeichnnng  eines  solchen  Schweins. 

***)  vgl.  das  verwaiste  ptc.  beniepen  compressas,  bumilis,  verküm- 
mert, v.  pfl. 

f)  in  sigge-lo  wald  im  thal,  opp.  ho-lo,  ist  das  i  wol  folge  der 
Zusammensetzung. 


202  Woeste 

kwyt  los;  tyt  zeit;  flyt  flcifs;  wyt  un  syt  weit  und  breit,  ahd. 
sito;  byten  beifsen;  dryte,  f.  dreck;  kryte  kreide;  kryten  schreien*) ; 
nyterich  begierig;  ryten  reifsen;  schyten  cacare;  slyten  schleusen; 
verwyten  exprobare;  —  gry8  grau;  ys  eis;  rys  reis;  wys  kun- 
dig**); dysen  laufen;  wyse  weise;  wysen  zeigen;  dryste  dreist; 
lyste,  f.  leiste;  rystcn,  m.  flachsbündel,  vgl.  ags.  vriSan. 

2)  =  i. 

a)  gyr*  f-  g*crJ  nywer  genau,  ags.  neovol  pronus;  ?knyste 
eingetrockneter  schmutz,  vgl.  ags.  gnidan,  ahd.  knistjan;  knystich. 

b)  mit  vereinfachter  konsonanz:  ?kyle  trinkgefä fs ;  myle  meile; 
pyle,  häufiger  pille  ente  jeden  alters***);  tryle  rollenzug,  Scheibe 
in  der  butterkirne;  trylen  aufziehen,  dän.  t rille;  yme  biene;  ymen, 
m.  bienenschwarm ;  Myne  Minna;  geschyr  geschirr;  kype  trag- 
korb; —  fywe  fünf;  spyse  speise;  —  dysten,  m.  Spinnrocken  f); 
spyt  trotz,  vgl.  despectusff ).  —  Eigentümlich  ist  wymen,  m.  = 
widern  jugamentum,  gebälk,  woran  das  raucbfleisch  hängt;  vgl. 
ahd.  widamo,  welches  sonst  zur  bezeichnung  geistlicher  Stiftun- 
gen in  wieme  verändert  wird.  Analog  ist  lykmen  neben  lykem, 
balsmen  für  baisam. 

3)  =  a:  kye  kette,  in  der  westlichen  Mark  kiete. 

4)  =  in:  dyr  thier;  ?pyr  fischlein;  ?schyr  schnell,  stark, 
scharf;  nyre  niere;  kywe  mund winke!,  kiefer;  nyschen  niesen. 

5)  =  ia  mit  ausgefallenem  h:  byle,  f.  beil;  fyle  f.  feile. 

A  n  m.  ni  wechselt  mit  y  in  nuisgyrich,  nysgyrich  neugierig 
Einige  Wörter  haben  je  nach  betonung  y  und  i;  man  vgl.  i. 

ein,  äu. 
Um  Lüdenscheid  und    t  heil  weise  im  limburgischen   spricht 
man  dafür  ou;  Altena  zeigt  in  einzelnen  fällen  au,  z.  b.  brauer 
bruder;  die  stadt  Iserlohn  hat  eäu  für  oa.     Märkische  Urkunden 


*)  krytsiuer  schreiend  sauer,  =  so  einer  at  et  kril  (3  sg.  präs.); 
vgl.  hnnsrück.  ritze roth  greUrolh. 
**)  he  es  dat  nit  anners  wys. 
***)  vgl.  den  lockrufpil  pil!  wie  tüksken  bahnchen  zu  tak  tuk!  kürre 
schweinchen  zu  kür  kür!  misken  katzchen  zu  mis  mis!  Soester  Daniel 
s.  68  sind  die  pylen  keine  'junge  enten*,  sondern  wie  s.  92  pyle  pfeile. 
f)  =  dihs-ten  (ags.  tan),  vgl.  ags.  distaf  für  dihestat     Die  dysse 
(umgewickelter  flachs)  des  östlichen  Westfalens  heifst  bei  uns  klanke. 
tt)  ein  anderes  spyt  erklärt  sich  dnrch  das  daneben  gebräuchliche 
spint,  flachsfaser. 


vokale  der  niederdeutschen  mundarten.  203 

geben  den  laut  oft  durch  ou,  oy,  au.    fcr  stattet  mhd.  6  und  ou, 
weniger  uo,  u,  u  und  a. 

1)  =  mhd.  6  und  ou:  reau  roh;  sein  so;  smeäu  weich,  ge- 
schmeidig; streau  stroh;  fleau  floh;  freäu  froh;  —  beäum  bäum; 
dreaum  träum ;  eaum  ohm,  ags.  eam ;  seäum  säum ;  teaum  zäum ; 

—  leäun  lohn;  treäun  thron;  beaune  bohne;  krelune  kröne; 
scheäune  schote;  scheaunen  schonen;  fleä unken  met  schmeicheln, 
vgl.  Höhnen  H.  Sachs*);  —  gleäuwe  glaube;  reauwen  rauben; 
?schreäuwe,  f.  schlacke,  griebe;  teauwen  zaubern;  —  heäup,  m. 
häuf;  kneaup  knanf,  knöpf;  deäupe  taufe;  leäupen  laufen;  — 
deauf  taub;  leauf  laub;  reauf  raub;  —  eänge  äuge;  Beäuge  hoch 
seäuge  jauche,  ahd.  souwe;  eauk  auch,  leäuk  Jauch;  reauk  rauch 

—  keaucheln  gaukeln;  —  bleäut  blofs;  breaut  brot;  deSut  tod 
greäut  grofs;  kleaut  hode,  rube;  neiut  nolh;  rcaut  roth;  seaut 
brunnen;  scheäut  schöfs;  sleäut  steifs;  vleäut  flach,  seicht**); 
beluten,  m.  pack  flachs,  ahd.  bözo;  keäuten  köthe.  ags.  ceät; 
peäute  pfote;  steinten  stofsen;  —  reäuse  rose;  eäusten  osten; 
kleäuster  kloster;  treäust  trost. 

Ferner  folgende  prät.  sing.  st.  v.  (ai  und  iu;  eSu,  üe;  uä): 
beäut  bot;  bedr^auch  betrog;  breäuk  brauchte,  ags.  breac;  geäut 
genelut  genofs;  heäuf  hob;  heäuk  hockte;  kreäup  kroch;  leiiuch; 
log;  reäuk  roch;  scheäut  schofs;  schreäuf  schrob;  seäuch  sog; 
se^up  soff;  sleäuk  schluckte;  sleäut  schlofs;  sneäuf  schnob;  spreäut 
sprofs;  steäuf  stob;  teäuch  zog;  verdreäut  verdrofs;  verleäus  ver- 
lor; fleäuch  flog,  fleäut  flofs;  freäus  fror;  [weäuch  wog;]  —  prä- 
teritopra's.  ha  deäuch  er  taugt,  zu  duegen. 

2)  =  mhd.  uo,  in  kleiner  zahl  vor  1,  m,  r:  peäul  pfuhl,  ags. 
pol;  reäura  rühm;  —  breäur  bruder;  heäur  hure;  meäur  mutter; 
meäur  leib,  ahd.  muodar;  reäur  rührte;  sneäur  strick;  sweäur 
schwur;  feäur  fuhr;  feäur  futter. 

3)  =  u  vor  r:  eäur  hirtengehilfe***);  eäursäke  Ursache;  weäur 


*)  verb.  diminutivum  (koseform)  vonfleäunen;  vgl.  slöäpken,  läip- 
keo  zu  sloapen  und  leäupen. 

**)  von  bach,  ackerkrume,  teller;  es  ist  ags.  leä't  pronus,  setzt  also 
ein  altwestf.  wliolan  niedrig  sein  voraus. 

***)  Lödensch.  oah&r,  Firm.  V.  st  p.  182  auheere.  Man  sagt  you 
einem  dem  dorfshirten  beigegebenen  knaben  'liä  gait  eäur'  und  'ha  es 
eäur  =  eäur- klir  anfaogshirte;  denn  er  hilft  nur  bis  die  schweine  oder 
kühe  'vrennt  sind'. 


204  Wocete 

wurde;  teäurn  tharm;  deaurt  trespe,  alt«,  dufth;  heSrt  geflecht; 
Keärt  Kurt,  Konrad*);  feaort  fürt. 

4)  =  u;  elurhäne  auerhahn;  eSurosse  auerocbse, 

5)  =  a,  mit  konsonantausfall  oder  auflösung:  geSus  gans, 
eisengans;  —  speäuken  spuken,  ?=  spalken,  berg.  mundart  ver- 
wendet spöken  für  speSuken  und  spalken. 

•    n, 

umlaut  des  vorigen,  klingt  im  ludenscheidschen  und  limburgschen 
fast  wie  öi.  In  Iserlohn  fallen  die  öä  hieber.  Urkunden  des  14 
— 16  jahrh.  drucken  den  laut  nicht  selten  durch  oi  aus,  z.  b. 
Oisteryk  (dorf),  koiper. 

1)  unäi  ungern,  difficulter,  vgl.  alts.  unöthi;  —  äimcoheim; 
dräimen  träumen;  täimen  zäumen;  —  bäinken  böhnchen;  taine 
ladentisch;  —  räir,  n.  robr,  röhre;  säir  dürr,  trocken*  ags.  sear; 
säiren  austrocknen,  ags.  searjan;  —  haiwet  haupt;  klaiwcn  spal- 
ten; läiwen  glauben;  schäiwen  stroh  zum  dachdecken  aussondern, 
vgl.  scheäuf;  —  däipen  taufen;  läipen,  n.  gefafs,  ags.  leäp  (kau- 
laipen  handfafs,  6oatläipen  samenkorb);  sträipen  streifen;  Sigeln 
äugeln;  —  klaite  rüben;  —  baise  böse;  trüisten. trösten. 

2)  bräirs  brüder;  fäirken  futterchen;  rliren  rühren;  snairen 
schnüren;  fairen  fuhren. 

3)  bair  bürde;  häir  hurde;  wahren  wurden;  täirne  thurme. — 

4)  dräige  trocken,  ags.  dryge,  berg.  druch;  draigen  trocknen. 

6)  gäise  gänse;  späike  gespenster. 

Anm.  Wohin  gehört  mäine  tante?  muoma  und  mnd.  möme 
will  schlecht  passen.  Es  liegt  so  nah,  in  den  Wörtern  für  oheim 
und  tante  den  begriff  des  'liebevollen,  zärtlichen7  zu  suchen,  dafs 
man  zu  maine  das  alts.  munilic,  wie  zu  eäum  schwed.  öm  hallen 
möchte.  Erwägt  man  zu  letzterem  die  Verhältnisse  der  bäuerli- 
chen erbfolge,  wie  sie  waren  und  oft  noch  sind,  so  findet  sich 
in  dem  elum  auf  dem  hofe  des  erstgebornen  bruders  oder  neffen 
in  den  meisten  fällen  auch  ein  anmr  (miser). 


*)  auch  =  verächtlicher  kerL  In  der  südl.  Mark  ist  kouert  eich- 
hörnchen,  wie  denn  voroamen  zuweilen  thieren  beigelegt  werden.  So 
gilt  bei  ans  aafser  Hiarmen  für  bock  and  pferd,  Makolwe  ( Marco lf)  fttr 
näher,  Gehannes,  Hans  von  vielen  thieren,  sogar  vom  holz  warm:  Sai! 
sagte  der  schreiner  einen  schrank  auseinander  nehmend,  sai!  Gebannes 
woarm  es  derane. 


vokale  der  niederdeutschen  mundarten.  205 

iti,  eu. 

Kreis  Altena  and  das  Limburgsche  haben  dafür  ü.  Es  steht 
gewöhnlich  für  alts.  ü  und  iu,  seltener  für  u  and  wi,  misbräuch- 
lieh  für  uo,  6. 

1)  =  ü  und  iu:  diudissel  dudistel,  sonchus,  ags.  )>üfe)>istel ; 
ria  rauh;  liuen  lauten;  —  mini  maul;  fiul  faul;  iule  eule,  weit- 
halsiger  krug*);  kiule,  f.  grübe;  Schiulenstäin  name  der  klausen- 
steiner  höhle,  vgl.  ahd.  scülinge  latebra;  —  kium  kaum;  rium 
räum;  schium  schäum j  diume  daum;  priuine  pflaume;  —  briun 
braun;  tiun  zäun;  liune  laune;  —  biur  bauer;  niur,  n.  euter**); 
schiur,  schiul  regengufs;  schiur  gesichert,  vgl.  schiul  und  schuir; 
siur  sauer;  stiur  stark,  alts.  stiuri;  triuren  trauern;  —  diuwe 
taube;  driuwe  traube;  driuwe  fafsdaube;  siu wer  sauber;  —  siriuf 
straobig,  alts.  strüf;  —  biuk  bauch;  sliuk  Speiseröhre,  schlauch; 
?kiuken  schwach  sein,  kränkeln;  ?miuke,  moeke***),  murke 
maunkel,  obsthort  der  kinder;  piuke  kind,  schweinchen,  altn. 
pükif);  fiuke  spitzer  binsenkorb  zum  fischen,  altfr.  fuke;  —  jia- 
chen  jauchzen;  —  hiudelte,  f.  Hasche  von  hast;  ?smiuden,  smiu- 
ren  druckend  warm  sein;  —  briut  braut;  hiut  haut;  iut  aas; 
kriut  kraut;  Hut,  liu  licht,  laut  ff);  hinten  draufsen,  alts.  biütan; 
kliote,  f.  und  kliuten,  m.  schölle,  klumpen,  ballfff);  liute  fla- 
ches netz;  Hüter  nur;  schriute,  f.  truthenne;  stiuten,  m.  feineres 
brotffff)  tiute  düte;  tiaten  ein  hörn  blasen;  —  hius  haus;  krius 
kraus;  lius  laus;  mius  maus;  diusent  tausend;  riuse,  f.  und  riu- 


*)  das  alts.  wort  für  X/ßtjq,  olla  Ps.  59, 10  ist  vielleicht  besser  ula 
als  ula  zu  schreiben.  Unsere  iule,  ein  topfähnlicher  kmg,  mufa  von 
der  enlengestalt  benannt  sein. 

**)  nicht  aus  üder  entstellt;  wir  haben  aiterbock  «witter. 
**•)  stimmt  zu  fries.  muke. 
t)  ygl-  jedoch  liuse-purk,  was  auf  porcus  führt, 
ft)  liut-saiget  =  clair-sem& 
ftt)  kliutentri©er  schollen  treter  =  bauer,   Infanterist,    vergl.  engl 
clodhopper. 

•f-f-ff)  für  die  sbleitnng  dieses  Wortes  erwSgc  man  die  wahrscheinli- 
che urform  des  gebScks  (rnnd  mit  einer  kerbe),  wie  sie  bei  unsern 
banern  noch  die  gewöhnliche  ist,  ferner  die  Wörter  stuitken  kleiner 
Stuten,  stoitink  börzel  und  die  gleichung  kliuten:  kleäut  =  stiuten: 
steint  (steifs,  stiuz).  Wie,  wenn  hier  der  name  die  form  bezeichnete, 
und  diese  gleich  dem  brot  piepen  (Gr.  myth.  s.  453)  und  dem  feige 
zeigen  ein  Signum  averruncandi  wSre? 


206  Woeete 

sen,  m.  klumpen,  schölle*);  driust,  m.  zweig,  strauch ;  kniust,  m. 
klumpen,  knorren;  piust  banch;  fiust  faust;  piiisten  hauchen, 
blasen.  — 

Ferner  im  in  f.,  1.  präs.  und  imperat.  st.  v.  mit.  dem.  ch,  w. 
p,  k  (vereinzelt  siugen),  deren  2.  und  3.  sg.  präs.  ui  hat:  briu- 
ken  brauchen;  hiuken  sitzen;  kriupen  kriechen;  riuken  riechen; 
schiuwen  schieben;  schriuwen  schrauben;  siugen  saugen;  siapen 
saufen;  sliuken  schlucken;  sniuwen  schnauben;  stiu wen  stauben. 

2)  =  u,  bei  konsonantausfall. 

a)  gliume,  f.  funken,  vgl.  glummern;  linke  luke,  vgl.  luckc; 
kriuke,  f.  krug,  ags.  crucce;  stinken  wurzelende  eines  baum- 
stamms,  vgl.  stock;  tiufel  pantoffel. 

b)  diust,  m.  geschwulst;  hiuk,  m.  zäpflein,  vgl.  ags.  hole, 
dän    hulke;  siuden  Süden ;  stiuf  stumpf;  triuf  trumpf. 

3)  —  wi:  kiusen,  m.  keule,  kolbe,  vgl.  ags.  cvfsan;  tiuwer 
zuber. 

4)  =  uo  und  6:  liuder  luder;  swiul  schwül;  —  karniutc 
genösse,  mnd.  cornote. 

Anm.   iu  und  u  wechseln  je  nach  betonung;  m.  s.  u. 

ui. 

Kreis  Altena  und  Limburg  ersetzen  es  durch  ü.  Ein  Theil 
der  bevölkerung  von  Iserlohn  und  Menden  zieht  das  y  hieher. 
Mark.  urk.  des  15.  und  16.  jahrh.  zeigen  das  ui  schon  häufig, 
z.  b.  betuige,  luide  Es  ist  in  der  regel  umlaiit  unseres  iu,  manch- 
mal der  eines  alte,  oder  ahd.  iu,  einigemal  reine  Umsetzung  des 
alten  in,  andere  male  Verlängerung  und  umlautung  des  u  bei 
konsonantausfall. 

1)  Umlaut:  lui  leute;  luilink  sperling;  buien  verbergen**), 
ags.  hydan;  luien  läuten;  —  buil  beutel;  kuilink  kaulquappe; 
muilen  maulen;  —  bruimer  bräutigam ;  ruimen  räumen,  von  stat- 
ten gehen;  pruimken  pfläumchen;  —  gesuine,  gesui  gesiebt,  alts. 
gisiuni;  huine,  Werdohl  hune  hüne***);  tuine  zäune;  unsuine  un- 
sauber, mnl.  onsiene;  —  duir  theuer,  alts.  diuri;  schuir  scheuer, 
vgl.  schiur;  ungehuir  ungeheuer,  alts.  unhiuri;  nuiren  schwellen 


*)  von  klumpen,  die  aus  unsern  grofsen  Schwarzbroten  fallen;  von 
erdschollen;  vgl.  ags.  hreösan. 
**)  pr.  hndde,  ptc.  hut. 
"**)  vgl.  Grimm  myth.  s.  489. 


vokale  der  niederdeutschen  mundarten.  207 

(v.  eater);  stairen  steuern,  ahd.  stiurjan;  dairde  theurung,  alts 
diuritha;  sairte  Sauerampfer;  —  duiwel,  alts.  diuvil  neben  diu-. 
*al;  schuiwer  Schieber;  struiwesk  straubig;  huipen,  huipenich 
gehäuft,  vergl  ahd.  hüfo,  mnd.  hupen;  kruiper  zwergbohne;  — 
schuifeln  schaufeln;  —  luik  klaffend;  stuik  steif;  suike  seuche; 
—  kruider  kraut  er;  nuitlik  niedlich,  vgl.  alts.  niudlico;  —  bui- 
terst  äufserst;  guite  giefskännchen ;  kluiten  mit  Schneebällen  wer- 
fen; sluiter  brauerknecht ,  schliefser;  snuiten  schnauzen;  stuitink 
bfirzel;  stuitken  kleiner  stuten;  duitsk  deutsch,  alis.  thiudisc;  — 
huiser  häuser;  muise  mause;  fuirmuiser  roth wangiger  mensch, 
fenermauser,  nuiseken  kühchen;  puiseken  kätzchen,  schfilzeben, 
vgl.  engl,  puss;  duister  finster,  alts.  tbiustri;  knuiste  knorren  knö 
chel;  pluisterich  faserig,  zerzaust,  von  pliuse;  puister  blasebalg; 
hieher  gehören  ferner  2.  und  3.  präs.  sg.  st.  v.  iu;  eau,  ue;  uä, 
sowie  von  den  ai;  eäu,  üe;  uä  diejenigen,  welche  den  eh.  g,  h, 
s  haben;  z.  b.  bruikes  brauchst;  bruiket  braucht;  —  fluiges  fliegst; 
suis  siehst;  fruiset  friert.  Anmerkenswerth  ist  hier  das  verein- 
zelte hä  druiget  sik  op  afficitur  (sc.  laetitia),  wobei  sik  dat.  ethic. 
Der  infin  müfste  sik  draigen  op  lauten,  mnd.  findet  man  sik 
dryghen  uppe,  vgl.  alts.  dreogan,  ags.  dre6gan  pati.  Daneben  läuft 
mnd.  ein  sik  dragen  up,  s.  Spil  f.  <L  upst.  168 

2)  Umsetzung  eines  alten  iu:  fuir  feuer,  alts.  fiur;  —  die 
imperative  aller  st.  v.  ai,  eau :  sui,  tui,  fluieb,  guit,  schnit,  verluis. 

3)  Verlängerung  und  umlautung  eines  u  bei  konsonan laus- 
fall: buie  =  budde  bulte,  wanne,  s.  Dan.  badbudde  s.  16*9;  bruien 
=  brurden  plagen,  ags.  bryrdan;  kruich -=  krudig  kümmerlich; 
ruie  =  rudde  hund  jeder  art,  ags.  hryööa. 

4)  Aufgelöstes  w  mit  Verlängerung  durch  konsonantausfall 
und  umlaut:  kuiern  sprechen,  kaudern,  vgl.  alts.  quethan;  tuiern 
zaudern,  vgl.  alts.  tuedon  dubitare;  kuiken,  n.  hühnchen  =  kuk- 
ken,  dimin.  von  alts.  quic*);  kuiksken  küchlein  (doppelte  dimi- 
nutivform). 

5)  Auflösung  eines  wi  und  umlaut  scheint  in  kuim  engbrü- 
stig, vgl.  kwymen. 

6)  Auffallend  sind  muir,  f.  mauer,  alts.  mura;  ruiter  reiter. 
Da  sich  gar  kein  ryder  mehr  in  unserer  gegend  findet  und  rui- 
ter schon  mnd.  galt,*  so  möchte  ich  nach  mnd.  (met  rufen  unde 


*)  vielleicht  stammt  das  wort  gar  nicht  von  quic,  sondern  von  un- 
serm  Iciuken  schwach  sein. 


208  Woeste 

rdven'  urspr.  einen  grassator  darin  sehen,  der  sein  handwerk  ja 
am  besten  zu  pferde  trieb").     Vgl.  ahd.  (?)  rüt6n  saevire. 

au 
steht  theils  für  ahd.  uo,  theils  für  ahd.  aw,  mhd.  ou(w).  Mark, 
urk.  des  15.  und  16.  jahrh.  zeigen  zuweilen  au  und  ou  für  altes 
uo,  z.  b.  Blavaut**)    n.  eines  hörigen  (urk;  v.  1419;  in  urk.  v. 
1396  noch  Blavot);  daue  thue;  Gosebrauk;  behouf. 

1)  z=  uo,  nur  nicht  vor  r:  dau  thau;  kau  kuh;  schau  schuh; 
tan  zu;  waukiaewe  maikäfer,  vgl.  ags.  wöh;  blauen  bluten;  haue 
hütung;  —  kaul  kühl;  staul  stuhl;  waul  Schwein***);  schaule 
schule;  spaule  spule;  —  blaume  blume;  vlaum  trübe,  eigentlich 
von  fluthwasser,  vergl.  luomi  frequens;  —  haun  huhn;  grauner t 
grummet;  —  au  wer  ufer,  hügel;  grauwe  grübe,  schacht;  — 
raupen  rufen ;  grauf  grub ;  häuf  huf ;  —  rauge  ruthe;  fau'ge  fuge, 
facultas;  —  bauk  buch;  brauk  hose;  brauk  brüch;  dauk  tuch; 
klauk  klug,  rauk  corvus;  snauk  hecht;  flauk  fluch;  kauken  ku- 
chen;  wauken  wuchern;  —  hä  draueh  er  trug;  genauch  genug; 
plauch  pflugf);  slauch  schlug;  f rauch  frag;  —  blaut  blut,  blüthe; 
glaut  gluth;  haut  hut;  häimaut  heimat,  mhd.  heimuot;  maut 
muth;  laut  lud;  raut  rufs;  faut  fufs;  flaut  fluth;  —  kraus  trink- 
krag; maus  gemüse;  bausem  kappe  eines  herdes,  busen;  grausen 
auspressen,  grüsen;  aust  und  naust  knoten,  ausgangspunkt  eines 
astes,  ags.  öst;  Saust  Soest,  Suäsaz;  hausten  husten. 

2)  =  aw(ouw):  au  schafmutter;  dau  thau;  gau  =  glau 
schlau;  glau  klaren  auges,  scharfen  obres,  alts.  glau,  ags.  gleav; 
getau,  f.  Webstuhl,  ags.  getav;  nau  genau;  vlau  übelwerdend, 
ahd.  law;  frau  frau;  baügen  selten  für  buggen  pflügen;  klauen 
scharren,  ags.  clavjan;  krauen  kratzen;  ?mauen  miauen;  sik 
tauen  sich  beeilen;  wärschauen  warnen,  vgl.  ags.  scavjan  und  to 
shew;  —  mauge  Srmel,  mhd.  mouwe;  haugen hauen; kaugen  kauen. 

*)  solche  ruiters  frafeen  auch  auf  ihren  fahrten  das  fletsch  'ruitcr 
g^r'  halbgar;  vgl.  H.  Sachs  im  Landsknechtsp. 
**)  vgl.  Grimm  myth.  p.  633*. 
***)  nur  als  Schelte  'du  waul!  zu  lindern,  die  säuisch  essen,  durch 
dick  und  dünn  laufen;  ad],  waulich  säuisch;  waulepiäpcr  säuischer  brei, 
säuischer  mensch.  Zusammenhang  zwischen  ags.  vala  aper  und  ahd. 
wuolfan !  vgl.  Grimm  myth.  p.  948. 

t)  ▼gl-  plauch  prät.  von  plisegen;  plauch  (pflüg):  pl'utgen  (colcre) 
=  sträik  (wetzstein):  stryken  (streichen). 


vokale  der  niederdeutschen  mundarten.  209 

3)  Erwghnenswerth  sind  noch:  saul  schmutzig,  rufeig,  ags. 
salu,  vgl.  goth.  saul jan;  kraume,  f.  krume,  *gs.  crume,  altn.  krumr, 
kraumr;  bau,  m.,  baude,  bauget,  bauert,  bugget,  m.  u.  f.  ärnte; 
vergl.  urk.  4n  dem  bouwede  (ärnte)',  buwet  (ackerland),  alts. 
beo,  bewod*). 

au, 
umlaut  des  vorigen,  häufig  ai  gesprochen;  um  Lüdentch.  spricht 
man  !i9  z.  b.  fallen  fühlen.     Unsere  urk.  zeigen  dafür  oi,  oy,  oe 
z.  b.  genoige,  beboyvet,  woeste.     Auflallend,  dafs  faür  (fair)  fu. 
der  hieherfallt. 

1)  brauen  brüten;  glaüen  glühen;  hauen  hüten;  kaue  kfihe; 
roaüe  muhe,  müde;    —   faulen  fühlen;   staüle  stuhle;    kaülunge 
külilung;  —  naumen  (naimen)  nennen,  mnd.  nomen,  vgl.  Grimm 
gesch.  d.  d.  spr.  s.  848;  vlaütnen  trüben;  —  graün  grün;   haün- 
ken  (hainken)  huhnchen;  —  auwen  (aiwen)  vexieren,  ahd.  uob- 
jan;  draüwe  trübe;  hau  wen  nöthig  haben,  müssen,  ags.  behofjan; 
raüwe  rübe**);  tau  wen  warten;  raupet  ruft;  —  plaügen  pflügen; 
vi  slaügen  wir  schlugen;   —   baüken  (seltener  bücken)  buchen; 
bäaker  bücher;   haüken,  n.  (für  haudeken  v.  haut  hui)   weiber- 
roantel  der  zugleich  den  köpf  bedeckt,  mnd.  hoike;  klaüker  klü- 
ger; aaüken  suchen;  snaüke  hechte;  wälthaüch  hauende  eines  ge- 
fällten hauuies;  —  gemaüt  gemüth;  se  haül  =  se  haüwet  sie  müs- 
sen; bauten  heizen;  maüten  müssen;  maüte,  f.  begegnung;   maü- 
tich  müfsig;  saüte  süfs;  faute  fufse;  —  aüste  astknorren. 

2)  hä  haüget  er  haut;    maügesken  kleiner  firmel;   fraüken 
kleine  fran. 


*)  unser  wort  gilt  (od  mit  vorgesetztem  roggen-)  von  der  rog- 
genSrnte  mit  einschlnfs  des  neuen  umbrechens.  Es  dürfte  daher  einen 
rückblick  auf  die  Verhältnisse  des  alts.  ackerbaus  gestatten.  Man  baute 
vorzugsweise  roggen  (da  man  durch  andere  feldarbeiten  nicht  behindert 
war,  gleich  nach  der  ärnte  zur  neubrache  zu  schreiten).  Ohne  ein  sol- 
ches Verhältnis  konnte  bewod  (vgl.  buggen  pflögen,  buggemann  pflüger) 
nicht  schlichthin  die  bedeutung  messis»  erhalten.  Vergl.  Grimm  gesch. 
d.  d.  spr.  s.  74. 

**)  Redensart«  'raüwen  guet  maus  sin  loaten'  =  sich  um  die  weit 
keine  sorge  machen ;  es  gehen  lassen,  wie's  gebt.    Denselben  sinn  ge- 
währt: 'rdven  bfcren  (birnen)  sin  täten',  Burch.  W.  verl.  söhn  666. 
Iserlohn.  Friedr.  Woeste. 

II.    3.  1* 


2io  Aufrecht 

Die  lateinischen  suffixe  cens  und  eins. 

Das  seeundäre  suffix  lat.  eo  (eu-s),  gr.  eo  (eo-g)  bilden  be- 
kanntlich eigenschaftswoi-ter,  dnreh  welche  in  der  regel  bezeich- 
net wird,  dafs  das  zu  bestimmende  wort  aus  einem  gewissen 
Stoffe  bestehe,  ihm  ähnlich,  damit  versehen  sei:  argen- 
teus,  laneus,  vimineus,  igneus,  sidereus,  doyvgeog,  ioeeog,  %Qv<5eog9 
xvdveog.    Pott  etym.  forsch.  II,  502  nimmt  mit  vollem  rechte  als 
die  erste  bedeatung  von  eo,  eo  die  «von  etwas  abstammend»  an 
•  and  stellt  es  lautlich  dem  skr.  eya  gleich.    Nun  ündet  sich  im 
lateinischen  ganz  zu  demselben  zwecke  auch  das  suffix  ceo  (cen-s) 
verwendet,  antretend  an  a-,  o-  und  konsonantische  stamme.  Ge- 
wöhnlich geht  dem  suffixe  ein  langes  a  voraus.    Beispiele  l)^von 
a -stammen:  alutaceus  (eins) ,  ampullaceus,  amygdalaceus  (vergl. 
amygdaleus),  argillaceus,  belaceus,  chartaceus  (vgl.  charteus),  cre- 
taceus  (vgl.  creteus),  gallinaceus,  herbaceus  (vgl.  herbeus),  lappa- 
ceus,  membranaceus  (vgl.  membraneus),  resinaceus,  rosaceus  (vgl. 
roseus),  testaceus  (vgl.  testeus),  tiliaceus,  violaceus;  —  2)  von 
o -stammen:  furnaceus,  helvaceus,  hordeaceus,  miliaceus,  papyra- 
cens,  sebaceus,  vinaceus,  vinacea  (vgl.  vineus);  —  3)  von  konso- 
nantischen stammen:  arnndinaceus  (vgl.  arandineus),  mellaceum 
(vgl.  melleos),    pavonaceus,  und   das    ofienbar  mit  zweifachem 
suffixe  gebildete  erinaceus  (vgl.  ericius).    Statt  des  vorausgehen- 
den a  zeigt  ein  ü  das  einzige  pannuceus.     Da  nun  sowohl  En- 
nius  nach  Charis.  I,  6,  als  auch  Pomponius  bei  Nonius  p.  488, 30 
den  dat.  abl.  pannibus  brauchten,  so  darf  man  nicht  zweifeln, 
dafs  pannus  auch  nach  der  u-deklination  flektirt  wurde,  u -stamme 
aber  widerstehen  fester  als  anderweitige  den  einflössen  der  fle- 
xion  und  ableitung. 

Zwei  fragen  sind  bei  diesen  bildungen  auf  aceu-s  zu  beant- 
worten: wie  man  das  ä  zu  erklären,  und  ob  man  ceo  als  ein- 
faches oder  zusammengesetztes  suffix  zu  betrachten  habe,  oder 
endlich  ceo  nur  als  eine  Variation  von  eo  und  das  c  als  lautli- 
cher Vorschlag  zu  fassen  sei.-*  Jenes  ä  finden  wir  ebenso  in  einer 
ganzen  reihe  lateinischer  sekundärer  affixe:  änus,  äneus  (circum- 
foraneus,  momentaneus,  praesentaneus,  subitaneus),  aris,  älis,  arius 
==  äsius,  atis  =  ät,  aticus  (aquaticus,  dapaticus,  pulveraticum), 
ätilis  (aquatilis,  fluviatilis,  umbratilis).  Irrig  war1  es  meiner  Über- 
zeugung nach  dieses  a  als  bindevocal  oder  als  Verlängerung  des 
themavocals  (was  im  besten  falle  nur  auf  die  a-  und  o- stamme 


die  lateinischen  suffixe  ceus  and  cius.  211 

passen  wurde)  zu  fassen.  Vielmehr  hangt  es  mit  dem  ableiten- 
den  ä  der  a-konjugation  (sogen,  ersten)  eng  zusammen.  Da  dem 
Römer  geläufig  war  von  jedem  beliebigen  worte  ein  verb  nach 
jener  konjugation  zu  bilden,  so  lag  es  ihm  nahe  analog  auch  bei 
snffixen  die  ableitung  durch  dasselbe  ä  ku  bezeichnen,  ohne  dafs 
die  betreffenden  suifixe  aus  ihrer  sekundären  natur  heraustraten 
d.  h.  für  niomentäneus,  momentärius,  fhiviäticus,  fluviätilis  ein 
auch  nur  gedanklich  vorangegangenes  momentane,  fluviare  (oder 
-Sri)  vorauszusetzen  wäre,  und  ohne  dais  praesentäneus,  praesen- 
Urins,  umbräticus,  umbrätilis  zu  praesen tare,  umbrare  in  dem 
verhältnifs  der  Unterordnung  ständen.  Der  bedeotong  nach  ganz 
▼erschieden  ist  das  a  vor  den  primärsuffixen  bulu-m,  cnlo-m, 
iu-s.  Mir  steht  es  fest,  dafs  kein  acetabulum,  desidiabulum,  se- 
naculum,  consulatus,  tribunatus  ohne  ein  vorhergegangenes  ace» 
tare,  desidiari,  senari,  consulari  (oder  consulare,  vgl.  magistrare 
und  dominari  in  aktiver  und  passiver  bedeutung),  tribunari  ge- 
bildet werden  konnte. 

Schwieriger  ist  die  zweite  frage.  Dais  ceo  kein  einfaches 
suffix  sei,  l䣻t  sich  wenigstens  dadurch  erweisen,  dafs  weder 
ein  griechisches  neo  noch  skr.  kaya,  caya,  caya  vorhanden  ist. 
Hingegen  läfst  es  sich  nicht  geradezu  verwerfen,  wenn  man,  wie 
Pott  es  thut,  aceo  in  äco  +  eo  zerlegt.  Dafs  co  mit  verschie- 
denen vorausgehenden  vocalen  im  lateinischen  sekundäre  ablei- 
tungen  bilde,  kann  man  bei  Pott  etym.  forsch.  II,  510  ersehn. 
Für  äco  bringt  er  die  beispiele:  linguläca,  porciläca  (portuläca 
verbenäca  (vgl.  noch  pastinäca,  scanduläca)  bei  Bei  der  grofsen 
anzahl  der  adjective  auf  äceus  muß  es  aber  befremden,  dafs  Pott 
nur  das  einzige  meräcus  anzuführen  wufete,  dem  ich  nur  noch 
ebriäcua  beigesellen  kann,  und  dafs  diese  beiden  adjektiva  ganz 
verschieden  von  jenen  wieder  von  adjektiven  (merus  ebrius)  ab- 
geleitet sind.  Dieses  sowohl  als  der  umstand,  dafs  neben  äceos 
so  oft  das  blofse  eus  einhergeht,  bestimmt  mich  das  c  als  blofs 
lautlichen  Zuwachs  anzusehn,  über  dessen  natur  ich  mich  im  fol- 
genden ausspreche.  v 

Mit  den  adjektiven  auf  ceus  stelle  ich  die  auf  cius  unmit- 
telbar zusammen.  Sie  zerfallen  in  zwei  hauptklassen:  1)  solche, 
die  von  einem  part.  perf.  pass.  abgeleitet  sind.  Diese  zeigen  vor 
dem  affixe  stets  ein  langes  i*);  2)  solche,  die  von  einem  ander- 

*)  mich  befremdet,  dafs  selbst  Freund  in  seinem  in  vieler  bezie- 

14* 


212  Aufrecht 

weitigen  namen  abstammen  und  vor  dem  affixe  ein  kurzes  i,  sel- 
ten einen  anderen  vocal  haben.  Ehe  ich  näher  anf  sie  eingehe, 
habe  ich  einige  werte  über  die  Orthographie  «i  sagen.  Bekannt- 
lich schwanken  sowohl  die  handschriften  als  die  Inschriften  zwi- 
schen der  Schreibung  cius  nnd  tius.    Priscian.  IV,  6,  31  (ed. 

Krehl)  sagt  darüber:  « exceptis  in  cius  desinentibns:   illa 

enim  assumunt,  si  sint  nomina  ex  quibus  derivantur  vel  partici- 
pia  seeundae  declinationis,  genitivo:  sin  tertiae,  dativo  eins,  i 
tarn  penultima  quam  antepenultima  correpta,  ut  advec- 
tus  advecti  advecticius,  commendatus  commendati  commendaticios, 
faber  fabri  Fabricius,  pigneratus  pignerati  pigneraücius,  tribunus 
tribuni  tribunicius,  pater  patri  patricius,  aedilis  aedili  aedilicius, 
gentilis  gentili  gentilicius.»  Dem  widerspricht  bei  einzelnen  eigen- 
namen  die  Schreibung  alter  Inschriften  und  es  wird  um  zur  Sicher- 
heit in  diesem  punkte  zu  gelangen  kritischer  sichtung  sowohl 
der  Schriftsteller  als  der  Inschriften,  wobei  naturlich  die  vor- 
augusteischen  zu  gründe  zu  legen  sein  werden,  bedürfen,  umsomehr 
als  auch  sprachgeschichtlich  cius  und  tius  zwei  ihrem  Ursprünge 
nach  völlig  verschiedene  suftixe  sind.  Mir  standen  zu  wenige 
hülfsmittel  zu  geböte  um  diese  Untersuchung  anzustellen ;  ich  kann 
nur  insoweit  sondern,  als  ich  es  fär  die  gegenwärtige  Untersu- 
chung bedarf.  1)  icius.  Suppositicius,  surrupticius  schreiben  in 
den  in  der  obigen  anmerkung  citirten  Plautusstellen  alle  hss.*) 

hang  bis  jetzt  unübertroffenen  wörterbuche  bei  der  angäbe  der  quan- 
tität  dieses  i  schwankt.  Unter  der  grofsen  anzahl  der  hierher  gehöri- 
gen bildungen  finde  ich  anter  den  von  mir  gekannten  beispielen  nur 
translaticias ,  adscripticius ,  adventicius  (aber  conventicins  f)  mit  dem 
richtigen  längezeichen  versehen.  Hätte  der  lezicograph  die  von  ihm 
citirten  Plautosstellen  angesehn,  er  wäre  dem  irrtham  entgangen.  In 
den  6  von  Ritschel  bis  jetzt  herausgegebenen  stucken  kommen  nur 
zwei  Beispiele  vor,  nämlich  Pseudolus  IV,  7,  72: 

tixploratorem  hünc  faciamns  lüdos  suppositfeium 
and  Menaechmi  prol.  60: 

Adöptat  illaui  päeram  sarruptfeiam 
ibid.  68:       • 

Is  fllic  habitat  glrainus  eurrnptfeius. 
Vgl.  ibid.  arg  um.  v.  7.  subreptteius.     In  den  übrigen  stucken  kommen 
noch  mehrere  beispiele  vor.     Wahrscheinlich  beruht  der  irrtham  auf 
der  mitgetheilten  stelle  des  Priscian,  dann  bleibt  das  schwanken  aber 
noch  immer  unerklärt. 

*)  missicias  steht  in  einer  sehr  spaten  inschrift  Or.  3582;  conla- 


die  lateinischen  saflixe  ceus  and  eins.  213 

2)  adjeetiva  auf  Icius.  Tribunicius  steht  konstant  auf  münzen 
der  gens  jalia  (vgl.  Gennaro  Riccio,  le  monete  delle  antiche  fa- 
niiglie  di  Roma.  Napoli  1836.  Erste  aufläge  p.  74.  96  etc.)  und 
so  auch  in  der  regel  auf  Inschriften.  Patricius,  aedilicius,  quaesto- 
ricius  sind  durch  Inschriften  verbürgt.  Das  meiste  schwanken  fin- 
det sich  bei  den  eigennamen  auf  cius:  Minncius  Riccio  a.  a.  o. 
p.  116.  117,  Poblicius  p.  135,  Sulpicius  p.  161,  Sulpicianus  p.  146, 
Vinicius  p.  176.  Durch  die  gewöhnliche  Schreibung  der  inschrif- 
ten  verbürgt  sind  Aniciu6,  Caedicius,  Castricius,  Castrucius,  Fa- 
bricius,  Fußeins,  Minicius,  Numicius,  Septicius,  Vestricius.  Nicht 
geringes  gewicht  legen  in  die  wagschale  die  oskischen  formen: 
Vestirikiis,  Yiinikiis  und  das  urobr.  Kastrucjis.  Bei  anderweitiges 
namen  wiederum  wird  die  Schreibung  mit  tius  festzuhalten  sein, 
so  bei  Tarquitius  Riccio  p.  16.  163,  Cossutius  p.  59  (vgl.  Cosuties 
auf  der  tabula  veliterna),  Domitius  p.  62.  Bei  den  namen  auf 
atius  (wie  Lutatius,  Minatius)  wird  sich,  glaube  ich,  das  t  als 
überall  allein  richtig  erweisen. 

Durch  das  affix  icio  (iciu-s)  wird  bezeichnet,  dafs  einem 
dinge  das  primitiv  als  besondere  eigeuschaft  anhaftet:  aes  colla- 
ticium  ist  geld,  welches  die  eigenthümlichkeit  hat,  dafs  es  colla- 
tum  ist.  Kürzer  ausgedrückt:  das  affix  individualisirt  die  schon 
durch  das  primitiv  ausgesprochene  eigenschaft.  Mit  «angehörig» 
läfst  sich  die  bedeutung  von  i-cio  am  schärfsten  ausdrücken.  Bei- 
spiele sind:  reeepticius,  cessicius,  oecupaticius,  dediticius,  profec- 
ticius,  feneraticius,  ficticius,  congesticius,  agnaticius,  collaticius, 
tran8laiicius,  commendaticius,  commenticius ,  missicius,  emissi- 
cius,multaticius(?),  adoptaticius,  pigneraticius,  suppositicius,  abrep- 
ticius,  subrepticius  =  surrupticius,  adscripticius,  insiticiusj-adven- 
ücius,  conveniieius.  Ihrem  langen  i  nach  gehören  anomal  hier- 
her auch  caeslcius  und  novicius.  —  Was  dieses  i  betrifft,  so  er- 
kenne ich  darin,  wie  ich  oben  das  ä  von  äceo  als  an  das  k  der 
ersten  abgeleiteten  konjugation  sich  anschliefsend  gefafst  habe, 
das  i  der  dritten  abgeleiteten  (sogen,  vierten  konjug.  wieder).  Das 
kann  um  so  weniger  befremden,  als  ja  diese  mehrere  verben  auf- 
weist, welche  von  o-  stammen  herrühren:  superbio,  saevio,  iuep- 
tio,  blandior,  largior.  Das  c  betrachte  ich  auch  hier  als  späte- 
res einschiebsei  und  als  eigentliches  affix  io,  das  sich  am  besten  an 


ticius  hat  Dtintzer  lat.  wortbild.  p.  41  bei  Or.  3730  gelesen,  dort  steht 
conlatilios. 


214  Aufrecht 

das  skr.  iya  wird  anschliefsen  lassen.    Vergl.  über  dieses  umbr. 
sprachd.  I,  p.  147  anm.  2.  — 

Die  adjeetiva  aaf  lcio  Otciu-s)  haben  a)  gleiche  bedeutung 
mit  denen  auf  äceo,  aus  einem  Stoffe  bereitet:  caementi- 
cius,  caespiticius,  craticius,  latericius,  sarmenticius,  stramenticius, 
oder  feinem  dinge  angehörig,  eigen:  aedilicius,  clibanicius, 
compitalicius,  curatoricius,  duumviralicius,  gentilicius,  nataiieias, 
nuptaücius,  patricius,  praetoricius,  quaestoricius,  qoinquennalicius, 
tribunicius,  venalicius,  vernalicius.  Ericius  scheint  wie  erinaceus 
erst  durch  ergänzung  eines  adjeetivbegriffs  die  bedeutung  von  er 
angenommen  zu  haben.  —  Seinem  wesen  nach  ist  dieses  suffix 
von  a-ceo  und  i-cio  kaum  verschieden:  man  kann  es  auf  skr. 
eya  oder  iya  zurückfuhren,  da  ja  diese  beiden  im  erhaltenen  zu- 
stande des  lateinischen  sich  gar  nicht  mehr  sondern  lassen,  über- 
diefs  von  hause  aus  nicht  verschieden  sind. 

Die  eigennamen  auf  Tcio,  die  mit  Sicherheit  hierher  zuzie- 
hen sind,  habe  ich  bereits  oben  zusammengestellt.  Sic  sind  sämmt- 
lichpatronymika:  Publicius  ein  abkömmling  des  Publius*),  Fufi- 
cius  von  Fufius,  Fabricius  von  Faber,  Vinicius  von  Vinius.  Fftr 
die  geschichte  der  entstehung  dieser  namen  sind  die  oskuchen 
formen  mit  doppeltem  ii  wichtig:  Vestiriküo,  Viinikiio.  Ich 
glaube  nicht  zu  irren,  wenn  ich  alle  diese  formen  dem  skr.  eya 
mit  vorgeschlagenem  c  gleichstelle,  namentlich  da  io  (osk.  iio) 
auch  allein  ganz  gewöhnlich  patronymika  bildet. 

In  der  ansieht,  dafs  in  den  bisher  besprochenen  suifixen  ein 
lautlicher  zusatz  sei,  bestärkt  mich  das  vorkommen  derselben  er- 
scheinung  im  sanskrit.  ayani  ist  ein  gewöhnliches  zur  bildong 
von  patronymici8  dienendes  suffix:  Kaitav- ayani  ist  ein  abkömm- 
ling des  Kitava,  Saindhav-ayani  des  Saindhava.  In  einigen  Wörtern 
(P.  IV,  1, 158.  159)  tritt  aber  vor  ayani  noch  ein  k  an,  nämlich 
in  V&Jdna-k- ayani,  Gaudhera-k- ayani,  Kärkashakäyani,  Kaka- 
kayani,  L&nkäkäyani,  Carmakayani,  Värmakäyani,  G&rgiputrakä- 
yani  von  Väkina,  Gandhera,  Kärkasha,  Kaka,  Lanka,  Carniin, 
Varmin,  Gärgiputra.  Dasselbe  geschieht  in  einigen  Wörtern  bei 
antritt  des  adjeetiva  bildenden  äff.  iya  (P.  IV,  2,  91),  nämlich  bei: 
na{ja-k*iya,  plaxa-k-iya,  vilvakiya,  venukiya,  vetrakiya,  yetasa- 
kiya,  ixukiya,  k&shtbakiya,  kapotakiya,  trinakiya,  kruncakiya, 


*)  dafs  man  nicht  an  eine  ableitung  von  publicus  za  denken  hat, 
zeigt  Pabliliue. 


die  lateinischen  suffixe  ceus  and  eins.  216 

taxakiya  von  nad«,  plaxa,  vilva,  venu,  vetra,  vetasa,  ixu,  käshtha, 
kapota,  Irina,  krunca,  taxau. 

Meine  ansieht  über  das  behandeile  c,  k  ist  folgende.  Es  gab 
eine  zeit,  und  die  rhythmen  der  Vedeu  zeigen  noch  frische  spu- 
ren davon,  wo  vocalische  flexions-  und  ableitungsend ungen  auch 
an  vocalische  stamme  unmittelbar  ohne  gegenseitige  Veränderung 
antraten.  Um  ein  beispiel  zu  geben,  so  gut  senatu-os  und  mili- 
tia\-i  erhalten  ist,  mufs  auch  bono-2  und  Fabri-ius  bestanden  ha- 
ben. Im  laufe  der  zeit  wurde  aber  der  hialus  auf  dreifache 
wehe  beseitigt  1)  durch  zusammenziehung  beider  vocale,  2)  durch 
ausstoisung  des  ersteren,  3)  durch  einschaltung  em&  consonanlen. 
Der  gangbarste  consonant  für  diesen  fall  ist  jod,  das  sanskrit  und 
das  deutsche  wenden  vielfach  ein  n  an.  Gleiches  recht  nehme 
ich  nun  auch  für  k  in  ansprach. 

Erweist  diese  darstellung  sich  als  richtig,  so  werden  vielleicht 
•  noch  einige  andere  lateinische  bildungen  sich  auf  gleiche  weise 
erklaren  lassen.  Namentlich  habe  ich  hier  die  deponentia  auf 
cinor  im  äuge,  die  zu  weiterer  betrachtung  hier  aufgezählt  wer- 
den mögen:  alucinor,  latrocinor,  lenocinor,  niantiscinor,  patro- 
ciaor,  ratiocinor,  sermocinor,  tuburcinor  (?),  vaticinor,  denen  sich 
das  Substantiv  tirocinium  anschliefst.  Immer  wird  bei  annähme 
solcher  hülfslaute  mit  gröfster  vorsieht  zu  verfahren  sein,  denn 
wie  neulich  F.  Berger  in  seiner  ihres  materials  wegen  schätz- 
baren schrift  (de  nominum  quantitate.  Gotha.  1852.  4.)  alle  mög- 
lichen consouanten  au  wachsen  Iäfst,  wobei  er  freilich  der  Vor- 
gänger viele  hat,  bringt  in  die  schwierige  lehre  von  der  Wort- 
bildung nicht  licht,  sondern  höchste  Verwirrung. 

Im  August. .  A. 


Die  suffixe  tv;  tu  (4te  Ml.)  sammt  &tu;  tu  (2te  dekl.) 
und  £tu;  dov;  din  (norain,  do);  tüdin  (nom.tddo);  ta;  r/y. 

Im  sanskrit  finden  sich  drei  zusammengehörige  sekundäre, 
d.  h.  aus  nominalthemen  neue  nomina  bildende,  abstractsuffixe 
tvana*),  tvan,  Iva**).     Wenn  wir  gleichlautende  affixe,  sowohl 

*)  diesem  entspricht  das  prakr.  ttana,  wonach  Lassen  1.  L.  Pr. 
§  89,  I  zu  berichtigen. 

**)  8.  meine  sanskrilgniuiu).  s.  236  §  603. 


216  Benfey 

zu  sekundären  ab  auch  zu  primären,  das  letztere  heilst  zu  Bil- 
dungen aus  verbalthemen*),  in  wesentlich  gleicher  bedeutuug 
verwendet  finden,  so  haben  wir  keinen  grund  an  ihrer  identität 
zu  zweifeln.  So  dürfen  wir  denn  das  zendische  thvana,  weiches 
wesentlich  in  abstractbedeatung  erscheint,  in  anähigterethwana 
(vom  verbum  ctere  =  skr.  str,  griech.  özoq  ,  lat  ster  u.  s.  w.), 
wenn  es  unbedenklich  ist**),  mit  dem  erwähnten  skr.  tvana  iden- 
tificiren.  Bedenklicher  kann  man  über  die  identification  des  skr. 
tvan  in  prertvan  und  prac,attvan,  beide  mit  der  bedeutuug  «ocean» 
(eigentlich  jenes  «der  vorwärtsgehende»  (pra-ir-tvan),  dieses  «der 
vorwärtsfallende»  (pra-cad-tvan)),  mit  jenem  tvan  sein,  da  diese 
beiden  Wörter  ursprünglich  nomina  agentis  sind.  Allein,  dafs  in 
den  indogermanischen  sprachen  keine  so  bedeutende  kluft  zwi- 
schen abstractis  und  nominibus  agentis  ursprünglich  lag,  als  wir 
uns  in  unsern  der  entstehung  dieser  categorieen  so  fern  liegen- 
den sprachzuständen  zu  denken  pflegen,  zeigt  schon  das  verhält- 
nifs  vieler  klassen  von  abstractis  zu  entsprechenden  von  nomini- 
bus agentis.  So  sind  im  allgemeinen  die  primären,  nominalthe- 
men  auf  man  (verstümmelt  aus  organischerem  mant),  wenn  gen. 
msc,  nomina  agentis  (z.  b.  dar -man  von  dr  «zerstören11),  wenn 
gen.  ntr.,  abstracta  (z.  b.  jan-man  von  jan  «gehurt»),  Dasselbe 
verhältnifs  zeigt  sich  im  griech.  reflex  dieses  Suffixes  pop  =  man 
und  par  (=der  schwachen  form  des  zu  gründe  liegenden  mant) 
im  ntr.  Ebenso  sind  die  vielen  abstracta  auf  suff.  skr.  as,  wie 
schon  a.  a.  o.  bemerkt  (sanskritgr.  s.  149,  Kuhn  in  d.  zeitschr. 
I,  531  ff.)  ursprünglich  neutra  des  ptc.  präsentis.  Endlich  kann 
im  skr.  das  ptcp  pf.  pass.,  wenn  es  im  ntr.  gebraucht  wird,  das 
abstract  bezeichnen  (sanskritgr.  §  333),  während  seine  bildung 

*)  dafs  in  den  indogermanischen  sprachen  alle  primären  nominal- 
bildungen  ans  verben  (nicht  aus  wurzeln)  hervorgegangen  seien,  werde 
ich  an  einem  andern  orte  zu  beweisen  Sachen. 

**)  der  Zusammenhang  der  stelle  (im  Afrin  Zoroaster  bei  Barnonf 
Yacna  433)  legt  nämlich  sehr  nah  in  anlhicterethwanem  das  letzte  a 
zu  dehnen,  oder  fiir  Verkürzung  eines  früher  gedehnten  a*  anzusehn  (vgl. 
vehrkananm==vrkä/iära).  Dann  erhalten  wir  das  vedische  absolutiv  (sans- 
kritgr. §  914,  V,  3)  in  der  gewöhnlichen  construction  mit  dem  verbum 
skr.  bhu,  um  die  dauer  eines  verbalbegrifls  zu  bezeichnen.  Die  stelle 
würde,  abgesehn  von  dem  dankein  ahi,  im  skr.  lauten :  crtram  (ved.  für 
gewöhnlich  cltlam)  kalpam  an.  .strlvänam  bhaväsi  valli*  «mögest  dn  un- 
befleckt am  heiligen  körper  verharren,  gleichwie»  u.  s.  w. 


suffixe.  217 

gar  keinen  passivcharakter  aufweist,  sondern  nur  das  verbalthenia 
selbst  mit  sufGgircmg  des  pronomen  demonstr.  la  oder  des  diesem 
bedeu tangsgleichen  na.  Man  kann  zur  erklärung  dieser  nur  durch 
die  geschlechtsverschiedenheit  (oder  genauer:  den  gegensatz  des 
persönlichen  und  nichtpersönlichen)  bestimmten  kategorieendiffe- 
renz  sagen,  dafs  das  abstractum  aus  dem  nomen  agentis  durch 
entziehung  des  demente  der  persönlichkeit  entstanden  sei,  gerade 
wie  auch  bei  uns  z.  b.  «das  glänzende »  ohne  persönliche  beslim- 
mung  wesentlich  identisch  ist  mit  dem  abstractum  «der.  glänz  * 
und  analoge  erscheinungen  sich  in  allen  dem  skr*  verwandten 
sprachen,  wiederholen.  Allein  ich  mache  sogleich  hier  darauf  auf- 
merksam, dafs  selbst  diese  geschlechtliche  differenz  eine  unter- 
geordnete ist  und  dafs  die  unendliche  mehrheit  der  primären  ab- 
8tracta  —  obgleich  auch  sie  meiner  ansieht  nach  zum  gröfsten 
theil  aus  dem  ptep.  präs.  entstanden  ist  (vgl.  bezuglich  des  skr, 
meine  sanslyilgr.  s.  192  §  381)  —  gen.  masc.  (ebenso  meine 
sanskritgr.  §325 ff.,  insbes.  noch  §343)  ist,  wie  denn  auch  das 
oben  erwähnte  suffix  man  in  der  gestalt  iman  (d.  h.  mit  binde- 
vocal  angeknöpft)  sowohl  im  primären  als  sekundären  gebrauch 
abstraeta  gen.  msc.  bildet  (sanksrgr.  s.  167  §  416  und  §  554  Vf, 
vgl.  mit  §  708,  £).  Man  wird  daher  sagen  müssen,  dafs  der  indo- 
germanische Sprachgeist  in  primären  abstractis  den  zustand  des 
verbalbegriffes  als  etwas  durch  die  Selbsttätigkeit  desselben  ent- 
standenes ansah,  wie  ja  auch  das  sekundäre  abstract  nicht  blofs 
den  zustand,  sondern  im  allgemeinen  auch  die  handlung  (thätig- 
keit)  des  damit  versehenen  nomens  bezeichnet  (s.  bezöglich  des 
skr.  meine  gr.  §  554). 

Wir  werden  demnach  unbedenklich  die  erwähnten  tvan  mit 
einander  identificiren ;  nicht  minder  das  tva  in  dätva  «der  ge- 
bende» und  jan -i- tva  «der  zeugende,  der  gebärende»  mit  dem 
erwähnten  sekundären  tva.  Mit  noch  unbez weifelbarerem  recht 
das  Iva,  welches,  zur  bildung  des  absolutivs  dienend,  in  der  ge- 
wöhnlichen spräche  im  alten  instrumental  (tvä  sanskritgr.  s.  427 
n.  1  *),  in  den  Veden  auch  bisweilen  im  dativ  (tväya)  erscheint. 
Denn  der  bedeutung  nach,  ist  das  absolutiv  ganz  eigentliche 
bezeichnung  des  zustandes  oder  der  vollfuhrung  (vergl.  die  er- 
wähnte bedeutung  der  sekundären  abstraeta,  sanskritgr.  §  554), 


*)  es  ist  daselbst  von:    (vgl.   s.  236.)  bis  zu   ende    der   note  zu 
streichen. 


218  Benfey 

des  verbalbegriffs,  welche  durch  den  gebrauch  im  instrumental 
als  eine  andre,  handlung  begleitend  (ihr  vorausgehend  oder  mit 
ihr  gleichzeitig*))  dargestellt  werden;  bhuktvä  vrajati  z.  b.  heifst 
wörtlich;  «mit  dem  vollendeten-  zustand  oder  der  handlung  des 
(bhuj)  essens  geht  er»,  das  heifst:  «nachdem  er  gegessen  hat 
(oder  aucht  jedoch  seltener,  «essend»)  geht  er.« 

Eben  so  unzweifelhaft  identificiren  wir  mit  dem  zuerst  er- 
wähnten tva  das  gleichlautende  suffix,  welches  in  den  Veden 
und  in)  zend  das  ptep.  fut  passivi  bildet  (z.  b.  ved.  stotva  = 
zend.  ctaothwa  sanskritgr.  §  902),  obgleich  die  themengestalt  des 
verbi  davor  im  allgemeinen  eine  andere  ist,  als  vor  dem  suff.  des 
absolutiv.  Denn  diese  gestaltung  hängt  nicht  vom  suffix  ah,  son- 
dern vorwaltend  von  der  accentuation  oder,  jedoch  seltner,  an- 
deren phonetischen  einflössen.  Wir  haben  nicht  nöthig,  um  den 
begrifflichen  Zusammenhang  zwischen  dem  abstractsuffix  tva  und 
dem  des  ptc.  fut.  pass.  nachzuweisen,  uns  auf  selten  überzeugende 
deduetionen  aus  den  Übergängen  der  bedeutuug  einzulassen;  wir 
haben  hier  vielmehr  das  unläugbar  analoge  verhältnifc  des  gewöhn- 
lichen ptc.  fut.  pass.  tav-ya  zu  dem  infinitivsuffix  tu  zur  seitc; 
denn  dafs  jenes  aus  diesem  durch  hinzutritt  des  suff.  ya  (d.  h.  des 
pron.  relativ.)  entstanden  ist  (genau  nach  der  reget  in  sanskritgr. 
§  585,  II) ,  wird  wohl  von  niemand  bezweifelt.  Aber  auch  die- 
ses suffix  tu  werden  wir  bei  der  nahen  Verwandtschaft  von  va 
und  u  und  der  identität  der  bedeutung  nicht  von  tva  zu  trennen 
wagen.  Im  gewöhnlichen  sanskrit  dient  sein  aecusativ  zur  bil- 
dung  des  infinitivs  ( tum  =  dem  lat.  supinum  auf  tum ) ,  in  den 
Veden  aber  auch  sein  dativ  (tave  und.  tavai,  letzterer  wohl  un- 
zweifelhaft gen.  fem/*))  und  genitiv  oder  ablativ  (tos,  vgl.  den 

*)  nach  den  indischen  grammatikern  drückt  es  auch  eine  nachfol- 
gende handlang  aas,  and  in  der  Wirklichkeit  treten  die  in  den  (skrgr. 
§  911  B)  angefahrten  beispielen  im  absolutiv  aasgedrückten  handlangen 
erst  nach  Vollziehung  der  handlung,  welche  sie  ergänzen,  ein.  Allein 
so  wenig  wie  wir,  wenn  wir  sagen,  ««er  schläft  mit  offnem  munde»  «er 
lacht  mit  zugekniffenen  äugen»  daran  denken,  dafs  das  schlafen,  lachen 
den  daneben  ausgedrückten  bestiminungen  vorhergeht,  eben  so  wenig 
geschah  dast  wenn  der  Inder  sagte  mukham  vy^cUva  svapiti,  netre  ni- 
inilya  hasati.  Dem  sprach  gebt  gegenüber,  welcher  nicht  so  haarscharf 
sondert,  als  die,  insbesondere  indischen,  grammatiker  thnn,  sind  es 
gleichzei tige  handl ungen. 

**)  vgl.  sanskritgr.  §  727, 111.    Die  gunirung  ist  zwar  gegen  die  regel 


soffixe.  219 

•blativ  im  lat.  supinum  auf  to).  Mit  diesem  tu  werden  wir  end- 
lich das  tu  identificiren,  welches  fast  nur  primäre  nominalthemen 
im  msc.  and  ntr.  bildet  (sanskritgr.  s.  162),  aber  in  bildungen 
wie  dusbtaritu  «c schwer  zu  übersteigen»  sucrotu  «schön  zu  hören» 
seine  adjectivische  natur  (vgl.  z.  b.  Rv.  IV,  4,  35, 1)  und  wesent- 
liche Verwandtschaft  mit  dem  ptcp.  fut.  pass.  bekundet  (vergL. 
sanskritgr.  s.  421  n.  1,  vgl.  mit  §  324). 

Wie  sich  endlich  das  suffcc  as  zu  dem  ebenfalls  aus  dem 
ptc  pras.  (in  der  organischeren  form  ant)  durch  abstumpfung 
hervorgegangene  suffix  an  verhält  (sanskritgr.  s.  152  bem.  2),  ganz 
ebenso  könnte  sich  tvas  in  pi-tväs  «trank  (Yv.  19,  56)*)  zu  dem 
besprochenen  tvan  verhalten. 

Ueber  das  genetische  verhältnils  dieser  verwandten  suffixe 
kann  ich  zu  keiner  sichern  Überzeugung  gelangend  In  meiner 
sanskritgr.  habe  ich  tvana  für  die  organischere  form  und  tvau 
tva  für  stufenweise  Verstümmelungen  derselben  angesehn.  Jetzt 
scheint  mir  ein  analoges  verhältnifs,  wie  das  zwischen  den  suf- 
fixreihen van  va  vana,  an  a  ana,  at  a  ata  und  deren  verwandten 
(in  Gott.  gel.  anz.  1852  s.  552)  aufgewiesene,  wahrscheinlicher, 
so  dafs  von  diesen  drei  formen  tvan  die  organischste,  tvan-a  durch 
ein  sekundäres  a  weiter  formirt,  tva  verstümmelt  wäre. 

Dem  skr.  tu  in  abstraktbedeutung  stellt  sich  im  griech.  tv 
zur  seile.  Dafs  es  hier  nur  als  femininum  erscheint,  hat  nichts 
auffallendes*  denn  im  indogermanischen  sprachstamme  dient  das 


des  gewöhnlichen  sjcr.;  aber  auch  vor  e  ist  sie  nicht  dynamisch,  son- 
dern nur  phonetisch,  fehlt  vedisch  oft,  and  im  zend,  wenn  ich  nicht 
irre,  ganz,  auf  jeden  fall  vorwaltend.  Als  sich  diese  phonetische  Ver- 
änderung geltend  machte,  konnte  sie  auch  die  formen  mit  ai  ergreifen 
und  sich  in  einer  derselben,  welche  durch  den  gebrauch  im  infinitiv 
ganz  ans  ihrer  flexivischen  analogie  losgelöst  war,  anch  in  die  zeit 
hinüber  erhalten,  wo  die  spräche  für  den  dativ  feminin i  anf  ai  die  gu- 
nirung  wieder  aufgegeben  hatte.  Man  könnte  nach  die  aa.  ff.  für  femi- 
•nina  halten;  darüber  lafst  sich,  soviel  ich  sehe,  nicht  sicher  entschei- 
den, zumal  da  wir  im  grieeh  dieses  suff.  als  abstrakt  nur  im  fem.,  im 
latein  aber  fast  nur  als  msc.  (selten  als  ntr.)  auftreten  sehen  werden. 

*)  das  skr.  pa*  «trinken«  ist  hier  gegen  sanskritgr.  §  154,  2,  3  nach 
analogie  der  ausnahmen  dazu  (f.  b.  sthi-tvä')  behandelt.  Diese  aus- 
nähme gilt  in  der  lexikalischen  etymologie  auch  für  a-verba,  z.  b. 
ebenso  (zugleich  gegen  sanskritgr.  s.  162  §  403)  von  pä  «beherrsche« » 
pi-tr  «vater». 


220  Benfey 

femjninum  in  demselben,  vielleicht  in  noch  gröfserm  umfang  als 
das  ntr,  zur  bildung  von  abstractis  (vergl.  für  skr.  bezüglich  der 
primären  meine  gramm.  §  331.  334;  bezüglich  der  sekundären 
§  554  und  s.  235  tat  =  trjr  lat.  tat  und  tut).  Mit  ausnähme  eini- 
ger zahl wörterabs tracte  bildet  es  nur  primäre  (z.  b.  ßgtarv  yqanrv 
otoxro),  welche  bezuglich  der  themenform  der  analogie  folgen, 
nach  welcher  die  auf  ro  (eigentlich  ptc.  pf.  pass.)  gebildet  wer- 
den, oder,  wenn  diese  für  ein  bestimmtes  verbalthema  nicht  existi- 
ren,  gebildet  werden  worden*).  Die  sehr  vereinzelt  stehenden 
und  höchst  unorganisch  gebildeten  Zahladverbien  ixaroarv,  %CUo- 
<m/,  fAVQioarv,  tqittv  folgen,  vielleicht  durch  einflufs  jenes  Ver- 
hältnisses von  tv  zu  ro,  der  analogie  der  ordiiialia  ixaroaro  u.  s. 
w.  tQirto  (organischere  form  von.  tqito  für  lafein.  tertiu  —  skr. 
trtiya  durch  assimiiation  aus  tQiryo  (=  zend,  thritya**)),  vergl. 
vedisch  (und  analog  im  zend)  vasyas  für  vasiyas  und  ähnliche 
(8anskritgr.  s.  228  §  599,  IV);  terQaxrv  läfst  mehrere  deutungen 
zu;  am  wahrscheinlichsten  ist  mir,  dafs  es  aus  rsTQaxig  gebildet 
ist.  Wie  im  sanskrit  vor  vocalisch  oder  mit  j  anlautenden  Suf- 
fixen***) überhaupt  oft,  fällt  im  griechischen,  bei  ableitungen  von 
indeclinabilien  von  letzteren  der  letzte  vocal  sammt  den  ihm 
etwa  folgenden  consonanten  ab  (vgl.  z.  b.  von  adyaevas  durch 
ina:  adyagvina)  z.  b.  von  dpoißadop:  dfioißdöw^  ßdötp  ßadt£a); 
di%a  dix&<*i  T£*Za  TQlX^^  TtTQaxa  rw^a^tfa  ****);  %&*$  (skr.  hyas) 
X&i£6  (für  organischeres  x&*'too)  jedoch  auch  ohne  vertust  jteff- 
ivo.  Dieser  abfall  erklärt  sich  dadurch,  dafs  die  indeclinabilien 
der  indogermanischen  sprachen,  mit  ausnähme  der  ächten  (nicht 
aus  begriffe  Wörtern  entstandenen)  interjeetionen,  flexivische  zum 

)  vgl.  z.  b.  /fyuxo?,  yQamöq,  Jiwxroc;  yikamöq:  tv$;  dxtaioq;  tvq; 
xiiGToq:  rvq;  dyoQtjrvc;  nach  analogie  von  ti^to?;  dkavrvq  nach  ^lm- 
to?  u.  s.  w.  Da  diese  bildungen  ionisch,  so  schliefsen  6ie  sich  auch  au 
verbaltbemcD,  welche  in  der  xoivti  nicht  existiren  z.  b.  ßakXrjTvq  als  ob 
ein  ßakXiu  exUtirte. 

**)  Bopp  vergl.  gr.  §322. 
***)  danach  ist  sanskritgr.  §  587  zu  verbessern. 
***•)  das  verhältnifs  von  <fc/»s  nivraxuq  u.  s.  w. ,  so  wie  die  acceut- 
differenz  zwischen  <ft*e*  <fc**d  spricht  wohl  entscheidend  dafür,  dafs 
&*  ein  neues  saffix  sei,  nicht  #,  wie  in  /fra/cedo  Im  verhältnifs  zu 
xaftat  (von  Wa  =  skr.  kshrol)  x*k  im  verhältnifs  zu  skr.  hyas,  lat 
hes  in  hes-ternu,  eingeschoben  (wie  z.  b.  in  ktoX*  =»  noU  =  sanskr. 
purt  u.  a.). 


saftixe.  221 

ailergröfsten  theil  casusformen  sind  (bez.  des  skr.  vgl.  meine  gr. 
§  782),  in  welchen  der  theil  vom  letzten  vocal  an  entweder  nur 
oder  vorwaltend  flexivisches  dement  ist,  so  dafs  in  der  abschei- 
dung desselben  vor  neuen  suftixen  die  Sprache  ihr  eigentliches 
princip:  suffixe  nur  an  thematische  formen  zu  schliefsen,  bethä- 
tigt.    Wenn  sie  hierin  zu  weitgehend  auch  den  auslautenden  the- 
matischen vocal  einbüfst,  so  erklärt  sich  diefs  vor  vocalisch  an- 
lautenden   sufGxen    durch    den  einflufs  des  anlautenden    vocals, 
vor  coneon  an  tisch  anlautenden  ist  es  eigentlich  anomal,  hat  aber 
in  allen  sprachen  analogieen  in  der  ausstofsung  von,  zumal  kurzen, 
vocalcn  zwischen  beliebten  consonantengruppen,  vgl.  z.  b.  nintta 
für  nmitta  (ner  =  skr.  pat)  und  unserm  fall  wesentlich  ganz  ana- 
log von  quinque  ne'fuie  (eigentlich  allgemeine,  nicht  blofs  äolische 
nebenform  von  areVre,  da  dem  skr.  c  auch  n  entspricht)   für  or- 
ganischeres quinquem  ntpnav  (=  skr.  pancan)  qu intus  (für  quinc- 
tus),  nifuttog  für  organischere  quinquetus  m^nhog  (=  skr.  ved. 
pancatha  sanskritgr.  s.  329  n.  3),   da  vor  dem  consonantisch  an- 
lautenden sekundären  suffixe  eigentlich  nur  das,  das  thema  aus- 
lautende, n  hätte  eiogebüfst  werden  dürfen  (vgl.  skr.-gr.  §  83, 2*). 
Aus  dem  lateinischen  (vgl.  Pott  etyni.  forsch.  I,  551)  ent- 
spricht dem  skr.  tu  in  abstraclbedeutung  ebenfalls  tu,  fast  nur  im 
mascul.  (vgl.  oben)**),  zunächst  unmittelbar  an  verbalthemen  so- 
wohl primäre  als    derivirte  antretend  z.   b.    or-tu   vic-tu    (aus 
g(v)i(c)v  =  skr.  jiv)  ic-tu  (=jac-tu  aus  ja(c)v-i  =  skr.   cyävi 
causale  von  cyu  «fallen»)  par-tu,  quaes-tu  (quis  =  skr.  cish  aus- 
suchen, ausscheiden,  auszeichnen)  ques-tu  (ques  =  skr.  «jvas  «seuf- 
zen») casu  (für  cad-tu)  sexu  (sec-tu  « abtheil ung»)   cur-su  (für 
curtu***),    von  cur  =  skr.   hvr  nach  der  skr.   4.   conj.-kl.  also 
cur-ro  für  cur-jo  «ich  drehe  mich»)  u.  a. ****);  ferner  vena-tu,  bala- 

*)  anch  im  zend  ist  der  vocal  eingebüßt;  es  entspricht  pukhdha 
aas  panc(a) -H  tha,  indem  zuerst  c  zu  k  ward  (vgl.  sanskritgr.  §  66,  1) 
wie  in  khtöirya  (ans  organischerem  catuirva  =  skr.  tfirya  für  catürya 
(sanskritgr.  s.  329,  insbes.  n.  2)  «vierte»),  welches  nor  hinter  der  prM- 
position  ä  bewahrt.  Der  vocal  a  hat  sich  alsdann  dem'  labial  p  assi- 
milirt. 

**)  nur  artu  und  sexu  sind  auch  nentr. 

***)  anch  cor-ru  (genififs  der  Verwandtschaft  zwischen  den  abstra- 
cten  und  nom.  ag.,  wovon  oben)  mit  assimilation. 
****)  dafs  vom-i-tn  skr.  vam-a-tha  gleich  sei  (demnach  nicht  hieher 
gehört)  ist  schon  von  Pott  (etyra.  forsch.  I,  93)  bemerkt.  Vielleicht  ge- 


222  Benfey 

ta  u.  a.  Weiter  erscheint  es  in  der  gestalt  ä-tu  hinter  nominal- 
themen  (den  zustand  oder  die  bandlang  derselben  bezeichnend) 
z.  b.  magistr-ä-ta,  coelib-a-tu*),  bim -a- tu,  tribun-a-tu,  consul- 
ä-tu,  von  denen  bald  entsprechende  denominativa,  z.  b.  magistrare, 
durch  welche  sie  ganz  in  analogie  mit  venätu,  balätu  treten,  exi- 
stiren,  bald  nicht,  z.  b.  kein  bimare  neben  bimatu.  Wir  haben 
wohl  nicht  nöthig  für  jede  einzelne  Formation  dieser  *  art  anzu- 
nehmen, dafs  ehe  sie  formirt  ward,  ein  entsprechendes  denomina- 
tiv  existirte;  denn  nachdem  sich  diese  categorie  durch  eine  reihe 
aus  ihr  hervorgetretener  bildungen  von  denominativen  dem  sprach- 


hören  auch  andere  auf  itu  zu  skr.  athu;  denn  es  ist  nicht  wahrscheinlich, 
dafs  des  letzteren  gebrauch  überhaupt  so  beschränkt  war,  als  wir  ihn 
im  skr.  (meine  gramm.  §  343)  finden 

*)  beiläufig  bemerke  icb,  dafs  in  coe  in  coe-lib  (org.  coelub)  wohl 
unzweifelhaft  der  loc.  des  Zahlworts  für  «eins»  skr.  eka  zu  erkennen  ist, 
mit  derselben  Verstümmelung,  wie  (nach  Bopp  vgl.  gr.  s.  431)  in  c-oclit 
(synkopirt,  wie  ich  jedoch  hinzufügen  mufs,  aus  c-ocli-vat  wörtlich: 
«mit  einem  äuge  versehn»,  vgl.  Gott.  gel.  anz.  1852  s.  544);  also  coe 
ss  skr.  eke  (nach  der  uominaldeklination)  nach  analogie  von  griechisch 
^foCxot,  =s  gkr.  vece.  In  Zusammensetzungen  diente  gerade  der  locattv 
gern  als  vorderes  glied  (sanskritgr.  8.  246  IL)  statt  des  thema,  hier  diu 
so  natürlicher,  da  er  adverbiale  bedeutung  hat;  coelebs  hiefse  demnach 
wörtlich  «für  sich  (eig.  «allein»)  es  liebend»  =  einer,  der  es  vorzieht 
allein  zu  leben  (a  single  man  wie  die  Engländer  sagen).  Ich  wei6e 
demnach  Potts  erklSrung  (etym.  forsch.  1,263)  dieses  coe  aus  dem 
pronomcn  interrogativum  ab ;  dagegen  glaube  icb,  dafs  er  letzteres  ganz 
richtig  in  caecus  erkannt  hat  (etym.  forsch.  I,  166,  II,  397)  und  erlaube 
mir  nur  die  genaueren  bestimmungen ,  welche  hatten  hinzugefügt  wer- 
den müssen  und  insofern  von  interesse  sind,  als  sie  selbst  in  sehr  ver- 
einzelten erscheinungen  die  grofse  Übereinstimmung  der  indogermani- 
schen sprachen  unter  einander  zeigen.  Im  skr.  tritt  in  der  Zusammen- 
setzung für  akshi  «äuge»  (=  griech.  6a<n)  vorwaltend,  in  der  relativ- 
zusammen8etzung  (bahuvrfbi)  immer,  aksha  (=lat  ocu)  ein  (sanskritgr. 
§  624  und  669).  Vor  diesem  tritt  das  fragpronomen,  wenn  es  veracht- 
lichtkeit  ausdrücken  6oll,  nicht,  wie  sonst  im  allgemeinen  in  der  gestalt 
ku,  oder,  wie  sonst  vor  vocalen,  in  der  gestalt  kad  auf,  sondern  als 
kA  (sanskritgr,  s.  248,  XI  B)  also  kä+aksha  «schlechte  äugen  habend»; 
im  lat.  würde  cl-ocn  entsprechen,  oder  mit  der  fast  durchgebenden 
schwüchung  von  o  zu  i  in  Zusammensetzungen  (vgl.  co-ip  von  co  und 
op  in  op-timu  op-to  =  ap  in  ap-to  =  skr.  Ip-i  causale  von  i,  wel- 
ches nach  analogie  von  sanskritgr.  §  199  bem.  2  auch  ap-i  lauten  dürfte 
und  in  nominalableitangen  wirklich  lautet),  ci-icu  =  caecu. 


saffixe.  223 

geist  gegenüber  fixirt  hatte,  konnte  sie  sich  von  ihrer  basis  los- 
lösen nnd  auch  ohne  die  brücke  eines  zwischen  liegenden  deno- 
minativs  aus  einem  nomen  —  von  welchem  ja  znmal  jeden  äugen- 
blick  in  der  lebendigen  spräche  ein  denominativ  aasgehen  konnte 
—  anmittelbar  dieses  abstractam  bilden*). 

Nah  verwandt  mit  dem  abstract  ist  die  categorie  des  colle- 
ctiv.  Jenes  drückt  die  begriflsmäfsige  (ideale)  einheit  ( pries ter- 
thum  als  das  einheitliche  wesen  aller  priester),  dieses  die  zahlmä- 
fsige  (nnmerale  z.  b.  «gebirg»,  menge  von  sich  wesentlich  gleichen 
gegenständen,  welche  «berg»  genannt  werden).  Das  coUectiv  ist 
gleichsam  die  Vorstufe  des  abstracts;  es  bezeichnet  die  gegenstände 
nur  erst  als  im  allgemeinen  gleiche  und  zusammengehörige,  während 
das  abstract  das  in  ihnen  gleiche,  ihre  Wesenheit,  ausdrückt.  Wir 
finden  daher  auch  in  allen  sprachen  abstractbildungen  auch  zum 
ausdruck  des  collectivs  verwendet,  indem  die  höhere  stufe  auch 
die  niedre  vielfach  auszudrücken  vermag.  So  z.  b.  dienen  im 
sanskrit  mehrere  abstracta  auf  tä  in  collect ivbedeutung  (sanskritgr. 
§460  und  vergl.  überhaupt  die  coüectivbildung  in  §457 — 461 
mit  der  abstractbildung  in  §  554 ,  wo  sich  noch  mehr  Überein- 
stimmungen zeigen),  und  im  lateinischen  und  deutschen  u.  s.  w. 
sehn  wir  nicht  selten  abstracta,  wie  die  grammatik  sagt,  statt 
des  plural  ihrer  concrete,  z.  b.  nobilitas,  adcl,  statt  nobiles  «adliche» 
Juventus  «Jugend*  statt  juvencs  «Jünglinge»,  d.  h.  in  collect ivca- 
tegorie  gebraucht.  Wir  werden  demnach  auch  die  collectiva  auf 
Atu,  z.  b.  peditätu,  comitätu,  equitätu,  senätu,  hierherziehen  und 
sie  für  wesentlich  gleiche  und  auf  dieselbe  weise  entstandene  be- 
dangen, wie  cohsulata  u.  s.  w.,  erklären. 

Nachdem  wir  das  tfbstractsuffix  tu  im  lateinischen  collccfiv- 
bedeutung  haben  annehmen  sehen,  werden  wir  es  auch  nicht 
auffallend  finden,  wenn  ein.reflex  von  skr.  tva  (ntr.)  in  dieser 
bedeutung  erscheint.     Mit  diesem  tva  glaube  ich  nämlich  lat.  tu 

*)  ich  will  jedoch  das  lange  &  im  skr  jtv-aMu  msc.  and  ntr.  and 
dem  red.  infinitiv  jivfttare  (dativ  dieses  themas)  von  jfv,  so  wie  die 
dareli  i  oder  I  anknöpfenden  ff.  (z.  b.  car-i-tave,  srav-i-tavai,  hav- 
t-tave  (sanskritgr.  §919)  nicht  nnerwShnt  lassen,  ohne  jedoch  mit  be- 
stimuitheit  daraas  zn  schliefsen,  dafs  wir  in  dem  A  in  Ita  nur  binde- 
vocal  zu  erkennen  haben;  man  vgl.  ein  gleiches  Ä  in  skr.  jaivätrka,  wel- 
ches ein  jtvAtr  voraussetzt  nnd  überhaupt  möchten  die  anlautenden  lan- 
gen I  in  primären  saf fixen,  wie  z.  b.  skr.  Akt  »lat  Ic,  griech.  ijx  in 
betracht  zu  ziehen  sein. 


224  Benfey 

und  etu  (ntr.  nach  der  2ten)  identificirea  zu  dürfen.  Pott  (etyrn. 
forsch.  II,  546)  sieht  es  bekanntlich  als  ptc.  fut.  pass.  an;  gegen 
diese  ansieht  entscheidet  aber  sein  gebrauch  als  sekundäres  nomi- 
nalsuffix  in  formen  wie  arbus-tu,  salic-tu,  carec-tu  u.  s.  w.  — 
Das  v  ist  ausgefallen,  wie  z.  b.  in  can-i  gegenüber  von  skr.  evan 
griech.  xvov  (im  nom.  xvwv).  Als  primäres  suiT.  erscheint  es  in 
vire-tu  (vireo),  ole-tu,  glabre-tu,  ace-tu,  zwar  mit  stärkerem 
hervortreten  des  abstracten  demente,  jedoch  mit  anklang  an  die 
collectivcategorie ,  indem  es  örtlichkeiten  bezeichnet,  an  denen 
die  Substanz  des  verbalbegrifles  sich  in  fülle  zeigt.  An  diese  leh- 
nen sich  der  form  nach  die  eigentlichen  collectiva  auf  etu,  wie 
arbor-etu,  frutic-etu,  ros-etu,  vin-etu,  sax-etu,  rud-etu,  soric- 
etu,  über  deren  etu  im  verhältnifs  zu  tu  in  arbus-tu  u.  *.  w.  we- 
sentlich ebenso  zu  urtheilen  sein  wird,  wie  über  tu  in  or-tu  u. 
8.  w.,  zu  atu  in  consul-atu  u.  s.  w. 

Dafs  dem  skr.  tvana  griech.  Gvvq  entspricht,  ist  schon  von 
Aufrecht  (in  dieser  Zeitschrift  I,  s.  4SI)  bemerkt;  dafs  die- 
ses abstractsuffix  als  femininum  im  griechischen  erscheint,  wäh- 
rend es  im  skr.  wohl  sicher  als  neutr.  gebraucht  ward,  findet 
seine  nächste  analogie  in  den  sekundären  abstractis  auf  ya  im  skr., 
welche  sowohl  fem.  als  msc.  sind*).  Zu  einzelnen  dieser  abstraeta 
stehn  adjeetiva  auf  avvo  (vgl.  a.  a.  o.  482)  in  genauster  beziehung, 

*)  beiläufig  bemerke  ich,  dafs  mir  die  primären  abstraeta  auf  ti, 
welche  Feminina  sind,  in  demselben  verhältnifs  pu  dem  ntr.  des  ptep. 
pf.  pass.  zu  stehen  scheinen,  insofern  dieses  als  abstract  dient  (skrgr. 
§  333).  Diese  themen  aar  ti  sind  nämlich  fast  ohne  ausnähme  —  und 
diese  aasnahmen  finden  stets  darin  ihre  erklär ang,  dafs  die  bildung 
einst  auch  nir  das  ptep.  erlaubt  war,  z.  b.  fifjt'i  neben  fiaxo  (in  avxofiaro) 
yon  pav  (worüber  weiterhin)  —  nach  denselben  regeln  formirt,  wie 
das  ptep.  pf.  pass.  und  mir  ist  daher  kein  Zweifel,  dafs  sie  eigentlich 
feminina  dieses  ptep.  sind,  in  welchen  aber  nicht,  wie  sonst  in  the- 
men auf  a  im  allgemeinen,  im  fem.  der  aaslaut  gedehnt  ward,  sondern, 
wegen  der  substantivischen  bedeutung  der  femininalcharakter  !  antrat. 
Dieser  wurde  dann  im  weitern  verlauf  der  spräche  verkürzt.  Ich  habe 
diese  Verkürzung  schon  an  rltri  im  verhältnifs  zu  dem  ved.  ritrt  (Gott, 
gel.  anz  1852  s.  547)  aufgewiesen  und  werde  sie  an  einem  andern  orte 
in  groTserem  umfang  begründen.  Die  differenz  der  accentuation  (die 
ptc.  pf.  pass.  sind  oxytonirt,  die  themen  auf  ti  paroxytonirt)  erklärt 
sich  (nach  sanskritgramm.  §  899)  daraus,  dafs  die  auf  ti  nicht  mehr 
die  partieipbedeutung  haben,  sondern  substantiva  geworden  sind;  man 
beachte  jedoch  die  oxytonirt  gebliebenen  (sanskritgr.  s.  162  no.  2.  3). 


soffixe.  325 

siedrücken  ans  «das  habend,  betreffend,  was  das  abstract  besagt» 
and  stimmen  genau  mit  den  formen  des  abstravts  überein,  auch 
wo  diese  mehr  oder  weniger  anomal  sind,  z.  b.  deanoüvrt]  (von 
decm&ia)  nnd  fcoWowo,  (accwogvit]  (von  parti)  nnd  °roöt>*o, 
«paxrvVj?*)  und  °a>owo,  so  dafs  man  wohl  nur  die  wähl  hat, 
entweder  anzunehmen,  dafs  sie  durch  ein  sekundäres  suflfct 
aus  den  entsprechenden  abstracten  gebildet  sind,  oder  dafs  das 
suff.  tvana  avvo  einst  dreigeschlechtig  "war  und  sich  das  abstract 
nur  durch  geschlechtliche  fixirung  zur  Substantivkategorie  erhob. 
Die  letztere  ansieht  hat  das  für  sich,  dafs  sich  mit  bestimmtheit 
in  dem  indogermanischen  sprachstamme  ein  zustand  erkennen 
lfifst,  in  welchem  die  categorieen  des  Substantiv  und  adjeetiv  noch 
nicht  geschieden  waren,  sondern  das  Substantiv  gewissermaßen 
nur  ein  beziehungsloses  adjeetiv  oder  selbst  ptep.  (z.  b.  serpens) 
war  und  nur  an  diesem  mangel  einer  beziehung  als  Substantiv 
erkannt  wurde.  Für  solche  beziehungslose  eigenschaflswörter 
fixirte  sich  ein  bestimmtes  geschlecht  und  diese  fixirung  vorzüg- 
lich wirkte  dahin,  dafs  der  categorische  unterschied  des  Sub- 
stantiv und  adjeetiv  zu  vollem  bewufstsein  hervortrat.  —  Aehn- 
lich  sahen  wir  oben  tu  im  griech.  als  fem.,  im  lat.  als  mascui, 
selten  nentr.,  jedoch  in  den  behandelten  fällen  nur  als  abstr.  fun- 
giren.  Schwerlich  ist  aber  davon  das  skr.  tu  zu  trennen,  wel- 
ches oft  ein  msc.  nom.  ag.  bildet,  z.  b.  bhä-tu  (der  leuchtende) 
m.  «sonne»,  man- tu  m.  (der  denkende)  «mensch»,  fem.  «ver- 
stand»; eben  so  bildet  das  sogleich  zu  besprechende  suffix  dor 
zwar  vorwaltend  abstraeta,  jedoch  auch  mehrere  nomina  agentis 
(z.  b.  7tef*<pQTjd6t>  u.  a.)  Diese  frage  läfst  sich  mit  Sicherheit  wohl 
nicht  eher  entscheiden,  als  bis  wir  die  entstehung  des  Suffixes 
tvana  nachweisen  können;  dieser  nachweis  würde  uns  auch  über 
die  eigentliche  bedeutung  desselben  belehren**). 

*)  IfQüHjlyri  °roc,  wenn  wirklich  von  Itgö,  steht  mit  seinem  <n  in 
dieser  reihe  von  bildnngen  ganz  vereinzelt  nnd  die  Übereinstimmung 
in  beiden  formen  wlrc ,  desto  auffallender.  Sollte  es  aber  nicht  an 
Uqäx  in  UqaTtxo  n.  s  w.  zu  schliefsen  sein?  in  Uq*t  ist  wohl  unbe- 
denklich ein  schwaches  ptep.  prite.  einer  activform  von  Itqao-fAju  mit 
vielleicht  dialektischer  (hier  dorischer)  contraction  von  ao  zu  S  (da 
ein  wort  für  priester  wohl  ans  einem  dialekt  in  die  *o*wj  dringen 
konnte);  Ugmvt  wSre  die  regelmaTsige  form  (auch  oMärr  ntltxävx  könn- 
ten aus  dialekten  eingedrungen  sein). 

*•)  hr.  Aufrecht  betrachtet  tvana  als  eine  Zusammensetzung  der 
IL    3.  *5 


926  Benfey 

Mit  dem  eaff.  skr.  tvan  identificire  ich  öor,  wobei  ich  die 
Schwierigkeit  nicht  verkenne,  welche  darin  liegt,  dafs  sich  gar 
kein  sichres  beispiel  eines  reflexes  von  skr.  tva  dnrch  griech.  do 
nachweisen  läfst.  Dagegen  ist  aber  der  erweichende  einflufs  einer 
nachfolgenden  liqutda  auf  t,  specieü  eines  y*),  und  auch  eines 
r**)  nicht  selten  zu  erkennen ,  so  wie  denn  überhaupt  t  biswei- 
len zu  d  sich  herabsenkt ***)  (ähnlich  wie  n  sehr  oft  zu  b  und 
selbst  v)  ****)•  Ferner  ist  zu  beachten,  dafs  phonetische  Übergänge 


suffixe  tva  und  ana;  er  glaubt  für  diese  hypothese  eine  stütze  in  dem 
vedischeu  absolativ  tvänam  zu  erkennen;  in  dem  mit  diesem  gleichbe- 
deutenden tYtnara  sieht  er  das  1  als  Schwächung  von  ä  an;  allein  Schwä- 
chung von  Ä  zu  1  findet  im  sanskrit  immer  unter  einflufs  einer  unmit> 
telbar  auf  die  silbe,  welche  das  4  enthält,  folgenden  aeuirten  silhe  statt  (z. 
b.  pfi+ta*  wird  pt-U,  H-y^te  p2-ya*te);  hier  haben  aber  tvä  und  tvi  den 
acut.  Da  nun  die  Veden  neben  dem  gewöhnlichen  absolutiv  tvä'  auch 
die  fonn  tvt'  zeigen,  so  liegt  es  wohl  näher  anzunehmen,  dafs  zu  bei- 
den formen  accentloses  nam  treten  konnte,  wodurch  also  tvä'-nara, 
tvf-nam  entstand.  In  diesem  nam  dürfen  wir  wohl  unbedenklich  den 
(adverbial  gebrauchten)  accus,  gen.  neutr  des  sekundären  Suffixes  na 
erkennen,  welches  an  indeclinabilia  (zu  denen  auch  das  absolutiv  ge- 
hurt) tritt  (z.  b.  purä  purä/ta ,  vgl.  sanskritgr.  s.  238  und  z.  b.  latein. 
hes  *ter-nu,  in  welchem  tcr  zunächst  dem  skr.  tar  in  prAtar  entspricht). 
*)  z.  b.  sanskr.  soff,  tya  schon  im  skr.  dya  (in  ava-dya)  und  im 
griech.  <ho  und  do  (vgl.  G.  W.  L.  II,  232);  ferner  ist  Stv  in  dtvpo,  St  vre 
mit  dem  skr.  pronominalthema  tya  zu  identificiren;  <ho  ist  Stv  gewor- 
den, ganz  nach  derselben  analogie  wie  am;  attv&e  aus  ar*o  (in  ötru; 
statt  anoiq)  =  skr.  anya  entstand  und  im  lat.  iens  (=  skr.  yant)  im 
genitiv  eunt-is  ward;  ötit-Qo  ist  =  skr.  tya-tra  «hier»,  d«»-T«  =  skr. 
tya-tas  «von  dort»;  in  qo  für  tqo  ist  %  wohl  erst  assimilirt,  dann  ab- 
sorbirt;  die  endung  tqo  erscheint  mit  verkürztem  aaslaut,  gerade  wie 
*  im  skr.  hinter  pronominallhemen,  während  hinter  nominalthemen  die 
organischere  form  trd  bewahrt  ist,  wie  im  latein  auch  hinter  prono- 
minalthemen  und  präpositionen. 

**)  vgl.  sanskritgr.  s.  237  u.  133,  wo  man  noch  handra  =  hintra 
hinzufüge. 

***)  z.  b.  in  den  Suffixen  Saro  6ro  (welche  Pott  et.  f.  II,  563  wie  ich 
glaube  mit  unrecht  mit  <W  verbindet),  welche  den  skr.  primär-  und 
seknndär- Suffixen  Una  und  tna  (skrgr.  s.  161.  163.  233)  entsprechen. 
****)  z.  b.  pa*  «trinken»,  die  Specialthemen  nach  analogie  von  tishth 
aus  sthä  formirend,  müfste  eigentlich  pip  werden,  wird  aber  ved.  pib 
und  im  latein  zugleich  mit  assimilirung  des  reduplikationsconsonaitten 


suffixe.  m 

oft  sehr  einsam  stehn  and  dennoch  unbezwetfelbar  sind,  so  z.  b. 
wird  niemand  eßdopo  oder  oydoo  wegen  der  ganz  einzeln  ste- 
henden erweichung  der  ursprünglichen  tenues  zu  mediae  von  lat. 
septimo  (skr.  saptama)  octävo  zu  trennen  wagen.  Was  mich  aber 
neben  der  bedentung  dieses  Suffixes  insbesondere  bestimmt,  es  mit 
trän  zu  identificiren ,  ist  die  phonetische  gestalt,  welche  auf 
nasale  auslautende  themen  davor  annehmen. 

Wir  finden  im  skr.  themen  auf  nasale  vor  gewissen  suffixen, 
zu  denen  auch  das  von  uns  mit  tvan  verbundene  tva  des  absolu- 
tio gehört,  auf  dreierlei  weise  behandelt:  entweder  wird  der  vo» 
cal  vor  dem,  nasal  gedehnt  (in  allen  bekannten  beispielen  nur  a 
z.  b.  von  cam  c&ntvä),  oder  der  nasal  zugleich  eingebfifst  (auch 
in  allen  bekannten  beispielen  nur  hinter  a  z.  b.  von  khan  khät- 
va),  oder  der  nasal  wird  eingebfifst  und  der  vocal  (in  den  be- 
kannten beispielen  a,  i,  r  z.  b.  von  gam  gatvä)  nicht  verän- 
dert (sanskritgr.  §  154,  2,  4).  Im  gewöhnlichen  sanskrit  ist  im 
allgemeinen  je  in  den  einzelnen  fallen  nur  eine  dieser  Umwandlun- 
gen zulässig;  nur  san  kann  vor  suff.  ti  auf  drei  weisen  sich  for- 
miren  (sänti  säti  nach  den  zuerst  angegebenen,  oder  ganz  ohne 
Veränderung  santi).  Allein  schon  in  den  Veden  sehen  wir  in 
man  «denken»  vor  ti,  wo  die  gewöhnliche  spräche  nur  einbufse 
des  nasals  vorschreibt  (also  mati)  auch  dehnung  eintreten  (abhi- 
mati),  wie  im  griech.  fflii.  Vergleichen  wir  aber  die  ver- 
wandten sprachen,  so  kommen  wir  zu  dem  schiufs,  dafs  einst 
alle  drei  Umwandlungen  und  als  vierte  die  unveränderte  form 
nebeneinander  galten  (vergl.  auch  Gott.  gel.  anz.  1851  s.  1969), 
so  dafs  wir  bei  erklärung  der  hieher  gehörigen  formen  für  den 
der  Sprachtrennung  vorhergegangenen  zustand  alle  vier  weisen 
als  gebräuchlich  ansehn  dürfen.  •).     Wenden  wir  diefs  auf  bil- 

bib;  map-i  cansale  von  ma  (nach  sanskrilgr.  §  199  nach  analogie  von 
bem.  2  auch  mit  kurzem  a  denkbar)  io  der  bed.  «gehn»  (meare  eigent 
»durchmessen»),  also  «gehn  machen»  «=  «bewegen«  lautet  im  latein 
mob  in  möbili  (Tgl.  griech.  d-pitßopa»  for  org.  sa-//a/r-#jo-^cM  «sich 
mit  einander  wechselseitig  bewegen»,  mit  ptß;  dann  trat  das  j  =»*  in 
tjo  in  die  Torhergehende  silbe,  und  wurde  sammt  dem  t  an  seiner 
eigentlichen  stelle  eingebfifst;  vgl.  s.  231  und  ßdlXta  for  ßuX)m  org.  ß<*X- 
«)-«,  catts.  von  ßaX  es  skr.  «gal  fallen»)  m&v  in  möv-eo  (»  skr.  m«p- 
ayl-mi;  vgl.  griech.  *-piv-ta  neben  fifitß)  und  ähnlich  unzählige. 

*)  so,  um  ein  interessantes  beispiel  hier  anzumerken,   bildet  das 
gewöhnliche  sanskrit  von  man  denken   das  intensiv  so,  dafs  das  pri- 


228  B«»*«! 

dangen  auf  tvan  an,  so  würde  vom  intensiv  von  bhram  (wel- 
ches im  gewöhnlichen  sanskrit  xwar  «herumiircn»  heifst,  ursprftng- 
lich  aber  (=  lat.  frem-cre)  den  ton  bezeichnete,  welchen  insek- 
tenschwirme  bilden  (vgl.  G.W.L.  II,  112),  nämlich  «schwirren»): 
bambhram  (sanskritgr.  §  109)  griech.  m(*<pQ*Pi  wenn  tvan  an 
dasselbe,  nicht  nach  analogie  von  <;am,  wie  im  gewöhnlichen 
sanskrit,  sondern  von  khan  trat,  durch  dieses  suffix  bambhratvan 
gebildet  sein  mit  der  bedeotung  eines  agens,  im  fem.  «die  heftig 
oder  wiederholt  schwirrende» ;  diesem  entspricht  aber,  abgesehn 
von  ö  =  tv  und  dem  abweichenden  reduplicationsconsonanten, 
laut  för  lant  mpyw&ov.  Gans  eben  so  wurde  vom  intensiv  von 
skr.  dhran  «tönen»:  dandhran,  griech.  verfner,  nach  dieser  analo- 
gie dandhratvan,  griech.  wtf^Wr*)  entstehn  (wozu  auch  dr&Qij- 
oor  gehört,  entweder  mit  einbufse  des  anlautenden  t,  vgl.  ved. 
inaksh  für  ninaksh,  iraj  für  riraj  und  ähnliche,  oder  mit  prafix 
if  för  ard).  Ebenso  wurde  skr.  kshan  =  xrsv  und  2?ar  «scha- 
ben1* (G.  W.  L.  F,  180)  kshätvan  bilden,  welchem  xrtjdov  «kämm* 
(der  abschabende)  entspricht  (vgl.  xrsv  anmittelbar  ohne  suffix  und 

mirc  verbum  unverändert  bleibt,  also  mamroanya;  wäre  die  analogie 
von  khan  n.  s.  w.  (sanskritgr.  §  178)  dafür  erlaubt,  so  wurde  es  auch 
maroaya  lanten.  Diesem  entspricht  aber  laut  für  laut,  abgesehn  von 
dem  speciell  griechischen  reduplikationsdiphthong,  ^«*uaw  fiir  organi- 
scheres f(cuf*a)<»,  woraus  wir  schliefsen  dürfen,  dafs  diese  Verwandlung 
einst  hier  auch  für  man  erlaubt  war. 

*)  da  ich  hier  das  verbum  dhrait  erwähnt  habe,  so  bemerke  ich, 
dafs  da*u  griech.  &Qrjroc;  (wegen  -rj  vgl.  skr.  v&s-as  von  vas)  gebort, 
sowie  ahd.  tren-o  (dröhne)  trän  im  denominativ  trinjan,  welches  zu 
irahan  «thrSne»  zerdehnt  ist,  und  goth.  drun-jus  «der  ton«;  ferner 
$y4»  för  saftskr.  dhraya  (nach  der  4.  konj.-kl  indem  a  vor  y  eingebufst 
und  a  gedehnt  ward  (wie  in  dem  eben  erwähnten  /<cu//aw  oder  in  skr. 
jAya  von  jan);  nach  ausstofsnng  des  y  ist  der  vorhergehende  vocal  vor 
dem  nachfolgenden  verkürzt.  Eben  so  ist  &qoo  entstanden ;  es  liegt  ein 
ekr.  *dkrlya  zu  gründe,  ganz  nach  analogie  von  jüyi  «gattin»  von  jan. 
Endlich  gehört  dazu  tovO-qv;  dieses  ist  aus  dem  intensiv  xqv&qov  (mit  o 
för  skr.  a ,  wShrend  in  lev&qtv  das  gewöhnlichere  *  erscheint)  durch 
suff.  v  =  skr.  u  gebildet,  vor  welchem  nach  analogie  von  in  Zusammen- 
setzung auslautenden  gu,  gu  und  bhru  aus  gam  bhram  (sanskritgr.  s.  1»8 
n.  156)  der  themenauslaut  vom  letzten  vocal  an  eingebufst  ist  Danach 
ist  G.  W.  L.  II,  263  z.  2  v.  u.  bis  264  z.  21  v.  o.  zu  verbessern.  Als 
eigentliche  bedeutung  von  dhran  ist  «summendes  (klagendes)  tönen» 
aufzustellen. 


snffixe.  229 

pe-cten  von  demselben  verbum  in  derselben  bedentung).  Endlich 
bildet  das  verbum  anav  (=  abd.  span-nan  für  span-jan*)  G.W.L. 
II,  360)  nach  analogie  von  gam :  gatvä,  tan :  tatvä ,  onabov.  Die 
hier  behandelten,  augenscheinlich  sehr  alten  bildungen,  beru- 
hen auf  verbaithemen,  welche  alle  auf  consonanten  enden;  xr& 
entschieden  innerhalb  des  griechischen  selbst  und  &<>er  wenig- 
stens noch  deutlich  in  &Qrj*-og$  es  ist  daher  schon  defs  wegen 
(jedoch  auch  aus  vielen  andren  gründen,  z.  b.  wegen  des  ent- 
sprechenden  lat.  din,  nom.  don)  die  annähme  eines  zur  Vermin- 
derung des  hiatus  vorgeschobenen  6,  wie  sie  hr.  G.  Curtius  auf- 
stellt (De  gr.  nom.  form.  50)  weder  speciell  hier  zulassig,  noch 
überhaupt  in.  irgend  einem  falle  nachweisbar. 

Nicht,  wie  schon  bemerkt,  verkennend,  dafs  die  annähme  eines 
reflexes  von  skr.  tv  durch  d  Schwierigkeiten  hat,  erlaube  ich  mir 
auf  die  Zusammenstellungen,  welche  ich  in  den  Gott,  gel  anz.  1852 
s.  115  gegeben  habe,  aufmerksam  zu  machen,  denen  gemäfs  die 
nebcnform  des  absolutivs  tvä,  welche  in  zusammengesetzten  (ved. 
und  episch,  auch  in  unzusammengesetzten)  verben  auf  kurze  vo- 
cale**) erscheint,  nämlich  tya  durch  Übergang  von  v  in  y  und 
die  in  indeclinabilien  so  gewöhnliche  Verkürzung  auslautender 
langer  vocale***)  entstanden  wäre.    Durften  wir  diese  analogie 

*)  anaw  und  skr.  sphäy  (G.W.L.  I,  540)  stehn  fär  org.  anar-fa 
sphan-ja  (vgl.  phani  päni,  gr.  anav-öq  «spannend  =  eng  =  wenig»,  u. 
s.  w.  G.W.L.  11,360)  und  sind  ursprüngliche  themen  der  4.  conjaga- 
tionsklasse  (formirt  nach  analogie  von  jlya  aas  jan  u.  a),  welche  die 
grSnze  des  specialtbema's  überschritten  und  sich  zn  generellen  erwei- 
tert haben  (vergl.  för  jetzt  sanskritgr.  s.  47,  1 ;  an  einem  andern  orte 
genauer). 

**)  nach  analogie  dts  Verhältnisses,  welches  z.  b.  das  griech.  bei 
der  bildung  von  nominalthemen  aus  verben  durch  t  zeigt,  indem  na*m- 
lich  x  hier  auch  an  verba  auf  lange  vocale  tritt,  wahrend  t  im  skr. 
nnr  hinter  knrz  auslautenden  erscheint,  z.  b.  a-yv&%  von  yvta  =  skr.  jnl 
(vgl.  G.  Curtins  De  nom.  gr.  form.  10),  dürfen  wir  wohl  unbedenklich 
annehmen,  dafs  sowohl  in  diesem  fall  als  in  suff.  van,  im  ptc.  rat.  pass. 
ya  (vgl.  das  entsprechende  ved.  tva),  und  im  absolntiv  ya,  in  denen 
allen  hinter  kurzen  vocalen  ein  t  erscheint,  das  t  zur  organischen  ge- 
stalt  des  suff.  gehöre  und  weit  entfernt  hinter  kurzen  vocalen  einge- 
schoben zu  sein,  vielmehr  hinter  langen  abfiel  (wegen  des  ausdrncks 
«abfiel»  vgl.  skr.  e  für  me,  dna  für  mäna  u.  a.). 

***)  z.  b.  im  skr.  suff:  tra  statt  tri,  welches  noch  hinter  nominalthemen, 
z.  b.  deva-trä  und  im  lat.  auch  hinter  partikeln  und  pronominallhemen 


330  Benfey 

«ach  für  tvan  geltend  machen,  so  würde  die  äqualisation  von  dov 
mit  dem  sich  alsdann  ergebenden  tyan  absolut  keine  Schwierig- 
keit haben. 

Mit  ausnähme  der  angeführten  nom.  ag.,  sowie  etwa  itQrjdor 
und  des  etymologisch  dunklen  %tkld6v  (von  dem  man  also  auch 
nicht  weifs,  ob  darin  dov  oder  ov  suffix  ist),  sind  alle  übrigen 
auf  dov  eigentliche  abstracto  oder  haben  bedeutungen,  die  aus 
abstractbedeutung  hervorgegangen  sein  konnten.  Auch  in  teQtjdov 
scheint  die  bedeutung  «knochenfrafs»,  wenn  man  iont^dov  «das 
kriechen»  und  «schleichendes  um  sich  fressendes  hautgeschwür» 
vergleicht,  nicht  aus  dem  nomen  ag.  «(hörender)  holz  wurm », 
sondern  aus  dem  zu  gründe  liegenden  abstract' hervorgetreten  su 
sein.  Bezüglich  des  Verhältnisses  der  nom.  ag.  zu  den  abstracten 
auf  dov  erinnern  wir  an  die  schon  vorgekommenen  ähnlichen  er- 
scheinungen,  mögen  aber  zugleich  der  in  den  Veden  so  häufigen 
Verwendung  von  abstractis  als  nom.  ag.  gedenken  (z.  b.  dveshas 
«feindschaft»  für  «feind»). 

Die  bildungen  auf  dov  sind  fast  ohne  ausnähme  primäre  (d. 
h.  aus  verben  abgeleitet).  Für  xX&jöop  dürfen  wir  wohl  unbe- 
denklich annehmen,  dafs  einst  ein  denominativ  xleso  (für  xXeftajo 
==  ved.  cravasya  aus  xXe/eg  =  cravas)  existirt  habe.  Will  man 
nicht  wagen  auf  ähnliche  weise  bei  xotvXtjdov  ein  denominativ 
von  xotvIij  (vgl.  xotvXi£co)  zu  gründe  zu  legen,  so  ist  es  wohl 
erlaubt  anzunehmen,  dafs,  nachdem  sich  diese  formationen  aus 
denominativen  (vgl.  äXytidov,  ajtfjyfloV,  re^döV  und  weiterhin  die 
lat.  auf  din)  fixirt  hatten,  auch  die  brücke,  welche  vom  nomen 
zu  ihnen  überleitete,  nämlich  das  denominativ,  bisweilen  über- 
sprungen wurde.  Auf  den  ersten  anblick  könnte  man  auch  ge- 
neigt sein  ignrjdov  durch  eine  ähnliche  suppoeition  erklären  zn 
wollen;  allein  dieses  sowie  Uagntjöav .  ist  eher,  nach  analogie 
von  xaiQtidov  (vgl.  xaiQV6<°)  idqdov  (vgl.  idtjtvg)  aus  dem  primä- 
ren verbalthema  zu  deuten,  wenn  gleich  diese  sonst  nur  *  als 
bindevocal  zeigen  (uQned6v,  Xaxedov,  Xapneöov,  hftedov,  fishdSv, 
aqnedöv,  otQEvyedov,  trjxedov,  Tvysdov). 

Da  wir  in  yayeduiva  eine  bedeutung  hervortreten  sehn,  wel- 
che ganz  der  von  8Qm]d6v9  teQijdov  analog  ist,  so  werden  wir 
keinen  anstand  nehmen,  es  für  ein  femininum  von  dov  zu  halten, 


erscheint;   ferner  in   tha  in  atha  gegenüber  von  organischcrem  ihi  in 
yathA  u  s.  w. 


snffixe.  231 

gebildet  ganz  nach  analogie  von  rex?oj>,  rAttaiva  d.  h.  zunächst 
(nach  sanskritgr.  §698,  1,2)  durch  hinzutritt  von  1,  dann  auf 
speciell  griechischem  boden  durch  unorganisches  a  mit  übertritt 
von  i"  in  die  vorhergehende  silbe  (assimilation  rexjaina,  vgl.  die 
gröfste  ausdehnung  dieser  assimilation  im  zend)  und  dann  einbufse 
desselben  an  seiner  eigentlichen  stelle  (texreupa).  Diesem  gemäfs 
wage  ich  auch  ähnlich  iizk&öuvq  aus  peXedwv  zu  deuten,  nur  dafs 
hier  (ähnlich  wie  im  skr.  nach  gr.  §  691)  tj  (=  skr.  ä)  als  femini- 
nalcharakteristikum  und  zwar,  indem  sich,  wie  nicht  selten  (ins- 
besondere im  griech.  und  lat.9  jedoch  auch  schon  im  skr.  und 
zwar  vorzuglich  ved.)  die  starke  form  an  die  stelle  der  schwa- 
chen drängte,  an  die  starke  (vgl.  sanskritgr.  §  754,  III)  trat 

Dafs  das  lat.  abstractsuff.  din  (nom.  do)  gleich  dem  eben  be- 
handelten dop  sei,  ist  natürlich  von  allen  anerkannt.  Dieses  tritt 
zunächst  an  derivirte  verbalthemen  auf  e  (für  organischeres  aya 
aus  derivativem  i,  sanskritgr.  §206,208,223)  z.  b.  albedin,  fri- 
gedin,  rubedin,  muleedin,  mucedin,  putredin;  ferner  an  verbal- 
themen der  sogenannten  4.  conjugationsklasse  im  sanskrit.,  in- 
dem deren  charakteristisches  ya  zu  i  ward  und  gegen  die  allge- 
meine regel  in  die  generelle  formation  (vgl.  cup-i-o  (=sanskr. 
kup-y&mi),  cupivi,  griech.  id-i-w  (=  skr.  svid-yämi)  Idiaco)  über- 
trat, wobei  im  lat.  speciell  vielleicht  eine  identification  dieses  i 
mit  dem  aus  aya  (von  i)  entstehenden  derivirenden  i  (vgl.  z.  b. 
sop-i-o  =  skr.  sv&p-ayämi,  causale  von  svap  =  sop  in  söp-or) 
mitwirkte.  So  cnp-i-do,  lub-i-do  (skr.  lubh-yämi)  form-i-do 
(skr.  bhram-yaini  also  eigentlich  «Verwirrung»).  Für  dulcedo, 
nigredo,  pinguedo,  gravedo  mögen  wir  wohl  berechtigt  sein,  aus 
den  inchoativis  dulcesco  u.  s.  w.  auf  die  einstige  existenz  eines 
dulcere  n.  s.  w.  zu  schliefsen.  Fühlt  man  sich  dazu  nicht  berech- 
tigt, so  wird  man  für  diese,  so  wie  für  absumedo,  capedo,  inter- 
capedo,  uredo,  oscedo,  und  auch  turpido,  acredo,  salsedo,  wie 
oben  bei  fttu  annehmen  dürfen,  dafs,  nachdem  diese  formation 
durch  umfassenden  gebrauch  zu  edin  idin  erstarkt  war,  sie  auch 
an  andre  als  die  obigen  verbalthemen,  und  an  nominal themen 
ohne  brücke  eines  denominativ  unmittelbar  antrat. 

Dasselbe  suffix  din  steckt  unzweifelhaft  endlich  in  dem  ab- 
stractsuffix  tüdin  (nom.  tüdo).  Im  skr.  haben  wir  aufser  dem 
sekundären  abstractsuffix  tva  noch  ta,  nur  im  feminin  um  in  der 
gestalt  tä  gebraucht  (sanskritgr.  §  554).  Beide  suffixe  finden  wir 
verbunden  in  purusha-tvä-tä  (Rigv.  111,8,5,3).  Diesem  t A  ent- 


232  Beofey 

spricht  augenscheinlich  lat.  ta  in  juven-ta,  senec-ta  und  konnte 
unzweifelhaft  so  gut  wie  im  sanskr.  mit  tva,  so  im  lateinischen 
mit  din  verbunden  werden,  wobei  ä  durch  ü  reflektirt  ward, 
(juventu-din,  senectu-din),  so  dafs  also,  wenn  die  gegebene 
entwickelung  richtig  ist,  z.  b.  latein.  inulti-tü-din  genau  einem 
sanskr.  *pürta-ta-tvan  «fülle,  menge»  von  skr.  pr  «füllen»  ent- 
sprechen würde.  Natürlich  ist  an  ein  suff.  udin  nicht  zu  denken; 
sondern  consuetudin  und  die  analogen  formen  sind,  wie  schon  von 
anderen  gesehn,  aus  consuetitudin  u.  s.  w.  zu  deuten.  Wenn  aber 
unsere  erklärung  von  tu -din  richtig  ist,  so  entspricht  in*  vali-tü- 
dinmskr.  vara-tä-tvan,  vali-tu  =  vara-tä  dem  griech.  a^s-nf, 
so  dafs  hier  auch  rtj  =  skr.  ta  ist.  Dasselbe  ta  werden  wir  auch 
unbedenklich  in,  fiele -tij  erkennen  dürfen.  Bei  andern  treten 
einige  bedenklichkeiten  hervor.  Th.  Benfey. 


II.  Miscellen. 


aliüv,  aevum,  aivs. 

Bopp  hat  (vergl.  gr.  s.  550)  das  gothische  aivs  zu  dem  zeo- 
dischen  zahlwort  aeva  eins  gestellt,  indem  eres  als  «all  derzeit 
d.  h.  ewigkeit»  auffafst,  das  der  zendischen  schwesterform,  als 
logischer  gegensatz  oder  wie  ein  andres  dem  dieses  gegen- 
übersteht.» Diese  Zusammenstellung  liefse  sich,  sofern  man  nur 
innerhalb  der  beiden  verglichenen  sprachen  bliebe,  begrifUich  wohl 
rechtfertigen  und  hat  auch,  wenn  man  über  dieselben  hinaus  die 
lateinischen  und  griechischen  Wörter  zur  vergleiehung  herbeizieht, 
noch  manches  für  sich,  da  auch  aevum  und  uiciv  die  begriffe 
«zeit,  lange  zeit,  ewigkeit»  enthalten.  Aber  schon  das  letztere 
wort  muCs,  wenigstens  von  Seiten  der  form,  bedenken  über  die 
Zusammenstellung  erregen,  die  sich  noch  vergröfsern,  wenn  auch 
alig,  atir,  am  und  dei  herbeigezogen  werden.  Diese  so  wie 
aevum  und  aloiv  hat  Bopp  daher  auch  weder  am  oben  angeführ- 
ten orte  noch  im  gl  ossär  s.  v.  eva  verglichen,  aber  sie  lassen  sich 
doch  auch  wiederum  nicht  von  dem  gothischen  worte  trennen. 
Dazu  kommt  nun,  dals  auch  im  nordischen  aefi  neben  der  be- 
deutuug  aevum,  aeternitas  die  von  aetas,  vita  wie  im  lateinischen 
und  griechischen  bei  aioiv  und  aevum  auftritt,  und  man  demnach 
eine  beschränkung  des  ursprünglichen  begriffs  annehmen  müfste, 
die  schwer  denkbar  ist,  da  wohl  die  ausdehnung  des  begriffe  vom 


misceiien.  233 

leben  des  einzelnen  auf  das  der  ganzen  gattong,  und  von  da  auf 
die  datier  der  weit  und  des  alls  sich  denken  läfst,  aber  nicht 
umgekehrt  das  zurückschreiten  von  diesem  zu  jenem,  wenn 
man  nicht  etwa  in  dem  begriffe  der  einheit,  wie  ihn  das  zen- 
dische  aäva  bietet,  bereits  beide  als  gesetzt  annimmt. 

Aber  wie  schon  oben  gesagt,  liefse  sich  wenigstens  alolv 
nebst  aiig  n.  s.  w.  in  diesem  falle  mit  den  angeführten  Wörtern 
nicht  unmittelbar  verbinden  und  wir  halten  uns  für  sie  nach  einer 
andern  etymologie  umzusehen.  Polt  hat  nun  (etym.  forsch.  1. 114) 
aioir,  aiig  bereits  mit  skr.  äy  us  verglichen  und  später  (2.  306) 
auch  goth.  aivs  und  lat  aevum  dazu  gestellt  und  hat  damit  im 
allgemeinen  das  richtige,  wie  ich  glaube,  getroffen4);  denn  skr. 
äyus  verhält  sich  zu  einem  vorauszusetzenden  stamme  evan 
wie-  dhanus  :  dhanvan,  yajus :  yajvan,  parus  :  parvan  (s.  1.  376 
dieser  zeitschr.),  nur  ist  bei  der  auflosung  von  ev  zu  aju  das 
anlautende  ä  wegen  des  folgenden  y  verlängert,  was  nach  dem 
was  Bopp  (vgl.  gr.  s.  628)  über  diese  erscheinung  gesagt  hat, 
nicht  befremden  kann.  Zu  äyus  stimmt  dann  formell  aiig  mit 
herabsenkung  des  u  zu  e,  und  aiir  verhält  sich  zu  aiig  und  äyus 
wie  die  3  plur.  opt.  tvntouv  zu  derselben  form  des  skr.  pot.  tu« 
peyus  oder  wie  die  endung  der  ersten  plur.  fiev  zu  fteg  u.  mas, 
wobei  die  frage  nach  der'natur  dieses  *,  die  von  Polt  2.  302 ff. 
ausführlich  erörtert  ist,  unerledigt  bleiben  mag;  aisi  sowie  das 
durch  ausfall  des  i  daraus  entstandene  asi  hatte  Pott  bereits  (a. 
a.  o.  1.  114)  für  den  dativ*  sowie  aiig  für  den  aecusativ  dieses 
Stammes  erklärt. 

Wenn  nun  aber  zn  dem  skr.  neutrum  äyus  eiu  msc.  evan 
sich  voraussetzen  läfst,  so  würde  zu  diesem  genau  das  griech. 
aiwv  stimmen,  da  das  in  den  casibus  obliquis  haftende  co  nicht 
etwa  dem  skr.  a  wiederstrebt,  sondern  nur  die  durch  den  aus- 
fall des  vorangegangenen  und  vocalisirten  digamma  hervorgeru- 
fene länge  statt  o  ist,  gerade  wie  wir  sie  z.  b.  auf  dieselbe  weise 
in  ßacildoig  für  älteres  ßaadifog  finden.  Freilich  ist  nun  aber 
ein  solches  evan  aus  dem  sanskrit  bis  jetzt  noch  nicht  nachge- 
wiesen und  die  Zusammenstellung  mit  hypothetischen  formen, 
mögen  sie  auch  noch  so  theoretisch  richtig  sein,  hat  immer  ihr 


*)  seiner  über  die  bildnng  von  aiwr,  aevutn  (etym.  forsch.  1.201.) 
ausgesprochenen  ansieht  kann  ich  mich  nach  dem  im  folgenden  gesag- 
ten nicbt  anschlielsen. 


234  Kuhn 

mifsliches;  doch  findet  sich  ein  wort,  welches  diese  hypothese 
in  hohem  grade  wahrscheinlich  macht,  zumal  es  sich  in  seiner 
form  ganz  an  die  des  lateinischen  and  goihischen  thema's  an- 
schliefst. £s  ist  dies  das  vedische  eva;  ursprüngliches  adjectiv 
mit  der  bedeatung  gehend,  wandelnd,  besonders  rasch,  sturmisch, 
von  w.  i  mit  snff.  va  abgeleitet,  hat  es  auch  substantivbedeatung 
erhalten  (und  zwar  als  masculinum)  und  bezeichnet  hier  die  stür- 
mischen Maruts,  dann  als  abstractum  «lauf,  wandet.»  So  heilst 
es  z.  b.  R.  a.  2.  4.  1.  4.  von  den  Maruts: 

a  ye"  rajänsi  tävishibhir  avyata  pra  va  eväsah  svayataso 

adhrajan  | 
«die  ihr  die  luft  erfüllt  mit  eurer  kraft,  hervorstürmt  ihr  selbst- 
gelenkten laufes. "  und  an  einer  andern  stelle  schliefst  es  sich  fast 
genau  an  den  begriff  von  aia>r,  aevum,  aivs,  wenn  es  (R.  a.  4. 
8.  11.2)  heifst: 

rju  märteshu  vrjina  ca  pä<;yan  abhicashte  suro  ary£  evan  | 
«rechtes  unter  den  sterblichen  und  unrechtes  erblickend,  schaut 
die  sonne  auf  der  menschen  wandel.»  Berücksichtigen  wir  nun, 
dafs  släm nie  auf  man  und  van  sich  häufig  zu  solchen  auf  ma 
und  va  geschwächt  haben  (z.  b.  dharman  zu  dharma  und  rkvan 
zu  rkva,  vibhävan  zu  vibbava  u.  s.  w.)  und  nehmen  dazu  noch  die 
oben  als  mit  evan  in  genauem  zusammmenhang  stehend  nachge- 
wiesene form  des  neutr.  äyus,  so  werden  wir  aloip  mit  dem  vor- 
ausgesetzten evan  m.  unbedenklich  zusammenstellen  dürfen;  dafs 
aber  latein.  aevum  n.  goth.  aivs  in.  als  jenem  eva  m.  formell 
gleich  keines  beweises  weiter  bedürfen,  ist  klar.  Was  aber  die 
bedeutung  der  drei  verglichenen  Wörter  betrifft,  so  darf  man  nur 
nicht  von  dem  naturgeroäfs  zuletzt  entwickelten  begriffe  der  ewig- 
keit  ausgehen,  sondern  mufs  sich  hier  an  den  zunächst  entstan- 
denen des  wandeis,  lebens wandeis,  der  lebenszeit  halten  um  sie 
auch  hier  mit  dem  sanskrit  in  bester  Übereinstimmung  zu  fin- 
den, wovon  Wendungen  wie  al&va  teiveiv  Eur.  Jon  627.  —  Ire- 
qop  alcSva  xai  fiolgav  olxTJao^ev  lph.  Aul.  1482.  —  TSfinttgia. . . 
noui  tov  aiwva  tjugov  aoQeve<y&cu  xata  tiyvrp  Plat.  Gorg.  448.  C. 
toiovTos  ai<bv  Big  dofiovg  Z8  xdx  dopav  top  arÖQ*  me/me  Soph. 
Trach.  34  sowie  lateinische  wie  aevum  ducere  (quare  sollicitam 
potius  aevum  ducitis  Phädr.  1.  31.  6),  traducere,  agere,  agitare, 
degere,  aevum  sempiternum  (beati  aevo  sempiterno  fruantur  Somii. 
Scip.)  u.  8.  w.  den  besten  beweis  liefern.  Das  gothische  frei- 
lich zeigt  fast  allein  die  abstracte  bedeutung  von  zeit,  ewigkeit 


mitteilen.  235 

aber  das  ahd.  £wa,  mhd.  ewe,  ^  mit  den  bedeutungen  sitte, 
gesetz,  recht,  ehe,  weist  ebenso  deutlich  darauf  hin,  daft  der 
begriff  des  lebenswandels  auch  hier  die  Grundlage  aller  dieser 
entwickelungen  sei  und  was  speciell  die  bedeutung  yon  sitte 
and  gesetz  betrifft,  so  zeigen  latein.  mos  zu  meare  (vergl.  Pott 
etym.  forsch,  f.  1.  136.  201),  skr.  äcära  sitte,  Torschrift  zu  car 
gehen,  wandeln  dieselbe  entwickelang  aus  einem  begriffe  der  be- 
wegung 

Wenn  nun  aber  die  besprochenen  substantiva  in  ihrer  als  ur- 
sprünglich vorausgesetzten  form  evan  mit  dem  griechischen  aiig 
und  aUi  in  nahem  etymologischem  zusammenhange  standen,  so 
wird  man  auch  die  indischen  und  deutschen  partikeln  eva,  evam, 
goth.  aiv,  ni  aiv  nunquam,  altn.  ae,  ags.  ä,  ä  va,  ahd.  io,  ieo 
semper,  je  nicht  von  dem  bisher  betrachteten  nominalstamme 
trennen  dürfen.  Der  begriff  der  zeit  ist  nur  im  griechischen  und 
deutschen,  ganz  entsprechend  der  bedeulungsentwickluug  von 
aitov  und  aivs  in  den  Vordergrund  getreten,  während  in  den  in- 
dischen partikeln  eva,  (ved.  evä  alter  instrumentalis)  und  evam 
(accus.)  die  grundbedeutung  von  weg,  wandet  mehr  hervortritt; 
evam  ist  so,  auf  diese  weise,  genau  das  englische  in  this 
way,  während  eva  vedisch  theils  dieselbe  bedeutung  hat,  theils 
blos  verstärkt  oder  erweitert.  A.  Kahn. 


krovya,  xgfag,  hraiva. 

Bei  betrachtong  der  neutralstämme  auf  as,  an  u.  s.  w.  haben 
wir  schon  mehrfach  gelegenheit  zu  der  bemerkung  gehabt,  dafs 
das  sanskrit  nicht  immer  die  relativ  älteste  form  im  verhältnifs 
zu  den  übrigen  sprachen  erhalten  habe;  das  verhältnifs  von  xgeag 
zu  skr.  kravya  n.  giebt  gleichfalls  zu  derselben  anlafs. 

Pott  hatte  (etym.  forsch.  I.  85)  kravya  n.,  xgeag,  lat  caro 
(carn-)  f.,  ahd.  hreo  (gen.  hrewes)  n.  cadaver  zusammengestellt, 
aber  zugleich  (a.  a.  o.  2.  611)  die  Übereinstimmung  auf  den  stamm, 
beschränkt,  allein  man  darf  weitergehen  und  mit  beiseitelassung 
von  caro,  das  wenigstens  nur  mittelbar  dazu  gehört,  die  ursprüng- 
liche gleichheit  der  themen  von  kravya,  xn/o?,  hreo  behaupten 
und  als  gemeinsamen  ausgangspunkt  aller  ein  thema  kravyat 
aufstellen.    Dies  hat  sich  im  griechischen  in  betreff  der  endnng 


236  Kulm 

am  wenigsten  geschwächt,  indem  der  epische  gcnitiv  xqbuSv  auch 
das  y  des  Stammes  im  i  erhalten  hat,  mithin  einen  stamm  xgetaz 
für  vorangegangenes  xQejriat  zeigt.    Das  sanskrit  ist  aber  mit  auf- 
gebang  des  t  in  die  a-declination  übergetreten,  hat  jedoch  das  t 
in  anderer  gestalt  bewahrt    Wie  nämlich  neben  dhanvan,  yaj- 
van,  parvan  die  formen  dhanus,  yajus,  parus  stehen  und 
ihre  erklärnng  aus  einem  ursprünglichen  stamme  auf  vant  Gnden 
(vgl.  oben  1.376)  so  stehen  in  den  Veden  neben  kravya  und 
bavya,  die  neutra  kr  a  vis  und  ha  vis,  die  mit  hinzuziehung  des 
griechischen  xgeiar  keinen  zweifei  lassen,  dafs  sie  aus  kravyat 
havyat  in  derselben  weise  entstanden  seien,  wie  dhanus  aus 
dhanvat.     Für  havis  n.  das  opfer  bedarf  es  keiuer  weiteren 
beläge;  kravis  findet  sich  R.  2.  3. 8.  4:  y£d  dcvasya  kravisho 
maxika'ta  was  von  des  rosses  fleisch  die  fliege  genossen  u.  s.  w. 
(vgl.  Vaj.  S.  25.  32).     An  die  spätere  sanskritform  kravya,  die 
sich  übrigens  auch  schon  in  den  Veden  findet,  schliefst  sich  dann 
das  goth.  hraiva  (hraiva-dubo)  ahd.  hrdo  fast  genau  an,  nur 
dafs  das  j  in  die  vorangehende  Stammsilbe  übergetreten  ist;  die 
entwickelang  des  begriffes  ist  aber "  dieselbe  wie  im  franz.  cha- 
rogne  aas  lat.  caro.    Da  die  begriffe  von  blutendem  fleisch  und 
blut  einander  nahe  liegen,  wie  z.  b.  auch  skr.  asrj  blut  und  das 
nahe  verwandte  adg%  zeigen,  hat  Grimm  (gesch.  d.  d.  spr.  1010) 
auch  cruor  nebst  litlhauischen ,  slavischen  und  celtischen  Wör- 
tern zu  den  unsrigen  gestellt,  unier  denen  namentlich  litth.  krau- 
jas  6ich  ganz  an  dieselben  anschliefst;  auch  cruor  scheint  mit 
berücksichtigung  des  dazu  gehörigen  cruentus  und  dessen,  was 
I.  p.  379  bei  der  Zusammenstellung  von  udor  nud  vdtßQ  gesagt 
ist,  sich  gleichfalls  dem   ursprünglichen  stamme  mit  auslauten- 
dem t  anzuschliefscn ,  während  caro,  carn-is,  mindestens  der 
endung  nach,  ferner  liegt.  A.  Kuhn. 


dhanvan,  done,  frivag. 

Das  skr.  dhanvan  n.  hat  die  bedeutung  «bogen,  land  und 
besonders  trocknes  flach-  und  wüstenland»  und  Roth  hat  bereits 
in  seinem  so  eben  erschienenen  commentar  zum  Nirukta  (zu  5.  5. 
p.  57)  die  vermuthung  ausgesprochen,  dafs  das  wort  auf  w.  tan 
dehnen  zurückgeführt  werden  müsse  und  ursprünglich  nur  das 
ausgedehnte  bezeichnet  habe;  bestätigong  dafür  hat  er  in  den  zen- 


miseellen.  237 

(Tischen  formen  thanvare,  thanvaretan  bogenschütze,  than- 
van  gefunden.  Allerdings  ist  nun  das  wort  mit  derwurzeltan 
in  etymologischem  Zusammenhang,  doch  schon  eine  selbständige 
bildung,  deren  ableitungen  auch  anderen  indogermanischen  spra- 
chen nicht  fremd  sind.  Das  auftreten  der  aspiration  im  anlaut 
erklärt  sich  durch  ein  dem  dh  vorangegangenes  und  später  abge- 
fallenes 3,  von  dem  das  sanskrit  und  griechische  noch  einige  reste, 
aber  naturlich  ohne  die  aspirata,  in  stana  die  brüste,  eoter  (die 
gespannten,  strotzenden)  stanämi  töne,  seufze,  stanayämi  don* 
nerir,  stanayitnu  donnernd,  orevog,  <mVo),  arotog  u.  s.  w.  er- 
halten haben.  Ich  werde  in  den  Untersuchungen  über  das  alte  s 
auf  diese  erscheinung  zurückkommen  und  bemerke  nur,  dafs  auch 
in  diesen  Wörtern  der  begriff  der  weiten  ausdehnung,  denn  der 
seufzer  hallt  lange  nach  wie  der  donner,  sowie  der  Spannung 
und  Wölbung  sich  findet.  Die  bedeutung  von  dhanvan  betref- 
fend ist  aber  noch  zu  bemerken,  dafs  die  alten  ausleger  dem 
worte  auch  die  von  «antarixa  luft»  geben  (Naigh.  1.  3,  Nir.  5.  5). 
Die  von  Yäska  am  angeführten  orte  dafür  citirte  stelle  läfst  aber 
auch  eine  andere  erklärung  zu,  vgl.  Bcnt  gl.  s.  v.  dhanvan. 

Was  die  ableitung  des  wort  es  betrifft,  so  stellt  es  sich  zu 
dem  in  den  Veden  nicht  seltenen  verbum  dhanv  mit  der  bedeu- 
tung «eilen»»,  trans.  /« schnell  herbeiführen»  und  sofern  dieser  be- 
deutung die  der  ausstreckung,  des  gespanntseins  vorangegangen 
zu  sein  scheint,  liefse  es  sich  als  geschwächte  participialform  des- 
selben für  älteres  dhanvant  der  gespannte  ansehen.  So  wird  es 
denn  auch  wahrscheinlich,  dafs  dhanv  und  dhanvan  nur  er- 
Weiterungen  des  der  conjugation  der  specialtempora  von  tan  zu 
gründe  liegenden  thema's  tanu  griech.  zarv  sind,  da  ähnliche  er- 
weiterungen  der  verbalthemen  mehrfach  vorkommen  und  z.  b. 
inoti,  invati,  riioti,  rnvati  auf  dieselbe  weise  neben  einander 
stehen,  sobald  wir  von  der  oben  berührten  Veränderung  des  an- 
laute absehen.  Dazu  kommt,  dafs  auch  ein  adj.  dhanu  mit  der 
bedeutung  «schnell,  rasch11  vorhanden  gewesen  sein  mufs,  von 
dem  ich  jedoch  nur  den  comparativ  dhanutara  (schol.  cjghra- 
gantr)  nachweisen  kann  RV.  (m.)  4.  35.  5,  vgl.  Neve:  mythe  des 
Ribbavas  p.  451. 

Wenden  wjr  uns  nun  zu  den  andern  indogermanischen  spra- 
chen, so  stellen  die  deutschen  einige  Wörter  dazu,  die  sich  so- 
wohl in  form  als  bedeutung  eng  anschliefsen.  Das  nhd.  done 
entspricht  ganz  jenem  dhanvan,  m.  n.  neben  dem  auch  eine  ne- 


238  Kahn 

benform  dhanva  n.  steht,  insofern  nicht  allein  die  schlinge,  son- 
dern auch  zugleich  der  sie  haltende  bogen  damit  bezeichnet  wird  $ 
das  wort  ist  zwar  in  der  älteren  spräche  nicht  nachzuweisen,  in- 
dessen weist  das  mhd.  mehrere  Wörter  auf,  die  sein  alter  ver- 
borgen. Diese  sind  zunächst  don  stf.  Spannung,  gedon  belästi- 
gong,  besch werde,  gewalt,  überdon  tuch  oder  leinwand  zum 
einhüllen  eines  leichnams,  gedon  adv.  eifrig,  schleunig?  (daz  guot 
si  vil  gedon  santen  an  ir  gemach  BM.  mhd.  wb.  p.  381.;  don  swv. 
(ahd.  ih  doneta)  ich  bin  in  Spannung,  aufgeregt  von  Sehnsucht, 
schmerz,  freude;  du  nee  adj.  aasgespannt,  grofs.  Wenn  ferner 
skr.  tanyatu  geräusch,  schall,  donner  von  der  w.  tan  ohne  an- 
lautendes s  stammt,  während  die  formen  mit  s  vorzugsweise  »die 
spezielle  beschränkung  des  begriffe  der  ausdehnung  auf  den  schall 
zeigen,  ebenso  griech.  rorog,  lat.  tonus,  tonare;  ferner  aits. 
}>unor,  ahd.  donar,  mhd.  doner,  donre,  dun re  stm.  entschie- 
den nicht  entlehnt  sind,  auch  im  mhd.  dunte  von  swv.  dnn 
donnern  noch  vorhanden  ist,  so  sehe  ich  keinen  hinlänglichen 
grund  das  mhd.  don  stm.  weise,  ton,  gesang  mit  Müller  (BM. 
wb.  p.  381)  aus  dem  lat.  tonus  stammen  zu  lassen;  auch  Grimm 
zieht  (gr.  2.  48)  dasselhe  zu  einem  verlornen  goth.  }>iunan?  J>aun, 
}>unun,  und  sieht,  da  bereits  im  angelsächsischen  dynja  strepere, 
alts.  dun  jan,  altn.  du  na  tonare,  du  na  tpnitru  die  media  er- 
scheint, keinen  anstofs  in  der  neuhochdeutschen  tenuis  von  tö- 
nen. Selbst  im  gothischen  trat  vielleicht  schon  die  media  auf,  da 
wenigstens  dauns  f.  dunst,  geruch  fast  eher  zn  den  obigen  mhd. 
Wörtern  als  zu  skr.  dhüma,  ahd.  daum  zu  stellen  sein  möchte. 

Auch  im  niederdeutschen  finden  wir  denselben  stamm  in 
donne,  dickedonnesatt  vollgepfropft  satt,  dün  enge,  fest  an- 
liegend, westf.  donne  stramm,  aufgedunsen,  donne  bi,  wang. 
dun  an  nahe  bei,  nl.  dön  neben,  nahe,  schnell,  sogleich,  dunen, 
nl.  duynen  schwellen,  strotzen  und  in  dem  fast  allen  ndd.  diall. 
gemeinsamen  dune  trunken,  vergl.  «besoffen  wie  eine  bombe» 
d.  i.  bis  zum  platzen  voll,  vgl.  Diefenb.  goth.  wb,  d.  23'  th.  7. 17. 

In  allen  hier  besprochenen  formen  ist  der  vocal  o  oder  u 
durch  den  einflufs  des  geschwundenen  v  zu  erklären,  welches 
das  wurzelhafte  a  zu  au  umlautete,  aus  dem  dann  die  Verenge- 
rung zu  o,  u  stattfand. 

Aus  dem  griechischen  ziehe  ich  öivaQ  zudhanvan  mit  ans* 
fall  des  /•,  während  das  q  des  Suffixes  nach  der  oben  1.  368  ff. 
besprochenen  weise  entstand ;  öevaQ  gehört  nämlich  eben  so  wenig 
zu  Owen,  ödrew  schlagen  wie  skr.  dhanus,  dhanvan  zu  dem 


miscellen.  239 

bisherr  irrthömlicb  dazu  gestellten  sanskr.  dhan  f.  han  tödten. 
Schon  der  umstand,  dafs  übvolq  nicht  allein  die  hölung  der  hand, 
sondern  auch  des  fufses  nach  Hesych.  bedeutet,  mufste  bedenk- 
lich machen,  mehr  noch  dafs  &*vaQ  auch  die  biegung  zwischen 
daum  und  Zeigefinger  bezeichnet.  Wenn  das  wort  auf  #*V«  zu- 
rückging, würde  Pindar  (Pyth.  4.  206)  weder  die  Vertiefung  des 
altars.  noch  den  grund  des  meeres  (Isthm.  4.  74)  durch  Obvoq 
haben  bezeichnen  können.  In  betreff  der  letzteren  bedeutung 
verdient  noch  erwäbnung,  dafs  nach  Wilson  auch  dhanvan  n. 
die  bedeutung  a  firm  spot,  land,  ground  hat;  ich  kann  dieselbe 
jedoch  nicht  belegen,  will  indefs  nicht  unterlassen  an  «samu- 
drasya  dhanvan  ärdrasya  päre"  RV.  1.  116.  4  zu  erinnern, 
wo  samudra  freilich  das  luftmeer  zu  sein  scheint. 

Nierenberger  pat. 

In  den  norddeutschen  sagen  (gebr.  no.  4*25)  habe  ich  nürn- 
berger pat  als  bezeichnung  der  milchstrafse  mitgetheilt  und 
daran  in  den  anm.  die  vermuthung  geknüpft,  dafs  damit  ein  pfad 
zum  nornenberge  gemeint  sein  möge.  Die  erste  mittheilung 
des  namens  war  uns  von  einem  hochdeutschredenden  geworden, 
später  habe  ich  sie  öfter  und  zwar  stets  in  ndd.  form  nieren- 
berger  pat  gehört.  Sie  ist  deshalb  auch  aus  dem  niederd.  und 
speciell  aus  dem  westf.  dialekt,  dem  sie  angehört,  zu  erklären. 
Nun  bezeichnet  aber  westf.  nierendör,  auch  nieendör,  diegro- 
fse  eingangsthür  der  bauernhäuser,  d.  h.  sie  ist  die  untere  thür  im 
gegensatz  zu  den  zu  beiden  seiten  des  berdraumes  gelegenen 
oberen,  also  hd.  niedenthur.  So  ist  denn  auch  nierenberg 
der  unterberg,  und  über  seine  bedeutung  kein  zweifei.  Panzer 
hat  (beitr.  z.  d.  mytb.  p.  299.  301.)  einen  berg  als  anfenthaltsort 
der  toten  in  der  unterweit  nachgewiesen  und  gerade  der  unserem 
nierenberg  im  namen  gleiche  salzburger  unters  berg  mit  sei- 
nen holen,  der  eisernen  thüre,  in  welchen  die  wilden  frauen  hau- 
sen und  Kaiser  Karl  verzaubert  sitzt,  giebt  das  deutlichste  bild 
jener  Vorstellung.  Wenn  die  milchstrafse  aber  der  zu  diesem  berge 
leitende  pfad  genannt  wird,  so  kann  sie  hier  nur  als  Verbindungs- 
weg zwischen  himmel  oder  erde  und  unterweit  angesehen  werden; 
das  letztere  ist  mir  das  wahrscheinlichere  und  es  liegt  nahe  zu 
vermuthen,  dafs  damit  die  strafse  bezeichnet  werde,  auf  welcher 
die  abgeschiedenen  in  der  Uel  reich  gelangten,  da  der  name  hei  weg, 
h  i  5 1  w  e  g,  gleichfalls  westf.  die  milchstra fse,  daneben  steht.    A.  K. 


240  Aufrecht. 

manu,  skula,  mundu,  skyldu. 

Die  beiden  verben  man  (ich  werde)  und  skal  (ich  soll, 
werde)  bilden  in  abweichung  von  allen  anderen  im  inf.  munn, 
skulu.  Man  könnte  annehmen,  dafs  das  a  des  entsprechenden 
gothiscben  mnnan,  skulan  sich  vor  abfall  des  n  zunächst  zu  u 
gestaltet  hätte,  etwa  so  wie  in  den  weiblichen  abstraktis  auf  an 
die  endnngen  an  und  un  neben  einander  herlaufen  (iBran,  iörun 
reue,  eggjan,  eggjun  antreibung)  und  auch  sonst  oft  an  und 
un  mit  einander  wechseln 5  wahrscheinlicher  ist  mir,  dafs  in 
munu,  skulu  Überbleibsel  einer  älteren  infinitivform  vorliegen. 
Ich  ergänze  beide  in  mun-um,  skul-um  und  erkenne  darin  den 
acc.  sg.  der  reinen,  natürlich  hier  ehemals  reduplicirten,  wurzeln 
mun,skul.  Diese  einfachste  alier  infinit ivformen,  bei  welcher  jede 
wurzel  zum  abstrakten  Substantiv  erhoben  und  durch  alle  obliquen 
casus  durchflektirt  werden  konnte,  hat  im  weitesten  umfange  sich 
nur  in  den  Veden  erhalten,  auf  den  accusativ  beschränkt  finden 
wir  sie  als  allein  bestehende  im  umbrischen  und  oskischen  z.  b. 
umbr.  er-om  (esse),  fer-om  (ferre)  osk.  censa-um  (censere), 
molta-um  (multare).  Vgl.  umbr.  sprachd.  I,  §60.  Im  lateini- 
schen dagegen  findet  sich  keine  spur  mehr  davon. 

Wie  verhalten  sich  nun  dazu  mundu,  skyldu,  die  gleich- 
falls als  infinitive  gelten?  Beide,  in  der  prosa  häufig,  kommen 
schon  in  der  älteren  Edda  vor.     So  91 b: 

hafa  kvazk  hon  Helga  hylli  skyldu. 
«sie  sagte  Helgi's  huld  wolle  sie  haben.»  143 a: 

hana  kvaö  hann  öskmey  verda  skyldu. 
«sie  sollte  wunschmaid  werden  hiefs  er.»  ibid. 

en  mik  Atli  kvaB  eigi  myndu 

Ifii  räöa  ne  löst  gera. 
«aber  Atli  sprach,  nicht  würde  ich  schände  begehn,  nicht  laster 
üben.»  Ganz  am  unrechten  orte  wäre,  auch  in  diesen  formen  infi- 
nitive, etwa  dem  latein.  supinum  auf  tum,  der  skr.  infinitivendung 
tum  entsprechende,  suchen  zu  wollen.  Aus  n  -f-  t,  l  -h  t  mufste 
goth.  n]>,  1]>,  altn.  nn,  11  werden.  Vielmehr  scheint  mir  liegen 
hier  alte  indikativformen  des  schwachen  präteritum  zu  gründe, 
welche  in  mifsbräuchlicher  analogie  mit  munu,  skulu  (ganz  gleich- 
lautend mit  der  3ten  pers.  plur.)  später  als  neue  infinitivbildung 
verwendet  wurden.  A. 

Gedruckt  bei  A.  W.  Sek  ade  in  Berlin,  Grtiuir.  18. 


W  ie  die  naturwissenschaften  erst  seit  der  zeit  zu  reichster  ent- 
wickelang gelangt  sind,  seitdem  das  experiment  in  die  einzelnen 
dieciplinen  derselben  eingeführt  wurde,  so  wird  die  Sprachwissen- 
schaft erst  dann  zu  wahrem  gedeihen  gelangen,  wenn  mehr  und 
mehr  das  erfahrungsmSfsige  in  derselben  zum  bewufstsein  ge- 
bracht sein  wird.  Apriorische  theorien  haben  von  jeher  die  Wis- 
senschaft nicht  gefördert,  sondern  sie  zuweilen  ganze  Jahrhun- 
derte gehemmt.  Wenn  unsere  Zeitschrift  sich  bisher  vorzugsweise 
mit  dem  etymologischen  theile  der  spräche  beschäftigt  hat  und 
dessen  behandlang  auch  fernerhin  zu  ihrer  hanptanfgabe  machen 
wird,  so  geschah  dieses  nicht  in  Verachtung  der  philosophischen 
seite,  welche  die  spräche  als  ansdrack  des  geistes  hat,  sondern 
weil  wir  die  betrachtung  derselben  in  den  meisten  stücken  für 
verfrüht  halten.  Gleichwohl  lag  es  uns  fern  dieselbe  ganz  aus- 
znschliefsen,  und  es  gereicht  uns  zu  besonderer  genugthuung  als 
erste  gröfsere  probe  die  arbeit  eines  mannes  mittheilen  zu  kön- 
nen, der,  wie  kaum  ein  anderer,  mit  der  gründlichsten  kenntnifs 
des  etymologischen  Stoffes  durchdringende  philosophische  aufTas- 
sung  desselben  verband.  Veranlafst  ist  der  von  frau  direktor 
Schmidt  in  Halle  uns  freundlichst  mitgetheilte  brief  durch  das 
1826  in  Ratibor  erschienene  sehr  gründlich  gearbeitete  programm 
«de  infinitivo»  von  Max.  Schmidt,  worin  dieser  gegen'  einzelne 
ansichten  von  W.  v.  Humboldt  ober  den  infinitiv  (in  der  ind.  bibl. 
I.  432.  U.  72 ff.)  auftrat.  Mit  Bernhard!  ist:  Bernhardt  anfangs- 
gründe  der  Sprachwissenschaft,  Berlin  1805,  gemeinl. 

Die  redaction. 


II.    4.  1« 


242  W.  v.  Humboldt 

I.  Abhandlungen« 


Heber  den  infinitiv« 

Ich  bat  ew.  wohlgeboren  in  meinem  letzte  briefe  um  erlaub- 
nifs,  ihnen  noch  ausführlich  über  ihre  gehaltvolle  schritt  schrei- 
ben zu  dürfen,  und  schiebe  dies  um  so  weniger  auf,  als  ich  die- 
selbe eben  wieder  vollständig  und  genau  durchgelesen  habe. 

Ich  habe  mich  aufs  neue  an  dem  belehrenden  reichthmn 
scharfsinniger  bemerkungen  erfreut,  den  ew.  wohlgeboren  mit 
einer  interessanten  aus  wähl  von  stellen,  welche  eine  ausgebreitete 
und  sorgfältig  benutzte  belesenheit  in  den  alten  Schriftstellern 
bewebt,  über  den  theil  der  grammatik  und  vorzüglich  der  syn- 
taxis,  in  welche  der  infinitiv  einschlägt,  zusammengestellt  haben. 

Ihre  abhandlung  mufs  schon  dadurch  jedem,  der  sich  mit 
Sprachstudium  beschäftigt,  um  so  wichtiger  werden,  als  Sie  über- 
all auch  aus  anderen  sprachen  beweise  beibringen,  und  ihre  ver- 
schiedene constructionsart  vergleichen.  Ich  übergehe  indefs  die- 
sen ganzen  theil  und  wende  mich  nur  zu  demjenigen,  gegen  den 
ich  wünschte,  Ihnen  meine  abweichende  meinung  vorzutragen. 
Die  punkte,  über  die  wir  verschiedenen  ansichten  folgen,  beru- 
hen auf  so  feinen,  ja,  ich  möchte  sagen,  spitzen  gründen,  dafs 
man  sehr  leicht  darüber  immer  uneins  bleiben  kann;  aber  sie 
berühren  auch  sehr  nahe  die  ersten  grundsalze  der  grammatik 
und  schon  darum,  wenn  es  nicht  überhaupt  immer  angenehm 
wäre,  seine  ideen  da  gegenseitig  auszutauschen,  wo  allein  das 
reine  interesse  an  der  zu  suchenden  Wahrheit  vorwaltet,  scheint 
es  mir  wichtiger,  den  gegenständ  noch  einmal  zur  spräche  zu 
bringen. 

Ich  werde  dabei  eigentlich  mehr  Bernhardi,  als  mich  zu  ver- 
theidigen  haben.  Denn  die  zweifei,  die  ich  ew.  wohlgeboren 
vortragen  möchte,  betreffen,  noch  aufser  der  Streitfrage  über  den 
infinitiv,  Ihre  theorie  der  momentanen  merkmale  und  der  satzr- 
bildung  überhaupt,  so  wie  das,  was  Sie  über  die  tempora  sagen. 
Allein  auch  in  absieht  des  Infinitivs  ist  Bernhardi,  wenn  er  ihn 
gleich  ein  substantivum  nennt,  dennoch  mehr  meiner,  als  ew. 
wohlgeboren  meinung.  Denn  er  befafst  (§  64  no.  5)  den  infini- 
tiv unter  das  verbum,  wie  Sie  (§  20)  nicht  zu  thun  geneigt  sind, 


aber  den  infinitrr.  243 

und  nennt  ihn,  ungeachtet  er  ihn  zum  Verbalsubstantiv  macht, 
(§  47  no.  5)  ein  mittelglied  zwischen  participium  nnd  Substantiv, 
was  ich  nicht  logisch  richtig  finden  kann.  Denn  wenn  das  Ver- 
balsubstantiv nur  mittelglied,  also  ann&herung  zum  Substantiv  ist, 
so  mnfs  es  auch  vom  Substantiv  selbst  ausgeschlossen  werden. 

Dem  begriff  des  participiums  den  des  momentanen  merkmals 
unterzuschieben,  scheint  mir,  wenn  ich  meine  meinung  frei  sagen 
soll,  nicht  zulässig,  vielmehr  der  philosophischen  herleitung  des 
begriffe  des  verbum  und  der  ganzen  bildung  des  satzes  wesentlich 
entgegenzustehen. 

Zuerst  bestimmt  der  ausdruck  momentan,  dem  dauern- 
den entgegengesetzt,  durchaus  nicht  das,  was  wesentlich  im  par- 
ticipium liegt,  sondern  begreift,  streng  genommen,  auch  blofse 
adjectiva  unter  sich.  Denn  ist  nicht  das  grün  der  blätter  ein 
undauerndes  und  momentanes  merkmal,  da  sie  im  herbste  gelb 
sind  ?  Und  doch  ist  hier  aller  begriff  von  verbum  und  participium 
entfernt.  Doch  will  ich  hierauf  kein  gewicht  legen.  Aber  auf 
jeden  fall  vermisse  ich  in  ausdruck  und  begriff  die  schärfe,  die 
klar  und  rein  das  wesen  des  participiums  anzeigt.  Ew.  wohl- 
geboren nennen  momentanes  merkmal  dasjenige,  was  man  sich 
nur  als  vorübergehend  an  einer  sache  denkt.  Hierbei  bleibt 
man  nun  ongewifs,  ob  das  charakteristische  dieser  merkmale  in 
der  zeit  ihrer  dauer,  oder  darin  liegt,  dafs  sie  eine  energie  (han- 
deln, leiden,  sich  befinden)  sind.  Es  scheint  sogar,  als  erklärten 
Sie  sich  für  das  erstere,  da  Sie,  (s.  6)  die  thätigkeit  nur  erst  an 
die  zeit  anknöpfen. 

Hieraus  entsteht  nun  aber,  meiner  meinung  nach,  eine  wahre 
Verdunkelung  des  scharf  aufzufassenden  begriffs  der  partieipien. 
Denn  das  charakteristische  dieser  liegt  gerade  in  der  energie  und 
die  zeit  knüpft  sich  nur  an  diese  an.  Ja,  genau  genommen,  ist 
es  nicht  einmal  die  zeit,  insofern  sie  aus  gegenwart,  Vergangen- 
heit und  zukunft  besteht,  welche  beim  participium  mitgedacht 
wird.  Es  sind  nur  die  drei,  bei  jeder  energie  nothwendig  zu  un- 
terscheidenden punkte,  die  aber  freilich  successiv,  also  in  der  zeit 
wirklich  werden,  wie  Bernhardt  mir  sehr  gut  (§  43  no.  8)  zu  be- 
weisen scheint.  Jene  als  Vergangenheit,  gegenwart  und  zukunft 
gedachte  zeit  gehört  der  copula  an,  und  bei  ew.  wohlgeborcn 
begriff  eines  momentanen  merkmals  entsteht  nun  wieder,  wenn 
ich  nicht  ganz  irre,  daraus  eine  Verlegenheit,  dafs  dieselbe  gleich- 
sam alle  zeit  an  sich  reifst,   was,  vorzüglich  bei  der  erorterung 

16* 


244  W.  ?.  Humboldt 

der  lempora  sichtbar  wird.  Ueberhaupt  hätte  ich  gewünscht, 
ew.  wohlgeboren  hätten  sich  auch  über  die  copala  erklärt.  Soll 
diese  nichts  als  das  gleichheitszeichen  der  mathematik  sein,  so 
kommt,  wie  es  mir  scheint,  niemals  ein  satt  zu  stände.  Ist  sie 
aber  das  synthesirende  sein,  so  wird  man,  dünkt  mich,  von  selbst 
darauf  geführt,  das  momentane  merkmal  in  ein  wahres  energisches 
participium  umzuschauen. 

In  Bernhardts  definition  ist  dagegen  das  participium  in  sei- 
nem eigentlichen  wesen  aafgefafst,  und  vielleicht  ist  nur  sein 
ausdruck  in  $  40  no.  7  zu  tadeln,  wobei  ich  jedoch  bemerken 
mute,  dafs  derselbe  in  der  citation  in  Ihrer  abhandlung  (s.  5.  z.  8) 
durch  den  druckfehler  eines  ausgelassenen  comma's  zwischen 
kräftig  und  wirkend,  unangemessener  erscheint,  als  bei  ihm, 
wo  er  sagt:  sind  kräftig,  wirkend  u.  s.  f.  Er  hätte  bei  den 
Worten:  energisch,  sich  bewegend  stehen  bleiben  sollen,  und  hin- 
zusetzen, dafs  das  leiden  ebenso  eine  bewegung  im  leidenden  er- 
heischt, der  ja  das  leiden  ertragen,  d.  h.  gegenwirken  mufs.  Im 
gründe  ist  das  aber  nicht  nothwendig,  denn  das  participium  pass. 
deutet  ja  ebenso  gut  eine  handlung  aus,  nur  von  Seiten  dessen,  auf 
den  sie  geschieht.  Auch  die  verba,  wie  uraCsir,  albere,  bilden, 
dünkt  mich,  gar  keine  ausnähme;  sie  sind  nur  metaphern,  wie 
die  spräche  so  viele  hat-  Das  adjectivum  gleich  wird,  als  wäre 
es  eine  handlung  des  gegenständes,  in  das  participium  gleichend 
umgebildet,  und  so  entstehen  mit  dem  begriff  des  sein«  jene  verba. 
Auch  scheint  Bernhardi  selbst  den  zweifei,  den  er  in  der  1801 
erschienenen  Sprachlehre  hierüber  hatte,  1805  aufgegeben  zu  ha- 
ben, da  er  in  den  in  diesem  jähre  herausgegebenen  anfangsgrün- 
den  bei  seiner  ersten  definition  bleibt 

Ich  bin  nun  zwar  gar  nicht  der  meinung,  dafs  man  schlech- 
terdings hier  Bernhardi's  behauptungen  ängstlich  folgen  müsse. 
Wäre  eine  andere  art  der  darstellung  lichtvoller  oder  bestimmter, 
so  würde  ich  sie  mit  freuden  ergreifen.  Allein,  in  Ihrer  herlei- 
tung durch  den  begriff  eines  momentanen  merkmals  scheint  mir 
das,  was  die  hauptsache  beim  participium  ist,  dafs  gehandelt  wird, 
in  den  schalten  gestellt,  und  der  begriff  der  zeit,  der  nur  inso- 
fern in  das  participium  kommen  darf,  als  er  von  jener  haupt- 
sache gefordert  wird,  als  das  wesentliche  und  unabhängig  von 
jener  beschränkung,  hineingebracht  zu  sein.  Ich  will  auf  keine 
weise  läugnen,  dafs  man  den  begriff  von  allem  dem,  was  nicht 
wesentlich  zum  participium  gehört,  reinigen  kann;  dann  wird  er 


Aber  den  infinitiv.  245 

aber  auch  auf  dasselbe  mit  der  Bernhardi'schen  definition  hinaus- 
kommen  und  momentan  and  vorübergehend  sind,  meinem 
gefähl  nach,  immer  zu  sehr  zwischen  blofser  successiver  abwechse- 
lang and  wirklicher  handlang  schwankende  begriffe. 

Die  spräche  ist  doch  nichts  ab  ein  bild  der  Wirklichkeit, 
wie  wir  sie  in  uns  aufnehmen.  Nun  aber  ist  Alles,  was  wir  se- 
hen oder  erfahren  Substanz  (sache),  oder  beschaffenheit,  oder 
handlang,  im  weitläufigsten  sinne  des  worts.  Das  handelnde  ist 
sichtbar  das  participium  und  nachher  verbum.  Jede  bandlung  ist 
nun  allerdings  momentan  und  vorübergehend,  aber  das  möchte 
ich  nur  nebensache  nennen.  Die  hauptsache  ist,  sowie  im  ver- 
bum, die  kraftäufeerung.  Das  vorübergehende  läfst  sich  aas  die- 
ser natürlich  herleiten  und  bestimmen,  allein  die  kraftäufserang 
aus  dem  vorübergehenden  nicht  mit  gleich  gebietender  nothwen- 
digkeit. 

Dies  hat  nun  aach  auf  den  begriff  des  infinitivs  einen  un- 
verkennbaren einflofs,  da  derselbe  eigentlich  nichts  anders  enthält 
als  die  specifische  kraftäafeerang  des  verbum,  verbunden  mit  der 
richtung  derselben,  und  ihrer  bestimmung  auf  einen  Zeitpunkt  oder 
Zeitraum. 

Dafls  der  begriff  des  inGnitivs  in  seiner  reinen  form,  wie 
ew.  wohlgeboren  §  9  sagen,  zu  einem  abgeschlossenen  ganzen 
zusammengefafst  werde,  ist  das  was  ich  eben  läognen  mufs.  Er 
scheint  mir  kein  substantivom  eben  darum,  weil  in  ihm  die  Ver- 
knüpfung zur  einheit  fehlt,  die  Bernhardi  mit  recht,  wie  auch 
Sie  ihm  beistimmen,  im  substantivum  fordert  Wenn  ich  sage: 
ich  sehe  den  menschen  gehen,  sondere  ich  allerdings  das  merk- 
mal  des  gehens  an  dem  menschen  ab,  allein  ich  füge  nicht  den 
zweiten  zur  bildung  eines  substantivum  noth wendigen  akt,  das 
zusammenfassen  dieses  merkmals  in  eine  einheit,  hinzu.  Dies  thue 
ich  dagegen  wenn  ich  sage:  ich  sehe  das  gehen  (den  gang)  des 
menschen.  Jedes  substantivum  mufs  immer  auf  eine  Substanz 
hinauskommen.  Damit  fängt  auch  Bernhardi  seine  erklärung  des 
Substantivs  (§  35  no.  1 )  an.  Nan  aber  sträabt  sich,  wie  gern  ich 
meine  ansieht  gegen  die  von  ew.  wohlgeboren  aufgeben  möchte, 
durchaus  mein  gefühl  dagegen,  in  den  worten:  ich  will  essen, 
das  letzte  als  eine  Substanz  anzusehen.  Es  enthält  gar  nichts, 
was  nicht  schon  im  attributivum  lag,  aber  es  ist  ihm  das,  was 
das  attributivum  zu  solchen  macht,  das  anklebeu  an  einer  Sub- 
stanz genommen.    Ew.  wohlgeboren  nennen  s.  9.  diese  vorstel- 


246  W.  v.  Humboldt 

lungsart  verwerflich,  weil  sich  logisch  dafür  kein  Substrat  finden 
lasse.  Ich  habe  auf  diese  einwendung  (s.  84  anm.)  selbst  auf- 
merksam  gemacht  Allein  ich  glaube  noch  heute  keine  Widerle- 
gung darin  zu  finden.  Der  infinitiv  ist  die  darstellung  des  rei- 
nen bewegens  in  der  zeit;  er  gehört  gar  nicht  zu  der  gattung, 
welche  sich  durch  die  eintheilung  in  Substanz  und  attribut  er- 
schöpfen läfst. 

Ew.  wohlgeboren  nennen  den  infinitiv  ein  absfractum,  Bern- 
hard! trennt  ihn  gerade  von  diesem  frei  geschaffenem  substanti- 
Tum  (§  45.  no.  10).  Ich  kann  mich  nicht  enthalten,  hierbei  eine 
bemerkung  zu  macheu,  die  in  meiner  abhandlung  nicht  vorkommt. 
Dem  begriff  und  der  sache  nach  mochte  ich  den  infinitiv  eher 
eine  blofse,  allgemeine  und  vage  ausgedrückte  Wahrnehmung  nen- 
nen. Hitze  ist  ein  abstractum,  hei f 8 es  eisen  zusammenzufü- 
gen ist  schon  bestimmte  sprachart,  aber  eisen  heifs  zu  sagen, 
ist  der  unmittelbare  und  unverbundene  ausdruek  der  Wahrneh- 
mung. Wie  nun  da  heifs  steht,  so  scheint  mir  der  infinitiv  zu 
sein,  nicht  das  abstractum  des  participiums,  sondern  der  Stoff, 
aus  dem  es  erst  kunstlich  gebildet  wird.  Daher  sagen  die  kin- 
der,  wie  auch  ew.  wohlgeboren  anführen,  anfangs  alles  im  in- 
finitiv. Die  chinesische  spräche  kennt  meiner  ansieht  nach  (ob- 
gleich unsere  chinesischen  grammatiken  es  anders  nehmen)  vom 
ganzen  verbum  nichts,  als  diesen  infinitiv.  Im  sanskrit  sind  alle 
Wurzelwörter  der  verba  da,  vä  u.  s.  f.  wirkliche  infinitive,  nur 
dafs  sie  in  der  verbundenen  rede  nicht  vorkommen.  Aber  sie 
bezeichnen  handlungen  und  tragen  gar  keine  art  der  bestimmung 
in  sich.  In  einigen  amerikanischen  sprachen  kaun  man  substantiva 
und  verba  an  sich  nur  nach  ihrer  bedeutung  unterscheiden,  aber 
beide  untermischt  gebrauchen  und  durch  hinzufügung  gewisser 
Partikeln  zu  diesen  oder  jenen  stempeln.  Man  könnte  dies  aller- 
dings einen  vorgrammatischen  zustand  nennen,  allein  auch  in  un- 
seren gebildetsten  sprachen  kann  ich  im  wahren  infinitiv  nicht 
mehr  sehen.  Es  scheint  damit  nun  im  Widerspruch  zu,  stehen, 
dafs  der  reine  infinitiv  eigentlich  nur  in  wenig  sprachen  vorhan- 
den ist  und  die  ungebildeten  sprachen,  namentlich  die  amerika- 
nischen so  grofse  Schwierigkeiten  finden,  redensarten  in  denen 
er  vorkommt,  nachzubilden.  Diese  Schwierigkeit  aber  ist  mehr 
eine  syntaktische,  da  nun  der  infinitiv  so  gestellt  werden  soll, 
dafs  seine  abhängigkeit  sichtbar  wird,  und  die  redeverbindnng 
ist  gerade  das,  worin  diese  Völker  am  meisten  zurück  sind.  Wo 


über  den  infinitiv.  247 

es  auch  einmal  ein  flektirtes  verbum  giebt,  da  wird  es  schwer, 
es  wieder  von  aller  flexion  zn  entblöfsen,  und  es  doch  noch  in 
der  verbalform,  abgesondert  vom  Substantiv,  festzuhalten.  Da  tritt 
wirklich  die  nothwendigkeit  einer  abstraction  ein.  Aber  sehr 
für  meine  ansieht  spricht  es,  dafs,  wie  ich  auch  angeführt,  gerade 
diese,  sich  ihrem  natürlichem  gef&hle  fiberlassenden  Völkerstämme 
mehr  verbal-  als  substantivformen  zu  Surrogaten  des  Infinitivs  ge- 
brauchen. Es  ist  zwar  unläughar,  dafs,  wie  ew.  wohlgeboren 
8.  8  sagen,  jeder  regierende  theil  eines  satzes,  für  sich  allein  ge- 
nommen, einen  unvollständigen  begriff  giebt.  Allein,  da  sich 
hierin  doch  grade  unterscheiden  lassen,  so  scheint  mir  der  infini- 
tiv  ganz  unvergleichbar  enger  als  ein  nomen,  mit  dem  worte, 
von  dem  er  abhängig  ist,  zusammenzugehören.  Es  liegt  dies  auch 
darin,  dafs  nicht  blofs  der  regierende  theil  des  satzes  unvollstän- 
dig, ist,  sondern  der  infinitiv,  seiner  natur  nach,  gar  nicht  dem 
geiste  auf  ibm,  wie  doch  auf  einer  Substanz  möglich  ist,  zu  ruhen 
erlaubt.  Dieser  unterschied  zwischen  substantivum  und  infinitiv 
zeigt  sich  auch  darin,  dafs  gewisse  Wörter  wie  müssen,  dür- 
fen, können  gar  nicht  ein  substantivum'  als  regiert  nach  sich 
nehmen  können.  Sie  verbinden  sich  auf  diese  weise,  aufser  dem 
infinitiv  blofs  mit  pronomina  und  einigen  diesen  gleich  kommen- 
den adjeetiven  (wie  alles,  einiges  u.  s.  f.)  und  thun  das  letztere 
vermuthlich  nur  deshalb,  weil  dabei  immer  ein  nur  ausgelassener 
iufinitiv  mitverstanden  werden  kann. 

In  absieht  des  artikels  glaube  ich  keine  inconsequenz  zu  be- 
gehen, wenn  ich  sage,  dafs  er  beim  nomen  als  bestimmter,  im 
gegeusatz  des  unbestimmten,  beim  infinitiv  als  kennzeichen,  dafs 
er  substantivirt  wird,  steht.  —  In  dem  einen  oder  andern  fall 
thut  er  auch  meiner  meinung  nach  dasselbe,  er  bestimmt. 
Dafs  aber  sein  bestimmen  verschieden  wirket  liegt  in  der  natur 
des  nomen  und  infinitivs.  Das  nomen  kann  unbestimmt  (men- 
schen) und  bestimmt  (der  mensch)  genommen  werden.  Der  ar- 
tikel  entscheidet  hierüber.  Der  infinitiv  verliert  mit  der  bestim- 
mung  auch  unmittelbar  seine  infinitivnatur  und  ist  Substantiv,  so 
wie  er  bestimmt  ist.  An  sich  ist  er  nicht,  wie  das  nomen,  zu- 
gleich der  be8timmtheit  und  Unbestimmtheit  fähig. 

Es  hat  aber  auch  aus  einem  anderen  gründe  eine  andere 
bewandnifs  mit  dem  aiükel  beim  infinitiv  als  beim  nomen.  Ew. 
wohlgeboren  nennen  den  artikel  ein  ideales  pronomen  demon- 
strativum,  Bernhard i,  der  ungebührlich  kurz  über  ihn  ist  (§  62* 


248  W.  v.  Humboldt 

no.  4)  ein  determinative«.  Ich  gestehe,  dafis  ich  mit  beiden  nicht 
ganz  übereinstimmen  kann.  Meiner  meinung  nach  ist  der  artikel 
gar  kein  pronomen,  sondern  gehört  in  die  kategorie  der  Zahlwör- 
ter, die  Substantive  können  sich  nämlich  auf  ein  individuum,  auf 
durch  zahl  bestimmte,  auf  unbestimmt  gelassene,  endlich  auf  alle 
Individuen  der  gattung,  oder  was  dasselbe  ist,  auf  den  allgemein 
gefafsten  begriff  der  gattung  beziehen,  und  der  artikel  ist  der 
redetheil,  welcher  diesen  verschiedenartigen  umfang  bestimmt 
Wenn  daher  ew.  wohlgeboren  §  7  no.  1  sagen:  der  artikel  zeigt 
an,  dats  der  von  uns  ausgesprochene  begriff  von  uns  auf  ein  in* 
dividaum  bezogen  und  in  der  Vorstellung  als  ein  bestimmtes  ge- 
dacht werde,  so  pflichte  ich  hiervon  dem  letzteren  vollkommen 
bei,  aber  das  erste  erschöpft  meines  erachtens  den  begriff  nicht. 
Zwar  werden  ew.  wohlgeboren  wohl  meinen,  dafs  der  allge- 
meine begriff,  der  mensch,  das  thier,  ein  ideales  indivjduum  sei 
und  dann  allerdings  kommt  es  auf  dasselbe  hinaus.  Doch  weifs 
ich  nicht,  ob  man  bei  dieser  vorstellungsart  an  deutlichkett  ge- 
winnt Als  pronomen  kann  ich  den  artikel  nicht  anerkennen, 
weil  das  pronomen  ein  repräsentativer  redetheil  ist,  und  der  ar- 
tikel das  nomen  nicht  reprasentirt,  sondern  begleitet.  Dies  thun 
zwar  die  pronomina  demonstrativa  auch  (dieser  mensch),  allein 
sie  können  doch  allein  stehen,  der  artikel  nicht,  und  wenn  sie 
das  Substantiv  bei  sich  führen,  sind  sie  im  gründe  auch  nur  in 
adjeetiva  verwandelte  adverbia  loci,  nicht  mehr  wahre  pronomina. 
Im  deutsehen  unterscheiden  wir  auch  sehr  deutlich  durch  die 
ausspräche  der,  wenn  es  pronomen  demonstrativnm  und  wenn 
es  artikel  ist,  obgleich  im  plural  diese  Unterscheidung  freilich  hin- 
wegfällt.  Es  kommt  indefs  hierauf  nichts  an.  Will  man  auch 
den  artikel  als  pronomen  ansehen,  so  bleibt  immer  gewifs,  dafs 
jenen  umfang  der  bedeatung  der  substantiva  zu  bezeichnen  sein 
amt  ist.  Wendet  man  nun  dies  auf  den  infinitiv  an,  so  könnte 
er  sich  zwar  auch  auf  eine  handlung,  mehrere  handlungen  unbe- 
stimmt und  die  gattung  der  handlungen  überhaupt,  erstrecken. 
So  wie  er  aber  das  thut,  betrachtet  er  die  handlungen  als  Sub- 
stanzen, ist  die  darstellung  derselben  und  wird  Substantiv.  Auf 
diese  weise  sagt  man  im  deutschen,  ein,  mehrere,  das  essen,  auch 
ein  gehen,  einiges  gehen,  und  das  gehen.  Beim  verbum  finitum 
kann  die  frage  des  umfangs  nicht  vorkommen,  da  es  immer  einen 
individuellen  fall  ausspricht,  und  da  der  infinitiv  meiner  Vorstel- 
lung nach,  die  ganze  verbalnatur  beibehält,  so  kann  in  den  wor- 


über  den  Infinitiv.  249 

ten :  ich  sehe  blitzen,  niemand  veranlaßt  sein,  nach  dem  umfang 
dieses  ausdrucks  zu  fragen.  —  Jeder  fohlt,  dafs  sie  heifsen  sol- 
len, dafs  es  blitzte,  und  ich  es  sah,  and  es  ist  also  hier  weder 
von  einem  bestimmten  noch  unbestimmten  artikel  zu  denken. 
Wie.  ein  artikel  hinzukommt,  ist  der  infinitiv  nicht  mehr  Infini- 
tiv. Dafs  wie  ew.  wohlgeboren  s.  15  sagen,  jeder  mit  substan- 
tiva  zusammengestellte  infinitiv  den  artikel  haben  müfste,  sehe 
ich  nicht  ein.  Es  dient  vielmehr,  wie  in  der  von  Ihnen  ange- 
führten stelle  Anacreons,  zur  abwechslung,  wenn  auch  auf  ein* 
ander  bezogene  begriffe,  die  einen  als  dinge,  Substanzen,  die  an- 
dern als  blofse  energien,  bewegungen  dargestellt  werden. 

So  gestehe  ich,  kann  ich  mich  von  meiner  ansieht,  den  infi- 
nitiv streng  zum  verbam  zu  rechnen,  und  ihn  als  etwas  von  at- 
tributivum  und  substantivum  verschiedenes  anzusehen,  nicht  tren- 
nen nnd  wenn  ich  die  von  ew.  wohlgeboren  aufgestellten  ver- 
balsubstantiva  betrachte,  so  weichen  sie  auch  fast  in  allen  din- 
gen von  anderen  Substantiven  ab. 

Ich  wurde  indefs  ew.  wohlgeboren  geduld  zu  ermüden  furch- 
ten, wenn  ich  hierin  weiter  einginge;  ich  will  mich  daher  darauf 
beschränken,  nur  noch  des  §  16  über  die  tempora  des  infinitivs 
zu  erwähnen.  — 

Zuerst  möchte  ich  bemerken,  dafs  Bernhard!  gar  nicht  die 
theorie  der  relativen  zeiten  annimmt,  die  auch  mir  aus  gründen, 
die  hier  zu  entwickeln,  zu  wehMäuftig  sein  wurde,  nicht  die  rich- 
tige scheint.  Bernhard!  leitet  die  neun,  nicht  aoristischen  tem- 
pora,  nach  der  bessern  alten,  Harris,  Reiz  und  Wolfs  Vorgang 
ans  der  beziehung  der  Vergangenheit,  gegenwart  und  zukunft 
(nicht  wieder,  wie  bei  der  theorie  der  relativen  zeiten  geschieht, 
auf  eine  andere  Vergangenheit,  gegenwart  und  zukunft)  sondern 
auf  den  anfangs-,  mittel-  und  endpunkt  der  einen  Zeitraum  durch- 
laufenden energie  oder  handlung  her. 

Diese  drei  punkte  nun  gehören  dem  partieipium  an,  die  drei 
zeiten  aber  der  copula,  dem  verbum  sein,  und  daraus  folgt  nun 
schon  unmittelbar,  dafs  der  infinitivus,  der  blofs  aus  dem  parti- 
eipium entsteht,  anch  aufser  den  aoristen,  nur  drei  tempora  ha- 
ben kann. 

Ew.  wohlgeboren  haben  sich  nun  freilich  nicht  genau  dar- 
über erklärt,  ob  Sie  die  tempora,  wie  es  scheint,  blofs  in  dem 
zeitbegriff)  der  im  momentanen  merkmal  enthalten  ist,  oder  zu- 
gleich in  der  copula  finden.   Da  aber  die  copula  doch  auch  eine 


250  W.  t.  Humboldt 

zeit  ausdrücken  maus,  so  würden  doch  auch  in  ihrem  momenta- 
nen merkmal  nur  drei  Zeitpunkte  aufser  den  aoristen  liegen,  und 
der  infinitiv  nicht  mehr  haben  können. 

Es  scheint  mir  dies  aber  auch  aus  einem  anderen  gründe  zu 
folgen.  Der  infinitiv  ist  immer  von  einem  anderen  verbum  ab- 
hängig. Selbst  wenn  ihn  ein  nomen  regiert,  ist  dies  doch  mit 
einem  verbum  in  einem  salze  verknüpft.  Dies  verbum  mufs  ein 
verbum  finitum  sein,  und  also  in  irgend  einer  zeit  seine  aussage 
machen.  Nehme  ich  nun  relative  Zeiten  an,  so  habe  ich  hier  die 
eine  reihe  der  drei  möglichen  Zeiten  und  es  kann  daher  im  infi- 
nitiv nur  noch  eine  zweite  liegen.  Hätte  der  infinitiv  für  sich 
zwei  reihen,  als  soviel  sechs  tenipora  erfordern  würden,  so  kä- 
men drei  reihen  in  contact,  was  wohl  denkbar  wäre,  allein  zu 
keinem  neuen  resultate  führen  könnte. 

Denn  ich  gestehe,  dafs  ich  auch  in  den  von  ew.  wohlge- 
boren  angeführten  beispielen  den  unterschied  nicht  finden  kann. 
6  natg  d-QipnjosTai  rervy&cu  und  rervxpeo&ai  scheinen  mir  ganz 
dasselbe  anzudeuten.  Data  der  knabe  noch  nicht  geschlagen  wor- 
den ist,  liegt  in  dem  futurum  ^Q^n/aetai.  Hätte  er  die  schlage 
schon  bekommen,  könnte  sein  weinen  nicht  erst  künftig  sein. 
Die  erste  redensart  heifst:  er  wird  weinen,  dafs  er  geschlagen 
worden  ist,  die  andere,  wenn  ich  rervipsadai  als  futurum  exactum 
übersetzte,  dafs  er  wird  geschlagen  worden  sein.  Wenn  einzu- 
schieben, scheint  mir  die  redensart  nicht  zu  erlauben,  die  worte 
sind  hier  freilich  anders,  aber  die  sache  ist  dieselbe,  das  2te  fu- 
turum, das  im  infinitiv  liegt,  kann,  da  schon  eines  vorhanden  ist, 
nichts  hinzufügen.  Das  weinen  ist  zukünftig,  die  schlage  als  des- 
sen Ursache,  werden  als  vergangen  vorgestellt,  an  sich  sind  sie 
auch  wie  das  weinen,  noch  zukünftig  und  es  ist  gleich,  ob  man 
diese  zukunft  mit  ausdrückt  oder  nicht.  Anders,  gestehe  ich,  die 
sache  nicht  einsehen  zu  können.  In  Xenophons  Anabasis  ([,  5. 
16)  et  yaQ  ttva  ctilqloig  ^xrlv  <watt>e«,  rofii^sre,  «V  rgfoe  ry 
VP*Q$  e7*e'  *«  xatcutexoysa&ai  x.  r.  X.  scheint  mir  dieser  letzte  in- 
finitivus  keinen  anderen  sinn  zu  geben,  als  der  iniinitivus  des 
nicht  reduplicirten  futurum  thun  würde. 

Man  könnte  zwar  eine  rhetorische  Verstärkung  darin  finden, 
dafs  Cyrus  nicht  sagt,  dafs,  sowie  sie  kämpfen  werden,  auch  er 
werde  niedergemacht  werden,  sondern  dafs  er  dadurch  eo  ipso 
schon  werde  niedergemacht  sein.  Allein  diese  nüance  der  bedeu- 
tung  ist  hier  aufs  mindeste  nicht  nothwendig  und  ich  fände  sie 
nicht  einmal  passend,  weil  der  gebrauch  des  futurum  exactum, 


über  den  infinitiv.  251 

wenn  er  auch  die  behauptang  des  niedermachend  verstärkt,  den 
Zusammenhang  dieser  .niederlage  mit  dem  zu  verhütenden  kämpfe 
weniger  sichtbar  macht,  da,  indem  die  niederlage  als  schon  ge- 
schehen dargestellt  ist,  sie  ja  auch  einen  anderen  grnnd,  als  den 
kämpf  gehabt  haben  könnte.  Das  zweite  von  ew.  wohlgeboren 
angeführte  heispiel  ist  mir  noch  weniger  klar.  Welch  ein  infi- 
nitiv auch  schlagen  sein  mochte,  kann  ich  in  den  Worten  im- 
mer nicht  mehr  sehen,  als  dafs  die  velleität  des  schlagens  hier 
in  die  vergangene  zeit  der  währenden  handlang  gesetzt  ist,  and 
ich  finde  nicht,  dafs,  wenn  der  infinitiv  nun  auch  eine  vergangene 
zeit  einer  währenden  handlang  anzeigte,  daraus  der  sinn  hervor- 
ginge, dafs  das  schlagen  mit  dem  wollen  vorüber  sei.  Denn  die 
phrase:  sie  hatten  beschlossen,  dafs  sie  mich  schlügen,  wo  beide 
verba  im  imperfectum  stehen,  scheint  mir  kein  grofseres  licht 
über  die  sache  zu  geben,  als  die  mit  dem  infinitiv. 

Das  sogenannte  paulo  post  futurum  der  Griechen  scheint  mir 
kein  gültiger  einwurf  gegen  eine  behauptang,  die  meiner  Überzeu- 
gung nach  so  streng  und  evident  aus  den  allgemeinen  begriffen 
folgt.  Wie  den  sprachen  formen  fehlen,  so  können  sie  deren 
auch  mehr  haben,  als  nöthig  ist.  Dies  ist  umsomehr  möglich,  als 
wir  die  geschiente  keiner  spräche  genau  genug  kennen,  um  zu 
wissen,  ob  nicht  ursprünglich  gewisse  formen  ganz  anders  ge- 
braucht worden  sind.  Ich  erinnere  mich  nicht,  ob  man  wohl 
die  stellen  gesammelt  hat,  in  welchen  der  infinitiv  dieses  tempus 
vorkommt,  und  deren  wol  nicht  viele  sein  würden.  Dies  müfstc 
auf  jeden  fall  belehrend  sein. 

[Eigenhändige  naebschrift  des  Verfassers.]  Ew. 
wohlgeboren  werden  entschuldigen,  dafs  ich  nicht  mit  eigner 
hand  geschrieben  habe.  Die  fremde  ist  leserlicher  und  ich 
wünschte  mein  coneept  zu  behalten.  Ich  bitte  Sie  zu  glauben, 
dafs  ich  es  zu  schätzen  weifs,  in  Ihnen  einen  mann  gefunden  zu 
haben,  der  diese  grammalischen  gegenstände,  die, jetzt  leicht  mit 
dem  namen  philosophischer  Spitzfindigkeiten  gebrandmarkt  wer- 
den, gern  einer  neuen  Untersuchung  unterwirft.  Mein  halten  an 
Bernhardi  müssen  Sie  mir  verzeihen $  ich  bleibe  gern  bei  dem  bis- 
herigen, bis  es  sich  als  nicht  mehr  zu  vertheidigen  erweist.  In- 
dem ich  den  forschungen  ew.  wohlgeboren  zu  ihrer  genugthuung 
und  zum  allgemeinen  nutzen  der  Wissenschaft  ungestörten  und 
glücklichen  fortgang  wünsche,  wiederhole  ich  Ihnen  die  Versiche- 
rung meiner  ausgezeichneten  hochachtung. 

Tegel,  den  28.  October  1826.  W.  v.  Humboldt. 


252  Leo 

Walhcn  und  Deutschet 

1)  Walh. 

Der  alte  name,  welchen  die  Deutschen  ihren  keltischen  und 
romanischen  nachbarn  gaben :  W  a  1  h  im  althochdeutschen,  V  e  a  1  h 
im  angelsächsischen,  womit  auch  das  altnordische  Valland, 
Neostria  d.  i.  Italien  oder  Frankreich  zusammenhingt,  ist  noch 
unerklärt.  Mone  hat  zwar  ganz  richtig  ausgeführt,  dals  er  nicht 
mit  Gallus,  Gallia  zusammenhängen  könne  —  aber  die  beziehung, 
in  welche  er  den  namen  mit  Witzen,  Wolga  u.  s.  w.  bringt, 
macht  die  sache  nur  dunkler  nicht  heller.  Die  bedeutung  des 
namens  ist  aber  sehr  einfach,  denn  es  ist  dasselbe  wort  in 
deutscher  form,  was  längst  als  indisches  wort  in  der  form  mle- 
cha  bekannt  ist,  und  ursprünglich  wohl  etwas  «undeutliches», 
«nicht  in  richtigem  umrisse  sich  zeigendes»  bedeutet  —  daher  in 
der  that:  «ein  undeutlich  redender,  ein  nicht  arisch  lebender 
fremder,  ein  barbar*),  ein  sunder»  bedeutet.  —  Das  Stammwort 
ist:  ml  Sech  oder  mlech  «undeutlich  reden,  eine  nicht  arische 
spräche  reden M —  welche  bedeutung  nach  Yates  auch  mlaksch 
hat,  zugleich  mit  der  nebenbedeutung :  vermischen,  unter  ein- 
ander mischen. 

Dals  die  sanskritischen  palatalen  buchstaben  im  deutschen 
meist  in  gutturalen  übergehen,  ist  so  bekannt,,  das  nur  der  über 
gang  des  vor  1  stehenden  m  in  ein  deutsches  w  nachgewiesen 
zu  werden  braucht.  Wir  haben  hier  drei  unter  diese  analogie 
fallende  sanskritische  stamme  zu  beachten:  mlai,  ml  et  oder 
mied  und  ml£w. 

Mlai  bedeutet  nach  Yates:  to  fade,  to  be  faint,  to  yawn 
: —  wie  Bopp  angiebt:  flaccescere,  marcescere,  languescere,  fati- 
gari.  Yates  fuhrt  auch  noch  die  damit  zusammenhängenden  Wör- 
ter: mläna,  faded,  foul,  weary,  und  mläni,  fading,  weariness, 
filth,  slander  an  —  die  grundbedeutung  scheint  also:  schwach 
werden;  seinen  glänz,  seine  kraft  verlieren;  die  weitere:  ein  häfs- 
liches,  schmutziges  ansehen  bekommen;  schlecht,  schmutzig,  ver- 
leumdet, matt,  müde  werden. 

Trümmer  dieses  Stammes  finden  wir  wieder  in  den  althoch- 
deutschen Wörtern:  wali,  tepidus,  weih  (aus:  wali-ah  ent- 

*)  das  wort  barbaros  hängt  ja  wohl  auch  mit  balbus  und  balbutire 
zusammen?  Das  indische  barbara  oder  varvara  klingt  wohl  nur  zufällig 
an  barbaros  an.  [Vgl.  I.  381  wo  beide  Wörter  besprochen  sind.  A.fL] 


Walhen  und  Deutsche.  253 

standen),  lepidus,  marcidus,  labef actus;  weihen,  marcescere;  wul- 
lon  iiauseare  und  wullöth,  nausea.  Dafs  hier  zwischen  wund 
1  ein  vocal  getreten  ist,  und  die  ältere  form  dieser  Wörter  mit 
wl  anlautete,  wie  der  sanskritische  stamm  mit  ml  wird  deutlich 
durch  die  angelsächsischen  correspondirenden  ausdrucke,  welche 
auch  die  zusammenhinge  der  bedeutungen  recht  deutlich  machen: 
vlä-c,  remissus,  tepidus;  v lad  an,  remissum  esse,  tepidum  esse; 
vlä-eta,  vlä-tta,  vlss-ta,  deformatio,  nausea ;  vlse-tan,  defor- 
mare,  foedare;  vlä-tian  nauseare  (aufser  diesen  aus  viäc  = 
ahd.  weih  entstandenen  Wörtern  hat  die  angelsächsische  spräche 
auch  veallorian,  arescere).  —  Gerade  wie  das  althochdeutsche 
schiebt  auch  das  altnordische  zwischen  w  und  1  den  vocal,  denn 
dem  angelsächsischen  vi  Sc  entspricht  altnordisch  volgr  und 
dem  angelsächsischen  vlaetan  (aus  vlä-ctan  entstanden)  entspricht 
velkia,  con laminare. 

In  diesen  Wörtern,  deren  Verwandtschaft  auf  der  band  liegt, 
auch  von  Bopp  durch,  die  Zusammenstellung  von  mlai  und  wel- 
ken bereits  erkannt  war,  entspricht  also  deutsches  wl  oder  wal 
ganz  deutlich  sanskritischem  ml.  In  den  slawischen  sprachen 
ist  dies  ml  in  bl  übergegangen,  denn  es  gehören  hieher:  russ. 
bl£knut',  verwelken  und  blewät',  sicherbrechen;  lausitzisches 
blec  und  blowa6,  sich  erbrechen  ond  bloto,  koth;  sloweni- 
sches bljovati,  sich  erbrechen  und  bloja  oder  blato,  koth; 
poln.  biahy,  schwach,  gering,  schlecht;  bind,  speien,  sicherbre- 
chen und  blö  t  o,  koth  —  welche  slawische  Wörter  erst  in  dem  rech- 
ten zusammenhange  ihrer  bedeutungen  erscheinen,  wenn  man  die 
verwandten  lithauischen  hinzunimmt:  biogas,  schwach,  gering, 
schlecht,  von  krankheit  angegriffen;  blogti,  schwach  werden; 
blukti,  schwach  werden,  welk  werden,  verwelken;  blukszti, 
schwach,  welk  werden;  verwelken;  blusti,  niedergeschlagen, 
traurig  werden. 

Wir  führen  diese  slawische  parallele  an,  weil  sie  uns  für 
den  folgenden  stamm  ml 3t  oder.mUd  ab  Wegweiser  dienen 
mufs.  Die .bedeutung  dieses  Wortes  ist  nach  Yates:  tobe  mad; 
nach  Bopp:  mente  captum  este^  insanire;  nach  Westergaard:  in- 
sanire,  delirare.  Wir  stellen  hier  der  bedeutung  wegen  das  slo- 
wenische blesti,  irre  reden,  phantasieren  voran,  womit  weiter 
im  slowenischen  blazen,  der  Wahnsinn,  frevel,  blöd,  derirthum, 
das  irsein,  das  versehen,  die  unzucht  und  bloditi,  irre  sein, 
fehlen,  sich  herumtreiben,  unzüchtig  leben  zusammenhängen.  Der 


254  Leo 

Zusammenhang  dieser  Wörter  weiter  mit  rosa.  blaslT,  abge- 
schmacktes zeug;  blasen,  der  narr,  hanswurst,  blashit,  math- 
willig, wild  sein  and  bludit',  irren,  herumschweifen;  mit  poln. 
blazen,  der  narr,  bla,d,  der  irthum  und  bla^dzic,  irren;  mit 
litthauischem  bloznas,  der  thor,  schalk,  schelm;  bluda,  die  thor- 
heit  und  bluditi  heramschwärmen,  irren,  thorheiten  begehen,  ist 
klar.  Deutsch  gehört  zu  diesem  stamme:  wild  d.  h.  in  der  irre 
gehend,  nicht  gezähmt,  unvernünftig  —  und  wald,  die  weglosig- 
keit,  die  irre.  Schon  gothisch  begegnet  vilj>eis,  ayqiog  im  gegen- 
satze  gedacht  von  domesticus,  cultns,  domatus  —  das  altnordi- 
sche zeigt  die  ursprüngliche  bedeutung  noch  am  klarsten  auf: 
villiz,  errare;  villa,  in  errorem  inducere;  yillr,  errans,  rudis, 
sylvestris.  Weniger  geschwächt  tritt  der  vocal  auf  in  wald 
(ags.  veald,  altn.  vaullr,  völlr). 

Steht  uns  nun  die  correspondenz  von  deutschem  wal,  wil 
und  sanskritischem  ml  schon  durch  zwei  beispiele  fest,  so  wer- 
den wir  auch  keine  mühe  haben  in  dem  sauskritischem  mUw 
den  stamm  unsres  althochdeutschen  wola  oder  wela,  was  als 
Substantiv:  opulentia,  felicitas  und  ab  adverbium:  satis,  bene  be- 
deutet zu  erkennen.  Yates  giebt  als  bedeutung  von  mlew  an: 
to  serve,  to  please;  Westergaard:  colere,  ministrare  —  und  ganz 
der  früher  von  uns  beobachteten  analogie  gemäfis  haben  wir  im 
slawischen:  russ.  blago,  das  heil;  blagaja,  der  reichtbum;  slow, 
blag  adverb.  wohl;  adj.  edel,  gut;  blags,  der  reichtbum;  poln. 
blogo  adv.  wohl,  glücklich,  selig;  blogi  adj.  glücklich,  selig. 
Diesem  slowenischen  blag  correspondirt  sowohl  buchstäblich  als 
dem  sinne  nach  deutsches  adjectiv  welag,  wolag,  walag  d.  i.  di- 
ves  und  das  adverb  oder  vielmehr  die  interjection  welago,  wel- 
che bedeutet:  enge!  gerade  wie  bulgarisches  bloze!  —  Die  grund- 
bedeutung  von  wola,  wela,  welag  und  welago  ist  offenbar: 
dienstsam,  forderlich,  angenehm.  Im  bulgarischen  hat  blago  eine 
ganz  enge  bedeutung  in  bezeichnung  von  etwas  angenehmen,  för- 
derlichen angenommen;  es  bezeichnet  das  fleischessen  im  gegen- 
satz  des  fastenspeise- essens  —  und  der  accent  nur  unterscheidet 
die  factitiva  bläze,  rühmen,  glücklich  preisen  und  blaze,  fleisch- 
speisen  essen. 

Nach  diesen  so  vollkommen  einschlagenden  vergleichungen 
zweifelt  wohl  niemand  mehr,  dafs  althochdeutsches  Walh,  an- 
gelsächsisches Vöalh    dem  sanskritischen    mlech    entspricht*). 

*)  zusammenhangend  mit  griechischem  ßXijXdofta<;,  ßltixrj,  ßka$9  = 
lateinischem  balare,  blaterare,  and  vielleicht  balbos. 


Walheil  und  Deutsche.  255 

Indessen  beschauen  wir  doch  auch  noch  die  slawische  parallele  — 
da  begegnet  ans  also  zunächst  rassisch:  blekotschat',  stam- 
meln, stammelnd  reden;  polnisch:  blekot,  der  Stammler,  ble- 
kotac,  stammeln;  slowenisch:  blekotati  stammeln,  bleknuti, 
meckern;  blejati  blocken.  Dazu  litthauisch:  blauti,  blocken; 
bluwanti,  brüllen. 

Einen  störenden  einwand  könnte  noch  das  polnische  (anch 
in  anderen  slawischen  dialekten  sich  findende)  wloch,  der  Italie- 
ner, und  slowenische  Vlah,  der  Wallache,  bilden,  denn  dafs  dies 
dem  deutschen  Walh  verwandt  ist,  ist  deutlich  —  indessen  schon 
die  beschränkte,  enge  bedeutung,  in  welcher  das  wort  blofs  auf 
einzelne  länder  angewandt  wird,  dürfte  für  die  spätere,  fremde 
einschleppung  dieses  Wortes  zeugen.  In  urverwandter  form  dürf- 
ten wir  nicht  wloch,  sondern  mü£sten  blek  finden  —  in  der 
später  entlehnten,  aus  dem  deutschen  Walh  übertragenen  form 
Wloch  findet  sich  dagegen  dies  deutsche  Walh  bis  auf  die  im 
slawischen  so  häufige  consonantenversetzung  vollkommen  wieder. 
—  Demnach  stimmt  überall  deutsches  wal,  wil,  wel  zu  sanskr. 
ml  und  Walh  bedeutet  wirklich  ursprünglich  dasselbe  wie 
mleeh  d.  i.  peregriuus,  barbarus»  —  einer  der  unverständlich 
spricht  und  nicht  nach  reiner,  bestimmter,  heiliger  sitte  lebt. 
Das  ungarische  olafz  (italienisch  aus  wlafz,  wlah  entstanden) 
u.  s.  w.  ist  offenbar  erst  wieder  von  den  Slaven  an  die  Magyaren 
gelangt,  und  ebenfalls  nicht  urgemein  —  sondern  neu  übertragen. 

2)  Deutsch. 
Dasgothische  ]>iuda,  gens  (nahe  verwandt  mit  }>iu}>  bonum 
und  ]>  i  u  \  i  a,  benedico) ;  althochdeutsche  d  i  o  t  a,  gens ;  altnordische 
J>y8i  gens;  angelsächsische  ]>eöd,  gens,  ist,  wie  aus  dem  Wech- 
sel des  letzten  consonanten  in  \\u\  hervorgeht,  eine  bildung  von 
einem  stamme  ]>iuan  oder  }>ivan.  —  Sonstigen  analogien  gemäfs 
haben  wir  dafür  einen  sanskritischen  stamm  zu  suchen:  tu  — 
und  dieser  existirt.  Yates  giebt  seine  bedeutung  an:  to  go,  to 
tbrive,  to  become  füll,  to  hurt  —  Westergaard:  ire,  crescere, 
eligere,  implere,  laedere.  Bopp  giebt  nur  die  bedeutung  crescere 
an,  wohl  weil  sich  für  sie  allein  belege  in  Schriftstellern  finden. 
Letzterer  bringt  das  wort  auch  mit  zendischem  tav  (posse, 
fieri  posse)  in  Verbindung.  Vielleicht  gehört  noch  das  sanskri- 
tische wort  töka,  proles,  a  child,  offspring  und  sicher  tavishi 
oder  tavisha  die  kraft,  strength  (zendisch:  tevishi,  Icnergie), 


,  / 


266  I*o 

endlich  tavisha,  himrael,  gold  zu  diesem  stamme,  dessen  hanpt- 
bedeutung  also  wohl:  «wachsen,  organisch  sich  fortentwickeln, 
zunehmen»  war. 

Die  slawischen  sprachen  haben  von  diesem  stamme  nar  eine 
bildong  mit  causativer  bedeutung  nämlich  litthanisch  twerti, 
schaffen,  gestalten,  formen,  mit  grenzen  versehen,  einzäunen;  da- 
her: festhalten  —  die  erste  bedeatung  des  formens,  gestalten*, 
Schaffens,  zeugens,  wachsen  machens  tritt  besonders  in  dem  com- 
positum sutwe-rti  hervor;  das  simples  wird  mehr  nur  in  der 
bedeutang  des  eingrenzen«,  einzäunens,  festhalten*  gebraucht;  da- 
her twora,  der  zäun  —  aber  es  ist  noch  eine  andere  abieitung 
derselben  wurzel  im  litthauischen  vorhanden,  nämlich:  twarka, 
das  mafs,  die  Ordnung,  zucht.  Wir  werden  sehen,  wie  sich  im 
Deutschen  eine  ableitung  ähnlichen  sinnes  findet. 

Im  russischen  gehört  hieher:  twar1,  das  geschöpf  und 
twerd',  fest;  tworit',  schaffen,  zeugen,  gestalten,  kneten;  im 
slowenischen  tvor,  das  werk;  tvoriti,  schaffen,  bilden,  machen 
und  tverd,  hart;  im  polnischen  tw6r,  das  geschöpf,  tworze, 
ich  schaffe,  forme,  bilde  und  twordy,  hart,  fest;  im  lausitzer 
wendisch:  twariö,  bauen,  bilden  und  twerdy,  hart,  fest  —  für 
schaffen  findet  sich  hier  wieder  vornämlich  das  dem  litthauischen 
satwerti  entsprechende  compositum:  stworiö. 

Von  den  deutschen  sprachen  gewährt  die  angelsächsische  die 
breiteste  entwickelung  des  Stammes;  der  stamm  selbst  in  seiner 
einfachen  gestalt  ist  in  allen  mundarten  verloren;  }>ivan  begeg- 
net weder  gothisch  noch  J>eoan  angelsächsisch;  (wohl  aber  )>  co- 
li an,  wachsen,  gedeihen,  in  schöner  weise  grob  werden*).  Die- 
ser stamm  mufs  die  grundbedentung  gehabt  haben:  wachsen 
—  aber  nicht  einfach  zunehmen,  sondern  zunehmen,  so  dafs  das 
hinzukommende  in  dem  wachsenden  individunm  organisch  auf- 
geht, dessen  Individualität  in  angemessener  weise  erweitert,  ver- 
gröbert, ihm  gegenüber  seine  individualität  aber  nach  angemeste- 

*)  hier  greifen  überginge  und  contractionen  ein.  Theohan  ist  eigent- 
lich ein  andrer  stamm,  nfimlich  tbihan,  der  wie  überhaupt  im  angel- 
sächsischen die  verba  mit  t  im  stamme  gern  thun,  in  die  andere  ab- 
lautsreihe  (e6,  ea\  n)  übergeht.  Dies  ththan  «gedeihen»,  hangt  wohl 
eher  mit  skr.  f  tk  zusammen.  In  der  form  the6han  zog  es  sich  aber  in 
the6n  zusammen  —  eine  form,  die  auch  ftlr  theöan  gelten  konnte,  and 
so  absorbirte  theöhan  bei  seiner  nahe  Hegenden  bedentong  theo  an 
praktisch  ganz. 


Walhen  ond  Deutsche.  257 

nem  gesetz  verliert  —  also  organisch  wachsen,  zusammen* 
wachsen,  einem  anderen  individuum  organisch  verbanden  wer- 
den.  Zunächst  bietet  das  angelsächsische  ein  vom  präsens  und 
ein  vom  präteritum  abgeleitetes  Substantiv:  ]?e6v,  der  sklav,  der 
diener,  der  nur  einen  Zuwachs  des  heim  bildet,  keine  eigne  per- 
son  dem  herrn  gegenüber  ist;  und  )>e£v,  das  mafs,  die  Ordnung, 
zucht,  sitte  —  das  was  verschiedene  individuen  zu  einem  neuen 
individunm  verbindet.  Daher  heifst  weiter  ]?eödan,  ligari;  ge- 
)>eöden,  adha$ens;  ge^eöded,  adhibitiis;  ]?yddan,  pangere  (on- 
)>yddan,  impingere)  analog  dem  altnordischen  ]>yda,  adaptare  und 
]>ydaz,  adhasrere,  amplecti;  endlich  ge]?eöd,  das  menschen  ver- 
bindende, das  volksthum,  die  spräche.  Von  J>ea>  ist  auch  noch 
ein  factitivum  abgeleitet  J>yvan,  zur  Ordnung,  sitte,  zum  mafs 
anhalten,  unordentlich  aufstrebendes  niederhalten,  comprimere,  in 
Ordnung  halten,  leiten,  fuhren.  —  In  vergleich  mit  dieser  angel- 
sächsischen entwickelang  der  würzet  stehen  alle  andere  mundar- 
ten  zurück.  Altnordisch  sind  aufser  den  schon  angeführten  Wör- 
tern noch  ]?i6d,  gens,  )>iön,  servus,  ]>y,  mancipium  zu  merken, 
und  J^Bskr,  ]>yskr,  germanicus.  Althochdeutsch  begegnen: 
gadiuti  adj.  was  in  guter  Ordnung,  in  guter  gestalt,  verständ- 
lich, dentlich  ist,  zugleich  als  gegensatz  von  ungadiuti  oder 
walh,  walah  d.  i.  barbaros  —  letzteres  in  specie:  gallicus,  ro- 
manus;  diutian,  in  gute  Ordnung  setzen,  deutlieh  machen,  deu- 
ten; gadiot,  snbjectus;  dio,  servus;  diwa,  aneilla;  diwjan,  ab 
knecht  behandeln,  hnmiliare;  dion6n,  knecht  sein,  servire  — 
und  ein  durch  seinen  ableitungsconsonanten  (nämlich  r)  dem  sla- 
wischen typus  sich  näherstellendes  wort:  diorna,  famula,  puella. 
Ferner  als  ableitungen  des  präteriti:  dou,  mos,  ritus,  lex;  dou- 
bdn  (der  sitte,  dem  gesetz  unterwerfen)  domare  —  endlich 
diutisc,  deutsch,  germanicus. 


Betrachten  wir  nun  beide  Wortfamilien  schliefslich  noch  ne- 
beneinander, so  findet  sich  also,  dafs  wälsch  und  deutsch  den 
gegensatz  bezeichnen  des  unorganisch  zusammengeworfenen,  ge- 
mischten, undeutlich  redenden,  ungeordnet,  ohne  die  heilige  sitte 
lebenden  einerseits  und  des  organisch  und  nach  festem  gesetz 
wachsenden,  dentlich  redenden,  geordnet,  mit  heiliger  sitte  le- 
benden andrerseits  —  es  ist  genau  derselbe  gegensatz,  der  uns 
in  Indien  als  mlexha  und  Ärya  oder  äryawrttta  begegnet. 
Dafs  der  ausdruck  Walch  unter  diesen  umständen  den   Deut- 

II.    4.  " 


258  Leo 

sehen  zunächst  einen  mann  keltischen  Stammes  —  dann  weiter 
(da  in  Gallien,  Italien  und  Thracien  die  reste  der  Kelten  mit 
Römern  zu  Romanen  verwachsen)  einen  Romanen  bezeichnete, 
mag  darin  ^seinen  grund  haben,  dafs  die  Kelten,  wie  ihre  sprachen 
beweisen,  auch  aus  Indien  entsprossen,  sich  durch  misehung  des 
geschlechtes  und  trübung  und  änderang  des  götterdienstes  and 
der  spräche  den  vordringenden  noch  reiner  den  arischen  typus 
in  spräche,  glauben  und  sitte  bewahrenden  Deutschen  als  ein  un- 
deutlich gewordenes  mischvolk  mit  unreinen  sitteA  darstellten  — 
während  dagegen  die  nachdringenden  Slawen  noch  länger  und 
sichtbarer  mit  arischer  lebensföhrung  zusammenhängen  mochten 
als  die  Deutschen  selbst,  ein  Slawe  dem  Deutschen  also  nicht 
als  mlecha  erschien,  wohl  aber  ein  Kelte  oder  Romane. 

Der  name,  welchen  die  Deutschen  von  den  Slawen  erhalten 
haben,  und  der  dann  auch  an  Magyaren  und  Türken  übergegan- 
gen ist  (russ.  njemez';  slowenisch  nemec;  bulgarisch  nemec; 
polnisch  niemiec;  laositzisch  njemc),  würde  dieselbe  tiefere 
bedeutung  haben  wie  mlech^,  wenn  er  wirklich  mit  einem 
worte,  welches  undeutlich  redend  oder  stumm  bezeichnet  (russ. 
njemo,  undeutlich,  njemyi,  stumm;  slowenisch  nem,  stumm; 
bulgarisch  nem,  stamm;  polnisch  nieaiy  stumm;  laus,  njemy 
stumm)  zusammenhinge.  Möglich  aber  ist  es  wohl  auch,  da  Jahr- 
hunderte lang  die  Slawen  im  Gotfcenrekhe  und  wohl  noch  frü- 
her von  deutschen  herren  regiert  wurden,  da  der  slawische  name 
für  fürst,  herr  (kniäs)  eine  Umbildung  unseres  deutschen  Wortes 
kunig  ist;  da  der  slawische  name  für  adel  (slachta)  ebenfalls  un- 
ser deutsches  wort  slahta  ist  —  dafs  jenes  wort  niemec  aus 
sanskritischem  namata,  a  lord,  a  master;  namita,  reverenced, 
worshipped,  bowed  to,  entstanden  und  nur  zufällig  dem  worte, 
welches  stumm  bezeichnet,  so  ähnlich  ist. 

Es  ist  schade,  dafs  das  litthairische  gerade  diese  Wörter  nicht 
besitzt;  durch  dessen  vollere  formen  würden  wir  über  das  ety- 
mologische verhältnifs  vollständige  aufklärung  erhalten,  es  kömmt 
aber  weder  ein  wort:  nelmmamas  (nicht  vernehmbar,  undeut- 
lich, was  sich  nicht  äufsern  kann)  für  «stumm»  vor,  noch  für 
« deutsch »  ein  ähnliches  wort,  sondern  «deutsch»  helfet  im  gegen- 
theil  cookiszkas,  was  sicher  mit  wökti  « verstehen »  zusammen- 
hängt und  also  eher:  «deutlich,  verständlich»  als  grundbedeutung 
hat;  oder:  tautininkas  ein  Deutscher  —  mit  Tautä  Deutsch- 
land und  dies  mit  deutschem  diuta  wohl  zusammengehörig. 


Wallten  und  Deutsche  269 

In  den  keltischen  sprachen  erscheinen  die  oben  betrachteten 
vier  stamme  einerseits  den  sanskritischen  formen  näher,  inwiefern 
sie  das  anlautende  m  bewahrt  haben,  aber  andererseits  ferner  in- 
dem  die  keltischen  sprachen  (aufser  in  der  composition  mit  an- 
dren stammen  oder  bildungssilben)  nach  dem  1  nicht  leicht  einen 
zweiten  consonanten  dulden  —  sie  aber  durch  die  einrückung 
eines  vocals  zwischen  m  und  1,  den  letzteren  consonanten  zu 
einem  schlufsconsonanten  machen.  Dem  sanskritischen  mlai, 
deutschem  waTi  nnd  weih,  slawischem  bleknuf  und  blewat' 
ist  in  den  keltischen  sprachen  verwandt,  a)  in  gaelischer  reihe: 
mall,  slow,  dilatory,  tardy,  tedions;  maillighim  I  slacken,  I 
delay  —  b)  in  kymrischer  reihe:  mall,  void  of  energy  or  com- 
pactness,  soft,  insipid,  blasled;  mallu  to  become  soft,  insipid, 
blasted;  melli,  softness,  insipidity. 

Dein  sanskritischen  mlet  oder  mied,  deutschem  wild, 
wald,  slawischem  blesti,  bloditi  ist  in  den  keltischen  spra- 
chen verwandt:  a)  in  gaelischer  reihe:  mil,  a  beast;  millim  I 
spoil,  ruin,  mar  —  b)  in  kymrischer  reihe:  mil,  that  is  void  of 
understanding.  a  beast-,  milain  brutish,  cruel,  froward,  stillen, 
stnbborn;  milns,  brutal.  In  die  kymrischen  sprachen  hat  sich 
fibrigens  von  den  deutschen  nachbarn  her,  wie  es  scheint,  wald 
und  wild  eingedrängt  in  der  form  gwyllt,  welches  als  Substan- 
tiv bedeutet:  a  wilderness,  a  place  covered  with  brakes,  und  als 
adjectiv:  wild,  »avage,  rabid,  mad.  Wäre  das  wort  ursprunglich 
keltisch,  m  mufste  ihm  auch  ein  gaelisches  feald  oder  feall 
entsprechen,  was  sich  aber  mit  keiner  irgendwie  beziehbaren  be- 
deutung  als  parallele  findet. 

Dem  sanskritischen  mlew,  deutschem  wo  lag,  slawischem 
blag  ist  in  den  keltischen  sprachen  verwandt:  a)  in  gaelischer 
reihe:  meall,  good,  pleasant;  meallach,  fat,  rieh;  meallaim 
I  enjoy  —  b)  in  kymrischer  reihef  mael,  gain,  profit,  ad  van  tage, 
work  und  maela  to  get  ad  van  tage,  to  gain.  Auch  bei  diesem 
stamme  ist  das  deutsche  wela,  wola  in  der  form  von  gwell, 
welches  «better»  bedeutet,  eingedrungen. 

Endlich  dem  sanskritischen  mlech,  deutschem  walah,  sla- 
wischem blekotati  entspricht  in  keltischen  sprachen:  a)  in  gae- 
lischer reihe  maol,  dessen  grundbedeulung  ist  allayed,  daher 
heifst  maolaighim,  I  allay  —  aber  auch:  I  make  blunt  — 
und  von  der  grundbedeutung  allayed  (legirt,  gemischt,  in  seiner 
eigenthfimlichkeit  und  schärfe  aufgehoben)  aus  entwickeln  sich 


260  Kahn 

auch  fite  maol  die  bedeutangen:  blant,  obtuse,  hamblc,  and  end- 
lich 'sogar:  bald;  b)  in  kymrischer  reihe  ist  nur  die  letzte  beden- 
tung  festgehalten:  moeli,  to  grow  bald.  H.  Leo. 

Anmerkung.  Ich  erlaube  mir  zu  dem  vorstehenden  aufsatze  die  bemer- 
kung,  dafs  auch  herr  prof.  Stenzler  bereits  vor  einiger  zeit  brieflich  die  ver- 
muthung  ausgesprochen  hat,  dafs  der  name  Wlach  zu  w.  mlax,  mlech  gehö- 
ren möge.  Die  letztere  findet  sich  Übrigens  bereits  in  einem  brahmana,  wo  es 
heifst  „tasmad  raja  na  mlechet,  defshalb  soll  der  konig  nicht  undeutlich  re- 
den." —  Rttcksichtlich  der  hier  ausführlich  entwickelten  Verwandtschaft  von 
thiuda  sei  bemerkt,  dafs  dasselbe  von  mir  ebenfalls  auf  w.  tu  zurückgeführt 
worden  ist  in  dem  vermehrten  abdruck  der  abhandlung  „zur  ältesten  geschickte 
u.  s.w."  bei  Weber,  indische  Studien  bd.  1.  881.  A.  K. 


lieber  das  alte  S  und  einige  damit  verbundene  lautent- 
wickelungen« 

Vierter  artikel. 
Die  Verbindung  des  a  mit  liquiden  bueltsteben. 

Wir  haben  im  letzteu  arlikel  die  falle  betrachtet,  wo  das 
alte  S  im  griechischen  anlaut  und  inlant,  wenn  es  einfach  oder 
in  Verbindung  mit/-  stand,  geschwunden  war;  derselbe  ausfall 
tritt  aber  auch  zuweilen  ein,  wenn  das  s  in  Verbindung  mit  an- 
dern consonanten  stand,  nnd  wir  müssen  diesen  deshalb  hier  einer 
näheren  prüfung  unterwerfen. 

Der  abfall  des  g  nach  *  im  nom.  sg.  der  nomina  ist  eine 
bekannte  erscheinung  und  so  sehr  regel,  dafs  Wörter  wie  tkfu*ef 
Tvqivq  als  seltene  ausnahmen  dastehen,  in  denen  das  g  eher  auf 
rechnung  der  davor  ausgefallenen  dentalis  zu  schreiben  als  reines 
nominativkennzeichen  sein  mochte,  zumal  auch  die  stamme  auf 
9t  entweder  das  *  bewahren  und  t  nebst  g  aufgeben  oder  das 
wahrscheinlich  aus  r  entstandene  g  erhalten  und  den  vorangehen- 
den vocal  zum  ersatz  des  v  verlängern.  Bereits  Bopp  (vgl.  gr. 
§  299.)  und  Pott  (etym.  forsch.  1. 116)  haben  ferner  die  compa- 
rationssufhxe  *or  und  skr.  iyans  für  identisch  erklärt  und  den 
ausfall  des  a  nach  v  für  das  griechische  angenommen  \  in  der  that 
ist  letzteres  denn  auch  einer  Verbindung  der  liquidae  mit  er  in 
hohem  grade  abhold,  zum  theil  sogar  in  föllen,  wo  andere  spra- 
chen, z.  b.  das  lateinische  und  deutsche  (prehensus,  pransus  u.  s. 
w.;  linse,  binse  u.  s.  w.)  gar  keine  Schwierigkeit  in  der  Verbin- 
dung dieser  laute  machen.  Das  griechische  hat  solchen  beispie- 
len  nur  äufserst  wenige  zur  seite  zu  setzen  und  formen  wie  ni- 
ynraai  u.  s.  w.  stehen  vereinzelt;  es  ist  daher  nicht  zu  verwun- 


über  das  alte  S  u.  einige  damit  verbundene  lantentwickelnngen.  261 

dern,  dafs  nach  analogie  des  comparativsuffixes  auch  ein  paar  an- 
dere nomina  dasselbe  lautverhältnifs  zeigen.  Das  unbestrittenste 
derselben  ist  ^iyV,  das  im  verhältnifs  zu  skr.  hansa,  lat.  anser, 
d.  gans  denselben  abfall  des  g,  den  es  bereit«  im  nora.  sg.  erlit- 
ten hatte,  auch  durch  seine  ganze  flexion  hiodurchföhrte,  den 
ausfall  aber  durch  Verlängerung  des  stammvocals  zu  y  ersetzte.  In 
gleicher  weise  zeigt  ftrjt,  fflvog  verglichen  mit  skr.  mas,  latein. 
mens-is  diesen  ausfall,  wenn  gleich  wir  oben  (I.  p.  274)  wahr- 
scheinlich zu  machen  suchten,  dafs  das  <s  hier  erst  eine  seeun- 
daire  entwicklung  sei.  Ebenso  zeigt  sich  ein  geschwundenes  <r 
in  <upo£  verglichen  mit  skr.  amsa,  lat.  hnmerus  (alt  umerus  f. 
umesus  [bd.  I.  p.  283  zu  vgl.]),  goth.  amza  und  auch  hier  tritt 
wie  bei '  jjqv  die  Verlängerung  des  der  liquida  vorangehenden  vo- 
calsein;  ob  diese  Verlängerung  auch  hei  pqv  statt  gefunden  habe 
ist  schwer  zu  entscheiden ;  die  lesbische  form  ptjvrogf  welche  von 
Ahrens  diall.  I.  p.  51.  61.  62.  besprochen  ist,  zeigt  ungeachtet  der 
aus  vc  hervorgegangenen  doppelten  liquida,  den  langen  vocal;  das 
skr.  hat  mit  ausfall  des  n  langes  a,  was  aber  auch  der  wurzei 
schon  zusteht,  ebenso  zeigt  eB  sich  im  ndd.  mand ;  die  ursprüng- 
liche länge  möchte  daher  das  wahrscheinlichere  sein,  obgleich 
wir  später  sehen  werden,  dafs  auch  in  anderen  fallen,  wo  er- 
satz  des  c  in  anderer  art  eingetreten  ist,  dessenungeachtet  sich 
vocalrerlängerung  zeigt.  —  Endlich  tritt  der  ausfall  des  c  nach 
liquiden  im  futurum  und  aorist  der  verba  liquida  ein  und  zeigt 
hier  zugleich  in  den  dialektischen  nebenformen  deutlich  die  ent- 
wickelung  dieses  laut  wandeis,  indem  in  den  aoristen  iyerrato, 
irtfifiaro,  (SteXkAfUvaiy  xrevvou,  6$$<krw  die  doppelte  liquida  aus 
ursprunglichen  Xa,  papvc,  qü  hervorgegangen  ist,  während  wie- 
der aus  jenen  formen  diejenigen  mit  einfacher  liquida  und  vor- 
angehendem langen  vocal  also  iyuyaxo  u.  s.  w.  sich  entwickelten. 
Uebrigens  können  Xa ,  po,  va,  qc  unmöglich  unmittelbar  in  IX, 
Hft,  *99  $$  übergegangen  sein,  sondern  sie  werden  durch  dazwi- 
schen liegende  X\  fif  *,  Q  vermittelt,  die  zwar  nicht  nachweis- 
bar, aber  wie  sich  später  zeigen  wird,  mit  allem  fug  zu  erschlie- 
fsen  sind.  —  Was  das  futurum  betrifft,  dessen  allgemeinen  aus- 
gang  auf  atco  u.  s.  w.  Pott  bereits  (etym.  forsch.  I.  33.  115.)  an- 
genommen hat,  so  könnte  es  auffällig  erscheinen,  dafs  hier  bei 
den  verbis  liquidis  weder  gemination  der  liquida  noch  Verlänge- 
rung des  vorangehenden  vocals  eintritt,  kurz  dafs  sich  weder  for- 
men wie  <JieXX<o  noch  areddä  zeigen;  allein  der  grund  dieses 
gegensatzes  gegen  die  aoristformen  liegt  offenbar  im  accent,  der 


26*2  Kuhn 

im  futurum  durchweg  auf  der  endung  liegt  und  so  eine  Verstär- 
kung der  wurael  nicht  zuläfst,  während  er  im  aorist  entweder 
auf  das  augment  oder  auf  die  wurael  fällt  und  so  alles,  was 
sich  derselben  anschliefet,  schützt. 

Sehen  wir  in  den  bisher  betrachteten  fällen  die  abneigung 
der  griechischen  spräche  gegen  die  Verbindung  der  liquiden  mit 
einem  folgenden  0,  so  zeigt  sie  dieselbe  im  allgemeinen  nicht 
minder  gegen  eine  Verbindung  mit  einem  vorangehenden  o\ 
Doch  läfst  sich  nicht  allgemein  behaupten,  dafs  das  er  abneigung 
gegen  eine  Verbindung  mit  jeglicher  iiquida  habe,  sondern  es  sind 
vorzugsweise  nur  X,  ?,  Q,  die  meist  kein  a  vor  sich  dulden; 
deshalb  stehen  iaXog  neben  ia&Xog,  ftdaXtjg  f.  fid<?&X*jQy  valog 
neben  v&Xog  und  va&Xog  (doch  vergleiche  Lobeck  parall.  p. 
436)  ganz  vereinzelt,  und  nur  in  den  compositis  wie  e&Utfc- 
nto,  elgteca,  eigQtoo  sehen  wir  a  mit  diesen  liquidis  zusammen- 
treffen; hier  bleiben  sie  unverändert,  weil  das  aneinander- 
rücken in  der  compositiotf  keine  so  innige  Verbindung  hervorruft, 
wie  flexion  oder  ableitung,  aber  beim  eintritt  dieser  beiden  er- 
scheint,  soweit  wir  die  ursprüngliche  Verbindung  dieser  lante  im 
Inlaut  noch  verfolgen  können,  assimilation  des  a  an  die  folgende 
Iiquida  oder  ersatz  desselben  durch  vocallängung  (wie  bei  <orog, 
.  venum  gegen  skr.  vasna)  oder  durch  t.  So  bilden  z.  b.  die 
von  ursprünglichen  stammen  auf  a  abgeleiteten  adjeetiva  auf  vog 
entweder  evvog  oder  eivog,  wie  ooevvog,  ooeivog;  ydewog,  cpaet- 
vog,  in  denen  Ahrens  (diall.  I.  p.  52)  den  Ursprung  der  form 
durch  assimilation  aus  av  richtig  erkannt  hat.  Bopp,  welcher 
diese  bildungen  in  der  eben  erschienenen  letzten  lieferung  seiner 
vergleichenden  grammatik  p.  1181  gleichfalls  bespricht,  sieht  die 
endung  eivog  als  aus  eawog  mit  ansfall  des  c  entstanden  an,  wo- 
zu ihn  wohl  die  accentuation  auf  der  schlufssilbe  veranlafst  hat; 
doch  darf  man  die  äolischen  formen  auf  ewog  doch  wohl  schwer- 
lich von  denen  auf  eivog  trennen  und  das  1  erklärt  sich  hinrei- 
chend als  ersatz  des  *  oder  unmittelbar  des  er.  Den  accent  haben 
die  äolischen  formen  auf  der  Stammsilbe,  während  die  auf  eirog 
oxytona  sind,  weshalb  mir  diese  erst  der  analogie  anderer  adjee- 
tiva auf  wog,  wie  sie  Bopp  a.  a.  o.  bespricht,  gefolgt  zu  sein 
scheinen.  Hierdurch  würde  sich  auch  ein  etwaniger  einwurf  ge- 
gen die  obige  annähme  über  die  bildung  des  futuri  durch  einfa- 
che Iiquida  und  kurzen  vocal  erledigen,  denn  wenn  einst  oqeivoq 
wie  ooevvog  accentuirl  wurde,  so  stehen  diese  formen  in  analo- 
gie mit  der  bildung  des  aoristi  und  nicht  mit  der  des  futuri.  — 


über  das  alte  S  a.  einige  damit  verbundene  lautentwickelnngen.  263 

In  anderen  fällen,  wo  einst  0  im  inlaut  mit  liquiden  in  Verbin- 
dung stand  und  später  gemination  der  letzteren  eingetreten  ist, 
läfst  sich  jetzt  nicht  mehr  beurtheilen,  ob  diese  gemination  aus 
assimilation  hervorgegangen  sei,  da  wir  diese  gemination  in  der 
epischen  spräche  auch  in  einigen  fällen  hervortreten  sehen,  wo 
an  ein  ursprüngliches  0  schwerlich  zu  denken  ist,  wie  z.  b.   in 
HlXccße,  Zfipa&e.  Gleichwohl  ist  es  auffällig,  dafs  diese  doppelung 
doch  immer  nur  auf  bestimmte  fälle  beschränkt  bleibt  (vgl.  Mchl- 
horn  gr.  gr.  p.  72)  und  bedarf  dieser  punkt  noch  genauerer  Un- 
tersuchung.   So  nahmen  z.  b.  einige  der  alten  diaskeuasten  an 
der  doppelung  in  erveov  11.  9.  II    anstofs  (vgl.  Spitzner  zu  die- 
ser stelle),  statt  dessen  sie  nfrorr'  in  den  text  nahmen,  während 
doch  gerade  in  diesem  worte,  dessen  würze!  dem  skr.  snu  iden- 
tisch ist,  die  gemination  ganz  am  orte  sein  möchte.   Eben  so  we- 
nig «ist  eine  entscheid ong  über  die  ableitungen  von  (fc'a  möglich, 
da  hiev  das  allgemeine  lautgesetz  der  doppelung  des  q  nach  dem 
augment  und  nach  kurzem  vocal  in  der  composition  hindernd 
einwirkt;  daher  finden  sich  bei  den  epischen  dichtem  ßa&vgQoog, 
ßaüv^geicov,  ßa&v$foht}g,  äxaXafäeirtjg,  iv$QOog,  xcdXifäoog,  KaX~ 
XiQQoy  immer  mit  der  doppelung,  während  nur  selten  des  metri 
halber  KcdXiQse&Qog  y  xcüÜUQOog,  KoXXiqot]  daneben  stehen;  auch 
hier  könnte  die  doppelung,  da  die  dem  griechischen  (>4<a  entspre- 
chende indische  würzet  sru  ist,  ans  assimilation  hervorgegangen 
sein.  —  Im  anlaut  treten  <jX,  0?,  cq  gar  nicht  auf  nnd  auch  das 
sanskrit  und  lateinische  zeigen  sie  dort  entweder  gar  nicht  oder 
wenigstens  nur  selten;  sn  und  sr  sind  noch  verhältnifsmäfsig  im 
sanskrit  am  häufigsten,   dagegen  zeigen  die  deutschen  sprachen 
zahlreiche  beispiele  aller  drei  Verbindungen.     Man  hat  daher  ge- 
wöhnlich angenommen,  dafs  das  s  hier  kein  ursprungliches  sei, 
was  schwerlich  in  den   meisten   fällen  richtig  .ist;    freilich  fehlt 
der  beweis  dafür,  dafs  goth.  snaivs,  ahd.  sneo  gegenöber  dem 
griech.  viya,  vicpdg,  lat.  nix,  nivis  die  ursprünglichere  form  sei, 
aber  bei  ahd.  snor,   skr.  snushä  stimmen  schon  diese  beiden 
sprachen  gegenüber  dem  griech.  wog,  lat.  nurus  in  dem  anlau- 
tenden 0  überein;  dafs  auch  das  griechische  einst  diesen  anlaut 
hatte  zeigt  ivvvog,  welches  uns  Pollux  erhalten  hat  und  offenbar 
für  iawog  steht;  die  scharfe  ausspräche  des  0  hatte   ein  e  her- 
beigezogen, wie  wir  es  in  den  romanischen  sprachen  zahlreich 
bei  mit  s  anlautender  consonanz  (espada,  epee  u.  s.  w.)  finden. 

In  auffallendem  gegensatz  zu  der  eben  besprochenen  abnei- 
gung  des  griechischen  gegen  eine  Verbindung  des  0  mit  folgen- 


264  Kuhn 

dem  A,  ?,  q  steht  das  häufige  auftreten  von  <x/k,  denn  sowohl  in 
der  verbal-  ab  in  der  nominalbiidung  sehen  wir  es  erscheinen 
und  sogar  in  Allen,  wo  es  in  dem  verbalthema  nicht  vorhanden 
ist,  wie  z.  b.  in  neyaafAcu  und  anderen  formen. 

Was  zunächst  den  laut  dieses  a  betrifft,  so  ist  zu  bemerken, 
dafs  er  nach  analogie  der  Verwandlung  von  x  nnd  %  in  y  vor  den 
mit  n  beginnenden  endungen  des  perf.  pass.  als  der  weiche  laut,  die 
zischende  media,  von  dem  oben  II.  p.  128  gesprochen  wurde,  an* 
zusehen  ist;  aus  diesem  gründe  ist  es  dann  aber  auch  erklärlich, 
dafs  er  geblieben  ist  und  die  grofse  zahl  der  bildungen,  in  denen 
(J  vor  ft  aus  ursprünglichem  dental  entstand,  lassen  es  dann  auch 
weniger  auffällig  erscheinen,  dafs  zuweilen  sogar  statt  eines  ans 
v  zu  erwartenden  \k  vor  p  formen  mit  <r  wie  mq>*o/MU  u.  a.  er- 
scheinen. Dergleichen  formen  sind  der  analogie  anderer  ablei- 
tungen  von  verbis  auf  v<o  gefolgt,  wie  z.  b.  Herod.  2.  39.  daa»pf. 
pass.  aeaijfiaapcu  hat,  wo  sich  das  a  aus  dem  r  des  alten  Stam- 
mes erklärt,  wie  ja  vielfältig  bei  den  mit  dem  suffix  mant  ge- 
bildeten stammen  und  ihren  ableitungen  die  formen  mit  par, 
par  und  fiov  neben  einander  herlaufen.  Wenn  dagegen  auch  die- 
jenigen verba,  welche  wie  reXeco  ursprüngliche  denominativa  von 
substantivis  auf  og  sind,  das  a  im  perf.  pass.  vor  dem  p  bewah- 
ren, während  sie  es,  im  falle  es  einfach  stand,  zwischen  .zwei 
vocalen]  aufgegeben  haben,  so  möchte  dies  für  die  oben  II.  p.  128 
aufgestellte  annähme  sprechen,  dafs  das  <x  zuweilen  auch  bereits  in 
alter  zeit  den  weichen  laut  angenommen  habe,  denn  es  zeigen  sich 
andererseits  erscheinungen,  die  beweisen,  dafs  dasselbe  sowohl  an- 
al* inlautend  auch  vor  p  geschwunden  ist  und  somit  den  schar- 
fen, allmählig  in  den  einfachen  hauch  übergehenden  laut  gehabt 
nahen  mufe. 

Zunächst  steht  eine  anzahl  von  bildungen  in  den  verschie- 
denen dialecten  neben  einauder,  von  denen  die  einen  mit  oyt,  und 
zwar  vorzugsweise  im  attischen  dialekt  anlauten,  die  andern  das- 
selbe aufgegeben  haben,  es  sind  dies  apaQayva,  fiaQayva  —  <J/*o- 
QCtuaco,  ftaQacam  —  <W£*/$,  MQiy%  —  afiiJQtv&og,  ptJQir&og  — 

CfllXQOg,   fUXQÖg  GfAMQOTTjg,   fllXQOTtjg  ÖfJUXQVVm,   IMXQVVG)  — 

<7fiiXa£,  iuka%  —  CfwytQog  apofBQog,  poyeQog  —  aiw(>vat  fWQ^a 
—  afiOiögf  porig  —  <r/w£aw,  fw^mv  —  apvQaiva,  fUQcaira  — 
apvQiZo),  pvQitco.  Hierzu  stellt  sich  ferner  petdaa»,  psiduia*,  wel- 
ches bereits  von  Bopp  im  gloss.  mit  skr.  smi,  ahd.  smilan,  e. 
smile  zusammengestellt  ist;  die  zu  psiddw  gehörigen  formen 
fieikog,  [itiXipog,  petlixog,  fcerJUgio?  sowie  das  neben  mhd.  smie- 


über  das  alte  S  u.  einige  damit  verbundene  lautentwickelungen.  205 

len  stehenden  smieren  (in  gleicher  bedeatong)  machen  die  all* 
gemeine  erweiterang  der  wnrzel  durch  ursprüngliches  d,  wie  sie 
im  griechischen  auftritt,  das  in  1  und  r  fiberging,  wahrscheinlich, 
wodurch  auchBopp's  Zusammenstellung  mit  lateinischem  miror 
an  bestätigung  gewinnt.  Wenn  er  dagegen  das  1  der  deut- 
schen stamme  aus  dem  y  der  indischen  präsensform  smayämi 
erklären  will,  so  kann  ich  ihm  darin  nicht  beistimmen.  Er  stützt 
sich  zwar  dabei  auf  das  verbältnils  von  skr.  yakrt  zu  ahd.  ie- 
bar,  allein  dieser  Wechsel  von  d,  y  und  1  scheint  mir  unmittel- 
bar nicht  gut  möglich :  yakrt  möchte  vielmehr  wie  auch  andre 
mit  ya  anlautende  stamme  und  wurzeln  im  sanskrit  ursprüngli- 
ches da  im  anlaut  gehabt  haben:  man  vergleiche  namentlich 
sanskr.  ya$as  neben  da$asyati,  diyasyati  und  lateinisch  de- 
cus.  Ein  letzter  rest  des  ursprünglich  anlautenden  a  in  fieidd<o 
möchte  noch  das  doppelte  fi  in  cptXofifieidijc  sein,  denn  wenn 
auch  die  doppelung  der  liquidae  in  einzelnen  Allen  auftritt,  wo 
an  keine  assimilation  zu  denken  ist,  so  bleibt  sie  doch  immer 
nur  auf  bestimmte  themen  beschränkt  und  ist  bei  einzelnen,  wie 
z.  b.  bei  «Wen«  entschieden  als  assimilation  nachzuweisen,  vergl. 
Mehlhorn  gr.  gr.  §  71.  —  Eine  zweite  hierhergehörige  wurzel, 
die  das  anlautende  c  verloren  hat,  ist  fUQ  in  peQfieQa,  (idQipvcL> 
l&(>fU(>i£<o,  iaoqtvq  u.  8.  w.,  welche  bereits  von  Bopp  (gloss.)  Pott 
etym;  forsch.  1.225.,  Benfey  gr.  wl.  IL  39.  mit  skr.  smr  sich 
erinnern,  sinnen  zusammengestellt  sind.  Andere  beispiele  eines 
bereits  frühzeitig  im  anlaut  vor  p  gewichenen  c  werden  sich 
vielleicht  noch  aus  einer  genaueren  vergleichung  griechischer  und 
deutscher  stamme  gewinnen  lassen;  denn  im  sanskrit  ist  anlau- 
tendes sm  selten  und  im  lateinischen  fehlt  es  ganz. 

Gehen  wir  zum  inlaut  über,  so  treten  uns  hier  mehrere  falle 
entgegen,  in  denen  <r  vor  p  verwandelt  oder  geschwunden  ist. 
Ahrens  hat  bereits  (diall.  I.  p.  51.)  diejenigen  zusammengestellt,  in 
vf eichen  a  dem  folgenden  p  assimilirt  ist,  es  sind  Ippi  =  aipi, 
iwurai  =  eheu,  i^Moe  =  aipcfoff,  l^fia  =  elpa,  %qi^a  = 
ZQicrpa,  %QW<*~>  appeg  =  ijpeis,  vpiug  =  v/uig.  Was  den  laut- 
abergang  selbst  betrifft,  so  ist  auch  hier  zunächst  ein  wandel  zum 
starken  hauche  und  dann  eintretende  assimilation    anzunehmen, 

'  aber  es  fällt  sogleich  auf,  dafs  während  icfd  unerträglich  schien 
und  in  ififAi,  eipi  überging,  der  plural  sVrpsV  beslehen  blieb,  und 

%  doch  auch  wieder  dieselbe  person  im  impf,  das  a  abwarf  — i^w. 
—  wie  auch  der  dorische  inf.  tjtiev,  l\yaq  dasselbe  verlor,  den 
ausfall  aber  durch  längung  des  vocals  ersetzte,  wie  in  lacon.  WV* 


266  Kuhn 

elfia  st.  ßiayMy  vgl.  lacon.  nrjQecporsia  st.  negasydrsia  (Ahrens 
diall.  H.  112.*).  Wie  es  scheint,  beruht  dieser  gegensatz  von  eipi 
zu  iofiiv  in  einer  wahrscheinlich  älteren  verschiedenen  accentua- 
tion  beider,  denn  im  sanskrit  hat  asmi  den  acut  auf  der  ersten 
silbe,  während  das  verkürzte  smas,  ved.  smasi  denselben  accent 
auf  dem  a  hat,  aber  auch  in  seiner  volleren,  nicht  mehr  vorhan- 
denen form  asmas,  den  regeln  seiner  conjugationsklasse  gemäfs, 
den  acut  auf  der  endung  haben  würde.  Diese  vermuthung  ge- 
winnt um  so  mehr  an  Wahrscheinlichkeit,  als  noch  die  3.  sg. 
den  ursprünglichen  accent  &m  =z  skr.  dsti  bei  intensiver  bedeu- 
tung,  sobald  es  nicht  biofse  copula  ist,  bewahrt  hat.  Ferner  steht 
diesem  vorausgesetzten  properispomenon  elpi  st.  eipi  das  in  glei- 
cher weise  sich  entwickelnde  elfia  zur  seile,  welches  äolisch  epfut 
lantet  und  auf  älteres  ^fapa  =  skr.  v  äs  man  (RV.  3.  5.  13.  4.) 
zurückgeht;  diesem  schliefsen  sich  ippevog,  etpevog  sowie  mit 
gleichem  Übergang  vor  v  emfii  und  siwfii  an.  Bei  dieser  gele- 
genheit  entsteht  die  frage,  ob  das  sich  an  der  stelle  des  ursprüng- 
lichen er  zeigende  i  ein  allgemeines  ersatzmittel  auch  für  den  aus- 
fall  anderer  consonanten  sei  oder  ob  es  hier  specteil  einen  aus 
dem  <r  entwickelten  laut,  nämlich  jenen  starken  hauch  vertrete 
und  sich  aus  ihm  unmittelbar  hervorgebildet  habe. 

Auf  den  ersten  blick  könnte  es  den  anschein  gewinnen,  als 
sei  das  *  nicht  auf  die  letztere  art  entstanden,  da  es  sich  auch 
in  fällen  zeigt,  wo  ursprüngliches  digamma  gewesen  sein  mufs, 
wie  in  dWa>,  xaioo,  xAaia»,  xXsloo  (rühmen),  %d<Q  (gsa))?  allein 
eine  unmittelbare  ent Wickelung  aus  dafco  oder  dwifo  u.  s.  w.  zu 
daioo  scheint  mir  physiologisch  unmöglich  und  es  möchte  richti- 
ger sein,  den  Übergang  von  dopco  zu  dahoo  zu  setzen  und  dann 
haben  wir  dasselbe  lautverhältnifs,  welches  wir  beim  eintritt  des 
<  für  ursprüngliches  <r  voraussetzen*).  Eine  solche  annähme  fin- 
det aber  ihre  Unterstützung  durch  zwei  gründe;  einmal  sahen 
wir  nämlich  (oben  p.  132 — 34),  dafs  das  einfache  digamma  im 
anlaut  zwar  gewöhnlich  ohne  ersatz  ausfällt,  zuweilen  aber  auch 


*)  In  einzelnen  fällen  mochte  übrigens  auch  der  präsensstamm  der 
obengenannten  verba  ein  y  als  characteristicum  haben,,  so  dafs  das  t 
auch  daraus  erklart  werden  könnte.  Wenigstens  tritt  bei  einem  nomi- 
nalstamme, nämlich  bei  v4o^  vtloq  die  möglichkeit  dieser  erklärang  ein, 
•da  sich  im  älteren  sanskrit  sowohl  na>a  als  ntfvya  in  gleicher  be- 
deutuDg  finden. 


ober  das  alte  S  u.  einige  damit  verbundene  lantentwickelongen.  267 

durch  den  spiritus  aaper  ersetzt  wird,  daraus  ergiebt  sich  aber, 
daß  es  wenigstens  in  einzelnen  fällen  wirklich  in  den  starken 
hauch  überging  und  es  ist  wohl  nicht  zu  viel  gewagt,  diesen 
ubergang  für  die  ältere  zeit  auch  im  allgemeinen  anzunehmen 
und  dafs  sich  daher  das  sich  in  diesen  fällen  vorzugsweise  nur 
noch  in  der  epischen  spräche  findende  *  schreibe.  Zweitens  aber 
tritt  das  digamma  auch  im  dorischen  bei  £§  (Ahrens  diall.  IL  p.  43.) 
und  seinen  compositis  auf,  wo  die  verwandten  sprachen  einen 
Zischlaut  an  seiner  stelle  aufweisen }  indefs  könnte  dies  digamma 
der  rest  eines  ursprünglichen  v  in  dieser  zahl  sein,  den  wenig- 
stens das  zendische  csvas  (Bopp  vgl.  gr.  p.  443)  in  abweichung 
von  allen  übrigen  indogermanischen  sprachen  aufweist,  wonach 
was  Abrens  a.  a.  o.  sagt  zu  berichtigen  ist;  allein  auch  opog  zeigt 
ein  digamma  (vgl.  Pott  etyin»  forsch.  I.  129.)  und  dies  wird  man 
schwerlich  von  skr.  sama  trennen  können;  ebenso  erscheint  in 
einer  neuerlich  aufgefundenen  Inschrift  der  genitiv  auf  ao  mit 
demselben,  und  Aufrecht's  in  dieser  Zeitschrift  I.  121  geäußerte 
ansieht  über  die  bildung  desselben,  wonach  der  nackte  stamm 
des  reflexive  sva  ohne  irgend  ein  flexionszeichen  angetreten  sein 
soll  (man  dürfte  etwa  *  aus  neutralem  m  wie  in  skr.  as mitkam 
erwarten)  scheint  mir  doch  zu  gewagt,  um  nicht  lieber  bei  Bopp's 
annähme,  dafs  auch  diese  genitivform  aus  altem  asya  hervorge- 
gangen sei,  stehen  zu  bleiben,  so  dafs  wir  auch  hier  digamma 
statt  eines  alten  s  oder  vielmehr  statt  seines  Stellvertreters  des  h 
hätten.  Dazu  kommt  dann  die  nachricht  des  Priscian  und  Me- 
lanoms, dafs  die  Aeoler  überall  digamma  an  die  stelle  des  Spiri- 
tus asper  hätten  treten  lassen  (Ahrens  diall.  I.  p.  30.),  welche, 
so  unrichtig  sie  an  und  für  sich  sein  mag,  doch  die  nahe  Ver- 
wandtschaft beider  laute  zeigt  und  somit  auch  die  umgekehrte 
entwickelung  des  Spiritus  asper  aus  digamma  wahrscheinlich  macht. 
Dafs  aber  in  den  von  den  grammatikern  mit  digamma  aufgeführ- 
ten Wörtern  einzelne  wirklich  dessen  Ursprung  einem  vorange- 
gangenen, inlautenden  spiritus  asper  verdanken,  zeigt  das  äolische 
(pavog,  pamphylisch  (pdßog  dem  skr.  bhasas  zur  seite  steht; 
äol.  ävwg,  lak.  dßoig  f.  rjoig,  lag  ist  aber  schwerlich  hierher  zu 
rechnen,  da  lat.  aurora  wahrscheinlich  macht,  dafs  sich  das  an- 
lautende digamma  vocalisirt  und  umgestellt  habe,  somit  skr.  ush- 
as  ebenso  aus  älterem  *vasas  hervorgegangen  sei,  wie  uväca 
ans  noch  in  den  Veden  vorhandenem  vaväca.  —  Diese  gründe 
sind,  wie  ich  glaube,  ausreichend,  um  die  entwicklung  eines  * 


268  Krim 

im  inlaut  digammirter  Wörter  aus  vorangegangenem  spiritus  aaper 
wahrscheinlich  zu  machen  und  damit  erledigt  sich  denn  auch  die 
oben  gestellte  frage  dahin,  dafe  dasselbe  mit  gleicher  Wahrschein- 
lichkeit für  i  an  der  stelle  eines  alten  <r  anzunehmen  sei,  dats 
mithin  z.  b.  elpa  für  ein  vorangegangenes  ahfia  stehe,  ebenso  wie 
sich  ippa  ans  ihfia  assimilirt  habe,  wobei  anzunehmen  setD 
durfte,  dab  dieser  inlautende  spiritns  einen  wo  nicht  gleichen 
doch  sehr  ähnlichen  laut  wie  unser  palatales  ch  in  ich,  sich 
gehabt  habe.  Bei  mehreren  Wörtern,  deren  wurael  oder  stamm 
unzweifelhaft  ein  ursprüngliches  tr  zeigt,  mnüs  es  übrigens  dahin 
gestellt  bleiben,  ob  das  *  ans  tr  oder  einem  etwa  noch  hinter  die- 
sem folgenden  i  hervorgegangen  sei,  solche  sind  namentlich  iqbmh, 
tqim;  £tM>,  £*o>,  deren  wurzeln  sich  im  sanskrit  bald  nach  der 
vierten  (trasyati),  bald  nach  der  ersten  conjogationsclasse  (trasati) 
flectirt  finden  ;  dasselbe  gilt  für  XiXcuopai,  insofern  die  bereits 
von  Pott  (etym.  forsch.  I.  271.  II.  75.)  damit  verglichene  sanskrit- 
wnrzel  lash  wünschen,  begehren,  bald  lashati,  bald  lashyati  bil- 
det Das  ursprünglichere  s  dieser  wurael  ist  übrigens  in  dem  in- 
tensiven l&lasa  ardent  desire;  regret,  sorrow,  missing,  wishing 
for  any  person  or  objeet  absent;  soliciting,  asking;  the  longing 
of  pregnant  women  erhalten;  unser  last,  gelüste,  goth.  lustus, 
ahd.  Ins  ton,  ags.  lystan  gehören  derselben  würzet  an;  Grimm 
stellt  sie  unter  no.  254  zu  altn.  liosta  ferire,  tundere.  Ebenso 
zweifelhaft  bleibt  der  Ursprung  des  1  in  öaia  theile,  pafopot, 
rai<o,  (pQein  (i^ecpQBtOfuv)  so  lange  ihnen  keine  sichere  Verwandt- 
schaft nachgewiesen  ist;  in  den  sich  ab  denominativa  kundgehen- 
den ieleia>,  veixeiu,  pags/opai,  dxelopai,  xeQcua,  xsdcuo)  wird  das 
1  ebensowohl  auf  rechnung  des  <y,  als  des  einst  dahinter  vorhan- 
denen y  zn  schreiben  sein,  für  dessen  dasein  die  analogie  zahl- 
reicher vedischer  denominativa  spricht,  denn  teleiw  ist  aus  dem 
neutrum  rskog  auf  dieselbe  weise  gebildet  wie  tapasyämi  aus  dem 
neutrum  tapas.  Dagegen  tritt  es  unzweifelhaft  an  der  stelle  eines 
alten  0  auf  in  eiarog,  wobei  beachtung  verdient,  dafs  das  wort 
mit  1  immer  Substantiv  ist,  also  dem  skr.  vasana  mit  dem  accent 
auf  der  ersten  entspricht,  während  iavog  als  adjeetiv  desselben 
entbehrt,  was  dafür  sprechen  möchte,  dafo  auch  üatog  einst  pro- 
paroxytonon  war  und  der  accent  so  das  aus  h  für  a  entstandene 
*  geschützt  hat;  ebenso  zeigt  es  sich  in  sIoq  =  cdfia  (vgl.  oben 
p.  136.)  so  wie  in  elaQ,  bolq  ver  (vgl.  I.  p.  378.),  im  pf.  med.  von 
Irpvfu  ist  es  beim  simplex  überall  durchgedrungen,  dagegen  ist 


über  das  alte  S  n.  einige  damit  verbundene  laotentwiclcelangen.  299 

im  compositum  ffpawapat  das  <x  geblieben;  eine  sg.  des  plusquam- 
perfectum  8optj*y  welche  Kühner  anfuhrt,  existirt  nicht,  dagegen 
sind  2.  u.  3.  sg.  foffo,  icto  regelrecht,  in  der  3.  plur.  ilaro  aber 
tritt  wieder  i  ein,  desgleichen  in  eiaxcu,  elato  von  tj/acu  (^crnu 
=  skr.  Aste)  in  welchen  formen  zugleich  die  Verkürzung  des 
wurzelvocals  aus  9  in  s  beachtung  verdient,  denn  stara«,  eorai 
verhält  sich  gerade  so  zu  äsate  wie  elog,  img  zu  yävat,  woraus 
unsere  obige  annähme,  dafs  auch  digamma  in  h  übergegangen  sei, 
und  dies  sich  in  i  vocalisirt  habe,  weitere  bestätigung  gewinnt, 
si  ist  eben  in  beiden  fällen  aus  <h  hervorgegangen;  die  Schwä- 
chung des  langen  vocals  ä  zu  e  hat  einigermafsen  analogie  an 
dem  gothischen  ai  vor  h,  das  aus  a  hervorgegangen  ist;  von  dem 
spiritus  asper  in  elataiy  der  gleich  besprochen  werden  soll,  möge 
man  einstweilen  noch  absehn.  In  einigen  flllen  steht  das  i  an 
der  stelle  eines  zungenbuchstabs,  dessen  Übergang  in  <x  und  von 
da  in  der  besprochenen  weise  zu  i  anzunehmen  ist,  solche  sind 
«rb.  xattvfiai  aus  Wurzel  xad  und  eltra  für  id-aa.  —  Wir  keh- 
ren nach  dieser  abschweifung  zur  betrachtung  von  op  im  inlaut 
zurück. 

Hier  kommen  zunächst  noch  einige  fälle  zur  erörterung,  in 
denen  a  vor  p- gleichfalls  ausgefallen,  dafür  aber  der  vorange- 
hende vocal  verlängert  ist,  so  erscheinen  namentlich  qpeig,  vp$tg 
gegenüber  dem  skr.  asme,  yushme,  während  in  den  äolischen 
formen  apps?,  vpfug  das  erste  p  auf  dieselbe  weise  durch  assi- 
milation  entstanden  ist,  wie  in  Ifi/u  für  altes  iöfit.  Was  nun 
das  auftreten  des  spiritus  asper  in  fjfietg  und  vpeig  betrifft,  so 
hat  man  ihn  im  enteren  falle  bisher  gewöhnlich  als  einen  unor- 
ganischen zusatz  erklärt,  im  letzteren  dagegen  ihn  aus  dem  skr. 
y  entstanden  angesehen.  Hat  gleich  das  letztere  weniger  beden- 
ken, da  ich  auch  der  ansieht  bin,  dafs  zuweilen  skr.  y  durch 
ihn  im  griechischen  vertreten  werde,  obwohl  in  neuerer  zeit 
manche  zweifei  dagegen  erhoben  sind,  so  ist  es  doch  gerade  in 
diesem  falle  auffällig,  dafs  der  äolische  dialekt  denselben  in  äppeg 
nicht  zeigt,  während  er  ihn  doch  im  relativ,  in  äyvog  (wurzel 
yaj)  sowie  in  cJoa  (gojth.  je>)  vgl.  Ahrens  diall.  I.  p.  24.  25.  be- 
wahrt hat.  Dazu  kommt  ferner  die  annähme  des  spiritus  asper 
als  unorganischen  Zusatzes  jn  w*ei;,  denn  eine  solche  darf  man 
nur,  wenn  gar  kein  anderer  ausweg  bleibt,  zulassen.  Ich  glaube 
daher,  dafs  der  spiritus  asper  in  beiden  fällen  eine  durchaus  or- 
ganische entwicklang  sei,  dafs  er  nämlich  aus  dem  a  von  dcfiW, 


£70  Kuhn 

vopeeg  durch  spiration  entstanden  and  diese  so  entstandene  Spi- 
rans durch  metathesis  in  den  anlant  getreten  sei,  welche  dann 
zugleich  die  längung  des  vocals  herbeigeführt  habe*).  Ich  nehme 
also  für  dapeegy  vapBeg  die  entwicklung  zu  ahpeeg,  vhpeeg  and 
von  da  zu  jjpeig,  vpeig  an.  Diese  auffassung  findet  ihre  stütze 
noch  in  anderen  erscheinungen  des  griechischen,  wohin  zunächst 
auch  die  bereits  I.  p.  185.  186.  besprochene  gehört,  dafs  eine  in- 
lautende spirans  oder  aspirata  ihren  hauch  auf  den  anlant  über- 
trägt, worauf  entere  ausfällt,  die  letztere  dagegen  sich  zur  me- 
dia* oder  tenuis  wandelt.  Näher  aber  an  unseren  fall  rückt  schon, 
wenn  wir  im  boötischen  iofp  =  iyciv  (Ahrens  diall.  1.  168.  206.) 
sowie  in  aiqito  statt  des  äolisch- dorischen  ayqito  (Ahrens  diall. 
2.  112.)  an  die  stelle  der  inlautenden  media  den  anlautenden  Spi- 
ritus asper  treten  sehen,  wobei  im  letzten  beispiel  wieder  das 
nach  unserer  annähme  ans  inlautendem  h  sich  entwickelnde  i  auf- 
tritt. Betrachten  wir  zunächst  ta>y,  so  hat  Ahrens  (diall.  I.  § 
45.  1.)  zweifei  an  der  richtigkeit  des  überlieferten  spiritus  aspet» 
ausgesprochen,  die  mir  aber  nicht  gegründet  scheinen,  da  Apollo- 
niüs  an  der  von  ihm  citirten  stelle  ausdrücklich  sagt:  cüÜLa  py* 
xcu  idaavrfh],  itrei  daavvetai  rä  yurtferra  iv  talg  drrmrvpiaig, 
ore  nqo  g^oo^eWojy  ri&evrai,  sog,  eovf  iarr<p,  ictvtbv,  ioi  x.  r.  X. 
Die  thatsache,  welche  Apollonius  hier  anführt,  fallt  noch  nicht 
mit  der  angäbe  seines  falschen  grundes,  sondern  er  suchte  nur 
die  ihm  unerklärliche  in  die  analogie  anderer  Dille  zu  bringen. 
Steht  demnach  diese  thatsache  fest,  so  fragt  sich  wie  das  verhält- 
nifs  von  icip  zu  iyc&v  aufzufassen  sei.  Hier  ist  zu  bemerken, 
dafs  griechisches  y  mehrmals  indischem  h  und  gh  zur  seite  steht, 
wie  piyag,  mahät,  yd,  gha,  ys'rvg,  hanu,  iyyvg,  anhd  zeigen,  und 
es  fragt  sich  ob  hier  die  skr.  aspirata  oder  die  griechische  media 
das  ältere  sei,  da  für  letzteres  die  regelrechte  herabsenkung  znr 
gothischen  tenuis  in  mikils,  kinnus,  für  ersteres  die  gothische 
media  in  aggvus  spricht,  dem  doch  aber  auch  latein.  angustus 
gleichfalls  mit  der  media  zur  seite  steht,  während  auch  das  zum 
selben  stamme  gehörige  ay%i  die  aspirata  hat.    Bei  der  geringen 


')  In  ähnlicher  weise  bildet  das  praJcrit  seinen  plaralis  der  ersten 
and  zweiten  person  in  amhe  and  tumhe,'wo  das  aas  8  entwickelte  h 
statt  in  den  anlant  hinter  das  m  getreten  ist,  tumhe  aber  noch  aufser- 
dem  in  dem  anlautenden  t  vielleicht  den  ursprünglichen  charakter  die- 
ses pronomens  erhalten,  wo  nicht,  ihn  aufs  neue  prodacirt  hat. 


ober  das  alle  S  u.  einige  damit  verbundene  laotenlwickelangen.  271 

zahl  der  hier  gegebenen  beispiele  möchte  deshalb  die  entscheid 
düng  für  das  eine  oder  andere  mifslich  sein  und  derselbe  fall 
tritt  für  das  pronomen  erster  person  ein,  wo  neben  dem  griech. 
iycS  einerseits*  latein.  ego,  goth.  ik9  dagegen  skr.  ah  am,  send, 
azem,  altsl.  az,  litt,  asz  mit  einer  spirans  stehen.  Wie  aber 
auch  das  verhältnifs  sein,  ob  der  stamm  ah,  oder  der  stamm  ag 
der  ältere  sein  möge,  die  form  iciv  ist  jedenfalls  nur  erklärbar 
durch  ein  vorangegangenes  iW*)  und  diese  inlautende  spirans 
h  ist  entweder  anlautend  geworden  oder  auch  »spurlos  ausgefal- 
len, wie  das  aristophanische  ico  (Acharn.  864)  und  im  Etym.  Af. 
sich  findende  icivya  zeigt  (Ahrens.  diaU.  L  p.  206).  Was  aber 
das  verhältnifs  von  cuqbm  zu  ayqiao  betrifft,  so  muis  man  aller- 
dings zugeben,  dafs  beide  vielleicht  nur  gleiche  bedeutung  haben, 
in  ihrem  Ursprung  aber  verschiedene  Wörter  sind,  da  die  annähme, 
dafs  aiqito  mit  skr.  hr,  nehmen,  identisch  sei,  mancherlei  ein- 
wendungen  zuläfst,  weshalb  wir  es  hier  ununtersucht  lassen  wol- 
len und  andere  sicherere  Wörter,  die  für  unsere  annähme  spre- 
chen, betrachten  wollen.  Dahin  gehört  zunächst  Innog;  das  skr. 
a$va  zeigt  bereits  den  erweichten  guttural,  oder  genauer  die  pa- 
latale  spirans  an  seiner  stelle  und  das  zendische  a$pa  hat  dann 
auch  die  labiale  spirans  in  die  tenuis  übertreten  lassen;  nun  scheint 
es  mir  kaum  anders  möglich,  als  dafs  auch  im  griechischen  einst 
dem  späteren  Innog  ein  frohes  ihnog  vorangegangen  sei  und  dafs 
dies  mit  doppelter  Vertretung  des  h  in  Innog  fibergegangen  sei, 
weshalb  denn  auch  das  dialektische  ixxog,  da  es  aus  ixjrog  durch 
assunilatio*  entstanden  ist  den  Spiritus  asper  nicht  zeigt.  Eine 
ähnliche  doppelvertretung  des  inlautenden  h,  wie  sie  sich  hier 
zeigt,  sahen  wir  aber  auch  oben  bei  rjfMig  und  vpsig,  wo  die 
länge  des  vocals  als  ersatz  des  ausgefallenen  h  auftrat,  dasselbe 
sich  aber  dennoch  als  spiritus  asper  in  den  anlaut  gerettet  hatte. 
Man  könnte  gegen  die  hier  aufgestellte  ansieht  vom  Ur- 
sprünge der  form  Innog  einwenden,  dafs  bisher  das  einstige  Vor- 
handensein eines  dem  skr.  c  gleichen  oder  ähnlichen  lauts  im  griech. 
nicht  nachgewiesen  sei,  dagegen  an  der  stelle  desselben  meist 
griech.  x  sich  finde,  wie  z.  b.  in  vixvg  gegen  nag.  Ohne  hier  aus- 
führlicher auf  die  Vertretung  von  skr.  c.  im  griechischen  einsu- 
gehn.  will  ich  indefs  doch  einige  formen  anfuhren,  welche  dafür 


*)  in  gleicher  weise  ist  novppa  tf  xijq  **<v<K  nvyfttf  flesych.   aas 
xovhfta  durch  assimilaüon  za  erklären;  vgl.  Ahr.  diaU.  II.  102. 


272  Kuhn 

sprechen,  dafs  auch  das  griechische  in  älterer  zeit  jene  palatale 
erweichung  der  gutturalen  tenuis  gekannt  haben  müsse.    Bereits 
oben  habe  ich  die  Übereinstimmung  von  sanskr.  (inj  mitgriech. 
<iifa>  nachgewiesen,  wo  aber  auch  die  deutschen  sprachen  ein  s 
im  anlaut  zeigten,  so  dafs  es  zweifelhaft  sein  kann,  ob  das  c.  der 
indischen  wurzel  nicht  vielleicht  erst  aus  dem  dentalen  s  entstan- 
den sei.    In  der  Verwandlung  der  themen  mit  x,  %  und  einem 
folgenden  1  (y)  zu  <x<x  dagegen,  wie  &mQy<saa>  von  &<oQr]Z  (-pipc), 
raQaaaoa  von  ragaffl,    iJggoov  (fjxi<?rog),    yXvGGwv  von  yXvxvg, 
nacGvn  von  naxvg,  iXdatrwv  von  iXcyvg  haben  wir  den  deutli- 
chen beweis,  dafs  hier  in  filterer  zeit  zunächst  eine  assimilation 
der  gutturale  an  das  palatale  y  statt  gefunden  habe  und  erst  ans 
dieser  etwa  durch  fj  auszudrückenden  form  kann  sich  die  mit 
dem  doppelten  dentalen  a  entwickelt  haben.    Daus  aber  der  vor 
y  stehende  guttural  wahrscheinlich  in  %  übergegangen  sei,  zeigt 
sich  auch  darin,  dafs  stammhaftes  x  zuweilen  in  %  übergeht,  so 
steht  ivvi%iog  neben  w£  (n/xr)  wie  skr.  nig,  nigä  die  nacht 
(Pan.  6.  1.  63.)  neben  dem  volleren  stamm  nakt  und  naktä, 
ferner  Xv%vo$  neben  htxSqxog,  dfxcpiXvxrj  u.  s.  w.,  Xsvxog  und  skr. 
ruc  leuchten  neben  ruc.at  leuchtend,  ebenso  entspricht  wie  ich 
glaube  griech.  i^ffi  (VZ0*)  Senüu  dem  skr.  aca  die  himmelsgegend. 
Die  Vermittlung  der  begriffe  ergiebt  sich  aus  der  deutschen  my- 
thologie;  Grimm  hat  (myth.  p.  421)  gezeigt,  daüs  das  echo  alt- 
nordisch dvergmäl  (sermo  nanorum)  heifse,   nun  finden  sich 
aber  unter  den  im  altnordischen  aufgeführten  zwergnamen  gerade 
die  vier  haupt winde  Austri,  Vestri,  NorBri,  Suöri;  die»  ihnen  bei- 
gelegte spräche,  das  echo,  wurde  daher  zu  einer  bezeichnung  der 
weitgehenden,  in  denen  sie  als  hüter  sausen.    Ein  anderes  bei- 
spiel  der  Vertretung  des  skr.  9  durch  griech.  %  ist  die   wurzel 
nag,   nang,   welcher  mit  dem  Wechsel  von  n  und  1  (wie  ihn 
auch  dXXog,  any£,  &t]Xvg  dhenu  zeigt)  das  griech.  Xay%af&  (Xctx) 
entspricht.    Ebenso  zeigte  ft(5v  in  älterer  zeit  wahrscheinlich  den 
starken  hauch  im  inlaut,  wie  skr.  pagu,  goth.  faihu,  lat  pecu 
wahrscheinlich  machen  und  somit  dieselbe  entwickelung  aus  der 
gutturalen  tenuis,  die  wir  in  den  vorangehenden  beispielen  be- 
sprochen; den  ausfall  derselben  ersetzte  das  00.     Wenn  wir  aber 
XJ  zu  ac  werden  sehen,  wenn  j:  entschieden  zu  h  wurde,   so 
zweifle  ich  auch  nicht,  dafs  dem  skr.  c,v  auch  griechisches  aa 
und  daraus  einfaches  <x  gegenüberstehen  könne.     Einen  solchen 
fall  sehe  ich  in  foog,  welches  ich  dem  sanskr.  vic,va  all,  jeder, 


über  das  alle  S  u.  einige  damit  verbundene  lautentwickelungen.  273 

jeder  vergleiche;  dies  ist  von  vic,  der  stamm,  das  geschlecht,  plur. 
die  menschen  abzuleiten,  vic,va  ist  das  ihnen  zukommeude,  ge- 
meinsame, daher  im  griechischen  worte  der  begriff  der  gleichheit 
und  Ähnlichkeit.  Die  lautverhältnisse  betreffend,  so  wird  das 
einst  anlautende  digamma,  welches  sich  auch  noch  im  epischen 
ei'ffog  als  e  erhalten  hat,  und  im  hesychischen  ßiag,  hcog  ogiflöV 
sldxmveg.  als  ß  bewahrt  ist,  nicht  bezweifelt;  dafs  es  auch  inlau- 
tend ein  solches  hatte,  zeigt  des  Hesychius  glosse  yiayov,  laov; 
Ahrens  erklärt  (diall.  II.  p.  52)  das  in  dieser  und  anderen  glos- 
sen  anlautende  y  als  irrthümlich  durch  ^  entstanden,  worin  ich 
ihm  beistimme,  nur  sehe  ich  anch  das  zweite  y  als  auf  dieselbe 
weise  entstanden  an  (vgl.  auch  Pott  etym.  forsch.  I.  272)  und 
lese  j:icpov*)\  so  erhalten  wir  eine  fast  genau,  selbst  im  accent 
mit  skr.  vievam  übereinstimmende  form,  zu  der  sich  das  äolische 
iggoq,  das  gewöhnliche  iaog  grade  so  verhält  wie  das  littauische 
vissas,  altsl.  vis?  zu  vigvas,  über  welche  man  Schleicher  (die 
Formenlehre  der  kirchenslawischen  spräche  p.  98)  vergleiche. 

Aber  auch  ein  inlautendes  ay  welches  nicht  in  Verbindung 
mit  andern  consonanten  stand,  sehen  wir  in  gleicher  weise  als 
spiritus  asper  in  ein  paar  Wörtern  in  den  anlaut  treten  und  auch 
hier  ist  ein  Wechsel  desselben  zunächst  mit  h  anzunehmen,  wel- 
ches dann,    da    es  im  inlaut  unerträglich  schien  in   den  anlaut 
rückte;  in  ganz  ähnlicher  weise  sehen  wir  den  anlautenden  Spi- 
ritus aaper  des  Stammes  in  imogxem  in  einigen  füllen  sich  mit 
der  muta  der  praeposition   verbinden  und  sie  zur  aspirata  wan- 
deln in  der  form  iyiOQxea,  welche  von  Ahrens  (diall.  II.  p.  83) 
besprochen  ist;  ihr  zur  seite  stehen  die  oben  (I.  p.  184)  bespro- 
chenen iyiakrrig  und  yidXkca ;  die  hier  gegebene  erklär ung  denke 
ich  genügt,  um  die  vereinzelte  erscheinung,  welche  Ahrens  (a.  a. 
o.)  wunderbar  schien,  aufzuhellen.  —   Solches  in  der  form  des 
spiritus  asper  in  den  anlaut  getretene  a  zeigt  aber  deutlich  ev<u, 
welches  dem  skr.  oshämi  (w.  ush,  lat.  uro)  entspricht;  bei  ihm 
haben  wir  in  dem  von  Poilux  (6.  c.  13  §  91.)  bewahrten  evaava, 
iyxavpara  das  inlautende  a  auch   wirklich  noch  bewahrt.     Ob 
die  bacchischen  zurufe  evoi,  evdv,  eviv  von  derselben  wurzel  stam- 
men, was  das  skr.  adverbium  osham  feurig,  schnell  (Nigh.  2. 15. 


*)  Ahrens  läfet  sich  über  das  zweite  y  nicht  aus];  es  mufsie  ihm  um 
so  rSthselhafter  erscheinen  als  er  (diall.  I.  66.)  Xoaos  aus  .ftfoog  erklärt 
hatte. 

II.    4.  18 


274 


Kuhn 


R.  a.  8.  6.  27.  3)  einigermafsen  wahrscheinlich  macht,  kann  dahin 
gestellt  bleiben,  jedenfalls  hatten  sie  selbst  noch  in  späterer  seit 
oft  den  inlautenden  spiritns  statt  e  nach  lakonischer  weise  (über 
ihn  Ahrens  diali.  II.  §9.),  denn  das  Etym.  M.  sagt  p.  391-   12. 
Eviog  xal  Evtiog  6  JtonHfog,  xal  ro  eig  avtbv  InUp&wm  ev*ot 
xal  wo!  xatä  A&xwag.    Schol.  Dionys.  in  Bekk.  Anecd.  p.  051. 
Tb  tvoT  bHp  aLoymg  öaaeTav  fywaiv  h  r<p    rAsi,   ante   irra, 
ti  ffl  ng  t'nrj  rb  (jyoÖQor  ftrevfxa  roig  ßaxxiaZwaiv  a?f*o£t<r. 
Theogn.  in  Crameri  Anecd.  Vol.  II.  p.  158.  21.  ilcwr^ov^   ya* 
rindig  ij  &tax6qw  vnb  oirov  ovotjg  aloyoi  tylovori  xal  ai  ixqrm- 
ryaeig  avrijg'  dtb  xai  in*  airwr  fo&'  ors  ro  daav  nve&pa   «lo- 
ymg  h  rrj  tyywoji  ovÜLctßrj  ogarat,   dg  f%M  tb  wo!,  evär,  ei'tr. 
Die  thatsache,  dafs  in  diesen  Wörtern  der  inlautende  spiritns   as- 
per stand,  scheint  mir  demnach  festzustehen,  dafs  er  aus  <r  her- 
vorgegangen zeigt  die  stelle  im  Etym.  M.  und  Hesychios  s.  v. 
evaapa,  dracpwnjfjia  evaartxot  xal  ßaxxtxbr  iniy&eypa.  —   Ein 
zweites  der  besprochenen  lant entwickelang  angehöriges  wort  ist 
ItQog,  das  ich  mit  sanskr.  ishira1  zusammenstelle.     Der  eintritt 
des  e  vor  q  erklärt  sich  aus  der  natur  dieses  consonanten,  and 
ebenso  das  dialektisch  statt  desselben  eintretende  a  im  dorischen 
iaQog,  'Idgar  (Ahrens  diali.  II.  p.  37).    Was  aber  die  bedeatung 
betrifft,  so  heifst  ishira"   rege,  rüstig,  stark,  und  in  leQog  hat 
sich  daraus  die  des  göttlichen  und  heiligen  entwickelt,  weil  diese 
begriffe  in  der  das  menschliche  mafs  der  stärke  und  kraft  weit 
überragenden  macht  der  götter  wurzeln.     Wie  UQog  aus  ishira 
entwickelt  sich  unser  heilig,  ahd.  heilag  aus  dem  begriffe  der 
unverletzlichkeit  (goth.  hail,  nord.  heil,  ags.  häl,  ahd.  hail 
saivus,  sanus)  also  gleichfalls  aus  dem  gegensatz  der  menschlichen 
ohnmacht  gegen  die  göttliche  Vollkraft.    Wie  Ugog  aber  nicht 
allein  von  den  göttern  sondern  auch  von  menschen  und  mensch- 
lichen dingen,  die  weit  hervorragen,  gebraucht  wird,   so   wird 
auch  dies  ursprünglich  die  allgemeinere  bedeutung  der  stärke  and 
kraft  gehabt  haben;  das  zeigen  solfehe  Verbindungen  wie   /*£o» 
örgatog,  hgbg  M(pQog9  Uq?j  ig  Trjlepdxoto,  Uqov  fxe'rog  J4lxt*6oto; 
namentlich  dem  letzteren  gleich  ist  ishira  auch  ein  beiwort  zu 
manas,  Nir.  4.  7.  ishirena  temanasa  sutasya  bhaximahi 
mit  starkem  geist  wollen  wir  von  deinem  tränke  geniefsen,  ebenso 
findet  es  sich  aber  auch  grade  als  beiwort  der  götter,  so  ishira 
ädityah  die  starken  Aditya's  (R.  a.  2.  7.  11.  1.),  ishira  devAh 
die  starken  götter  (R.  3.  56.  8.),  ishirah  parijmä  der  starke 


über  das  alte  S  u.  einige  damit  verbundene  lautentwickelungen.  275 

schnelle  umwandler  (d.  i.  Väyu,  der  wind  R.  a.  4. 2. 15.  2),  ishiro 
vätah  der  starke,  schnelle  Väta  (wind  Väj.  S.  18.  41.)  und  wie 
im  Homer  länder  und  städte  ieQcu  heifsen,  so  wird  auch  in  den 
Vedcn  die  erde  ishirä  bhümih  genannt  (R.  a.  3.  2.  2.  4).  Wei- 
teres vordringen  wird  uns  die  begriffliche  Übereinstimmung  bei- 
der Wörter  vielleicht  noch  in  höherem  mafse  zeigen,  sie  dürfte 
aber  auch  jetzt  schon  dem,  welcher  etwa  noch  zweifei  wegen 
des  laut  wechseis  hätte,  genügen  um  die  identität  beider  Wörter 
als  festgestellt  anzusehen. 

Kehren  wir  nach  betrachtung  dieser  verwandten  erschein  un- 
gen  zu  jjpsig  und  vpelg  zurück,  in  denen  wir  den  anlautenden 
spiritus  aus  dem  im  inlaut  ausgefallenen  a  erklärten,  so  stellen 
sich  zu  diesen  der  offenbar  in  gleicher  weise  zu  erklärende  spi- 
ritos  asper  in  ypcUy  den  man,  das  wort  mit  skr.  äs  sitzen  ver- 
gleichend, auch  hier  bisher  als  einen  unorganischen  zasatz  ansah. 
Die  3.  sg  7<xrat,  tjato  könnte  freilich  damit  im  Widerspruch  zu 
stehen  scheinen,  da  sie  neben  dem  spiritus  asper  auch  das  o  zeigt, 
allein  wenn  man  berücksichtigt,  dafs  das  <x  in  allen  übrigen  for- 
men ausgefallen  und  jenen  ersatz  gefunden  hatte,  so  wird  man 
den  spiritus  asper  hier  unbedenklich  durch  die  macht  der  anale- 
gie  der  übrigen  formen  eingedrungen  ansehen  dürfen;  nicht  zu 
übersehen  ist  übrigens  doch  auch,  dafs  im  compositum  xd&qficu 
die  3  sg.  impf,  ixd&qro  neben  ixd&tjaro  lautete,  zu  dessen  bil- 
dung'  doch  aber  auch  das  mißleitete  Sprachgefühl,  welches  gleich- 
sam ein  präsens  xadi'co  setzte,  beigetragen  haben  mag.  —  Endlich 
stelle  ich  noch  das  neuerlich  von  Grimm  besprochene  l(MQog  hier- 
her; es  stimmt  mir  zum  skr.  ishma  m.  frühling,  liebesgolt  (Boeht- 
lingk  Un.  affixe  1.  143.),  indem  diesem,  wie  den  substantivis  auf 
raa  so  häufig,  ein  volleres  suffhc  man  (vgl.  z.  b.  dharman  und 
späteres  dharma  u.  a.)  zugestanden  haben  wird ;  zu  dem  so  vor- 
ausgesetzten ish^man  verhält  sich  aber  IfMQog  gerade  so  wie  tfttag 
zu  fj[A*QO>,  wobei  wir  auf  den  im  zweiten  artikel  besprochenen 
Wechsel  der  stamme  auf  t  und  r,  zugleich  aber  anch  auf  das  von 
Benfey  in  seiner  recension  desselben  (Gott.  gel.  anz.  1852.  stück 
55  u.  56)  beigebrachte,  material,  welches  viele  dankenswerthe  er- 
weiterungen  bringt,  verweisen  können.  Die  länge  des  t  in  IfieQog 
erklärt  sich  auf  dieselbe  weise  wie  das  y  und  v  in  rjfisk  und  vpeig- 

A.  Knhn. 


18* 


276  Steinthal 

II.   Anzeigen. 


Grundrifs  der  grammatik  des  indisch -europaischen 
sprachstammes  von  ffl.  Rapp. 

(Erster  band.    Stattgart  u.  Tübingen.    J.  G  Colta'scher  verlag.    1852. 
Xlls.  und  255  s.  in  8°.) 

«Eine  übersieht»  zu  geben  «über  das  was  der  sprachgeist 
im  ganzen  mit  nnserm  sprachstamme  erstrebte  und  wollte»  (s. 
16),  ist  die  aufgäbe,  welche  sich  der  verf.  gestellt  hat.  Die  lö- 
sung  derselben  ist  naturlich  nicht  möglich  ohne  eine  gewisse  theo- 
rie  über  das  wesen  der  spräche  und  ihre  entwickelungs weise 
überhaupt.  Ja  der  verf.  legt  das  gröfste  gewicht  gerade  auf  seine 
theoretische  ansieht.  -  So  mufs  es  wenigstens  scheinen,  wenn  er 
sagt:  «niemand  wird  aber  meinem  buche  das  zeugnifs  verweigern, 
dafs  hier  wenigstens  eine  ansieht  durchgeführt  ist,  und  das 
ist  vor  der  band  die  hauptsache.»  Die  durchfuhrung  einer  an- 
sieht ist  gewifs  ihr  bester  oder  einzig  wahrer  prüfstein,  doch 
nicht  das  prüfen,  sondern  das  geprüfte,  die  bewährung  desselben, 
ist  die  hauptsache.  So  wollen  wir  denn  den  inhalt  des  vorlie- 
genden buches  darstellen,  und  dürfen  hoffen,  dadurch  des  Verfas- 
sers ansieht  nicht  nur  deutlich  hervortreten,  sondern  auch  ge- 
wissermafsen  sich  selbst  objeetiv  prüfen  zu  lassen.  Wir  werden 
dem  Verfasser  nicht  seite  für  seite  folgen,  sondern  vom  mittel- 
punkte  der  sache  ausgehend',  uns  so  weit  verbreiten  als  nöthig 
scheint,  und  diese  gelegenheit  erlaubt. 

Diesen  mittelpunkt  des  buches  haben  nicht  wir  zu  bestim- 
men, sondern  der  verf.  selbst  bezeichnet  uns  denselben,  und  zwar 
liegt  er  in  folgendem  (s.  17):  «Bopp  nimmt  neben  den  verbal- 
wurzeln besondere  pronominalwurzeln  an,  mir  aber  sind  die  pro- 
nomina  abgerissene  verbal-  und  nominalendungen. M  Dieser  pnnkt 
ist  aber  auch  wirklich  der  angelpunkt  der  grammatik  $  es  han- 
delt sich  hier  um  die  entstehung  der  grammatischen  form  und 
formelemente,  um  alle  lautgebilde,  welche  an  und  neben  der  ver- 
bal- oder  stoffwurzel  erscheinen,  also  auch  die  der  wurzel  zur 
bildung  gewisser  tempora  hinter  angefügten  silben  oder  laute  (s. 
121):  «Jeder  dieser  silben,  sagt  der  verf.,  scheint  in  unsern  spra- 
chen eins  der  ältesten  verba  zu  entsprechen,    und  zwar  verba, 


anzeigen.  277 

welche  immer  sehr  absiracte  begriffe,  wie  sein,  thun,  geheu  u.  s. 
w.  ausdrücken.  Hier  ist  nnn  der  punkt,  wo  die  theoretische 
ansieht  der  sache  in  die  reinen  extreme  auseinander  fuhrt.  Bopp 
oder  die  agglutinationstheorie  sagt  hier,  das  verbum  sein  in  der 
wurzel  as  oder  pa  wird  an  die  verba  gehängt,  um  die  sehwa- 
chen tempora  'zu  bezeichnen.  Gleichwie  Bopp  die  flexion  aus 
einer  angehängten  pronominal  wurzel  erklärt,  mufs  er  also  hier 
verbum  mit  verbum  verbinden..  Meine  theoretische  Hypothese 
über  diesen  punkt  lautet  so:  «Aus  einer  seeundären  flexionsthä- 
tigkeit  des  verbum»  (aus  der  primären  gingen  die  persona lendun- 
gen  und  alles  was  man  starke  flexion  nennt  hervor)  «sind  den 
verbal  wurzeln  diese  derivationselemente  angewachsen,  die  als  ein- 
zelne Wörter  vorher  in  der  spräche  nicht  vorhanden  waren,  so 
wenig  als  die  pronomina,  denn  die  älteste  spräche  nahm  die  no- 
mina  selbst  statt  der  pronomina  und  bedurfte  keiner  abstracten 
verbalformen,  um  die  an  sich  schon  fertige"  (was  heifst  das?) 
«flexionsform  zu  ergänzen.  Was  aber  die  starke  flexion  durch 
reduplication  nicht  mehr  erreichen  konnte,  suchte  die  seeundäre 
bildungskraft  in  diesen  suffixen  zu  fixiren»  (dies  Wortspiel  scheint 
beabsichtigt?).  «Wie  aber  die  flexionsendungen  sich  später  als 
pronomina  von  dem  mutterboden  abgelöst  haben  und  selbständige 
Wörter  wurden,  so  sind  diese  abstracten  verba  sein,  thun,  gehen 
aus  diesen  abgerissenen  sufßxen  erst  hervorgegangen.»  —  Drit- 
tens endlich,  wenn  die  beiden  genannten  punkte  die  eigentlichen 
formelemente,  person  und  teinpus  mit  modus,  betrafen,  ziehen 
wir  nnn  auch  den  namen  selbst  in  betracht  und  unterscheiden 
eine  längere  und  eine  kürzere  form  desselben.  Es  entsteht  zu- 
nächst die  frage,  welche  form  ist  die  ursprüngliche,  xvnx  oder 
zvn.  Wäre  die  längere  form  die  spätere,  so  fragte  sich,  woher 
der  Zuwachs  des  r?  —  Mit  der  betrachtung  dieser  drei  punkte 
wird  die  ansieht  des  Verfassers  hinlänglich  dargelegt  und  geprüft 
werden.     Wir  beginnen  mit  dem  dritten. 

Der  Verfasser  gliedert  den  abschnitt  über  die  flexion  des  ver- 
bum folgendermafsen:  «1)  persona Ibildung;  2)  genusbildung:  ge- 
gensatz  des  verbum  activum,  neutrum  und  passiv  um;  3)  niodus- 
bildung;  4)  tempusbildung. »  Hier  vermifst  man  die  erörterung 
über  die  Verstärkungen  des  Stammes .  und  die  cintheilung  der 
verba  in  conjugationsclassen.  Diese  ist  beim  verf.  unter  4.  mit 
begriffen,  welches  kapitel  folgende  untcrabtheilungen  hat:  «tem- 
pusbildung. Gegensatz  des  präsens,  futur  und  präteritum.    Gegen- 


278  Steinthal 

salz  der  verschiedenen  präteritalformen.  A.  Das  primäre  und  das 
secundäre  verbum.  B.  Reduplication:  Begriff  und  bildung  der- 
selben. C.  Ablaut.  D.  Nasalverhärtung.  E.  Augment.  F.  De- 
rivationssuffixe: Gegensatz  der  primären  und  secundären  verbal- 
bildung.  G.  Flexionsverba.  Sie  sind  abgerissene  flexionselemeole» 
(hier  werden  sie  aber  erst  als  suffixe  betrachtet,  erst  später  in 
der  selbständigen  form;  also:)  «1)  vocalelement  i;  2)  consonant- 
dement  s;  3)  p;  4)  t$  5)  k;  6)  nasalconsonantelement. » 

Aus  dieser  blofsen  inhaltsangabe  geht  schon  hervor,  dafs  der 
verf.  tempusbädung  und  stammbildung  mit  einander- verschmilzt 
und  zwar  so  als  suche  die  spräche  die  tempora  durch  die  mo- 
dificirte  wurzel  zu  bezeichnen.  Hieran  mufs  man  denken,  um 
in  des  Verfassers  disposition  nicht  alle  logik  zu  vermissen.  Tre- 
ten wir  nun  näher. 

S.  109.  «A.  Das  primäre  und  das  secundäre  verbum  . . .  Die 
verbalform  gibt  einerseits  ursprunglich  primäre  verba,  welche 
Grimm  mit  dem  bequemen  namen  der  starken  ausgezeichnet  hat, 
dagegen  aus  den  damit  ebenbürtigen  nominalformen  entwickelt 
sich  durch  Vermittlung  eines  ableitungsvocals  oder  einer  ablei- 
tungssiibe  die  secundäre  verbalform,  welche  bei  Grimm  die  schwa- 
che heifst.  Beide  arten  von  verben  flectiren  nun  mit  denselben 
personalzeichen,  die  schwache  form  aber  ist  ursprunglich  um 
eine,  die  ableitungssilbe,  reicher,  welche  zwischen  wurzel  und 
flexion  inne  steckt.  Die  spräche  hat  aber  überhaupt  dreierlei 
mittel,  um  die  temporalbildnng  auszudrücken.  Das  erste  mittel 
ist  die  reduplication  und  wo  dieselbe  abstirbt,  als  subsidiäre 
bildungsform  der  ablaut;  diefs  ist  die  wesentliche  bildung  der 
primären  flexion.  Dazu  mufs  noch  die  nasalirung  der  wurzel 
als  ein  verhärtungsmittel  angeführt  werden.  Zwischen  primärer 
und  secundärer  flexion  in  der  mitte  steht  das  augment.  Entschie- 
den der  secundären  bildung  angehörig  ist  die  temporal  bildung 
durch  ableitungsconsonantenM  (wie  das  a  des  griech.  aor.  I.,  das 
b  des  lat.  und  das  t  des  deutschen  imperf.),  «die  man  darum 
derivativsuffixe  nennen  kann.»  Dies  ist,  um  es  kurz  zusa- 
gen, eine  Verwirrung  secundärer  temporalbildung  mit  secundären 
Stammformen,  die  aber  dadurch  begreiflich  wird,  dafs  der  verf. 
die  tempora  durch  einen  wandel  der  wurzel  entstehen  läfst,  durch 
eine  derivation.  Der  verf.  unterscheidet  an  der  verbalform 
nur  stamm  und  person;  ersterer  ist  entweder  primär  oder  deri- 
virt  und  secundär.   Der  primäre  stamm  gibt  die  starke  flexion,  der 


anzeigen.  279 

derivirte  die  schwache.  Nach  dem  verf.- verhält  sich  rvxp-ay  zu 
xvn  wie  tvW-w  zu  tvn  oder  Xanßavm  zu  iap.  Innerhalb  der 
starken  und  schwachen  flexion  gibt  es  nun  freilich  grade.  Schon 
der  ablaut  ist  subsidiär;  das  augment  hat  nach  dem  verf.  schon 
die  bestimmt  ausgesprochene  neigung  zur  schwachen  flexion, 
bahnt  den  Übergang  zu  ihr.  Ebenso  hat  diese  ihre  stufen.  «Der 
binde-  oder  bildungsvocal»  gehört  noch  der  starken  an.  «Dieser 
hat  mit  der  derivationsoperation  nichts  zu  schaffen,  er  ist  nur 
das  euphonische  medium,  das  ursprünglich  die  consonantenreihe 
vermittelt»  (s.  119).  Wir  hätten  diese  rein  euphonische  geltung 
des  bindevocals  wohl  begründet  gewünscht.  Bopp  war  anderer 
meinung.  Schwartze  ebenfalls;  dieser  sah  in  dem  Ihemavocal 
der  verba  und  nomina  den  speeifischen  unterschied  der  indoeuro- 
päischen sprachen  von  den  semitischen  und  ägyptischen.  Der 
Verfasser  scheint  in  der  that  die  entschiedenheit,  mit  der  er  den 
bindevocal  für  «nur  euphonisch  erklärte»  bereut  zu  haben.  Denn 
gleich  darauf  lenkt* er  ein:  «Theoretisch  aber  zweifle  ich,  dafs 
wir  jemals  das  rätbsel  des  bindevocals  anders  werden  lösen  kön- 
nen, als  durch  den  satz:  der  bindevocal  ist  ein  ursprünglicher 
theil  der  flexion,  der  in  den  ältesten  verbalwurzeln  ausgestofsen 
worden.»  Hiermit  ist  aber  nicht  blofs  das  räthsel  gar  nicht  ge- 
löst ;  sondern  es  wird  auch  die  vorliegende  thatsache  sogleich  in 
einer  auffassungsweise  ausgesprochen,  die,  wenn  sie  auf  anerken- 
nung  ansprach  macht,  zuvor  durch  geschichtliche  thatsachen  be- 
gründet sein  mufste.  Die  geschiente  unserer  sprachen  aber  lehrt 
gerade  das  gegen  theil,  nämlich  ein  allmähliches  Umsichgreifen  des 
bindevocals.  Das  skr.  zeigt  darin  vorzüglich  eine  alterthfimlich- 
keit,  dafs  es  am  meisten  die  bindevocallosen  formen  bewahrt  hat. 
Die  demente  aber,  «welche  die  seeundäre  flexion  produci- 
ren,  sind  vocale  oder  consonanten  oder  ganze  silben.  Es  sind 
hiermit  die  kennzeichen  der  conjugationsciassen  gemeint:  «die 
volle  diphthonggilbe  ai»,  welche  mit  dem  bindevocal  verbunden 
skr.  aya  giebt,  und  griech.  alsaoo,  eco,  oco  erscheint;  ferner  skr. 
u,  woraus  gr.  verba  auf  vpi,  lat.  uo;  als  consonantische  ableitun- 
gen  sind  die  laute  n  und  t  am  wichtigsten,  die  den  stamm  er- 
härten, wie  rvmm,  daxyo»;»  vocal  und  consonant  skr.  nu,  gr.  rv. 
«Sodann  einer  indischen  silbe  na  oder  nä  entsprechen  griechische 
verba  auf  njpi,  vielleicht  auch  durch  Umstellung  die  in  avea  ge- 
bildeten. Diese  nu-  und  na-ableitung  kann  aber  auch  im  ver- 
stärkten stamme  stehen  und  in  formen,  die  die  leichte  würzet 


280  Steinthal 

verlangen,  wieder  aasfallen,  wie  das  griechische  eXaßov  neben 
^afißcivco  zeigt  oder  das  indische  bhinadmi,  latein.  findo  im  pcrf. 
bibheda,  lat.  fidi.  Weitere  griechische  ablcitungen  gehören  in 
die  Specialgrammatik.»  Hier  fragt  man  sich  aber  erstaunt,  in 
wiefern  wird  denn  wohl  durch  diese  eingeschobenen  consonan- 
ten  und  silben  nur  im  mindesten  eine  schwächere  flexion  gebil- 
det als  durch  den  blofsen  bindevocal.  Wird  etwa  deixvvfiiy  wird 
findo,  jungo  schwächer  flectirt  als  lego?  Und  wenn  man  sagt: 
«diese  nu-  und  na-ableitung  kann  aber  auch  im  verstärkten 
stamme  stehen»  —  heifst  das  nicht,  einen  unterschied  zwischen 
ableitung  und  Verstärkung,  indem  man  ihn  ausspricht,  auch  so- 
gleich wieder  verwischen?  Wenn  endlich  der  verf.  ausdrücklich 
hinzusetzt:  «Ein  wesentliches  gesetz  ist  aber,  das  schwache  ver- 
bum  setzt  immer  ein  nomen  voraus,  aus  dem  es  derivirt  ist»,  so 
fragt  man,  wo  ist  denn  das  nomen,  welches  von  tvtztw  voraus- 
gesetzt wurde,  von  dem  es  abgeleitet  wäre?  Wir  lassen  aber 
diese  fragen  fallen,  indem  wir  uns  an  des  verf.  Verwirrung  se- 
eundärer  flexion  mit  seeundärem  stamm  erinnern. 

Endlich:  «Vom  bildungsvocal  und  vom  schwachen  verba  1- 
suffix  aber  völlig  verschieden  ist  eine  dritte  classe  von  derivativ- 
silben,  welche  die  schwache  temporalbildung  bewerkstelligen.» 
Aber  worin  Hegt  denn  diese  völlige  Verschiedenheit?  beide  be- 
wirken derivation!  «Wie  das  starke  verbum  seine  präterita  durch 
reduplication  und  ablaut  bildet,  so  bilden  die  seeundären  verba 
ihre  das  präsens  negirenden  tempora  durch  besondere  derivativ- 
silben,  die  zum  theil  auch  wieder  auf  die  ursprunglich  starken 
verba  übertragen  werden  können.»  Was  zu  dieser  Übertragung 
einer  ausschliefslich  auf  deutschem  gebiet  heimischen  erscheinung 
auf  den  ganzen  indoeuropäischen  stamm  zu  sagen  sei,  müssen 
wir  dem  leser  überlassen.  Wir  berichten  weiter:  «Diese  silben 
nun  erscheinen  uns  wie  gesagt  als  derivationen,»  (also  alle  aoriste 
auf  g,  auf  &  derivata!)  «d.  h.  als  demente,  die  wir  nicht  wie 
etwa  die  flexionssilben »  (d.  h.  die  personalendungen)  «unmittel- 
bar aus  der  bewegung  der  subjeetivität  des  verbalbegriffs  erklären 
können.»  Des  verf.  «theoretische  hypothese  über  diesen  punkt» 
haben  wir  schon  im  beginn  dieses  aufsatzes  mitgetheilt. 

Der  unterschied  zwischen  seeundärer  temporalbildung,  ablei- 
tung und  Stammverstärkung  ist  vom  verf.  gründlich  verwischt, 
und  selbst  die  gelegentlichen  erinnerungen  an  denselben  haben 
nicht  die  kraft,  das  grau  dieser  ansieht  durch  sonderung  der  ele- 


anzeigen.  281 

mente  aufzuheben.  Ja  noch  mehr,  selbst  die  betrachtung  der 
präsensformen  ging  spurlos  an  des  verf.  Verwirrung  vorüber.  Der 
leser  hat  vielleicht  schon  gefragt,  wo  denn  beim  verf.  vom  prä- 
sens  die  rede  sei,  da  bisher,  wie  schon  aus  der  angegebenen  dis- 
position  hervorging,  nur  von  den  «das  präsens  regierenden»  Zei- 
ten gesprochen  wurde.  Der  abschnitt  «F.  derivativsüffixe»  aber, 
mufs,  wenn  er  nicht  völlig  unlogisch  seine  coordinirte  Stellung 
zwischen  «E.  augmeut»  und  «G.  flexionsverba»  einnehmen  soll 
auf  tempusbildung,  natürlich  auf  das  präsens  bezogen  werden, 
ebenso  wie  «D.  nasal  Verhärtung»  und  «A.  das  primäre  und  sc- 
cundäre  verbum.»  Nach  des  verf.  ansieht  aber  liegt  die  bezie- 
hung  auf  das  präsens  in  allen  diesen  mittein  der  tempusbildung; 
denn  sie  alle  bilden  eine  «das  präsens  negirende»  form.  Und 
ebenso  verhält  es  sich  rucksichtlich  des  futurs.  «Futur-  und 
präteritalformen  gehen  sowohl  in  der  primären  als  in  der  seeun- 
dären  form  hand  in  hand,  die  spräche  betrachtet  darin  nur  das 
nichtgegenwärtige»  (s.  1Ö3.).  Der  ganze  procefs  der  tempusbil- 
dung besteht  also  darin  «differenzen»  (s.  114.)  der  wurzelform 
auszubilden,  so  dafs  mit  einer  form  das  präsens,  mit  der  andern 
das  nichtpräsens  bezeichnet  werden  könne.  Reduplication ,  ab- 
laut  und  nasalirung  des  .wurzelvocals  bilden  die  primäre  flexi  cm ; 
denn  sie  bewirken  «innere  qualificationen  der  wurzel»  (s.  117.), 
wogegen  die  übrigen  mittel,  welche  in  einem  an  wachs  an  die 
wurzel  bestehen,  nur  seeundäre  flexion  erzeugen.  Fragen  wir 
aber,  wie  kommt  der  verf.  zu  dieser  theorie,  die  tempusbildung, 
durch  wurzelwandel  vollbringen  zu  lassen,  so  ist  die  an t wort, 
dafs  der  verf.  neben  der  personalflexion  ein  anderes  mittel  als 
den  wandet  der  wurzel  nicht  kennt,  nicht  kennen  will,  wie  sich 
besonders  klar  aus  seiner  bei  rächt  ung  des  präsens  ergiebt. 

Der  verf.  bespricht  das  präsens  in  « einer  kleinen  voebetrach- 
tung  ober  formen  und  begriffe  (s.  100.),  welche  er  dem  kapitej 
über  tempusbildung  voranschickt.  Wir  müssen  sie  uns  näher 
ansehen:  «Hegel»  (schaudre  nicht,  leser!)  «spricht  irgendwo  von 
den  drei  dimensionen  der  zeit,  Vergangenheit,  gegenwart  und  Zu- 
kunft. Er  macht  aber  oft  genug  darauf  aufmerksam,,  dafs  was 
wir -gegenwart  oder  das  jetzt  nennen,  eigentlich  ein  nicht  fixir- 
barer,  verschwindender,  mathematischer  punkt  ist»  (es  bedarf 
keines  geistes  aus  der  unterweit,  um  solche  Wahrheit  zu  lehren!). 
«Die  grammatik  scheint  es  nun  nicht  so  genau  zu  nehmen,  wenn 
sie  von  einem  tempus  präsens  spricht;  allein  wahrscheinlich  bleibt 


282  Steinthal 

es  doch,  dafs  die  spräche  zuerst  keineswegs  das  präsens  fixirte», 
sondern  die  erzählform  und  die  sollforni,  aorist  und  futur.  «Am 
meisten  licht  in  diese  materie  scheint  uns  aus  der  geschiente  des 
griechischen  verbum  zu  fallen.  Bei  den  filtesten  starken  griechi- 
schen verben,  zumal  denen  mit  liquidalcharakter,  hat  es  wenig- 
stens für  diejenige  theorie,  welche  in  der  spräche  vom  einfachen 
auszugehen  liebt»  (damit  ist  die  als  mechanisch  gescholtene  agglu- 
tinationstheorie  Bopps  gemeint)  «sehr  viel  einleuchtendes,  dafs 
aus  wurzeln  wie  ßaX,  top  zunächst  die  futura  ßctkm,  tafim  and 
die  aoriste  eßalov,  erapov  sich  bildeten,  und  dafs  die  verschie- 
denen Verstärkungen  der  grundform  zur  bildung  des  präsens,  wie 
die  gemination  im  präs.  ßdXkoo,  das  eingeschobene  n  in  f/pro, 
das  eingeschobene  t  in  tvntto  oder  die  erschwerung  durch  den 
diphthong  wie  in  xteiva  theiis  als  derivation,  theils  als  ablaut 
auftreten,  immer  aber  als  jüngere  formen  denn  jene  grundform 
angesehen  werden  können.  Die  spräche  fixirt  also  in  diesen  fal- 
len das  präsens  zuletzt. "  Und  warum  hat  dies  für  den  Verfasser 
nicht  eben  so  viel  einleuchtendes?  Er  meint  (s.  102):  «Diese 
ganze  ansieht  der  sache  führt  aber  auf  ein  unseliges  dilemma. 
Ist  die  einfache  form  die  älteste,  so  kommen  wir  mit  Bopp  auf 
die  agglutination  hinaus,  und  gehen  wir  mit  Grimms  satz,  im 
verlauf  der  zeit  kann  die  spräche  nur  verlieren,  nichts  gewinnen, 
vom  ursprünglichen  vollen  Organismus  aus,  so  müfsten  wir  for- 
men wie  das  griechische  Xapßdva)  für  ursprünglicher  halten,  als 
die  einfachen  Xaß<a>  eXaßov.  Will  man  einmal  die  wesentlich- 
sten buchstaben  eines  worts  seine  wurzel  nennen,  so  wäre  sie 
in  diesem  falle  Xaß\  denn  wäre  das  p  ein  wesentlicher  theil,  so 
könnte  es  in  elaßov  nicht  fehlen,  es  ist  also  ein  eingeschobener 
nasal.  Endlich  müfsten  wir  aber  auch  complicirte  formen  wie 
TvcpthjcofAcu  für  älter  halten  als  die  wurzel  rwr.» 

Hiernach  wären  wir  eigentlich  mit  dem  verf.  schon  fertig 
und  zwar  ganz  in  der  weise,  wie  wir  es  dem  leser  versprochen 
haben.  Nicht  wir  haben  die  theorie  des  verf.  widerlegt,  picht 
wir  haben  ihn  auf  das  dilemma  geführt:  entweder  Bopp  oder  ab- 
surdität;  sondern  er  selbst  hat  es  sich  gestellt,  er  selbst  hat  sich 
gerichtet.  Doch  ist  es  immerhin  interessant,  ihn  weiter  in  ein- 
zelne! ten  zu  verfolgen  und  besonders  zu  sehen,  wie  er  sich  der 
Vollstreckung  des  eigenen  urtheils  zu  entziehen  und  bei  seiner 
theorie  zu  beharren  sucht  Er  sagt  (das.):  «Aus  dem  Zwiespalt 
der  einfaebheit  und  fülle  des  Sprachanfangs  können  wir  nur  durch 


anzeigen.  283 

folgende  methode  herauskommen  . . .  Die  Wurzel  erseheint  uns  in 
einem  dualismus,  in  einer  verstärkten  und  erleichterten  gestalt, 
diese  differenz  können  wir  nicht  mehr  auflösen»  (d.  h.  nach  mei- 
ner theorie  löse  ich  das  räthsel,  indem  ich  zugestehe,  dafs  es 
unlösbar  ist;  oder  mit  andern  worien:  ich  behalte  meine  theo- 
rie, obwohl  ich  gestehe,  dafs  sie  durch  eine  thatsache  offen- 
bar umgestolsen  wird);  « wir  müssen  in  vifttm,  irvarov  die  stär- 
kere, hvnofy  rvnm  die  leichtere  wurzelform  anerkennen ;  in  rin* 
zeig  und  rvnug  haben  wir  also  dasselbe  fl  ex  ions  dement,  nar  ver- 
schiedene warzelqualität.  In  lapßdvco  erscheint  uns  eine  dop- 
pelt verstärkte,  in  Haßov  also  eine  doppelt  erleichtertere?)  « wür- 
ze!» («verstärkt»  setzt  die  einfache  form  als  ursprünglich,  «er- 
leichtert« dagegen  wieder  die  entwickeltere,  d.  h.  auf  beiden 
seiteo  hinken,  den  Zwiespalt  aassprechen,  nicht  aus  ihm  heraus- 
kommen). «In  erwpa  aber  nennen  wir  das  ableitende  s  eine  se- 
eundäre  oder  schwache  form,  ohne  darum  darin  eine  compositum' 
zu  sehen.  Wir  nennen  es  die  seeundäre  organisationsthätigkeit 
der  grundforni.»  Du  erkennst  an,  du  hast,  dir  erscheint,  du 
nennst,  das  mag  sein,  aber  erklärt,  erkannt  hast  du  nichts. 

Wie  in  der  physiologie  die  annähme  der  lebenskraft  so  we- 
nig zur  erklSro ng  der  lebenserscheinungen  diente,  dafs  es  viel- 
mehr die  Untersuchungen  derselben  abschnitt,  so  verhindert  auch 
den  verf.  die  der  spräche  zuerkannte  « flexi onsbewegung  und  or- 
ganisationsthätigkeit»  an  der  eigentlichen  erforsch ung  der  tem- 
pusbildung.  Man  denke  nur,  was  dabei  herauskommen  kann, 
wenn  z.  b.  unter  den  derivativsoffixen  angeführt  wird  «4)  con- 
sonantelement  t",  und  nun,  da  t  =  t  ist  alle  t- laute  welche,  ab- 
gesehen von  der  personalbildung ,  in  der  verbalflexion  vorkom- 
men, für  dasselbe  formelement  genommen  werden.  Der  verf. 
sagt  (s.  126.):  «Die  zweitwichtigste,  wo  nicht  die  wichtigste  die- 
ser ableitungen  ist  das  dement  t.  Sie  kommt  zwar  am  frühe- 
sten als  bildung8element  der  nominalen  verbalformen  vor,  näm- 
lich des  iufinitiv  und  partieip,  und  dringt  erst  später  in  die  ver- 
bale flexion  ein.  Der  Indier  bildet  seinen  infinitiv  und  einen  theil 
seiner  participien.mit  t,  der  Grieche  das  verbaladjectiv  und  einige 
partieipien,  aufserdem  aber  den  aorist  (irÜhf*)  und  mit  dem  s-ele- 
ment  verbunden  das  futur  (rdty'ffOfiai). »  Weiter  heifst  es  dann: 
«Wir  müssen  jetzt  untersuchen,  wie  sich  das  dement  t  in  un- 
sern  sprachen  als  einfache  wurzel»  (d.  h.  als  selbständiges,  abge- 
löstes wort)  «gerirt.    Der  ursprungliche  begriff  scheint  die  ab- 


284  Steinthal 

stracte  form,  die  unsre  Volkssprache  durch  etwas  wohin  t Lud, 
der  Franzose  durch  niettve,  der  Engländer  durch  to  put  ausdrückt. » 
£iue  solche  abstraclion,  wie  sie  in  den  modernen  sprachen  auf- 
tritt, wird  als  der  anfang  gesetzt!  Und  wie  hängt  dieser  begrifl 
mit  der  anwendung  des  t  in  den  verbalformen  zusammen?  davon 
kein  wort.  Der  verf.  fahrt  fort:  «Es  ist  höchst  wahrscheinlich, 
dafs  das  element  ta  sich  in  mehrere  grundformen  in  den  ältesten 
Zeiten  gespalten  hat;  der  Indier  hat  neben  dhä,  wovon  dadhami 
und  ii&rjfju  stammt,  ein  weicheres  da,  das  dadämi  did<ofii  liefert ; 
diese  wurzel  ist  die  erweichung(?)  der  andern,  der  begriff  ge- 
ben fliefst  leicht  aus  der  grundbedeutung  und  die  formen  flie- 
fsen  früh  zusammen. »  ndvta  gell  Uns  aber  kommt  es  auf  feste 
hestimmtheit  an.  Doch  nicht  genug;  der  verf.  meint  noch:  «Es 
wäre  immerhin  denkbar,  dafs  die  wurzel  sta,  indisch  sthä,  in 
vorhistorischer  zeit  sich  aus  einer  reduplication  des  ta  entwickelt 
hätte,  so  dafs  das  erste  t  sich  aspirirte.» 

Ehe  wir  zur  betrachtung  des  abschnittes  über  die  personal- 
en du  ogen  gehen,  müssen  wir  einige  bemerk un gen  des  verf.  über 
etymologien  ansehen,  welche  mit  seiner  theorie  von  den  stammen 
zusammenhängt.  —  Wiewohl  nach  dem  verf.  «die  wahrhafte» 
grammatik  erst  mit  der  flexion  beginnt,  so  schickt  er  ihr  doch 
als  «vorbetrachtung»  einen  abschnitt  voraus  «von  den  dementen 
der  spräche,  nämlich  den  lauten  nach  ihrer  phone'tischen  geltung, 
wo  zugleich  ihre  etymologische  bewegung  angedeutet  werden 
mute.»  Und  warum  nur  angedeutet?  «Weil  es  uns  in  der  gram- 
matik vorzugsweise  um  die  flexion  zu  thun  ist,  wiederholt  der 
verf.,  so  stellen  wir  die  etymologische  betrachtung  hier  voran, 
um  uns  nachher  ungestört  der  hauptuntersuchung  widmen  zu 
können.»  Um  dies  zu  können,  hätte  die  laut! ehre  ausführlich 
gegeben  werden  müssen.  Selbst  wenn  wir  zugestehen  wollten, 
der  verf.  habe  auf  wenigen  Seiten  das  wesentliche  über  den  laut- 
wandel  zusammengedrängt,  ist  etwa  mit  der  betrachtung  der  ein- 
zelnen laute  die  lautlehre  erschöpft?  Wie  viel  bleibt  noch  übrig 
zu  sagen  über  die  weise  der  Zusammenstellung  der  laute,  über 
die  möglichen  an-  und  auslaute,  über  die  processe  der  assimila- 
tion  und  dissimilation  u.  s.  w.!  Wie  sehr  hängt  von  solchen  eigen- 
thümlichkeiten  der  sprachen  in  der  lautbehandlung  die  gestalt 
ihrer  flexion  ab!  Doch  das  ist  tausend  mal  gesagt! 

Dagegen  zieht  nun  der  verf.  in  diesen  abschnitt  über  die 
«etymologische  ansieht  der  sprachlaute»  mancherlei  über  wurzel- 


anzeigen.  285 

forschung.  An  unsere  obige  betrachtung  schliefst  sich  folgender 
satz  (s.  30.)'-  »Das  bestreben  des  etymologen  mufs  durchaus  nicht 
auf  lautarme  Wurzelwörter  ausgehen,  im  gegentheil  die  lautvollste 
wurzel  ist  die  wahrscheinlichste,  nach  dem  Grimmischen  satz. 
die  Sprachgeschichte  kaum  die  Wörter  nur  abnutzen,  die  zeit  kann 
der  spräche  nichts  geben,  nur  nehmen."  Wir  wollen  den  verf. 
nicht  drängen,  anzuerkennen,  dafs  dann  auch  nicht  jvn>  sondern 
vvcp&tiQ  als  wurzel  aufgestellt  werden  müfste,  sondern  wollen 
nur  bemerken,  dafs,  wenn  man  für  das  latein.  frango  und  goth. 
brak,  brikan  eine  ursprüngliche  wurzel  prank  annimmt,  wie  der 
verf.  als  beispiel  angiebt,  man  gar  nicht  <«  die  historischen  gestal- 
ten physiologisch  davon  ableiten»,  sondern  nur  als  mechanisch 
darin  enthalten  nachweisen  kann. 

Das  verfahren  des  verf.  überhaupt  theoretisch  postulirte  grund- 
formen  hypothetisch  zu  construiren,  wie  die  grundform  prank  für 
brechen,  takam  für  das  zahlwort  zehn,  ist  nicht  nur  meist  un- 
nöthig,  sondern  auch  ohne  nutzen  und  höchst  gewagt.  Es  ist 
dabei  vom  verf.  vorausgesetzt,  dafs  aller  lautwandel  nur  Schwä- 
chung sei ;  alle  in  den  indoeuropäischen  sprachen  vorkommenden 
formen  für  zehn  lassen  sich  als  Schwächungen  aus  takam  anse- 
hen, d  kann  in  der  urform  nicht  gewesen  sein,  obwohl  sanskrit 
und  zend,  griech.,  latein.  und  lithauisch  übereinstimmend  d  zei- 
gen! Denn  im  gothischen  erscheint  t,  und  das  kann  nie  aus  d 
entstanden  sein.  Dies  giebt  den  ausschlag  für  die  construetion 
der  urform.  Wäre  uns  das  gothische  unbekannt  geblieben,  so 
hätte  der  verf.  sicherlich  dakam  construirt.  Oder  vielleicht  doch 
nicht;  denn  bei  dieser  ansieht  fallen  überhaupt  alle  schwachen 
laute  als  unursprünglich  fort,  und  das  ganze  aiphabet  schrumpft 
bis  auf  die  drei  tenues  k,  p,  t  zusammen.  Ja  der  verf.  hat  sich 
(8.  35.)  selbst  schon  gefragt:  «wenn  die  natur  die  laute  k  in  p 
und  t  abschwächen  läfst,  folglich  die  drei  grundlaute  sich  auf 
einen  reduciren,  so  ist  am  ende  gar  nicht  abzusehen,  wie  die 
spräche  nur  es  überhaupt  zu  einer  differenz  gebracht  hat.  Darauf 
ist  zu  erwidern,  dieser  Wechsel  der  grundlaute  ereignet  sich  nur 
in  der  ältesten  anläge  unserer  sprachen.  Zur  zeit,  wo  unsere 
sechs  hauptsprachen  sich  für  sich  entwickelo,  kommt  dieser  Wech- 
sel eigentlich  gar  nicht  vor."  Ist  das  nun  wohl  eine  erwiderung? 
Thut  es  etwas  zur  sache,  dafs  heute,  oder  schon  seit  langem,  k 
nicht  mehr  in  p  übergeht?  und  als  dieser  Übergang  statt  fand,  da 
entwickelten  sich  eben  die  sprachen  für  sich. 


286  Steiothal 

Das  Grimmsche  lautverschiebungsgesetz  erhält  nun  natürlich 
nach  dieser  ansieht  vorschreitender  Schwächung  eine  andere  ge- 
slalt  (s.  38.):  «Nicht  alle  sprachen  sind  der  aspiration  auf  gleiche 
weise  geneigt,  und  nie  bewegen  sich  alle  in  einer  richtung  nach 
der  aspiration.  Sie  entwickeln  vielmehr  darin  ihren  inneren  Wi- 
derspruch, dafs  sie  denselben  grundlaut  in  verschiedenen  wurzeln 
aspiriren.»  Das  klingt  nun  ganz,  als  wenn  sich  die  sprachen 
gegenseitig  zum  ärger  lebten.  Weil  die  eine  hier  aspirirt,  thut 
es  die  andere  nicht;  sondern  thut  es  gerade  da,  wo  die  andere 
es  unterlassen  hat.  Weil  der  Römer  pro  sagt,  so  sagt  der  Gothc 
fra;  weil  aber  jener  fer  sagt,  spricht  er  ber.  Uebrigens  wacht 
der  verf.  mit  ungemeiner  eifere u cht  darüber,  dafs  jenes  geseiz 
nicht  verletzt  werde.  So  billigt  er  z.  b.  nicht,  dafs  Grimm  lat. 
habere  mit  goth.  gaban,  haben,  zusammenstellt.  Um  in  diesem 
falle  das  gesetz  zu  retten,  construirt  er  ein  paar  «Zwillings wur- 
zeln, worunter  er  den  fall  versteht,  «wenn  eine  Wurzelsilbe  sich 
unter  einem  grundbegriffe  entwickelt,  sich  aber  von  vorn  herein 
in  zwei  seilen  spaltet  und  nun  in  dieser  doppelgestalt  durch  die 
mundarten  fortwuchert.»  Solche  zwillingswurzeln  haben  wir 
schon  kennen  gelernt  in  da  geben  und  dha  thun,  legen,  welche 
beide  nur  zwei  seiten  oder  auffassungen  der  ursprünglichen  Wur- 
zel ta  sein  sollen.  So  soll  es  auch  eine  doppelwurzel  kap  ge- 
ben mit  denf  grundbegriff  des  besitze«,  der  sich  einerseits  im  Lat. 
capio  näher  als  ergreifen,  fassen  bestimmt,  und  andererseits  im 
geschwächten  habere  als  besitzen,  haben,  halten.  Mit  ersterm 
hänge  unser  haben  zusammen,  mit  letzterm  unser  g£ben;  «denn 
geben  ist  nichts  als  haben  machen,  also  das  factitivum  der  Wur- 
zel."   Aber  warum  ist  unser  geben,  giban  ein  factitivum?  

Von  diesen  zwillingswurzeln  geschieden  sind  «geschwisterwur- 
zeln»,  worunter  der  verf.  den  fall  versteht  «dafs  eine  grundform 
von  anfang  an  verschiedene  bedeutungen  ausdrückt'»,  was  man 
also  gewöhnlich  richtiger,  wie  uns  scheint  homonyma  nennt. 
Als  beispiel  führt  der  verf.  drei  wurzeln  pat  auf.  1)  Sanskr.  pa- 
tami,  mww,  wozu  auch  unser  fallen  gehören  soll,  dessen  1  ano- 
mal aus  d  erweicht  sei;  ferner  lat.  petere,  einen  anfallen,  dann 
bestürmen,  bitten.  Unser  bidjan,  bitten  aber  sei  von  Grimm 
schlecht  mit  diesem  petere  zusammengebracht,  da  es  vielmehr  mit 
einem  andern  pat  zusammenhinge,  woraus  das  latein.  fateor  ent- 
standen wäre.  Dieses  pat  bedeute  nämlich  sagen,  gestehen  (sein 
bedurfnifs),  bitten.     Wenn  nun  aber  fateor,  wie  es  doch  wahr- 


anzeigen.  287 

scheinlich  ist,  mit  fari  zusammenhängt,  was  soll  oder  welches 
recht  hat  die  wurzel,  fat  oder  pat?  Der  verf.  stellt  noch  ein  pat 
auf  für  das  lateinische  potis,  auch  possidere.  Wenn  nun  aber 
pos  die  Präposition  wäre,  and  potis,  wie  geschehen  ist,  mit  skr. 
pati,  nötig  auf  die  wurzel  pä  gebracht  würde?  Des  verf.  con- 
structionen  sind  also  doch  zu  luftig,  um  nicht  lieber  als  auf  sie 
tu  bauen,  anzuerkennen,  dafs  das  lautverschiebungsgesetz  gele- 
gentlich eine  ausnähme  erleide.  Will  man  sie  meiden,  so  mufe 
man  sie  wenigstens  in  anderer  weise  wegzuschaffen  suchen. 

Der  verf.  ist  überhaupt  zuweilen  sehr  ängstlich.  Er  billigt 
nicht,  dafs  Bopp  unser  schlafen,  goth.  slepan  mit  skr.  swap  ver- 
bindet, weil  daneben  im  deutschen  noch  formen  mit  v  sind,  wel- 
che zur  genannten  sanskritwurzel  gehörten.  Unser  wort  soll  mit 
dem  lettischen  sljepti  zudecken,  sl.  slepu  blind,  zusammenhängen. 
Schlafen  sollte  dann  wohl  bedeuten:  die  äugen  bedecken?  So 
passend  und  sogar  poetisch  die  Übertragung  des  verdeckt,  ver- 
hüllt seins  auf  den  blinden  scheint,  so  wenig  spricht  uns  dieselbe 
auf  den  schlafenden  an;  und  sljepti  dürfte  eher  zu  xqvtttm  und 
xalv7TT<x>  zu  ziehen  sein. 

Wir  kommen  endlich  zu  den  personalendungen.  Wirkliche 
aufschlösse  über  noch  unerledigte  punkte  wird  man  wohl  nicht 
mehr  erwarten:  im  gegentheil  ist  für  den  verf.  da  noch  dunkel- 
heit,  wo  wir  schönes  licht  haben.  Die  endung  der  1.  pl.  mas 
ist  ihm  unerklärlich,  obwohl  er  die  vollere  vedenform  masi  kennt. 
Hierin  aber  wich  und  du»  sehen,  das  hiefse  vielleicht  die  agglu- 
lination  anerkennen.  Der  Charakter  der  2.  sg.  soll  st  sein;  nach 
der  besprochenen  theorie,  dafs  die  vollste  wurzel  die  ursprüng- 
liche sei.  Wir  müssen  aber  ein  beispiel  geben,  wie  der  verf.  die 
pronomina  aus  den  personalendungen  entstehen  läfst.  Nicht  alle 
pronomina  sind  so  entstanden,  z.  b.  gleich  nicht  ego,  aham.  Dies 
sei  vielmehr  ein  flectirtes  verbum,  ich  sage.  Diese  erklärung  des 
ego  will  der  verf.  Lassen  zu  verdanken  haben.  Aber  z.  b.  unser 
ihr  läfst  der  verf.  nach  seiner  zerschneidungstheorie  entstehen  (s. 
66.).  Nämlich  die  Altfranken  hätten  gebames  in  raes  gebam, 
dann  in  mer  geben  zerschnitten,  und  ebenso  gebates  in  tis  gebat. 
Die  übrigen  deutschen  stamme  «aber  haben  die  form  gebates, 
gebeter  so  zerschnitten,  dafs  neben  gebet  die  endung  blofs  er, 
ier  lautete,  und  daher  stammt  unser  deutsches  pronomen  ir,  ihr»! 

Nach  alle  dem,  denke  ich,  haben  nicht  wir  den  verf.  wider- 
legt, sondern  er  hat  es  selbst  gethan.     Dafs  er  trotzdem  seine 


288  Schweizer 

ansieht  nicht  aufgiebt,  kommt  daher,  dafs  er  trotz  des  entgegen- 
gesetzten Scheins  doch  kein  gewicht  auf  eine  ansieht  legt.  Er 
ineint  (s.  VHL):  «In  der  grammatik  tröstet  hei  allem  antagonis- 
mos  der  meinungen,  dafs  facta,  welche  hei  einer  ansieht  der 
sache  räthselhaft  sind,  es  meistens  auch  bei  jeder  andern  bleiben. » 
Wir  schweigen  zu  diesem  trost  des  verf.  ebenso  wie  zu  seiner 
anfforderung,  andere  möchten  ihre  ansieht  gleich  unverhohlen 
wie  er  die  seinige  zu  tage  legen.  Von  den  arbeiten  unserer  jün- 
geren Sprachforscher,  wie  Kuhn,  Curtius  kennt  der  verf.  nichts. 
Sie  mögen  sich  trösten;  denn,  es  mufs  hier  schliefslich  als  curio- 
sum  bemerkt  werden,  auch  der  name  Wilhelm  v.  Humboldt  ist 
dem  verf.  völlig  fremd  geblieben. 

Paris,  im  october  1852.  Dr.  H.  Steinthal. 


Homerisches  glossarium.    Von  L.  Diiderlein. 

Erster  band.    Erlangen  1850. 
(Fortsetzung  von  band  II.  8.  63 ff.) 

In  diesem  zweiten  artikel  werden  wir  an  ausgehobenen  bei- 
spielen  resultate  prüfen,  welche  Dö4erleins  glossarium  für  die 
innere  erkenntnifs  der  griechischen  Wortbildung  bietet  und  end- 
lich nur  wenige  einzelne  deutungen  noch  besonders  besprechen. 

Gehen  wir  vom  verbum  aus.  Was  schon  beim  flüchtigen 
durchgehen  dieses  buches  in  die  äugen  springt,  ist,  dafs  D.  eine 
menge  von  sogen,  verba  intensiva  mit  dem  ausgange  -fco  als 
heischeformen  annimmt,  theils  um  minder  einfache  verbal themata, 
wie  die  mit  verdoppelter  liquida  im  auslaute  oder  mit  inlauten- 
•  dem  diphthongen  vor  einfacher  liquida,  theils  um  gewisse  formen 
in  der  conjugation  —  nicht  nur  die  mit  -Gfi  im  perfectum,  mit 
-  a&  im  aor.  I.  pass.,  die  adiect.  verbalia  auf  -Grog,  die  futura  mit 
kurzem  vocale  vor  der  endung  <tö>,  sondern  selbst  aor.  IL  wie 
cfvyuv  u.  s.  f.  —  aufzuhellen,  theils  endlich  um  über  einzelne 
scheinbare  verbalableitungen  und  Zusammensetzungen  rationellen 
aufschlufs  geben  zu  können.  So  setzt  er  für  aioXXco  ein  <uW£o>, 
für  yeXaaw  ein  yeXdtco,  für  pawdg  ein  pa<?a£a),  für  nfjyeaifiaXkog 
ein  ntjydtoo  voraus.  Aber  statt  dieser  formen  auf  -fo>  können 
nach  der  meinung  des  Verfassers  (A.  16  u.  s.  f.)  nicht  nur,  worü- 


anzeigen.  289 

ber  kein  zweifei  ist,  einzelne  solche  anf  -  «ht»,  sondern  nicht  min- 
der häufig  die  auf  -#a>  eintreten,  ja  sogar  einigemal  formen  anf 
fta>  sich  entwickeln ,  indem  f  in  die  blofse  media  übergehe.  Was 
zunächst  diesen  Wechsel  betrifft,  so  müssen  wir  bestimmt  laug* 
nen,  dafs  alle  oder  auch  nur  der  gröfsere  theil  der  v.  v.  auf -#o> 
diejenigen  auf  •£a>  voraussetzen.  Wie  uns  die  vergleichende. 
Sprachforschung  (namentlich  Benfey  und  Gurtius)  gelehrt  hat,  bil- 
den diese  formen  auf  -&o*  eine  ganz  eigene  und  selbständige  art, 
welche  offenbar  auf  einer  innigen  Zusammensetzung  der  wurzel 
oder  des  themas  mit  einer  zweiten  wurzel,  nämlich  mit  der  W. 
#e,  wovon  wftypi,  beruht.  Wir  machten  oben  und  sonst  mehr- 
mals darauf  aufmerksam ,  dafs  ursprünglich  einfachere  wurzelge- 
stalten schon  sehr  frühe  sich  aufs  neue  kräftigten  und  gleichsam 
versinnlichten  durch  composition  mit  frischen  bedeutsamen  de- 
menten, die  eine  nicht  besonders  modificirte  thätigkeit  bezeich- 
nen: und  niemand  wird  heute  noch  läugnen  wollen,  dafs  skr. 
cudh  und  cubh  beide  aus  der  w.  cu  für  cvi  entstanden  oder 
dafs  yudh,  wozu  v<5\ilvr]  gehört,  nur  ein  durch  dh  verstärktes  yu 
sei.  Zuletzt  hat  sehr  scharfsinnig,  aber  leider,  weil  das  der 
nächste  zweck  so  erheischte,  zu  knrz  und  fragmentarisch  Ben- 
fey in  seiner  sanskritgramm.  s.  141  über  solche  neuen  bildungen 
gesprochen.  Im  griechischen  ist  dieser  znsatz  -#-  oft  unmittelbar 
an  die  wnrzel  getreten  und  aufs  engste  mit  ihr  verwachsen,  oft 
bildete  der  conjngationsvocal  ein  recht  geschicktes  band.  Wir 
möchten  unter  diese  klasse  auch  Wörter  wie  latein.  fundo,  goth. 
giuta  rechnen,  weiter  gebildet  aus  hu,  fy\  für  tendo  nimmt  Dö- 
derlein  allerd!ngs  eine  heischeform  revi^co  an;  aber  dazu  zwingt 
nichts.  Vergl.  auch  Potts  etym.  forscti.  II,  667  ff.  Dafs  v.  v.  anf 
-<r<rw  oft  solchen  auf  -fo>  gleichstehen,  ist  unläugbar,  aber  ein 
durchgang  durch  letztere  formen  nicht  ohne  weiteres  zu  sta- 
tuiren,  und  überhaupt  theilt  sich  die  masse  der  v.  v.  auf  -tftxo)  in 
mehrere  zweige,  die  sorgfältige  Sichtung  erfordern.  Znm  beweise, 
dafs  -  £-  oft  unmittelbar  in  die  media  ö  übergehe,  werden  in  dem 
buche  mehrfache  beispiele  angeführt,  und  auch  in  Lob  eck 's 
reichem  rhematicon  finden  wir  darüber  winke  und  andeutungen  *, 
aber  jedenfalls  sind  nicht  alle  diese  beispiele  treffend  und  andere 
werden  durch  analogieen  auf  einem  weiteren  Sprachgebiete  min- 
destens sehr  zweifelhaft.  So  sollen  fiBldew  aus  dpaki&i*  und 
fydeiir  aus  (teffiw  entstanden  sein:  das  skr.  nun  schon?  dem  eine 
bildung  auf  -£ci?  in  dieser  gestalt  völlig  fremd  ist,  bietet  ein  mrd 
II.    4.  ™ 


290  Schweizer. 

in  der  bedeutong  terere,  fricare,  und  dieser  w.  entsprechen  so 
genau  als  möglich  slav.  mlad,  ags.  meltan,  und  ahd.  melzan  steigt 
sich  in  malz.  Nicht  so  leicht  ist  allerdings  die  erklärung  von 
Iq6<o  neben  <5e?a>.  Ahrens  in  seiner  j Angst  erschienenen  auf 
•feine  und  tiefe  Forschung  gegründeten  griechischen  formenlehre 
nimmt  hier  ein  igadew  und  ausfall  des  ff  an;  aber  die  Lösung  der 
frage  ist  darum  unbestimmt,  weil  ein  unmittelbarer  Übergang  von 
gutturalen  in  dentalen  nicht  unerhört  ist,  ^egd  also  auch  aus 
^EQy  entstehen  konnte.  Die  eigentliche  würzet  von  <fo'£sir  ist 
eben  unzweifelhaft  jreQy  =  skr.  vrj,  woher  ürj  «die  stärke»;  und 
fyyto  ist  nicht,  wie  der  verf.  meint,  erst  aus  Iq^oi  abgeleitet. 
Jedenfalls  durfte  D.  dieses  verbum  £*£>  und  ihm  ähnliche  als 
$t£w  «färben»,  xqu&w  u.  s.  f.  nicht  auf  eine  liste  mit  seinen  in- 
tensiven setzen:  wie  denn  überhaupt  von  ihm  nirgends  mit  rech- 
ter schärfe  geschieden  ist  zwischen  den  denominativen  auf  -fco 
und  denen,  welche  unmittelbar  aus  der  wurzel  mit  den  endun- 
gen  -d£a>  u.  s.  w.  entsprungen  oder  das  f,  <xa,  wie  ?«£«>,  ?*'£«>, 
ttgacam  u.  s.  w.  durch  einen  ganz  eigentümlichen  procefs  sich 
entwickeln  liefsen.  Die  annähme  von  v.  v.  intens,  auf  -  f»  zur 
erläuterung  von  v.v.,  deren  themaauslaut  eine  doppelte  liquida 
oder  die  im  stamme  einen  diphthongen  «*,  ei  u.  s.  f.  zeigen,  ist 
völlig  unnöthig  und  unwahrscheinlich,  indem  sich  solche  formen 
aufs  einfachste  durch  Versetzung  oder  assimilation  eines  der  wür- 
zet ursprünglich  nachschlagenden  i,  j,  erklären  lassen,  eines  i, 
das  ganz  ähnliche  funktionen  hat  als  #  und  ebensowohl  denomi- 
nativa  als  unmittelbar  abgeleitete  neue  verbalstärame  bildete. 
Wurde  dieses  i  consonans,  so  wird  es  zugleich  damit  ein  im  aus- 
gebildeten griechischen  vermiedener  laut,  wird  darum  in  seiner 
eigentlichen  gestalt  verdrängt  und  irgendwie  am  gleichen  orte 
oder  durch  Verschiebung  ersetzt.  Ueber  sämmtliche  verschiedene 
arten  dieses  ersatzes  zu  sprechen  haben  wir  nicht  nöthig,  da 
aufser  andern  Schleicher  in  seinen  sprach  vergleichenden  Unter- 
suchungen I,  s.  36ff.  dieselben  sehr  einläfslich  behandelt  hat.  Na- 
mentlich  häufig  ist  nun  der  fall,  dafs  sich  j  einer  liquida  assi- 
milirt  oder  dieselbe  überschlägt  und  einen  diphthongen  bewirkt: 
so  entstehen  dann  formen  wie  aioUw,  cuxdXkoo',  ?eiVa>,  xzetV«), 
ßaipco,  q>aiP(of  cnaiQto  u.  a.  Ueber  dieses  i  oder  j,  welches  sich 
unmittelbar  an  verbalwurzeln  anschliefst  oder  denorainativa  bildet, 
vergl.  aufser  Bopps  vergleichender  grammatik  s.  1057.  auch  Ben- 
fey's  behandlung  in  seiner  sanskrilgrammatik  s.  105.     Nur  inso- 


anzeigen.  291 

fern  schlügt  des  verf.  deu  längs  versuch  nicht  ganz  fehl,  als  die- 
ses i.  j  nicht  sehr  weit  abzuliegen  scheint  von  demjenigen,  wel- 
ches in  wirklichen  v.  v.  intens,  and  einigen  denominativen  anf 
-£o>  zu  gründe  Hegt,  sofern  Bopp  recht  hat,  sie  auf  die  zehnte 
conjugationsklasse  des  sanskrit  zurückzufahren  and  also  das  griech. 
C  auch  in  diesem  falle  dem  skr.  y  gleichzusetzen;  ein  hauptun- 
terschied aber  liegt  darin,  dafe  die  in  frage  stehenden  v.  v.  ihren 
Zusatz  nicht  über  das  imperfectuin  hinaus  spüren  lassen.  Ein  sol- 
ches i.  das ,  wie  in  tdXcura,  j^geipa  u.  a.  über  die  liqnidae  hin- 
weg in  den  stamm  eingedrungen,  sehen  wir  nun  auch  in  deiQa 
und  in  aiQOfiai,  welche  verba  nicht,  wie  der  verf.  thut,  mit  ein- 
ander vermengt  werden  dürfen.  Das  et  in  tjsiQa  ist  natürlich 
nicht  dasselbe  als  im  präsens;  sondern  im  aoristus  ist  e  nach  all- 
gemeiner regel  und  zum  notwendigen  ersatze  für  das  ausgefallene 
<r,  das  echte  zeiehen  dieses  tempus,  verlängert,  wie  in  JqyyeiXa 
u.  a.  Ahrens  gr.  f.  s.  226.,  a.  1.  —  Wir  nehmen  von  anm.  16. 
anlafa  hier  noch  einige  andere  wortformen  zu  besprechen.  Na- 
mentlich unbefriedigend  erscheinen  un6  die  beiläufigen  Bemerkun- 
gen aber  lateinische  Wörter,  wie  denn  überhaupt  Döderlein6  an- 
schaunng  und  urtheil  über  diese  spräche  uns  nie  gefallen  wollte. 
Plectere,  dietare,  lacessere,  prensare  dürfen  nicht  ohne  weiteres 
unter  einen  hat  gebracht  werden.  Plectere,  nectere,  t/xt*w, 
xQVTtretp  u.  8.  f.  haben  scheinbar  nur  zur  stütze  und  zur  ffillung 
des  themas  im  iraperfectum  ein  t  angenommen,  ein  t,  welches 
kaum  schon  ursprünglich  bedeutungslos  war,  noch  weniger  aber, 
wie  das  Ahrens  und  andere  annehmen  möchten,  aus  dem  oben 
besprochenen  j  hervorgegangen  sein  wird,  sondern  wohl  als  zei- 
chen eines  nominellen  dementes  übrig  geblieben  ist,  aber  als  sol- 
ches sehr  zeitig  aus  dem  bewufstsein  der  spräche  verschwand. 
Vgl.  Benfeys  sanskritgr.  s.  144;  dietare,  prensare  u.  a. ,  das  sind 
echte  intensiva,  und  diese  bedeutung  ist  auch  für  uns  noch  klar 
in  der  form  ausgedrückt;  denn  wie  Pott  längst  richtig  gesehen 
hat,  sie  bezeichnen,  abgeleitet  vom  part.  pass.,  «die  schon  vollen- 
dete thätigkeit  noch  einmal  ausüben. »  Die  v.  v.  auf  -  essere  nen- 
nen wir  immer  noch  am  passendsten  mit  dem  alten  namen  der 
meditativa.  da  sie  ganz  auffallend  verwandt  sind  mit  dem  indi- 
schen und  griechischen  futurum  auf  sj  und  kaum  weit  abstehen 
von  den  gewöhnlichen  desiderativa  auf  tii-rio,  sü-rio.  —  Latei- 
nisches terrere  wird  in  derselben  reichen  anmerknng  unmittelbar 
aus  raQdöaeiir  gedeutet  und  soll  sein  gedoppeltes  r  einer  syncope 

19* 


292  Schweizer 

verdanken.  Aber  ra^dacco  ist  offenbar  eine  Weiterbildung  und 
zunächst  gleich  ra^a^-jo>,  während  terrere  einfach  dem  causati- 
vum  der  sanskritwurzel  tras  «tremere°,  griech.  tqb(c)co  entspricht, 
rr  also,  wie  mehrfach  im  lateinischen,  ans  rs  hervorgegangen  ist: 
so  in  torreo,  causativum  von  jegaopai,  skr.  trsh,  and  in  horrere 
skr.  hrsh.  Ob  ans  nicht  diese  und  andere  beispiele  berechtigen, 
sogar  currere  ähnlich  zu  deuten,  d.  h.  ein  cars,  eure  vorauszu- 
setzen? Doch  kehren  wir  zu  unserer  aufgäbe  zurück,  Döderlein 
nimmt  wie  gesagt  oft  v.  v.  auf  -£a>  an,  um  gewisse  themata  und 
formationen  in  der  conjugation  zu  deuten.  Am  auffallendsten  ist 
uds  in  dieser  beziehung  die  s.  138  gemachte  bemerkung.  «Aus 
den  v.  v.  auf  -fco  entwickelt  sich  häufig  im  aor.  ein  -yeir;  denn 
nach  meiner  ansieht  ist  cpvyelv  von  neq)v£<6g,  <5xvyüv  von  <rrv£eir, 
öTv^aifAi,  (paystv  von  cpd&ir,  oq>d&w,  xQayeiv  von  xQa&w,  ixQa^a, 
&iyeit>  von  ori&iv,  <m1;cu,  iqvyuv  aus  qv&iv9  ebenso  demnach 
von  *rd^eip  =  OQsyea&ai  der  reduplicirtc  aoristus  rerayoiv  gebil- 
det. «Und  in  der  beigegebenen  anmerkung  107.  wird  dann  qpet/- 
yeiv  durch  metathesis  aus  yvyeew,  iqsiyuv  aus  igvyssiv  erklärt. 
Andere  scheinbare  belege  für  solche  ent Wickelung  des  aoristes 
finden  sich  s.  193  n.  a.  a.  o.  Bis  anhin  nahm  man,  und  wie  es 
weitere  analogieen  namentlich  im  sanskrit  bezeugen,  mit  allem 
rechie  an,  dafs  der  sogen,  aor.  11.  die  einfachste  und  der  wurzel 
am  nächsten  stehende  gcstalt  des  conjugationslhemas  darbiete, 
während  das  imperfecta m  seiner  bedeutung  völlig  angemessen, 
dieses  thema  strecke  oder  innerlich  kräftige.  Vgl.  Curtius  in  sei- 
nen beitragen  und  besonders  in  der  zeitschr.  für  vergl  sprachf. 
1.  s.  259 ff.    Die  würzet  cpvy  (aor.  cpvyetv)  entspricht  lautlich  und 

'  dem  sinne  nach  vollständig  dem  skr.  bhuj,  goth.  bug  (biuga)  und 
•£-  des  präsens  ist  entstanden  aus  gj,  wie  sich  das  in  fugio  noch 
klarer  erhalten  hat.  Und  yayeiv  werden  wir  kaum  geneigt  sein 
vom  skr.  bhaksh  zu  trennen.  Ist  von  dieser  selben  würzet  auch 
die  buche  —  arbor  frugifera  um  der  ekern  willen  —  benannt, 
wie  das  kaum  im  ernste  angefochten  wird,  so  ist  der  g-latit 
derselben  als  uralter  in  den  verwandten  sprachen  vollends  erwie- 
sen. Ob  &iyew  mit  ari&iv  zusammenhange  ist  überhaupt  sehr 
zweifelhaft;  aber  diese  Zusammenstellung  als  richtig  zugegeben, 
so  ist  eben  auch  in  atiy  die  gutturalis  eine  recht  feste,  erstreckt 
sich  über  das  lateinische  (stinguo)  und  die  germanischen  spra- 
chen (slSchan  etc.).    Dasselbe  gilt  von  BQsiym ,  dem  die  wurzel 

$vy,  skr.  ruj  zu  gründe  liegt,  dasselbe  von  ray  reraymp,  wie  das 


anzeigen.  293 

latein.  tango  ond  gothiscbes  tlkan  sattsam  zeigen.  Wie  aber, 
angenommen,  Döderleins  meinang  über  diese  aor.  II.  auf  -yeip 
wäre  stichhaltig,  wie  soll  nun  aus  qwye'eit  (eine  form,  die  über- 
dies nicht  die  ursprüngliche  ist,  als  welche  vielmehr  apvyhv  an- 
zusehen ist)  ein  cpevyco  entstehen,  in  welchem  dann  der  bindelaut 
oder  conjugationsvocal  doppelt  enthalten  wfire?  Denn  es  existi- 
ren  eben  nicht  nur  die  infinitive  cpsvyew,  igevyeiv  u.  s.  f.,  sondern 
auch  qptv/oo,  cpevyoipi,  cpevywv,  welche  nach  diesem  für  cpovy<o 
u.  8.  w.  stehen  müfsten.  Oder  sollte  gar  der  infinitivus,  dieses 
nominelle  dement  des  verbums,  diese  abstraction,  dominirenden 
einflufs  über  die  conjugation  erhalten?  Doch  wollte  man  auch 
noch  zugeben,  der  diphthong  ev  stehe  eben  in  einigen  formen  für 
ov,  wie  das  allerdings  die  sprachvergleichende  forschung  im  per- 
fectum  myevya  wird  annehmen  müssen,  so  widersprechen  immer 
noch  laut  die  germanischen  verwandten;  denn  für  ein  gothisches 
biuga  müfste  man  einen  hilfsaorist  erst  noch  schaffen  oder  gar 
so  unpatriotisch  sein  zu  behaupten,  es  seien  solche  formen  im 
germanischen  dem  griechischen  erst  nachgebildet.  Endlich  dürfte 
man  auch  die  vollendete  sanskrlä  gegen  D.  ins  feld  rücken  las- 
sen.  Kurz  die  vergleichende  Sprachforschung  hat  uns  gelehrt 
die  formen  hübsch  fein  aus  einander  zu  scheiden  und  wir  dürfen 
mit  voller  Überzeugung  bei  dem  durch  die  umfassendsten  Unter- 
suchungen begründeten  und  bestimmten  zulaute  festbleiben.  — 
Es  sind  aber  besonders  die  futura  mit  kurzem  vocale  vor  der  en- 
dung  -  (Jco,  die  perfecte  mit  cr/tt»  die  aor.  mit  o&,  die  adiect.  verb. 
auf  -  orog,  die  fast  jederzeit  ein  verbum  auf  -  £a>  voraussetzen  sol- 
len. Diese  annähme  ist  in  manchen  fällen  sehr  unsicher,  d.  h. 
es  treten  ihr  andere  wenigstens  gleichberechtigte  hypothesen  zur 
seite,  in  vielen  entschieden  falsch.  Der  verf.  achtete  leider  nicht 
darauf,  dafs  eine  gar  nicht  so  seltene  Wurzelgestaltung  die  ist, 
dafs  den  ursprünglichen  einfachen  elementen  ein  s  zutritt,  dessen 
natur  wir  hier  nicht  näher  untersuchen,  oder  dafs  eine  wurzel 
schon  von  anfang  an  mit  s  schlofs,  welches  8  aber  im  griechi- 
schen nach  dessen  eigentümlichen  lautgesetzen  zwischen  zwei 
vocalen  leicht  verschwand,  dafs  endlich  die  fraglichen  v.  v.  gar 
nicht  selten  denominativa  von  Substantiven  auf  og,  eg  sind.  Das 
alles  ist  für  das  griechische  durch  Ahrens  mit  grofsem  Scharf- 
sinne ins  licht  gesetzt  worden.  In  andern  Wörtern  mag  aller- 
dings, wie  das  schon  Pott  im  zweiten  theile  seiner  etymologi- 
schen forschungen  angenommen,  -f-  eingewirkt  haben,  oft  aber 


tU  Schweizer 

auch  andere  Zahnlaute,  wie  sie  gar  häufig  als  wurzelfeatigendc 
vorkommeD.  Ob  jedoch  das  hier  erscheinende  a  immer  aus 
einem  elemente  des  Stammes  erklärt  werden  müsse,  das  ist  eine 
noch  ungelöste  frage:  und  wäre  es  sicher,  dafs  das  nicht  absolut 
erforderlich  sei,  dann  müfste  erst  noch  der  zweifei  gehoben  wer- 
den, ob  <r  eine  rein  lautliche  einschiebong  wr  Stärkung  der  silbe, 
wie  1/obeck  und  Curtins  es  sUtuiren,  oder  ob  es  ein  bedeutsames 
und  wesentliches  element  sei,  wie  Bopp,  Benfey  und  Ahre&s,  je- 
der in  etwas  verschiedener  weise,  aber  alle  mit  dem  gedenken 
an  würzet  as,  eg9  «sein»  es  aufstellen. 

Döderlein  setzt  ferner  solche  formen  auf  -  £»  voraus  für 
eine  weitere  Wortbildung,  zunächst  für  die  bildung  neuer  verbal- 
stamme,  wie  wir  das  theiiweise  schon  oben  berührten.  Hier  er- 
wähnen wir  nur  noch,  dafs  er  auch  die  stamme  auf  -gm  in  die- 
ser weise  erklären  mochte,  (X/iifj«w,  rffjpiy,  <sxtpcqti¥  u.  s.  f.  und 
zwar  so,  dafs  sie  durch  ein  adiect.  verbale  atficottog  u.  s.  f.  hin- 
durchgegangen seien,  in  welchem  falle  wir  denn  doch  eher  ein 
opj/yocD  au  erwarten  hätten.  Uns  dünkt  diese  annähme,  die 
Döderlein  mit  dem  gewohnten  Scharfsinne  aufstellt  und  «i  be- 
gründen sucht,  zu  kühn;  eher  liefsen  wir  uns  sagen,  %  sei  in  die- 
sem falle  aus  0  entstanden;  aber  vor  allem  ist  uns  am  wahrschein- 
lichsten, das  seien  eigentlich  inchoativformen,  so  dafs  %  für  <fx 
stehe,  wie  dieselbe  omwandelung  von  <rx  in  %  in  deminutiven 
auf  -go?  nicht  zu  läugnen  ist.  Unter  den  adiect.  kämen  zunächst 
die  adiect.  verb.  auf  -  arog  und  unter  den  Substantiven  die  mit  <r 
vor  der  endung  in  frage;  diese  hangen  so  nahe  mit  schon  bespro- 
chenen verbalthemen  zusammen,  dafs  wir  sie  hier  füglich  über- 
gehen dürfen.  Nur  dafs  sei  erwähnt,  dafs  das  griechische  in  die- 
ser einschiebung  des  8  nicht  allein  steht;  vgl.  Bopp's  vgl.  gr. 
1124.  anm.  ***  Aber  Döderlein  dehnt  das  reich  seiner  inten- 
siva  viel  weiter  aus,  indem  er  sie  nicht  nur  Substantiven  auf -oft, 
-td,  -rox,  ~jr\$  zu  gründe  legt,  sondern  auch  einzeln  denen  auf 
-01  und  •  «,  also  nicht  nur  dfioißdg,  paivag,  dxig,  Vertex,  son- 
dern auch  rdotg  und  fiijtig  so  zu  erklären  versucht;  und  eben- 
falls aus  einem  solchen  v.  auf  -afco  soll  ürjyaaog  entsprangen 
sein.  Verbaladjectiva  von  formen  der  art  werden  Substantiven  auf 
~X*Hog  nnd  X'M  &k  Voraussetzung  gegeben,  ähnlich  wie  den  v.v. 
auf  -/o»,  und  auch  cdyaviti  wird  auf  dixtog  von  dtaam  ==  <M> 
zurückgeführt.  Aus  dem  gebiete  der  adjeetiva  fuhren  wir  noch 
an,  dafs  selbst  tavg(v)  unter  ein  icw&ir  gebracht  wird.     Wir 


anzeigen.  2fö 

dürfen  uns  nicht  vergönnen  alle  einzelnheiten  in  verfolgen  and 
begnügen  uns  damit  nur  wenige  bebpiele  zu  besprechen.  S.  88 
sagt  D.:    der  stamm   pao»,   pspoo»?  bildet   von  seinem   verbale 
*IAaer6g  ein  intensivum  *  fiqTiXso&cu,  und  davon  fiijTig.    Hier  be- 
darf freilieh  die  vergleichende  Sprachforschung  keiner,  heischefor- 
men.     Dieses  suffix  ti,  si  kommt  im  sanskrit,  im  slawischen,  im 
lateinischen,  im  deutschen  wieder  vor,   und  überall  ohne  eine 
spur  von  solchen  v.  v.  auf  t'fo>:  ^ujtig  steht  vom  skr.  mati   und 
vom  lateinischen  menti  nur  durch  seinen  langen  vocal  ab,  dessen 
deutung  gerade  in  diesem  worte  nicht  schwer  lallen  wird.     Als 
ganz  dasselbe  wort  mit  fAtjüg  sehen  wir  pdrrig  an,  und  hier  fin- 
det  sich  nun  av  der  wurzel  statt  des  9.    Die  Vedenforschung  hat 
uns  gelehrt,  daß  das  sufüx  -ti  nicht  durchaus  auf  abstracta  be- 
schrankt ist,  und  gerade  matl  heilst  in  den  helligen  liedern  bei- 
des: «geist,  gedanken»  und  daneben  «weiser».     Vergl.  unter  an- 
dern Benfey's  glossar.  zum  Sämaveda  u.  d.  w.  oder  Weber 
Väjasaneya-Sanhitae  specialen  etc.  part  pr.  s.  11.    Sehr  gezwun- 
gen scheint  uns  dagegen  die  deutung,  welche  Döderlein  diesem 
worte  gibt  s.  90:  «von  dem  verbale  pcuterog  (sie)  entspringt  das 
substantivum  pdvtig,  syncopirt  aus  patron??,  wie  rtjavig  au6  ny- 
dhyg.»    Mehr  schein  für  sich  hat  es,  wenn  die  doch  fast  durch* 
gehends  weiblich  gebrauchten  substant.  auf  -ag  (aö)>  -  ig  (tu)  etc, 
von  v.  v.  auf  -*£«»  -ata>  hergeleitet  werden;  aber  wir  meinen,  das 
sei  in  der  that  nur  schein.    Um  z.  b.  \utivig  zu  erklären,  schafft 
der  Verfasser  vorerst  ein  ftawd&iv,  abgeleitet  von  dem  präsens- 
stamme ficuropai,  der  nach  seiner  theorie  selbst  schon  ein  fiavl- 
£ew  voraussetzte.    Ob  D.  auch  zur  erläuterung  von  naiQid  ein 
jrttr(u£a>>  zur  deutung  von  avtyrQid  ein  avhjTQit<a9  von  dlexro- 
$id  ein  dlsxtOQita  annehmen  will?  kaum,  und  es  müssen  wohl 
auch  die  lateinischen  feminina  auf  -tric  ohne  solche  verba  beste- 
hen können.     Laugst  hat  die  vergleichende  Sprachforschung  er- 
kannt, dafs  im  griechischen  häufig  -ad  und  -i#  den  skr.  femini- 
nen auf  ä  und  i  entsprechen,  wenn  auch  das  zugesetzte  d  und 
Utein.  c  noch  einer  vollständigen  aufklär  ung  harrt    Unsers  Wis- 
sens hat  die  sacke  am  ausfuhrlichsten  Curtius  behandelt  in  sei- 
ner reichen  erstlingsschrift  de  nom.  Graec.  formatione  p.  6  seqq. 
Selbst  lateinisches  Vertex  wird  aus  einem  aeora&i?  gedeutet  und 
imbrez.  aus  dfiagd^eip.    Endlich  wollen  wir  noch,  um  mit  den 
beispielen  von  Substantivbildungen  aus  solchen  verba  abzuschlie- 
ßen, erwähnen,  dafs  auch  Ilnyaoog  von  ir^yafw  kommen  soll. 


296  Schweiier 

Aber  am  vieles  wahrscheinlicher  ist  die  ansieht  Kuhns  und  Cur- 
tius',  von  denen  ersterer  mit  Zustimmung  des  letztern  dasselbe  in 
dieser  Zeitschrift  I,  461  aus  einem  neutrum  nijyag  gleich  skr.  pä- 
jas.  stammen  läfst,  wie  etwa  rabhasa  im  sanskrit  von  rabhas  sieh 
bildete.  Dieser  erklärung  steht  das  nicht  entgegen,  dafs  päjas 
in  den  veden,  was  der  umsichtige  Roth  behauptete,  nie  etwas  an- 
deres bezeichnet  als  die  «fufsspur».  Ueber  das  adiect.  vavg  heilst 
es  8.  132  bei  Döderlein:  «das  adiect.  rcaig,  fieyag,  nokig  im  He- 
sychins  ist  von  rav£eip,  ravoag.»  Allererst  ist  zu  bemerken,  dafs 
tavg  jedenfalls  nicht  so  unmittelbar  mit  tdeiv  und  reivew  zusam- 
menhängt als  Döderlein  annimmt.  Schon  Curtins  in  einem  auf- 
satze  über  die  neuesten  oskischen  forschnngen  in  derzeitschr.  f. 
klass.  alterthumsw.  1847.  no.  49 ff.  brachte  dieses  adjektivnm  zavg 
ganz  richtig  unter  die  weitwirkende  sanskritwurzel  tu  crescere, 
augeri,  zend.  tav  «können»  und  setzte  es  in  Zusammenhang  mit 
dem  lateinischen  tötus,  welches  ein  partieipium  des  causativums 
scheint  (vgl.  diese  zeitschr.  I,  560).  Man  durfte  zunächst  tavg 
mit  skr.  tavas  «macht,  gröfse»  in  dasselbe  verhältnifs  setzen,  iu 
welchem  ijdvg  zu  qdog  für  ijfiog,  ÖQaavg  zu  öodoog,  evqvg  zu 
WQog  stehen  nach  Ahrens  gr.  f.  s.  143.  Aber  damit  ist  nicht  viel 
gewonnen,  während  die  sache  schon  klarer  wird,  wenn  wir 
diese  adjeetiva  mit  den  gleichgebildeten  im  sanskrit  vergleichen, 
wo  sie  ebenfalls  oxytonirt  sind.  Benfey  in  seiner  sanskritgramm. 
8.  157  erklärt  dieses  u  gewiüs  mit  recht  als  ein  gröfstentheils  aus 
uvat  entstandenes. 

Wie  einer  menge  von  nominalbildungen  verba  auf  -£<»  oder 
ihre  adjeetiva  verbal,  zu  gründe  gelegt  werden,  so  wird  von  Dö- 
derlein, nur  in  etwas  beschränkterem  umfange,  auch  in  der  er- 
klärung  anderer  Substantiv-  und  adjeetivformen  verfahren:  so 
sind  ihm  Ipag  (ipavr)  von  *ifiaiv<a,  adapag  {ädafiavt)  von  *da- 
fiaivco  gebildet,  anaiva  von  einem  *axaiveiv,  ^eyoivtj  von  einem 
*fA6veiPt»  gleich  psveeuvew  und  daraus  contrahirt  mit  ausfall  des 
mittelsten  yocalesj  SdfioQ  kommt  ihm  von  *dafiaiQeu>y  alecoQy 
von  *dXecuQeu>  u.  a.,  kurz  auch  hier  tauchen  eine  masse  von 
heischeformen  auf,  die  uns  völlig  unnöthig  scheinen  und,  wären 
sie  da,  als  denominativa  gelten  mufsten,  wie  die  ähnlichen  ver- 
balgestalten schon  längst  von  Bopp  gedeutet  sind.  Vgl.  Bopp's 
vergl.  grammatik  p.  1057.  Ueber  die  einzelnen  Wörter  treten  wir 
nicht  ein,  weil  sie  zum  theil  in  dieser  Zeitschrift,  zum  theü 
anderswo  schon  genügend  behandelt  sind,  besonders  machen  wir 


anzeigen.  297 

noch  aufmerksam  auf  Benfeys  einläfsliche  recension  dieser  zeit- 
scbrift  in  den  gdttinger  gel.  anzeigen  vom  jähre  1852,  p.  513  ff. 

Von  den  übrigen  Substantiven  and  adjectiven  erhalten  man- 
che eine  eigentümliche  erklärung,  und  auch  da  ist  der  Scharf- 
sinn und  die  umfassende  gelehrsamkeit  des  Verfassers  nicht  zu 
verkennen;  aber  auf  vielen  stellen  eröffnete  die  vergleichende 
Sprachforschung  neue  blicke  und  nöthigt  uns  Düderleins  resultate 
für  ungenügend  zu  erklären.  Die  neutralen  substantiva  auf  -og 
und  die  adjectiva  auf  -tjg  erklärt  er  fast  durchgehende  aus  einem 
oft  erst  neu  geschaffenen  adjectivum  verbale,  so  aXyog  aus  äXs- 
yetov  von  oU/st?,  fievog  aus  fievstov,  de'og  aus  desrov,  tjdog  aus 
yderov,  ddog  aus  daetop  u.  s.  f.,  vgl.  besonders  anm.  103,  über  die 
adjectiva  auf  -yg  aufser  den  einzelnen  manigfachen  beispielen  auf 
s.  77.  96.  98.  144.  150.  151.  besonders  note  101.  Und  für  die 
erklärung  dieser  reichen  gebilde  wird  eigentlich  nur  ddxsrov  ne- 
ben ddxog  angeführt.  Dagegen  spricht  vor  allem  die  bedeutung 
der  substantiva  und  die  nothwendigkeit  wieder  eine  gewaltige 
masse  von  heischeformen  anzunehmen,  heischeformen ,  in  denen 
darchgehends  recht  willkürlich  ein  bindevocal  eingefügt  wird. 
Die  bildung  auf  -wog  hat  sonst  im  griechischen  andern  sinn;  sie 
drückt,  wie  die  entsprechende  sanskritische  auf -ata  ein  fut.  pass. 
aus:  so  hat  Rosen  in  seiner  ausgäbe  des  Rigveda  p.  VIII.  sehr 
passend  bei  skr.  darcata  an  griech.  aQideixerog  gemahnt;  vergl. 
Benfeys  sanskritgramm.  $.  144,  XVII.  Die  form  ddxsrof  statt 
Ödxog  ist  zwar  wohl  dieselbe  mit  noch  nicht  bestimmt  modificir- 
ter  bedeutung;  denn  im  gründe  scheint  -ata,  -ero  nur  ein  in  die 
vokaldeklination  übergegangenes  participium  imperf.,  also  nur 
eine  andere  gestaltung  des  vollen  -anta  (bei  Benfey  147.  XXXV.). 
Aber  eben  dieses,  dafs  auch  die  seltenen  formen  auf  -ezog  keine 
adjectiva  verb.  im  gewöhnlichen  sinne  sind,  dafo  das  einzige  zum 
beweise  angeführte  beispiel  eigentlich  nur  ein  erweitertes  part. 
imperf.  ist,  spricht  für  eine  ganz  andere  auffassung  der  substantiva 
auf  -off,  skr.  -as,  latein.  -us,  goth.  -is  in  rimis,  sigis,  für  die  auf- 
fassung nämlich,  dafs  sie  aus  dem  suffixe  -at  ihren  Ursprung  ge- 
wonnen. Das  hat  denn  auch  Kuhn  in  seiner  trefflichen  abhand- 
lung  «über  das  alte  S  und  einige  damit  verwandte  lautent Wicke- 
lungen» in  dieser  Zeitschrift  mit  gewohnter  klarheit  und  mit  einer 
fülle  von  material  ausgerüstet  durchgeführt.  Sind  aber  diesubst. 
auf  -off  nicht  aus  adj.  verbal,  entstanden,  dann  auch  nicht  die 
adj.  auf  -qff.     Denn  im  ältesten  sanskrit  existiren  nicht  seltene 


*29tf  Schweizer 

einfache  adjectiva  auf  -as,  nentr.  -as,  die  nur  durch  den  acceni  — 
indem  sie  wie  im  griechischen  oxytona  sind  —  tob  den  gieicb- 
gebildeten  Substantiven  sich  nntencheiden:  so  finden  wir  neben 
apas  =  opus  ein  apis,  neben  sahas,  goth.  sigis,  ein  sah**  n.  dgL, 
und  im  latein.  ist  ein  schönes  beispiel  für  dieselbe  eotwickeAnng 
venös,  eris  neben  skr.  vanas  (vgl.  in  dieser  zeitschr.  I,  321),  und 
wohl  auch  Ceres,  Cereris,  was,  wie  ich  eben  bemerke,  schon 
Ebel  « starke  und  schwache  formen  griechischer  und  lateinischer 
nominan  in  dieser  Zeitschrift  1,292  so  gedeutet  hat.  Wie  iui 
griechischen,  so  sind  nun  allerdings  auch  im  sanskrit  diese  adjec- 
tiva  auf  -aa,  -as  mehr  in  Zusammensetzungen  üblich,  aber  in  so- 
genannten composita  possessiva,  die  am  einfachsten  mit  «habend" 
aufgelöst  werden,  indem  man  eben  einem  persönlichen  oder  per- 
sönlich gedachten .  wesen  eine  näher  bestimmte  eigenschaft  beile- 
gen will.  Dafa  aber  namentlich  im  griechischen  za  den  adiect.  auf 
•  ijg  bei  weitem  nicht  mehr  alle  snbst.  auf  -og  existiren,  ist  einer- 
seits nicht  von  so  hoher  bedeotung,  anderseits  darf  man  ge- 
wifa  nach  den  analogieen  im  sanskrit  annehmen,  dafa  dieselben 
einst  in  viel  reicherem  mafae  vorhanden  waren.  Auch  abgesehen 
von  der  ansieht  ober  die  bildungs  weise  dieser  Wörter  irrt  Döder- 
lein  bei  einzelnen  in  ihrer  dentung.  In  anm.  103.  will  er  räpotf 
aus  picpetog  erklären,  also  vitpog  von  riqxo  herleiten:  das  ist  eine 
möglichkeit,  wenn  piyog,  skr.  nabhas,  slav.  nebo  einst  mit  s  an- 
lauteten; denn  dafa  dieser  anlant  in  ytqx»  n.  s.  w.  geschwun- 
den ist,  bezeugt  uns  gothisches  snaivs,  unser  schnee,  welches 
hier  das  griechische  und  lateinische  an  alterthumlichkeit  über- 
trifft, wie  in  «schnür»,  wog  und  nurus  u.  s.  w.  Aber  gesetzt 
auch  fiyog  habe  einst  apeepog  geheifaen,  wie  porog,  aporog,  (uIq- 
tfiva  GfMQifiya  u.  s.  f.,  so  ist  jedenfalls  in  riqxo  die  ursprüngliche 
wurzelgestalt  ganz  anders  modificirt  als  in  teqiog.  Das  wort  Ireg 
soll  von  elrai,  ic/ii  stammen  und  gleich  laog9  iaezop  sein.  Aber 
Stog  ist  ja  anerkannt  digammirt,  während  die  wurzel  as  keine 
spur  solches  anlaute«  bietet;  denn  wenn  sie  Döderlein  für  die- 
selbe hält  mit  vas,  visan,  vesan,  so  beruht  das  auf  einen  irr- 
thum.  'Piog  für  GQSfog  stimmt  ganz  trefflich  mit  dem  partidpinm 
<Wb*  för  $eovr,  aber  schlecht  mit  gvtov  u.  s.  f.  —  Auch  die  endung 
-ti\g  soll  unmittelbar  aus  adjeet.  verb.  enstanden  sein.  S.  20  wird, 
von  einem  adjeetivum  verbale  curog  ein  aitrjg'  ntm%6g  gebildet, 
8.  71.  aus  dXqrög  aX^rtjg  und  so  hin  nnd  wieder.  Ueber  das  suff. 
~ti\q  äufsert  sich  unsers  wissens  Döderlein  in  diesem  buche  nicht, 


anzeigen.  299 

wenigstens  ans  ist  nicht  klar,  in  welches  verhältnifs  er  8.  14. 
doQTtJQ  zu  doQJtjfaie  bringt.  Der  weg,  wie  -rtig  ans'  -ttjq  ent- 
standen sein  könnte,  ist  von  Bopp  sehr  scharfsinnig  gewiesen 
worden,  und  seine  meinnng,  es  sei  •«/£  aus  dem  alten  t6,  dem 
nominativ  von  tar,  hervorgegangen,  haben  Gurtios  und  Ebel  als 
richtig  angenommen.  Dürften  wir  durchaus  zustimmen,  dann 
raüfete  Döderleins  ansieht  über  diese  bildung  ohne  weiteres  ver- 
worfen werden,  da  sich  diese  suffixe  tar,  lat  tor,  ter,  Tcoq,  triQ 
u.  8.  f.  sehr  ungekünstelt  auf  eine  verbalwurzel  zurückführen  las- 
sen, nämlich  auf  die  w.  tar,  tr,  vergl.  Aufrecht — Kirchhoff 
in  den  umbr.  sprachd.  s.  162.  Man  kann  wohl  dafür,  dafs  riyv 
—  ttjq  sein  könne,  die  form  fMQzvg  neben  fidgrvQ  anführen  5  aber 
in  diesem  vereinzelten  beispiele  sind  nicht  beide  gestalten  durch- 
gedrungen, sondern  mischen,  sich ,  wie  die  sanskr.  krdshtu  und 
kröshtr;  anderseits  ist  es  auffallend,  dafs  nur  -iijg,  nicht  aber 
-tijq,  -ig>q  verwendet  wird  bei  der  ableitang  aus  einem  nomen, 
am  meisten  bedenken  aber,  beide  bildungen  als  die  gleichen  an- 
zusetzen, machen. uns  die  von  Pott  in  den  etym.  forsch,  ange- 
führten analogieen  in  anderen  sprachen.  Diese  lassen  uns  aller- 
dings in  -ttjg  ein  dem  suffixe  -rog,  mit  dem  das  adjeet.  verbale 
gebildet,  verwandtes  sehen,  berechtigen  uns  aber  durchaus  nicht 
ersteres  unmittelbar  aus  dem  letztern,  und  zwar  aus  dem  letztern 
in  dieser  bestimmten  bedeutung  abzuleiten.  In  anm.  63.  sagte 
D. :  Dieses  wort  (dh]ttjg)  erkenne  ich  in  dem  lat.  velites  wieder, 
einem  gegensatze  der  milites  statuarii;  denn  dhjrtjg  lautet  in  di- 
chotomischer  form  veles,  wie  optXfjTijg  miles.  —  —  Dasselbe  dltj- 
tijg  veles  stimmt  zu  wild.  Dafs  die  eigentliche  würze!  von  oAtf- 
Ttjg  und  velites  dieselbe  sein  könne  und  zwar  im  lateinischen  in 
ursprünglicher  form  erhalten,  wollen  wir  nicht  läugnen,  und  das 
haben  auch  schon  andere  angenommen,  aber  sicher  ist  das  sufßx 
des  wortes  nicht  dasselbe;  —  it  im  lateinischen  ist  entweder  nnd 
in  gar  vielen  fällen  schwache  form  des  part.  praes.  oder  als  ur- 
sprüngliches vit  schwache  form  des  suffixes  vat,  vant,  jnp*9  /w, 
wie  in  dives,  vielleicht  in  einzelnen  fällen  theil  einer  verbalwur- 
zel, wie  Bopp  scharfsinnig  ai-it,  ped-it,  equ-it  von  einem  substan- 
tivum  und  würzet  1  ableitet.  Zwar  bei  alit,  equit  und  milit,  welches 
ans  mille  «der  in,  mit  tausenden  geht»  entstehen  könnte  (denn  11 
mufis  nach  dem  Lachmannischen  gesetze  vor  einem  i,  das  nicht 
caausendung  ist,  in  1  übergehen)  hat  Benfey  erhebliche  beden- 
ken vorgebracht  und  versucht  dieselben  als  alvat,  atvit,  equat, 


300  Schweizer 

equit,  milvat,  milvit  zu  deuten,  was  uns  nicht  ungereimt  erscheint. 
Jedenfalls  brauchen  wir  dem  lateinischen  miles  nicht  seine  Selbstän- 
digkeit zn  rauben,  und  ebensowenig  den  velites,  die  wir  wirklich 
als  volvites,  velvites  erklären  möchten,  wodurch  auch  das  lange 
e  in  velites  seine  begründung  findet.  Endlich  bestreiten  wir  auch 
nicht,  dafs  unser  deutsches  wild  derselben*  wurzel  als  dlqTtjg 
angehöre,  nur  wird  auch  hier  das  suffix  ein  verschiedenes  sein. 
Wir  schliefen  diesen  schon  fast  zu  lang  gewordenen  abschnitt 
mit  einigen  bemerkungen  über  die  dichotomische  und  tri- 
chotomi8che  declinationsform  oder  vielmehr  über  einzelne 
beispiele,  die  in  note  IL  unter  diesem  gesichtspunkte  erklärt 
sind.  Viele  dieser  beispiele  sind  nnläugbar  richtig,  andere  durch- 
aus unrichtig.  So  können  wir  durchaus  nicht  annehmen,  dafs 
substantiva  auf  -v,  wie  top??  aus  adjectiven  auf  -vqo  verkürzt  seien, 
so  wenig  als  man  wird  statuiren  wollen,  skr.  -vas,  vat  sei  aus 
-vara  hervorgegangen  und  nicht  umgekehrt.  Lux  (lue)  wird  aus 
Xevxq,  vox  aus  oaca,  rex  aus  agyo?  gedeutet,  d.  h.  es  soll  die  ein- 
fachste substantivbildung,  in  der  die  Wurzel  allein  genügt,  nament- 
lich dem  lateinischen  entzogen  werden;  aber  die  Sprachforschung, 
die  weiter  um  sich  sieht,  schützt  das  ehrwürdige  latein  hinrei- 
chend: rex  ist  ganz  dasselbe  wie  skr.  raj,  vielleicht  goth.  reiks, 
vox  entspricht  vollständig  einem  skr.  väc,  und  so  wird  es  erlaubt 
sein  auch  lux  als  einfach  zu  erklären.  Aber  woher  die  langen 
vocale?  Kuhn  in  seinem  gediegenen  aufsatze  «zur  ältesten  ge- 
schiente der  indogermanischen  Völker»  hat  das  gesetz  begründet, 
dafs  indische  wurzeln  mit  einfachem  consonantischen  auslaute  (wie 
es  scheint  hauptsächlich  der  gutturalen  und  palatalen  klasse)  ein 
inlautendes  a  verlängern,  sobald  sie  ohne  suffix  sowohl  selbstän- 
dig als  am  Schlüsse  von  compositen  substantivisch  gebraucht  wer- 
den, und  etwas  ähnliches  findet  sich  oft  im  lateinischen.  Gens 
soll  eine  Verkürzung  von  yewnj  sein,  während  es  nach  hundert 
analogieen  unmittelbar  aus  der  wurzel  mit  -ti  abgeleitet  ist. 
"Oqoq  «der  berg»  wird  als  verkürzt  aus  og&6g  (anderswo  anders) 
angegeben,  wog  aus  apaaca,  aes  aus  al&ov,  mos  aus  modus. 
Bei  OQog  gilt  dasselbe,  was  wir  schon  mehrfach  bemerken  mufs- 
ten,  es  ist  möglich  und  nicht  unwahrscheinlich,  dafs  es  mit 
Sq&o?  die  wurzel  theilt;  aber  es  ist  sehr  unwahrscheinlich,  dafs 
es  unmittelbar  daraus  entstanden  sei.  'ÖQ&og  ist  nach  dem  skr. 
ürdhva  und  lateinischem  arduus  schon  um  einen  laut  verkürzt 
und  hieb  ursprünglich  ifdj:6g\  vgl.  diese  zeitschr.  I.  160.  Wenn 


anzeigen.  301 

herr  D.  ava&  aus  avatnra  dentet,  tf^flf  ans  &Qiaaa,  so  kommen 
wir  mit  ihm  ip  einen  ähnlichen  widersprach,  wie  bei  der  bildung 
des  verbnms,  wir  müssen  umgekehrt  behaupten,  avacaa  und  #0100« 
seien  durch  das  femininsufßx  ta  aus  den  wurzeln  mit  gutturalem 
auslaute  abgeleitet;  denn  dafs  xi,  %i  zu  oa  wird,  das  ist  Jüngst 
anerkannt.  Auch  lateinisches  mos  darf  seiner  Selbständigkeit  nicht 
beraubt  werden;  es  gleicht  auffallend  dem  sanskr.  mäs  «mond», 
«nionat»  d.  h.  das  mafs,  und  ist  vielleicht  nur  eine  mit  s  erwei- 
terte wurzelform,  wie  bhäs  gleich  bhä  vorkommt  Am  wenig- 
sten geht  es  wohl,  aes  gleich  al&ov  zu  fassen*  wobei  dann  die 
formen  ahenus,  aenus  ganz  unberücksichtigt  bleiben ;  oder  woraus 
erklärt  denn  Döderlein  das  hier  auftretende  h?  Aes  ist  vielmehr 
eines  und  dasselbe  mit  skr.  ayas,  ahenus,  aenus  gleich  ajenus. 
Denn  nach  der  schönen  auseinandersetzung  von  Aufrecht -Kirch- 
hoff in  den  umbr.  spr.  I,  s.  79.  bei  anlafs  des  umbr.  ahesnes 
müfste  es  ein  starker  Zweifler  sein,  der  nicht  glauben  wollte, 
dafs  im  inlautc  zwischen  zwei  vocalen  j  in  h  übergehen  durfte. 
Diese  formen  ahesno,  aheno  sprechen  am  stärksten  gegen  die 
sinnreiche  deutung  des  verfassen,  der  damit  Grimms  und  M&  1- 
lenhoffs  Vorstellungen  über  das  fragliche  wort  nahe  kommt. 
Grinim  sagt  in  der  gesch.  d.  d.  spr.  1, 13:  « für  unser  gold  bö- 
ten sich  deutsche  Wörter  mit  dem  begriffe  des  glanzes  dar.  Läge 
die  nämliche  Vorstellung  in  der  wurzel,  welcher  aes,  aurum 
eisen  entstammen,  (und  unser  is,  eis  glacies  verbürgt  es)  würde 
ich  mich  sträuben  wider  die  deutung  von  ajas  aus  ajamas. "  Aber 
mit  aar  um ,  wie  aufser  Grimm  auch  Müllenhoff  wollte,  können 
wir  aes,  ayas  auch  mit  den  feinsten  sprachkünsten  kaum  zusam- 
menbringen. Das  lateinische  scheint  uns  einmal  zu  unverdienten 
ehren  zu  kommen,  wenn  aus  penitus  nag,  aus  venti  aimg  ge- 
worden sein  sollen.  Aber  penitus  heifst  ja  nur  «der  innere  oder 
innerste »,  von  der  Oberfläche  am  entferntesten  liegende;  soll  nun 
nag  heifsen  «der  bis  ins  innerste?"  Vergleichen  wir  totus,  was 
.kaum  vom  umbrischen  töta  getrennt  werden  kann  und  demnach 
von  einer  wurzel  tu  crescere  abgeleitet  ist,  so  wird  uns  Benfeys 
deutung  von  anag  und  nag,  die  auch  Grimm  anzunehmen  scheint, 
weniger  abenteuerlich  vorkommen.  Damit  ist  nun  aber  nag  ein 
echtes  partieipium  imperf.  geworden  und  sein  suftix  -at,  ant. 
S.  1.  sagt  D.:  Im  latein.  erkenne  ich  den  stamm  ätjvai  blofs  in 
ventus,  wind,  welches  sich  zu  dem  part.  delg  d.  h.  apivg,  eben 
so  verhält,  wie  argentum  zu  äQyrJBig.    Aus  allem  diesem  müssen 


an  Sehweiter 

wir  den  schlaf«  liehen,  daft  D.  Oberhaupt  die  endung  -at,  ant  im 
imperf.  fftr  eine  abkünung  aus  -ata,  ania  hält,  eine  ansieht,  wel- 
che jedenfalls  noch  umsichtiger  prüfung  bedurfte.  Es  scheint  aller- 
dings auch  uns,  veutus,  skr.  Tita,  wind  seien  tobi  parte  imperf. 
der  wurzel  vä  abgeleitet,  aber  für  einmal  sagen  wir  eben  lie- 
ber abgeleitet  mit  suffix  a.  Anderer  ansieht  ist  J.  Sonne 
epilogomena  s.  6.,  der  aus  vä  eine  neue  wuraelform  vat  sich  bil- 
den läfst,  die  sich  dann  in  vant  erweiterte  und  nun  skr.  rata 
und  lat.  ventus  als  verschieden  gestaltet  auffassen  will.  Es  sei 
übrigens  beiläufig  gesagt,  dab  argentum  nicht  gleich  dgpjeig  ist, 
sondern  mit  dem  oskischen  arageto  unmittelbar  dem  skr.  rajat* 
entspricht,  also  auch  von  einem  partieipium  imperf.  abgeleitet  ist 
und  zunächst  eine  erweitern  Dg  von  aQp}r9  aqyk  heifsen  kann. 
Eber  lassen  wir  es  uns  gefallen,  wenn  der  Verfasser  adprjg  und 
antoig  als  verkürzt  aus  adfirjr.og  und  anroatog  ansieht,  da  sich  da- 
für sehr  interessante  analogieen  in  den  italischen  dialekten  zeigen. 
Umbrisches  pihaz  ist  pihats  d.  b.  piatna ,  termnas  =  terminatus, 
latein.  damnas  =  damnatus  und  campans,  campas  =  campanus 
n.  8.  f. 

Sehr  reich  sind  auch  die  bemerkungen  über  die  bildung  von 
adverbien.  Einzelne  derselben  sind  in  anm.  11  besprochen.  Be- 
sonders häufig  werden  sie  aus  den  stammen  so  abgeleitet,  dafs 
von  diesen  noch  der  auslautende  stammvocal  weggeworfen  wird; 
€tQti  von  Slqtioq,  rjqi  von  fjQtog ,  ayav  von  ayavog ,  ddo|  VOB 
odaxr,  Ity*,  Xia»  von  aXianog  für  äXiatt,  dvg  von  övatog  for 
dvaz,  yxa  von  dxaXog  für  axak,  nayjy  von  na-jvvog  für  najwt 
u.  s.  f.  Die  auf  -dor,  -fyi>  u.  s.  f.  sollen  verba  auf  -fo>  voraus- 
setzen, digfot  gleich  faxddtp  sein.  In  der  rege!  können  wir  auch 
auf  diesem  gebiete  dem  verf.  grofse  röhrigkeit  und  einen  nicht 
gemeinen  Scharfsinn  nachrühmen,  aber  diese  eigenschaften  verlei- 
ten ihn  nicht  selten  zu  kühnen  griffen,  denen  wir  eine  rechte 
Wahrheit  absprechen  müssen.  So  gerne  wir  auch  diese  partie 
einer  nähern  prüfang  unterwerfen  würden,  wollen  wir  uns  doch 
beschränken,  um  diese  anzeige  nicht  allzu  umfangreich  werden 
zu  lassen;  dieselbe  rücksicht  verbietet  uns  auch  einzelne  wort- 
deatungen  in  grösserer  zahl  zu  untersuchen,  und  nur,  um  unserer 
im  anfange  gegebenen  verheifsung  nicht  untreu  zu  werden,  fugen 
wir  noch  einige  kleinigkeiten  der  art  hinzu.  Eine  der  auffallend- 
sten etymologieen  in  diesem  buche  ist  diejenige  von  ravQog,  wel- 
ches D.  aus  reevg  entstehen  labt,  wie  iiaQTVQog,  vsxqoq  aus  ftagrvg 


anzeigen.  303 

und  vixvg  u.  a.  Dafs  aber  hier  das  deutsche  den  ursprünglichen 
anlaut  gewahrt,  das  griechische  ihn  verloren,  wie  das  sanskrit  in 
tärä  für  stara  u.  a. ,  bezeugt  indisches  sthörä,  Aber  welches  in 
dieser  Zeitschrift  schon  mehrfach  geredet  ist.  Ipag  wird  hier 
(s.  25)  auf  ein  ifcoiVco  und  dieses  auf  ipa  zurückgeführt  und  Ifta 
mit  vimen  zusammengebracht.  Aber  namentlich  durch  die  veden- 
literatur  ist  uns  eine  wurzel  si  bekannt  geworden  in  der  bedeu- 
tung  «binden»,  und  ist  die  quelle  einer  ziemlichen  anzahl  von 
Wörtern,  zu  denen  auch  das  mit  ipag  wörtlich  übereinstimmende 
siman  gehört;,  vgl.  diese  Zeitschrift  I,  374.  —  Ilrflyg  wird  s.  33. 
aus  nijxrvg  gedeutet,  dieses  nach  analogie  von  raQaxrog,  t^fjyg 
gebildet.  Schon  längst  hat  die  vergleichende  Sprachforschung, 
die  auch  *(wxvg  nicht  aus  tuq anzog  entstehen  läfst,  griechisches 
nrjxyg  mit  dem  skr.  bahn  verglichen  und  die  Verwandlung  von 
b  in  p  hinreichend  erklärt;  vgl.  Kuhn  in  dieser  zeit  sehr.  I,  s.  184, 
wo  auch  nwjfvg  eine  andere  und  wohl  richtigere  deutung  findet. 
S.  97  wird  v(5\iim\  als  vnopopii]  gedeutet;  es  ist  aber  eine  einfache 
participialableitung  von  sanskritwurzel  yudh,  welche  wir  oben 
als  aas  yn  hervorgegangen  erkannten.  Aus  dieser  wurzel  abge- 
leitet finden  wir  im  sanskrit  yudh,  yuddha,  äyddhana  in  der  be~ 
deutang  von  «schlachte.  Dadurch  werden  alle  künsteleien  un* 
nöthig.  S.  103  finden  wir  eine  sehr  weitläufige  ableitung  der  par- 
tikel  üvg.  Von  devea&ai  wird  ein  dv&tv  gebildet,  dessen  adjeet. 
verbale  Övarog  ist:  aus  Ovar  nun  wird  dvg.  Und  in  einer  note 
fragt  D.  noch:  Ob  dvg-  mit  zu,  engl,  too  identisch  ist?  Diese 
ableitung  fällt,  sobald  wir  wissen,  dafs  dieselbe  partikel  im  skr. 
dus  lautet,  was  unmöglich  aus  dv&w  hergeleitet  werden  kann. 
Dafs  aber  auch  für  dvotog  und  dvartjvog  ein  öv&iv  unnöthig  ist^ 
bezeugt  uns  laut  genug  skr.  duhstha  poor,  ill  conditioned.  Dieses 
wort  ist  zusammengesetzt  aus  dus  und  w.  sthä  «schlimm  ste- 
hend» etc.;  und  bvGTTjtog  hat  Benfey  mit  bestem  rechte  auf  skr. 
dus  -f-  sthäna  «stand»  zurückgeführt.  Man  bedenke  dabei  nur, 
dafs  die  wurzeln  für  «stehen»  und  «sitzen»  sehr  leicht  den  all- 
gemeinen begriff  des  «seins»  annehmen,  dafs  höchst  wahrschein- 
lich as  selbst  ursprünglich  eine  bestimmte  sinnlich  wahrnehmbare 
thätigkeit  bezeichnete.  Das  wort  vprog  kann  allerdings  von  der 
wurzel  su  oder  ve  stammen  und  eigentlich  ein  gewebe  oder  ein 
zusammengewobenes  bezeichnen,  denn  auch  schon  in  den  alten 
Vedaliedern  kommt  dasselbe  bild  wie  bei  Pindar  vor;  aber  sehr 
beachtenswert  h  bleibt  immer  das  vedische  sumnä  eig.  «freude». 


304  Schweizer 

dann  «opfer,  hymneN.   S.  140  wird  rajvtf  aus  raxt6g  «  gestreckt - 
erklfirt,  and  damit  wäre  ein  neue»  analogon  zu  na^ig  etc.  gefun- 
den.    Aber  auch  dieses  beispiel  wird  unsicher,  wenn  wir  das 
skr.  daghyati  und  daghnoti  «er  lieft"  vergleichen;  denn   «Pott 
und  nach  ihm  Benary  haben  überzeugend  dargethan,  dafs  das 
griechische  nur  aspiration  der  tenues  kenne,  das  gleichgewicht 
der  laute  die  Verwandlung  der  anlautenden  media   in  die  tennis 
herbeigeführt  habe».  Am  ende  ist  dagh  selbst  nur  eine  andere  form 
yon  TQt'xiOi  wie  ja  auch  bahu,  nayyg  von  brh  stammt.    S.  158 
wird  ala  durch  vermittelung  einer  form  aviog  auf  aiog  trocken 
zurückgeführt  und  von  yala  lautlich  und  dem  sinue  nach  genau 
unterschieden.    Jedenfalls  zeugt  für  des  verf.   ansieht   nicht  die 
von  ihm  angeführte  stelle  II.  111,244:  cpvai£oog  ala,   wo  die 
erde  gerade  als  zeugende  erscheint.  MüCste  ala  von  yala  getrennt 
werden,  was  wir  übrigens  nicht  annehmen  möchten,   so  wäre 
eine  mögliche  ableitung  diejenige  von  wurzel  av  «nützen,  för- 
dern M,  heifsen  ja  doch  himmel  und  erde,  die  beiden  gütigen  ei- 
tern, in  alten  vedenliedern  oni  «die  beiden  hüter*.    Mit  geringerer 
Sicherheit  würde  deutsches  aue,  ahd.  awa,  owa  verglichen,  welches 
D.  in  unmittelbaren  Zusammenhang  mit  dem  griechischen  worte 
zu  bringen  scheint;  dieses  hat  offenbar  im  inlaute  eine  guttnralis 
eingebüßt  und  steht  nicht  ferne  ab  von  aqua,  ahva,  bezeichnet 
also  gerade  das  gegentheil  von  dem,  was  D.  in  ala  hineinlegt. 
Mit  yala  selbst  sind  wir  noch  gar  nicht  so  ganz  im  reinen,  als 
es    dem  verf.  scheint,    und  um  der  fehlenden  lautverscbiebnng 
willen  wird  nun  auch  daran  gezweifelt,  ob  gothisches  gavi  mit 
yala  dasselbe  wort  sei.   Wie  D.  leitet  zwar  auch  Ahrens  in  sei- 
ner  gr.  lautlehre  s.  154  yala  als  ya-ia  unmittelbar  aus  wurzel 
ja  ab;  aber  skr.  gö  macht  das  bedenklich;  oder  ist  es  erlaubt 
yala  von  skr.  gö  kuh,  erde  zu  trennen,  oder  dieses  gö  selbst 
zwiefach  abzuleiten,  etwa  gö  die  kuh  von  gu  =  gam  «gehen1*, 
gö  erde  von  einem  freilich  nur  erschlossenen  ju  =  jan,  was  aller- 
dings nicht  ohne  analogie  wäre,  kommt  doch  auch  ein  khu  ne- 
ben khan  vor?  Für  das  sanskrit  dürfen  wir  wohl  fast  ohne  zwei» 
fei  annehmen,  gö  als  erde  sei  eine  symbolische  benennung;  grie- 
chisches yala  müfate,  stimmte  es  damit  überein,  das  femin.  zu 
gavya  sein  und  eigentlich  «die  irdische»  bezeichnen,  Ähnlich  wie 
suein  im  gothischen  eigentlich  adj.  von  su  ist  u.  a.,   also  ydjria 
nicht  yala  wäre  die  Urform.     Vgl.  über  diese  ausdrücke  und  ihre 
wurzel  Weber's  VAjas.  S.  spec.  part.  post.  p.  164.,' wo  zu  den 


anzeigen.  -  305 

aufgeführten  beispielen  noch  beizufügen  sind  dru  neben  dram  und 
yu  neben  yam,  welche' beiden  wurzelformen  so  ihre  einfachste 
deutung  finden.  Und  so  wird  sich  nun  auch  goihisches  gavi  am 
leichtesten  zu  yala  fügen,  wenn  auch  allerdings  die  lautverschie- 
bung  dabei  nicht  gehörig  eingetreten.  Wollte  man  dieses  nicht 
zugeben,  so  hätte  man  goth.  gavi  zu  griechischem  gcc/tac,  vielleicht 
humus  und  %&<6f  zu  stellen,  und  das  hat  Grimm  in  seiner  rei- 
chen abhandlung  «über  die  diphthongen  und  ausfallenden  conso- 
nanten»  gethan;  nur  darf  man  nach  dem  skr.  kshmä  von  w.  ksham 
nicht  annehmen,  dafs  in  der  w.  von  %afxa  und  X&°*v  ein  auslau- 
tendes d  gewaltet  habe,  sondern  man  müfste  aus  ksham  wieder 
ein  auch  wohl  vorkommendes  kshu  sich  entfalten  lassen,  und  die 
übrige  entwickelung  wäre  dieselbe  als  in  yala.  Wenn  D.  teüus 
als  «die  erzeugende»  deutet  und  es  unmittelbar  an  azaXko*  hält, 
so  ist  wenigstens  das  letztere  sR-her  unrichtig;  das  wort  wird, 
wie  Benfey  es  in  seiner  mehrfach  erwähnten  recension  erklärt, 
mit  terra  von  der  wurzel  ter  herkommen  und  mehr  nur  die 
«fläche»  bezeichnen.  Unter  die  w.  ßaXkco  bringt  Döderlein  sehr 
verschiedenes  zusammen,  so  ßXe'neiv,  entwickelt  aus  einem  ßo- 
Xajreiv  und  ßXdyaQa,  dessen  wurzel  auch  Lobeck  besser  erkannte 
und  ebenso  ßlefitaipei*  und  ßXdßeir.  Die  irrthümer  rühren  hier 
wesentlich  daher,  dafs  D.  keinen  Übergang  von  y  in  ß  annehmen 
wollte,  einen  Übergang,  der  schon  mehrfach  erwiesen  ist  und 
ganz  gut  begründet  werden  kann.  Und  wie  unter  ßdJAsiv  mit 
grofsem  Scharfsinne  das  unvereinbare  geeinigt  ist,  so  noch  an 
andern  stellen  unter  andern  wurzeln  und  stammen,  wie  unter 
XaiQSw  u.  8.  f. 

Wir  schliefsen  unsere  anzeige  mit  herzlichem  danke  gegen 
den  uns  auch  persönlich  lieben  Verfasser,  mit  herzlichem  danke 
für  viele  unbestreitbaren  resultate,  die  wir  seinem  fleifse  und  sei- 
nem Scharfsinne  verdanken,  aber  auch  für  das,  was  uns  irrig 
scheint,  weil  in  ihm  manigfache  anregung  zuterneuerter  prüfung 
und  zu  weiterer  forschung  liegt.  Hätten  wir  alles  gelungene  auf- 
zählen nnd  alles  zweifelhafte  abwägen  wollen,  unsere  recension 
wäre  zu  einem  kleinen  buche  angewachsen. 

Zürich.  H.  Schweizer. 


11.    4.  20 


306  Zyro 

III.  Mlscellen. 


Bemerkungen  zu  Ftirstemann  1, 412. 

Herr  Förstemann,  dem  der  unterzeichnete  für  seine  man- 
cherlei sprachlichen  mittheilungen  besten  dank  weife,  erlaube  sie- 
gen einzelnes  bescheidene  ein  Wendung! 

Schande  oder  schanne  (=  das  zum  tragen  zweier  eicner 
dienende  ausgehölte  achselholz)  ist  er  geneigt  auf  das  poln.  szalny 
(=r  wagschalen!)  zurückzuführen  —  wenn  nicht  das  vorkom- 
men des  wortes  im  harze  im  wege  stände!  Allein  es  findet  sieh 
eine  viel  nähere  erklärung  in  der  vergleichung  mit  schiadel 
(f.  lat.  scindula,  von  scindo),  schiene,  bernisch  scheie,  ver- 
schineln.  Grundbegriff:  ein  durch  spalten  (seindere)  entstan- 
denes flaches,  weder  breites  noch  dickes  stuck  holz  von  m&fsiger 
länge.  Dafs  man  auch  von  eisenschienen  spricht,  kommt  von 
der  ähnlichkeit  in  breite,  dicke  und  länge.  Mit  schindeln  wer- 
den bekanntlich  hänser  bekleidet,  mit  scheien  werden  wiesen  und 
äcker  eingefriedet;  ein  gebrochener  arm  dgl.  wird  eingeschienelt. 

Auch  schick  (  =  Ordnung)  soll  von  dem  poln.  szyk  (= 
acies  dgl.)  herkommen.  Ich  glaube  es  richtiger  von  schicken 
(=  fugen,  ordnen)  herleiten,  und  schicken  einerseits  auf  scindo 
(tfl'Ctt))  andererseits  (wegen  k)  auf  seoo  zurückführen  zu  sollen. 
Vgl.  sägen  und  sagen,  welches  in  berner  mundart  umgekehrt 
gesprochen  wird:  sagen  (  -  ^  )  =  secare  (scier),  sägen  (  -  ^  )  = 
dicere,  für  welches  letztere  an  etgco,  sero  (sermo,  ordnen)  zu  er- 
innern ist.  Weiter  will  ich  in  vergleichungen  nicht  eintreten. 
Es  erhellet,  dafs  ans  dem  begriff  des  theilens,  scheidens  der 
des  ordne ns  herkömmt  —  vgl.  qui  bene  distinguit,  bene  docet; 
divide  et  impera.  Daher :-  geschickt  =  wer  zu  scheiden  and 
zu  ordnen,  somit  die  sache  gut  anzufangen  weifs;  vgl.  gescheit, 
richtiger  gescheid,  bemisch  gschyd  (von  schyden=holz  spalten). 
So  auch  sagt  der  Berner:  «er  hat  einen  gut  schick  gemacht» 
=  durch  kluge  berechnung  oder  durch  glück  einen  günstigen 
handel  dgl.  geschlossen.  Ferner  bedeutet  im  kanton  Bern  ein 
gschickli  =  ein  klein  landgut  oder  heimwesen,  dessen  grund- 
begriff  ist:  einheitliches  stück,  kleines  ganze. 

Anders  verhält  es  sich  mit  schicken  in  der  bedeutung  «sen- 
den».   Dieses  leite  ich  von  der  würzet  ab,  welche  in  ge-schehen 


miscellen.  907 

(geschiente)  liegt  —  von  scaihan  —  bezeichnet  ein  werden,  und 
schicken  ist  dessen  eausativ  in  besonderer  richtung  —  daher 
k.   Vgl.  wachen  (so  altbernisch:  geschlichen),  wecken  u.  a. 

Schlappen  (=  stampfe)  soll  herkommen  von  slap  (= 
sänle),  weil  so  ein  schlappen  oder  stumpen  (bern.)  einer  säule 
gleich  sehe.  Vielleicht  läge  aber  doch  das  bernische  schlüüfen 
(=  serpo)  näher,  dessen  wesentliche  grundbedeutung  ist:  un- 
scheinbare, langsame  bewegung,  welcher  innere  oder  äufsere  hin- 
dernisse  entgegenstehen  —  gegens.  des  kräftigen,  aufstrebenden. 
Daher  sagt  man  bei  ans  von  einem  knaben,  der  noch  nicht  viel 
zu  bedeuten  hat:  du  bist  nur  noch  ein  schlüüfer  —  «e  chlyna 
schluunT.» 

Bei  schmor  (=  betrunkenheit,  rausch)  wird  an  das  poln. 
czmyr  erinnert.  Ich  will  den  Zusammenhang  der  poln.  form  mit 
der  deutsch,  keineswegs  bestreiten,  vielmehr  ist  gewifs,  dafs  slavi- 
sche  demente  sich  überall,  besonders  auch  in  der  Schweiz,  finden; 
aber  dieses  besagt  nicht,  dafs  nun  das  deutsche  (in  casu)  vom 
slavischen  stamme,  sondern  dafs  germanisches  und  slavisches  eine 
gemeinsame  mutter  haben,  von  welcher  ich  fetzt  nicht  weiter 
reden  will.  Genug,  holld.  bedeutet  smor  =  rauch  (vgl.  rausch), 
and  mhd.  smoren= welken.  So  nun  sagt  der  Berner:  die  blumeist 
verschmuret;  das  gekochte  (lange  auf  heifsem  ofen  gesessene  zuge- 
deckte) fleisch  ist geschmuret — wovon  weiter  schmürzelen  (karg 
thun,  geizen,  begriff  des  Zusammenziehens)  und  schmürzen 
(=  nach  feuer  riechen  —  auch  dann  =  schmerzen  =  ein  bren- 
nend gefühl  verursachen).  Wie  nun  die  welke  blume  ihr  licht, 
ihren  glänz,  ihre  Schönheit  verloren,  so  der  betrunkene  mensch. 
Der  rausch  benebelt,  macht  trübe,  dafs  man  sich  des  lichtes  nicht 
mehr  frenen  und  bedienen  kann,  ungefähr  wie  im  rauche. 

Schrägen  —  fleischerschragen  —  soll,  schon  nach  Tren- 
delenburg, von  dem  poln.  szragi  (=  zwei  säulen,  die  ein  quer- 
bolz tragen!  also  ein  galgen!)  kommen.  F.  bemerkt,  dafs  das 
wort  in  Danzig  verschwunden  sei,  aber  noch  in  Pommern  vor- 
komme. Ich  kann  ihm  melden,  dafs  es  im  kanton  Bern  noch 
bestens  üorirt,  und  zwar  in  uneigentlicher  wie  in  eigentlicher 
weise.  Nur  ruht  der  schrägen  auf  vier  beinen,  und  dient  zur 
Schafschur,  oder  zum  schlachten  von  schafen,  kälbern  und  schwei- 
ften. Uneigentlich  sagt  man:  auf  dem  schrägen  liegen  (unedel) 
=  krank  liegen,  machtlos,  kraftlos  sein.  Was  nun  das  etymon 
betrifft,  so  möchte  man  vielleicht  am  ehesten  an  schräg  denken; 

20* 


3*8  Zyro 

aber  gewifa  richtiger  wird  es  zurückgeführt  auf  strecken, 
welches  in  beroer  Tolksmnndart  lautet:  schrecken  —  wie  von 
strecken  kömmt  %.  b.  stracks,  so  von  schrecken  —  schrägen  = 
ein  hölzernes  gestell,  anf  welchem  das  »schmal  vieh»  ausge- 
streckt  wird. 

Aach  schnbehen  (durch  Umstellung  der  laute  —  schab 
nnd  busch(!)  —  =  federbfischelchen  an  bohnern  u.  s.  w.)  soll  vom 
poln.  czub  (=  federbasch)  herstammen.  Allein  tsch up  (=  haupt- 
haar)  ist  auch  in  Bern  bekannt  —  «einen  bim  tschaup  nfih«  = 
bei  den  haaren  packen.  T  vor  seh  kann  nicht  befremden,  da  es 
bei  uns  häufig  vorkömmt,  z.  b.  tschudern  =  schaudern,  tscheebes 
=  käppi  (chapeau),  ein  tscheeg  =s  geschecktes  thier  n.  a.  Schup 
scheint  mit  Huppi  (frz.  la  huppe,  conf.  Wiedehopf)?  haube, 
haapt  (capat)  verwandt  —  schwerlich  mit  schanb,  schübel 
—  wohl  aber  mit  schuppen  schöpf;  vergl.  tschopen,  tschöpli 
(-  w)  -—  weibliches  oberkleid,  von  capia.  Das  bern.  schöpf  = 
schoppen  und  das  deutsche  Schopfs  caput 

Pudel  ss  geflÜs  —  auch  im  bern.  oberland  =  1)  milchge- 
f&fg  —  welche  bedeutung  sich  jedoch  verloren  zu  haben  scheint 
sie  kömmt  noch  vor  «in  milch  pudla  [nicht:  pudla,  puudla]  = 
milch  essen  oder  trinken;  2)  bauch  —  «er  hat  e  grofea  pudl.» 
Dieses  pudl  nun  scheint  einfach  diminutiv  von  pud  und  dieses 
gleich  pot  (ss  topf)  su  sein  —  wie  la  hotte  und  bern.  hutte  (art 
von  korb  oder  geftfs  aus  flechtwerk,  das  auf  dem  rucken  ge- 
tragen wird.) 

Petschaft  — -  in  Bern  sagt  man  büttschaft  —  scheint  al- 
lerdings (mit  Schwenk)  auf  das  böhm.  petschati  (ss  drücken)  zu- 
rückgeführt werden  zu  müssen;  aber  woher  die  endung  aft  oder 
schaft?  Non  liquet 

Bern,  im  August  1852.  Zyro. 


öiaiva.    ripftt 

Zu  den  interessantesten  etymologien  gehören  unzweifelhaft 
diejenigen,  wo  sich  in,  wenn  gleich  dem  Ursprung  nach  ver- 
wandten, doch  durch  geschichtliche  entwickelung  einander  sehr 
entfremdeten  sprachen  Übereinstimmungen  zeigen,  welche  weder 
mit  dem  regelmässigen  bau  der  einen  noch  der  andern  in  voll- 
ständiger harmonie  stehn,  sondern  zu  den  anomalien,  oder  wenig- 


miscellen.  309 

stens  auf  den  ersten  anbliek  ganz  individuell  scheinenden  eigen- 
thümlichkeiten,  zu  rechnen  sind.  Ein  beispiel  der  art  bot  die 
8.  222.  gegebene  elymologie  von  caecus  dar;  zwei  andre  sind  die 
in  der  Überschrift  rnbricirten  Wörter. 

Dafs  dicuta  zu  dem  sanskr.  verbum  jiv  «leben»  gehöre  und 
einer  auf  griechischem  boden  durch  verstummeluog  von  J  (=  ad) 
zu  S  aus  dem  regelrechten  reflex  desselben  ft>r  entstandenen  ne- 
benform  oif  entstamme,  ist  schon  von  Pott  wenn  gleich  zwei- 
felnd bemerkt  (etym.  forsch.  I,  265,  vergl.  mein  gr.  wl.  I,  684). 
Eine  genauere  erläuterung  dieser  bildung  wird  jeden  zweifei  he- 
ben. -  An  jiv  wird  —  gegen  alle  sonstige  analogie  —  im  sanskrit 
das  mit  t  anlautende  primäre  suffix  tu  in  mehreren  bildungeri 
durch  ä  geknüpft  —  jiv&tu  —  und  aus  dem  durch  secundäres, 
Wandlung  eines  i  der  ersten  silbe  in  ai  bedingendes,  ka  gebilde- 
ten jarv&trka  dürfen  wir  unbedenklich  auf  ein  thema  jivätr  schlie- 
fen, in  welchem  auch  das  ebenfalls  mit  t  anlautende  primäre 
suff.  tr  durch  ä  angeknüpft  ist.  Wie  dieses  ä  zu  deuten  sei,  wollen 
wir  hier  nicht  untersuchen,  da  es  für  unsern  nächsten  zweck 
völlig  indifferent  ist.  Nach  diesen  analogieen  liegt  schon  an  und 
für  sich  die  vermuthung  nah,  dafs  auch  das  gleichfalls  mit  t  be- 
ginnende primäre  abstractsuffix  ti  einst  an  dieses  verbum  durch 
ä  geknüpft  sei,  also  jiväti  gelautet  habe;  sie  erhält  aber  eine  un- 
zweifelhafte bestätigung  durch  das  zendische  jyäiü  «das  leben»; 
denn  dafs  dieses  einem  skr.  jiväti  entspreche,  ist  —  wie  man 
auch  über  die  phonetischen  Umwandlungen  entscheiden  möge  — 
unbestreitbar;  das  ä  ist  durch  die  assimilirende  kraft  des  i  in 
der  folgenden  silbe,  nach  einem  im  zend  durchgreifenden  gesetz, 
zu  äi  geworden;  die  Umwandlung  von  jiv  zu  jy  betreffend,  so 
scheint  mir,  dem  für  das  sanskrit  (in  den  Gott.  gel.  anz.  1852. 
s.  114.)  nachgewiesenen  Übergang  analog,  zunächst  v  in  y  über- 
gegangen zu  sein;  dafür  spricht  mit  höchster  Wahrscheinlichkeit 
das  shiyäti  des  altpersischen  der  keilin  Schriften,  welches  Holzmann, 
wie  mir  scheint,  mit  recht  jenem  zendwort  gleich  gesetzt  hat 
Die  lautverwandtschaft  von  i  und  y  endlich  bewirkt  die  einbufse 
des  enteren.  Dem  diesem  jyäiti  zu  gründe  liegenden  jiväti  ent- 
spräche im  griech.  zunächst  dtfäti  oder,  ohne  jrt  diäri.  Die  er- 
wähnte im  zend  durchgreifende  assimilation  erscheint  in  gröfse- 
rem  oder  geringerem  umfang  auch  in  den  übrigen  indogermani- 
schen sprachen,  insbesondere  im  griechischen;  durch  sie  würde 
dicuti  entstehn.    Nun  ist  es  bekannt,  dafs  im  griechischen  an 


310  Benfey 

femininalthemen  gerne  a  tritt,  augenscheinlich  in  folge  davon, 
dafs  die  ungeheure  masse  der  feminina  auf  a  bewirkte,  dafs  die 
spräche  sich  gewöhnte,  in  diesem  voeal  das  eigentliche  charakte- 
risticum  des  feminin  um  zu  erblicken;  so  wird  skr.  patni  im  grie- 
chischen notpta,  pivari  Fliegia^  wenn  aber  das  i  auf  die  oben 
angegebene  weise  in  die  frühere  silbe  hinüber  assimilirend  wirkte, 
fällt  es  an  seiner  ursprünglichen  stelle  aus,  z.  b.  meiga  für  nuQia 
ebenfalls  =  pivari;  so  mnfste  dann  auch  dicun,  wenn  dieses  a 
hinzutrat,  diatta  statt  diaitia  werden. 

Beiläufig  erlaube  ich  mir  eine  bemerkung  bezüglich  der  be- 
deutung.  Sehr  mit  unrecht  habe  ich  diaira  in  der  bedeutung 
«sprach,  amt  des  diaiTtftqg  von  dioura  «leben»  u.  s.w.  in  mei- 
nem gr.  wl.  trennen  zu  müssen  geglaubt.  Die  Übergänge  sind 
«leben,  lebensweise,  lebensbrauch,  gewohnheit  im  juristischen  sinn, 
der  der  rechtsgewohnheit  entsprechende  sprach,  amt  des  den  der 
rechtegewohnheit  entsprechenden  sprach  findenden.» 

Ein  noch  interessanteres  beispiel  der  Wiederkehr  anomaler 
eigenheiten  in  chronologisch  und  geographisch  weit  von  einander 
getrennten  sprachen  ist  ripa.  Im  skr.  heifst  ap  «wasser»,  wel- 
ches in  den  starken  casus  äp  wird.  Ab  hinteres  glied  einer  zu- 
sammensetzung  wird  es  apä  (oxytonirt).  Sobald  sein  vorderes 
glied  aber  eine  präposition  aufser  auf  a,  ä  ist,  wird  es,  mit 
Schwächung  des  wahrscheinlich  organischeren  ä  zu  i,  durch  ein- 
wirkung  des  accentes  auf  der  folgenden  silbe  (vergl.  s.  226),  zu 
ipa  (sanskritgramm.  §  624),  z.  b.  antaripa  «zwischen  wasser  = 
insel»  (vgl.  lat.  interamnus).  Im  lateinischen  wechselt  nun  be- 
kanntlich das  d  in  der  präposition  ad  mit  r,  z.  b.  in  dem  schon 
von  Pott  aus  ad  und  unda  gedeuteten  arundo.  Dieses  mit  ap 
zusammengesetzt,  würde  also  nach  jener  im  skr.  herrschenden 
eigen thümlichkeit  aripa  «am  wasser  =  ufer»  werden.  Der  abfall 
von  a,  wodurch  ripa  entstand,  bedarf  natürlich  keiner  bemerkung. 
Beiläufig  mache  ich  darauf  aufmerksam,  dafs  wenn  in  dieser  Bil- 
dung, wie  im  skr1,  unzweifelhaft,  das  1  durch  einflufs  der  accen- 
tuirung  herbeigeführt  ist,  was  mir  kaum  zu  bezweifeln  scheint, 
auch  dem  latein.  ein  noch  erkennbarer  sprachzustand  vorherging, 
in  welchem  seine  accentuation  der  des  sanskrits  und  des  gemein- 
griechischen  im  allgemeinen  homogen  war. 

Th.  Benfey. 


miscellen.  311 


Namen  der  milchstrasse  und  des  hollenhunds. 

In  den  norddeutschen  sagen  (gebr.  no  426)  kommt  unter  den 
namen  der  milchst rafse  auch  die  niederdeutsche  bezeicknnng  kan- 
pat,  kuhpfad  vor,  in  bezug  auf  welche  ich  bei  der  nahen  Ver- 
wandtschaft, in  welcher  milchstrafse  und  regenbogen  stehn,  in 
den  an  merkungen  zu  dieser  stelle  die  vermuthung  ausgesprochen 
hatte,  dafs  sie  ihren  namen  von  einer  beim  Weltuntergang  über 
die  himmelsbrücke  zu  fuhrenden  rothen  kuh  erhalten  habe,  wel- 
cher die  holsteinische  sage  von  der  grofsen  einst  statt  findenden 
schlacht  erwähnt  (Mullenhoff  schles  w.  -  holst,  sagen  no.  509).  Da- 
bei hätte  ich  noch  erwähnen  sollen,  dafs  unter  den  slowenischen 
benennungen  der  milchstrafse  sich  mävra,  mävriza  findet,  was 
sonst  eine  schwärzlich  gestreifte  kuh  bedeutet,  Grimm  myth.  p. 
695.  -  Andere  niederdeutsche  bezeichnungen  der  milchstrafse  näm- 
lich Nierenberger  pat  und  Heiweg  sind  kurzlich  von  mir  bespro- 
chen (oben  p.  239)  und  aus  ihnen  der  schlafs  gezogen  worden, 
dafs  die  milchstrafse  unserm  alterthum  als  der  Verbindungsweg 
zwischen  himmel  und  unterweit  gegolten  habe.  In  der  sich  uns 
immer  mehr  in  den  Veden  erschliefsenden  fülle  indischer  Vorstel- 
lungen zeigen  sich  hier  mannigfache  Übereinstimmungen,  die  be- 
sonders dazu  dienen,  jene  oben  angeführte  benennung  kaupat 
zu  erhellen. 

In  den  vedischen  liedern  werden  mehrfach  pfade  der  götter 
genannt  (panth&no  devayänäh),  auf  welchen  dieselben  zu  den 
opfern  der  menschen  zu  kommen  angerufen  werden,  ohne  dafs 
Jedoch  bis  jetzt  eine  nähere  bestimmung  der  läge  derselben  zu 
geben  wäre.  Ebenso  wird  R.  1.  38.  5  ein  pfad  des  Yama  ge- 
nannt, den  die  Maruts  angerufen  werden  den  sänger  nicht  wan- 
deln zu  lassen  (mä  vo  jaritä  —  pathä  Yamasya  gäd  upa);  Yama 
ist  aber  der  könig  des  reiches  der  väter  und  die  bitte  geht  also 
dahin,  dafs  der  sänger  Yauia's  pfad  nicht  wandeln,  d.  h.  nicht 
sterben  möge,  oder  wenn  dies  der  fall  sei,  wenigstens  nicht,  wie 
es  im  folgendenden  verse  heifst  Nirrtis,  die  herrscherin  im  Na- 
raka,  dem  Tartarus,  ihn  verderben  möge  (mo  shu  nah  Nirrtir 
durhana  vadhit).  Zu  ihr  gelangt,  wer  den  göttern  keine  opfer 
bringt  oder  frevelthat  begeht,  denn  in  der  Väjasaneyi-Sanhitä  12. 
62 IT.  wird  sie  mit  folgenden  worten  angerufen: 

asunvantam  äyajamänam  icha  stenasye'  tya'm  änvihi  taskarasya  | 


312  Kuhn 

anyam  asmad  icha   sa'  ta    ityl'  namo   devi   Nirrte  tubhyam 

astu  ||  62 1| 
namah  ad  te  Nirrte  tigmatejo  'yasmayam  vi'crita  bandhim  etam  | 
Yamena    tvam   Yamya'  samvidanö   'ttame  nä'ke   adhirohayai- 

nam||63|| 
Den  nicht  spendenden,  den  nicht  opfernden  ergreife,  dem  wan- 
det des  diebes,  des  räubere  folge; 
einen  andern  als  uns  ergreife,  das  sei  dein  gang!  Ehrfurcht  sei 

dir  o  göttin  Nirrti! 
Hohe  ehrrarcht  sei  dir  o  Nirrti  mit  scharfem  strahl,  löse  diese 

eherne  fessel; 
erhebe  da  ihn  (den  opfernden)  mit  Yama  and  Yami  im  ein- 
verständnifs  zum  höchsten  himmel! 
Aas  diesen  versen  ergiebt  sich,  dafs  Yama  and  Yami  mit 
der -Nirrti  in  gemeinschaft  über  den  toten  richten  and  die  letz- 
tere das  aasgesprochene  strafartheil  vollzieht.    Yon  Yama'«  pfad 
ans  müssen  deshalb  zwei  andere,  der  eine  zu  ihr  hinab,  der  an- 
dre aufwärts  zum  himmel  gehen. 

Dies  ergiebt  sich  auch  aas  einer  anderen  stelle  des  Rigveda 
(7.  6.  26.  1  vgl.  Vaj.  S.  35.  7.),  wo  es  heifst: 
param  mrtyo  anu  pärehi  pdntham  yas  te  sva*  itaro,  devaya'nät  | 
cakashmate  criivate'  te  bravimi  ma'  nah  prajä'm  ririsho  motu 
virä'n  || 
«Einen  anderen  pfad  gehe  entlang,  o  tod,  der  dir  eigen  ist 
und  ein  anderer  als  der  götterweg;  ich  sage  es  dir,  dem  hörenden 
und  sehenden,  schädige  ans  nicht  ansre  kinder,  nicht  unsre  man- 
ner.»   Ob  hier  Mrtyu,  der  tod,  dem  könige  der  toten  Yama 
gleich  oder  einer  seiner  boten  sei ,  läfst  sich  Tür  jetzt  nicht  ent- 
scheiden, doch  möchte  das  letztere  wahrscheinlicher  sein;  jeden- 
falls geht  er  zu  Yama's  behausung  and  der  weg  dorthin  ist  von 
dem  zur  götterweit  verschieden. 

Ehe  wir  weiter  gehen  noch  ein  paar  worte  über  Yama's  bo- 
ten. Der  todte  wird  mimlich,  wie  ein  lied  desselben  baches  aas- 
weist, von  zwei  handen,  zu  Yama's  reich  abgeholt,  denn  anders 
kann  man  doch  wohl  die  stelle  (a.  a.  o.  v.  12):  «yamasya  ddtao 
öarato  janan  anu  —  des  Yama  boten  gehen  sie  za  den  menschen» 
nicht  verstehen.  Damit  scheint  im  widersprach  za  stehen,  dafs 
es  im  vorhergehenden  verse  heifst: 

yau  te  cvänau  yama  rasitarau  caturaxau  pathiraxi  nrcaxasao  | 
tabhyäm  enam  paridehi  rajant  svasti  ca  'smä  anamivam  ca  dehi  || 


miscellen.  313 

«Den  beiden  banden,  o  Yama,  deinen  Wächtern,  den  vier- 
äugigen,  des  pfades  hütern,  den  der  männer  kundigen,  ihnen  über- 
gieb  ihn  (den  toten),  o  könig,  heil  und  befreiung  von  schmerz 
verleihe  ihm!»  Denn  es  liefse  sich  einwenden,  dafs  wenn  sie 
den  pfad  zn  Yama's  behausnng  bewachen,  sie  nicht  als  seine  bo- 
ten zu  den  menschen  gehen  können,  doch  läfst  sich  annehmen, 
dafs  sie  entweder  nur  einer  um  den  andern  ihr  geschäft  vollzie- 
hen, oder  dasselbe  nur  in  besonderen  fällen  üben,  wie  auch  vom 
Yama  ans  der  epischen  poesie  bekannt  ist,  dafs  er  sich  aufmacht 
um  den  frommen  Satyavän  selber  abzuholen.  Diese  letztere  auf- 
fassung  möchte  um  so  mehr  für  sich  haben,  als  dem  Yama  aueh 
noch  andere  boten  dienstbar  gewesen  zu  sein  scheinen,  denn  R. 
1.  29.  3  heifst  es  in  einem  Hede  an  Indra  «ni  shväpayä  mithüdrcä 
sastäm  abudhyamäne  —  schläfere  ein  die  wechselsweis  gesehenen, 
nicht  aufwachend  mögen  sie  ruhen»  Säyana  erklärt  diese  bei- 
den als  botinnen  des  Yama,  ohne  jedoch  weheres  über  diese  Vor- 
stellung anzugeben;  folgen  wir  daher  seiner  autorität,  so  sind  je- 
denfalls noch  zwei  weibliche  dienerinnen  des  Yama  aufser  jenen 
beiden  hunden  anzunehmen,  da  aus  dem  fem.  abudhyamäne,  das 
weibliche  geschlecht  der  hier  genannten  sich  unzweifelhaft  er- 
giebt.  Damit  stimmt  denn  auch  die  Vorstellung  der  epischen  zeit, 
wo,  wie  wir  eben  sahen,  Yama  allerdings  den  Satyavän  selber 
zu  holen  kommt,  er  doch  aber  von  einem  diener  (kimkara)  be- 
gleitet wird  (Mah.  111.  v.  16696)  und  Sävitri  zu  ihm  sagt  (ib. 
v.  16760):  «man  sagt,  dafs  deine  boten  (plur.  dutah)  zu  den  men- 
schen kommen,  warum  kommst  du  ihn  selber  zu  führen?»  — 
worauf  ihr  Yama  antwortet  (ib.  v  1.67.62.):  «nicht  verdient 
er  es  von  meinen  I  enteil  (matpurushaih)  geführt  zu  werden.» 

Kehren  wir  nnn  aber  zu  Yama's  pfad  zurück,  so  zeigt  sich, 
dafs  die  beiden  Wächter  die  behausung  Yama's  vor  unbefugten 
eindringlingen  bewahren,  wohl  auch  namentlich  wie  der  Kerbe- 
ros niemanden  hinauslassen,  weshalb  es  gefährlich  zu  sein  scheint, 
bei  ihnen  vorüberzugehn,  denn  in  dem  angeführten  liede  (R.  7. 
6.  15.  5.)  heilst  es  «ati  drava  särameyau  cvänau  —  sädhunä  pa- 
thä  —  lauf  vorüber  an  den  Särameya-hunden  auf  richtigem  pfade» 
und  Yama  wird  aufgefordert  den  toten  ihnen  zu  übergeben  (s. 
oben);  der,  wenn  er  bei  ihnen  vorüber  ist,  zu  den  weisen  Pitr's 
gehen  und  mit  ihnen  beim  Yama  ewige  freude  geniefsen  soll. 
Den  richtigen  pfad  kennt  aber  nur  der  fromme;  den  gottlosen, 
der  von  ihm  abirren  wird,  werden  sie  zerreifsen,  oder  er  wird 


314  Kahn 

in  den  Schlund  des  Naraka  hinabstürzen,  weshalb  es  Nir.  1.  11. 
heifst:  «n£j  jibmä'yantyo  narakam  pätäma  —  dafs  wir  nicht  ab- 
wärts eilend  in  den  Naraka  stürzen. »  Der  ort,  wo  sich  die  beiden 
pfade  zur  holle  und  zum  himmel  trennen,  scheint  daher  erst  hin- 
ter demjenigen  zu  liegen,  wo  die  beiden  hunde  als  Wächter  stehen. 
Ehe  wir  in  der  entwickelang  dieser  Vorstellungen  weiter 
vorschreiten,  müssen  wir  noch  etwas  bei  den  beiden  banden  ver- 
weilen. In  Haupts  zeitschr.  f.  deutsche  alterth.  VI.  125  habe  ich, 
was  mir  damals  über  sie  zugänglich  war  bereits  mitgetheilt  und 
die  identität  ihres  namens  Särameya  mit  dem  griech.  'Egpua* 
nachgewiesen,  die  ich  sowohl  auf  die  lautlichen  Verhältnisse  als 
auf  die  nahe  Verwandtschaft  des  wesens  derselben  begründete. 
Weber  hat  nun  neuerdings  (indische  Studien  1 1.-295  ff.)  nachge- 
wiesen, dafs  dieselben  auch  cyäma-cabala  d  i.  der  schwarze 
und  der  scheckige  genannt  werden,  und  dafs  der  6choliast  der 
Väjasaneyi-Saiihita -sowie  andere  erklärer  das  zuletzt  angeführte, 
wort  gewöhnlich  durch  karbura  erklären.  Er  hat  ferner  daraus, 
dafs  neben  cabala  die  form  cavara  und  neben  diesem  karvara 
mit  gleicher  bedeutung  bestehen  sollen,  geschlossen,  dafs  der 
griechische  xe^ßegog  wie  er  sich  jenen  hunden  als  unterwelt&hü- 
ter  im  wesen  anschliefst,  so  dem  einen  auch  im  namen  entspreche. 
In  betreff  des  wortes  karvara  hat  Weber  indefis  hier  geirrt,  da 
dasselbe  an  der  von  ihm  angeführten  stelle  (R.  a.  8.  7.  2.  2.  vgl. 
ib.  4.  6.  17.  5)  neutrnm  ist  und  die  im  Naigh.  2.  1.  angegebene 
bedeutung  «that»  hat.  Nichtsdestoweniger  glaube  ich,  dais  jene 
gleichstellung  Weber's  des  Cavala  und  KegßeQog  richtig  ist,  inso- 
fern karbura  nur  eine  andere  bezeichnung  des  cavala  genannten 
hundes  gewesen  sein  wird.  Denn  ans  dem  Wörterbuch  des  Amara 
geht  hervor,  dafs  zu  seiner  zeit  wenigstens  das  wort  karvura  = 
karbura,  wofür  sich  auch  karvara  findet  (Am.  K.  ed.  Lois.  1.  1. 
5.  26.)  das  gebräuchlichste  für  die  bezeichnung  des  bunten  gc- 
misches  der  färben  gewesen  sei,  denn  er  stellt  die  Wörter  citra, 
karmira,  kalmäsha,  cavala  unter  diesem  hauptbegriff  zusammen. 
Uebrigens  scheint  karvura  besonders  den  begriff  eines  gemischs 
heller  färben  gehabt  zu  haben,  da  es  in  den  Unädi's  auch  durch 
eveta  erklärt  wird.  Aufserdem  findet  es  sich  bei  Amara  1. 1.  55. 
auch  in  der  bedeutung  «riese*  und  auch  hier  findet  sich  daneben 
die  form  karbara;  ebenso  zeigen  die  Unädi's  I.  41  u.  II  117.  so- 
wohl für  karvura  als  für  karvara  diese  bedeutung,  doch  wird  für 
letzteres  wort  zugleich  noch  die  bedeutung  «tiger»,  offenbar  we- 


miscelleo.  315 

gen  seines  gestreiften  feiles  angegeben.  Die  bedeutung  der  färbe 
sowie  die  von  a  demon,  an  imp,  a  gobiin  hat  auch  Wilson  s.  v. 
karbura.  Ob  nun  karbura,  karbara  nicht  vielleicht  ein  bestimm- 
tes wesen  des  riesengeschlechtes  bezeichnet  habe,  nach  dem  dann 
die  gesammtheit  genannt  sei,  mufs  die  zukunft  lehren;  {edenfalb 
will  ich  eine  notiz  Wilford's  (Asiatic  res.  III.  p.  409.)  nicht  un- 
erwähnt lassen,  welcher  sagt:  Yama,  the  regen t  of  hell  haa  two 
dogs,  according  to  the  Puranas:  one  of  theoa  named  Cerbura 
or  varied;  the  other  Syama  or  black;  the  first  is  also  called 
Triciras  or  with  three  heads  and  has  several  other  epithets 
signifying  stainedor  spotte d.  Er  vergleicht  dann  Cerbura  mit 
Cerberus.  Wilford's  angaben  sind  nun  freilich  nicht  immer  die 
zuverlässigsten,  und  sein  pandit  erklärte  ihm  vielleicht  nur  £avala 
durch  karbura,  worauf  er  karbura  ohne  weiteres  als  namen  des 
hundes  nahm;  doch  läfst  sich  nicht  läugnen,  dafs  die  angäbe 
doch  nach  dem  bisher  angeführten  viel  innere  Wahrscheinlichkeit 
für  sich  hat.  Aber  auch  ohne  dafs  jener  Qabala  genannte  hund 
ausdrücklich  karbura  genannt  wird  sind  wir,  wie  ich  glaube,  be- 
rechtigt, xeQßeQog  mit  karbura  gleich  zu  setzen ;  freilich  finde  ich 
über  die  färbe  desselben  keine  angäbe,  allein  in  den  scholien  zum 
Nicander  (AI.  576.)  findet  sich  die  notiz,  dafs  xsQßeQog  auch 
o  ay&oyyog  ßdigaiog  s.  tpQvrq  genannt  werde;  die  kröte  hat  nun 
aber  sowohl  einen  unebenen  gefleckten  rücken,  als  auch  nament- 
lich einen  mit  schwärzlichen  flecken  gezeichneten  weifsen  bauch, 
so  dafs  dadurch  auch  die  annähme  der  bedeutung  des  gefleckten 
für  xsQßegog  als  unbedenklich  erscheint.  Wenn  wir  schliefslich 
die  laute  betrachten,  so  ist  für  das  sanskrit  als  ältere  form  das 
noch  als  nebenform  vorhandene  karbara  anzunehmen;  von  da  ist 
sowohl  das  h  zu  v,  wie  dies  häufig  geschieht,  als  das  dahinter 
stehende  a  wegen  des  folgenden  r  zu  u  herabgesunken;  für  beide 
Übergänge  sind  im  sanskrit  so  zahlreiche  beispiele  nachzuweisen, 
dafs  es  keiner  besonderen  belege  bedarf;  dieser  form  karbara  ent- 
spricht aber  das  griechische  xdgßeQog  aufs  genauste,  indem  im 
griech.  s  aus  a  gern  vor  q  einzutreten  pflegt. 

Wenden  wir  uns  nun  von  den  das  totenreich  bewachenden 
hunden  weiter,  so  erscheint  nach  der  in  den  epischen  gedichten 
erhaltenen  Vorstellung  wie  bei  den  Griechen  auch  bei  den  Indern 
ein  ström  an  der  gränze  des  reiches  der  lebenden,  welcher  den 
namen  Vaitarani  führt;  in  seinen  kochenden  salzigen  fluten  ver- 
sinken die  bösen  und  gelangen  in  die  darunter  befindliche  weit 


316  Kuhn 

des  Yama  mit  ihren  verschiedenen  hölienstufen,  während  die 
Pitr's,  die  frommen  väter,  an  ihrem  jenseitigen  ufer.ein  seliges 
leben  fuhren;  das  ausführlichere  über  diese  Vorstellung  sehe  man 
bei  Weber  indische  Studien  I.  398 — 99  nach.  In  den  vedischen 
liedern  hat  sich  zwar  bis  jetzt  keine  erwähnung  dieser  Vaitarani 
gefunden,  doch  tritt  sie  in  den  brahmaga's  mehrmals  auf,  und 
wird  namentlich  eine  kuh,  anustarani,  geopfert  um  dem  toten 
über  diesen  ström  zu  helfen ;  so  in  einer  in  den  indischen  Studien 
I.  39  mitgetheilten  stelle  aus  dem  Shadvincabr.,  wo  der  scholiast 
sagt,  dafs  diese  kuh  vaitaraninadyuttärik&  über  die  V.  hinüber- 
fahrend sei.  Aus  einer  schritt  über  totenopfer  (Chamb.  no.  1020) 
theilt  mir  Weber  mit  gewohnter  bereitwilligkeit  eine  andere 
stelle  mit,  wo  es  heifst:  « Yamad värapathe  ghore  ghorä  Vaita- 
rani nadi  |  täm  tartnkämo  yacämi  krshnäm  Vaitaranim  tu  gäm  || 
dazu  ist  noch  bemerkt:  «krshn&bhäve  'nyavarnü  'pi  deyä  —  go- 
rabhäve  dravyam  deyam  —  Am  grausen  pfade  zu  Yama's  thor, 
ist  der  grause  ström  Vaitarani,  ihn  zu  überschreiten  begehr1  ich, 
drum  geh1  ich  die  schwarze  kuh  Vaitarani.  —  Wenn  keincschwarze 
kuh  da  ist,  gebe  man  eine  anderfarbige,  wenn  man  keine  kuh  hat, 
ein  dravyam.»  Dazu  vergl.  man  Colebrooke  misc.  ess.  I.  p.  177., 
ebenso  wird  diese  kuh  erwähnt  Ait.  Br.  3.  32,  Käty&y.  25.  7. 
ohne  dafs  hier  viel  mehr  ersichtlich  wäre,  als  dafs  sie  zu  den 
totenopfern  gehört  Eine  andere  noch  wichtigere  stelle  ver- 
danke ich  gleichfalls  Weber's  freundlichkeit;  sie  ist  dänischen 
missionsberichten  (bd.  IV.  Halle  1742.  p.  1251 — 94)  entnommen, 
in  welchen  angeblich  der  Yajurveda  mitgetheilt  wird,  es  sind 
aber  nur  auszüge  aus  einer  späteren  schritt  über  das  opfercere- 
moniell.  Hier  heilst  es  über  das  Vaitaranigogeschenk:  «Am 
zwölften  tage  nach  dem  absterben  wird  noch  ein  andres  kuhge- 
8chenk  gemacht  und  dabei  eine  formel  recitirt,  kraft  welcher  die 
seele,  die  bis  dahin  noch  in  dieser  weit  gewesen,  von  einer  kuh 
aus  der  götterweit  über  den  rothen  blutflufs  Vaitarani  in  den 
pitrloka  gebracht  wird,  zu  welchem  ende  er  in  seinem  letzten 
den  schwänz  einer  kuh  ergriffen  hat.» 

Diese  nachrichten  führen  uns  zu  dem  punkte,  von  welchem 
wir  ausgingen,  nämlich  zur  milchstrafse  zurück;  schon  Colebrooke 
hatte  misc.  ess.  I.  p.  182  die  vermuthung  ausgesprochen,  dafs 
unter  dem  indischen  götterpfade  die  milchstrafse  gemeint  sei.  Der 
gewöhnlichste  ausdruck  für  denselben  ist  devayänanl,  oder  de- 
vayftno  panthAh ,  in  der  epischen  poesie  suravithi  (Indral.  2. 12.) 


mitteilen.  317 

götterweg,  welches  als  der  thierkreis,  oder  vielmehr  besser  der 
weg  durch  die  mondhäuser  (naxatram&rgah)  erklärt  wird;  nach 
dieser  Vorstellung  fuhrt  diese  strafse  durch  den  eigentlichen  svar- 
galoka  hindurch,  während  der  siddhamärga  (Indral.  1.  40.)  zu  die- 
sem hinauf  führt.  Während  Arjuna  dort  die  Sädhya's,  Maruts, 
A$vinen  und  andere  niedere  gottheiten  erblickt,  sieht  er  dort  auf 
dem  von  den  menschen  ungesehenen  pfade  die  vollbringer  guter 
thaten  räjarshi's  und  siddha's  sowie  im  kämpfe  gefallene  helden,  die 
in  sternengestalt  glänzen,  wobei  noch  zu  bemerken  ist,  dafs  er  auch 
tausende  von  wunderbar  gestalteten  wagen  sieht  (Indral.  1. 35 — 39.). 
Wenn  schon  die  erwähnung  der  in  sternengestalt  glänzenden  from- 
men und  helden,  die  Arjuna  am  wege  erblickt,  Colebrooke's  ver- 
muthung,  dafs  der  gdtterpfad  die  milchstrafse  sei  wahrscheinlich 
machen  müfste,  denn  dieser  ist  nur  die  fortsetzung  des  siddhamarga, 
so  geht  dies  aus  dem  Vishnupurana  unzweifelhaft  hervor,  (wo  Wil- 
son Vishnup.  p.  227)  gesagt  wird,  dafs  er  nordlich  von  der  Näga- 
vithi  (sternbilder  des  stier  und  widder)  und  südlich  von  den  sieben 
Rishi's  (dem  grofsen  baren)  liege;  zwischen  beiden  zieht  nun  aber 
grade  die  milchstrafse  hin  und  wenn  nun  in  obiger  nachricht 
gesagt  wird,  die  Vaitaranikuh  komme  aus  der  götterweit,  um  den 
toten  ober  den  flufs  zu  setzen,  so  scheint  sich  daraus  die  im 
eingange  erwähnte  niederdeutsche  bezeichnung  der  milchstrafse 
durch  kaupat  oder  kuhpfad  aufs  beste  zu  erklären.  Vielleicht 
finden  wir  den  namen  gopatha,  der  damit  identisch  wäre,  noch 
einmal  auf,  denn  in  Webers  Vorlesungen  über  indische  literatur- 
geschichte  p.  145  (vgl.  Colebr.  misc.  ess.  1.  91.)  findet  sich  ein 
Gopathabrähmana,  das  zum  Atharva  gehörig  ist,  erwähnt 

Zeigt  diese  indische  Vorstellung  von  der  milchstrafse  als  dem 
götterwege  das  hohe  alter  der  bei  uns  noch  im  volke  vor- 
handenen bezeichnungen  für  dieselbe  genugsam,  so  möchte  doch 
auch  die  von  der  himmelsbrücke  des  regenbogens  als  des  pfa- 
des  zur  götterweit,  wie  sie  die  Edda  zeigt,  anspruch  auf  glei- 
ches alter  haben.  Im  Vrhadaranyaka  (ed.  Pol.  III.  4.  7 — 9)  heifst 
es  nämlich  die  unsterbliche  seele  gehe,  den  toten  körper  wie 
eine  schlangenhaut  abstreifend,  zum  Brahma  ein: 

tad  ete  ylokä  bkavanty 
anuh  panthä  vitatah  puräno  mansprshsto  'nuvitto  mayai  'va  | 
tena  dhira  api  yanti  brahmavidah  svargam  lokam  ita  ürdhvam 

vimuktäh|j8|| 
taamin  chuklam  nta  nilam  ähuh  pingalam  haritam  lohitam  ca  | 


318  Kuhn 

esha  panthä  brahmana  ha  'nuvittas  tenai  'ti  brahmavit  punyakrt 

taijasa^Ga  ||  9 1| 
«Das  sagen  diese  verse:  ein  schmaler  pfad,  ein  uralter,  dehnt 
sich  hin,  vom  lebendigen  nicht  berührt*),  von  mir  gekannt;  auf 
ihm  gehen  die  weisen,  Brahma -kundigen  zur  Svargawelt  hinauf; 
von  hier  befreit.  Auf  ihm  ist  weifs,  sagt  man,  und  blau  und 
braun  und  goldgelb  und  auch  roth,  und  diesen  pfad  kennt 
Brahma  auch,  auf  ihm  geht  der  Brahmakundige,  reines  thuende. 
glanzvolle.»  Die  philosophische  auslegung  dieser  Vorstellung, 
die  dem  einfachen  wortsinn  verkehrt  (nach  ihrer  auffassung 
inüfste  statt  uta  und  ca  des  texte«  vÄ  -va  stehen)  sehe  man  in 
der  ausgäbe  von  dr.  Roer  p.  877.  nach;  der  umstand,  dafs  hier 
nur  fünf  färben  statt  der  gewöhnlich  angenommenen  sieben  ge- 
nannt werden,  wird  wohl  niemanden  stören.  Uebereinstimmend 
findet  sich  nun  auch  in  unserem  Volksglauben  die  Vorstellung, 
dafs  die  seelen  der  gerechten  von  ihren  Schutzengeln  über  den 
regenbogen  in  den  himmel  geführt  werden  (Ziska  östr.  Volksmär- 
chen 49.  110.  bei  Grimm  myth.  p.  696).  —  Dabei  mag  noch  er- 
wähnt werden,  dafs  sich  eine  dem  fegefeuer  ähnliche  Vorstellung 
in  Verbindung  mit  dem  himmelswege  im  Qatapatha- Brahmana 
findet,  indem  prap.  1.  7.  4.  2.  gesagt  wird:  «Das  ist  dieser  pfad, 
auf  welchem  die  götter  oder  die  väter  wandeln;  zu  seinen  bei- 
den seilen  stehen  zwei  zusammenschlagende  flammen,  sie  versen- 
gen den,  welcher  zu  versengen  ist,  von  dem  weichen  sie  zurück, 
der  rein  ist  (von  dem  zurückzuweichen  ist)». 

*)  Sankara  erklärt  inAüsprshtaA  in  seinem  commentar  durch 
roayA  labdhaA.  Das  kann  es  aber  schwerlich  heüsen,  das  vorange- 
hende 6  läfst  auf  ausgefallenes  a  im  anlaut  schliefsen  und  so  lese  ich 
amätisprshfo  nicht  vom  fleische  d.  i.  von  lebendigem  berührt  So 
wird  auch  der  vers  besser,  wenn  auch  das  a  von  anuvitto  wieder- 
hergestellt wird.  Ueber  die  nebenform  mÄiis  für  mAüsa,  vgl.  Benfey 
z.  S4mav.  s.  v.  mäiigcatu.  Eine  noch  kürzere  form  ohne  den  nasal 
findet  sich  R.  V.  a.  4.1.24.3.  «trf  yrfcchaU  mahishäitlm  igho 
ma"h  als  du  das  fleisch  von  dreihundert  büffeln  verzehrtest».  Vergl. 
R.  3.  7.  1.  4.  bei  Neve,  le  mythe  des  Ribhavas  p.  439.  4.  Ueber  den 
ausfall  des  s  vor  s  mit  andern  consonnnten  wie  er  in  amansprshfa  sich 
zeigt,  vgl.  Benfey  vorr.  s.  Sta.  gloss.  p.  XLIV.  XLV. 

A.  Kuhn. 


misccllen.  319 


Die  sofflxe  inaya,  neos,  nus,  eus,  eog. 

Ueber  eine  griech.  bildung  mit  dem  suff.  psog  =  skr.  maya 
hat  Aufrecht  oben  p.  79  gesprochen  und  nur  den  begriff  des  letz- 
teren etwas  zu  eng  gefafst,  obwohl  er  die  gewöhnlichste  seite  der 
bedeutung  genügend  hervorgehoben  hat,  nämlich  die  bezeichnung 
des  Stoffes,  aus  dem  etwas  gemacht  oder  hervorgegangen  ist.  Ohne 
uns  weiter  auf  den  ganzen  kreis  der  mit  diesem  suff.  gebildeten 
Wörter  einzulassen,  dürfen  wir  doch  nicht  übergehen,  dafs  es  auch 
zur  bildung  von  zahladjectiven  dient,  um  die  sovielmalige  Verviel- 
fachung, als  das  zahl  wort  ausdrückt,  anzuzeigen,  z.  b.  dvimayam 
udacvid  yavanäm,  wörtlich:  doppelte  buttermilch  der  gerste 
d.  i.  doppelt  so  viel  gerste  als  buttermilch,  oder  dvimaya  ya- 
vah  gerste  in  doppelten  theilen  zu  geben  statt  eines  theiles  x; 
diese  adj.  sind  aber  nur  anzuwenden  wo  eine  vertauschung  eines 
Stoffes  gegen  den  andern  stattfindet,  wie  die  schollen  und  värtika's 
dies  näher  erläutern,  vgl.  Pan.  V.  2.  47.  mit  der  au  in.,  II.  p.  213. 
und  Benfey  sanskritgr.  §557.  II.  Wilson  übersetzt  dvimaya 
durch  made  or  coosisting  of  two  (parte  of  any  thing).  Benfey 
(a.  a.  o.  p.  290)  sieht  wie  ich  glaube  mit  recht  das  suff.  vaya, 
welches  bis  jetzt  nur  in  caturvaya  nachzuweisen  ist  (R.  1.  110. 
3.,  vgl.  R.  a.  III.  7.  7.  4.);  aus  maya  durch  Wechsel  von  m  und 
v  (wie  bei  mat  und  vat)  entstanden  an;  die  bedeutung  ist  auch 
offenbar  dieselbe,  denn  tyara  cit  camasäm  —  ekam  cit  san- 
tam  akrnutä  cäturvayam  heifst  «und  jene  schale,  die  eine 
war,  habt  ihr  zu  einer  vierfachen  d.  i.  aus  einer  habt  ihr  vier 
gemacht n  welchen  sinn  die  parallelstellen,  wo  dieser  mythus  er- 
wähnt wird,  deutlich  ergeben  z.  b.  R.  1.  20.  1.  tydm  camasäin 
äkarta  catürah  vcl.  R.  a.  2.  3.  4.  2,  ib.  3.  7.  1.  5.  ib.  3.  7.  5.  3. 
Säyana  erklärt  an  den  beiden  angeführten  stellen  vaya  durch 
avayava  glied,  scheint  an  der  zweiten  auch  an  vaya  zweig 
zu  denken. 

Wenn  wir  die  ziemlich  grofse  ausbreitung,  welche  das  suff. 
demnach  in  der  Wortbildung  gewonnen  hat,  sowie  den  umstand, 
dafs  es  in  den  Veden,  namentlich  in  den  brähmana's,  in  mehreren 
bildungen  auftritt,  berücksichtigen,  so  ist  es  einigermafsen  auffäl- 
lig, dafs  sich  auf  den  ersten  blick  aufser  jenem  dfdQOfieog  den 
indischen  Wörtern  keine  anderen  der  übrigen  sprachen  zur  seite 
stellen;  indefs  glaube  ich  andere  nachweisen  zu  können.  Ich  gehe 
dabei  von  einem  wie  mir  scheint  schlagenden  beispiele  aus;  unter 
den  mit  suff.  maya  gebildeten  Wörtern  ist  auch  ayasmaya  ehern 
(R.  4.  1.  28.  5.  Vai.  S.  12.  63  u.  s.  w.),  an  dieses  schliefst  sich  nun 
fast  genau  das  umor.  ahesnes  =  aheneis,  aeneis  an,  mit  h  für  y 
(vgl.  Aufr.  u.  Kirchh.  umbr.  sprachd.  I.  p.  79.)  und  m  für  n.  Nur 
der  letztere  Wechsel  könnte  zweifei  erregen,  aber  wenn  sich  auch 
nicht  gerade  zahlreiche  beispiele  desselben  im  Iatein.  nachweisen 
lassen,  so  weist  doch  venio,  umbr.  ben,  griech.  ßfuveo  =  skr. 


320  Kuhn 

gam,  goth.  quiman  unzweifelhaft  auf  dieselbe  erschein ung,  und 
auch  in  den  übrigen  sprachen  kommt  ähnliches  vor,  so  bildet  skr. 
gam  sein  pic.  perf.  jagmivas  und  jaganvas,  ebenso  1.  pl. 
jaganma  f.  jagamma,  ferner  hatte  skr.  budhna  der  boden  ur- 
sprunglich ein  m  (die  vollständige  form  mufs  budhman  gewe- 
sen sein)  wie  griech.  Trv&pqv  (statt  nv&pEv)  zeigt;  die  griechische 
tenuis  im  anlaut  ist,  wie  mehrfach  gezeigt  worden  ist,  regel- 
recht, das  m  ist  auch  im  ahd.  bodam,  ags.  botm,  a  bottom, 
bytme  (stamm  bytman)  a  keel  of  a  ship,  alts.  bodm  fundus 
erhalten,  während  altn.  botn,  nhd.  boden,  bereits  n  zeigen, 
was  auch  im  lateinischen  vorhanden  gewesen  scheint,  aber  in 
die  Wurzelsilbe  getreten  ist  in  fundus;  für  den  auslaut  bieten 
die  deutschen  sprachen  bekanntlich  zahlreiche  beispiele  des  her- 
Vorgehens  von  n  aus  m;  ich  erinnere  nur  an  bin,  nd.  ek  sin, 
besen,  busen  u.  s.  w.  Aus  dem  griechischen  gehört  hierher 
rivia  gegen  rjpeQog  beide  zu  skr.  yam,  ferner  wog  das  jähr  ge- 
gen skr.  samä  f.  id.  Diese  beispiele  werden  sich  leicht  mehren 
lassen,  sie  genügen  um  den  Übergang  aus  m  in  n  in  aheneus 
=  ayasmaya  zu  begründen;  diesem  aeneus  stelleu  sich  aber 
dann  auch  die  gleichfalls  einen  stoff  anzeigenden  ad),  ebur-neus, 
ficul  -  neus,  ilig- neus,  quer-  neus,  salig-neus  zur  seite;  neben  ihnen 
stehen  aber  die  vorzugsweise  poetischen  formen  ohne  e,  eburnus, 
quem us  u.  8.  w.  und  so  werden  auch  die  übrigen  ebenso  gebil- 
deten adjectiva  wie  larignus  u.  s.  w.  hiehergehören.  Sehen  wir 
aber  bei  den  ebengenannten  adjectiven  nus  für  neus  und  dies  für 
skr.  maya  auftreten,  so  scheinen  mir  auch  die  distributiva  bini, 
terni,  quaterni  u.  s.  w.,  ebenso  mit  jenem  dvimaya  u.  s.  w. 
ursprünglich  identisch  zu  sein,  namentlich  wenn  mau  den  sehr 
über  den  ursprünglichen  begriff  der  distrib.  hinausgehenden  latei- 
nischen Sprachgebrauch  berücksichtigt,  vergl.  Zumpt  §  119.  bina 
vibrans  hastilia ,  bina  millia  u.  s.  w.  und  campus  fertilis  centena 
quinquagena  fruge.  Wenn  sich  im  zuletzt  angeführten  beispiel 
der  gebrauch  von  centenus  ganz  an  das  oben  besprochene  sanskr. 
caturvaya  anschliefst,  so  darf  man  noch  einen  schritt  weiter  sehn 
und  den  Übergang  von  m  zu  v  und  demnächstigen  ausfall  des  v 
auch  bereits  rar  das  älteste  griech.  und  lateinisch  annehmen,  so 
dafs  die  adj.  auf  eiog,  sog,  lat.  eus  derselben  bildung  angehören  und 
z.  b.  äyvQtoQ)  argenteus  einem  aus  rajatamaya  hervorgegangenen 
rajatavaya  rajatvaya  entspräche.  Wem  die  annähme  solcher  Ver- 
stümmelung zu  kühn  erscheinen  möchte,  der  möge  bedenken,  dafs 
auch  skr.  hiranmaya  schon  für  hiratiyamaya  steht  und  statt  dessen 
selbst  schon  in  den  Veden  hiranyäya  gebraucht  wird;  gerade  so 
häufig  gebrauchte  Wörter  wie  dieses  werden  zur  einfuhrung  der 
neuen  suffixform  wesentlich  beigetragen  haben. 

A.  Kuhn. 

— * . — 

Gedruckt  bei  A.  W.  Seh  ad«  in  Berlin,  Orfinetrafre  1*. 


I.  Abhandlungen. 


Die  aspiraten  der  indogermanischen  sprachen« 

Das  bestreben,  die  vergleichende  erforschung  der  indogermani- 
schen sprachen  immer  vollständiger  von  dem  gebiete  der  vermu- 
thangen und  versuche  auf  den  sichern  boden  der  klar  erkannten 
thatsachen  zu  bringen,  fahrt  —  wovon  diese  Zeitschrift  den  be- 
sten beweis  liefert  —  so  viele  die  sich  mit  diesen  Studien  beschäf- 
tigen, jetzt  mehr  und  mehr  auf  die  lautlehre  hin.  Die  lautlehre 
kann  aber  vorerst  nur  in  den  engeren  kreisen  der  einzelnen  spra- 
chen oder  sprachfamilien,  obwohl  naturlich  mit  steter  rücksicht 
auf  die  schwestersprachen,  ausgeführt  werden.  Und  so  bin  ich 
nach  der  besondern  rieht ung  meiner  Studien  mit  einer  griechi- 
schen lautlehre  beschäftigt.  Indefs  gibt  es  doch  auch  für  die 
Untersuchung  der  lautverhältnisse  einer  einzelnen  spräche  gewisse 
allgemeinere  Vorfragen,  ohne  deren  beantwortung  der  besondern 
forschung  innerhalb  des  engeren  kreises  die  grundlage  fehlt.  Wenn 
wir  von  der  einen  seite  zu  einem  klaren  bilde  des  lautbestandes 
unserer  sprachen  vor  ihrer  trenn  ung  erst  nach  ausführung  der 
lautlehren  der  einzelnen  sprachen  gelangen  können,  so  schwebt 
andererseits  doch  die  lautlehre  der  einzelnen  sprachen  in  der  luft, 
wenn  nicht  gewisse  grundzöge  über  jenen  zustand  gewonnen  sind. 
Auf  den  roh  entworfenen  fundamenten  mag  die  einzelforschung 
dann  ihre  besondern  gebäude  auffahren  und  es  einer  spätem  zeit 
überlassen,  wieder  mit  bessernder  hand  zu  jenen  fundamenten  zu- 
rückzukehren. Von  solchen  betrachtungen  ausgehend  unternahm 
ich  als  Vorarbeit  für  die  griechische  lautlehre  eine  Untersuchung 
II.    5.  21 


322  CurtiuB 

über  die  aspiraten  der  indogermanischen  sprachen,  worin  ich  zur  ' 
klarheit  aber  das  alter  der  aspiraten  überhaupt  und  über  die  so 
verschiedenartigen  Umbildungen  zu  gelangen  suchte,  welche  diese 
laute  in  den  einzelnen  sprachfamilien  und  sprachen  unsres  Stam- 
mes erfahren  haben.  Ich  verkenne*  nicht,  dafs  ich  mich  mit  die- 
sem versuch  auch  in  solche  gebiete  wage,  die,  wie  namentlich 
das  zend  nnd  die  keltischen  sprachen,  mir  wenig  vertraut  sind. 
Ich  fufse  für  diese  ganz  auf  dem  von  andern  zusammengetragenen 
material.  Allein  ganz  übergehen  konnte  ich  diese  sprachen  nicht 
ohne  meinen  zweck  zu  verfehlen,-  und  in  zweifelhafte  einzelnhei- 
ten glaube  ich  mich  nicht  eingelassen  zu  haben.  Die  Untersu- 
chung ist  überhaupt  von  der  art,  dafs  ich  öfters  zu  hypothesen 
und  kühneren  combinationen  getrieben  wurde.  Allein  diese  wird 
unsere  Wissenschaft  in.  fragen  so  allgemeiner  art  nicht  entbehren 
können,  und  nur  das  darf,  glaube  ich,  streng  gefordert  werden, 
dafs  wir  zwischen  hypothesen  und  sichern  Schlüssen  aus  gegebe- 
nen thatsachen  scharf  unterscheiden.  Ueberans  erwünscht  wäre 
es  mir,  wenn  ich  namentlich  durch  das  hier  über  die  deutsche 
lantverschiebung  gesagte  eingehendere  erörternngen  hervorrufen 
sollte,  da  ich  selbst,  was  ich  hier  gebe,  für  nichts  anders  halten 
kann  als  für  andeutungen. 


Die  echten  aspiraten  sind  doppellaute,  welche  ans  einem  cha- 
rakterisirten  stummlaute  und  dem  hinzutretenden  hauche  beste- 
hen; man  hat  daher  mit  recht  gesagt,  sie  wären  anter  den  con- 
sonanten  was  die  diphthonge  nnter  den  vocalen  sind.  Beide  ar« 
ten  von  doppellau ten  gleichen  sich  auch  darin,  dafs  sie  —  wie 
alles  zusammengesetzte  —  den  meisten  Veränderungen  aasgesetzt 
sind ;  bei  beiden  hatte  der  sprachgeist,  der  sich  an  der  gestaltnng 
und  Umwandlung  der  laute  freut,  ein  reiches  feld.  An  beiden 
lantarten  ist  die  griechische  spräche  reich,  die  lateinische  beson- 
ders arm;  die  entatehung  beider  ist  für  die  deutschen  sprachen 
ein  gegenständ  sehr  schwieriger  Untersuchungen;  beide  fehlen  der 
slawischen  sprachfamilie  fast  ganz. 

Wir  lassen  jetzt  die  diphthonge  bei  seile  und  beschäftigen 
uns  nur  mit  den  aspiraten.  Die  vergleichende  grammatik  lehrt, 
dafs  im  allgemeinen  der  sanskritischen  media  aspirata  oder  dein 
weichen  hanchlaut  die  aspiraten  der  verwandten  sprachen  ent- 
sprecheu,  ohne  dafs  sie' daraas  bisher  ausdrücklich  den  schlufs 
gezogen  hätte,  jene  weichen  hauchlaute  gh,  db,  bh  seien  die  alte- 


die  aspiraten  der  indogermanischen  sprachen.  »323 

steo  und  ursprünglich  einzigen  hauchlaute  und  was  ihnen  in  den 
verwandten  sprachen  entspräche,  sei  aus  ihnen  hervorgegangen. 
Die  frage  der  priori  tat  wurde  hier  wie  in  vielen  andern  fallen 
—  und  das  war  für  den  anfang  ganz  naturlich  —  unentschieden 
gelassen.  So  ganz  einfach  ist  auch  die  entscheidung  nicht,  denn 
die  thatsächliche  Übereinstimmung  eines  griechischen  %j  #»  9  mit 
skr.  gh,  dh,  bh  liefse  sich  wohl  erklären,  ohne  dafs  wir  jene 
griechischen  laute  aus  den  sanskritischen  hervorgehen  liefsen. 
Es  sind  namentlich  zwei  andere  erklärungen  denkbar.  Erstlich 
nämlich  konnte  man  behaupten,  der  griechischen  tenuis  aspirata 
gebühre  als  dem  kräftigeren  laute  die  priorität,  die  sanskritische 
media  aspirata  sei  daraus  abgeschwächt;  eine  annähme,  welcher 
das  Vorhandensein  wirklicher,  von  jenen  verschiedener  tenues 
aspiratae  im  sanskrit  nicht  widerspräche 5  denn  das  könnten  nach- 
wüchse aus  einer  viel  späteren  zeit  sein.  Zweitens  aber  könnte 
man  glauben,  die  aspiraten  wären  alle  erst  in  der  zeit  nach  der 
sprachtrenriung  entstanden,  und  jene  Völker  welche  wie  die  Sla- 
wen und  Letten  gar  keine  ursprünglichen  aspiraten  besäfsen  hät- 
ten -den  ältesten  sprachzustand  bewahrt.  Die  erste  meinung  ist 
meines  Wissens  bisher  nicht,  die  zweite  neuerdings  zweifelnd  von 
Förstemanu  in  dieser  Zeitschrift  Jahrg.  I.  s.  169.,  entschiedener 
von  Schleicher  in  seiner  formenlehre  der  kirchenslawischen  sprä- 
che s.  92  ff.  ausgesprochen.  Versuchen  wir  zur  gewifsheit  zu  ge- 
langen. Als  grundsatz  dürfen  wir  dabei  wohl  den  hinstellen, 
dafs  jene  annähme  den  Vorzug  verdient,  aus  welcher  sich  auf 
die  einfachste  und  ungezwungenste  weise  die  thatsäch liehen  er- 
scheinungen  erklären  lassen. 

J.  Grimm  in  seiner  geschieh te  der  deutschen  spräche  s.  420 
sagt:  « reihenweise  scheint  die  anlautende  media  vieler  zendischer, 
persischer,  litthauischer,  slawischer  und  keltischer  Wörter  mit  der 
gothischen  einzustimmen. "  Man  könnte  diese  thatsache,  auch  ab- 
gesehen vom  anlaut,  dahin  erweitern,  dafs  in  den  erwähnten 
sprachen  im  allgemeinen  an  der  stelle  der  indischen  gehauch- 
ten media  die  hauch  lose  media  sich  findet.  Der  satz,  wenn 
auch  in  dieser  allgemeinen  fassung  gerade  noch  nicht  ausgespro- 
chen, ist  eigentlich  anerkannt  und  bedarf  keines  beweises  mehr; 
es  werden  daher  hier  einige  wenige  beispiele  genügen: 

skr.  bhrätar  =  zend.     )  brätar,  goth.  bröthar,  kirchenslaw. 
altpers. ) 
bratr",  lit.  brolis,  irisch  brathair; 

21  • 


324  Curtios 

skr.  w.  dharsh  =  altp.  darsh,  goth.  ga-dars,  Ht.   drasus, 
irisch  dasachd  (fierceness,  Bopp  gl  ossär); 

skr.  rudhira-s  =  alts.  rod,  kirckenslaw.  r"djeti  (erröthen), 
lit.  raud-a  (röthe),  welscb  ruaid; 

skr.  gharma-s  =  zend.  garema,  goth.  [g]varmja,  kircbensl. 
grjeti  (calefacere),  ir.  garaim; 

skr.  dirgba-s  =  goth.  lang,  kircbensl.  dlwg",  lit.  ilga-s. 
Ich  bemerke  noch,  dafs  diese  Übereinstimmung  in  bezug  auf 
das  zend  und,  jedoch  weniger,  in  bezog  auf  das  altpersische  mo- 
dißcationen  erleidet,  indem  sich  dort  allerdings,  von  der  hystero- 
genen  6pirans  f  abgesehen,  zuweilen  an  der  stelle  der  sanskriti- 
schen media  aspirata  ebenfalls  media  aspirata  zeigt  (Bopp  vergL 
gr.  s.  36 ff.),  was  aber  für  unsere  Untersuchung  wenig  austrägt, 
zumal  das  auftreten  der  aspirata  hier  wie  in  den  keltischen  spra- 
chen theilweise  von  cigenthümlichen  gesetzen  der  lautverbindung 
abhängig  ist.  Das  slawische  ch  ist  ein  spirant,  der  skr.  sh  ent- 
spricht und  völlig  bei  seite  gelassen  werden  kann.  Ebenso  we- 
nig kummern  uns  hier  die  mancherlei  besondern  Veränderungen, 
z.  b.  in  Zischlaute,  welche  die  erwähnten  laute  in  den  einzelnen 
sprachen  erlitten  haben.  Wir  hallen  uns  an  die  thatsache  im 
ganzen  und  da  ist  es  klar,  dafs  diese  der  annähme  ursprünglicher 
tenues  aspiratae  wenig  günstig  ist.  Wäre  der  laut  eine  tenuis 
aspirata  gewesen,  warum  sollte  sich  dafür  in  fünf,  oder  wenn 
wir  slawisch  und  litauisch  als  eine  zählen,  in  vier  familien  eine 
media  finden.  Das  griechische  allein  mit  seinem  %>  #>  <P  kann 
offenbar  gegen  dies  übergewicht  nicht  aufkommen,  es  mufs  zu- 
rückstehen, zumal  doch  eben  auch  die  sanskritische  media  aspi- 
rata eine  media  keine  tenuis  ist.  Dazu  kommt  nun  aber  auch 
das  lateinische.  Wenigstens  im  inlaut  schliefst  sich  das  der  nörd- 
lichen schwestersprachen  in  der  regel  an;  so  steht  longo -s  auf 
einer  stufe  mit  goth.  lang,  slaw.  di"g",  lit.  ilga-s,  das  b  in  can- 
dela-bru-m  ist  dasselbe  wie  das  von  altp.  bar,  goth.  baira,  slaw. 
bero,  irisch  beirim,  für  das  dh  des  skr.  madbja-s  haben  wir  das 
d  von  mediu-s  wie  im  goth.  midja,  serb.  medju,  lit.  widus.  Ganz 
besonders  lehrreich  aber  ist  das  verhältnifs  von  mihi  zu  tibi;  die 
beiden  endungen  vermitteln  sich  nur  durch  bhi,  das  wir  im  skr. 
tubhjam  finden  und  ein  mibhi  können  wir  mit  gleicher  Sicherheit 
wie  skr.  mabhjam  annehmen,  folglich  auch  ein  tibhi,  woraus 
dann  durch  vertust  des  hauches  tibi  ward.  Endlich  findet  sich 
im  griechischen  selbst  bisweilen  die  media  an  der  stelle  der  skr. 


die  aspiraten  der  indogermanischen  sprachen.  325 

media  aspirata,  nämlich  im  inlaut,  wo  die  spräche  weicher  zu 
sein  pflegt,  so  in  iyaiv,  ego,  skr.  aham  statt  agham  gegenüber, 
wo  freilich  goth.  ik  auf  ein  hohes  alter  der  blofsen  media  hin- 
weist, in  fiiyag,  magnu-8,  skr.  mahat  st.  maghat,  wo  ebenfalls 
das  gothische  mikils  eine  Störung  hervorbringt,  öfter  in  der  labia- 
len klasse  z.  b.  in  >kaftßdiHo  (neben  Idcpvgov)  neben  skr.  labh,  in 
ofißgo-g  wenn  dies,  wie  lat.  imber,  richtig  mit  skr.  abhra-m  ver- 
glichen wird.  Durch  diese  Zusammenstellungen  möchte  vor  der 
hand  das  gewonnen  sein,  dafs  wir  den  engen  Zusammenhang  der 
ursprunglichen  aspiraten  mit  den  hauchlosen  mediis  erkennen  und 
den  gedanken  an  ursprungliche  tenues  aspiratae  aufgeben. 

Aber  wenn  man  eben  die  zeugen  nur  zählen  wollte,  so 
könnte  man  nur  jene*  thatsachen,  dafs  drei  sprachfamilien  durch- 
gängig, eine  wenigstens  überwiegend  im  inlaut,  eine  bisweilen 
im  inlaut  die  media  statt  der  media  aspirata  haben,  für  das  hohe 
alter  dieses  zustandes  anführen,  man  könnte  diesen  zustand  eben 
als  den  ursprünglichen  betrachten  und  die  entstehung  der  aspira- 
ten in  die  zeit  nach  der  sprachtrennüng  verlegen.  Sehen  wir 
zu,  wohin  wir  mit  dieser  annähme  kämen.  Wir  hätten  dann  ur- 
sprünglich blofs  g  und  k,  d  und  t,  b  und  p.  Das  klingt  glaub- 
haft. Scheint  es  doch,  als  ob  auch  sonst  in  den  sprachen  durch 
Spaltung  und  Verfeinerung  gewisser  einfacher  laute  allmählich  eine 
gröfsere  mannigfaltigkeit  sich  gebildet  habe.  Unstreitig  ist  das 
zum  beispiel  mit  den  palatalen  consonanten  und  mancherlei  Zisch- 
lauten der  fall.  Diese  haben  sich  sicherlich  erst  nach  der  sprach- 
trennung  innerhalb  der  einzelnen  sprachfamilien  gebildet.  Woll- 
ten wir  nun  ein  gleiches  von  den  aspiraten  behaupten,  so  müfs- 
teu  wir  annehmen,  dafs  jener  unterschied,  welcher  in  historischer 
zeit  zwischen  w.  dha  und  da,  zwischen  ghan  und  jan  (statt  gan), 
vadh  und  vad,  labh  und  lab  (lamb)  stattfindet,  ein  späterer  sei, 
dafs  das  lateinische  b  von  candela-brum  ama-bam  —  wider  die 
allgemeine  analogie,  dafs  einfacher  inlaut  eher  als  einfacher  anlaut 
sich  verändert  —  älter  sei  als  nicht  blofs  die  spirans  f  in  fero, 
fui,  sondern  auch  die  echte  aspirata  von  gr.  (pego),  skr.  bharämi. 
Es  wäre  zafall,  dafs  gerade  in  denselben  Wörtern  die  Inder  und 
die  Griechen  eine  aspiration  hätten  eintreten  lassen  und  zwar  so 
häufig.  Denn  eine  Zählung  sicherei*  fälle,  die  ich  aber  nicht  für 
vollständig  halten  darf,  liefert  das  ergebnifs,  dafs  griech.  %  in  14 
wurzeln  und  12  fertigen  Wörtern  sanskritischem  h  oder  gh,  &  in 
in  9  wurzeln   und   4  fertigen   Wörtern,    aufserdem   in   mehreren 


326  Curtins 

flexionsendungen  sanskr.  dh,  <p  in  12  wurzeln  und  8  fertigen  Wör- 
tern und  in  dem  casussuffix  (pi(v)  =.  bhi  dem  skr.  bh  enispricht. 
Das  macht  schon  reichlich  60  fälle.  In  allen  diesen  müfste  sich 
eine  alte  media  zufällig  so  ganz  in  Übereinstimmung  mit  dem 
sanskrit  aspirirt  haben;  es  wäre  ebenfalls  zufällig,  dafs  in  vielen 
dieser  fälle  das  lateinische  oder  seine  italischen  scbwestermund- 
arten  f  und  h  haben.  Dazu  kommt,  dafs  die  griechische  aspirata 
eine  tenuis  aspirata  ist;  wie  konnte  diese  so  leicht  und  so  häu- 
fig aus  ursprünglicher  hauchloser  media  hervorgehen?  und  wie 
käme  es,  dafs  dieser  Übergang  von  y  in  %,  d  in  #,  ß  in  qj  sonst 
in  der  griechischen  spräche  fast  gar  nicht  vorkommt?  Für  die 
italischen  sprachen  erhöben  sich  neue  Schwierigkeiten.  Wir  sa- 
hen schon,  dafs  tibi  und  mihi  sich  nur  durch  sanskr.  bbjam  ver- 
mitteln und  tibhi,  mibhi  voraussetzen,  das  umbrische  hat  tefe; 
lat.  media  und  osk.  mefiu  kommen  wieder  nur  durch  skr.  madhjä 
zusammen.  Wir  müssen  also  für  die  italischen  sprachen  jeden- 
falls eine  aspirata  annehmen.  Wäre  nun  aber  b  immer  älter  als 
bh,  so  müfsten  wir  schon  behaupten,  ursprüngliches  bi  sei  — •  und 
zwar  zufällig  bei  Indern  und  Italern  —  zu  bhi  geworden ,  um 
dann  später  wieder  zu  bi  herabzusinken;  das  d  von  medius  sei 
zugleich  der  älteste  und  jüngste  laut,  zwischen  beiden  liege  eine 
zeit,  in  der  es  sich  —  zufällig  wieder  bei  Indern  und  Italerh  — 
ospirirtc,  aus  dieser  zeit  stamme  durch  umspringen  des  Organs 
osk.  meßu.  Ebenso  bedenklich  ist  die  hypothese  für  die  germa- 
nischen sprachen.  Denn  wie  seltsam,  das  gothische  erhebt  die 
media  zur  tenuis ;  aber  die  media,  welcher  im  sanskrit  und  grie- 
chischen eine  aspirata,  in  den  italischen  sprachen  häufig  ein  f 
oder  h  gegenüber  steht,  läfst  sie  unverändert.  War  kein  unter- 
schied vor  der  Sprachtrennung,  warum  ward  aus  w.  gan  gotb. 
kuni,  während  griechischem  %alv(o  —  das  ja  nuu  auch  auf  gan 
zurückgeführt  werden  müfste  —  altn.  gin  gegenübersteht;  warum 
steht  skr.  dha  altsächs.  dorn,  skr.  danta-s  goth.  tunthus  gegen- 
über? Schleicher  vergleicht  a.  a.  o.  dies  nach  jener  ansieht  zu- 
fällige übereinstimmen  so  vieler  sprachen  in  bezug  auf  die  aspi- 
ration  mit  dem  auftreten  palataler  laute  statt  der  ursprünglichen 
gutturalen,  welches  auch  in  verschiedenen  sprachen  bei  denselben 
Wörtern  eintrete  und  doch  etwas  späteres  sei.  Allein  schon  nu- 
merisch möchte  die  sache  hier  ganz  anders  stehn;  Schi,  selbst 
zählt  s.  99f.  nur  ganz  wenige  fälle  auf,  in  denen  slaw.  k'  (c) 
skr.  k'  entspricht  und  räumt  dabei  nachbarliche  lauteinwirkungen 


die  aspi raten  der  indogermanischen  sprachen.  327 

ein;  wenn  slav.  z  oder  z,  skr.  j  in  einzelnen  fällen  entspricht, 
so  kann  das. noch  weniger  eine  Übereinstimmung  genannt  wer- 
den, da  der  laut  ein  verschiedener  ist  und  da  überdies  beide  laute 
auch  in  wurzeln  und  stammen  sich  finden,-  die  im  sanskrit  ein 
g,  gh  oder  h  haben;  umbrisch  c,  ist  nach  Kirchhoff  (allg.  monats- 
scbrift  f.  Wissenschaft  und  literatur  1852  s.  808)  aus  k,  zum  theil 
allerdings  in  Übereinstimmung  mit  dem  sanskrit,  nur  vor  e  i  und 
j  entstanden.  Auch  das  zusammentreffen  von  slaw.  s  mit  skr. 
c  statt  altem  k  ist  (Schi.  s.  98)  sporadisch  und  aufserdem  schon 
dadurch  von  geringer  bedeutung,  weil  s  ein  dentaler,  c,  aber  ein 
palataler  zischlaut  ist,  folglich  .hier  doch  keine  vollständige  Über- 
einstimmung statt  findet.  Die  fälle,  in  denen. —  was  Schi,  eben- 
falls anführt  -*-  in  mehreren  sprachen  gleichmäfsig  p  aus  k  her- 
vorging, sind  wenig  zahlreich  und  unier  einander  verschiedenar- 
tig. Eine  so  durchgreifende  Übereinstimmung  wie  bei  den  aspi- 
raten,  welche  doch  nur  ein  zufälliges  prodoct  späterer  lautum- 
wändlung  innerhalb  der  einzelnen  sprachen  wäre,  finden  wir 
sonst  schwerlich. 

Geben  wir  nun  jene  hypothese  von  dem  späteren  Ursprung 
der  aspiraten  auf  und  nehmen  einfach  an,  dafs  vor  der  sprach- 
trennung  mediae  aspiratae  vorhanden  waren,  so  scheint  plötzlich 
alles  licht  und  einfach  zu  werden 4  vier  sprachfamilien  würden 
dann  von  dem  doppellaut  gh,  dh,  bh  den  einen  minder  bezeich- 
nenden aufgehen,  das  griechische  würde  die  media  aspirata  zur 
tenuis  aspirata  erhoben  haben,  die  italischen  sprachen  stünden 
gleichsam  zwischen  beiden  in  der  mitte.  Ehe  wir  aber  von  die- 
ser grundlage  aus  zu  den  einzelnen  sprachfamilien  und  ihrer  be- 
sondern behandlung  der  ererbten  aspiraten  kommen,  müssen  wir 
noch  einen  einwand  in's  äuge  fassen,  den  Schleicher  gegen  diese, 
wie  wir  glauben,  einfachste  und  bestbegründeie  ansieht  erhebt 
S.  90  sagt  er:  «Es  ist  ein  aus  physiologischen  Ursachen  entsprin- 
gendes gesetz  der  sprachengeschichte,  dafs  die  aspiraten  im  histo- 
rischen verlaufe  einer  und  derselben  spräche  wohl  in  Spiranten 
übergehn,  nicht  aber  in  unaspirirte  zurücksinken,  hätte  also  das 
slawische  ursprünglich  aspiraten  besessen,  so  würden  sie  sich, 
falls  sie  verschwunden. wären,  ebenso'  zu  Spiranten  entwickelt 
haben  wie  im  neugriechischen,  hochdeutschen  u.  s.  w.»  Der  all- 
gemeingültigkeit dieses  gesetzes  stellen  sich  denn  aber  doeh  in 
deu  deutschen  sprachen  erhebliche  ausnahmen  entgegen.  Aus 
brotbar  ward  do*.h  sicherlich  bruder,  und  für  diesen  Übergang 


328  Caritas 

von  th  in  d  hat  Räumer  (aspiration  und  lautverschiebang)  den 
mittellaut  dh  aus  altsächsisclien  quellen  nachgewiesen,  so  dafs 
wir  aus  anthar  durch  odher  deutlich  oder  werden  sehen,  und  lat. 
tibi  ist  wie  wir  sahen  unleugbar  aus  tibhi  entstanden.  Also  hat 
es  für  uns  auch  keine  Schwierigkeit  anderswo  als  niederechlag 
einer  aspirata  einen  stummlaut  und  zwar  von  einer  media  aspi- 
rata  die  media  anzunehmen,  und  das  um  so  weniger,  als  sicher- 
lich die  aspiraten  jener  uralten  zeit  vollständige  doppellaute  waren. 
Ueberschauen  wir  nun  von  der.  wie  ich  glaube,  festen  grund- 
lage  aus  die  mancherlei  verschiedenen  Umgestaltungen,  welche  die 
aspiraten  erfahren  haben,  so  werden  wir  danach  die  indogerma- 
nischen sprachen  in  fünf  klassen  etntheilen  können. 

1)  Die  erste  klasse  bildet  das  sanskrit  für  sich  allein.  Hier 
finden  wir  den  ursprunglichen  zustand  in  fast  ungetrübter,  klar- 
heii;  die  drei  gehauchten  mediae  gh,  dh,  bh  sorgfältig  geschieden 
von  g,  d,  b.  Indefs  eine  art  von  entstellung  treffen  wir  doch 
auch  hier  an.  gh  wird  sehr  oft,  ja  in  der  regel,  durch  blofses 
h  ersetzt:  ltti  für  altes  ligh,  gr.  Aeigo),  lat.  lingo,  goth.  leigön, 
ein  Vorgang,  der  uns  im  lateinischen  wieder  begegnet,  wo  h  ein 
verstümmeltes  gh  ist  und  ähnlich  im  gothischen,  wo  h  auf  einer 
stufe  mit  1h  steht,  folglich  für  kh,  endlich  in  einer  neugriechi- 
schen mundart,  wo  z.  b,  X^Qa  w'e  uora  gesprochen  wird  (Rofs 
im  rhein.  muß.  jahrg.  VIII,  heft  2).  Der  Vorgang  ist  durch  assi- 
milation  zu  erklären;  der  hauch  assimilirt  sich  das  naheliegende 
stumme  element  so  sehr,  dafs  dies  endlich  ganz  verschwindet, 
etwa  wie  wenn  aus  dn  nn  und  endlich  blofses  n  wird.  Wir 
dürfen  aus  dieser  entstellung  wohl  auf  einen  kräftigen  hauch  in 
den  aspiraten  schliefsen;  und  eben  darauf  fuhrt  uns  auch  die  Ver- 
wechslung der  aspiraten  bh  und  dh  mit  blofsem  h:  w.  bhr  und 
br,  dhi  und  hi  in  der  endung.  Dies  sind  ansätze  zur  Verstüm- 
melung der  aspiraten  zu  blofsen  Spiranten,  welche  aber  nicht 
durchgeführt  sind.  Auch  dafür  treffen  wir  analogieen  im  neu- 
griechischen: \pahiv  statt  rpa&iof  auf  Cypern  (Rofs  a.  a.  o.). 

2)  Der  zweiten  klasse  gehören  alle  die  sprachen  an,  wel- 
che durch  aufgebung  des  hauches  den  unterschied  der  media  aspi- 
rata und  der  media  aufheben.  Voran  zu  stellen  ist  das  zend, 
das,  wie  wir  sahen,  m  gewissen  fällen  noch  die  aspirata  erhält, 
in  andern  aber  sie  schon  zur  media  schwächt;  dies  also  bildet 
gewissermafsen  die  brücke  von  dem  sanskritischen  zu  dem  zu- 
stande, den  wir,  wie  es  scheint,  fast  vollständig  im  all  persischen, 


die  aspiralen  der  indogermanischen  sprachen.  329 

entschieden  aber  in  der  keltischen  und  in  der  slawisch -lettischen 
familie  entfaltet  finden.  Wenn  wir  es  als  den  Vorzug  einer  sprä- 
che betrachten  müssen,  durch  eine  gröTsere  mannichfaltigkeit  von 
lauten  auch  eine  gröTsere  fülle  von  Vorstellungen  deutlich  ge- 
schieden bezeichnen  zu  können,  so  ist  der  zustand  dieser  spra- 
chen in  bezug  auf  die  aspiraten  der  unvollkommenste.  Wurzeln, 
welche  die  aspirirenden  schwestersprachen  schon  durch  die  Ver- 
schiedenheit des  anlants  unterscheiden  können,  wie  skr.  dha  und 
da  haben  hier  denselben  anlaut,  indefs  weifs  sich  die  slawisch- 
lettische familie  in  dem  erwähnten  beispiel  doch  zu  helfen:  sie 
vermeidet  das  zusammenfallen  der  wurzeln,  durch  Unterscheidung 
der  vocale:  kirchenslaw.  dam",  lit.  dumi  =  dYoaipi,  aber  sl.  djejo, 
lit.  demi  =  ?t#7fu,  ähnlich  wie  es  die  irische  spräche  machte, 
wenn  wir  mit  Bopp  (gloss.)  ir.  genim  I  beget,  generate  mit  skr. 
jan  für  gan  und  ir.  gonaim  I  wound,  stab  mit  skr.  han  für  ghan 
vergleichen  dürfen.  Wir  nehmen  hier  den  überall  wiederkehren- 
den trieb  der  spräche  zu  unterscheiden  wahr,  wodurch  *o  oft  in 
späteren  perioden  des  sprachlebens  mängel  ersetzt  werden,  wel- 
che sich  in  früheren  einstellten. 

3)  Au  diese  zweite  klasse  schliefst  sich  nnn  unmittelbar  die 
dritte  an,  welche  die  germanischen  sprachen  bilden.  Diese  stim- 
men nämlich  augenscheinlich  mit  der  zweiten  klasse  insofern  zu- 
sammen, als  auch  in  ihnen  —  auf  ihrer  ältesten  im  gothischen, 
niedersächsischen  und  skandinavischen  erhaltenen  stufe  —  für  al- 
tes gh  dh  bh  g  d  b  sich  findet.  Aber  dadurch  unterscheiden  sie 
sich  von  jener,  dafs  dies  neu  entstandene  g  d  b  nicht  mit  dem 
alten  sanskritischen  g  d  b  zusammenfallt.  Und  so  gelangen  wir, 
dankt  mich,  durch  diese  betrachtungen  zu  einer  neuen  auffassung 
der  wichtigen  eigenthürolichkeit  unseres  Sprachstammes,  der  laut- 
verschiebung.  Schon  Grimm  hat  in  seiner  geschiente  der  deut- 
schen spräche  s.  421  bemerkt,  man  könne  auch  den  Zwiespalt 
zwischen  der  skr.,  griech.  und  lat.  muta  auf  einer,  und  slawisch- 
litthauischen  auf  der  andern  seite,  eine  lautverschiebung  heifsen, 
nur  eine  unvollkommnere  als  die  deutsche.  Aber  das  gesetz  der 
deutschen  lautverschiebung  entwickelt  er  doch  nicht  auf  grund 
dieser  unvollkommneren ,  sondern  auf  ganz  anderem  gründe,  in- 
dem er  immer  die  griechischen  aspiraten,  die  er  mit  ph  ch  th 
bezeichnet,  als  vorfahren  von  deutschem  b  g  d  hinstellt  und  aufser- 
dem  die  ganze  lautverschiebung  mit  der  erhebung  der  media  zur 
tenuis  beginnen  läfst.     Das  erste  verrückt  den  wahren  Vorgang, 


330  Cortius 

wenn  wir  mit.  recht  bh  gh  dli  als  die  ursprünglichen  aspinten 
annahmen.  Aber  auch  der  ausgangspunkt  Grimms  ist  kaum  rich- 
tig gewählt.  J.  Grimm  sagt  8.  416:  «die  lautverschiebung  hebt 
mit  der  media  an,  von  ihr  senkt  sich  der  laut  zur  tenuis,  too 
der  tenuis  zur  aspirata :  in  der  media  liegt  gleichsam  seine  natür- 
liche kraft,  die  sich  zur  tenuis  verdünnt  und  hernach  wieder  rar 
aspirata  verdickt.  Aus  der  aspirata  mufs  darauf  die  einfache  me- 
dia abtropfen  und  dann  der  nmlauf  neu  beginnen. »  Danach  wäre 
der  gang  der  laut  Verschiebung  theils  hebung,  theils  Senkung, 
theils  Verdünnung,  theils  Verdickung.  Rud.  v.  Raumer  fafst  die 
lautverschiebung  wesentlich  als  eine  Verstärkung  auf.  Als  solche 
mag  in  der  that  die  erhebung  der  media  zur  tenuis,  der  tenuis 
znr  aspirata  gelten  und  man  begreift  es,  wenn  J.  Grimm  s.  437 
sagt:  «hegt  nicht  ein  gewisser  muth  und  stolz  darin,  media  zur 
tenuis,  tenuis  in  aspirata  zu  verwandeln!»  Aber  die  verwandlang 
der  aspiraten  in  mediae,  nach  unserer  weise  also  von  gh  dh  bh 
in  g  d  b  ist  und  bleibt  eine  Schwächung,  indem  ja  der  eine  theil 
des. lautes  weggefallen  ist.  Wir  hätten  also  einen  Vorgang,  der 
zu  zwei  drittheileu  Verstärkung,  zu  einem  drittheil  Schwächung 
wäre  und  wenn  wir  den  muth  unserer  vorfahren  in  der  erhebung 
von  d  in.t,  t  in  th  verehrten,  so  müfsten  wir  ihren  klein  muth 
in  der  Senkung  von  dh  in  d  bedauern.  Aber  seien  wir  nicht  un- 
gerecht-, diese  Senkung  ist  ja,  wie  wir  sahen,  gar  nichts  spezifisch 
germanisches.  Diese  Senkung,  diese  «unvollkommne  lautverschie- 
bung» ist  ja  den  gesainmten  Indogermanen  des  nördlichen  Europa, 
und  aufser  ihnen  auch,  wenn  gleich  in  geringerer  aosdehnung 
den  Persern  eigen.  Diese  lautverschiebung,  die  Vorstufe  für  die 
germanische,  gehört  unsrer  zweiten  klasse.  Auf  ihr  blieben  die 
Perser,  Slawen,  Letten  und  Kelten  stehen.  Das  was  die  Germa- 
nen hinzu  thaten  ist  reine  Verstärkung.  Wir  werden  auch  hier 
wieder  auf  den  unterscheidungstrieb  als  wichtigen  factor  im  sprach- 
leben geführt.  Im  dunkeln  gefühl,  dafs  das.  alte  gjn  der  würzet 
gal  (skr.  jala-in,  lat.  gelu)  nicht  dasselbe  sei,  wie  das  neu  aus  gh 
entstandene  in  der  ursprünglichen  wurzel  ghal  (gr.  x6\o$>  lat  fei), 
ward  das  alte  g  allmählich  —  denn  mit  recht  nimmt  Raumer  hier 
überall  ein  allmähliches  vorrücken  an  —  zu  k  gekräftigt:  goth. 
kald-8,  während  das  neue  g  blieb:  altnord.  gall;  das  junge  d  von 
goth.  deths  (sanskritw.  dhä,  sl.  djejo,  lit  d£mi)  verschob  das  alte 
d  von  w.  dam  (skr.  damjämi,  gr.  dapdo),  lat.  dom(a)o)  zu  t  im 
.goth.  tamja.     Offenbar  war  nun  dies  der  anstofs  zu  neuer  ver- 


die  asniraten  der  indogermanischen  sprachen.  331 

Schiebung.  Das  alte  k  t  p  konnte  es  steh  nicht  gefallen  lassen 
mit  dem  neuen  auf  einer  stufe  zu  stehen.  Ihm  stürzte  ein  dicker 
hauch  nach,  der  anfangs  sicherlich  wahre  aspiraien:  kh  th  ph 
erzeugte,  von  denen  jedoch  kh  und  ph  zu  h  und  f  sich  verflüch- 
tigten. So  betrachtet  erscheint  nun  die  eigentlich  germanische 
lautverschiebung  durchaus  als  Verstärkung,  sie  erscheint  als  ein 
wesentlicher  vorzug  unsrer  spräche  zwar  nicht  vor  dem  sanskrit 
und  griechischen ,  wobl  aber  vor  den  sprachen  der  grofsen  völ- 
kermassen,  welche  von  Asien'  aus  in  den  norden  Europa's  zogen. 
Denn  durch  dies  mittel  wurde  es  wieder  möglich  laute  zu  unter- 
scheiden, welche  bei  jenen  zusammenflössen.  Anders  stellt  sich 
freilich  das  urtheil,  wenn  es  sich  um  alterthumlichkeit  handelt, 
da  sind  die  germanischen  sprachen  gegen  jene  ihnen  zunächst 
verwandten  im  nachtheil,  und  allerdings  ist  auch  wohl  ein  ge- 
wisser schaden  der  spräche  damit  verbanden,  wenn  sie  allzusehr 
von  den  lauten  abweicht,  welche  gleichsam  in  der  intention  des 
sprachbildenden  menschengeistes  lagen.  Das  band  zwischen  laut 
und  Vorstellung  wird  dadurch  gelockert.  Es  ist  aber  die  art  that- 
kräftiger  Völkerstämme  ihre  kraft  auch  an  der  spräche  zu  versu- 
chen und  solche  jugendliche  rustigkeit,  solch  keckerer  unterschei- 
dungstrieb  tritt  nun  nach  unserer  auffassung  der  sache  in  der  laut- 
verschiebung der  Germanen  auf  das  deutlichste  zu  tage.  Wenn 
wir  nun  diese  auffassung  als  gesichert  betrachten,  gewinnen  wir 
damit  auch  eine  relative  Zeitbestimmung  für  den  eintritt  jener  er« 
scheinung.  Die  lautverschiebung  mufs  zu  einer  zeit  begonnen 
haben,  da  man  noch  fühlte,  daß  zwischen  altem  und  neuem  g 
d  b  ein  unterschied  sei,  da  man  sich  gleichsam  des  ursprünglichen 
gh  dh  bh  noch  erinnerte.  Denn  sonst  wäre  es  ja  unbegreiflich, 
warum  die  spräche  gerade  immer  nur .  das  alte,  niemals  -das  neue  g 
d  b  verschoben,  und  umgekehrt,  warum  sie  immer  nur  das  neue, 
nie  das  alte  g  d  b  unversehrt  gelassen  habe.  Es  mufs  also,  so 
xu  sagen,  die  masse  der  stummlaute  damals  noch  nicht  eingero- 
stet und  erstarrt,  sondern  bis  zu  einem  gewissen  grade  flössig  ge- 
wesen sein,  als  die  deutsche  lautverschiebung  aus  dem  slawisch- 
lettisch-keltischen zustand  sich  hervorhob.  Auf  die  entstebung 
der  zweiten  lautverschiebung  innerhalb  der  deutschen  sprachen, 
wodurch  der  hochdeutsche  stamm  sioh  kennzeichnet,  brauche  ich 
hier  nicht  einzugehn.  Denn  offenbar  ist  auch  hier  nur  die  Ver- 
wandlung von  th  in  d  eine  Schwächung  und  zwar  eine  ganz  ähn- 
liche wie  die,  welche  wir  bei  der  zweiten  klasse  in  einer  weit 


332  Curtius 

früheren  periode  eintreten  sahen  und  die  sich  aus  «der  Schwierig- 
keit erklärt,  welche  die  ausspräche  wirklicher  diphthonge  macht. 
Diese  Schwächung  theilt  die  hochdeutsche  mundart  mit  vielen 
niederdeutschen  und  den  skandinavischen.  Das  alte  th  von  bro- 
thar  hat  sich  in  seinem  vollen  klänge  nirgends  erhalten.  Aber 
das  eigentümlich  hochdeutsche  ist  wieder  die  erhebung  von  d 
in  t,  yon  t  in  z,  minder  stetig  zeigt  sich  der  ganze  Vorgang  bei 
den  andern  Organen. 

4)  Die  vierte  klasse  weisen  wir  der  griechischen  spräche 
an.  Die  Griechen  stehen  mit  ihren  aspiraten  ganz  vereinzelt  da. 
Denn  statt  der  alten  mediae  aspiratae  haben  sie  tenues  aspiratae. 
Alle  griechischen  dialekte  stimmen  darin  fiberein.  Dafs  %  &  <p 
=  kh  th  ph  sind,  beweist  aufiser  den  uns  überlieferten  nachrich- 
ten  und  der  lateinischen  Schreibung  die  alte  wenigstens  für  KU, 
TIH  feststehende  Schreibweise,  die  Verdoppelung  durch  die  tenuis: 
2anq>oi,  der  ersatz  durch  die  tenuis  bei  der  reduplication :  rühmt 
und  bei  einem  hauchverlust  afure^o),  sxegsi^ia,  die  entstehung  aus 
der  tenuis  durch  hinzutritt  des  hauches  &olndriov,  dq>*  ov.  Die 
erhebung  von  gh  dh  bh  zu  %  &  <P  ist  a^°  ebenso  eine  Verstär- 
kung wie  die  deutsche  lautverschiebung,  und  könnte  auch  eben 
so  gut  wie  diese  mit  dem  namen  lautverschiebung,  aber  weil  sie 
nicht  weiter  um  sich  griff,  mit  dem  einer  partiellen  lautverschie- 
bung bezeichnet  werden.  Auch  in  ihr  können  wir  eine  that  der 
rüstigkeit,  der  kraft  des  volksstammes  erkennen.  Auch  sie  hat 
den  alterthümlichen  lautbestand  merklich  verändert;  aber  es  ge- 
lang dadurch  den  Griechen  die  alte  neunzabl  der  mutae  unge- 
schmälert zu  bewahren  und,  im  Vorzug  vor  der  zweiten  und  drit- 
ten klasse,  den  hauch,  wo  er  von  alters  her  seinen  sitz  hatte,  zu 
erhalten.  Nur  in  verhältnifsmäfsig  wenigen  Wörtern  gewahren 
wir  media  statt  der  aspirata  und  in  diesen  schwankt  die  spräche 
zum  theil  selbst:  XQVCpa  und  ixQvßqv,  atgscpco  und  <JT(>dßo)t>,  oder 
die  einwirkung  eines  nasals  ist  im  spiele:  xvpßr]  =  skr.  kumbha. 

Die  vierte  klasse  scheint  von  der  zweiten  und  dritten  durch 
eine  unausfüllbare  kluft  geschieden  zu  sein,  sie  ist  zu  beiden,  so 
zu  sagen,  das  gegenstück.  Dennoch  können  wir  vermuthungs- 
weise  die  beiden  k lassen  mit  der  griechischen  durch  einige  uns 
erhaltene  notizen  über  die  mundart  der  den  Griechen  nördlich 
wohnenden  Völker  in  Verbindung  bringen.  Jacob  Grimm  betrach- 
tet als  vorfahren  der  Gothen  die  Geten,  die  er  mit  den  Thrakern 
eng  verbunden  sein  labt,  und  die  Thraker  werden  ihm  wieder 


die  aspi raten  der  indogermanischen  sprachen  333 

mit  den  Griechen  durch  die  Makedoner  vermittelt  (s.  214).  Ist 
es  nun  nicht  merkwürdig,  dafs  wir  von  den  Makedonern  eine, 
so  zu  sagen,  nordeuropäische  aspiratentilgung  glaubhaft  überlie- 
fert finden?  Freilich  wissen  wir  davon  nur  in  bezug  auf  die  den- 
tale und  labiale  klasse  (Sturz  de  dialecto  Macedonica  et  Alexan- 
drina p.  31).  Aber  hier  steht  die  thatsache  fest;  die  Makedoner 
sagten:  Bikmnog,  ßaXaxgog,  Bsqevmt]  statt  <Ptkmnogy  (palaxQog, 
<I>eQerixt],  freilich  lauter  griechische  Wörter;  allein  es  ist  wahr- 
scheinlich, dafs  sie  ihre  volkstümliche  ausspräche  auf  die  grie- 
chischen Wörter  übertrugen.  Für  echt  makedonisch  darf  dßgovreg 
=  6<pgvg  (skr.  bbrü,  kirchensl.  br'V,  zend.  brvat,  ahd.  präwa) 
gelten,  vielleicht  xeßlij  =  xeyaXq  (goth.  hanbith)  und  wahrschein* 
lieh  ddvog  =  ödvarog  (vielleicht  goth.  dauthus).  Dürfen  wir  hier- 
nach vermuthen,  dafs  die  Griechen  von  der  masse  der  thrakisch- 
phrygischen  Völker  sich  in  ähnlicher  weise  ablösten,  wie  die  Ger- 
manen von  ihren  nachbar Völkern? 

5)  Endlich  kommen  wir  zu  den  italischen  sprachen,  welche 
die  fünfte  klasse  bilden.  Diese  sondern  sich  von  allen  übrigen 
dadurch,  dafs  sie  nur  zwei  hauchlaute  h  und  f  besitzen,  die  den- 
tale aspirata  aber  ganz  aufgegeben  haben.  Aber  auch  h  und  f 
sind  keine  aspiraten  mehr,  sondern  Spiranten.  Der  stumme  be- 
standtheil  in  ihnen  ist  so  gering,  dafs  f  nicht  die  kraft  hat  n  in 
m  zu  verwandeln:  impono  aber  inficio^ im  gegensatz  zu  ifMpaivoy, 
wie  wir  ja  denn  auch  durch  oft  angeführte  Zeugnisse  von  der 
grofsen  Verschiedenheit"  zwischen  f  und  <p  hinlänglich  unterrich- 
tet sind.  Durch  den  starken  hauch  von  f  und  h  ist  es  erklär- 
lich, dafs  sie  vielfach  unter  einander  nach  mundarten  und  zeit 
wechseln:  sabinisch  fircos  =  hircus,  fasena  =  harena  und  dafs  wir 
auch  ursprünglichem  gh  gegenüber  f  finden:  skr.  gharma-s,  lat. 
formus.  Besonders  aber  ward  der  ursprüngliche  bestand  durch 
den  mangel  eines  dentalen  hauchlauts  getrübt.  Im  erhaltenen  zu- 
stande aber  finden  wir,  dafs  f  im  anlaut  die  stelle  von  dh  sehr 
oft  mit  übernimmt:  fores  =  folget,  fera  =  &iJq.  Das  umspringen 
in  das  labiale  organ  ist  etwas  den  italischen  sprachen  ganz  eigen- 
thümllches.  Uebrigens  gehen  diese  gerade  in  bezug  auf  diese 
laute  verschiedene  wege.  Das  lateinische  duldet  nur  selten  f  und 
h  im  inlaut,  in  der  regel  finden  wir  im  inlaut  altes  gh  durch  g, 
dh  durch  d,  bh  durch  b  vertreten:  skr.  lih  für  ligh,  Aergo),  goth. 
laigön  =  lingo,  skr.  madhja-s,  lat.  mediu-s,  skr.  abhi,  gr.  a/tiqp/, 
ahd.  umbi  =  amb.     Dagegen  tritt  uns  im  umbrischen  und  oski- 


334  Caritas         ... 

sehen  ein  f  im  inlaat  entgegen  z.  b.  für  ursprüngliches,  hh  in  der 
endung  -fast  =  fuerit  (ampr-e-fust  =  amb-i-verit  Aufr.  und 
KirchhoiT  I.  8.  146),  umbr.  alfer  =  lat  albis  (ib.  s.  91)  vgl.  gr. 
alcpog,  durch  umspringen  für  altes  dh  in  umbr.  mefa  osk.  mefia 
(vgl.  sabin.  Mefula)  =  media  skr.  madhja,  umbr.  rufra  =  latein. 
rubra,  griech.  igv&Qci,  skr.  rudbirä.  Ganz  consequent  ist  übrigens 
das  umbrische  nicht  in  der  behandlung  der  aspiraten,  denn  in  der 
präposition  ampr-  später  ambr-  ist  im  unterschied  vom  osk.  amfr- 
vielieicht  durch  den  einflufs  des'nasals  die  aspiration  verloren  ge- 
gangen. Aus  dem  vorkommen  eines  f  an  der  «teile  eines  ur- 
sprünglichen dh  können  wir  uns  das  lateinische  b  deutlich  ma- 
chen; f  sowohl  als  b  setzen  älteres  bh  voraus;  denn  der  spirant 
konnte  kein  b  erzeugen,  wohl  aber  die  echte  aspirata.  Also 
wie  ans 

nrital.  tibhi  (skr.  tubhjam) 

umbr.  tefe  lat.  tibi,  so  ward  aus 

ursprüngl.  rndhra  (skr.  rudhira) 

i .  • 

urital.  rubhru 

umbr.  rufru  lat.  rubro. 
Wir  gewinnen  dadurch  die  sprachhistorische  thätsache,  dafs 
die  aspirata  früher  aus  der  dentalen  klasse  in  die  labiale  umsprang, 
als  sie  sich  zur  media  erweichte.  Wahrscheinlich  ging  ako  die 
dentale  aspirata  der  italischen  sprachen  schon  in  einer  sehr  alten 
zeit  verloren,  in  welcher  die  labiale  aspirata  noch  nicht  zum  spi- 
nnten herabgesunken  war.  Die  bis  zu  einem  nachweisbaren  Zeit- 
punkt anhaltende  existenz  von  mediae  aspiratae  in  den  italischen 
sprachen  mufs  uns  übrigens  für  eine  grofse  alterthümiichkeit  gel- 
ten, und  es  stimmt  dies  ganz  mit  dem  allgemeinen  charakter  der 
italischen  sprachen  überein,  welche  auch  andre  laute  mit  beson- 
derer treue-  bis  in  die  historische  zeit  bewahrt  haben,  welche  in 
vielen  der  schwestersprachen  schon  viel  früher  mancherlei  ent- 
stellungen  ausgesetzt  waren.  In  solchen  stücken  bilden  die  itali- 
schen sprachen  das  widerspiel  zur  griechischen,  die  überall  zeitig 
ihre  neuen  ganz  besondern  wege  ging.  Uebrigens  hat  diese  lange 
erhaltung  der  mediae  aspiratae  sich  mannichfaltig  gerächt.  Denn 
eben  dadurch  ist  jene  Verwirrung  in  bezug  auf  die  organe  und 
vollends  im  lateinischen  jene  verschiedene  behandlung  der  aspi- 


die  aspiraten  der  indogermanischen  sprachen.  335 

rata  im  an  laut  und  im  inkut  eingetreten.  Wir  können  es  im 
allgemeinen  als  regel  annehmen,  dafs  nur  inlautendem  gh  g,  bh 
und  dh  b  entspricht,  woraus  sich  unter  anderm  das  verhältnifs 
von  fac-io,  f-io  zu  dem  do  von  con-do,  cre-do  erklärt  (vergl. 
Zeitschrift  för  alterthumsw.  1849.  heft  4.  und  diese  Zeitschrift  I. 
s.  26).  Indefs  wird  eine  nähere  Untersuchung  festzustellen  haben, 
inwiefern  es  einzelne  ausnahmen  von  dieser  regel  gibt.  Ein  wort, 
in  welchem  g  unverkennbar  für  altes  gh  steht  ist  grand-o,  das 
Schleicher  (kirchensi.  forml.  s.  105)  mit  skr.  hräd-ini  flumen  fulmen, 
sicherer  noch  mit  gr.  y,oAa£tt  (für  gcuLaft-ja)  und  kirchensi.  grad" 
vergleicht.  Ohne  zweifei  liegt  der  grund  dieser  ab  weich ung  im 
einflufs  des  r,  welcher  sich  auch  in  einigen  andern  wortstammen 
geltend  gemacht  zu  haben  scheint.  —  Eine  ausnähme  anderer  art 
wäre  es,  wenn,  wie  Benary  (lautlehre  s.  194)  annimmt,,  einem 
griech.  0  gegenüber  im  lateinischen  auch  t,  an  der  stelle  eines 
qp  auch  p  eintreten  könnte.  Dies  einzuräumen  sind  wir  um  so 
weniger  geneigt,  weil  wir  ja  auf  italischem  boden  selbst  spuren 
der  media  aspiräta  gefunden  und  überhaupt  wahrgenommen  ha- 
ben, dafs  die  alten  aspiraten  oft  durch  tnediae  nicht  aber  durch 
tenues  ersetzt  werden.  In.  der  that  möchte  auch  Benary's  ver- 
zeichnifs  einer  sorgfältigen  sichtnng '  bedßrfen.  So  ist  die  ver- 
gleichnng  von  cap-io  mit  w.  grabh  mehr  als  zweifelhaft,  da  wir 
vielmehr  cap-io  mit  gr.  hcoVj?  (vgl.  capulum)  und  xdnri  und  mit 
goth.  hafjan  zu  vergleichen  haben,  linquo  hat  Bopp  (gl ossär) 
richtiger  zn  skr.  rik'  als  Benary  zu  rah  gesetzt.  Dagegen  hat 
es  in  patior,  lateo,  puteo,  rutilus  allerdings  den  anscheid,  ab  ob 
sie  von  na&M,  Xa&eiv,  tev&siv,  iqv&Qog  nicht  getrennt  werden 
könnten.  Indefs  ist  auch  hier  noch  nicht  alles  ganz  ausgemacht. 
So  fuhrt  uns  das  griech.  wo?,  lil.  puwu,  goth.  .fuls  für  puteo 
and  ttv&g)  auf  die  kürzere  wurzelform  pu,  und  das  t  von  puteo 
könnte  wie  das  von  poenitet,  oportet,  fatcor,  foeteo  (w.  dhü 
Polt  etym.  forsch.  I.  211)  ein  eigentümlich  lateinischer  von.  dem 
griech.  0  ganz  verschiedener  zusatz  sein.  Bei  rutilus  steckt  der 
stamm  viellefcht  nur  in  ru  für  rub  und  tilu-s  könnte  suffix  sein 
wie  in  mutilus,  scutilus  (Fest.  =  tenuis,  macer),  wie  tili-s  in 
fu-tili-8  (w.  fu  =  gr.  %v)-  Vielleicht  aber  hat  sich  doch  eine 
oder  die  andere  aspiräta  in  eine  tenuis  verwandelt,  indem  ja  die 
italischen  sprachen,  wovon  das  umbrische  im  echtumbrischen 
aiphabet,  aber  auch  das  altlateinische  c  für  g  das  deutliche  zeug- 
nifs  gibt,  eine,  periode  durchmachten ,  in  der  die  tenuis  vielfach 


336  Caritas 

die  media  mit  vertrat.    Aus  solcher  zeit  könnten  jene  verhärteten 
t  statt  d  für  dh  übrig  geblieben  sein. 

Nachdem  wir  auf  diese  weise  die  verschiedenartige  gestaltung 
der  ursprünglichen  aspiratae  überblickt  haben,  müssen  wir  noch 
die  besondere  klasse  der  tenues  aspiratae  im  sanskrit  in's  ange 
fassen.  Dafs  diese  erst  nach  der  Sprachtrennung  sich  gebildet 
haben,  kann  im  allgemeinen  nicht  wohl  bezweifelt  werden.  Al- 
lein es  gibt  doch  einzelne  fälle,  in  denen  der  skr.  tenuis  aspirata 
die  griechische  aspirata  entspricht:  khalina-s  =^cxilw'Otf,  cankha-s 
z=x6yxO'$y  w.  phull,  gr.  cpvXXo*.  Von  der  entetehung  sanskri- 
tischer tennes  aspiratae  aus  tenues  ist  die  w.  sthä  ein  besondere 
deutliches  beispiel,  da  alle  verwandten  sprachen  die  form  sta  ha- 
ben. Solche  Alle  sind  mit  dem  übergange  griechischer  tenues 
in  aspiraten  zu  vergleichen,  wie  in  w.  lip,  lat  liq,  gr.  Xina  ne- 
ben dXsi(poi)9  lat.  sap-io  neben  griech.  ooq>6g9  coupijg.  Zu  diesem 
Übergang  liefern  auch  die  persischen  sprachen  eine  analogie,  in 
denen  p  vor  gewissen  halbvocalen  zu  f  wird  (fra  =  pra,  vergl. 
cpQOvdov  z=  tiqo  dflotT);  freilich  ist  das  f  spirant  und  daher  nicht 
dem  griech.  qp  gleich,  aber  es  setzt  wohl  ph  voraus 5  ähnlich  wird 
th  aus  t.  Bisweilen  scheinen  aber  die  sanskritischen  tenues  aspi- 
ratae aus  mediis  aspiratis  sich  verhärtet  zu  haben.  Jenem  phull 
entspricht  nicht  blofs  awLlo?,  sondern  auch  folium  flos,  ags.  blö- 
van,  goth.  blöma,  welche  auf  die  form  bhul  hinweisen;  mit  skr. 
nakba-s  vergleicht  sich  wie  gr.  ow|  (st.  öVfjf),  so  ungui-s,  ahd. 
nagal,  litt,  naga-s,  kirchensl.  nog"t'*),  wonach  der  ursprüngliche 
stamm  gh  gehabt  haben  mnfs.  Mit  der  tenuis  auf  der  einen  und 
der  media  aspirata  auf  der  andern  seite  berührt  sich  das  th  in 
den  endungen  der  zweiten  person:  tha  — gr.  #*,  thas,  the,  thäm 
(vgl.  dhi,  dhve,  dhvam  und  ta).  Hier  ist  die  aspirata  offenbar 
unter  dem  einflufs  des  v  von  tva  —  also  nach  persischer  analo- 
gie —  entstanden.  Bemerkens  werth  ist  immerhin,  dafs  es  im 
sanskrit  wie  im  griechischen  tenues  aspiratae  gibt,  welche  nicht 
ganz  aufser  berflhrung  mit  einander  stehen.  Es  möchten  eben  zu 
der  eigentümlich  griechischen  behandlung  der  hauchlautc  schon 
im  osteo  sich  ausätze  finden.  Namentlich  aber  bieten  sich  uns 
die  persischen  sprachen  gleichsam  als  mittelpunkt  für  die  ver- 
schiedenen Verzweigungen  dar.  Diese  haben  fast  von  allen  ge- 
stalten der  aspiraten  etwas:  mit  ihrem  erhaltenen  dh  z.  b.  in  der 

*)  ist  ein  versehen!  das  kirchenslaw.  zeigt  k  in  nok'V,  Schleicher 
kirchensl.  formenl.  p.  99.  anm.  d.  red. 


die  aspiraten  der  indogermanischen  sprachen.  337 

imperativendung  dhi  weisen  sie  nach  Indien,  mit  der  media  b 
z.  b.  von  bu  (skr.  bhu)  nach  norden  zu  den  Slawen,  Letten, 
Germanen,  Kelten  und  erinnern  an  den  inlaut  der  Römer;  nach 
Griechenland  mit  ihrem  f  und  th  für  p  und  t.  Sie  vermitteln 
also  den  ursprünglichen,  im  wesentlichen  vom  sanskrit  erhaltenen 
lautbestand  sowohl  mit  dem  des  grofsen  nordischen  vöikerstro- 
roes  als  mit  dem  der  sudeuropäischen  Völker. 

Prag  im  november  1852.  G.  Curtius. 


Die  diphthonge  im  verbraederuegsbuch  voo  St.  Peter 
zu  Salzborg. 

Das  Salzburger  verbraederungsbuch ,  welches  so  eben  die 
Wiener  presse  verlassen  hat,  sichert  seinem  herausgeber  v.  Kara- 
jan  ein  neues  unvergängliches  verdienst,  denn  seiner  unendlich 
muehsamen  arbeit  verdanken  wir  ein  denkmal  unseres  alterlhums, 
das  80woI  für  historische  als  linguistische  Wissenschaft  von  ge- 
waltigem, fuer  den  augenblick  noch  kaum  zu  ueberschauendem 
einflösse  sein  mufs.  Karajan  hat  in  seinen  umfassenden  erläute- 
rn n  gen  zuerst  nur  die  historische  seite  hervorgehoben,  und 
dazu  hatte  er  ohne  zweifei  vollkommenes  recht,  denn  eine  er- 
schöpfende sprachliche  betrachtung  hätte  den  umfang  des  Wer- 
kes bis  ins  uebermaefsige  ausgedehnt  und  ueberdies  Vorstudien 
erfordert,  die  jähre  lang  planmaefsig  grade  auf  dies  ziel  hätten 
gerichtet  werden  müssen.  Um  so  mehr  müssen  aber  gerade  des 
herausgebers  mitforscher  in  deutscher  Sprachwissenschaft  auf  den 
ruf  hoeren,  der  an  sie  ergeht,  zu  allseitiger  ausbeute  dieses  köst- 
lichen Schatzes  mit  hand  anzulegen.  Denn  es  handelt  sich  hier 
um  eine  der  allervorzueglichsten  quellen  althochdeutscher  spräche, 
fuer  die  kenntnis  altdeutscher  eigennamen,  ich  ueberlreibe  nicht, 
geradezu  um  die  erste. 

Mehr  als  8100  eigennamen,  darunter  sicher  7000  echt  deut- 
sche linden  sich  hier  verzeichnet,  mit  geringen  ausnahmen  nur 
persoenlichc;  der  zeit  nach  grofsentheils  dem  S.  und  9.  Jahrhun- 
dert, in  geringerer  anzahl  dem  10.  und  11.,  nur  ausnahmsweise 
spaeterer  zeit  angehoerig;  in  hinsieht  auf  die  mundart  fast  sämmt- 
lich  bairischem  boden  entsprossen.  Und  von  allen  diesen  nameu 
ist  der  ort  ihrer  aufzeichnung  ganz  bestimmt ;  der  ort  ihrer  her- 
kunft  ist  bei  sehr  vielen  bekannt;  die  zeit  der  aufzeichnung  sehr 

IL    5.  22 


338 


Förstcmann 


oft  bis  aafs  jahrzebend  anzugeben;  ueber  alles  dies  ist  der  abdruck 
bei  allen,  so  weil  menschenmacbt  reicht,  diplomatisch  genau*) 

Wir  müssen  es  uns  an  diesem  orte  versagen,  auf  die  bedeu- 
tung  des  buches  fuer  den  altdeutschen  Sprachschatz  naeher  einzu- 
gehen und  dürfen  nur  auf  denjenigen  theil  der  grammatik  unsern 
blick  richten,  der  durch  namensverzeichnisse  vornehmlich  neues 
licht  empfängt,  nämlich  die  lautlehre;  und  auch  diese  in  ihrem 
ganzen  umfange  an  der  band  unseres  buches  zu  durchwandern 
ist  unmoeglich,  wenn  man  nicht  den  plan  hat  ein  umfängliches 
werk  ins  leben  zu  rufen.  Beschränken  wir  uns  daher  hier  nur 
auf  eins  der  feinsten  gebiete  althochdeutscher  lautlehre,  auf  das 
verhältnifs  der  diphthonge. 

Historischer  Sprachwissenschaft  steht  es  wohl  an,  wenn  sie 
ausgeht  und  fortschreitet,  ohne  die  hand  der  geschichte,  ihrer 
fackel  und  fuehrerin,  loszulassen.  Und  so  liegt  es  uns  hier  zu- 
naechst  am  herzen,  davon  meidung  zu  thun,  dafs  es  Karajans 
eisernem  fleifsc  gelungen  ist,  von  78  verschiedenen  Schreibern, 
deren  bände  sich  im  verbruederungsbuche  unterscheiden  liefsen, 
eine  nicht  geringe  anzahl,  32  naemlich,  der  zeit  nach  zu  festigen. 
Ich  fuehre  diese  32  hier  einzeln  mit  den  buchstaben  auf,  durch 
die  Kar a jan  ihre  handschrift  bezeichnet  hat,  und  merke  bei  jedem 
die  chronologischen  grenzen  an,  innerhalb  derer  nach  fast  immer 
untrueglichen  mcrkmalen  eines  jeden  thaetigkeit  als  schreibet*  fallt. 
Dieses  hier  folgende  Verzeichnis,  ueber  dessen  naehere  begrundung 
das  werk  selbst  nachzusehn  ist,  mufs  die  gr und  läge  fuer  alle  sprach- 
liche Untersuchung  ueber  das  Salzburger  verbruederungsbuch bilden: 


a  780—800 

A  1000—1020 

W  1110-1120 

b  780—810 

H  1000 

G 

1120—1140 

1  780-820 

ü  1000 

C 

1130—1180 

r  780 

V  1000—1020 

ß 

1130—1140 

x  800 

a  1000—1050 

P 

1150 

d  820—870 

y   1010 

0 

1150—1200 

i  820 

J  1030—1090 

N 

1180— 1220 

q  820—800 

£  1050—1090 

X 

1210—1220 

k  830—870 

K  1050—1110 

R 

1350—1370. 

qq  860—930 

B  1060—1100 

o  900 

D  1110—1120 

*)  ich  rede  hier  nur  von  dem  texte  selbst;  in  das  register  hat 
sich  leider  eine  nicht  geringe  anzahl  von  fehlem,  besonders  in  den  ci- 
taten  eingeschlichen. 


die  diphthonge  im  verbruederungsboch  von  St.  Peter.         339 

Ich  wferdc  in  der  folge  diese  32  chronologisch  fixirlen  Schreiber 
vor  den  andern  durch  fettere  echrift  unterscheiden,  damit  das  schon 
bestimmte  vor  dem  noch  zu  bestimmenden  nach  gebuehr  hervorge- 
hoben werde.  Nur  bei  den  drei  gr.  zeichen  <*  ß  y  mufs  ich  wegen 
mangels  an  dergleichen  typen  auf  diesen  unterschied  verzichten. 

Ich  schlage  nun  den  weg  ein,  dafs  ich  die  lautlich  zusam- 
mengeh oerenden  diphthonge  in  eine  betrachtung  zusammenfasse 
und  hei  jedem  dieser  laute  bemerke,  in  wie  vielen  beispielen  er 
bei  jedem  Schreiber  vertreten  ist.  Man  halte  es  mir  zu  gute, 
wenn  ich  auch  hier  die  numerische  methode  walten  lasse,  zumal 
da  zu  meiner  in  frueher  Jugend  begründeten  neignng  fuer  diese 
richtung  eine  immer  fester  werdende  ueberzeugung  von  deren 
erspriefslichkeit  kommt.  Ohne  ganz  feste  bestimmtheit  und  an- 
schaulichkeit,  wie  sie  kaum  anders  ab  von  zahlen  zu  erwarten 
ist,  verliert  namentlich  der  ohnehin  schon  ziemlich  verfliefsende 
ahd.  vocalismus  allen  halt. 


I.   AI,  EI. 

a     b    c    d    e    g    h 

i 

iL 

1 

m 

© 

P 

4    r   s 

t 

u 

ai 

54    6     1     1 

1 

2 

1 

*— 

3 

— 

—     1  — 

i 

— 

ei 

17  10    1    9    3    1     4 

3 

9 

5 

1 

1 

3 

8  13    1 

4 

3 

v     tl    y  bb  cc  dd  ee 

ff 

66 

hh 

ii 

11 

nn 

oo  44  rr 

A 

B 

ai 

—     3 1  - 

— 

— 

— 

— 

— 

1 

2 

— 

— 

ei 

1  11     4     1     2    2     1 

1 

7 

1 

1 

1 

— 

7     1     3 

4 

1 

C  JE   FCML5P 

9 

U 

V 

a 

ß 

7 

*   f  n 

& 

t 

ai 

1 

ei     2    3    113    12    2    2     12  14    5    5     22411 

Hieraus  ergiebt  sich: 

1)  am  ende  des  8.  Jahrhunderts  waltet  ai  noch  bedeutend 
vor,  doch  gehoert  ei  schon  keineswegs  zu  den  Seltenheiten,  ja 
ein  echreiber  des  8.  Jahrhunderts  (r)  hat  sich  schon  mit  entschie- 
denheit  vom  ai  ab  und  dem  ei  zugewandt. 

2)  beim  beginn  des  9.  jhderts  (to,  1,  jl)  hat  ei  schon  den 
vorrang,  doch  schwanken  die  Schreiber  noch. 

3)  um  die  mitte  von  sec.  9  ist  ai  schon  ausgestorben;  nur  drei 
beispiele  um  das  jähr  900  und  eins  um  1000  sind  archaismen,  die  ge- 
gen die  uebrige  masse  so  gut  wie  gar  nicht  mehr  ins  gewicht  fallen. 

Ich  bemerke  ferner  aus  meinen  Zusammenstellungen,  die  ich 
hier  nicht  in  vollem  umfange  wiedergeben  kann,  dafs  aufser  dem 
regelmaefsigen  diphthong  auch  noch  der  aus  a  umgelautete  vor- 
kommt, denn  a  schreibt  Aigil,  Maiginpret,  Eigilperht,  Eigino, 

22* 


340  Förstemann 

*  hat  Eigilfrid,  h  Eingilpald  und  Eingilscalh,  1  Eigilperht  und 
Eingilpirc,  o  Eingiluorht,  q  Eingilscalch,  x  Eigil,  dd  gleichfall« 
Eigil,  rr  Eingil,  B  Eigilbert,  a  Eigil,  Eingilhilt,  n  Eigil.  Alle 
diese  formen  gehoeren  zu  der  ursprünglichen  gestalt  Agil-,  Angil-, 
Magin-;  ueberall  also  ist  hier  das  dem  i  auch  sonst  so  befreun- 
dete g  im  spiel*  nie  findet  sich  im  ganzen  verbruederungsbuch 
z.  b.  ein  einziges  Hairi-,  das  doch  sonst  bekanntlich  nicht  gan* 
selten  ist,  vgl.  z.  b.  Hairibold  pol.  Irm.  s.  13,  Hatriberta  ebda.  s.  23, 
Heiriman  im  necr.  Aug.,  Hairiveo  pol.  Irm.  s.  7,  woran  sich  dann 
die  häufigen  bildungen  Hair-  und  Air-  anschliefsen. 

Dagegen  ist  ein  anderes  aus  a  umgelautetes  ei,  soviel  mir 
bis  jetzt  bekannt,  der  Salzburger  Urkunde  eigenthuemlich;  ich 
meine  die  formen  Eillanperht  bei  4  und  l&,  Eillanger  bei  r,  Eil- 
lanperht,  EillanhiU  und  Eillanmuot  bei  oo.  Waehrend  ich  in 
allen  uebrigen  quellen  altdeutscher  namen  diesen  stamm  nur  in 
den  formen  Ellan-,  Ellin-,  Ellen-  nachweisen  kann  (bei  den  West- 
franken  mangeln  sie  ganz),  so  erscheint  in  unsern  bäurischen  na- 
men in  dem  ei  plötzlich  noch  eine  willkommene  spur  vom  j  des 
gothischen  aljan  (wovon  andere  spuren  im  altn.  elian,  ags.  ellean) 
und  es  ist  interessant  dieses  j  oder  i  sogar  auf  ahd.  gebiete  selbst, 
wo  es  bisher  unbelegt  war,  nachweisen  zu  können.  Man  liest 
naemlich  im  verbruederungsbuche  noch  (neben  vielen  Ellan-,  El- 
lin- und  Ellen)  Ellianpurc  (41,i4  bei  «1  und  77,a«  bei  r),  fer- 
ner aber  noch  sogar  die  unumgelauteten  formen  Alyan  (93,  io 
bei  i)  und  Alljanmot  (90,48  bei  x).  Jeder  fund  mufs  uns  freuen, 
der  dazu  beitraegt,  die  kluft  zwischen  gothischer  und  ahd.  spräche 
zu  verkleinern  und  so  diese  locke  in  unserer  Sprachgeschichte 
allmaelich  auszufüllen. 

II.    lü,  EU,  10,  EO,  IA,  IE. 
»licdghiJlLlniopqrs     tu 

iu  24  13  —  19    11    3    1    43—    5    113    7 5 

eu    2     1 1     1—     l  — 

io     i i i     2—     1—     1 

eo2111 1—1 2 2 

ia-    2 1  — 

ic- 1  - 1 1 1 

vw    x    y    aa  bb  cc  dd   ff  gg  hh    ii    jj   kk   11  nn  oo  rr 
iu     24    6    212213833111132 

ea 

i0 1 


die  diphthonge  im  verbrtiedernngsbuch  von  St.  Peter.         341 

v    w  x    y    aa  bb  cc  dd    ff  gg  hh   ii   jj   kk   11  nn  oo   rr 

eo  -     1     1 1—    3 2    2 

ia l 

ie   —     3    1 1     1 1_     1 

ABCBEFHIlLVPfTETWX 

ia     2  —  13    2     1 11113  10—     152  — 

eu — -  —  — 

io -    2  — 2—     4 

eo 

ia — — 

ie     319121113—224—1113 

«  ß  r    *  •   C  n  * 

iu   18  13    7    2    3    2    4    2 

eu 

io31 

eo 

ia 

iel4    8    7     12    2    5- 

Man  erkennt  hieraas  mit  einem  blick,  dafs  nur  zwei  dieser 
diphthonge,  naemlich  ia  und  ie,  in  anserm  denkmal  eigentlich 
heimisch  sind;  die  andern  vier,  eu,  io,  eo,  ia  erscheinen  nur  aus- 
nahmeweise und  machen  fast  nur  den  eindrack  Ton  entlehnten 
formen  aus  andern  mundarten. 

Betrachten  wir  daher  zuerst  iu  und  ie,  so  ergiebt  sich, 
dafs  letzteres  hier  unmittelbar  ans  ersterem,  ohne  eine  Zwischen- 
stufe (io  oder  ia)  erwächst.  Und  zwar  gilt  bis  zum  jähre  1200 
(spaeter  haben  nur  fiufserst  wenige  eintragungen  ins  verbrucde- 
rungsbuch  statt  gefunden)  iu  immer  als  die  regel.  Bei  allen  mit 
lateinischer  minuskel  bezeichneten,  d.  h.  bei  denen,  deren  eintra- 
gnngszeit  vor  das  jähr  1000  fällt,  ist  ie  in  unserer  quelle  nur 
eine  lioechst  seltene  ausnähme;  nach  dem  jähre  1000  erreicht  es 
nahezu,  doch  nicht  völlig,  die  ausdehnnng  des  iu.  Man  betrachte 
als  hauptrepraesentanten  des  11.  Jahrhunderts  den  Schreiber  or,' 
als  solche  des  12.  C,  ß  und  Q.  Lautliche  gründe,  die  bei  die- 
sem schwanken  zwischen  beiden  diphthongen  die  wähl  des  einen 
und  die  Verwerfung  des  andern  veranlagten,  lassen  sich  nicht 
angeben,  wohl  aber  ist  es  zu  ersehen,  dafs  »ich  in  gewissen 
Wortstämmen  der  gebrauch  fuer  den  einen  laut  entschieden 
hatte;  vgl.  was  ich  unten  bei  eo  sage. 

Eu  finde  ich  im  ganzen  buche  nur  sechs  mal  oder,  da  Eunat 


342  Förstemann 

bei  a  und  Leuan  bei  q  nicht  ganz  sicher  zu  beurlheilen  sind, 
mit  gewifsheit  nur  viermal,  naemlich  Leuto  (a),  Theatbert  (b), 
Leutbcrt  (r)  und  Deutperbt  (t).  Nimmt  man  nun  hinzu,  dafs 
selbst  von  diesen  vieren  zwei,  naemlich  Theutbert  und  Leutbert, 
nicht  Baiern,  sondern  Franken  aus  Troyes  sind,  wie  die  angaben 
des  verbruederungsbucbes  nachweisen,  so  dürfen  wir  auch  in  den 
beiden  andern  fremdlinge  vermuthen  und  können  mit  Sicherheit 
der  bairischen  (wenigstens  der  ostbairischen)  mundart  des  8. — 
12.  Jahrhunderte  das  eu  vollständig  absprechen;  eu  hat  seinen 
eigentlichen  sitz  bei  Alamannen  und  Westfranken. 

Io  lesen  wir  etwas  häufiger  als  eu,  nämlich  in  20  beispie- 
len,  aber  trotzdem  doch  immer  nur  als  ausnähme;  kein  einziger 
Schreiber  zeigt  eine  Vorliebe  fuer  diesen  diphlhong.  Dafs  er  durch 
lautlichen  einflufs,  z.  b.  durch  ein  a  der  folgenden  silbe  erzeugt 
sei,  giebt  sich  nirgends  kund.  Merken  wir  aber  etwas  genauer 
auf  diese  20  io-/ormen,  so  sehn  wir  unter  ihnen  18  mal  die 
stamme  diot  und  dio,  nur  ein  oder  zwei  mal  ein  liod ,  kein  ein- 
ziges mal  liob,  obwol  zu  liob  und  liod  anlafs  genug  gewesen 
wacre.  Nun  aber  kommt  grade  den  beiden  st 5 01  inen  diot  und 
dio,  wie  wir  gleich  sehn  werden,  in  unserer  quelle  von  rechts- 
wegen  ein  eo  zu  und  es  bat  daher  hier  io  keine  weitere  bedeu- 
tung  als  die,  eine  blofs  ausnahmsweise  gebrauchte  nebenform  je- 
nes selbst  nur  ausnahmsweise  stattfindenden  eo  zu  sein.  Auf  ein 
bestimmtes  geographisches  gebiet  das  io  unserer  quelle  zu  be- 
schränken will  nicht  gelingen,  denn  von  den  betreffenden  20  per- 
sonell sind  13  ihrem  Wohnsitze  nach  nicht  angegeben  (d.  h.  sehr 
wahrscheinlich  sind  es  Baiern),  die  andern  7  sind  sfimmtlich  si- 
cher Baiern,  3  aus  Altaich,  3  aus  Neuburg  am  Inn  und  einer  aus 
Salzburg  selbst.  Auch  abgesehen  von  unserer  quelle  macht  die 
räumliche  und  zeitliche  bestiuraiung  dieses  diphthongs  besondere 
Schwierigkeit,  da  er  nur  so  äufserst  selten  als  regel  erscheint. 

£0  zeigt  sich  etwa  in  demselben  umfange  wie  io,  im  ganzen 
nur  22  mal,  darunter  kein  einziges  mal  in  den  mit  lateinischer 
raajuskel  und  den  mit  griechischen  buchstaben  bezeichneten  Schrei- 
bern; es  ist  also  nach  dem  jähre  1000,  ja  wahrscheinlich  schon 
nach  900  um  Salzburg  ausgestorben.  Aber  auch  unter  jeuen  22 
formen  sind  mehrere  auffallend  und  unsicher  und  einige  unter 
ihnen  mocgen  sogar  nicht  einmal  germ.  Ursprungs  sein,  so  dafc  auch 
selbst  diese  zahl  sich  sehr  reducirt  und  eo  keineswegs  im  bairischen 
dialekt  eigentlich  heimisch  gewesen  sein  kann. 


die  dipbthonge  im  verbruederungsbuch  von  St.  Peter.         343 

Bei  erwaegung  dieses  diphthongs  habe  ich  eben  so  wie  in 
der  obigen  uebersicht  die  beiden  formen  Theod-  and  Deo-  (-deo), 
die  zu  goth.  thiada  und  thios  gehoeren,  aufser  acht  gelassen,  denn 
ihr  zusammenwerfen  mit  den  uebrigen  würde  die  ganze  ueber- 
sicht im  hoechsten  grade  getruebt  haben.  Grade  die  beiden  for- 
men theod  und  deo  finden  sich  aber  in  den  namen  des  verbraede- 
rungabuches  ungemein  häufig  (z.  b.  bei  dem  Schreiber  »  allein  in 
fünfzig  beispielen).  Ein  thiuda,  thiudo  oder  sonst  eine  form  mit 
iu  iu  diesem  stamm  kennt  unsere  quelle  gar  nicht*),  ein  diu, 
tkiu,  tiu  nur  zuweilen  auslautend,  nie  anlautend.  Genug,  wir 
haben  hier  eine  sloerung  der  lautverhältnisse ,  die  ihren  grund 
nur  im  anklänge  an  die  häufigen  mit  griech.  &eog,  lat  deus  ge- 
bildeten namen  haben  kann.  Da  nun  diese  griech.  und  latein. 
namen  das  Theo-  Deo-  meistens  am  anfange,  seltner  (wie  in  Ama: 
deo)  am  ende  haben,  so  ist  das  iu  der  in  rede  stehenden  deut- 
scheu stamme  nur  da  ganz  ausgerottet,  wo  sie  ein  wort  begin- 
nen; am  ende  des  namens  mufste  der  einflufs  des  griech.  und 
lat.  wortes  weniger  durchgreifend  sein.  Uebrigens  haben  fast  alle 
mundarten  der  ahd.  spräche  eben  diese  stoerung  erlitten,  deren 
ganzer  zeitlicher  und  räumlicher  umfang  wol  einmal  einer  beson- 
dern Untersuchung  werth  waere,  denn  grade  diese  erscheinung 
ist  wie  meines  wissens  keine  andere  der  spräche  dazu  geeignet, 
das  eindringen  des  christlichen  dementes  bis  ios  innerste  lebens- 
mark  der  deutschen  spräche,  d.  h.  bis  in  den  laut,  zur  anschauung 
zu  bringen.  Wie  viel  weniger  energie  gehoert  dazu,  einer  sprä- 
che neue  begriffe,  Wörter,  gedanken  und  Wendungen  in  masse 
einzuimpfen,  als  dazu  gehoert,  auch  nur  eine  einzige  bedeutende 
stoerung  der  lautverhältnisse  zu  verursachen! 

la  zeigt  sich  aufser  in  dem  zweifelhaften  wahrscheinlich  un- 
deutschen Diacl)  nur  auf  einer  einzigen  seite  unseres  verbruede- 
rungsbuches,  wo  77,is  und  77,i9  Liafburc  und  Thiadgund  von 
derselben  band  und  nicht  weit  davon  78,34  ein  auffallendes  Pas- 
cuuuialh  von  einer  andern  hand  geschrieben  vorkommen.  Ueber 
das  letzte  dieser  drei  Wörter  wage  ich  kein  urtheil;  Liaiburc  und 


*)  dergleichen  formen  sind  ueberhanpt  selten;  ich  kenne  nur  Tiulo 
urk.  v.  800,  815  Neug.,  Tiude  trad.  Corb.  398  (viel!.  Tiade  zu  lesen?), 
Diudecha  urk.  v.  1057  (N.  756)  Dronke,  Thiodemer  mon.  German.  Vllf, 
307,  310  (Sigeb.  ebron.),  Diudolf  urk.  aus  sec.  9  bei  Meichelb.  Zuwei- 
len stehn  daneben  formen  mit  ui,  die  vielleicht  nur  Schreibfehler  sind. 


344  Förstemaun 

Thiadgund  können  dem  vocale  nach  SSchsinnen  eder  alaman- 
nische  fraaen  aas  dem  elsafe  sein;  die  consonanten  sprechen 
mehr  faer  das  erstere.  Den  Baiern  ist  also  unser  ia  ganz  abzu- 
sprechen. 

III.   OA,  UA,  UO. 

Ich  darf  diese  drei  diphthonge  nicht  zusammenstellen,  ohne 
den  einfachen  vocal,  aus  dem  sie  entstanden  sind,  naemlich  das 
6  mit  aufzufuehren.  Doch  bemerke  ich  ausdrücklich,  dafs  in  der 
folgenden  nebersicht  nur  diejenigen  6  in  ansehiag  gebracht  sind, 
welche  sicher  einem  goth.,  alts.,  ags.,  altn.  6  entsprechen.  Un- 
sicheres ist  nicht  mit  aufgenommen,  eben  so  wenig  natuerlich 
das  aus  goth.  au  entsprungene  spaetere  ahd.  6.  Das  ua  dagegen 
kann  ich  hier  fueglich  uebergchen,  da  es  dem  dialekte  des  ver- 
bruederungsbuchs  ebenso  wenig  angehoert  als  ia;  Puantun  66,  is 
enthält  nur  zwei  aneinandergerückte  vocale,  keinen  diphthong. 

alicdegh     ijltlmnepqrs 

6  82  29    2  22 3    4    2    9    3    1  —    8  11    9  20    1 

oa     2    1 1 

no  12  11     46222213 142751 

t     u   w    x    y   bb  cc  dd  ee   ff  gg    ii    jj  kk  11  nn  oo  pp 

6    2    5  —  25 12284    1122212 

oa 2 4 2  — 

uo    24364451- 3—1—2—3  — 

«irres   ACBEFIIKIP9T    TW1 

6    2 1     1 1—2 

oa  — —  — . 

uo—    113  10    2721372773731 

a    ß    7    e    C    V    & 
6    2     111 

uo  19  20  15    1    9    3    4 

Also  nur  6  und  uo  kommen  unserer  bairischen  mundart  zu, 
oa  sehn  wir  nur  13  mal.  Auch  von  diesen  fallen  Droant  und 
Droan  aus,  die  nur  scheinbaren  diphthong  haben.  Hazoaeha 
(I00,i o)  ist  offenbar  misbräuchlich  geschrieben,  denn  der  name 
lautet  sonst  Hazacha  (urk.  aus  sec  11  mon.  Boica  VI),  Hazaga 
(urk.  aus  sec.  11  mon.  Boic.  X),  Hazech*  (urk.  v.  c  1070  bei 
Lacombl.  N.  221),  Hazzecba  (mon.  Germ.  X.  214  in  der  vita 
Conradi),  Hazega  (mon.  Germ.  XI,  223  im  chron.  Benedictobur.), 
Hacecha  (urk.  v.  1028  bei  Guden).    Von  den  nun  noch  uebrig 


die  diphthonge  im  verbraefkrongsbuch  von  St.  Peter.        345 

bleibenden  formen  ist  Oadalgaoz  (70,2  g)  ein  fremder  bischof, 
möglicherweise  yon  Troyes,  obwohl  mir  das  unwahrscheinlich 
ist,  Oadalheri  (110,io)  nnd  Oalger  (110,29)  sind  beide  weiter 
westlich  im  bairischen  Moosbarg  zu  banse,  nnd  es  bleiben  also 
nur  hoecbstens  7  namen,  die  Salzburgern  eigen  sein  könnten, 
was  nach  allem  hoechst  unwahrscheinlich  ist  Es  wird  also  die- 
ser alamannische  diphthong,  der  auch  noch  weit  ins  bairische  ge^ 
bW^  hinein  galt,  dennoch  die  geographische  grenze  seines  ge- 
brau fehs  schon  westlich  von  Salzburg  gefunden  haben  müssen.  — 
Ich  habe  bereits  an  einem  andern  orte  dargethan,  dafs  sich  als 
zeit  der  geltung  von  oa  mit  ziemlicher  genauigkeit  das  Jahrhun- 
dert von\750 — 850  angeben  läfst;  damit  stimmt  auch  sein  vor- 
kommen bei  den  durch  Karajan  in  diese  zeit  gesetzten  Schreibern 
»  (780— 8ty)),  b  (780—810)  und  x  (800),  und  wir  werden  des- 
halb zwei  v>pn  Karajan  unbestimmt  gelassene  Schreiber,  nämlich 
dd  (der  OadaJger,  Oadalhilt,  Oadaluuih  und  Oadilolf  hat)  und 
oo  (der  Oatilo  und  Roacheri  schreibt)  mit  grofser  Wahrschein- 
lichkeit in  die  zeit  von  750—850  oder  da  das  verbruederungsbuch 
erst  780  beginnt,  beide  Schreiber  aber  nicht  zu  den  fruehsten  ge- 
hoeren ,  genauer  in  die  zeit  von  800 — 850  setzen.  Noch  eine 
sprachliche  bestaetigung  dieser  bestimtnung  finden  wir  darin,  dafs 
beide  Schreiber  auch  noch  den  diphthong  ai  kennen,  der  wie  ich 
oben  bemerkte,  um  die  mitte  des  9.  Jahrhunderts  um  Salzburg 
schon  verklungen  ist*). 

Da  hienach  fuer  unser  gebiet  ein  unmittelbarer  uebcrgang 
ans  6  in  uo  ohne  Zwischenstufe  oa  anzunehmen  ist,  so  liegt  es 
uns  ob,  den  Zeitpunkt  dieses  ueberganges  zu  fixiren.  Es  ist  zwar 
nicht  zu  leugnen,  dafs  sich  uo  schon  am  ende  des  8.  Jahrhunderts 
gebildet  hatte  und  in  denselben  wortstämmen  wie  ö  galt  (so 
z.  b.  schreiben  a  und  li  neben  hröd  und  möt  schon  hruod  und 
muot),  indessen  ist  bei  den  nm  das  jähr  800  herum  schreibenden 
a  U  *  x  das  6  durchschnittlich  noch  viermal  so  häufig  als  uo. 
Um  das  jähr  850  schrieben  die  Schreiber  dkq;  bei  ihnen  ueber- 
wiegt  6  noch  um  mehr  als  das  doppelte.  Um  900  sehn  wir  bei 
•  und  qq  noch  immer  vorherrschen  des  6.    Es  ist  schade,  dafs 


*)  nachtraeglich  sehe  ich,  dafe  in  col.  96  unserer  quelle  oo  da  su 
schreiben  beginnt,  wo  X  (800)  aufboert,  und  dafs  q  (820-860)  erst 
in  die  von  oo  gelassenen  lücken  eintraegt,  was  mit  obiger  sprachlicher 
bestlmmung  schlagend  uebereintriflV 


346  Foretemann 

sich  im  10.  Jahrhundert  selbst  keine  genau  zu  bestimmende  und 
zugleich  häufig  eintragende  band  im  verbraederungsbuch  findet, 
sonst  wurde  uns  der  in  diesem  Jahrhundert  geschehende  um- 
schwung  noch  deutlicher  vor  die  äugen  treten.  Um  1010  traegt 
y  ein,  er  kennt  nur  noch  ein  6  (Rotpurch),  aber  fünfzehn  uo. 
Im  12.  jahrhund,  z.  b.  bei  C,  Q  und  ß  sind  die  6  vollends  nur 
ganz  sparsame  erscheinungen  und  es  ist  fast  mit  gewifsheit  anzu- 
nehmen, dafs  die  traeger  der  dahin  gehoerigen  namen  nicht  um 
Salzburg  zu  hause  waren,  was  sich  auch  von  mehreren  derselben 
nachweisen  läfst.  Die  zeit  des  ueberganges  ist  also  zwischen  900 
und  1000  zu  suchen. 

IV.   AU,  AO,  OU. 

Hierher  mufs  ich  das  spaetere  dem  goth.  au  entsprechende 
6  ziehen,  da  es  zu  unsern  lauten  etymologisch  gehoert.  Die  uebcr- 
sicht  sämmtlicher  vier  zusammengehoerigen  laute  ist  folgende: 

abcde     fgh     1     jltlmnepqr 

au    6    5 1—     1 

ao  66  12  —    9  —  i 3—    8    2 2    5    45 

6  32  17    4  11     1     1263434     11357  11 
ou 1 1    1 

8     t    u    v  w  x  bb  cc  dd  ee  ff  gg  hh  ii   11  nn  oo  pp  i^q^  rr 

au—    1 1 1  — 

ao     1    3—    2—    6 1 2    2    32 

6—2133  Ii    1    1—38    2    2    25—2—2    l 
ou 1—    3 1 

ss  C  E  F  «H  I  BTP  Q  VWX  a   ß  y    d    e    f    n 

au 1—    l 

ao 

6     1  10    1    2    1     1    1    1    5    2    2    1  — 13  10    5    1    2    2    2 
ou ■ 

Au,  der  eigentliche  stammlaut  der  drei  andern,  erscheint  nur 
noch  bei  den  Schreibern  ft  und  b,  d.  h.  gegen  800,  einige  male, 
aber  auch  bei  diesen  nur  ganz  ausnahmsweise;  aafserdem  finde 
ich  ihn  in  der  ganzen  Urkunde  nur  sieben  mal,  von  welchen 
Gaunno  bei  hh  eine  unsichere  lesart  ist,  Maurus  bei  t  als  undeutsch 
gelten  mufs  und  Hyrsaugia  bei  TL  ein  seh waebi scher  ortsname  ist. 
Wirkliche  geltung  hat  also  der  diphthong  um  Salzburg  von  ende 
sec.  8  an  nicht  mehr. 

Ou  hat  nur  in  dem  einzigen  Outpurh  sicher  seine  eigentlich 
ahd.  bedeutung,  vielleicht  auch  in  dem  zweimal  erscheinenden 


die  diphlhonge  im  verbruederungsbuch  von  St.  Peter.         347 

Oato.  Ia  den  uebrigen  formen  Hartmoat,  Roudpirc,  Oudalpirc, 
Oudalperht,  Oudalheri,  Oudaluuar,  Hroucholf  steht  es,  wie  das 
auch  sonst  in  Damen  nicht  selten  ist,  ganz  unorganisch  fuer  ge- 
meiuahd.  no.  Dies  schwanken  mehrerer  mundarten  zwischen  uo 
und  ou,  die  spaeter  ganz  verschiedenen  lautgruppcn  angehoeren, 
verdient  fuer  die  Zukunft  einmal  genauere  erwaegung.  Ich  be- 
merke hier,  dafs  ich  nur  diejenigen  formen  iu  anschlag  gebracht 
habe,  in  denen  die  handschrift  deutlich  ein  ou  liest;  wo  das  u 
ueber  dem  o  steht,  schien  mir  öfters  eine  Verwechselung  mit 
dem  blofsen  längezeichen  vorgegangen,  häufig  auch  erweist  sich 
der  wiener  abdruck  grade  in  diesem  punkle  als  ungenau;  text 
und  regisfcr  weichen  darin  oft  von  einander  ab.  Daher  mufste  ich 
jene  uebergeschriebenen  u  ganz  aus  dem  spiele  lassen,  bemerke 
aber,  dafs  auch  in  den  40 — 50  fallen,  in  denen  sie  sich  in  der 
handschrift  zu  zeigen  scheinen,  meistens  unorganisch  fuer  uo  ste- 
hende ou  anzunehmen  sind. 

Nach  aussonderung  des  au  und  ou  als  ungebräuchlicher  diph- 
ilionge  bleiben  uns  nun  in  dieser  gruppe  noch  ao  und  6  als  re- 
gelrechte laute  ueb r ig,  jenes  als  der  aeltere,  dieses  als  der  jüngere. 
Bei  dem  Schreiber  a  ist  ao  noch  doppelt  so  oft  vorhanden  als  6; 
er  braucht  aber  beide  laute  ganz  ohne  unterschied;  so  lesen  wir 
bei  ihm  Aotmar  neben  Otpald,  Adalgaoz  neben  Mahalcöz,  Caoz- 
perht  neben  Gözperht;  sogar  Schwankungen  in  demselben  worte 
begegnen,  wie  in  Aostargöz.  Merkwürdig  ist  es,  dafs  der  schrei- 
bet' i*  (nach  Karajan  780),  der  schon  oben  das  ei  dem  ai  im  Wi- 
derspruch mit  seinen  Zeitgenossen  vorzog,  auch  hier  sich  dem 
jungern  laute  zuneigt;  ist  es  vielleicht  moeglich  ihn  in  jüngere 
zeit  zu  versetzen,  zumal  da  seine  lebeuszeit  nur  durch  ein  ein- 
ziges datum  festgestellt  wird? 

In  der  zeit  von  800—850  (vgl.  die  schreiber  d,  I,  1&,  q) 
halten  sich  ao  und  6  ziemlich  genau  das  gleichge wicht,  doch 
mufs  bald  darauf  das  6  ueberwogen  haben,  denn  gleich  nach 
1000  ist  der  ältere  laut  schon  bei  den  Schreibern  II,  V,  «,  y 
gar  nicht  mehr  zu  finden,  auch  bei  allen  spaeteru  erscheint  er 
nicht  mehr  ein  einziges  mal. 

Ein  spalten  des  goth.  au  in  zwei  verschiedene  laute  je  nach 
dem  folgenden  codsonanten ,  das  sich  sonst  in  den  ahd.  mundar- 
ten bemerken  läfst  (vgl.  Grimm  gramm.  I),  ist  in  den  namen  des 
verbruederungsbuches  durchaus  nicht  nachzuweisen.  Stämme,  bei 
denen  auf  das  au  ein  b  p  f  m  g  k  ch  folgt,  welchen  eigentlich 


348  Förstemann 

ein  längeres  festhalten  des  alten  dipbthongs  zukommt,  finden  sich 
in  den  eigennamen  selten,  so  dafs  die  wenigen  der  art  ganz  in 
die  regel  der  uebrigen  masse  (wohrlndti  folgen)  hinueber- 
gezogen  werden. 

V.    AE. 

Folgendes  ist  die  uebersicht  dieses  lants: 
»    r   ilh    lklsp   4'   s    uxeeggnnoopp 
58  12   6    1    2  2   3   1    1   3   4   1   2   4     1     1    2    1     l 

Es  waehrt  also  das  ae  nur  bis  ums  jähr  900,  spaeter  ist  es 
gänzlich  untergegangen.  Seiner  bedeutung  nach  ist  es  in  den 
meisten  fallen  deutlich  nichts  weiter  als  ein  umlaut  von  a,  z.  b. 
Aengilscalh,  Aengilperht,  Aengüheri,  AengUgaer,  Raegindrud,  Rae- 
ginfrid,  Raeginolf,  Raegino,  Haerirount,  Aegilperht,  Aeti,  Uuaern- 
haeri  (Warinhari),  Aernold  (Arinold).  Nach  dieser  analogie  leite 
ich  das  im  verbruederungsbuche  sehr  häufige  Gaer-,  -gaer  ans 
der  form  Gari  her,  die  sich  in  altern  bairischen,  fränkischen, 
langobardischen  Urkunden  öfters  findet  (Garibald,  Garibert,  Gari- 
fus,  Gariard,  Garimar,  Garimund,  Garivald),  nicht  aus  Gair-, 
'  welches  namentlich  im  westfränkischen  dialekt  des  8.  Jahrhun- 
derts erscheint  und  erst  aus  Gari —  (wie  Hair —  aus  Hari — ) 
transponirt  ist   Freilich  weist  jenes  Gari—  selbst  auf  ein  älteres 

Gairi (Gairu — )  zurück,  das  indessen  in  ahd.  namen   nicht 

ueberliefert  ist  (wol  aber  in  den  nordischen  auf  — geir).  Mir 
scheint  die  folge  dieser  formen  diese: 

Gairu 

Gairi    ....     altn.  Geir 

Gäxi     ....    ags.  Gar 

Gair  Gaer  Ger 

Emitaerc  fasse  ich  als  Emithari  und  vergleiche  wegen  des 
ersten  theils  Amathildis  urk.  v.  656  (N.  327)  bei  Pardessus. 
Amadildis  pol.  Irm.  s.  15,  Amatlaicus  pol.  Irm.  s.  126,  Emita  urk. 
v.  822  (N.  396)  Dronke. 

Die  form  Naothaert  ist  zwar  auf  den  ersten  blick  auffallend, 
doch  begegnet  in  diesem  stamm  auch  sonst  umlaut,  z.  b.  in  Hert- 
ger  urk.  v.  c.  1080  (N.  242)  Lacombl.,  Heredrich  fuer  Herdrich 
urk.  v.  1033  (N.  169)  Lacombl.,  Hertwin  urk.  v.  1090  (N.  239) 
Kausl.,  Haertwich  mon.  Germ.  XI,  552  (auetar.  Cremifan.),  Hert- 
wic  urk.  v.  c.  1030  mon.  Boic  (VI)  u.  s.  w.  —  Aehnlich  zu  beur- 
theilen  sind  in  unserer  Urkunde  auch  Meginraet  und  Selphraet 


die  diphthonge  im  verbraederungsbucli  von  St.  Peter.         349 

Aas  alle  diesem  geht  hervor,  dafs  sich  im  verbruederunga- 
buche  keine  spur  des  fuer  ursprüngliches  ai  stehenden  und  aus 
demselben  unmittelbar  hervorgegangenen  ae  findet,  das  sonst  zu- 
weilen, aber  selten,  in  älteren  handschriften  vorkommt.  Es  steht 
vielmehr  dem  unorganischen  spaetern  ei  gleich,  das  selbst  aus  a 
umgelautet  ist,  wovon  ich  oben  einige  beispiele  angefuehrt  habe. 

Die  betrachtung  dieses  ae  kann  hienach  erst  bei  einer  um- 
fassendem Untersuchung  der  umlautsverh&ltnisse  recht  fruchtbar 
werden,  und  einer  solchen  Untersuchung  ist  unsere  quelle  sicher 
auch  werth,  so  dafs  wir  sie  ihr  fuer  die  zukunft  wünschen 
müssen. 

Am  Schlüsse'  dieser  diphthongenuebersicht  finden  noch  einige 
auffallende  formen  ihre  stellen.  Ich  'lese  im  text  des  verbruede- 
rungsbuchs  69,3  von  verschiedener  hand  die  beiden  namen  Perht 
und  Roeda,  woraus  das  register  ein  Perhtroeda  macht;  fast  das 
einzige  ahd.  beispiel  eines  oe,  wenn  die  lesung  wirklich  sicher  sein 
sollte.  Feylhart  24,7  zeigt  ein  ey;  den  ersten  theil  des  Wortes 
kann  ich  nirgend  sonst  in  ahd.  namen  belegen;  eine  aehnliche 
form  scheint  Feilgon  71,ie;  beide  formen,  die  kaum  zu  feili  ve- 
nalis  gehoeren  können,  seien  fernerer  aufmerksamkeit  empfohlen. 
Triphthonge  im  ahd.  entstehen  meines  wissens  immer  (worauf 
sonst  noch  nirgend  geachtet  ist)  aus  Vermischung  zweier  diph- 
thonge, zwischen  denen  der  Schreiber  schwankte;  so  lese  ich  in 
unserer  quelle  ieo  (io — eo)  in  Dieotpreht  und  Dieoza,  aei  (ai — 
ei)  in  Aeino,  Aeingtnger,  Haeilnit,  Staeinahenses,  ieu  (iu  —  eu)  in 
Lieupurc.  Hiltikiaer  scheint  reiner  Schreibfehler.  Das  sonst  be- 
kannte uoa  (uo — oa)  begegnet  im  verbruederungsbuche  nirgends. 

Fassen  wir  die  regel  der  diphthonge  des  suedoestlichen 
Baierns  (denn  fuer  ganz  Baiern  ist  sie  nicht  genau  dieselbe),  wie 
sie  sich  aus  unserer  quelle  darstellt,  in  eine  uebersicht  zusam- 
men, so  ist  diese  folgende: 

ao 
6 


sec. 

8. 

ai 

iu 

6 

sec. 

9. 

!« 

iu 

6 

sec. 

10. 

ei 

iu 

uo 

sec. 

11. 

ei 

iu 

uo 

sec. 

12. 

ei 

iu 

uo 

o 

d 
ö 

Wenn  es  gelungen  sein  wird  aehnliehe  uebersichten  ueber 
eine  groefeere  menge  von  gegenden  aufzustellen,  dann  werden 
sich  aus  deren  vergleichung  allem  vermuthen  nach  nicht  uner- 
hebliche resoltate  ergeben.    Namentlich  wird  sich  zeigen,  dafs  in 


350  Schweizer 

den  eroberten  ländern  der  deutschen  dieselben  lautverhältnisse 
ueber  weit  groefsere  strecken  landes  gelten  als  in  dem  muttcr- 
lande.  So  finde  ich  durch  ganz  Frankreich  vom  Rhein  bis  zum 
Westen  hin  (mit  ausnähme  eines  schmalen  alamannischen  Strei- 
fens) fucr  das  8.  und  9.  jhd.  kaum  einen  erheblichen  dialektun- 
terschied, und  eben  so  scheint  die  iangobardische  mundart  Italiens 
durch  das  ganze  land  ziemlich  dieselbe  zu  sein,  wa ehrend  um 
dieselbe  zeit  in  Schwaben.  Baiern  und  am  Main  durchaus  meh- 
rere oft  stark  unter  einander  abstechende  schattirungen  derselben 
hauptmundart  angenommen  werden  müssen.  Doch  gehoeren  zur 
auffind ung  dieser  schattirungen  noch  immer  bedeutende  vorarbeiten. 
Um  aber  schÜefslich  zum  Salzburger  verbruederungsbuch  zu- 
rückzukehren, so  ladet  grade  seine  natur  noch  zu  manchen  ein- 
zelforschungen  ein.  Gebrauch  oder  abfall  des  h  im  anlaut  vor 
consonanten,  Verhältnis  der  tenues  und  mediae  zu  einander,  um- 
laut  oder  nichtumlaut,  vocalabschwächung,  namentlich  die  der 
thematischen  vocale,  und  so  manches  andere,  was  in  die  lautlehre 
einschlaegt,  in  bezug  auf  den  Wortschatz  aber  eine  Zusammenstel- 
lung der  um  Salzburg  in  namen  heimischen  und  nicht  heimischen 
wortstamme,  alles  das  sind  fuer  die  Zukunft  noch  lockende  auf- 
gaben. 

Wernigerode.  E.  Förstemann. 


De  titolo  Mummiano.  —  De  miJiario  Popilliano  ud  de 
epigrammate  Sorano.  —  De  Aletrinatium  lapide. 

(Drei  akademische  gelegenheitsschriften  von  prof.  dr.  Fr.  Ritschi. 
Bonn  1852) 

Für  eine  sichere  künde  der  echten  gestalt  lateinischer  sprach- 
formen und  vorzüglich  für  eine  genauere  bestimmung  der  zeit, 
in  welcher  gewisse  von  ihnen  auftreten,  ist  im  einzelnen  beson- 
ders während  der  letzten  jähre  sehr  bedeutendes  geschehen,  da  sich 
einige  der  ausgezeichnetesten,  durch  ihre  gründlichen  auf  breiter 
grundlage  aufgebauten  forschungen  und  durch  kritischen  Scharf- 
blick vor  allen  berühmten  philologen  Deutschlands  mit  eigen- 
thümücher  Vorliebe  derlei  Untersuchungen  zugewendet,  mochte 
dieses  auch  nur  einzeln  mit  dem  gedanken  daran,  das  fundament 


de  titolo  Maroraiano.  351 

einer  lateinischen  Sprachgeschichte  zu  legen,  in  den  roehrern  fal- 
len zunächst  zu  dem  zwecke  geschehen,  möglichst  reine  und  wahre 
texte  von  römischen  Schriftstellern  herzurichten  oder  anderweitige 
historische  resultate  zu  erreichen.    Wir  nennen  als  männer,  wel- 
che auf  diesem  felde  thätig  gewesen,  vor  andern  Bergk,  Fleck- 
eisen, Mommsen,  Ritschi;  in  anderer  weise  und  mit  besonderer 
methode  bewegten  sich  Aufrecht,  Curtius,  Kirchhof?  u.  a.  auf  dem- 
selben gebiete.    Die  resultate  dieser  mühevollen  und  eindringenden 
Forschungen,  auch  der  forschungen  derjenigen,  welche  den  x<xt' 
f±°X*iv  sogenannten  philologen  angehören,  sind  selbst  unter  den 
engern  fachgenossen  bei  weitem  nicht  genug  und  nach  verdienen 
bekannt  und  gewürdigt;  und  eben  so  hat  sie  die  vergleichende 
Sprachforschung  noch  lange  nicht  in  dem  grade  in  ihren  kreis 
aufgenommen,  als  es  wünschbar  und  nothwendig  ist.    Wir  glau- 
ben demnach  nichls  nnnützliches  zu  thun,  wenn  wir  einen  Iheil 
derselben  und  wohl  so  ziemlich  die  neuesten  hier  zur  spräche 
bringen;  ein  andermal  ist  es  uns  vielleicht  möglich  ihren  gesamin 
ten  vorrat h  übersichtlich  zusammen  zu  stellen.     Am  wichtigsten 
müssen  uns  die  resultate  sein,  welche  aus  den  vcrhältnifsmäfsig 
lautersten  und  untrüglichsten  quellen  geschöpft  sind,  zumal  wenn 
sie  durch  eine  ansehnliche  zahl  von  belögen  erhärtet  werden  kön- 
nen; nnd  das  ist  vorzüglich  mit  denjenigen  der  fall,  welche  in 
den  oben  bezeichneten  abhandlungen  über  mehrere  von  den  inter- 
essantesten lateinischen  Inschriften  geboten  werden.     Wir  versu- 
chen es,  diese  crgebnisse  in  die  betreffenden  fächcr  der  gramma- 
tik  einzureihen,  und  gelegentlich  wollen  wir  einzelne  bemerk un- 
gen  hinzufugen,  welche  uns  anderswoher  gewonnenes  material 
an   die  hand   gibt,    oder  zu  denen  uns  die   Sprachvergleichung 
veranlafst  undbefähigt.  —  Ritschi  verfolgte  in  diesen  Schriften 
mit  grofser  Virtuosität  und  mit  trefflichem  erfolge  eine  sichere 
methode:  mit  ausgezeichneter  künde  des  Stoffes  und  mit  wahrhaft 
beiieidenswcrthein  Scharfsinne  wird   das  grofse  material  der  In- 
schriften gesichtet  und  alter  nnd  dauer  der  einzelnen  spracher- 
scheinungen  ermittelt;  auch  in  die  werkstätte  der  gleichzeitigen 
römischen  dichter  und  gramraatiker  werden  uns  da  lichte  blicke 
geöffnet  und  in  überzeugender  weise  die  auffallenden  Wirkungen 
aufgezeigt,  welche  ihre  bestreb  ungen  ausübten.    Es  ihut  uns  leid 
um  unsere  nächsten  Zweckes  willen  und  des  charakters  dieser 
Zeitschrift  wegen  hier  absehen  zu  müssen  von  Ritschis  schöner 
und  überraschend  einfacher  darstellung  des  saturnischen  verses, 


352  Schweiier. 

von  seinen  feinen  bemerkungen  Ober  die  ersten  auf  Inschriften 
erscheinenden  lateinischen  hexameter  und  über  die  gestalt  derarti- 
ger carmina  Oberhaupt  n.  s.  w. 

Der  gewinn,  den  wir  auszulegen  haben,  scheint  wesentlich 
ein  orthographischer;  aber  die  Orthographie  oder  besser  die  Schreib- 
weise, die  jedesmalige  Schreibart  des  Wortes  weist  uns  ja  immer 
auf  die  ausspräche  hin,  und  diese  ist  wesentlich  zur  forschung 
über  die  entstehung,  wenigstens  über  die  nationale  anschanang 
der  sprachlichen  formen. 

I.   Zur  lehre  von  den  lateinischen  vokalen. 
Die  doppelung  des  Zeichens  zur  andeutung  eines  langen  vo- 
kales ist  weder  so  alt,  noch  war  sie  so  vielfach  gebraucht,  als 
gewöhnlich  auf  unkritische  nachrichten  hin  angenommen   wird. 
Ritschi  hat  durch  eine  scharfe  und  strenge  vergleichung  der  In- 
schriften erwiesen,  dafs  dieser  gebrauch  kaum  vor  620  U.  C.  be- 
gonnen und  bald  nach  680  wieder  aufgehört*),  dafs  er  aber  auch 
innerhalb  dieses  Zeitraums  durchaus  nicht  allgemein  war.     Wie 
R.  in  der  zweiten  seiner  oben  bezeichneten  Schriften  s.  22  ff.  durch 
eine  feine  Untersuchung  darthut,  ist  diese  Schreibart  erst  durch 
den  dichter  und  grammatiker  Attius  (584 — 670)  ins  lateinische 
eingeführt  worden.    Dafs  die  neuerang  nicht  weiter  um  sich  ge- 
griffen, davon  liegt  die  Ursache  theils  gerade  darin,  dafs  es  eine 
plötzliche  neuerang  war,  theils  aber  ward  sie  von  dem  geistrei- 
chen dichter  Lucilios,  welcher,  wie  auch  andere  römische  dich- 
ter, namentlich  ein  Ennius,  ebenfalls  der  grammatik  pflegte,  ernst- 
lich angefochten.    Die  gemination  war  aber  auch  von  Albus  nicht 
auf  alle  vokale  ausgedehnt  worden,  sie  betraf  nur  a,  e,  u,  nicht 
aber  i  und  o.    Als  zeichen  für  i  fand  er  schon  £1  vor,  welches 
allmählich  neben  dem  noch  frühern  E  (c)  aufgekommen  war; 
und  oo  für  6  konnte  er  von  den  Oskern,  denen  dieses  zeichen 
mangelte,  nicht  aufnehmen.    Denn  Ritschis  ansieht,  dafs  A.  diese 
Schreibart  nicht  willkürlich  erfunden  und  rein  aus  seinem  köpfe 
geschaffen,  sondern  sie  von  den  unstreitig  gebildeten  und  in  der 
bezeichnung  der  laute  recht  feinen  Oskern  entlehnt   habe,   ist 


*)  VV  im  accus,  plur.  der  vierten  declination  scheint  .eine  beson- 
dere ausnähme  zu  machen.  Mominsen  weist  es  uns  mehrfach  bis  ins 
erste  und  zweite  jahrh.  nach  Chr.  hinein  nach,'  freilich  immer  hinter  c, 
PORTICVVS,  LACVVS  etc. 


de  titnlo  Mammiano  etc.  353 

wohlbegrundei.  Uebrigens  ist  bekannt,  dafs  die  gemination  der 
vocale  auch  im  oskischen  «nur  in  beschränktem  mafse  zur  an- 
wendung  kam."  Und  ebenso  kam  die  umbrische  weise,  lange 
vocale  durch  doppelung  mit  zwischengesetztem  h  oder  mit  hin- 
zufügung eines  h  zu  dem  einfachen  vocale  anzudeuten,  wenig- 
stens nicht  durchweg  zur  geltung;  aber  hier  fehlte  ihi.  ih  für  i 
und  oho,  oh  für  6  nicht.  Aehnliche  versuche  wurden,  wie  wir 
wissen,  im  althochdeutschen  schon  und  zwar  in  dessen  frühesten 
denkmalen  gemacht  (Grimm  d.  gr.  1,90).  «Doch  solche  Schrei- 
bungen blieben  ausnahmen  und  Seltenheiten.» 

Stalt  des  dipht bongen  AI  oder  später  AE  erscheint  auf  dem 
miliarium  PopilHanum  (a.  u.  622)  einmal  die  form  AEI  in  CON- 
QVAEISIVEI.  Aufserdem  weifs  sie  R.  nur  noch  zweimal  aufzuwei- 
sen Caeicilius  auf  einer  inschrift  vom  jähr  613  und  dann  auf  einer 
münze,  welche  die  ältere  Schreibart  länger  erhielt.  Das  können 
wir  doppelt  fassen:  es  soll  damit  entweder  der  einflufs  des  fol- 
genden i  auf  a  hervorgehoben  werden,  so  dafs  ae  zusammenge- 
hört und  i  nachschlägt,  wie  in  althochdeutscher  Orthographie  ver- 
einzelt ai  st.  e  sich  zeigt;  oder  aber  ei  ist  =  oskischem  i,  wie 
denn  osk-  ai  gerade  in  dem  worte  kvaistur  auftritt,  so  dafs  da- 
mit ein  mittellaut  zwischen  e  und  i  bezeichnet  wird.  Wichtiger  aber 
scheint  uns,  dafs  auf  alten  denkmalen  und  bis  nach  640  IL  C. 
in  vevbalen  Zusammensetzungen  noch  ae  sich  findet  statt  des 
später  gebräuchlichen  i,  während  umgekehrt  um  dieselbe  zeit  in 
gewissen  compositis  i  erscheint,  statt  des  nachher  gangbaren  ae. 
So  finden  wir  conquaero  und  exaestumo,  und  neben  ihnen  pertisum, 
distisum,  deficaiam.  Ueber  pertisum  und  distisum  hat  Dietrich  I. 
8.  550.  gesprochen,  und  nach  seiner  auffassung  ist  dieses  statt 
des  spätem  -taesum  leichter  zu  verstehen  als  conquaero,  exquaero, 
exaestumo  st.  conquiro,  existumo.  Wir  sehen  daraus,  dafs  eine 
geringere  oder  bedeutendere  hervorhebung  des  verbalen  thciles 
der  composition  zu  verschiedenen  zeiten  verschieden  stattfinden 
konnte;  vielleicht  läfst  sieh  in  der  folge  auch  die  widerstehende 
kraft  eines  folgenden  consonanten  oder  einer  consonantenverbin- 
dung  aufspüren. 

E,  e  für  ein  später  consequent  auftretendes  i  ist  altert  hum- 
lich, und  sein  gebrauch  auf  Inschriften  hört  im  ganzen  mit  dem 
jähre  620  U.  €.  auf,  so  dafs  R.  aus  der  folgenden  zeit  nur  drei 
giltige  beispiele  beizubringen  weifs.  Auf  den  hier  behandelten 
inschriften  finden  sich  mereto,  mereta,  semol,  soledas,  calecandas; 

IL    5.  23 


354  Schweizer 

die  drei  spätem  beispiele  sind :  Decluninebus,  posedet  f.  possidet, 
oppedeis.  In  einigen  dieser  Beispiele  ist  e  entschieden  ans  ur- 
sprunglichem a  geschwächt  —  den  aasdrack  brechung  vermeide 
ich  hier  absichtlich  — ,  so  in  posedet  f.  posidet,  ans  pot  und  der 
würzet  sad,  sed,  ed,  in  oppedeis,  dessen  zweiter  f  heil  sicher  dem 
skr.  padam,  griech.  nidov  entspricht,  und  in  semol.  Offenbar 
stammt  dieses  adverbiam  von  skr.  sama,  griech.  6po9  gotli.  sama 
etc.,  wie  auch  das  gleichbedeutende,  aber  nicht  gleich  gebildete 
simitu:  dieses  scheint  uns  einem  skr.  samatha  zu  entsprechen) 
während  simul  ein  samatra,  samatra  voraussetzt,  wie  cor  ein  cutra 
und  -eul  in  proeul  ebenfalls  ein  kutra.  So  ist  auch  in  soledus 
e  zuletzt  ans  einem  a,  o  hervorgegangen  und  darf  nicht  eigent- 
lich als  bindevocal  aufgefafst  werden;  denn  soledus  ist  =  solodos 
«grund,  boden  verschaffend  oder  gebend,  fest.»  Calecandam  st. 
calicandam  zeigt  ein  —  vom  lateinischen  Standpunkte  aus  —  ein- 
geschobenes e,  über  welches  im  verfolge  besonders  zu  sprechen 
sein  wird.  In  mereto  o.  s.  f.  mag  der  bindevokal  in  älterer  form 
erhalten  sein,  jedenfalls  können  wir  nieht  behaupten,  dafs  hier  c 
einem  alten  i  entspreche;  und  eben  so  wenig  läfst  sich  das  für 
e  in  tempestatebus  aufstellen.  Auch  dieses  e  ist  vom  römischen 
Standpunkte  aus  kaum  anders  denn  als  bindevocal  zu  fassen,  so 
sicher  es  auch  ist,  dafs  -tat  and  griech.  rtjr  ein  altes  Uli  vor- 
aussetzen; der  genetivus  -ium,  der  in  solchen  bildungcn  auftritt, 
zwingt  uns  nicht  anders  zu  entscheiden.  Schwerer  ist  es,  die  auf 
den  tafeln  von  Heraclea  erscheinende  form  habetabetur  zu  recht- 
fertigen, wenn  wir  darin  nicht  einen  idiotismus  erblicken  wollen, 
der  in  einer  Verwirrung,  auf  die  wir  später  zurückkommen,  ge- 
gründet ist.  Doch  im  gründe  ist  auch  in  dieser  form  e,  1  binde- 
vocal and  nicht  altes  1;  ja  wir  wollen  es  nicht  als  eine  Unmög- 
lichkeit ausgeben,. dafs  e  in  bet —  aus  beit,  bet  hervorgegangen 
sein  könnte,  da  das  fut.  conjunetivisch  gebildet  ist  und  — bo 
aus  bjo  entstanden  scheint.  Viel  seltener  als  vor  consonanten 
findet  sich  auf  Inschriften  e  st.  1  vor  vocalen,  60  auf  der  Ficoron. 
cista,  deren  sprachliche  eigen thürn lieh keiten  von  nnserm  treffli- 
chen Mommsen  zusammengestellt  und  erörtert  worden,  iilea  f. 
filia,  und  wie  dieser  gelehrte  angibt,  auf  einem  recht  alten  steine 
Feronea  st.  Feronia :  dieses  e  —  offenbar  ein  altes  i  oder  j  —  scheint 
uns  besonderer  art  zu  sein,  und  wir  möchten  es  fast  dem  ahd. 
5a  für  ja,  ia  dem  gr.  e  in  ya/«ö},  noUtog  vergleichen.  Gehen  wir 
nun  auf  die  Schreibart  der  besten  codd.  über,  so  sind  da  e  und 


de  titolo  Mmiimiano  clc.  355 

i  als  bindevocal  oder  themavocal  ununterschieden  gebraucht  in 
den  formen  gemebundus,  tremibundus  n.  a.  Anderseils  bieten  in 
einigen  vv.  auf  -sco,  weiche  von  stammen  der  zweiten  conju- 
gation  ausgehen,  die  vorzüglichsten  manuscripte  des  PJautus,  Ci- 
cero nnd  Livius  i  als  bindevocal,  in  conlicisco,  delitisco;  für.  lu- 
ciscit  spricht  die  handschriftliche  autorität  im  Terenz,  und  als 
altertümliche  form  für  flaccescit  wird  uns  flacciscit  ange- 
fahrt; umgekehrt  erscheint  bei  Attius  fragesco,  welches  aber  viel- 
leicht nicht  unmittelbar  von  frango  herkommt.  Ob  da  die 
grieeb.  evQiaxco  etc.  eingewirkt  haben?  Oder  ist  das  geschichtliche 
verhälhiifs  das,  dafs  auf  ein  ursprunglicheres  -esco  -isco  giltig 
ward  und  dann  die  reflectierende  grammalik  wieder  zu  trennen 
und  zu  ordnen  strebte?  Auffallend  und  uns  noch  nicht  ganz  klar 
ist  der  Wechsel,  von  e  und  i  in  den  fällen,  welche  Lachm.  ad 
Lucret  I,  1  besprochen  hat  Den  beispielen  filca  und  Peronea 
entsprechen  die  handschriftlichen  labea  neben  labia  und  labeones 
neben  labiones.  Andere  erscheinungen  übergehend  führen  wir  hier 
noch  an,  dafs  nach  einer  im  rhein.  mueeum  niedergelegten  Unter- 
suchung Ritschiff,  welche  mit  auf  die  vorzüglichsten  handschrif- 
ten  basiert  ist,  ein  ursprüngliches  e  —  oder  ein  e,  dessen  einstige 

länge  aus  dem  volksbeWofstsein  völlig  verschwunden  ist in 

der  Zusammensetzung  vor  consouanten  in  1  übergeht.  Ein  ge- 

schwächt«*  ursprüngliches  a  ist  dasjenige  e,  welches  ßr  älteres 
lat.  o,  u  im  part.  fut.  pass.  etc.  erscheint.  Die  formen  auf  -endus 
sind  gar  nicht  so  überaus  jung,  wie  gewöhnlich  angenommen 
wird;  schon  im  S.  C.  de  Bac.  findet  sich  sogar  faciendam,  und 
im  siebenten  jahrb.  halten  sich  auf  den  Inschriften  die  formen  auf 
-endus  und  -undus  so  ziemlich  das  gleichgewicht.  Fassen  wir 
alles  zusammen  und  bedenken- wir,  dafs  selbst  die  besten  codd. 
auch  in  dieser  beziehung  nur  relative  geltung  haben,  so  dürfen 
wir  mit  ziemlicher  Sicherheit  behaupten,  dafs  vom  nationalen 
Standpunkte  aus  lat.  e  für  älter  und  stärker  gelten  mufs  als  das 
später  für  dasselbe  eintretende  1;  übrigens  zeigen  sich  —  abge- 
sehen vom  auslaute  und  von  den.  endungen  —  auf  schriftlichen 
denkmalen  wohl  nur  selten  spuren  von  einem  e  für  stamm-  oder 
wurzcjhaftes,  in  den  verwandten  sprachen  wohlbegründetes  1, 
und  e  wird  weit  aus  in  den  meisten  fallen  die  bestimmt  erkannte 
übergangsstufe  von  a  zu  i  bilden.  Ein  unorganisch  aus  1  gebreite- 
tes 8,  wie  es  allerdings  in  den  -übrigen  ital.  dialekten  nicht  an 
deren- vortheil  häufig  auftritt,  bricht  also  im  lateinischen  seltener 

23*  » 


336  Schweizer 

hervor,  d.  b.  ein  fcssura  f.  fissura,  «in  Ted«  f.  «des,  ctn  da  f.  ita 
wird  wohl  nicht  auf  denkmaien  erscheinen;  erschienen  sie  aber, 
so  müfsteu  «ie  vom  nationalen  Standpunkte  ans  als  die  5llr- 
ren  formen  aufgefafst  werden.  Ob  em  rar  im,  enm  eine  solche 
bildung  »ei,  ist  mir  noch  nicht  ausgemacht,  da  mm  sanskr.  im 
(wie  kirn,  «im)  zu  entsprechen  scheint,  üeber  auslautendes  e  in 
mare,  mage,  pole,  levc,  amabare  etc.,  e  in  den  endungen,  wie 
aediles,  im  Schlüsse  von  Zusammensetzungen,  wie  in-dcx,  vin-dex. 
comes  sprechen  wir  ein  andermal. 

Langer  als  £  tiir  i  dauert  auf  inschriften  der  gebrauch  von 
E,  e  filr  und  neben  Ei,  I  (R.  bringt  dafür  ein  beispiel  vom  j.  656 
U.  C.  bei),  so  in  IVRE  DEICVNDO,  im  inlaote  (aber  vor  r)  in 
PAPER1VS  u.  a.  Besonders  heben  wir  hier  den  unten  weiter 
su  besprechenden  fall  heran*,  wo  ES  für  späteres  EIS  im  nomi- 
nativus  plur.  von  o -stammen  erscheint,  als  QVES,  CONSCRIP- 
TES,  DVOMVIRES  u.  a.  Solches  ES  verschwand  lange  vor  der 
sullanisclien  zeit  aus  den  denkmaien.  In  dieser  Verwendung  des 
E  und  überhaupt  im  gebrauche  dieses  lautes  und  buchstabens  be- 
rührt sich  das  altlateinische  aufs  engste  mit  dem  umbrischen,  und 
wir  dürfen  darum  ohne  weiteres  auf  die  so  gediegenen  forschon- 
gen  von  Aufrecht  und  Kirchhoff  verweisen.  Auf  e  für  i  in  der 
bauernspracke  gehen  wir  hier  nicht  ein. 

EI  ist,  wie  in  den  italischen  dialekten  überhaupt,  so  auch 
im  lateinischen  durchaus  nur  Vertreter  des  langen  !,  aber  jeden- 
falls diesem  in  der  ausspräche  so  wenig  ganz  gleich,  als  das  go- 
thische  EI,  da  wir  es  in  einzelnen  feilen  ganz  bestimmt  als  uber- 
gangsstufe  von  ai,  oi,  e  zu  i  finden.  El  wurde  nicht  richtig  in 
einzelnen  fällen  auch  für  1  verwendet,  so  in  eidem  ious  in  der 
sent.  inier  Genuat;  und  Ritschi  selbst  bringt  im  rhein.  museum 
FACEIVndum  und  SE1BI  bei.  Sollte  es  nicht  auch  zuweilen 
ein  oskisches  i  d.  h.  ein  zu  e  hinneigendes  i  ausdrucken,  wie  es 
umgekehrt  etwa  im  ahd.  ein  durch  i  afficirtes  ä  bezeichnet?  Als 
Attius  seine  neuerung  in  betreff  der  langen  vocale  einführte,  stellte 
er  für  i  nicht  ein  ii  auf,  sondern  verwendete  au  dessen  stelle 
das  hergebrachte  EI,  welches  nun  seit  620  U.  C.  besonders  häu- 
fig auftritt.  Diese  bezeichnung  fand  auch  um  so  eher  aufnähme, 
weil  Lucilius  in  dem  stücke  nicht  durchaus  anderer  ansieht  war; 
nur  wollte  er  die  beiden  möglichen  Schreibweisen  1  und  EI  zu 
sicherer  ausscheidung  sonst  zusammenfallender  formen  benutzen. 
Erst  gegen  das  ende  der  Augusteischen  herrschaft  ward  wieder 


de  litulo  Mumniiano  elc.  357 

durch  eine  neue  thcorie  das  grofse  oder  lange  1  für  ii  eingeführt, 
während  die  Verlängerung  der  übrigen  vocale  durch  ein  accent- 
zeichen  angedealet  ward.  In  der  abhandlung  über  den  tit.  Mnnim. 
pag.  XVI.  bespricht  R.  einzelne  formen,  welche  £1  zeigen,  wäh- 
rend für  spätere  zeiten  die  kürze  der  betreffenden  siJben  feststeht 
oder  neben  der  länge  auftreten  kann.  Als  falsche  und  nicht  recht 
beglaubigte  erschein  ungen  werden  QVEIBVS  nnd  SEINE  aufge- 
führt. Aber  es  scheint  uns  nicht  unmöglich,  dafs  die  erste  silbe 
von  SEINE,  sine  wirklich  einst  lang  war:  seine  scheint  gleich- 
gebildet wie  pone  (ans  posne),  dene  in  denique  aus  de  u.  a.  d.  h. 
es  scheint  zusammengesetzt  aus  sed,  se,  dem  ablativus  von  se, 
sva,  der  auch  selbst  schon  in  dieser  bedeutung  vorkommt,  und 
ne,  dem  locat.  von  na  —  eine  bildung,  die,  wie  in  den  italischen, 
griechischen  und  ^germanischen  sprachen,  so  auch  im  sanskrit 
nicht  selten  auftritt.  Wir  wagen  freilich  nicht  für  diese  Verkür- 
zung des  inlautenden  e,  ei  nisi  anzuführen,  das  z.  b.  Freund  aus 
u ei,  ni  -si  entstehen  läfst.  Wohlbegründet  ist  die  länge  in  SEIT. 
Die  echte  gestalt  dieses  conjunctives  im.  lateinischen  ist  si£t,  ent- 
sprechend dein  sanskritischen  syät,  eigentlich  « er  möge  gehen  zu 
sein»,  und  dem  griech.  ety  z=.iairi(t)\  ja  und  ie  wurde  nach  vie- 
len analogieen  in  i,  e,  ei  zusammengezogen.  Die  Verkürzung  vor  t 
ist  nach  den  forschungen  Ritschis  und  Fleckeisens  erst  eine  spätere, 
wie  in  allen  ähnlichen  formen.  Nicht  weniger  gesichert  ist  durch 
den  gebrauch  der  alten  römischen  dichter  das  i,  ei  in  der  ersten 
und  dritten  person  singul.  des  perf.  indic,  und  EI  in  POSEDE1T, 
REDIEIT  u.  a.  darf  nicht  mehr  als  falsche  Schreibart  angefoch- 
ten werden.  Das  faktische  ist  von  Lachmaun  zu  Lucretius  und 
von  Ritschi  und  Fleckeisen  zur  genüge  nachgewiesen.  Und  die 
länge  des  i  wird  wenigstens  für  die  erste  person  überdies  durch 
das  umbrische  pihafei,  piavi  als  alt  bestätigt.  Ein  redieisti,  re- 
dieiinus,  redieistis  aber  werden  sich  nicht  aufweisen  lassen.  Wie 
erklärt  sich  dieses  e,  ei,  i?  Dietrich  in  seiner  interessanten  beur- 
theilung  der  Sprachvergleichen  den  beitrage  von  Curtius  sucht  die 
länge  in  der  ersten  person  durch  die  beobachtung  zu  begründen, 
dafs  im  lateinischen  auslautendes  i  und  u  selbst  unorganisch  ver- 
längert werden  —  was  sich  etwa  aus  ihrer  halbvocalischen  natur 
erklären  dürfte.  Aber  umbrische«  pihafei  —  denn  im  umbrischen 
scheint  Dietrichs  beobachtung  nicht  giltig  zu  sein,  und  ei  in  der 
dritten  person  erweisen  diese  erklärung,  die  sonst  schon  besser  be- 
gründet sein  müCBte,  als  durchaus  ungenügend.    Und  eben  so  we- 


358  Schweizer 

nig  wird  sich  nun  die  dentung  von  Curflius  halten  lassen,  wel- 
cher meint,  ei  in  der  ersten  person  sei  eine  Verlängerung  zum 
ersatze  für  weggefallenes  m,  das  ei  vor  t  aber  noch  nicht  kannte. 
In  der  nmbrischen  formenlehre  von  Kirchhof! — Aufrecht  §.66  le- 
sen wir:  «Nachdem  einmal  die  aoristnatur  des  römischen  perfec- 
tnms  erkannt  worden,  machen  wir  darauf  aufmerksam?  dafs  die 
vedensprache  uns  erste  personen  des  aoristes,  wie  badhim  f.  aba» 
dhisham  «ich  tödtete»  erhalten  hat.  Auf  dieses  im  möchten  wir 
jenes  1  zurückführen  etc.1*  Die  zurückfuhrung  des  lateinischen 
perfectums  auf  den  sanskritischen  und  griechischen  aoristus  in 
beiden  formen,  der  einfachen  und  sigmatischen,  ist  freilich  keines- 
wegs eine  abgemachte  sache  und  wird  z.  b.  von  Curtius  *  nicht 
ohne  grund  bestritten ;  wie  das  deutsche  präteritüm  zeigt,  ist  sie 
auch  nicht  um  derbedeutnng  willen  nothwendig.  Noch  bedenk- 
licher dürfte  es  manchen  erscheinen  anzunehmen,  es  sei  mit  der 
reduplicierten  form  oder  mit  der  schon  sigmatischen  noch  eine 
zweite  sigmatische  verbunden  worden:  dedeit,  posedeit,  umbr. 
rere,  dessen  auslautendes  e  so  gut  lang  sein  kann ,  als  im  latein. 
dedet,  standen  für  dadishat,  dadit,  posedishat,  posedit,  scrlpsi  f. 
scripsisham,  scripsim  u.  a.  Und  doch,  da  das  i  als  organisches  i 
fast  erwiesen  ist,  wüfste  ich  keinen  andern  ausweg  zu  finden- 
man  müfste  denn  auch  in  der  dritten  person  die  länge  durch  an- 
nähme eines  ersatzes  für  eine,  verkürzte  endung  vertheidigen  wol- 
len. Auf  diese .  weise  erklären  sich  auch  am  einfachsten  die 
zweite  person  sing,  und  plor.  mit  dem  sonst  immer  räthselhaften 
und  durch  keine  lat.  -  analogieen  erklärlichen  s,  welches  vor  m 
der  endung  mus  ganz  regelrecht  und  ohne  weitem  einflufs  ge- 
schwunden wäre,  wie  in  Camena ,  Camillus  u.  s.  f.  An  der  Zu- 
sammensetzung der  dritten  person  plur.  hat  noch  niemand,  der 
beobachtete,  gezweifelt.  Composition  reduplicierter  formen  mit 
einem  hilfsverbum  überhaupt  und  durch  alle  personen  findet  sich 
aber  auch  im  sanskrit  (Benfey  sanskritgr.  §.836),  und  vielleicht 
im  griecli.  perfectum,  dessen  xa  uns  sonst  unerklärlich  bleibt. 
Von  andern  längungen  in  endsilben  lateinischer  Wörter,  vor  r,  s, 
t,  die  von  beschränktem  Standpunkte  aus  als  unorganisch  erschei- 
nen könnten,  sprechen  wir  in  einer  künftigen  abhandlung  ausführ- 
licher. —  Aufser  diesen  perfeetformen  bringt  R.  aus  Inschriften 
TIBEI,  SIBEI,  IBEI,  VfeEI ,  NISEI  bei,  welche  er  bereits  in  den 
prolegg.  zu  Plauius  p.  CX1X.  besprochen  hatte.  Man  könnte  an- 
nehmen, in  diesen  formen  und  so  auch  in  VTEI  sei  rein  der  um- 


de  tituio  Muumiiauo  clc.  359 

stand  Ursache  der  länge,  weil  hier  i  in  den  auslaut  kommt,  ge- 
kürzt aber  seien  sie  worden  als  jambische  wortformen;  und  - 
man  durfte  allerdings  nicht  behaupten,  dal«  das  bewufstsein  der 
spräche  geschwunden,  wenn  auch  bei  hinzutretendem  enclitischem 
que  die  alte  länge  fortdauerte.    Ist  es  aber  möglich  £1,  i  ratio- 
nell' zu  erklären,  desto  besser.    Am  sichersten  dürfen  wir  i  als 
alt  und  echt  ansetzen  in  nisi,  quasi  u.  a,   da  uns  hier  die  übri- 
gen italischen  dialekte  treulich  zu  hilfe  kommen;  denn  si  ist  = 
umbrischem  sve  (nisi  =  nosve),  oskischem  svai.    Die  silbe  -bi  in 
ubi,  ibi,  tibi,  sibi,  —  hi  in  mihi  scheinen  dem  sanskr.  -bhyani, 
~fjyam  zu  entsprechen,  neben  welchem  auch  schon  mit  abgestofee- 
nem  m  -bhya  vorkommt;  aus  bja  konnte  -be,  -bei  werden,  wie 
im   sanskrit  ans   kavjas    kaves.     Eine  ähnliche  erklärung  gibt, 
wie  ich  eben  sehe,  auch  Bopp  iu  seinem  neulich  erschienenen 
letzten  hefte   der  vergl.  grammatik.     VTEi  hat  jedenfalls  orga- 
nisch langen  austaut,  mag  es  nun  nicht  nur  dem  sinne  nach,  son- 
dern auch  in  der  fonn==umbr.  puze,  oder  mag  ei  eine  ersatz- 
delniung  sein,  sofern  ein  schliefsendes  d  abgefallen  wäre,  wie. 
dasselbe  im  ablativ,  im  imperativu«,  in  red  u.  s.  f.  geschwunden 
ist.     Viel  auffallender  als  all  dieses  ist  uns  die  länge  in  suaveis, 
hostis,  quisquis ,  für  welche  Ritsch!  in  seiner  ersten  abhandlung 
8.  XVI.  beweise  aus  hexaui  eiern  auf  iuschriften  beibringt     Wir 
gestellten,  dafs  uns  ein  innerer  grund  dieses  £1  nicht  klar  ist: 
snavis  ist  mit  formen. wie  tenuis,  brevis  u.  s.  f.  zu  vergleichen, 
es  ist  — griech.  jjovs,  sanskr.  svadu,  wie  tenuis  =  einem  *rarvs^ 
skr.  tanu  und  brevis  =  ßgaflig,  d.  h.  diese  adjeetiva  auf  u  gehen 
im  lateinischen  in  die  i-declination  über,  wie  ähnliche  Übergänge 
auch  auf  dem  germanischen  Sprachgebiete  statt  finden  und  z.  b. 
goth.  hardus  =  griech.  XQaivSi  skr.  kratu,  im  genitiv  bardjis,  inj 
daliv  hardjamma  lautet  u.  s.  f.     Hostis    entspricht   so  genau  als 
•möglich  dem  deutschen  gast,  goth.  gasts  für  gastis  und  ist  mit 
dem  affixe  -li  gebildet,  welches  ursprünglich  nicht  bloß  und  al- 
lein abstraeta  gestaltet.   Und  quisquis  ist  doch  nichts  anderes  als 
eiu  wiederholtes  quis=:skr.  ki-s.    Im  oskischen  und  uinbriseken 
linden  wir  umgekehrt  den  genitiv  in  der  i-deklination  verstärkt 
und  das  hat  seinen  guten  grund,  d.  h.  wenigstens  seine  bestimm- 
ten analogieen.    Dürften  wir  annehmen,  das  sei  auch  im  lateini- 
schen so  gewesen  und  der  genitiv  habe  auf  die  bildung  des  schon 
sehr  ähnlich  erscheinenden  nominativs  zurückgewirkt,  oder  wol- 
len wir  solchen  einüufs  dem  nominativ  plur.  einräumen ;  oder  ist 


360  Schweizer 

gar  die  vermuthung  erlaubt,  die  reine  i-dekiination  sei  überhaupt 
im  lateinischen  verkümmert,  und  gar  viele  i-themate,  namentlich 
die  adjectivischen,  seien  eigentlich  ja-themata,  wofür  nicht  nur 
die  analogie  des  gothischen,  sondern  auch  innerhalb  des  laleini- 
sehen  die  Übergänge  zwischen  dritter  und  fünfter  declination  xu 
zeugen  schienen,  dann  die  w.w.,  die  im  nominativua  -es  und  -is 
neben  einander  zeigen  wie  ?olpes  uud  volpis,  feles  und  felis. 
Beiläufig  bemerke  ich  noch,  dafs  wir  nach  den  schönen  Untersu- 
chungen Westphals  mit  ziemlicher  Sicherheit  annehmen  dürfen, 
dafs  das  gothische  sutis,  tjdvg,  snavis  für  sut jas  oder  suteia  steht. 
Sollte  keine  dieser  vermuthungen  stich  halten,  dann  sind  wir 
freilich  genöthigt,  dem  schliefsenden  s  zuweilen  verlängernde 
kraft  einzuräumen,  wie  sie  freilich  unsers  Wissens  bei  Eunius  nnr 
in  der  Arsis  vorkommt,  in  den  beispielen  Ritschis  zweimal  in  der 
thesis  wirkt.  Ueberdies  ist  eine  der  Ennianischen  stellen,  in  wel- 
cher diese  erscheinung  sich  im  dat.  plur.  auf  -bus  zeigt:  praepe- 
tibus  hilares  etc.  nicht  auf  gleichen  fufs  mit  den  übrigen  zu  setzen  ; 
und  sanguis,  pulvis  haben  ganz  andere  berechtigung,  so  dafs  am 
ende  nur  populus  als  belag  für  diesen  rein  lautlichen  einflufs  übrig 
bleibt.  Als  reine  dichterlicenzen ,  denen  man  auf  durchaus  kei- 
nem rationellen  wege  beikommen  könnte,  mögen  wir  die  obigen 
quisquia,  hostis,  suaveis  noch  nicht  ansehen. 

O,  o  erscheint  bekanntlich  auf  alten  Inschriften  häufig  an 
stellen,  wo  später  statt  seiner  ein  ü  auftritt,  d.  h.  es  verhält  sich 
zu  u,  wie  e  zu  i.  Zunächst  kommt  es  so  vor  für  ein  früheres 
&  in  den  flexi onsendungen  des  nomens  und  verbums  und,  dürfen 
wir  auf  ein  beispiel  schlösse  bauen,  länger  im  letzleren.  Die 
formen  -os,  -om  statt  der  gewöhnlichen  -us,  -um  reichen,  anfser 
bei  vorausgehendem  v,  kaum  bis  in  den  anfang  des  6.  Jahrhun- 
derts hinein;  denn  ANT10CO  auf  einem  denkmale  vom  j.  688 
hat  seine  entschuldigung  und  begrün  düng  als  griechischer  name. 
SONT  erscheint  noch  um  620,  während  die  übrigen  belöge  auch 
für  verbalformen  DEDRO,  DEDROT,  COSENTIONT  sämmtlich 
nicht  über  das  5.  Jahrhundert  hinausgeben.  Sonst  bleibt  o  län- 
ger 1)  in  Stammsilben,  wie  poplucus  und  poplicus;  publicus  ge- 
winnt über  poplicus  und  puplicus  erst  nach  643  ein  ganz  ent- 
schiedenes Übergewicht,  obgleich  PVBLIVS  sich  schon  auf  einer 
alten  Scipioneninschrift  zeigt.  Die  form  nontiare  st  nuntiare 
erscheint  noch  ums  jähr  643  neben  consulere;  detolerit  neben 
dctulerit.    In  nontiare  und  poplicus  ist  freilich  dieses  o  eigenthüm- 


de  titulo  Mommiano  etc.  361 

lieber  art,  wie  sich  unten  ergeben  wird.  2)  In  nicht  slaminbaften 
silben  oder  solchen,  die  es  wenigstens  dem  nationalen  sprackbe- 
wnfstsein  nicht  mehr  waren,  erhielt  sich  ein  solches  o  ebenfalls 
lange  hinaas:  Hercules  statt  Hercoles  findet  sich  zuerst  nm  608  und 
populus  um  620.  Ein  ganz  anderer  fall,  wie  schon  gesagt,  ist 
es,  wenn  o  sich  nach  vorausgehendem  u  oder  v  erhielt,  da  die 
Römer  es  möglichst  vermeiden,  gleiche  oder  so  ähnliche  laute  sich 
unmittelbar  folgen  zu  lassen.  Vor  beginn  des  8.  jahrh.  oder  vor 
dem  ende  des  siebenten  werden  daher  kaum  auf  einer  inschrift 
vivus,  arduum,  confluunt,  vivunt  zu  treffen  sein ;  ja  nicht  einmal 
suus,  tuas,  suum,  tuum,  welche  etwa  als  ausnahmen  betrachtet 
zu  werden  pflegen,  haben  irgend  welche  stutze  in  den  Inschrif- 
ten. —  Die  besondere  form  ollei  för  illei  findet  sich  nicht  ein- 
mal auf  denkmalen  des  5.  und  6.  Jahrhunderts,  und  doch  er- 
scheint sie  zweimal  auf  solchen,  die  dem  ende  des  siebenten  an- 
gehören, da  zuweilen  ganz  alterthumliche  formen  absichtlich  her- 
vorgezogen worden.  Scbömann  (zeitschr.  für  die  Wissenschaft 
der  spr.  1,  259)  hat  in  einer  übrigens  sehr  beachtenswerthen  ab- 
handlang  offenbar  einen  mifsgriff  gethan,  wenn  er  ollus  von  ille 
ableitete,  mit  Verdunkelung  des  i  in  u,  o.  Er  fährt  dann  fort: 
«Auch  die  adv.  uls,  ultra  «jenseits»  gehören  entschieden  zu  ille, 
wie  eis.  citra  « diesseits»  zu  hie,  dessen  h  aus  c  geworden  ist.» 
Von  uls  und  ultra  sehen  wir  ab  und  bemerken  nur,  dafs  die 
herausgeber  der  umbrischen  denkmale  gewifs  nicht  ohne  grund 
umbr.  hufra,  hondra  und  griech.  voreQog  damit  zusammengestellt 
haben.  Olle  aber  kann  um  so  weniger  =  ille,  wenigstens  gram- 
matisch nicht  ans  diesem  entsprungen  sein,  da  im  oskisdien  allo 
=  olla,  illa  vorzukommen  scheint.  Pott  etyra.  forsch.  II,  134. 
möchte  beide  w.w.  als  deminutive  ansehen,  ollus  von  an,  wel- 
ches auch  in  alius,  alter  u.  s.  f.  sein  n  mit  1  vertauschte,  ille  von 
18  (besser  wäre  zu  sagen  von  id);  er  stellt  also  ollus,  ille  mit 
ullus  n.  s.  f.  der  bildung  nach  auf  eine  linie.  Aber  viel  größer 
ist  die  Wahrscheinlichkeit,  dab  hier  composition  vorliege,  die 
freilich  nicht  bis  zur  evidenz  zu  erweisen  sein  wird.  Denken 
n  wir  daran,  dafs  lat.  sollus  oskisches  sollo,  deutsch  all  anerkannt 
und  ausgemacht  =  salvus,  skr.  sarva,  griech.  olfog,  dafs  aber 
schon  skr.  sarva  aus  satravat  (mit  dem  « zusammen»  versehen, 
beisammen  seiend)  verkürzt  sei,  so  wäre  es  nicht  eine  durch 
nichts  gerechtfertigte  kuhnheit,  al  in  allo,  ollus  aus  atra,  ar  (vom 
pronominalstamme  a),  il  von  ille  aus  itra,  ir  vom  (pronominal- 


362  Schweizer 

stamme  i)  herzuleiten  und  dann  -lus  und  -le  entweder  aus  va, 
ve  oder  aus  ja,  je  entstehen  zu  lassen,  in  derselben  weise  assi- 
miliert, wie  in  sollus.  Gegen  die  deutung  aus  arva,  irva  spricht 
jedoch  das  d  des  neutrums,  so  da£s  wir  jedenfalls  ja  =  skr.  ya 
«qui»=:griech.  og  als  zweiten  theil  fassen  mufsten.  Vgl.  golh. 
hvar-jis  wer?  eig.  «der  wo  seiende»?  Wir  lau gnen  jedoch  nicht, 
dafs  die  pronomina  auch  unmittelbar  aus  zwei  stammen  zusam- 
mengesetzt sein  können,  so  dafs  man  in  -lus,  -le  eine  «atslellung 
von  -tya,  -dya  sieht  und  ollus  das  umgekehrte  deiva,  goth.  jains 
wäre. 

Ol.  Auf  den  altern  denkmalen  erscheint  nie  die  form  OE 
st.  Ol  in  ploirume,  oino,  oinvorsei,  foiderati,  comoinem,  oitile; 
in  curare  und  dem  in  den  lauten  ähnlichen  moros  zeigt  sich  u 
nicht  vor  643  U.  C,  und  coerare,  welches  selbst  im  8.  jahrh. 
gebräuchlich  war,  kam  erst  nach  640  in  gebrauch,  wie  foedere, 
oetantur,  loedos,  moerum.  Aber  neben  OE  dauert  Ol  bis  nach 
der  mitte  des  7.  Jahrhunderts.  Von  den  genannten  Wörtern  ent- 
spricht oinus  dem  skr.  ehas,  dem  goth.  ains,  nicht  aber,  wie 
Heffter  in  seiner  an  mancher  stelle  ganz  bodenlosen  geschiente 
der  lat.  spräche  meint,  dem  griech.  dgzztvgL  <sevg.  Denn  we- 
nigstens die  ersten  zahlen  werden  im  indogermanischen  sprach- 
stamme sicherlich  durch  pronominalstämme  ausgedrückt,  wie  ja 
auch  skr.  eka ,  unus  im  oskischen  als  pronomen  wiederkehrt 
Foidus,  foideratus  sind  offenbar  mit  zulaut  (skr.  guna)  gebildet 
aus  fidere,  nefaoficu,  cf.  ne'noi&a*  Comoinis  möchte  sich  am 
leichtesten  ebenso  deuten  lassen  aus  co  und  moinus  Ton  w.  rai, 
einer  nebengestalt  von  mä,  eig.  «messen»,  aus  welchem  begriffe 
eich  schon  im  sanskrit  auf  den.  ersten  blick-  gar  fremdartig  er- 
scheinende entwickelungen  zeigen;  eben  dahin  gehören  ntöeuia 
und  moenire;  und  moerus , "  inurus  unterscheidet  sich  nur  durch 
das  affix.  Das  oskische  miuniku  etc.  beweisen  uns  das  alter  die- 
ses zulautes;  unverwandt  aber  damit  ist  osk.  comono,  welches 
freilich  eben  so  wenig  mit  xoo'p?  in  Verbindung  stehen  wird. 
Renfey  stellte  im  gl  ossär  zum  Samaveda  das  wort  murus  falsch 
mit  skr.  mür  «festung,  mauer»  (ursprunglich  wohl  omringung. 
einzäunung  von  w.  vr)  unmittelbar  zusammen,  da  sein  mürus 
eben  nicht  lateinisch  ist;  und  sollte  moirus,  murus  mit  irgend 
einer  berechtigung  mit  skr.  mür  verglichen  werden,  so  mü&ten 
wir  wenigstens  eine  weitere  bildung  aus  derselben  würzet  an- 
nehmen, und  oi  ähnlich  erklären  wie  e  in  6kr.  ceru,  kern  u.  s.  f. 


de  titulo  Mummiano  etc.  363 

Oitile,  oitier  u.  8.  f.  finden  ihren  verwandten  im  osk.  nittiuf; 
aber  aber  die  etymologie  des  Wortes  sind  wir  nicht  im  reinen. 
Pott  fragt,  ob  aus  vi-yat,  Benfey  denkt  an  skr.  yut  für  yu  und 
lä'fst  die  form  oilier  aufsei*  äugen;  wir  wollen  nicht  eine  dritte 
eben  so  unsichere  vermuthung  hinzufügen.  Ob  coira,  cöirare  zu- 
sammengesetzt sei  oder  einen  zulaut  enthalte  (sie  mit  quaeso, 
quaero  zusammenzubringen  scheint  uns  nicht  gerathen),  sein  oi 
ist  gesichert  genug.  Wir  denken  bei  diesem  worte  an  die  Wur- 
zel kr,  kar,  und  vergleichen  mit  oi  das  oben  erwähnte  skr.  e, 
d.  i.  ai  in  kerus  und  ceru.  Loidere,  loidus  wollen  einige,  indem 
sie  freilich  dabei  nur  die  form  ludus  erwähnen,  an  skr.  hläda 
halten;  andere  (Bopp)  nehmen  als  wurzei  div  «spielen»  an,  da 
dieses  auch  in  (d)jocos  zu  gründe  liege.  Wer  diese  ansieht  sprach- 
lich rechtfertigen  will,  wird  aber  etwas  anders  zu  werke  gehen 
müssen,  als  es  bisher  geschehen;  am  wenigsten  schwierig  ist  da- 
bei der  Übergang  Von  d  in  I,  der  auch  in  lacrima  neben  oaxgv, 
goth.  tagr,  in  lautia  für  dautia  u.  s.  f.  vorliegt.  Vielleicht  ist  vor 
-das  ein  consonant  eingebüfst.  .    . 

Fast  noch  schwieriger  als  Ol  ist   die  lautverbindung  OV. 
Solches  OV  kommt  um  die  mitte  des  7.  jalirh.  nicht  mehr  vor, 
aofser  in  den  w.w.  10 VS,  IOVSSI   und  ähnlichen.     Das  sind 
gleichsam  legalisierte  formen,  welche  bis  in  den  anfang  des  8.  jahrh. 
hineinreichen,  doch  nicht  unumschränkt,  so  dafs  schon  um  619 
OV  und  V  in  denselben  wechseln.    Sonst  tritt  OV  auf  in  NOV- 
CERIAM  für  NVC.  oder  NOC,  LOVCINA,  LOVCANA,  NOVN- 
DINVM,  PLOVS  und  PLOVRVMA,  FOVRIO,  DOVCERE,  PO- 
LOVCTA,   POVßLICOM,   ADIOVTA,  CLOVACA,  TOVTIA, 
FOVLVIVS,  CLOVLEl,  SOVOS,  SOVOM.,  FLOVlOS,  CON- 
FLOVONT.     Mommsen  hatte  in  seinem  köstlichen  werke  über 
die  italischen  dialekte  s.  218  geäufsert:  «Vielleicht  läfst  es  sich 
erweiseu,  dafs  in  allen  lateinischen  wirklich  alten  inschriften  ou 
nicht  u,  sondern  ov  sei»;  und  Ritschi  sagt  in  der  abhandlung  de 
miliario  P.  p.  34:  iam  confidenter  amplector,  quod  modeste  Momm- 
senias  coniecit   de  diall.  p.  217.  seqq.,  non  unius    simplicis 
vocalis  loco  illam  esse  OV  scriptnram,  sed  o  vocali  et  conso- 
nanti  composüam  syllabam.    In  sehr  vielen  fällen  ist  dieses  be- 
stimmt richtig,  dafs  ov  nicht  nur  nicht  =  u,  sondern  dafs  es  über- 
haupt nicht,  rein  vocalisch  ist,  in  conflovont,  so  vom,  clovaca ,  über- 
haupt *>ei  folgenden  vocalen;  aber  kaum  fand  dasselbe  auch  im 
lateinischen  vor  dem  consonanten  statt  in  DOVCERE,  und  es  will 


364  Schweiz  ei 

uns  fast  scheinen,  als  sei  der  Übergang  von  ov  in  ou  in  NOVND1- 
NVM,  IOVS,  PLOVS  u.  s.  f.  der  grund  gewesen,  waram  ein  ur- 
sprünglich folgender  vocal  ausfiel  Eine  ganz  andere  frage  ist  nun 
die,  ob  OV  ein  zeichen  für  u  (für  ü  sicher  nirgcn<J)  gewesen  sei. 
wie  man  das  gewöhnlich  annimmt.  Den  ersten  grund  gegen  diese 
annähme  sieht  R.  darin,  dafs  neben  ov  auf  demselben  denkmale 
sehr  häufig  ein  ü  vorkomme,  und  dafs  gewisse  w.w.  uur  ov,  an- 
dere nur  ü  haben.  Zweitens  erscheint,  wenn  sich  die  Wörter  «i 
ändern  anfangen,  in  ihnen  o  vor  dem  späteren  u.  Drittens  geht 
aus  CLOVL1VS  nicht  ein  Clolius  oder  Clulius  hervor,  sondern 
Cluilius  oder  Cloelius.  Die  von  Ritschi  angefahrten  fälle  sind 
gar  nicht  alle  gleicher  art.  In  flovins  und  conflovont  könnte  man 
zulaut  annehmen,  wie  in  Qtfog,  (>(fG>,  rrksfo),  aXo/og^  aber  ab- 
solut notliwcudig  scheint  das  nicht  zu  sein :  wie  in  pluvia,  wohl 
alt  ebenfalls  plovia,  so  durfte  auch  in  flovius  und  in  conflovont 
das  v  nur  eine  lautliche  brücke  bilden,  d.  h.  aus  u  v  in  dersel- 
ben weise  sich  entwickeln  ab  im  sanskrit  und  deutschen;  uv, 
uu  aber  vermeidet  das  lateinische  um  des  mifstons  willen,  ob- 
gleich dieses  in  uva  wohl  sehr  frühe  bestanden  hat*).  Dieselbe 
deutung  würde  auch  für  cloaca  passen,  welches  wort  jedenfalls 
eine  w.  clu,  sei  diese  nun  einfach  oder  selbst  schon  componiert, 
voraussetzt.  Die  namen  CLOVIVS,  Cloventius  u.  sr  f.  aber  schei- 
nen uns  zwar  —  mit  ausnähme  vielleicht  von  Clovatius  —  dem- 
selben bildungsgesetze  zu  folgen,  sind  aber  kaum  auf  dieselbe  Wur- 
zel, wenigstens  kaum  auf  denselben  sinn  der  würzet  clu  zurück- 
zuführen, sondern  gehören  wohl  der  wurzel  clu  an,  die  in  skr. 
era  «hören»,  griech.  xAi/a>,  goth.  hliu-man  ihre  bestimmten  und 
sicheren  genossen  findet.  In  sovos,  sovom  liegt  uns  ein  zweiter 
fall  vor.  Entweder  ist  hier,  wie  es  Aufrecht -KirchhofT  annehmen, 
sva  zuerst  in  su  zusammengezogen  worden  und  daraus  mit  gunie- 
rung  oder  zulaut  ein  sava,  sovo  entstanden,  oder  aber  es  ist,  wie 
im  althochdeutschen  oft,  die  gruppe  sv  durch  einen  vocal ischen 
laut,  der  sich  unwillkürlich  entwickelt,  getrennt  worden;  und  das 
ist  uns  darum  nicht  unwahrscheinlich,  da  sva  im  sanskrit  schon 
adjeetivisch  ist,  während  aus  tva,  tu  mit  tava,  tovo,  tuo  erst  ein 
adjeetivuni  gebildet  wird,  obgleich  nicht  verhelt  werden  darfc 

*)  übrigens  scheinen  in  u?a  diese  laute  nicht  von  jeher  an  einan- 
der gestoben  zu  haben,  da  uva  wohl  ==  ugva  «die  feuchte,  saftige»  ist 
und  auf  w.  ukshv  grieth.  in  1790«  zurückgeführt  werden  mufs. 


de  titulo  HniDDiiano  etc.  365 

dafs  im  gotb.  sveins  seins   ans,  wie  in  svein  zu  sus,  ebenfalls 
eine  neue  adjectivischc  bildung  vorliegt.     Endlich   ist  beachten*- 
wert)),  dafs  im  lateinischen  sovos,  saus  zuweilen  einsilbig  gelesen 
werden  mufs,  ja  dafs  statt  snas  geradezu  sas  f.  svas  sich  geschrie- 
ben findet,  ein  umstand,  der  freilich  an  sich  nicht  entscheidend 
wäre.    Sicher  ist  der  zulaut  in  LOVCINA,  LOVCANA,  DOVCO, 
POLOVCTA,  ADIOVTA,  TOVTIA,  welchen  durchweg  wurzeln 
mit  dem  vocale  u  zu  gründe  liegen  werden.   Denn  die  beiden  er- 
sten durften  am  ungezwungensten  als  ableitungen  von  w.  lue,  Xvh 
(XevööOy  tawco?)  ru6  zu  betrachten  sein.   Wollte  man  allzu  ängst- 
lich doueo  von  skr.  döhmi  (w.  duh)  trennen,  so  wäre  der  zwei- 
fei geradezu  unsinnig,  welcher  es  nicht  als  dasselbe  wort  mit  goth. 
tiuha,  ahd.  ziuhn  «ziehe»,  dessen  wurzel  tuh  ist,  ansehen  wollte. 
Ueber  POLOVCTA  vermögen  wir  nicht  genügenden  aufschlufs  zu 
geben.     Will  man  poUucere  mit  porricere  zusammenbringen,  so 
darf  man  dieses  jedenfalls  nicht  von  projicere  herleiten,  sondern 
man  hätte  dann  etwa  an  skr.  rc  zu  mahnen,  und  porricere,  pol- 
lucere  zunächst  in  der  bedeutung  «verehren»,  dann  «zur  ehre 
darbringen»  aufzufassen.   Die  prosiciae  lassen  uns  aber  bei  porri- 
cere noch  immer  am  einfachsten  an  prosecare  denken.    Und  ist 
es  nicht  möglich  pollucere  irgendwie  aus  lucere  «leuchten»  zu 
deuten,  so  denken  wir  auch  bei  dem  worte  an  eine  wurzel,  die 
..schneiden"  bedeutet,  nämlich  an  die  wurzel,  die  im  lat.  lucrum 
erscheint.    Im  sanskrit  finden  wir  sie  freilich  in  der  erweiterten 
form  lunc*  nur  mit  der  bedeutung  vellere,  evellere;  aber  ihr  ur- 
sprunglicher sinn  kann  immerhin  «schneiden»  gewesen  sein.  Wie 
sich  das  auch  verhalte,  es  ist  jedenfalls  das  OV  dieses  wort  es 
eine  frncht  des  zulautes,  wie  in  DOVCO,  LOVCANA  u.  s.  f. 
Noch  gewisser  ist  dieses  in  TOVTIA,  welches  von  der  in  dieser 
Zeitschrift  schon  mehrfach  besprochenen  w.  tu  crescere,  augeri 
abstammt,  mit  welcher  aber  tävat,  was  Mommsen  und  Ritschi 
dazu  stellen,  nichts  zu   thnn  hat,  da  es  vielmehr  =tad-vat  ist, 
wie  mävat  =  madvat.   Auch  über  OV  in  ADIOVTA  können  wir 
nicht  zweifeln,  dafs  es  ein  durch  a,  o  erweitertes  u  enthalte. 
Denn  iuvare  heilst  eigentlich  «erfreuen,  ergötzen,  heiter  machen» 
und  ist  causativum  von  dyu,  yu.   Bei  allen  diesen  formen  haben 
wir  guten  grund,  gnua  oder  znlaut  anzunehmen:  wie  in  ADIOV- 
TA steckt  wohl  auch  in  TOVTIA  ein  causativum,  wie  das  schon 
die  herau8geber  der  umbr.  denkmale  für  lat.  tötus  annahmen;  in 
DOVCO  und  den  übrigen  wäre  es  schon  darum  nicht  möglich 


366  Schweizer 

ein  blofs  überleitendes  V  zu  finden,  da  ihrem  u-laut  nie  ein  vo- 
cal  folgte.  Zweifelhafter  mögen  manchem  die  formen  PLOVS 
und  PLOVRVMA,  für  welches  Ritschi  mit  vollem  rechte  ein 
PLOVISVMA  voraussetzt,  erscheinen.  Doch  nach  analogieen  der 
verwandten  sprachen  ist  es  wenigstens  nicht  ungereimt  hier  wirk- 
lich zulaut  anzunehmen,  man  möfste  denn  lieher  metathesis  auf- 
stellen und  begründen  wollen.  Skr.  puru  (wegen  des  r  ffir  paru). 
oder  pulu,  griech.  nokvg  (nicht  fur.mdtfc,  sondern  für  nahog), 
goth  filu  (alle  eig.  «füllend")  mufste  im  lateinischen  *pol vis  oder 
*plovis  lauten  und  sein  comparativus  *plovius,  'plovjns,  PLOVS. 
Es  ist  uns  aber  erlaubt  anzunehmen,  dafs  aus  nolv,  polu  durch 
syncope  ein  plu,  nXv  entstanden  sei,  wie  aus  skr.  jÄnu,  gou, 
aus  yowy  ywt  und  griech.  nXhgy  welches  wir  nicht  als  verstüm- 
melten comparativus  ansehen  möchten,  scheint  uns  das  geradezu 
zu  beweisen.  Schon  im  positivus  kann  eine  lateinische  form  plvis 
oder  pluis  nicht  leicht,  bestehen ,  sondern  würde  plovis  werden; 
und  wollten  wir  auch  plu  für  den  comparativus  voraussetzen, 
so  könnte  dieser  ganz  auf  ähnliche  weise .  mit  guria  oder  zulaut 
gebildet  werden,  wie  im  skr.  bhayiyas  neben  bhüyas  von  bhü  = 
balm.  Sollte  auch  diese  deutung  für  die  griechischen  formen 
nXei(ov>  nltwv  darum  nicht  genügend  erscheinen,  da  allerdings  in 
dieser  spräche  in  der  regel  jedes  affix  vor  der  comparativenduog 
gänzlich  schwindet  (ylvxv  —  ylwuW) ,  und  da  auch  nordisches 
fleiri  und . liest  vielleicht  für  eine  unmittelbare  bildung  des  com- 
parativs  von  der  wurzel  sprechen  möchten,  so  ist  sie  für  das  la- 
teinische, das  sein  brevior,  levior  aufzuweisen  hat,  fast  gewifs.  Das 
aus  den  liedern  der  Arvalbruder  angeführte  pleorcs  darf  uns  nicht 
stören  das  wohlbeglaubigte  PLOVS  aus  sich  selber  auszu- 
legen; ist  pleores  ein  gesicherter  comparativus  von  multus,  so 
folgte  seine  gestaltung  andern  gesetzen,  d.  h.  es  lag  pla  =  pra  zu 
gründe.  Aus  PLOVISVMA,  das  nicht  einen  superlativus  neben 
einem  comparativus  in  sich  enthält,  entsteht  aufs  einfachste  einer- 
seits mit  syncope  des  v  ploisima,  plisima,  anderseits  mit  aussto- 
fsung  des  i  PLOVRVMA,  plürima,  wie  aus  brevima  —  brüma. 
Ursprüngliches  OV  findet  sich  in  NOVCERIA  und  in  NOVND1- 
NVM.  Denn  in  dem  ersten  ist  NOV  unzweifelhaft  aus  novo  ge- 
kürzt, dieses  aber  gleich  skr.  navas,  der  ad jeeti vischen  form  von 
nu,  w  «nun»,  griech.  *«>o<r,  goth.  niujis;  in  NOVNDINVM  aber 
ist  NO  VN  gekürztes  novem,  d.  h.  es  fehlt  nur  der  vocal  des  äff., 
welches  eigentlich  Superlative  bildet.    Der  zweite  theil  dinnro 


de  tilulo  Mommiano  etc.  367 

entspricht  möglichst  genau  dem  skr   dinam  «tag**,  welches  sich 
auch  im  goth.  sin-teins  zu  finden  scheint.    Schwer  zu  deuten  sind 
FOVRIO,  FOVLV1VS*  POVBLICOM  and  die  ableilung  IOVBEO. 
Der  oame  Ffirius  lautete  früher  Füsius,  und  das  natürlichste  scheint 
ihn  mit  fuscas  zusammenzustellen,  so  dafs  eine  wurzel  fus  zu 
gründe  läge;   denn  fus-  konnte  in  für-   übergehen,  z.  b.  in  fur- 
vus,  (was  nicht  von  würz.  &eg  kommt),  nicht  aber  für  in  fus. 
Diese  wurzel  fus  betrachtete. Pott,  ctym.  forsch.  1,269.,  gewifs 
mit   bestem   rechte   als   eine   Zusammensetzung  und  zusammen- 
rücknng  aus  bh(i)  vas  (ush)  urere;  das  präfix  abhi,   wie  andere 
mit  a  anfangende,  erscheint  mach  im  sanskrit,  im  got bischen  und 
deutschen  nicht  selten  in  so  verkürzter  gestalt.  Wie  nun  FOVRIO  - 
von  dieser  wurzel  abgeleitet  sei,  unmittelbar  oder  durch  ein  no- 
men  hindurch,  sein  OV  scheint  entschieden   als  zulaut  gedeutet 
werden  zu  müssen.    Vgl.  noch  den  namen  Foslius.    Und  wie  steht 
es  nun  mit  FOVLVIVS?  Sicher  scheint  es  derselben  wurzel  und 
bildung  zu  sein  mit  fulvus,  welches  Kuhn  I,  200  zu  skr.  babhru 
von  einer  wurzel  bhru  stellt,  an  einem  andern  orte  aber  durch 
metatheais  aus  flavus  entstehen  läfst.     Ohne  hier  zu  entscheiden, 
werfen  wir  hier  nur  die  frage  auf,  ob  nicht  auch  im  lateinischen 
ein  v  der  ableilnngssilbe  in  der  Stammsilbe  seinen  wiederschein 
erzeugen  konnte,  wie  das  einzeln  im  zend,  im  altnord.  und  — 
hier  freilich  mit  wegfall  des  einwirkenden  lautes  —  *  im  griech. 
sich  zeigt.  Vergl.  auch  Kuhn  I,1  516.    Das  wort  populus  haben 
Aufrecht  —  Kirchhof!  in  der  umbrischen  lautlehre  auf  w.  pr  «fül- 
len» zurückgeführt  und  es  anmittelbar  an  ein  skr.  *papura  gehal- 
ten, welches  dnreh  reduplication  ähnlich  gebildet  wäre,  wie  pa- 
puri  «nährend,  füllend.»    Begrifflich  läfst  sich  gegen  diese  deu- 
tung  gar  nichts  einwenden.    Allein  wir  finden  nun  zwar  nicht 
ein  povpulus,  aber  POVBLICOM,  welchem  dann  poplicus,  po- 
blicus,  puplicus,  publicus  folgen,  ein    OV,  welches  nur  dann 
dem   adjectivnm  besonders    und   allein    gegen    populus   zukom- 
men dürfte,  wenn  die  annähme  begründet  werden  könnte,  dafs 
n  von  populus  —  jedenfalls   die  ursprünglichere  gestalt  als  po- 
plos —  in  die  erste  silbe  übergetreten  sei,  eine  annähme,  die  um 
so  leichter  cingang  finden  möchte,  wenn  man  bedenkt,  dafs  die 
älteste  form  des  adjeetivums  POVBLVCV  war,  also  vollständig 
POVPVLVCO  gelautet  hätte.     Dem  einwürfe,  dafs  eine  solche 
Versetzung  gewöhnlich  nur  eintrete,  sofern  eine  liquida  dazwischen 
stehe,  dürfte  man  nicht  ohne  grund  die  gleichartige  natur  von 


368  Schweizer 

u,  v  und  p  entgegensetzen.     Wir  sind  aber  am  eine  andere  cr- 
klärung  nicht  verlegen  und  gestehen,  dafs  uns  diese  besser  zusagt 
POPVLVS  kann  als  intensivform  gedentet  werden  und  hat 
als  solche  eine  gunierte  oder  mit  zulaut  versehene  reduplicatioos- 
silbc,  welche  aber  im  substanlivum  mit  auflösung  des  n  in  v  ge- 
gekürzt ward,  im  adjectivum  blieb.    Beide  erklärungen  sind  je- 
doch nur  dann  in  sich  genügend,  wenn  als  älteste  form  des  Wor- 
tes populas  vorausgesetzt  werden  darf,   welchem  dann  poplos, 
popolus  und  endliclt  wieder  populus  folgten.  Um  nichts  unberührt 
zu  lassen,  was  zur  aof hellung  dieser  form  beilragen  kann   oder 
könnte,  sei  noch  eine  drille  deutung  versucht     Die  herausgeber 
der  umbrischen  Sprachdenkmale  lassen  im  glossar  s.  v.  PLE,  pu- 
plns,  poplo  aus  polpolo  entstehen.    Ist  es  nun  möglich,  dal«  l 
entweder  ausfiel  oder  aber,  um  mich  so  auszudrücken,  dem  p 
als  v  sich  assimilirte,  d.  h.  in  den  ihm  verwandten  und  dem  p 
am  nächsten  stehenden  halbvocal  übergieng?  Vgl.  faustus  mit  w. 
bhand  und  die  auflösung  von  1  in  u  in  den  romanischen  sprachen. 
Was  das  B  in  POYBLICOM  gegen-  p  in  populus  betrifft,  so  ist 
es  sicher  wieder  jünger  als  p  und  durch  ähnliche  erweichang 
vor  1  entstanden,  wie  in  quadraginta  etc.  d  vor  r;  auch  der  vor- 
ausgehende weiche  halbvocal  v  mag  auf  p  eingewirkt  haben;  die- 
ses p  aber  kam  wieder  auf,  als  man  die  elyinologie  besser  her- 
vortreten lassen  wollte.  —  Auch  die  form  IOVBEO  hat  bedeu- 
tende Schwierigkeit.    IOVS  leitete  Pott,  etyra.  forsch.  I,  213,  wie 
uns  scheint,  vortrefflich  aus  der  w.  yu,  die  auch  in  jüngere  vor- 
liegt, und  erklärte  es  aus  javas,  jovus  «das  bindende,  band.»  IOV- 
RARE  heifst  dann  «ein  band  machen,  sich  binden,  schwören,» 
10VDICARE,  IOVDEX  stehen  für  iousdicare  u.  s.  f.    So  weit 
hat  die  sacbe  keine  Schwierigkeit;  aber  IOVBERE  wird  kaum 
ein  denominativum  von  IOVS  6ein,  dafs  es  für  IOVSBERE  stände. 
Dieses  würde  ein  IOVSBVS,  IOVBVS  voraussetzen  mit  demsel- 
ben affixe,  welches  in  morbus,  in  verbum  u.  s.  f.  sich  findet,  und 
welches  von  Aufrecht  —  Kirchhof  trefflich  aus  w.  bhü  abgeleitet 
wird;  aber  -bus,  soviel  uns  jetzt  vorschwebt,  tritt  nur  an  wur- 
zeln, nicht  an  nomina  an,  und  überdies  würde  wohl  aus  IOVS- 
BVS, IOVBO  eher  ein  IOVBARE  zu  bilden  sein.     Wir  sind 
demnach  zur  deulung  Von  IOVBERE  an  die  wurzel  selbst  gewie- 
sen, und  da  sind,  so  weit  wir  sehen,  zweierlei  deu langen  mög- 
lich.   Entweder  entfaltet  sich  aus  dem  einfachen  yu  ein  erwei- 
tertes —  eigentlich  ein  zusammengesetztes  —  ynbh,  jub  wie  im 


•de  litufo  Mommiano  etc.  369 

sanskrit  aus  $vi,  cu,  gubh  u.  a.  und  IVB  wurde  durch  zulaut 
IOVB;  oder  aber  10  V,  die  ganierte  form  von  ju  .wurde  zu  IOB, 
wie  manuviae  zu.  manubiae,  ferveo  zu  ferbeo  etc.,  es  blieben  aber 
der  erzeugende  und  der  neu  erzeugte  laut  neben  einander  stehen, 
wie  im.  ahd.  ouu,  docli  so,  dafs  bald  die  Verkürzung  eintrat.  Am 
ende  dieser,  wir  fühlen  es.  wohl,  oft  kühnen  und  kaum  immer 
treffenden  auseinandersetzungen  fuhren  wir  noch  an ,'  dafs  nicht 
nur. in  den  italischen  dialekten  ein  au,  ov,  6  in  a  übergehen 
kann,  sondern  derselbe  fortschritt  auch  im  sanskrit  bemerkbar 
ist,  so  in  ijri  «hülfe»,  von  w.  av,  in  sthüra  f.sthäura,  sthavira, 
taurus,  umbr.  toro,  turo,  goth.  stiurs,  in  rüpa  von  *rüpay,  cau- 
sa livum  von  ruh  für  ropay. 

V,  ü  scheint  älter  als  t  in  dem  adj.  POPLVCVS  für  po- 
plicus,  d.  h.  der  themayocal  a,  o  scheint  sich  da  noch  nicht  bis 
zur  letzten  stufeTcrdünnt  zu  haben.  Ebenso  steht  ein  u  im  gen. 
sg.  der  dritten  declination  in  nominus,  Venerus,  necessus  für  frü- 
heres a,  o,  späteres  i  und  im  gen.  sing,  der  vierten  declination, 
in  domuus,  exercituus  etc.  für  früheres  as,  os  (letzteres  im  S- 
C.  de  Bac.  in  senatuos),  späteres  es,  is.  Endlich  erwähnen  wir, 
dafs.  V  sehr,  üäufig  neben  .dem  selten  so  gebrauchten  I  fqr  Y 
verwendet  wird/  , 

Y,  y.  Dieser  fremde  buchstabe  gelangt  zu  allgemeiner  gel- 
lung nicht  yor  dem  beginn  des  8sjahrh.,  d.  h.  kurz  nach  der. 
aufnähme  der  aspirierten  consonänten,  welche  dem  altlateinischen 
nicht  minder  fremd  sind.  Die  wenigen  dieser  behaup tu ng  schein- 
bar widerstreitenden  freispiele  finden  ihre  erklärung  darin ,  dafs 
sie  in  denkmalen  auf  griechischem  boden  erscheinen;  und  sollte 
uns  auch  die 'stelle  des  alten  Victorinus,  wo  er  von  y.und  z 
spricht,  richtig  überliefert  sein,  sie' kann 'gegenüber  einer  solchen 
masse  von  belägen  kaum  ein  gewicht  haben.  Für  y  brauchten 
die  Römer  fast  durchgängig  u:  das  bezeugen  uns  nicht' nur  die 
inschriften;  bei  dem  dichter  Plautus  würden  mehrere  treffliche 
Wortspiele  ihre  ganze  kraft  und  bedeutung  verlieren,  setzten  wir 
statt  u  ein  y  oder  i  ein.  Die  einzelnheiten  zählen  wir  hier  nicht 
auf  (sie  finden  sich  reich  ausgelegt  in  der  zweiten  schrift  von 
R.  8.  26 ff.),  sondern  bringen  nnr  noch  die  beobachtung  Ritschis 
bei,  dafs  aufser  Siria  (erst  um  724  so  gefunden)  i  noch  einmal 
auf  einer,  nach  den  übrigen  formen  zu  schliefsen,  viel  altern  in- 
schrift  in  Sisipiis  st.  Sisupus  erscheint. 

IL    5.  24 


370  Schweizer 

Syncope  der  vocale. 
Es  handelt  sich  liier  vor  allem  um  die  vocale  in  gewissen 
aföxen.  R.  stellt  den  satz  auf,  dafs  im  ganzen  und  grofsen  diese 
syncopierten  oder  hartem  formen  älter  seien  ab  die  nicht  syn- 
copierten  weichen,  oder  vielmehr  scheint  er  geradezu  anzuneh- 
men, die  rauhen  formen  seien  im  lateinischen  -die  ursprünglichen, 
ftie  annähme,  sie  seien  die  relativ  frühem,  wird  durch  die  In- 
schriften bestätigt,  unter  denen  vorzüglich  die  ältesten  und  filtern 
dieselben  bieten.  So  findet  sich  da  DEDROT  und  DEDRO  für  de- 
deront,  dederunt,  LEBRO  f.  Libero,  LeIBREIS  SOVEIS,  VI 
CESMA,  TVRPLEIO  =  Turpilio,  LICNIA,  FOSTLVS,  NVMSius, 
OFDIVS,  ja  auch  FECT  für  fecit,  also  für  FEGET,  FECEIT. 
Ueberbleibsel  solcher  art,  wie  TABLEIS,  IVGRA  u.  a.  erben  sich 
vereinzelt  bis  in  die  spätem  Jahrhunderte  hinein  fort.  Der  binde- 
vocal  fehlt  in  SENATORBVS  und  der  themavocal  des  ersten 
wortes  in  OINVORSEl  des  S.  C.  de  Bacanal.  Demnach  schei- 
nen auch  die  formen  piaclom,  vinclom,  Herdes  etc.  einem  piacu- 
lum  u.  s.  f.  vorausgegangen  zu  sein ,  wie  denn  auch  Plautus  nur 
ausnahmsweise  die  milden  formen  zuläfst.  Die  weichen,  nachdem 
sie  einmal  aufgekommen,  konnten  nun  fortdauern  und  nachher 
im  ganzen  allein  gebräuchlich  sein,  oder  aber  es  konnten  in  einer 
dritten  periode  die  harten  wieder  die  oberband  gewinnen,  wie 
in  dextra  f.  dextera.  Nach  diesen  sind  Alcumena ,  Alcumaeo, 
Tecumessa,  Patricoles,  drachuma,  techina  u.  s.  f.  älter  und  jün- 
ger zugleich  als  Alcmena  u.  s.  f.  Auch  mittelgeslalten  wie  supera 
neben  supra,  INFERA  für  infra,  INTERET  f.  intret  steigen  auf, 
und  ebendahin  sind  die  Piautinischen  columen  für  colmen,  cul- 
men,  balineae  für  balneae  (vielleicht  neben  balneator),  BALI- 
NEARIÜM  und  CALECANDAM  f.  calcandam  auf  der  Alatr.  In- 
schrift zu  zählen;  und  ein  calicatus  dauerte  noch  längere  zeit 
fort.  Nicht  ganz  gleich  mit  diesen  fallen  sind  diejenigen,  die 
Ritschi  in  der  abhandlung  über  den  titul.  Mumm.  s.  IL  u.  s.  XIV. 
besprochen  hat.  Er  nimmt  da  an  VOVERAT  müsse  vovrat  oder 
vorat,  FAC1LIA  faclia  gelesen  werden,  obgleich  die  schrift  dem 
laute  nicht  nachgekommen  sei;  dafür,  dafs  voverat  so  habe  lau- 
ten dürfen,  bringt  der  verf.  schlagende  beispiele  bei.  —  Ritschis 
auffassung  der  aufeinanderfolge  dieser  formen  wird  nach  beson- 
nener prüfung  kaum  angefochten  werden  können,  und  auch  seine 
ansieht,  die  harten  formen  seien  die  ursprünglichen,  ist  gerecht- 


de  titalo  Mammiano  etc.  371 

fertigt,  sobald  man  nur  die  speciell  lateinischen  Sprachdenkmale 
ins  äuge  fafst.  Doch  schon  das  oskische  zeugt  dafür,  dafs  die- 
ser stufe  wieder  eine  vollere  vorausgegangen  sei,  und  vollends 
macht  es  nns  die  Sprachvergleichung  klar,  dafs  der  dreifachen 
gliederung  ein  viertes  glied  vorantritt,  welches  mit  dem  zweit- 
letzten so  übereinstimmt,  wie  das  dritte  mit  dem  letzten :  dextera, 
dextra,  dextera,  dextra  u.  6.  f.  Wir  nehmen  im  folgenden  keine 
rücksicht  auf  die  fremdwörter  Alcumena  u.  s.  f.  wollen  auch  dies 
mal  nicht  alles  lateinische  der  art  abthun.  Was  zuerst  die  formen 
auf  -tera  und  -tra  betrifft,  so  kann  kein  zweifei  darüber  walten, 
dafs  die  ursprüngliche  gestalt  dieses  einen  comparativsuffixes  nicht 
-tro,  sondern  tara,  toro,  tero  war:  das  bezeugt  uns  nicht  nur  die 
etymologie,  wie  wir  diese  fassen  mögen,,  es  wird  bestätigt  durch 
die  bestimmt  vorhandenen  gestalten  skr.  -tara,  gr.  -rcpo,  goth. 
-  thar  (a),  ahd.  -  dar  (o).  Nur  das  ist  zuzugeben,  dafs  diese  form 
namentlich  im  adverbialen  gebrauche  gewisser  casus  schon  in  ur- 
alter zeit  Verkürzungen  zugelassen,  ja  in  solchem  falle  adch  das 
t  einbüfsen  konnte,  wie  —  skr.  nicht  seltener  beispiele  zu  ge- 
schweigen  —  in  dem  r  des  latein.  cur  und  des  goth.  thar  ein. 
überbleibsei  von  tr  anzunehmen  sein  wird.  Ebenso  wenig  dürfen 
wir  daran  zweifeln,  dafs  die  formen  -culo  (culus,  culum)  cula; 
bulo  (bulus,  bulum),  bula  u.  s.  w.  älter  sind  als  clo,  blo  etc.  Das' 
1  der  erstem  ist  —  so  viel  darf  als  angenommen  vorausgesetzt 
werden  —  aus  r  entstanden,  und  —  culo  ist  gleich  einem  skr. 
kara  von  w.  kr,  kar  «machen»;  die  letztern  sind  entweder  aus 
-bhara  oder  bhava  hervorgegangen.  Der  form  liberi  ging  loebeset 
voraus,  wahrscheinlich  auch  der  form  Liber,  Loebeso  Diese  bei- 
den scheinen  uns  nämlich  mit  den  skr.  adi.  auf  -asa,  von  neutren 
auf  as,  lat  us,  goth.  is  etc.  verglichen  werden,  also  mit  dem  lat. 
w.  aurora  zusammengestellt  werden  zu  müssen,  nur  dafs  dieses 
eine  lange  aufweist,  die  wir  hier  nicht  weiter  erklären  wollen. 
Ist  diese  ansieht  die  rechte,  dann  ist  der  vocal  vor  r  ein  wesent- 
liches und  ursprüngliches  element,  der  im  lateinischen,  wie  zu- 
weilen im  gothischen  schon  im  Substantiv  um  ausfiel.  Turplejus, 
eine  uns  äufserst  wichtige  form,  setzt  ein  Turpil(o)  oder  viel- 
mehr ein  Turpido  voraus,  zu  dem  es  das  patronymicum  ist;  im 
stammworte  ist  nun  aber  sehr  wahrscheinlich  i,  e  themavocal, 
wie  dieser  auch  in  Fostlus  syncopiert  erscheint,  Fostlus  wird  = 
Fostulus,  Faustulus  oder  Foustulus  sein.  Sein  Stammwort  scheint 
ein  pari.  perf.  von  der  skr.  w.  bhad,  bhand,  der  auch  goth.  bats, 

24' 


372  Schweizer 

unser  bafs,  besser  entspringt.  -  Im  umbriscken  finden  wir  davon 
foni  aus  fonnl,  fondi;  fons,*  fos  etc.  Ist  etwa  aus  Fostulus  Foslius 
herzuleiten  für  Fostlius?"  VICESMA  ist  sicher  eine  superlativform; 
diese  zeigt  aber  durchgehend  nach  dem  ursprunglichen  t  einen 
vocal  -lama,  -tuma,  -tima,  -sima  efc.  Aber  schwieriger  sind  die 
formen,  wie  DEDRO,  DEDROT  und  besonders  FECT.  Ware 
das  lateinische  perfectum  entschieden  derselben  bildung  mit  dem- 
jenigen des  sanskrit,  die  formen  DEDRO,  DEDROT  würden 
uns  nicht  eben  besondere  mühe-  machen.  Wir  hätten  dann  E 
vor  R  als  ursprünglich. kurz  anzunehmen  und'  dürften  seine 
syncdpe'mit  der  des  sanskrit  in  (yi)vjdre  c=  (vi)vidire,  nunudre 
etc.  vergleichen.  S.  Benfey  sanskritgrammatik'  s.  377.  .a.  3.  *2.)*). 
Wir  sagen,  wir  dürften  dann  E  unbedenklich  für  ursprüng- 
lich kurz  nehmen,  denn  dafs  es  nicht' selten  kurz  gebraucht 
wurde,  ist  uns"  wohl  bekannt,  und  Curtius  mufste  eich  in  seinen 

'  treulichen  beitragen  nicht  darjiber  beklagen,  dafs  solche  beispiele 
nicht  reicher  gesammelt  seien,  da- er  deren  im  Vossischen  Aristar- 
chiis  (ed.  Foertsch.  I,  195  ff.)  genug  finden  konnte.  Es  ist  aber 
.bekannt,  dafs  nicht  selten  alte  längen  geradein  zusammengesetz- 
ten verbalformen  gekürzt  wurden,  wie  ja  im  perf.  fut.  -ritis  ne- 
ben rltis  vorkommt  u.  s.  f.  Doch  auch  bei  der  annähme,  dafs 
'das  lat.  perfectum  dem  skr.  aor.  entspreche,  liegt  keine  noth wen- 
digkeit vor,  dieses  E  als  von  anfang  an  lang  zu  fassen.  Viel  auf- 
fallender ist  FECT  für  feeeit,  da  der.vocai  vor  t  sicherlich  laiig. 
war,  und  nicht  einmal  eine  liquida  mitspielt.  Denn  der  ein- 
•flufs  der  liquidae  vü  bei  diesen  syncopen  unverkennbar;  bei  ihnen 

"ist  vocaleinsatz.  und  vocal  Wegfall  gleich  leicht,  da  sie  seihst  halb-' 
vocal  isch  sind. 

Apooope  des  vocals. 
Es  handelt  sich  hier  um  einen  höchst  interessanten  fall,  nem- 
lich  um  das  demonstrativ  hervorhebende  ce,  c  in  hice,  hie  etc. 
Was  ist  dieses  ce?  Benfey  in  seinen  griech.  w.w.  II,  187  sieht 
darin  ein  verhärtetes  gha  =  ha  =  ?£  im  griech.  Bycoye,  =  ha  im 
ahd.  ih-ha  u.  s.  f.  Der  Übergang  von  gh  in  c  hat  sein  bedenkli- 
ches und  liefse  sich  wohl  in  hice  u.  s.  f.  als  .beabsichtigte  dissimi- 
lation  rechtfertigen,  nicht  so  leicht  in  istic(e),  illic(e)  n.  s.  f.    Ge- 

*)  vgl.  weiter  Benfey  sanskritgramm.  §  813.  II.  u.  IV.  S.  376,  n.  4., 
s.376  u.  383  n>  % 


de  tilulo  MauimiaDO  etc.  373 

wohnlich  entspricht  dem  gh  im  lateiu.  Ji  oder  f  oder  die  media 
g;  so  pafst  zu  ghi,  gha  vortrefllich  hi  in  hice  und  lio  in  hoce. 
So    schön  also  auch  hi-ce  etc.  zu  skr.  sa  gha,  griech.  oye  der 
bedeutung  nach  stimmten,  so.  sehen  wir.  uns  doch  genöthigt  um 
der  laut  Verhältnisse  willen  für  das  c  der  italischen  sprachen  eine 
andere  erklärung  zn  suchen.    Und  wir  stimmen  den  herausgebe™ 
der  umbrischen  denkmale  zu,  wenn  sie  s.  139  ihrer  lautlehre  die- 
ses ce  einem  skr.  ka,  ca  gleich  setzen  und  in  ihnen  den  stamm 
des  pronom.  relat.  sehen;  hie  liefse  sich  so  mit  skr.  sya  verglei- 
chen.    Im  oskischen  finden   wir. zwei  gestalten  dieser  partikel: 
-cen   in  aiscen  und  eisucen,  und  k,  nicht  aber  ke;  im  umbri- 
schen zeigt  sie  sich  nur  als  k.     Was  ist- nun  ihre  geschieh te  im 
lateinischen?  Nach  Ritschis  eindringlichen  Forschungen  bieten  die 
ältesten  monumente  nur  -c  st.  ce.    So  steht  auf  der  allerältesten 
Scipioneninschrift  HONC  OINO,  wo  ohne  Störung  HONCE  ge- 
schrieben werden  konnte.     Aber  im  S.  C.  de  Bacanal.  findet 
sich  nur  die  zweisilbige  form  HAICE,  HOCE,  welcher  nun  jedoch 
t  ür  einen  Zeitraum  von  ungefähr  sechszig  jähren  wiederum  die 
einsilbige  folgt  und  herrschend  ist.    Um  das  jähr  620  treffen  wir 
dann  beide  gestalteu  untermischt  gebraucht  und  es  erscheint  uns 
liier  offenbar  eine  Übergangsperiode.     Die  lex  Bantina  stimmt  im 
gebrauche  von  hice  wieder  vollständig  mit  dem  S.  C.  de  Bacaii. 
und  das  zweisilbige  pronomen  ist  nun  allein  üblich  bis   in  die 
mitte,  des  7.  jahrhd.     Da  wiederholt  sich  dieselbe  Übergangspe- 
riode, wie  um  620,  und  in  wenigen  jähren  dringt  die  einsilbige 
form  so  durch,  dafs  sie  von  da  an  allein  gültig  ist.    Wie  wichtig 
'  diese  Ril schliche  entdeckung,  welche  ihm  erst  bei  der  ausarbei- 
tung  der  zweiten  abhandlung  zur  gewifsheit  ward,  verbunden  mit 
andern  ebenfalls  von  diesem  gelehrten  chronologisch  bestimmten 
erscheinungen,  zur   feststellung  des  alters  sonst  ungewisser  in- 
schriflen  sei,  leuchtet  von  selbst  ein.    Sehr  wichtig  ist  auch  für 
die  geschiente  der  römischen  grammatik  und  für  die  Schätzung 
ihres  einflusses  die  frage,  welche  in  derselben  abhandlung  p.  33. 
aufgeworfen   wird:   Operae  pretium  est  quaerere:  num  non  in 
scripturae  tantum,  sed  etiam  in  formarum  mutatione  tanta 
vis  artis  et  diseiplinae  efficacia  fuisse  videatur,  hinc  ut  ipsius  vi- 
tae  usus  regi  potuisse  credatur.     Quod  qut  concesserit,  habebit 
qui  iüud   esse  factum  dicat,    quod  per  aliquod  tempus  abolitas 
HANCE  HACE-forinas   bisyllabas    denuo   prodiisse   et  tan  quam 
erupisse  circa  annum  620  supra  vidimus.     Ego  in  hac  quoque 


374  Schweizer 

re  Attii  quasdam  partes  fuissc  nee  affirmabo  confidenter  nee  perti- 
nacius  negari  patiar. 

Consonanten. 

Vor  allem  ist  hier  wichtig  der  genaue  aufschlufs  Ritschis  über 
die  Verdoppelung  (gemination)  der  consonanten  and  über  das 
aufkommen  der  aspiration  der  consonanten.  Sehr  einlafslich 
spricht  sich  R.  über  die  gemination  aus  in  seiner  abhandlung  de 
lap.  Aletr.  p.  IV.  Da  stellt  er  vier  perioden  auf:  es  ward  nicht 
geminiert  vor  Ennius;  die  einzige  ausnähme  INNAD  hat  eine  be- 
stimmte entschuldigung  als  griechisches  wort;  2)  es  wird  bald  ge- 
miniert, bald  nicht  geminiert  ungefähr  von  580  U.  C.  an ;  3)  öfter 
geminiert  als  nicht  von  620  an;  4)  fast  immer  geminiert  nach  640. 
Wenn  in  einem  denkmale,  welches,  sofern  es  das  alte  ist,  näm- 
lich im  S.  C  de  Tiburtibus,  der  zweiten  periode  angehört,  die 
gemination  herrscht,  so  dürfte  dasselbe  von  einem  manne  herrüh- 
ren, der  sich  die  grundsätze  des  Ennius  angeeignet  und  sie  con- 
sequent  durchführte.  Sonst  finden  sich  die  ältesten  beispiele  der 
gemination  neben  mehr  nicht  geminierten  auf  dem  elog.  Scipionis 
um  580.  Wie  wesentlich  auch  diese  bestimmungen  seien,  nm 
das  alter  unsicherer  Inschriften  festzustellen,  leuchtet  von  selbst 
ein.  Im  umbrischen  finden  wir  da  dieselben  Verhältnisse  wie  im 
altrömischen,  und  die  gemination  kam  hier  eigentlich  nie  auf. 
Wohl  aber  scheint  das  oskische  die  consonantenverdoppclung  von 
jeher  zu  bieten,  und  wir  dürfen  wohl  annehmen,  dafs  Ennius, 
der  oskisch  verstand,  sie  daher  ins  lateinische  einführte. 

Ueber  die  aspiration  der  consonanten  stellt  Ritschi  eine  si- 
chere Zeittafel  auf,  de  m.  R  p.  27  in  der  anm.  Aufser  in  sehr 
vereinzelten  beispielen  ward  nicht  aspiriert  bis  660  U.  C. ,  bald 
aspiriert,  bald  nicht  von  da  bis  700,  immer,  aufser  in  sehr  weni- 
gen fällen,  aspiriert  nach  dem  ausgange  des  siebenten  Jahrhunderts. 
Das  erste  beispiel  eines  aspirierten  consonanten  findet  sich  auffal- 
lender weise  schon  auf  dem  lit  Mummianus  (nach  608  U.  C), 
nemlich  triumphans.  Der  nächste  beläg  nach  diesem  fallt  mehr 
als  dreifsig  jähre  später;  in  der  lex  agraria  steht  Corinthiorum. 

Einzelne  consonanten.  D.  Auf  dem  lapis  Aletr.  kommt 
adque  vor;  aber  dieses  darf  nicht  für  atque  genommen  werden. 
Die  altern  Inschriften  kennen  ebenso  wenig  adque  für  atqne  als 
umgekehrt  die  Schreibweise  at  für  ad,  aput,  set,  haut,  it,  illut, 
welche  erst  durch  die  grammatiker  nach  der  zeit  der  republik 


de  titulo  JMuuihiiano  etc.  375 

eingeführt  worden;  d.  h.  die  italischen  sprachen,  das  lateinische, 
das  umbrische  und  oskische,  erweichten  überhaupt  auslautende 
tenuis  gerne  in  die  media;  wir  dürfen  ja  wohl  annehmen,  um- 
brisches  r  sei  erst  aus  der  media  d  hervorgegangen.  So  nun  id 
=  skr.  it,  goth.  itha,  sed  f.  svat,  sub  neben  skr.  upa,  gr.  vni  u. 
s.  f.  Wir  denken  at  in  atque,  zuweilen  adque  geschrieben,  steht 
überhaupt  mit  der  präpos.  ad  in  keinem  engern  zusammenhange ; 
es  ist  wohl  dasselbe  wort  mit  dem  gewöhnlich  adversativ  vor- 
kommenden at,  welches  dem  skr.  atha  sed,  tunc,  deinde  aufs 
genaueste  entspricht,  während  die  form  ast  ein  attha  voraussetzt. 
Die  erkiärungen  von  Klotz,  der  in  at  ein  verkürztes  ait,  in  ast 
ein  aislu  sieht,  bedürfen  keiner  Widerlegung. 

F  tritt  statt  b  auf  in  der  präposition  AF.     Darüber  handelt 
K.  in  der  zweiten  schritt  (de  m.  P.)  pag.  7.     Worauf  Cicero, 
Velius  Longus,  Priscian  hinweisen,  dafür  weifs  R.  bis  jetzt  fünf 
beläge  aus  Inschriften  zu  bieten:  AF  VOBEIS  im  S.  C.  de  Tibur- 
tibus,  welches  in  den  ausgang  des  6.  jahrhdrts.  fallt;  AF  MVRO 
auf  einer  Prä d estinischen  inschrift  vor  620;  AF  CAPVA  auf  dem 
mil.  Popill.  um  622;  AF  SOLO  auf  einer  nicht  viel  Jüngern  Fe- 
rentinischen  inschrift;  alterthümelnd  AF  LYCO  in  einer  Laodi- 
censischen,  ungefähr  vom  j.  670.    Aber  ab  ist  nicht  nur  das  herr- 
schende im  7.  jahrh.,  sondern  es  ist  auch  die  gültige  form  im 
S.  C.  de  Bacanalibus.  —  Mommsen  in  den  unterital.  dialekten 
8.  225.  sagt  allgemein ,  wie  im  altlateinischen  f  öfter  für  neulat. 
b  stehe  und  umbrisches  f  für  lat  b,  so  sei  auch  im  oskischen 
dasselbe  gesetz  zu  erkennen:  uf  =  obus  u.  s.  f.   Aber  die  von  ihm 
angeführten  beispiele,  so  weil  wir  darin  auf  eine  sichere  ctynio- 
logie  gelangen  können,  sind  solche,  in  denen  dem  osk.  f  eine 
aspirata  in  den  verwandten  sprachen  gegenübersteht.    Und  eben 
so  verhält  sichs  im  umbr.,  wie  die  Untersuchung  von  Aufrecht — 
Kirchhof!  deutlich  genug  beweist.     Sollten  wir  demnach  auch 
für  lat.  af  eine  form  adha,  adhi  (in  den  Veden  mit  ablativ),  oder 
abhi  zu  gründe  legen?  Es  widerstrebt  dem  natürlichen  sinne,  es 
von  skr.  apa,  gr.  ano,  goth.  af,  ahd.  ab  u.  s.  f.  zu  trennen;  viel- 
mehr scheint  uns  iit  af  die  mittelstufe  zwischen  apa  und  ab  er- 
halten, so  dafs  p  zunächst  in  ph,  bh  übergegangen  ist,  nach  dem- 
selben processe,  der  im  germanischen  nur  viel  consequenter  und 
umfangreicher  wirkte.     Denselben  hergang  müssen  wir  in  sub 
gegen  vno,  upa  voraussetzen  und  in  ob,  wenn  dieses  nicht  viel- 
mehr abhi  istu.  s.f.    Dafs  die  folgenden  consonanten  V,  M,  C, 


376  Schweizer 

L,  S  auf  die  erhaltung  des  vorausgehenden  F  eingewirkt  hätten 
wüfste  ich  nicht  recht  zu  begründen.  —  M.  Dieser  buchstabe  *s( 
bekanntlich  so  weich,  dafs  er  in  der  altern  zeit,  in  welcher  mek 
nach  dem  laute  geschrieben  ward,  nicht  selten  auch  in  der  schrift 
nnausgedrflckt  blieb.    Nach  einer  kritischen  übersieht  (de  tit-  M. 
p.  VII.  und  de  m.  P.  p.  I.)  kommt  Ritschi  zu  dem  wichtigen  re- 
sultate,  dafs  der  wegfall  des  auslautenden  m  in  der  schreib  web« 
der  Inschriften  nicht  viel  über  das  erste  jahrzehend  des  T.  jahrh 
hinausgegangen  sei.    Uebrigens  findet  derselbe  auch  in  den  altern 
Inschriften  nicht  mit  irgend   einer  consequenz  statt.     R.  Snfsert 
in  seiner  zweiten  schrift  s.  32  die  ansieht,  dafs  die  durchgehende 
Wiederherstellung  des  m  im  auslaute  ebenfalls  ein  verdienst  de» 
Attius  sei.     Im.  willkürlichen  wegwerfen  des  m  stimmt  da«  latei- 
nische mit  dem  nmbrischen,  während  auch  in  dieser  bczlehung 
sich  das  bskische  durch  seine  gesetzmäfsigkeit  vorlheilhaft   aus- 
zeichnet.    Es  ist  übrigens  unläugbar,.  dafs  das  lateinische  viele  in 
für  immer  verloren  hat,  freilich  das  schon  in  der  vorhistorischen 
periode.    Im  oskischen  gieng  auslautendes  m  zuweilen  in  n  über, 
Mommsen  berichtet  uns  (unterital.  diall.  s.  228) ,  dafs  sich  auch 
auf  dem  originale  der  lex  Thoria  Q VAN  finde.  —  M  für  N,  durch 
assimilation  an  einen  lippenlaut  entsprungen,  ist  nicht  sehr  früh 
eingeführt;  es  findet  sich  aofser  dem  sihgulären  beispiele  im  tit. 
Mummianus  (1MPERIO),  erst  gegen  die  mitte  des  7.  jahrh   häu- 
figer. Also  INPERIVM  u>  s.  f.  sind  die  echten  alten  formen;  hatte 
ja  die  präposilion  in,  wie  uns  die  verwandten  sprachen  beweisen, 
von  jeher  n,  nicht  in.    Umgekehrt  verhält  es  sich  mit  COM,  des- 
sen nenere  form  CON  ist;  doch  schon  im  S.  €.  de  Bacan.  findet 
sich  CONVENTIONS  neben  COM VOVISE.    Für  oumquam  zeigt 
sich  NVNQVAM  zuerst  auf  der  neuesten  Scipioneninschrift,  für 
tantumdem  TANTVNDEM   in   der  lex  agraria.     Dafs    auch  in 
umquam  das  m  von  um  ursprünglich  sei,  ist  nicht  zu  bezwei- 
feln, ist  es  doch  eine  locativform  ganz  derselben  art  als  quam, 
cum. 

N.  Hier  ist  nur  sein  aus  fall  vor  t  besprochen.  Bekanntlich 
schwindet  N  im  lateinischen  nicht  selten  vor  S  in  COSOL  etc. 
(von  Aufrecht— Kirchhoff,  umbr.  sprachd.  I,  s.  97.,  begründet), 
dann  in  COIVNX  und  QVICTILIS;  aber  im  anfange  des  7.  jahrh. 
wenigstens  nicht  mehr  vor  T,  wie  früher  in  DEDROT,  DEDRO. 
Im  umbrischen  und  oskischen  zeigt  sich  dieser  ausfall  vor  t  nicht 
selten ,  doch  im  umbrischen  wie  im  lateinischen ,  meistens  aar 


de  titulo  Mararaiano  etc.  377 

in  der  altern  sprachperiodc.  Rücksichtlich  des  LVBETES  in  dem 
cpigr.  Soranum  möchten  wir  Ritschi  nicht  widersprechen',  wenn 
er  annimmt,  es  habe  auf  dem  steine  einst  LVBENTES  gestanden, 
obgleich  nicht  zu  längnen  ist,  dafs  auch  im  lateinischen,  wie  im 
griechischen,  der  schwachen  participialformen,  die  von  anfang  an 
kein  n  enthielten,  etwelche  bestanden. 

Q  findet  sich  nicht  selten  für  €  vor  V  in  jenen  denkmalen, 
welche  hinter  dem  jähre  620  liegen,  so  in  QVM,  QVRA,  DEQVS, 
PEQVNIA,  PEQVLATVS,  und  das  scheint  eine  erfindung  oder 
neuerang  des  Attius. 

Z.  Ueber  diesen  buchstaben  vergl.  Mommsen  unterital.  diaL 
p.  33  u.  216. 

Zuletzt  kommen  wir  noch  zurück  auf  die'  syncope  von  V 
nach  T  und  S.  Höchst  wahrscheinlich  war  es  Ennius,  der  offen- 
bar auch  für  die  gram  mal  ik  thSlig  war,  welcher  für  TVOS  und 
SVOS  die  formen  ohne  V  einführte,  also  SIS  für  S VIS,  SOS 
für  SVOS,  SAM  für  SVAM  nicht  nur  zu  sprechen,  sondern  auch 
zu  schreiben  wagte.  TIS  lesen  wir  auf  einer  alten  inschrift,  bei 
Orelli  no,  4847.  In  grofsem  Widerspruche  mit  der  ausspräche 
steht  in  einem  sehr  alten  verse  SOVEIS,  wo  SVEIS  gelesen  wer- . 
den  mufs,  wie  micis  in  einer  Scipioneninschschrift  einsilbig  zu 
sprechen  ist.  (R.  de  tit.  M.  p.  XV  sqq.). 

Zur  Formenlehre. 
Aus  der  formen  lehre  sind  in  diesen  schriflen  noch  viel  mehr 
nur  zerstreute  cinzelheiten  behandelt. 

I.   Zur   deklination. 

Ueber  den  nominativus  singularis  der  Wörter  auf  is  haben 
wir  oben  schon  gesprochen.  Ueber  den  gen.  sing,  der  vierten 
deklination  spricht  R.  de  lap.  Älatr.  p.  VII.  Es  findet  sich  auf  die- 
ser inschrift:  DE  SENATV  SENTENTIA,  was  mau  nicht  etwa 
leichthin  in  DE  SENATVS  verandern  darf.  Die  früheste  gestalt 
dieses  genet.  ist  offenbar  VOS,  und  SENATVOS  findet  sich  noch 
auf  dem  S.  C.  de  Bac.  Wie  nun  nach  und  nach  statt  nomin as, 
nominos,  noininus  ein  nominis  'eingetreten,  so  hier  ein  V-IS,  ein . 
VIS,  das  sich  wieder  doppelt  umsetzen  konnte  in  V  oder  I,  cf. 
die  und  dii;  die  zusammenziehung  VS  für  VOS  gehört  nicht  der 
alten  latinität  an.  Die  häufigsten  formen  des  genetivs  der  vierten 
deklination  sind  die  auf  VIS  und  I ,  welche  vom  6.  jahrh.  an 


378  Schweizer 

und  während  des  gröfsten  theiles  des  siebenten  herrschten,  so  je- 
doch, dafs  aufsei*  bei  Varro  I  wieder  häufiger  ist  als  VIS.  R. 
deutet,  da  er  von  diesem  genetivus  spricht,  deutlich  genug  an, 
dafs  er  dieselbe  bildung  dieses  casus  auch  für  die  erste  und  zweite 
deklinalion  voraussetzt:  er  erklärt  populi  wie  senali  und  wird 
auch  fabulai,  fabulae  gleich  fabulais  nehmen.  Dafs  ursprünglich 
auch  in  zweiter  deklination  s  für  den  gen.  sing,  wesentlich  war 
—  in  der  ersten  blieben  aus  dem  altlateinischen  selbst  noch  bei- 
spiele  übrig  — ,  das  scheinen  die  übrigen  italischen  sprachen  zu 
bezeugen:  im  umbrischen  und  oskischen  tritt  uns  hier  das  s  der 
verwandten  sprachen  mit  vorausgehendem  verlängertem  thema- 
vocal  uoch  deutlich  entgegen.  Als  beläge  der  ersten  deklination 
sind  im  umbrischen  tutas,  aus  der  spätem  zeit  totar,  aus  dem 
oskischen  eituas  u.  s.  f.  aufgeführt;  Beispiele  der  zweiten  sind  im 
oskischen  suveis  u.  s.  f.,  im  umbrischen  zeigt  sich  statt  dieses  eis 
ein  es,  er,  e.  Als  gen.  sg.  msc.  erster  deklination  im  oskischen 
stellt  Mommsen  mafai,  d.  i.  maräi  auf,  eine  form,  die  bekannt- 
lich auch  im  lateinischen  nicht  nur  in  femininen,  sondern,  wie 
Ritschi  in  seinen  prolegomena  nachgewiesen,  ebenfalls  in  mascu- 
linis  oft  genug  wiederkehrt.  Bergk  vermuthet  nicht  ohne  grand, 
dafs  diese  genetivbildung  im  lateinischen  erst  durch  Ennius  auf- 
gekommen sei,  welcher  sie  aus  dem  Messapischen  hereingebracht 
hätte.  Wir  lassen  sie  bei  der  vorliegenden  frage  unbeachtet.  Der 
einzige  umstand,  der  Ritschis  auffassung,  es  sei  in  allen  fünf  de- 
klinationen  des  lateinischen  dieselbe  bildung  des  gen.  sg.  anzu- 
nehmen, ai,  ae  in  der  ersten,  oi,  i  in  der  zweiten  und  ei  in  der 
fünften,  seien  durch  apocope  des  s  entstanden,  bedenklich  macht, 
ist  das,  dafs  uns  sonst  keine  beispiele  für  den  abfall  des  s  in  la- 
teinischen flexionsendungen  vorzuliegen  scheinen,  kein  -ti  für  tis 
in  legitis  u.  s.  f.  Dieser  umstand  führte  die  vergleichende  gram- 
matik  zu  dem  satze,  es  sei  im  lat.  die  bildung  des  locat.  auch  in 
den  genitiv  gedrungen,  äs  und  ae  der  ersten,  uis  und  i  der  vierten, 
es  und  ei  der  fünften  deklination,  seine  geschiedene  formen.  So- 
nati  und  dgl.  konnten  um  so  eher  als  Übergänge  in  die  zweite  de- 
klination aufgefafst  werden,  als  im  oek.  senateis  vollständig  eine 
gestalt  der  zweiten  vorliegt.  Kann  aber  Ritschis  auffassung  noch 
durch  andere  analogieen  erhärtet  werden,  so  verdient  sie  ent- 
schieden den  vorzug.  Auf  ollen  der  Vigna  Somaschi  las  man, 
sagt  Mommsen  untcrital  diall.  230.,  P.  CLODIS;  L.  RAGONIS; 
C.  REMIS;  L.  ANAVIS;  er  fragt  dann:  Sollten  dies  derartige 


de  titulo  Muramiano  etc.  379 

oskische  genetive  sein,  die  sieb  auch  in  der  lingna  rustica  der  Rö-  * 
mer  gefunden  hätten?  Wohl  nicht  nur  in  der  lingua  rustica,  wir 
lesen  auch  bei  Plautus  tis  statt  tui  (vergl.  oben  sis  st.  suis  etc.), 
und  tis  entspricht  aufs  genaueste  dem  oskischen  suveis  =  latein. 
sui.  Da  so  viele  Überbleibsel:  familias,  Clodis,  tis,  senatuis,  per- 
nieiis  etc.  und  die  analogie  der  übrigen  ital.  dialekte  für  Ritschi 
sprechen,  stehen  wir  nicht  mehr  an  ihm  beizustimmen.  Und  der 
abfall  eines  auslautenden  s,  wenn  er  auch  nicht  in  wirklichen 
fl ex  ionsend ungen  eintritt,  ist  doch  in  gleichberechtigten  bildungen 
nicht  unerhört,  im  verbum  passivum  re  für  res,  ris,  in  pote, 
mage  o.  s.  f. 

Nom.  plur.  der  zweiten  deklination.    In  der  zweiten  schritt 
p.  18.  stellt  Ritschi  die  beispiele  dieses  nominatives  auf  EIS,  ES 
zusammen:  EEIS,  QVES,  conscrIPTES,  EIS,  ITALICEIS,  HISCE 
finis,  MINVCIEIS  RVFEIS,  VITVRlfcS,  VITÜRIS,  CAVATVRI- 
NEIS  und  CAVATVRINES,  MENTOVINES,  VIREIS,  GNATE1S, 
FACTEIS,  PVBLICEIS,  POPVLEIS,  LEIBEREIS  u.  s.  f.    Diese 
endung  Gndet  sich  vom  jähre  668  an  bis  einige  jähre  nach  der 
mitte  des  7.  jahrh.,  wie  man  sieht,  gar  nicht  selten.    Bei  Plautus 
und  Terenz  darf  und  mufs  sie  oft  hergestellt  werden.     Für  den 
nom.  plur.  der  ersten  deklination  liegt  uns  kein  sicheres  beispiel 
der  endung  AS  vor;  denn  das  berühmte  laelitias  insperatas  ist 
mit  unrecht  als  solches  aufgefafst  worden.   Auch  hier  bieten  uns 
die   übrigen  italischen  dialekte,    so  weit  sie  verglichen  werden 
können,  überall  ein  8,  oder  im  umbrischen  dafür  ein  r,  und  auch 
hier  kann  nur  der  einzige  grund,  dafs  s  in  den  flexionsendungen, 
namentlich  nach  langen  vocalen,  im  lateinischen  nicht  wegfalle, 
gegen  die  natürliche  erklärung  von  ae,  oe,  i  im  nom.  plur.  an- 
geführt werden.     Bopp  hielt   in  der  vergleichenden  grammatik 
lat.  ae,  oe,  i  an  die  sanskritendung  e  (=a  —  i)  im  pronomen 
und  nimmt  au,  es  sei  die  form  des  masculinums  dann  mifsbräuchlich 
aufs  femininum  übergegangen,  er  fafst  also  in  populi  iz=ot  toi  etc. 
Und  das  ist  schon  zuzugeben,  dafs  bildungen,  die  sonst  in  den 
verwandten  sprachen  wesentlich  dem  pronomen  angehören,  im 
griechischen   und  lateinischen  auch  in  der  deklination  des  sub- 
stantivnms  erscheinen,  so  die  bildungen  des  gen.  plur.  auf  -rum 
u.  s.  f.    Doch  stimmen  wir  auch  hier  zu  der  ansieht,  welche  die 
Ritschlsche  zu  sein  scheint,  es  seien  uns  in  diesen  formen  der 
zweiten  deklination  auf  EIS,  ES,  IS  die  ursprünglichem  erhalten, 
aqs  denen  EI,  I  erst  hervorgegangen.   Will  man  dieses  nicht  zu- 


380  Schweizer 

geben,  dann  mufs  man  mit  Pott  annehmen,  es  sei  der  alten  eu- 
dung  Ef,  E  nach  analogie  der  drei  folgenden  deklinationen  ein 
plurales  s  erst  später  zugesetzt  worden.  —  Aeufserst  interessant 
wäre  EVS  für  EEI  auf  dem  aes  Gen.  (p.  18.  der  zweiten  schritt), 
wenn  es  ganz  sicher  überliefert  ist,  da  es  merkwürdig  genau  mit 
der  umbr.  endung  -us,  -ur,  mit  osk.  -us  übereinstimmt;  und  lal. 
eus  wSre  vollständig  dasselbe  mit  umbr.  eur-ont. 

Zuletzt  noch  ein  wort  über  eine  anzahl  von  verben  mit  ein- 
geschobenem N  oder  IN,  welche  R.  no.  2.  p.  17  ff.  bespricht.  Es 
sind  die  formen  DANVNT  auf  dem  epigr.  Soranum,  danunt  bei 
Plautus,  nequinont,  .inscrinuntur  (interserinunlur)  bei  Livius  A., 
prodinunt,  redinunt  bei  Ennius,  ebenso  carlnans,  carjnantibus,  bei 
Plautus  noch  coquinatum;  von  Fest  us  werden  angeführt  exple- 
nunt,  obinunt,  ferinunt,  solinunt.  Alle  diese  beläge  gehen  nicht 
über  die  grenzen  des  6.  Jahrhunderts  hinaus;  fruniscor  braucht 
Lucilius.  Ritschi  nimmt  hier  überall  als  eingeschobene  silbe  in  an, 
dessen  i  nur  mit  vorausgehendem  wurzelvocale  zu  einer  lauge 
zusammenschmelzen  konnte,  daher  fruniscor  =  fruiniscor,  exple- 
nunt  =  exple-in.,  nequinunt  =  neque-in,  prodinunt  =  prode  oder 
prodi-in  etc.  aber  cariuans,  inscrinuntur  u.  s.  f. 

Allererst  scheint  uns,  müssen  hier  coquinarc  und  carinare 
ausgeschieden  werden.  Sie  scheinen  uns  ebenso  bestimmt  denomi- 
nativa  als  absiinare,  destinare  n.  a.  Auch  fruniscor  weicht  sicher 
insofern  aus,  als  es  nicht  auf  die  dritte  person  pluralis  beschränkt 
ist  und  nicht  in  die  angegebene  periode  hineinfällt.  Eben  darum 
weil  uns  von  solino  =  consulo  die  erste  pers.  singul.  aufgeführt 
wird,  ist  es  wohl  ganz  zu  trennen  von  solinunt  =  solent,  sofern 
nicht  auch  in  jenem  etwa  die  erste  person  blofs  beispielsweise 
überliefert  ist.  Bleiben  uns  aber  nur  dritte  personen  plur.  dieser 
art  übrig  (danc  und  danam  bei  Plautus  bestreitet  auch  Ritschi), 
dann  möchte  es  doch  fast  scheinen,  als  sei  hier  nicht  ein  IN  ein- 
geschoben, sondern  als  sei  die  endung  wiederholt.  Und  analo- 
gieen  dieses  processes  fehlen  uns  nicht:  in  der  vedensprache  findet 
sich  im  nomen  die  pluralendung  as  gar  häufig  doppelt  z.  b.  de- 
väsas  st.  deväs  u.  dgl. ,  und  im  ahd.  sindun ,  sintun  sunt  vermö- 
gen wir  nicht 8  anderes  zu  sehen  als  sintun t,  also  nur  das  umge- 
kehrte von  danunt  für  dantunt,  dantun  etc.  Dafs  es  danunt  heilst, 
das  zeugt  uns  ja  gerade  dafür,  dafs  hier  keine  zusammenziehung 
statt  fand  aus  da-inunt.  Explenunt  konnte  aber  doch  nicht  an- 
ders lauten,  da  dor  wurzelvocal  in  ple  e  ist,  nicht  c,  das.  lehrt 


de  titulo  Mummiano  etc.  381 

uns  skr.  prä  und  lal.  plenus.  Sehr  naturlich  scheint  es  uns,  dafs 
auch  prodinunt  u.  s.  f.  ein  I  bieten,  da  der  zuläut  der  wurzel  1, 
wenn  nur-  diese  im  lateinischen  anzunehmen  ist,  in  der  römischen 
conjugation  sein  gebiet  auch  sonst  überschritten  in  Imus  gegen 
skr.  imas,  gr.  ipev  etc.  Und  danach  richtet  sich  nequinont,  wenn 
wir  nicht  gar  auf.  eine  älteste  form  nequicnont  schliefsen  wollen. 
In  inscrinuntur.ist  eine  Schwächung  des  ersten  a,  o  in  i  einge- 
treten, in  ferinunt  die  zusammenziehung'  von  iö,  it  in  ij  über  so- 
linunt  ist  uns  keine  sichere  entscheid ung  möglich,  da  wir  nicht 
einmal  wissen,  ob  sein  i  lang  oder  kurz  war,  und  da  soleo  selbst 
ebenso  wenig  ein  reines  verbum  der  zweiten  conjugation  zu 
sein  scheint,  als  dare  eines  der  ersten.  Früniscor  aber  schliefst 
sieb  an  die  gewöhnlichere  verbalbildung  in  cerno,  sino,  lino  u.  s.  f. 
an  und  die  länge  seines  u  ist  eine  frucht  des  ausgestofsenen  con- 
sonanten.  Denn  fruges,  fruetus,  skr.  bhuj,  deutsch  «brauchen» 
zeugen  uns  doch  stark  genug  dafür,  dafs  fruor  für  frugor  steht, 
früniscor  also  für  frugniscor  stehen  kann.  Ob  unser  erklär ungs-. 
versuch  richtig  sei,  scheint  uns  lediglich  davon  abzuhängen,'  ob 
ein  soltno  für  consulo  wirklich  vorgekommen  und  ob  es  dann 
ein  verbum  der  dritten  starken  conjugation .  gewesen ;  denn 
ein  sölinare  wurde  unter  dieselbe  categorie  fallen  als  carinare«rc 
d.  b.  es.  wäre  ein  denominativum.  Sollte  aber  auch  unsere  deu- 
tnng  nicht  annehmbar  erscheinen,  so  ist  es  immer  noch  sehr  dem 
zweifei  unterworfen,  ob,  wie  R.  behauptet  und  schon  Scaliger 
angedeutet  hat,  ein  solches  IN,  griech.  etwa  -av-  mit  IN  in  itiner, 
jeeinoris  u.  s.  f.  in  irgend  welchem  engeru  zusammenhange  stehen, 
lieber  dieses  IN  im  nomen  geben  uns  Kuhns  treffliche  abhandlun- . 
gen  ««über  das  alte  S»  und  Aufrechts  auseinandersetzung  «über 
einige  seltnere  affixe  im  sanskrit,  griechischen  und  lateinischen» 
sehr  fruchtbare  andeutungen. 

Zum  Schlüsse  unterlassen  wir  nicht  dem  heran  prof.  Ritschi 
aufs  herzlichste  zu  danken  für  seine  reichen  gaben.  Wir  aner- 
kennen seinen  ausspruch  vollständig,  wenn  er  sagt:  Uli  (qui  a 
multiplici  linguarum  inier  se  comparalarum  apparatu  instrueti 
bene  mereri  de  his  lileris  volent)  plus  nostra  sententia  in  eis  pro- 
öcient,  si,  quid  tandem  instituisse  atque  probasse'antiquitas  curiose 
pervestigata  deprehendatur,  «a  philologis  discere,  quam  fastidiosius 
carillari  philologos  maluerint,  e  Schneiden  rivulis  suos  inigare 
agellos  contenti.  Nur  trifft  der  ausspruch  nicht.  blofs.4ie  sprach-, 
vergleicher,  sondern  wenigstens  so  sehr,  wir  wissen  nicht,  ob 


382  ßugg«1 

nicht  noch  mehr  die  Verfasser  der  lateinischen  grammatiken,  wel- 
che meist  zum  erstaunen  wenig  von  der  geschiente  der  lateini- 
schen spräche  wissen.  An  den  dank  schliefst  sich  die  bitte, 
männer,  wie  Momnisen,  Ritschi  nnd  ihre  genossen  mögen  die  oft 
wirkliche,  oft  nur  anscheinende  kühnheit  der  sprachvergleicher 
nicht  von  vorneherein  für  ein  unsinniges  gehahren  erklären:  diese 
kühnheit  hat  schon  mehrmals  zur  Wahrheit  geführt. 

Zürich  im  october  1852.  H.  Schweizer. 


Zar  erkKrang  der  oskischen  spraehdenkmtter. 

Einige  verbalformen. 

1)  Cipp.  Abell.  31.  44.  kommt  die  form  amfret  vor.  Dafe 
diese  «ambeunt»  nicht  «ambit»  bezeichnet,  ist  von  Aufrecht  und 
Kirchhoff  (umbr.  sprachd.  I,  165)  dargelegt  worden;  doch  fugen 
sie  hinzu:  «eine  Schwierigkeit,  welche  dieser  erklärung sich  ent- 
gegenstellt, dafs  nSmlich  auch  der  bindevocal,  wie  er  im  röm. 
e-u-nt,  skr.  y-a-nti  erscheint,  fehlt,  verkennen  wir  nicht»  Diese 
Schwierigkeit  wird  durch  folgende  annähme  weggeräumt:  in  am- 
fret ist  r.e»  nicht  stammvocal,  denn  dieser  mufste  als  «i»  (vgl. 
ioc,  ionc)  erscheinen,  sondern  bindevocal  (vgl.  set  =  lat.  sunt); 
der  stammvocal  ist  ausgefallen,  folglich  amfr-e-t  statt  amfr-i-e-t, 
vgl.  famelo  =  lat.  familia,  herest  =  umbr.  heriest,  tat.  pa- 
rentes  statt  parientes  u.  m.  d.  (Pott  etym.  forsch.  I?  116),  umbr. 
mefa  statt  mefia  u.  m.  d.  (umbr.  sprachd.  I,  21). 

2)  Tab.  Baut.  19 ff.  pon  censtur  bansae  tovtam  censa- 
zet  pi8  cevs  bantins  fust  censamur  esuf  in  eituam  poi- 
zad  ligud  ..s.  censtur  censaum  angetuzet.  Die  aasleger 
behaupten  einstimmig,  dafs  sowohl  censazet  als  angetuzet 
singulare  verbalformen  seien,  wie  es  scheint  durch  das  subjeet 
censtur,  welches  sie  als  unzweifelhafte  singularform  fafsten,  ver- 
leitet. Aber  aus  vergleichung  mit  den  pluralformen  tribarakattu- 
set  (s.  umbr.  sprachd.  I,  168),  umbr.  benurent  den  singuiaren  di- 
cust,  umbr.  benust  gegenüber  erhellt,  dafs  angetuzet  3.  per*, 
plur.  fut.  exaeti  ist;  auch  ist  cenzazet,  was  die  vergleichung 
mit  umbr.  staheren  (statt  staherent)  gegen  deivast,  umbr.  pehast 
lehrt,  ohne  zweifei  3.  pers.  plur:  fut.  simpl.  Folglich  mufs  gleich- 
falls das  sobjeet  censtur  nomin.  plur.,  nicht  singuL,  sein,  was 


zur  crklärnng  der  oskischen  Sprachdenkmäler.  383 

auch  nicht  auffallen  kann,  wenn  man  sich  erinnert,  dafs  umbr. 
frater  (vgl.  Aufrecht  und  Kirchhoff  umbr.  sprachd.  K.  310)  so- 
wohl nomin  pltir.  als  sing,  ist;  vgl.  noch  osk.  meddiss  (nom. 
sg.  und  plur.) 

3)  Tab.  Bant.  23.  pr.  svae  praefueus  —  fust,  30.:  fa- 
cti s  estud.  Mommsen  übersetzt:  «praetor  si  praefectus — erit;M 
«factus  esto»,  und  gewifs  richtig;  wenn  er  aber  meint,  dafs  fa- 
cus  und  praefueus  nomin.  sing,  der  stamme  faco  und  prae- 
fueo  seien,  und  dafs  man  hier  zwei  durch  das  suffix  «o»  gebil- 
dete partieipien  habe,  ist  dies  falsch  und  bereits  von  Aufr.  und 
Kirchh.  (umbr.  sprachd.  I,  169)  widerlegt.  Meiner  meinung  nach 
sind  facus  und  praefueus  nomin.  sing,  von  facuo,  praefu- 
eno  (vgl.  nom.  sg.  degetasis,  stamm:  degetasio),  die  von  der  wür- 
zet fac  durch  suff.  uo  gebildet  sind,  vgl.  lat.  individuus,  perspi- 
cuus  u.  a.  (Pott  etym.  forsch.  11,505);  prae-fueuo  ist  durch 
vocalassimilation  aus  prae-facuo  entstanden,  vgl.  pertumust 
=  pertemust,  umbr.  kumultu  =  fcumaltu  (umbr.  sprachd.  I,  60), 
während  dagegen  das  einfache  facuo  diese  lautschwächung  nicht 
erlitten  hat.  —  Demnach  mufs  wohl  auch  sipus  T.  B.  5,  14. 
als  nom.  sg.  von  einem  stamme  sipuo  angesehen  werden;  vielleicht 
kann  es  den  lateinischen  Wörtern  «pal am  luci"  auf  der  kchrseite 
der  tafel  entsprechen  und  von  einer  wurzel  sip  =r  goth.  saihvan 
(vgl.  Aufrecht  in  dieser  Zeitschrift  I,  352)  gebildet  sein. 

4)  censamur,  Tab.  Bant.  19  ist  von  Curtius  (zeitschr.  f. 
d.  alterth.  1S49  s.  346)  und  Aufrecht  (in  dieser  zeitschr.  I,  189) 
als  «censetor»  richtig,  gedeutet  und  mit  den  nmbrischen  passiv- 
imperativen auf  mu  zusammengestellt;  nur  die  entstehung  der 
formen  ist  noch  zweifelhaft.  Die  umbr.  sprachd.  I,  142  gegebene 
vermuthung  befriedigt  nicht,  und  Aufrecht  scheint  sie  auch  selbst 
in  dieser  zeitschr.  I,  189  zurückzunehmen.  Ich  vergleiche  mit 
umbr.  mu  statt  mud  (wie  tu  statt  tud)  lat.  imper.  pass.  mino, 
wozu  es  sich,  wie  lit.  ptep.  mas  zum  sanskritischen  mäna-s,  ver- 
hält, im  osk.  mar,  statt  dessen  man  mud  erwarten  möchte, 
mufs  dann  das  passive  «r»  nach  falscher  analogie  zugefugt  sein. 

5)  tribarakavum,  Cipp.  Abell.  36.  Mommsen  (unterital.  dial. 
8.  238)  betrachtet  mit  gutem  rechte  gegen  Curtius  diese  infinitiv- 
form als  präsentisch;  aber  seine  auffassung  des  «v»  ist  entschie- 
den falsch  und  schon  von  anderen  abgewiesen.  Das  «v»  ist  hier 
nur  euphonisch;  es  ist  nämlich  eine  nicht  seltene  spracherschei-. 
nung,  dafs  v  sich  aus  einem  folgenden  u  (oder  o),  theils  im  inlaute, 


384  Bugge 

um  hiatus  zu  vermeiden,  Iheiis  im  anlaute,  entwickelt;  so  provenc. 
avultro  =  aültre,  lat.  adulter  {Diez  roman.  spr.  I,  164);  fr.  dial. 
vou  =  ou ;  ags.  wutau  =  utan,  Wuffa  =  Uffa :  altpreufs.  wusch* s 
rsuscbts. 

6)  Hier  nur  einige  andeutungen  und  vermuthungen  von  der 
bildung  des  futurums;  viele  dunkle  punkte  bleiben  unerörtert.  Im 
oskischcn  fut.  simpl.  act.  wird  an  den  präsensstamm  in  der  3.  pers. 
ging.  — est  oder  (in  den  auf  a  und  u  auslautenden  stammen)  — st, 
plur,  — zet  (in  dem  einzigen  beispiele  censazet)  gefugt;  im 
umbrischen  entspricht  3.  pers.  sg.  — est,  —st,,  pl.  — reu  (insla- 
heren  statt  staherent).  Wegen  der  umbr.  form  fuiest  (erit)  neh- 
men Aufrecht  ü.  Kirchh.  (umbr.  sprachd.  I,  144)  überall  eine  ur- 
sprüngliche endung  — iest  ( — jest)  an,  die  eine  Verbindung. der 
würzet  I  (gehen)  mit  dem  conjunetiv  präs.  der  wurzel  ES  (sein) 
,  sei.  Dies  ist  mir  aber  aus  verschiedenen  gründen  unwahrschein- 
lich.; besonders  spricht  dagegen,  dafs  dann  das  fut.  simpl.  in  sei- 
ner bildung  vom  fut.  exaet.  ganz  verschieden  wäre;  ich  vermuthe. 
dafs  «i»  int  umbr.  fuiest,  wie  in  fuia  =  sit  (anders  umbr.  sprachd. 
I,  141,  Curtius  in  zeitschr.  f.  d:  alterthuinsw.  1849.  s.  345)  prä- 
senscharakter  sei,  und  stutze  mich  hierbei,  auf  .die  äol.  form  qivita 
=  qpt/w.  '     : 

'  Ferner  scheint  es  unrichtig,  wenn  Aufrecht  u.  Kirchhoff  in 
.st,  plur.  — zet,  wo  doch  offenbar  .jede  modusbezeichnung  fehlt, 
den  conjunet.  der  wurzel  ES  (sid,  sins)  Beben.  Ich  vergleiche 
mit  den  erwähnten  osk.  und  umbr.  futuren  die  alten  lat.  levasso, 
.  axo,  capso  u.  a.,  die  wahrscheinlich  mit  Mad wig  und  Böpp  als 
ursprüngliche  futura  simplicia  angesehen  werden  müssen;  in  allen 
diesen  formen  hat  mau  eine  Zusammensetzung  mit  dein  fut.  der 
wurzel  ES,  eso,  erd  zu  sehen.  Nun  ist  wie  ich  vermuthe  und 
was  wohl  nicht  die  formen  dederitis,  capsimus  u.  a.  (vgl.  Curtius 
temp.  u.  modi  s.  321)  widerlegen,  ero  ein  ursprüngliches  präsens. 
nur  so  weit  von  sum,  est  u.  s.  w.  als  lat.  eo  vom  griech.  dpi, 
verschieden;  wir  finden  also  hier  die  auch  sonst  nicht  seltene  er- 
schein ung,  dafs  die  spräche  zwei  ursprüngliche'  gleichbedeutende 
formen  im  lauf  der  zeit  zur  bezeichnung  verschiedener  begriffe 
•  angewendet  hat.  Eine  überraschende  analogie  bietet  uns  in  be- 
treff der  form  das  litauische  dar,  wo  im  prfis.  indic.  des  hulfs- 
verbs  neben  esmi,  plur.  esme  das  neuere  essu  (statt  esu,  wie  le- 
vasso statt  levaso),  plur.  esam  sich  findet;  die  Übereinstimmung 
offenbart  sich  auch  darin,  dafs  essu  zur  bildung  des  fut.  ange- 


zur  erklärung  der  os  Irischen  Sprachdenkmäler.  385 

wendet  wird;  so  entspricht  lit.  suk-ku  dem  lat.  cap-so,  osk.  did- 
est,  deiva-st.  Meine  vermuthung,  dafs  ero  ein  ursprüngliches 
präsens  sei,  wird  noch  durch  Übereinstimmung  neugebildeter  prä- 
sensformen in  den  roman.  sprachen  bestätigt,  denn  merkwürdig  und 
kaum  zufällig  stimmt  ßpan.  eres  (es)  zu  lat.  eris,  ital.  essere  (esse) 
zu  impetra-ssere.  Auch  -bo  (statt  -fuo),  wodurch  das  gewöhnliche 
zusammengesetzte  fut.  simpl.  im  lat.  gebildet  wird,  ist,  wie  schon 
Pott  vermuthet,  ein  ursprüngliches  präsens  (vgl.  ags.  beo) ;  so  er- 
klärt sich  die  präsentische  bedeutung  der  participien  auf  -buudus. 
Zu  fust  verhält  sich  offenbar  fusid  Cipp.  Abell.  19,  wie  lat. 
sit  (osk.  sid?)  zu  est  (ist),  und  ist  also  mit  lat.  faxim,  ausim  zu 
vergleichen;  mit  fusfd  gleichartig  scheinen  auch  die  formen  paten- 
sins  Cipp.  Ab.  50.  51.  und  tribarakaitins  Cipp.  Ab.  48  (statt  tri- 
barakat-sins?  vgl.  umbr.  sprachd.  1, 168). 

Wort  erklär  ungen. 
1)  Auf  einer  pompeianischen  inschrift  bei  Mommsen  no. 
XXEXa.  findet  sich:  anter.  tiurri.  XII.  ini  ver  ||  sarinu.  statt  des- 
sen no.  XXIXb:  anter.  tiurri.  XII.  im'.  ||  verusarinu.  Mommsen 
überträgt:  «inter  turrim  XII.  et  deversorium?»  und  gibt  im  glos- 
sar  folgende  erklärung:  «ver  ||  sarinu  XXIX a.  verusarinu  XXIXb. 
subst.  2  decl.  acc.  sg.?  verusa-  scheint  eine  vocalisirte  form  von 
versa  —  versarinu  mufs  eine  localität  in  Pompeji  sein,  wobei 
wohl  nicht  an  den  Sarnns  zu  denken,  sondern  vielleicht  =  dever- 
sorium «wirthsbaus».  Diese  letzte  erklärung  kann  aber  aus  meh- 
reren gründen . nicht  gestattet  werden:  im  oskischen  findet  sich 
keine  spur  eines  8 uff.  -anno  (das  lat.  suff.  ario  lautet  asio),  fer- 
ner bleibt  so  der  eingeschobene  vocal  «un  völlig  unerklärt;  end- 
lich ist  es  die  Zusammensetzung  mit  de,  die  dem  lat.  deversorium 
seine  bedeutung  gibt.  —  Ich  lese  «veru  sarinu»  als  zwei  Wörter; 
auf  XXIX a.  mufs  folglich  am  ende  der  zeile  nach  «r»  ein  «u» 
verschwunden  sein,  was  um  so  wahrscheinlicher  sein  kann,  als  , 
auch  die  fünf  vorhergehenden  buchstaben ,  als  Mommsen  die  in- 
schrift sah,  verschwunden  waren.  Ferner  mufs  als  stütze  mei- 
ner lesung  angeführt  werden,  dafs  ßonuccis  abschrift  von  XXIXb. 
zwischen  veru  und  sar-  räum  läist.  Demnach  mufs  man  wohl 
veru,  wie  sarinu,  als  aecusativ  fassen  und  der  Wortstellung  nach 
in  jenem  ein  Substantiv,  in  diesem  ein  adjeetiv  vermuthen.  Die  be- 
deutung des  veru  betreffend,  liegt  es  nahe,  umbr.  verus  pl.  masc, 
das,  wie  Aufr.  u.  Kirchh.  (umbr.  sprachd.  II,  123 ff.)  gezeigt  ha- 
ll.   5.  25 


386  Bngge 

ben,  «tnor»  bedeutet,  zu  vergleichen;  denn,  dafs  dies  wort  im 
umbr.  plur.  tant.  ist,  kann  dieser  annähme  wohl  nicht  hinderlich 
sein.  Dunkler  ist  mir  sarinn;  doch  scheint  es  dasselbe  suffix,  das 
uns  in  herukinai,  nuvkrinum,  sidikinud  begegnet,  zu  enthalten, 
weshalb  ich  auch  .die  Schreibung  mit  «i"  vorziehe*,  vielleicht  ist, 
wie  auch  Mommsen  andeutet,  das  wort  von  einer  kürzeren  form 
•statt  Sarnus,  die- in  Sarrastes  (vgl.  Mommsen  gloss.  v.  [s]arasne£m]) 
erscheint,,  abzuleiten.  Uebrigens  mufs  in  diesen  zwei  Wörtern  der 
.vocal  u  statt  o  im  accus,  bemerkt  werden. 

2)  Tab.  Agnon.9.  27.  anafriss.  Das  wort  ist,  wie  ligis« 
dat.  abl.  plur.  3.  decl.  Gegen  die  erklärung  «inferis»,  die  auch 
nicht  von  seite  der  bedeutung  sich  empfiehlt,  spricht  die  verschie- 
dene declination.  Ich  übersetze  «imbribus»;  in  anafriss  ist  der 
ursprüngliche  vocal  a  und  die  spirans  f  im  Vorzug  gegen  lateib. 
imber,  griecfa.  ofißQog  bewahrt,  wodurch  das  wort  sich  dem  skr. 
abhra  (vgl.  Benfey  gr.  wurzelle?,  II,  341)  näher  stellt.  Für  die 
einschiebung  des  a  (a,  da  derselbe  vocal  vorhergeht)  zwischen  n 
und  f,  also  in  einem  falle,  der  von  Kirchhoff  (in  dieser  zeitschr.  I, 
36 ff.)  nicht  berührt  ist,  vergleiche  ich  wetterau:  finef  =  goth. 
fimf,  altfries.  kenep  =  altnorw.  kampr. 

3)  Tab-.  Baut:  20  *.s..  .ceüst-ur.  Mommsen  liest  zweifelnd 
asc  und  übersetzt  «hie  censor».  Oben  habe  ich  aber  gezeigt, 
dafs  censtur  nomin.  plur.  sein  mufs;  folglich  niufs  auch  das 
vorhergehende  wort,  wenn  es,  wie  Mommsen  annimmt,  ein  dazu 

-  gehörendes  pronom.  demonstr.  ist,  plur.  sein.  Die  lesung  Momoi* 
*sens  asc  und  Lepsius's  aisc  scheint  sinnlos;  ich  -halte  mich  an 
die  Variante*  Marinis  iüae,  nur  lese  ich  wegen  der  bemerkung 
Mommsens,  der  letzte  buchstab  sei  eher  c  als  e,  iusc.  Dies  deute 
ich  «ii";  von  izic  mufs  man  nämlich  nach  nom.  sg.  fem.  ioc, 
acc.  sg.  msc.  ionc  und  umbr.  eur-ont  nom.  plur.'  masc.  ioso 
vermuthen;  aber  auch  sonst  wechseln  auf  der  bantinischen  tafel 
n  und  o  (z.  b.  acc.  -om  und  -um);  vgl.  noch  nom.  piur.  fistlus. 

4)  Tab.  Bant.  22 ff.  in  amiricatud  allo  famelo  in  ei 
siuom  paei  eizeis  fust...  tovtico  .estud.  Die  deutuug 
Mommsens  der  Wörter  in  ei  (wofür  er  in  ei  corrigirt)  siuom 
bedarf  wohl  keiner  Widerlegung.  Ich  vermuUie  in  diesen  Wör- 
tern eine  Verstümmelung  aus:  in  eituo  =  et  peeunia. 

5)  carneis,  Tab.  bant.  3.  6.  gen.  sg.  fem.:  Aufrecht  und 
Xirchhoff  (uinbr.  sprachd.  II,  332ff.)  haben  scharfsinnig  dies  wort, 
wie  das  umbr.  kam,  als  «pars»  gedeutet,  doch  ohne  diese  an- 


zur  erklSrung  der  oskischen  Sprachdenkmäler.  387 

nähme  etymologisch  zu  bestätigen.  .  Ich  gebe  hier  eine  vermu- 
thnng,  die  nur  als  solche  betrachtet  werden  soll;  man  hat  darin 
eine  wurzel  kar  zu  sehen,  welche  ich  mit  skr.  kr,  kalay  =  dis- 
jicere,  dispergere,  die,  wie  Benfey  gr.  wurzellex.  II,  172  zeigt, 
in  einigen  ableitungen,  in  den  participien  kalila,  kirna  u.  a.,  die 
bedentnng  «theilen»  hat,  vergleiche;  zu  derselben  wurzel  stellt 
Benfey  gael.  crann  (loos),  das  dem  angeführten  osk.  .und  umbr. 
worte  nahe  zu  stehen  scheint. 

Christiania.  -  Sophus  Bugge. 


Die  wurzel  ei,  ™,  qui,  fi. 

Benfey  hatte  schon  in  seinem  griechischen  wurzellexikon  II. 
233  für  die  sanskrit wurzel  ci  die  bedeutungen  strafen  und  ehren 
erschlossen,  für  jene  auf  zend.  citha  (so  ist  dort  zu  lesen)  strafe* 
für  diese  auf  skr.  apaciti  f.  worship,  reverence,  apacita  ho- 
noured,  saluted  sowie  auf  einige  slawische  Wörter  sich  stutzend. 
Von  den  zuletzt  genannten  sanskrit  Wörtern,  die  bisher  nur  durch 
Wilson^ .  Wörterbuch  nachgewiesen  waren,  findet  sich  Jenes  Vaj. 
S.  21.  58.  und  wenn  schön  dadurch  obige  annähme  bestätigung 
erhält,  so  geschieht  dies  andrerseits  auch'  für  die  bedeutung  stra- 
fen, die  bisher  nur  nach  dem  zendischcn  citha  aufgestellt  war. 
Roth  fuhrt  nämlich  in  seinen  erläuterungen  zu  Nirukta  4.  25. 
aufser  der  im  text  enthaltenen  stelle  noch  zwei  freispiele;  an,  in 
welchen  die  wurzel  ci  und  zwar  im  ätmanepadem  Ister  conju- 
gationsklasse  die  bedeutung  «verfolgen,  bestrafen'1  hat.  'Das  erste 
derselben  (RV.  VII.  3.  19.  2.  mä'  tat  karma  väsavo  yac  cäyadhve) 
isV  wenn  das  citat  richtig  ist  (was  ich  im  augenblick  'nicht  be- 
stimmen kann)  einer  stelle  im  sechsten  mandala  (RV.  6.  50.  7) 
gleich,  m  welchem  die  Äditya's  verherrlicht  werden  und  es  heifst: 

yüyam  hi  stha  rathyö  nas  tanü'näm  yüyam  däxasya  väcaso   • 

babhüvd  ||  6  [| 

mä'  va  eno  .anyäkrtam  bhujema  mä'  tdt  karma  vasavo  yäc   - 

ciy.adhve  | 

vicvasya  ht  xäyatha  vigvadeväh  svayam  ripus  tanvam  riri-  . 

shishtaH7||.  .      . 

«Denn  ihr  seid  die  lenker  unserer  leiber,  ihr  seid  es*  der  kraft 
und  der  rede;  dafs  wir  nur  nicht  die  sünde,  die  andere  an  euch 

25* 


388  Kulm 

gethan,  büfsen  müssen,  nicht  die  that*),  die  ihr  o  Vasu's,  strafet ; 
denn  des  all's  hemcher  seid  ihr  o  allgötter,  den  eignen  leib  möge 
der  feind  (sonder,  ef.  ripram  and  ripas)  schädigen.» 

Die  zweite  von  Roth  angeführte  stelle  steht  ebenfalls   in 
einem  liede  an  die  Aditya's  und  lantet  (RV.  2.  27.  4): 

dhäräyanta  Adityä'so  jägat  sthä'  deva'  vicvasya  bhuvanasya 

gopa  h  | 
dhirghä'dhiyo  räxamänä  asuryäm  rtä'vänac  cäyamänä  rnä'ni 

II 4  1| 

A 

«Wandelndes  und  festes  erhalten  die  Aditya's,  die  göttlichen 
schatzer  der  gesammten  Schöpfung,  die  in  dauerndem  frommem 
werk  des  lebens  quell  bewachen,  die  wahrhaftigen,  welche  die 
schuld  rächen.»  Die  stelle  im  Nirukta,  zu  welcher  diese  citate 
entnommen  sind,  ist  dem  ersten  mandala  des  Rigveda  entnommen 
(t.  190.  5)  und  lautet  vollständig. 

yc  tvä  devo'  srikam  mänyamänah  päpa'  bhadram  opaji'vant 

pajrä'h  | 

na*    dudhye   anu  dadasi  vämäm  Brhaspate   cayase  it  piyä- 

rum||5|| 
«Die  dich  o  gott  für  gering**)  achten,  die  durch  dich  treulichen 
leben,  die  bösen  Pajra's  (oder:  die  bösen  reichen),  nicht  gewährst 
du  den  gottlosen  ihren  wünsch,  sondern  du  strafst  o  Brhaspati 
den  8cbmäher.»   Hieran  schliefst  sich  noch  die  stelle  R.  1.  167.  8: 

pä'nti  miträ'värunäv  avadyä'c  cäyata  im  aryamö  äpracastän  | 
«Mitra  und  Varutia  schützen  vor  der  sünde  und  es  straft  Arya- 
man  die  ruhmlosen.» 

Diese  stellen  zeigen  deutlich  die  bedeutung  strafen,  die  sünde 

*)  so  scheint  mir  richtiger,  wegen  sv.  ripus  u.  8  w.  zu  übersetzen, 
doch  läfst  sich  auch  Süyana's  auftassung  hören,  der  das  allerdings  ac- 
centlose  und  deshalb  schon  von  den  grammatikern  als  verbum  gefafste 
karma  durch  kärshma  umschreibt;  indefs  wäre  in  diesem  fall  doch  wohl 
karAma  zu  erwarten. 

**)  usrikam  bringt  Süyana  im  Zusammenhang  mit  usriyä,  gönfima 
und  erklärt  es  durch  kutsitfm  alpaxtrotsravinfm  gä/n  jtritam  »narfrüham 
vä;  also  die  Pajra's  oder  die  reichen  halten  den  Brhaspati  für  eine 
fast  milcblo8e  kuh  oder  für  einen  altersschwachen  stier,  der  ihnen  ihre 
wünsche  nicht  gewahren  kann,  sie  beten  nicht  zu  ihm.  Ob  die  Pajra's 
als  stammnamen  zu  fassen  seien,  und  der  Verehrung  des  Brhaspati,  deV 
einer  der  jüngsten  vedischen  götter  ist,  vielleicht  längere  zeit  wider- 
strebten, mag  dahingestellt  bleiben. 


die  wurzel  ci,  t«,  qui,  fi.  389 

verfolgen  für  das  verbuni  cayate  and  sie  wird  uocli  weiter  durch 
das  Substantiv  rnacit  der  sündenstrafer,  zu  dem  noch  rnayä'  und 
rnayaVan  der  süudenlöscr  zu  nehmen  sind,  welche  beiwörter  des 
Brahmanaspati  aber  auch  andrer  götter  sind,  bestätigt.  Demnach 
kann  es  dann  aber  auch  weiter  nicht  zweifelhaft  sein,  dafs  Ben- 
fey's  Zusammenstellung  mit  rlea&ai  (a.  a.  o.)  vollkommen  richtig 
ist;  r  entspricht  dem  c  wie  in  ?€,  ca;  reaaaQeg,  catur,  catväras 
u.  s.  w,,  und  der  ohne  gunirung  beibehaltene  wurzelvocal,  der 
jedoch  in  der  epischen  spräche  meist  verlängert  auftritt,  hat  nichts 
auffalliges,  da  sich  auch  andere  fälle  zeigen,  wo  dem  gunirten 
vocal  des  sanskrit  blofse  länge  (oder  selbst  kurze)  in  den  alten 
sprachen  gegen  übertritt,  man  vergleiche  z.  b.  das  altrömische  dou- 
eit,  später  ducit  mit  skr.  dohate,  goth.  tiuhith.  Die  Zusammen- 
stellung ist  daher  lautlich  nicht  anzufechten,  und  ist  auch  inso- 
fern interessant  als  die  Übereinstimmung  sich  bis  auf  das  genus 
verbi  erstreckt,  indem  cayate  wie  tietcu  medial  ist.  Dies  führt 
uns  zu  der  begriiTsentwicklung  zurück. 

Benfey  hatte  am  angeführten  orte  aus  dem  in  den  slawischen 
sprachen  sowie  auch  im  indischen  compositum  vicinoti  enthalte- 
nen begriffe  des  zahlens,  die  bedeutungsentwicklung  zu  zahlen, 
dann  zu:  jedem  das  gebührende  geben,  ehren  und  strafen  angenom- 
men. Abgesehen  von  dem  sonst  nicht  weiter  in  dieser  bedeutung 
nachgewiesenen  vicinoti  (im  Rigv.  wird  es  vom  einstreichen  des  ge- 
winn es  beim  spiel  gebraucht  vgl.  Roth  z.  Nir.  5.  22)  scheint  eine 
andere  begriiTsentwicklung  die  richtigere;  wenn  nämlich  der  grund- 
begriff  der  wurzel  sammeln  ist,  so  hängt  damit  aufs  natürlichste  der 
begriff  des  suchens  zusammen,  den  ci  ebenfalls  zeigt;  das  suchen  ist 
aber  einer  sachc  nachgehen,  sie  verfolgen,  so  wird  ci  namentlich 
von  Verfolgung  des  pfades  gebraucht  (yämam  acidhvam  R.  a.  5.  8. 
18.  2  ib.  20.  4.)  und  namentlich  in  Zusammensetzung  mit  vi,  wo 
es  zunächst  aussuchen,  auswählen  bedeutet.  Daraus  leitet  sich  dann 
aber  die  des  ehrens  nnd  strafens  sowie  rächens  am  besten  ab, 
indem  beide  freundliches  und  feindliches  verfolgen  sind  und  ehren 
wie  strafen  ein  aussuchen  und  auswählen  sind;  daher  denn  auch 
für  das  strafen,  rächen  die  mediale  form,  weil  die  thätigkeit  eine 
mehr  subjeetive  ist. 

In  dieser  medialen  form  stimmt  denn  auch  das  gothische, 
wenn  auch  nur  in  einer  einzigen  form,  nämlich  in  der  3.  pl. 
präs.  faianda,  welche  sich  Rom.  9.  19  findet:  qithis  mis  im.  ath- 
tban  wa  nauh  faianda.  unte  viljin  is  was  anstandi  —  dicis  mihi 


390  Kahn 

igitur:  at  quid  adhuc  vituperant,  nam  voluntati  eius  quis  resistaf? 
Was  zunächst  die  form  betrifft,  so  stimmt  f  zu  skr.  c,  griech.  t 
wie  in'  panca  niviz  fimf,  catur  catväras  tiaaoQtg  fidvor,  und 
auch  im  übrigen  kpnnen  sich  die  formen  cayante  und  faianda 
nach  allen  gesetzen  kaum  genauer  entsprechen;  daher  scheint  es 
mir  besser  diese  form  als  medium  denn  ab  passivum  zu  fassen, 
wie  v.  d..Gabelentz — Lobe  schliefsiich  gethan  haben  (grammat 
§  177  anm.  5,  vergL  178.  anm.  1.);  was'  aber  die  bedeutung  be- 
trifft, so  gränzen  tadeln  und  strafen  so  nahe  an  einander,  dafs 
es  keines  weiteren  bedarf.  Dafs  auch  Gjan  hassen  nebst  fijands 
feind  fijathva  feindschaft  (welche  Bopp  vgl.  gr.  p.  123  zu  skr. 
bibbemi  fürchten  stellt,  das  aber  schon  durch  beben  vertreten  ist) 
zu  derselben  wurzel  gehören,  ist  wohl  unzweifelhaft;  nur  ist  der 
wurzelvocal  in  ihnen  un verstärkt.  Die  weitere  Verwandtschaft 
in  den  deutschen  sprachen  sehe  man  bei  Dief.  goth.  wb.  1.  F.  37. 
Dem  skr.  c  entspricht  regelrecht  lateinisches  q,  demnach  hät- 
ten wir  hier  unsre  wurzel  in  der  form  qui  zu  erwarten,  und  es 
scheint  mir  kaum  zweifelhaft,  dafs  dieselbe  in  queo  auftrete,  wel- 
ches bekanntlich  sich  in  seiner  flexion  ganz  an  eo  anschliefst  und 
demnach  das  wurzelhafte  i  deutlich  zeigt.  Freilich  liegt  die  be- 
deutung von  den  bisher  betrachteten  begriffen  fern,  doch  möchte 
sie  sich  an  die  bereits  als  grundbedeutung  aufgestellte  des  sam- 
melns  anschliefsen,  und  daraus  die  des  Wachsens,  stark,  vermö- 
gend, seins  sich  entwickelt  haben.  Uebrigens  mufs  man  wohl 
berücksichtigen,  dafs  es  in  seiner  flexion,  wie  es  bei  veränderter 
bedeutung  natürlich  scheint,  von  den  bisher  betrachteten  verbis 
abweicht,  indem  es  der  bindevocallosen  conjugation  folgt.  Doch 
scheint  es  in  älterer  zeit  noch  ein  anderes  thema,  nämlich  mit 
n ,  flectirt  zu  haben ,  da  uns  Festus  aus  Liv.  Andron.  die  form 
nequinunt=nequeunt  aufbewahrt  (Struve  lat.  dekl.  u.  conj.  p.  206 
anm.  7.).  Ich  kann  mich  hier  nicht  dabei  aufhalten,  nachzu- 
weisen, dafs  diese  form  mit  n  hauptsächlich  bei  solchen  verbis 
vorkommt,  die  im  sanskrit  nach  der  fünften  und  neunten  oder 
auch  nach  der  siebenten  klasse  conjugiren,  sondern  werde  dies 
unten  ausführlicher  nachweisen.  Genug  queo  tritt  durch  diese 
form  auch  in  die  zahl  der  verba,  die  ursprünglich  nach  der  fünften 
klasse  conjugirten,  aber  im  griechischen  und  lateinischen  mehr- 
fach in  die  bindevocalische  conjugation,  jedoch  mit  beibehaltung 
des  n,  übergetreten  sind.  Nun  folgt  aber  skr.  ci  in  der  bedeu- 
tung colligere  sowie  in  den  meisten  übrigen  der  5.  klasse  und 


die  wurzel  ci,  t«,  qui,  fi..        .  391 

bildet  das  präsens  cinomi,  ebenso  zeigt  das  griechische  ueben  Tiiw 
noch  rivto  und  ri'wfit  und  diese  Übereinstimmung  auch  der  flexton 
scheint  um  so  mehr  dafür  zu  sprechen,  dafs  auch  queo  zu  dem 
kreise  der  aus  dieser  wurzel  entsprossenen  bildungen  gehöre. 

Die  Schreibung  von.  jiwpi  mit  einfachem  oder  doppelten  r 
sowie  die  quantität  des  i  bedarf  jedoch  noeh  einiger  erörterung. 
Buttmann  gr.  gr.  II.  anm.  19.  wollte  immer  iLvwpi  schreiben,  wo- 
gegen Lobeck  in  dem  zusatze  zu  dieser  anmerkung  wegen  der 
analogie  von  rtVa>  zu  rirvfii  wie  av<n  zu  awfii  nur  einfaches  v 
anerkennt;  unsere  zurückfuhrung  auf  wurzel  ci  sowie  der  um- 
stand, dafs  diese  aufser  der  ersten,  namentlich  auch  der  fünften 
klasse  der  sanskritverba  folgt,  zeigt  das  Lobeck  allein  im  recht 
ist.  Jedenfalls  lautet  die  wurzel  nur  Vocalisch  aus  und  der  ge- 
brauch bei  Homer  und  Hesiod,  wo  immer  die  länge  auftritt,  zeugt 
dafür,  dafs  diese  älter  sei  als  die  kürze,  die  sich  bei  den  Attikern 
zeigt.  Dafs  sie  im  gegensatz  zum  sanskrit  in  der  Wurzelsilbe  er- 
scheint, rührt  vom  accent  her,  welcher  im  cinomi,  cinöshi,  cinöti 
sowie  in  den  meisten  andern  formen  des  Singulars  act.  der  spe- 
cialtempora  auf  der  conjugationssiibe  ruht  und  so  deren  gunirung 
hervorgerufen  hat,  dagegen  in  den  übrigen  formen  auf  die  endung 
tritt,  während  er  in  den  entsprechenden  griech.  formen  meist  die 
Wurzelsilbe  trifft  und  so  deren  vocal Verstärkung  hervorruft,  wie 
dsixvfii,  oiywpi,  ^evywpiy  cuwpai  zeigen.  Dafs  diese  vocalver- 
slärkung  sich  aber  bei  rirvfu  nicht  in  der  gestalt  des  diphthongs, 
sondern  der  einfachen  Verlängerung  zeigt,  steht  in  analogie  zu 
der  oben  besprochenen  erschein  ung,  dereu  normale  entwickln ng 
nachzuweisen  eine  dankenswerthe  aufgäbe  wäre.  Es  ist  übrigens 
eine  auffallende  Übereinstimmung,  dafs  das  zu  dem  goth.  faianda, 
fi jan  u.  s.  w.  gehörende  fein  an  sich  erbarmen,  also  ebenfalls  eine 
bildung  mit  n,  die  ich  formell  für  vollkommen  identisch  mit  rt- 
rvpi  halte,  ebenfalls  den  langen  vocal  (ei  =  i)  und  zwar  im  wi- 
dersprach mit  andern  bildungen  zeigt,  so  dafs  Grimm  (gr.  IV.  26') 
die  frage  auf  warf  warum  nicht  kinan,  infinan,  vielmehr  keinan, 
iufeinan  gebildet  wurde  und  die  verinuthung  aufstellt,  da£s  ur- 
sprungliches i  der  wurzel  ein  j  vor  vocalisch  anlautenden  endun- 
gen  eingeschoben  habe,  dies  ij  aber  in  ei  übergegangen  sei,  wie 
sonst  ji  gleichfalls  in  ei  übertrete  (sokjith,  sökeith).  So  wahr- 
scheinlich diese  vermuthung  übrigens  an  und  für  sich  ist,  so 
wird  sie  doch  um  so  mehr  in  gleicher  weise  wie  die  länge  in 
riwfii  erklärt  werden  müssen,  als  dieselbe  auch  in  nequinont  er- 


392  Kahn 

scheint  (vergl.  oben  p>  3S1  und  unten  p.  397),  vorausgesetzt,  dafs 
meine  obige  annähme  richtig  ist. 

Auf  den  ältesten  begriff  der  wurzel  geht  endlich  noch  ein 
althochdeutsches  und  angelsächs.  wort  zurück,  welches  Grimm 
in  seiner  abhandlung  «über  das  verbrennen  der  leichen»  p.  32. 
bespricht,  nämlich  fin.  rogus,  strues  bei  Otfried  fina.  Im 
sanskrit  kommen  von  der  wurzel  ci  die  substantiva  cita,  citi 
(Käty.  25.  7.  citim  cinoti  er  errichtet  einen  Scheiterhaufen)  cayana, 
welche  alle  drei  den  zur  Verbrennung  des  todten  errichteten  Schei- 
terhaufen bezeichnen,  und  an  das  letztere  schliefst  sich  deutlich 
dies  ahd,  fina,  ags.  fin  an,  dem  ein  goth.  feina  entsprechen  würde, 
dies  setzt  aber  skr.  cena  voraus,  wie  goth.  beitij?  =  skr.  (ved.) 
bhedati  (statt  des  gew.  bhlnatti,  bhindmas,  findit,  findimus),  goth. 
hveits  =  skr.  evetas.  Jenes  skr.  cayana  entsteht  aber  aus  der  gu- 
nirten  wurzelform  von  ci  nämlich  ce  -f-  ana  und  die  beiden  wor- 
ter sind  demnach  nur  im  aftixanlaut  und  auslaut  unterschieden, 
da  cayana  neutrum,  fina  dagegen  femininum  ist,  also  ursprüng- 
lich langes  ä  im  skr.  voraussetzt. 

Dies  ahd.  fina,  fin  leitet  dann  aber  auch  dahin,  das  andere 
fin,  welches  ahd.  nur  als  adv.  finliho  tenere,  aber  in  mhd.  vin 
mit  der  bedeutung  dünn,  zart,  artig,  schön  vorkommt,  vgl.  auch 
engl,  fine  schön,  fein,  auf  unsre  wurzel  zurückzuführen;  denn 
der  begriff  des  auserlesenen  oder  der  bunten  mannichfaltigkeit 
scheint  der  ursprüngliche  des  wortes  zu  sein.  Diese- vermuthang 
gewinnt  noch  einiges  gewicht  durch  skr.  citra,  weiches  mannich- 
fach,  bunt,  schön,  bewundernswerth  bedeutet,  von  w.  ci  mit  affix 
tra  abgeleitet  wird  (BoehtJiogk  Un.  IV.  165)  und  in  den  schollen 
gewöhnlich  durch  cayaniya,  darcaniya  sammelns-,  sehenswerth 
erklärt  wird.  A.  Kuhn. 


Ueber  die  durch  nasale  erweiterten  verbalstlimme. 

Unler  den  durch  consonanten  oder  vocale  erweiterten  ver- 
balstämmen  sind  bekanntlich  diejenigen  von  nicht  geringem  um- 
fang, welche  die  wurzel,  sei  es  durch  einfügung  eines  nasaig  in 
dieselbe  oder  durch  anfügung  einer  mit  einem  nasal  beginnenden 
silbc  an  dieselbe  erweitern  und  von  diesem  stamme  sei  es  nun 
blos  gewisse  oder  alle  tempora  bilden.  Das  sanskrit  zeigt  die 
weiteste  ausdehnung  dieser  erscheinung,  indem  es  1)  der  wurzel 


über  die  durch  nasale  erweiterten  verbalstämme.  303 

nur  einen  nasal  in  einzelnen  fällen  einschiebt  wie  labh,  welches 
z.  b.  neben  labhante  auch  lambhante  und  andere  formen  bildet; 
2)  den  nasal  in  den  specialtemporibus  überall  eintreten  läfst, 
worauf  einige  stamme  wie  munc  nach  der  sechsten,  andere  wie 
yunj  nach  der  7.  klasse  gehen,  letztere  aber,  der  conjagation  ohne 
bindevocal  folgend,  in  den  formen,  wo  die  nasalirtc  silbe  den  ac- 
cent  erhalten  möfste,  diesen  zu  der  silbe  na  erweitern,  3)  der 
wurzel  die  silbe  nu,  4)  die  silbe  nä  anhängt,  5)  in  den  special- 
temporibus  die  Silben  nu  oder  na  anhängt,  in  den  übrigen  dem 
wurzelauslaut  einen  nasal  vorschiebt  wie  z.  b.  dabhnoti  und  da- 
dambha,  woneben  doch  aber  auch  vedische  formen  wie  dabhanti 
auftreten,  oder  crathnäti,  cacrantha  u.  a. 

Diese  mannichfachen  verbalstämme  stehen,  wie  leicht  ersicht- 
lich ist,  in  enger  beziehung  unter  einander,  das  allen  gemeinsame 
ist  der  an  der  wnrzel  erscheinende  nasal,  welchen  Curtius  (tem- 
pus-  und  modasbildung  p.  53  ff.)  als  eine  rein  lautliche  Verstär- 
kung dargestellt  hat.  So  unzweifelhaft  und  treulich  er  dies  auch 
für  viele  fälle  nachgewiesen  hat,  so  ist  es  doch  immer  noch  nicht 
ohne  bedenken  für  andre;  Curtius  selbst  hat  (a.  a.  o.  p.  58)  ge- 
sagt: «Die  griechische  spräche  fügt  aber  ihren  nasal  nicht  blofs 
nach  vocalen,  sondern  auch  nach  consonanten  ein.  Es  scheint 
auf  den  ersten  blick  unwahrscheinlich,  dafs  in  xa/wo),  ripvm  das 
v  blofs  verstärken  sollen  u.  s.  w.»  Er  führt  aber  darauf  fälle  an, 
in  welchen  ein  v  nach  p  sich  unorganisch  eingeschlichen  haben 
soll,  sncht  in  den  latein.  sperno,  cerno,  sterno  das  n  durch  frü- 
here metathesis  des  r  zu  erklären,  wonach  sie  also  aus  spre-o 
o.  s.  w.  hervorgegangen  wären  und  erklärt  ddxvo)  durch  Umstel- 
lung des  nasals,  wie  sie  auch  im  übrigens  bis  jetzt  noch  nicht 
belegten  däcnöti  s.  däsnöti  (occidere,  ferire,  laedere)  statt  gefun- 
den habe.  Allein  in  den  für  den  einschub  des  v  beigebrachten 
fallen  ist  doch  für  einige  eine  andere  erklärung  wahrscheinlicher, 
denn  vobwpvog  geht  durch  öVopat  auf  einen  stamm  mit  ursprüng- 
lichem nt  zurück  und  diese  zeigen  bald  das  n  bald  das  r,  dre- 
Qapvog  hat  das  attische  äteQdpaHr  neben  sich,  aus  dem  es  durch 
erweiternng  gebildet  ist  und  auch  dndlapvog  wie  nalaywaXog 
geht  wohl  auf  ein  älteres  ttaXdpav  für  naldfirj  zurück,  da  so- 
wohl das  lateinische  in  palmus  als  auch  das  angelsächsische  in 
folm  masculina  neben  den  gebräuchlichen  femininalformen  zeigen, 
und  diese  masculina  auf  mus,  m  indischen  auf  ma  entsprechen, 
die  fast  durchweg  aus  solchen  auf  man   hervorgegangen  sind. 


394  Kuhn 

Aebnlich  lassen  sich  auch  wohl  die  übrigen  falle,  nämlich  di: 
dvpvog,  vneQepnjpvxe,  IloXudapva  erklären,  und  es  bleiben,  dann 
nur  noch  die  lateinischen  verba  nebst  öanvm  übrig,  Jene  hat 
Curtius  selbst  nur  als  «vielleicht»  durch  metathesis  entstanden 
bezeichnet,  und  dieses  schliefst  sich,  das  Vorhandensein  des  the- 
mas  däcnu  vorausgesetzt,  mit  der  skr.-  nebenform  danc,  an  die 
oben  unter  no.  7.  gestellten  fälle  an.  ddxr<o  tritt  mit  tfwco  wahr- 
scheinlich ganz  auf  eine  linie  und  wie  diesem  das  skr.  dhunoti 
als  ältere  form  vorangegangen  ist,  so  möchte  auch  ödxtxo  aus 
einem  älteren  doxy^/u  oder  öaxwpi  entstanden  sein.  Ich  mufs 
übrigens  noch  erwähnen,  dafs  auch  Pott  bereits  (etym.  forsch.  II. 
687)  gesagt  hatte,  dafs  das  v  in  den  stammen  dapva  u.  s.  w.  zwi- 
schen fi  und  a  eingeschoben  scheinen  könnte,  da  neben  da^vt^u 
ein  dapaw  stehe,  dafs  jedoch  diese  beiden  stamme  in  einem  an- 
deren zusammenhange  stehen,  soll  sogleich  gezeigt  werden. 

Ohne  für  jetzt  auf  die  frage,  ob  der  im  stamme  sich,  zei- 
gende nasal  stets  eine  rein  lautliche  Steigerung  sei  oder  einen  an- 
deren Ursprung  habe,  einzugehen,  wollen  wir  hier  einige  erschei- 
nungen,  die  sich  gleichfalls  dem  kreise  dieser  nasalirenden  themen 
anschliefsen ,  betrachten.  Die  spräche  der  veden  zeigt  nämlich 
in  der  conjugation  derjenigen  verba,  welche  der  9ten  klasse  fol- 
gen, wie  z.  b.  manth,  präs.  mathnäti ,  ein  nebenthema ,  welches 
der  wurzel  die  silbe  äy  anfügt  und  der  ersten  conjugation  folgt 
also  z.  h.  das  jenem  mathnäti  gleichstehende  mathäyati  bildet, 
neben  welchen  dann  noch  die  dritte. form  manthati  herläuft;  alle 
drei  sind  aus  den  vedischen  liedern  nachweisbar,  ohne  dafs  sich 
för  jetzt  ein  wenigstens  erheblicher  unterschied  der  bedeutung 
herausstellte.  Die  einer  solchen  doppelten  flexion  folgenden  wur- 
zeln hat  Benfey  bereits  in  seiner  sanskritgrammatik  §  S05.  VIII. 
zusammengestellt,  es  sind  manth,  skabh,  stabh,  grabh,  prush, 
push,  mush  pri;  zu  diesen  stellt  B.  noch  rdh,  welches  sonsi  der 
öten  klasse,  sowie  vas,. welches  der  2ten  klasse  folgt,  aufserdem 
noch  krp  cl.  10,  cubh  cl.  6.  u.  a.;  bleiben  wir  zunächst  bei  den 
der  9ten  klasse  angehörigen  wurzeln  stehn,  so  sind  ihnen  noch 
a<;,  crath  hinzuzufügen  und  es  stehen  demnach  bei  den  genannten 
wurzeln  die  formen  mathnäti,  mathäyati,  skabnäti,  skabhäyati, 
stabhnäti,  stabhäyati,  grbhnäti,  grbhäyati,  prushnäti,  prushäyati, 
pushnäti,  pushäyali,  mushnäti,  mushäyati,  prinäti,  priyäyati,  acnati, 
acäyati,  crathnäti,  crathäyati  neben  einander.  Nun  zeigt  aber  so- 
wohl der  pada-  als  auch  zuweilen  der  samhitatext  an. der  stelle 


über  die  durch  nasale  erweiterten  wortsWnime.  395 

von  äy  die  Verkürzung  zu  ay,  so  dafs  z.  b.  cratbaya  neben  $ra- 
thäya,*  grbhaya  neben  grbhäya  steht  and  danach  wird  es  keinem 
bedenken  unterliegen,  dafs  wie  die  themen  mit  nasal  sich  neben 
griechische  auf  rqpi  und  dvo)  stellen,  so  diese  sich  den  neben- 
themen  der  letzteren  auf  £<x>  anschliefsen^  und  zwar  in  der  art, 
dafs  während  sich- in  den  themen  auf  «*<»,  akr.  nämi  nur. nahe 
verwandte  themen  gebildet  haben  (mathnati,  manthati,  pav&am) 
in  mathayati  (ia&da>  (fia&ijaofiai)  vollständig  congruente  formen 
neben  einander  stehen.  Dabei  sei  nebenher  bemerkt,  dafs  die  hier 
verglichenen  beiden  Wörter  auch  begrifflich  identisch  gewesen 
sein  mössen,  was  sich  am  sanskrit,  wo  manth  am  gewöhnlichsten 
schütteln,  erschüttern,  dann  durch  erschütterung  herausbringen 
heifst,  noch  genauer  nachweisen  läfst.  Im  griechischen  hat  sich 
der  ursprüngliche  begriff  offenbar  neben  dem  später  blos  geistigen ' 
noch  am  deutlichsten  in  IlQOfArj&evg  erhalten,  der  wie  der  indi- 
sche Mätarigvan  das  fener  vom-himmel  bringt;  diesen  nannte  da- 
her Roth  bereits  (zu  Nir.  7.  26)  einen  zweiten  Prometheus,  ich 
glaube  indefs,  dafs  er -der  erste  und  einzige 9  d.  h.  dem  griechi- 
schen identisch  sei,  was  mir  namentlich  das  verbum  beweist,  wel- 
ches zur  bezeichnung  der  thätigkeit  des  M&taricvan,"der  den  in 
der  wolkenhöle  verborgenen  Agni  herausbringt,  gebraucht  wird, 
denn  dies  ist  gerade  mathayati,  und  nQoptftevQ  wäre  aufs  ge- 
nauste ein  skr.  pramathayüs.  Ich  werde  diese  ganze  Vorstellung 
nächstens  ausfuhrlicher  entwickeln  und  kehre  zu  unsern  verbal- 
stämmen  zurück. 

In  gleicher  weise  wie  dem  skr.  mäthäyati  die  von  fia&ew 
gebildeten  formen  zur  seite  stehen,  reiht  sich  nun  auch  dem  ve- 
dischen  priyäyati,  das  neben  prinäti  steht,  das  griech.  cptUo) 
an,  denn  wenn  es  kein  zweifei  ist,  dafs  priya  und  cpdog  iden- 
tisch, freilich  aber  in  folge  verschiedener  lautgesetze  einander  sehr 
unähnlich  geworden  sind,  so  gehören  auch  jene  zusammen;  dafs 
beide  .auf  den  ersten  blick  denominatiya  zu  sein  scheinen,  ist 
einleuchtend,  und  ich  glaube  auch,  dafs  sie  es  sind,  worüber  denn 
auch  das  goth.  frijon  keinen  zweifei  mehr  Üffst.  * 

Wie  aber  qpuU'a»,  priyäyati  neben  dem  skr.  pritiati  nach  der 
9ten  -  klasse  stehen ,  so  steht  wieder  lat.  pleo .  neben  skr.  j>rnäti 
(erfüllen)  während  nifinX^fii  sich  an  das  gleichfalls  vorhandene 
piparmi  anschliefst;  dagegen  stimmt  das  in  des  Paul.  Diac  auszü* 
gen  aus  Festus  erhaltene  explenunt  für  expient  wieder  zu  prnanti: 
die  mit  Wahrscheinlichkeit  Vorauszusetzende  länge  des  e  erklärt 


396  Kahn 

sich  durch  den  lateinischen  accent,  der.  wie  er  in  inius  die 
länge  des  i  herbeiführte  gegen  skr.  imas,  griech.  ifiat  (vgl.  oben 
Schweizer  p.  381)  so  auch  hier  genügende  anfklfirong  für  die 
Verlängerung  giebt.  Auf  die  übrigen  lateinischen  stamme,  die, 
gewöhnlich  vocalisch,  in  der  3.  pers.  plur.  die  cndung  innnt  zei- 
gen, kommen  wir  unten  zurück.  Zunächst  wenden  wir  uns  zu 
der  ähnliche  erscheinungen  bietenden  5.  klassc  der  sanskritverba. 

Wenn  nämlich  eine  ziemliche  zahl  dieser  verba  ihre  special- 
tempora  auch  zugleich  nach  der  9.  klasse  bilden  können  (acnäti, 
acnoti,  stabhnäti,  stabhnoti,  skabhnati,  skabhnoti,  skubhnäti,  sku- 
bhuoti,  krnäti,  krnoti  (laedere  occidere),  slrnati,  stynoti,  vrnäti, 
vrnoti  (doch  hier  mit  meist  festgehaltenem  unterschied  der  bedeu- 
tung),rnäti,  ritoti,  dhunäti,dhunoti,skunäti,skunoti,drati8:ti,  drunoti, 
minati,  minoti,  sinäti,  sinoti,  xiriäti,  xirioti),  so  erklärt  sich  daher 
zur  genfige,  dafs  unter  den  oben  aus  Benfey's  grammatik  ange- 
fahrten formen  ein  rdhäyati  vorkommt,  während  die  w.  rdh  nur 
nach  der  5.  klasse  flectirt,  ebenso  hat  Benfey  a.  a.  o.  mit  vollem 
rechte  zu  yasäyali  das  griech.  JWv/u  in  parenthcse  gestellt.  Allein 
auch  die  6.  klasse  scheint  in  alter  zeit  ein  nebenthema  gehabt  zu 
haben,  welches  dem  der  9.  analog  gebildet  war,  nämlich  statt 
-noti  auf  -üyati  flectirte,  wenigstens  läfst  sich  dies  aus  dem  ne- 
ben stabhnoti  in  den  veden  vorhandenen  ptc.  stabhuyat  und  sta- 
bhuyamäna  schliefen;  in  vollkommen  entsprechender  weise  steht 
neben  rnomi  OQWfii  (deren  aoristformen  ärta,  arta,  wqto,  ränta, 
oqopto  sich  fast  noch  gleich  stehen),  das  griech.  oqovco  für  das 
6qv<d  zu  erwarten  stände;  das  ov  statt  des  v  scheint  dialektische 
besonderheit,  wie  sie  Böotern  und  Lakonen  eigen  ist  (Ahr.  diall. 
I.  §41,  H.  §  18).  Vielleicht  läfst  sich  auch  ytj(wm,  so  zu  dem 
skr.  grnäti  stellen,  indem  es  zu  einer  nebenform  grnoti  gehörte. 
Die  länge  des  r\  entspricht  ganz  der  von  yijqag  im  verhällnife  zu 
skr.  jaras,  die  ältere  kürze  des  v  wäre  analog  der  Verkürzung 
von  äyati  zu  ayati,  «oo.  Das  daneben  stehende  ytJQvg  wäre  kein 
hindernifs  solcher  annähme;  denn  freilich  scheint  yijQvco  dazu 
denominativ,  aber  in  dieser  weise  scheinen  sehr  viele  dieser  for- 
men erklärt  werden  zu  müssen. 

Standen  schon  vasäyati,  rdhäyati  neben  erwpt  und  rdlinoti 
nnd  bildet  oQvvpi  eine  nebenform  des  aorist  aus  einem  thema  auf 
ta,  nämlich  OQeovtoy  so  zeigt  sich  darin  wieder  der  nahe  Zusam- 
menhang der  9.  und  5.  klasse;  wenn  wir  daher  oben  explenunt 
f.  cxpleut  zur  9.  klasse  stellten,  so  gehören  auch  die  von  Schwel- 


über  die  durch  nasale  erweiterten  yerbalsUmme.  397 

zer  p.  380.  381  besprochenen  obinunt,  redinunt,  prodinunt  unbe- 
denklich zu  derselben.  Bereits  im  sanskrit  verläfst  nämlich  die 
wnrzel  *  mehrfach  die  zweite  conjugationsklasse,  und  bildet,  in 
die  erste  übergehend,  ein  dem  latein.  eo  entsprechendes  ayanri 
oder  in  die  fünfte  eintretend  inomi,  das  in  seiner  meist  transiti- 
ven bedeutung  gehen  machen  (zu  jmd»),  umfassen,  nehmen,  greifen 
genau  dem  medialen  curvficu  (wegen  ai  s.  oben  s.  391)  entspricht, 
doch  auch  intransitiv  (gatikarmä  Nigh.  1, 14),  gebraucht  wird  und 
auch  mehrfach  in  einer  erweiterten  form  invati  auftritt,  die  ganz 
der  analogie  der  verba  auf  -vuv  folgt.  Wenn  nun  sternunt  gleich 
skr.  strnanti,  so  entsprechen  ob-,  red-,  prod-inunt  einem  skr. 
inanti,  welches  bei  der  besprochenen  nahen  berührung  zwischen 
5.  und  9.  klasse  vorauszusetzen  ist;  eben  so  erklärt  sich  nequi- 
nnnt;  die  von  Ritschi  (de  epigramm.  Sor.  p.  18)  für  prodinunt 
nachgewiesene  länge  macht  es  wahrscheinlich,  dafs  auch  ob-,  red- 
inunt, nequinunt  dieselbe  zeigten,  und  sie  erklärt  sich  aas  dem 
was  oben  von  Schweizer  p.  281  und  von  mir  p.  391.  gesagt  ist. 
In  gleicher  weise  wie  jene  formen  ist  danunt  zu  erklären,  dessen 
kurzes'  a  eben  so  wenig  bedenken  erregen  kann,  als  das  dem  skr. 
a  der  feminina  entsprechende  kurze  a  des  nom.  der  1.  lat.  dekl., 
als  das  des  sup.  datum  u.  s.  w.  Die  erweiterung  des  thema's  hat 
ihr  analogon  in  dem  cretischen  azarvm  :  larrjfjtu  Die  erweiterung 
von  fruor  zu  frumscor  setzt  einen  stamm  fruni  voraus;  fruor  ent- 
spricht wie  Schweizer  bereits  oben  dargethan  dem  skr.  bhüj ,  d. 
brauchen;  die  flexion  der  sanskritw.  folgt  aber  der  7.  klasse,  bil- 
det also  bhunakti,  bhunjanti;  ganz  wie  yuj  yunakti,  yungit  im 
griech.  nach  5.  klasse  flectirte  in  £evypvfii,  so  ist  fru[g]  in  die 
9te  übergetreten,  hat  aber  den  themavocal  wie  punio  (skr.  pu- 
nami,  punimas)  bewahrt;  im  umbr.  ist  persni,  pesni  (skr.  prehämi, 
aber  goth.  mit  n  fraihna,  vgl.  skr.  pragna)  ein  thema  derselben 
klasse  und  das  ptc.  persnis  (f.  persnitus,  Aufr.-Kirchh.  umbr.  spr. 
II.  167)  schliefst  sich  genau  an  frunitos,  punitus  an.  Was  co- 
quinatum  und  carinans  betrifft,  so  ist  jenes  unsicher,  in  diesem 
mindestens  die  quantität  des  i  zweifelhaft;  jedenfalls  sind  sie  von 
den  genannten  verbis;  die  alle  nach  der  dritten  gehen,  zu  tren- 
nen. Von  diesen  bleiben  dann  nur  solino  (consulo),  solinunt  (so- 
lent),  inserinuntur,  ferinunt  übrig,  von  denen  sich  solinunt  als 
nach  der  analogie  von  prodinunt  gebildet  darstellt;  über  solino 
sind  wir  der  conjugation,  über  inserinuntur  (Ritschi  will  inter- 
serlnuntur  lesen),  ferinunt  der  quantität  nicht  versichert;  wäre 


388  Kuhn 

das  i  lang,  so  möchten  sie  sich  wie  oomw,  äol.  dgiVtw,  "Eqipvg 
'EQirrig  aus  stSmmen  auf  inno  f.  iojo  erklären  und  sich  an  die 
analogie  der  indischen  wie  saranyati  u.  s.  w.  anschliefsen,  also 
denominativa  sein;  ist  das  i  kurz,  so  scheinen  sie  analoge  erwei- 
terungen  des  thema's  wie  sie  sich  in  aiG&dvopai :  j<s&6fit^y  apao- 
rdr&>  :  tjpaQtov  u.  s.  w.  zeigen. 

Bricht  schon  in  den  bisher  betrachteten  themen  mehrfach 
der  enge  Zusammenhang  zwischen  nominalthemen  und  verbalihe- 
men  durch,  so  zeigt  er  sich  im  gothischen  bei  den  mit  n  gebil- 
deten stummen  klar  und  unbestritten,  denn  die  von  yerbis  stam- 
menden haben  den  participialablaut,  andere  sind  von  adjectivis 
abgeleitet,  doch  so  dafs  ihnen  zugleich  meist  ein  transitivum  des- 
selben Stammes  zur  seite  steht,  vgl.  Grimm  gr.  IV.  p.  23 ff.  So 
hat  sich  hier  denn  auch  eine  feste,  nämlich  passivische  bedeutung, 
für  diese  form-  herausgebildet,  von  der  nnr  fraihnan  eine  aus- 
nähme macht,  während  dies  im  sanskrit,  griech»,  latein.  nicht  im 
gleichen,  mafse  der  fall  ist.  Der  räum  gestattet  mir  diesmal  nicht 
ausführlicher  auf  diesen  punkt,  sowie  auf  den  Zusammenhang  der 
verbalthemen  mit  .nominalen  in  den  letztgenannten  sprachen  aus- 
führlicher einzugehn  nnd  so  mögen  denn  diese  formellen  Zusam- 
menstellungen vorläufig  genügen.  A;  Kuhn. 


II.  Miscellen. 


Lateinisches  f  für  altes  dh. 

Auf  die  bekannte  Vertretung  eines  ursprünglichen  dh  durch 
f  im  lateinischen  habe  ich  oben  (s.  333.)  in  dem  aufsatze  über 
die  aspiraten  hingewiesen.  Hier  mögen  einige  Wörter  ihre  stelle 
finden,  in  denen  man  f  als  Vertreter  von  dh  bisher  entweder  noch 
nicht  erkannt  oder  doch  nicht  anerkannt  zu  haben  scheint. 

1)  fingo  ~&iyyJiva).  Die  wurzel  &iy  mit  skr.  tij  acuere 
zusammenzustellen,  wie  Bopp  (gloss.),  Pott  (I,  235),  Benfey  (II, 
246)  es  thun,  ist  sowohl  wegen  des  anlauts  als  wegen  der  be- 
deutung mifslich;  selbst  ^yca  dürfte  kaum  mit  recht  zu  tij  ge- 
zogen werden.  Vollends  tango,  das  in  tstayoiv  und  goth.  telta 
seine  ebenbilder  hat,  gehört  weder  zu  öiyydtK»  noch  zu  tij.  Aber 
fingo  kann  mit  &tyyi*m  in  jeder  beziehung  verglichen  werden. 
Zunächst,  in  bezug  auf  den  nasal,  der  ja,  wie  ich  sprachvergl. 


.        miscellen.  399 

beitr.-s.56fF.  gezeigt  habe,  in  den  verschiedenen  sprachen  unsers 
Stammes  denselben  wurzeln  anzuhaften  pflegt.  .  &iyyiv<s>  verhält 
sich  zu  fihgo  wie  Xtfjutavw  zu  linquo  wie  (pre)  hendo  zu  %av-. 
davon.  Die  kürzere  wurzelform  tritt  in  &iy-eip  wie  in  fig-ulus, 
fig-ura  hervor.  Die  bedetttungen  sind  freilich  nicht  ganz  diesel- 
ben; aber  wenn  wir  bedenken,  dafs  öiyydpeiv  in  der  regel  mit 
dem  getoitiv,  fingere  aber  als  transitives  verbum  mit  dem  aecusa- 
tiv  verbünden  wird,  so  gewinnen  'wir  für  beide  verba  die  ge- 
meinsame bedeutung  tasten.  &iyyavßw  nvog  heilst  aber  an  etwas 
tasten,  fingere  aliquid  etwas  betasten,  ertasten,  tastend  gestalten. 
Daher  ist  ja  fingere,  figulns,  opus  ficlile  der  eigentliche  ausdruck 
von  der  töpferarbeit;  aber  auch  von  anderweitigem  kneten  ward 
es  gebraucht,  daher  fictores  kuchenbäcker  (Ennius  bei  Varro  de 
1.  1.  VIIr -44  ed.  Müller)  mit  der  erklärung  fictores  dicti  a  fin- 
gendis  libis,  auch  hieis  nach  Isidor  fictor  qui  capill'os  mulierum 
linit  et  pertraetat  et  ungit  et  nilidat 

2)  furere  — tfopsfr.  Benfey's  vergleichang  von  sanskr.  tvar 
festinare  (II,  251)  mit  &oquv  ist  wenig  gesichert.  Die  bedeutuh- 
gen  furere  und  &ogelt  kommen  sich  am  nächsten  in  &oi>Qog  j4qh$, 
&ovQig  ähf.r\  verglichen  mit  furor  bellicus  und  -ähnlichen  aus- 
drücken. .  Ob  övQGog  mit  dieser  Wurzel  zusammen  hänge,  lasse 
ich  dahin  gestellt. 

3)  f  ol lis  =  OvXklg  (Hesych.).  övllig  ist  gleichbedeutend  mit 
-ffvXaxog  sack,  das  durch  das  suffix ,  wie  follis  durch  den  anlaut . 
dem  goth.  balgs,  altn.  belgr,  ahd.  pale  näher  steht  (vgl.  J.  Grimm 
gesch.  d.  d,  spr.  I.  s.  398).  Benfey  trennt  diese  Wörter,  indem 
er  follis  ans  sfollis  entstehen  läfst  (I,  572),  tivlaxog  aber  in  den 
schoofs  der  w.  Qjrvi  aufnimmt  (II,  278).  Aber  die  bedeutung 
stimmt  zu  sehr  überein,  als  dafs  wir  die  Wörter  trennen  könn- 
ten; das  o  von  follis  verhält  sich  zur  w.  &vl  wie  das  von  tollo 
zum.  altlat.  tul-o;  das  doppelte  1  scheint. aus  assimilation  entstan- 
den zu  sein,  ohne  dafs  ich  darüber  eine  weitere  vermuthnng 
wage. 

4)  for-nix  ist  wohl  stammverwandt  mit  dem  gleichbedeu- 
tenden #öX-off.  Das  suffix  erinnert  an  cor -nix,  wo  doch'  auch 
wie  cor-vus,  x6q-oc£,  >coq:(6vtj  beweisen,,  die  wurzel  nur  auf  die 
erste  silbe  sich-  erstreckt.  Das  ähnlich  gebildete  fornax  gehört, 
natürlich  nebst  fornus,  furnus,  formus  zu  ferveo,  dessen  wurzel 
im  skr.  ghar,  grieeb.  &eQ  lautete 

5)  fr  au -8  (st.  fraud,  altlat.  frud)*  stelle  ich,  wie  schon  Pott 


400  miscellen. 

(II,  61)  vermuthet  hat,  mit  gr.  &Qav-a>  zusammen.  Die  sinnliche 
bedeutung  zerbrechen,  verletzen  tritt  klar  hervor  in  &Q(tvooy  &qcbö- 
apa,  &QCtv<n6g,  dessen  neutrum  mit  frustnm  zu  vergleichen  ist; 
die  geistigere,  deren  auch  dgavoa  nicht  entbehrt  z.  b.  in  &Qaveir 
olßov,  Unitia,  hat  sich  in  frans  festgesetzt,  das  erst  aus  der  be- 
deatung Verletzung  zu  der  von  trug,  betrug  gelangte,  die  auch 
in  frustra  steckt.  Was  das  d  des  lateinischen  Stammes  betrifft, 
so  scheint  es  accessorisch  zu*  sein,  wie  das  von  ten-do  (w.  tan, 
gr.  w),  fundo  (vgl  jv  jahrg.  I.  s.  120),  claudo  (vergl.  clav-is, 
joUt-co),  vädo  (vgl.  w.  g&,  griech.  ßa,  ßaiva  =(g)venio).  Wie 
sich  in  ahd.  giutan  ein  solchem  d  entsprechendes  t  zeigt,  so  ver- 
gleicht Pott  (a.  a.  o.)  mit  frud  altn.  brut  frangere.  —  Anhang- 
weise mag  hier  des  an  fraus  unmittelbar  anklingenden  laus  ge- 
dacht werden,  dessen  d  auch  accessorisch  ist,  wenn  wir  es  mit 
Benfey  (II,  179)  aus  w.  du,  gr.  xAv,  skr,  cru  entstehen  lassen. 
Dafür  läfst  sich  wenigstens  das  anfuhren,  dafs  vor  1  besonders 
oft  aphäresis  eintritt:  lac(t)  =*  yo£la(xr),  lend  =  lit.  glinda,  griech. 
xond  (Pott  I,  107),  latu-sss  tlatus  griech.  thjrog^  longa -s  für 
dlongu-s,  &oXi%6q  sl.  di"g",  skr.  dirgha-s,  lupu-s  =Xvxo-s  für 
vlupu-8,  lit.  wilka-s,  skr.  yrka-s.  Auch  lämentum,  lamentari 
mit  mXouco  (w.  xla/r)  zu  vergleichen  liegt  nahe.  —  Um  zu  frad, 
fraud  zurückzukehren,  so  erinnert  es  uns  auch  an  skr.  dhur-ta 
fraudulentus,  fraudator,  für. 

6)  fulc-io  scheint  stammverwandt  mit  fre-tus,  frcnum,  fir- 
mus,  ferme,  fere,  folglich  (Pott  I,  220)  mit  skr.  dhr  teuere,  des- 
sen seitensprofs  dhru,  firmum  esse,  wovon  dhruva-s  certus,  ja 
ebenfalls  u-laut  zeigt.  Das  c  von  ful-c-io  ist  mit  dem  von  vin- 
c-io  (vgl.  vi-men),  ja-c-io  (vgl.  tyfu  skr.  ja),  fa-c-io  (w.  dhä), 
vin-c-o  (skr.  ji),  par-c-o  (vgl.  par-vu-s,  sparen),  mar-c-eo  (vgL 
HaQ-aiv<ß)  zu  vergleichen.  (VgL  jahrg.  I.  s.  53  und  zeitschr.  f.  d. 
alterthumsw.  1849.  rio.  43).  6.  Curtius. 


r  im  altdeutschen  Präteritum* 

Als  nachtrag  zu  dem  I.  p.  474  ff.  und  p.  573.  ausgelegten 
und  vielleicht  als  correctiv  sollten  auch  die  ahd.  formen  steroz, 
sterozun  für  stioz  etc.  und  pleruzun  adolerent  von  plözan  erwo- 
gen werden.  Ob  nicht  doch  J.  Grimm  recht  behalte?  Wir  wer- 
den darauf  zurückkommen.  H.  Schweizer. 


Gedncki  bei  A.  W.  Seh  »de  In  Berlin,  Griinsirafke  18. 


I.  Abhandlungen. 


Numerische  lautverhliltnisse  in  griechischen  dialecten. 

Die  numerische  methode,  soll  sie  auf  die  dauer  licht  verbreiten 
helfen  in  der  Sprachwissenschaft,  mnfs  von  einigen  schlacken  ge- 
reinigt werden,  die  ihr  im  ersten  rohen  entwurf  anhafteten.  Der 
erste  mangel  des  bisherigen  Verfahrens  war  der,  dafs  bei  den  vo- 
calen  und  bei  den  consonanten  nur  ihr  Verhältnis  zum  ganzen 
vocalismas  oder  resp.  consonantismus  angegeben  wurde.  Dadurch 
wird  die  ganze  Untersuchung  in  eine  zweiheit  zerspalten,  die  dem 
wesen  der  spräche  widerstrebt;  es  tritt  namentlich  die  zwischen 
gewissen  vocalischen  und  gewissen  consonantischen  lauten  beste- 
hende beziehung  und  Wechselwirkung  nicht  klar  genug  hervor. 
Es  mufs  also  vielmehr  nicht  der  vocalismus  und  der  consonan- 
tismus jeder  als  einheit  fuer  sich  gefafst  werden,  sondern  die  ein- 
heit,  auf  die  «alles  bezogen  wird,  mufs  vielmehr  das  ganze  laut- 
sy  stein  sein.  Nur  wenige  fälle  schweben  mir  vor,  in  denen  je- 
nem andern  verfahren  der  vorrang  gebuehren  dürfte.  Ein  zwei- 
ter uebelstand  war  der,  dafs  die  bisherigen  angaben  zwar  fuer 
die  gewinnung  einiger  besonders  in  die  äugen  fallenden  resultate 
vollkommen  ausreichten,  dafs  sie  jedoch  zur  beobachtung  feinerer 
Verhältnisse  untauglich  waren,  da  sie  dem  zufall  noch  zu  grofsen 
Spielraum  liefsen.  Bisher  stützte  sich  jede  mitgetheilte  zahl  auf 
eine  dreimalige  bis  fünfmalige  zaehlung  von  je  hundert,  im  gan- 
zen also  auf  dreihundert  bis  fünfhundert  elemente.  Das  ist  fuer 
viele  lautverhällnisse,  wie  eine  genaue  pruefung  beweist,  eine 
IL    6.  26 


402  Föratematm 

viel  zu  kleine  anzahl;  es  mufs  also  die  anzahi  der  in  betriebt 
kommenden  demente  vergroefsert  werden.  Das  dritte  gebrechen 
endlich  liegt  darin,  dafs  die  einheit  hundert,  die  ich  bis  jetzt  zu 
gründe  legte,  nur  fuer  die  häufiger  vorkommenden  laute  aus- 
reicht, fuer  die  seltneren  aber,  deren  jede  spräche  mehrere  be- 
sitzt, so  ungenuegend  ist,  dafs  diese  seltneren  laute  sich  dadurch 
ganz  der  numerischen  beobachtung  entziehn.  Es  mufs  also  drit- 
tens die  grundeinheit  vergroefsert  werden. 

Ich  wende  das  verbesserte  verfahren  zum  ersten  male  mit 
absieht  auf  ein  gebiet  an,  in  dem  die  unterschiede  weit  geringer 
sind,  als  bei  der  betrachtung  ganz  verschiedener  sprachen,  naem- 
lich  auf  die  griechischen  dialecte.  Die  einheit,  welche  mir  nun- 
mehr das  ganze  lautsystem  repraesentirt,  ist  jetzt  tausend;  jede 
einzelne  zahl  aber  ist  das,  mittel  aus  einer  dreimaligen  zaehlung 
von  je  tausend  dementen.  Da  nun  die  einzelnen  zahlen  weit 
groefser  sind  als  frueher  bei  einer  einheit  von  hundert,  so  kann 
ich  auch  von  der  benulzung  der  bruchzahlen  absehn,  was  ich 
um  so  lieber  thue,  als  die  vielen  brache  die  uebersicht  erschwe- 
ren wurden  und  nebenbei  auch  vielen  anlafs  zu  druckfehlern  ge- 
ben. Ich  habe  mir  deshalb  eine  abrundung  in  der  weise  erlaubt, 
dafs  ich  z.  b.  statt  71|  nur  71,. statt  71f  aber  72  schreibe. 

.  Fünf  griechische  Schriftsteller  sind  es,  Homer,  Herodot,  Xe- 
nophon,  Pindar  und  Theocrit,  deren  sfimmtlich  von  einander  deut- 
lich abweichende  mnndarten  ich  diesmal  der  beobachtung  unter- 
ziehe. Die  beiden  ersten  repraesentiren  mir  zwei  verschiedene 
nuancen  des  ionismus,  die  beiden  letzten  zwei  schattirungen  des 
dorismuß ;  der  atticismus  brauchte  in  einer  erdrterung  wie  die 
vorliegende  nur  einen  einzigen  Vertreter.  Vom  aeolismus  sehe 
ich  vor  der  hand  ab. 

Von  vorne  herein  bemerke  ich,  dafs  zwar  auch  in  den  fol- 
genden angaben  noch  immer  dem  zufall  ein  Spielraum  bleibt,  dafs 
dieses  zufällige  sich  jedoch  nach  allen  grundsätzen  der  Wahr- 
scheinlichkeitsrechnung nur  noch  innerhalb  ziemlich  enger  grenzen 
bewegt.  Zudem  mufs  man  sich  hueten,  jedes  auffallende  zahlen- 
Verhältnis,  von  dem  man  nicht  sogleich  eine  erklaerung  weifs, 
dem  zufall  in  die  schuhe  zu  schieben.  Es  wirken  anfser  den  im 
engern  sinne  so  genannten  lautverhältnissen  bei  den  Zahlenanga- 
ben noch  manche  andere  dinge  mit,  z.  b.  der  Sprachschatz  eines 
jeden  Schriftstellers,  seine  prosaische  oder  poetische  darstellnng, 
ja  sein  eigenthumlicher  styl,  seine  lieblingswendungen,  sein  groe- 


numerische  lantverhaltnisse  in  griechischen  dialecten.         403 

faeres  oder  geringeres  streben  den  biatus  zu  vermeiden  (was  auch 
bei  prosaikern  in  anschlag  zu  bringen  ist)  u.  s.  w.*) 

Unberücksichtigt  bleiben  im  folgenden  von  allen  griecb.  lau- 
ten drei,  das  digamma,  dessen  erforschnng  fuer  die  numerische 
darstellung  noch  nicht  reif  ist,  der  spiritas  lenis,  der  nicht  den 
charakter  eines  willkuerlich  ausgesprochenen  lauts  traegt,  son- 
dern nur  das  mechanische  complement  des  asper  ist,  und  das 
i  8ubscriptam,  das  als  trummerhailej  laut  von  einer  ueberdies  sehr 
beschränkten  fast  nur  grammaticalischen  bedeutung  fueglich  von 
der  betrachtung  der  eigentlich  lebendigen  laute  auszuschließen  war. 

Nach  ausscheidung  dieser  drei  behält  das  griechische  laufc- 
system  noch  35  laute,  naemlich  die  vierundzwanzig  buchstaben 
des  alphabets,  den  spir.  asper**),  das  nasale  y  (vor  gutturalen) 
und  die  neun  diphthonge  ai9  et,  o«,  av,  «/,  ov,  vi,  qv,  cw,  im 
ganzen  16  vocalische  und  19  consonantische  laute.  Da£s  ich  lan- 
ges und  kurzes  a  i  v  ungeschieden  lasse,  wird  mir  mit  rucksicht 
auf  die  gebotenen  grenzen  meiner  darstellung  verziehen  werden. 

Beginnen  wir  nun  mit  dem  Verhältnis  der  vocale  zu  den 
consonanten  im  allgemeinen,  so  ist  dieses  unter  1000  lauten  fol- 
gendes: 

Hom.  Herod.  Xenoph.  Pind.  Theoer. 
voc.        466      474         460       456      455 
cons.     534      526    '     540       544      545. 

Daraus  gehn  folgende  betrachtungen  hervor: 

1)  Die  abweichung  der  dialeete  in  der  lautmi- 
schung  ist  nur  unbedeutend.  Bei  den  beiden  Dorern  ist 
so  gut  wie  gar  keine  Verschiedenheit  zu  bemerken.  Der  groeste 
unterschied,  der  zwischen  Theocrit  und  Herodot  läDst  sich  hoech- 
atens  mit  dem  abstände  des  Griecb.  vom  Lat.  vergleichen,  ist 
aber  viel  geringer  als  die  differenz  zwischen  griech.  und  goth. 
oder  skr. 

2)  Der  dorismus.  erweist  sich  als  die  härteste,  der 


*)  darauf  ist,  wie  sich  von  selbst  versteht,  bei  der  answahl  der 
stocke,  die  den  verschiedenen  zaehlongen  zu  gründe  gelegt  werden, 
rucksicht  zu  nehmen,  dafs  nicht  etwa  alle  eine  erzaehlung  in  der  er- 
sten person,  oder  eine  darstellung  in  lauter  praeteriten  u.  s.  w.  enthal- 
ten, sondern  es  müssen  moeglichst  heterogene  stocke  sein,  damit  auch 
von  dieser  seit«  her  dem  zofall  seine  macht  gelaehmt  werde. 
**)  nur  den  spir.  auf  q  lasse  ich  ungezaehlt 


404  Förstcmann 

ionismus  als    die    weichste  mandart;    der   atticisnius 
sieht  zwischen  beiden  fast  genau  in  der  mitte. 

3)  Das  relative  Verhältnis  zwischen  vocalen  und 
consonanten  ist  fast  gänzlich  dem  absoluten  gleich. 

Diese  auffallende  thatsache,  die  durchaus  nicht  ganz  auf  Zu- 
fall beruht,  erweist  sich  beim  atticismus  als  der  mittleren  mund- 
art  folgendermafsen.  Der  atticismus  besitzt,  da  ihm  von  den 
oben  angefuehrten  lauten  nu^  einer,  das  cot;  abgeht,  15  vocalische 
und  19  consonantische  laute.  Die  durchschnittliche  häufigkeit 
jedes  vocals  ist  also  460  :  15,  d.  h.  30 — 31,  die  durchschnittliche 
häufigkeit  jedes  consonanten  540  :  19,  d»  h-  28—29.  Leicht  knöpft 
sich  hieran  die  vermuthung,  dafs  ueberhaupt  im  allgemeinen  die 
sprachen,  je  mehr  consonanten  sie  besitzen,  desto  mehr  auch  con- 
8onantenverbindungen  lieben  durften,  und  wirklich  zeigt  sich  s.  b. 
das  mit  einem  so  reichen  consonantensystem  ausgestattete  Skr. 
60  wie  die  slavischen  sprachen  härter  als  das  diphthongenreiche 
Griechische  oder  Italienische.  Oder  sollte  es  auch  sprachen  ge- 
ben, die  sich  durch  eine  grofse  armuth  an  consonantischen  lauten 
auszeichneten,  trotzdem  aber  doch  diese  zu  häufigen  Verbindun- 
gen benutzten  und  deshalb  zu  den  harten  gehoerten?  Ich  empfehle 
diesen  punkt  gelegentlicher  aufmerksamkeit  und  bemerke  hier  nur, 
dafs  es  jedenfalls  fuer  den  harmonischen  bau  einer  spräche  spricht, 
wenn,  wie  im  Griechischen,  die  durchschnittliche  geltung  bei 
den  consonanten  der  bei  den  vocalen  nahe  kommt. 

Die  einzelnen  vocale  ergeben  folgende  uebersicht: 
Hom.  Herod.  Xenoph.  Pind.  Theoer. 


a 

79 

86 

90 

114 

114 

i 

46 

48 

36 

50 

53 

V 

20 

17 

17 

18 

24 

s 

106 

105 

88 

79 

84 

n 

34 

38 

35 

13 

21 

0 

85 

55 

66 

70 

64 

CO 

26 

32 

29 

28 

26 

cu 

17 

22 

23 

22 

30 

ei 

13 

13 

22 

20 

12 

Ol 

20 

19 

19 

19 

15 

(XV 

6 

8 

8 

3 

3 

ev 

4 

3 

8 

6 

4 

ov 

9 

26 

19 

13 

5 

vi 

0 

0 

0 

1 

0 

numerische  lautverhSltnisse  in  griechischen  dialeclcn.         405 

Hom.  Herod.  Xenoph.  Pind.  Theocr. 
tjv         1  0  0  0  0 

ö)v        0  2  0  0  0 

Folgerungen  daraus: 

1)  Der  häufigste  vocal  ist  im  dorismns  und  atti- 
cismus  das  «,  im  ionismus  das  e,  der  seltenste  unter 
den  einfachen  im  ionismus  und  atticismus  das  v,  im 
dorismus  das  tj. 

2)  Das  a,  ueberall  zu  den  häufigsten  vocalen  ge- 
hoerig,  ist  im  dorismus  seinem  ursprünglichen  um- 
fange am  naechsten  geblieben,  hat  aber  im  atticismus 
und  noch  mehr  im  ionismus  davon  beträchtlich  ein» 
gebuefst,  so  dafs  das  homerische  a  nur  etwa  f  des  do- 
rischen ausmacht. 

Dieser  attisch-ionische  verlust  geht  namentlich  ueber  auf  tj, 
im  ionismus  auch  (seltner  im  atticismus)  auf  e,  wie  unzaehlige 
stellen  der  grammatiker  beweisen,  zuweilen  auf  eo  (vgl.  dor.  nqä- 
Togy  noreidttp  u.  dgl.)  und  auf  o  (vgl.  z.  b.  dor.  e?x<m). 

Anziehend  ist  es  zu  beobachten,  wie  eine  reiche  und  classi- 
sehe  üteratur  den  attischen  dialect  fixirt  und  in  lautlicher  bezie- 
hung  zur  erstarrung  bringt,  waehrend  die  bewegung  vom  a  fort 
zu  den  uebrigen  vocalen  hin  in  vollem  gange  ist.  So  hat  die 
Gonsonautengruppe  des  a  in  paxQog  noeh  geschützt,  waehrend 
irfxicTog  schon  zu  17  hin  vorangeeilt  war,  so  ist  Movca  und 
tqiaiva  im  nom.  acc.  voc.  geblieben,  im  gen.  und  dat.  schon  ent- 
artet, so  sind  die  masc.  auf  tyg  wie  noXtryg  nur  noch  im  voca- 
tiv  dem  a  treu  geblieben,  nom.  dat.  acc.  schon  zu  r\  verwandelt, 
so  waere  ohne  die  hemmende  macht  der  Hteratur  das  aQyvQä 
gewifs  dem  XQvtf*  das  xodävcu  sicher  dem  ötiprjvai,  das  neQavai 
dem  tetQtjpat  nachgefolgt,"  vielleicht  auch  das  I<jt(>  appai  dem 
GTQtcpG),  das  iaraXov  dem  ottTXa),  das  yeXdaoo  trotz  der  Verschie- 
denheit der  bildung  dem  ri^rjoca,  das  ftdregov  dem  iteqog,  der 
Alle  zu  geschweigen,  wo  die  entsfehung  eines  diphthongs  den 
alten  vocal  festhielt  (aoifiaivm  zu  noifiqv,  Xiaiva  zu  Xioav  u.  dgl.). 

Das  uebergewicht  des  dor.  a  ueber  das  iou.  und  altische 
waeren  och  entschiedener,  wenn  nicht  umgekehrt  oft  grade  der  do- 
rismus in  der  sprachverSndcrung  vorangeeilt  waere;  man  denke  an 
dor.  formen  wie  noQÖuXig,  rhoQsg,  OQtjv,  *Vtf>  voXfiijTs.  Auch  der 
ionismus  bewegte  sich  mitunter  langsamer  als  der  atticismus;  vgl. 
tqcuh»,  tdpiKO,  ptfa&OQ,  #>«0<h«,  o^aovr«,  XtXaopai,  fAtcdpßQta. 


406  Förotemann 

3)  i  kommt  am  meisten  dem  dorismus,  naechstdem 
dem  ionismus,  weniger  dem  atticismus  zu;  durch- 
schnittlich nimmt  es  fast  halb  so  viel  umfang  ein  als  o. 

Das  zurücktreten  des  i  im  atticismus  liegt  daran,  dafe  es 
hier  vielfach  in  gebundenem  zustande  in  diphthongen  (auch  in 
uneigentliehen  als  *  subscr.)  erscheint,  wogegen  es  in  den  andern 
mundarten  mehr  selbständig  in  sogenannten  aufgelösten  formen 
auftritt,  die  aber  sprachgeschichtlich  oft  nichts  weniger  als  wirk- 
lich aufgeloest  sind. 

4)  v  umfafst  durchschnittlich  |  des  a,  |  des  i;  ein 
wesentlicher  unterschied  der  mundarten  in  hinsieht 
seines  umfangs  ist  nicht  wahrzunehmen. 

5)  e  ist  im  ionismus  der  häufigste  unter  denvoca- 
len,  bedeutend  seltener  beiden  attikern  und  noch  um 
ein  geringes  mehr. zurücktretend  bei  den  dorern. 

Nicht  biof8  vom  a  her  hat  das  ionische  «  seinen  Zuwachs 
erhalten,  sondern  auch  durch  die  zahlreichen  unebntrahiert  ge- 
bliebenen formen  mit  ea,  et],  es,  so,  €oo,  «.  Sein  umfang  würde 
noch  beträchtlicher  und  fast  ungebuehrlich  grofs  sein,  wenn  nicht 
einzelne  erscheinungen  ein  gegengewicht  dagegen  abgaeben.  Ich 
erinnere  hier  nur  an  den  homerischen  abfali  des  augments  und 
an  die  dehnung  mancher  s  zu  et. 

6)  17,  im  ionismus  und  atticismus  nahezu  gleich  an 
umfang,  im  dorismus  nur  etwa  -$-  so  häufig. 

Vgl.  was  ich  oben  beim  a  bemerkte.  Schon  oben  fuehrte 
ich  an,  dafs  der  umfang  dos  tj  im  dorischen  noch  einigermaßen 
durch  formen  wie  ogyv,  iQrj,  roX(uJT8  erhalten  wird;  dazu  nehme 
man  noch  hier  dorisches  tj  fuer  att.  6i,  z.  b.  in  öa^irjov,  tqrog, 
xoopijv  u.  a. 

Ich  bemerke  hier  noch,  dafs  mir  das  pindarische  r\  von  weit 
geringem  umfang  scheint  als  das  theoeriteische,  und  möchte  an- 
fragen, ob  das  wol  reiner  zufall  ist 

7)  o,  im  atticismus  und  dorismus  fast  gleich;  im 
ionismus  des  Homer  weit  häufiger,  in  dem  des  Hero- 
dot  weit  seltener. 

Auf  diese  bedeutende  abweichuhg  des  homerischen  vom  ke- 
rodoteischen  dialecte  hier  im  einzelnen  einzugehn  verbietet  der 
ort,  doch  läfst  sie  sich  leicht  ah  einer  grofsen  massc  von  erschei- 
nungen als  wolbegründet  nachweisen. 

8)  o>  hat  bei  Homer,  Xenophon,  Pindar,  Theocrit 


numerische  lautverhflJlnisse  in  griechischen  dialecten.         407 

eiuen  ueberraschend    gleichen   nmfang,  bei  Herodot 
nur  einen  um  ein  weniges  groefseren. 

Die  im  ganzen  unbedeutenden  Schwankungen  kommen  be- 
sonders auf  rechnung  von  dorischen  und  ionischen  formen  wie 
xcoQog,  d<SXog,  w#>,  Mtfiaa,  wozu  noch  als  speciell  dorisch  zu  fue- 
gen  formen  wie  ßwg,  der  acc.  plur.  auf  mg  (Xvxcog)  etc.,  als  spe- 
ciell ionisch  <nnJQy  conawwv,  wyaXfia^  rwhj&eg,  mgictog  u.  dgl. 
Umgekehrt  geht  wieder  den  Dorern  hie  und  da  ein  oo  ab  durch 
erscheinungen  wie  gen.  Jdrgeida,  durch  zusammenziehungen  wie 
tpvoärreg  und  ntivärri  (obgleich  letztere  mehr  aeolisch  sind)  und 
durch  formen  wie  nourog,  Iloreidäv. 

9)  Unter  den  diphthongen  hat  bei  Homer  die  erste 
stelle  das  01,  bei  Herodot  das  ov,  bei  Attikern  und  Do- 
rern das  au 

Das  homerische  01  erhält  seinen  umfang  namentlich  aus  dem 
gebiete  des  attischen  ov  (vgl.  gen,  auf  om>),  das  herodoteische  ov 
vorzüglich  aus  dem  bereiche  des  attischen  o. 

10)  Die  beiden  diphthonge  vi  und  yv  und  das  he- 
rodoteische 011;  verschwinden  gegen  die  masse  der 
uebrigen  sechs  fast  völlig. 

Ueberhaupt  lassen  sich  die  griechischen  diphthonge  nach  der 
groefse  ihres  umfangs  in  folgende  drei  klassen  bringen: 

1.  at    et    oi    ov 

2.  av    sv 

3.  vi    tjv   (»v. 

Wie  *  dem  v  voransteht,  so  haben  auch  die  auf  i  endenden 
diphthonge  ein  uebergewicht  ueber  die,  deren  zweiter  theil  v  ist. 

11)  Im  einzelnen  ist  am  auffallendsten  das  zurück- 
treten des  ov  bei  Theocrit. 

Die  mangelnden  ov  finden  sich  wieder  als  <n  (Mtöaa,  ßaxo- 
hxag)  und  als  ot  (todoiaa,  rDAoiaa,  Xaßoiaa).  Ohne  hier  wei- 
ter auf  specielles  eingehn  zu  können,  fassen  wir  nun  einfache 
vocale  und  diphthonge  in  eine  gesammtuebersicht  zusammen!  Da 
zeigt  sich  folgendes: 

Hom.  Herod.  Xenoph.  Pind.  Theoer. 
Einf.  voc.    396    381         361        372      386 
Qiphth.  70      93  99  84        69 

Theocrit  und  Homer  sind  also  bei  weitem  am  diph- 
thongenärmsten,  der  contrahirende  atticismus  am 
diphthongenreichsten.    Bei  jenen  sind  die  diphthonge  nur 


408  Förstemann 

ein  starkes  sechstel  der  einfachen  vocale,  in  diesem  mehr  als  ein 
viertel. 

Bei  einer  Zusammenfassung  der  alten  vocaltrias  a  i  v  im  Ver- 
hältnis zu  den  jüngeren  e  t]  o  co  ergiebt  sich  folgendes: 
Hom.  Herod.  Xenoph.  Pind/  Theoer. 
a    i    v       145      151        143        182      191 
€  tj  o  oo       251      230        218        190      195 
Zwar  ueberwiegen  die  jungem  vocale  immer  neber 
die  altern,  allein  im  dorismns  nur  um  ein  ganz  unbe- 
deutendes, im  atticismus  und  bei  Herodot  im  Verhält- 
nis von  3  :  2,  bei  Homer  dagegen  sogar  wie  5  :  3. 

So  ist  also  der  älteste  Schriftsteller  in  dieser  hinsieht  grade 
der  modernste. 

Die  vergleichung  der  kurzen  s  und  o  mit  den  längen  tj  nnd 
<ö  zeigt  sich  wie  folgt: 

Hom.  Herod.  Xenoph.  Pind.  Theoer. 
s  +  o      140      143        123         92       105 
n  +  oj      111        87  95         98         90 

Bei  Pindar  ueberwiegen  die  beiden  längen,  beiden 
uebrigen  die  beiden  kürzen,  am  auffallendsten  bei  He- 
rodot. 

Unter  den  fünf  berücksichtigten  Schriftstellern  hat  Pindar 
den  hoechsten  schwung,  Herodot  die  einfachste  darstellung;  man 
sieht  wie  die  würdevolle  länge  jenen,  die  anspruchslose  kürze 
diesen  in  seiner  darstellungsweise  begünstigte.  Wie  viel  geringe- 
ren reiz  müfste  ein  Herodot  in  halikarnassischem  dorismus  haben ! 
Welch  feiner  takt,  bemerke  ich  beiläußg,  in  den  choeren  der 
attischen  dramen,  wo  der  pindarischc  styl  zugleich  eine  annae- 
herung  an  die  pindarische  mundart  nach  sich  zog.  So  bestaeli- 
gen  es  die  numerischen  vocal  Verhältnisse,  was  schon  auf  andern 
wegen  so  oft  erkannt  und  so  häufig  ausgesprochen  ist,  dafs  sich 
in  der  griechischen  literatur  ein  günstiges  Schicksal  mit  einer 
ueberaus  glücklichen  handhabung  des  gegebenen  Stoffes  in  ueber- 
raschendem  mafse  wie  sonst  nirgends  paarte. 

Es  mag  jetzt  die  allgemeine  uebersicht  des  consonantismus 
folgen: 

Hom.  Herod.  Xenoph.  Pind.  Theoer. 
x         27        29  33  32         40 

r         58        88         80  52         81 

n        36        43  38  43         34 


nameriscbe  lautverhsltnissc   io  griechischen  dlaleclen.         409 


Hom. 

Herod. 

Xenoph. 

Pind. 

Theoer. 

X 

16 

9 

8 

11 

9 

& 

21 

11 

13 

20 

17 

<p 

8 

7 

7 

17 

11 

7 

14 

16 

13 

10 

16 

d 

30 

29 

28 

31 

36 

ß 

4 

6 

9 

6 

6 

c 

24 

22 

30 

16 

22 

Q 

46 

38 

35 

53 

43 

X 

37 

27 

48 

43 

35 

G 

70 

82 

74 

67 

75 

nas.  y 

2 

0 

3 

1 

0 

9 

99 

81 

88 

95 

76 

P 

36 

31 

26 

38 

31 

i 

4 

4 

4 

5 

5 

V 

1 

2 

1 

2 

4 

t 

2 

2 

2 

2 

1 

Nur  weniges  hebe  ich  neber  einzelne  laute  hervor: 

1)  Kein  consonant  erreicht  die  häufigkeit  der  häu- 
figsten vocale,  keiner  ist  aber  auch  so  selten  als  die 
seltensten  unter  den  vocalischen  lauten. 

Es  ist  also  die  vertheilung  im  consonantismus  eine  gleich- 
maefsigere  als  im  vocalismus,  wie  es  die  starrere  natur  des  erstc- 
ren  mit  sich  bringt,  die  ein  ungebuehrliches  ueberhandnehmen 
eines  lautes  auf  kosten  der  uebrigen  verhindert.  Einzelne  vocale 
ueberschreiten  im  Griechischen  sogar  den  umfang  von  -jV  sämmt- 
licher  laute,  waehrend  kein  consonant  diese  grenze  völlig  erreicht. 

2)  Um  den  ersten  rang  unter  den  consonanten  strei- 
ten v  und  r,  um  den  zweiten  bewirbt  sich  aufserdem 
noch  <r. 

Die  folge  der  drei  häufigsten  consonanten  ist  bei  Hom.  *  <r 
r,  bei  Herod.  t  <r  *,  bei  Xenoph.  *  %  <r,  bei  Pind.  *  <x  r,  bei 
Theoer.  t  r  o.  Man  bemerke,  dafs  alle  drei  laute  dem  dentalen 
organe  angehoeren. 

3)  Die  groesten  Schwankungen  zeigt  r,  dem  Homer 
und  Pind.  im  gegensatz  zu  Herod.  Xenoph.  Theoer.  ab- 
hold sind. 

Diese  Schwankungen  sind  so  bedeutend,  dafs  sie  nicht  allein 
aus  grammatischen,  sondern  auch  aus  lexicalischen  und  styüsti- 


410  Förstemann 

sehen  Verhältnissen  erklaert  werden  müssen,  die  ich  gesteh*  mufe 
1  heil  weise  noch  nicht  aufgefunden  zu  haben. 

Fassen  wir  nun  die  consonantenclassen  zusammen,  und  zwar 
zunaechst  die  mutae  und  die  liquidae,  wobei  wir  von  |  *p  und 
£  absehn. 

Hom.  Herod.  Xenoph.  Pind.  Theoer. 
Mut.     214      238        229        222       250 
Liqu.    313      281        304        313       285 
Ueberall  ueberwiegen  die  liquidae  ueber  die  mu- 
tae, am  wenigsten  bei  Theoer.,  am  meisten  bei  Homer. 
Merkwürdig  ist,  dafs  Pindar  hier  mehr  dem  Homer,  Herodot 
mehr  dem  Theocrit  nahe  kommt,  wie  wir  neberhaupt  sehn  wer- 
den, dafs  bei  den  consonanten  sich  weniger  die  mundarten,  mehr 
die  individualitaeten  der  schriftsteiler  scheiden  als  bei  den  voca- 
len.     Eigentlich  mundartlichen   Wechsel   von    muta  und  liquida 
weist  die  grammatik  im  ganzen  selten  auf  (ich  erinnere  an  do- 
rische formen  wie  tv,  eixau,  nXatiov,  Ilozetdäv,  an  attische  wie 
rijft£QOv  und  rijreg  und  an  die  entstehung  des  ca  aus  muta  +  <). 
Die  mutae  unterscheiden  sich  nach  ihren  Organen  in  folgen- 
der weise: 

Hom.  Herod.  Xenoph.  Pind.  Thcocr. 
Gutt        57        54  54  53         65 

Dent.      109      128        121        103       134 
Lab.  48        56  54  66         61 

1)  Im  allgemeinen  stehn  sich  die  dialecte  in  der 
vertheilung  der  mutae  unter  die  drei  organe  sehr  nahe. 

2)  Ueberall  herrschen  die  dentale  vor,  gutturale 
und  labiale  stehn  sich  ziemlich  gleich  und  erreichen 
•zusammen  etwa  den  umfang  der  dentale. 

Ich  bemerke  hierbei  gelegentlich,  dafs  ich  allen  organwech- 
sel,  sofern  er  nicht  durch  einflufs  anderer  laute  (assimilation  etc.) 
hervorgebracht  wird,  als  erleichterung  ansehe.  Da  mir  die  gut- 
turale als  die  schwersten,  die  labiale  als  die  mittleren,  die  den- 
tale als  die  leichtesten  consonanten  gelten,  so  ist  die  erleichterung 
wesent  ch  eine  dreifache:  1)  gult.  wird  lab.  (yA*fo«w  ßXyx&v,  xcSg 
nmg  u.  s.  w.),  2)  gutt  wird  dent.  (o^9i%og  OQ9i&ogy  noxa  nite, 
rf  da,  xelvog  tjjvog,  ißounax&l*  ßeundam  u.  8.  w.),  3)  lab.  wird 
dent..  (<plav  &Xav,  pife  &jq9  oßeXog  oÖelog,  nipne  fiepte).  Spe- 
ciell  auf  die  begründung  dieser  ansieht  einzugehn  gehoert  hier 
nicht  zur  sache. 


numerische  lautverhSltuisse  in  griechischen  dialecten.         411 

Die  vertheilung  der  tenues,  aspiratae  und  roediae  ist  fol- 
gende: 

Hom.  Herod.  Xenoph.  Pind.  Theoer. 
Ten.        121      160        151       127        155 
Asp.         45        27  28         48  37 

Med.         48        51  50         47  58. 

Ueberall  herrsebaft  der  tenues,  bei  Hom.  und  Pind. 
gleichheit  zwischen  asp.  und  med.,  bei  den  uebrigen 
zurücktreten  der  asp.  gegen  die  med.,  am  auffallend- 
sten bei  Herod. 

Diese  letztgenannte  eigenschaft  der  herodoteischen  mundart 
braucht  hier  weiter  keine  ansfaehrung,  da  die  beispiele  sich  von 
selbst  in  masse  darbieten. 

Auch  hier  kann  ich  eine  beiläufige  bemerkung  nicht  unter- 
drucken, obwol  ich  wahrscheinlich  damit  widersprach  auf  mich 
laden  werde.    Kurz  gesagt,  mir  ist  die  aspirata  nicht  eine  um 
einen  Spiritus  asper  vermehrte  tenüis,  sondern  ein  zwischen  der 
tenuis  und  der  spirans  desselben  organs  stehender  laut;  also  % 
zwischen  x  und  ',  0  zwischen  r  und  er,   <p  zwischen  n  und  /\ 
Mir  scheint  erst  misbräuchlich  c  als  hauchlaut  xecr'  Qofflv  ange- 
sehn  und  dadurch  der  ursprüngliche  begriff  einer  aspirata  (einer 
mit  spirans  gemischten  tenuis)  gewissermafsen  in  den  einer  aspe- 
rat a  (einer  um  den  asper  verstärkten  tenuis)  verwandelt  zu  sein. 
Dadurch  gilt  mir  die  (harte)  aspirata  nicht  als  härter,  sondern 
vielmehr  als  weicher  denn  die  tenuis  und  dadurch,  glaube  ich, 
crklaeren  manche  Spracherscheinungen  sich  mir  leichter  als  bei 
der  entgegengesetzten  ansieht,  obgleich  ich  mir  wol  bewust  bin, 
dafs  einiges   dagegen  streitet.     Die   weichen   aspiraten    anderer 
sprachen  beurtheile  ich  natuerlich  analog.  Mich  dünkt  uebrigens, 
als  liefse  sich  der  schoene  parallelismus  zwischen  aspiraten  und 
diphthongen,  den  Curtius  in  dieser  Zeitschrift  II,  322  erwaehnt, 
von  meinem  Standpunkte  aus  noch  weiter  durchfuehren.     Wie 
es  doch  jedenfalls  die  diphthonge  sind,   so  sind  mir  auch  die 
aspiraten  nicht  blofse  lautagglutinationen,  sondern   in  einander 
gewachsene  laute,  wie  der  zweite  theil  der  diphthonge  nicht  im- 
mer derselbe  ist  (etwa  immer  i),  so  scheint  er  es  mir  auch  nicht 
bei  den  aspiraten  zu  sein  (immer  ein  h) ;  wie  die  diphthonge  als 
zweiten  theil  den  labialen  vocal  u  und  das  gutturale  i  vorziehn, 
das  mittlere  a  aber  vermeiden,  so  auch  die  aspiraten,  bei  denen 
die  labialen  und  gutturalen  in  den  sprächen  viel  weiter  verbrei- 


412  Förstemaun 

tet  sind  als  die  dentalen  durch  s  aCQcirten.  Diese  ganze  ansiebt, 
die  ich  beiläufig  nicht  als  behauptung,  sondern  als  bescheidene 
vermuthung  anznsehn  bitte,  fuehre  ich  vielleicht  gelegentlich  wei- 
ter ans. 

Ich  komme  nun  zur  znsammcnslellaug  der  drei  nasale  7,  r 
und  fi: 

Hom.  Herod.  Xenoph.  Pind.  Theoer. 
Nas.     137      112        117        134      130. 

Im  ganzen  waltet  ziemliche  nebereinstimung,  nur 
treten  sie  bei  den  beiden  prosaikern  gegen  den  um- 
fang bei  den  drei  dichtem  etwas  zurück. 

Der  grund  hiervon  liegt  wol  besonders  in  der  groefsern  ab« 
neigung  der  dichter  gegen  den  hiatus  nnd  in  der  deshalb  statt- 
findenden häufigen  beibehaltung  des  sogenannten  r  icpebwGnxoir. 

Die  Seltenheit  des  gutturalen  nasal*  im  Verhältnis  zn  den 
beiden  andern  zeigt  recht  deutlich,  wie  wenig  es  ein  bedürfnis 
der  griech.  spräche  war  hiefuer  ein  besonderes  zeichen  zu  ver- 
wenden. 

Die  summe  der  beiden  doppelconsonanten  £  and  ip  be- 
traegt  bei 

Honi.  Herod.  Xenoph.  Pind.  Theoer. 
£+y      5  6  5  7  9 

Die  groefsere  zahl  bei  Theocrit  schreibe  ich  ohne  weiteres 
dem  zufall  zu,  der  bei  so  kleinen  zahlen  merklicher  waltet  als 
bei  grofsen. 

Es  bleibt  nun  noch  das  im  Griech.  ganz  einzeln  stehende, 
mit  keinem  der  andern  laute  vereinbare  palatale  £  uebrig,  fuer 
das  ich  bei  Theocrit  die  zahl  1,  bei  den  andern  vier  Schriftstel- 
lern den  werth  2  fand.  Grade  hier  rechtfertigt  sich,  besonders 
mein  vertrauen  zur  numerischen  methode,  nicht  blofs  in  der 
uebereinstimmung  bei  jenen  vier  Schriftstellern,  sondern  auch  in 
der  abweichung  bei  Theoer.,  der  doch  bekanntlich  so  manches  £ 
durch  ad  ersetzt. 

Am  Schlüsse  komme  ich  dazu,  wie  bei  meinen  frueheren 
aehnlichen  arbeiten,  den  gesamtsten  abstand  in  der  lautmischang 
der  berücksichtigten  mundarten  zusammenzufassen.  Hier  finde 
ich  nun  folgendes: 

Herod.  u.  Xcooph.   157 
Pind.  u.  Theoer.  188 
Hom.  u.  Herod.  201 


numerische  laulyerhältnisse  in  griechischen  dialecten.  413 

Hom.  a.  Pind.  204 
Hom.  u.  Xenoph.  206 
Xenoph.  a.  Theoer.  208 
Herod.  a.  Theoer.  211 
Xenoph.  a.  Pind.  222 
Hom.  u.  Theoer.  235 
Herod.  u.  Pind.  276. 
Eine  bessere  einsieht  in  die  bedentang  dieser  zahlen  ergiebt 
sieb,  wenn  man  sie  mit  aehnlichen  vergleicht.    Zu  dem  ende  re- 
ducire  ich  einige  fruehere  angaben  ueber  die  abstünde  der  deut- 
schen mundarten,  so  wie  ueber  den  abstand  des  Skr.  Griech.  Lat. 
und  Goth.  von  einander  anf  meine  gegenwärtige  methode  (obwol 
solche  reduetion  nur  annaehernd  geschehen  kann),  und  es  er- 
giebt sich  auf  diese  weise  der  abstand  von: 

mhd.  u.  nhd.  236  griech.  u.  lat.     532 

ahd.  u.  mhd.  520  skr.  u.  goth.       756 

goth.  u.  ahd.  604  lat.  u.  goth.        852 

ahd.  u.  nhd.    632  griech.  u.  goth.  888 

goth.  u.  mhd.  764  skr.  u.  lat.  952 

goth.  u.  nhd.  800  skr.  u.  griech.  1032 

Die  griechischen  hier  betrachteten  mundarten  stehn  sich  also 
lautlich  meistens  naeher  als  das  mhd.  dem  nhd.;  nur  Herodot 
entfernt  sich  etwas  mehr  von  Pindar,  doch  stehn  selbst  diese 
beiden  von  einander  nur  etwa  halb  so  weit  ab  als  ahd.  von 
mhd.,  nur  ein  drittel  so  weit  als  goth.  von  nhd.  Der  groeste 
abstand  innerhalb  der  griech.  mundarten  ist  etwa  gleich  dem 
halben  abstände  des  attischen  dialects  vom  Latein,  gleich  einem 
viertel  des  abstandes  zwischen  attischer  mundart  und  Sanskrit. 

Eigenthuemlich  ist  das  ergebnis,  wenn  man  den  vocalabstand 
der  griech.  mundarten  isolirt  betrachtet: 

Pind.  u.  Theoer.  61.  (dor. — dor.) 
Herod.  u.  Xenoph.  74.  (ion. — att) 
Hom.  u.  Her.  82.  (ion. — ion.) 
Xenoph.  u.  Pind.  92.  (att. — dor.) 
Hom.  u.  Xenoph.  98.  (ion. — att.) 
Xenoph.  u.  Theoer.  115  (att— dor.)- 
Hom.  u,  Pind.  130  (ion. — dor.) 
Hom.  n.  Theoer.  130  (ion. —  dor.) 
Herod.  u.  Pind.  133  (ion. — dor.) 
Herod.  u.  Theoer.  135  (ion. — dor.) 


414  Pott 

Hier  sehn  wir,  abgeschn  von  der  zweiten  and  dritten  zeile? 
die  man  umgestellt  wünschen  möchte,  eine  ganz  merkwürdige 
reihenfplge.  Die  beiden  Dorer  sind  einander  die  naechsten  nach- 
barn;  die  beiden  Jonier  stehn  sich  um  ein  drittel  ferner;  noch 
weiter  ab  liegen  sich  attische  und  ionische  sowie  attische  und 
dorische  mundart;  die  vier  letzten  zeilen  endlich  zeigen  den  ab- 
stand des  ionischen  vom  dorischen  als  der  beiden  entgegengesetz- 
ten dialecte,  und  zwar  so,  deis  der  homerische  ionismos  (ich 
nenne  in  diesem  ganzen  aufsatz  den  epischen  dialect  der  kürze 
wegen  schlechtweg  ionisch)  dem  dorismos  etwas  naeher  steht 
als  der  herodoteische«  Wer  freut  sich  nicht,  selbst  allbekannte 
thatsachen  in  so  bestimmter  form  vor  äugen  zn  haben! 

Eine  sehnliche  isolirung  der  consonantenabstande  giebt  eine 
weit  weniger  elegante  Tabelle  und  würde  nur  zur  abermaligen 
bestaetigung  des  satzes  dienen: 

Die  Scheidung  der  griechischen  mundarten  beruht 
wesentlich  in  ihrem  vocalismus. 

Bei  allen  vorstehenden  erörterungen  waren  mir  die  numeri- 
schen angaben  selbst  und  die  daraus  hervorgehenden  resnltate  die 
hauptsache.  Alles  einzelne  mit  einer  groefseren  anzahi  von  bei- 
spielen  zu  belegen  unterliefe  ich  hier,  um  eben  jene  hauptsachen 
nicht  zu  weit  aus  einander  zu  ziehn  und  dadurch  zu  verdunkeln, 
obwol  es  mir  leicht  moeglich  gewesen  waere,  im  einzelnen  vie- 
les mit  hülfe  einer  gedrängten  griechischen  lantlehre,  die  ich  mir 
bereits  vor  jähren  zum  privatgebrauch  angelegt  habe,  zu  grosse- 
rer fülle  auszudehnen.  Wenn  unseres  wackern  Curtius  arbeiten 
auf  diesem  gebiete,  worauf  unsere  Wissenschaft  so  sehnlich  war- 
tet, erst  in  ganzem  umfange  ans  licht  getreten  sein  werden,  dann 
wird. an  belegen  zu  allen. hier  angedeuteten  spracherscheinnngen 
kein  mangel  sein,  ja  auch  keiner,  wie  ich  mich  gern  bescheide, 
an  berichtigungen. 

Wernigerode.  E.  Forstemann. 


Benennungen  des  regenbogens# 

Es  mag  gestattet  sein,  meinem  besonderen  thema  einige  all- 
gemeinere bemerkungen  vorauszuschicken,  um  so  mehr,  als  jenes 


bcnennungen  des  regenbogens  415 

nur  gewissermafeen  zum  belege  für  die  richtigkeit  letzterer  die- 
nen soll. 

Man  begreift  leicht:  die  vergleichende  Sprachforschung 
hat  ein  weiteres  amt,  als  das,  von  etymologischen  Identi- 
täten an  wurzeln,  Wörtern  und  grammatischen  anhängen  in  ver- 
wandten, nnd  wo  es  sich  um  Verpflanzung  eines  auf  fremdem  bo- 
den  gewachsenen  auf  den  eigenen  handelt,  auch  öfters  in  unver- 
wandten sprachen  den  nachweis  zu  liefern  oder  —  umgekehrt 
—  den  unterschied  der  verglichenen  sprachen  in  bau  und  fü- 
gung  hervorzuheben,  und  von  lautähnlichkeiten,  welche  eine  ge- 
nealogische Verwandtschaft  lediglich  heucheln,  den  trügerischen 
schein  aufzudecken  und  dieselben  unnaehsichtlich  abzuweisen.   Ich 
will  jetzt  auch  nicht  von  einer  vergleich ung  der  syntax  in  ver- 
schiedenen sprachen  reden,  von  öjer,  ihrer  grofsen  Schwierigkeit 
halber,  begreiflicher  weise  nur  erst  wenige  spärliche  versuche 
vorhanden  sind.    Mir  kommt  es  augenblicklich  auf  etwas  ande- 
res an.    Bei  einer  erweiterten  Stellung  genannter  diseiplin  näm- 
lich, wo  sie  gleichsam   eine   dogmengeschichte  des  men- 
sch enges  chlechts,  d.  h.  eine  wissenschaftliche  zusammen-  und 
entgegenStellung  der  menschlichen  anschauungsweisen  und  Vor- 
stellungen von  den  äufseren  und  inneren  dingen  und  erscheinun- 
gen  mitbegründen  soll,   insofern  sie  in  der  spräche  ihre  spur 
zurückliefsen,  hat  sie  recht  eigentlich  aus  einer  möglichst  ausge- 
dehnten anzahl  von  idiomen  und,  wo  es  sein  kann,  ans  denen 
gerade  der  allerverschiedensten  Völker  der  erde,  freilich  auch  in 
vergleichender  weise  aufschlösse  zu  ziehen,  indefs  so,  dafs  in  die- 
sem falle  es  mehr  auf  psychologische  und  begriffliche  ähnlich- 
keiten  oder  Verschiedenheiten  der  bezeichnung  ankommt.    Diese 
aufschlösse  aber  sind  augenscheinlich  zu  einem  grofsen  theile  auch 
nur  mittelst  richtiger  etymologieen  zu  erweisen,  weil  die  elyma 
ja  allein  in  Wahrheit,  was  die  Griechen  mit  ihrem  ausdrucke  sehr 
richtig  sagen  wollten,  die  innere  Wahrheit,  d.  h.  den  ursprüng- 
lichen sinn  in  sich  schliefsen,  den  man  im  jeweiligen  falle  mit 
den  in  »ede  stehenden  Wörtern,  oder,  was  dem  hier  gleich  gilt* 
mit  dem  in  ihnen  niedergelegten  geistigen  inhalte  verband.    Der 
name  ist  zwar  nicht  die  sache,  aber  die  Vorstellung  von  der 
sache,  welche  man  zur  zeit  der  freilich  nicht  immer  gelungenen 
benennung  von  'ihr  sich  machte. 

Als  einen  unbestreitbar  höchst  wichtigen -und  anziehenden 
gegenständ  solcher  art  darf  ich  alle,  in  diereligion  einschlägigen 


416  Pott 

Vorstellungen  nennen;  zn  dessen  ergründung  vonndringen,  eine 
vergleichende  mythologie  nur  erst  seit  kurzem  und  mit 
zum  theil  noch  sehr  unsicheren  schritten  versucht.  Religiöse  Vor- 
stellungen sind  allerdings,  je  nach  den  umständen,  um  ein  gutes 
stück  leichter  übertragbar,  als  sprachen  und  sprachliches.  Nichts 
desto  weniger  irrte  man  ganz  aufserordentlich,  wollte  man,  was 
freilich  lange  eine  gewöhnliche  und  noch  keineswegs  ganz  er- 
loschene meinung  blieb,  überall  da,  wo  sich  auf  verschiedenen 
punkten  der  erde  auffallende  Ähnlichkeiten  in  betreff  der  ersteren 
vorfinden,  diese  gleichartigkeit  allsogleich  und  immer  aus  reiner 
erborgung  abseiten  des  einen  volks  von  einem  andern  herlei- 
ten, und  etwa  zuletzt  mit  einem  urvolke,  d.  h.  irgend  einem, 
durch  uns  mit  Vorliebe  gehegten  und  zwar,  je  nach  der  ansieht, 
bald  diesem  bald  jenem  volke,  enden,  aus  dessen  unversieglichem 
weisheitsborne  dann  alle  übrigen,  die  unglückseligst  sterilen  Völ- 
ker sollten  geschöpft  haben! 

Wie  die  sprachspeculation  sich  lange  mit  einer  Ursprache 
und  deren  Wiederauffindung  in  einer  unter  den  hunderten  vor- 
handener sprachen,  deren  gesammtzahl  sich  vielleicht  gar  erst 
mit  einem  tausend  abschließt,  natürlich  ganz  vergebens  abmühete, 
weil  man  immer  an  der,  ich  weife  keinen  besseren  ausdruck, 
mechanischen  erklärung  von  Übertragung  der  sprachen  an  im- 
mer andere  und  andere  Völker  von  einem  einzigen,  durchaus  un- 
erwiesenen  mittelpunkt  aus  festhielt:  eben  so  falsch  wfire  herlei 
tung  aller  religion  (ich  spreche  von  nichtoffenbarter)  aus  einer 
einzigen,  wenn  ich  so  sagen  darf,  volklichen  Urquelle,  und  nicht 
auch,  nach  umständen  jener  allgemeinsamen  quelle,  die  mehr  oder 
weniger  frisch  jedem  empfindenden  und  denkenden  einzelnen,  wie 
viel  mehr  jedem  volke  sprudelt,  d.  h.  aus  der  menschenbrust 
überhaupt. 

Jeder  Gedanke,  wie  gering  und  unwichtig  oder  wie  belang- 
reich und  folgenschwer  er  sei,  mufs  an  letzter  stelle  einmal,  be- 
vor er  in  die  weit  kam,  von  einem  individuum  gedacht  sein. 
Was  aber  nicht  hindert,  —  wie  schon  die  häufigen  prioritätsstrei- 
tigkeiten  zu  beweisen  dienen,  —  dafs  derselbe  gedanke  von 
individuen  verschiedener  zelten  und  an  den  entlegensten  orten 
oft,  bei  der  Unmöglichkeit  unmittel-  oder  auch  mittelbarer  ver- 
mittel ung  in  unabhängigster  weise  mit  überraschender  Überein- 
stimmung nicht  nur  gedacht,  sondern  auch  ausgesprochen  werde. 
Ausgesprochen  aber  hört  der  gedanke  auf,  des  individuums,  zu- 


benennungen  des  regenbogens.  417 

mal  des  durch  obmaclit  seines  geistes  herrschenden,  wie  z.  b.  dich- 
ter, darstellende  kunstler,  religionsstifter  u.  s.  w.,  ausschliefsliches 
eigenthura  zu  sein.  Er  gehört  von  da  ab  einer  mebrheit  an, 
die  in  bald  weiter  bald  enger  umzogener  Sphäre  ihn  verbreiten, 
aber  auch,  was  nur  zu  oft  damit  verbunden,  anders  wenden 
und  trüben,  öfters  aber  auch  erweitern,  vertiefen  und  aus- 
schmücken,,  kurz  mit  ihm  in  leicht  sehr  wülkükrlich  schaltender 
Weise  verfahren  kann. 

So  sammelt  sich,  wie  es  z.  b.  auch  stetig  gewordene  volks- 
sitten  giebt,  allmälig  eine  summe  religiöser  Vorstellungen  an,  wel- 
che trotz  ihres  allgemeiner  greifenden  menschlichen  in  halte 
doch  in  ihrer  jedesmaligen  individueller  bestimmten  fassung  —  nur 
in  einem  engeren  kreise,  d.  h.  meistens,  weil  da  der  mittheilung 
die  geringsten  hindernisse  entgegenstehen,  innerhalb  gleichgearte- 
ter Sprachgrenzen,  leben  und  dauern.  Ein  schätz,  von  welchem 
sich,  war  anders  bei  ihrer  trennung  ein  solcher  schon  vorhan- 
den, alle  gemeinschaftlichen  glieder  eines  volk-  und  sprachstam- 
mes,  wie  z.  b.  des  indogermanischen,  bereits  ein  erbt  heil  in  ihre 
gewechselte  heimath  mit  hinfortnehmen  mochten,  nur  dafs  die- 
ser freilich  im  laufe  der  zeit  durch  Vergeudung  einschwand,  an- 
dern theils  unter  dem  einüufse  anderer  geschicke  und  eines  neuen, 
anders  aussehenden  und  mit  anderen  nachbarn  in  verkehr  ge- 
brachten Wohnsitzes  auch  eine  menge  Umänderungen  sich  mutete 
gefallen  lassen.  Lohnt  es  nun  schon  der  muhe,  alle  nachmals 
abgerissenen  föden  der  gedankenweit,  welche  ursprünglich  einem 
grofseren  volksganzen  gemeinsam  war,  wieder  zu  verknüpfen 
and  wo  möglich  durch  einander  aufzuhellen  (wovon  der  eine  der 
herausgeber  gegenwärtiger  Zeitschrift  so  höchst  dankenswerthe 
proben  geliefert),  wie  viel  schöner,  wenn  auch  schwieriger  die 
aufgäbe,  in  den  mythologieen  aller  Völker  durch  gegenseitige  be- 
leuchtung  die  ihnen  allen  zum  gründe  liegenden  anschauungen 
und  interessen  der  menschheit  ans  tageslicht  zu  bringen. 

Man  wird  aber  hier,  wie  auf  dem  gebiete  der  spräche,  die 
gefundenen  ähnlichkeiten,  je  nach  ihrem  Ursprünge  aus  einander 
halten  müssen.  Einmal  hat  oft  wirklich  erborgung  statt  ge- 
funden. Andere  male  beruht  die  einheit  auf  der  ur sprungs- 
gleich hei t  der  volklichen  abtheilungen y  worin  sie  sich  zeigt. 
Endlich  aber  drittens  findet  die  Übereinstimmung,  wo  nicht  ge- 
radezu ein  sonderbarer  zu  fall  waltete  (und  das  kommt  auch  vor), 
nicht  selten  in  der  einheit  der  menschlichen  natur  und  der 

IL    6.  27 


418  Po« 

natur  um  uns  ihren  vollkommen  ausreichenden  erklärungsgrund. 
Dabei  nehme  man  in  der  mythologie  sorgfältig  alles  vorweg,  was, 
weit  entfernt,  allgemeiner  geglaubt  zu  sein,  nie  was  anderes  war 
als  dichtung  oder  speculation  des  einzelnen,  wie  ja  so  manche 
mythische  darsteilungen  z.  b.  lediglich  griechischen  dichtem  oder 
bildnern  individuell  angehören. 

Die  interjeetion  behauptet,  weifs  man,  gleich  dem  lachen 
oder  weinen,  gähnen,  schnarchen  u.  s.  w.  einen  allgemein  mensch- 
lichen, oder,  will  man  dies  lieber,  einen  eigentlich  thierischen 
Charakter.    Nicht  viel  anders  hat  man  bekanntlich  geglaubt,  von 
einer  gewissen  klangharmonie,  wie  sie  selbst  in  sonst  unverwand- 
ten sprachen  zwischen  Wörtern  verwandter  bedeutung,  namentlich 
wenn  sie  auf  schall  hinauslaufen,  allerdings  bis  auf  einen  gewis- 
sen punkt  hin  häufig  vorkommt,  den  grund  im  nachahmerischen 
triebe  zu  onomatopoetischer  tonmalerei  suchen  zu  dürfen,  der 
allen  menschen  und  Völkern,  nur  in  abweichendem  grade,  eigen 
ist.     Es  liegt  jetzt  nicht  in  meinem   plane,  das  geheimnifs volle 
wechselverhältnifs,  welches,  sehr  ähnlich  dem  nicht  minder  räth- 
selhaflen  zwischen  leib  und  seele,  in  der  spräche  zwischen  laut 
und  begriff  besteht,  —  ein,  nach  zurückfuhrung  einer  spräche 
auf  ihre  wurzeln  und  anbildungssilben,  noch  unerklärt  zurück- 
bleibender und  gleichsam  irrationaler  rest,  —  an  diesem  orte  an- 
ders als  anzurühren.     Ich  wurde  indefs    durch    Vorlegung    von 
sprachlichen  benennungen  sehr  bestimmter  schalle,  wie  z.  b.  dou- 
ner,  lachen,  schnarchen,  niesen,  bellen,  in  den  lautge- 
stalten, wie  ich  sie  mir  aus  einer  immer  schon  ziemlich  ansehn- 
lichen zahl  grundverschiedener  sprachen  angemerkt  habe,  den  le- 
ser,  irre  ich  nicht,  von  dem  bisherigen  vorurtheile  zurückzubrin- 
gen vermögen,  als  sei  die  klangähnlichkeit  für  jene  Wörter  auf 
den  verschiedenen  punkten  der  erde  wirklich  so  grofs,  als  man 
sich  a  priori  einzubilden  nur  zu  geneigt  ist.  Schon  hier  bewährt 
sich  die  grofse  freiheit  des  menschen  in  der  wähl  der  ausdrücke 
für  ein  und  dasselbe  objeet,  was  um  so  gröfseres  staunen  er- 
regt, weil  es  sich  im  gegenwärtigen  falle  um  die  wiedergäbe,  so 
zu  sagen,  nur  um  die  getreue  copie  eines  in  der  natur  vorhan- 
denen lautes  gleichfalls  durch  laute  zu  handeln  scheint    Man  ver- 
gifst  dabei  freilich  in  der  regel,  dafs  jener  naturlaut  in  articu- 
lirte  laute  gefafst,  d.  h.  gewissermafsen  ins  menschliche  über- 
setzt sein  will;  und  Übersetzungen  sind  immer,  wer  weifs  das 
nicht,  ungetreu. 


benenn ungen  des  regenbogens.  419 

Etwas  von  der  onomatopoetischen  mimese  verschiedenes  aber 
ist  der  in  einer  kürzlich  erschienenen  schönen  abhandlung  «über 
den  naturlaut.  Berlin  1853.  4.  von  Eduard  Buschmann» 
ausfuhrlich  erörterte  merkwürdige  gegensatz  der  vater-  und 
inutt ernainen,  welche  man!  schon  früh  beobachtet  und  zum  ver- 
meintlichen beweise  einer  Ursprungseinheit  sämmtlicher  idiome  des 
erdbodens  mifsbraucht  hat.  Gelegentlich  des  von  Bindseil  sprachvgl. 
abh.  I.  542 flg. ,  565  n.  s.  w.  besprochenen  sexualen  gegensatzes, 
der  sich  oft  in  den  sprachen  durch  lautliche  entgegensetzung 
z.  b.  fm  Mandschu  khakha  (männchen),  khekhe  (weibchen)  be- 
kundet, habe  ich  A.L.Z.  märz  1839.  no.  55.  s.  436—439.,  frei- 
lich nur  nach  den  Wortverzeichnissen  in  Balbi's  alias  ethnogr., 
gleichfalls  bereits  vieles  von  dem  hervorgehoben,  worauf  nun 
auch  seinerseits  Buschmann  verfallen  ist.  «Es  ist  nicht  zu  laug 
nen»,  sagte  ich  z.  b.  wenn  einige  meiner  damaligen  worte  zu 
wiederholen  erlaubt  ist,  «in  den  benenn ungen  der  altern  spricht 
sich  bei  aller  mannigfaltigkeit  doch  auf  der  andern  seite  eine  so 
auffallende  ähnlichkeit  und  vielleicht  nirgend  wieder  so  stark  aus, 
dafs  man  in  dieser  Übereinstimmung  einen  beweis  für  die  einst- 
malige existenz  einer  allmutter  sämmtlicher  sprachen,  und  in  je- 
nen benennungen  geradewegs  Überreste  der  allgemeinsamen  Ur- 
sprache zu  erblicken  lange  kein  bedenken  trug.  Das  ist  freilich 
nur  eitel  schein  und  eine  rein  mechanische  erkl&rung;  aber  das 
factum  bleibt,  und  wir  können  nicht  anders,  als  dasselbe  einem 
im  menschlichen  gemüthe  tief  begründeten,  allüberall  unter  den 
Völkern  ähnlich  wirkenden  instinkle  beimessen.  Man  bemerkt  ins- 
besondere vorwalten  des  a,  als  natürlichsten  aller  vocale,  sowie 
auch  buchstaben  überhaupt;  2)  fast  lauter  leicht  aussprechbare 
buchstaben,  namentlich  labiale,  welche  dem  kinde,  weil  durch 
das  saugen  zuerst  seine  lippen  erstarken,  am  frühesten  gcmäfg 
sein  möchten,  als  p,  6,  m;  dann  dentale  mutä  nebst  dem  nasal: 
f,  </,  n;  selten  gutt.,  palat.,  sibil.  oder  aspir.,  r,  /  und  consonanten- 
gruppen;  3)  da  die  benennungen  mehr  interjectionelle,  die  mütter- 
liche, oft  gleichnamige,  brüst  oder  speise  verlangende  anreden, 
als  objeetive  bezeichnungen ,  wie  parens,  genitor,  genitrix, 
sind,  häußgkeit  der  reduplication ,  durch  welche  sich  die  dring- 
lichkeit  des  Verlangens  mit  kralligen  färben  malt.  Als  gewöhn- 
liche gestaltungen  der  reduplication  beachte  man  a,  cons.  voc. 
cons.  voc.  b,  voc.  cons.  voc.  cons.  c,  voc.  cons.  voc.  d,  voc. 
cons.  gemin.  voc.    Beispiele  für  vater:  papa,  paipai,  pepe, 

27* 


420 


Pott 


ipip,  baba,  mama;  tata,  tete,  titi,  dada,  dade,  dadagh 
wie  babbagh,  nono;  yaya,  tschitschi;  appa,  ama,  atta, 
ata,  aggah,  issi,  iki.  —  Mutter:  mamma,  mama,  memc, 
fafa,  bibi,  deda,  nana,  nene,  yaya,  jeje,  tschitscha,  eroe- 
menn,  amma,  emme,  eme,  anna,  ana,  enne,  Uli,  illa,  ella, 
edje,  adja,  ege,  eke,  äkä,  sanskr.  akkä,  attä,  goth.  aithei 
Grimm  HI.  322.  —  Endlich  4)  hervortreten  eines  gegensatzes 
zwischen  den  vater-  und  mutternamen  theils  in  den  einzelnen  spra- 
chen, theils  in  der  ganzen  summe  überhaupt,  dergestalt  dafs  sich 
beide  theiie  ungefähr  wie  arsis  und  thesis,  forte  und  piano  oder  dgl. 
zu  einander  verhalten.  Dorthin  neigt  sich  die  wagschale  mit  den 
härteren,  nach  dieser  seile  die  mit  den  minder  schroffen,  wei- 
cheren lauten;  doch  mufs  man  sich  schon  im  einzelnen  auch 
abweichungen  gefallen  lassen,  z.  b.  den  befremdlichen  fall,  dafs 
mama  nicht  blofe  in  georgischen,  sondern  auch  in  javanischen 
sprachen  (Balbi,  tab.  XL.)  den  vater,  nicht  die  mutter  bezeich 
net!»  Hiemit  genug.  Es  mag  hinzugefügt  werden,  wie  ich  über- 
haupt bei  verwandtschaftsnamen  einen  grofsen  drang  nach  redu- 
plication  an  vielen  beispielen  darzuthun  vermöchte. 

Zwar  minder  häufig,  allein  doch  auch  nicht  gar  zu  selten 
erscheint  in  den  sprachen  der  räumliche  unterschied  zwischen 
nähe  und  ferne  (dieser  —  jener)  gleichfalls  durch  eine  ge- 
gensätzliche lautsymbolik  markirt,  die  sich  in  helleren  und 
dunkleren  vocalen  bekundet.  Beispiele  in  meinen  Zigeunern 
I.  255.,  wie  auch  bei  den  syrischen  "zigeunern  an  ha  (this), 
anhü  (that).  In  betreff  des  canaresischen  z.  b.  i-ke  (diese  ge- 
ehrte frau),  ä-ke  (jene  g.  fr.)  s.  Weigle,  deutsch- morgenl.  ztsciir. 
1848.  s.  267.  —  Im  Mpongwe  bei  Wilson,  Grammar  p.  11:  Ono- 
mi  winä,  o.  wänä  (This,  that  man).  Eben  so  p.  23.  no.  40: 
yinä  This,  pl.  sinä;  yänä  That,  pl.  sänä.  —  Kiriri  (Gabelentz 
s.  10):  eri,  igki  dieser;  er ö  jener.  —  Im  Lazischen  ist  das  nä- 
here demonstrativum  mit  der  dritten  pers.  des   personale  *£& 

him  identisch,  und  demselben  entspricht  das  entferntere  pVÄ  harn, 
welches  eben  so  declinirt  wird.  Rosen  s.  6.  8.  —  Tong.  heni, 
eni  (hier),  hena,  ena  (there);  malayisch  sini  (hier),  säna 
(there)  Kawiwerk  III.  819.;  und  eben  so  aus  dem  sog.  Low  Ms- 
lay  von  Batavia  (Parkinson  Voy.  to  the  South  Sea  p.  193):  De 
seenee  (here),  de  sanna  (there)  neben  eenee  (this),  eedoo 
or  eetoo  (that)  Kawiwerk  824.  —  Im  skr.  vielL  die  themen 


bencnnungen  des  regenbogens.  421 

ima  (hie)  and  aina  (ille)  Bopp  r.  270.  271.  und  bei  Colcbrooke 
gramm.  p.  72.  ayakam,  Dd.  imakäu,  PI.  imake,  aberasakäu 
oder  asuka,  Da.  amuk^a,  PI.  amukä  ab  mit  Verachtung  aus- 
gesprochene  pronomina,  wie  ja  auch  das  vor  Substantive  tretende 
fragpronoinen  diesen  einen  verächtlichen  sinn  verleiht.  —  Persisch 
C^HV^  U^  chunän  chunin  adv.  in  this  and  that  manner; 
(nielaph.)  Evasion,  subterfuge.  Shakespeare,  hindust.  dict.  p.  319. 
würde  nur  trügerischer  weise  einen  solchen  gegensatz  zeigen, 
sollte  wirklich,  wie  Spiegel  in  Höfer's  zeitschr.  I  223.  behaup- 
tet* pers.  y^f  in  (hie)  aus  zendisch  aem,  skr.  ay-am  entstanden 
sein,  unter  welcher  Voraussetzung  des  pers.  ffirwortes  schluis-n 
aus  m  hervorgegangen  wäre,  wie  im  inf.  -ten,  -den  aus  zendisch 
-um.  Möglich  indefs,  man  dürfe  darin  eben  so  gut  skr.  £na 
vermuthen,  als  in  (jf  an  (ille)  skr.  ana. 

Wir  verlassen  jetzt  das  gebiet  solcher,  mehr  den  laut  an- 
gehender ähnlichkeiten,  die  noch  ober  das  gebiet  von  eigentlich 
genealogischer  Verwandtschaft  in  den  sprachen  hinausreichen.  Da 
wendet  sich  nun  unser  blick  nach  ähnlichkeiten  von  anderer, 
nämlich  begrifflicher  art.  Zwar  pflanzen  sich  oft  erzähl  ungen, 
man  mufs  staunen,  auf  wie  wunderbaren  wegen,  weithin,  als 
flögen  sie  durch  die  luft,  selbst  mündlich  fort.  Allein  es  giebt 
z  b.  sagen  auf  so  entlegenen  punkten  und  von  so  äufserst  be- 
fremdendem zusammentreffen,  dafs,  selbst  irgend  eine  mit I heil ung 
zur  erklärung  vorausgesetzt,  die  möglichkeit  der  mittheilung  oft 
fast  noch  räthselhafter  erscheint,  als  das  factum  der  ähnlichkeit 
selbst.  Ich  will  nicht  auf  einige  derartige  sagen  in  meinen  fa- 
miliennamen  s.  27.  zurückkommen:  es  genüge  z.  b.  an  v.  Dietz, 
der  neuentdeckte  oghuzische  Cyclop  verglichen  mit  dem  home- 
rischen u.  s.  w.  Halle  und  Berlin  1815.  (vgl.  Osterwald,  Hermes- 
Odyseus  Halle  1853.  s.  34  flg.)  zu  erinnern.  —  Dann  nehme  man 
aber  etwa  auch  den  glauben  vom  leichhuhne.  Lorequ'une  per- 
sonne est  gravement  malade  on  a  besoin  d'obserrer  si  quelque 
hibon,  chouette  on  chathuant  viennent  voltiger  autour  de 
l'habitation.  Dies  in  folge  europäischen  aberglaubens  (Grimm 
myth.  6.  CXVlf.  ausg.  1),  aber  sehr  ähnliche  Vorstellungen,  ob- 
schon  kaum  unter  einflute  europäischer  einwanderer,  gehen  bei 
den  eingebornen  in  der  gebend  von  Adelaide  im  schwänge.  So 
»ach  dem  berichte  von  Teichelmann  and  Schürmann,  out- 


422  Pott 

lines  of  a  grammar,  yocabulary  cet.  ef  South  Australia  p.  9: 
Karkanya  a  species  of  hawk.  The  voice  of  this  bird  in  tbe 
night  the  Aborigines  take  as  a  prognostication  that  one  or  morc 
of  their  namber  will  soon  die,  particularly  children,  the  souls  of 
whom  he  is  bdieved  to  take  away,  afler  which  they  grow  ill. 
The  name  of  this  bird  is  derived  from  the  ominous  sound  of  its 
voice.  —  In  Williams'  key  to  the  Indian  lang.  p.  80.  Mosk  or 
Paukunawawthe  great  Beare  [bear],  or  Charles  Waine,  which 
words  Mosk  or  Paakünnawwaw  signifies  a  Beare,  which  is 
so  mach  the  more  observable,  because,  in  most  languages  that 
signe  or  constellation  is  called  the  Beare.  —  Zuletzt  werde  noch 
der  Verfinsterungen  gedacht.  Nach  der  meinung  der  Chiqui- 
ten  werden  (bei  sonnen  -  und  mondfinsternissen)  sonne  und  mond 
jammerlich  von  den  hunden  zerrissen,  wovon  in  der  luft  alles  voll 
sein  soll.  Die  röthe  beider  gestirne  legen  sie  dahin  aus,  als  wenn 
selbe  von  den  hundebissen  bluteten.  Noch  andere  meinungeo 
über  diese  astronomischen  erscheinungen  bei  Dobritzhofer,  reise 
II.  107.  Vgl.  ferner:  Steinschneider,  Orient,  ansichten  über  son- 
nen- und  mondßnsternisse,  im  mag.  f.  lit.  des  ausl.  1845.  no.  80. 
Verspeisung  des  mondes  =  mondfinsternifs,  in  mehreren  asiat. 
sprachen  bei  Schott,  berl.  jhrb.  märz  1842  no.  51.  s.  403.  Des- 
gleichen Rähu,  der  die  sonne  und  den  mond  verschlingende  dra- 
chenkopf,  den  Marsden  im  Maiayischen,  Buschmann  im  Javani- 
schen, Tagala  und  Madagassischen  wiedererkannt  haben  (Kawi- 
werk  III.  781.  lies  Marques,  p.  41.).  «Trommeln  und  abschiefsen 
vieler  gewehre  fand  statt,  um  durch  den  angestellten  lärm  dem 
monde  zu  hülfe  zu  kommen,  damit  der  schwarze  drache,  mit 
dem  man  ihm  im  harten  kämpfe  begriffen  vermeinte,  ihn  nicht  ganz 
verschlinge.  Die  einwohner  (jenseit  Saide -el-Abd  am  Nil,  ober- 
halb Aegypten)  waren  sehr  bestürzt  über  die  mondfinsternifs  und 
sahen  sie  als  die  Vorbedeutung  grofsen  Unglücks  an.  In  Dongola 
meinte  ein  (jedenfalls  rationalistischer!)  Faki,  nur  das  unwissende 
volk  glaube,  es  sei  ein  drache,  der  den  mond  verschlingen  wolle. 
Der  mond  sei  ein  potentat  im  himmlischen  reiche,  welchem  gott, 
weil  er  seine  Schuldigkeit  nicht  gethan,  den  köpf  habe  abschla- 
gen lassen»  u.  s.  w.  Puckler,  aus  Mehemed  Ali's  reich  th.  II. 
360 ff.  Bei  Schön,  Haussa  vocab.  v.  Eclipse:  Rana  ta  kamma 
watta;  lit.  «the  sun  fights  the  moon».  Wenn  eine  sonnen - 
oder  mondfinsternifs  sich  ereignet,  heilst  es  bei  den  Letten:  Rag- 
ganas  fsauli,  oder  mehnessi  plehsh  oder  maita  die  hexen rei- 


benwinongen  des  regenbogens.  423 

fseu  oder  verfiuslern  sonne  oder  mond.  Steuder  gramm.  1761. 
s.  150.  Und  von  einem  nordlichte:  Redf  kä  karru  [rr  durch- 
strichen] lauf  hu  dwehfseles  kaujaks  sieh  wie  der  Soldaten 
seelen  sich  schlageu.  Vgl.  Hämisch  slaw.  myth.  s.  273.  Ein  trotz 
mancher  abwcichungen  doch  einander  wie  ähnlich  sehender  und 
wie  weit  verbreiteter  aberglaube!  Siehe  noch  Grimm,  mythol. 
s.  301  ff.  ausg.  1. 

£6  wird  aber  zeit  sein,  zu  unserem  besonderen  gegenstände 
endlich  den  Übergang  zu  machen. 

Wie  unzweifelhaft  der  mensch  zuerst  durch  die  natur,  zu- 
meist durch  ihre  gewaltigen  oder  prachtvollen  ersch  einungen,  seien 
sie  nun  für  ihn  freundlicher  oder  feindlicher  art,  zu  gott  oder 
göttern  guten  und  bösen  Charakters  geführt  ward,  und  diese 
also  sehr  begreiflicher  weise  ursprünglich,  che  man  sie  mehr  zu 
vergeistigen  und  zu  iuteliectuell- moralischen  wesen  höherer  art, 
als  er  selbst,  hinanzuheben  verstand,  noch  tief  im  physischen 
stecken  blieben:  davon  zeugt  noch  oft  die  spräche,  in  welche  ja 
des  menschen  ansichten  von  der  natur  zunächst  übergingen.  Neh- 
men doch  selbst  wir  noch  heute  keinen  anstofs  daran,  wenn  von 
gott  gesagt  wird,  er  lasse  regnen  und  die  sonne  scheinen  über 
gute  und  böse:  ja,  wir  flehen  zum  himmel,  rufen  den  himmel 
zum  zeugen  an  u.  dgl.,  gleichfalls  ohne  alles  bedenken.  Was 
wunder,  wenn  das  alterthum  z.  b.  auf  den  Jupiter,  als  himmel 
(wie  das  ja  auch  etymologisch  sein  und  des  Zsvg  name  besagt), 
regen,  blitz  und  donner  zu  beziehen  fortfuhr,  längst  nachdem  ihm 
mit  der  Persönlichkeit  auch  moralische  eigenschaften  eines 
weltregenten  (deus  supremus),  KQWidqg  natriQ  dpÖQ<Sv  te  &e<av 
«,  Vorstehers  der  ehen,  als  eines  rächers  falscher  eide  u.  s.  w. 
beigelegt  worden  l 

Defs  zum  beweise  sei  mir  vergönut,  als  lehrreiches  beispiel 
das  der  Bonnyer  zu  benutzen  nach  Köler's  notizen  über  Bonny 
s.  20.  61.  63.  «Szu,  szüeb,  schüo,  sagt  dieser  reisende,  bedeutet 
in  der  spräche  von  Bonny,  wölke,  himmel  und  gott*).  Der  him- 
mel ist  den  Bonnyern  der  repräsentant  der  grofsen  naturkräfte, 
und  die  erhabenen  grofsartigen  erscheinungen  von  ihm,  die  wöl- 
ken, der  blitz,  der  donner,  der  regenbogen  sind  ihnen  äufserungen 


*)  über  die  sehr  erklärliche  bezeiclinung  beider  mit  einem  und 
demselben  ausdrucke  siehe  yiele  beispiele  bei  mir  in  A.L.Z.  sept.  1849. 
s.  440  -441. 


424  "  Pott 

seiner  thätigkeit.  Die  ahnung  eines  höheren  wesens  mufs  bei  ihnen 
noch  in  etwas  verkörpert,  an  ein,  wenn  anch  nicht  greifbares, 
doch  wenigstens  sichtbares  materielles  etwas  gebonden  sein;  und 
das  ist  ihnen  der  blaue  himmel,  weil  seine  Veränderungen  die 
allgemeinsten  und  auffälligsten  sind,  und  ihnen  gegenüber  das  ge- 
fühl  der  eigenen  ohnmacht  am  deutlichsten  ins  bewufstsein  tritt, 
und  so  wiederum  auf  seiten  jenes  den  eindruck  von  macht  und 
gröTse  erhöht.1»  —  «Aber,  fährt  er  fort,  ein  volk  im  kindesalter 
begnügt  sich  nicht  mit  dem  wesen,  was  es  nur  ahnen,  nur  mit 
scheu  und  ehrfurcht  denken  kann,  —  es  mufs  auch  einen  gott 
haben,  der  ihm  näher  steht,  als  jenes  unbegreifliche,  einen  gott, 
den  es  übersieht,  mit  dem  es  nöthigen  falls  rechten  kann  u.  s.  w. 
Ein  gott  dieser  art  ist  den  Bonnyern  eine  Iguane,  eine  sechs 
bis  sieben  fufs  lange,  eben  so  harmlose  als  häusliche  schwane 
eidechse.»  —  «Was  die  einzelnen  erscheinungen  am  himmel  be- 
trifft, die  sie  ihrem  höchsten  und  mächtigsten  gotte,  der  eben  mit 
dem  himmel  identisch  ist,  als  äufserung  seiner  thätigkeit  zuschrei- 
ben, so  sind  sie  weit  entfernt  wie  Noah  den  regenbog en  für 
einen  friedensboten  anzusehen.  Im  gegentheil  sprach  sich  bei  an- 
blick  desselben  mehr  als  einer  so  [in  gebrochenem  englisch]  ge- 
gen mich  aus:  «Hirn  be  waw£  ting,  me  fear  him  too  mush;  pose 
(für  suppose)  him  come  up,  den  some  gentlemen  for  Bonny  müsse 
die».  Das  heifst,  der  regenbogen  ist  recht  was  schlimmes,  ich 
fürchte  ihn  gar  sehr ;  falls  er  herankommen  sollte,  so  mufs  einer 
von  den  herren  (d.  h.  reichen  handelsleuten)  in  Bonny  sterben. 
—  Den  donner  nennen  sie  himmels-flinle,  szü&h-läkba;  wer 
aber  an  dem  anachronismus  anstofs  nimmt,  der  darin  liegen  würde, 
dafs  sie  den  alten  donner  nach  dem  neuen  instrumente  benannt 
haben  sollten,  mit  dem  sie  erst  so  spät  bekannt  geworden  (vgl. 
umgekehrt:  donner  der  geschütze),  der  mag  szüSh  l&kba  durch 
himmelslärm  übersetzen,  und  dann  annehmen,  dafs  sie  die  fliute 
(l£kba)  xar'  i%o%tji>  lärm  genannt.  Den  blitz  nennen  sie  szuöh 
ffnneh,  himmels-feuer».  Was  das  letzte  wort  in  szuSh  läkba 
nunibru  (regenbogen)  s.  20.  bedeute,  wird  nicht  angegeben. 
Man  vgl.  damit  William's  key  to  the  Indian  lang.  p.  82:  Neim- 
paug  peskhömwock  Thunderbolts  are  shot.  From  this  the 
Natives  conceiving  a  consimilitude  between  our  guns  and  thun- 
der,  call  a  gunne  Pcskunck,  and  to  discharge  Peskhommin 
that  is  to  thnndcr.  —  Im  Mandingo  sanfata  (ligbtning),  sang- 
fata  (thunder).  In  contradiction  to  lightning  it  is  k  all  am  Alla 


benennongen  des  regenbogens.  425 

(arab.)  'the  voice  of  god'.    Mango  Park,  Travels  p.  370.,   also 
ähnlich  wie  vaskkch  odotsä  (geräusch  der  wölke)  Mithr.  IV.  313. 

Jetzt,  ohne  alles  zögernifs,  zu  dem  gegenständ  der  Überschrift. 
Nor  noch  dies  eine.  Es  möge  mir  gelingen,  ist  mein  wansch, 
an  einem  beispiele  einigermaßen  zn  verdeutlichen,  wie  sich 
comparative  Stadien  auch  im  reiche  des  gedankens  mittelst  der 
spräche  nicht  ohne  nutzen  möchten  anstellen  lassen.  Und  ich 
glaobe  in  dem  regenbogen  keine  schlechte  wähl  getroffen  zu  ha- 
ben. Ist  er  doch  eine  naturerscheinung,  deren  anblick  das  herz 
auch  sogenannter  wilder  ergreifen  und  in  religiöse  Stimmung 
versetzen  mufs,  und  welche  überdem  in  einer  äufseren  bestimmt» 
heit  des  Charakters  auftritt,  dafs  man  diesen  nicht  leicht  ganz 
verfehlen  kann  in  der  auffassung,  wie  regenbogenfarbig  sie  im 
namen  des  regenbogens  zur  erseheinung  komme  bei  den  namen- 
gebenden Völkern  der  verschiedensten  erdgürtel.  Die  summe  der 
benennangen  eines  dinges,  eines  phänomens,  oder  eines  begriffe* 
aber  ist  auch  die  summe  der  sprachlichen  Vorstellungen,  welche 
man  sich  von  ihnen  machte,  und  sicherlich  ist  es  vom  höchslen 
interre8se,  sei  es  nun  die  abhängiger  oder  unabhängiger  weise 
statt  findende  Übereinstimmung  und  gleichhcit  der  Vorstel- 
lung, sei  es  deren  mann  ichfaltige  Verschiedenheit,  und  zwar 
so  bei  den  einzelnen  gruppen  als  im  ganzen  der  menschheit  mög- 
lichst erschöpfend  ins  äuge  zu  fassen. 

J.  Grimm  bat  bereits  mythol.  s.  421  ff.  ausgäbe  1.  eine  be- 
trächtliche menge  von  namen  des  regenbogens  mitgetheilt.  Diese 
nun  im  verein  mit  meiner  Sammlung  ergeben  etwa  folgende  haupt- 
vorstellungen  von  ihm: 

1)  Von  perlen  baut  sich  eine  brücke 
hoch  über  einen  grauen  see  u.  s.  w. 
Diese  Vorstellung  des  dichters  war  auch  schon  die  viel  früherer 
Jahrhunderte  im  norden  (asbrü,  asenbrücke,  öder  bifröst  die 
bebende,  zitternde  strecke).  2)  Den  bogen  ergab  gleichsam  mit 
zwingender  noth wendigkeit  die  gestalt.  Es  lag  aber  eine  Ver- 
schiedenheit der  auffassung  darin,  je  nachdem  man  im  regenbo- 
gen einen  (schwebenden)  Schwibbogen  oder  einen  bogen  als 
waffe  in  der  band  eines  gottes  zu  erblicken  wähnte,  die  sich 
in  dem  begleitenden  donner  und  blitz  bemerklich  genug  macht. 
Oft  reflectirte  man  fast  nur  auf  die  rundung,  in  welchem  falle 
man  prosaischer  weise  z.  b.  die  fafsdaube  zum  vergleich  neh- 
men konnte,  wie  ja  auch  im  holländischen  der  horizont  oder  ge- 


426  Pott 

sichtskreis  durch  «kirn,  kimme  f.  kämme«  krümme  des  balkeos 
am  hinterl  heile  eines  schiffest  ränder,  ausstehende  köpfe  der  dan- 
ben  eines  fasses"  bezeichnet  wird.  Auch  die  Helgolander  sagen 
kimmen  für  gesichtskreis  s.  A.L.Z.  1849.  no.  83.  s.  662.  Vgl. 
Heyse  kimme,  eine  scharf  hervorragende  erhöhung,  ein  scharfer 
rand,  z.  b.  der  über  den  boden  hervorragende  rand  eines  fasses, 
und  niederd.  der  kimm,  derj  rand  des  gesichtskreises.  3)  rich- 
tete man  mehr  auf  die  färbe  sein  augenmerk,  und  dachte  bald, 
wie  die  Caraiben,  an  einen  buuten  federkopfputz  von  natur- 
lich diademartiger  rnndung  (vgl.  in  Lothringen  couronne  de 
S.  Bernard),  bald  an  golddurchwirkte  gürtel  oder  schärpen. 
Weiter  4)  sollte  der  regenbogen  ein  lebendes  wesen  sein,  und 
was  dann  naturlicher  als  eine,  bogenartig  schwänz  und  köpf 
einander  nahe  bringende  schlänge  mit  farbenschillernder  pracht? 
Bei  den  Slawen  mävra,  mävriza,  d.  i.  eigentlich  «schwärzlich 
gestreifte  kuh»,  naturlich  wegen  der  mehrfarbigkeit.  5)  Die  son- 
derbarste und  am  wenigsten  ästhetische  Vorstellung,  die  mir  vor- 
gekommen, müssen  die  Jakuten  sich  ausgedacht  haben.  Bei 
Böhtlingk  nämlich  in  seinem  ausgezeichneten  werke  über  die 
spräche  jenes  Volkes,  wörterb.  s.  34. 158.  wird  für  regenbogen 
fsassyl  Igä  (fuchsharn)  oder  fsassyl  Iktäbit  (der  fuchs  hat 
geharnt)  angegeben.  Das  weifs  ich  mir  nicht  anders  zu  deuten, 
als  wenn  ich  das  vergleichsdritte  in  den  gelben  spuren,  welche 
der  fuchsharn  im  schnee  zurückiäfst,  suche  mit  den  schimmern- 
den tropfen  des  bogens  am  himmel.  Uebrigens  wird  von  Nem- 
nich  Ca t hol.  I.  831.  angemerkt,  der  gestank  dieses  urins  sei  un- 
erträglich, und  der  fuchs  scheine  ihn  selbst  nicht  leiden  zu  kön» 
nen,  weil  er  diesen  unrath  meistenteils  sogleich  verscharre.  Trotz- 
dem jakutisch  s.  72  auch  kvcüivk  pfeilarten ;  regenbogen.  Ueber 
die  verglcichung  von  lanzen  und  Schwertern  mit  kometen  s. 
Humboldt  Kosmos  I.  410.  —  Abgesehen  übrigens  von  dem  bäu- 
rischen dia  xoaxivov  ovQeiv  des  Zeus  in  des  Aristophanes  wöl- 
ken v.  371.,  hörte  ja  auch  A.  v.  Humboldt  am  Orinokko  vom 
harn  der  sterne  für  Sternschnuppen,  und  vom  speichel  der 
sterne  für  den  thau,  welcher  perlartig  die  schönen  blätter  der 
Helikonicn  bedeckte.  Kosmos  I.  393.  vgl.  410.  Aus  dem  Osseti- 
schen giebt  Klaproth  für  die  Sternschnuppen  die  n  amen  stahl  eh 
tachti,  d.  i.  [wie  ital.  Stella  cadente]  fallender  stern,  oder 
dsuora  tachti,  fallender  heiliger.  Kaukasische  sprachen  s.  199. 
Bei  den  Wallonen  heifst  der  regenbogen  airdie,  buchstäblich, 


benennungen  des  regenbogens.  427 

und  mithin  religiöser  als  frz.  arc-en-ciel,  so  viel  als  arc-diea  (ar- 
cus  dei).  Grandy.  Dict.  —  Ir.  biorbhoghaa  rain  bow,  von  bior 
water.  Welsch,  aufser  enfys  oder  enfysg  (oder  nach  Owens 
Schreibung  v  für  f),  mit  bwaa  bow,  to  shoot  wilh;  and  thence 
metaphorically,  an  arch;  Bwa  gwlaw  (i.  e.  rain),  or  bwa'r 
wra$,  and  bwa  cyvammod.  Cyvammod,  covenant,  mit- 
hin das  letzte:  bogen  des  bundes,  nach  der  darstellung  des  A.  T. 
Bei  Richards:  Gwarroga  yoke.  Arm.  (d.h.  bas-breton)  Goa- 
rag  a  bow.  Goarag  an  glaw  the  rain  bow,  mit  gtaw  rain, 
also  wie  lat.  arcus  pluvius.  Allein  bbret.  canevedenn  arc- 
en-ciel.  Rostrenen  p.  17.  —  Im  skr.  gopatichapa  aus  chapa 
(a  bow)  mit  gopati  (Indra,  der  gott  des  himmels;  sonst  angeb- 
lich auch  sonne;  und,  in  diesem  falle  eig.  «kuhgemahl*:  a  bull), 
dessen  sinn,  etwa  herr  (pati)  des  himmels,  der  lichtstrahlen  oder 
des  donnerkeils,  erst  durch  die  des  vieldeutigen  go  festzustellen 
wäre.  Eben  so  Indrayudha  (Indraswaffe) ,  und  defshalb  auch 
als  Jem.  Indrayudha  (eig.  von  der  färbe  des  regenbogens)  ab  name 
für  a  leech  of  various  tints  on  the  back.  Lith.  bei  Nesselmann 
s.  200.  dangaus  kilpinnis  eig.  himmeisbogen,  von  kilpinnis 
bogen  als  waffe.  Coptisch  phiti  Jactus  sagittac,  arcus,  ins,  ar- 
cus cocleslis.  Auch  pite,  phaette.  Parthey,  vocab.  copt.  p.  131. 
186.  1&7. 288.  Ich  weife  nicht  oh  auch  in  diesem  sinne  thirthir 

iris  p.  217.  374.  —  Persisch  doch  wohl  mit  of   Ab   (1.  aqua, 
skr.  äp,  in  einigen  casus  äp,  2)  nilor,  splendor,  skr.  ab  ha),  ai- 

&  O  f 

lein  mir  sonst  dunkel:  O^-Xa/jC  Castellus  p.  501.,  (jjua£=pl\** 


p.  334 .  —  Ostiakisch  p  a  i  -  j  o  g  o  t  von  j  o  g  o  t,  bogen,  Castren,  ost- 
jakische  sprachl.  s.  84.  mit  pai,  donner,  s.  91.  —  Waiachisch 
curcubcu,  womit  die  Verfasser  des  ofener  Wörterbuchs  latein. 
curvus  vergleichen,  mag  reduplicirte  form  sein,  von  russisch^ ko- 
poÖHinb,  krummen.  —  Ngr.  d6%a  (do%aQi)  zov  ovQavov  nach 
Weigel,  was  freilich  wie  himmelsruhm  aussieht,  aller  Wahrschein- 
lichkeit nach  jedoch  blofsc  Verdrehung  ist  aus  do^dgi  pro  ro%d- 
Qiov  arcus,  camera,  nicht  do^dgiov  (gloriola)  DC.  Nicht  damit 
zu  verwechseln  bei  Slulli  illyrisch  duga,  luk  nebeski  (Iris) 
und  bei  Voltiggi,  aufser  kolobaroczni  (eig.  optischer  zirkel),  das- 
selbe: himmlische  fafsdaube  (ital.  doga,  wal.  döga),  der  himmel  gls. 
tonne  und  arcus  coelestis.  —  In  Sud- Australien  (outl.  of  a  gram- 


428  Pott 

mar,  vocabulary  cet.  By  Teichelmann  and  Schörmann  p.  14): 
Kuranye  unstreitig  zu  kuri  A  cirde;  compass;  a  dance,  at 
which  the  men  —  first  form  a  circle  cet.  —  In  Smithsonian  con- 
tribuüons  to  knowledge  vol.  IV.,  der  ein  Dakota -wort  erb.  ent- 
hält, aus  dieser  spräche  p.  244.  320:  wi-hmung-ke  the  rain- 
bow;  a  trap,  a  snare.  In  this  latter  sense,  however,  it  is  not 
much  used.  Es  sei  nom.  of  hmung'-ka  v.  a.  To  set  a  trap, 
to  trap  any  thing,  to  catch  in  a  trap.  Vermuthlich  nach  einer 
ähnlichkeit  der  gestalt. —  Finnisch  taiwancaari,  aber  ehslnisch 
nach  Hnpel  wb.  1780.  s.  166.312.  wikkakaar,  wikkerkaar, 
worin  kaar,  das  schwaat,  die  schwade,  z.  b.  heina  kaar  (beu- 
schwadc),  des  kreises  wegen,  welchen  die  mähende  sense  im 
grase  beschreibt,  vollkommen  deutlich.  So  heifsen  auch  lootsiko 
(von  lootsik,  boot)  kared,  die  krummen  queerhölzer  im  boote. 
Zu  dem  ersten  läfst  sich  allenfalls  noch  wikkat  (sense)  zie- 
hen, gewifs  nicht  wikkerpuur  (ein  schwickbohrer).  Taiwa 
sap,  der  gegenschein  des  regenbogens,  aus  taiwas,  a  himmel,  und 
sap,  die  galle;  das  sonnenroth.  — -  Zigeunerisch  dewleskcri 
güsterin  (s.  meine  Zig.  IL  56.311)  d.  i.  gottes  ring  bei  Bi- 
schoff  s.  76.;  bei  Zippel  nur  regenbogo,  dagegen  bei  Sujew  (s. 
meine  Zig.  11.481)  denszoro  pe-nebo,  verm.  demin.  aus  poln. 
d$go  (bogen)  am  himmel.  —  Auf  der  insel  Wangerog  nennt  man 
den  regenbogen  weder gal  fem.,  aus  weder  (welter)  Ehren! r. 
fries.  archiv  1.403.  Bei  Hcyse  unter  galle:  ein  heller  schein 
am  himmel,  der  sonne  gegenüber,  für  ein  zeichen  eines  bevor- 
stehenden sturmes  geltend  (wind galle);  ein  unvollkommener 
regenbogen  (regen-  oder  wassergalle). 

Wir  wenden  uns  zu  den  Albanesen.  In  deren  idiome  fuhrt 
der  regenbogen  nach  v.  Xylander  den  namen  ikmi  (mit  punktir- 
tem  /r).  Dagegen  hat  v.  Hahn  in  seinem  noch  nicht  erschiene- 
nen vortrefflichen  werke:  Albanesische  Studien,  wörterb.  s.  138: 
«vXtßtQi,  plur.  vhßtQ8-re  (ß  hier  wie  b,  nicht  wie  w  zu  lesen), 
regenbogen.  Er  ist  eine  art  schlänge  und  steigt  zur  erde,  um 
wasser  zu  trinken ;  je  nach  der  lebhaftigkeit  der  einen  oder  der 
anderen  seiner  färben,  prophezeit  er  eine  gute  wein-,  öl-,  wei- 
zenernte- Wenn  ein  albanesisches  mädchen  über  den  regenbogen 
springt,  so  wird  es  in  einen  knaben  verwandelt,  und  dieselbe 
Verwandlung  widerfährt  dem  knaben,  dem  dies  kunststuck  ge- 
lingt.»» Von  der  geschlechts Wandlung,  auf  die  man  etwa  durch 
das  zwitterhafte  farbenspiel  des  regenbogens  (vgl.  couleur  chan- 


bcnennungen  des  regenbogens.  429 

geante)  verfiel,  wini  auch  in  Serbien  erzählt,  nnr  dafs  man  niebt 
mit  so  keckem  humor  den  himmelsbogen  überspringen*),  sondern 
minder  wunderhaft  sich  demüthig  unter  ihm  durchbegeben  lftfst. 
Die  Vorstellung  von  einer  schlänge  verbindet  mit  dem  regenbo- 
gen  nicht  minder  die  Tamanacasprache  in  Amerika.  Durch  uji 
nämlich  wird  in  ihr  bei  Gilj,  Istor.  Araer.  t.  III.  p.  376. ,  der 
arco  baieno  (ital.  baleno,  blitz,  aus  ß&epvor)  wiedergegeben,  und 
dazn  in  der  note  bemerkt:  11  nome  del  serpenie  Buio.  Es  ist 
folglich  eine  Boa,  wahrscheinlich  Boa  constrictor  gemeint,  wel- 
cher einige  Indianer  göttliche  Verehrung  erweisen,  während  an- 
dere ihr  fleisch  essen  und  mit  ihrem  schön  gefleckten  balg  han- 
del  treiben.  Nemnich  Cathol.  I.  628.  Die  etymologie  des  alba- 
nesischen  ausdnickes  ist  unklar.  Es  ist  aber  zu  beachten,  dafs 
Xylander  s.  162.  251  auch  ein,  wenn  gleich  nicht  ganz  gesicher- 
tes ovXiovfiTTEQ,  neben  %£qx  (ans  arcus),  bogen,  giebt,  die  frei- 
lich beide  v.  Hahn  deutsch  -  albanisches  wb.  s.  166.  abgehen**). 
Anlangend  aber  das  trinken,  was  die  schlänge  (eine  wasserschlange, 
vÖgal)  auf  der  erde  thun  soll,  so  erklärt  sich  dies  aus  der  opti- 
schen täuschung,  wonach  wir  auch  wohl  so  sprechen:  «die  sonne 
zieht  wasser»;  —  welchen  gedanken  die  stoiker  sogar  allen  ern- 


*)  Bandseil,  slawischer  mythus  s.  235  bringt  eine  lith.  fluthsage 
aus  Narbutt  bei,  worin  auch  ein  merkwürdiger  satz  vorkommt  «In  Li- 
tbauen  blieb  nur  ein  paar  zurück,  das  zudem  alt  war  und  keine  nach- 
kommen hatte.  Als  non  diese  armen  alten  sahen,  dafs  sie  bald  zu 
gründe  gehen  wurden,  grämten  sie  sich  ober  die  mafsen.  Pram'zimas 
(der  höchste  herrscher  des  alls,  angeblich  «vorher  bestimmtes  loos» 
bedeutend)  sandte  ihnen  als  tröster  Linxmine  [d.  h.  tröster],  den  re- 
genbogen,  der  ihnen  rieth,  ober  die  gebeine  der  erde  zu  springen.  Aus 
ihren  neun  Sprüngen  wurden  neun  paare,  die  urflltern  der  neun  li- 
tauischen stimme.»  Dem  kommen  die  stein  würfe  sehr  nahe,  wel- 
che Deokalion  und  Pyrrba  hinter  sich  thun,  nur  dafs  diese  Vorstellung 
enlschieden  von  der  klangesnähe  zwischen  Xan;  und  Aao/,  wo  nicht  er- 
zeugt, dann  doch  getragen  wurde. 

**)  Wasser  heilst  oi»j-/,  bei  Xylander  ovyt,  woher  ovyioiy,  IrSnken; 
und  Ajoi'bla,  weiblicher  luftgeist,  stürm,  orkan,  wobei  v.  Hahn  auf  Xoin, 
ich  verschlinge  eilig  und  gierig,  verweist  Ob  wir  auf  diesem  wege 
einen  aquae  potator  gewinnen,  bezweifle  ich.  Auch  an  XXe  (X  punktirt), 
ovXX  XyL,  vX-*  (stern)  Hahn  läfst  sich  schwer  anknüpfen,  obschon  letz- 
terer mir  noch  TU-*,  in  Mittelalbanien,  erdhübel,  stein-  oder  erdkaufe, 
und  die  Schwiele  der  band,  mittheilt. 


***  Pott 


st«  dahin  ausspannen,  als  trinke  die  sonne  das  meer,  der  n* 
die  sonne,  und  sei,  bei  einer  sonnenGnsternifs,  die  sonne  wn 
monde  ausgesogen.  Ein  nraür,  woraus  bekanntlich  Anakrem  a 
der  19.  ode  sein  recht  min  trinken  so  anmnthig  herleitet.  Sä* 
»her  dies  alles  das  nihere  in:  anmerkongen  tarn  Anakreon  Lös. 
1770  s.  »IS  —  Bei  Grimm  findet  man  stellen,  woran, im 
die  ansieht  der  Römer  erfahrt,  welcher  gemSfs  der  regenboan 
gleichfalls  trinkt,  trotxdem  dais  die  spräche  ihn  nicht  ab  leb» 
dige*  wesen  behandelt,  %.  b  bibit  arens,  plnet  hodie,  beim  PI» 
tos.  Will  man  mir  es  glauben?  der  Hanssaneger  theilt  die  an- 
sieht des  hochgebildeten  romers.  Im  vocabulary  of  the  Haossi 
lang,  nämlich  von  Scboen  t.  Rainbow  beifet  es:  -Masharm 
(lit  'water  drinker')  and  dashimarri,  and  rua  alla  (RM  TOte. 
rain,  und  alla,  der  arabische  ansdrack  für  gott),  and  iarrs  « 
yarra.»  Mashai  bedeutet  drunkard,  intoxication.  In  (Nor*) 
outline  p.  136  ru.-n  allah  (waler  of  god)  raiu.  —  Vom  an», 
nschen  ssiyaryarny  gilt  vennuthlich  dasselbe,  da  es  aoeh 
spntse,  röhre  (aipho)  bedeutet,  was  naturlich  von  sxirok  (sut» 
attraho)  herkommen  mufs.  °  ' 

Bei  den  Gallas  in  Afrika,  aufser  dem  etymologisch  unklaren 
bidu  oder  bidigira  Tutschek  lex.  I.  ,.  134.,  femer  s   181   » 

Jtlt  ?"?'  8ash;  «****>  leibbinde. «»«»  «bat  a  wacayo  buch- 
stäbüch:  leibbinde  des  himmels,  schSrpe  gottes,  für  regenboeen 
abo  ,n  merkwürdiger  Übereinstimmung  mit  lith.  dangaus  Tost» 
(h.mmebg„rtel  „„d  Laumes  josta  d.  i.  gürtel  der  fee  Laome 
Nesselmann  ..  353.)  -  pflr  da8  türkbebe  giebt  Ciodias,  aX 
****°  |*~^  ilsiem  8aeghma,  auch  u/  t<=-^  ^~^=> 
giboh  (coeli)  kiemeri  (kiemer  mit  possessivs'uffi*)«,.  Schneider 
im  suppleinenlbande  zu  seinem  wörterb.  hat  unter  naudoa  fol- 
gendes:  „Hesych.  erklart  auch  *«^«  durch  f»>«  <rro«r,„„. 
*«  Coray  über  Strabo  t.  IV.  p.  235  bemerkt,  dab  die  Türke«, 
kemer  n.cht  allein  da.  gewüibte  zimmer,  sondern  auch  d»S 

wolTn'  "  •  .  VTU,Let  d'her  dCD  «*-W-*-  Ursprunges 
^  DM  Wt  8ehr  B^bllcb;  denn  die  Türke«  haben  ihr  wort 
j*^  (arcus,  fornix,cing„lum,^a.  aber  ».£=,  kiemerelJ 
cubicolum,  «mera)  von  den  Persern,  bei  denen  es  wirklich  rons 
«ngulum  bedeutet,  während  arcus  sagittarii  mit  einem  unstS" 
stammverwandten  ausdrucke  yL^  kemail,  kurdi8ch  k<jy . ,, 


benennangen  des  regenbogens.  431 

ticifst.  Gleichbedeatend  mit  kernen  aber  ist  (jl+d*  khcmän  von 
^^.  khem  (curvus,  tortus).  Mithin  könnte  der  Türke  beim 
regenbogen  eben  so  leicht  an  einen  leibgürtel  als  an  einen  Schwib- 
bogen denken,  und  thut  vermnthlich  erst  eres,  wenn  man  die 
pracht  orientalischer  schfirpen  in  erwfigung  nimmt.  Knrdisch  ka- 
mar  (cintura  col  fibbione  d'argento  o  d'oro  all'  nso  d'oriente) 
Garzoni  p.  112.  Sonst  bedient  sich  der  Korde  nach  Garzoni  8- 
92.  for  regenbogen  der  bezeichnung  kesk  u  scSr,  d.  i.  grün  und 
roth  (verde  e  rosso),  wogegen  freilich  Klaproth,  Asia  polygl.  s. 

79.   churschag  auffuhrt,  als  läge  persisch  **£•  khür  (sonne) 
darin.  —  Nach  Tutschek  nun  I.  146.  bedeutet  waca  1)  himmel, 
iirmauient;   2)  gott.    gewöhnlich    mit   dem    verkleincrungssufßx 
-ayo:  Wacayo,  lieber  gott!  3)  Zeitraum,  Zeitabschnitt,  vielleicht 
gleich  mit  woca,  jähr.     Das  alles  erklärt  sich  leicht,    weil  der 
himmel,  so  zu  sagen  als  gottes  wohnung  gedacht,  zugleich  regu- 
lator  ist  der  zeit.  Th.  IL  s.  90  wird  auch  der  regen  auf  golt  zu- 
rückgeführt, z.  b.  roba  (pluit),  gewöhnlich  mit  wacayo,  gott, 
oder  bokeiii  (regen)*):  Wacayo  (bokeiii)   roba,  also  genau 
wie  im  griechischen  zum  öftern  nicht  impersonal,  sondern  erat 
recht   persönlich  gefafst,    6  &eog   vei,  Zeig  ve  d.  i.  Zeus  liefs 
regnen,  oder  auch,  dem  etymologischen  wortverstande  von  Zevg, 
Jovis,  nach,  wo  dies  noch  keine  göttliche  persönlichkeiten 
sind:  der  himmel  regnete.     Eben  so:  Jupiter  tonat  et  fulgmat; 
Jupiter  tonans,  pluvius;  oder  pecpeX^^Qsra  Zeig  sammt  dieses  got- 
tes beiwörtern  iüfialog^  teQmxtQavvog,  vfaiog.  —  So  spricht  auch 
der  Jakute:  Tangara  ssamurdür  «der  himmel  regnet»  Böht« 
lingk  wörterb.  s.  155.,  was  sich  aber,  da  tangara  auch  gott  be- 
zeichnet s.  90.,  gleichfalls  geradeswegs  durch  6  &eög  vei  wiederge- 
ben läfst.    Z.  b.  wird,  wenn  8.  91  vgl.  90  u.  text  s.  80  statt  zahmes, 
vielmehr  wildes  zu  setzen,  das  wilde  rennthier,  eig.,  weil  keinem 
menschen  angehörig,   gottes  rennthier,  tangara  tabata,   gc- 


*)  Bei  den  Ainos,  v.  Kruse  ns  lern  Wörter  Sammlungen  8*17-  aptfu 
(der  regen)  aschiwa,  es  regnet,  aber  schubaz  regenbogen.  Obas 
(der  schnee)  ran  es  schneit  s.  19.,  wie  s.  9.  kaulcaubas  (der  kagel) 
ran  es  hagelt,  und  kanna  kamoi  (das gewilter)  fumian  (von  fumian, 
rasseln,  fumi,  getftse,  klang,  vgl.  gerSusch,  das  klopfen),  es  gewittert. 
Kamoi,  gott;  uschi  kamoi,  wolf;  nischni  kamoi  teufel;  teko  ka- 
moi die  schlänge.  Daher  auch  blitz:  kamoi  nibigi  mit  nebigi  glänz. 


432  Pott 

nannt,  weil  dieser  es  frei  herumlaufen  läfat.  —  Wenn  es  anfängt 
zu  donnern,  pflegen  einige  Letten  zu  sagen:  Nu  jau  wezsajs 
tehws  atkal  barrabs  (rr  durchstrichen),   nun  keift  der  ahe 
vater  schon  wieder.    Stender's  grammatik  1761.  s.  150.     Iin  Ii- 
thaaischen  Perkünas,  der  donnergott,  dessen  andenken  noch  in 
manchen  phrasen   sich  erhalten   hat.    Perkünas  grauja  (vgl. 
lettisch  graut,  mit  virgnlirtem  r:  einfallen,  stürzen),  gramen a 
(vgl.  russ.   rp6»ib  getöse;  donner)  und  musza  (er  schlügt)  es 
donnert.    —    Ferner  statt  des  allgemeinen  und   nüchternen    es 
bei  himmels-  und  weltererscheinungen,  auch  ossetisch  viel  an- 
schaulicher arw  naruj,  es  (eig.  der  himmel)  donnert.    Sjögren 
ossetische  spracht,  -s.  490.;  arwartjewuj,  es  blitzt,  s.  487.   Bei 
den  Osseten  ferner  arw-ardin,  was  nach  Klaproth,  kaukasische 
sprachen  s.  199.  «hiinmelsbogen»  bedeuten  soll.     Allein  Rosen, 
ossetische  spracht,  s.  30.  hat  dafür  arwron,  arwardin  ohne  er- 
klärung  des  zweiten  worts.    Arw  (himmel)  steckt  auch  viell.  in 
arwnids'awta  (das  donnern)  und  artiwan  (vgl.  artj,  feuer, 
und  s.  41.  artiwin,  glänzen),  das  blitzen,  in  seiner  nebenform 
arwtiwa.    Klaproth  kaukasische  sprachen  s.  221.  hat  arwalat 
kchanin,  ich  biege,  was  vielleicht  von  arw-  ausgeht.    Caraibisch 
in  Rochefort,  historie  van  d'eylanden  van  America.   Rotterdam 
MDCLXI1.  p.  474.   Regenbogh:  Alamoulou  of  Youlöuca;  ge- 
ll jk  of  men  sey  de,  gods-pluymofvederbos  (federbusch).  Vgl. 
p.  364.  no.  63.  de  regenboogh,  de  pluyme,  of  de  vederbos 
van  god   S.  Ioulouco,  gott  Mithr.  III.  3,697. 

Auf  brasilianisch  (v.  Murr,  journ.  bd.  VI.  s.  210):  Ami  na 
beräba  (pluvia  coruscans).  Lusitanis  arcus  coelestis  est  arco 
de  velha;  unde  et  Brasilice  jam  legi:  guaimi  ybyräapara, 
sive  vetulae  lignum  curvum  (etwa  wie  ein  holz  zum  wassertra- 
gen, oder  dgl.?)  Zum  verstSndnifs  des  ersten  ausdruckes  nehme 
man  noch  hinzu  aberab  scintillo;  hinc  et  dicitur  fulgetrum,  das 
welterleuchten,  beräberäba,  also  unstreitig  in  reduplicirter  form. 
—  Bei  den  Anamiten  nach  de  Rhodes  dict.  p.  46.  690.  so  bl6i 
(arco  de  velha),  eig.  fenestella  (janelinha)  coeli.  —  Einen  Zusam- 
menhang der  benennungen  zwischen  blitz  und  regenbogen  zeigt 
auch  die  spräche  der  Mandan  in  Nordamerika,  indem  bei  ihnen 
jener  chäkuhnde,  letzterer  chah-ikuhndä  heifst,  sowie  mit 
gleichem  anfange  für  regen  chä-husch  gilt.  Ob  das  wenigstens 
lautverwandte  p6-ikuhnd3,  das  fischnetz,  dabei  in  frage  komme, 
steht  dahin.  —  Auf  Taiti  anouanoua  Buschmann,  1)  les  marques 


benennangen  des  regen  bogens.  433 

p.  102.,  vidi,  als  doppelung  von  ano  lumiere,  2)  joar,  3)  mond*. 

—  Malayisch  palangi  (regenboog,  wolkboog).  Onderwys  in 
de  Maleidsche  Taal  p.  18.,  aber  in  de  Wilde,  Maieisch  en  Soen- 
dasch  Woordenboek  s.  129:  Mal.  k  oeng  palangi,  biäng  lala; 
sundaisch  katoembiri. 

Afrikanische  sprachen.  Im  Sherbro  in  dem  vocabulaiy  written 
1839.  p.17.  kerehah  Rainbow,  das  mit  kherh  0.  (bow)  ohne  wei- 
teres zu  combiniren,  der  verschiedene  anlaut  unräthlich  macht.  — 
In  (Norris)Outl.p.l36.Bambarranyala-muru.  Vgl.nyaIa[kolo, 
ngnalakqlo(heaven,sky)mitnyalla  (god).  Abikulu(thunder) 
mit  gleichem  Schlüsse?  Ngnalayereyercy  (lightning)  mit  yere- 
yer e  (to  tremble),  was  also  rednpl.  ist  gleich  jiggi  jiggi  to  shake 
im  Mandingo.  In  dem,  sonst  dem  Bambarra  unverwandten  Mandingo 
ganz  abweichend  awületa.  rainbow,  aber  ngalaso;  sanfata 
(vgl.  sanjio  rain  aus  jio  water)  lightning.  —  Ibn  amima- 
igue  vieil.  imme  (arch)  mit  eil  ig  ui  (cloud),  eligwi  (thqnder), 
da  auch  der  regen  eig.  «min-egue,  wasser  der  wölke»  heifst, 
und  die  regenzeit  ndü-mini  (rainy  season),  odümini  (winter). 

—  Im  Ashanti  yangkungton  rainbow,  wie  yankum  (rain)  und 
yankum-to.bil  (rainy  season).  —  Fulah,  reduplicirt:  timbo- 
timbola/—  Wolof  Hhone.  —  Yaruba  ibbäri.  Dagegen  bei 
Crowther  im  vocabular  oshnmare,  von  dem  ich  nicht  zusagen 
wufste,  hat  es  mit  osha  (deity),  oshd  (a  witch,  a  sorcerer) 
oder  oshu  (a  new  moon,  a  month)  einen  Zusammenhang?  — 
Aus  dem  Mpongwe  (s.  Wilson's  gramm.  p.  71.)  verdient  mbumba 
seines  wunderbaren,  vielleicht  reduplicirten  Charakters  wegen  be- 
achtung.  —  In  der  spräche  von  Affadeh  im  reiche  Burnu  flilum- 
delgo  (Vater,  proben  s.  335.  no.  34.)  worin  wenigstens  das  zweite 
wort:  dilko  (himmel)  no.  18.  nicht  zu  verkennen.  —  Muröse- 
rük  im  Mobba  eben  da  s.  309.  ist  mir  ganz  undeutlich,  während 
endschi)  tattarih  (reden),  endschij  dürterih  (donner)  und 
endschij  molterih  (blitz)  augenscheinlich  nicht  nur  endschij 
(wasser)  enthalten,  sondern  auch  im  zweiten  worte  (so  auch  noch 
b6ngterih,  wärme)  gleichmäfsig  abfallen.  —  Szauaken  s.  264: 
phatna  ennebbi  dor  hille.  —  Tiggreh  s.  283:  makännat 
szittenä  fatma.  —  Dar  Für  8.320:  chatt  el  mdtthar  nach 
dem  arabischen. 

In  Asien.  Aus  IQaproth's  kaukasischen  sprachen  s.814,  s. 
8.54.114.  Auarisch  suw  (himmel  s.  96.)  alda  (in)  kechal 
(bogen),    aber  Chunsag  allein  kekchal,  regenbogen,    Andisch 

II.    6.  28 


434 


Pott. 


fsereltschor.  —  S.  71.  Qafsi  -  Qumuk  fsural  (himmcls) 
kkarta  (bogen).  Akuscha  enci  dirkci  kehjalgun  (vgl.  z.  b. 
oben  Chunsay).  —  Tschetschenzisch  zeiad  s.  165. 175.  —  Tscher- 
kessisek  whapememiguirieb  aas  wbape  himmel,  aber  wa- 
gohelschefs'Sternschnuppe  aas  whagoh,  stern  s.  240.  —  Aba- 
fsisch  s.255.  tsebuaka,  schamga,  allein  sternsebnuppe  jet- 
sebu— ebochua  von  jetsebua,  sternc.  —  Dazu  bei  den  Qumüch- 
Tataren  seite  388.  T{*»y  qausquzeh,  wie  aueb  buckarisch 
Asia  polygl.  s,  245.,  aus  dem  arabischen.  Eben  da  Motorisch  ke- 
gantiun  s.  158.  Bei  den  Orotong-Tungusen  sharrünn  s.  287. 
Auf  Kamtschatka  räjuntschi  und  auf  Tarakai  schuvvaz  s.  311. 
Japanisch  nidsi,  Lieukieu  nu-üdsi  s.  332.  Korea  lu-k'iao  s. 
340.  Tubelisch  ang-tschuii.  Chines.  chung-ni  s.  354.,  aber 
bogen  s.  372.  kung,  was  aber  doch  vermutlich  ganz  verschie- 
den. —  S.  365.  Siamiscb  lung;  in  Awa  fsa-dang;  aber  mit 
mü  (himmei):  mü-ghrü  (donner),  müschuä  (regen). 

Leider  hat  es  mir,  zum  theil  wegen  mangels  an  den  nöthi- 
gen  hülfsmitteln,  nicht  überall  gelingen  wollen,  den  in  mehrere 
bezeichnungen  des  regenbogens  gelegteir  sinn  etymologisch  gleich- 
sam wieder  zu  erwecken  und  beleben.  Es  werden  indefs  die, 
bei  welchen  der  sinn  vollständig  klar  vorliegt,  hoffentlich  »um 
erweise  der  behaaptung  dienen,  welcher  von  dein<fibutze^weiter- 
greifender  comparativer  Sprachstudien  meinem  anfsatze  vorausge- 
schickt worden.  —  Ich  schlicfse  mit  einer  mythischen  benenn  ang 
der  miichstrafse,  die  ich  bei  Grimm,  mythol.  s.  214.  ausg.  K  ver- 
misse, welche  mir  aber  aufmerksamkeit  zu  verdienen  scheint. 
Im  welsch  nämlich  heifst  sie  nach  Owen:  Caer  gwydion  the 
galaxy  so  called  from  Gwydion  ab  Don,  who  haviog  a 
knowledge  of  astronomy  was  deemed  a  conjurer.  Gwydien  or 
Gwydion  m.  a  mythological  personage,  the  son  of  Don, 
whose  history  it  but  little  known;  a  spirit  sapposed  to  pre- 
side  in  the  air,  or  rather  in  the  starry  regions.  Probably  = 
Teut.  Woden.  Da  caer  the  walls  of  a  city;  a  caste,  or  for- 
tress;  a  walled  or  fortified  town;  a  city,  wäre  also  die  miich- 
strafse demnach  als  eine  bürg  des  Wodan  bezeichnet,  von  dem 
ja  nach  Britannien  allerdings  durch  die  germanischen  einwande- 
der  eine  künde  könnte  gelangt  sein.  —  Dy  weyssen  streyf- 
fen,  der  stramen  (d.  i.  Striemen)  an  dem  hymmel  bei  Die- 
fenbacb,  mhd.  wb.  v.  Galaxia  ist  mehr  erklärung  des  latein.  aus- 
druckest als  dessen  Übersetzung.  Pott 


Zyro,  proben  eines  bernischen  idiotikons  etc.  435 

Proben  eines  bernischen  idiotikon's  mit  vergleichung  der 
verwandten  mundartem 

ä  —  oder  auch  stumpf  e  —  zur  vermittelung  zwischen  zwei 
Wörtern,  deren  eines  mit  einem  mitJaut  endet,  das  andere  mit 
einem  mitlaut  anfangt,  z.  b.  grad  a  so  warm  (vom  füür  wägg) 
=  gajpz  warm  —  es  ist  nicht  zu  schreiben  aso  (verbunden)  = 
also  —  wie  J.  R.  Wyfs  irrig  meint  —  sondern  getrennt.  So 
auch:  «'s  isch  a  so»  =  die  sache  verhält  sich  so  —  vgl.  «i  ha  'n 
e  keina  gfunda  wie  däw,  somit  eigentlich:  einen  keinen.  Somit 
ist  a  die  abkürzung  von  ain  =  ein. 

a  —  artikel  —  wird  ausgesprochen  nicht  als  helles  a,  son- 
dern stumpf  dem  e  zugewendet,  wie  denn  a  und  e  einander  oft 
verdrängt  haben,  z.  b.  mhd.  (bei  den  minnesängern)  erbeit  u.  a. 

1)  der  unbestimmte  —  abkürz,  aus  ain,  ein  — -  z.  b.  «a 
brava  ma  haltet  sys  wort»  —  «a  (oder  e)  wettiga  n'  ischs»  — 
ein  wie  beschaffener  ist  es?  —  «as  chrüüzerigs  weggli  isch  nid 
grofs»  =  ein  kreuzerwerthes  weggli  ist  nicht  grofs. 

2)  der  bestimmte:  «steil  ds  brot  uf  a  tisch»  =  auf  den 
tisch  —  i  ha  mi  uf  a  fues  gsezt,  niemeram  dings  z'gäh»  =  ich 
habe  mir  zum  grundsatz  gemacht,  niemandem  auf  borg  zu  geben 

—  «'r  het  am  (oder:  'm)  chnächt  z'vil  trouat»  =  er  hat  dem 
knecht  zu  grofses  vertrauen  geschenkt. 

a  —  zeichen  des  dativ  —  z.  b.  «a  n'  ema  geschänkta  rofs 
mues  ma  nid  i  ds  muul  luega»  —  auch  (durch  metathesis)  ama- 
na,  und  kurzer:  ama  (ema)  —  ema  lugnar  isch  nüüt  z'trouwa» 

—  ama,  ema,  eme  ist  =  einem  ainem. 

ä  —  präpos.  c.  accus,  u.  ablat.  —  gewöhnliche  abkürzung  von 
an,  welches  der  Oberländer  meistens  ganz  und  voll  ausspricht, 
was  der  Unterländer  vielleicht  nur  in  dem  einzigen  falle  thut: 
«häh  an  di!»  =  halte  an  dich  —  so  ruft  z.  b.  der  vordere  Schif- 
fer dem  hintern  zu,  wenn  dieser  (auf  der  flufsfahrt)  die  ru- 
derstange  gegen  seine  brüst  zudrücken  soll,  damit  das  hinter- 
theil  mehr  links  sich  wende,  so  auch  ruft  man  einem  «Schwin- 
ger» zu. 

1)  =  an  —  «m'  mues  e  n'  ander9  (oder:  ander a)  e  chly 
a  d'  hand  gah  =  man  mufs  einander  ein  wenig  helfen,  hand  bie- 
ten —  »8  wär  jix  a  der  zyt,  dafs  d'  ds  mittal  nähmisch»  —  «m1 
cha  wol  a  d'  lüüt  luega,  aber  nid  in  s'  (oder  sa,  si)  yna»   — 

28* 


436  Zyro 

«'s  isch  jite  a  n'  ihm  dr  chehr,  nid  a  dier»  —  auch  ganz  einfach : 
«'s  isch  jita  a  n'  ihm»  —  'r  mues  dr  schada  n*  a  ihm  sälbr 
hah»  =  er  mufs  den  schaden  seihst  tragen,  bekömmt  keine  ent- 
schädigung  —  «V  isch  geng.  a  mr,  i  söl  eis  mit  ihm»  ==  er  liegt 
mir  immer  an  (=  in  den  obren),  ich  solle ...  —  «V  isch  a  n' 
a  mnnr  geschossa»  «'s  isch  wie  a  n*  muur  gredt»  «  es  hilft  al- 
les reden,  b'richten  und  mahnen  nichts  —  «dis.  mal  isch  V  a 
rächta  cho»  =  hat  er  seinen  meister  gefanden  (der  ihn  baldigen 
wird)  —  «'s  isch  a  n'  enander»  —  «m1  mues  si  nid  a  n'  ama 
jedera  dingeli  stofsa»  «=  man  hüte  sich,  sich  an  jeder  kleinigkeit 
zu  ärgern  —  *r  isch  am  ana  zunnstäcka  'bhanget  —  amm  n*  ast 

—  im  oberland :  a  rr  flue  a  =  an  der  fluh  an. 

2)  es  auf  «am  barg»  =*auf  dem  berg  (alpe),  anders  das 
sprüch wortliche:  «V  isch  am  barg»  =  er  steckt  in  Verlegenheit 
kann  sieh  nicht  helfen,  nicht  rechtfertigen  u.  dgl.;  dagegen  z  barg 
cah  =s  auf  den  berg  ziehen,  wandern  — r  vgl.*«  tet  a  mier  drfar 
z*  sorga  r=s  die  pflicht,  dafür  zu  sorgen,  liegt  mir  auf  (ob). 

3)  =  in  —  idah  mi  a  ruew»  =  lafs  mich  in  ruhe,  störe 
nrich  nicht.  So  schon  in  XIII.  sec.  «gedultich  an  den  noten  = 
geduldig  in  den  nöthen.  So  später  bei  den  minnesängern  z.  b. 
«leg  dich  an  das  bette  min»  (ä  in)  —  «als  ich  an  einem  buoche 
lag»  —  vermittelnd  «kein  mus  wolt  sich  selben  geben  an  den 
tod»  (der  tod  läfst  sich  hier  personificirt  denken).  Vgl.  Beneke- 
Möller  wb.  s   v.  ane  A.  c. 

4)  «s  um  (zeit)  «'r  isch  am  endlefi  hei  cho»  =»  er  ist  am 
eilf  uhr  heimgekommen ,  Tgl.  'r  ischt  am  ersta  gsy  =  er  war 
zuerst. 

5)  Eigentümlich  ist:  «m'  cha  nid  a  n'  ihn  cho»  s=  sich  auf : 
sein  wort  nicht  verlassen. 

&  s  abkürz,  von  at,  ant,  ent  (dm)  z.  b.  «'r  isch  mr  8?bchoh» 
es  er  ist  mir  begegnet,  ich  habe  ihn  unterwegs  angetroffen  — 
auch  blos  bcho  (cf.  engl,  become  werden);  —  «i  ha  n'  nid  möga 
n'  aT)siah  (oder:  'bsiah)»ss  ich  konnte  ihn  nicht  einholen  —  auch 
blos  bsiah,  daher  vielleicht  dieses  a  nur  ein  vorschlagslaut  ist, 
zumal  da  er  eben  auch  ganz  stumpf  (mit  fast  geschlossenem  mund 
und  oben  im  gaumen  gebildet)  ausgesprochen  wird: 

ä  —  abk.  von  ab  —  «gang  mr  a  wägg!»  «geh  mir  aus 
dem  gesteht,  packe  dich,  ich  will  nichts  davon  hören  —  «a  isch 
mr  's  bueeh  awaegg  cho»  =  es  ist  mir  ein  buch  weggekommen 

—  [vgl.  ab.  3)  und  ags.  aweg,  engl.  away..  d.  red.] 


proben  eines  heroischen  idiotikons  etc.  437 

a  —  abk.  von  an  =  ane  =  ohne,  wie  häufig  bei  den  minne- 
sangern  —  im  oberl.  amacht  a=  ohnmacht  —  «'s  isch  mir  amäch- 
tig worda»  =  ich  bin  in  ohnmacht  gefallen  —  vo  n'  agfaehr» 
aacfa  angfaer  «  ohngetthr  —  «uf  da  angfaer  hl»  —  «la  mi  a 
noth!»  ==  lafa  tnich  ohne  noth  =  lafs  mich  in  ruh,  quäle  mich 
nicht,  nöthige  mich  nicht,  dringe  nicht  mehr  in  mich  —  «V  het 
mi  nid  a  noth  g'lah,  bis  ig  ihnTs  gchouft  hah». 

Hierher  gehört  auch  der  von  Stalder  aus  alten  dokumenten 
der  bernischen-  landschaft  Sanen  angeführte  ausdruckt  ani  akust 
=  ohne  gefehrde,  ohne  böse  absieht,  cf.  Leyser's  glossar  (alt- 
deutsche pred.,  Quedlinb.  1838)  äkust  =  schlechte  begierden, 
Schlechtigkeiten,  wie  unkust  —  kust  =  liebe,  von  kiesen  =  wäh- 
len, cf,  diligo,  deligo. 

afc  —  1)  ein  ausruf  —  zeichen  des  abschens;  2)  das  verab- 
scheute und  abscheuliche  selbst,  der  unrath,  bes.  der  menschliche 
koth  (in  kindersprache)  —  davon  die  diminutiva  setschi  und 
aeggi  =  menschenkoth. 

se,  aeh  —  art  liebkosens  der  kinder,  nicht  das  küssen,  son- 
dern das  sanfte  drücken  von  wange  an  wange  —  dim.  aehli  — 
«mach  ihm  schön  seh»  — -  gib  ihm  h  ashli». 

ab  —  a)  praepos. 

1)  von,  zer.  aus  —  «d1  sach  isch  ab  enander'»  =  das  aus 
mechanisch  zusammengefugten  theilen  bestehende  ganze  ist  auf- 
gelöst —  auch  «sys  bei  isch  ganz  abenander'»,  wenn  ein  bein  so 
ganz  gebrochen  ist,  dafs  der  knochen  nicht  mehr  zusammenhängt. 
Eigenthümlich  ist  die  redensart:  «potz  (oder:  oh)  z'tuusig  ab  en- 
ander'!» —  Verwunderung,  bald  in  scherz,  bald  in  ernst. 

2)  =a  los  —  «'r  isch  ab  der  chetti»  =  entfesselt,  übermü- 
thig,  aufser  sich  vor  freude,  wie  ein  losgelassenes  hausthier,  das 
sich  seiner  freiheit  freut 

3)  =  von  weg  —  «d'  sach  ab  ort  tue»  ==  von  der  stelle, 
wo  sie  liegt  oder  steht  (und  nicht  liegen  soll),  weg  an  einen  an- 
dem  ort  thun  (wo  sie  hingehört);  öppis  (arbeitsstoff)  ab  'm  lada 
wärcha»  =  nicht  ungefertigt  liegen  lassen;  «mach,  dafs  d'.mr  ab 
wäg  chunsch»  =  aus  den  äugen  —  nicht  zu  verwechseln  mit 
»us  wäg»;  du  bisch  mr  zfast  ab  wäg.»  =  liegst  mir  nicht  am 
wege;  «'r  isch  ab.'m  wäg  cho»  =  hat  die  bahn  verloren  —5 
«'r  chunt  gar  nid  ab  fläck,  oder  ab'm  fläck»  =  er  steht  immer 
auf  dem  gleichen  punkte  (mit  dem  gang  oder  mit  der  arbeit)  — 


438  Zyro 

ds  touw  isch  mr  afa  n'  ab  'm  maga  =  ich   habe   lange   nichts 
gnossa,  mich  hungert,  ich  bedarf  erquickung. 

4)  ss  über  (vgl.  ob)  —  «'s  het  mr  übal  ab  ihm  ggruusat» 
d.  h.  er  ist  die  Ursache  des  in  mir  entstandenen  grauens,  und  die 
folge  davon  ist,  dafs  meine  seele  sich  von  ihm  abwendet,  meine 
augen  ihn  nicht  mehr  sehen  mögen;  «i  ha  nüüt  ab  ihmz'chlaga* 
=  ich  habe  keinen  grund  über  ihn  zu  klagen  und  mich  ihm  zu 
entziehen.  So  in  Schwaben  (s.  v.  Schmidt),  so  bei  den  minne- 
sängern,  so  bei  Scherz:  «claget  ieman  abe  ime  =  über,  wegen 
(cf.  lat.  de)  —  und  ab  yme  richten  =  über  ihn  gericht  halten. 
So  bei  Berthold  von  Chiemsee  (tewtsche  theologei,  anf.  des 
16.  sec.)  «ab  denen  unsre  vaeter  ausgespürzt  bieten  =  über  die 
unsere  väter  gespieen  hätten. 

5)  ss  von,  herab  —  «ab  ?m  waga  falla»  =  von  dem  wa- 
gen herunterfallen  —  «die  öpfl  sy  Mos  ab  'm  boum»  —  'r  isch 
ab  'm  boum  gfalla  =  vom  boum  obe  n"  aba  gfallen  =  herunter; 
«d?  chüeh  sy  scho  ab  'm  barg»  — 

6)  s=b  drüber  hinaus  (zeit)  —  «s  isch  ab  d'  n'  endlefa»  = 
es  ist  über  eilf  uhr  —  «'s  isch  a  viertl  ab  achti»  =  ein  viertel 
über  acht.  Das  zeitliche  hängt  hier  unmittelbar  an  der  örtlichen 
anschauung  des  zeigen  in  seiner  bewegung  auf  dem  Zifferblatt  — 
drab,  als  gegensatz  von:  nicht  mehr  drauf. 

b)  Adverb. 

1)  =  weg,  nicht  mehr  da  oder  an  der  sache.  —  «drfläcka 
n'  isch  ab»  (vom  kleide)  —  «dr  chnopf  isch  ab»  (vom  kleide, 
am  rosenstock);  dr  rost  isch  ab»  (am  messer  dgl.);  ds  rad  (am 
wagen)  isch  ab»  —  «dr  schnee  isch  ab». 

2)  geistige  befreiung:  «'s  isch  mr  a  rächta  barg  (von  sorgen 
und  kummer)  ab»,  nämlich  vom  herzen  —  'r  isch  vielam  ab» 
(durch  seinen  hinscheid)  =  er  ist  vieler  mühseligkeit  entnommen. 

3)  =  hinunter  —  «'r  isch  d'  stadt  ab,  'r  isch  scho  dr 
bfirg  ab.» 

Davon:  etwas  ist  schabab  =  verloren  (fuutsch),  vom  scha- 
ben der  äufsern  rinde  an  gelben  rüben,  an  käse  dgl.,  was  abfällt. 

«ba  (w)  a)  adverb. 

1)  =  eben,  als  gegensatz  von  uneben,  holperig  —  «m'  cha 
n'  ihm  nid  äba  gnue  trätto»  =  man  kann  nicht  fein  und  sanft 
und  sorgfältig  genug  vor  ihm  auftreten  und  mit  ihm  reden  und 
handeln  —  es  mufs  alles  glatt  und  gemessen  zugehen ,  wenn  er 
nicht  gereizt  werden  soll. 


probeii  eines  heroischen  idiotikons  etc.  439 

2)  =  gleich,  wie  —  <«'r  het  dm  tüüfl  äba  gmacht»  =  er 
hat  getobt  wie  ein  teufel. 

3)  =s  gleich  (zeit):  äba  vori  ha  n"no  gseh' =  so  eben  habe 
ich  ihn  noch  gesehen. 

4)  =  kaum  —  'r  isch  äba  labige  ==  er  mag  sich  kaum  noch 
rühren,  «'r  mag  äba  gchoh»  ==  kaum  ausreichen,  vor  matÜgkeit 
oder  muthlosigkeit. 

&)  =  gerade,  allerdings  —  «äba  cha  m'  nüüt  mit  ihm 
macha!»  =  grade  so  wie  du  sagst  ist  es,  man  kann  nichts  mit 
ihm  anfangen.  Von  aeba  stammen:  1)  das  aebnit  =  ebenheit, 
ebene  —  häufig  Torkommende  ortsbezeichnung;  2)  aebna  =  eben 
werden  —  von  natur  oder  durch  kunst;  3)  v'raebna  ?=  eben  ma- 
chen, z.  b.  einen  acker,  ein  gartenbeet;  4)  aeba m ä äfsig  =  glei- 
cherweise, eben  so. 

b)  Adjectiv.  —  «'s  geit  alls  äbas  wägs»  —  «äbas  fuefses» 
=  piain  pied  —  »z'äbna  füefsa  springa  (bei  Schmid)  =  mit  zu- 
sammengehaltenen fufsen,  cf.  aequus. 

aba  (^)  —  bäur.  aha,  im  oberlande  abhi,  ahi  =  hinab, 
herab,  herunter,  hinunter  —  ursprünglich  =r  ab  —  wie  bei  den 
minnesängern,  z.  b  abe  lan  =  ablassen  (nachgeben,  aufhören)  — 
und  so  in  den  mss.  Urkunden  des  XIV»  und  XV.  sec.  Es  bedeu- 
tet also  überhaupt  bewegung  von  einem  gegenstände  weg,  so  dafs 
dieser  von  uns  oder  wir  von  ihm  getrennt  werden,  frei  werden; 
ferner  bewegung  von  der  höhe  nach  der  liefe,  wobei  der  Stand- 
punkt des  redenden  ein  verschiedener  sein  kann.  Die  bedeu- 
tung  von  aba  ist: 

1)  eine  eigentliche:  «gang  aba!»  =  geh  hinunter  (vom 
stuhl,  tisch,  oder  in  das  untere  Stockwerk,  auf  die  gasse  dgl.)  — 
«'r  isch  aba"  =  er  ist  hinuntergegangen  —  «ds  loub,  ds  obs  isch 
aba»  =  nicht  mehr  an  den  bäumen  (=  es  ist  Spätherbst,  der  win- 
ter  vor  der  thüre)  —  «'s  macht  oba  n'  aba»  «s  es  regnet  (oder 
schneit)  —  «d'  cherza,  ds  füür  isch  aba»  =  zu  boden  gebrannt. 
Im  oberl.  «eppis  abhi  ghijan»  =  etwas  hinunterwerfen  —  «abhi 
gähn  sb  hinabgehn. 

2)  eine  uncig  entliche:  «V  isch  aba»  =  es  ist  aus  mit  ihm, 
er  ist  heruntergekommen,  zu  gründe  gerichtet  (an  kraft,  vermö- 
gen, ansehn)  —  «V  hat  d'  milch  abag'lah»  =  er  ist  demüthig, 
zahm  geworden,  geht  nicht  mehr  auf  stelzen,  thut  nicht  mehr  so 
fibermüthig,  ausgelassen,  herausfordernd  —  «'s  het  aba  gmacht» 
«  die  kornpreise  auf  dem  markt  sind  gefallen  —  «drauf  aba»  « 


440  Zyro 

zu  dem,  was  bereits  war  (und  an  dem  hätte  es  genug  sein  sollen 
oder  können)  kam  noch. . . ,  —  In  diesem  aba  liegt  eine  Ver- 
schlimmerung der  sache;  z.  b.  wenn  einer  kaum  von  einem  lieber 
genesen  wein  trinkt,  oder  auf  eine  ermahnung,  strafe  dgl.  hin  so- 
gleich wieder  sundigt  wie  zuvor. 

aba  (-")  verb.  herunterkommen,  Sinken,  abnehmen,  cf.  östr. 
aben  =  wenden  —  «'r  abat  sträng»  =  er  nimmt  stark  ab,  altert 
sehr  —  «'s  abat»  =  der  abend  ruckt  heran,  vesperascit  (bei 
Schmid).  Sehr  häufig  hört  man  das  diminutive  «'s  abelet»  = 
der  tag  neigt  sieh;  es  sieht  aus  (bei  einer  sonnenfinsternüs),  wie 
wenn  es  abend  werden  wollte,  cf.  «'s  alpelat»  =  es  gemahnt  an 
eine  alpe  (z.  b.  ehemals  die  kuhweide  an  der  berühmten  enge- 
promenade  bei  Bern);  daher  (wie  auch  Scherz  annimmt): 

der  aba  (-"),  abed  (ab'd),  auch  (mehr  zürcherisch)  ab  ig 
ss  abend  —  offenbar  participiälform  =  der  abende  tag  —  isl. 
apni  (cf.  &nb)i  aptan;  ags.  äfen,  aeven,  schwed.  afton,  dän.  aften, 
engl,  evening,  ahd.  aband,  abant,  nhd.  avend,  holl.  avent  [vergl. 
Ben. -Müll.  wb.  s.  y.  abent  und  besonders  J.  und  W.  Grimm  d. 
wb.  s.  v.  d.  red.]  Die  Gothen  nennen  den  abend  andanahti 
(Mar.  XI,  19)  =  die  zeit,  welche  gegen  (am)  die  nacht  rückt 
(s.  Hahn,  1849).  auch  sagqus,  von  sigqvan  =  sinken,  gemahnt 
an  sequi,  grundbegriff  der  Veränderung  (cf.  secundus  u.  alter), 
der  beseitigung  dessen,  was  das  erste  ist  (potentialiter  und  or- 
dinaliter),  nämlich  das  licht,  welches  nun  übergeht  (=  ändert 
cf.  avti)  in  das  nachtlicht  — .  z'  aba  n'  anä  =  gegen  abendzeit. 
Wie  überhaupt  im  berner  oberland  die  diminutiva  zu  hause  sind, 
so  giebt  es  von  aba  ein  freundliches  dim.  abeli  (-"")  —  «guets 
abeli!  wie  geihts?  ==  guten  abend,  mein  lieber!  wie  gehts? 

Von  aba  stammt  nun  folgende  Wortfamilie: 

1)  ds  zabenaessa  (-" -")  =  das  zu  abendessen  —  auch 
blos  ds  zaba  (-^)  »  der  abendtrunk  mit  essen,  auf  dem  lande 
um  3—4  uhr  nach  mittag  (da  die  sonne  ja  schon  declinirt),  in 
städten  um  4 — 5  uhr  oder  später.  Die  bauern  nehmen,  zumal 
sommers,  das  mit  tagessen  schon  um  11  uhr,  wie  es  vor  alters 
auch  in  den  städten  sitte  war.  Redensarten:  «d'  n-  arbeitslüüta 
ds  zabagäh»  -—  «mr  wei  z'  aba  drinka». 

2)  dr  a besitz  (-^  -)  =s  trauliches  zusammensitzen- befreun- 
deter am  abend,  besonders  im  winter  bei  licht  und  lampenschein, 
sei  es  in  der  wohnstube,  sei  es  im  wirlhshause  bei  einem  glas- 
chen «landschraft»  oder  «chirswasser»  und  einem  pieifchen  tabak 
—  abendbesuch  von  freunden;  daher: 


proben  eines  bernischen  Idiotikons  etc.  441 

a)  abesitza  (-w  -  w)  —  mr  wei  eis  gab  abesiza  (nicht  zu 
verwechseln  mit  abesitza:  (^v-v) 

b)  z'  abesiz  sy  —  «mr  sy  eis  z'  abesiz  gsy»  =  wir  sind 
eins  zu  abendsiz  gewesen. 

c)  z'  abesiz  gah  — -  «mr  wei  (==  wollen)  eis  z'  abesiz  gah». 

d)  e  n'  abesitzeta  =  der  zusammensitzende  tränte  kreis, 
die  gesammtheit. 

3)  fyraba  —  auch  füüraba  —  (--w)«  feierabend  —  «'s 
isch  zyt,  fyraba  z'  macha»  =  die  arbeit  einzustellen  und  sich  zur 
ruhe  zu  begeben,  auch  uneigentlich:  «'s  macht  fyraba  mit  ihm» 
=  es  geht  mit  ihm  zu  ende  —  «'s  lüütat  f.  mit  ihm9  =*  seine 
macht  und  herrschaft  ist  gebrochen,  seine  herrlichkeit  dahin. 

aebach,  aebich  m.  ("-)  =  eppich,  epheu  —  hedera  helix 

—  ags.  iGg,  engl,  ivy,  ahd.  ebah,  ebeheue,  urspr.  s=  eibe,  taxus 
Schwenk  erklärt  dies  daher,  weil  beiden  das  unverwelkliche 
grün  gemeinsam  sei,  und  da  die  tanne  dieselbe  art  hat,  so  weist 
er  treffend  beim  lät.  abies  auf  das  hebr.  3K  (eb  =  das  grüne) 
hin  —  vergleiche  auch  eibisch  =  ybscha.  Bemerkens werth 
ist,  dafs  auch  die  immergrüne  petersilie  apium  heilst.'  Dafs  wir 
für  die  grundbedeutung  nach  dem  Orient  hingewiesen  werden, 
kann  nicht  auffallen.  Die  quellen  der  kultur  liegen  in  Hochasien, 
woher  auch  die  semit  dialekte  gekommen  sind.  Was  die  end- 
silbe  ach  betrifft,  vgl.  haimach  sä  halm  (bei  Berthold  v.  Chiemsee 
im  16.  sec. 

abetüürlach,  abbadü.ürlcb  (*«-«,  oder  auch  ü^-w)  — 
von  abenteuer,  und  dieses  von  avanture,  avanturier  (cf.  avenir 
=  zukonft  —  cf.  lat.  evenire,  eventus  =  erfolg)  =  auf  «gut 
glück w  ausgehen,  die  Zukunft  herausfordern,  waghalserei  treiben 

—  gegensatz  dessen,  was  nach  allgemeiner  Ordnung  und  sitte  ge- 
schieht —  cf.  span.  aventurare  sa  riskieren,  [vgl.  Ben. -Müller 
wb.  s.  aventiure.    d.  red.] 

abar,  abr  (w^)  —7  adv.  1)  adversativ  —  «we  keis  abr 
war»  ss  wenn  die  sache  keinen  gegensatz,  keine  Schattenseite, 
keine  einwendungen  hätte  —  nun.  aposiopäse,  dann  wäre  es  gut 
dgl.  —  daher:  2)  elliptisch  ein  wort  zur  warnung:  «abr!  was 
dinksch  o!»  —  auch,  zumal  gegen  kinder,  in  halbscherzendem 
tone,  verdoppelt  (das  entere  mit  gehobener,  das  letztere  mit  ge- 
senkter stimme)  «abr!  abr!»  —  etwa  auch  mit  dem  heisa tz:  «was 
wird  dr  vatr  säga!»  vgl.  das  isländ.  efi,  welches  einen  zweifei 
bedeutet  —  von  ef .  =s  wenn  —  engl,  if  (griech.  et)  —  und  cf.  das 
schwäbische  bei  v.  Schmidt.    3)  Eben    daher   versichernd  = 


442  Zyro 

wirklich!  wohl!  —  «liest  's  abr  o  rächt  gmacht?»  hinzuzuden- 
ken: gemacht  hast  du  es  allerdings  $  aber  wie?  wirklich  gut? 
4)  Erneuerung,  Wiederholung  —  indem  das  neue  einen  ge- 
gensatz  zum  alten  bildet,  der  gegensatz  des  vergangenen  aber  das 
gegenwärtige  ist:  «bisch  abr  da?  =  wieder,  schon  wieder,  denuo 
—  der  ton  liegt  auf  abr. 

Daher  nun:  abrmals  =  wiederholt,  neuerdings,  aberei- 
nisch  (-w--)  =  schon  wieder.  — 

Acht  undaberacht  =  erste  und  zweite  acht  (=bann,  ver- 
fehmung).  So  häufig  im  mhd.  Die  älteren  formen  des  Wortes 
sind:  goth.  afar,  aftra  =  nach;  isl  aptur;  cf.  griech  cnkag,  ahd. 
avar,  avur  (vgl.  «fern),  dän.  atter  ■«  wiederum,  [vgl.  Grimm 's 
d.  wb.  s.  v.     d.  red.] 

abar,  aabr  (-^),  auch  seber,  tyrol.  aeper,  fränk.  aefer  — 
gewöhnlich  in  der  impersonalen  form  «'s  isch  abr-*»  —  's  wird 
afa  hQb8chli  abr«  —  «'s  git  afa  n'  aberi  blsetzli»  —  und  so  das 
verb.  «'s  aberat»  (-  ^  ^)  =  es  wird  abr  =  der  schnee  geht  ab, 
verschwindet,  der  wiesboden  tritt  zu  tage,  das  grün  erscheint.  Im 
Gadmenthale  sagen  sie:  «'s  hut  eusg'  äberat  =  der  schnee  ist 
ganz  gewichen,  der  frühling  ist  da. 

Abgeleitet  wird  der  ausdruck  verschieden:  von  dem  iat. 
apricus  (=  an  der  sonne  gelegen,  sonnig),  gleich  apar  (Graff  I, 
99).  Allein,  1)  fehlt  in  abar  der  auslaut  des  Stammes  ic  —  es 
wäre  zu  erwarten  aberich;  2)  ist  der  begriff  von  abar  weiter  als 
der  von  apricus  —  bei  weitem  nicht  alle  abern  stellen  sind 
loca  aprica,  sonst  kämen  ja  die  «schattenhalbJLeute»  nie  aus  dem 
schnee. 

Eher  liefse  sich  an  das  schon  oben  behandelte  aber  in  sei- 
ner bedeutung  von  «wiederum,  neuerdings*»  denken,  wie 
denn  anch  im  plattdeutschen  «aber»  (sed,  auteni)  geschrieben  und 
gesprochen  wird,  «seber,  äbr»,  und  aeber  schon  im  mhd.  vorkömmt 
(8.  Hahn,  Übungen  zur  mhd.  gramm.  Frankf.  1843),  vgl.  aefern  = 
iterare  —  indem  das  leben  und  des  lebens  frische  wiederkehrt. 
Nur  spricht  dawider:  i)  die  betonung,  welche  verschieden  ist  bei 
beiden  aber,  2)  die  neutrale  und  Impersonale  bedeutung,  welche 
in  unserm  aaber  liegt,  während  das  entere  mehr  aktiven  Cha- 
rakter hat. 

Man  könnte  auch  geneigt  sein,  an  das  keltische  aber  zu 
denken,  =  mündung,  und  zwar  da,  wo  ein  flufs  den  andern 
aufnimmt  und  verschlingt  (s.  Mone  urgesch.  I.)   Daher  wol  auch 


proben  eines  heroischen  idiotikons  etc.  443 

der  name  des  seh  w  eins,  besonders  Wildschweins,  und  des  ba- 
ren —  cf.  das  lat.  aper  (griech.  xangog  —  wogegen  lat.  caper 
=  bock),  das  deutsche  eber,  Schweiz.  Aber  —  ef.  lat.  aperio  = 
öffnen.  So  auch  öffnet  und  verschliefst  sich  die  erde  mit  ihren 
kräften,  wenn  die  Schneedecke  schmilzt.  Allein  diese  erklärung 
ist  zu  künstlich.  Am  naturgemäfsesten  bleibt  es,  den  ausdruck 
auf  ab  (=  weg)  zurückzuführen,  mit  der  männl.  bildungssilbe 
er,  vgl.  locker,  wacker,  tapfer  dgl.  Bemerkenswert!!  ist,  dafs  im 
schwäbischen  (s.  v.  Schmidt)  aber  auch  «leer,  entleert;  nüchtern; 
stille»,  und  die  ebere  =  stelle  am  ufer,  wo  das  wasser  ruhig 
ist»,  bedeutet;  vgl.  aba  =  unten,  im  gegensatz  von  auf,  empor 
(empören,  toben)  —  und  wenn  der  geldbeutel  leer  geworden,  ist 
das  geld  aba  =  auf  den  grund  gekommen,  wie  ein  niedergebrann- 
tes feuer.  [vgl.  Grimm's  d.  wb.  u.  B.-M.  wb.  s.  v.  aber.  d.  re|d.] 
abbraechcha,  die  (---)  =  lichtputzer,  von  brechen,  ab- 
brechen. 

abhi  —  im  oberl.  (s.  oben)  =  hinab,  hinunter, 
abfach,  abbruch,  abbrich  (-^)  —  im  oberl.  =  die  voll- 
gesponnene spindel  oder  ein  voller  «spuela»  —  nach  Sam.  Schmid 
glomus  textorius  —  von  abbrechen?  weil,  wenn  die  spindel  voll 
aufgewunden  ist,  der  faden  abgebrochen  (abbrächa)  werden 
mtifs. 

achcha  (-^)  =  klage  ausdrücken,  «wehbern»  nicht  ganz 
so  stark  wie  wimmern,  sondern  nur  abgebrochen,  in  einzelnen 
lauten  die  schmerzensempfindung  zu  erkennen  geben  —  von  ach, 
wie  aechsen  (ächzen),  welches  aber  frequentativ  und  diminutiv 
ist  —  daher  e  n'  achchi  =  einer,  der  gleich  klagt. 

achchar,   achr  ("")  =  ein  Saatfeld   —   «cd1  Sehr  standa 
schön»  =  die  saaten  stehen  schön  —  2)  in  der  gegend  von  Bern: 
ein  kleines  uneingefriedetes  stück  land  (von  wenigen  jacharten). 
Davon:  1)  z'  achr  fahra  =  pflügen; 

2)  achcheriera  =  id.; 

3)  e  n*  achrzug  =  ein  zug  pferde  für  einen  pflüg; 

4)  chornachr  (kornacker)  =  das  in  ähren  stehende  feld; 

5)  achrland  =  land,  welches  angesäet  ist,  im  gegensatz  zu 
pflanzland  dgl. 

Abstammung:  das  lat.  ager  (von  ago),  gr.  ayQog  (gleich- 
falls von  <fyo>),  goth.  akrs,  ahd.  akhar,  accar,  achir,  ahd.  akr  u.  s.  f. 
(s.  Schwenk,  Diefenb.  u.  a.).  —  Sinn:  ort,  wo  man  (den  pflüg) 
treibt,     [skr.  äjra  m.  (vedisch)  fläche,  flur,  gefilde.     d.  red.] 


444  Zyro 

achcheram,  achram,  acherum,  auch  achcherand  im 
oberl.  auch  acher  ig  s  reife  buchnüsse,  seltner  eichein  —  «i  ds 
acharam  gah»  =  in  den  wald  gehen,  am  a.  zu  sammeln,  aar  sam- 
melzeit,  wo  die  sache  im  grofsen  getrieben  wird  5  vgl.  i  d'  firn  gah. 

Davon:  acheranda  (in  Gadmen)  =  acherand  sammeln,  auf- 
lesen.   Aas  den  bachnussen  wird  oel  gepreist. 

Die  oberl.  sagen  gew.  aeheram  and  acherand;  die  form  ache- 
rum  findet  sich  bei  8.  Schmid  und  in  der  bern.  gesetzsammlung 
1822.  bd.  I.  8. 148.  Die  buchnufs  heifst  ags.  seeern,  acer,  secorn, 
engl,  acorn,  dän.  agern,  goth.  akran  =  frucht.  cf.  axvlog  = 
eichel  (1  und  r  sind  verwandt).  Die  endang  am  and  and  (oder 
um)  ist  unmittelbar  aus  dem  gothischen  an  (akran)  entstanden. 
Die  form  acherig  (bei  Diefenbach)  scheint  unfichk 

ach  18  —  im  Oberlande  und  Simmenthai  =  sauer  gemachte 
schotte,  milch-essig,  ein  hauptingrediens  bei  der  kfisebereitung  — 
von  lat.  acidum  =  scharf,  sauer  —  cf.  goth.  akeit,  akeits  =  easig, 
acetum,.  griech.  6£os  (von  6%vg). 

ach s,  die  —  alte,  form  ackes  (Grimm)  mhd.  aks  —  vom  lat. 
lat.  a&is  und  ascia  (per  metathesin). 

1)  die  achse  am  wagen  —  daher  «sich  a  d'  achs  gäh»  = 
sich  preis  geben,  blosstellen  —  wie  ein  rad,  einmal  an  der  adhsc, 
sich  bewegen  mufs,  so  gebunden  sein  und  sich  binden  lassen. 

2)  die  axt  =  schweres  bei)  mit  breiter  kappe  (köpf)  zum 
schlagen  auf  scheidweggen  oder  aber  zum  spalten  harter  klotze. 
Daher:  m'  mues  mit  dr  achs  drhindr  ss  es  ist  gröfsere  gewalt- 
anwendung  nöthig. 

aecht,  aechter,  sechtertss  vielleicht,  etwa,  wol,  wirklich 

—  cf.  av  —  «tisch  'r  ficht  gstorba?»  =  ist  er  vielleicht  gestorben? 

—  «het  er's  ficht  öppa  vergfissa?  ss  hat  er's  vielleicht  etwa  ver- 
gessen? —  «wird's  ficht  guet  cho?  ss  wird  es  wol  gut  kommen? 

—  «acht?»  =b  wirklich?  wird's  dem  also  sein?  —  mhd.  icht  — 
woher  ichts,  nichts. 

achta  («*)  ss  achten. 

1)  sehen,  schauen,  aufmerken  —  im  Simmenthai  und  Oberl. 
«acht9  doch!»  ss  gugg  doch  ss  sieh  doch!  —  «acht  di,  ob  n' 
gsejisch»  ss  merk  auf,  ob . . .  «best  di  näüt  g'aehtat,  isch  'r  dura?» 
ss  hast  du  nicht  bemerkt,  ob  er  vorbeigegangen  ist? 

2)  sich  nach  etwas  umsehen  —  im  oberl  «V  hed  nah  mmo 
g'aehtat»  as  er  hat  sich  nach  ihm  umgesehen. 

3)  wahrnehmen,  interesse  nehmen,  vorsorgend  auf  jemanden 


proben  eines  bernischen  idiotikons  etc.  445 

seine  äugen  richten  —  «V  achtet  si  synera  nüüt  =  er  achtet  sich 
sich  seiner  nicht,  ist  gleichgültig  gegen  ihn  —  aacht  mr  e  chly 
da  zur  sach!» 

4)  meinen,  glauben,  dafürhalten  —  «was  achtisch  du?»  = 
was  urtheilst  da  davon? 
Daher  weiter: 

a)  die  acht  —  ahd.  ahta,  mhd.  aht  =  nachdenken. 

a)  das  schauen,  bemerken  —  «gib  acht»  s  pafs  auf!  nnd 
nimm  dich  in  acht!  z.  b.  dem  schätzen  sagt  man  «gib  acht»,  da- 
mit er  des  zieles  nicht  fehlt,  dagegen  dem  schutzenzeiger,  damit 
er  nicht  geschossen  werde.  «Gib  acht  uf  a  bnebM  =  lab.  den 
knaben*  nicht]  aus  den  äugen,  damit  er  ja  nicht  schaden  nimmt. 

ß)  in  die  acht  erklären  »  flehten  —  s.  XII.  sec.  sehten  = 
verfolgen  s  machen,  dafs  man  auf  ihn  achtet 

y)  anbück,  augenschein  —  «dr  acht  nah  isch  dies  grölüir  als 
jenes». 

9)  art  und  weise  —  «in  dir  acht  chöots  dr  gfalla». 

e)  in  dr  acht  m  ungefilhr  —  «du  hesch's  in  dr  acht  troffa»  — 
«'s  wfirda  n1  in  dr  acht  söval  sy»  ==  es  werden  etwa  so  viele  sein. 

b)  obacht  =  id.  —  «obacht  hah»  =  aufsieht  haben,  auf- 
passen  —  «hesch  dr's  nid  i  n'  obacht  gnoh?»  =  nicht  gemerkt? 
—  .»nimm  di  i  n'  obacht,  dafs  d'  nid  aschtefsisch»  =  hüte  dich, 
dafs  du  nicht  anstöfsest. 

c)  ach-tig  =a  achtung  —  «d"  chind  i  dr  schuel  müessa  V 
achtig  g&h,  we  si  öppis  wei  lehra. 

d)  achtbr  s=  1)  wer  achtung  verdient,  2)  wer  aufmerkt,  so 
sagt  man  von  einem  wiegenkinde,  welches  seine  äugen  auf  alles 
richtet*  somit  den  erwachenden  geist  verräth. 

Das  wort  «achten»  hiefs  ahd.  ahtön,  nord.  akta,  ags.  ehtjan 
=  achten,  meinen,  denken,  glauben,  urtheilen.  Die  würze!  ist 
ah  nnd  ag  —  vgl.  goth.  ahjan  =  denken,  aha  und  ahma  =  geist 

skr.  ak  =  merken  (Graff  1, 105).    Von  achten  kömmt  nicht 

nur  verachten  dgl,  sondern  auch  trachten,  drackta  =s  dr  (es 
dar,  wie  auf)  achten*). 

achti,  das  =  die  acht  —  als  Ziffer,  ala  zahl  und  Zeitbestim- 
mung —  «wie  mängs  schaf  hesch  im  stal?  achti»  —  «wie  spat 


*)  trachten  ist  doch  wohl  kaum  von  traetare  za  trennen,  doch 
kannte  der  damit  verbundene  genitiv  im  ahd.  fttr  obige  ansieht  spre- 
chen, auch  tragen,  tracht,  trlehtlg  sind  so  berücksichtigen     d.  red. 


446  Zyro 

isch  es  und-  achti».  In  ordinaler  oder  adjectivischer  form  dage- 
gen: acht  —  «si  hei  acht  chindr  am  läba»  —  «dr  wie  vielst  bisch 
d'  i  der  schnei?  dr  acht»  —  Davon: 

1)  e  n'  achtr  —  a)  ein  im  j.  1808  geborner,  b)  dr  achtr 
rs  wein,  welcher  acht  batzen  die  mafs  kostet. 

2)  *8  achtrli  =  kleines  hohlmaafs,  der  achte  theil  eines 
sogenannten  määfses,  welches  4  imi  und  16  sechszächnerli  ent- 
hält. Das  achtrli  heifst  wol  auch:  chlys  imi,  im  gegensatz  des 
«grofsen»,  welches  das  eigentliche  ist. 

3)  achtisch,  achts't,  der,  die,  das  =  achte  —  wie  «er- 
stischM  —  im  XII.  sec.  «an  dem  actoden  tag»  (s.  Roth  1839). 

sechzga  (^)  =  ächzen  —  so  auch  in  Schwaben,  vergl. 
stiüfzga,  blizga,  schluchzga,  d'  läfzga,  naizga,  schmazga,  d'  sisefzga. 
Die  hervorhebung  der  gaumiaute  liegt  überhaupt  im  berner  und 
schweizercharakter  —  ein  zeichen  gewisser  energie  —  Verstär- 
kung der  endsilben  sen  und  zen. 

adelgras,  das  «=  alpwägerich,  Linn.  plantago  alpina  — 
nebst  der  «mutterna»  für  das  «fürnämste»,  milchreichste  alpen- 
kraut  gehalten,  daher  beide  immer  zusammen  genannt  werden. 
Vgl.  auch  Morgenblatt  1849.  jan.  no.  2  ff.  (aus  den  alpen). 

Der  au8druck  erinnert  an  Wortbildungen,  wie  sie  sich  im 
XII.  u.  X11I.  sec.  finden,  z.  b.  adelwip,  adelkint  =  rechtmäfsiges 
weib,  kind  dgl.,  also  =  acht,  gut,  s.  deutsche  pred.  des  XIIL 
jahrh.  v.  D.  Leyser  (1838). 

afah  (--)  =  anfangen,  s.  fah.  Davon:  afang  =s  der  anfang. 

afanga  (--^)  afa  (^w)  —  zürcherisch  afenig  ( )  — 

offenbar  von  «anfangen».  — 

1)  wenigstens:  «emel  afe  n'  i  bi  nid  drby  gsj»  =  vorab- 
wenigstens  ich  war  nicht  dabei;  «das  isch  afa  gloga  und  ds  an- 
dera  isch  nid  wahr».  Sinn:  um  mit  dem  anzufangen,  so  ist  es 
gelogen; 

2)  bereits,  schon:  «s  isch  afa  wyt  cho  mit  ihm,  das  V... 
=  es  ist  bereits  weit  mit  ihm  gekommen,  dafs  er....  —  «afe 
darin  het  'r  gföhlt,  das  V...  «  bereits  darin  hat  er  gefehlt  — 
«das  geit  afe  schön!» 

3)  wirklich  —  ton  der  Verwunderung  —  «das  isch  mr  afe 
n'  eina!»  —  «das  isch  afe'g'loga!»  (in  anderm  sinn  und  ton 
als  sab  1.); 

4)  noch  —  «m1  wird's  afa  muefsa  mit  galt  'rchouffa»  —  so 
weit  ist  es  bereits  gekommen  oder  wird  noch  kommen; 


proben  eines  bernischen  idiotikons  etc.  447 

5)  erst  —  «afe  n'  einiscb  ba  nV  gseh»  =  erst  einmal  babe 
ich  ihn  gesehen  —  NB.  das  doppelte  n  ist  elliptisch  =  ha  n'ig  n' 
gseh  —  das  erste  n  ist  efelkystisch,  das  zweite  =  ihn. 

aefera  (-«<*)  =  neu  machen,  säubern,  putzen,  verbessern 
z.  b.  das  land,  eine  wiese,  vgl.  Luther  in  proy.  7,  19  «wer  eine 
sache  äfert  (STOti),  macht  forsten  nneins  aas  wer  eine  sache  neu 
aufgreift. 

Man  sagt  auch  ersefern  —  nicht  ereifern,  wie  Pischon 
in  Luthers  bibelübers.  Berlin  1844.  —  Auch  liest  man  in  Sal. 
Hefs  schrift:  Anna  Reichard,  gattin  Zwingli's  (aufl.  II.  s.  212.) 
««Luther  wideräferte  immer»  (zu  Marburg)  man  könnte  da  an 
«widerbelfern»  zu  denken  sich  versucht  finden,  allein  es  bedeu- 
tet einfach:  er  griff  die  dinge  immer  wieder  an,  man  kam  an 
kein  ende  mit  ihm. 

In  Schwaben:  aeffern  =  wiederholen  —  was  an  äffe  er- 
innert =  der  wiederholende,  nachahmende  —  wenn  dieses  wort 
nicht  etwa  von  af  =  ab  kömmt,  =  thier  mit  herabgedrückter 
nase,  wie  lat.  simia  von  griech.  oip6g. 

Der  stamm  ist  afer,  aver  =  wieder,  von  neuem  —  aber 

—  von  and  =  denuo,  ab  iniüo.  —  So  im  XIII.  sec.  swen  er 
die  sunte  denne  aver  avert,  so  vergizzet  er  sie  selbes  =  erneuert, 
wiederum  begeht.  [Vgl.  noch  Ben. -Müll.  wb.  s.  v.  avere,  fivere 
u.  Graf?  I.  180.  s.  v.  avaron,  avarjan.     d.  red.] 

Afi  —  in  Gadmen  =  Afra,  weibl.  taufnamen. 

agla,  agne  (oder  agne?)  —  oberl.  =  die  grannen  der  ähren; 
die  kleinen  dingelreste  im  gespinnst,  gleich  nadeln;  die  einzelnen 
gräte  des  iisehes  —  cf.  schwäb.  achel,  ageln,  aege  =  der  spitzige 
abfall  vom  flachs  dgl.,  vgl.  lat.  aculeus.  So  in  Schlesien  die 
annen,  welches  aus  agnen  entstanden  ist,  s.  oben  I.  p.  354  u.  a. 
Die  wurzel  ist  ag,  griech.  an  (axQog)  s=  das  aufwärtsstrebende, 
zugespitzte. 

ägrsta,  die  —  ägrtscha,  agerisch,  ägatschi,  agalsti,  (~wo) 
schwäb.  agelstür,  schles.  aglaster,  alaster,  ahd.  agelasta  —  im 
canton  Bern  auch  atzel  —  vgl.  agaza,  agace  (frz.)  —  a  eist  er 

—  im  XV.  sec.  haetz,  hetze  —  im  Simmenthai  heifst  die 
krähe  agrissa. 

Davon:  das  agerstenouwg  ==  dornwarze  an  den  Füfsen 
ss  hühneraug,  krähenaug,  plattd.  kraien-og. 

Woher  nun  diese  ausdrücke?  agalsti  hat  man  von  gal  (ss 
singen)  herleiten  wollen  ss  die  nichtsingende  (!!);  agelstür  hat 


448  Zyro 

von  Schmidt  aos  agel  (=  spitze)  und  stür  (=  schwänz,  cf.  plattd 
steer)  erklärt  —  auf  agel  könnte  agerstenaug  hinweisen,  weil  es 
wie  ein  dorn  sticht,  und  vielleicht  gehört  dieser  ausdruck  dahin 

—  er  gleicht  einem  hfihnerauge,  und  sticht  —  doch  scheint  nicht 
das  stechen  der  grnndgedanke  zu  sein,  sondern  die  äuJüsere  ge- 
stalt,  daher  bald  das  äuge  eines  huhns,  bald  einer  krähe  u.  s.  f. 
den  namen  giebt.  Und  warum  bei  der  elster  an  etwas  spitziges, 
was  sie  von  andern  vögeln  unterschiede,  zu  denken  wäre,  ist 
nicht  abzusehen.  Vielmehr  sind  alle  diese  namen  lauter  natur- 
laute (orofiaronoiovpefa),  welche  wir  für  nichts  anders  als  für 
verschiedene  darstellungen  der  auffassung  des  geschreis  dieser  vö- 
gel  zu  halten  haben  —  das  bezeichnendste  schiene  mir  agerisch 
oder  aegertscha,  was  dann  in  eine  mehr  onomatische  form  agerste 
gebracht  wurde,  r  ist  entsprechender  als  1,  denn  der  ton  ist  ein 
«ratschender». 

Agrten,  ägerta  —  ehemals  auch:  egerdon  — .  ortsbezeich- 
nungen  wie  rfiti,  äbnit  dgl.  —  im  Simmenthai  und  Seeland  — 
=  ausgereuteter  boden,  auch  fester  wiesengrund  —  nach  Sam. 
Schmid:  unfruchtbarer,  unangebauter  boden.  Woher  das  wort? 
ob  vom  lat.  ager?  die  Umwandlung  des  waldbodens,  oder  straneh- 
landes  in  wiesenland  liebe  fast  darauf  schliefsen  —  nori  liquet. 

aha  (^^)  —  bäur.  sc  hinab  —  oberl.  ahi,  aus  abhi  (abbin) 

—  schwäb.  ache. 

seina  (sei),  sein!,  seh  =  1)  jener,  jene,  jenes  —  per  meta- 
thesin, wie  OaQcrog  und  ÖQaaog  dgl. ,  also  nicht  zu  verwechseln 
mit  eina,  eini,  eis;  2)  der  andere,  nachfolgende  (cf.  alter,  se* 
guundus)  —  «'r  wot  de  äi  tag  hochzyt  hah»  =  den  nachfolgen- 
den, nämlich  samstag,  nicht  (wie  gewöhnlich)  freitag; 

gen.  seissa,  scinera  (aeira),  seissa  (aeinessa) 
.  dat.  «im,  aeira,  seim 
z.  b.  ds  mfissr  isch  äifsa  =  dieses  messer  ist  jenes  (seil,  besitz- 
thum)  gehört  jenem  —  «i  ha's  äim  ggäh'  =  ich  bab  es  jenem 
(dort)  gegeben  (deiktisch).    [Vgl.  Grimm  gramm.  I.  797.  d.  red.] 

aehka  (-)  = 

1)  einem  anliegen,  anhalten,  mit  unablässigen  bitten  ihm  zu- 
setzen (fatigare  precibus),  in  den  obren  liegen  —  wie  etwa  kin- 
der  oder  auch  weiber  thun; 

2)  zanken  (in  milderer  form),  tadeln,  rügen  —  «t'r  het  geng 
öppis  z'ähka; 

3)  im.  oberh.  ängstigen,  plagen  (vesare).    Davon: 


proben  eines  bernischen  Idiotikons  etc.  449 

a)  e  n'  aehki  =  einer  welcher  immer  etwas  zu  betein  oder 
zu  rügen  bat  —  fem.  aehka; 

b)  's  g'aehk,  e  n'  aehketa  =  die  bestimmte  handlang  in 
casu,  der  zeitlich  begränzte  Inbegriff  dieser  äufserungs weise, 

a?cka,  der  (w)  =  nacken  —  auch  in  Schwaben  —  vgl. 
«/x^,  ayxalq  (anke,  wovon  naken  nur  die  meiathesis  ist)*)  =  ei- 
lenbogen, arm  —  mit  dem  grandbegriff  «biegung;  gelenk.»  — . 
Daher:  dr  chnöuwaeka  =s  die  concavität  im  kniegelenk  (ge- 
gensatz  der  kniescheibe),  so  wie  der  nacken  eine  concavität  zwi- 
schen hinterhaopt  und  achsel  bildet,  cf.  dyxog  =  schlacht. 

akta,  irrig  auch  akka,  die  ("")  =  bedeckter  kleiner  ab- 
zugsgraben  in  feld  and  wiese  dgl.9  um  das  sickernde  wasser  zu 
sammeln  und  abzuleiten;  oder  unter  strafsen  durch: 

Davon:  1)  das  aktenkraut  =  sambucus  ebulus;  2)  die 
ausacktung  (einer  länderei,  eines  wiesengebiets)  —  nicht  «aus- 
ackung.»  Das  wort  kömmt  nicht,  wie  man  etwa  gemeint  hat 
(in  den  bern.  blättern  für  landwirthschaft,  1850.  juni)  unmittel- 
bar von  aquae,  so  dafs  es  zu  schreiben  sei  acken  —  denn  aquae 
b edeutet  wasserquellen  (und  bäder),  nicht  Wasserleitung ;  son 
dem  von  aquaeductus,  abgekürzt  =  aqdct  (akte).  So  hat  auch 
Sam.  Schmid  (vor  100  jähren)  geschrieben,  und  richtig. 

ael,  der  =  aal  —  vom  lat.  anguilla,  griech.  iy%*kvg  —  da 
ist  der  gaumiaut  ausgefallen  wie  in  aeka  (dyxtj). 

alag  (--)  =  die  anläge  =  teil,  gemeindesteuer —  von  an- 
legen (imponere,  auflegen  —  an  =  auf  cf.  credere  in  deum  = 
an  gott  glauben). 

alsessig  (--^)  =  anlässig,  d.  h.  wer  sich  gern  anläfst,  aber 
in  bes.  sinne:  eine  (junge)  weibsperson,  welche  anlafs  sucht, 
nm  männer  zu  kirren  und  anzulocken,  durch  necken,  schäckern, 
reizen,  scherzen  dgl.;  somit  sich  auf  eine  unanständige  weise  den 
männern  nähert,  sich  herbeiläfst  (an  =  nahe).  Es  liegt  darin 
der  begriff  falscher  passivität,  wie  in  «hilssssig»  (hinlässig  =  nach- 
nachlässig). 

-  aalbock,  der  (--),  ein  fisch  =  balche,  Linn.  salmo  lavarc- 
tug  —  vor  alters,  bevor  der  wilde  bergstrom  Kander  mit  ihrem 
rauhen  gletscherwasser  in  den  Thunersee  sich  ergofs,  häufig  in 
diesem  see  und  in  der  Aare  zu  Unterseen ;  die  fangzeit  war  eine 
art  Volksfest.    Im  Seeland  heifst  er  Faerat  (-^). 


*)  anders  Grimm  d.  wb.  s.  v.  anke.  d.  red. 

IL    5.  29 


450 


Zyro 


»lb,  ad}.  »  falb,  hellbraun,  besonders  fibhch  vom  nagcfirfc- 
ten  (bes.  dem  heilern)  wolltuch  und  vom  halblein,  wie  ihn  to- 
tere bauenlente  etwa  selbst  verfertigen,  au  manne-  und  wobt 
kleidung.  Die««U«clMata»(»dk*diteabatt«fm,iingegffisaU 
dar  herreo  und  Ulhhenren,  der  «angaben»'.)  sind  seit  1849-5« 
im  kanton  Bern  bktariseb  geworden,  indem  die  Aristokraten  nad 
conservativen  dgl.,  welche  im  mai  1850  die  oberhand  gewannen, 
sieb  besonders  auf  die  «älben  kotten»  stutzten  und  diese  gjekh- 
sam  ab  landesprincip  aufteilten,  im  gegensaU  der  radikalen  mit 
ihrem  «  herrsche  ü  gen  Schreibervolke  aller  art»,  ab  desa  fremdes 
und  feindlichen  prindp  —  so  dafe  manche  conservative  oder 
aristokratische  «herren-  anfingen  Albe  chatten  (peletots  dgL)  w 
tragen!  Von  »Ib  kömmt: 

1)  elbsch  a  was  dem  selben  nahe  verwandt  ist,  ähnelt, 
ähnlich  siebt; 

2)  d'elbi  =»  das  selbsein,  die  elbe  färbe; 

3)  's  selbst  =»  bekommt  die  elbe  färbe,  s.  b»  das  karafeld. 
Das  wort  kömmt  entweder  von  albus  (weiss)  oder  von  hel- 

vos,  wovon  einige  den  nameo  Beiveti  ableiten  wollen,  während 
freilich  andere  dasselbe  von  belu  (kalt  jagen)  ableiten  —  bd 
vns,  heluir,  belynr  «=  Jäger  (s.  das  interessanteste  der  Schweiz, 
Leipz.  1777.  bd.  L  s.  32).  [Vgl.  Grimm'«  d.  wb.  a.  v.  alb.   d.  red.) 

alba,  albets  (-v),  auch  alm\  almets  »  ehemals,  einsi 
«  db'  het  m'  no  ch&nna  drby  sy  M  =»  ehemals  war  noch  zu  leben. 

Davon:  albe  n*  einisch,  albets  einisch  =  bisweilen,  zu 
zeiten  (aliquando). 

Albe  gemahnt  an  alibi,  welches  zwar  ortshedentnng  hat. 
aber  man  weife,  wie  ubi,  und  da,  wo,  eben  so  gut  von  der  zeit 
gebraucht  werden.  Alme  könnte  zu  albe  in  demselben  verhält- 
nib  stehen  wie  das  tyrolbche  alm  zu  alp.  Oder  bat  man  bei 
ahn1  an  das  lat  olim  (cf.  hehr,  olam)  zu  denken? 

aichamatte  =»  wiese,  welche  weder  gedüngt  noch  ge- 
pflögt wird,  wo  nur  gröbere  grasarten  wachsen,  und  nur  eine 
ernte  des  jähre*  statt  findet.  Diese  alehenmaUen  liegen  nahe  hei 
Thierachern  und  Hfitendorf  (bei  Tbun),  auf  dem  grnnd  und  boden, 
wo  ehemals  die  Ränder  ihren  breiten  weg  nach  der  Aare  nahm, 
es  ist  daheran  geschwemmtes  lano\  oder  «grienbodem»  das  Kander- 
grien  geheifsen,  wo  wald  wächst.  Aicha  webt  auf  das  lat  aiga 
(wassergras)  hin  —  bt  aber  nicht  mit  «tischen»  zu  verwechseln 

alenzig  ("-")  —  a  fast  wie  e  gesprochen  ss= 


proben  eines  hermachen  idiotikons  etc.  451 

1)  ohne  gesellsehjaft,  einsam; 

2)  ohne  fremde  hülfe  z.  k  ein  geschäft  verbringen,  den  weg 
finden  dgl. 

In  Gadmen  sagen  sie:  alsengga,  elsengga. 
alessa,  im  eberl.  auch  alesma  (-w^)  =3  die  ahle,   ein 
stechwerkzeag  der  schuster  —  ahd.  alansr,  boil.  aelsena,  frans. 
alesneT  span.  alesna,  ital.  lesina  [unverwandt  mit  lat.  acuta»,  vgl. 
Grimma  wb.  s.  v.  ahle.    d.  red.] 

sehli,  das  »  1)  dkn.  von  a?b,  substantivisch  gebraaeht  «gib 
's   «hü!  =  mach  ihm  srh  (art  kufs,  vid.  oben);   2)  die  ähren, 
schwäb.  aber  —  viell.  contr.  ans  ashreli  (von  ar)  —  jedenfalls  dim. 
—  oder  ist  die  würz-  seh,  aech,  «c?  cf.  acus,  aculeus,  dxQ&g,  cf. 
lat.  spiea  (ähre),  coli,  spicare,  spiculum,  spitze,  vgl.  hebr.  ^ft«. 
all'  oder  alla  =  ganz  —  «V  isch  alla  bnsehpera»  =  ganz 
monter  —  V  het  dr  cbabk  alla  ggftssa»  es  nichts  übrig  gelassen 
—  «das  g8chöpf  het  my  ma  all'  vrderbt»  —  «i  bi  all9  z'undaroba» 
ss  ich  bin  ganz  unwohl  —  «das  hat  mr  dr  glast  all  'gnoh»  — 
all9  wird  hinter  das  dingwort  gesetzt,  wenn  es  besonders  hervor- 
gehoben, somit  betont  werden  soll,   vergl.  ptalm  19  von  Veit 
Dieterich  (XVI.  sec.)  «die  haben  dein  tempel  verderbt,  und  ihn 
verunreiht  allen»  =  ganz. 

Voran  steht  es  z.  b.  «in  allr  ttabi  het  'r  ihm's  gseit»  ss  ge- 
rade wie  er  im  zorne  war  —  «da  chunsch  all  pott  cho  höuscha» 
=  du  bist  immer  fort  zum  betteln  da  —  «alla  tansig,  alla  plun- 
der»  =  allerlei  zeug  —  «in  allem  gab  ha  n'  i  ddinkt  (oder  tankt), 
i  well  etc.,  cf.  frz.  tont  en  allant  j'ai  pens6. .. 

«alls  in  allam»  z.  b.  het's  zwfinzg  züber  (most)  ggfth  =s  die 
verschiedenen  theile  zusammengerechnet. 

Davon:  1)  allrdinga  =  allerdings;  2)  allergattig  —  im 
oberl.  ss  aller  art,  schlechtes  und  gutes  dgl.;  3)  allethalba« 
überall;  4)  ailiwyl  —  im  oberl.  =*  jederzeit,  fortwährend. 

alm,  die  —  gewöhnlicher  alp  =  einkühberg,  wo  sennerei 
getrieben  wird  —  wo  zu  sommers  zeit  das  hornvieh  seine  weide 
findet.  —  Daher  der  oberl.  famiiienname:  von  Almen,  wie 
von  Bergen  dgL  —  wobei  das  «von»  nichts  adeliges  bezeichnet, 
cf.  von  Rüti. 

Ob  ahn  vom  lat»  almus  (=*  erhaben)  und  alp  vom  lat.  albus 
(alpes)  kömmt?    [Vgl.  Grimm's  d.  wb.  s.  v.  albe  f.    d.  red.] 

almi,  almit  die  (-w)  —  oberl.  =  alraaent  (*-)  =*=  all- 
meiade,  allgemeinheit,  d.  h.  das  der  gemeinde  (burgerschaft  eines 


452  Zyro 

orte)  zugehörige  wiesland,  welches  ehemals  (vor  noch  kaum 
30  jähren)  durch  das  vieh,  das  jeder  «burger»  (a=  corporations- 
glied)  trieb,  genutzet,  d.  h.  abgeweidet,  in  neuerer  zeit  aber  meist 
zu  pflanzplätzen  eiogetheilt  und  aufgebrochen,  hie  und  da  sogar 
ganz  aufgetheilt  worden  ist  Die  allmenden  waren  ehemals  die 
gewöhnlichen  troll-  oder  musterplätze  der  landwehrmilizen.  Vor 
allen  bekannt  ist  die  Thun-allmänd,  wo  die  eidgenossensehail 
ihre  artillerieschule  und  bisweilen  ihre  lager  hält. 

almuesa,  das  =  almosen  —  so  schon  im  Passionale:  almu- 
sen  —  vom  griech.  iXsepoovyTj  (barmherzigkeit). 

1)  überhaupt  armenspende  —  «vom  almuesa  läba»  =  auf  ko- 
sten des  armenseckels; 

2)  insbes.  die  freiwillige  spende,  welche  auf  den  strafsen 
oder  an  den  hausthüren  erbettelt  wird  —  «z'almoesa  höuwscha» 
=  um  almosen  bitten;  dem  betel  nachgehen  —  «dem  heiligen  a. 
nahgah». 

Davon:  dr  almuesnar  s=  spendvogt,  armenvogt,  welcher 
die  armen8teaern  « ausrichtet ». 

alp,  die  =  ahn  =  weideberg  —  im  oberi.  dim.  alpetli  — 
ein  uraltes  wort,  s.  v.  Schmidt.    Davon: 

1)  alpa  =  die  köhe  auf  dem  berge  warten  —  «wo  alpat 
'r  hüür»  =  auf  welchem  berge  wirtschaftet  er  diesen  sommer 
mit  seinem  vieh? 

2)  «'s  älpelat  hia»  —  a)  man  sieht,  dafs  man  sich  hier  auf 
einer  alpe  befindet,  b)  es  gemahnt  einen  hier  an  eine  alp,  es  sieht 
einer  alp  ähnlich  —  wie  das  ehemals  (!)  mit  der  berühmten 
Engepromenade  bei  Bern  der  fall  war,  wo  im  sommer  die  kuhe 
mit  ihren  glocken  behangen  weideten; 

3)  dr  aelplar,  d'  selplra,  dr  aelplerbueb  =  der  senn,  die 
sennerin,  der  hirtenknabe; 

4)  alphorn,  alphütte,  alpwseg  dgl. 

alle,  adv.  von  all  ar  ganz  —  «mr  wei  afa  n'  alls  gmach 
gah»  =  wir  wollen  uns  ganz  langsam  vorwärts  bewegen,  gleich- 
sam den  zug  eröffnen  (anfangen).    So  schon  im  XII.  sec 

Oder  wird  richtiger  als  geschrieben  und  gleich  dem  griech. 
mg  ss  so  gefafst?  z.  b.  in  den  fabeln  der  minnesänger  lesen  wir: 
«der  froez  sprach:  got  her,  was  sol  ich  dir  darumbe  danken,  das 
du  mir  hast  ein  als  swachen  üb  gegeben  =  einen  so  geringen 
leib,  wie  ich  ihn  wirklich  habe.  [Vgl.  Ben. -Mull.  wb.  20 b  und 
Grimm  d.  wb.  s.  v.  als.    d.  red.] 


proben  eines  bernischen  Idiotikons  etc.  453 

allza  ss  alles  —  im  oberl.  —  V  hetfs  allza  uf  a  waga  glada« 
—  w'r  möcht  doch  de  o  gar  allza»  —  ob  z,  wie  im  mhd.:  häu- 
fig, einfach  =  s  oder  sz,  folglich  ss  alles,  zu  nehmen  sei,  wobei 
der  stumpfe  aaslaat  a  (oder  e)  als  paragogisch  anzusehen  wäre? 
oder  aber  za  eine  contraction  und  abkürzung  von  zsa  =  «zusam- 
men» sei?  Das  erstere  hat  mehr  Wahrscheinlichkeit  für  sich;  denn 
mir  wenigstens  fällt  keine  analogie  von  za  als  so  bedeutende  ab- 
kürzung bei.    Im  XIII.  sec.  findet  sich  alz  an,  welches  Leyser 
(1838)  für  allez  ane  (=  so  eben)  erklärt:  «Disiv  wort  div  alzan 
in  der  latin  gesprochen  sint,  div  sprichet  der  gut  S.  paulus»  — 
also  entweder  pluralform,  oder  aber  adverbialpartikel,  welche  al- 
lerdings auf  die  unmittelbar  vorausgehende  lateinische  schriftstelle 
zu  beziehen  wäre.     Dann  mflfste  alzan  =  «alls  an»  sein,  und 
an  as  «nahe»  verstanden  werden.    Gewifs  ist,  dafs  der  ansdruck 
allis  an  im  XIV.  sec.  vorkömmt  »  jetzt,  in  gegenwärtiger  zeit 
z.  b.  «wane  die  werlt  newas  nie  so  böse  noch  so  krank  noch 
so  valseh  noch  so  ungetruwe  als  allis  an  ist»  =  gerade  jetzt.  — 
an  =  in,  seil,  dieser  zeit.   So  in  einer  andern  predigt  dessel- 
ben Jahrhunderts:  «die  aks  ist  allis  an  gcsazt  an  die  wurzele 
des  boumis  =  gerade  jetzt,  daher  wirklich,  griech.  ydtj  (Matth.  3, 
10).    Möglich,  dafs  jenes  alzan  ss  allis  an  ist,  obgleich  zwischen 
beiden  ausdrücken  etwelcher  sinnunterschied  sich  findet,   etwa 
wie  zwischen  modo  und  jam.     [Vgl.  B.- Müll,  wb.  38.  a.  d.  red.] 
alt  —  emmenth.  auwt  —  adj.  u.  adv.  —  Gegensatz  von: 
jung  und  neu.    Davon: 

1)  dr  alt,  ahlt  =  vater,  hausvater  —  die  alti  =  mutter, 
frau,  haasfrau  —  der  Oberländer  bedient  sich  dieses  ausdrucks  nur, 
wenn  er  die  schuldige  achtung  hintansetzt,  oder  in  sehr  trauli- 
chem seherzen.    Im  Ober-Argau:  dr  eltr,  eltisch; 

2)  alta,  verb.  neutr.  =  alt  werden,  an  jähren  zunehmen, 
seine  physische  kraft  verlieren  —  «mr  alta!»  =  wir  rücken  dem 
alter  zu  (60 — 70  jähren)  —  «'r  altat  starch»  ss  die  zeichen  des 
alters  treten  ein  (graues  haar  dgl.).  Davon:  «die  sach  isch  vr- 
a Hat»  ss  liegt  so  weit  dahinten,  dafs  sie  keine  innere  und  äuisere 
bereehtigung  in  der  gegenwart  mehr  hat;  aus  der  tnode  gekom- 
men dgl.; 

3)  d"  aelti,  elti  =  a)  die  lebenszeit  (aetas)  —  «du  bisch  i 
dr  elti  ungfär  glych»  (mit  ihm,  wie  er)  =  du  bist  ungefähr  gleich 
alt  —  «'s  chunt  nid  uf  d'  elti  a»  —  b)  das  greisenalter  (senium, 
senectos)  —  «d'  elti  würd  dr  no  nüüt  tue,  we  numa  d&  brästa 


454  Zyro 

nid  wä»  *»  sein  hohes  alter  würde  ihm  noch  nichts 

wenn  nur  dieses  übel  nicht  wäre;  oder:  dem  alter  nach  könnte  er 

noch  recht  wohl  munter  sein,  aber  dieses  übel  hindert  ihn  u.  s.  t; 

4)  aeitela,  eltela  (^ww)  a  reichen  des  heranrückenden 
greisenalters  an  sieh  tragen,  nicht  mehr  zu  den  rostigen  «ad  star- 
ken gebären-  Daher:  eltelig  «=  was  nicht  mehr  jang,  frisch, 
brauchbar  ist  z.  b.  brod,  dem  man  anifihlt,  dab  es  bald  zun  «alt- 
bachena»*)  (altgebackenen,  alten,  dürren,  angeniefsbaren)  ge- 
hört —  altbachen  s  längst  gebacken«  vor  wochen; 

5)  ds  alt  jähr  (--)  sc  sylvestertag,  —  gegensatz  dsaöuw- 
jahr  &b  der  neujahretag.  Daher:  «altjahra»  s»  den  leisten  Jah- 
restag mit  trank  etc.  feiern. 

Was  den  Ursprung  des  Wortes  alt  betrifft,  so  könnte  man 
geneigt  sein,  «mächst  an  das  lat  altns  (hoch)  zu  denken  $  allein, 
wie  schon  Schwenk  (etymol.  wb.  der  lat  spr.)  altns  richtig 
von  alo  ableitet  (es  alitus),  und  dieses  selbst  mit  dem  griechu 
äldai*<o,  in  beziehung  bringt  —  vergleiche  &U>,  SXÖm  —  so 
haben  wir  als  grundbegrifi  anzunehmen:  erzeugen,  nähren,  ver- 
mehren, grofs  machen  —  somit  alt  =  grob  an  kraft  —  cf.  ado>- 
lescens,  adultus.  —  Daher  1)  grofs  an  jähren,  2)  gegensatz  von 
neu:  derselbe,  unverändert  —  «bu  bisch  geng  no  dralt»  = 
du  hast  dich  nicht  geändert  (=»  gebessert),  nicht  verändert  (= 
physisch  gleich  stark,  hübsch  dgl.)  —  «'s  isch  no  im  alta»  *=  die 
Sachlage  hat  sich  noch  nicht  geändert,  ist  nicht  besser  gewor- 
den. [Vergl.  Grimma  d.  wb.  s.  v.  wo  Verbreitung  und  abstam- 
mung  ausführlich  besprochen  sind.     d.  red.] 

am  —  aufser  der  gewöhnlichen  bedeutungsr  im;  besondere 
bei  citation  von  bibelstellen,  ».  b.  das  sprüchwörtlich  gewordene 
«'s  isch  Matei  am  letschta»  es  es  rückt  zum  ende  (mit  eines  le- 
ben, kraft  dgl.)  —  vgl.  »zum  letzten  male».  Im  plattd.  wird  am 
häufig  so  gebraucht,  e.  Sackmanns  pred.  (1840). 

ama,  ame  (""),  abk.  von  ainem  (einem),  aim  (eim),  —  oft 
auch  amana,  amama,  anema  (~ww)  z.  b.  «ama  brava  mah  cha 
m'  trouwa,  amena  Lngnar  nia»  =  einem  braven  mann  kann  man 
trauen,  einem  lugner  nie.  ama,  amma,  scheint  fast  eine  znsam- 
menziehung  aus  a  n'  ema,  a  n'  ama  (s.  oben  a)  zu  sein  —  der 
auslaut  a  scheint  sich  wie  o  in  «dero,  ihro»  zu  verhalten.  —  Er 
ist  übrigens  alt,  so  im  XIL  sec.  zaime  =  zu  einem,  st.  zaim. 


*)  oft  gesprochen:  halbbacha,  hslpbacbs. 


proben  eines  hermachen  Idiotikons  ele.  455 

amal  (--),  das  «=  seichen  am  leibe,  bes.  im  gesiebt,  art 
narbe,  bes.  ein  sogenanntes  mnitermal  (was  das  kind  mit  auf  die 
weit  bringt,  das  es  als  foetns  durch  eindrnck  der  mutter  bekom- 
men hat,  anthun,  angebinde)  —  von  mal  =*  zeichen.  [Vergl. 
Grimm's  d.  wb.  s.  v.  anmal.    d.  red.] 

ambeilar,  der  »  ehemals  ein  beamteter,  welcher  jede  ein- 
fuhr Ton  fremdem  weine  zu  beaufsichtigen,  den  fuhrbrief  und 
Ursprungsschein  zu  prüfen  und  über  die  fracht  nebst  abgäbe  eine 
controle  zu  fuhren  hatte  —  von  beila?  =  marke,  seichen  — <  e 
in  m  verwandelt  vor  b,  wie  im  griech.  (labialattraction). 

ambeissa,  die  (--^)  =  ametse  dim.  ambeissi,  ambeisseli. 
—  Davon: 

1)  e  n'  ambeissira  (das  diminutive  1  und  das  iterative  r) 
=  ein  ameisenhaufen  —  cf.  die  eteinera,  haerdöpflera  etc.; 

2)  ambeissahaerd  «  erde  von  ameisenhaufen.  [über  Ver- 
breitung und  Verwandtschaft  des  worts,  vergi.  Grimm's  d.  wb. 
277*.    d.  red] 

Zyro. 


lieber  die  durch  nasale  erweiterten  verbftJst&mme. 

Ich  schlofs  meinen  vorigen  aufsatz  (s.  398)  mit  der  bemer- 
kung,  dafs  sich  der  enge  zusammeahang  zwischen  nominal-  und 
verbalthemen,  die  ein  n  im  stamme  zeigen,  im  gothischen  deut- 
lich daran  offenbare,  dafs  die  von  verbis  abgeleiteten  den  parti- 
cipialablaut  zeigen  und  dafs  sich  hieran  anschliefsend  dann  auch 
eine  feste,  nämlich  passivische  bedeutung  für  diese  form  hervor- 
gebildet hat,  von  der  nur  fraihnan  eine  ausnähme  mache.  Diese 
ausnähme  aber  zeigt  eben,  dafs  auch  das  gothische  in  alter  zeit 
in  dieser  bildung  noch  keiner  festen  bedeutungsentwicklung  folgte: 
fraihnan  nämlich  ist  zwar  mit  skr.  prach  fragen  gleicher  wurzel, 
gehört  aber  unmittelbar  zu  dem  nominalstamme  praena  die  frage, 
welcher  wie  yajna  opfer  (w.  yaj  ay),  vigna  glänz,  Schimmer 
(w.  vich),  svapna  schlaf  (w.  svap,  vn9  lat.  sop,  alts.  svebh,  altn. 
sof)  ohne  frage  ein  altes  passivpartieipium  derselben  wurzel  ist, 
aber  durch  das  sich  daneben  stellende  partieip  prshla  (vgl.  yajna: 
ishta)  offenbar  auf  die  substantivische  bedeutung  beschränkt  wor- 
den ist    Somit  verhält  sich  denn  fraihnan  in  seiner  entwicklung 


456  Kuhn 

aus  skr.  pracna  gerade  wie  nmbrisch  persni  (vgl.  &.  397)  zu  die- 
sem, oder  wie  lat.  plenus  zu  plenunt.  Mao  könnte  bei  betrach- 
tung  dieser  analogien  geneigt  sein  auch  goth.  fullnan  voll  wer- 
den mit  den  letztgenannten  Wörtern  sowie  mit  purna  voll  prnami 
ich  fülle  zusammenzuhalten,  aber  dagegen  möchte  einmal  das 
doppelte  1  (nur  einmal  findet  es  sich  mit  einfachen  Luc.  2.  21. 
cf.  Gabel.  -Loebe)  und  dann  die  passivische  bedeutung  sprechen; 
fullnan  scheint  mir  ein  erst  auf  der  stufe  der  gothischen  bedeu- 
tungs-  und  formen twicklung  stehendes  wort,  welches  aus  falls  wie 
andere  aus  adjectiven  gebildeten  verbalstämme  gleicher  endung 
hervorgegangen  ist  (z.  b.  veihnan  aus  veihs) ;  f uils  aber  entspricht 
genau  dem  skr.  pürna-s,  indem  das  r  sich  im  gothischen  zu  1 
gewandelt  und  diesem  sich  das  folgende  n  assimilirt  hat.  Den- 
selben lautwechsel  zeigt  goth.  vnlla  (ahd.  wolla)  im  verhältnifs 
zu  skr.  üniä  id.,  nur  dafs  hier  in  das  ü  der  wurzel  noch  der 
anlautende  halbvocal  v  (von  w.  vr  bedecken)  mit  aufgegangen 
ist.  Wäre  nun  aber  fullnan  unmittelbar  aus  dem  alten  paiüci- 
pium  fulls  für  fulns  bereits  in  alter  zeit  entsprungen  und  nicht 
erst  eine  echt  gothische  bildung,  so  würde  es  unzweifelhaft  überall 
nur  mit  einem  1  geschrieben  werden,  also  fulnan  lauten;  demnach 
glaube  ich,  dafs  es  auch  abgesehen  von  der  passiv,  bedeutung, 
nicht  unmittelbar  mit  prnami  und  -plenunt  zusammengestellt  wer- 
den darf.  Somit  bleibt  nur  fraihnan  eine  abweichung  in  jenen 
gothischen  bildungen  auf  nan,  aber  wie  wir  sahen  betraf  diese 
abweichung  mehr  den  begriff  als  die  form,  denn  6kr.  pracna 
konnte  ebensowohl  als  altes  participium  angesehen  werden,  so- 
mit sprechen  diese  gothischen  bildungen,  wenn  wir  die  frage 
nach  dem.  Ursprung  dieser  nasalen  erweiterungen  untersuchen,  ent- 
schieden für  die  Verwandtschaft  derselben  mit  nominalbildungen 
aqf  n;  die  transitiven  stamme  unter  ihnen  sind  offenbar  durch 
die  allmählig  überwiegenden  passiv-  und  reflexivbildungen  ver- 
drängt worden,  und  sind  theils  in  ablautende  verba,  theils  ia 
solche  der  zweiten  conjugation  übergetreten. 

Von  diesem  übertritt  lassen  sich  einige  beispiele  nachweisen; 
so  steht  namenttich  gegenüber  dem  skr.  stmami  cl.  9*und  strnomi 
cl.  5.  gr.  aroQrvfAi,  lat.  sterno,  das  goth.  straujan,  welches  in 
die  zweite  conjugation  übergetreten  ist.  Dies  verbum  ist  übri- 
gens durchaus  nicht  mit  arQcovw^  der  nebenform  von  ütoqw/u, 
zusammenzustellen,  da  in  0T£a>Wt//u,  so  viel  ich  sehe,  das  a>  aus 
altem  ä  hervorgegangen  ist,  wie  mir  strä-yi,  strä-men,  argiSfia 


über  die  durch  nasale  erweiterten  verbalstimme.  457 

n.  8.  w.  beweisen;  die  länge  des  vocate  sowohl  im  griechischen 
als  lateinischen  ist  wohl  dadurch  hervorgerufen,  dafs  derselbe 
durch  die  metathesis  des  q  in  den  wurzelauslaut  kam. 

Anders  fafst  Jac.  Grimm  in  seiner  abhandlung  über  diph. 
s.  31.  die  länge  in  dem  eben  betrachteten  worte,  welcher  das  a 
durch  ausfall  eines  g  zu  erklären  scheint,  so  dafs  stramen  aus 
stragmen  herzuleiten  und  wie  fragmen  aus  frango  aus  einer  mit 
g  auslautenden  wurzel,  die  noch  in  strages  enthalten  ist,  stamme. 
Aber  strages  selber  hat  schon  langes  ä  und  wenn  sich  auch  wur- 
zelverwandtschaft  zwischen  demselben  und  sterno  nicht  längnen 
läfst,  so  ist  doch  die  wurzel  desselben  als  eine  selbstständige  zu 
fassen ;  sie  erscheint  im  skr.  in  der  gestalt  von  sraj  und  srj  emit- 
tere,  effundere,  jaculari  u.  s*.  w.  und  hat  wie  dies  mehrfach  im 
sanskrit  sich  zeigt,  ein  zwischen  s  und  r  stehendes  t  verloren, 
worüber  ich  in  der  fortsetzung  meiner  abhandlung  über  die  das 
alte  s  begleitenden  lauterscheinungen  weiter  sprechen  werde. 
Diese  lauterscheinung  veranlaßt  mich  auch  das  von  Grimm  a.  a. 
o.  s.  30  zu  straujan  gestellte  ahd.  straum,  stroum,  nhd.  ström  zu 
skr.  sru  (mit  gleicher  Verstümmelung  des  anlauts)  fliefcen,  strö- 
men zu  stellen,  dem  das  griech.  $evpa  (vgl.  homan  trankspende 
=  get^a)  m^  nocn  stärkerer  Verstümmelung  im  anlaute  zur  seite 
tritt.  Der  Übergang  in  der  bedeutung  des  ahd.  Wortes  zu  rudern 
erklärt  sich  dann  aus  dem  auch  den  dichtem  noch  jetzt  gebräuch- 
lichen bilde,  welchem  der  sich  durch  das  land  ziehende  ström 
oder  Hufs  als  faden  gilt,  wie  z.  b.  skr.  sira'  f.  (von  w.  si  binden) 
in  den  Veden  ström,  flufs,  im  gr.  dagegen  in  aeigij  band,  strick, 
kette  bedeutet,  vergl.  R.  6.  20. 13:  roör  apäh  sirä'  na  sravantih 
du  liefsest  rinnen  die  wasser  (d.i.  die  wölken)  wie  strömende 
flösse  (bänder).  Grimm  sagt  ferner,  a.  a.  o-,  dafs  auch  lat.  strango 
(strangulo)  stringo  (auch  cjQayyco  mit  seinen  ableitungen)  an 
diese  wurzel  stra  anrühren  könnte,  ebenso  wie  unser  sträng  fu- 
nis  und  strecken,  ahd.  strechan  tendere,  sternere;  doch  auch  diese 
gehören  zu  der  wurzel  sraj,  srj  wie  sraj  das  blumengewinde, 
kränz  zeigt;  auch  das  im  anlaut  gerade  wie  Qevpa  verstummelte 
rajju  strick  entstammt  mit  unserm  strick  derselben  wurzel. 

Kehren  wir  nun  zu  atQcipwfH  zurück,  und  halten  fest,  dafs 
w  der  gewöhnliche  Vertreter  von  ä  ist,  wie  dies  in  strä-vi  u.  s. 
w.  auftritt,  so  scheint  das  doppelte  v  in  diesem  worte  unorganisch 
zu  stehen,  da  es  sich  nicht  durch  assimilation  aus  einem  <x  wie 
in  vielen  verwandten  verbis  erklären  läfct,  denn  sämmtlichc  bil- 


458  Kuhn 

dangen  und  ableitungen  erscheinen  ohne  dasselbe  wie  eaipur«, 
icrQmfUPog  u.  s.  w.  zeigen.  Ein  gleiches  sahen  wir  bei  ftVtpi, 
nor  dal*  dort  auch  bereits  in  den  Handschriften  schwanken  ra- 
schen einfachem  und  doppeltem  *  antrat.  Genug  also  <fi#ö  k 
die  wnrzelform  dieses  verbal  thema's,  wie  im  lateinischem  »tri 
und  somit  können  beide  nicht  unmittelbar  in  goth.  straujan  tm 
dem  wir  ausgingen,  gestellt  werden,  straojan  aber  gehört  mit 
dem  bereits  von  Grimm  a.  a.  o.  s.  90  beigebrachten  strana  oder 
straba,  welches  uns  Jornandes  und  der  schol.  so  Stat.  Theb.  aai 
bewahrt  haben,  zusammen;  es  scheint,  dafs  es  davon  ein  dens- 
minatir  sei,  wenn  wir  die  allgemeinere  bedeutung  «streu»  nv 
strana  statt  der  specidleren ,  wonach  es  eine  anüschiittung  auf 
dem  todtenhögeJ  bezeichnet,  annehmen  dürfen.  Eine  andere  er 
klirung,  wonach  straujan  fast  wie  strno,  wovon  strues  nahe  an 
strana  anrührt,  gebildet  wäre,  scheint  mir  weniger  wahrschein- 
lich; in  diesem  falle  würde  es  sich  wie  OQ&im  in  OQwvjti  und 
wie  skr.  stabhüyati  zu  stabhnoti  verhalten,  und  man  mftfste  eine 
Verstärkung  des  wnraelvocals,  die  sich  etwa  durch  den  aeeent 
erklaren  liefse,  annehmen.  Man  könnte  nun  gegen  die  obige  an- 
nähme, dafs  straujan  einst  einen  stamm  mit  n  neben  sich  gehabt 
habe,  überhaupt  einwenden,  dafs  die  Übereinstimmung  des  grie- 
chischen, lateinischen  und  sanskrit  noch  nicht  für  dieselbe  zeuge, 
allein  dafs  auch  die  deutschen  sprachen  einen  solchen  hatten, 
scheint  mir  aus  ahd.  stirn  hervorzugehen,  welches  sich  genau  an 
skr.  stirna  ausgebreitet  anschliefst,  und  sÜrna  verhält  sich  zu 
strnami  gerade  wie  purna  zu  prnami. 

Ein  anderes  verhorn,  in  welchem  der  Übergang  in  die  zweite 
conjugation  ans  einem  stamme  mit  n  sich  zeigt,  ist  stojan  rich- 
ten. Grimm  hat  bereits  (über  diphth.  s.  50)  staua*)  xotty?  und 
staua  xQifia,  auf  viele  treffliche  gründe  gestützt,  aus  stabva,  stafra 
entstanden  angenommen,  aber  noch  entscheidender  ist  die  unmit- 
bare  Zusammenstellung  mit  ahd.  skafeo,  skaffo,  skepfo  creator 
conditor,  nnd  skafino,  skeüno,  ahd.  schöff,  ndd.  scheppe,  welche 
das  sanskrit  durch  seine  themen  stsbhnäti,  stabhnoti  neben  ska- 
bhnati,  skabhnoti  mit  den  bedeutungen  festigen,  stützen,  ordnen, 


*)  Bopp  hat  (vocalismus  s.  149)  staua  auf  w.  sta  preisen  zurück- 
geführt, wogegen  lautlich  nichts  zu  erinnern  wSre,  aliein  begrifflich 
viel;  man  könnte  nur  etwa  durch  annähme  einer  allgemeineren  bedeu- 
tung, etwa  sprechen,  auf  den  begriff  des  richtens  kommen. 


über  die  durch  nasale  erweiterten  verbalstSmme.  459 

mit  bUm*  vermittelt.  Aach  das  bereits  L  139  besprochene  steflara 
gehört  unbedenklich  hierher  und  zeigt,  dafs  der  aniaat  st  in  der 
wurael  für  das  althochdeutsche  in  dieser  bedeatang  noch  nicht 
erloschen  war. 

Alles  bedenken,  was  sich  noch  wegen  der  lautverhältnisse 
von  stabva,  stafVa  für  atana  regen  möchte,  zerstreut  endlich  ein 
drittes  verbnm,  nämlich  dan|an,  nebst  divan« ,  undivans,  undiva- 
net  und  dau^s*).  Aach  diesem  daajan  steht  im  skr.  ein  dahhnoti 
(nach  der  5.  klaase;  über  den  Wechsel  dieser  mit  der  9ten  ist 
oben  a.  396  gesprochen)  mit  der  Bedeutung  schädigen,  verletzen 
und  brennen  rar  aeite,  welches  in  den  Yeden  in  den  beiden  er- 
sten bedentnngen  häufig  und  z.  b.  im  part.  prät  dabdha,  sowie 
in  adabdha  unbeschädigt,   unverletzt  an  Kahlreichen  stellen  er- 
scheint  Dies  dabdha  entspricht  nun  aber  genau  dem  goth.  dau)w; 
der  labial  sti  er  nun  b  nach  regelrechter  lautverechiebung  oder 
unversehobenes  bh  gewesen,  ist  zu  v  hinabgesunken  und  hat  sich 
dann  vocalisirt  und  derselbe  Vorgang  hat  in  daujan  und  divan 
stattgefunden,    nur    dafs   in   letzterem   die  vocalisirung  natür- 
lich wegen  der  einschliefsenden  vocale  nicht  statt  gefunden  hat 
Dabei  sei   bemerkt,    dafs  zu  diesem  sanskrit  dabh  urere  (cf. 
Westerg.  s.  v.),  welches  in  den  generaltemporibus  meist  m  ein- 
schiebt (dadambha  und  dadabha)  genauer  als  zu  tap  das  griech. 
ray-ftdaru  stimmt  (über  ?:ds.  I.  182),  dem  das  zend.  taiau 
brennend  zor  seite  steht  (Bopp  vgl.  gr.  s.  39)  daher  auch  wohl 
damf,  nebst  dem  malbergischen  diba  (vgl.  Grimm  über  das  ver- 
brennen der  leichen  s.  31)   passender  hierher  zu  ziehen  sind. 
Uebrigens  kommt  die  sanskritwurzel  auch   nach  der  1.  Masse 
gebildet  vor  (dabhati),  jedoch  auch  hier  mit  der  transitiven  be- 
deatang; bis  auf  diese  stimmt  sie  dann  mit  divan. 

Aufser  den  besprochenen  verbis  zeigt  auch  valjan  wählen 
gegenüber  vrnämi  mit  gleicher  bedeatang  den  Übergang  in  die 
zweite  conjugation,  doch  steht  auch  in  der  epischen  spräche  des 
sanskrit  bereits  die  in  der  bedeutung  nicht  verschiedene  causaJU 
form  varayämi  neben  jenem  vrnamL  Ein  paar  andere  verba  da- 
gegen haben  den  alten  stamm  mit  n  und  zu  gleicher  zeit  die 
starke  bildung  bewahrt.  Zunächst  gehört  hierher  rinnen,  dem 
skr.  rnämi  mit  der  bedeutung  Hieben  zur  seite  steht;  formell 


*)  aber  den  Wechsel  von  o  and  aa  in  diesen  stammen  vgl.  Grimm 
gramm.  (3.  aasg.)  I.  s.  66. 


460  Kahn 

wäre  daher  bei  bewahrung  des  n  des  präsensstammes  rinan  zu 
erwarten,  woher  nun  das  zweite  n?  Wir  haben  bereits  gesehen, 
dafs  die  bildungen  der  5.  u.  9.  kl.  (-nömi,  *nämi)  mehrföltig  neben 
einander  stehen,  and  in  diesem  speziellen  falle  kommt  esz.  b. 
mehrfach  vor,  dafs  rnotni  sich  zu  rn&mi  wie  causativum  oder 
transitivum  zu  intransit.  verhalten,  besonders  wo  vom  regen  die 
rede  ist  (z.  b.  rnann  apah  die  wasser  flössen,  rnor  apah  da  lie- 
fest die  wasser  fliefsen);  in  weiterer  fortbüdang  erscheint  neben 
ihnen  ein  intransitives  rnvati  formell  =  OQvvto,  welches  meist 
die  bedeutung  gehen,  laufen  zeigt*).  Aus  diesem  ist  nan  durch 
assimilation  rnv  =  rinn  der  gothische  verbalstamm  hervorgegan- 
gen, der  dann  aus  sich  neue  zweige  getrieben  hat.  Wie  das  gr. 
oqovco  zu  oQWfu  verhält  sich  das  lat.  ruo  zu  skr.  rnomi,  wäh- 
rend sich  aus  der  im  sanskrit  gleichfalls  vorhandenen  und  aus 
der  bedeutung  zu  etwas  gehen  entwickelten  bedeutung  «erlan- 
gen» das  griech.  aQWfjiai  (vgl.  Benfey  gloss.  z*  Sam.  s.  v.  oiii), 
ahd.  amen,  ags.  earnjan  verdienen,  erwerben  entwickelt  haben. 
An  rinnan  schliefse  ich  nun  das  der  gleichen  conjogation  fol- 
gende vinnan  schmerz  leiden,  Verfolgung,  trübsal  dulden  an,  wel- 
ches dem  skr.  vanoti  kl.  8  mit  der  transitiven  bedeutung  verfol- 
gen, vernichten,  tödten  zur  seite  steht.  Ein  diesem  vinnan  genau 
entsprechendes  vanvämi,  welches  nach  der  analogie  von  rnvämi 
intransitive  bedeutung  haben  möchte,  ist  mir  noch  nicht  vorge- 
kommen; dasselbe  ist  aber  jedenfalls  als  grandform  vorauszusetzen, 
da  das  ahd.  und  ags.  winnan,  vinnan  auch  die  transitive  bedeu- 
tung niti,  certare,  bellum  gerere  entwickelt  haben,  mithin  an 
der  gleichheit  beider  stamme  nicht  zu  zweifeln  ist  Diese  wird 
auch  noch  weiter  beglaubigt  durch  eine  andere  seite  der  bedeu- 
tung die  gleichfalls  im  deutschen  und  sanskrit  vertreten  ist  Un- 
sere gemeinsamen  Stammväter  waren  ein  kriegerisches  volk,  des- 
sen lust  und  freude  der  kämpf  war;  Yaska  schon  zählt  36  Wör- 
ter für  diesen  begriff  auf,  gewils  ein  beweis,  dais  man  über  dem 
pflüge  die  Übung  des  krieges  noch  nicht  vergessen  hatte  und  den 


*)  häufig  z.  b.  in  der  Zusammensetzung  mit  sam:  R.  5.  31.  8.  sam 
ha  y4d  v*m  UcrfnA'  Vanta  devü'h  als  UcanÄs  und  die  götter  sich  mit 
euch  vereinigten.  —  yat  samaranta  senüh  als  die  beere  zusammenstie- 
fsen.  —  R.  3.  11.  2  Agnir  dhiyl'  samrityati  Agni  vereinigt  sich  mit  dem 
gebete.  Damit  vergl.  man  Marc.  9.  25.  gasaihyands  than  lesus  thatei 
samath  rann  managet. 


Ober  die  durch  nasale  erweiterten  verbalstSmme.  461 

homerischen  helden  ist  ja  x^QW  sehlacht  and  freu äe.  So  berühren 
sich  bei  ans  noch  ahd.  wunta  und  wnnna,  wände  und  wonne 
wurzelhaft  und  das  letztere  ist  es  zunächst,  was  unserer  wurzel 
van  zuzugesellen  ist.  Diese  hat  nämlich  aufser  den  oben  ange- 
gebenen bedeutungen,  und  zwar  derselben  conjugation  folgend, 
noch  die  bedeutung  lieben,  begehren  und  deshalb  gehört  denn 
auch  ahd.  wnnna,  wunnia  zu  derselben,  während  im  goth.  un- 
vunands  traurig,  wohl  ursprünglich  nicht  kämpfend,  darum  freud- 
los, dieselbe  wurzelform  aber  mit  nur  einem  n  erscheint;  derselbe 
Wechsel  zeigt  sich  auch  im  altsächsischen,  wo  neben  wunnia  die 
adjectiva  wunsam  und  wunodsam  gleichfalls  mit  einem  n  stehen, 
eine  Verschiedenheit,  die  kaum  nur  orthographischer  natur  zu 
sein  scheint  and  nachher  noch  besprochen  werden  soll.  —  Aufser 
nach  der  5.  klasse  bildet  die  wurzel  van  aber  auch  ihre  formen 
nach  der  ersten  klasse  und  zwar  in  derselben  eben  besprochenen 
bedeutung;  vana  lieblich,  angenehm,  namentlich  auch  als  n  vcdi- 
sche  bezeichnung  der  himmelswasser,  der  wölken,  vanas  reiz, 
lieblichkeit,  schon  mehrfach  mit  Venus,  venustas  verglichen,  vana 
der  wald  (vgl.  I.  s.  380)  der  liebe  (Indern  und  Deutschen,  den 
vorzugsweise  sinnenden  stammen  unter  den  brüdern  ein  lieblings- 
aufen thalt,  daher  den  Indern  ihr  feigenbaum,  der  selbst  einen 
wald  bildet,  ihr  tempel  ward,  und  uns  in  dem  gothischen  riescn- 
bau  ein  steinerner  wald  erwuchs),  sind  ableitungen  dieser  wur- 
zel, die  dann  auch  zu  den  griechischen  spröJslingen  derselben  füh- 
ren, nur  dafs  dem  übereinstimmenden  v-anlaut  des  lateinischen, 
deutschen  und  sanskrit  hier  y  gegenübertritt,  ich  wage  noch  nicht 
zu  entscheiden  ob  als  älterer  oder  erst  aus  dem  digamma  hervor- 
gegangener laut  Zunächst  stellt  sich  ydtog  glänz,  Schönheit,  Hei- 
terkeit zu  vanas  und  Venus,  dazu  yccvaa,  schimmern,  laben,  er- 
quicken, yavoo)  blank  machen,  glätten;  aber  auch  ydwfiai  sich 
freuen  gehört  her,  ungeachtet  das  futurum  yamiaaofAcu  sowie  yd- 
rvapa  ein  a  als  ursprünglich  im  stamme  aufweisen.  Es  führt 
dieser  auf  skr.  vanus,  sowohl  verehrend,  liebend,  als  auch  tödtend, 
verfolgend,  überhaupt  krieger  zurück,  von  dem  das  denominativ 
vanushyati  stammt,  mit  der  bedeutung  kampflustig  sein,  Wett- 
streiten. In  rawp>jdT]g  ist  auch  der  im  skr.  auftretende  nomi- 
nalstamm yarv  =  vana  (was  ich  bis  jetzt  nur  in  der  bedeutung 
Verfolger,  feind  nachweisen  kann,  R.  4.  30.  5.  tvam  Indra  vanünr 
ahan  du  schlugst  o  Indra  die  feinde)  erhalten.  Auch  bei  yavopai 
zeigt  sich  das  bereits  'mehrfach  bemerkte  schwanken  der  hand- 


4fö  Kahn 

schritten  »wischen  doppeltem   and   einlachen  *,  vergt.  Steph. 
thes»  8.  r. 

Wie  der  vorher  betrachtete  verbafetamni  der  bildung  der  Sten 
klasse  folgt,  des  n  abo  nach  indischer  aarffassung  der  wvrzel  an- 
gehftrt,  so  stimmt  das  althochdeutsche  mit  dem  sanskrit  noch  m 
einem  anderen  worte,  welche»  gleichfalls  der  8ten  klasse  folgt, 
woraus  übrigens  ftr  die  woradhaftigkett  des  n  durchaus  kerne 
bestätigung  abzuleiten  ist.  Die  wund  son,  Ted.  sanati  und  sa- 
noti  bildend,  zeigt  in  diesen  ableitungen  die  bedentangen  «erhal- 
ten, lieben,  geben»,  im  desiderativ  siahasati  begehren,  erstreben, 
und  in  einer  nominalen  ableitnng,  nimhch  sann4)  die  grandbe- 
deutnng  erhebung,  gipfel,  Oberfläche.  Wie  sieh  hei  rnomi  der 
begriff  des  fliefsens,  laufen»,  gehens  m  dem  des  erlanget»,  er- 
werben8  ausbildete,  so  sehen  wir  demnach  aueb  hier,  dafe  der 
nrsprflnglichere  begriff  einer  bewegung,  nämlich  «sich  erheben» 
ans  sich  die  bedeatungen  lieben,  begehren,  erlangen  und  den  cau- 
sativen  geben  entwickelt  hat  Daus  aber  in  sann,  dessen  begriffs- 
nmfang  in  der  note  angegeben  ist,  der  ursprüngliche  begriff'  des 
Wortes  enthalten  sei,  zeigen  die  deutschen  sprachen;  zunächst 
schliefst  sich  an  dasselbe  der  name  der  westfälischen  Senne,  der 
aus  einem  erweiterten  sanva  oder  'sanva  hervorgegangen  ist  wie 
ahd.  senne,  sehne  aus  ahd.  sinewa,  sinwa,  senwa  nndsenna;  ob 
mit  diesem  westftL  wort  die  coucave  oder  convexe  fläche  be- 
zeichnet werden  sollte  (vgl.  I.  137)  mag  dahin  gestellt  bleiben, 
nur  sei  bemerkt,  dafs  auch  lat.  sinns  den  begriff  der  concaven 
fläche  bietet;  das  i  gegenüber  dem  skr.  ä  findet  seine  erklärt] og 
durch  das  Ted.  snu  =  säuu  (vgl.  jnos janu,  gr.  ywj).  Das  Schweiz, 
senn  m.  ist  entweder  der  auf  der  senne,  hochweide  weilende  oder 
sich  alljährlich  zur  alp  erhebende.  Das  goth.  sin^  gang,  rase, 
mal,  sinj>ja  geführte,  sandjan  senden,  zeigen  dann  die  weitere 
entwiekelung  jenes  grundbegriffe ,  und  in  ahd.  sinnan  proficnd, 
tendere,  dann  meditari  tritt  uns  endlieh  die  würze!  in  derselben 
bildung  entgegen  wie  wir  sie  in  vanoti  =  vinnan  nachgewiesen 

*)  Benfey  gl.  z.  Säma  s.  v.  führt  es  (mit  beiges.  ?)  aof  so  zurück, 
Wilson  dagegen  anf  san;  die  bedentnngen  bei  letzterem  1)  table  land, 
leyel  ground  on  the  top  or  edge  of  a  monntaia,  2)  a  wood,  3)  a  road, 
4)  a  gale  of  wind,  5)  point,  end,  top,  0)  a  shoot,  a  sproot  liefsen  sich 
mit  der  von  Benfey  vermutheten  ableitang  nicht  vereinigen,  in  den 
Veden  wo  es  sich  oft  sa  san  verkürzt,  reichen  meist  die  bedeatungen 
gipfel,  oberflache  aus. 


über  die  durch  nasale  erweiterten  verbalsUmme.  463 

haben,    sin]»  and  sinnan  verhalten  sieh  demnach  wie  unser  reke 
f.   zu  engl,  to  rise  sich  erheben,  ags.  risan;  die  erhebung,  das 
hinaufsteigen  auf  den  seitbegriff  übertragen  finden  wir  die  Wur- 
zel, aber  mit  einfachem  n,  in  den  oben  s.  129  besprochenen  Wör- 
tern für  den  begriff  »«alt»  wieder  evog,  senex,  sineigs,  sanaj,  sana. 
I>as  letztere  kann  ich  jetzt  auch  als  flectirtes  adjectiv  nachwei- 
sen im  instr.  (lehn  sanena  vasava  apyena  R.  2.  29.  3.)  nom.  pl.  f. 
(sana  atra  yuvatayah  R.  3. 1.  6.)  a.  pl.  n.  (jauima  sanani  R.  3. 1. 
20)  u.  s.  w.,  wie  bog  zu  mos  steht  es  im  gegensatz  zu -navya 
und  nütana  neu,  jetzig  (sana  ta'  te  Indra  navya  äguh  R.  1. 178. 
8.)  oder  in  der  bedeutung  vergangen  zu  apara  künftig  (R.  2. 29. 3.)u 
Auf  dieselbe  weise  wie  bei  den  bisher  besprochenen  verbai- 
stämmen,  glaube  ich,  schliefst  sich  ginnari  an  skr.  hinoti,  hinvati 
an,  dessen  bedeutungen:  treiben,  antreiben,  schicken,  werfen,  för- 
dern (z.  b.  binota  yajnam,  adhvaram  fördert  das  opfer,  macht 
da£s  wir  es  beginnen  und  zu  ende  führen)  hier  nur  in  reflexiver 
bedentung  sich  anschicken  zu  etwas  auftreten;  ob  auch  brinnan 
etwa  zn  skr.  bhrnäti  wie  ohen  rnnan  zu  rnati,  rnoti  zu  stellen 
sei  (die  bedentung  ist  feigere,  assare  und  davon  abgeleitet  bhrniyate 
zürnen),  darüber  mdchte  ich  nicht  eher  entscheiden,  als  diese  for- 
men belegt  sein  werden;  dafs  aflinnan  unzweifelhaft  zu  linami, 
neben  dem  kein  linoti  besteht,  gehöre,  zeigen  sowohl  mehrere 
composüa,  als  namentlich  das  plc.  lina  aufgelöst,  zerschmolzen, 
verlassen,  gegangen  u.  s.  w. 

Weiterer  forschnng  werden  sich  noch  andere  hierhergehö- 
rige formen  ergeben;  zum  schloß   dieser  reihe  noch   ein  paar 
bemerkungen   über   das   einfache  und  doppelte  n.      Das   gothi- 
sche  zeigt  nämlich,  besonders  im  vergleich  zum  althochdeutschen 
einigemale  einfaches  n,  wo  das  letztere  doppeltes  aufweist  und 
wie  es  scheint  richtiger,    da  das    zweite  aus  assimilation    ent- 
standen scheint;  so  tritt  das  oben  besprochene  unvunands  dem 
althochd.  wunna  gegenüber,  goth.  kuni  erscheint  als  althochd. 
kunni,  fani  als  fenni  (vergl.  Grimm  gr.  I3  123),  zu  sanskr.  maui 
stellt  sich  ahd.  menni  u.  a.  m.    Mehrfach  scheint  es  dafs  folgen- 
des i  und  u  sich  ak  )  und  v  erst  assimilirt  haben  und  dann  der  alte 
themavocal  oder  ein  neuer  angetreten  seien.    So  in  kinnus,  ahd. 
kinni  verglichen  mit  skr.  hanu,  ysVv?,  in  ahd.  dnnni  und  skr. 
tanu,  gr.  raro,  lat.  tenuis,  welchem   letzteren  dunni  genau  zu 
entsprechen  scheint;  in  manne,  verglichen  mit  skr.  manu,  mensch, 
scheint  a  hinzugetreten,  während  auch  das  nn  in  ahd.  ntinna, 


464  Kahn 

minnon  sich  an  das  thema  von  skr.  manv-e  ich  denke  n.  s.  w. 
anzuschliefsen  scheint,  dessen  Vertreter  im  gothischen:  munan 
auch  nur  ein  n  zeigt,  aber  in  den  comp,  nfmunnan,  nfarmnnnon 
doppeltes  aufweist.  Ebenso  zeigt  goth.  kunnan,  kann  =  skr.  joi 
kl.  9.  ytm,  gno  die  gemination,  während  doch  man  sowohl  als 
kann  als  eigentliche  perf.  indischen  mene  für  mamne,  jajoau, 
jajne  entsprechen.  Doch  davon  sogleich.  fjnyv&at  pirvQoe  (vgl. 
yawQog;  yawficu)  u.s.  w.,  minuo  (nicht  etwa  von  min-us),  skr. 
minoti  delere  fuhren  auf  ein  thema  minu,  /«w,  das  auch  die 
griech.  grammatiker  annahmen,  dessen  assimilirte  gestalt  das  goth. 
minnizo,  minists  aufweist,  während  in  mins  das  eine  n  geschwun- 
den ist 

Diese  vergleichungen  gewinnen  um  so  gröfsere  bedeutnng, 
wenn  wir  die  gleiche  enl Wickelung  vom  sanskrit  zum  prakrit 
mit  zu  hülfe  nehmen.  Denn  hier  erscheinen  zunächst  diejenigen 
verbalthemen,  die  oben  besprochen  sind  in  einem  beispiele  ganz 
mit  derselben  assimilation,  wie  wir  sie  im  gothischen  wahrneh- 
men, indem  hinnanto  =  skr.  hinvantah  sich  bei  Delius  rad.  s.  r. 
hi  findet,  woraus  wir  schliefsen  können,  dafs  wenn  das  prakrit 
verba  wie  die  oben  angeführten  rnvämi  u.  s.  w.  zu  sich  hinüber 
geführt  hätte,  diese  nur  rhnämi  etc.  lauten  könnten ;  solche  finde 
ich  aber  bis  jetzt  wenigstens  nicht.  Dagegen  bilden  die  wurzeln 
der  5ten  und  der  9ten  klasse  gleichmäfsig  ihre  formen  von  einem 
stamme  auf  na  also  kuna-i  =  skr.  krnoti;  — jäna-i  =  jän&ti; 

—  cina-i  =  cinoti;  —  kina-i  =  krfnäti;  — suna-i  =  tfuoti; 

—  huna-i  =  juhoti  (statt  eines  vorauszusetzenden  hunäti  oder 
hunoÜ);  —  jina-i  =  jinäti,  jayati;  —  luna  i  =  lunäti,  dhu- 
nai  =  dhunoti,  dhun&ti,  so  dafs  also  hier  jeder  unterschied  zwi- 
schen den  themen  der  5ten  und  9ten  klasse  aufgehoben  ist,  der 
nur  noch  in  einzelnen  fällen,  welche  bei  Lassen  (instit.  ling. 
prakrit.  p.  347.  348)  verzeichnet  sind,  durchbricht  Aber  gerade 
dies  nebeneinanderstehen  von  so  zu  sagen  sanskrit-  und  prakrit- 
bildungen  im  prakrit  läfst  auch  die  obige  form  hiunanto  als  voll- 
kommen regelrecht  erscheinen,  während  Delius  s.  r.  cru  eine  ent- 
sprechende participialform  sunnanto  der  Calcuttaer  ausgäbe  von 
Mudr.  R.  (11.8)  nach  Lassen's  Vorgang  ausgemärzt  und  dafür 
sunanto  gesetzt  hat.  Beide  haben  ihre  volle  berechtigung  und 
genaue  kritik  der  handschriften  wird  wie  ich  glanbe,  noch  an- 
dere formen  der  art  zu  tage  bringen.  Denn  im  übrigen  ist  die 
doppelte  nasalis  nn  =  nv  vollkommen  regelrecht,  wie  sie  z.  b. 


über  die  durch  nasale  erweiterten  yerbalstämme.  465 

die   formen  von  skr.  'anveshati  (=  anvishyati)  zeigen,  welche 
aimesami,  annesadi  anriesamha  a.  s.  w.  lauten  (Delius  rad.  s.  r. 
ish);  ebenso  tritt  sie  auch  in  karina  =  kanva,  rumannado  =  ru- 
manvatah  (Lassen  inst.  p.  246)  für  nv  auf.    Wenn  nun  in  ande- 
ren fallen,  namentlich  in  häufig  wiederkehrenden  Wörtern,  ein- 
facher nasal  steht,  so  tritt  hier  ganz  dies  schwanken  ein,  was 
wir  auch  im  gofhischen  beobachteten.    So  sind  evam  nedam  = 
evam  nv  etat,  nam  (nicht,  blofs  vor  consonanten,  sondern  auch 
vor  vocalen)  =  nanu  (nanv)   solche   beispiele   und  wenn  man 
auch  im  erften  den  ausfall  des  einen  nasals  aus  dem  vorangehen- 
den anusvära(m)  zu  erklären  hat  (vgl.  samnä  ==  samjna  Lass.  p. 
244),  so  läfst  sich  doch  für  den  zweiten  derartiges  nicht  anfüh- 
ren (m.  vgl.  z.  b.  £ak.  Boehtl.  p.  4.  nam  ajjamissehim  =  nanv 
äryamicraih).    Dazu  gesellen  sich  die  fälle,  wo  rui  durch  assimi- 
lation  aus  )n  entsteht,  wie  sie  sich  namentlich  bei  der  w.  jnä 
häufig  zeigen,  z.  b.  vinnabemi  =  vijnapayami,  viimadum  =  vijiia- 
tum  u.  s.  w.    (ebenso  bei  r&jan,  gen.  ranno  =  räjnah  u.  a.);  bei 
dieser  tritt  nach  ausdrucklicher  Vorschrift  der  grammatiker  nach 
dem  prafix  &  einfaches  n  ein  (doch  steht  bei  Boehtlingk  Qakunt. 
23.  2  annä  =  äjnä  durch  die  handschriften  geschützt,  die  sämmt- 
lich  im  haben  und  nur.  in  der  länge  oder  kürze  des  vocals  schwan- 
ken), was  nichts  als  ein  Vorspiel  zu  unserer  orthographischen  ge- 
wöhne ei  t  ist,  vocalkürze  durch  doppelconsonanten  auszudrücken, 
dagegen  bei  vocailänge  nur  einfache  zu  dulden.    Diese  assimila- 
tion  von  jn  zu  nn  führt  uns  denn  zu  einem  der  oben  bespro- 
chenen Wörter  zurück,  nämlich  zu  goth.  kann;  es  ist  dies  be- 
kanntlich ein  starkes  präteritum  und  wenn  wir  aus  skr.  jajnaü 
(aktiv),  jajne  (med.)  eine  prakritform  bilden  wollten  [denn  aus 
diesem  dialect  ist  das  reduplicirte  perfect  verschwunden]  so  würde 
sie  jann[o?],  jann[i?]  lauten;  ist  daher  die  gothische  gemination 
wie  anzunehmen  eine  organische,  so  lehnt  sich  kann  unmittelbar 
an  diese  prakritform  an.    So  würde  auch  nach  analogie  von  tat- 
nire  statt  des  späteren  tenire  ein  mamne  für  späteres  mene  der 
wurzel  man  vorauszusetzen  sein,  dies  mamne  würde  aber  nach 
analogie  von  pajjunna  =  pradyumna  (Var.  3.  44.  Lass.  inst.  p. 
245;  dafs  im  sütra  mna  st.  §na  zu  lesen  sei,  bestätigt  Höfer  ztschr. 
f.  sprachw.  11.476)  im  pr&krit  mannp?]  lauten,  dem  goih.  man 
also  ebenfalls  ein  doppeltes  n  zukommen,  was  sich  in  munnan, 
mannen  zeigte,  während  ahd.  minna,  minnön  auf  pr.  manne  = 
skr.  manye  zurückgehen  werden,  doch  könnten  pr.  manne  u.  8.  w. 
U.    6.  .      30 


466  Kahn 

auch  aus  manve  u.  8.  w.  entstanden  sein;  in  betreff  dieser  wür- 
zet möge  noch  erwähnt  werden  ,  dafs  Vararnci  (8.  22.  bei  Dclios 
8.  4.)  die  regel  giebt,  dafs  statt  der  w.  jna  die  themen  Jana  und 
raana  auftreten,  demnach  die  präs.  jana-i,  muna-i  lauten  =  skr. 
jänäti,  manute(?).  Dies  muna-i  ist  ja  nun  ganz  das  gothische 
munan  nach  der  zweiten  conjugation,  nur  dafs  wahrend  im  goth. 
der  themavocal  ganz  regelmäfsig,  er  im  prakrit  unregelmäfsig  ist 
und  a  lauten  mufsle.  Ich  will  über  diesen  Wechsel  hier  keioe 
vermuthungen  aufstellen,  sondern  begnüge  mich  mit  der  erwäh- 
nung  der  thatsache;  diese  wie  die  vorher  besprochenen  ersehet- 
nungen  bei  der  gemination  mögen  zu  weiterer  beachtung  an- 
regen*. 

Kehren  wir  nun  zu  der  frage  zurück,  welcher  Ursache  die 
nasale  Stammerweiterung,  besonders  der  öten  und  9ten  klasse  der 
sanskritverba  und  der  ihnen  entsprechenden  in  den.  verwandten 
sprachen  ihren  Ursprung  verdankt,  so  werden  wir  nach  den  be- 
reits gegebenen  hinweisen  anerkennen  müssen,  das  mehrfach  das 
thema,  aus  welchem  die  specialtempora  gebildet  werden  zugleich 
als  zur  nominalbildung  verwandt  auftrete  und  zwar,  dafs  neben 
den  so  gebildeten  stammen  der  fünften  klasse  adjeetivstämme  auf 
nu,  neben  denen  der  neunten  partieipia  prät.  pass.  oder  auch 
gleichgebildete  substantiva  und  ad jeetiva  herlaufen  So  stehen: 
1)  bildungen  mit  nu: 

skr.  minoti,  lat.  minuo  neben  pirv,  goth.  minn-  lat.  min-or; 

skr.  sinäti,  sinoti  neben  ahd.  sinwa,  sinewa; 

skr.  vanoti,  goth.  vinnan,  gr.  yawfAOu  neben  skr.  vano.  gr. 
yaw9  yaw-Qog;  skr.  vanus  neben  yavvnaoficu^  yawc\ia\ 

skr.  sanomi,  ahd.  stnnan  neben  skr.  sänu,  snu,  nhd.  senne, 
lat.  sinus.  Das  lange  ä  verhält  sich  zu  dem  kurzen  der  würzet 
wie  skr.  janu  zu  yow  nnd  w.  jan,  yev,  gen,  kin  und  wie  die 
länge  von  kirna,  pürna  jürna  u.  s.  w.  zu  kirami,  priiami,  jpiämi; 

skr.  dhrshnomi  neben  dhrshnu  (dem  auch  strenu-us  gleich 
ist  für  stresnu-us)  und  &Qaavg9  welches  das  n  des  suffixes  auf- 
gegeben hat; 

skr.  daghnoti  eilen  neben  tayyg,  gleichfalls  mit  Verlust  des 
n.    Zu  dieser  wurzel  gehört  auch  ndd.  dacken  (vgl.  oben  s.  83); 

skr.  tanomi,  tawm  neben  skr.  tanu,  rarv,  lat  tenu-is,  nhd. 
dunn-i; 

skr.  manve,  manute  [ahd.  minnan,  goth.  man,  munan  —  mun- 
nan?]  neben,  sanskr.  manu  mensch,  der  denkende,   goth.   man, 


über  die  durch  nasale  erweiterten  verbalstämme.  467 

manna,  und  bei  vergleichung  von  skr.  vana  =  vanus  auch  skr. 
Man us  =  dem  Mannas  des  Tacitus; 

lat.  arctrvm  =  larr^ii  neben  skr.  sthänu  fest,  standhaft.  Dies 
letztere  scheint  seinerseits  mit  dem  von  den  gramm.  überlieferten 
sthäsnu  Pa.  3.  2.  139.  identisch  zu  sein,  worauf  das  cerebrale  n 
hinweist; 

skr.  trpnomi  neben  gr.  isqnvog  und  skr.  dabhnomi  vernich- 
ten und  brennen,  neben  lat.  damnum  nnd  zend.  tafnu  brennend; 
bildungen  mit  na: 
skr.  skabhnäti  (und  skabhnoti)  neben  lat.  scamnum,  das  fest- 
gestellte, feststehende  und  so:  bank,  schemel,  tritt.  Dafs  scab 
die  -wnrzel  sei  beweist  das  diminutiv  scabellum  (vergl.  Benary 
lautlehre  s.  227); 

skr.  stabhnäti  (und  stabhnoti)  neben  nhd.  stamm,  welches 
aus  stabn  wie  stimma  aus  goth.  stibna  entstand,  vgl.  Grimm  über 
diphlh.  s.  50; 

skr.  3.  sg.  prnati,  3  pl.  prnanti,  lat.  plenunt  neben  skr.  pürna, 
plenus,  falls; 

skr.  xinäti  (und  xinoti),  griech.  y&t'vu  neben  ptc.  xtna.  Die 
nebenform  op&ico  verhält  sich  zu  xayämi  wie  ri<a  :  cayämi;  mit 
ganz  anderem,  aber  ursprünglicherem  anlaut  stellt  sich  xinoti 
neben  xiiwpi,  xtivwfii  (vgl.  über  die  doppelung  des  v  oben  s. 
391.  und  über  diese  Zusammenstellung  Benfey  gr.  wl.  I.  178.), 
beide  mit  der  transitiven  bedeutung  vernichten,  tödten,  während 
das  ptc.  xina  fast  nur  die  intransitive  geschwunden,  schwach  u. 
s.  w.  hat.  Die  richtigkeit  von  Benfey's  vergleichung  mit  (p&ivw, 
ungeachtet  der  seltsamen  lautwandlung,  beweist  mir  das  in  den 
Veden  häufige  axita  unvergänglich  neben  aq>&irog9  so  wie  xiti  f. 
schwinden,  Vergänglichkeit  neben  griech.  cp&ioig,  so  z.  b.  im 
comp,  axiti  cravas  (R.  1.  40.  4.)  der  Vergänglichkeit  nicht  unter- 
worfener rühm,  wofür  auch  eben  so  gut  axitarii  erävas  stehen 
könnte,  das  genau  das  homerische  acp&itov  xkiog  (11.  9.  413)  wäre; 
striiäti  (neben  stmoti),  aTOQwpi,  sterno  neben  skr.  pte.  stirna, 
ahd.  stirna; 

goth.  fraihnan,  umbr.  persni  —  neben  skr.  pra^na; 
skr.  budhnäti  (vedisch  erwecken),  nvv&dvw  neben  skr-  bu- 
dUna  boden,  so  dafs  nvv&dvco  eigentlich  ergründen,  auf  den  grund 
einer  sache  kommen,  budhnäti  dagegen  auf  den  boden,  auf  die 
beine  bringen  ist; 

skr.  linami,  goth.  linnan  neben  skr.  ptc  lina; 

30* 


468  Kahn 

griech.  ni(ffliu  neben  skr.  kirua  aasgegossen,  ergossen,  be- 
deckt, erfüllt  von  w.  kr  (pris.  kirihni)  ergiefsen,  schatten,  stresen 

gr.  xQ^wtjfAt  neben  x^m>V; 

präkr.  nimmaua-i  (Var.  8.  33)  neben  skr.  nirmsna. 

Von  diesen  Zusammenstellungen  mag  man  vielleicht  hier  oih! 
da  die  eine  oder  die  andere  anfechten,  im  ganzen  wird  sich  dw 
thatsache  nicht  bestreiten  lassen,  dafs  gleichgebildete  verbal-  und 
adjectivstfimme  resp.  substantivsttmme  neben  einander  herlaufen 
und  es  entsteht  nun  die  frage:  welche  sind  die  zuerst  von  der 
spräche  gebildeten?  Waren  es  die  adjektivischen  und  haben  dies* 
erst  neue  verbalstamme  aas  sich  hervorgehen  lassen,  oder  war 
es  umgekehrt,  dafs  die  losgetrennten  verbalstSmme  adjectiva  wur- 
den? Ich  entscheide  mich  für  die  erste  alternative. 

Cartius  hat  in  dieser  Zeitschrift  I.  2S9ff.  eine  treffliehe  an- 
sieht über  die  bedeutung  der  Verstärkungen  im  prisensstamme 
entwickelt,  deren  Hauptinhalt  sich  kurz  dahin  fassen  lafsU  dafs 
diese  Verstärkungen  zur  bezeichnung  der  dauernden  (oder  wie 
er  es  bezeichnet  schwellenden)  im  gegensatz  zur  momentanen 
handlung  dienen.  Diese  dauer  der  handlang  drückt  aber  grade 
der  adjecüv-  and  participialbegrilT  aus;  der  adjeetivbegriff  ist  in 
betreff  der  zeit  ein  unbegränzter-  und  der  des  partieips  ist  es  beim 
prfiteritum  and  futurum  immer  nar  in  bezug  auf  die  gegen  wart, 
beim  präsens  allerdings  in  bezug  auf  beide,  allein  die  gegenwart 
kann  oft  bis  in  eine  unendliche  Zukunft  ausgedehnt  werden  und 
so  sind  diese  begriffe  denn  auch  treulich  geeignet  eine  -solche 
daaer,  ein  solches  anschwellen  der  handlung  auszudrucken«  so- 
bald sie  za  verbalthemen  werden.  Sie  werden  in  diesem  falle, 
je  nach  dem  grandbegriff  der  würzet  entweder  transitiva  oder  in- 
transitiva,  ohne  dafs  sie  doch  absolut  nur  nach  einer  seite  der  be- 
deutung sich  wenden  durften.  Ob  dies  aber  gleich  von  anfang  an 
so  gewesen  sei,  ist  eine  andere  frage  und  ihre  beantworlung 
scheint  jetzt  kaum  noch  möglich,  denn  wenn  es  auch  den  an- 
schein  hat,  als  wenn  die  von  adjeetivis  auf  nu  abgeleiteten  ver- 
balstämme  mehr  zur  intransitiven,  dagegen  die  von  stammen  auf 
na  abgeleiteten  sich  mehr  zur  transitiven  bedeutung  neigen,  so 
zeigt  doch  schon  das  nebeneinanderstehen  beider  Bildungen  mit 
gleicher  bedeutuug  bei  denselben  wurzeln,  dafs  ein  solcher  unter- 
schied, wenn  er  wirklich  bestand,  frühzeitig  verwischt  sein  müsse. 
Nach  dem  vorliegenden  material  ist  es  jedenfalls  nur  die  dauer, 
sei  -es  einer  transitiven,  sei  es  einer  intransitiven  handlung,  welche 


aber  die  durch  nasale  erweiterten  verbalstümme.  469 

durch  diese  stamme  ausgedrückt  wird  und  wenn  noch  ein  zwei- 
fei über  die  ableitung  derselben  von  adjeetiven  sein  könnte,  so 
wird  er  durch  einige  griechische  stamme,  welche  neben  den  be- 
reits besprochenen  stehen  vollends  gehoben!     Wenn  nämlich  ne- 
ben oroQwpi,  azQwvwfii  noch  ein  <5toqivw\ia,  neben  xiQrtjfu  noch 
ein  xeQavwtu,  neben  xQijpvrjfii  noch  ein  xQ€fidvwfiiy  neben  axid- 
vi] fx  noch  ein  Gxeddwvfit',  neben  mrvijfii  .ein  ntjdvw^iy  denen 
sieb  noch  xoQsvwfii  zugesellt,  stehen,  deren  zweisilbiger  auf  a 
ausgehender  stamm  (wie  der  bewahrte   kurze  vocal  des  futuri 
sowie  aa  beweist)  auch  in  die  tempora  gener.  übergeht,  so  haben 
wir  den  deutlichsten  beweis,  dafs  es  sich  hier  nicht  mehr  um  ab- 
ieil ungen  von  einsilbigen  verbal  wurzeln  handelt,  sondern  dafs  hier 
bereits  uominalableitungen  vorliegen,  wie  sie  wenigstens  bei  xs- 
QcirrvfAt  von  xiqav  bereits  von  Eustathius   angenommen  wurde 
und  keinem  zweifei  unterliegen  kann;  das  <r  der  generaltempora 
beweist,  dafs  wir  die  präsensstämme  mit  -avv  anzusetzen  haben, 
und  dafs  das  doppelte  vv  aus  assimilation  entstand  wie  bei  den 
äolischen  OQwrog  u.  s.  w.  (vergl.  oben  8.  262.).     Diese  stamme, 
welche  demnach  <jt ogearv,  xeQaow,  xq^aew,  axedaaw,  neraow, 
xOQeerv  gelautet  haben  müssen,  entsprechen  nun  den  indischen 
auf  snu,  shnu,  ishnu  wie  jishnu,  vishnu,  deshnu,  geshnu,  dhära- 
yishtiu,  bhavishnu,  karishna,  janishi)u,  palishnu,  carishtiu  u.  s.  w. 
(Pän.  3  2.  136—138.  Un.  3.  16),  neben  denen  ich  auch  eins  auf 
asnu   (vrdhasuu  R.  4.  2.  3.)  nachweisen  kann;   an    die  ersteren 
schliefsen  sich  Giogearv,  xogearv  an  das  letztere  xgepaerv,   axe- 
daaw  an,  während  es ;  hei  xegaarv  noch  zweifelhaft  bleiben  mag, 
ob  es  unmittelbar  aus  xigag-,   xeqclt  mittelst  des  affixes  rv  oder 
aus  der  w.  x££,  skr.  kir  (kr)  durch  asnu  abgeleitet  sei,  wobei 
namentlich  die  erwägung  bleibt,  ob  xegaarv  nicht  vielleicht  gleich- 
bedeutend  war  mit  cornu  und  goth.  haurn  (wohl  aus  harnu), 
welche  (nur  mit  dem  einfachen  affix  nu)  aus  derselben  wurzel 
stammen,   (vgl.  Grimm  gesch.  d.  d.  spr.  p.  399,). 

Werfen  wir  nach  diesen  resultaten  noch  einmal  einen  blick 
auf  alle  durch  nasale  erweiterten  stamme  in  betreif  ihrer  form, 
so  scheint  sich  herauszustellen,  dafs  die  erweiterung  der  wnrzeln 
durch  die  silben  nu  und  na  der  anfang  einer  neuen  bildung  der 
specialtempora  war,  und  dafs  dann  durch  übertreten  des  nasals  aus 
der  bildungsendung  in  die  wurzel  neue  stamme  entstanden,  in  de- 
nen der  nasal  nun  allerdings  nur  noch  eine  symbolische  bezeichnung 
der  dauernden  handlung  behielt;  in  diesem  verhältnifff  stehen  %.  b. : 


470  Kulm 

skr.  bhanajmi,  hhanjmas,  lat.  franko,  frangimus  zu  Qtjprfu: 
skr.  chinadini,  chindmas,  latein.  scindo,  scindimos  so  <xxi« 

lat.  pango  tu  fr^rvpi; 

skr.  yunajmi,  yunjmas,  lat.  jungo  juugimus  zu  ^evyrvfax 

skr.  dacati,  fut.  dauxyaü,  prak.  dansadi,  vcd.  adj.  daoxnu 
zu  ddxr<o; 

skr.  vrnakti,  goth.  vriggan  zu  atQyrvpi. 

Daf8  dieses  der  gang  der  entwickelung  sei,  dafür  spricht  die 
form  dieser  ▼erballhemen  im  prakrit,  wo  dieselben  meist  den  na- 
sal in  die  wurzel   aufgenommen   haben,    also  z.  b.  badhoämi. 
trpnomi  —  bandhämi,  thimpäni  bilden,  gerade  wie  auch  im  eo 
tbischen  binda  dasselbe  geschehen  ist. 

Dafs  aber  zur  Bezeichnung  der  dauernden  handlung  diese 
nasalirong  nicht  allein  verwandt  worden  sei,  sondern  nachdem 
sie  durchgedrungen  auch  ein  ander  lautliches  mittel,  die  vocal- 
verstärkung,  angewandt  sei  und  aufser  ihr  auch  noch  die  redu- 
plication,  welche  Wiederholung  und  intensität  des  wurzelbegrifls 
bezeichnet,  hatte  Curtius  (I,  s.  262.  263.)  ebenfalls  bereits  richtig 
erkannt,  und  so  kann  es  denn  nicht  auffallen,  dafs  wir  bei  den- 
selben wurzeln  verschiedene  dieser  mittel  in  den  geschwisterspra- 
chen  angewandt  finden.     So  stehen  sich  z.  b. 

skr.  bhinadmi,  lat.  findo,  goth.  bei  tan; 

skr.  chinadmi,  lat.  scindo,  goth.  skaidan; 

skr.  juliomi,  präkr.  hunftmi,  griech.  (geva)  £&»; 

skr.  ved.  dideshti,  altlat.  deico,  gr.  oWxwfti,  goth.  teihau;       ' 

skr.  rinakti,  lat.  linquo,  gr.  leinen,  lipnavco,  goth.  leiban; 

skr.  stighnnte,  goth.  steigan; 

skr.  cinoti,  cayati,  griech.  %iw\ki>  goth.  faian  , 

zur  seite,  derer  nicht  zu  gedenken,  die  in  den  einzelnen  sprachen 
bereits  neben  einander  entwickelt  sind,  wie  yevyco,  yvyyario, 
igevyoficu,  tQvyydrco,  trpnomi,  trmpati  u.  s.  w.  , 

Wird  auf  diese  weise  die  von  Curtius  in  seiner  lehre  von 
der  bildung  der  tempora  und  modi  entwickelte  ansieht,  dafs  alle 
diese  erscheinungen  nur  auf  einer  lautlichen  grundlage  ruhten, 
aufgehoben,  so  könnte  nur  noch  die  frage  bleiben,  wie  die  dort    i 
ebenfalls  in  den  kreis  dieser  bildungen  hineingezogene  präsensver- 
stärkungen  der  griechischen  verba  durch  r  zu  erklären  seien.     Und    , 
da  bietet  sich  wie  ich  glaube  die  antwort  von  selbst  dar;   denn    j 
sahen  wir  die  partieipien  auf  na  neue  verbalst&mme  für  die  spe- 


über  die  durch  nasale  erweiterten  verbalstSmroe.  471 

cialtcmpora  bilden,  so   werden  wir  ein  gleiches  den  partieipiis 
auf  ta  einräumen  und  in  der  that  stellen  sich  auf  diese  weise: 

skr.  dabhnoti,  gr.  fronro); 

skr.  grbhnäti,  gr.  xA/otm; 

skr.  nenekti,  gr.  viftrw; 

skr.  topati,  tumpati,  gr.  tvtfko 
neben  einander,  denen  sich  noch  ein  paar  andere  anreihen  liefsen 
bei  denen  es  aber  ausfuhrlicherer  auseinandersetzungen  bedurfte, 
die  uns  hier  zu  weit  fuhren  würden.  In  der  hauptsache  glaube 
icb  ist  in  den  bis  hierher  geführten  Untersuchungen  das  richtige 
getroffen,  im  einzelnen  wird  sich  noch  manches  bessern  und  na- 
mentlich in  betreff  des  begrifflichen,  wo  ich  Curtius'  treffliche 
anstellten  überall  für  zutreffend  halte,  durch,  genauere  prüfnng 
der  vedischen  verbalstämme  manches  noch  klarer  und  sicherer, 
als  es  hier  geschehen  ist,  feststellen  lassen. 

A.  Kuhn. 


Ueber  zwei  lateinische  prHpositionen. 

Wenn  sich  die  formen  und  bedeutungen  der  verschiedenen 
Präpositionen  und  präfixe  in  den  indogermanischen  sprachen,  ab- 
gesehen von  den  gewöhnlichen  lautverfinderungen>  denen  sie  in 
jeder  einzelnen  spräche  nach  deren  gesetzen  unterworfen  waren, 
im   allgemeinen  übereinstimmend  erhalten  haben,   so    dafs  man 
leicht  die  geschwister  herauserkennt,  so  giebt  es  doch  in  allen 
sprachen   auch  einige,   bei    denen    dies   nicht    der   fall  ist  und 
die  man  deshalb  auf  die  verschiedenste  weise   mit  solchen   der 
übrigen   sprachen   zusammenzustellen    versucht   hat.      Dies   gilt 
namentlich  von  einigen  lateinischen  präpositionen,  die  sich  auf 
den  ersten  anblick  jeder  vergleichung  mit  indischen,  griechischen 
oder  deutschen  zu  entziehen  scheinen  und  zwar  nicht  sowohl 
wegen  der  bedeutuug,  die  eine  durchaus  feste  und  bestimmte  ist, 
als  wegen  der  form,  die  bald  anlehnung  an  diese,  bald  an  jene 
der  verwandten  sprachen  zu  erlauben  schien.     Wir  wollen  des 
halb  hier  ein  paar  derselben  näher  betrachten  und  wenden  uns 
zunächst  zu: 

1)  prae. 
Pott  erklärt  diese  präposition  (elymol.  forsch.  IL  175)  für 
einen  weiblichen  locativ  von  pra,  lat.  pro,  wie  Komae  (zu  Rom) 


472  Kahn 

and  hält  die  Ähnlichkeit  mit  xarai,  dnai,  diou  o.  8.  w.  für  mehr 
scheinbar  als  wirklich  entsprechend,  nimmt  jedoch  die  letztere 
ansieht  (ibid.  251)  zurück,  indem  er  diese  Wörter  als  formell 
gleiche  bildangen  mit  prae  ansieht.  Gegen  diese  vermnthung 
würde  sich  lautlich  und  begrifflich  nur  wenig  einwenden  lassen, 
da  das  in  der  form  und  bedeutung  sehr  nahe  stehende  pro,  skr. 
pra  den  a-laut  als  ursprünglichen  zeigt,  allein  das  hauptbedenken 
beruht  darauf,  dafs  eine  solche  weibliche  form  fast  ganz  ohne 
analogie  stände,  da  das  -cu  in  den  genannten  griech.  Wörtern 
jedenfalls  auf  andre  weise  zu  erklären  sein  wird.  Eine  zweite 
erklärung  des  Wortes  liefert  Benary  (lautlehre  p.  57.  58),  indem 
er  es  auf  skr.  prati  zurückführt  und  die  lateinische  form,  durch 
ausfall  des  t  und  contraction  der  vocale  erklärt,  wie  das  präkrit 
ähnliche  erscheinungen  zeigt  und  analogieen  zu  denselben  sich 
auch  im  lateinischen  finden.  Nach  dieser  erklärung  wurde  dem- 
nach prae  sich  von  präkr.  pa-i  nur  durch  bewahrung  des  r  und 
contraction  der  vöcale  unterscheiden.  Allein  die  bedeutung  von 
prati  gegen,  zu,  hin,  im  vergleich  zu,  wegen,  bietet,  abgesehen 
von  den  auch  nicht  ganz  analogen  erscheinupgen  in  dem  für  die 
vergleich ungen  angeführten  lautverhällnissen,  doch  zu  grofse  Ver- 
schiedenheit, als  dafs  man  sich  bei  dieser  Zusammenstellung  be- 
ruhigen dürfte.  Diese  bedenken  haben  denn,  wie  es  scheint  auch 
Bopp  (vgl.  gr.  p.  1480)  bestimmt,  sich  picht  mit  voller  entschie- 
denhe.it  für  diese  vergleichung  auszusprechen,  sondern  sie  nur  als 
eine  vielleicht  richtige  zu  bezeichnen.  Eine  dritte  ansieht  •  end- 
lich ist  die  von  Aufrecht  (umbr.  denkm.  I.  155)  ausgesprochene, 
der  die  aus  ausfall  des  t  und  der  bedeutung  fliefsenden  bedenken 
über  die  Benary'sche  erklärung  theilend,  sich  der  Pott'schen  aüf- 
fassung  nähert,  indem  er  in  prae*  einen  locativ  der  a-declination 
sieht  und  es  auf  Wurzel  pf  in  der  bedeutung  transgredi  entste- 
hen läfst,  «so  dafs  der  begriff  vor  von  dem  "übersteigen,  drüber- 
hinausgehn'  abgeleitet  wäre.»  In  betreff  dieser  ableitung  stutzt 
er  sich  namentlich  anf  skr.  paras,  welches  den  begriff  « dar  über 
hinaas,  jenseits,  fort»  hat.  Aber  wenn  auch  hier  die  form  in 
der  ableitung  von  einem  vorauszusetzenden. prä  f.,  als  loc.  prae, 
eben  kein  bedenken  erregen  würde,  so  thut  dies  doch  die  bedeu- 
tung, die  zwar  für  die  bezeichnung  des  Vorzuges  genügen  würde, 
wie  sich  in  prae  ceteris,  praestare,  praecello  u.  s.  w.-  zeigt,  aber  ge- 
rade mit  der  sinnlichen  und  doch  daher  wohl  ursprünglichen  von 
«vor,  vorn,  voran»  schwer  zu  vereinigen  ist. 


Über  zwei  lat  prlpositionen.  473 

Ich  glaube  daher,  dafs  prae  auf  keine  der  besprochenen  arten 
zu  erklären  sei,  sondern  dem  skr.  pur**  entspreche.  Betrachten 
wir  zunächst  die  laute,  so  ist  der  austofs  des  kurzen  u  von  einer 
liqoida  bei  folgendem  akut  gerade  so  erklärlich  wie  der  des  i 
von  tiras  im  lat.  trans,  denn  dafs  diese  beiden  Wörter  identisch 
seien,  scheint  mir  keinem  Zweifel  zu  unterliegen  nach  dem  was 
ich  in  früheren  aufsätzen  über  die  skr.  neutra  auf  as  als  ursprüng- 
liche participialformen  gesagt  habe;  trans  ist  nämlich  das  regel- 
rechte participium  des  nur  noch  in  compositis  erhaltenen  verbi 
-trare  (pene-trare,  in-trare),  skr.  tirämi,  und  tiras  verhält  sich 
zum  partic.  tarat,  ved.  auch  tirat  wie  tapas  zu  tapat,  sadas  zu 
sadat  u.  s.  w.;  trans  mare,  tirah  samudram  heifsen  daher  wörtlich: 
überschreitend  das  meer,  d.  i.  über  das  meer.  Diese  ansieht  hat 
in  betreff  von  tiris  auch  Benfey  in  seiner  sanskritgramm.  (s.  311 
not.  1.)  ausgesprochen.  Somit  erklärt  «ich  der  ausfall  des  u  in 
puras  zur  genüge.  In  betreff  des  wandeis  von  as  zu  ae  dürfen 
wir  uns  aber  nicht  auf  den  speciell  lateinischen  Standpunkt  stel- 
len, auf  dem  allerdings  nur  ehemaligem  äs  späteres  ae  (familiäs, 
familiae  ü.  s.  w.)  zur  seile  steht,  sondern  wir  müssen  den  Über- 
gang von  s  zu-  i  *  auch  schon  zu  der  zeit  annehmen,  wo  das  alte 
a  noch  nicht  wie  gewöbnlich  zu  e,  o  oder  u  geschwächt  war. 
Ob  dies  noch  auf  römischem  boden  gehaftet  und  hier  erst  das  s 
in  i  übergetreten  sei  (wie  Ritschi. neuerdings  beispiele  vom  nom. 
plar.  der  2ten  decHnalioii  auf  eis,  es  st.  i  in  populeis  u.  s.  w. 
vgl.  oben  s.  379  nachgewiesen  hat)  mag  dahin  gestellt  bleiben. 
Dafs  übrigens  dieser  Übergang  von  s  zu  i  ein  in  der  natur  des 
Zischlauts  begründeter  sei,  zeigen  die  zahlreichen  Übergänge  von 
sanskritischen  genitiven  auf  äs  in  ai  in  den  brähmana's,  welche 
demnach  mit  den  dativen  übereinstimmen,  so  dafs  auch  wohl  die 
dative  anf  e  aus  ursprünglichen  genitiven  aus  as  stammen.  Dem- 
nach mag  es  denn  auch  als  eine  wohl  zulässige  annähme  erschei- 
nen, dafs  das  ae  von  prae  aus  altem  pras  für  puras  hervorge- 
gangen sei. 

Gehen  wir  -nun  zur  vergleichung  der  bedeutung  beider  prä- 
positionen  über,  so  stimmen  sie  zunächst  in  der  räumlichen  ge- 
nau zu  einander,  denn  auch  puras  heifst  vor,  vorn  und  wird  in 
dieser  bedeutung  mit  verschiedenen  casibus  (gen.  loc.  auch  wie 
prae  mit  dem  ablativ)  verbunden.  Hier  einige  beispiele:  Sä.  II. 
b.  1. 10.  3  preddho  agne  didihi  puro  nah:  entflammt,  o  Agni,' 
strahle  vor  unsern  äugen;  Sä.  IL  6. 1.  11.  1.  fiyam  gaur  preoir 


474  Kahn 

akramid  asadan  m&taram  parah,  es  schritt  der  strahlende  slicr 
herbei,  vor  die  matter  setzte  er  sich;  R.  3.  53  23  (vgl.  Roth  zur 
lit.  und  gesch.  des  ,Weda  s.  106)  na  gardabhani  puro  aevän  na- 
yanti,  nicht  spannt  man  den  esel  vor  das  pferd;  R.  5.  28.  2.  vic- 
varik  sa  dhatte  dravinam  yam  invasi  atithyam  Agne  ni  ca  dhatta 
it  parah  jegliches  gut  hat  der,  welchem  du  nahst,  der,  o  Agni, 
das  gastgeschenk  vor  dich  hinstellt.    R.  2.  41. 11.  Indrac  ca  mrla- 
yäli  no  na  nah  paccad  aghani  nacat  |  bhadram  bhaväti  nah  parah, 
Indra  möge  uns  gnfidig  sein,  nicht  möge  die  sunde  nns  hinter- 
rücks erreichen,  vor  uns  möge  das  heil  sein;  R.  1.  163.  3.  esba 
chagah  puro  aevena  niyate,  dieser  bock  wird  vor  dem  rosse  ein- 
hergeführt;  R.  1. 129.  9.  patha  anehasä  puroydhi  araxasa  gehe  auf 
reinem  pfade,  auf  dämonenfreiem,  voran.     In  dieser  räumlichen 
bedeutung  stimmt  demnach  prae  vollkommen,  wie  z.  b.  villa  a 
tergo  potius  quam  prae  se  flumen  habet;  prae  se  agcre  armen- 
tum;  i  prae,  seqaar  u.  a.  zeigen.     Das  letzte  beispiel  schliefst  sich 
eng  an  obiges  puroyahi  an,  ebenso  wie  im  drittletzten  beispiel 
pac,cat  und  puras  sich  gerade  so  entgegenstehen   wie  pone  nnd 
prae,  umbr.  pus  und  pre  (vgl.  pus  veres  Treplanes  und  pre  ve- 
res  Treplanes,  umbr.  denkm.  I.  s.  155).  —  In  der  Übertragenen  be- 
deutung dient  dann  puras  wie  prae  zur  bezeichnung  des  Vorzu- 
ges vor  anderen,  so  Sa.  I.  5.  5.  2.  4.  vievasya  pra  stobha  purah 
vor  allen  sei  gepriesen;  R.  1.  102.  9.*scmam  krnotu  prasave  rathani 
purah  er  mache  nnsern  wagen  hervorragend  im  kämpf;    R.  6. 
10.  1.  puro  vo  mandram  Agnim  adhvare  dadidhvanl  stellt  voran 
(ehrt  vor  allen)  den  erfreuenden  Agni  beim  opfer  R.  1.  131.  1. 
Indram  vieve  dev&so  dadhire  purah,  den  Indra  haben  alte  götter 
an  die  spitze  gestellt;  R.  1. 139.  1.  puro  Agnim  dhiya  dadbe,  vor 
allen  ehre  ich  den  Agni  mit  gebet  u.  s.  w. 

Diese  Übereinstimmung  wird  noch  durch  einige  composila 
erhöht,  die  das  lateinische  mit  dem  sanskrit  gemein  hat;  wenn 
wir  vorher  schon  sahen,  dafs  puro  yähi  sich  eng  an  i  prae  an- 
schlofs,  so  stimmt  nun  pura-efr  (stamm  -tar)  genau  zu  praetor, 
welches  aus  praeitor  contrahirt  sein  mufs;  in  der  bedeutung  sind 
beide  vollkommen  identisch,  man  vergleiche  z.  b.  R.  7.  33.  6. 
(bei  Roth  z.  gesch.  s.  88)  abhavacca  pura-eta  VaBishthah,  vor- 
kämpfer  wurde  Vasishtha  und  R.  3.  II.  5.  adäbhyah  pura-eta 
vicäm  Agnir  manushinäm,  Agni  ist  der  unverletzliche  fuhrer  der 
nienschengeschlechter.  —  Ein  zweites  compositum  ist  purahsad, 
welches  ich  nur  in  drei  stellen  nachweisen  kann,  von  denen  die 


über  zwei  lat.  prSpositionen.  475 

erste  und  zweite  fast  zusammenfallen:  R.  1.  73.3.  devo  na  yah 
prthivim  vicvadhäyä  up'axeti  hilamitro  na  räjä  |  purahsadah  car- 
masado  na  vira  anavadyä  patijushteva  näri,  der  wie  der  all  er- 
halten de  gott  auf  der  erde  weilt,  wie  ein  geliebter  fürst,  wie 
schätzende,  das  haus  bewachende  männer,  wie  ein  tadelloses  vom 
gatten  geliebtes  weih.  —  R.  3.  55.  21.  imam  ca  nah  prthivim  vic- 
vadhäyä  opaxeti  hitamilro  na  räjä  |  purahsadah  carmasado  na  vi- 
rah,  auf  dieser  nnsrcr  erde  weilt  der  allerhaltende  u.  s.  w.  Ob  die 
hier  für  parahsad  angenommene  bedeutnng  die  richtige  sei,  will 
ich  noch  dahin  gestellt  sein  lassen,  da  Säyana  es  wenigstens  an 
an  der  ersten  stelle  durch  purastäd  sidantah  d.  h.  vor  ihm  sitzend 
erklärt;  jedenfalls  hat  es  dann  mit  praeses  die  ursprüngliche 
bedeutnng,  vor  etwas  sitzend,  gemein,  die  sich  auch  an  einer  drit- 
ten stelle  Vaj.  Sanh.  9.  35.  36.  zeigt,  wo  die  agnineträ  deväh  pu- 
rahsadah die  vom  Agni  geführten  im  osten  weilenden  götter  sind, 
indem  der  osten  stets  als  die  vorn,  d.  h.  die  vor  den  äugen  des 
betenden,  opfernden  befindliche  weltgegend  erscheint.  Endlich 
zeigt  paras  sich  noch  in  einer  dritten  Verbindung  übereinstimmend 
mit  dem  lateinischen,  nfimlich  in  purahsat,  lat.  praesens;  R.  5. 
29.  5.  yat  Süryasya  haritah  patantih  purah  satir  uparä  Etace  kah 
als  du  des  Surya  geflügelte  goldene  rosse,  die  vornbefindlichen, 
hinter  den  Etaca  gebracht.  Auch  hier  ergiebt  sich  die  Überein- 
stimmung mit  dem  lateinischen  (in  welchem  die  ursprüngliche 
bedeutnng  von  praesum  ja  auch  «vorn  sein»  i$t)  noch  aus  con- 
stractionen  wie  praeessc  in  urbe,  provincia  in  qua  tu  praefuisti, 
eo  loco  praeerat,  in  Bruttiis  praeerat  u.  s.  w.  und  wenn  das  par- 
tieipium  auch  nicht  gerade  diese  seile  der  örtlichen  bedeutung, 
nach  welcher  das  wort  den  gegensatz  des  vorn  zum  hinten  aus- 
drückt, bewahrt  hat,  so  ist  doch  die  andre,  welche  nur  das  un- 
mittelbar vor  äugen  befindliche  in  räum  und  zeit  auffafst  durch 
Wendungen  wie  praesens  ades,  praesens  certamen,  praesens  pecu- 
nia  u.  s.  w.  hinreichend  vertreten. 

Diese  vergleichungen  machen,  wie  ich  glaube,  die  Zusammen- 
stellung von  prae  und  puras  ziemlich  unzweifelhaft  und  ich  wende 
mich  nun  zu  einer  zweiten  präposition  oder  vielmehr  zu  dem 
präfix : 

2)  re — ,  red — . 

Die  bedeutung  desselben  ist  klar  und  wenn  sie  auch  man- 
nigfache schattirungen  zulfifst,  so  laufen  sie  doch  alle  auf  den 
begriff  'zurück  und  wieder  hinaus.    Pott  sagt  (et.  forsch.  II.  156), 


476  Kulm 

dafs  ihm  eine  parallele  zu  diesem  präfix  ia  keiner  sanskritsprache 
aufgestofsen  sei,  aniser  im  ossetischen  ra-  (wieder),  welches  dann 
auch  der  vermutkung  in  den  weg  trete,  als  sei  re-  ans  skr.  pari 
(zurück)  durch  aphärese  verderbt;  Bopp  dagegen  (vgl.  gr.  s.  1482) 
findet  eine  vergleiohung  mit  dem  letztgenannten  präfix  zulassig 
und  erklärt  das  d  einiger  composita  als  euphonisch  wie  bei  pro. 
Ein  derartiger  euphonischer  einschub  ist  mir  indessen  bedenklich; 
.auch  bei  pro  wird  das  d  andere  gründe  haben,  besonders  ziehe 
man  auch  die  häufige  Verlängerung  des  vocals  in  betracht.  Dafs 
das  d  von  r  nicht  euphonisch  sein  könne,  scheint  mir  schon  klar 
aus  rettuli,  repperi,  relligio  u.  s.  w.  hervorzugehen,  die  offenbar 
aus  assimilation  eines  vorangehenden  d  entstanden  sind,  weshalb 
sich  noch  zuweilen  die  länge  im  e  als  ersatz  des  später  ausgefal- 
lenen consonanten  zeigt.  Ich  glaube  daher,  dafs  red-,  re-  zu 
skr.  prati  zu  stellen  sei,  welches  die  bedeutung  'gegen,  hin,. zu- 
rück, wieder' hat. 

Was  zunächst  die  form  betrifft,  so  ist  zu  -bemerken,  dafs 
mehrere  zweisilbige  präpositionen  im  latein.  nicht  allein  einsilbig 
geworden  sind,  sondern  auch  eine  inlautende  einfache  tenuis  zwi- 
schen vocalen  in  die  media  verwandelt  haben,  man  vgl.  skr.  ali 
über,  prakr.  adi  mit  lat.  ad,  ar  umbr.  ar  (umbr.  denkm.  I.  153); 
skr.  apa,  pr.  aba,  lat.  ab;  skr.  upa,  umbr.  up,  lat.  ob  und  vno  mit 
sub,  so  dafs  also  die  media  d  für  t  kein  bedenken  hat ;  rücksicht- 
lich des  abgeworfenen  i  stellt  sich  red  grade  so  zu  prati,  wie 
per  zu  pari  und  es  bleibt  demnach  nur  die  aphärese  des  p  im 
anlaut  zu  besprechen.  Dafs  auch  diese  im  lateinischen  vor  liqui- 
den vorkommt  zeigen  skr.  plihan  inilz,  lat.  lien;  skr.  prthu  (st. 
prath),  gr.  nlavvg,  lat.  latus;  das  wie  ich  glaube  mit  recht  zu 
skr.  preh  fragen  gestellte  rogo,  man  vgl.  namentlich  ahd.  forscon 
und  fragen,  ahd.  frosc,  epgl.  frog  mit  lat.  posco,  umbr.  persni; 
endlich  skr.  präsiti  faden,  band,  schlinge  (Roth  zu  Nir.  <>.  12)  mit 
lat  restis,  denen,  sich  noch  einige  andere  anreihen  liefsen,  bei 
welchen  es  weiterer  auseinandersetzungen  bedurfte.  Namentlich 
das  letzte  ist  aber  entscheidend,  denn  präsiti  (st.  prasi,  »uff.  ti) 
verhält  sich  gerade  so  zu  res-ti  wie  prati  zu  red. 

Was  nun  aber  die  bedeutung  betrifft,  so  ist  allerdings  nur 
eine  seite  derselben  durch  das  lat.  red  ausgedruckt»  nämlich  das 
zurück,  welches  ja  mit  dem  wieder  zusammenfällt,  indem  beide 
eine  nach  einem  punkte  gerichtete  thätigkeit  auf  derselben  linie 
nur  in  umgekehrter  richtung  verlaufend  darstellen;*  die  andere 


aber  zwei  lat  präpositionen.  477 

bedeutong  von  prati  und  gerade  die  ursprüngliche  (weil  vom 
subjecte  aasgehend)  von  'gegen,  hin'  hat  dasselbe  nicht,  wie 
ich  glaube  auch  nie  als  red  gehabt,  da  sie  sich  in  einer  andern 
form  für  prati  in  pol-,  pos,  por  umbr.  pnr,  griech.  nqog,  nqotij 
xoti  (polliceor,  possideo,  porrigo,  pollex,  pollingo,  polluceo, 
polluo,  porricio,  porrigo)  erhalten  hat.  Da  auch  hier  die  be- 
deutong sowie  die  Übereinstimmung  mit  den  angefahrten  ver- 
wandten klar  ist,  so  bedarf  nur  das  lautverhällnifs  noch  eini- 
ger worte.  Oben  sind  schon  posco  und  rogo  zusammengestellt; 
daraas  ergiebt  sich  mit  den  dort  genannten  fällen  eine,  wenn 
auch  nur  seltene,  doch  nicht  abzuleugnende  abneigung  des  älte- 
ren lateinischen  (man  vergl.  auch  präk.  padi  =  prati,  dor.  noti) 
gegen  anlautendes  pr,  welches  im  zend  immer  m  fr  übergegan- 
gen ist;  dieselbe  tritt  auch  ganz  klar  in  pius,  umbr.  peho,  piho 
im  verhäitnifs  zu  skr.  priya  lieb  auf,  und  findet  nm  so  mehr  ihre 
erklfirung  als  die  zunächst  zu  erwartende  form  prad  ein  solches 
d  gehabt  haben  wird,  was  dem  r  sehr  nahe  lag,  denn  wie  ar 
neben  ad  zeigt  sich  auch  por  neben  pol  u.  s.  w.  in  portendo, 
porricio,  wo  es  nicht  aus  assimilation  mit  folgd.  r  entstanden  ist, 
so  dafs  die  aufeinanderfolge  ähnlicher  wo  nicht  gleicher  conso- 
nanten  die  abneigung  hervorgerufen  haben  wird. 

So  hat  denn  das  lateinische  aus  jener  einen  präposition  prati 
zwei  gebildet  und  zwar  wie  es  scheint  aus  einer  abneigung  ge- 
gen bestimmte  laute  im  anlaut,  der  die  lebendige,  noch  durch 
keine  schritt  gefesselte  spräche  aller  zeit  bald  durch  bewahrung 
des  einen,  bald  des  andern  der  beiden  anlautsconsonanten  zu  ent- 
gehen suchte:  die  Spaltung  der  begriffe  kann  natürlich  erst  nach 
fester  .sonderung  der  formen  statt  gefunden  haben,  scheint  aber 
nach  dem  geringen  umfang,  den  die  composita  mit  pol  u.  s.  w. 
haben  in  bezng  auf  dieses  nicht  recht  durchgedrungen,  sondern 
bald  in  anderen  präpositionen  ersatz  gefunden  zu  haben. 

A.  Kuhn. 


II.  JQjgcellen. 


Frigg,  Fiörgyn  und  rodor. 

Man  hat  für  die  nordischen  götternamen:  Frigg  und  Fiörgyn 
vielfach  unter  den  noch  in  deutschen  sprachen  erhaltenen  wur- 


478  miscellen. 

zeln  anlehnungen  gesacht  —  alle  sehr  zweifelhaft,  zum  thcil  nar 
unter  anaahme  sehr  gewaltsamer  lauten  t  Wickelungen  möglich  und 
auf  sehr  wankenden  analogieen  ruhend.  Offenbar  sind  beide  na- 
men  aas  früheren  zustanden  der  spräche  stehen  gebliebene,  aber 
in  ihrer  äufseren  form  richtig  weiter  verschobene  noniina  pro- 
pria,  die  auch  einst  einen  sprachlichen  sinn  ausdruckten ,  aber 
aus  deutschen  mundarten  nicht  mehr  erklärbar  sind.  Die  iden- 
titfit  von  Fiörgyn  und  Perkunas  hätte  das  schon  zeigen  müssen. 
Frigg  ist  offenbar  das  sanskr.  Pricni  d.  h.  wohl  weniger  «die 
strahlende,  glänzende»  als:  «die  besprengerin,  die  begiefserin. » 
Fiörgyn  ist  das  skr.  Parjanya,  d.  h.  wohl:  «der  das  mischen, 
das  mengen  veranlassende»  von  parjay,  dem  cansativum  von  pr  1  j 
(spargere,  miscere,  con jüngere).  Prigni  oder  Frigg  ist  Rudra's 
(des  nachherigen  Qiva)  gemahlin,  die  personificirte  regen  wölke, 
die  mutter  (wie  Rudra  der  vater)  der  Marulas,  der  winde.  Par- 
janya  oder  Fiörgyn  ist  das  personificirte  gewitter,  der  leiffer 
der  wolkenmischung  und  des  tumultes  im  gewitler.  Rudra 
selbst,  der  fürst  und  vater  der  himmelswinde,  hat  seinen  namen 
vom  stamme  rud  (ahd.  riozan)  weinen  —  das  weinen  des  him- 
mels  aber  ist  das  regnen.  Er  ist  der  gnädige  spender  des  regens 
ursprünglich,  der  wölken-  und  windeherr  —  aber  als  sich  sein 
wescn  ans  einem  natnrgott  mehr  zu  einem  sittlichen  gotte  ent- 
wickelte, und  er  nunmehr  hauptsächlich  unter  dem  namen  £iva 
verehrt  ward,  mochte  auch  der  alte  name  Rudra  geläufiger  als: 
weinenerreger,  wehklagen  veranlasser  gefafst  werden,  so  dafs  es 
bequem  durch:  «der  fürchterliche»  übertragen  werden  kann.  Ge- 
rade wie  das  angelsächsische  wort  döhtor  (tochter)  anverschoben 
stehen  geblieben  ist,  während  sich  der  stamm,  zu  dem  es  gehört, 
lebendig  aus  skr.  duh  in  ags.  teöhan  (ziohan)  verschoben  hat 
—  ist  neben  dem  angelsächsisch  in  reo  tan,  althochd.  in  riozan 
verschobenen  skr.  stamme  rud  —  der  name  Rudra  unterscho- 
ben stehen  geblieben  im  ags.  rodor,  einer  bezeichnuug  des  him- 
mels,  die  aus  dem  gebrauchten  schätze  deutscher  rede  auch  keine 
deutung  mehr  zuläfst.  Dies  ags.  rodor  aus  Rudra  ist  verwandt 
auch  sanskritischem  rodas,  von  derselben  w.  und  auch  den  him- 
mcl  als  feuchtigkeitspender  bezeichnend.  Als  gott  hat  Rudra  wie  in 
Indien  seinen  namen  schon  gröfstentheils  gegen  hunderte  von  an- 
deren namen  z.  b.  Qiva  (excelsus),  Vudhna  oder  Budhna  (excita- 
tio),  Ugra  (terrificos)  etc.  —  so  bei  den  Deutschen  ganz  gegen 
hundert   andere   namen  z.  b.  die  den  obigen  sanskritischen   in 


miscellen.  479 

form  and  bedeutuDg(?)  entsprechenden:  Hävi,  6bmn,  Yggr  etc. 
verloren.  Unser  fürst  der  himmelswinde  —  dann  der  stürmischen 
bewegung  auch  in  gebt  und  leben,  Wuotan  ist  der  alte  vedische 
Rudra,  spatere  £iva,  nur  in  der  historischen  fortbildung,  welche 
wandelung  der  Wohnsitze,  lebensweisen  und  geistigen  richtungen 
noth wendig  bringen  mochten.  Lco. 


Wechsel  der  labialen  und  gutturalen. 

Beim  untersuchen  niederd.  consonantverhältnisse  stöfst  nicht 
unbäufig  der  bekannte  Wechsel  von  labialen  und  gutturalen  (wie 
Ivxog  —  lupus,  lanog  —  equus)  auf.  Hier  einige  beispiele,  bei 
denen  sich  die  märkisch -niederdeutsche  mundart  betheiligt: 

diupen  (däup,  duäpen,  dies  starkf.  verb.  kürzlich  beachtet; 
es  ist  verbreitet  genug)  untertauchen;  diuken  tauchen. 

kippen  und  picken,  schwach  anhauen. 

kywit  (Hellweg);  pywit  (Iserlohn);  piwik  (Lüdensch.)  kibitz. 

klak  und  plak  fleck,  daneben  lok,  fleck  im  moral.  sinne. 

klystern  kleistern;  beklystern  beschmutzen;  plystern  mit 
lehm,  mörtel  bewerfen. 

knappen  und  hchd.  knacken. 

knap  und  knik,  absatz  eines  berges. 

knickern  mit  schnellkäulchen  spielen;  anderwärts  knippen, 
dasselbe. 

kriapen  und  hochd.  kriechen. 

paclcn  schallend  oder  tüchtig  schlagen,  engl,  to  peal;  ags.  pi- 
lan  tundere.  kailen  (Iserlohn)  und  kylen  (westl.  mark)  schlagen. 

pyp!  guck!  iu:  wan  de  häwer  piep  siet;  pipstappen  (berg.) 
versteckenspiel,  engl,  to  peep;  kyk!  guck!  kyken  gucken;  kuk- 
haüen  versteckensspiel. 

placke,  f.  und  hchd.  fliegenklappe,  vgl.  ags.  plätte  alapa. 

püpen  (bei  von  Steinen);  pypen;  pyphänneken  kufshänd- 
chen;  bütsen  (Schwelm);  buts  (westl.  mark,  berg.);  bus  (Iserlohn); 
goth.  kukjan;  hchd.  küssen. 

sniärken  (ia  =  i)  nase  rümpfen,  anschnauben;  snürkel  und 
snüärkel  cylindrische  kopfhaut  des  puters;  hchd.  Schnörkel;  ahd. 
snerfan. 

sik  schrömpen  vüär,  genau  :=  engl,  to  shrink  from,  vor  einer 


480  miscellen. 

sache  zurück  schaudern,  nicht  dran  wollen,  z.  b.  hai  schrömpet 
sik  vuäi*  der  arbfiit,  vüär  der  kelle.. 

swampen,  vom  schwankenden  boden;  wampeltüägesk,  von 
pferden,  die  nicht  gleichmäfsig  ziehen ;  hchd.  schwanken;  ahd. 
wanchal. 

swiepe  (=  swippe)  peitsche;  engl,  switch  (=  swicke),  oder 
wäre  letzteres  =  berg.-märk.  smicke  rute,  vgl.  dän.  smäkke  klat- 
schen, schlagen,  wozu  sich  der  Altenaer  idiotism  macke  hand- 
schlag  gesellt,  z.  b.  gief  dem  haeren  'ne  macke,  min  sQenken! 

swippefol  und  swickeful  zum  überschwank  voll  5  swicke  und 
swechte  (==  swikede)  bedeuten  menge,  z.  b.  'ne  swechte  vüegel. 

stuärpeln  stolpern  und  stulkeln  (bei  von  Steinen);  stuär- 
keln  straucheln;  foppen  und  mnd.  rocken. 

Iserlohn.  Fr.  Woeste. 


cena. 


Ritschi  in  seinen  überaus  reichen  prologomena  zu  Piautas 
p.  XCVII.  sagt:  Ut  reliquas  vocales  absolvam  et  cena  etc.  — 
ut  scriberem,  Ambrosiani  me  auctoritas  movit,  quouiam  in  bis, 
quae  e,  ae,  oe  liierarum  discrimine  vertuntur,  quo  recentiores 
sunt,  eo  fidei  minus  Codices  habent.  Bergk  nun  in  seiner  jüngst 
in  der  Zeitschrift  für  klass.  alterthüm  abgegebenen  beurtheilung 
der  ausgaben  des  Plan  tos  von  Fleckeisen  und  Ritschi  rügt  diese 
Schreibung  und  hält  dafür,  man  dürfe  nicht  einer  feststehenden 
etymologie  gegenüber  unbedingt  den  immerhin  Jüngern  Handschrif- 
ten folgen;  drum  sei  coena  zu  schreiben,  da  das  wort  für  co-edna, 
coesna  stehe.  Wir  wollen  über  das  orthographische  prineip  bei 
der  herausgäbe  von  alten  Schriftstellern  nicht  streiten,  obgleich 
wir  das  von  Bergk  geforderte  durchaus  nicht  anerkennen;  aber 
in  diesem  falle  stimmt  die  etymologie  mit  der  Überlieferung  des 
Manuskripts  aufs  trefflichste  zusammen.  Denn  cena  lautet  im 
umbrischen  <;es-na  und  centfi  cersnatur.  Vgl.  glossar  zu  den 
umbr.  sprachd.  s.  v.  H.  Schweizer. 


Gedruckt  bei  A.  W,  Schade  (n  Berlin,  Orfinttrabe  18. 


I.  Sachregister. 


Abstracta.  Ihre  Verwandtschaft 

mit  collectivis  223. 
Accent   der  adjectiva    auf  v og 
262;  von  eipi  266;  der  adj. 
auf  r\g  and  ä's  im  skr.  298. 
Anlaut.   Verbindung  von  s  mit . 
I,  »,  r  ist  im  griech.,  Ist., 
sanskr.  selten  oder  gar  nicht 
vorhanden  263. 
Adverbia  auf  ba  im  goth.  173. 
Aoristus,  erster  despassivs  154; 
des  activs  der  verba  liq.  261 ; 
rednplicirter  46  ff» 
Aphärese  vor  1  400. 
Apocope    des'   vocals    372 ff.; 
mehrerer  conspnanten  s.  cons. 
Artikel,  sein  begriff  247  ff. 
Aspirata  herrscht  im  goth.  vor 
38;  natur  der  aspirata  322. 
411;  verschiedene  ansichten 
über  ihr  entstehen  323  ff;  ihre 
gestaltung  in  den  verschiede- 
nen indogerm.  sprachen  328ff ; 
Wechsel  von  bh,  dh,  %*  & 
mit  h  328;  Übergang  der  me- 
dia Aspirata   in    einf.  media 
328ff.;  nur  tennes  aspiratae 
im  griech.  332;  Wechsel,  der 


aspirata  mit  der  media  bei 
den  Makedonien!  333;  durch 
die  tenuis  vertreten  im  lat.? 
336;  skr.  tenuis  aspirata  und 
ihre  Vertretung  336;  Aspira- 
tion der  cons.  im  lat.  374. 

Assimilation  von  ks  in  ss  im 
osk.  62;  von  Xa,  p<s,  ?<;,  qc 
in  XX,  pp»  vr,  $$  261;  o/t 
wird  pp  265;  von  n  im  m 
376;  von  nv  innn460.  464; 
«ron  jn  in  nn  im  pr&kr.  465; 
von  av  in  vf  469;  von  xy, 
XJ  zu  aa  272. 

Auslaut  — consonanten,  allge- 
meines 161 ;  gesetze  des  con- 
sonantischen  auslauts  im  go- 
thischen  163 ff.;  gesetz  der 
behandlang  von  flexionsvoca- 
len  im  auslaut  mehrsilbiger 
ww.  im  goth.  164;  auslau- 
tendes urspr.  t  mufs  im  goth. 
abfallen  oder  sich  zu  ta  er- 
weitern 166 ff.;  ebenso  n  in 
na  167 ff.;  auslautendes  s 
bleibt  im  goth.  169ff.;  geht 
demselben  v  oder  r  des  Stam- 
mes vorher,  so  füllt  es  ab 
1 


Sachregister. 


170;  auslautendes  r  im  goth. 
172;  auslautende  vocalc  im 
goth.  172 ff.;  abfall  auslau- 
tender vocale  in  pronominal- 
formen 177;  abfall  des  aus- 
lautenden vocals  nebst  den 
folg.  conson.  bei  ableitungen 
von  indeclin.  im  griech.  220. 

Brechung  der  vocale  hat  ihren 
grund  in  der  schwachen  con- 
sonanz  92. 

Collectiva.  Ihre  Verwandtschaft 
mit  abstr.  223. 

Declination,  s.  Kasus 

Dentale  sind  im  verhältnifs  zu 
den  übrigen  consonanten  am 
häufigsten  37;  ebenso  in  den 
griech.  dialecten  410. 

Digamma  hinter  anlautendem 
<x  132. 

Diphthonge,  allgemeines  40;  ai 
und  daraus  entwickelt  ei  339; 
ai,  ei  ahd.  u miaut  aus  a  vor 
g  340;  iu  geht  unmittelbar 
in  ie  über  340;  eu  kein  alt- 
bairischer  d.  341 ;  io,  eo  dsgl. 
342;  oa  344  ff.;  uo  unmittel- 
bar aus  6  345 ;  zeit  der  ent- 
wicklung  desselb.  346;  ou= 
uo  347;  6  aus  ao  347;  ac  am- 
laut  aus  a  348 ;  altlat.  aei  =ae 
353;  ae  für  späteres  i  im  lat. 

,  353;  c«=ei,  i  im  lat.  356; 
ois=oe  im  altlat.  362;  ou  im 
altlat.  363ff.;  au,  6  im  skr. 
zu  ü  verkürzt  369;  numeri- 
sches verhältnifs  derselben  in 
griech.  dialecten  407  ff. 

Dissimilation  im  lat.  17.  IS. 

Distribuliva  im  lat.  320. 


gennamen,  althd.  337  ff. 

Futurum  auf  aim  261  —  im 
oskischen  384  —  auf  so,  sso 
im-iat.  384. 

Gemination  der  liquidae  263: 
der  consonanten  uberhauptim 
lat.  374;  des  v  bei  einigen 
verbis  auf  w\ni  391.  461;  des 
n  im  deutschen  460  ff. ;  des  n 
im  präkrit  465. 

Genitiv,  s.  Kasus. 

Genus,  auch  in  bildlicher  dar- 
stellung  mit  dem  grammati- 
schen übereinstimmend  119: 
nach  charaktereigenthümlich- 
keiten  männlich  oder  weib- 
lich 120;  verschiedenes,  bei 
gleichen  stammen  122. 

Hiatus.  Beseitigung  desselben 
beim  antritt  von  suffixen  215. 

Infinitiv.  Endung  desselben  im 
goth.  187;  auf  am,  om  u.s.  w, 
in  den  ital.  sprachen  240; 
begriff  desselben  245 ff.;  bei 
müssen,  können  u.  s.  w.  247; 
artikel  bei  demselben  247. 

Intensiva.    Im  lat.  291. 

Kasus.  Nom.  pl.  der  i-  stamme 
im  osk.  56;  acc.  pl.  auf  ass 
im  osk.  57;  acc.  sg.  der  i- 
stämme  im  osk.  57;  noniina- 
tivbildung  im  goth.  und  den 
ital.  dialecten  übereinstim- 
mend 170;  gen.  sg.  auf  oio 
u.  pl.  aawl36;  genitivbildung 
im  goth.  170;  bildung  des 
nom.  pl.  im  goth.  171;  des 
acc.  pl.  im  goth.  171  ff.;  des 
dat.  pl.  ebd.  172;  des  vor, 
sg.  im  goth.  173;  des  nom. 


Sachregister. 


acc.  pl.  d.neutra  im  goth.  173; 
instr.  sg.,  reste  des«,  im  goth. 
173;  dat.  sg.  im  goth.,  altn. 
und  ahd.  173 ff.;  instr.  sg.  im 
ahd.  173;  gen.  pl.  d.  weibl. 
i-  stumme  im  goth.  176;  gen. 
auf  ao  267 ;  gen.  8g.  der  4ten 
decl  im  lat.  377;  der  lsten 
und  2ten  decl.  im  lat.  377; 
nom.  plur.  auf  eis,  es  st.  i 
im  lat  379. 

Komposita,  mit  pater  wandeln 
a  in  i  4;  mit  stammen  auf 
rt  nehmen  i  als  bindevocal  5 ; 
aas  adjectivis  mit  substanti- 
vis  im  lat.  28;  deren  erstes 
glied  auf  öi  endet  66. 156. 

Konjugationsendungen,  ens  der 
3.  pl.  perf.  im  osk.  56;  3.  pl. 
im  osk.  58;  3.  sg.  ebd.  58; 
3.  sg.  auf  sid  im  osk.  59; 
3.  pl.  auf  rate,  rata  im  skr. 
145;  3.  pl  auf  axou9  aro  145; 
des  präsens  im  goth.  n.  ahd. 
177 ff.;  des  optativ  im  goth. 
und  ahd.  181;  3.  sg.  opt.  auf 
ai)>  im  goth.  183;  optat Wen- 
dungen der  prSsensbildung  im 
griech.  n.  skr.  183 ff.;  des 
perf.  im  goth.  185;  2.  sg. 
perf.  im  alts.  und  ags.  186; 
des  imperat.  im  goth.  186  ff. 
endung  tha=#a,  thas,  the, 
thäm  im  skr.  336;  dhi  im 
skr.  336;  i,  ei  in  der  endung 
der  1.  u.  3.  sg.  pf.  im  lat. 
357;  1.  sg.  aor.  auf  im  in  den 
Veden  358 ;  kurze  des  e  der 
penulüma  der  3.  pl.  pf.  im  lat. 
372;  mur  im  osk.  383;  des 


fut.  im  osk.  384;  bo  im  lat 

385. 
Konjunctiv.     Mit  imperativbe- 

deutung  im  osk.  59. 
Konsonanten,  Wechsel,  ausfall 

und  abfall  derselben;  der  la- 
bialen und  gutturalen  in  deut- 
schen wurzeln  479. 

b  statt  m  im  lat  17,  und  in 
rom.  sprachen  18. 

c,  im  umbr.  aus  k  vor  e,  i,  j 
entwickelt  327. 

d  geht  in  r  und  1  über  143  ff. 
368:  geht  in  n  über  194; 
abfall  desselben  nach  n  192. 
nach  vocalen  im  aaslaut 
des  lat.  359;  fällt  aus  im 
inlaiit  im  deutschen  195. 

dh  im  alts.  =  goth.  th  328. 

f,  Vorliebe  für  dasselbe  im 
sabinischen  27 ;  natur  des- 
selben im  lat.  333;  lat.  f 
=  skr.  dh  333.  398 ff.;  f 
statt  des  späteren  b  im  lat 
375;  f  im  osk.  und  umbr. 
375;  9  =  skr.  bh  326. 

?*=  skr.  h,  gh  270;  y  irr- 
thümlich  aus  jr  273. 

g  aus  gh  hervorgegangen  im 
lat.  335. 

h  im  skr.  aus  altem  gh  328 ; 
X  =  skr.  kh  148;  entstand, 
aus  gh  in  diminutivis  294 ; 
£  =  8kr.  h  oder  gh  325. 

j ,  ausfall  desselben  zwischen 
zwei  vocalen  im  griech. 
155;  Übergang  in  h  im  lat. 
301;  skr.  y  =  l?  265. 

k,   Wechsel  desselben  mit  t 
97;  ausfall  desselben  195; 
V 


Sachregister. 


seine  erweiohung  in  einen 
palatalen  zischlaut  271  ff; 
und  in  %  272. 

1  aos  d  hervorgegangen  143. 
144.368;  aus  skr.  y?265 
wechselt  mit  n  272. 

m  geht  in  w,  y  ober  2(2. 
320;  m  in-  und  auslautend 
geht  in  n  über  3 19 ff.;  in- 
lautendes v  in  j»  130;  aus- 
fall  und  abfall  von  m  im 
lat.  376;  geht  Zuweilen  in 
n  aber  im  osk.  376;  ml 
geht  in  hl  über  253. 

n,  Wechsel  mit  1  272;  aus-, 
fall  im  lat.  376 ff.;  geht 
erst  spät  in  m  über  vor 
labialen  im  lat.  376$  .vv 
unorganisch  457;  nn  aus 
nv  im  goth.  460 ff.;  nnaus 
nv  im  prakrit  462. 

q,  für  c  im  lat.  377. 

r ,  vor  s  schwindet  zuweilen 
kn  lat.  5;  ebenso  vor  j,  v 
18;  zwischen  zwei  vokalen 
ausgefallen  im  lat.(!)6; 
rr  aus  rs  im  lat.  292. 

s  geht  in  r  über  zwischen 
zwei  vokalen  im  lat.  6*; 
auch  im  osk.?  23 ff.;  wird 
r  im  lat.  auslaut  7;  im 
osk.  24;  sowie  im  umbr. 
7.  62:  wird  r  vor  liquiden 
7.  und  vor  p,  c,  t,  q  &; 
gröfsere  ausdehnung  des 
Übergangs  von  s  in  r  in 
den  auguralbüchern  8;  s 
geht  zwischen  zwei  voka- 
len in  z  über  im  osk.  24. 
62;  abfall  des  s  im  latein. 


auslaut  37&ff. ;  trimanlaut 
128 ff.;  im  inlaut  zwischen 
vocalen  135ff.;  abfall  des- 
selben im  aus-  and  inlaut 
260;  inlautendes  a  tritt  als 
spie  asper  in '  den  anlaut 
269;  assimilirt  sich  folgen- 
dem p  265;    8    zwischen 
zwei  vokalen  bleibt  im  sa- 
binisehen   29;   geht  in  r 
über  im  sanskritinlaut  145; 
geht  im  lat.  und  skr.-  aus- 
.  lautend  in  i  über  473. 
t,  r  einschub  nach  n  220; 
wecbsel  mit  d  226;   vor 
einigen  suffixen  eingescho- 
ben ist  eigentl.  organisch 
229;t»dh?335;t«skr. 
c389;  t  Mit  hinter  s  aus 
457. 
•  v,  ausfall  desselben  im  lat. 
inlaut  18;  geht  aus  b  her- 
vor im  lat,  sowie  aus  m 
17;    euphonisch   im   osk. 
383 ff.;  f  durch  c  ersetzt 
266;  je  erscheint1  als  e  oder 
ß  273. 
Konsonantenverbindungen.  *sm, 
sl,  sn,  sr,  sj,  sv  dem  latein. 
fremd  7 ff.;  sin  (rm)  dem  osk. 
fremd  25 ;  ml  geht  in  bl  über 
253;   s  vor  konsonanten  im 
inlaut  bleibt  im  umbr.  und 
osk.  23;  hinter  kons,  im  osk. 
23  und  lat.  bewahrt  24;  ab- 
neigung  des  <r  gegen   seine 
Verbindung  mit  liquiden  261f; 
tf/*  im  an-  und  inlaut  264; 
0/t  neben  p  264;  ap  wird  fip 
265 ;  sm  im  lai  nicht  geduld.  9. 


Sachregister. 


Lautliche   gegensätze   zur    be- 
zeichnung   gewisser  begriffe 
420ff.  . 
Lautverschiebung  329ff.;  zeit- 
.     paukt  ihres  beginns  331. 
Liqaidae.  Vorwiegen  derselben 
im  allgemeinen  37;  am  häu- 
figsten ist  r  39;  vorwiegen 
derselben     in     sämmtlichen 
griech.  diaiecten  410. 

Mediae.  Anlautende  im  goth. 
entsprechen  mediis  der  ver- 
wandten spr.  323;  aas  der 
tenuis  hervorgegangen  im  lat. 
368.  375. 

Metaphern.  Lebendig  105  ff; 
todt  105 ff.;  taub  105 ff.  111. 
grün'  108;  blind  110;  spre- 
chend, stamm  113;  süfs,  herb, 
sauer,  bitter  114;  warm,  kalt 
U5;hellll5;schmecken  115; 

.  lähm  115;  speise  and  trank 
115;  zeugen  u.  gebären  116; 
Jungfrau,  matter  118;  mensch 
u.  pflanzen  124;  kind  125. 

Nasale.  Numerisches  verhäitnifs 
derselben  zu  den  übrigen  con- 
sonantes  412. 

Numerisches  verhäitnifs  der  vo- 
cale  und  consonanten  in  den 
griech.  diaiecten  403 ff.;  der 
vocale  unter  einander  in  den- 
selben 404 ff.;  der  consonan- 
ten unter  einander  in  den- 
selben 4  08  ff 

Palatale  erst  nach  der  sprach- 
trennung  ausgebildet  325;  im 
griech.  neben  indischen  272. 

Participium,  dessen  begriff  243f; 
auf  endus,  undus  355. 


Perfectbildung  im  osk.  56;  im 
lat.  372. 

Plural  zur  bezeichnnng  von  col- 
lectiyis  oder  mehrgliedrigen 
gegenständen  .127. 

Präpositionen  im  goth.  189. 

Präteritum  mit  eingeschobenem 
r  im  ahd.  400. 

Pronomen.  Begriff  des  pron. 
dem.  248. 

Reduplication.  Ihre  bedentujpg 
in  lat.  Wörtern  12;  redupli- 
eirte  aoriste  46  ff;  reduplic. 
.  nominalstäinme  im  lat.  7;  ge- 
hen am  häufigsten  anf  eine 
liquida  ans,  seltener  auf  vo- 
cale, am  seltensten  auf  eine 
muta,  nie  auf  s  8. 

Regenbogen.  Verschiedene  Be- 
nennungen desselben  423  ff. 

Spiritus  asper  im  inlant  135; 
geht  in  j  über  267;  geht  in. 
i  über  266 ff.;  aus  y  entstan- 
den. 269. 

Stammerweiteruug  der  verba 
durch  nasale  und  mit  nasa- 
len beginnende  silben  392 ff.; 
durch  d  im  lat.  -400;  durch 
c  im  lat.  400;  Verstärkung 
durch  t  im  griech.  470 ff.; 
stamme  mit  vocal-  und  na- 
salverstärkung  neben  einan- 
der 470. 

Stämme.  Nominalstämme;  auf 
a,  i,  n,  ä  im  goth.  166;  con- 
sonantische  nur  anf  an  und 
tar  im  goth.  ausgehend  166; 
auf  anda,  iza,  öza  im  goth. 
166;  auf  an  im  goth.  168 ff.; 
erweiterung  von  skr.-stäm- 


Sachregister. 


meu  auf  u  zu  solchen  auf 
va  237;  adjectivstämme  auf 
u  treten  in  die  i-declination 
über  im  lat.  und  goth.  359; 
declination  der  mit  pater  zu- 
sammengesetzten stamme  im 
lat.  6;  declination  d.  stumme 
auf  oq  142ff. 

Yerbalstämme  auf  a  138;  auf 
cuvo)  151;  cuo,  eco,  om  155; 
^nf  -cinor  im  lat.  215;  auf 
«(co,  eim  268;  auf  &<o  289; 
auf  to,  tco  291 ;  auf  %<x>  294; 
auf  teo  im  Iah  335;  auf  n 
im  lat.  380;  auf  äyati  neben 
näti  im  skr.  394;  Wechsel 
der  stamme  von  verbis  der 
5ten  und  9ten  klasse  im  skr. 
396;  diese  stamme  aus  ad- 
jectivis  und  participiis  her- 
vorgegangen 469. 

Suffixe: 

a)  gothische,  ahd.  u.  s.  w.: 
crt  191. 

is  297.  371. 
J>ar  371. 

b)  griechische: 
oq  80.  141ff. 
at  142ff. 
davo,  dvo  226. 
Öov  226. 

sia  136. 

«o  320. 

eo  155.  210.  320. 

eq  80. 

tg  297. 

ero  297. 

it  150. 

xo  152. 

fiar  216. 


fuo  79. 
fiov  216. 

vog  147.  148.  262. 
ov  149. 
oq  297. 
<svn\  224. 
avvo  225. 
r  229. 
tsQO  371. 
rtjQ  299. 
jng  299. 
tqt  354. 
ri  224. 
to  220. 
tv  219. 
roe  299. 
c)  lateinische: 

a   vor  mehreren   suffixen 
änus,  aneusu.s.  w.  210ff. 
acio  210ff. 
ali  10.  »an  18. 
ari  =  ali  18. 
ati  od.  at  15. 
atu  222. 
bo  368. 
bro  324. 
bulo,  bula  371. 
ceo  210. 
cio  211. 
co  152. 

culo,  cula  371. 
diu  231. 
en  149. 
eo  210.  320. 
eto  224. 
icio  210ff. 

iti  od.  it  15.  150.  299. 
itu  221  ff. 
neo  319  ff. 
no  147.  320. 


Sachregister. 


scnlo  für  culo  16. 
t  der  abstracto  13. 
t  zur  bildung   von  perso* 
"  nalbezeichn.  and  Ortsna- 
men 13. 
t  angefügt  an  verbalw.  13. 
la  232. 
tat  454. 
tera,  tra  371. 
tilo  335. 
tili  335. 
tio  212. 
tor  299. 
ta  217.  221. 
todin  231. 
tum  223ff. 
uo  383. 
us  297.  371. 

d)  Umbrüche,  verzeichnet  15. 
oskische,  dsgl.  25. 

e)  sanskrit  und  zend. 
ata  297. 

an  149.  219. 

as  216.  298.  371. 

asa  371. 

asäna  150. 

äyani  214. 

it  149. 

iya  212. 

eya  210.  214. 

ka  152. 

käyani  214. 

kiya  214. 

t  229. 

tana  226. 

tar  299. 

tara  371. 

tavya  218. 

ta  231. 

tati  354. 


ti  224. 

tu  218  ff. 

tya  229. 

tra  229. 

tva  215ff. 

tvan  215ff. 

tvana  216  ff. 

tvas  219. 

tva  229. 

tvänam  226. 

tvaya  217. 

tvi  226. 

tvinam  226. 

tha  230. 

thvana  216. 

ma  234. 

man  216.  234.         * 

maya  79.  319. 

nas  148. 

va  234. 

van  234. 

vaya  319. 
Syncope  der  vocale  im  lat.  370; 
von  v  nach  t  und  s  im  lat. 
377. 
Tempora  des  Infinitivs  249. 
Tennis  herrscht  im  lat,  griech. 
und  skr.  vor  38;  erweickung 
in  die  media   im    lat.   375; 
vorherrschen     derselben    in 
sämmtlichen    griech.    dialec- 
ten  411;   geht  zuweilen  im 
lat.  in  die  media  über  476. 
Triphthonge  im  ahd.  349. 
Ursprache  416. 

Vergleichende  mythologie  416. 
Vergleich.  Sprachforschung  415. 
Vocale.  Schwächung  derselben 
im  verbalstamme  tritt  zuwei- 
len im  latein.  nicht  ein  16; 


Sachregister. 


treten  im  skr.  gegen  die  con- 
sonanten  zurück  36;  nume- 
risches verhältnifs  der  vocale 
unter    einander   39  ff.;    zah- 
lenverhältnisse  der  vocale  zu 
den  consonanten  im  iserlohner 
dialect  82. 33;  einfache  kurze 
vocale  im  iserl.  dral.  83—91 ; 
gebrochene,  ebend.  D2 — 101; 
einfache  lange  vocale  ebend. 
190 — 96;  zusammengesetzte 
lange  ebd.  196— 209;  vocal- 
schwächung  von  a  zu  i  im 
skr.  226;   vocal Verlängerung 
vor  ausgefallen,  liquiden  261 ; 
doppelang  des  vocals  zur  be- 
zeiÄnung  der  linge  352. 
a:    durch   Verkürzung  aus  a 
entstanden  im  goth.  169. 
170;  aus  ä  im  lat.  397. 
e:  im  umbr.  =  osk.  ei  62;  e 
.  aus  u  vor  r  im  lat.  9.  19. 
aus  a  im  lat  bei  vortritt 
einer  silbe  19;.  aus  i  ge- 
schwächt im   lat.  19.  22; 
.  aus  a  im  osk.  20.  21;  fällt 
aus  in  der  declination  im 
lat.  und  osk.  20;  aus  u,  o 
im  osk.  21;  aus  a  im  sa- 
tirischen 26;  für  spateres 
i  im  lat.  353ff.;  geht  in 
der  Zusammensetzung  vor 
consonanten  in  i  über  im 
lat.  355. 


tl :  zu  s  verkürzt  268;  *  aus 
a  vor  o  315. 

i:  aus  er  entwickelt  266;  aus 
s  im  auslaut  des  skr.  u. 
lat.  473;  vor  liquiden  aus 
ausgefallenen  y  entsprun- 
gen 290ff. 

iu:  im  oskischen  59. 

o:  im  lat.  aus  au  4;  ebenso 
im  goth.  459;  aus  a  in  un- 
betonter silbe  im  lat  9; 
•  im  stamme  aus"  a'  im  lat. 
11;  für  u  im  alttat.  360ff. 


u:  aus  o  des  suffixes  tor  beim 
antritt  neuer  suffixe9;  für 
späteres  i  im  altlat  369; 
uu  hinter  c  zur  bezeicii- 
nung  von  ü  353. 
y:  im  lat  369. 

Vocalauafall  vor  r  473. 

Vocaleinschub  im  ahd.  253;  im 
osk.  386. 

Vocalismus.  In  ihm  beruht  we- 
sentlich die  Scheidung  der 
griech.  mundarten  414. 

Vocalverl&ngerung  vor  s  im 
altlat.  359ff. 

Vornamen  für  thiere  264. 

Wurzelerweiterung  durch  d  265; 
durch  n,  t  s.  stammerweiter. 

Zahlwörter  im  goth.  488. 

Zischlaute  treten  am  bedeutend- 
sten im  griech.  hervor  48. 


II.  Wortregister. 


teätoche  Sprachen* 


1)  tiotktoh. 
abrs  147. 
af  375.  . 
allinnan  463. 
aggvus  270. 
aina  362. 
aiv  235. 
aivs  232. 
aljan  340. 
an}>ar  328.  * 
amza  261. 
arms  2. 
balg«  399. 
bats  371. 
beitan  470. 
bindan  470. 
bloma  336. 
brinnan  463. 
brtyar  323. 
daujan  459. 
dauns  238. 
dauj>8  459. 
de>8  330. 
divans  459. 
drünjus  228. 
faianda  389.  470. 
fani  463. 


feinan  391. 

fijan  390. 

fila  366. 

fimf  189. 

fraihna  397,455.  467 

fnjöa  395. 

fullnan  456. 

falb  456.  467. 

fuls  335. 

gadars  324. 

gavl  304. 

ginnan  463. 

giuta  289.  400. 

hafjan  335. 

hau  274. 

hardus  359.  • 

haurn  469. 

hla>an  70. 

hlinman  364. 

hrai'va  235. 

ik  177.  271.  325. 

i>a  375. 

jaios  362. 

jcr  269. 

jat  177. 

kalds  330. 

kann  464  ff. 


kinnus  280.  463. 
kani  326.  463. 
kunnan  464. 
lang  324. 
leiban  470.  ' 
leigön  328. 
lustus  268. 
man  465  ff. 
manna  463.  466. 
maihstus  70. 
midja  324. 
mik  177. 
mikila  270.  325.  < 
minnizo  464. 
minmisto  464. 
mis  177. 
munan  464. 
urannan,     -munnön 

465. 
saihs  189. 
sali  131. 
sandjan  462. 
sauhts  76. 
sidus  134. 


sigis; 
siggvan  139. 
sineigs  129.  463. 


10 


Wortregister. 


sinj>  462. 
sinteins  367. 
skaidan  470. 
snaivs  263.  298. 
staua  458. 
steigan  470. 
sliürs  369. 
stojan  458. 
straua,  straba  468. 
straujan  456. 
suiis  360. 
sveiban  132. 
8vein  304. 
tamja  330. 
ieihan  470. 
teka  398. 
tiuha  365. 
tun>ii8  326. 
ufmunnan  463. 
uh,  h  189. 
undivans  459. 
unvunands  461.  463. 
valjan  459. 
varmja  324. 
viko  154. 
Vilbels  254. 
vinnan  460.  466. 
vit  177. ' 
vriggan  470. 
vrikan  133. 
vulla  456. 
>ar  371. 
J>iuda  255. 
>uk  197. 
J>us  177. 


2)  Althochdeutsch. 

Agil-  340. 
Air-  340. 


alansa  451. 
Alyan-  340. 
Angil-  340. 
amen  460. 
awa  304. 
bisa  97. 
bodam  320. 
carmnla  90. 
daum  238. 
dio  257. 
dionön  257. 
diörna  257. 
diutian  257. 
diutisc  257. 
diwa  257. 
donar  238. 
donen  238. 
dou  257. 
doubon  257. 
dunni  463. 
dunTvengi  91. 
Eiilan-  330. 
Ellan-  340. 
Ellian  340. 
Emitaere  348. 
farknusjan  98. 
Fcilgon  349. 
fenni  463. 
Feylhart  349. 
fm,  fina  392. 
forecon  476. 
fragen  476. 
frosc  476. 
gadiot  257. 
gadiuti  257. 
Gaer-  348. 
Gairi  348. 
gaklankjan  83. 
Gari-  348.      . 
Geir-  348. 


Ger  348. 
gerjan  137. 
ha  372. 
Hair-  340. 
Hairi-  340. 
harstjan  83. 
hasan  153. 
Hazoacha  344. 
heilag  274. 
hÜt  196. 
hraspdn  83. 
hreo  235. 
hruf  98. 
ihha  372. 
ieo  235. 
io  235. 
jesan  137. 
kabuz  51. 
kate  50. 
kinoi  463. 
kliuwa  91. 
koufan  54. 
krapho  88. 
kunni  463. 
lantjan  83. 
lebar  265. 
Liafburc  343. 
lubeslical  91. 
luston  268. 
Magin  340. 
Mannas  467. 
mango  51. 
menni  463. 
minna  463. 
minnon  464. 
nagai  336. 
Naothaert  348 
owa  304. 
Perbt  349. 
plerozun  400. 


94. 


Wortregister. 


II 


ridon  96. 
riozan  478. 
Roeda  349. 
sarf  129. 

scafeo,  scaffo  458. 
scafino  458. 
scarf  129. 
sceidan  146. 
sceran  146, 
scerran  146. 
scina  96. 
scizan  146. 
sciuhan  91. 
sengan  140. 
sindun,  sintiin  380. 
sinevta  462.  466. 
sinnan  462.  .466. 
8Üo  134. 
slaht  83. 
smilan  264. 
sneo  263. 
snor  263.  298. 
spannao  229. 
spratalon  83. 
steffara  459. 
steroz,  sterozun  400. 
stirn  458. 

8 träum,  stroum  457. 
strechan  457. 
streuuan  91. 
suila  91. 
swigen  132. 
Thiadgond  344. 
trahan  228. 
treno  228. 
triuwa  91. 
tropfo  139. 
tunkal  136. 
umbi  333. 
Walh  252. 


wali  252. 
wehsal  154. 
wela  254. 
welag  254. 
weih  252. 
wichu  154. 
wida  133. 
willan  95. 
winnnn  460. 
wola  254. 
wullon  253. 
wunna  461. 
wunta  461. 
zispjan  96. 
ziuhu  365. 
zoha  53. 

3)  Mittelhochdeutsch, 
braht  49. 
breglen  49. 
don  238. 
dunec  238. 
dunte  238. 
gedon  238. 
goufeti  54. 
smtelen  264. 
smieren  265. 
smoren  307. 
überdon  238. 

4)  ABgelsächsi8clt 
EngUscb. 
ä  235. 
abal  147. 
ava  235. 
beorcan  96 
blovan  336. 
boke  101. 
botm  320. . 
bubble  97. 


buss  52. 
bytme  320. 
caege  194. 
clippur  86. 
cop  101. 
cvic-beim  105. 
dohtor  478. 
drabbe  83. 
dropa  139. 
drumble  98. 
djnja  238. 
earnjan  460. 
ellean  340. 
fin  392. 
fine  392. 
folm  393. 
frog  476. 
gaupen  54. 
ge]>eod  257. 
geJ>eoded  257. 
ge)>eoden  257. 
grasp  83. 
grima  96. 
grislic  96. 
haso  153. 
bläst  70. 
bobble  97. 
irnan  148. 
isgicel  93. 
key  194. 
knolster  83. 
loddere  97. 
lystan  268. 
peal  193. 
piöa  93. 
pilan  193. 
preön  96. 
pricele  96. 
print  86. 
pudding  90. 


12 


Wortregister. 


quick-,  quickgrass  u. 

s.  w.  105ff. 
reotan  478. 
right  133. 
risan  463.    ' 
rise  461 
rodpr  478/ 
saengan  70. 
sceamjan  94. 
.  scearn  14€u 
scearp  129. 
sceorp  93. 
seoin  96. 
shrng90. 
singe  140. 
smile  264. 
soften  84. 
steort  93. 
stire  93.      . 
svigan  132. 
teohan  478.  . 
teoru  93. 
tirigan  93.. 
veald  254. 
Vealh  352. 
yealloriaa  253! 
venire  96. 
veöd  96. 
vice  90. 
vinnan  460. 
vlacian  253. 
vlaec  253. 
vlaetan  85.  253. 
vlatian  253. 
yringan  133. 
wrong  133. 
yelp  83. 
}>eav  257. 
)?eoan  256. 
)>codan  257. 


>cohan  256. 
j>eön  256. 
J>eov  257. 
>ihan  256.    . 
}>rogen  148.    .    . 
>rote  100. 
{>yddan  257- 
]>yvan  257. 

5)  Altsäcbaisch. 
bodm  320. 
döm  326. 
dropo  139.  * 
dunjan  238. 
fiortig  89. 
nigun  96. 
odher  328. 
riomo  96. 
rod  324. 
8oarp  129. 
svipan  132. 
undam  90. 
wunnia  461, 
wunodsam  461. 
wunsam  461. 
>anor  238. 

6)  Altnord.  norwegisch. 
Dinisch.  Schwedisch. 

ae  235. 
aefi  232. 
afal  147. 
bisse  55. 
bleyta  49. 
blöde  49. 
botn  320. 
brat  400. 
diger  96. 
duna  238, 
eiian  340. 


Fiörgyn  477  ff. 
fleiri,  flest  366. 
flydra  50. 
Frigg  477  ff. 
gali  330. 
gaupn  54. 
gina  326. 
gioevu  54. 
glubende  50. 
glubsk  50. 
goepen  54. 
gabb  101. 
böss  152. 
Hösvir  152. 
kaldan  50. 
kallan  50. 
krak  51.. 
liosta  268. 
-mundu  240. 
manu  240. 
nele  195. 
pass  52. 
quick -tre  105. 
skarp  129. 
skalu  240. 
skylda  240. 
sparka  83. 
svipa  132. 
VaHand  252. 
vaullr  254. 
velkja  253. 
vikja  154. 
yilla  254. 
villiz  254. 
villr254. 
volgr  253. 
vrinske  86. 
>iod  257. 
J>ion  257. 
>roast  148. 


Wortregister. 


13 


)>y  257. 
>yda  257. 
f>ydskr  257. 

7)  feuere  deutsche 
dlalecte. 

a  435ff. 
ab  437. 
aba  439ff. 
abar  4411T. 
abbraechcha  443. 
abesitz  440. 
abetüürlach  441. 
aebcha  443. 
achchar  443. 
acheberam  444. 
acberanda  444. 
achis  444. 
ach*  444. 
acht  445. 
aebta  444. 
achti  445. 
adelgras  446. 
ae  437. 
aeba  438. 
aebacb  441. 
«cka  449. 
aecht,  aechter  444. 
aechta  444. 
aechzga  446. 
aefera  447. 
ffgrsta  447. 
ägerten  448. 
aehka  448. 
aehli  451. 
aeiria  448. 
«r  200. 
äiwelt  199. 
aeker  192. 
ael  449. 


selb  450. 
»Heia  453. 
aelti  453. 
aer  193. 
aeren  192. 
afah  446. 
afanga  446. 
Afi  447. 
agla,  agne  447. 
agrissa  447. 
aha  448. 
aisen  197. 
aisk  197. 
akta  449. 
aktenkraot  449. 
aalbock  449. 
aiag  449. 
alsrngga  451. 
alasssig  449. 
alba,  albets  450. 
alchamatte  450. 
alenzig  450. 
alesma  451. 
alessa  451. 
all  131.  451. 
alls  452. 
allza  453. 
alm',  almets  450. 
alm  451. 
alma?nt  451. 
almi  451. 
almuesa  452. 
alp  45lff. 
alt  453. 
alta  463. 
am  454. 
ama  454. 
amal  455. 
amana  454. 
ainbeilar  455. 


ambeissa  455. 
anema  454. 
ane  304. 
aast  208. 
aüwen  209. 
ba3gelich  192. 
baigen  197. 
baise  197. 
baitel  198. 
balge  49. 
bännich  84. 
baranken  49. 
bafs,  besser  372. 
bas  191. 
baude  209. 
beaoten  203. 
bendig  84. 
beswaigen  200. 
biese  96. 
bisein  55. 
blaige  197. 
blaigen  199. 
blicken  96. 
blind  110. 
blöd  49. 
boden  320. 
börste  70. 
brag'en  49. 
braken  49: 
britsche  49. 
broame  193. 
bruddeln  49. 
bruien  207. 
buebel  97. 
bülte  91. 
boaserle  52. 
bymeaur  201. 
chappen  49. 
cbapsen  49. 
cbnöuwjcka  449. 


14 


Wortregister. 


dacken  466. 

dae  193. 

daigen  197. 

dampf  459. 

diba  459. 

diege  96. 

done  237. 

donne  238. 

doove  koolen  etc.  105. 

drabbe  83. 

draisk  198. 

driet  96. 

drom  49. 

drömken  49. 

droa  193. 

dröälen  195. 

drüemeln  98. 

druiget  207. 

drummeln  49. 

duärnaigen  197. 

duartke  99. 

dubs  49. 

dünninge  90. 

dun  238. 

dwas  49. 

dwatje  49. 

dwatsch  49. 

dwatzig  49. 

dysten  202. 

eidechse  96. 

eäur  203. 

fsele  193. 

faerat  449. 

faien  199. 

fest  70. 

finef  386. 

fioke  205. 

flakcu  49. 

fleäunken  203. 

fleck  49. 


flecke  49. 
flock  49. 
flunder  49. 
gabsch  54. 
gabsche  54. 
gaine,  gai,  gäi  196. 
gaitlink  198. 
gäiven  200. 
galpern  83. 
galupe  50. 
ganvereck  54. 
gaps  54. 
gären  137. 
gauf  54. 
geäus  200. 
gebsei  54. 
gescht  137. 
gesuine  206. 
getau  208. 
giaerkammer  95. 
giebsen  50. 
giepsen  50. 
gischt  137. 
glau  208. 
glubschen  50. 
gluip  50. 
gluipen  50. 
glapeo  50. 
glupsch  50. 
gopse  54. 
grabschen  55. 
grapsen  83. 
grätschen  55. 
griemeln  96. 
grieseük  96, 
grön  108. 
grymeln  96. 
güäweln  101. 
haien  196. 
häirnietel  199. 


häit  199. 
halas  54. 
haepe  193. 
happen  49. 
hapsen  49, 
hase  153. 
Hauken  209. 
haüwen  209. 
heilig  274. 
helweg  239. 
hiaer  95. 
hiärschen  94, 
hiegedissel  96. 
hielweg  239. 
hiuk  206. 
hofschranze  83. 
holz  131. 
hottig  50. 
hudel  50. 
huebel  97. 
huien  206. 
hnttig  50. 
hutui  50. 
iule  205. 
iutnaigen  197. 
jechen  55. 
kabacke  50. 
kaddig  50. 
kaddik  50. 
kadel  54. 
kaek  194. 
kaenigt  54. 
kailen  197. 
kaimen  197. 
kalden  50. 
kaldünen  50. 
ka Innen  50. 
kalupje  50. 
kaluppe  50. 
kantschuh  50. 


Wortregister. 


15 


kappes  51. 
karbatsche  50. 
kate  50. 
kaischc  50. 
kattich  50. 
kaupat  311. 
kenep  386. 
kirn,  kimmc  426. 
klanken  83. 
klauen  208. 
klepper  86. 
kluggen  9L 
kl u  neu  50. 
knueseln  98. 
koak  194. 

kodde  88. 

koddern  50. 

kogel  51. 

kollat sehen  53. 

kolter  50. 

kompost  51. 

komst  51. 

komurke  51. 

kracke  51. 

kraige  197. 

kretscham  51. 

kricke  51. 

krop  88. 

kruschke  51. 

kuckel  51. 

kudde  88. 

kukpfad  311. 

kuiern  207. 

kuiken  207. 

kumt,  kommet  51. 

kurmel  90. 

kutte  51. 

kwalster  83. 

kwiärder  95. 

kwieke  96. 


kwynen  201. 

laeke  194. 

laige  197. 

läipen  204. 

läiwerk  199. 

lanver  83. 

last  70. 

leben  108. 

leduche  54. 

leschak  54. 

leverzee  87. 

libbersäi  87. 

lierwäik  196. 

luäern  100. 

lübbestiek  91. 

loak  194. 

lulke  51. 

lulleu  51. 

lullpipe  51. 

lasche  54. 

lust  268. 

mäine  204. 

mäit  199. 

mänd  261. 

mangel  51. 

manschen  51. 

margelle  52. 

mauge  208. 
j  meäur  203. 
1  menschen  51. 
jmist  70. 

mudeln  55. 

muir  207. 

nieendör  239. 
niegen  96. 
Nierenberger  pat  539. 

niereodör  239. 
niur  205. 
nöälcn  195. 


nug'eln  52. 
nasche  54. 
nype  201. 
nywer  202. 
oame  194. 
oder  328. 
paelen  193. 
palte  52. 
parowe  52. 
pas  52. 
peaul  203. 
petschaft  308. 
piärk  93. 
pis  137. 
pisacken  52. 
piuke  205. 
pläiten  200. 
plauze  52. 
pliaermitis  94. 
pomadig  52. 
pörschen  54. 
pofs  52. 
prain  198, 
präiu  52. 
prempen  86, 
priekel  96. 
prienken  96. 
prudeln  49. 
pnddek  90. 
pudel  308. 
puiseken  207. 
pylc  202. 
quasen  52. 
quecken  105. 
rabastern  55. 
rabatzen  55. 
räken  191. 
raegern  55. 
raisen  196. 
raister  199. 


16 


Wortregister. 


raeling  55. 
rame  190. 
rämbeäum  190. 
neren  193. 
reise  403. 
riedern  90. 
rinnen  459. 
roate  194. 
ruänken  99. 
rüÄts  101. 
miter  207  ff. 
rflef  98 
rywe  201. 
sachten  84. 
sagen  306. 
sSgen  306. 
sfiile  199. 
saisse  197. 
saiwer  196. 
säir  204. 
saul  209. 
schabe!  52. 
schaie .  196. 
schäirlink  200. 
schände  52.  306. 
scbanne  52. 
scheppe  458. 
schiämen  94. 
schilrpe  93. 
schick  52.  306. 
schiene  96. 
schlammpeisker  52. 
schleifserin  54. 
schliefeer  54. 
schlfiufen  307. 
schlappen  307. 
schmücke  52. 
schmackoster  52. 
schmieden  132. 
schmor  52.  307. 


schmutzen  307. 
schoaen  193. 
schoanen  194.  . 
schaff  458. 
schöpf  308. 
schrägen  53.  307. 
schraken  193. 
schransen  83. 
schrecken  308. 
schrobben  53. 
schrömpen  89.. 
schruggeln  90.' 
schrumpfen  89. 
schabchen  53.  306. 
schfiggen  91. 
seauge  203. 
sehne  462. 
senn  462. 
Senne  462. 
8iemern  96. 
slfiif  199. 
sliggen  88. 
slingen  88.  : 
slueter  54. 
smicke  52. 
smordfonken  53. 
smuderlachen  97. 
snaigen  198. 
snaise  197. 
snoat  194. 
spaenen  193. 
spfiich  200. 
spalken  83. 
sparen  400. 
spatteln  83. 
sprützen  53. 
stadel  54. 
stälen  190. 
stamm  467. 
steil  96. 


stepke  53. 
stiftrke  93. 
stilrt  93, 
stiegel  97. 
8tiaten  205. 
sträng  457. 
strecken  457. 
strick  457. 
striteel  53. 
ström  457. 
strüggen  91. 
str&tzen  53. 
stüfir  100. 
sucht  76. 
söggel  91. 
swäden  191. 
8-wiarder  95. 
syt  202. 
tändelmarkt  53. 
tangnet  53. 
tartsche  54. 
titer  93. 
tiärgen  93. 
tiepsken  96. 
timf  53. 
toach  194. 
todt,  dood  a.s.  w.  106. 
traben  53. 
trachten  445. 
troach  194. 
tropfen  139. 
trögge  91. 
tschup  308. 
tuiern  207. 
unäi  204. 
ungern  90. 
verlieh  196, 
veromört  53. 
vläts  84. 
vlaum  206. 


Wortregister. 


17 


vleaut  203. 
vlindcr  50. 
vlindervisch  50. 
vliren  196. 
vöttich  89. 
vräit  199. 
vrasen  191. 

vreosken  86. 

wadel  131. 

waige  198: 

waike  198. 

wailen  198. 


wald  254. 
warschauen  208. 
wasser  ziehen  430. 
wankisewe  208.. 
waal  208. 
w^dergal  428. 
weicfrholz  105; 
welken  253. 
wiärate  93.     . 
wielen  95. 
wiene  96. 


wild  254.  300. 
wildscbur  53. 
woach  194. 
wriust  93. 
wracke  53. 
wymen  202. 
y^kiäkel.  93. 
zabenaxsa  440. 
zergen  53. 
zuk  53. 
zaprine  53. 


B.   CMechlflehe  eprawhen« 


a 


«.-,  ~-  129. 
dßgovteg  333. 
dßtig  267. 
dyvog  269.. 
dyQem  210. 
ayxi  270. 
ddeXcpog  129. 
adfttjg  302. 
d*i  155.  232. 
duQ&  291. 
ala  304. 
aiet  155.  232. 

auf  232. 

uiig  232. 

atrvficu  397. 

aiQm  270. 

atgopai  291. 

aicif  232. 

axtopai  268. 

l4xp<ov  44. 

dxonj  46. 

axaw  46. 

äXsiyco  336. 

Mfiua  136. 


aXXofiai  128. 
<&$  128. 
(Ü^oV  334. 
afia  128. 
dfuißofiai  227. 
dpenivoQ  151.  . 
app«?  269. 
a>g>*  333. 
a*M*a>  72.  134. 
dvÖQOfuog  79. 
aiw,  aWfo  226. 
dv&gTjdtov  228. 
üioQvog  80.  106. 
dndXafiPog  393. 
aW  375. 
dntoig  302. 
aQyvQiog  320. 
a^eity  232. 
OQWfiai  460. 
a^n?  129. 
oQrefAijg  67. 
J^Qtefiig  67.  68. 

0£Ö)    2. 

acpevog  71. 


daraxvg  68. 
acrn;  68.  132. 
dteQctppog  393. 
at/a>  137. 
avwV  267. 
dyevog  147. 
acp&wog  467. 
dcpQog  66. 
0a#*w  319. 
0cfiUla>  227. 
0Jla£  254. 
ßhjxdopcu  254. 
r»«*'  254. 
/ata  304. 
/cüa  400. 
yaw?  461. 
yavdoa  461. 
/aroo)  461. 
ydwfiai  461. 
rawfiijdijg  461. 
yavvaaopai  461.  466; 
/rf  270.  372. 
y&Xa<x>  138. 
/aXoto?  138. 
2 


18 

/du*  136 

rtn>t  270.  463. 
ytQcuoe  138. 
jevoficu  136. 
TÜfia  265. 
77?a?  396. 
/jy^vo)  396. 
rüai  15a 
jA^fo;  147. 
tril  462. 
yorr  466. 
7£fco>  136. 
dcuco  266.  268. 
doxw  394  ff.  470. 
dapaQ  145. 
dcLpdoo  330. 
da?o$  333. 
diixwfii  470. 
fotra  362. 
fofyo  226. 
toi?«  226. 
ftcv'a  136. 
ÄiWa  308  ff. 
didvproe  394. 
djfrea  147. 
flija  220. 
dtx&a  220. 
W£a  tovovQavoS  427. 
ÖQärog  148. 
ÖQoeog  138. 
dvorrjrog  303. 
fttWO?  303. 
«arcfc  132.  136. 
«a?  132.  136. 
f}7»V  270. 
«>oj  271.  325. 
hmov  16. 
*frro$  148. 
*fr«,  ft/fr  71. 
«7«?  268. 


Worlrfgttter. 

«««*  368. 

fixotri  132. 

e'xa»  153. 

tlpa  133. 

f*V  269. 

ilaor  46.  132. 

BtQyrvfU  470. 

«ipa»  131. 

tiW  269. 

&ylof  132. 

ixvQog  134. 

fxa»  132. 

'EUvq  72. 

Äixy  129. 

"Eilqre?  Tl. 

flog  120. 

e>ta>  132. 

eVäroo  47. 

trrj  130. 

ivianuv  47. 

Sppsov  263. 

Imne  266. 

&*vfc<  132.  396. 

eVnwV  263. 

hmiiiog  272. 

fro?  129.  320.  463. 

«5  131.  267. 

&£  137. 

motuu  47.  131. 

ma  131. 

iQjw  133. 

cjpjw,  cljo/w  133. 

?qöq)  290. 

*>«7»  292.  470. 
\'EQivyvg  131. 

'EQtu-iag  131.  314. 
jfipros  148. 

BQntjdtop  230. 

*V<»  131. 


ifwyydviB  476. 
ji»Vt^<>oV  334. 
{BQVfir6g  71. 

fontqog  133. 

foltere  47. 
lewtoiupr  47. 

Mf    131 

herftov  48. 

frotf  10.  133.  298. 
|€varv  eva*,  evo«  273. 
\Eviog  274. 

fvxj^Xo?  132. 

evcapa  274. 

evcava  273. 

f&rtoff  274. 

eva>,  eva»  137.  273. 

icpidlt^g  273. 

ityiOQxem  273. 

^   131. 

euff  269. 

^svywfti  470. 

£e'a>  137.  268. 

V  133. 

jf«s  134. 

?#o*  134. 
#«>*  134. 
^/uai  275. 
*J/«ap  275. 
ijpiQa  275. 
JjfUQog  320. 
?p«fc  269. 
W«i-  131. 
?*«*  320. 
r^vinastov  48. 
yfiap  145. 
°fr?a  72. 
fang  2.  72. 
|faf  272. 
\yoSg  137. 
#<wir«  459.  471. 


&e'raQ  238. 
Oivatr  238. 
&t]Q  333. 
&iyy*vm  398. 
tf&Un?  399. 
&o(>etr  399. 
&Qa<svg  466. 
&qov<»  400. 
#eeo>  228. 
&(pjvog  228. 
#wUUV  399. 
^vrco  394. 
tfvoV  137. 
&v$a  333. 
0v?<ro?  399. 
iöim  231. 
*£?<»£  135. 
t*£o?  274. 
Uqooövtt]  225. 
tCo>  48.  131. 
hjm  400. 
Jxxoe  271. 
ifjiag  131.  303. 
ipego?  275. 
%6g  133. 
«fc  133.  137. 
lojrjn  137. 
io%i<uqa  80. 
unro?  271. 
fr  133. 
*W*  133. 
laöfiog  67. 
etfos  272. 
?<tt^*  467. 
!c%(o  48. 
iV<dd^  133. 
Itia  133. 
Ws  133. 
f;po$  148. 
i<&  271. 


Wortregister. 

;  icir  270. 
jiwV/a  271. 

xd&rjficu  275. 

xaiwpai  269. 
Ix«*«  266. 
I  xaA%  50. 
'xa/Hj/'  333. 

xsdcua  268. 

xBQaim  268. 

xeQanrvfii  71.  469. 

KiQßeQog  314. 

x^pW  71.  468ff. 
Ixta/u  266. 

xkyto»?  230. 

xWc*  266. 

xjüotc»  471. 

xkvto  364. 

x6yx°S  336. 

xo**e  400. 

xoQerrvfii  469. 

xoteitog  138. 

xorvltydar  230. 

xQorvg  359. 
i  xf  fe?  235. 
|  HQepdvfVfu  469. 
\xQi]ftrt]fii  463. 
|  xQTjfivog  468. 
j  xTJ^oaV  228. 
|  xrijvog  148. 
I  Ktifvfu  467. 

xtipft?  332. 

X0M17  335. 

XayX&vw  272. 

lopßaiw  325. 

/LagDi^o*  325. 

taurc»  470. 

^C9  328. 

^rw  68. 

Ida/opai  268. 

XifMTtdva)  399.  470. 


19 

l/a«  336. 
taxoe  80. 
Xvz* og  272. 
ficupdm  228. 
futlopcu  268. 
par&dpco  395. 
pdrng  295. 
/**>«?  270.  325. 
fMtdcuo  264. 
peidida  264. 
peüog,  p&Quvog,  fui- 

Xi%og,  -xiog  264. 
/*&*<»  289. 
lu\BÜ(6rr}  231. 
peXenj  232. 
p£U  150. 
»«?£  264. 
ptfr  261. 
W«?  227.  295. 
fiirvöa  464. 
(UwvQog  464. 
/ws  137. 
pt^o?  148. 
/*'«  137. 
ya/ca  268. 
twxfo  268. 
*e*o$  266. 
re'xv?  271. 


viyog  298. 
rur?a>  471. 
ri'qpa,  rupdg  263. 
rotxof  139. 
?d<wo£  137. 
wog  137.  263.  298. 
vaiwftrog  393. 
Se'a  138. 
(tootfc  67. 
otta  133. 
2» 


ol*og  133. 
ohog  133. 
61x6g  134. 
oXog  131.  361. 
o^otf  66.  325 
opog  267. 
©Vi*  336. 
onlotBQog  66. 
oQttfog  138. 
OQsorro  396. 
jpdtf?  300. 
OQira)  398. 
oQmpi  396. 
oqwvw  460. 
dpotw)  396. 
ov,  oi,  e  135. 
ova?  137« 
o^o^9  o^A»  133. 
o>  134. 
*as  301. 
ntdop  354. 
fiep(p(>tidoir  228. 
*«*  137. 
niqa\na  52. 
nerafpvfju  469. 
aeretpog  151. 
Tlwaaog  296. 
^yjcttjuaJtAo?'  155 
nrflwyÄ  470. 
IltjQeyopeia  266. 
*rifcv?  303. 
nUiqa  310. 
Hie?/«  310. 
nfftnhjpi  395. 
mrtHffjti  469. 
jrAartfc  476. 
arkctf  366. 
wUiiW  366. 
'*!&»  366. 
IToXvdcqira  394. 


Wortregister. 

woilik  366. 

nohidapra  394. 

*olt*366. 
:  fror  i  477/ 
'fiorrwc  310. 

aovppa  271. 

IlQOfa^&evg  395. 

ir^otf  477. 

!  BQOti'411. 

WjuiyV  320.. 
!  »v<h»  335. 

avr&arm  467. 

mtoff  335. 

«d>v  272. 

le?e<*  290. 

$«o<r  298. 

(fatrpa  457. 

£«w  263. 

fäfrvfu.  470. 

«£?£  236. 

aacpyg  336. 

aei?«  131.  457. 

aaljfa  72. 

2Hloi  72. 

aiyaoo  132. 

aidtjQog  132. 

«r/f«  139.  272. 

GxeddrwfAt  469. 

cxijvog  148. 

<nUdnj(Ai  469.  470. 

<rxa)£  145. 

oprjtrog  148. 

(ro^er^  132.    • 

aoqiog  336. 
I  anadoiv  229.    • 

cnavog  229. 
jaira'a  229. 
jarawai  397.  467. 
j  <nre?o?  237. 
:<j«Vß)  237. 


ari'£«ir  292. 

dröVoc  237. 

<rro<ro?  68. 

atoQerrvfu  469. 
,  ütoQfVfu  456.   467. 

469. 
;  ovoxof  68- 

GTQayyto  457. 

OTQtjrog  148. 

atQuirwfii  456.  469. 

;ö^«T«  146. 

(  aj/Ca»  1 46. 
;t«w-  463. 

ratqa  466. 

ra^a<r<rcü  292. 
,  ra<roa>  70. 

iav{>og  302  ff. 
^  tcaig  296. 
|«gfe304.  466. 
|r£iV©>  46. 

i  T€4g<»  46. 

'  rixratra  231 . 
:«U«  268. 

rsfisrog  148. 
, Ttv&Qijdolp  228. 
•  rtQijdwv  230. 

re^flrro?  467. 

reggro?  148. 

TBiaydv  292.  398. 

rstQaxa  220. 

r£TQax&ci  220. 

rUo&eu  38, 

tivrvfii  391. 

cijv/m  391.  470. 

TiVl»  391. 

«'»  467. 

rorfrew  228. 
itoVos  238. 
I  rojro?  68. 
Jt^'co  137.  268. 


tQirog  220. 
.  tq^cl  220.  # 
TQtx&d  220. 
rvnxco  471.  . 
Zü(x>q  134. 
&7.131.. 
vfwfe  209. 
vmug  209.     . 
vfiros  303.  • 
vnefAryftvxa  70. 
wwg  131. 
vrriQefinjuvxi  394. 
wwoff  135.       •  • 
•W  131.  395.  470. 
vQag  1^5. 
»S.131. 

vcTfuny  303.    .     . 
vatBQog  361. 
<pdßpg  207. 


Wortregister. 

yayzüaiva  230. ' 
9«/«*  292. 
900?  138. 
q>avog  267. 
qpev/o)  470. 
<p&ita>,°  (p&im  467. 
g#*tf*s  467.. 
guaUu  273. 
<pdz(o  395. 
q>iloftftfidfc  265. 
(p^/cot  268. 

CpQOVÜQV  330. 

yvyyavw  470.  * 
gwyef*  292. 
qptuc»  384. 
qw'Uor  330. 
Xaiva  320. 
)*&«£<*  335. 
XäIwos  330. 


21 


\X<*f*(u  305. 
X<xtddtv  399. 
X«otf  148. 
ja^is  150. 
jf«oi  266. 
^evfia  457. 
t*»  4*0.  ' 
*?'*  201. 
j#*Ccfc  220.    . 
X<h»'*  305. 
XoXog  330. 
-yo^a  328. 
xpa&iov  328. 
opo?  201. 
o5*  131. 
wog  134.  202. 
<Sga  209. 
cIqio  390. 


ۥ    Italische  sprachen. 


1)  Lateinisch, 
ab  375.  470. 
ad  310.  476.     * 
ädjovta  303. 
ador  15. 
adqae  374. 
advosem=advorsum5. 
aes  301.  •  • - 

aevum  232. 
af»ab  375. 
abenus  301/ 
albus  334. 
amb—  333. 
ancile' 27.  .28. 
anclabris  27. 
anciare'  27. 
..anculi-  27. 


ancus  27.. 
Antioco  300. 
anguslus  270. 
ar  320.  470.     • 
arcus  plüvius  427. 
arduus  300.  . 
argenteus  320. 
argenfam  302. 
arma  2.  •  • 
armu8  2. 
Arnth  13. 
arundo  310. 
Arnos  44: 
assir  136. 
ast  375. 
at  375. 
augur  4. 


[Aüpiter]  Opiter  4. 
auspex  4. 
Auster  80. 
Averaus  80.  100. 
averruncus.  80/  : 
balare  254. 
balineae  370. 
balbus  254. 
barbarus  252.' 
Bebriacum  18. 
bibo220. 
blaferare  254. 
boletus  91. 
bruma  300. 
bucca  152. 
caecas  222. ' 
caeruleus  18. 


22 


Wortregister. 


calccanda  363.  370. 
caQos  152. 
capio  335. 
carinare  380. 
caro  235. 
cascos  151. 
Casinam  151. 
casnar  151. 
Casnasins  152. 
-ce,  -c  372ff. 
ceaa  480. 
cenati  480. 
Cerberus  315. 
Ceres  298. 
clovaca  363. 
clovlei  363. 
codes  222. 
coelebs  222. 
coirare  362  ff. 
columen  370 
com,  con  376. 
comoini8  362. 
condo  335. 
conilovont  363  ff. 
conquaero  353. 
consuetado  232. 
conticisco  35.5. 
convicium  153. 
coqainare  380. 
cosentiont  360. 
credo  335. 
crueiitus  236. 
cruor  236.     . 
culcita  50. 
cur  354.  371. 
Caritis  15. 
curro  221. 
damnam  467. 
daoant  380.  397. 
Decras  57.  • 


decas  265. 
dedro  360.  370fi. 
dedrot  360.  370  ff. 
deficatam  353. 
deico  470. 
delicavit  18. 
delitisco  355. 
detolerit  360. 
dico  470. 
Diespiter  4. 
distisum  353. 
dives  150. 
domare  330. 
doDQm  11. 
dos  11. 
dovcere  36 3  ff. 
dubenus  17. 
ego  271.  325. 
eidemsidem  o.  356. 
em  356. 
eo  397. 
cro  384. 
eus  380. 
exaestumo  -353. 
expleüuot  380.  395. 
faba  69. 
Fabaris  18. 
faceiundam  356. 
facintt8  147. 
facio  335.  400. 
faclia=facilia  370. 
faüatus  368: 
fect  370ff. 
fei  330. 
fenos  147. 
fera  333. 
ferbeo  369. 
fere  400. 
feriuuüt  381. 
ferme  400. 


Feronea  354. 
figulus  398. 
figura  398. 
filea  354. 
findo  470. 
fiogo  398. 
fio  335. 
firmas  400. 
flacciscit  355. 
flos  336. 
flovios  363ff. 
foedoa  362. 
foidoratus  362. 
foliam  336. 
follis  399. 
fores  333. 
formido  231. 
forraiiß  333.  399. 
fornax  399. 
fornix  398. 
fornu8  399. 
Foslus  372. 
Fostlus  370. 
FovMae  363ff. 
Fovrius  363ff. 
fragesco  355. 
fragmeD  457. 
fraogo  470. 
fraus  399. 
fremo  228. 
frenum  400. 
fretus  400. 
fruniscor  360ff  3S 
fruor  381. 
fpustra  400. 
früstum  400. 
fulcio  400. 
fulvus  367. 
fundo  289. 
funduß  320. 


Wortregister. 


23 


furere 
furvus  367. 
futilis  335: 
gelu  330. 
gemebundus  355. 
Gennani  156  ff. 
graodo  335. 
habetabetur  354. 
harena  333. 
Hercolea  361. 
hesternna  226. 
kiberno8  17. 
liircus  333. 
hosfis  359. 
hamerus  261. 
ibei  358. 
id  375. 
im  356. 
imber  325.  386. 
indiges  15. 
infera  370. 
Innad  374. 
insece  47. 
infierinniitar  381. 
interamiias  310. 
interct  370. 
invitare  153. 
inyiias  154. 
iter  147.  381. 
jacio  221.  400. 
jecox  145.  147.  381. 
jocas  363. 

jous,  joassi  363.  368. 
jabere  368. 
jucandas  4. 
judex,  jadicare  368. 
jugra  370. 
jugulum  18. 
jnngo  470. 
Jupiter  4. 


jurare 

jurare  365. 

labea  355. 

labeones  355. 

lac  400. 

lamentum  400. 

Lar  13. 

Larce  13. 

Laris  13. 

Lars  13. 

lateo  335. . 

latus  (adj.)  476.     . 

latus  (ptc.)  400. 

lavatum  5. 

Lauchme  13. 

laus  400. 

lautum  5. 

lebro  370. 

leibreis  370. 

Liber  371. 

üben  371. 

Hcnia  370. 
jlien  476. 
«  Iingo  328.  333. 
!linquo335.399.  470. 

loebeso  371. 

loedus  362  ff. 

longus  324.  400. 

lotum  5. 

Lovcaoa  363  ff. 

Lovcina  363  ff. 

lubido  231. 

luciacit  355. 

Lucumo  13. 

lupus  80.  400. 

magnus  325. 

Mannen  lff. 

Mamurius  2.  9  ff. 

Mamuri  10. 

nianea  73. 


manubiae  369. 
maroeo  400. 
Marmar  lff.  6 ff.  8. 
Marmor  2.  6  ff  9. 
Maria  II. 
Mars  lff.  13ff. 
Marapater  3  ff.  16. 
Marspiter  3ff.  16. 
Maapiter  3ff.  16. 
Mavore  lff.  17. 
Mavortius  pater  17. 
mediaa  324.  333. 
menaia  261. 
mereto  353  ff. 
meridies  18. 
mieia  377. 
mihi  324. 
milea  299  ff. 
minuo  464. 
miror  265. 
mobilia  227! 
moenia  362. 
moeras 


mori  2. 
morrius  II. 
mos  235.  301. 
moveo  227. 
mox  2. 

multitudo  232. 
munire  362. 
manas  147. 
muru8  362. 
matilaa  335. 
naufragium  4. 
nequioont  381.  396. 

397. 
nervua  26 
nisei.358. 
nisi  357. 
nix  263. 


24 

Novceria  363  ff. 

novndinnm  363  ff. 

Namsias  370. 

nupcr  4. 

nariu  263. 

ob  375.  476. 

obinuDt  397. 

ocios  2. 

oettintar  362. 

ofdias  370. 
.  .  oino  362. 

oinvoroei  362.  370. 

oitile  362. 

ollei  361. 

Opitcr  4. 
'  oppedeis  354. 

opus  298. 

Otricoli  18. 

ptJmiu  393. 

pango  470. 

pannus  210. 

parco  400. 

parentet  382: 

Parilia  18. 
'  parvus  400. 

paiior  3?5. 

paucus  152. 

pecten  229. 

penn*  147.. 

per  476. 

pertisum  353. 

pignus  147. 

piterf.paterincomp.4. 

piüa  477. 

pleno*  381.  467. 

pleo  395. 

pleores  366.. 
•    ploiruaic  '362/  . 

plQuruma  363ff. 

plovs  363ff. 


Wortregister. 

pol-  477. 
pollacere  365. 
poloucta  363ff. 
pone  474. 

popluca8,poplicas360. 
popolus  361.  367  ff. 
por-  476. 
porricere  365. 
portio  11. 
posco  476. 
pes-  476.  •      • 
poeedeit  357. 
posedet  354. 
porblicom  363ff.  . 
prae  471  ff. 
praesens  475. 
praeses  474. 
praeter  474. 
prebendo  399. 
pro  476. 
proeul  354-. 
prodinoDt381.  397. 
prösa=pr*vofsa  5. 
proaiciae  365. 
Poblius  360. 
punio  397. 
puteo  335. 
quadraginta  368. 
quaero  221. 
queibos  357. 
queb  390. 
queror  221. 
qttirqair=squi8qui8  8. 
quisquis  359. 
re-,  red-  475 ff. 
redieit  357. 
redinunt  397.    " 
reetis  476. 

reirosum    =    retror- 
sum  5. 


;  ripa  310. 

rogo  476. 

raber  331. 
Irao  460.     - 

rutilus  335. . 
'salio  128. 

i  sam,  sie,  8os«=  suabi,' 
!         suis,  saos  377. 

sanies  137. 
Isanguis  137. 
jsapio  336.   . 

sas&asuas  365. 

scäbellom  467. 

scamnum  467. 

scindo  470. 

scutilus  335.      '  ' 

sed  375. 

sei.br  356.' 

seine  357. 

seit  ==  sit  357. 
•semol  353. 

senatorbus  370. 

senex  u.  8.  w.  129.' 

sequi  47.  • 

sero  131. 

serus  69. 

sibei  358.' 

sieeos  152. 

8imitu  354. 

sine  357. 

sirius  462.  466. 

Siria  369. 

Sisapu*  369. 

soledus  353  ff.    . 

»olino  380. 

sollas  361. 

§ont  360. 

soveis  377. 

sovom  363ff. 

8ovo8'363ff. 


aperes,  speribuB,spero 

-  6. 
steroos  146. 
sterno  466.  467. 
strages  457. 
stramen  457.  ' 
strango  457» 
strennus  466. 
struigo  457. 
slrues  458. 
struo  458. 
saaveis  359, 
soescö  7-1. 
sab  375.  476. 
snsum  5. 
suadeö  134. 
tableis  370. 
tabula  68. 
tango  398. 
Tarquinius.  14. 
taiirus  369.     . 
tellus  305.  . 
tenuis'463.    - 
terreö  292. 
tibei.358.   .     .      . 
.tiMä2£ 
tis  =  tqis  377.  —  tui 

379. 
ipnare  238. 
tonn*  238. 
Iotas  296. 
tovtia  363  ff. 
trans  473. 
-trare'473. 
tremibundiis  355. 
tudes  150. 
Turpleio  370.  • 
Talia  362. 
tuus  364. 
ubei  358. 


Wortregister. 

als,  ultra  361. 
umeru8  261. 
unguis  336. 
utei  358. 
uva  364. 
yado  400. 
valeliido  232. 
veles  298.    . 
vcnio  319. 
▼entus  301  ff. 
Fenum  262. 
Venus  298.  461. 
Vcturi  10. 
Veturius  10; 
TCtus  10.. 
Yicesma  3.70.  372. 
■vic-.is  154. 
vünen  400.    . 
vineio.  400.. 
vinoo  400.' 
vis*  154. 
vitare  153. 
vitis.133.  • 
vivus  107. 
vomitus  221. 
yovrat  J.  vovcrat  370, 
Yulnus  147.  . 

2)  Oskiscb. 
Aidtlis  S6. 
allo  361. 
amfr  334. 
amfret  382. 
anafris8  386. 
angetazet  59.  382. 
arageto  302. 
carneis  386. 
-cen  373. 
censamur  383. 
censazet  59.  382. 


25 


censtur  382. 
comono  362. 
dekviarini  57. 
eisei  61. 
eiseis  61. 
eisu  60.  .61. 
eisud  61. 
ekak  51.  56. 
ekask  61: 
ekass  57. 
ekkum  61. 
ekss-  61. 
eksu  61.  62. 
eksuk  61. 
ieku-61. 
-  *n  57. 
i  eestint  58.  ' 
!esuf6l. 
j  ezum  60. • 
facus  383. 
famelo  382. 
I.fust  334. 
jharest  38?.      • 
idik  60. 
!  imaden  57 
ienc  60. 
ioc  60. 
ioyia  57. 
ip  60. 
isidum  60. 
iiik  60. 
iusc  386. 
iussu  57. 
izik  60. 
-k  373.  • 
ka[i]la  57. 
|  Mamercus  18. 
Mainers  18.  • 
MafUQtwo  18. 
MafMQfwovfi  18. 


26 

Wortregister. 

medikeis  57. 

erek  60. 

mefiu  326.  £34. 

eru  61.  62. ' 

4)  SablnlKb. 

mianiku  362.  ' 

esu  61.  62. 

ancus  27. 

pai  59.  60. 

foni  372. 

Capencas  27. 

perfek]  56. 

fratrex  62. 

cupras  27. 

pertumost  363. 

-fusl  333. 

fareoa  333. 

Pompaiiana  57.    -eis 

hondra  361. 

ferenter  26. 

57. 

hutra  361. 

feret  26. 

pontram  56. 

kam  386. 

fircus  333. 

praefucna  383. 

kumultu  383. 

Fora  30. 

qaan  376. 

Marte,  -i  14. 

Fortana  30 

serevkid  57. 

Martio  14. 

lepestae  27. 

set  382. 

mefa  334.  382. 

Mamercus  25. 

sipus  383. 

ner  26. 

Mamers  26. 

Siuttüs  56. 

no^ve  359. 

Marcius  26. 

suvei«  379. 

peho,  piho  477. 

Mcdultia  27. 

svai  359. 

perca  57. 

Mefula  26.  27..  335. 

teremnatoet  56.  57. 

persni  397.  467.  476. 

neria  26. 

teremnattens  56. 

posmom  25. 

nerion  26. 

tribarakavam  383. 

pre  474. 

Neron  26.        .    . 

aittiuf  363. 

pur  476 

venia  26. 

vergarfnu  385. 

pus  474. 

Vesbula  26. 

via  57.  viaas  57. 

paze  359. 

voraus  20. 

rufra  334. 

5)  MttellaMftisch 

- 

sve  359. 

PlatUateiiÜÄCh.  Fraa 

3)  ümbriscL    . 

tefe  326. 

zöslsclL 

alfer  334. 

tekvia  57. 

caldana  50. 

ampr,  ambr  334. 

teatra  62. 

capiöta  51. 

ar  476. 

toro,  turo  369 

charogne  236. 

beii-  20. 

tota  301. 

tenda  53. 

cersnatur  480. 

up  476. 

tendeta  53. 

ceana  480. 

utur  15. 

D.    Sanskrltsprachen. 


1)  Sanskrit  u.  frakrit. 
amsa  261. 
amhu  270. 
axita  467. 


adi  476. 
ati  476. 
atha  376. 
adabdha  459. 


antaripa  310. 
anveshati  465. 
ap  310. 
apa  375.  476. 


apacita  387. 
apaciti  387. 
apas  298. 
apnas  148. 
aba  476. 
abhi  33a  375. 
abhimati  227. 
abhra  66.  325.  386. 
abhva  147. 
amu  421. 
amnas  148. 
ayam  421. 
ayasmaya  301.  319. 
ayämi  397. 
arnas  148. 
arfasana  150. 
a$an  46. 
agani  46. 
a^na  46. 
agman  44  ff. 
asan,  a$rj  137.  236. 
asme  269. 
aham  271.  325. 
äp  310. 
äyos  135.  233. 
ärya.  257. 
agä  272. 
Vas  269.  275. 
iDomi  397. 
Indräytidba  427. 
invati  397. 
ima  421. 
iahira  274. 
iahma  275. 
im  356. 
Kux  364. 
apa  375.  476. 
Uganas  149. 
uarika  388. 
Uli 


Wortregister. 

udhae  141. 
urna  456. 
urdhva300. 
ordhyasana  150. 
Vre  365. 
rju  133. 
rnjasana  150. 
rnakli  470. 
rnacit  389. 
rnayä,  rnayavan 
r nami  459« 
riiomi  396.  460. 
rnvati  460. 
ena  362.  421. 
enas  148. 
eva  234. 
evam  235. 
eeha  62. 
ehas  148. 
aabam  273. 
karbara  314. 
karrara  314. 
karvura  314. 
karbara  314. 
j/kas  152. 
kirua  468. 
kutra  354. 
kumbba  332. 
Vkr  146. 
kratu  359. 
kravia  236. 
kravya  235. 
xau  228. 
xiiiäti  467. 
xitioti  467. 
xina  467. 
xiti  467. 
kha  148. 
khalfoa  336. 
VgT  160. 


27 


gruami  396. 
grbhnati  471. 
go  304. 

gopalichäpa  427. 
Vgrabh  335. 
glaa  147. 
gha  372. 

gharma  324.  333. 
ghosha  107. 
cayati  470. 
fei  387ff. 
eikitvit  150. 
cita  392. 
citi  392. 
citra  392. 
cinoti  470. 
cbadia  148. 
cbinadmi  470. 
jaganma  320. 
jaganvas  320. 
jaras  396. 
jarasaoa  150. 
jala  330. 
jana  466. 
}/ji  400. 
|/jiv  309. 
jubomi  470. 
|/jnä  464. 
joa  462. 
jrayasana  150. 
nimmäna-i  468. 
tatanvat  141. 
tanu  463.  466. 
tanonii  466. 
tanjatu  238. 
j/tap  459. 
tavas  296. 
tävat  365. 
tirämi  473. 
tirae  473. 


28 

Vtu255.  296. 
tampati  471. 
trpnomi  467.  470. 
trmpati  470. 
topati  471. 
thimpaini  470. 
V  dagh  304. 
daghnoti  466. 
danxnü  470. 
danta  326. 
dabdha.459.    .. 
dabhnoti459.467.471. 
j/dam  330. 
damdnaa  149.  ' 
dafati  470. 
dagaayati  266. 
danaadi  '470. 
Vda  329. 
dideshli  470. 
dina  367. 
mvitmat  119: 
dirgha  324.     . 
Vdaah  136.     •• 
dulistmj  3Q3. 
drapsa  138. . 
dravinas  148. 
dhanutara  237. 
dhanvan  236. 
ydhi326.329.400. 
dhiyasana  150. 
dhüma  238. 
dhftrta  400. 
ydhr  400.  . 
)/dhrsh  324  466.  -  . 
dhrshnu  466: . 
Vdhra  400. 
nakta  272. 
nakha  336. 
uabhas  298.        . 
namaia  258. 


Wortegifter.'  - 

namaaäna  150. 
mwa  266. 
oavya  266.  463: 
Vnaft  nan$#  272. 
V'naa  137. 
nirmäna  468.  • 
■  nlg  272. 

I  nenekti-  471. 

i 

padi.477.  ■    •  %•' 

patni  3110. 
pada  354.   . 
papari  367. 
pari  476. 
patinas  148. 
Parjanya  498. 
pagcat  474. 
päjas  296.  . 
pai.ii  229. 
pivari  310. 
puca-etar  474. 
pnrataat  474.. 
purahsad  474. 
puras  473.  - 
pura,  puln  366. 
purna  456.  467. 
prchäoii  397.  476. 
prnäti  467. 
1  prthu  476. 
Pr^ni  478.    '    .      . 
prati  476. 
pragattvan  216. 
pragtia  397.  455.  467. 
prasiti  476. 
Vprk  38K-      . 
priya  477. 
priyäyati  395. 
prertvan'216.     . 
plihan  476.      . 
phani  229. 
Vphull-336. 


bandhämi  470. 
barbära  252. 
badhna  320.  467. 
budhnäti  467. 
bodhiomaiias  149. 
bhanajmi  470. 
bhand  371. 
bharnaa  148. 
bhasas- 138.  267. 
bhiuadrai  470. 
bhiyaaafla  150.    . 
bhrnäti  463.  - 
|/biiram  228. 
bbratar  323."  • 
m'arti  463. 
mati  227. 
madhya  324. 
maou  463.  466. 
Kmanth  395. 
Manus  467!     ' 
mandasäna  .150. 
manve  466,  - 
maru  106:* 
mahat  325, 
mas  261.301. 
miaoti  464.  466.. 
ymish  137. 
Vmi  362.    .  . 
öiukha.148. 
muna-i  466. 
mar  362. 
]/my  (mar)  2. 
mlecha  252. 
]/mh%  253. 
Vmlai  252. 
Ymlew  254. 
yakrt  145.  265. 
yajna  455. 
Vyam  320.  . 
yamasäna  150. 


Worlregiater. 


.    29 


ya^as  265. 
Vjas  137. 
l'ya  400: 
ysvat  269. 
Vju  368. 
ynnajmi  470. 
Vyudh  289. 
yushme  269. 
rajata  902. 
rajatamaya  320. 
rajas  136. 
rajja  457. 
rabhasäoa  150. 
rahasya  136. 
Vrnnc  80. 
irnd  478. 
Radra  478. 
radhira  334. 
rugat  272. 
rüpa  269. 
reknas  148.  149. 
rodas  478. 
I'labh  325. 
l'lash  268. 
lioati  463.  467. 
Hna  463.  467. 
y/Hh  328. 
ylunc  80   365. 
yyac  46.  153. 
vana  461. 
vanas  298.  461. 
vaou  461.  466. 
vanas  466. 
Taiioti  460.  466. 
vamathu  221. 
|/var  2. 
varayimi  459. 
varvara  252. 
Vva$  132. 
Vva*  132. 


vasana  132. 
vasftna  132. 
vasäyati  396* 
vasna  262. 
vasman  132. 
vasyas  220. 
vata  302. 
väsas  228.     • 
Vvic  154. 
vicinomi  389. 
vidrate  133. 
yigoa  455. 
vigva  272. 
vitika  133. 
vrjina  133.  - 
vrnakti  470. 
vrn&mi  459. 
vrdbas&n»  150. 
veda  133. 
Vaitarani  316. 
$akrt  145. 
gankha  336. 
tabala  314. 
gavas&na  150. 
$a$a  153. 
ftinj  139.  272. 
ftudh  289. 
) ^ubh  289. 
gushka  152. 
V^ru  364. 
sagarbhya  129. 
Vsac  47. 
Y&an  462. 
sana  129.  463. 
sanaj  129.  .463. 
sana  130. 
sanomi  466. 
Vsap  131. 
sama  128.  267. 
Isamatha  354. 


|  sama  320. 

sarva  361. 
jSaranyü  131.  . 

Särameya  131. 

sahas  298. 

sahaaäna  150. 
Isanu  462. 

Särameya  314. 
.sinäti  466. 

sinivaü  130. 

sirä  457. 

samna  303. 

skabhnati  458.  467. 

skabhnoti  458. 

y/ötan  237. 

stana  237. 

stabbüyat,  stabbuya- 
roäna  396. 

stabbnäti  458.  467. 

stabhnoti  458.  467. 

stighnute  470. 

stirna  438.  467. 
!  sirnami,  strnomi  456. 
467. 

Vstha  336. 

sthänu  457. 

stbüra  369. 

}/8du  263. 

sau,  sänu  462. 

snashä  263. 

spbay  229. 

j/smi  264. 

Ysmx  265. 
,  V^raj,  srj  457. 

Ksru  263.  457. 
jVsvad  134. 

svadhä  134. 
isvapna  455. 
I  j/svid  132. 

hanu  270.  463. 


W«rtf«gwlcr. 


k*YM  2». 

DZ«M. 

tav  225.  296. 

hinoaato  4M. 

a^an  46. 

thanvan  237. 

hiooti  4M. 

apia  46. 

thanvare,  tfaanwetn 

kinmau ja  320. 

apnan  46. 

237. 

hiranyaya  390. 

««■271 

thritya  220. 

hana-i  4M.  470. 

a4m421. 

dfa  14a 

bonan  457. 

afai232. 

Mdora  106. 

hltda  3M. 

cttha  387. 

rasyat  220. 

brMioi  366. 

csvas  967. 

Ctane  216. 

jy4iÜ369. 

hnahka  152. 

tafna  467. 

hvare  134. 

Druckfehler,  berichtigtiDgeo,  nachtrüge. 


i>- 


15 

41 

86 

85 

86 

94 

97 

97 

97 

97 

97 

99 

99 

99 

100 

100 

184 

140 

163 


-  164 

-  164 

-  164 

-  169 

-  198 

-  198 

-  196 

-  199 

-  202 

-  204 

-  204. 

-  214 

-  216 

-  219 

-  220 

-  220 


- 

228 

z. 

- 

229 

z. 

- 

229 

z. 

_ 

245 

z. 

- 

254 

z. 

- 

255 

z. 

- 

264 

z. 

- 

265 

z. 

- 

269 

z. 

- 

270 

z. 

308 

z. 

z.  16  v.  o.  lies  r  st.  t 
z.  9  v.  o.  25  8t  35 

8  v.  o.  vrvwen 

3  v.  o.  vriemeln 

I  t.  o.  Elwen  Elfen 

12  v.  u.  miärgenblaume 

II  v.  u.  stutzen 
10.  v.  vl  h&nenjuekel 

6  v.  u.  sluedern 

4  v.  o.  smultro 

3  v.  u.  8ud 

7  v.  ii.  spruaken 

5  v.  n.  nuSch 

4  v.  u.  schuat 
1  v.  o.  guäten 
16  t.  o.  deihl 

5  v.  u.  ann  svadham 
1  v.  u.  formen 

z.  12  v.  o.  declinationsendim- 

gen  st  endnngen 

z.  4  v.  o«  s  und  r.         « 

z.  6  v.  o.  s  und  r 

z.  18  v.  o.  auslaute  8t.  laute 

z.  14  v.  u.  auhsa 

z.  19  v.  u.  noat 

16  v.  u.  des  altwestf. 

16  v.  u.  klain 

17  y.  il  bleich  st  bleib. 
4  v.  o.  exprobrare 

1  v.  o.  deaurt  —  heäurt 
z.  2  v.  o.  feäurt 

z.  10  v.  o.  Substantivbegriffs 
st  adjectivbegriffs 
z.  20  v.  o.  Zerstörer 
z.  8  v.  u.  aa.  verba  st  a-verba 
z.  10   y.   o.  zahlabstracta  st 
Zahladverbien 

z.  20  y.  o.    fUllt  im   griechi- 
schen Überhaupt  oft 
z.  3.  v.  u.  specialformen 

13  v.  u.  indem  n 

9  y.  o.  do  st  don 
9  v.  o.  Vermeidung 

2  v.  u.  solchem 
2  v.  u.  ßkrjxdoftai 

14  y.  u.  gens 
1  v.  u.  fttWoq 
9  v.  o.  von  y  und  1 

I  y.  o.  eine  1,  sg. 
19  v.  u.  iaviü) 

II  v.  o.  tschaebr  ("-} 


.  308  z.  12  v.  o.  tschaegg  (  ~  ) 

308  z.  16  y.  o.  capio 
-  812  z.  5  v.  u.  carato 
812  z.  6  y.  u.   drftau 
319  z.  21  v.  o.   das  semicolon  vor 
aus  ist  zu  tilgen 
:   320  z.  6  y.  o.  stamm  (nvO-pfv) 
•  336  die  anmerk.  d.  red.  mufs  fort- 
fallen; das  versehen  war  auf  ihrer 
seite,  da  Schleicher  in  einem  nach- 
trage zu  p.  97    seines  werks  die 
Schreibung  nog"t'  besprochen  hatte. 

860  z.   10  v.  o.  suavis 

861  z.  13  v.  u.  hinzuzufügen:  doch 
mag  Kirchhoff  „stadtrecht  v.  Ban- 
tia"  s.  25  recht  haben,  wenn  er 
behauptet  das  esk.  allo  sei  nicht 
=  olla,  sondern  ssalia,  rtXXij.  Schw. 

362  z.  10  v.  u.  mumJku 

364  z.  7  v.  o.  nur 

867  z.  11,  v.  o.  im  griechischen  st 
im  gothischen 

878  z.  12  y.  o.  die  annähme  eines 
08k.  -ceii  neben  -c,  -k  scheint  doch 
etwas  bedenklich,  da  wohl  Kirch- 
hof erkl&rung  1.  1.  s.  86  unan- 
tastbar ist    Schw. 

378  z.  8  v.  u.  seien  geschiedene  — 
Senati 

888  z.  16  y.  o.  upajfvanti 

897  z.  17  v.  o.  Schweizer  p.  881. 

400  z.  11  v.  o.  goth.  gratan 

405  z.  5  y.  u.  wäre  noch 

421  z.  6  v.  u.  ou 

451  z.  7  v.  o.  ist  vor  der  klammer 
eine  bemerkung  des  herrn  vf  s.  aus- 
gefallen, nach  der  alessa  mit  acu- 
leus  verwandt  sein  sollte. 

455  z.  16  y.  u.  Zusammenhang 

456  z.  6  v.  u.  namentlich 
458  z.  7  y.  u.  nhd.  schöff 

461  z.  16  v.  o.  n 

462  z.  19  y.  u.  nhd.  senne 
464  z.  11  y.  o.  minnists 
466  z.  4  v.  o.  muna 

466  z.  17  v.  o.  dafs 

469  z.  7  v.  o.   -*tj|U* 

470  z    12  v.  o.  thimpami 

470  z.  16  v.  o.  anderes 

471  z.  13. 14  v.  u.  weshalb  man  sie 
st  und  die  man  deshalb. 


VERZEICHNIS 

VON 

WERKEN 

AUS  DEM  GEBIETE  DER 

SPRACHFORSCHUNG 

ERSCHIENEN 


in  Berlin- 


September  1857. 


BERLIN, 

GEDRUCKT  BEI  A.  W.  SCHADE,  QBÜN8TRA88E  18. 


I  1857. 


A.   Allgemeine  Sprachwissenschaft 


System  der  Sprachwissenschaft,  von  K.  W.  L.  Heyse. 
Dach  dessen  Tode  herausgegeben  von  Dr.  H.  Steinthal, 
Privatdocenten  an  der  Universität  zu  Berlin.  1856.  gr.  8. 
geh.     2Thlr.  15  Sgr. 

Durch  die  Veröffentlichung  dieses  Werkes,  das  die  allgemeinen  Er- 
gebnisse der  neueren  Sprachwissenschaft  mit  seltener  Klarheit,  Kürze 
und  Uebersichtlichkeit  darstellt,  wird  nicht  nur  allen  Sprachforschern 
von  Fach,  zu  welcher  Richtung  sie  sich  auch  bekennen  mögen,  sondern 
überhaupt  Allen,  die  irgend  ein  Interesse  an  Sprachwissenschaft  nehmen, 
ein  nicht  geringer  Dienst  erwiesen  sein.  Ein  Beurtheiler  (Georg  Curtius) 
im  literar.  Centralblatt  sagt  über  dieses  Werk: 

„Dies  Werk,  in  welchem  wir  eine  der  gediegensten  Arbeiten  auf  dem 
Gebiete  der  Sprachwissenschaft  zu  begrüfsen  haben,  ist  die  reife  Frucht 
eines  vorzugsweise  der  allgemeinen  Sprachforschung  gewidmeten  Lebens. 
—  Durch  den  Reichthum  des  Inhaltes  und  die  glückliche  Form  ist  es 
geeignet,  für  längere  Zeit  ein  Hauptwerk  für  alle  hier  einschlagenden 
Forschungen  zu  bleiben.  Ganz  besonders  aber  möchten  wir  es  allen 
Denen  empfehlen,  welche  an  Schule  und  Universität  Sprache  zu  lehren 
berufen  sindu  u.  s.  w. 

TJeber  den  Ursprung  der  Sprache  von  Jacob  Grimm. 
Aus  den  Abhandlungen  der  königlichen  Akademie  der  Wis- 
senschaften vom  Jahre  1851.  Dritte  Auflage.  1852.  gr.  8. 
geh.    15  Sgr. 

Es  war  vor  allem  die  Thunlichkeit  einer  Untersuchung  über  den 
Ursprung  der  Sprache  zu  erweisen.  Nachdem  hierauf  dargethan  wor- 
den, dafs  die  Sprache  dem  Menschen  weder  von  Gott  unmittelbar  aner- 
sehaffen,  noch  geoffenbart  sein  könne,  wird  sie  als  Erzeugnifs  freier 
menschlicher  Denkkraft  betrachtet.    Alle  Sprachen  bilden  eine  geschieht- 


Allgemeine  Sprachwissenschaft. 


liehe  Gemeinschaft  und  knüpfen  die  Welt  an  einander.  In  ihrer  Ent 
wicklung  werden  drei  Hauptperioden  unterschieden,  welche  mit  meister- 
hafter Feinheit  und  Durchsichtigkeit  geschildert  werden. 

Der  Ursprung  der  Sprache  im  Zusammenhange  mit  den 
letzten  Fragen  alles  Wissens.  Eine  Darstellung  der  An- 
sichten Wilhelm  von  Humboldts,  verglichen  mit  denen  Her- 
ders und  Hamanns  von  Dr.  H.  Stein thal.  1851.  gr.  8. 
geh.    15  Sgr.    (Vergl.  S.  8.:  Sprachwiss.  Abhandl.) 

Es  lag  dem  Verfasser  vorzüglich  daran,  die  Gebildeten  überhaupt, 
besonders  aber  die  Metaphysiker  und  Psychologen  auf  die  hohe  Wich- 
tigkeit der  Frage  nach  dem  Ursprünge  der  Sprache  dadurch  aufmerksam 
zu  machen,  dato  er  deu  Zusammenhang  derselben  mit  dem  Verhältnifs 
von  Gott  und  Menscheu,  Unendlichem  und  Endlichem,  Leben  und  Tod, 
Allgemeinem  und  Einreinem  nachwies.  Aufserdem  hat  er  seine  früheren 
Arbeiten  über  W.  v.  Humboldt  hiermit  ergänzen  gewollt. 

Ueber  die  Verschiedenheit  des  menschlichen  Sprachbaues 

und  ihren  Einflufs  auf  die  geistige  Entwicklung  des  Men- 
schengeschlechts von  Wilhelm  von  Humboldt.  1836. 
gr.  4.    geh.     4  Thlr. 

In  diesem  Werke  hat  der  berühmte  Verfasser  den  Kern  seines 
ideellen  Lebens  niedergelegt.  Wie  er  darin  eine  Anschauungsweise  der 
Sprachwissenschaft  vom  Standpunkte  der  Weltgeschichte  aus  begründet, 
eben  so  sehr  lehrt  er  darin  eine  Weltanschauung  von  dem  Standpunkte 
der  Sprache  aus.  Beginnend  mit  der  Betrachtung  der  die  geistige  Ent- 
wicklung des  Menschengeschlechts  hauptsächlich  bestimmenden  Momente 
($.  1—6)  gelangt  er  zur  Sprache,  als  einem  vorzüglichen  Erklirungs- 
gruude  jenes  Entwicklungsganges  ( $.  7  ).  Er  seiebnet  die  Richtung  yor, 
welche  die  Sprachforschung  zu  nehmen  hat,  um  ihren  Gegenstand  in 
dieser  Weise  zu  beurtheilen  ($.6)  und  wird  dadurch  zu  einer  tieferen 
Darlegung  des  Wesens  der  Sprache  geführt  ($.9—12).  Sodann  genauer 
auf  das  Sprachverfahren  eingehend,  stellt  er  die  allgemeinsten  und  alle 
Theile  der  Sprache  durchdringenden  Eigentümlichkeiten  derselben  dar 
($.13  —  18),  nach  welchen  er  sie  classificirt  (§.19).  Als  den  Punkt 
aber,  von  dem  die  Vollendung  der  Sprache,  ihre  EntwickclangsfShigkeit 
und  ihr  Einflufs  auf  ^o-  Volksgeist  abhängt,  hebt  er  die  grössere  oder 
geringere  Stärke  der  synthetischen  Kraft  derselben  hervor  and  führt 
den  Nachweis  sowohl  rücksichtlich  der  indoeuropäischen,  als  der  semi- 
tischen, amerikanischen  und  der  einsylbigen  Sprachen  (§.21  —  24).  Die 
Beantwortung  der  Frage,  ob  der  mehrsilbige  Sprachbau  aus  der  Ein- 
silbigkeit hervorgegangen  sei,  bildet  den  Schlafs  (§.  25)  dieses  grofs- 
artigen  Werkes. 


Allgemeine  Sprachwissenschaft. 


Grammatik,  Logik  und  Psychologie,  ihre  Principien  und 
ihr  Verh&ltnifs  zu  einander,  von  Dr.  H.  Steinthal,  Pri- 
vatdocenten  für  allgemeine  Sprachwissenschaft  an  der  Uni- 
versität zu  Berlin.    1855.    gr.  8.    geh.   2  Thlr.  15  Sgr. 

In  diesem  Bache  stellt  der  Verf.,  dessen  frühere  kleine  Schriften 
eine  nngewöhnliohe  Aufmerksamkeit  erregt  haben,  seine  sprachwissen- 
schaftliche Grundansicht  in  erwünschter  Ausführlichkeit  dar.  Sein  Be- 
mühen ist  vorzüglioh  darauf  gerichtet,  den  Begriff  der  innern  Sprachform 
zu  entwickeln,  hierdurch  der  Grammatik  einen  eigen  thü  ml  ich  en  Boden 
anzuweisen,  sie  besonders  scharf  von  der  Logik  abzuscheiden  und  mit 
der  Psychologie  in  enge  Verbindung  zu  bringen.  Das  Buch  zerfällt  in 
drei  Theile.  Der  erste  weist  die  falsche  Begründung  durch  die  Logik 
zurück;  der  zweite  stellt  ausführlich  das  Verhältnifs  zwischen  Logik  und 
Grammatik  dar,  wobei  die  wichtigsten  Punkte  dieser  beiden  Wissen- 
schaften vergleichend  zur  Sprache  kommen;  der  dritte,  der  aber  die 
Hälfte  des  Buches  umfafst,  legt  die  eigentümlichen  Principien  der 
Grammatik  und  ihr  psychologisches  Wesen  dar. 

lieber  den  Naturlaut  von  Joh.  Carl  Ed.  Buschmann. 
[Besondrer  Abdruck  aus  den  Abhandlungen  der  König]. 
Akademie  der  Wissenschaften  zu  Berlin  aus  dem  Jahre 
1852.]    1852.    gr.  4.    geh.    15  Sgr. 

Der  Verf.  bemüht  sich  zu  zeigen,  dafs  aus  der  Thatsache,  dafs 
für  die  Begriffe  der  nächsten  Verwandtschaftsverhältnisse  fast  in  allen 
Sprachen  ähnlich  klingende  Laute  vorbanden  sind,  kein  Schlufs  auf  eine 
allgemeine  Verwandtschaft  der  Sprachen  gezogen  werden  dürfe.  Er  be- 
zeichnet diese  einfachsten,  aus  dem  Munde  der  Kinder  zuerst  vernom- 
menen und  folglich  den  Kindern  geläufigsten  Laute,  die  eben  deshalb 
von  allen  Völkern  in  gleicher  Weise  auf  die  Begriffe  von  Vater,  Mutter 
u.  s.  w.  übertragen  werden,  mit  dem  Namen  Naturlaut  und  stellt  sie 
für  grofse  Reihen  von  Sprachen  in  Tabellen  auf. 

Die  Sprachwissenschaft  Wilhelm  von  Humboldts  und  die 
Hegeische  Philosophie  von  Dr.  H.  Steinthal.  1848.  gr.  8. 
geh.    20  Sgr.    (Vergl.  S.  8:    Sprachwiss.  Abhandl.) 

Es  lag  dem  Verfasser  zunächst  und  zu  allermeist  daran,  die  Unnah- 
barkeit der  dialektischen  Methode  Hegels  dadurch  zu  beweisen,  dafs  er 
zu  zeigen  suchte,  wie  diese  über  sich  selbst  hinaus  zur  genetischen  treibt, 
welcher  Wilhelm  v.  Humboldt  huldigt.  Hierauf  giebt  er  eine  Darstel- 
lung der  Grundlagen  und  des  Ziels  der  Sprachwissenschaft  Humboldt1  a 
mit  beständiger  Zurückweisung  der  unberechtigten  Forderungen  und 
gehaltlosen  Leistungen  der  Dialektik, 


Allgemeine  Sprachwissenschaft, 


Die  Classification  der  Sprachen  dargestellt  als  die  Ent- 
wicklung der  Sprachidee  von  Dr.  H.  Steinthal.  1850. 
gr.  8.     geh.     15  Sgr. 

(Vergl.  S.  8.  Sprachwissenschaft!  Abhandl.) 

Diese  Schrift  enthält  zuerst  eine  Kritik  der  bisherigen  Sprachclasei- 
ficationen  und  damit  der  heutigen  Sprachwissenschaft  überhaupt.  Beson- 
ders ausfuhrlich  wird  Wilhelm  v.  Humboldt  nach  seiner  genialen,  wie 
nach  seiner  mangelhaften  Seite  dargestellt-  Darauf  giebt  der  Verfasser 
nach  einer  neuen  Auflassungsweise  des  Wesens  der  Sprache  eine  Ein- 
tbeihing  der  Sprachen  in  dreizehn  Classen  nach  einer  den  natürlichen 
Pflanzen-  und  Thiersystemen  analogen  Methode. 


Heber  den  Dualis  von  Wilhelm  von  Humboldt. 
1828.     gr.4.     12$  Sgr. 

Diese  Abhandlung  dürfte  aus  manchen  Gründen  Humboldts  schönste 
und  tiefste  Arbeit  genannt  werden;  auch  wirft  sie  auf  viele  wichtige 
Stellen  seines  grösseren  Werkes  ein  sehr  erwünschtes  Licht.  Die  Not- 
wendigkeit solcher  Untersuchungen  über  einzelne  grammatische  Formen 
wird  rorn  Verfasser  selbst  im  Eingange  dargestellt.  Nach  der  Ueber- 
sicht  des  räumlichen  Umfanges  der  Sprachstamme,  in  denen  sich  die 
Dualform  findet,  wird  die  Natur  derselben  zuerst  nach  der  Beobachtung 
der  Sprachen  selbst  bestimmt,  dann  in  tiefster  Weise  aus  allgemeinen 
Ideen  abgeleitet,  mit  Berücksichtigung  der  phantasie vollen  und  rein  ver- 
ständigen Seite  der  Sprache.' 

TJeber  die  Verwandtschaft  der  Ortsadverbien  mit  dem 
Pronomen  in  einigen  Sprachen  von  Wilhelm  von  Hum- 
boldt.    1830.    gr.4.     10  Sgr. 

Eine  Darstellung  des  Pronomens  selbst  leitet  diese  Abhandlung  ein, 
in  welcher  durch  das  Beispiel  der  Pronomina  der  Sprache  der  Tonga- 
oder Freundschaftsinseln  und  anderer  malayischer  Sprachen,  ferner  der 
chinesischen,  japanischen  und  endlich  besonders  der  armenischen  Sprache 
gezeigt  wird,  wie  die  Pronomina  aus,  den  Ortsadverbien  hergenommen 
werden  können. 

De  pronomine  relativo  commentatio  philosophko-philo- 
logica  cum  excursu  de  nominativi  particula.  Scrip6it 
H.  Steinthal,  Dr.  Adjecta  est  tabula  lithographica  signa 
Sinica  continens.  1847.  gr.  8.  geh.  20  Sgr. 

(Vergl.   S.  8.  Sprach wissenschaftl.  Abhandl.) 

Per  Verfasser  sucht  die  Bedeutung  des  Pronomen  relatiyum  für  das 


Allgemeine  Sprachwissenschaft 


Satzgefüge  aufzufinden.  Die  Untersuchung  beginnt  mit  dem  einfachsten 
Satze.  Indem  nfimlich  der  Verfasser  sogleich  von  Anbeginn  die  philo- 
sophische Reflexion  mit  den  Thatsachen  verbindet  und  nach  der  gegen- 
seitigen Durchdringung  beider  strebt,  zeigt  sich,  dafs  in  den  niedriger 
stehenden  Sprachen  das  Pronomen  relativum  schon  zur  Bezeichnung  der 
einfachsten  Satzverhältnisse,  vorzüglich  aber  als  Partikel  des  Attributs 
verwandt  wird.  Stufenweise  wird  die  weitere  Entwickelung  des  Satzes, 
die  schärfere  Absonderung  und  formelle  Ausbildung  des  Pronomen  re- 
lativum, wie  endlich  in  immer  steigender  Vollendung  der  Organisation 
der  Sprachen  verfolgt,  welche, drei  Punkte,  als  mit  einander  Hand  in 
Hand  gehend,  in  engerem  Zusammenhange  betrachtet  werden.  Diese 
kleine  Schrift,  die  erste  des  Verfassers,  enthält  den  Keim  zu  allen  sei- 
nen folgenden  Arbeiten  und  ist  besonders  ein  guter  Kommentar  zu  sei- 
ner Classification  der  Sprachen. 

Frauennamen  aus  Blumen  von  Jacob  Grimm,  vorge- 
lesen in  der  akademie  am  12.  Februar  1852.  gr.  4.  geh. 
(Vergriffen.)     12  Sgr. 

Zwei  sprachvergleichende  Abhandlungen: 

1 )  Ueber  die  Anordnung  und  Verwandtschaft  des 
Semitischen,  Indischen,  Aethiopischen,  Alt -Persischen  und 
Alt-Aegyptischen  Alphabets. 

2)  Ueber  den  Ursprung  und  die  Verwandtschaft  der 
Zahlwörter  in  der  Indogermanischen,  Semitischen  und  Kop- 
tischen Sprache, 

von  Dr.  Richard  Lepsius.    1837.    gr.  8.    geh.     1  Thlr. 

Der  Verfasser  fuhrt  in  der  ersten  Abhandlung  mit  Scharfsinn  und 
Gelehrsamkeit  die  Sätze  durch,  dafs  1)  die  Ordnung  der  Buchstaben  im 
alten  semitischen  Alphabete  nach  einem  organischen  Principe  gemacht 
ist,  dafß  diese  Anordnung  aber  2)  genau  und  vom  ersten  Buchstaben 
an  mit  der  historischen  Entwickelung  des  Sprachorganismus  überein- 
stimmt, woraus  folgt,  dafs  3)  das  semitische  Alphabet  sich  nur  allmäblig 
und  zugleich  mit  der  Sprache  selbst  so  gebildet  habe,  wie  wir  es  vor- 
finden. Hierdurch  wird  sein  Ursprung  in  die  Anfänge  der  Geschichte, 
und  jedenfalls  vor  die  Trennung  des  semitischen,  ägyptischen  und  indo- 
europäischen Stammes  gesetzt.  Dies  fuhrt  auf  eine  Vergleichung  des 
semitischen  Alphabets  mit  dem  indischen  und  den  Hieroglyphen,  und 
wird  der  gemeinschaftliche  Ursprung  dieser  drei  erhärtet.  Dasselbe 
doppelte  Interesse,  die  Verwandtschaft  jener  drei  Sprachstämme,  wie  den 
innigen  organischen  Zusammenhang  von  Sprache  und  §chriit  nachzuwej* 


8  Allgemeine  Sprachwissenschaft. 


sen,  herrscht  auch  in  der  zweiten  Abhandlung.  Es  wird  demgemäfs  aufeer 
der  Verwandtschaft  der  ägyptischen,  semitischen  und  indo- europäischen 
Zahlen  auch  die  Uebereinstunmung  swrischen  der  Bildung  der  Zahlwörter 
durch  Zusammensetzung  mit  dem  ägyptischen  Ziffersysteme  von  der  Zahl 
vier  an  bis  zehn  dargelegt.  Die  durchaus  einfachen  drei  ersten  Zah- 
len aber  werden  auf  Pronominalstamme  zurückgeführt.  Der  Verfasser 
geht  hierauf  zu  den  Spuren  des  Duodecimalsystems  und  dem  Decimal- 
sygtem  über  und  schliefst  nach  einer  Abschweifung  über  die  Bildung 
der  Ordinalia  das  Ganze  mit  einer  Nachweisung  der  ursprünglichen 
Femininformen  der  Zahlwörter. 


Die  Entwicklung  der  Schrift.  Nebst  einem  offenen  Send- 
schreiben an  Herrn  Prof.  Pott.  Von  Dr.  EL  Steinthal. 
1852.    gr.  8.   geh.    22J  Sgr.    ( Vergl.  das  folgende  Werk.) 

Diese  Abhandlung  zerfallt  in  einen  allgemeinen  und  einen  besondern 
Theil.  Im  entern  wird  der  Begriff  der  Schrift  erörtert,  wobei  der  Verf. 
in  seiner  bekannten  Weise  an  W.  v.  Humboldt  anknüpft,  ihn  kritisirend, 
begründend  und  weiterführend.  Sein  Gesichtspunkt  ist  der  psychologi- 
sche ,  von  welchem  aus  im  andern  Theile  der  Abhandlung  die  verschiede- 
nen Schriftarten  als  die  Entwicklungsstufen  des  Begriffes  der  Schrift  in 
folgender  Reihenfolge  dargestellt  werden:  Die  Sphriftmalerei  der  wilden 
Nordamerikaner  und  der  Mexikaner;  die  Bilderschrift  der  Chinesen  und  Ae- 
gypter,  welche  mit  einander  verglichen  werden.  Den  übrigen  bekanntereu 
Schriftarten,  welche  leichter  erledigt  werden  konnten,  wird  in  der  Ent- 
wicklungsreihe, die  endlich  mit  den  Runen  schliefst,  die  ihnen  gebüh- 
rende Stelle  angewiesen.  —  Das  Sendschreiben  stellt  des  Verf.  Verhält- 
nifs  zu  Humboldt  dar  und  bespricht  die  innere  Form  und  die  Classi- 
fication der  Sprachen. 

Gesammelte  sprachwissenschaftliche  Abhandinngen  von 
Dr.  H.  Steinthal.    1856.     gr.  8.     geh.     1  Thlr.  15  Sgr. 

Sämmtliche  bisher  einzeln  erschienene  Abbandlungen:  De  prono- 
mine  relativo;  Die  Sprachwissenschaft  Wilhelm  von  Hum- 
boldts; Die  Classification  der  Sprachen;  Der  Ursprung  der 
Sprache;  Die  Entwicklung  der  Schrift  (zusammen  ca.  34  Bogen, 
im  Ladenpreise  von  über  3  Thlr.),  sind  hier  auf  den  Wunsch  des  Herrn 
Verfassers  zu  einem  Bande  mit  besonderem  Titel  vereinigt. 


Indogermanische  Sprachen.    Im  Allgemeinen. 


B.    Indogermanische  Sprachen. 


Im  Allgemeinen. 

Ueber  die  Namen  des  Donners.  Eine  akademische  Ab- 
handlung, vorgelesen  am  12.  Mai  1853.  Von  Jacob  Grimm. 
1855.     gr.  4,     geh.     12  Sgr.    , 

Diese  Abhandlung  giebt  die  Etymologieen  der  Ausdrücke  für  Don- 
ner in  der  deutschen  sowie  in  den  übrigen  indogermanischen  Sprachen. 
Es  werden  aber  auch  die  finnischen  (oder  nralischen)  Sprachen  zur 
Vergleichung  herbeigezogen,  wobei  sich  überraschende  Zusammenstim- 
mungen in  Laut  und  Begriff  ergeben.  Diese  erhalten  noch  tiefere  und 
umfassendere  Bedeutung  dadurch,  dafs  sie  Hand  in  Hand  mit  mytholo- 
gischen Beziehungen  gehen.  Vier  Excurse  dienen  zur  Ergänzung  und 
genaueren  Begründung  einzelner  Punkte.  Namentlich  zeigt  Auslauf  A, 
dafs  aufser  den  vorgeführten  Beziehungen  zwischen  finnischer  und  deut- 
scher Zunge  in  den  Namen  des  Donners  auch  sonst  noch  ein  Zusammen- 
treffen beider  nicht  selten  ist  und  Auslauf  C  betrachtet  die  griechische 
Motioosform  i'/?,  et«. 

Ueber  den  Liebesgott  von  Jacob  Grimm.  Gelesen  in 
der  Akademie  am  6.  Januar  1851.  1851.  gr.  4.  geh. 
(Vergriffen.)    7\  Sgr. 


üeber  den  Personenwechsel  in  der  Rede,  von  Jacob 
Grimm.  Aus  den  Abhandlungen  der  König].  Akademie 
der  Wissenschaften  zu  Berlin  1856.    gr.  4.    cart.     22  Sgr. 


Vergleichende  Grammatik  des  Sanskrit,  Send,  Armeni- 
schen, Griechischen,  Lateinischen,  Litauischen,  Altslavischen, 
Gothischen  und  Deutschen  von  Franz  Bopp.  Zweite, 
gänzlich  umgearbeitete  Ausgabe.  Erster  Band.  Erste  Hälfte. 
1856.     Zweite- Hälfte.     1857.     gr.  8.    geh.     &  2  Thlr. 

Die  vergleichende  Grammatik,  das  Endergebnifs  der  vielseitigen 
Forschungen  des  Verfassers,  hat  vor  allen  übrigen  Werken  desselben 


10  Indogermanische  Sprachen.    Im  Allgemeinen. 

der  Sprachvergleichung  einen  festen  Grund  und  Boden  geschaffen.  Der 
Zweck  der  darin  geführten  Untersuchungen  ist  ein  doppelter.  Wenn 
einerseits  nachgewiesen  wird,  dafs  die  indo-europäischen  Sprachen  in  deu 
von  ihnen  ausgebildeten  Sprachformen  entweder  eine  vollkommene  Iden- 
tität zeigen  oder  zur  Darstellung  derselben  sich  verwandter  Mittel  be- 
dienen, ist  andererseits  das  unablässige  Streben  des  Verfassers  darauf 
gerichtet,  der  Entstehung  und  Bedeutung  dieser  Sprachformen  auf  die 
Spur  zu  kommen  und  so  den  Organismus  des  Sprachkörpers  zu  erken- 
nen. Dient  die  entere  dieser  engverknüpften  Richtungen  vorzüglich 
dazu,  die  Geschichte  der  Sprache  aufzuhellen,  so  sucht  die  andere  das 
Wesen  derselben  zu  ergründen,  d.  h.  in  der  letzten  Instanz  den  Schleier 
zu  lüften,  welcher  das  Verhältnis  zwischen  dem  Gedanken  und  dem 
lautlichen  Ausdruck  desselben  bedeckt  hält.  — 

Diese  neue  umgearbeitete  Auflage  erscheint  in  drei  Bänden  von 
dreifsig  bis  vierzig  Bogen  zum  Preise  von  4  Thlr.  für  den  Band,  wel- 
cher Preis  aber  nur  bis  zum  Erscheinen,  des  dritten  Bandes 
gilt;  sobald  das  Werk  vollständig  geworden,  tritt  unwiderruflich  ein 
Ladenpreis  von  15  Thlr.  für  das  ganze  Werk,  und  von  5  Thlr.  für  die 
einzelnen  Bände  ein. 

In  drei  Jahren  wird  dasselbe  vollständig  erschienen  sein.  Die  erste 
Abtheilung  des  zweiten  Bandes  wird  nächste  Oster- Messe  ausgegeben 
werden. 

Vergleichendes  Accentnationssystem  nebst  einer  gedräng- 
ten Darstellung  der  grammatischen  Uebereinstimmungen  des 
Sanskrit  und  Griechischen  von  Franz  Bopp.  1854.  gr.  8. 
geh.    2  Thlr. 

In  der  indo- europäischen  Sprachfamilie  lassen  in  Bezug  auf  die 
Accentuation  nur  das  Sanskrit  und  das  Griechische  eine  durchgreifende 
Vergleichung  unter  einander  zu.  Um  die  Uebereinstimmung  beider  Spra- 
chen hinsichtlich  ihres  Accentuationsverfahrens  in  allen  Einzelnheiten 
nachzuweisen,  war  es  nothwendig  den  ganzen  Sprachorganismus  in  Be- 
trachtung zu  ziehen,  so  dafs  die  obige  Schrift  aufser  der  vergleichenden 
Accentuationslehre,  die  ihre  eigentliche  Bestimmung  ist,  auch  die  Grund- 
züge einer  vergleichenden  Formenlehre  der  betreffenden  Sprachen  dar- 
bietet, wobei  es  nicht  vermieden  werden  konnte,  gelegentlieh  auch  an- 
deren Gliedern  der  indo-europäischen  Spraohfamilie  einen  Blick  zuzu- 
wenden. Am  ausfuhrlichsten  ist  die  Wortbildung  behandelt  worden  und 
am  Schlüsse  eine  tabellarische  Zusammenstellung  der  gewonnenen  Re- 
sultate gegeben,  wodurch  Jeder  leicht  zu  der  Ueberzeugung  gelangen 
wird,  dafs  in  diesem  Theile  der  Grammatik  die  Jahrtausende,  welche  das 
Griechische  vom  Sanskrit  trennen,  es  nicht  vermocht  haben,  in  Bezug 
auf  Form  und  Betonung  in  der  einen  oder  andern  der  verglichenen  Spra. 


Indogermanische  Sprachen.    Im  Allgemeinen.  11 

chen  solche  Aenderungen  hervorzubringen,  die  nur  einen  augenblicklichen 
Zweifel  an  der  ursprüglichen  Identität  derselben  veranlassen  könnten. 

Ueber  einige  Demonstrativstamnie  und  ihren  Zusammen- 
hang mit  verschiedenen  Präpositionen  und  Conjunctionen  im 
Sanskrit  und  den  mit  ihm  verwandten  Sprachen  von  Franz 
Bopp.     1830.    gr.  4.     7£  Sgr. 

Ueber  den  Einfluss  der  Pronomina  auf  die  Wortbildung 
im  Sanskrit  und  den  mit  ihm  verwandten  Sprachen  von 
Franz  Bopp.     1832.    gr.  4.     7£  Sgr. 

Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung  auf-  dem 
Gebiete  des  Deutschen,  Griechischen  und  Lateinischen, 
begründet  von  Dr.  Theodor  Aufrecht,  Privatdocenten 
an  der  Universität  zu  Berlin,  und  Dr.  Adalbert  Kuhn? 
Professor  am  Cölnischen  Gymnasium  ebendaselbst,  fortge- 
führt von  letzterem.  Band  I— VI  1851—57.  cart.  ä  3JThlr. 
Der  Band  von  6  Heften  zum  Subscriptionspreise  von  3  Thlr. 
Band  VII  Heft  1  erscheint  noch  im  Laufe  des  Jahres  1857. 

Diese  Zeitschrift  will  durch  eine  kritische  Ergründnng  der  genann- 
ten drei  Sprachen,  besonders  aber  des  etymologischen  Theila  derselben, 
deren  ursprüngliche  Form  wiederaufbauen  und  indem  sie  auf  die  frühe- 
sten Perioden  derselben  zurückgeht  und  dem  Gange  der  Sprache  folgt, 
also  genetisch,  die  Bedeutung  der  ausgebildeten  Formen  erforschen.  — 
Zu  diesem  Zweck  wendet  sich  die  Untersuchung  bald  einer  der  drei 
Sprachen  unter  Berücksichtigung  ihrer  Dialekte  mehr  oder  weniger  aus- 
schliefslich  zu,  bald  vergleicht  sie  zwei  derselben  oder  alle  drei  unter 
einander,  indem  sie,  wo  es  erforderlich  ist,  das  Sanskrit  als  die  älteste 
Schwester  dieser  drei  zu  Rathe  zieht.  Hierdurch  fällt  nicht  selten  Licht 
auf  die  älteste  Geschichte  der  europäischen  Volksstämme  und  namentlich 
auf  den  Zusammenhang  derselben  in  der  Periode  ihrer  Sprachbildung. 

Durch  die  Beschränkung  auf  eine  kleinere  Zahl  von  Sprachen  wird 
der  Vortbeil  erreicht,  die  einzelnen  Sprachen  schärfer  zu  erfassen,  als  es 
bei  der  Ausdehnung  über  ein  gröberes  Gebiet  möglich  wäre;  für  die 
gewählten  Sprachen  aber  entschied  man  sich,  weil  sie  unter  den  indo- 
europäischen zu  der  reichsten  Entwickelung  gelangt  sind  und  ferner  weil 
die  Werke,  die  in  denselben  niedergelegt,  für  unsere  Bildung  so  bedeut- 
sam sind,  dafs  ihre  Grammatik  der  gründlichen  Erforschung  wohl  vor- 
züglich würdig  ist.  Durch  Besonnenheit  der  Methode,  sowie  durch  Klar- 
heit und  Bündigkeit  der  Darstellung  wird  sich  die  Zeitschrift  jedem  Phi- 
lologen empfehlen, 


12  Indogermanische  Sprachen*    Sanskrit. 

Beitrage  zur  vergleichenden  Sprachforschung  auf  dem 
Gebiete  der  arischen,  celtischen  und  slawischen  Sprachen, 
herausgegeben  von  A.  Kuhn  und  A.  Schleicher.  Sup- 
plement zur  Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung. 
I.  Bd.,  Heft  1.    1856.  Heft  2.   1857.  gr.  8.  geh.  ä  1  Thlr. 

Der  Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung  treten  hiermit 
Supplementhefte  an  die  Seite,  in  welchen  diejenigen  Sprachen  des  indo- 
germanischen Sprachstammes  vergleichend  behandelt  werden  sollen,  die 
bei  der  Zeitschrift  grundsätzlich  ausgeschlossen  werden,  also  namentlich 
das  Sanskrit,  die  slawischen  und  celtischen  Sprachen. 

Aus  dem  reichen  Inhalte  der  ersten  beiden  Hefte  begnügen  wir  ans 
folgende  Arbeiten  hier  anzuführen:  Schleicher,  Kurzer  abrifs  der  ge- 
schieh te  der  slawischen  spräche;  Spiegel,  Cyrua  und  Kuru.  Cambyses 
und  Kamboja;  Kiepert,  Andeutungen  zu  Untersuchungen  über  den  ari- 
schen charaoter  der  mediachen  spräche;  Pott,  üeber  die  erste  person 
des  imperativ«:  Miclosich,  Verba  intensivaim  altslovenisohen;  Pictet, 
Iren  und  Arier;  Aufrecht,  Celtica;  Spiegel,  Zur  altbactrischen  Syn- 
tax; Bugge,  Vermischtes  aus  der  spräche  der  Zigeuner;  Ebel,  Celtische 
Studien;  Whitney,  Beitrage  zur  theorie  des  sanskrit  verbalaccents ; 
Miclosich,  Das  suffix  -  *  ( -  ü  )  im  alt slo venischen. 


Sanskrit. 

Glossarium  Sanskritum  in  quo  omnes  radices  et  vocabula 
usitatissima  explicantur  et  cum  vocabulis  Graecis,  Latinis, 
Germanicis,  Litthuanicis,  Sclavicis,  Celticis  comparantur  a 
Francisco  Bopp.  Fase.  tres.  1847.  gr.  4.  6Thlr.  20Sgr. 

Für  die  Leetüre  der  bis  jetzt  zugänglichsten  und  verbreitetsten 
Sanscritwerke  bestimmt,  hat  das  Glossar  den  Vorzug,  dafs  die  Bedeu- 
tungen derWörter  nicht  auf  frühere  Autorität  angenommen,  sondern 
fast  durchgängig  aus  den  behandelten  Schriftstellern  nachgewiesen  sind. 
Wichtig  wird  es  überdies  durch  die  Fülle  von  Wortvergleichungen  aus 
dem  gesammten  Bereich  der  verwandten  Sprachen  und  die  kritische  Un- 
tersuchung des  Wurzel vorrathes. 

Atharva-Veda-Sanhita,  herausgegeben  von  R.  Roth  und 
W.D.Whitney.  Erste  Abtheilung.  1855.  hoch  4.  geh. 
8  Thlr.-  Zweite  Abtheilung  (das  zwanzigste  Buch  des 
Athanra-Veda.)     1856,    hoch  4.    geh.  1  Thlr.  15  Sgr, 


Indogermanische  Sprachen.    Sanskrit.  13 

Hiermit  iat  der  Text  dieses  Veda  vollständig  aasgegeben. 

Die  dritte  Abtheilung  wird  eine  Einleitung  in  den  Atharva-Veda, 
kritische  und  erklärende  Noten  und  verschiedene  andere  Beilagen  ent- 
härten. 

The  white  Yajurveda  edited  by  Dr.  Albrecht  Weber. 
Parti.  The  Väjasaney i - Sanhitä  in  the  M&dhyandina  and 
the  K&nva-Qäkhä  with  the  commentary  of  Mahidhara. 
1849  —  52.     gr.  4.     cart.    21  Thlr.  20  Sgr. 

Part  IL  The  Qatapatha-Brabmana  in  the  Midhy- 
andina-Qäkba  with  extracts  made  from  the  commentaries 
of  Säjana,  Harisvämin  and  Dvivedagaoga.  1849  —  56. 
gr.  4.     cart.     24  Thlr.  20  Sgr. 

Part  III.  The  Qrautasütra  of  Kätyäyana  with  extracts 
from  the  commentaries  of  Karka  and  Yäjnikadeva.  No.l — 3. 
1856.  57.     gr.  4.     geh.     9  Thlr. 

Jfrahma-Vaivarta-Pur&ni  specimen.  Textum  e  codice  ma- 
miBcripto  bibliothecae  regiae  Berolinensis  edidit  interpreta- 
tionem  Latinam  adjecit  et  commentationem  mythologicam 
et  criticarn  praemisit  Ad.  Fr.  Stenzler.  1829.    4.   20  Sgr. 

Diluvium  cum  tribus  aliis  Maha-Bhärati  praestantissimis 
epieodiis  primus  edidit  Franciscus  Bopp.  Fasciculus 
primus,  quo  continetur  textus  Sanscritus.  1829.  4. 
2  Thlr.  20  Sgr. 

Hierzu  die  deutsche  Uebersetzung ; 

Die  Sündfluth,  nebst  drei  anderen  der  wichtigsten  Epi- 
soden des  Mahä-Bhärata.  Aus  der  Ursprache  übersetzt 
von  Franz  Bopp.    1839.    8.     20  Sgr. 

Ghatacarparam,  Das  zerbrochene  Gefäfs,  ein  sanskriti- 
sches Gedicht,  herausgegeben,  übersetzt,  nachgeahmt  und 
erläutert  von  G.  M.  Dur  seh.    1828.    4.     20  Sgr. 

KsMt^avan^avallcharitam,  a  Chronicle  of  the  family  of 
Raja  Erishnachandra  of  Navadvipa,  Bengal.  Edited  and 
translated  by  W.  Pertsch.    1852.    gr.  8.    geh.  2  Thlr. 

MalavikA  und  Agnimitra.  Ein  Drama  des  Eälidäsa  in 
fünf  Akten.  Zum  ersten  Male  aus  dem  Sanskrit  übersetzt 
von  Albrecht  Weber.    1856.    8.    geh.  1  Thlr. 


14  Indogermanische  Sprachen.    Griechisch. 

Päraskaras  Grthya-Butra*  —  Glückwunsch  Sr.  Excellenz 
Herrn  Freiherrn  Alexander  von  Humboldt  zum  4  Au- 
gust 1855  dargebracht  von  Dr.  Adolph  Friedrich  Stenz- 
ler,  ord.  Prof.  der  orientalischen  Sprachen  an  der  Königl. 
Universität  zu  Breslau.  Nebst  einem  Bruchstück  aus  Paras- 
karas  Darstellung  der  heiligen  Gebräuche,  der  Inder.  1855. 
gr.  4.    geh.     7J  Sgr. 

Upalekha  de  Eramap&tha  libellus.  Textum  Sanscritum 
recensuit,  varietatem  lectionis,  prolegomena,  versionem  La- 
tinam,  notas,  indicem  adjecit  Dr.  G.  Pertsc h.  1854. 
gr.  8.   geh.  1  Thlr.  10  Sgr. 

Urvasia,  fabula  Calidasi.  Textum  Sanscritum  edidit,  in- 
terpretationem  Latinam  et  notas  illustrantes  adjecit  Ko- 
bertus  Lenz,  Dr.  Ph.     1833.     4.     geh.    4  Thlr. 

Yajnavalkya's  Gesetzbuch,  Sanskrit  und  Deutsch  heraus- 
gegeben von  Dr.  Ad.  Fr.  Stenzler.  1849.  gr.  8.  geh. 
2  Thlr.  20  Sgr. 


Griechisch. 


De  nominum  Graecorum  formatione  linguarum  cognata- 
rum  ratione  habita  scripsit  Dr.  G.  Curtius.  1842.  gr.  4 
geh.    20  Sgr. 

Die  Wortbildung  war,  wie  sehr  auch  deren  "Wichtigkeit  seit  Butt- 
mann einleuchtete,  der  Schwierigkeiten  wegen,  die  sich  bei  Beschränkung 
auf  die  eine  Sprache  überall  darboten,  in  den  Grammatiken  stiefmütter- 
lich und  überdies  stets  so  behandelt  worden,  dafs  primäre  und  secun- 
däre  Ableitungen  zusammengeworfen  wurden.  Der  Verfasser  spricht 
sich  zuerst  über  den  Unterschied  beider  aus  und  geht  sodann,  nachdem 
die  wichtige  Voruntersuchung  über  gewisse,  weder  zur  Verbal wurzel, 
noch  zum  Affix  gehörige  euphonische  Laute  erledigt  ist,  zur  Darstellung 
der  griechischen  primären  Wortbildung  über.  Die  ableitenden  Affixe 
sind  hier  nach  ihrer  formellen  Verwandtschaft  geordnet,  ihre  Entstehung 
und  ihr  Verhältnifs  zu  den  identischen  lateinischen  und  sanskritischen, 
sodann  die  mannigfachen  Umgestaltungen'  nachgewiesen,  welche  einzelne 


Indogermanische  Sprachen.    Griechisch.  15 


im  Griechischen  erfahren  haben.  Die  Klarheit  der  Darstellung  macht 
die  Abhandlung  selbst  dem  in  der  Sprachvergleichung  minder  Geübten 
fruchtbar. 

Etymologisches  Wörterbuch  der  griechischen  Sprache 
zur  Uebersicht  der  Wortbildung  nach  den  Endsylben  ge- 
ordnet von  Dr.  W.  Pape.    1836.    Lex.  8.     2  Thlr.  15  Sgr. 

Die'  mit  vieler  Emsigkeit  und  Aufopferung  ausgeführte  Arbeit  des 
Verfassers  fuhrt  uns  gleichsam  in  den  Haushalt  der  griechischen  Sprache 
ein.  Die  nach  den  Endungen  übersichtlich  geordnete  Zusammenstellung 
der  Wörter  gereicht  zu  mannigfachem  Nutzen:  bei  dem  Nomen  und  den 
Partikeln  lernen  wir,  obgleich  eine  strenge  Sonderung  der  Einsicht  des 
Lesers  überlassen  bleibt,  die  mit  gleicher  Ableitungs-  oder  Flexions- 
endung gebildeten  Wortsta'mme  kennen,  während  bei  der  Conjugation 
es  von  Wichtigkeit  ist,  den  ganzen  Vorrath  der  den  einzelnen  Classen 
anheimfallenden  Verben  übersehen  zu  können.  Aber  auch  für  die  Accent- 
lehre  ist  der  möglich  gemachte  Ueberblick  willkommen,  und  für  die 
Compositum,  deren  wissenschaftliche  Bearbeitung  noch  mangelt,  besteht 
keine  ähnlich  reiche  Sammlung. 

De  conjugatione  in  pu  linguae  Sanscritae  ratione  habita 
scripsit  Dr.  A.  Kuhn.     1837.    8.     10  Sgr. 

Die  Conjugation  auf  /u,  die  in  unseren  Grammatiken  noch  im- 
mer als  die  unregelmäfsige  betrachtet  wird,  erweist  sich  durch  Ver- 
gleichung  des  verwandten  Sprachkreises  als  die  ursprüngliche  und  die- 
jenige, welche  Personalendungen  und  Eigentümlichkeiten  der  Conjugation 
am  treuesten  bewahrt  hat.  Der  Verfasser,  welcher  sich  eine  möglichst 
erschöpfende  Behandlung  jener  Conjugation  zur  Aufgabe  gestellt  hat, 
betrachtet  zunächst  die  Personalendungen,  denen  mit  Hülfe  des  Sanskrit 
sowohl  ihre  ältere  Form,  als  (und  hierbei  namentlich  bietet  sich  eine 
Reihe  scharfsinniger  Beobachtungen  dar)  ihre  Bedeutung  nachgewiesen 
wird.  Der  zweite  Theil  des  Buches  behandelt  sodann  die  Bildung  der 
einzelnen  Zeiten  mit  durchgängiger  Hervorhebung  der  dieselben  unter- 
scheidenden Merkmale  und  untersuchender  Berücksichtigung  der  Dialect- 
eigenheiten. 

Grammatik  der  griechischen  Vulgarsprache  in  historischer 
Entwicklung  von  Prof.  Dr.  F.  W.  A.  Mullach.  1856. 
gr.  8.    geh.    2  Thlr.  20  Sgr. 

Diese  Grammatik,  der  eine  umfassende,  aus  den  Quellen  geschöpfte 
Geschichte  der  griechischen  Sprache  von  den  ältesten  Zeiten  bis  Jetzt 
als  Einleitung  in  47  §§.  (107  SS.)  vorangeht,  ist  als  eine  wichtige  Er- 
gänzung der  bisherigen  griechischen  Grammatiken  zu  betrachten,  die  nur 
die  Schriftsprache  zu  behandeln  pflegen. 


16  Indogermanische  Sprachen.    Lateinisch  und  Altitalisch. 


Grammatik  des  Neutestamentlichen  Sprachgebrauchs.  Im 
Anschlüsse  an  Ph.  Buttmann 's  Griechische  Grammatik 
bearbeitet  von  Alex.  Buttmann.  Erste  Abtheilung. 
Formenlehre.     1857.     gr.  8.     geh.     10  Sgr. 


Lateinisch  und  Altitalisch. 

Theorie  generale  de  l'accentnation  latine  suivie  de  re- 
cherches  sur  les  inscriptions  accentuees  et  (Tun  examen  des 
vues  de  M.  Bopp  sur  Fhistoire  de  F accent  par  Henri  Weil 
et  Louis  Benloew,  Professeurs  de  facnlte.  1855.  gr.  8. 
geh.    2  Thlr.  20  Sgr. 

Der  lateinische  Accent  hat  noch  zu  wenig  die  Aufmerksamkeit  der 
Grammatiker  auf  sich  gezogen.  Einfacher  als  der  griechische,  bietet  er 
doch  der  interessanten  Erscheinungen  gar  viele  dar.  Gegenwartige  Be- 
arbeitung desselben  durch  zwei  Philologen,  welche  Schüler  Böckh's 
und  Bopp 's  zugleich  Bind  uud  mit  der  genauesten  Kenntnifs  des  klas- 
sischen Alterthums  die  Ergebnisse,  die  Principien  und  die  Methode  der 
neuen  comparativen  Grammatik  verbinden,  dürfte  jene  Lücke  in  der  phi- 
lologischen Forschung  fast  vollständig  ausfüllen.  Der  lateinische  Accent 
wird  hier  nicht  bloß  an  sich  und  nach  seinem  vielseitigen  Einflüsse  auf 
die  Gestalt  nnd  Abänderung  der  Wörter  betrachtet,  es  wird  ferner  hier« 
bei  nicht  blos  nach  wahrhaft  geschichtlicher  Methode  seine  Entwicklung 
in  den  verschiedenen  Epochen  des  Lebens  der  lateinischen  Sprache  aus- 
führlich dargestellt;  sondern  es  wird  auch  am  Accente  die  Stellung  nach- 
gewiesen, welche  überhaupt  die  lateinische  Sprache  in  der  Geschichte 
des  indo- europäischen  Stammes  einnimmt,  indem  sie  in  die  Mitte  tritt 
zwischen  das  altertümlichere  Accentuationssystem  des  Sanskritischen 
und  Griechischen  einerseits  und  das  der  modernen  Sprachen  andrerseits. 


Die  umbrischen  Sprachdenkmäler.  Ein  Versuch  zur  Deu- 
tung derselben  von  Dr.  S.  Th.  Aufrecht  und  A.  Kirch- 
hoff. (1849  —  51.)  Zwei  Theile  in  einem  Bande,  gr.4. 
mit  10  lith.  Tafeln.    1851.    cart     10  Thlr. 

Die  lateinische  Sprache,  welche  in  Folge  der  wenigen  literarischen 
Ausbildung,  die  ihr  in  ältester  Zeit  zu  Theil  wurde,  bis  die  Bekannt- 
schaft mit  der  griechischen  Literatur  ihren  Einflute  ausübte',  in  einem  fort- 


Indogermanische  Sprachen.     Lateinisch  und  Altitalisch.  17 

wahrenden  Auflösungsprocesse  begriffen  war,  mufs  durch  die  Verglei- 
chung  mit  den  italischen  Sprachüberresten  mannigfache  Aufklärung  erlan- 
gen, gerade  so  wie  die  einzelnen  griechischen  oder  deutschen  Mundarten 
in  dem  sie  zusammengehalten  werden,  einander  vielfach  ergänzen  und 
erläutern.  % 

Die  umbrischen  Sprachreste,  welche  wegen  ihres  bedeutenden  Um- 
fanges  schon  früher  Gegenstand  angestrengter  Forschung  gewesen  waren, 
gewähren  das  doppelte  Interesse,  dafs  aus  ihnen  einerseits  eine  ziemlich 
vollständige  Uebersicht  des  umbrischen  Idioms  sich  zusammenstellen 
läfst,  andererseits  ihr  Inhalt  viele  Seiten  des  römischen  religiösen  Lebens 
in  helles  Licht  setzen  kann.  Die  Lösung  dieser  zweifachen  Aufgabe  war 
der  Zweck  des  vorliegenden  Werkes.  Zunächst  kam  es  darauf  an,  eine 
möglichst  erschöpfende  Grammatik  der  umbrischen  Sprache  zu  schaffen 
nnd  den  Nachweis  zu  liefern,  dafs  dieselbe  mit  der  lateinischen  in 
schwesterlichem  Verhältnisse  stehe.  Der  erste  Band  beschäftigt  sich 
nun  damit,  die  umbrisebe  Laut-  und  Formlehre  zu  entwickeln,  wobei 
die  Analogie  mit  den  verwandten  Sprachen  durchgängig  zu  Grunde  ge. 
legt  wurde.  Die  Lautlehre  beginnt  mit  dem  Vokalsystem,  erweist  des- 
sen Uebereinstimnrang  mit  dem  lateinischen  namentlich  in  der  Abneigung 
gegen  die  Diphthonge  nnd  sucht  den  Ursprung  der  einzelnen  Vokalf 
durch  Herbeiziehung  eines  grösseren  Sprachkreises  zu  ergründen.  Auch 
bei  den  Konsonanten  ist  überall  deren-  Entstehungsgeschichte  und  Ver- 
hältnis zu  einander  erforscht  worden,  so  dafs  der  noch  in  unseren  Ta- 
gen sehr  vernachlässigten  lateinischen  Lautlehre  nicht  geringer  Aufschlufs 
daraus  erwuchst.  Noch  wichtiger  wird  aber  die  Formenlehre,  weU  das 
Umbrische  viele  Flexionen  besitzt,  welche  im  Lateinischen  entweder  ver- 
altet oder  verstümmelt  sind.  Die  Darstellung  begnügt  sich  aber  nicht 
mit  der  Zusammenstellung  der  ähnlichen  oder  identischen  Formen,  son- 
dern sucht  wo  möglich  deren  Ursprung  zu  ermitteln. 

Im, zweiten  Theile  werden  die  im  ersten  aufgestellten  Formen  aus- 
führlich begründet  und  die  sprachliche  Deutung  der  Denkmäler  so  geübt, 
dafs  die  Verfasser  sich  stets  der  Grenzen  bewufst  bleiben,  welche  durch 
die  Dunkelheit  des  Gegenstandes  gesteckt  sind  und  deren  Ueberschrei- 
tung  ihre  Vorgänger  in  Behr  sonderbare  Verirrungen  geführt  hatte.  Durch 
das  beigefügte  vollständige  Glossar  und  den  genauen  Abdruck  der  Tafeln 
sind  die  Leser  nach  allen  Seiten  in  den  Stand  gesetzt,  sich  ein  selbst- 
standiges  Urtheil  zu  verschaffen  und  die  noch  nicht  zum  Abschluß  ge- 
langte Forschung  weiterzufuhren. 


18  Germanische  Sprachen. 


Germanische  Sprachen. 

Crescentia  ein  niderrheinisches  Gedicht  aas  dem  zwölf- 
ten Jahrhundert,  herausgegeben  von  Oskar  Schade.  1853. 
gr.  8.    geh.    1  Thlr. 

Der  Herausgeber  hat  in  obigem  Gedicht,  das  bis  jetzt  in  der  Kaiser- 
chronik als  dazu  gehörig  und  davon  untrennbar  betrachtet  wurde,  ein 
selbständiges  strophisches  Werk  von  einem  andern  Verfasser,  als  dem 
Redactor  der  Kaiserchronik,  erkannt.  In  der  Einleitung  weist  derselbe 
zum  ersten  Male  in  einigen  anderen  Gedichten  des  zwölften  Jahrhunderts 
eine  feste  Regel  des  Versbaues  und  der  Sprachform  nach.  — 

Die  deutschen  Ortsnamen  mit  besonderer  Berücksichti- 
gung der  ursprünglich  wendischen  in  der  Mittelmark  und 
Niederlausitz  von  AI.  Buttmann,  Professor.  1856.  8. 'geh. 
174  Sgr. 

„Wir  unsererseits  wünschen  der  kleinen  Schrift  besonders  deshalb 
eine  allgemeinere  Beachtung,  weil  sie  einige  sehr  wichtige  Fundamental- 
sätze  über  die  Entstehung  und  die  Umwandclung  von  Ortsnamen  auf 
eine  klare  und  überzeugende  Weise  zur  Anschauung  bringt,  —  Lehr- 
sätze, welche  nicht  blos  für  Deutschland,  sondern  für  aHc  diejenigen 
Länder  gelten,  in  denen  Völker  verschiedener  Zunge  gelebt  haben.44 

Zeitschrift  für  allgemeine  Erdkunde. 

Ueber  die  Bedeutung  des  Namens  der  Städte  Berlin  und 
Cöln  von  C.  Ä.  F.  Mahn.    1848.    8.  geh.     5  Sg& 

Ueber  den  Ursprung  und  die  Bedeutung  des  Namens 
Freussen  von  C.  A.  F.  Mahn.     1850.    8.    geh.     5  Sgr. 

Der  Verfasser  prüft  die  vor  ihm  versuchten  Erklärungen  der  Namen 
Berlin  und  Preufsen,  und  da  sie  sich  unhaltbar  zeigen,  giebt  er  neue, 
welche,  die  Schwierigkeiten,  die  den  früheren  entgegenstanden,  vermei- 
dend, auch  durch  positive  Gründe  höchst  wahrscheinlich,  um  nicht  zu 
sagen  gewifs,  gemacht  werden.  Der  Werth  der  beiden  Arbeiten  wird 
nicht  blos  durch  andere  gelegentliche  Etymologien,  sondern  auch  dadurch 
erhöht,  dafs  der  Akt  der  Namengebung  an  Völker  und  Städte  nach  allen 
Möglichkeiten  dargelegt  wird  und  dadurch  für  alle  hierher  gehörenden 
Untersuchungen  anregende  Fingerzeige  gegeben  werden. 


Littauisch  -  Slavisch.  1 9 


Etymologische  Untersuchungen  über  geographische  Namen 
von  C.  A.  F.  Mahn,  Dr.  Erste  Lieferung.  Einleitung. 
Bedeutung  des  Flufsnamens  Spree.    1856.    8.    geh.  5  Sgr. 

Aufser  der  ausführlichen  Erklärung  des  Namens  der  Spree  werden 
in  der  Einleitung  und  sonst  gelegentlich  neue  und  hinlänglich  entwickelte 
Deutungen  der  Namen  Italien,  Germanen,  Skandinavier,  Pelasger,  Sicu- 
ler,  Serben,  Skythen,  Iberer  und  des  Teltowgaus  aufgewiesen  und  ver- 
sucht, welche  die  aus  den  falschen  und  mifslungenen  Etymologieen  ge- 
zogenen Folgerungen  und  Ergebnisse  aufheben  oder  bedeutend  modifi- 
ciren. 


Littauisch  -  Slavisch. 

Ueber  die  Sprache  der  alten  Preussen  in  ihren  verwandt- 
schaftlichen Beziehungen  von  Franz  Bopp.  Gelesen  in 
der  Akademie  der  Wissenschaften  am  24.  Mai  1849,  am 
25.  Juli  1850  und  am  24.  Februar  1852.  1853.  gr.  4. 
geh.     1  Thlr. 

Mit  gewohnter  Meisterschaft  unterwirft  der  Verfasser  in  dieser  Schrift 
das  einzige  zuverlässige  altpreufsische  Sprachdenkmal,  das  uns  erhalten 
ist,  die  Uehersetzung  nämlich  des  kleinen  Lutherischen  Katechismus,  einer 
grammatischen  Sichtung,  und  zwar  hauptsächlich  diejenigen  Formen,  die 
dem  Litauischen  und  Lettischen  gegenüber  besondere  Beachtung  ver- 
dienen, insofern  sie  diese  mehrfach  durch  treuere  Bewahrung  des  ur- 
sprünglichen Gepräges  übertreffen.  Somit  bildet  diese  Schrift  einen  höchst 
willkommenen  Beitrag  zu  der  „Vergleichenden  Grammatik ",  in  welcher 
nur  das  Littauische  zur  Vergleichung  mit  den  indo-  germanischen  Spra- 
chen herangezogen  ist.  In  der  Einleitung  wird  auch  die  all  mahlige  Ab- 
trennung der  letzteren  von  der  asiatischen  Muttersprache  besprochen  und, 
wie  bisher,  die  Absonderung  der  lettisch-slavischen  Idiome  von  derselben 
später  gesetzt,  als  die  der  klassischen,  germanischen  oder  keltischen. 

Littauische  Volkslieder,  gesammelt,  kritisch  bearbeitet 
und  metrisch  übersetzt  von  G.  H.  F.  Nessel  mann.  Mit 
einer  Musikbeilage.    1853.   Lex.  8.  geh.    3  Thlr.  10  Sgr. 

Bei  der  Wichtigkeit  der  littauischen  Sprache  für  die  vergleichende 
Erforschung  der  indo -europäischen  Sprachen  dürfte  eine  Sammlung  lit- 
tauischer  Volkslieder  mit  gegenüberstehender  —  dem  Text  möglichst 
wörtlich  sich  anschliefsender  —  Uebersetzung  von  grofsem  Interesse  für 


20  Celtisch. 

Sprachforscher  Bein.  —  Der  Herausgeber  benutzte  alles  ihm  nur  irgend 
erreichbare  gedruckte,  wie  handschriftliche  Material.  Hierdurch,  sowie 
durch  Correctheit  des  Textes  und  Genauigkeit  der  Uebersetzung  littst  die 
Sammlung  alle  früheren  weit  hinter  sich.  Auch  der  strophischen  Ab- 
theilung wurde  sorgfältig  Rechnung  getragen. 


Celtisch. 
Ueber    Marcellas    Burdigalensis    von   Jacob  Grimm. 
Gelesen  in  der  Akademie  der  Wissenschaften  am  28.  Juni 
1847.     1849.    gr.  4/  geh.     15  Sgr. 

Ein  Buch  de  medicamentis ,  welches  von  Marcellus  mit  dem  Beina- 
men Burdigalensis  oder  Empiricus,  dem  Leibärzte  Theodosius  des  Grofsen, 
geschrieben  ist,  vom  mcdicinischen  Standpunkte  aus  unbedeutend ,  er- 
schlofs  dem  sinnigen  Auge  des  Verfassers  nach  anderer  Seite  hin  einen 
anziehenden  Schatz.  Marcellus  nämlich,  von  Geburt,  wie  der  erste  Bei- 
name ausdrückt,  ein  Gallier  (aus  Bourdeaux),  theilt  hin  und  wieder  gal- 
lische Kräuternamen  mit,  welche  in  dieser  Abhandlung  den  entsprechen- 
den Wörtern  der  heutigen  keltischen  Dialekte  gegenübergestellt  werden 
und  unverkennbar  anzeigen,  dafs  die  im  4.  Jahrhundert  in  Aquitanien 
herrschende  Sprache  sich  mehr  der  irischen  und  gälischen  Mundart,  als 
der  armorUchen  anschliefst.  Dann  werden  die  abergläubischen,  von  Mar- 
cellus aus  dem  Munde  des  Volkeß  erkundeten  Heilmittel,  gewifs  von 
hohem  Alterthum  und  weiter  Verbreitung,  mitge theilt,  und  darauf  hin- 
gewiesen, wie  sie  die  alten  Zustande,  die  Poesie  und  Sitte  der  euro- 
päischen Völker  mannigfach  aufhellen.  Ganz  unmittelbar  für  die  Sprach- 
wissenschaft aber  ist  die  Erklärung  einer  bisher  unverständlichen  Formel 
wichtig,  in  welcher  nunmehr  das  überhaupt  bekannte  älteste  Denkmal 
gallischer  Sprache  aufgewiesen  wird. 

'  TTeber  die  Marcellischen  Formeln  von  Jacob  Grimm 
und  Adolph  Pictet.  Aus  den  Abhandlungen  der  königl. 
Akademie  der  Wissenschaften  zu  Berlin.  1855.  gr.  4. 
geh.    8  Sgr. 

Die  in  der  vorhergehenden  Schrift  gemachte  Entdeckung,  dafs  ein- 
zelne der  von  Marcellus  Burdigalensis,  ciuem  aus  Aquitanien  gebürtigen 
Gallier,  verzeichneten  abergläubischen  Heilformeln  und  Zaubersprüche 
in  keltischer  Sprache  abgefafst  seien  und  aus  ihr  gedeutet  werden  könn- 
ten, wird  weiter  verfolgt.  Schon  gegebene  Erklärungen  werden  mit 
neuen  Beweisen  unterstützt,  andere  neu  dargeboten. 


Romanische  Sprachen.  21 


Romanische  Sprachen. 

Etymologische  Untersuchungen  auf  dem  Gebiete  der  Ro- 
manischen Sprachen  von  C.  A.  F.  Mahn,  Dr.  Specimen 
I— Vni  oder  No.  1— 56.     1855.    8.     16  Sgr. 

Diese  Untersuchungen  sind  gewissermafsen  als  eine  Fortsetzung  und 
Ergänzung  von  Diez'  etymologischem  Wörterbuch  der  Romanischen 
Sprachen  zu  betrachten,  indem  der  Verfasser  hauptsächlich  solche  roma- 
nische Wörter  einer  in  der  Regel  ausfuhrlicheren  etymologischen  Unter- 
suchung unterwirft,  von  denen  Diez  noch  keine  Etymologie  gegeben  hat 
oder  bei  denen  er  eine  Frage  nach  derselben  aufwirft  oder  bei  denen 
endlich  der  Verfasser  mehr  oder  weniger  von  Diez  abweicht. 

De  elementis  Germanicis  potissimum  linguae  Franco- 
gallicae  scripsit  Ludovicus  Schacht,  Phil.  Dr.  1853. 
gr.  8.     geh.     12  Sgr. 

Der  Verfasser  stellt  in  einem  Glossarium  möglichst  vollständig  alle 
durch  das  Deutsche  etymologisch  erklärbaren  Wörter  der  französischen 
Sprache  zusammen.  Eine  vorangeschickte  altgemeine  Einleitung  setzt  die 
historischen  und  verwandtschaftlichen  Beziehungen  des  Französischen  zum 
Deutschen  wie  zu  seinen  übrigen  Bestandteilen  auseinander. 

Syntax  der  neufranzösischen  Sprache.  Ein  Beitrag  zur 
geschichtlich -vergleichenden  Sprachforschung  von  Dr.  Ed. 
Mätzner.     Zwei  Theile.     1843.45.    gr.  8.     4  Thlr.  - 

Die  bisher  gewöhnlich  nur  auf  den  etymologischen  Theil  der  Sprach- 
wissenschaft angewandte  vergleichende  Methode  liefert  hier  auch  in  der 
Syntax  die  schönsten  Ergebnisse.  Zur  Erklärung  der  französischen  Con- 
struetionen  sucht  der  Verfasser  zunächst  in  den  verschwisterten  roma- 
nischen Sprachen,  besonders  auch  im  Altfranzösischen  und  Provenzalischen 
die  analogen  Erscheinungen  auf.  Er  dehnt  aber  den  Kreis  der  Ver- 
gleichung  auch  auf  die  klassischen  Sprachen  und  endlich  selbst  auf  die 
semitischen  aus.  Dabei  besitzt  der  Verfasser  die  so  seltene  Vereinigung 
umfassender  historischer  Forschungen  mit  einem  tiefen  philosophischen 
Blick.  Von  den  beiden  Theilen  behandelt  der  erste  den  Satz,  der  andere 
das  Satzgefüge  und  die  Periode. 


22  Romanische  Sprachen. 


Altfranzösische  Lieder,  berichtigt  und  erläutert  mit  Be- 
zug auf  die  provenzalische,  altitalienische  und  mittelhoch- 
deutsche Liederdichtung  nebst  einem  altfranzösischen  Glossar 
von  Eduard  Mätzner.    1853.  gr.8.  geh.  2Thlr.  15Sgr. 

Diese  Sammlung  von  altfranzösischen  Liedern  bietet  nicht  sowohl 
einen  jener  Text-Abdrucke  nach  französischen  Handschriften,  die  an  vie- 
len Stellen  jedes  Verständnifs  unmöglich  erscheinen  lassen,  sondern  viel- 
mehr eine  kritische  Bearbeitung  bereits  anderweitig  publicirter  Texte, 
durch  welche  dieselben  erst  recht  leserlich  werden.  —  Mit  dieser  kriti- 
schen Behandlung  hängt  die  Deutung  eng  zusammen.  Zur  Erläuterung, 
theilweise  selbst  zur  Wortkritik,  wurden  vom  Herausgeber  die  altitaliä- 
nischen,  wie  die  provenzalischen  und  mittelhochdeutschen  lyrischen  Dich- 
tungen herbeigezogen.  Abgesehen  von  dem  Nutzen,  den  eine  derartige 
Vergleichung  nach  dieser  Seite  hin  gewährte,  ist  es  aber  auch  an  und 
für  sich  interessant,  die  wesentlichen  der  mittelalterlichen  Kunstlyrik  ver- 
schiedener Länder  gemeinsamen  Züge  zu  verfolgen,  und  auch  hierauf 
waren  die  Bemühungen  des  Herausgebers  gerichtet.  „ 

Das  Glossarium  endlich  ist  dazu  bestimmt,  minder  Geübten  das  Stu- 
dium einer  Veralteten  Sprache  zu  erleichtem,  ohne  deren  gründliche  Er- 
forschung die  Kenntnifs  des  Neufranzösischen  lückenhaft  bleiben  mufs. 
Es  berücksichtigt  die  Abstammung  der  Worte  und  giebt  zugleich  die 
nächst  verwandten  Wortformen  der  westromanischen  Idiome,  sowie  des 
Englischen. 


Die  Werke  der  Troubadours,  in  provenzalischer  Sprache, 
nach  Raynouard,  Rochegude,  Diez  und  nach  den  Hand- 
schriften.   Herausgegeben  von  Dr.  C.  A.  F.  Mahn. 

Lyrische  Abtheilung/  Bd.  I.  1846.  8.  geh.  2  Thlr. 
Bd.  II.  Lief.  1  u.  2.  1855.  57.  8.  geh.  ä  15  Sgr.  Bd.  IV. 
1853.   8.   geh.  2  Thlr. 

Epische  Abtheilung.  Bd.  I.  Girartz  de  Rossilho, 
nach  der  Pariser  Handschrift  herausgegeben  von  Dr.  C. 
Hofmann,  Prof.  an  der  Universität  zu  München,  Mit- 
glied der  Königl.  Bayerischen  Akademie  der  Wissenschaf- 
ten.   Lief.  1  —  3.     1855—57.    8.    geb.  ä  15  Sgr. 

Eine  neue  Ausgabe  sammtlicher  Werke  der  provenzalischen  Trou- 
badours war  wegen  der  Seltenheit  und  Unvollstandigkeit  des  bekannten 
Raynouard'schen  Werkes  nothwendig  geworden,  besonders  auch  seitdem 
man  immer  allgemeiner  zu  erkennen  anfing,  dafs  aufser  dem  historischen 


Romanische  Sprachen.  23 


und  litterarischen  Interesse  der  provcnzaliachen  Sprache  für  das  Stadium 
der  romanischen  Sprachen  dieselbe  Wichtigkeit  zukommt,  als  der  gothi- 
schen  für  das  der  germanischen  Sprachen. 

Der  erste  Band  der  lyrischen  Abtheilung  enthält  aufser  der  ausführ- 
lichen Vorrede,  in  welcher  .auf  den  Nutzen  und  die  Wichtigkeit  des 
Studiums  der  provenzalischen  Sprache  und  Litteratur  aufmerksam  ge- 
macht, und  besonders  die  Wichtigkeit  desselben  für  die  historische  und 
vergleichende  Sprachforschung  hervorgehoben  wird,  in  chronologischer 
Ordnung  277  Gedichte  von  20  Troubadours  in  einem  höchst  corrccten 
Abdruck. 

Lieferung  1 .  und  2.  des  zweiten  Bandes  enthalten  die  Dichter  Peiroi 
und  Guillem  von  Saint- Didier,  den  Mönch  von  Montaudon,  21  Gedichte 
von  Arnaut  Daniel,  und  etwa  14  Gedichte  (von  60)  des  Gaucelm  Faidit. 

Der  vierte  Band  umfafst  sämmtliche  gröfscre  und  kleinere  Gedichte, 
99  an  der  Zahl,  eines  der  umfangreichsten  und  bedeutendsten  Dichter, 
des  Oiraut  Riquier,  und  zwar  ganz  neu  nach  den  beiden  Pariser  Ori- 
ginalhandschriften herausgegeben. 

Die  bis  jetzt  ausgegebenen  drei  Lieferungen  des  ersten  Bandes  der 
epischen  Abtheilung  der  Werke  der  Troubadours  enthalten  den  ganzen 
Text  des  Oirartz  de  Rostüho.  Die  vierte  und  letzte  Lieferung  wird  die 
Einleitung  und  die  kritischen  und  erklärenden  Anmerkungen  und  ein 
Glossar  enthalten. 

Die  Biographieen  der  Troubadours,  in  provenzaliecher 
Sprache.  Herausgegeben  von  Dr.  C.  A.  F.  Mahn.  1853. 
8.     geh.     15  Sgr. 

Eine  neue  und  besondere  Ausgabe  der  Biographieen  der  Troubadours 
in  provenzalischer  Sprache  schien  wiinschenswerth,  nicht  nur  an  und 
für  sich  wegen  des  anziehenden  und  oft  sehr  merkwürdigen  litterarischen 
nnd  geschichtlichen  Inhalts,  sondern  audi  weil  dieselben  in  Folge  ihrer 
Leichtigkeit  und  Verständlichkeit  als  erstes  Lese-  und  Uebungsbuch  für 
Anfänger  dienen  können,  die  durch  dieselben  sehr  zweckmSCsig  auf  die 
Lesung  der  bei  weitem  schwierigeren  Gedichte  selbst  vorbereitet  werden. 
Einen  besonderen  Vorzug  erhält  diese  neue  Ausgabe  dadurch,  dafe  die 
ersten  48  Biographieen,  vermöge  einer  von  dem  Herausgeber  gemachten 
Abschrift,  treu  nach  den  Pariser  Handschriften  gegeben  werden;  die 
übrigen  sind  nach  Raynouard  abgedruckt.  Einige  kritische  Bemerkungen 
und  wörtliche  Uebersetzungen  sind  beigefügt  worden. 

Gedichte  der  Troubadours  in  provenzalischer  Sprache, 
zum  ersten  Mal  und  treu  nach  den  Handschriften  heraus- 
gegeben.   Mit  kritischen  und  erklärenden  Anmerkungen  von 


24  Iberisch  -  Baskisch. 


Dr.  C.  A.  F.  Mahn.   Bd.L    Lief.  1  —  5.  1856.    8.    geh. 
2  Thlr.  15  Sgr.    Bd.  IL  Lief.  1.  2.     1856.  57.    ä  15  Sgr. 

Gegenwartige  Ausgabe  von  Gedichten  der  Troubadours  in  proven- 
zalischer  Sprache  ist  dazu  bestimmt,  die  kritische  Ausgabe  sammüicher 
Werke  der  Troubadours  mit  Vergleichung  aller  Handschriften  vorzube- 
reiten, dieselbe  einstweilen  zu  ersetzen,  und  auch  nachher  noch  einen 
urkundlich -handschriftlichen  Werth  zu  behaupten.  Die  Gedichte  sind 
daher  ganz  treu  nach  bestimmten  Handschriften  gegeben,  und  die  Be- 
sprechung und  Verbesserung  des  Textes  ist  den  kritischen  Anmerkungen 
überwiesen.  Es  sind  im  Ganzen  300  Lieder  und  gröfsere  Gedichte,  die 
liier  gröfstenthcils  zum  ersten  Mal  gedruckt  erscheinen  Die  Zahl  der 
ungedruckten  verhält  sich  zu  den  bereits  gedruckten  wie  250  :  50. 
Sämmtliche  Gedichte  sind  aus  sieben  Handschriften  der  Pariser  KaiserL 
Bibliothek  und  des  Arsenals,  sowie  aus  vier  englischen  Handschriften 
gezogen,  die  durch  ein  Zusammentreffen  von  günstigen  Umstanden  wie- 
der neu  aufgefunden  und  zum  Theil  in  ^Besitz  von  Privatpersonen  und 
an  schwer  zugänglichen  Orten  in  die  Hände  des  Herausgebers  gelangten. 

Peire  Vidal's  Lieder,  herausgegeben  von  Dr.  K.  Bartsch, 

Conservator  der  Bibliothek  am  Germanischen  Museum.    8. 
geh.    1857.    2  Thlr. 

Kritisch  bearbeiteter  Text  mit  ausführlicher  Einleitung  über  des 
Dichters  Leben,  metrische  und  sprachliche  Eigentümlichkeiten,  Reim- 
verzeichnifB,  Glossarium  u.  s.  w. 


Iberisch  -  Baskisch. 


Prüfung  der  Untersuchungen  über  die  Urbewohner  Hi- 
spaniens  vermittelst  der  baskischen  Sprache  von  Wilhelm 
von  Humboldt.     1821.     4.     geh.     2  Thlr.  10  Sgr. 

Diese  Schrift  enthält  nicht  blos  eine  Kritik  der  früheren  so  dürfti- 
gen und  unvollkommenen  Untersuchungen  über  die  Urbewohner  Spaniens. 
Vielmehr  wird  mit  musterhafter  Gründlichkeit  und  Klarheit  dargethan, 
dafs  die  vielen  altiberischen,  von  Griechen  und  Römern  überlieferten 
Ortsnamen  aus  der  vaskischen  Sprache  herstammen,  und  somit  die  That- 
sache  zur  Gewifsheit  erhoben,  dafs  die  heutige  Sprache  der  Vasken, 
natürlich  mit  den  durch  die  Zeit  hervorgebrachten  Veränderungen,  auch 
die  der  alten  Iberer  war,  und  dafs  ferner  diese  nur  ein  Volk  mit  nur 


Aegyptiflch.  25 

einer  von  den  celtischen  ganz  verschiedenen  Sprache  ausmachten  und 
als  die  ursprünglichsten  Bewohner  über  die  ganze  Halbinsel  verbreitet 
waren,  nur  mit  Celten  untermischt  und  theilweise  zu  Oeltiberern  ver- 
schmolzen; denn  die  vereinzelten  punischen  und  griechischen  Colonieen 
'  können,  wie  die  römischen  Besatzungen,  nicht  in  Beträcht  kommen. 

Denkmäler  der  baskischen  Sprache.  Herausgegeben  von 
Dr.  C.  A.  F.  Mahn.    1857.   8.    geh.    (Unter  der  Presse). 

EnthSlt  hauptsächlich  seltene  unzugängliche  oder  ganz  unbekannte 
Baskische  Texte  z.  B.  aus  dem  Neuen  Testament  von  1571,  aus  Axular's 
Gueroco  guero  von  1642,  aus  Oihenarfs  und  Garibay's  Sprichwörtern, 
epische  Gedichte  über  den  Cantabrischen  Krieg  und  die  Schlacht  bei 
Roncesvalles,  Urkunden  aus  dem  6.  und  8.  Jahrhundert,  Uebersetzungen 
aus  den  klassischen  Sprachen,  ganz  besonders  bisher  unbekannte  kleinere 
Lieder 


C.    Aegyptisch. 


De  natura  et  indole  linguae  popularis  Aegyptiorum  dis- 
seruit  IL  Brugsch.  (fasciculus  prior.)  1850.  gr.  8.  geh. 
15  Sgr. 


Grammaire  dömotique  contenant  les  principes  gen&raux 
de  la  langue  et  de  l'äcriture  populaires  des  anciens  tägyp- 
tiens  par  Henri  Brugsch,  de  Funiversitö  royale  de  Berlin. 
Avec  un  tableau  de  signes  d&notiques  et  dix  planches  y 
annexees.     1855.     fol.    cart.     25  Thlr. 

Diese  Grammatik  enthält  eine  vollständige  und  wissenschaftliche 
Darstellung  desjenigen  ägyptischen  Dialectes,  welcher  zu  den  Zeiten  der 
letzten  Pharaonen,  der  Griechen  und  Römer  in  Aegypten  gesprochen  uud 
geschrieben  wurde.  Nicht  nur  sind  die  grammatischen  Formen  und  ihre 
graphische  Darstellung  bis  in  die  kleinsten  Details  wiedergefunden,  son- 
dern auch  mit  reichlichen  Beispielen  unterstützt  worden,  welche  sich 
dem  Verf.  in  allen  Museen  Europas  und  in  Aegypten  in  Fülle  darboten. 


26  Aegyptisch, 

Um  die  Einheit  de«  Ganzen  und  die  Brauchbarkeit  für  daa  Studium 
des  Aegyptischen  zu  erhöhen,  hat  der  Verf.  überall  die  etwaige  ent- 
aprechende  hieroglyphische  Form  (mit  steter  Hinweisung  auf  die  Gram- 
maire  egyptienne  Champollion's  d.  j.)  in  Parallele  gestellt  und  natürlich 
als  Hauptbeweiamittel  für  die  Richtigkeit  der  gewonnenen  grammatischen 
Bedeutung  das  Koptische  herbeigezogen,  gestützt  auf  die  Grammatiken 
Peyron's,  vorzüglich  aber  Schu?artzeys.  Um  ein  Beispiel  für  die  Aus- 
dehnung der  gewonnenen  Formen  zu  geben,  welche  im  Vergleich  mit 
Champollion's  eben  genannter  hieroglyphischer  Grammatik  weit  über 
dieselbe  hinausgeht,  so  bemerken  wir,  dafs  vom  Verbum  allein  achtzehn 
verschiedene  Formen  aufgefunden  worden  sind,  während  deren  Zahl  im 
Hieroglyphischen  kaum  die  Hälfte  davon  übersteigt.    • 

Zehn  Tafeln  geben  die  genauesten  und  treuesten  Facsimiles  von 
verschiedenen  demotischen  Inschriften  aus  den  Museen  von  Paris,  Ley- 
den,  Turin,  Dresden  und  aus  Aegypten. 

Die  Verlagshandlung  hat  zu  diesem  Werke  die  ganze  demotische1 
Schrift  in  mehr  als  dreihundert  Haupttypen  schneiden  und  giefsen  lassen, 
worüber  das  folgende  „Memoire"  Auskunft  zu  geben  bestimmt  ist. 

Memoire  sur  la  reproduetion  imprimäe  des  caracteree 
de  l'ancienne  Venture  demotique  des  Egyptiens,  au  moyen 
de  types  mobiles  et  de  l'imprimerie;  par  Henry  Brugsch, 
de  runiversite"  royale  de  Berlin.    1855.    4.    geh.    7\  Sgr. 

Koptische  Grammatik  von  Dr.  M.  Gr.  Schwartze, 
ehem.  Prof.  der  Koptischen  Sprache  an  der  Kgl.  Friedrich 
Wilhelms -Universität  zu  Berlin,  herausgegeben  nach  des 
Verfassers  Tode  von  Dr.  H.  Steinthal,  Docenten  an  der- 
selben Universität.     1850.     gr.  8.    cart.     5  Thlr.  10  Sgr. 

Diese  Grammatik  liefert  die  Thatsachen  so  vollständig  und  sorgfaltig, 
wie  sie  bisher  noch  nirgends  gefunden  worden  sind.  Dabei  erstreckt 
sie  sich  über  alle  drei  koptischen  Dialecte  in  gleicher  "Weise.  Was  ihr 
aber  den  grofsten  Vorzug  giebt,  ist  die  comparativ -genetische  Methode, 
welcher  überhaupt  die  neueste  Sprachwissenschaft  ihren  Aufschwung, 
verdankt,  und  welche  hier  vom  Verfasser  mit  Scharfsinn  und  Umsicht 
angewandt  ist.  Es  ist  hier  zum  ersten  Male  eine  wissenschaftliche  Laut- 
lehre der  koptischen  Sprache  gegeben,  welche  die  sichere  Basis  für  die 
Formenlehre  bildet.  Höchst  schatzenBwerthe  Notizen  über  die  Syntax  sind 
aus  den  Papieren  des  Verfassers  vom  Herausgeber  angehängt. 


Semitische  Sprachen.  —  Arabisch.    Syrisch.  27 


Dt   Semitische  Sprachen. 


Arabisch. 

Ibn  'Aldis  Commentar  zur  Alfijja  des  Ibn  Mälik  aus  dem 
Arabischen  zum  ersten  Male  übersetzt  von  F.  Dieterici, 
Dr.  Ph.,  a.  o.  Professor  an  der  Universität  zu  Berlin.  1852. 
gr.  8.     geh.     4  Thlr. 


Syrisch. 

L*xicon  linguae  Syriacae.  Collegit  digessit  edidit  Ge- 
orgius  Henricus  Bernstein«  Fasciculus  primus.  Fol. 
2  Thlr.  20  Sgr. 

Seit  einer  Reihe  von  Jahren  wurde  dem  Erscheinen  des  obigen 
Werkes  mit  Verlangen  entgegengesehen.  Es  ist  bekannt  (vgl.  Zeitschrift 
d.  deutschen  morgenl.  Gesellschaft  Bd.  III.  1849.  S.  385),  dafs  der  Ver- 
fasser desselben  länger  als  ein  Menschenalter  hindurch  Vorarbeiten  zu 
einem  ausfuhrlichen  syrischen  Wörterbuche  gemacht,  zu  dem  Ende  alle 
gedruckt  vorliegenden  syrischen  Schriften  aufmerksam  durchgelesen  und 
sorgfältig  excerpirt,  Reisen  nach  England  und  Italien  zur  Benutzung  der 
dortigen  Bibliotheken  für  seine  Zwecke  unternommen  -und  das  dem  sy- 
rischen Lexikographen  unentbehrliche  syrisch -arabische  Wörterbuch  des 
Bar-Bahlul  sich  abschriftlich  verschafft,  sowie  Auszuge  aus  dem  des 
Bar- Ali  gemacht  hat. 

Nach  diesen  Vorbereitungen  wurde  ihm  durch  v.  Frlhn's  Vermit- 
telung  die  Vergünstigung  zu  Theil,  aus  Lorsbach's  Vorarbeiten  zu  einem 
syrischen  Wörterbucjie,  welche  dieser  Gelehrte  seinem  Handexemplare 
von  Castelli -Michaelis  Lexicon  beigeschrieben  und  welche  sich  in  dem 
Romänzoff'schen  Museum  zu  St.  Petersburg  befinden,  mit  Allerhöchster 
Erlaubnifs  Sr.  Majestät  des  verewigten  Kaisers  Nikolaus  auf  kurze  Zeit 
zur  Durchsicht  und  Benutzung  zugesandt  zu  erhalten.  Zu  gleichem 
Zwecke  wurde  ihm  auch  ArnoldPs  Handexemplar  des  Castelli -Michael, 
syrischen  Wörterbuches,  welchem  der  Besitzer  Zusätze  und  Berichtigun- 
gen beigefügt  hat  und  welches  Eigenthum  der  Uni  versit&ts- Bibliothek 
in  Marburg  geworden  ist,  duren  die  Güte  des  Herrn  Bibliothekars  rajt- 
getheilU 


28  Finnisch -tartarisehe  Sprachen. 

Als  nun  diese  reichen  Materialien  beisammen  waren  und  der  Ver- 
fasser vor  acht  Jahren  an  die  Ausarbeitung  des  Werkes  ging,  schuf  er 
im  Verein  mit  dem  verstorbenen  schwedischen  Professor  Tullberg  und 
seinerseits  in  der  Absicht,  sie  für  das  Lexicon  zu  benutzen,  eine  neue 
syrische  Schrift,  mit  welcher  auch  die  ßreslauer  Universität« -Buch- 
druckerei durch  die  Liberalitat  des  Herrn  Ministers  v.  Raumer  Excelleiiz 
versehen  worden  ist  und  welche  dem  Werke  nicht  nur  zur  besonderen 
Zierde  gereicht,  sondern  auch  den  grofsen  Gewinn  gewährt,  dafs  es  un- 
ter den  Augen  des  Verfassers  gedruckt  und  der  Druck  von  ihm  selbst 
überwacht  werden  kann. 

Wir  haben  die  Ausgabe  des  Werkes  in  Heften  beschlossen,  .um  den 
Orientalisten  stets  möglichst  schnell  die  vollendeten  Abtheilungen  des- 
selben zur  Benutzung  zu  übergeben.  Hefte  von  18  —  20  Bogen  werden 
in  möglichst  kurzen  Zwischenräumen  dem  gegenwärtigen  folgen. 

Zum  Schlüsse  unserer  Ankündigung  erlauben  wir  uns  auf  die  Worte 
hinzuweisen,  welche  einer  der  ersten  Kenner  der  syrischen  Sprache, 
Herr  Professor  Dr.  Rödiger  in  Halle,  nach  der  Einsicht  in  die  ersten 
Bogen  dieses  Werkes  über  dasselbe  (Zeitschrift  der  deutschen  morgenl. 
Gesellschaft  Bd.  IX.  1856.  S.  760)  ausgesprochen  hat: 

„Was  ich  v#n  Bernsteln's  Syrischem  Lexik«»  gesehen  habe,  ent- 
spricht vellatändlg  den  heben  Erwartungen,  die  wir  daven  hegten. 
„Es  Ist  die  reife  Fracht  Jahrelangen  unermüdlichen  Fletfaes,  der  am- 
„sichtigsten  and  sergfültlgsten  Benatsang  eines  reichen  handsehrlfu 
„liehen  Materials,  der  aasgedehntesten  Leetüre  und  einer  master- 
„haften  Akribie,  ein  Werk,  aufweiche»  die  deutsche  Wissenschaft 
„stela  sein  wird.«« 


E.    Finnisch-tartarische  Sprachen. 


Ueber  die  Sprache  und  Schrift  der  Uignren  von  Julius 
Klaproth.  Mit  einer  Kupfertafel  und  einer  Vignette. 
(Nur  in  zweihundert  Exemplaren  gedruckt.)  fol.  Vergl. 
über  dieselbe  S.  31.  unter  Verzeichnifs. 

Diese  Abhandlung  ist  von  einer  älteren  unter  demselben  Titel  er- 
schienenen desselben*  Verfassers  zu  unterscheiden.  Hier  werden  aus 
einem  uigurisch- chinesischen  Vocabular,  welches  aus  dem  kaiserlichen 
Uebersetzungsinstitute  su  Peking  stammt  und  jetst  in  der  Bibliothek  au 


Malayisch-porrnesische  Sprachen.  29 

Paris  sich  befindet,  die  in  ihm  enthaltenen  achthundert  uignrischen  Wör- 
ter mitgetbeilt  und  mit  den  entsprechenden  anderer  türkisch-tartarischer 
Dialecte  zusammengestellt.  Aufserdem  werden  drei  nigurische  Schreiben 
an  die  chinesischen  Kaiser  der  Dynastie  Ming  als  Sprachprobe  gegeben. 
Hierauf  folgt  die  aus  Abulgasi  und  besonders  den  chinesischen  Schrift- 
stellern geschöpfte,  theil weise  durch  europäische  Zeugnisse  bestätigte 
Geschichte  der  Uiguren,  welche  die  einstige  Macht  dieses  Stammes  und 
übereinstimmend  mit  der  Sprache  seinen  türkischen  Ursprang  und  seine 
Verschiedenheit  von  den  Tanguten  beweist.  Die  nigurische  Schrift  ist 
eine  Tochter  der  syrischen  und  Mutter  der  mongolischen,  kalmückischen 
und  mandschurischen,  wie  sowohl  die  Form  der  Buchstaben  selbst,  als 
auch  einheimische  Schriftsteller  lehren. 

Bas  Zahlwort  in  der  tschadischen  Sprachclasse ,  wie 
auch  im  Türkischen,  Tungusischen  und  Mongolischen  von 
Wilhelm  Schott.  Aus  den  Abhandlungen  der  Akade- 
mie a.  d.  J.  1853.  1853.    gr.  4.    geh.     15  Sgr. 


F.    Malayisch-polynesische  Sprachen. 


Ueber  die  Kawi-  Sprache  auf  der  Insel  Java,  nebst  einer 
Einleitung  über  die  Verschiedenheit  des  menschlichen  Sprach- 
baues und  ihren  Einflufs  auf  die  geistige  Entwicklung  des 
Menschengeschlechts  von  Wi  lhelm.vonHumboldt.  Drei 
Bände.    1836.    gr.  4.    18  Thlr.  15  Sgr.  ' 

Der  erste  Band  dieses  Werkes  enthält  aufser  der  Einleitung,  von 
der  die  oben  aufgeführte  Schrift  ein  besonderer  Abdruck  ist,  das  erste 
Buch :  über  die  Verbindung  zwischen  Indien  und  Java.  Da  die  Kawi- 
Sprache  das  «Erzeugnifs  dieser  Verbindung  ist,  so  wird  hier  gewisser- 
mafsen  die  Entstehung  derselben  nachgewiesen.  Die  Verbreitung  des 
Buddhismus  über  Java  und  andere  Inseln  des  östlichen  Archipels  wird 
ans  den  Ueberreste'n  von  Tempeln  und  Bildwerken,  Inschriften  und 
Sagen,  wie  auch  aus  einzelnen  Kennzeichen  aufs  Gründlichste  darge- 
than.  —  Das  zweite  Buch  (II.  Bd.)  enthält  die  Analyse  der  Kawi-Sprache. 
Nach  einigen  Notizen  über  die  Literatur  und  die  Hülfsmittel  zur  Erfor- 


30  Malayisch -polynesische  Sprachen. 

schung  derselben  wird  ihre  grammatische  Form,  wie  sie  sich  ans  der 
behutsamsten  Betrachtang  der  Texte  ergab,  dargestellt,  nm  die  Natur  der- 
selben zu  bestimmen  und  zu  zeigen  und  mit  Beweisen  zu  belegen,  wie 
sie  in  dem  Kreise  der  Sprachen,  zu  welchen  sie  zu  rechnen  ist,  classi- 
ficirt  werden  mufs.  —  Dies  nöthigte  den  Verfasser  im  dritten  Buche 
auf  den  malayischen  Sprachstamm  überhaupt  einzugehen.  Nach  der  all- 
gemeinen Charaoterisirung  und  Eintheilung  desselben  werden  zuerst  die 
einzelnen  Sprachen  des  westlichen  Zweiges  mit  dem  bekannten  feinen 
Takt  des  Verfassers  für  Auffassung  eigentümlicher  Gestaltungen  vor* 
geführt.  — 

Der  dritte  Band  umfafst  die  Sprachen  der  Südsee-Inseln,  den  andern 
Zweig  des  malayiBchen  Stammes.  Diese  leider  von  Humboldt  nicht  voll- 
endete Arbeit  hat  ihre  Ergänzung  durch  einen  jüngeren,  auf  dem  Gebiete 
der  Sprachwissenschaft  rühmlichst  bekannten  Gelehrten,  Herrn  Professor 
Buichmann,  erhalten,  welcher  in  umfassendster  Weise  nicht  nur  die 
Sprachen  der  Südsee-Inseln  unter  sich,  sondern  auch  diese  mit  dem  oben 
erwähnten  westlichen  Zweige,  den  im  engern  Sinne  malayisch  genannten 
Sprachen,  verglichen- hat. 

Ueber  die  Verwandtschaft  der  malayisch  -polynesischen 
mit  den  indisch-europäischen  Sprachen  von  Franz  Bopp. 
1841.     gr.  4.    2  Thlr.  20  Sgr. 

Der -berühmte  Verfasser  führt  in  dieser  Abhandlung  den  Beweis,  dafs 
der  malayisch-polynesische  Sprachzweig  ein  Abkömmling  des  Sanskrit-Stam- 
mes ist,  dafs  er  zu  demselben  in  einem  tochterlichen  Verhältnisse  steht,  wäh- 
rend die  meisten  europäischen  Sprachklassen  dem  Sanskrit  schwesterlich 
die  Hand  reichen.  Es  wird  die  Annahme  gerechtfertigt,  dafs  das  Sans- 
krit, und  zwar  zu  einer  Zeit,  wo  es  in  noch  ursprünglicherem  Zustande, 
als  in  welchem  es  uns  bekannt  ist,  sich  befand,  und  viel  durchgreifender 
und  gewaltsamer  als  das  Lateinische  in  die  romanischen  Sprachen,  in 
die  malayisch -polynesischen  sich  aufgelöst  habe.  Letztere  sind  nur 
Trümmer  eines  verfallenen.  Sprachorganismus,,  sie  sind  aus  der  gram- 
matischen Bahn,  in  der  sich  ihre  Muttersprache  bewegt  hat,  heraus- 
getreten. Die  Untersuchung  kann  sich  darum  hier  nicht  mit  der  Gram- 
matik beschäftigen,  sondern  es  werden  Wörter  aus  allen  Redetheilen 
mit  Sanskritwörtern  verglichen,  und  ihre  auffallende  Aehnlichkeit  mit 
denselben  bestätigt  die  obige  Ansicht. 


Chinesisch  und  Hinterindisch.  31 


G.    Chinesisch  und  Hinterindisch. 


Vocabularium  Sinicum  concinnavit  Guilelmus  Schott. 
1844.    gr.  4.   geh.    1  Thlr.  10  Sgr. 

Zar  Beurteilung  der  annamitischen  Schrift  und  Sprache 
von  Wilhelm  Schott.  Aus  den  Abhandlungen  der  Kö- 
niglichen Akademie  der  Wissenschaften  zu  Berlin.  1855. 
gr.  4.     geh.    8  Sgr. 

Die  Abhandlung  stellt  die .  Eigentümlichkeiten  der  annamitischen 
Schrift  und  Sprache  dar,  und  zwar  die  letztere  in  den  Lauten  der  gram- 
matischen Conatruction ,  im  Gegensatz  zur  chinesischen.  Ein  Anhang 
erklärt  die  Namen  Annam,  Tung-Kingl  (Tonqain)  und  Conchinchina. 

Verzeichnis*  der  Chinesischen  und  Mandschuischen  Bü- 
cher und  Handschriften  der  Königl.  Bibliothek  zu  Berlin. 
Verfafst  von  J  u  1  i  u  s  K 1  a  pr  o  t  h.  Herausgegeben  auf  Befehl 
Seiner  Majestät  des  Königs  von  Preufsen.  Paris  1822. 
gr.  fol.  (188  pp.  u.  VIII.)  Angehängt  ist  eine  Abhand- 
lung: Ueber  die  Sprache  und  Schrift  der  Uiguren.  (68  pp.) 
Mit  einer  Kupfertafel  und  einer  Vignette.  (Nur  in  zwei- 
hundert Exemplaren  gedruckt.)  Vergl.  über  dieselbe  S.  28. 
d.  V.     fol.     16  Thlr.  15  Sgr. 

Chinesische  Sprachlehre  von  Wilhelm  Schott.  Zum 
Gebrauche  bei  Vorlesungen  und  zur  Selbstunterweisung. 
1857.     gr.  4.    geh.    2  Thlr.  20  Sgr. 


32  Amerikanische  Sprachen. 


H.   Amerikanische  Sprachen. 


Ueber  die  Astekisehen  Ortsnamen  von  Joh.  Carl  Ed. 
Buschmann.  Erste  Abtheilung.  [Besondrer  Abdruck  aus 
den  Abhandlungen  der  Königlichen  Akademie  der  Wissen- 
schaften zu  Berlin  aus  dem  Jahre  1852.]  1853.  gr.  4. 
geh.     2  Thlr. 

Inhalt:  I.  Einleitung.  II.  Aztian  und  die  aztekische  Sprache. 
III.  Merkwürdigkeiten  der  mexikanischen  Sprache.  IV.  Hieroglyphiscbe 
Gemälde.  V.  Einwanderung  von  Norden.  VI.  Wanderungen  und  älteste 
Geschichte.  VII.  Verbreitung  aztekischer  Ortsnamen  im  Allgemeinen 
und  im  nördlichen  Mexico.  VIII.  Guatemala.  IX.  Nicaragua.  X.  Gua- 
temala (Sohlufs).     XI.  Wiederkehr  der  Ortsnamen. 

Der  athapaskigehe  Sprachstamm  dargestellt  von  Joh, 
Carl  Ed.  Buschmann.  Aus  den  Abhandlungen  der 
Königl.  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Berlin  1855.  1856. 
gr.  4.     cart.     2  Thlr. 

Die  Sprachen  Kizh  und  Hetela  von  Neu-Californien  von 
Joh.  Carl  Ed.  Buschmann.  Aus  den  Abhandlungen  der 
Königl.    Akademie    der    Wissenschaften    zu   Berlin    1855. 

1856.  gr.  4.  geh.     12  Sgr. 

Die  Pimasprache  und  die  Sprache  der  Xoloschen  von  Joh. 
Carl  Ed.  Buschmann.  Aus  den  Abhandlungen  der 
Königl.    Akademie    der   Wissenschaften    zu   Berlin    1856. 

1857.  gr..4.     cart.    1  Thlr. 


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