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I
Professor Karl fieinrid? Hau
PRESENTED TO THE
UNIVERSITY OP MICHIGAN
JTlr. pijilo porsons
^H
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1-)
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ZEITSCHRIFT .,,^^
FÜR
VERGLEICHENDE
SPRACHFORSCHUNG
AUF DEM GEBIETE DES
DEUTSCHEN, GRIECHISCHEN UND LATEINISCHEN
UNTER MITWIRKUNG
VON
Dr. ERNST W, A, KUHN
HERAUSGEGEBEN
VON
Br. ABAX.BERT KUHN,
PROFESSOR UND DIRECTOR DES KÖLLN1SCHBN OTIUTASIUMS ZV BBRLDf.
BAND XXI.
NEUE FOLGE BAND I.
BERLIN
PERD. DÜMMLER'S VERLAGSBüCHHAlJDLÜNG
(HABBWITZ UND 0088UANN)
1873.
Inhalt.
Seit«
Etymologische beitrage. Von A. Fick 1
Berichtigung. (Zurv^accentlehre.) Von F. Miste li 16
Die neuhochdeutschen aspiraten und tenues. Von J. F. Kräuter . . 80
Das deutsche tsch. Von 6. Gerland 67
Zur geschichte des indogermanischen vocalismus von J. Schmidt.
Erste abtheilung. Angezeigt von B. Delbrück 73
A comparative Grammar of the Anglo-Saxon Language. By F. A. March.
Angezeigt von M. Heyne 92
Lit. kirm^ti. Von J. Schmidt 96
Umbrische Studien von J. Savelsberg 97
Miscellanea: 1} gfivi, kuh. 2) Das oskische perfect auf -tte. 8) Zwei
oskische worter. Von H. Kern 287
rdXa (FriAaxTog), Lac (Lactis), der graecoitalische name der milch.
Von H. Brunnhofer. Angezeigt von E. Windisch .... 248
Versuch einer formenlehre der oskischen spräche. Von E. Enderis. —
Ueber einige grundzüge der lateinischen Wortstellung. Von C. Abel. —
Vorlesungen über die vergleichende lautlehre des sanskrit, des griechi-
schen und des lateinischen, von G. J. As coli. Uebersetzt von
J. Bazzigher und H. Schweiz<r-Sidler. Erster band. — On the
Nature and Theory of the Greek Accent. By J. Hadley;
on the Kature and Designation of the Accent in Sanskrit. By
W. D. Withney. (From the Transactions of the American Philo-
logical Association, 1869 — 1870). — Memoires de la Soci^t^ de
Lingnistique de Paris. Tome premier. -^ Die deutschen pronomina
und Zahlwörter, historisch dargestellt von H. B. Rumpelt. —
Arbeiten des prof. E. Lattes in Mailand: Osservazioni sopra alcune
iscrizioni £trusche.-^(Memoria del prof. E. Lattes, s. corresp. del
R. J. Lombardo; 9. die. 1869) n. s. w. Angezeigt von H. Schwei-
zer-Sidler 266
Miklosich, Fr. Die slavischen demente im neugriechischen. Ange-
zeigt von A. Leskien 280
Gotisch vopija ich rufe. Von J. Schmidt 288
Zwei indische gleichniBse. Von E. Windisch 286
Literarische notiz . 287
Abhandlungen über die romanischen mundarten der Sttdwestschweiz. —
Erste abtheilung: Die mundarten des cantons Neuenbürg. Erster
theil: Lautlehre. 1. Die vocale. Von Fr. Häfelin 289
Ueber vocalsteigerung, insbesondere in fler verbalflezion. Von Leo
Meyer 841
"Enaaroq — ^Uaaioq, Von LeoMeyer . . 850
Etymologische beitrüge. Von A. Fick 866
8«it«
6. Gerber, die spräche aU kirnst. Erster band. Angezeigt ron
6. Gerland 370
Agglatination oder adaptation? Eine sprachwissenschaftliche Streitfrage
▼on A. Ludwig. Angezeigt von B. Delbrück 381
Ueber F ick 's Tcrgleichendes Wörterbuch der indogermanischen sprachen.
Von E. Windisch 385
Somanische Sprachwissenschaft. Ans Zeitschriften. Von H. Schochardt 434
Etymologische beitrage. Von A. Fick 461
Altdeutsches hl und br als gl, kl und gr, kr in personennamen enthalten.
Von K. 6. Andresen 465
Znr etjmologie von riaQqaaia- Von W. Burda 470
*Eam — (^«*» aus affäw' Von Leo Hejer 472
Reliqniamm dialecti Creticae pars prior. Glossae creticae cum commen-
tariolo de nniversa creticae dialecti indole. Scripsit H. Klee-
mann. Angezeigt von G. Gerland 473
Die verwantschaftsverhältnisse der indogerm. sprachen von J. Schmidt.
Augezeigt von E. Kuhn 475
Verzeichnis eingegangener Schriften 476
Abbandlongen Über die romanischen mundarten der Sfkdwestschweiz. —
Erste AbtheiluDg: Die mundarten des cantons Neuenbui^. Erster
theil: Lautlehre. IL Die consonanteu. — Zweiter theil: Formen-
lehre: L Substantiv. II. Adjectir. III. Zahlwort. IV. Pronomen.
V. Verbum. Von Fr. Häfelin 481
Sach* und Wortregister. Von Alois Vanfcek 549
Etymologische beitrage,
1.
Abd. ganehaista funke, altpreufs. knaisti-s brand, ksl.
gnetiti zfinden, lat. nitere glänzen (scintilla fcmke).
Uas alte deutsche wort gneist funke, das ja in dem
familiennamen „Gneist^ and dialectiscb vielleicbt attcb Sonst
noch heut zu tage fortlebt, hat seines absonderlichen lids*
Sehens wegen die forscher viel beschäftigt, ohne dafs mei-
nes Wissens die schlagende deutung bis jetzt gefunden wäre.
Es findet sich im an. gneisti (stamm gneistan-) und im
ähd. ganehaista, gneista, cneista st. f. gneisto (stamm gnei-
stan = an. gneisti) schw. nf. mit der nebenform ganeistra f.
Die ahd. formen zeigen deutlich, dafs ga- präfigirt ist,
welches ga- im an. ganz regelrecht zu blofsem g wird,
vgl. an. gnött = ahd. ginuht genüge, an. gnög-r = goth.
ga-nöh-s, ahd. gi-nuog, nhd. ge-nug, an. gllk-r = nhd.
g-leich u. s. w. Zur weitern herstellung der grundform
verhilft uns das alterthümliche ahd. ga-nebaista. Hier ist
das alte, sonst geschwundene h noch erhalteü, aber ver«-
stellt, wie das bei schwindenden lauten ofl vorkommt; das
h an seinen richtigen platz gestellt, erhalten wir ga-hnaista
resp. ga-hnaistan als germanische grundform. Seheiden wir
das präfix ga- ab, to entspsicbt dem so gewonnenen txi*-»
germanischen hnaista latit für laut das im Elbinger glossar
uns erhaltene prenfsische knaisti-s brand, angebranntes
scheit. Das auslautende i wird fdr a stehen, wie ^ami-s
krähe für varn-as, konagi-s könig vgl. Ht. kuning-a-s, cur-
wi-8 ochse vgl. im katechismus kurwa-n acc. u. s. w. Als
Zeitschr. f. vgl. sprachf. XXI. 1. J
2 Fick
stammverb fQr germ. hnaista =s preufs. knaista = slavo-
deutsch knaista können wir wohl nur knait zünden an-
setzen, und dieses knait finden wir im ksl. gneätq (=
gnet-j^) gnetiti anzünden. Die erweicbung von urspröng-
liebem anlautenden kn zu gn im slaviscben ist durchaus
regelrecht; ich erinnere hier nur an das slaviscbe gnida
nifs (poln. gnida, os. bnida, polab. gnaidäi pl. nisse e. Scblei-
cber polab. spräche 77, 9), das wie das griech. xoviä- und
ags. bnitu f. (= bnita) niss beweisen, auf eine grundform
knida = slav. gnida = ags. bnitu f. zurückgeht. Sonach
haben wir ein slavodeutsches verb knait zünden, mit der
ableitung (knait-ta) knaista gewonnen. Dieses knait ist
zunächst durch vocalsteigerung aus knit entstanden, und
dieses knit liegt im lat. nit-6re, niti-dus, nit-or vor, wie
man sieht für cnit-iere mit regelrechtem abfall des c vor n.
knit selbst ist nun freilich noch lange keine reine wurzel-
form; zunächst ist es auf europäischem boden durch Um-
stellung aus kint hervorgegangen, wie europ. knid =^ xvi^w
(xvid'jia) == germ. hnit stofsen aus kand u. a. kint ist
präsensthema aus kit, wie skr. Mi kintati zeigt; die volle
form ist skit, skint, und daher stammt das mit dem ger-
manischen ga-hnaista in der bedeutung sich deckende lat.
scint-illa funke.
2.
Ksl. (nqta) nuta heerde = polab. nöto heerde.
In dem posthumen werke von Schleicher über die po-
labiscbe spräche, welches uns den grofsen meister auf der
höhe seiner kraft zeigt, finden sich auf s. 73 die polabi-
sehen Wörter nüntung s= nötö aee. heerde, vieh, nungtar,
nuntär hirt, kuhhirt = nötar in der systematischen Schrei-
bung Schleichers. Die ksl. parallele zum polabischen nota
f. heerde ist von Schleicher nicht angegeben, sie kann
nur nqta lauten und scheint im altslavischen zu fehlen.
Allein bedenken wir, dafs ^ vor consonanten schon in den
kirchenslavischen quellen oft in der Jüngern form u auf-
tritt, so werden wir das polab. nöta unfehlbar richtig im
etymologische beitrüge. 3
ksl. nuta f. riod, rinderheerde erkennen. Miklosich scheint
freilich das wort für entlehnt zu halten, aus dem germa-
nischen nauta (nutzvieh) rindvieh =» an. naut, ags. ne4t,
ahd. mhd. noz n. stück vieh, besonders rind. Allein hierzu
liegt kein grund vor und wir werden unbedenklich ursla-
visch nqta = ksl. nuta = polab. nöta rind, rinderheerde
ansetzen. Die wurzel ist nam, das die bedeutung „wei-
den^ besonders im griechischen stark ausgebildet hat, aber
auch andere sprachen zeigen uns nam in diesem sinne,
vgl. zend. nemata n. gras, weide, lat. nemus = vsfiog wald-
trift, altfränkisch nimid weide.
3.
Lat. ad-ol^re verbrennen und german. aljan brennen,
alida feuer.
Mit recht hat man von alere nähren, olescere wach-
sen, das so schön durch das goth« alan öl wachsen »s an.
ala öl nähren reflectirt wird, lat. ole, das in ab-olere ver-
nichten hervortiitt, geschieden und darin das griech. 67-
-^t/jui, oXi-tToü erkannt, und in der that ist der ab-olitor
vernichter durchaus ein oksrijQ. Man mufs aber noch
weiter gehen und auch in ad-oleo olui ol6vi ultum ol^re
verbrennen eine selbständige wurzel anerkennen. Das wort
heifst zunächst einfach „verbrennen'^, wie z. b. bei Ovid
Metam. I, 492 utque leves stipulae demptis adolentur ari-
stis, sodann meist vom brandopfer: hostiam, tura, viscera,
wo das wort jedoch ebenfalls schlechtweg verbrennen be-
deutet, so dafs es nur zufällig durch den Sprachgebrauch
auf die Opferverbrennung mehr und mehr beschränkt wor-
den ist. Sonach haben wir eine lateinische wurzel ol bren-
nen durchaus anzuerkennen, eine wurzel, welche im ger-
manischen die schönsten reflexe zeigt. Hier giebt es eine
wurzel al brennen, welche z. b. in folgenden bildungen
vorliegt: ags. älan brennen trs. und intrs.^ äl-geveorc n. igni-
arium, äling f. ardor, flagrantia (animi) in-älan, on-älan
incendere, ferner in (germ. alida =) an. eldr g. elds pl.
eldar = as. eld = ags. äled m. feuer, brand. Dies hie-
1 *
Fick
mit eingeführte europäische al brennen ist noch weiter
verbreitet, hier genüge es ihm seinen gebührenden platz
unter den europäisohen wurzeln angewiesen zu haben.
4.
Preufs. dragios und an.^dregg, engl, dregs hefen:
ksl. drostija und ags. därste, ahd. trestir.
Das preufs. dragios hefen kann nur nom. plur. eines
weiblichen ja-stamraes sein, wie brunyos brünne, crausios
binnen (vgl. lit. krausze = krauszja- birne). Es entspricht
diesem dragja- auf deutschem boden ganz genau das an.
dregg stamm drag-ja = engl, dregs nur plural hefen. Nicht
minder geht auf eine grundform dragja zurück das ksl.
drozdiJQ hefe, zunächst aus drozda = drog-ja wie vrazda
feindschaft = vrag-ja von vragö feind. Dagegen ist dro-
stija n. pl. hefe von dieser sippe zu trennen und andern
gleichbedeutenden wortern auf germanischem gebiete zu-
zugesellen, droätije beruht auf drost-ja und mit drostja
deckt sich nach laut und sinn das ags. därste acc. därstan
f. hefe. Wie der umlaut zeigt mufs darstja- als basis an-
gesetzt werden, ferner ist die acht deutsche grundform
dras^a und därste nach ags. weise biofs umgestellt, wie
ags. gärs gras neben grasa- der übrigen deutschen spra*
eben. Dies kann noch stricter bewiesen werden durch
ahd. trest-ir einen alten erstarrten plural, woraus nhd. tre-
ster, rtiekstand bei der kelterung, welches wort ebenfalls
auf die urforin drastja weist. Basis von dhras-tja ist ein
verb dbras niedersinken, trübe werden, wozu mit Sicher-
heit ksl. dr^h-lö und dr^s-elü trübe, finster, mürrisch ge-
hört, sowie das lit. drums-ti trüben, drums-tas bodensatz,
hefe, su-drums-tas trübe, aufgerührt, s«^drumsti-ma-s trü-
bung, reizbarkeit, gereiztheit, das jedoch in seinem ver-
bi^toifs zum germanischen drus niedersinken, fallen, ags.
dry^san trauern, wozu nhd. trauern, noch näherer untere
suchung bedarf; wie mir scheint sind zwei wurzelformen
dhras und dhrus anzunehmen.
utyoiologiöche beitrage.
5.
Oiddw schwellen, olöoi^ gescbwulst, geschwür, ahd. eiz
gescb willst, eiterbeule, abd. eitar gift, ksl. jadro bauscb,
jadü gift.
Die Wurzel id scbwellen, zu der auf arischem gebiete
skr. indu tropfen, funken, mond, ind-ra der „sobwellende^,
der gewaltige himmelsgott, vielleicht auch ved. id f. trank,
labung gehören, entfaltet atif europäischem gebiete eine
reibe ableitungen, welchen die gesteigerte form aid zu
gründe liegt. Der Zusammenhang derselben soll hier dar-
gethan werden. Zunächst haben wir olSdo), oiddvo) schwel-
len und o?J-/mr seh wall zu verzeichnen, letzteres direct
von oiö gebildet. Ebenso geht direct auf olS oldog n, ge-
schwulst, von ärzten auch im sinne von oiStjua von krank-
haften anschwellungen am menschlichen körper gebraucht.
Während nun altlat. aemidu-s, tumidus auf oid-fAo weist,
entspricht auf das schönste dem griechischen o2d-og dem
sinne nach ahd. eiz mhd. eiz st. m. geschwör, eiterbeule,
das auf ein urgermanisches aita zurückweist^ welches selbst
wieder auf europäischer lautstufe aida s= griechisch olSo-
lauten würde. Mit german. aita = abd. eiz ist nun eng
verbunden german. ait-ra n. gift, das im an. eitr n. gift,
eitr-ormr giftwurm, giftschlange, ags. ätor n., ahd. eitar,
mhd. eiter n. gift, mhd. eiter-slange, giftschlange vor-
liegt. Im neuhochdeutschen lautet das wort „eiter'', hat
aber andere bedeutung, die freilich, wie man aus oiäog ge-
schwulst, geschwür, ahd. eiz eiterbeule scbliefsen könnte,
vielleicht auf altem gründe beruht. Im slavischen gehört
zum stamme aid ksl. edro, jadro n. bauscb, Schwellung
(vgl. oiÖdw schwelle) und wie man zuversichtlich behaup-
ten kann ^dü, jadu m. gift, das Miklosicb freilich von äd,
jad essen herleiten will. Allein diese herleitung ist ge-
sucht, und da ödü ^ aida sein kann, und aid- im deut-
schen aitra gift bedeutet, so ist unser verschlag jedenfalls
wahrscheinlicher. Führen wir die deutschen und slavischen
formen auf die slavodeutsche sprachstufe zurück, so erhal-
ten wir die beiden themen aida und aidra, von denen aida
6 Fick
im ahd. eiz Schwellung, im slav. £dü gift bedeutet, wäh-
rend aidra im deutschen aitra gift^ im slavischen edro
Schwellung, bausch heifst. Wir dürfen daraus schliefsen,
dafs in der slavodeutsehen Spracheinheit die beiden themen
aida und aidra als wechselformen bestanden, welche in den
beiden bedeutungen „Schwellung'^ und „gift** beliebig ver-
wendet wurden. Auf grund dieser Zusammenstellungen
darf man ein europäisches aid schwellen, vielleicht auch
aidas, aida geschwulst^ sowie die slavodeutsehen themen
aida und aidra, beide sowohl Schwellung, bausch als auch
gift bedeutend, aufteilen.
6.
Lat. meta, an. meidhr, lett. met-a-s.
Die ig. Wurzel mi errichten, bauen ist als verb nur
im sanskr. und im lett. mg-t bepfäblen erhalten. Daher
stammen u. a. skr. mi-t f. aufgestellter pfosten, säule und
me-thi m. pfeiler, pfosten. Im lateinischen gehört hierher
me-ta (grandform mai-tä) f. alles aufgerichtete, schober,
häufe, meiler (kohlen), dieme, speciell die säule am end-
punkt der rennbahn, daher denn verallgemeinert Wende-
punkt, endpunkt, Zielpunkt. Diesem lat. m€ta, sowie dem
skr. methi pfeiler, pfosten entspricht nun auf deutschem
boden an. meidh-r m. bäum, balken, stange, auf baltischem
gebiete lett. m^-ta-s m. zaunpfahl, so dafs man ein euro-
päisches maita (vgl. skr. methi) aufgerichtetes, säule, pfo-
sten ansetzen darf.
7.
Tus beschwichtigen, ig. tusna still, ksl. po-tuch-n§ti
still sein.
In meinem wörterbuche sind auf s. 73 in ganz ver-
kehrter weise die reflexe des europäischen tak tacere und
einer indogermanischen wurzel tus stillen durcheinander
gewirrt. Ursache des irrthums war die skr. Schreibung
tu9 (neben tus) die ich fälschlich für die organische hielt.
etymologische beitrage. 7
Das ig. verb beifst ins und sind die glieder der dazu ge-
hörigen Wortsippe etwa so zu ordnen: skr. tuä tuäjati (tu^
falscbe Schreibung) beschwichtigen, sich beruhigen, tüä-nlm
adv. stille, schweigend, zend. (tüsna still, zufrieden in)
tüsnä-maiti stiller, zufriedener sinn. Auf europäischem
bodeu gehören hierher preufs. k. tuss-ise er schweige,
tusna-n acc. still (= zend. tüsna cf. skr. tüSnlm), ferner das
für s beweisende ksl. po-tuch-n^ti quiescere, exstingere.
Auch ksl. tichü still (woraus lit. tyka-s still entlehnt ist)
gehört hierher; es steht für tjüchu, indem sich vor dem
n ein j entwickelte, worauf jü zu i contrahirt wurde, wie
igo joch aus jugo.
8.
Skr. tisras = zend. tiSarö = altir. teoir, teora f.
drei; skr. katasras = altir. cetheoir, cethcora f.
vier.
In den arischen spräche giebt es sonderbare, wider alle
analogie gebildete feraininformen für die Zahlwörter drei
und vier, die bis jetzt als eine eigenthömlichkeit dieses
Sprachzweiges galten, im folgenden jedoch als der indo-
germanischen grundsprache angehörig nachgewiesen wer-
den sollen. £s sind dies die formen: skr. tisras = zend.
tisarö f. drei und skr. Katasras f. vier (ohne zendische pa-
rallelform). Aus der vergleichung von skr. tisras mit zend.
tisarö darf man auf die grundform (tisaras) schliefsen, ja
aus der erhaltung des s hinter i im skr. tisras könnte man
vielleicht ursprüngliches (tasaras) folgern. Die reflexe die-
ser weiblichen formen sind in allen europäischen sprachen
mit ausnähme des celtischen untergegangen; hier jedoch
sind sie mit der gröfsten deutlichkeit erhalten. Im altiri-
schen lautet das zahlwort drei neben dem masc. ntr. tri,
im feminin teoir, teora, im britischen neben masc. tri in
der weiblichen form teir. Ebenso steht dem altir. msc.
ntr. cethir vier ein feminines cetheoir, cetheora, dem bri-
tischen männlichen petuar ein weibliches peteir gegenüber,
8. Ebel gramm. celt. s. 302. 303. 316. 317. Diese cel-
8 Fick
tiflchßQ femininformen lassen sich nur als reflexe der ari«
aohen tisaras, Katasras, als solche aber auch völlig erkl&*
rfo. Inlautendes s zwischen vocaleu kann im celüscben
apurlos ausfallen; so im altir. siur Schwester in siur^nat
Schwesterchen, (aus siur sisur s. Ebel 52), cambr. chwaer
pL chwior-yd, com« huir d. i. nach Ebel hvuir schwesteür»
Alle diese formen gehen auf das indogermanische svasar
sobwester zurück und haben inlautendes s eingebüfst, wie
auch ^tir« hiairn eisen = german. isarna« eisen ; vgl. Ebel
52. 123* 293* Sonach stehen altir. teora, cetheora für
te«s-ora, cethe^s^ora» oder gehen mit andern werten aut
dieselbe grundform zurück, aus der skr. tisras =as zend.
tiäarö (d. i. tisaras) und skr. katasras hervorgegangen sind.
Da nun feststeht^ dafs das celtische zu dem arischen jeden-
falls in keinem näheren Verhältnisse steht als irgend eine
andere europäische spräche unseres Stammes, da ferner
ebenso fest der satz steht, dafs jede bildung von erkenn-
barer ursprünglicher identität, die sich zugleich auf euro-
päischem und arischem sprachboden nachweisen läfst, schon
der indogermanischen Ursprache zuzuweisen ist, so ist ala
erwiesen anzunehmen, dafs die femininalformen der Zahl-
wörter drei und vier ursprachlich tasaras (tisaras) drei und
katasaras vier gelautet haben.
9.
Lat. caesius hell, helläugig und lit. skaista-s hell,
balta-skaisti-s weifs glänzend.
Wollte man ohne rücksicht auf die bedeutung fär
caesius hell (oculi caesii helle äugen), helläugig im latein
ein stamm verb aufsuchen, so würde man am ersten auf
caedere rathen, denn wie caesus für caed-tus steht, würde
aua caed-tius nothwendig caesius werden müssen, die form
böte also gar keine Schwierigkeit. Nun stammt caesius
wirklich von caed, zwar nicht in der im latein gewöhn-
lichen bedeutung, sondern von caed im sinne von de-cldere
entscheiden und des identischen goth. skaidan, litauisch
sk^ s<^eiden. Von der wurzel skidh in diesem sinne ha*
etymologische beitrüge. 9
ben wir in den nordeuropäischen sprachen lit. skaid-ru-e
=a lett. skaidr-s hell, heiter, ksl. cistu rein = lit. skysta-8
rein, klar, hell und endlich lit. skais-ta-s für skaid-ta-s
hell, klar, glänzend (von menschen geehrt, berühmt), balta»
skaisti-s weifs glänzend. Lat. caes-iu-s ist demnach durch
das Suffix ia, das ja in allen sprachen unseres Stammes
immer zur hand ist, von (caesu-s) hell = lit. skaista-s
hell abgeleitet, wie lit. skaistja- in balta-skaisti-s hell glän-
isend von skaista-s. Dieses einfache (caesu-s) liegt auch
in den uralten eigennamen vor, die mit Wahrscheinlichkeit
zu caesius $;u stellen sind: nämlich Kaes-ön- = Caesön-,
das wie der name Caesius hellauge bedeuten wird; davon
dann Gaesön-iu-s, und Caesön-inu-s, sowie Caesul-la (für
Caeson-la, wie lenul-la-s aus lenon-Iu-s) und hiervon dann
wieder Cftesul-enu*s.
Uebrigens sind beide bildungen nicht von einander
unabhängig je in ihrer spräche entstanden, sondern sie wei-
sen auf ein der europäischen einheitssprache angehöriges
skaista-8 (aus skaidh-tas) hell zurück.
10.
Ved. katitha der wie vielte = noöto-g = lat. quotus
der wie vielte, skr. tatitha der so vielte = lat. totus
dass.
Das bereits im Veda erscheinende adjectiv katitha der
wie vielte ist von kati sss lat. quot wie viele regelrecht
durch das soffix tha abgeleitet. Dieses tha fungirt hier
ganz in demselben sinne wie in katur-tha der vierte, panl£a-
-tha der fünfte u. s. w., wo tha Ordinalzahlen aus den car-
dinalen bildet, denn katitha ist dem sinne nach nichts an-
deres als die ordinalform zu dem unbestimmten zahlworte
kati. Die verwandten sprachen lehren uns, dafs dieses ordi*
nalien bildende suffix tha durch eine erst auf indischem bo-
den eingetretene lautaffection aus ursprünglichem und ur-
sprachl. ta hervorgegangen ist (vgl. rftga-ro-gj nifAU-ro-g^
lat. quin-tu-s, lit. ketvir-ta-s u. s. w.). Demnach kann
katitha, falls dasselbe bereits der Ursprache angehört hat,
10 Fick
zur zeit der indogermanischen 8pracbeinheit nur katita ge-
lautet haben. Dafs diese bildung nun wirklich so alt ist,
erweisen zwei reflexe des Wortes auf europäischem boden,
die derselben grundform katita entsprungen sich mit dem
skr. katitha nach laut und inhalt decken.
7i6(fTO'g der wie vielte, schon bei Homer vorkom-
mend, ist von *7toTi = lat. quot regelrecht durch das or-
dinalsuflßx ro abgeleitet, genau so, wie eixoa-to-g der zwan-
zigste aus sixoti'To^ eixoT'To erwachsen ist. Es steht also
noüTo für noT'to und dieses für nori-ro^ welches laut für
laut dem skr. katitha =: ursprachlichem katita der wie
vielte entspricht.
Auf lateinischem gebiete dürfen wir um so eher einen
reflex des durch die gleichung: skr. katitha = noato-g
schon als ursprachlich erwiesenen katita zu finden hoffen,
da hier das Stammwort kati = skr. kati wie viele in quot
erhalten vorliegt. Und so ist es in der that; unserm ka-
tita entspricht ganz genau lat. quotu-s der wie vielte,
welche behauptung kühner erscheint als sie ist. Nach einer
weitverbreiteten eigenart des latein wird, wenn durch Zu-
sammensetzung, sei es mit afBxen sei es mit vollen Wör-
tern, zwei gleichanlautende silben zusammenstofsen würden,
die erste einfach ausgestofsen. So steht inquietüdo für
inquieti-tüdo (inquietus unruhig -f- tüdo), calamitösu-9 für ca-
lamität-ösus (von calamität-), semestri-ö halbmonatlich für
sömi-mestri-s u. s. w. Danach haben wir ein recht, quotu-s
für quoti-tu-8 = nodTo-g = skr. katitha zu nehmen, ja
wir mOssea dies sogar thun, da von quot, volle form quoti,
ja nach lat. bildungsgesetzen ein quot-u-s gar nicht ge-
bildet werden kann, mindestens ist mir eine derartige for-
mation nicht bekannt.
Ganz dasselbe, was von quotu-s = katitha, gilt von
lat. totu-8 der so vielte (tot so viele, toti-dem ebenso viele)
= skr. tatitha der so vielte (tati so viele). Da jedoch
totus erst bei sehr späten Schriftstellern vorkommt, mag
das wort dem alten quotus nur nachgebildet worden sein.
etymologische beitrage. 11
11.
Lit. iza-s eisscbolle = au. jaki eisstück, vgl. an. jökull
gletscher = ags. gicel, ises gicel = engl, icicle eis-
zapfen.
Das lit. i^a-s eisscbolle, pl. i^ai grundeis kann den
lautgesetzen gemäfs auf die grundform iga oder igba zu-
rückgeben. Dafs das erstere der fall, also lit. i:^as aus
iga-s entstanden ist, beweist das germaniscbe. Im altnor-
discben beifst jaki m. eisstöck, besonders ein grofses. Dies
jaki würde im gotbiscben ikan- lauten, und deckt sich,
bis auf den im deutseben so ungemein bäufigen übertritt
alter a- stamme in die scbwacbe declinatiou, mit dem lit.
iza-s = iga vollständig. Eine weitere ableitung vom ger-
manischen ikan- ist an. jökull m., d. i. ikula- q|rt)erg, glet-
scber, welches wieder genau mit dem ags. gicel in ises
gicel = engl, icicle eiszapfen stimmt. In gicel haben wir
das in allen sächsischen dialecten so häufige vorgeschla-
gene g abzutrennen, wir gewinnen dann icel, das laut für
laut mit an. jökull sich deckt. In der bedeutung mit gicel,
in der form dagegen mit dem an. jaki stimmt das ditmars.
-jaek in is-jaek eiszapfen. Das anlautende j ist hier nichts
anderes als das sächsische vorgeschlagene g im ags. gicel;
trennen wir es ab, so bleibt ask, worin se Vertreter des aus
ursprünglichem i erwachsenen e ist; die sächsische grund-
form des ditmarsischen worts ist also g-ekan- und dies ist
genau das an. jaki, beider grundform ist ikan-. Aus der
vergleichung vom germanischen ikan- mit lit. iza-s gewin-
nen wir ein bereits in der periode der slavodeutschen ein-
heitssprache ausgeprägtes: iga m. eisstück, eisscbolle.
12.
'Eyxata = lat. exta eingeweide = lit. inksta-s niere
= ksl. isto hode plur. nieren (vergl. lit. iszczo-s einge-
weide).
Nehmen wir auf grund der obigen Zusammenstellung
ein der europäischen einhcitsspracbe angehöriges anksta-
12 Fick
eingeweide au, so lassen sich die sämmtlichen dazu ge-
stcllteu formeo völlig erklären. Lat. exta zunächst steht
völlig regelrecht ftr enxta wie tri-mestris für tri-menstris,
da n vor der lautgruppe xt sich nicht behaupten konnte,
wie denn auch juxta fQr junxta stehen wird, obgleich man
in diesem falle auch die nasallose form jug zu gründe le-
gen könnte*). Ferner ij^xara ist erwachsen aus iy^ra;
daraus wurde zunächst iyx-ra^ genau wie ix-ro- der sechste
aus i^'To^g = sextus. iyx-ra wurde sodann, der leichte-
ren sprechbarkeit halber, durch vocal gespalten, also fyx-
-a-ta wie xAk-a-fio-g = lat culmus ss halm u. 8. w. Das
lit. inksta-8 niere zeigt die reine grundform bis auf die
Schwächung des anlautenden vocals; in einer etwas mehr
entstellten form liegt es in iszczo-s pl. f. eingeweide vor,
das wahrscheinlich [szczo-s zu schreiben ist und aus in-
kstjo-s regelrecht hervorging, aufserdem beachtenswerth
ist, weil es nicht die specialisirte bedeutung niere zeigt,
sondern im sinne ganz mit exta und iyxaxa stimmt. Die
preufs. form des wertes inxcze niere im Elbinger gl ossär
entspricht dem lit. inksti-s m. f. Grundform ist inkstja-.
Endlich ksl. isto g. istese n. ist as-stamm, stimmt aber
sonst sehr wohl zu inksta-s; im Singular bedeutet es hode,
im plural wie das lit. wort nieren. Für den wandel von
inkst- in ksl. ist- möchte es wohl an beispielen fehlen,
doch wenn ein so gründlicher kenner der slavischen laut-
verhältnisse wie Joh. Schmidt an der Zusammenstellung
von isto mit lit. inkstas keinen anstofs nimmt, so darf die-
selbe wohl für unbedenklich gelten.
Auf die deutung des sonach als gemeinsam europäisch
erwiesenen anksta- eingeweide lasse ich mich hier nicht
ein, möglich dafs dasselbe mit dem lat. inguen zusammen-
hängt, wie Schmidt (vocalismus 81) vermuthet.
*) An entstehung von exta aas ex-secta von cx-Becare ausschneiden ist
nicht wohl zu denken, doch vergl. pro-secäre die eingeweide zum opfer aus-
schneiden, pro-secta n. pl. eingeweide und die Verbindung exta prosecare.
etymologische beitrage. 13
13.
Preufs. usb-ta- der sechste und lit. usz-^s s=s szesz-^s
die sechswochen«
Aus dem preufs. ush-t-s der sechste ergiebt sich eine
auf den ersten blick befremdliche nebenform des Zahlworts
sechs, die sich ebenfalls im litauischen nachweisen läfst.
In manchen gegenden Litauens spricht man nämlich (nach
Nesselmann s. y. usz^s) usz^s f. pl. die sechswochen, das
kindbette statt des gewöhnlichen szesz^.s f. pl. In diesem
uszes = szeszes verhält sich usz- sechs zu szesz- sechs, wie
preufs. ush-t-s der sechste zum lit. szesz-ta-s der sechste.
Wir haben demnach eine preufs, -lit nebenform usz- zu szesz-
anzuerkennen. Die deutung dieses usz- ist nicht schwer,
wenn man die ächte grundform des Zahlworts sechs zu
gründe legt. Diese ist, wenigstens für den europäischen
sprachbezirk sveks. Auf diese form weist jre^ = ?|, fer-
ner mit höchster deutlichkeit das britische chwech (d. i.
sves = sveks), in composition chwe neben dem altirischen
se sechs (sesca sechszig) s. Ebel Gramm. Celt. 303. 318.
Aus sveks wurde mit ausstofsung des v (wie im lat. sex,
deutsch sechs), Umwandlung von ks in sz (wie im lit. tasz-
behauen = ig. taks) und endlich assimilirung des anlauts
8 an den auslaut sz (wie im lit. szeszura-s schwäher, skr.
^ra9ura dass. aus der grundform svakura socer) das lit.
szesz- sechs. Indem jedoch das v bewahrt blieb, und der
anlaut sz abgeworfen wurde, oflPenbar auf anlafs des un-
mittelbar folgenden sz (wie im griechischen Aa| für xla^^
lat. calx) entsprang aus szvesz die form vesz. Diese ver-
kürzte sich zu usz- wie zemait. unden- aus lit. vanden-
wasser, wie skr. uK aus vaK sprechen, ür-nu umringen aus
var-nu u. s. w. und dieses usz- sechs ist die basis vom
lit. usz-6s die sechswochen = lit. szesz es, wie vom preufs.
ush-t-s der sechste = lit. szesz-ta-s der sechste.
14.
Ved. vrka m. pflüg und svldxa f. pflugschar, vergl.
avXa^y äkü^, wka^^ atX^ f. ackerfurche.
Dafs die Indogermanen bereits in der fernen periode
14 Fick
ihrer ungetbeilten Volkseinheit den anbau von kömerfrüch-
ten gekannt and geflbt, lä&t sich mit Sicherheit ans eini-
gen sprachlichen spuren erweisen. Vor allem spricht da-
ftir das gemeinsam indogermanische wort java feidfrucht,
femer skr. lavi, lavitra, lavänaka sicbel, verglichen mit
Xijioy (= kofio das zu schneidende) Saatfeld und kaiop
sichel, womit Bugge sehr schön das an. le m. sichel, sense
(grundform livan-) zusammenstellt, endlich ved. vrka m.
pflüg und lakonisch evkdxa f. pflugschaar. Die gewöhn-
liche bedeutung von vrka ist wolf und in diesem sinne ist
das wort in allen indogermanischen sprachen nachzuwei-
sen. Nach ausweis des zend. vehrka ist als arische form
v^ka, gleichlautend der ursprachlichen wortgestalt anzu-
setzen; auf europäischem boden dagegen heifst der wolf
valka, wie aus kvxo-g = lat. lupu-s = lit. vilka-s = ksl.
vlükü = goth. vulfa- hervorgeht. Im lat. lupu-s für vlu-
pu-s und im goth. vulfa- ist auf anlafs des labialanlauts
der ersten silbe der anlaut der zweiten silbe ebenfalls zum
labial umgewandelt, natörlich in beiden sprachen völlig
unabhängig von einander.
Für das ursprünglich mit varka* wolf gleichlautende
varka- pflüg müssen wir eine ähnliche lautgeschichte vor-
aussetzen, da das wort auch gleichen Ursprungs ist. varka
der wolf ist der zerreifser von ig. vark = skr. vra^, varka-
pflug der „aufreifsende'* von derselben wurzel vark. Wir
müssen al?o den reflex von varka pflüg auf europäischem
boden in einer gestalt antreffen, welche auf die grundform
valka- zurückgeht. Und ein solches wort treffen wir wirk-
lich im griechischen in dem lakonischen avldxa f. pflug-
schar. Die kenntnifs dieses wortes danken wir einem zu-
falle: Thucjdides berichtet V, 16, die Pythia habe den
Spartanern geboten, dies und das zu thun, wo nicht, wür-
den sie aQyvoea n*kdxcf €tr/.a|(ir, mit silberner pflugschar
pflügen, d. h. wie der scholiast schon richtig erklärt, eine
grofse hungersnoth erleiden, n^laxct steht wie evXr^Qa =
lfh]oa = lat. (v)lörum för i'jrlaxa mit vocal Vorschlag vor
j: wie so oft; der eigentliche wortstamm ist also ßXaxa
und dies entspricht dem von uns als europäischer reflex
etymologische beitrage. 15
von skr. vrka verlangten valka vollständig. Zu diesem
pXayict = skr. vrka s= ig. varka pflüg stellen sich noch
mehrere formen eines alten wortes för „furche, acker-
furche**, die auf dieselbe wurzel vark = europ. valk auf-
reifsen zurückgehen, nämlich hom. cuA| = ct-ßolx^ avka^
= a-jrXax^ aAo| = d-jrXox und utXa^ = o-jrXax f. furche,
ackerfurche.
Man könnte noch einwenden, Bv}.dy.a wie avka^ mit
seinen nebenformen seien auf griechischem boden ans j^sXx
^Ixot) = lit. velk-ti ziehen, reifsen, schleppen hervorge-
wachsen. Allein dies ist nicht der fall. Wenn nämlich
auch jreXx dem skr. vrapK: = ig. vark durchaus entspricht,
sa kann das griechische verb ^Ixco doch nicht das Stamm-
wort von Bvkdxa sein, denn dann müfste es ja nach grie-
chischen Wortbildungsgesetzen okxa- lauten, da die ablei-
tungen mit o-g, a = t] von griechischen verben mit in-
lautendem € dies B nothwendig in o wandeln müssen, wie
(poqO'Q von (figca, doQcc von öago) u. s. w. Sonach beweist
uns die von j:bXx %Xxu) ganz abweichende lautbehandlung
in BvX&xa und avka^^ dafs wir hier uralte, vorgriechische
bildungen vor uns haben, dafs speciell evkccxa einem ig.
varka = skr. vrka, sowie einem europäischen valka pflüg
entspricht.
15.
Skr. viät, v6ät umwickeln und lit. vyst-yti wickeln.
Das skr. veät vestate sich winden, sich um etwas
schlängeln hat in der älteren spräche auch formen von
vist, so im part. caus. ä-vistita neben ävestita. Vom caus.
sind vor allem der aor. aviv6stat und das part. veätita im
gebrauch im sinne von überziehen, umwinden, umwickeln.
Nach laut und bedeutung entspricht ganz genau lit. vystau,
vj^sczau (=s vyst-jau) vjfstyti wickeln, vysty-kla-s windel,
wickelband. Ob das lit. y dem skr. i in viSt oder dem e
in veät entspricht, ist hier nicht zu entscheiden; soviel ist
gewifs, dafs in einzelnen fallen wirklich lit. y aus altem
steigerungslante ai entstanden ist wie im preufs. lyso lit.
16 Misteli
lyae ackerfbrche neben lat. llra, ksl. 16cha, ahd. leisa ge-
leise. Die basis vom skr. viät v€st wie vom lit. vysty-ti
ist selbstverständlich vi (aus va weben) viere, vgl. lit^ vy-ti
winden, drehen (einen strick), vy-ni-6ti wickeln, und es
scheint demnach, dafs die litauischen bildungen auf -stau,
-styti, die man sonst fOr speeiell litauisches eigenthum 2u
halten geneigt wäre, auf einer uralten indogermädischeii
kategorie beruhen.
Göttingen, den 6. raärz 1872. A. Pick.
Berichtigung,
(Zur accentlehre).
In den Transactions of the American Philological As-
sociation 1869 — 1870 gedenkt "Whitney p. 32 seines auf-
satzes on the Nature and Designation of the Accent in
Sanskrit auch meiner arbeit Ober den griechischen accent,
die in bd. XVII und XIX d. zeitschr. erschien, in folgen-
der stelle:
We cannot, so it seems to me, avoid suspecting the
accuracy of the observations which underlie the whole
theory of the enclitic circumflex. The Täittirija Prätipä-
khja is ingenuous enough to inform us (XIV. 33) that
some authorities denied this circumflex in toto. If we do
not carry our own skepticism so far as that, we shall be
likely to take refuge in the theory of a „raiddle tone",
like that assumed by Misteli and Hadley (see the preee-
ding article, p. 11) in explainrng the pecnliarities of Greek
and Latin accent. This would imply that the enclitic tone
which was perceived to lead down from acute pitch t&
grave was in reality a Step inrtermediate between the twö,
and was hastily and inaccurately apprehended by the
Hindu grammarians as a oombination of fhe two, er a
slide, and so identified with the independent circunoflex,
of which the origin awd character were too clear to admit
berichtigiing. 17
of any doubt or questioD. Through this modification of
the Hindu theory, we may win from the Sanskrit enclitic
circumflex a degree of support for the ^middle tone"; but
it is uecessary that we understand and confess the faet of
the modification. Quietly to assume, as Misteli does, that
the whole Sanskrit circumflex, in both its independent and
its enclitic varieties, is only a middle tone, is wholly un-
allowable, being opposed to the piain and unanimous Sta-
tements of the Hindu grammarians, and, not less, to the
teachings of a sound accentual theory,
und fügt dazu eine anmerkung folgenden inhalts:
It would almost seem that Misteli^s view was to be looked
upon as the Italian one, since Ascoli also, in his lately
published lectures on comparative philology (Corsi di
Glottologia ect., first part, Comparative Phonology of the
Sanskrit, Greek, and Latin, p. 1 5), expresses himself upon
the subject as follows: „The syllable, finally, that follows
the acute, becomes svarita, „tonic", or, in other terms, as-
sumes the svarita accent — which some European gram-
marians (infelicitously, as it appears to me) have called
„circumflex" — ; that is to say, it has a tonality higher
than the ordinary, but not so high as is that of the syl-
lable with acute". A scholar of Ascoli^s rank and claims
to respect should not allow himself thus summarily to set
aside the carefully deduced results of his predecessors,
without bringing up a single consideration to support the
view he takes.
Diese worte enthalten theils thatsächliehe Unrichtig-
keiten, theils ist der Standpunkt der beurtbeilung nicht der-
jenige, den ich eingehalten wissen möchte, weshalb mir
der berühmte herausgeber des Atharvaveda verzeihen möge,
wenn ich mich dagegen vertheidige.
Der anmerkung gegenüber, insoweit sie mich mit As-
coli in Verbindung bringt, wird die Versicherung genügen,
dafs ich nicht ein Italiäner bin, wie Whitney wahrschein-
lich wegen der namensform zu glauben scheint, sondern
ein deutscher Schweizer, auch kein schüler Ascoli's, son-
dern Schweizer^s in Zürich und Gildemeister^s in Bonn,
Zeitschr. f. vgl. sprachf.XXI. 1. 2
18 Mistcli
mit Ascoli aber nie in der geringsteo verbinduog zu stehen
die ehre hatte. Des letzteren Corsi di Glottolc^ia erschie-
Den 1870, der die allgemeine theorie des griechischen ac-
centes behandelnde theil meiner arbeit 1868, womit ich
die TöUige Unabhängigkeit fiir erwiesen halte. Natürlich
gereicht es mir zu nicht geringer genugthuong, meine an^
nahmen mit denen eines so hervorragenden forscfaers zu-
sammentreffen zu sehen.
Wenn mir zur last gelegt wird, auch den selbständi-
gen svarita — the whole Sanskrit circumflex, in both its
independent and its enclitic varieties — nur als mit-
telton erklärt zu haben, wundert mich das um so mehr,
als ich ihn, wie Whitney von p. 26 an, stets als zusam-
mengesetzt betrachtet und ausdrucklich als dies be-
zeichnet habe. Bd. XVII d. zeitschr. p. 99 erkeime ich
eine analogie des griech. circumflexes, der mir ab eine
Vereinigung des haupt- und mitteltones gilt p. 92 und flgd.,
in dem svarita von nadjas vadhväs u. s. w. und sage
p. 100: „Es bilden hier ik und üä eine silbe, worin der
haupt- und nachton mit einander verschmdzen, fireilich
vom griechischen circumflex darin unterschieden, dafs die-
ser auf reinen diphthongen oder reinen langen vocaien
ruht und beide accente gleichmaisig mit einander verwach-
sen^ hier aber der erste theil zwischen liquida und vocal
ein mittelding ist, und deshalb die silbe kurz bleibt und
der nacht ou das übergewicht erhält^. Auf p. 10 i heilst
tis ,« versehe ich divi va mit dem nachton, habe ich ein ge-
treues abbild vom griechischen circumflex, da die silbe
durch eigentliche zusammeoziehung entstanden und lang
ist ... . Somit ist dieser sc^nannte selbständige naebton
Joch nicht selbständig, indem er sich immo' an einen,
wenn auch noch so sehr zurückgedringten hauptton an-
sehlieiVt^. Bd. XIX p. Ol wird ßafftX^m^ und ähnliche
lormen als genaue eutsprechung de« selbständigen sva-
rita von nadji^ u. $. w« bezeichnete ,,indem d» acut nof
ein fast zum halbvocal «r^kürzte« t sich beschränkt und
iler mittelton um so behaglicher auf dem folgenden langen
vooaI sich iiusdehnt'*. Wodurch sich diese ansieht von
berichtigung. 19
der Whitney's unterscheide, der z. b. p. 26 sagt „the Single
syllable into which ibe higber and Iower tone are combi-
ned still retains the double pitcb belonging to its consti-
tuent parts" oder p. 27 „tbe acute and grave tones of the
constituent Clements are both represented in the circumäex
giTcn to the syllable that results from their combination^,
vermag ich nicht abzusehen, auch nicht, wie ich mich
verständlicher hätte ausdrücken können. Wenn ich mich
trotz der zusammengesetzten natur dieses tones des herge-
brachten namens „selbständiger svarita oder selbständiger
nachton^ bediente, so sollte das gegenüber den stellen,
die deutlich besagen, was ich darunter verstehe, zu keinem
mifsverständnifs anlafs geben und läfst sich dadurch ent-
schuldigen, dafs in der that der nachton meistens seinen
haupttheil ausmacht, weil fälle wie diviva, pra^liäta ge-
nannt, die selteneren sind und meistens die kääipra- und
^ätja-gattung vorkommt, d. b. mit j und v als erstem theil
resp. zwischen zwei werten oder innerhalb eines wertes (nadf
+ äsja = nadjäsja, nadiäs = nadjäs). Diese verschiedenen
fälle des selbständigen svarita bespricht Whitney ausführ-
lich mit interessanten statistischen angaben von p. 26 bis
p. 30. Dafs ich also bezüglich dieses svarita quietly an-
genommen habe, er sei only a middle tone, kann ich nicht
zugeben.
Mit diviva = divl 4- iva und somit als zweite ge-
naue parallele zum griechischen circumflex hätte ich wohl
noch fälle anführen dürfen wie kö si = käs + äsi. Zwar
scheint diefs der zusammengesetzten natur des selbstän-
digen svarita zu widersprechen, weil nach elision des an-
fangs-a der nachton ganz verschwinden und lediglich der
acut übrig bleiben sollte, um so mehr, als sonst die sprä-
che selbst da den acut setzt, wo der selbständige svarita
stehen dürfte, wie in sÄsti = sä -+- ästi (s. Whitney p. 27).
Aber gerade dieser gegensatz mufs auf den gedanken füh-
ren, dafs man es in kö si u. s. w. mit zwei zusammefige-
flossenen silben zu thun hat, d. h. nicht elision anzunehmen
ist, mag diese auch dem äuge und der praxis genügen.
Diese möglichkeit scheint auch Whitney anzudeuten, wenn
2*
dO MifUU
ich anders p. 26 die worte „a final 6 or ö absorbs or
elides an initial ä of tbe word that follows^ richtig ver-
stehe. Mir scheint der selbständige svarita von ko si
eben so bestimmt die Verschmelzung zweier silben zu be-
weisen, als der wesensgleiche circumflex von Ocäg die aus
&iä'äg. Es harmonirt das auch sehr wohl mit dem, was
Weber in den beitragen III p. 385 flgd. über diese Um-
wandlung geschrieben hat. Zuerst bestand kas äsi, dann
kar äsi, ka: äsi, hernach k6(:) äsi, endlich kosi. Die con-
traction von ö + ä zu ö ist nicht blofs an sich naturlich
in vergleich z. b. zu griech. atSoj = ald6(a)a, wra = 6{f)aTa
u. s. w., sondern wurde noch wesentlich durch den um-
stand begünstigt, dafs die einheimischen grammatiker ftlr
dieses physiologische ö = ä(s) in ihrem etymologischen Sy-
steme keinen räum fanden und es mit ö s» au zusammen-
warfen, wie diefs allein ausgereicht hat, um vor tönenden
consonanten ö = ä(8) als länge zu behandeln, wenn nicht
etwa in der vocallänge die ursprüngliche positionslänge
noch nachwirkt. Kein wunder daher, wenn in den veden
ö vor anfangendem a oder consonanten häufig kurz gemes-
sen wird nach Kuhn beitrage III p. 119. Ein stricter be-
weis für die elision des a wäre nur geleistet durch stellen,
wo ö = as4-a wäre, wie sie weder von Kuhu gebracht
sind, noch wohl überhaupt existiren *).
Wenn Whitney p. 26 äul'sert „the circumflex in Sans-
krit is a rare and inconspicuous phenomenon as compared
with the Greek", aber als grund hievon p. 27 anführt »the
latter languagc has a predilection for it, and lets it appear
in innnmerable cases where it has no etymological justifi-
cation; the former has a prejudice against it, and exhibits
it only where compelied, as it were, to do so'^, so kann
ich dem nicht beistimmen. Nicht blofs beruft sich Whit-
ney auf etwas^ncommensurables und unableitbares, sondern
t) Auch flUr t^bruvao und ähnliches halte ich zusammenaciehung vun 4
und ä zu e für das richtige, wie auch im griechischen z. b. TvnTrjai zu
TunTij vorschmilzt. Denn trotz etymologischer Verschiedenheit liegen e und ij
jedenfalls nicht so weit auseinander nach phonetischer seite, dafs diese pa-
rallele ganz unzuläftiig erschiene, zumal rj auch mit fi und ai sich berührt,
wie 9 mit ursprünglichem ai zusammenfallt.
beHchtignng. 21
die Vorliebe des griechischen für den circunaflex, so allge-
mein ausgesprochen, erscheint mir noch sehr fraglich. Zu-
nächst existiren ja eine menge wörterj^die auf der langen
schlufssilbe nicht den circumflex, der möglich wäre, son-
dern den acut tragen, wie ßovkrj &ed Zavg u. s. w., und
das alterthümliche dorische betonte sogar alle einsilbigen
Wörter, die aus einer länge bestanden, so, wie umgekehrt
das spätere äolische sie ohne ausnähme mit dem circum-
flex versah; denn Ahrens, der in dieser allgemeinheit ver-
steht, was die grammatiker blofs von einzelnen Wörtern
ausdrücklich besagen, mufs man durchaus beipflichten (diese
zeitschr. XVII p. 96). Auch die xoivtj erhielt den acut in
Wörtern, die der attische dialekt perispomenirte, z. b. in
ai^ knl Tov ^(pov xcti tovto ol !Attixoc nBQtanaJai, (Hero-
dian nach Lentz I p. 397, 12) und in yXai^^ 6 naq rj^lv
(.liv o^vverai^ Tiagd Si ^Orjvaioig xat tovto Tiveg TiegiöTtcoCi
(ibid. 1. 17). Vergl. auch noch ibid. I p. 399 Anm, t6 x^(),
ovöiTBQOV oTav 7/, 7tQ07ieoia7iäT(xf kx yccQ TOV xiaQ avvrj-
XeinTat' oTav öi &rjXvx6v ?/, u^vpstcci. Ferner wird bei
langer vorletzter und kurzer letzter sehr häufig die dritt-
letzte mit dem acut betont, nicht die zweitletzte mit dem
circumflex, und das ist eine eigenthümliche liebhaberei
des griechischen namentlich im gegensatz zum latein, die
sich mit der behaupteten Vorliebe für den circumflex nicht
wohl vereinigen läfst. So av&Qionoq^ diSoi^i u. s. w., die
nie den circumflex auf der vorletzten trugen, während an-
dere, die in der älteren spräche properispomenirt waren,
später den ton zurückzogen (s. bd. XVII p. 85 oben) ; als
hübsche stelle hierüber schreibe ich p. 678, 15 in Bekker's
anecdota II aus, deren schlufs noch einiges zum vorigen
punkte nachbringt: ro fihv o^oloq xaTcc dvaXoyiav kx(pkQB' '
raij diOTi Tcc Sid tov oiog anavTa ngoTiBgiOTiM^^va^ iTS-
goiog^ yskolog, dkXoiog, dicc tovto xai "Ofirigog, Ty dvaXo-
yi(f ;^p»?(ya|fi€VOg, wg dei (pr3(Ti tov Ofxoiov äyu ß'Bog dg tov
ofioiov. ol 3k !AttixoI ofioiog Xkyovai, ndXiv rj^sig pihi^ dva-
koyoag TQonaiov leyofiev (og amiXaiov^ ßvXaiov 6 de Gov-
xvSiSrig TQonaJov 'AzTixwg, xcu t6 u^^iXXevg 8i xal IIr/?,6Vg
xai td OfAOLa fj^islg fih o^vvofisv, ol di AloXelg ßagvvovatv.
^ MisteU
Der scbeinbare widersprach zwischen oi Si !JTTixoi uuoiog
Kiyovüi und o St &ovxv8i3tii rgonäiov järrixt!}^ löst sich
so, dafs der erst^e satz die jöngeren Attiker angeht;
▼gl. Herodian nach Lentz II p. 91, 32 7it{}i IL ngoa, und
p. 938, 25 nsQi uov. A^|. Unter solchen aroständen kann
man kaam von einer predilection des griechischen för den
circumflex — etwa des äolischen oder des älteren atti-
schen — reden; mit mehr recht liefse sich das vielmehr
vom lateinischen behaupten, wenn man bedenkt, dafs es
bei langer penultima immer den ton auf dieser beläfst,
der bei kurzer letzter eben der circumflex ist: declina»
tionsformen wie aurä auräm r^gis regem, conjugationsfor-
men wie dlcis dicit äuget waren alle perispomenirt; dals
es ferner alle langen einsilbigen Wörter — ne beim impe-
rativ ausgenommen — circumflectirt. Nun ist es allerdings
thatsache, dafs im griechischen der circumflex unverhält>
nifsmäfsig häufiger sich findet als im altindischen. Den
grund davon glaube ich bereits bd. XVII p. 101 d. Zeit-
schrift bezeichnet zu haben, dafs ftir das altindische die
silbe, für das griechische die more die einheit bei der be-
tonung ausmacht. Dort durfte jede silbe, ob kurz oder
lang, nur eine tonart besitzen; im griechischen kann unter
gegebenen bedingungen eine länge in zwei theile sich spal-
ten und entweder mit dem aufsteigend gebrochenen hoch-
ton ww oder dem cirumflex ^ versehen werden. Daraus
ergibt sich von selbst das seltenere vorkommen desselben
im altindiscben , weil er dadurch von der grofsen masse
der langen silben, die von jeher einfach waren, ausge-
schlossen und nur auf den fall beschränkt ist, wo zwei
ursprünglich getrennte silben zusammentreten, d. h. auf die
Verschmelzung der worte und eine kleine zahl vereinzelter.
Dies silbenprincip des altindischen ist auch der grund,
warum selbst beim zusammenfliefseu zweier vocale zweier
Wörter als regelrechte betonung der acut eintritt mit ge-
ringen ausnahmen, wo der circumflex zu erwarten wäre; ist
der grund, warum der circumflex des altindischen immer
eine etymologische bogrOndung zuläfst, im griechischen nur
dann eine solche statthaft ist, wo die zusammenziehung
beriehtigang. 23
entweder noch klar vorliegt, wie (ptXeofjLtv = (piXovfABv^ oder
wegen sonst unbegründeten wechseis der betonung vermu-
thet werden mufs und meistens auch nachgewiesen werden
kann, wie d^Ecig neben thBci aus ^ea^äg. Das alles folgt
mit nothwendigkeit, ohne zu einer mystischen verliebe oder
abneigung die Zuflucht zu nehmen.
Es dürfte sich, weil nach alldem selbstständiger sva-
rita und circumflex dasselbe ist, gewifs nur empfehlen, auch
beide gleich zu bezeichnen zur Vermeidung von Zweideutig-
keiten und sobravit „der sprach", diviva „wie im himmel",
ja selbst kva „wo", nadjas „flüsse" zu schreiben, wobei
freilich -^ nicht mehr als längezeichen verwendet werden
müi'ste. Kua und nadias wäre nicht gestattet, weil die
silbe^ doch kurz bleibt oder dann in zwei auseinanderfallt:
küä und nadiäs. Daß zeichen des gravis bliebe dem enkli-
tischen svarita aufbehalten, der dem mittelton entspricht
und als einfach anzusehen ist. Doch eben wegen dieses
Satzes — und das führt mich zu meinem eigentlichen
zwecke zurück — habe ich mich schliefslich gegen Whit-
ney zu verantworten.
Zunächst scheint diese annähme inhaltlich nicht ganz
ungeschickt, weil auch Hadley in seinem aufsatze on the
Nature and Theory of the Greek Accent von p. 9 an zu
derselben annähme gelangt und im allgemeinen sich mit
mir einverstanden erklärt: This theory of a middle tone
Misteli applies with much ingenuity to account for the ge-
neral laws of Greek accentuation. In showing how it may
be made to answer this purpose, I shall not confine my-
self to his Statements, but shall take the liberty to depart
from them in various particulars, and shall introduce some
Views (especially those on Latin accent) which do not ap-
pear in his exhibition of the subject, und dafs auch Whit-
ney ihr keineswegs abgeneigt ist, geht aus der zu anfang
dieses artikels citirten stelle hervor. Es bleibt also nur
noch der methodische Vorwurf, den Widerspruch mit den
altindischen grammatikern nicht ausdrücklich hervorgeho-
ben zu haben. Da erweist mir aber Whitney zu grofse
ehre, wenn er gegen das ende der oben ausgeschriebenen
24 Miitoli
anmerkuDg sich als predecessor, folglich mich als nachfol-
ger bezeichnet. Es konnte mir nie von ferne einfallen,
mich als fachmann im Sanskrit gebaren und neben die mei-
ster des faches stellen zu wollen. Vielntehr glaubte ich
über den accent des altindischen gar nichts eigenthümli-
ches zu äufsern, sondern nur dasjenige zu wiederholen,
was in den landläufigen lehrbüchern von Benfey und Bopp
steht, nur dafs ich den selbßtständigen svarita, weil einen
seine entstehung darauf stöfst, als zusammengesetzt be-
trachtete und bezeichnete, was jene nicht deutlich besagen.
Namentlich schlofs ich mich an Benfey an, den ich p. 88
auch eigens als meinen gewährsmann genannt, und konnte
vernünftigerweise keinen andern Standpunkt einnehmen, da
mir bis jetzt die indischen grammatiker selber unzugäng-
lich waren; non omnia possumus omnes! Damit überein-
stimmend war mir denn auch der indische accent nur aus-
ausgangspunkt, nicht selbst gegenständ der Untersuchung
und sollte im verlaufe nur der illustration des griechischen
dienen, und in der that glaubte ich die darstellung so ge-
halten, dafs der Sachverhalt jedermann klar wäre. Nun
deuten aber Benfey und Bopp mit keiner silbe an, dafs
auch der enklitische svarita von den einheimischen gram-
matikern als zusamiuengesetzt aufgefafst wird, Benfey selbst
in der ausführlichen grammatik nicht; er mufste mir also
als einfach gelten, wofür ich nach meinem Standpunkt die
Verantwortung ablehnen kann. Wenn nun Whitney auf
Zeugnisse der grammatiker hin erweist (p. 30 sq.), dafs zwi-
schen den beiden svarita- gattungen kein unterschied ge-
golten habe, so ist ihm für diese belehrung natürlich nie-
mand zu gröfserem dank verbunden als der Verfasser dieser
Zeilen, wie denn die schrift ausführlich über einzelheiten
und Schwierigkeiten altindischer accentuation handelt in
einer auch demjenigen verständlichen weise, der die ein-
heimischen grammatiker nicht zu seinem besondern Studium
machen kann. Freilich ändert dies sachlich in meinen
ansichten nichts, und wenn Whitney sagt, ich hätte sie
gefafst without bringing np a single consideration, um sie
zu stützen, so war das weder für den unabhängigen sva-
berichtignng. 25
rita nötbig, der als zusammeDgesetzt sich sofort durch seine
Verwendung verräth, noch für die einfache natur des enkli-
tischen, die von Whitney selbst anerkannt wird gegenüber
der ansieht der einheimischen autoritäten als das einzig
denkbare.
Wenn derselbe gelehrte p. 42 sagt „I cannot recog-
nize a positive sinking of the voice as a necessary or na-
tural preparation for its rise to the pitch of acute", so
kann ich ihm hier beistimmen, ohne eine nachtheilige con-
sequenz für meine ansichten über den griechischen accent
zu befürchten. Whitney verwirft hiemit die meinung Ben-
fey's, „dafs innerhalb eines Satzes eine unmittelbar vor-
hergehende tonlose, im anfang eines satzes aber alle vor-
hergehenden tonlosen so tief unter das gewöhnliche sprech-
niveau herabsinken, als die stimme, um den accent her-
vorzubringen, sich über dasselbe erheben mufs" (kurze
skr. gramm. p. 6 oben), und damit den unterschied von
anudätta und anudättatara, worüber ähnlich auch Bopp skr.
gramm. §. 30, 4). Wie das im altindischen steht, mögen
die fachgelehrten untersuchen: mir war für den griechi-
schen accent nur von Wichtigkeit, für den schlufs des wortes
die reihenfolge: tiefton, hochton, mittelton, tiefton festzu-
halten, woraus ich einzig die accentgesetze abgeleitet, wo-
bei ich „tiefton", um an seine Stellung zu erinnern, auch
mit „vorton" vertauschte, dabei aber es unentschieden liefs,
ob derselbe den gewöhnlichen stimmton, „das allgemeine
Sprechniveau", oder eine stufe unter demselben bezeichnet,
wenn man nur zugibt, dafs er schwächer sei als der dem
bauptton unmittelbar folgende (vgl. bd. XVII d. zeitschr.
p. 88 und 89). Zu einer solchen Unterscheidung hatte ich,
aufser ihrer praktischen Unfruchtbarkeit, auch defs wegen
keine veranlassung, weil die alten grammatiker hievon nicht
das geringste andeuten, ja selbst über den mittelton nicht
mit der wünschenswerthen Weitläufigkeit sich auslassen und
insgemein nur o^uct und ßageta^ acutus und gravis unter-
scheiden. Natürlicher finde ich es allerdings, mit Whit-
ney, wenn ich anders seine worte richtig auffasse, unter
vor- oder tiefton den gewöhnlichen stimmton zu verstehen.
26 Miflteli
Hiemit breche ich die mir abgedrungene erwiederung
ab und scheide von Whitney nicht, ohne ihm fttr die reiche
belehrung, die mir die lectüre seiner schrift gewährt, mei-
nen vollen dank auszusprechen, mit der bemerkung, dafs
ich schon frQher geantwortet hätte, wenn nicht Wechsel
von Wohnort und Stellung mich längere zeit anderweitig in
anspruch genommen hätte.
Die mir gewordene veranlassung benutze ich, um zur
begrQndung und erläuterung einzelner punkte in meinen frQ-
heren aufsätzen folgendes hinzuzufügen. Bd. XVII p. 1 16 sq.
zerlegte ich rjg = äg im genet. der 1. declination in ä-äg
und rj-=(^ in ä-äi und konnte diese analyse aus dem griechi-
schen durch utdg ui^^ (lag) Icf von /aa la stützen = fiid-ag
Lud'CC^ id'dg Id-^^ weil sich so die eigenthümliche circum-
flectirung dieser formen aufs befriedigendste erklärt*). Frei-
lich sind das die beiden einzigen barytonirten Wörter — von
dem etwas zweifelhaften jonischen xaraßi/Saafiog des tones
in dyvia u. s. w. abgesehen — , welche von jener zusam-
menziehung noch eine spur aufweisen. Bei den übrigen ist
unmittelbare Verschmelzung der beiden a eingetreten, z. b.
Sixä'äg öixä-ä^ bevor der acut zeit gewann, sich herab-
zusenken. Bei den oxytona natürlich, in denen das aus-
lautende a von vornherein durch den hochton vom ä der
endung abgetrennt wurde, fand regelmäfsige zusammenzie-
hung statt, die eben in der perispomenirung derselben sich
noch errathen läfst. Es scheint mir diefs eben so sicher,
als dafs der genet. plur. auf aiv = dorisch dv aus dwv
entstanden ist, und wenn dieser bei allen Wörtern den cir-
cumfilex aufweist, also bei allen den acut auf den stamm-
auslaut herabzog, so ist der grund davon in der verschie-
denen farbung des folgenden vocales zu suchen. Das ge-
netiv-äm mufs schon früh, schon in der vorgriechischen
*) Aufserdem natürlich, durch ä-j-äs ä-j-äi S-j-äm als altind. gen. dat.
locat. von stammen auf S. An diese bildung, nicht an a-sjSs a-sj5i a-sj5m
der pronomina schliefsen sich wohl auch tjq und ;^ der pronomina, so dafs
Tf/^ TfJ = tS-5s tS-äi, nicht s= tasjäs tasjSi, weil sj, wie yaaoftat i'ffo/itai
= altind. (a)8J5mi zeigt, <tö" und a geworden wj^re. So auch Leo Meyer
„ gothische spräche** p. 191 §. 194 „T^<r, das kaum aus tasjäs entstanden
sein wird.**
berichtigting. 27
zeit, sich zu öm getrübt haben, worin sich oav und lat. um
vereinigen, während äs des gen. sing, sich entweder rein
erhielt oder mit vorausgehendem j zu is zusammenzog, wie
letzteres für die lateinische endimg ä-l gilt, beides für die
endung äs (= ä-äs oder ä-ls) angenommen werden kann.
Für das griechische fällt die Schwächung zu Is jedenfalls
fort, so dafs gleichzeitig im genet. plur. ungleiche, im genet.
sing, gleiche vocale einander gegenüberstanden, dort erst
in verbal tnifsmäfsig später zeit eine contraction nach ge-
wöhnlichen gesetzen vor sich ging, hier sehr früh eine
unmittelbare Verschmelzung sich vollzog.
Die richtigkeit dieser ansieht, wie ich sie früher aus-
führlicher entwickelt, kann ich nunmehr durch zwei fac-
tische belege aus den keilinschriften bestätigen, die mir
früher entgangen waren, durch die beiden genetivformen
hamahjäjä und ah(i)jäjä, die beide mehrmals vorkommen
und somit vollkommen beglaubigt sind, die erste fast nur
in der Verbindung hamahjäjä tharda „in aller weise'^ nach
Spiegel, die zweite deutlich als genet., z. b. in khsäjathija
ahjäjä bumijä vazrakäjä „könig dieser grofsen crde^ nach
Spiegel p 44. Die identität der einen mit altind. sama-
sjäs (Bopp, sanskr.-gramm. §. 254) ist wohl eben so wenig
zu bezweifeln als die der andern mit asjäs. Man mufs
folglich auch die altind. formen in sama-sjä-j-äs und a-sjä-
j-äs zerlegen, wie ich das in der that bd. XIX p. 103 mit
ta-sjäs =s ta-sjä-äs gethan, wobei ich jetzt nur noch j ein-
setzen würde: ta-sjä-j-äs. Denn natürlich gilt dasselbe von
allen anderen gleich gebildeten formen und eben so auch
vom dativ und locativ; also auch ta-sjäi = ta-sjä-j-äi und
ta-sjäm SS ta-sjä-j-äm. Nun beweist das zendische adverb
jahmja „wo", dem ahmja „hier" entspricht — beide mit
altind. jasjäm und asjäm congruent und wegen der femi-
ninform zu adverbiellem y und ravTi} stimmend — , wie
schon Bopp vergl. gramm. I §. 174 sah und an sich sehr
wahrscheinlich ist, dafs sj des feminins der pronominal-
declination eine Verstümmelung aus smj sei, d. h., dafs, wie
im masculin-neutrum der stamm sma, so im feminin der
stamm smi eingeschoben werde. Dadurch wäre aber der
28 Mistdi
ansieht, dafs die feminina auf l aus jg zusammengezogen
sind, ein neuer interessanter beweis verschafft, aufser dem«
jenigen, was Leo Meyer ^flexion der adjectiva im deut-
schen" von p. 50 an und mein aufsatz bd. XVII p. 162 sq.
beigebracht. Denn während -8(m)jä8 -s(m)jäi -8(m)jäm mit
z. b. devjds devjai devjäm von devf stimmen und auf einen
nouiinativ -s(m)l führen, kann man die aus dem altpersi-
schen erschliefsbaren volleren formen 8(m)jäjä8 -s(m)jäjäi
-8(m)jajäm nur vom nominativ -s(m)jä herleiten, der somit
auch die vollere form von s(m)l darstellen mufs ^). Hätte
ich ferner mit einiger Wahrscheinlichkeit uict und la beide
auf sami zurückgeführt als ältester form von smi, so wäre
es ein sehr schönes zusammentreffen und könnte einiger-
mafsen für diese herleitung einnehmen, dafs derselbe stamm
einzig im griechischen durch seine eigenthümliche betonung
und einzig in der arischen Sprachengruppe durch die alt-
persische fiexion reste des älteren zustandes erhalten hat.
Jedenfalls erseheint ca, das aus zwei kürzen besteht, als
reine feminin -endung, deren stamm verloren gegangen ist,
und nach obiger etymologie erklärt sich das am besten.
Denn m wäre schon in vorgriechischer zeit eingebüfst, weil
davon so schwache spuren im feminin Übrig blieben — man
denke auch an den ausfall des m in allen ersten personen
sing, des mediums, der hier wegen der unbequemen gruppe
smj, dazu in einer blofsen einschiebung, noch begreiflicher
wird — und das stehen gelassene sjä konnte nach allen
lautgesetzen des griechischen ta werden. Wem das nicht
gefiele, müfste kürzung von ursprünglichem lä zu i«, d. h.
Vermischung mit der femininendung -/« annehmen, weil ich
bewiesen zu haben glaube, dafs la und dessen Vertreter
ursprünglich nur die femininendung ja repräsentiren , dann
auch mit der abstractendung ja sich vermischen, also nur
*) Ich darf jetzt mit gröfserem vertrauen die bd. XIX p. 99 unt. in der
form einer frage geäufserte vermuthung, ftjq II. rr 208 entspreche einem ja-j-äs
(cf. auch Herodian n. Lentz II p. 173 ob.), wiederholen, weil fTj<; - >/? = ah-
jSjä : asjSs, von e statt rj abgesehen, worüber man homer. ^og ijt ^a u. s. w.
neben späterem Jon. ^o; S'i ia u. s. w. von stammen anf tu vergleiche, und
perfectformen TitTioUaTat = ninoi^fjarai = nenoifivrai. nach Herod. II
p. 224, 15 und p. 22$.
berichtigung. 29
enduug sein könuen. Dabei könnte man sich auf Sen neben
älog berufen für Siä^ von denen mir freilich Sea = Sijr-ia
gilt mit tcc zur bezeichnung des geschlechtes, aber Slog
= dif-log mit log als ableitungssilbe ; Öla scheint mir so
wenig feminin zu diog^ als etwa patnl zu pati. Sollte ich
mich hierin auch irren, so viel halte ich wegen der alt-
persischea formen nun für ausgemacht, dafs genet. und
dat. sg. der 1. griech. decl. in besagter weise zusammen-
gezogen sind und ein bild dieser zusammenziehung im alt-
indischen sicher dieselben casus nebst dem locativ der pro-
nominaldeclination, höchst wahrscheinlich auch diese casus
sämmtlicher stamme auf l gewähren.
Es erhellt aus den citirten formen der keilinschriften
auch, dafs ich recht that, gothisches os des gen. sing, der
feminina in ä-äs zu zerlegen, z. b. thizos = tha-sjä-äs (vgl.
d. zeitschr. bd. XIX p. 100 u. 103) oder tha-sjä-j-äs und
gibos aus gibä-äs oder gibä-j-äs, und der dort gezogene
unterschied von o und e der schlufssilbe, indem o aus ä + ä
und e aus ä-f-a entstand, wird dadurch fcicht wenig ge-
sichert *). Einsprache könnte nur noch der dat. fem. sing,
auf ai = ä-äi oder B-j-äi erheben, den man kaum nur
so durch zusammenziehung; der beiden ä construiren darf.
Denn wenn das masculine äi (= a + ai) nach verlust des i
zu a wird (vulfa = vrkäi ved.), wie sollte dasselbe I des
femininen äi (<= ä + äi) stehen bleiben und das doppelt so
wuchtige ä wieder blofs a ergeben? Vielmehr wäre o zu
erwarten gewesen. Ich möchte also glauben, dafs von ä-j-äi
auch i abfiel, das schliefsende ja sich zu I zusammenzog,
wie im nominativ vieler feminina, und so die ganze en-
dung sich zu äl verkürzte (äi : a = äl : ai). Zu demselben
ziele gelangt man, wenn man zuerst ja sich zu I verkür-
zen und mit dem schlufs-i sich vereinigen läfst. Steht ja
für ä-j-äs wegen des lateinischen ä-l(s) diese contraction
*) Dafs man berechtigt ist, gothischem o und e in ursprünglicher schlufs.
Silbe gröfsere vocalwerthe zu substituiren , als in der mitte, also e und o
dort a,ä und Sä, hier blofs S gleich zu setzen, zeigt deutlich, wenn schlufs-a
als repräsentant von S, io die mitte gerUokt, in e oder o sich verwandelt;
z. b. ainumme-hun, hvamme-h, hvarjamme-h, aino-hun, hvano-h u. s. w., denn
auch h = Ita =3 que bildet eigentlich eine volle silbe.
30 Misteli, berichtigung.
fest, uud wegen der behaudlung von schliefsendem I erio-
nere man sich an das T des optativs vom perfect, das aus
ursprünglichem it entsprang, dessen t schon froh abfiel,
und die vergleichung tri£Pt um so mehr zu, als auch l
des Optativs ein ja voraussetzt. So wird weibliches ai zu
männlichem a in ein besseres verhältnifs gesetzt und gegen
die annähme, o der schlufssilbe komme ä + ä gleich, fallt
ein beachtenswerther einwand weg. Ich kann also ohne
furcht thizai wie gibai aus tha-sjä-j-äi und gibä-j-äi herlei-
ten und mufs mich jedenfalls beim dativ für die grundform
mit j vor der casusendung entscheiden.
Solothurn, im Januar 1872.
Franz Misteli.
Die neuhochdeutschen aspiraten und tenues.
Im Sanskrit, im altgriechischen, im gotischen (zur zeit
des Wulfila war jedoch kh in den gaumenreibelaut überge-
gangen), in den zahlreichen mundarten Vorder- und Hinter-
indiens, im chinesischen, armenischen, ossetischen, georgi-
schen und in vielen andern sprachen gibt es lautverbindun-
gen, aspiraten genannt, welche aus einem konsonanten mit
nachfolgendem h-laut bestehen und für welche gewöhnlich
eigene buchstaben üblich sind*). Der aspirirte laut wird von
dem nicht aspirirten streng unterschieden; es gälte für bar-
barisch, Tsog statt ß-sog zu schreiben; im indischen wäre es
ebensowenig zulässig, kh, th, ph mit k, t, p zu verwechseln,
obgleich jene lautgruppen ohne etymologische Wichtigkeit
*) Jeder konsonant kann mit einem folgenden h gesprochen werden,
und zwar auch anlautend; z. b. fh, mh, ph (p = englisches hartes th), sh
(s ^ deutsches sz), sä (s = deutsches seh), «Ä, rh, Ih, qh {q = deutsches
ch in ich), ^h (^ = deutsches ch in ach), M (n ^ ng in singen, lange)
wie in hofherr, schamhaft, engl, tooth-hole, Weisheit, naschhaft,
steinhart, bierhalle, faulheit, Weichheit, Schwachheit, lang-
haarig. In lebenden sprachen kommen aufserhalb der Zusammensetzung fol-
gende aspiraten am häufigsten vor: hh^ th^ ph; gh^ dh, bh; sA, zh (z =: fran-
zösisches j), sh, zh (z = französisches z).
Kräuter, die nenhochdeutschen aspiraten und tenues. 31
sind und blos unter dem einflusse gewisser lautgesetze ent-
standen sein sollen. Was man nun in fremden sprachen nicht
erlaubt, darf man auch nicht in der muttersprache gestatten.
Auf den von dem zufall abhängigen umstand, ob die spräche
in der schrift einen genügenden ausdruck gefunden habe
oder nicht, kann es nicht ankommen ; hätten die Griechen,
wie sie ursprünglich thaten, nach semitischer weise die k, p
nicht anders bezeichnet als die kh^ ph, so würden ihre
grammatiker nicht verfehlt haben festzustellen, wo die x, n
aspirirt seien und wo nicht, und diese angaben wären für
den Sprachforscher ebenso wichtig wie die jetzt übliche gra-
phische Scheidung. Bedenkt man ferner, dafs das verständ-
nifs der lautverhältnisse fremder sprachen durch die klare
einsieht in diejenigen der eigenen erleichtert wird, so kann
man die folgende Untersuchung nicht für überflüssig halten.
Rudolf von Raumer (aspiration und lautverschiebung
1837) und Heyse (schulgr. 1859 s. 19) sprechen dem neu-
hochdeutschen die aspiraten aufserhalb von Zusammen-
setzungen ganz ab; es soll hier nachgewiesen werden mit
welchem rechte.
R. von Raumer selber (ges. sprachwissenschaftl. Schrif-
ten 1863 s. 24) behauptet, h stelle sich nach jeder tenuis
ein, man sage thag; solle die stärkste tenuis noch mehr
verstärkt werden, so lege sich der druck auf das dieselbe
stäts begleitende h (s. 30); h mit g verbunden gebe k
(s. 85); das ph sei dem reinen p gleich (s. 98).
Rapp (physiologie der spräche 1837. I. s. 216) tadelt
reime, welche vor dem vokal denselben konsonanten haben,
und führt als beispiele neben Seiten, zeiten auch kalt,
halt an; s. 337 bemerkt er, wir hätten uns gewöhnt, den
p, ty k nur im anlaut vor vokalen ein h anzufügen; s. 359
warnt er die Deutschen davor, die lateinischen c und q
wie kh zu lesen.
Schleicher (deutsche spräche 1860. s. 208) sagt: „p, t, k
sprechen wir im anlaute vor vokalen wie p-h, t-h, k-h,
pein wie phein, tadel wie thädel, kamen wie khä-
men Wenn man z. b. böhmisch sprechen will, so hat
man die gröfste mühe mit der hervorbringung der ech-
32 Kräuter
ten, hauciilosen t, p, k dieser spräche, die uns völlig [?]
abgehn."
Johannes Müller (handbuch der physiologie II, s. 234 ff.)
und Merkel (anatomie und physiologie des mensohlicben
stimm- und sprachorgans s. 853 ff.) sehen in den tenues
nichts anderes als medien mit angehängtem h (sie kannten
offenbar die echten, tönenden medien nicht und nahmen
als ersatz dafür die echten tenues).
Brücke (grundzüge der physiologie der sprachlaute
8. 58) sagt: „Wir Deutsche [also Nord- und Süddeut-
sche, denn Brücke ist ein Niederdeutscher und lebt in
Wien] aspiriren vor vokalen die tenues fast immer, wenn«
gleich nur schwach [?], so dafs unser daran gewöhntes
ohr es gar nicht mehr bemerkt; es wird uns aber sogleich
auffallig, wenn wir die reinen tenues hören, welche die
Slawen beim deutschsprechen zu bilden pflegen.'^
Lepsius (Standard aiphabet, London-Berlin 1863. s. 134)
beschreibt die ausspräche der eingebornen Armenier folgen-
dermafsen: „There we find the letters ^ m «i^ k^ t, p,
distinctly pronounced without any aspiration as real dry
tenues like those of the Hungarian, of several German
dialects, of the Sanskrit and other languages; ^ t B^ gy d, b,
are our common mediac and ^ l?- ^, kh, th, ph, the true
aspirates, pronounced as the so called tenues of northem
Germany, France [?], England and others, with a sensible
breathing from the lungs.^ Hiezu ist zu bemerken, dafs
sich die aspirirte ausspräche von k, t, p auch in Süddeutsch-
land bei den gebildeten fiudet.
Schmeller (die muudarten Baierns 1821) macht in be-
treff der oberdeutschen mundarten folgende angaben. § 399 :
„b lautet wie p (das heifst wie ein reines italisches p, nicht
wie ein affektirtes deutsches, hinter welchem man noch
einen gewissen hauch vernimmt) — zu anfang der Wörter,
wo der hochdeutsche, mit einer ihm eigenen Unsicherheit,
zwischen b und p keinen konsequenten unterschied zu ma-
chen weifs, daher er denn in den romanischen sprachen
b und p z. b. beau und peau, boule und poule zu ver-
wechseln geneigt ist.'^
die neuhochdeutschen aspiraten und tenues. 33
Anm. **"" dazu: „Bei diesem gebrechen suchen sich
unsre deldatnatoren dadurch zu helfen, dafs sie das p da,
wo sie es mit klarer absieht als p wollen hören lassen,
also besonders in fremden Wörtern mit einem gewissen
nachhauch herauspressen, so dafs man statt panzer, pein,
Palermo, Paul — p-Aanzer, p-Aein, P-Aalermo,
P-Aaul zu hören bekommt.^
§ 416: „ch am anfang der Wörter entspricht, wenn
man das c mit seinem eigenthümlichen laut in den italiä-
nischen oder französischen silben ca, co, cu fQr sich, und
das h als nachhauch betrachtet, genau dem doppelten laut,
welchen wir jetzt sehr mit unrecht durch das einfache k
bezeichnen — vergl. § 515. — Nur noch im worte chur,
churfürst und in ein paar eigennamen hat sich das ältre
richtigere ch erhalten — =- Cham, Chiemsee.*
§ 511: «k lautet wie ein reines k (d. h. wie der kon-
sonant in den silben ca, co, cu nach der ausspräche eines
Italiäners, Spaniers oder Franzosen) in allen gegenden aufser
denen vor den Alpen und denen westlich des Lechs, in
mitte der Wörter: acfter, bacAen, drucAen, flicAen,
locken ^
§ 515: „k lautet wie kh (d. h. wie ein reines k mit
nachfolgendem vernehmbarem hauche) wohl in ganz Hochr
deutschland am anfang der Wörter vor einem vokal: A-Aalt,
A-Aind, A-Aommen, A-Aurz.^
§ 668: „t zu anfang der Wörter behält seinen gehöri-
gen laut, nemlich den des italischen t ....^
Amu. ** dazu: „Da man schon das anfangs-d als ita*
lisches t auszusprechen gewohnt ist, so sucht man in Wör-
tern fremder sprachen das anfangs-t als solches dadurch
bemerklich zu machen, dafs man es wie das p mit einer
art nachhauch, also wie t-h ausspricht; z. b. T-Aitan,
r-Aitu8, T-Aartarei, *-Aee, T-Aacitus, f-Aempel, ....**
„.... deklamatoren «... sogar in echtdeutschen Wörtern ....
f*Aag, f-Aod, f-Aeutsch, f-Aeuer, f-Aat.^
Schmeller tadelt wiederholt diese einschiebung des A
und hält dieselbe für eine süddeutsche eigenthümlichkeit;
aber jedermann, der nicht mundartlich, sondern scbrift-
Zeitschr. f. vergl. sprachf. XXL 1. 3
34 Kräat«f
deutsch spreche» will, aspirirt die aulautenden k, t, p vor
vokalen. Lepsius, Georg Curtius (grimd/Qge 1869. s. 387)
und Weiuhold (alem. gramm. 1863. §§148; 169; bair.
gramm. 1867. §§ 121; 175) bezeichnen umgekehrt die aspi»
rirung als eine nord- und mitteldeutsche eigen thümliehkeit.
W. H. Koscher (Jahns jahrbb. Ib70. s. 455) sagt: ,,Be-
kanutlich werden jetzt allgemein^ [dies ist unrichtig; die
überwiegende mehrzahl derer, welche von aspiraten spre-
chen, versteht darunter reibelaute und hält an dieser ver-
kehrten aufTassung hartnäckig fest] „die griechischen aspi-
raten als doppellaute angesehn und als solche mit kb, ph,
th umschrieben (vgl. Curtius grundzüge^ s. 384 f.). Hier
fragt es sich nun: was bedeutet in diesem falle das zei-
chen h, den reinen Spiritus asper oder einen haucblaut,
welcher derselben artikulationss teile wie die vorhergehende
tenuis angehört, also bei p labial, bei t dental, bei k gut-
tural [d. h. palatal] gefärbt ist? Im erstem falle gelangen
wir zu unsern deutschen tenues, die bekanntlich gegenüber
den reinen, z. b. im slawischen, fast immer aspirirt erschei-
nen und nach glaubwürdigen Zeugnissen von ohrenzeugen
den jetzigen indischen und ossetischen aspiraten gleich zu
setzen sind ^
Die Slawen werfen den Deutschen vor, dafs sie nicht
der Schrift gemäfs kalb, tag, pein sprechen, sondern
khalb, thag, phein (Rumpelt, das natürliche System der
sprachlaute 1869. s. 136).
Es wären ferner noch anzuführen die in Deutschland
oft lautgewordenen klagen über die unbeholfenheit der
Verbindungen M, th^ ph und die zweifei an deren uiöglich-
keit; so sagt z. b. Steinthal (Heyse, System der Sprachwis-
senschaft s. 279 anm. ^): „Dafs p, t, k mit nachhallendem
Spiritus lenis gesprochen würden, begreife ich ebenso wenig,
wie dafs ph von p durch den spiritus asper unterschieden
werde...." Natürlich, wer k, t, p schon wie &Ä, th, ph
spricht, dem wird es nicht leicht, kh, th, ph von k, t, p
zu unterscheiden.
An diese heobachtungen erlaube ich mir meine eige-
nen anzuschliefsen ; zu der Wahrnehmung sämmtlicber hier
die neuhochdeutschen aspiraten und tenues. 35
und im folgendea erwähnten eigenthömlicbkeiten der deut-
schen k, t, p kam ich auf ganz selbständigem wege. Gebil-
dete und ungebildete aus verschiedenen gegenden Deutsch-
lands haben dieselben anerkannt, wenn ich sie darauf auf-
merksam machte, so dafs an beobachtnogsfehler so wenig
gedacht werden kann als an eine rein individuelle oder
dialektische erscheinung.
Jeder unbefangene kann sich von der aspirirung un-
srer k, t, p überzeugen. Das k und das kh in keckheit
lauten auch im munde solcher, die durchaus keine neigung
haben, das h nicht zu sprechen, ganz gleich *) (man spre-
che das wort rasch und in 6inem zuge; Zusammensetzun-
gen durch irgend welches absetzen in ihre bestandtheile
zu zerlegen, ist durchaus dem allgemeinen gebrauch zuwi-
der); ebenso khorn in trinkhorn und körn, t in tag
und th in guthaben, thenne in brüthenne und tenne,
p in Polen und ph in alphorn. In den hochdeutschen
mundarten lauten die d und t, die b und p, die g und in-
lautenden k genau gleich, und zwar wie die romanischen
t, p, c, durchaus nicht wie die schriftdeutschen t, p, k im
anlaut vor vokalen (diese beobachtung hat schon Schmeller
gemacht; s. oben)**). Die ehre lautet ter (d'ehr; ' be-
zeichnet hier und im folgenden stäts die länge des voka-
les); die beere aber thir (d'heer) genau wie das wort
theer nach gutdeutscher ausspräche. Bald lautet palt;
behalte aber phalt (behalt) genau wie palet im schrift-
deutschen paletot. Galt lautet kalt; geh alt aber khalt
(g'halt) genau wie das mundartliche und schriftdeutsehe
kalt (von den farbungen der vokalklänge wird hier ganz
abgesehn).
Der allgemeinen anerkennung dieser tbatsachen stellen
sich freilich einige hindernisse entgegen, welche hier kurz
erörtert werden müssen.
*) Genau genommen ist der hinter das erste k eingeschobene laut ein
anderer als der hinter dem zweiten k stehende ; näheres darüber weiter unten ;
hier kommt es nur darauf an, zur anerkennung zu bringen , dafs überhaupt
eine einschiebung stattfindet.
**) Was Brücke und Rumpelt über diese lautverhältnisse sagen, ist ganz
unrichtig.
3*
36 Krinter
Zunächst ist nicht zn rechten mit denjenigen, welche
ober den bnchstaben die laute vergessen und z. b. in ghalt
(oberdentsch för geh alt) den h-Iant anerkennen, weil das
neuhochdentsche gehalt schreibt^ nicht aber in dem völ-
lig gleichlantenden kalt, weil ja hier von einem h-zeichen
nichts zu sehn ist; solche mögen immerhin auch j>, d, ^, ;^
fär aspiraten halten, weil die entsprechenden bvehstaben
im deutschen oder im englischen th, seh (sh), ch sind, nicht
aber das ganz ähnlich gebildete s (z. b. im deutschen baui,
izenisch, maike, im französischen lui, lur, vatte),
weil dessen bezeichnung kein h enthält.
Femer hat jeder eine neigung, anders als gewöhnlich
zu sprechen, wenn er auf thatsachen aufinerksam gemacht
wird, die den herrschenden lauttheorien widersprechen.
Weist man jemanden auf den völligen gleichklang von
khorn in trinkhorn und körn hin, so wird er sich be-
eilen, zwischen trink und hörn eine ihm sonst ganz und
gar fremde pause hineinzusetzen. Es versteht sich von
selbst, dafs nicht irgend eine erkünstelte ausspräche, sondern
nur der allgemeine Sprachgebrauch mafsgebend sein kann.
Endlich hat man sich beirren lassen durch die hindu-
stanischen aspiraten, deren h so stark ist, dafs die leute
fortwährend aufser athem scheinen (Rumpelt s. 137 f.).
Aber das zeugnifs jenes Hindu, welcher erklärte, die deut-
schen k, t, p seien weder echte aspiraten, noch echte te-
nues, ständen jedoch jenen näher als diesen, bestätigt der
hauptsache nach dasjenige der Slawen und kann uns im
übrigen um so weniger stören, da man die hindustaniscbe
ausspräche der aspirirten medien (gh, dh, bh gewöhnlich
wie gkhj dth^ bph) nicht für mafsgebend hält (Rumpelt
s. 139 f.). Wie ein f^ möge es mit aller anstrengung der
lungen oder mit gewöhnlicher stärke gebildet werden, im-
mer f bleibt, so ist auch unser h in halb, hag, bain
immer ein A, wenn es auch schwächer sein mag als das
hindustaniscbe; dann sind aber auch die k, t, p in kalb,
tag, pein echte und wirkliche aspiraten; sogar wenn ihr
h-laut schwächer wäre als in halb, hag, hain, so müfste
derselbe dennoch als h-laut anerkannt werden. Zum über*
die neahoohdeatschen Aspiraten und tenues. 37
flufs ist noch zu bemerken, dafs nach der angäbe von
Lepsius, welcher die ausspräche eines gebornen Arme-
niers beobachtet hat, die armenischen aspiraten genau so
lauten wie die schriftdeutschen k, t, p im anlaut vor vo-
kalen.
Wenn die meisten leute von einem h-laut in kalb,
tag, pein nichts wissen und, darauf hingewiesen, davon
nichts wissen wollen, so beweist dies nicht etwa, dafs der-
selbe weniger stark als sonst ist, sondern dafs sie von Ju-
gend auf gewohnt wurden, die lautfolgen ftA, th, ph^ wenn
dieselben mit den einfachen zeichen k, t, p dargestellt wer-
den, für einfache laute zu halten; gibt es ja leute genug,
welche aus demselben gründe z für ^inen laut ansehn, ohne
durch falle wie räthsel, des betts, des rads aufmerk-
sam zu werden. Ebenso bestreiten gewöhnlich die musiker
hartnäckig das Vorhandensein der obertöne, weil sie ge-
wohnt sind, gewisse akkorde fbr einfache töne zu halten
(vgl. Helmholtz, die lehre von den tonempfindungen 1863.
8. 96 £). Gewohnheit und herkommen verleiten nur allzu-
oft männer, deren stimme sonst mafsgebend ist, in die
angen springende thatsachen abzuleugnen.
Nachdem gezeigt worden, dafs die schriftdeutsche sprä-
che echte tenuesaspiraten auch aufserhalb von Zusammen-
setzungen besitzt, ist zu untersuchen, ob und wo sie reine
echte tenues hat. Ich zähle zunächst die einzelnen föUe
auf, för welche ich meine beobachtungen durch ausdrück-
liche Zeugnisse andrer bestätigt gefunden habe. Wenn ich
auf ähnliche erscheinungen in einer fremden spräche auf-
merksam mache, so soll damit nicht immer behauptet wer-
den, dafs sie durch dieselben lautgesetze wie im schrift-
deutschen hervorgerufen worden sind.
Die k, t, p werden als reine echte tenues gesprochen :
1) vor schlaglauten; in einfachen Wörtern kommt ge-
wöhnlich nur das zusammentreffen von k und p mit t vor;
z. b. wecfct, wirftt, walfct, werftzeug, rei^kunst,
locÄpfeife, mi^ keinem, MoUke, gerippt, zirpt
u. s. w., nicht wecA:At, wirftAt, walftAt u. s. w. Ebenso
38 KrKntor
sagt man liept, ]ekt*) u. s. w., nicht liebt, le^t oder
liepAt, lefcAt. Es kommt natOrlicb hier und im folgen-
den immer nur darauf an, wie gesprochen wird, nicht
darauf, wie gesprochen teer den kann; dafs nun in unge-
künstelter spräche vor schlaglauten durchaus nicht aspirirt
wird, bezeugen ausdrücklich Ebel (zeitschr. XIII. 8. 267)
und Arendt (beitr. II. s. 428), indem sie die möglichkeit,
ein pht hervorzubringen, entschieden leugnen. Das h wird
oft sogar vermieden in senftt, dfinftt, sinkt, gelenürt,
klinftt, henfct, verlumpt, pumpt u. s. w., so dafs man
nur hört sengt, düngt, singt, gelängt, klingt, hängt,
verlummt, pummt, eine beobachtung, die auch Rode-
rich Benedix (der mündliche vertrag 1868. I. s. 44; § 77)
gemacht hat. Aber trotz dieser ausgesprochenen abnei-
gung des deutschen gegen die aspiration vor schlaglauten
können sich die herren Ebel und Arendt von ihrem irr*
thum sehr leicht überzeugen, wenn sie irgend einen gebil-
deten oder ungebildeten darauf aufmerksam machen, dafs
nach der allgemein und ausnahmslos üblichen ausspräche
zirpt vollkommen genau auf wirbt reimt und dafs in
zirpt das p anders lautet als in pille. Von zwanzig wer-
den gewifs neunzehn die thatsache in abrede stellen und
sogleich, ganz gegen ihre gewohnheit, zirpAt sprechen.
Seit sie haben lesen lernen, hat sich bei ihnen das axiom
festgesetzt: p lautet immer gleich. Statt ihre verkehrten
ansichten den thatsachen gemäfs zu verbessern, thun sie
ihren falschen theorien zu lieb der spräche gewalt an, ein
verfahren, dessen sich leider oft auch solche schuldig ma-
chen, die sich mit lautlehre eingehend beschäftigen.
Im griechischen werden kht, pht ausnahmslos zu kt,
pt; im sanskrit darf keine aspirata vor tenues und medien
stehn, mögen diese aspirirt sein oder nicht (das altbak-
trische, gotische und althochdeutsche setzen ein anderes
verfahren voraus). Wo lautgesetze die aspirirung verhin-
dern, da kann auch kein reibelaut hinter dem schlaglaut
aufkommen und diesen verdrängen. Darum behielt im sans-
*) left ist eine zwar weitverbreitete, aber doch nur mundartliche form.
die neuhochdeatschen aspiraten und tennes. 39
krit ]t vor t seinen alten werth als k und wurde nicht zu fS;
ebenso hat das altnordische nie ft wie das althochdeutsche,
sondern daför immer pt (welches unmittelbar aus den Ur-
formen pt, bt, pht, nicht etwa aus dem spätem ft abzulei-
ten ist); im lateinischen entstand tra&tum, ve&tum aus
traftAtum, ve&Ätum und erlitt keine weitere Verände-
rung, während tra^Ao, veÄÄo durch traho, veho er-
setzt wurde (nur eine grobe unkenntnifs des wesens der
laute kann tractum von trahtum ableiten).
2) vor stimmlosen reibelauten (/*, j5, *, s, 9, %); man
mag die laute beliebig stark sprechen, wenn man nicht ab-
sichtlich ein h einschiebt, ist ein solches nicht vorhanden;
z. b. stockfinster, des wer&s, des gebäc/^s, heftse
(hexe), /^senien (xenien), du wal/^st, gewäftse (ge-
wächse), des pfluis (pflugs), flic&schuster, dan*
schön, Stückchen, Weltverbesserer, ra^felge (rad-
feige), ^seigen (zeigen), des rafs (rads, raths), tseit"
Schrift, deufsch, mit schrecken, Kä^cben (Käth-
chen), raschen (rädchen), apfall (abfall), apfel, opst
(obst), mops, krepse (krebse), reps, apsc heu (absehen),
hDpsch (hübsch), kälpchen (kälbchen), nicht siockh*
finster, werÄÄs u. s. w.
Brücke (s. 58) bestätigt dies ausdrücklich : »Vor ton-
losen konsonanten hören wir im deutschen keine aspira-
tion*^; der Verfasser der schrift „über bestrebungen auf dem
gebiete deutscher Orthographie" (Kassel 1869 s. 59) schreibt:
myd shdain'n, myd schdögg'n (mit steinen, mit stocken);
offenbar wurde er zu dieser darstellung des t in mit durch
den mangel des h veranlafst; Ebel (zeitschr. XIII. s. 268)
erklärt khs, phs für absolut unmögliche lautfolgen (diesel-
ben kommen zwar im deutschen nicht vor, sind aber leicht
zu sprechen). Eumpelt (s. 111 f.) nennt die p und t in pf
und z reduzirt d. h. sehr verkürzt; in Wirklichkeit fehlt
den tenues vor stimmlosen reibelauten blos die aspiration,
so dafs sie auf das gehör einen schwächern eindruck machen
als sonst; darum meint Max Müller (Vorlesungen 2. folge,
übers, von Böttger 1870 s. 155), im englischen ch und ita-
40 Kräuter
liäniscbeD ci werde blos ein versuch gemacht, I zn sa-
gen, und hält Du Bois Reymond (Eadmus s. 213) t& sogar
fßr einen laut, den für eine lautfolge auszugeben man sich
durch die schrift verleiten lassei darum ferner werden man-
che durch das einfache zeichen um so leichter verfQhrt, in
z nur ^inen laut zu sehn.
Im griechischen werden khs, phs ausnahmslos zu ks, ps,
z. b. trikhos, thriks; trepho, threpso; ähnlich ver-
fährt das Sanskrit, z. b. sarvabhutsu st. sarvabudhsu;
ferner behält k vor s, ä seinen alten werth k und weicht
nicht dem tä; endlich wird z. b. adughsat zu adhuköat
und erleidet keine weitere Veränderung, während sonst dugh
zu duh wurde; ebenso im lateinischen tra&si, veJIrsi,
stru&si, aber traho, veho, struo; im altnordischen und
in einigen hochdeutschen mundarten hat s die vorherge-
henden k vor der ersetzung durch den gaumenreibelaut
geschützt (aber der Schweizer spricht o;^s, fu;|fs, we;i;8el,
wi;^se u. s. w.)
3) Nach einem stimmlosen reibelaut sind die k, t, p
immer rein, wenn sie zu demselben einfachen worte wie
jener gehören (t und p habe ich in diesem falle ausnahms-
los unaspirirt vernommen, k nicht immer), z. b. Skandi-
navien, nicht kh wie in kann; s/dl, nicht tb wie in
thal; spafs, nicht jt>A wie in pafs; dif^ong, Erechleum
u. s w. (aber herrlichftAeit, haus^Ayrann, aufpAas-
sen u. s. w.). Da stiere kamen ist, auch wenn st nicht
wie seht gesprochen wird, von dafs thierekamen leicht
zu unterscheiden, da jenes dastird^ dieses aber dasthir^ hat.
„Über bestrebungen^ bestätigt meine beobachtung durch
die Schreibungen shbild'n, shdain'n, shdögg'n. Bin
weiteres zeugnifs gibt unsere herkömmliche Orthographie.
Die einfügung des buchstabens h nach t hat zunächst
den zweck gehabt, die länge des betonten vokales zu be-
zeichnen ; die rücksicht auf die wirkliche aspiration ist aber
unverkennbar. Man erinnere sich, dafs in alten drucken
viele kh für k zu finden sind, in welchen h nicht wie in
den ehemals beliebten jh, mh, rh dehnungszeichen sein
die nenhochdentschen aspiraten und tennes. 41
kann, was durch daneben vorkommende kcb bestätigt wird ;
so im Theuerdank khunndtscbafft, erkhennen, khein,
zinckh, glQckh, bei Berthold Pirstinger khain, khünff-
tig, stQckh, volckh, in Sebastian Mönster^s kosmogra-
phie kbein; vereinzelt kommt auch ph vor, z. b. lauph
fiir laub. Wie in jenem kh, welches sich nur in eigen-
namen wie Pranckh, Franckh, Finckh erhielt, ist h
auch in th lautzeichen und nicht blos dehnungszeichen«
Selten steht das h nach t^ wenn es nicht auch gesprochen
wird (nur grundformen kommen in betracht, weil die her-
kömmliche rechtschreibung die durch Zusammensetzung,
ableitung und beugung veranlafsten lautveränderungen nie
bezeichnet), wohl aber ist es eingeschoben worden in fäl-
len, wo eine vokallänge entweder gar nicht vorhanden oder
schon auf andere weise bezeichnet ist. Die sogenannten
doppellauter gelten jetzt in folge einer bedauerlichen be-
griffsverwirrung ohne allen grund für lange vokale; jeden-
falls war man früher durchaus nicht dieser ansieht, indem
man nach denselben nicht nur kein einziges h ein-
führte (rein etymologische h beweisen hier nichts), sondern
vielmehr den folgenden konsonanten mit doppeltem buch-
staben schrieb. In abentheuer, hanthieren, narre-
thei, parthei, thau, theer, theii, theuer, thier,
thurm, urtheil, vertheidigen (früher waren solche
falle noch häufiger; es kommt vor z. b. thischthuch,
thruhe, thanne, thamm == dämm, thunder as don-
ner) soll daher h offenbar den h-laut bezeichnen. Nach s
steht aber niemals th (z. b. husten, kloster, ostern,
rösten, stöbern, schuster, trost, wüst, stören,
stör, Strom, ungestüm, stube, stute, strafen, Stru-
del, Steg, stufe, Stab, stät u. s. w.), sogar dann nicht,
wenn dem wort ein dehnungs-h zukommt, z. b. stahl,
stahr, stähr, stehlen, stehn, stöhnen^ strahl,
strähne, Stroh, stuhl, stuhr, während dieses sonst im-
mer an das t tritt, z. b. athem, grath, koth, loth,
meth, muth, noth, pathe, rath, roth, ruthe, spath,
wuth, thal, thon, thor, -thum, thun, thüre, thran,
thräne, werth, blüthe, drath, gluth, nath, farth
48 Krtluter
(nur trufae macht ausnähme, sowohl um der überlieferten
Schreibung treu zu bleiben, als um das graphische zasam-
mentreffen zweier vokale zu vermeiden). Der umstand,
dafs im 15. und 16. Jahrhundert sth fiblich waren, jetzt
aber schon lange ganz verschwunden sind, während alle th
sich lange unangetastet erhielten und noch beute mit we-
nigen ausnahmen gelten, erlaubt keinen zweifel daran, dafs
man hier sich durch ein gefOhl der lautverhältnisse hatte
leiten lassen. Zum beweise, dafs auch leute, die sich sonst
um lautfragen nicht das mindeste kümmern, durch die th
der überlieferten Schreibung zum bewufstsein der echten
aspiraten gelangen können, fhhre ich folgenden fall an.
Ich unterhielt mich einmal mit einem Oberdeutschen über
das, wie ich damals meinte, unbegründete th ; er erwiderte,
th laute wirklich wie th und t wie t, und fQhrte als bei-
spiel an: eine tasse thee; in den oberdeutschen mnnd-
arten hat allerdings tasse die tenuis und thee die as-
pirata.
Dasselbe lautgesetz zeigt sich im griechischen, wenn
auch nicht mit derselben regelmäfsigkeit wie im deutschen;
in der bekannten lokrischen inschrift steht XQV^^^9 iXitrrw^
iU6T(xt> statt xQV^^^-i ^AffTi^w, ilia&ai (daneben aber auch
(pgiv für ngir); a(p6vSvXog^ öffoyyog^ ceaqdoccfog^ (TxtvSvXij^
^X^^^S^ ^X^Q^^f^^-i if'«ö''^oV, xia&og u. a. schwanken zwi-
schen ffqp, ax^ ad- und (Ttt, (Tx, öt; in der neugriechischen
Umgangssprache tritt hinter a ausnahmslos r statte ein,
häufig X statt x^ z« b. ^aazakt]^ nctaxct^ axd^ca^ axccoa^ axl^a^
(Tx/f«, axivog (Mullach, grammatik der griechischen vulgär-
sprache, Berlin 1856 s. 300), was auf eine abneigung des
altgriechischen zurückweist, die auf a folgenden schlaglaute
zu aspiriren; if und x wurden daher zu r und x und ent-
zogen sich dadurch der Umwandlung in die neugriechi-
schen 19- {= j5) und X (= 9 ^^^ x)y f (^ ^" ^^f ^'^ ^^^
stimmlosen konsonanten und auslautend ; y), sowie ^ und x
haben auf & denselben einflufs ausgeübt, z. b. ^qp/Aavri?-
(Torr, XQVifTrjxav^ iajuixriixav, aber «easi^rr, iard&rjxa, nicht
«i/icT«, kardtrixa. Im keltischen verhindert s ein folgen-
des c, t, p in einen reibelaut überzugehn; in den germa-
die neuhochdeutschen aspiraten und tennes. 43
nischen sprachen schQtzt es die tenuis gegen die lautver-
Schiebung (speien, stellen, nicht spfeien, stsellen oder
sfeien, ssellen; vergl. trespe, wespe, mhd. und mund-
artlich lespe mit mhd. trefse, wefse, lefse), und in
den romanischen sprachen das ti vor einem vokal gegen
die assibilation (sti- hätte wie sc zu s oder zu i werden
können; vergl. franz. combustion, mixtion, chr^tien
mit ineptie, inertie, proph^tie, d^mocratie); im
lateinischen lesen wir ti vor einem vokal nicht wie ge-
wöhnlich tsi^ wenn ein s vorhergeht (ostium, mixtio;
aber sts in Szipio, disziplin); im englischen ist die snb-
stantivendung t gewöhnlich durch den interdentalen reibe-
laut ersetzt worden (z. b. breadth, warmth, wealth),
nach fund x aber geblieben (z. b. theft, height *), flight,
weight, draught; von dry: drought und drouth); im
hebräischen hat jeder konsonant den unmittelbar folgenden
der aspirirung und somit der auflösung in einen reibelaut
entzogen (vergl. z. b. hithqatel mit histabel fQr hith-
sabel).**)
4) Die k, t, p sind nicht aspirirt, wenn sie innerhalb
eines Satzes oder einer Zusammensetzung den auslaut eines
Wortes bilden; auch in diesem falle ist es erkünstelt und
durchaus gegen den allgemeinen gebrauch, hinter densel-
ben irgend eine pause zu machen; man spreche daher die
folgenden beispiele rasch in ^inem zug, ohne abzusetzen •
werkeisen nicht werkAeisen, packesel nicht packA-
esel, Weltall nicht weltAall, blutader nicht blutA-
ader, kneipauster nicht kneipAauster, schlappohr
nicht schlappAohr, mit ihm nicht mitA ihm, das
werk ist grofs nicht das werkA ist grofs, mit lan-
"^ Bekanntlich lautete das englische gh, ehe es verstummte oder den
werth / annahm, dem deutschen ch gleich, wie noch heute in den entspre-
chenden schottischen formen.
**) Im griechischen und sanskrit soll s gerade entgegengesetzt wirken.
Aber angesichts sowohl der physiologischen räthselbaftigkeit eines solchen
Vorganges, als auch der zahlreichen fälle, in welchen s eine aspirirung, die
sonst hätte erfolgen müssen, verhindert hat, darf man an der bisherigen deu-
tung der bezüglichen erscheinungen zweifeln.
44 KrtLnter
gern arm Dicht mit A langem arm, ein stQok wachs
nicht ein stück^^ wachs u. s. w. Ohne die beiden be>
standtheile irgendwie auseinander zu reifsen, wird eniar»
ten, forteilen von enthaarten, vortheilen gerade
so scharf unterschieden wie wall dorn und waldhorn.
Diese thatsache raubt denjenigen, welche fortheilen
(dafs diese Zusammensetzung ungebräuchlich ist, thut nichts
zur Sache) mit einschiebung einer pause oder mit unge*
wöhnlich starkem h sprechen wollen, auch den letzten
schein der berechtigung, denn eine Verwechslung mit fort*
eilen ist ohnehin unmöglich. Freilich ist das nach analogie
von brüthenne zusprechende fortheilen mit vorthei-
len genau gleichlautend; aber Zweideutigkeiten dieser art
kommen so gut wie gar nie vor. Ferner ist die Ton den
griechen jedenfalls in der schrift (vergl. i/^ai^cJ, itfatpco)
nicht anerkannte forderung, die aspiraten anders als ge-
wöhnlich zu sprechen, wenn sie durch Zusammensetzung
entstanden sind, unberechtigt und erinnert an diejenigen,
welche dem anlaut von voll, vor einen andern werth bei-
legen als dem von füllen, für; man müsste dann auch
verlangen, dafs die ks^ ts^ pf^ ps in des gebäcks, des
ritts, abfall, schleppst anders lauten sollen als in hexe,
ritz, apfel, psalm. Es ist zwar ganz natürlich, dafs,
wer die kh, th, ph in körn, tenne, Polen für tenues
hält, glaubt diejenigen in trinkhorn, brüthenne, ab-
holen davon unterscheiden zu müssen, gerade wie auch
wer unter aspiraten reibelaute versteht, die Schreibungen
theil, thun, thau, thurm u. s. w. für unrichtig erklärt;
aber falsche lauttheorien haben in der Wissenschaft keinen
werth, mögen sie noch so allgemein verbreitet sein.
Hier haben wir wieder eine gelegenheit, die unglaub-
liche macht der gewohnheit und der einbildung kennen zu
lernen. Die Franzosen gelangen bekanntlich nur mit grofser
mühe dazu, die laute unseres ch auszusprechen, und ver-
wechseln unser q (in ich, sicher, echt) beharrlich mit ä.
Aber jedem unter ihnen ist, auch wenn es ihm trotz aller
anstrengung nicht gelingt, z. b. echt richtig nachzuspre.
eben, das 9 sehr geläufig. Wenn man flüstert, so ersetzt
die neuhochdeutschen atpiraten and tennes. 45
man sonst überall, wo man in lauter rede, wie z* b. bei
a, ä^ e, o, u^ /, m, n, n^ (?, d* («s weiches englisches th = neu-
griechisches J), 2, z ebenso wie bei den echten medien
u. 8. w. , die stimme tönen läfst, diese durch ein heiseres
kehlkopfgeräusch ; hingegen bei dem hellen i, wie in lief,
bibei (nicht bei dem nach e hinneigenden, wie in wind,
hirt, wille, fisch, ist; vergl. R. von Räumer ges. spr.
sehr. s. 165), wird dieses verfahren, obgleich es möglich
wäre, nicht angewendet, sondern man setzt geradezu 9;
schiefst, vieh, schief lauten beim flflstern ä^«^^ /ip^ d^f ;
ebenso sagt der Franzose, wenn er flüstert, &^, fip, «9, s^fc
für qui, fit, si, chique. Dieser ersetzung eines vokales
durch einen konsonanten ist man sich freilich jenseits der
Vogesen ebensowenig bewufst wie diesseits, so dafs dem
Franzosen das ^ als vermeintliches i wohl bekannt und
ganz geläufig, unter anderm namen aber unmöglich ist. So
kommt es auch, dafs Deutsche grofse mühe haben, wenn
sie auch deo) allgemeinen gebrauche gemäfs das k in pack-
esel, Skandinavien, das t in weitall, stier, das p in
Schlappohr, spafs ohne A hören lassen, die schlaglaute
im anlaut vor vokalen ebenso bilden zu lernen und dies in
sprachen, wo es nöthig ist, sehr beschwerlich finden. Süd-
deutschen, welche ich aufforderte, die französischen pa,
ta, ca genau so zu sprechen wie ihre mundartlichen ba,
da, ga, gelang dies immer nur mit bedeutenden Schwierig-
keiten; die ungewohnte bezeichnung p, t, c verhinderte sie
an dem hervorbringen der ihnen vollkommen geläufigen
laute! Wenn daher jemand klagt, die reinen tenues des
slawischen (Schleicher, deutsche spräche s. 208) oder des
ossetischen (Rumpelt, System s. 139) seien sehr schwierig,
so hüte man sich wohl vor dem Schlüsse, dieselben seien
seiner spräche fremd.
5) Die k, t, p werden ohne h gesprochen, wenn sie
zwischen zwei vokalen stehen, deren erster kurz und be-
tont ist, z. b. sacke, stocke, lockung, deckung,
dickicht, rettung, sitte, hatte, rettig, kritisch,
titel, fittich, suppe, schleppe, läppisch, schup-
pig, schnippisch, struppig, verkappung.
46 Kräuter
Uumpelt (deutsche graminatik I. 8. 41 f.) sagt von den
deutschen gg? dd, bb: ^Die ausspräche ist beim volke und
in Oberdeutschland selbst bei gebildeteren auch hier überall
geminirte fortis.'' In des. that haben in Süddeutschland
egge, widder u. s. w. reine tenuis genau wie ecke,
(ge)witter. Wenn nun Rumpelt diese ausspräche mit
ck, tt, pp bezeichnet, so folgt daraus, dafs er diese buch-
stabengruppen ohne h zu sprechen und zu hören gewohnt
ist. Merkel (s. 897 f.) sagt, man finde t oder tt auch da,
wo man von recbtswegeu dd setzen sollte; in abba, rappe,
hatte, buddaismus, hacke, agger sollte überall der
explosivlaut hart geschrieben werden (hart oder rein
heilst Merkel die b, g, d im gegensatz zu den p, t, k, wel-
che er aspirirt nennt, s. s. 898). Ferner (8.914) der
Zungen- und der lippenexplosivlaut seien zwischen zwei
vokalen, .deren erster kurz und betont ist, nie aspirirt
(wenn Merkel hier vom gaumenlaut das gegentheil behaup-
tet, so steht er mit sich selbst im Widerspruch). Schmel-
1er (s. lOö. § 51 1) sagt ausdrücklich, dafs die inlautenden k,
z. b. in acker, backen, drucken, rein sind im gegen-
satz zu den anlautenden; aspirirte k, t, p kennt er nur im
anlaut vor vokalen. Die Augsburger allgemeine zeitung
1870 s. 4362 schreibt: „sogenannte wackes^ und s. 4380:
„wackes nennt die elsässer Volkssprache den niedern p5-
bel.^ Der gaumenlaut dieses wortes ist reine tenuis. —
Weitere Zeugnisse s. unter 6).
Während sonst der schlaglaut gerade anlautend fest
ist, im inlaut aber wegfallen kann (pf^ t$ sind zu anfang
der Wörter nie in f, s übergegangen, häufig aber in an-
drer Stellung), lassen die schweizerischen mundarten dem
gothischen k im anlaut immer x entsprechen, nach kurzem
vokal aber regelmäfsig k;^, z. b. steck;^en, weck;^en,
rück;^en, reck;^en. Darum schreiben die Schweizer oft
guggug? ^gg^9 brügge, schnegge u. s. w., weil die
gewöhnliche Schreibweise ihnen mit kchuckchuckoh,
eckche, brückche, schneckche gleichbedeutend ist.
Beim beginn der lautverschiebung mufs sich also die echte
tenuis nach kurzem vokal rein bewahrt haben, während sie
die neahochdeatschen aspiraten uod tcnues. 47
in den andern fällen beinahe immer ein h hinter sich an-
nahm; später konnte sie sich auch dort nicht mehr hal-
ten, blieb aber um eine stufe zurück (erst kh statt &/,
dann k;^ statt x)'
Man vergleiche hiemit, dafs tt im griechischen sehr
häufig ist, tth aber beinahe nur in einigen eigennamen
vorkommt (k und p werden im griechischen selten ver-
doppelt, mag ein h folgen oder nicht*)). Ferner dafs wir
im lateinischen ti vor einem vokal nicht wie gewöhnlich
tsi lesen, wenn ein t vorhergeht (Attius, Bruttium);
dafs im hebräischen k, t, p, wenn sie verdoppelt sind, sich
nie in Xß py f verwandeln und der Verdopplungspunkt (da-
gesch) überhaupt die bedeutung erlangt hat bei jenen
buchstaben anzuzeigen, dafs, auch wenn keine Verdopplung
vorhanden ist, die ursprüngliche ausspräche beizubehalten
sei; dafs gotisch tt neuhochdeutsch zu ta geworden, wäh-
rend gotisch t nach vokalen neuhochdeutsch in tonloses s
übergeht; endlich .dafs assimilirtem got. kj neuhochdeut-
sches k, aber gotischem k nach vokalen neuhochdeutsches
g und x entspricht. Die Verdopplung hat also die lateini-
schen t und die hebräischen k, t, p rein erhalten und die
lautverschiebung der altdeutschen t und k verzögert.
Auch hier hat im neuhochdeutschen die spräche auf
die Schrift eingewirkt. Die formen dogge, egge, flabbe,
flagge, flügge, knubbe, labben, quabbe, ribbe,
roggen, schlabbe, schlabbern, schrubben, schwab-
beln, schwabbern u. s. w. sind höchst auffallend, weil
das neuhochdeutsche eine ganz entschiedene abneigung
dagegen hat zwischen zwei vokalen, deren erster kurz und
betont ist, g, d, b zu schreiben (knäbe, knappe; räbe,
räppe; schneiden, geschnitten; sieden, gesötten;
die mhd. kurzen betonten vokale vor g, d, b mit folgen-
dem vokal sind im neuhochdeutschen sämmtlich lang ge-
worden). Dieselben sind ferner theils schwankend, theils
*) Um mifsverständDisse zu vermeiden bemerke ich, dafs die acbrift-
dentschen Wörter sticke, Lotte, gruppe a. 8. w. Mos 8txk9y I6t9f grup9
lauteD, nicht 8t{kk9y I6tt9f grüpp».
48 Krinter
nicht der abstammung entsprechend, und stimmen alle
nicht zu der üblichen ausspräche, nach welcher allgemein
die gg, dd, bb als reine tenues lauten; mundarten, welche
sonst auch nach kurzen vokalen die alte media nicht mit
der tenuis vermischen, haben hier meistens die reine te-
nuis; aus der oben angeführten stelle bei Rumpelt geht
hervor, dafs nur solche, die glauben der scbrift gerecht
werden zu müssen, hier die media hören lassen. Unter
solchen umständen ist es nöthig za untersuchen, wie man
zu jener Schreibung gelangen konnte und was dieselbe be-
deuten soll.
In einem grofsen theile Deutschlands werden die schrift-
deutschen g, d, b als reine tenues, die k, t, p (mit aus-
nähme der erwähnten falle) als aspiraten gesprochen, ein
Sachverhalt, welcher von physiologen und sprachforschem
(Job. Müller, Merkel, ßapp) richtig erkannt worden ist*);
also pham (pein) und pain (bein), tkorf (torf) und iorf
(dorf), khartn (karten) und hartn (garten und garden)
u. s. w. Wer nun diese mundartliche ausspräche hat, wird
die reine tenuis durch g, d, b darstellen; so schreibt Mer-
kel (s. 898) Rabbe, hadde, bader, agger (rappe, hatte,
pater, acker), der Verfasser von „über bestrebungen^ u.s.w.
(8.59) shbild'n myd shdain'n, myd shdögg'n (spiel-
ten mit steinen, mit Stöcken), der schwäbische Merkur
(24. sept. 1870 s. 1131) gaffe um die französische aus-
spräche von cafe darzustellen. Leute, welche in ihrer
mundart alle g, k, d, t, b, p als reine tenues sprechen,
glauben überall g, d, b statt k, t, p zu setzen (vgl. Wein-
hold, bair. gramm. s. 144); man findet daher in dialekt-
proben (vgl. Weinhold, alem. gramm. s. 143) auch da, wo
die Schriftsprache k, t, p hat, häutig g, d, b geschrieben,
z. b. guggug, egge, brügge, schnegge, babbe
(papa), brobber (propre), babbeljodde (papillotes),
vadder (vater), hochzidder (hochzeiter), muedet
(mutter), dabeet (tapete) u. s. w., daneben freilich trotz
*) Die ansieht, k, t, p seien nichts als starke, durch festeren verschlofs
gebildete g, d, b, ist zwar weit verbreitet, aber grundfalsch; nie und nir-
gends werden die k, t, p auf diese weise von den g, d, b unterschieden.
die neahochdentschen aBpiraten und tenues. 49
der völlig/ gleichen ausspräche sogar in denselben Wörtern
aach k, t, d ohne die mindeste konsequenz. Es wäre lä-
cherlich und der absieht des Schreibers keineswegs ent-
sprechend, wenn man diese g, d, b als echte tönende me-
dien und nicht als reine tenues lesen wollte. 0£Penbar
sind die schriftdeutschen gg, dd^ bb unter dem einflufs
jener weitverbreiteten mundarten aufgekommen, wollen
demnach dasselbe bezeichnen wie ck, tt, pp, mit welchen
sie häufig wechseln und sind ein thatsächlicher beweis,
dafs diese letztern als reine tenues gesprochen werden,
selbst in gegenden, wo der gegensatz zwischen g^ d, b
und k, t, p im mangel oder Vorhandensein des h besteht
und wo daher mehr als anderswo in dem vorliegenden
falle die aspiraten zu erwarten wären. Freilich wer die
dehnungs-h im auslaut und vor konsonanten (sieh, Stroh,
rühm) ähnlich spricht wie im anlaut (holz, helfen; dies
thun z. b. Merkel s. 777; Chr. Wenig, handwörterbuch der
deutschen spräche, bearbeitet von L. Kellner, Köln 1870
8. 328), wer dem ch in christ, Charakter denselben
werth gibt wie in sicher, wer ei in der beide von ai
in die haide, v in voll, vor von f in füllen, für un-
terscheidet, der wird auch nicht ermangeln roggen von
rocken, widder von (ge)witter, schlabbe von
schlappe u. s. w. lautlich zu trennen. Ein solcher mag
auch getrost in Stadt, todt das d deutlich neben dem t
hören lassen.
6) Die k, t, p sind auch rein in allen übrigen fällen
des inlautes nach einem betonten vokal, z. b. welke,
werke, schenke, pauke, trocknen, falten, warten,
Seiten, gute, Lotringen, Walter, Günter, zirpen,
wappnen u. s. w. nicht welk^^e, werkAe u. s. w.
Die meisten, welche die aspiration des k, t, p erwähnen,
sprechen nur vom antaut vor vokalen (s. s. 31 ff.)* Schmeller
kennt dieselbe auch im schriftdeutschen blos an dieser
stelle, worin er allerdings zu weit geht; in dem buche
„über bestrebungen^ heifst es (s. 59), dafs zwei drittheile
des hochdeutschen Volkes tenues und medien wenigstens
Zeitschr. f. vgl. sprachf. XXI. 1. 4
50 Kräuter
im in- und auslaut nicht mehr unterscheiden, indem sie
deu k, t, p die ausspräche Ton g, d, b geben, womit der
Verfasser die reinen tenues meint ; Curtius (grundzüge 1869
s. 347) sagt: ,, Deutsches k, t, p kh'ngt im norddeutschen
munde im anlaut vor vokalen fast [I] wie aspirata, nicht
so im inlaut....^; L.Wolfram (sind zur erlemnng der
deutschen reehtschroibung besondre regeln nöthig? Leip-
zig 1858 8.22) bemerkt: „Wir unterscheiden in unserer auS"
spräche d von t wenig oder gar nicht ^ [d. h. nach sQd-
und mitteldeutscher weise wird stäts die reine tennis ge-
sprochen] „also kann das kind durch Verlängerung bei
uns nicht erfahren ob weit, zeit mit t, und wald, wind
mit d zu schreiben sei^. Dr. Panitz sagt in seiner scboi*
grammatik, ende und ente hätten genau denselben laut.
Wenn dieser völlige gleichklang der oberdeutschen
g, d, b und k, t, p im inlaut nicht allgemein zum bewufst-
sein gekommen ist, so röhrt es daher, dafs die meisten zu
sehr vom buchstaben abhängen und verschiedenes zu spre-
chen wähnen, weil sie verschiedenes schreiben. Ebenso
ist es erklärlich, wenn nicht selten auch solche, die sich
eines feinen obres rühmen und sich eingehend mit laut-
lehre beschäftigen, zwischen den an- und inlautenden k, t, p
keinen unterschied wahrnehmen wollen. Von einer Schwie-
rigkeit, die tenues und aspiraten von einander zu unter-
scheiden, kann sonst nicht im mindesten die rede sein,
denn niemanden fällt es ein die oberdeutschen käs9 (gasse),
iir (dir), päs (bafs) mit khäsB (kasse), thir (thier), phäs
(pafs) zu verwechseln.
Im auslaut vor einer pause gilt auf schwäbisch -ale-
mannischem gebiete die aapirata, was Johannes Schmidt
(zeitschr. XVI, s. 231) für das deutsche im allgemeinen
behauptet; auf bairisch-östreichischem hingegen, wie aus
den angaben Schmellers hervorgeht, entsprechend dem
Sanskrit die reine tenuis. Auch die g, d, b in gleicher
Stellung sind hier in betracht zu ziehn. Die Schweizer
sprechen dieselben, sowohl wenn sie sich der mundart be-
dienen, als auch wenn sie gutdeutsch reden wollen, immer
die neuhochdeutschen aspiraten und tenues. 51
als sehr schwache tenues, unterscheiden also g) d, b auf
das schärfste von k, t, p {z.h.wekx wecke, toäk weg;
räth ratb, rat rad u. s. w., während die mundart im an-
und inlaut die t, p genau so wie die d, b, nemlich nicht
aspirirt lauten läfst), eine ausspräche, welche auch zu fol-
gern ist aus der bemerkung von Merkel («. 886): »In ab,
abt klingt das b offenbar hart; dennoch wäre es
falsch ap und apt zu schreiben^ (wie oben erwähnt wor-
den, versteht er ph unter p), in Schwaben hingegen wer-
den die aspiraten beliebt z. b. tsükh zug, toäkh weg,
rdth rad, rith ritt, krdph grab, öph ob u. s.w. Die
oft zu lesenden angaben, im deutschen klängen die g, d, b
am ende eines wertes ähnlich oder gleich wie die k, t, p,
lassen unentschieden, ob die tenues oder die aspiraten ge-
meint seien und sind überhaupt unzuverlässig, weil viele
Sprachforscher (von den laien ganz zu schweigen) in be-
treff der laute, die sie sprechen, sehr im unklaren sind
und einen und denselben konsonanten willkürlich bald f&r
eine tenuis, bald für eine media ausgeben*).
Sollte sich herausstellen, dais ein allgemeiner gebrauch
nicht vorhanden ist, so .wäre der bairische zu empfehlen
(also z. b. thdi that, rät rath und rad; nicht thätb^
rdth, auch nicht thdth, rdth rath, rdt rad), welchen ab-
gesehn von „über bestr.^ (s. 59) auch Benedix zu meinen
scheint, wenn er sagt (I, s. 29), im auslaut werde d gern
zu hart und verliere t von seiner schärfe.
Da hier auf die darlegung der geschichtlichen ent-
wicklung der neuhochdeutschen aspiraten verzichtet werden
mufs, weil dieselbe ohne genaueres eingehn auf die natur
<i^r g) d, b nicht möglich ist, schreiten wir sogleich zur
*) Von vielen beispielen nur eines. Ebel behauptet zeitschr. XIII,
8. 267 pht sei unmöglich, XIII, s. 895 die g, d, b seien nicht tönend, XIV,
8. 242 gibt, amt laute gipt, ampt.
Entweder spricht er dem allgemeinen gebrauche gemäfs in den beiden
letzten Wörtern einen reinen und zwar sehr schwachen labialen schlaglaut,
oder, was sehr unwahrscheinlich ist, er aspirirt denselben. Im ersten £aUe
nennt er entweder den reinen schlaglant willkürlich bald b, bald p, oder er
• bildet die g, d, b trotz seiner Versicherung dennoch mittelst der tönenden
stimme; im zweiten falle findet er eine lautverbindung unmöglich, die ihm
ganz geläufig ist.
4'
52 Krftuter
beantwortuDg der frage, welches lautgesetz die aspiririmg
in den oben erwähnten fällen verhindert habe.
Nach dem allgemeinen gebrauch wird in nicht susam-
mengesetzten deutschen Wörtern (mit. ausnähme von oheim,
ahorn, schuhu, uhu, aha, oho) der buohstabe h zwi-
schen zwei vokalzeichen niemals ausgesprochen, was dorch
alle bestätigt wird, welche sich durch eine schlechte Schrei-
bung nicht verleiten lassen, ihre spräche zu schulmeistern;
von den vielen Zeugnissen mögen hier einige platz finden.
Schmeller (s. 101): h in- und auslautend wie in floh,
gäh, nah, rauh, höher, truhe, zähre, zehe, zie-
hen, sahst, ziehst bleibt nach guthochdeutscher aus-
spräche ganz stumm. Schleicher (d. spr. 8.206): h wird
im inlaut zwischen vokalen gar nicht gesprochen. Mager
(deutsches sprachbuch II. 1866, s. 10): in der ausspräche
ist h nur noch im anlaute lebendig (vergl. gehalten und
spähen; in letzterem ist hiatus, zusammentrefien zweier
vokale, hörbar). Rapp (physiologie der spräche II, s. 207):
im neuhochdeutschen wurde das inlautende h stumm, auch
zwischen vokalen. Bucher (sprachwart 1870, s. 153 — 155)
schreibt: höern (höhern), zien (ziehen), früer (früher),
an Seen (ansehen), ansee (ansehe). Wessel (merseburger
osterprogramm 1870, s. 25): h zwischen zwei vokalen spre-
chen wir nur mit einer gewissen anstrengung; kühe, flie-
hen lauten gewöhnlich kü-e, fli-en. Frisch (deutsch-latei-
nisches Wörterbuch, Berlin 1741, unter dem buch^taben H):
die ungeschickten lehrmeister wollen das dehnungszeichen
als hauchlaut sprechen.
Da leider heute noch des alten Frisch bemerkung zeit-
gemäfs ist, genögt es nicht auf den Sprachgebrauch ein-
fach hinzuweisen, um einem hauptsächlich durch eine
schlechte silbentheilung immer in blüthe erhaltenen unfug
ein ende zu machen; freilich, so lange die kinder in der
schule buchstabiren : be, all, ü, blQ; ha, e, änn, hänn;
blü-hänn, und das dehnungszeichen lächerlicher weise
von der seite des buchstabens, um dessentwillen es da ist,
weggerissen wird, mufs der kämpf voraussichtlich immer
wieder erneuert werden.
die neuhochdeutschen aspiraien und tenues. 53
Die altfranzösische Orthographie zeigt den buchstaben
s inlautend hinter langem vokale in Wörtern wie flute,
mSne, p&le, Rhone, wo er gegen die abstammung ver-
stöfst. Dafs auch die spräche den laut so eingeschmug*
gelt habe, ist unglaublich; erwägt man, dafs im heutigen
französischen nicht nur diese, sondern auch etymologisch
begründete s verstummt und auch aus der schrift verschwun-
den sind, so kommt man ganz natürlich zu dem Schlüsse:
s wurde als dehnungszeichen eingeführt in fluste, mesne
u. 8. w., weil man es dem herkommen gemäfs häufig schrieb
an stellen, wo man es nicht mehr sprach. Nur die abge-
schmackteste schnlmeisterei hätte in jener zeit verlangen
können, dafs man dem äuge zu lieb wirklich chasteau^
chrestien, asne, mesne, pasle hören lasse.
Wie mit dem französischen dehnungs-s verhält es sich
mit dem deutschen dehnungs-h, auch wenn dieses vor einem
vokalzeichen steht. Weil der buchstabe in der Orthogra-
phie stehn blieb auch da, wo er seinen laut verloren hatte,
meinte man, er bezeichne die vokallänge und führte ihn,
um diese anzudeuten, in andre Wörter ein^). Dies wird
bestätigt durch das schwinden des alten buchstaben h
auch zwischen zwei vokalzeichen, welches schon im alt-
hochdeutschen beginnt und im 13. — 16. Jahrhundert immer
häufiger wird; ferner durch die Schwankungen im gebrauch
des inlautenden h, möge dies etymologisch sein oder nicht,
welche sich ofl sogar bei einem und demselben Schrift-
steller finden, z. b. die Statuten des deutschen ordens von
1442: entpfaen, schue; die sogenannte vierte bibelüber-
setzung: es syhe (es sei), syen und sien (seien), ein
yegklicher gee, zerbleet und zerbläet, verneet;
die Hätzlerin: schewhen (als reim auf rewen), müen.
*) Die zahl derselben ist übrigens gröfser als gewohnlich angenommen
wird. Die ableitungen des h von j und w sind meistens nnr mttssige buch-
stabenspielereien (kahl für kalw, mehl für melw, auch uhr fürhurll),
welche unmöglich gewesen wären, wenn man sich an die laute gehalten und
über der Orthographie nicht die spräche vergessen hätte. Es ist ein wun-
der, dats man nicht auch in klee, schnee, see das zweite e wegen des
alten w für »historisch begründef* hält, zumal ja sichere beispiele des Über-
gangs von w in j und von j in e vorhanden sind.
54 Kräuttr
kräen,* Oeiler von Kaisersberg: sehnen; Sebastian Mün-
ster: glüend, frOer und frQher und frQwer, gespy-
hen, spyhet, gespOwen, auf freyhem feld; die ca-
tbolische bibell von Job. Dietenberger, Köln 1571: er
sohrye, sie schriben; Aventinus: kQe; Opitz: er
scbrey, geschrieben, biQend, rauer; A. Qrypbius:
glQend, rauer; Bödiker- Frisch, grundsätze der tentschen
spräche 1723: schreie, geschrieben; endlich durch die
entschiedene abneigung, welche nicht blos die schriftspra*
che, sondern auch die mundarten gegen den b-laut im in-
nern der Wörter bekunden (einzelne gegenden, z. b. Schle-
sien, sagen sogar dummeit, weisseit, weicheit statt
dummheit, Weisheit, Weichheit; im elsässischen yer-
einzelt härtsaft fldr herzhaft u. s.w.). Also verbietet
nicht nur der Sprachgebrauch, sondern genau besehn auch
die Orthographie des neuhochdeutschen jene h höreneu
lassen. Im anlaut, wo h nie verstummte, kam es auch
nie als dehnungszeichen auf.
Wenn es zufülig nicht beliebt hätte in fee, klee,
schnee, see, moschee, allee, raa u. s. w. die länge
des Vokals durch Verdopplung seines buchstabens zu be--
zeichnen, in thun das h hinter das t zu setzen statt wie
früher hinter das u, und säen anders als mähen, nä-
hen, krähen, blähen, wehen, drehen u. s. w. zu be-
handeln, so würden die gegner einer ausspräche, welcher
man nicht den Vorwurf machen kann, weder sie sei zu
jung, da sie schon im althochdeutschen vorkommt und zu
beginn des neuhochdeutschen durchgedrungen war, noch
sie sei wie manches andere eine besonderheit der papier-
nen büchersprache, da sie allen mundarten gemeinsam ist,
so würden sie ohne zweifei nicht gestatten anders als fe-
Aen, des kleAes, dem schneAe u.s.w., tuAend, säAen
zu sprechen, was allerdings nicht lächerlicher und abge-
schmackter wäre als das jetzt geforderte reAe, zeAe,
eAe, geAe, steAe, bejaAe u. s. w.
Ergibt sich schon aus der vergleichung von Allen des
lautbaren h wie ahorn, obeim, scbubu, ubu, oho,
aha, haupt, bof, haben, gehabt, verhindern, be~
die neahochdeatschen Aspiraten und tennes. 55
halten, langhaarig, anhören u. s. w. mit solchen des
stummen wie zehe, ziehen, truhe, zähe, rauher,
schuhe u. s. w. das schriftdeutsche gesetz; der h-laut wird
nur vor einem starken (sog. hoch- oder tieftonigen) vokal
geduldet, so tritt dasselbe noch auffälliger hervor, wenn
der starke vokal hinter dem h geschwächt wird. Gegen-
den, welche in Wilhelm, Bernhard, Eckhard, uhu
das h stäts lauten lassen, sprechen bei schwachem vokale
unhm, pami (berndeutsch für Bernhard), ekdrt^ udnfeh
(ein eigenname, den unzählige male aussprechen zu hören
ich gelegenheit hatte). Im elsässischen schwindet das h
von heim, wenn das ai zu 9 wird: eklsd Eckbolsheim,
au9n9 Auenheim, hUUb Schiltigheim, ptsa Bisch-
beim, hin9 Hönheim, ma/ndm Mannheim (aber stäts:
hainhy thaitn oder hdm, thäm heim, daheim) und von
hin, her: 9rüs heraus, 9wäk hinweg (aber stäts har^
hin). Ebenso im schwäbischen das h von heit: w6r9th
Wahrheit, kioön9th gewohnheit, krank9th krankheit
(aber stäts /rä^AaifA Frechheit, kgähhaitk keck heit und
andere mehr) und von her: umdr umher (erste silbe be-
tont; aber stäts Aar). Ebenso im schriftdeutscben noärndr
Werner, tDalt9r Walter, jtinArar Junker (während sonst
mit dem starken vokal sich immer das h erhalten hat).
Schon im mittelhochdeutschen wird herr bei tonlosem e
zu er (z. b. er Sifrit). Am auffallendsten ist folgendes
beispiel aus dem elsässischen: 9h9 (= ja; mit dem ton
auf der zweiten silbe; beide 9 werden genäselt); wird aber
das erste nasalirte 9 betont, so fallt das h weg: 99 (=
nein); ebenso qhq und qq (mit genäseltem a) im schwä-
bischen, wie schon Bapp (phys. d. spräche I. s. 166) be-
merkt hat.
Steht h gewöhnlich im auslaut oder vor einem schwa-
chen vokal, so kann es natürlich durch Zusammensetzung
oder ableitung nicht lautbar werden, z. b. äüäh schuh-
ahle, b9&üun beschuhung.
Das lautgesetz verbietet ebenso das eintreten der as-
piraten vor schwachem vokal, z. b. thail theil, urthail
urtheil, apthai abtei, khoufarthai kauffarthei, höf-
56 Kriat«r
ligkhait höflichkeit, ftMfAtim bistham u. t. w. aber stftts
urt9l urtel, dritdl drittel, firt9l yiertel, äpt9 ftbte,
faridn farthen u. s. w.*).
Alle vokale aufser o, welche (vielleicht mit aosoahme
des i) immer stärker als dasselbe sind, werden, wenn sie
in Fremdwörtern vor der tonsilbe auftreten, als stark be-
handelt, z. b. kAarmin, kAanone, kAolossal, kAoral
(choral), kAonkAnrs, kAonkAurriren, kAatAaster,
KAaukasus, kAaukAasisch, kAatftaleptisch, tAer-
min, tAapAete, TAitAane, ItAalien, itAaliänisch,
tAeoretiker, matAematiker, pAarade, pAarliren,
pAapAier, phapAa, pAatAent, pAokAal, pAarabase,
apAokAopAiren, epAisode, BpAikAur.
Ein tönender mitlauter (r, 1, m, n, j, w, u) verhindert
die aspirirung in der Schriftsprache nicht (wohl aber in
den oberdeutschen mundarten); dagegen hat, wie schon
erwähnt, ein stimmloser reibelaut sowohl vor als naeh
einem k, t, p diese kraft. Zuweilen erfordert die deut-
lichkeit die einschiebung eines A, z. b. in sinkAt, senkAt,
um die Verwechslung mit singt, sengt zu vermeiden;
auch wohl in kt, pt, wenn eine pause vorhergeht: PAtAo-
lemäer, EAtAesias; hingegen sagt man lieber die PtAo-
lemäer, dem KtAesias.
Erwägt man, auf welch unerhörte weise manche ge-
genden im anlaut die wirklich tönende media, die reine
tenuis und die aspirata durcheinanderwerfen, so dafs oft
ein und derselbe mund in äinem athemzug blüm9, pl&m9
und phlümdy phlats (platz), plats und blats spricht, so mufs
man staunen über die regelmäfsige durcbfflhrung eines
lautgesetzes , von welchem ja die wenigsten eine ahn'ong
haben, und wird sich hüten müssen wegen einzelner Schwan-
kungen dasselbe nicht anzuerkennen, um so mehr da es
physiologisch leicht zu begründen ist,, ein vortheil, dessen
sich nicht viele andere zu rühmen haben.
A hat in folge der eigenthümlichen art seiner bildung
*) Ebenso setzen die niederdeutschen mnndarten für hd. ts und pf vor
starkem vokal th und ph (während dem schrift deutschen p sogar im anlaute
p entspricht), vor schwachem aber t und p, Sie kennen also im anlaut tö-
nendes echtes 6, sowie aspirirtes und nicht aspirirtes p.
die neuhochdeutschen aepiraten und tennes. 57
eine sehr geringe vernehmbarkeit; nach O. Wolf (spräche
nnd ohr, Braunschweig 1871) hört man a auf 360 schritte,
0 auf 350, e auf 330, t auf 300, u auf 280, 6 auf 200,
9 auf 170, f auf 67, r auf 47, A auf 10. Um laut genug
zu sein erfordert es daher zu seiner bildung einen star-
kem luftstroro, eine gröfsere muskelanstrengung als die an-
dern laute, was man deutlich empfindet, besonders wenn
man ha schnell hintereinander wiederholt und dann mit
füy la, ma u. s. w. ebenso verfährt; daher duldeten es die
Griechen und Inder nicht in zwei aufeinander folgenden
silben (ekho, nicht hekho, aber hekso; pephileka
nicht phephileka) und verloren es die Neugriechen und
Romanen gänzlich. Es läfst sich höchstens 9, a, e^ ly m,
/*, i u. s. w. hingegen 21 Sekunden aushalten und bewirkt
auf die vor den mund gehaltene band einen kräftigeren
luftstofs als die übrigen mundlaute, versuche, bei welchen
natürlich jedem laut die stärke zu geben ist, die er in ge-
wöhnlicher rede hat. Ersetzt man die band durch einen
papierstreifen, so kann man auch dem äuge bemerklich
machen, dafs die stärksten ka, ta, pa minder wuchtig
sind als mäfsige kha, tha, pha. Da nun die selbstlauter
immer relativ stärker gesprochen werden sollen als die
mitlauter, so würde durch ein h vor einem entschieden
schwachen vokal ein unangenehmes mifsverhältnifs ent-
stehn.
Ebenso ist, um ein reibegeräusch zu erzeugen, ein
kräftigerer luftstrom erforderlich als um die Stimmbänder
zum tönen zu bringen, so dafs, wenn ein f, p, s, 6, g, x
vor einem schlaglaut auftritt, die gesteigerte muskelan-
strengung dadurch kompensirt wird, dafs kein h folgen
darf. Wenn bei den schlaglauten die pause zwischen
schliefsen und öfihen der organe merklich gedehnt wird,
so erfahren sie auch gewöhnlich eine Verstärkung, daher
vermeiden sie in diesem falle die aspiration (s. oben s. 47).
Auf einer ähnlichen kompensation beruht es, dafs im fran-
zösischen und englischen die nachsilben weit mehr ge-
schwächt sind als die Vorsilben, ferner dafs in den ober-
deutschen mundarten die fy s, i, ^, x °^^h langen voka-
58 Kräuter
leD gewöhnlich schwächer sind, eine beobachtung, welche
Schmeller bestätigt, wenn er auch darin irrt, dafs er die
französischen z, j zu hören glaubt, obgleich diese, ebenso
wie die romanischen g, d, b ausnahmslos tönend sind und
jenen mundarten gänzlich fehlen. Es kommt auch vor,
dafs zum ersatz fQr den ausfall eines lautes der folgende
verstärkt wird , z. b. im berndeutschen gibt tür9 mit dem
artikel t (die) zusammen türd mit geprefstem t; ähn-
liches erwähnt Schmeller.
Es sind noch die fälle zu betrachten, wo das organ
die aspirata entweder hervorbringen oder vermeiden will,
wo aber in folge besondrer umstände etwas anderes als
das beabsichtigte eintritt.
Erfordert der auf h folgende laut eine ähnliche zun-
genstellung wie diejenige, von welcher der schlaglaut aus-
gehn mufs, so findet der zur bildung des h bestimmte
luftstrom keinen genügend freien weg und es entsteht ein
reibelaut.
Vergleicht man das ckchin in ein stück China-
rinde (ch hier natürlich nicht wie k zu sprechen) mit
kien, so wird jeder unbefangene einsehn, dafs letzteres
immer kchien (kgin) lautet (ch wie in ich, sicher);
kien mit echter tenuis ist möglich, nicht wohl aber kAien
mit reinem A. In kind, kehren, keller, kühl, küste,
köhler, köstlich stellen sich ebenfalls ch ein, welche
um so weiter hinten in der mundhöhle liegen, je dunkler
der vokal ist. Verschiedene arten von ch treten auch auf
in kcAnoten, kcAmetos, schalkcA, werkcA (wenn
man nemlich das auslautende k vor einer pause aspiriren
will), t^ieger, t^jier, t^ief, p^iepen, p^ietät, p^ia-
ster u. s. w. Die mit kch bezeichnete lautgruppe ist also
neuhochdeutsch trotz gegentheiliger behauptungen ; diesel-
ben sind dahin zu berichtigen, dafs ein kch, dessen ch wie
in ach, sache klingt, sich blos in den schweizermond-
arten vorfindet. Dafs nicht nur die lautfolgen kh, tk, pA,
sondern sogar kch^ kg, tg und pg, obgleich deren bestadd-
theile häufig getrennt vorkommen, dennoch mit deo reinm
die neahochdentflchen Aspiraten und tenues. 59
^f ^ P S^^z gleich gestellt werden, beweist den gewalti*
gen einfiufs des herkommens. Dieses von den wenigsten
bemerkte, von den allermeisten, die auf dasselbe aufmerk-
sam gemacht werden und sich der mühe einer gewissen-
haften prüfong nicht unterziehen wollen, hartnäckig ge-
leugnete einschleichen der laute h, ch und g mag einen
begriff geben von der art, wie sich lautwandlüngen im
laufe der zeit vollziehn. Ob in kästen, kosen, künde
u. 8. w. ein h oder ein ch gesprochen werde, ist schwer
zu unterscheiden. Zwischen p und u, .ü scheint h eine
labiale farbung anzunehmen, so dafs phu, phü ähnlich klin-
gen wie pfu, pfQ mit undeutlichem f; manche Deutsche
sprechen das französische puis geradezu pfüi mit ent-
schiedenem lippenreibelaut ; statt th (z. b. in tag, taube
u. s. w.) habe ich bei einzelnen personen regelmäfsig ts
oder tp mit schwachem, unsicherm s oder p gehört. Der
streit der sanskritgram matiker, ob die aspiraten ein reines
h oder den gleichortigen wind enthalten, ist leicht er-
klärlich.
Ellis (English Phonetics, London 1854 §. 47) sagt, der
anlaut englischer Wörter wie hume, huge nähere sich
dem deutschen ch in ich oder China. Das lateinische
wort hie ms lautet bei uns oft ^jems und findet sich in
lateinischen handschriften oft giems geschrieben, was al-
lerdings auch anders erklärt werden kann als durch säch-
sische ausspräche des g. Im sanskrit wird statt k^ (kss
k in schicke, ^ = ^ in sicher) kh geschrieben; die
Inder haben ganz richtig bemerkt, dafs nach einem vor-
dergaumen-ft statt A sich g einstellt; wäre die jetzige aus-
spräche k =: f 8 und 9 = d ursprünglich, so wäre ganz
unbegreiflich wie fäs, wofür man ts erwarten müfste, zu
iih (=r tschh in deutschherr, deutschheit) werden
konnte. Durch das eintreten von kg und tg für kh und th
erklärt sich der bekannte Übergang von k und t vor t und
e in <d, ä, ts, s.
In kl, tl, pl schiebt sich ein ch- artiges reibegeräuseb
ein, das man mit A bezeichnen mag, z. b. kAlagen, atAlet,
pAlagen (thl, phl sind übrigens ebenso leicht zu sprechen
60 Kräuter
wie reine tl, pl). Zu bemerken ist, dafs vor / und A das
i nicht wie gewöhnlich mit dem vordem theil der zunge,
sondern mit deren seitenrändern gebildet wird. Reines kl
und tl lauten einander sehr ähnlich; Webster sagt, olear,
glory klinge wie tlear, dlory; Schmeller erwähnt
tlabm för glauben, tlanz für glänz, tlugh für klug;
Christ. Schneller (die romanischen volksmundarten in Süd-
tirol, Gera 1870) grödnerisch tlam^ aus clamare, tl^
aus clavis, tlines aus crines, tluppa aus ahd. kluppa,
dlaöa aus glacies, dli&sa aus ecclesia, ondla aus
ungula u. s. w. Ebenso wird in kr, tr, pr ein geflüster-
tes r eingeschoben, dessen zeichen q sei. Man spricht
stäts k()ragen, t()rinken, p^racht, was bei uvularem
r ähnlich wie kchragen, tchrinken, pchracht klingt.
Brücke (s. 58) bestätigt diese Verwendung von k und g
als ersatz für A. Durch den Übergang des A in >l und g
wird derjenige in den labialen und dentalen reibelaut ver-
hindert; darum verschiebt sich im hochdeutschen tr nicht
zu tsr und findet sich bei den Westgoten tr, pr för
fr, thr.
Sollen vor den buchstaben n, m die k, t, p ohne h
gesprochen werden, so tritt nicht das ein, was man ge-
wöhnlich mit k, t, p bezeichnet.
ft, ^, p werden dadurch gebildet, dass ein verschluls
gelöst oder hergestellt wird^) (z. b. in leckt, weckt,
walkt entsteht k nach der allgemein üblichen ausspräche
blos durch schliefsen, indem das öffnen mit der herstellung
des dentalen verschlusses zusammenfällt und somit völlig
unhörbar ist); die benennungen palatal (guttural ist un-
richtig; k wird nie in der kehle erzeugt, sondern immer
nur am gaumen), dental und labial bezeichnen im allge-
meinen die stelle des verschlusses. Dieser wird für p
durch die Unterlippe mit der oberlippe gebildet (bilabial);
der entsprechende reibelaut ist das geräusch, welches die
*) Es ist sehr zn bedauern, dafs Brücke, der meister der lautphjsio-
logie, in der behandlang der schlaglaute den grundsätzen untreu geworden
ist, welche er so glänzend zu ehren gebracht hat; auf eine eingehende Wi-
derlegung seiner ansiebt mufs ich hier verzichten.
die neuhochdeutschen aspiraten und tennes. ,61
lippen beim blasen erzeugen. Ein p kann auch mit der
Unterlippe und den oberzähnen gesprochen werden (labio-
dental), ist aber im deutschen nicht üblich; die demselben
entsprechenden reibelaute sind das deutsch -französisch -
englische f und das französisch-englische v (z. b. in neuve,
rive).
Für t sind vier hauptorte möglich: 1) Zungenspitze
und unteres ende der oberzähne (interdental); 2) Zungen-
spitze und wurzeln der oberzähne (alveolar); 3) untere
fläche der Zungenspitze und harter gaumen (kakuminal);
4) beide seitenränder der zunge (oder auch nur einer) und
ob^re backenzähne (lateral; das t vor / und A). Die an-
nähernd entsprechenden stimmlosen und tönenden reibe-*
laute sind : 1) hartes englisches th (== isländisch p = neu-
griech. &) und weiches engl, th (= isl. tf = neugriech. S);
2) deutsch-französisches hartes s (as deutsch sz = franz. 9)
und deutsches weiches f (=franz.-engl.-holländ. z); 3) deut-
sches seh (=ss franz. ch) und franz. j ; 4) der ch-artige laut
(A), den man zwischen k und / in klagen hören läfst;
der entsprechende tönende reibelaut ist leicht zu bilden,
kommt aber im deutschen nicht vor*). Das zweite t ist
das in Deutschland gebräuchliche; manche verwenden statt
dessen das erste; in Indien kommt das dritte neben dem
ersten vor und hat jedes sein eigenes zeichen.
Das gebiet des k beginnt dicht hinter den wurzeln der
oberzähne und reicht bis zum hintersten rande des gau-
mensegels. Man kann drei hauptorte annehmen: 1) Zun-
genrücken und vorderer theil des harten gaumens (ante-
palatal) ; 2) zungenrücken und grenze zwischen hartem und
weichem gaumen (mediopalatal); 3) hinterer theil des 2un-
genrückens und hinterer theil des weichen gaumens (post-
partal). Die entsprechenden stimmlosen reibelaute sind:
1) ch in riechen, ich, echt; auch das ch in fluche.
*) Dieser tönende laut wird dem 1 mouill^ der Romanen und Slawen
zugeschrieben. Dies ist aber für das französische » dessen ill wie deutsch j,
mundartlich wie Ij gesprochen wird, ganz unrichtig; in bezug auf die an-
dern sprachen kann ich nicht urtheilen, da die angaben unklar und wider-
sprechend sind.
62 Kräuter
flücbteu, töcbter gehört io diese gegeod; 2) ch in
fluch, flucht (?); 3) ch in lachen, spräche. Das
dritte k ist in den Schweizermundarten, im kurdischen, os-
setischen, georgischen, malaischen, grönländischen, sowie
in den semitischen sprachen üblich, in welch letzteren es
durch ein eigenes zeichen, das kof, von den andern k un-
terschieden wird. Das sanskrit und das altbaktrische un-
terschieden ursprünglich ebenfalls zwei k in der schrift;
das vordere ging jedoch schon früh in die dentale laut-
folge ts über. Im schriftdeutschen ist nur das erste und
zweite k mit vielen Zwischenstufen üblich; der scblaglaut
liegt um so weiter nach vorn, je heller der vokal ist ne-
ben dem er steht,-' z. b. in ika wird nach dem i der ante*
palatale verschlufs hergestellt und vor dem a der medio-
palatale gelöst.
Vor n und m werden nun die k, t, p, wenn sie nicht
aspirirt sein sollen, an keinem dieser orte, sondern als
eigenthümlicher schlaglaut gesprochen, welcher dadurch
entsteht, dafs ein durch das gaumensegel und die hintere
sehlundwand gebildeter verschlufs gelöst wird. Das zei-
chen für diese faukale tenuis sei q (welches natürlich mit
dem q der gewöhnlichen schrift, das immer kh lautet, nicht
das mindeste zu scha£Pen hat). Um dieselbe als ersatz
bald für &, bald für ^, bald fär p verwenden zu können,
hängt man ihr ein n (as ng in fangen, singen, junge;
es darf nicht ng oder nk lauten), n oder m an*), z. b.
banknote, schenkmädchen, zentner, rentmeister,
pumpen, pumpmeister lauten immer banqrmötd, äö»-
qnmätgHy tsänqnr, ränqnmaistr^ phumqmn, phumqmaistr,
Unterläfst man es den hülfslaut einzuschieben, so meint
man bantnote, schenpmädchen , renpmeister,
pumten zu hören; besonders aufiGlllig ist es, wenn, wie
*) Allerdings wird, wenn nicht eine pause oder n, n, m vorhergehn,
vor dem q der palatale, dentale oder labiale verschlufs hergestellt. So lange
jedoch q deutlich hörbar ist, bleibt der hUlfsnasal das hauptmittel um ihm
eine palatale, dentale oder labiale färbung zu geben, welche selbstverständ-
lich immer nur in der Vorstellung des hörers vorhanden ist, denn in Wirk-
lichkeit bleibt q stftts ein und derselbe eigenthttmliche laut, möge folgen
was da wolle.
die nenhochdeatscben aspiraten und tennes. 6d
häufig in den oberdeutschen mundarten, q im anlaut steht;
knecht, knöpf klingen dann wie tneeht, tnopf, was
schon Schmeller bemerkt (km, tm, pn, welche ohne ein-
geschobene n, it, m den eindruck von pm, pm, tn machen,
kommen anlautend in mundarten wobl nicht vor). Belieb-
ter noch als das ausstofsen des n von qnn ist das schwin-
den des »; knecht (Schriftdeutsch kchnägt) lautet ober-
deutsch gewöhnlich qnä^t\ gnädig, genug gewöhnlich
qnätik, qnu9k; dafs n nach k und g häufig n gesprochen
werde, erwähnt schon Rapp (phys. d. spr. I, s. 90). Im
Sanskrit geht n nach K und ^ in n über; man hat also
Kn wie qn {n am vordergaumen wie in singe) zu lesen.
qna statt qnna ist ganz natClrlich, während t&r^ja für tina
eine rein unerklärliche lauteinschiebung enthielte.
Wenn die Stimmbänder nicht in demselben augenblick
zu tönen beginnen, wo sich das gaumensegel von der
schlundwand entfernt, stellt sich entweder ein blasen durch
die nase ein oder ein geflüstertes n, n, m. Selten wird
bei inlautendem tn, pm der faukale verschlufs geräuschlos
gelöst; wenn dies überhaupt zulässig sein soll, darf kein
nasal unmittelbar vorhergehn.
Den allgemeinen gebrauch des q bestätigen folgende
Zeugnisse. Arendt (beitr. II, s. 300) bemerkt, man erleich-
tere sich oft [doch nur wenn ein starker vokal folgt], aber
nicht nothwendig, die lautverbindung kn, tm dadurch, dafs
man khn, thm spreche [sonst also qnn^ qnm]. Der Ver-
fasser von „über bestrebungen '^ sagt (s. 59) sh bilden,
ahdögg'n (spielten, stocken) sei allgemein üblich. Thau-
sing (das natürliche lautsystem 1863) s. 113) will Brückes
verfehlte theorie der schlaglaute dadurch rechtfertigen, dafs
er behauptet, in lumpn, denkn, wendn würden die p,
k, d nicht durch herstellung oder lösung eines verschlus-
ses gebildet (er übersieht die bewegung des gaumensegels).
Benedix (I, s. 23; 30; 31) klagt wiederholt, dafs man in
pn, tn, dn einen unangenehmen nasenlaut zu bilden pflege.
Purkine (bei Brücke s. 108) betrachtet gn, kn, ghn, kchn,
dn, tn U.S.W, als eigene laute, welche durch scbliefsen
und öflfnen der gaumenklappe hervorgebracht werden.
/
64 Kitater
q ist daher als ein neuhochdeutscher laut anzuerketh^
nen, wenn auch die wenigsten leute wissen, dafs sie den-
selben vor n, m mit schwachem vokal ausnahmslos ver-
wenden und wenn auch die herkömmliche Orthographie
kein zeichen dafQr hat. In den Verbindungen gn, gm, dn,
dm, bn, bm, wo ja gar nie aspirirt wird, ist er ohnehin
unvermeidlich, denn die ausspräche gonade, Gomelin
und ähnliches ist durchaus nicht gestattet. Wenn man
denselben für unschön halten und deshalb trotz des all*
gemeinen gebrauches nicht dulden möchte, so mufs bemerkt
werden, dafs der begri£P des schönen ein äulserst anbe-
stimmter ist und dafs den Hellenen, welchen niemand
Schönheitssinn absprechen wird, der laut q sehr ge-
läufig war.
Im griechischen sind die Verbindungen kn, km, tm,
pn üblich; sollen hier die k, t, p ihren gewöhnlichen werth
haben, so müssen sie bei verschlossenem kehlkopf gebildet
werden, was ich hier mit ' bezeichnen will. Hat nun die
Sprache eine abneigung gegen eine solche einschiebnng, so
stellt sich in den anlautenden kn, km, tm, pn nothwendig
q ein. Jene abneigung war im griechischen vorhanden;
darauf deutet schon der ausnahmslose wegfall des h in
kht, pht; ferner werden vor m die k und kh gewöhnlich
zu n (diesen laut bezeichnen die Griechen mit y)^ die p
und ph immer zu m, lautwandlungen, welche durchaus das
q voraussetzen: k*m wurde qnm^ dann gm^ zuletzt nm.
Endlich finden sich auch die Zusammenstellungen AAfi, kkm
(d. h. kchn und kchm^ s. oben), thn^ tkm; die Unterschei-
dung zwischen fc'fi und AAn, zwischen k*m und khm u.8.w.
ist zwar möglich, aber weder bequem noch deutlich, wäh-
rend niemand qnn mit khn verwechseln wird.
Sieht man davon ab, dafs die schlaglaute sowohl öff-
nend als schliefsend sein können und dafs auf dem den-
talen und palatalen gebiete mehrere orte zu unterschei-
den sind, so bezeichnen also die buchstaben k, q, t, p im
schriftdeutschen folgende einander meist nur sehr wenig
ähnliche laute und lautfolgen
\
die neuhochdentschen aspiraten und tenues. 65
k k qn kh kch kg kl kg
q &Ä(oder*cA?)
i i qn q th tQ iX tQ
p p qm q ph pQ pX pg.
Im allgemeinen machen die lautfolgen auf das gehör
einen wuchtigeren eindruck als die schlaglaute fQr sich
allein genommen. Aber auch diese an und fQr sich zei-
gen die mannigfaltigsten unterschiede in der stärke je nach
den sie umgebenden lauten; äufserst schwach ist das k in
schickt, in dem kX von klagen, in dem ki} von kiel;
das t im tl von entlaufen, im ts von zahl; das p in
haupt, im pf von pfeil u. s. w. Ja in fc^, fä, ts^ tp, pf
wird man auch mit der gröfsten anstrengung nur den reibe-
laut, nicht aber den schlaglaut verstärken können, wenn
man diesen nicht bei verschlossenem kehlkopf spricht oder
nicht ein h einschiebt (von der norddeutschen verketzerung
«, f fQr ts^ pf ist hier natürlich nicht die rede).
Diejenigen, welchen es anstöfsig ist, dafs sie viele
hergebrachte anschauungen als falsch verwerfen sollen, bitte
ich zu bedenken, dafs ich früher diese irrthümlichen an-
sichten ebenfalls theilte und als selbstverständliche axiome
betrachtete, ferner dafs ich sie nur sehr ungern und erst
nach wiederholten versuchen, sie mit den thatsachen in
Übereinstimmung zu bringen, als völlig unhaltbar aufgab.
Wie Helmholtz bei besprechung der sogenannten Sinnes-
täuschungen (nicht unsre sinne täuschen uns, sondern un-
ser verstand, welcher die durch dieselben vermittelten ein-
drücke unrichtig auffafst und falsch deutet) treffend be-
merkt, sind unsre Wahrnehmungen in betreff der gegen-
stände der aufsenwelt keineswegs von der Vorstellung, die
wir uns von denselben bilden, unabhängig und sind wir
sogar trefflich darauf eingeübt, dasjenige, was uns in die-
ser vorgefafsten meinung stören würde, nicht zu bemer-
ken. Dafür nur ^in beispiel von vielen. Nur sehr wenige
leute kommen, ohne von andern darauf aufmerksam ge-
macht zu werden, zu der Wahrnehmung, dafs wir in bei-
den äugen einen blinden fleck haben und dafs, wenn wir
Zeitschr. f. vgl. sprachf. XXI. 1. 5
66 Kräuter, die neuhochdeatschen aspiraten und tenues.
nur eines derselben brauchen, wir innerhall) des gesichts-
feldes ein loch sehn; ja die meisten werden die erste mit-
theilung dieser thatsache mit ungläubigem lächeln aufneh-
men und sich des verdachtes nicht erwehren, man wolle
sie zum besten haben oder sie hätten es mit einer gelehr-
ten grille zu thun. Wenn sich nun hier die Wissenschaft
durch die meinung der menge nicht beirren läfst, so darf
sie es noch weniger in unserer frage, wo nicht das in sei-
nen angaben scheinbar so untrügliche äuge, sondern das
viel unsicherere ohr in betracht kommt; wo die thatsachen
nicht durch besonders anzuste lende versuche ermittelt zu
werden brauchen, sondern sich jedem unbefangenen von
selbst aufdrängen; wo der wahrzunehmende gegenständ
kein neuer, sondern ein uns unter anderm namen oder in
andern sprachen wohlbekannter ist, den wir dann nie mit
anderm verwechseln; endlich wo der irrthum nicht ein
gewissermafsen in unserm Organismus begründeter, sondern
ein mittelst falscher theorien künstlich angelernter ist. Es
ist der Sprachforschung unwürdig, wegen der etwa mög-
lichen mifsgriffe (gegen welche übrigens eine menge Ober-
einstimmender und von einander unabhängiger Zeugnisse
sowie ähnliche erscheinungen in andern sprachen einiger-
mafsen sichern) auf die feststellung des thatbestandes zu
verzichten und sich mit irrigen sätzen zu begnügen, welche
auch dadurch, dafs sie noch so altherkömmlich und noch
so allgemein verbreitet sein mögen, keineswegs das recht
der unantastbarkeit und un Veränderlichkeit erlangt haben.
Was würde man von irgend einem buche sagen, das in
form einer anmerkung und als seltsame aber höchst un-
wichtige rarität die bewegung der erde nur so nebenbei
erwähnte 9 im texte aber deren stillstand behauptete blos
aus dem gründe, weil diese auffassung uralt sei und
durch jede nicht tiefer eindringende beobachtung bestätigt
werde?
Saargemünd, februar 1872. J. F, Kräuter.
Gerland, das deutsche tsch. 67
Das deutsche tsch.
Dafs die sogenannten palatalen laute der arischen spra-
chen dem germanischen zweig unseres grofsen sprachstam-
mes fremd sind, ist eine bekannte thatsache. Man hat
nun zwar in formen wie rutschen rutschen neben rucken
rücken eine art von palatalbildung sehen wollen, allein
dafs diese annähme eine falsche ist, soll die folgende Zu-
sammenstellung beweisen. Diese bildung ist nämlich gar
keine seltene im neuhochdeutschen, wo sie hauptsächlich
mundartlich auftritt. So heifst es bei Hermann Schmid
in der hübschen erzählung „die brautschau^: „du bist wohl
angestellt und mufst das land durchstreifen und die leut^
ausfratscheln^? (Gartenlaube 1867, 34) und Grimm hat
aus Blumauer und J. Paul fratschlerweib , aus gleichfalls
bairischen quellen fratschlerin „eine handelsfrau, trödel-
frau, höckerin ^, welches wort sich auch in Frommanns
Zeitschrift nicht selten findet und nicht nur aus Baiern
sondern auch aus Presburg (VI, 180), und aus Kärnten
(V, 247,70; 11,343). Andere beispiele sind: nutschen
neben nuckelen, am finger saugen, wie man z. b. in Mag-
deburg sagt; watsclieln neben wackeln und das frank-
furtische witschen („da ich aller Versuchung widerstan-
den habe von hier weg zu witschen und euch zu überra-
schen^ schreibt Göthe an seine mutter, Rob. Keil, frau
Rath 145) neben wicken*), einer deminutivbildnng des ver-
bums, von welchem die gleichfalls deminutive form wackeln
abstammt; neben knacken und den zu diesem verbum ge-
hörigen lautbildungen knatschen, knutschen, knitschen,
eigentlich mit hellerem oder dumpferem laut drücken; bai-
risch flotschen (Frommann VI, 14) flattern, welches wort
bei Wolfram noch vlokzen heifst, Willeh. 398, 12:
*) Zu diesem verbum gehört wohl auch nhd. wicke, gegen dessen Ur-
sprung aus lat. vicia mehrere gründe zu sprechen scheinen. Die wicke wäre
dann die schwankende, haltlos hängende, windende. Zu wacken gehört mhd.
watze, wetzelin ohrfeige, nhd. watsche, fOr wak-ze, in aktiver bedeutung.
5*
68 Gerland
der Heiden pfellel blicke
gein sunnen künde viokzen.
der strit begunde tokzen.
Ferner klatschen, klitschen neben klacken, klicken; hutschen
in hockender Stellung fortrutschen (bairisch) die hfitsche,
ein kleiner schemel, den man wohl auch rutscher (hessisch)
nennt, und hocken, hucken; fitschein, fitschen (kärntnisch
und schweizerisch Fr. II, 341; VI, 402) steine flach Obers
wasser werfen, dafs sie aufspringen, und ficken; fötscheln,
hätscheln, fätschen fatschen, hin- und hereilen, fitschelföt-
scheln (bairisch) neben fackeln, facken (den ball werfen)
und fickfacken; quöttsche, quittsche in salzunger mundart
hin- und herlaufen, quetschvisite stofsvisite (Fromm. 11,
287, 107), quetschen (Tirol, ebd. VI, 433) hin- und her-
laufen, quetsch (der hin- und herlaufende) polizeidiener
und queck, quicken; quacken seltener ffir quaken und quat-
schen, undeutlich, breit, unschön reden, wie man in Nord-
hessen die einwohner von Fulda ihrer breiten spräche we-
gen ^Fulder quatsche^ schimpft; und ebenfalls hierher ge-
hörig quatschen, in zähem, spritzendem, klatschendem kotbe
gehen, was Weigand (d. wörterb. s. v.) mit unrecht zu lat.
quassare stellt. Quitschen, quitschen neben quiken quiken;
grätsche krähe, grätsch häher (Tirol, Fromm. IV, 53; 493)
neben gracksen, grackeln; mockele neben mutschele hen-
nebergische kindernamen der kuh (Fromm. IV, 309); tat-
schen, tätscheln und (Tirol, Fr. IV, 444) tekeln, teckelen
klopfen, schlagen; mantschen aus mangzen (VTeigand s. v.);
klecken oder flecken, es kleckt, fleckt und flutschen, es
flutscht d. h. es kleckt sehr, kommt rasch, gut vorwärts;
ratsche tönendes instrument mit klappernd -rasselndem ton
und rackeln, einen anrackeln, rackelhahn (Tetrao me-
dius) u. s. w.
Es wäre ermüdend, weitere beispiele zu häufen. Das
tsch aller dieser worte ist also entstanden aus dem k des
Stammes und dem verbal ableitenden -zen, welchem sich
das k assimiliert hat; quetschen z. b. steht also fQr qui-
kezen. Ebenso ist aus blikezen nhd. blitzen geworden^
das deatsche tseh. 69
nur dafs hier das z nicht in seh flbergieng, wie ebenso in
schmatzen für scbmakzen (Gr. gramm. II, 219), in fitzen
neben ficken und fitscben, in gatzen (Hans Sachs bei Wei-
gand s. V.) neben gaksen. So steht rutschen für rutzen
und dieses für rukezen. Die aspiration des z zu seh fin-
det sich übrigens in vielen wo.ten, wo das tsch aus t-z,
nicht aus k-z entstanden ist, z. b. Betsch für Peter (Fr.
VI, 456), Lutsch, Fritsch für Ludwig, Friedrich, platzen
platschen patschen plantschen pluntschen; quetschen drük-
ken mhd. quetzen; zwetsche (1449 quetzig, Weigand s.v.)
u. s. w. Daneben freilich steht zwitschern mhd. zwizzern
und salzburgisch zwiggetzn (Fromm. III, 339), so dafs es
schwierig ist, über den Ursprung des tsch in diesem worte
zu entscheiden.
Im inlaut findet sich das seh för z nie nach einer
gutturalis: man sagt juchzen, ächzen, gacksen, gracksen
(neben grätsch), glucksen, kruksen, krunksen, schluchzen,
mucksen, boxen, lechzen, krächzen u. s. w. Zu mucksen
mugire fAVxac&ai gehört mockele mutschele kuh, wie sich
auch neben mucksen mutzen (Weig. s. v.) findet. Wir
haben hier natürlich ein schallwort, dessen grundlaut in
„muh^, der nachahmung des rindergebrülls, weiter lebt.
Auch nach einer labialis hat sich, wiewohl selten, das z
in seh aufgeblasen: so in rapschen, grapschen, gripschen,
Worten, welche in der hessischen Volkssprache nicht sel-
ten sind.
Häufig stammt diese lautgruppe aus fremden, roma-
nischen oder slawischen palatallautcn, z. b. peitsche (poln.
bicz, Weig. s. v.), matschen, martschen (ital. marciare ebd.),
peitschen (lat. pelecina ebd.), petschaft u. s. w. Und so
finden wir sie sehr häufig im anlaut in südostdeutschen
mundarten, wo sie z. th. ebenfalls auf slawischen oder ro-
manischen Ursprung zurückgehen (Zingerle bei Fromm.
II, 8 f.; Schöpf ebd. IV, 451), wie tschabattn schlechte
schuhe it. ciabatta, tschaffit käuzchen it. civetta, tschagk
hut slaw. czako, tschigol cikade it. cicala, tschogkl troddel
it. ciocca, tschop jacke it. giubba (Schöpf ebd.). Andere
Worte aber zeigen tsch für deutsches seh, z, so tschallen
70 G^rl^nd
lallen bair schallen plaudern; tscbaltsch schale, tschilln
schälen; tschanderen mfifsig gehen, schlendern, slenderen,
wie 1 auch fehlt in tschamp schlampe; tschangken ziehen,
zerren, abgerissen läuten, flachs schlagen und tschangk,
tschangkerl (demin.) teufel, kobold zum selben wurzelwort
wie zange gehörig, ags. getingan drängen, tengan dass.
ahd. gizengi „enge berührend, andringend^ (Weigand s. v.
zange), so dafs tschangk der teufel als bedränger, be-
drücker — teuflische wesen aber drücken gern, wie der
alp — aufgefafst ist.
Weitere beispiele geben Schöpf und Zingerle a. a. o.,
unter anderem Schöpf zwei höchst merkwürdige worte:
tschürl, tschorl „entehrtes mädchen^, tschürkind uneheliches
kind, sowie tschüret kraus, tschürlkopf krauskopf. Hier
scheinen wir allerdings einen palatalen laut in dem anlaut
zu haben : denn dafs tschür-l gleich hure ist, leuchtet schon
dem ersten blick ein und ebenso scheint in tschüret ein
wort erhalten, welches zum selben stamm wie lat. curvus
ahd. kraus gehört. Eine genauere prüfung wird diese ver-
wandschaft bestätigen. Da wir in hure anlautendes b, in
tschürl seh im anlaut haben, so mufs das wort auf eine
Wurzel zurückgehen, welche urindogermanisch sk anlautete.
Dies mag skar (Fick vergl. wörterb. 204) sein, ausschüt-
ten, und hierzu pafst die von Weigand (s. v. hure) ange-
nommene gothische verbale grundform haran so wie das
nhd. har-n sehr gut. Von ganz gleichlautender urindoger-
manischer Wurzel skar (Fick 203, 1 skar), in vollerer form
skvar stammt denn auch wie lat. cur-vus griech. xvfj-rog
so jenes tirolische tschüret und mhd. nd. krü-s, nhd.
kraus. Denn dafs anlautendes urindogerman. sk, skv im
deutschen auch durch anlautendes k vertreten wird, das
habe ich durch eine reihe von beispielen im osterprogramm
(1871) des hallischen Stadtgymnasiums bewiesen. Nun
haben wir aber auch tschürl-kopf lockenkopf und so mag
denn auch nhd. krulle krolle locke zur gleichen wurzel
gehören, als eine Weiterbildung durch ein suffix mit I. So
ist denn weder in tschürl noch auch in tschür-et, dessen
ü eine folge jenes ursprünglichen, aber ausgefallenen v der
daa deutsche tieh. 71
Wurzel ist, von einer palatal-lautbildung Irgend die rede,
denn auch hier hat jener anlaut nur das alte sk in der
form von seh bewahrt und das t vor dem seh ist nur
mundartliche lautänderung.
Dafs übrigens jenes anlautende tscb ganz und gar auf
dem einflufs des rpmanischen oder slawischen beruhe, ist,
weil es in so vielen deutschen worten steht, denn doch
nicht glaublich. Wir sehen darin eine mundartliche Ver-
stärkung des lautes seh, wie ja das deutsche entschieden
die lautverbindung tsch auch im inlaut liebt; doch mag
auf dieselbe romanische und slawische nachbarschaft aller-
dings gewirkt haben.
Es fragt sich nun, ob jene lautgruppe irgend welche
geltung und bedeutung habe, oder ob sie rein zufällig ent-
standen, ob sie nur eine bequemlichkeit für die sprach-
werkzeuge sei. Jedenfalls beruht auf der bequemlichkeit
der ausspräche die so sehr häufige Verbindung von tsch,
während allerdings k-sch sehr viel unbequemer und wirk-
lich schwierig auszusprechen ist. Viel leichter fügt sich
p-sch zusammen. Allein auch jenes tsch hat seine bedeu-
tung und zwar eine onomatopoetische. Man höre nur:
klitschen, klatschen, patschen, platschen, ratsche, knat-
schen, knutschen, knitschen, matschen, manischen, pant-
schen, pluntschen, zwitschern, grätsch, grätsche, quatschen,
quitschen, tschirpen, tschirken neben zirpen, zirken bei
Stieler, welche worte Weigand (s. v. zirpen) vielleicht mit
unrecht auf engl, chirp und chirk zurückführt. Allein
stammen sie auch daher, so sind sie jedenfalls aus onoma-
topoetischem gleichgefühl herübergenommen. Und ferner
salzburgisch tschangken, tschettern, tschattern, tschelpern
bohl klirren, tschallen, tscherfln scharren und tschitschen
zischen sogar mit doppeltem tsch. Ebenfalls onomatopoe-
tisch ist es im sufßx einiger vogelnamen grilitsch, schmu-
nitz, schwuntsch, siblitsch-vink (helgoländisch der stiglitz),
das zitsch-erlein (Weigand s. v.) und da diese namen alle
slawischer abkunft sind (osterprogr. 19), so zeigt sich hier
zugleich wieder eine neue bestätigung des slawischen ein-
flusses auf die bildung der lautgruppe tsch. Minder deut-
72 Gerland, das deutsche tsch.
lieh aber doch wohl noch immer vorhanden zeigt sich diese
lautmalende geltung der lautgruppe in hätscheln, tätscheln,
fletschen, ja auch in rutscHen, hutschen, flutschen, wo we-
nigstens der breitgleitende laut tsch eine gewisse symbo*
lische bedeutung hat.
Es ist nun doch noch einiges zu bemerken. Die ver-
balbildungen, welche t-sch fQr k-z zeigen, haben fast alle
kurzen vokal; langer vokal zeigt sich nur in einigen wenigen
formen und hier entschieden als spätere, absichtliche,, wohl
lautmalende oder symbolisierende längung, wie in quitschen
neben quitschen, in gäutschen (von schlauchen voll flOssig-
keit gesagt), knutschen nd. neben hd. knutschen. Die be-
deutung der verbalformen auf -zen ist eine iterative und
zugleich und dadurch öfters deminutive. Deshalb sehen
wir diese bildungen auf -tschen sehr häufig aus intensivis
erwachsen. Genauer haben wir hierüber an einem anderen
orte gehandelt (intensiva und iterativa und ihr verhältnifs
zu einander 36; 32).
Unser ergebnis also ist^ dafs dies tsch, wo es wirk-
lich deutsches Ursprungs ist, sich inlautend und auslautend
aus tz entwickelt hat, dies tz selber aber häufig durch
assimilation aus kz entstanden, nirgends aber aus der gut-
turalis von freien stücken, ohne antretendes sufSx als
ächte palatalis erwachsen ist. Im anlaut ist tsch wesentlich
in Südostdeutschland (natürlich Tirol, Kärnten, Steiermark
mit eingeschlossen) zu hause und so weit es deutsch ist aus
anlautendem z, seh als Verstärkung dieses lautes gebildet.
An-, in- und auslautend ist es fast immer absichtlich laut-
malend oder wenigstens von lautsymbolischer geltung, da
denn schon hierdurch jeder gedanke an rein phonetische
palatalentwickelung schwindet. Beachtenswerth ist, dafs
alle diese formen verhältnismäfsig jung sind. In der Schrift-
sprache der mittelalterlichen blütezeit finden sie sich noch
nicht; das älteste vorkommen scheint bei Jeroschin 213
die rutsche (abhang) zu sein, welche stelle Weigand (s. v.
die rutsche) anführt. Mundartlich mögen die bildungen
weiter zurückgehen, indefs wohl kaum und nur vereinzelt
bis ins althochdeutsche, wofür Weigand ebd. ruhesche aus
Delbrttck, anzeigen. 78
Schmeller m, 73 angibt. Letzteres buch habe ich leider
nicht zur band. Auch das anlautende tsch scheint nicht
älter. Unterstützt diese spätere entstehung der lautgruppe
nun wieder die annähme, dafs fremder einfiufs sich theil-
weise in ihr zeigt; so beweist sie auch an einem neuen
beispiel, wie die spräche auch später, auch jetzt noch ono-
matopoetisch schöpferisch und thätig ist, worüber man das
intens, und iterat. 153 f. und osterprogr. 20 f. ausfQhrlicher
entwickelte vergleichen mag.
Halle a. S., den 26. Oktober 1871.
Georg Gerland.
Znr gescbicbte des indogermanischen vocalismus von Johannas Schmidt.
Erste abtheiliing. Weimar, Hermann Bohlau. 1871.
Bekanntlich hat Schleicher den vocalreihen eine ganz
besondere Sorgfalt zugewendet. So viel nun auch sein
ordnender sinn auf diesem gebiete zurechtgerückt und auf-
geklärt hat — alles in allem genommen wird man doch
zugeben müssen, dafs er die erscheinungeu mehr formulirt
als erklärt hat. Es ist ihm z. b. nicht gelungen, zu er-
mitteln, warum in gewissen fällen ein übertritt aus der
einen vocalreihe in die andere stattgefunden hat, warum
— um nur einen bekannten fall zu erwähnen — das go-
tische greipan graip gripum gripans als grundvocal ein i
zeigt, während doch sein indisches gegenbild grabh in die
a-reihe gehört. Dies problem des Übertrittes aus der einen
in die andere reibe versucht nun Johannes Schmidt in sei-
ner ganzen tiefe zu erfassen und zu lösen, und hat mit
der, wie mir scheint, in der hauptsache glänzend und über-
zeugend gefQhrten Untersuchung seinem verstorbenen lehrer
die d^qinrga auf das würdigste entrichtet.
Wie schon die worte „indogermanischer vocalismus^
besagen, soll sich die Untersuchung auf alle indogermani-
schen sprachen erstrecken. Dieser hohen anforderung ist
74 Delbrück
der Verfasser in einem maafse gerecht geworden, wie es
jedenfalls nur sehr wenige Sprachforscher ihm nachthon
könnten. Dafs er sich auf dem gebiete der lituslavischen
sprachen als specialist mit behaglichkeit bewegt, ist be-
kannt, aber auch in den übrigen sprachen, mit einziger
ausnähme des keltischen, hat er mehr oder minder ein-
gehende quellenstudien gemacht. Nirgends vermifst man
die autopsie der eigenen arbeit. Mit glücklichem gri£f
hat er einen dankbaren noch wenig bearbeiteten 8to£f
erwählt. So ist ihm denn eine arbeit entstanden, aus der,
wie ich dreist behaupte, alle Sprachforscher, alt und jung,
etwas lernen können.
Die einleitung (bis s. j 0) enthält, auiser der vorläufigen
formulierung des problems, einige bemerkungen methodi-
schen inbalts, die für mich nicht durchaus überzeugend
sind. Die erste betrifil die indogermanischen wurzeln.
Mancher, der in Ficks Wörterbuch herumblätterte, wird
sich, wenn er z. b. auf die fünf wurzeln von der anmuthi-
gen form kak stiefs, mit den bedeutungen: lachen, binden,
umgürten, hangen und bangen, leiden — mancher wird
sich schon die frage vorgelegt haben, wie sich denn unsere
lieben vorfahren mit solcher spräche verständigen konnten.
Auch S. hat sich offenbar mit dieser Schwierigkeit im
kämpf befunden. Er meint: Die Ursprache hatte bei ihrer
Spaltung schon eine lange entwickelung durchlaufen, und
es wäre ein ungeheurer irrthum anzunehmen, dafs die in-
dogermanischen wurzeln in der gestalt, wie wir sie jetzt
aufstellen können, die ä fleur de coin erhaltenen gepräge
der ersten Sprachbildung wären. Ihre für uns erreichbare
gestalt ist schon das product eines Jahrtausende langen
lebens — — wir müssen annehmen, dafs die gleichheit von
pa trinken und pa schützen erst eingetreten ist, als beide
in der Verbindung mit sufSxen ihre Selbständigkeit verloren
hatten u. s. w. (s. 7). Bei dieser ausf&hrung hat S., wie
mir scheint, einen ungemein wichtigen bestandtheil der
Wurzel nicht mit in rechnung gezogen — den ihr anhaf-
tenden ton. Wir müssen uns doch von der wurzelperiode
des indogermanischen eine Vorstellung zu machen suchen
•nseigen. 75
nach der analogie einsilbiger sprachen: welche rolle bei
der ausprägung der bedeutung nun der ton gerade in die-
sen sprachen spielt, ist bekannt. Ich setze eine stelle her
aus einem aufsatze von Bastian: Ueber die siamesischen
laut- und tonaccente, monatsber. Berl. acad. Juli 1867 s.367:
„In der ausspräche des siamesischen finden sich vier Va-
riationen des gleichmäfsig ebenen tones, der in unseren
sprachen vorwiegt, und diese ab weichungen dienen nicht
dazu dem inhalte der phrasen einen verschiedenen ausdruck
zu geben, sondern sie verändern die bedeutung des mono-
syllabischen buchstaben-complexes, auf welchen sie fallen.
So bedeutet ha: zu suchen, ha dagegen: fQnf^. Ebenso
wie die zwei ha im siamesischen schieden sich nun, meine
ich, die zwei pa im indogermanischen. Und zwar wird
pa trinken einen helleren, pa schützen einen dumpferen
ton gehabt haben. Natürlich ist mit der flexionssprache
ein vollkommen anderes accentprincip eingetreten. Die
spuren jenes alten lassen sich vielleicht nur noch in eini-
gen vocalförbungen erkennen.
Dies der eine punkt von methodischer Wichtigkeit. Der
zweite betrifft die frage, ob die wurzeln noch in der ein-
zelsprache Selbständigkeit haben oder nicht. Ich stimme
S. darin bei, dafs nach ausprägung der flexionssprache von
einem geschlecht zum andern nicht wurzeln und sufSxe,
sondern worter überliefert werden, aber ich glaube, dafs
er — um nur eins hervorzuheben, denn alle Seiten der
frage sollen hier nicht berührt werden — sich die Ursprache
zu arm denkt. Ein beispiel, das er selbst anführt, diene
zur veranschaulichung. „Wir finden nebeneinander skr. ri-
nakmi Xsinco linquo ahd. bi-llbu, lit. lökü. Hier meint man,
das indische und lateinische haben aus der wz. rik das
praesens mittels nasalierung, griechisch deutsch und litauisch
dagegen mittels Steigerung des wurzelvocals gebildet Aber
so sicher wie es überhaupt eine indogermanische Ursprache
gegeben hat, und so sicher in dieser die wz. rik vorhan-
den war, ebenso sicher hat diese wurzel auch vor der
Sprachtrennung schon ein praesens gebildet^. Es heilst
dann weiter, unsere aufgäbe sei, zu untersuchen, welche
76 Delbrück
praesensbildung vor der sprachtrennung vorhanden gewe-
sen ist. Dagegen läfst sieh nur einwenden, ob man nicht
statt ^jpraesensbildung^ vielmehr praesensbildung en sagen
müsse. Ich meine, es sind in der Ursprache mehrere bil-
dungen vorhanden gewesen; manche sind auch in die ein-
zelsprachen (übertragen worden, die eine aber hat diese,
die andere jene gerettet. Ich komme auf diese ansieht, die
besonders durch das älteste indische verbum gestützt wird,
noch zurück.
Wir folgen nun dem verf. in die Untersuchung selbst.
Das erste capitel handelt von dem verhältnüs der a- und
i-reihe im slavischen, und gelangt zu dem von Schleicher
wesentlich abweichenden resultat, dafs von einer mischung
beider reihen (mit einer ausnähme) nicht die rede sein
könne, aus dem gründe, weil sie nicht mehr deutlich zu
trennen sind. Die vocale T i e sind gemeingut beider rei-
hen geworden. Wer der darlegung des verf. folgt, wird
schwerlich umhin können, ihm gegen Schleicher recht zu
geben. Ich hebe hier nur einige punkte hervor. Hinsicht-
lich des i ergiebt sich: sämmtliche altbulgarische i sind
einmal lang gewesen und ein theil derselben ist aus vor-
historischen i - diphthongen hervorgegangen (z. b. 2ivü =
lit. g]^vas, zima s= lit. äemä, lice = got. leik u. a. m.).
Diese beobachtung, die übrigens, wie ich aus Böhtlingk
beitrage zur russischen grammatik Mel. russes tome II. '
(1851 — 55) p. 32 ersehe, Eatkov schon 1845 in seiner in
Moskau erschienenen schrift o6i> aaesieHmaxi» h «opmax'b
caaBflHO-pjccKaro asbiKa ausgesprochen hat, liegt so nahe,
dafs man die frage aufwerfen mufs, wie es denn gekom-
men sei, dafs sie Schleicher entgangen ist, der das i frü-
her als Vertreter von ursprünglich kurzem und langem i
nahm, im compendium dagegen als grundvocal der i-reihe,
d. h. als ursprünglich kurz auffafst. Augenscheinlich ha-
ben wir hier dieselbe erscheinung vor uns, wie Schleichers
annähme einer zweiten Steigerung im griechischen, goti-
schen etc., die ihn in unentwirrbare Schwierigkeiten ver-
wickelt: die freude an reinlichen vocalreihen trübte bis-
weilen auch seinen scharfen und nüchterneu blick. Die
anzeigen. 77
steigeruDgereiben übten auf Scbleicber offenbar denselben
Zauber aus, wie die ablautsreiben auf Jacob Grimm. Nur
dafs die motive bei den beiden grundverschiedenen män-
nern auch grundverschieden waren. Bei Jacob Grimm
lag, wie Soherer so geistreich ausgeführt hat, im hinter-
grunde eine rein elementare freude am vocalischen Wohl-
klang, bei Schleicher offenbar sein bang zum schematisie-
ren, derselbe, der ihn der Hegeischen philosophie in die
arme getrieben hat. — Interessant ist die behandlung des
altbulgarischen L Es entspricht 1) einem ursprünglichen ä
und zwar soll das ursprüngliche ä da zu e geworden sein,
wo auch die verwandten sprachen e eintreten liefsen. So
steht dati (lit. du'ti) neben SvSovai und dare, aber deti
(lit. d^'ti) neben tid^ivai. S. scheint also diese e aus einer
vorslavischen epoche herzuleiten. Aber gegen die annähme,
dafs in den von S. angeführten Wörtern das a schon in der
europäischen grundsprache zu e geworden wäre^ spricht
nach meiner meinung der thatbestand im deutschen. Denn
ahd. tuom und as. döm können doch schwerlich auf eine
grundform de zurückgeführt werden. Ebenso steht es mit
sejati serere sem^ lit. s^'ti se'mens lat. ^6men, s^vi und
v^jati flare lit. ve'jas wind a^tjfn^ die ebenfalls s. 14 her-
angezogen werden. Got. saian und vaian können, wie auch
Job. Schmidt (d. zeitschr. XIX, 278) ausführt, nur aus sä
und vä entstanden sein (vgl. ahd. säjan as. säjan mit dem
praet. seu neben säida ahd. wäjan). Zwar ist von Holtz-
mann altdeutsche grammatik s. 11 der versuch gemacht
worden, saian und vaian aus *se-an und *ve-an zu deuten,
aber dieser versuch dürfte schwerlich anklang finden. Holtz-
mann sagt: „Ein dritter sehr wichtiger fall des ai ist ai
vor vocalen statt des langen e. Die verba laia saia vaia
sind nicht laia säia väia, welche lajasaja vaja werden
müfsten. Diese verba redupliciren wie teka taitok, müfs-
ten also eigentlich lauten lea, lailö; sda, saisö; vea, vaivö.
Weil aber der Gothe langen vocal vor vocal meidet, so
wird statt des langen e das kurze e, ai gesetzt. Dies ai
ist also ai, kurz e, nicht der diphthong ai^. Dagegen ist
u. a. einzuwenden 1 ) dafs auch saijan geschrieben wird,
78 Delbrttck
z. b. Marcus IV, 14 sa saijands vaurd saijip. Wie sollte
sich aber aus e ein j entwickelt haben? 2) dafs, wie das
slavisehe und die deutschen dialekte beweisen, diese verba
im praesensstamme ja hatten, was bei Holtzmanns hypo-
these im gotischen gänzlich beseitigt wird. Somit wird es
wohl dabei bleiben, dafs in diesen verben k anzusetzen ist.
Und dies aber sollte sich aus einem e-vocal einer vor-^
germanischen epoche entwickelt haben? Bis nicht die
Wahrscheinlichkeit eines solchen Überganges nachgewiesen
ist, wird man die von Schmidt angeführten Übereinstim-
mungen in der vocalfärbung für zufällig halten müssen.
Das e entsteht 2) innerhalb des slavischen durch debnung
oder Steigerung aus e und I, mag dieses nun urspr. i-vocal
sein, oder aus a geschwächt. An dieser stelle( s. 16) hat sich
S. besonders gegen den schein zu wenden, als ob i auch
aus ü entstehen könnte. Durch Miklosich, der im Wörter*
buch durchgehends im inlaute der Wörter rü, lü schreibt,
auch wo die besten handschriften ri li haben, kann man
leicht zu dieser falschen ansieht verführt werden. So ist
nach M. kr^siti excitare auf eine wurzelform krüs zurück-
zuführen, aber der cod. Ostromir. und andere slaviscbe
sprachen, z. b. das russische voskresnnti, sprechen für
kris. & ist also Steigerung von if. Sehr sinnreich ist der
ans weg, der für mlesti mulgere gefunden wird, bei dem
eine grundform mluz deutlich vorliegt. S. nimmt an: die
slaviscbe grundform war *milz entsprechend äfAikysiv^ das
1 wurde nun zu £ gesteigert, was in mlesti vorliegt, oder
durch 1 zu u verdumpft, was in mlüzq vorhanden ist. Für
diesen einflufs des 1 liegen sichere beispiele vor (s. 21).
Es ergiebt sich also das wichtige resultat: i entspringt nur
aus e, 1 durch Steigerung. Ich sehe zu meiner freude,
dafs Schmidt's auffassung des slavischen vocalismus auch
Leskiens volle Zustimmung gefunden hat (liter. centralblatt
1871 no. 49). Diese erörterungen waren nöthig, um zu
constatieren , dafs von einem übertritt aus der a- in die
i-reihe im slavischen nicht eigentlich die rede sein könne.
Unzweifelhaft ist diese erscheinung in anderen sprachen.
anzeigen. 79
und zwar spielt der nasal dabei eine wichtige rolle. Es
wird daher im folgenden abschnitt von der vocaldehnong
und Steigerung durch nachfolgende nasale gehandelt
(29 flgd.). Man redet bekanntlich von einem übertritt des
nasals aus dem suffix in die wurzel, z. b. in scindo neben
(Txtdvf]fAi^ in jungo neben ^siyvv^i^ manthämi neben math-
nämi u. a. m. Dafs mänäsi in gleicher weise aus maoas-ni
entstanden sei, ist sehr wahrscheinlich (s. 31). Ich möchte
nur eine bemerkung zu diesem capitel machen. Man kann
doch nicht wissen, ob alle angeführten fälle auf gleiche
weise erklärt werden dürfen, z. b. manthämi neben math-
nämi könnte auch so aufgefafst werden, dafs man von der
form manth ausgdbt, ^manth-ndmi wäre in der ersten silbe
auf dieselbe weise und aus demselben gründe erleichtert
worden, wie z. b. gatä. Ein zweiter abschnitt (33 flgd.)
handelt von der dehnung von vocalen durch nachfolgende
nasale. Schon aus den arischen sprachen, obgleich in ih-
nen die nasale noch verhältnifsmäfsig wenig Verwandlung
verursacht haben, weifs S. eine ziemliche anzahl von be-
legen beizubringen, z. b. jätar aus *jantar (vgl. janitrices)
bädhat^ zu fend.ere (worüber später). Sehr ansprechend
ist sädhu aus ^sandhu (obgleich freilich im sanskrit keine
spur eines einstigen nasals vorliegt) = deutsch gesund
(s. 35). üeber die art, wie aus einem kurzen vocal -f-
nasal ein langer vocal werden kann, werden s. 46 flgd. sehr
lehrreiche betrachtungen angestellt, in denen indische, alt-
baktrische, isländische, englische laut Vorgänge wirksam
confrontirt werden. Der wesentlichste punkt ist der, dafs
der kurze vocal durch den folgenden nasal zum nasal vocal
wird («. b. altbactr. räna = skr. rana), der dann leicht
verlängert wird. So entsteht eine schwer sprechbare gruppe
und es ringen vocallänge, nasalirung und nasal mit einan-
der. Freunde der lautphysiologie seien auf diesen passus
besonders hingewiesen. Mit dem abschnitt „B deutsch^
nähern wir uns einem höhepunkte des buches. Unter 1
kommen dievocaldehnungen ohne reihenwechsel zur spräche.
Ein theil der beispiele ist gewifs sicher, z. b. Iwa arawlz
kllster (s. 48). Zweifel sind gestattet bei huhrus und ge-
80 Delbrück
nosseu (s. 43), wo S. und Holtzmann laoges u ansetzen.
Aber wer sagt uns, dafs wirklieh das u im gotischen
schon lang war und nicht erst nasal?ocal, was Heyne's
meinung ist (Ulfilas 5. aufl. s. 382). Für einige andere
falle ist die möglichkeit zuzugeben. Es sind beita bilxbu
veiha sibu anord. mig, wo überall der diphtbong oder sein
Vertreter aus i + n entstanden sein soll. Aber es kann
auch sein, dafs wir bei beita, woneben bh^dati (vedisch),
billbu, woneben Asi^rco, sihu, woneben sekata (Rv. X, 96, 1);
mig, woneben im sanskrit nur mehati, doppelformen anzu-
nehmen haben, von denen die eine erst im deutschen ge-
schwunden ist. Dagegen der folgende abschnitt „2. über-
tritt aus der a- reihe iu die i-reihe^ dürfte wohl auf fast
ausnahmslose billigung rechnen können. Dafs ein aus an
geschwächtes in im deutschen zu I werden konnte, das
beweist got. seiteins aus sinteins. Verhängnifsvoll wurde
dieser lautwandel bei verbis. Dafs got. theihan zu der
Wurzel tak gehört, war schon längst bekannt (Curtius
grundz.^ 207) und auch lit. tenkü dazu gestellt. Wie er-
klärt sich aber der i-vocal im gotischen, neben dem im
alts. noch das alte a in thingan thang erscheint. Darauf
giebt S. die antwort: „war nun im deutschen ursprüng-
liches a vor nasalgruppe im praesens zu i geschwächt und
trat dann dehnung an stelle der nasalierung, so war der
erfolg das auftauchen eines vocales l (ei), welcher bisher
nur bei i- wurzeln im praesens üblich war. Nun herrscht
ein fast pedantischer Ordnungssinn in der regelung der
deutschen vocalverhältnisse, eine ausbildung fest bestimm-
ter analogien, wie sie in gleichem mafse nirgendwo ^onst
auf indogermanischem gebiete zu beobachten ist. Das re-
sultat derselben sind die sogenannten ablautsreihen, in wel-
chen ein primäres verbum mit der vocalisation seines prae-
sens sofort die unabweichliche norm für alle übrigen for-
men erhält. War also in einer wurzel, welche bisher der
ablautsreihe inx : anx : unx (x = beliebiger consonant)
angehörte, aus dem praesentischen inx ein Ix geworden,
so forderte das analogisierende streben die weitere abwand«
lung: perf. aix pl. perf. und part. ix, d. h. die ursprünglieb
anzeigen. 81
auf die a- reibe angewiesene wurzel ward in die i-reihe
hinüber gedrängt" (s. 50). Der eben beschriebene Vorgang
wird nun angenommen bei den Wörtern leihts theihan
tbreiban slicban stncan bliean reibhan mbd. knge usgaisjan
glizan altn. drita mbd. spllze altn. svida slidan glldan skrl-
dan disskreitan kllban bivaibjan nipan greipan vraiqs braids
garaids. Nicht alle fälle sind gleich überzeugend. So
scheint mir krlge nicht hinreichend gesichert, bei vraiqs
ist die mögKchkeit nicht ausgeschlossen, dafs es auf eine
grundform *vragia zurückgeht, dagegen für die mehrzahl
steht das hochwichtige resultat eines durch vocalschwä-
chung und darauf folgende (durch den nasal veranlafste)
Verlängerung motivirten Übertrittes aus der a- in die i-
reihe fest. Dagegen dürfte laikan trotz Bugge hinzuzu-
fQgen sein. Denn es ist doch wohl von altir. lingid-sem
tar aes transilit aetatem (Z.* p. 437) nicht zu trennen.
Als kehrseite sind zu betrachten (3) die verba, die im
praesens ein ursprüngliches i hatten und aus ganz ähn-
lichen gründen in die a-reihe gedrängt wurden, wie siggqan
saggq, deren praesens irrthümlich für gleichgebildet ge-
halten wurde mit praes. wie bindan. Ich kann diese par-
tie des buches nicht verlassen ohne darauf aufmerksam zu
machen, wie wichtige dienste für erkenntnifs des deut-
schen das litauische und slavische geleistet hat. S. hat
diesen gesichtspunkt zuletzt in der recension von Leo
Meyers gotischer spräche nachdrücklich geltend gemacht,
und es gehört nicht viel prophetengabe dazu, um voraus-
zusagen, dafs nun endlich die zeit gekommen ist, wo die
wichtige von Grimm und Schleicher ausgesprochene wahr*
heit von der nahen Verwandtschaft des lituslavischen und
deutschen energisch im Interesse der deutschen grammatik
ausgebeutet werden wird. Die Germanisten werden gut
thun, von den slavischen Studien mehr als sie bis jetzt
meist gethan haben, notiz zu nehmen. In dem abschnitt
C werden dann dieselben Vorgänge für das litauische er-
wiesen. Auch auf dem gebiete des litauischen und alt-
slavischen (67 — 88) zeigen sich S.'s ansohauungen frucht-
bar und aufklärend nach mehreren Seiten hin. Ich ver-
Zeitschr. f. vgl. spracbf. XXI. 1. 6
82 Dtflbrttck
sage es mir, um diese anzeige nicht allzusehr auszudeh-
nen, darauf näher einzugehen, um so mehr, da ich mich
doch meist nur referirend verhalten möfste, und wende mich
sofort zu s. 88fgd. Da das lituslavische und deutsche öf-
ter an denselben werten dieselbe erscheinung zeigen, so
liegt die frage nahe, ob vielleicht in einem oder dem an-
deren Worte der Vorgang in die zeit der slavodeutschen
Spracheinheit, welche S. nordeuropäisch nennt, heraufge-
rückt werden könne. Dies nimmt S. för drei worte an,
1) got. leik, altb. lice; 2) got. beidan, altb. o-bida; 3) ahd.
heitar, lit. skaidrüs hell. För das erste wortpaar wird die
identität mit skr. linga-m schlagend erwiesen. Auch beidan
findet überraschende und, was mehr sagt, überzeugende
anknüpfung. Als grundbedeutung ist aufzustellen: ertra-
gen, über sich ergehen lassen, welche herüberführt zn
griech. nsvd' 7ia& in nda^co. Daran schliefst sich indisch,
bädh und lat. -fendere. Als urform wäre ^bhandh anzu-
setzen, als Urbedeutung: drängen, verdrängen (skr. lat.),
dann bedrängen, peinigen (skr. slav.), druck empfinden,
etwas ertragen (skr. griech. deutsch). Die formen sind
schon von Grafsmann zum theil vermittelt, die bedeutuii-
gen erst von S. Mir scheint S.'s darlegung so überzeu-
gend, dafs, wie ich glaube, Curtius' etymologie von näcx^f^
dagegen aufzugeben ist. Die identification von heitar und
skaidrüs endlich ist ebenfalls ansprechend. Da nun in den
erwähnten Wörtern nur das slavodeutsche Sprachgebiet den
i-YOcal zeigt, und nur diesen, so ist es allerdings möglich,
dafs diese sprachen ihn haben eintreten lassen, als sie noch
eine spräche bildeten. Aber nothwendig ist der schluis
natürlich nicht, denn es kann ja auch jede spräche f&r
sich denselben weg gewandelt sein. Von dem norden Ea-
ropa's wenden wir uns zum Süden, zuerst zu den Latei-
nern, dann den Griechen und darauf den Graecoitalero.
S. nimmt also eine graecoitalische epoche an, was ich hier
nur constatirt haben will, ohne mich dafür oder dawider
zu äufsern, aus dem gründe, weil ich nichts darüber su
sagen weifs. Im lateinischen wird zunächst, meist im ge-
gensatz und mit, wie mir scheint, glücklicher polemik ge-
anzeigen. $3
gen Corssen, die existeitz von nasal vocalen nachgewiesen.
Nur wenn wir solche annehmen, erklärt sich z. b. die be-
zeugte länge von benignus und ähnl. Augenscheinlich ist
im lateinischen nicht selten die sogenannte epenthese des
u eingetreten, von der oben gesprochen wurde, so dafs
also ^beningnus gesprochen worden sein mufs. Aus dem
in aber wurde langer nasalvocal der in der schrift nur als
einfacher langer vocal bezeichnet wurde. Schlagend wird
die richtigkeit dieser annähme durch die behandlung auf-
geklärt, die dem n von con und in vor gn zu theil wurde.
Man schrieb bekanntlich congerere congredi etc., aber co-
gnatus cognosco? Warum das? War das n in congerere
anders auszusprechen als das in ^congnoscoP Gewifs nicht.
Bezeugt doch Priscian, dafs n vor g zum gutturalen nasal
wurde. Der grund ist einfach folgender: Weil man das
was man signum schrieb «Is Signum aussprach, darum
schrieb man das cognosco was man cognosco aussprach.
Natürlich aber congero, weil cogero nur mit einfachem o
ausgesprochen worden wäre. Das verschwinden des nasals
übrigens vor h (cohibere) erinnert an huhrus neben huggr-
jan, juhiza neben juggs, l eihan neben thingan u. ähnl.
Diesen allgemeineren erörterungen über nasalirung im
lateinischen schliefst sich die aufzählung der Wörter an, bei
denen ein langer vocal aus vocal + nasal zu erklären ist.
Es sind väcillare (so ist nach ausweis der etymologie zu
schreiben), vielleicht mäcerare ferner scröfa, metior v€sica
pisere flgo hibernus obliquus fligere mica praeda (das aus
*praehlda und dies aus ^praehenda gedeutet wird) scipio
(vgl. axifiTKov)^ endlich das suffix -ico, das in sehr beach-
tenswerther weise mit deutschen und slavischen suffixen ver-
mittelt wird (vgl. 106 mit 82). Man wird wohl so ziem-
lich alle diese fälle als richtig zugeben müssen, zweifei
bleiben noch bei mica praeda, und für einige Sprachfor-
scher, z. b. Corssen, wird hibernus nicht überzeugend sein.
Wir constatiren noch, dafs von einem übertritt aus der a-
in die i-reihe beim lateinischen mit seinem starren voca-
lismus in dem sinne wie z. b. beim deutschen nicht ge-
sprochen werden darf. Aus dem griechischen sprach-
en
84 Delbrück
gebiet werden, nach einigen allgemeineren erörterungeii
über nasale (woraus s. 113 hervorzuheben ist, was S. zu
Curtius' erklärung der asigmatischen nominative wie Sai--
ficDP bemerkt) von 118 an die Wörter hervorgehoben, in
denen die länge aus vocal + nasal entstanden sein soll. Im
ganzen genommen dürfte das griechische von der neuen
anschauungsweise am wenigsten profitiren. Die anknü-
pfungen sind öfter nur spärlich wie bei urjäea (118), an-
deres ist zweifelhaft so ktj&o) neben Xcivd^avta und ^^o-
fiai neben avdcevco. „Beide formen verhalten sich zu ein-
ander wie lit. m^±h und lett. mifnu d. i. minfnu (78, 33),
WZ. svad erscheint noch nasaliert in skr. sundara lieblich,
gefällig abaktr. qandrakara freundlich (Fick* 328)'^. Es
soll also die länge aus der nasalirung entstanden sein.
Aber das alter der nasalirung ist selbst bei tjSofxai nicht
sicher erwiesen. Denn ob sundara und qandrakara zur
Wurzel svad gehören, ist zweifelhaft, es kann auch das
praefix su in diesen Wörtern stecken. Die länge aber ist
über das griechische hinaus bezeugt, z. b. in svädate Rv.
IX, 68, 2. Somit scheint mir die natürlichere auffassung,
dafs sowohl der kurze als der lange vocal in das griechi-
sche mit überliefert worden ist, und dafs in griechischer
zeit neben *}i(Sfadov das praesens ^qfavSdvM entstand, wie
fiav&dv(M) neben Hfia&ov liegt. Gelungen erscheint mir die
behandlung von ßgiß-M das aus *ßQiv&ü) gedeutet und mit
lit. brendau vermittelt wird. Die ausführung S.'s ist so
überzeugend, dafs ich meine erklärung von ßqi&o) Curtius
Studien 1 , 2 , 1 32 zurückziehe. Ein übertritt aus der a-
in die i-reibe, ganz in der art, wie wir es oben beim deut-
schen beobachtet haben, soll stattgefunden haben in dsidm^
woneben äoiSog^ äoiärj, Dafs vad die wurzel sei, wird
allgemein anerkannt. Daneben liegt im sanskrit vand mit
verwandter bedeutung. Der a- vocal ist im griechischen
erhalten in äi^doiv^ aus *jrevS ward andrerseits ^^i/^, und
schliefslich äeiSia wie aixoai neben vi^ati. So anspre-
chend diese entwickelung ist, so erregt doch die isolirtfaeit
des Vorganges bedenken. Nicht anders ist es mit dem
wort, bei dem S. den lautwandel in die graecoitalisohe
anzeigen. 85
epocbe verlegt, nämlicb neid-co s= feido. Der ausdruck,
dafs die urform ^bhandh, auf die diese worte nach allge*
meiner annähme zurückgehen, im graecoitalischeu zu bhidh
geschwächt sei, ist freilich nach S/s Untersuchungen nicht
mehr haltbar, aber S. zuzustimmen hindert mich der le-
bendige vocalwechsel in foidos ninoid-a Ini&ofjiriv u. s. w.
Sollte doch vielleicht die Schwächung in die indogermani-
sche zeit zurückreichen?
In den zuletzt angeführten werten war angenommen,
dafs die Steigerung aus der nasalirung hervorgegangen
sei. Seite ISOflgd. soll nun nachgewiesen werden, in wel-
chem umfange dieser Vorgang stattgefunden hat. Ist er
nämlich zuerst bei den wirkliehen i- und u- wurzeln er-
wiesen, so kann er auch bei den durch Schwächung ent-
standenen i-wurzeln wie aEidon u. s. w. nicht mehr befrem-
den. S. wendet sich zuerst an die reihe, bei der nach
seiner meinung der Vorgang am deutlichsten sichtbar ist,
an die u-wurzelo. Im Veda findet sich von jug neben na-
salirten formen wie junakti auch jögate. Dafs die bildung
mittels nasalirung die älteste sei, wird aus den verwand-
ten sprachen erschlossen. Von rudh hemmen wird neben
dem vedischen runaddhi episch rödhati gebildet. Neben
9ubh ^umbbatö findet sich nicht blofs wie S. sagt später,
sondern schon im Rv. ^öbhate (z. b. IV, 32, 23. V, 44, 5.
IX, 25,3. IX, 69, 3), von bhug bhunakli und ved. bhö^ate.
In diesen und einigen anderen fällen soll nun die gunirung
aus der nasalirung entstanden sein. Ich finde den beweis
nicht erbracht. Warum soll man nicht annehmen dürfen,
dafs in den genannten fällen zwei von einander unabhän-
gige praesensbildungen aus einer wurzel vorliegen, ein fall,
der doch gerade im vedischen Sanskrit so sehr häufig ist.
Der beweis würde nur dann geführt sein, wenn gezeigt
werden könnte, dafs die praesensbildung mit guna da, wo
sie nicht allein das feld behauptet, immer nur in der ge-
sellschaft der praesensbildung mittels nasalirung auftritt.
Das ist aber nicht der fall. Neben guä guäate steht göäati,
neben ru9 ru^ati steht röäati, neben duh duhanti : döhat^,
neben judb judbjati : jödbate, auch diese vedische formen.
b6 DeibffAck
So wenig mso dud eio recht hmt, eineD besonderen laut-
lichen zosammenhang zwischen jndhjmti und jödhmte anzu-
nehmen, ebenso wenig hat man Tom Standpunkt der for-
menlefare aus ein recht, dies zwischen jungati und jOgati
zu than, obgleich er Tom Standpunkt der lautlehre aus
nicht unmöglich ist. Was von den u- wurzeln gilt, gilt
auch von den i- wurzeln. Natürlich darf man die sache
auch nicht einseitig aus dem eben entwickelten Standpunkte
ansehen. Bei manchen deutschen verben (auch solchen,
wo kein fibertritt aus einer reihe in die andere stattge-
funden hat) ist S.^s annähme sehr wahrscheinlich, z. b. bei
stauta (134). Wie man aber f&r andere indogermanische
sprachen und besonders wie man für das Sanskrit diesen
hergang irgend wahrscheinlich machen will, sehe ich nicht.
Von s. \^7 an sucht S. nun zu erklären, wie ans der na-
salsilbe eine gunirte werden könne. Als zYnschenstufe
setzt er, wie Kuhn und Scherer, die länge an; es ist recht
wahrscheinlich, dafs dies der lauf der entwickelung gewe-
sen sei, nur sind doch die reste aus der längenperiode
sehr sparsam. Einiges von dem, was S. beibringt, dürfte
auch noch in abzng zu bringen sein, so besonders babhüva
und sasüva. In diesen formen soll der wurzelvocal nicht
gunirt, sondern verlängert worden sein. Aber was wenig-
stens babhüva betrifit, so scheint es mir keinem zweifei zu
unterliegen, dafs diese form von bbü und nicht von bhu
herzuleiten ist, dafs eine Verlängerung also nicht stattge-
funden hat, weil der voeal schon lang war. babhüva wird
S. doch nicht als eine form ansehen, die, so wie sie vor-
liegt, ans der ursprache stammt (denn dort ist doch sicher
nicht a der reduplicationsvocal gewesen), sondern als eine
speciell indische bildung. Keine einzige form aber von bhü
widerstrebt der ansetzung eines langen wurzelvocals im
Sanskrit, keine fordert die ansetzung eines kurzen. Dafs
wirklich im Sanskrit zwischen wurzeln auf lang l, ü und
solchen auf kurz i, u, ein realer unterschied ist, lehrt die
verschiedene behandlung in der composition. Man sagt
punarbhü (Rv.) aber apsu^it dlrgha^rut (ebenda). Die wur^
zeln mit langem vocal erhalten nie das t-suffix. Solche
anzeigen. S7
realitäten verbieten die ausdebnung der bekannten Schlei-
oherschen ansiebt auf die einzelsprachen. Uebrigens sind
die formen babbüva und sasüva bis jetzt noch nicht völlig
aufgeklärt. Nur so viel ist klar, dafs die vocalfärbung
in den beiden silben zusammenhängt, und dafs der leitende
trieb der war, den ursprüoglichen wurzelvocal erkeunbar
zu halten. Diesem triebe konnte eine form *bubhäva, oder
unser babbüva genüge leisten, aber nicht ein *babhäva.
Auch *bubhava wäre gegen die analogie der perfectbil-
dung gewesen. Welche silbe nun aber bestimmend auf
die andere gewirkt hat, dürfte schwer zu entscheiden sein.
Sehr auffallig ist auch die länge des u. Die gruppe üv
ist im Sanskrit im höchsten grade unbeliebt. Im gebiet
der nominalflexion dürfte sie sich schwerlich finden (vgl.
bhrü : bhrüvam), in dem der verbalflexion, von bhü und
sü abgesehen, ebensowenig (vgl. bru : abruvan, ein einmal
aus der Maitrajanjupaniäad überliefertes abrüvan halten BR.
nicht für unzweifelhaft echt). Im inneren von nominibus
tritt sie nur bei einigen ganz seltenen, gröfstentheils un-
belegten Wörtern auf. Belegt ist tüvaraka unmännlich, ca-
strat im Mbh. (die ed. Bomb, hat b), aber daneben steht
tüpara ungehörnt, schon VS. In einer Oxforder band-
Schrift findet sich der eigenname büva^arman, daneben
aber in einer berliner bübaparman. Neben dem epischen
küvara (ed. Bomb, kübara) deichsei findet sich das ältere
küban (^. B.). Aus lexikographen stammen: küvära, wo-
neben küpära, güväka woneben guväka, tüvara woneben
tuvara und tüpara, rüvuka woneben ruvuka. In keinem
dieser Wörter ist nachzuweisen, dafs üv älter ist, als die
dafür eintretenden gruppen uv, üb, üp. Nur bei einem
wort ist dies der fall. Im Rv. wird üvadhja „inhalt des
magens und der gedärme" geschrieben, im Av. übadhja
(vgl. über dies wort Roth in d. zeitschr. XIX, 221). Aus
contraction ist das ü in üvus entstanden (vä weben). Nicht
in betracht kommen composita wie bhü-valaja, bhü-valla-
bha, bhü'Väha, in denen ü und v ursprünglich verschiede-
nen silben angehören. Unter diesen umständen mufs es
auffallen, dafs gerade diese so unbeliebte gruppe, für die
88 I>«lbiflck
keine anmlogie in die schranken tritt, gew&hlt werden
konnte. Man glaube nicht etwa, dafs babhüva ans *ba*
bhuva zu erklären sei, wie 9n9räva aus ^u^rava, denn ee
findet sich auch (und zwar in Bt. recht häufig) abhtlYaa«
Das resultat ist hier wie so oft: non liquet.
Während die bis jetzt besprochenen ein Wirkungen von
nasalen den Yocal in seiner quantität verlängerten, han-
delt der folgende abschnitt (Tocalisirung des nasalklanges
147 figd.) von der qualitätsveränderung, welche das a durch
die einwirkung folgender nasale erleiden kann. Es er-
schlielsen sich im allgemeinen zwei wege, auf welchen an-
wurzeln in die u-reihe gedrängt werden: 1) an wird durch
on un, oder durch ä ö hindurch zu ü u (auf diesem
wege ist z. b. russisch suti aus dem vorauszusetzenden
*santi geworden, mittelstufe ist altb. s^ti), 2) a wird durch
ä hindurch zu ao, au (z. b. altbaktr. aväon 3. pl. conj. von
av, woneben avän und avän existirt). Von diesem physiolo-
gischen Standpunkt aus werden nun 150 figd. die Vorgänge
in den einzelnen sprachen beleuchtet. Unter A. Arische
sprachen lieferten besonders Kuhns bekannte aufsätze (über
u aus am) den Stoff. Der Übergang aus am, an in Suf-
fixen wird angenommen für die endung der 3. pl. us aus
*ant, und für tu aus tam (die letztere annähme unterliegt
doch noch bedenken). Abgewiesen wird Kuhn's annähme
z. b. für die behauptete gleicbung av = u. Ich darf wohl
hinzufügen, dafs ich Synt. forsch. 1,89 dieselbe ansieht
ausgesprochen habe. Dagegen findet Kuhn's erklärung von
dadbäu etc. aus 'dadbäm beifall. Ich glaube nicht, dafs
sie sich halten läfst. Warum sollte gerade bei den perf.
der wurzeln auf ä ein nachklang der alten personalendung
sich finden, während sie überall sonst im sanskrit spurlos
verschwunden ist? Kuhn (d. zeitschr. XVIII, 326) glaubt
zwar eine Wirkung des einstigen m noch in den längen
bibhajä Rv. VIII, 45, 35 und gagrabhä X, 18, 14 zu fin-
den, aber dagegen läfst sich doch einwenden, dafs dieselbe
länge auch bei der 3. person erscheint (äpä V, 45, 6. Ka-
kartä X, 67, 6. gagämä I, 145, 1; VII, 88, 5. tatänä X,
111, 4. ^abhärä X, 5, 5; X, 181 , 1. vavarhä II, 23, 13.
anzeigen. 89
vivjakä X, 111, 2. easädä V, 1, 5; VI, 1, 6 und öfter vedfi).
Soll man nun annehmen, dafs die länge dieses ä ein nach-
klang des alten -t ist? Dazu kommt, dafs die Bedingun-
gen, unter denen in der Sähitä-recension langer vocal
statt de^ gewöhnlichen kurzen auftritt, noch nicht hinrei-
chend untersucht sind, so dafs man, wie ich glaube, einen
sprachgeschichtlichen schlufs aus einer solchen länge nicht
ziehen darf. Vermuthlich ist das au im perf. ebenso zu
erklären, wie das im dual der a-stämrae, es ist eine dum-
pfere ausspräche des langen ä (lang ä im perf. ist noch
vorhanden in paprä Rv. I, 69, 2). Zustimmung finden fer-
ner Kuhn's annahmen, dafs ubhdu aus ^ambhäu, mud aus
maud herzuleiten seien. Das capitel schliefst mit den wer-
ten: „die wurzeln, welche in mehreren sprachen u-vocale
aus an, am entwickelt haben, verzeichne ich im folgenden
unter den rubriken: indogermanische Ursprache, europäi-
sche grundsprache und nordeuropäische grundsprache. Da-
bei mufs ich freilich die möglichkeit o£Pen lassen, dafs die
U-Yocale in den verschiedenen sprachen unabhängig von
einander entstanden seien. Das hier eingeschlagene ver-
fahren vereinfacht die darstellung, indem es die entwicke-
lung jeder wurzel an einem orte zusammen zu fassen er-
laubt, und wird schon dadurch allein, selbst wenn keine
anderen gründe dafür sprächen, genügend empfohlen^
(s. 1 54). Ich ergreife* die gelegenheit, mich über Schmidt's
datirungen, die ich bis jetzt nur obenhin berührt habe, in
der kürze auszusprechen. Ich glaube nicht, dafs das ver-
fahren, welches S. einschlägt, gerechtfertigt ist. Gerade
weil wir bei den fragen, die hier vorliegen, erst im an-
fange der Untersuchung stehen, ist die äufserste vorsieht
in den schlufsreihen geboten. Lieber etwas unbeholfenheit
der darstellung, als zu frühe schematisirung. Man wird
doch als methodischen grundsatz festhalten müssen: wenn
mehrere aus einer gesammtsprache hervorgegangene ein-
zelspracben denselben laütvorgang aufweisen, so hat man
erst dann ein recht, diesen in die gesammtsprache zu ver-
legen, wenn die annähme, dafs er in jeder einzelsprache
besonders eingetreten sei, unstatthaft ist. Welche bedin-
90 Delbrück
gungen nun vorhanden sein müssen, damit eine derartige
annähme statthaft erscheine oder nicht, darüber lassen sich
allgemeine regeln nicht aufstellen, sondern das mufs in
jedem einzelnen falle erwogen werden. Einige beispiele
lassen sich schon jetzt anführen. Die höchste Wahrschein-
lichkeit spricht für die datirung in die gesammtsprache,
sobald ein lautvorgang an derselben stelle in mehreren
einzelsprachen erscheint, obgleich dieser lautvorgang io
einer der einzelsprachen sonst nicht nachgewiesen ist. Eio
solcher fall liegt vor in dem keltischen mediopassiv mit r,
das dem lateinischen genau entspricht. Im lateinischen ist
der Übergang eines s in r häuüg, im celtischen nicht vor-
handen, folglich mufs das celtische passiv mit r (falls es
überhaupt auf das pronomen sva zurückgeht, was doch
höchst wahrscheinlich ist) aus einer vorceltischen periode
stammen (vgl. Schleicher beitr. I, 444). Wie aber diese
spräche, aus der das lateinische und celtische ihr medio-
passiv gerettet haben, in die Schmidtschen Schemata ein-
zufügen sei, darüber habe ich glücklicherweise keine re-
chenschaft zu geben. Sobald es sich um einen lautvor-
gang handelt, der in den einzelsprachen nicht unerhört ist,
so werden die massenverhältnisse wichtig. Wer möchte
z. b. zweifeln, dafs die Verwandlung von k in 9 in die
gemein-arische epoche zu setzen sei, wenn er Fick* 312
übersieht. Aehnlich ist es mit dem e, das Curtius fbr
praesentia wie (figo) schon aus der zeit der europäischen
Spracheinheit datirt. Mit gröfster vorsieht sind dagegen
alle argumenta ex silentio zu verwenden, wie S. sie z. b.
für leik lice (s. oben s. 82) geltend macht. Die lücken-
haftigkeit unserer Überlieferung darf nicht übersehen wer-
den. Wie viel ganz einzeln stehende formen hat z. b. das
gotische, durch welche dem germanischen worte vindicirt
werden, die ihm sonst abgesprochen worden wären. Man
würde das indogerm. wort amsa schulter als ausschliefs-
liches eigenthum der arischen und der griech.-latein. gruppe
zu betrachten haben, wenn Luc. XV, 5 uns bei Ulfilas
nicht überliefert wäre. Aehnlich steht es mit haihs und
manchen anderen Worten. Wenn man nach diesen grund-
anzeigen. 91
Sätzen die von S. vorgenommenen datirungen der von ihm
behandelten laiitvorgänge beurtheilt, so kommt mau zu
dem resultat, dafs sie sämmtlich kein anderes praedicat
beanspruchen können, als „möglich^.
Ich verzichte darauf, in dem vorliegenden passus
(s. 154flgd.) die anwendung von dieser allgemeinen kritik
zu macheu, und will — ohnebin zum ende eilend — nur
noch ein paar einzelnheiten hervorheben. Seite 156 — 157
wird nud (got. niutan) mit skr. nand vermittelt, und zu-
gleich die ansieht ausgesprochen, vinödajati in der bedeu-
tung „erheitern^ sei von nud stofsen zu trennen, dessen
grundbedeutung es geradezu entgegengesetzt sei, und
zu nand zu stellen (wie mud mit mand vermittelt wurde).
Indessen die vermittelung der bedeutungen ist im petersb.
Wörterbuch unter vinöda gefunden (vergl. schon Lassen
zu Hit. Prooem. d. 48). Es heifst Vertreibung, verscheu-
chung (z. b. ^ramavinöda), dann Vertreibung der sorgen,
Unterhaltung, amusement (vgl. Zeitvertreib). So heifst auch
vinödajati vertreiben, dann : den gram oder die zeit vertrei-
ben und so: erheitern. Die bedeutungsentwickelung von
vinöda dürfte dabei auf vinödajati einflufs geObt haben.
Das Sanskrit ist reich an bedeutungsentwickelungen, die
vom Standpunkt der europäischen sprachen aus wunderlich
erscheinen. Wenn jemand, mit Schmidts buch im köpfe,
im Rämäjana liest: bh^däjasva tapasvinam, was zu über-
setzen ist: „verführe", so könnte er leicht auf den gedan-
ken kommen, ein schätzbares analogon zu ndö^oa gefunden
zu haben, und doch ist es caus. von bbid spalten, und
bhedajati heifst: „entzweien mit andern oder mit sich,
jemand irre machen, auf seine seite hinüberziehen" (pet.
wb.). Sehr hübsch ist, was auf s. 168 über die entste-
hung von au aus an im deutschen gesagt ist. Neuere
dialekte werden sehr glücklich zur aufhellung alter laut-
wechsel verwendet.
Blicken wir zum schlufs noch einmal zurück, so wer-
den wir zusammenfassend sagen können, dafs wir die mei-
sten von S.'s behauptungen, welche sich auf lautwechsel
in den einzelsprachen bezogen, stichhaltig gefunden haben,
92 Hejrne
seinen über die einzelspracbe zurückgehenden combinatio-
nen gegenüber aber uns meist zweifelnd verhalten mufs-
ten. Der hauptwerth des buches aber liegt in der auf-
hellung von thatsachen in den einzelsprachen.
Wir scheiden von dem verf. mit dem wünsche, dafs
der zweite theil bald erscheinen und ebenso viel glückliche
funde und anregungen enthalten möge wie der erste.
Jena, märz 1872. B. Delbrück.
A Comparative Grammar of the Anglo-Saxon Language; in which its
forma are illustrated by those of the Sanskrit, Greek, Latin, Gothic,
Old Saxon, Old Friesic, Old Norse and Old High-German. By
Francis A. Marcb, LL. D. New-York 1871.
Während in England das Studium der angelsächsi-
schen spräche auffallend wenig betrieben wird, blüht es
in Amerika. „Wir treiben hier angelsächsisch wie grie-
chisch und latein^ konnte vor einigen jähren ein dortiger
professor an Grein schreiben, und in den höheren lehran-
stalten der nordöstlichen theile der vereinigten Staaten wird
es wohl durchgängig gelehrt. Auch in einer durchaus
wissenschaftlichen und auf der höhe unserer heutigen gram-
matischen erkenntnis stehenden art, wiederum im gegen-
satz zu England, wo noch die im jähre 1865 erschienene
angelsächsische grammatik von Thorpe bewies, wie wenig
geneigtheit dort vorhanden war, den neueren deutschen
forschungen einflufs auf grammatische anschauungen zu
gestatten. Der herr Verfasser des vorliegenden buches
trägt über angelsächsich am Lafayette-coUegium zu Easton
in Pennsylvanien vor; seine arbeit ist hervorgewachsen
aus dem ursprünglichen plane, den Studenten nur einen
leitfaden für Vorlesungen zu geben. Der pädagogische
zweck ist also der nächste, und es hätte für diesen ge-
nügt, wenn herr March die grammatischen arbeiten ihm
vorgegangener forscher gewissenhaft zu einem neuen werke
benutzt und gefügt hätte; doch geht der herr verf. in
dankenswerther weise über das pädagogische ziel hinaus.
anzeigen. 93
•
indem er weitreichende und von grofser belesenheit in an-
gelsächsischen quellen gestützte eigene Forschungen in der
laut- und formenlehre, vornehmlich aber in der syntax
vorträgt. So fördert er über das blofse zusammenfassen
der bisher gewonnenen resultate auch an seinem theile die
tiefere kennthis der angelsächsischen und der allgemein
deutschen grammatik.
Zwei arten, grammatik eines einzeldialects zu lehren,
werden angewendet: die eine, sich streng auf den bezüg-
lichen dialect beschränkend, von vergleichungen mit an-
dern nächst verwandten nur spärlichen gebrauch machend,
von der vergleichung mit den urverwandten sprachen aber
gänzlich absehend; die andere, von vorn herein einen wei-
ten blick gebend, und gerade rücksicht auf und Zusam-
menhang mit erscheinungen der urverwandten sprachen
bei der vorzutragenden materie stets betonend. Beide ar-
ten haben ihre eigenthümlichen Vorzüge und sind je nach
dem zwecke, dem sie dienen, berechtigt. Herr March hat
für sein buch die zweite gewählt: „this book is an An-
glo-Saxon Grammar, and uses forms of other tongues and
general laws of language only so far as they illustrate
the Anglo-Saxon**; freilich möchte referent die frage, ob
hier die comparative methode anzuwenden sei, wo es sich
dem ersten zwecke der arbeit nach um eine elementar-
grammatik für Studenten handelt, die ohne die wünschens-
werthen Vorkenntnisse von der weiten perspective eher ge-
hemmt als gehoben werden, fast mit nein beantworten.
Wenigstens soll von ihr ein mäfsiger und vorsichtiger ge-
brauch gemacht werden, und wenn herr March nach mei-
nem gefühle sehr oft in der beschränkung das richtige
triffi;, so geht er doch manchmal, namentlich in der ent-
wickelung der Urformen und in der sichern und darum
auch für schüler leicht einen zu sichern eindruck machen-
den art ihrer aufstellung zu weit. Ich würde, um nur
ein beispiel anzuführen, die etymologie über die grund-
zahlen von eins bis zehn (s. 75) nicht in dieser weise ge-
geben haben.
Die Marchsche* grammatik beschränkt sich nicht auf
94 Heyne
die laut- und forpienlehre. Nach einer historischen ein-
leitung, die über herkunft, Verbreitung, Verwandtschaft des
angelsächsischen kurze notizen gibt, folgt, in erwünschter
kürze, die lautlehre, Phonology, s. 4 — 32, darauf Etymo-
logy, formen- und wortbildungslehre begreifend, s. 33 — 136.
In der ausführung beider theile, wie sehr man sie im gan-
zen billigen mufs, möchte ich doch in bezug auf einzel-
nes einige ausstellungen erheben und sie der berücksich-
tigung bei einer späteren aufläge empfehlen. Eine ge-
wisse öfter hervortretende äufserlichkeit in der behandlung
erinnert gar zu sehr an die grammatiken älterer zeiten,
statt Sprachgesetze zu entwickeln, werden regeln aufge-
stellt. So s. 6 der hauptaccent liege auf der ersten silbe
eines wortes, the primary accent in pronunciation is od
the first syllable of every word, mit einigen ausnahmen.
Warum nicht lieber statt dessen das gesetz erörtert, die
höchste betonung des wortes erfährt die Stammsilbe? So
erinnert ferner die geschlechtsregel auf s. 37: Masculine
are names of males; of the moon; of many weeds, flowers,
winds, an den alten vers:
die männer, berge, flüsse, wind
und monat masculina sind.
Anstatt die thatsache der Casusverarmung für das angel-
sächsische hinzustellen, wird neben dem vocativ, selbst för
feminina, ein Instrumentalis aufgeführt. Dafs ein instru-
mentalis auf -y (-i) am masc. und neutr. sich in wenigen
spuren findet, ist von herrn March nicht erwähnt; dafs
der angenodTmene instrumentalis auf -e thatsächlich auch
am adjectiv nicht existiert, darüber erlaube ich mir auf
meine laut- und flexionslehre 2. aufl. s. 285 zu verweisen.
Wenn s. 78 three persons, first, second, and third für das
verbum erwähnt sind, so wäre für den plural der be-
schränkende Zusatz beizufügen gewesen, dafs hier die bei-
den ersten durch die 3. pers. mit vertreten werden; das,
was auf s. 83 rein beiläufig darüber bemerkt wird, genügt
nicht. Die abschnitte s. 52 irregulär nouns und s. 112
irregulär verbs möchten nach der oben angedeuteten all-
gemeinen ausstellnng einer Überarbeitung bedürfen. Nicht
anzeigen. 95
mehr in das gebiet der äufserlicbkeiten gehört die aus-
führuDg über die lautverschiebung s. 28 ff. , die nicht auf
df^r höhe der forschung steht, und das, was s. 56 über
die adjectivdeclination bemerkt und nachher weiter ausge-
führt ist: in other Indo-Europeau languages the adjective
is declined like the Substantive; in the Teutonic it follows
the pronominal declension. Es ist dies für das angelsäch-
sische bekanntlich nur in sehr beschränktem mafse rich-
tig, da reichlich die hälfte der adjectivformen denen der
Substantive gleich sind.
lieber die anordnung der ablautsgruppen beim star-
ken verbum läfst sich streiten. Der des herrn March ist
Übersichtlichkeit bei einer weit durchgeführten gliederung
nicht abzusprechen. Besonders erfreulich ist eine, so viel
zu ersehen, sehr vollständige liste der starken (ablauten-
den und reduplicierenden) verben, innerhalb welcher doch
wohl die angeführte form scane shine mit bezug auf die
praet.-form scionon ßeov. 303 ihres fragezeichens zu ent-
kleiden sein möchte.
Der abschnitt über derivation s. 118 — 136 ist kurz
und wenn er am wenigsten befriedigt, so hat auch wohl
der herf verf. nicht eine annähernd erschöpfende darstel-
lung, sondern blos eine die hauptpunkte berührende skizze
beabsichtigt.
Der ausführlichste und beste theil des buches ist die
Syntax, von s. 137 — 221. Die syntactischen erscheinungen
sind in einer knappen und übersichtlichen form gegeben
und mit zahlreichen beispielen illustriert, die zu einem gu-
ten theile nicht auf Grein und Koch zurückgehen, son-
dern auf eigener lectüre des herrn March beruhen. Na-
mentlich ist die angelsächsische prosa viel citiert. Dafs
in diesem abschnitte die comparative methode verlassen
ist, versteht sich und ist mit dem noch geringen anbau
dieses feldes zu erklären.
Zum Schlüsse folgt, s. 222 — 228, Prosody, die lehre
von der versbildung. Auch hier, wie bei der derivation,
nur andeutungen, nicht ausgeführte darstellung, begreif-
lich, da es eine altdeutsche metrik noch nicht gibt. Es
96 Schmidt, mitcelle.
hat mich aufrichtig gefreut, dafs herr March in bezug auf
den bau angelsächsischer verse mit mir derselben ansieht
ist und sich der gegentheiligen etwas rohen meinung ver-
schliefst, als ob solche verse nur aus beliebiger anzahl
metrisch unbetonter silben bestünden, gruppiert um zwei
hebungen auf den halbvers. Bei weiteren forschungen auf
dem gebiete altdeutscher metrik wird sich herausstellen,
dafs der altdeutsche vers nur gebildet wird von einer be-
stimmten anzahl aufeinander folgender schwer betonter Sil-
ben, denn derselbe ist nichts als wuchtige rede, und seine
vollkommenste form ist die, wo jede silbe schwer ins ehr
fällt: kurz, der vollkommene altdeutsche vers besteht nur
aus hebungen, Senkung ist in einem ganz bescheidenen
mafse erlaubt.
Basel. Moritz Heyne.
Lit. kirmyti.
Nesselmann lit. wtb. 201 hat als einen artikel: „kir-
miti Würmer bekommen, wurmig werden, v. fleisch;
auch faullenzen ^ und „^kirmiju wurmig werden; faul
sein, schlafen^, ebenso Schleicher gloss. z. Donal.: „kir-
myti wurmig werden, faul werden, träge, faul sein, schlum-
mern". Das wort kommt aber bei Donal eitis nur in der
bedeutung „schlafen" vor Metas II, 125. 420; IV, 267, und
„schlafen" als „wurmig werden" zu bezeichnen ist eine
jedes falles nicht sehr einleuchtende metapher. Daher
glaube ich, dafs man zwei mit einander völlig unverwandte
kirmyti aosetzen mufs 1) kirmyti wurmig werden von
dem im sing, ungebräuchlichen kirmis wurm as skr«
kfmi-8 u. s. w. 2) kirmj^ti schlafen = mhd. hirmen
ruhen, rasten, skr. ^ram und klam müde werden. Dem-
nach sind in kirm^^ti worte ganz verschiedenes Ursprun-
ges in derselben lautform zusammengetroffen, wozu analoga
von mir gegeben sind z. gesch. d. indog. vocalismus I, s.8«
Bonn. Johannes Schmidt.
Savelsbergi umbriscbe Stadien. 97
Umbrische Studien.
Das in der linguistik epochemachende werk von Auf-
recht und Kirchhoff über die umbrischen Sprachdenkmäler
war die erste sichere grundlage zur deutung derselben so
wie überhaupt zu umbrischen Sprachstudien uud wird es
noch lange bleiben. Niemand verkannte die grofse Schwie-
rigkeit dieses Unternehmens, und die hochverdienten for-
scher selbst hofften und verlangten hülfe gleichzeitiger und
künftiger genossen zum weiteren ausbau und zur ergän-
zung ihrer leistungen an manchen stellen zu erfahren. Es
sind auch wirklich sowohl in der Sprachlehre, namentlich
über schwierige probleme der conjugation, als in ent-
zifferung ganzer stellen und in einzelnen wortdeutungen
schätzenswerthe beitrage von Panzerbieter, Bugge,
Ebel, Zeyfs und dem in der auf hellung der italischen
sprachen unermüdlich thätigen Corssen in den letzten
zwanzig jähren gebracht worden. Weniger ist die laut-
lehre behandelt worden; sie ist aber, obgleich der erste
entwurf von Aufrecht und Eirchboff mit der gröfsten Sorg-
falt angelegt ist, lange nicht erschöpft. Ja verkennung
von lautregeln hatte unbegründete zweifei an der echtheit
der Überlieferung oder gar zu rasche verurtheilung und vor-
eilige emendation zur folge. Hiergegen nun die trag weite
vieler schon erkannter lautgesetze nachzuweisen und man-
che bisher unbeachtete lautregeln zur rechten geltung zu
bringen, um einen Schlüssel zu weiteren erklärungen zu
gewinnen, das ist der zweck gegenwärtiger umbrischer
Studien.
1. Lautwandel von n in m.
Ein sehr beachtenswerther lautwandel im umbrischen
ist die Verwandlung von n in m, welche wir auch im la-
teinischen in einigen fällen, wie in exim neben exin ') und
in der gut beglaubigten Schreibung des nomens pertnicies
') S. meine abhandlang: „Latein. Partikeln auf d und m^ im rhein.
mu8. XXVI 8. 872.
Zeitschr. f. vgl. sprachf. XXI. 2. 7
dÖ , Savelsberg
(für pernicies) bei Plautus Mostell. 3 ed. Ritschi wahrneh-
men. So kommt auf den iguvinischeD tafeln zweimal in
einer zeile taf. Ib 17 numem fQr numen (d. i. nomen) vor.
Auf derselben tafel Ib v. 25 lesen wir vatuvu ferime
fetu, während in dieser oft wiederkehrenden Vorschrift bei
mehrfachem Wechsel von formen^) doch sonst immer fe-
rine steht, welche regelmäfsige Schreibung uns die deu-
tung ,,tracta in farina facito^ ermöglichte *), und ein zwei-
tes mal begegnet uns ferime auf taf. III v. 16 in der
einmaligen Vorschrift: Inuk kazi ferime antentu d. h.
Deinde caseum in farina imponito ').
Viel öfter erscheint der lautwandel in den beiden ar-
ten von locativen. In den sogenannten richtungslocativen,
welche aber in Wahrheit aus accusativen mit angehängtem
en bestehen^), altumbrisch arvam-en taf. III 11 und vu-
kum-en esunum-en III 20 (d. h. in foculum divinum)
wie im oskischen censtom-en (d. h. in censum) tab. Baut.
V. 20, also richtiger richtungsaccusative heifsen sollten, fin-
den wir wieder auf taf. Ib öfter die angehängte präposition
en in em verwandelt, in Akeruniam-em v. 16, ahtim-em
V. 12, vapef-em v. 14, wo vapef acc. plur, mit ausge-
fallenem r statt vaperf (A. K. I, 86) vom stamm vaper
ist. Bei den ruhelocativen , welche wirklich einen locativ
enthalten, diesen aber mit dem angehängten en in eine
silbe verschmelzen, wie das ursprüngliche en noch in dem
einen locativ arven III 13 (aus arve-en) erhalten ist,
1) wie vatuva la 4. 13. 22. Ib 3. 6, wofür III 31 vatra verschrie-
ben ist, und neuumbr. vatuo Via 67. VIb 1. 19. 43. Vlla 4, wofür VIb 45
vatue verschrieben ist, femer fei tu la 4. III 31. gegenüber feta an allen
andern stellen.
3) Siehe bd. XX s. 441. 442.
^) Dafs der käse eine unterläge (solum) von mehl haben soll, sagt Cato
de r. r. c. 75: Casei p. II bene disterat in mortario. ubi bene distriverit, fa-
rinae siligineae libram, aut si voles tenerius esse, selibram similaginis solum
eodem indito permiscetoque cum caseo bene. — und c. 76, 2: Postea farinae
1. II conspergito condepsitoque. Inde facito solum tenue casei ovilli p. XIIII.
Die form kazi steht für kazim, contrahiert aus kazium, wie schon Aufrecht
und Kirchhoff II 369 erkannten. Zu antentu vgl. taf. III 21 — 22 vnke
pir ase antentu d. h. in foculo (incensum) ignem in ara imponito.
*) Schon Knötel vermuthete in diesen locativen accusative mit dem
affix -en, eine erklärung, welche Ebel in d. ztschr. IV 198 näher begrün-,
det hat.
ambrische Studien.
<!
wurde die Verwandlung von en in em förmlich zur regel,
z. b. ocrem Via 46 aus ocre (loc. vom st. ocri) und em.
Mehr Beispiele werden wir unten anführen, wo wir die
Verschmelzung von vocalen (krasis) besprechen werden.
Aehnlich ist die auf taf. VII a 44 zweimal vorkom-
mende conjunction enem »und", welche Ib 35 zu ene ver-
stümmelt und Via 10. 11. eine geschrieben ist^), aus der
in inen-e-k III 20 enthaltenen partikel inen hervorge-
gangen. S. meine abhandlung „lat. partikeln auf d und m"
im rhein. mus. XXVI 379.
Es kann nunmehr von irrthümern des graveurs (Aufr.
u. Kirchh. I 93) bei dieser häufigen vertauschung von n
gegen m nicht mehr die rede sein, vielmehr ist dieselbe,
da sie sogar einen Übergang zu andern lautveränderungen
bildet, ein nothwendiges mittelglied zur gewinnung wichti-
ger grammatischer erklärungen.
2. Abfall von n und m.
Sehr häufig ist der wegfall der nasale n und m.
A. N fallt nur im inlaut aus: in ustetu la 17 ge-
genüber ustentu la 3, — ampetu IIb 10 gegenüber
ampentu IIa 20, — atentu IIb 28 gegenüber antentu
IIa 20, — astintu III 18. 19. gegenüber anstintu lU 20,
— azeriatu Ib 8 gegenüber anzeriatu Ib 10, — dirsas
Vb 8 gegenüber dirsans Vb 11. 16, — etaias VIb 65
gegenüber etaians VIb 64, — krikatru IIb 27. 29. ge-
genüber krenkatrum Ib 11 und cringatro VIb 49, —
iveka Ib 40. 42 gegenüber ivenga VII a 51.
Aufrecht und Kirchhoff stellen umbr. sprachd. I 97
aufser diesem ausfall des n im inlaut noch einen abfall
von n im auslaut auf in nome und pusti. Jedoch werden
wir nome sogleich im nächsten abschnitt nicht aus nomen,
sondern aus nomem abgestumpft finden; die präposition
pusti aber ist nicht aus pustin apokopiert, noch auf ir>
1) £i ist hier und in einigen andern fHUen (rhein. mus. XXVI 879
anm. 1) kein diphthong, sondern ein eintöniger zwischen e und i liegender
mittellaut.
100 SaveUberg
gend eine weise verstümmelt, sondern pusti-n IIa 25 ist
aus ihr durch ein neu zugesetztes suffix -ne erweitert,
gleichwie post-ne VIb 11 aus der apokopierten form post
Via 58, und demgemäfs war ihre ursprüngliche gestalt
^pusti-ne, die späterhin zu pusti-n abgestumpft wurde.
S. rhein. mus. XXVI 392.
B. M fällt aus 1) im inlaut in kupifiatu Ib 35
gegenüber kumpifiatu Ib 14 und combißatu Via 17 —
apentu III 27 gegenüber ampentu IIa 20.
2) im auslaut, und zwar a) am häufigsten im accusa-
tiv der einzahl aller declinationen: parfa desva VIb 51 ge-
genüber parfam tesvam Ib 13, — perca arsmatiam Ylh
49. 50 gegenüber percam arsmatia VIb 53, — poplo VIb 48
gegenüber puplum Ib 10, — ocre Fisi Via 31 gegenüber
ocrem Fisim Via 51, — nome Via 30 etc. gegenüber numem
Ib 17 ^), — tiu IIa 25 und Ho Via 24 gegenüber tiom Via
43 (acc. sg. des pron. tu), — desgleichen in den adverbien,
welche eigentlich accusative von neutris sind, wie prumu
III 3. 23 gegenüber prumum III 15, — pustru Ib 34
und postro VII a 43 aus *postrom (A. K. II, 288), — inu-k
in 4 gegenüber inum-k IV 23 und inum-e-k III 9, auch
enu Ib 36. 37. 38 und enu-k la 30 gegenüber enum-e-k
Ib 11. 13.
b) in der präposition em (aus en, s. oben s. 98), so-
wohl a) wenn sie selbständig dem locativ nachgestellt ist,
in rupinie.e Ib 27*) und tafle. e IIb 12*), als auch be-
sonders und weit öfter, ß) wenn sie dem accusativ oder
^) Der stamm ist, wie aus dem genetiv nomner VIb 54 und dativ nonrne
Via 24 hervorgeht , nomen und sollte als neutrum im nominativ und accu*
sativ unverändert so lauten, jedoch kommt nur altumbr. numem Ib 17 als
accusativ vor, nirgends ein nomenj und da auch sonst abfall von n im aus-
laut gar nicht nachgewiesen ist, so ist es klar, dafs die Schreibung numom
und nome sich gegenseitig stützen und dass nome nur aus *nomem abge-
stumpft sein kann.
') Wir bemerken hier ausdrücklich, dafs auf dem original Ib 27 deut-
lich rupinie.e steht, was die herausgeber, sowohl Lepsius als Aufrecht und
Kirchhoff, in der transscription nur mit rupinie wiedergeben.
') In dieser stelle tafle.epirfer.tu IIb 12 ist nichts verschrieben
(A. K. II 346), sondern nur die interpunction fehlerhaft, nach deren Verbes-
serung zu tafle.e.pir.fertu wir im übrigen der deutung von Aufrecht und
Kirchhoff folgen: ^auf einer platte soll man feuer bringen.**
umbriflche Studien. 101
locativ angehängt wird und mit diesen casus zu einem
Worte verschmilzt, und zwar a) zur bezeichnung der be-
wegung mit dem accusativ: Acesoniamre VIb 52 gegen-
über Akeruniam-em Ib 16, vapef-e Via 10. VIb 51
gegenüber vapef-em Ib 14, yeruf-e Ib 9 aus *veruf-em,
fesnaf-e (d. h. in templa) IIb 16 aus *fesnaf-em, ß") zur
bezeichnung der ruhe mit dem locativ: eikvasäs-e Va 4. 16,
dann mit Verwandlung von schluss-s in r fesner-e (in
templis) IIb 11, funtler-e Ib24 oder neuumbr. fondlir-e
Vlla 3^), tuver-e kapirus (in duabus capidibus) von
Aufr. u. Kirchh. 11 387 verbessert st. tuve.rekapirus
IIa 33.
Um die wechselnde Schreibung dieser wortformen bald
mit, bald ohne nasalbuchstaben zu erklären, darf man wohl
das verhältnifs so auffassen, dafs z. b. in anstintu III 20
und etaians VIb 64 die silbe ans eine solche nasale aus-
spräche gehabt habe, wie im franzosischen danser und wie
wahrscheinlich im griechischen die participia rvipag und
(frag (vom stamm rvipavt und Crai/r), ferner dafs die erste
silbe von antentu wie die von franz. tante, die zweite
silbe von ieenga wie die erste von franz. eaincuy em wie
franz. faim und die erste silbe von combifiatu wie die erste
von franz. combler gesprochen worden sei, wobei kein deut-
lich ausgedrücktes n oder m, sondern nur nasalierte vocale
a, e, o (oder u) ausgesprochen, deshalb also auch meist
nur &stini\x etaias atentu iveka kupifiatu geschrieben
wurde. Man kann nicht wohl umhin, eine solche vermit-
telnde Übergangsstufe mit blofs nasalierten vocalen anzu-
nehmen, weil die wirklichen nasale meist gerade in den
spätumbrischen tafeln wie Via 17 combifiatu^ Vlla 51 ivenga
wieder zum Vorschein kommen. Jedoch werden wir auch
wieder erscheinungen antreffen, die auf das gegentheil, auf
den gänzlichen ausfall der nasale, schliefsen lassen.
^) In diesen beispielen hat zuerst Ebel in d. ztschr. Y 423 eine wirk-
liche composition mit der präposition en oder em erkannt. Der vorausge-
hende casus auf -Sr oder -ir ist urspr. locativ, was weiter ausgeführt ist im
rhein. mus. XXVI 374 anm. 2.
102 Savelflberg
3. Lautwandel von n in 1.
Von n ist noch ein Übergang in 1 zu bemerken in den
verbalformen entelust und apelust, wie ihn Aufrecht und
Kirchhoff II 243 richtig angeben. Indem sie dort zu tafel
Ib 12 die Vorschrift: pir ahtimem ententu ^jignem in — m
imponito (wörtlich: intendito),^ mit dem unmittelbar folgen-
den Vordersatz: pune pir entelus ahtimem, verglichen,
haben sie in entelus die gleiche handlung wie im impe-
rativ ententu, nur ein anderes tempus, die Vollendung in
der Zukunft (fut. 2) erkannt: „cum ignem imposuerit in — m^,
so dafs entelus oder vollständiger entelust^ wie es später
vorkommt in VIb 50 pufe pir entelust „ubi ignem impo-
suerit", aus *entenust verwandelt ist.
Ebenso findet sich die zweite verbalform das eine mal
Va 17 vollständiger ape apelust, das andere mal IIb 27
in apokopierter gestalt ape apelus „postquam impende-
rif^, wo sie mit einem in demselben verse voraufgehenden
Vordersatz: pune anpene^ „cum impendet^ gleiche be-
deutuDg hat, nur im tempus als futurum exactum vom fu-
turum simplex anpenes*) sich unterscheidet, übrigens in
lautlicher hinsieht die Verwandlung von n in 1 (wie eitle-
lust) neben ausfall von n in der ersten silbe (wie oben
atentu aus antentu) erlitten hat, so dafs demnach ape-
lus (t) auf ^anpenust zurückzufahren ist.
Wir müssen aber von den zwei hier besprochenen ver-
ben die wurzelformen genauer bestimmen, als bisher gesche-
hen ist: nicht tend und pend oder tenn und penn, wie sie
Aufrecht und Kirchhoff I 99 in der formenlehre neben ein-
ander aufstellen, sondern ohne d, wie dieselben forscher
U 323 von ampentu anpenes apelust halb zugeben,
müssen die wurzeln einfach ten und pen heifsen, da sie
so für das umbrische einerseits durch tenitu Ylb 25 und
anpenes IIb 27, andererseits grade durch die aus *ente-
') Anch ist ein dem obigen ententu ähnlich gebildeter imperativ
ampentu vorhanden in IIa 20 ampentu katlu sakre „er bringe einen
jungen hund als opfer dar**, woraus wir die bedeutung « darbringen** entneh-
men, in welcher wir bei Amobius VIIi 10 impendere gebraucht finden.
nmbrische Studien. 103
nust und ^anpenust verwandelten verbalformen entelust und
apelust sich jetzt sicher constatieren jassen, und nun wer-
den wir mit der wurzelform ten das lat. teneo^ gr. wz.
TSV (im fut. TBV-ü aus tsv-icjo)) und goth. wz. than (im
infin. than-jan) viel passender als lat. tend-o vergleichen^).
Einen ganz andern weg als Aufrecht und Kirchho£F
hat Zeyfs in der zeitschr. XVII 413 — 418 eingeschlagen.
Obgleich dort die hohe Wahrscheinlichkeit nicht geläugnet
wird, dafs entelus auf das nahe vorausgehende ententu,
und apelus ebenso auf anpenes sich beziehe und je zwei
gleiche handlungen bezeichnet seien, so zieht Zeyfs doch
p. 414. 415 entelus ^u einem verb telo, das im lateini-
schen neben tulo tetuli bestanden haben soll, und will Ib 12
pune pir entelus ahtimem lieber übersetzen „cum ignem
intuleris in foculum", aber ein solches verb telo vermag
er ebenso wenig im umbrischen wie im lateinischen eini-
germafsen überzeugend nachzuweisen. Die andere form
apelus will Zeyfs p. 418 aus einer vorausgesetzten form
^arpelus und einem umbrischen verbum erklären, welches
dem lateinischen appellere entspreche und dessen impera-
tiv arpeltu IIb 19 er später anführt. Dabei wird still-
schweigend angenommen, dafs r dem folgenden p sich assi-
miliert habe, ob aber in folge dieser assimilation ein p
oder zwei p zu schreiben seien, bleibt wieder unerwähnt.
Jedoch von einer assimilation der präposition ar ist im
umbrischen kein auch nur halbweg sicheres beispiel be-
kannt, während a statt an und am häufig vorkommt; auch
die intransitive bedeutung von arpeltu, wie Zeyfs sie an-
gibt = accedito, pafst nicht zu der von apelus versuchten
auffassung = appuleris, wogegen Zeyfs selbst vom lat. im-
pendere ein gutes, bereits oben angedeutetes citat Huschke's
aus Arnobius VII 10 anführt: „idcirco diis hostias et cetera
impendimus munera^ welches eine erwünschte paral-
1) Es bedarf nan kaum der bemerkang, dafs en-ten-tu Ib 12 und
das erweichte en-den-du VIb 40 nicht aus *en-tend-tu nach art von lat.
in-tend-i-to zu erklären sind, ebenso wenig am-pen-tu IIa 20 aus *am-
pend-tu (A. E. I, 82), sondern dafs diese imperative ihren vollen stamm ten
und pen haben.
104 Savelsberg
lele ist, um den von anpenes — ampentu — apelust
oder urspr. ^ampenust oben ermittelten sinn ^(Opfer) dar-
bringen" lateinisch wiederzugeben.
Wir wollen nun für den umbrischen lautwandel von
n in 1, wiewohl er in zwei sich gegenseitig stützenden bei-
spielen hinlänglich gesichert ist, auch noch analogien aus
dem lateinischen bringen. Dem umbr. hon-dra Yla 15 (alt
hutra Ib 42 statt huntra) und hondomu Yla 9 entspricht
lat. ul'tra und ul-timo (Aufr. u. Kirchh. I 80), nur ist im
umbrischen die bedeutung „jenseits'^ in „unten, zu unterst"
übergegangen (A. K. II 69), wie auch die verwandten grie-
chischen Wörter h-sQoi^ üv-sq^&s „die untern, von unten"
bedeuten, und formell ist im anlaut ein unorganisches h in
hon-dra vorgeschlagen, wie im lat. humor für umor und in
dem schwächer verbürgten humerus statt umerus (Fleck-
eisen, fünfzig artikel s. 31. G. Curtius grundz.* 636). Dann
ist das von demselben pronominalstamm ana abgeleitete
adjectiv an-ja-s, wie es im sanskrit heifst, welchem sonst
noch im slawischen inü zur seite steht, im lateinischen in
al-iU'S, wie im gothischen in al-ja- verwandelt und im grie-
chischen ursprüngliches aX-jo-g überdiefs noch zu aX-Xo-g
assimiliert worden; auch ein zweites von ana abgeleitetes
pronominal-adjectiv skr. an-tara-s, welches im gothischen
noch an-thar und im litauischen an-trä-s heifst, ist im la-
teinischen in gleicher weise zu al-ter geworden (ßopp, vergl.
gramm. II 188). Ferner sehen wir in einer zweisprachigen
inschrift bei Ritschi, Prise. Lat. mon. epigr. LXXII D
(Orelli n. 5762) in der lateinischen fassung die namensform
LVMPHIEIS dem griechischen namen NlMfpJI^ ent-
sprechen (vgl. Ritschi Opusc. II 491. 772), beide namen
NYMPHIS LYMPHISQ. in einer inschrift bei Orelli
n. 1637 vereinigt und noch LVMPHEIS DIANAE RE-
DVCIS SACR. Orelli n. 1639. üeberhaupt sind die ita-
lischen sprachen für die Verwandlung von n in 1 wenig-
stens ebenso empfanglich gewesen wie das griechische, wo
schon bei Herodot Xirgov vorkommt neben virgov^ das aus
dem hebr. neter entlehnt ist, und I, 74 Aaßvvrixoq statt
Nabunita (Spiegel, altpers. keilinschr. p. 205); recht häufig
nmbrische Studien. 105
sogar ist dieser lautwandel im späteren italienischen einge-
treten, in Bologna aus Bononia, veleno aus venenum, Pa-
lermo aus Panormus,*wie auch in den übrigen romanischen
sprachen (s. Diez, gramm. der rom. spr. I, 235).
4. Verdoppelung von n.
Aufser den Verwandlungen von n in m und in 1 bat
das n zwischen vocalen seine regelrechte ausspräche be-
halten, ja sogar einigemal zur [Verstärkung die Verdoppe-
lung erfahren, zu welcher die liquiden laute ihrer natar
nach von selbst hinneigen. So findet sich für das regel-
mäfsige enom an fönf stellen ennom VIb 51. VII a 20. 24.
34. 39 und einmal enno VII a 38, wo das schlufs-m fehlt,
dann noch zweimal ponne VIb 43. VII b 2 statt pone VIb
48. 49 (= lat. quom)^ alles in den spätesten tafeln. Auf-
recht und Kirchhofi" bezeichnen die Verdoppelung bald als
verschrieben, wie II p. 205 ennom und II p. 233 auch ponne^
was für 8 fälle gewifs unwahrscheinlich ist, bald legen sie
dem doppelten n in ponne I p. 161 und II p. 293 solche
Wichtigkeit bei, dafs sie darin eine assimilation aus ^ponde
sehen wollen, so dafs altumbr. pune, vermittelst dieser er-
klärung auf *punde zurückgeführt, dem lat. unde oder
vielmehr cunde, wie es noch in ali-cunde erhalten ist, ent-
sprechen soll. Auf dieselbe weise wird pane (= lat. quam\
nur nicht mit nachgewiesener, sondern mit blofs vorausge-
setzter mittelform *panne, I p. 161 und II p. 293 aus ^pande
erklärt.
Dieser nur auf lateinische beispiele der assimilation nn
aus nd, auf dispennite distennite grunnire für dispandite
distendite grundire, sich stützende erklärungsversuch , der
noch von Corssen ausspr. I^ 115. II* 917 gebilligt wurde,
ist erst jüngst von Zeyfs in d. zeitschr. XIX 167 einer ge-
nauem prüfung unterzogen und. verworfen worden, indem
dieser forscher mit recht bemerkt, dafs pone — ponne —
oder alt pune niemals die bedeutung von unde^ sondern
überall die des temporalen quum hat. Ferner ist nicht nur
kein sicheres beispiel jener assimilation innerhalb des uiQt
106 Saveltbarg
brischen als grundlage zur erklärung von ponne gewonnen,
sondern auch ganz nach willkür bald in pane bei einem n
eine assimilation angenommen, bald in der fQnf- bis sechs-
mal vorkommenden partikel ennom eine verschreibung vor-
gezogen. Endlich — was vollends entscheidet — ist im
umbrischen bis jetzt nicht einmal jener vorgebliche bestand-
theil de nachgewiesen worden, der doch in pone spönne
aus *ponde und pane = Spanne aus *pande enthalten sein
soll. So können wir für diese erklärung keine möglichkeit
absehen und müssen einen andern weg einschlagen, der
auch sehr nahe liegt.
Wir gehen von der beobächtung aus, dafs im umbri-
schen ursprüngliches i am ende häutig in e übergeht: so
im ablativ der stamme auf i, wo sevakni IIa 39 mit se-
vakne IV 23, ocri-per Via 23 mit ocre-per Via 25 wech-
selt, und in der conjunction ute Ib 24. 27, welche im
oskischen ganz normal auti (= lat. aut) heifst. Wirklich
erscheint von der conjunction pune, die wir so in den
tafeln Ib IIa IIb Va elfmal finden, einmal die normale
form puni Ib 20, welche zum lat. quoni in quoni-am (aus
quoni erweitert wie eti-am aus *etiy der ursprünglichen form
von et, wo i geschwunden ist, s. Corssen ausspr. II* 595)
und zum gr. 7if]vi-xa bntjvi-xa TfjVi-'/a stimmt^). Wie wir
nun aus dieser vergleichung die italische grundform quoni
gewinnen, aus welcher umbr. puni und pune, osk. pon,
lat. mit Verwandlung von n in m quom hervorgegangen ist,
so dürfen wir aus umbr. pane nebst osk. pan und lat.
quam auf eine analoge italische grundform ^quani, umbr.
^pani, schliefsen.
Sehen wir jetzt noch zu, ob sonst im umbrischen eine
assimilation nn aus nd anzunehmen sei. So ist nämlich
auch panu-pei VII b 1 von Aufrecht und Kirchhoff I 70. 87
und II 304 mittels vorausgesetzter grundform *pandu (= lat.
quando) durch quandoque erklärt worden. Aber wiewohl
diese bedcutung dem Zusammenhang der stelle (Vllb 1) an-
gemessen ist, so müfste man doch auch hier zuerst einmal
*) Rhein, mos. XXVI 12S mit der note.
umbrische Studien. 107
den bestandtheil do (von quando) im umbrischen nachwei-
sen, ehe man eine solche erklärung, panu sei aus pannu
und dieses aus pandu entstanden, glaublich machen könnte.
Nun ist aber von do (in lat. quan-do) oder von einer
abgeleiteten partikel dö-ni-cum dö-ne^c du-m im umbrischen
keine spur, noch irgend etwas lautlich entsprechendes be-
kannt. Man mufs also das dem umbrischen annoch fremde
do ganz aus dem spiel lassen und panu nach art der ad-
verbia eru-k (A. K. I 150) und era-k (II 369) „dort" als
ablativ erklären. Panu ist ohne zweifei ein Überrest von
einem pron. *panU'S, das wie x^-vo-g ^jener** und r^'VO'g
„dieser" (etym. magn. p. 321, 31 — 34) gebildet, der be-
deutung nach aber interrogativ und relativ zugleich war*),
und hat, gleichwie im lateinischen der relativstamm quo
und dessen ableitungen durch anhängung von que zu ver-
allgemeinernden indefiniten wurden, in folge der anhängung
von pei (oder pe = lat. que) den sinn erhalten: „an wel-
chem orte auch immer" oder „auf welche weise auch im-
mer", gieng dann auch in die bedeutung der zeit über,
wie lat. illico (= in loco) „auf der stelle, sogleich" und
modo „so eben, jetzt eben", so dafs panu-pei „wann auch
immer" so viel als quandoque bedeutet und pisi panupei . . .
fust VII b 1 „qui quandoque fuerit" ganz analog ist dem aus-
druck pisi pumpe fust Va 3 und 10 „quicunque fuerit".
Eine fernere anwendung jener vermeintlichen assimila-
tion von nd zu nn haben Aufrecht und Kirchhoff zur er-
klärung von umbrischen participien anferener pihaner pel-
sanu gemacht, obwohl hier ebensowenig wie bei panupei
ein doppeltes n aufgezeigt, sondern nur aus oskischem üp-
sannam für das umbrische gefolgert wurde (u. spr. I, 70).
Indem sie nun participia passiva wie pelsanu (accus.),
pelsan-s (nomin.), anferen-er (gen.) auf lat. participia in
-endo zurückführen wollen und demgemäfs pihan-er (gen.)
durch das entsprechende lat. piandi wiedergeben, erklären
sie I, 147 in der 2ten Note die umbrische form zwar zur
genüge, aber nicht mit Zugrundelegung eines lat. partici-
1) Rhein, mus. XXVI 133.
108 Savelflberg
piums auf ^andus, sondern vermittelst eines sanskr. parti-
piums fut. pass. wie vahanlja-s (= vehendus), das von
vahana (= vectio) abgeleitet ist und, wie man sieht, ebenso-
wenig eine spur von d bat, wie die umbrischen participia.
Nocb genauer stimmen zu diesen participien pihaner, pel-
sanu u. s. w. im suffix die sanskrit. adjeetive auf -an&,
gval-anä-s „flammend'^, kal-anä-s „wankend*^ und am
genauesten, auch in der passiven bedeutung, die griechi-
schen adjeetive arsy-avS-g „bedeckt", kä-avo-g „efsbar**,
sowie die gothischen participia it-an-s „gegessen" u. a., so
dafs die zurückführung auf ein lateinisches particip wie
veh-endU'S gar nicht nöthig, vielmehr ganz unzuläfsig ist.
Es ist also eine assimilation nn aus nd, wenn auch
im lateinischen dispennite für dispandite (A. K. I, 87) un-
bezweifelt, doch in keinem falle für das umbrische erwie-
sen, und die oben erwähnte Schreibweise mit doppeltem n
gegenüber der mit einfachem n:
ennom enom
enno eno
ponne pone,
wie sie Corssen ausspr. I 95 (I* 249) auch im lateinischen
gegenübergestellt hat:
Caecinna
Caecina
Caesennius
Caesenius
Munnius
Munius
Pescennius
Pescenia
Vinnius
Vinius
Sabinna
Sabina
Porsenna
Porsena,
bekundet nur eine fester ausgeprägte ausspräche des n,
gleichwie des s im einmaligen isso-k VII b 3 und essu
Via 43 gegenüber iso Via 20 und dem häufigen esu, und
in dem einmaligen Fissiu Via 43 gegenüber dem sehr
häufig vorkommenden Fisiu (A. K. I, 70).
nmbrische Studien. 109
5. Schreibung einfacher consonanten statt dop-
pelter.
In andern fällen ist eine wirkliche, begründete Verdop-
pelung eines consonanten öfters nicht durch zwei buchsta-
ben bezeichnet: so ist 1) somo Via 9. 10 das römische
summo aus *supmo (A. K. I, 70), da ja der dort assimilierte
lippenlaut p auch im umbrischen sonst in den adverbien
sup-ru (A. K. II, 372), sup-er-ne (das. 282) vorhanden ist;
2) der eigenname Atijeriur (frater Atijeriur Va 1. 14
= fratres Attidii) und Atijeriate(s) IIb 2 ist nur mit
einem t innerhalb des Stammes geschrieben, bei den Rö-
mern aber die bezügliche umbrische Stadt Attidium und
deren ein wohner bei Plinius III 13 Attidiates allemal mit
zwei t. Dafs 3) ditu VIb 10. 16. 25. VII a 38 und dann
auch altumbrisch titu la 33 nebst tetu IIa 9. IIb 21 (i. e.
dato) für *dittu geschrieben sind, beweisen die vollständi-
ger erhaltenen formen desselben imperativs dirstu VIb 17.
38. 39. Vlla 5 und altumbrisch tertu IIa 40, indem der
Zungenlaut r und in den jungem tafeln rs aus d hervorge-
gangen ist, das verbalthema also ursprünglich did hiefs,
wie es im oskischen futur did-est auf der tafel von Bantia
V. 16 wirklich erscheint^). Aehnlich verhält es sich 4) mit
dem imperativ si-stu III 8 und se-stu IIb 22 (wo e
für i); (Jenn dieser steht nach mafsgabe des lat. si-st-i-to
flir si-st-tu, da das eine t (in st) der wurzel (urspr. sta)
angehört, wie das futur 8e-st-e(s) IIb 22 ausweist*), und
das andere t der personalendung -tu zukommt. Desgleichen
*) Die Wurzel war eigentlich da, welche nur noch in der Verwandlung
fa oder rsa erkennbar ist im fut. exact. an-de-rsa-fust VII b 3 oder an-di-
rsa-fust VII a 46 und altumbr. a-te-ya-fust Ib 40 d i. „circum-dederit**.
Indem diese wurzel mit der rednplication di verwuchs, dafür aber ihren eige-
nen vocal a verlor, entstand obiger neuer präsensstamm did. Wir stellen
nun als dessen normale reduplication nicht de, sondern di auf nach analogie
von lat. bibo sisto, gr. fiifivw nliixu} ylyvo/Aai> iffttj/iAi^ skr. tiS^hSmi (Bopp,
vgl. gramm. II 831), so dafs demnach de im conj. ders-a VII a 48 (altumbr.
conj. tef-a Ib 34 und imper. tef-tu IIa 40 und tet-u IIb 21) aus di
verwandelt ist.
") Doch fehlt das wurzelhafte t im fut. 2 sesust Via 6 (= lat. stiterit),
welches Aufrecht und Kirchhoff I 82 aus urspr. "^sest-fwt so hervorgehen
lassen, dafs zuerst das t, später auch das f des hUlfsverbums ausgefallen sei.
110 Saveliberg
ist 5) mku-vertulb9 oder co-vertu VIb 47 sowohl das t
der Wurzel vert, welche wir im fut. exact. ku-vurt-us
Ib 11 oder co-vort-us VII a 39 zu vort umgelautet sehen,
als auch das t der personalenduDg -tu enthalten, so dafs
man voll ausgeschrieben ko-vert-tu erwarten sollte. Ferner
müssen wir 6) in upetu IIb 1. 8. 11. Va 7 und upetuta
111 10 das p uns doppelt denken, nämlich eines von der
Präposition up (= lat. ob), das andere vom imperativ petu^
und dieses verbum dann noch zu pentu vervollständigen,
wie ampetu üb 10 und ustetu la 17 vollständiger am-
pentu IIa 20 und ustentuIaS geschrieben sind (s. oben
s. 99). Alsdann werden wir die von upetu früher gege-
bene erklärung durch lat. ob-ito und die Verlegenheit los,
was denn eigentlich mit hostiam obire gemeint sei (A. K.
II, 318), und gewinnen für: sakreu perakneu upetu
Va 7 bei voll ausgeschriebener form up pentu nunmehr
den deutlichen und unzweifelhaften sinn: sacra annicula
(d. i. hostias anniculas) ^) impendito, oder wir geben up-
pen-tu mit Währung der präposition ob durch das alte,
liturgische obmoveto (Festus p. 202. Cato r. r. 134. 141)
wieder. Uebrigens pafst upetu in dieser bedeutung und
form (uppentu) an allen stellen, sei es dafs geboten wird,
ein opferthier im allgemeinen darzubringen, wie sakre
in 22. Va 7, oder bestimmte einzelne, wie uv^m III 10.
26 »ein schaff*, sim IIb 1. 7 „ein schwein**, kaprum üb
1. 10 „einen bock^. Endlich sehen wir sogar zwischen zwei
Wörtern, wenn sie zusammenhängend geschrieben sind und
zwei 8 vom auslaut und anlaut sich berühren würden, die-
sen buchstaben bald zweimal, bald nur einmal geschrieben:
so ist in der stelle la 27 Api habina purtijus, surum
pesuntru fetu das verbum purtijus im Vordersätze vom
nomen surum im nachsatze ganz getrennt; dagegen ist
in IIa 9 Ape purtijusuru, erus tetu dasselbe verbum
mit seinem object suru im Vordersätze innig verbunden und
mit einem s statt mit zwei s zusammenhängend geschrie-
ben, und ähnlich finden wir einmal fons.sir VIb 7, später
^) Die bedeutung von perakneu werden später „umbrische wortdeu-
tungen** nachweisen.
nmbrische Studien. 111
VIb 26 in der Schreibweise fonsir die 2. pers. sing. conj.
präs. sir (= lat. sis) enklitisch angehängt (Corssen, ausspn
IP 917) und mit fons bei Unterdrückung des einen s zu-
sammengeschrieben.
6. K r a s i s.
Im umbrischen werden wie im griechischen zwei glei-
che vocale im auslaut und anlaut zweier neben einander
stehender Wörter oft in einen langen vocal zusammenge-
zogen. Gleichwie nämlich im griechischen td aya&a zu
Tccya&d^ rd dkkd zu Td?ykcc^ ä äv zu aV zusammenschmol-
zen, so sind die zwei Wörter portatu.ulo VIb 55 schon
im altumbrischen Ib 18 zu purtatulu in einander geflos-
sen, und ehe.esu VIb 54 wechselt in derselben zeile mit
ehesu. Am häufigsten tritt solche krasis bei der anhän-
gung der Präposition en ein. Während diese präposition
nur noch ein paarmal als selbständiges wort dem locativ
eines nomens nachgesetzt ist, und zwar aus em zu e ab-
gestumpft, in rupinie.e Ib 27 und in tafle.e IIb 12,
wie wir oben s. 100 sahen ^), bildet en sonst mit der loca-
tivendung -e des vorhergehenden nomens immer eine kra-
sis, entweder a) bei unversehrtem schlufs-n inarvenIII13
aus ^arve-en, oder b) nach dessen Verwandlung in m, wo-
bei dann em oft mit einer zweisilbigen form eme abwech-
selt, welche aus einer altern gestalt *ene, die der griechi-
schen ganz normalen präposition kvi entspricht, hervorge-
gangen ist: toteme Jotinem Via 46 (stamm tota Jovina)
aus *tote-eme Jovine-emj wo sowohl das adjectiv als das
Substantiv das ortsverhältnifs durch die präposition bezeich-
net enthält, ähnlich wie bei Homer oväs öofÄOvds^ — ocrem
') Ob dieses aus em abgestumpfte e jemals mit der locativendung -e
verschmolzen worden sei, ob z. b. rubine in der jungem neuumbrischen ab-
fassung VII a 6, welches dort dem alten ausdruck rupinie.e Ib 27 ent-
spricht, eine Verschmelzung aus rubine.e, oder nur einfach der locativ rth'
bine sei, läfst sich schwer entscheiden. Blofse locative möchten wir in
den gewöhnlichsten ausdrücken des täglichen lebens erblicken, wie IIb 28
manuve habetu i. e. manu oder in manu habeto; VIb 50 a^o destre onse
fertu i, e. aram in dextro umero ferto.
112 Savolsberg
Fisiem Via 46 (stamm ocri Fisio) aus ^ocre-em Fisie-em, —
rtiseme VII a 8 (stamm rus) aus ^ruse-eme. Auch in ab-
ruDU IIa 12: Ahtu Marti abrunu perakne fetu müs-
sen wir jetzt eine krasis aus abru unu anerkennen und
jedwede änderung, sowohl die von Aufr. u. Kirchh. II 382 in
abrum, als die von Bugge in d. zeitschr. VIII 33 in abru
unu zurückweisen. Uebrigens hat aber Bugge das zahl wort
unu richtig herausgefunden und durch vergleichung zweier
anderer stellen derselben tafel: IIa 6 Juvie unu erietu
sakre pelsanu fetu und IIa 8 unu suru pesutru fetu,
die Zerlegung in abru unu gesichert. Ganz derselben art
ist VIb 46 die krasis in enoocar^ dessen bestandtheile
wir aus der entsprechenden stelle in der altumbrischen ab-
fassung taf. Ib 7: inukukar d. i. inu-k-ukar, ersehen.
Der erste theil, hier inu mit hinweisendem k verstärkt,
dort blofs enOy hat gleicherweise ein schlufs-m eingebüfst;
denn es ist das adverb in um oder enoiUy welches wir bis-
her ein paarmal, bald vollständig in inum-k inum-e-k
enum-e-k enomy bald des m entäufsert in inu-k enu-k
enoy gelegentlich gesehen haben.
Es fragt sich nun, ob wir neben eno voll ausgeschrie-
benes ocar^ wie ukar in inu-k-ukar, finden wollen, oder
ob wir in den zwei o von enoocar nur eine bezeichnung
von langem o, wie oben ein langes u in abrünu (vergl.
gr. TaXka)j als zusammenziehung zweier vocale annehmen
sollen. Wir glauben, das zweifache o nur f&r einen lan-
gen vocal halten zu dürfen, weil die Vorderseite derselben
tafel mehrere beispiele solcher bezeichnung langer vocale
enthält: ooserclome Via 12, meersta v. 17, eesona v. 18,
auch tafel VII a 41 feetu und v. 15 serituu bietet. Bezeich-
net nun enoocar nichts weiter als in heutiger Schreibweise
enöcaVy so müssen wir der oben s. 101 unentschieden ge-
lassenen frage gedenken, ob bei der häufigen auslassung
der nasalbuchstaben n und m noch ein rest von nasallaut
nachgetönt habe, oder nicht, und besonders im accusativ
auf -um *), und da sprechen denn unsere beiden jetzigen
') Auch das*adverb in um enom ist eigentlich accusativ sg. neutr. vom
pronominalstamm inu {eno). S. oben s. 100.
ambrisehe Stadien. HS
fälle, welche auf normale weise abrum unum und enom
ohar lauten müfsten, dafür, dafs solches schlufs-m als
ganz und gar geschwunden zu betrachten sei, weil sonst
die Verschmelzung zu a b r u n u und enookar nicht möglich
gewesen wäre.
7. Die halbconsonanten j und v aus den vorher-
gehenden vocalen i und u als bülfslaute ent-
wickelt.
Die vocale i und u haben im altitalischen die halb-
consonanten j und v als hülfslaute , um zu einem folgen-
den vocale hiuüberzuleiten, zwar nicht regelmäfsig, aber
doch ziemlich oft aus sich entwickelt. So leitet
1 ) j als ein aus i entwickelter hülfslaut zum folgen-
den vocal hinüber im altumbrischen in den nomina:
Atijeries III 24, Kastrupije Va 3, Klavernije IlbS,
Kluvijer Val5, Vehijes Ia20. 24, Vupijaper IIb 26,
in trija IV 2 nebst trijuper Ib 21. 22. IIb 25 und im
conjunctiv herij*ei IIa 16, während dann doch beispiele
von nicht entwickeltem hülfslaut j im pronomen tiu IIa 23,
im imperativ azeriatu Ib 8, im futur heries Ib 10.
IIb 21 und im suffix von Atijer-ie-s III 24, abweichend
von Veh-ije-s la 20, zugleich nebenher geben, bis spä-
ter im neuumbrischen ein solcher hülfslaut j wieder ganz
verschwindet, z. b. in Atiersier VII b 1, trioper VIb 55.
VII a 51, heriei VII a 3.
Schon längst hatte Corssen in d. zeitschr. V 88. 89
jedes zweite i im umbrischen sowie im oskischen und la*
teinischen richtig als j bezeichnet, nur aber dessen be-
stimmten zweck nicht besprochen. Fügen wir nun osk.
und lat. analogien hinzu, so leitet der hülfslaut j nicht
blofs vom vocal i, sondern auch von den diphthongen ai
und ei oft zu einem folgenden vocal hinüber, also a) nach
dem i und oft auch nach dem gestrichenen i, welches im
oskischen einen zu e hinneigenden laut bezeichnet, wie in
der tafel von Agnone (Enderis^) inschr. n. I) kerrijüis
^ ) Die oskischen Sprachdenkmäler hat jüngst am vollständigsten geord-
Zeitschr. f. vgl. sprachf. XXI. 2. 8
114 SftTelsbarg
a, 9. 10. kerrijüi a, 13. kerrijin a, 2. kerrijais a, 7.
kerrijai a, 4. 6. 22. 23.24. b, 11 ; auf der bleiplatte von Ca-
pua (iDSchr. n. LI) Virrfjis v. 2 neben Virriis t. 1 («»
lat. Verrius) und das verb herijad y. 9; in einer Inschrift
von Pompeji (n. X) Meelikijeis v. 7, Jüvija v. 8; auf
einer ziegelinschrift (n. XLIV) KoTT6U]ig wahrscheinlich =
Kottijeis; auf einer münze (n. LVI 17) Tijatium, wo-
gegen die Jüngern münzen Tiati haben (Mommsen, un-
terit. dial. s. 201); b) nach diphtbongen: Pümpaijana
und Pümpaijaneis (n.X 5.9)9 Pümpaijanai undPüm-
paijans (XVI 2. 4— 5), Mefltaijais (XXXVIII), Ve-
reijai (XVI 2), püiju (XXXII 3).
Die wahre geltung des doppelten i, wie im oski-
schen, so im lateinischen hat zuerst W.Schmitz in
der programmabhandlung des gymn. von Düren 1860 und
im rhein. mus. XVIII (1863) 144 richtig so bestimmt,
„dafs das erste jener beiden i vocalischen, das zweite coo*
sonantiscben klang gehabt habe, dafs sie also lautlich =k
ij gewesen" und PACIIO Inscr. Neap. 6600 = Padjo war.
In betreff des aus diphthongen erzeugten hülfslautes j ge*
langt Schmitz im programm von Düren p. 8 zum gleichen
ergebnifs, indem er den andeutungen alter grammatiker
folgt, z. b. Velius Longus p. 2220 P: Atque ipsa natura
i literae est, ut interjecta vocalibus latius enuntietur, dum
et prior eam adserit et sequens sibi vindicat.
Sein hauptergebnifs ist dieses: Prior i litera cum antec^
dente vocali in diphthongi quidem sonum coalescebat unam-
que syllabam formabat, sed tamen per diaeresim pronun-
tiabatur; altera vero i, consonantis vice fungens, ad iiiae-
quentem vocalem trahebatur: Ut sonus i literae duabus
vocalibus interpositae e vocali et consonante mixtus fuerit
(„vocalisch-consonantisch") et hoc modo possit ejus pro*
nuntiatio scribendo repraesentari: aljo Ma¥ja eltjus Pompel-
jus quoljus cu'ijus.
net Enderis, versuch einer formenlehre der oskischen spräche (s. I — LXXTV)
mit den oskischen inschriflten (s. 1 — 20) und glossar (s. 21 — 56). Nach
dieser Zusammenstellung werden wir fortan eitleren.
umbrische Stadien. 115
Diese für das altitalische sicher gestellte beobachtuDg
gewährt uns nun eine vollständig genügende erklärung der
eben erwähnten ungewöhnlichen oonjunctivformen eines und
desselben verbums, osk. herij-ad und umbr. herij-ei.
Um mit dem normaler gestalteten oskischen zu begin-
nen, so sind die sonst bekannten osk. conjunctive dic-ans
und püti-ad nebst püti-ans nicht mit dem optativischen
suf&x -ia, sondern mit dem conjunctivsufHx -a gebildet, also
auch herij-ad, und dasselbe gilt von den umbrischen
conjunctiven habi-a pre-habi-a fa^i-a (Corssen ausspr.
11^731). Nun gehört ebenso wie habi-a zu der zweiten
abgeleiteten conjngation der umbr. conjnnctiv heri-e VIb
19. 20 und unterscheidet sich von jenem nur durch den
aus a umgelauteten schlufsvocal e, gleichwie die umbri-
schen nomina ferine (loc.) taf. Ia4. 13 und vesklu Ib
29. 37 nebst veskla IIa 19 hauptsächlich dadurch von
den entsprechenden lateinischen nomina farinae und vas-
culum vascula sich unterscheiden, dafs sie den ursprüng-
lichen vocal a der ersten silbe in e umgelautet haben. Der
vocal e neigt aber oft im umbrischen nach i hin und wird
dann durch ei bezeichnet, so eine Via 10 für ene Ib 35,
hereüu Via 37 für *heretu eretu IIa 4, so denn auch
heri-ei Vlla 3 für heri-e VIb 19. 20. Und dieses hat
schon im altumbrischen stattgefunden, da die normale, wenn
auch vereinzelte conjunction wcp Via 6 sonst überall, nicht
nur in taf. VI und VII, sondern auch in älteren tafeln II a 4.
Va 29 stets neip heifst, und so auch für den conjunctiv
heri-e VIb 19 schon in der alten tafel IIa 16 die Schrei-
bung herij-ei mit ei gerade wie in der Jüngern VII a 3
heri-ei erscheint, im übrigen nur den aus i entwickelten
hülfslaut j zeigt, welcher im neuumbrischen nicht üb-
lich ist.
2) Ganz entsprechend dieser ersten beobachtung ist
die zweite, dafs in gleicher weise ein aus u entwickelter
hülfslaut V zu einem folgenden vocal hinüberleitet, a) im
altoskischen in eitiuvam und eitiuvad XVI 1. 3 ge-
genüber den spätoskischen formen eituam eituas tab. Baut.
13. 18. 19. 27; b) im altumbrischen in
8*
116 SaveUberg
vatuva la 4. 13. 22. Ib3.5 gegenüber neuumbr. eatuo
Via 57.
prinuvatus Ih23 gegenüber neuumbr. prinuatur VIb 65.
tuva IIa 27 gegenüber neuumbr. tua Via 30. 40. 50.
einmal tuea Via. 42.
tuver-e IIa 33 gegenüber neuumbr. tuer Via 27. 28. 37.
kastruvu V 20. 22 gegenüber neuumbr. castruo Via
30. 32. 40.
Einen gegensatz hierzu bildet die Übereinstimmung von
altumbr. purtuv-i-tu IIa 24. 29 mit ueuumhr. pur dov^utu
Via 56, wo das v dem verbalstamm angehört (worüber spä-
ter), während unsere obige beobachtung nachweist, wie zu-
weilen V blol's einer dem altumbrischen eigenthümlichen laut-
entwickelung seinen Ursprung verdankt, indem es dann im
ueuumbrischen bis auf wenige reste geschwunden ist.
8. Vorschlag eines i vor andern vocalen,
hauptsächlich vor a und u.
In vielen umbrischen Wörtern sehen wir bald ein i
eintreten, bald wieder verschwinden, z. b. in- der endsilbe
von combißangiust und combißan^tist, Ueber dessen Ur-
sprung und zweck sind die forscher nicht einig, indem
einige es auf etymologische bestandtheile zurückfahren,
audere es blofs als lautliche entwickelung betrachten. Im
allgemeinen erscheint und fehlt solches i ohne unterschied
auf den Jüngern, wie auf den altern tafeln. Ja auf einer
und derselben alten tafel IIa sehen wir die form Spina
V. 38 nebst spinam-ar v. 33 mit spinia v. 36 und spi-
niam-a v. 37, auf tafel Ib rupinam-e v. 35. 36 mit
rupinie'e v. 27 abwechseln, aber beide letzte wortformen
in den parallelstellen der jüngsten tafel VII a übereinstim-
mend ohne i gebraucht: rubinam-e v. 43. 44 und rubine
V. 6. Ebenso steht Horse ohne i auf der Jüngern tafel
VIb 43 gegenüber Hurie auf der altern Ib 2, dagegen
Punipate ohne i vor a auf der altern tafel Ib 15 gegen-
über Ponisiater mit i auf der Jüngern VIb 51, desgleichen
wechselt auf altern tafeln hunta-k III 3. IV 32 mit
umbriiche Studien. 117
buntia IIa 15. 17 (Zeyfs in d. zeitschr. XX 187), urspr.
abl. 8g. fem., zuletzt adv., etwa „dann, hierauf^, ferner
vestipe IIa 4 mit vestipia Ha 27. IV 14. 19, gleichwie
auf der jüngsten tafel Vlla vestisa v. 37 mit vestisia
Vlla 38. Die zwei letztgenannten Wörter haben ein aus
ursprünglichem k verwandeltes palatales s oder 9, da Pu-
ni9ate(s) von Punicus herstammt (A. K. II 247) und
vestipa wahrscheinlich mit vestikatu IIa 24 und vesti-
cos Vlb 25 zusammenhängt (vgl. A. K. II 220). Es ist
schwer zu sagen, ob ein i auf die Verwandlung von k in
Q irgend einen einflufs gehabt habe, da es ja selbst bei
dem verwandelten 9 bald erscheint, bald wegbleibt. Das-
selbe gilt von dem aus t hervorgegangenen s oder 9 im
futur zweier abgeleiteter verba, von denen das eine mit
und ohne i: combifians-itist Vlhb2^ combifiang-iust Vlb 49,
combifianQ-ust Vlla 5 (i. e. conspexerit), das andere in
noch mannichfaltigern gestalten vorkommt: purtin9-us
Ib 33, purdinS'Ust Vlb 16. 24, purdinQ-iust Vlla 43, pur-
din^-u8 VI b 23. 37. 38 (i. e. portaverit) und sogar mit dem
ursprünglichen stammauslaut t purtit-ius la 33, wo nur
der nasal nicht bezeichnet ist (wie oben s. 99 ampetu
fßr ampentu), obwohl die zweite silbe sicher mit nasa-
lem i purtitius gesprochen worden ist. Endlich kommt
zu diesem vielgestaltigen futur II des letztern verbs noch
hinzu dasselbe tempus von einem kürzern stamm: pur-
tijus la 27. 30. IIa 7. 9, wo das dem u vorgeschlagene i
noch obendrein den hülfslaut j aus sich entwickelt hat, so
dafs es von der normalen tempusendung -ust, wie solche
in port'USt VII b 3 vorliegt, mehr als die eben genannten
gleichbedeutenden fnturformen abweicht. Von dem kur-
zem stamm port nun, welcher altumbrisch purt geschrie-
ben ist im fut. II purt-ijus und im particip perf. pass.
purt-itu Ib 39 = neuumbr. purd-itom Vlla 45, gelan-
gen wir vermittelst des oben genannten purti(n)t-iu8
zu dem für alle fünf futurformen geltenden erweiterten
stamm purtint, und schliefsen weiter, dafs dessen aus-
lautendes t in purdinS'USt in s übergegangen ist, gleichwie
das schlufs-t in den conjunctiven sins (= lat. sint), dirsans
118 * Savelaberg
(= äiSojvTi) etaians (= itent), endlich dafs ftir 8 auch ^
eintrat in purtin(}'U& pur ding-iust purdinQ-us, indem, wie
Corssen ausspr. I^ 62 richtig bemerkt, die assibilierteo
laute 9 und s vermengt wurden. Auf ähnliche weise ist
das fut. U combifianS'iust VIb 52, combißanQ-itist VIb 49,
combißan^'USt y II a. b gebildet, nämlich nach einem stamm
combifiant^ der Weiterbildung eines einfachen verbalstam*
mes, von welchem die formen com-bifia-tu Via 17 etc.
kum-pifia-tu Ib 14 und ku-pifia-ia Ib 35 sich vor-
finden. Corssen aber hat für die beiden hauptsächlich im
futur II gebrauchten Weiterbildungen nebst dem perf. conj.
3. sg. combifiang-i VIb 52 und osk. perf. oonj. 3. pl. pa*
tens-ins cipp. Abell. 50. 51 wegen des auf t oder s manch-
mal folgenden i-lautes die verbalstamme purtinti combU
fianti und osk. patenti aufgestellt; dagegen hielt Schlei-
cher comp.^ §. 304 anm. die umbrischen futura wegen des
der endung -ust oft vorhergehenden i-lautes för dunkel,
mithin die erklärung Corssen's, den er citierte, für anzu-
reichend, und diefs mit recht. Denn fürs erste ist es un-
erwiesen, dafs je ein i im umbrischen ausgefallen sei, da
auch Aufrecht und Kirchho£P, welche dieses I, 21 für einige
fälle behaupteten, den dortigen versuch, neirhabas ta£
IV 33 aus habias (för habeas), Fisovi VI b 5 etc. aus blofs
erdichtetem ^Fisiovi, und mefa la 16 etc. aus osk. me-
fiai^ lat. medius^ skr. madhja zu erklären, später II 378»
195. 175 wieder aufgegeben haben und II 56 von tnugatu
Via 6 die möglichkeit einräumen müssen, es „als impe*
rativ eines verbs mugare zu fassen ^. Zweitens läfst sich
hier i nirgends als ein etymologischer bestandtheil, son-
dera lediglich als lautlicher verschlag vor vocalen nach-
weisen, der erscheint und schwindet ohne feste norm. Dazu
kommt drittens, dafs solcher verschlag eine dei^ italischen
und vielen andern sprachen gemeinsame erscheinung ist)
so zunächst der oskischen, für welche schon Mommeen
1850 unterit. dial. 213, indem er an eingeschobenes i im
heutigen neapolitanischen volksdialekt in lamiento — mieno
— tiene etc. erinnert, und jüngst Corssen zeitschr. XVIU
208, um für osk. hoxaxur nunmehr i als lautzuwachs vor
nmbriscfa« itadien. i 119
o zu b(^ründeD, folgende beispiele anführen: tiurri (=s
lat. turrif s. rhein. mus. XXVI 402), eitiuvam eitiuvad
gegenüber eituas eituam der tafel von Bantia^ Niumsieis
Niumeriis gegenüber lat. Numisius Numerius, Dium-
pais (Aufrecht in d. zeitschr. I 89) gegenüber Lumpheis^
hoxccxeiT^ welches Corssen zeitschr. XVIII 210. 245 mit
col-locavit übersetzt, zu welchen beispielen wir noch das
n. pr. Siuttiis (Enderis n. X 1 ) = lat. Suttius und den
acc. des pron. 3. pers. siom tab. Bant. 5. 6. 9 = lat. se
hinzufügen; im volskischen sistiatiens für ^sistatens
saa lat. statuerunt (Corssen zeitschr. XVIII 209); im latei-
nischen Licinianio Or. Henz. n. 5569, dividiatur das. n.
7116, nimphias Atti della pontif. accad. XIII 260, traditio-
retnFabrett. II 272 (Schuchardt, vok. d. vulgärlat. II 330);
im gothischen liuhath lat. lux, tiuha duco (Grimm,
d. gramm. löl), im althochdeutschen fiur, liuhten
(Grimm I 107), wie auch heute im englischen, wo lan-
ges u wie ju ausgesprochen wird in nature duke pure^
und im slawischen, wo ja je ju oder ia ie iu förmliche
dipbthongen sind, z. b. russ. wjedma „hexe^, jadro „kern^,
jusnik neben uznik „gefangener^, kliuka „ haken % poln.
wiedma, i^dra, kluka. Nachdem wir also den vocal i so-
wol in den italischen, als in andern europäischen sprachen
al» Vorschlag vor andern vocalen zugesetzt gesehen haben,
können wir nunmehr in purdingiust purti(n)tius, wie
auch in combißansiust nur ein solches vor u lautlich vor-
geschlagenes i, aber durchaus nichts atammhaftes erken-
nen, «teilen also abweichend von Corssen für diese Wei-
terbildungen die Stämme purtint combifiant im umbri-
schen und für osk. patens-ins den stamm patent auf,
müssen aber den zweiten theil von Corssens behauptung
zeitschr. XIII 199, dafs die futurformen purti(n)tius pur-
d%n^u9t purdin^uity com-bißansiust com'bißanQust ebenso
gebildet seien, wie port^ust ^vom verbalstamine der a-
conjugation porta^^ für sehr wahrscheinlich halten, so dafs
uns die dort (s. 197) beigebrachte lateinische analogie pa-
rent'dire und sonst noch re-praßsent-a-re in formeller hin-
sieht als wohl zutreffend erscheint. -
120 SaTflibtrg
Schliefslicb erklären wir sowohl den oben angefthrten
acc. des oski sehen pron. 3. pers. siom, als auch den aco.
des umbrischen pron. 2. pers. tiu(m) IIa 25 tiom Via
43 etc. aus den vorauszusetzenden grundformen (*mam)
*tam *sani (vergl. altbulg. m^ t^ s^ bei Schleicher, comp.
§. 265) durch die annähme, dafs auch hier Vorschlag des
i vor om stattgefunden hat.
9. Nachtönen eines i nach u.
Die italischen sprachen liefsen nach dem voeal u früh
ein i nachtönen, vor welchem jener vocal dann selbst häufig
in o (oskisch ü) Qbergieng, und der so entstandene diph-
thong oi trübte sich dann zu oe. So bietet das oski*
sehe auf dem cippus von Abella v. 22 müi-nikü (nom.
sg. fem.) dar, das lateinische im SC. de Bacch. co-mot-
-fiem, im C. I. L. n. 1230 mot-ro, das. n. 617 moe^rum^
wogegen später die diesen Wörtern gemeinsame wurzel
mu, welche Corssen, ausspr. P 372 ffir identisch mit der
Sanskritwurzel mü „binden, verbinden*^ erklärt, wieder mit
reinem u-laut in mu-ru-s mu-ni-re com-mti-nt-« auftritt; auf
das oskische üit-tiuf Ab. 40. 43 und lat. oit-ile C. I. L.
201, 9 und oet-antur ib. 200, 11 folgt in spätem allgemei-
nem gebrauch utor und utilis, auf lat. couraverunt C. 1419,
coiravit C. 1166, coeratit C. 801, später stets cura und
curare.
Ehe wir fortfahren, bemerken wir zuerst beiläufig in
betreff des griechischen, dafs auch hier das nachklingen
eines i hinter v nicht fehlt, nur etwas seltener zn finden
ist. So ist es schon im Etym. magn. p. 457, 19 richtig
aufgefafst: 0vccdeg^ al ßccx^cci* na^a ro r^vvo t6 OQfAOJy xeel
nXeovacfiip tov i (fvidS^g^ indem das i insofern pleona-
stisch ist, als es weder auf die bedeutung, noch auf die
flexion irgend einen einflufs hat. Ferner ist das äolische
(fvi(a nichts anderes als das gewöhnliche (fvia^ von wel-
chem es sich nur durch den rein lautlichen zusatz i un-
terscheidet, wie wir alsbald an italischen analogien genauer
ausführen werden.
nmbrische Studien. 121
Wir 'schliefsen hieran zunächst das lateinische naei-s
an, welches dem skr. näu-s und griech. vctv^g gegenüber
einen dem wurzelhaften u^) zugesetzten beiklang i hat,
wobei dann natßriich u zum halbvocal v umschlagen
mufste.
Aber nicht blofs wurzelhaftes u, wie bisher, sondern
auch das suffix u, welches viele verwandte sprachen gleich-
mäfsig an nominalthemen aufweisen, z. b. in skr. pur-u
prth-u ä9-u, zend. pour-u ä^-u, griech. noX-v nkar-v
(lox-v, goth. fil-u thaurs-u („trocken"), lit. sald-u (suavis)
plat-u dras-u (= t^pacr-i;), ist im lateinischen allein „durch
den unorganischen zusatz eines i bereichert", wie Bopp
vergl. gramm. III 385 treffend bemerkt hat. Durch sol-
chen beiklang ist nämlich das indische und zugleich ganz
normale tanu {raw in rcevif-yloodüoc;) zu fenui, skr. guru
för *garu (ßagv) zu gravi (umgestellt aus *garui), skr.
svadu {i]Sv^ äol. jradv^)) zu suaei (für ^suadui), skr.
laghu (kkaxv) zu leei (für *Iegui), ßqccxv zu brevi (für
*bregni) geworden.
Das bisher besprochene nachtönen eines i ist ein rein
lautlicher Vorgang ^); wir sehen darin einen ansatz zu der
diphthongieruug, wie wir sie in ausgedehnterm umfange
in den romanischen sprachen, namentlich in bezug auf -ui
im französischen, wiederfinden (Diez, gramm« d. roman.
spr. I 127. 129. 139): hier ist i nach u eingeschlichen in
puits (aus puteus), fruit gegen fruto im spanischen, wo
aber muy (adv.) gleichwie im portugiesischen muito dem
provenzalischen molt und mout gegenüber dieselbe erschei-
^) Denn das indogerm. nSu-s stammt von der wurzel sna „fliefsen*^
und hängt mit den verben vav-w (aeol.) „fliefse" und vio> (f. *avfß(o)t aor.
t-yiv~aa »schwimme** zusammen. ') Ahrens de dial. Aeol. p. 82.
^ ) Corssen hält ausspr. I ^ 86. 385 vi für eine aus -n durch das sufßx
-i erweiterte suffixform. Jedoch das i bleibt hier nicht in den ableitungen,
ebenso wenig in lev-are grav-are ex-tenu-are und ex-tenv-are bei Lucrez, wie
in nav-ali-s, während doch sonst ein dem suffix aogehörendes i bleibt, so-
wohl in humi-li-are von humi-li-Sj sta-hili-re von sta-bili-s, in-sig-nl-tu-s von
ifi-sig-ni-Sf wie in ci-vi-li-s von ci-vi-Sj hos-U-lis von hos-ti'S. Deshalb kön-
nen wi^r^ nur Bopp folgen und gar nichts organisches in der anfttgung von i
sehen^ sondern erklären diese fUr einen rein lautlichen Vorgang mit u, wel-
chem, sowohl wenn es wurzelhafiter vocal, als auch wenn es suffix war, oft
ein i nachklang.
122 S«Telabtrg
nung zeigt; fibrigens heben wir zugleich noch den Wechsel
von u und o hervor in franz. croix (aus lat. crux) gegen
span. Cruz und in fr. puis aus lat. post.
Gehen wir jetzt zum umbri sehen über, so zeigen
hier ein dem u zugesetztes i zwei futurformen. 1) Von
der Wurzel fu hat die 3. pers. sg. fut., welche gewöhnlich
fu-st heifst, zusammengezogen aus *fu-est (wie prupe-
ha-st aus ""prupeba-est) einmal Va 9 bei vollständig er-
haltenem futursufBx -est das nachklingende i in fni^est
und zwar nur als beilaut der wurzel, verschieden von dem
der endung angehörenden i im conj. praes. fu^ia III 1,
welcher dem osk. conj. fu-id entspricht, und in portal
VII b 1 gegenüber dem osk. deiva-idi 2) bat das futur
purtuvi-es (3. pers. sing, mit verlust des scbliefsenden t
fär 'purtuvi-est) II b 28 ein unorganisches i als blofs laut-
lichen nachklang auch nach dem halbvocal v, gleichwie
die lateinischen adjective gra-vi-s sua^vi^s, während sonst
der imperativ purtuv-e-tu IIb 17 oder gewöhnlicher
purtuv-i-tu IIa 24. 29 etc. nur den nöthigen binde-
vocal hat.
10. i statt ui.
Wie in den eben genannten zwei futurformen bat das
umbrische noch oft nach u oder v ein nachtönendee i
erzeugt; aber dieses hat dann meist das urapröngliche u
verdrängt. So erscheint im umbrischen ein acc. sing, aim
IIb 1, si[m] IIb 7 und acc. pl. sif la 7. 14 vom thema
si mit der bedeutung ^sau^, während aus den verwandten
sprachen, aus skr. sü (in sü-kara), griech. öv-g^ lat. su-s
und ahd. sü als noi'males thema sich sü ergibt. Verglei-
chen wir damit den obigen fall im lateinischen, wo das
subst. navi-s dem skr. näu-s und griech. vav-g gegenüber,
und die adjective auf -ui-s oder -vi-s gegenüber den in
vielen verwandten sprachen entsprechenden adjectiven auf
-u-s im lateinischen allein jenes nachklingende i haben, so
vermuthen wir, dafs so auch im umbrischen das ursprüng-
liche thema su mit solchem beiklang i zuerst zu sui ge*
nmbrische stndien. 128
worden, dann aber dieses sui oder svi zu ei geschwächt
worden sei. Letztere erschlaffung der ausspräche durch
fallenlassen eines v oder u ist im lateinischen öfter zu be-
merken, besonders nach s (Corssen, ausspr. P 313. 314):
in te^ tibi neben tu und skr. tv-am, in tis, gen. sg. neben
tui (Neue II 126), in se, sibi neben sui und skr. sva-, in
sis (Enn. Annal. v. 150 ed. Vahlen) für suis^ in sos bei
Festus p. 801 für suos, in savium neben suavium, soror
gegen skr. svasar, sopor und somnus gegen skr. svap-
uas, socer gegen skr. ^va^uras, sonus gegen skr. sva-
nas, und auch in cani-s gegen griech. xifuiv und skr.
9 van. Weit häufiger noch ist im griechischen der ausfall
von V oder jr nach allen Zungenlauten : im accusativ und
dativ des pronomens der 2. person, tb toi oder ae (foi
von TV oder et', gegen skr. tvaji tväm, in 'AötLvov nom.
pr. im Hermes II, 171 statt 'Aütvivov von äcrv und böot.
^aariviog n. pr. im rhein. mus. n. f. II 108 v. 13 von^acri;,
das in ^aatv(AEidovri(a n. pr. bei Ulrichs, reisen in Grie-
chenland p. 247 enthalten ist, gegenüber dQvCvog^ — in
döTiTrjg st. a(Szvht]g gegenüber öqvtri^g und ßorgvtvTjg —
in dcidexa neben dvojSexa bei Homer, — in öig gegen skr.
dvis, lat. fei«, — in Sevdgov aus ^öivdgvov^ woher dsV'
dQvd^co bei Hesych., — in adkog aus *öfdkog (Curtius,
grundz.^ 347), — ^ioog böot. in ^laorekiav im philologus
suppl. II 587 (*<Tog, att. ioog) aus ^iajrog (Curtius 353), —
^üvog^ att. ^ivog^ aus l^iv^og (Verf. de digammo p.
51. 52), — und in xoqtj aus xog^a, welches in einer in-
schrift bei Oeconomides, Patto colonario de' Locri p. 129
erhalten ist. Der ausfall des ^ hat einige male auch ge-
rade vor * statt gefunden: in Xi-g „löwe" aus *//rc-g (Cur-
tius grundz.^ 342) vom verbum Xdß(o oder wz. Xv „ab-
reifsen" (Benfey gr. wz. lex. II 1), in gi-g (st. qiv) „nase"
aus *pj^i'g vom verb. gifco oder wz. gv „fliefsen** (Pictet
I 136) und besonders klar in &iaao-g „Versammlung von
Bakchanten'^ aus ^Oifiaao'-g^ einer ableitung des schon
oben genannten &vi'dg, welches die „stürmende, rasende
Bakchantin^ bezeichnet; endlich ist aiaXog „mastschwein'^,
das mit sufGx -«Ao (L. Meyer, vergl. gramm. II 197) von
124 SftTeliberg
av oder vielmehr *(ffi (mit nacbklingeDdem i) abgeleitet
und aus *(fj:i-a?.0'g geschwächt ist, die vollkommenste ana-
logie zum umbrischen nomen si-m (accus.) aus *8vi-m.
Ebenso haben die ablative (sing.) mani IIb 32, trefi
III 25, arputrati Va 12 von den themen manu trefu
arputratu^) (= römischen th. manu tribu arbitratu) ans
früheren volleren formen *manui *trefui *arputratui ihr u
eingebüfst.
Das oskische hat nicht blofs in Übereinstimmung
hiermit einen ablativ auf -id in castrid tab. Baut. v. 8 auf-
zuweisen, vom thema castru nebst einem genetiv castrou-s
tab. Baut. v. 13 mit vocalsteigerung ou aus ti*), sondern
geht noch weiter als das umbrische, wo doch trifu Ib 16
accusativ ist (f. trifum), indem es auch den accusativ mtp-
nim das. v. 24 vom thema manu gebildet hat, offenbar aus
*manui'm verkürzt, wie castri-d aus '^castrui-d. Ueberdiefs
i^t im volskischen ein accusativ bi-m, dem nmbr.
bu-m IIa 5 und lat. bov-em entsprechend, von Corssen de
Volscor. ling. p. 10. 12 und in d. zeitschr. X 24 entdeckt
worden, welcher gleichwie die übrigen italischen analogien
aus *bui-m zu erklären ist. Nach so vielfach gewonne-
ner bestätigung unserer obigen erklärung von si-m schlie-
fsen wir die reihe solcher umbriseher Wörter mit pir,
indem wir es auf *puir zurückführen, einer form, die nicht
blofse hypothese ist, sondern die wenigstens fQr griechi-
sches 7iv() uns Herodian negl f,iov, Ac^. p. 12, 19 aus Si-
monides als zweisilbiges wort 7ivi'{) aufbewahrt hat, welche
also den in 7ti()^ der normalen form'), einfach gebliebe-
nen wurzelvocal v (von wz. pu „reinigen") durch ein nach-
klingendes t diphthongiert zeigt, wie &vi'ccq aus tJv'dg.
1) Beweis für das thema manu ist der locativ maDUveIIb2d| für
das thema trefu oder trifu der accusativ trifu (ro) Ib 16.
3) Gleichwie im gothischen gen. sunau-s vom stamme sunu. Schlei-
cher Compend. 3 s. 669 und genauer Corssen ausspr. I^ 690. 69t. Dafs
man für das umbrische ebenfalls das thema kastru aufstellen mufs, beweist
der plur. kastruvu Va 20. 22 und castruo Via 80. 83. 40 etc.
3 ) WofUr sonst noch ahd. fiur und böhm. pyr „glühende asche** (Cur-
tius grundz. ^ 269) zeugen.
ambrische itttdien. 125
Im lateinischen ist auf dieselbe weise wie umbr.
pir gebildet ex-ßr bei Festus p. 79: Exßr purgamentum,
unde adhuc manet sufßtio. Es bedeutet eigentlich , wie
Corssen ausspr. II* 719 bemerkt, „ausräucherung, dann
reinigungsmittel". Dieses ex-ßr sammt suf-ßre „räuchern*^,
suf'ßtio »räucherung*^, suf-ßmen „räucherwerk^ und fi-mus
„mist*" als „dampfender, dunstender** (Corssen beitr. 180)
nebst fü-mus „rauch*^ sind alle aus der wurzel fu (griech.
&Vj skr. dhü) entstanden, indem der wurzelvocal sich meist
vermittelst des nachklingenden i zu ui diphthongierte, zu-
nächst also *ex-fuir, *suf-fuire ^fuimus (mist) daraus her
vorgieng, bald aber das u verdrängt und dadurch ein mit-
tel zur differenzier ung, besonders von fü-mus und ft-mus^
gewonnen wurde. Eine analoge bewegung zeigt die ent-
sprechende griechische wurzel &v auf das deutlichste, wel-
che nur nicht in der bedeutung „rauchen^ oder „räuchern^,
sondern in dem an die verwandte sanskritwurzel dhü
„schütteln, heftig und schnell bewegen^ sich anschliefsen-
den intransitiven sinne: „daherstOrmen^ brausen, rasen, to-
ben^ gebräuchlich war. In dieser bedeutung finden wir
auch die andere form d^vi-o) bei Hesychios verzeichnet:
i&viev kvefxaivBTo, ^tqsxsv und im homerischen hymnus
auf Hermes V. 560 (ed. Baumeister) angewandt: al 8' öva
fxiv tJviwaiv (sc. Thriae fatidicae); dann ist auch davon
benannt die „dahers türmen de, rasende Bakchantin*^ &vi'dq^
wie in der oben s. 120 erwähnten stelle des Etym. magn.
richtig angegeben ist. Um hierzu nun die formale bewe-
gung der Wurzel zu vervollständigen, so fögen wir das
oben, unter vielen parallelen lautschwächungen, aus *\^j:ia^
(fog erklärte d^iaaog „Versammlung von Bakchanten^ hinzu,
und wir sehen nunmehr die Stufenfolge &v &vt &t hier
einmal in deutlich ausgeprägten beispielen constatiert.
In keiner einzelsprache Italiens sind uns so alle drei
stufen zusammen begegnet, wohl aber vermögen die ital.
sprachen, vereinigt, sie sich ein paarmal gegenseitig zu er-
gänzen. So ist zu den zwei in §. 9 (s. 122) angeführten
stufen der wurzel fu im umbr. futur fu-(e)st und fui-est
die dritte vorhanden im lat. futur fi-et von /So, welches
126 SftTelsbefg
Corsseu ausspr. I^ 143 mit recht an das umbrische futur
fui-est und das äolische (pvi-w anschliefst. Die allmäh-
liche Verschmelzung von ui zu langem i, welches die mes-
sungen der altern römischen dichter io fi-ere ff^eret fi-eri
inter-ft-eri con-fi-eri (das. IP 680) zeigen, wird noch ver-
mittelt durch eine Zwischenstufe fei-ent in. der lex Julia
V. 62 , so dafs wir hier , vom umbrischen und lateiniscben
futur zusammengenommen, vier stufen haben: fu-(e)st
fui-est fei'ent fl-ent. In hinsieht auf die intransitive be-
deutung „werden^ macht Corssen in d. zeitschr. X 153
treffend auf gr. 'i-tpv^v und ni-tpvx^ aufmerksam und eben
diese bedeutung macht auch die hinneigung zu medio-
passiven formen fi-tur ß-ebantur fi-tutn est (Corssen ausspr.
II * 739) und ß-eri begreiflich. Aber in bezug auf die for-
melle erklärung scheint Corssen denn doch über das i
noch nicht im klaren zu sein, indem er die früher I' 143
wenigstens besser angedeutete Zerlegung der bestandtheile
in umbr. fu-i-est und lat. fl-ere später II* 739 gegen
die annähme einer suf&xform -ie vertauscht und demnach
umbr. fu-ie-st oder fuie-st und lat. fie-re fie-bantur ab-
theilt. Nun aber kann ßere weder eine suffixform -ie, die
ganz unbekannt ist, noch auch das sogenannte suffix -i
der vierten conjugation enthalten, weil alsdann der infinitiv
fi-re in der weise wie audt-re venf-re lauten müfste. Da-
gegen steht die ganze flexion des verbums im besten ein-
klang bei unserer obigen erklärung, nach welcher die
grundform ^fui-ere, blofs durch diphthongierung des n eu
ui aus älterm fu-ere entstanden, durch allmähliche Ver-
schmelzung des diphthongen ui zu ei (in fei-ent) und zu lan-
gem I (in fi-ent) als fi-ere und schliefslich ß-eri sich fixierte.
Ebenso verhält es sich mit dem lat. adj. Itber oder
altern leiber C. I. L. n. 192. Wir vermögen es stufen-
weise bis auf seine grundform rückwärts hinaufzufthren
und zwar, da das lateinische keine genügende handhabe
bietet, durch ältere wortformen italischer dialecte: oskisoh
lüvfreis ^) louf{rud)^) und faliskisch loferta^) =« (lat.
1) Mommsen, unterit. dial. p. 170. taf. VII n. 2. 2) Xab. Bant. ▼. 8.
3) Mommsen in den monatsber. d. acad. d. wiss. zu Berlin. 1860 p. 451.
umbrisehe Stadien. 127
liberta), welche von *lufer als ihrer gemeinsamen quelle
ausgehen. Zwischen dieser grundform einerseits und lat.
loebertatem bei Festus p. 121 andererseits sind zwei zwar
nicht oberlieferte, aber unbedenklich vorauszusetzende mit-
telformen ""luiber und ^loiber die zum lat. adj. leiber hin-
überleitenden Vorstufen gewesen, dessen secundärer vocal i
die Wandelung des urspr. u in o und die weitere trübung
des o zu e schliefslich in der gewöhnlichen form Über
überdauert hat. Für unsern nächsten zweck wäre mit der
darstellung der genetischen entwickelung des vocals u bis
zu i innerhalb des italischen jetzt genug geschehen; da
jedoch die etymologie von Über und sein verhältnifs zu
klevt^BQog zwischen Curtius grundz.^ 452 und Corssen
ausspr. I* 151 anm. noch immer unerledigte Streitfragen
sind, so möchten wir zu deren lösung, besonders zur auf-
bellung des vielbestrittenen adj. liber so viel als möglich
beitragen. Zu kühn behauptet Curtius grundz.^ 453, dafs
ikev^eQog mit Über, loeber aufser dem 1 gar nichts gemein
.habe. Sehen wir genauer zu, so hat iXsv&egog mit der
italischen grundform *lufer (und loeber) bei gleicher be-
deutung aufser dem 1 noch den stamm vocal u und, was
nicht zu übersehen ist, das suffix -ero gemein, dazu hat
es ein dem italischen f oder b oft voraufgehendes dh oder
19- bewahrt ^ ), so dafs sich in den beiden adjectiven alle
elemente bis auf den eigenthümlichen griechischen anlaut
B entsprechen. Durch & aber und den anlaut c dürfte
kkev&sgog gröfsern anspruch auf priorität haben und die
auffindung der etymologie erleichtern. Und in der that
finden wir die schon vom Etym^ magn. p. 329, 44 gege-
bene ableitung des adj. klsväagog* nagci t6 kXsv&uv onov
iQ^^ an sich sehr wahrscheinlich und in dem ausdruck
vieler delphischer freilassungsnrkunden : dnotQix^iv olg xa
&6Xy^ worauf Curtius a. a. o. hingewiesen hat, auch durch
den Sprachgebrauch gewissermaisen bestätigt. Die vollste
bestätigung wird aber erfolgen, wenn wir die italische
1) Vgl. skr. rudhira-s, griech. igv&qo^q, umbr. rufru, lat. ru^
— skr. dhllma-s, griech. ^t^to-«, lat. fümu-Sy — skr. üdhar, griech.
ov&oiQy lat. ü6er.
128 Sarelsberg
grundform *lufer mit klevi'^SQog uQter einem gemeiasamen
stamm uud gleicher begriffsentwickelung vereinigen, wie
wir jetzt ausführen werden.
Sowohl das italische, als das griechische adjeotiv ha-
ben vorn eine aphäresis erlitten. Das griech. ikeväegog
hat mit xekeväog gleichen Ursprung von einem alten ver-
balstamm xeXvd', dessen ursprünglichen anlaut x es gleich-
wie auch ikevffofiai rjkv&ov kk^kv&a abgestreift bat, wie
diefs von Aa| gegenüber dem lat. calx Pott etym. forsch.
II 204 erkannt und von mehreru Wörtern , die gewöhnlich
mit einem vocal anlauten, darunter auch von ox-vo-g aus
*x6x'P0'g durch vergleichung mit lat. cunc-tari und nkr.
gank Curtius grundz. '' 6bO sehr wahrscheinlich gemacht
hat. Durch eine ähnliche aphäresis innerhalb des italischen,
wie z. b. im lat. lad (nom. lac) aus yakaxv (nom. ydha)^
ist nun auch osk. louf{rud) und lat. llber verstümmelt aus
coluber^ einer analog mit serpens vom gehen oder kriechen
entnommenen bezeichnung der schlänge; colere aber, wo-
von wir coluber herleiten, ist schon von Curtius grundz.*
'429, indem er es in agrum colere als „begehen^ fafst, auf
die indogerm. wurzel kar „gehen^ zurückgeführt worden,
und im griechischen ist aufser dem entsprechenden, auf
geistiges übertragenen verbalbegriff in ö^Bii-xok-O'g oder
iteo'XoX'O-g C. I. G. n. 1607, 6 „deos colens*^ auch noch
die verbalwurzel xol als solche mit der ursprünglich sinn-
lichen bedeutung „gehen^ bei Hesychios hervorzuheben in
den glossen xoXelv kk&elv und 6'|a) xoXov* k^^X&ov. Aus
der genannten indogermanischen wurzel icar') und eben
^) Die im griechischen aJyi-xoQ-dq eine spur hinterlassen hat und in
des Hesychios glosse: atonogot;' reutxoQoci, &iOH6Qoq, &fQaT¥(VT'^q &iw.
Die Wurzel heifst im skr. ttar und von ihr stammt Karl »junge frau**, wo
offenbar die grundbedeutung „die bewegliche'* ist, da diese bedeutung in
mehrem adjectiven karatha kari§QU kSrin die vorherrschende ist. Da-
mit verwandt ist xovgti, urspr. xoq^a (auf einer inschrift bei Oeconomidea,
Patto colonario de* Locrii Athen 1869 p. 129), „mädchen^ und novf^oq
{nöqfoqji eine ehrende bezeichnung rüstiger jUnglinge, wie xovqot '^/««wf.
Der grundbegriff ist überall der des „ beweglichen , wandernden ^ ; bieraua
entsteht der begriff des freien (im abgeleiteten (xjfAct'^c^ot; und (co)laber)
durch den gegensatz des Sklaven, der nicht umherwandem kann, sondern
gebunden ist, entweder als kriegsgefangener wirklich gefesselt (vgl. lat* vUsUu
verwandt mit vinctus)f oder fortan im zustand der gebuudenheit lebend. Aus
umbrische Studien. 129
dem begriffe ^gehen^ ist nun für das griechische und ita-
lische eine gemeinschaftliche Stammerweiterung ^kaludh
(mit 1 fiQr r) und eine gemeinschaftliche Weiterbildung ^ka-
ludhara mit der bedeutung „wandernd, beweglich, frei^
hervorgegangen, dann vermittelst der den italischen spra-
chen eigenthümlichen Verwandlung des dh zu f und b die
Scheidung in *xelev&6Qog und coluber(us) und nach ein-
getretener aphäresis einerseits in kkev&egog und anderer-
seits in loufur *luiber *loiber leiber Über erfolgt.
Den nachklang des i nach u hat also das umbrische
mit dem oskischen und lateinischen gemein, nur sind die
Übergangsstufen entweder u ui vi i oder u ui oi ei i in ein-
zelnen fällen gar nicht leicht zu bestimmen^ noch weniger
im umbrischen als im lateinischen, wo die erstere über-
gangsweise durch ausfall von v bei kurzen vocalen, z. b.
sibi aus *svibi (vergl. oben s. 123), die letztere, durch all-
mähliche Verschmelzung gebildete, bei langem i anzuneh-
men ist, um so mehr, wenn Zwischenstufen, wie ei in fei-
-enty oder auch nur eine nebenstufe, wie oe in loebertatem^
zu oi und ui zurückführen. Im umbrischen ist solche Un-
terscheidung im allgemeinen nicht möglich, da wir die
quantität der vocale (wie die länge aus der Schreibung ee
oder eh) selten ersehen und bei weitem nicht immer er-
schliefsen können, daher wir uns mit der erwiesenen that-
sache und den hauptergebnissen , welche die vergleichung
der italischen sprachen herbeigeführt hat, begnügen müssen.
tt. Der v-laut durch f bezeichnet.
Im umbrischen, wie auch im oskischen und lateini-
schen, ist der v-laut öfters durch f bezeichnet. Zuvörderst
ist im umbrischen
diesem verhältnifs des gegensatzes betrachtet, enthält die erklärung des ety*
mologen: iXtv^tkv onov ig^, nichts aas dem Stegreif hinzugesetztes, wie
Corssen ausspr. I^ 151 in der note einwirft, sondern eine genauere präcisie-
rnng, wie sie eine erklärung des Sprachgebrauchs so oft nöthig macht, wo-
gegen Corssens aufstellung, iUv&igoq sei aus *^Xtvq)egoq entstanden, durch
Curtius jetzt grundz. ^ 458 hinreichend widerlegt ist.
Zeitschr. f. vergl. sprachf. XXI. 2. 9
130 Savelsberg
I. ein aus u entwickelter v-laut, welcher bekanntlich
zu einem folgenden vocal hinüberzuleiten pflegt (s. oben
8. 115,2), auch ohne folgenden vocal einem u der end-
silbe einigemal als dessen nachklang gefolgt und findet
sich dann öfter mit f als mit v bezeichnet. So lautet der
plural vom neutrum kastru „grundstück^ zunächst ka-
struY-u Va 20. 22 ohne nachklang der endung in Über-
einstimmung mit neuumbr. castru-o Via 30. 32 etc. ^)
gleichwie vom neutrum vatu „kräpfelkuchen** •) der plu-
ral vatuv-u Ib 25 heifst in Übereinstimmung mit nea-
umbr. eatU'O Via 57. VIb 1. 19 etc., dann aber auch ka-
struv-uf Va 13. 18 mit einem dem casussuffix a nach-
tönenden v>laut, wie er in suesuv-uv Ib 45. IIa 44 sich
zeigt, welcher aber am wortende leicht in der ausspräche
zu f sich verdichtet und in kastruv-uf wirklich mit f
bezeichnet ist ^).
Auch ein aus stammhafbem u entwickeltes v ist wahr-
scheinlich mit f bezeichnet in manf taf. IIa 38 oder
manfe, wenn wir so mit Lepsius Inscr. Umbr. et Ose,
commentatt. p. 21 für manf easa lesen: manfe a8a(39)
vutu asam-a kuvertu. Zur aufhellung dieser stelle
hilft einigermafsen eine vergleichung mit VIb 25 eam
mani (25) nertru tenitu, arnipo eestisia foesticos, ca-
^ ) In der stäten rerbindung pequo castruoy in welcher beide nomina
auch immer als accusative des plurals fungieren, abhängig von einem imper.,
nämlich bald von pihatu Via 29. 89. 49. VIb 31, bald von seritu Via 83.
41. 51. VIb 12. 83. Vlla 16. 80. Wie aber pequo (= \&t. pecua) vom
neutr. stamm pecu ausgeht (A. K. II 159), gerade so castruo (altumbr. ka-
struvu) vom neutr. stamm castru, welcher auch den osk. casusformen des-
selben nomens in der tafel von Bantia, dem gen. ccutrous y. 13 und dem
abl. castrid v. 8, zu gründe liegt (s. oben s. 124).
2) S. zeitschr. XX 441.
3) Von dem neuumbrischen acc. plur. neutr. castru-o ist der altnmbri'
sehe accusativ plur. kastruv-u und kastruv-uf, welcher von der prilp*
pusti abhängt Va 20. 22. 13. 18, im genus nicht verschieden, weil die alte
und neue form zu den andern beiderseitigen neutra oben so sehr genau
stimmen und weil wir nicht annehmen können, dafs ein und dasselbe wort
im altumbrischen einem andern genus als im neuumbrischen angehöre; was
aber hauptsächlich das schliefsende f in kastruv-uf betrifft, so fällt zur
annähme eines accusativus plur. generis masculini, von welcher A. K IT 159
ausgehen, jetzt jeder anlafs weg, nachdem f für einen blofsen lautlichen
nachklang des u erklärt ist gleich dem schliefsenden v in svesuy-uv.
Umbrische sindien. läl
pirso subotUj wo ebenfalls von einer Verrichtung mit der
hand (mani abl.) die rede ist, nämlich: ^er soll die opfer-
schale mit der linken hand halten" (A. K. II 219) und wo
sub'Otu mit dem imper. vutu verwandt und formell leicht
zu vereinigen sein dürfte dadurch, dafs ein ausfall von v
aus urspr. *sub'Votu anzunehmen wäre gleichwie in sub-
-oca-u Via 22, welches im lateinischen sicher *sub't)OCO
lauten würde. Wir vermuthen nun, dafs manfe IIa 38
ein locativ ist, aus manuve IIb 23 syncopiert, wie berva
IIa 26. 33 aus ^berua (A. K. II 384) oder vielmehr aus
*beruva vom stamm beru in beru-s (abl. plur.) IIa 23. 35,
und glauben unsere stelle: manfe asa vutu, asam-a
ku vertu mit einiger Sicherheit zu übersetzen: in manu
aram — to, ad aram (se) convertito; übrigens können wir,
obschon wir die bedeutung des verbs vutu nicht kennen,
doch einstweilen daran erinnern, dafs der opfernde mit
der hand den altar berührte. Horat. carm. III 23, 17.
Brissonius de formulis p. 40.
Sehr klar stellt sich die sache bei tuf „duo" Ib 41
und neuumbr. desenduf „duodecim" VII b 2 heraus. Die
erste stelle Ib41: prinuvatu tuf tusetuta (42) hutra^
furu, sehmeniar hatutu, erklären Aufrecht und Eirch-
hoff II 296 (299): privati duas torrento (sc. juvencas); sie
halten also tuf für einen acc. plur., wobei sie selbst es
auffallend finden, dafs eben tuf die weibliche form sein
soll, „während doch nicht abzusehen ist, wie die männ-
liche irgend anders gelautet haben könnte^. Freilich wäre,
wenn der sinn richtig sein sollte, eine weibliche form nö-
thig und diese müfste nach analogie vom abl. plur. tu-
ver-e kapirus IIa 33 (A. K. II 386) im acc. plur. der
regel gemäfs tuvaf heifsen. Aber aufser diesem Wider-
spruch steht jener erklärung noch der umstand entgegen,
dafs sonst in prinuatur dur an zwei stellen die zahl dur
immer zu prinuatur gehört, nämlich VIb 50 eru-com pri-
nuatur dur etuto „cum illo privati duo eunto" und Vlla 46
et prinuatur dur . . . eso tasetur persnihimnmo „et privati
duo .... hoc taciti precantor". Demzufolge gelangen wir
zu einer nunmehr zweifellosen erklärung, dafs unsere stelle
9*
132 Savelsberg
Ib 41 prinuvatu tuf tusctuta bedeutet „privati doo
torrento^, die zwei Privatleute sollen yerbrennen, nämlich,
wie aus dem Zusammenhang hervorgeht, jedweder eine
junge kuh, ebenso wie der auftraggeber, von dem es vor-
her heifst: iveka perakre tuseiu (lies tusetu) . . ar-
fertur, „juveneam anniculam torreto . . positor^ '). Es
fehlt also nur das nominativsufBx s gleicherweise in pri-
nuvatu und in tuf, und hier ist f blofs eine lautliche
entwickelung aus u statt v.
In der zweiten stelle VII b 1 erec sveso fratrecate
portaia sevacne fratrom (2) Atiersio desenduf ist die bis-
herige erklärung bei Aufrecht und Kirchhofif II 305 (vgl.
zeitschr. VIII 218), dafs desenduf acc. plur. und object zu
portaia sei, die Vorschrift also heifse: er soll zwölf der
attidischen brüder tragen, wie sie ja bei A. K. II 305 und
308 lautet: portet . . fratrum Attidiorum duodecim, unmög-
lich anzunehmen, auch die Unterschiebung einer abweichen-
den bedeutung „zur stelle scha£Pen" durch nichts gerecht-
fertigt. Dann auch hat die auf diese Vorschrift verwei-
sende bezugnahme im folgenelen v. 3 sve neip portust isso-c
keine spur von einem acc. plur. wie eos^ sondern heifst:
si nee portaverit illud. Die construction ist einfach die,
dafs sevacne „sollemne" *), hier substantivisch so viel als
sollemne sacrificium, das object zu portaia bildet und von
diesem der genetiv fratrom Atiersio abhängt, also zu über-
setzen ist: portet sollemne fratrum Attidiorum duodecim.
Somit haben wir denn in desenduf ein indeclinables Zahl-
wort ohne casuszeichen vor uns und erkennen in desenduf
wiederum wie oben in tuf ein aus u entwickeltes v ^),
welches mit f bezeichnet ist.
^) Arfertar darf man wohl lat. positor übersetzen nach Cicero de
nat. II 3, 9 „cum auspicia posnerunt". Die bedeutung von perakre «jilh-
rig, anniculus** wird später nachgewiesen werden.
^) Den sinn von sevakni haben A. K. I 164 anm. 2 und 11 401.418
wirklich errathen, wie wir später genauer angeben werden. Substantivisoh
steht es sonst noch taf. IIb 8 sevakne naratu „sollemne (sc. sacrificium)
nuncupato**.
3) Das neuumbrische hat von der im altumbrischen häufigen eigen-
thttmlichkeit , aus dem vocal u den v-laut zu entwickeln (s. oben 8. 116),
umbrifiche stndien. 133
Gleiche erscheinungen bietet das 08 kis che dar. Aach
hier finden wir den v-laut am ende einer silbe vor conso-
nanten, nur öfter innerhalb eines wertes, z. b. in Luv- kis
(Enderis n. LI, 7) = Lucius, Nuv-krinum auf münzen
von Nuceria (n. LVI) = Nucerinorum, NiW-lanüs (n.
II 38. 47) = Nolani, lüv-freis (n. XLVII) = liberi
u. 8. w., was im umbrischen selten vorkommt, z. b.
klav-laf IIa33. klav-les IIa 36. IV 11; hauptsächlich
aber stimmen beide dialekte in der neigung überein, dem
u als wortauslaut ein v nachtönen zu lassen, wie im osk.
adv. puv „wo" cipp. Abell. 17, welches v dann im ans-
taut sich leicht in der ausspräche zu f verdichtet und
wirklich meist durch f bezeichnet ist. Wie wir nun jenes
adverb so puf geschrieben vorfinden in zwei pompejani-
schen Inschriften bei Mommsen unterital. dial. 185, taf.
XI 29 a. b. puf faamat „ubi habitat", so können wir
nicht umhin, den nominativ einiger abstracten Substantive
weiblichen geschlechts auf -tiuf: üit-tiuf cipp. Abell. 40
„usus", fructa-tiuf ib. 21 „fructus", tribarakkiuf ib.
38. 43 aus *tribarak-tiuf (Mommsen stadtr. v. Bantia p. 31)
„aedificatio" auf ein suffix -tiu mit nachtönendem v oder
f zurückzuführen ^); denn dafs f kein organischer, sondern
ein wandelbarer blofs im nominativ nachtönender laut war,
beweist der accusativ daselbst v. 53: eh[trad] [ü]it-
-tiüm • alttram „extra usum alterum". Wahrscheinlich
ist derselbe auslaut -uf aus -uv zu erklären im oskischen
einige reste behalten: aufser tuva Via 42 (= lat. tua), wovon oben 8. 116
die rede war, dürfte anch tover, welches VIb 30 zweimal vorkommt, statt
des gewöhnlichen tuer Via 27. 28 etc. (= lat. tuis), wahrscheinlicher mit
A. K. I 63 auf ehemaliges *tnvus zurückzuführen sein (vergl. osk. suveis
im cipp. Abell. 9. 35. senateis suvefs = senatus sni), woraus später
tovus wurde, als mit Corssen ausspr. 1 2 671 auf diphthongisierung *touerj
weil im altumbrischen die diphthonge fehlen. Sogar in der auflosung des
Suffixes -vo zu -uo (vgl. Corssen ausspr. I*^ 818) und der neuen lautverbin-
dnng -uvo stimmen neuumbrische beispiele saluvom Via 41 statt salvom
Via 51 etc., saluva Via 42 st. salva Via 31 etc. zu dem altumbrischen
aruvia III 31 st. arvia la 3. 9. 26 etc.
1) Aus A. K. I 167 ersehe ich, dafs schon Peter (im j. 1842) den-
selben weg der erklärung eingeschlagen hat, und bedaure, die abhandlung
nicht haben einsehen zu können; doch nach den bemerkungen der gegner
scheinen der gang der Untersuchung und die beweismittel von unserer aus-
Führung verschieden zu sein.
134 Savelsberg
Deutrum essuf oder esuf^ dessen bedeutung nach Corssen
in d. zeitschr. XI 408. 415 sowohl auf der altern tafel von
Pietrabbondante (Enderis n. XXVIII), als auf der jQngem
von Bantia v. 19. 21 „liegendes gut" sein soll'), welches
auf beiden tafeln vom censor (keenzstur, censtur) ab-
geschätzt wird.
Wie bisher ein dem u im auslaut nachtönendes v
durch f bezeichnet ist, so zeigt diesen nachklang auf dem
cippus von Abella v. 10 auch im inlaut das imperfect fu-
fans, welches 6. Curtius schon in der zeitschr. f. althsw.
1847 s. 486 richtig erklärt hat: die wurzel fu hat hier
gerade so, wie die skr. wurzel bhü im aorist abhüvam
— abhlivan(t) (s. Pän. VII 3, 88), aus u ein v entwik-
kelt, und die grundform der 3. pers. plur. imperf. *fovant
ist dann durch verschärfte ausspräche des v nebst Qber-
gang von t in s zu obigem fufans geworden.
IL Nachdem wir den gebrauch von f ffir v in den
unzweifelhaften belegen kastruvuf tuf desenduf nachge-
wiesen haben, können wir die annähme einiger forscher,
als folge aus umbr. f gegenüber einem b in entsprechen-
den lateinischen wortformen ohne weiteres die urspröng-
lichkeit des aspirierten labialen explosivlautes, wie nament-
lich Corssen ausspr. I* 167 ff. die lateinischen Wörter
stabulum und tabula wegen der umbrischen formen sta-
flare und tafle auf ehemalige italische formen *6tafiilo
^) Ob im umbrischen esuf dasselbe wort sei, ist noch nicht erforscht.
Ein Substantiv scheint es zu sein auf tafel IV 16: esuf testru . — m dex«
trum", desgl. IIa 40: esuf pusme herter ^rus kuveitu teftu „ — m,
cui placet, deis (?) convehito, dato **. An letztcitierter stelle ist es wenig-
stens vom pronomen demonstr. esu (A. K. I 135) verschieden; denn wenn
es diesem angehören sollte, so könnte es der regelmäfsigen declination zu-
folge nichts anderes als dessen acc. plur. sein, yras nicht möglich ist, weil
kurz vorher weder ein plural, noch viel weniger ein masculinnm vorausgeht,
worauf es allenfalls hinweisen würde. So bleibt denn nichts übrig, als
esuf für ein nomen generis neutrius zu halten, welches das object zu den
imperativen kuveitu te^tu ist. Femer glauben wir, dasselbe nomeB in
der form esu wiederzufinden auf taf. IIa 8: eu esum (3) esu naratu,
wo wir den accusativ des pron. demonstr. esnm vor seinem nomen (esu)
voll ausgeschrieben sehen (wie in esum-e-k csunu Ib 8) und dieses als
object zum imperativ naratu „narrato^ oder »nuncupato '^ erkennen, aber
sonst nicht sicher zu deuten vermögen. Vielleicht sind andere glücklicher^
das verhältnifs des umbr. esuf zum osk. esuf g^nz aufzuklärei),
nmbrische Studien. 135
und ^tafula zurückführt, nicht für begründet halten. In-
dem wir nun diese Untersuchung wieder aufnehmen, gehen
wir mit Corssen zunächst von den sehr gebräuchlichen
suflBxformen -bero -bro -bra -bri aus, folgen auch der wei-
tern entwickelung, dafs diese suffixformen sich nachher
vielfach zu -bulo -bula und noch zu -bili gestaltet haben,
indem sie alle offenbar die verwandelung der liquida r in
1 und den Übergang des vorletzten vocals e in o und u, sowie
auch des auslautenden o schliefslich bis zu i durchgemacht
haben. Wenn aber Corssen sie alle von der wurzel fer
„tragen" herleiten will, so dafs candela^bru-s candela-hru-m
candela-ber nichts anderes als eine Zusammensetzung „ker-
zen-träger" wäre, so verstöfst solche annähme gegen die
in aquili-fer cisti-fer spumi-fer stelli-fer beobachtete regel,
dafs die nomina aquila cista spuma Stella in der wirklichen
Zusammensetzung mit fer (statt fem s) ihr a zu i herab-
sinken lassen, nie aber, wie candela-bru-m ihr a behalten,
welches noch dazu vor -bro meist lang ist, wie in Velä-
'brum eolutäbrum ventiläbrum (Prudent. Apoth. praef. 53),
vor 'fer jedoch niemals. So ist denn auch salü-ber keine
Zusammensetzung mit /"er, wie eine solche allerdings in
saluti'fer deutlich vorliegt. Wir können überhaupt in den
nomina auf -bero -bulo -bili keine Zusammensetzung erken-
nen, sondern nur ableitung mit suf&xformen, die nahe mit
einander verwandt sind. Wir führen diese zunächst auf
ein sanskritsuffix -vara zurück, welches ihnen in jeder
hinsieht, unter anderm auch in dem wichtigsten lautwandel
von r in 1 entspricht. Die form -vara steht aber selbst
wieder im Zusammenhang mit dem adjectivsuffix -van,
welches im masculinum von der starken form -vant, der
eigentlichen grundform (L. Meyer, vergl. gramm. II 228),
blofs n, nicht aber t gewahrt hat, wogegen das femini-
num, von der schwachen form -vat gebildet, gewöhnlich
auf -vati, hier aber mit Verwandlung von t in r^) sehr
') Der lautwandel von t in r findet a) im sanskrit, griechischen und
lateinischen gleicherweise im gemeinschaftlichen präfix ati statt: Im sans-
krit stehen den normalen adjectiven ati-^iva „überaus lebenskräftig«,
lati-dar^in „weitsehen4** die verwandelten ari-gürta „sehr geehrt*, arj-
136 SavelBberg
oft auf -yari ausgeht, so: pat-vau pat-varl ^fliegend^,
vak-van vak-varl ^sich rollend, volubilis", ja^-van
jag-vari „opfernd**, abbi-bhü-van abhi-bhü-varl
„übermächtig^, rtä-van rtä-varl „gesetzmäfsig**, in wel-
chem adj. das verlängerte a von rta „bestimmt, recht,
ratus** zu bemerken ist (vgl. velä-brum) ' ). Hieran schliefst
sieh am engsten das griechische an, so dafs zu pl-van
pl-varl „fett, pinguis" das entsprechende griech. adj.
ni'CJv ni-Biga fast wie entlehnt erscheint, besonders in der
unzweifelhaft vorauszusetzenden altern gestalt ^nl-jrdnv *ni'
'jrigi-ai auf gleiche weise ist das fem. Tigoi-Biga aus ^ngcs"
-jrBQL-a hervorgegangen, welches stets contrahiert, als adj.
noch in vtjvg ngmgr] „navis ad versa, nach vorn gerichtet"
Od. |ti, 230 vorkommt, als subst. aber schiffsvordertheil
bedeutet und in alter normaler gestalt ngdeiga^ wie es
Herodian im Etym. magn. p. 692, 35 uns überliefert hat,
von Merkel (nach Bergk) bei Apoll. Khod. I 372 herge-
stellt ist, während das masc. nqoawv oder ngr]dv als durch-
aus selbständiges Substantiv „eine vorragende höhe" be-
zeichnet, im Sanskrit aber pra-vant (nom. sg. pra-vän)
„vorwärts gerichtet" reines adjectiv ist, dessen feminin
uns jedoch unbekannt ist; endlich hat Hesychios noch
'Ildcov und Udeiga verzeichnet. Dem femininum ist dann
in annähme des lautwandels von t in r bald das nentrum
gefolgt und so auf -var als Substantiv in gebrauch ge-
kommen, zwar nicht im sanskrit, aber doch im zend
§tuta „sehr gepriesen**, ari-dhäjas »gern milchend** (Kuhn in dieser
zeitschr. II 144), im griech. älterm dr-gf^aq (adv.) „sehr ruhig** (s. Verf.
quaest. lexil. 1861 p. 12) die verwandelten dgiSeUfroq »ausgezeichnet",
o^/-Jf/Ao$ „sehr deutlich**, fgit^tDog bei Hesychios igi^(oob<Ft' ndvv ^oid'if, —
im latein. den normalen nomina at-avus ad-faber (Gellius N. A. VII 7)
die verwandelten ar~vorsum ar-fuisse ar-vectum (Corssen, ausspr. I' 288)
gegenüber; — sonst noch b) im sanskrit in par-^a „feder** aus *pat-nA
(vgl. pat-ra „feder" ttt-^-^o,.) ^ Isit. penna aus pes-na bei Festus p. 209
für *pet-na, und im l Atein. meri-dies aus *medi-dies.
1) Fernere beispiele sind im sanskrit fnä-van neben fna-van ySchnld»
beladen, verschuldet**, im zend gaoshS-vare „ohrschmack**; ebenso sehen
wir vor dem normalem suffix -vant, -vati den vocal verlängert in skr.
a9vä-vant „rossereich**, pu§kara-vati „die lotusreiche*, — im griech.
xoTi,-€iq {xoTTj'^fvr) von xoTo? „groll**, dtvÖQtj-dq (dei'S(jfj-^t»r) von
dfvdgo-v „bäum**, rfXij-fCq (tfXri'J^fvr) von liXo^ „ende**, xijxo)-eiq {mijt»-'
^€vt) „schlundreich** von xriroq „meerungeheuer, eig. Schlund**.
nmbrische Stadien. 187
uruth-ware ^wachsthum^, gaoshä-vare ^ohrschmnck^,
pnä-vare „sehne*^, dap-vare „gesundheit** (wo im nom.
und acc. das e blofs nachtönt, daher instr. dap-var-a,
dat. dap-var-ö); im griech» nl-(j:)aQ ^das fett** und axi-
iB'CfBQ ßoXov ovo^a' ^dxojvsg „zwiebel" bei Hesychios
jpttr cfxdke-/r6Q^ eig. getrocknetes (vgl. (fxkrj-Qog ^tjgog axig*
()og), xdgfj'{j:)ag „haupt** u. a. bei L. Meyer II 230; — im
lat. papä'Ver „mohn**, cad-ä-ver ^leichnam nriZtia^^ pul-eis
pul'Ver-is „staub'*, verwandt mit pollen und nal-vv^co]
dann mit b für v*): ju-bar „glänz, licht** aus *dju-bar
wie JoV'is aus Djov-is nach Varro 1. L. V 6fcl und ver-
wandt mit skr. dju-van „sonne, himmel", tu-her „ge-
schwulst**. Nachdem einmal vom suffix -vat durch den
lautwandel jene Feminina auf -vari und in vielen sprachen
auch neutra auf -var aufgekommen waren, lag es nahe,
auch masculina daran theil nehmen zu lassen, entweder,
wie im latein, die adjectiva als communia zu brauchen:
al-e-bri „nahrhaft", felle-bri „saugend", lugu-bri „trauernd",
Septem-bri „ der siebente ", Octo-bri Novem-bri Decem-bri^
mulie-bH statt ^mulier-bri „weiblich", oder zur bildung
eines masculins auf -vara mit neuem feminin -varä und
neutrum -varam überzugehen, also skr. adj. pl-vara-s,
-ä, -am „fett", sthä-vara-s, -ä, -am „feststehend", —
im griech. m-(^)a()o-g, -a, -ov „fett", öxsle-cfgo-g^ -cf, -oi/
„trocken" (Hippocr.) mit cp für j: und synkopiert aus ax«-
?„e'j:ag6'g, — im lat. cre-6er(-w«), -6ra, -brum „dicht, häufig**
von WZ. cre „wachsen", — auch substantiva: im sanskrit
Ip-vara-s „herrscher", kar-vara-m „werk, that", im
zend than-vara fem. „bogen" (eig. spannbar), im latein
candela-bru-s (Caecil. bei Non. p. 137 G) „leuchter", late*
'bra „ Schlupfwinkel ", mem-bru-m „ glied ", eig. „kleines
ding" aus *min-bru-m von wz. min minuo nach Corssen
beitr. 352. Dazu kam ein neuer lautwandel von r in 1:
im sanskrit kräl-vala-s „ackerbauer" von kräi ara-
* ) Wie in bubile aus bovile, ferbui ans *fer7ui, bis aus vi- in vi-ginti
(griech. ^/-x«Tt, skr. vin-9ati), dubius ans ♦duvius (wie doioq aus •Jq/'to?,
8. Verf. de dig. p. 20).
138 Savelsberg
tio, nad-vala adj. „mit Schilfrohr besetzt**, n. „röhricht",
ürgas-vala adj. „kräftig", ku valajä-vall, name einer
fürstin, eig. „wasserlilien-reiche", bahu-stavä-vali, titel
einer Sammlung von hymnen, eig. „vielhymnen-reiche", —
im griech. ni-{j:)aXo'g bei Hippokrates; — im latein fri-
volu'S „zerbrechlich, werthlos" von fri^are „reiben", ta-holß
C. I. L. 196, 26. 208, später ta-bula, „brett, tafel" aus dem
in ta-ber-na „ bretterbude " enthaltenen ^ta-bero („brett"
von WZ. ta, s. v. a. ten, also eig. „ausdehnung"), concilia"
-bole-is C. I. L. 198,31, terri-bola im gloss. b. Mai Cl.
auct. VI 548, a. VIII 593, a und y^terri-bula formidolosa"
im gloss. Ampi. 383, 196, später terri-bili-s „schrecklich"
und zwar „schreckenerregend" mit activer bedeutung, wie
manchbili'S adjuta-bili-s ^ meist auch adula-bili-s^ penetra-
'bili'S (Däntzer, lat. Wortbildung p. 106), so dafs die ver-
gleichung des deutschen Suffixes -bar im passivischen heil-
bar^ sichtbar (Corssen ausspr. 1*169) nicht immer pafstund
nicht gerechtfertigt ist, pati-bulu-s „ausgebreitet", sta-bili-s
„feststehend", mit skr. sthä-vara-s zu vergleichen, in
älterer gestalt in-sta-bulis (s. Schuchardt, Vulgärlatein II
232). Zuletzt ist auch das beachtenswerth , dafs sich in
Italien in der Volkssprache aufser der endung -bilis noch
manche adjective, die auf einem altern Standpunkt stehen
geblieben sind, bis auf den heutigen tag behauptet haben,
wogegen die übrigen romanischen sprachen solche adjectiva
nur aus der Schriftsprache erhielten oder ihr nachbildeten,
wie span. agible^ movible, voluble, port. defensavel, franz.
croyable, vendable^ tenable. Die italiänische spräche aber
hat neben der allerdings gröfsern zahl der aus der Schrift-
sprache entnommenen adjective, wie amabile stabile terrt"
bile, doch noch viele aus ältester periode des lateinischen
herstammende und fortgesetzte bildungen wie lagrimevole
(lacrimabilis), ßevole (flebilis) „schwach", piaceDole „ge-
fällig", agevole „gelenkig", cadevole „hinfällig", nur noch
eine auf -abole cambiabole (Diez, gramm. d. rom. spr. II 268)
„veränderlich", sogar auch mehrere aus nomina abgelei-
tete: amorevole „liebreich", fratellevole „brüderlich", mae-
Stevole „majestätisch"^ wie lat. mulie-bri-^ ai|s ^mulier-bri-s^
umbrische Stadien. 139
fune-bri'S aus *funer-bri-8, salü-bri-s aus *salut-bri-s (Cors-
sen beitr. 357. 358); aber einen anklang an das lat. fero
bietet das italiänische nirgendwo, sondern es hat das alte
fero »ich trage ^ in wirklichen Zusammensetzungen dessel-
ben unverändert gelassen, wie pomi-fero „äpfeltragend^,
frutti'fero „fruchttragend** zeigen.
Nachdem uns nun fOr das lateinische das sufBx in sei-
ner grundform -ter und seinen wandelungen -bero -bra
"briy ferner -volo -bolo -bola, -bulo -bula, -buli -bili festge-
stellt zu sein scheint, kann auch die Schreibung desselben
mit f in den umbrischen Wörtern ta-fle stafl-are pur-
ti-fele (portabilis) und im lat. Vena-frum kein anlafs
mehr sein, die ableitung von fero anzunehmen, wozu Cors-
sen sich hautsächlich durch das f bestimmen liefs. Denn
der nahe liegende gedanke, dafs durch jenes f vielleicht v
bezeichnet sein könne, wird für das lateinische von zwei
grammatikern ausdrücklich bezeugt. So sagt Priscian I 12
(ed. Hertz): j: Aeolicum digamma, quod apud antiquissi-
mos Latinorum eandem vim quam apud Aeolis habuit,
eum autem prope sonum, quem nunc habet, significabat
p cum aspiratione. Noch bestimmter spricht Cornutus
d. orthogr. p. 2282 P. : Est quaedam littera in f litterae
speciem figurata, quae digamma nominatur, quae duos
apices ex gamma littera habere videtur. Äd hujus simili-
tudinem soni nostri conjunctas vocales * ) digammon ap-
pellare voluerunt, ut est votum eirgo : itaque in prima syl-
laba et vocalem oportuit ^oni ^otum jrirgo^ quod et Äeoles
fecerunt et antiqui nostri, sicut scriptura in quibusdam
libellis declarat. Wirklich begegnet uns gerade aus Cor-
nutus zeit in einer römischen inschrift I. N. 6769, 191
vom j. 70 n. Chr. Prifernius statt Privemius^ ein gegen-
stQck zu Venäfrum, welches ,jagdrevier'* heifst von vS-
1 ) Diese nicht ganz deutliche ausdrncksweise hat wohl den sinn , dafs
die Griechen verbundene vocale des lateinischen lautes, nämlich ovt wie sie
z. b. Dionys von Halicamafs Antiq. Rom. I 20 in Ov^Ua etc. braucht, durch
das zeichen^ ersetzten und dieses von der gestalt digammos nannten.
Corssens änderung (ausspr. P 187) „sonum nostrum conjunctnm vocali'*
scheint etwas gar tief einzuschneiden.
140 Savelsberg
nare „jagen'* nach Corssens deutung (beitrage p. 354), die
trotz des kurzen e von Venafrum doch sehr wahrschein-
lich ist. Was ältere belege betrifft, so kann man nicht
umhin, die Verwandtschaft des griech. gly-og ^ly-ica mit
dem lat. frig-us frig-eo anzuerkennen und für das griechi-
sche den nicht seltenen abfall des anlauts/* aus xxrs^r, jrQiy
anzunehmen (nicht etwa eines r/^, das ja so ohne weiteres
nicht abfällt) ^ ), für das lateinische aber Verhärtung des
w-lautes zu f zu folgern. Ebenso verhält es sich mit
frang-o und QT^y-vv^i: da hier der ehemalige anlaut /*
von Tryphon na&, AeJ. § 11 ausdrücklich bezeugt ist, so
müssen -^n jrgay und lat. vrag als wurzel aufstellen oder
als möglichst ursprüngliche gestalt der wurzel vielmehr
/qax wegen pi^aaoD bei Hippokrates und sonst noch paxog
„fetzen, lumpen", wie auch wegen der sanskritwurzel
vra^k oder vrap (woraus fut. vrak-äj ati aor. a-vräk-
-ält, desid. vi-vrak-äati) „zerreifsen'*, von welcher auch
skr. vrka-s „wolf", griech. kvxo-g (urspr. *flvxO'g)^ lat.
lupU'S^ Sabin, irpus, nord. varg-r stammen, so dafs aus
den andeutungen vieler sprachen unzweifelhaft vrak als
grundform und vrag als deren erweichung sich ergibt.
Wiederum steht f vor r in nefrendes „nieren'', gr, vecfQoi^
sicher für v. Festus berichtet über mehrere wortformen
p. 162 M: Pro nefrendibus alii nefrundines intelli-
gunt, quos usus recens dicit vel renes vel testiculos, quos
Lanuvini appellant nebrundines, Graeci vscpgoig^ Prae-
nestini nefrones. Wenn nun schon der Lanuviner Schrei-
bung nebrundines eine brücke zu *nevrundines oder *nc-
vrones bildet, so ist aus andern verwandten sprachen das
althochdeutsche niero zu erwähnen, noch wichtiger aber
das nordische wyra, welches auf *niura^ wie nyr „neu" auf
*niu (Grimm, d. gramm. I* 51. 292), und somit auf eine
wurzel nev oder nw zurückweist. Wir finden auch wirk-
lich eine wurzel niv im sanskrit mit der bedeutung „fett
werden" angegeben, welcher im griech. vecp wie im lat. nef
1) Für ^^iyf(o zeugt xaidfji^riXa Od. l 226, urspr. xaTofijfyfjXa^ ^(^^
yijffoi^ urspr. f^gCytjffa.
umbrische stndiea. 141
oder auch neb (in nebrundiDes) gegenQbereteht, ähnlich
wie der skr. würz, sev „verehren" die griech. würz, aeß
in aißeC^ai und der skr. wz. mlv „schieben" das griech.
Yerh. äfjieiha) nebst dfieiß-co „ich wechsele^ und lat. mov-o^)
entspricht, und welche nicht minder. in ihrer bedeutung
zur benennung der nieren- und mastsch weine ^) geeignet
ist, wie auch zu nefrenditium pafst, was „eine jährliche
in fleisch, namentlich Schweinefleisch, bestehende leistung"^)
war. In allen diesen fällen ist es sehr begreiflich, dafs
gerade vor r als einem consonanten der w-laut^ wenn er
nicht zum vocal werden^), sondern consonantische geltung
behalten sollte, leicht entweder zu f sich verhärten, oder
aber, wie im griechischen so oft, sich ganz verflüchtigen
konnte, daher einerseits frigus frango^ andererseits piyog
QYiYWfAi sich schliefslich so verschieden gestalteten. Die
Griechen behielten zwar den consonanten j: auch wohl
vor Q bei, wie in der erztafel von Elis C. I. G. n. 11
fgdxQa „vertrag", jedoch in den handsehriftcn, in welchen
ß im ganzen kaum ein paarmal sich findet, erscheint weit
^ ) Aus dem alten lat. mov-o und durchgängig noch am besten aus den
griechischen verben gewinnen wir die voranssetzlichen grundformen vfj^ (TfJ^
{a)fii^. Diese sind sicher aus urspr. nu su mu guniert worden, was auch
von den sanskritwurzeln anzunehmen ist, jedoch ward das hier aus u ent-
standene av zu iv geschwächt und dieses wieder theils zu iv verläugert,
theils zu ey guniert, also niv sev miv (was auch sonst geschah, z. b.
in iks „sehen" gegen aks-i »äuge**). Denselben Vorgang gewahren wir
im griechischen von o^fi'-oj zu anBiß-w (vgl. rlfridun- und ({ffirUu,), wie
denn dieses verbum in den drei verglichenen sprachen am lehrreichsten ist:
von den für vff afß [xr^ aufgestellten grundformen nu su mu ist noch
ein particip mü-ta von mlv übrig in kSma-müta „von liebe gedrungen**
und das aus solchem particip gebildete adjectiv mü-tuib-a (ganz wie mov'
') Diese zweite bedeutung folgt aus Varro de re rust. II 4, 17 „(Porci)
amisso nomine lactentis dicuntur nefrendeSf ab eo quod nondum fabam fren-
dere possunt, i. e. frangere** und aus Fulgentius Expos, serm. antiq. p. 659,32
«Coeperunt efferre porcum castratumj quem nefrendum vocabant, quasi sine
renibus**, deren beigefügte etymologien aber zu widerlegen überflüssig wäre.
— Eine dritte bedeutung „ widder ** berichtet Paulus Diac. bei Festus p.
163 M.: Kefrendes arietes dixerunt.
') Nefreitditium annuale tributum, quod certo tempore rustici dominis,
yel discipuli doctoribus afferre solent, duntazat sit carneum, ut porcellus**.
Gloss. Isid.
*) Wie in Qtv-^ia und Zfi'-q ioi gegensatze zu PHOFAJSI auf dem
Amiadas-denkmal von Corcyra und zu JIFI C. I. G. vol. I p. 886 und wie
im lat. gaU'd-eo und au-d-ax im gegensatze zu gav-isus und av-idus»
142 Savelsberg
öfter (f^ besonders vor gi in vecp^goi QiSLit vs^-goi wie lat.
nef-rendes^ in q)Q(ia(S(a und (pQccyvvfAi^ das in der form und
vollends in der Bedeutung „ einschliefsen *^ mit ^ig/wf^u
(dessen anlaut j: aus {figyvv Od. x 238 folgt) überein-
stimmt (Lobeck Path. el. I 495), und in axels-cfgog „trok-
ken" (Hippocr.), das wir oben s. 1 37 mit dem suffix -jrego
gebildet sahen, gerade so wie lat. Vena-frum für Vena-vrum.
Aber im italischen geht der gebrauch des f für v noch
weiter: wir sehen vor r auch über einen zwischenliegen-
genden vocal hinaus das f für v eingetreten ^ ), einmal in
dem genannten Prifernius^ einem adjectiv von Pri-ver-num^
welches nach Corssen ausspr. I* 780 von pri-ee-rus^ einer
Weiterbildung von pri-vu-s eig. „hervorragend" und dann
„gesondert, einzeln^), mit dem suffix -no abgeleitet ist
und wahrscheinlich einmal „hervorragender ort, vorort"
hiefs; dann im namen der Stadt Formiae, über welchen
Strabo V p. 233 angibt: i^rig 5h 0og/i4iaL ylaxoovixov
XTiöfia kariv^ ^Oqfiiai, ksyofisvov Ttgorsqov Svcc xo evogfiov
und Paulus Diac. ebenfalls gute notizen hat p. 83 M.: For-
miae oppidum appellatur ex Graeco, velut Hormiae, quod
circa id crebrae stationes tutaeque erant, unde proficisce-
bantur navigaturi. Der lateinische anlaut f führt, wie in
obigen analogen fällen, so auch hier, auf urspr. v zurück,
welches auch im griechischen ursprünglich anlautete, wie
aus der glosse ßvqfAog <rTai9jLi6g bei Hesychios hervorgeht,
das aber später, wie so sehr häufig, zum Spiritus asper
geworden ist; ein anlaut er aber, den Curtius grundz.^331
mit Christ lautl. 174 für eine grundform *(tfogfAtm auf-
stellt, hat keine begründung ^). Indem wir also, um die
etymologie von clg-f^o-g „rhede, ankerplatz" zu finden, von
^) Aehnlich ist in fundus gegenüber skr. budhna-s ein rückwirkender
einflufs des wurzelauslautes auf den anlaut zu erkennen, desgleichen im lat.
fidelia und in qpt^axi?/ gegenüber ntd-äxnj u. a.
^) Festus p. 253 M. : Priveras mulieres privatas dicebant.
3) Die alte deutung des namens hat Bugge in d. zeitschr. XX 19 ge^
gen die Verdächtigung Corssens ausspr. I ^ 148 gerechtfertigt und die entste-
hung eines f aus v in mehreren lat. wörtem nachgewiesen, besonders über-
zeugend in formica ^ameise^ XX 15. 16. 24, welches er nebst griech. ^i;^-
/MO?» fniQuij^^ ßvof4a^, ßoQ^al auf eine gemeinsame grundform varmi zu-
rückführt, die auch dem skr. valroika „ameisenhaufe** zu gründe liegt| aber
selbst wieder jünger ist als ved. vamrä.
uinbrische Stadien. 143
poQ'fio-g ausgehen, vergleichen wir jetzt als stammver-
wandte die sanskritnomina var-man n. „ schutzrüstung,
panzer^, überhaupt „schutzwehr, schirm'' und var-ana n.
„wall, dämm'' von der wurzel var „bedecken, umschlie-
fsen, hemmen, wehren", so dafs wir demnach in oQ-fxo-g
einen „bedeckenden, schirmenden ort" bezeichnet finden.
Im griechischen ist ein alter w-laut ferner nach a ein paar-
mal zur aspirata q) verhärtet in ctfo-g (st. Ofo-g) skr. sva-s
lat. suu-s und in acpoyyo-g goth. svamm-s (Curtius grundz.*
549) lat. fungU'S^ welches, den Griechen entlehnt, nur das
anlautende s abgestreift hat, und endlich dient ^ einige-
mal dazu, j: als einen aus v lautlich entwickelten und ihm
nachtonenden w-laut zu bezeichnen in avq)e6g „Schweine-
stall" lat. suile statt (fvfsog^ in elXvcpcc^co statt eikvfd^w
u. a. (s. Verf. de digammo p. 27. 28). Auf ganz ähnliche
weise fanden wir den w-laut durch f vertreten in der os-
kischen verbalform fufans in dem vertrag zwischen
Nola und Abella v. 10. (Sieh oben s. 134).
Wir kommen endlich zu den formen ta-fle sta-fl-
-are und purti-fele im umbrischen, wo das kurz
vorher besprochene sufBx stets nur mit f geschrieben vor-
kommt, während die ihnen muthmafslich entsprechenden
lateinischen Wörter mit b geschrieben werden: tabula sta-
-bularius porta-bilis. Dann kommt noch für das offenbar
verschriebene fape-fete IIb 9 die höchst wahrscheinliche
emendation fape-fele (A. K. II 342) hinzu, ein adjectiv,
welchem ein von facio regelrecht (wenn auch nicht wirklich)
gebildetes lat. adj. "^facibilis neben facilis^) entsprechen
würde, und welches sodann sicher der regelmäfsigen bedeu-
tung der umbr. verbalwurzel fak „opfern" folgen mufs, also
„zum opfern geeignet, sacrificalis" bedeutet, gerade wie
skr. jag-varl (fem. vom adj. jag- van, wz. jag opfern")'),
und so wirklich an seiner stelle pafst IIb? — 9: si per-
akne sevakne upetu . . . arviu ustetu, eu naratu,
puze fapefele sevakne i. e. „suem anniculam sollemnem
1 ) Wie uti'bilUs Plaut. Bacch. fr. 1 neben uti-li-s.
*) Rig-Veda I, 3, 1 : A9Vinfi jagvarir isö . . . Kanasjatam i.e.
Asvini! sacrificales cibos . . . gratos habete.
144 Savelsberg
impendito . . . — a obmoveto, ea narrato, ut sacrificalem
sollemnem (sc. suem narravit)'^. Aebnlicb ist die anwen-
duDg von pur ti feie in opfergebräucben taf. IIb 24. 25:
Jupater Sa^e, tefe estu vitlu vufru sestu. Purti-
fele trijuper teitu, trijuper vufru naratu. »Jupi-
ter Sance, tibi istum vitulum varium') sisto. Portabilem ter
dicito^ ter varium narrato". Geben wir zu tafle über, so
kennen wir seinen sinn in der einzigen stelle IIb 12, an wel-
cher es vorkommt, und deren fehlerbafte wortabtbeilung
wir oben s. 100 berichtigt haben: taflce* pir "fertu „er
soll auf einer platte feuer bringen'^. Auch wird es ans
leicht, die grundform des wertes zu erforschen, weil es
in mehrern verwandten sprachen in besser erhaltener ge-
stalt sich vorfindet. Das umbrische ta-fla so wie das
lat. ta-bula oder ältere ta-bola (SC. de Bacch. 26) ist ein
femininum von einem masculinum *ta-ber oder vielmehr
*ta'bero, von welchem durch neue sufQxe das deminutiv
tabella „brettchen, täfeichen" aus urspr. *ta-bero-la, wie
libellU'S aus *libero-lu-s und die Weiterbildung tct-ber-na
„bretterbude", synkopiert aus *ta-bero-na wie in-fer-nu-s
aus *in-fero-nu-8, abgeleitet sind. Mit der lat. grundform
^tabero stimmt im sanskrit sehr genau tä-vara (neutr.)
„bogensebne", auch im zend annähernd than-vara (fem.)
„bogen*^ überein, nur ist hier die wurzel aspiriert und zu
than erweitert, im sanskrit aber ta geblieben und nur zu
tä verlängert. Es unterliegt nunmehr keinem zweifei, dafs
leLt.*tabero und tabula sowie umbr. tafla aus einer urform
*ta-vara hervorgegangen, also b und f aus ehemaligem v
verwandelt sind. Die grundbedeutung ist, wie schon Cors-
sen beitr, 359 gut entwickelt hat, „ein ausgespanntes ding%
nur in den von den wurzelformen ta und ten abgeleiteten
Wörtern der einzelnen sprachen auf mannichfaltige weise
specialisiert: skr. tävara „bogensehne", lat. tabula „aus*
gespannte platte, brett" und taberna „bretterbude, zeit",
zend thanvara „bogen", griech. r^i^-wv (wahrscheinlich
urspr. TsV'jriov) „sehne", ahd. dona „schlinge".
*) vufru „varius, bunt" nach Grafsmann in d. zeitschr. XVI 194.
limbriBcbe Stadien. 145
Ob stafli auf tafel la in der 30. und 31. zeile, wel*
che vielfach übereinstimmen mit den zeilen 37 — 40 der
tafel VIb, ein anderes wort sein soll, als das in letzterer
stelle dreimal vorkommende adj. staflare^ ist sehr zu be-
zweifeln oder vielmehr entschieden zu verneinen, nachdem
Aufrecht und Kirchhoff in den umbrischen Sprachdenk-
mälern II 223 dasselbe so wie es da auf tafel la v. 30
und 31 vertheilt ist, STA8-IU-IVCESMIK (staf.li:iuves-
mik) für verschrieben aus STA8-IUADEESMIK (staf-
-lare esmik) erklärt und es sehr wahrscheinlich gemacht
haben, dafs solche Verwechselung in einer copie aus un-
deutlichen schriflbzeichen eines altem Originals im nationa-
len aiphabet leicht habe entstehen können: l'l statt A, V
statt D (== K), C statt E. Wir erhalten nunmehr la
30. 31 staflare . esmik .vesti^a' afiktu . . tutaper*
Ikuvina* feitu nertruku* peri, womit jetzt die neuum-
brische fassung VIb 39 vestisiam , staflarem.nertruko.persi
(sc. fetu^ vgl. A. K. II 226) flbereinstimmt. Eine zweite
Verbindung, die ebenfalls zweimal vorkommt, ist pesondro
staflare VIb 37. 40. Jedoch die bedeutung können wir in
den beiden gröfstentheils noch unentzifferten stellen la
30. 31 und VIb 37—40 nicht entdecken; nur so viel dür-
fen wir vermuthen, dafs staßare ein adjectiv ist, welches
gewifs von einem Substantiv, wie wenigstens im lateini-
schen die adjectiva auf -ari-s in der regeP), also von
^staflo abgeleitet ist. Dieses ist um so wahrscheinlicher,
als vom entsprechenden lateinischen Substantiv stabulum
ein adjectiv auf -arith-s^ das jedes falls den adjectiven auf
-ari'S nahe steht, nämlich stabul-ariu-s , wirklich vorhan-
den ist und gerade die bedeutung der Zugehörigkeit hat^
die sonst vorzugsweise den adjectiven auf ^ari-s eigen-
thümlich ist (Corssen, beitr. 332), also in dieser hinsieht
kein gegensatz zwischen umbr. staflare und lat. stabülarius
denkbar ist, sondern für beide dieselbe bedeutung „zum
stalle gehörig^ anzunehmen ist. Für das dem umbrischen
1 ) Corssen beitr. 882. Ausspr. P 222 ^ selten von adjectiven abgeleitet,
wie singul-ari^, coelib-aris (bei Festus p. 62 M.).
ZeiUcbr. f. vgl. sprachf. XXI. 2. 10
146 S*v«Ub«rg
staßare zu' gründe liegende subst. *8taflu-m müssen wir
ebenso wie für das lat. stabulu-m die indogermanische nr-
form ^stavara voraussetzen, von welcher auch das adj. sia-
bulis instiibulis (s. oben s. 138), später stabilis^ ausgegan-
gen ist, in der bedeutung aber unterscheidet sich dieses
von jenem so, da^8^das adj. stabilis gleichwie das skr. adj.
sthävara „feststehend^ bezeichnet, das subst. stcAulum
aber „das zum stehen dienliche, den Standort, stall ^ be-
deifttet.
Somit sind alle gestalten des in rede stehenden Suf-
fixes, von "Ver und •bero an bis zu -bili auf die indoger>
manischen grundformen -var -vara zurückgeführt wor-
den, auch das umbrische -feie auf das skr. suffix -varl,
wie wir es im umbr. adj. fa 90 -feie gegenüber dem gleich-
bedeutenden, nur von einer andern wurzel gebildeten skr.
adj. jag-varl (fem.) „ sacrificalis ^ gesehen haben« Hs
ist also die bezeichnung des v- lautes durch das ähn-
liche, nur härtere f, die auch im griechischen nicht fehlt,
für die italischen sprachen in weiterem um&nge erwiesen
worden: erstens durch die Zeugnisse der grammatikerComn»
tus und Priscianus, dann durch lat. frigus frango nefrendet
Vmafrum Prifemius Formiae, sogar durch oskisches fu-
fans für *fuvans, endlich durch die umbrischen Wörter
tafle staflare fapefele purtifele.
12. Lautwandel von v in h.
Das umbrische verwandelt den v-laut zwischen Kwei
vocalen oft in den blofsen hauch h, wie dies z. b. bei der
vergleichung desselben verbalausgangs in den zwei prä«
sensformen iub-ocavu und stahu sich zeigt. Es ist der-
selbe lautwandel, welcher bekanntlich auch im griechischen
oft, hauptsächlich am anfang der Wörter stattfand, indem
böotisches und zugleich normales jrioTogag (s. bei Keil in
d. n. Jahrb. suppl. IV 521 v. 25) attisch zu t<fTOQig^ daaii
die digammierten normalen Wörter in der lokrischen an-
siedelungsurkunde (Oeconomides, Patto colonario de' Locri
p. 54) V. 9 j:6xa(fTog — v. 10 ^£ana()ict)v — v. 12 j^iKOVwa^
umbfiseh« itadien. 147
— * ▼. 38 /rsfaärixora attisoh zu f^xaatog — iünegliav —
ixowtag — ^aStjxora wurden, auch in der mitte der Zu-
sammensetzung PENTAhETHPIAA auf den berakleischen
tafeln I 105 das digamma von FETOZ I 51.53 in den bauch
h übergieng. Im umbriscben baben nun scbon Aufrecbt
and Eirchboff umbr. spr. I 64 das part. perf. pass. como-
hata (abl. sg. fem.) Via 54 aus *comm6v%ta und das ver-
balsubstantiv prqi>lokotatu (abl. sing, masc.) Vlla 49 aus
*prepl(witatu erklärt, welcbe letztere form wir nur genauer
*freplof)etatu schreiben möchten mit beibebaltung des im
umbriscben, wie auch im lat. Terb perplovere („durch-
tröpfeln^) bei Festus p. 250, überlieferten vocals o. Der
bindeTooal o, den beide umbrische Wörter aufweisen, wie
auch das lateinische in tonotm^), war nicht ursprünglich,
sondern erst durch vorwärtswirkende vocalassimilation
(Gorssen ausspr. II* 372) aus älterem bindevocal e her-
vorgegangen * ), welchen das umbrische in virseio a-mrseto
u. a. participien (A. K. II 15 t), das lateinische in geneirix
und moletrina gewahrt haben (Gorssen ausspr. II* 296).
Die den zwei nominalbildungen preplohotatu und comohota
zu gründe liegenden verba folgten ganz wahrscheinlich,
wie das lat. pl<w^e perplov-ire und noch jenes alte mot?-
-^e, welches in einem Überrest, dem conjunctiv semo-
▼ant{ur], 1. agr. G. 198, 49 erkennbar ist, der primitiven
conjugation (der lat. sog. dritten) und hatten dieselben
stamme, wie diese lat. verba, plov und mov.
Das umbrische hatte aber nicht nur den Übergang
des V in h mit dem griechischen gemein, sondern auch
dessen wegfall, wie ihn dort iaSr^xora gegenüber lokr.^6-
^eeSfjxora zeigt, und die dann oft erfolgende contraction,
wie dort idXioxa {iväkwxev in Anecd. Ox. III 237) in att.
rjlcoxa übergieng; denn auf entsprechende weise wurde
umbr. preplohotatu VII a 49 nach dem ausfall des h in pre-
plötatu VIb 60 contrahiert.
^) In der Appendix Probi p. 198, 82 K.: «tonitrn, non tonotrn", wel-
ches letztere gegen toniiru zorttckgesetst wird, wohl als veraltet
> } wie auch im griechischen das c einem vorhergehenden o sich assimi-
lierte in lIjokofjiaTo^ ans nroAe/noc*
10*
148 dArelflberg
Der lautwaüdel vod v in h bat ohne zweifei aach in
den participien gihitu angihitu VIb 59 (acc. pl.), ^At^tr
angihitir VII a 14. 28 (dat. pl.) statt gebabt, was wir be-
sonders aus der contraction cttir VII a 13 folgern müssen.
Nehmen wir also ^iv als wurzel an (lat. cio und cieo)^ so
können wir zur vergleichung eines passenden sanskritwor-
tes übergeben, nämlich die von Corssen beitr. 225 sehr
bestimmt gefalste erklärung des particips (aoe. pl.) ^hitulf]
als ,,die zur Versammlung des heerbaones berufenen^ mit
dem sanskritnomen ^iv-ira-m ^lager, hoflager^ yereini-
gen, welches der form nach aus wurzel piv und suffix
-ira besteht, wie dieses aus zahlreichen mit sufBx -ira
abgeleiteten nomina bei Benfey vollst, sanskr« gramm. p. 169
§.419 zu ersehen ist, und der bedeutung nach gewifs an-
gemessen als „berufungsort^ gelten kann, analog wie skr.
ag-ira-m „hof^, eigentlich Versammlungsort, griech.
äyoQce, ist.
Beide laute, v und h, treffen wir in zwei bereits oben
genannten umbrischen präsensformen von derselben ver-
balendung an, in sub-ocavu „ich rufe an^ (lat. invoco) und
stahu „ich stehe^ (lat. sto). a) Das erstere erscheint erst
auf der späten tafel VII a 20. (2 mal) 22. 23. 33. 34. 36
(2 mal); es hat aber dennoch vor der auf tafel Via und
VIb fünfzebnmal vorkommenden präsensform sub-ocO'U
wegen normaler formation den vorrang ebenso wie preplo-
hotatu VII a 49 vor preplotatu VIb 60. Jene vollere form
sub'OcaV'U zeigt uns neben der personalendung -u, die
sonst noch in se-st-u IIb 24 {\sit. sisto) vorliegt, einen
aus wurzel oc (urspr. voc in lat. voc-s ')) erweiterten ver-
balstamm sub^ocav; die andere form sub-oca-u hat gerade
den auslaut des Stammes verwischt, übrigens keine vreitere
Veränderung erlitten*).
M ^g^- prae-c-o aas ♦prae-voc-o nach Corasen aiuspr. I^ 816, wo-
bei die mittelstufe *prae-oc-o gewesen sein mag; ebenso proz bei Festns
p. 253: Prox, bona vox, velot quiddam praesignificare videtur.
3) Sie hat nicht etwa contraction von a and tt za «ihem diphthongen
au erfahren, weil das umbrische keinen diphthongen an kennt, sondern ist
nach wie vor mit gesonderter personalendung, wie ngo-rtudbt vor seiner
contraction, viersilbig ausgesprochen worden.
ambrifdit itaditiL 149
b) In staku auf dem steine zn Asaisi ( A. E. 11 390)
finden wir eine der oben angedeuteten übergangsstufen von
▼ Aber h snm gänzlichen schwinden jedes hauches, näm-
lich die mittelstufe : eine Verwandlung von urspr. *8tavu in
staku. und diese verbalfonn ist nicht die einzige der art,
sondern die iguvinisehen tafeln enthalten noch einige andere
eben vom verbalstamm stah: das futur stah-e-ren taf.
Ib 19^ den imperativ sing, stah-i-tu Vlb 56 und pl. stak"
-f-lirfo Vlb 53.
Schon diese wenigen verbalformen in Verbindung mit
$ub'Ocav-u legen die vermuthung nahe, dafs die abgeleitete
erste conjngation im lateinischen ehedem solcher flexion
entsprochen habe, dafs also voco dereinst nicht blos *i70-
caOj was jeder einsieht, sondern ohne hiatus ursprünglich
Vocavo gelautet habe, und dafs, wie die erste, so auch
die zweite abgeleitete conjugation von moneo und die
dritte (die jetzt sogenannte vierte) von audio alle auf ana-
loge weise von grundformen auf -avo -evo -ivo ausgegan-
gen seien. Es sind auch der leitenden spuren noch viele
in den italischen sprachen vorhanden, die wir ans licht
ziehen und nach möglichkeit zu ihrem ehemaligen Zusam-
menhang zurfickftkhren wollen.
Die erste ahnung hiervon hat Th. Mommsen gehabt,
indem er (unterital. dial. 238. 239) im oskischen aus dem
infinitiv tribarakavum des cippus von Abella v. 36 f&r
die erste conjugation einen auf -av ausgehenden verbal-
stamm, eine grundform amavo folgert, woraus amao amo
geworden sei, nur läfst er den stamm auch auf das per-
fectum und die von demselben abgeleiteten tempora sich
erstrecken, worin er offenbar zu weit geht. Zu jenem
einzigen osk. infinitiv auf -avum hat Corssen jüngst in d.
zeitschr. XVIII 204 aus der grabschrift von Anzi einen
oskischen auf -hom endigenden infinitiv C^AA^hQM hin-
zugef>, welcher demnach die mittelstufe zwischen tri-
barakavum und den jungem formen censa-um molta-um
zu sein scheint. Ein viel zuverlässigeres beispiel einer
solchen mittelstufe im oskischen verdanken wir Aufrecht,
indem er eine stelle aus der tafel von Agnone A v. 17 — 19
150 Sartltbtrg
saahtüm tefürüm . . . sakah-i-ter bis auf das schwie-
rige tefürüm in d. zeitschr. J 90 zuerst entziffert hat:
„sanctum [sacrificium?] . . . sancitur'^. Hier sehen wir
nun, dafs sakah-i-ter mit seinem stamm sakah sich zu
dem oskischen infinitiv tribarakav-um ebenso verhält,
wie umbr. stah-i-tu zu sub-ocav-u,, und können nicht um-
hin, den lautwandel von v zu h gleicherweise für das os-
kische anzunehmen. Hierfür sprechen auch oskische eigen-
namen in lateinischen inschriften aus Campanien und Ober-
haupt aus dem ehemaligen bereich der oskischen spräche:
Gaha Inscr. Neap. 3437 aus Gava C. I. L. I 1097, Rahius
I. N. 5042 aus Ravius ib. 3343^), so dafs osk. sakah-
-i-ter sicher' auf urspr. *sakav-i-ter zurQckschliefsen läfst.
Den vollständigsten beweis aber von verbalstämmen
auf -av gibt das um bris che und zwar zuvörderst der
oft vorkommende imperativ purtuvitu nebst purtuvii9^u
IV 20 und purtuvetullbl7, neuumbr. purdovitu Via 56.
Die bisher von diesem verbum gegebene erklärung ist eine
sehr kfinstliche. Purtuvitu soll nach Aufrecht und Eirch-
hoff II 171 aus einem präfix pur = lat. por {in porricere
portendere) und aus dot (tuv) = lat du (im conj. du-im
ad-du-as cre-du-am)^ einer nebenform von da, zusammen-
gesetzt sein und in der bedeutung einem röm. porricito
entsprechen. Nun aber sind beide theile, sowol pur, als
dov oder auch du (für da) sonst im umbrischen gan;s un-
bekannte demente. Solche aus andern, wenn auch ver-
wandten sprachen blofs errathen zu wollen, ist kein ßo
zuverlässiges auskunftsmittel, als wenn man aus derselben
spräche sichere anhaltspunkte gewinnen kann. Diese fin-
den wir erstens für die bedeutung darin, da£s pur-
tuvitu mit synonymen verben abwechselt, die trafen
und darbringen bezeichnen: fertu katlu IIa 17 — 18,
1 ) Von Gava (vergl. Nama , Sulla) ist offenbar abgeleitet Gavius I. N.
4146. 7264 (Or. 7086. 7084), osk. Gaaviis bei Mommsen nnterit. dial. taf.
VIII n. 15, wie von osk. Maras — Maraijefs (Corssen in d. leitschr.
XI 412), lat. Mar-iu-s. Nachdem v zu h abgeschwächt war (in Gaha), ver-
flüchtigte sieh auch dieses in Ga-itk-s gleichwie Raviua erst zu Rahius und
zuletzt zu Roriv^» ward I. N. 726. 6211. 6844. 6066 und so auch Ravia
6620 zu Rata 48. 8981. 6066.
umbriiehA •tn4i«ii. 151
ampenta katlulla20, katlu purtuyitulla29. Haben
wir hier zuerst ferto catulum, dann impendito catulutn (s.
oben 8. 102 anm.), so dürfen wir die dritte stelle mit catulutn
portato übersetzen, um so mehr, als zu purtuvitu einige
male die richtung auf die frage wohin ausgedrückt ist:
pefum-e lU 33, ere^lum-a III 35. IV 3, asam-ai:
IV 6 (ad aram), und diese bedeutung wird durch eine
zweite, wesentlich gleiche trias entsprechender Vorschriften
bestätigt: kaprum upetu *) IIb 1, kapru — upetu
IIb 10— 11, kabru purtuvetu IIb 17, d.i. caprum ob-
moveta oder — impendito, caprum portato.
Was nun zweitens die erklärung der form be-
trifft, so stellen wir purtuvitu einigen anerkannter ma-
fsen mit lat. portare verwandten neuumbrischen verbalfor-
men portortu porta-ia port^ust (A. K. II 257. 300) zur
Seite und erblicken in dem hiatus von porta-ia (=: lat.
portet), den auch eta-ians (:s lat. itent) zeigt, vor der con-
junctivendung diejenige offene stelle, welche früher einmal
durch h z. b. in stah-i-tu^ und ursprünglich durch v, wie
in sub'OcaV'Uj ausgefüllt war, wie auch im oskischen ge-
rade die conjunctive sta-iet c(e«ra*«d mit ihrem hiatus
zuerst auf nächst vorausliegende themen *stah *deivah und
höher aufwärts auf *8tav *deivav schliefsen lassen , da ja
beide stufen durch sakah-i-ter und tribarakav-um
documentiert sind. Indem wir nun aus dem neuumbri-
schen purdot'itu einen auf v auslautenden stamm *portat
folgern, und im altumbrischen purtuv-itu einen stamm
purtuv vorliegen sehen, fragt sich nur noch, o6 nicht
die vocale einer identificierung von portav und purtuv
im wege stehen. In der ersten silbe hindert nichts, da
die altumbrische schrift fQr o wie f&r u keine andere be-
zeichnung als u (V) hat und das im neuumbrischen unter-
schiedene o von porta-ia und porta^tu als normales gräco-
italisches o durch lat. por-tare por^ta por-tus und griech.
7i6q»o»s noQ'iihw no^&'fAO'q erwiesen wird, und wenn
1) d. i. np-pentn, welehos wir oben t. 110 erklKrt nad durch im-
pendito und ohmoveio wiedergegeben haben.
152 Savelsberg
das neuumbrische doch auch öfters u in der Wurzelsilbe
zeigt in purdovitu purdinsust purditom, so hat sich dann
der vocal vor r wieder verdunkelt, wie in cumaco Via
2. 4. 15. 17 und furo VII a 52 gegenüber lat. cornicem und
forum. Das u aber in der zweiten silbe von purtuvitu
wird durch das o der neuumbrischen wortform purdovitu
Via 56 mit dem stammhaften a in porta-ia und porta-tu
vermittelt, da sowohl jenes u als auch dieses o in vielen
fällen aus urspr. a verdunkelt ist, theils in der endsilbe
der Wörter, wie im nom. und acc. pl. neutr. arviu la 12,
neuumbr. arvio Via 56, aus arvia la 3; vatuvu Ib 25,
neuumbr. vatuo Via 57 etc., aus vatuva Ia4 etc., und
im nom. sg. fem. mutu (i. e. lat. tnulta „geldstrafe^) Vb 6
aus muta Vb 2. 3, — theils im innern, wie im imperativ
kumultu la 34, komoltu VIb 17 aus kumaitu lla 9
nebst maletu IIa 18. So gehen denn nun purtuvitu
und purdovitu auf den ursprünglichen verbalstamm portav
zurück, der in pdrta-ia nur sein^v (und schlufs-t) verloren
hat und dessen 1. pers. präs. ind. demgemäfs ^portavu hei-
fsen mufste analog wie sub-ocavu. Wir müssen nun noch
ausdrücklich den binde vocal i im imperativ purtuv-i-tu
von -ta, dem modussuffix des conjunctivs porta-ia, unter-
scheiden. Schicken wir vorerst kurz das gleiche verhält-
nifs im oskischen voraus, wo wir einerseits im praes. ind.
pass. sakah-i-ter und praes. ind. act. sta-i-t den bin-
devocal i und andererseits im praes. conj. deiva-id (sing.)
und st^i-iet (plur.) ein dem modussuffix des conjunctivs
angehörendes i finden. Dafs das verbum sta-iet im cip-
pus von Abella v. 58 conjunctiv ist, hat Corssen in d.
zeitschr. XIII 248 — 251 aus den sechs vorhergehenden,
mit imperativen und conjunctiven ausgedrückten hauptbe*
Stimmungen für die zum schlufs gegebene Vorschrift te-
remenniü staiet :=7„terminalia Stent" gewifs richtig ge-
folgert. Nicht so überzeugend ist Corssens bemühen in
d. zeitschr. XIII 251. 252, in stait auf der tafel von
Agnone B v. 23 ebenfalls - einen conjunctiv nachzuweisen.
Dafs wir hier in den schlufsworten hürz dekmanniüis
stait das verb als indicativ — - lat. stat verstehen sollen,
nrnbriflch« Stadien. 158
„scheint 8ich^, wie Bugge in d. zeitschr. V, 8 richtig sagt,
„schon durch die congruenz der indicative sakarater
und eestint zu empfehlen'^, um so mehr, als ein eigent-
licher beweis fCtr irgend einen conjunctiv auf der ganzen
tafel von Agnone nicht beigebracht worden ist. Gleich-
wie man aber eestint Agn. B 1 mit dem vocal i unbe->
denklich richtig für eine indicativform hält, dagegen her-
rins (cipp. Abell. 54) fOr eine conjunctivform, offenbar weil
niemand ein sicheres beispiel einer auf -nt ausgehenden
3. pers, plur. eines conjunctivs aufweisen kann, so bleibt
aus demselben gründe stait indicativ (3. pers. sing.), weil
kein sicheres beispiel einer auf t ausgehenden 3. pers. sg«
eines conjunctivs des präsens nachgewiesen ist. Als dritte
person des indicatiys aber enthält sta-i-t dann einen
bildungsvoeal i, welcher den stamm mit der personalen-
dnng verbindet, und dasselbe ist nun auch der fall in
sakah-i-ter auf der tafel von Agnone A v. 19, welches
Aufrecht sogleich richtig als indicativ „sancitur^ auf-
gefafst hat.
Aehnlich wie der bindevocal im oskischen als ein ge-
strichenes i erscheint, welches einen kurzen zu e hinnei-
genden i-laut bezeichnet, kommt er im umbrischen in zwie-
facher gestalte bald als e, z. b. im futur stah-e-ren
Ib 19, bald in der äufsersten Schwächung eines ursprüng-
lichen a durch e zu i (Corssen ausspr. 11^ 51), in dieser
letzten gestalt i vor in imperativen, wie im neunmaligen
purtuv-i-tu auf tafel IL III. IV nebst purtuv-i-i^u
IV 20 und purdov-i-tu Via 56, in stah^i-tu VIb 56 und
stah'i'tuto VIb 53, dann auch im particip purt-i-tu
I b 39 und purd-i-tom VII a 45. Die priorität des e, wel-
che der regelmäfsige gebrauch im griechischen in Acy-ä-rw
Xiy-B'Te schon zu beweisen vermag, wird im italischen, da
lateinische belege, wie com-pon-e-to bei Cato de re rust.
c. 37 extr. sehr selten sind, vorzüglich durch das umbri-
sche bezeugt mittels der imperative mal-e-tu IIa 18 (1.
mol'i-to) neben ku-mal-tu IIa 9. 41 (1. com-mol-i-to)^
kan-etu IV 29 (1. can-ito)^ kar-e-tu (1. cal-e-to ^)) ne-
1 ) welchem imperativ Aufrecht statt der frühem erklärung calaio A. K.
154 Sarelfberg
ben kar-i-tu III 21, purtuv-e-tu IIb 11— 12. 17 und
durch das futur stah-e-ren Ib 19« Auch im part. perfl
pass. war e als bindevocal^ der dem einfachen stamm an-
gefügt wurde, offenbar früher im gebrauch als i, wie das
im griechischen die adj. agiSeix-a-rog a-XctfAn-i-rog (Lob.
path. proll. 144), Jig^-s-tog n. pr. (= skr. darp-a-ta)
zeigen; so auch im umbrischen vaseto, pesetom^ peretam,
frosetomy daetom Via 27. 28 und noch eirseto amrseto
Via 28, welche gedeutet sind visum invisum A. K. II 152.
Wie wir nun schon oben s. 147 in einem part. perf. pass.
cO'tnoh'O'ta und in einem von solchem particip abgelei-
teten nomen pre^ploh-o-ta-tu den bindevocal e dem vocal
der vorhergehenden silbe zu o assimiliert gesehen haben, so
wird derselbe in der verbalflexion sehr oft, namentlich in
der ersten abgeleiteten conjugation zu a assimiliert-, so im
imper. act. spah^a-tu VIb 41 und imper. depon. spah^c^mu
VII a 39 und ehe'turstah'a''mu VIb 55^ dann noch in l.pl.
ind. arsmah-a-mo caterah-a-mo VIb 56. Später aber, als
der hauch im stammauslaut schwand, hatte dies alsbald
zur folge, dafs der vocal der letzten Stammsilbe mit dem
bindevocal in einen langen vocal contrahiert wurde: eAe-
'iurstah-a-mu VIb 55 zu e-turstä-mu Ib 16') caiärah"
-a-mo VIb 56 zu katerä-mu Ib 20. Dieses durch con-
traction lang gewordene a ist als solches ein paarmal durch
die Schreibung ah in spah-mu VIb 17 und ^turst(ih*mu
VIb 53 angedeutet; denn in diesen und ähnlichen fSlUen,
in mantrahklu IIa 19 neben mantraklu IIb 16, in
kumnahkle Va 15 neben kumnakle III 7. 8 gleichwie
in amprehtu Ib 21, struh^la IIa 18 neben stru^la
III 34, podruh-pei Via 11 u. a. ist b ein blolses deb-
il 287 später in d. zeitscbr. I 278 anm. ein lat. caleto gegenüberstellt, in-
dem er für das ehemalige Vorhandensein eines calere dort das parti(^ipial-
substantiv calendae beibringt.
^) Aufrecht und Kirchhoff führen II 266 tupsta ss tudsta (für
tndsita) auf tud, die iivurzel des lat. tundo, zurück und folgern die be-
deutnng « ausweisen, verbannen*. Sollte es nicht noch ntther mit dem umbr.
tud«r »gränze* (A. K. II 67) zusammenhangen und der stamm ehe-turstah
ganz genau exterminare bedeuten?
nmbriiche atndieii. 155
nungszeichen ^). Nachdem wir nun die contraction der
letzten Stammsilbe mit dem biodevocal a in e-turstä-mu
und katerä-mu schon in einer der ältesten tafeln la
16. 20 vorgefunden und aus jQngern vollem formen erwie-
sen haben, sehen wir in derselben tafel auch schon den
imperativ activ purtätu in der krasis purtatulu Ib 18
(«X portatu.ulo VIb 55) auf dieselbe weise aus urspr.
*portav-a-tu, woraus das überlieferte purtuv-i-tu nur
mit Verdunkelung der vocale geworden ist, contrahiert,
deagleichen hatten a-zeriä-tu Ib8, kum-pifiä-tu Ib 14,
pihärtu Via 29 {— 1. piato), pru-sekä-tu IIa 28 {^ lat.
prosecato), ah-trepurä-tu IIa 24 oder aha-tripursä-tu^)
Vlla 23 (= lat. tripodato) alle ehedem den gleichen wort*
ausgang -av-a-tu; und endlich gehen auch im oskischen,
nach mafsgabe von sakah-i-ter aus ^sakav-i-ter und
sta-i*t aus ^stav-i-t, ebenso sakara-ter auf der tafel
von Agnone A 21 auf ""sakarav-i-ter und urspr. *sakarav*
-a-ter, sowie faamat auf zwei inschriften von Pompeji
bei Mommsen unterit. dial. p. 185 und taf. XI n. 29 a
und b auf *faamav-i-t und urspr. *faamav-a*t zurfick.
Vom präsensstamm wird auch das futur gebildet. So
enthält purtuvies IIb 28, die 3. pers. sing, fut., welche
1) Aufr. Kircbh. I 78. Von diesem blofs eingeschobenen dehnnngs-
zeichen verschieden ist h mit gutturalem laat in ahtu snbahta rehte
frehtn ahtur (A. K. I 78.. Oorssen ansspr. I' 97), wo es etymologisoh
begründet und aus k vor t (vgl. lat. actum subactum recte frictum auctor)
zu h erweicht ist wie im deutschen macht und recht, gleichwie auch im
oskischen ehtrad von präp. ec (vgl. lat. ec-fatus und ee-fero bei Gorsses
ausspr. I^ 155), saahtiim (lat. sanctum)^ ü'htavis (Octavius), Wie es
hier überall und im umbr. eh-veltu eh-velklu seine gutturale ausspräche be-
hält, 80 auch in ehe-tuntah-a-mu VIb 56 und sehe-meniar VII a 62; hier ist
es nicht blofses dehnungszeichen , wie Aufrecht und Kirchhoff I 78 und
Corssen I' 155 behaupten; denn auch hier in ehe- und sehe- ist ja h ety-
mologisch begründet, weil aus ex oder ec- und sex entstanden; überdiefs
ist eAe, wie es in selbständigem gebrauch als zweisilbig sich zweimal in
einem und demselben verse VIb 54 bekundet, zuerst mit krasis ehesu.poplthy
dann gesondert ehe . esu ,poplu, so auch in der Zusammensetzung eke-turstah-
-a-mu und gleicher weise sehe in sehemeniar zweisilbig gebraucht.
^) Die Präposition aha in aha-tripursatu (A. K. II 202) und aka^vendu
(das, 288) ist gewifs viel wahrscheinlicher mit der skr. präp. ava und der
lat. au in aur-fero au-fugio verwandt, als mit ab, wie Aufrecht und Kirch-
hoff annehmen, da ja die Schwächung von v zu h im umbrischen jetzt viel-
fach bewiesen, dagegen die von b zu v und n in den altitalischen sprachen
gar nicht dargethan ist.
156 Savehberg
dort ihr t am scblufs verloren bat, aufser dem fotursaffix
oder hülfe verb -e8(t) deutlich den präsensstamm pürtuv
und zwar mit nachtönendem vocal i, wie solchen oben
s. 122 das futur fui-est Va 9 statt des gewöhnlichen
fu-st (aus *fu-est) aufweist. Dazu kommt als zweites bei-
spiel eines futurs der ersten abgeleiteten conjugation stah-
-e-ren Ib 19 vom präsensstamm st ah, welches ebenfalls
des auslautenden t vom hülfsverb sent entbehrt und sonst
noch s in r verändert zeigt. Wir müssen nun von den
normalen formen *portav-est *) und *stav-e«sent aus-
gehen und werden dann vermittelst derselben das dritte
umbrische beispiel eines futurs der ersten abgeleiteten con-
jugation pru-pehast IV 32 zunächst aus *pru-peha-
-est, und weiterhin aus urspr. *pru-pehav-est erklä-
ren. Ebenso gehen die oskischen Aitura dewa-st tab.
Bant. V. 3 und censa-^et das. v. 19 {-zet statt set = lat.
sunt), da ein präsensstamm auf -av das eine mal ganz
normal im inf. tribarakav-um, das andere mal zu -ah
geschwächt im passiv sahah-i-ter constatiert ist^ auf
urspr. *deivav-est und ^censav-e^zet zurück.
Zur zweiten abgeleiteten conjugation gehört
eine nicht geringere zahl von verben, zunächst kukehes
m 21 , welches schon Aufrecht und Eirchhoff I 144 we-
nigstens als futur richtig bezeichnet haben, indem es aus
dem futursuffix (hülfsverb) -es und einem aus würzet kuk
erweiterten stamm kukeh besteht ^). Die bezügliche stelle
m 20—22 heifst:
Ap[e]
21 vuku kukehes iepi persklumar karitu, vuke
pir
22 ase antentu.
1) Was oben s. 162 über die im altumbrischen verdunkelten vocale
von purtuvitu gesagt ist, gilt auch hier von portnvies. Bei Wieder-
herstellung der normalen vocale mttssen wir das im altumbrischen nach u
zuweilen, aber durchaus nicht 'regelmftfsig nachklingende i natürlich in
^portav-est weglassen.
''') Nicht aus ku (d. h. präpos. knm) und verbalthema keh, mit wel-
cher theilung Aufrecht und Kirchhoff II 871 freilich zu keiner deutung des
Wortes gelangen konnten.
nmbriscbe Studien. 157
Der sinn der anfaDgsworte scheint uns zu sein: Postquam
focum accenderit, womit der schlofs übereinstimmt: in
foco ignem in ara imponito. Dazu gelangen wir, indem
wir im Terhum kukehes eine mit lat. coquo gemeinsame
Wurzel KOK annehmen, was kein bedenken erleidet, da
im lateinischen die wurzel COC auch ohne labialen bei«
klang sich geschrieben findet: recocunt in den ältesten hand-
schriflen des Vergil (Corssen ausspr. P 73), cocus Inscr.
Lat« ed. Or. n. 646 und 4166, cocetum bei Festus, und da
andererseits die von uns gewählte bedeutung ^anzünden,
brennen'' ebenfalls in coquo entspricht b^i Cato de r. r«
38, 4 „lapides cocti'' und „de lignis carbopes coquito''.
Ja auch auf eine ehemalige lateinische flexion coqueo oder
coceo nach der zweiten conjugation deutet jene bei Festus
aufgezeichnete glosse y^ cocetum genus edulii ex melle et pa-
pavere factum^. Unter focus^ umbr. vukus, hat man ein
kohlenbecken zu verstehen wie bei Cato de re rust. c. 75
„in foco caldo sub testu coquito leniter^, wofQr gewöhn-
lich foculus im gebrauch ist, z. b. bei Plautus Capt. IV
2, 68 „foculis ferventibus'' und in einer sehr willkomme-
nen parallelstelle bei Livius II 12, 13 „accenso ad sacri-
ficium foculo^. Demnach besagt die obige stelle, in wel-
cher uns nur noch iepi unbekannt bleibt, folgendes: „So-
bald er das kohlenbecken angezündet haben wird, .... rufe
er zum gebet; im kohlenbecken stelle er das feuer auf den
altar''. In formeller beziehung aber ist das futurum ku-
keb-es aus einem von der wurzel kuk (lat. coc) erweiter-
ten präsensstamm "^kukev oder noch frühern ^kokev her-
vorgegangen, den wir in einer spätem verwandelung ku-
keh hier vor uns haben.
Zu derselben conjugation gehört das verbum seh-emu
VIb 35, in welchem wir an der endung -mu die dritte
person eines imperativs von mediopassiver form erkennen.
Auch hier scheint uns das dem stamm angehörende h ver-
mittelst des schon oft nachgewiesenen lautwandels aus v
hervorgegangen zu sein; alsdann bietet sich zur verglei-
chung die verbal wurzel sev oder urspr. *sav dar, die
grundform der sanskritwurzel sev (eig. saiv) „verehren*
158 SftTelsberg
und der griecb. wurzel <re/9 in aißofAai^ wozu Or. Cur-
tius grundz.^ 538 noch das lat. adjectiv sev-eru-s hinzu-
ibgt, welches Vossius Etym. p. 469 von ^(fißsa&ai i. e.
venerari" erklärt: „ut fere idem sit ac (fefAVog seu venera-
bilis^. Solches adjectiv, nur einfach von der wurzel sev
gebildet, nämlich sevoj ist auch noch im umbrischen vor-
handen in taf. Via 18: esis-co esoneir seveir, wo es, von
opfern gebraucht, gewifs ^verehrungswürdige^ oder besser
„in ehrfurchtsvollem, frommem sinne darzubringende^,
kurz „fromme opfer^ bezeichnet, so dafs die stelle heifst
„mit diesen frommen opfern'^. Dasselbe wort ist als ad*
verb sevom verwendet, welches ja im gründe nur das neu-
trum im accusativ ist (wie prumu[m] III 3. 15. 23 und
enom VIb 38 etc.), und bedeutet dann recht eigentlich
„fromm% sowohl in der alten tafel lad: sevum kutef
pesnimu „fromm, behutsam .bete^, wie auch in der Jün-
gern Via 56: tases persnimu sevom „still(schweigend) bete^
fromm^. Aufserdem ist dieses seeo in dem zusammenge-
setzten adjectiv sev-akni enthalten, welches oft als epi-
theton von Opfergegenständen vorkommt in der weise wie
sakri „heiligt in sacrem uvem III 8 (1. sacrem avem)
oder wie sakra in kapi sakra Ib 29.37 {capis sacra
„heilige opferschale^ ) oder wie esunu „göttlich^ in ri
esuna V 5 (^^res divina^ b. Cato r. r. 83), vukum-en
esunum-en III 20 (in foculum divinum), esunu puni
IIa 20 (divino ture), esunes-ku vepurus Va 11 (cum
divinis vaporibus). Gerade so, nur weit öfter ist seyakni
beiwort von opferthieren , wobei zur auf hellung der Zu-
sammensetzung der umstand viel beiträgt, dafs zu sev«-
akne ein paarmal perakne sich hinzugesellt, wie IIb 8
si perakne sevakne upetu. Dieses per-akne ist
nach Aufrecht und Kirchhoff II 318 mit aknu (lat. annus)
zusammengesetzt, und wie griech. hni-eTtjg „ffir das jähr
bestimmt, diefsjährig^ bedeutet, so ist per-akne so viel
als per aknu oder aknu-per und bedeutet gleichfalls „f&r
das jähr bestimmt, diefsjährig ^, oder überhaupt „jährig,
anniculus ^^). Sev-akni aber ist ein compositum der
^) ygi'Poplu^er »fUr das yolk*'. Um unBere verschieden« fa«img der
umbriich« Stadien. 159
art wie aeftvo-Tt^ogatTtog ^mit ehrwürdiger oder feierlicher
miene versehen* oder wie itgo-fAY^vio^g „zu einem heiligen
monate gehörig^ oder wie soll-emnus nach Festus p. 298
„soUemne, quod omnibus annis praestari debet^, mithin
„alljährlich'^; gerade so bezeichnet nun sev-akni eigent-
lich „zum festlichen jähr gehörig^ oder auch „zu einer
festlichen zeit im jähr gehörig^, also „jahresfestlich", dann
überhaupt „festlich, feierlich" gerade wie sollemnis^ wie
diefs auch Aufrecht und Kirchhoff I, 154 anm. 2, p. 401
s« y. akno und p. 418 s. v. sevo gut errathen haben, ob-
gleich darum doch noch nicht gefolgert werden kann, dafs
der erste theil sevo mit solltts = omnis gleichbedeutend
sei, wofür es gar keinen anhaltspunkt gibt. Die Überein-
stimmung des Sprachgebrauchs aber zwischen sevakui
und sollemnis stellt sich deutlich heraus. Denn wie sol»
lemnis als attribut bei dona (Verg. Aen. IX 626), iura
(Ovid. epp. ex Ponto IV 8, 29), epulae (Cic. de or. III 51),
arae (Verg. Aen. II 202) die bestimmuBg der gegenstände
zum feierlichen opfer ausdrückt, so war sevakni im um-
brischen ein solches ehrendes epitheton für sakre III 22
(hostia), für uvem III 8 (ovem), katlu IIa 21 — 22 (ca-
tulum), besonders in der eben citierten stelle IIb 8 si
perakne sevakne upetu und bald darauf ▼. 10 kapru
perakne sevakne upetu ^suem (caprum) annioulum
sollemnem impendito", ferner für vinu IIa 39 und ves-
kles . . sevaknis IIa 37. ly 9. 24 — 25 (yasculis . . sol-
lemnibus), dann auch in III 25 ti^lu') sevakni teitu
bedeutung gegen die von Aufrecht und Kirchhoff angenommene gleichstellung
von perakne mit \&t, per-ennis vollständig zu rechtfertigen, bedarf es einer
ausführlichem auseinandersetzung, welche später erfolgen wird.
1) Ti9el IIa 15 (acc. ti9lu) leite ich von der in dem fut. II dersicu'
rent VIb 62 (1. dixerint) enthaltenen, dem OBkischen und lateinischen gemein-
samen Wurzel die her, von welcher das osk. verbum dä-dik-atted und das
lat. dic-aref de-dic-are „widmen, weihen^ herstammt, wie schon Festus s. v.
delicata p. 70 erklärt: „dedicare autem proprio est dicMdo deferre'^ und
p. 75 „dicassit dixerit**» Auch von ad-^e-ere nach der primitiven conjnga-
tion haben sich beispiele der bedeutung „weihen, widmen** erhalten: VelL
Pat. II 25 „gratis Dianae solvit; aquaa salubritate medendisqna
corporibus nobiles agrosque omneis addizit deae**, woFrotscher eine
Inschrift von Benevent citiert: „Deo aeterno pro restituta valetudine ex voto
aediculam T. Antonius Felicianus dat; addicit et co^jnsctnm fundura tri-
160 läavelsberg
^votum fiollemne dicito'^ und III 27 ti^lu sevakni na-
ratu ^ Votum sollemne nuncupato", wie bei Vergil Buc.
ecl. V 74 sollemnia vota. Endlieh bezeiehnete das neutrum
sovakne für sich allein substantivisch ein opfer, z. b.
IV 16 sevakne sukatu, — Vlla 1 portaia sevacne fra-
trom Atiersio „portet sollemne (sacrificium) fratrum Atti-
diorum", gerade so wie lat. sollemne z. b. bei Livius IX
34, 18: ^antiquissimum sollemne et solum ab ipso, cui fit,
institutum^.
Von der nun hinreichend constatierten wurzel sev
hat das verbum seh-e-mu nur formell den auslaut v in h
verwandelt, die bedeutuug „verehren^ aber vollständig be-
wahrt, indem diese an den zwei stellen, wo es vorkommt,
für den Zusammenhang durchaus passend ist: VIb 36
Persclu sehemu atropusatu „mit gebet verehre, springe^,
ebenso VIb 16, wo sehemu zu «^mt« contrahiert ist: Pesclu
semu eesticatu atripursatu „ mit gebet verehre, tanze
springe^ ^ )* Unser^ deutung erhält schliefslich eine ge-
wisse bestätigung dadurch, dafs für den ausdruck persclu
sehemu „mit gebet verehre^ in derselben Verbindung eini-
gemal einfach persnimu „bete'^ als synonymer ausdruck
gebraucht ist: pesnimu atrepuratu IIb 18, pers-
nihmu vestikatu ahtrepuratu IIa 31. 37 „bete, tanze,
springe".
Die contraction, die wir in s§mu aus sehemu gewahren.
nnm et tricennm jngerum cum oleto'*. Wahrscheinlich ist derselbe gedanke
beim weihen vollständiger ausgedrückt taf. III 8 sakrem uvem ahtur
teitu „der Augur erkläre das schaf für heilig". Demnach war tifel eigent-
lich „die Zuweisung, die Widmung, weihe". Wie nun im lateinischen der
gebrauch nicht selten ist, mit dem yerbum ein stammverwandtes Substantiv
nebst einer nähern bestimmung zu. verbinden, wie vitam jucundam mvere,
bofMs preces precari, consimilem ludwn ludere, so stimmt daza die obige
Verbindung tiflu sevakni teitu, eig. „dicationem soUemnem dicato**, so
wie das andere verbum in ti9lu..naratu an votum nuncupato erinnert.
1 ) Dafs wir von der gewöhnlichen bedeutung des ablativs in persclu
„mit gebet'' abgehen sollen, dazu liegt nicht der geringste anlafs vor. Auch
nicht einmal, wenn man absieht von dem früher noch nicht gedeuteten <e-
hemUf kann persclu etwa „während der opferhandlung" oder „beim gebet*
heifsen, wie Aufrecht und Kirchhoff 11 208. 282 es auffassen, noch auch
„im bethause, im teropel", wie Corssen in d. zeitschr. XI 366 will, sondern
persclu ist ablativus instrumenti wie in der ähnlichen stelle IIa 25 vinn
nuvis ahtrepu|rStu »vino * . tripodato".
umbrisciie Studien.. 16 1
ist Qocb oft nach ausfall des Stammerweiterungselements v
oder h eingetreten, so in habe tu IIb 23. 27 etc. statt
des voraussetzlichen normalen Imperativs *habev-etu oder
habeh-e-tu ^ ), nebst plur. babetutu Ib 15, eretu (statt
*beretu) IIa 4, tusetutu Ib41 und im indicativ habe
Ib 18. VIb 54; nachher im neuumbrischen gieng das con-
trahierte e zuerst in den zu i hinneigenden laut ei über
in hereitu Via 37, dann in reines i (Corssen ausspr. IP
732) in habitu Via 19. VIb 4, habituto VIb 51, heritu
Via 27, tursituto VII a 51 ^). Ganz regelmäfsig und früh
schon im altumbrischen wurde in den fallen, wo das in
kukehes noch bewahrte h ausfiel, aber die contraction
unterblieb, der charaktervocal e vor vocalen in i verwan-
delt, und zwar a) im futur heri-e8(t) Ib 10. IIb 21,
heri-est VII a 52, habi-est VIb 50. VII a 51, auch im osk.
ha-ßert tab. Baut. v. 8 im gegensatz zu here-st das. 12.
18. 24. 26, b) im conj. präs., sowohl osk. herij-ad auf
der bleiplatte von Capua v. 9, als auch umbr. habi-a
Va 17 nebst pre-habi-a Va 5, in heri-e VIb 19. 20
nebst heri-ei Vlla 3 und herij-ei IIa 16, in welchen
drei conjunctivformen das suffix -a zu -e umgelautet und
dann ferner zu -ei verkürzt ist (s. oben s. 115), endlich
auch im passiv in der 3. pers. plur. conj tursi-andu Yllh 2
(lat. torreantur).
Zur dritten abgeleiteten conjugation (der vierten im
lateinischen) gehören einige imperative, meist von medio-
passiven verben: persnih'i-mu VIb 17 contrahiert zu pers-
nih-mu auf taf. IIa27— 39 (sehr oft) oder persni-mu
1) Wie lat. mälo aus ma[gi]volo (Corssen ausspr. I^ 316), «ew»o, vemens
aus nehemOf vehemens (das. II ^ 7 1 8).
2) Andere imperative, wie sersiiu VIb 41 und teniUn Ylb 26, wage ich
nicht mit Corssen ausspr. II ^ 290 der zweiten abgeleiteten conjugation zu.
zuschreiben, weil sonstige anbaltspuncfe fehlen und weil immer die mög-
lichkeit offen bleibt, dafs sie der primitiven conjugation angehören, in wel-
cher die personalendungen mit und ohne bindevocal der wurzel angefügt
werden, dafs also, wie mal-e-tu nebst ku-mal-tif (s. oben s. 153) von
der Wurzel mal gebildet sind, so auch ^en-i-^u nebst an-ten-tu en-ten-tu
per-ten-tu von der wurzel ten (s. oben s. 102) und ebenso sers-i-tu^ zu-
mal wegen der ähnlichkeit -der bedeutung mit sis-tu Via 6, welches dort
„sitzen, sich setzen** zu bedeuten scheint, von einer wurzel sid herkomme.
Zeitschr. f. vgl. sprachf. XXI. 2. ] 1
162 dayeUberg
Ib7. 21 etc. und pesni-mu la 6. 10 etc. (häufig), uebst
plur. persnih-i-mumo VII a 47 und contrahiert persni-mumo
VIb 57, dann noch anovik-i-mu Ylb 49 und endlich am-
parih-mu IIa 42, neben welchem der einzige imperativ
activ am pari -tu III 14 vorkommt. Und was das oski-
sehe betrifft, so ist hier nur aus der bleiplatte von Capua
die 3. pers. sing, und plur. vom conjunctiv präs. püti-ad
und put i «ans zu erwähnen.
Nachdem wir nun eine ansehnliche zahl umbrischer
▼erba von den drei abgeleiteten conjugationen zugleich mit
den weniger zahlreichen oskischen verben von gleicher flexion
vollständig aufgeführt haben, wollen wir diese verba sämmt-
lich in einer Übersicht zusammenstellen, müssen aber zwei
weglassen: 1) spah-atu spah-a-muy weil wir nicht blofs
über dessen bedeutung im ungewissen sind, sondern auch
über die Formation, ob es ein wurzelhaftes, oder aber, wie
stah-i'tu, ein abgeleitetes verbum sei, und dann 2) seh-e-mu,
weil wir es für ein wurzelhaftes verbum halten. Dafs wir
dieses aber dennoch in der zweiten conjugation, welche
sonst nur abgeleitete verba enthält, aufgeführt haben, liegt
in der spräche begründet, indem sie hier, der zufälligen
lautähnlichkeit folgend, in die bahn der abgeleiteten verba
gerathen ist, wie dieses im lateinischen mit fleo der fall
ist. Denn nach Corssens treflf lieber erklärung (beitr. 191)
ist fleo in seiner ursprünglichen gestalt ^flevo nur eine aus
Wurzel f I u , griech. (pXv, gesteigerte verbalform mit der be-
deutung „ich mache fliefsen^, nicht aber ein eigentlich
abgeleitetes verbum; doch wurde es ganz nach der zwei-
ten conjugation flectiert, die sonst nur abgeleitete verba
enthält.
Wir stellen jetzt das ergebnifs der ganzen bisher ge-
führten Untersuchung in folgender übersieht zusammen.
ttmbrische studieü. 163
Stammerweiterung
a) mit V. b) Übergang in h. c) wegfall von h. d) contraction.
Oskische 1. conjugation.
tribarakav-um sakah-i-ter deiva-id sakara-ter
2. conjugation.
herij-ad
hafi-ert here-st
3. conjugation.
püti-ad
Umbrische 1. conjugation.
sub'OcaC'U 8tab-u
purtuv-e-tu stah^i-tu porta-ia porta-tu
ehe- turstah-a-mu e-tursta-mu
arsmah-a-mo arma-mu^)
caterah-a-mo katera-mu
2. conjugation.
kukeh-es habi-est habi-a habe-tu
heri-est heri-e (h)ere-tu
tuse-tutu
3. conjugation.
persnih-i-mu persni-mu
anovih'i-mu
amparih-mu ampari-tu.
Vergleichen wir hiermit die lateinischen drei ab-
geleiteten conjugationen auf -o -as -at; -eo, -to, welche
ganz Obereinstimmend a e i zu charaktervocalen haben
und ihre blutsverwandtschaft mit den drei abgeleiteten con-
jugationen der beiden dialekte zeigen (Corssen ausspr. 11'
733), so folgern wir aus der gemeinsamen grundanlage und
insbesondere aus den noch nicht zusammengezogenen for-
men moneo consentio und consentiont^), dafs die zusam-
1) So ist der auf der tafel Ib 19 verschriebene imperativ armanu
von A. K. II 261 verbessert worden.
^) Corssen ansspr. II* 68. 176, wo co-senti-ont aus dem tit. Scip. Barb.
11
»
164 Savelsberg
mengezogeneu personen wie monemus monent und consen-
timus zunächst aus mone-orous mone-ont und. consent!-
omus^), desgleichen amamu« amant slvls ama-omus ama-ont
hervorgegangen sind, also auch amo aus ama-o wie griech.
Ti/bia) aus Ti^dco^ und in gleicher weise amas amat amatis
aus ama-es ama-et araa-etis *) u. s. w., was alles sofort ein-
leuchtet. Dann aber wird man weiter aufwärts den hia-
tus durch einen leicht ausfallenden consonanten ehedem
ausgefüllt annehmen müssen. Nun hat man bisher den
biatus in allen drei conjugationen durch Zugrundelegung
indischer verba auf -ajämi zu erklären gesucht (L. Meyer
vergl. gramm. 11 3. 5. 21. 40); aber diese theorie kann auch
nicht den geringsten anhaltspnnkt aufweisen, ja auch für
das griechische ist eine nothwendigkeit, dafs die verba auf
-dui vor dem w ein j eingebüfst haben sollen, durchaus
nicht vorhanden, wie Corssen ausspr. 11^ 736 mit recht
bemerkt. Dagegen wenn wir die dialekte zu rathe ziehen,
so bietet die obige Übersicht uns jetzt spuren genug dar,
welche auf Stammerweiterungen mit v, wie stav portav
sub'Ocav zurückführen^). Auch im lateinischen, wo Über-
reste von stammen auf -av -ev -iv in keinem präsens sich
vorfinden'^), leiten doch einige spuren in den alten futurcn
auf -asso und in den conjunctiven auf -assit -essit zu sol-
chen stammen zurück. Ueber die formation und die be-
deutung dieser future und conjunctive gibt es noch immer
zwei entgegenstehende ansichten: die eine behauptet in
der form z. b. in peccasso — legassit habessit eine synco-
pierung aus -aveso -avesit -evesit und will in betreff der
fil. (C. 32) und mehre andere inschriftlicbe beispiele mit der endnng -ont
aus dem 8. und 2. jahrh. vor Chr. geb. aufgeführt sind.
1) Corssen ausspr. II ^ 51. 128. Die ehemalige endung -omus, welche
ihr normales o früh zu u verdunkelte in vol-u-mus qtuies-ii-mua S'-u-fous^
kehrt im spätlateinischen wieder zurück in vol-o-mus quaes-o-imu t'O-mus,
S. Schuchardt, vocalismus des Vulgärlateins II 166.
^) Vergleiche, was oben s. 153 über die bindevocale gesagt ist
3) Sieh oben s. 148 — 151. Das Stammerweiterungselement v ist das
selbe wie in volv-o und cdlv-or (Q. Curtius grundz.^ 514), auch in argu^
(vgl. d^yö-q, Curtius das. 163).
^ ) Schuchardt voc. d. vulgärlat. II 524 citiert ans dem codex Fnldensis
des n. test. Tim. I 14, 16 audiutmt a prima manu, jedoch ist das erste der
beiden u in der letzten silbe vom corrector, bischof Victor von Capua, im
jähre 546 durchgestrichen.
umbriscbe Studien. 165
bedeutung neben der zukunft auch die Vergangenheit aus-
gedrückt finden oder legt letztere gar zu gründe; die an«
dere leugnet alle syncopierung und vermag in jenen for-
men nur ausschliefslicb futurbedeutung zu erkennen. Es
verlobnt sich aber der mühe, die Untersuchung von neuem
aufzunehmen und die wichtigsten momente gegen einander
abzuwägen, besonders für den fall, dafs neue und durch-
schlagende gründe in der Streitfrage eine entscheidung
herbeizuführen vermochten.
Madvig, der koryphäe in der ganzen schaar der be-
deutenden forscher, welche sich an der frage betheiligt
haben, erklärt in seinen Opuseula acad. altera Hauniae
1842 p. 64. 65 die alten futurformen auf -so für einfache
von der wurzel gebildete futura prima (eodem modo de-
rivata a verbi radice, quo apud Graecos futurum primum;
itaque . . . apud Latinos quoque futuri simplicis, non ex-
acti, haec forma fuit), so dafs axo dem griech. a|a), 2e-
vasso dem griech. ysldcfco entspreche und doppeltes s mit
einfachem s abwechsele wie wiederum im griechischen das
epische iy^Xaaacc, Dann schreibt er sowohl die conjunctive
auf 'Sim wie faxim levassim p. 97, als auch die Infinitive
impeirassere reconciliassere u. a. p. 71 dem futurum zu
und erwähnt kurz die zwei passiven futura jussitur und
turbassitury leugnet aber p. 67 alle syncopierung in irgend
welchen dieser futurformen und ist der erste und entschie-
denste vertheidiger der ausschliefslichen futurbedeutung.
Weniger bestimmt äufsert sich Haase in „Reisigs Vorle-
sungen über lat. Sprachwissenschaft* s. 231 anm. 274: er
nimmt mit Reisig bildungeo vom stamm des perfects an
wie incepso] jedoch unterscheidet er davon „eine wesent-
lich verschiedene bildung* vom stamme des präsens z. b.
adstassint (conjectur Scaliger's zu Paulus Diac. exe. ex
Festo p. 26), adaxint, capso^ rapsit^ habessit u. a. Theil-
weise, nämlich in betreff der futurbedeutung der conjunc-
tive auf -sim, sind mit Madvig mehrere forscher einver-
standen, von denen wir zuvörderst zwei nennen. Zumpt
entscheidet sich dafür, wiewohl er die futura auf -so und
-asso von perfecten herleitet, in den letzten noch von ihm
166 Savelsberg
selbst besorgten ausgaben (wie der 9ten und lOten) seiner
lat. grammatik §. 161, ^jdafs dieser conjunctiv auf -sim
niemals die bedeutung eines perfects im conjunctiv bat,
sondern seiner ableitung gemäfs ' ) in der bedeutung eines
conjunctivs futuri verbleibt**. Ebenso urtheiltNeue in der
lat. formenlehre 11 428, dafs die form auf 'Sim „wobl in ge-
beten, wünschen, aufforderungeo und abmahnungen, in der
angäbe eines Zweckes und einer besorgnifs, und mit po-
tentialer bedeutung, nicht aber in dem reinen ausdruck des
geschehenen gebraucht wird^.
Ganz und gar entgegengesetzter ansieht sind G. Cur-
tius und Corssen: sie halten die futura auf -«o und 'Osso^
besonders nach dem vorgange von G. Hermann, für ur-
sprüngliche futura exacta und die conjunctive auf -«im fQr
perfectconjunctive (Curtius, tempora und modi s. 343/354.
Corssen, ausspr. 11^ 554 ff.), müssen aber, um beiderlei be-
dungen aus perfectformen zu erklären, mehrere verschie-
dene hypothesen ausersinnen, so Curtius (a. o. 340 — 342),
dafs die formen auf -essitj wie habessit licessit^ aus ehe-
maligen perfecta auf -evi ^habevi ^licevi herstammen sol-
len, dafs faxit aus ^fefaxit (aus osk. fefacust gefolgert)
durch abfall der reduplication entstanden sei, dafs rapsit
noxit sigmatische perfecta seien, die vor oder neben rapui
nocui bestanden hätten, — wovon Corssen nur darin ab-
weicht, dafs er fa>xit wie auch faxo nicht aus ^fefaxit,
sondern aus *facsi-sit ^facsi-so durch ausstossung des mitt-
lem vocals (ausspr. II 34 — 36) und ähnlich empsim aus
*emi-8im (ausspr. II* 561) erklärt.
Jedwede ansieht gieng von einer festen Überzeugung
aus : die erstere von der futurbedeutung der formen auf -«o
-assii -essit^ die andere von der syncopierung der formen
auf -asso und -assit -essit. Der gegensatz der beiden par-
teiansichten, welcher hauptsächlich in der frage gipfelte, ob
die synkopierten formen nur die zukunft oder aber neb^n
der Zukunft auch die Vergangenheit bezeichnen könnten,
1) Mit diesem aasdruck „seiner ableitung gemäfs*' scheint Zumpt wie-
der zu Madyig's ansieht herüberzuneigen.
umbrische Studien. 167
kam nicht zum austrag und blieb unvermittelt, bis jüngst-
hin Lübbert zuerst über den „conjunetiv perfecti und das
futurum exactum im altern latein" (Breslau 1867) eine
gründliche und auf fast alle vorkommenden beispiele^) ein-
gehende Untersuchung vorgenommen hat. Das wichtigste
ergebnifs derselben ist s. 54, dafs nach der prüfung des
überlieferten thatbestandes in den formen auf -assit -essit
die bedeutung der Vergangenheit nirgends si-
cher nachweisbar ist, also die bestimmt ausgespro-
chene Versicherung Madvig's, welche auch Hermann im
Programm von 1843 nicht leugnen konnte, vollkommen
bestätigt ist. Dieses ergebnifs ist um so wichtiger und
zeugt von der Unbefangenheit der von Lübbert geführ-
ten Untersuchung, weil er in der formellen erklärung ganz
wie Corssen die conjunctive auf 'Sit -assit -essit aus per-
fecten herleitet, dieselben denn auch bei jeder gelegenheit,
in Überschriften und sonst stets syncopierte formen des
conjunctiv perfecti nennt und in folge dessen der schwe-
ren aufgäbe sich unterzieht, sie als aoriste, als historische
präterita im eigentlichen sinne, zu erklären und speciell
dem conjunctiv dieses historischen Präteritums die fähig-
keit der bezeichnung der zukunft zuzusprechen, was im-
mer ein gewagtes beginnen ist, da man doch nicht präte-
rita auf -m, wie s. 72 behauptet wird, gleich denen auf
'Si kurzweg für aoriste ausgeben kann. Lübbert's Unter-
suchung aber ist von einer wichtigen entdeckung ausge-
gangen, deren consequenzen er nur im anschlufs an Cors-
sen durchführen zu können glaubte: er hat eine unver-
kürzte futurform auf -aviso, wie sie mehrere forscher ge-
ahnt, Corssen sogar mit aller bestimmtheit in peccaviso
ausspr. II 37 aufgestellt hatte, in der that nachgewiesen
und darauf seine ansieht von syncopierten formen des
conjunctiv perfecti basiert. Zuerst vermuthet er bei Plau-
tus Mil. 328 (ed. Ritschi) zu observasso aus einer Variante
obserui des Cod. Bc mit übergeschriebenem ua, d. i. ob-
1) Diese gibt am voUständigsten mit den citaten Corssen ausspr. II'
654—669.
168 Savelsberg
servavi^ volleres obsert>aviso mit irrationaler geltung der
Silbe vi^), also:
set fores concrepuerunt nostrae: at ^go illi observaeisö
fores.
Doch scheint uns aus jener Variante zu viel durch combi-
nation gefolgert; weit sicherer dagegen ist Lübberts zweite
emendation eeallaviso fQr evallavito, was die Codices ha-
ben, in einer stelle des Titinius, eines Zeitgenossen des
Terenz'), bei Nonius 102 (v. 76 ed. Ribbeck):
quam ego hödie extorrem
häc domo faciam pilatricem palli jam evalldviso pulcre.
wo die irrationale ausspräche der silbe vi mit voller Sicher-
heit anzunehmen ist. Hier erscheint Lübberts entdeckung
ganz zuverlässig; denn die erklärung des Nonius: ,,Evai-
lare (evallavero em. Lübbert) dictum excludam et quasi
extra vallum mittam^ zeugt fQr eine futurform, die man
aus dem überlieferten evallavito gewinnt, indem dieses füg-
lich nicht anders als durch die emendation Lübberts eval-^
laviso mit jener erklärung in Übereinstimmung gebracht
werden kann, eine futurform, die dieser hinwiederum dem
Scharfsinn eines Sprachforschers, wie Corssen, verdankt,
welcher (ausspr. II 37) peccasso aus peccaviso erklärt hat.
Diese emendatio palmaris bringt uns zuerst der ent-
scheidung näher, nur nicht auf der bisher betretenen bahn
vermittelst der ableitung solcher futura auf -asso, -esse
von perfecten auf -avi -evi. Denn eine erklärung des conj,
prohibessit aus einem erdichteten perfect *prohibevi steht
immer im Widerspruch mit dem conj. perf. oder futur. II
prohibuerit^ welches aus dem wirklichen perfect prohibui
abgeleitet ist, und der einwurf, den Madvig p. 67 gegen
jede erklärung jener futura von einem perfect erhebt:
„Deinde amav-eso sive amav-esso prorsus erit idem atque
amavero, ut nulla dijunctionis ortae causa reddi
possit^, dieser einwurf kehrt mit noch schreienderem miüi-
*) Wie 80 oft bei Plautus in ovis brevi oblivisci cavillatiOj ^in quibus,
sagt Kitschi Plaut, proll. CLII, vivam sonum pronuntiantium non est secuta
scriptio ut in dites nauta aetas*^.
2) Ritschi Parerga p. 194. 196.
umbriscbe Stadien. 169
klang in dem offenen geständnifs Lübberts s. 60 wieder,
welches den bisherigen stand der sacbe bezeichnet: „Wäh-
rend die volleren formen des conjunctiv perfecti, welche r
statt s haben, dixerim, amaverimy die gebiete von Vergan-
genheit und Zukunft umfassen, während in ihnen in der
grundbedeutung die fähigkeit der bezeichnung beider zeit-
sphären liegt, so sträubt sich die synkopierte form [z. b.
curassis Plaut. Most. 526] gegen die vergangenheitsbedeu-
tung^. Ist es wohl möglich oder denkbar, dafs curaS'
sw, wenn es wirklich von einem perfect abgeleitet wäre,
die Vergangenheitsbedeutung ganz und gar verleugnen
würde? Aus diesem noch immer bestehenden, von den for-
schem nicht aufgehobenen dilemma mfissen wir doch hof-
fen herauszukommen. Und es ist aussieht dazu da. Ob-
gleich in den altlateinischen futuren bei ihrer unbestritte-
nen Zusammensetzung mit dem hülfsverb esse noch die
einsieht in die art seiner anfügung an den verbalstamm
fehlt, ja sogar über die vor der synkopierung vorauszu-
setzenden normalen formen zweifei bestehen, so geben doch
•glücklicherweise die mit demselben hülfsverb gebildeten
futura der italischen dialekte den gewünschten auf*
schlufs. Wir werden also in die stockende Untersuchung
jetzt den vergleich der futurbildung der italischen dialekte
mit der altlateinischen futurbildung als einen ganz neuen
factor einführen.
Im OS ki sehen heifsen die futura prima a) von pri-
mitiver conjugation: pert-em-esi tab. Baut. 7 (= lat. peri-
met), did-est t. B. 16 (dabit), fwst t. B. 19. 22. 23. 28. 29
(erit); b) von abgeleiteten conjugationen, und zwar von
der ersten: deiva-st t. B. 3 (jurabit), censa-zet t. B. 19
(censebunt), von der zweiten: hafi-ert t. B. 8 für hafi-est')
(habebit), herS-st t. B. 12. 18. 24. 26 (volet).
Im umbrischen finden wir folgende futura prima
^) Wahrscheinlich ist ein bindevocal ansgefallen, welchen die tat, II
tr{barakattn8-e-t angetuz-e-t haben» so dafs arspr. "'hafies-e-t erst in
*hafier-e-t übergegangen (wie neben Ninmsie^s auch Ninmeriis bestand)
und dieses synkopfert zu hofiert geworden zu sein scheint. Vgl. Huschke,
die osk. und sabell. sprachdenkm. s. 375.
170 Savelsberg
a) von primitiver conjugation: an-pen-es IIb 27 (impen-
det), men-es Ib 15 ü\r ben-e8t(veniet), 8e-8t-e[8t] IIb 22
(eistet, A. K. I 144), fer-est IIa 26 (feret), i.er[t]
VIb 54 für i-est (ibit)^), e-est Via 2 för i-est (ibit), i-se
Ib 8 ftlr i-si (iturus sit) *), fu-st Ib 7. 39. III 6 etc., wo-
für einmal fu-i-e8t Va 9 steht, pl. fu-renr Va 22 ver-
schrieben St. fu-rent für fu-sent (erunt), — pass. os-ten-
•sendi Via 20 für os-ten-sent-i-r (ostendentur, Bugge in
d. zeitschr. 11138)^); b) von abgeleiteten conjugationen,
von der ersten: purtuv-i-es IIb 28 (portabit), pru-
peha-st IV 32 (propiabit), stah-e-ren Ib 19 für stah-
e-sent (stabunt), von der zweiten: kukeh-es III 21 (in-
cendet), heri-es Ib 10. IIb 21 (volet, A. K. I §. 19, 4a
p. 82), heri-est VII a 52 (volet), habi-est VIb 50. 53. VII a
46. 51 (habebit).
Betrachten wir nun die Übereinstimmung der italischen
futurbildung mit der altlateinischen im einzelnen, so bietet
das oskische nnr die dritte pers. sing, und plur. indic. im
activ und zwar für jene -e«^, für diese -sef (ans sei, z. b.
prüft u set „probata sunt" cipp. Ab. 16) an den verbal-«
stamm angehängt dar. Weit wichtiger ist das umbrische.
Hier haben wir vorzugsweise zu beachten die 3. pers. plur.
des indicativs fut. I im activ fu-rent für fu-sent und
im passiv os-ten-sendi für os-ten-sentir ; dann ist sehr
beachtenswerth der conjunctiv fut. I i-se, welcher das
hülfsverb si d. h. die 3. pers. sing. conj. präs. von wz. es
ziemlich deutlich (= lat. sit)^ nur zu se verwandelt, mit
^) Ylb 54: Nosve ier ehe esu popluj sopir habe i. e. nisi ibit ex hoo
populo, 81 quis habet (habitat), wo ier statt iert aus "'lest (vgl. eest Yla 2)
verwandelt ist, wie osk. hafiert tab. Baut. 8 aas *hafiest. Vergl. Bugge in
d. zeitschr. VIH 86.
3) Ib 8: svepu esum-e-k esunu anter vaka^e ya9etum ise,
avif azeriatu i. e. »si qui hoc sacrum inter — m omissum iverit (s=s
omiserit), aves observato*'. Wie efusf^Wi 47 in vasetom efust futur II ist,
so ise hier in va^etum ise futur I, nur aber conjunctiv, wie sonst noch
ein conjunctiv in der bedingung gebraucht ist ya24 sve rehte kuratn
si »si recte curatum sit**.
*) Die volle endung -tir erscheint nur im oskischen lamor-Ur t B. 21,
im umbrischen einmal -ter in her-ter III, 1, sonst her-te her-H ker'4*i
(A. K. n 300), dann noch -tur -tu -du im conj. plur. em-antar Y* 8,
em-antu Va 10, tttrs-iandu Vllb 2.
umbrische Studien. 171
der einfachen wurzel i verbunden zeigt. Auf dieselbe weise
gebildet sind die lateinischen conjunctive fut. I
faxim capsit^ welche nicht von sogenannten, blofs erdich-
teten perfecten *faxi *capsi abgeleitet, also auch nicht aus
*fac-8i-8im *cap-si-sit synkopiert sind^), sondern ihre Zu-
sammensetzung aus dem reinen verbalstamm fac cap und
dem hülfsverb sim sit deutlich bekunden, denen wir jetzt
auch oc-cep'Sit mit der Schwächung e aus a von cap^)
und em-p'Sit vom verbalstamm em beigesellen dürfen ; denn
die unmittelbare anfQgung von s an m hat hier ebenso statt
gehabt wie die von s an n im umbr. indicativ os-ten-sendi^
nur ist zur leichtern ausspräche von em-sim noch p als
hülfslaut eingeschoben worden. Auch im indicativ der
alten lateinischen futura seh^ wir den verbalstamm mit
dem hülfsverb zusammengesetzt, z. b. faxo vom st. faCy
juS'SO vom st. jus ^)^ und zwar ist hier das von wz. es in
älterer gestalt vorauszusetzende futur *eso ^esis *esit^ aus
welchem später das gewöhnliche ero eris erit verwandelt
ist, jedoch mit verlust des anlautes e, also -so -$%$ -sit
simus 'Sitis -sint^)^ an den verbalstamm angehängt, z. b.
sing. 1. faC'SOy 2. fac-sis^), 3. fac-sit oc-ci(dysit kga-ssit
1) Wie Corssen noch immer ausspr. IP 561. 562 behauptet. Auf die
beiden einwürfe Madvigs p. 66 und 69, dafs es weder perfecta axi faxi iaxi
occepsij noch auch infinitive davon wie etwa capse fctxe axe faxe objexe je
gegeben habe, ist unseres Wissens nie eine entgegnung erfolgt.
^) Was Corssen jetzt ausspr. IP 561. 412 anerkennt.
8) So nach Corssen, welcher beitr. 421 ju-be-re von *jus-hibe-re durch
die mittelstufe *ju8.be-re herleitet und als ursprflngliche bedeutnng „fllr recht
halten ** erklärt, fUr jus-si aber ein altes denominatives verbum *jou8-ere mit
der bedeutung „i'^^^btsverbindlich machen** annimmt, was noch immer die
wahrscheinlichste von allen erklärungen (s. ausspr. II ^ 1027) sein dürfte.
^) Der anlaut gieng oft verloren, z. b. „sum quod nunc dicitur, olim
dicebatur esum^ (Varro de ling. Lat. IX 100), und sumus = ia-fxiv^ conj.
siem = i{a)lfiv. Die 8. pers. plur. endigt in den alten futuren nicht anders
als auf 'Sint und nicht blofs im conjunctiv, sondern auch im indicativ, wie
auch die aus -sint hervorgegangene endung -rint des futurum exactum ja
indicativ ist. Diese nur in der Zusammensetzung vorkommende endung
scheint uns nun entweder aus älterem sunt wie Unter aus Iwnter (Bücheier im
rhein. mus. XI 297) geschwächt, etwa dadurch, dafs im synkopierten fütnr
rogdssint die letzte silbe, in amdverint die zwei letzten tieftonig sind, oder sie
hiefs urspr. -sent wie im futur ad-es-sent 0. I. L. n. 198, 68 nach ürsinus
(v. 1. ad€S8int)j wet)(Qhes sich dann zu erunt verhält wie das lat. perf. dede-re
zu dede-runt und das umbr. tat, II ben-tt-rent zu ben-u-so,
^) Plaut. Capt. 120 Si faxiSf te in caveam dabo.
172 , Savelsberg
juS'Sit^)^ pl. 1. cap-sitnus^) 2. fac-sitis ^), 3. prohibe-ssint
roga-ssint *). Wie hier eine erklärung aus perfectstämmen
bei fao-so fac-sity cap-simus^ pro-hibe-ssint u. s. w. anwen-
dung finden könne, ist nicht abzusehen. Corssen kann für
seine annähme einer synkope, wie dafs f(Zxo aus ^fac-sl-so
(ausspr. II' 562) entstanden sei, nicht die mindeste leitende
spur zur begründung anführen und sieht sich genöthigt,
für seine hypothese die auffallendsten perfectformen , von
denen oben die rede war, zu ersinnen, die nie existiert
haben. Man betrachte dagegen die Übereinstimmung der
altlateinischen futura im indicativ und conjunctiv mit der
griechischen futurbildung, wie überall thatsächlich nur der
reine verbalstamm (kein perfectstamm ) mit dem hülfsvcrb
zusammengesetzt ist und wi^ auf beiden Seiten das futu-
rum sich auf gleiche weise zum präsens verhält: faoso zu
facto wie (fvlccx-öco zu (fvkccaao) (f. *(fvXdxj(a)^ axit axim
zu ago wie ä^u) ä^ei ä^oiui zu äyco^ spon^sis zu spondeo
wie cjcfto ciaBig zu (hd'iui^ in-cen-sit zu in-cendo wie (fnsitfw
(f. *aniv(ra)) andau zu anivScuy noxit (conj.) zu noceo wie
dd^u) 86^01 zu doxeo)^ ta>xis zu tango wie x^i^ofxm zu d'ty-
ydvui. Diese ganz übereinstimmende Zusammensetzung ge-
winnt nun im verein mit der entsprechenden formation der
futura im umbrischen vollends die rechte beweiskraft, dafs
die altlateinischen futura auf -so und -sim gleichfalls vom
einfachen verbalstamm gebildete futura prima sind.
Dasselbe gilt von den passiven formen der altlateini-
schen futura faxitur jussitur turbassitur mercassitur, welche
Corssen ausspr. 11^ 565 für futura exacta erklärt und von
^ ) Macrob. Sat. I, 4, 19 : Si nox furtum faxsitf si im ocdsitj jure ca«-
sus esto (Schoell, leg. XII tabb. p. 144). Cic. de inv. II, 50, 148: Uti le-
gassit ita jus esto, wo einige codd. legaverit haben (SchoeU a. o.
p. 127). Festus p. 246: Si quis magistratus . . . pondera .... minora m&-
jora^e faxit jussitve fieri, dolumve adduit. Vgl. Corssen ausspr. 11^ 401.402.
3 ) Plaut. Rud. II 1 , 15 Nisi quid concharum capsimus , incenati snmns
profecto.
3 ) Liv. XXV 12, 10: Hoc si recte faxitis, gaudebitis semper, wofEür Ma-
crob. Sat. I 17, 28: Hoc si recte facietiSf cet. gibt.
^ ) Cic. de legg. III §. 9 : plebes quos pro se conüia vim anxilii ergo
decem creassit, ei tribuni ejus sunto, quodque ii prohibessint, quodqae pl«-
bem rogassintj ratum esto.
ümbrische ttudien. 173
perfecteD herleitet, aber mit unrecht. Denn dafs sie ein-
fache futura sind, ist schon von vornherein deshalb wahr-
scheinlich, weil ein passives futurum exactum auf -tur als
selbständiges tempus im lateinischen sonst gar nicht exi-
stiert, sondern nur analog dem perfect und plusquamper-
fect des passivs durch die Umschreibung [actus erit gebil-
det ist; dann ist die schon Qber faxit erfolgte entschei-
dung zugleich mafsgebend für das passiv faxitur^), so
dafs dieses nur das einfache futur des passivs sein kann,
um so mehr, als die ümbrische passivform os-ten-sendi
(f. ""os-ten-sentir) als einfaches futur zu gunsten derselben
geltung der formell ihr so genau entsprechenden lateini-
schen tempusbildung faxitur jus-situr spricht^). Solche
bedeutung haben nun auch wirklich die genannten passiv-
formen, z. b. jussitur bei Cato de re rust. c. 14: „Villam
aedificandam si locabis novam ab solo, faber haec faciat
oportet: parietes omnes, uti jussitur^ calce et caementis^,
wo „uti jussitur" bedeutet: ut jubebitur. Auch in dem ge-
lübde bei Livius XXII 10, 6: „si antidea senatus popu-
lusque jusserit fieri ac faxitur^ eo populus solutus über
esto" ist faxitur einfaches futurum: „dafs man früher
opfere, als geopfert werden wird". Uebrigens ist aber schon
von JMadvig (a. o. p. 80 note) auf den in alten Urkunden
oft vorkommenden beliebigen Wechsel von futur I und fu-
tur II aufmerksam gemacht worden, welchen wir auch in
jenem gelübde bei Livius XXII 10 finden: attulerit, jus-
serit, faciet, volet, faxit^), oportebit, rumpet, occidet, fa-
' ) Wie griech. a^a, für a^^Tai.
') Das oskische verb com-parasc-uster tab. Bant. 4 ist noch nicht bis
zur vollen evidenz erklärt; aber wenn wir auch Corssens deutung vermittelst
der vergleichung von umbr. pers-ni-inu persk-lum und l&t, posc-o prec-or^
sowie die erklärung der form als futur II passiv (in d. zeitschr. XI 364f.)
gelten lassen, so kann es doch bei obigen futuren nicht zur spräche kom-
men, weil es mit -"Mt^ einem rest von futt zusammengesetzt ist, wovon we-
der in fac'situr jw-siturf noch im umbr. os-ten-tendi irgend eine spur zu
finden ist.
8 ) Von alten futuren sind faxit clepsit nebst faxitur die einzigen in die
sem aotenstück vom jähre 217 v.Chr., während zugleich /ocie^ und auch
occidet (nicht occiait (fut.), wie in den XII tafeln) erscheint. Vielleicht ist
der sonst verderbte text an der stelle auch in den verben nicht genau Über-
liefert.
174 SaveUberg
xitur. Ja auch ein präeens in einer bedingung findet sich
hier ^si id moritur'^ und sonst häufig fQr das futurum
(Fabri zu Livius XXI 41, 15), besonders in den zwölf ta-
feln (Mommsen im rhein. mus. XV 464), wo dieselbe ge-
setzesurkunde sonst wieder gleichwie die spätere ausgebil-
dete lateinische syntax den indicativ fut. I oder ind. fut. 11
braucht (Corssen ausspr. 11^ 400), so bei Schoell Leg. XII
tabb. rell. I, 1: Si in jus vocat^ ito; 16: Rem ubi pacunt^
orato; I 7: Ni judicatum facit secum ducito u.s. w.
Ferner hat Festus p. 166 nancitor in XII „nactus erit,
praenderit^. Item in foedere Latino: „pecuniam quis nan-
citor, habeto" und p. 277 y^renancitur reprehenderit** prae-
sentia durch das futur. II erklärt, indem bei solchen Ur-
kunden die spätem grammatiker, an das futur. II gewöhnt,
nur eine Übersetzung in der ausdrucksweise ihrer zeit ga-
ben. Um so weniger kann es uns befremden, wenn das
futur. I öfter ein futur. II vertritt. Solchen Vorgang kann
man am deutlichsten im umbrischen ersehen. 'Das umbr
fu-st (oder fui-est) ist futur. I (Corssen ausspr. I^ 143)
und hat diese geltung oft bewahrt taf. Va 4. 11. VII b 1,
wie es hiervon und auch vom oskischen fut. I fu$t Cors-
sen ausspr. II ^ 572 hinreichend gezeigt hat; aber es ward
auch im sinne der abgeschlossenheit gebraucht, besonders
mit dem part. perf. pass. oder in einem zweiten futur, wel-
ches es durch Zusammensetzung bilden half in a-tera-
-fust (circumdederit), sonst abgestumpft in port^ust (por-
taverit). Jedoch auch als solches wechselt es mit dem
1. futur oft ohne wesentlichen unterschied ab, z. b. IIb 16
Pune fesnaf-e benus, kabru purtuvetu „quom in
templa venerit, caprum portato" im gleichen sinne wie Ib 15
Pune menes (statt menes) Akeruniam-em, enumek
eturstamu tuta Tarinate „quom Aquiloniam veniet,
deinde exterminato civitatem Tadinatem^, wof&r die jün-
gere fassung das fut. II hat Vlb 52. 53: Ape Acesonianih
e • . benust, enom eturstahmu pis est totar Tarsi-
nater „ubi Aquiloniam venerit, deinde exterodinato
(cum) qui est civitatis Tadinatis^, wie überhaupt später
das fut. II immer geläufiger wurde, z. b. in der weise, dAA
ümbrische Stadien. 175
eine bevorstehende handlang schon im voraus vollendet
vorgestellt wurde, wie z. b. Vlla 52 pafe trif promom
haburent „quas tres (juvenoas) primum habuerint (für ha»
bebunt)^, und im lateinischen so oft, besonders si eoluero,
si potuero statt eolam und potero (F. Schultz, lat. sprachl.
§. 325 anm. 3). Wir sehen also, dafs der geschichtliche
hergang in den italischen sprachen nicht sowohl die an-
sieht Corssens (ausspr. IP 572. 574), dafs das fut. II in
dem sinne des fut. I verwandt würde, indem der begriff
der abgeschlossenheit verloren gieng, bestätigt, als er viel-
mehr zeigt, dafs ein vorrücken der tempora von dem er-
sten Stadium des futurs in ein zweites, von einer blofs
bevorstehenden zu einer in der zukunft vollen-
deten handlung und sogar von einer gegenwärti-
gen zu einer bevorstehenden stattgefunden hat, so
dafs die öftere Verwendung der einfachen futura auf -so
-asso -esso im sinne einer in der zukunft vollendeten hand-
lung darin ihre völlig ausreichende erklärung findet.
Von abgeleiteten conjugationen sind wichtig die fu-
turformen purtuv-i-es (portabit), pru-peha-st (propia-
bit), stah-e-ren (stabunt), kukeh-es (coquet, incendet),
heri-es (volet): diese sind deutlich aus verbal- oder präsens-
stämmcn, nicht aus perfectstämmen gebildet, da zu purtuv-
i-es der imperativ purtuv-etu den stamm purtuv,
zu stah-e-ren gleichfalls der imperativ stah-i-tu den
stamm st ah ergibt, und wir demnach aus kukeh-es al-
lein dessen stamm kukeh folgern dürfen. Mithin haben
wir hier dasselbe ergebnifs, wie eben bei der primitiven
conjugation, zu constatieren, so dafs die futura in den ita-
lischen dialekten ausschliefslich nur von verbal- oder prä-
sensstämmen gebildet erscheinen. Für das lateinische glau-
ben wir nicht minder, nachdem wir bei verben primitiver
conjugation die futura auf -so immer von präsensstämmen
gebildet gesehen haben, auf eine gleiche futurbildung auch
in der andern kategorie, den verben von abgeleiteten con-
jugationen, schliefsen zu dürfen. Folgen wir einer solchen
vermuthung, so eröffnet sich uns namentlich für die latei-
nischen futura habessit licessit die möglichkeit einer b^«
176 SavelBberg
friedigeudeD erklärung, wie eine solche vom zusammenge^
setzten perfectstamm hab-ui lic-ui gar nicht erwartet wer-
den konnte. So leiten wir denn die synkopierten futura
habessit licessit analog den umbrischen futuren kukeh-es
purtuv-i-es von präsensstämmen habev licet) her und
stimmen in der annähme der grundformen habev-esit
licev-e-sit mit andern Sprachforschern, freilich bei ganz
verschiedener begründung, überein. Sogar den bisher mir
vorausgesetzten w-laut, den wir im umbrischen fut. pur-
tuv-i-es und imper. purtuv-e-tu vom stamm purtuv
(urspr. portav s. oben s. 156) vorfanden, hat das von
Lübbert entdeckte futur evallav-i-so als auslaut des stam-^
mes aufzuweisen, und dais auch dieses futur der ersten
abgeleiteten conjugation von einem präsensstamm, für wel*
chen wir evallae halten, gebildet ist, ergibt sich beson*
ders daraus, dafs es deutlich als futurum primum bei No-
nius erklärt ist „excludam et quasi extra vallum mittam^.
Die abgeleiteten verba unterscheiden sich von den
verben primitiver conjugation in der alten futurbildung
nur durch eiufügung eines bildungsvocales :
evallav-i'SO im gegensatz zu facso cap-sOy
worin sie wiederum mit dem umbrischen sich im einklang
befinden '):
stah-e-ren im gegensatz zu fu-rent und os-ten-sendi^);
' ) Im oskischen und umbrischen ist diefs ein charakteristisjches merk-
mal der abgeleiteten verba auch im präsens, wo der stammaaslaut v oder h
einen solchen bildungsvocal durchaus erfordert: im oskischen sakah-{-tar
und noch sta-i-t mit hiatus (s. oben s. 152} gegen vinc-ter ac-tud fac-tudt
im umbrischen purtuv-e-tu stah-i-iu gegen ah-tu fer-tu an-ten-tu u. a.
beispiele in grofser zahl (A. K. I 142), während von primitiver conjugation
nur noch ein paar beispiele den bildungsvocal haben, mal-e-tu neben ka-
mal-tu, kan-e-tu = lat. can-i-to und vielleicht ten-i-tu neben an-ten-tn.
3) Aufrecht und Kirchhoff nehmen an, im futur ferest sei e bindevocal
und st aus sit versttlmmelt, jedoch ohne diefs irgend wie im umbrischen stt
begründen. Dagegen hat Bugge in d. zeitschr. II 884 sämmtliehe oskische
und umbrische futurformen mit recht aus dem wirklich vorhandenen indic.
sing, est und plur. osk. -zet (set), umbr. -reut (aus sent) erklftrt. Wir
wagen hier Über das lateinische, von den meisten forschem mit dem conj.
präsens identificierte, futurum der primitiven conjugation auf -am -es -et S-mna
-etis -ent eine vermutbung zu äufsem, dafs es vielmehr, dem futur der ita-
lischen dialekte entsprechend, eine Zusammensetzung mit dem hlüfisverb e$M€
enthalte, so dafs z. b. in fer-et fer-etis ausfall des s vor t in -et und -^tia
(aus -est und -estis) wie in tre-dectmy vor m in Smus (aus -Ssmus) wie in
umbriBcbe stildieü. 1?7
aber beide classen stimmen in der bauptsache, im entschie-
denen festhalten des sibilanten, überein, und dieses hatte
zur folge, dafs als bildungsvocal gerade i wegen seiner
Wahlverwandtschaft mit s (Corssen ausspr. 11^ 278 — 282)
gewählt ward, woran wir die von Lübbert entdeckte fu-
turform evallaV'i'So als durchaus normal und acht erken-
nen. Wenn nun schon bisher die alte futurbildung bei
abgeleiteten verben für dieselbe wie die bei verben von
primitiver conjugation vorkommende gehalten wurde, sowol
von Madvig, der sie in beiden fällen vom präsens, als
von Curtius und Corssen, welche beide vom perfect her-
leiteten, so dürfen wir jetzt diesen satz um so mehr auf-
recht halten, als wir mit hülfe der italischen dialekte ihre
bildung von präsensstämmen fest begründet haben, und
dabei doch auch die unzweifelhafte synkopierung der fu-
tura auf -asso und der conjunctive auf -assit -essit von
präsensstämmen auf -av und -ev ihre volle erklärung er-
hält, dafs z. b. ob'Serva-sso aus ^ob-servav-i-so, pecca-itsit
aus *peccav-i-sit, Aa6e-.s«t^ aus *habev-i-sit synkopiert ist ^).
re-mua (urspr. res^mus) und vor nt in -ent (aus -es(u)nt) wie in aheneus ge-
genüber umbr. ahesnes, und zum ersatz dafUr die vocalverlängening/er-effi««
fer-ent anzunehmen sein würde. Die ehemals auf -em endigende 1. person
in dicem faciem ( Quintil. 17, 28), welche oft das m verlor in attinge dice
ostende recipie bei Festus p. 26. 72. 201. 286 (Corssen ausspr. I^ 267),
verwandelte sich später in -anif was zwar schwer zu erklären, aber der er-
sten person inquam (gegenilber 8. pl. inqui-imt) ähnlich ist.
' ) Indem wir präsensstämme observav peccav habev aufstellen, mttfsten
wir (so konnte man berichtigen wollen) ihnen die benennung verbalstamm
geben, da die Stammerweiterung mit v ursprünglich wohl das ganze verb
durchzog, wie im lateinischen volv-o volv-i volu-tum (wz. vol „wäl-ze" ),
acu-o acu-i acit-turrij desgleichen im griechischen XQ^"^ XQ^^'''^P (Hom.),
xoXoif-ta (von *xoXq^6~q = xoXoßo-q neben xoAo-?) i-xoXoV'(fO^ x<-xoXoi/-
^(jiivoq^ naiSev-ut ne-nuldsv-xa naidtit-roq , wahrscheinlich auch im oski-
schen aamanaf-fed (i, e. perfecit, s. Enderis osk. formenl. p. 10, inschr.
n. XII. XIII, p. 11 n. XVII, p. 19 n. LII) aus ♦aamanav-fed (vgl. trf -
barakav-um). Jedoch ist gewöhnlich im perfectum, besonders wenn es
redupliciert oder mit -ui zusammengesetzt ist, ein kürzerer stamm oder die
Wurzel der grundbestandtheil geworden, so im alten perfect tci-sci-di von
scind-Of in tu-tud-i von tund-o, in ste-t-i mit verstümmelter wnrzel von tto
urspr. *8tav'0j in sec-ui von seco urspr. ""secav-o, in spo-pond-i von sponde-o
urspr. ""spondev-o, in hab-u-i von habe-o urspr. '*'habev-o, auch im umbri-
schen in dem vom perfect abgeleiteten fut. II port-iut vom normalen prä-
sens *portav-Of imper. pnrtuv-e-tu. Deswegen erscheint es nothwendlg,
im gegensatz zu dem vielfach veränderten perfectstamm ganz besonders den
präsensstamm aufzustellen, welcher (mit ausnähme des tat, I taxo von tango)
in der regel dem einfachen futur zu gründe liegt.
Zeitschr. f. vgl. sprachf. XXI. 2. ] 2
178 Sftvelsberg
Im hinblick auf die obige übersiebt der dialektformen kön-
nen wir nunmehr zugleich die Stufenfolge der abstumpfung
und zusammenziehung der alten futurformen bestimmen,
z. b. von obsercasso und habesso. Der labiale Spirant im
umbr. purtuv-i-es und lat. *o6*crt?ai?-t-«o *Äa6c©-f-«o
ward zuerst zum blofsen hauch geschwächt in umbr. stab-
-e-ren kukeh-es und lat. ""observah-i-so *habeh'U$o;
darauf schwand der hauch zwischen den zwei vocalen in
umbr. habi-est st. *habe-est, heri-est st. *here-est und lat.
^observa-i-so *habe-uso, daun wurden die beiden vocale
contrahiert, ae ai zu ä, ee ei zu e, in umbr. pru*pehä-st,
o^\i, deitä-st herS-st, lat. observäso hab^so, und endlich
trat durchgehends eine verschärfte ausspräche des s ein,
die durch doppeltes s bezeichnet wurde: obserca^ifso ha-
be-sso"^) u. s.w., wiewohl die 3. pers. conj. pl. in manchen
handschriften sich noch oft mit einfachem s geschrieben
findet, wie servasint Plaut. Trin. 384. Stich. 505, curasint
Poen. prol. 26, locasint Cic. de leg. III 4 §. 1 1 u. a.
Nachdem wir den präsensstamm der alten futurbildung
aus den italischen sprachen constatiert haben, wollen wir
noch weitere andeutungen davon im lateinischen, als die,
welche in habessit licessit wohl nachträglich zugestanden
werden mögen, nachweisen. Die bei Paulus exe. ex Festo
p. 26, 3 verzeichnete glosse astasent statuerunt wird seit
O. Moller allgemein mit recht fQr einen conjunctiv gehal-
ten, wobei denn die beigesetzte erklärung in statuerint
geändert werden mufs, die glosse selbst aber, auch in ih-
rem ausgang -sent statt -sint gegen jegliche änderung zu
schützen sein wird, was uns zuerst obliegt. Denn die
häufige Schwächung des i zu e in auslautender silbe ^) ist
auch in personalendungen der verba gut bezeugt: so ist
die 3. pers. pl. conj. präs. duent statt duint aus glossarien
^) Gleicher art ist die verschärfte ausspräche des s im infinitiv per-
fecti, indem auch hier wie oben in evallav-i-so der bildungsvocal i und der
Sibilant sich wegen ihrer Wahlverwandtschaft wechselseitig vor umwandelung
schützten und somit das infinitivsuffix -se sich fest erhielt z. b. in feo-i-Me,
auch in der synkope coniourase S. 0. de Bacch. 18 — coitsuease — notte, "wVhr
rend es sonst nach e in r übergieng im praes. ag^e-re und fut. impetrass-e-re.
') Saliern aus taltim, torques feles canes aus torquis felis canis n. 8.W.
Corssen ausspr. II ^ 224—281.
umbrisobe Stadien. 179
durch Scholl leg. XII tabb. rell. p. 87 constatiert, fuet und
dedet statt fuit und dedit aus inscbriften von Corssen
ausspr. I^ 725 naehge wiesen, welcher auch im ei des con-
junctivs (fut.) faxseis C. I. L. n. 542 (146 v. Chr.) eine
vorübergehende hioneigung des I nach e sieht. Zu diesen
analogien kommt denn nun die Übereinstimmung der hand-
Schriften: so bei Plautus Pseud. I 5, 84 faxem (i. q. fcuHm^
ohne dafs aber so mit Madvig a. o. p. 69 zu ändern nöthig
wäre), Menaechm. 617 tu ne clam me comesses prandium
{comessis bei Brix als conjunctiv fut.^), vgl. Lübbert a. o.
43. 47), Amphitr. 69 ambissent^ 71 ambisset {ambissint und
ambissit als conj. fut. vermuthete schon Lambrinus, M.Acc.
Plautus 1095 p. 7.8), und bei Livius III 64, 10 in der
lex sacrata v. j. 306 a. u. „uti quos sibi collegas cooptas-
sent^ ut illi legitimi eadem lege tribuni plebei sint^). Wir
können also die schon von andern, besonders von Weifsen-
born zu dieser stelle und von Lübbert a. o. p. 76 verthei-
digte endung -sent als gleichgeltend mit -sint durch obige
analogien und vielfache handschriftliche Übereinstimmung
fQr ganz gesichert halten. Im übrigen enthält astasent
vorn die präposition ad bei folgendem s zu as assimiliert,
aber doch nur einfache Schreibung des s, wie astiii von
assisto, und a-sta in einer sehr alten inschrift bei Orelli
n. 48 '.8: hospes . quod . deico . pauUum . est . asta . ac . pel-
lige, und was die transitive bedeutung statuerint in
astassent betrifft, so ist diese nicht eben befremdend, da
Status „festgestellt^, Stator (Jupiter) „ feststeiler ^ und
praestare „hinstellen, leisten^ bedeutet. Endlich ist das
tempus kein anderes, als das bisher vielbesprochene ein-
fache futurum im conjunctiv: „sie mögen aufstellen^, als
bevorstehend gedacht = statuturi sint, nicht etwa futu-
^} Von einer geltung als conjunctiv perfecti kann bei comeates nicbt
die rede sein; da das perfect ja comSdi beifst; ebensowenig h&t fcueem mit
dem perfect f6ci etwas gemein.
^) Ancb ein indicativ des futurs auf -set findet sich in den 12 tafeln
(Scholl a. 0. p. 188): Cum nexum faciet mancipinmque , nti lingua nuncu-
passety ita jus esto", wo sowol die Codices von Cic. de orat. I 57, 246 mm-
cupasset haben, als auch Festus p. 178 mit der erklärung: „id est, uti no-
minarit locutusve erif*.
12'
180 Sayelsberg
rum II oder conjuootiv perfecti (was CorsseD ausspr. II*
564 unentschieden läfst), so dafs es in jedem dieser zwei
fälle von einem perfect *stayi abgeleitet wäre; denn aufser
steti auch ein perfect *stam vorauszusetzen, scheint uns
ein mehr als gewagtes spiel. Wohl aber halten wir asta-
sent für synkopiert gleichwie das futur habessit und die
futura auf ^asso -^assim, und indem wir es mit obigem
umbr. fut. stah-e-ren vergleichen, tragen wir kein be-
denken es von einem präsensstamm stav abzuleiten und
erklären es als aus der grundform ^stav-i-sint oder *stav-
-i-sent synkopiert.
Dafs aber die glosse in folge der emendation statue-
rint nun als futurum exactum erklärt wird, wie noch man-
che ähnliche glossen bei Festus, z. b. p. 229, 6 propriassit
proprium fecerit, Paul. exe. ex Festo p. 28, 11 ad(aeint
adegerint, 28, 13 amasso amavero u. a. (gesammelt bei
Lübbert p. 41 )^ das kann uns nicht irre machen. So er-
klärt Festus auch duis und dessen composita, welche meist
conjunctive präs. sind, durch das fut. II, wie p. 66 duis
. . . . dederis, p. 27 addues addideris (vgl. s. 178 anm,2).
Darum sind aber solche glossen noch keine futura exacta.
Duis und duint wechseln mit futuren ab, duis mit servas^
m^), duint mit ambissent^)^ und sind dann zwar im sinne
des futurs gebraucht, aber nicht des fut. II, sondern sie
dienen nur zur Vertretung des fut. I im conjunctiv. Von
ihrer zweifachen geltung als präsens und als futur haben
auch alte glossarien bestimmte erklärungen gegeben, welche
Scholl a. o. p. 87 gesammelt hat: y^duint Soiev Soitfaxfiv^
(conj. aor.), y^duit dohj^ Gloss. Philox. , yyduint dent, tri-
buant" Gl. Amplon., y^duent et duint dent, tribuant** Gl.
Mai VII 559, ,,duent dent(t)ribuant" Gl. Paris, ed. Hildebr.
') Cato de r. r. 141: Pastores pecuaque salva servassis duisque bonam
salatem.
2) Plaut. Amph. 69:
Nam si qui palmam ambissent histrionibus
seu qui ipse ambisset seu per intemuntium
slve adeo aediles perfidiose quo! duint
sirempse legem jussit esse Juppiter
quasi magistratum sibi alterive ambiverit.
umbriscbe Studien. 181
p. 118 und y^duent dabunt^ 61os8. Papiae, wo wir den sinn
durch den indicativ fut. I wiedergegeben finden. Wenn
aber praesentia, zu denen wir hier auch das oben bespro-
chene nancitor hinzufügen, von den grammatikern öfter
durch futura exacta erklärt werden, so wundert es uns
weit weniger, futura so erklärt zu sehen, und so darf uns
dieses nicht abhalten, astasent als das zu bezeichnen, was
es den Sprachgesetzen gemäfs allein sein kann, als das
einfache futurum im conjuuctiv.
Nachdem wir astasent nach jeder seite hin sicher ge-
stellt und durch vergleichung mit dem umbr. futur stah-
-e-ren zu einer grundform des conj. fut. I *a'Sta'C-i sint
zurückgeführt haben, bietet sich eine zweite dazu gehö-
rige lat. futurform vom compositum re-stare dar bei Pro-
perz II (b. Lachm. III), el. 34 v. 53:
Hamm nuUa solet rationem quaerere mundi.
Nee cur fraternis Luna laboret equis,
53 Nee si post Stygias aliquid restaverit undas.
Nee si consulto fulmina missa tonent.
Den 53sten vers gibt somit restaverit der beste codex,
der Groninganus ^ ), wie auch die ältesten ausgaben, die Re-
giensis von 1481 und die Aldina von 1515. Lachmann
schrieb in seiner ersten ausgäbe 1816 p. 226 restabit (nach
cod. Neap.) ad undas^ weil er von der Schreibung des cod.
Gron. restaverit urtheilte „bene, sed forma nimis dubia^^
aber 1829 fand er kein bedenken mehr, restaverit undas
nach cod. Groning. zu schreiben. In der folge wird aller
anlafs fehlen, restaverit als forma barbara (Madvig op.
acad. altera p. 110) oder als einen ganz absonderlichen
conjuuctiv perfecti zu bezeichnen, wenn man die rechte
') Hertzberg, S. Aul. Propertii elegiae. T. I (Qaaestiones) p. 238. In-
dem Hertzberg dort p. 235 die abweichungen des codex Dresdensis vom
verwandten Neapolitanus erwähnt und beispiels halber von den Varianten
unserer stelle 11 34, 53 eine sehr wahrscheinliche erklärung gibt, wie aus
frtlhester abschrift reataberit wfidas eine verschreibung restabitenmdas und
daraus die sinnlose änderung restabit aerumnas des cod. Dresd. habe ent-
stehen können , nimmt er doch später tom. II (im text) p. 83 Jakobs con-
jectur auf: Nee si post Stygias aliquis sedet arbiter undas, — die doch
wahrlich nicht palmaris, wie im commentar t. III p. 235, genannt werden
kann.
182 SftveUberg
bilduogsweise erkannt bat. Restaverit ist sowol der
form nach, als dem sinne gemäfs das einfache futur und
zwar dessen conjunctiv, gefordert von der abhängigen frage
(▼. 51 quaerere): „ob hinter den wellen des Styx (d. h.
nach dem tode) noch irgend etwas Qbrig bleiben werde^.
Die verbalform ist nicht vom perfect abgeleitet, welches
ja ganz verschieden resHH lautet, sondern ist ein von
einem präsensstamm auf -av, restav, gebildetes unverkürz-
tes futur und stimmt genau zu obiger grundform ^stavi-
-sint, nur dafs bei verwandelung des s in r auch der
bildungsvocal i in e übergehen mufste (Corssen ausspr.
n» 202).
und sie steht nicht vereinzelt da. Von gleicher art
ist ein conjunctiv fut. I, der ebenfalls unsynkopiert geblie-
ben ist, bei Livius XXXX 46, 6, nämlich implicave-
rint. Die stelle wird zwar allgemein ftir verderbt und
lückenhaft gehalten, ist aber nicht unheilbar. Geben wir
zuerst den Zusammenhang an, so bittet Metellus im j. 575
der Stadt die zwei eben gewählten censoren, ihrer feind-
schaft ein ende zu machen. Da lautet nun c. 46, 5 — 7
der überlieferte text so: inimicitias per annos multos vo-
bis ipsis graves et atroces geritis, quac periculum est ne
ex hac die nobis et rei publicae quam vobis graviores fiant.
De quibus causis hoc timeamus, multa subcurrunt, quae
*dicerentur, *nisi forte implacabiles fueritis, *impHc ave-
rint animos vcstros. Jüngst hat Kühnast „die haupt-
punkte der livian. syntax^ s. 244 über die eine Unebenheit,
causae implicant animos ohne ablativ; durch die parallel-
stellen Liv. II 21, 4. Sali. Jug. 59, 3 hinweggeholfen und
hauptsächlich die discrepanz von quae dicereniur und nisi
forte implica'cerint mit recht als eine durch nichts zu
deckende Schwierigkeit bezeichnet, aber implacabiles fue-
ritis als glossem gestrichen und auch sonst zu gewaltsam
geändert quae dicereniur^ nisi forent implicaturae. Besser
erkannte den sitz der schaden ein gleichfalls durch sorg-
fältige arbeiten über Livius bewährter kenner desselben,
mein freund Freudenberg in den mit asterisken bezeich-
neten stellen, jedoch nicht sowohl in implicaverint, als in
umbriBche stndien. 188
dicerentur und nisi und brachte folgenden heilungsver-
such: multa subcurrunt, qnae reticentur, ne, si forte
itnplaoabiles fueritis, [magis] implicaverint animos vestros.
Die conjectur reticentur für dicerentur^ welches vielleicht
aus einer versohreibung mit nachbesserung TIC6NTVR ent-
standen ist, stützt sich auf vielfache erfahrung ähnlicher falle ^)
und ist wegen des tre£Plich passenden sinnes sehr wahrschein-
lich ; die andere^ ne si statt nisi^ dürfen wir vielleicht noch
höher anschlagen und für ganz unzweifelhaft halten; durch
beide zusammen aber tritt der lichtvollste Zusammenhang
wieder ein: „Sollen wir unsere befürcbtung begründen, so
könnten wir viele erinnerungen anführen; wir verschweigen
sie aber, auf dais sie, wenn ihr einer Versöhnung etwa un-
zugänglich sein werdet, eure gemüther nicht noch mehr ver-
wirren mögen^. Demnach ist implicaverint ein zu ne
gehörender conjunctiv und zwar eines mit dem fut. II fue-
ritis in Verbindung stehenden futurs, aber nicht eines
fut. II, welches weder dem sinne angemessen wäre, noch
der form nach vom perfect herstammen würde, da dieses
regelmäfsig implicui heifst^), das fut. II also implicuero
lauten müfste; sondern implicaverint ist conjunctiv
fut. I^), wie snpplicassis (wo eine silbe durch synkope
') Sehr ähnlich ist die Umstellung der silben, welche Hertzberg bei
Properz II 84, 68 vermuthet, von restaberit undeu zu restabiterundas, indem
er die vielleicht aus verschreibung entstandene Variante restabit aerumnas
durch jene Zwischenstufen von dem prototyp restaverit undcu herzuleiten
sucht (s. oben s. 181 anm.)* Femer bei Cicero de orat. II 1 §.2: — „etiam
iUud saepe intelleximus, cum essemus "'ejusmodi, quod vel pueri sentire po-
teramus^ emendiert Gulielmius durch Umstellung ejus domi.
2) Implicui bei Vergil Aen. H 662. 724. XI 109. 682. 762. Ovid.
Met I 762. III 848. Am. II 18, 9. Seneca Hipp. 1086. Seneca epist.
22, 2. 76, 9. benef. 6, 12, 2. Martial. VI 16. Fronto ad M. Caes. 114, 20.
implicuisse Tibull. HI 6, 64. Propert. III 6, 20. implicuisses Cicero pro
domo 40. Wir finden freilich auch implicasti bei Appulejus (unter Marc
Aurel) Met. III 19 (p. 208 ed. Oudend.); aber jener schriftsteUer der africa-
nischen latinität erlaubte sich viele willktliliche neubildungen (Bernhardy,
grundrifs der rom. litt. s. 182), und dafs diese perfectbildung auch nachher
selten war, bezeugt noch im 6. jahrh. Priscian IX 7, 87: implicw vel tf»-
plicavif quod in raro usu est.
a) Vgl. Plaut. Capt. 128:
Visäm, ne nocte hac qufdpiam tvrbdverintf
Inde me' continuo r^cipiam rursüs domum. Dazu vergleiche noch
184 Savelsberg
wegfiel) bei Plautus Asin. II 4, 61 Yerbo cave supplicassis
und so viele andere synkopierte conjunctive fut. I auf
-assim -assis. Die beiden verglichenen formen dienen ein-
ander zu gegenseitiger aufklärung: tm-p/tcar-e-r«n( enthält
den präsensstamm plicav unversehrt, hat aber die endung
'Sint in -rint verwandelt; dagegen haben die futura conj.
auf -Chssim -a-ssit zwar das s der endung verschärft,
aber den präsensstamm nicht unverkürzt gelassen, sondern
es ist hier nrspr. *sup-plicav-i-si8 zu sup-plica-ssis syn-
kopiert.
Auch von der zweiten abgeleiteten conjugation ist
noch ein solches synkopiertes futur mit r (aus s) unter
den fragmenten des Pacuvius in zwei formen erhalten:
a) die 2. pers. sg. ind. fut. I moneris (aus ^monev-e-ris )
in der tragödie Armorum Judicium (fragm. VII bei Rib-
beck, Tragg. latt. rell. p. 66) bei Nonius p. 507, 25 :
..die quid faciäm: quod me moneris effectüm dabo.
Dieser indicativ futiiri ist auf gleiche weise gebildet wie
licessit bei Plautus Asin. III 3, 13:
Nae iste h^rcle ab ista non pedem disc6dat, si licessit^
Qui nunc festinat ätque ab hac minätur sese abfre.
b) die 3. ps. pl. conj, fut. I monerint (aus *monev-e-rint)
in der tragödie Chryses (fragm. XXI b. Ribbeck 1. c. p. 74),
citiert von. Nonius p. 507, 26 und 74, 22, von Varro de
L. L. VII §. 102 und Paulus exe. e Festo p. 373:
Di monerint meliora ätque amentiam äverruncassint
tuam!
Dieser conjunctiv fut. I monerint, welcher zu den obi-
gen beispielen reslav-e-rit und implicav-e-rint gehört, inso-
fern sie alle drei die Verwandlung des urspr. s in r mit-
einander gemein haben, ist wegen der synkope, welche er,
wie der mit ihm verbundene conj. averrunca'Ssint aus
*averruncaV'i'Sint^ so aus *monev-e-rint erfahren hat, na-
Lucret. II 981 :
Ipsa quoque ex aliis debent coDstare elementis,
Inde alia ex aliis, nusquam consistere ut atuiSj
i. e. ita at non aasarus da. Dieses beispiel nebst andern bespricht MadTig
a. 0. p. 104.
umbrische Studien. 185
türlichor weise mit langem e mon^rint gesprochen wor-
den^) nnd stimmt übrigens, um ein beispiel derselben ab-
geleiteten zweiten conjugation zu nehmen, zum synkopier-
ten conjunctiv futuri prohibässit bei Plautus Pseud. 14:
Id te Jüppiter
Prohibessit.
Solche conjunctive futuri auf -erim stellen wir auf, ob-
gleich unsere grammatiken nichts davon erwähnen, auf
grund eines berichtes von Gellius N. A. XVIII 2, 14, man
habe am Saturnalienfest sich über gelehrte probleme un^
terhalten: „Postrema quaestionjim omnium haec fuit: scrU
pserim legerim venerim cujus temporis verba sint, praete-
riti an futuri an ntriusque^. Zu der zeit konnte man, da
die alten futura auf -so und -sim längst aufser gebrauch
gekommen waren, freilich blofs von Unterscheidung eines
mit dem conjunctiv perfecti gleichlautenden conjunctivs
fut. II sprechen. So gut aber, wie dieser bezeugt ist,
müssen wir auch die conjunctive einfacher futura restave*
rit implicaverint monerint als nach bedeutung und form
unzweifelhaft anerkennen, da sie der form nach ja nicht
von ihren perfecta restiti impUcui monui^ sondern von prä-
sensstämmen restav implicav monev gebildet sind. Aber
obgleich das einfache futur immer vom präsensstamm ge-
bildet ist, so trifft es doch oft ein, dafs es, namentlich in
der ersten abgeleiteten conjugation, mit dem conjunctiv
perfecti zufällig gleichlautet. Z. b. bei Plautus Capt. 123:
Visäm, ne nocte hac quidpiam turbäverint,
Inde m^ eontinuo recipiam rursüs domum
kann turbäverint^ welches, wie der Zusammenhang lehrt,
deutlich ein conjunctiv futuri I, also aus dem präsensstamm
turbav gebildet ist, in derselben gestalt zugleich conjunctiv
1 ) Der anfang des verses mufs nicht Di monerint gelesen werden , wie
Ribbeck angibt, sondern: J)i m'nerintf wie honen nnd senem bei Plantos ein-
silbig gelesen wird. Ritschi Prolegg. p. CXLIV: In talibus igitnr vocibus
bisyllabis eam fuisse vim litterae liquidae contendimus, ut aliqno modo
extrita breri quae praecederet vocali nna tantnm syllaba audiretur.
P. GL : Itaqae nt hene et maltj sie etiam maUficw et beneficium pronuntiata
sunt: ut domif ita domicilium qnattuor sjUabis Milit. II 5| 41: ut ienexj ita
senectutem plus semel.
186 Sftvelsberg
perfecti und noch conjunctiv fut. II sein, welche beide
vom perfect turba-ei abgeleitet sind. Doch solches zu-
sammentreffen wird uns nicht wundern, da noch sonst oft
verschiedene formen zufällig gleichlauten, z. b. servare
dreierlei sein kann, ebenfalls servaris mit anwendung der
Synkope. Auch das alte futur I konnte in der regelmäfsi-
gen endung «assim des conjunctivs frQfa oder spät wohl
dem conjunctiv perfecti gleichklingen, da einerseits von
letzterm conjunctiv frühe formen mit s (oder ss) vorkom-
men, wie devorasset (f. devorassit) '), certasset (f. certas-
sit)^), asportassent (f. aspoKtassint) ^ ), andererseits uns ein
schon ziemlich frühes synkopiertes futur I auf -rim er-
schien in monerint bei Pacuvius. Aber solche ßllle sind
in unbedeutender zahl vorhanden. Gewifs führte *das be-
dürfnifs der Unterscheidung eine regel herbei, welche wir
thatsächlich darin erkennen, dafs im alten futur der con-
junctiv auf -sim -assim die synkopc ohne alle ausnähme,
der indicativ auf -so -asso nur mit ausnähme von evallü"
viso bei Titinius, sonst stets dieselbe erfahren, übrigens
beide modi das s beibehalten, sogar zu ss verschärft ha-
ben; der conjunctiv perfecti aber selten synkopiert ist und
bis auf die drei obigen ausnahmen auf -set und -sent die
alte endung -sim immer in -rim verwandelt hat. Endlich
ist die Unterscheidung sehr leicht in den fällen, wo der
perfectstamm vom präsensstamm sehr abweicht: a[d]$üt'e'
-rint von a-sta-sent (aus *ad-8tav-i-sint), re-sHt-e-rit von
re-siav-e-rii^ im'-plicihe'rint von im-plicav-e-rinty monu-e'rint
1) Varro Sat. Pnpiapapae bei Nonius p. 26. 39 (Bücheler, P«troiiii
satirae. Adjectae sant Varronis satirae p. 195 n. 878): veniam ad novum
magistratum , cum hie rapo umbram qnoque spei devorcuset „da dieser rlUi-
ber auch den blofsen schatten von hoffnnng verschlangen hat^. Ueber die
verwandloog der ursprunglichen endung -sit in -set s. oben s. 179.
^) Varro Sat. raqjtj Mevinnov bei Nonius p. 248, 14 (Bttchelet 1. c.
p. 208 n. 519): in charteo stadio fTfudtpinv dymfa quo quis certasset tadmo,
bellns homo magis delectatns Stoicornm pancratio quam athletamm ^"^
gekämpft hat**.
> ) Plantns Amphitr. 11,52:
Si s{ne vi et sine bellö velint rapta ^t raptores trddere,
Si quae dsportcisseni r^ddere, se ex^rcitum extemplö domum
Redücturum.
umbrische stndien. 187
von monS-rint (aus *monev-e-rint), pro^hibu-e-rit von prO"
hibe-ssit (aus *pro-hibev-i-8it), fec-e-rim von fac-sim, spo-
pond-e^ris von spon{d)'Sis, sur-ripu-e-rit von sur-rep-sit.
Hier haben wir also im lateinischen die ersten spuren
von ursprünglichen präsensstämmen auf -av -ev entdeckt;
denn den eben angeführten conjunctiven fut. I liegen die
stamme stav plicat monev habet) zu gründe, wie im oben
besprochenen indicativ fut. I evallav-i-so bei Titinius der
stamm evatlav und wie im umbrischen im ind. präs. sub-
'Ocat'U und imper. präs. purtuv-e-tu die stamme sub^
'Ocav und purtuv (portav) deutlich zu tage treten und
überdiefs aus den futuren stah-e-ren kukeb-es die
Stämme stav kukev unzweifelhaft erschlossen werden.
Zweitens sind von den präsensstämmen auf -av -ev
vermittelst des Übergangs von v in b^) die imperfecta auf
-ab-am -eb-am und die futura auf -a6-o -eb-o abgeleitet.
Die bisherige erklärung, dafs die genannten endungen von
einem imperfect *fuam der wurzel fu und von deren prä-
sens *fuio herstammen sollen (Corssen ausspr. I^ 164. 166),
ist gar schwach begründet und nicht glaublich. Denn wo
wirklich ein Zusammenhang einiger tempora der wurzel fu
mit perfecten und den von denselben abgeleiteten zeiten
statt findet, wie am deutlichsten im umbrischen im fut. II
a-tera-fust (circ'umdederit), ambr-e-furent (amb-i-
verint), dann im perfect piha-fi oder ptha^fei (pia-vi)
und in den oskischen perfecten aamanaf-fed (perfecit)
aikda-fed (aedificavit), zuletzt mit wegfall des f in den
umbr. fut. II fak-ust (fecerit), ben-ust (venerit), port-ust
(porta-verit), fak-ureut (fecerint), haburent (hab-uerint)
und im lateinischen in dom-ui hab-ui ama-vi dele-ei audi-ti^
da ist entweder die wurzel fu oder f, oder aber, wie na-
mentlich im lateinischen, u oder v übrig. Sollten nun
die imperfecta auf -abam -ebam mit einem ehedem vor-
handen gewesenen imperfect ^fuam zusammengesetzt sein,
>) Wie in buh-ile ans bov-iUf ferhui aus *ferffui (Corssen ansspr. I' 126),
in dubiu-8 aus *duviu-s = griecb. Soio^q aus *StiFvr~s (Verf. de digammo
p. 20).
188 Stvelsberg
SO würde ein solches imperfect nach analogie der in den
perfecten vielgebrauchten Verkürzung -tii aus /tit, ebenfalls
zu -uaui oder -vam verkürzt worden sein und dieser aus-
gang wäre dann durch den lautwandel v in b zu -bam
geworden. Nuu müssen wir aber gegen die annähme sol*
eher Zusammensetzung beim imperfect ein paar erhebliche
bedenken äufsern: erstens dafs, während das perfect fui
uud die von ihm abgeleiteten tempora und modi vollstän-
dig durchflectiert sind, kein indicativ des imperfects und
des präsens*) von der wurzel fu erhalten ist, und zwei-
tens, dafs in keiner verwandten spräche ein imperfect zu
finden ist, welches mit einem der lat. wurzel fu entspre-
chenden verbum zusammengesetzt wäre. Dagegen ist das
imperfect in den verwandten sprachen stets vom präsens-
stamm gebildet, im lateinischen wenigstens noch in er-^tn
er-as er-at von der wurzel es. Bleibt uns nun die wähl,
die endungen -abam -ebam entweder aus -vam als einer
Verstümmelung vou *fuam, oder aber aus verbalstämmen
auf -av -ev (in jedem fall durch den lautwandel von v
in b) hervorgehen zu lassen, so können wir keinen augen-
blick schwanken, sondern wir werden imperfecta wie iia-
bam implicabatn vocabam portabam von präsensstämmen
stat> implicav vocav portav, welche im lateinischen und
umbrischen nachgewiesen worden sind, entschieden vermit-
telst des lautwandels von v in b ^) ableiten, ebenso die
imperfecta flebam monebam habebam von den präsensstäm-
men flev monev habet, welche wir oben (s. 162. 187) anzu-
nehmen uns genöthigt sahen, und überhaupt nicht nur alle
1) Dafs bei Diomedes I p. 875 P. »fore, quod verbam est apnd anti-
qao8, quod dicebant fao fbas fnat** ein präsens foo blofs fingiert ist, bedarf
kaum der erinnerang, wie denn Diomedes auch nur vom conjunctiy fiut
schriftstellen citiert, keine von fao.
^ ) Eine inschrift eines glasgefäfses von Arienzo würde uns willkommen
sein, wenn sie besser als von Pratilli verbürgt wäre. Dieser veröffentlichte
sie im jähre 1745 (s. Bullet. Nap. N. Ser. I. 1858 p. 186) folgendermafsen :
BAIAEME NTACCVSIAVANT. Zwar konnte vorgeschlagenes i im
verb acctuiavant einen campanischen provincialismus bilden, wie es im osk.
e{tiavam (volsk. siatiatiens) und sogar in einer lateinischen inschrift ^ecertmt
aus Campanien I. N. n. 1650 (Corssen ausspr. 11^ 610) der fall ist (vgl.
oben s. 119), und Garucci hält die echtheit jener inschrift fest. Jedoch wir
benutzes sie nicht, so lange nicht andere autoritäten sie stutzen.
ttmbrische Stadien. 189
«
imperfecta der ersten und zweiten, sondern auch der drit-
ten abgeleiteten conjugation (der jetzt sogenannten vierten)
auf solche in v ausgehende stamme, also auch audibam
audibat ( Ovid. Fast. III 507 ) mit der in der ältesten zeit
üblichen endung -ibam^) auf den präsensstamm audiv zu-
rQckführen. Die überhand nehmenden abgeleiteten conju-
gationen erhielten immer mehr Zuwachs von primitiven
verben: lavere und sonire, die der alten spräche angehör-
ten (Neue n 322), traten in die erste abgeleitete conjuga-
tion über, wurden also später lavo lavas lavabam — sono
sonas sonabam flectiert; viel öfter noch giengen die primi-
tiven verba in die zweite über: so wurden die meist nur
bei altern Schriftstellern gebrauchten verba ferto fulgo olo
scato strido tergo tuor u. a. (Neue II p. 324 — 329) später
weit mehr vom präsens ferveo fulgeo oleo scuteo sirideo
tergeo tueor flectiert. Wahrscheinlich wurde solche wan-
delung hauptsächlich durch das imperfect herbeigeführt,
für welches sie nöthig wurde, da nach dem schwinden des
augments das alte imperfect vom conjunctiv des präsens,
z. b. legam^ nicht mehr zu unterscheiden war. Nur eram
blieb als rest des alten imperfects deutlich geschieden vom
urspr. Optativ siem odei* «tm; im übrigen trat allgemein
die von der zweiten abgeleiteten conjugation entnommene
Vertretung ein: legebam folgte der analogie von tnonebam,
audiebam für audibam der von legebam^).
Gehen wir zum futurum auf -bo über, so finden wir
hier, gleichwie im umbr. fut. purtuv-i-es, den ursprüng-
lichen laut V auch im lateinischen noch ein parmal unverän-
dert vor: a) in triumphavit in der lex Julia bei Kitschi
XXXin V. 63, C. I. L. n. 206 »quibus diebus flami-
nes plostreis in urbe sacrorum publicorum p(opuli) R(omani)
^ ) Z. b. exaudibamf praesagibatf servibaSy scibam (sehr häufig) bei Plan-
tas; viele andere beispiele, darunter öfters audibat und moUibatf citiert aus
Prosaikern sowol als aus dichtem Artther und später seit Neue, lat. formen!.
IT p. 346. 847.
*) Herzog, Untersuchungen ttber die bildungsgeschichte der lateinischen
und griechischen spräche s. 62. Doch haben sich ibam und nequibam von
i-re und ne-qui-re immer unverändert erhalten
190 Saveltberg
oaussa [v. 63] vehi oportebit, quaeque plostra triumphi
caussa, quo die quisque triumphavit, ducei oportebit^.
b) in venundavit im Codex Vatieanus der fragmente
Ulpians (Ulpiani fragm. ed. Böcking, Bonnae 1831 p. 16)
in fragm. X, 1: „Si pater filium ter veDundavit) filius
a patre liber esto^, wozu Laehmano in der Zeitschrift f.
gescbichtl. recbtswissenschaft, bd. IX p. 198 bemerkt: ^Da
die Worte der zwölf tafeln nur hier vollständig überliefert
sind, so haben wir gewifs kein recht, das uenundauit
der handschrift, das ist venum dabit, zu verwerfen^. Der
versuch Schöll's p. 84 — 89, die conjectur von Cujacius
„venum duuit^ zu vertheidigen und als ein aus einem
perfect dui gebildetes fut. II duo (jinon duero^ p. 85) zu
erklären, ist zwar weit ausgeholt, aber durchaus nicht
überzeugend und schon von Corssen ausspr. IP 403 wi-
derlegt. So dienen denn uuser futur der 12 tafeln ve-
nundavit und jenes futur der lex Julia triumphavit
einander zu gegenseitiger bestätigung. Ob nun aber ein
futur triumphavo oder auch die gewöhnliche Schreibung
triumphabo noch eine Zusammensetzung mit einem prä-
sens ^fuo sein kann, bleibt nach dem oben s. 188 beim
imperfect auf -bam gesagten sehr zweifelhaft, besonders
da im latein ein präsens *fuo oder gar *fuio, was Corssen
ausspr. 1^166 aufstellt, nicht existiert ^ ). Wir halten da-
* } Dem lat. fatnrum auf -bo -bis -bit steht aus den verwandten spra-
cheu nur eine ähnliche futurbildung im keltischen gegenüber, nämlich die
altirische.
Activ, Deponens»
verbunden : isoliert :
Sg. 1. -car-ub (amabo) ain-fa (manebo) gaimig-fer (hiemabo)
2. car-fe icc-fe (servabis)
3. 'Car-fa söir-fed (salvabit) nerUfidir (fortificabitur)
PL 1. -car-fam Uic-fimme (rellnquemns) labra-fammar (loqnemur)
2. car-fid
8. 'Car-fat creiUfet (credent).
Ebel, gram. celt. p. 452. 45S — 460.
Diese futurbildung hat als charakteristisches kennzeichen regelmäfsig das f
(selten b); aber darum lassen sich die endungen nicht, wie Schleicher im
compendium §. 804, 3 lehauptet, mit der urspr. wurzel bhn identificieren,
schon aus dem gründe nicht, weil die unursprüngliche lautbeschaffonheit des
irischen sowie die öftere elision der vocale keinen sichern schlofs auf di«
altkeltische grundform dieses futurs und aufserdem noch eines oonditionalis
umbriBche Studien. 191
her die erklärung nicht für richtig und glauben, daJb die
Sache sich ganz anders verhält. Wir sehen in amabo oder
amavo das alte urspr. präsens amav-o, welche zur futur-
bedeutung gelangt ist, wie sie sich in dem suffix der ab-
geleiteten verba auf -av -ev -iv oft entwickelt hat. Na-
mentlich gibt sich die neigung zu einer handlung und so-
mit das bevorstehen derselben in den zahlreichen von ver-
ben der ersten conjugation abgeleiteten adjectiven auf
-abundus, wie erräbundus (Lucr. IV, 692) miräbundus co-
missäbundus und in einigen von den zwei andern conjuga-
tionen wie ridibundus (Plaut.) und lasdvibundus (Plaut.)
— gesammelt von L. Meyer in d. zeitschr. VI 377—380 —
oft kund: „zum irren, staunen, lustigen umziehen, lachen,
schäkern geneigt^. Besonders deutlich ist das erst noch
bevorstehende bezeichnet in cassabundu$ (sc. ebrius) von
Naevius bei Varro L. L. VII §. 53, »der jeden augenblick
fallen will^ ^ ) und in moribundus „ der im begrifF ist zu
sterben, allmählich hinsterbend^ von einem verbum der
primitiven conjugation, wie auch von dieser mehrere ad-
jective vermittelst des sufBxes der zweiten conjugation ge-
bildet wurden z. b. fremebundus (Attius), tremebundus
(Lucr.), die nicht blofs das e verkürzten, sondern auch in
i verwandelten, so ludibundus^ gleichwie ridibundus. Ver-
nehmen wir über die bedeutung die alten grammatiker.
Terentius Scaurus zur zeit Hadrians föbrt nach Gellius^
XI 1 5, 3 unter den irrthümern des Caesellius auch den an,
„quod idem esse putaverit ludens^ et ludibunda, ridens et
(Ebel p. 460) gestattet, dann aber, weil f nach den lautregeln nicht zu bhn
und ebenso wenig zum irischen verb biu «ich bin** und wz. bu in buith
(ss ^i'aiq) stimmt. Denn f ist weder im irischen, noch im britannischen
für eine urspr. aspirata (=><p) zu halten (Ebel p. 79 [Zeuss p. 98]), son-
dern stets der Status durus von v (Ebel p. 58 [Zeus p. 66]). Also weist
das f des futurs wie auch das seltnere b (welches auch sonst oft Air v steht,
Ebel p. 54) durchaus auf ursprüngliches v hin. Da wir dasselbe ergebnifs
flXt das lat. futurum auf -bo finden, so mufs diese bildung, wie Schleicher
Übrigens richtig bemerkt hat, der italokeltischen grundsprache entstammen.
*) Festns erklärt p. 48 ,, cast abundus : crebro cadens**, noch besser aber
der zu jenem worte von O. Mttller citierte Placidus in s. glossen p 447:
„Crastabvndum — lies ccusabvndum — dubitantem, titubantem und p. 450
„Crastabundo — lies coitabtmdo — titnbanti.
192 Savelsberg
ridibundsi, errans et errabunda. Nam ludibunda, inquit,
et ridibunda et errabunda ea dicitur, quae ludentem vel
ridentem vel errantem agit aiit simulat^. Die gegenbe-
merkuQg des Gellius, dafs populabundas bedeute „cum
agros popularetur^j nicht y^cum populantem agerei vel cum
itnitaretur^^ ist zwar hierbei und gewifs auch sonst oft rich-
tig, aber die meinung eines gewissen Apollinaris, den er
lobt, dafs laeiabundus derjenige heifse, „qui abunde laetu9
sit^, und errabundus der, „qui longo atque abundanti er-
rore sit^, beruht nur auf einer ableitung der adjective auf
•abundus von abunde, welche falsch ist, da ja schon in
tremebundus und ridibundus ein abunde auf keine weise
mehr pafst. Von participien (auf -ans und -ens) will, wie
Scaurus, so auch Diomedes die adjective auf -bundus un-
terschieden wissen p. 397 P.: „Errant longe qui opinantur
moribundus vitabundus furibundus esse partieipia; sunt enim
appellationes .... moribundus^ licet mortem non sit subi-
turus, nihilo minus similis morituro. tale est et /urt-
bundus^ similis furenti, sed sine furore. item cum legimus
apud Sallustium y^vitabundus^ inquit, per saltuosa loca re-
cedebat'', non „utique vitans, sed vitare similans^. In diesem
citat (bell. Jugurth. c. 38) fehlt „quasi** vor „vitabundus**,
so dafs erst beides zusammen den sinn ergibt „vitare si-
mulans** oder noch besser „quasi vitaturus**. Ein anderes
'mal aber, wo Sallust (bei Nonius p. 183) histor. fragm.
III 20 (ed. Eritz) erzählt, wie ein soldat kühn nach Cy-
zicus hinübergeschwomn>en sei: „ea inter molem atque in-
sulam mari vitabundus classem hostium ad oppidum
pervenit**, bedeutet dieses adjectiv nicht wirklich vermei-
dend, da bei Frontin III 13, 6 und Florus III 5, 16 in
derselben erzählung die rede ist von „procul videntibus,
qui in statione erant** und Florus sogar sagt „per medias
hostium naves**, sondern „vitabundus** bedeutet dort offen-
bar y^vitare studens^ oder y^mtare simulans^. Aehnlich Pris-
cian IV §. 35: In bundus vero desinentia similitudinem
habere significant, ut vitabnndus similis vitanti cet. Aus
der befragung der grammatiker erhalten wir also die zu-
verlässige angäbe, dafs die adjectiva auf -bundus im all-
nmbrische Studien. 193
gemeinen eine nachahmung der im verbum bezeichneten
tbätigkeit bedeuten, und einigemal fanden wir das bevor-
steben einer tbätigkeit, im ganzen also eine gewisse ricb-
tung auf die zukunft ausgedrückt ' ).
Das bier an die verbalstämme auf -av -ev -iv getre-
tene sufBx -undus ist dasselbe wie in sec-undus ori-^undus
rot'Undus und wie die altitalische form -endus (Corssen,
ausspr. II* 180 ff.)? welche zuletzt im lateinischen die herr-
schende geworden ist: leg-endu-s capi-endus u. s. w. Es
ist eigentlich ein doppelsufßx, was Corssen beitr. 126 ff.
erkannt hat, nur nicht aus -en und -do, sondern aus -eno
und -do zusammengesetzt*), wie es das umbr. ^dyan-fer-ener
taf. Via 19, genetiv vom stamm an-fer-eno, mit einfachem
Suffix -eno^) und übrigens gleicher bedeutung bestätigt,
andererseits die griechischen spielnamen fiy-tv-da^ (fvy-iv-Sa^
XQVTiT'iV'Scc neben xqißSa^ ferner ccgiar-iv-driv ( 'AgKSrlvog)^
nXovT-iV'drjV und noch xgvcp-av-dov arox-ccv-dov ava^tpav^
dov {q)av6g) als verwandte bildungen zu bezeugen ver*
mögen.
Die verbalnomina sind nun tbeils substantivisch ge-
braucht im gerundium auf -di -do -dum, z. b. exemplorum
eligendi potestas (Cic. Inv. II 2, 5), disserendo par, ad vi-
vendum satis, tbeils adjectivisch, z. b. quinqueviri legibus
scribendis, haben aber aus der ursprünglich activischen
und präsentischen bedeutung, welche sec-undus und ori-
'Undus noch bewahrt haben, neue nebenbeziehungen , so
namentlich den passiven sinn ^), die Vorstellung der noth-
wendigkeit und die beziehung auf die zukunft ^ ) entwik-
*) Vergl. die griecbiscben desiderativa d^avardw (&dvaToq) ;,ich wün-
sche zu sterben **, xXavfftdo) {xXavaic:) » icb wiU weinen^ (Pollax II 64
xAai/0'(äi' To nkavaat, &ikfi>v)^ wi'rjTtäo) (wri/iii?) »ich will kaufen".
^) Wie man-suetus caUfacio al-ter aus manu und suetus, cale und
facio, ali und ter(us) — ähnlich einem ehemaligen griech. adj. *dXX6-TfQo-q^
woraus dXXo-Ty-iO't; — zusammengesetzt sind, so -en-do aus -eno-do.
3) S. oben s. 108.
^) Dieselbe wandelung von activer bedeutung in passive haben wir
oben s. 139 in den adjectiven auf -bili-s gefunden.
*) Priscian XI §. 28 . . . . futuri unura activum in rtis desinens, ut crü
minaturtts, et unum passivum in dtiSj ut criminandus. §. 29 omnia tamen in
dus desinentia participia eadem etiam nomina esse possunt, cum amittunt
tempus, ut amandtts o ffiXrif^tjffOf^tvoq xal 6 (piXrjT^oq, docendtis 6 dida^O-fi-
annfvnq unl 6 SifiaxTfoq cet.
Zeitschr. f. vgl. sprachf. XXI. 3. 13
194 Savelsberg
kelt und zu vorberrschender geltung gebracht, wie diefs
alles Corsseo beitr. 131 — 137 tre£Plich ausgeführt hat. In
deo abgeleiteten eonjugationen ist nach mafsgabe von audi-
-en-du-s sicher ama-n-du-s aus *ama-en-du-s, mone'n'du-s
aus *mone-en-du-s (Düntzer, lat. Wortbildung p. 103) durch
contraction entstanden. Haben wir aber einmal '^ama-en-
-du-s *mone-en-du-s erschlossen, so müssen wir den hiatus
im innern beider nomina erklären und zwar durch den
ausfall eines sonst leicht entschwindenden lautes, welcher
für das lateinische kein anderer als der oft schwindende
w-laut sein kann, wie in ama-runt aus amave-runt^ ama-
-rim aus amave^rim, so dafs wir auch die contrahierten
adjectiva auf die frühere gestalt amav-endus monev-endus*)
und damit auf präsensstämme amay monev zurückfähren
müssen. Beide arten von verbaladjectiven, sowol die obi-
gen auf -abundus -ebundus, als die synkopierten auf -andus
-endus sind offenbar von einer und derselben grundform
ausgegangen und haben sich durch die lautänderungen,
wie von y in b, e in u, und durch synkopierung in diffe-
renzierten bedeutungen von einander getrennt und conso-
lidiert. So hat z. b. die grundform *d6ploray-an-da-8 sich
einerseits in de-plorab-undus , welches actiy geblieben ist:
„ganz weinerlich^, andererseits in de-plora-ndus gespalten,
welches passiven sinn „ beweinenswerth ^, überdiefs noch
die bedeutung der nothwendigkeit „der beweint werden
mufs^ und die der zukunft ;,der beweint werden wird^
angenommen hat. Hinwiederum hat sich die grundform
des verbums *amav-o *money-o in ein durch langen ge-
brauch abgeschliffenes präsens am{ayo mone-o und in ein
kräftiger gesprochenes, verdichtetes präsens amab-o moneb'O
mit futurbedeutung gespalten. Dafs überhaupt das präsens
in futurbedeutung gebraucht wird, sehen wir im griechi-
schen an eljui, 'iSouac zu hfSß-lw^ nio^cti zu nivo)^ und
zeigt J. Schmidt an mehrern beispielen im gothischen und
slawischen in der Revue de linguistique 1870 p. 31— 33.
1 ) So ist im oskiscben das in den infinitiven cenaa-um tab. Bant. 20
nnd molta-um t. B. 12. 18. 18. 26. 27 aasgefallene v einmal wirklich erhal-
ten in tribarakavum cipp. Abell. 36.
nmbrxsche Studien. 195
Schleicher in d. zeitschr. IV 187—197. Im lateinischen
ist sonst noch in der primitiven conjugation auf analoge
weise zu dem im gebrauch etwas abgenutzten und veränder-
ten präsens s-u-m es es-t s-u-mus es-tis s-unt^ welcheis bei
seiner bedeutung blieb, eine neue mit mehr emphase ge-
sprochene und regelmäfsiger flectierte präsensbildung er-o
er-is er^it er-imus er^itis er-unt hinzugekommen*), welche
futurbedeutung angenommen hat. Genau entsprechend hat
also das futur. amab-o, -i^, -if, -imus^ -itis^ -tiitf, desglei-
chen moneb'Oy dieselben personalendungen der primitiven
conjugation erhalten und ist, obwol formell präsensbildung.
1 ) Wie sie Bagge in d. zeitschr. II 384 richtig erkannt hat. Dagegen
hält Corssen zeitschr. XIII 255 noch an Bopps ansieht fest, ero eris erit
sei aus *e-sio, skr. (a)8-jfi-mi (a)s-ja-si (a)s-ja-ti entstanden, zieht
aber den skr. potentialis sjst mit herein, welchen Bopp vgl. gramm. §. 648.
649 vom fut. sjati mit vorsieht unterscheidet, ja später ausspr. 11^ 495
identificiert er geradezu die alten conjunctivformen von esse, s-ie-s s-ie-mus
S'ie-tiSf die er weiter ausholt *e8-ie-s *es-ie-mus *es-ie-tis, mit den suffix-
formen des fut. II -ris -rimus -ritis, wogegen er eine dann auch mit conse-
quenz geforderte gleichsetzung von siem und sient mit ero und erunt frei-
lich nicht wagt, da hieran jene annähme scheitert. Bestimmter als Bopp
fafst Schleicher comp. §. 298 die erklärung der form, dafs (a)sj5mi eine
präsensform der IV. sanskr. conjugation ist, wohin man auch im griechischen
dorisch l<j-aovftni> und episch i(j-afiTai> vermittelst *ia-(jinftai> *fa-ajofAui
und *^a-ahiai *ia-ajfiai> zurückführen kann. Dagegen ist allerdings „die
form fff'jai, ihrem Ursprünge nach nichts anderes als das med. von ^axi
und auch ia~f-TaL erscheint vom griech. Standpunkte aus wie ein praes., mit
dem Charakter der skr. ersten klasse: qB{)-e-iai = bhär-a-te'. Bopp
vgl. gramm. §. 655. Sollte aber im lateinischen für obige aufstellung, dafs
die Suffixe -ris -rit und das fut. I er-is er-it aus *e8-ie-s *es-ie-t entstanden
seien, ein nachweis sei es von einer conjugationssilbe ja, oder von der silbe
des Optativs j5 gefordert werden, so fehlt ein solcher ganz und gar; denn
von keiner von beiden silben (ja oder ja) ist, weder im futur. auf so in fac-so
cap-80 u. s. w. , noch im fut. II auf -ro vrie fece-ro trans-ie-ro y geschweige
von ero eris . . . erunt, irgend eine spur zu finden. Was etwa die un-
gleiche messung von -ris -rimus -ritis, auch im fut. exact., betrifft, so zeugt
die bedeutende mehrzahl der beispiele bei Neue II 396. 397 dafür, dafs
einerseits im fut. exact. das i meist kurz, andererseits im conj. perf. meist
lang gebraucht wurde, und die 3. pers. plur. auf -rint pafst als indicativ
eben so wenig zum conjunctiv sient oder sint^ wie die 1. pers. sing, auf -ro
zu siem oder sim. Deshalb bleibt uns zur erklärung der 3. pers. plur. auf
•rint oder -sint nur die vermuthung zu äufsem übrig, dafs sie, wie aus al-
tem lunter das gewöhnliche Unter (Bücheier im rhein. mus. XI 297), so aus
(e)runt oder urspr. (e)sunt zu -rint oder 'Sint geschwächt sei, oder aber dals
sie urspr. -sent gelautet, wie sie noch im futur ad-es-s&nt C. I. L. n. 198, 68
erhalten ist (s. oben s. 171 anm. 4), und ihr e vor -nt zu i umgelautet
habe. Vgl. Corssen ausspr. 11^ 271.
13*
196 Savelsberg
vermöge der differenzierten Bedeutung zum futurum ge-
worden.
In audiendus läfst der im Innern des wortes zu tage
tretende biatus von i-e nicht mit der gewi/sbeit auf einen
ausgefallenen consonanten schliefsen, wie der in den vor-
aussetzlichen formen *ama'endus und ^mon—endus (den con-
trahierten ama-ndus mone-ndus) so eben gefolgerte biatus
von a-e und e-e. Aber das alte imperfect auf -ibam^ wel-
ches wir oben s. 189 besprachen, und das bei alten Schrift-
stellern ebenso häufige futurum auf -ibo * ), welches trotz
seiner spätem allgemeinen Umgestaltung nach art der soge-
nannten dritten (primitiven) conjugation zu -am -es -et
(z. b. audiam, -es, -et) doch wenigstens noch in ibo^) und
quibo nequibo geblieben ist, enthüllen uns in dieser altern
flexion der abgeleiteten verba auf -ire eine solche Oberein-
stimmung mit den zwei andern abgeleiteten conjugationen,
dafs wir auch hier nicht umbin können, vom verbalstamm
audiv auszugehen, mithin auch fQr das adjectiv (partic.
fut. pass.) die frühere form ^audivendus vorauszusetzen,
welche also eine dem adj. lascivib-undus entsprechende
grundform hat.
Indem wir nun unsere wichtigsten ergebnisse über die
verba der abgeleiteten conjugationen feststellen, bemerken
wir hier, dafs in betreff der verba auf -are jüngsthin Cors-
sen ausspr. IP 732 die bisherige erklärung derselben aus
der 10. skr. conjugation, nämlich des Stammauslauts -a aus
skr. -aja, als unbegründet verworfen hat, weil weder in der
* ) Bei Plautus aperibo audibis dormibo mentibitur reperibitür conve-
nibo Bubvenibo, — bei Plautus und Terenz opperibor scibo scibis scibit
servibo, — bei Ennius audibo audibis expedibo, — bei Cato dormibit in-
largibo, — bei Properz lenibunt und sonst nocb viele andere. S. Neue II
341. 342. ^
3) In der abwandlung des verbums i-re werden zwei stamme verwen-
det: a) der primitive stamm oder die wurzel i im indicativ und conjODctiiv
des präsens e-o (st. i-o) i-s i-t i-mus und e-am e-as (st. i-am i^as), so wie
auch im conjunctiv des imperfects i-rem, b) der erweiterte stamm iv im in-
dicativ des imperfects ib-am und des futurs ib-o^ wahrscheinlich auch im
conjunctiv des alten futurs amb-i-ssent amb-i-sset bei Plautus Amph. 69. 70,
welcher nicht sowol aus der wurzel i und -set als einziges beispiel solcher
altitalischen bildung zu bestehen, sondern vielmehr aus amb-^ivi-ssent und amb-
-ivi-sset synkopiert zu sein scheint.
umbriecbe Stadien. 197
altern und klassischen lateinischen spräche, noch im oski-
sehen das i oder j zwischen zwei a jemals spurlos ausge-
fallen und dann a-a zu ä verschmolzen ist. Wir aber hal-
ten nicht nur die verba der ersten, sondern auch die der
zweiten und dritten (der sog. 4ten) abgeleiteten conjnga-
tion für unvereinbar mit der 10. sanskr. conjugation auf
-aja und nehmen in jenen allen, unserer obigen ausein-
andersetzung gemäfs, nach jedem der drei charaktervocale
a, e, i ausfall des Spiranten v an, dessen ausstofsung auch
sonst bekannt ist, theils mit keinen andern folgen, wie
audiiy ieram^ theils mit synkope verbunden, wie amasH aus
amamsfiy amaram aus amaveram, deleram aus deleveram,
audisset aus audivisset. Die dialekte haben den Spiranten
V wirklich noch in den präsensstämmen aufzuweisen: so
hat ihn das umbrische noch in sub-ocav^u und purtuv-
-etu (aus *portav-e-tu) bewahrt und ihn in stah-u nur
in h geändert, während die lateinische spräche den stamm-
auslaut so allgemein verwischt hat, dafs man für subf)oco
portato sto mit möhe ursprünglichere formen *sub-voca-o
*porta-eto *sta-o vennuthet; dann bietetf auch das oskische
den Spiranten v, welcher meist geschwunden ist, wie in
den infinitiveil censa-um molta-um^ doch noch wenigstens
in dem einen infinitiv tribarakavum dar. Nach dem Cha-
rakter e sahen wir im umbr. kukeh-es und nach dem
wurzelvocal i in Qih-i-tir wieder h an die stelle von v ge-
treten, mufsten also den Spiranten v als normal und ur-
sprünglich voraussetzen, so dafs wir dreierlei stamme auf
-av -ev -iv ermittelt und dann durch die im lateinischen
aufgedeckten spuren bestätigt gefunden haben.
Auch im griechischen kann die hypothese, welche
dort die verba auf -a&>, -äö), -oo) aus dem sufQx -aja der
10. conjugation sanskritischer verba entstanden sein läfst,
nicht als irgendwie begründet gelten. Schon Oikonomides
hat in seiner verdienstvollen veröflFentlichung der lokrischen
inschrift von Naupaktos in der schrift y^Enoixia ^ox^juiv
YQa^^iaTa^ kv 'Adrtvaig 1869 p. 115 im anschlufs an Schlei-
cher und G. Curtius aus zoXovlo und xokoM {xoXovmJai
bei Hesych.) auf xoXufoj^ aus fAox^Bvw und ^ox^^f^i H. M 259
198 Savelsberg
auf iiaylifM^ aus fAoltvoa und fioXovfa (b. Hesych) auf ao-
Xifta und uolq/w^ aus oq&ooh und OQ&ivca auf ö^t9^q/'a>
und OQd^ejra) geschlossen und sie mit den zu gründe lie-
genden nomina durch vorausgesetzte ableitungen slxi{ -a/og
'BfoQ 'Ofog vermittelt, wie xokojro) durch *xolo^6g {xoXo-
ßog) mit xoAog, von andern abgeleiteten verben noch ffcijrco
für (fccfog angenommen. Wir werden jetzt eine gröfsere
anzahl abgeleiteter verba von den drei arten auf -dut '-icD
'00) zusammenstellen, die noch spuren von ausgefallenem
j: darbieten. Für (pdco {q:de Od. ^ 502) nebst dessen Wei-
terbildungen (faiß(ü und (faeivio ergibt sich ein verbal-
stamm (pof aus dem n. pr. Ari^ocfofiav bei Priscian I p. 17
(ed. Hertz), aus q:av(Tif4ßgoTog bei Pindar (daher (fa{^)eGi'
'fjißQOTog bei Homer), aus nufavcxa), vnO'Cpav-Gig und aus
(fofog^ welches aus cfavocpogoi bei Hesych. und aus pam-
phylischem (f et ßog längst gefolgert ist; übrigens haben die
derivata an wurzel oder stamm, wenn sie auf einen vocal
auslauten, wie hier die wurzel ^cr, blofs ^ als suffix an-
gefügt und nur nach consonantischem auslaut einer wurzel
die Silben -af -g/r, -oj: hinzugesetzt*); — so führen wir
l'tSvd'Ui (latq. Herod. IV 103) auf den stamm oTa/ zurück,
den wir in arav-Qog ^pfahl", im lat. re-stau-rare „wieder-
herstellen** vorfinden und den wir im umbrischen für stah-u
stah-e-ren (aus *8tav-u *stav-e-ren) voraussetzen müssen;
— für ;^()a« „ritze, streife, greife an" (wz. x^q in xdg^
'%ccQ'0'g „scharf") ergibt sich der stamm XQ^J^ *"S XQ^^^V
II. £ 138, welche beide Eustathios zu IL // 352 durch den
begriff „berührung der haut" (xQojTog xal X9^^S noidv
hnacfriv) ohne zweifei richtig mit einander verbindet, —
für kXdu) „treibe" ein stamm kXaj: aus klavvb) und höher
hinauf aus ^kla-jrdv-o) *), — für dUo) „mahle" ein stamm
^) Oikonomides a. o. p. 115 bemerkt sehr gut von den nomina auf
-afoqy ^f^oq nnd -rxfoq: h oiq to VTifQxdfifvov %ov f qpcof^ci' 6t^ iihf
nvfjxft fiq T'ijv xaxaXij^iv, ot^ dh eiq Tiyr gtl^ni' ij ro &ifia toi/ OfO^uccTO^.
Wo die vocale a, f, o nicht zu einer wurzel oder einem stamm gehören,
sollten sie eigentlich bindevocale heifsen; sie sind aber mit dem folgenden
^ gewissermafsen zu endungen oder vielmehr sufGxen -o^f -tß oß oder
-an (in Xiinv-(Ti]) -fv {rraidfv-ft)) -ov {xnXnv-o)) verwachsen.
*) wie in Ta/-i''-w aus ehemaligem *iay.-fav = skr. tak-van „dft-
hinschiefsend, rasch**.
umbrisohe Studien. 199
aXsj: aus aksv^gov „mebl" und ^AXen-dg n. pr., — fllr igicß
„frage, suche** (wz. *f€Q) ein stamm kgsjr aus Hgsv-va „for-
schung" nebst kgev-vcco) „spüre aus", — fftr rsA^o» „vol-
lende" ein stamm tsIbj: aus Tslev-rij „ende", — für agow
„ackere" ein stamm ago/ aus ägov-ga „ackerland", — in
xoloifM „ich verstümmele" ist das ableitungssuffix -o/r, wel-
ches aus xoloßog d. i. xoXojro-g „verstümmelt" folgt, zu ov
diphthongisiert, — zu 6gov(o „ich stürze los" hat uns He-
raklides bei Eustathios p. 1654, 26 von den Paraphyliern
sogar ogovßot) d. h. oQovfO) bezeugt, welches letztere dann
auch sicher zu gunsten des sufBxes -c/r im imperf. o^^ovro
„sie eilten" II. jB 398. ^212, also für ogf/ovro spricht;
— für axovva folgern wir älteres dxofO) aus dem perfect
axrjxoa und besonders aus dem attischen Substantiv axoi^^
weil hier t] auf einen vorhergehenden consonanten und
zwar auf /" schliefsen läfst, also einen stamm axoj:^ der
aus der wurzel ^K hervorgegangen ist * ), — endlich ver-
muthen wir, dafs rgißia von der wurzel Ttg (lat. ter^o) ver-
mittelst eines suffixes -</ abgeleitet ist.
Nachdem wir nun im griechischen je vier auf -cr/r -«/r
'Of endigende verbalstämme und einen auf -if mit hin-
länglicher Sicherheit den lateinischen auf -av -ev -iv ge-
' ) Die wurzel AK mit dem begriff der schärfe ist nicht blofs zur be-
zeichnung des gesichtsinnes im griech. 0£, oxxoi' 6(pß^aX/.tcv bei Hesychios
(gewöhnlich Ofl nno}/ta), lat. ac-ies „Sehkraft**, oc-ulus „äuge** und zu der
des schraeckens in o5o<; „Weinessig", lat. ac-or „säure", ac-ere „sauer sein*
angewandt worden (Joh. Schmidt, die wurzel AK b, 22), sondern vermöge
ihrer einst umfassendem bezeichnung aller sinnlichen Wahrnehmung, wonach
im skr. ak-sa-m (neutr.) im allgemeinen „ Sinnesorgan ** bedeutet und das
lat. ac-er als bei wort jedem der fünf sinne beigelegt wird und überhaupt
„scharfsinnig" heifst, so auch im griechischen im weitem umfange, beson-
ders vom gehör gebraucht worden, gerade in dxovw* Diefs zeigt deutlich
ein später entstandenes, formeU verwandtes synonymum ax^oao^at, welches
vom adj. ax-(jo-q „scharf", ac-er (tä noXe'fiva axgot; Herod. VII 111, xpii/ili'
ovx axQoq V 124, axpa/oAog „ jähzornig ** Ar. Eq. 41) oder genauer von
dessen Weiterbildung *ax^go-ß n-q (deren J^ aus Hesychs glosse dx-Qoßaa&'tu
vnaxoiffn' hervorgeht) ebenso abgeleitet ist, wie xoiwdo) »ich mache lärm"
von xnAomq „lärm", und eigentlich als „scharf machen** im sinne von „scharf
acht geben, scharf auffassen" zu verstehen ist. Dieses verbum denominati-
vum bietet in seiner deutlich ausgeprägten form bei gleicher bedeutung mit
dxnvü) uns einen sichern anhält daitlr, dafs wir den begriff der schärfe aufs
gehör angewandt erkennen und dadurch dann dxovo» sowol auf die unbe-
streitbare wurzel AK zurückführen, als auch in seine bestandtheile dx-ov-ot
nach analogie von oq-ov-ia fioX-ov-to xoil-ni'/-o) zerlegen.
200 Savelsberg
genüber gestellt haben, wird gewifs die bisherige theorie,
welche alle solche in beiden sprachen abgeleitete verba
auf -aw -60) -00) und -(a)o -eo -io mit den indischen durch
das Suffix -aja abgeleiteten verben der 10. classe verglich,
den neuen ergebnissen weichen müssen. Man behauptete
überall, als wenn es sich von selbst verstünde, den ausfall
eines j, setzte also im griechischen für da^dto aQxeo) ogi^oio
ehemaliges *daiAdj(a *dgxeja) *6Q&6ja) und im lateinischen
für domo aus ""domao, dann für arceo und mollio ehema-
liges *domajo *arcejo *molHjo voraus (L. Meyer, vergl.
gramm. II 8. 5— 35), ohne dafs ein eigentlicher beweis ge-
führt ward. Oder sollten etwa formen wie nakaico (Cur-
tius grundz.^ 447), dyaio^ui neben &ydofAav (das. 163),
veixsio) neben veixeu), dyvotjjai la 218 neben ayvoita als
wirkliche beweise gelten? Gewifs konnten sie das nicht.
Denn die diphtbonge ac ei oi giengen hier und in vielen
andern fällen den vocalen a b u nicht voraus, sondern ha-
ben sich eist aus diesen entwickelt: sie dienten zur deh-
nung von a s o, wie es Thiersch gr. gramm. §. 166, 5. 7.
8. 12 längst gelehrt hat, und zwar zu einer gelegentlichen,
namentlich metrischen Verlängerung (im gegensatz zur nor-
malen debnuDg a ?; o)), wie in Ta/.ai'n(tiQog gegenüber
xaka-neigiog^ aifsrog {alßsrog bei Hesych.) gegenüber d^e-
Tog, dnonveiwv II. J 524 gegen nvsvfAa^ &ei6iv (&eijr6iv)
II. K 437 gegen äol. i9eva) {Ahrens d. Aeol. p. 36), etwasv
dniojGBv bei Hesych. und eiooda gegen dw&a IL 0 408. 422,
siaQivog II. ß 89 gegen iag {urspr. ^eoag), dXoidu) II. /568
gegen dkodw^ dyvoiyöi Od. w 218 gegen ayvokia^). Diese
Verlängerung oder diphthongierung vermittelst i durchzieht
die griechische spräche, wie im n. pr. KXvTaiuvt]6Tgce (eig.
xXvTT^ ^vfjtyrga) und im perf. etoj&a in der prosa, zu viel-
fach, als dafs man sie einzig und allein vom epischen be-
dOrfnifs oder gar von einer Schreibweise von grammati-
kern, wie G. Curtius grundzüge ^ 526 will, herleiten
1 ) Die Verlängerung eines o ist im Homer noch einigemal ohne beson-
dere bezeichnung geblieben, z. b. das mittlere n von oüooc; H. ^-^ 842, X 5
und von nydoo(i Od. ;j 261, ^ 287 (vgl. octävus)^ welches lang gelesen wer-
den mufs.
nmbrische itadien. 201
könnte^): wir müssen also darin eine besondere art von
Verlängerung anerkennen, welche hauptsächlich, wenn auch
nicht ausschliefslich, vor digamma eintrat.
Eine zweite art, den charaktervocal a s o der verba
auf 'djrot) -ifo) -ofo) zu verlängern, war die Verdoppelung
des w-lautes, jedoch so, dafs von den zwei lauten^ (v)
alsbald einer sich in v (u) auflöste, also oo-q/r^o) zu 6g-
-oijrci) wurde ^), woher denn auch die bei Homer befind-
* ) Anch die behanptung von Cartins das. 527, dafs diese verläDgerung
durch das schwinden des digamma bewirkt worden sei, wird durch obiges
a'J^fTof; sowie durch Curtius' eigene annähme eines epenthetischen
I. in xoij:^iko'q grandz. 3 150, wo ^ nach dem diphthong jedesmal noch
vorhanden ist, widerlegt Ferner ist die diphtbongierung zwar sehr häufig
vor ß eingetreten, da dieses vorzugsweise die vorhergehende silbe gern lang
macht, aber auch vor den labialen überhaupt in talaUiiwQri<i futöaC-TioJiiq
xaiat-z^aii^g und sogar vor vocalen wie ^«»w für O-iw (conj. aor.) II. [J 83,
i^QfM für fQfn (urspr. f(\if(To) IL A 611, ^tiaqivoq II. B 89 von^iafj (urspr.
J^i<rn(j) n. Z 148. Und so dürfte denn auch die diphthon^erung in amißw
wie in ö^ttdb>f anstatt unmittelbar aus den sanskritwurzeln miv und vad,
vielmehr gleicherweise aas dem griechischen selbst zu erklären sein, so dafs
wir von wz. afjif^ {afxfvofjiat. bei Pindar) und oj^iö (woher aßtjdova drjdoi'a
bei Hesych.) ausgehen müssen.
^ ) Auf diese weise erklärt sich 1) die überlieferte Schreibung der wort-
formen avi()i>iTni' fvatii avCft/nq bei Homer und xai'oc^ai? bei Hesiod. "E^ya
666. 693; denn da sie in voraussetzlicher normaler gestalt o(i'-^^(ii'<rai- (Dö-
derlein Hom. gloss. n. 2290), ¥a^a(h (Curtius grundz. ^ 216), nT-^(faxoq
(vgl. ar-Q^fia b. Verf. de dig p. 19 und /'//'a/o(j p. 24), >ear-;Ad$OK (Cur-
tius grundz. 3 515) lauteten und die erste silbe dem jT assimilierten, so er-
folgten zunächst ÖLf^iqvaav ff^aöf otT^Z/Ta/o? xo,^aSa*?, die dann das
eine ^, wie in der regel vor einem consonanten, so auch vor einem zweiten
ß vocalisierten : arßiyvaav tiPaSf atJ^Cfa^oq navßd^aiq^ bis endlich
nach auslassnng des später veralteten schriftzeichens ^ die obige gewöhn-
liche Schreibung avr^vaav (varh avia/nq xavd^rnq haften blieb; dazu
kommt als bestätigung eine glosse von Hesychios: evq:akov im&aluaaiov
ßijft'/v&aldnaiov (gleichbedeutend mit Iqalov daselbst), offenbar aus ^tt-
-/aXnv herzuleiten, zu l'ßßnXov assimiliert und dann ("ßalnv gesprochen,
aber statt des veralteten ^ mit g. fiu/ai'))' geschrieben, Dafs aber der w-laut
dem vocal u sehr nahe kam, sehen wir aus der Umschreibung jenes lautes
bei den Griechen, wie wenn Dionys von Halikamafs Antiq. Rom. I c. 20
OriXta schreibt und den anlaut als %i]v oT (rvX/.aßriv ht aioi/fiot y(^a(/o-
fdifl*- bezeichnet und Strabo IV 190 die gallischen namen Vellavii Arvemi
Lemovices u. s. w. (JrfXXriini 'j4oni'fQioi Afftonvixeq schreibt; 2) wie den
skr. Wörtern gavala-s „büffel" und gavini „schamdrüsengegend'* die grie-
chischen ßovßaXne und ßovßwv entsprechen können, indem nämlich ßn»[fa-
Xnq ßnifdiv aus ßqffaXnq ß'ßßwv hervorgegangen sind; dagegen 8) wie
ßn^ßiav fUr ßot ßon- b. Etym. magn. 206, 56. Hesych. s. v. Moeris p. 94 auf
die wirkliche consonantische ausspräche beider^ von ßnf^o)f hinweist, aber
mit Übergang von /" in ^r, wie in zwei andern fUllen, nämlich im aor. 2.
pass. ^>9dfi ßrj ^^f-nXdyti f&n/tßij&r] bei Hesychios, welcher, da eine etwaige
nasalierung im aor. 2 nie eintritt, nur auf eine solche Verdoppelung von^, zu
202 Savelsberg
lieben gleichbedeutenden doppelformen axinD und a;^6t;«,
aUouai und alevojuai sowie die äoliscben und homerischen
wortformen kv-Sevt] (inscr. Lesb. C. I. G. n. 2166, 32 ai
de 'A Ti ^vdsijTj)^ kdevriaav (Od. t 540), Ssvojucct^ axovrj (Od.
ß 308) gegenüber den gewöhnlichen formen dsco Seofxai
cc'Aori und noch sonstige äolische Überreste ;^€i;(ü ß^^via vsvo)
kgavo) (Ahrens d. Aeol. p. 36. 37) gegenüber x^(o &bco veco
^Qeo) aus gemeinschaftlichen Urformen Scyk^M aXifouat Sefoo
axof}] xkfM d-Bjro) vkfia kgefio ihre erklänmg finden.
Die bisher besprochenen abgeleiteten verba, sowol die
griechischen auf -dw -eio -6o)^ als die lateinischen auf-(a)o
-eo- -10 stehen nunmehr, nachdem ihre lautliche herleitung
aus dem verbalsuffix -aja als unstatthaft erwiesen ist, mit
der 10. skr. conjugation allerdings in keiner beziehung, ge-
winnen aber auf der andern seite viel mehr berührungs-
punkte, als sie verloren zu haben scheinen, indem sie ihre
bildungsweise mit v (^ in qpa-^^w etc.) zwar in weit ge-
ringerm mafse mit dem sanskrit, wie in turv „obsiegen"
(wz. tur), dhürv „zu fall bringen" (wz. dbvar), gürv
„versengen'' (wz. gvar „fiebern"), aber doch mit mehrern
europäischen sprachen vielfach gemein haben, zunächst mit
den lettischen und slawischen, und zwar mit den litaui-
schen Verbalstämmen auf -av, und den slawischen auf -ov
und -ev, welche verbalbildung vorlängst nach Schleichers
Vorgang G. Curtius in d. zeitschr. III 77 mit den griechi-
schen Verben auf -ovod -«vw verglichen hat. Wir sehen
den oben constatierten italischen verbalstamm stav, wel-
chen wir im conj. fut. re-stav-e-rit bei Properz II 34, f)3
und im imperf. stab-am nebst fut. stab-o erkannt, im um-
brischen im präs. stah-u und fut. stah-e-ren in st ab
verwandelt gefunden, zuletzt auch für das gr. £-(yrcf(jr)-a)
aus (STav'Qog gefolgert haben, dem litauischen verb stov-
*iBäp^Y\ (wz. fi^OiP in &av-ijLfx) zurückgeführt werden kann, wie demgemäfs
also auch &äfAßo(i auf *&-(iffoqj und zweitens a/Kp^v ai'/i/»» bei Hesych.
aus *aj^iptir^ welche voraussetzliche form*) aus *(x^;^»/i' (gew. ai';fiy»), einem
derivatum der wurzel ^f/, durch labialismus verwandelt ist.
*) Wozu wir jetzt in der lokrischen inschrift von NaupaktoB v. 40
NAFnAKTION (TVt^rraxr/on) neben N/iY FI AKTION v. 14 eine ana-
logie haben.
ambriflche Stadien. 20$
'ü'ti »stehen" und slawischen stav-i-ti „stellen'^ gegenüber-
stehen; — der lateinische verbalstamm dav mit dab-am
und dab'O sowie griech. Si'Sü{^)'0} mit Sov-vai (= skr.
dävanö nach Delbrück in d. zeitschr. XVIII 82) stehen
dem lit. du-H mit praet. dav-iau und subst. dov-anä „gäbe",
wie auch dem ^slaw. dav-a-ti gegenüber. Zahlreich sind
denominativa der art, wie im litauischen: kelidu-ti^ praet.
keliav-aü „reisen" von kilies „weg", — bältu-ti^ praet.
bäliav-au „weifs aussehen" von bdlta-s „weifs" — aszaru-ti
lacrimare, praet. äszarav-au lacrimab-am; — im slawi-
schen: f^ojev-a-ti »krieg führen", milov-a-ti „liebkosen,
schmeicheln", trebov-a-ti „bedürfen", cerov-a-ti „glauben"
(an etwas), nocev-a-ti wx^v-eiv^ zimov-a-ti praet. zimov-M-li
(eig. partic.) hiemab-ant.
Auch in den germanischen sprachen waren auf v aus-
lautende, aus der wurzel erweiterte stamme vorlianden, so
im gothischen: ga-malv-jan „zermalmen^ (von mal-an „mah-
len"), valvjan „wälzen" (mit valt-jan „wälzen" von wz.
*val^ L. Meyer die goth. spr. p. 409), us-fratv-jan „klug
machen" von frath-jan „verständig sein"^); im althoch-
deutschen nduyen „nähen", (er) ndwit assoit, GraflP 11 997,
molaw-en ta!bere GraflP II 713, das intransitive verbum zu
mal-an meiere conterere; — im angelsächsischen: cndv-en
(praet. cneöc) „kennen", zu vergleichen mit griech. tloky
-vo/ra-g*), also aucha-/ro/"-6w, wie auch mit russ.u-isnar-a-ti
„erkennen"; thrdt>-en (praet. threöv) „drehen", womit L.
Meyer in d. zeitschr. VIII 259 ahd. drdjan, mhd. draejen
und „die genau entsprechende form im lat. ter-ere^ das im
perf. trtvi und partic. iritus dieselbe lautumstellung zeigt",
nebst terebra tbqbtqov toqvoq verglichen hat, und wozu
noch genauer das griech. Tgißbt) d. h. rgi^oa pafst, indem
es aufser der methathesis, die nur in I gegen ags. ä va-
^) vielleicht saggqv-jan „senken" and noch viele ähnliche, deren wur-
zeln auf einen gutturalen auslauten; doch ist es dann nicht immer klar, ob
V blofs lautlich aus dem gutturalen entwickelt oder aber suflfiz ist. S. Leo
Meyer, die goth. spr. p. 377.
') S. Verf. de dig. p. 62 und taf. I 18 inscr. Gore, f/zl jvfiwi JJom
204 Savelsberg
riiert, auch dasselbe suffix v angenommen hat, — mdv-en
(praet. meöv) ,5mähen'^, womit man griech. äudco verglei-
chen und zu urspr. a-f,ta^oj (mit « prostheticum) zurück-
führen kann. Schliefslich führen wir, indem wir für die
vollständige erforschung dieser verba und ihrer wurzeln
auf L. Meyer in d. zeitschr. VIII 246 — 286 verweisen,
noch sdv-en^ praet. seöv „säen" an, ahd. säw-an neben
säjan (GraflP VI 54), keltisch und zwar bis jetzt nur kym-
risch heu serere, yd kewyt satum est bei Ebel-Zeuss graram.
celt. ed. 2 p. 1 23 , welches lautlich ganz entsprechend ist,
da im neuen kymrisehen oft h aus altem s*), also hewyt
aus sewyt {= sewit) hervorgegangen ist.
Das letztgenannte verb hilft uns das noch unerklärte
umbrische wort sahaia deuten. Die bedeutung „saat**
wird uns keine Schwierigkeit bereiten, daher suchen wir
zuerst die form möglichst zu sichern und setzen als ältere
gestalt von sahata^ da wir so oft h für v fanden, *savata
voraus, wozu dann einerseits das dem umbrischen nahe
stehende keltische mit hewyt, auf der andern seite der
name für den saatengott in Latium Sä-turnu-s stimmt, in-
sofern als dessen erste silbe mit langem a gegenüber dem
kurzen von sä-tus jetzt aus einer alten gefäfsinschrift Sae-
turnus deutlich als contrahiert erscheint und ohne zweifei
von ^sav-e-re (einer ableitung der wz. sa serere*)) ausge-
gangen ist, wie dies schon Schwenck aufstellte (s. Schweit-
zer in d. zeitschr. IV 65), ohne noch die obigen analogien
verwandter sprachen zu kennen. Sahata, hier Substantiv,
eigentlich feminin des particips, hat den frühern bindevocal
e dem vorhergehenden vocal assimiliert, wie oben s. 154
das partieip co-moho-ta^ die imperative depon. spah-a-mu,
^ ) kymrisch he-lahar gegen altirisch su-lbir „wohlredend, beredt", hint
gegen altir. sei, goth. sinths »weg*^, hen gegen altir. «en, 1. senex. Ebel-Zeuss
gr. celt. p. 122. 123.
2) Das gewohnliche verbum sero ist ein redupliciertes präsens, eigent-
lich *8i'80, wie gi-gno si-sto bi~bo (L. Meyer in d. zeitschr. VIII 249), hat
sich aber mit der reduplication ganz verschmolzen und dabei den vocal der
Wurzel sa (in sa-tus) verloren (wie sist-o aus wz sta) und bei der verwan-
delung von s in r zugleich die von i in e angenommen — se-r-o. S, oben
8. 182.
nmbrische Studien. 205
ehe-iursiah-a-mu u. a. Gehen wir nun zur genauem be-
Stimmung des sinnes über, so gehört sahata in den um-
brischen tafeln zu vier örtlichkeiten bei Iguvium, an denen
geopfert werden soll, von denen zwei, funtler-e Ib 24
und Akerunie Ib 43 jhre erklärung „an den quellen,
ad fontulos" und „in Aquilonia" von Aufrecht und Kirch-
hoff II 278. 298 erhalten haben, rupinie.e Ib 27 (oder
ruhine Vlla 6) aber und säte Ib 31 (oder sahate VIIa41)
sie noch erwarten. Wir deuten diese zwei als locative
von rupina „rübenfeld, lat. rapina^ und von sahata „Saat-
feld, ]sit, seges^, und zwar hauptsächlich „getreidefeld" ' )•
Rupinie.e (mit vorgeschlagenem i vor e, s. oben s. 116)
wird noch von der präp. em begleitet, welche aber zu e
abgestumpft ist^) und so auch bei bezeichnung der richtung
dem accusativ unmittelbar angehängt wird in rupinam-e
Ib 35. 36 (rubinam-e Vlla 43. 44) und sätam-e Ib 38,
wogegen die präposition trahaf oder trä dem locativ sa-
hate Vlla 41. Ib 31 und acc. sahata{m) Vlla 5. 39. 44. 45
voraufgeht. An den einzelnen stellen wird nun vorge-
schrieben, dafs der opfernde erstens „an den quellen, ad
fontulos" funtler-e Ib 24 (fondlir-e Vlla 3) drei eher,
zweitens „auf dem rübenfeld" rupinie.e Ib 27 {rubine
Vlla 6) drei säue opfere, dann (was die vollständigere ta-
fel VII V. 39 allein enthält) bis hinter das Saatfeld gehe
{traf sahatam etu) und drittens „hinter dem Saatfeld"
tra säte Ib 31 {trahaf sahate Vlla 41) drei kuhkälber
opfere, darauf dort, wo sie die eher werden geopfert ha-
ben (pufe apruf fakurent Ib 33. 34. Vlla 43), also an den
quellen (Aufrecht und Kirchhoff II 290), nach dem rüben-
felde rückwärts schaue und über das Saatfeld hinüber
(Ib 35. Vlla 44), dann nach dem rübenfeld rückwärts
wende und nach dem saatfelde hinwende (Ib 36. 38. Vlla
1) Varro de re rust. 148: In segetibus antem frumentum, quod cul-
mus extulit. Ovid. Met. X 655. Et segetis canae stantes percurrere ari-
stas. Verg. Aen. VII 808. — Auch zum rübenfeld war nicht jeder boden
geeignet; denn Cato verlangt c. 35, dafs man rUben in einen gut gedüngten
oder fetten boden säen soll,
2) S. oben s. 100.
206 Savelsberg
44. 45), zaietzt viertens „in Aquilonia" Akerunielb43
{Acersoniem VII a 52) drei junge köhe opfere.
So schliefseu wir denn unsere beobachtungen in diesem
abschnitt mit dem umbrischen, von wo wir ausgegangen sind.
Dort haben wir alterthOmliche Oberreste einiger auf v
auslautender verbalstämme gefunden, dann noch besonders
durch die nachweisung des lautwandels von v in h drei
arten solcher verbalstämme auf -av -ev -iv ermittelt, welche
dann weiter zu bisher unbeachteten spuren abgeleiteter
lateinischer stamme auf -av -ev -iv in den drei bekann-
ten conjugationen führten, bis wir zuletzt solche verbal-
stämme auf -av -ev -iv -ov durch viele verwandte
sprachen verbreitet gesehen haben.
13. Lautwandel von 1 in r (rs).
Das umbrische hat einen unter den italischen sprachen
ihm ganz eigenthümlichen laut, nämlich ein zischendes r,
welches altumbrisch in nationaler schrift durch S , neuum-
brisch durch rs bezeichnet wird (Aufrecht-KirchhoflP I 84),
welches in der ausspräche wohl dem polnischen rz ver-
gleichbar ist, selten aber wie dieses aus r, sondern meist
aus d hervorgegangen ist. Auch aus 1 ist ein solches r
entstanden, doch wahrscheinlich erst über die mittelstufe
d hinüber^). Folgende beispiele können als hinlänglich
sicher gelten:
Akerunie Ib43 Acersoniem VII a 52 ist lat. Aquiloniae
(in Aquilonia),
famerias IIb 2 familiae^ {pater')familiaSy
Pumperias IIb 2 Pompiliae^
karetu Ib33 cam^w Via 17. calato^xaksiTco. A,K.lIi05.
1 ) Wir vermuthen diefs, weil der Übergang von 1 in j: (rs) verhältnifs-
mäfsig selten, der von d in f aber zwischen zwei vocalen regelmäfsig statt
findet mit ausnähme von nur vier formen (A. K. I 84). Es besteht wirklich
zwischen Akepunie und Acersoniem eine solche mittelform Akudunniad
(abl.) auf oskiscben münzen (A. K. I 84) und sonst ist auch im lateinischen
zuweilen 1 in d Übergegangen, so calamitas Capitolium volebam in cadflmitas
Capitodium vodela, neben Gudulius kam Gududia vor und dem griech. aXiKpa
steht lat. adeps gegenüber. Corssen ausspr. I ^ 224.
nmbrische Stadien. 207
Auch zeref la 25.33.34 und serse VIb 17. 22.41 glauben
wir vermittelst annähme des lautwandels von 1 in r (rs)
erklären zu können. Wir sehen in la 34 kumultu zeref,
kumat(e)s persnimu (vgl. VIb 17. 41) aus kumultu
„commolito'^, dafs zere eine mahlbare frucht ist, wahr-
scheinlich das lat. sili-go „winterweizen", welches eine Wei-
terbildung von sili ist*). Im umbrischen gehört zere
oder sersßy von welchem nur der acc. pl. zeref la 2f). 33,
oder serse mit abfall des f VIb 17 und 41 serse pisher
komoltu^ und der dat.-abl. plur. la 34, jedoch verschrieben,
zeref kumats anstatt zeres^) kumates und serse mit
abfall des s VIb 41 serse{s) komatir vorkommen, zu den
nomina auf i nach der 3. declination ( Aufr.-Kirchh. I 123)
und auch für das e der ersten silbe dürfen wir älteres i,
also den stamm ziri voraussetzen. Das z von zere se-
hen wir wie das in kazi und anzeriatu schon im neu-
umbrischen zu s geworden in serse und anseriato^ desglei-
chen im lateinischen in sili wie in caseus und ob-servato.
Es ist aber jenes umbrische z sehr beachtenswerth, weil
es nicht nur, wie Aufrecht und KirchhoflP I 108 bemerkt
haben, im auslaut z. b. in tapez y^tacitus^^ sondern auch
im inlaut und anlaut aus t und s verschmolzen, oder viel-
mehr an beiden letztern stellen durch zetacismus aus t
entstanden ist und jedesmal zur aufßndung der grundform
und etymologie besser als das spätere s den weg bahnt.
So leitet uns kazi auf skr. katvara n. „molken, mit was-
ser vermischte buttermilch**, das auch katura und kad-
vara lautete und kadara n. „geronnene milch'^ neben sich
hatte; — an-zeria-tu y^ob-serva-io^ bekundet seinen Zu-
sammenhang mit griech. r//^€-a> „wahrnehmen, beobachten,
^ ) Wie lenti-go „ linsenförmige flecken , Sommersprossen ** vom alten
lenti 8 „linse" (Priscian. VII 64), vergl. citrä-go „citronenkraut** von citru-Sf
lappä-go „eine klettenäbnliche pflanze* von lappa „klette**. Ob aber das
Stammwort sili im compositum sili-cemium „leichenschmaus** und in der bei
Festus p. 847 und Paulus p. 846 von silatum gegebenen erklärung „vinum
sili conditum*^ enthalten sei und mit der von Corssen ausspr. I^ 448 gefol-
gerten deutung „wQrzkraut (mit wUrzkraut gemichter wein)* sich vereinigen
lasse, ist schwer zu ergründen.
2^ Da es im nationalen aiphabet geschrieben ist SjCf^j:, so lafst sich
die Verwechselung leicht erklären durch die ähnlichkeit von 8 mit 2 *
208 Savelsberg
bewahren^; — meDzaru IIa 16 y^mensarum^ müssen wir
mit hülfe des lat. subst. mensa erklären: dieses ist femini-
num des particips mensu-s „gemessen^, welches von einem
stamm ment^ wie sen-su-s von senUio^ gebildet ist, nur mit
der eigenheit, dafs das particip allein, nicht der verbal-
stamm in tnet'ior^ nasaliert ist, während umgekehrt vom
stamme fend neben in-fen-su-s ein zweites particip in-fes-
'tU'S besteht, das den nasal verloren hat; aber besser als
die aus urspr. *8ent-tu-s *ment-tu-8 verwandelten participia
sensus mensus hat das umbrische menza vom t-laut in
seiner voraussetzlichen grundform *ment-ta *menta wenig-
stens noch eine andeutung in dem z bewahrt; — zere
deutet auf älteres *tili und leitet uns auf skr. tila „die
sesampilanze'^, deren körner gegessen wurden. Mit diesem
Worte sind ohne zweifei tirima und tirija verwandt, die
eine art reis bedeuten und das ältere r bewahrt haben; ja
selbst für das von tila gebildete adj. tilja ist wahrschein-
lich noch das ältere tirja vorhanden im Atharvaveda 4,7,3
karambha tirja „grütze aus sesamkörnern^. Somit ge-
langen wir zur urform tiri, die wir an der band von
umbr. zere auch für lat. sili folgern dürfen, und zur Wur-
zel tar mit der bedeutung „reiben'^, aus welcher das skr.
adj. taruna „zart'' hervorgegangen ist (Curtius grundz.^
209) und lat. triticum („quod tritum e spicis" Varro 1.
L. V 106) nebst seiner unterart «i/e-^o benannt ist, wie
auch gränum „körn" aus demselben begriflp „reiben" einer
andern wurzel gar (Curtius grundz.^ 167) abgeleitet ist.
14. Lautwandel von s in r.
Aufrecht und Kirchhoff haben I 103 den lautwandel
von s in r zwar genügend festgestellt und im inlaut fbr
die älteste periode anerkannt, aber im auslaut ihn auf die
drei tafeln der zweiten periode, taf V VI VII, beschränkt,
oder aber nur ein Vorspiel des Überganges in tafel III und
IV aus der ersten periode finden wollen. Wir müssen
jedoch den rhotacistnus entschieden den ältesten tafeln vin-
dicieren und zu den beispielen vom auslaut (A. K. I 104)
umbriioh« Stadien. 209
sowohl ariper la 27 und areper Ib 30. 33 wegen ihres
wechseis mit aripes Ib 7 und arepes la 6. 19. 23. Ib 4
und mit arepe Ib 26. 44. IIa 7 mitzählen, in welchem
formenwechsel wir eine merkwürdige Übereinstimmung mit
dem dat.-abl. plur. Atijerier Va 4. 16. Atiersier Vllb 1
und Atijeries III 24 nebst Atijerie IIa 2. III '29 ge-
wahren, als auch die beachtenswerthe form sebmeniar
Ib 42 hinzufügen, welche Aufrecht und Kirchho£P I 104
anm. ** und II 297 für ein verstümmeltes neutrum eines
adjectivs auf -aris erklären. Jedoch gleichwie die be-
bauptung, dafs die tafeln |der altern periode den ein Wir-
kungen des rhotacismus nicht unterlägen, unhaltbar ist, so
fallen auch alle daran geknüpfte folgerungen und annah-
men. In unserer stelle Ia42: iveka perakre tusetu^)
(41) super kumne arfertur, prinuvatu tuf tuse-
tutu, (42) hutra furu sebmeniar hatutu, mit wel-
cher wir die jüngere fassung Vlla 52: ivenga peracrio
(ursiiuio . ... et (52) prinuvatur hondra furo sehemeniar
hatuto vergleichen > müssen, ist sebmeniar unzweifelhaft
objectsaccusativ zum verb. hatutu (hatuto)^ da derselbe
imperativ im singular deutlich sowohl in Ib 11 krenka-
trum hatu, als in IIa 22 sufafiaf supaf hahtu mit
dem accusativ construiert ist, und so stimmt denn seb-
meniar la 42 als attribut zu tuf und zu einem im ge-
danken supplierten acc. ivekaf, dessen singular iveka
perakre vorhergeht: „juvencam anniculam^) torreto su-
per arce^) adfertor, privati duas torrento, infra forum ^)
semestres (juvencas) — nto", und ähnlich bildet sehemeniar
VII a 52 mit hinzugedachtem ivengaf zum vorhergehenden
V. 51 ivenga peracrio tursituto einen gegensatz: „juven-
cam annicularum (i. e. ex anniculis) torrento .... et pri-
vati infra forum semestres (juvencas) — nto'^. Als accu-
sativ aber ist sebmeniar aus *sehmenias entstanden und
würde schon fQr sich allein genügen, um das dasein eines
1) Die tafel hat TVSEIV, da der graveoir den querstrich durch | zn
ziehen vergessen hat.
3 ) Die begriindung dieser deutung folgt im zweiten theil.
3) Näheres über knmne und furn folgt im zweiten theil.
Zeitschr. f. vgl. sprachf. XXI. 8. ' 14
210 fiAvelsberg
acc. pl. fem. auf -as in übereinstimmuDg mit dem lateini-
schen und oskischen und vielen andern verwandten spra-
chen auch fbr das umbrische statt der abweichenden en-
dung -af zu bezeugen; es kommt aber noch dazu, dafs
die ältere endung auf -s im acc. pl. sich wirklich einige-
mal erhalten hat. So finden wir IIa vinu pune tertu
(41) struhplas fiklas sufafias, kumaitu: „vinum tus
dato strues fercta^) — , commolito*^ den normalen acc. pl.
auf -as in drei nomina, welche objecte zu tertu sind,
nicht etwa zu kumaltu, da dieses gewöhnlich ohne object
steht (A.K. II 206) IIa9.41. IV 28, wie maletu IIa 18 und
comoltu Vlla 39. 44. 45, seltener mit object zeref ku-
multu la 33 und serse comoltu VIb 17.41. Das zu den
objecten struhplas fiklas sufafias gehörende verb
tertu (dato) wechselt hier, wie sonst noch einmal ferta
(ferto) IIa 17: Huntia fertu (18) katlu, arvia, struh-
pla, fikla, pune, vinu, salu mit dem verb. arveitu
(advehito) ab, welches als das durchaus übliche erscheint
in strupla arveitu III 34, fikla arveitu IIa 29 oder
ficla arsveitu Via 56. 59. VIb 2. 5. 20. 23. 44.46. Vlla
4.8. 54 und einmal ficlam arsveitu Vlla 42. Ferner ist
von der o-declination noch ein accusativ auf -ns übrig in
Vlla 43 abrons facurent^ während die alte parallelstelle
Ib33 apruf und auch dieselbe tafel Vlla v. 3 abrofhai.
Dieser jetzt constatierte ausgang des acc. pl. abro-ns wird
nun aufserdem durch analogien aus den verwandten sprachen,
wie kret. TtgeiyevTavg C. I. G. II n. 3058, 4 (ChishuU) und
goth. vulfa-ns sunu-ns als ganz normale endung bestätigt.
S. Bopp, vergl. gramm. I^466ff. Nachdem also sehme-
niar als zweiter beleg für den rhotacismus im auslaut auf
tafel I nachgewiesen ist, fügen wir zu den beispielen vom
inlaut (A. K. I 103), wie 3. pl. fut. ind. stah-e-ren Ib 19
(stabunt) aus *stah-e-sen(t), worauf die vergleichung mit
osk. censa-zet (censebunt) zurückfahrt, und infinitiv er-u
Va 26 oder er-om VII b 2 (esse) von wz. es „sein^, gan«
besonders das häufig vorkommende nomen erus hinzu.
^ ) Sieh ^d. ZZ 1. 444.
umbrische stttdien. 211
Dieses wort erklären wir fiir einen dativ plural von esu
^gott^; denn dazu stimmt 1) die endung s in eru-s,
2) seine regelmäfsige Verbindung mit einem verbum, das
geben bedeutet: tertu tetu titu dirstu diiu (dato), tera
dersa (dei)^ kuveitu (convehito oder conferto); 3) bahnen
uns die vorgeschriebenen gaben den weg zur feststell ung
der bedeutung von erus, vor allen die in VIb 16 prose-
seto erus diiu und VIb 38 proseseto erus dirstu erwähnten
proseseto, lat. prosecia „zur echtgeschnittene opferstöcke",
welche nur gaben für die götter sind*), wie auch, wenn
opferthiere genannt werden, deren exta {jecur^ cor^ pulmo
bei Cicero de div. 1112,29), gehörig zugeschnitten, als
der für die götter bestimmte antheil zu verstehen sind*);
4) bietet sich uns jetzt das umbrisch -keltische wort esu
„gott^ dar, welches uns um so willkommener ist, weil in
den zahlreichen Vorschriften über Opfer in den sieben um-
brischen tafeln zwar das von esu abgeleitete adj. esunu
„divinus** z. b. in ri esune Va 4 „rei divinae" (dat.) und
subst. esunum „opfer" erkannt worden ist, noch niemand
aber eine bezeiehnung für gott gefunden hat, doch wohl
nur wegen verkennung des rhotacismus in den ältesten
tafeln^); endlich 5) pafst in der that für erus die bedeu-
tung „den göttern" an allen stellen, deren sinn wir über-
haupt verstehen, wie die Übersetzung im einzelnen zeigen
wird. Auf die Vorschrift IIb 21 Enu erus tetu vitlu
vufru „Deinde diis dato vitulum varium" folgt das wirk-
liche opfer IIb 24 Jupater Sape, tefe estu vitlu vu-
fru sestu „Jupiter Sance, tibi istum vitulum varium
sisto". Eine gröfsere stelle, die nunmehr ihre vollstän-
^) Paulus ans Festus p. 78 M.: Exta dicta, quod ea diis prosecen-
tur, qnae maxime exstant eminentque. — Lucilius ed. Gerlach p. 38 n. 9:
Coenam, inquit, nullam, ueque dlvo prosectjam uUam. — Statius Theb.
V 641 dederat prosecta tonanti.
>) Cato de re rust. c. 184: Ubi exta prosecta erunt, Jano struem
commoveto. Eine sehr gewöhnliche formel ist „ exta diis dare "^ x. b. bei
Varro de re rust. I 29 Exta deis cum dabant. Ovid. Fast. 161 Nara simul
exta deo data sunt u. s. w. Sieh Brissonius de formul. I 25.
*) Später sahen wir, dafs Panzerbieter im programm von Meiningen
1851 p. 12 von erus den sinn diis erkannt hat, aber die form verfehlt, da
er urspr. eru ansetzt statt esn.
14-
S12 Savelsberg
dige deutimg erhält, ist folgende in älterer und jüngerer
fassung :
Ib 33 Pune purtinpus Vlla 42 \4j9e (43) purdin-
karetu, pufe apruf(34) Qiust carsiiu pufe abrons
fakurent, puze erus facurent, puse erus dersa;
tera; ape erus teruet, ape erus dirsust, postro
pustru (35) kupifiatu combißatu rubiname^ erus
rupiname, erus tera; (44) dersa; enem traha so-
ene tra sahta kupifi- hatam combißatu, erus dersa.
aia, (36) erus tera.
„Quom portaverit, calato, ubi apros fecerint, ut diis det*);
postquam diis dederit, retro conspicito in rapinam, diis det^);
deinde Irans segetem conspiciat, diis det^).
Die oben erwähnte stelle VI b 38 proseseto erus dirstu,
welche mit VIb 16 proseseto erus ditu gleichbedeutend
ist „prosecta diis dato'^, benutzen wir nun noch zur er-
kläning der ihr speciell entsprechenden altumbrischen Vor-
schrift, die wir ihr hier gegenüber stellen:
Ia33 Api surufpurti- VIb 37 Ape pesondro purdin-
tius, euuk hapinaru gus, (38) proseseto erus dirstu.
erus titu.
Hier mufs zu hapinaru, dem gen. plur. von hapina,
welches nach Aufrecht und Kirchho£P II 234 so viel wie
Ovis oder eine besondere art von schafen bedeutet haben
mag, das object, von dem der genetiv abhängt, nämlich
nach analogie von IIb 12 kapres prusepetu ife ar-
veitu „capri prosecta ibi advehito" sicher prusepetu
suppliert werden, wie auch dem genetiv hapinaru gegen-
über die parallele neuumbrische stelle VIb 38 wirklich
proseseto hat, die aber das opferthier nicht nennt, indem
*) sc. exta trium aprorum. Ib 24 Fnntler-e trif apruf rufra ute
peiu feitu. Vgl. VIIa3. lieber funtler-e „an den quellchen* 8. oben
s. 205.
2) sc. exta trium porcarum. Ib 27 Rupinie.e tre purka rafra
Ute peia fetu. Vgl. VII a 6. üeber rupina „rübenfeld" s. oben a. 206.
3) sc. exta trium vitnlarum. Ib 81 Tra säte traf vitlaf feita.
Vgl. VII a 41. Ueber sata oder sahata „Saatfeld* s. oben s. 205.
nmbriflche Btndien. 213
die vor dem gebet v. 25 — 37 kurz vorher v. 23 und 24
angegebene habina im gedanken festgehalten wird. Aehn-
lioh verhält es sich mit VIb 16 ape eam purdinsust^ pro-
seseto erus ditu „postquam eam portaverit, prosecta diis
dato**, wo indefs mit dem pronomen eam klar genug auf
die V. 9 vor dem gebet genannte, uns freilieh unbekannte
mefa spefa hingedeutet wird. Von den andern für die göt-
ter (erus) bestimmten gaben, die noch nicht gedeutet
sind, haben wir nur über iepru die vermuthung, dafs es
„jerwr" bedeute IIa 32: iepru erus mani kuveitu
„jecur diis manu convehito (conferto)", dafs also hier der
öftere lautwandel von k in p eingetreten sei wie in pune
= quom, svepis = siquis, peturpursus = quadrupedibus
(A. K. I 88), gr. rjnaQ^ dann solches *iepur in die vocalische
declination übergegangen und zum heterokliton mit dem
stamm iepru geworden sei, wie lat. elephas zu elephantus,
delphin zu delphinus, craler zu cratera. Obgleich wir aber
die andern opfer nicht kennen, so unterliegt es doch nicht
dem geringsten zweifei, dafs, wie an der letzterwähnten
stelle, so auch IIa 40 erus kuveitu bedeutet „diis con-
vehito (conferto)'*, dann IIa28 erus prusekatu „diis pro-
secato", femer IV 27 erus ta^ez (28) tertu „diis taci-
tus dato** und t\berhaupt beim verbum „geben" die noch
übrigen stellen IIa 9 erus tetu, VIb 25. Vlla 38 erus
ditu, VIb 16—17. 38. 39 erus dirsiu alle „diis dato« be-
deuten, endlich IV 14 putrespe erus „utrisque diis,
beiden göttern", welche kurz vorher genannt sind, Pue-
munus und Vesuna. A. K. II 375.
15. Lautwandel von s in r oder rs.
Das umbrische ist bei dem lautwandel von s in r
nicht stehen geblieben, sondern hat das 8 noch eine stufe
weiter, als andere sprachen, zu dem ihm eigenthümlichen
zischenden zitterlaut r oder rs verschoben. Für diesen
bisher noch nicht aufgestellten Übergang wollen wir jetzt,
von jeder Stufenfolge einstweilen absehend, zuerst den
thatsächlichen beweis führen.
2 14 Savelsberg
I) Die relative pir-i pirs-i und pur-e pors-i und das
demonstrativ er-e-k ers-e.
Wälirend Aufrecht und Kirchhoff II 244 das umbri-
sehe demonstrativ ere-c VII b 1 dem entsprechenden oski-
schcn pronomen iz-i-c von genau derselben herkunft ge-
genüberstellen und beide zur normalen form is zurück-
führen, ferner II 317 pur-e und pur-i als relativ, und
zwar als nom. plur., wenigstens für die meisten fälle Ya
25. 28. Vb 4 und Vb 10. 15 richtig, mit hinweisung auf
den oskischen nom. plur. püs, aus *pu8-i, also wiederum
vermittelst des rhotacismus erklären, halten sie pur-e und
pors'i bd. I 137 für ein von pur-e und pur-i verschiede-
nes „zweites relativpronomen'^, welches sie vermittelst jenes
andern lautwandels von 1 in r oder rs (s. oben s. 206)
dem lat. qualis entsprechend finden. Wieder anders er-
klären sie I 138 die Wandlungen des fragepronomens pis
oder vielmehr pis-i, da es in der regel das pronominale i
angehängt zeigt und dann die bedeutung eines verallge-
meinernden relativs erhallt. Die davon vorkommenden
formen mit r oder r«, pir-e per-e pir«-t, suchen sie bd.
II 55 mit hülfe des I 84 nachgewiesenen lautwandels von
d in r oder rs als neutrum = lat. quod^ sowie das de-
monstrativ er-e-k ebendaselbst als übereinstimmend mit
dem oskischen neutrum id-i-k = lat. id darzustellen. Nun
aber gerathen sie einigemal (II 259. 377), besonders gerade
II 55 bei der erklärung von tafel Via 5 sersi pirs-i sesu$t
mit der bedeutung in Verlegenheit, versuchen auch gar
nicht, hier das sogenannte neutrum pirs-i als solches an-
zupassen, etwa: „was sich auf den sitz gesetzt haben
wird", sondern glauben einen ausweg in der aufstellung
zu finden, dafs die neutra der pronomina auch als zeit-
partikeln oder conjunctionen dienen könnten, das relativ
pirS'i im sinne von ubiy quando^ das demonstrativ ers-e
als tum. Jedoch werden wir die wahre geltung der bei-
den pronomina aus folgender beobachtung erkennen. Wir
sehen dem verallgemeinernden relativpronomen pis-i eines
Vordersatzes regelmäfsig das demonstrativ er*e oder er*
e-k im nachsatze entsprechen, z. b.
umbrisch« Studien. 215
Va (3) pis-i . . (4) . . . er-e
Va (10) pi8-i..(ll).er-e.k
VII b (1) jptVi er-e-o.
Schon diese parallelstellen legen die vermuthung nahe, dafs
in der eben angeführten stelle
VI a V. 5 zersi pirs-i sesust und v. 6 ers-e ueip mugaiu
gleichfalls ein relativpronomen und demonstrativpronomen
sich gegenseitig entsprechen, dsih pirs-i mit pis-i in form
und bedeutung gleiche geltung habe, ja durch den laut-
wandel von s in r oder rs aus pis-i entstanden sei, und
dann auch ers-e ähnlich wie er-e aus urspr. ^is-i. Die
vermuthung wird vollends zur gewilsheit gesteigert durch
die bald darauf Via 7. 8 folgende abwechselung des nor-
mal lautenden relativs pis-i mit dem verwandelten demon-
strativ ers-e^
V. 7 piS'i arsir ander sesust . . (8) ers-e . . tude"
rato est,
wo nun piS'% klar genug ausweist, dafs nicht blofs das
ihm speciell entsprechende ers-e^ sondern auch kurz vor-
her Via 5. 6 sowohl pirs-i als ers-e pronomina und zwar
nominative sing. masc. gen. sind. So bleibt denn nichts
anderes übrig, als dafs pirs-i aus pis-i, und ers-e aus der
grundform ^is-i hervorgegangen ist. Nachdem aber die
Verwandlung von s in neuumbrisches rs nachgewiesen ist,
so folgt hieraus zugleich fQr das altumbriscbe die Ver-
wandlung von s in r, zunächst in demselben par corre-
spondierender pronomina pir-i und er-e-k, wie tafel
IV 32 sie darbietet, dann auch in pur-e III 5 und pors-i
Via 6 aus urspr, *pu8 *pos^ welches im oskischen in so
unveränderter gestalt püs erhalten geblieben ist, wiewohl
nur als pluraP), wogegen im umbrischen die gleiche form
sowohl für den singular^) als für den plural") dient. Das
1) Pus set «qni sunt* taf. v. Agnone v. 1, — ptis .... fnfans
«qni erant** cipp. AbeU. v. 8 — 10, — püs.. amfret ^qui ambiunt** das.
V. 46.
') Puf-e . . ferest ,qui feret** taf. Ha 26, pora-i . . iwt „qui . . iverit*
Via 6.
') Puf-e . . emantnr »qui . . sumantnr", Va 7 port-i . . . oatmamdi
,,qai ostendentur* Via 19.
216 Sftvelsberg
stets mit hinweisendem i versehene relativ hatte nun im
nom. sing, dereinst die normale gestalt *pos-i, welche
schon Aufrecht und Kirchhoff I 137 erkannt haben, hiefs
also für sich allein auch im umbrischen urspr. *pos und
war aus älterem *kos verwandelt, wie dies die sprachen-
vergleichung durch das indische kas, das griechisch-ioni-
sche xog und goth. hvas erweist. Es erscheint aber im
umbrischen nie mit rein erhaltenem nominativzeichen s,
sondern entweder a) mit verlust desselben pu po und zwar
enklitisch an sve angehängt als indefinitum svepu Ib8
und svepo VIb 47 = lat. si qui „wenn jemand", aufser-
dem aber immer mit hinweisendem i versehen als eigent-
liches relativ po-i Via 5, po-ei Via 1, po-e VIb 50, ähn-
lich wie das lat. qui oder älteres quei aus *que-i (vgl. ille
ipse iste) und weiter aufwärts *quo-i (nach verlust des no-
minativzeichens aus urspr. *quos-i) aus dem pronominal-
stamm quo und hinweisendem i zusammengesetzt ist (Cors-
sen ausspr. I* 784. IP 672), oder aber b) mit Verwand-
lung des s bald in r als pur-e Va 25 oder pur-i Vb 10,
bald in r oder rs in den formen pur-e IIa 26. III 5.
Va7, pors-i Via 6. 19, pors-ei Via 9. 15, pors-e VIb
40. 63.
Nachdem wir alle phasen des relativs in ihrer ent-
wickelung dargestellt haben, werden wir jetzt die eben
citierten parallelstellen in kürzester fassung etwas näher
besprechen, insofern berichtigungen für die bisherigen con-
structionsversuche und zweifelhaften deutungen nötfaig ge-
worden sind.
1) IV 32 Hunta-k pir-i prupehast, er-e-k
33 ures punes neirhabas.
„Hac (ratione) quisquis propiabit, is-ce — is — is — abit**.
Hier kann das schliefsende verbum neirhabas, da es
er-e-k d. h. is-ce zum subject hat, nicht im plural stehen
(A. K. II 378), sondern ist 3. pers. sing, wahrscheinlich
von einem futur der ersten abgeleiteten conjugation.
2) Va 3 Arfertur pis-i pumpe
4 fust eikvases-e Atijerier, er-e ri esune
5 kuraia prehabia.
nmbrisohe Btudien. 217
„Adfertor^) qaiscunque erit*) in sodaliciis^) Attidiis, is rei
divinae*) curet (eamque) praehibeat".
3) Va 5 P^r*® ura-ku ri esiina
6 si herte et pur-e eeune sis^sakreu
7 perakneu upetu, revestu pur-e terte
8 eru emantnr herte.
Zunächst ist durch Ebels erklärung von herte, der 3. ps.
siug. präs. ind., die vollständiif herter lautet IIa 40. III 1
mit der bedeutung „es wird gewollt = placet, libef^ (Zeit-
schrift V 407), nunmehr die abhängigkeit des conjunctivs
si von diesem unpersönlichen verbum klar: „Quisquis (ut)
ulla (?) cum re divina sit placet" oder „Quemcunque ulli
rei divinae praepositum esse placet**. Bei diesem jetzi-
gen ergebnifs kann die für die unmittelbar folgenden worte
et pure esune sis von Aufrecht und KirchhoflP II 317
gegebene Übersetzung „et qui rei divinae sint" nicht be-
stehen bleiben, da sie eine reine tautologie hinzufügen
würde. Das relativ pure glauben diese forscher für einen
nominativ des plurals halten zu müssen, weil in dem Zwi-
schensatze das verbum (?) si(n)s im plural stehe und
weil das in pur-e enthaltene relativ pur genau dem oski-
schen püs, einem nominativ pluralis, entspreche. Jedoch
fürs erste haben wir anstatt der vergleichung mit dem os-
kischen nom. plur. püs eine bessere analogie an dem um-
brischen relativ pur-e, welches wir oben s. 215 in glei-
cher form für singular und plural dienen sahen, ebenso wie
neuumbrisches pors-i*^ demgemäfs kann pur-e, welches
mit pur-e auf dieselbe grundform *pu8-i zurückgeht, auch
singular sein. Zweitens stimmt sis formell besser zu sir
VIb 7 „du seiest", freilich mit widerstrebender bedeutung,
' ) Wir können adfertor von A. K. II 89 beibehalten , nachdem Pott
et. forsch. II ^ 3, 470 an die spätlateiniscben bildungen offertor inferior er-
innert hat.
^) Dafs fast nicht futurum exactum ist ^ fuerit, wie es s. 107 über-
setzt worden ist, sondern einfaches futurum = erit, ist schon s. 174 nach
Corssen berichtigt worden.
^) Dieser erklärnngsversuch von einem subst. eikvasa mit der bedeu-
tung sodalicium „Verbindung, Verbrüderung'* wird später seine begrilndung
erhalten im zweiten theil: umbrische wortdeutungen.
*) Dativ.
218 SsTelsberg
aber in keiner hinsieht befriedigt die gleichstellang von
sis mit der 3. pers. plur. conj. sins VII b 4 (= lat. sint).
Dann ist es sehr auffallend, dafs hier dem relativ pir-e
kein demonstrativ entspricht, während wir doch sonst dem
verallgemeinernden relativ pis-i pirs'i immer ein demon-
strativ gegenüberstehen sehen. Kurz, wir können nicht
umhin, die stelle fQr verderbt zu halten und zwar durch
verkehrte interpunction odev^ vielmehr worttrennung, die
wir übrigens ja schon oft fehlerhaft gefunden haben ' ).
Wir theilen dann nun die zwei Wörter esune sis mit bei-
behaltung aller buchstaben in esunes, is ab, wodurch
wir einen ablativ plur. des subst. esunu „opfer^ und das
erforderliche demonstrativ is erhalten, also: et pur-e
esunes, issakreu perakneu upetu „et qui (cum) sa-
crificiis, is hostias anniculas impendito^. Das demonstra-
tiv in der normalen gestalt is, welche wir noch nicht hat-
ten, findet sich in Zusammensetzungen wieder, in is-unt
III 16. 17 (s=s lat. iS'dem) und is-e-k IV 4 (= lat. isce)^
welches letztere wort öfter mit Verwandlung von s in r
und von i in e in der gestalt er-e-k erscheint III 33. 35.
IV 3. 21. 32, die auch als sichere emendation (von A. K.
II 222) für erel Ia30 wieder hergestellt werden mufs*
An upetu schliefst sich ein zweiter imperativ re-
vestu an (= lat. revisito nach A. K. II 319) nebst einem
davon abhängigen relativsatz: pure terte eru emantur
herte. Zu der bereits von andern theil weise angebahnten
erklärung „qui . . (ut) sumantur placet^ (vgl. A.E. II 319.
Ebel in d. zeitschr. V 407) fügen wir die noch rückstän-
dige deutung von terte eru hinzu: „dati esse^. Da ist
nun für das umbrische die syntactische eigenthümlichkeit
zu bemerken, dafs zum verbum eru „sein^ das prädicats-
nomen in die adverbialform terte') tritt, wie sonst noch
'} So tafle .epirfer. tu IIb 12 anstatt tafle .«. pir. fertn oben
8. lOOanm. 3 — tnve . rekapifus IlaSS anstatt tuver-e . kapifas 8.101.
— stafli .invesmik la 81 anstatt staflare . esmik s. 145 sonst
noch etrep . ejeriate IIb 4 anstatt etre.pejejriate, — npetne . veietn
IIb 8 anstatt upetn . eveietu, — tri . inperteitu IIb 25 anstatt tri-
jnper . teitu.
^) Particip ein^r redaplicierten worzel fa (da), also tepa, die aber
nmbrisohe Stadien. 219
Va 27 er-e-k prüfe si ^is-ce probe sit**, ähnlich wie
auch im oskischen in der tafel von Bantia v. 30 das ad-
verb gebraucht ist: i^-Uc amprufid facus estud „is-ce im-
probe factus esto^, woffir jedesmal der lateinische Sprach-
gebrauch das adjectiv probus und improbus verlangen
würde. Unsere stelle heifst also vollständig: „er sehe
nach, welche, um gegeben zu werden, genommen werden
sollen^. Es ist noch übrig anzugeben, auf welches nomen
das relativ pur- e, welches im nominativ plur. masc. steht,
sich zurückbeziehe. Es kann nur der plural sakreu'
perakneu gemeint sein, obgleich mit dessen neutralem
gescblecht der männliche nominativ pur-e nicht überein-
stimmt. Und wirklich sehen wir für die neutrale endung
im plural mehre male die masculine endung eintreten: so
hat das neutrale Substantiv tuder „finis, terminus^ nicht
blofs tuder 0 Via 15 im plural, sondern auch tuder or
Via 12; ebenso besteht neben easo VIb 40 mit neutraler
endung (= lat. easa) dasselbe wort mit masculiner plural-
endung easor Via 19. Ja beim relativ scheint die neu-
trale endung des plurals ganz verdrängt zu sein, da nur
dessen masculine nominativendung sich findet, auch wenn
sie sich auf neutra bezieht, wie Via 15 Hondra isto tu-
dero^ pors-ei subra screihtor sent, „Infra istos fines, qui
supra scripti sunt^, dann wieder einige zeilen später
Via 19 easor eeris-co Treblanir^ pors-i ocrer pehaner paca
ostensendi^ eo is-o ostendu „vasa ad portas Trebulanas,
quae ocris piandi causa ostendentur, eaidem^) ostendito%
wo das relativ und sein nomen beide in der masculinen
endung übereinkommen, aber das normale neutrale ge-
schlecht des nomens doch zuletzt wieder hervorbricht im
pronomen eo (a= lat. ea). Nach solchen beweisen von ver-
tauschung der neutralen endung des nominativs pluralis
mit der redaplication zu einem neuen präsensstamm tef (fttr did) verwachs
(s. oben s. 109 anm. 1} und dai particip tejrta bildete wie skr. datta
aus dad + ta.
1} Is-o ist versttlmmelt aus *is-ont (at altambr. is-ant III 16. 17),
ebenso es-o Via 2. 16. VIb 63 aas *esont, woraus wiederum verwandelt ist
€r-ont VIb 24 und mit susatz des hinweisenden i er-i-hont VIb 60.
220 Savelsberg
gegen dessen masculine endung kann nicht der geringste
zweifei mehr stattfinden, dafs derselbe Wechsel aneh an
unserer stelle Va 7 für pur-e anzunehmen ist, so dafs
dessen beziehung auf den neutralen plural sakreu per-
akneu sicher gestellt ist. Schliefslich fassen wir die Über-
setzung der ganzen stelle v, 5 — 8 zusammen:
^Quemcunque ulli rei divinae praepositum esse placet
et quem sacrificiis, is hostias anniculas impendito, re-
visito, quas (ut) dari (possint) sumi placet.''
4) Va 10 arfertur pis-i pumpe
11 fust, er-e-k esunes-ku vepurus felsva
12 arputrati fratru Atijeriu prehubia.
„Adfertor quiscunque erit, is-ce divinis cum vaporibus*)
— arbitratu fratrum Attidiorum praehibeat."
5) VI a 5 sersi pirs-i sesu$t, poi angla
6 aseriato est, ers-e neip mugatu, nep arsir ander
sistu nersa courtust^ pors-i angla anseriato
7 iust,
„In sede quisquis sederit, qui — as observatum ibit, is
neque murmurato, neque inter alios*) sedeto, donec ®)
reverterit qui — as observatum iverit.
') Die begründung dieser bedeutung von vepurus erfolgt alsbald in
diesem abschnitte.
2) Von arsir hat Panzerbieter im programm von Meiningen 1851 p. 6
die bedeutung alius glücklich vermuthet, auch die form richtig mit altlat.
alis (Catull. 66, 28) alid (Lucr. I 263) identificiert, jedoch den casus ver-
fehlt, da arsir nicht zugleich mit ers-e (s= lat. is) nom. sing, sein kann»
sondern nur abl. plur., (welcher zufällig mit dem nom. sing, gleichlautet);
denn die präposition ander j mit welcher arsir zusammengehört, wird stets
mit dem ablativ verbunden, so anter vakaze Ib8 (nom. vakaz), ander
vacose VIb47, ander voniu VIb 41, wahrscheinlich auch sume ustite
anter IIa 16 — 16 (für sumes ustites anter), wo die präposition ihrem ca-
sus nachgesetzt ist, wie an obiger stelle und zuweilen im latein z. b. Lucr.
ly 415 qui lapides inter sistit per strata viarum.
8) Dafs nersa so viel als „bis* oder eigentlich „bis nicht« bedeute,
haben Aufrecht und Kirchhoff II 61 scharfsinnig und, wie wir nicht zwei-
feln, richtig errathen ; die erklärung der form aber verdanken wir Panzer-
bieter im Programm von Meiningen p. 8 adn.5: „[Nersa] Compositum vocabulum
videtur esse ex ne (i. e. nep) et rsa i. e. da. Da, sive plenius dam vel
dane (cf. prepa, antequam) fortasse ümbri dixerunt pro dum, ut existeret
nondum, sed ita, ut latine dicendum esset dum non**. Uebrigens weisen
wir noch auf den Zusammenhang der lat. an hänge -partikel dam (in qui-dam
und quon-dam) mit dum hin, wie wir ihn in der abhandlung „lateinische
Partikeln auf d und m« im rhein. mus. XXVI s. 145 (vergl. 1S6) erörtert
haben.
timbrische stndien. 221
6) VI a 7 ote pis-i arsir ander sesus{t)y disleralinsust^
8 erS'ß stahmito eso tuderato est,
„Aut quisquis inter alios sederit, — erit*), is locum hunc
finitum ibit**.
7) VII a 1 PiS'i pantp-pei fratrexs fratrus Atiersier fust^
er-e-c . . portaia sevacne fratrom (2) Atiersio desenduf.
„Quisquis quoque (tempore *)) magister fratribus Attidiis
erit, is-ce . . portet sollemne fratrum Attidiorum duo-
decim".
II) Dersva.
Nachdem also der lautwandel von s in r oder r$ an
den relativen pir-i pirs-i nnd pur-e pors-i sowie am de-
monstrativ er-e-k ers-e nachgewiesen ist, wird nun auch
das lautliche verhältnifs von parfa tesva Ib 13 zu parfa
dersva Via 1. 2. 4. 15. 17 klar. Das neuumbrische adj.
dersva enthält durchaus kein stammhaftes r (A. K. II 27),
sondern den aus s verwandelten zischenden zitterlaut r«,
so dafs Grotefend das wort ganz treffend mit dem goth.
adj. taihsva „dexter^ verglichen hat. Es stimmt mit
seinem suffix -va nicht blofs zum gothischen, sondern
auch zum cornisch- keltischen adj. dyghow (Ebel, gramm.
Celt. p. 107). Vom ausfall des gutturals vor s gibt es
analoge beispiele theils im lateinischen, wie Sestius aus
SexHus^ mistus aus mixtus^ illustris statt *in-lux-tris (Bugge
in d. zeitschr. XX 14), theils im umbrischen selbst wie
sestentasiaru taf. III 2 gegenüber dem lat. sextaniarms^
und im althochdeutschen steht gerade das entsprechende
wort zesawa^ zestoa „dextra** (Graff V 709), ebenso des
gutturals beraubt, dem gothischen taihsva gegenüber, wie
das umbrische tesva dersva.
Was den gebrauch des adjectivs betrifft, so bezeich-
nen die iguvinischen tafeln damit ganz speciell rechts er-
* ) Ein Vordersatz mit zwei asjrndetisch verbundenen futnra exacta ge-
rade wie VIb 56: ape ambrefurent , (67) termnom-e benurent, termnit-co com
prinuatir eso persnimumo tcuetur „postqnam ambiverint, ad terminuin vene-
rint, apud terminum cum privatis hoc precantor taciti**.
3) S. oben s. 107.
222 Sayehberg
scheinende, als günstiges omen geltende vögel, so Via
2. 4: Farfa dersea^ curnaco dersva „parram dexteram,
cornicem dexteram^. Beide vögel flQhrt auch Plautus ne-
ben andern auf, Asin. II 1, 12:
Picus, cornix est ab laeva, corvos, parra a dextera.
consuadent.
aber er rechnet die krähe zu den vögeln der linken seite,
wie auch Cicero de divin. I 39 : quid (habet) augur, cur
a dextra corvus, a sinistra cornix faciat ratum? und Ver*
gil Ecl. IX 1 5. Dafs dagegen Prudentius jene beiden vö-
gel als im fluge gleichbedeutend erwähnt (404 n. Chr.)
Hb. II contra Symmachum 571:
Cur Cremerae in campis, cornice vel oscine parra,
Nemo deum novit, perituros Marte sinistro
Ter centum Fabios, vix stirpe superstite in uno?
darauf legen wir bei einem so späten spanischen dichter
kein gewicht. Wir nehmen vielmehr die thatsache an,
dafs solche Verschiedenheit, wie sie nun einmal klar be-
zeichnet ist, ganz einfach bestanden hat; überhaupt aber
dürfen wir hoffen, dafs eine dereinstige volle ausdeutung
der iguvinischen tafeln für die verwickelte römische augu*
raltheorie und das italische sacralwesen vielfache aufbel*
lung bringen werde.
in) Farsio.
Dem lat. far „getreide, spelt^ stehen im umbrischen
drei formen mit wechselndem auslaut gegenüber: 1) far
im Stammwort far Vb 10. 15 nebst seinem genetiv far^er
Vb9. 14*), 2)fas und 3) fars in dem abgeleiteten no-
men fas-iu IIa 12 und fars-io VIb 2 = lat. farr-eurm
„mehlkuchen^ (A. K. II 186). Wir erkennen aus ihnen
sogleich die grundform fas heraus, welche jin fas-iu auf
der altern tafel IIa 12 ganz normal vorliegt, dann bemer-
ken wir den längst bekannten Übergang von s zu r in far
*) Farer opeter p. Uli (VI) »farris impensi pondo IUI (VI)*, wo ope-
ier für ^op^en-ter (vergl. oben 8. 110) genetiv des particips ist. A. K.
U 865.
ttmbrisohe Stadien. 323
und eben so sicher den jetzt eDtdeckten lautwandel von s
zu rs in fars-io. Da nun r in fars-io nicht stammhaft
ist, sondern nur mit s vereint dazu dient, den eigenthfim-
lich umbrischen, aus s entstandenen, gezischten zitterlaut
rs zu bezeichnen, so können die bisherigen etymologien,
welche r für einen ursprünglichen laut der wurzel hielten,
nicht mehr in betracht kommen, weder Potts deutung
von der sanskritwurzel bhar „/Jer-rc" in den etyiü. forsch.
IP 3, 491, weil sie auf die wichtige umbrische form fasiu
keine rücksicht nimmt, noch auch Aufrechts und Kirch-
hof fs herleitung von der sanskritwurzel ghariS „reiben^
(umbr. spracbdenkm. I 91), weil sie r als stammhaft vor-
aussetzt. Die Verdoppelung des r im lat. genetiv farr-is
und adjectiv farr-eu-s hat, wie fär-ina zeigt, keinen ety-
mologischen grund, sondern nur einen lautlichen, da sie
wegen stärkerer ausspräche erfolgt ist, wie in curr-o =
skr. Kar „gehen^ sammt curr-u-s, curr-uli-s neben cur-uli'S
und in su-surr-u-s = skr. svar-a-s. Zu den italischen
mit lat. far-ina „inehl^ verwandten Wörtern gehört aufser
dem umbr. fas-iu ^mehlkuchen^ noch das von Velius
Longus p. 2230. 2238 P. überlieferte sabinische wort fas-
ena „sand^, welches auch im lateinischen einst gerade so
gelautet haben mufs; denn von arena war die ältere form
asena nach Varro de 1. Lat. VII 27 und eine noch ältere
ist von Placidus in glossis: „Hasen am antiqui dicebant,
ut asas, quas nos aras^ überliefert (von O. Müller zu Fe»
stus 8. V. arbosem p. 15 citiert), ferner weist h in hasena
und harena (mit harenaio C. I. L. I 577, 2, 18), wie so
oft (Corssen ausspräche I^ 102), auf f zurück, so dafs
auch hier sicher 'fasena die grundform war. Mit hülfe
der sprachenvergleichung im weitern sinne gelangen wir
zu einer gar ansehnlichen reihe verwandter bildungen, so-
wie zur Wurzel und begriffsentwickelung. Da finden wir
im Sanskrit das sinnverwandte neutrum bhas-man „asche^
und dessen vielfach, namentlich im Rigveda, gebrauchte
Wurzel bhas mit der speciellen bedeutung „kauen^ oder
der allgemeinern „zermalmen^, welche offenbar allen bis-
her citierten verwandten Wörtern zu gründe liegt, da sie
224 Savelsberg
ja sämmtlicb „eine zu puIver zerriebene masse^ bezeich-
nen. Hierzu fügßn wir eine merkwürdige glosse ans He-
sychios (pdfifirj äXcpixa „gerstengraupen" nebst einer ab-
leitung cpafifiafStQia va xpaidxä xai iogri] vig^ welche
gerstenmehl und, als ifjaiard^ gewifs besonders opferkuchen
bedeutete; bemerkenswerth ist aber vorzüglich die form,
indem (fdu-fit] ohne zweifei aus *(fd(t'firj assimiliert ist wie
(fiXou^BiSrjg aus * (fiXo^öfindrig (Curtius grundz.^ 307),
äolisch iuuL aus *hö-fAi^ 'if^fAevai C. I. Gr. n. 3524, 51 (v.
Cyme) und n. 2166, 41 (Lesb.) aus *'ia-^Bvcti^ ^ifxfxa und
yifAuata d. i. jriu^ara bei Hesychios aus *^kö'fia = BlfAU
(Ahrens diah Aeol. p. 51). Neben der sanskritwurzel bhas,
die oft Synkope erlitt, (z. b. in ba-ps-ati „sie kauen %
ba-ps-at „kauend'') kam später eine erweiterung psä auf,
welche aus *bha8ä synkopiert war (Benfey in or. und occid.
III 29). An diese secundäre wurzelgestalt schliefst sich das
gr, yjcc'fxaS-o-g an und xpdfjtfxog^) „sand**, auch xfjdfijLif] äXcfixa
(„geschrotene gerste'') bei Hesychios; dann das verbum
xpav'co „streife, berühre", später xpd-co {xfjyg xfjri) „streiche^
reibe, glätte'^ und mit zusatz eines i (wie (pai aus (fa in
(fai'XO'q und cpat-dqo-q „glänzend'') ipai-co „zerreibe, zer-
malme'*, wovon xfjai'OTüV^ gew. plur. yjac-ard „gerstenmehl,
opferkuchen" stammt. So haben wir nun den innigsten
Zusammenhang zwischen dem sanskrit und zahlreichen
griechischen Überresten von beiden wurzelformen gesehen,
aber die alte wurzel bhas oder fas, welche wir im grie-
chischen blofs in (pdfA/At] erschlossen, am reinsten erhalten
gefunden im skr. bhas-man, sabin. fas- e na und umbr.
fas-iu.
IV) Qersnatur.
Ferner erhält jetzt auch ^ersnatur Va 22, das par-
ticip eines vom subst. gesna Vb 9. 13. 15. 18 abgeleiteten
verbums, seine erklärung. Dafs der vor dem sufßx -na
gewahrte wurzelauslaut s normal ist, ergibt sich aus der
1 ) Die anffaUende Verdoppelung in xpdfAftoq und ipafifiij scheint wohl
ans der im alten (fn/Lt-firj ganz gerechtfertigten, assimilation von ungefUhr
übertragen zu sein.
nmbrische stndien. 225
für das lat. cena ermittelten grundform. Diese ist in glos-
sen erhalten geblieben bei Festus p. 205, 15 (vgl. 209, 10):
Pesnis pennis ut Casmenas dicebant pro Camenis et caesnas
pro caenis. Besser als caena ist freilieb die Schreibweise
cena durch inschriften und gute handschriften verbürgt
(Fleckeisen, fünfz. art. s. 11), gleichwohl finden sich cae-
nent bei Orelli n. 4132 und coenacula n. 4323 und 4324.
Aufserdem berichtet 'Festus eine sabinische form p. 339:
y^Scensas Sabini dicebant, quas nunc cenas, quae autem
nunc prandia, cenas habebant^, wo man gern mit Dacier
scesnas emendieren möchte. Wenn nun schon des Festus
glosse caesna in Verbindung mit der classischen Schreib-
weise cena auf die grundform ^cesna zurückweist, so kommt
noch ein altes compositum sili-cernium mit der von Festus
p. 294 und Varro bei Nonius p. 33 Gerl. angegebenen be-
deutung TtsQiÖBinvov „leichenschmaus'^ hinzu, welches schon
Scaliger sogleich richtig ableitete: y^cesna — unde silices*
nium, postea silicernium^^ in neuerer zeit aber Aufrecht
in d. zeitschr. VIII 211 — 213 am besten erörtert und vom
alten cesna nnd einem erschlossenen adj. sili-s „schwei-
gend^ als ein „stillschweigend eingenommenes mahl^ er-
klärt hat, wogegen Corssen ausspr. I^ 443 es durch eine
schwach basierte combination als „würzkrautgemengsel^
deutet und es wenig wahrscheinlich von einer wurzel *cer
„vermengen^ (?) herleitet, die im lateinischen nicht consta-
tiert ist.
Um die etymologie und wurzel der lateinischen grund-
form cesna zu ermitteln, giengen die zwei letztgenannten
forscher sowie auch andere (G. Curtius grundz.' 228 und
Goetze in den Studien zur griech. und lat. gramm. I 2, 168)
vom umbrischen ^ersnatur aus und glaubten für dasselbe
den im umbrischen allerdings häufigen Übergang von d in
rs annehmen zu müssen , so dafs sie auf eine skr. wurzel
khäd „essen, fressen^ geriethen, welche aber selbst beim
bisherigen stand der dinge wenig geeignet war und zumal
im anlaut nicht recht pafste. Jetzt, wo nunmehr der laut-
wandel von s in rs im umbrischen erwiesen ist und wir
füglich keine andere wurzelform für das italische als ces
Zeitschr. f. vergl. aprachf. XXI. 8. |5
926 Savel8b«rg
au&tellen können, finden wir auch schon bei Pott etynu
forsch. II* 4, 388, welcher zuerst zweifei aussprach gegen
umbn rs als Vertreter von d in ^ersnatnr (das. 389), aus
der sprachenvergleichung ein <}hne zweifei verwandtes wort
nebst Wurzel hergeholt: es ist neupersisches käätah, des-
sen bedeutung ^frühstück^ (jentaculum) mit der notiz des
Festus von den Sabinem ,,quae autem nunc prandia, cenas
habebant^ merkwürdig übereinstimmt, und dessen wurzel
kaä, wie sie sich im verbum kaäldan „gustare, libare^
(Pott a. o. vergl. 356) deutlich zeigt, der italischen wurzel
von ges-na hinreichend entspricht, so dafs die wurzel ces
von allen seiten bestätigt ist.
Das wort ^ersnatur fänden wir in tafel V, einer von
den noch in umbrischer scbrift geschriebenen tafeln, welche
freilich sonst den gezischten zitterlaut in der regel durch
r (<|), nicht durch rs, wie die lateinisch geschriebenen, be-
zeichnen; jedoch ist ^ersnatur nicht das einzige beispiel
solcher Schreibung rs mittelst umbrischer schrift; sondern
es gehört, um zweifelhaftes hier nicht zu besprechen^),
wenigstens ein zweites beispiel aus einer der ältesten täf*
fein hierher, nämlich
V) Venpersuntra,
welches eine fünfte gruppe der unter den lautwandel vod
s in r zu rechnenden Wörter um sich bildet*). Das Sub-
stantiv venpersuntra von tafel II a 30 erscheint ein zwei-*
tes mal mit dem nasal in der Wurzelsilbe vempesuntres
in tafel lY 7, zweimal dagegen ohne allen nasal vepe-»
sutra IIb 15. 18. Das Stammwort desselben finden wir
in vepurus Va 11 und hinwiederum ein von diesem ab-«
geleitetes terbum in vepuratu IIa 41. In dieser Wörter*
gruppe sehen wir den in rede stehenden lautwandel alle
1) Zweifelhaft bleibt nns z. b., wie sich persuntra IV 17 und pers^
onttrv Vlb 81 zu pesnntra la 27 xmdpesondro TTb 24 'Erhalte, ferner 6b
nicht fUr pesnima la 6 etc. und persnimu Ib 7 eine wurzel pos, ahn-:
lieh wie lat. pos in pos-tulo, anzunehmen sei.
3} Dafs eenpersuntra verschrieben ist statt venpersuntra, bedkff
kaum der erwähnung.
umbriscbe stndien. 227
stufeD durchlaufen Tom normalen s an über r zu r und rs
hinunter: vepes-utra vepur-us vepur-atu venpers-
untra. Zur deutung des sinnes beginnen wir mit dem in
tafel IIa 41 kapire punes vepuratu enthaltenen ver-
bum: es ist das lat. vaporare^ welches wir, wie hier ve-
puratu mit puni „Weihrauch", ebenso vom räuchern mit
Weihrauch gebraucht finden bei Vergil Aen. XI 481 tem-
plum ture vaporant. Somit ist die deutung unserer stelle
sicher: „in capide turibus vaporato", um so mehr, als wir
Weihrauch auf opferschalen dargebracht sehen IIa 33: tu-
ver-e kapirus puue fertu „in duabus capidibus tus
ferto". Das schon eben erwähnte umbrische Stammwort
vepur, welches mit r als Vertreter von s dem gewöhn-
lichen lat. capor entspricht, begegnet uns Va 11: er-e-k
ö8unes-ku vepurus felsva (12) arputrati fratru
Atijeriu prehubia „is-ce divinis cum vaporibus — am (?)
ärbitratu fratrum Attidiorum praehibeaf. Im lateinischen
ist das Stammwort vapos noch mit normalem s in ältester
gestalt vorhanden, wie sie Lucrez VI 952 gebraucht und
Quintilian I 4, 13 und Nonius 487, 10 aus älterer zeit ci-
tiefen. Von solcher Stammform *vepus oder einer viel-
leicht noch altern *vep.es ist im umbrischen vermittelst des
Suffixes -tra und eines bildungsvocals, der obendrein noch
nasaliert wird, das subst. vepes-u-tra IIb 15. 18 oder
vempes-un-tres IV 7 und venpers-un-tra IIa 30 ab-
geleitet, ähnlich wie umbr. krema-tra IIa 23 „weihrauch-
käßtchen, acerra" ^), lat. mulc-tra „melkfafs'^, griech. ^ax»
TQcc „backtrog**, xprix-rga „ pferdestriegel ", xhiQ^ats-xQa
„Schmiedeofen", xQBfjid'&Qa „ hängematte ", und, was den
bildungsvocal betriflFt, wie porc-e-tra „sau'*, fer-e-trum
^tragbahre". Da also das suffix zur bezeichnung von
Werkzeugen dient, so ist vepes-u-tra das „rauchfafs",
griöch. &vfita'rr^QLO'V j in welcher bedeutung es überall
pafst, sowohl IIb 15 vepesutra fertu „er soll das rauch-
fafs bringen", als auch, wenn der abl. sing, vepesutra
^) Krematra aplenia IIa 28 sx acerra pleno, Horat. Carm. III 8, 2.
Märtial. Epigr. IV 45.
15*
228 Savelsberg
IIb 18, venpersuntra IIa 30 oder plur. veinpesunt res
IV 7 mit persnimu verbunden ist „er soll mit dem raucb-
fafs (den rauchfassern) beten", gleichwie puni pesnimu
IIb 20 „er soll mit weibrauch beten", wo „beten" offenbar
80 viel heifst als „seine Verehrung erweisen" oder „seine
andacht verrichten".
Einige von den in diesem abschnitt behandelten wort-
gruppen haben beide Verwandlungen, sowohl in r als in r,
aufzuweisen, wie pure und pur-e, vepur-us und ve-
pur-atu, far und fars-io. Der Übergang von s in r ist
wahrscheinlich , wie wir oben vermutheten , die erste stufe
gewesen, weil auch die lateinische, die indische und meh-
rere germanische sprachen, sowie von der griechischen der
lakonische dialekt das s in r verwandelt haben (s. Bopp
vergl. gramm. §. 22 ) und im umbrischen selbst das s viel
öfter in r (s. oben s. 209) als in r (rs) Obergegangen ist.
Eine genaue Scheidung zwischen r und r scheint in den
alten tafeln noch nicht so allgemein durchgeführt gewesen
zu sein, wie in den jüngsten. In jenen sahen wir in
^ersnatur und venpersuntra das aus s hervorgegan*
gene r nicht mit seinem eigenthümlichen zeichen (q), son-
dern mit den zwei buchstaben rs wie im neuumbrischen
geschrieben; ferner bei dem umbrischen lautwandel von d
in r oder rs steht noch einigemal statt des gezischten r der
reine zitterlaut r in tertu IV 28 gegen tertu IIa 40,
armanu Ib 19 (zu armamu verbessert von A. K. II 261)
gegen arsmahamo VIb 56, arveitu Ib 6 gegen arveitu
IIa 12. 29. III 34. IV 5, auch neuumbriscb einmal areeitu
VI b 23 gegen das gewöhnliche arsveitu. Es sind allerdings
wenige falle, aber sie für Schreibfehler zu halten möchte
man doch bedenken tragen, indem ja der lautwandel von
d in r wieder der lateinischen spräche und mehrern deut»
sehen dialekten gemeinsam ist (s. Kuhn in dies, zeitscbr.
II 144. Corssen ausspr. I^ 238.239; vgl. oben s. 135 anm.).
Zur entscheidung der frage über die priorität des r vor r
müfste der Übergang von ursprünglichem etymologischem
r in r oder rs sich nachweisen lassen. Obgleich aber im
umbrischen solche Übergangsstufe uns unbekannt ist, so
nrabrische Studien. 229
hat sich doch in andern sprachen aus r ein zischender
zitterlaut entwickelt, so im böhmischen das f, im polni-
schen das rz z. b. im adv. dobrze „bene" (aus dobre)^ wo
die heutige ausspräche des rz das zischende element fast
bis zur Verdrängung des r übertreibt, und im sanskrit
gieng etymologisches r in der Zusammensetzung in s (seh)
über: so Katur „vier" in Katuä-karna „vierohrig" und
katuä-pada „ vierfüfsig '', bhrätur „des bruders" in
bhrätus-putra „bruderssohn" (vgl. Benfey, vollst, gramm.
d. skr. spr. §. 104 ausn. 2).
Von den beiden r ist das eine ein dentales, welches
die zunge dadurch hervorbringt, dafs sie die luft zwischen
sich und der mundhöhle oberhalb der zahne in zitternde
bewegung versetzt, das andere ein gutturales, dessen gleiche
hervorbringung nur dichter am gaumen bewirkt wird. Ob
das lateinische ähnlich wie das umbrische ein zweifaches
r gehabt habe, darüber ist uns nichts berichtet; aber Varro
erwähnt de ling. Lat. VII 27 „janitos janitor** und das-
selbe suffix -tor erscheint wieder, ähnlich wie skr. bhrä-
tur in bhratus-, so in -tos verwandelt in einer inschrift
bei Orelli n. 4957:
Hercules invicte sancte Silvane, notos
hie advenisti, ne quid hie fiat mali. GPRF.
Im umbrischen mufs wohl ebenfalls, wie im sanskrit, der
gezischte zitterlaut manchmal mehr dem zischlaut als dem
zitterlaut sich genähert haben, da wir für rs einigemal ein
blofses s geschrieben finden: so hat dieselbe tafel VI, die
auf der Vorderseite und rückseite ein zusammenhangendes
gan:zes bildet, anfangs stets dersva Via 1. 2. 2. /'. 4. 15. 15.
17. 17, gegen ende aber wiederholt desva VIb 51. 52. 52
und auf derselben seite VIb einmal farsio v, 2, das an-
dere mal V. 44 fasio. Man kann nicht wohl annehmen,
das s sei im neuumbrischen zum altumbrischen s zurück-
gekehrt, oder desva stehe noch auf derselben stufe wie
tesva, fasio wie fasiu, da auch das aus d entstandene
r (rs) in ahtrepuratu IIa 24 — ahatripursatu VII a 23
sowie das aus 1 hervorgegangene r {rs) in Akerunie
Ib 43 — Acersoniem Vlla 52 und in arsier Via 24 (==
230 Sayel^^erg
aliis?) gleichmäfslg zu blofnecn 8 geworden sind in atra-''
pusatu VIb 36 — Acesoniame VIb 52 — asier VIb S.
Daher können wir von jener wie von dieser gruppe nur
vermuthen, dafs der gezischte zitterlaut, in welchem diese
arten von verwandelungen zusammentrafen, meist rsch ge-
lautet habe und in ihnen, ähnlich wie bei uns die Wörter
erster anders u. s. w. am Mitteirnein erschter andersch und
nachlässiger eschter andesch gesprochen werden, zuweilen
blofs seh mit der bezeichnung s übrig geblieben sei.
16. Aphäresis des s
1 ) in (an)-tentu.
Die in mehrern lateinischen Wörtern anerkannte aphä-
resis eines s, wie in taurus gegenüber ved. sthüra-s und
goth. stiur^ in teg-o gegenüber cxiyoc; und skr. stag-ä-mi,
in tundo gegenüber goth. staut-a (ahd. stoz-u), in toru-s
neben stor-ea (Curtius grundz.^ 646. 647), in Tin-r-w ne-
ben 6TV7i'ä^'(o und skr. pra-stump-a-ti (Verf. in d.
zeitschr. XVI 56. 57), läfst sich auch bei TEN, der Wur-
zel von ten-ere und ten-d-ere^ nachweisen. Wir begrün-
den diefs zuerst durch folgende lateinische Wörter: Prae-
-stinare apud Plautum^) praeemere est, id est emendo
teuere, wie Paulus exe. ex Festo p. 223 M. erklärt; de-
-stina ist eine stütze, die etwas festhält, und de-stinare
bedeutet eigentlich etwas „fest machen, befestigen*^ wie
bei Caesar B. 6. III 14, 6 antemnas ad malos. Zu die-
sen beispielen gehört als drittes ob-stinare, das wir nun
auf dieselbe weise abtheilen und vermittelst des Stammes
von teuere mit Festus p. 193 ableiten: ob-stinato, ob-
firmato, perseveranti, ut teuere possit; desgleichen femer
ob-stinere bei Festus p. 197: ob-stinet dicebant anti-
qui, quod nunc ostendit, ut in veteribus carminibus. Sed
jam de coclo candens aurora obstinet suum patrem.
Dafs gleichwie in prae-stinare und de-stinare^ so in
ob'Stinare ob-stinere und auch in o-stendere das 8 zur
1 ) Capt. IV 2, 69.
nmbiifolke ftitdUii« 281
Wurzel gehört, lälst sich wenigistens mit höchster wahr-
scheinlicbkeit aus dem umbrischen schliefsen. Dort hat
keine der im lateiDischen mit zugefügtem s versehenen
Präpositionen abs ex subs (in stAs^cus subs^cud-is „am-
bofs^ von cudo) oder stis- in sus^dpio sus^pendo u. a. ein
solches angehängtes s, sondern dem lat. ex und griech. k^
steht nur eh oder ehe vor vocalen in ehe.esu.poplu und
zusammengezogen ehesu paplu VI b 54 und vor consonan-
ten in eh-velklu Va23 gegenüber, und die präp. sub
(von sub-ahtu IIa 42) hat im compositum su-tentu
IIa 23 ihr b verloren^ wie im lateinischen in sus-cipio
su^spicio sU'Spirare oder vielleicht assimiliert, vde lat. suC'
'CedOy ohne dafs jedoch doppeltes t bezeichnet ist (s. oben
8. 109); aber keine spur von zugef>ero s. Nur in dem
alten, auf tafel la und Ib häufigen imperativ ustentu
und ostendu Via 20 kann zugleich mit dem lat. osiendo
das s in frage kommen, ob es zur präposition oder zum
verbum gehöre. Aber auch sogar im lateinischen scheint
der sonst bekannte zusatz s an die präposition ob und
deren abkürzung o- (in o-mitto) nirgendwo angetreten zu
sein. Ob'SCü-rus „dunkel^ stammt von einer wurzel scu
„bedecken^ (Corssen ausspr. I^ 353), ob-scae'tms „unglück-
verkündend^ ^) ist gleicher abkunft mit ob-scaetare „böse
anzeichen geben^ Plaut. Asin. II 1, 18,* os-cen „weissage-
vogel^ ist aus os (g. oris) und can^Oj nicht mit o(b)8 zu-
sammengesetzt^); überhaupt ist kein sicheres beispiel von
einer form obs- oder von deren Verstümmelung os- auf-
zuweisen. Es hat also solche annähme für obstineo und
ostendo keine gewähr fQr sich: mithin müssen wir in die-
sen lateinischen verben und den umbr. imperativ o-sten-du
Via 20 u-sten-tu la 3 etc. das s der wurzel zutheiien,
zugleich dürfen wir dann auch su-stineo und su-stendo
weit consequenter an obstineo und ostendo anschliefsen.
^) FestuB p. 201: quom apnd antiqnos omnes fere obtcena dicta sint,
qaae mali ominis habebantnr.
3) Serv. ad Verg. Aen. III 861: Aves aut otcinet sunt aut praeptttii
oscinesj qnae ore fbtnra praedicnnt, praepetei, qnae yolatu aaguriiun signi-
ficant.
232 Sayelsberg
als UDs durch etwaige analogie von sus-tuli auf die andre
Seite ziehen lassen.
Aufser den genannten umbrischen verbalformen kom-
men noch vor: tenitu VIb 25, pertentu d.i. protendito
(Zeyfs in d. zeitschr. XIV 419), entendu (entendu) nod
entelus(t) in taf Ib 12 pir ahtimem ententu, pune
pir ahtimem entelus d. i. ignem in focum imponito,
cum ignem in focum imposuerit. Von ententu ist nicht
wesentlich verschieden antentu; denn wir lesen III 21 — 22
vuke pir ase antentu d. i. in foculo (incensum) ignem
in ara imponito. Kurz vorher III 16. 17 soll man drei
dinge auflegen:
16. Inuk kazi ferime antentu, „Deinde caseum in
farinam imponito%
Is-unt ferehtru (17) antentu, „idem — um im-
ponito*,
Is-unt suferaklu antentu, »idem — um im-
ponito".
Dafs kazi für ^kazim steht und dieses aus ''kaziura con-
trahiert ist, sahen schon Aufrecht und Kirchhoff II 369;
die bedeutung caseus^) zugleich mit der von ferime (wo
n in m verwandelt ist) „in farinam" haben wir oben 8.98
angegeben und werden wir im verfolge bestätigt finden.
In V. 18. 19 nämlich soll man dieselben gegenstände, von
denen uns ferehtru und suferaklu unbekannt sind, in
kessel legen, in welcher Vorschrift dasselbe verbum an-
tentu, welches IIb 28 auch atentu^) geschrieben ist,
nur in älterer gestalt mit noc\k erhaltenem anlaut s,
astintu und anstintu gebraucht ist:
Seples (18) ahesnes tris kazi astintu, „In singnia
aena tria caseum imponito %
Ferehtru etres tris (19) ahesnes astintu „ — am
in alia tria aöna imponito*^,
1) Vergl. skr. ka^vara o. molken, mit wasser vermischte battermU«h|
mit den nebenformen ka(ura und kadvara. Sieh oben s. 207.
^) In betreff des hier und in ofterm u-stetu fehlenden n vergl, oben
8. 99.
umbrische Studien. 233
Suferaklu tuves abesnes (20) anstintu, „ — um in
duo aena imponito^.
Diese erklärung verdanken wir Cato de re ru8t. I 76,
wo er für die bereitung von kucben §. 1 angibt, welcbe
verscbiedene Sorten mebles man für die unterläge nebmen
soll, und dann fortfabrt §.2: „Inde facito solum tenue
casei ovilli p. XIIII. Ne acidum siet et bene recens, in
aquam indito. ibi macerato, aquam ter mutato. In de exi-
mito, siccatoque bene paulatim manibus, siccum bene in
mortarium imponito. Ubi omne caseum bene sicca-
veris, in mortarium purum manibus condepsito com-
minuitoque quam maxime. Deinde cribriim farinarium pu-
rum sumito easeumque per cribrum facito transeat in
mortarium^. Wie hier der käse aus dem ersten mör-
ser in einen zweiten und dritten reinen mörser gebracht
werden soll, so werden in der umbriscben tafel III 18. 19
unter abesnes ähnliche eherne gefäfse oder kessel ver-
standen und soll es wahrscheinlich ebenso mit dem käse
gehalten werden, dafs man ihn aus einem kessel oder
mörser in einen zweiten und dritten reinen kessel hinein-
bringe, also seples abesnes tris kazi astintu „in
singula a^na tria caseum imponito^.
Wie im umbr. o-sten-tu und an-stin-tu vermögen
wir die volle normale wurzel auch in mehrern verwandten
sprachen nachzuweisen. Zunächst schliefsen wir an an-
-stin-tu wegen des vocals i, den G. Curtius grundz.'664
in lat. und griech. Wörtern, in quinque gegen nivTs^ in
tingo gegen riyyo)^ in xlg-vf^-fit neben xegd-u) etc. und in
nivo) neben äol. timvcü (Ahrens d. Aeol. p. 131) durchaus
wahrscheinlich dem einflufs des folgenden n zuschreibt, ein
bisher unerklärtes homerisches adjectiv an: äyx^-örlvog
„nahe beieinander, eigentl. nahe zusammenhangend, conti-
nuus, uno tenore pertinens", also synonym mit kn-riB-ravog^
welches von derselben nur verstümmelten wurzel rav
stammt (Verf. Quaest. lexilogg. 1861 p. 11. 12) und von
den alten ebenso wie ay^i^GTlvog oft mit (fvvsxijg erklärt
wird*). Ferner gehören hierher die glossen des Hesychios
^ ) Ob und wie das homerische ftdj. noof^^vfifftivoq mit a^j^t^crxri'oc in
284 Savelsberg
arriviov trtij&og und artivBc ttivttai avfAßißvarai,
(strotzt), im skr. stana-s „die strotzende frauenbrust" (Cur-
tius grundz.^ 110) und im zend fra-^tanvaäti 3. plar.
praes. von fr a-pt an „fortkommen'^ ( Justi p. 1 3 1 a). Durch
die normale wurzelform stau in den verwandten sprachen
ist also die grundform sten der italischen sprachen vol-
lends ganz gesichert.
2) in avieklu.
Die Bedeutung des adjectivs avieklu ermitteln wir
am füglichsten aus VIb 52: Sururont combifiatu vapef^
aeiciu {ameclu emend. Lepsius) neip (52) amboltu prepa desva
combißangi, ape desva combifiansiust^ eia aviecla esonom^e
etuto. Wo einmal von „rechts schauen* die rede ist, wie
hier „priusquam dextram spectaverit" *), da ist man leicht
versucht, auf den gegensatz „links* zu rathen und also
hier ma aviecla für via laeva anzunehmen. Dieser ge-
danke erhält schon sogleich einen hohen grad von Wahr-
scheinlichkeit deshalb, weil Aufrecht und Kirchhoff II 102
die theils im acc. plur. vapef-em aviekluf-e Ib 14,
eapef-e ameclu Via 10. VIb 51, theils im abl. pl. eapersui
ameclir Via 9. 12. 13 näher bestimmten steine in der dor-
tigen Zeichnung des beobachtungskreises, wo die vordere
hälfke (antica pars) nach Süden liegt, unter dem namen
lapides avieculi in die linke oder östliche seite verlegt
haben. Vollends entscheidet für die form die sprachen-
vergleichung. Zunächst ist das adjectiv avieclu durch das
deminutivsuffix -culu abgeleitet, wie die lateinischen ad-
jective duld-culu-s bei Plautus und Cicero, mediocri'CulU'S
von Cato bei Festus p. 154, acri-culu^s bei Cic. Tuso. IIX
17, 38 und in turpicuUs Cic. de or. 11 61, 248. Dem ab-
geleiteten avie-clu liegt mithin ein einfaches adj. aviu so
zasammenhang stehe, rermag ich nicht zu bestimmen. Vielleicht kmm im
anderer helfen.
^ ) Den begriff des verbnms combifiatu (und combificmgi) haben Auf-
recht und Kirchhoff II 87 als „sehen, schauen <* gedeutet. Es wird bald mit
einem object, wie ape angla combißangiust VIb 49, bald mit der angehftngt«!
Präposition -em construiert, wie Ib 14 vapef-em aviekluf-e(m). Di«
form combißary^i erklärt Oorssen in d. zeitschr. ala 3. ps. sg. conj. perf. act.
nmbritcbe Stadien. 98§
gründe und mit diesem stimmt das skr. adj. savja ),link^
überein bis auf die aphäresis des s, welche wir so eben
im umbrischen an-tentu aus ^an-stentu nachgewiesen ha-
ben. Durch diese nun vollständig gesicherte deutung von
aoieclu nebst der kurz vorher entdeckten von desva wird
jetzt die Übersetzung der obigen stelle wesentlich ergänzt:
— „spectato ad lapides laevos, neque ambulato, priusquam
dextram spectaverit. Postquam dextram spectaverit, via
laeva in sacrificium eunto^. Die entsprechende, kürzer ge-
fafste stelle der altern tafel Ib 14 vapef-em avieklaf-e
kumpifiatu, vea aviekla esunum-e etu heifat also:
ad lapides laevos spectato, via laeva ad sacrificium ito.
Noch ein drittes mal finden wir vapef-e aciehclu Via 10
„ad lapides laevos^ dann den ablativ nach dem adv. fie-
simei Via 9: nesimei vapersus aviehcleir „proxime a lapi-
dibus laevis^ (A. K. II 72) und mit dem angefügten suftix
'to verbunden Via 12. 13 vapersus-io aviecHr „a lapidibus
laevis". *
Wir konnten hier einmal das umbrische adj. acie-clu
unmittelbar mit dem indischen savjä und wegen des ge-
schwächten anlauts s noch genauer mit zend havja ver-
gleichen mit übergehung der dem umbrischen näher ver-
wandten sprachen, der lateinischen und griechischen, nicht
als ob diese das betreffende wort eingebüfst hätten, son-
dern weil sie mehrere wandelungen damit vorgenommen
haben. Im lateinischen ist ein adj. soaevus mit der bedeu-
tung „link^, sowohl in gutem als in bösem sinn, uns be-
zeugt^); im griechischen ist das entsprechende adj. (Txa^ci^,
alt *0xaiß:6q^ ebenfalls mit der bedeutung „link^ gebräuch-
lich, weit mehr aber in der abgeleiteten „böse, feindlich,
ungerecht, ungeschickt, roh^^). Beide, sowohl «oaetni«
^) Festus p. 825: Scaevam volgus quidefu et in bona et in mala r^
▼ocat: cum aiant et bonam et malam scaevam. at scriptores in mala po-
nere consuevenmt . .. . Pro sinistro scaevum usnrpavit Hostius in belli Hi-
strici libro. Demgemäfs bedeutet das daher stammende verbnm oh-tcaev-are
^b94e i^nze^e bringen" bei Plautus Asin. II 1, 18:
Me^uo quod illic obscaevayit meae falsae faUacia,e.
') Hesychios: (rxato«;* dvanoXo^, tioi'ij^o^i xaxo?. lAOt^oq^ aTraidevToq^
afAa&ijq' aTidt'&Qoinoqi ddtKO<;t T^a;|<('?, axXfigoqf ixax&'^<if T0(^a/(ü<f9/?*
386 Savelsberg
oder ursprünglich ^scaivos, als auch axcei{^)6g haben den
offenbar suffixalen halbvocal j von skr. 8avj4 mittels einer
bekannten lautumstellung dem vorhergehenden v vorge-
schoben und zugleich vocalisiert ^), den wurzelhaften an-
laut s aber in sc verwandelt, worin wir für diese wie flQr
viele andere, hauptsächlich griechische beispiele die be«
Zeichnung eines sch-lautes in d. zeitschr. XVI 61 ff. erwie-
sen zu haben glauben. Diesen sch-laut haben in dem ent-
sprechenden Worte sonst nur das slawische und germa-
nische: russisch sui „link^, slaw. de vi und poäevi
„schrägt, nhd. schiefe ndd. scheef^); dagegen stimmen im
normalen s mit skr. savja überein zend hatja^ indem h
regelmäfsiger Vertreter von s ist, und altirisch sdib „fal-
sus^ ^). Ferner sehen wir den normalen anlaut erhalten
in der von Hesychios bewahrten form actioi' noXi^iot^
welche, da sie der Überlieferung nach dreisilbig ist, noch
an *aaj:ioi erinnert, übrigens nur die abgeleitete bedeutung
hat, desgleichen im lateinischen adj. saetus, welches ge-
wifs, ebenso wie scaccus^ von der bedeutung „link^ einst
ausgegangen ist und dann, insofern das linke in der regel
von böser Vorbedeutung war, zur bezeichnung des unheil-
vollen, schrecklichen, furchtbaren diente und weiter auch
grausame und wüthende Sinnesart daher benannte.
So haben wir denn die lat. adjectiva saevus und scae-
vus, von denen das eine mehr in der bedeutung, das an-
dere mehr in der form verdunkelt war, zu ihrer stamm-
verwandtschaft mit skr. savja zurückgeführt, indem ein
italischer dialekt die brücke dazu bildete. Das umbrische
hat schon oft im laufe der Untersuchungen die hülfe d^
sprachenvergleichung nicht blofs empfangen, sondern auch
erwiedert und, indem es allmählich entziffert und weiter
erforscht wurde, zugleich über die schwestersprachen auf-
klärung gegeben. Wie sehr uns der gewinn der reio
' ) Wie dtvus aus *dii^ni statt *divJQS nach Ascoli in d. zeitschr. XVli
148, dattvw ans nrspr. ^dateivns gegenüber skr. dStavjas, s. L. Meyw
vergl. gramm. I 272, — fugiteivos C. I. L. 661 aus *ftigitevjo8.
3 ) Kuhn in d. zeitschr. IV 22.
s) Pictet in d.zeitechr. V 886.
nmbrische Studien. 237
sprachlichen, formellen seile bei den umbrischen Studien
lohnend erscheint, so ist wieder für andere die materielle,
rein sachliche ausbeute von höherer Wichtigkeit, und ge-
wifs gibt es zur aufhellung des italischen sacralwesens we-
der in der lateinischen litteratur, noch auf irgend welchen
italischen denkmälern so ausgedehnte, zusammenhängende
quellenberichte, als eben in den iguvinischen tafeln. Doch
auch für diesen zweck ist die sprachliche erforschung das
unentbehrliche mittel. Wenn es uns nun gelungen ist.
einen theil der erklärung weiter gefördert zu haben, so
werden wir uns der Zustimmung freuen, noch mehr aber,
wenn wir durch neue anregung den wünsch erreichen soll-
ten, dafs zahlreich vorhandene, bedeutende kräfte auf der
vor zwanzig jähren mit grofser sorgfatt und Sicherheit von
Aufrecht und Kirchhoff geschaffenen grundlage nun weiter
fortbauen
viribus unitis.
Aachen. J. Savelsberg.
Miscellanea.
1) gävl, kuh.
Das ahd. chuoa, chua oder chuo (ku), pl. chuoe
(für chuoi), chöi (wo o mundartlich = uo, ua), stimmt
ganz zum nhd. kuh, pl. kühe, und noch deutlicher zum
nnl. koe (im volksmunde auch koei), pl. koeien (statt
koeie). Im as. ist der pl. köii, kogii, während in den
altniederfränkischen psalmen der dat.pl. cuon, wohl für
cuojen, lautet. Die hochd. und niederl., wahrscheinlich
überhaupt niederd. form, weicht ab vom skr. gäus, griech.
ßovg u. s. w., und, wie mir scheint, vom ags. cü, gen. pl.
cüna, dat. cum; engl, cow; dagegen stimmt der| ags.
nom. und acc. pl. cy, eye zu der hd. declination; vergl.
ags. gos, ges mit ahd. kans, kensi. Das an. kü, pl.
kyr, ist wohl, wie das hd. und ndl. wort, ein weiblicher
288 Kern
i- stamm, wie äst; nur ist k;^r im gründe regelmäßiger
als das unumgelautete ästir und dergl. Von skr. gäüs
U.S.W, unterscheidet sich kuh nicht nur der form, Sdü-
dern auch dem begriffe nach, da gäus communis genefis
ist und kuh nur das weibliche rind bezeichnet. Das hd.
und nl. kuh, koe würde im sanskrit lauten gfivi. Dafs
ein w zwischen vokalen und am wortende in den deut-
schen sprachen ausfallen kann, ist bekannt, so dafs ein
paar beispiele hier genügen dürften. Aus saivs ist ent*
standen nhd. see, nnl. zee, engl, sea, schon ags. sae; als
nebenform mit erhaltenem w begegnet uns im nnl. das
abgeleitete zeeuw (dem ein got. saivja entsprechen
würde) „bewohner Seelands*^. Im nhd. schnee, schneien
ist das w ebenfalls verschwunden; das nnl. hat freilich nur
sneeuw, sneeuwen. Für das nhd. nahe und nach
hat das nnl. sowohl na als naauw (spr. näu). Aus däi-
vala ist entstanden seele. Vergl. für das ahd. übrigens
Grimm d. gramra. I, 88. 90. 93. 97 (2. aufl).
Es ist nicht bekannt, ob derselbe stamm kuh im go-
tischen gebräuchlich war; wenn er bestände, würde er
ko(v)i zu lauten haben: nom. sg. ko(u)s, plur. koveis;
vgl. Grimm d. gramm. 1,619. Der dem an. kü zu gründe
liegende stamm küi verhält sich zu jenem kovi wie guna
zu vrddhi, denn dafs ü so gut wie iu aus dem guna des
u sich entwickeln kann, zeigt sich in lükan verglichen
mit liugan; auch hüs scheint mir = skr. köiSa zu sein.
Aus dem altindischen — um nicht zu sagen aus dem
sanskrit — ist uns eine form gävl erhalten, und zwar tn
dem commentar des Qabara-svämin zu den 6'äiminlja-
sütra, und ferner bei den späteren erklärern und apologe^
ten der Karma-mimäsä. Ich meine die stelle im commen-
tar zu sütra I, 3. 24 — 28, womit übereinstimmt Njäja-m&l&-
vistara I, 3, str. 28 fg.; vgl. auch Colebrooke, Essays 1, 315.
In der discussion über die frage, ob man neben gäus
synonyme Wörter wie gävl, gönl, göpötalikä verwe'ii-«
den dürfe, \^ird eingeräumt, gävl sei ein althergebi'achted
iftrort, aber dargethan, dafs man es termeiden sollte, da es
gegen die regel ist, ^hr als ein woj^V für demselben Be^
miscellanea. 239
griff zu verwenden*), und dafs gävl entstanden sei aus
der unjfähigkeit irgend einer person, gö auszusprechen;
von einer solchen person haben andere das mundgerech-
tere gävl gehört, und so habe dieses sich von geschlecht
auf geschleeht fortgepflanzt, so dafs man es ganz gut ver-
steht, obschon es nicht säskrta ist. Wenn wir mit diesen
äufserungen vergleichen, was Qabara-svämin über nema
und pika sagt, die er für fremdwörter hält, so kommen
wir zu der Überzeugung, dafs er die v^dischen * säbitä
ebenso wenig studirt hatte als den Pänini, wenigstens was
nema betrifft. Solch eine Unwissenheit thut dem werth
seiner äufserung keinen eintrag, erhöht denselben vielmehr.
In der oben citirten stelle des Njäja-mälä-vistara wird
gävl als ein provincialismus betrachtet. Ob man die au-
torität dieses Werkes hoch anschlägt oder nicht, ist gleich-
gültig, da gävl sich selbst rechtfertigt als eine form, die
auf altindischer lautstufe steht und nicht etwa präkrit ist,
oder wenn es auch präkrit wäre, würde die ältere form
doch nicht anders lauten können. Wenn also gävl nicht
zur „gebildeten^ spräche gehörte, nicht säskrita war in
indischem sinn, so ist es doch altindisch nach unserer auf-
fassung.
Diesem gävl entspricht kuh begrifflich ganz; laut-
lich aber geht kuh auf ein gävi zurück, das zu gäus in
demselben verhältnifs steht als das lat. na vis zu näus,
vipjQ vavg^ und die adjective tenuis, suavis, levis zu
tanu, '^dvg u. s. w. Die frage ist nun, ob dies i überall
eine neubildung der westlichen indogermanischen sprachen
ist. Es scheint so zu sein im partic. praes. der germani-
schen und slawischen sprachen, und im plur. neutr. des
part. praes. im lateinischen**). Und doch hält es schwer
*) Der schroffe ausspraoh des sfltrayerfoflsers : onjSjS^ ]^SnSka9abdatvam
ist in betreff einer von synonymen strotzenden ' spräche wie das sanskrit
höchst sonderbar y und sollte gar nicht auf gö und gSvI angewendet sein»
da beide begriffe sich nicht decken.
**) Auch der plur. des partic. praes. masc. und fem. zeigt einen i-stamm,
wie allerdings auch Substantive. Würde aber v o c e s u. s. w. nicht eben zu
erklären sein als entstanden nach analogie der participial-declination? Oder
würde Qa nur entstanden sein aus dem i im dativ nnd ablativ?
240 Kern
dies zu glauben, wenn man beobachtet, wie gerade bei
u-stäminen in der vediscben spräche^ vorkommen urujä
(geschrieben urvijä) und. dgl., welche sich kaum alle als
Feminina erklären lassen. Gewifs ist das im Värttika zu
Pänini VII, 1. 39 erwähnte därvijä (d. h. därujä) =
därunä gar nicht als ein fem. zu erklären; leider fehlen
die belege fOr diese form. Im baktrischen lassen sich
nachweisen ahuje (m.), tanuje (f); äpujä, vohujä,
welche Justi als neutra fafst, könnten adverbiale instr. fem.
sein, so dafs wir sie hier aufser acht lassen wollen; vergl.
übrigens Justi hb. §. 540—46.
Vorausgesetzt, dafs erweiterung der u- stamme durch
i in bestimmten fällen schon vor der trennung der indo-
germanischen Völker stattfand, so würden gävi und gävl
als zwitterformen zu betrachten sein, denn die stamme auf
i und I im sanskrit berühren sich so nahe, dafs ein dativ
wie matjäi, ein abl. gen. wie matjas eigentlich gar keine
casus sind aus mati, sondern gebildet als ob der stamm
hier, wie in manchen andern fallen, mati (d. h. -tia)
wäre.
2) Das oskische perfect auf -tte.
Die oskischen perfecta prufatted = lat. probavit,
prufattens = probaverunt und dgl., verzeichnet in der
formenlehre der oskischen spräche von dr. Enderis, s. XLI,
sind nach Corssen (ausspr. I, 553; U, 911) entstanden aus
einem denominativstamm prufata, verkürzt prufat, und
dem perf. fed = fuit. Aus prufatafed also entstehe
prufat fed und hieraus prufatted. Dagegen vermuthet
Schleicher eine Zusammensetzung des part. praes. act. mit
dem perfectstamm der wz. fu; prufatted stände also für
prufatfed, prufantfed. Dieser erklärung schliefst sich
Enderis an. Nach beiden erklärungen müfste man dem
oskischen eine bildung zuweisen, welche vereinzelt dasteht.
Das hat doch immer seine bedenken und rechtfertigt den
versuch einer andern erklärung.
Die älteste gestalt der wz. dhä mag dhä oder thä
gewesen sein, jedenfalls steht im latein im anlaut dafür
miscellaoea. 241
der harte laut, während im inlaut gewöhnlich, wenn auch
nicht ausnahmslos, der weiche steht. So entspricht dem
skr. bhü lat. und osk. fu; dagegen hat das lat. ama-bam,
ama-bo; sogar condo, sacerdos, wo dot = *dhät
ist, wiewohl defui und dgl. Dem skr. dhrti entspricht,
formell, das lat. fortis; dagegen dem kQvägog lat. ruber;
so auch dem skr. madhja das lat. medius. Es giebt
mehrere ausnahmen; denn neben ruber steht rüfus =
got. rauds und rutilus = skr. rudhira. Im oskischen
ist im inlaut die aspirirte tenuis noch häufiger als im la-
tein; so mefio = lat. medius; fufans, wo das lateini-
sche nichts anders als ein fubant zulassen würde. Daraus
läfst sich nicht mit Sicherheit abnehmen, wie das perfect
der WZ. dhä im oskischen gelautet hat; einestheils kann
sich ein fefa (fafa, fefe) entwickelt haben; anderntheils
ein tete (tata) oder tede, wenn wir annehmen, dafs im
inlaut zwar das harte f blieb, aber für th ein d auftreten
konnte. Jedenfalls hat das oskische ebenso wenig als das
lateinische das indische und griechische gesetz, wonach
dadhämi, ti&rjfxL steht; das wissen wir aus fefac-, fu-
fans u. m. Es kommt also darauf an, ob wir die gestalt
von WZ. dhä im oskischen bestimmen können, abgesehen
davon, dafs die wurzel schon andere sprossen getrieben
hat, nämlich famelo, lat. familia, vgl. skr. dhäman
faamat „wohnt^; vgl. dasselbe skr. dhäman.
In der Tabula Bantina (10) steht: factud, pous
touto deivatus tanginom deicans, siom dat ei-
zaisc idic tangineis deicum, pod valaemom tou-
ticomtadait ezum. Enderis übersetzt: facito, ut po-
pulus iurati sententiam dicant, se de illis id sententiae di-
cere, quod salutem publicam censeat? esse. — Der sinn
des Wortes tadait wird als fraglich bezeichnet und es ist
in der that bedenklich, tadait so aufzufassen, als hätte
es mit dem plural deicans das subject gemein. Eher
liefse sich eine bedeutung videtur erklären, am natür-
lichsten aber stände hier ein ausdruck für „befördern^.
Fassen wir tadait auf als 3. sg. opt. imp., so läfst sich
tadait ezum erklären als ein umschreibender ausdruck
ZeitBchr. f. vgl. sprachf. SXI. 8. IQ
2 Kern, iniscellanea.
des causativs von ezum; im sanskrit ist bbävajati ge-
radezu eben das wort fOr „befördern" (s. petersb. wörterb.
s. V. bhü).
Wenn tadait ein imp. opt. ist, kann das perf. ind.
gelautet haben tede; vergl. fefacid. Da Wörter, die zu
Suffixen herabgesunken, der Verstümmelung ausgesetzt sind,
ist es erklärlich, dafs aus tede erst ein tde, daraus tte
wird, und auch te, wie bisweilen geschrieben wird.
Es ist kaum nöthig zu sagen, dafs wenn unsere er-
klärung richtig ist, osk. prufa-tte in seiner bildung iden-
tisch ist mit got. fiskoda; prufattens mit fiskode-
dun. Nur sei noch bemerkt, dafs as. deda, dede, alt-
uiederfr. dedi, ags. dide, dyde, mnl. dede der oski-
schen form näher steht als das got. dedun = hd. tha-
ten. Doch als bildungselement tritt es in allen deutschen
sprachen, mit ausnähme des gotischen, in schwächster ge-
stalt auf.
3) Zwei oskische Wörter.
In der Tabula Bantina steht der folgende satz (5 fg.
nach Enderis):
deivatud — perum dolom mallom, siom ioc comono
mais egm[as toutijcas amnud pan pieisum brateis auti
cadeis amnud - pertumum.
Die Übersetzung von Enderis hat: „iurato, — sine do-
malo, se ea comitia magis rei publicae causa quam ali-
cuius voti aut petiti causa — perimere'*. Es ist einfa-
cher, scheint mir, brateis auti cadeis amnud zu ver-
stehen als grati (oder gratiae) aut odii causa. Bra-
lom ist lat. gratum; es kommt auch vor in inscr. XXXV
bei Enderis, und dürfte auch da „dank" bedeuten. Ca-
deis ist gen. sg. m. oder n. ^ got. hatis, auch gen. sg.
m. oder n.; das ahd. haz ist m., das an. hatr n.; letz-
leres und ags. bete haben also andere endung, wie auch
got. nom. hatis.
Leiden, 10. febr. 1872. H. Kern.
Windisch, anzeigen. 243
rdXa (raXaxToq)y Lac (Lactis), der graeco italische name der milch. Ein
monographischer Beitrag zur ältesten empfindangsgeschichte der in-
dogermanischen Völker. Von dr. [Hermann Brunnhofer. Aarau
1871. gr. 8. 44 8.
Die hauptgedanken, welche in vorliegender schrift zur
durchführung kommen, sind: der nom. und slcc. ydka sei
buchstäblich identisch mit skr. galam (wasser), und beide
Wörter seien auf die wurzel gal „essen, trinken" zurück-
zuführen.
Erstere behauptung, dafs ydla für urspr. galam
stände, ist völlig haltlos. Man begreift nicht, wie Brunn-
hofer eine „ans wunderbare" grenzende bestätigung seiner
auffassung in einer von Kind aus dem modernen trapezun-
tischen dialecte ^zeitschr. XI, 126) aufgeführten form ydkav
finden kann. Die von ihm allerdings nicht berücksichtig-
ten formen al(xav für al^a und xa/V für xai sprechen
dßutlich über die natur dieses v. Die form yccla bat of-
fenbar dasselbe Schicksal gehabt, wie der voc. äva vom
stamme dvaxt.
Eine annehmbarere position ist an und für sich, dafs
es „ein indogermanisches Substantiv gala getränk, wasser,
milch" gegeben habe (s. 28): in skr. gala hätte sich das-
selbe rein erhalten, in griech. /^aAaxr läge eine Weiterbil-
dung vor. Die argumente für die wirkliche existenz die-
ses Substantivs sind aber meiner ansieht nach auch unge-
nügend.
Zunächst wird skr. gala vorgebracht. Dies wort
mufste nach B. die ältere form fQr gala sein. In der be-
deutung „milch, wasser^ ist es in Wirklichkeit nicht nach-
gewiesen, sie wird ihm aber s. 21 durch folgenden fabel-
haften dchlufs aufgenöthigt: „Unser gala mufs aber auch
die bedeutung: milch gehabt haben. Wie wäre es sonst
möglich (sie), dafs das harz der Shorea Robusta, welches
nach B.-R. (II, 710) gala heifst, auch mit dadhi, saure
milch, hätte bezeichnet werden können?" — Im pet. wtb.
wird gala harz sehr einfach zur wurzel gal „herabträu-
feln" gestellt, wie ja auch im griechischen ra axaxxa
„harze, gummi" zu <fTd^Bip „träufeln^ gehört.
16*
244 Windisch
Für das griechische, lateinische und slawische werden
für die einstige existenz von indogerm. ^gala milch" ya^
kocog^ glös und altböhm. zelva geltend gemacht (s.26 — 28):
Brunnhofer bezeichnet >,nur (sie) das nomen gala milch
als zur etymologie der aufgeführten wortreihe verwend-
bar". Die factische bedeutung jener Wörter ist viri soror
und fratris uxor. Ursprünglich sollen sie aber nach B.
bedeutet haben „die mit derselben milch begabte", ,,die
Schwester, welche mit dem bruder von derselben mutier
milch getrunken, die milchsch wester". Dagegen scheine
die bedeutung fratris uxor zu sprechen, allein man kann
„heutzutage mit dem besten willen moralischer entrüstungs-
fähigkeit nicht länger leugnen, dafs der bruder in der in-
dogermanischen urzeit der regel nach seine Schwester zur
frau hatte". Allein durch diese etymologie ist dies nicht
bewiesen, und ebensowenig durch die andern von Brunn-
hofer berührten argumente. Rv. X, 10*) soll nach B.
einer zeit entstammen, in welcher man begann, das bis-
her übliche gattenverhältnifs von bruder tibd Schwester
für unsittlich zu halten. Wie stimmt dazu vers 10: ä ghä
tä gal£khän üttarä jugäni j^tra gämäja: krnävann ägämi
(heran werden kommen die zukünftigen zeiten, wann
geschwister geschwistern nicht ziemendes thun werden)?
Skr. bhartä (st. bhartar) gatte, bhärjä gattin und
bhrätä (st. bhrätar) bruder sind allerdings wurzelver-
wandt: der gatte erscheint also etymologisch als erbalter
der gattin, der bruder als erhalter der Schwester. Wie
darf maö aber hieraus auf ein gattenverhältnifs zwischen
bruder und Schwester schliefsen?' Mir scheint schon die
blofse existenz von bestimmten Wörtern für viri soror und
fratris uxoi^ darauf hinzuweisen, dafs die Schwester in der
regel nicht zugleich das weib des bruders war. Völlig
unwahrscheinlich endlich ist, dafs „die milchsch wester*'
{yakoajg) so sehr in der regel des bruders frau gewesen sei,
* ) In Aufrecht's textausgabq^ sind in den mittheilungen aus der Ana-
kramaijiikS (s. 475) die rollen von Jama und Jami vertauscht.
• -^i
anzeigen. 245
dafs ersterer Dame geradezu zur bezeicbnung dieses ver-
wandtschaftsverhältnis'ses üblich wurde.
Auch das irische soll sein scherflein zur erhaltung
des indogermanischen „gala milch" beitragen (s. 28).
Hier stützt sich herr B. auf folgende anmerkung bei
Pertz, Mon. Germ. p. 5: Usque ad medium saeculi octavi
numquam Gallus, sed Gallon, Gallun, Gilian, et mona-
sterium S. Galli Gallonis, Galluni, Giliani vocabatur. II-
lud alii a callehc (sie) derivabant, quod idiomate Hyber-
norum lac denotat. Hinc Vocabularium Biblicum saeculi
IX haec habet: Gallo i. e. lac. Et Ermanricus (saec. VIII)
S. Gallum bis verbis invocat:
Galle, pater, pulchro qui lactis nomine fulges,
Lacta me sancto lacte, beate, tuo.
Alle diese angaben beruhen auf einer jener mittelalter-
lichen etymologien, an denen die alte wie die neue irische
lexicographie überreich ist*). Sie werden berichtigt und
ns rechte licht gestellt durch den artikel Gall in Cormac's
Glossary (Three Irish Glossaries, ed. Wh. Stokes, p. 23)
. . . Gaill din ainm do saerchlannaib Frange .i. tribus Gal-
liae 7 (is) candore corporis rohainmniged. gall [lies ydka]
enim graece lac latine dicitur unde Galli .L indasta[i]
gall din ainm do chailech .i. gallus .i. dinni is
galea capitis nominatur (disuidiu). „Gaill ist (zweitens)
ein name für die edlen geschlechter Frankreichs, die tri-
bus Galliae, und es ist von der weifsheit des leibes, dafs
sie genannt wurden. ydXa nämlich heifst es griechisch,
lac lateinisch, und daher Galli, nämlich von der milch
endlich ist gall ein name für den hahn, gallus, und zwar
ist es von galea capitis, dafs er so genannt ist". Stokes
macht in der Übersetzung (Corm. GL, transl. by J. O'Do-
novan, ed. by Wh. Stokes, Calcutta 1868, p. 84) folgende
anmerkung dazu: „The etymology of Gall from yäka is
taken from Isidore, par. 104. „Galli a corporis candore
nuncupati sunt: yd}.a enim graece lac dicitur"". Jeden-
*) Eine der prächtigsten mittelalterlichen etymologien ist jedenfalls
die von ir. brathair, lat. frater in Corm. Gl. p. 6: frater quasi fVauter
eo quod fraudat ter .i. patrem et matrem et fratrem.
246 Windisch
falls sehen wir klar und deutlich, dafs ir. „gall milch^
eine auf mifsverständnifs beruhende fiction ist. Auch
„call ehe (sie) lac% das in der anmerkung bei Pertz er-
wähnt wird, ist wahrscheinlich eine arge entstellung. Naoh
der oben aus Cornaac^s Glossary mitgeth eilten stelle liegt
es nahe zu vermuthen, dafs cailech gallus gemeint ist;
vgl. O'Reilly's Dict. caileaeh s. m. a cock.
Wenn auch somit ein wort »gala milch, wasser** för
die Urzeit meiner meinung nach nicht erwiesen ist, so wür-
den skr. gala und griech. ydla trotzdem nahe zusammen-
gehören, wenn Brunnhofer beide Wörter mit recht von der
Wurzel gal „essen, trinken'* ableitet.
Es kann dies manchem ein glücklicher gedanke schei-
nen. Wenn ich ihn trotzdem bekämpfe, so hat dies sei-
nen grund darin, dafs herr B. allzu zuversichtlich ist, dafs
er fast ausschliefslich nur die ihm günstigen argumenta
sieht oder erwähnt, und dafs auch diese argumenta bei
genauerer prüfung nicht stichhaltig sind.
Es liegt hier nicht in meiner absieht die Verzweigung
der Wurzel gar, gal weiter zu verfolgen, obwohl herr B.
ansätze dazu gemacht hat. Er erhebt (s. 12) gegen Hugo
Weber den Vorwurf, dafs er die Wörter in den etymologi-
schen flammentod treibe, verfällt aber seinerseits in einen
ähnliehen fehler, nämlich allzuoft in den Wörtern ein ures-
sen oder einen urtrank zu sehen. So soll ßccXavog^ glaos,
ksl. zel^dT, lit. gile', d. i. die eiehel „die eigentliche spei-
sefrucht der urzeit" gewesen sein (s. 19). Dafs dies wort
in den asiatischen sprachen in dieser bedeutung fehlt, wird
dabei übersehen. Als sufBx von lat. glans wird anja
angenommen und dann die entwicklungsreihe galanja
glanjä glandjä glandl glandi aufgestellt. Die bedeutung
des sufSxes anja verlange aber eine wurzel mit transiti-
ver bedeutung, und da stehe nur die wurzel gal „essen^
zur verfugung. Ich bleibe bei der herleitung jener Wörter
von der wurzel gal „fallen", die u. a. von Curtius und
Fick vertreten ist. Di« eiehel ist gleichsam die herabfal-
lende oder herabgefallene frueht xcit ^^nj^riv. Auch Ovid
weifs nichts charaeteristischeres von den eichein zu sagen.
anzeigen. 247
als et quae deciderant patula Jovis arbore glandes.
Mit ßaltxvoi^ wäre dann, abgesehen vom geschlechte, skr.
galanam „das träufeln, rinnen^ identisch.
Beiläufig sei nachgetragen, dafs die wurzel gar „schlin-
gen" als verb nicht blofs in skr. girati, gilati, lit. ge-
riü (ich trinke) vertreten ist, sondern auch in altir. gelid
consumit (Z.^ 431), ro-gelt depastus est (Stokes Goid.
p. 46).
Brunnhofer sucht seine etymologie von skr. gala und
griech. ydla dadurch zu stützen, dafs er behauptet, auch
sonst gingen Wörter für wasser und milch auf wurzeln zu-
rück, die „trinken" bedeuten.
Im allgemeinen ist dieses princip für die bedeutungs-
lehre von der gröfsten Wichtigkeit. Auch eine eigentliche
bedeutungslehre ist nur auf comparativem wege möglich.
Sie hat zunächst die praktische aufgäbe, den procefs der
ideenassociation nachzuweisen, dessen resultat die bedeu-
tung des einzelnen wertes ist, und zwar mufs sie dasselbe
für alle synonyme thun, mögen sie derselben einzelsprache
oder den verwandten sprachen angehören. Dann ist zu
sichten und zu ordnen, denn es werden sich gruppen von
entwickelungsreihen ergeben. So können wir einen blick
in die entwickelung des menschlichen denkens im allgemei-
nen thun, vielleicht aber auch die eigenart der einzelnen
Völker in einer unmittelbareren weise kennen lernen, als
auf irgend welchem anderen wege möglich wäre. Nicht
alle begriffe sind hierfür von gleicher Wichtigkeit, zu den
wichtigsten zählen die philosophischen.
jßruunhofer hat dieses princip in sehr mangelhafter
weise angewendet. Was zunächst den begriff „ wasser "
anlangt, so erwähnt er nicht, dafs gerade ein unzweifelhaft
indogermanisches wort auf eine wurzel zurückgeht, die
nicht „trinken" bedeutet: skr. udan, udakam, gv, vSwq^
lat. unda^ lit. vandö, got. vato stammen von der wurzel
ud, vad „quellen, benetzen". Wie nahe läge es von hier
aus für skr. gala an die wz. gal „träufeln" zu denken^
zu der ja sicherlich unser „quell, quellen" gehört. B.
macht für seine etymologie skr. galasamudra „das meer
248 Windisch
mit süfsem wasser" (B. R.) geltend. Abgesehen davon,
dafs dieses wort nur aus dem nachtrag zum Amarakoja
belegt ist, spricht es weder för noch gegen eine der bei-
den wurzeln gal, denn auch mit quell wasser oder fliefsen-
dem wasser pflegt man die Vorstellung des süfsen zu ver-
binden. Als parallelen zu seiner etymologie ftthrt B. an:
„skr. päna trunk, trank, wasser^ und „pitha n. wasser,
geklärte butter**, indem er beide Wörter zur würze! pg
„trinken" stellt. Allein im pet. wörterb. fehlt die bedeu-
tung „wasser" für päna gänzlich, und pitha ist in jenen
bedeutungen nur durch drei vereinzelte stellen aus der spä-
ten gelehrten litteratur belegt, so dafs man Ober seine
eigentliche Verwendung kein rechtes urtheil hat. Trunk,
trank und wasser sind allerdings nahe liegende begriflFe,
in allen sprachen wird man in vielen Sätzen den einen
durch den andern ersetzen können Aber andrerseits sind
sie sehr verschieden: man kann beispielsweise nur sagen
„ich springe in's wasser". Deshalb ist es nicht unwich-
tig, dafs skr. gala nirgends in der bedeutung „trunk"
aufgeführt wird, sondern dafs es stets das wasser als ele-
ment im flu^se, im teiche, im meere, im gofäfse bezeich-
net. Umgekehrt hat B. wenigstens kein wort beigebracht,
das unbestreitbar von der grundbedeutung „trunk** aus
dann das wasser im allgemeinen bedeutete. Trotz der oft
wunderbaren bedeutungsentwickelung behalten die Wörter
doch immer einen gewissen rest ihrer ursprünglichen an-
läge bei, und der ist sorgsam zu beachten. Endlich mache
ich noch geltend, dafs gar, gal ursprönglicb gar nicht
„essen, trinken", sondern „schlingen, schlucken" bedeutet.
Es ist sehr unwahrscheinlich, dafs man das wasser je das
verschluckte oder das zu verschlingende genannt habe.
Zu der grundbedeutung „schlingen, schlucken" stimmt vor-
trefflich, dafs derivata dieser wurzel wohl die kehle oder
den hals, also das schlingorgan, aber nicht den mund, das
trinkorgan bezeichnen. Dagegen darf nicht verschwiegen
werden, dafs dafs lit. verb gerti geradezu „trinken*, dafs
ßQcoua die speise, dafs skr. gar a an einer stelle (pat. Br.)
anzeigen. 349
trank, in der spätem spräche häufiger speciell den gift-
trank bedeutet.
Auch bei den von B. herangezogenen milchwörtern
führt mich genauere Untersuchung zu anderen resultaten.
Zunächst kommen in betracht skr. pajas, zend. pajanh
und paeman, lii penas Letzteres wort hat als grund-
form paina-8, und darf nicht, wie B. thut, penas ge-
schrieben und mit skr. päna-m identificirt werden. Fer-
ner giebt B. unrichtig an, pajas bedeute „trunk, milch,
Wasser**. „Trunk" fehlt im pet. Wörterbuch gänzlich, als
grundbedeutung wird daselbst angesetzt „saft, flüssigkeit,
lebenssaft, kraft", als daraus abgeleitete bedeutungen er-
scheinen^'^wasser (fluthen, regen), milch, männlicher same".
Sieht dies so aus, als ob pajas ursprünglich „trunk" be-
deutet hätte? Ich bin tiberzeugt, dafs alle jene Wörter zur
Wurzel pl (pi, pjä, pjäi) „schwellen, strotzen, voll sein,
überfliel'sen" gehören (so auch B. R.). Beachtenswerth ist
die figura etymologica Rv. 11, 13, 1 tad ähanä abhavat
pipjüöi paja: „da wurde sie schwellend, strotzend von
milch". Zu dem skr. part. perf. pipjusi stimmt schön
die zendform pipjüälm (vergl. apipjüälm und apipjü-
äinäm) „eine frau, welche milch hat" (Justi). Das active
participium hat, wenn adjectivisch gebraucht, dieselbe be-
deutung wie das mediale pipjänä in pipjäneva jÖSä
„wie ein weih mit voller brüst" (Rv. III, 33, 10). — Zu
derselben sippe gehören ferner pijüäa und pejüda „die
erste milch der kuh nach dem kalben, biestmilch; rahm,
seim, saft überhaupt" (P. W). Nach B. sollen natürlich
auch diese Wörter ursprünglich „trunk" bedeuten, denn
er leitet vermittels des sufBxes „ijüsa" (öic) das erste
aus der wurzel „pi „trinken", das zweite aus der wurzel
pä ab. Warum diese trennung nöthig sei-, wird nicht an-
gegeben, üebrigens ist pijüsa die ältere form, pe-
jüsa nur in der gelehrten litteratur nachgewiesen. Das
suflfix ijüäa ist eine reitie erfindung, wir haben vielmehr
plj-üsa abzutheilen, und dies suffix ist eine Weiterbildung
des Suffixes väs (vergl. Aufrecht, Unädisütra, Äppend.
250 Windisch
p. 274). Somit würde sich pijüäa zu dem epischen ad-
jectiv piväs, einer nebenform von pivan fett, stellen
(vergl. pivas n. fett). Andere beispiele desselben sufHxes
üsa finden sich ünädis. IV, 73 — 78.
Mit den wurzeln pä pl ^trinken^ haben meines er-
achtens die angeführten milchwörter unmittelbar nichts zu
thun, höchstens mittelbar, wenn man pä pl ^trinken^ und
pl „strotzen'^ als ursprünglich identisch auffafst. Jeden-
falls sind sie aber im sanskrit in der wirklichen spräche
differenzirt, wie ein flüchtiger blick auf die conjugations-
formen lehrt.
üeber die etymologie von nvog „ biestmilch ** (vergl.
nvQiaxi] und nvria) weifs ich nichts sicheres zu sagen,
auch nicht über ahd. biost, ags. beost. Nur habe ich
meine bedenken gegen die Sicherheit, mit der B. alle diese
Wörter von der wz. pQ „trinken** ableitet (s. 23), weichein
dem durch zwei stellen belegten compositum agr6pü
„voran, zuerst trinkend^ vertreten ist. Das anlautende
b in den germanischen Wörtern empfiehlt diese etymologie
nicht.
Weiter stützt B. seine ansieht über die herkunft von
yaka auf skr. dadhi „saure milch, wasser^, dhenä^milch^,
griech. ifTjviov (s. 23). Allein auch dieses beispiel will
nicht recht passen. Die wurzel fttr die angeführten Wör-
ter erscheint im sanskrit in doppelter gestalt: dhä (dha-
jati) „saugen an etwas oder etwas trinken (caus. säugen,
ernähren)^, und dhi (dhinöti) „sättigen, ergötzen, er-
freuen** (P. W.) Man wird zugestehen müssen, dafs hier
in der speciellen beziehung, welche schon die wurzel zur
mutterbrust, dem reichen derselben oder dem saugen an
derselben hat, ferner in der abweichenden tendenz der bc-
deutungsentwickelung ein wesentlicher unterschied von der
Wurzel gar gal „verschlingen, verschlucken** vorhanden
ist. Was die einzelnen Wörter anlangt, so fehlt im pet.
wörterb. die bedeutung „wasser**, welche B. anführt; dhönä
heifst in erster linie „milchende kuh** (auch stute), im plu-
ral „milehtrank**. Auch im keltischen sind jene wurzeln
vertreten, nur hat B. gerade die rechten Wörter nicht ge-
anzeigen. 251
kannt Er führt an (8. 23) „daif trank, gäl. dibhe, dibh
(genetiv und dativ von de och, trank) **. Ir. daif wird al-
lerdings, aufser bei O'Reilly, auch in den Additional Ar-
ticles zu Cormac's Gl. aufgeführt (Stokes, Corm. Gl.
Transl. p. 61), aber das wort ist auffallend wegen seines
im inlaut und auslaut irischer Wörter sonst nicht vorkom-
menden f (vgl. Zeufs* p. 53). Dafs dibhe, dibh genetiv
und dativ zu deoch sei, bezweifle ich sehr, im irischen
hat dcoch im genetiv dige. Sicherer als die genannten
Wörter gehören eine reihe von alten Wörtern hierher: so
findet sich in Broccdn's hymn. (Stokes Goidilica p. 85)
lia-mathair dith ind-löig „an seiner mutter sog das lamm^;
di-th ist ein sog. t-praeteritum (Zeufs* p. 456), und wird
durch di-ne-s-tar erklärt. Letztere form ist ein depo-
nentiales s-praeteritum (Zeufs^ p. 465) und erinnert in
der Stammgestaltung an skr. dhi-nö-ti (der vocal des
stammbildenden suffixes ist ein anderer). Das ursprüng-
liche participium praesentis dieses erweiterten Stammes ist,
wie so oft diese form im irischen, Substantiv geworden:
dinu mutterschaf (Stokes, Goid. p. 90), dat. sing, dinit
(Zeufs* p. 257). Ferner sei erwähnt del (modern deal)
= ^iqXri^ ahd. tila, delech milchkuh = ksl. doilica
nutrix (vgl. Stokes, Corm. Gl. Transl. p. 54), dedel kalb
(ibid. p. (il).
Endlich führt B. noch skr. kälra n. „milch, wasser^
für seine etymologie an. Er stellt dasselbe, gestützt auf
Unädisü. IV, 34 zu der wurzel ghas „verzehren, verschlin-
gen, fressen, essen" (pet. wb.). Die alte vedische bedeu-
tung von kälra ist „milch"; die bedeutung „wasser" stützt
sich nur auf die angäbe der lexicographen. Obwohl es laut-
lich möglich wäre, dafs ksira von ghas gebildet ist, so
halte ich es doch der bedeutung nach für sehr unwahr-
scheinlich; denn ghas heifst nie „trinken": wie die im
pet. wörterb. angefahrten beispiele zeigen, steht es sogar
in einem gewissen gegensatze zu pä „trinken", z. b. Rv.
I, 162, 14 jäkka papäü jakka ghäsf gaghdsa was es trank
und was es an futter frafs. Das einmal belegte zend.
khäuis n. milch, und die autorität des Unädisütra köa-
252 Windisch
neD hier nicht den ausschlag geben. Brunnhofer stellt
nämlich mit Justi jenes khSuis zu skr. ksu n. speise, und
letzteres mag allerdings zur wurzel ghas gehören. Es
liegt aber nicht die geringste Schwierigkeit vor, kdira von
der wnrzel ksar ,jfliefsen, strömen" abzuleiten, was auch
im pet. wörterb. für wahrscheinlicher gehalten wird. Vor
allem aber kommt hier die transitive bedeutung „etwas
strömen, ausströmen, giefsen" in betracht, in welcher diese
Wurzel im veda und im epos öfter mit milchwörtern ver-
bunden ist. Pigura etymologica hätten wir in tathä kSirä
käarantj 6tä: (sc. gäva:, MBh.), ferner ist von interesse
käaramänä pajö 'mrtam (sc. dhenu:, MBh.). Freilich
behauptet Brunnhofer (s. 23), es scheiterte diese etymolo-
gie „an der sonst unbekannten iibergangsfahigkeit eines ä
in I, denn die nebenform ksir ist unnachweisbar**. Ge-
hört etwa tira n. ufer, gestade nicht zur wurzel tar,
sldati zur wz. sad, dhira fest, beständig zurwz. dhar,
ferner dirgha lang (comp, dräghljäs) zu griech. So-
h^og u. s. w.?
Auch unser deutsches wort „milch", got. miluks,
das von B. nicht weiter besprochen wird, trägt nicht dazu
bei, um die behauptung aufrecht zu erhalten, dafs die
milch nach dem trinken genannt zu werden pflege. Die
Verwandtschaft von got. miluks ist ja bekannt genug.
Wo die Wurzel marg, wie im sanskrit, noch nicht die
bedeutung des melkens hat, da bedeutet sie reiben, wi-
schen, streicheln, und zeigt somit deutlich den weg, auf
welchem hier die begriflpe „milch" und „melken" ihren
ausdruck gefunden haben. Es sei mir hier gestattet, auf
die zur wurzel malg gehörigen irischen formen aufmerk-
sam zu machen. Unzweifelhaft sind solche melg milch
(Three Irish Gloss. ed. Stokes pp. 28. 33. 105. 107) und
die perfectform do-o-malgg mulxi (Z. 61). Ferner ist
hierher zu rechnen ml acht milch, das bei Cormac (Three
Ir. Gl. p. 7) in dem auffallenden compositum bo-mlacht
(„cow and milk") enthalten ist. Das irische glossem dazu
lautet bo ocus lacht. Ob diese form lacht lateinisches
lehn wort oder aus jenem ml acht entstanden ist, soll nach-
anzeigen. 25^3
her besprochen werden. Ein gewöhnliches wort für milch
ist aber blicht, und mit diesem stimmt das verbum bleg-
„ melken" im anlaute genau überein: blegar mulgetur
(Three Ir. Gl. p. 33 unter 6i). Es wird wohl einem jeden
die vermuthung kommen, dafs blicht und blegar mit
melg und do-o-raalgg wurzelverwandt sind, und dafs
den ersteren Wörtern eine zu mlag, mleg umgestellte
wurzelform zu gründe liegt, wie dies unverkennbar in dem
vereinzelten ml acht der fall ist. Mr und ml sind aber
lautgruppen, an denen auch andere sprachen anstofs ge-
nommen haben: ich erinnere an griech. ßgorog und a^c-
ßgoTog neben skr. martä-s, an griech. /^AwVx« neben &o-
küv. Einige beispiele, in denen sich auch im celtischen
derselbe lautwandel zeigt, verdanke ich Mr. Whitley Sto-
kes: das von mrecht, varius, abgeleitete mrechtrad,
varietas (Z. 856) lautet in späteren quellen brechtrad
(modern breachtradh, s. O'Reilly's Dict.); bleith „a
grinding" (Senchas Mor I, 162) steht, wie Mr. Stokes mit
recht vermuthet, für mleith, und gehört zu altir. melim
molo, zu dem es sich verhält, wie blicht (milch) zu
melg (milch). Da im cymrischen jenes adjectiv mrecht
als brith, breith (modern braith) auftritt, so werden
wir uns nicht wundern für blicht auch hier blith zu
finden.
Was aber das irische lacht anlangt, so ist von Wich-
tigkeit, dafs auch die andern celtischen sprachen entspre-
chende Wörter besitzen, das alte cornisch in lait (später
leyth und letb, s. Williams, Lex. Cornu-Brit. pp. 229.
236), das cymrische in llaeth, das armorische in leaz,
lez: diese britannischen Wörter verhalten sich in bezug
auf den geschwundenen guttural zu ir. lacht, wie oben
cymr. brith und breith zu ir. mrecht. Es ist mir sehr
unwahrscheinlich, dafs wir es hier mit lehnwörtern zu
thun haben: jede einzelne celtische spräche müfste sich
dann für ein so zum einfachsten leben gehöriges product
den namen aus dem lateinischen geholt haben. Wenn aber
die celtischen sprachen das wort als ererbtes eigenthum
besitzen, so mufs man aufhören lat. lac lactis zu griech.
254 WiDdisch
ycika y(i?MXTog zu ziehen, denn zu trennen ist das lateini-
sche wort von ir. lacht auf keinen fall.
Souüt wäre nach unserer Untersuchung ydka isolirter
und räthselbafter denn je. Denn mit lac soll es nichts
zu thun haben und ebenso wenig mit der wurzel gal
„verschlingen, verschlucken", der es Brunnhofer, allzu sie-
gesgewifs, vindicirt zu haben glaubt. Auch ich vermag
nichts neues und stichhaltiges über den Ursprung von ydka
beizubringen, ich müfste denn in die fufsstapfen von Hugo
Weber und Brunnhofer treten und meine wurzel gal
„träufeln" auch in diesem worte sehen wollen.
Es findet sich in vorliegender schrift noch manches,
was zur kritik herausfordert. Ich erwähne nur noch den
^auf s 34 stehenden satz: „Und so ist uns denn *yaXaxT:
der liebe liebe trank (sie)". Wahrscheinlich beruht
auf dieser anschauung die angäbe auf dem titel der schrift
„Ein monographischer beitrag zur ältesten empfindungs-
geschichte der indogermanischen Völker". Jenes Qber-
raafs von Zärtlichkeit (der liebe liebe trank) ist nach B.
in dem suffixe von ydka ydkaxvog enthalten. Er ist s. 29
und ff. bemüht nachzuweisen, dafs die suffixe 9,xo-^, tc^
und n, rto, r deminutiven sinn haben. Ohne weiter an
den beigebrachten beispielen mäkeln zu wollen, bemerke
ich nur, dafs keins ein genaues analogen zu ydla ist, und
dafs jene suffixe viel öfter nicht deminutive bedeutung ha-
ben. Wir haben daher nicht den geringsten anhält für
die Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit jener auffassung von
ydka. Hinter die eigentliche bedeutung der wortbildenden
Suffixe kann man nur durch umfassende und sehr compli-
cirte Studien kommen und an Wörtern wie ydka „milch^
wird man wohl zu allerletzt ihre ursprüngliche function
bestimmen können.
Ernst Windisch.
anzeigen. 255
Versuch einer formenlehre der oskischen spräche, mit den oskischen in-
schriften und glossar. Von Ernst Enderis, dr. ph. Zürich bei
S. Höhr. 1871.
Dem wünsche, den wir seiner zeit bei der anzeige der
säubern Bruppacherschen schrift über die oskischen laute
äufserten, dafs dieser wackere junge gelehrte auch die os-
kische Wortbildung und flexion behandeln und endlich mit
Zusammenstellung der oskischen inschriflen und mit beifü-
gung eines glossars dem werkchen einen gewissen ab-
schlufs geben möchte, — einem solchen wünsche konnte
leider herr dr. Bruppacher selbst seiner angegriffenen ge-
sundheit wegen nicht nachkommen und Qberliefs die arbeit
seinem freunde und studiengenossen herrn Enderis. Herr
Enderis hat seine aufgäbe in lobenswerther weise durch-
geführt. Mit unverkennbarem fleifse hat er das inschrift-
liche material, so viel dessen bis zu seiner bearbeitung
publiciert war, gesammelt und den originalen eine lateini-
sche Übersetzung beigegeben; seine darstellung und erklä-
rung der oskischen formen und sein oskisches wörterver-
zeichnifs verrathen einen mann, welcher sich überall, wo
etwas für aufhellung des bezüglichen Stoffes zu finden war,
gewissenhaft umgesehen und sich mit der wissenschaft-
lichen behandlungsweise des gegenständes vertraut gemacht
hat; namentlich wufste er sich die zerstreuten arbeiten des
auf diesem felde grundlegenden Corssen und Schleichers
compendium trefflich zu nutze zu machen. Wir haben
demnach eine wohl vorbereitete und durchgeführte arbeit
vor uns, welcher wir als einer erstlingsarbeit nicht das
zum vorwürfe machen möchten, dafs sie denn doch weni-
ger selbständig sei, als sie es unter der band eines mei-
sters hätte werden müssen, ja weniger selbständig, als es
Bruppachers oskische lautlehre ist.
Wenn sehr häufig gotische formen zur vergleichung
gezogen werden, so ist das zumal bei diesem italischen
dialekte ganz am platze; nur will es uns scheinen, als ob
der Verfasser keine volle kenntnifs der gotischen auslauts-
gesetze habe, welche für die erkenn tnifs der gotischen
^exionsformen von der höchsten Wichtigkeit sind. Gewisse
256 Schw«izer-Sidler
oskische bildimgen sind eben darum nicht völlig aufge-
klart worden, weil der verf. sich möglichst überall bei
den deutungen Corssens, die ja im ganzen und groDsen
gewifs die richtigen sind, beruhigte, so, wenn auch er an-
nimmt, pieis in pieisum sei der genetiv vom stamme
pi-, während die form selbst und das verwandte lateini-
sche auf einein erweiterten stamm pio- führen mufsten,
wie das denn auch Joh. Schmidt schon nachgewiesen
hatte.
Zörich. H. Schweizer-Sidler.
lieber einige grundzüge der lateinischen Wortstellung^ von Carl Abel
ph. dr. Berlin, Dümralersche Verlagshandlung. 1871.
Ein recht durchdachtes und auf reicher und feiner
beobachtung basierendes schriftchen, welches uns freilich
nur einige auf einem bestimmten beschränkten gebiete ge-
wonnene grundzüge der lateinischen Wortstellung bietet,
schon damit aber zur erkenntnifs mancher psychologischen
(üicht logischen) gesetze führt, also auch für ein wahrhaft
genaues verständnifs einer anzahl von sprachlichen erschei-
nungen auf dem gebiete des lateinischen von bedeutung
ist. Nachdem der verf. von dem wesen der Wortstellung
im allgemeinen gesprochen und dem lateinischen innerhalb
der allgemeinen Verschiedenheiten seine bestimmte Stellung
angewiesen hat, geht er zu seinem mit besonnener wähl
ausgehobenen specialobject über. „Nimmt man einzeln
das verhalten verschiedener begriffsarten heraus, so wer-
den die trotz verschiedener Verbindung, trotz verschiede-
nem klang und fall gleichmäfsig oder überwiegend wieder-
kehrenden erscheinungen sich als die einfachsten logischen
gesetze der lateinischen Wortstellung darstellen. In dieser
art einige punkte zu betfachten, wollte 'd^i^ vorliegende
versuch unternehmen.'' Auf empirischem ^gründe wird
dann ein logisches gesetz gewonnen, nach 'welchem, jedes
urtheil für sich betrachtet, das adjectivum, pronomen and
participium, wenn es mit seinem substantivum eine einheit
anzeigen. 257
bildet, vor demselben^ und ebenso abhängige casus vor
ihrem regierenden substantivum oder adjectivum, und 2) im
verhältnifs zu andern betrachtet, wenn einer der beiden
theile von einem gegensatz getroffen wird, dieser voraus-
steht. Die Präpositionen gehen meistens voraus. Es wer-
den nun diese gesetze im einzelnen in ihrer anwendung
dargelegt, und, wo sie durchbrochen scheinen, wird ein
innerer grund nachgewiesen. Natürlich haben wir uns da-
mit zufrieden zu geben, dafs der verf. überall rein auf dem
boden des lateinischen bleibt, dafs aber auch hier durch
anwendung der sprachvergleichenden methode die betrach-
tung sich hätte vertiefen können, und das innerste leben
der einzelnen spräche so schärfer hervorgetreten wäre, läfst
sich nicht läugnen. Wie fruchtbar hätte gerade auf die-
sem felde die herbeiziehung der composition, die so nahe
lag, werden müssen. Die darstellung ist meistens klar,
imd wo sie es nicht ist, wissen wir oft nicht, ob das auf
druckfehlern beruht, welche leider in dieser kleinen schrift
nicht selten nachweisbar sich vorfinden.
Zürich, im december 1871.
H. Schweizer-Sidler.
Vorlesungen über die vergleichende lautlehre des sanskrit, des griechi-
schen und des lateinischen , gehalten in der mailänder wissenschaft-
lich-litterarischen akademie von G. I. Ascoli. Uebersetzt von prof.
J. Bazzigher und prof. dr. H. Schweizer-Sidler. Erster band. Halle,
Waisenhaus. 1872.
In der vollen Überzeugung, dafs vorliegendes werk,
dessen fortsetzung und abschlufs hoffentlich durch andere
umfassende arbeiten des berühmten Verfassers nicht allzu
weit hinausgeschoben wird, zu den bedeutendsten erschei-
nungen gehöre, welche in den letzten jähren auf dem wohl
gepflegten gebiete der historischen Sprachforschung her-
vorgetreten sind, dafs es sich demnach den trefflichsten
arbeiten deutscher Wissenschaft, was nicht wenig heifst,
würdig anreihe, wirkte referent schon lange, ehe dasselbe
Zeitschr. f* vgl. spraelif. XXI. 3. 17
258 dchweizer-Sidler
von der französischen akademie mit dem Volneypreise be-
ehrt wurde, mit allen ihm zustehenden kräften dahin, dafs
es auch in deutschem gewande erscheine. Er übernahm
denn auch selbst eine nicht gerade mühelose genaue revi-
sion einer von seinem ehemaligen wackern schöler, dem
nunmehrigen churer professor Bazzigher, rasch angefer-
tigten Übersetzung, welche, denkt er, billigen ansprüchen
genügen soll. Wir wagen zu hoffen, dafs uns unsere deut-
schen fachgenossen, dafs uns sonderlich auch jüngere män-
ner, welche auf diesem reichen und lohnenden Wissensge-
biete heimisch werden wollen, dafür einigen dank wissen
werden. Das vorliegende werk bietet einen aufserordent-
lichen umfang von wohl gewähltem materiale, da der verf.
sich keineswegs auf die im titel genannten idiome be-
schränkt, sondern neben dem altindischen auch die neuen
dialekte Indiens, neben dem altgriechischen das moderne
griechisch, neben dem lateinischen die übrigen dialekte des
alten Italiens und in vollem mafse die hier so wichtisren
romanischen sprachen und mundarten herbeizieht, über-
haupt jede indogermanische Spracherscheinung, die irgend
eine dunkelheit in dem ihm zunächst liegenden Stoffe auf-
hellen, irgend einen zweifei lösen dürfte, mit eigentbüm-
licher Virtuosität herauszugreifen weifs. Dabei macht es
einen sehr wohlthuenden eindruck, dafs Ascoli offenbar die
grofsen Sprachgebiete, welche er rede stehen läfst, in ih-
rem umfange und in ihrer Wesenheit genau kennt und
seine wähl nirgend eine zufällige ist. Wir macheu in die-
ser beziehung namentlich auf seine oflb sehr einläfslichen
anmerkungen über sanskritformen, in denen er mehrfach
die kenntnifs der sanskritgrammatik geradezu bereichert
und genauer bestimmt, auf seine gründliche behandluog
der litauisch -slavischen analogien und auf die grofse frei-
heit aufmerksam, mit welcher er über entlegene romani-
sche mundarten verfügt. Aber des Verfassers mit steigen-
dem fleifse gewonnene, gelehrsamkeit erstreckt sich auch*
über alle auf diesem felde schon angestellten und sonder-
lich auf die von Deutschen angestellten Forschungen, von
denen er wiederum eine nicht blofs oberflächliche kenntnilli
anzeigen. 259
besitzt, die er vielmehr in ihrem ganzen gewichte za wür-
digen weifs und in manchen fallen freudig anerkennt, ohne
dafs er sich jedoch scheut im dienste der Wahrheit offen,
wenn auch in anständigster weise, allfällige blöfsen dersel-
ben aufzudecken. Hervorheben wollen wir, dafs A. na-
mentlich auch mit den neuern Untersuchungen der physio-
logen genau bekannt- ist und in glücklichster weise deren
resultate, welche er übrigens wiederum nur nach gewissen-
hafter prüfung annimmt, zur aufklärung der geschicht-
lichen entfaltung der laute verwendet.
In dem gesagten liegt wohl klar genug, dafs der verf.
mit grofser umsieht, nicht nur mit etwelchem, sondern mit
ungewöhnlichem Scharfsinne und echt methodisch gearbei-
tet hat, dafs er sich in diesen beziehungen vor manchen
übrigens mit recht hoch angesehenen männern selbst Deutsch-
lands, welche dieses oder ein ähnliches Wissensgebiet an-
gebaut haben, vortheilhaft auszeichnet.
Es dürfte anmafsend erscheinen, dafs wir das buch
Äscolis, welches Vorlesungen bietet, die vor uneingeweih-
ten gehalten wurden, auch eingeweihten zur kenntnifsnahme
aufs wärmste anzuempfehlen wagen. Dieses unterfangen
geht aber aus unserer Überzeugung hervor, dafs auch ein-
geweihte der darstellung mit steigendem interesse folgen
werden. Der verf. hat einen glücklichen griff gethan, dafs
er seinen zuhörern nicht nur die resultate seiner Untersu-
chungen vorlegte, sondern deren gesammten verlauf, frei
und ungehemmt sich ergehend, vor ihnen ausbreitete. So
mufsten intelligente zuhörer, wenn ihnen auch das gebiet
noch fremd war, eine viel lebendigere anschauung von
derartigem schaffen gewinnen, so wird aber auch der auf
diesem felde heimische bei der lectüre dieser vortrage seine
rechnung finden. Ueberdies ist gewifs mancher baustein,
ist manche untersuchende anmerkung bei der Veröffent-
lichung der Vorlesungen hinzugekommen, und in diesen
selbst sind nicht ganz selten neue oder fester bestimmte
resultate gewonnen; aufserordentlich häufig aber ist Stoff
mit verwendet und verarbeitet, welcher sonst nur wenigen
zugänglich sein möchte.
17*
^60 Schweizer-Sidler
Diesem allgemeinen urtheile reihen wir eine karze
angäbe des inhaltes der Vorlesungen an und fügen ibr
einige wenige Bemerkungen bei. In der ersten Vorlesung
spricht sich A. nach einigen einleitenden werten ausführ-
licher über die von ihm befolgte methode aus und geht
dann zu einer recht anschaulichen allgemeinen physiolo-
gisch-historischen darstellung des sanskritischen, griechi-
schen, lateinischen und italienischen consonantensystems
weiter. Anläfslich des italienischen consonantensystems
berührt er auch gewisse lautliche elemente, welche ver-
schiedenen italienischen mundarten oder andern romani-
schen Idiomen eigenthümlich sind, wobei er sich zugleich
über die gpltung mancher schriftzeichen erklärt, deren er
sich bei seinen transscriptionen bedienen will und die vor-
her nicht vorgekommen sind. Den schlufs machen tech-
nische anweisungen.
Nachdem der verf. in der zweiten Vorlesung Ober
die beiden theile der 1 au tle h re, . denjenigen, welcher
von den etymologischen fortsetzern, und denjenigen,
welcher von den pathologischen erdcheinungen in
der lautweit handelt, geredet hat, macht er sich, die
Ordnung des sanskritalphabets wählend, an die betrach-
tung der fortsetzer des ursprünglichen k. In einer an-
merkung zu der Zusammenstellung von skr. kart, lat.
erat es, äufsert der Verfasser die vermuthung, dafs die in
kart liegende primäre wurzel im gründe nicht verschie-
den sein dürfte von skr. kar, ausgiefsen, überschütten,
zudecken. Wenn auch das blofs wahrscheinlich ist, so
ist gewifs der hier gelegentlich angebrachte Widerspruch
gegen Curtius, welcher mit diesem selben kar griechisches
XQivoo^ lat. cerno zusammengehalten hat, richtig. Anläfs-
lich des Überganges von ursprünglichem k in 9 kommt
auch nip, nipä neben nak u. s. f., nacht, zur spräche,
und A. thut unseres bedünkens recht daran, wenn er
nach gründlicher und scharfsinniger prüfung die ausdrücke
nip, nipä, nipltha^ nipitä alle auf die grundlage nak
zurückführt und den Zusammenhang mit wz. 91, liegen,
bestreitet, wie denn auch Fick mindestens die ersten bei«
anzeigen. 261
den unter nak eingereiht hat. Volle beachtung verdienen
die auseinaudersetzungen darüber, wie ursprüngliches k
in 9 und K übergehen konnte, und über das relative alter
der asiatischen alterierung des ursprünglichen k. Das
aber ist uns immer noch nicht klar, wie es gekommen^
dafs die slavisch- litauischen Idiome besonders die alterie-
rung des k fortsetzen, die sich schliefslich in einem be-
stimmten Sibilanten verkörpert, das griechische, italische
und germanische aber die zweite, welche endlich mit dem
übergange in eine palatalis endigte, wenn wir auch mit
A. darüber, dafs es so sei, völlig einverstanden sind und
es namentlich als durch ihn für immer festgestellt anse-
hen, dafs die so genauen litauisch -slavischen entsprechun-
gen nicht zufällig sind. Eine sehr bedeutende Schwie-
rigkeit bei dieser frage hat A, nicht berührt: es ist dieses
der von Schleicher und seinen talentvollsten und gründ-
lichsten Schülern behauptete innigere Zusammenhang des
litauisch -slavischen mit dem germanischen, über welchen
auch wir nicht wegzukommen vermögen.
In der dritten Vorlesung wird die behandlung der gut-
turalen tenuis fortgesetzt, und es kommen hier das latei-
nische qu, das italische und griechische tt, t u. s f. als
etymologische fortsetzer des ursprünglichen k zur spräche.
Eine anmerkung zu s. 50 handelt sehr geschickt und klar
über die lateinische Verwendung des überlieferten schrift-
zeichens q. Wir wissen, dafs sonderlich von den Latei-
nern ein lautzeichen nicht leicht aufgegeben ward, wenn
dessen Verwendung irgendwie möglich schien, dafs aber
q gegen k und, das spätere zeichen für die tenuis, c nicht
als eigenartiger guttural sich hielt, sondern nach dem vor-
gange und der anordnung von sprach meistern nur vor ge-
wissen lauten statt des k (c) eintrat. Seine wesentliche
Stellung war bekanntlich immer diejenige vor dem halb-
vokalischen u, während seine Stellung vor vokalischem
u, wie sie ihm Attius angewiesen hatte, sich nicht zu
halten vermochte. Darin hat Ascoli ohne zweifei recht,
wenn er die annähme, q enthalte in sich allein schon
kv, zurQckweist und nur eine eitele klügele! späterer gram-
262 Schweizer-Sidler
matiker darin sieht. So iDteressant es nun sein dQrfte,
auf die einzelnen beispiele und deren umsichtige bebend-
hing einzugehen, wir müssen es uns versagen und wollen
nur anführen, dafs die streng methodische Untersuchung
uns manches wort auch im lateinischen und griechischen
etwas anders ansehen lehrt, als es bis dahin geschehen,
dafs hier z. b. auch eine form oquulus für oculus ihre
begründung findet und dergl.; wir wollen die genaue aus-
einandersetzung über lat. qu und c in denselben wortfor-
men hervorheben, endlich die begründung der ansieht, dafs
m Sanskrit und lateinischen kein ganz sicheres beispiel
von p für qu, k existiere, dafs sich also hierin die itali-
schen dialekte schärfer von einander unterscheiden als die
griechischen. Dafs da und dort ein kleiner irrthum unter-
läuft, welcher aber der gesammten beweisführung nichts
schadet, verschlägt in der that sehr wenig. So ist viel-
leicht s. 78 das got. uh, wie es übrigens von den meisten
geschieht, nicht richtig als einfache partikel gefafst und
die ansieht, welche hier eine Zusammensetzung aus u + h
statuiert, die richtige.
Der gegenständ der vierten Vorlesung sind die guttu-
rale media und deren etymologische fortsetzer. Auch aus
diesem aufserordentlich reichen und für die gesammtent-
Wickelung des lautes wie für die einzelnen hier behandel-
ten sprachen höchst wichtigen abschnitte berühren wir
von den innig unter sich zusammenhangenden einzelheiten
einiges. Von allgemeinerer bedeutung ist der schlagende
nach weis, dafs auch auf dem gebiete der media (wie das
ähnlich später für die aspirata aufgestellt wird) im Sans-
krit eine alteration nach dem Sibilanten hin wohl spürbar
sei, und auch hier wird Ascolis ansieht durch iranische
und litauisch -slavische analogieen aufs schönste bestätigt.
Ein allgemeineres resultat ist ferner die allerdings auffal-
lende erscheinung^ dafs im lateinischen, während da ein p
an der stelle eines ursprünglichen k mindestens sehr zwei-
felhaft ist, ganz klar einzelne b an der stelle von ursprüng-
lichem g eintreten. Vom allgemeineren in diesem ab-
schnitte wollen wir noch hervorheben, dafs wohl selbst
anzeigen. 263
Curtins nach den gründlichen und instructiven auseinan-
dersetzungen Ascolis nicht mehr anstehen wird, griechi-
sches L^ nicht blofs als aus öj und yj\ sondern auch als
aus ly hervorgegangen gelten zu lassen. Daran reihen wir
einige einzelheiten an. S. 82 anm. wird mit bestem rechte
— und A. trifft darin mit dem tüchtigen logiker Prantl
(sitzungsber. der bair. k. akademie 1869. IL) zusammen —
behauptet und mit analogien erwiesen, dafs ignosco
nicht, wie- Pott und wir selbst in unserer lateinischen laut-
und formenlehre meinten, mit negativem in gebildet sein
könne. Durchschlagend scheint uns s. 97 die Widerlegung
M. Möllers, welcher ßiog mit skr. vayas zusammenbrin-
gen will. Gegen Pott und Curtius vertheidigt A. s. 99
die gleichung skr. ragas, got. riquis, 'igeßag^ welche auch
uns immer aufs beste zusagte. Es kommt uns denn doch
vor, dafs uns diese Zusammenstellung bedenklich machen
sollte auch gegen die herleitung von i^Qsßog aus dem se-
mitischen Worte für „abend, dunkel", welche MöIIenhofi^
im ersten bände seiner über unser lob erhaberfen deut-
schen alterthumskunde s. 119 gut gebeifsen hat.
S. 100 anm. 6 wird A. wieder mit recht gegen Kuhn und
Corssen behaupten, dafs in den beiden lateinischen Wörtern
torvus und protervus das v nicht suffixal, sondern rest
von gu sei. S. 106 anm. handelt er von lat. vivere und
seinen verwandten. Auch hier sucht A. Corssens deutung
zu widerlegen, und nicht leicht wird seine darstellung,
nach welcher ein gi, vi zu gründe läge, welchem theils
determinatives v, theils determinatives c sich angeschlos-
sen hätten, umgestofsen werden. Ein starkes zeichen für
die ursprünglichkeit des lateinischen v ist doch entschie-
den sanskritisches und litauisches v.
In der fünften Vorlesung führt Ascoli seine schon be-
kannten ansichten über aspirate, affrikate und fri-
kative aus und begründet dieselben allseitig durch genaue
prüfung der tradition der nationalgrammatiker, wie durch
wahrhaftig nicht „blofs mit einigem Scharfsinne** aus den
thatsachen gezogenen folgerungen. Scharf wird der be-
weis erstellt, dafs der im indogermanischen weitest erreich-
264 Schweizer-Sidler
bare gehauchte laut eine aspirierte, d. h. mit vernebaiba-
rem h gepaarte media, nicht eine aspirierte tenuis, nicht
eine afFricata, nicht eine fricativa sei. Mit meisterschaft
entwickelt dann der verf. die allmähliche umwandelung
dieser laute auf dem gebiete des indischen selbst, des
griechischen und lateinischen. Des germanischen, resp. des
gotischen gedenkt der verf. nur gelegentlich in anm. 10
(s. 127) und meint da, dafs die gotische media unmittelbar
auf die ursprüngliche aspirierte media zurückzuführen sei,
eine hypothese, die, erwägt man das ganze der germani-
schen lautverschiebung, ihre grofsen bedenken hat. Eben-
falls nur beiläufig, um für das proto-i talische die existenz
von tenues aspiratae zu erweisen, erwähnt A. des etruski-
schen als „sicherlich auch eines arischen idiomes, wenn
auch nicht hinreichend erforscht, um in die gegenwärtige
betrachtung hineingezogen werden zu können". Seit dem
erscheinen der glottologie von Aseoli hat dessen College,
herr Elias Lattes, offenbar ein mann von umfassendeoQ
wissen und ungewöhnlichem Scharfsinne, eine reihe von
streng methodisch geführten Untersuchungen über etruski-
sehe inschriften veröffentlicht, durch welche uns der aus-
spruch Ascolis vollständig begründet scheint. Wir wer-
den auf diese abhandlungen, welche wir unsern mitarbei-
tern zur notiznahme bestens empfehlen, zurückkommen.
Kehren wir jetzt zu Aseoli zurück, so meinen wir bemer-
ken zu dürfen, dafs die s. 144 flP. ausgeführte darstellung
der sanskritmedia h und ihrer entsprechungen zu den fein-
sten partien des buches gehört Von einzelheiten heben
wir heraus die erklärung des Wortes duh-itar (s. 156
anm. 13) als „säugendes weib**. Der verf. trifft in dieser
erklärung zusammen mit Benfey, welcher in seinem Vor-
worte zu Ficks erster ausgäbe des Wörterbuches der indo-
germanischen grundsprache VII. anm. ebenfalls die t ech-
ter als „milchgebende, ein kind zu nähren bestimmte*,
il.»n söhn als „zeuger" gedeutet hat. Dann erlauben wir
uns auf die wiederlegung von Corssens und M. Müllers
ansichten über die lateinischen und griechischen formen
für die anschauung von ^schnee** und „schneien'' (s, 158)
anzeigen. 265
und (ebenda) auf die erklärung von ocfig neben ü^^g auf-
naerksam zu machen. Am Schlüsse dieser Vorlesung be-
spricht A. noch die wenigen beispiele, in denen griechi-
sches und lateinisches h (nach nasalen g) einer skr. asp.
tenuis zu entsprechen scheint und fügt einen fall hinzu,
in welchem schon im sanskrit h statt und neben kh
sich zeigt.
Die sechste Vorlesung eröffnet der verf. mit einem
einläfslichen phonetischen raisonnement über die sogenann-
ten palatalen des sanskrit, in welchem übrigens, wie es
nicht anders sein kann, vielfach von der lautlichen ent-
wickelung dieser laute die rede ist, von der entwicke-
lung eines k, g u. s. f. bis zum Sibilanten. Der verf. hat
hier oft anlafs bisher besonders in Deutschland gepflegten
ansichten entgegenzutreten. Nach diesem phonetischen rai-
sonnement wendet sich A. zur sanskrit-palatalis kh, da k
und g bereits früher behandelt sind; und da dieser sanskrit-
laut immer mittelbar aus ursprünglichem sk hervorgegan-
gen ist, so führt das mit einer art nothwendigkeit darauf,
die Wandlungen des ursprünglichen sk überhaupt zunächst
in den hier besonders behandelten indogermanischen spra-
" chen ins äuge zu fassen. Wir überlassen es dem leser
selbst diese hübschen Untersuchungen zu verfolgen und
machen nur auf wenige punkte aufmerksam. Einmal be-
merkt auch in dieser partie der verf., wie gar nicht sel-
ten im nomen der alte oder ältere laut erhalten sei, wäh-
rend er im verbum afficiert erscheine. Dann erklärt A.
die art der einwirkung eines Sibilanten auf folgende tenuis
anders, als es wohl bis dahin immer geschehen ist. Wo
z. b. skh statt des ursprünglichen sk sich einstellt, nimmt
der verf. eine engere Verbindung von s und k an der art,
dafs dann zwischen k und dem folgenden vokal ein hauch
sich entwickeln könne, in fallen wie kh statuiert er den
im präkrit klar erkennbaren prozefs, dafs aus sk, 9k
s, 9 als bauch sich ansetzte und hinter die tenuis trat.
Ursprüngliches sk konnte, wie schon in dem angeführten
liegt, verschiedene wege einschlagen. Es konnte der erste
oder der zweite laut ganz fallen, s konnte durch Versetzung
266 Schweiser-Sidler
das k in kh umgestalten oder es bestand neben kh und
gieng dann unter, es konnte als kä auftreten und auch
da den ersten laut aufgeben. Wir denken, dafs der verf.
später noch weitere wandclungen bebandeln wird, da es
doch kaum zweifelhaft ist, dafs sk auch die gestalten sp
und st annehmen kann. Von den vielen interessanten ein-
zolnheiten, welche A. unter seinen belägen aufTöhrt, grei-
fen wir nur eine heraus, seine schöne darlegung von form
und bedeutung des verbums scire s. 173. Schon J. Grimm
hat scire auf ein secire zurückführen wollen, Curtius
hat ebenfalls richtig in scire ein entscheiden gesehen,
Ascoli hat sciunt trefflich an skr. khyanti flßr skyanti
gehalten von wz. skä (khä), welche zu wz. sec in sec-
-are im selben Verhältnisse stehe, wie prä zu par, lat.
strä- und ster- u. s. f. Den schlufs dieser abtbeilung
des buches bildet eine ausführliche einleitung zur behand-
lung der sanskritischen linguales, über deren historische
und physiologische herkunft. A. vertheidigt mit kräftigen
beweisgründen ihre herkunft aus den eingeborenen indi-
schen idiomen.
Die ausstattung des buches ist sehr hübsch; eine kleine
anzahl leicht bemerkbarer druckfehler meinten wir nicht
besonders verzeichnen zu müssen.
Zürich, im juni 1872. H. Schweizer-Sidler.
On tbe Natare and Theory of the Greek Accent. 6y James Hadley,
Prof. of Greek in Tale College (From the Transactions of the Ame-
rican Philological Association, 1869 — 1870).
Es ist schon längere zeit, dafs ich durch die gute des
von mir hochverehrten prof. dr. W. D. Whitney eine reibe
von sehr werth vollen abhandlungen erhalten habe, deren
anzeige und theilweise besprechung ich nicht muthwillig
aufgeschoben habe, sondern unfreiwillig aufschieben mnfste.
In dieser Zeitschrift erlaube ich mir zunächst auf zwei ar-
beiten^ über den griechischen und über den sanskritacoent,
anzeigen. 267
erstere von Hadley, letztere von Whitney aufmerksam
zu machen. Auch herr H. nimmt als ursprüngliches Vlie-
sen des indogermanischen und des griechischen accentes
ton höhe, nicht tonstärke — diese mindestens nur sehr
untergeordnet — an. Beweise liegen ihm im namen der
accente, in der ausdrücklichen Überlieferung der alten^ in
der gestaltung der spräche selbst, im baue der verse.
Diese anschauung möchte heute in Deutschland ziemlich
die herrschende sein: klar und schön ist sie neulich wie-
der durch W. Scherer in seinem reichen buche, zur ge-
schichte der deutschen spräche, auseinander gelegt wor-
den. Eine solche accentuation hat bei den einzelnen in-
dogermanischen Stämmen mehr oder minder lang nachge-
halten, ist froher oder später der andern gewichen oder
hat ihr wenigstens mehr räum neben sich gegönnt. Für
das germanische hat das Scherer trefflich nachgewiesen,
für das lateinische hat es Langen im Philol. 31, s. 99 ff.
wohl schlagend genug gezeigt und fQr die einsieht in den
scenischen vers fruchtbar gemacht. Eine frage ist von
diesem gesichtspunkte aus noch nicht gehörig betrachtet,
woher der sogenannte ablaut herrühre, wenn die betonung
eine blofs oder wesentlich hohe und tiefe gewesen sei.
Hadley fragt sich, ob etwa das zeichen des gravis auf
einem im satze stehenden oxytonierten worte ausdrücken
solle, dafs in diesem falle schon die andere betonung be-
gonnen habe, möchte das aber eher verneinen und darin
vielmehr das zeichen eines mitteltones, d. h. eines mittel-
hohen tones sehen. Er kommt also damit auf eine dritte
betonungsstufe, auf welche zuletzt Misteli im 17. bände d.
Zeitschrift genauer eingegangen ist. Der verf. verfolgt die
Sache auf seinem eigenen wege und zieht auch die latei-
nische accentuation bei. In höchst instructiver weise er-
klärt er die bekannten griechischen accentgesetze daraus,
dafs die alten Griechen den indogermanischen wortaccent,
der ungebunden gewaltet, dahin geändert hätten, dafs nicht
am wortende mehrere unbetonte sich folgten, sondern der
ihnen angenehme tonfall hochton, mittelton, tief-
ton auf kurzer silbe herauskäme; diese änderung hätten
268 Schweizer- Sidler
sie aber nur in dem umfange vorgenommen, dafs der ur-
sprüngliche ton im allgemeinen nie auf eine frühere silbe
zurückversetzt wurde, also ein /akenoi;^ x^Xenaig bleiben
mufste. Die Aeolier gingen darin weiter, dafs sie, um
den beliebten tonfall herzustellen, auch die zurückver-
setzung des toues vom ende ausführten. Das leitet den
verf, zum lateinischen accente über. Er begründet auch
für diesen die annähme eines circumfiexes in viel rationel-
lerer weise als es bis dahin geschehen, indem er eben
auch für das lateinische einen mittelton statuiert. Darin
aber weicht das lateinische vom griechischen wesentlich
ab, dafs dieses keine unbetonte länge am ende gestattet,
jenes keine mit blofsem mitteltone bezeichnete länge. H.
setzt eine gräco- italische periode voraus, in welcher der
oben bezeichnete tonfall in keiner beziehung zur quantität
der Silben gestanden habe, diese beziehung sei dann eine
besondere Schöpfung der beiden einzelsprachen ; der mittelton
sei nun aber im griechischen auch den im satze stehenden
oxytonen zugetheilt und endlich mit dem zeichen des gravis
bezeichnet worden. Wir erlauben uns hier mit bezug auf das
lateinische nur zwei bemerkungen. Sollte auch die meinung,
dafs formen wie conficio u. a. auf eine zeit des lateini-
schen hindeuten, wo der accent noch nicht an die drei
letzten silben gebunden war, umgestofsen werden können,
so dürften denn doch die plautinischen similumus u.s.f.
unbestritten bleiben und immer noch für ein einstiges, min-
destens nicht völlig vernichtetes princip innerhalb des la-
teinischen zeugen. Aber auch abgesehen davon dürfte das
ähnliche accentuationssystem des griechischen und lateini-
schen kein zwingendes zeugnifs für eine gräco -italische
periode sein. Dafs übrigens die betonung der andern ita-
lischen dialekte mit derjenigen des lateinischen im wesent-
lichen übereinstimmte, das beweist uns, meine ich, beson-
ders die behandlung der auslautenden silben. Schliefslich
weist der verf. denjenigen gegenüber, welche eine musikalische
betonung des griechischen unwahrscheinlich finden, auf das
chinesische und die mit ihm verwandten sprachen hin.
Zürich, im juni 1872. H. Schweizer-Sidler,
anzeigen. 269
On the Natura and Designation of the Accent in Sanskrit. By W. D.
Whitney, Professor of Sanskrit and Comparative Philology in Tale
College. (From the Transactions of the American Philological Ai-
sociation, 1869—1870.)
Herr prof. Whitney ist allen, die sich mit sanskrit
und vergleichender Sprachforschung beschäftigen, längst so
vortheilhaft bekannt, dafs wir jedesmal, wenn er eine grö-
fsere oder kleinere arbeit veröffentlicht, zum voraus ver-
sichert sein können, sie enthalte die ergebnisse gediegener
und scharfsinniger Untersuchungen oder treffende urtheile.
Vorliegender aufsatz ist eine frucht von Whitneys umfassen»
den Studien Qber den sanskrit-accent; er behandelt im an-
schlusse an herrn prof. Hadleys abhandlung über den griech.
accent das allgemeine wesen des sanskrit -accentes, dessen
bezeichnungsweise und das verhältnifs der theorie der na-
tionalgrammatiker zu derselben. Es möchte manchem leser
dieser Zeitschrift schon angenehm sein eine schrift kennen
zu lernen, welche in klarer spräche die bisherigen resul-
tate der forschungen über wesen und bezeichnung des
sanskrit-accentes darlegt; der kurze aufsatz bietet aber
viel mehr: er läfst uns klarer in den Zusammenhang des
sanskritischen Systems mit dem griechischen hineinsehen
und deckt in schneidender kritik eine blöfse in der theorie
der indischen nationalgrammatiker auf. Nach dem jetzigen
zwecke läfst sich allerdings der verf. nicht ein auf die
entsprechungen und Verschiedenheiten des sanskrit und
griechischen mit bezug auf die accentuation der einzelnen
wortformen und verweist dafür auf Bopps accentua-
tionssystem, ein werk, welches, obgleich oft verkehrt
in Sachen der theorie, doch höchst empfehlenswerth sei
als klare und zusammenfassende darstellung des faktischen,
worüber es handle. — Das sanskritwort für accent (svara)
heifst nichts anderes als ton, wird demnach häufiger für
vocal gebraucht und bezeichnet auch die musikali-
schen töne der tonleiter. Der umstand, dafs in die-
sem ausdrucke keinerlei beziehung auf stärke des tones
liegt und dafs er auch von der musikalischen tonstufe ge-
braucht wird, spricht sehr für einen musikalischen ac-
270 SchweiMr-Sidler
Cent. DafQr sprechen ferner die namen udätta(ft&r acu-
tus), gehoben, und anudätta (für gravis), nicht geho-
ben. Dem widerspricht jedenfalls nicht der name svarita
(der selbständige svarita eine art circumflez, bedeute
er nun ,,nut beiden tönen versehen^ oder >)ganz besonders
mit ton versehen^). Herr Wh. betrachtet nach Aen allge-
meinen bestimmungen die fölle, in welchen der unabhän-
gige circumflex (svarita) im sanskrit steht oder erzeugt
wird; die fälle sind den griechischen insofern gleich, als
auch hier ein hochbetonter vocaltheil mit einem minder
betonten zusammentrifft, insofern nur ähnlich, als mit dem
svarita hier vorzüglich unechte diphthonge (ya, va) be-
tont werden. Im verhältnifs zum griechischen ist der cir-
cumflex ( svarita j im sanskrit um vieles seltener. Um so
auffallender ist es nun, dafs daneben ein sehr häufiger
enklitischer svarita nach der hochbetonten silbe be-
stehen soll, und das führt herrn Wh. auf den gedanken,
dafs hier ein zeichen mit doppelter bedeutung vorliege,
dafs der enklitische svarita den mittelton oder mittel-
hohen ton anzudeuten habe; er rügt es aber an Misteli
und Ascoli mit recht, dafs sie die beiden svarita ihrer-
seits nicht auseinander gehalten haben, wie die indischen
grammatiker in anderer weise sie zusammenwarfen*). Nach*
dem der verf. die hauptzüge des sanskritischen accentsy-
Sterns zusammengestellt hat, behandelt er in sehr instmcti-
ver weise die offenbar symbolische accentbezeichnung
des sanskrit und belegt dieselbe mit passenden beispielen.
Es ergibt sich, dafs zwei classen von silben in den ac-
centuierten texten unbezeichnet bleiben: 1) diejenigen,
welche eigentlich hochbetonte oder udätta sind; 2) solche,
die eigentlich tieftonig oder anudätta sind, welche aber
weder, indem sie einem acute folgen, einen enklitischen
svarita erhalten, noch mit dem zeichen des gravis (anud-
ätta) versehen sind, weil sie einem acute (udätta) oder
svarita (circumflexe) vorausgehen. Es existiert nun
ein auffallender und verwirrender zusatz zu der indischen
*) Vgl. dazu die bemerkang«n Misteiis oben s. 16 ff. Anm. d. red.
anzeigen. 271
accenttheorie, welcher diese zwei classen der nicht bezeich-
neten silben rficksicbtiich des tones identificiert, ein Zu-
satz, der consequent auch zu einer ganz schiefen aufTas-
8ung des circumflexes fähren mufste. Diesen zusatz, nach
welchem eine reihe eigentlich unbetonter silben (ein pra-
kaya) den prakayasvara, d. i. häufungston, reihenweise
vorkommenden udätta erhalten sollen, sucht Wh. als
reine grammatikerklögelei nachzuweisen, eine klögelei, wel-
che aus der sucht nach gleichmacherei entsprungen ist,
die aber in der heutigen Schulpraxis so grofsen erfolg er-
rungen hat, dafs sie die kraft des alten hauptaccentes, des
udätta, völlig aufhebt. Aber wie kamen die indischen
grammatiker zu dieser eigenthömlichen theorie? Sie setzt,
so meint Wh. gegen M. Muller, die accentuierten texte
voraus, ist also erst nach ihnen entstanden und hat, was
ungeschickte bequemlichkeit war, das nichtsetzen von zei-
chen innerhalb von Sätzen mifsdeutetl Wir hätten dem-
nach die Sache so zu fassen, dafs die Überlieferung der-
jenigen theorie, auf welche sich die sanskritbezeichnung
des accentes stützt, für uns verloren gegangen und uns
nur eine secundäre, welcher umgekehrt die zeichen zu
gründe liegen, erhalten sei. Jedesfalls, wenn von einem
etwaigen mitteltone des praKaya die rede sein sollte, wo-
gegen die silbe unmittelbar vor dem udätta zur völligen
tonlosigkeit herabsinken mufste, eine anschauung, welche,
denken wir, sprachlich begründet werden könnte, wäre
einmal auffallend, dafs die einen satz beginnenden nicht
mit udätta gehobenen silben, so viele ihrer sind, mit dem
zeichen der tonlosigkeit versehen wurden; es wäre auffal-
lend, dafs die scrupulosen grammatiker diesen mittelton
nicht scharf vom udätta unterschieden hätten, im gegen-
theile sich sogar getrieben fanden die erste hälfte des sva-
rita über den udätta zu erheben und die zweite nicht un-
ter den udätta herabsinken zu lassen; es wäre endlich die
heutige recitation gar nicht zu erklären.
Zum Schlüsse erwähnt Wh. noch des sogenannten
kampa.
Zusatz. In der Zeitschrift der American Oriental So-
272 Scbweizer-Sidler
ciety (Proceedinge at Boston, May 17*^, 1871) finden wir
von herrn prof. Whitney eine besprecbung (examination)
von prof. Haugs ansichten über den sanskrit-accent, welcher
in einer vor der Münchener akademie gehaltenen Vorle-
sung*) zu der unseligen ansieht gekommen ist, dafs wir
vom Sanskrit -accente nichts rechtes wissen, eine ansieht,
die natürlich Wh. aufs eindringlichste bekämpft.
Zürich, im juni 1872. H. Schweizer-Sidler.
M^moires de la Soci^te de Linguistique de Paris. Tome premieri 4* fayci-
cule. Paris 1871.
Mit diesem hefte, dessen Inhalt wir kurz zu bespre-
chen gedenken, ist der erste band einer von echt wissen-
schaftlichem geiste getragenen neuen Zeitschrift der Societe
de Linguistique abgeschlossen. Wir hoffen, dafs dieser
band nicht der letzte zugle^ich sein werde, vielmehr recht
bald ein neues lieft öffentlich von der thätigkeit der wackern
gesellschaft weitere beweise bieten werde.
Im vorliegenden hefte ^finden sich zwei gröfsere ar-
beiten, die eine von Mowat „Les noms familiers chez les
Romains", die andere von Gaston Paris „Le Petit Poncet*
(Däumling). Der erstere aufsatz bietet uns eine grammatik
der römischen eigennamen, in welcher zuerst die sufSxe
(dimiuutivsuffixe), dann die wurzeln einläfslicb behandelt
werden. Wenn auch im einzelnen, wie der verf. selbst
ausspricht, manches als falsch, vieles als zweifelhaft erwie-
sen werden sollte, so hat jedesfalls diese Studie das ver-
dienst, etwas recht charakteristisches in der römischen na-
menbildung herausgehoben und vielfach begründet zu ha-
ben. Wir gestatten uns nur auf einiges wenige einzu-
treten. Ueber die suffixe mit -1- besitzen wir eine beson-
*) „Ueber das wesen und den werth des wedischen accents*', damsli
nur in einem auszuge vorliegend ^Trilbner's American and Oriental Lito-
rary Record, Vol. VI, p. 93 sqq.), jetzt gedruckt in den sitzungsber. der
philosoph.-pbilologischen und historischen classe der k. bayerischen akademie
der wiss. zu München 1871, 8. 239 ff. Anm. d. red.
anzeigen. 273
dere abhandlung von Curtius vom jähre 1870, welche mit
der diesem forscher eigenthQmlichen Sauberkeit ausgeführt
ist. Für das etruskische aber hätte der verf. besonders
auf eine abhandlung von prof. Elia Lattes in Mailand
hinweisen können. Wir erwähnen diese arbeit, der seit-
dem mehrere andere aufsätze desselben verf. über densel-
ben gegenständ folgten, wiederholt und absichtlich, weil
es die gerech tigkeit fordert, dafs wir das verdienst des
scharfsinnigen jungen gelehrten, der unsers wissens zuerst
methodisch nachgewiesen hat, dafs das etruskische eine
indogern^anische italische spräche sei, öffentlich aner-
kennen. Gewifs kann das sufßx -ins diminutiven sinn
haben; dafs dieser aber incontestablement in den Wörtern
vlog und filius liege, wird schwer zu erweisen sein. Die
deutung der namen auf -edius, -idius etc. ist allerdings
nicht leicht, aber gerade darum hätte es sich der mühe
gelohnt sich genau umzusehen, was für deren erklärung
seit Hübners gediegener erstlingsschrift von deutschen for-
schem geschehen ist. Es mufs nach dem charakter der
übrigen arbeiten in dieser Zeitschrift auffallen, dafs die
begründer eines tiefern Verständnisses des umbrischen, Auf-
recht und Eirchhoff, dann Corssen, Curtius u. a. hier gar
nicht genannt werden. Ein bemerkenswerther zufall ist
es, dafs schliefslich des verf. ansieht dieselbe ist als die
von Curtius, nur dafs er auf einem viel weniger methodi-
schen wege als dieser dazu gelangt ist. Etwas verwun-
derlich ist's, wenn der verf. unter die diminutivsuf&xe
auch -erco- rechnet und Lupercus als ebenso von lupo-
abgeleitet hinstellt, wie noverca von nova. Vergleicht
man vitricus und bedenkt man den begriff von novus
(skr. navijas, navjas, navja, gotb. niujis), so wird
man in noverca einen comparativbegriff kaum verkennen
können; in Lupercus aber die alte ableitung zurückzu-
weisen, sehen wir keinen grund. S. 316 werden unsere
diminutivsuf&xe wieder um ein -c-nus vermehrt, welches
auch in benignus, malignus, privignus wirksam sein
soll. Dieses nur sehr weniges von dem, was hier zu sa-
gen wäre. Der zweite genannte gröfsere aufsatz enthält
Zeitschr. f. rgl. spraohf. ZZI. 8. lg
274 Schweizer- Sidler
eine gründlich und fein geführte Untersuchung über die
däumlingssagen, das verhältnifs des däumlings zu dem Sie-
bengestirne und seine analogien mit dem griechischen Her-
mes. Unter den kleinern arbeiten ist die erste von Baa-
dry, der Kuhns Zusammenstellung von Ugofifj&svg mit dem
skr. pramantha von Seiten der spräche weiter zu be-
gründen versucht. Die geringste Schwierigkeit bietet das
1] in TJQOfir^&Evg. J. Schmidt hat solche länge in seinem
buche ^zur geschichte des indogermanischen vokalismus^
hinreichend begründet. Bailly erklärt das ei- von etlrjfpa
u. s. f. aus eX'Xticpa ^ Mlrjcpa u. s. f. ^), die ei von sifiag^
lAai und von eigfjxa aus f^fifi fQr itffis. und k^p, für k^g.
Wir werden uns mit dieser ansieht einverstanden erklären
können, ohne deswegen die hier gebilligte theorie yon
Meunier, £ ^ in cp&HQw u. a. sei ebenfalls aus 6 mit qq^ Xk
u. s. f. hervorgegangen, gutzuheifsen. Vergl. Curtius, gr.
etym.^ s. 634. Jubainville spricht über den stamm VECHA
in der fränkischen spräche der Merowinger. Der verf.
kommt schliefslich durch eine recht gründliche Untersu-
chung zu keinem sichern resultat darüber, ob dieser
stamm mit wie, wig „kämpf" oder mit veih(a) „heiligt
zusammenfalle. Das hat er nicht erwiesen, dafs CH in
VECHA der lautverschiebung entgangen sei und auf ein
skr. gh leite, also auch nicht, dafs hier die wurzel vah
mit Übergang in die i-conjugation zu gründe liege. Mit
diesem Übergang hat es überhaupt eine eigene bewandtnifs,
wie J. Schmidt gezeigt hat. Wir setzen für got. veihan
ein indogerm. vik voraus. Nach einer abhandlung von
Brächet „verzeichnifs der doppelformen des französischen^,
einem Supplemente zu dessen Dictionnaire des Doublets,
folgen unter dem titel Varietes kürzere artikel von Bröal,
Meunier, Baudry, Siegfried Goldschmidt, Jubainville, Brä-
chet, Fournier und endlich ein genauer index zum ersten
"') So im wesentlichen schon Pott et. forsch. U^, 888 f. und nach flini
Brugmann in Curtius stud. lY, 102. 124; Siegismund ebend. V, 211. DI«
gleiche erklärung wird mit diesen dreien auch für itfia^fia^ sa *fftuaQiMUt
*fiifiaQfAai. vorzuziehen sein, da abfall von a nicht sicher erwiesen igt.
Anm. d. red.
anzeigen. ^75
bände dieser denkschriften. Breal weist das vorkommen
eines schon von Fick erschlossenen adv. ani aus dem
skr. subst. anlka „antlitz" u. s. f. nach. Derselbe verf. be-
spricht dann das verbiim claudo, welches er als aus
clavi videre „mit dem Schlüssel abscheiden** erklärt. Das
hier erscheinende videre setzt er gleich mit videre in
di-videre, dem vedischen vidh (vindhdte, leer werden),
wofür auch das perfectum auf -si entscheide. Das deut-
sche sliuzu sei ein fremd wort, d. h. es sei aus exclu-
dere, scludere entstanden; ein grund dagegen liege in
der starken conjugation ebenso wenig vor als in schri-
ben u.a. Beginnen wir mit dem letzten, so steht aller-
dings der scharfsinnigen annähme des verf. die starke con-
jugation nicht absolut entgegen ; der umstand, dafa im got.
lükan, im ahd. piliuhhu denselben begriff anders aus-
drücken, scheint sie zu begünstigen, und doch ist ein häk-
chen da, nämlich die volle laut Verschiebung, die nach
Wackernagel (umdeutschung s. 10) in einem fremd worte
als unmöglich erscheint. Was claudo betrifft, so dürfte
man etwa sagen, dafs „schlufs machen" ein recht geeig-
neter ausdruck für „schliefsen ist, dafs das aus dha ent-
standene wurzeldeterminativ i9", d oder neue verbalstämme
bildendes &{co)^ ^i^) i^icht bestritten werden kann, dafs
wohl vidh und di-videre im lateinischen selbst nichts
anderes als Zusammensetzungen mit wz. dha, da sind. —
Meunier erklärt lat. caballus aus xaßdk^rjg und deutet
dieses selbst als ' Zusammensetzung aus xa-ßcclh^g = xa-
raßdlXfjg „kurzbeinig**. In der erklärung von perperam
stimmt M. im wesentlichen mit Curtius überein. Daran
ist wohl nicht zu zweifeln, dafs perperam wie cor am
ein acc. sing. fem. ist. Viel problematischer ist Meuniers
erklärung von pejor, pessimus aus demselben stamme
para „der andere**. Ganz in derselben weise wie Corssen
in den kritischen nachtragen s. 136 f. deutet M. das ad-
jeetivum reciprocus aus reco-proco-; er läfst dann
aber mit gutem rechte auch recuperare aus reco-pa-
rare entstehen. Und man kann herrn M. das recht nicht
bestreiten, auch proximus auf proco- zurückzuführen.
18*
276 Schweizer-Sidler
Baudry fafst sin in eingultus ^Is sam (wie in eincerus
u. s. f.) und galt US als Substantivbildung von wz. gar,
gal „verschlingen, schlucken^. Goldschmidt hat die gleicb-
heit von altbulg. chroniü, claudus, mit skr. sräma er-
wiesen und dadurch die beispiele, in denen slaw. eh indo-
german. s entspricht, um eines vermehrt. Das vedische
juväku erklärt G. sehr scharfsinnig und, wie es scheint,
durchaus richtig als aus einem gen. du. juvakam entstan-
den; es sei dann später dieses als neutrum eines u-stam-
mes angesehen und als solches flectiert worden*). — Ju-
bainville weist die behauptung Corssens, dafs die romani-
schen sprachen einem lat. au, ö, ü gegenüber niemals a
zeigen, als zu ausschliefslich zurück. Er führt das italie-
nische, spanische, portugiesische agosto, das franz. aoüt
(armor. eost, eostik), das ital. malagurio, das spap.
aguero^ das portugies. agouro, das provenpal. aür^ das
franz. (alt maleur) malheur, endlich das ital. ascoU
tare, altspan. ascuchar, das firanz. öcouter dagegen auf.
Nach zwei kleinern aufsätzen von Jubainville und Brächet
über consonantisches i und j im französischen und über
die frage, unter welchen bedingungen die lateinischen vo-
kale e, i in den romanischen sprachen zu a werdeo, schliefst
Fournier mit einer Untersuchung über die etymologie des
Wortes orange das hefb ab. Er erklärt orange als nfi-
garanga, dieses als rouge comme du minium (?).
H. Schweizer-Sidler.
Die deutschen pronomina und zahlwdrter, historiscb dargestellt von dr.
H. B. Rumpelt. Leipzig 1870.
Diese arbeit des namentlich um die Verbreitung und
erläuterung der so wichtigen neuem lautphysiologischen
forschungen verdienten Verfassers soll nach dem Vorworte
eine möglichst klare darstellung von der historischen emt^
*) Vergl. die deutsche ttbersetzung dieser beiden miecellen in den Bei-
trägen z. vergl. sprachf. VII, s. 262 f. Anm. d. red.
«nzeigvn. 277
Wickelung und Verwandtschaft der deutschen pronomina
und Zahlwörter geben. Das büchlein ist f&r die zahlrei-
chen freunde der Sprachwissenschaft überhaupt bestimmt,
denen es nicht immer möglich ist^das gesammte material
der hier einschlägigen forschungen zu benutzen und die
gleichwohl an den ergebnissen dieser arbeiten ein lebhaf-
tes interesse nehmen.
Ob gerade zu diesem zwecke der gegenständ passend
gewählt sei und nicht z. b. die conjugation mit mehr recht
daflQr erkoren worden wäre, wollen wir hier nicht genauer
untersuchen. Die darstellung ist, wie wir es von herm
Rumpelt gewohnt sind, übersichtlich und klar, zuweilen
nur zu sehr in die breite gehend. Fragen wir nach dem
Standpunkte des Verfassers, so ist er wesentlich der von
Bopp und J. Grimm. Wie irgend einer, verehren auch
wir diese bahnbrechenden männer und unsre grofsen leh-
rer; aber was seit ihren umfassenden Schöpfungen im ein-
zelnen richtigeres gefunden worden ist, dürfen wir nicht un-
beachtet lassen, was sich aber durch neuere forschung als
unwahrscheinliche hypothese erwiesen hat, nicht mehr als
sichere erklärung aufitkhren. Es sind in unserer schrift
Ascolis, Corssens, Curtius% Kuhns, Scherers, Schleichers
und anderer männer forschungen viel zu wenig berücksich-
tigt worden. Es durfte herr R. kaum noch ohne weitere
bemerkung S.4 got. -nsa-, -zva-, -gka-, -gqa-, -mma-,
-s-, sämmtlich als aus sma entstanden, hinstellen. Und
wie konnte er, der doch gewifs die gotischen auslautsge-
setze und die wandelung der gotischen vocale kennt, s. 6
meina (mer) als durch Schwächung aus skr. mama ent-
standen erklären? Schleicher und Scherer können den
richtigen weg weisen. So hätte Schleicher auch über prä-
kritisches s6 und über zendisches h6(s. 12), Corssen über
lateinisches sie den rechten aufschlufs gegeben; und ipse
durfte heute wahrhaftig nicht mehr als aus ispe entstan-
den hingestellt werden. Das gotische svalauds ist so
dunkel nicht mehr, und in svaleiks, das jüngst J. Schmidt
trefflich erklärt hat, mag ein noch etwas allgemeinerer
begriff liegen. Für den stamm j a konnte wohl der verf.
278 Schweizer-Sidler
die treffliche arbeit von Windiscb noch nicht benutzen,
aber daran, dafs lat. eum einfach einem sanskritischen
jam gleichzusetzen sei, hätten ihn Corssens Untersuchun-
gen zweifeln machen sollen. Der wegfall von Sexion im
pron. poss. (s. 27) hat doch wohl in diesem keinen andern
grund als bei den adjectiven überhaupt, d. h. im auslauts-
gesetze und nachheriger Übertragung. Dafs dasskr. kva,
wo, wirklich in ku + a zu zerlegen sei, zeigt uns schon
der accent kvä d. h. kü-ä. Der leser wird ohne eine
kurze Weisung kaum verstehen, wie xo in no-^ ki (ki) in
Ti^g übergehen konnte (s. 32). Von einem unorgani-
schen n durfte bei griechischem ri^g kaum gesprochen
werden; im zendischen ki-ne-m scheint der vollere pro-
nominalstamm enthalten, der hier mit n- in Zusammen-
setzung getreten ist. Und ist denn wirklich der Übergang
von qu, c in p in quispiam so vollständig erwiesen,
dafs er in einem buche mit solchem zweck ohne . weiteres
aufgestellt werden durfte? Entschieden falsch ist die hier
mitgetheilte ansieht über die bildung von quoius and
cui, alt quoiei. Unrichtig ist auch die vergleichung
oder gleichsetzung des lateinischen suf&xes -quam mit
skr. ka-na; unrichtig ist die meinung, dafs lat. qui ao8
quis nur mit abwerfung von s entstanden sei. Aber
wir halten ein; mufsten wir doch nur unsern satz erwei-
sen , dafs der Standpunkt des herrn verf. auf diesem ge-
biete nicht der seit Bopp und Grimm im einzelnen viel-
fach fortgeschrittenen Sprachwissenschaft entspreche, und
wollten nicht überhaupt eine arbeit schlecht machen, welche
mit unverkennbarem fleifse angefertigt ist und eine gute
Zusammenstellung des Stoffes enthält.
Zürich, im juli 1872. H. Schweizer-Sidler.
Wir erlauben uns die leser auf folgende arbeiten des
prof. Elia Lattes in Mailand aufmerksam zu machen:
1) Osservazioni sopra alcune iscrizioni Etrasche (Memoria d^lpr^f
Elia Lattes, s. corresp. del R. I. Lombardo ; 9. die. 1Q09); %)\
anzeigen. 279
oet., lette nell' adonanza del 9. noTembre 1871 del R. I. Lomb. di scienze
e lettere; 8) Oss. intorno alle epigrafi Etrusche Fiorentine del tipo dell'
nndecima bilingue, lette nell' ad. del 28. die. 1871; 4) Intorno alle
ep. E. (Fabr. 884 — 897) del t dell nndec. b., e intorno ad altre uni-
lingni, comprese fra' ntuneri (Fabr. 78 — 281); oss., lette neir adunanza
del 25. gennajo 1872; 5) Intorno ai tipi delle epigrafi Latine dell
Etnuria, confrontati con quelli delle epigrafi Etnuche; osserv. presentate
nell ad. del 21. marzo 1872; 6) Intorno alle unilingui Etmsche Fabretti
402 — 462 ter del tipo dell' nndecima bil. ed intorno alle varietk di quel
tipo; 088. pres. n. a. del 21. m. 1872.
Wir begnügen uns hier mit einem allgemeinen urtheile
über diese aufsätze, ohne in die einzelergebnisse, welche
wir dem weitaus gröfsern theile nach für durchaus sicher
halten, einzutreten. Das allgemeine auch uns unzweifel-
hafte resultat dieser Untersuchungen ist, dafs das etruski-
sche ein indogermanisches und zwar ein italisches idiom
sei, und dafs diese inschriften wesentlich eigennamen und
sehr viele weibliche eigennamen enthalten. Dieselben wer-
fen eine reiche ernte fdr italische Wortbildung und decli-
nation, für namengebung und namenordnung ab und sind
för italische lautgeschichte und palaeographie von der
höchsten bedeutung. Wir erfahren, dafs unser rüstiger
Corssen ähnliche ergebnisse erzielt habe und dieselben
nächstens in ausführlichster weise entwickeln werde. Aber
einmal ist es überhaupt von der gerechtigkeit gefordert,
dafs Lattes frühere publicationen ihre Würdigung finden,
und wir wundern uns, dafs gerade die Italiener ihrem
landsmanne nicht die ihm voll gebührende ehre ertheilen;
andrerseits werden Lattes forschungeu durch ihre methode
einen bleibenden werth behalten. In ähnlicher weise, wie
sein berühmter College Ascoli, beginnt Lattes mit scharfer
analjse einzelner inschriften und schreitet dann zur ana-
lyse von einzelnen arten derselben vor. Schritt für schritt
können wir sein finden verfolgen. Da und dort sind in
den anmerkungen grammatische und historische fragen zu-
sammenfassend behandelt. Mit solcher Sicherheit konnte
nur der forscher vorgehen, dem das material in der gan-
zen fülle vorlag, dem, wie unserm Verfasser, ein von ihm
selbst genau zusammengestelltes und kritisch gesichtetes
280 Leakien
etmskiscbes onomasticon xn geböte stand. Wir dfirfen
uns nicht wundern, wenn ein solcher gelehrter, der seinen
gegenständ mit voller klarheit umfafste, von den mancher-
lei grillen und verstöfsen der auf demselben gebiete thäti-
gen männer eigenthümlich berührt wurde und dann und
wann seinen Unwillen durchblicken läfst; nie isi aber seine
HQig ins gemeine verfallen, und überall spricht er treuer
arbeit und gelungenem daneben seine volle anerken-
nung aus.
Zürich, im august 1872. H. Schweizer-Sidler.
Miklosich, Fr. Die slavischen elemente im neugriecbiscben. Wien
1870. 8. 38 8. (Besonderer abdraok aas den Sitzungsberichten der
pbil.-hist. cl. der kaiserl. akad. der wissenscbaften. Jahrg. 1869. Dec,
LXIII bd. 3. 529).
^Die vorliegende abhandlung soll die frage beantwor^
ten: welche anhaltspunkte gewährt die neugriechische
Sprache für die behauptung vom slavischen Ursprünge der
heutigen Griechen?^ Die antwort lautet, auch in Miklosichs
eigenen werten: „dafs aus der neugriechischen spräche al-
lein, also abgesehen von den historischen Zeugnissen und
den Ortsnamen, die slavische nationalität der heutigen Grie-
chen sich nicht beweisen läfst ^. Das verzeichnifs enthAlt
129 Worte, eine verhältnifsmäfsig kleine zahl, deren bedea-
tung noch dadurch vermindert wird, dafs ihrer viele auch
durch vermittelung des albanesisehen und türkischen erst
ins neugriechische eingedrungen sein können. Der slavi-
sche einfiufs auf diese spräche steht nach Miklodcb (s. 5)
erst an vierter stelle, während der des albaBeeischeii die
erste, des romanischen und türkischen die zweite und dritte
stelle einnehmen. Auf die flexion des n^i^^riechischea lud
das slavische gar keinen einflnfs gehabt; von syntakti-
schen erscheinungen hat Falhnerayer den ii»atige{ dee in*
finitivs auf slavische einwirkung zurückzuftlhrei» venhichi.
Miklosich nimmst dagegen ao, dafs sowohl das sldtiJBober
(d. h. zunächst das balgariscbe, das deo infiaithr meiii
mehr braucht) wie dae griechische die otnschreibang der
iofinitivcoDStructioneD (griech. mit i/a, slav. mit da und
dem verb. fin.) und den verlast der alten infinitivformen
dem albanesischen verdanken, das diese form nicht kennt.
So sehr das auch möglich ist, würde es mir doch als er-
wiesen nur erscheinen, wenn eine geschichte des allmäh-
lichen Verlustes der infinitivform in beiden sprachen eine
einwirkung des albanesischen deutlich ergäbe. Es dürfte
kaum möglich sein, eine solche zu geben, und es bleibt
daher immer die vermuthung offen, dafs die betreffenden
sprachen in dieser erscheinung nicht von einander abhän-
gig seien. Miklosich führt selbst ein griechisches beispiel
der Umschreibung aus dem 13. Jahrhundert an, und mufs
daher annehmen, „dafs schon vor der Überschwemmung
Morea's durch albanische ansiedier ein einflufs des albani-
schen auf das griechische stattgefunden hat, da die ent-
sprechende construction älter ist als die ein Wanderung der
Albanesen in Morea'^. Miklosich führt zur stütze seiner
ansieht, dafs auch das bulgarische die Umschreibung des
infinitivs dem albanesischen entlehnt habe, die andre Über-
einstimmung dieser beiden sprachen, die sufBgierung des
artikels, an. Allein in einer späteren abhandlung (Tro-
janska pri^a. Agram 1871) s. 6 erklärt derselbe, dafs der
Verlust der casusformen im neubulgarischen sich aus den
auslautsgesetzen dieser spräche vollkommen begreifen lasse,
ohne die annähme albanesischen emflusses. Ferner ist es
bekannt, dafs die neigung zur anfügung des bestimmten
artikels hinter das nomen auch andere slavische volksdia-
lekte theilen. Indessen, wie dem auch sei, insofern behält
Miklosich recht, dafs wenn der verlust des infinitivs im
griechischen durch fremde einwirkung herbeigeführt ist,
dabei viel wahrscheinlicher an das »Ibanesiscbe als an das
slavische zu denken ist. In der stammbildang endHeb
leitet das häufige deminutivsufSx -irCct zur annähme slavr-
schen Ursprunges. Allein auch hier bleibt die möglichkeit
der entstehung aus griech. -/(Txy;, dafßr spricht wenigstens
sehr, dafs das von slavischen dementen unbeeinflufste grie-
chisch in Italien formen wie yacpigir^i (ponticulus), Ttogi-
282 Leskien, anxeigen.
T^iov (parvus bortus) hat, wo unverkennbar -laxiov zu
gründe liegt. Miklosicb zweifelt, ob man den Übergang
von ax in r^ zu denken bat als ax — x<X — tot (rf) oder
ax — Cr — T<s (r0. Da es sieb bier um die Stellung vor
palatalem vocal (i) bandelt, vermutbe ich, daüs aus axi
zunächst arat wurde (wie x sonst vor i zu rcr, tC wird),
diese lautgruppe aber erleichtert wurde durch abwerfen
des ersten a. Es wäre das der umgekehrte fall wie im
sla vischen, wo bekanntlich mit sc vor i, £ auch st wech-
selt (ölovßöisce und cloveciste loc. sing, von 61ov8-
cisku menschlich); sc ist = sts, von welcher lautgruppe
das letzte s abgeworfen wird.
Man mufs gesteben, dafs der einflufs des sla vischen
auf das neugriechische nach dem von Miklosicb angef&hr^
ten sehr gering gewesen ist. Wollte man sich berufen auf
den mannigfachen secundären lautwandel im neugriechi-
schen (Übergang der gutturale in dentale oder palatale
doppellaute u. a.), die slavischen vergangen analog sind, so
ist zu bemerken, dafs sich hier slavischer einflufs wenig-
stens nicht nachweisen läfst und die bier waltenden ge-
setze vielen sprachen gemeinsam sind.
Das verzeichnifs der betreffenden werte wird noch
werth voller durch die angäbe, ob und in welcher form
dieselben im albanesischen und türkischen vorkommen. Es
gewinnt dabei auch zuweilen die erklärung albanesischer
werte; es sei hier nur eins angefahrt: im alban. verbum
nsQTÖax (bespringen) hat man die praep. neg gesucht, ver-
gleicht man aber bulg. pure (caper), serb. pro (caper),
pröiti se (coitum appetere), so fSlUt diese vermuthung
weg. Die von Miklosicb mit angeführten früheren etymo-
logisierungen der slavischen fremdworte des griechischen
geben zum theil ergötzliche beispiele etymologischen nn-
sinns. Ableitungen der art, wie Qaya^iov (das slav. rogos
binse, röhr) vom ital. ragazzo (knabe) finden sich häufig.
A. Leskien.
Schmidt, got. Top^ja. 283
Gotisch vopija ich rufe.
Scherer zur gescb. d. deutschen spr. 179 f. hat, um die
imperative der verba auf -ja-n mit dem auslautsgesetze in
einklang zu bringen, angenommen, ehe das gesetz in Wirk-
samkeit getreten, haben die imperative ^sandija, *na-
sija gelautet, dann regelrecht ihr a verloren und ij, d. h.
ii, in I, d.h. graphisch ei, zusammengezogen: nasei*).
Diese annähme wird zur gewifsheit erhoben durch das
dem got. vopjan entlehnte abulg. vupiti ßoäv^ x^d^eiv.
Nach dem infinit! ve hätte man im praesens zu erwarten
1.8g. *vuplj^, 2. *vüpiSi u. s. f. wie von kropiti be-
sprengen kroplj^, kropiäi, und so heifst es im russi-
schen wirklich 1. voplju, 2. vopisi u. s.w., im altbulga-
rischen aber flectiert es vijpij^, vüpijeäi, d. h. wie ein
primäres verbum nach der indischen IV. cl. z. b. bi-j^,
bi-je-Si u. 8. f. Diese flexion ist aber aus der slawischen
grammatik heraus schlechterdings uuerklärbar, denn es ist
erstens nicht sehr wahrscheinlich, dafs ein lehnwort wie
ein primäres verbum flectiert worden sei, wäre dies aber
geschehen, was ja immerhin möglich ist (vergl. deutsch
schreibe, schrib), so ist zweitens nicht zu erklären, wie
das flexivische dement der fremden spräche zur wurzel
geschlagen, und so eine zweisilbige wurzel vüpi, wie Mi-
klosich vergl. gr. III, s. 124 annimmt, die einzige in der
ganzen spräche, gebildet werden konnte. Ich sehe nur
einen weg diese Schwierigkeiten befriedigend zu lösen,
nämlich die annähme, dafs der Slawe auch die flexion des
verbums aus dem gotischen hertlbergenommen hat. Er
hörte got. 1. vopija oder vopijäm und gestaltete dies
zu vijpij§, was um so leichter geschehen konnte, als die
personalendungen im praes. sing. plur. beider sprachen ein-
*) Scherer 118 f. erklärt die Doroinative der ja- stamme hairdeis,
harjis obigem analog aus voraufgehenden hairdij(a)8; harij(a)8, dies
i^ird zur gewifsheit erhoben durch das von Scherer vergessene fr eis, dessen
entstehung aus *frijas durch die casus obliqui, z. b. frijana, erwiesen
wird. Die angesetzten nominative wie ^hairdijas finden ein strictes ana-
logen in litauisch galv^jis hanpt vieh (zu galvä wie *hairdijas zu
hairda).
284 Schmidt
ander noch so ähnlich waren. Zur Übersicht setze ich hier
neben einander in erster columne die gotischen formen vor
Wirkung des auslautsgesetzes, in zweiter dieselben nach
Wirkung desselben, aber vor Vereinfachung des ij zn j,
resp. iji zu I (ei), welche nach ausweis der imperative
nasei u. s. f. erst nach Wirkung des auslautsgesetzes ein-
getreten ist, in dritter die altbulgarischen:
vopijäm vopija vüpij^
vopijesi vopijis vüpijeäi
vopijeti vopijith vüpijeti
vopijamas*) vopijam vüpijemü
vopijete vopijith vüpijete
vopijanti vopijand vupij^ti
Zur rechtfertigung des vor den endungen der 2. 3. sing.,
2. pl. angesetzten e als Vorläufer des gotischen i verweise
ich auf das im slawischen und griechischen in denselben
personen erscheinende, also für die europäische grund-
sprache anzunehmende e. Fand die entlehnung statt vor
Wirkung des auslautsgesetzes, so konnten die gotischen
formen, da wir für eine so alte zeit auch im slawischen
noch vollere personalendungen annehmen müssen, fast un-
verändert bleiben um als slawische zu gelten, aber auch
auf zweiter stufe nach wirkung des auslautsgesetzes be-
durfte es keiner erbeblichen Umgestaltungen, um ihnen sla-
wisches gewand zu geben. War dies aber geschehen, so
konnte das slawische Sprachgefühl nach allen ihm zu ge-
böte stehenden analogien aus vüpij§ mehr eine zweisil-
bige ut ita dicam wurzel abstrahieren und der bildung der
übrigen tempora, inf. , participien u. s. f., für welche das
gotische keinen anhält geben konnte, zu gründe legen.
Es bleibt noch das i in vupij§ zu erklären. loh
habe nachgewiesen, dafs sämmtliche altbulgarische i (h)
einmal lang gewesen sind (zur gesch. d. indog. vocalismus
I, 12 f.), kurzem i aber im altbulgarischen durch i vertreten
wird. Da nun das i in got. vopija- zweifellos kurz war.
*) Daraus entstand vopjam wie aus ^vulfa-mas ss abulg. ylü-
ko-mü got. vulfam.
got vopya. 285
kann ihm nur ein abulg. vupTja- direct entsprechen und
dies ist belegt durch vupijetü glag. Cloz. 349. 687, vu-
pijade cod. Supr. 363, 20. Nun spaltet sich j hinter ü, i
mit Vorliebe in ij, d. h. der ihm inwohnende stimmten
wird zum selbständigen vocal und fliefst dann mit dem
vorhergehenden ü , i zusammen, so wird z. b. im nom. sg.
der zusammengesetzten adj.-decl. aus bla^enü+ji zu-
nächst bla^enüji (BAAaseN'Lii); solche formen sind zahlreich
belegt s. Mikl. vgl. gr. III, 8.79, Jagid Assem. ev. uvod str.
XXXI. Indem sich das j in ij spaltete, entstand bla-
zenüiji, d. i. blazenyji (BXAaseNiJH) und gerade so aus
doblji-ji (aobalh) — nom. auf lh a. a. o. belegt — *do-
bljiiji und durch contraction von ii in i (h) dobljiji
(AOBrhh). Selbst zwischen zwei eng verbundenen Wörtern
tritt diese wandelung ein, z. b. aus predami jT (npiLpiih n)
tradam eum wird npi^aiiHT glag. Cloz. 172, d. i. preda-
miji. Vergl. die ganz analoge entstehung des skr. na-
vljäs aus ^navijäs, navjäs. Gerade so wird aus vü-
pijeti vupijeti; aus vüpijaäe vüpijach^ Supr. 2, 22.
37, 13; im cod. Ostr. erscheinen nur die formen mit i,
vupijeti, vüzüpijeti u. a. s. Vostokovs index.
Sonach können wir mit vollstem rechte den gotischen
praesensstamm vopija- als historisch überliefert ansehen.
Dafs es in der nordeuropäischen grundsprache prae-
sensstämme auf -ija- gab, wird weiter durch das litaui-
sche erwiesen. Vor der praesensendung -iu = urspr.
-jä-mi werden diphthonge nicht aufgelöst: szlä'-ju
szlav-iaü, szl&'-ti fegen, spi4u-ju, spiöv-iau,
spi4u-ti speien, ebenso wenig bei abgeleiteten verben auf
-u-ti, -au-ti : bältüju, b<uvau, bält&ti weifs aus-
sehen, presztarauju, presztaravau, presztarauti
widersprechen.
Ganz anders ist es vor der endung *iu, wenn der
zweite stamm 6 ansetzt: sraviü, sravejau, srav^'ti
rieseln, aviü, av^jau, av^'ti an den füfsen als beklei-
düng tragen, stöviu, stovejau, stove'ti stehen. Schlei-
cher lit. gramm. s. 245 rechnet diese und ähnliche zu den
stamm verben, aber mit unrecht, denn die auflösung der
286 Windiscb
dipbthonge srau zu srav u. s. w. wird, wie die zuerst
genannten verba zeigen, durch folgendes i = urspr. j nicht
veranlafst, weil dies i zu der zeit, als ein hiatus durch
diphthongauflösung beseitigt werden mufste, noch spirant
war. In sraviü bestand aber augenscheinlich, trotz des
noch spirantischen j, ein hiatus, sein i war also nicht ein-
faches j, d. h. es kann zu jener zeit gar nicht anders ge-
lautet haben als ^sraviju oder mit älterer endung *sra-
vijam, und ^sraviju, inf. srave'ti nebst allen ähnlich
flectierten entspricht ganz genau den slawischen abgeleite-
ten Verben wie bolj§, 3. sg. boliti, inf. bolSti; sraviü
ist also aus sravajämi, ^sravijam, ^sraviju ent-
standen.
Johannes Schmidt.
Zwei indische gleichüisse.
Den wenigen indischen beispielen, welche fQr den ge-
brauch des Potential im gleichnifs bei Delbrück, gebrauch
des conj. und opt. s. 231, angeführt werden, föge ich fol-
gende zwei aus der EäuSltaki-brähmana-upaniäad hinzu:
I, 4 tad jathä rathena dbävajan rathal£akr6 parja-
vgkseta, evam ah5rätr6 parjavgkä6t&ivä sukrtaduikrte
sarväni Ka dvandväni „wie man auf einem wagen fahrend
auf die beiden Wagenräder blickt, so blickt er auf tag und
nacht, so auf die guten und die bösen thaten und alle ge-
gensätze^.
II, 1 ja evä vgda tasjöpaniäan na jäKed iti, tad jathä
grämä bhikäitvä 'labdhvöpavi^en näham atö dattam a^nl-
jäm iti, ta eväinam upamantrajante jg purastät pratjäKa-
kälran „wer dies weifs, der ist im besitz der geheimen
Weisheit ^nicht möge man bitten^; wie wenn einer, der
in einem dorfe gebettelt und nichts bekommen hat, sieb
hinsetzt (mit dem entschlusse) „nicht mag ich hier dar-
gereichtes essen^, die aber laden ihn ein, die ihn zuvor
abgewiesen hatten^. In diesem letztern beispiele ist na-
zwei indische gleichniise. 287
mentlich der Wechsel der modi (opayi^gt .... upamantra-
jante . . . pratjäkakälran • . . .) höchst beacbtenswertfa: es
sind zwei hauptverba, das erste im potential und das zweite
im indicativ, dann folgt wieder ein potential im relativ-
satze. Ein genau entsprechendes homerisches beispiel ist
mir nicht zur band, es sind folgende zwei formen (mit
conjunctiv) in eine vereinigt: (og 5' ore nvg atSrjlov iv
ä^vkq) ifATtifff} vkrj* ndvTfj r' eilvcpocov avsfjiog (piQei , .
(-//, 155) und (bg 8* or ävrjg Soqnoio liXalsrai^ ^ re
nav^fiag vsiov av f^lxfjtov ßoe otvonz ntjxrov ägorgov
(r, 31 ).
Leipzig. Windisch.
Literarische notiz.
Folgende werke zur lexikographie der germanischen
sprachen sind der redaction zugegangen:
Mittelhochdeutsches handwörterbuch von Matthias Lexer.
Zugleich als Supplement und alphabetischer index
zum mittelhochdeutschen wörterbuche von Benecke-
Müller-Zarncke. Erster band. A— M. (1869—1872).
Leipzig (S. Hirzel) 1872. XXIX ss. 2262 sp. 8.
An dem von allen Seiten bereits . anerkannten werke
sei von unserm Standpunkt aus nur die sorgfältige berück-
sichtigung der etymologie rühmend hervorgehoben.
Wörterbuch zu dr. Martin Luthers deutschen Schriften
von Ph. Dietz. Zweiter band. Erste lieferung. G —
Hals. Leipzig (F. C. W. Vogel) 1872. 208 ss. 8.
Vergl. d. zeitschr. XVIII, 236. XIX, 386.
Mittelniederdeutsches Wörterbuch von Karl Schiller und
August Lübben. Erstes heft. A — arnt. Bremen
(J. Kühtmann) 1872. XVI. 128 ss. 8.
Mit bedauern sehen wir aus dem umschlage, dafs die
weiterführung dieses vortrefflichen Wörterbuchs noch im«
288 Literarische notis.
mer nicht ganz gesichert ist; nur eine weitere zahlreiche
subscription, zu der auch wir hiermit unsere leser auffor-
dern, vermag die fortsetzung zu garantieren.
Norsk Ordbog af Ivar Aasen. Anden foregede üdgave
af Ordbog over det norske Folkesprog. Heft 1 — 4.
A— muna. Christiania (P. T. Mailing) ,1871 — 1872.
512 SS. 8.
Die zweite aufläge dieses trefflichen Wörterbuchs der
alterthßmlichen, norwegischen Volkssprache zeigt eine be-
deutende Vermehrung sowohl an neuen Wörtern als bedeu-
tungen und ist mit derselben Sorgfalt und genauigkeit wie
die frohere gearbeitet. Die geschichte der nordischen
sprachen, sowie die der sitten und des glaubens haben an
dem werke eine reiche fundgrube, zu deren umfassenden
ausbeutung wir alle forscher hinlenken möchten. Das
ganze werk wird in 8 heften ca. 64 bogen umfassen.
Altdeutsches namenbuch von Ernst Förstemann. Zwei-
ter band: Ortsnamen. Zweite, völlig neue bearbei-
tung. Nordhausen (Ferd. Förstemann) 1872. Till.
1739 sp. 4.
Die neue aufläge ist mit grofsem fleifs vermehrt und
verbessert; hoffentlich wird sie der ausgangspunkt f&r eine
energischere verwerthung des in den Ortsnamen nieder-
gelegten etymologisch -grammatischen materials, in wel-
cher der herr verf. bisher fast gar keinen nachfolger ge-
funden hat.
Häfelin, abbandltuigen über die rolnata. tnundarten der läüdwestscbweiz. 389
Abhandlungen über die romanischen mund-
arten der Südwestschweiz.
Ein auf dem gebiet der linguistik ausgezeichneter ge-
lehrter, Lorenz Diefenbach, hat bereits vor drei Jahrzehn-
ten in seinen Celt. I, anhang C auf die Wichtigkeit des
Studiums der schweizerischen mundarten, sowohl der deut-
schen als der romanischen, aufmerksam gemacht und das-
selbe mit eindringlichen werten empfohlen. Während die
dialekte der deutschen Schweiz, die schon vorher durch
Stalders treffliches werk bekannt geworden waren,^seither
gegenständ einer ungetheilten aufmerksamkeit geworden
sind, liegt das franzosische Sprachgebiet, das eine eben so
reiche ernte dem dialektforscher in aussieht stellt, hin-
sichtlich wissenschaftlicher und philologischer Untersuchung
brach und unberührt. Bridel, dem das verdienst bleibt,
zuerst die nothwendigkeit einer lexikalischen arbeit em-
pfunden und dieselbe nach seinen besten kräften ausgeführt
zu haben, brachte es, wie sehr er es auch wünschte, nicht
zu einer grammatikalischen bearbeitung der dialekte der
französischen Schweiz, wie sie sein deutscher landsmann
Stalder für die schweizerdeutschen mundarten ausgeführt
hat in seinem buch: Die landessprachen der Schweiz oder
schweizerische dialektologie. Aarau 1819. Er fand sein
vorhaben, wie er sich in einem brief an Stalder äufserte,
unausführbar, worüber man sich nicht wundern darf, wenn
man bedenkt, welch geringe hülfsmittel in jener zeit dem
Sprachforscher zu geböte standen. Wenn es auch unstrei-
tig ist, dafs Bridels arbeit, veröffentlicht zu Lausanne im
jähre 1866 durch die geschichtforschende gesellschaft der
französischen Schweiz unter dem titel: Glossaire du patois
de la Suisse romande, viel dazu beigetragen hat, die kennt-
nifs jener mundarten und eine hellere ansieht darüber zu
verbreiten, so kann man sich bei strengerer prüfung doch
nicht verhehlen, dafs sie, so unentbehrlich sie auch sein
mag, der ernstern forschung eine eben so schwache als
unwissenschaftliche grundlage darbietet. Bridels Glossaire
Zeitschr. f. vgl. sprachf. XXI. 4. 19
• • •• •
290 Häfelin
ist ZU eiuer zeit entstanden, wo man die sonderbarsten
Vorstellungen von der herkunft unserer mundarten hatte
und wo von einer wissenschaftlichen behandlung noch gar
keine rede war. Abgesehen von seiner unvollständigkeit,
der Vernachlässigung des wortaccents, der ungeregelten,
auf den principien der französischen ausspräche aufgebau-
ten, daher ungenauen und für die verschiedenen nuanceo
der muudarten unzureichenden rechtschreibung hat Bridels
Wörterbuch den bedeutenden mangel, dafs nur selten der
fundort einer wortform angegeben wird. Man kann sich
unmöglich eine klare, wissenschaftliche ansieht bilden über
die mundarten eines landes aus einem buch, das eine an-
zahl abweichend klingender aber aus demselben lateini-
schen Vorbild entwickelter wortformen willkürlich neben
einander stellt, ohne angäbe des ortes oder der landschaft,
wo die eine und die andere sich vorfindet. Was das
handschriftlich vorhandene, aber noch im Privatbesitz be-
findliche Wörterbuch von J. L. Moratel anbetri£Pt, muTs
man sich einstweilen mit der hoffnung trösten, es seien
darin die bei Bridels arbeit gerügten mängel vermieden,
bis es gestattet wird, dasselbe zu prüfen und sich so eine
bestimmte ansieht über seinen werth zu bilden. Sehen wir
uns nach der eigentlichen mundartlichen literatur, sofern
mir dieser ausdruck erlaubt ist, um, so finden wir für den
zweck grammatikalischer Studien nur lückenhafte, niobt
gehörig gesichtete materialien. Noch besitzen wir keine
vollständige Sammlung der zahlreichen lieder und was bis
jetzt gedruckt an solchen vorliegt, ist orthographisch un-
zuverlässig. Manche lieder, namentlich aus den alpentfaft-
lern des Unterwallis, sind noch gar nicht gesammelt wor-
den; was wir in dieser hinsieht bis jetzt überhaupt bestes
aus jenen gegenden kennen, verdanken wir Julius Fröbel,
der in seinem buch: Reise in die weniger bekannten thi-
1er auf der nordseite der penninischen alpen. Berlin 1840»
einzelnen walliser mundarten seine aufinerksamkeit ge*
schenkt hat.
unter diesen umständen bleibt nichts anders Übrige
als das Sprachgebiet selbst zu bereisen und an ort und
abhandlungen über die romaii. mundarten der Sudwestflcbweiz. ^91
stelle die von der französischen Schriftsprache, welche durch
die mehr und mehr in das leben hineingreifende volks-
schulbildung begünstigt und verbreitet wird, zurückgedräng-
ten und ihrem unvermeidlichen Untergang geweihten Volks-
sprachen zu untersuchen, wenn dieselben für die Wissen-
schaft nicht verloren gehen sollen. Einigen derselben, wie
z. b. denen des cantons Neuenburg, steht ein nahes gänz-
liches aussterben bevor. Schon ist es hier nothwendig,
betagte personen aufzusuchen, um den dialekt aus unge-
trübter quelle zu schöpfen, der noch im anfang unsers
Jahrhunderts in manchen Ortschaften gewöhnliche Umgangs-
sprache war. Es ist hohe zeit, an's werk zu gehen und
den letzten pulsschlägen und athemzügen einer spräche zu
lauschen, die, mag sie wollen oder nicht, das gebiet, wo
sie Jahrhunderte geschaltet und gewaltet, einer glücklichem
Schwester abtreten und, im kämpf ums dasein, der auch
das leben der sprachen ergreift, besiegt, mit ihren letzten
greisen freunden ins grab sinken mufs.
Durch alle diese umstände zur arbeit aufgefordert, habe
ich piich entschlossen, bei allerdings beschränkter zeit mein
möglichstes zur förderung des Studiums jener mundarten
beizutragen, in der hofihung und mit dem wünsch, dafs
später vereinte kräfle zu demselben zweck zusammenwir-
ken und die mühsam begonnene arbeit zu einem glückli-
chen ende führen mögen. Da ein auf einander folgendes
erscheinen einzelner artikel über diesen gegenständ den
vortheil hat, dafs ich späterhin einsichtigen rath und wohl-
meinende winke anderer zum frommen der Wissenschaft
verwenden kann, wählte ich diese art der Veröffentlichung.
Zu überlegen war, auf welche weise der inhalt der einzel-
nen artikel zu begrenzen sei. Das zweckmäfsigste schien
mir, die mundarten je eines einzelnen cantons zusammen-
zufassen und zum gegenständ einer besondern abhandlung
zu machen. Sind hinsichtlich ihrer mundarten die gebiete
innerhalb der staatlichen grenzen einmal untersucht, so
wird es ein leichtes sein, für die einzelnen dialektgruppen
wissenschaftlich begründete grenzen aufzufinden. Schon
war, um der vorliegenden arbeit eine art einfaeit zu geben,
19*
29^ Häfelin
es Dotbwendig, die mundarten des Berner Jura auszaschlie-
fsen, da ihre Bildung durchaus andern principien folgt, als
diejenigen der übrigen französischen Schweiz. Während
diese, um nur einen, allerdings wichtigen zug anzufahren,
das lateinische a möglichst zu bewahren suchen, zeigen
jene eine entschiedene neigung, es zu trüben. Schon im
canton Neuenburg lassen sich einige spuren jener trfibung
wahrnehmen : im Yal-de-Travers, auf den höhen um Loele
und La Chaux-de-fonds und zu Ligni^res, wo der Über-
gang durch einen eigenthümlichen, im folgenden mit & be«
zeichneten laut gebildet wird, der seiner natur nach zwi-
schen der ausspräche des a und ä (ä =s engl, a in hat)
schwebt.
. Bevor ich zur arbeit selbst, die ich mit einer abband-
lung über die mundarten des cantons Neuenburg beginne,
übergehe, gedenke ich voll dankbarkeit aller derjenigen,
die mir bis jetzt bei meinem unternehmen behülflich ge-
wesen sind.
Klingnau, im januar 1872.
Fr. Haefelin, cand. phil.
Erste abtheilung.
Die mundarten des cantons Neuenbürg.
Literatur. I. Lexikalische arbeiten. 1) Mer^
veilleux, Etimologies touchant l'idiome de nostre pays (Samm-
lung von ungefähr fünfhundert vocabeln, wahrscheinlich
aus der zweiten hälfte des XVI. Jahrhunderts, zusammen-
geheftet mit histor. notizen von dems.) handschriftlich auf
der Stadtbibliothek zu Neuenburg. 2) P. F. Droz FAm^
ricain , Liste de plusieurs mots fran^ais expliqu^ en' pa-
tois, handschr. Sammlung geringern umfangs ohne eigent-
lich wissenschaftlichen zweck vom jähre 1779. 3) Zwei
heftchen mit etymologien einer reihe von Wörtern der
mundart von dem für die geschichte seiner heimat zu firtlh
verstorbenen F. A. M. Jeanneret, Verfasser der Biograpluiee
abhandlnngen über die roman. mundarten der Sttdwestschweiz. 293
neuchäteloises. Manchmal wird geschickt das altfranzösi-
sehe zur vergleichung herbeigezogen. Beide kleinen Samm-
lungen im besitz des hrn. Ulysse Mathey-Henri in Locle.
4) Quinche, George, Glossaire der mundart von Val-de-
Ruz, handsöhr. im besitz der historischen gesellschaft in
Neuenburg. Beigegeben sind vier prosastücke geschicht-
lichen inhalts, eine gereimte erzählung, Sprichwörter, eine
anekdote und die Übersetzung des gleichnisses vom ver-
lornen söhn im dialekt von Valangin. Die beiden letztern
sind bereits gedruckt in Bridels Glossaire; die parabel
findet sich auch in: F. A. M. Jeanneret, Etrennes neuchä-
teloises, I^w annee, Locle 1862, s. 109. 5) Bridel, Glos-
saire du patois de la Suisse romande. Lausanne 1866.
Bietet sehr wenig für die kenntnifs der mundarten des
cantons Neuenburg.
II. Texte. Solche finden sich zerstreut in folgenden
büchern und Journalen: 1) Stalder, Fr. J., die landesspra-
chen der Schweiz oder schweizerische dialektologie. Aarau
1819. 2) Recueil de raorceaux choisis en vers et en prose
en patois suivant les divers dialectes de la Suisse fran-
^aise et termine par nn vocabulaire de mots patois avec
la traduction fran^aise. Recueillis par un amateur. Lau-
sanne. Au depot bibliographique de B. Corbaz. 1842.
3) Bridel, Glossaire. 4) Kramer, Jules Henri, Chants Va-
langinois accompagnös de textes historiques. Neuchätel,
imprimerie James Attinger, 1848. 5) Chabloz, Fritz, La
Berotse. Recherches historiques sur la paroisse de St.
Aubin. Neuchätel, Samuel Delachaux, 1867. 6) Mus^e
historique de Neuch&tel et Valangin publik par George-
Auguste Matile. 3 voll. Neuchätel 1841, 1843, 1845.
7) Mus^e neuchätelois. Recueil d'histoire nationale et d^ar-
ch^ologie. Neuchätel, imprimerie de Fritz Marolf, 4diteur.
1864. Dasselbe. Neuchätel chez H. Wolfrath et Metzner,
editeurs imprimeurs. 1866. 8) Feuille d' avis des mon-
tagnes. Locle, imprimerie Courvoisier, aus dem besonders
abgedruckt sind : 9) La saboul^e d^ Borgognons ^ 1& fand
du CrSte-Vaillant en 1476. Locle, imprim. Courvoisier,
294 HäfeUn
186 t und 10) Le tin d'on viedge da noi.tre pays; let met-
chan guignon du boueb tchi Esa'le, ibid. 1862. 11) Le
Val-de-Ruz, feuille d'avis agricole, industrielle et commer^
ciale ä Fontaines : correspondenzen in der mundart. 12) Eine
anzahl noch nicht heransgegebener lieder.
Sprach Verhältnisse. Dialektgruppen. Nach
Max Wirth, allgemeine beschreibung und Statistik der
Schweiz. Zürich 1870. S. 336, 337, 343 zählt der can-
ton Neuenburg, der einen flächenraum von 35o6 quadrat-
stunden hat mit einer bevölkerung von 87,369 seelen in
74 gemeinden und 18,608 haushaltungen, 16,234 haushal-
tungen, die französisch, 2,327 haushaltungen, die deutsch,
44 haushaltungen, die italienisch, 3 haushaltungen, die ro-
manisch sprechen, so dafs auf je 1000 haushaltungen 873
französisch, 1 25 deutsch und 2 italienisch sprechende kom-
men. Nur ein ganz verschwindend kleiner theil der fran-
zösischen bevölkerung ist der mundart kundig. Doch er-
scheinen in der dortigen französischen Umgangssprache
trotz aller anstrengung der Volksschule, dieselben auszu-
rotten, hin und wieder Wörter und ausdrücke der mund-
art und jene giebt sich wohl verlorne mühe, diese nnge-
rufenen gaste aus ihrem vertrauten Umgang mit den lan-
desbewohnern verbannen zu wollen.
Auf einem so eigenthümlich gestalteten gebiet, wie
das des cantons Neuenburg ist, bei der grofsen Verschie-
denheit im leben seiner bewohner mufste sich nothw^idig
eine mannigfaltig nuancirte spräche entwickeln. Sehen wir
ab von jenen abweichungen der ausspräche, worin eine
Ortschaft schon von der ihr zunächst liegenden sich ans-^
zeichnet und die im allgemeinen (einzelnes mufs sich schon
der Übergänge wegen ändern) mehr auf einer besondern
Intonation des wertes , einer besondern hebüng und -seb^
kung der stimme, einer besondern klangfarbe, als auf einem
von der grammatik anerkannten lautunterschied bemhen,
und fassen wir die wirklichen Verschiedenheiten in den
dialekten des cantons in's äuge, so bestimmen uns die ein-
abhandlaDgen über die romaa. mundarteo der Südwestschweiz. 295
zelnen hervorragenden hauptmerkmale derselben, wenn
auch ein gemeinsames band sie alle unter einander ver-
knfipfl, folgende dialektgruppen aufzustellen: T. gr.: von
Neuveville an längs den abhängen des Chaumont gegen
Neuenburg (patois de Ligni^res; patois du vignoble du
nord-est); II. gr.: patois du Val-de-Kuz; III.gr.: patois
des montagnes (um Locle, La Chaux-de-Fonds, la Sagne,
la Brevine etc.); IV. gr.: patois du Val-de-Travers; V. gr.:
von Neuenburg an gegen den canton Waat zu (patois du
vignoble du sud-ouest; {)atois de la Paroisse). Zur erleich«
terung der übersieht und der behandlung des sto£fes habe
ich im folgenden diese eintheilung und reihenfolge beibe-
halten.
Erklärung der orthographischen zeichen. Da
zu einer möglichst genauen wiedergäbe der mundartlichen
laute durch die schrift die französischen lautzeichen un-
zureichend sind, so war es notb wendig, zeichen einzuföh-
ren, die soweit als möglich die etymologische form des
Wortes erkennen lassen, ohne deshalb der darstellung der
ausspräche eintrag zu thun. Jeder durch die schrift be-
zeichnete laut wird gesprochen; dieser grundsatz findet
nur dort eine ausnähme, wo ich genöthigt war, aus einer
schon vorhandenen schriftlichen quelle etwas aufzunehmen,
was z. b. mit triolet geschehen ist, wo t am ende nicht
ausgesprochen werden soll, oder bei angefahrten stellen.
Die zeichen, die einer besondern erklärung bedürfen, sind
nun folgende:
a) fQr die einfachen vocale: a, bezeichnet den kurzen
und reinen a-laut, ä den langen; ä im patois von Ligni^-
res (gr. I) einen eigenthümlichen laut, der zwischen der
natur des reinen a- lautes und des breiten ä in der mitte
schwebt; um ihn am sichersten hervorzubringen, bringe
man die organe in die Stellung, die sie bei der ausspräche
jenes ä einnehmen sollen, strenge sich aber an, gleichwohl
a zu sprechen; ä klingt dumpf und lang, wie engl, a in
wall, fall; ä recht breit, nicht wie im hochdeutschen, son-
296 Httfelin
dorn ungefähr wie engl, a in hat, oder wie man ä in eini-
gen theilen des cantons Aargau und Bern spricht, inlau-
tendes an läfst den nasal sehr schwach hören; e kurz, mit
dem klang von ä in p^re; ä ders. laut lang; e lang und
hell, wie ee in see; e ders. laut kurz; ^ lang, liegt der
ausspräche nach in der mitte zwischen ö und e; e ders.
laut kurz; e sehr kurz, mit dem klang, den das franz.
e-muet im gesangesvortrag bekommt; e in kleiner schrift
am ende des wertes = gewöhnl. franz. e-muet an gleicher
stelle; en = franz. ein in sein; en in der 2. gruppe deu-
tet an, dafs sich e dem laut nähert, den das franz. in in
fin hat, ohne dafs der nasal hörbar wäre, in der 4. gruppe
ist der nasal, in derselben weise ausgedrückt, ebenfalls
kaum anders bemerkbar, als in der natur des vorherge-
henden e-lautes, der fast wie ä klingt; i kurzes i, I lang;
o dumpf wie o in köpf und kurz, ö ders. laut lang; 6 hell
und lang, wie deutsches o in thron, 6 ders. laut kurz; en
wie deutsches ö in köpfe und kurz; eu ders. laut lang; eü
hell wie ö in schön und lang; eu ders. laut kurz; on =
deutsches u in huhn und lang, oü ders. laut kurz; u =
franz. u und kurz, ü ders. laut lang; b) für die diphthonge:
ae, ae^, der a-laut wiegt vor, e tont wie e, e^ wie e, aber
beide äufserst schwach und kurz; ai, beide laute gleich
stark und jeder deutlich für sich zu sprechen ; ebenso in
ei; in ai wiegt der a-laut, in ei der e-laut vor, i tönt in
beiden schwach nach; fe, der i-laut ist lang und hervor-
gehoben, e ist etwas kürzer, als gewöhnlich ; in ie, i6 und le
tritt der e-laut hervor, i ist äufserst schwach und kurz; au^
deutsch au; oü tönt, wie man deutsches ou sprechen würde.
Die vocale in kleiner schrift sind äufserst kurz zu sprechen;
' zwischen zwei consonanten bezeichnet den verlust eines
vocals, ' rechts von einem vocal den auf ihm liegenden
wortaccent:.fa'mena und lagrema sind also proparoxytona;
y ist halbvocal und wie deutsches j zu sprechen; c) i&r
die consonanten: ly ist 1 mouille; n vor consonanten wie
deutsches n, z. b. vor dentalen, zu sprechen ; steht nach n im
inlaut ein ., so klingt es wie franz. n in bon, fin u. 8. w.^
so in der Verbindung n.m, n.n, während m und n nach dem
abhandluDgen über die roman. mnndarten der Sttdwestschweiz. 297
punkt wie deutsches m und n in bäum, bein, zu sprechen
sind. Auslaut, m und n, sowie inlaut. vor conss. sind, wo
nichts bemerkt ist, wie im franz. zu sprechen; n in klei-
ner Schrift nach einem andern vocal, als e, das dadurch
fast zu ä wird, bezeichnet einen äufserst schwachen na-
salen beiklang; n, wie gn und ny, bezeichnet den glei-
chen laut, wie span. n oder franz. und ital. gn; r in klei-
ner Schrift wird nicht gesprochen, sondern deutet an, dafs
der vorhergehende vocal so zu articulipen sei, als ob die
Organe gleichzeitig r sprechen sollten ; ä breiter zischlaut, wie
deutsches seh oder engl, sh ; 2 =: deutsches z mit etwas säu-
selndem geräusch begleitet; z = fr. z; z mittellaut zwi-
schen ± und g; c vor e- und i- lauten, sowie vor y als
gutturales c zu sprechen; c vor e und i = franz. c vor
dens. lauten; 9 vor a-, 0- und u- lauten = fr. 9 in glei-
cher Stellung; d = ital. ci in ciarlare; 6 wie lat. c vor
i in concio; ch as fi:. ch; g (auch durch dj ausgedrückt)
= ital. gl in giovare.
Erster theil.
Lautlehre. '
L Die vocale:
1) in der tonsilbe.
A. a. Der laut des lateinischen a in betonter silbe
wird von den mundarten des cantons Neuenburg möglichst
rein bewahrt. Betrachten wir nun die einzelnen dialekt-
gruppen: Gruppe I. a) ä: a) byä, ble (von ablätum nach
Diez wtb.); tyär (elärus); gran (gränum); gran.Ue (gräna);
lan.ne (läna); levam, levain (levämen); deman (de-mäne);
nä (näsus); pan (pänis); pyan.ue, plaine (plana); prä (prä-
tum); ram, noeud d^un bois, d'une planche (rämus); s'nan.ne
(septimäna); ß) bontä (bonitatem); libertä (libertätem);
;") in endungen derjenigen verben der ersten conjugation,
deren stammauslaut nicht die unter den „abweichun-
gen^ besprochenen ausnahmen von der allgemeinen regel
herbeiführte, nämlich: aa) in der infinit! vendung -äre:
298 Hftfelin
canta (cantäre) ; eträ (inträre) ; ßß) im mascol. des partic.
perf. : adorä (adorätus) ; dantfi (cantätus) ; yy) in der 2. pers.
pl. des indic. imperf. praes.: vo dants (eantätis); SS) in der
2. pers. pl. imperat.: apportä (apportäte); 66) in der 1.2.3*
ps. sing, und der 3. ps. plur. ind. imperf. praet.: i portäve
(portäbam); te portäve (portäbas); e portäve (portabat);
e portäve (portäbant). b) a in lat. und roman. position:
fyan.me (flamma); läce, lache (laxus); vade (vacca); van
(vannus); dambre (cämVa); c&^e (cavea); palye (pälea);
ra^e (räbies). c)ä: y'an.me (amo); cäve (cäva); föve (föba);
fam (fämes); man (mänus); trä (träbem).
Anmerkung. Der dialekt von Ligni^res behauptet
hinsichtlich der bildung des a eine besondere Stellung.
Hier schwankt der laut, der aus lat. a sich entwickelt,
zwischen der reinen natur des a und der trübnng zu &,
namentlich in der regel vor einem nasal (n oder m im
auslaut, n.n oder n.m im inlaut). Es entsteht ein eigen-
thömlich klingender, scheinbar nachlässig gesprochener
laut, den ich mit ä bezeichne: grän; grän.Ue; län.ne; de-
män; pän; räm; fyän.me; y'än.me; fäm u. s. w.
Gr. II. a) ä: a) ägre in v'n-ägre, vinaigre (vinum
äcre); tyär; grä in mögrä, malgre (grätum); lan.ne; pyan.ne;
prä; ram; san m. san.Ue f. (sänus, a); ß) enfirmitä (infirmi-
tätem); santä (sanitätem); ;") in denselben verbalformen,
wie oben, b) a in lat. und roman. pos. : läce; vace; öam-
bre; ca^e; lyace (gläcies); palye. c) a: fllve; fam; magre,
maigre (mäcer); man.
Im ganzen stimmen die beiden ersten dialektgruppen
in der behandlung des a überein. Wie aber in der ersten
gruppe die mundart von Ligni^res eine Sonderstellung ein-
nahm, weicht in der eben behandelten der dialekt von
Fenin von den übrigen ab; an stelle des reinen a tritt
hier nämlich das dumpf tönende ä: byä; voIont& (volmi-
tätem); öantä; eträ; pyor& (ploräre); portä (portäre); Äv«;
man u. s. w. In den höher gelegenen dörfem (Chteard,
Haut-Oeneveys) zeigen sich spuren des Übergangs zu den
bergdialekten ; es gestaltet sich dort nämlich dasft in
abhandhnigeii Aber die roman. nrandarteo der Sttdwestschweiz. 299
Wörtern anf ursprfingliches -äticum bereits zu e; z. b«
mariege, mariage (gleichsam maritäticum).
Gr. III. In dieser grnppe findet die trObong des ur-
sprönglicben a bereits anklang, doch noch nicht so viel,
wie in der folgenden.
a) ä: a) Neben rein gebildeten formen, wie ägre in
yftn-agre, vinaigre, nnd äcre, herb (beide von äcer, äcris);
grä in mögrfi; gran; gran.na; Ian.na; levam; deman; nä;
pan; plyan, plan (planum); prä; ram; räva (räpa); rä
(rärus); san; s'nan.na finden sich solche mit getrübtem a:
tye (clarus); tye (clävis). ß) Rein behielt das a die ganze
classe von Substantiven auf -tas, -tätis: bonta; proprietä
(proprietätem) ; santä; vanitä (Tanitätem) und ;^) alle bereits
aufgezählten formen der ersten conjugation in denjenigen
verben, die das betonte a der infinitivendung rein bewah-
ren. Hier erhielt sich auch betontes ä in der 1. pers. pl.
indic. imperf. praet. : no öantavam (cantabämus). b) a in lat.
und rom. pos. Auch bei der die reinheit des vocals sonst
gewöhnlich schützenden position tritt hier trfibung ein;
neben reinen formen, wie fyan.ma; vaöe; cambra; ca^e;
lyace; palye; rage u. s.w. erscheinen solche mit getrübtem
voeal: i^rme pl. (arma); lede m. I^ca f. (laxus, a). c) a:
y'an.mo; cäva; f^Ta; fam; magre; man; trä.
Gr. IV. Hier hat die trübung. entschieden am weite-
sten um sich gegriffen, a) ä: a) Neben rein erhaltenem
a, wie es vorkommt in byä; tyär; tyä (clävis); gran;
gran.na; Ian.na; levam; deman; päla (päla); pyan; pyan.na;
ram; san m. san. na f.; s'nan.na, kommt dessen trübong
vor in: ela (äla); gre in magre, ma1gr6 (grätum); n6 (na-
sus); pr4 (prätum); reva (räpa); ri (rärus); v6, cercueil
(vas). Aufser solchen vereinzelten erscheinungen ergreift
die trübung ß) die ganze classe der substantiva mit dem
Suffix -tas, -tätis : bonte; liberte; propriete; sante; vo-
lonte; y) ferner ist die Wandlung des a in e vollständig
durchgedrungen in der flexion derjenigen verben der ersten
conjugation, welche im infinitiv ihr betontes a nicht in i
übergehen lassen, üeberall, wo in den andern dialekt-
gruppen betontes a sich erhielt, erscheint es in dieser
300 Häfelin
gruppe als e, nämlich: aa) in der infiuitivendung: an.me;
öante; porte ii. s. w.; fiß) im part. perf.: an.me; app'l^
(appellätus) ; condan.ne (condemnätus); non.me (nomin&tas);
yy) in der 2. pers. pl. indic. imperf. praes.: vo öante; Sd)in
der 2. pers. plur. imperat.: an.m^; es) im indieat. imperf.
praeter.: y'an.m^vo; t'an.m6ve; el an.m^ve; el an.meve.
b) a in lat. und rom. pos. Neben reinem a in arma; car
(caro, carnis); dar (carrus); fyan.ma; vade; dambra; cage;
lyace; palye; pyace (plätea); rage, erscheint auch die trQ-
bung: gre m. gressa f. (crassus, a); ledo m.I^Ce f. (laxus, a).
c) ä: y' an.mo; fam; man; säva (säpa); getrObt erscheint
ä in ceva (cäva); fgva (faba); trä (trabs, träbis).
Anmerkung zu gr. III und IV. Vergleichen wir die
dritte und vierte dialektgruppe mit den beiden ersten und
der nachfolgenden fünften, so bemerken wir den wesent-
lichen unterschied, dafs, während dies€^ latein. betontes a
möglichst rein zu bewahren suchen, jene der trübung einen
bedeutenden Spielraum irewähren und so den Übergang
von den schweLrmundaften zu den benachbarten fr!nz^
sischen vermitteln. Beide haben daher gröfsere Verwandt-
schaft zu einander, als zu den übrigen, sind aber hinsicht-
lich des grades der trübung doch wieder sehr von einander
verschieden. Die vierte dialektgruppe ist weit mehr von
derselben ergriffen worden, als die dritte. Abgesehen von
einigen zufälligen einzelheiten, wie v^, cercueil (vas), giebt
es nur eine gröfsere wortclasse, wo beide in der behand-
lung des a vollständig übereinstimmen. Es sind dies die-
jenigen Substantive, welche auf einen lateinischen typua
mit dem suffix -äticum (ät'cum) zurückzuführen sind. Im
patois des montagnes gestaltet sich jenes sufHx zu ^e, in
der mundart von Val-de-Travers zu i^o (ezoü zu Ver-
ri^res). Folgende tabelle mag das verhältnifs veranscbao-
lichen.
abhandloDgen über die roman. mundarten der Sttdwestschweiz. 301
a in -aticam bleibt i
rein in:
wird getrübt in:
Gr. I und IL
Gr.V. Vignoble.
Paroisse
Gr. III.
Gr. IV.
ä^e
ä±B
äio
^ge
^ki
orage
orä^e
orä^o
oröge
orig6
dammäge
daininä^.e
dammäzo
dammäge
dammego
fermage
feriiiä^.e
fremäio
frem^ge
from^^o
herbäge
herbäze
herbä^o
herbege
harb^go
legage
legäze
lengaio
laguege
lägu^go
mariäge
mariäge
mariäzo
mariäge
mariögd
v'Ua^e
Tellaze
Tclläzo
v'lle^e
v'116^6
v'säge
vesa^e
vesäzo
v'se^e
v'sögo
Wörter, die auf folgende vorausgesetzte typen zurückzufüh-
ren sind: aet-äticum; aur-äticuin; damn-äticum; form-
-aticum; herb-äticum ; lingu-äticum; marit-äticum ; vill-
-äticum; Tis-äticum. Aus imago werden ähnliche formen
erzeugt: Gr. I und II: imäge; gr. V: em&^e und imäio;
aber gr. lU: ime^e und gr. IV: imö^o.
Gr. y. In dieser gruppe ist a wieder durchweg sei»
nem reinen laute treu, a) ä: a) äla (äla) ; byä; tyär (im
Vignoble), tyä (in der Paroisse) ; tyä (clävis); gran; gran:na;
grainmögrä; lan.na; levam; deman; nä; päla; pan; pyan;
pyan.na; prä; ram; räva; san m. san.na f.; s^nan.na;
ß) bonta; libertä; proprietS.; santä; volontä; y): aa) armä
(armäre); eträ (V.), enträ (P.); eprovft (gleichsam expro-
bäre); s'nä (sonäre) ; ßß) adorä; an.mä; cantä; occupa (oc-
cupätus); ebenso im fem. des partic. perf.: an.mä-y-e
(amäta); destinä-y-e (destinata); ;'y)vocanta; 55) ecotä (V.),
acuitä (P.)) (auscultäte) ; bb) y'an.mävo (P.); t'an.mäve; el
an.mäve; el an.mävan (P.); b) a in lat. und roman. pos«:
fyan.ma; gra m. grassa f.; lade m. läca f. (V.), lä6o m.
laöa f. (P.), lache; voace (V.), vace(P.); cambra; caÄe (cä-
vea); lyace; palye; pyace; raze. c) ä: y'an.me (V.), y'an.mo
(P.); c&ya; fava; fam; man; trä.
Abweichungen von der hauptregel, die sich auf
gröfsere gebiete erstrecken, a) Folgt auf a ein 1 oder 11,
so geht jenes in 6 über; es wird nur bewahrt im dialekt
von Val-de-Travers. Weder in dem einen noch in dem
302 Häfelin
aDdern fall wlrJ 1, wenn es nach abfall der lateinischen
endung in den auslaut zu stehen kommt, gehört, es sei
denn, dafs ein vocal darauf folgte, mit dem ein nachste-
hendes wort beginnt. Steht nach 1 ein vocal und wäre es
nur ein stummes e, so bewahrt auch die dialektgruppe des
Vignoble du sud-ouest und der Paroisse (gr. V) den vor I
stehenden vocal a in seiner reinheit. Beispiele: avö, en
bas (ad vallem); ego, egal (aequalis); animö (animal); dVö,
cev6 (caballus); d'nö, c'nö (canälis); mö (mälum); p6,
pieu (pälus); so f. (sal); on to (tälis); aber im Val-de-
Travers:/animä; (5Vä; denä; mä; sä; on tä. Man könnte
geneigt sein, jenes 6 als eine Verbindung des a mit dem
zu u vocalisirten 1 anzunehmen, wenn nicht fäUe, wie der
folgende: mä tota sta rotta, kma de kisolu et d6 maul-
-apprets, ne s'a baillira ra du to k vouaide^) u. s. w.
uns nöthigten, 6 (au) als eine auf lautphysiologischen
gründen beruhende anlehnung des a- lautes an die liquide
1 zu betrachten. Diese annähme scheinen fälle wie: öle
pl. (gr. II) (ala); pole (gr. I und XI), pöla (gr. III), pelle
(pltla) zu bestätigen. In Wörtern der letztern gattung ver-
wandelt freilich die 5. gruppe eben so wenig als die vierte
jenes a in 6: 6la (gr. IV), ale pl. (gr, V); päla (gr. IV
und V).
b) Verwandelt sich ein vor a stehendes (gutturales)
c in d (gr. I — IV) oder c (gr. V), so findet gern die trü-
bung des a statt. Gr. I: da (canis); cer (caro, carnis); der
(carrus); gr. II: de; der; der; gr. III: da; de; d6; gr, IV:
da; aber dar; dar; gr. V: a) Vign.: cai (mit schwach ge-
sprochenem i); der; cer; ß) Par.: den; ce; ce. In eini-
gen fällen erscheint le oder I; in der Verbindung le tritt
die ausspräche und betonung des lautes i gegenüber der
von e stark hervor. Gr. I: i cjfeze (cädo); dfevre (cäpra);
dfer (cärus); dfe, chez (cäsa); ecfe-r-le, dchelle (sclda);
gr.II: ebenso; gr. III: i dlzo; dl; aber devra; der; ed6la;
*} mais toute cette soci^t^, comme des ricaneurs et des mal-appriB,
ti*y prirent nullement garde. On villiotet du tin d'on viaidj. Mns^ nea-
ohfttelois. 8* ann^e. S. 141.
abhandlnngen über die romati. mnndarten der Sttdwestschweiz. 30B
gr. IV: i 6lz6; divra; dfer; dl; edlla; gr. V: i cize (V.),
i ölzo (P.); clvra; cl; e6l-r-la; aber cer (V.), 6eü
(P.), eher,
c) Begelmäfsig findet der Übergang des betonten a in
i statt bei denjenigen verben der ersten conjugation, deren
Stämme auf d, c, g, auf ly (mouillirtes 1) oder n (ny, gn),
auf 7 (namentlich bei vorangehendem vocal), r (jedoch
selten), s, z und z oder 9 ausgehen, weshalb die 1. con-
jugation in der mundart in zwei conjugationen sich spaltet.
Beispiele: coudi, coecl (collocare); alle^l, all^gcr (gleich-
sam alleviare); balyl, donner (bajulare); bani oder bagnl,
banyl (gleichsam balneare von balneum); appoyl, appuyer
(von einem aus podium abgeleiteten ad-, appodiare); fyerl,
puer (aus flagrare für fragrare); bassl, baisser (von einem
aus bassus abgeleiteten bassare); men^l, manger (mandu-
cäre); av^zl, accoutumer (ital. avvezzare, abgeleitet vom
lat. Vitium); danci, danser (ahd. dansön, goth. thinsan).
Da, wo die verben, deren stamme nicht auf die eben
genannten laute ausgehen, das die l.conjugation charak-
terisirende a in den endungen bewahren, zeigen jene an
seiner stelle I, z. b. megl (manduc&re), i m^glv6 (man-
ducäbam).
d ) Das ä des part. perf. behandelt, wie schon gezeigt
worden, die 5. dialektgruppe durchweg regelmäfsig; die
übrigen trüben es im fem.: Gr. I: an.m6-y-e (amäta); de-
stin^-y-e (destinäta); gr. II: ame-y-e u. s. w.; gr. III:
got6-ye (gustata); prive-y-e (priväta); gr. IV: an.m^-y-e
u. 8. w.
e) Die Wörter, denen ein lateinischer typus auf -ärius,
-ärium, -äria zu gründe liegt, gestalten dieses suffix ge-
wöhnlich zu ie oder I und fere: gr. I: etran^e, etranger
(gleichsam extrane-arius); gr. U: ebenso; gr. III und IV:
etran^I; gr. V: etrani^l; ferner: arenfere(gr. II und V), Sand-
grube (von arena); favfere (gr. V), bohnenfeld (von fäba).
I und ie sind in diesen beispielen durch anziehung und
Umstellung des in der folgenden silbe im hiatusverhältnifs
stehenden i entstanden. Siehe: Vocale im verhältnifs des
hiatus.
304 Häfelin
B. e. Im allgemeinen herrscht das streben, e mög-
lichst seinem laut getreu zu bewahren. In einigen dia-
lektgruppen findet sich hie und da ä dafür ein, welchen
klang es auch gewöhnlich vor noch vorhandenem oder
verstummtem nasal bekommt. In den am see gelegenen
Ortschaften des gebiets der ersten dialektgruppe sowie in
der fünften entwickelt sich daraus häufig ei, ai und zwar
ist dieser Vorgang nicht etwa auf 6 beschränkt, sondern
auf positionslanges und kurzes e (hier freilich seltener) aus-
gedehnt. Das einzelne und besondere mag die prQfung
der verschiedenen dialektgruppen aufklären.
Gr. I. a) e. Neben rein erhaltenem e in i cräye
(crädo); greye (creta); fenue (femina); me, moi (me);
moü^n^ye (monäta); seye (seta) u. a. m. findet sich a) im
dialekt der Ortschaft Ligni^res und Umgebung ä zu & ge-
trübt: aväue (ävena); dändäle (candela); mä, mois (m^sis
statt mensis); eträn^ (stränas); täle (tela); ß) in den see-
gegenden zu ei umgestaltet: avei (habere); mei, mois; po-
vei, pouvoir (ital. potere); savei (aus sapere statt sapere);
trei (tres) u. s. w. Zu Landeron, dessen ausspräche als
sehr schwerflllig verspottet wird, erscheint statt ei das
breiter klingende äi: e cräi (credit); päi, poids, it. peso
(pesum statt pensum); träi (tr^s) u. s. w. b) e in lat. und
rom. pos. ist gewöhnlich erhalten: ar^^ (argentum); mäbre
fmembrum); methe(mentha); tedre (tenVum); i tene (tSneo).
Der dialekt von Lignieres zeigt bisweilen an seiner stelle
ä: tädre, tendre adj. u. a. m. In der mundart des seege*
ländes kommt, wie oben, ei zum Vorschein: contei (con-
tentus); presei, present, cadeau (praesens, -tis), wofür der
dialekt von Landeron formen mit ai aufweist: tai (tem-
pus) u. a. Eine ausnähme von der bis jetzt bekannten bil-
dung macht das in position befindliche e vor 11, wenn
letzteres, nach abwerfung der lateinischen endung von kei-
nem vocal geschützt, das wort schliefsen sollte, ebenso
vor st und sp, indem es zu I wird, also: a) anl (agnelFos);
bl m. balle f. (bellus, a); dati (castellum); marti (raartellas
für martulus); novl m. novalle f. (novellus, a); la pl (pellis);
ß) bite (bestia); vos Ite (estis); f 'nitre (fenestra); flt^, ffite
abhandlnngen Über die roman. miindarten der Sttdwwtaehw^iz. 305
(fesU); terrltre. lierre (terrestris seil, hedera); tite (testa);
vipre, soir (vesper). c) e vor ursprflnglichen nasalen, die
jetzt yerstummt sind, erscheint als ä : bä (bene) ; t& (tenet);
▼ä (venit), wofQr allerdings auch bin, tin u. s. w. gesehrie-
ben wird, ohne dafs jedoch ein nasaler klang irgendwie
deutlich vernehmbar wäre. Die mundart der seegegend
liebt auch hier den laut ei: bei; tei u. s. w., die von Lan*
deron ai: bai; tai; vai. Häufiger ist die breehung des e
zu le mit stark betontem und hervorgehobenem I: die (de-
cem); e fier (ferit); ffer (ferus); jter (heri); mfe (mel);
pie (pedem).
Gr. IL a) e: areoe (arßna); av^Ue; candde; grey«;
me, mois; moneye; p6, poids; pyä m. pyene f. (pI^U8,a);
rapä (racämus); seye; etrene; tele; tese, toise (t£sa f&r
tensa); tre; vene (vgnas); v'nä (ven^num); av€; dVö (de-
bere). Die mundart von Ch^zard gibt dem. 6 gern den
laut eu: teule (t^a); teuse, toise (tesa); treu (trös). b) e
in lat. und rom. pos.: argg; attedre (attendere); conte m.
contete f. (eontentus, a); mebre; methe; gedre (genVum);
tedre; trebye, tremble (trem'lus); e convene (conveniunt);
i tene. Die Wörter, die von lateinischen auf -ellus, -ellis
hergeleitet sind, machen aus ihrem betonten e hochtoni«
ges e: ane; be m. balle f.; dat^; mart6; nove m. novalle f.;
pö; bei Wörtern mit betontem e vor st steht der aus
e entwickelte laut in der mitte zwischen 4 und e (^), nur
die mundart von Chezard zeigt neigung ftkr i; also: ar-
rete (gleichsam ad-resta); b^te; vos ^te; Tn^tre; föte; töte;
ebenso in vepre; aber im dialekt von Chezard: bite; Tnltre;
fite; tite (doch daneben auch t^te). c) e. Ffir ^ gilt hier,
was in der 1. gruppe; doch findet sich neben dem aus e
entwickelten ie auch einfaches I. Der e-Iaut erhielt sich
in: be; el el6ve (elevant); i nevoue (nego); e te: e ve; ie
hat sich entwickelt in : ffevre (febris); ffel(fel); Wer(ferus);
hier (heri); pfe (pedem); daneben ftr; pl.
Gr. III. a) ß: öandela; creyo; gr^ya; me, moi; me,
mois; moün^ya; pe, poids; seya; tela; tesa; tre; ave;
deve; save. Der &-laut erscheint vor nasalen: 4r&na(arena);
aväna; pyä m. pyäna f.; rä (rönes); sVS (ser€nus); väne
Zeitschr. f. vgl. sprachf. XXI. 4. 20
306 Hifelin
(vönas) ; v^nä (venSnum). b) e in lat. und rom. po8. : dre m.
dretta f. (directus, a); herba(herba); terme (terminns); terra
(terra) ; convenan (conveniunt) ; i me B\eh6 (subvenio). Die-
jenigen Wörter, bei denen nach abfall der lateinischen en-
dung r in den auslant zu stehen gekommen wäre, lassen
r sammt dem darauffolgenden consonanten verstummen^
wandeln e in ^ und gehen ihm ein flüchtig gesprochenes
i als Vorschlag: f^e (Ferrum); af^e, enfer (infernum); n^e
(nervus); Vcfe (vermis). Betontes e in Wörtern, die von la-
teinischen auf -ellus, -ellis herkommen, wird hpchtoniges
6 : be ra. balla f.; catö; marte; nove m. novalla f.; pe; e
vor st und sp wird ^: arrete; b6te; vos 6te; Tn^tra; föta;
tarrMre, lierre; teta; vepre. Wörter mit ursprünglichem
nasal nach e lassen den nasal stumm werden und e in ä
übergehen: i päs^ (penso); tä (tempus); gädre (gen^rum);
träbye, tremble. Sonst wird e in diesem fall regelmäfsig zu
a: ar^a; attadre; y'attadd (attendo); conchace(conscientia);
conta m. contata f. (contentus, a); des^adre (descendere);
mabre; matha; pachace (patientia) ; sarpa (serpens, -tis) ; va«
dre (vendere); vatre (venter); tadre (ten'rum) u. s. w, c) e.
Vor nasalen wird es ä: bä (bene); i tä (tenet); i vä (ve-
nit). In den meisten andern föUen, namentlich wenn 68^
nachdem der endconsonant stumm geworden, in den aas-
laut zu stehen kommt, geht es in i (aus ie) über; oft hat
sich ie erhalten: dl (decem); il eHvan (elevant); i Ilv« (1&»
vat); ml (mel); pl (pedem); diejenigen Wörter, in denen ie
aus e sich erhalten, legen den hauptaccent nicht, wie in
den vorhergehenden gruppcn geschah, auf i sondern auf e,
wobei i sehr kurz klingt, also: fievra; fiel; ffö (ferit); f^k
m. fiera f. (förus, a); hie (heri).
Gr. IV. a) e. Neben bildungen mit ä: aräna; av&na;
candäla; tala; avä; devä finden sich zahlreiche beispiele
mit reinem e-laut: compye (completus); i crBy6 (crödo);
fenna; greya; me, moi; me, mois; pe, poids; pre (prösos
statt prehensus); se, soir (serum); etren.ne (str^nas); tre;
ven.na (v6na); v'nen (ven6num) mit kaum hörbarem nasal
und etwas zu ä hinneigendem e-laut; bisweilen steht an
stelle des einfachen e ei: i peis^ (peso statt penso); y'es-
abhandluDgen über die roman. mundarten der SOdwestschweiz. S07
peiro (spero); tcisa, toise. b) e in lat. und rom. poa. Es
finden sich beispiele, wo e den laut ä annicumt: drä m.
drätta f. (directus, a); mäbr6 (membrum); i päs6 (penso);
gädro(gcu'rum); tadr6 (ten'rum); träby6(trem'lus); d'vädro
(dies Ven'ris). In den meisten fällen aber ist e erhalten:
arge; attedre; conchece; conte m. conteta f.; descedre;
mctha; pachece; vedre; vetrd. In denjenigen Wörtern, wo e
vor 11 steht, das nach verlust der lat. endung in den auslaut
zu stehen käme, oder vor st, sp, entwickelt sich daraus
Ci mit schwach nachkliugendem i-laut: a) enej; bei (vor
vocalen bcil) m« balla f.; datei; martei; novei m. no«
valla f.; pei; ß) arreite; bcite; vos eite; feneitra; feita;
teita; vejpro. Folgt auf e ein r, so erscheint an seiner
stelle der laut a: far(ferrum); harba (herba); par^6 (perdo);
tarmd (terminus); tarra (terra); nar (nervus); var (vermis).
Diese regel erstreckt sich aber auch auf das aufserhalb
der tonsilbe stehende e: harbegd u. a. Schon in der
3. gruppe finden sich vereinzelte spuren dieser eigenthüm-
lichen Wandlung. Steht e in rom. pos, vor n + i oder
n-f-e mit nachfolgendem vocal, so geht es vor dem er-
weichten n (n, ny oder gn) in I über: e convine (conve-
niunt); i m' s'vlnd (subvenio); i iln6 (teneo); i vind (ve-
nio). c) e vor einem nasal nimmt den ä-Iaut an, wobei
der nasal äufserst schwach nachklingt: bä; e tä; e vä; in
einigen andern vereinzelten fällen bleibt es; sonst wird es
in der regel zu ei: fcjvra; e IciV«; mei(rael); neivd(nego);
prciyö (precor); bisweilen gestaltet es sich zu I; nament-
lich, wenn es in den auslaut zu stehen kommt und vor r:
di; e flr (ferit); fir (ferus); hylr (heri); pl.
Gr. V: Vignoble. a) e: Neben rein erhaltenem e
in: i cede (cedo); i crey«; fenna; entye m. entyeta f. (in-
quietus, a); nadeneye; i pes« (p6so statt penso); sey«;
y'espere u. a« finden wir in den meisten fällen an seiner
stelle ei: areina; aveina; candeila; pyei m. pyeina f. oder
ai, was noch häufiger ist: mai, mois; paf, poids; prai ro.
praisa f. (presus, a statt prehensus, a); repai (racgmus);
rai (renes); serai (seränus); etaila (stela statt Stella); etraina
(strena); taila; taisa; trai; vaiue; venai (venenum); avai;
20V
308 Häfelin
d^vai; savai. b) e in lat. und rom. pos. In den meisten
f&ilen findet sich der e-laut erbalten: arze (argentum); at*
tedr«; conte m. conteta f.; descedr«; metha; i per^e (perdo);
vedr« ; vetr« u. s. w. ; daneben bildungen in kleinerer zahl
mit ei und ai: meibre (membrum); tei (tempus); conchoaiCe;
pachoaiCe; i pai8e(penso); teidr« m. teidra f., tendre; treiby«)
tremble; deveidr«, vendredi. Die Wörter, die von latei-
nischen auf -ellus, -ellis hergeleitet sind, verwandeln ihr
e in e: ane; be m. balla f.; catö; mart^; nov^ m. novalia
f.; pe; folgt auf e st oder sp, so wird es zu langem e (6):
arret«; beta; vos et^; feuetra; feta; teta; v^pr«. Befindet
sich e vor n-f-e oder n-f-i mit folgendem vocal, so er-
scheint an seiner stelle I: e convine (conveniunt); i me
sovliie (subvenio); i tln« (teneo); i vln« (venio); das gleiche
geschieht vor ri mit folgendem vocal: matlr« (mäteries);
meti (ministerium). c) e. Der e-laut bleibt nur in eini-
gen wenigen beispielen, z. b. als wurzelvocal einiger ver-
ben, wie e lev« (levat), sonst zeigt sich, namentlich im
auslaut und vor r, Übergang in i: di (decem); ftvr«; fir
(ferus); ylr (heri); i nl« (nego); pl.
Paroisse. a) 6. Der reine e-laut ist auf diesem ge-
biet mehr bewahrt, als auf dem eben behandelten: ardna;
avena; i creyo; me, moi; me, mois; moneya; i peso, je
pese; pyen m. pyena f.; recem (rac^mus); ren; seren;
seya; y'espero; etrene; vena; venen; an stelle des reinen *
e steht bisweilen ai inlautend, a^ mit sehr schwach nach-
tönendem e im auslaut: candaila; praisa (pr^sa statt pre-
hensa); tajla; taisa; dagegen: pa«, poids; pra« (prösns 8t.
prehensus); tra« (tres); ava© (habere); deva« (debere) ; sava«
(sap^re statt sapere). b) e in lat. und rom. pos. In den
meisten fällen wird e bewahrt: arzen; attendr«; conchenc«-
con^en m. contenta f.; descendr«; membro; mentha; i
penso (penso); termo; vendr«; ventro; :^endro, gendre^
tendro, tendre; devendro, vendredi; selten ist der laut ei:
fromein (frumentum); zein (gens, gentis); pacheinc«; ser-
pein u. s. w. Die Wörter, die ursprünglich auf -elliis,
-ellis ausgehen, sowie diejenigen, wo e vor st oder sp
steht, wandeln ihr e in l: a) anl; bl m. balla f.; öaü;
abhandlungen ttber die roman. mundarteii der Sttdwestschweiz. 309
martl; novl m. novalla f.; pi; ß) arrlte; bita; vos lU\
f'nitra; fita; terntro; tita; vipro. Vor einer liquida mit
nachfolgendem e oder i und nachstehendem vocal, erscheint
an stelle des e wie vorher l: e devlnen (deveniunt); i tino
(teneo); meti (ministerium) u. s. w. c) e. Der e-laut wird
bewahrt bei nachfolgendem nasal und im verbalstamm, so-
fern er von einem consonanten geschützt ist: ben; el eleven
(elevant); e ten (tenet); e ven (venit). Sonst findet sich,
neben fällen der brechung, wie in: fjeu m. fira f. (ferus, a);
hied (heri) u. a. , oft als entwicklung daraus ein blofses I:
i niyo (nego); pl (pes, pedis) u. a. Wegen seiner be-
sbndern behandiung des e ist fajvra aus febris beach-
tenswerth.
Als eine allgemeine abweichung von den regeln,
die wir über die gestaltung des betonten e bisher kennen
gelernt haben, mufs die Wandlung desselben zu a angese-
hen werden in der femininen form der adjectiven auf -eil us,
a, um: ball© (gr. L II), balla (gr. III. IV. V) von bella;
novalle (gr. I. II), novalla (gr. III. IV. V) von novella und
in den Substantiven escoballa (gr. III), escabeau, das zu-
rückgeht auf den plur. von scabellum; ecöalla, ecuelle aus
süutella (gr. IV) und salla (gr. III. IV. V) von sella, wo-
für gr. I und II ein noch sonderbareres sulle aufweisen.
C. I. I neigt sich im ganzen in seiner mundartlichen
gestaltung dem e-laut zu, nur als l wird es in den meisten
fällen rein bewahrt. Ueber das einzelne und nähere mag
die prüfung der dialektgruppen aufschlufs geben.
Gr. I. a) I bleibt in einer grofsen zahl von Wörtern seinem
laute treu: ami (amicus); crlbye ( crlbrum ) ; figu« (fica
statt ficus); fl (fllum); ^etl, gentil (gentllis); llvr« (llbra);
ni (nidus); y' ecriv« (scribo); tig« (tibia); vo v'ni (venitis);
i vive (vivo). Ist ein auslautender nasal verstummt, so
nimmt I den ä-laut an: crä (crlnis); fä (finis); lyä, yä
zu Lignieres (llnum); v'9ä (vicinum); vä(vlnum); ebenso
wenn sich vor einem durch vocal geschützten und rein
gesprochenen nasal ein secundärer entwickelt hat: lyän.m«)
yän.nie (lima). In der mundart von Lignites erscheint
an stelle des ä bisweilen das ihm nahekommende ä: fä
310 Häfelm
(flnis) u. a. u. Wie in den am see gelegenen Ortschaf-
ten ei und zu Landeron äi an die stelle von ursprQng-
lichem e trat, so zeigt es sich hier för I: coesei, cousin
(consobrinus) ; fäi (flnis); reima, rime (nma); yei (vmum)
u. a. Folgt auf X ein durch nachfolgenden vocal vor dem
verstummen geschütztes n, so liebt l den Übergang in eu,
wobei der nasal wie verdoppelt lautet : fameunn« (gleichsam
famina); fareunn» (farina); raceunn« (gls. radicina); epeunoe
(spina); veceunn« (vicina). b) i in lat. und roman. pos.
wird mit wenigen ausnahmen e oder, namentlich wenn der
erste der position bildenden consonanten n oder m war, ä:
d'vetr« (capistrum); cret« (crista); fedr« (ändere); ed vor
vocalen, franz. en (inde); etr© (inter); legu« (lingua); i
pede (piscor); se m. sed« f. (siccus, a); verg« (virga); neg©
(nivea); päly« f. (cingülum); sovä (subinde); pädr« (pingere).
Statt ä verwendet die mundart von Ligni^res oft ä: pä*
dr«; ch^ädre, cendres (cin'res); e resäbye (resTmMant). In
diesen fällen erscheint oft in der mundart von Landeron
ai: e saiby« (simMat), in derjenigen der am see liegenden
Ortschaften ei. I in roman. pos. vor ti oder li und fol-
gendem vocal bleibt seinem laute treu: djustice (justitia);
familye (familia). c) i wird gewöhnlich e: fe (fidem); y'
epyey., j'emploie (implTco); peg« (picem); se (sitis); in
andern fällen entwickelt sich ä, namentlich bei Wörtern,
wo auf 1 ein m oder n folgt: te m§ne (minas statt nii«
näris); sä (sine); die mundart von Ligni^res braucht dafür
manchmal ä: pä (pilus). In den bereits oben genannten
örtlichkeiten erscheint auch an der stelle des i ai und ei«
fei (f idem) ; sei (sine) u. s, w.
Gr. II. a) I: ami; y'eclin« (inclTno); crlby«; figUe;
fl; geti; Ilvre; ni; riv© (rlpa); y' ecriv«; i viv« u. 8. w.
Wie in der ersten gruppe linden sich auch hier beispiele
von in eu übergegangenem I: fameunn«; fareunn« zu Pon-
taines, sonst far'n«; raceunn«; epeunue; v^ceunUe« Unter
der gleichen bedingung wie oben erscheint auch hier ein
allerdings weniger breiter ä-Iaut, der hier mit e bezeichnet,
aber zur Unterscheidung mit n versehen ist, das nicht ge-
sprochen werden darf: crcu; fcn; lycn.nie; lyön; v'oe«;
abhandlungen über die roman. mundarten der Sfldurestscbweiz. Sil
ven; auch sonst erscheint bisweilen e: p^, pois (pisum); i
^aieje (castigo). b) i in lat. und roman. pos.: c'vetre; crete;
fedr«; ferm« (firmus); ed; legUe; mettr« (mittere); i pö<5e;
sc m. sece f.; sove; verge; chiifedre; e seby«; mervely© (mi-
rabilia); neg«; i erhält sich nur in wenigen fallen, immer
in pos. vor ti und folgendem vocal, bisweilen vor li in
derselben Stellung: avarie« (avaritia); djustice; servic« (ser-
vTtium); family« (familia). c) i erscheint in seiner mund-
artlichen gestaltung gewöhnlich als e: i depyey©, je de-
ploie (displTco) ; fe, foi; pe, poil, cheveux; peg«, poix; se,
soif; scu (sine); scn (sinus) u. a. Die mundart von Chezard
zeigt neigung für den laut eu an stelle von e: leuvr«, livre
(liber); peu, poil; peuvr«, poivre (pTper); doch zeigen sich
spuren dieser bildung auch in andern localitäten, freilich
nur in vereinzelten fällen, wie peur m., poire (pirum), wäh-
rend hier die mundart von Chezard wieder eigenthümlicher
weise por hat.
Gr. III. a) I. Auch hier bleibt l in der gröfsten
zahl von fällen: ami; criby«; figa; fl; gati; livra; ni; riva;
yecriyo u. a. Uebergang zu ä findet statt, wo nach ab-
fall der lateinischen endung ein nach i stehendes m oder
n in den auslaut kam, wobei diese laute dann später ver-
stummten, oder wo vor einem in der ausspräche geschützten
m oder n ein secundärer nasal sich entwickelt hatte: crä;
fa; läu.ma; lä; pä (pinus); vepä (vicinus); vä u. s. w.,
wofür sich auch crin, fin, lin.ma u. s. w. geschrieben fin-
det, ohne dafs jedoch ein deutlicher nasal vernehmbar
wäre. In vereinzelten föllen zeigt sich auch e aus l: pe,
pois; i dateyo (castigo). Ein eigenes loos traf in dieser
gruppe diejenigen Wörter mit betontem I, die in den bei-
den vorhergehenden dasselbe in eu übergehen liefsen, d. h.
diejenigen, deren nach i folgendes n durch vocal geschützt
und der alten ausspräche erhalten blieb; hier rückt der
wortaccent auf die antepaenultima, was kurzweg die Un-
terdrückung des I zur folge hat: fam'na; far^na; ep'na,
trotzdem e hier nur secundäre zuthat ist; ra9^na; ve9^na.
b) i in lat. und roman. pos. : cVetr«; creta; ferm«; mettre;
i pedo; se m. sedef.; mervely«; neg«. Abgesehen von ein-
812 Hftfelin
zelf&llen yerbleibt i regelmäfsig vor ti und nachfolgendem
vocal: ayarice; djustic«; servic«. Stand positionslanges i
vor n oder m, so ging es in a über, wie unter gleicher
bedingung e, und der nasale laut verstummte: fadr« (än-
dere); atr« (inter); laga (lingua); chadre pl., cendres (cin^-
res); i saby« (simlat). Auch vor r ging es in a Aber in
dem Worte: var^e (virga). c) i wird meisten theils zu e:
i depyeyö, je deploie; fe, foi; te mgoe; pe, poil; pe, poix;
se, soif. Zu ä umgewandelt findet es sieb, wenn ursprüng-
lich ein nasal darauf folgte: sä (sine); sä (sinus).
Gr. IV. a) I: ami; crlbyd; e dlze (dicunt); figa; fi;
geti; livra; y'ecriy6; vi in. viv« f. (vivus, a) u. a. m. Un-
ter derselben Bedingung, wie vorbin, kommt ä zum Vor-
schein: crä; (ä; län«ma; lä; pä; v^^ä; vä mit kaum wahr-
nehmbarem nasalem klang. Die laute ä und e erscheinen
auch in einzelnen andern fällen: i öat^yo; pä, pois; I
verschwindet, indem der accent auf die antepaenultima
rückt, in denselben Wörtern, wie in der 3. gruppe: fam'na;
far^na; ra9'na; ep'na. b) i in lat. und roman. pos. geht in
der regel entweder in e oder in ä über: a) fedr«; ed vor
vocalen, en; etr«; nege; /^) pädr« (ciugere); päly«, sangle;
läga; cboädr^ pl., cendres; e säby« (sTm'lat). Folgt darauf
ein r, so gebt es, wie e, in a über: farmo (firmus); ars»
(irpex); varge (virga); var m. varda f. (vir'dis). Befindet
sich i in roman. pos. vor ti-H vocal, so bleibt es rein: avar
rice; djustice; sarvi^o; ebenso in: family«. c) i bleibt sel-
ten rein; gewöhnlich geht es in e oder ä über: a) i de-
pySy^; te m^n«, tu m^nes; ß) fö, foi; pä, poil; pä, poix;
sä (sine); sä ( sinus j; sä, soif. Bemerkenswerthe formen
mit ei sind: leivrÖ, livre (liber); peivrö, poivre (piper).
Gr. V: Vignoble. a) i: ami; i dlz© (dico); y^enclin«;
fi; livr«; lim«. Kam nach abfall der lateinischen endong
ein auf l folgender nasal in den auslaut, so verstummte
der letztere und es bildete sich aus jenem der breittönende
laut ai: crai (crlnis); faj (finis); lai (llnum); pai (pinus);
ve9ai (vielnus); vaj (vinum). Bemerkenswerth ist auch pa
aus pisum. Es wird unierdrückt, nachdem der accent auf
die antepaenultima gerückt ist, in Wörtern, wie wir sie in
abhandlnngen über die roman. mandarten der Sttdwestechweiz. 313
der 3. und 4. gruppe in gleichem verhältDifs kennen ge-
lernt haben: far'na;. ra9'na; doch bildet sich aus spIna,
wie in der 1. und 2. gruppe: epeuDn«. b) i in latein. und
roman. pos. wird gewöhnlich e: cVetr«; detycdr« (de-ex-
tinguere); fedr«; ed vor vocalen, en; etr«; löga; se m.
sece f. (siccus, a); 6pe m. epesSe f. (spissus, a); VoerÄe(virga);
e sebye (sim'lat); ver m. verta f. (vir'dis); ne^^e^ neige.
Doch tritt gern statt e ei und ai, seltener blofses a nach
verstummen des auch sonst nur sehr schwach gesproche-
nen i ein, namentlich wenn der erste der position bilden-
den consonanten ein nasal war: a) pcidr« (pingere); choCi-
dre plur., cendres; ß) el etrai (stringit); vaicr« (vincere);
demaiCe f. (domin'ca), dimanche. p') 9a statt ^ai, cinq (quin-
que). Keines i bleibt in wenigen fällen; regelmäfsig nur
in roman. pos. vor ti-f-vocal: zustice (justitia); serviCe;
ihnen reihen sich noch an: family«; prodiz« (prödigium).
c) 1. Neben bildungen mite: i depyeye; se, soif; se (sine)
u. a. finden sich solche mit ai, wobei i sehr schwach
nachklingt, weshalb letzteres nicht selten verstummt und
blofses a erscheint, fai, foi; pai, poix; pa, poil; sa (sinus).
In sehr wenig föUen ist i bewahrt.
Paroisse. a) I: ami; y'encllno; crlbyo; figa; livra;
y'ecrivo; vi m. viva f. u. s. w. Vor nasalen, die hier be-
reits wieder mittönen, klingt das zu e umgewandelte i fast
wie ä: cren; fen; len.ma; len; pen; vecen; ven. Beson-
ders bemerkenswerth sind: pai, pois; nu (nidus); ru (nvus).
In folge der verrückung des accents auf die antepaenul-
tima gestaltet sich I zu e in: fa'mena; fa'rena; ra'cena;
e'pena. b) i in lat. und roman. pos. wird gewöhnlich zu
e: cendre (cingere); ceuly«, sangle; etyendr« (extinguere);
fendr«; entr«; lenvoiia, langue; epe m. epess« f. (spissus, a);
vencr©, vaincre; verÄ©, verge; chendra, cendre; e semby«»
Nur in dieser mundart kommt es vor, dafs positionslanges
i in einer gröfsern anzahl von Wörtern den laut des e
(oder eines sehr kurz gesprochenen ö oder eu) annimmt:
creta (crista); messa (missa); i peco (piscor); seCe (sicca);
vella (villa); nez« (oivea); rein bleibt positionslanges i re-
gelmäfsig nur vor ti-f-vocal: avaric«; zustic«; servipo;
314 Iläfelin
ebenso in: familye; prodizo. c) i hat sich selten rein er-
halten; gewöhnlich ging es in e, manchmal in ai, a« mit
sehr schwach nachklingendem i und « über: a) i depyeyo;
sen (sine); ß) pai (picem); ;) fa«, foi; pa«, poil; sa«, soif.
Als benierkenswerthe formen mit ai sind ferner zu
erwähnen: bair« (bifbere); laivro, livre (Über); paivro (pi-
per); re^aigr«, recevoir (recTpere); doch sind beispiele die-
ser bildung auf diesem gebiet weit seltener, als auf deai
vorigen.
D. O. Die mundart räumt diesem laut einen weiten
Spielraum für seine gestaltung ein; doch bewegt sich die
weitaus umfassendste bildung desselben innerhalb der gren-
zen der laute eu und o. Letzteres ist gewöhnlich die eni-
wicklung von latein. ö und ö vor nasalen, die in diesem
falle nicht wie nach e und i verstummen und von o in
Position, ersteres von ö und ö im allgemeinen. Einzelnes
und genaueres mag die prüfung der einzelnen dialekte
aufklären.
Gr. I. a) ö: a) fyeür (flörem); heüre (höra); meübye^
meuble (möbilis seil, res); meür« (vom plur. von mörum);
n'veü~r (nepötem); eü (övum); i pyeür« (plöro); epeü (spö-
8U8 statt sponsus); epeüs« (spösa statt spousa); veü (vö-
tum); ß) in den Wörtern mit dem sufüx -tor, -töris: ama-
teür (amatörem); pateür, hirt (pastörem); y) in den Sub-
stantiven auf -or, -öris, wo jedoch der tiefer klingende
laut eu vorkommt; daleür (calörem); couleür (colörem);
honeür (honorem); S) in den zahlreichen adjectiven auf
-ösus, a, um: goyeü, joyeux (gis. gaudiösus); merdeü (gls.
merdösus); galeü, jaloux (gls. zelösus); e) in dem proD.
poss. lyeü, zu Lignieres: yeü (illörum). Folgt ein nasal
darauf, so bekommt das lat. ö den laut o: darbon (carbö-
nem); coüronn« ( Corona); don (dönum); nom (nömen);
pön.me (v. pl. von pömum); t^mon (temönem); ebenso in
den zahlreichen Substantiven auf -io, -iönis, und -tio,
-tiönis: rason (ratiönem) u. s. w. Fällt nach ö ein conso-
nant aus und müssen die beiden zusammentreffenden to-
cale in der mundart im hiatusverhältnifs stehen, so liebt
ö den Übergang in ou: y' avoue (gls. advöto); e dou«
abhandlungen Über die roman. mandarten der Sttdwestscliweiz. .M5
(dötat). Eigenthümliche bildungen sind: nyu (nödus); pu-
bye, peuplier (pöp'lus), wo u sich wahrscheinlich aus einem
vorangegangenen eu entwickelt hat. b) o in lat. und ro-
man. pos. : i conte (comp'to); cor (corpus); i dörnie (dor-
mio); Ion m. long« f. (longus, a); i nioly«) zu Ligni^res:
i moye (moilio); sonn« (soinnus),- homme (höm'nem). An
stelle von o erscheint bisweilen 6, namentlich gern bei
nachfolgendem r: el app6rte (apportant); cörue (cornu);
pör (porcus); pörte (porta); s6r (sortem); tör (tortum).
Stand oder steht nach o ein st oder ss, so ging o in ou
über: cout«, cote, rippe (costa); noutr« ni. f. (noster, no-
stra); poüi, puls (post); la poust«, la poste; a propou
(propös'tum) ; voutr« m. f. (voster, vostra statt vester, ra);
fousSe (fossa). Das in rom. pos. vor einer liquida -f- i und
nachfolgendem vocal befindliche o geht ebenfalls in ou
über, sei es, dafs jenes i in die betonte silbe attrahirt
wurde oder nicht: couer (cörium); fouly«, zu Ligni^res:
foüeye (aus d. pl. von fölium) u. s. w. c) ö wird gewöhn-
lich zu eü: beü (bövem); ceür (cor); e d'meür© (dömörat-ur);
neu m. neüve f. (növus, a); neu (növera); preüve (pröba);
reüye (röta); e teün« (tönat). Vor unmittelbar nachklin-
gendem vocal wird es ou: e coue (cöquit); fou« (föcus);
djoue (jöcus); e djou« (jöcat-ur). Doch auch in andern
einzelnen fällen kommt ou bisweilen vor: rous« (rosa);
ecoule (schöla). Vor nasalen bleibt der o-laut: son (sönus);
ton (tönus).
6r. II befolgt im ganzen in der behandlung des o
dieselben grundsätze, wie die erste: a) ö: a) fyeür; meü-
by«; meüre; n'veü, auch n'veü-r; nyeü, noeud, in Paquier,
nyu in Dombresson, nu in Ch^zard; eü; i pyeür«; epeü;
epeüSe; ß) amateür; serviteür (servitörem); daneben auch
patefir; y) ardeür (ardörem); couleür; daneben: doüleür
(dolorem); faveür (favörem); honeür; vigueür (vigörem);
c^) amoüreü m. amoüreüs« f« (gls. amorösus, a); e) lyeü.
Tieftonig wird es in: heür«; seul m. seuU f. (söhis, a). Als
dumpfes o klingt es vor nasalen: derbon; coüronne; den;
nom; pön.m«; t'mon; rason u. s. w. Unter denselben um-
ständen, wie oben, gestaltet sich ö zu ou: y' avou«; e
316 Häfelin
dou«; e nyou« (nodal); ebenso in don, dos (dösum fOr dor-
sum); noubye (nöb'lis); zu u in nyu, nu neben nyeü; pu-
hje. b) o in lat. und roman. pos.: i conte; cor; cörn«;
för m. fbrte f. (fortis); Ion m. lon^« f.; i moly«; mör (mor-
tem); pör; pört«; e pörte (portant); houinie; hochtoniges ö
haben sör; tör; o vor s in pos.: cout«; fouss«; hout«,
böte (hostis); poüi; poust«; a propou; noutr«; voutr«. O
in rom. pos. vor einer liquida + i nüt darauf folgendem
vocal wird ebenfalls ou: fouly«; depouly« (gls. despölia).
Diesen ist noch anzureiben proud«, procbe (pröpius). c) ö
wird eü, seltener eu: beü; ^eür; neu m. neüv« f.; neu;
preüve; e demeüre; meül« (möla); e teun«; unter denselben
umständen, wie in der ersten gruppe entwickelt sich ö zu
ou: foue, doch auch fou; djoue; e djoue; lyoue (locus);
ou trifft sich auch in andern einzelnen fallen: ou (ös);
rouse; ecoule. ö vor nasalen wie in der ersten und den
folgenden gruppen.
Gr. III. a) ö gestaltet sich hier zu eü, eu und sogar
zu u: a) meübye; cü; fyeu; meur«; i pyeürÖ; seul m. seula
f.; hura (höra); nu (nödus); ß) amateür; doch auch setu,
faucheur (sectörem); y) ardeür; öaleür; coüleür; douieür;
vigueür; daneben aber auch: dalu (calörem); calu (colö-
rem); hanu (honorem); ö) amoureü; doüloüreü (dolorö-
sus); daneben: goyu, joyeux; galu m. galusa f., jaloux, se;
e) leü. Vor nasalen bleibt der o-laut: öarbon; coüröna;
don; nom; poma; Tmon (temönem); rason u. s. w.; Über-
gang von ö in ou: y'avoüci; i dou«; einzelfölle mit ou:
dou, dos; nevou, neveu; nonby«, noble, b) o in lat. und
rom. pos.: i contÖ; Ion m. lon^ef; sonn«; sör; homDi«.
Folgte auf o ein r, so wird jenes gern zu ö und nimmt
gewöhnlich einen vocalischen verschlag: Couö (corpus);
Coiiöna (cornu); foü6 m. fouöta f. (fortis); mouö (mortem);
ponö (porcus) ; i poöötan (portant). O vor s in position wie
in den beiden vorhergehenden gruppen: coute pl.; foussa;
poüi; a propou; noutr« m. noutra f.; voutr« m. voutra f.
O in rom. pos. vor 1 + i und nachfolgendem vocal scheint
hier den Übergang in eü zu lieben: feüly«; seüly«, schwelle
(sölca). c) ö geht gern in eü über; folgt ihm ein r, so
abhandlungen über die roman. mnndarten tler Sttdwestschweiz. 317
erhält das daraus hervorgegangene eü gewöhnlich einen
vocalischen Vorschlag: beü; ci{eü(cör); fyeü (föcus); meüla;
moueü (mörit-ur); ned m. neüva f.; preüva; reüva; seü
(söror); i teün« (tönat); i veül« (völat); bisweilen erscheint
der laut eu: i demeüre; neu (növem). Uebergang zu ou
unter derselben bedingung, wie oben : i djoue u. a. , sowie
in einzelfällen: boün m. (vor voc), boüna f. (bönus, a),
aber bon vor cons.; rousa; ecoula; u zeigt sich in djui
(jöcus); o in: son; ton.
Gr. IV. a) ö: a) heüra; meüby(5; eü; i pyeür^;
epeüsa; mit eu: fyeur; neveu-r; seul m. seuU f.; epen;
ß) amateür; y) coüleür; doüieür; honeür; pateu, hirt;
S) amoureü; göyeü; mardeü; ^alei\ m. galeüsa f.; c) leu.
Der o-laut bleibt bei nachfolgendem nasal: darbon; cou-
rön«; don; nom; pon.ma; lemon (temönem); rason u. a.,
sowie in andern einzelnen fallen. Der laut ou an stelle
von ö erscheint unter derselben bedingung, wie oben, so-
wie in einzelfällen, wie dou, dos; noubyci, noble, b) o in
lat. und roman. pos.: i conto; i dörm6; Ion m. lon^« f*;
1 molyo; pörta; e pörte (portant); sonnö; sör; neben o er-
scheint auch der hellere laut 6, namentlich gern vor r:
cor (corpus); c6rne pl. (cornu); for m. fort« f. (fortis); por
(porcus); tor (tortum). Vor st und ss geht o in ou über:
asstou oder astou, aussitöt (aliud sie tostum); coute pl.;
foussa; poüi; pousta, poste; a propou; noutr^ m. noutra f. ;
voutr({ m. voutra f. O in rom. pos., die gebildet wird
durch einen consonanten und ein vor nachfolgendem vocal
zu j verdichtetes i, wird ou: foulye; proud6; o bleibt in:
depoly«. c) ö wird gewöhnlich zu eü: beü; Qeür; meüla;
neu m. neüva f.; preüva; seür; e veüU; seltener zu eu:
e demeüre; neu (növem). Es wird ou daraus in folgenden
beispielen: e cou (cöquit); fou (föcus); e mour« (murit-ur);
ou (ös); rousa (rosa); ecoula (schöla). U hat sich ent-
wickelt in: dju (jöcus); lyu (locus). Gesellt sich ihm der
nasale laut bei, so bewahrt ö seinen eigenen laut: bon,
aber boüen vor vocalen ; son; ton; e ton.n« (tönat); ebenso
in andern einzelnen fällen.
318 IIILfelia
Gr. V. a) ö: a) fyeür (Vignoble); heiir« (V.), heüra
(Paroisse); meübye (V.); neveü-r (V^.), neveü (P.); eü; i
pyeüfe (V.), i pyeüro (P.); epeü; epeüs« (V.), epeüsa (P.)»
eu erscheint in: seiil (V^.), seulo (P.); (^) amateür; y) ar-
deür; caleür; coüleiir; doüleür; honeiir; d) in der be-
handlung des ö bei adjectiven auf -ösus, a, um geben die
mundarten des Vignoble und der Paroisse bedeutend aus-
einander: die erstere wandelt es in eü, die letztere in a^,
also: Vignoble: zoyeü, joyeux; zaleü, jaloux; aber in der
Paroisse: zoyae ; merda^; zaW ; auch bei den Substan-
tiven auf -tor, -töris kommt in der mundart der Paroisse
neben der gestaltung des ö zu ed die eben erwähnte Wand-
lung desselben zu ae vor: cacha^, cbasseur (gls. captiatö-
rem); saitae, faucbeur (sectörem); diesen reihen sich noch
an die Substantive: fyae, fleur; nya^, noeud, sowie das pron.
poss. lae (lyeü im Vignoble), bildungen, wo der a-Iaut
so stark vorwiegt, dafs nicht selten der nachklingende
e-vocal kaum mehr hörbar ist, wie er denn auch oft weg*
gelassen wird, wie z. b. in fya neben fyarf. Der o-laut
bleibt bei nachfolgendem nasal: cerbon; coüronn«; don;
nom; personn« (V.), personna(P.); pon.ma (V.), poma(P.);
t^mon; rason (V.), reson (P.), sowie in einigen vereinzelten
fallen wie nö (nös); to (tötus) u.a. Folgt auf ö ein vooal
(oder halbvocal wie y), so findet Übergang in ou statt:
y'avoUe(V.), y'avouo(P.); i douy« (V.), i douo (P.) (döto);
desgleichen in einigen vereinzelten fällen: noubyo (P.),
während im Vign. noby«; bemerkenswerth ist auch poui-
bye aus pöp'lus (V.), während die mundart der P. puhyo
aufweist, b) o in lat. und romau. pos. wird gewöhnlich o,
selten 6: cord« (V.), corda (P.) (chorda); i cont« (V.),
i conto (P.); cörna; i dorm« (V.), i dormo (P.); f6r (V.),
fö (P.), fort; Ion m. lonze f.; i moly« (V.), i molyo(P.);
sonue (V.), sonno (P.); homm« (V.), hommo (P.). O in
Position vor st oder ss gestaltet sich zu ou: cout^ pl.;
fousse (V.), foussa (P.); poöi (V.), poüu (P.); a propon;
noutre m. noutra f. (V.), noutro m. noutra f. (P.); voutr« m^
voutra f. (V.), voutro m. voutra f. (P.). Befand sich o iii
pos. vor einem consonanten und einem vor nachfolgendem
abhandlungen über die roman. mnndarten der Südwestschweiz. 319
vocal ZU j verdiehteteo i, so ging es in ou ilber: fouly« (V.),
foüulye (P.)5 prouce (V.), prouco (P.); o bleibt in depoly©.
c) ö wird meist zu eü, seltener zu eu: beü; ceür (V.),
ceü (F.); e demeür«; lyeü (V.), aber in der F.: lyu (locus);
meüle (V.), meüla (F.) ; neu m. neuve f. (V.), neu m. neiiva
f. (F.) ; neu (növem) ; preüv« (V.), preüva (F.). Der o-laut
geht in ou ober, wenn unmittelbar ein vocal darauf folgt
(oder ein balbvocal wie y), sowie in einzelfällen, wie diese:
ou (ös); rousa (F.); ecouU (V.), ecoula (F.); u an stelle
von ou findet sieb in djui (V.) aus jöcus, aus dem in der
mundart der Faroisse dji sieb entwickelt mit Unterdrückung
des u-lautes. Der o-laut bleibt besteben unter der glei-
chen bedingung, wie oben, sowie in ein paar einzelföllen.
E. U. Langes sowie kurzes u lieben im allgemeinen
den Übergang in den französischen u^laut; u in pos. wird
in der regel zu o. Die prüfung der einzelnen dialekt-
gruppen mag das nähere ergeben.
Gr. I. a) ü: cadue, zu Lignieres: cäduc (cadücus);
commune, gemeinde (communis) ; cru m. cru« f. (crüdus, a);
cu (cülus); Cure, pfarrhaus (cüra) ; dür (dürus); lun« (lüna);
nature (natura); nyu m. nyut« f. (nüdus, a); pätür« (pa-
stura); pur m. pur« f. (pürus^ a); i remuy« (gls. remüto);
salu (salütem); ecritur« (scriptüra) ; ecu (scütum); vertu (vir-
tutem). Den laut ou hat es nur in wenig fallen: coüv«,
kufe (cüpa); i djoüre (jüro); i äou© (südo); natour« findet
sich neben natur«. Zu kurzem eu wird ü vor nasalen, die
der alten ausspräche treu blieben: forteuue oder forteunn«;
leuue oder leunn« neben lun«. Vor nach franz. weise gespro-
chenem, die silbe schliefsendem m oder n, wenn sie sich vor
scharf gesprochenen nasalen auch nur secundär entwickelt
haben, gestaltet sich ü zu o: pyon.m« (plüma); pron.m« (aus
dem plur. von prümum statt prünum) ; on (ünus) aber en vor
vocal. b) u in lat. und roman. pos. wird gewöhnlich o:
colombe (columba); forde (furca); görg«, bouche (gurges);
gotte (gutta); mode(musca); mot« (vom pl. von mustum);
prevon m. prevondo f. (profundus, a); rotr« (rumpere); äor
m. sorde f. (surdus, a); tor (turris); to (tussis); ombr« (um-
bra); ouly«, zu Lignieres: on.y« (ungula); or (ursus); i
320 Häfelin
dotte (diibHo); nombre (nümVus). Der laut ou ist selten:
coüpe (cuppa); coüer m. coüerte f. (curtus, a); ebenso u:
djuste (justus); i purg« (purgo). U in roman. pos. vor
einem cous. +e oder i mit nachfolgendem vocal wird u
oder eü: delug« (dilüvium); rüge m. f. (rubeus, a); pyeü^«
(piüvia). c) ü wird gewöhnlich u: dju (jügiim); lu (lü-
pus); luVe (löpa); rud« (rudis); ou in djou'veUe, djouv'n-
homm« (jüvenis); eü in: ereü (crux, criicis); e ceüv« (cü-
bat); ceüvre (eüprum).
Gr. II. a) ü: brut« m. f. (brütus, a); cadue; cu; cur«;
cru m. crute f.; du m. dar« f.; dju^e (judex); natur«; nya
m.nyussef.; pätur«; pur m. pur« f.; i r^mü«; salu; ecu(8Cü-
tum); suc (sücus); vertu, ü bleibt als ou in: i djoüer«
roou (mürus); i sou«. Es wird eu daraus in: forteun«
leun«; o unter derselben bedinguug, wie oben: pyon.m
pron.m«; ou. b) u in lat. und roman. pos.: colomb«; cor
m. Corte f. (curtus, a); djor (diurnum); ford«; for (furnus);
görge; gotte; moc«; mot«; prevon m. prevond« f.; rotr«;
sor m. sordi, f.; tor; to; ombr«; only«; or; comby« (cum'-
lus); homby« (hüm'lis); nombr«; der laut ou ist sehr sel-
ten: coüpe (cuppa); häufiger findet sich u: djuste ; lutt«
(lutta, lueta); i purg«; ebenso in fällen der durch Verdich-
tung von e oder i zu j entstandenen roman. pos.: delu^«;
rüg«; aber: pyeüge. c) ü wird u: dju; lu; luv«; rud«;
ou in djou'vene, djouv'n-homm«; eü in: creü; e peüv«; ceü-
vre; gueüle (güla).
Gr. III. a) ü: brüte m. bruta f.; caduc; cu; cur«;
cru m. cruta f.; du m. dure f.; i djuro; dju, brfihe (jus);
natur«; nu m. nua f.; pur m. pur« f.; salu; ecu; i 8u^
(südo); vertu; ou erscheint in: coüva (cüpa); i r'moöä;
o unter der bekannten bedingung in: c'mon pl., prairies
appartenant ä une commune, oü Ton garde les vaches
pendant Tete (communis); pron.ma. Eine eigenthümliche
bildung ist hier pyeüma aus plüma. Ausgestofsen ist u
in fort'na (fortüna), indem der wortaccent auf die ursprQng-
liche antepaenultima trat. Eine noch sonderbarere bildang
ähnlicher art ist Pna, lune, aus lüua. b) u in lat. und
roman. pos. wird in der regel o; folgte ein r darauf , so
mbhandlnngen über die romab. mundarten der Sttdwestschweiz. 3^1
hat das aus u entwickelte o bisweilen einen vocaliscben Vor-
schlag: Coüo m. CouOta f. (curtus, a); gorg«; forde; gotta;
mod«; möta; prevon m. prevondaf. ; to(tussis); ormaf., ulme
(ulmus, mit endungswechsel, wohl dem fem. gescblecht von
ulmus zu lieb); ombr«; only«; vargogn« (verecundia) ; com-
by«; nombr«; u findet sich selten: djust« m. djusta f.; lutta;
i purgö; ebenso in: delu^«; rüg«; aber: pyeü^e* Der laut
eu aus u tritt aufserdem noch etlichemal auf: djeur (diur-
num); seurdj« oder seu,g» m. seu,da f. (surdus, a); teur
(turris); eu, (ursus); heumbye m. heumbya f. (hum'lis).
c) ü gestaltet sich meist zu u: dju; lu; luva; rud« m.
ruda f.; zu ou in: djou'veun«, djouv'n-homme; couvr« (cü-
prum); eü wird daraus in: i ^eüve (cübat) ; gueüla (güla).
Gr. IV. a) ü: caduc; cu; cuva; cur«; cru m. crutaf.;
du m. dura f.; djug^; i djür6; mu (mürus); natur«; num.
nuve f.; pätur«; pu m. pur« f.; ecritur«; ecu; suc; vartu;
ou findet sich selten: i remoä6; i doü6; o unter der glei-
chen bedingung, wie oben: pyon.ma; pron.ma; on (vor
vocalen en). Ausgefallen ist u in: fort'na; Pna. b) u in lat.
und roman. pos.: colomb«; ford«; gör^«; gotta; mod«; pre-
fon m. prefonda £; rontr«; sordo m. sorda f.; to (tussis);
only«; vargogn«; comby6; bisweilen erscheint u: djust<$;
i purgo; ebenso in: rugo m. rüg« f.; manchmal eu und
eü: djeur; leutta; teur; eur; pyeüge. c) u wird meist eu
und eü, seltener u: creu, croix; ceüvro, cuivre; djeu, joug;
leu, loup; leüva, louve; aber: rudo (rüdis).
Gr. V. a) ü: brut« m. f.; caduc; cu; cuv« (Vignoble),
cuva(Paroisse); cur« (V.), cura(P.); cru; dur(V.), du(P.);
±\i±e (V.), zuzo(P.), juge; i Äur« (V.), i züro (P.), je jure;
natur«; nyu m nyut« f. (V.), nu m. nu« f. (P.)5 pätur«;
pur (V.), puro (P.); salu; ecriture; ecu; vertu; es er-
scheint eu in: forteun« oder forteunn«; leuna (P.), wäh-
rend in der mundart des Vignoble das wort mit unter-
drücktem u-Iaut erscheint: Pna. ~ Vollständiges verschwin-
den des u findet auch statt in co'm'na, commune, indem
der acoent auf die ursprüngliche antepaenultima trat. Zu
o wird u nach der bekannten regel in: pyon.ma; pron.ma;
ou, vor vocalen: en. b) u in latein. und roman. pos.:
ZeiUchr. f. vgl. sprachf. XXI. 4. 21
322 HKfelin
colomb^ pL (V.); 4or (V.)^ 4o (P.)> jwr; forö»; gori«;
gotta; moc«; mot« (V.)? m6ta (P.); preyon m. prevond« f.
(V.), prevon. m. prevonda f. (P.); rotr« (V.), rontr» (F.);
8or m. sord« f. (V.)? sprdo m. sorda f. (P.); tor, tour; to,
toux; ooly«; or; combyo (P.); nombr« (V.), nömbro (F.);
der laut ou zeigt sich selten: coup«; coüer m« cou6rte f.
(V.), coüer m. cou^rta f. (P.), wo ou sich entwickelt bat
wegen des darauf folgenden e-lautes, wie es auch in botii
aus buxus aus ähnlichem gründe erscheint Häufiger fin-
det sich, u: äuste (V.), zusto (P.), juste; lutt« (V»)^ lutta
(P.); i purÄe (V.), i purio (P.); deluie (V,), ddnio (P.);
ruie (V.), ru:^o (P.); auch eu und eü kommt zum morschem:
seufiro (P.) (suf^ro); heuoiby« (V.), heumbyo (P.); pyeüi«.
c) u. Neben formen mit u: tu (V.), joug; lu (V.), loup,
dagegen louva ebendaselbst; rud« (V.)) nido (P.) finden sich
solche mit eü: creü (V.), croix; e ^eüv« (cubat); ^eüvr«
(V.), ^Qüvro (P); gueiile. Ou zeigt sich in ^uv^n« (V.),
zouv^De (P.) aus juvenis; oü in: zoü (P.)., joug; loöva
(P.), louve, mit stark hervortretendem o-laut. Das maseal'.
zu loüva lautQt lo, das« einstige beispiel, wo ü zu o wird.
Eine sonderbai^e form ist cra^> (P.) aus cruz, cruois.
Allen regeln, die wir über die geetaltung di^n-laute»
kennen gelernt, zum trotz sind die formen en« (gr., I. ü),
ena (gr. III — V), auch quo« 9 enna geschrieben, aus. üna
gebildet, sowie das vor vocalen stehende en statt on^ wa
der e-laut sich wahrscheinlich aus einem vorangegangenen
eu entwickelt hat.
F. Y. Eb- gestaltet sich dieser griech. laut a) zu i in:
gl, zi (gr. V) au^ yvxpog; ß)yza o in wörterut, wo y ^»);
im mund der Romanen wie u lastete: gr. I: borSb (buraa,
ßvqaa); tomb^ (ttJfi^og); boäte (nv^iSa); gr^ II:. börs^;
tombe; boet;«; gr. III: booäa; tomba; boeta^ gr^ IV: bors«;
boäte; gr. V: bors« (V.), borsa(P.); tombe (V.), tomba (F.);
bda^te. Wiewohl auf a betopt, fQge ich nodi bei das in«
der 5.. gruppe. bereits d^cb das französische wort etmUkim
mostaöe {jüvCta^)»
G. Die diphthonge: a). ae; oe. Aus caelum (ecirittsi).
entwickelt sich das auf i stark betonte cfel; im patoia von
abhandlungen Über die roman. mandarten der SüdweBtachweiz. 32S
Val-de-Traver8 lautet das wort eil, zu La Sagne findet
sich neben ciel auch che. Aus faenum, fo^num geht her-
vor: fä in gr. I— IV; gr. V: fit (V.), fen (P.); aus paeiiÄ,
poena: gr. LH: pän«; gr. III. IV: päna; gr. V: paine(V.),
pena (P.).
b) au. Aus diesem diphthong entsteht mit grofser
regelmäfsigkeit langes ou. Gr. I: y'du^« oder y'oudje
(audio); Toure, vent (aura); ou (aut); dou (caulis);
douse (causa); tyour« (claudere); e frony« (fraudat);
^ouye (pl. von gaudiura); i lou« (laudo); pou (paucum);
pouvre (pauper); rouc« (raucus); i rout« , j'ote (gls. re-
hausto).
Gr. II: y'ouge; our«; ou; cou; tyour«; ^ouy«; pou-
pouvre als praedicat, pour als adjectiv; i m' r'pous« (gls.
repauso); rou4$e; i rout«.
Gr. III: ou-v-ra; ou; dou; tjour«; gouy«; i lony^;
pou; pour m. poura f.; im' repous^; roud«; i routo.
Gr. IV: y' ou^o; dou; tyour«; e lou« (laudat); pou;
pour6 ro. poura f.; i m' r'pouso; i routo.
Gr. V: y' oui« (V.), y' ou4o (P.); ou-v-ra; ou (V.),
6 (P.); cou; tyoure; iouy« (V.), zouyo (P.); i louo (P.);
pou; pouvre (V.), pouro (P.); i m' repouso (P.); rouce (V.),
rouco (P.); i routo (P.). Von cauda bildet nur die 3. dia-
lektgruppe eine der obstehenden regel folgende form mit
allerdings kurzem ou: coüa. Sonst entsteht daraus in
der V. gruppe: cave, in der 2.: cuv«, in der 4. und 5.:
cuva.
2) Aufserhalb der tonsilbe. Da der accent der
belebend« athem des Wortes ist, so geht daraus hervor, dafii
die accentlosen vocale einer gröfsern wandelbarkeit ausge*
setzt sind, indem seine hauptsächlichste lebensthätigkeit
ihren sitz in der tonsilbe hat. Oft bilden sich die unbe-
tonten vocale in neue laute um, gewöhnlich im Widerspruch
mit den' gesetzen, die für die neügestaltung der betonten
vocale gefunden worden sind', häufig fallen sie sogar aus
und namentlich zeigen die mundarten des cantons Neuen-
burg eine ganz besonders ausgesprochene neigung, sie, so
viel als möglich ist, zu beseitigen.
21*
324 litfelin
A. Unbetonte vocale aufserhalb des hiatus:
a) vor der tonsilbe. Ausfall des tonlosen vocals findet ge-
wöhnlich statt, wenn zwei oder mehr unbetonte silben vor
der tonsilbe stehen und zwar trifft er denjenigen vocal am
leichtesten, der unmittelbar der betonten silbe vorangeht;
so fällt a) a aus: mervely« (2)*), merveille; /3) e: byamä
(1. 2. 3. 5), byame (4), (blasph(e)mare)s desirä (1. 2. 3.5)9
desir^(4), (desid(e)rare); ovräg« (1. 2), oyrfi^« {^^)y (glB.
op(e)rat'cum) und in neuern bildungen: appMfi (1. 2. 3. 5),
app'l^ (4), (app(e)llatus); öatMan (2), (castellanus) u. s. w.;
y) i in sehr vielen fällen: od (1), oc^ (2), oiseau (mit. au-
cellus aus avicellus) ; com^nötä (2. 3), commune (gleicbaam
communal(i)tatem) ; forgl ( I — 4), for^I (5), (fabr(i)oare);
dju^ (1—4), iuil (5), (jud(i)care) ; mädl(1.2), medl(3),
macl (5), (mast(i)care); prögl (1 — 4), preil (5), parier
(praed(i)care); satl (3), seti (4. 5a), (semitarius); sudS
(3), sudö (4), soudä (5 b), souder (sol(i)dare) u. s. w.; in
neuern bildungen: abst'nl (3), (abstinere); arr\fi (2), (gls«
ad-r(i)pare, arr(i)pare); avarcheü (2), (gls. avar(i)t]08U8);
badi (1—4), bacl (5), (bapt(i)zare); dev'nfi (2), (div(i)-
nare); efMä (2), enfiler (gls. inf(i)lare von filum); ep'nad«
(1 — 4), ep'nace (5a), epinards (gls. sp(i)nacea); sot'nl
(1 — 5), (sust(i)nere); vänHä (5 a), anderswo vanitä (vaD(i)-
tatem); ver'tä (2), var'ti (4), (ver(i)tatem); d) o in: coiiöl
(2. 3), cuci (4), coecX (5b), coucher (coll(o)care); orloi^
(5a), (hor(o)logium) und in neuem bildungen: douPreü (2),
(dolorosus); fos*nä(2), foisonner (gls. fusi(o)nare von fusio);
6) u in: edx (2. 3), eidx (4), 6dl (5b), aider (adj(u)tare) ;
balyl (1. 2. 3), bailler, donner (baj(u)lare) ; combyft (2.3)9
(cum(u)lare) ; sebyä (1.2), sabyä (3), sebyä (4), sembyft
(5 b), sembler (sim(u)lare).
Bisweilen erleidet, wen^ der betonten silbe zwei an-
*) Die in ( ) stehende zahl 2 zeigt an, dafs die Toraog^ende wort"
form sich auf dem gebiet der 2. dialektgruppe vorfindet; zn demselben
zweck sind im folgenden die übrigen vorkommenden zahlen verwendet. Die
zahl 5 allein deutet an , dafs die betreffende wortform sowohl im "Tignoble,
wie in der Paroisse; 5a, dafs sie nur im Vignoble; 5b, dafs sie nur in der
Paroisse vorkommt. Wo es erforderlich war, ist der zahl auch noch der
name der Ortschaft beigegeben.
abbandlnngen ttber die roman. mundarton der Sttdwestschweiz. 325
betonte vorangehen, nicht der vocal der unmittelbar vor
der tonsilbe stehenden, sondern derjenige der zweitvorher-
gehenden unbetonten silbe die synkope. So föUt, nament-
lich wenn der vocal der folgenden silbe ein dumpferer ist,
e ans: m'seurä (5a), (mesurare statt mensurare); r'tyamft
(2), (reclamare); s' r'gol (2), se rijouir (gls. re-gaudere);
ebenso o, namentlich vor liquiden: vMontä (1), (volunta-
tem). In c'maci (3), c^mäcl (4), c^maicl (5a), (aber co-
menci 5 b), (zsgs. aus com und initiare) fand, nachdem der
erste den roman. sprachen gemeinsame ausfall des i vor t
geschehen, auch die der mundart eigene synkope von o
vor der gebliebenen unbetonten silbe statt. Einem ähn-
lichen Vorgang verdankt r^log« (2) aus horologium seine
entstehung; ebenso: m'^ (2), (manducare); s^nan.n« (1.2),
s'nan.na (3. 4. 5), (septimana). Eine bedeutende Unter-
drückung von unbetonten silben zeigt auch: bSnchon
(3, 4, 5a), die kirchweih (benedictionem), während das
wort in der Paroisse noch lautet benechon. Wie in r^lo^«
verschwand die ganze erste silbe in dem worte rondall«
(1. 2), rondalla (3. 4. 5 a), (dim. von hirundo), während die
mundart der Paroisse eine form riondalla aufweist, welche
durch die Umstellung von ir zu ri entstand.
Geht der tonsilbe nur eine unbetonte voran, so ist
der ausfall ihres vocals seltener, als im vorigen fall, tritt
aber doch häufig genug ein; die mundart der 5. gruppe,
ganz besonders die der Paroisse, zieht es häufig vor,
ihn als e wenigstens noch zu bewahren , seltener thut
dies die mundart von Travers Es fällt a) a aus, nach-
dem es vorerst in e tkbergegangen , wie es sich noch
in devreü (1. 2), cevr6 (3), <$evreuil (4), 6evreuil (5 a),
(capreolus) u. a. erhalten hat, in: 6\6 (1. 2. 3), <5Vä(4),
cheval (caballus), während das wort in der 5. gruppe 6Sv6
lautet; d'nev« (1.2), 6'n6Ve(5a), chanvre (cannäbis, xdwaßig)
mit verrückung des accents auf die paenultima, aber mit
beibehaltung der alten betonung: SSneyS (4), und d^nevo
(5b); öVetre (1. 2. 3), dVetr. (5 a), chevÄtre; PcMa (3),
r^arda (4), (lacerta), aber la-n-cerda (5 b) mit eingeschobe-
nem nasal; ß) em: Tmall« (1.2), Tmalla (3.4.5), (femella);
326 Häfttlin
Toltr. ( 1 ), f 'n^tre (2), fn^tra (3), f'nitra (5b>, fendtre, aber
feueitra (4) und fenetra (5a); ^'nu (2), ^"nu (5a), aber ±emMi
(5 b), (genu); m'to (3.5a), (metallum); nVeü-r (1), n'veü (2),
dagegen nevou (3), neveu-r (4), neveü-r (5a), Deveü (5 b),
neveu; sVä (1.2), sr& (3), sVen (4), aber aerai (5a), seren
(5b), (serenus); t'mon (1. 2), Tmon (3), lemon (4), t^mop (5),
timon; v'nä (t. 2), v'nä (3), v'ncn (4), aber venai (5a),
venen (5b), venio; ;^) i in altern bildungen, wie drä m.
drättef. (1), dre m. drett« f. (2), dre m. dretta f. (3), drft m.
drätta f. (4), drai m. draita f. (5), droit, e (directus, a),
sowie in jungem: f'lä (2), filer; Tel (2. 3), Lecl (5b), loisir
(Ikere); m'nace (5a), (minaciae); m'nä (2), mener (minari);
m'nistr« (2), (minister); mVaty« (1. 2), ineretyo(4), meraty«
(5a), meratyo (5b), miracle (miraculum); v'Ultge (1, 2),
yillage; v'säge (1), visage; S) o in: c^moud« (3), c'moudo
(4), aber ^emmoudo (5 b), commode (commodus, mit ver-
rückqng des accente auf die paenultima) ; e^mon pl. (3),
prairies communes d'un village; d^mäd« ( 1 ), d'med« (2),
d'niaiCe (4), aber demäd« (3), demaic« (5a), dement« (5b) f.,
dimanche (dominica seil, dies); s'nä (1. 2. 3. 5), sonnä (4),
(sonare); t'nfere (1.2), indefs auch t'nä(2), t'när« (3), t^Dör«
(5a), aber tonar« (4), tonerro (5 b), tonerre (tonitru); «) u
in Tmä (1.2.3. 5a), f me (4), (Aimare); djWc« (3.4), i&'nec«
(5a), (junicem); zWivr« (5a), (juniperus).
Anmerl^ung. Rückt durch die fle^^jpp der aocent
auf die silbe mit unterdrücktem vocal, so gelangt der letz-
tere wieder zu seiner vollen geltung: i fon.mo (fümo), ob-
gleich im infinitiv f'mä. Eine ähnliche Wirkung bat aaob
der nebenacceot, d. b. derjenige, welcher sich an zw^it-
vorhergehepder stelle von der tonsilbe entwickele« So ha-
ben wir ip der 2. gruppe einen infinitiv. depVl, wo 9 wie
schärf gß^procheDes s lautet, döchirery ^£t imperf. i i^
gVlYfi u. S.W- 9 sA>ex: i decerera im conditions^is.
Qleiben die uobetontei) vocale stehen, so finden oft
4|>ergänge demselben ii^ andere st^'tt uj;id zwar geht: n Dimr
m e: erret« (1), (gls. afiresta, arrestß,); egnet od^r eD6i(4),
(^gni^ljuß); eifläbye (3), jBp;i6byp (4), (amabilis); ereiwi. (?),
8098t ^r^n« (aranea); €rä (2. 5a), ^rä (3), labourfr (araiw);
abhandlnngen über die rotnafa mnndarten der Sttdwestschweiz. 327
Iräna (3), (arena); eiiigre f. (3), schrank (toiq pl. von ar-
mariuna); err'vä (1), (gls. arripare); erte (2), orteil, (arti-
culus); sertyä (2), (sarculare); serme (1), (sarmentum).
E aus a in: cel^de (2), <5elede (4), Weihnachten (calendae);
derbon (2), c^rbon (5) neben carbon (1.3.4), charbon;
derdon (1.2), 6erdon (5), chardon (ableitung von Car-
duus); der^ (1. 2), cerä[ (5) neben dargl (3. 4) mag seiner
entstehung nach zu vergleichen sein mit e aus a in cer, cer
und ähnlichen. Siehe: Betonte vocale: A. Abweichungen
b); a in o: öppeti (3), (appetitus); don^ (2), danger (mit.
damnarium von damnum); e8cöballa(3), (vom pl von scabel-
lum); zu dem mit o verwandten ä in: vänHa(5a); e — a: galä
und sein compos. damals, (1. 2. 3), ^alä, de^alä (5), geler
(gelare); mäl^c« (2), mel^ze (aus mel+larix, -eis nach Dies
wtb.); mardi (2), marchä (mercatus); galeü und galoü (2),
galu m. galusa f. (3), galeü (4), äaleü (5a), £ala^ m. za-
laisa f. (5b), jaloux, se (ital. geloso, gls. zelosus, a). In der
4. gruppe geht unbetontes e wie betontes, wie wir schon
früher gesehen, vor r in a über, was auch in einzelnen fällen
bei der 3. gruppe vorkommt: poatu (3), partu (4), pertuis
(gleichsam pertusium); mardeü (4), merdeux; tarribyo (4),
(terribilis); sarpa (3), sarpca (4), (serpens); sarvip^ (4),
Service; i — a in beispielen, die auch in den classischen
roman. sprachen es aufweisen: parec« (1. 2. 3), parejC« (4),
paresse (pigritia); dacon (1.3), öacon (5), chacun (quis-
que-unuS; ital. ciascuno); i — eu: hetivgr (1), heuvoe (3),
heiivär (4), hiver (hibernum); o — a: calu (3), couleur;
hanu (3), honneur; o — e: epH6 (2), höpital (im ältesten
mit. hospitale), während hotö, maison, sein o rein behielt;
prevon, d« (1. 2), prevön, da (3), prefon, da (4), prevon,
de (5a), prevon, da (5b), (profundus, a); u in unbetonter
silbe mit nachfolgendem r nimmt gern dnen e-laut nach
sich: djo&erä (2), jurer (jurare); moüeraly« (1), muraille
(muralia); recoüerfi (2), r^curer (recurare) u. a. m.
Dasselbe thut auch bisweilen o vor der tonsilbe: coüerti
(1. 2), coüarti (3), coerti (4. 5 b), jardin (von einem vor-
auszusetzenden chortile, ital. cortile, afr. courtil, hof, ge-
böft)', moiieri (2), (möri); au — a: acuta (2), acutd (4),
328 Häfdin'
acuitä (5b), (auscultare) ; au — e: ecoütä (1. 3), ecotft (5a),
^couter; au — o: ötonn« (auctumnns) in allen gruppen;
oyl (2)9 (audire); ogmatä (3), ogmentä (5b), (augmen-
tare); orä^e (1. 2), oräÄ« (5a), orage; orely« (1. 2), orelje
(3), or'lye pl. (4. 5a), orelye (5b), (auricula); gÄyeü (1.2.4),
^oyu (3), ioyeü (5a), zoyatf (5b), joyeux.
b) Nach der tonsilbe. Obgleich die meisten erschei-
nungen, die hier erwähnt werden müssen, mit gleicheai
oder noch mehr recht in das gebiet der formenlehre hin-
eingehören, da das in der flexion sich geltend machende
bedürfuifs der Unterscheidung unter gleichen Verhältnis-
sen verschiedene lautgestaltungen hervorrief, habe ich
mich dessen ungeachtet entschlossen, hier gleich das wich»
tigste wenigstens zu berühren, um mich später kürzer fas«
sen zu können. Untersuchen wir nun die einzelnen vo
cale der reihe nach, so gelangen wir zu folgenden ergeb-
nissen.
a) Ä: cca). A in der endung der ersten declination
und in der endung gewisser neutra pluralia der zweiten
und dritten, welche dann wie substantiva der ersten decli-
nation behandelt und betrachtet werden und wieder einen
neuen romanischen plural bilden, wird 1) im singularis auf
dem gebiet der beiden ersten dialektgruppen stummes «,
wiewohl auch hier sich a schon vielfach zeigt, in der 3.
4. und 5. ein schwächer klingendes a; bisweilen hat auch
die mundart des Vignoble stummes • da, wo die mund-
art der Paroisse und die der 3. und 4. grnppe a haben,
also: barbe (1. 2), barba (3. 4. 5), (barba); 6imbre (1. 2),
dambra (3. 4), dambra (5), chambre; fyan.me(l. 2), fyaD.aia
(3. 4. 5), flamme; gran.n« (1* 2), gran.na (3.4. 5), graiae;
lan.Ue (1. 2), lan.na (3. 4. 5), laine; livr. (1. 2), livra (3.4),
livre (5a), livra (5b), livre (llbra); poU (1. 2), p6la (3),
päla (4. 5), pelle; pyan.n« (1. 2), pyan.na (3. 4. 5), plaine;
preüve (1. 2), preüva (3. 4), preüv« (5a), preüva (5b),
preuve; pron.m« (1. 2), pron.ma (3.4.5), prune; rftv«(l. 2),
r&va (3), r^va (4), räva (5), rave; sWn.n« (1.2), s'nan.na
(3. 4. 5), semaine; tlt« (1), t^t« (2), töta (3), tejta (4), töU
(5a), tita (5b), tSte. Diejenigen substantiva der ersten
abhandlangen über die roman. mnndarten der SttdwesUchweiz. 329
lateiDischen decIiDation und die neutra plur. der zweiten
lind dritten, deren stamme in der mundart auslauten mes-
sen auf: ly; n; <$, c; 9; g, i; y (selten); r unter der Be-
dingung, dafs darnach e oder i im hiatusverhältnifs stand,
sowie diejenigen substantiva, die auf lat. femin. typen in
-ia zurückgehen, lassen in allen gruppen ihr unbetontes a
in stummes e übergehen. Beispiele: fouly« (1. 2), feüly«
(3), foulye (4. 5a), foüulye (5b), feuille; paly« (! — 5), paille;
araiie (1. 2. 4. 5), ereuiie (3), araignöe; mo<?e (1 — 4),
moce (5), mouche; pyac« (1 — 5), place; pyeüge (1 — 4),
pyeüie (5), pluie; gouy. (1 — 4), iouy« (5a), joie; favfer«
(1), charop plante de ftves (gls. fabaria); arenfer« (2),
sabliere (arenaria); parrlr« (3), carriere (gls. petraria), f^ir«
(4), foire (feria).
Anmerkung. Als besonders merkwürdige formen
sind zu erwähnen: ombr^ (4), ombro (5b), ombre; zouyo
(5b), joie.
Weniger präcis sind voranstehende regeln bei dem
fem. sing, der adjectiva durchgeführt. Oft greifen beide
einander gegenseitig in die ihnen zugehörenden gebiete
.ein; bisweilen erscheint stummes «? wo a stehen sollte und
umgekehrt. Regelrechte bildungen sind mit « und a:
y6te (1), böte (2), höta (3), hata (4), h6ta (5), falta);
coüerte (1), Corte (2), Coäota (3), c^erta (4), coüörte (5a),
coäörta (5b), (curta); mit «: rüg« (1 — 4), niÄ« (5), (rubea).
Abweichende .bildungen: « erscheint an stelle von regel-
rechtem a: fräde (1), fröd. (2), freda (3), fräd. (4),
frside (5), (frigida); räd. (1), rede (2), reda (3), räda (4),
raide (5), (rigida); a an stelle von regelrechtem stummen
e: large (1.2), ler^a (3), lar^e (4), lari. (5), (larga); läö«
(1.2), leda (3), U6e (4), läda (5a), laca (5b), (laxa). 2) Die
mehrzahl der substantiva, die ihrem Ursprung nach der
ersten lat. declination angehören sowie derjenigen neutra
pluralia, die nunmehr wie feminina der ersten declination
angesehen werden, unterscheidet sich von der einzahl da-
durch, dafs das a der endung -as zu verschiedenen laut
tönenden aber kurzen e- lauten sich entwickelt hat und
zwar in der 1. gruppe zu -e: colombe; in der 2. zu -e:
330 Haft^lin
rondalle; ebenso in der 3.: ^ä^ve, gencives (gingivas); in
der 4. und 5. zu -e: delede (4); m^nac^ (5a); fenne (5b),
(feminas). ßß) Was das unbetonte a in den conjugations-
endungen anbetrifft, so zeigen die gemacbten beobachtun-
gen folgendes : 1 ) in der 2. pers. sing, indic. imperf. praes.
der 1. conjugation wird aus dem a der endung -S in der
1., -e in der 2. und 3., stummes -« in der 4. und 5. groppe,
in der 3. ps. durchweg stummes -«; a in der 3. ps. pl. bleibt
a in der 3. gruppe, sonst wird daraus in der 1., 2. und
4. -e, in der mundart des Vignoble -e, in deijenigen der
Paroisse -e mit schwach mittönendem nasal; 2) das aas-
lautende unbetonte a der 2. ps. sing, imperat. der 1. con-
jugation wird durchweg stummes -e; 3) das unbetonte a
in den endungen der 1., 2. und 3. ps. sing, und der 3. ps.
plur. des indic. imperf. praet., soweit dieselben in ihrer
alterthümlichen zweisilbigkeit erhalten sind, wird auf dem
gebiete der 1. und 2. dialektgruppe in der 1. und 3. ps.
sing, stummes -e, in der 2. sing, und in der 3. pinr. -e;
die 3. dialektgruppe hat an seiner stelle in der 1. ps. ^6,
die 4. und die mundart der Paroisse -o, währeiid der
dialekt des Vignoble hier, wie die beiden ersten, stum-
mes -e zeigt. Das endungs-a der 2. pers. sing, wandelt
die [^, dialektgruppe, wie die beiden ersten, in -e, die bei-
den folgenden in stummes -e« In der endung der 3.p8.8ing.
haben die 3., 4. und 5. stummes -« mit den beiden erstem ge-
mein. Was das unbetonte a der endung der 3. ps. pinr.
anbetrifft, so haben es nur die 3. dialektgruppe tind die
mundart der Paroisse bewahrt, die 4. gruppe und das pa-
tois des Vignoble haben, wie die zwei er^en gruppen, an
seiner stelle -e; 4) was das unbetonte a in den endungen
der 1., 2. und 3. ps. sing, und der 3. pl. im conjunctiv
imperf praes. der 2.^ 3. und 4. conjugation anbelangt, so
zeigen sich folgende mit den vorhergehenden engverwandte
Umbildungen: Die 1. und 2. dialektgmppe lassen das un-
betonte a der enduüg in der 1. und 3. ps. sing, in stum-
mes -e, in der 2. sing, und in der 3. plur. dagegen in -e
übergehen. Die 3. und 4. gruppe sowie die mundart der
Paroisse haben in der 1. pers. sing, in der endung eioetl
abhandlangen über die roman. mundarten der Stldwestschweix. 331
0-Iaut, in der 2. pa. entwickelt sieb aus dem unbetonten
endungs-a -e für die 3. gruppe, -6 für den dialekt des
Vignoble, dagegen stummes -e für die 4. gruppe und die
mundart der Paroisse; in der 3. ps. sing, erscheint stum-
mes -e an stelle des tonlosen a der endung in allen grup-
pen und in der 3. ps. plur. -a auf dem gebiet der 3. dia-
lektgruppe und in der mundart der Paroisse, dagegen -e
in dier 4. dialektgruppe und -e in der mundart des Vigno-
ble; f)) unbetontes a im femiu. des partic. perf. der ersten
conjugation mit erhaltenem charaktervocal wird zu stummem
-e* Beispiele für das aus der verbalflexion bieher gezogene
siebe im „zweiten theil" sowohl hier wie im folgenden.
. ß) E nach der tonsilbe fällt aus: aa) in allen fäl-
len, wo es in der ursprünglich vorletzten silbe stand;
so ergaben sich substantiva und adjectiva, wie dambr« (1);
gedre (2), gendre; tadr© (3), tädro (4), teidre (5a), tendre;
devendro (5b), vendredi u. a. m., sowie infinitive von ver-
ben der 3. conjugation wie r'cevr« (2), recevoir (recipere),
und solcher der 2. , die erst auf romanischem boden in
die 3. übergetreten sind, wie folgende: pjer« (1. 2), (aus
placere statt placöre); se repetre (2), se repatr« (3), re-
petr« (4), repetr« (5a), repentr« (5b), (aus repoenitere statt
repoenitöre), denen sich noch ein verbum der 4. conjuga-
tion anschliefst: setr« (2), satr« (3), sentr« (5b) aus sentire
mit zurückgezogenem accent, wodurch es in die 3. conj.
übertrat; ßß) in der endsilbe, wenn durch den verlust
desselben die ausspräche der vollen und noth wendigen
form des betreffenden wertes nicht allzusehr erschwert
oder einer weitern einbufse an durchaus nothwendigen be-
standtheilen entgegengefahrt wird. Während also die mei-
sten substantiva und adjectiva, die der 3. lat. declination
angehören und deren jetzige romanische geetalt wir im
allgemeinen auf den lateinischen accusativ zurückführen,
das e der endung der regel nach abwerfen, so finden sich
andere, namentlich solche, deren jetziger stammauslaut aus
mehrern coasonanten besteht, die auf einen bald mehr
bald weniger vernehmbaren vocal enden. Die gleichen
Wörter, die im französischen auf stummes e ausgehen, ha-
332 Häfelin
ben in ihrer muDdartlichen gestalt einen vooal als endnng
bewahrt und zwar in den drei ersten grnppen und in der
mundart des Vignoble gewöhnlich stummes -«, in der
4. gruppe -6 und im dialekt der Paroisse -o, wof&r im
äufsersten theil des Val-de-Travers, zu Verriires, ein hell*'
tönender oü-laut auftritt. Beispiele: ägr« (2.3), 6gr^ (4),
aigre (acrem); homm« (1. 2. 3), homm^ (4, hommoö in
Yerri^res), homme (5a), hommo (5b), homme (hom'neai).
Der plural dieser Wörter lautet in der endung nicht ver-
schieden vom Singular.
Etliche substantiva weiblichen geschlechts, die ur-
sprünglich der dritten declination und der eben erwähnten
classe angehören, haben ^ wohl dem geschlecht zu lieb,
nicht stummes -«) o und -o in die endung aufgenommen,
sondern, wie substantiva der ersten declination, stummes
-e in der 1. und 2. gruppe und gewöhnlich auch in der
mundart des Vignoble, dagegen a in der 3. und 4. so-
wie im dialekt der Paroisse; auch im plural werden sie
wie substantiva der ersten declination behandelt: etyeunn«
( 1 . 2), ech'na (3), ecyenna (4), e^yeunn« (5a), entyenna (5b),
enclume (incus, incudis),- Weyr« (1), levr» (2), liövra (3),
leivra (4), llvre (5a), laivra (5b), li^vre (lepus, -oris);
und im plural: ch^ädre (1), ch^edre (2), chadre (3), ch«&-
dre (4), choCidre (5a), chendre (5b), cendres (cineres). Auch
das Femininum der adjectiva, die ursprünglich der 3. de-
clination angehören, wird so gebildet, als ob es zu einem
adjectivum auf -us, a, um gehörte; es nimmt nämlich in
denselben gruppen und unter denselben umständen stum-
mes -e und a als endung an, wie die substantiva der
1. declination, wiewohl auch hier dieselbe inconsequens
gilt, die ich bereits früher ftir die bildung des femioinnms
der adjectiven auf -us, a, um hervorgehoben habe. So
haben wir zu dem mascul. trist« (1. 2. 3. 5 a), tristo, -o
(4. 5b) das fem. triste (1. 2), trista (3. 4), trist« (5a), trieta
(5b), (tristis). yy) Betrachten wir tonloses e in der ver-
balflexion, so führen die gemachten beobachtnngen zu fol-
gendem ergebnifs: es verschwindet 1) in der letzten silbe
der endungen der infinitive der 1. 2. und 4. conjugation ;
abhandlungen ttber die roman. mundarten der SttdweB^chweiz. 333
in infinitiven der 3., wo bereits ein e in der paenultima
ausgefallen ist, wird es euphonischer gründe wegen ge-
wöhnlich als stummes -« bewahrt; 2) e fällt ferner ab in
der endung der 2. ps. plur. des imper. der 1. und gewöhn-
lich auch» der drei übrigen conjugationen; doch scheint es
sich in gewissen fällen erhalten zu haben in verben der
2., 3. und 4. conjugation, wenn bei ausfall des vocals der
paenultima seine Unterdrückung unmöglich ^urde; 3) in
der 2. ps. sing, des imper. der 2. und 3. conjugation wird
es ebenfalls abgeworfen, sowie 4) in den endungen der 2.
und 3. ps. sing, des indic. imperf, praes. der 2. conjugation.
Die endung der 3. ps. plur. ist ganz dieselbe in der 2.
wie in der 1. und überhaupt den übrigen conjugationen;
5) im passe defini (dem ursprünglichen lat. perfectum prae-
sens), soweit es noch vorhanden, trat eine verrückung des
wortaccentes von der paenultima auf die antepaenultima
ein, insofern ihr vocal nicht ausgeworfen wurde wie in
d'siran (3), (dixerunt). So erklären sich formen wie; fouran
(aus füeruut statt fuerunt); souran (aus säpuerunt statt sa-
puerunt) ; 6) was die gestaltung des unbetonten e im con-
junctiv imperf. praes. in der 1. conjugation anbetriiBt, so
zeigen die beobachtungen, dafs es sonderbare Schicksale
erfahren hat. So wird es in dem wohl am besten bewahr-
ten patois von Ligni^res (1. gr.) betont und lautet für die
1. und 3. ps. sg. -ey«, ebenso für die 3. pl., für die 2. sg.
-eye; in der 2. gr. wird daraus für die 1. ps. sing. -«9 für
die 2. und 3. sg. und die 3. pl. -e; die 3. zeigt an seiner
stelle einen sonderbaren oü-laut in der 1. und 2., -e in
der 3. ps. sing.; die 4. gr. in der 1. ps. -6, in der 2. -e,
in der 3. -•; die mundart des Vignoble in der 1. und
3. ps. sg. -«9 in der 2. -e; die mundart der Paroisse -o in
der 1., -e in der 2. und -a« in der 3. ps. sing. Für die
3. ps. plur. haben die 3., 4. und 5. dialektgrnppe die en-
dung -an. Diese und die übrigen eigenthümlichen bildun-
gen führen zur vermuthung, dafs es keine eigentlichen
entwicklungen aus dem unbetonten lat. e, sondern vielmehr
conventionell an dessen stelle gebrachte ersatzmittel sind.
Zudem mufs bemerkt werden, dafs der eigentliche con-
334 Häfelin
junctiv praes. sehr selten in anwendung kommt und mei-
sten;« durch den geläufigeren conj. imperf. praet. (den lat,
conj. plusquamperf.) ersetzt oder durch gewisse redewen-
düngen vermieden wird. Was den conj. imperf. praet. an-
betrifft, so stimmen die an stelle des latein. unbetooten e
gekommenen vocale mit denen überein, die sich au9 dem
unbetonten a der endungen des indic. imperf. praet. ent-
wickelt haben.
;) 1: aa) i in paenuitima nach der tonsilbe schwin-
det: admiräbjTe (1.2), (admirab(i)li8); am« (1.2), fima(3--5),
(an(i)ma); an« (1 — 3), 6no (4), äno (5b), (as(i)nu6); i där^«
(1), dörge (2), dergd (3), där^^ (4), cerÄe (5a), öerio (5b),
(carr(i)co); ceüt-r« (1. 2), cout« (3), ceüdo (4), ^eüd« (5a),
ceudo (5b), (cub(i)tus); fenn« (1. 2), fanna (3), fenna (4. 5a),
fcnna (5b), (fem(i)na) u. s. w. Hieher gehören auch die
zahlreichen substantiva, die auf lateinische typen mit d«r
ableitungssilbe -at(i)cum zurückgehen, wie mariS^« (1. 2)^
mariege (3), mari^go (4), mariä^« (5a), maris^o (5b), (gls.
maritat(i)cum); ßß) befindet sich unbetontes i in der end*
ilbe eines wertes, so schwindet es in der regel ebenfalfe;
aber unter denselben bedingungen, unter denen ein stummes
e oder o und o an die stelle von e trat, treten dieselben-
laute an die stelle des unbetonten i, in Wörtern, deren
ranzösische form ebenfalls auf stummes e ausgeht. Darum :
dVädce (1), devädre (2), devädr« (3), dVädr^ (4), deveidr«
(5a), devendro (5b) aus dies Veneris; yy) betrachten wir
unbetontes i auf dem gebiet der verbalflexion , so schwin-
det dasselbe: 1) in den endungen der 2. und 3. ps. sing,
indic. imperf. praes. der 3. und 4. conjugation; 2) in- der
endung der 2. ps. sing, imperat. der 4.; 3) ebenso in der
endung der 2. ps. plur. aller tempora und modi in sftmmt*
liehen conjugationen, wenn nicht durch den aurfall de9
vocals in der paenuitima, welcher bei der 2., 3« nnd 4^
conjugation bisweilen eintritt, es nothwendig wird, dafa iti'
der letzten silbe ein hörbarer vocal verbleibe, was z. b;
auch in den vom lateinischen estis herstammenden« forni«0:
Ite (1), ete (2. 3), Cite (4), ete (5a) geschehen mn&te, wo*
abhandluDgen ttber die roman. mundarten der SUdwestschweiz. 336
nur die mumdadrt der Paroisse die form It« zeigt. Bei^-
spiele hiezu im „zweiten tbeil"^.
3) O: aa) unbetontes o in der paenultima schwindet
ebenfalls: dyabyo (5b), neben dy^b« (3) und dyäb^ (4),
(diab(o)lu8); Mevr« (1), levr« (2) u. s. w., (lep(o)rem);
ß/3) auf dem gebiet der verbalflexion zeigt sich o als en-
dung in der ersten person des imperf. praes.; an seine
stelle tritt -« in den mundarten der 1. und 2. gruppe,
ebenso in derjenigen des Vignoble, während die 3. wie
die 4. gruppe -6, die mundart der Paroisse -o aufweist.
Nur selten kommt es vor, dafs diese endungen verloren
gegangen sind.
e) U: aa) in der paenultima nach der tonsilbe wird
es wie die bis jetzt behandelten laute ausgestofsen: certy«
(1), (circ(u)lus) ; comby« (2), (cum(u)lu8); merle (3), marlo
(4), (mer(u)lus); m'raty« (1.2), miracle; eulye(3), (oc(u)lu8);
et-r-äbye(1.2), et-r-äbyo (5b), (stab(u)lum); träbye(3), träbyo
(4), treibye (5a), tremb-r-yo (5b), tremble (trem(u)lus);
ßß) findet sich u in der endsilbe, so schwindet es eben-
falls in den meisten fällen; aber zu demselben zweck, zu
welchem an stelle von e und i stummes -e? 6 und o erscheint,
werden hier dieselben laute verwendet und zwar -« in den
drei ersten gruppen und im dialekt des Vignoble (doch
zeigt sich in letzterm in seltenen fällen ebenfalls o),
schwach gesprochenes o in der mundart der Paroisse und
in der 4. dialektgruppe ö, zu Verri^res oü, wie der dialekt
des letztern überhaupt diesen laut entwickelt hat, da wo
sonst o erscheint. Das eben gesagte geschieht in all den-
jenigen Wörtern, Substantiven und adjectiven, deren fran-
zösische formen entsprechend auf stummes e au&lauten.
Beispiele: an« (1. 2. 3), ^no (4), an« (5a), äno (5b), äne;
gädre (1), gedre (2), ^ädr« (3), gädr6 (4), ^eidr« (5a),
zendro (5b), gendre; large (k 2), l^r^e (3), lar^({ (4),
larze (5a), larzo (5b), large (largum); mS^« (1), mag« (2),
mi^e (3), mejgo (4), m^decip charlatan, quacksalber
(med(i)cum); yy) noch wäre zu untersuchen, was aus
dem u der endung der 3. ps. plur. des indic. imperf. praes.
336 Häfelin
bei verben der 3. und 4. latein. conjugation und des perf.
praes. aller conjugationen geworden sei. Doch kommt hier
keine besondere bildung in betracht, sondern die endun-
gen lauten gleich mit denjenigen, welche wir im imperf.
praes. der 1. conjugation kennen gelernt haben.
B. Unbetonte vocale im hiatusverhältnifs.
a) Ist der hiatus bereits in der quellensprache yorbanden,
so wird er gewöhnlich beseitigt theils durch einscbiebung
eines lautes, mit Vorliebe eines halbvocals, wie es in py-
eüvr« (1) aus pluere geschehen ist, theils durch Verdich-
tung eines vocals zu einem halbvocal, wie es in Dyeü
(Dens); dyöbe (2), dyeb« (3), dyabyo (5b) aus diabolus
vorkommt. In folge dieser Verdichtung entstehen in Ver-
bindung mit gewissen consonanten eigenthümliche neue
laute und zwar in folgender weise. Steht
a) i (e) nach den liquiden im hiatus mit folgendem vo-
cal, so geht es, verdichtet zu j (y), aa) nach 1 mit dieeem
zu jenem laut über, den wir 1 mouill^ nennen, wofern das
betreffende wort derart beschaffen ist, dals nach jenem ly
ein schützender vocal zu stehen kam, was nicht der ÜA\
war in deü (2) aus dolium (in cordolium) und in li aus
lilium; bisweilen scheint es, als habe der nach 1 stehende
vocal in der betonten silbe einen neuen laut hervorgerufen. So
entstehen: consely« (2.3), (consilium); fouly«(1.2), feüly«
(3), fouly« (4. 5a), feuille; melyeür(5a), (meliorem); mervely«
(2. 3), merveille; paly« (1 — 5). Der dialekt von Ligniö-
res verschmäht die Verbindung ly und begnügt sich, indem
er 1 vor y ausstöfst, mit blofsem y: cons^y«, conseil;
fouey«, feuille; dasselbe thut auch die mundart von Lande-
ron : fouy«, feuille u.s.w. Eine sonderbare bildung mit unter-
bliebener erweichung des 1 ist el« (1. 2. 3), älo (4), eU(5a),
elo (5b) aus dem plur. von oleum, wo das im hiatus ste-
hende e attrahirt wurde, ohne dafs es sich zu j (y) ver-
dichtet und die vorhergehende liquida afficirt hatte; ßß)i(e)
nach m verdichtet sich zu g (dj) in gr.I — IV, zu ± in der
5. gr. ; m bleibt davor entweder nasal stehen oder fällt unter
gewissen umständen, die später werden bekannt werden, aus,
80 dafs nur g oder i übrig bleibt : con:&l (5a), (commeatus) ;
abhandlimgeii über die roman. mnndarten der Sttdirestschweic. 337
sä^e (1), se^e (2), Säge (3), 8ä^6 (4), SEiie (5a), (simia);
veoaiZe (5a), (vindemia); yy) i (e) nach n verdichtet sich
und bildet mit ihm die lautgruppen Dg, (ndj) (gruppe
I — IV) und ni (gruppe V), wobei jedoch unter ge-
wissen bedingungen der nasal oft eingebüfst wird. Bei-
spiele: etrange (1.2), etrange (extraneus); gran^e (3),
grange (granea); lange (4), lange (lanea); laiZe (5a), linge
(vom adj. lineus); son^e (5a), son^o (5b), songe (somnium).
In einer weitaus geringern anzahl von fallen verbindet sich
i (e) als j (y) mit n zu n (ny, gn): aran« (1. 2), ereun«
(3), arafie (4. 5), araignee; dataöe (1 — 4), catan« (5),
(castanea); i tenie (1. 2), ten6 (3), tino (4), tlüe (5a), tino
(5b), (teneo); ivene(1.2), veno (3), vin6(4), vlfie (5a), vino
(5b), (venio). Selten wird der im hiatus stehende vocal
in die betonte silbe attrahirt: coen (ob), (cuneus); Sö)i(e)
nach r im verhältnifs des hiatus wird attrahirt. Endet das
betreffende wort nicht auf einen aus dem lateinischen en-
dungs-a entwickelten vocal -e^ so mufs r in den meisten fällen
verstummen. Selten verbindet sich ein a der vorhergehenden
silbe mit dem attrahirten vocal zu e oder einem ähnlichen
laut: emere (3), armoire; meistens entsteht, wohl mit Um-
stellung der beiden zusammenfiiefsenden voeale, ie oder I:
arenfer« (2. 5), sabli^re; etrangfe (2), (gls. extranearius);
favfere (1. 5), champ de föves; le-r-gfe (2), le^l m. le^r«
f. (3. 4), le-r-zl ra. le-r-Älr« f. (5b), l^ger, lögfere (gls. levia-
rius, a); rosfe(1.2), rosX (3. 4. 5a), roüsl (5b), rosier; sati
(3), seti (4. 5 a), sentier (semitarius); tyollre (3), doch
auch ohne Umstellung: tyol^ire (4), tyolair« (5), tuilerie
(gls. tegularia); ebenso perraire (5b), Steinbruch (gls. pe-
traria). Ebenso verhält es sich mit Wörtern, wo e in der
vor r stehenden silbe sich befindet: matfer« (1. 2), matlr«
(3), matire (4), matlre(5a), matfere(5b), (materies); metfe
(1. 2),. meti (3. 4. 5), (ministerium); doch findet sich ohne
Umstellung aus feria: f^ire (4), fair« (5b); couer (1. 2)
und coüe (5b), (corium), doch mit ausgeworfenem attra-
hirtem vocal cour (4. 5a), mit Umstellung tyeü (3) aus
cieü und dies aus ceüi, ceüir, coir. In moure aus muria
ist das attrahirte i ebenfalls ausgefallen, ß) I (e) nach
Zeitschr. f. vgl. sprachf. XXI. 4. 22
d88 HifeliB
den Sibilanten: are) nach s; auch hier pflegt attractiim
stattzufinden: besl (1. 2), (basiare); cerfea* (1), 9^rfe8«(2),
^'rlSe (3. 4), cerlSe (.>), (gls. cerasea); S/i^ nach t wird
i (e) mit diesem zu einem Sibilanten laut: danson (1—4),
<^anson (5), (cantio, -ionis); dassl (1—4), cassl (5a), chas-
ser (gls. captiare); pjac« (1 — 5), place; raaon (1 — 5a),
r^son (5b), (rationem). Ein breiterer zischlaut hat sieb
entwickelt in: anchan m., ancien d^eglise, anchan.o« und
ancban.na f., femme de Taneien d'eglise (gls. anteanus, a);
avarcbeü (1. 2. 4), avare, avaricieux (avaritiosus); pacht/ic»
(1), pachd-'ece (2), pachae« (S), pacbec« (4), paduaiC« (5a),
pacbeinCe (5b), (patientia); ;-/) i (e) nach c (ch) wird mit
diesem ebenfalls zum Zischlaut: doss« oder doCef-CO? ^^^lo^
(aus calceus); fac« (5a), (facies); lyac« (1 — 5), yac« zuLig-
ni^res, (glacies); fremdartig ist die gestaltung zu 6 (gr.I — IV)
und c (gr. V) in: ep'nad« (3), ep^nad^ pl. (4), epenad« (5b),
(gls. spinacea). Breiter ist der zischlaut in: odached (1),
(gls. audaciosus); bracba sing., bracht pl. (4), brasse (bn*
chia). Befindet sich vor c noch ein s, so wird der bm*
tere laut ebenfalls vorgezogen: conch^äc« (1), conch^ec«
(2), conchaCe (3), conchec« (4), conchoaiCe (5a), concbeoCe
(5b), (conscientia); choüec« (2), cboac« (3), (scientia).
y) I (e) nach den mediae und nach v: aa) nach d; es
vereinigt sich mit diesem zu g (dj) in gr. I — IV, zu i in
der 5. gruppe: assiez« (5b), Stützmauer (gls. assediom);
djouqu'a (1 Landeron), jusqu^ä (de-usque ad); gor oder
djor(1.2), djeur(3), djeur(4), zor (5a), zo (5b), jour; hör^t
oder hördje (3), hordjrf (4), hörz« (5a), b6rzo (5b), orge
(hordeum); mege oder medj« in medje-lan.n« (2), mi-laine
(media-Iana) ; mezo (5b), mi, milieu (medium); gag« oder
gadj. (3), gagö, gadj6 (4), gaz« (5a), gaio (5b), gage (mit
vadium). Doch wird d bisweilen auch synkopirt upd der
darauf folgende vocal verbleibt als y; so entstanden: ^oyt
(1 — 4), Äouy« (5a), zouyo (5b), joie, sowie das dazu ge-
hörige adjectiv ^6yeü (1. 2), ^oyu (3), göyeü (4), iojtü
(5a), zoyae"^ (5b); Savouy, (3), Savoie (Sabaudia)
u. a.; /9/i) nach g; in Verbindung mit diesem wird ee ^
in gruppe I— IV, ± in der 5. gruppe: elo^« (2. 3)»
«bhandlimgen ttber die roman. mimdarten der SttdwestBchweis. S89
cloie (5a), 6loge (elogium); prodig« (1—3), prodii« (5a),
prodizo (5b), prodige (prodigium). In andern fällen wird
g synkopirt und es bleibt der nachstehende vocal als j
übrig: qu'i fouye (5a), (fugiam); yy) nach b; aus dieser
Verbindung entsteht ebenfalls g (gr. I — IV), ± (gr. V):
<$angl(l — 4), canzi (5a), changer (cambiare); rag« (1 — 4),
raze (5), (rabies); rüg« m. f. (1 — 3), rug6 m. rüg« f (4), rui«
m.f.(5a), ruÄo m. ruze f (5b), (rubeus, a); öä) nach v: allö^
(2), allegi (3), alleigi (4), alll^l (5b), alleger (gls. alleviare);
oze (5a), (alveus); cag« (1), ca^« (2 — 4), caiie (5), cage;
deluge (1 — 3), deluze (5a), deluio (5 b), d^luge; ne^«
(1 — 4), neze (5a), nez« (5b), neige; pyeü^e (1 — 4),
pyeüze (5), pluie; söze (5a), (salvia); ö) I (e) nach p
geht mit diesem über in 6 (gruppe I — IV), in 6 in der
5. gruppe: ad« (1), ache (apium); approdi (1. 2), ap-
procher (gls. ad-propiare); proud« (2. 3), proud6 (4),
prouca (5a), prouco (5 b), (propius); reprocl (5b), re-
procher (gls. repropiare). Wie im französischen pigeon,
zeigt sich auch in pci^on (5a), (pipionem) eine unorgani-
sche erweichung.
U im verhältnifs des hiatus stehend in viduus, a ward
in seiner zum Substantiv gewordenen ableitung zu y ver-
dichtet und d davor ausgeworfen: vev« m. vev« f. (1), vev«
m. veve f. (2), v^Ve m. v^va f. (3), vevÖ m. veva f. (4),
veve m. veva f. (5a), vevo m. veva f. (5b), veuf, veuve,
witwer, witwe, während es in dem von demselben lateini-
schen Vorbild abgeleiteten adjectivum attrahirt wurde in
die tonsilbe: voüide m. f. (5a), vuido m. vuida f. (5b), vide,
leer, wo es mit i seine stelle wechselte; ebenso in dem
dazu gehörigen verbum: voüedl mit dem compos. devoüedl
(2), voüdl, vudi (4) mit ausgeworfenem i, vÖedl (5), (vi-
duare). Zwar wird der hiatus auch oft geduldet, wenn u
einer der ihn bildenden vocale ist; so haben wir: detruir«
(2), (destruere); roüe'nn« (1), roüi'nue (2), rui'nna(5a),
rui na (5b), doch mit Zurückziehung des accents auch runa
(3), (ruina).
b) Ist der hiatus durch Zusammensetzung entstanden,
so wird in der regel der erste der beiden zusammentref-
22*
340 Häfelin, «bhandlnng^n ttber die romaa. mandarttn der SfidwMtsdiweix.
fenden vocale durch elision beseitigt: doD (de-unde); Ver-
bindung inniger art fand statt in dem schon erwähnten
djouqu'a (de-usque ad). In abgeleiteten Wörtern wird, wie
im französischen, der hiatus durch einschiebung eines t
getilgt; so in: fo-t-I (1), buche, aus fo, fou = prov. fau
(fagus) und dem ableitungssuffix -I=-arius zusammengesetzt.
c) Der durch consonantenausfall entstandene hiatus
wird oft geduldet: boe (2), boyau (botellus); mouft (2),
muer (mutare); nyo (2), nestei (gls. nidale seil. OTam);
nyuä (3), nyue (4), nyoä (5a), (nodare); saliä (2), (sa-
lutare); eterniä (5b), (sternutare); triol, dim. triolet (2),
trefle (trifolium), manchmal jedoch wieder durch einen
eingeschobenen laut, in der regel einen halbvocal, besei-
tigt: o-y-l(2, 5a), ouir, entendre (audire); ne-von-&(2), nier
(negare); po-v-ei (1), pouvoir (aus potere, poere statt posse).
Unorganische lauterscheinungen auf dem ge-
biet des vocalismus. Als solche sind zu betrachten:
das eindringen eines i-lautes nach den liquiden 1 und n,
wodurch diese mouillirt werden, sowie der laute o? i und
ou nach ch, hervorgegangen aus einfachem c, sei und ti,
wie in: choädre (1), ch^edre (2), choädr^ (4), choCidr^ (5a),
cendres; conch6äCe (1), conchj(eCe (2), conchoaiC« (5a), con-
science; choüece (2), chuac, (3), science; pachefäc« (1), pa-
ch^ece (2), pachodiCe (^&)^ patience, während das entstehen
von nebenvocalen vor r unter gewissen bedingungen von
der natur des r- lautes abhängig ist; vor allem aber das
ansetzen von neuen vocalen vor dem wortkörper selber,
wie es stattgefunden hat in folgenden beispielen: e-forCe
(2), ciseaux (ital. forbici, forpex, -icis); a-lyan, a-yto zu
Ligni^res, a-yan zu Landeron (1), a-lyan (2, 3, 4), aber
lyan (5b), gland (glans, -dis); et'nely« (3), et'nöly« (4),
etenalye (5b), tenaille (vom plur. von tenaculum), sowie in
dem deutschem Ursprung angehörigen e-louy« (2), galerie
(mit. laubja, ahd. lauba).
Der grammatik können die im mund des volkes vor*
kommenden Verdrehungen von fremdartigen Wörtern, wie
z. b. parfiamä oder parfyamä für parfumer, nicht zugewie*
sen werden. Häfelin.
Leo Meyer, über Tocalsteigemiig. 341
Ueber vocalsteigerung,
insbesondere in der verbalflexion.
Herrn Doctor Arthur Amelungs kleine schrift ober
^die bildung der tempusstämme durch vocalsteigerung im
deutschen^ (Berlin 1871) gehört zu einer kleinen anzahl
sprachwissenschaftlicher arbeiten, die, von Germanisten
ausgehend, doch weit über das gebiet der geschichte deut-
scher spräche hinausgreifen wollen, die aber von seilen
der vergleichenden Sprachforschung nur geringen beifall
finden können, einmal weil sie deren resultate nicht in hin-
reichend weitem umfang kennen, vor allem aber, weil ihre
methode und art der beweisfQhrung auf allzuwenig sicherem
boden sich bewegt, in bezug auf die nun doch schon man-
ches gewonnen worden ist. Darauf hier weiter einzuge-
hen, ist'indefs gegenwärtig meine absieht nicht, vielmehr
möchte ich nur einen einzigen punkt aus der oben ange-
führten kleinen schrift zu weiterer betrachtung heraushe-
ben, aber einen punkt, der für das ganze von besonderer
bedeutung ist, auf dem eigentlich alles weitere aufgebaut
worden ist.
Seite 7 ist aus Schleichers compendium (s. 11) das
folgende System der vocalsteigerungen gleichwie etwas ganz
fertiges und gutes aufgenommen:
Grondyocal: 1. Steigerung: 2. steigemng:
a-reihe a aH-as:aa a-4-aassäa
i-reihe i a-+-i =i ai aH-ai ss ai
u-reihe u a -H u = au a H- au ss au
und in einzelnen Wörtern nun sogar so weit durchzufahren
gesucht, dafs in ihnen ä (für aa) von & (für äa) in der
schrift unterschieden wird, als ob sich wirklich in irgend
einem indogermanischen worte ein solches monstrum von
vocalbildung, wie das hier gesetzte ft=äa, also = aH-a+a,
beweisen liefse.
Ohne allen zweifei gehört das oben angefahrte System
zu dem mifsrathensten, was Schleicher in seinem compen-
dium überhaupt vorgebracht hat und man kann hinzufü-
84S LMMtyv
gen, dafs bei seiner ganzen art es gar nicht schwer m
verstehen ist, wie er zu solchem mifsgriff gekommen. Es
geschah durch seine verliebe für Systeme Qberhaapt und
die damit eng zusammenhangende abneigung gegen die
ausnahmen in der spräche, gegen die mehr vereinzelt ste-
henden sprachlichen erscheinungen, und daneben, kann man
hinzufügen, durch ein auch sonst vielfach durchzuffthlen-
des zu geringes interesse ftir eine tiefer gehende kenntnifs
des Sanskrit. Friedrich Möller, der in seinen zahlreichen
kleineren sprachwissenschaftlichen abhandlungen immer so
vortrefflich die wichtigen punkte hervorzuheben und in
helles licht zu stellen weifs, betont in der abhandlung Ober
„die vocalsteigerung der indogermanischen sprachen^ (Wien
1871), s. 8, dafs in der indogermanischen Ursprache nur
eine einzige vocalsteigerung vorhanden war; die zweite
Steigerung (d. i. äi und au) in ihrer consequenten entwick-
lung als vrddhi sei ein specifisch indisches prodnct, und
einige zeilen später hebt er noch hervor, dafs selbst das
altbaktrische, das doch sonst mit dem altindischen in voll-
stem einklange sich befinde, in betreff der vocalsteigerung
mit demselben nicht übereinstimme, indem es nur eine Stei-
gerung (die erste, den sogenannten gunas) kenne, von der
zweiten Steigerung dagegen (der vrddhis), die im indischen
bei gewissen bildungen regelmäfsig zur anwendung komme,
nur ganz geringe spuren aufweise.
In sehr charakteristisch der Schleicherschen ganz ent- .
gegen stehender weise spricht Bopp, einfach den thatsachen
gerecht werdend und ohne ein ausführlicheres System auf-
zustellen, in seiuer vergleichenden grammatik §.29 fiber
den in frage stehenden gegenständ. Nachdem er das
äufsere der vrddhibildung (äi und äu) einfach angeführt,
fährt er fort: „diese Steigerung ist, abgesehn von gewissen
klassen abgeleiteter substantiva und adjectiva, welche den
vocal der anfangssilbe des Stammwortes vriddhiren — - x. b.
jäuvanä-m „Jugend" von jüvan „jung** (thema), hfti-
ma-s „golden" von h^mk-m — auf vocalisch endigende
wurzeln beschränkt. Diese steigern, unter andern im cau-
sale, den wurzelvocal durch vrddhi, daher z. b. ^rftv-
*ttber Toei&ttigtmng. 34S
-ä]ä-mi (euphonisch fär präu-djä-nii) „ich mache hö-
ren" von ^ru, näj-ajä-mi „ich mache führen** von nl.
Die europäischen schwestersprachen nehmen an dieser art
von Steigerung sehr wenig antheil**. Was in dieser letz-
ten Beziehung nun Bopp an beispielen noch glaubt anfiih-
ren zu dürfen, beschränkt sich ganz auf jene „vocalisch
endigenden wurzeln**. Die wurzeln nun aber, die als solche
vocalisch endigende hier in frage kommen können, sind
einzig die auf u (oder ü) und i (oder I), da die wenigen
auf ö von den indischen grammatikern aufgestellten ebenso
wie die auf e und äi bekanntlich ohne irgend ausreichen-
den grund als solche bezeichnet sind, weiter aber auch
niemand mehr von wirklichen wurzeln auf vocalisches r
•
und r wird sprechen wollen, da es klar genug ist, dafs,
wo die indischen grammatiker von gunirung dieser letzt-
genannten beiden vocale sprechen, die nach ihnen ar lau-
tet, vielmehr dieses ar die ältere und zu gründe liegende
lautform bildet, und wo sie das är als vrddhis von r oder
f bezeichnen, wir darin nichts anderes sehen können, als
jenes alte ar, in dem aus irgend welchem gründe das a
gedehnt wurde.
Es ist schon an anderen orten ausführlicher davon
die rede gewesen, dals, wo sichs um wurzeln, also wirk-
lich uralterthömliche sprachformen handelt, wir gar kein
sicheres recht haben, formen auf u (ü) oder i (l) als solche
anzusetzen, wenn wir formen mit av (au) oder aj (ai)
daneben finden, also z. b. sravämi „ich fliefse** neben sei-
nem particip sruta- oder najämi „ich fähre** neben dem
partieip nlt4- „geführt**, vielmehr dem allgemeinen gange
der geschichte der spräche nach es durchaus wahrschein-
licher ist, dafs, um uns an die gewählten nächsten bei-
spiele zu halten, das srav- und naj- älter ist, als die
daneben liegenden sru- und nl-, fQr welche letzteren es
vielmehr nahe liegt, an bildungen mittels lautlicher Ver-
stümmlungen zu denken, wie wir ganz ähnlich in dhrt4-
„gehalten** neben dharämi ^icb halte** nicht mehr mit
den indischen grammatikern das dhr- für alterthümlicher .
844 Leo Meyer
und eher als wurzelform zu bezeichnendes ansehen kön-
nen, als das dhar-.
Wenn wir nun aber von diesem gesichtspunkt ans
die vriddbirung in der altindischen verbalflexion betrach-
ten, so finden wir, dafs sie in Wirklichkeit auf eine ganz
aufserordentlich kleine anzahl von formen beschränkt
ist, und dafs sie namentlich ^bei den formen, die bei spe-
cieller vergleichung der deutschen verbalflexion besonders
in betracht kommen, also bei allen präseutischen und
perfectischen , Oberhaupt gar nicht vorkömmt. Im prIU
sens haben nach den altindischen grammatikern die vrddhi-
Steigerung nur einige verba der zweiten elasse, also
solche, die ihre'personalsuffixe unmittelbar an die warzel
treten lassen, und zwar die, deren wurzelform als auf u
ausgehend angegeben wird (Benfeys vollständige gramma-
tik §. 800, III), so ru „brüllen^, tu „wachsen^ und stu
„ loben ^, deren erste personen der reihe nach heifsen
räumi „ich brülle^, täumi „ich wachse^ und st4umi
„ich lobe'^ oder aber auch rävinii, tavimi und 8t&-
vlmi, wie nach besonderer regel (Benfey §.819. 11,3.2)
erlaubt ist. Wir bezeichnen deshalb ihre verbalgrundfor-
men oder wurzeln der reihe nach als rav, tav und stav,
aus denen die erstaufgeführten präsentischen formen ein-
fach durch dehnung des inneren a (räumi fQr rftv-mi
und so fort) gebildet wurden. Die Qbrigen der angefahr-
ten regel bezüglich der angeblichen vriddhirung unterlie-
genden Verben sind kav (ku) „schreien** : kiumi „ich
schreie**, käav (käu) „niesen" : kädumi „ich niese*',
ksnav (ksnu) „schärfen** : känäumi „ich schärfe*^, djav
(dju) „glänzen**, nach Bohtlingk-Roth : „losfahren, angrei-
fen** : djäumi „ich glänze**, nav (nu) „loben*^ : niami
„ich lobe**, jav (ju) „verbinden** : jaumi „ich verbinde",
sav (su) „herrschen** : säumi „ich herrsche** und snav
(snu) „fliefsen** : sndumi „ich fliefse**, denen die san-
skritgrammatik dann auch noch glaubt zufügen zu dürfen
ürnu „bedecken** mit der ersten person ürnäumi oder
ürnömi, in dessen -näu- oder -nö- aber nichts anderes
enthalten sein kann, als das (allerdings etwas aulserge-
ttber Tocalsteigemiig. 845
wohnlich behandelte) präsenszeichen der fünften klasse.
In den angeführten präsentischen formen ist die verbal-
grundform ganz auf die nämliche weise behandelt wie in
khäundti „er springt hervor" (Benfey §. 805, IV), zu dem
auch die indischen grammatiker die wurzel als auf av
(khav) ausgehend angeben.
Was die perfectflexion anbetrifit, so tritt eine unzwei*
feihafte — das heifst im innern der verbalgrundform vor
wurzelhaftem consonanten sich findende — vrddhis in ihr
auch ebenso wenig irgendwo auf, als in der präsentischen
flexion. Wo wir nach der angäbe der sanskritgrammati-
ken vrddhis im perfect finden, betrifft sie, ganz wie in
den oben aufgeführten präsentischen formen, ausschliefslich
den auslaut nach der gewöhnlichen auffassung vocalisch
ausgehender wurzelformen. Die vocalverstärkung tritt aber
nur ein in der dritten singularperson des perfects, wo
wir dann also nur von dehnung eines inneren a sprechen,
und willkührlich auch in der ersten person, wo nach der
angäbe der grammatik auch gunas eintreten — oder nach
unserer auffassung altes wurzelhaftes a unversehrt — blei-
ben kann. Als beispiele kann hier genügen anzufahren
dudräva „er lief" und dudrdva oder dudrava „ich
lief" von der wurzelform, die die indischen grammatiker
dru, wir aber lieber drav „laufen" nennen, und nindja
„er führte" nebst nindja oder ninaja^„ich führte", zu
denen wir die wurzelform als naj „führen" aufführen wür-
den, die indischen grammatiker aber dieselbe als nl be-
zeichnen.
Unter sämmtlichen verschiedenen tempusbil düngen des
altindischen ist nur eine einzige, bei der wirklich von
vrddhisteigerung die rede sein kann, nämlich diejenige
aoristbildung, deren hauptkennzeichen ein einfaches s ist,
oder nach Benfey die vierte. In den paragraphen 856
bis 859 giebt Benfey in seiner vollständigen grammatik
die nicht ganz einfachen und vielfach sich durchkreuzen-
den regeln über den gebrauchsumfang des in frage stehen-
den aorists, für den die vriddhirung übrigens nur in den
activformen (Parasmäipadam, Benfey §.847, 1, 1) gebrauch-
346 L«o Meyer
lieh ist. Ad hier in betracht kommendeD Terben, d. h.
solehen mit innerem u oder i, die den fraglichen aorist
bilden, ergeben sich aus den von Benf'ey zusammengestell-
ten bestimmungen übrigens nur die folgenden achtzehn auf
k und g, d und dh, und p, neben denen wir die frag-
liche aoristhildung beispielsweise in der indicativen ersten
singularperson mit aufYOhren: rik ^platz machen^ : är&ik-
äam ^ich machte platz^, vik^trennen^ :4v&iköani ^ich
trennte^; nig „reinigen^ : anäiksam ^ich reinigte^, bhu^
„geniefsen^ : äbhäukäani „ich genofs^, jug ^ verbinden ^ :
4jäukäam „irh verband^, ru^ „zerbrechen^ : ar&uk-
äam „ich zerbrach^, vig „zittern^ : &väikäam y,ich zit*
terte^; k§ud „zerreiben^ : akääutsam „ich zerrieb ^^^
khid „ betrüben '^ : akhäitsam „ich betrübte^ khid
„spalten^ : akhäitsam „ich spaltete^, tud „stofsen^ :
4täutsam „ich stiefs^, nud „stol'sen^ : änftutsam „ich
stiefs^ bhid „spalten^ : äbhäitsam „ich spaltete**; rudh
„zurückhalten^ : aräutsam „ich hielt zurück^, sidh „leh-
ren^ : äsäitsam ^ich lehrte^; käip „werfen^ : akäftip-
sam „ich warf^, khup „berühren^ : akhäupsam «ich
berührte^ und gup „schützen^ : agaupsam „ich schützte^.
Mehrere der aufgefährten verba bilden übrigens neben den
in frage stehenden auch noch eine andere aoristform, die
meisten den zweiten aorist nach der gewöhnlichen z&hlung,
nämlich rik : arikam, vik : avikam, nig : 4ni^am,
jug : ajugam, vig : 4vigam, käud : äkäudam, khid:
akhidam, bhid : äbhidam, rudh : drudham und
aufserdem sidh „lehren^ aufser dem aufgeführten äsäit-
sam auch äsedhisam „ich lehrte^ und gup „schützen^
auliser dem aufgeführten agaupsam auch noch ag^pi-
§am und in den veden auch gugupam, wie Benfey
§. 857 bemerkt.
Da für zehn der oben aufgezählten achtzehn verba
weder bei Westergaard noch in dem grofson Petersburger
Wörterbuch eine der aoristformen mit innerer vrddhis wirk-
lich belegt worden ist^ so mag es nicht überflüssig er-
scheinen, für die acht noch übrigen verben aus den bei-
den angeführten Wörterbüchern die wirklich beigebrachten,
ttber TMilttoigtnii^ itt
im ganzen doch nur sehr wenigen, betreffenden aoristfor«*
men hier nochmals zasammenzustellen , da es ja f&r die
Sanskritgrammatiken Oberhaupt noch yiel «n wenig mode
ist, die in falle und überfalle gehäuften regeln mit bele-
genden beispielen etwas zu beleben. Aus den veden finde
ich nur eine einzige der fraglichen aoristformen beige-
bracht, nämlich von ni^ ,, reinigen, abwaschen'', in der
stelle ipas m&lam iva pränäikölt ffir pr4-anäikdlt)
sarvän m&KKhap&thän Ädhi Atharvav^as II, 7, 1.
Die übrigen belegten formen gehören zu käu d „zerrei-
ben^, khid „spalten^, tud „stofsen^ bhid „spalten^
käip „werfen^, gup „schützen^ und die meisten zu rudh
„zurückhalten^. Wir geben sie in der angeführten Ord-
nung, also zunächst zu kind : tß tam akiiäutsus pä-
däis „sie zerstampften ihn mit den fafsen^ Bhattikävjam
XV,43; zu Khid:asja upasadjfim mä Khfiitsit pra-
^ajä papubhis Ka Qatapathabrähmanam XIV, 9, 4, 23
und tam tu tvä mä giräu santam ndakam antaf-
-khäitslt Qatapathabi^hmanam 1,8, 1, 6; zq tud : atäut-
slt „er stiefs^ Bhattikäyjam XV, 37 und atäutsus pfl-
läis „sie stiefsen mit Speeren* Bhattik&vjam XV, 4; zu
bhid : padäbhj&m kämäm iva abhäitslt „mit beiden
füfsen spaltete er gleichsam die erde'' Bhattikävjam XV, 22,
abhäitslt tam ^aräis „er spaltete ihn mit pfeilen'' Bhat»
tikävjam XV,117 und pratjabhäitsus avadan tjd öva
tam aprubindubhis Raghuvan^^as XIX, 22; zu kSip :
päiiän ud-akäaipsus „lierge werfen sie in die hdhe'^
Bhattikävjam XV, 34; zu gup : agöpiäthäm purim
lankäm agöptäm (statt dessen Westergaard agftuptftm
schreibt, wie aber auch Böhtlingk und Roth gelesen wia^
sen wollen) raköasäm balam Bhattikävjam XV, 1 13. Am
meisten belege hi ehergehöriger aoristischer formen haben die
Petersburger sowohl als VV.estergaard zu rudh, neben denen
als vedische formen auch aräut und aräntsi angefahrt
werden: 'aräutsit „er hielt zurück'' Mahäbhäratam VIII,
244; (kdiptän) girln aräutsit faräis Bhattikävjam
XV, 80; nadlm puktimatim giris aräutsit, „den mo-
schelreichen flufs hielt der berg auf^ Mahftbbäratam 1^2367 j
848 Leo Meyer
tava adhj&Tasantam m&m m& rftutsia hrdajam
Bbattikävjam VIII,80; viveätu kämam oj-arftutsit im
verzeichnirs der Oxforder handschriften 259, a, 20; atlr-
thena nväi ajam adhvarjus ähutls prär&utslt Qa-
tapathabrähnianam XI, 4, 2, 14; bhr&taram pürva^am
hi jas apmabhis pratjaräutsit — bilö RfimSjanam
IV, 55, 3; tarn jas pratirnndbet japas 8a pratirun-
dhet tasmät na pratjaräutsi Aitaröja bi^hmanam VI,
34 und das mit fragezeichen von Westergaard angef&hrte
mä mä uparötsis (was doch wohl sein muls uparfiat-
sis) Kathaka-UpaniSad I, 1, 19.
Es ist also eine verbäitnifsmärsig nur geringe anzahl
von verben, die ihren aorist mit unleugbarer vrddhistei-
gerung des inneren vocales bildet, und die so gebildeten
aoriste scheinen zudem gar keine besonders häufig ge-
brauchte formen zu sein. Das ist aber denn auch alles,
was sich an vriddhirung in indischen verbalformen Ober-
haupt anführen läfst. Diejenigen griechischen aoriste, die
den in frage stehenden altindisehen zunächst stehen, die
sogenannten ersten wie eÖei^a^ si^ce, rjfAU'ipa^ ü^ev^a^ itfnevaa^
zeigen nie eine mehr gesteigerte vocalform als ihr pr&-
sentischer oder auch futurstamm und können schon des-
halb mit jenen sanskritischen die vrddhis aufweisenden
aoristformen nicht ohne weiteres zusammengeworfen wer-
den. So ist es nach allen richtungen deutlich, dafs im
griechischen wie im deutschen überhaupt gar keine ver-
balformen mit der in diesen sprachen eigenthümlich aus-
gebildeten sogenannten zweiten Steigerung mit altindisehen
die vrddhisteigerung enthaltenden als genau entsprechend
zusammengestellt werden können.
Aber auch innerhalb des Sanskrits selbst, ist noch her-
vorzuheben, besteht gar kein so bestimmter Zusammenhang
zwischen gunas und vrddhis oder der sogenannten ersten
und zweiten vocalsteigerung , dafs man etwa einen regel-
mäfsigen stufengang vom grundvocal durch gunas ' zur Trd-
dhis anzunehmen hätte, wie das oben angeführte Schlei-
chersche System es glaublich zu machen scheint. Die Trd-
dhisteigerung entspringt ganz selbstständig aus dem je zu
über yocalsteigenmg. 549
gründe liegenden voeal, ohne sich erst auf einen gunavo-
cal zu stützen, ja sie scheint auf einem ganz anderen prin*
cip zu beruhen.
Darauf deutet auch schon Benfey (vollständige gram-
niatik §. 9, bemerkung 2), dessen bezügliche worte wir in
ihrem ganzen Zusammenhang hersetzen, einiges uns hier
wichtigere darin besonders betonend: „Vielfach fällt die
gunirung eines vocals mit seiner accentuirung zusammen,
während umgekehrt der einfache vocal gewöhnlich bewahrt
wird, wo er nicht den accent hat. Diefs macht nicht un-
wahrscheinlich, dafs die erweiterung durch a ursprünglich
blofs folge des accents, rein phonetisch war. In an-
dern fallen, wo zwar in dem vorliegenden sanskrit die gu-
nirte silbe den accent nicht hat, läfst sich nachweisen,
dafs sie ihn einst hatte. Doch bleiben auch viele übrig,
wo dieses nicht geschehen kann, selbst solche, wo sich
nachweisen läfst, dafs sie ihn früher nicht haben konnte.
Es drängt daher vieles zu der vermutbung, dafs die guni-
rung ursprünglich zwar nur folge phonetischer einflüsse
war, aber durch reihen von analogien, welche sie durch-
drungen hatte, in dem sprachbewufstsein nach und nach
eine begriffliche (dynamische) geltung sich erwarb. Ob
dasselbe auch von der vrddhi angenommen werden könne,
ist um vieles zweifelhafter, da diese viel später
entstanden und eine eigenthümlichkeit des ari-
schen Sprachzweiges ist. Obgleich auch hier einige
fälle mit dem accent zusammentreffen, so scheint doch die
gröfste mehrzahl rein dynamisch^.
Zu gründlicheren forschungen über die vrddhisteige-
rung würde vor allen dingen unumgänglich nöthig sein,
sich über den umfang ihrer Verwendung innerhalb des alt-
indischen nach allen richtungen zu orientiren.
Vom Specialstandpunkt deutscher grammatik aus läfst
sich über die vrddhisteigerung, also über die vocalgebilde
äi und äu, keinerlei nützliche belehrung bieten.
Dorpat, den 15. [3.] februar 1872.
Leo Meyer.
860 Leo Mejer
^'ExaOTog — Fäxaavog.
Was ich im achten bände dieser Zeitschrift (s. 171)
mit kräftiger entschiedenheit ausgesprochen: „es steht un-
zweifelhaft fest, dafs die ursprünglichen formen fbr 9xa-
üTog, ixarsfjogj ixccTSQite im griechischen ^äxa<rrog, ^cxcr-
TBQog^ jrsyMTBgd's lauten, die ihnen zu gründe liegende ein-
fache form also ßBna^^ das mufste trotz des zum theil sehr
heftigen Widerspruchs, den es gefunden, alle zeit bestehen
bleiben, weil es auf sorgfältigster abwägung der maafsge-
benden Verhältnisse beruhte.
Benfey glaubte in einem besonderen aufsatze, der auch
noch dem achten bände (s. 321 bis 328) dieser Zeitschrift
einverleibt ist, in einer von dem von mir aufgestellten ganz
abweichenden weise eine völlig neue und in gewisser be*
ziehuDg auch wohl ansprechende etymologie der in frage
stehenden griechischen Wörter aufstellen zu dürfen, nach
der sie ein altes anlautendes j sollten enthalten nnd so
also Ixaöxoq früher sollte jixaöTog gelautet haben.
Ahrens, der den Wörtern ixdrsgog und ^xa(nog auch
einen besonderen aufsatz, der im zehnten bände (s. 59 bis
68 und s. 81 bis üö) dieser Zeitschrift abgedruckt steht,
gewidmet hat, behauptet für die behandelten Wörter den
anlaut eines ursprünglichen (7, so dafs also bcaatog sollte
aus einem älteren aexacfrog entstanden sein.
Beide gelehrte haben ihre aufstellungen nicht im ent-
ferntesten bewiesen. Benfey drückt sich (s. 322) zur
vertheidigung seines j doch gar zu unsicher aus, wenn er
sagt : „gerade in bezug auf ; glaube ich — um dies hier
beiläufig zu bemerken — viele spuren einer verhältnifs-
mäfsig noch langen geltung auf griechischem boden xa
finden und werde vielleicht später gelegenheit erhalten, sie
zusammenzustellen^ und was Ahrens (s. 65 und 66) zur
vertheidigung eines homerisch noch anlautenden er, wo wir
es sonst im griechischen nicht mehr finden, glaubt anfuh-
ren zu können, ist kümmerlich wenig und ganz und gar
unsicher dazu.
Beweise führen lassen sich auf Sprachwissenschaft-
"Exaaroq — ^ixaaxoq, 951
liebem gebiet nur durch frappant einleuchtende und durch
zahlreiche beispiele. Was aber im einzelnen fall für frap-
pant einleuchtend gelten darf und wie viele begründende
beispiele zur wirklichen beweisführung als nothwendig gel-
ten dürfen, das läfst sich nicht mathematisch abgränzeo,
sondern beruht auf gesundem wissenschaftlichem urtheil.
Was in der vorliegenden etymologischen frage nun aber
(und es handelt sich zunächst nur um den alten anlaut
von 'ixaöTdi; und ixccrsQug) zur vertheidigung ihrer ansich-
ten von den beiden genannten gelehrten an begründenden
beispielen beigebracht ist, wird eben niemand frappant
einleuchtend oder zahlreich nennen wollen, wird niemand,
wie man auch sagen könnte, für qualitativ oder quantitiv
ausreichend halten.
Wenn nun aber in dem angezogenen aufsatz von Ben-
fey auch gar nichts bestimmtes beigebracht ist, um das
wirkliche Vorhandensein eines / in der homerischen spräche
zu beweisen, so darf doch angeführt werden, dafs derar-
tiges von andern schon versucht worden ist, so insbeson-
dere von Georg Curtius, der in seinen grundzügen (s. 551
bis 553) den „spuren des erhaltenen jod** einen besonde-
ren abschnitt geglaubt hat widmen zu müssen.
Prüfen wir die beweisführung! Curtius sagt: „ja wir
finden selbst bei Homer einzelne spuren der existenz die-
ses consonanten. Namentlich gilt das von den beiden
Wörtern (hg und leaifai^. Da aufser den genannten bei-
den Wörtern sonst gar nichts zur begründung eines anlau-
tenden j in der homerischen spräche beigebracht worden
i&t, so wollen wir zur Widerlegung der aufgestellten be-
hauptung hier auch nicht weiter greifen. Curtius stellt,
wie auch andere es gethan haben, das griechische (ag dem
altindischen jät, das unverkennbar ein alter ablativ des
relativstammes ja- ist, gleich. Da von der bedeutung des
altindischen jät dabei überhaupt nicht weiter die rede ist,
so wollen wir hier hervorheben, dafs das jät im grofsen
Petersburger Wörterbuch aufser in zwei ganz vereinzelt
vorkommenden Zusammensetzungen (jäl£l£hr6äth4- [f&r
jät-presth4-] „bestmöglich^ und jädrädhja- „so weit
852 L«o Mejer
es sich thun läfst, so gut^ oder „so schnell als möglich^)
nur rpit, fOnf vedischeD stellen belegt ist in der bedeutong
„in soweit als, so viel als; so lange als, seit% was von
dem homerischen (og^ auf das es hier allein ankommen
kann, ziemlich weit abliegt. In formeller beziehung wird
zu weiterer begründung der fraglichen gleichstellung an-
gefahrt, dafs schon im philolögus (III, 8) darauf hinge*
wiesen sei, „dafs die Verlängerung kurzer silben vor dem
in der anastrophe stehenden (og {i*te6g wg^ OQVi&sg äg^ €pv^
TOP dig, TiiXexvg dig) auf diese weise zu erklären sei, wo»
mit jetzt Christ 154 übereinstimmt^. In der angezogenen
philologusstelle findet sich nun aber keine spur von be-
weis eines alten j in jenem wg; es wird dort einfach be-
hauptet: „spuren eines anlautenden j . . . kommen auch
sonst vor, am deutlichsten vor oog =s jät^. Weiter aber
ist an begründung des in frage stehenden punktes am an-
gezogenen orte der grundzüge ganz und gar nichts beige»
bracht, man müfste sonst die werte (s. 552) : „dafs aber der
Spiritus asper des relativpronomens und seines adverbs atg
aus jod entstanden sei, behaupteten wir unter no. 606 trotz
einiger dagegen erhobener bedenken '^ dafür halten. Se-
hen wir an der bezeichneten stelle nach, so finden wir
auch da wieder nicht das allermindeste beweisende für ein
im homerischen ojg noch anlautendes j: alles was die ho-
merische spräche, auf die Curtius (s. 55t) immerhin ge-
wicht legt, für jenes anastophische, wie wir es kurz nennen
können, wg beweist, ist, dafs es einen anlautenden conso*
nanten enthielt: dafs dieser aber ein j sein konnte, das zo
beweisen, weifs Curtius nicht das mindeste beizubringen.
Was den griechischen relativstamm o- im allgemeinen
betriffi;, so kann kein urtbeilsfähiger daran zweifeln, dafs
der mit dem altindischen ja- genau übereinstimmt. Er
begegnet in der homerischen spräche häufig genug, um
aufs bestimmteste behaupten zu können, dafs er in ihr
keinen consonantischen anlaut mehr hat, was nach der
geschichte des jod im griechischen, so weit wir sie ken-
nen, nicht allein nichts auffälliges hat, sondern dem genau
entspricht, was wir von vornherein auch erwarten konn-
ten. Sehr auffällig und sehi' beachtenswerth aber ist dem
gegenüber, dafs das anastrophiscbe cig in der homeriscben
spracbe deutlicb consonantiseben anlaut bat. Immanuel
Bekker bat in seinen homeriscben blättern (s. 204) die be-
weisenden stellen vollständig zusammengetragen: 13 mal
findet sieb biatus vor dem nachgesetzten wg^ 34 mal macht
sein anlaut position, 6 mal steht es metrisch gleicbgöltig
und nur an 17 stellen scheint es vocalischen anlaut -zu
haben. Daraus folgt ganz einleuchtend, dafs das nachge-
setzte cog gar nicht zum relativstamm gehören kann. Bek-
ker nennt es, wenn er es auch so in seiner Homerausgabe
(Bonn 1858) noch nicht bezeichnet hat, mit recht digam*
mirt und erklärt es, worin wir ihm ganz beistimmen, für
verwandt mit dem pronomen der dritten person [^, home-
risch ^fi, aus sva-], zu dem man auch cpi] „wie** gestellt
bat. Da stellt sich also das gotbische svd „wie^ zunächst
zum vergleich.
Noch bedenklicher aber als für jenes nachgesetzte Sg
siebt es mit der Curtiusschen beweisföhrung aus, dafs das
bomerische 'utsd^ai sich ein anlautendes altes j erhalten
habe. Zunächst wird wieder auf den pbilologus (III, 5)
verwiesen. Da führt Curtius, wie es auch viele andere
thun, das griechische triui auf das altindische j ä zurück
und sagt dann weiter (s. 8): „aus derselben wurzel ja ging
nun, glaube ich, auch das medium, aber auf eine völlig
selbständige [P] weise hervor. Die reduplication hat im
allgemeinen intensive kraft, die nicht selten eine desidera-
tive bedeutung erzeugt, z. b. in riTvaxofiai^ XiXaiofxai. Die
begrifie wünschen, streben lehnen sich gern an den sinnliche-
ren geben an . . . Im griechischen wirkte also die redupli-
cation (jije^ai) im bunde mit den medialen endungen, um
aus j ä gehen ein streben zu machen, während sie im activ
eine causative geltung bekam. Daher bedeuten die nicht
reduplicirten formen z. b. ^a&ai niemals wünschen. Der
vocal der reduplicationssilbe wurde gedehnt [? wo wird
sonst ein reduplicationsvocal £, der in jtjefAcci doch aus a
geschwächt sein mufs, gedehnt?], wie in den sanskritischen
intensiven und z. b. im griechischen vr^vico. Hier im me-
Zeitschr. f. vgl. sprachf. XXI. 4. 23
854 Lm Meyer
dium hatte die Verdoppelung noch eine ftkhlbarere kraft
als im activ, deshalb hielt sich hier die länge und der
consonantische anlaut im homerischen dialekt^. Dagegen
würde zu bemerken sein, dafs wir von einer anlautende
consonanten schützenden y,fühlbareren kraft der Verdoppe-
lung^, wo sonst jener consonantische anlaut eingebOlst zu
werden pflegt, absolut nichts wissen. Zu jener ausf&hrung
im philologus aber ist in den grundzfigen gar nichts hin-
zugekommen, das das anlautende j für tsfAai noch weiter
zu begründen im stände wäre. Es heifst (s. 552) „in den
medialen formen uro, Uusvog^ u^ivuiv u, 6. w., die sieh
auch durch die bedeutung streben, sehnen etwas [!] vom
activ entfernen, finden wir vor dem anlaut in 22 stellen
der homerischen gedichte auffallenden hiatus. Bekker
schreibt dort und wo sich sonst ^ durchführen lälst^rero,
^lifASPog, Aber auch nach jenem aufsatz im philologus hat
niemand aus griechischen mundarten oder verwandten spra-
chen das ^ zu begründen vermocht. So ist es mir immer
noch wahrscheinlich [!], dafs wir hier den hiatus nicht
dem labialen, sondern dem palatalen Spiranten verdanken^.
Damit ist aber natürlich wieder ganz und gar nichts be-
wiesen und noch viel weniger kann man, wo es sich um
zu ermittelnde echte homerische spräche handelt, dem
zunächst noch weiter zugefügten ganz vagen aussprach
beipflichten „der conventionelle gebrauch der epischen sän-
gerschulen konnte selbst nach dem verschwinden des lau-
tes jod den hiatus und die dehnung vor solchen Wörtern
in gewissen häufigen Wendungen aufrecht halten, ähnlich
[?] wie die späteren [!] epiker es mit den digammirten
Wörtern machen, nachdem längst der spirant selbst ver^
haucht war^. Wir heben noch hervor, dafs es noch in
besonders hohem grade unwahrscheinlich ist, dafs die ho-
merische spräche sich jenen laut j gerade in dem anlaut
)i sollte bewahrt haben, der im lateinischen, das doch
sonst das j im anlaut noch häufig genug hat, überhaupt
gar nicht vorkömmt, im altindischen aber sowohl als im
deutschen überhaupt nur äufserst selten anzutreffen ist.
Wir können in den ausführungen von Curtius ttber
ein anlautendes homerisches j keine spur eines wirklichen
be weises finden und schliefsen selbst yielmehr folgender-
mafsen: wie das nachgesetzte aig sich in der homerischen
spräche dem relativstamm deutlich sehr fern stellt, so
kann auch das homerische Uöd^cn „streben, verlangen^ gar
nicht zu ifjui „ich sende^ gehören, da diefs mit allem sei-
nem Zubehör in der homerischen spräche ganz deutlich
yocalischen anlaut zeigt. So hat ohne zweifei Bekker mit
seinen jr/aro, j:iifievog ganz recht und behält auch recht,
selbst wenn sich nichts weiteres über die ältere geschichte
eines homerischen jriea&ai „ erstreben , verlangen ^ sollte
ermitteln lassen. Möglicher weise hängt es zusammen mit
dem altindischen vi „verlangend aufsuchen, verlangend her-
beikommen, appetere, zu gewinnen suchen^: v^ti „er
sucht zu gewinnen^, ava-vl „aufsuchen'^, upa-vX „her-
zustreben^, pra-vl „hinausstreben, zustreben auf.
Wir haben volles recht, für die homefische spräche
firog „jähr", ^läistv „sehen", ^dcftv „Stadt", auch ^Qtj^ig
„rifs" und auch v^üg^läxMjrüg^ cl^etds und zahllose an-
dere formen ^mit an- oder inlautendem jr aufzustellen, aber
nicht das mindeste recht, etwa das homerische 6 noch Co
zu schreiben oder inra noch asmcc oder yiveog noch yi-'
veaog und ebenso wenig recht, irgendwo für die homeri-
sche spräche das alte j wieder herzustellen, weil dessen
Vorhandensein in der homerischen spräche bis jetzt noch
mit nichts wirklich bewiesen ist. Nach allem, was wir
darüber wissen können, haben wir im Homer schon ein
ausgebildetes dialektisches griechisch, nicht etwa noch das
urgriechisch oder gar noch das griechisch-lateinische oder
sonstiges indogermanisch, in das man alle möglichen nur
wissenschaftlich erschlossenen alten formen einschmuggeln
dürfte.
Alles, was bis jetzt ausreichend bewiesen ist^ was wir
bis jetzt wissen von lauten, die in unseren homerischen
texten allerdings nicht überliefert sind, doch aber der ho-
merischen spräche angehört haben müssen, beschränkt sich
rein auf das digamma, das jr. Und überall , wo wir den
beweis für einen früher vorhandenen, wenn auch in den
23*
356 Leo Meyer
überlieferten texten verlorenen, wirklich homeriscben con-
sonanten fiir ausreichend halten dOrfen, können wir nur
an das digamma denken. Insbesondere aber ist das der
fall, wo die metrische behandlung bestimmter Wörter da
noch einen anlautenden cousonanten erkennen läfst, wo wir
im späteren insbesondere attischen griechisch vocalischen
anlaut finden. Das aber gilt unverkennbar auch für üxa-
arog und für das unmittelbar damit zusammenhängende
ixdrafjds^ neben dem das diesem zunächst zu gründe lie-
gende adjectivische ^xare^Ob* mit seinen vielen kurzen Sil-
ben in der homerischen dichtung nicht auftritt, die wir
deshalb für die homerische spräche fixuarog und jrexdraQ&e
schreiben können.
Da ich zur orientirung über die behandlung des &ca-
OTug im homerischen verse mich oben (8, s. 167) auf die
Rostsche ausgäbe des alten Dammschen homer-pindariseben
Wörterbuchs stützte, „in dem die betreffenden stellen aller-
dings nicht ganz vollständig angegeben sind^, da dann
aber auch Seber, auf den Ahrens (10, s. 60) seine Zäh-
lung begründete, nicht ganz vollständig in bezug auf das
fragliche wort ist, und weiter auch Friedrich Allen, der
im dritten bafide der Studien von Curtius (s. 249) auf
die betreffende Zählung zurückkommt, in ihr um ein we-
niges hinter dem richtigen zurückbleibt, so halte ich
nicht für überflüssig, die übersieht über den homerischen
gebrauch des exadrog nochmals ganz vollständig zu geben.
Es i)egegnet in der Ilias 117 mal, in der Odyssee llOmal
und zwar trägt es in der regel die sechste hebung,
bildet also den schlul's des verses; sonst trägt es am
meisten die dritte vershebung, seltener die vierte, noch
seltener die zweite und fast nie (in der Ilias nie) die
fünfte. In der Ilias weist es deutlich an 65 stellen, bei
denen wir von dem nach der* gewöhnlichen anschauung
für „entschuldigt^ geltenden hiatus ganz absehen, in der
Odyssee an 60 stellen auf consonantischen anlaut. Wir
geben die stellen zunächst aus dem versschlufs: jroixovde
jrexaöTog Ilias I, 606 = Odyssee ÜI, 396 = VII, 229 =
XIII, 17, Odyssee 1,424, neben denen nach jetzt
tigten lesnngen auch früher noch zu Dennen waren Odys-
see XIV, 87, dessen ausgang jetzt j:oix6vdB visaß^ai lautet,
und Odyssee XVII, 177, wo jetzt als schlufs nel&ovTo re
uvO-cp gegeben wird ; j:oix6vSe ^ixatrrov Odyssee XXIV,
418; ichöirjvds ^exarrtog Ilias IX, 712; XXIII, 58; ixa-
ToußoioQ 8h j:kxaGToq Ilias 11,449; hv Sh jrsxdörrp Odyssee
XIV, 14; kv Shjrsxdavt] Ilias II, 509; Odyssee XII, 90;
nccQ Sa jrexccCTcp Ilias VIII, 562; cpvXaxrrJQSQ dh ^exaarui
Ilias IX, 66; ixarov öh jrexdtfvM Ilias IX, 85; ^g de j^exa^
ciTog Ilias XXIII, 203; hg de ^exdarr^v Odyssee IX, 159;
x^euidrevu 8h ßixaatog Odyssee IX, 114; SiaxexQifAhai 8h
jiexaGxai Odyssee IX, 220; ^eQevo 8h jrkxaara Odyssee X,
292; SiatQvytog 8h ^exaarog Odyssey XXIV, 342; i)8h jrs-
xdffvrj Odyssee XI, 233; r^Sh jrkxaöTcc Odyssee XII, 25;
XXIV, 236; 8lyixo61mv ts j:i'/.a<STog Odyssee VIII, 233;
ßduM TS ^exaarcc Odyssee III, 361; d^err^ ys ^exddtov
Ilias XXIII, 374; hyoj 8' firevv o*« ^«xatrra Odyssee XXIV,
337; yvMTB ^exäarog Ilias XIX, 84; kygrjyoQf^e pexaavog
Ilias VII, 371 = XVIII, 299; 8ie^sQiea&s jrixaöta Ilias
X, 432; S-ia&B ^exadTog Ilias XIII, 121 ; d^kciJt ^exdarri
Odyssee IV, 729; dydarifS&e ^exaarog Ilias XIV, 111;
(.ivri<saaOe ^exaörog Ilias XV, 662; f/tidaa&e jrexaaTog Ilias
XVI, 202; yvoüdsaäs jkxaatog Ilias XXIII, 497; (piZra ^k-
xaarov Ilias II, 164; II, 180; XVH, 552; Odyssee XVII,
365; av8ga jrixadTog Ilias V, 37; XVI, 351; äv8ga ^exa~
6TÜV Ilias VII, 424; IX, 11 ; X, 68; XV, 660; XXII, 415;
Odyssee X, 173 = X, 547 = XII, 207 ; XXIV, 441 ; v^jra
^exaöTog Ilias XIX, 277 = XXIII, 3; xi]QVxa fexa(fTog
Odyssee VIII, 399 = XVIII, 291; 8eQ^ia jrsxdffrq) Odys-
see IV, 440; yvJa jrexaarov Ilias VII, 215 = XX, 44;
yvJa ^sxdcftrjg Ilias XVIIl, 31 ; Odyssee XVIII, 341; yvta
/Bxdarov Odyssee XIj 527; XVIII, 238; ^^Qyct ^ixaarog
Odyssee 11,252; nolXd jrexdarco Odyssee XVII, 452; ^olSct
fexaöva Odyssee XVIII, 228; XX, 309; fjyeiga ^exaarov
Ilias XVII, 222; 8e8pirjuea»a j:examog Dias V, 878; (p&iO'
ptefS&a jrexadTog Ilias XIV, 87; h&Yipeo^ead'a fixa<fTa Odys-
see IX, 218; fÄeyd()oio ^exa&Tog Odyssee XVI, 390; ^(T??-
f^if'ipccvTo ^ixacTog Ilias VII, 175; dnrivrivavTO ^ixadrog
358 Lbo Meyer
Ilias Vn, 185; svxstomvto jrhaarog Ilias VIII, 347 =
XV, 369; fivciovTo jrexarrrog Ilias XVI, 697; atpanli^ovro
/ixaaroq Ilias XXIII, 26; k(f(j(ia(tavTo jrixaffvce Odyssee
XXI, 222; vj]jri /B^darij Ilias II, 610; ävögi j:BxäaT(p Ilias
II, 618; Odyssee II, 91 ' = XIII, 380; cpiüvl ^Exd6T(p Ilias
XIII, 230; XX, 353; XIV, 514; Xfjarl ^txdaxtp Odyssee
XII, 99; fjX^ fexcifttov Ilias III, 326; ^;^£ ^exccfftq) Ilias XI,
76; i{)ioifii ^exdoTfjv Odyssee XI, 229. — Die dritte vers-
hebung trägt jrixaarog in folgenden Verbindungen: dvSga
jrixaoTOt Ilias II, 127; ravta ^ixattra Ilias I, 550; XXIII,
95; önXa jrkxaarct Odyssee XI, 9; XII, 151; rd ^ixatna
Ilias XI, 706; XIX, 339; Odyssee XII, 16? XII, 165;
XIV, 375; msira jre^ücaTQv Ilias X, 1G6; ot dk ^ixatSrog
Ilias IX, 656; ndnrrivev de ^exaarog Ilias XIV, 507 =
XVI, 283 = Odyssee XXII, 43; (orgvvev öh ^ixaaTov Ilias
XVII, 215; ItiTQog de ^axaarog Odyssee IV, 231; avdgl
fsxdarcp Odyssee XIII, 7; ai&i ^exanxoi Ilias VII, 100;
fix*' ^exaavog Odyssee III, 87; si fit] fioi öv ^ixaöta Odys-
see XIII, 385. — Die vierte und zweite hebung ruhen
auf fexftarog in der Odyssee einige male häufiger als in
der Ilias; bezüglich der vierten hebung sind hier zu nen-
nen: v^ireQOv de ^exdarov Ilias XVII, 226; xvxXa jtbxA''
(TTq) Ilias XVIII, 375; pipa jrsxdarq) Odyssee IV, 445;
Ttgoe^oPTO j:exd(}Tod^i Odyssee III, 8; il^e^oito ^bcaata
Odyssee IV, 119 = XXIV, 238; naidi ^exdatov Ilias
XXIII, 350; — bezüglich der zweiten hebung sind anzu-
führen: TQüg dk pexaarov Odyssee IX, 431; Taj)r€» ^cxa-
ata Odyssee XIV, 362; XV, 487; xai Qa ^zxd^sx^ Odys-
see II, 384 = VIII, 10; nx^ f%xdm(^ Ilias 1^607.
Zu den aufgeführten im ganzen 125 stellen, an denen
vor j:kxa<5xog^ wenn man ihm sein anlautendes j: nicht za-
ertheilen will, in unserm homerischen tezt der hiatos an*
stofs giebt, fügen wir sogleich die, in denen man fir&ker
trotz aller sonstigen unempfindlichkeit gegen den hiatns
sich gern die aushülfe mit dem v kcfskxvarixov giffallen
liefs; ihrer sind in der Ilias 20, in der Odyssee 24, in
deren meisten wieder das ^exacrog die sechte vershebnn^
trägt, also den vers schliefst. Wir geben die letzteren
"EKcurritt; -^ ßincunoq» 859
wieder zuerst an: vntvtql^B ^exaarov Ilias XVII, 386; kne"
rMe ^exaarog Ilias XI, 47 = XII, 84 ; wtqvvb ^kxctarov
Odyssee 11,392; hgesivB ^kxaara Odyssee IV, 137; ^^epc-
iivE jrexaara Odyssee X, 14; XII, 34; fjxs ^exccoty Odys-
see IX, 245 = IX, 309 = IX, 342; al^xre ^sxaatq) Ilias
11,451; i/62|MC /"«xa^rri^t) Odyssee XIV, 436; roluriaB ^ixaara
Odyssee XXIV, 261; kniTqkxpsis ^exaorog Odyssee VII, 1 49 ;
Tsi^sis ^excKtTij Odyssee XX^ 11; jroiGi ^exaoTog Ilias II,
775; IV, 428; XI, 731; XXIII, 371; fisydQotac jrexdatfj
Ilias VIII, 520; ngoävqoiat. ^exdati] Ilias XVIII, 496;
rjye^iovEaöi jrexaaToi Ilias III, 1 ; naiai ^kxaarog Ilias VII,
334; (Sxiid^(5(5i ^sxafXTov Ilias XV, 701 ; dfi^KfOQsvai ^k-
xaaroL Odyssee IX, 164; ;^€()(Ti ^^xacrrog Odyssee X, 397;
xkiifiöt ^exaarot Odyssee XIII, 76 ; ox^otfi ^exatTrov Ilias
XXIII, 130; ifTTi ^exdarov Ilias XX, 25; h^ri ^exdarq)
Odyssee II, 207; VI, 265; nifinrjai ^exdötip HiasXV, 109;
k&tlriai. fexdaxip Odyssee 1,349; VI, 189; ai^^aivovdi ^k-
xaöTog Ilias XVII, 250. — Die dritte bebung rubt auf/-^-
xaavoq^ wo die ausgaben mit unrecht das nacbklingende v
davor baben, nur in tmv alfel acfi ^exaarog Odyssee XIV,
105; — die vierte bebung in: nQoadleiq)B ^sxdffrq) Odys-
see X, 392; rev^sie ^kxaoxa Odyssee XIII, 191; ^Bydqoiat
^BxdcfTov Odyssee XX , 389 ; nagd 8k ccfi. ^exdtfrcp Ilias
V, 195; X, 473; itrrl /kxacTog Odyssee XI, 338; — die
zweite nur in töXB ^kxaatog Odyssee XXII, 31 und roiai
^exaatüg Ilias II, 805.
Weiter dürfen sich dann noch diejenigen stellen an-
scbliefsen, in denen das jrkxaarog mit seinem anlautenden
j: nach der früheren lesung (wir halten uns an die Wolf-
sche ausgäbe von 1804 und 1807) allerdings metrisch stö-
ren würde, itlr die aber Immanuel Bekker, gestützt auf
das, was für das homerische l^xatfrog aus sorg<igerer er-
wägung seines gebrauchs im homerischen verse überhaupt
sich ergiebt, in seiner ausgäbe leichte, zum theil schon
von früheren vorgeschlagene, änderungen vorgenommen
hat. Ihrer sind in der Ilias 19, in der Odyssee 9, und
zwar trägt in ihnen bis auf drei ausnahmen das 'ixacTog
nur die sechste vershebung. Die vierte vershebung ruht
360 Leo Meyer
auf dem fixadrog an den in frage kommenden stellen nur
in: hgirai 8k jrsxdaTrj Ilias II, 719, wo Wolf noch liest
igirac 5' iv ixdaTfj^ und in : ^m yng vs joBxaarfp Odyssee
XIX, 592, wo Wolf bietet im yciQ rot ixAtfrcp^ die dritte
vershebung nur in n^vrrjxovTct ßkxacxa Odyssee XII, 130,
wo Wolf giebt TtEvrrjxovTa 8* ^xacra. Die übrigen hier
namhaft zu machenden Verbindungen bilden sämmtlich den
schlufs des verses, es sind: Ö6()ka ^ixactog Ilias IX, 88
(Wolf: d6()7iov 'ixaarog); ifj^v inl vi}^a ^ixaCtog Sias
XXIV, 1 (Wolf: ß^octq Ini vijag ^xaatoi); ifov ngog dwfia
jrixaarog Odyssee II, 258; XVIII, 428 (Wolf: id ngog
S(OfjL(t&' %xaaTog)\ xard dwua ^exdarüv Odyssee XXIV,
188 (Wolf: xard Swiiaff' txdoTov)\ i^vTvvs ^exäatip Dias
IX, 203 (Wolf: htvvüv ixdarip); df4(pl jrexaarov Ilias XI,
634; XI, 748 (Wolf : dufflg ^xaarov); dficf'i jrkxaara Oipr
see XIX, 46 (Wolf: diACfig %xaoTa)\ SitjxoGioi Si jrBxd(ftag
Ilias IX, 383 (Wolf: SnjxotfiOL S* dv* ixdartjv); hv Si/t-
xdaTj] Ilias XVI, 169 (Wolf: äv S' dg' ixdffnj); jrBink'^
^kxaara Odyssee XXIV, 339 (Wolf: xai itmhg txa6ia]\
ß-dnrov re phxaaToi Odyssee XXIV, 417 (Wolf: xai *<i-
TiTov ^xacrroi); ßvf.i6g 3' knaracae ^Bxdötov Ilias XXIH)
370 (Wolf: ndraaaB dk &Vf^6g ixdorov); Ov^ov ts /ixi-
(trov Ilias V, 470 = VI, 72 = XI, 291 = XIII, 155 =
XV, 500 = XV, 514 = XV, 667 = XVI, 210 = XVI,
275; V, 792 = Odyssee VIII, 15 (Wolf: xal &vuov
ixd(tTüv),
Neben den aufgeführten 104 stellen der Ilias und 93
stellen der Odyssee, also im ganzen beinahe zweihundert
homerischen stellen mit der {orm jrkxaarog bleibt dann nur
noch die verhältnifsmäfsig kleine zahl von 13 Ilias- and
17 Odysseestellen übrig, an denen ein ^xaarog mit anlaa-
tendem /- metrisch stören würde, was das hauptresultatin
bezug auf die ermittelte ältere form ^kxafrrog natürliob
nicht umgestalten kann. Der Vollständigkeit wegen fQbren
wir auch diese stellen, an denen unsere Homertexte keio
^kxaöTog leiden, noch auf. Die meisten unter ihnen ent-
halten das Ixaarog auch als schlufswort; wir nennen die
zuerst, in denen das ^xaatog im versinnern steht. Dret*
'Exiur'voq — ^/xomtto?. 861
mal ruht auf dem ^xaarog die fttnfte vershebung, was in
bezug auf das ^kxaöTog nie der fall war, nämlich in rglg
%xaaTov Odyssee IX, 65, xori ^xadvci Odyssee XIV, 128
und XV, 377. Die zweite hehung ruht auf ^xatTrog in
xai ^01 ^xaara Ilias XXIII, 107 und ^i^ S' aq>* ixdarrjg
Odyssee IX, 60; die vierte in SeSaörai l^xaarog Ilias XV,
189 und siatj ixdarov Odyssee XVI, 313; die dritte in äev^
Sikkwv ig ^xadTOV Ilias IX, 180 ; taiv ndvToav ßoi %.xa(5xog
Hias X, 215 und xiav ßoi (fägog ^xaarog Odyssee VIII,
392. In den übrigen hier noch namhaft zu machenden
stellen bildet ^xarTrog wieder den versschlufs, trägt also,
die sechste vershebung, es sind: xr^ds' ixdat^ Ilias XIX,
302; Odyssee XI, 542; 'i^ißaV ^xcf(7T(^ Ilias XI, 1 1 ; XIV,
151; jTEidofA ixdaTi]v Odyssee XIX, 501; jroixoi ixdarrj
Odyssee VIII, 324; diaöxoniäaö^ai l^xaoTa Ilias X, 388;
diaaxonidod^ai Hxadrov Ilias XVII, 252; xtvfAog ixdarov
Ilias XV, 288; k(fonU<f(ravTsg ^xaavoi Ilias XXIII, 53;
kjreixoadßowv %xa(rTog Odyssee XXII, 57; yaiav Ixaavog
Ilias XV, 505; n6VTt]x6aioi> S' iv ixaCrrj Odyssee 111,7;
VEvov ixdoTq) Odyssee IX, 468; ngi^üa^axov Hxaava Odys-
see VIII, 259; i^eqesivop txaaxa Odyssee XVII, 70; XIX,
463; teHouv ^xaata Odyssee IX, 127; dei^eiag txaaxa
Ilias XIX, 332; inivqkijjsiag txaöxa Odyssee XV, 24.
Es erübrigt nun noch zu ganzer Vollständigkeit, auch
die homerischen stellen noch zu überblicken, in denen das
comparativ-adverbielle ^sxdreQ&ep^ neben dem das adjecti-
vische ixdrsQog^ wie wir schon oben bemerkten, nirgend
in der homerischen poesie auftritt, gebraucht worden ist.
Es findet sich in der Ilias 7 mal, in der Odyssee 10 mal
und zwar steht es am häufigsten so, dafs die dritte vers-
hebung darauf ruht; mehrere male trägt es auch die fünfte
und nur zweimal die zweite hebung. V7as sein verhält-
nifs zur metrischen Stellung anbetri£%, so findet sich meh-
rere male consonantisch auslautende kurzvocalige silbe da-
vor in Position, nämlich in araß-fioi/riv jrexdreg&e Odyssee
VI, 19; yvne Si fiiv ^Bxdreg&B Odyssee XI, 578; rw 8*
iarav jrexdrsg&s Odyssee XXII, 181 und atg ot fikv ^Bxd-
TBQ&e Ilias XX, 1 53, an welcher letzteren stelle aber Wolf
362 Leo Meyer
noch liest iSg oi fiiv p ixävBQ&e. Siebenmal sind lange
vocale dayor nicht verkürzt, nämlich in Jiafe di rov jcBxa-
Tsg&Bv Uias XXIII, 329; toöö' äga rov fsxdtSQ&ev Ilias
XXIV, 319; xeövif jrexdvEQ&e Odyssee I, 335 =. XVID,
211 s= XXI, 66; aifjdfisvoi ^sxdregi^B Odyssee IX, 386
und rw S' irega) jrBxdvBg&BV Odyssee IX, 430. Metrisch
gleichgOltig 8teht jrBxdtBQ&B viermal, nämlich in ot S' iml
ovv jTBxaTBQ&Bv IHas 111,340 = XXin, 813; rgBlg j^bxA-
TBQÖ-B Ilias XI, 27 und Xifiriv ^BTidtBQ&B Odyssee VI, 263.
Nur zwei stellen sind dann noch zu nennen, an denen das
anlautende^ in ixaTBQi'^B den vers stören würde, nämlich
TQlg d' ixdtBQ&Bv Ilias XXIV, 273 and XQ^^^^^ ^ ^*^
TBQ&B Odyssee VII, 9 1 .
Aus alle dem ergiebt sich mit hinreichender deutlich-
keit, dafs, wie ich es im achten bände dieser Zeitschrift
schon mit vollster entschiedenheit ausgesprochen, die grie-
chischen ixaarog^ ixdvBQ&B und, dürfen wir natürlich tfadi
hinzuflQgen, ixdtBQog in der homerischen spräche noch /e-
xaotog^ ^BxdtBqd'B und ^BxdtBQog gelautet haben. Georg
Curtius bat in seinen grmidzügen (s. 426) von allen au»*
führungen über lixaöxog und ixdtBQog in dieser Zeitschrift
nicht die mindeste notiz genommen und bemerkt korz, es
sei unverkennbar, dafs das i in jenen Wörtern den stamm
des Zahlwortes iv enthalte, wie er dasselbe auch schon im
dritten bände dieser Zeitschrift (s. 404) mit einem „ohne
Zweifel^ ausgesprochen. An letzterer stelle fügt er hinzu
„der bei Homer vor ^xaarog herrschende hiatus beweist
einen consonantischen anlaut, den wir aber auch bei e^
voraussetzen müssen^. Das letztere ist aber durchand un-
richtig. Vor ^j/- werden in der homerischen dichtung re-
gelmäfsig die kurzen vocale apokopirt, bleiben consonan-
tisch auslautende silben mit kurzen vocalen regelm&fsig
kurz, und kömmt aufserdem auch die kürznng wortauslao-
tender diphthonge vor.
Die völlige unhaltbarkeit seiner eigenen ansieht über
\lie alte form von ^xaarog aufs evidenteste zu erweiaeo
und damit zugleich für meine entschiedene behiKiptiiDg
eines alten ^kxaavog den besten beweis beizubringen , war
Curtius selbst vergönnt, indem er im zweiten bände seiner
Studien zur griechischen und lateinischen grammatik (1869;
s. 443 bis 445) die zuerst von J. N. Oekonomides in Athen
(1869) veröffentlichte lokrische inschrift mit einigen bemer-
kungen wieder abdrucken liefs, die \n ^kxaaxoq (10), ^6-
itaöTovq (28) und ^sxdarwv (26 und 30), also an vier ver-
schiedenen stellen, das von uns behauptete jrixaaTog
enthält.
Nun drängt es auch der frage nach der etymologie von
^xctifTog noch etwas näher zu treten, der in seiner in den
Studien von Curtius (III, 205 bis 279) abgedruckten ab-
handiung über den lokrisehen dialekt vor nicht langer zeit
auch Friedrich Allen sich wieder zugewandt hat, und,
darf ich hinzuflQgen, in einer weise, die sich mit meiner
anschauung in der betreffenden frage sehr nahe berührt,
wenn sie auch nicht völlig damit übereinstimmt. All^i
(s. 251) vermuthet im ersten theile von fbcaarog den stamm
des reflexivpronomens sva und hält da» )ca darin für den
alten interrogativstamm, dessen bedeutung die indefinite
geworden sei; so sei, folgert er weiter, in den eomparati-
vischen und superlativischen xaregog und xd&tog die be-
deutung alteruter (einer von beiden) oder utercunque
(wer auch immer von beiden) und quotuscunque (der
wie vielste irgend) entstanden, je nachdem einer von
einem anderen oder von allen anderen unterschieden sei.
Von da sei der libergang za oterqoe (jeder von beiden)
und quisque (jeder) leicht. Mit zufügung des Stammes
aj'e sei dann entstanden {ffs-xätefjog „uterqne separa-
tim^ (jeder von beiden besonders) und ([fi-xaorog „qnis«
que seorsim^ (jeder für sich).
Mir mufs ich gestehen, ist diese bedeutungsentwick*
lung nicht klar genug und ich sehe mich genöthigt, um
zu klarem verstäudnifs zu gelangen, meinen eigenen weg
zu gehen. Zunächst darf man als nnbezweifelbar hervor-
heben, dafs ixdrsQog und ^xafftög oomparativ- und super-
lativformen sind, in bezng auf ihre bedentungen aber ist
beaehtenswerth , dafs die beiden Wörter nicht in das ge-
biet der gewöhnlichen adjectiva gehören, sondern zu den
364 Leo Meyer
pronominellen bildungen, unter denen die comparatiy- und
superlativformen, was natürlich auch för die geschichte
des oomparativs und Superlativs Oberhaupt von grofser
Bedeutung ist, ganz eigenthOmliche Bedeutung entwickelt
haben: noreQog beifst „welcher von beiden % das altin-
dische ekataräs „einer von beiden^, daneben das su-
perlativische ekatamäs „einer von vielen^, %T%Qog^ das
unmittelbar zu ^^'- y^ein^ gehören wird, „der eine von
beiden*^, ovdiregog (von ovdiv- „kein") „keiner von
beiden" und anderes in ähnlicher weise. Dem entspre*
chend heifst ixaragog „jeder von beiden" und ^xatnog
„jeder von vielen" und das einfache ^xa- scheint ganz
allgemein zu bedeuten „jedes". Diese letztere bedeutuDg
aber kann ich, mufs ich bekennen, auf etymologischem
wege ohne übertriebene künstlichkeit für den stamm ixa-
nicht gewinnen. Es ist aber auch zu beachten, dals in
ixäregog und f^xa<fTog gar kein ganz allgemeines jeder
steckt, sondern, was Allen mit recht hervorbebt, „jeder
für sich", „jeder einzelne". Und nun ist etymologisch
sogar möglich, dafs in den bildungen ixatsgog und Ixa-
(fTog äufserlich nur das „för sich", ^einzeln" enthalten ist
und die bedeutung „jeder" sich erst durch die bestimmte
beziehung auf die im Zusammenhang zu verstehenden ent-
wickelt hat, was im comparativ ixccTsgog^ bei dem ja über-
haupt nur von zwei bestimmten die rede ist, immer gaozs
deutlich sein mufs. So Ilias III, 340 : ot S* inei ovv ßh-
xaregifsv ofiiXoo &coQr^x^Tjaav „als sie (Menelaos und Ale-
xandres) auf den einzelnen der beiden Seiten der beer-
schaar sich gerüstet hatten", worin thatsächlich gar nichts
geändert wird, wenn wir sagen »auf jeder der beides
Seiten", da überhaupt nur von der heerschaar der Achäer
Und Troer die rede ist; Ilias XI, 27: rgsig ^bx&tbq&b „drri
auf der einzelnen (oder jeder) der beiden Seiten^. Aber
auch ohne die beziehung auf bestimmte zwei konnte sich
aus dem „für sich, einzeln" die bedeutung „jeder" ohne
zweifei unschwer entwickeln, zumal bei ^xaatog^ bei dem
noch das superlativsufBx auf eine bestimmte menge hin-
weist. Finden wir doch ähnliches auch sonst. Man denke
"ExiMToq — J^hcwtro^» 365
an das lateinische singuli. In der Germania heifst es
(6): pedites et missilia spargunt pluraque sin-
guli und die Tbudichum übersetzen entschieden gut ^die
fufsgänger streuen auch Wurfgeschosse aus, jeder meh-
rere'^; centeni ex singulis pagis sunt, bei Tbudi-
chum, „aus jedem gau sind es hundert**. Es wird bei
den singulis nicht etwa an einzelne wenige gedacht, son-
dern an eine bestimmte vollzählige menge, die aber in
ihre einzelnen theile zerlegt wird.
Es ist nicht blofs glaublich, sondern sogar sehr wahr-
scheinlich, dafs das dem ixdtSQog und ^xaCroQ zu gründe
liegende äxa^ j^sy.a von der bedeutung „jeder** noch gar
nichts enthielt, und die unmittelbare Zusammenstellung
seines schlufötheiles mit dem interrogativstamm ka för-
dert gar nichts. Viel wahrscheinlicher ist ein ganz an-
derer Zusammenhang, den Allen (s. 251) auch vorüberge-
hend berührt hat; wir meinen mit dem suf&x, das im
griechischen recht deutlich nur in einem einzigen worte
erhalten ist, nämlich in ccvÖQaxdq „mann för mann**, das
einmal auch bei Homer auftritt, nämlich Odyssee XIII,
14: dXX äys ßoi doofisv rginoSa fjikyav 7]f)e XißriTa dv-
ögaxdg „wohlan, schenken wir ihm einen grofsen dreifufs
und ein becken einzeln (jeder von uns)**. Genau entspre-
chende altindische bildungen hat man längst in denen auf
das sufdx 9as, das vom interrogativstamm ka doch ganz
absteht, erkannt, wie krama^äs „schrittweise, nach und
nach, allmählich, der reihe nach**, ganapas „schaaren-
weise, reihenweise**, pädapas „fufsweise, fufs bei fufs,
viertelweise**, pada^äs „schrittweise, schritt vor schritt,
nach und nach, allmählich**, mukhjap&s „vor allem, zu-
nächst** von mükhja- „vornehmlich**, bahup^s „vielfach,
oftmals, wiederholt**, hhüjiäthapäs „in sehr grofser an-
zabl**, alpapas „in geringem mafse, vereinzelt, wenig,
selten**, ^ata^^s hundertweise**, sahasrap^s „tausend-
weise**, dvi^as „je zwei und zwei, zu zweien, paarweise**,
eka^äs ^einzeln**. Neben diese bildungen stellt sich un-
verkennbar auch das adverbielle ixdg^ jrexdg (aus ofBxdg)
„für sich, einzeln, abgesondert, singillätim, in geson-
Jertcr weise ^, das bei Homer bekanntlich auch öfters
vorkömmt, wie Ilias XIII, 263: ävSQÜv Svafiiviunf jr$xäg
tuTiiiitvOi: j|Von den feindliehen männem abgesoodert ste-
Leud^, und darin werden wir die dem ixdtiQog imd fhca-
üTu^ zunächststehende griechische bildung ansnerkennen
haben. Mit diesem griechischen ixag aber ist ohne swei-
tel das lateinische secus „anders, nicht so^ ganz dasselbe,
mit dem im zehnten bände dieser Zeitschrift (s. 93 bis 95)
Abrens die griechischen ixarsgog und Jhcaatog easammen-
stellen wollte, worin ich ihm nun freundschaftlichst bei-
stimmen kann, wie insbesondere auch noch darin, dafs er
im gegensatz zu vielen leidigen sprachverwirrern von jenem
secus das comparativische s6cius = ^ötfov (aas tjxiov)
„weniger*^ entschieden trennt.
Dorpat, den 10. märz [27. februar] 1872.
Leo Meyer.
Etymologische beitrage.
1.
Altirisch lar boden, estrich = german. flöra flur su
lit. plo-ti flach schlagen.
Das altir. Ikr fundus, solum erscheint aach in den
übrigen celtischen dialecten in regelrechten reflexen: gae-
lisch lär, cambrisch laur, llawr, lor pavimentum, solnm,
uoruisoh leur, luer, 1er s. Ebel Gramm. Celtica 95. Um
das wort richtig zu deuten, müssen wir uns erinnern, daft
ursprünglich anlautendes p im celtischen spurlos abfUlt, so
in Ha = nkeitav^ lam band = palma, nakaf^tj u. s. w.
Deiiinach kann 14r aus einer grundform plära erwachsen
sein, und dafs dies wirklich der fall, beweist das german.
ll(Nra Hur, welches ebenfalls, da german. f sas p, ö mt A
iht , auf die grundform plära zurückgeht und sich mit 14r
in dor bedeutung deckt. Man vergleiche nur mit I4r:
au. flär-r m. gen. flör-s pl. -ar steinfufsboden, ags. fl6r m. f.
etymologiioh« beitrage. S67
estricb, engl, floor; mhd. vluor st. m., nhd. flurf. Das verb,
aus dem plä-ra erwachsen, kann nur plä gelautet haben,
und dies plä finden wir, da lit o s= urspr. ä ist, im lit.
plo-ju, plo-ti sehlagen, klatschen, wozu plo-na-s fein, dünn,
ploni-s kueben, lett. plän-s tenne und anderes.
2.
Altir. ithemair gefräfsig = skr. admara gefräfsig; lanmair
voll, linmaire fülle vgl. nhjfifAiQa,
Das Suffix, richtiger wohl das doppelsufßx -mar (=
-mara) kommt nach Ebel Gramm. Celtica 780 nur in zwei
altiririschen bildungen vor, nämlich in ithemair pi. gefräfsig
und lanmair pl. voll, davon linmaire fülle. Beide bildun-
gen sind nicht auf celtischem sprachboden entstanden, son-
dern aus älteren Sprachperioden herübergenommen, was
daraus erhellt, dafs sich ihre reflexe in andern verwandten
sprachen nachweisen lassen. Dem altir. ithemar- gefräfsig
(von ithim ich esse) entspricht genau skr. admara gefräfsig
(von ad-mi esse); zu lanmar- voll, linmaire (d. i. linmar-ja)
fülle vergleicht sich nXjjuftvga (d, i. nkrjjUfjivQ'fa) und tiXt^pl"
fjivQ-idi. (fluth Ttkfjf^fitQO) (d. i. nkfjfifivQ'jcj) voll sein, über-
fliel'sen. Diese bildungen beruhen auf einer basis ttAt^^u-
fÄVQO'^ worin v getrübt ist aus o, « (wie in fAvkrj müble
aus fiokt] =■ lat. mola, wurzel mal) und jii^ aus vfx ent-
stand; die grundform des altir. linmar- ist plenmara- und
auf diese selbe basis geht das griech. nhj^fivQo- (= nkt^v-
^OQO') zurück.
3.
Altir. aig eis = cambr. ia eis zu an. jaki eisstück, jökuU
gletscher und lit. i^a-s eisscholle.
Zum an. jaki (=s jakan) m. eisstück, besonders gro-
fses, ditmars. is-jaek m. ei'szapfen, an. jökull m. gletscher,
eisberg, ags. ises-gicel stiria, engl, ic-icle eiszapfen wurde
in d. zeitschr. schon von mir das lit. i^a-s m. eisscholle,
pl. izai grundeis gestellt. Es kommt jetzt zu dieser sippe
noch verwandtes aus dem celtischen. Altir. aig eis steht
368 ' Fiok
(nach Ebel Gramm. Celt. 4h) für jaig, wie aus dem nen-
cambr. ia (= jag) eis erhellt. Die gemeinsame basis f&r
aig und ia ist also jag, wovon auch das aremor. adj. yen
(= yein, yagin) eisig, kalt stammt. Mit dem celtischeo
jaga- eis stimmt nun auf das schönste das german. jakan^
jaka- wie das lit. ii;a- (aus jai^a =s jaga-) Qberein. Wir
müssen also, im Widerspruche mit unserer früheren annähme,
als Urform jaga- ansetzen, worauf feit, jag-, german.jakar
zurückweisen, während lit. i±a-8 (aus iga-, jaga-) sein an-
lautendes i aus ja verkürzt hat.
4.
Altir. cn4m m. bein, knochen ^ xvi]'fifi f. schienbeiD ■■
ags. hamm, ahd. hamma f.
Das altir. cnäm m. bein, knochen deckt sich bis aufs
geschlecht völlig mit xvijfiT] (äol. xv&fxct vgl. äol. xpSfAiv^
xpTjulSa) Schienbein; die gemeinsame grundbedeatung ist
„bein^, das dann, wie das deutsche „bein^ selbst auch den
knochen bezeichnet, im irischen diesen letzteren sinn an-
genommen hat. Die wahre grundform scheint aber nicht
knäma, sondern kan-ma zu sein und dieses erkenne ich
im ags. hamm f kniekehle, ahd. hamma, mhd. hamme st«
f. hinterschenkel , kniekehle. Hierbei ist auch zu beach-
ten, dafs im niederdeutschen hamm den bergwald bedeutet
(vgl. die Ortsnamen Hamm, Hamburg, die Hamm in Dit-
marschen u. s. w.), genau wie das griech. xvi^fioq^ das von
xvrifxri nicht zu trennen ist. Vielmehr ist anzunehmen, dafs
in der europäischen einheitsprache kanma die doppelbe-
deutung Schienbein und bergwald in sich vereinigte. — Die
Wurzel des worts vermag ich nicht anzugeben.
5.
Altir. ciad-, cambr. coit wald = germ. haitha beide ss
lat. (bü)-cetum trifb.
Das altir, ciad- wald in ciad-cholum waidtaube (cholom
aus lat. columba) wird durch altcambr. coit, neucambr.
coed, aremor. coat wald wiedergespiegelt. Hieraus ergiebt
sich, da altir. ia = 6, eine grundform cSto-, worin h ve^
etymologische beitrage. 869
treter von urspr. ai, von Ebel bereits mit dem deutschen
heidie verglichen (an. heid'r pl. heidar f. beide, heid* niedri-
ger, flacher gebirgsrücken , goth. haithja- f. feld, ags. haed*
f., engl, heath heidekraut, ahd. heida f. heidekraut, mhd.
beide, nhd. beide). Auf dieselbe grundform kaita geht
aber auch lat. -c^tu-m in bü-cetum trift zurück, das mit
bü- rind zusammengesetzt, sich laut für laut durch „kuh-
heide^ übersetzen läfst. Die abweichenden bedeutungen
des Worts in den verschiedenen sprachen dürfen uns nicht
beirren; die alten terrainbezeichnungen sind sehr weit-
schichtig gefafst, vgl. skr. löka freier räum = lat. lücu-s
hain = lit. lauka-s feld = ahd. loh bruchwald, denen al-
len ein gemeinsames lauka „lichtung^ zu gründe liegt.
. 6.
Slavodeutsch valg netzen und altirisch folcaim netze.
Im deutschen, litauischen und slavischen ist eine Wur-
zel valg netzen weit verbreitet, deren hauptrepräsentanten
etwa folgende werter sind: lit. vilg-au, vilg-yti netzen, an-
feuchten, preufs. welgen schnupfen, ksl. vlaga f. feuchtig-
keit, nässe, vlai:^ (= vlag-j^), vlai:iti nässen, anfeuchten,
netzen; ags. vläc, ahd. w^lc, wglh, mhd. welc, welch feucht,
milde, weich, nhd. welk, as. wolkan, ahd. wolchan, mhd.
wölken n., nhd. wölke f. Zu dieser wurzel valg stellen sich
nun celtische bildungen, welche auf die grundform valk
zurückgehen: altir. folc-aim netze, cambr. golchi waschen,
wozu Ebel noch die altgallischen namen Volcae und Vol-
catius stellt. Ferner gehört hierher altir. fliuch- (grundform
nach Ebel vliquos, iu entstanden aus i inficirt durch u)
in fliuch-idi (humidi) fliuch-dercc (lippus) und cambr. gwlyp
madidus, das auf dieselbe grundform vliquo-s geht.
Alles hier angeführte geht offenbar auf eine wurzel
zurück; fraglich bleibt nur, ob wir valk oder valg als
grundform anzusetzen haben, oder etwa valg und valk als
wechselformen, die nebeneinander bestanden, uns denken
wollen. Mir scheint, nach ausweis des slavodeutschen, valg
die grundform, das celtische valk wird erhärtung des aus-
lauts erlitten haben, wie in ithim ich esse ith offenbar
Zeitschr. f. TgL sprachf. XXI. 4. 24
Gerland
aus ed heryorgegangen ist. — Dafs lat. lippus aus vliqaos
entstanden und mit altir. fliuch = cambr. gwlyp gleich-
zusetzen sei, ist mir nicht wahrscheinlich. '
Göttingen, 28. mai 1872. A. Fick.
Gustav Gerber, die spräche als kunst. Erster band. S. VIII, 596.
Bromberg 1871. Mittl ersehe buchhandlang (H. Heyfelder).
Wir haben obengenanntes buch mit freude begrOfst,
denn es schien uns nach einer seite hin der spräche ge-
recht werden zu wollen, nach welcher man sie sonst nickt
immer richtig oder doch nicht eingehend genug beurtheilt.
Wir neueren wenigstens: denn die alten haben allerdings
die künstlerische seite der spräche einer sehr scharfen be-
trachtung unterworfen, allein von ihrem Standpunkt ans,
und der ist einseitig genug. Wenn nun auch von unseren
gelehrten, wie allbekannt und natürlich auch in vorliegen-
dem buch an zahlreichen stellen ausgesprochen ist, die
spräche vielfach eine kunst genannt wurde, so hat doch
niemand bisher streng und erschöpfend nachgewiesen, worin
denn eigentlich die künstlerische seite der spräche bestehe,
und der gedauke des herrn Verfassers, nach dieser seite
hin wissenschaftlich einzutreten, war ein ebenso richtiger
und glücklicher, als sein unternehmen ein ausgedehntes und
schwieriges war.
Im ersten einleitenden theil des buches wird zun&chst
allgemein vom System der künste und dann von der sprach-
kunst an sich gehandelt (1 — 122). Hierauf folgt nun der
eigentlich abhandelnde besondere theil und zwar sein er-
ster abschnitt (123 — 596), „die spräche als kunst". Der
zweite band wird (s. 100) zunächst „die sprach kunst in
ihrer Selbständigkeit" und dann „die (werke der) sprach-
kunst im dienste der spräche^ behandeln. — Gleich an-
fangs wird die Stellung, welche die sprachkunst unter den
künsten einnimmt, besprochen und wird ihr unter den
künsten des obres die zweite stelle — musik sprachkunst
anzeigen. 371
poesie — entsprechend der plastik unter den künsten des
auges — baukunst plastik maierei — zuerkannt (s. 34).
Dieser parallelismus der sprachkunst und plastik wird fest-
gehalten und vielfach erwähnt und benutzt, aber nur in
sehr äufserlicher , nicht fruchtbarer weise, wie er denn
auch gewifs nicht richtig ist. Der Verfasser kommt dazu,
weil er den begriff „spräche als kunst" nicht richtig fafst :.
die spräche ist ihm schon bei ihrem ersten entstehen kunst,
jede urwurzel in richtiger consequenz dieser ansieht schon
ein kunstwerk, und dies ist falsch. Er selbst kann sich
dem nicht entziehen ; denn an vielen stellen redet er
davon, dafs die spräche durch naturnothwendigkeit ent-
steht (s. 111. 129. 142. 152. 156. 163. 193. 231 oben.
252. 255 u. s. w.), oder nennt die kunst der spräche eine
unbewufste, absichtslose (s. 159. 183. 186. 332 u. s.w.). Al-
lein was durch naturnothwendigkeit, durch mechanische
reflexe von nervenreizen , was ferner unbewufst geschieht,
kann unmöglich kunst oder ein kunstwerk sein, es kann
durch spätere benutzung und künstlerische gestaltung in
den bereich der kunst gehoben werden, ist aber an und fQr
sich nur ein naturprodukt. Denn zum hervorbringen eines
kunstwerks gehört vor allen dingen freies, selbstbewufs-
tes, absichtliches schaffen und ein solches war das heraus-
bilden der ersten sprachstufen gewifs nicht. Ganz richtig
heifst es s. 124: „es ist die spräche eine auf natürlicher
grundlage zur freiheit sich entwickelnde kunst**, d. h. doch
nur, wenn die spräche von ihrer naturgrundlage aus sich
zur freiheit (wir wollen den ausdruck hinnehmen) entwik-
kelt hat, dann wird sie kunst. Folglich durfte die natur-
grundlage der spräche nicht mit in den bereich der kunst
gezogen werden; und diese naturgrundlage ist nicht so-
wohl die Wirkung bestimmter perceptionen auf die sprach-
werkzeuge (§.30), sondern sind die bildungen der ersten
„unbewufsten'* sprachstufen selbst, bis dahin, wo der mensch
anfängt, die einzelnen lautcomplexe ihrer bedeutung nach
zu differenziren : denn erst dann beginnt — wenigstens in
gewissem sinne — die kunst.
Und mit ihr erst das feld, wa der hr. verf. eintreten
24*
872 Oerland
mufste. Schon nach allem vorstehenden können wir uns
mit der besprecbung über den Ursprung der spräche, wie
er sie gibt, nicht einverstanden erklären. Ist es nun auch
richtige consequenz seiner ansichten, wenn er später zwi-
schen material und ausbau nicht scheidet, so verhält er
sich auch gegen die verschiedenen Zeiträume dieses aus-
baues zu gleichgültig, wie er denn z. b. die laute des
französischen (s. 214), des lateinischen, des hebräischen,
der indogermanischen Ursprache u. s. w. ganz ebenmäfsig
für seine beweise benutzt. Hier mufste entschieden ge-
sondert werden. Ganz recht: die verschiedenen e des
französischen wirken sehr verschieden, aber die gescbichte
dieser e beweist, dafs ihre Wirkung eine rein zufällige,
jedenfalls erst secundäre ist, dafs man sie also nicht ohne
weiteres mit den lauten der Ursprache zusammenstellen dar£
Ueberhaupt glauben wir, dafs solche fragen schwie-
rigster art, wie sie sich der verf. zur beantwortung vor-
legt, unmöglich nur „a parte potiore, nur von einigen her-
vorragenden sprachen des indogermanischen Stammes aus^
(s. 324) sich beantworten lassen. Zur richtigen einsieht,
wie weit die spräche kunst und was sie künstlerisch zu
leisten fähig sei, gehört bekanntschafb mit einer reihe spra-
chen verschiedener sprachstämme^ ohne welche solche an-
tersuchungen immer leer bleiben und auf abwege führen
müssen. So ist z. b. was gegen Buschmann s. 184 vor-
gebracht wird, dafs jene ältesten naturlaute für vater mat-
ter nicht durch die Wirkung rein mechanischer kräfte ent-
standen seien, denn vater mutter giengen auf die wurzehi
pä und ma zurück, schon deshalb irrig, weil Buschmann
von allen sprachen, der hr. verf. dagegen nur vom indo-
germanischen redet. Indessen — wenn hier eine abschwei-
fung gestattet ist — können wir uns überhaupt nicht da-
hin bringen, anzunehmen, dafs vater pater narijg pitar
— auf pä schützen und muoter ixt^ttiq mater mätar —
auf mä wirken thun zurückzuführen seien. Schon die
kürze von pater pitar spricht dagegen, ferner die neben-
formen fxaia fidufitj mama u. s. w. und noinnog papa
u. s. w., deren iterierte form auf höchstes altertham hin-
•BiUgn. 878
weist und sich nar als selbständige, durchans nicht abge*
leitete bildung erklären läfst. Dann aber auch die bedeu-
tung. Zur zeit, als die urwörter zu vater mutter sich bil-
deten, lagen ethische momente wie schützen, arbeiten dem
sprachbildenden geiste viel zu fern: wollte man den vater
nennen, so geschah es entweder mit dem lallwort oder aber
mit der hervorhebung der eigenschaft, welche ihn zum
vater machte, da war er der genitor, parens und die
mutter die gebärerin. Allerdings hat man das sufBz
-tar jenen alten naturlauten angehängt und das hat die
irrung veranlafst*). Jenes -tar aber bezeichnet überhaupt
nur person, mensch und ist als schärfer bezeichnender Zu-
satz erst in späterer Sprachperiode angetreten. Zum suf&x
des nomen actoris ist es weit später herabgesunken; da-
her es als solches im nordeuropäischen stamme fehlt. Die
Wörter &vyc(TT]g tochter u.s.w. und sünu sunus söhn u.s.w.
gehen zwar auf die stamme dugh und su zurück, bedeu-
ten aber nicht „die melkerin^ und den gezeugten, sondern
das kind, welches (dereinst) milch gibt und das, welches
(dereinst) selbst zeugt (mit activischem suffix), deutungen,
welche allein für jene sehr alten zeiten, in welchen diese
namen entstanden, angemessen sind. — Gleich dies eine
beispiel beweist, wie schwer es ist, der spräche gerecht zu
werden, ihre bildungen zu verstehen und dadurch erst zu
würdigen. Eine solche, welche auf der ersten stufe, auf
ganz natürlichem noch ganz unkünstlichem boden ver-
harrt wäre, gibt es nicht und kann es nicht geben, da es
kein volk ganz ohne geschichte gibt. Allein was die
einzelnen sprachen, was die höchst stehenden in ihrer ent-
wickelung in Wahrheit geleistet haben, das zeigt sich erst
durch vergleichung mit den Sprachleistungen anderer Völ-
ker. Es mufste über die verschiedene entwickelung der
sprachen geredet werden, das verschiedene künstlerische
princip, der verschiedene kunstwerth derselben nachgewie-
sen werden. Es war nicht zu befürchten, hier nur Stein-
*) Vergl. die ähnliche ansieht im petersb. sanskr. wörterb. s. ▼. mStar.
Anm. d. red.
874 G«dind
thals sprachtypen zu wiederholen, vielmehr konnte dies
treffliche buch hier nach material und gedankeninhalt er-
gänzt und weitergeführt werden. Es ist uns ganz unver-
standlich, wie der verf. solche Classificationen als mit dem
kunstcharakter der spräche unvereinbar s. 397 ganz ab-
weisen mag. Dann mufste die höchste kunstentwickelung
menschlicher rede betrachtet, in ihren dementen, ihrer
geschichtlichen entwickelung nachgewiesen werden, zu-
nächst nach der seite ihrer formbildung, dann nach der
Seite der syntax. Für das letztere war (wie der Verfas-
ser versucht) vergleichende betrachtung selbständiger höchst
entwickelter sprachen nöthig — alles dies ein complex von
aufgaben, dem ein einzelner kaum genüge leisten kann,
auf den anregend hingewiesen zu haben schon zu hohem
lobe gereicht. Allein dieser aufgäbe auch nur annähernd
gerecht zu werden, kann nur an der band der anthropo-
logie und ethnologie gelingen (wie dies der verf. freilich
von anderem Standpunkt aus s. 397 selber fühlt), da eine
menge Vorfragen zu lösen, eine menge Vorkenntnisse unent-
behrlich sind, welche nur jene beiden Wissenschaften ge-
währen. Man betont jetzt das sprachliche dement viel-
fach zu einseitig; spräche ist doch nur eine äufserung
menschlicher geistesthätigkeit. Zudem blickt der hr. verf.
zu der Ursprache des indogermanischen Stammes als zu
einem einheitlichen urgrund alles Sprechens empor (wenn
gleich er an einigen stellen auch das chinesische und dgl.
erwähnt), aber ganz ohne berechtigung selbst für den in-
dogermanischen stamm. Diese Ursprache (wenn wir ein-
mal diesen etwas compakten namen wollen gelten lassen)
betrachtet man meist als eine gegebene einheit und ope-
riert mit ihr als solcher, vielfach gewifs ganz berechtigt,
nur dafs diese einheit wieder das facit ist einer menge bis
jetzt noch ziemlich unbekannten faktoren und das resultat
zahlloser längst verschollener Wanderungen und Wandelun-
gen, selbst schon ein sehr complicirtes kunstprodukt und
vom anfang menschlicher rede durch lange Jahrtausende
getrennt. Auch hier drängen sich wieder anthropologie
und ethnologie als ganz unentbehrlich hervor und gerade
anzaigen. 375
von ihnen aus die Indogermanen zu durchforschen, ist
dringend an der zeit und wäre für die Sprachwissenschaft
vom höchsten werth.
Während wir die hier einschlagenden Untersuchungen
nur dann für wirklich fördernd halten, wenn sie zunächst
auf möglichst ausgedehnter, aber auch möglichst realer
basis stehen, so geht der verf. vielfach philosophisch zu
werke und wo er den stoflF nicht den quellen selbst ent-
lehnen kann, da stützt er sich auf die trefflichsten gewährs-
männer, Schleicher, Grimm, W.v.Humboldt, Renan, Stein-
thal, Pott u. a. Mit recht. Nur dafs uns die allzuweit-
läufigen anführungen aus büchern, die jeder Sprachfor-
scher — und für wen schrieb der hr. verf. als für diese —
aufs genaueste kennt, dafs uns diese anfuhrungen nicht
gerechtfertigt erscheinen. Sie geben dem buche oft das
aussehen einer noch unverarbeiteten materialsammlung und
wie ermüderd ist es, selten lang durch bekanntestes sich
durchlesen zu müssen! von anderem verweilen bei den tri-
vialsten dingen (vgl. s. 46. 242. 243. 253. 271. 406 u. s.w.)
nicht zu reden. Auch mit der philosophischen behandlung
können wir uns keineswegs einverstanden erklären. Die
Worte werden bald zu äufserlich, bald zu unbestimmt
genommen. So ist es doch reine Spielerei, wenn es s. 312
heifst: ^in der formirung der laute selbst zeigt die spräche
ihre plastik; in ihrem satzbau wirkt sie architektonisch;
ihre bilder, tropen, gleichnisse sind malerisch; ihre phone-
tische figuration und ihr rhythmus geben uns musik; end-
lich in ihren selbständigen Produktionen berührt sie sich
mit der poesie", oder s. 217 die wunderliche parallele zwi-
schen spracbentwickelung und geschichte der plastik, s.221
das citiren des absurden Vergleichs zwischen vocalen und
färben, s. 244 die Zusammenstellung der sprachstufen mit
der entwickelung der mythologie u. s. w. So heifst spräche
bald das produkt der einwirkung der Vorstellungen auf
unsere sprach Werkzeuge , bald aber auch ein selbständig
schaffendes kunstbeseeltes wesen (312. 314). So lesen wir
(s. 159): „müfste nicht, wenn vollkommene, genaue wie-
dergäbe stattfinden sollte, vor allem das material, in wel-
376 GoUnd
ehern wiedergegeben werden soll, dasselbe sein, wie das*
jenige ist, in welchem die seele arbeitet? Da es nun ein
fremdes ist — der laut — , wie kann da genaueres heraus-
kommen, als ein bild?^ S. 174 steht so ziemlich dasselbe,
und lautbild, tonbild (wortbild s. 481) nennt der verf.
häufig die einzelnen wurzeln und worte. Gewifs ganz un-
richtig. Die geäufserten sprachlaute sind ursprünglich nur
eine mechanische, weil streng nothwendige leibliche rea-
genz auf psychische einwirkungen und weil diese reagenz
in ursprünglich fast ganz gleichen individuen (die nicht
verschiedener von einander waren, als die individuen einer
wilden thiergattung zu sein pflegen) bei gleicher ein wir*
kung natürlich ganz gleich mäfsig erfolgen mufste, so wurde
der laut oder die lautgruppe zum symbol der Vorstellung,
welche sie hervorrief und von einem bilde — „ein bild,
sagt Gerber selbst s. 159, ist keine Verdoppelung des
abgebildeten; es gibt ein einzelnes, aber ein solches, in
welchem nur die wesentlichen züge, enthalten sind; es
setzt also ein allgemeineres an die stelle des individuellen^
— von einem bilde kann hiernach gar nicht die rede sein.
Fast nirgends ist der verf. zu einer klaren philosophischen
auffassung durchgedrungen, wobei namentlich die psycho-
logie zu kurz fallt. Er scheint noch ganz unter dem ein-
flusse Hegels zu stehen. Was soll sich jemand, der rein
am gegebenen seine philosophie entwickelt, was soll er
sich denken unter Sätzen wie s. 153: ^man kann den ton
auffassen als räum, der in zeit verklingt^; s. 25: „das ge-
hör ist insofern sinn für die zeit zu nennen, als im schall
das räumliche verschwindet, sich selbst in seiner bewe-
gung aufhebt, und durch diese also, als durch seine er-
zeugerin, wird er aus dem räume in die zeit herüberge-
nommen^; s. 142: „dadurch,' dafs unser geist (?) sich er-
schafft in der spräche, wird er selbst erst in Wirklichkeit;
S.263: „das räthsel unseres wesens ergibt sich uns ttm
anschaulichsten aus der betrachtung der spräche, als in
welcher unsere seele am bestimmtesten sieh offenbart^;
s. 124: „soll nun näher vom Ursprung der spräche gehan-
delt werden, so ist zu bemerken, dafs wir von einem zeit*
tiKeigeii. Ifh
liehen urspninge nichts wissen können. Denn wir yeroiö-
gen ein sein wohl zu begreifen, nicht aber das nichtsein,
können also an einem Ursprünge in diesem sinne wohl die
Seite sehen, nach welcher schon ein sein erfolgt ist, nicht
aber die andere, nach welcher es noch nicht ist. Das
nichtseiende ist ja wegen seiner absoluten Unbestimmtheit
ebenso grund zu nichts wie zu allem^. Und nicht nur ist
das buch an solchen dunkelheiten reich, es finden sich
auch directe Widersprüche. So erscheint fast durchweg
die seele als selbständiges central\Vesen des leibes; allein
wie passen dazu die worte s. 138: „so sind leib und seele,
des menschen stoff und kraft, wenn sie einander entgegen-
gestellt werden, blofse abstraktionen ; insofern der leib ein-
heit ist — heifst er seele, sofern diese einheit sich zu einer
Vielheit gliedert — wird sie leib genannt"? Ebenso ver-
gleiche man, was s. 261 und 262 über die reine denkform
gesagt ist u. a. Gerade diese philosophirende einkleidung
schadet dem buche, denn abgesehen davon, dafs mancher
richtige gedanke, manche gute bemerkung, an denen kein
mangel ist, in derselben gleichsam erstickt, so hat sie den
verf. überall selbst gehemmt und ihn am richtigen sehen
und gehen gehindert.
Ja sie hat ihm — und hiermit kommen wir zu unse-
rem schwersten bedenken — die Stellung der spräche selbst
ganz verdunkelt. Also die spräche ist kunst — aber wie
denn? so ganz ohne beschränkung? ganz gleichstehend mit
poesie und musik und maierei und plastik und baukunst?
Doch gewifs nicht. Alle diese könste sind künste im wah-
ren sinne des Wortes, freie künste und in dieser ihrer
freiheit liegt ihr leben und wesen: sie beruhen ganz auf
sich, sind reines spiel, durch und durch nur schein und
nachahmung, sie wollen nur ergötzen. Aber sie läutern
und erheben das wesen des menschen durch dies ergötzen.
Musik und baukunst haben zum inhalt, zum Vorwurf die
regungen des gemüthes, auf welcher gemeinschaftlichkeit
allein (was s. 35 angezogen wird , ist haltlos) ihre freilich
nahe Verwandtschaft beruht. Indem die eine fürs ohr, die
andere f&rs äuge darstellt, erheben sie diesen inhalt ins
878 Qerland
schöne, harmonische und befreien ihn dadurch von allen
schlacken und gebrechen der endlichkeit. Ebenso verfah-
ren die anderen künste: poesie fQrs ohr; fQrs äuge, da wir
doppelt sehen, körperlich und flächenhafb, gestalten und
färben, das schwesterpaar der plastik und maierei mit
ihrem inhalt und zwar besteht derselbe in dem gehalt und
der Verknüpfung unserer Vorstellungen. Die gruppe der
letzteren drei wirkt umfassender als erstere, weil ihr inhalt
umfassender ist und auch das gemüthsleben mit umschliefst.
Die mischkünste der beiden reihen des neben- und nach-
einander, den tanz, der fQrs äuge allein, die Schauspiel-
kunst, welche für äuge und ohr wirkt, und welche beide
inhaltlich mit poesie und maierei auf einer stufe stehen,
brauchen wir hier nicht zu besprechen, da der verf. auf
sie nicht näher eingegangen ist. — Nun aber die spräche I
Lebt sie nur für sich und das schöne? Will sie nachah-
men, ergötzen, den menschen über die endlichkeit erhe-
ben? Oder erwächst sie nicht vielmehr mit mechanischer
naturnothwendigkcit aus unserem wesen? Ist sie nicht eine
noth wendige ergänzung, weiterentwickelung unserer exi-
stenz? Steht sie nicht ganz, auch mit ihren höchsten lei-
stungen ganz, im dienste des praktischen bedürfnisses?
Und wie sehr sie, anstatt den menschen zu befreien, ihn
hemnyt und bindet, das hat der Verfasser ja selbst nach-
gewiesen (s. 268 f.)l In welchem sinne ist also die spräche
kunst? Darüber belehrt uns Aristoteles in einer stelle, an
welche Ueberweg in seinen erläuterungen zur poetik die-
ses Philosophen erinnert, (pv(f, ccxq, 2, 8: olwg rs r^ ri^'^tj
td fxhv kniTsXEi a rj cpiföig dövvavu dntQydfSatSd'ai^ xd Si
fjiijbieiTai. Zu dieser ergänzenden, unselbständigen kunst
gehört die spräche, sie ist nur fertigkeit, technik, nicht
ideale, freie kuqst. Und steht nicht diese technik hoch
genug, welche herzustellen und weiter auszubilden der
ganze mensch, nach leiblicher gemüthlicher und intelleo-
tueller seite, gefordert wird? welche die grenzen ihrer bil-
dungsfähigkeit erst da findet, wo die grenzen menschlicher
perfectibilität überhaupt liegen? Herr Gerber hat daher
ganz recht, den Improvisator einen virtuosen der sprach-
«nieigen. 879
kunst zu nennen, denn dieser ist nur tecbniker; aber eben-
deshalb ist es andererseits ein schwerer irrthum, wenn er
das epigramm^ kleinere lyrische gedichte u. s. w., zur kunst
der spräche zieht (s. 53. 74). Er wird dazu verleitet wie-
der durch seine rein äufserliche Zusammenstellung der pla-
stik und sprachkunst. Die plastik vergegenwärtigt einen
moment: und „was bisher, heifst es s. 67, zur lyrik ge-
rechnet wurde, ohne doch mehr zu geben, als abbildung
eines einzelnen lebensmomentes der seele, ziehen wir zur
sprachkunst^ — wohingegen die lyrik, welche „eine Viel-
heit von empfindungen und gedanken darstellt^, ganz rich-
tig als dichtungsgattung gleichberechtigt mit drama und
epos hingestellt wird. Aber eine solche trennung des ver-
wandtesten ist unmöglich; dafs Goethes „ach wer bringt
die schönen tage^ aus dem innersten herzen der poesie
und nicht etwa nur der „sprachkunst^ entsprungen ist,
fQhlt jeder; dafs es jener höheren klasse der kunst ange-
hört, beweisen Aristoteles worte: Td fiiv ^niTskei^ rd dk
fiifAeiTcci, Goethes gedieht aber ahmt nach, aufs wundervoll-
ste, und zwar den seelenzustand nach dem verlust jener hol-
den tage. Dasselbe gilt von dem distichon des Simonides,
MvgidöLV Tiori rrjSe TQiaxoaiaig kfid^ovTo
'jfe'x nskonovvdaov ^ikiddeg rirogsg^
welches s. 92 an der band Hegels zur sprachkunst aus der
poesie verwiesen wird, weil es nicht „die Vorstellung**, son-
dern nur „den sprachlichen ausdruckt ins künstlerische
erhoben habe. Ist aber wirklich die poesie deshalb und
insoweit kunst, als sie den gehalt und die Verknüpfung
unserer Vorstellungen ins schöne erhebt, so ist auch dies
epigramm, wie jedes andere von gleicher gute, wahre und
hohe poesie. Auch unser gemüthsleben , sahen wir, fällt
in den kreis unserer Vorstellungen und also der poesie.
Die lyrische poesie ist es, welche es darstellt: dies, aber
auch nur dies, nicht die „musik der worte ^ ist es, was
die lyrik und die musik so nahe verbindet. Musik stellt
den Strom unserer empfindungen unmittelbar vor, die lyrik
ihn so, wie ihn die seele sich erst in gedanken umgesetzt
hat, also mittelbar: aber kann man die empfindungen,
tSbb Qeilttid
welche die Griechen bei Thermopylae durchdrangen, ein-
facher, klarer, stolzer, bescheidner, dankbarer, maafsyoller,
mit einem worte schöner ausdrücken, als es Simonides ge-
tban? Liegt nicht gerade in dieser schlichten, wie Hegel
sagt, trocknen Zusammenstellung der zahlen der frucht-
barste moment, der die weiteste klarste Umschau, also die
herrlichste und ergreifendste Vorstellung der sache bietet?
Haben wir hier nicht die fiifiTjaig der schönsten gemQths-
läge, welche jenes glorreiche Schlachtfeld hervorbrachte?
Und auch die gnomische lehrhafte poesie gehört zur freien,
nicht zur bedfirfniskunst, auch sie will nichts ergänzen
sondern sie ahmt den seelenzustand eines gemüthes nach,
welches tiefsinnig die aufsendinge erfafst, sich ihrer be-
mächtigt; auch sie gibt bestimmte yorstellungen des men-
schen von würdigem gehalt in schöner form wieder. Goe-
thes „und wenn mich bei tag die ferne^ und „die sonne
tönt nach alter weise'^ mögen dies erhärten; und nur wenn
der inhalt nicht würdig, die Schönheit der form nicht er-
reicht ist, nur dann nennen wir solche poesie „reflexions-
poesie, tendenzpredigt ** (s. 62). Ein werk aber, welches
diese Schönheit gar nicht erreichen, nicht nachahmen, nur
belehren will, gehört nie zur dichtkunst, auch wenn es
noch so phantastisch wäre: daher es ein starker mifsgrijBP
des Verfassers ist, wenn er Hegels logik als ein werk der
poesie zu bezeichnen nicht anstand nimmt (s. 137).
Wir schliefsen uns völlig dem an , was s. 49 gesagt
wird: „die kunst aber, welcher die gewöhnliche rede des
bedürfnisses gegenübersteht, ist eben die sprachkunst**.
Was aber bleibt, wenn wir die gewöhnliche rede der be-
dürfnisse abziehen? Die künstliche ausbildung etwa des
griechischen? Schwerlich: denn dem Griechen war es
eben bedürfnifs, es war ihm naturnothwendigkeit, alle com-
binationen und nüancen des gedankens wiederzugeben.
Wohl aber verdient die Verschiedenheit dieser bedürfiiisse
verschiedener Völker und sprachstämme und Sprachzeiten
genaueste beachtung. Und ferner bleibt alles, was der
rede schmuck verleiht, die sogenannten figuren der rede
und die wunderbare spräche der poesie. Dies ist die
eigentliche aufgäbe des herro Verfassers: und so sehr un-
sere ansichten in den meisten punkten von den seinen abwi-
chen, so sehr sind wir auf den zweiten theil des werkes
begierig, welcher gerade Qber die meisten dieser so wich-
tigen dinge licht verbreiten soll. Zwar ist über die figu-
ren schon im vorliegenden bände gehandelt, von den tro-
pen, den grammatischen figuren phonetischer art, den syn-
taktisch-grammatischen figuren. Und wenn wir auch die
behauptung, dafs alle worte tropen seien (s. 333), für
durchaus irrig halten, uns auch wundern, manches schon
hier gesagt zu finden, was uns in den zweiten band zu
gehören schien, so zweifeln wir nicht, dafs herr Gerber sich
durch eine genaue Zusammenstellung und besprechung der
figuren ein grofses verdienst erwerben kann. Schärfer und
bündiger zwar als in dieser ersten vorläufigen übersieht
mufs das geschehen. Doch ist es sein unbestrittenes ver-
dienst, scharf die kunstfähigkeit der spräche betont zu
haben, was uns modernen, uns Deutschen gegenüber von
besonderem werthe ist, da wir leider nur allzuleicht die
spräche nach dieser technischen seite vernachlässigen.
Halle a. S., mai 1872. Georg Gerland.
Agglatination oder adaptation? Eine sprachwissenschaftliche Streitfrage von
Alfred Ludwig, ord. professor der Sprachvergleichung an der Pra-
ger Universität. Prag 1878.
Herr professor Ludwig beabsichtigt in dem vorliegen-
den schriftchen sich mit denjenigen auseinanderzusetzen,
welche die in seinem buche über den Infinitiv im Veda
entwickelten theorien zu widerlegen versucht haben. Der
ton, den er bei der bekam pfung dieser seiner gegner an-
schlägt, ist derartig, dafs man das büchlein liebhabern ver-
alteter polemik bestens empfehlen kann. Ludwig ergiefst
die schale seines zornes über fast alle die, welche eine
seiner arbeiten einmal erwähnt oder besprochen haben,
der dickste und unsauberste strahl aber triffi; mein sün-
389 D«lbrack
diges haupt. Ich entnehme aus diesem amstande die Ver-
anlassung, die form und den inhalt seiner abhandlung mit
einigen Worten zu charakterisiren.
Um von Ludwigs handhabung der persönlichen pole-
mik ein Beispiel zu geben, mache ich mir das vergnügen,
einige seiner urtbeile über meine intellectuelle and mora-
lische bescbaffenheit zusammenzustellen. Ueber meine mo-
duslehre föllt Ludwig folgendes schlufsurtheil : „widerlegt
hat herr D. nur seine eigenen sätze, und die erwartung,
dafs jemand, der dicke bQcher schreibt, auch müsse rich-
tig und consequent denken können. Die ruhe, die man
der darstellung des hrn. verf. von mehreren selten nach-
rühmt, ist in der that eine aufserordentliche; das schalste,
abgeschmackteste wird mit einer ruhe, in einem tone der
Unbefangenheit dargelegt , die auf uns einen beunruhigen-
den eindruck macht ^ (s. 80). »Der allen glauben über-
steigende mangel an Überlegung, die anwidernde urwüch-
sigkeit der paralogismen ^ — in diesen ausdrücken wird
s. 78 von mir geredet. „Es versteht sich von selbst — so
heifst es s. 71) — dafs man einen forscher, der solcher
dinge föhig ist, eben nicht ernstlich nehmen kann^. In
moralischer beziehung steht es mit mir leider nicht besser.
Meine eingehende und mühsame anzeige von L.'s Schrift
über den infinitiv (d. zeitschr. XX,212fF.) ist mit einer
„unglaublichen gewissenlosigkeit" (s. 63) gearbeitet, ich be-
diene mich gelegentlich eines „erbärmlichen kniffs^, ich
handle „unaufrichtig^, ich speculire auf ein publikum, das
die von mir recensirte sehrift nicht gelesen hat, und was
dergleichen niedliche dinge mehr sind. Ich habe natürlich
auf alle diese vorwürfe nicht das geringste zu erwidern.
Ueber den inhalt bemerke ich: Ich finde mich durch
alles, was Ludwig vorbringt, nicht veranlafst, mein ge-
sammturtheil über Ludwigs bestrebungen und leistungen
nach irgend einer richtung hin zu modificiren. Dieses ge-
sammturtheil aber ist, in kurzen werten ausgesprochen,
folgendes: L. hegt hinsichtlich der entstehung der flexion
ansiehten, die ich nur als abenteuerlich und verworren
bezeichnen kann. Sein hauptgedanke ist der, dafs ein an-
anzeigen. 388
terschied zwischen stammbilduDgs- und flexionssuffixen ur-
sprünglich gar nicht existirt hat, z. b. mi si ti aben ur-
sprünglich keine beziehung zur ersten zweiten und dritten
person, sondern waren nur stammbildend. Wie nun die
personalbeziehung in diese suffixe gekommen ist, darüber
spricht sich Ludwig zusammenfassend so aus: „als die ur-
sprüngliche bedeutung der person alsuffixe stelle ich die
demonstrative auf, die dann der function der Wortbildung
die stelle räume; dann nahmen sie allgemeine verbalbedeu-
tung an, und endlich, als die zahl dieser demente wuchs,
brachte man sie nach beiläufigen oft auch nach gar kei-
nen analogien in zusammenbang und beziehung mit den
unterdessen im pron. pers. ausgebildeten categorien der
grammatischen personen. ich nehme also eine ursprüng-
liche bedeutung an, und aufserdem ein hindurchgehn durch
drei metamorphosen an" (s. 63). Aus diesem trüben misch-
masch gährender gedanken werden andere ebenso wenig
ein verlockendes oder auch nur deutliches bild von L.'s
ansichten gewinnen können, wie ich.
Dafs auch die bedeutungen eine entwickelung durch-
machen, überhaupt dafs die spräche ein geschichtliches
wesen ist, diesen satz scheint L. unter seine originalge-
danken zu rechnen. Das weifs man aber bekanntlich ohne
ihn und besser als er. Stützen für seine wunderbare theo-
rie sucht unser philosoph hauptsächlich im Veda, den er zu
zu diesem zweck in der unglücklichsten weise interpretirt.
Es fehlt ihm nicht an fleifs und gelehrsam keit, wohl aber
an gesundem urtheil und hermeneutischer methode. Dafs
es sich so verhält, habe ich in meiner recension an sehr
vielen belegen erwiesen. Weitere anzuführen ist nicht nö-
thig. L. hat gegen meine gründe seine gegengründe bei-
gebracht. Die allermeisten sind nach meiner meinung
völlig nichtig, üeber einzelnes läfst sich reden, aber nicht
mit einem manne, der sich eines so ungebildeten tones be-
fleifsigt. Uebrigens wird das gesammturtbeil über seiüe
benutzung des Veda nicht alterirt, wenn ich auch in eini-
gen einzelheiten unrecht haben sollte. Dafs L. in seiner
jagd nach Seltsamkeiten auch das epos nicht verschont,
984 DelbrOek, anxeigen.
zeigt seine entdecknng des perfectums gantum babhCLva
im MahähhSrnta (s. 57). Der vers heifst: babhtLva mrgajä
ganta sadä kila dbrtavrata:. Natürlich ist za construiren:
babhova dhrtavrata: er war gewohnt gantum zu gehen
mrgajäm auf die jagd *).
Es wird nicht an solchen fehlen, die mein urtheil f&r
zu herb erklären und mich erinnern, dafs wir allzumal
sonder sind. Ihnen halte ich entgegen, was Ludwig s. 80
über seine eigenen und über Schleichers Verdienste sagt:
„Schleichers Verdienste sind nicht zweifelhaft; sie beruhen
darauf, dafs er uns das litauische (jetzt auch das polabi-
sche) entdeckt hat. alle seine übrigen leistungen tragen
den Stempel der mittelmäfsigkeit — — er hat keine wis-
senschaftliche frage aufgeworfen und gelöst — — ** dage-
gen: „mein verdienst ist wissenschaftliche fragen von mafs-
gebender bedeutung selbständig gestellt und gelöst zu
haben".
Ist es nicht pflicht einem manne von so unerträgli-
chem hochmuth einmal gründlich und energisch den Stand-
punkt klar zu machen? Und das habe ich hiermit getban.
*) S. 94 bemängelt Ludwig meine behauptung, dafs an einer BteUe des
Nala möiiajan dem sinne nach gleich möhajantas seL Ich bin überzeugt,
jeder kenner des Sanskrit, der nicht voreingenommen üt, wird möhajan an
der betreffenden stelle als particip und nicht, wie Ludwig will, als verbum
finitum auffassen. Die berechtigang dazu gewähren steUen wie Mhbh. XIU,
1274 fgg.:
9ajSnS ^&grainS9S9 Ka vra^nn upavi9ä8 tathS
unmiSan Dimi§ä9 KSiva Kintajanta: puna*. puna:,
deren nachweis ich Böhtlingk verdanke.
Jena, nov. 1872. B. Delbrück.
Windisch, ttber Fick's vergl. Wörterbuch der indogerm. Bprachen. 385
lieber Fick's vergleichendes Wörterbuch der
indogermanischen sprachen.
I.
Aus Fick^s „Wörterbuch der indogermanischen grund-
sprache^ ist ein „vergleichendes Wörterbuch der indogerma-
nischen sprachen ^ geworden. Dasselbe zerfällt in sieben
einzelsammlungen , welche der reihe nach den Wortschatz
der indogermanischen ursprache, der gemeinsam arischen
periode (indisch, altpersisch, altbaktrisch), der europäi-
schen, der gräcoitalischen, der slawodeutschen, der litauisch-
slawischen und der germanischen Spracheinheit vorführen
sollen. Es fehlen abermals die celtischen sprachen so gut
wie gänzlich. Ursprünglich dachte ich wohl daran, in die^^
sem aufsatze Fick's buch nach dieser seite hin zu ergän-
zen. Da aber dann sehr vieles von mir zum zweiten male
mitgetheilt werden würde, was bereits in die bald erschei-
nende vierte aufläge von Curtius' grundzügen aufgenom-
men worden ist, so werde ich am Schlüsse dieser arbeit
nur eine reihe von einzelheiten vorbringen, die in den
grundzügen nicht weiter berücksichtigt werden konnten.
Die eingehende berücksichtigung der celtischen sprachen
wirft auch reichen etymologischen gewinn ab. Ob die cel-
tischen sprachen in näherem Verhältnisse zum italischen
oder zum germanischen stehen, ist noch nicht endgiltig
entschieden. Sollte das erstere der fall sein, so würde
daraus an und für sich noch nicht mit nothwendigkeit fol-
gen, dafs der engere bund von griechisch und italisch zu
sprengen sei. Denn warum könnten die Gelten nicht die
dritten im bunde sein? Alle die fragen, welche sich auf
das verwandtschaftsverhältnifs der indogermanischen Völker
unter einander beziehen, sind erst in viel umfassenderer
weise, als bisher geschehen, in angriff zu nehmen, ehe man
zu einer sicheren lösung derselben gelangen kann. Der
nunmehr im druck erschienene Vortrag, welchen Joh. Schmidt
auf der letzten philologenversammlung über dieses thema
hielt, war trefflich dazu geeignet, einen jeden auf die gro-
Zeitschr. f. vgl. sprachf. XXI. 6. 25
386 Windisch
fsen entgegenstehenden Schwierigkeiten aufmerksam zu
machen.
In dem nachworte (s. 925 — 1056), welches Fick sei-
nem werke angefügt hat, gibt der zweite theil („zum
Stammbaum der Indogermanen" s. 1045 — 1056) wenigstens
fdLT eine der hier in betracht kommenden annahmen einige
gründe an. Es betrifit dies einen cardinalpunkt der gan-
zen Verwandtschaftsfrage, die hauptscheidung der indo-
germanischen sprachen in die arische und die europäische
gruppe. Von den fünf punkten, welche Fick tdr die an-
nähme einer arischen grundsprache geltend macht, kann
man den ersten und zweiten kaum als beweggründe, jene
Scheidung vorzunehmen, anerkennen. Denn wenn auch das
altbaktrische noch kein 1 hat, so zeigt doch das indische
vielfach an derselben stelle ein 1, wo es sich auch in den
andern sprachen entwickelt hat ( 1 ). Und was die Über-
einstimmung von indisch und altbaktrisch in der entwicke-
lung der palatalen anlangt (2), so beachtet Fick nicht, dals
slawisch und litauisch hierin vielfach mit ihren asiatischen
verwandten übereinstimmen. Dagegen hätte Fick als wich-
tiges moment die merkwürdigen, sprachlichen berührungen
jener beiden sprachen auf religiösem gebiete besonders her-
vorheben sollen. Er selbst führt in dem gemeinsamen
Sprachschatze der Arier an: die heilige pflanze hier söma
dort haoma, der hauptpriester hier hötar dort zaotar,
der feuerpriester hier atharvan dort ätharvan, das
opfer hier jag na dort jap na. Aufserdem macht Haug
in der preface zu seiner ausgäbe des Aitarejabrähmana auf-
merksam auf skr. ni-vid (formel, mit der die götter zum
Opfer geladen werden) und das bekannte altbaktr. ni-vae-
dhajemi, das so oft an der spitze der anrufung und ein-
ladung der götter steht. Soviel ich weifs, bis jetzt nicht
beachtet ist, dafs skr. rtv-ig („nach Vorschrift und Zeit-
folge opfernd, priester** pet. wb.) ein analogen in altbaktr.
ratu hat, „der dem zaotar assistierende geistliche^ (Justi).
Und zu alledem kommt noch das eigenthümliche verhält-
nifs, iu welchem skr. asura und altbaktr. ahura, skr.
deva und altbaktr. daeva zu einander stehen. E^ ist
ttber Fick'fl vergl. Wörterbuch der indogerm. sprachen. 887
aber von der gröfsten Wichtigkeit, dafs es sich hier nicht
um Viehzucht und ackerbau handelt, auch nicht um jene
allgemeinen religiösen grundanschauungen, die sich bei al-
len indogermanischen Völkern wiederfinden, sondern um
ein bis ins einzelne übereinstimmend entwickelte« opferri-
tual, das in dieser ausbildung sicher einer fortgeschrittne-
ren cultur und mithin einer spätem zeit angehört. Nimmt
man hinzu, dafs die arischen Völker nicht minder in der
bewahrung alterthümlicher formenfülle zusammenstehen, so
scheint mir allerdings aus alledem hervorzugehen, dafs die
arischen Völker längere zeit zusammengelebt haben, als die
anderen Völker verwandter zunge, und zwar von jenen Zei-
ten her, in welchen noch alle die verwandten Völker zu-
sammenlebten. Unter zusammenleben kann man natürlich
verschiedene Verhältnisse verstehen, was hier nicht näher
ausgeführt werden soll.
Der erste theil des nachworts, „wurzeln und wurzel-
determinative" betitelt (s. 927—1044), dient nicht unmittel-
bar zur erläuterung der vorausgehenden Sammlungen und
ihrer anordnung, sondern Fick geht hier über die aus den
Wörtern der spräche zunächst erschlossenen wurzeln hin-
aus und sucht auch diese wieder zum grofsen theil auf
ursprünglichere und einfachere formen zurückzuführen. Im
allgemeinen ist dieses streben, meiner ansieht nach, ein
völlig berechtigtes und in ziel und methode nur eine wei-
tere consequenz der von allen forschern anerkannten bis-
herigen Sprachanalyse.
Die abhandlung beginnt mit einer kurzen, mir sehr
einleuchtenden besprechung des princips der schallnachah-
mung in der spräche. Fick fafst seine ansieht s. 932 in
den satz zusammen: „dafs (über einige wenige fälle hin-
aus) die Schallnachahmung einen irgendwie erheblichen bei-
trag zur Sprachbildung geliefert, ist auf grund der erkennt-
nifs der ältesten sprachzustände unbedingt in abrede zu
stellen''. Es wird sodann auf wenigen Seiten (933 — 937)
das geheimnifs der Wortbildung beröhrt. Auch hier stimme
ich für mein theil mit Fick überein, namentlich in dem,
was er über das pronomen und dessen bedeutung in der
25*
woitbildang nnd Terbalflexion sagt: m meiner arbeit Aber
das relatiTproDomeo (Cortius* stod. II, 401 ff.) habe ich
micb in ganz ähnlicher weise aasgesprochen.
Was nun die wurzehi anlangt, so ist Fick bemüht,
dieselben anf nrworzeln znrückzuftlhreD. Uebcr die ge-
statt einer orwnrzel äoisert er sich s. 939 in folgender
weise: «die orwnrzel kann bestehen 1) ans einem bloftcn
Tocal (a, i. o), 2) a-vocal + consonant {ad, ap, as), 3)coii-
sonant oder doppelconsonant +a-TocaI (da, pa, sa; ata,
spa, sna)^. Von s. 913 an werden die Terechiedenen mit-
tel besprochen, durch welche ans den so gestalteten nr-
worzeln die differenzirten und die erwaterten worzeto ent-
standen seien.
Den anfang macht die besprechnng der Tocalschwä-
chnng. £s ist dies jedenfalls der originellste abschnitt,
aber zugleich auch der, dessen bauptresohate ich am we-
nigsten unbedingt annehmen möchte. Es wird hier be-
hauptet, dais keine urwurzel ein i oder u enthalten habe,
und dais jedes bisher als wurzelhaft betrachtete i oder n
blofse lautliche Schwächung Ton orsprfingfichem a sei. Dies
wird daraus erschlossen, dafs allerdings vielen wurzeln mit i
oder u (keineswegs allen) bedeutungsTerwandte wurzeln mit
a zur Seite stehen, und dais thatsächlich in den indogerm.
einzelsprachen riele i und u auf Schwächung Ton ursprüng-
lichem a beruhen. Man kann hier zunächst einvrenden:
so gut in jeder einzelsprache, z. b. im lateinischen, zwar
▼iele i und u aus a entstanden sind, aber keineswegs alle,
so gut könnten auch in den wurzeln die einen i ond u
ursprünglich, die andern nicht ursprünglich sein. Denn
es bleiben doch wurzeln Qbrig, denen auch Fiok keine
form mit a zur seite stellen kann (z. b. bho werden), ganz
abgesehen noch von den fallen, in welchen mir seine com-
binationen wenig schlagend zu sein scheinen. Ich sehe
durchaus keinen grund ein, warum i imd o in den urwnr*
zeln überhaupt nicht vorhanden gewesen sein solL Wenn
aber bedeutungsverwandte wurzeln neben einander stehen,
die sich allerdings formell nur durch ihr a, i oder n von
einander unterscheiden, so können wenigstens anoh nodi
ttber Fick's vergl. Wörterbuch der indogerm. sprachen. 389
andere erklärungen möglich sein als blofse lautliche Schwä-
chung. Es könnte der vocal der wurzel ursprünglich nicht
fest, und der Wechsel der vocale bedeutungsvoll gewesen
sein, wie in den semitischen sprachen. Dieses prinoip der
Sprachbildung wäre dann ganz verwischt worden, als wort-
und flexionsbildnng in ganz andere bahnen einlenkten. Es
liefse sich hier noch manches ausspinnen, aber es hat dies
keinen werth, so lange wir nicht noch anderswoher be-
stimmtere gesichtspunkte für das sprachleben jener graue-
sten vorzeiten erhalten. Vielleicht ergeben sich solche»
wenn man einmal einen tiefern blick in die entwickelung
der semitischen, turanischen und anderer nicht verwandter
sprachen gethan haben wird.
Um seinen satz, dafs i und u in den urwurzeln noch
nicht gestanden habe, durchzuführen, sucht sich Fick
s. 1043 auch der wurzeln i (gehen) und u (sich sättigen
etc.), die er s. 1016. 1017 noch anerkannt hatte, zu ent-
ledigen, indem er j a und v a als ihre grundformen ansetzt.
Der beweis hierfür ist meiner ansieht nach nicht erbracht.
Denn wenn er sich darauf stützt, dafs in den alten und
zahlreichen Weiterbildungen dieser wurzeln ja und va als
radicaltheil erscheine, so vergifst er z. b. i-s (suchen, wün-
schen), das doch auch eine alte Weiterbildung von i sein
dürfte. Bisher hat man vorwiegend das entgegengesetzte
bestreben gehabt^ nämlich jedes j und v auf i und u zu-
rückzuführen.
Dafs die wurzeln auf ru, wie kru, skr. qtu hören,
Weiterbildungen von wurzeln auf ar sind, scheint auch mir
wahrscheinlich. Aber ich möchte bezweifeln, dafs z. b.
kru durch Umstellung des ursprünglichen *kar zu ^kra
und Schwächung des a zu u entstanden sei, wie Fick an-
nimmt. Die wurzelform ^ar, auf welche skr. ^ru zunächst
zurückgehen wird, dürfte möglicherweise in ^r-nö-mi
noch vorliegen; denn r ist ja gewöhnlich Vertreter von ur-
sprünglichem ar; könnte aber ^ru nicht aus ^ar-u ent-
standen sein durch antreten eines weiterbildenden oder wort-
bildenden u? Eine diesem erschlossene ^paru analoge bil-
dung liegt uns thatsächlich vor in kar-ö-mi facio, kur-
890 Windisoh
-u-tas. Ich vermuthe fibrigens, dafs skr. kar-na ohr mit
WZ. ^ru im gründe verwandt ist. Sobald man zugibt, dafs
skr. 9 aus ursprünglichem k entstanden ist, hat diese ety-
mologie keine Schwierigkeit. Fflr diese Voraussetzung
spricht namentlich, dafs auch im slawischen und im litaui-
schen, wo ftir gewöhnlich dem skr. 9 je s und sz entspre-
chen, gelegentlich das k erscheint, das lateinisch, grie-
chisch und celtisch stets aufweisen und auf das auch das
gotische h zurflckgeht: man denke an lit. kl au sä gehor-
sam neben ksl. sluchü das hören gegenüber der indischen
Wurzel 9ru, an ksl. svekry socrus neben lit. szeszura-s
socer gegenüber skr. pva^rü-s und ^va^ura-s, an lit.
akmö, st. akmen nebst ksl.kamy, st. kamen, gegenüber
skr. apmä, st. apman. Es wäre zu untersuchen, ob nicht
auch im sanskrit noch öfter das k neben dem 9 erschiene.
Von einzelheiten sei noch erwähnt, dafs das zu „nig
waschen, spülen^ von Fick (s. 944) postulirte nag nicht
erst in nag- na nackt zu suchen ist, sondern schon in
dem irischen perfectum fo-nenaig purificavit (Stokes
Goid. p. 95, Z.* 448) vorzuliegen scheint. Mit i erscheint
das irische verb in niges, rel. form der 3. sg. praes. (Corm.
61. Transl. p. 166). In ähnlicher weise zeigt sich in dem
perf. senaig stillavit, für sesnaig (Stokes, beitr. VII, 1 1 ),
ein wurzelhaftes a, obwohl die sicher verwandte wurzel
„snigh schneien^ (Fick 214) sonst immer mit i auftritt,
so auch in ir. snigis, snigestar stillavit (Stokes, beitr.
VII, 39. 11).
Der IL abschnitt behandelt die vocalverstärkung
(s. 956 ff.). Hier wird durchgeführt, dafs alle wurzeln ur-
sprünglich einen kurzen vocal enthielten. Nicht einleuch-
tend ist mir die hier vertretene mathematische erklärung
des guna. Es ist meiner ansieht nach unerwiesen, dafs
das lange ä im sprachbewufstsein als a + a gefühlt wor-
den ist, so dafs dann, wie Fick meint, als das einfache a
zu i oder u wurde, das lange ä in a + i und a-+-u über-
gehen konnte. Die grammatik ist allerdings sehr früh
darauf gekommen, den langen vocal der Zeitdauer nach
zwei kurzen vocalen gleichzusetzen, aber physiologisch ist
aber Fick'fl vergl. Wörterbuch der indogerm. sprachen. 891
doch ein zweimal bervorgestoisenes a etwas ganz anderes
als ein gedehntes ä; jedenfalls konnte das ä sehr gut aach
unmittelbar entstehen und nicht erst durch addition von
a + a. Aufserdem wäre doch erst zu untersuchen , ob
wirklich in der spräche, in Wortbildung und flexion ä und
ai, au auf einer stufe stehen. Ganz abgesehen davon,
dafs die sanskritgrammatik das lange ä nicht als guna,
sondern als vrddhi fafst, scheinen skr. eti und asti, gr.
äyw^ TQBTtoj und keiTto) (die wenigen verba wie tt^xco kom-
men kaum in betracht), lat. rego und dico, got. nima
und steiga, griech. yivog und eidog nicht gerade dafQr
zu sprechen. Das lange ä im Singular von skr. gagäma
ist keineswegs so fest wie das e und ö im singular von
bibheda und bubböga; ähnliches kann man in der grie-
chischen perfectbildung beobachten: TieTttjya^ Ttitptjva ste-
hen neben yiyova^ riroxa, aber XiXoma^ 7ti7toi&ay rärci;;^«,
Tticpevycc, olda, 'doLxa sind ebenso viele beispiele einer und
derselben bildungsweise.
Wenn Fick s. 963 sagt: ,,die dehnung von radicalem
i zu I ist, wie es scheint, der indogermanischen urspraohe
ganz abzusprechen, und zwar sowohl im anlaut, als im
in- und auslaut^, so bezieht sich dies wohl nur auf die
gestalt der urwurzeln. Denn wie kann man wissen, dafs
nie in einer periode der urspk'ache dehnung von i und u
zu bildungszwecken verwendet worden ist?
Die abschnitte III, IV und V (s. 966-968) handeln
über consonantenschwächung, consonanten Verstärkung und
consonantenversetzung innerhalb der wurzeln, sehr kurz,
weil sich hier nicht viel vorbringen läfst. Die consonan-
tenversetzung betriflflb namentlich den laut r. Fick gibt
als beispiele die wurzelformen: argh und ragh, arg und
rag, ardh und radh. Dagegen zweifelt er diese ver-
schiebbarkeit in bezug auf n an, und ist z. b. geneigt wz.
nak (skr. nap erreichen) von wz. ak, ank (skr. a^ dass.,
äpa theil) vollständig zu trennen. Meiner ansieht nach
hat er hierin nicht recht, wie ich erst weiter unten darzu-
legen versuchen werde.
In sehr ausführlicher weise werden endlich s. 968 — 1016
893 Windiioh
die wurzeldeterminative behandelt. Hier namentlich schliefst
sich Fick an 6. Curtius an, der bekanntlich in der einlei-
tung zu seinen grundzügen der griechischen etymologie
und in den ersten abschnitten seiner schrift zur Chronolo-
gie der indogermanischen sprachen die erwähnte erschei-
nung principiell erörtert hat. Fick scheidet aber von vie-
len wurzeln ein determinativ ab, an denen es bisher noch
nicht erkannt worden war. Er verläfst dabei vielfietch den
boden der empirie und geht in seiner analyse von einem
principe aus, dessen richtigkeit erst durch die empirie zu
erweisen wäre. Er sieht, dafs viele consonantisch anlau-
tende wurzeln bei ähnlicher oder gleicher bedeutung sich
nur durch das fehlen oder die Verschiedenheit eines aus-
lautenden consonanten unterscheiden (z. b. skr. ju und ju^
verbinden, skr. gar und gad tönen, reden), und schliefst
daraus, dafs keine urwurzel zugleich mit einem consonan-
ten anlautet und auslautet, und dals, wo solche wurzeln
vorkommen, der auslautende consonant immer als wurzel-
determinativ zu betrachten ist. Es kann dieses richtig
sein, aber bewiesen ist es nicht So viel ich weifs ist
noch kein gesicbtspunkt aufgestellt, nach welchem es un-
möglich oder unwahrscheinlich wäre, dafs z. b. bhar eine
urwurzel ist. Denn wer sagt uns, dafs die menschen ur-
sprünglich nur zwei laute mit einander verbinden konnten
und erst allmälig lernten einen dritten zuzufägen? Des-
halb war hier der analogieschlufs nicht an der stelle, fQr
jeden einzelnen fall ist ein besonderer beweis nöthig. Es
ist wohl zu beachten, dafs Fick för den gröfseren theil
der auf r auslautenden wurzeln diesen beweis nicht führen
kann: es gibt z. b. für bhar weder schwesterwurzeln wie
bhak oder bhas mit gleicher oder ähnlicher bedeutung,
aus denen man allerdings ein uranfängliches bha tragen
mit verhältnifsmäfsiger Sicherheit erschliefsen könnte, noch
ist dieses selbst irgendwo in einer spräche wirklich vor-
handen. Mit bha scheinen hat Fick natürlich bhar tra-
gen nicht combiniren wollen, aber in anderen fällen hat
er doch, nur um sein princip durchzuführen, dafs conso-
nant + vocal + consonant kein wurzeltypus der urzeit sei,
über Fick's vergl. wörterbach der indogerm. sprachen. 398
sehr kühne combinationen gewagt. Ich verweise nur auf
alle die wurzeln, welche aus der urwurzel ta (spannen,
dehnen) hervorgegangen sein sollen (s. 1028). Immerhin
bleibt es aber Fick's verdienst nicht nur uns deutlicher
zum bewufstsein gebracht zu haben, wie weit man in der
sprachlichen analyse kommen kann, sondern auch in vie-
len fällen, wenigstens meiner ansieht nach, die richtige
combination und reduction der wurzeln getroffen zu ha-
ben. Wenden wir uns zu den einzelnen abschnitten.
Von den echten determinativen werden zunächst a, n
und m gesondert, weil die durch anfögung dieser laute
entstandenen neuen wurzeln „in einem engen verhältnifs
zu ihren stammwurzeln bleiben^. Zu den mit determina-
tivem a gebildeten wurzeln rechnet Fick pra, mna, dra,
XLia, d'va u. a. Anstatt hier lix&hipig des wurzelhaften a
anzunehmen (pr-a ist nach Fick aus par-a entstanden),
könnte man an und für sich auch an ^tsTcc^eöig denken.
Fick weist diese erklärung damit zurück, dafs er sagt,
pra mna und ähnlich gestaltete wurzeln könnten nicht von
dhja, ja getrennt werden, und diese seien sicher aus
dhi, i weitergebildet (hier nimmt also Fick i noch als die
primitive form an, erst s. 1043 ändert er seine meinung).
Ich sehe nicht ein, inwiefern dhja und ja für die auffas-
sung von pra, mna, xfia u.a. geradezu mafsgebend sein
sollen; die Verhältnisse sind denn doch etwas andere. Da-
gegen wäre vielleicht zu beachten, wie die nach ansieht
der indischen graramatiker auf ä auslautenden wurzeln als
letzte glieder nominaler composita declinirt werden: sie
werfen, wie Bopp §. 156 sagt, in den schwachen casus
vor vocalisch anfangenden endungen das schliefsende ä ab,
so dafs z. b. von dhmä (stammwurzel dham) der instru-
mental dhm-ä, der dativ dhm-^, der genetiv und abla-
tiv dhm-as lauten, vgl. väk-ä, väK-e, väK-as von dem
stamme väk. Hier scheint doch kaum bezweifelt werden
zu können, dafs der nach abzug der casusendungen übrig
bleibende flexionsstamm dhm aus dham entstanden ist.
Was die bedeutung dieses a anlangt, so stellt es Fick mit
894 Windisob
recht auf gleiche stufe mit dem a in dem präsensstamme
bödha- (bödha-ti).
Ebenso greift das in wurzeln wie kam, kram, dham,
dram auslautende m in die Wortbildung über. Der stamm
von skr. dramati, griech. HägaixoVy Sqa^iovfiai wird nicht
verschieden sein von dem des Substantivs 8q6^(jiO'Q\ die
ursprünglichere wurzel ist in an-idga enthalten. Vgl. die
nominalbildungen mit sufBx ma bei Aufrecht, Unadisü.
p. 276.
Aehnliches gilt von dem determinativen n. Fick macht
darauf aufmerksam, dafs das gemeinhin zu wurzel ^nä
gestellte praesens gä-nä-mi im sanskrit weiter nichts ist,
als eine präsensbildung der 9. olasse von der wurzelform
ga, gä. Die präsensform tanöti führt zwar die sanskrit-
grammatik auf eine wurzel tan zurück, es ist aber längst
erkannt, dafs in ihr das bekannte, präsensstamme bildende
sufSx nu vorliegt, welches als eigenthümlichkeit der verba
der 8. classe (su-nö-ti) gilt. Ferner beweist das vedische
ma-nu-te, wie irrig es wäre von einer urwurzel man
zu reden.
Participialformen wie ra-ta von ram, ga-ta von
gam, ha-ta von han, ia-ta von tan, ma-ta von man
zeigen nicht minder, was man eigentlich als wurzel der
betre£Penden verba anzusetzen hätte, und rama-te neben
ra-ma-s (ergötzend, geliebter), tanu-te neben ta-nu-s
(dünn), manu-te neben ma-nu-s (mensch) scheinen dar-
auf hinzudeuten, dafs man anstatt von wurzeln ram, tan,
man richtiger von den conjugirten nominalstämmen rama,
manu, tauu zu reden hätte.
Aber so einfach liegen die Verhältnisse doch nicht.
In sehr vielen formen finden wir den blofsen nasal, nicht
die Silben ma, na, nut Man denke z. b. an das praes.
han-mi, han-ti, an den nominalstamm hantar nom.
hantä, im griechischen an xdfi-vwj öccfA-vrjfiv und an me-
diale perfectformen wie TtecpccvTai, Hier giebt es noch
viel zu untersuchen, vor allem, wie weit solche formen
mehreren sprachen gemeinsam, und wie weit sie sonder-
bildungcn einzelner sprachen sind. In dieser wurzelerwei-
ttber Fick's vergl. wörterbnoh der indogerm. sprachen. 895
terung durch a, m und n scheint der wurzelbildungepro-
cefs am längsten flüssig geblieben zu sein, so dafs wir hier
einen einblick wenigstens in eine zweite periode der wur-
zelbildung thun könnten. Es würde dies die periode der
secundärwurzeln sein, welche allerdings vom Standpunkte
der in reich entfalteter Wortbildung, declination und con-
jugation prangenden spräche aus als wurzeln erscheinen,
zur zeit ihres entstehens aber wahrscheinlich eine andere
rolle spielten. Sie scheinen ursprünglich zweisilbig gewe-
sen und erst, sei es durch ausstofsen eines mittleren oder
durch abwerfen eines auslautenden vocals, einsilbig gewor-
den zu sein.
Dies behauptet auch Fick von einer reihe lautreiche-
rer wurzeln, die er aus der reduplication einfacherer wur-
zeln erklärt (s. 973). Hierbei wundere ich mich, dafs er
wurzeln wie garg schreien (skr. gargati, griech. yogyo-g
u. a. s. 60) als aus gar-gar verstümmelt auffafst. Da
mtifste es erst noch anderweitig wahrscheinlich gemacht
werden, dafs die spräche in alten zeiten so schonungslos
mit den lauten umsprang (vgl. Fick's eigene treffliche be-
merkungen über die festigkeit der laute in den alten sprach-
perioden s. 1000). Warum nimmt er nicht als volle ge-
stalt der reduplicirten wurzel nur gar-ga an, wie es in
griech. yog-yo-g und skr. gar-ga-ti noch vorliegt? Denn
wenn ga die ur wurzel ist, und gar nur eine Weiterbildung
derselben (s. 1027), so hat eine reduplicationsform gar-ga
nichts wunderbares. Sie ist vielmehr gleichsam das ge-
genstück zu dem gewöhnlichen reduplicationstypus ga-gar,
wie er sonst in Wortbildung und flexion übh'ch geworden
ist. Bei einer solchen auffassung würde sich ergeben, dafs
die sogenannte reduplicationssilbe im perfect und wo sie
sonst auftritt ursprünglich nicht die mechanische Versetzung
war, als welche man sie wohl zu betrachten pflegt, und
welche sie unleugbar, namentlich im griechischen endlich
geworden ist, sondern dafs es ursprünglich die kurze wur-
zelgestalt war, welche sowohl mit sich selbst als auch mit
ihren derivaten zusammengesetzt wurde. In formen wie
nicprivay xi^^va^ nitp^vya war das griechische am weite-
896 Windiscb
sten in dem bestreben gegangen, aus der doppeltgesetzten
Wurzel einen als einheit gefühlten körper zu schaffen. Aus
dem Sanskrit liefse sich solchen formen dem principe nach
am nächsten das vedische gabhära vergleichen. Der er-
satz des aspirirten lauts durch einen nicht aspirirten ist
beiden sprachen gemeinsam; der durchgehende ersatz dto
wurzelvocals durch e hat im griechischen den Ursprung
der reduplicatioD fast gänzlich verwischt. So wörde sich
auch das selbständige leben der sogenannten reduplica-
tionssilbe begreifen lassen, wenn z. b. im indischen inten-
sivum gunirung derselben eintritt, vgl. Ie-lih-jas6, dö-
-dipjamänäm u.a. Ferner würden dann griech. oA-<»Aer,
od'Cüda nicht auf anderem bildungsprincipe beruhen, als
die gewöhnlichen perfecte. Natürlich mufs diese hypo-
these noch eingehender geprüft werden.
Von s. 975 an folgt die besprechung der übrigen de-
terminative. Alle consonanten, welche für die indogerma-
nische Ursprache mit Sicherheit nachgewiesen sind, treten
als solche auf (k g gh t d dh p bh r s). Wer nicht ab-
sichtlich darauf verzichtet, weitere Untersuchungen über die
zunächst aus den sprachen gewonnenen wurzeln anzustel-
len, der mufs auch hier im allgemeinen das princip von
Fick's reductionen anerkennen. S. 1016 bis 1043 sind auf
grund der vorausgehenden auseinandersetzungen die urwur-
zeln in ihren Verzweigungen übersichtlich zusammengestellt.
Nehmen wir ga tönen (s. 1027), das in skr. gä-jati, caus.
gäpajati (vergl. gäna das singen) thatsächlich vorliegt.
Wer möchte zweifeln, dafs dazu als abgeleitete wurzeln
gehören: ga-d sprechen (skr. gadati, ir. ro-gid), ga-t
sprechen (got. qitha qath), ga-p murmeln (skr. ^pati),
ga-r rauschen, rufen (skr. grnäti, griech. y^gvg u. a.),
und dafs an letzteres wieder sich anschliefsen gar-s tönen
(lat. garrio, lit. garsa-s), gal-p murmeln (skr. gal-
pati), gar-gh klagen (skr. garhate, ahd. klaga).
Fick versucht einzelne dieser wurzeldeterminative ih-
rem Ursprünge nach zu erklären. Diese versuche schei-
nen mir aber sämmtlich nicht mit dem zu stimmen, was
er selbst s. 1000 und 1001 über die festigkeit der laute
über Fick's yergl. Wörterbuch der indogerm. sprachen. 397
in jenen alten spraehperioden und über unsere mangel-
hafte kenntnifs des damals zur Sprachbildung verwendeten
materials sagt. Allerdings weist er ftlr d die annähme
von Schwächung aus t und ebenso den gedanken an die
Wurzel da wenigstens als ganz unsicher zurück, aber doch
ist er zuvor (s. 982) sehr geneigt, g als blofse Schwächung
von k anzusetzen, und nimmt er s. 1003 als ganz sicher
an, dafs in dem determinativen dh die wurzel dha, und
s. 1007, daf's in dem determinativen p die wurzel ap (oder
pa) zu erblicken sei. Letztere annahmen sind mir gerade
durch Fick's Zusammenstellungen wieder zweifelhaft ge-
worden. Denn der umstand, dafs sich sämmtliche con-
sonauten als wurzeldeterminative nachweisen lassen, scheint
darauf hinzudeuten, dafs wir es hier mit einer besonderen
Schicht und richtung der Sprachbildung zu thun haben,
die auch ihr einheitliches gesetz haben dürfte. Da wir
dieses gesetz noch nicht kennen, so ist es keine übertrie-
bene zweifelsucht, wenn man gegen erklärungen, die nur
einzelne jener bildungselemente herausgreifen ohne auch
nur für diese schlagend zu sein, vor der band noch mifs-
trauisch ist.
Sehr beachtenswerth ist, dafs die erweiterung der
wurzeln durch diese determinative, wie Fick nachweist,
bis in spätere spraehperioden fortdauert und in einzelnen
fällen sogar zu gewissen Stammbildungen benutzt worden
ist. Denn es scheint auch mir sehr wahrscheinlich, dafs
das zur causativbildung verwendete p und das zur desi-
derativbildung verwendete s nicht verschieden sind von
den wurzeldeterminativen p und s (s. 1007. 1016).
Im allgemeinen darf man wohl behaupten, dafs Fick
in dem ersten theile seines nachworts unsere kenntnifs von
dem frühesten sprachleben bedeutend erweitert und für
manche erscheinung desselben schon durch die statisti-
sche aufführung des materials die richtige auffassnng an
die band gegeben oder angebahnt hat. Wir können jetzt
das im gesprochenen oder geschriebenen wort vorliegende
sprachliche material zu einem grofsen theil bis auf seine
urelemente zurückführen; denn was sollte noch hinter wur-
398 WindiBch
zeln wie ka ga gha liegen? Solche lautlich yerschiedene
urwurzeln hat Fick 30 bis 40 gewonnen, die aber in folge
davon, dafs vielfach ein und derselbe lautcomplex yerschie-
dene unvereinbare bedeutungen hat, auf 70 bis 80 gebracht
werden können. In der entwickclung der indogermani-
schen sprachen haben wir demgemäfs vier hauptstadien
zu unterscheiden : 1 ) die in wort oder schrift lebendigen
einzelsprachen, 2) die erschlossenen grundsprachen von
einzelnen sprachgruppen, 3) die erschlossene indogermani-
sche grundsprache, 4) die erschlossene Ursprache der indo-
germanischen grundsprache. Die Ursprache der indoger-
manischen grundsprache bezeichnet den ersten ausgangs-
punkt der ganzen sprachlichen entwickclung, soweit die-
selbe überhaupt durch fortgesetzte abstraction zurückver-
folgt werden kann.
Hier finden aufser den von Fick so genannten urwur-
zeln auch die urstämme der pronomina und der suffixe,
ferner die urelemente vieler partikeln, vor allem der prä-
positionen ihre stelle, und zwar in selbständigem leben^
noch nicht untereinander verquickt. Die frage nach dem
ersten entstehen dieser urelemente, d.h. also die frage
nach dem Ursprung der spräche, liegt auiserhalb der auf
das indogermanische beschränkten Sprachwissenschaft.
Was gewinnen wir aber durch jene abstraction und
construction, durch welche wir bis zu den anfangen des
Sprachlebens zurückgehen können? Ein getreues und voll-
ständiges bild von dem bestände der indogermanischen
grundsprache und von dem der Ursprache derselben ge-
wifs nicht. Wir lernen vielmehr immer nur denjenigen
theil der grundsprachen kennen, welcher sich bis in die
thatsächlich bekannten sprachen hinab erhalten und fort-
entwickelt hat. Allerdings will es scheinen, als ob wir
die urwurzeln der ersten Ursprache alle besäfsen. Denn
es sind alle urlaute der indogermanischen sprachen in ih-
nen vertreten und ebenso alle die möglichen einfachsten
Verbindungen derselben, aus denen sich nach Fick die zu-
sammengesetzteren erst entwickelt haben. Es müfste denn
damals noch andere urlaute gegeben haben. Anders steht
ttber Fick's vergl. Wörterbuch der indogerm. sprachen. 399
es mit der indogermaDischen grundsprache. Zwischen ihr
und ihrer grundsprache liegt ein Zeitraum, von dessen
dauer wir keine Vorstellung haben können. In diesem Zeit-
raum hat sich ein entwickelungsprocefs vollzogen, dessen
zur herrschaft gelangte tendenzen, dessen mannichfaltig-
keit und reichthum wir aus seinen letzten, in den einzel-
sprachen aufgehobenen resultaten mehr und mehr erken-
nen. Aber wer will wissen^ ob die grundsprache nicht
noch reicher gestaltet war, als wir aus den einzelsprachen
erschliefsen können? Um es kurz zu sagen: wir können
mit einer gewissen Sicherheit erschliefsen, was alles von
den formen der einzelsprachen auch in der indogermani-
schen grundsprache schon vorhanden war, aber wir wer-
den nie erfahren, was alles von der vorausgehenden ent-
wickelung her in diese grundsprache noch hinein ragte,
ohne dann auch in den einzelsprachen noch fortzuleben.
Deshalb ist eine eigentliche reconstruction der indogerma-
nischen grundsprache ein ding der Unmöglichkeit.
Fick hat sich über diese punkte nicht ausgesprochen,
aber man darf wohl vermuthen, dafs er nicht absichtslos
als titel seiner Sammlungen die form „zum wertschätz
der gemeinsam-arischen periode'', „^um Wortschatz der
gräcoitalischen Spracheinheit ^ gewählt hat. Es scheint
aber in diesen titeln angedeutet zu sein, dafs Fick die
construction aller dieser einheits- und grundsprachen als
ein hauptziel der Sprachwissenschaft auffafst. Hierin würde
ich ihm nicht beistimmen. Wir dürfen nie vergessen, dafs
es immer nur der wertschätz und die formenfülle der in-
dogermanischen einzelsprachen ist, mit denen wir operiren.
Wir wünschen zu wissen, wie die Wörter zu ihren formen
und zu ihrer bedeutung gekommen sind. Unter der form
der Wörter haben wir aber ein doppeltes zu verstehen, ihre
lautform und ihre bildungsform. Lautform ist die
individuelle gestalt der Wörter in den einzelsprachen, wel-
che durch die in den einzelsprachen herrschend geworde-
nen lautgesetze hervorgerufen ist. Durch die erkenntnifs
dieser gesetze erfahren wir, wie die Wörter der einzelspra-
chen zu ihrer individuellen lautform gekommen sind. Die
400 Windisch
wortformen aber, welche nach abzug des individaellen
übrig bleiben, sind mehr als blofse platonische ideen, sie
haben vielmehr zum grofsen theil entweder wirklich in der
indogermanischen grundsprache existirt oder hätten wenig-
stens in ihr existiren können. Hätten wir nicht das recht
eine indogermanische grundsprache anzunehmen, so wür-
den alle grundformen weiter nichts als platonische ideen
sein, und unsere heutige Sprachwissenschaft mit ihnen in
der luft schweben.
Hier war die indogermanische grundsprache der an-
fangspunkt einer entwickelung, sie ist aber auch andrer-
seits der endpunkt einer entwickelung, so dafs durch sie
die gesammte sprachliche entwickelung des indogermanis-
mus in zwei hälften getheilt wird. In der grundsprache
gipfelt die entwickelung der bildungsform der indo-
germanischen sprachen. Wir zerlegen die in der grund-
sprache stehenden formen in ihre bestandtheile. Wiederum
ist es die vergleichung, welche uns die richtige art des
zerlegens lehrt. Um die grundformen zu erhalten brau-
chen wir nothwendig Wörter verschiedener sprachen; um
sie zu zerlegen können wir eigentlich nur wieder wortfor-
men der grundsprache zur vergleichung heranziehen. Wenn
wir, wie es die allgemein herrschende gewohnheit ist, un-
mittelbar die Wörter verschiedener einzelspraohen benutzen,
so ist dies nur insofern berechtigt, als diese auf die grund-
sprache reducirbar sind. Denn die Wörter verschiedener
sprachen sind immer nur in ihren grundformen miteinan-
der vergleichbar; sie sind wie brüche, die einen gemein-
samen nenner haben müssen, ehe man sie addiren oder den
einen von dem andern subtrahiren kann. Indem wir die
wortformen in ihre demente zerlegen, nehmen wir ferner
an, dafs diese demente einst ein selbständiges leben hal-
ten, ehe sie sich zu der bildung der wortformen vereinig-
ten. Es ist dies die zeit der Ursprache, die seit von Fick's
urwurzdn. In die zeiten zwischen dieser Ursprache und
jener grundsprache fällt die eigentliche ausbildung der in-
dogermanischen sprachform. Auch hier wird ea vereehie-
dene perioden und atadien gegeben haben, aber wir tonnen
über Fick's vergl. Wörterbuch der indogerm. sprachen. 401
sie schwerlich mit Sicherheit bestimmen. Die Vermehrung
der urwurzeln durch abgeleitete wurzeln, die erste bildung
der wortstämme, der casusformeu, der verbalformen, alles
dies bezeichnet vielleicht ebenso viele perioden dieser
spraehentwickelung. Nebenbei ergibt sich aus dieser be-
trachtung, dafs die urwurzeln weniger in der luft schwe-
ben, als die aus diesen abgeleiteten wurzeln; denn von
letzteren können wir nicht sagen, in welcher periode sie
sich gebildet haben.
Diese bemerkungen, die vielfach zu ergänzen oder zu
beschränken sind, sollen nur dazu dienen, die bedeutung
der grundformen und der indogermanischen grundsprache
zu beleuchten. Die ganze heutige Sprachwissenschaft wird
zum luftschlofs, sowie jemand beweist, dafs grundform und
grundsprache nie etwas anderes waren, als abstractionen.
Anders steht es mit den grundsprachen , welche für
die einzelnen gruppen der indogermanischen sprachen auf-
gestellt werden. An diese knüpft sich nicht eigentlich ein
lebensinteresse der Sprachwissenschaft, sie sind für den
historiker, der die früheste cultur und geschichte der Völ-
ker zu erkennen sucht, fast von gröfserem interesse, als
für den Sprachforscher. Für die Sprachwissenschaft sind
sie insofern wichtig, als sie eine Zwischenstufe in dem
lautlichen individualisationsprocesse bezeichnen. An ihre
eigentliche reconstruction ist ebenso wenig zu denken, als
an die der indogermanischen grundsprache. Denn wenn
auch in ihnen schon mannichfach dieselbe beschränkung
des uralten sprachstoflFs, welche die einzelsprachen charak-
terisirt, eingetreten sein mag, so können wir doch aber-
mals nie und nimmer wissen, wie viel von uraltem sprach-
stoff in ihnen noch vorhanden war. Wie verschiedene ge-
stalt dieselbe spräche in verschiedenen perioden ihres da-
seins gehabt haben kann^ läfst uns die vergleichung der
vedischen spräche mit dem classischen sanskrit, die ver-
gleichung des homerischen griechisch mit dem classischen
griechisch erschliefsen; ich erinnere nur an die grofse an-
zahl der homerischen äna^ ügr^^kva^ die sich in der gan-
zen griechischen originalliteratur nicht wiederfinden. Die
Zeitschr. f. vergl. sprachf. XXI. 5. 26
402 Windisch
grundsprachen einzelner sprachgruppen sind aber noch von
praktischer Wichtigkeit für den Sprachforscher. Ist es ge-
sichert, dafs wir nach der indogermanischen grundsprache
zunächst die arische und die europäische einheit zu schei-
den haben, so genügt es, dafs ein wort einer arischen und
ein wort einer europäischen spräche die gleiche grundform
haben, um diese als einst in der indogermanischen grund-
sprache wirklich vorhanden anzusehen (vgl. skr. ganiman
und latein. genimen, sanskr. trsu und got. thaursu^s
U.S. w.). Dieses princip ist namentlich für die flexionsfor-
men von grofser bedeutung, man denke an die in den ari-
schen sprachen und aufserdem nur noch im griechischen
getrennt nebeneinander stehenden modi des conjunctiv und
Optativ.
Werfen wir nach diesen bemerkungen noch einen blick
auf Fick's Wörterbuch. Es ist sehr zu bedauern, dafs sich
Fick nicht über die absiebten, die er verfolgt, und über
die principien, nach denen er dieselben auszuführen sucht,
ausführlich ausgesprochen hat. Wenn man nicht aud den
Überschriften, wie vorhin schon angedeutet, seine absieht
errathen könnte, so würde man an und für sich sehr zwei-
felhfat sein über das, was er gewollt hat. Denn zweierlei
war möglich: Setzte er voraus, dafs nicht nur die existenz
der indogermanischen grundsprache, sondern auch die der
grundsprachen bestimmter sprachgruppen bewiesen ist, so
konnte er 1) die absieht haben, alle die Wörter der ein-
zelsprachen zusammenzustellen, welche sich mit Sicherheit
in die grundsprachen zurückverfolgen lassen. War er da-
gegen der ansieht, dafs jene Voraussetzung noch nicht er-
wiesen ist, so konnte er 2) die absieht haben, wenigstens
von einer seite her, nämlich auf grund der grofsen Ober-
einstimmung, welche bestimmte sprachgruppen in ihrem
Wortschätze zeigen, die existenz von grundsprachen ein-
zelner sprachgruppen nachzuweisen. Fick ist von jener
Voraussetzung ausgegangen und hat oflFenbar die erstge-
nannte absieht gehabt, freilich eingekleidet in die meiner
ansieht nach nicht richtige form, die grundsprachen recon-
struiren zu wollen; aber er hat diese absieht nicht coase*
über Fick'B vergl. worterbnch der indog^nn. sprachen. 403
quent durchgeführt. War die einstige existenz der ein-
zelnen grundsprachen für Fick eine unumstörsliebe that-
sache, so mufste er nicht nur alle die Wörter z. b. in die
gräcoitalische grundsprache aufnehmen, welche wirklich
zugleich im griechischen und lateinischen vorhanden
sind, sondern auch ein jedes wort, das nur im griechi-
schen oder nur im lateinischen thatsächlich vorlag, dazu
aber noch in irgend einer oder in mehreren anderen spra-
chen. Aus griech. Toiyo) und got. thragja z. b. wäre die
Wurzel tragh*), aus griech, eQyov und ags. veorc der
stamm varga, aus lat. düco und got. tiuha das präsens
daukä auch für das gräcoitalische zu erschliefsen gewe-
sen. Fick hat dieses princip für den Wortschatz der grä-
coitalischen grundsprache nicht ein einziges mal angewen-
det, während er es merkwürdiger weise zur construction
des Wortschatzes der arischen grundsprache wohl benutzt
hat: aus skr. apas und lat. opus erschliefst er arisches
apas, aus althaktr. arezanh der helle tag und griech.
iv-agy/jg arisches argas, aus altbaktr. eredhwa hoch und
lat. arduus arisches ardhva (229. 232.^33) u.s.w. Hier-
bei ist allerdings noch manches zu beachten. Wem es
darauf ankommt, die grundsprachen zu reconstruiren, dem
fehlt hier der nöthige anhält, um die lautliche gestalt der
anzusetzenden grundform richtig zu treffen. Denn wenn
ich z. b. aus lateinisch duco und gotisch tiuha eine
grundform daukä abstrahire, so sind dies wohl die laute
der indogermanischen, aber nicht die der gräcoitali-
schen grundsprache; gräcoitalisch würde vielleicht deukö
sein. Nicht immer kann man hierbei der richtigkeit sei-
ner vermuthung sicher sein; man kann z. b. nicht ent-
scheiden, ob varga oder verga als gräcoitalische grund-
form anzusetzen wäre. Wem es darauf ankommt zu wis-
sen, in welchem Stadium des lautlichen individualisations-
processes sich die griechischen und lateinischen Wörter in
*) Fick s. 82 setzt griech. r^e/oj and got thragja unter die warzel
trak. Wozu die annähme anregelmäfsiger lantvertretnng, wenn sowohl k
als anch gh als warzeldeterminativ nachgewiesen ist? Aach ir. traig fa(s
spricht fUr tragh (n. pl. tragait == xq^/ovi«;^ eig. die laafenden).
26'
404 Windisch
der gräcoitalischen gruudsprache befanden, der kann dies
mit Sicherheit nur dann erkennen, wenn sowohl das grie-
chische als auch das lateinische wort wirklich vorhanden
ist. Will man consequent sein, so mufs dagegen derje-
nige, welchem die reconstruction der grundsprachen die
hauptsache ist, noch weiter gehen, um möglichst viel Wör-
ter zu diesem zwecke zusammen zu bekommen. Er kann
nämlich jedes wort der einzelnen spräche, das seiner bil-
dung nach alterthümlich zu sein scheint, in die grund-
sprache aufnehmen, auch ohne dafs dies durch ein ent-
sprechendes wort in einer zweiten spräche geboten wäre.
Denn woher sollten Wörter, wie z. b. griech. roxog^ lat.
pars, mons kommen? Als auf. griechischem und lateini-
schem boden entstandene Originalbildungen oder analogie-
bildungen dürfen wir sie schwerlich betrachten. Freilich
wird es in solchen fällen nicht immer leicht sein, die be-
deutung ausfindig zu machen, mit der sie in den grund-
sprachen anzusetzen wären.
Man mag darin eine Schwierigkeit erblicken, grofs
genug, um Fick zu veranlassen, die nur einseitig vertrete-
nen Wörter nicht weiter zu beachten; aber eine inconse-
quenz ist dies doch. Jedenfalls aber ist es von Fick's
Standpunkt aus ein fehler, dafs er viele Wörter, die im
Wortschatz der indogermanischen und im Wortschatz der
europäischen gruudsprache stehen, nicht auch z. b. in den
Wortschatz der gräcoitalischen grundsprache, wenn sie für
diese durch den auch vorhandenen griechischen oder ita-
lischen Vertreter genügend verbürgt waren, aufgenommen
hat. Fick hat sich entweder in der ausfuhrung seiner ab-
sieht willkürlich beschränkt, oder ist sich in dem ziele,
das er verfolgte, nicht ganz klar gewesen.
Sollte Fick, indem er sich beschränkte, vielleicht die
nebenabsicht gehabt haben vom wertschätze -der sprachen
aus zu beweisen, wie richtig die aufgestellten grundspra-
chen angenommen seien, so könnte er bei construction der
arischen grundsprache diesen gedanken noch nicht gehabt
haben. Er würde diese absieht aber auch überhaupt nicht
erreicht haben, denn da müfste erst durch das ezperiment
über Fick's vergl. wSrterbnch der indogenn. sprachen. 405
bewiesen werden, dafs andere sprachen, die nicht einer
und derselben gruppe zugetheilt werden, auch nicht im
Wortschatze so vielfache Übereinstimmung zeigen.
Meiner ansieht nach wäre es bei dem jetzigen Stand-
punkt der Wissenschaft am geratbensten, solche werthvolle
Sammlungen, wie die von Fick angelegten, zunächst nicht
nach mafsgabe der, sei es mit recht, sei es mit unrecht,
angenommenen grundsprachen anzuordnen. Fick sollte
einmal den versuch machen, ob nicht bei einer rein empi-
rischen anordnung des gesammten materials (auf möglich-
ste Vollständigkeit kommt hier viel an) resultate zum Vor-
schein kämen, die uns mit gröfserer Sicherheit als bisher
auf die einstige existenz von grundsprachen bestimmter
Sprachgruppen schliefsen liefsen. Es sollten die Wörter ein-
mal geordnet werden lediglich nach der sprachencombina-
tion, in der sie thatsächlich nachweisbar sind. Es würden
dann z. b. skr. ^veta-s und ksl. svetü nicht einen arti-
kel in dem wertschätze der indogerra. grundsprache bil-
den, sondern nur in der Sammlung von Wörtern, in denen
sich indisch und slavisch allein begegnen; skr. a^va-s
würde in der Sammlung der Wörter stehen, die in allen
sprachen erhalten sind u. s. f. Allerdings würden sich hier-
bei sehr viele combinationen ergeben, aber viele gewifs nur
sehr schwach vertreten. Ein werk, das diesen gedanken
ausführte, wurde nicht so umfangreich sein, als das gegen-
wärtige. Denn in Fick's sieben Sammlungen kehren sehr
oft dieselben Wörter wieder. Ich breche hier meine allge-
meinen bemerkungen über ein werk ab, das trotz der män-
gel, auf die ich mir erlaubt habe aufmerksam zu machen,
zu den wichtigsten erscheinungen gehört, welche die letz-
ten jähre auf sprachwissenschaftlichem gebiete gebracht
haben. Ich unterlasse es, die treflFlichen neuen etymolo-
gien, die wir dem für die auffindung derselben ganz be-
sonders begabten Spürsinne des herrn Verfassers zu dan-
ken haben, besonders hervorzuheben, da ja gerade dieses
verdienst seines werkes allgemein anerkannt wird. Ein-
zelne versehen habe ich versäumt mir zu notiren. Zu mifs-
verständnissen kann fQhren, dafs gotische i-stämme mit im
406 Windisch
nominativ beibehaltenem stammvocale aufgeführt werden,
so baurg-i-8, ga-baurth-i-s, laist-i-s, dail-i-8
(81 fi. 849. 527) u. a. Die benutzung des buchs würde we-
sentlich erleichtert sein, wenn die selten eolumnentitel hät-
ten, und wenn im nachwort die besprochenen wurzeln und
Wörter durch den druck hervorgehoben wären. Dafs das buch,
ehe es ganz fertig war, stuckweise gedruckt worden ist,
äufsert sich darin, dafs das nachwort nicht immer mit dem
Wörterbuche- übereinstimmt; so ist z. b. die länge des vo-
cals noch vielfach in die wurzel aufgenommen (vergl. d&,
dhä, pä u. a.).
Es würde mich freuen, wenn Fick mit dem, was ich
in den beiden folgenden abschnitten meiner arbeit vor-
bringe, in der hauptsache einverstanden sein könnte.
II.
(ank, nak und verwandtes).
Fick hielt es für bedenklich in wurzeln wie nak (skr.
na^) eine weitere modification von nasalirten wurzeln wie
ank (skr. äp, ap) zu sehen. Indem er überhaupt solches
umspringen des allerdings nicht radicalen n in abrede stel-
len möchte, ist doch sein einziges argument dagegen der
Satz: „zugegeben, dafs die Ursprache das n hie und da
verschieben konnte, wäre es höchst auffallend, einen für
die Wurzelbildung so unwesentlichen laut, wie der inlau-
tende nasal ist, durch diese umstelhing so sorgfällig con-
servirt und an die bedeutende stelle des wortanfangs ge-
bracht zu sehen" (s. 967). Eine appellation an das ge-
rechtigkeitsgefühl kann in sprachlichen dingen nicht mafs-
gebend sein. Fick's eigene etyraologie, die wurzel nak
zu wurzel nam zu stellen und k für ein wurzeldetermina-
tiv zu erklären (s. 977), bewegt sich nicht im kreise des
unmöglichen, wird aber durch griech. vifjiuv und skr. npa-
-nam keineswegs völlig gedeckt.
Schon Ernst Kuhn hat zeitschr. XIX, 308 darauf auf-
merksam gemacht, dafs wir bei annähme solcher doppel-
ttber Fick's vergl. Wörterbuch der indogerm. sprachen. 407
wurzeln wie ank und nak über manche etymologische
Schwierigkeit hinwegkommen. Ich glaube im folgenden
noch einen weiteren beitrag zur lösung der ganzen frage
geben zu können.
Wie es sich mit dem nasale in den sanskritwurzeln
ang, ahk, ä^ u. a. verhalte, zeigt nach meiner meinung
deutlich die starke präsensform a-na-k-ti unguit gegen-
über der schwachen präsensform a-n-g-anti unguunt;
die als suflSx wohlbekannte silbe na erscheint hier als infix,
und zwar theils in ihrer vollen gestalt, theils mit unter-
drücktem vocale. Im sanskrit zeigt sich die volle silbe
am häufigsten, im altbaktrischen und griechischen in we-
nigen fällen, in den übrigen sprachen nur ganz vereinzelt;
fast überall ist der blofse nasal herrschend geworden.
Meine ansieht ist nicht, dafs die silbe na (die ich
also für ursprünglicher ansehe, als das blofse n) etwa erst
hinter der wurzel gestanden habe und dann in dieselbe
übergesprungen sei. Für eine solche auffassung der aller-
dings befremdlichen erscheinung fehlt jeder thatsächliche
anhält, ap-näti, a^-nöti sind ja bildungen, die sich bis
in die spätesten zeiten gehalten haben, und zwar nicht
blofs im sanskrit. Ich vermuthe, dafs uns hier ein stück
urältester Sprachgeschichte vorliegt. Vielleicht hat man
nämlich von formen wie skr. ju-nä-mi (3. pl. ju-na-nti)
auszugehen. Als das wurzeldeterminativ antrat, geschah
dies sowohl an die eigentliche wurzel (ju-g), als auch an
den der conjugation zu gründe liegenden wortstamm (ju-
-na-g). Auf diese weise wäre na erst infix geworden,
nachdem es ursprunglich suffix gewesen war. Wenn alle
beispiele dieser bildung so gefügig wären, wie das eben
angeführte, so würde ich an der richtigkeit meiner auf-
fassung nicht zweifeln. So aber scheinen allerdings die
vocalisch anlautenden wurzeln, wie ag, a-na-g-mi, ge-
gen dieselbe zu sprechen. Denn niemand wird auch noch
das g von ag für ein wurzeldeterminativ erkläreu wollen.
Der einzige ausweg wäre die annähme, dafs a-na-g-mi
und ähnliche bildungen erst nach analogie von bildungen,
wie ju-na-gmi, entstanden seien.
408 Windisch
Der umstand, dafs sich namentlich im sanskrit die
silbe na noch ungeschmälert erhalten bat, ist von grofser
Wichtigkeit. Dadurch verliert nämlich wenigstens in niei-
nen äugen jene andere auffassung alle Wahrscheinlichkeit,
welche in dem nasal von ahganti, unguo u. s. w. eine
rein lautliche Verstärkung der wurzel sieht. Um von die-
sem Standpunkte aus formen wie a-na-g-mi zu erklären,
mufs man seine Zuflucht zu „dazwischen getretenen voca-
len" nehmen. Wir haben aber für solche in der ältesten
Sprachgeschichte wiederum nicht den geringsten anhält,
ganz abgesehen noch davon, dafs auch in den einzelspra-
chen die aus nasal und muta gleichen organs bestehenden
consonantengruppen, wenn sie sich verändern, ganz andere
Schicksale haben (entweder der nasal lebt nur noch in der
nasalirten ausspräche des vorhergehenden vocals fort und
schwindet dann ganz, oder er assimilirt sich die folgende
muta). Und in skr. junagmi, bhanagmi, ana^mi
u a. sollte gar eine ganze uralte conjugationsweise auf sol-
chem dazwischen getretenen vocale beruhen! Wie will
man denn in diesen beispielen den dentalen nasal erklä-
ren? oder wie kann man das dentale n in skr. näbhi,
ahd. nabalo neben griech. o^cfaKog^ lat. umbilicus
rechtfertigen? Sollte man nicht ein mäbha erwarten?
Von den in rede stehenden wurzeln ist die perfect-
bildung von besonderem interesse. Allerdings ist ä^a auf
einfachste weise von wz. a^ erreichen gebildet, genau eo
wie griech. 17;^« von äyia. Allein in den perfecten der an-
dern wurzeln und ebenso in einer zweiten perfectform der
Wurzel a9 ist das nasale infix mit in den perfectstamm
aufgenommen worden, was ja auch sonst in der tempus-
und Wortbildung vielfach geschehen ist, vergl. skr. ba-
bhariga (praes. bha-na-k-ti frangit), latein. junxi,
junctum.
Halten wir uns zunächst an die schwachen perfect-
formen, so verhält sich z. b. die Stammbildung von ä-na-
-j-us, ä-na-9-us (perf.) zu der von a-na-g-mi (praes.)
wie die stammhildung von äs-a, ä^-a (perf.) zu der von
as-mi (*a9-mi kommt nicht vor, hätte aber ebenso gut
über Fick's vergl. Wörterbuch der indogerm. sprachen. 409
gebildet werden können wie va^-mi): der exponent des
Verhältnisses ist die dehnung des stammvocals im perfectt.
Es ist bedeutsam, dafs die schwachen perfectformen
sich nicht neben die schwachen, sondern neben die star-
ken präsensformen stellen. Die starken perfectformen ent-
halten noch eine weitere, dem präsens fremde Verstärkung
durch einen zweiten nasal (änä^a, änanka, änanga),
so dafs sich folgende Stufenleiter ergibt:
perf. änanga, änagus
praes. . anagmi, an^anti.
Wie ist die bildung von änanga aufzufassen? Ein
später einschub ist der zweite nasal nicht, denn, wie wir
noch sehen werden, derselbe war auch einst in dem mit
skr. änäpa identischen irischen perfectum anac vorhan-
den. Da dieser zweite nasal nur in perfectformen erscheint,
so könnte man vermuthen, dafs wir es hier mit einer eige-
nen art der reduplication zu thun haben; ä-na-n-^-a
verhielte sich dann zu seinem präsens a-na-g-mi, wie sich
ta-tär-a zu seinem präsens tar-a-ti verhält. Als vollste
form hätten wir ein *ä-na-na-g-a vorauszusetzen^ das sich
zu dem vorliegenden ä-na-n-g-a verhält, wie im präsens
a-na-g-mi zu a-n-g-anti.
Sollten wir vielleicht in griech. kvrjvoya ein beispiel
jener vollsten form erblicken dürfen? Allerdings wird in
kvrivoxct die sogenannte attische reduplication angenommen,
denn es gleicht in auffallender weise den formen a^-?;Aiyof,
hX-rilcc-Aa u. a. m. Gesezt den fall, dafs kv-tjvo^a^ iv'ijvsy-
uai die richtige abtheilung dieser formen ist, so würde
ich wenigstens nicht zugeben, dafs das o in hvrivoya und
das an gleicher stelle in hvrjVEy^ai stehende 6 ein blofser
„dazwischen getretener" vocal sei. Vielmehr würden wir
aus diesen formen den stamm iv^yc- zu lösen haben, der
im aor. pass. })vex'&f]v thatsächlich vorliegt. Dieser stamm
ist in k've-x^ indog. a-na-k abzutheilen, und ist derselbe,
der in skr. ä-na-9-us nacti sunt enthalten ist, ferner in
den aoristformen 3. sg. ind. ä-na-t (für *ä-na-9-t), l.pl.
conj. ohne augment a-na-9-ämahäi (Rv. VII,90,2. VIII,
27, 22). Erblickt man in griech. kvi^voycc attische redu-
410 Windiscb
plication, so kann man diese form natörlich nicht unmit-
telbar mit skr. änä^a gleichsetzen. Denn an attische re«
duplication ist im sanskrit nicht zu denken; abgesehen
davon, dafs äna9us^ änagus eine solche aufTassung un-
möglich zulassen, zeigen die wirklich nach dem princip
der attischen reduplication gebildeten aoriste wie äp-ip-am
(wz. äp, Bopp gr. §. 387), dafs dann *äp-ip-a, *äK-
-iK-a, *äg-ig-a zu erwarten wäre an stelle von änä^a,
äuanka, änanga. Denn wie z. b. das perfectum ä^a,
das partieipium akta (gesalbt) beweisen, lebte in der
Sprache recht wohl das bewufstsein, dafs der nasal nicht
noth wendig zur wurzel gehörte.
Wenn uns die attische reduplication nur in formen
wie oöo)öa vorläge, so würde ich nicht anstehen, sie über-
all für eine uralte bildungsweise zu halten, wenn sie sich
auch sonst in keiner anderen spräche im perfectum nach-
weisen läfst. Nun bezweifle ich aber sehr, ob wir das
recht haben, sie auch in formen wie ^ygriyoqa^ ccXfjli(pa^
hXriXci'Aa bis in die indogermanische grundsprache zurück-
zuverfolgen. Dasselbe würde von ivr^vo^a gelten, bei dem
noch dazu kommt, dafs der consonant der reduplicirten
silbe nicht einmal radical ist. Sollte vielleicht bei allen
diesen formen jene eigenthümliche bildungsweise erst spä-
ter eingetreten sein, und sollte man von ^riyoga^ r^liq^a^
7]kaxaf i]voxcc als ursprünglicheren formen auszugehen ha-
ben? Dies rjvoya würde dann wenigstens derselben forma-
tion wie skr. änagus (3. pl.) angehören. Die singularform
änä^a müfste man fern halten, da das irische anac, wie
wir bereits andeuteten, eine schon indogermanische grund-
form änanka erschliefsen läfst. Auf speciell griechischem
boden aber hätte ein kv-rjvoya recht gut gebildet werden
können, da die einfache wurzel im griechischen nicht le-
bendig ist, und andererseits das nasale infix in ^-i/e-x-i^g,
öt'7]vex}ig auch in der nominalbildung vertreten ist.
In ähnlicher weise müfste man auch den aorist ^i^-
'ByX'HV erklären. Die reduplicationssilbe iv würde deut-
lich auf die entstehung des Stammes aus evex hinweisen.
Das anlautende e dieses aorists für prothetisch, und viyx
über Fick*s vergl. Wörterbuch der indogerm. sprachen. 411
vielleicht für identisch mit lat. nanc in nanciscor zu er-
klären, ist unzulässig, da dieser aorist nicht vom perfectum
ivrivo^ct getrennt werden darf.
Mit genauer Scheidung des sicheren vom unsicheren las-
sen sich die besprochenen perfectformen folgendermafsen
ordnen:
grundf. äka : skir. g^a.
ä-na-ka : skr. ä-na-9-us [r]Vo)^a in ^iz-Tyi^o;^«?];
vgl. r}vex'&i]v,
[ä-na-na-k-a vielleicht in ^-j/?;-i/o-;^-a?]
ä-na-n-k-a : skr. ä-nä-9-a, ir. a-na-c; vgl.
rj-vB-y-x-ov.
Ein punkt virenigstens wird bei aller Unsicherheit im
einzelnen feststehen, dafs nämlich nicht blofs im indischen,
sondern auch im griechischen und im irischen das infix
na mit zur bildung des perfects verwendet worden ist.
Auf diese weise erklären sich noch einige andere bisher
mifsverstandene formen.
§. 394 in Bopp's krit. gr. beginnt: „Wurzeln mit an-
fangendem a vor zwei endconsonanten haben in der redu-
plicationssilbe ä, und schieben zwischen dieses und den
stamm ein euphonisches n ein''. Ich möchte fast glau-
ben, dafs unsere perfecta änäpa, änanka, änanga auch
unter diese regel fallen. Aber wenn dies auch nicht der
fall wäre, auch für die übrigen formen ist nach meiner
meinung diese Vorstellung von einem eingeschobenen „eu-
phonischen" n aufzugeben. Bopp selbst führt von bekann-
teren formen änakSa von wz. akä erreichen, änardha
von wz. ardh gedeihen an. Diese perfecta sind sicher-
lich ä-na-ks-a, &-na-rdh-a abzutheilen, ebenso ä-na-
-rg-a von wz. ar^ herbeischaflFen, ä-na-rd-a von wz.
ard zerstieben, bitten, quälen u. a. m. Diese wurzeln zei-
gen auch sonst nasale bildung: namentlich sind die neben
änardha und änarda stehenden praesentia r-na-dh-mi,
r-na-d-mi zu beachten. Für änarga fehlt zwar die
entsprechende präsensbildung, aber von der wahrschein-
lich verwandten wurzel arg sich strecken gibt es das prä-
sens r-n-g-ate.
412 Windisch
Sollte man es vorziehen, gr. iv7]Vo%a von skr. änä^a
zu trennen, so wird man wenif^stens die Zusammenstellung
skr. änä^a = altir. anac veni
nicht bestreiten können. Der zusammenhaue der bedeu-
tungen ist klar, das irische verb ist auf das erreichen eines
orts beschränkt. Ich weiche hier insofern von Siegfried,
Stokes und Ebel (Beitr.' VI, 4. 11,396. IV, 175. VII, 8 ff.)
ab, als diese skr. änanka zur vergleichung herangezogen
haben. Allein dieses perfect ist in der bedeutung ivi gar
nicht nachgewiesen. Freilich werden änä^a und anan£:a
auf eine grundform zurückgehen, wie wohl auch die bei-
den wurzeln a^ (erreichen) und aK (gerichtet sein auf et-
was) selbst. Ir. anac kommt als simplex kaum vor, son-
dern immer mit den partikeln do und ro zu tänac und
ranac verbunden.
Während im sanskrit zu der Wurzel ap und dem per-
fectum änä^a das präsens a^-nöti gebildet wird, steht
dem irischen perfect r-anac veni, 3 sg. r-anic das prä-
sens ro-iccu, r-iccu, 3. sg. ro-ic, r-ic venio, assequor
zur Seite (Z.* 504). Dieses -ic wftrde, in indogermani-
sche lautverhältnisse übersetzt, ^ankati lauten (vgl. skr.
ankati); es bestärkt mich dasselbe in der ansieht, dafs
die grundform des dazugehörigen perfects *änank-a in
*ä-na-n-k-a abzutheilen ist, und dafs der stamm dessel-
ben von dem der präsensbildung *a-n-k-ati um das hin-
ter dem gedehnten wurzelanlaut stehende na verstärkt ist.
Wenn man allein die formen skr. änäpa, Kna^us,
ir. anac und ic zu vergleichen hat, so könnte man aller-
dings vermuthen, dafs die eigentliche grundform für alle
vier *a-na-k war: daraus wäre ein präs. *ank geworden,
im perfectum aber wäre theils der volle stamm geblieben
(so in ä-na-pus), theils wäre er noch durch den infigir-
ten einfachen nasal verstärkt worden (so in skr. änäpa,
ir. anac). Der unterschied dieser erklärung von der oben
aufgestellten liefe darauf hinaus, dafs man bei dieser er-
klärung nicht eine einst wirklich vorhandene grundform
*a-na-na-k-a aufstellen dürfte, bei welcher also geradezu
reduplication der bildungssilbe na beabsichtigt gewesen
aber Fick's vergl. Wörterbuch der indogerm. sprachen. 413
wäre. Der zweite nasal in änanka würde allerdings im
gründe auch auf die silbe na zurückgehen, aber er würde
erst eingetreten sein, als es schon üblich geworden war,
eben nur ihn und nicht die silbe na zu infigiren. Diesen
gesicbtspunkt werden wir nothwendig bei lat. nanc-iscor
geltend zu machen haben. — In den irischen passivformen
air-ecar, ar-ecar invenitur (Z.^471) blickt die grund-
bedeutung des erreichens noch besonders deutlich hindurch.
Wir sahen, dafs durch infigirung der silbe na die in-
dogermanische Wurzel ak die gestalten a-na-k und a-n-k
erhielt. Auf das adjectivum rjvex^rjg machten wir bereits
aufmerksam. Eine ähnliche bildung von der conformen
Wurzel skr. ag, indogerm. ag (gew. ang und ang ange-
setzt) ist das got. adverb anaks „plötzlich, sogleich % das
so schön zu skr. angasä „stracks, sogleich^ (instr. zu
arigas 1) salbe, 2) gleiten) stimmt, vgl. Fick 6.
Die Wurzelgestalt ank bildet nicht für sich allein einen
typus, sondern neben ihr stehen ang, andh, angh,
ambh n. a. Der typus a-na-k zeigt sich für wz. andh
in dem griech. perfectum d'VTJ-vo-O^e (bei annähme von
att. red. dv-ij-vo-da), das genau wie ävrjvo^e gebildet ist.
Da der typus ank besonders oft in conjugation und
Wortbildung verwendet worden ist, so ist er nicht blofs
vielfach in der grammatik, sondern auch im Sprachgefühle
geradezu als die ursprüngliche wurzelgestalt angesehen
worden. Am nächsten verwandt ist er seiner äufseren
lautform nach mit wurzeln wie ark, arg, argh. Wie
diese bekanntlich zu rak, rag, ragh umgesprungen sind,
so ist auch aus dem typus ank der typus nak ent-
standen.
Zu diesem typus nak gehört skr. na^ (praes. na^ati)
erreichen, lit. nesz-ti, ksl. nes-ti tragen. Diese formen
verhalten sich z. b. zu skr. äpa theil wie skr. ragata-m
zu lat. argentu-m, oder wie griech. e-kax-ov zu skr.
arka-8 loblied.
Eigenthümlich ist, dafs die wurzelgestalt nak selbst
wieder nasalirt worden ist, wie in lat. nanciscor und
dem vedischen aoriste näpi (Rv. VI, 51, 12). Es ist dies
414 Windisch
meiner ansieht nach, wie bereits oben erwähnt, eine se-
cuniläre erscheinung, wenn sie auch in hohes alterthum
hinaufgehen mag. Ich wörde nicht wagen, für das latei-
nische nano eine einst wirklich vorhandene grundform
na-na-c anzusetzen. Grundformen sind fast immer zwei-
deutig: sie haben entweder wirklich existirt oder sie könn-
ten wenigstens existirt haben. Die grundform na-na-o
könnte wohl nicht einmal existirt haben: denn wenn wir
recht haben, lat. nac, indogerm. nak als Variation von
ank zu betrachten, so verdankt ersteres ja erst dem um-
Stande sein dasein, dafs das infix na (gewifs im interesse
der wortconsolidirnng) schon in sehr früher zeit in den
meisten fällen zu blofsem n wurde. Nur in vereinzelten
fällen erhielt es sich voll. Die einfachste erklärung ist
jedenfalls die, dafs die wurzelgestalt nanc nach analogie
der Verbalstämme pang, tang u. a. gebildet wurde.
Nach diesen bemerkungeu werden wir uns nicht wun-
dern können, wenn wir in offenbar verwandten Wörtern
theils derselben, theils verschiedener sprachen die wurzel-
formen ak, anak, ank, nak, nank mit einander wech-
seln sehen. Ich möchte dies als probe dafür betrachten,
dafs die wurzelform nak wirklich zu der primitiven wur-
zelform ak zu stellen ist.
Die grundbedeutung dieser wurzelformen ist „errei-
chen*^. Von dieser bedeutung aus ist nur ejn kleiner schritt
zu den begriffen 1) kommen, 2) erlangen, .S) hinreichen,
hinreichend sein. Ferner scheint die bedeutung „bringen,
trajjen'' zu liegen. Fick vermittelt sie durch das causale
„erreichen lassen''. Sollte man nicht erwarten, dafs dieser
mittelbei^riff auch einmal wirklich vorläge? Dies ist aber
nicht der fall, man mOfste denn die eine unsichere stelle
herbeiziehen wollen, welche im petcrsb. wörterb. unter wz.
nap dafür angeführt wird. Aufserdem wäre es sehr auf-
fallend, wenn die causalbedeutung „erreichen lassen* sich
gerade an das starke perfectum kvt'tVüj^a geheftet hätte.
Ich glaube vielmehr, dafs der begriff des tragens sich un-
mittelbar an den des erlangens angeschlossen bat: was
man erlangt, in seine gewalt bekommt (vergl. wz. a^ im
ttber Fick's vergl. wörterbnch der indogerm. sprachen. 415
pet. wb.), das trägt man auch, oder kann es wenigstens
tragen. Unser „tragen" ist auf ähnlichem wege zu seiner
bedeutung gelangt: got- dragan wird von Fiele (s. 369)
zu griech. öqciaaio^ ksl. drüzq „halte fest, greife" gestellt.
Gewifs gehören zur wurzelform nak die gotischen ad-
verbia nehv, nehva (ahd. nah) nebst zubehör, wie Fick
s. 780 bemerkt, aber es wäre auch die präposition ahd.
näh zu nennen gewesen, in welcher sich das dem errei-
chen vorausgehende „gerichtet sein auf etwas" ausspricht.
Ich erwähne dies ausdrücklich, weil sich hier auch die
skr. Wurzel ak einfügt, namentlich in den zu ihr gehöri-
gen adjectivischen compositis wie ud-ank nach oben-,
pränk nach vorn-, apänk nach rückwärts gerichtet, ge-
legen mit ihren neutralformen ud-ak, präk, apäk. Mit
letzterem scheint ahd. apah, apuh (abgewendet) im gründe
identisch zu sein (Fick 10). Von ganz besonderem inter-
esse aber ist, dafs
got. nehv (adv.), comp, n eh vis, ahd. näh (adj.), comp,
nähor mit ir. accus, ocus vicinus, nessa propior
und ferner
ahd. näh (praep.) mit ir. oc (praep.)
verwandt ist.
Was zunächst die erstere vergleichung anlangt, so
lassen die irischen lautgesetze für accus, ocus vicinus
als grundform einen u-stamm anc-as-tu erschliefsen. Der
wurzclgestalt nach steht es zwischen got. nehv (wurzelf.
nak) und griech. iJi/exT^c,' (wurzelf. a-na-k). Mit letzterem
stimmt es sogar im ersten suffixe überein; rjVBx^q = ir.
ancas-*). Aber in der bedeutung steht ocus den ger-
manischen Wörtern am nächsten; zu dem compositum com-
-ocus, cognatus, affinis, werden wir weiterhin noch einen
nahen verwandten kennen lernen.
Die comparativform nessa (Z.* 277) enthält zwar of-
fenbar dieselbe wurzclgestalt wie die germanischen Wörter,
*) Die alten as -stamme sind im irischen, was ihren selbständigen ge-
brauch anlangt, bis auf wenige spuren untergegangen, vergl. Z.^ 270, na-
mentlich aber Ebel, beitr. Nur unter dem schütze weiterbildender sufßxe
haben sie sich erhalten.
416 Windisch
kaDD aber nicht unmittelbar mit got. neb vis (grundform
nak-ias) vorglichen werden, da die würzet durch ein s
erweitert ist (grundf. naks-ias). Zu derselben erweiter-
ten Wurzel gehört skr. nakä-ya „dem man nahen mufs^
von WZ. nakä, naksati herbei-, hinzukommen (pet. wb.).
Die irische präposition oc hat allerdings nicht genau
dieselbe bcdeutung wie ahd. näh. Sie bedeutet apud,
juxta (Z.^ 634), aber diese bedeutung steht ja in bestem
zusammenhange mit der von ocus und der andern nächst-
verwandten Wörter. EigenthOmlich ist dem ir. oc die Ver-
bindung mit einem infinitiv, um das im irischen fehlende
participium praesentis oder lat. in mit dem ablativ des
gerundiums auszudrücken: oc comalnad implens, in im-
plendo, beim füllen. Das ahd. näh, unser nach, bezeich-
net in derselben weise die richtung, wie skr. ahK in den
vorhin erwähnten compositis ud-ank, pränk u. s.w.,
und ist mit diesem eigentlich noch näher verwandt als mit
ir. oc. Letzteres gehört mehr in den kreis von skr. a^.
Im irischen sind aulserdem die wurzelformen ank und
nank der gewöhnliche ausdruck für posse geworden. Diese
hegriffsentwickelung ist leicht verständlich, sowie man sich
von „erreichen, erlangen" einen Infinitiv abhängig denkt:
con-icc firianugud potest justificare bedeutete urspr.
„er erreicht das rechtfertigen". Hierher gehören zunächst
die präsensformen con-iccim possum, con-icc, con-io
potest, con-ecat possunt (Z.* 429 ff.). Dieselben sind
genau so zu erklären, wie das oben besprochene ro-iccu,
r-iccu venio. Aber schwieriger sind die deponentialen
perfectformen zu analysiren, welche Z.^ 4v^l verzeichnet
sind: coimnuc-uir potuit, coimnac-mar potuinms,
coimnac-aid potuistis, coimnac-tar, comnac-tar
potuerunt. Ebel (Z.*87l) betrachtet diese formen als Zu-
sammensetzungen mit der präposition com „elisa vocali
radicis". Wie er dies meint, dürfte aus Beitr. V, 459 her-
vorgehen, wo er sagt, dafs diese formen sich zu cumang
(ein anderes wort für potest) und conicc verhielten, wie
sich t-anacc (veui) zu t-icc (venit) verhält. Er scheint
also einen stamm '^com-inac- anzusehen. Dieser stamm
über Fick's vergl. Wörterbuch der indogerm. sprachen. 417
*inac läfst sich aber nirgends nachweisen und hat auch
keine innere Wahrscheinlichkeit für sich; denn woher das
i? Ebenso wenig sind mir beispiele bekannt, in denen der
anlautende wurzelvocal unterdrückt worden wäre (der in-
lautende wird sehr oft in der composition unterdrückt,
vergl. do-fuibnim succido Z.* 429 für do-fo-benim).
Die nach analogie anderer perfecta — die doch hier zu-
erst in betracht kommen — am nächsten liegende erklä-
rung ist die, dafs wir es in dem stamme coimnac- mit
einer unterdrückten reduplication zu thun haben: coim-
nac- steht für *com-ne-nac-, wie roicban cecini für
*ro-ehe-chan (vergl. tair-chechuin praedixit, tair-
-cechnatar vaticinati sunt Z.* 448 ff.). In dem dünnen
vocal, der in die präposition eingedrungen ist, verräth sich
die reduplicationssilbe auch noch nach ihrem verschwin-
den. Auf indogermanische lautverhältnisse reducirt würde
der stamm jener irischen perfectformen *na-nank lauten
(nk wegen des unaspirirten c), so dafs uns in ihnen ein
irisches perfectum zu dem lateinischen deponens nanc-
-iscor vorliegt.
Wie aus Beiträge IV, 459 und Z.* 872 hervorgeht,
hält Ebel con-icc potest und cumaing potest für wur-
zelverwandt. Diese beiden formen sehen verschieden ge-
nug aus, aber die 3. pl. con-ecat und cumcat possunt
(Z.^ 433) scheinen sich allerdings nahe zu berühren; con
und com wechseln gelegentlich in der composition, vergl.
Z.* 870. 871. Allein hier fällt das von Stokes Beitr. VII, 50
beigebrachte reduplicirte futurum caemais poteris schwer
ins gewicht: das ae der ersten silbe vor breitem vocal der
folgenden silbe weist deutlich auf eine verloren gegangene
reduplicationssilbe hin, so dafs man auf ein früheres *co-
-memagsi schliefsen darf. Stokes stellt dafür *co-me-
mangsi auf, vielleicht mit recht, da auch ng vor s im
irischen verschwunden sein müfste. Auffallend ist, dafs
in den irischen formen ng mit c wechselt: neben cumaing
potest steht cumcam possumus und cumcat possunt
(Z.2 432.433).
Merkwürdigerweise kreuzen sich die diesen Wörtern
Zeitschr. f. vgl. sprachf. XXI. 5. 27
418 Windisch
ZU grimde liegenden stamme noch weiterhin: accidit als
präsens wiid durch tecmaing d. i. do-aith-cumaing
ausgedrückt, accidit als perf. aber durch die deponent. formen
teccomnocuir d. i. do-aith-com-nocuir und for-com-
n ac air (Z.^45 1 ). Die letztgenannten formen enthalten natür-
lich der form nach das oben besprochene coim-nucuir
potuit, nur dafs in ihnen keine spur der reduplication mehr
erkennbar ist (vergl. das gleichfalls oben erwähnte com-
-nac-tar neben coim-nactar). Der unterschied der
bedeutung, welcher sich in potest und accidit ausspricht,
ist hauptsächlich durch die verschiedene construction her-
vorgerufen: potest ist aus dem transitiven erlangen, errei-
chen, accidit aus dem intransitiven anlangen, eintreffen
hervorgegangen (vgl. lat. contingit), hier ist der dazu tre-
tende infinitiv das subject, dort das object. Die vorge-
setzten Präpositionen do-aith haben zu der bedeutung
accidit ebenso viel beigetragen als lat. ad in accidit.
In welcher weise man sich das verhältnifs der bedeutun-
gen potest und accidit bei cumaing und tecmaing za
denken hat, bleibe dahin gestellte Als substantivum be-
deutet tecmang fors und cumang, cumacc potentia,
posse; von letzterem ist weiter abgeleitet so-chumact
potens, do-chumact impotens, 6-cmacht nequam, cu-
machte potentia (Z.« 800. 872. 886). Unwillkürlich wird
man hier an goth. mag possum, maht-s potentia erin-
nert. Aber wie ist dann das in cumacc potentia und
cumcam possumus, cumcat possunt auftretende c an
stelle von ng zu erklären? Wichtig ist, dafs — trotz
cumcat — zu tecmaing als 3. plur. tecmongat auf-
geführt wird (Z.^ 433 do-naibh-i thecmongat acci-
dentibus, eig. eis qui oder quae accidunt). Da nun ferner
neben cumang angustus auch cumac, neben cumgai
angores auch cumcai vorkommt (Z. * 873), und diese Wör-
ter doch sicher mit angustus, angor, hyyvg u.a. auf
WZ. angh zurückgehen, so hätten wir allerdings hier ein
sicheres beispiel des Übergangs von urspr. ng in c, und
dürften wohl von hier aus diesen Übergang auch bei obla-
gen formen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit annehmen.
ttber Fick's vergl. Wörterbuch der indogerm. sprachen. 419
Nebenbei sei hier bemerkt, dafs das gewöhnliche wort
für posse in den britannischen sprachen seinen nächsten
verwandten im litauischen hat, denn cymr. gallaf possum
(Z. ^ 506) und lit. galiü possum gehören offenbar zusam-
men (vgl. Ebel, beitr. II, 178).
Zu unserer würzet ak, a-na-k stellen sich aber auch
endlich die Wörter, welche im griechischen, lateinischen
und irischen den begriff der noth wendigkeit bezeichnen,
und zwar sind dies
griech. dvdyxi]^ ir. ecen necessarius, lat. nee esse
mit ihren ableitungen. Im laufe der zeit haben die cul-
tur Völker die begriffe des mössens, sollens, könnens mit
gröfster schärfe ausgebildet. Ein schönes beispiel, wie sich
diese begriffe erst allmählich entwickelt und erst allmählich
scharf von einander geschieden haben, gewährt unser „müs-
sen": got. motan bedeutet noch „räum haben", x^Q^^^
(z. b. Marc. II, 2), ags. mötan ist im Beovulf nachweis-
bar im sinne von 1) Freiheit oder macht zu etwas haben,
dürfen, mögen, können, 2) die bestimmung haben, sollen,
müssen. Die logik der spräche ist also gewesen: es ist
räum für eine sache da, und da mufs sie eintreten.
Die grundbedeutung von griech. avdyxr] und lat. neces-
sarius schimmert durch, wenn dieselben Wörter auch zur
bezeichnung der blutsverwandschaft verwendet werden;
sie stimmen darin schön mit dem schon oben erwähnten
ir. com-ocus propinquus, affinis (Z.* 788) überein. Der
begriff der nothwendigkeit einer sache hat sich hier aus
dem des herannahens oder naheseins entwickelt. Etymo-
logisch wäre somit nur das unmittelbare bevorstehen des
eintritts einer sache ausgedrückt. Es ist aber, als ob wir
von hier aus die weiterentwickelung nachfühlen könnten,
wenn wir an deutsche ausdrucksweisen denken, wie „er
war nahe daran zu sterben; es war nahe daran, dafs er
starb; es geht ans sterben". Es sind dies so einfache bil-
der, dafs wir ihre anwendung recht wohl schon in graue
vorzeiten zurückversetzen können, jivdyxij ist demnach
ursprünglich das herannahen, das nahesein. Was aber die
form anlangt, so geht ccvayxi] auf die wurzelf. a»na-n-k-
27*
420 WindiBcb
zurück, ir. öccn auf die wurzelform a-n-k- und lat. ne-
cesse auf die wurzelform nak-. Bei avdyxfj ist an atti-
sche reduplication natürlich nicht zu denken. Hier liegt
die frage wie bei skr. änä^a; entweder der zweite nasal
ist später erst eingeschoben worden, oder es ist wirklich
eine grundform a-na-na-k-a anzusetzen. Ir. ^cen ne-
cessarius findet sich Z.^ 611. G35, als substantivum kommt
es vor F. A. 198 soit an-ecin iarsin i-toltanche fo-
gnoma do dia „(who arc constrained by compulsion, ar
ecin, to do God's will and) thereafter tum their com-
pulsion into willingness to serve God^. Besonders häufig
findet sich ar ecin per necessitatem, necessario (Z.^ 610).
Ersatzdehnung zu langem e trat ein wie in cet centum,
döt dens, tet cymr. tant filum u. a. In bezug auf die
suflixbildung läfst sich 6cen dem griech. ayxovri (das er-
drosseln) zur Seite stellen. Am meisten Schwierigkeiten
bietet das lat. nee esse. Corssen krit. nachtr. s. 272 ver-
zichtet auf die Zusammenstellung mit avayxt] und theilt
ne-ces-se, ne-ces-su-s ab, indem er in diesen formen
Zusammensetzungen von lat. cedo, ces-su-s erblickt, und
als ihre ursprüngliche bedeutung „nicht weichend", daher
„unausbleiblich, nothwendig** (s. 274) ansetzt. Wer wollte
behaupten, es sei absolut unmöglich, dafs necesse auf
diese weise entstanden wäre. Es setzt diese etymologie
freilich eine sehr klare Vorstellung und scharfe herausbil-
düng des begrifis der noth wendigkeit voraus, wie wir sie
vielleicht für sehr frühe zeitcn kaum annehmen dürften;
necessarius würde dann eigentlich „der unvermeidliche"
gewesen sein. Andrerseits wird Corssen, wenn er nicht
auch lat. vicissim, vicissitas, vicissitudo von vicem,
vice trennen will, die möglichkeit zugeben müssen, dafs
man in der silbe nee- den wurzelbestandtheil von necesse,
necessitas, necessitudo erblicken könne. Welche von
beiden etymologien die richtige ist, mögen andere entscbei*
den. Die sufBxe -esse (neutr. zu einem i-stamm) und -es-
su-s (so öfter in der alten spräche, vgl. Corssen a. a. o.)
von nec-esse und nec-essu-s befriedigend zu analysi-
ren, ist freilich sehr schwer. Ich vermuthe, dafs als grund-
über Fick's vergl. wörlerbuch der indogerm. spraehen. 421
formeu *nec-e8-ti- und *nec-e8-to anzusetzen ist, und
dsfs dieselben mit ir. ocus d. i. ^ank-as-tu- zu verglei*
eben sind. Zieben wir das dentale suf&x ab, so erbalten
wir as-stämme, im lateiniscben einen stamm mit der grund-
form *nak-as, im iriseben mit der grundform *ank-as,
und an die spitze derselben wäre "^anak-as zu stellen,
die grundform von grieeb. 7;vsxrjg. Der form nacb wür-
den also zusammengebören grieeb. rjv^xiqq^ ir. ocus, lat.
necessus, necesse, der bedeiitung nacb grieeb. avayxYj^
ir. ecen, lat. necessus, necesse. Dafs im lateiniscben
st zu SS werden konnte, beweist docb wobl das superla-
tivsuffix -issimus, ferner os gen. ossis (knocben), wenn
aucb andrerseits gerade in verwandten bildungen wie tem-
pestas, augustus, angustus u. a. die assimilation un-
terblieben ist.
Durcb annabme des wurzelinfixes na lassen sieb auch
in einigen anderen fallen gewisse Schwierigkeiten über-
winden.
Fick bemerkt s. 434, dal's der Vorschlag von o vor n
in grieeb. ovv^ und lat. unguis, ebenso in grieeb. oficpakoc;
und lat. umbilicus gräcoitaliscb sei, indem er als indo-
germaniscbe grundformen nagba und näbbala ansetzt
(s. 108. 111). Aucb Curtius ist ähnlicher ansieht (grundz.
no. 403. 447). Erstens ist der anlautende vocal in diesen
Wörtern nicht gräcoitaliscb, denn auch die entsprechenden
irischen Wörter haben ihn: ir. inga dat. pl. ingnib (Z.^
267, st. in gen-) unguis, ir. imbliu gen. imlenn nabel
(Stokes, Corm. Gl. Transl. p. 93, gleichsam ein lat. *um-
bllio, -onis). Ferner aber sehe ich in diesem anlauten-r
den vocal nicht einen Vorschlag, sondern den eigensten
Wurzel vocal. Die Wörter für „klaue, nagel" geben nach
meiner meinung auf die wurzel agb, angh „würgen,
kratzen'' zurück. Die wurzel mit vollem infix, also
a-na-gh, liegt vor iu grieeb. J-i^a;-^, o-i^v-^o-g^ die wur-
zelforui a-n-gh in lat. ungu-i-s, ir. ing-a, die wurzel-
form nagb in lit. niig-a-s, abd. nag-al („gotb. nagl-a-s''
422 Windiscb
bei Fick 108 ist wohl ein blofses versehen). Fick ver-
weist selbst bei „wz. nagh binden, knüpfen^ auf wz. agb,
angb „schnüren^. Die würzet „nagh stechen, kratzen,
bohren", die Fick s. 107 aufführt, wird wohl im gründe
u)it angh, nagh (würgen, schnüren) identisch gewesen
sein, wenn auch im laufe der zeit differenzirungen einge*
treten sind.
Die Wörter für „nahe, nabel" gehören zu wz. abh
schwellen (vgl. Fick s. 12. 1021). Es sind aber nur die
wurzelformen a-m-bh und nabh vorhanden, erstere in
griech. o^qr-aAog, lat. umb-illcus, ir. imb-Iiu, letztere
in skr. näbh-i, näbh-ila (nahe, nabel), ahd. nab-a,
nab-alo u. a. m. *)
Ich bezweifele sehr, dafs die Wörter für „name", wie
sie Fick s. 66. 112 und 560 aufführt (vgl. Curtius grundz.
no. 446), wirklich alle auf die wurzel gna zurückgehen
und ihr g schon in indogermanischer vorzeit verloren ha-
ben. In ksl. im^ mufs dann sogar abfall von gn ange-
nommen werden, auch ir. ainm (für *anmin Z.* 268)
streitet mit seinem vocalischen anlaut gegen diese etymo-
logie, wenn man sich nicht über alle individuellen lautge-
setze hinwegsetzen will. Andrerseits ist allerdings lat. nö-
men wohl nicht von co-gnömen zu trennen. Legen
wir hier als mafsstab der Zusammengehörigkeit die lautge-
setze an, so müssen wir noth wendig wenigstens lat. co-
-gnömen von ksl. im^ und ir. ainm trennen. Der in-
dogermanische abfall eines anlautenden g ist auch eine
sehr kühne annähme, besonders wenn trotzdem das g in
der griechischen nebenform ovvo^a nachgewirkt haben soll.
Ich vermuthe als den eigentlichen wurzellaut dieser Wör-
ter am. Diese wäre unverstärkt in ksl. im-^; den vollen
nasalen einschub würde u-vo-fia zeigen; die wurzelge»
stalt a-n-m wäre enthalten in ir. ainm, nom.pl. anm-an;
endlich die wurzelgestalt nam in got. namo, skr. näman.
***) Man halte dazu von gleicher oder gleichlautender wurzel die formen
ahh-ra, ambh-as, nabh-as (vergL petersb. Wörterbuch s. v. abhra).
Anm. d. red.
über Fick's vergl. Wörterbuch der indogerm. sprachen. 423
Es wäre nicht uumöglich, dafs im lateinischen das sprach-
bewulstsein dem worte nomen erst ein g andichtete, als
ein g in nosco abgefallen war, sich aber noch in co-
gnosco, aguosco erhielt. Eine nähere beziehung zu
einer immer nur postulirten grundbedeutung „kennzeichen"
hat das lateinische wort durchaus nicht *).
Ganz in derselben weise ordne ich die Wörter für
„ente**, die Fick s. 9, Curtius grundz. no. 438 zusammen-
stellen. Die der wurzel am nächsten stehende form liegt
vor in skr. ät-i-s „ein bestimmter wasservogel" (schon aus
dem Kv. bekannt); den vollen nasalen einschub zeigen lat.
a-na-s gen. a-na-t-is, ags. ened, ahd. anut, anet-
-recho entrich; die wurzelgestalt a-n-t haben mhd. ant,
lit. änt-i-s; die wurzelgestalt nat endlich liegt in griech.
vrjaaa vor.
Von got. anaks und skr. angasä plötzlich, sogleich
(Fick 6) sprachen wir schon einmal. Aber diese Wörter
sind gar nicht so isolirt. Denn wie zu griech. ovv^ und
lat. unguis das ahd. nagal tritt, so tritt, zu jenen lit.
nug-la-s, ksl. nag-lü plötzlich, jäh, die Fick s. 583 für
sich aufführt. Es sind also vertreten die wurzelformen:
a-na-g in got. anaks, an-g in skr. angasä, nag in lit.
nuglas, ksl. naglu.
Vielleicht stehen auch griech. dpjjg und skr. nä, st.
nar, in einem ähnlichen Verhältnisse zu einander: in den
homerischen formen ccveoog, dve^jsg würde der vollste stamm
a-na-r enthalten sein, in den gewöhnlichen formen ai/()(joV,
ävÖQE^ die Stammform a-n-r, endlich in skr. nä loc. plur.
nr-su, ferner in skr. nar-a-s, sab. ner-o, ir. ner-t for-
titudo die Stammform nar. Als ursprünglichste wurzel
würde sich ar ergeben, dasselbe ar nämlich, von welchem
Fick 1013. 1022. skr. arä, ars-ati (netzen) ableitet sammt
griech. äga-iiv^ altbaktr. ars-a mann, st. arä-an, skr.
rä-a-bha-8 stier.
Wenn ich nicht irre, so ergiebt sich wenigstens aus
*) Die dehnung in ovvoitu^ Uol. onoftn würde der in jjyfKiJs eingetre-
tenen entsprechen.
424 Windisch
der vorstehenden Untersuchung, dafs wir getrost die wur-
zelformen nak, nagh u.a. auf ank, angh und von da
aus auf ak und agh zurückführen dürfen. Für nagh
verweist Fick selbst s. 108 auf agh, angh. Seine abnei-
gung gegen gleiche behanJIung ähnlicher wurzelformen
wird daher nicht unbezwinglich sein.
III.
Celtisehe etymologien.
Fick führt zwar s. 40 die wurzel kas in vierfacher
bedeutung auf, aber es fehlt noch
kas glänzen, sehen.
Ihr ordnet sich nicht blofs lat. cänus = cas-nu-s
und ahd. hasan politus, venustus unter (Fick 350), son-
dern meiner meinung nach auch die sanskritwurzel kakä
sehen, mit kakSus äuge u. a. Fick betrachtet diese wur-
zel als mit determinativem s „aus dem arischen ka^ er-
scheinen, schauen*^ gebildet. Es mag die letztgenannte
Wurzel zu dem weiteren verwandtenkreise von l£aks ge-
hören, aber in der von Fick angegebenen weise ist dieses
gewifs nicht aus ihr hervorgegangen. Wir möfsten dann
^kaks erwarten; dafs aber kaks eine über das sanskrit
hinausgehende wurzelform ist, die nicht erst auf indischem
boden aus kaks entstanden sein kann, beweist das altbak-
trische kaSman äuge. Ich sehe in kakä eine reduplicirte
bildung, für die als volle form ka-kas anzusetzen ist;
man vergleiche gaks verzehren, das ebenso aus ghas,
gaks lachen, das ebenso aus has hervorgegangen ist.
Zudem ist Ka-käs glänzen reichlich im pet. wörterbuche
belegt. Mir ist aber besonders wichtig, dafs man auf diese
weise für das irische ein video einen anknüpfungspunkt
erhält; ein ist aus *cesiu entstanden, nach demselben g&-
setze, nach welchem im griechischen aus *yeve(fv yivu
wurde. Die volle wurzelform zeigt sich schön in im-
-cas-ti consideranda, rem-caissiu (d. i. -cas-tion-) Pro-
videntia, Z.^ 480. 800. Stokes hat schon erkannt, dafs in
diesen irischen Wörtern eine wurzel kas enthalten ist, aber
Über Fick*s vergl. Wörterbuch der indogerm. sprachen. 425
sein versuch Beitr. VI, 460 anui. lat. spero mit ihnen in
Verbindung zu bringen, ist meiner ansieht nach verfehlt.
Ir. cais äuge hat cas-ti- zum ursprünglichen stamme,
es ist mit skr. kakäu, Kakäus nur in der wurzel ver-
wandt.
Für den begriff des sehens sind nanäentlich noch zwei
bekannte wurzeln in den celtischen sprachen üblich; für
die erste derselben, für die in verschiedenen Indogermani-
schen sprachen vertretene wurzel dark verweise ich auf
Curtius' grundz. no. 13, die zweite ist
var,
im irischen meines wissens nicht vertreten, in den britan«
nischen sprachen aber durch cymrisch gwel-et, cornisch
gwel-as, arem. guel-et videre (Z.* 535, vergl. die prä-
sensformen p. 506 ff.). Am nächsten stimmt hierzu griech.
oQccp; üVQog Wächter wie ir. dercaid watchman.
Bekannte Wörter für äuge sind im irischen: derc
(st. derca), das schön zu den allerdings aus der altern
spräche nicht belegten sanskritwörtern drp und drpä äuge
stimmt, namentlich aber süil fem. (st. svali- Z.^ 250),
das mit skr. süri, lat. söl masc. (wahrscheinlich urspr*
*söli-s wie animal für *animali), got. sauil n. zu
wurzel svar gestellt zu werden pflegt. Auffallend ist, dafs
nur das irische wort das strahlende am körper bezeichnet,
alle übrigen Wörter, das cymrische und cornische heul
(Z.^ 107. 123. 1065) mit inbegriffen, das strahlende am
himmel. Eine interessante parallele hiezu bietet die wurzel
ark, rak strahlen, flammen,
welche Fick 14 nur durch skr. arkati und gr. r^Ux-TfOQy
fj^eX'TQov zu belegen weifs. Natürlich gehört hierher auch
ekr. arka-8 strahl, sonne. Wie die wurzel svar sowohl
das flammen als auch das tönen bezeichnet (skr. svara-»
laut, sürja-8 sonne), so zeigt sich auch an der wurzel
ark, rak (alk, lak) diese doppelte bedeutung: skr. ar-
ka-8 z. b. bedeutet auch „lied", imd stellt sich in dieser
bedeutung neben rk.
Mit skr. arka-s sonne ist nun das in den britanni-
schen sprachen übliche wort für „äuge" zu vergleichen:
4*26 Windisch
com. lagat, arem. lagat, cymr. Ilygat (Z.* 839. 283 ff.
154). Dasselbe siebt nach brit. lautgesetzen für *lacat
(Z.^ 160), und wird, nach dem plur. legeit zu schliefsen,
ein a-stamm wie das von der parallel wurzcl arg, rag ge-
bildete skr. rag- ata- s gewesen sein. Im irischen aber
ist die Wurzel ark, rak auch als verburo lebendig, und
zwar in doppelter gestalt: 1) lassad inf., lassait 3. pl.
praes. flammen „flame, blaze^, lasBar die flamme (F. A.
105. 144. 145. 233. 208); 2) lösend inf, loscid 3. sing,
praes. brennen „burn« (Z.* 803. F. A. 215. 140). Wie die
infinitive ausweisen, ist lassad ein verbum der 2. series
(entsprechend latein. amo), loscud dagegen ein verbum
der 3. series (entsprechend latein. dormio). Dazu wür-
den O'Reilly's angaben stimmen: „lasaim I light, kindle,
burn, blaze, blush" und „loisgim I burn, singe". An
ersterem verb haftet vorzugsweise die intransitive, an letz-
terem die transitive bedeutung. Was ihre bildung an-
langt, so vergleicht sich loscud am nächsten mit griech.
}.daxvt)^ nur dafs dieses zur wurzel ark, rak „tonen" ge-
hört: aber beide verba haben vor dem stammbildenden
Suffixe sk- den wurzelhaften guttural verloren; im grie-
chischen tritt aufserhalb des präsens die volle wurzel wie-
der hervor {ümxov^ ?.elay.ct)^ im irischen ist mir hier nur
noch das bei allen verben vom präsensstamme gebildete
s-praeteritum bekannt geworden, loisc-set they burned
(Cogadh Gaedhel re Gallaibh, ed. Todd, p. 223). Ein zwei-
tes beispiel, in welchem sich der ausfall des gutturals so-
gar durch alle europäischen sprachen verfolgen läfst, ge-
währt die wurzel mik mischen: griech. «/-frpw, lat. mi-
-sceo, ahd. mi-skan. Im irischen ist mir zur band: com-
mescatar miscentur (Z.^473), mescfait 3. pl. fut. (Cog.
Gaedh. re Gall. p. 225)*), aufserdem das präpositioneil
verwendete nomen measc, z.b. imeasc naomh „among
the Irish saints" (Keat. ed. 1811, p. 160), tair-mescc
inimixtio (Z.'^ 880); die entwickelung des i durch e zu
"*) Die steUe lautet: Ticfait Genti dar muir mall, mescfait for
ferond hEr^nd „Gentiles shall come over the noble sea, They shall spread
over the land of EriDn).
Über Fick's vergl. Wörterbuch d^r indogerm. sprachen. 427
modernem ea ist wie in altir. fer, neuir. fear verglichen
mit lat. vir. Auch ir. nasc ring (Stokes, Corm. Gl. Transl.
p. 125) wird man hier mit aufführen dürfen; zu dem bei
O'Reilly aufgeführten nasgaim „I bind, tie'' ist eine schöne
perfectform aus der älteren spräche ro-nenasc „I bound"
(L. U., Journ. 1871 p. 384, vgl. Beitr. VII, 10). Es ge-
hören diese Wörter ofltenbar zu lat. nec-to, wurzel nagb
(Fick 108), und haben somit gleichfalls einen guttural vor
sc eingebüfst. — Dem ir. losend entsprechen auch bri-
tannische Wörter, so corn. lose arsura (Z.* 1070), worauf
Stokes Ir. 61. 737 aufmerksam macht. Aufserdem möchte
ich noch ir. rose m. äuge (nom. pl. roise P. A. 68), ferner
loscan kröte (dat. plur. loscannaib L. U. Journ. of the
R. Hist. and Arch. Assoc. 1871 p. 386) mit lösend zu-
sammenstellen. Was übrigens die präsensbildung *losc-ia-
anlangt, so hat diese ihr analogen in ,ahd. miskan, das
für ^miskian steht.
Das durch den infinitiv lassad eharaeterisirte irische
verbum ist ein denominativum , dessen grundwort im iri-
schen zu fehlen scheint, formell aber in skr. laksa- vor-
liegt: ir. lassait ^sie flammen^ = skr. lakäajanti „sie
bezeichnen, sie erblicken*^. Allerdings wird im pet. Wör-
terbuch laksa auf die wurzel lag, sich anheften, zurück-
geführt, aber wohl nur weil im sanskrit selbst eine wur-
zelgestalt rak, lak, wie sie aus andern sprachen zu er-
schliefsen ist, nicht vorhanden ist. Dafs ein wort mit
der bedeutung „ziel, merkmal" sehr wohl von einer wur-
zel, an der sich die bedeutungen „brenne«^ flammen, sehei-
nen, sehen" zeigen, gebildet werden konnte, bedarf wohl
keiner weiteren auseinandersetzung: man dejike an griech.
axonog zugleich „späher** und „ziel", lat. specio und spe-
cimen u. s. w. Da altir. luisse flamma (Stokes, Goid.
p. 46) bei O'Reilly in der form laise aufgeführt wird, so
können wir dies wort mit Sicherheit den auf die wurzel
lak-s zurückgehenden bildungen zufügen, und es formell
mit skr. laksja (sichtbar, ziel, ausgesetzter preis) identi-
ficiren. Nach irischen lautgesetzen wird a durch i der
folgenden silbe zu ai, oi oder ui (Z.^ 5).
428 Windibch
Aufser dem oben erwähnten süil äuge gehören noch
im irischen zu wurzel
8var leuchten
eine anzabl interessanter Wörter. Es sind dies die reihen:
1) solus, solas clarus (Stokes, Ir. Gl. 665, Corm. 61.
p. 40), Comp, soillsithir P. A. 82;
soilse, soillse lux, luraen (Z.* 247, F. A. 36u. ö.);
soilsigud iuf. „irradiate" (F. A. 104);
2) follus apertus, clarus (Z.* 788, F. A. 299), Superl.
faillsem (Z.* 278);
foilse, foillse „clearness** (F. A. 41. 76);
foilsigud manifestare, „show** (Z.* 239).
Der einzige unterschied von solus und folus ist die ver-
schiedene behandlung der ursprünglich anlautenden conso-
nantengruppe sv. In derselben weise findet sich neben
nom. siur soror, gen. sethar, acc. siair auch der acc.
fiair (Z. 262. 263). Ir. solus und folus sind der bil-
dung nach am nächsten mit lat. angus-tu-s zu vergleictieo;
nur dafs die irischen adjectiva merkwördiger weise u-
stämmo sind, mit der grundform '^svalas-tn-. Eine ähn-
liche bildung war acus, ocus (Z,^ 788), das wir schon
oben auf die grundform ankas-tu zurückführten. Wie
aber der in lat. angustus enthaltene stamm *angas-
identisch ist mit skr. ähas, griech. ä^og (Fick 5), so ist
das aus ir. solus, folus zu erschliefsende *svalas- iden-
tisch mit griech, ceAag. Wie ferner von angustus das sub-
stantivum angufPtia, so ist von ir. solus, folus das
substantivum soilse, foilse (d.i. ^svalas-tiä) gebildet,
vgl. com-oicse vicinitas von com-ocus (Z.*871). Die
verba soilsigud, foilsigud — letzteres ist die üblichere
form — sind denominativa von den bei O'Reilly aufge-
führten, adjectiven soillseach (bright, clear) und foill-
se ach (declaratory) : die ideale Stammform dieser adjectiva
würde *svalastu-ka sein, die der davon abgeleiteten
verba *8valastu-kia (vergl. Z.^ 795); sie verhalten sich
zu einander wie griech. ^ictXa-xo-g zu ^laXd^aOM^ d. i.
über Fick's vergl. Wörterbuch der indogerm. sprachen. 429
Eine in ihrer bedeutung eigenthümlich gefärbte Wur-
zel ist
sku schauen, scheuen, beabsichtigen (Fick 207).
Curtius grundz.^ s. 95 macht aber darauf aufmerksam, dafs
sie in griech. y,oä (Hesych. aKomi) auch die bedeutung des
hörens zeigt. Dieses eine beispiel bleibt bestehen, auch
wenn Delbrück recht hat dxoisiv zu got. hausjan zu
stellen, und erhält interessante gefährten in com. scouarn
auris und dem davon abgeleiteten scouarnoc lepus (Z.^
1066. 1075). Dafs der hase hier nach seinen obren be-
nannt wurde, wird niemand auffallend finden. Corn. scou-
-arn ist aber genau so gebildet wie das zu wurzel
ruk, europ. luk leuchten (Fick 171.394)
gehörige ir. locharn, luacharn, lat. lücerna. An ent-
lehnung aus dem lateinischen zu denken verbietet der im
irischen worte gesteigerte, im lateinischen nicht gesteigerte
wurzelvocal. Die Steigerung ist dieselbe wie in ir. loche
gen. lochet fulmen (Z.* 256). Es ist dies ein zum sub-
stantivum gewordenes part. praes. act., das man wohl ge-
radezu mit lat. lücens identiticiren darf: die grundform
ist *laukant oder *laukiant*). Auf letztere läfst viel-
leicht das e schliefsen, dem a von cara gen. carat ami-
cus gegenüber. Got. liuhath licht ist zwar verwandt,
aber im suffix verschieden (grundf laukata-). Wie corn.
scouarn und ir. locharn mit Steigerung des wurzelvo-
cals und suffix arna- ist ein drittes wort gebildet, das
zu Wurzel
lu gewinnen, erbeuten (Fick 394)
zu stellen ist, nämlich corn. louu-ern vulpes (Z.* 1075).
Es ist dem stamme nach mit lat. Laverna, scfautzgöttin
des gewinns, der diebe, identisch. Von derselben wurzel
kommt auch corn. lou-ennan mustela (ibid.). Der fuchs
und das wiesei erscheinen hier als raubthiere xar' i^oxi^v.
Zu derselben wurzel wird ja auch ahd. lewo löwe, griech.
U(ov u. s. w. gehören (Curtius grundz« no. 543).
*) Bekanntlich sind die alten participia praesentis activi im irischen
nur noch substantiviit vorhanden.
430 Windisch
Bei Wurzel
gad sprechen
bat Fick s. 55 und 252 Obersehen, dafs sie aufser im Sans-
krit (gadati) und im litauischen (2ada-8 spräche, das
verb 2adü ich verspreche ist weggelassen) zunächst auch
im altbaktrischen vertreten ist und zwar in der besonde-
ren bedeutung des bittens: gad, gaidhj^mi ich bitte
(mit palatalem anlaut wie im litauischen). Hierzu stimmt
schön das irische, das diese wurzel auch nur in der be-
deutung rogare hat: guidid erat, no-sn-guid rogat
eos, guidme petimus (Z.^ 431. 432); das perfectum rot-
-gäd-sa rogavi te (Z.* 448) vergleicht sich schön mit
skr. gagäda. — Aus skr. gada-s rede, Spruch und lit.
zada-s spräche, rede hätte Fick eigentlich ein indoger-
manisches wort gada erschliefsen müssen.
Der sehr schwach belegte artikel „bhrüat f. braue*
s. 143 erhält eine weitere stütze durch ir. [brüa], dessen
gen. du. brüad mir aus dem Journ. of the R. Hist. and
Arch. Ass. of Ireland, 1871 p. 376 bekannt ist (cechtarde
a da brüad „each of bis two brows", aus dem L. U.).
Zu WZ. „gar herankommen, zusammenkommen* (skr.
gar-ati, griech. ayeiow^ ahd. kSrau) gehört ir. ad-gaur
convenio, für -garu (Z. *428).
Zu „sokja sokida suchen* s. 897 möchte ich stel-
len ir. saigim adeo (Z.* 429), ro-sagat (F. A. 188), se-
gar petitur (Z.*471). Besonders oft kommt das compo-
situm in-saigid „to advance, to visit* vor (F. A. 124.
181. 189), das in dieser seiner bedeutung schön zu unse-
rem „besuchen* stimmt. Diese irische wurzel sag ist
nicht mit in sech sequi (do-seich persequitur, na sei-
chem ne sequamur Z.* 430. 444) zu verwechseln.
Nach Fick's principien müfste „sama jähr, somraer*
(s. 319) in den Wortschatz der indogermanischen zeit auf-
genommen werden. Denn zu skr. samä jähr und zend.
hama m. sommer kommt ir. sam, cymr. ham aestas (Z.^
115, Amra 44). Ebel beitrage II, 177 glossirt ir. sam
mit sol.
Ebenso lassen skr. badhira-s taub und ir. bodar
über Fick's vergl. Wörterbuch der indogerm. sprachen. 431
acc. plur. bodra surdus (Stokes, Corm. Gl. Transl. p. 24,
Goid. p. 4), cymr. bothar, bozar surdus (Z.* 828)
eine indogermanische grundform ,,badharas taub" er-
schliel'sen.
Zu got. ga-baurths, ahd. burt, engl, birth geburt
(s. 816) stimmt schön das ir. brith gen. brithe geburt
(T. B. Fr. p. 140). Grundform ist bar-ti, brati.
Genau dieselbe präsensbildung wie lit. dalyjü, got.
daiija theile (s. 527) zeigt ir. daliu in fo-däli discer-
nit, distribuit (Z.^435). Die dehnung des a scheint nur
secundär zu sein, wenigstens lautet die 3. plur. fo-dalet
und fo-dlat discerount (Z. * 437). Ebenso entspricht fo-
-dail, fo-dil divisio (st. dali-, Z.^ 874) genau dem lit.
dali-s und got. dail-s, nur dafs in den germanischen
Wörtern ai stammhaft geworden ist.
Ganz merkwürdig ist die Übereinstimmung, welche
zwischen alts. od an datus, concessus (s. 689) und ir.
uaitbne „childbirth" (grundform autania) zu bestehen
scheint. Denn ödan weräTan, odan wesan hat die be-
deutuug nasci. Mir ist das irische wort aus dem T^in
B6 Fralch bekannt (Proceed. of the R. Ir. Acad. 1870
p. 140), wo sich eine wunderbare Schilderung der Caini
Uaithni „the Chants of Uaithne" findet; „„uaithne"
properly raeans child-birth, puerperium" O'Beirne Crowe
a. a. o. p. 162). — Auf diese vergleichung brachte mich
prof. Sievers in Jena.
Ein schönes beispiel für abgefallenes p bietet imme-t-
com-airc interrogat te, na im-chom-arcad ue inter-
roget, an imm-chom-arc imme-chom-arcar interro-
gatio quae interrogatur (Z.* 430. 443. 471. 882). Es ge-
hören diese Wörter zu „prak, parkskati fragen, for-
dern" (skr. pra^-na-s frage, got. fraihna frah).
Ein zweites bisher unbeachtetes beispiel der art ist
ir. luath celer, rapidus (Z.^ 224), das mit an. flj6t-r
rasch, schnell Fick s. 805) identisch ist. Grundform ist
*plauta. Fick hat s. 130 als wurzel nur „plu schwim-
men" angesetzt (vgl. jedoch s. 941). Skr. pru pravate
aufspringen weist die allgemeinere grundbedeutung auf.
432 Wiudisch
Von Inath celer ist im-Iuath exagitatio abgeleitet. Die
besondere beziehuug zum schwimmen zeigt in luam celox.
Vgl Curtius grundz.'' no, 369.
Eine auffallende Übereinstimmung besteht femer zwi-
schen an. straum-r ahd. stroum und ir. sruaim, das
gelegentlich an stelle des gewöhnlichen srutb fluvius vor-
kommt. Vgl. Curtius gruudz.^ no. 517. Ir. sruaim steht
für *sraum-i-.
Got. s Iah an sich schlagen findet zwar s. 196- in
zend. harek werfen einen verwandten, aber noch besser
stimmt das ir. perf. ro-selach für se-slach „I attacked^
(Journ. of the Hist. and Ärch. Ass. ofireland 1871 p. 384
aus dem L. U.).
S. 825 steht ahd. bliuwan, got. bliggvan ,,schla-
gen, bläuen" ganz vereinzelt. Es gehört aber dazu irisch
bualaim ^ich schlage", das diese germanischen Wörter mit
WZ. bhur (lat. fur-o u. a. s. 140) vermittelt. Ir. bualaim
ist im modernen irisch das gewöhnliche wort für schla-
gen; ra bualad „was Struck" (Book of Leinster, War
of the Gaedhil with the Gaill ed. Todd p. 227).
Mit alts. stamn (steven am schifie), ahd. stamm
plur. stamm ä stamm, ist identisch ir. tamun gen. tamoiu
„trunk of a tree" (Stokes, Goid. p. 27). Die grundform
ist stamana. Der abfall des s ist wie in ir. tiagn =
griech. ötEiyva.
Denselben lautlichen Vorgang zeigt auch ir. t4in dieb-
stabl, raub, das eine grofse rolle in der irischen sage spielt,
man denke an den Täin bo Cuailgne raub der rinder
von Cuailgne. Das wort gehört zu skr. stä-jn, tä-ju
dieb, griech. ti]ti} beraubung u. s. w. (Fick 210).
Man wird sehr versucht zu gotisch haihah, praete-
ritum zu hahan hangen, das irische perfectum cechaing
tulit (Z.^ 449) zu ziehen; die bedeutungen lassen sich
leicht vermitteln. Fick stellt s. 28 griech. ;cw/€t;«ü „heben,
schweben machen " mit dem gotischen worte zusammen*
Ir. cechaing und ^neoh, xcoyEvu) lassen die wurzelgestalt
kagh, kangh erschliefsen, got. hahan, haihah dagegen
eine wurzel kak.
über Fick's vergl. wöiterbuch der indogerm. sprachen. 433
Sehr reich ist im irischen die wurzel skar vertreten,
und zwar zunächst in zweifacher Bedeutung : als ,,schei-
den^ (trans. und intrans.) und als ,,zerst5ren^. Aus dem
mittelirischen stehen mir zahlreiche formen zu geböte, bei
Zeufs findet sich z. b. scarde qui secedunt (praes. relat.
436), na scarad ne discedat (imper. 443), co-na-scrad
ne separet (praos. sec. 445), nib-scara non sejunget vos
(fut. 452), eter-scertar separabuntur (fut. pass. 475), der
inf. scarad bezeichnet dieses verb deutlich als ein zur
2. series gehöriges, gen. scartha in bas etarscartha
coirp et anme mors separationis corporis et animae (265,
vgl. 874). — In der bedeutung destruere steht bei Zeufs
diese wurzel unter den verben der 1. series: co*scram
destruimus, co-scera destruet (432.452). Aber der in-
finitiv co-scrad (du choscrad „to the destruction" Sto-
kes, Goid. p. 9) kann nur einem verb der 2. series an-
gehören.
Auch wurzel „skar ausschütten, zerstreuen" (Fick
s. 204) ist im irischen vertreten. Allerdings sind mir nur
wenige formen zur band, so das perf. ro-scail: iss ed
sin dan is mo roscail Ultu fo Erind „it is that accor-
dingly which greatest scattered the Ulaid along Erin*^
(aus dem L. ü., Journ. of the Hist. and Arch. Ass. 1870
p. 106); ferner das s-praeteritum ra scailset sie zerstreu-
ten sich (Cogadh Gaedhel re Gallaibh p. 224. 234, aus dem
buch von Leinster).
Zu der verwandten wurzel kar, ohne das anlautende
s, gehört zunächst ein perfectum mit der bedeutung ce-
cidi, perii. Es ist Z.* 449 in doppelter formation aufge-
führt, die von Ebel nicht erkannt zu sein scheint; do-ro-
-chair cecidit, tor-chair cecidit, periit hat die redupH-
cation vorn verloren, aber docer in dem sätzchen docer
in biail cecidit securis ist gewifs zusammenziehung von
*do-cecer, wie ja ro-taig, ro-tig exstruxit nach Ebel's
eigener erklärung aus *ro-tetaig zusammengezogen ist.
Aufserdem findet sich Z.* 450 con torchartar donec
perierunt, im L. U. mit metathesis do-ro-chratar they
feil (Journ. of the Hist. and Arch. Ass. 1871 p. 384). Ein
Zeitschr. f. vgl. sprachf. XXI. 6. 28
434 Schachardt
präsens zu diesem perfectum liegt in ara-cbriDim dif-
ficiscor (?), bore ar-in-chrinat quia intereunt (Z.* 429.
433) vor. Dieses präsens er in im vergleicht sich der
form nach am nächsten mit lat. cerno; griecb. xqivta ist
nnr insofern verschieden, als es PQr *X(jtrja) steht. Hier-
her gehört auch ir-chre interitus, tre erchrae per
eclipsin (Z. ^ 868) ; grundform davon nach abzog der präp.
ir, er ist *karia, so dafs wir hier den celtischen ver-
wandten von lit. kdra-s krieg, got. harji-s beer (Fick
514) vor uns haben.
Ernst Windiscb.
Romanische Sprachwissenschaft.
Aus Zeitschriften.
Je geringeres interesse die romanischen sprachen von
Seiten ihres Stoffes der indogermanischen sprach Wissenschaft
darbieten, desto lehrreicher sind sie fQr diese von Seiten
ihrer form. Als ersatz für eine gemeinsame Ursprache
gleich andern sprachen besitzen sie keinen wertb; denn
hier ist uns jene selbst in völlig genügender Überlieferung
erhalten. Die ergebnisse aber, welche wir aus der ver-
gleichung der abgeleiteten sprachen mit der von vorn her-
ein gegebenen Ursprache gewinnen, sind gerade für den
ungemein verwendbar, welcher eine Ursprache erst zarück-
zukonstruiren bat. Eine solche vergleichung ist uns in sehr
seltenen fällen vergönnt und wiederum überragt hier an
bedeutung die romanische gruppe eine jede andere, auch
die neuindische, welche man besonders gern mit ihr in
parallele setzt. Ueber ein weites, gröfstentheils zusammen-
hängendes gebiet stuft sich eine aufserordentliche spracb-
mannigfaltigkeit in allmählicheren oder plötzlicheren Über-
gängen ab; viele mundarten sind durch schriftliche aiüf-
Zeichnungen, manche sogar durch eine art litteratur ver-
treten; einige wenige nur haben sich zu wirklichen schrift-,
romanische äprachwissenschaft. 435
ja zit weltspracheöf emporgearbeitet; auf sehr zahlreiche
nnd verschiedenartige denkmäler gestützt, können wir bis
^ur Spracheinheit aufwärts steigen, da auch die erst be-
ginnende sprachspaltuhg in der Schrift, freilich etwas trüb
und verzerrt, sich abspiegelt; endlich sind wir über alle
die äufseren einflösse, welche sich bei der fortbildung des
lateinischen zum romanischen bethätigten, hinlänglich un-
terrichtet, mag es sich um fremde sprachen oder um ge-
Söhiöhtliche ereignisse oder um völkersitte handeln. Nir-
gends in der weit vermögen wir die pfade, welche die
sjDrache gewandelt ist, so genau zu verfolgen, wie in vor-
liegendem falle, und so stellt das romanische eine uner-
^höpfliche fundgrube von analogien dar. Es gibt zwar
manche, welche gegen diese analogien einen gewissen Wi-
derwillen an den tag legen; sie meinen, die romanischen
sprachen ständen als „töchtersprachen** in einem ganz an-
deren verhältnifs zum latein, als das deutsche und latein
zum indogermanischen oder auch nur die germanischen
Sprachen zum urgermanischen. Indessen^ ist diese ansieht
eine irrige; wir haben es nicht mit einem gegensätzlichen,
sondern nur mit einem graduellen unterschied zu thun.
Es läfst sich nicht absehen^ warum nicht sogar ganz ähn-
liche ethnographische bedingungen, wie die, unter welchen
das romanische entstand und denen man eine allzugrofse
tragweite beigelegt hat, schon in vorgeschichtlicher zeit
eingetreten sein könnten. Jedenfalls sind die romanischen
sprachen, wie kein anderes objekt, dazu geeignet, dafs
man an ihnen die schärfe und die Sicherheit der linguisti-
schen methode ausbilde; wir lernen hier auch dem ver-
führerischsten scheine zu mifstrauen. Ist demnach der all-
gemeine werth der romanischen Studien dargethan, so darf
es nicht wunder nehmen, dafs an diesetü platze den fort-
schritten derselben besondere aufmerksamkeit geschenkt
wird. Wir beginnen mit einer durchsieht der Zeitschriften
für romanische philologie.
Der XII. band des Jahrbuch« für romanische und eng-
lische literatur (heft 1—3) enthält s. 187 fl^. einen aüfsatz
28*
436 Schuchardt
vou J. Zupitza: »Die nordwcstromanischen auslaatsge-
setze^. Der plural scheint uns nicht gerechtfertigt; man
könnte erwarten, dafs es sich um verschiedene neben- oder
nacheinander zur geltung kommende gesetze handelte, wäh-
rend das konsonantische und das vokalische auslautsgesetz
(unter welches freilich nicht nur der auslautende vokal, son-
dern dor vokal der letzten silbe überhaupt gehört) zusam-
men ein einziges gesetz bilden. Zupitza selbst formulirt
(s. 189) „das gesetz" des provenpalischen und altfranzösi-
schen foigendermafsen: „von ursprünglich auslautenden kon-
sonanten bleiben r, s, beim verbum auch t, von vokalen
in letzter silbe nur a." Vorher weist er in kürze nach,
wie einerseits das italienische und rumänische, anderseits
das spanische und portugiesische in der behandlung des
auslauts übereinstimmen. Dort fallen alle ursprünglich
auslautenden konsonanten ab, dagegen bleiben alle vokale
der letzten silbe. Mit recht sieht Zupitza rumän. 1. ps.
sg. imperf. und plusquamp. cäntam und cäntäsem als Über-
tragungen aus der 1. ps. pl. an. Aufser auf am =s habeo
und habemus hätte er sich noch auf die alten formen erä,
pleca u. s. w. berufen können, in denen das auslautende
m fehlt (s. Mussafia im jahrb. X, 364) sowie auf das süd-
rumänische bedingende futur calcärim in der 1. ps. sg. und
plur. Dieses tempus (= lat. fut. exact. -h conj. perf.)
findet si(!h auch im älteren nordrumänisch und zwar lautet
hier die 1. ps. sg. noch -re, wie die 3. ps. sg., nicht -rem,
wie die t.ps. pl. Offenbar war mehr an der trennung der
personell, als der numeri gelegen (wie ja auch meistens die
3. ps. sg mit der 3. ps. pl. zusammenfällt); im konj. praes.
scheidet sich die 1. ps. sg. von der 3. ps. sg. auf anderem
wege. Für das spanische und portugiesische gilt folgen-
des: „von ursprünglich auslautenden konsonanten bleibt
nur s, von vokalen ist dagegen nur ursprünglich auslau-
tendes oder durch den abfall eines m in den ausiaut ge-
kommenes e nach einfachen konsonanten beim nomen (also
auch bei dem in6nitiv) und bei partikeln dem abfalle aus-
gesetzt", d. h. mit anderen werten, für e ist keine wirk-
romanische Sprachwissenschaft. 437
liehe regel zu ermitteln. Das churwälsche verhält sich in
bezug auf den auslaut allerdings wie das proven^alische
(auch zu unterengad. eh antat neben obwald. canteits
findet sich auf prov. gebiet das entsprechende), iodessen
kann man nicht im aligemeinen sagen, es sei wesentlich
nur ein prov. dialekt. Mit diesen gesetzen für die drei
gruppen ist streng genommen nichts neues ausgesprochen;
es fragt sich nur, wie es Zupitza gelingt im nordwestro-
manischen die ausnahmen von dem aufgestellten gesetze
entweder als nur scheinbare oder durch irgend eine noth-
wendigkeit hervorgerufene darzulegen. Dafs zunächst in
sor, suer = soror r für rr und im nom. sg. und acc.
pl. ors s fQr ss steht, dafs in chantatz tz nicht = t,
sondern = ts ist, dafs der nom. pl. fruit nicht = fruc-
tus, sondern = *fructi, und pesme nicht = pessi-
mus, sondern = pessimo ist, leuchtet ein. Aber wenn
im prov. die 1. ps. pl. -mus zu -m statt zu -ms wird
(übrigens auch altfr. -m, -n neben -ns), so kann dies kei-
neswegs zu den „scheinbaren" ausnahmen gerechnet wer-
den. Es sei daran, meint Zupitza, nicht ein verlassen der
auslautsgesetze, sondern der umstand schuld, dafs nach
Diez „der plural der person dem sprachsinne mit blofsem
m hinreichend ausgedrückt schien". Auf jeden fall aber
liegt ein verlassen der auslautsgesetze (welches sich nicht
als Ursache der erwähnten erscheinung, sondern nur als
mit ihr identisch betrachten läfst), also eine wirkliche aus-
nähme vor. Und wie ergibt sich ferner aus der entbehr-
lichkeit des s für die Unterscheidung der form die noth-
wendigkeit seines Schwundes? Zu bedenken ist, dafs das
verhalten des sprachsinns jener endung gegenüber einzig
und allein erst aus dem Schwund des s gefolgert wird.
Dieser sprachsinn, den man anruft, bedeutet in der that
weiter nichts als laune und willkür der spräche. Nicht
einmal unter die scheinbaren ausnahmen hat Zupitza fr.
chiche, it. cece.= cicer (bei Diez gr. P, 225 als apo-
kope bezeichnet) aufgenommen, nur sagt er s. 188 anra. 2,
dafs über die von Diez a. a. o. angeführten fälle schwer
438 Scbuchardt
ZU urtbeileo sei. Wenn cbiobe au9 dem oaa. obl. cicer^
hervorgegangen ist, so bildet ciöre*), (wozu man altfr,
angele, v^rgine, imagena gespr. anjle, virjpief
imajne =s neufr. ange, vierge, image bei G. P^rif
J^tude sur . le r61e de Taccent latin dans la langue franpi^jsf
8. 24ff. vergleiche), kaum ^cicer (prov. cesser), die verr
mittlnng. Ganz ebenso fr. Oise sss ^Oisre =s Ifiar^
Befremden möchte es vielleicht, dals das italienische lo
cece, und in suora, suor auf anderem wege zu dem
gleichem endresultat gelangt ist, wie das französische. lo
bezug auf aus), t scheidet siph das altfranzösisobe vom
proven^alischen ; jenes wahrt es (wenigstens vor dem 13«
Jahrb.) immer, dieses ni|r nach betontem vokal. Wir o^Ocb-
ten mit prov. anava, an et die toskanische ausspräche
andäva via und andö vyia vergleichen; auch in Italien
mufs sich das t des perfectums länger gebalteq b^ben, aljB
das des imperfects. Es wird ferner der ^bfall vop c, d,
m, n und nicht verbaleip t mit beispielen belegt. Im aq^
laut von einsilblern vern^ag der konsonant zu bleiben, und
ebenso im auslaut oxytoner Wörter. Daher hätte ^upit3|i
die herkunft des altfr. iloc, i)uec, jloques von Ut. illoc
nicht bezweifeln, und jenes nicht gleich illo Iqco setfsep
dürfen. Deni^ er irrt, vfenp er diß betonung jl]oc (wajs
nur altfr. il hätte geben können) annimpit; ipan sprftpb
illoc, wie illlc (it. li i|. s.w.)? ül^c (it. lä u«9*W-} altff*
auch noch ilä), isttc, istac (mit ecpu it.PQ^t), cor
stä) fßr altes illo-ce u. s. w. In bezqg auf ^as 1 b^
merkt Zupitza: „1, das im lateinischen auch als eniflapl;
vorkommt, fallt beim romanischep weg, da z. b. nicht me|,
animal, sondern ^mellis, ^animalis, resp. ^mellern,
''animalem den bildungeu zu gründe gelegt und Wörter,
wie nihil, vel, simul aufgegeben werden**. Aber fn.
fiel, miel können ebenso wie it. fiele, mi^le nip: aus
den nominatiyen fei, mel entstanden sein (Diez graipfii«
11^, 8). Dafs simul im romanischen sich in mehr als efnq*
*) Mit dem volksthümlichen vote, mette für votre, mettre stimmt
dies nicht ganz überein, da hier wirklich das r auslautet ( v o t* r, mett*r).
romanische Sprachwissenschaft. 439
form fortgepflanzt hat, wird erst bei der correctur entdeckt
und in der anmerkung mitgetheilt (warum aber fr. en-
semble, it. insembre =: "^in simulum und nicht ana-
log mit mendre = minor?); altfr. viaus, vels, altpg,
vel = lat. vel jedoch bleibt übersehen. Dem vokalischen
auslautsgesetze zufolge besteht nur a in letzter silbe fort.
Entgangen sind Zupitza altfr. cit = ciyitas und clart =
claritas, welche *cite, *clarte lauten sollten, wie po-
deste = potestas; auch chez = ca8a war der erwäh-
nui^g werth. Mit lat. super statt mit supra stellt das pr.
sobre Diez schon etypa. wb. * 728 = 11% 432 (so auch
gr. 11^, 485) zusammen. Beiläufig gesagt, wenn man altfr.
sovre (= supra) von pr. sobre (= super) trennt, so
müfste man eigentlich auch fr. entre von pr, entre tren-
nen und auf intra beziehen. Selbstverständlich kann ein
betonter vokal, noch dazu, wenn er der eiqzige eines wer-
tes ist, nicht schwinden; es brauchte dies nicht bei jedem
einzelnen vokale wiederholt zu werden. Auch war des-
halb s. 188 als beispiel für den it. auslaut nicht ci = ecce
hie neben rumän. icT = ecce hie anzuführen. Ebenso
hat sich der auslautende vokal dadurch erhalten, dafs er
sich mit dem vorhergehenden zu einer silbeneinheit ver-
band, dafs er sich gleichsam unter deo schützenden ton
desselben flüchtete (z. b. chantai = cantavi, eu =
ego, mieus = mens). Würde der Schwund des vokals
eine zu harte konsonantenverbindung zur folge haben, so
unterbleibt er, mag der vokal im auslaut oder vor einem
oder zwei auch im romanischen fortdauernden konsonanten
stehen. Ein beispiel für den letzteren fall ist chantent
= cantant. Wie e in chantent, so bleibt u in ven-
don, vendent. Wenn nun aber auch im prov. dieses
o =c u schon früh zu e geschwächt wird (venden), warum
sollten wir nicht eine gleiche Schwächung in den compa-
rativen majer = maior, senher s=5 senior, langer
= levior annehmen? Warum erst solche unerträgliche
konsonantenverbindungen wie jr, nhr, gr als mittelstufen
zwischen jor, nhor, gor und jer, nher, ger ansetzen?
440 Schuchardt
Molher, mollier mit falsch gesetztem accent gebort
nicht hieher; es entspricht it. mogli^re ■» muliere.
Beispiele fOr den erstercn fall sind: comte, vendre,
omno homme. Zupitza sagt s. 197, hier „sei das ro-
man. e nicht aus dem lateinischen beibehalten, sondern eu-
phonisch^; wir halten aber diesen gegensatz nicht fbr einen
logischen und glauben, dafs ein vokal aus euphonischen
gründen ebenso gut gewahrt als zugefügt werden kann.
Ist es denn denkbar, dafs sich aus comite, bomine
eröt *comit, 'homin, dann *comt, *omn und endlich
comte, omne entwickelt haben? Oder was meint Zupitza
sonst? Ganz sicherlich bedarf doch fr. pr. comte keiner
andern erklärung als it. conte, sp.pg. conde, fr. homme,
pr. omne keiner andern, als sp. hombre. Auch in ven-
dre u. s. w. ist die synkope des vorletzten e schon sehr
alt (vgl. vaincre, faire vor assibilation der gutturalen,
connaitre, paitre, alt beneistre nach derselben), älter,
wie uns düukt^ als die verstummung des auslautenden e.
Angefügt ist nach Zupitza e auch in salvadre salvaire
s=s salvator, menre moindre ^ minor, maire axs
maior u. s.w.; aber hat man denn sicher einst salvadr,
menr, majr gesprochen und haben wir hier nicht viel-
mehr denselben Vorgang zu erkennen, wie in pr. entre
und sobre = int er und super und it. pg. pr. sempre,
sp. siempre = semper? Aus maior wurde erst majer
(so pr.), dann maire, aus salvator erst salvader (so
churw.), dann salvadre. Wie leicht ein tonloses e das
r überspringt, ist ja bekannt (vergl. übrigens it. quattro
u. s.w. =quattuor). So liefse sich zur noth auch vendre
auf vender zurückführen, etwa noch omne auf *omen
(auch pr.; vgl. pg. homem); aber nicht comte auf *comet.
Nicht minder hat sich in laire, lerre =s latro, in dia-
ble = diabolo u. s. w. *) o zu e geschwächt, da es
*) Zupitza citirt die nominative diables u. s. w., als ob es das s wire,
welches erst das bedürfnifs eines euphonischen e erzeugte. Er erwähnt zwar,
dafs palatales g ein solches e nach sich liebe, aber auf dieses palatale g
und auf das Schicksal der lat. endung -io hätte er näher eingehen mflsaen.
romanische Sprachwissenschaft. 441
nicht ganz wegfallen konnte. Ueberbaupt ist es kaum
anders möglieb, als dals das auslautende o in formen wie
bono, bomo erst zu einem dumpfen e, ganz wie in einer
grofsen gruppe italienischer mundarten, herabsank, bevor
es völlig verstummte. In den eidformeln ist noch no-
stro, poblo, Karlo und daneben schon Karle geschrie-
ben. Gröfseren Schwierigkeiten begegnen wir in der con-
jugation. Chantesses, chantasses wird nach Zupitza
für cantavisses gesagt, weil sonst dieses mit canta-
vissem (pr. auch mit cantavisset) zusammenfallen
würde. Für das proven^aliscbe ist das klar; es verhält
sich hier chantesses zu chantes vrie im praesens flo-
risse 8 (dessen erwähnung unter II, B, 2 geboten war)
zur 1. ps. florisc, floris und zur 3. ps. floris. Im alt-
französischen aber heilst es floris = florescis und =
floresco und die 1. ps. sg. des conj. impf, lautet, wie auch
Zupitza zugibt, in den erhaltenen denkmälern nicht chan-
tas, sondern chantasse; wir fassen daher besser das e
der 2. ps. chantasses als analog dem e der i. ps. chan-
tasse. Im pr. und altfr. sg. conj. praes. der I. conj., so-
wie in der pr. 2. ps. sg. ind. praes. der II und III. conj.
betrachtet Zupitza die formen ohne e als die ursprüng-
lichen, obwohl er für am es kein altfr. ^ am s nachzuweisen
vermag. Das e, welches in einigen formen von anfang an
euphonisch nothwendig war, kam allmählich „als willkom-
menes auskunftsmittel beim vers und reim" in allgemeine-
ren gebrauch. Aus dem conj. des praes. drang dann das
e in die 1. ps. sg. conj. impf, chantasse für ^chantas
ein. Das -i der I . ps. sg. ind. praes. im prov. soll nicht
aus -o entstanden, sondern als hilfsvokal ursprünglich nur
an unerträgliche konsonantenverbindungen angetreten sein.
Es galt auseinanderzusetzen, warum es franz. heifst -ier und -aire ss -ario,
-oir und -oire ^ orio, warum huis =: ostio, aber Ambroise s=: Ambrosio,
Denis =s Dionysio, aber Service = seryitio, coutelas s=s ^cultellaceo, aber
bonasse = ^bonaceo u. s. w. Auch des einflusses der feminina der I. dekl.
auf solche der III. und V. deklin. war zu gedenken; denn konnte lautlich
aus praefatio, facie, temperie statt pr^face, face, tempoire nicht auch *pr^
fas, *fa8, *tempoir werden, ganz ebenso gut wie aus martio, solacio, dormito-
rio : mars, soulas, dortoir?
4A2 Schuchardt
i^Dafs hier gerade i vorzugsweise beliebt war, daran wa-
ren wohl die verben auf io oder die mit ihnen ganz gleich
behandelten auf eo schuld, die o nach der regel abwer-
fen, i behalten und e in i wandeln^; es werden angeführt
sai = sapio, ai = habeo, auzi = audio, feri ss
ferio. Indessen ist es durchaus nicht noth wendig, dafs
o wirklich abgefallen ist, es kann sich i an seine stelle
gedrängt haben, wie o an die von a in der it. l.ps. sg.
ind. impf. amavo = amava nach analogie von amo. Die
Sache verdient weitere erwägung. In den heutigen prov.
mundarten herrscht unbedingt i (e) vor, nicht nur in der
1. ps. sg. ind. des praes., sondern auch des impf. (Diez
gr. 11^, 222 hat neben amavi = amabam preniou =
prendebam, während es z. b. im nizzardischen ebenso
wohl sentii, rendii wie aimavi lautet und hier Ober*
haupt i in jeder 1. ps. sing, auftritt). G^nz so finden wir
im lombardischen und in den angränzenden mundarten des
ämilianischen kreises (wie denen von Pavia und Mantua)
in der 1. ps. sg. ind. praes. und impf, i oder e z, b. mail.
ami^ amavi, bergam. ame, amäe, ebenso in den östlichen
mittelromanischen mundarten, z. b. friaul. ami, amavi,
grödn. ame, amove. Man vergl. damit im churw. des
Rheinthals das merkwürdige amel, amavel, auch ama
neben am, scriva neben scriv. Es darf nicht aufser acht
gelassen werden, dafs im ital. das o nicht mit gleicher
leichtigkeit im auslaut der 1. ps. sg. ind, praes., wie von
nominen schwindet. Die Schriftsprache wahrt es dort im-^
mer auch nach vorhergehender liquida. Dasselbe verhält-
nifs besteht in zahlreichen mundarten; so heifst es im tu-
rinesischen zwar mort = morto, salv = salvo (adj.),
aber porto, servo (vb.). Endlich will Zupitza im altfr,
chantames =s cantavimus e nicht aus u, sondern ans
der analogie der 2. ps. chantastes erklärt wissen. Dabei
hätte er aber die vorzugsweise dem pikardischen eige^^n
ondungen -omes, -iemes in den übrigen 2. ps. pl. (som-
mes = sumus allgemein) berücksichtigen und neben
chantastes die formen estes, dites und faites nen-
nen müssen. — Aus dem gesagten wird sich ergeben, da(9
romanisch« Sprachwissenschaft. 4^3 1
das capitel über den nordwestromanischen auslaut der Qe^
cundae curae noch bedarf. — Zu der miscelle von Andre-
sen (s. 113 f.)) welcher refuser auf ein frequentativum
""refusare zurückführt, bemerken wir, dafs Oiez diese
deutung schon längst in seiner grammatik (nicht erst in
der 3. aufl. II, 40 J) gegeben, merkwürdigerweise aber im
Wörterbuch eine andere aufgestellt hat ( zusammenfliefsen
von recusare und refutare).
Von Böhmer^s romanischen Studien sind bis jetzt zwej
hefte erschienen; das erste enthält literarisches in deutscher,
das zweite linguistisches in lateinischer spräche. Wir kön-
nen nicht begreifen, dafs gerade für die behandlung sprach-
wissenschaftlicher fragen das lateinische gewählt worden
ist; warum nicht statt dessen, wenn nicht das deutsche,
so doch eine andere neuere spräche? Und mufste es lateio
sein, so hätten wir ein bündigeres und rücksichtsloseres
gewünscht, keine dissertationsfloskeln, keine solchen Über-
tragungen, wie Tommaseo (der lexikograph) in Thomasens,
B^yard in Badiarius (aufserhalb der etymolog. erörterung)
u. s. w. Ufsber den gebrauch der lat. spräche zu derartigen
zwecken sei es uns gestattet, das urtheil ejpes gewifs un-
parteiischen, nämlich eines Italieners, anzuführen. F. d'Ovi-
dio sagt, indem er von den Curtius'schen ßtndjen spricht:
„Sarebbe desiderabile che gli egregi giovani, che inseriscono
i loro lavQri in cotesta bella raccolta, scrivessero sempre
in tec^esco, invece che, come taluni di Ipro faqno, \n l^r
tino; Qhh h un latino il loro di difficilissima digestione'^
(Suir origine delP unica forma flessionale dcl pQpae italiaPQ
8. 32). Die abhandlungen im zweiten hefte der roman. Stu-
dien rühren sämmtlich vom herausgeber her. Der gegen-
ständ der letzten ist von allgemeinster bedeutung; auf deni
etwas zu kargen räum von 6 Seiten wird: „de sonis gr^m-
maticis accuratius distinguendis et notandis^ gesprochen.
Bei jedem vokale seien zu unterscheiden: tempus, ampli-
tudo, numerus, copia. Unter den beiden ersteren sind quanr
tität und betonung zu verstehen. Vom numerus ist nicht
mehr die rede, statt dessen wird der begriff der altitudo,
der tonhöhe, auseinandergesetzt. Als anaphonesis und ca-
441 Schuchardt
taphonesis unterscheidet Böhmer die verwandlang eines
vokales in einen höheren (fr. mer = mare) und die in
einen tieferen (fr. sec =s siecus). Die copia wird erläu*
tert an dem beispiel von fr. pcur und pur, in welchen
der eine vokal zwar ebenso lang, stark und hoch ausge-
sprochen werde wie der andere, aber voller. Die vokal-
tafel Böhmer^s besitzt nicht nur 2 e und 2 o, sondern auch
2 u, 2 ü, 2 i und 3 a. Nur der geschlossene laut von
u, Q, i wird mit roman. beispielea belegt („locos quosdam
reliqui occupandos, quamquam non desunt quae propo-
nam^?), der oflfene (und kurze) mit den deutschen kumme,
kümmel, kinn. Es ist sehr mifslich, bei der aufstellung
von vokalnHancen sich auf das deutsche schlechtweg zu
berufen, da in solchen punkten die ausspräche auch der
gebildetsten unter uns merklich von einander abweicht^
Wenn z. b. Blanc in seiner italienischen grammatik s. 40
sagt, e aperta klinge wie e in ,)geleert^ und e stretta
wie e in „gelehrt^, so sind wir so klug wie zuvor und
ebenso vermögen wir nicht mit Böhmer in kinn und
kind einen zweifachen i-laut oder in kumme und kund
einen zweifachen u-laut zu ergründen. Von den drei fran-
zösischen a gehört das eine (doppelt unterpunktirt) wohl
entschieden noch unter die e; denn wenn für die betref-
fende länge und kürze als beispiele paraitre und com-
paraison gegeben werden, so kann es sieh nur um ai
handeln, was freilich ausdrücklich hätte gesagt werden
müssen, und dieses ai unterscheidet sich in der aus-
spräche nicht von dem e in acc^s und p^re. Das a in
madäme und ämi und das in las und combat sind nicht
so weit von einander entfernt, wie geschlossenes und
offenes e oder o, wie denn auch sonst Böhmer's scheinbar
durch zahlen erhärtete behauptung, „vocales scalae meae
normales septenorum supervagantium intervallis disiunctas
esse" (s. 298) eine willkürliche ist. Franz. oi darf nicht
durch oa (s. 296, 1 v. u.), sondern nur durch ua umschrie-
ben werden. Unrichtig ist es, für den gegensatz des ita-
lienischen geschlossenen und offenen e als beispiele legge =
legit und legge = lege zu wählen. An dem konsonanten-
romanische Sprachwissenschaft. 445
System Böhmer^s haben wir folgende ausstellungen zu ma-
chen. Man mag immerhin von dentalen und palatalen
(statt des sonst üblichen „gutturalen^; als gutturalis gilt
nur h) reden; nur vergesse man nicht, dafs nicht die fe-
sten, sondern die beweglichen Organe, nicht zahne und
gaumen, sondern lippen, Zungenspitze und zungenrücken
den ersten eintheilungsgrund abgeben. Sonst wäre auch f
kein labial, sondern ein dental. Die t- laute werden mit
der Zungenspitze durch berQhrung theils der zahne, theils
des gaumens gebildet. Daher ist es ein grofser mifsgriff,
das sardische d zu den palatalen zu rechnen und die zun-
genstellung dabei als ganz nebensächlich zu betrachten (d
heifst laminaris supinalis, der g laut vor e und i laminaris
dorsalis). Man sehe die tafel bei Brücke. Die dentales
zerfallen wiederum in interdentales und linguales ; aber we-
der die eine noch die andere bezeichnung ist zu rechtfer-
tigen, diese nicht, weil sie weit mehr, jene weil sie etwas
anderes bedeutet, als sie ausdrücken soll. Denn unter in-
terdentales wird niemand z, ä, sondern nur J, i^ verste-
hen, welche von Böhmer mit dem nicht der mechanischen
erzeugung entnommenen ausdruck „blaesae" belegt wer-
den. Böhmer kennt drei zitterlaute: r velaris in fr. France'
r laminaris dorsalis in fr. Paris, r lingualis alveolaris in
it. Firenze. Es gibt in der that nur zwei, das uvulare
oder gutturale r (bei Brücke |) und das linguale oder ei-
gentliche r. Das erstere kommt bei den Franzosen aller-
dings nicht selten vor, gilt aber immer für fehlerhaft; nie-
mand wird in der ausspräche von France oder Paris das
grasseyement empfehlen. Das andere r gehört gemäfs der
dabei eintretenden Zungenstellung der dentalen klasse an
und mag auch die zunge bald mehr nach vorn, bald mehr
nach hinten liegen, so läfst sich doch darauf keine einthei-
lung dieses r begründen, da es bei ihm nicht, wie bei den
reibelauten, auf die zwischen zunge und gaumen gebildete
enge ankommt. Auf italienischem boden stehen r molle
und r forte nebeneinander; aber der unterschied ist kein
qualitativer, sondern ein quantitativer, indem die zahl der
Vibrationen dort eine geringere, hier eine gröfsere ist. Un-
446 Schnchardt
begreiflich erscheint es uns, wie in fr. brancard, pinCcfr
n überhaupt als konsonant und zwar in ersterem worte als
velaris, in letztcrem als laminaris genommen werden kaofl.
— In dem *aufsatze : de colorum nominibus equinomm ist
eine ganz aufserordentliche gelchrsamkeit niedergelegt. Die
sprachlichen bemerkungen ziehen sich hier wie ein dünner
faden in altphilologischer weise durch die menge der lite-
rarischen nachweise und sachlichen erörterungen. Utn un-
ser urtheil fiber Böhmers linguistische methode fester zn
begründen, sei es uns gestattet, auf seine beitrage „zur
lautwandlnng der romanischen sprachen^ im Jahrbuch' f.
fom, und engl, literatur X, 173 — 202 zurückzugehen. Die-
jenigen etymologien, welche Diez auch nur vermdthungs-
weise und voll bedenken s aufgestellt hat, darf man nicht
bei Seite schieben, ohne darlegung der in ihnen enthalte-
nen schwächen und Ificken. Vor allem darf man deü ein-
mal angenommenen oder nachgewiesenen zusammenbang
der Wörter nicht muthwillig aufser acht lassen; wer ff.
bfanler aus ^vibrantulare herleitet, hat sich um das Schick-
sal von fr. brandiller, brandir, altfr. brant zu bekümmern,
und man kann it. brettine nicht aus frenum erklären, ohnre
seine Verbindung mit it. briglia, fr. bride zu zerreifsen *).
Es dürfen keine laut Veränderungen herbeigezogen werden,
die überhaupt nicht zu belegen sind, auch solche nicht,
die wenigstens auf- dem gebiete, für welches sie giltig seiü
sollen, nicht wirklich nachweisbar und aus gründen der
analogie nicht einmal wahrscheinlich sind. It. ferzare
wird von = *feriare abgeleitet; aber fttr den Übergang
des i zu z in einem allgemein it. wort läfst sich sard. ab-
berzo, coberzo = aperio, coperio nicht anfiQhren.
Will man analogien citiren, so untersuche man zuvor, ob
sie auch passen. Eine tonverschiebung vidülus as= vi*'
dulus wird durch it. figliuolo =5 filiolus nicht g^-
*) Was soll man dazu sagen, wenn Böhmer roman. Stadien s. 209 die
ableitung des fi*. foie von ficätum fUr eine abgeschmackte erklärt? Aus sp.
hfgado und it. f^gato gehe hervor, dafs das lateinische wort fi'catnm gelam-
tet habe. Und sard. figäu, venez. figk, rumän. ücät, welche Diez wohl sorge
getragen hat anzuführen, fallen in's wasser?
romaniBche Sprachwissenschaft. 447
stützt, da hier aus dem diphtbongeo io ein anderer 16
geworden ist. Nach Böhmer ist in fr. fils, lis (pt. Hli))
bis = ^bileus s aus j ^= i entstanden; für ein solches
s darf man sich aber weder auf tiers (wo s = ti; mOfste
es denn nicht auch filse = filia wie tierce = tertia
lauten?) noch auf pr. fas, selbst wenn es aus *faj, fai
= faciö hervorgegangen wäre, noch auf ähnliches beru-
fen. Weiter mufs man bei der aufstellung lateinischer the-
mata mit vorsieht zu werke gehen. In bezug auf die so
ungemein üppigen neubiidnngen der spräche ist doch eine
grenze anzuerkennen. Und wenn auch hie und da em
romanisches wort auf eine äftere wortform, als die in den
denkmälern überlieferte zurückgeht, so kann dies immer
nur als ausnähme angesehen werden. In fr. grenouille
t. b. ist das g so merkwürdig, dafs es zu entschuldigen
ist, wenn man an das fortbestehen eines ursprünglichen
*grana für rana in Gallien denkt. Nach Böhmer kommt
frenum, fraenum wohl durch *frajnum von *fragnnm
her; auf dieses sei „vielleicht" it. brettine zurückzufüh-
ren (vokaleinschub : "^frÄginum, f := b: *br&gina, vokal-
attraction: *braigna, *bregna, erweichung des g:
*brejtia, Vorschlag von d: *bredjna, Verhärtung des d:
br^ttine, daher auch it. redina, sp. rienda, fr. r^ne).
um wie vieles ist dieses „vielleicht* zu leicht! Sehliefs-
lioh aber gilt es, auch von den gestatteten mittein einen
mafsvollen und einsichtigen gebrauch zu machen. Wir be-
dienen uns zwar bei sprachwissenschaftlichen auseinander-
setzungen gern mathematischer zeichen und ausdrücke, wir
dürfen aber dabei nie vergessen, dafs lautwandlungen keine
mathematischen formein sind. In bezug auf ihre giltig-
keit stufen sie sich so sehr ab, dafs wir keinesi^regs diel
eine ebenso gut wie die andere in rechnung setzen kön«
nen. In fr. ^p^e = spatha sind alle vier Veränderungen
1 ) ep- = sp-, 2)6 = bei a, 3 ) ausfall des t zwischen
vokalen, 4) e = ausl. a vollkommen regelmäfsig. Solcher
Veränderungen könnten wir bei der erklärung romanischer
Wörter beliebig viel kombiniren; je mehr wir aber solche,
die nur sporadisch auftreten, zusammenhäufen, desto mehr
448 Schuchardt
verliert die herleitung an Wahrscheinlichkeit» Ganz un-
zweifelhaft ist sp. quemar =s cFemare und sp. brusco
= r US cum; aber der verschlag des b und der ausfall
des r in sp. buscar = *bruspicar = *ruspicar aus
ruspari erscheint mehr als bedenklich. Am stärksten
vergeht sich Böhmer gegen diese Vorschrift, wenn er fr*
hazard aus ^favorarium herleitet: faorarium, fau-
rarium, fararium, hararium, hariarium, harja-
rium, harjard, barzard, harsard (scharfes s), ha-
sard, hazard. Bei einer so langen reihe von lautwand-
lungen inüfste jede als sicher, ja nothwendig dargetban
werden; statt dessen sind einzelne geradezu unglaublich.
Um dem im französischen seltensten Übergang des f in h
einen neuen beleg zu gewinnen, hebt er die nun schon auf
den Schulbänken gelernte gleichung fr. heu r (in bonheur,
malheur) = augurium auf und leitet heur, altfr. eQr,
pr. aQr, sogar andal. agur, it. sciagura von favor ab.
Augurium könne nicht ohne weiteres ,,glQek^ bedeuten.
Wenn er wegen *hariarium = ^hararium das fr. 16-
vrier = ^lepriario = leporarius anführt, so übersiebt
er, dafs zwischen -ier und -ario nicht -iario, sondern
-airo,-ero liegt (ie ist diphthongierung von e). Die
romanische endung -ardo, -ard identificirt er lautlich mit
lat. -ario; die mittelstufen sind ihm -arjo, -ardjo. Aber
für dies d = dj = j bleibt er uns den nachweis schul-
dig. Sehen wir aber auch von diesen und anderen beden-
ken ab, so wird doch ein gröfstes bedenken bleiben, eben
das wegen der aufserordentlichen menge der lautübergänge.
Denn es gibt zwar nicht wenige lateinische Wörter, die
auf ihrem wege bis in irgend eine heutige mundart fast
unkenntlich geworden sind; aber den zurückgelegten weg
werden wir doch immer an einer gröfseren oder geringeren
anzahl von historisch bezeugten oder in den verwandten
mundarten fortlebenden mittelformen verfolgen können. Für
hasard gibt es keine ältere romanische form und die Um-
gestaltung des doch gewifs erst spätlatein. ^favorarium zu
hasard würde sich in einen verhältnifsmäfsig kurzen Zeit-
raum zusammendrängen. Gegen ein solches verfahren, wie
romanische Sprachwissenschaft. 449
wir es an verschiedenen beispielen erläutert haben, erheben
wir einspräche, sollte es auch in dem einen oder dem an-
deren falle zu einem glücklichen ergebuifs führen. Unsere
romanistische Wissenschaft geniefst gerade das seltene glück,
von einem manne begründet worden zu sein, der mitten
in fruchtbarer und umfassender ueuerung vorsichtig und
mafsvoU geblieben ist; sollten nun die jüngeren beim wei-
terbau die kardinaltugend des nieisters verläugnen? Es
gibt in der that nicht wenige, die ihren Diez mehr auf
den lippen, als im herzen tragen. Zu dem im Jahrbuch
X, 194 erörterten Ursprung des anlautenden b im franzö-
sischen werden nun in den romanischen Studien s. 233 fg.
neue beitrage geliefert. Wie blond aus flavidus d. i.
^flagvidus, so stamme u. a. auch ble, it. biado aus fla-
cidus (daraus ^fladus, wie nudus aus *nugdus) („flacidum,
quod de auribus demissis usu venit, de velis pendulis, de
foliis, optime dici potuit de spicis maturis ubertate nutan-
tibus" s. 234); für blanc und bleu möchte Böhmer den
germanischen Ursprung (ahd. blanch, blao) zurückweisen
und lieber an Verwandtschaft mit blandus denken, das
nach Ernst (sol) Curtius gr. etym. von einer wurzel mla
herkommen könne („itidem blavum pro mlavo accipio "
s. 233 ). Ebenso leitet er s. 236 brun (= ahd. brün) von
burere und gris (= mhd. gris) von cresius ab. In
der anm. auf s. 234 stellt er flaue und flaque zur Wur-
zel von languere (wohin auch kayopsg^ lactes, la-
cus, laxus gehören), flatter zu lactare (von lacere)
und flaistre zu lacerus d. i. "^vlacerus. Er fügt
hinzu: „Nee vero talia pfo exploratis vendito; hoc dico,
experimentis etiam nunc opus esse, donee pedetemptim,
quae fieri pro re nata non potuerint, aliquante melius per-
spiciatur." Also zur experimentaletymologie sollen wir zu-
rückl Diez vermuthet, dafs sp. zorra, fuchs, von zurrar,
haar abschaben, komme und dies gleich surr ädere sei.
Böhmer sagt s, 254: „perperam conieeit; est enim sca-
brare'^; mit dem zorra aber sei identisch it. sauro,
soro u. s. w., dunkel- und goldbraun (welches sich übri-
gens auch im rumänischen findet). Es wird also still-
Zeitschr. f. ygl. sprachf. XXI. 5. 29
450 Schachardt
schweigeud vorausgesetzt, dafs nicht nur im spanischen
und portugiesischen, sondern auch in den übrigen romani-
schen sprachen, ohne durch irgend ein denkmal bezeugt
zu sein, ein *scabra, fuchs existirt und sich zu saura um-
gewandelt habe. — Ferner gibt uns Böhmer einen auszug
des sprachlich interessanten aus einem Leydener arab.-lat.
glossar des 8. — 9. jahrh., welches von F. Oehler und F. A.
Arnold abgeschrieben worden war. Die Übereinstimmun-
gen im einzelnen des vulgären oder barbarischen lateins,
das in diosem glossar herrscht, mit dem heutigen spanisch
sind gering z. b. aguratrix (sp. agüero), vietus (sp.
viejo), eglesia (sp. iglesia). Wenn auch baccula,
bacca hier für vacc. geschrieben steht, so glauben wir
nicht, dafs baccunus, stultus (^baccunnus, rusticus,
stultus^ Papias, „bachunis, stultis rusticis^ Salomo, „bac-
cones, agricolae, rustici** Gloss. b. DC) =» sp. vacuno
und dafs auch it. baccalare von vacca abzuleiten sei.
Es ist vielmehr an piemont. bacan, bauer, sowie an tosk.
bacocco neben baciocco, einfaltspinsel zu erinnern;
wohl auch an span. baca, tropf. Wie dieses zu baca,
beere, so verhält sich it. baccello (baccellone), dum-
mer tropf (welches freilich merkwürdig mit dem bacelus
oder baceolus, das der kaiser Augustus im munde führte,
übereinstimmt) zu baccello, hülse, bohnenschote; denn
letzteres geht sicher auf bacca, beere, zurück, da nicht
nur, wie Diez et. wb. 11% 7 bemerkt, sp. baya, sondern
auch lucches. baca (s. Fanfani Voc. dell' uso toscano)
schote heifst. Ebenso hängt it. baggiano (auch baggSo
=- baccello) mit baggiana, bagiana, frisch ausgehülste
bohne (wälschtir. bazana, churw.-oberl. bigiauna bedeu-
tet schote, hülse) zusammen. Aehnlicherweise, sagt Fran-
cesco Redi, seien nach pisello benannt „piselli e pisel-
loni certi uomini semplici, scimuniti, e di soverchio cre-
duli". Vielleicht gehörten hier noch her tosk. bagattino,
bagolino, comask. bäcol (vgl. röm. bucalone), die un-
gefähr dasselbe wie baccellone bezeichnen (it. bagola,
eisbeere). Es verdient endlich noch erwogen zu werden,
ob nicht auch it. bagattella, kleinigkeit und bagattino,
romanische Sprachwissenschaft. 451
kleine kupfermönze, ffir welohe Diez etym. wb. I',45 nichts
sicheres ermittelt hat, zu bacca (baca) zu ziehen sind;
vgl. wegen der bedeutung des zweiten Wortes bajoccho,
römische und bajella, toskanische Scheidemünze, die eher
auf it. bajuca, kleinigkeit, als auf it. bajo, braun, hin-
weisen. Mit dieser auslassung haben wir keineswegs un-
serseits zweifellose ergebnisse darlegen, sondern nur zeigen
wollen, wie, vor allem etymologisiren, es nothwendig ist,
nach kräften mundartliches material herbeizuschaflfen; wie
vieles, was uns erst unanfechtbar scheint, wird bedenklich,
je mehr sich unser horizont erweitert! Am Schlüsse des
Leydener glossars finden sich von derselben band u. a.
acht bezeichnungen von pferdefarben in völlig romanischer
form (so castango f. castano, bayro = varius, ro-
dano f. roano nach B. = ^ravidanus, musaco f.
mosaico). — Der übrige räum des heftes ist den Um-
schreibungen altfranzösischer Wörter mit hebräischen buch-
stabeu gewidmet. Es wird zuerst ein (unpunktirtes) glos-
sar der Bodleiana (13. jahrh.) von A. Neubauer mitgetheilt;
Böhmer untersucht dann das daselbst angewandte transcrip-
tionssystem und bespricht endlich das (punktirte) glossar
der Leipziger Universitätsbibliothek (ende des 12. jahrh.,
n. a. jünger), von dem er eine probe gibt. Sicherlich ver-
mag auf die art, wie zu irgend einer zeit Wörter einer
Sprache ausgesprochen worden sind, die auffassung und
wiedergäbe derselben durch andersprachige licht zu wer-
fen. Beachtenswerth erscheinen uns daher die altern ein-
kleidungen spanischer Wörter in arabischem oder franzö-
sischer in deutschem, griechischem, englischem, koptischem
gewand. Die bedeutung hebräischer Schreibung für das
altfranzösische war bisher noch nicht genügend erkannt.
Diez gr. I^, 415 anm. sagt^ es sei nichts aus des Rabbi
Salomon Jarchi commentar zum Pentateuch zu lernen, da
man die damalige ausspräche des hebräischen in Frank-
reich selbst nicht genau kenne. Dieser umstand hat in-
dessen weniger zu bedeuten als es scheint. Denn inner-
halb desselben dokuments läfst sich erst die hebräische
ausspräche aus sicheren französischen fällen bestimmen,
29*
452 Schuchardt
ehe man sie selbst als kriterium aimimmt. Hätten es nar
die jüdischen Schreiber gewissenhafter mit der darstell ung
der französischen laute, die sie horten, genommen I Aller-
dings folgten sie im wesentlichen dem phonetischen prin-
cip. Aber sie liefsen sich zunächst durch die französische
Schrift zu manchen inconsequenzen verleiten. So wird im
Oxforder glossar 6 durch p mit darüber stehendem haken
ausgedrückt, weil für diesen laut auch der Franzose eine
modification dos Zeichens für die gutturale tenuis anwen-
det (ch); z aber durch V, weil fr. i (heute j) neben seinem
ursprünglichen diesen werth hatte. Da V nun sowohl j
als z bedeutet, so kann nicht selten zweifei darüber ent-
stehen, wie es zu fassen sei; doch glauben wir nicht, dafs,
wie Böhmer will, damals chan-ya, ^tragne, sa-yes für
changea, Strange, sages gesprochen worden ist. ^^ be-
zeichnet wie fr. il das mouillirte 1; das zeichen des reinen
vokals 4- n, wie im französischen, den entsprechenden na-
salvokal. Böhmer verfallt hier in den schon oben gerüg-
ten irrthum, in ombre die silbe om als vokal + palatal-
nasal zu betrachten. Man könnte denken, Böhmer nähme
// als übergangsstufc zwischen n, m und vokalnasalirung
an, etwa auf die altfr. Schreibweise ng gestützt, sowie
darauf, dafs diejenigen, welche keinen nasalen vokal her-
vorbringen können, den reinen vokal mit darauf folgendem
palatalen n hören lassen. Aber er sagt ausdrücklich (s.202):
^m quod hodicque scribitur quum pronuntietur ?^% wäh-
rend dieses i] sich wohl im deutschen (z. b. lang, sprang),
doch nicht im französischen vorfindet. Wenn der Hebräer
flanbe, remanbra u. s. w. schreibt, so richtet er sich
hier nach der altfranz. Schreibung; es lehrt uns dies nichts
neues. Böhmer, der, wie wir eb^n bemerkt haben, J vor
konsonanten durch /; (palat. n) wiederzugeben pflegt, setzt
vor auslautendem t, also z. b. in der participialendung
-ant, statt dessen n (alveol. n). Seine argumentation ist
folgende. Da der Schreiber sich keiner stummen buch-
staben bedient, so mufs t in -ant noch lautbar gewesen
sein. Die Voraussetzung ist allerdings dadurch wahrschein-
lich, dafs n in der endung der i.^. ps. pL perf, nicht mehr
romanische Sprachwissenschaft. 453
geschrieben, weil nicht mehr gesprochen wurde; die daraus
gezogene folgerung mag also gelten. Was aber soll es
heifsen, dafs in -ant „nondum n palatalem sonum assump-
serat, id quod ante dentalem sonantem fieri aegre potuit"
(s. 203)? Warum sollte man nicht ebensowohl ecriva;;t,
jeai^ts U.S.W, wie lii^tei?;, atai^^tes, ametso??s u.s.w.
gesprochen haben? Die dentale ausspräche des n in die-
sem falle kann auch nicht aus einer reihe von participien
in -nat für -nant (z. b. abominat, pardonat) ge-
schlossen werden: „quae si plenius sonuisset na?;t, postre-
nium potius sonum abiecisset, quam primum^. Nasales
a steht doch dem reinen a viel näher, als a -+- n. Ander-
seits sehen wir die hebräische Schreibung mit der franzö-
sischen im Widerspruch, ohne dafs die ausspräche die ver-
anlassung dazu gegeben hatte; so drückt das eine zeichen
g den doppelten laut p und f, den einen laut v das dop-
pelte zeichen 2 und )) aus. Die französischen vokale und
diphthonge mit den geringen mittein des hebräischen ge-
nau darzustellen, war allerdings sehr schwierig, aber ge-
wifs auch für den betreffenden zweck nicht nothwendig
und daher nicht beabsichtigt. Den binären combinationen
der drei zeichen Ji^, % ) entsprechen bei Böhmer eine sehr
grofse anzahl von bedeutungen (je 4 — 6). Von vorn her-
ein unwahrscheinlich ist es uns, dafs ein unterschied zwi-
schen offenem und geschlossenem i und u gemacht wor-
den sei. Und wie käme es, dafs dann mit geschlossenem
e, o nicht sowohl das dem am nächsten stehende offene
i, u, sondern geschlossenes i, u dasselbe zeichen ^, ) ge-
meinsam hätte? Untersuchen wir, ob sich irgend ein an-
hält für diese vertheilung entdecken läfst. Es soll "^^ fol-
gende werthe haben: j, [ (offenes i), ie, ei, (ii), (ee). V fin-
den wir für i als zweiten theil eines diphthongen: ^^^ =
ai, ^^^ = oi; aber wir halten dafiXr, dafs dies mit der gel-
tung von ^^ = j zusammenhängt. Den diphthongen stel-
len die Semiten nicht als Verbindung zweier gleich be-
rechtigten vokale, sondern eines vokals mit einem konso-
nantcn dar*). Ferner wird für ^^ = i eine ganze reihe
*) Wir glauben, dafs auch hier es sich nicht sowohl um wiedergäbe
454 Scbuchardt
von formen angeführt. Aber in folgenden Qbertragen wir
gemäfs altfranzös. Schreibung v durch ei, nicht durch |:
1037. 5<t^^^51^1p = kose-il-a d.i. koselja, nicht kosila,
252. 1^52^ = sein, nicht s^iy,
956. ^*nT^*lB = freidure, nicht frjdur^,
lOO.S (nicht 103). 5l?*l'»'^B'^^ = epeir8(hoflaiung), nicht epirs,
215. ßPP^^ = ateint, nicht atjnt (in 788. D6DJ^^GDfc<
= ataintes; Böhmer sagt: „substantivum ana-
krusin addidisse vidimus^ s. 210),
238. tOJ^^SJ^^ = anpeint, nicht ai;pint,
442. 5<*nj''^Ji = tseindra, nicht ts^i^dra,
567. ^^"iQ^i^ = epeis (vgl. 870. K^'^^^g''^ = epes),
nicht epis.
In ein paar föllen ist ^^ irrthümlich für e geschrieben : met
1089 (= mitte), tretse 194 (= it. treccia, welches noch
dazu Böhmer aus trepere = vertere bei Festus, Diez aber
aus rgi^ct ableitet; weshalb also jener tr^ts^ mit i?) und
in kolevre 92 (für couleuvre; „i ex ü^ sagt Böhmer, aber
in diesem worte ging u früh in o, dies dann in ue, eu, e
über: sp. culuebra, culebra). Statt t^iybr^ 254 (= tym-
panum) finden wir im text selbst ti^^br^ als Umschrift von
i<*lDJE)> ^'®^ keine spur von ^\ tD^'^ll 5 läfst noch eine
andere deutung zu als rojt (= rubricavit). Sicher ist ^^
= i nur in: tortifiors (nicht fortifiors) 883, asits 75 und
epi 1072. Und welches recht haben wir in dem i dieser
drei Wörter ein offenes zu sehen, da wir sonst für das i
jedes möglichen Ursprungs dem einfachen zeichen ^ begeg-
nen? ^^ gar bezeichnet nur ein einzigesmal einen vokal:
(*l)^/1Vm 581 und es ist also vollständig willkürlich, dies
durch deviuler mit offenem u wiederzugeben*). Auch,
der französischen ausspräche, als der französischen schrift handelt. >^ ist
nach Böhmer = offenem e und = ai; wie vermag er beides za scheiden?
dürfte er nicht ebensowohl veseel, lesa, wie vaiseel, laisa, auf gpmnd von
altfr. vessel, lessa schreiben? tJ^^^XD ^^^ ^^^ ll^^KD *^^ verhalten sich
ganz so zu einander, wie die Schreibungen fais und fes (fascis).
*) Was den s. 207 berührten erweis lateinischer vokalqnantität ans ro-
manischer Vokalqualität gerade für u betrifft, so habe ich denselben schon
vok. d. vulg. IT, 192 geliefert.
romanische Sprachwissenschaft^ 455
WO es sich um deutung des ^^ als ei oder als ie handelt,
ist keineswegs immer das richtige getroffen worden. Warum
z. b. V^^tl^^ 205 (nicht 203) = asiets, statt = aseits (vgl.
V^üi^ 1018 = asets) von ad satis? Warum hingegen in
einer reihe von formen der 3. ps. pl. perf. I. conj. JJ*!^^ =
-eiret, statt = -ieret; warum nicht: tserkieret 335, me-
zurieret 514, korotsieret 737. 1051, depetsieret 861, atakie-
ret 1131, toäieret 1132, wie richtig demarkiets 189, kovai-
tiets 270, sesier 338, tserkier 575 geschrieben ist? Wir
beschränken uns auf diese bemerkungen ; denn för die aus-
spräche der altfranzösischen vokale und diphthongen wird
allerdings aus diesem glossar nichts wesentlich neues zu
ermitteln sein. Eher mag es uns einige aufschlösse über
die ausspräche der konsonanten geben. Merkwürdig ist
besonders der fast regelmäfsige Schwund des s vor c, p, t
und die häufige Vertretung des 1 durch r (wie proye =s
pluie, konprayant = complaignant, ekrarzit =» eclaircit,
frank, angre = ange, veritabre), die in diesem umfang kaum
irgend einer französischen mundart anzugehören scheint.
Ob V, welches heutigem 9 für assibilirtes t und c ent-
spricht (z. b. gratse, itsi) in der that ts gelautet hat, kann
nicht mit Sicherheit behauptet werden. Hierauf hätte sich
G. Paris stützen können, wenn er für das Alexiuslied die
ausspräche ts = c vor e, i beansprucht, y besitzt den
gleichen werth im Leipziger glossar, das übrigens z durch
J mit darüber stehendem haken, f durch gestrichenes g,
V durch gestrichenes 3 und durch y\^ Ij durch ^t^ ausdrückt.
S fehlt hier ebenfalls, z. b. in naitre, etant. Böhmer hält die
punktation dieses glossars für gleichzeitig mit der buch-
stabenschrift; dem augenschein nach ist sie jünger. Ist
aber wohl anzunehmen, dafs der spätere Schreiber ganz
in d«em sinne des ersten Schreibers punktirt habe? Schwer-
lich. Zudem sind die punktirungen theils an sich wider-
sinnig, theils stehn sie untereinander im Widerspruch. Denn
eine silbe ^p = ka mufs punktirt werden ^T^ oder ^n;
456 Schuchardt
wir finden aber noch folgende weisen: ^n (21. 58. 131 ),
^p (33. 6ö), ^p (41. 104), ^p^ (47), ^p_ (83. 130). In
^a^in^' exalta (53) und J^^^^^^J^, vigila (110) ist pathaob
• »4
gewifs fehlerhaft (obwohl sich auf das auslautende unbe-
tonte a mancher alt franz. denkmäler hinweisen liefse), es
mufs schwa stehen, wie in ^JJ^g für fosse, ^lOl'n für comme
: I
u. s. w.; eine merkwürdige form bleibt eholtse immerhin
Sollten nicht CD^'^T^^ISj BntS^JD (1*) ebenso auf einem
• • • •
versehen beruhen? Böhmer meint dieses -irent der 3. ps.
pl. perf. I. conj. stamme, ,,mutato exacutionis loco^, (also ei
für ei) aus dem im Oxforder glossar nachgewiesenen -eir^t.
Elingegen ist es wohl kein zufall, dafs ^^ ftkr et (sonst
i^9 ^9 ^^^9 ^(^ geschrieben), was Böhmer nicht bemerkt su
• • • • t •
haben scheint, in dem gegebenen auszug wenigstens, nur vor
vokalen vorkommt. Alles in allem genommen können wir
sagen, dafs, wenn der Schreiber des Oxforder glossars sich
zu seinem texte eine ähnliche punktation, wie die des Leip-
ziger ist, hinzugedacht hätte, die Sache dort noch weit
hoffnungsloser sein würde, als sie uns ohnedem schon er-
schienen ist. Die akribie der Böhmerschen Umschrift blen-
det das äuge; sie ist aber grofsentheils eine unäcbte. Es
werden bäkchen, Schnörkel und accente aus den hebräi-
schen buchstaben herausgelesen, die ein unbefangener ver-
gebens darin sucht. Trotz den angedeuteten mangeln der
vokalisation indessen verspricht das Leipziger glossar ge-
nügende ausbeute, um seine vollständige mittheilung wün-
schen zu lassen.
In Paris ist vor kurzem von P. Meyer und G. Paris
eine Zeitschrift für romanische sprachen und litterataren
unter dem titel „Romania^ begründet worden. Die bei-
den vorliegenden hefte entsprechen vollkommen den er-
wartungen, die wir gehegt hatten, und so bringen wir dem
fortgang des Unternehmens unsere wärmsten wünsche dar.
An das eben besprochene reiht sich am besten die erwäh-
romanische Sprachwissenschaft. 457
nung der abhandlung von A. Darmesteter: Glosses et glos-
saires hebreux-fran^jais du moyen-äge (s. 146 ff). Dieselbe
ist jedoch fast ganz litterariscben inhalts; sie leitet die
Veröffentlichung der linguistischen schätze, welche uns mit
beigäbe ausführlicher commentare verheifsen wird, ein.
S. 1 56 f. sind einige andeutungen Ober den werth der glos-
sen des Raschi für die feststellung der französischen aus-
spräche zu ende des ll.jahrh. gegeben. Auch auf die her-
kunft manches dunkeln wertes fällt aus diesen glossen ein
lichtstrahl. Nur scheint es uns zu gewagt, aise (welches
in der bedeutung „leerer räum neben einem" vorkommt)
auf asea = area zurückzuführen, welches im Vulgärlatein
erhalten worden sei. Derselbe gelehrte hat an einem an-
deren orte (s. 92 ff) aus talmudischen texten einige Vulgär-
latein, formen an den tag gefordert. Zuerst ein paar in
weibliche singulare übergegangene neutrale plurale (2. jahrh.
n. Chr.): klostrah serrure = claustra, anpilia schuh =?
impilia, istadia Stadium = stadia (diese beiden können
wegen des accentes nicht unmittelbar aus dem griechischen
herübergenommen sein, weil es hier jy kuniXia^ ri (TraSia
gelautet haben würde) und vielleicht e.speclaria, Spiegel
(welches auch die deutung aus einem weibl. adjektiv zu-
läfst), also ganz entsprechend dem pr. claustra, it. cbiostra
und zahlreichen anderen romanischen formen (Diez gramm.
IP, 23). Das übergewicht des casus obliquus über den
casus rectus weist Darmesteter an komt(6n) = comes
(spätestens mitte des 3. jahrh.) und locotenentes (späte-
stens 7. jahrh.) nach; letzteres stimmt trefflich zu heredes,
superstites u. s. w. (vok. d. vulg. I, 35. III, 9). In capo-
clator („der Ober die köpfe wacht") aus dem 2. jahrh. ha-
ben wir schon das romanische capo = caput, in masma
= maxima (spätestens anf. des 2. jahrh.) kommt das 8s=sx
auf rechnung des lateinischen, nicht des hebräischen, wel-
ches ks zu wahren pflegt. — Unter dem sprachlichen in-
halt der Romania bemerken wir ferner zwei etymologien
von G. Paris (s. 96. 216). Das fr. faite war bisher (auch
von Diez) dem lat. fastigium gleichgesetzt worden. Paris
zeigt, dafs dies lautlich unmöglich ist, dafs vielmehr fatte
4r)8 5ichuchardt
(in der alten spräche sind nur die formen feste and fest
nachweisbar) vom doiitschen firste oder first herkommt.
Er fahrt altpr. frest, altfr. festre, Schweiz, fr^te an; warum
aber nicht auch das altpg. festo, unter welchem ja Dies
(et. wb. II*, 132) das wort faite bespricht, und warum er-
wähnt er nicht, dafs Diez (ebenda s. HIO) wenigstens fre-
ste, frest von first ableitet? Nicht ganz so schlagend, doch
sehr erwftgonswerth ist die etymologie des fr navrer. Mit
recht erklärt sich Paris gegen r'ie zulätiglichkeit der Diez'-
sehen herleitung aus ahd. nabager. Er verweist auf ein
anderes deutsches wort, nämlich auf narbe, ahd. narwa.
Etwas mehr bedenken als die bedeutungsentwicklung (narbe:
wunde, sard. fleck) erregt die lautentwicklung. Wenn
Paris sagt (s. 218): „L'inversion de IV est un fait tr^
frequent en roman, surtout quand cette liquide precMe
une labiale. II est vrai que d^ordinaire Fr est ^cart^e de
la labiale (trouver, troubler etc.); mais ici on ne ponvait
faire passer IV apr^s Vn initiale^, so möchte man glauben,
die Verbindung vok, H- r -f- kons, -f- vok. habe etwas nn-
ssuträgliehes gehabt und es sei nur zwischen *nrava und
*navra zu wählen gewesen. Allerdings heifst es z. b. it
leggiadro für leggiardo, sp. ogro, fr. ogre = orcus, aber
fOr vr SB rv ist uns kein gemeinromanischer beleg gegen-
wärtig (vgl. altlogud. avru =: arvn bei Spano; umgekehrt
südsard. larva = labnim ). Zu navrer stellt Diez zweifelnd
pg. escalavrar, leicht verwunden ; ist nicht eher Zusammen-
hang dieses mit fr. balafre denkbar? — Ueber die form,
in welcher deutsche Wörter in^s französische flbergegangen
sind, handelt d'Arbois de Jubainville: „La langne fran-
que, le vieux-haut-allemand et la langne fran^aise (8.129 ff.).
Indem er das fränkische und das althochdeutsche streng
auseinanderhält (er hebt besonders das fränkische -o der
1. ps. 8g. ind. präs. gegenüber dem ahd. -u hervor) unter-
scheidet er jenes wiederum in das ältere des merovingi-
schen und das jüngere des karolingischen Zeitalters* So
komme auberge ans dem älteren, heberge aus dem jQng^
ren. Die ursprüngliche fränkische form sei 'cbaribergi.
Es werden die versc'hiedenen gestaltungen de8 in der zu-
romanische spraehwisnenschaft. 459
sammensetzung so häufigen cbari- verfolgt; in der karolin-
gischen poriode finden wir zunächst hari- (har-), dann mit
amlaut hair-, beir-, heri-, her-. Der scbwund des anlauts
im munde der Galloromanen wird schon aus merovingi-
scher zeit bezeugt (ari- unmittelbar ans chari-?), häufiger
aus karolingischer (ari-, ar-, aire-, air-, eri-, er- = hari-
Q. s. w.). Merkwürdig aber bleibt es, dafs die form,
welche den jüngeren vokal aufweist, das h vor demsel-
ben wahrt, die aber mit dem älteren vokal nicht. Wie
e gegenüber a, so war g gegenüber i von Dicz als
kennzeichen der späteren klapsen der aufgenommenen ger-
manischf^n Wörter aufgestellt worden. d^Arbois de Jubain-
ville bestreitet den chronologischen wcrth von ß und i für
das französische, er führt die cherusk. Segi-mundus und
Segi-meres, das mars.Malo-vendns des Tacitus, das sicambr.
/jBvd6(}i^ und MiXoiV des Strabon an und zeigt vor allem,
dafs fränkisch frStus, frödus zum mindesten ebenso früh,
wie fritus und fridus in den denkmälern vorkommt. Aber
er irrt, wenn er diesen gegenbatz von frSdus und fridus
in den beiden franz. Wörtern frais und Geofroi fortgesetzt
sieht. Frais, alt fres, geht auf frSdus zurück. Aber
warum: „Geofroi vient de Godefridus, avec i bref
aocentue. Cet i bref accentu^ est devenu oi en fran^is,
conformement ä la r^gle generale". (S. 142)? Diese „all-
gemeine" regel, die übrigens ihre sehr bestimmte begrän«
zung haben dürfte, wird von Diez nur auf das lateinische
bezogen und hier ist oi nicht unmittelbar aus i, sondern
zunächst aus geschlossenem 6 entstanden (poil = urroman.
it. p^lo = pTlo, wie voile = v^la). Gilt die regel nun
auch für das deutsche, so mufs hier ebenfalls wiederum
zwischen i und oi S in der mitte stehen, also zwischen
Godefridus und Geofroi: Godefrödus. Wir erwähnen bei
dieser gelegenheit eine andere arbeit von d^Arbois de
Jubainville: Etüde sur la döclinaison des noms propres
dans la langue franque ä Tepoque merovingienne (Extrait
de la Biblioth^que de TJ&cole des Chartes) Paris 1870.
Die fränkischen eigennamen muisten allerdings in den la-
teinischen denkmälern jener zeit wesentlich wie lateinische
460 Scbuchardt
Wörter declinirt werden; hier und da aber schimmert doch
die ursprüngliche deutsche declination durch. So finden
wir als nominative der starken männlichen a-declinatioD
noch Arsenctas und Unfachlas; später schwand das a:
Alligisels, Theodorics und im karolingischen Zeitalter auch
das s: Karl, Ludhuwig. Die formen Bodolevos, Ten-
dericos u. s. w. werden auf rechnung des spätlatetnischen
gesetzt, welches o an stelle des klassischen u liebt. Auch
einige namen der starken i- declination sind uns erhalten,
wenig männliche, wie Arbogastis Arbogastes, Bladastis
Bladastes; viel weibliche, wie Berteildis, Radegundis
Rhadegundes. Aus der schwachen declination finden sich
einige reste des casus obliquus, der aber nur bei den fe-
mininen eigentbümlich hervortritt (so Berta, Bertane), bei
den masculinen dagegen mit dem lateinischen casus völlig
zusammenfällt (so ßoso, Bosone). Denn die männernamen
in -a, -ane (so Gundila, Gundilane), die sich vereinzelt
auf fränkischem gebiete zeigen, betrachtet d^A. d. J. als
Gothen oder Burgundern angehörig. Von demselben Ver-
fasser rührt neuerdings eine abhandlung über den fränki-
schen text der Strafsburger eidformeln her (gleichfalls in
der Bibl. de T^^c. d. Ch.)? welche uns noch nicht zu gesicht
gekommen ist.
Zum Schlüsse gedenken wir des artikels von allge-
meinstem interesse, mit welchem G. Paris die Zeitschrift
eröfihet, nämlich über die ausdrücke Romani und Romania;
ein weiterer Artikel über „lingua Romana, Romancium^
soll folgen. Es wird hier gezeigt, dafs alle bewohner des
römischen reichs, abgesehen von ihrer ursprünglichen na-
tionalität, mit dem namen Romani bezeichnet wurden und
dafs dieser name auch nach dem eindringen der barbaren
so lange fortdauerte, wie der unterschied zwischen erobe-
rern und unterworfenen ; darüber hinaus nur in zwei ftllen,
in Graubünden und an der Donau. Ueber das deutsche
wort „walah^ wird uns eine besondere Untersuchung in
aussieht gestellt, der wir mit Spannung entgegen sehen.
Wenn mir s. 1 anm. nachgesagt wird, ich scheine eben-
falls (V. d. V. III, 264) die Verwandtschaft von Roma und
romanische Sprachwissenschaft. 461
Ramnes anzunehmen, so ist dieser irrthum wahrscheinlich
durch Corssen veranlafst, der aus der angezogenen stelle,
wie aus vielen anderen, einen ganz verkehrten sinn her-
ausliest. Dafs s. 10, anm. 6, der geschichtsschreiber Con-
stantin Porphyrogennetes in das 7. Jahrhundert versetzt
wird, daran bin ich unschuldigerweise schuld, indem ich
sagte: „nach C. P. waren die be wohner dieser gegenden
bis in^s 7. Jahrhundert römisch^. S. 11 anm. 3 ist doch
wohl statt „la continuite du latin en Dacie et la date r^-
lativement recente de la reprise de possession de cette
province par les Roumains^ zu lesen „la non-continuite*.
Romania hiefs einst das römische kaiserreich; dann, abge«
sehen von der politischen grenze, die römische weit im
gegensatz zum barbarenthum ; zwei länderstrichen ist bis
auf den heutigen tag der name verblieben^ der Romagna
und Rumelien. Es werden die grenzen der Romania in
kurzen werten angedeutet und eine genauere darlegung
derselben vom frühesten mittelalter an bis auf unsere zeit
verheifsen. Daran knüpfen sich einige betrachtungen über
den gegensatz der romanischen und germanischen civili-
sation, mit denen wir uns einverstanden erklären, gegen
die wir wenigstens nicht den Vorwurf des Chauvinismus
erheben. Vielleicht werden wir an einem anderen orte
darüber einige worte sagen.
Leipzig, anf. aug. 1872. Hugo Schuchardt.
Etymologische beitrage.
1.
Noch einmal invitus, invitare.
In dieser Zeitschrift XX, IJ^O. 181 habe ich den
zweifei ausgesprochen, ob die von mir ebenda XX, 161 ff.
gegebene deutung von lat. invitus wider willen, invitare ein-
laden richtig sei. Dieser zweifei ist, wie ich bei näherer
prüfung eingesehen, unbegründet und die dort gegebene
erklärung der lateinischen Wörter durchaus unanfechtbar.
Um den leser nicht mit Wiederholung des a. a. o. gesagten
462 Fick
zu ermOden, stelle ich hier in aller kOrze diejenigen bil-
duDgen zusammeu, die za iovitus, invitare gehören, und
diese worte als bestandtheile der ig. Ursprache erweisen:
ved. käta m. verlangen, begehren, absieht; aufforderung,
einladung, skr. kätajati aufTordern, einladen. — Lat. in-vitu-s
(ftlr in-cveitu-8 wie vapor fQr cvapor und vlnu-m für yei-
no-m = ^oivü) wider willen, ungern, in-vitfire einladen
(von vito = cveito eiuladung ^ ved. kSta einladung), e-vl-
tare (ex negirt, also : nicht laden =: fernhalten =) vermei-
den. — preufs. k. quäit-s (flQr quäita-s) nom. qu&iia-n und
quäiti-n acc. der wille (= ved. k^ta begehren), lit. kvSczn
(= kvet-ju) kves-ti einladen, kvös-ty-s m. hochzeitsbitter
(= einlader), lit. kvet == kvait. Das stammverb kit ist
erhalten im skr. kit k^tati kik^tti (wahrnehmen, merken
auf) beabsichtigen, bedacht sein, beschliefsen,
wollen (sich zeigen, erscheinen, gelten, bekannt sein) und
im preufs. k. praes. sg. 1. 2. 3 quoi (mit abfall det t) l.pl.
quoitämai 3. pl. quoitä wollen, po-quoit-t>uns part. act. be-
gehrt habend, po- quoi t-i- ton part. pass. begehrt, po-qubit-f-
-$na-n acc. gelüste, quait-s der wille.
Es mag dem geneigten leser Oberlassen bleiben, ob
es zulässig sei, einem zufalle zuzuschreiben, dafs die bei-
den bedeutungen: wille und einladung in drei resp. vier
sprachen unseres Stammes an einer lautgruppe haften, die
mit beobachtung aller lautvertretungsgesetze innerhalb der
einzelspracheu auf ein ursprachliches kaita, europäisches
kvaita wille, einladung sich zurückführen läfst, oder ob
nicht vielmehr kaita für die Ursprache, kvaita fär die eu-
ropäische Spracheinheit mit der bedeutung: „begehr, wille;
einladung^ anzusetzen sei.
2.
floTida-g Poseidon und ved. idaspati.
In einer trefflichen, eingehenden abhandlung hat Ah-
rens im Philologus (mir leider augenblicklich nicht cur
band) die sämmtlicben Spielarten des vielförmigen namens
des griechischen wasser- und meerbeherrschers zusammen-
gestellt. Für unsere zwecke genügt es die zwei hauptfor-
etymologische beitrage. 463
men zu erkennen und aufzustellen, eine kürzere und ältere
UoTida-g = Tloaidrj-g (wovon z. b. IloiiSa-ia f. die be-
kannte Stadt der Chalkidike und IIüaiSf]'iü'g IlotfiSs^io-g
adj. poseidonisch) und Iloastdciajv oavog bei Homer = do-
risch HüTBidäv, Man sieht leicht, dafs i>8 in IIüTidag^ eiÖ
in Iloasiddojp zu einander stehen, wie ^lö-üv zu j:aiö'f]<Sa)^
cfvy zu (pevya) u. 8. w. Gehen wir von der kürzeren und
älteren grundform UoTiScc-g = Tlotfiötj^g aus, so erkennen
wir in dem worte eioe regelrechte Zusammensetzung aus
TioTi = no(Si und lÖa == lÖti. Das erste glied Trort, noai
ist das bekannte, uralte ig. wort pati mächtig, herrschend
subst. herr, gatte, das zwar im griechischen in der form
noai-g sonst nur gatte bedeutet, aber in seinem feminin
noxvia = patnl (d. i. patniä) noch die herrschende, mäch-
tige, die herrin, „frau" bezeichnet. In üotiöa-g ist nori,
noch mit voller verbalkraft als nom. agentis mit dem sinne
des part. act. zu fassen „beherrschend^, das folgende glied
iSa ist von diesem novt abhängig. Es tritt also unser
wort ganz in die reihe jener griechischen Zusammensetzun-
gen, wo das nomen agentis auf Ti, später at, da» zweite
glied regiert, vgl. ßiüri-dvei^ja männer weidend {ßo) == ßo
nähren + ccveq mann), dvriai-öwQa gaben aussendend
{dvir]ui, ccv-r^ aussenden öügo gäbe), kvci-fiaxo-g streit lö-
send [kv lösen /Accxi] kämpf), Tiai-ipuPfj mordrächerin (ri
rächen (f6ro mord) u. s. w. Die bcdeutung des zweiten
worttheils lörj ist „seh wall" von der wurzel id schwellen,
die sich in den sprachen unseres Stammes reich entwickelt
nachweisen läfst. £s gehören dahin: skr. id idä f. trank,
labe, gedeihen, erquickung (grundsinn „seh wall"), indu
tropfen, funken (= lichter tropfen =) mond, ind-ra der
„schwellende", strotzende, mächtige himmelsgott, griechisch
oiödixj schwelle, olö-fjia -d-akdaarjg meeressch wall , oldog
oiSrjjna geschwulst; ahd. eiz mhd. eiz m. geschwür, eiter-
beule, an. eit-r, ahd. eitar n. gift sb nhd. eiter, ksl. jadü
(= edü) m. gift (wie germ. aitra) und ganz im ursprüng-
lichen sinne jadro (= ed-ro) n. Schwellung, bausch, jadri-lo
n. und jadrina f. segel (^sich bauschend, blähend"). So-
nach ist lloriäa-g ein novi-ida-g „schwallbeherrscber". —
464 Fick
Die möglichkeit, das wort so zu deuten, wird man zuge-
ben müssen, allein es bleiben allerdings bedenken. Ein-
mal ist ja noTi in der alten bedeutung des lat. poti-s be-
herrschend, herr sonst im griechischen erloschen, femer
ist die Wurzel id schwellen sonst nur in der gesteigerten
form üiS auf griechischem boden nachzuweisen. Die ge-
wüsheit, richtig gedeutet zu haben, giebt uns der umstand,
dafs in einer auderen spräche unseres Stammes sich eben-
falls aus den beiden dementen von llotida-g^ nämlich pati
und id, ein altes götterbeiwort zusammengesetzt vorfindet,
id und idä f. im Veda heifst labung, erquickung, labetrank;
sodann Strömung des gebets, ergufs der andacht. Hieraus
wird gleich deutlich, dafs: „seh wall, Schwellung, strotzen^
die ächte grund bedeutung des wertes ist, wie uns ja auch
die obige Zusammenstellung mit indu tropfen, ind-ra Indra,
ülödu) schwelle u. s. w. schon gelehrt hat. Nun werden an
zwei Vedenstellen götter mit dem namen idas-pati (idas
gen. sg. von id -+- pati herr) angerufen, Rv. VI, 58, 4 wird
Püsan, Rv. V, 42, 14 wird Brhaspati so genannt. Dieses
idaspati ist, wie man leicht sieht, seinen dementen (id -f-
pati) nach ganz dasselbe wie HoTida-g^ nur dafs in Flori'
öag die composition eine feste geworden (idas-pati ist
blofse zusammenrückung) und eine Umstellung der glieder
stattgefunden, eine Umstellung, welche auf einem griechi-
schen compositionsgesetze beruht, dafs näfnlich bei Zusam-
mensetzungen mit dem nomen agentis auf t^, cTt dieses an
die spitze des compositums treten mufs (vergl. /Jion-aya^a
und die oben angeführten beispide). \
Sonach ist nicht wohl zu zweifeln, dafs dd^ name
IIoTidag auf dem indogermanischen götterbeiworte "pati-s
idas (idäs) oder idas (idäs) pati-s herr des Schwalls, "^des
schwellens beruht. Kein bestimmter, persönlich gefafs^r
gott hiefs so, sondern es gehört dieser name zu des(
alten heiligen formein, womit das göttliche nach einer\
bestimmten seite seines wesens hin bezeichnet ward, etwa V
wie die anrede an göttinnen ved. duhitar divas ss &vyd'- ^
TtiQ Jwg (vgl. xovgai. zliog alyioxoio). Auf arischem bo-
den ist denn auch aus dem idaspati keine ausgeprägte
etymologische beitrage. 465
göttergestalt erwachsen; bei den Griechen entstand aus
der alten formel die feste, nach griechischen gesetzen voll-
zogene composition IJorida-g und, was sehr leicht begreif-
lich, der herr des Schwalls, des schwellens wurde zum
herrn der schwellenden gewässer, zunächst wohl der sü-
fsen, dann auch des meerschwalls umgewandelt.
Ueber die jüngere form riotJ-siddcop können wir uns
kurz fassen. Sie entstand zu der zeit, als das alte iSt]
unterging, und die wurzel id schwellen nur noch in der
gunirten form eid (wQraus später oiS in oiddo) olSfia u.s. w.)
bestand. Damals bildete man floT'eiöacuv gleichen sinnes
mit floT'idrj-g; später hätte man, um dem namen seine
durchsichtigkeit zu erhalten, IloT'Oidawv bilden müssen
(oid schwellen) und so scheint wirklich dialektisch das wort
hier und da gesprochen zu sein.
Göttingen. A. Fick.
Altdeutsches hl und hr als gl, kl und gr, kr
in Personennamen erhalten.
Was in appellativen Wörtern der deutschen spräche
nur selten angetroffen wird, dafs ursprüngliches h vor 1 und
r mit der zeit in die gutturale media oder tenuis über-
gegangen ist (vgl. Hildebrand im deutschen wörterb. V, 4,
951), das scheint sich auf dem gebiete der persönlichen
eigennamen viel häufiger zu offenbaren, als im allgemeinen
vorausgesetzt zu werden pflegt. Während man bei Pott
vergebens nach heutigen geschlechtsnamen forscht, deren
doppelkonsonantischer anlaut altem hl, hr entspricht, bie-
tet Förstemann, wenn ich mich recht umgesehen habe, un-
gefähr ein dutzend, Steub dagegen (oberd. familiennamen,
München 1870) weifs an eigener stelle (s. 103 und 104)
gegen hundert beispiele zu versammeln, die sich sogar
ausschliefslich auf die beiden stamme hl od und hrod be-
ziehen sollen. Die gegenwärtigen zeilen wollen darthun,
dafs auf der einen seite noch eine anzahl hinzugefügt wer-
den dürfe, auf der andern der gröfsere theil zu streichen
sei. Das letztere mag zuerst geschehen.
Zeitschr. f. vgl. sprachf. XXI. 6. 30
466 Andresen
Vergleicht man zu den von Steub verzeichneten namen
zunächst ßitter's geographisches lexikon, so weisen sich
folgende, wenu sie als jüngere namen keine andere erklä-
rung zulassen, was bei mehreren gleichwohl nicht der fall
ist, buchstäblich als localnamen aus: Kleist, Gleifs,
Kreidel, Kreuz, Grötsch, Qries, Q ritsch, Krisch,
Kruis, Kripp, Kropp, Grub, GrQb; bei Klamm
wird auf ein böhmisches Klum zu verweisen sein, Gramm
kann mit Grumme bei Bochum zusammenhangen, Krötzel
zu Krotzel in Schlesien gehören, und Klopper, Klaaber,
Klocker mögen unbehindert die herkunft von den örtern
Kloppe (Mähren), Klaub (Böhmen), Klocken (Preufsen)
oder die wohnung an denselben bezeichnen, gestatten aufser«
dem noch eine andere deutung, der man sich wohl leich-
ter anzuschliefsen grund haben dürfte als der entwickelung
aus deiu alteu hlod oder chlod. — Unter den von Steub
auf die beiden stamme hlod und hrod zurückgeführten
geschlechtsnamen befinden sich ferner Kraut, Krug,
Klotz, Glock, Greis, Krieg und andere namen, deren
viel einfachere und natürlichere appellative erklärung sowohl
an und für sich den vorzug zu verdienen, als insbesondere
durch vorhandene verwandte und nebenformen wo nicht
bewiesen so doch wesentlich unterstützt zu sein scheint.
Von Kraut giebt es die Zusammensetzungen Unkraut
und Iskraut, das verkleinernde Kräutlein, ein Diebold
Krutelin und ein Görge der Krautstengel werden von
J. Grimm (Kl. sehr. 2, 399) aus Urkunden angeführt; aus
Klotz entspringen die heutigen deminutivnamen Klotz -
lin und Klötzchen; neben Krug sind die niederd. for-
men Kroog und Krogh (am liebsten als wirthshaus ver-
standen) zu vergleichen u. s. w. — Auch namen wie Klug,
Kraus, Krumm, Kroll, Grob, Groos hat Steub hier-
her gestellt, ohne darauf zu achten, dafs ihre gleich-
falls als geschlechtsnamen nachweisbaren seitenformen, z. b.
Kluge, Klook, Kloke, Klauck, Klaucke, oder
Krause, Gruse, oder Krumme, Crumpe (mhd. Ejrumbe,
V. Krump), Krome (niederd.), unzweifelhaft das adjectiy
enthalten, das mithin auch für jene anzunehmen steht.
altdeutsches hl und hr u. s. w. 467
Oder wer mag glauben, dafs Klug und Kraus aus Cblod
und Chrod entspringen, Klaucke aber und Cruse den
klugen und krausen bezeichnen? — Endlich sollen nach
Steub nicht allein Klaiss, Closs und Kloos sondern
selbst Klaus aufChlod zurQckgehen; mindestens das letz-
tere wird so leicht niemand glauben, aber auch jene drei
werden unstreitig am besten mit Nikolaus vereinigt, wozu
Crecelius kürzlich (zeitscbr. f. deutsche philol. IV, 3, 346)
mit vollem recht, wie ich urtheile, auch Loos gehalten
hat (vgl. Laus, Laws, Laas, Lass).
Rechnen wir die besprochenen namen zusammen, so
kommen allerdings erst reichlich 30, noch nicht die hälfte
der von Steub zusammengestellten namen heraus; es soll-
ten aber überhaupt nur die hervorragendsten beispiele ge-
geben werden. Ueberlässt man sich der mühe mit den
übrigen, so wird sich das zu anfang ausgesprochene urtheil
bald bewähren; zur probe führe ich noch auf: Kl über,
Klüpfel, Gluck, Glück, Grosch, Kreis, Krück.
Es bleibt gleichwohl ein kleiner theil von namen bestehen:
diesen in Verbindung mit den von Förstemann aufgeführten
zu beurtheilen, sowie vermuthungen Über bisher noch ent-
weder gar nicht oder doch nicht in altdeutschem sinne er-
klärte heutige geschlechtsnamen zu äufsern, wird nunmehr
unsere zweite aufgäbe sein.
Unter Chlodio verweist Förstemann auf Glöde*),
Klode, Kloth, Kludt, von denen die beiden letzteren
in verschiedenen gegenden häufig vorkoifHpeQ) auch in um-
gekehrter Schreibung Klodt und Kluth; Steub hat aufser-
dem Klott und Glauth; ich füge ferner hinzu: Kloidt,
Clouth, Klutt, Gluth, wage es auch Claude hierher
zu ziehen und nicht für franz. zu halten. Ja was hindert,
zumal da ausdrücklich Clodius und Chludius in Urkunden
begegnen, die drei namen Claudius, Clodius, Cludius,
welche insgemein fUr römisch ausgegeben werden, als blos
latinisierte formen des altd. Chlodio zu betrachten? Lassen
wir den gutturalen anlaut fallen, so haben wir namen,
*) Glöte mag vom orte Gldthe (reg. bes. liagdeb.) herrtthren.
30*
46S Andresen
welche den obeugeuanDten buchstäblich gleich stehn: Lode,
Löde, Loth, Lott, Lutt, Lauth. Die deutschheit
von Claude wird unterstützt durch die in Berlin vorkom-
menden uauien Clodi und Cl ander, von denen jener de-
minutives i zeigt (vgl. Stark Kosenamen s. 53), dieser, wie
mich dünkt, nicht sowohl ableitendes -er (F. Becker progr.
Basel lbü4 s. 15. Steub s. G9) als vielmehr Zusammensetzung
mit her enthält. Darnach wäre Clan der nebst Klöter
und Klüter zu vergleichen mit Lauter, Löther, Lo-
der, Lotter und ähnlichen; man beachte die verschiede-
nen bildungen bei Förstemann unter Chlodochar. So viel
von hiod.
Dem stamme hrod überweist Förstemann die heutigen
geschlechtsnamen Gruttke, Kruttge und Grotting,
während Steub neben andern unannehmlichen*) den hierher
passenden namen Krott aufführt; ich nenne noch aus Ber-
lin; Grutte, Grottke, Krötke. — Wie vorhin Klöter
zu Chlodochar, Chlothar, ebenso kann K röter (vgl. Rötter,
Köder u. a. m.) zu Chrodohar, Chrothar gehalten werden,
und G rüder dürfte gleichfalls stimmen, GrOger aber,
wofern es nicht Krüger sein soll, gleich Rüger, d. i.
Rüdiger gelten. — Was kann der in Berlin vorhandene
name C r u d e I i u s bedeuten ? Für lateinisch darf man ihn,
obwohl es faniilien giebt, die Grausam heifsen, der form
wegen nicht halten, es müsste denn zugleich ein sonder-
barer misgriff angenommen werden; latinisierung des fran-
zösischen namens stimmt ebenfalls nicht. Legen wir
dagegen eine deutsche form „ Krudel " d. i. Chrodilo,
Hruodilo (vgl. Rudel, Rudel) zu gründe, so bleibt nichts
weiter zu vermissen. Aus diesem altd. namen können auch
durch zusammenziehung die namen Gruhl, Gruel, Grühl
(vgl. Ruhl, Rühl) hervorgegangen sein. — Zuletzt führe
ich und zwar mit dem allergrörsten vertrauen einen namen
an, von dem, soviel mir bekannt ist, sämmtliche forscher
bisher geschwiegen haben; er kommt in hiesigen und an-
'") Auf die formen mit auslautendem z, tz, geschweige Roh, 8, lasse
ich mich absichtlich garnicht ein.
altdeutsches hl und hr u. s. w. 469
grenzenden gegenden in drei formen vor: Krudewig,
Krutwig, Krautwig. Anfangs war ich nicht ungeneigt,
da mitunter wirklich ^wig" für „weg" begegnet (Kurtz-
wig neben Kurzweg, Viebig neben Vieweg), einen
krautweg, etwa der durch krautland führt, zu verstehen;
sehr bald aber Oberwog bei weitem die rücksicht auf den
altd. namen Chrodowig, Hruodwig (Förstern. 743), den ich
jetzt allein festhalte. Dem vorwürfe, dafs ich die heutigen
namen Kraut und Krautwig zu vereinigen mich nicht
entschliefsen kann, will ich durch zwei bemerkungen zu
begegnen suchen, 1) die form Krautwig kann als spätere
gestaltung, vielleicht als eine art verneudeutschung aus
Krutwig erscheinen*), 2) ein heutiger geschlechtsname,
welcher mit dem ersten theile eines altdeutschen voll-
namens übereinstimmt, ist nicht immer hypokoristisch, son-
dern zuweilen waltet das blos äufsere Verhältnis der homo-
nymität**).
Für die in rede stehende erscheinung haben wir schliefe-
lieh nun noch einen neuen stamm zu betrachten, nämlich
hraban. Förstemann stellt einen heutigen geschlechts-
namen Cremlin mit gutem recht der aus dem 9. jahrh.
nachgewiesenen form Crammelin gleich; dazu füge ich
den namen Kramel, welcher ein altes Chramilo voraus-
setzt. Sind wir nicht ferner auch berechtigt, den bekannten
adelichen namen Gramm nebst den beiden bürgerlichen
Kramm und Kramme auf Chramnus (Forst. 706) zu be-
ziehen? desgleichen vielleicht, obschon sie auch geogra-
phisch nachweisbar sind, Gramm und Gram, welchen
letzteren namen Steub wenig annehmlich und durchaus
wider erwarten „zornig" übersetzt? Mit Ghranno-Hrabano
♦) Man vergleiche Früh wein (Frowin), Liebrecht (Lintberaht)
Weichhold (Wigold) u.a.m.
**) Rothgang, Rothreich, Rothwald enthalten das alte hrod,
aber Roth kann auch, wie im lat. Rufus, zuname sein. Desgleichen mögen
nicht alle, welche Rath heifsen, ihren namen auf altdeutsche Zusammen-
setzungen wie Ratbald, Ratbod, Ratold zurückführen. Ebenso steht es um
Wald, welcher name doch gewis in erster linie lokal zu nehmen ist, ver-
glichen mit Wald heim, Wald he rr (Walther); ferner um Witt (hochd.
Weifs), obwohl Wittbold, Wittekind dem alterthum angehören.
470 Borda
(Forst. 707) köDneD endlich auch Gran und Grahn zn-
sammenhangen (vgl. Steub 126), doch ist die erstere form
mehrfach lokal. — Mit hraban zusammengesetste namen
erkenne ich in Granold and Eranold (vergl. Grannold
aus dem 8. jahrh. bei Forst. 709) = Rammelt, möchte
auch glauben, dafs G rang er und etwa Eraniger gleich
Hrabanger sind*). Unter Krahner versteht Pott den am
krahn beschäftigten; vielleicht ist der name nebat Kraner
und Grahner, wofern nicht alle vielmehr geographisch
erklärt werden müssen, als Hrabanher zu deuten. Als bei-
spiel der erhaltung des hr, ehr im zweiten gliede der Zu-
sammensetzung weifs ich fQr jetzt blos den namen Wolf-
gram (= Wolfram) zu nennen, den schon Förstemann
1352 verzeichnet.
Ob namen wie Grapp, Grabbe, Erabb, Krapp,
Krappe, welche durchaus hypokoristisch erscheinen, hier-
her gehören können, will ich in diesem augenblicke un-
untersucht lassen.
Bonn. K. G. Andresen.
Zur etymologie von naqqaaia.
Unter dem titel: „über den namen Uslaayog^ hat
Richard Piscbel in dieser Zeitschrift, bd. XX, s. 369 — 379,
einen aufsatz verö£Pentlicht, worin er den namen Ilelaayog
dadurch zu erklären versucht, dafs er ihn an eine ältere
form desselben namens anschliefst. Diese form glaubt er
nun in IlctQgaaiog gefunden zu haben und setzt parasja-(s)
als älteste gestaltung dieses Wortes an, das er aus paras
(weiter, jenseits) und der wurzel ja (gehen) erklärt. Die
Pelasger sind ihm daher „die weiterziehenden^, ^die nach
jenseits seil, des meeres ziehenden^. Abgesehen von den
lautlichen Schwierigkeiten, die eine gleichsetzung von üb-
Auayog und llcegdaiog schon an und fQr sich sehr bedenk-
ich machen, ist bei dem namen Ilekaayog nicht einmal
erwähnt, ob die Pelasger sich selbst so nannten oder ob
*) Der Ortsname Krängen verdient schwerlich den Vorzug.
zur etymologie von Uaqqaala. 471
sie von hellenischen oder barbarischen stammen zuerst so
genannt wurden. Was aber den namen IlaQQaöia für Ar-
kadien und als namen einer Stadt betrifil, so wäre vor
allem auszumachen, ob diese benennung an ort und stelle
aufgekommen oder aus der fremde dahin verpflanzt wor-
den sei. Wenn die Arkadier schon im Alterthum für au-
tochthonen galten, so ist höchst wahrscheinlich das erstere
der fall und JJaoQaaia mfisste eine bedeutung haben,
welche auf eine beschaffenheit des ortes selbst hinweisen
würde.
Betrachtet man die laute in dem worte UaQQaala^ so
muss man sich gleich erinnern, dafs a nach den schon all-
gemein bekannten lautgesetzen des griechischen auch aus
T entstanden sein könnte (vgl. eveQy6(fia^ MilriCLog), Die
erklärung von 6 aus r vor i bietet also keine Schwierig-
keiten dar, wogegen ein (S vor ^ zu schwinden pflegt (vgl.
yivu aus *yevBai), Jedenfalls ist Tlaggaaia^ UaQQciaioc,
mittels des Suffixes la und lo abgeleitet, nur muss man ein
Stammwort mit r annehmen und dazu passt das im alt-
indischen vorkommende wort pärvata-s (berg) vortrefilich,
weil es alle forderungen in bezug auf laut und bedeu-
tung zu befriedigen im stände ist. üeberdies gibt es
auch ein adjectiv parvatija-, womit Tlaggdaiog genau über-
einstimmt. Denn das doppelte q erklärt sich durch assi-
milation von rv zu qq^ während in der ebenfalls Ober-
lieferten form TldQßatsia der konsonant v als griechi-
sches Iß sich erhalten hat (vgl. ßqoxri regen mit lit. vil-
gyti benetzen, böhmisch vläha = altslov. vlaga feuchtig-
keit). Wenn es heifst: ^^Nudvuoq 8h flaQßaaiav q)7}aiv
aifvrjv xexlr^aO^ai öid Tt)v yfvxdovog sig rov Jia nagavo^
jbilav^^' so ist dies nichts anderes als Volksetymologie. Das
dem altindischen pärvata-s entsprechende griechische Stamm-
wort mag längst vergessen worden sein, so dafs man sich
riaQßaaict nicht anders als durch eine anlehnung an nagd-
ßaaig zu erklären wusste. Habe ich aber recht, wenn ich
TIaQoaaia von einem früh vergessenen, dem altindischen
pärvata-s entsprechenden griechischen worte ableite, so er-
giebt sich als bedeutung von flagoacia^ wo es das land
472 Meyer
Arkadien bezeichnet, die bedeutung „bergland*' {/laggaffia,
seil. }i]), wo es aber die Stadt bezeichnet, die bedeutung
,,berg8tadt^ (TlaQQacia^ seil, nohq)^ nnd beide sind ganz
natOrlich. Wenzel Burda.
'Edoi — ij:d(a aus Oejrdo),
Sophus Bugge führt in seinem gar manches werth-
volle enthaltenden aufsatze über „altlateinische Wörter und
wortformen bei Festus und Paulus^ im hundertundf&nften
bände der neuen Jahrbücher für philologie und pädagogik
(seite 95) unter anderem das wort desiväre auf, das mit
erklärendem desinere also „ablassen^ überliefert ist, und
identificiert das daraus entnommene einfache siväre mit
dem griechischen kdw^ das aus asfdco entstanden sein soll,
worin wir nicht den mindesten grund haben, ihm zu wider-
sprechen. Wenn er aber weiter bemerkt, dafs die epische
form eidü)^ wiewohl diese von Kraushaar im zweiten bände
der Studien von Georg Curtius (seite 430) geleugnet werde,
aus kjrdco entstanden sein könne, so muss ich dagegen
auf die bereits im zehnten bände (seite 50) dieser Zeit-
schrift von mir gemachte bemerkung hinweisen, dafs keine
einzige homerische form des verbs ^jräv mit el anlautet,
„aufser wo das augment sich vorfindet^. Weiter hält Bugge
noch für nützlich zuzufügen, dafs durch die erklärung des
griechischen ido) aus oefdoo der von Kraushaar vermuthete
Zusammenhang desselben mit dem indischen as „werfen,
wegwerfen, fahren lassen" jedoch nicht aufgehoben werde.
Dieser eigenthümlichen rücksichtnahme gegen Kraushaar
bedarf es aber in der that nicht, da sein aufsatz über das
griechische idw so gut wie ganz werthlos ist.
Dafs kdvi) aus (Ssjrdat entstanden ist, habe ich bereits
vor acht jähren in den göttingischen gelehrten anzeigen
ausgesprochen und zwar im Widerspruch gegen Georg
Curtius, der in seinen erläuterungen (seite 93) darauf hin-«
gewiesen, dafs die scheinbare unregelmäfsigkeit der mit et
augmentirenden verbalformen in der Vergangenheit der
/aoj — ißaw aus mj-aui, 473
spräche ihre erklärung findet, und dazu bemerkt hatte:
^Mit ausnähme von ^aw, über dessen Ursprung bisher nur
vermuthungen vorliegen, ist der consonantische anlaut für
sämmtliche hier aufgeführte verba (^i^/Cw, ikirröM, ^Axw,
^Ttouat^ kgyd^ouaij ^(jtto?, iaiidw^ %<«^; sl'ufjv, elXov^ eJffa)
erwiesen". Ueber käw bemerkte ich am angeführten orte
noch weiter, dafs es sich anschliefse an das altindische
suvati „er erregt, er sendet*^ oder vielmehr zunächst an
dessen causalform sävajati, neben der auch ein kurz-
vocaliges sävajati gedacht werden könne, dem das alte
^jrdsL ganz genau entsprechen würde. Aus dem Rgvedas,
in dem das angeführte verb gar nicht ungewöhnlich ist,
hatte ich beispielsweise drei stellen aufgeführt, die hier
wiederholt sein mögen: 5, 82, 4; adjä nas döva Savi-
tar pragävat sävis säubhagam, pärä duäväpniam
Suva 5, jetzt, o gott Savitar, sende (verleihe) uns kinder-
reiches glück, fort sende Schlaflosigkeit"; 9, 66, 19: ä suva
ürgam iSam ka nas „herbei sende uns kraft und speise";
7, 63, 4: ganäs suriena pra-sütäs „die menschen durch
die sonne erregt (erweckt)". An sonstigem zubehör mag
noch genannt sein: ä-sava-, m. „belebung, anregung",
ä-savitär-, m. „anreger", ä-suti-, f. „erregung, bele-
bung", pra-sava-, m. „antrieb, schwung, anregung; för-
derung, beihülfe", pra-savitär-, m. „antreiber, erreger",
prä-süti, f. „anregung, geheifs". Dafs für ^aw kein mat-
tes „zulassen", sondern ein lebendigeres und kraftvolleres
„lassen, veranlassen, antreiben, senden" als ältere bedeu-
tung zu muthmafsen ist, bedarf keines besonderen hervor-
hebens.
Dorpat, den 11. September (30. august) 1872.
Leo Meyer.
Reliqaiarum dialecti Creticae pars prior. Glossae creticae cum commentariolo
de univeisa creticae dialecti indole. Scripsit M. Kleemann. Balis
SaxoDum. In libraria Lippertiana (Max Niemejer) MDCCCLXXII.
Eine sorgfältige und verständige arbeit, welche die
aufmerksamkeit der leser dieser Zeitschrift wohl verdient.
474 6«rland, anzeige.
Ihr hauptgewicht liegt in der, so weit wir sehen, wohl
vollständigen Zusammenstellung der kretischen glossen, und
da dieselben, wie sie sprachlich höchst interessant sind,
der etymologischen erklärung viele sehr bedeutende Schwie-
rigkeiten bieten, welche noch keineswegs gelöst sind, so
ist es schon deshalb von werth, alle diese formen überse-
hen zu können. Eigene deutungen hat der Verfasser so
gut wie nicht versucht, kaum dafs er hier und da erklä-
rungen anderer vorbringt. Doch wird man ihm keines-
wegs eine solche beschränkung zum Vorwurf machen kön-
nen, gerade bei der Schwierigkeit seines materlals. Indem
wir nun in dieser Zeitschrift billigerweise das werkchen
nur nach seinem linguistischen werthe beurtheilen (obgleich
es auch fQr die kritik mancherlei bringt und uns z. b. die
emendation zu Schol. in Hes. Theog. 484 — s. 22, s. v.
aiyidoxog — sehr einleuchtend erscheint), so haben wir
noch zu bemerken, dafs auch die einleitung, welche über
den kretischen dialekt handelt, bei besonnener und gesun-
der art der forschung die dialectologie wirklich fördert
und namentlich der nachweis gelungen ist, dafs der kreti-
sche dialect selbst wieder nach zeit (was sich von selbst
versteht) und, was von gröfserem interesse ist, nach den
verschiedenen Städten und gegenden der insel sich man-
nigfach specialisirt habe. Um so mehr wundert es uns,
ab und zu auf eine ansieht gestofsen zu sein, welche auf
durchaus verkehrter auffassimg der mundarten und ihres
Wesens, ja der ganzen spräche und ihrer entwicklungsge-
schichte beruht. Der verf. nämlich erwähnt öfters die
„horrida ineruditorum hominum lingua^, ja er meint, die
höchst merkwürdige form r(;€ == <fi liefse sich durch den
willkürlichen einschub eines (>, der in jener horrida incul-
torum lingua möglich sei, erklären! Eine ähnliche aufifas-
sung ist es, wenn er s. 30 ysQoirag aus yBQovTag produc-
tione suppletoria erklärt, die wir hier gewifs ebenso wenig
haben als in avyelv^ avoog u. s. w. für dkyslv u. s.w.,
welche diphthonge s. 18 richtiger besprochen sind.
Der zweite theil, den herr Kleemann in aussieht stellt,
wird sämmtliche kretische inschriften enthalten; wir wün-
Kuhn, anzeige. ' 475
sehen nur, dafs er bald erscheine und so die sehr empfeh-
lenswerthe arbeit zum vollen abschlufs bringe.
Halle a. d.s., 11. mai 1872. Georg Gerland.
Die verwantschaftsverhältmsse der indogermanischen sprachen Von Jo-
hannes Schmidt. Weimar, Hermann Böhlan. 1872. IV, 68 ss. 8.
Vorliegende schrift ist die weitere ausfuhrung eines
in der sprachwissenschaftlichen section der letzten philo-
logen Versammlung gehaltenen und mit wohlverdientem bei-
fall aufgenommenen Vortrages. Abschliefsende Untersu-
chungen zu bieten, war nicht die absieht des Verfassers.
„Es lag mir daran, sagt er in der Vorbemerkung, die dis'
cussion einer frage wieder zu eröffnen, welche manchem
schon abgeschlossen erscheint, zu mahnen, wie unsicher
der gegenwärtig a!s giltig anerkannte Stammbaum unserer
sprachen ist** u. s. w. Der kernpunkt der bisher herrschen-
den ansieht über die verwandtschaftlichen beziehungen der
indogermanischen sprachen ist die annähme einer europäi-
schen grundsprache , die als geschlossene einheit der ari-
schen gegenübergestellt wird. S. prüft die richtigkeit die-
ser annähme durch ein genaueres eingehen auf die ver-
wandtschaftliche Stellung des lituslavischen wie des grie-
chischen zu ihren nachbarsprachen. Er gelangt zu dem
resultat: 1) das lituslavische ist einerseits untrennbar mit
dem deutschen, andererseits ebenso untrennbar mit dem ari-
schen verkettet (s. 16); 2) das griechische ist ebenso un-
zertrennlich mit dem lateinischen wie mit dem arischen
verbunden (s. 24). Die argumente dafür sind theils schon
von anderen gelehrten vorgebracht, theils erst von S. mit
grofsem Scharfsinn geltend gemacht worden; für die be-
ziehung des slavischen zum arischen ist namentlich die zu-
letzt von Ascoli eingehend behandelte Übereinstimmung
der palatalen Zischlaute in folgenreichster weise entschei-
dend (s. 10 ff.). Durch diese resultate wird die annähme
einer gemeinsamen europäischen grundsprache hinfällig:
„wir sehen überall nur stufenweisen continuierlichen über-
476 Verzeichnis eingegangener Schriften.
gang von Asien nach Europa^ (s. 24). Ein ähnliches er-
gebnis stellt sich nach Lottuers, Ebels und Schleichers
Untersuchungen &ir die noch übrigen europäischen spra-
chen heraus, und zwar ist das lateinische die organische
vermittelung zwischen allen seinen nachbarn, dem griechi-
schen, keltischen und deutschen (s. 25). So ist denn der
ganze bisher aufgestellte Stammbaum beseitigt:
,, überall sehen wir continuierliche Übergänge aus einer
Sprache in die andere, und es läfst sich nicht verkennen, dafs
die indogerman. sprachen im ganzen und grofsen desto
mehr an ursprünglichkeit eingebüfst haben, je weiter sie
nach Westen vorgerückt sind, und je zwei aneinander gren*
zende sprachen immer gewisse nur ihnen gemeinsame cha-
rakterzüge zeigen" (s. 26). Die s. 27 f. für die neue an-
sieht gewählten bilder werden allerdings wenig zureichend
sein; die hauptsache bleibt die fast selbstverständliche an-
nähme, dafs zwischen den uns erhaltenen sprachen andere
ausgefallen sind, welche die allmählichen Übergänge noch
näher vermittelten. Es folgen s. 28 ff. treffende bemerkun-
gen über die reconstruction von grundformen.
Der anhang s. 3'2 ff. enthält nach einigen orientieren-
den bemerkungen die zur weiteren begründung des vor-
getragenen dienenden Wortverzeichnisse in neun hauptab-
theilungen. Der verf. gibt auch diese Verzeichnisse nur
als einen versuch und in der that sind sie wohl mancher
Verbesserungen fähig (unter den dem lateinischen mit dem
arischen gemeinsamen Wörtern fehlt z. b. ulucus = skr.
ulüka), die jedoch Schmidts sämmtliche aufstellungen nur
weiter bestätigen werden.
Berlin, october 1872. Ernst Kuhn.
Verzeichnis eingegangener Schriften.
The Academy. A Record of Literature, Learning, Science,
and Art. No. 57 — 68 (October 1, 1872 — March
15, 1873).
Verzeichnis eingegangener Schriften. 477
Ueber den Begriflf der Liebe in einigen alten und neuen
Sprachen. Von Dr. Carl Abel. Berlin 1872. 63 ss.
8. (Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher
Vorträge, herausgegeben von Rud. Virchow und Fr. v.
Holtzendorff. VII. Serie. Heft 158 u. 159).
Ueber Namen und Zeit des Campus Martins der alten
Franken. Von Heinrich Ludolf Ahrens. Hannover
1872. 42 ss. 4.
Der gothische Conjunctiv verglichen mit den entsprechen-
den Modis des neutestamentlichen Griechisch. Ein Bei-
trag zur vergleichenden Sprachforschung von Dr. Fer-
dinand Burckbardt. Zschopau 1872. 2 bl. u. 36 ss. 8.
Studien zur griechischen und lateinischen Grammatik her-
ausgegeben von Georg Curtius. Fünfter Band. Leipzig
1872. 442 SS. 8.
Gedanken über die Herkunft der Sprache. Von Julius
Faucher. IX. Geflügelte Worte. (Vierteljahrschrift
für Volkswirthschaft und Kulturgeschichte XXXVIII,
s. 104 — 158. (Die principien des herrn Verfassers sind
mindestens originell, ihre ausführung scheitert an der
willkürlichen, die Sprachgeschichte nicht berücksichti-
genden behandlung der laute).
Das gothische Verbum in sprach vergleichender Hinsicht
dargestellt von C. W. M. Grein, Dr. phil. Cassel 1872.
IV u. 75 SS. 8.
Wörterbuch zum Rig-Veda. Von Hermann Grafsmann.
Erste Lieferung. Leipzig 1873. VIII ss. u. 288 sp. 8.
Angelo de Gubernatis, Cenni Ropra alcuni indianisti vi-
venti. Firenze 1872. 42 ss. 8. (Estratto della Rivista
Europea).
Revue de Linguistique et de Philologie comparöe. Recueil
trimestriel public par M. Abel Hovelacque avec le con-
cours de MM. jfimile Picot et Julien Vinson et la col-
laboration de divers savants franpais et 6trangers. Tome
cinqui^me, I^r et ll^^e Fascicule. Paris 1872. [Enthält
u. a.: Ab. Hovelacque Euphonie sanskrite. — Questions
de grammaire zende (Suite). — DE. — Importanoe des
themes sk. napat-, naptr-, z. napät-, naptar-. — La
478 Verzeichnis eingegangener Schriften.
sifflante linguale du sanskrit. — Sur la prononciation
du R-voyelle en sanskrit. ^ H. Cbavee Du souffle k la
parole par la flamme et la lumi^re. ^ Ch. Ploix Mer-
cnrius, Mars et la racine mar. ^ Ch. Scboebel Th^
pbile, Tb^opbobe].
Abel Hovelacque, Memoire sur la primordialit^ et la pro-
nonciation du R-vocal sanskrit. Paris 1872. 29 88. 8. /
Abel Hovelacque, Notice sur les subdivisions de la langue
commune indo-europ^enne. (Revue d'Antbropologie 1872,
p. 475—479).
Germaanscbe Woorden in Latijnscbe Opscbriften aan den
Beneden-Rijn. Bijdrage van H. Kern. Overgedrukt
uit de Verslagen en Mededeelingen der Koniuklijke
Akademie van Wetenschapen , Afdeeling Letterkande,
2<i« Reeks, Deel II. Amsterdam 1872. 33 ss. 8.
Rector commilitonibus certaraina eruditionis propositis prae-
miis in annum MDCCCLXXIII indicit. Praemissa est
Ludovici Langii de formula Homerica ei 8* ay^ com*
mentatio. Lipsiae.
Der bomerische Qebraucb der Partikel £1 von Ludwig
Lange. I. Einleitung und £1 mit dem Optativ. Des
VI. Bandes der Abbandlungen der philologisch -bisto-
riscben Classe der Königl. Sächsischen GeseUschaft der
Wissenschaften No. IV. Leipzig 1872.
Mittelbocbdeutscbes band Wörterbuch von Dr. Matthias
Lexer. Achte lieferung (Zweiten bandes erste lieferung).
Leipzig 1872. 320 sp. 8.
Agglutination oder adaptation? £ine sprach wiszenscbaftliche
Streitfrage von Alfred Ludwig. Mit nachtragen zu des
verfaszers „Infinitiv im Veda". Prag 1873. 133 88. 8.
Etymologische Untersuchung über sul, sued und verwandte
Wurzeln. Von J. Meister. 17 ss. 8. (Im ,,Jahre8-
Bericht über das k. k. akademische Gymnasium in Wien
für das Schuljahr 1871 — 1872" — etymologien nach
durchaus veralteter methode).
Mömoires de la Societe de Linguistique de Paris. Tome
second, 1er fascicule. Paris 1872. [Enthält u. a. : L. Ha-
vet. Le renforcement dans la d^clinaison en a. — A.
Verzeichnis eingegangener Schriften. 479
Bergaigne. De la valeur phonötique de ranusvära saus-
crit. — Id. Du pretendu cbangement de ar final en
o en sanscrit. — D'Arbois de Jubainville. Du mot
franc chramnae ou hramne. — Michel BröaL Etymo-
logies latines. — G. Maspero. Sur quelques singula-
rites pbonetiques de TespagDol parlä dans la campagoe
de Buenos -Ayres et de Montevideo, — D'Arbois de
Jubainville. J. Grimm et Marcellus de Bordeaux. —
Id. Fagne, faigne, fange. — A. Bergaigne: eag^ ushar.
— L. Havet. Sur la nature pbysiologique des nasales
et des 1].
A German Critic on American Pbilologists (In „The Na-
tion" (New York) No. 378; mit bezug auf Zeitschr.
XXI, 92 ff.)-
Gab es eine mittelhochdeutsche Schriftsprache? Vortrag
gehalten zur erlangung der venia legendi an der Uni-
versität Leipzig von Dr. Hermann Paul. Halle a. d. S.
1873. 37 SS. 8.
lieber Wechsel und Wandel der Wortbedeutungen im
Deutschen. Ein germanistisch-philologischer Streifzug
von Dr. Sachse. 30 ss. 8. (Im „Bericht ftber die höhere
Knaben -Schule vom Oberlehrer Dr. Sachse", Berlin
1872).
Mittelniederdeutsches Wörterbuch von Dr. Karl Schiller
und Dr. August Lübben. Zweites Heft, arnt — besäte.
Bremen 1873.
Tidskrift for Philologi og Paedagogik. Niende Aargang.
Kjöbenhavn 1870. 1871. [Enthält u. a.: Etymologisk
forklaring af nogle pronominer i Nordisk. Af Sophus
Bugge].
Dass. Tiende Aargangs Iste og2det Hefte. Kjöbenhavn 1872.
[Enthält u. a. : Minder om K. J. Lyngby. Samlede af
Rektor C. Berg i Frederiksborg].
Transactions of the American Philological Association.
1869—1870. Hartford 1871. [Enthält u.a.: On the
Nature and Theory of the Greek Accent. By Profes-
sor James Hadley. — On the Nature and Designation
of the Accent in Sanskrit. By Professor William D.
480 Verzeichnis eingegangener Schriften.
Whitney. — On the Aorist Subjuoctive and Future
Indicative witli 'Onwi^ and Ov firj. By Professor Wil-
liam W. Goodwin. — On the German Vernacnlar of
Pennsylvania. By Professor S. S. Haldeman. — On
the Present Condition of the Question as to the Ori.
gin of Language. By Professor William D. Whitney.
— On Certain Forms of the English Verb which were
used in the Sixteenth and Seventeenth Centuries. By
Thomas R. Lounsbury].
Dass. 1371. Hartford lb72. [Enthält u. a.: On the so-
ealled Attie Second Declension. By Professor Frederic
D. Allen. — Strictures on the Views of August Schlei-
cher respecting the Nature of Language and kindred
subjects. By Professor William D. Whitney. — On
English Vowel Quantity in the Thirteenth Century and
in the Nineteenth. By Professor James Hadley. —
Anglo-Saxon and Early English Pronunciation. By
Professor Francis A. March. — Some Notes on Ellis^s
Early English Pronunciation. By Charles Astor Bristed.
— On some forms of Conditional Sentences in Latin,
Greek, and Sanskrit. By James B. Greenough].
Oriental and Linguistic Studies. The Veda; the Avesta;
the Science of Language. By William Dwight Whit-
ney. New York 1873. IX u. 417 ss. 8. [Enthält u.a.:
Indo-European Philology and Ethnology. — MoUer's
Lectures on Language. — Present State of the Que-
stion as to the Origin of Language (vgl. oben). — Bleek
and the Simious Theory of Language. — Schleicher
and the Physical Theory of Language (vgl. oben). —
Steinthal and the Psychological Theory of Language.
Language and Education].
De infinitivi linguarum sanscritae bactricae persicae graecae
oscae umbricae latinae goticae forma et usu. Scripsit
Eugenius Wilhelmus. Isenaci (1873). VIII u. 96 ss. 8.
Berlin, 20. märz 1873. E. K.
Häfelin, abhandlnngen über die roman. mundarten der Sttdwestschweiz. 481
Abhandlungen über die romanischen mund-
arten der Südwestschweiz.
Erste abtheilung:
Die mundarten des cantons Neuenburg,
Erster theil: Lautlehre.
//. Die consonanten,
1. Die liquiden.
A. L. a) Es finden mehrfache Übergänge statt und
zwar: a) in r: corporanc« (3,4), corpulence (corpulentia) ;
pourmon (4), poumon (pulmo,-oni8); ra-n-sinol« (4), rossig-
nol (dim. von luscinia, lusciniola); orma (3), ulme; ß) in
n: c'neulye (3), c'nolye (4, 5), quenouille (conucula statt co-
lucula von colus); neteuly« (2), nateuly« (3), nenteilye (5b),
lentille (lenticula). b) L ist spurlos verschwunden in:
dyebc (3), dyäbö (4), diable (diabolus), vielleicht unoi das
wort euphemistisch zu entstellen; soff« neben soffye (3),
sou£P]e. Ebenso verschwindet es regelmäfsig in den mund-
arten von Ligni^res und Landeron in der Verbindung mit y.
c) Als ursprünglicher artikel findet es sich zusammenge-
wachsen in dem auch im französischen gleich gebildeten
ledeman (1, 2) lademan (3), ledeman (4), lendeman (5b),
lendemain (l'indemane); lerte, le gro lerte (1), orteil, le
grand orteil (articulus) ; livr« (3), livrd (4), pis d'une vache
(artikel mit uvre aus über), d). Versetzt und vocalisirt ist
1 in ceüdr« (2, 3), ceüdra (4, 5b), coudre (aus colyrus, col-
d-rus statt corylus); ebenso hat 11 seine stelle mit n ver-
tauscht in geneulye (1, 2), poule (gallina), während das
patois von Verri^res die laute an der ursprünglichen stelle
beibehält, aber den accent zurückzieht und die liquid a in
das verwandte r verwandelt: zer'na, e) Bisweilen tritt die
erweiehung bei einfachem 1, namentlich gern vor i, ein:
delyon (2), lundi (dies lunae); lyagot (2), mare d'eau
(abgeleitet von lacus); lyCn.mä (2), (limare); ly'maCe (2),
limace (limax, -acis); lyeceü (2), drap de lit (linteolum);
valye (2), valyä (4), valoir (valere). In der 1. gruppe dul-
den die dialekte von Lignieres und Landeron die verbin-
Zeitschr. f. vgl. sprachf. XXI. 6. gj
482 Il&felin
dung ly nicht, es bleibt davon nur j übrig: deyon, lundi;
yfer« (Ligniöres), lirc (legere); voyä (Ligniferes), vonloir
(volere statt velle). f) Steht 1 vor einem consonanten, so
vocalisirt es sich zu u und verbindet sich mit dem vorher-
gehenden vocal zu einem laut und zwar mit a in der 1., 2., 3.
und 5. gruppe zu 6, während in der 4. gruppe an seiner stelle ä
erscheint, mit o meist zu ou und mit u gewöhnlich ebenfalls zu
ou. Beispiele: ob« (1, 2), oba (3, 5), äba(4), aube (alba); 6ö
m. döde f. (1, 2), do m. döda f. (3), cö m. coda f. (5), <5S
m. däda f. (4), (calidus, a); fö (1, 2, 3, 5), fä (4), faux
(falx, -eis); fö m. föss« f. (1, 2), fö m. fössa f. (3, 5), fä m.
fgssa f. (4), (falsus, a); gön« (1, 2, 3), zön« (5a), gän6 (4),
jaune (galbinus); coü (1, 2, 3, 4, 5b), cd (5a), coup (coP-
pus, colaphus); coüpabye (1, 2), coöpäbye (3), coupeby^ (4),
copäbye (5a), coupäbyo (5b), coupable (culpabilis). Statt
der aus der Verbindung eines vocalisirten 1 mit dem vor-
hergehenden vocal entstandenen eben aufgeführten laute
erscheint in unbetonter silbe oft ein blofses u: duci (4),
cuci (5a) neben döci, cöci, chausser (calceare); dudö (4)
und cudä (5a) neben cödä, cödä, chauffer (caldare in ex-
caldare) mit den composs. edudä (1)^ ^chauffer (excaldare)
und redudä, rechau£Per (ebend.); cute neben coüte und
conete (2), cutei (4), couteau (cultellus); ducet m. dup'ta
f. (4), doux, ce (dim. von dou = dulcis); sut6 (4), sutS
(1, 5a) neben sota (saltare); in pouidra (5a), poudre (pul-
verem) hat sich aus dem aus 1 hervorgegangenen u i ent-
wickelt, während der dialekt der Paroisse in poüudra sein
u noch zeigt; e an stelle von i erscheint in: cou^t^ (2).
g) Geminirtes 1 (11) trifit die er weichung zu ly häufiger,
als einfaches; doch sind auch die fälle, wo sie unterbleibt
nicht selten. Beispiele: bolyl (2), boelyl (5a), (bullire); fa-
lyä (1, Lignieres), falye (2), falyä (4), falloir (fallöre statt
fallere); gueryon*) (1, Lignidres), grille (mittelst der
ableitungssilbe -on gebildet von gryllus mit Versetzung
des r und der im patois von Lignieres beliebten nnter-
*) gu ist zu sprechen wie französisches gu in gu^rir; ebenso bezeich-
net qu denselben lant wie im französischen.
abhandlungen über die roman. mnndarten der Sttdwestflchweiz. 48$
drückung des 1 in der Verbindung ly); moeljl (5a), molyl
(5b), (mollire) ; travalyi (1), travailler (transvallare). h) Lr
nimmt ein euphonisches d in die mitte: meüdre (2), (mol-
d-re); revoudr« (2), envelopper (re-involvere, re-invol-d-re).
i) Tl verwandelt sein t in e in Wörtern älterer bildung,
wobei die liquida erweicht und die ganze Verbindung zu
ly wird; also: vilye, zu Lignieres und Landeron Viey«
(1), vielye (2), vilye (3), vllyö (4), vlly« (5a), vllyo (5b),
vieux (vec'lus statt vet'lus, vetulus, ital. vechio und
veglio). k) Cl und Gl. Bei cl haben wir eine zweifache
bildung zu unterscheiden, eine ältere und eine jüngere.
Nach der älteren bildung nimmt es dieselbe gestalt an,
wie gl; 1 wird nämlich erweicht und geht mit c sowohl
wie mit g in ly über. Auch qu'l erweicht sich zu ly. Die
mundarten von Lignieres und Landeron dulden, wie wir
bereits wissen, die Verbindung ly nicht und begnügen sich
mit blofsem y. Beispiele: a) ely©, äy« zu Lignieres (1),
aigle (aquila); r'nolye (1 — 5a), renolye (5b), grenouille
(gls. ranucula); e-t'nely« (3), e-t'nely« (4), e-tenaly© (5b), te-
naille; ß) calyl (3, 4), cailyi (5a), Coalyl (5b), cailler (coa-
gulare); frely« (3), (fragilis); lyaCe, yac« zu Lignieres und
Landeron, glace; a-lyan (I —4), a-yan zu Landeron, a-yän zu
Lignieres, lyan (5), gland; rilye neben regia (3), rely« (4),
reilye (5b), rögle (regula); velyl (vigilare). Neben der
eben erwähnten älteren bildung des cl erscheint eine jüngere,
die darin besteht, dafs 1 zunächst erweicht wird zu ly,
woraus die lautverbindung cly hervorgeht, die im patois
des montagnes in seltenen föllen noch vernommen wird,
wie z. b. in: bouclye, boucle (buccula). Gewöhnlich aber
bleibt von ly nur der halbvocal übrig, der sich mit dem
gutturalen c zu cy verbindet, eine lautcombination, die
jetzt meistentheils mit ty vertauscht ist; nur im patois von
Travers klingt ty noch an cy an; boty« lautet dort fast
wie bocye, ^artyo fast wie ^SkTi^jS^ tyä fast wie ^yä, de-
tyen fast wie decyeri, tyoule fast wie ^youlö, tyour« fast
wie cyoure, metye fast wie mecye u. s. w. In den übri-
gen dialekten ist ty entschieden ausgesprochen. Beispiele :
^ 31*
484 lläfelin
hotje (5a), bo-r-tye (5b), boucle; certy« (1> 2, 5a), ^arty»
(3), certyo (5b), cercle; tyär (1, 2), ty6 (3), tyär (5a), tya
(5b), clair; detyerl (1, 2, 3), detyarü (5), (dedarare); tyou
(1,2,3,5a), tyae'' (5b), clou (clavus); tyoala (1, 2, 3, 5),
clouer (gls. clavulare); tyoiire, fermer; mäty« (1), boeuf
(mascolus); metyu (1,2,3,5), meler (miscolare); r^yamS
(1, 2, 3), r'tyame (4), retyamä (5a), (reclamare); sertyä (2),
sarcler (sarculare). Iq altem spracbdenkmäleni, z. b. in
der chansoD du coesei Hairi und der Keima du corti, de-
ren dialekt der ersten gruppe angehört, finden sich noch
formen mit gutturalem c, allerdings durch qu ausgedröckt:
cerquye, cercy«, cercle; dequiarä, decyarä, d^clarer; on-
quye, oncy«, oncle. Im patois des montagnes wird aus d bis-
weilen ein palatales c, auch ch; so finden wir: Louöe f&r
Louty« (Locle); onch« neben onty«, oncle (ayuncnlos);
boüriche, pince-nez, b^rity«, fast b^ncy«, zu Travers im
sinn von lunettes (s. Dz. WB. unter d. w. besicle); mäche
fßr mätye, boeuf (masculus). 1) PI. Bl. In dieser Verbin-
dung wird 1 ebenfalls erweicht zu ly, in welcher gestalt
es sich noch in einzelnen beispielen nachweisen lässt; so
erscheint im dialekt des Vignoble: miseräbly«, im dialekt
von Travers; blyeü neben bleu, bleu (ahd. bläo, blaw), im
patois des montagnes: plyan, plan. In der regel aber ist
1 zwischen p, beziehungsweise b und dem folgenden balb-
vocal y herausgedrängt. Beispiele: a) appyödl (1), (ap-
plaudere); epyätre (1), (emplastrum); pyer« (1), (placere);
pyaidre (5a), pyendr« (5b), (plangere); pyant«, pyänto (1),
pyante (2), pyanta (3,4,5), (planta); pyac«, place; pyeyl (1),
pyeyl (2), plier (plicare); pyorä (1, 2), pyeurä (3), pyor6
(4), pyorä (5), (plorare); pyeüvre (1), pleuvoir; ß) emft-
by« (3), emeby6 (4), emäbyo (5b), (amabilis); byanm. byande
f. (1 — 4), byan m. byanc« f. (5), blanc, blanche (ahd. blanch,
mhd. blanc); dyabyo (5b), diable; red-r-obyä (1), (gls. re-
dnplare); subyä (3, 5), subye (4), siffler (sibilare). m) PL
Diese Verbindung erleidet denselben Vorgang, wie die bei-
den eben behandelten: fyeye (3), fyeyei (4), fyeyl (5b),
fleau (flagellum) ; fyörl (3, 4), flairer (aus flagrare fÖr fra-
grare); fyan.me, fyan.ma (flamma); efyä (2), afyä (3), efyi
abhandlungen ttber die roman. mundarten der Sttdwestschweiz. 485
(4), aifyä (5a), enfyä (5b), (inflare); 8o%ä (1, 2, 3, 5), sof-
fye (4), souffler (sufflare) mit dem Substantiv soffye (1, 2\
soffye (3), soffy6 (4), soffye (5a), soffyo (5b), souffle. Auch
hier findet auf dem gebiet der bergdialekte der eigenthüm-
liche Übergang des fl in c und eh statt: dan und ohan,
cote, neben dem anderwärts vorkommenden fyan (fr. flanc,
ital. fianco); cheye, fleau, neben fyeye; ronchä = ronfyä,
ronfler. n) Hinsichtlich der fölle, wo 1 oder 11 nach a,
oder 11 nach e zu stehen kommen, wobei diese vocale einer
eigenthümlichen gestaltung entgegen geführt werden, ver-
weise ich auf die abhandlnng über die vocale.
B. M. a) M geht über in n in: nyopo (5b), (myops, -pis);
s'nan.Ue, s'nan.na (septimana). b) Kommt m entweder durch
blofsen wegfall der lateinischen endnng oder einen ferneren
consonantenverlust in den auslaut zu stehen oder findet es
sich inlautend vor einem andern consonanten als m oder
n, so bleibt es als nasaler laut nur unter gewissen umstän-
den hörbar erb alten, nämlich gewöhnlich wenn ihm ein a«
wofern dies nicht eine dialektische Umgestaltung eines e
oder i, wie sie in der 3. dialektgruppe vorkommt, ist, ein
o oder ein damit verwandter eu-laut vorangeht. So finden
sich in allen gruppen die Wörter fam, nom, pyom (gleich-
gültig ist es für den laut, ob man m oder n schreibe),
heumbye (humilis); nur in dja, za (jam) ist m ebenfalls
verstummt. In allen anderen fällen, abgesehen von dem m
der flexionsendungen, das ohnehin verschwindet, wird der
nasal stumm ; nur die mundart der Paroisse erhält ihn auch
da gröfstentheils als nasal unversehrt fest ; in der mundart
von Travers glaubt man ihn bisweilen in dem davor ent-
wickelten ä-laut mit zu hören, wie man denn überhaupt,
wenn sich der ursprünglich vor m stehende vocal in der
mundart zum breiten ä-laut gestaltet, wegen des diesem
laute von natur aus zukommenden schwachen *nasalen bei-
klanges oft im zweifei sein kann, ob man es mit dem wirk-
lich erhaltenen nasal zu thun habe oder nicht, worüber
man erst klar wird, sobald etwa e an stelle des ä erscheint,
wo jede spur eines mitlautenden nasalen klanges ver-
schwindet. Wird das zeichen für den nasal gleichwohl ge-
4g6 Uäfelin
schrieben, so geschieht dies Dur, um dem vorhergehenden
Yocal den ä-laut zu geben, wie es von G. Quinche in sei-
nem Wörterbuch geschieht, der in solchen ftUen die laut-
verbindung in anwendet, deren französische ausspräche un-
serm ä-laut am nächsten kommt. Nach obigem finden
sich nun formen, wie folgende: mäbr« (1, 2), mabr« (3),
mäbro (4), mcibr« (5a), membro (5b), membre; tä (1), te
(2), tä (3, 4), tci (5a), tem (5b), temps, u. s. w. c) Folgt
auf inlautendes einfaches oder doppeltes m ein vocal, so
ist es nicht selten, dafs jenes einen secundären nasalen
klang vor sich bekommt: an.mä (3,5), an.me (4), (amare);
fyan.m«, fyan.ma (flamma); län.ma (3, 4), len.ma (5 b),
lime; lycn-mä (2), limer; non.mä (2, 3, 5), non.me (4),
nommer (nominare); pyon.m« (I92), pyon.ma (4, 5), plume.
d) Ml. Mr. Kommt m durch vocal-auslall in diese Stellung,
so wird zwischen beide consonanten ein euphonisches b ge-
schoben: combyä (1, 2, 3, 5), combye (4), (cumulare);
nombre (1, 2, 3, 5a), nombro (4), nömbro (ob), (numerus);
räbre oder rinbr« bei Quinche (2), (redimere, redimVe).
Ueber das verschwinden des nasals s. unter b). e) Mn.
In dieser Verbindung assimilirt sich m dem n und umge-
kehrt: condannä (1, 2, 5), condan.nä (3), condannö (4),
(condemnare); fenn« (1, 2), fanna (3), fenna (4, 5), femme
(femina); sonue, sonno, sonno, sommeil (somnus); daneben
auch: dammäge (I9 2), dammäz« (5a), dommage (gls. dam-
naticum); homm«, hommd, hommo (hominem); lamm»,
lamma, lame (lamina) u. s. w. Eine sonderbare bildung ist
colonda (4, 5 b), colonne (columna).
C. N. a) Es geht n über in 1: orph'le (2), orph'lä
(4), neben orpheu'nue (3), ö'rpheno (5b), (orphanus); in m:
pron.me (1,2), pron.ma (3,4,5), (aus dem pl. von pru-
num); in r: coufrÖ (4), (cophinus); tebre (1,2), täbr« (3),
täbro (4), taibre (5a), tembro (5b), timbre (tympanum).
b) N verschwindet nicht blos, wenn es nach r in den aus-
laut kam, wie in heilvär (4), hiver, u. s. w., sondern ganz
nach mundartlicher sitte unter denselben bedingungen und
in denselben dialektgruppen, wie das eben behandelte m.
Neben man, pan, son, u. s. w. findet sich regelrecht nach
abhandlungen über die »>man. mundarten der Sttdwestschweiz. 487
obigem: arge (1), arge (2), ar^a (3), arge (4), arze (5a),
arzen (5b), argent; legUe (1,2), laga (3), läga (4), lega (5a),
lenvoüa (5b), langue, u. 8. w. Entgegen der regel, dafs
n nach o nicht verstummen sollte, bildet monstrare ganz
wie die eben aufgeführten beispiele: moträ, motre; aber im
dialekt der Paroisse: monträ. c) Steht n zwischen zwei
vocalen, so behält es seinen ursprunglichen, natürlichen
laut, erzeugt aber, wie unter gleicher bedingung m, oft
vor sich einen nasalen klang, der den vorhergehenden
vocal afficirt. Beispiele: capitan.na (4), femme d'un capi-
taine (gls. capitana); gran.Ue, gran.na, graine; lan.Ue, lan.na,
laine; pyan.Ue, pyan.na, plaine; san.n«, san.na, saine; s'nan.Ue,
s'nan.na, semaine; ven.na (4), veine. d) Eingeschoben er-
scheint dagegen n in: ra-n-sinoU, rossignol; la-n-cerda (5b)
neben Tccrda (3), P^arda (4), aus lacerta; eine noch eigen-
thümlicher abweichende bildung ist la-n-cerue (2), lezard,
orvet; pcn.gon (2), das auf einen typus pi-m-pionem statt
pipionem zurückgeführt werden müsste. e) N wird anlau-
tend einige male erweicht: so in: nu (1,2,4,5a), na«^ (5b),
noeud, nebst dem verbum nuä (1), noüä (2), nuä (3), nue
(4), nä (5b), nouer (nodare); nu (1, 2, 5a), sonst nu (nu-
dus), wo n auch ny geschrieben wird, f) Nn wird verein-
facht und bietet nichts besonderes dar: d'neve(l,2),c'neve(5a),
de'nevö (4) und ce'nevo (5b), charivre, aus cannabis bei ver-
schiedener betonung. g) Nl. Aus spinula entstanden, nach-
dem auf den ausfall des u g zwischen n und 1 geschoben
worden, die formen : epalye (3) und mit Unterdrückung des 1
in der aus gl entstandenen Verbindung ly : epany« (4), epainy«
(5a), epenye (5b), epingle. h) Nm. Diese Verbindung zeigt
nichts besonderes; am« (I52), äma (3 — 5) ist gebildet wie das
französische ame. i) Nr verlangt, da n an der natur der den-
talen theil hat, ein euphonisches d in die mitte, wobei mit
n, wie mit m unter ähnlichen Verhältnissen, unter bestimm-
ten bedingungen nach der bekannten regel verfahren wird.
Beispiele: gedr« (2), gädre (3), gädro (4), zeidre (5a), gen-
dre; tädr« (1), tedr« (2), tadr« (3), tadro (4), tCidre (5a),
tendro (5b), tendre, u. s. w. k) Ns, N in dieser Verbin-
dung wird bereits in Wörtern älterer bildung ausgestofsen:
488 Häfelin
cotä (3), cote (4), cotä (5), coüter (costare statt constare);
fribor^ä (3), fribor^ai (3a), friborza« (5b), fribourgeois (fri-
burg^sis statt friburgensis) ; mä (1), me (2), me (3, 4), maj
(5a), me (5b), mois (mesis statt mensis). Aufser dieser
auch den klassischen romanischen sprachen bekannten aus-
stofsung tritt auch die speciell mundartliche ein, von der
bereits oben ftir allgemeine fälle gesprochen worden; so in
depSse pL, d^penses.
D. ß. a) Diese liquida gebt über in das ihr zunächst
verwandte 1: contreleyl (2), conterleyl (3), contrarier (gls.
contrariare) nebst dem Substantiv contreleyeü, celui qui
contrarie; colidor für corridor findet sich auch sonst; cri-
byä (1, 2, 3), cribye (4), crubyä (5b), entsteht zunächst aus
criblyä, criblä, wo 1 für r steht (cribrare); dazu das Sub-
stantiv cribye (2), (cribrum). Ebenso verhält es sich mit
fyörl (3, 4), fyerä (5b), (aus flagrare für fragrare), üeber-
gang des r in s fand statt iu pouss«, puss« (2), poussa (3),
pussa (4), poüuSsa (5b), poussiere (aus pulvVem, polre,
porre) neben poudre (1)2), pudra (4), poüidra (5a), poündra
(5b), poudre aus demselben lateinischen vorbild. b) K
wechselt sehr häufig seine Stellung im worte: bri (3, 4),
bri und brice (5b), berceau (vervex, -icis); beurlä (1, 2, 3),
beurl^ (4), brüler, prov. bruslar (vom hypothet. perustu*
lare); ceurvi (2), couvrir' (cooperire); crebeulye (5b) neben
ceurbeuly« (4), corbeille (corbicula); frlta (3, 5b), freita(4),
faite d'une maison (ahd. first, giebel) ; fremege (3), firomägd
(4), fremäzo (5b) neben fermäge (1, 2) und fermä^« (5a),
fromage; guernä (2), grener, produire du grain (gls. gra-
nare); guernl (3) neben grenl (4), grenier (granarinm);
gueryon (l,Lign.) statt grelyon, grille; preu m. (3), poire,
sonst peur; trubyä (3), trobyä (5b), troubler (abgeleitet von
turbula, gls. turbulare). c) R fallt bisweilen aus; so in
neueren bildungen wie: demlcr« (1), d'meicro (4), mercredi
(dies Mercuri) ; gächon (3), garpon ; mabr« (5a), mabro (5b),
marbre (marmor), und in altern: ped« (4), peche, pfirsich
(persica) neben pers« (5b); dou (dösum für dorsum).
Eigenthümlich ist eine sitte der 3. dialektgruppe, wo-
nach inlautendes r vor consonanten oder r, das nach kür-
abhandlungen über die romao. mnndarten der Sttdwestschweiz. 489
zung des Wortes in den auslaut kam, als articulirter laut
verschwindet, dagegen aber dadurch seine natur geltend
macht, dafs es neben dem ihm vorangehenden vocal eigen-
thümliche beilaute erzeugt, die mit jenem wie brechungen
erscheinen. Diese erscheinung zeigt sich bei rein erhalte-
nem ursprünglichem a kaum, wohl aber bei dem getrübten
sowie dem aus e entstandenen, häufiger bei e-lauten, am
meisten aber bei o, sei es ursprünglich oder sei es erst
aus u hervorgegangen, und bei i- lauten. Tritt diese er-
scheinung einer neuen lauterzeugung nicht ein, so ist, falls
r verstummt, jedenfalls immer der vorangehende vocal in
seiner natur geändert, indem die organe sich zunächst zur
ausspräche des r anschicken, ohne ihn zu articuliren, in-
defs aber gleichzeitig den betreffenden vocal durchschlüpfen
lassen, wodurch seine ausspräche eigenthümlich modificirt
wird und den charakter des nachlässigen annimmt. Um
dies anzudeuten, habe ich r in kleiner schrift angewendet.
Beispiele: po^e, part und pair (pars, -tis, par- is); fo'^e, fer;
afo^e, enfer; no"^^, nerf; Vo'^e m. Vo^ada f., vert, e (viridis);
Vo^e, ver (vermis); boüone, borgne; bo'^one, tuyau d'une fon-
taine (gls. bornellus, deutschen Ursprungs: goth. brunna,
ags. burne, altfr. burna, holl. born, nhd. born); Coüoda
(chorda); Coüoti, jardin; Co^eü, choeur d'eglise (chorus);
Co^eü, coeur; Coüo, Corps; Coüona, corne; foCÜ, hors (foris);
foiio m. foüota f., fort, e; moodre, mordre (mordere); moüö,
mort; poüo, porc; poüöta (porta); toodr«, tordre (torquere);
boO§a, bourse; Coösa, course; CouO m. Couota f., court, e;
euotye, ortie (urtica). Aehnliches im dialekt von Verri^res:
poue, par (per). Die richtige ausspräche dieses sonder-
baren doppellautes wird dadurch hervorgebracht, dafs man
die zunge zurückzieht und sie, ohne ihn zu berühren, gegen
den gaum^n hebt.
Anmerkung. Es ist nicht selten, dafs r, ohne zu
verschwinden, auch in den dialekten der übrigen gruppen
einen vocalischen vorschag nimmt, sehr häufig e, wie in
manchen waatländer und freiburger dialekten; so haben
sich aus curtus, a neben dem eben angeführten Coüo fol-
gende formen entwickelt: coüer m. coüerte f. (1), c6er m..
490 Uäfolin
coerta f. (1), couer m. couerte f. (da), cou^r m. coüerta f.
(5b), während in der 2. gruppe sich cor, cort« findet« Die
erscheioung, wo e oder i in der 4. gruppe vor r in a über-
geht, ist bereits früher besprochen worden.
d) Kommt r durch kürzung in den auslaut zu stehen,
so verschwindet es häufig, vor allem in der 3. dialekt-
gruppe; nächst dieser lässt es die mundart der Paroisse
am meisten fallen. Regelmäfsig durch alle gruppen ver-
schwindet auslautendes r in den infinitiven der 1., 2. und
4. conjugation, ebenso in Wörtern, denen ursprünglich typen
auf -arius, -arium zu gründe liegen, e) Trotz dieser nei-
gung der mundart, r abzustreifen, beobachten wir wiede-
rum auf der andern seile die leichtigkeit, womit sie diesem
laut eintritt in Wörter gestattet, wo er etymologisch un-
berechtigt ist. Dieses überwuchern über das ihm zuge-
hörige gebiet in fremdes verdankt r seiner natur, die es
den vocaleu sehr nahe bringt, welche, wie wir dann und
wann bemerken, hin und wieder sich einschleichen. Bei-
spiele: bo-r-tye (5b), boucle; tyä-r (1, 2), clef (clavis);
d-r-eübyo (1,2), d-r-eübyo (4) neben duby« (3), double (du-
plus) nebst dem verbum d-r-obyä (5b), d-r-obye (4) neben
dubyä (3) und seinem compos. r'd-r-obya (5b), r'd-r-obye
(4) neben r'dubya (3), doubler und redoubler (duplare);
le-r-gie (2), le-r-zi (5b) neben legi (3, 4), leger, legöre (gls.
leviarius von levis); mart-r-a (4, 5b) neben marte (3),
(mustela martes); n'veü-r (1), n'veü-r neben n'veü (2), ne-
veu-r (4), neveü-r (5a) neben neveü (5b) und nevou (3),
neveu; sala-r-de (2), sala-r-da (4) neben saleda (3) und sa-
lada (5b), salade; edie-r-U (1, 2), eöl-r-la (5) neben edöla
(3) und eclla (4), echelle; et-r-äbye (1, 2), ^t-r-aby« (5a),
et-r-übyo (ob), etable (stabulum); t-r-äby© neben einer jün-
geren form tabye (3), t-r-ebye(4), t-r-aby« (5b),' table (ta-
bula); tü-r-lupa (5b) neben tulipa (3,4), tulipe; Vo^a-r (1),
voüä-r (2) neben ve (3), ve (4) und v„ä (5b), cercueil (vas,
vasis).
abhandluDgen über die roman. mandarten der Sttdwestschweiz. 491
2. Die dentalen.
A. T (tb). a) Die dentale tenuis geht über in die
media: edl (2, 3), eidi (4), edl (5b), aider; adon, damals
(ad tunc, prov. afr. adonc); branda (3,4,5), brente (Schwei-
zerdeutsch bränte f., bair. brenten f.); coüidä (5a), eoüudä
(5b), cuider (cogitare); modä, aller, partir (mutare) nebst
dem compos. emodä, s'elancer, etre en train d'aller; pye-
deyl (3), pyedeyl (4), pyedeyl (5b), plaidoyer (abgeleitet
von placitare); in 1: callr« (5b) neben deyir« (3), ^iVe (4),
chaire (cathedra); ly'mon neben t'mon (2), l'mon (3), le-
rnen (4), aber t'mon (1,5), timon d'un char. b) Neben fal-
len, wo inlautendes allein stehendes t sich erhält, wie:
imitä, imite (imitari); irritä, irrite (irritare); meritä, merite
(meritare), gibt es zahlreiche, wo es ausgefallen ist: byolle
(1, 2), byoUa (3, 5b), bouleau (betula); boe (2), boe (3),
boci (4), boül (5b), boyau; däna (3, 4), cena (5b), ch^ine
(catena); mariä, marie (maritare); moüä (2), muer (mu-
tare); revedyeü (2), revendeur (aus re und venditorem);
rion m. rionda f. (5b) neben ron m. ronde, ronda f. (ro-
tundus, a); saluä (1, 2, 3) auch saliä (2), salue (4), (salu-
tare); via (5), vie (vita). Oft ist der auf diese weise ent-
standene jhiatus wieder durch ein eingeschobenes i, das
dann y wird, getilgt, ebenso durch v, worüber bereits
früher gesprochen worden, c) Ursprünglich auslautendes
oder durch apokope in den auslaut gelangtes t verschwin-
det in der ausspräche: caritä (1), charite (caritatem); för
(2), fort; grä in mogrä (3); pär (4), part; prä (5), pre, u.s.w.
d) Tt verbleibt als scharf gesprochener laut: catta f. (5b),
chatte (catta); gott«, gotta (gutta); gueiltr« (3), gueiltrd (4),
gotro (5b), goltre (guttur). Auslautend verschwindet es,
wie einfaches t: da, ca (cattus). e) Tr. T in dieser Ver-
bindung wurde oflFenbar synkopirt in fräre (5b), frere (frater);
läre (1 — 5) neben laron (jenes aus latro, dieses aus latro-
nem) u. a. Auf eine form mit zum ersatz eingeschobenem
i gehen zurück: boüuro (5b) statt bouiro, beurre (butyrum);
frere (3), frer« (4), frere; mer« (1—3), mer« (4), mere (5b),
mere (mater); per« (3), pere (4), per* (5b), p6re (pater);
pfere (1, 2), piera (3), pira (4), plr« (5a), pieüra (5b), pierre
4D*2 lUfelin
(petra); poüeri (4), poiierl (ob), neben poarn (3), pourrir
(putrescere). f) St (pt). Inlautendes 9t wandelt sich zu ss
in : COUS8C,, (2), coussä (3), coessä (4), c6essen (3b), coussin
(gls. culcitinuin). In den meisten Wörtern verschwindet in
dieser Verbindung s und ein vorhergehender vocal wird,
wie wir schon frOher gesehen, in der regel in eigenthüm-
lichor weise umgestaltet, ausgenommen, wenn derselbe a
oder u ist, und zwar: e zu I in der 1., zu 6 in der 2. und
3., zu ei in der 4. gruppc, zu e imVignoble, zu I io der Par-
oisse, o wird in sämmtlichen gruppen zu ou; a bleibt un-
verändert, u wird wie in der gewöhnlichen pos. behandelt
In einigen Wörtern ist s noch nicht verloren gegangen; so
haben wir: astreudr« und restrendr« (5b), (astringere und
restringere) ; estivä (2), estiver (aestivare); Isther (2), Esther;
poustc (1, 2), poste. Ging dem st ein nasal voraus, so blieb
der vorausgehende vocal von der genannten Umwandlung
verschont, lieber anlautendes st s. unter S.
B. D. a) Inlautend verhärtet es sich einige male zu t,
nämlich in: crute (2), cruta (3,4), fem. zu cru, neben dem
sich auch mit ausgeworfenem d cru« (1,5) findet (crudus, a);
üute ( i , r)a), fem. zu nu, neben welchem auch nua (3),
nuve (4), nue (ob), fem. zu nu, vorkommen; eine sonder-
bare bildung ist nuss;. (2), fem. zu nu (nudus, a). Ein
eigeuthüinlich gestaltetes wort ist auch evit« (2), envie (in-
vidia). Tt aus dd liegt vor in matta, fem. zu ma (3), hu-
mide (madidus, a); t aus d nach n in graut«, granta, fem.
zu grau (grandis); t aus d nach r in vert« (1, 2, 5), fem. zu
ver (viridis), während in der 3. gruppe Vo^ada, in der 4.
vardu sich findet. Ob in megani, megagnl (2) g mit d ge-
wechselt habe, so dafs es entstanden wäre aus minus-dig-
nari im sinne von dedaigner, verachten, lässt sich mit be-
stimmtheit nicht bejahen, wohl aber vermuthen, wenn man
eine entstellung des i- lautes zu a zulässt; es findet sich
nämlich auch im waatländer dialekt (z. b. in Moudon)
nach Bridel degaigni, se degoüter, dedaigner; ebenso im
Jura degau für dans, dedans, wo allerdings die neigung
zur dissimilation ihre rolle gespielt haben mag. b) An-
lautendes d bleibt unversehrt, inlautend fallt es in den
abhandlungen über die roman. mundarten der Sfldwestscbweiz. 493
meisten fällen aus ; geschieht dies vor oder nach einem ur-
sprünglichen oder neu entstandenen i-laut, so wird dieser
gewöhnlich zu y, sonst wird y (seltener v) zur beseitigung
des hiatus eingeschoben, indess wird der letztere auch sehr
häutig geduldet. Beispiele: appo-y-l (4, ob), aber auch
appoul (3), appuyer (gls. appodiare von podium) ; o-l, o-y-l
(3,4), ouir, eutendre (audire); crou-y-e (1), crou-y-6(4), mau-
vais, m^chant, cruel, wie cru, roh, ungekocht, von crudus ;
loüä, loüe (laudare); myoll«, myolla (medulla); nyö oder
iio (1,2,3,5), nyä (4), nichet (gls. nidale seil, ovum); noüä
(2), nuä (3), nouer; s'rego-y-l (3), s'r'gol (4), s'rezol (5b),
se t^jouir (aus re und gaudere) ; souä (2), suä (3), s6e (4),
suer, transpirer (sudare). Doch finden sich neben diesen
auch zahlreiche fälle, wo inlautendes d erhalten blieb; so
in vielleicht nie ganz populär gewordenen oder erst später
aufgekommenen Wörtern: adorä (adorare), in adjectiven und
Substantiven, namentlich solchen, die, um das vor der en-
dung stehende und nach abfall dieser in den auslaut kom-
mende, für die wortgestalt aber belangreiche und wichtige
d vor seinem verschwinden sicher zu stellen,, an stelle der
endung stummes e oder o nach d setzten, also : avido (5b),
avide (avidus); c'moude (3), c'moudo (4), commode; hu-
m\d6 (4), humido (5b), humidus; solid« (3), solidö (4), so-
lido (5b), (solidus); ty^d« (3), te'd^ (4), taido (5b), ti^de,
(tepidus). c) Kommt d durch kürzung des wortes in den
auslaut zu stehen, so geht es für die ausspräche verloren:
e-grä (1,2,3), e-gr^ (4), e-gra (5) pl., escalier (gradus mit
vorgesetztem e); sor (1), sor (2, 5a), aber sordd (4) und
sordo (5b), sowie die fem. formen: äord« (1), sorde (2, 5a),
sorda (4, 5b), sourd, e; moüi (3, 5b), mou (4), muid (mo-
dius); iiu, nu, na^, noeud; nu, nu (nudus). d) Ueber d
vor e und i mit nachfolgendem vocal, s. vocale im hiatus-
verhältniss. Es lässt sich aber auch durch beispiele bele-
gen, dafs selbst aus blofsem d nach r inlautend hie und
da sich g und z entwickelte; wir finden nämlich folgende
bildungen: e morge (2), il mordait (mordebat); i perge (1,
2), perg6 (3), parz6 (4), perī (5a), per^o (5b), je perds
(perdo); seurgc oder seurdj« m. (3), sourd, aber im fem
494 Iläfelin
seupda. In folgenden beispielen hat sich aus d oflSsnbar das
sibilirende z entwickelt: i dieze (1,2), 6lz6 (3,4) ölz« (5a),
clzo (5b), je tombe, je cheois (cado); i tyouze (1, 2), ty-
ouzo (4), tyouze (5a), tyouzo (5b), je ferme (claudo). Diese
Vorgänge erinnern an ähnliches im provenzalischen und
walachischen, wo die falle freilich zahlreicher sind, e) D
in der Verbindung dr hat dasselbe Schicksal wie t vor r;
es ist ausgefallen und sicher durch i ersetzt in dem schon
angeführten öcytr« (3), callr« (5b), aus cathedra; einfach
ausgefallen in den infinitiven mehrerer verben der 3- con-
jugation oder solcher, die in dieselbe hin übergetreten, wo
durch frühen ausfall des e in der paenultima d an r her-
anrückte, wie z. b. tyoure aus claudere, claudre. f) In-
lautendes nd verliert unter den oben bereits auseinander-
gesetzten bedingungen sein n und wie auslautendes t und
d überhaupt verschwindet, so auch d in der Verbindung
nd, wobei auch n oft nach dem bekannten gesetz einge-
büfst wird : prevon, prevon (profundus) ; ebenso bildet sich
aus inde regelrecht Cn, ä, fr. en, folgt jedoch ein mit vo-
cal beginnendes wort darauf, so kommt auch d wieder zum
Vorschein und es finden sich die formen ed und ad neben
solchen auf n, wie en und an, in anwendung.
C. Z. Ueber diesen aus dentaler media und sibilans
zusammengesetzten laut ist für die mundart wenig beson-
deres zu bemerken. Er wich dem g (gr. 1 — 4) und ± (5. gr.)
in dem adj. galeü (1,2,4), galu (3), zaleü (5a), zaW (5b),
jaloux (zelosus, ital. geloso) und dem dahin gehörenden
Substantiv galosie (1—4), zalösle (5a), Jalousie (gls. ze-
losia) ; in ladr« (3), neben dem sich auch mese in gleichem
sinne findet, ladro (4), ladro (5b), ladre, die aber auch
rein französisch sein mögen (aus Lazarus) hat z den Sibi-
lanten theil seiner natur verloren; in badi (1 — 4), ba6l (5)
aus baptizare ist es mit dem vorangehenden t zu dem-
jenigen laut verwachsen, den auch c mit der tenuis t
bildet.
D. Die sibilans S. Die wichtigste erscheinung, die
ich hier hervorzuheben habe, ist die hin und wieder vor-
kommende ausartung in den breiten zischlaut s, die nicht
abtiandlnngen über die roman. mundarten der Südwestschweiz. 495
nur einfaches s, meist anlautend, sondern auch ss und s
mit vorhergehendem r im inlaut trifft. Am häufigsten
kommt sie vor in den patois der 2. und der 3. gruppe;
also: Coosa f. (3), course; se in dem ausdruck 6 que se =
oh que si und andern Verbindungen ähnlicher art (2), (sie);
soüi (1), soe, bei Quinche auch chouai (2), si (3), ^oci (4),
§oüi (5b), six (sex); sörta (3), Sorte; souä (1, 2), doch suä
(3), soe (4j, sä (5b), suer mit dem subst seür (2), sueur;
söffe und soffye (3), souffle; groseür (2), grosseur; paseü
(2), passoir. Oft findet sich ffir s, q und z, für ä, ch ge-
schrieben, b) Sr (gr) wird nicht geduldet; es tritt zu-
nächst ein t zwischen beide laute, worauf s ausfällt, ohne
dafs der vorhergehende vocal derjenigen regel folgte, die
wir bei der ursprunglichen Verbindung st wahrgenommen;
so entsteht cretre (l — 5) aus crescere u. a. ; d ist einge-
schoben in ceüdre (I, 4), ceudre (2), coudre (consuere,
cosre, cosdre). c) St, sc, sp nehmen anlautend gewöhnlich
e vor sich, wobei s gewöhnlich ausfällt, bisweilen auch er-
halten ist; choüeCe (2), science, hat sich dieser regel nicht
unterzogen. Nach diesem gesetz entstanden: eträne (1),
etrennes (strena); estoma, oft im sinne von poitrine (sto-
machus); escoballa (3), escabeau; ecoul«, ecoula, ecole;
esperä, esperer (sperare); epeunue, ep'na, epine, u. a. In-
lautend fallt 8 vor consonanten gewöhnlich aus, wobei vor
den Verbindungen st, sp die gestaltung bestimmter vocale
in eigenthümlicher weise modificirt wird, was auf gleiche
art bei nachfolgendem doppel-s geschieht, üeber sc im
inlaut, s. C. d) Käme s durch kürzung des wortes in den
auslaut, so geht es für die ausspräche verloren: nä, ne.
nez, u. a. m.
3. Die gutturalen.
A. C (ch). a) Folgt auf c ein o- oder u^laut oder
ein consonant, 1 ausgenommen, so verbleibt es guttural,
äufserst selten bewahrt es seine gutturale natur vor a:
cäVe, Cava, ceva (4), cave; capitan (4), capitaine (gls. ca-
pitanus); cesse (3,4), caisse (capsa). Einige male sinkt es
zur media herab und zwar anlautend in: gatolyl (2), cha-
496 Illlfelin
touiller (aus catuli«ire statt catiilire); gonfyS, gonfyö (con-
flare); grey^, craio; gorgolyon (2), charan^on (curculio,
später giirgulio); inlautend in: rigr« (2, 3), 6gr6 (4), aigre
(acer) neben äcre (3) im sinn von amer. egouly« (3) neben
euljc (4), eülye (5), (acucula); lyag-ot (2), (von lacus);
lagrema (3), lärme (laeryma); mfigre (2, 3), megrd (4),
maigre (macer); zu i aufgelöst ist c in Wörtern wie: con-
duire (4), (eonducere); för« (4) aus faire (facere); io py-
ßi'e (2), (plaeere), geradezu ausgefallen in: euly« (4), eüly,
(5), aiguille; fare(l,2), faire; letu-v-« (2), laitue (lactuca),
worin zugleich c auch zu i aufgelöst erscheint; eurtje (2),
ortie. Unentschieden bleibt es, ob ausfall und hiatustil-
gung oder auflösung stattgefunden hat in Wörtern wie fol-
gende: freyl (3, 4, ob), frayer (fricare); epyeyl (1), epyeyl
(2), apyeyi (3), epyeyl (4), epyeyl (5a), empyeyl(5b), em-
ployer (implicare); neyi se (2;, se noyer (necare); noyl (5),
noyer (nucarius); payl (1, 2), payer (pacare); pyeyl (3),
plier; preyl (3,4), prier (precari); reluyen (5b), reluisant
(relucens, -tis); seyl (5a), faucher (secare); verreüye (2),
verrue (verruca). Kommt c in den auslaut, so gebt es ent-
weder für die ausspräche geradezu verloren, wie in: bra
(brachium); bri (3, 4, 5b), berceau, während die mnndart
der Paroisse es durch « geschützt hat in bric« neben bri;
däSc (3, 4)^ denSe (5b), ainsi, aus de-in-sic, wobei durch
verrückung des acoents auch die ganze letzte silbe ver-
loren ging ; pä (2), paix (pacem) ; oder es hat sich das aus-
lautende c in i aufgelöst, wie es noch fühlbar ist in: foue
(2), fouu (5b) statt foüi (focus); djoue (1), djoue (2), djui
(3, 5a), während in dju (4) i abgeworfen wurde, in dji (5b)
u davor ausfiel (jocus); le (1, 3, 4, 5), lä (2), lac (lacus);
eine sonderbare form ist Vo^ec« (3), voix, aus vocem, wo
sich vor c ein i-laut erzeugt zu haben scheint, b) Folgt
auf c ein a, so geht c gewöhnlich in 6 oder c Ober und
zwar in c in der 1., 2., 3. und 4. gruppe, mit ausnähme
des dialektes von Verrieres, der, wie die 5. gruppe, an
stelle jenes c c zeigt; nur in sehr wenig fallen bleibt c
vor a, wie wir oben gesehen, unversehrt. Der Übergang
des c in c oder c findet gerade in denselben Wörtern statt,
abhandlungen über die roman. mundarteD der Sttdwestschweiz. 497
WO jenes im französischen zu ch wird. Beispiele des an-
lautes: cVö (1—3), d'vä(4), cevö(5b),cheval; cö (1—3), dä(4),
CO (5), ehaux (calx, -eis); c6 (1 — 3), <5ä (4), cö (5), chaud
(calidus); dambre (1,2), dambra (3,4), cambra (5), cham-
bre; dan (1 — 4), can (5), champ (campus); d'nö (1 — 3),
cenä (4), c'nö (5), (canalis); da (1, 3,4), de (2), cai (5a),
cen (5b), chien; can (1 — 4), can (5), chant (cantus); can-
son (1 — 4), canson (5), chanson (cantio, -onis); darben (1,
3,4), derbon (2), cerbon (5), charbon; dati (1), date (2,3),
datci (4), cate (5a), cati (5b), chateau; ca (1 — 4), ca (5),
chat. Zu Verri^res: ce, cheoir, tomber (cadere); can, chant
u. 8. w. Mit g und z vertauscht findet sich d und c in:
garabe (1,2), gamba (3,4), zamba (5), jambe (camba). In
derdl (1 — 3), dardi (4), cercl (5), chercher (circare), statt des
richtigem cerdi, cercl, ist das erste d, c, wie im franz. wort
ch, durch assimilation entstanden. Beispiele des inlautes:
arde (1, 2, 4), erde (3), arce (5), arche (arca); coücl (1 — 3),
cudi (4), coeci (5b), coucher; d'mäd« (1), d'mede (2), de-
made (3), d'mäde (4), demaiC« (5a), demenö« (5b) f., di-
manche; mand« (1, 2, 4), mänC« (3), manc« (5), manche
(manica); modi (2), moucher (von mucus, gls. mucare);
seci (1—4), seci (5a), secl (5b), secher (siccare); vade
(1 — 4), VoaCe (5a), vaCe (5b), vache; mit weicherm g und
z: epegi (2), empezi (5b), empoisser (impicare). c) Vor
latein. e, i, oe (ae) wird das ursprünglich gutturale c Si-
bilant: cerve (3), parvei (4), cerveau (cerebellum) ; certy«
(1,2), 9artye (3), ^artyÖ (4), certyo (5b), cercle; cfel, eil,
ciel; im altern patois findet sich mit breitem zischlaut ch4
(§e) in der 3. gr. ; dieses sibilante c ist oft vertreten durch
die ihm verwandten laute s, ss, z. d) Cc. Erweichung
und aus fall ausgenommen, folgt cc denselben regeln, wie
einfaches c. Vor e und i lautet diese Verbindung wie im
französischen, e) Ct wird bisweilen geduldet wie in re-
spectä (3, 5b), respecter (respectare) , bisweilen assimilirt
sich c dem t: lutta (1,2,3, 5b), ledtte (4), (luctari); sehr
oft wird der guttural aufgelöst zu i, das allerdings häufig in
der gestalt von e auftritt, namentlich nach o: co^son (1),
coüeson (4), cöeson (5b), während in couson (3) das so
Zeitschr. f. vgl. sprachf. XXI. 6. 32
498 Häfelin
eDtstandeue i verschwand (coctiouem); seiteü (4), sattal
(5b), faucheur; trötä (1, 2, 3, 5), trete (4), traiter (tractare);
in lyi (1 — 5) aus Icetus trafen sich zwei i, wovon das erste
vor dem folgenden in y überging. Oft gingen beide con-
sonanten in 6 (gr. 1 — 4) und c (5. gr.) über: cadi, caöl,
eacher (coactare); depacl (1), depecher (dispactare) ; epe<ä
(1,2, 4), apeci (3), empaci (5b), empecher (impactare); fyedl
(3), fl^chir (flectere); fracl (2), briser (gls. fractare); fQr
d und 6 zeigt sich g und z in; fege (1, 2, 3), fegÖ (4),
fe^o (5b), foie (ficatum). f) X (es). Der c-laut assimilirt
sich dem s: e8sare(3) und sein compos. ressür«, essuyer (ezsu-
care); lassl (1 — 5), laisser (laxare); passl (1), pass6 (2, 3),
passsci (4), passe (5a), passi (5b), echalas (paxillus); tassä
(2), evaluer, taxer (taxare). Vor consonanten wird dieses
so entstandene ss wie s ausgestofsen: etyerl, eclairer (ez-
clarare); eceüfe (4), battre le grain dans la grange (excu-
tere); eprovä, eprove (4), eprouver (exprobare); etran^
etranzl^ etranger; fräUe (1,2,3,5a), fräno (5b), frene (frass'-
nus, fraxinus); setfe (1), setier (sextarius). Der guttural
findet sich zu i aufgelöst in: boüi (1 — 5), (buxus); coüess«
(1), coüesse (2), coesse (5b) neben cousSe (3, 4, 5a), cuisse
(coxa). Französischen formen mit ch aus x (umgestellt zu
sc) entsprechen mundartliche mit 6 (1 — 4) und c (5): l^öl
(3), lädi (4), läci (5b), lacher (laxare); läc« (1,2), l^c« (3),
ledd (4), läCe (5a), läco (5b), lache (laxus); täde (1, 2), t^d.
(3, 4), tace (5), täche (taxa). g) Lc, nc, rc, tc, de. a) In
der Verbindung lc wird c zu g (1 — 4), z (5), wie in: pugä
(4), poussin (puUicenus), seltener zu d, c, wie in: peüd« (3),
peüdö (4), peuce (5), pouce (policem); ß) desgleichen c in
nc (ndc): megi (I, 2, 3), niägl (4), meil (5a), menzi (5b),
manger (manducare) ; pägl (3), penzi (5b), pencher (gls.
pendicare); vägl (3), vCngl (4), venzi (ob), venger (vindi-
care) mit dem compos. r'vägi (3), rVe„gi (4), revenil (5b), re-
vancher; der d-laut findet sich dagegen ein in: epandl, epanöl,
r^pandre (gls. expandicare von expandere); y) ebenso in der
Verbindung rc: dargl (1 — 3), auch dergi (2, 3), dargl (4),
cerzi (5), charger (gls. carricare); forgl (1 — 4), forzi (5),
forger (fabricare) sammt dem Substantiv förg© (3, 4), förd«
abhandlnngen über die roman. mandarten der Sttdwestschweis. 499
(5b), forge (fabrica). d) Die Verbindung tc stellt sich in
der mundart gewöhnlich dar durch ^ in den vier ersten
gruppen, durch ± in der 5. gruppe und in der mundart
von Verrieres, die überhaupt 6 und ± überall da zeigt, wo
auch die mundarten der 5. gruppe diese laute aufweisen.
Beispiele: ag« (1, 2), 6^o (3), e^6 (4), äÄ« (5a), äio (5b),
äge; oräge (1, 2), ore^« (3), ore^ö (4), oräi« (5a), oräio
(5b), orage; dammäge (1, 2), damm^^« (3), dammögö (4),
dammä^e (5a), dammäzo (5b), dommage; herbä^« (1, 2),
herb^ge (3), harb6g6 (4), herbäie (5a), herbäio (5b),
herbage u. s. w. Zu Verrieres finden sich die formen:
fourmäzoü, fromage; rame^ou, ramage (gls. ramaticum).
Die harten laute fanden sich ein in: med (3), madi
(4), macl (5), mächer (masticare); per<ie (1 — 3), parö«
(4), peröe (5), perche (pertica); peürde (3), pourdö (4),
porche, portique (porticus). 6) De gestaltet sich zu
dem gleichen laut g, i: dju^l (1 — 4), iuil (5), juger
(judicare); mä^e (1), mög« (2), ml^e (3), mei^o (4),
quacksalber (medicus, prov. metge, afr. mege); prö^I
(2), prezi (5), parier (praedicare). h) Sc im inlaut wird
SS in : pesson (3), p^sson (4), pesson (5b), poisson (abgelei-
tet von piscis); einfaches s in: ra-n-sinol«, rossignol; d, 6
in: moc^e (I — 4), moc« (5), mouche; pöd« (3, 4), pSche
(persica, pesca). Dahin ist auch zu rechnen das aller-
dings deutschem Ursprung angehörende frede (3, 4), frede
(5a), freCe (5bj, fralche, fem. zu fre, das den ganzen
auslaut sc abgeworfen (ahd. frisc). In c^üotre (cognoscere)
ist sc gerade wie einfaches s behandelt worden. Sc im
anlaut s. S.
B. Qu. a) Qu geht in die media über: egu« (1, 5a),
eau (aqua); egö (2,5b), dgal (aequalis); sägr« (1), sögr. (2),
sigre (oa), saigre (5b), suivre (aus sequere für sequi); aus-
fall des q vor u und consonantirung des letzteren zeigt die
form: äVe (3,4); ausfall und ersatz durch i nebst conso-
nantirung des u: evoüe (2, 5b), ev« (1, Landeron), eau;
ausfall des qu und ersatz durch i (jetzt e): coüer« (2),
cuire (coquerej; in cour« (4) hat nachheriger ausfall des i
stattgefunden, b) Vor a-, o- und u-lauten bleibt qu ge-
32*
500 lUfelin
wöbnlich als gutturaler laut, jedoch ohne vernehmbares u,
doch auch nicht selten vor i und e (ae): enquie (1, 2), (in-
quietue); qu'rl (3), chercher (quaerere); se quäsl (2), qui-
181 (4), se taire (gis. quietiarc von quietus); u tönt aber
mit in dem pronomen interrogativum qoüi (1 — 5a), qoüu
(5b), qui (quis). Sonst ist qu vor i und e gewöhnlich be-
handelt wie c in dieser Stellung: cous'na (3), cuisine (co-
quina). Wo im französischen cli aus qu erscheint, zeigt
sich hier c(l — 4), c (ö und Verrieres): dän^ (1,2,3), c^^nrf
(4), cano (5b), ebene (gls. quereinus); dacon, cacon, oder
caquon, caquon, chacun (quisque-unus). Vor i wechselt qu
bisweilen mit ty: tyauze, quinze (quindecim); entye m. en-
tyeta f. (5b), (inquietus, a); ty in der mundart von Tra-
vers nähert sich noch der ausspräche eines cy (quy), entye
lautet dort fast encye, enquye.
C. G. a) Vor consonanten und den vocalen a, o und
u bleibt die gutturale media theils bestehen, theils wird
sie erweicht zu i (y), oder auch ausgeschieden. Für erste-
res sind beispiele nicht von nöthen. Erweichung zeigt sich
klar in: foulr,. (1), (fugere); fyerl (3, 4), flairer (flagrare
statt fragrare); atie (3), entieü (5b), entier (integer mit Um-
stellung der laute e und i); lylre (2), lire (aus Iure, leire,
leyre, legere). Beispiele des ausfalls: aou (3), aoüt (au-
gustus); rua (3, 5b), rue (ruga); tyolU, tyolla, tuile (tegula).
In ne-v-ouä (2), uier, ist der durch ausfall des g entstan-
dene hiatus wieder durch einschub des halbvocals v besei-
tigt. Ob in Wörtern wie cateyl (3), chätier (castigare),
leyl (3) neben liä (5b), Her (ligare) auflösung des gattn-
rals in i (y) oder hiatustilgung durch y vorliege, wage ich
nicht zu entscheiden. Kommt g durch körzung in den
auslaut, so verschwindet es wie in mä, mais (aus magis).
Die seltene auflösung zu u ist vorhanden in fou m., buche
(aus fau, dies aus fagus). b) G vor a geht in den vier
ersten gruppen gern in g, in den mundarten des Vignoble,
der Paroisse und von Verrieres in z über und zwar in
•
denselben Wörtern, wo im französischen sich aus lat. g
j entwickelt: g6ne (1,2,3), gäno (4), zon« (5a), £öno (5b),
jaune (galbinus) ; gol (2), zoi (5), benutzen (gaudere); goyeü
abhandlungen über die roman. mnndarten der SUdwettschweiz. 501
(Ol goy« (3), *oyeü (5a), zoya/ (5b), joyeux; longe (1 — 4),
lonze (5), fem. zu Ion (longa); purgl, purÄI (purgare); v(»rge
(1, 2), varge (3, 4), VoCrZe (5a), verie (5b), verge (virga).
c) Vor e und i wird g zu g in den vier ersten gruppen,
zu z in der fünften und in der mundart von Verrieres:
borge (3, 4), bor^a« (5b), bourgeois (gls. burgensis); galä
(1, 2, 3), gal^ (4), Äalä (5), geler (gelare); ge (1), ^ä (2),
ga (3), ge (4), ze (5a), Äein (5b), gens; gichan.Ue (2), gen-
tiane (gentiana); geti (1), geti (2, 4), gati (3), zeti (5a),
gentil (gentilis); g'nu (1, 2, 3), g'neu (4), genou (genu);
gernä (1, 2), garUä (3), garme (4), zernä (5b), germer (ger-
minare); gäglve (3), gäglve (4), zenzuve (5b), gencives
(gingiva); in gäcive (1) trat wie im französischen wort q
an stelle des richtigem g in folge des strebens nach dissi-
milation. d) Bisweilen trat aber auch vor e und i Syn-
kope der gutturalen media ein; so in: coudi (2), coüudä
(5bj, cuider (cogitare). Unentschieden bleibt es, ob in Wör-
tern wie fyeye (3), fleau, ausfall der gutturalen media und
hiatustilgung durch y oder auflösung derselben zu i statt-
gefunden habe, e) In der Verbindung gu bleibt g guttu-
ral: anguilye (4), anguilla (5b), (anguilla); legUe, langue
(lingua); g ist vor u ausgefallen in: lenvoüa (5b). f) Gm
bleibt in: ogmatä (3), Ögmentä (5b), augmenter; andere
beispiele fehlen, g) Gn wird umgestellt zu ng mit er-
weichung des g zu y: aseni (3), enseigner (insignare);
c'notre, connaitre; digne oder din« (3), dign6 oder din6
(4), (dignus); regne (3), regno (5b) oder ren«, reno (reg-
num); sign« (3), signo (5b) oder sin«, sino (signum) u. a.
Erweichung ohne Umstellung fand statt in: p6ä (3, 4), p6en
(5b), (pugnus); sino (4), signe. Wegfall der gutturalen
media im auslaut, wie im französischen: mala (3), malen
(5b), (malignus). h) G in ng vor e und i wird entweder
zu g (1—4) und z (5), wie in ahge (2, 3), ang6 (4), ani«
(5a), ange (angelus), oder es erweicht sich ng zu ny, auch
n oder gn geschrieben: y'attegn6, y'attöny^ oder y' aMh6
(attingo). Auch Umstellung des ny zu in in: pyödr« (1, 2),
pyädre (3, 4), pyaidr« (5a) mit verstummtem nasal, pyen-
dre (ob), plaindre (plangere, planyre, plainre).
502 Uäfelin
I). J. a) Auflösung dieses halbvocals in i findet statt
vor consonanten und im auslaut: ^dl (adjutare, ajHare, ai-
tare); mä, me, mois de mai (majus); Umstellung des j m
balyi, bailler (bajulare, bajMare, baljare). In den meisten
fällen aber wird es zu dj (gesprochen wie ^) in der 1., 2.,
3. und 4. gr., zu z in der 5. gr. und in der mundart von
Verrieres. Beispiele: Djaque (1, 2, 3), Z&c6 (5b), (Jaco-
bus); dja, za, deja (jam); djanvfe (1,2) djanviö (3), djanvl
(4), (januarius); dedjeü (1, 2), d'djeü (3, 4), deÄeü (5b),
jeudi (dies jovis) ; dju (1), saft (jus); djuste (1 — 3), djustd
(4), zusto (5b), juste (justus) u. s. w.
4. Die labialen.
Ä. P. a) Anlautend geht es in die media Über in
boete (pyxis), inlautend wird es in der regel zu v: crevä
(3), ercvä (5b), crever (crepare); c'vl (2), souhaiter (cu-
pere); pavelyon (2), (papilionem); sonderbar ist die form
pav'lyeü (3), die den anschein hat, als gehe sie zurück
auf eine nominativform mit verrflckung des lateinischen
accents auf die letzte silbe; pouvr'tä (1), pauvret6 (pauper
tatem); räVo (1,2), räva (3,5), r^va (4), rave; recovrä (5b),
(recuperare); vivra (3), vipere (vipera). Ausgefallen ist v
in poure neben pouvre. Vor 1 (y) bleibt p bisweilen un-
angetastet stehen: peüpye (1, 2, 3, 5a), peüpy6 (4), peuple
(populus) ; sonst wird es in dieser Stellung gern zu b : co-
bye (5a), troupe (copula); d-r-eüby« (1, 2, 5a), d-r-eübyij
(4), d-r-eübyo (5b), dubye (3), (duplus); puby» (1, 2), poü-
ibye (5a), pubyo (5b), peuplier (populus). In manchen Wör-
tern, die vielleicht jünger oder weniger volksthütnlich sind,
hat sich p fest behauptet, wie in dissipä, occupä u. a«
Mit t vertauscht ist p in rotr«, rontr« (4, 5b), rompre (rum-
pere). Auslautendes p geht für die ausspräche verloren.
b) Pp bleibt als labiale tenuis fortbestehen: apportä (1,2)
(apportare); etoppa (3,4, 5), etoupe (stuppa) u. a.. c) Mit
t und s verbunden ging p verloren in : tisan.na (2, 3), (aus
ptisana); som« (1, 2, 3), §6mo (ob), psaume (aus psalmus).
d) Pt; p wird in dieser Verbindung in der regel dem fol-
genden consonanten assimilirt: mal^t« (3), malet^ (4), ma^
abhandlungen über die roman. mundarten der Sudwestschweiz. 503
lade (male-aptus) ; rotte, rotta, fem. des part. perf. von
rotFe (rupta) und zugleich auch Substantiv mit der bedeu-
tung: troupe, rotte. Kommt pt in den auslau t, so ver-
schwindet es gänzlich: ro (ruptus). e) In der Verbindung
pd fällt p aus: eteu^-dl (3), etordi (4), ^tourdir (gls. extor-
pidire); tyede (3), teidd (4), (tepidus). f) Ps; in dieser
Verbindung assimilirt sich p dem s, wie in cesSe, caisse
(capsa); ebenso geht auch das wort: ade (2, 3), adl(l,5b),
adei (4), toujours, prov. afr. ades, auf ein ihm vorange-
gangenes adesse (ad ipsum) zurück. Sp. s. S.
B. B. a) Die labiale media geht ober in den na-
sal in dem wort d'sande (1), desando (5b), (dies sab-
bati). b) Anlautendes b bleibt, inlautendes erweicht sich
in der regel zu v: fäv« (I, 2), fäva (3, 5), (faba); lävr« (2),
levre (vom pl. von labrum); provä (2,3), (probare); savu
(2), sureau (sabucus); tavan (tabanus); doch findet sich da-
neben auch taban. Auslautend geht es für die ausspräche
verloren: trä (trabs, -bis), c) Fälle, wo b sich in u auf-
gelöst hat vor 1 und r, sind: forgl, forzi (fabricare); pa-
roula (3), parole (parabola), wie in andern romanischen
sprachen, d) Bt; b assimilirt sich dem t: detta (3), dette
(debita); dottä, dotte (4), (dubitare); gatta (3), . (gabata).
e) Bs verhält sich hier wie im französischen; b assimilirt
sich nicht: abst'nl (3), absteni (4, 5b), abstenir (abstinere).
f) Dagegen zeigt sich assimilation in sudje oder suge (3),
(subjectum); seuveni (3), seuv'nl (5b), souvenir (subvenire).
g) Mb im auslaut verliert sein b: colom (columbus); pyom
(plumbum).
C. F. Ph. Ph geht über in p: supr« (1, 2, 3), supro
(4), soupre (5a), supro (5b), souflßre (sulphur, sulfur, prov.
solpre) nebst dem verbum suprä, supr^ (4), enduire de
souffre (sulphurare), ebenso in copä (gls. colaphare). Er-
weichung des f zu V findet statt in: prevon (1, 2, 3, 5a),
prevon (5b), doch auch profon und prefon (4), (profundus),
ausfall in triol mit dem dimin. triolet (2), tr^fle (trifolium).
Es findet sich kein beispiel der aspirata h fQr f; aus foris
entwickelt sich foCÜ (3), feü (5b), hors, dehors.
D. V. Anlautendes v geht in f über in dem verbam
504 Häfelin
ftl (vcstire), doch nur in einigen dialekten, die, wenn die
endung betont wird, den voeal des Stammes, als tonlosen,
unterdrücken; v kommt wieder zum Vorschein, sobald
der unterdrückte vocal zurückkehrt. Inlautendes p wird
zu b in: corbä, corbe (4), (curvare). Sonst behauptet es
sich inlautend in den meisten fällen: lavä, lave (4), (la-
vare); levää), Ifve (4), (levare); ausgefallen ist es in: poe
(3), peür (4), poair (5b), peur (pavorem). Auslautendes
V geht für die ausspräche verloren: cro (1 — 3), crou io
Verricres, corbeau (corvus mit Versetzung der liquida r);
soüe (4), suif (sevum). Anlautendes v in lateinischen Wör-
tern ist einige male in die gutturale media übergegangen:
gäna (3, 4), guena (5b), (vagina); guetä (3), gäte (4), gatä
(5b), (vastare), in denselben Wörtern, wo auch das fran-
zösische denselben Vorgang zeigt, während das deutsche
w sich noch gewöhnlich in der form von zeigt, bisweilen
in der form v6: voag«, gage; vifagl, gager; ve?arl, guerir;
vouelyl, crier, grincer; voucr«, gueres; voueti, guetter, ^pier;
Vouardä, garder. V liebt oft den laut ou nach sich, auch
in Wörtern lateinischen Ursprungs: vouep«, guepe (vespa).
Eine etymologisch nicht berechtigte erscheinung ist es in:
ou-v-ra (4), vent, aus aura.
Zweiter theil.
Formenlehre.
I. Substantiv.
Von der bildung desselben in der einzahl und in der
mehrzahl ist bereits in der lautlehre gesprochen worden.
Hier mufis nur noch bemerkt werden, dafs substantiva
weiblichen geschlechts, die der 1. declination angehören
und die in der zweitletzten silbe einen eu- oder e-laut
haben, denselben in der mehrzahl unterdrücken; z. b.: la
neteulje sing., aber le net'lye plur. (2), Ja nateuly« sing.,
aber le nat'lye plur. (3), la lentille, les lentilles. Anzufüh-
abhandlungen aber die roman. mundarten der Sttdweiitschweiz. 505
ren sind nur noch die verschiedenen formen des das Sub-
stantiv gewöhnlich begleitenden artikels.
Artikel.
1) Bestimmter:
masculinum: sing.: nomin. accus.: le (f, 2, 3, 5a)*),
lo(4, 5b); gen.: du(1^5a), doü(5b); datr.: u (1, 2, 4, 5a),
i (3), au (5b); plur. : nomin. accus.: 1^ (1, 2, 4, 5a), le (M),
le (5b); gen.: de (1, 2), de (3, 4), dej (5a), dae^, fast wie
dai lautend (5b); dat.: e (1,2), i (3), e (4), ei (5a), a^,
fast ai (5b);
femininum: sing.: nomin. accus.: la (1 — 5b); gen.: d'la
(1 — 5a), de la (5b); dat.: ala(l — 5b); plur.: nomin. accus.:
le (1, 2, 4, 5a), le (3), le (5b); gen.: d^ (1, 2), de (3, 4),
dci (5a), da^, fast da, (5b); dat.: e (1, 2), i (3), e (4),
e-i (5a), aeS fast ai (5b).
Vor vocalen lautet der artikel im nomin. und accus,
sing, für beide goschlechter P, im gen. d' P, im dat. a T;
im plural tritt an die eben angeführten formen ein s (oft
§ gesprochen), das die bindung bewerkstelligt.
2) Unbestimmter:
masculinum: nomin. accus.: on (1 — 5b); gen.: d'on;
dat.: a on; femininum: nomin. accus.: enn« (1, 2), anna (3),
enna (4), enn« (5a), enna (5b); gen.: d'enne(l, 2), u. s. w.;
dat.: a enn« (1? 2), u. s. w. Vor einem vocal lautet der un-
bestimmte artikel en (1, 2, 4, 5a b), an (3) für das mascu-
linum, enn' (1,2^4, 5a b), ann' (3) fdr das femininum.
Statt nn kann auch einfaches n geschrieben werden, nur
ist der betonte vocal kurz und n scharf zu sprechen, was
durch die Schreibweise nn angedeutet wird.
n. Adjectiv.
Ueber die bildung des adjcctivs ist zum theil eben-
falls schon in der lautlehre gesprochen worden. Der plur.
*) Als rcpräsentantcn der einzelnen gruppen sind die mundarten von
Ligniöres (1), Dombresson (2), La Sagne (3), Travel s (4), Cortaillod (6a),
Gorgier (5b) aufgenoilimen. Nach einer wortform bezeichnet (1) also, dafs
»ich dieselbe im patois von Ligniöres voi findet, u. §. w.
506 Häfclin
des masoulinums lautet nicht verschieden vom singuIar,
der pliir. des feiDininums wird gebildet wie derjenige der
weiblichen substantiva der ersten declination. Der compa-
rativ wird durch vorsetzung von pye (1), pyeu (2, 3), pyeu
(4, 5a), pye (5b) vor den positiv ausgedrückt. Aufser die-
sem periphrastischen coinparativ findet sich noch theil-
weise ein organischer, nämlich zu:
1) bon: meyeür (I), melyeür (2), melyu (3), meilyeür
(4), melyeür (5a), melyae (5b) für masculinum und femininum;
2) crouye mf. oder medä m. medäte f.: pfe m. pfer« f. (1),
pie mf. (2) ; medan m. medanta f.: pf m. plr« f. (3); me6an m.
mecanta f.: pyeu mecan m. pyeu mecanta f. neben plr« mf.
(4); m6v6 m.: pl m. (5a b); 3) peti m. petit« f.: m^ädr«
mf (1); p'ti m. p'tite f.: m^eidr« mf. (2); pete m. petetaf.:
m^ädre m. määdra f. (3); p'ti m. pHita f.: moädro m.
moädra f. (4); p'ti m. p'titef.: moaidr« mf. (5a); p'ti m.
p'tita f : moCndro m. moCndra f. (5b). Die vorsetzung des
bestimmten artikels vor den comparativ dient zur bildung
des Superlativs.
III. Zahlwort.
1) Cardinalzahlen: Dieselben werden ausgedrückt
durch: 1. on m. enn« f. (1, 2), on m. anna f. (3), on m.
enna f. (4), on m. enne f. (5a), on m. yena f. (5b); 2. dö
m. doü^ f. (1), do m. doue f. (2), do m. doüe f. (3), de m-
duvoe f. (4), do m. devoue f. (5a), dou m. düv^^ f. (5b);
3. trä (1), tre (2, 3, 4), trai (5a), tra« (5b); 4. quatr. (1,
2,3,5a), quatrö (4), quatro (5b); 5. ^ä (1—4), pai (5a),
cen (5b); 6. soüi (1), ^oe (2), hi (3), äo^i (4), si (5a), ioid
(5b); 7. sa (1, 2, 4, 5b), sa (3), säte (5a); 8. votieu (1),
vouo (2, 3), voue (4,5a), vefe (5b); 9. neu (1, 2), neu
(3— 5ab); 10. die (1,2), di (3— 5ab); 11. önz^l— 5ab);
12. doze (1,5a), doze (2,3,5b), douz« (4); 13. tr^z« (1),
treze (2, 5b), tr6ze (3, 4, 5a); 14. quatörz« (1), quatorze(2),
quatörZe (3), quatörze (4, 5 a b) ; 1 5. tyenz« (1), tyanz«
(2— 5ab); 16. söZe ( 1 , 3, 5a b), seze(2, 4); 17. dfe.sa(l,2),
di-sa (3), di-sa (4, 5ab); 18. dfes-voüeu (1), dfes-voÄO (2),
dis-voüo (3), dis-voüe (4), dis-oüe (5a), dis-jSe (5b); 19.
abhandlungen ttber die roman. mundarten der Sttdwestechweiz. 507
dfes-neü (1, 2), dis-neu (3— 5ab); 20. vä (1, 2, 4), va (3),
vä (5a), ven (5b); 21. vät-e-on (1), vät-i-on (2), vangt-e-
y-on (3), vänt-y-on (4, 5a), vengt-y-on .(5b) ; 30. tränte (1),
tränte (2, 3), tranta (4, 5a b); 40. quaränte (1), quarante (2,
3), quaranta (4, 5a b); 50. päqiiäote (1), ^äquante (2, 3),
^äquanta (4, 5a), cenquanta (5b); 60. s^asänt« (1), soasante
(2, 3), soasanta (4, 5ab); 70. septänte (1), septante (2, 3),
septanta (4, 5a b); 80. vouitänte (1), vouictante (2, 3), vic-
tanta (4), Vaitanta (5a), ouitanta (5b); 90. nonänte (1), no-
nante (2, 3), nonanta (4, 5ab); 100. ^än (1), ^an (2 — 5ab);
101. 9än e on (1), ^an e on (2, 3, 4), ^an-i-y-on (Sab);
200. d6-9än (1), do-^an (2) u. s. w.; 300. trä-^än (1), tre-
9an (2) u. 8. w.; 1000. mille (1— 5b); 2000. do-mille (1),
u. 8. w.; 1,000,000. on milyon (1 — 5b).
2) Die Ordnungszahlen werden ausgedrückt durch:
Le permie (1, 2), le permi (3), lo perml (4), le perml
(5a), lo perml (5b), le premier; le secon (1), le s^con (2),
u. s. w., le 8econd; le träsfenie (1), le tr^asfenie (2), le
troasienie (3), u. 8. w., le troisieme.
3) Die multiplicativzahlen durch: säpy« (1), 86-
pye (2), säpye (3), säjy^ (4), saipye (5a), 8empyo (5b),
simple; dreübye (1, 2, 5a), duby« (3), dreüby(5 (4), dreübyo
(5b), double; tripU (1), tripy« (2, 5a), triplä' (3), tripy^ (4),
tripyo (5b), triple; quadruple (1), quadrupye (2, 5a), qua-
druplä' (3), quadrupyd (4), quadrupyo (5b), quadruple.
4) Die collectivzahlen durch: enue voüetäue (1),
une huitaine; enne dozane (1), enue dozane (2), anna do-
zana (3), enna dozana (4), enue dozaue (5a), enna dozana
(5b), une douzaine; enn« tyezän« (1), une quinzaine; enn«
vetäue (1), une vingtaine; enUe trätän« (1), une trentaine;
enne quaräntäUe (1), une quarantaine; enUe ^äquäntäne (1),
une cinquantaine; enue s^asäntfin« (1), une soixantaine;
enUe pätän« (1), une centaine; on milye (1), un millier.
5) Die distributivzahlen durch: enUe m^etl (1),
enne met^e (2), anna meti (3), la meiti (4), moitie; on tfer
(1,2), on tic (3), on tir (4), un tiers; on quar (1, 2,4,
5a b), on que, {3), un quart; on ^ftqufeme (1), un cin-
quieme u. s. w.
508 Häfelin
IV. Pronomen^
1. Das persönliche:
A. Das verbundene:
I. person: singularis: nomin.: i ') (1 — 5a), i, fast wie
^ ') (5b); dat.: me ^) (1 — 5ab); accus, me ') (1— 5ab);
pluralis: nomin. dat. accus.: n^ ^) (1), no ^) (2,3,4,5b),
no ') (5a).
IL person: sing.: nomin.: te *) (1 — 4), te *) (5ab);
dat.: te *) (1 — 5ab); accus.: te *) (1 — 5ab); plur.: nomin.
dat. accus. : v6 ») (1), vo ») (2, 3, 4, 5b), v6 «) (5a).
III. person: masculinum: sing.: nomin.: e, el vor
vocalen (1,2, 4, 5ab), i, il vor vocalen (3); dat.: yi (1),
lyi (2, 4), li (3,5a), lyae" (5b); accus.: le ») (1,2,3,5a),
lo *) (4, 5b); plur.: nomin.: e, el vor vocalen (1, 4, 5a), e,
eiä vor voc. (2), i, il vor voc. (3), ^, ^1 vor voc. (5b), dat. :
yeü (1), lyi (2, 4), li (3, 5a), lya# (5b); accus.: le *) (1, 4,
5a), le ^) (2, 3), le *) (5b) ;
femininum: sing.: nomin.: elU ') (1 — 5a), le ') und
eile") (5b); dat.: yi (1), lyi (2, 4), li (3,5a), lya^ (5b);
accus.: la (1 — 5ab); plur.: nomin.: eil«*) (1,3,4,5a), elU,
eU vor vocalen (2), eile *) und le *) (5b); dat.: yeü (1), lyi
(2, 4), li (3, 5a), lyal (5b); accus.: le *) (1, 4, 5a), le *) (2,
3), le *) (5b).
B. Das alleinstehende:
I. person: sing.: me (1), me (2), me (3, 4, 5ab),
moi; plur.: n6 (1), no (2, 3, 4, 5b), no (5a), nous.
IL person: sing.: te (1), te (2), te (3, 4, 5ab), toi;
plur.: vrf (1), vo (2, 3, 4, 5b), vö (5a), vous.
III. person: masculinum: sing.: yu (1), lyu (2,5a),
lu (3, 4, 5b), lui; plur.: yeü (1), lyeü (2), leü (3), leu (4),
lyeü (5a), la^, fast las (5b), eux;
femininum: sing.: eil« (1), lyfe (2), li (3, 5a), lyi (4,
5b), eile; plur.: yeü (1), lyeü (2), leü (3), le (4), li (5a),
lae^ (5b), elles.
^) Vor vocalen y und iy. ^) Vor vocalen werden diese formen apo-
strophirt. ') s wird vor vocalen bisweilen gehört, bisweilen tritt der apo-
stroph ein. ^) Vor vocalen tritt s zur bindung ein.
abbandluDgen über die romttu. mundarten der SttdirestBcfaweiz. 509
C. Das reflexivpronomen:
a) verbunden: se (1 — 5a b); b) alleinstehend: si (1),
se (2), se (3— 5ab).
2. Das Possessivpronomen:
A. Das verbundene:
a) bei nur einem besitzer:
I. person: masculinum sing.: mon, m'n vor vocalen
(1 — 5ab); femininum sing.: ma, m'n vor vocalen (1 — 5ab);
mascuL und femin. plur. : me (1 — 5a), me (5b), vor voca-
len mes und mes.
IL person: masculinum sing. : ton, t'n vor vocalen (1 bis
5a b); femininum sing.: ta, t'n vor voc. ; mascul. und femin.
plur.: te (1 — 5 a), te (5b), vor vocalen tes und tes.
IIL person: masculinum sing.: son, s'n vor voc. (1 bis
5a b): femininum sing.: sa, s'n vor voc. (1 — 5a b); mascul.
und femin. plur.: se (1 — 5a), se (5b), vor vocalen ses
und ses.
b) bei mehreren besitzern:
I. person: masculinum: sing.: noutr« (1,2,3,5a),
noutrcJ (4), noutro (5b); plur.: noutr« (1,2,3,5a), noutrd
(4), noutro (5b); femininum: sing.: noutr« (1, 2), noutra
(3, 4, 5a b); plur.: noutro (Ij 4, 5ab), noutre (2, 3).
IL person: mascul.: sing.: voutr« (1,2,3,5a), vou-
tr^ (4), voutro (5b); plur.: voutr« (1,2, 3, 5a), voutrd (4),
voutro (5b); femin.: sing.: voutr« (1, 2), voutra (3, 4, 5a b);
plur.: voutro (1, 4, 5 ab), voutre (2, 3).
III. person: mascul. und femin.: sing.: yeü (1), lyeü
(2), leü (3), leu (4,5a), W, fast lai (5b); plur.: yeü (1),
lyeü (2), leü (3), leu (4, 5a), la^ (5b).
Vor vocalen wird in der einzahl apostrophirt, in der
mehrz^l tritt s an, das zur bindung dient.
B. Das alleinstehende:
a) bei nur einem besitzer:
I. person: masculinum: sing.: le mionUe (1), le mio
(2), le mio neben le mionue (3), lo mionn^ (4), le mionue
(5a), lo miönuo (ob); plur.: le niioune (1), 1^ mio (2), le
510 Häfelin
mio und le mionne (S), I^ mionD^ (4), 16 mionOe (5a), le
miönno (5b); feminiDum: sing.: la mionOe (1)2), la mionna
(3, 4), la mioDDe (5a), la miönna (5b); plur.: le mioone
(1), I^ mionne (2), le mionne (3), I^ mionn^ (4, 5a), le
miönna (5b).
IL person: masculinum: sing.: le tionn« (1), le tio
(2), le tio neben le tionn« (3), lo tionn^ (4), le tionne (oa),
lo tiönno (5b); plur.: 14 tionn« (1), l4 tio (2), le tio neben
le tionne (3), le tionn^ (4), 14 tionn« (5a), le tiönno (5b);
femininum: sing.: la tionn« (1, 2), la tionna (3, 4), la tionn«
(5a), la tiönna (5b); plur.: 14 tionne (1), 14 tionne (2), le
tionne (3), 14 tionn4 (4, 5a), le tiönn4 (5b).
IIL person: mascul. : sing.: le sonn« (1), le io (2),
le sio neben le sionn« (3), lo sonn^ (4), le sonn« (5a), lo
sönno (5b); plur.: 14 sonn« (1), 14 so, auch 14 [ionne (2),
le sio neben le sionn« (3), le sonn^ (4), 14 Sonn« (5a),
le sönno (5b); femin.: sing.: la sonn« (1, 2), la sionna
(3), la sonna (4), la sonue (5a), la sönna (5b); plur.: 14
§onn4 (1), 14 sonne (2), le sionne (3), 14 ilonn4 (4, 5a), le
sonne (5b).
b) bei mehreren besitzern:
I. person: mascul.: sing.: le noutr« (1,2,3,5a), lo
noutr4 (4), lo noutro (5b); plur.: 14 noutre (1,2), le nou-
tr« (3), 14 noutrcJ (4), le noutr« (5a), le noutro (5b); femin.:
sing.: la noutre (1, 2), la noutra (3, 4, 5a b); plur.: 14 nou-
tr4 (1), 14 noutre (2), le noutre (3), le noutr4 (4, 5a), le
noutr4 (5b).
II. person: mascul.: sing.: le voutr« (1, 2, 3, da), lo
voutro (4), \o voutro (5b); plur.: 14 voutre (1, 2), le vou-
tr« (3), 14 voutro (4), 14 voutr« (5a), le voutro (5b); femin.:
sing.: la voutre (1, 2), la voutra (3, 4, 5a b); plur.: 14 vou-
tr4 (1), 14 voutre (2), le voutre (3)^ le voutre (4, 5a), le
voutr4 (5b).
III. person: sing.: le yeü m. la yeü f. (1), le lyeü
m. la lyeü f. (2), le leü m. la leü f. (3), lo leu m. la leo
f, (4), le lyeü m. la lyeü f. (5a), lo la^ m. la Idi f. (5b);
abhandlungen über die roman. mundarten der Sfldwestschweiz. 51 1
mascul. und femin. plur.: U yeü (1), U lyeü (2), le leü
(3), 1^ leu (4), 1^ lyeü (5a), le la«^ (5b).
3. Das demonstrativpronomen:
A. Das verbundene:
a) mascul.: sing.: pu, st' vor vocalen (1), stu, st' vor
voe. (2, 3, 5a), ch'Iu, st' vor voc. (4), pu, cel und st' vor
voc. (5b), ce; plur.: ceü (1), steü (2), ste (3), ch'16 und
ce (4), steü (5a), ^a^, fast ^ai (5b), ces, mit zur bindung
dienendem s vor vocalen; femin.: sing.: ste (1, 2), sta
(3, 5a b), ch'la und sta (4), cette; plur.: ceü (1), steü (2),
ste (3), ch'le (4), steü (5a), ^a^ (5b), ces, mit s vor vo-
calen;
b) mascul.: on to (1, 2, 3, 5ab), on tä (4), un tel;
femin.: enn« töU (1, 2), anna to (3), enna täla (4), enn«
tole (5a), enna töla (5b), une teile.
B. Das alleinstehende:
a) mascul.: sing.: stu-ch« (1, 2), stu-ci (3, 4, 5a b), ce-
lui-ci; plur.: steü-che (1, 2), ste-ci (3, 4), steü-ci (5a),
stae-ci, fast stai-ci (5b), ceux-ci; femin.: sing.: ste-che und
ste-läque (1), ste-che (2), sta-ci (3, 4, 5ab), celle-ci; plur.:
steü-che (1, 2), ste-ci (3, 4), steü-ci (5a), sta^-ci (5b), cel-
les-ci ;
b) mascul.: sing.: 9U-I6 (1), 9'lu-le (2), p'lu-läque (3),
chu-läque (4), stu-le (5a), 9'lu-le (5b), celui-lä; plur.: ceü-
le (1), ceü-le (2), 9'le-läque (3), ce-läqu« (4), steü-le (5a),
9'la^-le, fast 9'lai-le (5b), ceux-lä; femin.: sing.: celU-le (1),
celle-le (2), 9'la-läqUe (3), cha-läqu« (4), sta-le (5a), 9'la-le
(5b), celle-lä; plur.: celU-le (1), ceü-le (2), 9'le-läque (3),
ce-läque (4), steü-le (5a), 9'Iai-le (5b), celles-lä;
c) mascul.: sing.: ceyu (1), 9'lu (2,3), ch'lu (4), stu
(5a), stu-16 (5b) mit folgendem relativpronomen, celui qui;
plur.: ceü (1, 2), 9'le (3, 4), steü (5a), 9'lai-le (5b) mit
nachfolgendem relativpronomen, ceux qui; femin.: sing.:
Celle (1, 2), 9'la (3), ch'la (4), sta (5a), 9'la-le (5b) mit
nachfolgendem relativpronomen, celle qui; plur,: ceü (1, 2),
512 Häfelin
9'Ie (3, 4), steü (5a), p^IaiZ-Ie (5b) mit nachfolgendem re-
lativpronomen, Celles qui;
d) mascul.: sing.: le mim« (1), 1e möme (2, 3), lo
meimd (4), le mem«. (5a), lo mimo (5b), le mSme; plur.:
le inlme (1)^ 1^ mem,. (2), le m^m« (3), 1^ meim^ (4), I^
meme (5a), le mimo (5b), les memes; femin.: sing.: la
mim« (1), la m6me (2), la m^ma (3), la meima (4), la
mSm» (5a), la mima (5b), la meme; plur.: le mlm^ (1),
le m^me (2), le meme (3), 1^ meime (4), 1^ m^m^ (&&)) I^
mlm^ (3b), les memes.
C. Das neutrum des demonstrativpronomens:
a) soci (1), soche (2), soci (3, 4, 5a), cen-lenqu« (5b),
ceci; b) cel6 (1), ^'le oder 9a (2), 9a und ^äqu« (3), ce-
läque und ce (4), ceI6 (5a), cen (5b), cela; c) ce que (1),
ce que (2, 4, 5a), 9a que (3), cen que (5b), ce qui.
4. Das relativpronomen:
A. Das einfache:
mascul. femin. im sing, und plur.: nomin.: que (1,3,
5b), que (2,4, 5a), qui; gen.: don und de qoui (1), den,
mit hörbarem t vor vocalen (2, 3, 4, 5a b), dont; dat.: a
qoäi(l — 4), a qui (5a), a qoüu (5b), äqui; accus.: que (1,
2, 3, 4, 5b), que (5a), que.
B. Das zusammengesetzte:
niascul. : sing.: nomin. accus.: lequä (1,2,3), loquS«
(4), lequai (5a), loquen (5b), lequel; gen.: duquä (1,2,3),
duquän (4), duquai (5a), doüquen (5b)9 duquel; dat.: uqofi
(1, 2, 3), uquän (4), auquen (5b), auquel; plur.: nomin.
accus.: lequä (1, 2), lequä (3), lequän (4), liquai (5a), le-
quen (5b), lesquels; gen.: dequä (1, 2), dequä (3), de-
quän (4), d^quai (5a), daiquen (5b), desquels; dat.: equä
(1, 2), iquä (3), equän (4), aiquai (5a), aiquen (5b), aux-
quels ;
femin.: sing.: nomin. accus.: laquan« (1^2), laqufina
(3,4), laquaiUe (5a), laquen.na (5b), laquelle; gen.: d'la-
quäUe (1, 2), d'laquäua (3, 'O9 d^laquain« (oa), de laquen.na
ab handlangen ttber die roman. mnndarten der Sttdwestsehweiz. 518
5b), de laquelle; dat.: a laquän« (1, 2), a laquäna (3,4),
a laquaiDe (5a), a laquen.na (5b), ä. laquelle; plur.: nomin.
accus.: lequäne (1), lequäne (2), lequäne (3), l^quän^ (4),
lequaine (5a), lequen.ne^ (5b), lesquelles; gen.: dequän4
(1), dequäne (2), dequäne (3), dequäne (4), dequainl (5a),
daiquen.ne (5b), desquelles; dat.: equäne (1), equäne (2),
iquäne (3), equäne (4), aiquaine X5a), aiquen.ne (5b), aux-
quelles.
C. Das neutrum des relativpronomens:
nomin.: que (1,3,5b), que (2, 4^ 5a), qui; gen.: de
que (1, 3, 5b), de que (2), de que (4, 5a), de quoi; dat.:
a que (1)3, 5b), a que (2, 4, öa), k quoi; accus.: que (l, 2,
3, 4, 5b), que (5a), que.
5. Das interrogativpronomen:
A. Das verbundene:
mascul.: sing.: nomin. accus.: qua, vor vocalen quän'^)
(1,2, 3), quän, vor voc. quen' (4), qua,-, quen' vor voc.
(5a)5 quen, vor voc. quen' (5b), quel; gen.: de qua (1, 3),
de qua (2), de quäa (4), de quai (5a), de quen (5b), de quel ;
dat. : a qua (1, 2, 3), a quän (4), a quai (5a), a quen (5b),
aquel; plur.: nomin. accus.: qua, quänes vor voc. (1,2),
qua, quän' vor voc. (3), quän, quenes vor voc. (4), quai^
queines vor voc. (5a), quen, quens vor voc. (5b); gen.: de
qua (1,3), de qua (2), de quän (4), de quai (5a), de quen
(ob), de quels; dat.: a qua (1, 2, 3), a quän (4), a quai (5a),
a quen (5b), ä quels ;
femin.: sing.: nomin. accus.: quän« (1, 2), quäna (3, 4),
quaiUe (5a), quena, auch quen.na (5b), quelle; gen.: de
quän« (1), de quän« (2), de quäna (3, 4), de quain« (5a), de
quena (5b), de quelle; dat.: a quän« (1, 2), a quäna (3, 4),
a quajUe (5a), a quena (5b), ä quelle; plur.: nomin. accus.:
quäne (1), quäne (2, 3), quäne (4), quaine (5a), quene (5b),
quelles; gen.: de quäne (1), de quäne (2), de quäne (3),
*) In diesem und in den folgenden beispielen deutet n' an, dafs n
nicht die ausspräche des im aaslaut stehenden, sondern des mit dem folgen-
den vocal verbundenen nasals hat.
Zeitschr. f. vgl. spractif. XXI. 6. oo
514 HifUin
de qu&ne (4), de quain(^ (5a), de quen^ (5b), de qaelles;
dat.; a quäno (1), a quäne (2, 3), a quäne (4), a quam^ (5a)^
a qiicne (5b), h quelles.
B. Das alleinstehende:
masciil. feiiiin. sing, und plur.: nomin. accus.: qoui
(1 — oa), qoüü (5b), qui;. gen.: de qoui (1), de qoüi (2),
de qoüi (H, 4, 5a), de qouu (5b), de qui; dat.: a qoui (1 bis
5a), a qoiiu (5b), ä qui.
C. Das neutrum des interrogativpronomens:
nomin. accus.: que (1,2,4), que (3, 5ab), quoi und
que; gen.: de que (1), de que (2), de que (3), de que (4),
de que (5al)), de quoi; dat.: a que (1, 2, 4), a que (3, 5 ab).
H. Das unbestimmte pronomen:
A. Das verbundene:
a) mascul. femin. sing. : caque (1)3), deque und daqu«
(2), deque (4), caqu« (5a b), chaque;
b) mascul. femin. sing, plur.: quoque (1,2), quequ«
(3), qnäqiie (4), quöque (5a b), quelque, quelques. Vor vo-
calen wird im sing, apostrophirt, im plur. tritt 8 ein.
B. Das alleinstehende:
a) mascul. sing.: daquon (1, 3), öequon (2,4), daquoD
(5ab), chacun; femin. sing.: caquenue (1), dequeunn« (2),
daquanna (3), dequenna (4), öaquena (5a), da'queoa (5b),
chacune ;
b) mascul.: sing.: quöquon (1,2), qu^quon (3), quft-
quon (4), quöquon (5ab), quelqu'un; plur.: qu6qü's-ä (1),
quöquon (2), quequon (3), quäquon (4), quöquon (5ab),
quelques-uns; femin.:; sing.: quöquenue (1,2), quequanna
(3), quäqujenna (4), quöquenUe (5a), quö'quena (5b),. quel-
qu'une; plur.: quöquänne (1), quöquenne (2), qu6quanne (3),
quäquenne (4), quöquenne (5a), quö'quene (5b), quelques-
unes;
c) der begriflF des französischen quiconque wird ent-
weder durch das gleiche wort, oder durch Umschreibung,
wie: qoui que 9a sey« (3) ausgedrückt;
abhandlangen über die roman. mundarten der Sfldweitiehweis. 515
d) OD (1 — 5ab), on;
e) nyoD (1 — 5a b) mit negatioD wie das französische
personne gebraucht;
f) d'otrui (1, 2, 4, 5a b), d'otru (3), d'autrui;
g) öque (1), 6que (2, 3), äque (4), oqu* (5a b), quel-
que chose.
h) Hierher ist auch noch zu ziehen das pronominell
gebrauchte rä (1), re (2, 4, 5a), ra (3), ren (5b), rien.
C. Das verbunden und absolut gebrauchte:
a) mascul. sing.: oquon (1, 4, 5a), oquä (2,3), vor
voealen oquen', oqueun, vor vocalen öquun' (5b), aucun;
femin. sing.: öquenue (1, 2), öquänna (3), öquenna (4),
öquenue (5a), oquuna (5b), aucune;
b) nul m. nulle f. (1— 5ab), doch braucht man lieber
öquon, auch re, z. b. re d^ommo, re de fenna (4);
c) mascul. sing.: en otr« (1, 2), an ötr« (3), en ätrö
(4), en ötre (5a), en outro, fkst ötro (5b), un autre; femin.
sing.: enn' ötre (1, 2), ann' 6tra (3), enn' ätra (4), enn'
otre (5a), enn' outra (5b), une autre. Pluralbildung wie
bei adjectiven;
d) mascul. sing.: to, vor vocalen tot (1 — 5ab), tout;
plur.: tu (1 — 5a b), tous; femin.: sing.: tote (1, 2), tota
(3 — 5a b), toute; plur.: tut^ (1), tute (2), tote (3), tote (4,
5a b), toutes.
V. Verbum.
1. Das hilfsverbum.
Infinitiv:
A.: ävä (I); avö (2); avö (3); avä (4); avai (5a); ava«
(5b), avoir.
Participium:
praes. : äyä (1); eyä (2); ayaa(3); eye» (4); aye (5a);
eyen (5b), ayant;
perf. : eü (1); eü (2); avou (3); u (4); eu (5a); &•
(5b), eu.
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548 Häfelin, abhandlangen.
3) Die zusammengesetzten zeiteo werden im ganzen
wie im französischen gebildet; doch tritt nicht selten zwi-
schen das hulfszeitwort und das part. perf. des betreffen-
den verbums gleichsam verstärkend das partic. perf. des
hQlfszeit Wortes avä (1) u. s. w. in die mitte; namentlich ge-
schieht dies mit verliebe bei der bildung des passe ant£-
rieur.
4) Das passivum wird mit dem hflifszeitwort Itr« (1)
u. 8. w. und dem partic. perf. des betreffenden verbums aus-
gedrückt; für die zusammengesetzten zeiten lautet die for-
mel: i soue zVü (I) u. s. w. mit dem partic; il a ^te tu6
würde also ins patois übersetzt durch: el e z'eü tyoufi (2),
wörtlich: il est eu tue.
T)) Die reflexiven verbeu werden in den zusammeng^
setzten zeiten gewöhnlich mit Itr« (1) u. s. w. construirt;
(loch wird nicht selten auch avä (1) u. s. w. verwendet.
J. Fr. Häfelin.
I. Sachregister.
Ablautsreihe im deutschen 80 f.
Accent. — Sanskrit: svarita selb-
ständiger als zusammengesetzt zu
betrachten 18; nachton als haupt-
theil 1 9 ; acut , wo selbständiger sva-
rita stehen dürfte 19; svarita scheint
Verschmelzung zweier silben zu be-
weisen wie griech. circumflex 20;
die silbe (im griech. die more)
macht die einheit bei der betonung
aus 22; dies grnnd des acute auch
beim zusammenäiefsen zweier vo-
kale zweier Wörter; grund, warum
im sanskr. der circumflex stets ety-
molog. begründung zulässt, nicht
so im griech. 22 ; selbständ. sva-
rita und circumflex dasselbe 23 ;
enklit. svarita entspricht dem mit-
telton und ist als einfach anzu-
sehen 23; doch hat zwischen den
beiden svaritagattungen kein unter-
schied gegolten 24. — Griechisch:
Vorliebe für den circumflex noch
sfchr fraglich 21 f.; acut im alterth.
dor. auf allen einsilbigen wörtem
aus einer länge bestehend, umge-
kehrt im spät. aeol. auf allen der
circumflex, auch die xoirti hat den
acut, wo das att. perispomenirt
2 1 ; liebhaberei im gegensatz zum
latein bei langer vorletzter und
kurzer letzter die drittletzte mit
dem acut zu betonen 21; circum-
flex allerdings viel häufiger als im
altind. und grund dessen 22; für
den schluss des wertes gilt die
reihenfolge: tiefton (vorton), hoch-
ton, mittelton, tiefton 26; uidq
///«, (lä;) lä 26; gen. plur. der
a-declin. stets perispomenon 26. —
Latein: Vorliebe für den circumflex,
indem es bei langer penultima im-
mer den ton auf dieser belässt,
der bei kurzer letzter immer der
circumflex ist, und ferner alle ein-
silbigen langen Wörter (ne beim
imperativ ausgenommen) circumflec-
tirt 22. — Accent im siamesischen
76. — Accent im angelsächs. 94.
— Ursprüngl. wesen des indogerm.
und griech. acc. tonhöhe, nicht ton-
stärke 267; geaetz im griech., dafs
nicht am wortende mehrere unbe-"
tonte Silben sich folgten 267; zu-
'rückversetzung des tones im aeol.
268 ; abweichung des latein. acc.
vom griech. 268; graeco-ital. pe-
riode 268; betonung der ital. dia-
lekte mit der des latein. im wesentl.
übereinstimmend 268; musikal. be-
tonung des griech. (wie im chines.
und verwandten sprachen) 268. —
Sanskrit, svara (ton), ndStta (acu-
tus), anudStta (gravis); svarita (un-
abhäng. circumflex) im skr. selte-
ner als im griech.; enklit. svarita;
symbolische accentbezeicbnung des
skr. ; pra^ajasvara (häufungston) ;
kampa 269 ff.
A d j e c ti y im angelsächs. 96 ; lat.
auf -bundus eine gewisse richtung
auf die zukunft ausdrückend 192 f.;
in den roman. mundarten der Süd-
westschweiz 605—806.
Affricate 263 f.
Altfranzösischin hebräisch. Schrei-
bung 46 1 fi".
Anastrophe des ox; 352 ff.
Anlaut: b, p im niederd. 66*).
Arische Völker, wohl länger zu-
sammengelebt als die andern ver-
wandter zunge 387.
Artikel: dessen sufifigierung im al-
ban., neubulg. und auch andern
slav. Volksdialekten 281; in den
roman, mundarten der SUdwes^-i
550
Snchregiater.
Schweiz, zunUchst in ilon des can- j
ton 8 Nfut-nburj; 505. I
Aspiraten, A h pirati«> n: Aspira-
tion aui einem konson. und tul^.
h-laut bestehend 30 f. und •). —
Sanskrit: aspir. darf nirht vor te-
nues und niedien »tehen 88 ; h statt
und neben kh *J65 ; im hinduRtan.
36; im armen, genau so lautend
wie Schriftdeutsch k, t, [> im aid. i
vor vocalen 37. — Deutsch: dem
neuhochd. ausserhalb von zufsam-
mensetzungen ^anz abzusprechen? '
3 1 , naehweis mit welchem rechte 3 1 fi\;
rung und somit der Auflösung in
einen rcibelaut entzogen 43.
Assibilaten: 9, s vermengt im um-
brischen 118,
Assimilation: e zu o im umbr.
147, im griecb. 147, 2, zu a im
nmbr. 154. — s anl. an sz ausl.
im lit. 18; labialanlant der ersten
wandelt den anlaut der zweiten
Silbe zum labial im lit. got. 14;
assimilirtes got. kj = nhd. k 47;
assim. des k im nhd. 68 ; des f im
umbr. 103; nd zu nn im lat. 105,
im umbr. nicht erwiesen 106 ff.
aspiratiou des k, t, p im nenhuchd. .Asyndeton im umbr. 221, 1.
35ff.;beieinfÜgunpdo8hnachtnnver- Auslaut: aspirata od, tenuis im deut-
schen 50; g, d, b im auslaut 50 f. —
Im nordwestromanischen: von ur-
sprünt^l. auslautenden consonanten
bleiben im provenc. altfranz. r, s,
beim verb auch t, von vocalen in
letzter silbe nur a ; im ital. mmän.
fallen alle urspr. auslaut. conso-
nanten ab, dagegen bleiben alle vo-
cale vor der letzten silbe im span. ;
portug. bleibt nur s, von vocalen
nur urspr. auslaut. oder durch ab-
fall von m in den ausl. gekomme-
nes e nach einfachen consonanten
beim nomen und bei partikeln dem
abfall ausgesetzt (also für e keine
wirkl. regel zu ermitteln); churwttlsch
verhält sich hier wie das provenc.
436 f; t im altfranz. (wenigstens
vor dem 13. jahrh.) immer, im
provenc. nur nach betontem vocal
bewahrt 438; abfall von c, d, m, n
und nicht verbalem t 438 ; der
auslaut. vocal erhalten, indem er
sich mit dem vorhergehenden zur
Silbeneinheit verband oder wenn
sein Schwund eine zu harte conso-
nantenverbindung zur folge hätte
439; 0 schwindet im ital. im ausl.
der 1. p. sg. ind. praes. nicht so
leicht wie von nominen 442.
f statt ^, häufig X statt ;^ 42, j Bedeutungsentwickelung 248;
ö^ = p, X = <}, ^ 42. — h griech. \ im skr. 91.
lat. (nach nasalem g) = skr. aspir. ' Bedeutungslehre: aufgäbe derseU
kcnnbar die rüoksicht auf d. wirkl. j
ai«pir. 40; en^l. gh = dlsch. ch 43 ; '
h in kh, th Inutzeichcn, nicht blus
dehnungszeicheu 40 f.; in schweizer. |
mundarten das got. k im anl. = '
X, nach kurzem vocal regelm. = ,
>*/ ^^ ' ß^^* ^ "ach vocal. = nhd. ;
9, X '^^i 1^ ^" nicht zusammenges. '
deutschen Wörtern zwischen zwei
vocalzeichen niemals ausgesprochen
52 ; zwischen zwei vocalzeichen
I
(schon im alid., im 13. IC. jahrh. i
immer häutiger) 53, Schwankungen
im gebrauch des inlaut. h 53 f.;
h nur vor einem starken (sogen,
hoch- oder tieftonigen) vocal ge-
duldet 55; h im elsäss. schwäb. 55;
eintreten der aspir. vor schwachem
vocal nicht gestattet 55 f.; ein
tönen der mitlauter verhindert die
aspirirung in der Schriftsprache nicht,
dagegen ein stimmloser reibelaut
56; geringe vemelimbarkeit des h
56 f. — Griechisch: kht, pht zu i
kt, pt 38, khs, phs zu ks, ps 40 ;i
abneigung des altgr., die auf rr fol- !
genden schlaglaute zu aspiriren {,'),
y daher zu r, x) 42; schwanken
zwischen nr^ , ff/, (j& und (rn, (7x,
ai 42 ; neugr. hinter a ausnahms-
los
tenuis 265. — Italisch: h schwin- 1
det zwischen zwei vocalen 178;;
lateiu. kh = h, kht = kt39, kh8= i
ks 40; oskisch : die aspir. tenuis
iul. häufiger als im latein. 241. —
Hebräisch : hat jeder konson. den
uiunittelbar folgenden der aspiri-
ben 247.
Bildungsvocal: i im lat. fut. der
verba primit. conjugation 176, im
osk. umbr. praesens der abgel.
verba 176, 1).
Binde vocal: 1 im osk.; e, i (im)
im umbr. 153 f.
Sachregister.
551
Dehnung des rl, ij, a> ans a, *, o j
200. !
Declination: übertritt alter a-stämme ;
in die schwache declin. im deut-
schen ungemein häufig 1 1 ; im skr. :
sj des fem. der pronom. declin.
Verstümmelung aus smj 27; fem.
auf 1 aus ja contrahirt 28.
Desiderativa im griech. 193, 1.
Diphthonge: die sogenannten dop-
pellauter im deutschen sind nicht
174; fut. II später immer geläufi-
ger 174 f; fut. der abgel. conj. 175.
— im rumän. : bedingendes = lat.
fut. ex. -f- conj. perf. 436. — im
altir. kennzeichen f (selten b) 190, 1.
Grundsprachen, deren interesse
und Wichtigkeit 401.
Guna aus der nasalsilbe 86; dessen
erklärung 390 f. ; guna der reduplica-
tionssilbe im indischen intensivum
396. — s. Vocalsteigerung.
lange vocale 41 ; im lit. werden |Halbvocale:j, v aus vorhergeh. i, u
diphth. vor der praesensendung -iu | als hilfslaute entwickelt im umbr.
nicht aufgelöst, ganz andere, wenn: 113 fi*. ; aus vorhergeh. ai, ei im
der 2. stamm e ansetzt 285.
ae Vertreter des aus urspr. i er- i
wachsenen e im ditmars. 11. i
a*, ft, ot aus a, f, o zur metr.
Verlängerung dienend 200.
au nicht im umbr. 148, 2; lat.
au, ö, ü = roman. a 276; au zu
langem ou in den roman. mund-
arten der Südwestschweiz 322 f.
oi zu oe im ital. 120; oi im
franz. durch ua zu umschreiben,
nicht durch oa 444; oi im latein.
zunächst aus geschlossenem e 459.
ja, je, ju oder ia, ie, iu im
slav. 119; ia = e im altir. 368.
Diphthongirung im roman. 121;
im lat. i zu ui 125; im griech.
vermittelst «, 200; sehr häufig vor
j: und labialen überhaupt 201, 1.
Etruskisch: arisches idiom 264 —
indogerm. ital. spräche 273, 279.
Fricative 263 f.
Futurum: im griechischen 172;
im italischen 169 ff.; vorrücken
vom ersten Stadium des fut. in ein
zweites 175; nur von verbal- oder
praesensstämmen gebildet 175 ff. —
im lateinischen altes auf -so, -asso,
-esso, -assim 164 ff., 176, 177, 180, i
-aviso 167 f.; Wechsel zwischen
altital. 113 ff. — j hinter ii, i in
ij im altbulg. , ganz analog im
Sanskrit 285; in der homerischen
spräche bis jetzt nicht bewiesen
356. — V durch f bezeichnet im
ital. 129 ff. 139. 142. 146; v zu
b im latein. 137, im lat. imperf.
und fat. 187 ff.; v zu h im ital.
146 ff. 160. 156, 2. 163, 178. 197;
v-laut dem u-laut sehr nahe 201, 2;
V wohl urspr. im lat. 263; ß von
lat. grammat bezeugt 139,-/' vor
V (^(*» 'fC) 1^1^-; A zu (p 143,
zu ' 146, zu n 201, 2, zu ^471;
ß in der homer. spräche 356 ff. —
ausfall des v im lat. 123. 129;
ß im griech. in abgeleit. verben
198 f., nach allen Zungenlauten 123,
im anlaut abfall. 140; v inl. im
umbr. 161,- in der lat. abgeleit.
conjug. 197, im osk. 196; w zwi-
schen vocalen und dem wortende
im deutschen 238.
Beterokiita im lat. (umbr.) 213.
Hiatus im lat. durch ausfall des v
194. 196.
Hilfs laute s. halbvocale; p im lat.
171.
Homerische spräche ausgebilde-
tes dialectisches griechisch 366 f.
fut. I u. II in alten Urkunden 173; | Imperativ der 3. abgeleit. conjug
gebrauch des fut. If 176; fut. vom
praesensst. gebildet 175 f. 185; un-
terschied des lut. der abgel. verba
von den verben der primit. conju-
gation 176; fut. auf -am, -es, -et,
-emus, -etis, -ent 176, 2, auf -äbo,
-ebo 187, -ibo 196 n. 1 ; fut. exact.
auf -rint 171, 4, bildung dess. 173.
— im umbr.: 117, 122, der 1. ab-
gel. conjug. 165 f., der 2. abgel.
conjug. 156 ff. ; fut. I statt fut. II
im umbr. 161 f.; got. imper. auf
-ja-n 283.
Imper fe et lat. auf -abam, -ebam
187 ff., -ibam 189.
In doger manen haben bereits in der
fernen periode ungetheilter Volks-
einheit den anbau von körnerfrüch-
ten gekannt und geübt 13.
Indogermanische spräche: der-
selben jede bildung von erkenn-
barer ursprüngl. identität, zugleicl)
552
Sachregister.
auf europ. u. nri^choin boden nach-
woirtbnr, zn2inv<MH*Mi 8; praeseiiJ«-
bildun^cii clers. 76 f.; i<tA(Ii<'ii der
cutwirkoliin^ (l»'rs. 398 1'.; «'ine ei-
gentl. ri'coiistnu-tion d('rs«'lbi*n un-
möjrlich 39Hf.; uarh dieser zu-
iiUchnt die arische und curop. ein-
hi'it zu «rheidun 40*2; vurwandt-
RohaftsverhältnisHG dcrs. 475 f.
Infinitiv: ot»k. auf -avuin, -hom
149; lat. inf. sufllx -se, verschärft
-8se 178, 1). »
Infix -na 407, im ind., priech..
irischen zur bildun^ des perf. ver-
wendet 411; wirkunj^ dess. in ei-
nipn andern füllen 421 Ü\
hiterpun ction fehlerhaft im umbr.
218 u. 1).
K ilHUS.
AccUsativ: sj?. im unibr. -m
.lusfiillend 1 00 ; aco. pl. auf -up der ;
'»-declin. (=- ns im kret , p)t.) 210:
aco. pl. f. auf -as auch im umbr.
•*tatt -af ittlleriH -B erhalten) 210.
Dativ: sj^. im jrriech. auf i^ =
.t = ä-ifi 26 und *) ; dat. sg. f.
im Rot. auf ai r= S-Si, S-j-äi 29.
Ablativ der i-stämme im um-
brischen 106.
G e n i t i v : im sanskr. sg. -sj5-s
■== sjä-j-äs 27; sg. im griech. der
a-ded. auf r,^ = fi(^ = «-«j 26 und ♦),
im pl. ff>r = dor. nv aus rton' 26;
am schon in vorgriech. zeit zu öm,
woraus /,ii, lat. um 26 f.; lat. äs,
ii, ä-i 27; gen. d. keilin^cbr. 27 f.
Locativ: richtungs- und ruhe-
loc. im umbr. 98 ; umbr. -er, -ir
101. 1).
Instrumental im angelsächsi-
schen 04.
Ke.l tische sprachen in näherem
Verhältnis zum itnl. oder german.?
385.
K i» mposi t ion pfiesetz: in zusam-
mensetz. mit dem nomen agentis auf
//. ni musH dieses an die spitze des
<'ompos. treten 464.
Konjugation: abgeleit. conjug. im
latein (urspr. -avo, -evo, -ivo) 149.
163 ff. 197. 202. 205; im umbr.
s. futurum, imperativ; im griech.:
,(( , f.., n/o 164. 197 ff. 20 •; im
lit. : -av 202 f.; im slav. : -ov, -ev
:I0".* f.; im german.: v 203; im
kelt. (kymr.) 204.
Konjunctiv: im osk. 115, 152; im
umbr. 151 f. ; im Ut. Bynkop. fut. 1
auf -aiwim, -assis 164 AT. 177 ff.
Konsonanten: s. Afßricate, Apira-
ten, Assibilaten, Assimilation, Fri-
cative, llalbvocale, Linguale, Me-
diue, Nasale, Palatale, Tenues,
Vocalisierung.
b zu V, u im altital. nicht dar-
gethan 135. 2); statt v im iri-
schen 191. 1).
d zu f zwischen zwei voc. im
ital. 206. 1 ), zu r oder rs im
umbr. 109. 214. 225 (statt desiten
r 228); f (rs) im umbr. 229 f.
dh zu f, b im ital. 129.
f weder im irisch, noch britann.
urspr. aspirata (^ y)» sondern stets
der Status durus von v 191; f im
irisch, im in- und auslaut nicht vor-
kommend 251; f im franzos. so
h 448.
g zu b im lat. 262.
h dehnungszeichen im umbr. 154f.,
davon verschieden h mit guttun
laut ir>5. 1); 8. Aspiraten.
j s. Halbvocale.
k deutsclies = indogerm. sk, skv
70; k in 9 in die gemein, arische
epoche zu setzen 90; 9 im skrt.
260; dieses 9 im slav. lit. meist
= s, sz, gelegentlich k, lat. griech.
kelt. stets k, got. h (neben 9 noch
k im skr.?) 390; k zum sibil. im
slav. lit., zum palat. im griech.
ital. germ. 261; k zu p im umbr.
213, im lat. (?) 262.
1 zu r (rs) im umbr. 206 f. 214,
zu s 229 f.; 1 zu d im lat. 206.
1); 1 nicht im altbaktr. 886.
n zu m im umbr. lat. 97 ff.; n
zu 1 im umbr. 102 ff., ital. griech.
104.
p zu f im german. 866.
qu, q im lat. 261 f.
r, r: r zu l im lat. 135, im skr.
ital. 137 f.; r aus s altumbr. durch
q, neu durch rs bezeichnet (poln.
rz) 206, altumbr. durch rs bez.
228 (s statt rs geschr. 229); r und f
in den alten umbr. tafeln wohl
noch nicht allgemein geschieden
228 ; r zu r im böhm., zu rz im
poln., zu s im sanskr. 229; r dent.
und guttur. im umbr. (im lat.?)
229; der gezischte zitterlaut wohl
Sachregister.
553
meist rsch gelautet 230; r guttur.
und eigentliches 445.
s im keltischen hindert folgendes
c, t, p in einen reibelaat überzn-
i^ehen, im german. schützt es die
tenuis gegen die lautverschiebung,
im roman. das ti vor einem vocal
gegen die assibilation, im lat. lesen
wir ti vor einem vocal nicht tsi,
wenn s vorhergeht 42 f. — s zu r
im umbr. 101. 156, 208 ff., im lat.
nach e 178. 1). 204. 2), im umbr.,
ind., lat., germ. und lakon. 228;
s zu r oder rs 213 ff. 225. 227 f.
— s zu SS geschärft im lat. 178.
— s zu h im neukymr. 204, im
zend 236. — s zu sc im griech.
und lat. 236. — s zu ch im^ slav.
276.
seh inlaut. statt z nie nach gut-
tur. im deutschen 69; anlaut. im
slav., german. 236.
t zu r im sanskr., griech., lat.,
135. 1); V in a 471.
V s. Halbvocale.
z selten zu seh nach labialen im
deutschen 69; z zu s im umbr.,
latein. 207.
Konsonanten in den roman.
mund arten des cantonsNeuen-
bürg 481—504.
Konsonanten-ausfall, -abfall;
s. Auslaut; s. halbvocal v.
a) anlautend: c vor n im lat.
2; k im ital., griech. 128; p im
kelt. 366; s im lat., umbr. 230 ff.
b) inlautend: guttur. vor s im
lat., umbr., ahd. 221 ; h im umbr.,
osk., griech. 147. 161. 163; m jm
umbr. 100; n im lat. vor xt 12,
im umbr. 99 f; s zwischen vocalen
im kelt. 8.
c) auslautend: m im umbr.
100 f.
Konsonantengruppen: aus nasal
und muta gleichen organs bestehend
408; s. Konsonantenverdoppelung,
Reibelaut.
^j. 7h ßj = K 263.
hl,hr = gl, kl; gr, kr im alt-
deutschen 465 ff.
kn urspr. anl. zu gn regelrecht
im slav. 2.
kn, km, tm, pnim griech. 64.
mr, ml anlaut. nicht beliebt 253.
ng zu c 418.
sc = sts; wechselt vor i, 8 mit
st im slav. 282.
sk zu kh im sanskrit und wei-
tere Wandlungen 265 f.; zu i£ im
neugr. 282.
st zu SS im lat. 421.
sth im deutschen des 15. 16.
jahrh. 42.
tsch im deutschen 67ff. ; = k
des Stammes + verbalableit. -zen
68;=3t-f-z 69; geltung und be-
deutung dieser lautgruppe 7 1 ff; er-
gebniss über dies tsch 72 f.
Konsonantenverdoppelung: tt
im griech. sehr häufig, tth beinahe
nur in eigennamen 47 ; k, p selten
im griechischen verdoppelt 47;
Verdoppelungspunkt (dagesch) im
hebräischen 47; got. tt nhd. =
ts (got. t nach vocalen nhd. sc
tonlosem s) 47; die Verdoppelung
hat lat. t, hebr. K, t, p rein er-
halten und die lautverschiebung des
altd. t, k verzögert 47; gg, dd, bb
im deutsch. 46, 48 f.; n im umbr.
105 ff. ; Schreibung einf. conson.
statt dopp. im umbr. 109 f.
Konsonantenvorschlag: g
fig in allen sächs. dial. 47 ,
umbr. und lat. 104.
Kontraktion: kirchensl. jü zu i 7;
sanskr. oa zu ö, griech. oa zu m,
T/at zu ;; 20 und *) ; umbr. aa zu
ä (ah) 154, ee zu e (neumbr. ei,
i) 161; im osk. umbr. 163; umbr.
lat. ae, ai zu ä, ee, ei zu e 178.
194; got. ij (=ii) zu i, graphisch
ei im got. imperat. 283.
Krasis im umbr. 111 ff.
Lautfolgen des k, q, t, p im schrift-
deutschen 64 f.
Lautgruppen: üv im sanskr. sehr
unbeliebt 87; ji im lat. gar nicht,
im altind. und deutschen äusserst
selten 354.
Lautverschiebung im fremdworte
unmöglich 275. ,
Linguale im skrt. aus den einge-
bomen ind. Idiomen 266.
Litauisch-slavisch mit dem ger-
man. innig zusammenhängend 261.
Media nach dem Sibilanten hin im
skrt. alterirt 262; im got. unmit-
telbar auf die urspr. aspirirte me-
dia zurückzuführen (?) 264.
Metathesis häufig bei schwindenden
häu-
h im
554
Sachregister.
lauten 1, 2; im angelsächs. 4; iin
gricch. 203.
Nachklang des i nach n im ital.,
griech. 120 ff., 156 und 1); des v
nach u im umbr. 130. 132. 3);
im osk. 133.
Nasale im umbr. 101. 112.
Nasalvucale im latcin. 83.
Neu bulgarisch, braucht nic!:t mehr
den inßn., die Umschreibung dem
alban. entlehnt, vcrlust der casus-
formen aus den auslautgesetzen zu
begreifen 280 f.
Neugriechisch: aus demselben die
slavische nationalität der heutigen
Griechen nicht nachweisbar; ein-
fluss darauf das alban., roman.,
tUrk. u. dann erst das slav. ; hatte
auf die flexion des slavischen gar
keinen einfluss; mangel des infin.
wohl mehr durch alban. als slav.
ein Wirkung; eiufluss des slav. sehr
gering 280 ff.
Nordeuropäisch 82.
Numerus. — Plural: für die neu-
trale endung mehrfach die mascu-
line im umbr., beim relativ nur
diese 219.
l^alatale der arischen spräche dem
germ. zweig fremd 67 ; deren Über-
einstimmung im ind. und altbaktr.,
slav. und lit. 386.
I'articipium im umbr. 107; part.
praes. im irischen als Substantiv
vorhanden 251. — 429*).
l*assivum mit r im kelt. 90.
Pcrfectura der wurzeln auf -ä im
sanskr. 88 f. ; perf. im lat. u. umbr.
177. 1); im osk. auf -tte 240 ff.;
im skr. u. griech. 391; schwache
perfectformen im skr. 408 ff., starke
verstärkt durch einen zweiten nasal
409.
Personal endungen: -sint, -set im
lat. conj. 179 (-set ind. fut. 179.
2); im provenc. 1. pl. -mus = m
(altfr. ra, n neben -ns) 437.
Personen im angelsächs. 94.
Praedicatsnomen in der adverbial-
form im umbr. u. osk. 218 f.
Praefixe: ga- im ahd., anl. zu g- 1.
Praeposition dem casus nachge-
setzt im lat. und umbr. 220. 2).
Praesens für das fut. im lat. häufig
in alten Urkunden 174; praes. in
futurbedentnng im lat., griech., got.,
slav. 194 f. D. 1).
Praesensstamm dem einf. fut. im
lar. zu gründe liegend 177. 1);
auf -ija in der nordenrop. gmnd-
sprache 285.
Pronomen in den roman. mandarten
des cantons Neuenbürg 508 — 515.
Quantität im umbr. selten zu er>
sehen 129; des lat. i im tat. ex. u.
conj. perf. 195. 1); i im altbnlg.
sämmtlich einst lang gewesen, kur-
zes i durch i vertreten 76. 284.
Reduplication hat intens, kraft,
die nicht selten desider. bedeutung
erzeugt 353; redupl. - silbe urspr.
nicht mechanische Versetzung, son-
dern die kurze wnrzelgestalt, so-
wohl mit sich selbst als auch mit
derivaten zusammengesetzt 895 f.;
attische redupl. 409 f.
Reibelaut: entstcming dess. 58 ff.;
h, ch, 9 58 f. ; Schreibung des skr.
k9 = kh 59; thl, phl 59 f.; k^r, tor,
Pjir 60; k, t, p 60 ff.; q 63 f.
Rhotacismus im umbr. in den äl-
testen tafeln 208 ff.
Romani alle bewohner des rSmisch.
reiches, abgesehen von urspr. natio-
nalität, darüber hinaus in Grau-
bUnden und an der Donau 460;
Romania einst das röm. kaiserreich,
dann die röm. weit im gegensatz
zum barbarenthum (der name ver-
blieb in Romagna, Rumelien) 461.
Schallnachahmung: deren princip
387 f.
Secun därwurzeln wohl ursprttngl.
zweisilbig, dann einsilbig geworden
395.
Silben: die erste zweier gleichlau-
tenden im lat. ausgestofsen 10; im
franz., engl, die nachsilben weit
mehr geschwächt als die Vorsilben
57.
Stämme: i-stärame in den westl.
indogerman. sprachen 289 n. 2);
i- und i-stämme im sanskr. 240;
u-stämme zu i-stämraen erweitert
schon vor der trennung der indo-
german. Völker (?) 240 ; as-stämme
im irischen bis auf wenige spuren
untergegangen 415*).
Stammerweiterung mit v im osk.,
umbr. 163; im lat. 164. 3). 177. 1).
Substantiv in den roman. mand-
Sachregister.
555
arten des cantons Neuenbürg 504 f.
Suffixe: i a in allen sprachen des
indogerman. Stammes 9 ; u an no-
minalthemen 121; -var, -vara 146;
1 272 f.
Sanskrit: anä (adj.) 108; ira
148; u 121; üsa 249 f.; tha (ved.)
aus -ta 9; na 407 f.; vant: van,
vat, vati 135. 198. 2); vara, vari
135 ff. 146; ^as 365.
Zend: u 121; var 137.
Griechisch: 4^, nv 198 und
1); «Xo 123; ai'döv 193; avo (adj.)
108; if, fi;198undl); fQo 127;
/• 198 und 1)\ JTav 198. 2-, jrao,
J^aiio, ff 00 137. 142; J= 199;
ivi)a, ti'dfjv 193; {(txti ^^^ *' ^ ^54;
xaq 365; xo 254; o/", oi* 198 u.
1); V 254; xt 254; rio 254; to
(ordin. suff.) 10; t(>«, &Qa 227
V 121. — Neugriechisch: tx^a 281
Lateinisch: ari 145 ; ario 448
bero, bro, bra, bri 135. 137. 139
bili 121. 3). 135. 188 f. 193. 4)
bolo, bola 139; bulo, bula 135.
139; culo 234; endo s. undo; ero
127; ico 83; is-simo 421; li 121.
3); ni 121. 3); no 142; ti 121.
3); tra, trum 227; undo (endo, alt-
ital.) 191 ff.; vi 121. 3).
Umbrisch: feie 146; na 224;
tiu 133; tra 227; uo, uvo 133. 3).
Deutsch: an (got. part.) 108;
bar 138; u got. 121.
Litauisch: u 121.
Keltisch: mar (mara) altir. 367.
Synkope im latein. : im alten fut.
und conj. perf. 186; in der abge-
leit. conjug. 197.
r e n u e s im schriftdeutschen : k, t, p
als reine echte tenues gespr. vor
schlaglauten 37 f.; vor stimmlosen
r eibelauten 39 f . , nach stimm-
losen reibelauten in deras. einfachen
Worte 40 f. ; im wortanslaut in-
nerhalb eines Satzes oder einer Zu-
sammensetzung 43 f.; zwischen zwei
vocalen, deren erster kurz und be-
tont ist 45 f . ; auch rein in allen
übrigen fällen des inl. nach einem
betonten vocal 49 f.
Ursprache 374.
Verba in den roman. mundarten
des cantons Neuenbu rg 515 ff.
Verbalendung, 3. pl. -ns 88.
Verbalfornien auf -zen im deut-
schen haben iterat« und öfter de-
min. bedeutung 72.
Verbalnomina, deren gebrauch im
latein. 193 f.; s. Infinitiv, Particip.
Verlängerung, s. Diphthongirung.
— verl. eines o im homer. noch
einigemal ohne besondere bezeich-
nung 200. 1); verl. des a, f, o der
abgel. verba durch Verdoppelung
des /"lautes 201 f.
Vers im altdeutschen 95 f.
Vocale, s. Assimilation, Diphthonge,
Nasalvocale, Nachklang, Quantität.
— Vocal durch einen conson. er-
setzt 45.
a durch a zu ao, au 88 ; zu o,
u im umbr. 152; a, o zu i^ • im
griech. 367 ; a durch i der folg.
silbe zu ai, oi, ui im irisch. 427.
S zu ö im german. 866, zu o
im lit. 367; S nicht gleich zwei-
mal hervorgestossenem a, es kann
auch unmittelbar entstehen 390 f.;
& mit ai, au auf ^iner stufe ? 391;
ä im Sanskrit nicht gu^a, sondern
vrddhi 391.
§ vor conson. schon kirchensl.
zu u 2.
e inl. in o bei ableitungen mit
o-q 15; e nach i neigend im umbr.
durch ei bezeichnet 115, e vor voc.
zu i 161; got. e der schlusssilbe
s. 0.
e = urspr. ai 20*).
i für a im altpreufs. 1 ; lit. y
einzeln aus altem ai 15; i im altr
bulg. theilweise aus vorhistor. i-
diphth. hervorgegangen 76; i zu e
ausl. im umbr. 106, i statt ui 122 ff.;
i bei Verwandlung des s zu r 182;
i wegen des folg. n 233.
1 im osk. 113.
0 im sanskr. = a (s) 20; got.
0, e der schlusssilbe .29 und *).
ö vor anfang. a oder conson. in
den veden häufig kurz gemessen 20.
u aus va verkürzt 13; zu o im
umbr., zu d im osk. 120; im spät-
lat. 460; zu av, iv, iv, ev im skt.
141. 1).
ü, u aus an, on, un oder durch
ä, 5 hindurch 88; ü wie ju gespr.
im englischen 119.
Vocale in den roman. mund-
arten des cantons Neuenburg
297—840.
556
Sachregister.
Vücalabfall: des i im umbr. nicht
erwiesen 118; u inlant. im latein.
128; f im griech. nach allen Zun-
genlauten 123; e anl. im lat. 171
und 4). — 8. Auslaut.
Vucaleinschub: a im griech. 12.
Vucalisirung: des nasalklanges 88;
des f vor conson. und zweitem ^
.01. 2); des j zu i im griech. u.
latein. 286.
Vucallänge: mhd. kurze betonte
vocale vor g, d, b mit folg. vocal
im nhd. sämmtlich lang geworden
4 7 ; 8 als dehnungszeichen im alt-
l'ranz. 53; h im deutnchen 63, nie |
im^<anlaut 54; bezcichnung durch j
Verdoppelung des vocals 54; vor I
vocal im got. gemieden 77; erzeugt
durch iiachfolg. nasale 79; ohne
reihen Wechsel 79 ; an, in zu 1 im
deutschen 80. ,
Vocal reihen: Verhältnis der a- und i
i-reihe im slav. 76 f.; altbulg. e =
urspr. S 77, durch dchnung oder
Steigerung aus e und i 78; kein
übertritt der a- in die i-reihe im
slav., doch unzweifelhaft in andern
sprachen, wobei nasal eine wichtige
rolle spielt 48 f.. ebenso kein über-
tritt im lat. 83; übertritt der a-
reihe in die e-reihe im deutschen
30, aus der i-reihe in die a-reihe
81; a-reihe in die u-reihe 88.
Vocalschwächung: a durch e zu
i im umbr. imperat. 153; i zu e
in auiilaut. silbe auch in personal-
endungen der verba gut bezeugt
178 f.; 0 = u zu e im proveu9.
439; u zu i im lat.' 171, 4).
Vocalsteigerung: izuai2;durch
nasalirung entätanden 85; in der
indogerm. Ursprache nur eine ein-
zige, vrddhi specifisch indisch, selbst
(Jas altbaktr. nur geringe spuren
von vrddhi 342; vrddhi im skr.
nur auf vocal. endigende wurzeln
beschränkt 343; wurzeln auf av
(au), aj (ai) wohl älter als die auf
u (ü), i (i) 343; in der altind.
Verbalflexion sehr beschränkt, und
bei allen praesent. u. perfect. for-
men gar nicht vorkommend; im
praes. nach altind. grammatikem
nur einige verba der II. cl., deren
wurzelform auf n ausgebt; auch in
der perfectflexion nicht unzweifel-
haft; vocalverttirknng nnr in 8. tg.
perf. und willkürlich in der 1. p.
344 f.; wirklich in der aoristbil-
düng, deren hauptkennzeichen s ist
(nach Benfey die IV.}, übrigens nur
in den activformen gebräuchlich
345 ff.; griech. aoriste zeigen nie
mehr gesteigerte vocalform als ihr
praesent. oder auchftitar-stamm 848 ;
auch im skr. kein regelm. stufen-
gang vom gmndvocal durch gu^as
zu vfddhis anzunehmen 848 f. ; viel-
fach fUUt gunirung mit accentui-
rung zusammen, also erweitenmg
durch a urspr. wohl blos folge des
accents; dies doch in vielen f&llen
nicht nachgewiesen, daher gunirung
wohl urspr. folge phonetischer ein-
flüsse; dies von vfddhi viel zwei-
felhafter, da dies viel später und ei-
genthümlichkeit des arischen sprach-
Zweiges ist 849.
Vocalverdunkelung im umbr. vor
r 152. 156. 1); latein. -omns zu
-umus in: volumus, quaesumns
164. 1).
Vocalvorschlag: * .vor ^ 14; i
vor andern voc, besonders a, u im
umbr. 116 ff.; in den ital. und an-
dern sprachen 118.
Wortform doppelt: lautform und
bildungsform 399 f.
Wurzeln: der ihnen anhaftende ton
ein ungemein wichtiger bestand-
theil 74 f. ; in der einzeLsprache
noch selbständig oder nicht? 76;
übertritt des nasals aus dem snfBx
in die wurzel 79; im skrt. realer
unterschied zwischen wurzeln auf i,
ü und i, u 86 ; wurzeln mit lan-
gem vocal haben nie das -t sufQx
86; jedes i, u blos lautschwächung
von urspr. a (?) 388 f.; alle wur-
zeln enthielten urspr. kurzen vocal
890; dehnung von i zu i der indo-
germ. Ursprache ganz abzusprechen
(?) 391; consonanten Versetzung in-
nerhalb der wurzeln 391. — s. Se-
cundärwurzeln.
Wurzeldeterminative: -^,-d (aus
dha) 276 ; keine urwurzei zugleich
mit einem consonanten an- und aus-
lautend, sondern der auslaut. con-
sonant als wurzeldeterm. zu be-
trachten (?) 392; determ.: a, n, m
393 f.; consonanten, die für die in-
Wortregister.
557
dogerm. Ursprache mit Sicherheit jWurzelvocal inl. sehr oft in der
nachgewiesen sind (k, g, gh, t, d,
dh, p, bh, r, s) 396 f.; erweite-
rung durch wurzeldeterm. bis in
spätere Sprachperioden fortdauernd
397.
composition im irischen unterdrückt
417.
Zahlwort in den roman. mundarten
des cantons Neuenburg 506 f.
Zetacismus: z aus t im umbr. 207.
IL Wortregister.
A. Germanische sprachen.
1. Äeltestes deutsch.
aita 5.
aitra 463 sub f.
|/al 3.
drastja 4.
|/drus 4 sub f.
flora 366. 1).
haitha 368. 5).
hnaista 1.
ikan- 11.
jakan-, jaka- 368. 3).
nauta 3. 2).
sokida 430.
sokja 430.
2. Gotisch.
alan, öl 3.
alja- 104.
anaks 413. 423.
anthar 104.
baurgis 406 in.
beidan 82.
beita 80 in.
bilibu 80 in.
bindan 81.
bivaibjan 81 in.
blican 81 in.
bliggvan 432.
braids 81.
dailja 431.
dails, dailis 406. 431.
dedun 242.
disskreitan 81.
dragan 415 in.
elds (pl. eldar) 3 in f.
filu 121.
fiskoda, fiflkodedun 242.
fraihna, frah 481 sub f.
frathjan 203.
freis 283*,'.
gabaurths 406. 481.
gamalyjan 203.
ganöhs 1.
garaids 81 in.
glidan 81 in.
gllzan 81 in.
greipan 73. 81.
hahan, haihahj432 subf
haihs 90 in f.
hairdeis 288*).
haithja- 869 in.
haran 70.
harjis 288*). 434.
hatis 242 in f.
hausjan 429.
huggrjan 83.
huhrus 83.
hvas 216.
itans (part.) 108.
juggs 83.
juhiza 83.
kliban 81 in.
ko(u)s (pl. koveis) 238.
laikan 81.
laistis 406 in.
leihts 81 in.
leik 76. 82.
liuhath 119. 429.
lükan 275.
mag 418.
mahts 418.
malan 203.
meina (mei) 277.
miluks 252.
motan 419.
namo 422 in f.
nehv, nehva, nehvis 415.
nima 391.
nipau 81.
niujis 27:i sub f.
niutan 91.
I qitha, qath 396.
rauds 241.
reihhan 81 in.
riquis 263.
saggqvjan 203. 1).
saian 77.
sauil 425.
seiteins 80.
siggqan, saggq 81.
sihu 80.
sinths 204. 1).
skaidan 8 in f. '
skridan 81.
slahan, sloh 432.
slidan 81.
slichan 81.
stauta 230.
steiga 391.
stiur 230.
strican 81 in.
sunu, sunu-ns 124. 2).
210.
svalauds 277 in f.
svaleiks 277 in f.
svamm-8 143.
svg 353.
taihsva 221 in f.
tban, thanjan 103 in.
thanrsu 121. 402. .
theihan 80. 81. 83.
thingan 83.
thragja 403 und *j.
threihan 81 in.
tiuha 119. 403.
uh 262.
uns 90 sub f.
usfratvjan 203.
usgaisjan 81.
vaian 77.
valvjan, Valtjan 208.
vato 247 sub f.
nigal 4!1. 4!3.
. n£h, nthdr iia. 416.
narwa 15S.
3. AltbochdmitBCli.
anatrScho 4S3.
aaat ISS.
späh, späh 415.
Bii- (altrrftnk.} 4&3.
bi-libu 76.
bioat 290.
bluich 449.
bUo 449.
blinwaa 482.
brÜD 449.
burt 431 in.
chsri (merOTing.) 468 f
chuoa, chaa, chuo (kfi)
287.
CBon (dtfMUik.) tlot pl.
237.
ilrIjsD SOS.
eiUi 5. 4G3 in f.
eil 5. 6. 463.
liur 119. 121. 3).
piliuhhu 2T.i.
BiJHD, J-Swan 77. 204.
ütamin 433.
atäin 230.
wlj<m 77.
welc, weih 3S9.
WDklian saa.
z«9awa, z«s«B 221 lub f.
4. Nittelhocbdeatacli.
giDuhl, giniiog t.
giiengi 70.
bammB 368. 4).
hart- (bar-) (karoliog.),
hair-, beir-, heri-, her-
4S9.
baeaa 424.
haz 34-2 in f-
beida 369 in.
beitar 32.
kans, keosi 237 in f.
kfiraB 430.
klaga 396 in f.
leisR 16.
liubten 119.
lob 369.
malan 20!.
miskan 426. 427.
molawen 203.
□aba, nabalo 408. 422.
nabagSr 458.
t 4B8 in.
fiUehalfttMheln M.
filicbalo, fiUeheD, fiekcn
es. 69.
aeckBD 68.
flotachen (bair.) 67.
Bar 867 in.
BnUchen 68.
rratacheln 67.
gatacn, gackwn 69.
gleich 1.
grackien, grsckeln 68.
gTiUch, griUacbe 68.
halm 12.
bätacheln 68.
bocken, backan 68.
hatichen (bair.) 68.
bamnie 368. 4).
leide S69.
.irnien 96 aub f.
B 68.
cken, klicken 68.
kUtacben, klitachen 68.
klecken 68.
knacken 67.
koatscben , knntacben ,
knitEcben 67.
kraus 70.
krnUe, krolle 70 aab t.
kuh 287 ff.
macbt IfiS. 1).
manUcben 68.
wat.e 67').
wek, welch 369.
weWeliB G7*).
wölken 369.
S. Nenhocbdenticti
fackeln, facken OB
mtacbeln, mtacben
Beben 6B.
Gckfacken 68.
natBcheo
69.
milch 262.
mockele, mntachele 68.69.
nincksen, mntien 69.
»n 419.
nach 238. 416.
> 238.
narbe 458.
nukelen 37.
nutacben 67.
leitacbe 69.
.>ellichen 69.
petschsft 69.
platzen, platschen n. a. w.
69.
quacken, qoatachen 68.
Eck, qnicken 68.
bII, qnellen 247 in f.
BtdC-l.en,.iuetsclie8.69.
ikeii, quiken 68.
' qaitacben, qnitaehen 68.
quöttache, qnittacbe 68.
rackelbahn 68.
rackeln 68.
taii, k6gii (pi.) aB7.
tengan 70.
6dui 431.
thrSven (tlu^ov) 203.
recht 155. 1)-
.äj.n 77.
veOTC 40S.
rnUchea 69.
vUc 869.
schief 236.
thingan, thang 80.
^ohmatien 69.
■■cho« 238. 264 in f.
wolkan 869.
9. Engliscb.
äechs 18.
7. Rlederdentach.
birth 431 in.
cow 287. .
Beele 238.
dedB (mnl.) 242.
dregs (plur.) 4.
sobn 264 sub f.
hanini 368. 4),
tatschen, tütächeln 68.
is-jaBk{ditmarB.) 11.367.
floor SS6 in.
lekeln, teckelen 68.
kuh(koe,koei,nnl.)237f.
heath SC9 in.
ihaten 242.
Da, naanw (onl.) 238.
icicle 11. 367.8).
tochUr 264 sub f.
eneenw 238.
niture 119,
aneeuwen 238.
pure 119.
tmnern i.
zee, zeeuw (ndl.) 238.
sea 288.
tschabattn (südostd,) 69.
ischaffit (sod.) 69.
8. AnKelsäcIulscli.
10. Altnordisch.
lachagk (30±) 69.
ätor 5.
ala, Gl 8.
tachallen (aod.) 69.
älan 3.
dregg 4.
äled 8.
drita 81.
Ischamp (eod. 70,
al-geveorc 8.
eitr 6. 463 sub f.
tsehande«n (sod.) 70.
iling 8.
eitr-onnr 5.
t,ch»ngk Csod.) 70.
bedst 2B0.
eldr (elda, eldar) 3.
Mchangken (aod. 70.
oniiven (cnedv) 203.
fljdtr 4SI lub f.
■achigol (sod.) 69.
oü (pl. cj, cje, cOna,
tl6rr 366 in f.
tsohilln (sod.) 70.
cum) 237. 1).
gllkr I.
lachogkl (sod.) 69.
därMe (acc. dBrsMn) 4.
gneisti 1.
iBchop <3ad. 69.
dide, dyde 242.
gnögr 1.
iBchiiret (Süii. 70.
drjsan 4 Ln f.
gnött 1.
IxchÜTkind (sod.l 71).
«ned 423.
hatr 242 in f.
ischürl, tachörl (sod.) 70.
flär 366 in f.
heiS B69 in.
t'chürlkopf <si>d.) 70.
gttra i.
heiSrlplnr. heiKar) 3G9
«rackdu 67.
getingan 70.
jaki 11. 367. 8).
gicel 11.
jÖkdl! 11. 367. 8).
watscheln 67.
gös, ges 237.
kü (plnr. kyr) 2ST. 238
welk 369.
ha«6 369 in.
li 14.
Wicke 67*).
bamm 368. 4).
meidhr 6. 6).
Wicken 67,
bete 242 io f.
mig 80.
witschen (frankf.) 67.
bnitn 2.
natrt 8 in.
wölke 369.
in-»laa 3.
nyr HO.
.wiuchem (saUb. zwig-
ises-gicel 11. 867.3).
nyra 140.
gewn) 69.
müven (medv) 204 in.
straumer 432.
STißa 81 in.
vargr 140
ft. Altsächslscb.
deda, dede 242.
döm 77.
sae 238.
a4ven (aeö.) 204.
eH 3.
F.cfine, BciSnon 9.-;.
s. 9. 459 ff. 46B ff.
560
Wortregiitter.
1. Altgriechiflch.
dßriÖota 201. 1).
a/aio/ia»« dyäofiai 200.
dyii{i(»t 430.
äyvoiüi 200 (bis). 203.
dyvoijitTt 200 (bis).
a/o^ia 148.
«//»(Tilrov 233.
ayj^/ii'ij 420.
a;'fti 891.
a>rci,W,i 84. 141.1). 201.
1). 355.
fiftio^ 200.
afjöoii' 84. 141. 1).
driti 77.
ai;'ixo^i«Zs' ^28. 1.)
«//mü,- (af>io^) 200.
201. 1).
axo/; 199 u. 1). 202.
dynvtj (aeol. hom.) '202.
dxovM 199 u. 1). 429.
fixoct/oAo^- 199. 1).
ax(tndoa(u 199. 1).
ux{)o--ida&at 199. 1.
rtx^ioc; 109. 1).
a^.duTTfio^ 154.
aliofim, älfvofiat 202.
//Afj'as" 199 in.
äAfc^üv 199 in.
dXio» 198 in f.
aA»iAif,a 409. 410.
älkoq 104.
aA/.ör^»to(; 193. 2.)
aXodo)^ dXntÜM 200.
a;.oJ 16.
oifidui 204 in.
a/fj?(>oio^* 263.
aMfi>> 141. 201. 1).
cttitXyo) 78.
aj,<«,;o> 141. 201. 1).
dfAffjv 202. 2).
ar 88.
av 111.
ai« (vocat.) 243.
dvdyxfi 419 ff.
avaqiavAov 193.
avdavft) 84.
aj'cy^iaxots' 366.
a» ;Jj'o^6 418.
at'riQ 423.
avrjaid'utQa 4Ü3.
anidti 84.
B. Oriechisch.
ao<()o^' 84.
a.7H)^M 394.
a:\iutaiy 200.
ä7 0.i»'f(b>y 200.
a(i/o; 164. 8).
d{tuUixnof; 186. 1). 154.
a<>(f)i7Aoi; 136. 1).
d{}^(tlivör^1^ 193.
d\tniui 200.
n(^iOi'^>a 199.
doow 199.
ittifTrji' 423 in f.
.laiivuv 128.
aaiiirj^ 123.
ai^it>"'s0l36.1).201.2).
tti7*ii' (kret) 474 in f.
uvi{tvaav 201. 2).
aj'ta/o,- 201. 2).
a»'/.nt; 15.
ojVo^- (kret.) 474 in f.
cei'/v 202. 2).
«/fo^, rt/f/w 202 in.
ä/os- 428.
,:?aAai'Os 246. 247.
f}a(jv<i 121.
p^to«,- 263.
ßA(ü(rx(ü 258.
,-io/nii(üv 201. 2).
liötjftai 142. 8).
•iniiiVtcrjq 123.
ßovßalnq 201. 2).
,^«i',:?a>r 201. 2).
|:^ois' 237.
ßijaxv-; 121.
I rJuiO-^ü 84.
fjutno-; 258.
/?m»;r'i 471.
ßijwfia 248 in f.
ßvQua^ 142. 3).
ßr(tfi();i 142.
ßumavftQa 463.
paAa 128. 243. 246.
247. 250. 254.
;'aAd(w^' 244 in.
yi/nftuTa (Hesych.) 224.
y^ro? 391.
;'f^>otia? (kret.) 474.
;'^^iw? 396 sub f.
ylyvofAai» 109. 1).
y/>(>;'«c; 395.
öai.iduj 200.
ddiiv^^ti. 394 sub f.
öfvdQrfiiq 136. 1).
dti-a^or 128. 186. 1).
dcfd^i^ci^w 128.
Ji^ixuoi 164 in.
<)^^w 16.
dit'foftai (aeol. hom.) 202.
Oiw, öiofiai 202 in.
AtifiO<faiif UV 198.
JiCh dtof 29 in.
<)tdr>^W| Jor^vat 208.
öiäiiifn 77.
dii/i'fx];; 410 in f.
0/; 128.
öoi6< 187. 1). 187. l).
ÖoUxöa 252.
öoQa 15.
r}^ä<r(r(u 415 in.
ö^ö^tot; 894.
()6j()cxa, dvüdfxa 123.
^' 858.
mAdixa» craAoixci' 147.
¥a(j {/taa0 200.
^aw, |f/afti 472. 478.
iyyvq 418 sub f.
fyxa la 12.
iyiifiyofja 410.
^()avo( 108.
W>t$a 848.
idn'rifftr (aeol. hom.) 202.
^do^at 194 sub f.
^dftafdOf u. 8. w. 894.
^C«»'£a 8*8.
'^'»?s» »/?> 'yo^ '*• •• '^^ 28*).
^^a/</ii7 201. 2).
^^tC(^ 478 in.
fiaQivöq 200.
u<)b(; 391.
iXxoat' 84 sab f.
iixotrioq 10.
f^Aoi' 473.
dhufd^ot 143.
ii^ta^fiau 274 u. *).
«l'juiji' 473.
Cfr/a 194 in f.
n^a 348.
iXi^Yixa 274.
€l^- 362.
«ft(ja 478.
iio)&a, fo)&a 200.
fl'oxrc»' 200.
hdq 365 in f.
fxaatoq 147. 860 ff.
fxaif^>i^€ 350 ff.
Wortregi.ter.
561
ii.(iT.(rO( 350 ff.
^l«riiv,(..l,>,"i;c, 128.
ö-»,,ri5 127. I).
Mviai 147.
f fhom-) 853.
tf.l« 126.
iWo! IS-
/■(^a^^riiB (lokr.) 147
la e. ,<ia.
naxQy 418 iD f.
(bis).
^F^ac 861 ff.
iic«™ 198 >D f.
J^i.ao.rä'i 201. l).
ii(iofi^Mi<i 169 in.
ilaxvq 121.
^..JiJBo, 468.
iUtioa 136.
»<!<. 198.
./iyiK 365.
Ti,;«,. 188. ■
iKffflw 473.
jrixaaroi lißinf. 350ff.
.'on«, too« 123.
ii.(i;*(eo! 1!J. 128.
^(^ia.foif. 360 ff.
Ü7«ffu 198. 302 in f.
«(uffOfto. n. s. w. 128.
Amt.e-i 860 ff.
ftjt,,,» 109. I).
W^lc« 409. 410.
^»nvca« 14S in f.
r.TTDf Ff 146 anb f.
^Ikui 16. 47S.
:£-%.r„;„. 142 in.
ica^a;it,<; 276.
ft,ua (Hesych.) 224.
/■ie«oo 201. 1).
«taa^Dc 12.
I^^«va. 524.
/ioae.^^'«? 201.1).
»<i/i.w 394 snb f.
i>^. (aeol.) 224.
/Ktnamuir 148 in f.
Kä^nfag 187.
^l«oior 268.
^i.o( 147. 866.
»ae;(O(i0it 198.
iVd..;^ (aeol. hcm.) 202.
£,.(;'«!.< 410 in f.
-^.d^;*,,. 855.
«.«.^«T,, 201. 1).
J'.äiiv 468.
./'i»«. ^■^^0^354.866.
-«täflfpfl« 140. 1).
«a.,«,U 201. 2.)
ivi^.»t 104.
./^.:^a/P5 201. 2).
••iXivO^n 128.
^,t.o. 104.
J:Ua^. 187. 1).
x^äu 238.
fVij'rOjto 409 ff. 418.
J=ia<,'; 128.
ic/™ra 896 in f.
^.ffoia/n» 128.
x^™( 107.
*': 231-
^ilTOtlK H6 Bob f.
xqin« 186. 1).
S'i 13.
fpÖTyn 141
«-,t«.(s 186. I).
JniitTai'o; 233 eab f.
j:u^i,n 366.
xiQr^^i 288.
^;I.,T^5 158 sub f.
^evf"' 1*0- 0-
(Aa<'(r<a<» 198. I).
Vno^a. 4TB.
Zi,.q 141. 4).
KXvTalpvipn^a 200.
inT« 366.
,:a7.
><r.i«a,»äi(»(a«0l.)S6S.
^fd!inf.a. 478.
iJo^., 84.
^.r,pk 868. 4).
%o. 403.
iiävi 121. 289.
Cüfiärn 263.
^Ä«ipov 425.
x.(e« 2).
rg«, ig.,» 201. 1).
«iixTUf, 426.
,?;..««» 147 in f.
x„^ 429 in.
rLwa 199 in.
xo(f Jo? 201. 1.)
/e„.r«<« 199 in.
Hol«;.' 128.
/oir« («eol.) 202.
^ttyx-w 411.
»olo;Soel77.1). 198.199.
iyi«, 199 in.
^v,«,;« 410- 418. 416.
.olo» (ffw = ;j;,i*o..)
,eiZ<-o, 186. 1).
4-21. 428«)
128 in f.
iyTw 473.
hf-xS-jjv 409. 411.
Snae 213. ■
xiXa:; 177. 1).
ievSei,^ 127. 1). 241.
xolovit, BoAriw 177. 1).
iairtvi"'' !■''' '"■
4« i08.
197 f. 199. n. 1).
fnnfi'a« 348.
fl<i;,ffo( 202. 2).
.nl«,;«. 199. 1).
(Oooi'uai u. 9. w. 196. 1).
^.»'ard'u 198. 1).
»oA«,Ö! 199. 1).
tff.,a«, 478.
Sa.V« 102. 2).
xor(j 2.
J«oü5 864.
&,->r. 9-f- Koinc 128.
■öe/'a 128. 1).
„W. 201. 2).
tf.;<ü(fff(;^«)209. 201.1).
*ri«, 123.
„WfffJo 471.
»iaf,„<n^a 227.
«o's (ion.) !lfl.
riUti«» (Ukon.) 14 (bis)
.^f/.». iBßnl.) 200. 203.
«oT,.(« 186. 1).
16.
ff,!^ 261.
-OTO, 186. 1).
MU.j(>a 14 ia f.
A^vit»' 250.
xo,'.(, 128. 1).
,{„l,ainv 201. 2).
»iBao; 128. 125 aub f.
,-..~,e<..; 128. 1).
.,i 2G6 in.
&e«Bvq 121.
«(.(/lad^a 227.
txv 473.
*,7«i,,t. 878,
.(./.u 260. 484 in.
>^«Jb C«eoL) 121.
ff,.,oC 120. 128 ff.
^HißSa 198,
^<«rTi.«^ 128.
»iiii« 125.
>.Q\mttrSa 198.
^<wi» 855.
»vfiiarii^ior 227.
xp.,^„ai,. I9B.
Zeitschr. r. vgl. tpra
dif. XXI. 6.
36
S4.
lil IB. ISS.
liatm «16.
Iflno 76. SO. BSl.
lJ«r429 in f.
i^ior 1*.
U( (löw-J 188.
«,00- 104 in f.
i.^,o( 14. 140.
U-i l!S-
iiaüs ST2 inf.
««1«»0! 4S8 in f.
«aläffaw 418 in f.
näfifin 8^2 in f.
fAiaainelü 801. 1)
;u^d(a 84-
,,iJTtip 3TS anb f.
Jlf.i^cT«.? 471.
fUfif 109. 1).
/i/fTru 4S6 snb r.
/loliHoi, /loiouB 198 in.
199. 1).
^oi;ijrai,^i.;lW<ill97iDf.
^irtyjtt 198.
„a«! 867. 3).
i,i(.;uo« 142- 8).
i'ari«,v«iv;i:l-lSS-389
SB5.
tiUil^a 6. 463 ff.
olä^a B. 463 ff.
oidoc B. 468 ff.
ixfor 190. 1). •
ölKftUöi 408. 43t. *i%,
orii io/iorii 111-
ö»;!«. airof,a 4S8.
423 •).
Dri,C 421 ff.
iiai; 199. I).
öfii7»'^iio 106.
109. 1).
öfOim.nQfiii'm 198.200.
Of/fioi; 142.
ö^Di'u (n(iot''^*i} 199 u.
1). 201.
oi'^Mtpo: 864.
Or'Hio 201. 2).
o2»»e 127. 1).
aiV«« (vl^ter) 42S.
iö7.K 26b in.
|n«.Ä,t;« 177. 1). »98.1).
nanno; 872 in t.
Ilafßairia 471.
I7ciW"a.oc 470 f.
nu^an/a 470 ff.
näaru 82.
' nai^e 87S iinb f.
.stlaai 8fi in.
I ntl<uiyöi 470.
W/i» 406 in (.
riiim (aeol.) 203.
^Kfoci 140. 142 in.
..». 121- 1).
.i7>.(«> SB8 IQ r.
■r^Dcra 4S8.
-1''f '■ ''"''«■
Wi^nr 104 in f.
i(I»a«, iiro; 128.
SW« 187.
ä- (nlativ-tUmm) 362
Äd»«« B>6. 410.
I niifayiai 894.
{ nifffa 896 in
: n^Tji" 895 in f
T,^lt.a 106.
'- nlitQ« 186.
7lfC«;.n« 188.
1iy=y 137.
n-^oe-;? 187.
'nt^axvii 142. 1|
' n'vu 288.
' ■nlofia, 104.
.t(:i™ 108. 1).
; ■nufai-miai 19S.
,)i/«ii 186.
-ilat.'e 131.
nlifftfil'^n 8S7.
niLitfi/(Ufi< 867.
üi^^^i'-p«. 887.
^loiifrV 19S.
nrtiv«! 200.
/lolivd/o« SOB.
nalifc 121.
noftöi 161 in f.
noy#/iäf 161 in f.
nö^et 161 In f.
/TemJctoF i6S O.
noat-d^üit, -a,,o<; 468.
nealitil 46S ff.
notftf 468.
nMi'>f 10-
noTfpoc 864.
naiiSaut 468.
noTfd'<t 46S ff.
nifia 468.
«l...^.«.«»« (krBt.) 310.
Oliopijaivii 274.
»Qo/{fi;(ri!i'o( 288. 1).
n^wd^a 1B6.
npjipti 186.
.liiCOf 186. 1).
n.<il(;ua« 147. 2).
iKolo/iniat 147. S).
ifiot 260.
.ivp (itvif) 124.
I ttv^taxtf 2G0.
! flMÄ. 260.
Ttirm (aaoL) 288.
'(Uno; 140.
: ijiiiia 141. 4).
*| iiti 128 mV f.
I jy.«^. uo.
. iti«aa 140.
: ityia 140.
■pij^C 140.
!^f( 123 inbf.
natnl 286.
oäiot 123.
' afßanai 141 in. 168.
aüiKi 428.
ir(^i-n~7i(äciwnoc 169.
alai-os 123 in f.
(»^(^(^ 187.
•jttlKp^ii; 187. Ul.
(Tilifpos 1B7.
Worteegiiler.
a^l^g^i 187.
a»7fi? 427.
T,r/.o 106.
1^.0, 107.
„Ut-^ US in f.
i™i« 207 in f.
ff.axTci (plur.) a*B in f.
x/r, 482.
cr,o^, 234 1«.
liflij,.. 77. 241.
atavgöi 198. 20S in f.
iJ,- 278.
irrt/a^iS; 108.
r«r<aninj 468.
(FTJ/o; 230.
i.T.W.o^a. BC8.
ffK/jt». 182.
Trio«? =0«-
urÄfuiv 284 ID.
,p/ (kr-t.) 474.
aio^«»Jo'v 198.
ifj^u 391.
axuTrrie« 280.
Tgi,» 40S B. •).
tfi, ff*, ffoi 128.
Tjj;;ffo) 19B. 208 in f.
ff£« 122.
TU, T», Tfli 128.
ff«^Ö5 148.
T.'.;.!«. 280.
"föyyx: i".
ZS«„i 247 anb f.
ff^^, 148.
■cäya&ä 111.
^ö?n! (punph.) 198.
lala/Tiuuo; 20». 201.1}.
,,ai*« 198.
^bIbi.Jv'O' SO"-
yoWtu I9S.
i.I;.;a 111. 112.
yafos 198.
-.«.ll/iBffffo,. 121.
^,if„ 198. 202.
■.oi'i.j 27.
•fait^i-i 224.
■iBj;.;;«, 198. 2).
7a>xfl! 224.
T^V;.*. 383.
ifai^päuT^ta (Hesycb
i,(va 103 ip.
224 iD,
i>:i(»iii 199 JD.
<fö;-p, {Hesj'ch.)224in
iiliu 199 in.
and 1).
lün'k 136. 1).
Va„d^öe». 188.
.,(ios 136. I).
^di;« 16^^
Tinw 144 iD f.
xl^tTnof 208.
9? 868.
T/rooTO! 9 in f.
•fSilom 274.
TiJa.«, 142. 1).
56S
q,ilni,pnä^i 224.
f^a;/J'i'^( 142 ID,
qiQavai» H2 in.
j'^Ja 198.
■'»(iieal.) SO. in r. 12«.
^ Idudiu 172.
qivu 128.
2(uw (aaol.) S02.
Xe<i^m 177. 1). 19S.
Xearail l'T- 1). 198.
ifiaiffTni' 224.
\pä/i(i»aq 224.
uiei""« (Heiycb,) 224
nnd 1).
yfiäfi/mi 224 nnd 1).
i/iai'ui, i/iaui ^aJu 224.
i^^xi^B 227.
wxi^t 121.
(Slof, <}1E IB i°-
«HfKQ« 198. 1).
irofi-i (aeol.) 4tl8 ^.
2. HeDgriecblach.
«I;.c.v (U-apM.) 248.
yäkav (traptz.) 248.
^tyip/tC. litttl.) 981 in!
>a» (trapBz.) 243.
iro^iT^i«»' (iUl.) 281 iDi
I ^fciCuiv 382 in f.
C. Italische sprachen.
1. Latslniscb.
Hbol«U 3.
9, addaas 150. ISO.
adeBKDt {(tat.) 171.
4).
aliDB 104.
19B. 1).
alo 8.
.dfeber 138. 1).
alter 104. 198. 2).
adfertor 217 o. 1).
■maaia 180.
BdjnUbillB 138.
«nbiaa-mt, -et (-Int, 4t>
adoU» 8.
179. leo.
■diUseint 16&.
anu 428.
a(d)sC[terint 186.
uigor IIB *nb f.
adulabilii 138.
■ngDitIa 428.
■emidna (altl.) h.
aDguBtns 418. 421. 418.
agnosco 423 in.
■peribo 196. 1).
iguMlrlx (vulgär.) 460.
aqnilifer IBS.
aheD«n> 177. 2).
ardnna 403.
alebri- 137.
arena (alt. huana, a>«ia)
■liennd« lOS.
228.
alis, alid (altl.) 2S0
2)-
arfDiw 18«. 1).
36*
5()4
argeiitani 413 sub f.
ar^uo 164. 3).
arvectttm 136. 1).
arvorsum 186. 1).
asena s. arena.
•sportaAsent (conj. perf.)
186.
astasent 178 ff., 186.
atavus 186. 1).
Attidiates 109.
Attidium 109.
attinge(m) 177. 2).
andax 141. 4).
andiba -m, -t 189 u. 1 ).
audib-o, -is 196. 1).
audiuunt 164. 4).
aafero 155. 2).
aufügio 155. 2).
augurinm 448.
augustua 421.
ausis 184. 8).
ant 106.
averruncassint 184 in f.
avidus 141. 4).
axo, axi-m, -t 165. 172.
bacca, baccala (vulgär)
450.
baccunus u. r. w. (vulgär)
450.
bacelus 450.
baceolus 450.
benignus 88 in. 278 in f.
bibo 109. 1). 204. 2).
bis 128. 137. 1).
blandus 449.
brevis 121.
bubile 137. 1). 187. 1).
bucetum 368. 5).
caballus 275.
cadamitas 206. 1.
Caecin(n)a 108.
caedo 8. 9).
caenent 225.
Caesen(n)iu8 108.
eaesius 8. 9).
Caesius 9.
caesna 225.
Caeso 9.
Caesoninus 9.
CaasoniuR 9.
Caesulenus 9.
Caesulla 9.
calamitosus 10.
oalendae 154. 1).
calfacio 193. 2).
calvor 164. 3).
Wortregister.
calx (Xa'i) 13. 128
criminor 198. 5).
candela -brus, -bruiii,
-ber
crux 122 in.
135. 187.
cui (alt qnoiei) 278.
caniK 128. 178. 2).
cnlmus 12.
canus 424.
cunctor 128.
Capitodiuni 206. 1)
•
cura 120.
capoclator (vulg.) 457.
. curaaint 178.
capso 165. 171 f. 176.
1 curaasis 169.
: caseus 98. 207. 232.
ouro 120.
; cassabundns 191 u.
!)•
! curro 228.
cedo 420.
j curr-, cur-nlia 228.
cena 225.
1 cnrrus 228.
cemo 260. 484.
! curvus 70.
certasset (conj. perf.)
186.
-dam 220. 8).
cieo, cio 148 in.
! dativus 236. 1).
cistifer 185.
' Decembri 187.
citrago 207. 1).
i decido 8. 9).
citrus 207. 1).
' dedico 159. 1).
civilis 121. 8).
dedit, dedet 179.
civis 121. 8).
delphin, -ns 218.
Claudius, Clodius ,
Clu-
deplorabnndiu 194.
diuB 467 in f.
,*
deplorandus 194.
claudo 275 in.
desivare (alt) 472.
claustra (vulg.) 457
destina 280.
clepsit 173. 3).
destino 280.
cocetum 167.
devorasset (conj. perf.)
cocus 157.
186.
coelibaris 145. 1).
dice(m) 177. 2).
coenacula 225.
dico 159. 1).
cognomen 422.
dico 891.
cognosco 423 in.
dispennite 106. 108.
colo 128.
distennite 105.
coluber 128.
dividiatur 119.
comesses (oomessis)
179
divido 275.
und 1).
divns 286. 1).
comissabundus 191.
do 77.
communis 120.
donicum, donee 107 in.
comoinem 120.
dormib-o, -it 196. 1).
componeto 153 in f.
dubius 187. 1). 187. 1).
con-, CO- 88.
dnco 403.
conciliaboleis 138.
du-im, -is, -int, -ent 150.
condo 241 in.
1
1
178 in f. 180.
confieri 126.
1
dulciculuR 284 sub f.
coniourase 178. 1).
1
dum 107 in. 220. 8).
contingit 418.
i
1
ecfatus 155. 1).
convenibo 196. 1).
•
ecfero 155. 1).
coquo 151.
1
1
eglesia (vulg.) 450.
coram 275.
1
elepha-8, -ntxis 218.
comix 222.
1
empsim 166. 171.
consentiont 168 und
2).|
eo (ibam) 189. 2); flexion
couraverunt, coiravit, <
coe- 1
des verbnms 196. 2).
ravit 120.
i
1
errabundus 191. 192.
crater, -a 213.
et 106.
crates 260.
etiam 106.
creber 137.
eyaUaviso 168. 176. 177.
creduam 1 50.
i
178. 187.
Wortregister.
5iSö
evito 462.
ex 231.
exaudibam 189. 1).
exfir 125 in.
exim, exin 97. 1).
expedibo 196. 1).
exta 12. und*). 211.
exten-uo, -vo 121. 3).
faciem 177. 2).
familia 241.
far 222. 223.
farina 223.
farreum 222. 223.
faxitis, faxitur 172, 173
und 3).
faxo, faxim u. s. w. 165.
166. 171. 172. 176.
179 und 1). 187.
feient 126. 129.
fei 438 in f.
feles 178. 2).
fellebri 137.
-feudo 82.
feretrum 227 sub f.
fero 139 in.
ferveo (ferbui) 137. l).
187. 1). 189.
fervo 189.
fidelia 142. 1).
fiecerunt (inscr.) 188. 2).
figo 83. '
fimus 125.
fio 125. 126.
flacidus 449.
flavidus 449.
fleo 162.
fligo 83.
foculus 157.
focus 157.
foidos 85.
Forraiae 142. 146.
formica 142. 3).
fortis 241 in.
fraenum s. frenum.
frango 140. 146.
frater 245*).
fremebundus 191.
frenum, fraenum 447.
frigeo 140 in.
frigus 140 in. 146.
frio 138 in.
frivolus 1 38 in.
fugiteivos (inscr.) 286. 1).
fuit, fuet 179 in.
fulgo 189.
fumus 125. 127. 1).
fundus 142. 1).
funebris 139 in.
fungus 143.
furibundus 192.
furo 432.
Gallus 245.
garrio 396 sub f.
gaudeo 141. 4).
Gavius, Gaius 150. i).
genetrix 147.
genimen 402.
gigno 204. 2).
glans 246.
glos 244 in.
granum 208.
gravis 121. 122.
gravo 121. 3).
grunnire 105 sub f.
Gadulius,Gudadia206.1).
habeo 177. 1). 166.
habess -o, -it 165. 166.
175. 176. 177. 178.
180.
hasena s. arena.
I hibemus 83 sub f.
hostilis 121. 3).
hostis 121. 3).
humerus s. umerus.
humilio 121. 3).
hurailis 121. 3).
humor s. nmor.
ignosco 263.
illico 107.
illöc, illic, illSc 438.
illustris 221.
impendo 102. 1). 108.
impetrassere 165. 178. 1).
impilia (volg.) 457.
implicaverint, -uerint
182 ff.
implicui 183. 2).
incensit 172.
incepso 165.
infensus 208.
infemus 144.
infertor 217. 1).
infcstus 208.
inguen 12 in f.
inlargibo 196. 1).
inquam, inquiunt 177. 2).
inquietudo 10.
insignis 121. 3).
insignitus 121. 8).
instabulis 138. 146.
interfieri 126 in.
invito 461. 462.
invitus 461. 462.
ipse 277 sub f.
janitos 229.
Jovis 137.
jubar 137.
jubeo 171. 8).
junxi, junctnm 408.
jussitur 165. 172. 178
u. 2).
jusso, jussit 171. 172.
juxta 12 in.
lac 128. 253. 254.
lacems 449.
lactes 449.
lacus 449.
laetabundns 192.
langueo 449.
lappa 207. 1).
lappago 207. 1).
lascivibundus 191. 196.
latebra 187 sub f.
lavSre 189.
Lavema 429 sub f.
laxus 449.
legassit 171. 172. l).
leiber, Über 126 ff.
lenibunt 196. 1).
lentigo 207. 1).
lentis 207. 1).
lenullus 9.
I levass-im, -o 165.
I levis 121. 239.
jlevo 121. 8).
ilibeUns 144.
! liber s. leiber.
licessit 166. 175. 176.
! 184.
'. Licinianio 119.
linquo 75.
linter s. lunter.
j lippns 370 in.
I lira 1 6 in.
I locasint 178.
' locotenentes (vnlg.) 457.
jloebertatem 127 in. 129.
I lorum 14 in f.
Incema 429.
Incus 869. 5).
ludibnndns 191.
lugabri 187.
Lumphieis u. s. w. 104.
lunter, linter 171. 4).
195. 1).
Lupercus 278.
lupns 14. 140.
micero 83.
566
WortrejjfiHter.
malignas 273 in f.
malo 161. 1).
manabilis 188.
mansuetuM 103. 2)<
Marius 150. 1).
masma (spätl.) 457.
mater 372 sub f.
mediocricolus 284.
medius 118. 241.
mel 488 sab f.
membrum 187 sub f.
mensa 208 in.
mentibitur 196. 1).
mercassitur 172.
meridies 136. l).
meta 6. 6).
metior 88. 208.
mica 83.
mirabundus 191«
misceo 426 sab f.
mistiiä 221.
modo 107.
moiro , moerum (inscr.)
120.
mola 367. 2).
moletrina 147.
mollibat 189. 1).
moneri-s, -nt (fut. I.)
184. 185. 186.
moribundus 191. 192.
mortuus 141. 1).
raovo 141 und 1). 147.
mulctra 227.
mnliebri 137. 138 in f.
munio 120.
Mun(n)iu8 108.
murus 120.
mutuus 141. 1).
nanciscor 411 in. 413
(bis). 417.
nancitor 174. 181 in.
navis 239.
nebrundines s. nefrendes.
necessarius 419 ff.
necesse 4 1 9 ff.
necessitas 420 f.
necessitudo 420 f.
necessus 420 f.
necto 427.
nefrendes , nefrundines,
nebrundines , nefrones
140. 141. 2). 142.
146.
nefrenditium 141 und 2).
nequeo 189. 2).
nimphias 119.
uiteo 2.
nitidus 2.
nitor (subst) 2.
nomen 422. 428.
nosco 423 in.
notos (inscr.) 229.
Novembri 137.
noverca 273.
novus 273.
noxit 166. 172.
uudus 449.
Numisius, Nninerius 119.
nuncupasset (fut.) 179. 2).
obliquus 83.
obmoveto 110.
obscaenus 281 und 1).
obscaevare 231. 235. 1).
obscurus 231.
observa88ol67. 168.177f.
obstinare 230.
obstinerc 230. 281.
occepsit 171.
occi(d)8it 171. 172. 1).
Octobri 137.
oculus 199. 1).
oetantur (inscr.) 120.
offertor 217. 1).
oitile (inscr.) 120.
ol (brennen) 3. 3).
oleo, olo 189.
olesco 3. 3).
omitto 231.
opperibor 196, 1).
opus 403.
oquulus 262.
oriundus 193.
OS (knochen) 421.
oscen 231 und 2).
ostende(m) 177. 2).
ostendo 230. 231.
papaver 137.
parento 119 in f.
parra 222.
pater 372 sub f.
patibulus 138.
peccasso 168. 177.
pejor, pessimus 275.
penetrabilis 138.
penna s. pesna.
perennis 159. 1).
pernicles 97. 98.
perperara 275.
perplovere 147.
Pescenia 108.
Pescennius 108.
pesna, penna 136. 1).
pessimus 8. pejor.
pisere 88.
plovere 147.
poUen 187.
populabundua 192.
por- 160.
porcetra 227.
porricio 150.
Por8en(n)a 108.
', porta 151 in f.
j portabilis 148.
j portendo 150.
porto 151 in f.
' portus 151 in f.
posco 178. 2).
postulo 226. 1).
j potis 464 in.
. praeco 148. 1).
' praeda 88.
. praesagibat 189. 1).
praestinare 280.
precor 178. 2).
;Prifernius 139. 142. 146.
Privemum 142.
priverus 142.
'■ privignus 273 in f.
' privus 142.
i prohibessi-ty -nt 168. 172
und 4). 185 ff.
propriassit 180.
prosecare 12*),
prosecta 12*). 211. 2).
. protervus 268.
prox 148. 1).
; proximus 275 in f.
! pulvis 137.
putens 121.
qualis 214.
quam 106.
-quam 278.
quando 106. 107.
-que 107.
qui 278.
qui (älter quei) 216.
quidam 220. 3).
quinque 283.
quintus 9 in f.
quis 278.
quispiam 278.
quojus 278.
quom 106.
quondam 220. 8).
quoniam 106.
quot 9. 10.
quotus 9. 10.
Ramnes 461 in.
Wortregister.
567
rapsit 165. 166.
recipie(m) 177. 2).
reciprocus 275 sub f.
recocunt 157.
reconciliassere 165.
recnpero 275 sob f.
rego 391.
remus 177. 2).
renancitar 174.
reperibitur 196. 1).
repraesento 119 in f.
restauro 198.
restaverit 181. 182. 184.
185. 186. 202.
ridibuudus 191. 192.
rogassint 1 71. 4). 172 in.
und 4).
Roma 460. 461.
rotandns 198.
ruber 127. 1). 241.
ruf US 241.
rutilus 241.
Sabin(n)a 108.
sacerdos 241 in.
saevus 236.
saltem 178. 2).
saluber 135. 13i) in.
salutifer 135.
Satumus (Saeturuus) 204.
saviuni s. suavium.
8caevu8 235 u. 1). 286.
scuteo, 8cato 189.
scibam 189. 1).
8cib-o, -is, -it 196. 1).
scintilla 2.
scio 266.
scipio 83.
sciscidi 177. 1).
scrofa 83.
secius 366.
seco 177. l). 266.
secundus 193.
secus 366.
semen 77.
semestris 10.
sensus 208 in.
Septembri 137.
sero (säe) 77. 204 u. 2).
servasint 178.
servassis 180 und 1).
servibas 189. 1).
servibo 196. 1).
serpens 128.
Sestius 221.
severus 158.
sex 13.
sextantarius 221.
sie 277.
silatam 207. 1).
silicemium 207. 1). 225.
siligo 207. 208.
simul 488. 489.
sincerus 276 in.
singillatim 865 in f.
singularis 145. 1).
singüli 365.
singultus 276 in.
sis (= suis) 128.
sisto 109. 1). 204. 2).
socer 128. 390.
socrus 390.
8ol 425.
sollemnis 159. 160.
Bomnns 128.
BonSre 189.
sonus 123.
sopor 128.
soror 128.
808 (= 8U08) 123.
specimen 427.
»pecio 427.
spero 425 in.
spondeo 177. 1).
sponsis 172. 187 in.
spumifer 135.
stabilio 121. 8).
stabilis 121.8). 188.146.
stabularius 143. 145.
Stab Ulis 146.
stabulum 145. 146.
stadia (vulg.) 457.
stellifer 135.
8to 177. 1).
storea 280.
stra-, ster- 266.
strideo, strido 189.
suavis 121. 122. 239.
suavium, savium 123.
8ubs- 281.
subscus 281.
subvenibo 196. 1).
succedo 281.
suffio 125 in.
8ui, siblu. s.w. 128. 129.
suile 148.
supplicassis 183. 184.
surrepsit 187 in.
suscipio 231.
Buspendo 281.
suspicio 231.
suspiro 231.
sustendo 281 in f.
sustineo 281 in f.
snstuli 282 in.
snsamis 228.
Suttins 119.
suns 148.
tabella 144.
tabema 188. 144.
Ub-ola, -ula 184 138.
148. 144.
tanrns 280.
tax-o, -is 172. 177. 1).
tego 230.
tempestaB 421.
tcndo 108. 280.
teneo 103. 280.
tenuis 121. 289.
terebra 208 sab f.
tergeo, tergo 189.
tero 208.
terribilis 188.
terri-bola, -bula 188.
tingo 283.
tis (neben tui) 128.
tonitru 147 und 1).
torqnes 178. 2).
toms 280.
torvus 268.
tot 10.
totidem 10.
tÖtVLB 10.
traditiorera 119.
tredecim 176. 2).
tremebanduB 191. 192.
trimestris 12 in.
triticum 208.
triumphavit (fut.) 189.
190.
i tu u. 8. w. 1 23.
: tuber (geschwulst) 187.
itulo 108.
Itundo 164.1). 177.1). 280.
tueor, tuor 189.
tnrbaesitnr 165. 172.
turbaverint 188. 3). 185.
turpiculns 284.
über (orö^a^) 127. 1).
nltimus 104.
ultra 104.
j alucus 476 sab f.
iumbUicus408. 421. 422.
i umerus, h- 104.
j umor, h- 104.
unda 247 sub f.
unde 105.
unguis 421 flf.
unguo 408.
568
WoiiregUter.
utibiliB 148. 1).
atiÜB 120. 143.
utor 120.
vacillo 83.
vapor 462.
vapos 233.
▼elabrum 186.
Velabnim 185.
veroens 161. 1).
Venafriim 139 (bis). 142.
146.
▼entilabrum 185.
venundavit (fiit.) 190.
vesica 88.
vicem, vice 420.
vicia 67*).
vicissim 420.
▼icissitas 420.
vicissitndo 420.
▼ietus (vulg.) 460.
viginti 137. 1).
vincio 128. 1).
Vinco 128. 1).
vinum 462.
vitabundiis 102.
vitricus 273.
vivo 263.
vodebam 206. 1).
volutabrum 135.
volvo 164. 3). 177. 1).
vox 148 und 1).
2. Romanische
sprachen.
a. Italienisch.
aberzo (sardin.) 446.
agevole 138 sub f.
agosto 276.
amabile 138.
amava 442.
ami, amavi (mail.) 442.
amorevole 138 in f.
ascoltare ^2 76.
baca (lucches.) 450.
bacan (piem.) 450.
baccalare 450.
baccello 450.
baccellone 450 (bis),
baciocco (tosk.) 450.
bacocco (tosk.) 450.
bäcol (comasc.) 450.
bagattella 450 in f.
bagattino (tosk.) 450.
baggeo 450.
baggiana 450.
baggiano 450.
bagiana 450.
bagola 450 in f.
bagolino (tosk.) 450.
bajella 451 in.
bajo 451 in.
bajoccho 451 in.
bajuca 451 in.
biado 449.
Bologna 105 in.
brdttine 446. 447.
briglia 446.
bucalone (röm.) 450 sub f.
cadevole 138.
cambiabole 188.
. cece 487 in f.
' chiostra 457.
ci 439.
. coberzo (sardin.) 446.
conte 440.
costl, costk 438.
' diabolo 440 in f.
fcgato 446*).
: ferzar« 446.
fiele 488 in f.
, fievole 138.
1 figk (venez.) 446 *).
I figäu (sardin.) 446 *).
figliuölo 446 in f.
; fratellevole 138 in f.
! fruttifero 139.
I insembre 439 in.
I lagrimcvole 138.
j lamiento (neapol.) 1 1 8.
larva (sUdsard.) 458.
leggiadro 458.
li, lä u. s. w. 438.
maestevole 138.
malagurio 276.
miele 438 in f.
miezo (neapol.) 118.
mogli^re 440 in.
mort (turin.) 442.
Palermo 105 in.
p^lo 459.
piacevole 138.
pisello 450.
pomifero 139.
porto 442.
quattro 440.
ragazzo 282 in f.
redina 447.
salv (turin.) 442.
sauro, soro 449 in f.
sciagura 448.
sempre 440.
; servo (turin.) 442.
: soro 8. sanro.
; stabile 188.
' snora, mior 488.
Iterribile 188.
tiene (neapoL) 1 18 in f.
v^la 459.
veleno 105 in.
b. Spanisch.
agible 188.
agosto 376.
agQero 276. 460.
agur (and^l.) 448.
ascucbar (alt) 276.
baca 450.
baya 450.
brusco 448 in.
bnscar 448 in.
conde 440.
crnz 122 in.
fruto 121.
hfgado 446 ♦).
hombre 440.
iglesia 450.
movible 138.
muy (adv.) 121.
ogro 458.
quemar 448 in.
rienda 447.
siempre 440.
vacuno 450.
viejo 460.
voluble 188.
zorra 449 sub f.
zurrar 449 sub f.
c. Portugiesisch.
agosto 276.
agouro 276.
conde 440.
defensavel 138.
escalavrar 458.
festo (alt) 458 in.
hörnern 440 sub f.
muito 121.
sempre 440.
vel (alt) 439 in.
d. Proven9ali8ch.
jai 442.
; anäva, anet 488.
: aür 276. 448.
aazi 142.
coml« 140.
paitr« 440.
ohanUs Hl.
connattre 110.
peur 441 in.
chaatesBea 441.
coutelaa 111 •).
pineerllG in.
cUuslra 45T.
oroiit 122 in.
comte 440.
ctovable 138.
poil 469.
entre 439. 440.
daneer 101.
prffac« 411 •).
f«B 417.
Denis 44i').
puia 122 in.
feri 443.
diabl» 410 in f-
puiCa 131.
floriso, HotiBü. a.w.441.
dortoir 441').
pnr 411 in.
freat (alt) l&S in.
^conter 276.
refnaer 443 in.
langer 439 in f.
enuenible 139 in.
rene 417.
lili 117 in.
entre 139.
aalvaire 440.
mdjer 489. 410.
^p^e 117 8ub t
eec 411 in.
niälber, m6\\iw 440 Id.
eUr (alt) 118.
Service 411').
molt 131.
face 111*).
aonlaa 441«).
mout 121.
faim 101.
sovre (alt) 488.
omne 440.
faire 440.
preofou (neu) 442.
fafte 457 in f.
tempoire 141*).
BBl 412.
feate, feBt,f»8tra(a]l)468.
Cenable 138.
aempre 440.
fiel 138 in f.
tier» 447 in.
Ktfnh«r 439 sab f.
eU 447 in.
vaincre 140.
Bobre 439. 410.
flaiätre 419.
vainen 101.
venden 139 snb f.
flanc HB.
vendable 188,
Haqne 149.
vendre 440.
flatter 119.
Tiana, vela (alt) 48» in.
e. PransSBiach.
fioria (alt) 411.
vfrgine (alt), vierge (nen)
foie 116*).
aiae 4&7.
fi^a (alt fres) 469.
Voile 469.
Ambroiee 111.")
fruit 121.
T0te(volg.=volre)488*).
angele (alt), ange (nen)
Georroi 169.
138 in.
aoüt 276.
gria 449.
f. ChnrwillBch.
aubere« *68 in f.
haiard 448.
balafre 468.
hAerge 468.
(Rheinlb^) 112.
beneiatre (all) 410.
henr 448.
hozann (wäls.'h-Iir,) 450.
bia 417 in.
homme 440.
bigianna (oberl.) 460.
bbne 419.
hnis 441*}.
oanleita (obwald.) 487.
bU 149.
iloo u.a.w. (alt) 438.
cbantat(unterengad.)487.
bleu 419.
imAyene(alt), image(DBn)
salvader 440.
blond 149.
bonaaae 111*).
438 in.
Uvrior 448.
scriva, arriv (Rheintb.)
bonbenr 148.
lii 447 in.
brancard 116 in.
maire HO.
brandiUer 14<>.
nialheur(altniaWur)276.
g. Walachiaoh.
brandir 116.
HS.
am (hBbeo,habenina)486.
branlec 11 G.
mara 111').
caleirim (aBd) 436.
brant (alt) 116.
mandre 139 in.
cfintim, cintäsem 188.
bride 416.
met 114 in.
eri 436.
brun 449.
mette (vnlg. = mettre)
ficit 416»).
chantame n. s. w. (alt)
188').
icT 139.
141. 112.
miel 438 in f.
pleci 486.
chez 139.
moindre 410.
chiche 437. 438.
cit (alt) 139.
ogr« 1B8.
3. Umbruch.
clart (alt) 439.
OiH 138.
. (= an, am) 103.
combler 101.
orange 276.
abrons, apruf, abraf 210.
o70
Wortregister.
abrunu 112. 113.
Acersoni-ame , em 101.
206. 229. 280.
aba-tripursatn 155 uml 2).
aha-vendu 155. 2).
ahusnes 177. 2). 238.
ahtiinem 9ö.
ah-trepupatn, aha-tripur-
sStu 155. 229 in f.
ahtu 155. 1). 176. 1).
Akefuniam-em, Akefunie
98. 101. 205. 206.
akna 158 sab f.
aknu-per 158 sab f.
ambrefarent 187.
amparihma 162.
amparita 162.
ampe(D)ta;apenta 99. 1 00.
102 ff. 110. 117. 151.
amprehta 154.
an9ihita, an^ihitir 148.
ander 220. 2).
anferener 107. 198.
anovihima 162.
anpenes 102 ff. 170.
anserlato (neu) 207.
a(n)stintu (älter) , a(n)-
tenta (neu) 98. 3). 99.
101. 102.161.2).176.
1). 232 ff.
a(n)zeriatu (alt) 99. 118.
207.
apelus(t) 102 ff.
apentu s. ampe(n)ta.
apruf 8. abrons.
ar 103.
arfertur 182. 1).
afiper, ayeper u. 8.W.209.
armamu 163 und 1). 228.
airputrati 124.
arsier, asier 229. 230.
arsir 220. 2). ■
arsmahamo 154. 228.
arsveito,anreitn210.228.
aruvia (alt) 133. 3).
arvam-en (alt) 98.
arven 98. 111.
arviu (alt), arvio (neu)
152.
asam-ajr 151.
asier s. arsier.
aterafast(alt) 109.1). 174.
187.
Atijefiate(s), Atijeyiur 1 09.
Atijefies (alt), Atiersier
(neu)u. B. w. 113.209.
' atrupusatu 230 in.
avieclir 284.
I ayieklu 234 ff.
; avieklufe 2S4.
j avirseto 147. 154.
! azeristu 155.
' benurent 171. 4).
I benus, bennst 174. 187.
'• berva, beru-s 131.
! bum 124.
I carsitu s. kafetn.
1 castruo s. kastruvu.
! caterabamo 154.
9ersnatur 224 IV. 228.
9esna 224 in f.
I 9ihitu, 9ihitir 148 in. 197.
i9ihitu(0 148.
9itir 148 in.
combifian9-i 118.
combifian9(i)ust 116 ff.
combifia-tu(-n9i) u. s. w.
s. kumpiliatn.
comohota 147. 154. 204.
co-vertu, -vortus s. ku-
vertu, -vurtus.
cringatro s. kreukatrum.
cumaco (neu) 152. 222.
daetom 1 54 .
dersa 109. 1).
dersicurent 159. 1).
dersva, desva 221. 222.
229. 235..
desenduf (neu) 181. 182.
destre 111. 1).
dir8a(n)s 99. 117 in f.
dirstu, ditu 109. 218.
dur 181.
eenpersuntra 226. 2).
eesona 112.
eest 170 in.
efust 170. 2).
eh, ehe 155. 1). 231.
ehe-esu, ehesu 111. 231.
ehe - esu - , ehesu - poplu
155. 1).
ehe-turstahamu 154 und
1). 155. 1). 206 in.
eh-veltu, -velklu 155. 1).
231.
eikvases-e 101.
eine 115.
em-antur, -antu 170. 3).
en, em, eme 98. 100 ff.
111. 205.
I endendu s. ententu.
I enem 99.
eno, enom, «000(111 ) 1 0 5 ff.
112. 158.
enoocar 112. 118.
enteotu , endenda 102.
108. 161. 2). 382.
entelo8(t) 102 ff. 282.
enumek, enuk, enn 100.
112.
eo 219 snb f.
ere9lama 151.
efek, er8e(demoDst.)2 14ff.
220. 2).
eretn 161 in.
eribont 219. 1).
em, erom 210. 218.
emk, erak 107.
ems 210 ff.
680 219. 1).
e8(8)n 108 in f.
esu f esum , esnraek,
esuna 184. 1).
esu(f) 184. 1).
esunes 218.
esunu, esunum, -en 98.
158. 211.
etaia(n)899.101. 118.151.
S - tufstSmu , e-tufstahmu
154. 155.
fa9e-fele 148. 146.
fa9ia 115.
yfak 148 8ub f.
fakast, fakurent 187.
famerias 206 sab f.
far (farer) 222.
fars, fasia, farsio, fasio
222. 228. 228. 229.
fas 222.
feetu 112.
feitu 98. 1).
ferehtra 282.
ferest 170. 176. 2).
ferime 98. 282.
ferine 115.
fertu 150. 176. 1). 210
fesnafe 101.
fesnere 101.
feta 98 und 1).
flklas 210.
Fisi(m), Fisiem 100.112.
Fisovi 118.
Fis(s)ia 108 in f.
fons-sir, fonsir 110. 111.
frehtu 155. 1).
frosetom 154.
fuCe>t, fuiest 122. 126.
126.166.170.178.2).
klav.laf, -168 183.
perakueu 110 und 1}.
174. 217. 2).
Kluvijer (alt) IL3.
perakre 182 und I).
fuU 122.
komoltn s. knmnUu.
perca(m)ar9matia(m)100.
funtlere (q^u: foadlire)
fcreraatra 227.
paretom 154.
101. 20B. 212. 1).
krenkatriini,cringalTD, kri-
peraclu 160. 1).
furenr = furent 170 (bie|
peran-ibimn, ibmo, imn
176.
kukebes J66. 157. 161.
(pesn-)u.B.w.l60.16l.
furo (Qfiu) 152 in.
170. 175. 178. 187.
162. 178. 2). 226. 1).
habe 161 in.
197.
perBuntru 226. I).
habe-tu, -tutu 161 in.
kum 156. 2).
pertentu 161. 2). 282.
habla 115. 161.
kumna-hkle, -kle 164.
perume 151.
habiest 161. 170. 178.
kn(m)pi6aU, combifiatu
peaetom 154.
babi-to, -luto (neu) 161.
100. 101. 118. 166.
petuipuraas 218.
babuient 175 in. 187,
284 und 1).
piha.fi, -fai 187.
hapiD»(gen.pl.-ru)212.
kunrnltn, komoltu, ku-
pihaner 107. 108.
halu, bahtu, hatuln (ba-
maltu 162. 158. 161.
pihatu 130. 1). 156.
tuto) 209.
2). 176. 1). S07. 210.
pir 124. 126.
hertitu (neu) 115. 161.
knpifia-ia 118.
pili, pirsi, pnfB, porai
heri-e, -ei, herij-ei 118.
kuratu Bi 170. 2).
(ralat.) 'ili ff.
115. 161.
kuvBitu 2lS.
piB, piai. pire, per«, pirai
heri«(t) HB. 161. 170.
(inwrr.) 214 fl".
175. 178.
kovurluB, covoitue 110.
heritu (neu) 161.
maUtu 162.168.161.2).
po-i, ■«, -e 216.
her-ter, -te, -ti, -tei 170.
176. 1). 210.
PoniaiatQr a. Punifate.
3). 217.
■nanr(e) ISO. 181.
pon(L)e 105 IT.
bondomu 101.
mani, manuve 111. 1).
poplo 8. puplnm.
bondra 104.
124 und 1). 130. 181.
poplu-p« 158. 1).
buntak, huntU 116. 117.
porsi B. pifi.
Hurie (all), HotBB (neu)
164 in f.
parlaia, poitatu (neu) 123.
116 in f.
mearaU 112.
161. 152.
butra (alt) 10*.
mefa 118.
porlust (neu) 117. 119.
iepru 213.
meues 170 in. 174.
161.174. 177.1). 187.
kr(t) 170 und 1).
menzara 208.
pOBt, poat-ne 100 in.
insn, inenek 99.
mngatu 118.
pre-habia 115. 161.
inuk 8. inum.
mnta 152.
prs - plohotalu , -plätatu
inukukar (alt) 112.
naratu 134. 1).
J47. 148. 154.
inum, inumek, innmk,
inuk 100. 112.
ndrhaba» 118. 216.
nep, naip (alt) 116-
prinnvatu» (alt), prinuatnr
(neu) 116. ISl. 132.
iB 218.
nersa 220. 3).
ise 170 (bis) und 2).
ieek 218.
neeimd 235.
nnmem, nome 98. 99. 100.
proseseto 211.
prutnu(m) 100. 158.
iBO,iewklOSinf.2I9.1).
iaunt 218.
<K:re(m)99.100.111.11ä.
ocriper, ucreper 106.
prnpabastl22. 166.170.
176. 178.
iveka, ivekaf 208.
ODte 111. 1).
pnisekltn 156. 218.
ivenga, iv.ka 99. 101.
Puemunng 213.
opeter 222. 1).
Pumpefiaa 206.
kanetu 153 in f. 17S. 1).
pune, puni (qQum) 106.
kapruni 110.
106. 218.
karetu, kafitu, carsitu
173 nnd 2). 176.
puni (ffeibrancb) 227.
153. 154. 206.
pan« 106. 106.
pQuifate (alt), Ponisiatec
KaBtrugije (alt) 113.
panupei 106. 107.
(neu) 116. 117.
kaatruT-u, -uf (alt), cas-
pBrfa{m| 100. 222.
puplum, poplo 100.
tru-o (nea) 116. 180.
-p» 107.
purdinsuät s. purtin9na.
taterima 154. 155.
pelB»n-e, -n 107. 108.
parditom ». pnrtito.
kazi 98. 3). 207. 232.
peqtio 180. 1).
Klavernije (.It) 113.
pBrakne 158.
pure, pure 228.
572
WurtregiBUr.
purtatu, purtatulu 111.
155.
purtifele 139.1481'. 146.
partijus (alt) 110. 117.
purt in9 - us, purdins - ust,
pnrti(ii)t-iu8 u. s. w.
117 ff. 152.
pnrtitu (alt) , pnrditom
(neu) 117. 152. 158.
purtuvies 122. 155. 156.
170. 176 f. 178. 189.
puTtu-vitu, -vidu, -vetu
(alt), purdovita (neu)
116. 122. 150ff. 165f.
175. 176. 177.1). 187.
197.
pu8ti(n)99. 100. 130.3).
rehte 155. 1).
revestu 218.
rabiname , rublne ^nea )
111. 1). 116. 205.
rufru 127. 1).
rapiname, rupinie-e iOQ.
111. 116.205.212.2).
ruseme 112 in.
sahata s. sata.
sakra 158.
sakre 110.
sakri 158.
saluvom, salvora, saluva,
salva (neu) 183. 3).
sata, sahata 204f. 21 2. 3).
satame 205.
sehe-, seh(e) meniar 155.
1). 209.
sehemU) sSmn 157. 160.
162.
seritu(u) 112. 130. 1).
serse 207.
sersitu 161. 2).
8e8te[st] 109. 170 in.
sestentasiaru 221.
sestu 8. sistu.
sesut 109. 2).
sevakn-i, -el06 182 und
2). 168 ff.
seveir 158.
seviim, sevom 158.
si[m], sif 110. 122. 124.
sins 117 in f. 217. 218.
sistu sestu 109. 148.
161. 2).
somo 109.
spahatu, spahamujspahmu
164. 162. 204.
Spina, spiDamar, spinia,
spiniama 116.
Btaflare 184. 189. 148.
145. 146.
stafli 145.
staheren 149. 158. 154.
156. 170. 175. 176.
178. 180. 181. 187.
198. 202. 210.
stah-i-tu,- tuto 149 ff. 1 62.
163. 175. 176. 1).
struh9la, 8tru9la, stmh-
9las 154. 210.
sttbahtn 155. 1). 281.
snb - oca vu, -ocau 146.
148 ff. 151. 187. 197.
sub-otu 181.
suesuv-uv 180.
sufafias 210.
suferaklu 282.
superne, supru 109.
sutentu 231.
sve-pis, -pu, -po 218.
216.
ta9ez 207.
tafle, tafle.e 100. 111.184.
139. 143. 144. 146.
tenitul02.16l.2).176.1).
232.
te(f)tu (tertu), terte, tetu,
titu 109. 210. 213.
218 und 2). 228.
tesva 221. 229.
ti9el (ti9lu) 169. 1).
tio(m), tiu(m) 100. 118.
120 in.
toteme 111.
tover 8. tuer.
trahaf, trS 206.
trefi, trifu(m) 124 und 1).
trija, trijuper(alt), trioper
(neu) 118.
tuder 154. 1). 219.
tuer, tover, tovus 133. 3).
tuf 131. 132.
tursiandu 161. 170. 8).
tursituto (neu) 161.
tufsta 154. 1.)
tusetutu 161.
tuva (alt), tua (tuva, neu)
116. 138. 8).
tu vere (alt), tuer (neu) 1 0 1 .
116. 131.
uhtur 155. 1).
unu 112.
up 110.
apetn, -tnU 110, 15 1 und
1). 218.
a8te(n)tu, oitenda 99. 110.
281. 282. d}- 288.
Ute 106.
ayem 110.
vafetnm ise 170. 2).
vapef-e(m) 98. 101. 284f.
vapenns, -to S84. 286.
vaseto 164.
▼aso, vasor 219.
vatuvu (alt), ratno (nen)
98. 1). 116. 180. 152.
Vehijes (alt) 118.
venperBunträf vempesnn-
tres, Tepesutra 226 ff.
▼epnrus 220. 1). 236 ff.
i vepuratn 226 ff.
'verufe 101.
vesklu, veskla 115.
vestif-a, -ia, ve8tis(i)«
u. s.w. 117.
j Vesuna 218.
jvirseto 147. 164.
; Vu9ijaper (alt) 118.
Yufru 144 und 1 ).
▼ukumen 98.
vukus 157.
vutu 181.
zere 207. 208.
4. Oskisch.
aamanaffed 177. 1). 187.
actud 176. 1).
aikdafed 187.
Akndunniad 206. 1).
amprufid 219 in.
angetuzet 169. 1).
auti 106.
bratom 242.
cadeis 242.
castridy castrons, castmo
124. 130. 1).
censaum 149 Inf. 194.1).
197.
censazet 166. 169. 210.
censtomen 98.
comparascuster 178. 2).
dadfkatted 159. 1).
deivaid 122. 161. 152.
deivaist 166. 169. 178.
dicans 116.
didest 109. L69.
Diumpais 119 in.
eestfnt 168 in.
Wortregister.
57S
ehtrad 155. 1).
eCtiuva-m , -d(alt), ei-
tua-m, -8 (spät) 116.
119. 188. 2).
es^f, esuf 184 in.
ezum 241. 242.
faamat 155. 241.
factud 176. 1).
famelo 241.
fefac- 241.
fefacid 242 in.
fefacust 166.
fructa-tiuf 133.
fufans 134. 148. 146.
241.
fuid 122.
fust 169. 174.
(Taaviis IftO. 1).
Gava, Gaha 150 und 1).
bafiert 161. 169. 170. 1).
herest 161. 169. 178.
herijad 114. 116. 161.
herrfna 153.
i'drk 214.
izik 214.
Jiivija 114 in.
kerrijüfs, kerrijüf u. s. w.
113. 114.
KnicfiriK; 114 in.
lamatir 170. 3).
Xi^ny.ay.fLi 118. 119.
louf(rud) 126. 128.
Lumpheis 119 in.
lüvfreffl 126. 128.
Luvkis 133.
manim 124.
Maras 150. 1).
i Meelfkijefs 114 in.
meflaf 118.
mefio 241.
Mefftaijais 114.
moltRum 149 Inf. 194. 1).
197.
miifnfkti 120.
Niumsiefs, Niomeriis 119
in. 169. 1).
Nüvkrindm 133.
Nüvlanus 133.
pan 106.
patensfns 118. 119.
pertemest 169.
I pieisum 266 in.
Ipon 106.
j prufa-tted,-tten824 0.242.
i pniftu set 170.
puf 8. puv.
püiju 114.
Pdmpaijan-a, -eis n. s. w.
114.
piis- 214.215 und 1).217.
piitf-ad, - ans 115. 162 in.
pur, puf 133.
Ravia, Raia u. s. w. 150
und 1).
saahtiim 165. 1).
8akahfterl60ff. 155.166.
176. 1).
sakarater 168 in. 155.
siom (c= se) 119. 120.
Siuttiis 119.
8ta{et,8taft 161.162. 156.
176. 1).
snvefs 183. 3).
tadait 241. 242.
Tijatium, Tiati 114.
tiurrf 119.
trfbarakattuset 169. 1).
trfbarakavum 149 ff. 156.
177. 1). 194. 1). 197.
trfbarakkiuf 188.
ühtavis 156. 1).
üft-tiuf, tiüm 120. 183.
lipsannam 107 sub f.
IVerejaf 114.
\ vincter 176. 1).
iVrrrijis, Vfrriis 114.
5. Yolskisch.
bi-m 124.
: si.stiatiens 119. 188. 2).
6. Sabellisch.
fasena 223. 224.
irpus 140.
nero 423.
scensas (scesnas?) 226.
7. Oampanisch.
accusiavant 188. 2).
8. Faliskisch.
loferta 126 in f.
9. Marsisch.
Malovendus 459.
D. Lettisch -slawische sprachen.
1. Altpreufsisch.
brunyos 4.
dragios 4.
inxcze 12.
knaistis 1.
konagifl 1 in f.
crausiofl 4.
kurwis (acc. kurwa-n)
lyso 15 in f.
poquoitisnan 462.
poquoititon 462.
poquoitiuns 462.
quait-an(-in) 462.
qu&its (bis) 462.
quoi 462.
quoitfi 462.
quoitämai 462.
tnsnan 7 in.
tussise 7 in.
ushta 13. 18).
wamis 1 in f.
1. welgen 869.
2. Litauisch.
i akniü' 390.
iäntis 423.
anträs 104.
aszarüti (äszarav-au) 208.
aviü, ave'jau, ave'ti 286.
bältas 208.
balta-skaistis 9. 9).
bältfiju , bkltavau , bkl-
tuti -.^08. 286.
: br^udau 84.
dalyjü 481.
dans 431.
; de'ti 77.
. dovank 208 in.
' dr§8Ü 121.
I drumstas 4. 4).
574
Wortregister.
drhmsti 4. 4).
du ti, daviaü 77. 208 in.
galiti 419 in. ^
galvä, gaMjis 288*).
gkrsas 896.
geriü, g^rti 247. 248.
gile 246.
g^as 76.
|kirmiju 96.
inkstas, inkstis 12.
iszczo-s (pl. f.) 12.
iiaB 11. 11). 367. 8).
käras 484.
keliäati (keUaTaü) 208.
k^ies 208.
ketvirtas 9 in f.
k^rmis 96.
kirmyti (wurmig werden)
96.
kirmyti (schlafen) 96.
klaust 890.
krausze 4.
küningas 1 in f.
kvSsl^s 462.
kvöczü, kvesti 462.
kvet 462.
laiikas 869.
lekü 75.
lyse 16 in.
mezü 84.
nägas 421 in f.
nfeszti 418.
penas 249 in.
platü 121.
ploju, ploti 866. 1).
plonas 867. 1).
plonis 867. 1).
pre -sztar-auju , - avau,
-auti 285 sub f.
saldü 121.
se'mens 77.
se ti 77.
skaidrüs 9 in. 82.
skaistas 9 in.
sked 8 in f.
skystas 9 in.
spiäuju, spiöviau, spiäuti
285.
sraviü, srave'jau, srave ti
286. 286.
stöviu, stove jau, stove'ti
202. 285.
sudrumstas 4 sub f.
sndrnmstimas 4 sub f.
ezeszes 18. i
sz^sztas 18.
I szeszuras 13. 890.
: szl&'ju, szlaviaü, szlu'ti
285.
)/tasz 18.
tenkü 80.
t^kas 7. 7).
uszes 13.
vanden 18.
vand&' 247 sub f.
vejas 77.
vMkti 15.
vilgau, vilgiti 369. 471.
v\lkas 14.
yyniöti 16 in.
vystau, yysczau 15. 16.
vystyklas 15 sub f.
v^ti 16 in.
zadas 430.
iadü 430 in.
zSmä 76.
3. Lettisch.
met 6. 6).
metas 6. 6).
minfnu 84.
pläns 367 in.
skaidrs 9 in.
4. Ältbalgarisoh.
bij^, bijeSi 288.
blazenyji 285.
bolj§, bol^ti 286.
cistü 9 in.
clovecisku 282.
dati 77.
davati 208 in.
deti 77.
dobljiji 285.
doilica 251.
drfchlu, dr§selü 4.
drostija (n. pl.) 4.
drozdij§ 4.
driiz^ 415 in.
^dro 5. 6.
edü 5. 6.
pn^St§, gnetiti 2 in.
chroraii 276 in.
igo 7.
im§ 422.
inu 104.
isto (ist-es-e) 12.
|/jad (essen) 5.
jadnlo 463 in f.
jadrina 463 in f.
jadro 5. 463 in f.
jadii 5. 468 in f.
kamy 390.
kresiti 78.
kropiti, kroplj§, kropisi
288.
lecha 16 in.
lice 76.
m§ 120 in.
milovati 203.
mlesti, mluz§ 78.
naglö 428.
nesti 418 sub f.
nuta 8 in.
po-tuchn§ti 7. 7).
predami ji 285.
rogozü -82 in f.
8§ 120 in.
sejati 77.
semf 77.
sluchn 890.
staviti 203 in.
svekry 390.
SY^tü 405.
t§ 120 in.
tichu 7.
vejati 77.
verovati 203.
vojevati 203.
vlaga 369. 471.
vla£§ 369.
vlukü 14. 284*).
vragü 4.
vraida 4.
vüpiti, vupij§ u. 8. w.
288 ff.
yuzupijeti 285.
zima 76.
zimovati 203.
zel§di 246.
zivu 76.
5. Neabulgariscli.
pure 282 sub f.
6. Russisch.
jadro 119.
juznik, uznik 119.
klinka 119.
snti 88.
sni 236.
Wortregister.
575
uznavati 203.
uznik s. juznik.
vjedma 119.
voplju, vopisi u. 8. w. 288.
voskresnuti 78.
7. Serbisch.
prc 282 sub f.
prciti se 282 sab f.
8. Polnisch.
dobrze 229 in.
gnida 2.
j^dra 119.
kluka 119.
wiedma 119.
9. Böhmisch.
lice 82.
o-bida (alt) 82.
pyr 124. 3).
vläha 471.
zelva (altb.) 244 tn.
10. Polabisch.
gnaidai (plur.) 2.
nota 2. 2.)
notar 2. 2).
noto 2. 2).
nungtar, nuntSr 2. 2).
nuntung 2. 2).
E. Keltische sprachen.
1. Altkeltisch.
jag- 368. 3).
lam 366. 1).
Ifa 366. 1).
Volcae 369. 6).
Volcatius 369. 6).
2. Irisch. Gaelisch.
accus, ociis415. 421.428.
adgaur 430.
aig (alt) 367. 3).
ainfa (alt) 190. 1).
ainm (nom. pl. anman)
422.
airecar, arecar 413 in.
anac(perf.) 409. 411.412.
ancas 415.
arachrinim 434 in.
arecar s. airecar.
arinchrinat 434 in.
bieg, blegar 253 in.
blicht 253 in.
bodar (acc. pl. bodra)
430. 431.
bo-mlacht 262 in f.
brathair 245*).
brith 431 in.
brüad (gen. dual.) 480.
bualaim 432.
buith 191. 1).
caemais 417.
cailech 246 in.
cais 425 in.
callehc (sie) 246 in.
cara 429.
carub u. s.w. (alt) 190. 1).
cecbaing 432 in f.
c^t 4-20.
cethir m.n., cethe-oir, ora
f. 7. 8.
ciad- 368. 5).
ciad-cholnm 368. 5).
ciu 424.
cnäm 368. 4).
coimnuc-uir,coimnac-mar,
-aid, -tar 416. 418.
com 416.
comalnad 416.
commescatar 426.
comocns 415. 419. 428.
co'moicse 428.
con-, com- 417.
conascrad (mittel.) 488.
coniccim, conicc, conic,
conecat 416 ff.
cosc^ra 488.
coscrad 483.
coscram 433.
creitfet (alt) 190. 1).
crinim 434 in.
cumachte 418.
cumaing, cumcam, cum-
cat 416 ff.
cumang, cnmacc (poten-
tia) 418.
cumang, cumac (angastus)
418.
cumgai, cnmcai 418.
daif 251 in.
daUn 481.
dedel 251.
del (alt), deal (neu) 251.
delech 251.
deoch (gen. dige) 251.
derc 425.
dercaid 425.
det 420.
dibhe, dibh (gaelisch) 251.
dinestar (alt) 251.
dinu (dat. dfnit) 251.
dith (alt) 261.
doaith 418.
docer 433.
dochumact 418<
dofuibnim 417 in.
do-o roalgg 252. 258.
dorochair 433 in f.
dorocbratar 438 in f.
doseich 430.
^cen 419. 420.
Gemacht 418.
er s. ir.
erchrae 484.
etersc^rtar (mittel.) 433.
faillsem 428. 2).
fer (alt), fear (neu) 427.
ffrianugnd 416
fliuch- 869. 6)..
fliuchdercc 369 6).
fliachidi 869. 6').
fo-dail, -dil 431.
fo-däli, -dalet, -dlat 481.
foilse, foillse 428. 2).
foilsigud 428. 2).
foillseach 428 sub f.
folcaim 869. 6).
follus 428. 2).
fonenaig 390.
forcomnacair 418 in.
gaimigfer (alt) 190. 1).
gall 246 in.
gelid (alt) 247.
guidid 480.
guidme 480.
hfaim 8.
544 Hilfelin
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Wortregister.
677
F. Arische sprachen.
1. Sanskrit.
akta 410.
aksh 411.
aksham 199. 1).
akshi 141. 1).
anhas 428.
ak 412. 415.
ag, ana^mi 407 ff. 413.
agirani 148.
ank 407 ff. 416.
arig 407 ff. 413.
an^anti 407.
an^asS 413.
ati-giva 135. 1).
ati-dar9in 135. 1).
atharvan 386.
admara 367. 2).
admi 367. 2).
anika 275 in.
antaras 1 04.
anjas 104.
apas 403.
apänk 415.
abhi-bhü-van, -vari 136.
abhra 422*).
ambhas 422*).
ari-gürta 135. 1).
ari-dhäjas 136. 1).
ari-stuta 135. 1).
ark, arkas 413. 425.
arg (ftich strecken) 411.
arg (herbeischaffen) 411.
ard 411 sub f.
ardh 411 sab f.
ars 423 in f.
alpa9ä8 365 sub f.
ava 155. 2).
ava-vi 355.
a9 391 sub f.
a9-nSti, -nöti 407.
a9man 390.
a9va8 405.
a9vä-vant 136. 1).
ä9, a9 406 ff.
ä9a 391. 413 sub f.
as (werfen) 472.
asura 386 in f.
asti 391.
asmi 408 in f.
asjfis u. 8. w. 26*). 27.
Stis 423.
änak§a 411.
SnanKa 412.
änangä, ana^os 409. 410.
Sna( a. 8. w. 409 in f.
Snar^a 411.
änarda 411.
änardha 411.
äna9us 408 ff.
änä9a 408 ff. 420.
Sp 410.
Spipam 410.
S9a 408 ff.
a9u 121.
äsa 408 in f.
Ssavä 473.
äsavitär 473.
Ssati 473.
id, idS 5. 463. 464.
idaspati 464.
indu 5 in. 463 f.
indra 5 in. 463 f.
ik§ 141. 1).
i9-vara-8 137.
uK (= vaK) 18.
udanK 415.
udan, udakam 247.
upanam 406 in f.
upa-vi 365.
ubh^u 89.
urnjs (ved.) 240 in.
ulüka 476 sab f.
üdhar 127. 1).
übadhja 87 sab f.
ür^as-vala 138 in.
Gr^a, ür^iumi, ürnömi 1 8.
844 in f.
üvadhja 87 sab f.
ävns 87 sub f.
rK 425.
fyadmi 411.
rpadhmi 411.
rn^at^ 411.
ftSL 186.
rta-van, -vari 136.
rtvi^ 386.
fna-, fnä-^van 136. 1).
fSabhas 423 in f.
Skatamäs 864.
gkataris 364.
eka9ä8 365 in f.
Sti 391.
katvara, katara, kädvara,
kadara 207. 232. 1).
kati 10.
katitha (ved.) 9. 10).
kadara, kadvara 8. ka(-
vara.
kar (ausgiefsen) u. s. w.
260.
karömi 389 in f.
kama S90 in.
kart 260.
karvaram 137.
kav (ka) k^ami 344.
kSraa-müta 141. 1).
ki, ki 278.
kuratas 389. 390.
kavalajä-vall 138.
küpSra 87.
kübara, knbari 87.
küvara 87.
küvSra 87.
krSi 187 in f.
kr§i-vala-s 137 in f.
kfmis 96.
keta (ved.) 462.
ketajati 462.
kö§a 238.
krama9d8 365.
klaro 96.
kva 278.
ksar 252.
ksav (ksu) k^äumi 344.
k§ip,äk85ip8am346. 347.
k§a (speise) 252 in.
k§ud, äk§äotsam , akSa-
dam 346. 847.
ksiiav ( k^nn) , k^Q^nmi
844.
khav 845 in.
khSundti 345 in.
khid, dkhSitsam 346.
Kana 278.
gaQa9ä8 3ß5.
gata 394.
gadati 896. 430.
gadas 430.
gar, gal (schlingen) 248.
250.
gara 248 in f.
gar^ati 395.
garhatS 896 in f.
gal (träafeln) 248 in f.
gala 248 in f.
galanam 247 in.
gavalas 201. 2).
gavlni 201. 2).
gSna 896.
gäpajati 396. .
37
C^ati 306.
UDOt« 304.
dhini 210.
RSvl 837 ff.
lanöti 394.
nak 860.
Kinn 337 ff.
Ur (reiben) 808.
nahi 416 in.
fiir-, giUti 247 in.
(arati, Ultra 100
nakSja 41« in.
Rup, igSap«m, iKOpiwm
laniva 808.
n»ti (ved. nor. P 418 int
(ve,t. .uch ^gDptm)
fivara 144Bnbf.
na4-Tala ISS in.
84G. 847. ■■
tlju .. atiju.
nu>d 91.
Buru lai.
lirira« 808.
nabhai 48«*).
KüvJka, gaTEkB 87.
tirija 208.
naj, Dt 848. 846.
crväii 896.
tila 808.
ndjämi 348.
Söpi 238 in f.
tilja 808.
nar 483.
KÖpatBliki -238 in f.
tislhlmi 109. 1),
nav (nu) niumi 844.
Bimbh 78.
li»ra» 7. 8).
navijia,naTJia,nnvj.278.
Khari 229.
llra 252.
286.
ehas iBl. 852.
tu, tiunii, t&vimi
844.
nni;391 inbf. 418lnbf.
Eakis 424.
nibbi, nibhiU 408. 4«.
lUkS 424.
turv 808.
näman 433 in f.
lUksua 424. 436.
tuB 7 in.
rBjdjSmi 34S in.
^Unm 7, 8).
lüpara 87.
nSaa 181. 128. 289.
JtutUT 829 in.
tatrar«, tuvar« 87
Utattba (ved.) 9. 10).
tüvaraka 87.
34S. 347.
EitiiükBri^a 829.
tüiijim 7 in.
ninija, nindj. 346.
Katuspadi 229.
(r*n 402.
ni-vid 386.
Sit 188. 1). 223.
(vam 188 in.
nift nifB, ni^tha, nifiti
taratlia 128. 1).
tvaji, (vBm 183.
860 in f.
tariät," l-iS. I).
datta 819.8).
nIK 843.
kari 188. 1).
dadbgn.i 241.
niT 140 in f. 141. 1).
)tiUn£ 108.
dadhi 248 sab f.
250.
tSnn 128. 1).
darjata 1.54.
nima 289.
Itit, E£Ut>, Itlhetli 468.
dltavjai 836. 1).
pabKatha (ved.) 9. 10).
thid, äKhiilaam, ätthidam
därviji 240 in.
pairii 36. ),
346. 847.
dSviiii -J03 m.
pat-ran, -vail 186 in.
thup, ilthaDpeam 346.
dirgha (comp, drighlji.)
pada^b 866.
EhjanlL 866.
852.
pajaa 349.
ii. iä 894.
dudriva, dndriva
845.
par,a 186. 1).
dnb, dQhanti, döbsle 86.
piirratM 471.
^Bkä (lachfn) 424.
dnbitar 26*.
parrallja 471.
iagSda 4S0.
dr?, drte 426.
PE, pi 850. Sftl.
f^sgima 391.
de« 886 in f.
pada^ 305.
^grabha 88.
djav (djn) djinm
344.
pSna 348. S*9.
ganiman 402. .
djnvan 137.
pika 239.
^apati 396.
dramati 394 in.
pitBT 372 enb f.
gabhära (ved.) 896 in.
drav, dru 345.
pipjins 249.
^arad 430.
dvit^a 366 in (.
pipjuSi 349.
^la 243. 846 ff.
dvis 128.
pi (pi, pll, pja) 24».
dhar 252. 843 in
f.
pitha 248.
^alpati 396 snb f.
dhs (Baugan) 260
pijüSa, p«jäi* 24». 260.
^inlnii 394.
dhSinan 841.
plväs -260 in.
^uB gns«t6 ^sati 86 in f.
dbi. dbinöti (sl
tigen)
pi-van, vaii 18«. 360 in.
^r. 208.
850. 351.
pi-Tara 187.
^nl 394.
dhita 252.
piMB 250 in.
^aUni-s 108.
dhfl 125.
purn 121.
(akvan 198. 2),
^amaa 127. 1).
pnäkarä-vati 188. 1),
tat» 394.
dhürv 202.
prthu 121.
tatLtha 10 in f.
dhrlä 343 in f.
pramantha 374.
tanu 121. 394.
dhrti 241 in.
pravant 186.