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Full text of "Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete des deutschen, griechischen und lateinischen"

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P/iilol     >5 


HARVARD 
COLLEGE 
LIBRARY 


?h\h\    JS- 


^.ZEITSCHRIFT 

FÜR 

VERGLEICHENDE  SPRACHFORSCHUNG// 

AUF  DBH  GEBIETE 
DEUTSCHEN,  GRIECHISCHEN  UND  LATEINISCHEN 

HERAUSGEGEBEN 


Dr.  ADAX.8B&T  SVBV, 

PROnWSOR  AM  CÖLNISCHEH  OTMHASIUlll  19  BBBUN. 


FÜNFTER    BAND. 


Q  BERLIN. 

PEKD.  dümmler's  teblaosbochhakdlüng. 
1856. 


Verzeichnifs  der  bisherigen  mitarbeiter. 


Director  Ahrens  in  HannoTer. 

Dr.  Th.  Aufrecht,  jetzt  in  Oxford. 

Prof.  Ag.  Benary  in  Berlin. 

Prof.  Th.  Benfey  in  Göttingen. 

Prof.  F.  Bopp  in  Berlin. 

Sophus  Bugge  in  Christiania. 

Dr.  Corssen  in  Pforte. 

Prof.  G.  Curtius   in  Kiel. 

Direetcn*  Prof.  Dr.  A.  Dietrich  in  Birschberg. 

Dr.  Lorenz  Diefenbach  in  Frankfurt  a.  M. 

Dr.  E bei  in  Filehne. 

Dr.  Forste  mann  in  Wernigerode. 

Hofirath  J.  Grimm  in  Berlin. 

J.  Yirgil  Grohmann  in  Prag. 

Dr.  M.  Haug    Privatdocent  in  Bonn. 

Hoirath  Holtzmann  in  Heidelberg. 

Prof.  Jülg  in  Krakau. 

Prof.  Dr.  Kirch  hoff  in  Berlin. 

Dr.  K.  V.  Knoblauch  in  Tübingen. 

Prof.  A.  Kuhn  in  Berlin. 

Prof.  H.  Leo  in  Halle. 

C.  Lottner  in  Potsdam. 

Dr.  W.  Mannhardt  in  Berlin. 

Prof.  Mafsmann  in  Berlin. 

Dr.  Leo  Meyer  in  Göttingeo. 


ir  VeneidiiiifB  der  büberigm  mitacbeiter. 

Prof.  Max  Müller  in  Oxford 
Dr.  Friedr.  Pfeiffer  in  Breslau. 
Prof.  A.  Pictet  in  Genf. 
Prof.  A.  P.  Pott  in  Halle. 
Dr.  E.  Eosseiet  in  Berlin. 
Prof.  E.  Eoth  in  Tübingen. 
Pro£  A.  Schleicher  in  Prag. 
^     Prof.  Schmidt-Göbel  in  Lemberg. 
Prof.  H.  Schweizer  in  Zürich. 
Prof.  Spiegel  in  Erlangen. 
Dr.  H.  Steinthal  in  Berlin. 
Dr.  Strehlke  in  Danzig. 
Prof.  A.  Weber  in  Berlin. 
Pro£  Weinhold  in  Grätz. 
Dr.  Westphal  in  Tübingen. 
Fr.  Woeste  in  Iserlohn. 
Prof.  Zyro  in  Bern. 


?Q^  /r 


Inhalt 


8«it« 

OskiBchei,  yon  Sophas  Bngge 1 

Ueber  deatsche  Bchattining  romanischer  worte,  von  Max  Malier  11 
Etymologische  forschnngen  über  die  Slteste  arzneikmist  bei  denln- 

dogennancD,  von  Adolphe  Plctet 24 

Ueber  tdoftm  und  mederi,  von  A.  Kuhn &0 

Gothisch  und  althochdeutsch,  von  H.  Ebel 52 

Althochdeutsch  und  gothisch,  yon  SophusBugge 59 

Zur  griechischen  lautlehre,  von  H.  Ebel 61 

G.  Ascoli,  studj  orientali  e  linguistici  1. 1,  angezeigt  von  H.  Ebel     68 

Griechisches  {iroq^  {,  Kttot)^  yon  H.  Ebel 69 

yacca,  yon  A.  Kuhn 7t 

Zur  erwiederung,  yon  Hewitt  Key 72 

Oskische  beitrage,  yon  W.  Corssen 81 

anhns,  yon  Th.  Aufrecht 135 

hadere,  yon  dems 137 

haruspex,  yon  dems. 139 

Ist  Belierophon  VftrahanI  yon  Max  Müller 140 

Der  name  der  Goten,  yon  C.  Lottner 153 

graf,  yon  Leo  Meyer       155 

Ueber  eine  gothische  mundart,  yon  Dr.  W.  Mannhardt   .    .    .    .166 

Zur  lateinischen  lautlehre,  yon  H.  Ebel 181 

Etymologieen  {iaXX^;  aXto;  S^«,  yfyvofiot^  fiivofuu;  tiq^  us,  ur,  ar, 

er,  ir;  Sif,  Hephaistos;  pius,  priya,  von  A.  Kuhn     ....  193 

Der  name  7aovfc,  Yayana,  von  A.Weber 221 

Grandgagnage,  memoire  sur  les  anciens  noms  de  lieux  dans  laBel- 

gique,  angez.  von  Lorenz  Diefenbach 223 

Th.  Pj],  mythologische  beitrage,  angez.  von  W.  Mannhardt    .     .  226 

aigi,  airin,  von  J.  Virgil  Grohmann 231 

bhf,  forare,  poran;  vadh,  von  Spiegel 231 

kru;  mas;  pus^  svasr,  von  A.  Weber 232 


VI  Inhalt 

Gothisches  (ga|';  hiri),  von  H.  Ebel 235 

OxytonirQng  im  lateinischen,  von  dema 238 

Lateiniachea  (yitricna,  privignna;  aino;  aimitur),  von  dema.  .     .    .  238 

dhvan;  feati;  tiytla&au^  von  C.  Lottner 240 

bettriae,  bettlägerig,  von  W.  Jtfannhardt 240 

Etymologische  spahne,  von  Pott 241 

Gothische  Studien.    Daa  gothische  paaaivnm;  die  abstractauffixe  -ni 
und  -ani;  die  starke  adjectivflexion ;   die  beiden  comparativfor- 

men,  von  H.  Ebel 300 

Ueber  den  aocent  im  lateinischen,  von  i^.Benarj 312 

va^ti,  vitis;  bnuda,  von  Spiegel 320 

Die  alten  krankheitsnamen  bei  den  Indogermanen,  von  A.  Pictet  .  321 
Gothische  Stadien;  gamaini,  gamana;  anffix  -as;  skevjan;  daa  nor- 
dische adjectivum,  von  H.  Ebel 354 

^TKiof,  von  Aufrecht 359 

av&ffttnoq^  von  dems 365 

Die  einsilbigen  nomina  im  griechischen  und  lateinischen,  von  Leo 

Meyer 366 

2acher,  das  gothische  aiphabet  u.  s.  w.,  angez.  von  A.  Kuhn     .     .  389 

Lateinisches:  auriga,  ruo,  veru,  vagus,  von  H.  Ebel 391 

^peregh,  aphnrj,  asparagus,  von  Spiegel 393 

Ildgiq^  pere,  von  dems 394 

Griechische  ableitungen  vom  stamme  des  relativums,  von  Lottner  395 

dq  und  verwandte  pronominalbildungen,  von  dems 396 

demum,  denique,  donec;  barba,  von  dems 397 

ftavS;  fiowra^  von  dems 398 

gibanj  fath,  fad;  skal,  hal;  laian;  veita,  von  dems 399 

Eine  germanische  desiderativform,  von  dems 400 

auhns,  a^mantam,  kamna,  von  Schleicher 400 

peritns,  ambitus,  von  A.  Kuhn 400 

Altitalisches:  zur  umbrischen  conjugation;  HER;  ES  und  FU;  die 
enditica  -pid,  pei^  qae;   pert  und  per;   suffix  -ion  und  -tion; 

fragen  und  bedenken,  von  H.  Ebel 401 

denken  und  sprechen,  von  H.  Leo 423 

Bericht   über  die  neuen  erscheinungen  auf  dem  gebiete  der  Zeit- 
schrift, von  A.  Kuhn  und  Ebel 431 

De  vocalium  quibusdam  in  lingua  latina  affectionibus,   programm 

des  dir.  prof.  dr.  A.  Dietrich,  angez.  von  Corssen  ....  442 
vulfas,  vigas,  von  Grohmann 454 


I.  Abhandlungen. 


Oskisches. 

Der  cippus  Abellaniis. 

Z.  1.  Maiioi  Vestirikiloi  Mai«  Denselben  na- 
men  haben  wir  wahrscheinlich  auf  der  abellanischen  inschrift 
bei  Momms.  taf.  Vlll  n.  17,  wo  ich  statt  Vesi  Vest(iri- 
kiis)  vennuthe. 

5.  deketasioi.  Gegen  die  gewöhnliche  ableitong  von 
einem  dem  lat.  dictare  entsprechenden  verbnm  mufs  ich 
bedenken  äoisem;  zumal  des  ersten  e  wegen,  denn  lat.  die 
lautet  ja  im  osk^  dik;  auch  das  zweite  e  ist  bei  dieser  er- 
klärung  sonderbar,  man  sollte  eher  dihtasioi  erwarten.  Si- 
cheren aufschlufs  weifs  ich  jedoch  nicht  zu  geben. 

12.  slaagid  abl.  von  slaagi  f.  =:  finis,  s.  umbr. 
sprd.  n,  326.  Ich  identificire  das  wort  mit  skr.  r&ji-s  f. 
(linea,  series);  das  osk.  hat  das  anlautende  s,  welches  im 
skr.  verloren  ging,  bewahrt;  die  wurzel  ist,  wie  ich  glaube, 
skr.  srj,  wovon  Kuhn  in  dieser  zeitschr.  lY,  25  f. 

13.  op  (3:  apud,  cstr.  m.  abl.)  ==  umbr.  up,  op,  lat. 
ob.  Unrichtig,  wie  ich  glaube,  vergleicht  man  gewöhnlich 
8kr.  abhi  oder  upa.  Dem  skr.  abhi  entspricht  osk.  amfr-, 
umbr.  ampr-,  ambr-,  amb-,  lat  amb-;  aufserdem  ist  der 
Übergang  von  f  (bh)  in  p  im  osk.  (Ip,  hipid)  und  umbr. 
(ampr)  sehr  beschränkt.  Auch  upa  lä&t  sich  nicht  verglei- 
chen, dem  entspricht  lat.  umbr.  sub  (wo  jedoch  das  s  dun- 

V.     1.  1 


Bugge 


kel  ist),  und  osk.  o  ist  nie  aus  ursprünglichem  u  entstan- 
den. Dagegen  ist,  wie  Schweizer  in  dieser  zeitschr.  III,  393 
andeutete,  op,  lat  ob  =  skr.  api,  griech.  äni^  was  laut- 
lich unbedenklich  ist  und  auch  in  betreff  der  bedeutung 
—  so  weit  man  sehen  kann  —  gut  pafst. 

13.  eisod  —  illo.  Die  von  A.  K.  umbr.  sprd.  II,  274 
angenommene  gegenseitige  ergänzung  der  umbr.  pronomi- 
nalstämme  I  und  ERO  findet  ihre  bestätigung  durch  das 
gleiche  verhältnifs  der  entsprechenden  t  und  EISO.  Man 
vergleiche : 


I 

EISO 

m. 

f. 

D. 

in. 

f. 

11. 

11.  s.  wk  (isidom) 

iok 

idik 

g- 

eiseiB 

eiseis 

d. 

a.  tone 

idik 

ab. 

eisod,  eizuc 

eisak 

eisod,  eizuc 

1. 

eisei,  ei^c 

eisai 

eisei,  eizetc 

n.  p.  (iussu)  gewifs 
iosk 

ioc 

g- 

eiza^unc 

d.  ab. 

ei:iois 

eif^aisc 

eizois 

a.  iu$c  TB.  20 

ioc. 

Dagegen  steht  hier  das  altlateinische  dem  osk.  und 
umbr.  entgegen,  denn  Festus  hat  die  Glosse  nee  erim  == 
nee  eum,  und  der  stamm  i,  erweitert  eo,  bildet  alle  casus. 
—  Nur  als  unsichere  vermuthung  darf  ich  aussprechen,  dafs 

EKO  und  EKSO  sich   unter  einander  wie  I  und  EISO 
verhalten. 

EKO  EKSO 

»n-  f'  n.  m.  f.  n. 

u.  s.  ekik  Momms.  taf. 

Vinn.5? 


g- 

d. 

a. 

ab. 

1. 


ekak 


ekik? 


eksok 
exeic 


eksuk 
exeic 


oskiBches.  3 

m.  f.  n.  m.  f.  n. 

D.  p.  ekask 

g- 
d.  ab. 

a.  ekass. 

Gegen  diese  vermuthung  streitet  die  deutung  Momrn* 

sens  von  ekhad  Momms.  taf.  X  n.  26  als  abl.  sg.  fem.  = 

hic;  die  inschrift  ist  aber  so  verstümmelt,  dafs  sich  nichts 

sicher  behaupten  läfst. 

15.  mo[inikad]  =  communi.     Vergl.  municas  pro 
communicas  dicebant.  Fest 

16.  tanginod.  Schon  längst  ist  die  bedeutung  sen- 
tentia  richtig  gefunden  und  altlat.  tongere,  got.  ]>agkjan 
verglichen;  bisher  aber  hat  man  meiner  meinung  nach  in 
betreff  der  biegung  des  wortstammes  und, des  suf&zes  ge- 
irrt. Mit  gutem  gründe  findet  Mommsen  das  suffix  ino  f. 
auffallend;  aufschlufs  gewinnt  man  weder  durch  seine  her- 
beiziehong  von  lat.  suff.  nus  n. ,  noch  weniger  durch  die 
bemerkungen  Bergks  in  zeitschr.  f.  d.  altw.  1851.  s.  22.  Von 
dem  Worte  sind  gen.  sing,  tangineis^  abl.  tanginod,  tangi^ 
nudj  acc.  tanginom  bewahrt:  tangineU  kann  von  einem 
i-  oder  o-  oder  consonantischen  stamme  gebildet  sein; 
tanginod,  tanginud  schliefst  einen  i- stamm  aus,  läfst  aber 
noch  unentschieden,  ob  das  wort  nach  der  o-  oder  der  con- 
sonantischen declination  flectirt  wird  (vergl.  ligud  von  lig^ 
dem  in  der  nationalen  schrift  ligod  entsprechen  würde). 
Acc.  tangmam^  wird  man  sagen,  zeigt,  dafs  das  wort  der 
o-declination  gehört.  Dem  ist  aber  nicht  so.  Mommsen 
gibt  nur  ein  beispiel  eines  acc.  sg.  m.  oder  £  bei  consonan- 
tischen Stämmen,  nämUch  medicm,  und  dies  ist,  wie  ich 
glaube,  falsch  als  acc.  sg.  m.  von  meddic  gedeutet;  s.  zur 
bantinischen  tafel.  Wir  sind  also  fbr  die  bestimmung  der 
endung  des  acc.  sg.  m.  und  f.  bei  consonantischen  stammen 
auf  die  verwandten  sprachen  hingewiesen.  Im  umbr.  bil- 
det uhtur  acc.  sg.  uhturu,  cumac  acc.  sg.  cumaco;  nach 
dieser  analogie  dürfen  wir  im  oskischen  die  eudung  -om, 
nicht  -im,  vermutheu,  und  so  können  tangineis,  tanginod, 
tanginom  wol  einem  consonantischen  stamme  gehören.  — 

1* 


4  •  Bugge 

Aber  auch  ein  soffix  -in  f.  findet  in  den  verwandten  spra- 
chen keine  bestätigung.  Dagegen  werden  im  lat.  abstracta 
durch  das  8u£P.  iön  f.,  wie  durch  tiön,  gebildet;  und  im 
umbr.  lassen  die  weiblichen  stamme  mit  den  sufBxen  tioii 
oder  ion  das  o  in  der  flezion  schwinden,  z.  b.  natine  = 
natione.  Ich  erkläre  daher  iangineis,  tanginod,  tanginom 
als  gen.  abl.  accus,  sing,  von  einem  weiblichen  stamme 
tangiön,  von  tangi  =  got.  ]>agkjan,  lat  tong^e  (vergL 
des  vocals  wegen  lat.  longus  =  got.  faggs)  durch  das  suff. 
iön  gebildet.  Wesentlich  gleich  ist  also  tongitio  bei 
Fest.  p.  356  ed.  Müll,  tangere  Aelius  Sti "lo  ait  noscere 
esse,  quod  Praenestini  ^on^i -tionem  dicant  pro  no-ho- 
netn    ). 

21.  fruktatiuf.  Warum  nicht  fruhtatiuf,  wie  ehtrad, 
geschrieben  ist,  vermag  ich  nicht  zu  sagen ;  die  umbr.  sprd. 
II,  406  für  umbr.  fiktu,  ninctu  gegebene  erklarung  findet 
hier  keine  anwendung.  Willkür  darf  ich  nicht  annehmen; 
eher  könnte  man  bei  actudj  factud  TB.  au  eine  weniger 
genaue  bezeichnung  des  lautes  denken. 

31.  feihoss.  Die  neueste  erklarung  Mommsens:  po- 
stis  und  die  vergleichung  des  lat.  flgo,  scheint  kaum  rich- 
tig, da  ßgo,  wie  ich  glaube,  dem  griech.  afpiyyta  entspricht, 
das  g  desselben  also  wahrscheinlich  nicht  aus  h  entstan- 
den ist.  Um  auch  eine  vermuthung  zu  wagen,  so  ist 
fei  ho  vielleicht  =  griech.  rof;^o,  da  dies  wahrscheinlich 
statt  Tfolxog  steht,  mit  yreixog  aus  einer  mit  Tax  {^^X'^*i)y 
Tvx,  skr.  tax,  tvax  zusammengehörenden  wurzel  rjrix  (vgl- 
Benfey  gr.  wurzellex.  11,  249);  man  vergleiche  lat.  fores 
—  skr.  dv&ra,  ficus  —  griech.  avxov» 

34.  postin  (propter)  =  umbr.  pustin,  pusti,  posti 
(pro),  s.  umbr.  sprd.  EL,  325  f.  Wenn  Curtius  (in  dieser 
zeitschr.  I,  263)  bemerkt,  dafs  man  zweifek  könnte,  ob 


•)  Nun  kann  ich,  auf  das  osk.  tanginom  gestutzt,  auch  nicht  glauben, 
dafs  m  des  accusativs  in  der  consonantiscben  declination  aus  dem  sprachbe- 
wufstscin  des  nmbrischen  volkes  gänzlich  verschwunden  war;  was  ich  zu  den 
umbr.  sprd.  I,  127.  11,  40  bemerke.  —  Die  behandlung  der  Festus-stelle  von 
Fleckeisen  (altlat  dichterfragm.  s.  41  f.)  ist  mir  noch  unbekannt. 


oskisches.  ^ 

nicht  Aufrecht  (umbr.  sprd.  I,  155)  das  umbr.  pnstin  mit 
unrecht  in  pust  und  in  zerlegt,  so  ist  dieser  zweifei  wol 
gegründet.  Das  lat.  in  lautet  nämlich  im  umbr.  und  osk. 
en,  nicht  in,  nur  umbr.  ise^etes  zeigt  i;  auch  begrifflich 
scheint  sich  die  behauptete  Zusammensetzung  nicht  sehr  zu 
empfehlen.  —  Curtius  will  es  lieber  als  locativ  von  posti 
betrachten.  Zwar  zeigt  nun  hortin  kerrfiin  die  locativen- 
dung  in,  nicht  in,  vielleicht  jedoch  findet  hier  keine  dis- 
crepanz  statt.  Denn  Lepsius  gibt  auf  dem  cipp.  AbeU. 
NI-T^YTT,  und  Mommsen  hat  zwischen  I  und  T  grofsen 
räum  und  scheint  zu  bezeichnen,  dafs  hier  etwas  glatt  ab- 
gerieben ist;  ich  vermuthe  daher,  dafs  auf  dem  steine  ei- 
gentlich NhT^YTT,  postin  stand.  —  Die  verschiedenen  be- 
deutungen  des  osk.  postin,  umbr.  pustin,  lat.  post  eini- 
gen sich  leicht,  wenn  man  lat.  secundum,  ahd.  näh  berück- 
sichtigt; dann  schliefst  sich  auch  das  lit.  pas  (mit  acc.  = 
bei,  zu,  nach  etwas  hin),  welches  Curtius  bei  seite  liefs, 
ungezwungen  an. 

50.  51.  patensins.  Schon  Mommsen  war  hier  auf 
richtigem  wege,  und  seine  deutung:  aperiant,  pandant  dürfte 
im  wesentlichen  haltbar  sein.  Wir  können  hier  jedoch  nicht 
3  ps.  plur.  präs.  conj.  von  einem  verbum  der  consonanti- 
schen  conjugation  haben;  die  analogie  von^^ican«,  lamatir 
würde  nothwendig  patensans  fordern  (nur  wurzel  fti  hat  fii- 
vid);  nach  tribarakattins,  fefacid^  hipid  müssen  wir  viel- 
mehr 3  ps.  pl.  pf.  conj.  annehmen.  Dem  conj.  tribarakat- 
tins entspricht  ein  indic.  tribarakattens,  dem  fefacid  dn 
fefaced;  so  dem  conjunct.  patensins,  sg.  pat^sid  ein  indic. 
patensens;  sg.  patensed;  denn,  da  im  osk.  nur  wurzel  fii, 
pf.  conj.  durch  Zusammensetzung  mit  prfts.  conj.  der  wiurzel 
es  bildet,  müssen  wir  mit  Mommsen  patensins  zerlegen  und 
das  s  dem  verbaktamme  zutheilen.  Wenn  aber  Mommsen 
in  diesem  stamme  eine  desiderativ  -  oder  inchoativform,  ähn- 
lich den  lat.  auf  -essere  sieht,  ist  dies  sicher  unhaltbar; 
die  folgende  erUärung  scheint  lautlich  und  begrifflich  ge- 
rechtfertigt. Wie  pf.  opsed  einem  stamme  opsa  entspringt, 
so  ist  patensed  pf.  von  patensa;  wie  opsa  denominativ  von 


6  Bugge 

ops  ==  lat,  opus,  so,  wie  ich  vermuthe,  patensa  von  einem 
subst.  neutr.  patens.  Im  unsern  worte  hat  Mommsen  rich- 
tig die  Wurzel  pat,  öffiaen,  gesehen;  diese  ist,  wie  er  fer- 
ner bemerkt,  in  lat.  passus,  patina  erhalten,  nasalirt  pandere, 
eig.  pantere  (vgl.  mendax,  -ndus,  und  neuumbr.  inlautendes 
nd  statt  nt)  =  griech.  nirvrifii,  ntxdwvpa  (anders  Benfey), 
intransitiv  patdre;  wie  nun  im  lat.  von  pango  pignus,  von 
facio  facinus  gebildet  ist,  im  skr.  von  wurzel  ap  apnas,  so 
könnte  im  osk.  ein  subst.  n.  pat-nos,  öfinung,  der  wurzel 
pat  entspringen.  Eine  solche  form  müssen  wir  nämlich  als 
die  ursprüngliche  vermuthen  (vergl.  der  consonanz  wegen 
Perkedneis) ;  dieselbe  konnte  sich  aber  nicht  erhalten,  denn 
der  vocal  des  sufil  -os  (-us),  und  folglich  auch  des  -nos 
fällt  im  osk.  aus  (gewifs  Wirkung  des  accents,  welcher,  wie 
im  skr.  und  griech.,  auf  der  ersten  sylbe  lag),  patnos  wird 
also  patns;  dies  war  aber  zu  hart,  und  daher  ward  ein  e 
zwischen  t  und  n  eingeschoben,  also  patens;  gerade  so  ist 
got.  gutans  (gegossen)  aus  gutns,  gutnas  entstanden.  Der 
osk.  verbalstamm  patensa  würde  hiemach  im  lat.  patinera 
lauten. 

58.  Es  leidet  keinen  zweifei,  dafs  wir  in  staiet  die 
3  ps.  pl.  einer  verbalform  haben,  deren  3  ps.  sg.  in  stait 
tab.  Agn.  b.  23  bewahrt  ist;  wenn  aber  alle  erklärer  (auch 
ich  selbst  in  dieser  zeitschr.  III,  423)  hier  conjunctivformen 
sehen,  ist  das  sehr  bedenklich.  —  Auf  der  tab.  Bant.  lau- 
tet die  3  ps.  sg.  präs.  conj.  act.  vom  thema  deita  deivaid 
z.  11,  von  tada  tadait  z.  10;  auch  sonst  vertauscht  diese 
tafel  auslautendes  d  mit  t,  so  pocapit  z.  8  neben  (p)o^ 
capid  z.  30;  auf  den  in  nationaler  schrift  aufgezeichneten 
denkmälem  dagegen  kommt  dieser  Wechsel  nie  vor,  hier 
mü&ten  daher  die  entsprechenden  formen  deivaid,  tadaid 
sein.  Vom  thema  sta  würde  demgemäfs  die  3  ps.  sg.  präs. 
conj.  staid  lauten,  was  auch  mit  den  übrigen  überliefer- 
ten conjunctivformen  (/Wid,  fusld,  hipid^  fefacid)  stimmt. 
Ich  nehme  daher  jetzt  grojfeen  anstand,  das  abweichende 
stait  =  stet  durch  herbeiziehung  des  got.  bairai}>  neben 
bairai  zu  vertheidigen.  —    Ebenso  anstöfsig  ist  staiet  = 


oskiflche».  7 

Stent.  —  Zwar  ist  sonst  kein  beispiel  einer  3  ps.  pl.  präs. 
conj.  act.  von  einem  verbalstamme  auf  a  vorhanden,  aber 
die  vorkommenden  conjunetivformcn  prfis.  deicans,  pf.  tri- 
barakattins  u.  a.  berechtigen  uns  doch,  hier  -ains  aufzu- 
stellen, zumal  da  das  umbr.  bei  den  verben  auf  a,  wie  bei 
den  übrigen,  die  cndung  -(n)s  gibt.  —  Es  scheint  hiemach 
wol  begründet,  wenn  ich  die  gewöhnliche  erklärung  ver- 
lasse und  mich  nach  einer  anderen  umsehe.  Der  umbrische 
verbalstamm,  welcher  dem  latein.  stare  entspricht,  lautet 
stahe,  stahi  (davon  staheren  =  stabunt,  stahituto  = 
stantQ,  stahu  =  sto  statt  stahiu),  wo  ich  das  h  als  deh- 
nungszeichen  fasse  (anders  umbr.  sprd.  lautl.  §.  16,  6,  wo 
ich  den  gegengrund  nicht  recht  begreife);  dieselbe  wurzel- 
erweiterung  durch  i  (j)  finden  wir  in  den  völlig  entspre- 
chenden lit.  st6ju,  lett.  staju,  sl.  stoj§,  und  auch  sonst  bei 
mehrem  voqalisch  auslautenden  wurzeln  (vgl.  Benfey  Gott, 
gel.  anz.  1832  s.  529  ff.).  Umbr.  stahi  würde  hiemach, 
wie  ich  glaube,  im  osk.  stai  lauten  müssen;  wenn  wir  nun 
diesen  oskischen  verbalstamm  als  wirklich  vorhanden  be- 
trachten, und  weiter  annehmen  (wogegen  nichts  spricht), 
dafs  derselbe,  wie  auch  umbr.  stahi ^  wie  lat.  capio  con- 
jugirt  ward,  können  wir  unbedenklich  stait  als  3pers.  sg. 
pras.  indic.  stai  et  als  3ps.  pl.  präs.  ind.  (vgl.  set  =  sunt; 
amfiret  eig.  amfriet  =  ambeunt)  fassen*).  —  Wir  müssen 
Dun  sehen,  wie  sich  der  context  mit  dieser  durch  betrach- 
tung  der  form  gewonnenen  deutung  der  genannten  Wörter 
verträgt.  In  betreff  der  stelle  des  cippus  scheint  es  ja 
doch,  als  streite  stai  et  =  Stent  gegen  z.  15.  16,  wenn 
hier  —  wie  wahrscheinlich  —  die  lesung  Kirchhoffs:  pai 
teremennio  moinikad  tanginod  profato  set  (oder 
profatoset,  wie  posstlst,  teremnatost)  =  quae  ter- 
minalia  communi  sententia  probata  sunt  richtig  ist;  wenn 
nämlich  hier  schon  gesagt  ist,  dafs  die  marksteine  von  bei- 
den selten  approbirt  sind,  welchen  sinn  hat  es  denn  schliefs- 

♦)  Nach  umbr.  Hprd,  formenl.  §.61  wird  umbr.  $tahi  wie  lat.  habere 
coujugirt;  nach  dieser  conjugation  würde  aber  osk.  stai  Sps.  pl.  präs.  ind. 
stamt  (vgl.  eestüit)  bilden. 


8  '  Bngge 

lieh  zu  sagen:  da  und  da  sollen  marksteine  aufgerichtet 
werden?  —  Wenn  wir  aber  staiet  alsstant  deuten,  schei- 
nen die  letzten  zeilen  des  cippus,  wie  die  markscheide  zwi- 
schen den  gebieten  beider  st&dte  bezeichnet  ist,  anzugeben. 
Uebrigens  ist  an  dieser  stelle  noch  vieles  zweifelhaft;  die 
deutung  des  uruvo  als  curva  ist  gar  nicht  sicher;  ^ollad 
ist  vielleicht  nicht  pollad,  sondern  soll  ad  zu  ergänzen: 
zwischen  der  abellanischen  und  der  nolanischen  mark  läuft 
auf  der  ganzen  strecke  ein  weg  hin.  —  Auf  der  tafel  von 
Agnone  ist  mir  die  letzte  zeile,  worin  st  alt  vorkommt, 
unklar  (das  tempelland  ist  nach  den  himmelsgegenden  limi- 
tirt?  mit  Knötel);  stait=stat  scheint  sich  jedoch  schon 
durch  die  congruenz  der  indicative  sakarater  und  eestint 
zu  empfehlen. 

Hiemach  mufs  ich  meine  bemerkung  in  dieser  zeitschr. 
in,  423:  „in  3pers.  sg.  ist  der  unterschied  zwischen  vol- 
leren und  stumpferen  endungen  mehr  verwischt,  die  regel 
ist  jedoch  t  =  ursprüngl.  ti,  d  =  ursprünglich  t'*,  berich- 
tigen. Jetzt  drücke  ich  dies  schärfer  so  aus:  auch  in  3ps. 
sg.  ist  der  unterschied  zwischen  volleren  und  stumpferen 
endungen  auf  den  in  nationaler  schrift  abgefassenen  denk- 
mälern  bewahrt,  t  =  ursprüngL  ti,  d  =  ursprüngl.  t;  auf 
der  bantinischen  tafel  dagegen  ist  derselbe  dadurch  etwas 
verwischt,  dafs  diese  auch  statt  d  (=  urspr.  t)  zuweilen  t 
schreibt  *).     So 

I.  t:  a.  präs.  indic.  ist  (plur.  set)  =  skr.  asti,  griech. 
iari,  got.  ist  (i  der  stammsylbe  durch  einflufs  des  verloren 
gegangenen  1  des  personalsuffixes) ;  faamat,  vgl.  skr.  ro- 
dayati,  griech.  rifiaei  (eig.  rifiaeri)^  got  spill6I>;  stait  (pl. 
staiet),  vgl.  skr.  kupyati,  griech.  xaigei.  (eig.  ;^«g/6r0,  got. 
86ki>;  angit?  keixan?  hoxaxetT?  (plur.  eestint),  vgl.  got. 
habai>.  b.  fat  indic.  ungebräuchl.  est,  wovon  fut.  I  dW- 
est  u.  s.  w.,  fat.  n.  fa-st  (plur.  ^eset),  ursprüngl.  asati  (in 


*)  Auf  den   OBkischen   denkmalem  mit  griechischer  schrift  fand  wahr- 
scheinlich dasselbe  statt,  da  sie  naj  =  pod  schreiben. 


oskiflchee.  9 

dieser  zeitschr.  m,  422).  —  11.  d:  a.  präs.  conj.  *8id  (aus 
Fusid  =  fuerit  zu  schlieisen)  =  skr.  syät,  griech.  cij?,  got. 
sijai;  /iiid  =  sanskr.  bhüyät;  dewaid,  tadaitj  in  nationaler 
schrifk  gewifs  deivaid^  tadaid^  yergl.  skr.  rodayet,  griech. 
Ttfiaoifjj  got.  spillo.  b.  perfect  indic.  deded,  kombened, 
opsed,  profatted,  aamanaffed  u.  s.  w.  (plur.  opsens 
u.  8.  w.),  vgl.  ntnaiS^V'XBy  ns<pvXaxe,  got.  gaut,  band,  saislep, 
soki-da.  c.  perfect.  conj.  fefcicid,  hipid  (plur.  tribarakat- 
tins,  patensins),  vgl.  got.  guti.  d.  imperat.  Spers.  sing,  -tud 
(plur.  -tuns)  =  skr.  -tat,  griech.  -r«. 


Die  tafel  von  Agnone. 

In  betreff  des  alters  scheint  Mommsen  s.  26  unberech- 
tigt, diese  inschrül  als  eine  jüngere  zu  bezeichnen;  vgl. 
s.  115:  „die  bronze  von  Agnone  kann  in  die  zeit  nach  666 
gehören,  aber  auch  älter  sein  als  der  socialkrieg^.  Nir- 
gends entdecke  ich  spuren  des  Verfalls  der  spräche,  viel- 
mehr finden  sich  andern  inschriften  gegenüber  ältere  sprach- 
formen,  die  man  wohl  nicht  aus  dem  umstände,  dafs  diese 
inschrift  einem  tiefer  im  binnenlande  liegenden  gebiete  ge- 
hört, noch  auch  aus  dem  sacfalen  inhalte  derselben  erklä- 
ren darf.  TAgn.  Ha.  12a.  14b.  15b.  hat  nämlich  die  äl- 
tere form  Diovei  =  Jovi,  während  die  jüngere  Jov-  auf 
einer  inschrift  bei  Momms.  t  VII  n.  2  und  auf  der  pompe- 
janischen  inschrift  in  dieser  zeitschr.  11,  55  vorkommt;  ja 
vielleicht  findet  sich  diese  jüngere  form  auch  auf  dem  cipp. 
Ab.,  im  nomen  Jovkiioi  4,  das  von  Jov-  wie  umbr. 
Kastru-^iio  gebildet,  scheint.  Lepsius  und  Stier  (z.  f.  d.  altw. 
1851  s.  470)  lesen  jedoch  Jovkiioi,  welche  form  mir  un- 
erklärbar ist  —  Ich  möchte  hiernach  die  inschrift  ins  sechste 
Jahrhundert  der  Stadt  setzen. 

a.  2.  vezkei  Die  erklärungen  der  vorigen  interpre- 
ten  schlugen  schon  darum  fehl,  weil  sie  den  wdHh  des  z 
mifakannten  oder  nicht  festhielten.  Wie  az  und  horz 
lehren,  vertritt  dasselbe  einen  Zungenlaut  und  s.   Das  wort 


10  Bugge 

wird  der  consonantischen  declination  gehören.  Ich  theile 
▼  ez-kei  und  suche  in  vez  das  lat  vetus,  welches,  wie 
ich  aus  ops-ä  =  lat.  oper-ä  schliefse,  im  osk.  so  lauten 
müfste.  In  k-ei  sehe  ich  dasselbe  suffix  als  in  lat.  senex, 
griech.  vea|  (vgl.  Curtius  in  dieser  zeitschr.  IV,  215);  der 
ausfall  des  suffixvocales  darf  gar  nicht  auffallen,  wenn  sich 
gleich  kein  völlig  gleiches  beispiel  findet,  denn  das  oski- 
sche  liebt  überhaupt  zusammenstoisen  der  consonanten;  vgl. 
noch  umbr.  Japuzku.  —  Hiemach  scheint  vezkel  =  seni 
zu  sein.  Welchen  gott  bezeichnet  aber  dieser  allgemeine 
name?  das  wage  ich  nicht  zu  bestimmen. 

Uebrigens  bemerke  ich  hier  beiläufig,  dals  man  nicht 
mit  Mommsen  s.  26  sagen  darf:  „es  scheint  fast,  als  sei  z 
im  osk.  einmal  abgekommen  und  nur  noch  im  aiphabet  und 
den  abkürzungen  (auf  der  inschrift  bei  Momms.  taf.  YIU 
n.  7  liest  Stier  anders)  beibehalten,  dann  aber  wieder  her- 
vorgesucht, um  den  doppelconsonanten  ts  zu  bezeichnen^. 
Es  hängt  diese  bemerkung  mit  seiner  meinung  in  betreff 
des  alters  unserer  tafel  zusammen:  das  wort  zicel  (tag) 
z.  b.  mufste  gewils  in  nationaler  schrift  jederzeit  durch 
43>I-1Z    ausgedrückt  werden. 

a.  15.  Der  name  der  göttinn  ist  nach  Mommsen  osk. 
Gen^to,  lat.  Gendta.  Aber  nach  analogie  von  likitud 
=  licÄto,  mufs  einer  lat  form  Genßta  osk.  Genito  entspre- 
chen; auch  wird  sich  kaum  ein  beispiel  des  suff.  -eta  mit 
dieser  bedeutung  finden  (in  Moneta  gehört  ja  e  dem  stamme). 
Plutarch  hat  Jci/ciriy;  bei  Plin.  XXIX,  14  liest  man  ge- 
wöhnlich Genita;  man  hat  dies  als  Genita  = /«i/c/ri?  ge- 
nommen, aber  auch  so  bleibt  das  suffix  unerklärt,  und  osk. 
Geneto  weicht  ab.  Ich  glaube  daher,  dafs  der  name 
osk.  Geneto,  lat.  Genita  lautete,  und  wage  bei  Plutarch 
revsTt]  zu  ändern  (vgl.  Jofistiavog  =  Domitianus). 

a.  17.  saahtom  =  sanctum.  Irrig  nimmt  Mommsen 
8.  292  an,  die  dehnung  des  a  sei  ein  ersatz  für  die  erwei- 
chung  des  gutturals  in  die  aspirata.  Die  vocalverstärkung 
vertritt  vielmehr  hier  die  nasalirung,  und  es  verhält  sich 
saahtom  zu  lat.  sanctum  gerade  so,  wie  üfjipofAai,  kkt]- 


aber  deutsche  schattirung  romanischer  worte.  11 

(f&Tjv  ZU  ion.  Idfixpofim,  kXd^q}dT^v,  vergl.  Kuhn  in  dieser 
zeitschr.  IT,  470. 

(Fortsetzuug  folgt) 

Christiania  im  juli  1855.  Sophus  Bugge. 


lieber  deutsche  schattirung  romanischer  worte 
von  Max  Müller. 

Die  Vorstellung  von  einer  mischung  verschiedener  spra- 
chen, welche  früher  in  der  sprachkunde  so  geläufig  war, 
ist  jetzt  durch  die  wissenschaftliche  erforschung  des  Orga- 
nismus der  sprachen  in  solchen  miiscredit  gerathen,  dafs 
es  kaum  noch  einen  dialect  giebt,  dem  man  den  namen 
einer  mischsprache  zuzuschieben  wagt.  Es  giebt  natürlich 
keine  spräche  ohne  Fremdwörter,  aber  diese  sind  dem  We- 
sen einer  spräche  nur  äufserlich;  und  da  das  lebensprincip 
oder  die  individualität  jeder  spräche  allein  in  ihrem  gram- 
matischen Organismus  liegt,  so  wäre  es  allerdings  undenk- 
bar, wie  der  lebendige  Organismus  der  einen  spräche  mit 
dem  einer  andern  zummengeschmolzen  werden  könnte.  In 
dieser  beziehung  ist  namentlich  das  Studium  der  neuem 
sprachen  von  grofsem  nutzen  gewesen.  War  je  eine  spräche 
gemischt,  so  war  es  die  spräche  Englands,  wie  sie  sich  im 
munde  der  verschiedenen  bewohner  dieser  insel.  Gelten, 
Römer,  Sachsen  und  Normannen,  gebildet  hat.  Und  den- 
noch giebt  es  keine  einzige  grammatische  form  im  heutigen 
Englisch,  die  nicht  sächsisch  wäre,  so  dafs,  selbst  wenn 
jedes  wort  sächsischen  Ursprungs,  Zahlwörter,  pronomina 
und  Präpositionen  nicht  ausgenommen,  gänzlich  ausgerottet 
und  mit  romanischen  ausdrücken  ersetzt  worden  wäre, 
dennoch  das  einfache  s,  als  endung  der  dritten  person  sin- 
gularis  präsentis,  vollkommen  hinreichen  würde,  um  den 
deutschen,  oder  wenigstens  den  nicht-romanischen  Ursprung 
der  heutigen  englischen  rede  darzuthun. 

Wenn  es  aber  von  diesem  standpunct  aus  gerechtfer- 


n  MttUer 

tigt  erscheinen  könnte,  die  neoern  romanischen  sprachen 
als  wesentlich  identisch  mit  dem  lateinischen  zu  betrach- 
ten, so  ist  es  doch  unmögUch  im  italienischen  ebensowohl 
als  im  französischen,  einen  brach,  eine  Störung,  zu  verken- 
nen, wodurch  die  continuität  des  romanischen  Organismus 
zu  einer  bestimmten  zeit  aufgehoben  worden  ist.  Es  ist 
ein  unterschied  zwischen  dem  neuhochdeutschen  in  seinem 
yerhältnisse  zum  althochdeutschen,  dem  romaischen  in  sei- 
nem verhältnirs  zum  altgriechischen,  und  dem  italienischen 
in  seinem  verhältnifs  zum  lateinischen«  Die  neuen  deut- 
schen formen  haben  sich  im  munde  der  Deutschen  langsam 
und  unmerklich  abgerieben,  vereinfacht  und  ergänzt.  Die 
spräche  hat  gealtert,  aber  sie  ist  nicht  durch  äuisere  Stö- 
rung erkrankt.  Ebenso  das  neugriechische.  Das  italieni- 
sche hingegen,  obgleich  der  grammatik  nach  durchaus  ro- 
manisch, ist  dennoch  dem  lateinischen  weit  mehr  entfrem- 
det, als  das  neuhochdeutsche  dem  althochdeutschen,  das 
romaische  dem  griechischen,  ja  selbst  mehr  als  das  bengali 
dem  sanskrit.  Der  grund  davon  ist:  die  romanischen  spra- 
chen stellen  nicht  das  lateinische  dar,  wie  es  sich  im  munde 
der  Römer  in  Italien  oder  in  den  provinzen  naturgemäfs 
entwickelt  haben  würde,  sondern  das  lateinische,  wie  es 
fremde,  und  entschieden  deutsche  naturen,  erlernten  und 
sich  zurecht  legten.  Die  romanischen  sprachen  sind  das 
lateinische,  aber  aus  römischen  in  deutschen  mund  ver<- 
pflanzt,  und  dort  gezeitigt.  Es  liegt  daher  auf  den  römi- 
schen Worten  ein  fremder  schatten,  und  wenn  wir  diesen 
schatten  genauer  betrachten,  so  vermögen  wir  in  ihm 
noch  deutlich  die  zfige  nicht  nur  einer  fremden  spräche  im 
allgemeinen,  sondern  der  deutschen  insonderheit  zu  erken- 
nen. Das  folgende  soll  einige  belege  dieser  beobachtung 
geben. 

Fragen  wir  nach  den  einflüssen^  welche  eine  spräche 
erleidet,  wenn  sie  von  fremden  gesprochen  wird,  so  finden 
wir  sie  am  leichtesten,  wenn  wir  auf  die  fehler  acht  geben, 
welche  wir  machen,  indem  wir  eine  fremde  spräche  spre- 
chen.   Ich  will  nur  drei  arten  davon  erwähnen.    Ein  deut- 


aber  dentsche  schattinug  romanischer  worte.  13 

scher,  welcher  englisch  zu  sprechen  hat,  ist  oft  in  gefahr, 
namenüieh  wenn  das  englische  dem  deutschen  wort  sehr 
nahe  kommt,  das  englische  wort  nach  deutscher  weise  aus- 
zusprechen, oder  durch  eine  kleine  phonetische  Veränderung 
das  englische  dem  deutschen  anzuähneln.  So  sagt  man 
finger  statt  des  englischen  fing-ger;  flee  statt  fly, 
wegen  fliege;  stock  statt  stick,  wegen  stock;  man 
spricht  das  u  in  ander  wie  das  u  in  unter,  während  es 
im  englischen  den  neutralen  ton  hat  und  nicht  verschieden 
ist  von  i  in  bird  oder  o  in  work. 

Zweitens,  wird  es  einem  Deutschen  leichter,  sich  eines 
englischen  ausdrucks  zu  erinnern,  der  mit  dem  deutschen 
eine  gewisse  ähnlichkeit  in  form  und  bedeutung  hat,  und 
er  gebraucht  ihn  daher  statt  eines  andern  im  englischen 
mehr  natürlich  klingenden  ausdrucks.  Er  sagt  glass  auch 
wo  er  von  einem  bierglas  spricht,  welches  im  englischen 
tumbler  heifst;  er  sagt  dish  statt  table;  clock  anstatt 
bell;  it  will  go  anstatt  it  will  do. 

Drittens  übersetzt  man  oft  wörtlich  aus  dem  deutschen 
ins  englische,  wie  z.  b.  a  leaf  of  paper,  ein  blatt  papier, 
statt  a  sheet  of  paper;  oder  man  giebt  dem  entspre- 
chenden englischen  worte  alle  bedeutungen,  welche  das 
deutsche  hat.  Witz,  z.  b.  ist  wit,  mutterwitz;  aber  deis- 
halb  darf  man  doch  nicht  sagen,  he  made  a  wit,  er  machte 
einen  witz,  oder  he  tore  a  wit,  er  riis  einen  witz. 

Was  sich  nun  hier  in  diesen  drei  f&llen  als  rein  zu- 
fölhg  und  fehlerhaft  zeigt,  das  hatte  eine  art  von  berech* 
tigung  in  dem  munde  der  deutschen,  welche  sich  die  rö« 
mische  spräche  aneigneten  und  deren  germanismen  nach 
kurzer  zeit  sitte  und  regel  in  der  neuen  spräche  wurden* 
Die  folgenden  beispiele  lassen  sich,  wie  mir  scheint,  nur 
durch  annähme  eines  solchen  hergangs  in  der  geschichte 
der  romanischen  sprachen  erklären,  und  sie  beweisen,  was 
sich  schon  aus  historischen  gründen  voraussetzen  liefs,  dafs 
die  grofse  krise  des  lateinischen  nicht  in  lateinischem  munde 
der  Römer  und  Provincialen,  sondern  im  munde  der  grofsen 
nmssen,  der  deutschen  Völker,  statt  fand. 


14  MttUef 


Lautliche  anähnelung. 

Das  lateinische  altus  wird  im  französischen  haut, 
und  zwar  durch  einflufs  des  althochdeutschen  hoch.  Dafs 
man,  wie  Diez  bemerkt,  nach  Geniu,  zur  zeit  Franz  I. 
(1515  — 1547)  das  wort  noch  nicht  aspirirt  hatte',  beweist 
mehr  dafbr  als  dagegen.  Die  hohem  stände  mögen  sich 
der  lateinischen  etymologie  bewuTst  geblieben  sein,  aber  im 
Volke  wurde  es  aspirirt,  nicht  nur  zur  zeit  Franz  L  (wie 
Bonille  sagt,  hault  ab  alto,  sed  vulgus  eam  aspirat),  son- 
dern gewifs  schon  viel  firüher.  Man  vergl.  auch  h ausser. 

Averon,  wilder  hafer,  kommt  von  avena,  da  sich, 
nach  Diez,  auch  aveneron  findet.  Wie  erklärt  sich  aber 
die  Schreibart  haveron?  Am  einfachsten  durch  eine  erin- 
nerung  an  das  althochdeutsche  habaro,  wodurch  der  deut- 
sche verleitet  wurde  das  romanisirte  aveneron  zu  aspiri- 
ren  und  zu  verkürzen. 

Das  altfiranzösische  heingre,  schmächtig,  kommt  al- 
ler Wahrscheinlichkeit  nach  von  dem  lateinischen  aeger. 
Ist  diefs  der  fall,  so  lä&t  sich  der  nasal  und  die  aspiration 
nur  durch  eine  ähnliche  unwillkührliche  erinnerung  an  das 
ahd.  hungar  erklären,  welches  nicht  nur  hunger,  son- 
dern auch  hungrig,  schmächtig  bedeutet  Das  einzige 
bedenken  macht  hierbei  das  wallachische  hink. 

Der  Übergang  von  ululare,  ital.  urlare,  in  das  fran- 
zösische hur  1er  zeigt  wiederum,  dafs  dem  Franken  die 
erinnerung  an  das  deutsche  heulen  gegenwärtig  war. 
Ebenso  ist  nach  Diez  das  französiche  huppe  aus  lateini- 
schem upupa,  durch  das  deutsche  wiede-hopf  ver- 
mittelt. 

Wenn  wir  Sergeant  aus  dem  lat.  serviens  erklären, 
so  bleibt  immer  noch  die  unregelmäfsigkeit  von  ge,  da  lat. 
V  wenn  es  in  g  übsrgeht,  als  media  gutturaUs,  nicht  als 
flatus  lenis  palatalis  erscheint;  wie  pagone  und  pavo; 
golpe  und  vulpes.  Diese  unregelmä&igkeit  deutet  daher 
wiederum   auf  einen  versteckten  einflufs  des  ahd.  soarjo, 


ttber  dentache  schattirang  romanischer  worte.  15 

Scherge.  Man  könnte  jedoch  volgere  ßXr  volvcire  bei 
sergente  anf&hren. 

Gridare  leitet  man  wohl  seit  Scaliger  richtig  von 
quiritare  (eine  vox  orbanorum,  Varro)  ab.  Spanisch  und 
portug.  gritar  aber  scheint  sich  dem  goth.  gretan  ange* 
ähnelt  zu  haben.  Es  kann  nicht  direct  von  gretan  abge- 
leitet werden,  weil  im  franz.  crier  sich  die  lateinische  te- 
nnis  erhalten  hat,  und  es  wohl  nicht  anzunehmen  ist,  dais 
(der  laotverschiebung  gemäfs)  das  spanische  aus  einer  go- 
thischen,  das  französische  hingegen  aus  einer  althochdeut- 
schen quelle  geschöpft  habe.  Im  deutschen  drücken  worte, 
die  mit  gr  anlauten,  so  oft  mit  grunzen  und  greinen  ver- 
wandte ideen  ans,  dafs  man  sich  das  herüberspielen  des 
deutschen  anlauts  in  ein  römisches  wort  wohl  erklären  kann. 

Auch  in  gnastare,  gäter,  von  vastare,  räumt  Diez 
dem  deutschen  wastjan,  verwüsten,  einen  phonetischen 
einflufs  ein.  Diels  setzt  voraus,  dafs  anlautendes  gua  im- 
mer auf  deutsche  mit  labialer  liquida  anlautende  worte  hin- 
weist, eine  ansieht,  die  Diez  früher  in  seiner  grammatik 
noch  nicht  so  entschieden  hinstellt,  da  er  guado,  fort,  von 
vadnm,  nicht  von  watan,  guivre  von  vipera,  nicht 
von  ahd.  wipera,  ableitete.  Ist  aber  diese  ansieht  rich- 
tig, so  würde  allerdings  die  unregelmäfsigkeit  des  anlauts 
in  guastare  mit  hinblick  auf  wastjan  erklärt  werden 
müfsen.  Als  grund  warum  guastare  nicht  direct  von 
wastjan  abgeleitet  werden  kann,  giebt  Diez  das  adjectiv 
guasto  s=  vastus,  und  diguastare  =  devastare  an, 
gesteht  aber  doch  dem  altfr.  gastir  die  möglichkeit  einer 
directen  herkunft  aus  wastjan  zu« 

Die  romanischen  worte  ftlr  braun  sind  alle  vom  deut- 
schen brün  herzuleiten  (bruno,  brun).  Die  worte  ftLr  pflaume 
aber  stammen  vom  lateinischen  pruneus,  und  lauteten  ur- 
sprünglich mit  der  tenuis  an;  it.  sp.  pruna,  fr.  prune. 
Da  dieses  wort  nicht  verständlich  war,  so  dachte  man  an 
bruno,  die  braune  frucht,  und  daher  sp.  bruno,  die  wUde 
pflaume,  fr.  brugnon,  die  blutpfirsiche;  brignolle,  die  bru- 
nelle. 


]«  MttUmr 

II. 

Wortwechsel. 

Wie  in  den  bisher    angefbhrten  beispielen  deutscher 
einflufs    sich    durch  geringfügige  phonetische  änderungen, 
wodurch  das   deutsche  sprachgief&hl  sich  das  fremde  wort 
aneignete  und  zurechtlegte,  zu  erkennen  giebt,  so  hilft  der- 
selbe erkl&mngsgrund  uns  zum  verstfindnifs  einer  zweiten 
classe  romanischer  Wörter,    die  ohnedem  ganz  räthselhaft 
dastehn.  Manche  worte  und  zwar  worte  von  häufigem  ge- 
brauch im  lateinischen,  verschwinden  plötzlich  in  den  ro- 
manischen dialecten,  und  an  ihrer  stelle  tauchen  lateinische 
ausdrücke  auf,  die  zwar  im  allgemeinen  dieselbe  bedeutung 
haben,  aber  dem  lateinischen  Sprachgebrauch  fem  blieben. 
Warum  verschwindet  das  lateinische  ignis,  und  zweitens, 
warum  tritt  an  seine  stelle  focus  ein?    Ich  glaube,  weil 
ignis  dem  deutschen  sprachgefbhl  unverständlich  war,  und 
weil  das  lateinische  focus  den  deutschen  Wörtern  feuer 
und  funkeln,  ahd.  funcho,  goth.  fun,  ahd.  fiur,  näher 
kam.     Der  einflufs  des  gleichlauts  in  der  wähl  von  werten 
beim  übersetzen  zeigt  sich  namentlich  in  den  glossen,  wo 
unwillkühvlich  ein  lat.  wort  gewählt  wird,  das  an  das  deut- 
sche anklingt,  wiewohl  es  seiner  bedeutung  nach  nur  ent- 
fernte ähnlichkeit  hat.     So  wird  das  ahd.  agaleizi,   be- 
schwerlichkeit,  nicht  durch  importunitas  oder  impro- 
bitas,   sondern  durch  agilitas  gegeben,    gleichsam  von 
einem  geschäftigen,  bestürmenden,  beschwerlichen  menschen 
hergenommen.    (Cf.  Diefenbach,  s.  v.).    Ein  ähnliches  ge- 
ftibl  hat  die  deutschen  auf  focus  geleitet,  wovon  sie  fuoco, 
fuego  und  feu  gebildet.    Dafs  focus  schon  in  der  latei- 
nischen Volkssprache  an  die  stelle  von  ignis  getreten,  läfst 
sich  durchaus  nicht  beweisen;   und  selbst  in  dieser  soge- 
nannten lateinischen  volks-  oder  provincialsprache  zeigen 
sich  spuren  dieser  reibung  zwischen  lateinischen  und  frem- 
den sprachbewufstsein. 

Anstatt  culina  finden  wir  ital.  cucina,  sp.  cocina, 
frz.  cuisine.    Hier  möchte  man  wohl  zunächst  auch  an 


übet  dentsohe  schattirnng  romanischer  worte.  17 

ahd.  kachina  denken,  als  gnind  warum  coqiiina  dem 
gewohnlichen  culina  vorgezogen;  doch  mag  in  diesem 
falle  allerdings  das  gesprochene  volkslatein  den  weg  ge- 
bahnt haben,  da  auch  dem  provincialen  coquina  (vergl. 
coquinare  bei  Plautus)  verständlicher  und  handlicher  sein 
miiiste  als  culina  (coquilina).  Das  wallachische  cocnS 
namentlich  spricht  für  diese  ansieht. 

Das  franz.  laisser,  ital.  lasciare,  steht  an  der  stelle 
des  lat.  sinere  und  weist  auf  ein  lat.  laxare,  loslassen. 
Der  einzige  grund,  der  sich  denken  läfst,  um  diesen  Wech- 
sel zu  erklären,  ist  wiederum  das  deutsche  lassen,  ahd. 
läzan,  goth.  IStan.  Das  wallachische  l&sä  ist  allerdings 
anfFallend,  doch  darf  wohl,  selbst  zur  zeit  der  individualisi- 
mng  des  wallachischen,  der  einfluis  der  deutschen  mund- 
arten  namentlich  auf  die  volks-  und  grenzsprache  des  nord- 
ostlichen Italiens  nicht  ganz  in  abrede  gestellt  werden. 

Wie  laxare  sich  an  lazan  anlehnt,  so  lassus  an 
ahd.  laz,  goth.  lats,  müde,  träge.  Hierdurch  wird  dann 
ital.  lasso,  sp.laso,  franz.  las,  als  Vertreter  der  gebräuch- 
licheren lat.  adjectiva  segnis  und  piger,  verständlich.  Da 
bei  den  Sachsen  die  knechte  Lazzi  (laz,  freigelassen)  hie- 
fsen,  im  gegensatz  zu  den  Edhilingi  (nobiles)  und  Fri- 
iingi  (ingenui),  so  mag  sich  daher  auch  wohl  die  enteh- 
rende bedeutung  von  lache  schreiben. 

Wenn  sich  anstatt  aula  im  neulateinischen  chors, 
chortis,  in  der  bedeutung  viehhof  findet,  so  ist  chors 
oder  CO  hör 8  allerdings  ein  echt  lateinisches  wort,  aber  die 
wähl  ist  doch  wohl  hauptsächlich  defshalb  auf  dasselbe  ge- 
fallen, weil  es  dem  deutschen  durch  gart,  garten  (in  Zu- 
sammensetzungen, ort,  gehege)  verständlich  und  bequem 
wurde.  Cors  und  cohors  sind  nur  verschiedene  formen 
desselben  wertes,  und  der  unterschied  dafs  cors,  viehhof, 
bürde,  cohors,  die  cohorte,  die  horde,  bedeute,  ist  rein 
künstlich.  Den  weitem  Übergang  der  bedeutung  von  corte 
und  cour,  viehhof  und  palast,  könnte  man  dadurch  erklä- 
ren, dafs  in  der  spätem  kaiserzeit  die  prätorianischen  co- 
horten  das  wirkliche  hoflager,  den  hofstaat  bildeten.  Wahr- 
V.    1.  2 


18  MttUer 

8chein]icher  ist  jedoch  auch  hier  ein  unbewufster  deutscher 
einflufs.  Im  ahd.  bedeutet  hof  nicht  nur  hof,  sondern  haus 
und  hof  (hus  enti  hof)  und  namentlich  ein  grofses  öffent- 
liches gebäude,  wie  fronohof,  frithof,  und  hof,  i.  e.  pa- 
last.  So  wurde  denn  auch,  da  corte  einmal  Viehhof  hiefs, 
die  doppeldeutigkeit  des  deutschen  hof  auf  seinen  romani- 
schen Stellvertreter  übertragen,  ein  Vorgang,  von  dem  wir 
unter  III.  andere  beispiele  finden  werden.  Man  bemerke 
übrigens  wie  auch  palatium,  von  collis  palatinus, 
dem  weidehügel,  trotz  langer  historischer  Verkettung,  noch 
den  hintergrund  des  alten  hirtenlebens  erkennen  l&ist. 

Batuere  ist  im  lateinischen  ein  seltenes  verbum.  Im 
neulateinischen  ist  es  der  fast  ausschliefsliche  ausdruck  ftlr 
schlagen  geworden;  ital.  battere,  sp.  batir,  pg.  bater, 
franz.  battre,  wal.  bäte.  Es  verdankt  diese  popuIaritat 
einem  deutschen  worte,  welches  wir  allerdings  nur  im  nor- 
dischen und  angelsächsischen  nachweisen  können,  welches 
aber  wohl  (ähnlich  wie  bei  gant,  handschuh)  auch  den 
andern  deutschen  dialecten  nicht  gefehlt  haben  kann;  ags. 
beatan,  engl,  to  beat,  schlagen.  Wie  man  nun  von  diesem 
verbum  im  ags.  und  altn.  beado,  böd,  Schlacht,  bildete  (cf. 
padain  unpada)  und  wie  auch  das  wort  schlacht  den  be- 
griff des  schlagens  in  sich  trug,  so  ist  wohl  auch  battualia 
statt  proelium  von  deutschem  einflufs  nicht  ganz  frei  zu 
sprechen,  ein  einflufs  der  viel  früher  begonnen  haben  mufs, 
als  man  gewöhnlich  annimmt^ 

Das  deutsche  grofs  begünstigte  das  lateinische  gran- 
dis  mehr  als  magnus.  Demgemäfs  finden  wir  grande 
im  sp.  und  ital.,  grand  im  franz.,  während  magnus  ver- 
altet und  aufgegeben  wird.  Ebenso  begünstigt  das  deut- 
sche roth,  das  seltnere  russus  mehr  als  das  classische 
ruber  und  rufus,  und  so  finden  wir  ital.  rosso,  sp.  rojo, 
franz.  roux.  Ruber  hat  sich  jedoch  erhalten  als  rubeus 
im  ital.  robbio,  während  das  sp.  roxo  auf  russns  weist, 
wovon  auch  roggio  und  rouge  stammen.  Statt  scin- 
dere  nehmen  die  neulateinischen  sprachen  taleare  von 
talea;   ital.  tagliare,  franz.  tailler.     Diefs  wäre  wohl 


aber  deutache  scliAttiniiig  romanischer  werte.  19 

schwerlich  geschehen,  hätte  nicht  das  deutsche  sprachbe- 
wulstsein  für  taleare  in  tailon  und  tail  einen  besseren 
anhält  gefunden  als  för  sei ndere  in  snidan.  Ob  schnei- 
der  eine  Übersetzung  aus  tailleur,  oder  tailleur  (statt 
sartor)  eine  nachbildung  von  Schneider  ist,  bleibt  un- 
gewiTs  bis  man  das  betreffende  alter  beider  ausdrücke  fest- 
stellen kann.  Im  ahd.  ist  snitari  noch  nicht  Schnei- 
der, sondern  ein  Schnitter. 

Auf  ähnliche  weise  mag  denn  auch  jocus  statt  lu- 
dus  vom  deutschen  juwian,  juwizan,  jauchzen,  her- 
rühren, und  davon  franz.  jeu,  spiel.  EJbenso  ballare  statt 
saltare  (sauter),  ital.  ballare,  sp,  bailar,  tanzen,  we- 
gen deutschen  walzön;  und  caminus  (chemin,  cam- 
mino)  statt  via,  wegen  kommen  (queman);  ja  selbst 
viaticum  (voyage)  statt  iter,  wegen  weg.  Die  letztem 
beispiele  lassen  jedoch  auch  andere  erklärung  zu. 

m. 

Wortdehnung. 

Zur  dritten  klasse  dieser  germanisirenden  werte  in  den 
neulateinischen  dialecten  gehören  erstens  solche,  welche 
nach  deutschem  Vorgang  in  ausgedehnterer  bedeutung  ge- 
braucht werden  als  ihnen  im  lateinischen  zukommt;  zwei- 
tens solche,  welche  einfach  übersetzt  sind,  ohne  auf  das 
idiomatische  des  lateins  rücksicht  zu  nehmen. 

Das  deutsche  wort  hat  schon  früh  die  bedeutung 
Spruch  wort,  spruch,  angenommen,  und  das  gleichnifs 
hiefs  im  gothischen  vaurda-jiuka.  In  diesem  sinne  ent- 
sprach parabola  genau  dem  deutschen  wort  Nun  hiefs 
aber  wort  viel  häufiger  wort  im  allgemeinen,  und  indem 
das  romanische  parabola  dem  deutschen  worte  getreulich 
folgte,  so  rückte  auch  parole  and  parier  (parolare)  in 
die  allgemeine  bedeutung  von  wort  und  sprechen  nach. 
Die  erklärung,  dals  v  erb  um  wegen  seiner  biblischen  be- 
deutung vermieden  wäre,  hält  kaum  stich,  da  ja  auch  pa- 
rabola einen  biblischen  anstrich  hatte. 

2* 


20  Müller 

Wir  sahen  schon  früher  wie  hof,  Corte,  das  neulat. 
Corte  weiter  nach  sich  zog,  so  dafs  corte  nun  auch  in 
der  Bedeutung  von  hof  und  palast  gebraucht  wurde.  Man 
bedenke  dabei  die  biographie  von  faire  la  courl 

Das  deutsche  band  hiefs  im  neuromanischen  mano, 
main.  Da  nun  aber  band  weiter  fortschritt,  und  goth. 
handugs,  geschickt,  ahd.  hantalon,  handehi,  bildete,  so 
leitete  man  auch  von  manus,  manarius,  handlich,  ma- 
niera,  handlungsweise,  und  manoeüvre,  hand-werk,  ab. 

Costa  hiefs  rippe,  dann  im  neulateinischen  cote  und 
Costa,  Seite.  Da  man  im  deutschen  das  ufer  des  meeres, 
die  Seite  des  meeres  (sea-side)  nennt,  so  nahm  nun  auch 
Costa  dieselbe  bedeutung  an,  wie  cöte,  die  küste,  das 
ufer. 

Minare  hiefs  das  vieh  treiben,  wie  man  sagt,  von 
minae  (cf.  Apuleius:  asinos  et  equum  sarcinis  onerant  et 
minantes  baculis  exigunt ;  woselbst  auch  se  prominare, 
sich  austreiben,  se  promener).  Von  minare  haben  wir 
ital.  menare,  sp.  menear,  franz.  mener.  Für  „treiben^ 
i.  e.  das  vieh  treiben,  bediente  sich  also  der  romisch  spre- 
chende Franke  des  ausdrucks  minare.  Nun  hiefs  aber 
sein  tri b an,  nicht  nur  vieh  treiben,  wie  tribil,  kutscher, 
tribari,  treiber,  sondern  treiben  hatte  in  seinem  köpfe 
zugleich  die  allgemeinere  bedeutung  von  betreiben,  und 
so  übersetzte  er  es  denn  auch  in  diesem  sinne  mit  dem  ein- 
mal ihm  gegenwärtigen  minare.  Daher  provenc.  menar 
secretz,  geheimnisse  treiben;  mener  la  vie,  ein  leben 
fähren.  Nur  mufs  man  hierbei  das  lateinische  tudidan- 
tes,  bei  Festus,  negotium  tundentes  i.  e.  agentes, 
nicht  ganz  aufser  acht  lassen.  Menar  f&hrt  uns  jedoch 
noch  einen  schritt  weiter.  Diez  meint  nämlich,  dafe  me- 
nar die  bedeutung  von  betreiben,  heimlich  betreiben,  an- 
nahm, und  dafs  hiervon  mina  (mit  ursprünglichem  i)  ein 
geheimer  anschlag,  eine  mine,  ein  bergwerk,  und  hiervon 
wiederum  miniere,  bergwerk,  mineral,  metalle,  abgelei- 
tet wurde.  Möglich  jedoch  dafs  auch  hierbei  deutsche  aus- 
drücke wie  der  betrieb  eines  bergwerks,  oder  der  gang, 


über  deutsche  schattirang  romanischer  worte.  21 

der  Stollen,    den  anlaCs  zur  übertragenen  an  Wendung  von 
minare  und  menare  gaben. 

Da  im  deutschen  knabe  und  knappe  dasselbe  wort 
waren,  und  die  doppelbedeutung  von  kind  und  soldat 
hatten,  so  wie  auch  knecht,  im  deutschen  sprachbewu/st- 
sein,  kind  und  soldat,  hiefs,  so  erklärt  sich  wohl  hieraus 
die  dionymik  von  infans,  das  ursprünglich  kind  (in- 
fante,  fante,  enfant),  dann  aber  in  infanteria,  kriegs- 
knecbt,  fulssoldat,  hiefs. 

Grund  oder  abgrund  wurden  im  romanischen  durch 
abisso,  abis,  abime  ausgedrückt.  Deutsche  ausdrücke, 
wie  zu  gründe  richten,  führten  weiter  auf  den  verbal- 
ausdruck  abimer. 

Ebenso  war  fassen,  prehendere,  prendre;  und 
davon  kam,  angeregt  von  deutschen  ausdrücken,  wie  ge- 
dankfazzen,  das  neuere  lateinische  apprehendere,  ap- 
prendre,  lernen,  statt  des  gewöhnlichen  diso  er  e. 

Herberge  im  ahd.  heriberga,  hiefs  ursprünglich 
ein  rasthaus  Ar  Soldaten  an  der  heerstrafse.  Die  Romer 
nahmen  das  wort  an  und  sprachen  es  in  Frankreich  her- 
bere, in  Italien  albergo  aus.  Die  romanisirenden  Deut- 
schen hingegen  bildeten  ein  neues  wort.  Das  gewöhnliche 
spätlateinische  wort  für  beer  war  hostis,  ital.  oste,  sp. 
hueste,  franz.  ost,  wal.  oaste.  Hiervon  bildete  man  nun 
hostellum  anstatt  heriberga,  und  diefs  hostellum 
pafst  besser  zu  hötel  als  hospitale.  Selbst  böte  er- 
klärt sich  leichter  auf  diesem  umweg,  als  rüokbildung  von 
hostellum,  da  die  gewöhnliche  gleichstellung  von  böte 
und  hospes  aller  lautlichen  analogie  ermangelt. 

Compter  in  der  bedeutung  zählen  ist  zweifelsohne 
das  lateinische  computare.  Wenn  aber  conter  im  sinne 
von  erzählen  gebraucht  wird,  so  muls  dieib  deutschem 
einflufs  beigemessen  werden,  indem  entweder  die  deutsche 
Zweideutigkeit  auf  das  lateinische  übertragen  wurde,  oder 
indem  das  ahd.  kundi,  künde,  sich  fühlbar  machte.  So 
mag  selbst  das  adjectiv  kund  nicht  ohne  einflufs  auf  co- 
gnitus  in  seiner  Verstümmelung  zu  cointe  gewesen  sein; 


22  Mauer 

und  obgleich  to  acquaint,  das  franz.  accointer  von 
adcognitare  abstammt,  so  darf  doch  auch  hier  der  ein- 
flufs  von  ahd.  kundo,  ein  bekannter,  ein  freund,  ein  künde, 
und  gakundjan,  verkönden,  nicht  aufser  acht  gelassen 
werden.  Accointer  heifst  nämlich  bekannt  machen;  aber 
accointance,  ist  Vertraulichkeit,  wie  das  englische  ac- 
quaintance,  ein  bekannter,  ein  freund. 

Andere  worte  sind  einfach  und  plump  von  den  Deut- 
schen aus  ihrer  spräche  in  das  lateinische  übersetzt. 

Im  ahd.  findet  sich  zuochunft,  die  zukunft,  tempus 
fiiturum,  von  zu  und  kommen.  Im  franz.  ist  avenir 
eine  genaue  Übertragung,  ce  qui  est  k  venir;  und  nicht 
etwa  von  ad  venire.  Es  ist  gebildet  wie  alarme,  was 
auch  nicht  etwa  von  lärmen,  sondern  von  alT  arme 
kommt. 

Gegendi  im  ahd.  ist  gegend,  von  gagan,  entgegen, 
was  uns  entgegensteht,  was  man  sieht,  das  object.  Davon 
contree,  gleichsam  contratum. 

Gesicht  im  ahd.  ist  visio;  dann  anasihti,  nicht  nur 
ansieht,  sondern  das  angesicht,  facies.  Ebenso  im  franz. 
le  vi  sage,  das  gesicht,  das  antlitz. 

Das  adverb  hinab,  hinunter,  deorsuro,  ward  im  ahd. 
durch  zetale  ausgedrückt',  wie  man  noch  jetzt  zu  thal, 
anstatt  hinab  sagt.  Diefs  müssen  die  Deutschen  mit  ih- 
rem kauderwelsch  mit  aval  (ad  vallem)  ausgedrückt  ha- 
ben, wovon  sie  dann  ein  neues  verbum  aval  er,  hinunter 
bringen,  verschlucken,  bildeten,  was  bald  rechtmäfsiges  ei- 
genthum  der  spräche  wurde.  Les  Romains,  wie  Schlegel 
Sagt,  c'est-ä-dire  les  habitans  des  provinces,  k  force  d'en- 
tendre  mal  parier  leur  langue,  en  oublierent  k  leur  tour  les 
r^gles,  et  imit^rent  le  Jargon  de  leurs  nouveaux  maitres. 
Dieselbe  beobacbtung  kann  man  jetzt  bei  den  Indiern  ma- 
chen, wenn  man  sie,  namentlich  in  den  gerichtshöfen,  mit 
den  £Ingländem  hindustani  sprechen  hört;  ja  etwas  ähn- 
liches trägt  sich  in  jeder  familie  zu,  wo  die  altem  oft  die 
unbeholfene  spräche  der  kinder  (leurs  nouveaux  maitres) 


über  deutsche  schattinmg  romanischer  w<Hte.  23 

sich  im  scherze  angewöhnen,  so  dafe  es  für  einen  fremden 
unmöglich  ist  ihrer  Unterhaltung  zu  folgen. 

Elin  anderer  adverbialer  ausdruck  im  deutschen  war 
zu  pass.  Seine  herkunft  ist  dunkel.  Es  hängt  wohl  mit 
passen  zusammen;  diefs  aber  kann  man  nicht  vom  roman» 
passare,  passer,  herleiten.  Denn  dafs  cela  passe,  es 
geht,  es  passirt,  auch  es  pafst,  bedeuten  kann,  ist  eine  rein 
äuTserliche  Übereinstimmung.  Ebensowenig  hängt  es  mit 
bass,  besser,  zusammen,  obgleich  mhd.  unbafs,  das- 
selbe ist  als  nicht  zu  pafs,  unpafs.  Das  ahd.  unpata^ 
segnis,  lentus,  ist  wohl  auch  nicht  herbeizuziehn.  Im  eng- 
lischst  hat  man  jedoch  das  adjectiv  pat,  und  das  adv. 
patly,  passend;  z.  b.  a  pat  answer.  Dafs  nun  unpafs 
ein  altes  wort  war,  und  wenn  auch  nicht  in  der  schrift, 
doch  in  der  Volkssprache  als  un-pafs  genommen  wurde, 
zeigt  sich  in  der  üb^setzung  male-aptus,  schlecht -pas- 
send, welches  das  lat.  aeger  fast  ganz  verdrängt  hat,  und 
im  prov.  malapte,  im  ital.  malato,  im  franz.  malade 
geworden  ist. 

Die  waage  ist  im  ahd.  wäga.  Hiervon  muls  ein 
Zeitwort  wägen  und  erwägen,  in  frühster  zeit  gebildet 
worden  sein,  da  dasselbe  unter  der  form  wicket,  wägen, 
als  fremdwort  eingang  im  lappischen  gefunden  hat.  Eine 
romanische  nachbildung  ist  das  franz.  penser,  denken,  er- 
wägen, von  pensum,  welches  sich  im  ital.  peso,  altfrz. 
poix  findet;  und  wovon,  neben  pesare,  wägen,  pensare, 
erwägen,  gebildet  ward. 

Das  historische  resultat  ist  also  diefs:  Die  romani- 
schen oder  neulateinischen  dialecte  haben  sich  im  munde 
der  Völker  gebildet,  welche,  nach  der  entdeckung  des  Sü- 
dens, unauflialtsam  nach  Italien,  Gallien  und  Spanien  vor- 
drangen, und,  wie  später  die  Normannen  in  Frankreich, 
ihre  eigene  spräche  gegen  das  überall  auf  ihren  zügen  ver- 
ständliche römische  aufgaben.  Die  fehler,  welche  durch 
diese  Völker  in  die  römische  spräche  eingang  und  heimaths- 
recht  fanden,  und  welche  die  kleine  minorität  der  römi- 
schen provincialen  verdauen  mufste,  sind  der  art,  dafs  sie 


24  Pict«t 


von  anfang  an  bis  in  die  spätere  zeit  nur  von  ursprüng- 
lich deutsch  redenden  Völkern  ausgegangen  sein  können. 
Taylor  institution^  Oxford.  Max  Müller. 


Etymologische  forschungen  über  die  älteste 
arzneLkmist  bei  den  Indogermanen. 

Vom  anbeginn  ist  wohl  der  mensch  immer  den  kör- 
perlichen gebrechen  und  der  krankheit  ausgesetzt  gewesen, 
obgleich  wahrscheinlich  in  minderm  maafse  als  in  den  spä* 
tern  zeiten  der  verfeinerten  knltur  und  der  Verweichlichung. 
Mit  der  krankheit  aber  entsteht  zugleich  das  bestreben  sich 
davon  zu  befreien;  und  daher  die  frühe  entwickelung  der 
heilkunst,  natürlich  sehr  roh  in  ihren  anfangen,  4a  sie  mehr 
als  alle  andern  künste  von  lang  fortgesetzter  beobachtung 
abhängt.  Nicht  nur  bei  den  meisten  wildem  Völkern  aller 
Zonen,  sondern  auch  im  europäischen  mittelalter  und  sogar 
noch  jetzt  in  den  untern  volksklassen,  findet  man  abergläu- 
bische gebrauche,  vnmderliche  verfahren,  zaubermittel  und 
Zaubersprüche,  um  die  krankheiten  abzutreiben,  da  die 
krankheit  selbst  oft  als  ein  dämonisches  wesen  betrachtet 
wird*).  Die  älteste  arzneikunst  wird  wohl  kaum  anderer 
natur  gewesen  sein;  es  lohnt  sich  aber  der  mühe,  durch 
das  aufsuchen  und  die  vergleichung  der  ursprünglichen  aus- 
drücke, die  begriffe  zu  erforschen,  welche  ihr  zum  gründe 
lagen.  Dies  ist  der  zweck  gegenwärtiger  arbeit  als  ein 
anfang  zur  auf  hellung  dieser  frage,  und  als  beitrag  zur  al- 
ten geschichte  der  Indogermanen.  Diesem  zwecke  gemäis 
wird  es  vorerst  am  besten  sein  die  einzelnen  ausdrücke  der 
reihe  nach  als  Vorbereitung  für  eine  zusammenhängende 
darstellung  abzuhandeln. 


*)  Darüber  Grimm's  d.  mjthol.  668 ,   und  im  anhang  der  ersten  aus- 
gäbe. 


et.  fonch.  über  die  älteste  arzneikiiBst  bei  den  Indogennanen.         25 

1)  Ich  beginne  mit  den  ftltesten  sanskritischen  namen 
des  arztes  und  des  heilmittels  die  schon  oft  im  Bigveda 
vorkommen,  mid  noch^  so  viel  ich  weiis,  unerklärt  daste- 
hen, nämlich  bhishaj  und  bheshaja*).  Der  ursprüng- 
liche sinn  mufs  sich  irüh  verdunkelt  haben,  da  die  indi* 
sehen  grammatiker,  um  sie  zu  erklären  zu  einer  sautrawur- 
zel  bhish,  morbum  devincere,  ihre  zuilucht  nehmen  muTs- 
ten.  Die  verschiedenen  formen  des  wertes  sind  bhishaj, 
arzt,  bhSshaja  oder  bhaishaja,  arznei,  auch  bhishaj- 
jita,  vom  arzte  bewältigt  oder  gehandhabt.  Im  sanskrit 
und  z^id  aber  finden  wir  neben  bhishaj  u.  s.  w.  auch  baS- 
8 h a z a,  heilmittel  und  baeshazya,  heilung, gesundheit,  auch 
ein  zritwort  bhishaj yati  (Väj-  Sanh.  19,  80.  85.  Kv.  8,  22. 
10  u.  s.  w.)  ba^shaz,  heilen.  Dieses  zeitwort  nun  scheint 
mir  zusammengesetzt  aus  den  praef.  bhi  für  abhi  (wie 
öfters  pi  ftlr  api)  und  der  w.  sanj  (sajati)  adhaerere 
(to  embrace,  to  cling,  adhere  to.  Wilson),  auch  activ  figere, 
affigere,  welche  bedeutung  jedoch  Westerg.  mit  einem  fra- 
gezeichen  begleitet.  Das  compositum  abhishanj  existirt 
wirklich  mit  dem  sinne  von  maledicere,  objurgare,  und 
überhaupt  verbinden,  umfassen,  wie  man  aus  abhishanga 
ersieht,  das  zunächst  Vereinigung,  Verbindung,  Umarmung 
u.  s.  w.,  und  dann  specieller  Verwünschung,  beschwdrung, 
eid,  besessen  sein  von  bösen  geistern^  bedeutet.  Das  nahe 
verhältnifs  dieser  begriffe  zu  dem  von  bhishaj  springt  in 
die  äugen,  da  die  alte  heilkunst  vorzüglich  in  beschwö- 
rungsformeln  bestand,  wie  wir  sie  noch  im  AtharvavSda 
und  anderswo  finden. 

Das  hohe  alter  dieser  wÖrter  erhellt  schon  daraus,  dais 
ihre  ursprüngliche  bedeutung  im  sanskrit  und  zend  so  früh 
sich  verloren  hatte.  Durch  das  zend  sind  sie  auch  in  das 
persische  und  armenische  gekommen,  denn  persisch  heifst 
der  arzt  bizashik,  bizshik,  pisishk,  pisisk,  und  ar- 


*)  Im  R.  V.  werden  die  A9vin8  bhishaj  au,  medici  genannt,  (v.  Rosen. 
II.  244).  Lassen  anthol.  glosa.  sagt  zu  bhishaj,  or.  ine.  Auch  Bopp*s 
glosaar  gibt  keine  erklttmng. 


26  Pictet 

menisch  pjishg  (mit  französischem  j)  so  wie  die  arznei 
pjshguthinn. 

Ein  entscheidender  beweis  dieses  hohen  alters  findet 
sich  aber  im  irischen,  wo,  merkwürdiger  weise,  das  wort 
sich  in  doppelter  form  erhalten  hat,  nämlich  in  biseach, 
welches  die  (heilende)  krisis  einer  krankheit  bedeutet,  und 
in  den-  namen  der  Zauberei  piseog,  und  des  zauberers 
piseogaidhe,  ers.  piseagach.  Die  Verhärtung  des  bh 
ZU  p,  wie  im  pers.  pisishk,  findet  öfters  statt  im  alt- 
irischen, wo  man  z.  b.  pa,  po,  pi  fdv  ba,  bo,  bi  (=  s. 
bhü,  esse)  findet^).  So  vereinigen  sich  hier  im  celtischen, 
wie  bei  den  alten  Ariern,  die  begriffe  des  heilens  und  zau- 
berns. 

Die  wrz.  sanj,  die  sich  im  sanskrit  mit  den  meisten 
präfixen  verbindet,  ohne  ihren  eigentlichen  sinn  zu  verän- 
dern, ist  sehr  weit  verbreitet  in  den  verwandten  sprachen, 
wo  ihre  ideelle  Sphäre  sich  zwar  erweitert  aber  doch  im- 
mer in  Verbindung  mit  der  Urbedeutung  und  den  nebenbe- 
griffen der  sanskritischen  derivata.  Es  lohnt  sich  der  mühe 
diese  analogien  hier  durchzugehen,  da  sie  uns  mehrfach 
zum  gegenstände  unserer  abhandlung  zurückfahren. 

Wir  finden  zuerst  das  griechische  aättw  (w.  aay)^ 
fest  zusammendrücken,  bepacken,  rüsten,  vollmachen,  sät- 
tigen u.  s.  w.  mit  dem  activen  sinne,  der  wohl  auch  der 
sanskritischen  wurzel  sanj  zukonunt.  Davon  adyfia, 
aayf]f  aayijvt]  sattel,  rüstong,  netz  u.  s.  w.  Benfey  zwar**) 
und  andere  vergleichen  hier  die  w,  sasj,  sajj,  wohl  we- 
gen der  abgeleiteten  sajja,  sajjita,  sajjana,  gerüstet, 
bedeckt^  bedeckung,  rüstung  u.  s.  w.  Wilson  aber  und  We- 
stergaard  geben  zu  sasj,  sajj  nur  die  bedeutung  ire,  se 
movere.  Letzterer  bemerkt  zum  pass.  refl.  sajyatS  von 
sanj:  ant  ut  vulgo  minus  recte  scribitur  sajjatS,  et  in- 
terdum    apud    epicos    cum    act.    terminationibus    sajjati. 

•)  Vid.  passim  die  vortreffliche  Grammatica  celtica  von  Zeufs,    ein 
werk,   daa   mehr  fllr  die   kenntnifs  der  altceltischen  sprachen  gethan  hat  als 
alles  was  in  England  und  Irland  darttber  erschienen  ist. 
♦♦)  Gr.  W.  L.  I.  482. 


et  fonch.  Aber  die  Klteste  arzdeikonflt  bei  den  Indogennanen.        27 

Obige  formen  sind  also  wahrscheinlich  nur  eine  Terdorbene 
Schreibart  Sajja  bedeckt,  erinnert  auch  an  w.  sag,  te- 
gere,  gewüs  mit  sanj  verwandt,  da  das  bedecken  ein  an- 
heften ist. 

Das  lateinische  sagena  ist  wohl  griechisch,  und  sa- 
gin a,  mästung,  lehnt  sich  an  aar r in,  sättigen.  Dagegen 
gehören  sagio,  sammt  sagus,  sagax  u.  s.  w.  näher  zur 
w.  sanj,  denn  das  nachspüren,  wittern  ist  ein  sich  anhängen 
an  den  zu  verfolgenden.  Man  vergleiche  das  skr.  sakta, 
attached  to,  devoted,  attentive,  diligent.  Andere  lateini- 
sche worter  sind  mehr  zweifelhaft.  So  sig-num,  vielleicht 
als  angeheftetes,  welches  Pott  jedoch  durch  sanj  na,  co- 
gnitio  erklärt  (et.  forsch.  11.  181,  anders  Ebel  oben  4, 441). 
Die  Wurzel  scheint  abersig  zu  sein  wegen  sigillum,  wo 
der  sinn  des  anheftens  noch  klarer  hervortritt  Hierher 
vielleicht  auch  segnis  wenn  es  soviel  bedeutet  als  haerens, 
haesitans.  Mit  mehr  Sicherheit  möchte  ich  noch  sanguis 
(thema  sanguin)  als  klebendes,  gerinnendes  zur  wrz.  saiij 
zurückführen,  etwa  aus  einem  hypothetischen  sang  van. 
Wenigstens  scheint  mir  die  Zusammenstellung  mit  asrj  (et 
forsch.  I.  275)  allzu  gewagt 

Der  wrz.  sanj  entspricht  genau  dem  laute  nach  das 
goth.  sakan^  welches  schon  Graff  (ahd.  spsch.  v.  sachan) 
und  Schweizer  in  dieser  Zeitschrift  (I.  566)  verglichen  ha- 
ben; die  bedeutungen  aber  von  streiten,  verbieten,  zurecht- 
weisen, scheinen  ziemUch  abweichend.  In  den  abgeleiteten 
formen  jedoch  lehnt  sich  der  sinn  wieder  an  einige  ne- 
benbegriffe von  wrz.  sanj;  so  insakan,  bezeichnen,  an- 
zeigen, insahts,  anzeige,  frisahts,  bild,  beispiel  (cf. 
sig-num);  bestimmter  noch  das  secundäre  sökjan,  su- 
chen, begehren,  sammt  sökns,  sökeins,  sökareis  u.  s.  w. 
Man  vergleiche  das  skr.  sanga,  wünsch,  begierde,  erge- 
benheit,  sangin,  begierig,  ergeben,  verbunden.  Das  nord. 
sakna  bedeutet  auch  begehren.  Neben  sanga  findet  man 
femer  sakti,  Vereinigung,  freundschaft,  und  dieses  wort 
stimmt  ganz,  der  form  und  dem  sinne  nach,  zum  ags.  sahte, 
seht,  nord.  s&tt,  einigung,  friede,  wo  der  begriff  des  an- 


28  Pictei 

gebondenseins  recht  klar  heryortritt.  Weitere  analogien 
bei  Diefenbach  (g.  w.  v.  cit.). 

Die  celtischen  sprachen  bieten  auch  interessante  ver- 
gleichungen  nach  verschiedenen  Seiten  hin«  So  erklärt  ge- 
wissermaaTsen  das  irische  soighim,  angreifen,  anfallen*), 
woher  soighid,  sagaidh,  saighin,  angriff,  den  nr- 
sprünglichen  sinn  des  goth.  sakan.  Sighe,  friede,  ist 
gleicher  abkunft  mit  ags.  sahte;  seagha,  seaghmhar, 
geschickt,  listig,  verschlagen,  erinnert  an  lat.  sagax,  so 
wie  sioghach,  faul,  an  segnis.  Im  cymrischen  findet 
man  sangu  sengi,  mit  den  ftlsen  treten,  festtreten  wie 
'  öaTTiiv;  und  sagiaw,  ersticken,  erdrossehi,  fest  zusam- 
mendrücken. Saig,  nahrung  und  seigiaw,  essen,  gehö- 
ren zu  adtTü)  und  sagina.  Das  altgallische  sagum, 
cymr.  segan,  mantel,  armor.  sa^,  kleid,  altir.  säi,  tunica, 
steht  sehr  nahe  zu  skr.  sajja,  sajjana,  aäyti  u.  s.  w. 

Im  litauischen  hat  sich  die  wrz.  sanj  schön  erhalten 
in  segti  (segu),  heften,  schnallen,  woher  sagtis,  sek- 
tis,  schnalle,  genau  das  skr.  sakti,  Verbindung.  Das  zu- 
sammengesetzte prisegti,  anheften,  annageln,  prisaga, 
heftnadel,  stimmt  ganz  zu  prasanj,  und  prasanga,  Zu- 
sammenhang, einlegen  u.  s.  w.  Auch  das  altsl.  weist  un- 
sere Wurzel  auf  in  sjagnuti,  attingere,  o-sjazati,  tan- 
gere,  russ.  fljagatj,  poln.  si^gnaiS,  id.;  femer  in  po- 
sagnuti,  po-sagati,  heiraten  (sich  verbinden),  woher 
poln.  posag,  böhm.  posah,  mitgift.  Wir  werden  sogleich 
eine  andere  wichtige  anwendung  derselben  wurzel  finden. 

Bis  jetzt  nämlich  haben  wir  die  verschiedenen  formen 
der  wrz.  sanj  in  ihrem  eigentlichen  sinne  zusammengestellt. 
Ansprechender  aber  ist  die  erscheinung,  dafs  ihre  ablei- 
tungen  in  den  verwandten  sprachen  mehrmals  die  begriffe 
ausdrücken,  welche  im  sanskrit  durch  das  praef.  abhi  her- 
vorgerufen werden,  diejenigen  nämlich  der  heilkunst,  der 
Zauberei,  des  beschwörens  und  des  eids. 

So  zuvörderst  das  böotische  accxTag,  arzt,   das  man 


*)  Saigim,  adeo.  {Zbvl^b  g.  c.  481). 


et.  fonch.  über  die  älteste  aizneikiiiist  bei  den  Indogennanen.      .   29 

gewöhsKch  zu  adTTw  stellt,  obgleich  die  Terscbiedenen 
bedeutangen  des  Zeitworts  wenig  dazu  berechtigen.  Ich 
möchte  eher  darin,  wie  in  bhishaj^  den  sinn  des  binders, 
des  Beschwörers,  des  bewältigers  der  krankheit  suchen. 

Das  lateinische  sagana,  zauberin,  mit  sagaz  ver- 
wandt, doch  nicht  davon  abgeleitet,  bedeutet  wohl  so  viel 
als  fascinatriz ;  das  gleichsinnige  sä ga,  von  säg us,  scheint 
aber  eine  secnndäre  bildung  zu  sein  wegen  des  langen  ä. 

Dieselbe  beziehung  zur  Zauberei  zeigt  sich  im  irisishen 
sighe,  sighid,  sigheog,  hexe,  kobold.  Das  cymr.  aber 
besitzt  eine  merkwürdige  form  ar-sang,  beschwörung, 
Zauberspruch  (genau  das  skr.  abhi-shanga),  auch  druck, 
auflegen.  Das  zeitwort  ar-sangu,  das  nach  Owen  nur 
drücken,  festtreten  bedeuten  soll,  hat  gewils  auch  den  sinn 
von  beschwören. 

Das  skr.  abhishanga  heilst  nicht  nur,  wie  bemerkt, 
beschwörung  und  fluch,  sondern  auch  eid,  im  guten  sinne 
als  bindendes.  Nun  hatten,  wie  bekannt,  die  Sabiner  einen 
gott  Sangus  (Gruter.  Inscr.  96.  6),  welchen  Ovid  dem 
Hercules  fidius  gleichstellt  und  der  den  eiden  vorstand.  Form 
und  begriff  stimmen  hier  durchaus  zusammen. 

Gleich  merkwürdig  ist  das  litau.  segti  oder  segti 
(segiu  auch  pri-segiu),  schwören,  woher  segimas,  und 
pri-sega,  schwur,  segejas,  schwörer  u.s.  w.,  ganz  nahe 
verwandt  mit  segti,  heften,  wovon  wir  früher  gesprochen. 
In  den  slawischen  sprachen  findet  man,  so  viel  ich  weifs, 
das  einfache  zeitwort  nicht  mit  dem  gleichen  sinne^  sondern 
nur  altslaw.,  russ.  prisjaga,  schwur,  poln.  przysi^ga, 
böhm.  pfjsaha  u.  s.  w. 

Diese  verschiedenen  analogien  umfassen  den  ganzen 
umkreis  der  begriffe  der  wrz.  sanj.  Einerseits  bestätigen 
sie  unsere  erklärung  des  wertes  bhishaj,  und  anderseits 
werfen  sie  ein  interessantes  licht  auf  die  alte  arzneikunst, 
insofern  sie  vorzüglich  in  beschwörungen  und  Zauberfor- 
meln bestand. 


30  Pictet 

2)  Dieselbe  ideenverbindoug  zeigt  sich  im  skr.  yöga, 
welches  zugleich  Vereinigung,  Zauberei  und  heilmittel  be- 
deutet. Die  arzneikuust  heilst  yögyä,  und  yögavid  ist 
sowohl  der  zauberer  als  der  apotheker;  ersterer  heifst  auch 
yögin,  yöge^yara  und  Zauberei  überhaupt  prayöga 
und  samprayoga.  Dte  wurzel  ist  yuj,  jüngere,  injun- 
gere.  Nun  meint  zwar  Wilson,  da(s  der  begriff  des  Zau- 
bers aus  dem  mystischen  yöga,  der  geistigen  Vereinigung 
mit  Gott,  geflossen  ist,  da  dadurch  dem  yögin,  beson- 
ders im  dienste  des  Qiva  und  der  Durgä,  eine  übematür^ 
liehe  gewalt  zukam.  Da  die  yöga -lehre  ganz  indisch  ist, 
so  wäre  in  diesem  falle  das  wort  späteren  Ursprungs,  und 
der  name  des  heilmittels,  wie  öfters  sonst,  von  dem  des 
Zaubermittels  erborgt.  Dagegen  streitet  jedoch  der  um- 
stand, dafs  er  sich  im  fernsten  westen  wiederzufinden 
scheint. 

Im  irischen  nämlich  ist  ioca,  heilung,  heilmittel,  ioc- 
lus,  heilkraut,  und  iocaim,  heilen.  Die  Verhärtung  des 
g  zu  c,  wie  im  goth.  juks,  jugum,  findet  öfters  statt  im 
irischen,  z.  b.  in  einmal,  geschlecht  neben  gin^al  und 
geinim  =  skr.  ja n.  Obige  Wörter  finden  sich  zwar  auch 
unter  der  form  ic,  ice,  icim;  das  u  kann  aber  verschwun- 
den sein  wie  im  altsl.  iga,  jugum.  Für  die  ursprünglicb- 
keit  des  o  spricht  besonders  die  cymr.  form  iach,  iachus, 
gesund,  iachad,  heilung,  iachäu,  heilen  u.  s.  w.;  nur  er- 
regt wieder  das  a  einiges  bedenken^  da  es  sonst  nicht  filr 
u  steht; »doch  entwickelt  sich  auch  ein  a  neben  u  in  iau, 
armor.  iaö,  jugum.  Das  wort  kann  aber  auch  aus  dem 
gallischen  in's  cymrische  gekommen  sein,  und  dann  wäre 
das  o  in  ioca  nicht  stammhaft^  und  nur  da  um  das  gleich- 
gewicht  der  vocale  herzustellen,  wie  es  im  gallischen  die 
regel  ist. 

Mit  erhaltener  media  findet  sich  auch  wahrscheinlich 
die  wrz.  yuj,  im  irischen  iogain,  liebend  (durch  liebe 
vereint,  und  iog,  mutter  als  liebende;  ferner  mit  der  na- 
salirung,  aber  mehr  verborgen,  in  cuing,  joch,  cuingim, 
das  joch  auflegen,  zusammengesetzt  aus  co,  cum  und  ing, 


et.  forsch,  ttber  die  älteste  arzneikiinst  bei  den  Indogennanen.         31 

welches  ieolirt  nöthigimg,  zwang,  bedeutet  und  gewiis  Ar 
iung  steht  (cf.  jungo). 

Sind  diese  yermuthungen  gegründet,  so  wäre  für  das 
skr.  yoga  als  heilmittel  ein  hohes  alter  gesichert. 


3)  Ein  neues  beispiel  dieser  dreifachen  begriffisverbin- 
dang  findet  sich  im  sanskrit  besonders,  wo  j&li,  heilmit- 
tel und  jäla,  Zauberei  und  beschwörung  ausdrückt.  Die 
Wurzel  ist  jal,  tegere,  operire,  circumdare  (to  encompafs 
as  with  a  net.  Wils.),  also  auch  circumligare.  Von  jäla, 
kommen  jälin,  jälika,  beschwörer,  gaukler.  Das  wort 
gäli,  beschwörung,  fluch,  scheint  identisch  mit  j&li^  arz* 
neimittel. 

Die  wrz.  jal  ist  auch  den  europäischen  sprachen  nicht 
fremd.  Das  netz,  jäla  (pers.  jal,  id.  jal,  faden)  hat  sich 
merkwürdiger  weide,  wie  ich  anderwärts  gezeigt  habe,  in 
den  europäischen  namen  des  schwans  erhalten,  die  zum 
skr.  jälapäd,  gans,  stimmen*). 

Das  lateieische  galea,  heim  als  bedeckendes,  ags. 
colla,  id.  nord.  kollr,  galeatus,  stehen  nah  an  skr.  jä- 
lika, rQstung,  panzer.  Das  irische  galiath,  heim,  ist 
wohl  römisch;  dagegen  findet  sich  die  verbalwurzel,  mit 
dem  allgemeinen  sinne  des  bindens,  in  geallaim,  geloben, 
wetten,  wünschen,  geall,  gioU,  pfand,  wette,  wünsch, 
geallmhuin,  gelübde,  geallmhar,  begierig.  Femer  in 
geillim,  unterüiänig  sein,  geille,  bände,  gehorsamkeit, 
gioUa,  diener  u.  s.  w.  Noch  näher  an  jal  steht  das  cymr. 
golo,  umgeben,  bedecken,  gol,  bedeckung,  kleidung; 
armer,  gölei  und  gölö  id.  Auch  cymr.  gail,  augenlied, 
gehört  hierher  als  bedeckendes. 


4)  Ein  wort,  welches  im  sanskrit  fehlt,  sich  aber  bei 
den  Deutschen,  Slawen  und  Gelten  findet,  führt  uns,  wie 
ich  glaube,  zum  selben  begriffe  des  arztes  als  des  ver- 
bin  der  8,   sey   es  im  materiellen  sinne  des  verbindens  der 


*)  In  dieser  Zeitschrift  IV.  124. 


32  Pictet 

wunden,  oder  im  magischen  sinne  von  fascinare.  Es  ist 
dieses  das  goth«  leikeis,  lekeis,  arzt,  sammt  leikinön, 
heilen  und  leikinassus,  heilung.  Im  ags.  lautet  der  name 
laeca,  Idee,  lyce  (engl,  leech),  im  nord.  laeknari,  im 
ahd.  lähhi  m.  lachanarra  f.  Das  mhd.  lächenaere 
bietet  wieder  den  sinn  des  zanberers  neben  dem  des  heil- 
künstlers,  und  hat  sich  erhalten  im  schweizerischen 
lachsner,  viehbesprecher.  Andere  verwandte  formen  bei 
Diefenbach,  goth.  wöterb. 

In  den  slawischen  sprachen,  so  wie  im  litauischen, 
sollte  man  f&r  goth.  k  ein  g  erwarten;  die  tenuis  jedoch 
behauptet  sich  durchweg:  altsl.  lekarj,  poln.  l^karz,  illyr. 
Ijekar  u.  s.  w.,  arzt;  altsl.  Ijek'',  illyr.  Ijek,  böhm.  lek 
u.  8.  w.  heilmittel.  So  auch  im  lit.  le  korus,  lekarstwa, 
und  im  finnischen  lääkäri.  Dies  bestehen  der  tenuis 
macht  eine  entlehnung  aus  dem  germanischen  sehr  wahr- 
scheinlich. 

Im  irischen  hingegen,  und  zwar  schon  in  alten  quel- 
len, findet  man  legi,  leighi,  medici  (Petrie,  bist  and 
antiq.  of  Tara  Hill,  trans.  of  the  ir.  Acad.  XVIII,  203, 210) 
jetzt  leagh,  l^igh,  liagh,  in  der  einzahl;  davon  l^igh- 
eas,  arznei,  l^igheachd,  medicin,  leigheamhuil, 
ärztlich,  l^igheasaim,  heilen  u.  s.  w.  Dem  cymrischen 
scheint  das  wort  ganz  zu  fehlen. 

In  den  asiatischen  ästen  des  Sprachstammes  finde  ich 
nur  das  pers.  läk,  medicamentum,  das  anzuklingen  scheint; 
da  es  aber  auch  das  indische  lac,  die  tinctur  (skr.  raktä, 
laktaka)  und  wachs  bedeutet,  und  sonst  vereinzelt  da- 
steht, so  ist  es  wohl  verschiedener  abkunft. 

Das  goth.  leikeis  ist  bis  jetzt  so  viel  als  unerklärt, 
denn  das  nordische  ISka,  stillare,  welches  Grimm  als  Wur- 
zel vermuthet  (d.  gr.  11.  27),  scheint  wenig  geeignet  die 
thätigkeit  des  arztes  zu  bezeichnen.  Boxhom.  (Ang.  S. 
Dict.)  stellt  laece  zu  laecan,  lac  an,  ofierre  (to  afford  re- 
lief  or  ease  from  pain),  gewifs  zu  weit  hergeholt.  Diefen- 
bach schweigt  gänzlich  darüber.  So  ist  es  wohl  erlaubt 
einen  neuen  weg  zu  versuchen. 


et  forsch.  Über  die  älteste  arzneiknost  bei  den  Indogensaneii.  33 

Die  ursprüngliche  wnrzel  mufs  lag  oder  lig  sein,  und 
wir  finden  sie  wirklich  unter  diesen  zwei  formen  im  skr. 
lag,  adhaerere,  und  ling,  amplecti  (gewöhnlich  mit  vor- 
gesetztem ä).  Lag  ist  somit  gleicher  bedeutung  mit  saiij, 
wovon  wir  schon  gehandelt,  und  langa  wie  sanja  ist  ver* 
bindnng,  einigung,  lagna,  lagita,  wie  sakta,  verbun- 
den, vereinigt  u.  s.  w.  Aus  ling  entstehen  linga,  zeichen 
(wie  Signum  aus  sanj),  ideelle  Verbindung,  vermuthung, 
lingana,  umarmung-  u.  s.  w.  Auch  die  wrz.  laj,  operire, 
vestire,  ist  verwandt,  wie  wir  aus  s  an j  ausdrücke  f&r  klei- 
dung,  rüstung,  hervorgehen  sahen. 

Zu  lag  und  ling  stimmen  ganz  das  lat.  ligo  und 
lego  so  wie  ki)^(a  im  sinne  von  colligo.  Das  celtische 
bietet  mehrere  vergleichungen,  so  ir.  ligh,  leaghadh, 
band,  cymr.  lieg,  llegr,  band,  schnalle,  auch  llaing  (cf. 
skr.  langa,  Verbindung).  Ferner  llog,  vertrag,  llogi,  ei- 
nen vertrag  eingehen  (cf.  skr.  lagnaka,  pfand).  Llogawd, 
llogail,  Umzäunung  gehören  auch  hierher  als  umfassendes. 

In  den  germanischen  sprachen  findet  man  auch  ver- 
wandte begrifie;  so  im  ags.  laecan,  nehmen,  fassen,  wo- 
her laece  (engl,  leech),  der  blutigel,  der  sich  anhängt. 
Davon  geneah-laecan,  sich  nähern,  in-laecan,  nach- 
ahmen u.  8.  w.  Lach,  kleidung  (für  lac?),  alts.  lacan, 
ahd.  lachan,  mantel,  schleier,  stehen  näher  zur  skr.  wrz. 
laj,  tegere. 

Im  gothischen  ist  leikan,  gefallen,  in-leikan,  sich 
gefallen,  leikains,  lust  zu  etwas,  und  der  begrifi*  ist  der 
des  sich  anhängens,  wie  man  aus  dem  englischen  to  like 
noch  besser  ersieht.  Ags.  Hcian,  nord.  lika,  ahd.  liehen 
haben  denselben  sinn.  Das  ags.  lic,  laec,  läc,  darbrin- 
gong,  opfer,  lacan,  schenken,  opfern,  stammt  gewifs  aus 
dem  begriffe  des  gefälligseins,  des  beschwichtigens,  wie 
placere  und  placare  gleicher  abkunft  sind. 

Andere,  mit  leikon  und  leiks  der  form  nach  ganz 

identische  gothische  Wörter  sind,  wie  es  mir  scheint,   auch 

hierher  zu  ziehen.    So  zuerst  leiks,  galeiks,  gleich,  ga- 

leikon,  vergleichen  u.  s.  w.;    ags.  lic,   nord.  likr,   ahd. 

V.    1.  3 


34  Pictet 

lieb,  in  Zusammensetzung.  Der  sinn  stimmt  ganz  zum 
ags.  laecan,  sich  nähern,  denn  das  gleichen  ist  geradezu 
annäherung.  Aus  Diefenbach  (G.  W.  11.  1 35)  ersehe  ich, 
dafs  Pott  filr  leiks  auch  eine  wurzel  lik  annimmt,  und 
ich  glaube  mit  recht.  Bopp's  vergleichung  mit  skr.  dr^a, 
drk  (vgl.  Gr.  17,596,  600)  scheint  sehr  zu  bezweifeln,  da 
das  k  nicht  stimmt,  und  die  ursprüngliche  media  durch  das 
litauische  lygus,  gleich,  gesichert  ist.  Eher  kann  man 
Bopp's  vermuthung  fbr  -Xixos  und  sl.  -lik  gelten  lassen, 
deren  zusammentreffen  mit  leiks  somit  nur  scheinbar 
wäre. 

Endlich  stellt  sich  noch,  mit  grolser  Wahrscheinlichkeit, 
das  gota.  leik,  ags.  Itc,  nord.  lik,  ahd.  lih  (gen.  lichi), 
körper,  fleisch  hierher,  dessen  Zusammenstellung  mit  skr. 
dSha  (Bopp  vgl.  gr.  16)  gar  zu  vielen  ein  Wendungen  räum 
giebt.  Vom  verbunden  sein,  sei  es  der  glieder  unter  sich 
oder  des  körpers  mit  der  seele,  kann  der  leib  sehr  schick- 
lich benannt  werden,  und  wir  haben  wirklich  dafür  das 
beispiel  des  skr.  bandha,  leib  (cf.  ags.  bodig,  engl,  body ) 
von  der  wrz.  bandh,  ligare. 

Ich  kehre  nun  zum  celtischen  zurück,  wo  unsere  wur- 
zel wiederum  die  bedeutungen  des  schwörens  und  zaubems 
zeigt,  gerade  wie  die  wrz.  sanj.  Im  irischen  ist  nämlich 
luighim,  lughaim,  schwören,  lugha,  lughadh,  eid; 
cymr.  11  w,  armor.  le,  mit  verlust  der  endconsonanten,  wie 
öfter. 

In  Verbindung  mit  den  zwei  präf.  eas,  as,  ex,  re-, 
und  ar,  super,  bildet  sich  aber  das  irische  eas-ar-  lui- 
ghim, bezaubern,  woher  eas-ar-  luigheachd,  hexerei, 
Zaubergesang,  bezauberung  durch  kräuter.  Auf  das  u  der 
wurzel  ist  wie  sonst  kein  gewicht  zu  legen,  da  es  mit  a 
abwechselt,  und  man  auch  asarlaigheacht  findet  Man 
vergl.  ferner  suidhim,  sedeo  mit  skr.  sad  u.  s.  w. 

Nach  all  dem  gesagten  wäre  bei  den  Germanen  und 
Gelten  der  name  des  arztes  hervorgegangen  aus  dem  be- 
griffe des  bindens  der  krankheit  durch  zauber  und  Sprü- 
che, und  leiks,  wie  bhishaj,  würde  den  fascinator 


et.  forsch,  ttber  die  älteste  annei]^imst  bei  den  Indogennanen.         35 

bezeichnen*).  Es  ist  zu  bemerken,  dais  gerade  bei  diesen 
zwei  Yölkem  die  ärztlichen  Zauberformeln  in  hohen  ehren 
standen,  worüber  man  Grimmas  d.  mythol.  nachsehen  kann. 
Für  die  Gelten  müssen  besonders  die  alten  irischen  formein 
bei  Zeufe  (gr.  Cdt  925)  berücksichtigt  werden,  so  wie 
die  noch  älteren  bei  Marcellus  Burdigalensis,  die  sich,  wie 
Grimm  zuerst  durch  die  glückliche  erklärung  einer  dieser 
formein  gezeigt  hat,  recht  gut  durch  das  irische  deuten 
lassen**). 

4)  Dieselbe  Verbindung  des  heilens  und  zaubems,  aber 
aus  einem  andern  urbegriffe,  zeigt  sich  in  einigen  anwen- 
duDgen  der  skr.  wrz.  car,  eigentlich  ambulare,  errare,  aber 
auch  in  opere  versari,  agere,  facere.  Mit  vorgesetztem 
upa  nun,  erhält  car  die  bedeutung  von  mederi,  adjuvare, 
colere,  wovon  upacära,  upacärya,  heilkunst.  Mitabhi 
aber  nimmt  es  den  entgegen  gesetzten  sinn,  perfide  agere, 
violare,  und  dann  fascinare,  incantare,  woher  abhicära, 
Zauberei,  und  abhicärin,  zauberer,  in  böser  bedeutung. 

Im  persischen  finden  wir  das  einfache  car  ah  alf  be- 
zeichnung  des  heilmittels  imd  der  heilung;  es  ist  aber  auch 
im  allgemeinen  hülfe,  art,  weise.  In  den  slawischen  spra- 
chen nnd  im  litauischen,  wo  die  wurzel  auch  einfach  da- 
steht, nimmt  sie  aber  ausschliefslich  den  sinn  des  zaubems 
an.  So  das  altsl.  car  (pl.  car"i)  magia,  praestigia,  ca- 
rodjei,  magus,  carovati,  incantare,  carov&nie,  incan- 
tatio  (Dobr.  Inst.  100);  poln.  czary,  böhm.  c4ry,  carove, 
artes  magicae;  poln.  czarownik,  illyr.  cjarovnik,  ma- 
gus u.  s.  w.  Das  litauische  czerai  (pl.)?  Zauberei,  ist 
wohl  dem  polnischen  entlehnt;  dagegen  finden  wir  das  Zeit- 
wort kereti,  kyrti  (kerü,  kyru)  f&r  behexen,  bezau- 
bern,   wovon  kerejimas,  keryczos  (pl.)  hexerei,   und 


*)  Binden  nnd  heilen  finden  sich  zusammen  im  hebrUscheni  wo  cho- 
besh,  arzt,  von  chäbash,  ligavit,  abstammt. 

♦♦)  In  den  abhandL  der  Berl.  akad.  1847.  429.  Es  ist  mir  seitdem  ge- 
lungen, wie  ich  glaube,  s&mmtliche  fonneln  (es  sind  deren  acht  im  ganzen) 
ohne  anstofs  aus  dem  irischen  zu  erklären;  worüber  anderswo  mehr. 

3* 


36  Pictet 

nu-keretojis,  zauberen  Obwohl  aber  im  sanskrit  c  und 
k  gleichzusetzen  sind,  da  ersteres  aus  letzterem  entspringt, 
so  entsteht  doch  der  zweifei,  ob  kerü  nicht  zur  wrz.  kr, 
facere,  gehört,  da  das  davon  abgeleitete  skr.  krtya  auch 
Zauberei  bedeutet.  Derselbe  zweifei  erneuert  sich  fär  das 
irische  cro,  croan,  hexerei,  das  jedenfalls  zusammenge- 
zogen ist.  Uebrigens  sind  die  wurzeln  kr  und  car,  dem 
sinne  und  der  form  nach  sehr  nahe  verwandt. 


5)  Nach  einer  andern  seite  hin,  aber  immer  zugleich 
zum  heilen  und  zaubern,  führt  uns  ein  merkwürdiges  ger- 
manisches wort,  das  mir  im  sanskrit  zu  wurzeln  scheint; 
es  ist  das  goth.  lubi,  oder  lubja,  zaubertrank  und  gift, 
erhalten  in  lubja-leisei,  cpagfiaxeia.  Im  nord.  istlubbi 
auch  gift*),  im  ahd.  luppi,  gift  und  maleficium;  im  ags. 
aber  erweitert  sich  die  bedeutung,  und  lyb,  Hb  ist  über- 
haupt fascinum,  obligaraentum  magioum,  lybesne,  phy- 
lacterium,  liblaecan,  fascinatores,  lybsyn,  maleficium 
(bei  Boxh.  purging  by  sacrifice  or  witchcraft).  Das  wort 
nimn)t  sich  auch,  wie  (fdgfiaxov,  im  guten  sinne;  so  ags. 
lif,  medicamenta,  nord.  lif,  id.  lifia,  sanare,  ahd.  lup- 
pon,  medicare  (aber  luppari  wieder  maleficus).  Die  Ur- 
bedeutung scheint  die  des  ags.  zu  sein,  nämlich  zauber  im 
aUgemeinen,  woher  nach  zwei  richtungen  hin,  die  heilsa- 
men oder  bösen  zaubermittel  benannt  werden,  und  nichts 
scheint  zum  begriffe  von  saft,  trank,  salbe  zu  führen,  wie 
Diefenbach  es  vermuthet  (goth.  wörterb.  IL  152). 

Dies  bestätigt  sich  durch  den  wahrscheinlichen  Ur- 
sprung des  Worts,  das  uns  zur  skr.  wrz.  lubh,  perturbare 
(to  bewilder,  perplex,  delude.  Wils.)  zurückführt.  Dies  gilt 
besonders  von  der  zauberischen  Verwirrung  des  geistes, 
denn  lubhita,  vi-löbhita  bedeuten  nach  Wilson  fascina- 
ted,  allured,  beguiled,  perplexed,  und  vi-16bha,  pra- 
löbhana  u.  s.  w.  allurement,  seducing,  attraction.      Der 


*)  Lubbi  fehlt  zwar  in   Biorn's  lex.,    doch   findet  es  sich  im  comp, 
kiia-lubbi,  kuhgift,  welche»  eine  art  püze  bezeichnet. 


et.  forsch.  Über  die  älteste  arzneikunst  bei  den  Indogermanen.  37 

andere  sinn  derselben  würze],  nach  der  4ten  classe  (lubh- 
yati),  cupere,  avere,  caus.  Idbhayati,  illicere,  libidines 
excitare,  ist  vom  ersten  abgeleitet,  nnd  soviel  als  libidine 
pertorbatnm  esse;  lobha,  pralobha,  begier,  heifes  ver- 
langen, bezeichnen  eigentlich  die  Verwirrung  der  Seele  durch 
leidenschaft.  So  hängt  das  goth.  lubi  zunächst  mit  Hubs, 
liubjan  zusammen,  wie  (piXrQov  mit  (fiXita^  was  Die* 
feubach  nicht  erkannt  zu  haben  scheint. 

Das  irische  lubaim  hat  nur  die  materielle  bedeutung 
von  krümmen,  neigen,  die  wohl  nicht  ursprünglich  ist,  und 
aus  dem  begriffe  des  ablenkens,  abfbhrens  vom  rechten 
w^e,  mit  concreterm  sinne,  entstehen  konnte.  Dies  zei- 
gen die  derivata,  die  sich  ganz  wieder  an  die  sanskritischen 
anschlieisen.  So  lüb,  lüba,  lobais,  luibineachd,  be- 
trug, list,  lubaire,  betrüger,  und  besonders  luibin, 
schone  frau,  als  verftlhrerin.  Lubha,  lob  ist  ganz  ger- 
manisch. Das  cymr.  Hob,  einfältiger  mensch  (cf.  nord. 
lubbi,  servus  ignavus,  engl,  lubber  etc.)  lehnt  sich,  dem 
sinne  nach,  an  das  skr»  lubhita,  verwirrt,  bestürzt u. s.w. 

Diefenbach  vergleicht  mit  recht,  wie  mir  scheint,  das 
irische  luibh,  luibhean,  kraut,  luibh-colas,  kräuter- 
künde.  Dafs  sich  damit  magische  kunst  verband,  erhellt 
aus  einem  andern  namen  des  krauts,  lus,  luis,  woher 
Iu8r6g,  luisreog,  zaubermittel,  philtrum,  und  luisreo- 
gaidhe,  der  solche  mittel  anwendet. 

Ich  weifs  nicht,  ob  man  hier  auch  das  armor.  lor- 
bein,  bezaubern,  verführen,  lorbour,  hexenmeister,  1  or- 
ber ez,  hexerei,  das  sonst  vereinzelt  dasteht,  zu  unserer 
Wurzel  stellen  kann.  Es  müfste  denn  das  r  unorganisch 
sein. 

6)  Berührungspunkte  zwischoi  heilen  und  zaubern 
finden  sich  nochmak  im  germanischen  werte  selbst;  denn 
goth.  hails,  ags.  hael,  nord.  heill,  ahd.  heil,  bedeutet 
sanus,  hailjan  u.  s.  w.  sanare,  aber  nord.  heilla,  fasci- 
nare;  heill  (ags.  hael)  omen,  gutes  und  böses;'  ags.  hael- 
sian,  obsecrare,  ahd.  heilison,  augurari.   Im  ersten  sinne 


38  P»ctet 

nur  fiadet  es  sich  auch  bei  den  Slawen,  altsl.  tsjeT',  sa- 
nus,  tsjeliti,  sanare,  tsjeliter,  medicus  u.  s.  w.*)  und 
im  litb.  czelas,  ganz,  unbeschädigt« 

Ueber  den  Ursprung  des  wertes  ist  man  noch  wenig 
im  klaren.  Bopp  denkt  an  skr.  k^yala  oder  sakala, 
totus;  Benfey  stellt  es  zu  wrz.  pri,  colere,  venerari  (gr. 
wurzellex.  II.  173),  Viel  näher  scheint  mir  das  skr.  kalya 
zu  stehen,  gesund,  vollkommen,  von  guter  Vorbedeutung 
(auspicious),  wovon  kalyatva,  gesundheit,  kalyäna, 
glücklich  u.  s.  w.  Es  gehört  wahrscheinlich  zur  wrz.  kal 
im  sinne  von  animadvertere,  videre,  aestimare,  und  bedeu- 
tet somit  etwa  conspiciendus.  Die  bedeutung  auspi- 
cious erklärt  auch  das  nord.  ags.  heill,  hael,  omen,  und 
ahd.  heilisön,  augurari. 

Das  irische  cail,  stärke,  calma,  stark,  gehören  viel- 
leicht auch  hierher. 


7)  Das  heilen  hat  man  sich  auch  vorgestellt  als  ein 
reinigen  von  der  krankheit,  und  diese  reinigung  wurde  so« 
wohl  durch  zauber  im  guten  sinne  als  durch  opfer  imd  re- 
ligiöse handlungen  erstrebt.  Zu  diesem  kreise  der  Vorstel- 
lungen fbhrt  uns  nun,  wie  ich  glaube,  das  lateinische  sä- 
nus,  sanare,  von  dessen  ursprünglicher  bedeutung  wir 
jetzt  handeln  wollen. 

Dafs  das  n  in  sanare  nicht  wurzelhaft  ist,  zeigt  das 
griech.  (Ter 0(0,  und  haben  schon  Pott  und  Benfey  erkannt 
(et.  forsch.  I.  201,  gr.  wurzellex.  I.  360).  Letzterer  stellt 
aaoff)  mit  Benary  zu  skr.  sahya,  gesundheit,  mit  wenig 
Wahrscheinlichkeit,  da  sonst  ;^  =  h  nicht  so  leicht  abfällt. 
Mir  scheint  aaoco  f&r  aa^ocj  zu  stehen,  so  wie  sänus 
ftir  savnus,  und  dies  fbhrt  uns  zur  skr.  wrz.  su,  welche 
besonders  das  bereiten  des  sdmasafts  und  opfers  ausdrückt, 
aber  auch  im  allgemeinen  stillare  und  libare  bedeutet**). 
Sava,  savana  (zend  havana),   abhishavana  stehen 

*)  Sl.  ts  für  ureprüDgliches  k  wie  in  tsjesar' =  Caeßar. 
**)  Im  R.  V.  sunvat,  libans,  nach  Rosen.  101.  18. 


et.  forsch.  Über  die  älteste  arz&eikQUst  bei  den  Indögemumen.         39 

geradezu  Ar  opfer,  besonders  aber  f&r  die  dem  opfer  vor- 
hergehende reinigung  durch  waschen  und  baden. 

Zu  savana  als  religiöse  reinigung  stimmt  nun  ganz 
das  goth.  saun,  ahd.  suana,  suona,  mhd.  suone,  die 
söhne  mit  dem  begriffe  der  reinigung  von  der  schuld;  und 
schon  Pott  stellt  das  wort  zur  wrz.  su  (et.  forsch.  I.  216). 
Aber  auch  goth.  sunis,  wahr,  sunja,  Wahrheit,  sunjöns, 
rechtfertigung,  scheinen  hierher  zu  gehören,  denn  die  be- 
griffe des  wahren  und  des  reinen  stehen  nah  zusammen* 
Von  obigen  formen  kann  man  aber  schwerlich  das  ags. 
sund,  ahd.  ki-sunt,  sanus  u.  s.  w.  trennen,  wodurch  wir 
wiederum  zu  der  griechisch-lateinischen  bedeutung  zurück- 
geföhrt  werden. 

Im  persischen  und  in  den  celtischen  sprachen  finden 
sich,  in  merkwürdiger  Übereinstimmung,  anwendungen  gleich- 
lautender Wörter  fib:  heilknnst  und  Zauberei,  was  unsere 
vermuthungen  bestätigt.  Die  wrz.  su,  im  sinne  von  stil- 
lare  imd  lavare,  zeigt  sich  vorerst  im  pers.  shawtdan, 
träufeln,  und  shüyidan,  waschen  (imper.  shü,  wasche! 
auch  als  subst.  das  waschen).  Shünist  aber,  und  mit 
praef.  af-sün,  bedeutet  zugleich  heilmittel  und  Zauberei. 
Für  letzteren  begriff  findet  man  femer  af-sänah,  af-säy, 
fu-sün,  so  wie  ßXr  zauberer  af-sä,  fa-s&y^  fa-säni- 
dab,  fu-sün&  u«  s.  w.  *).  Alle  diese  formen  f&hren  uns 
zurück  zum  skr.  sava,  savana,  abhishava,  abhisha- 
vana,  welche  nur  opfer  und  reinigung  ausdrücken. 

Im  irischen  stimmen  sabh,  Speichel,  salbe,  und  subha, 
saft  zu  skr.  sava,  blnmensaft,  wasser  u.  s.  w«,  aus  su,  de- 
stillare.  Die  form  savana  zeigt  sich  aber  wiederum  in 
seun,  s^an,  zaubermittel  im  guten  sinne  als  schützendes, 
daher  auch  sogen,  glück;  s6anaim,  ist  segnen,  durch  gute 
zaubermittel  gegen  hexerei  beschützen.  Davon  s^ana- 
doir,  zauberer,  seanmhar,  seunta,  bezaubert,  glück- 
lich, seanadh,  zanber  und  segen  u.  s.  w.    Im  cynmschen 

*)  Blau  berttckaichtige  hier  den  abfall  des  n  als  unwesentlich,  in  meh- 
reren formen,  und  den  Wechsel  des  ft  und  &,  beide  au»  av,  wie  das  ä  in 
^änus. 


40  Pictet 

finden  wir  swyn  mit  denselben  bedeutungen  von  zauber, 
segen  und  schütz,  aber  aaeh  von  heilmittel;  swyuaw  ist 
zugleich  bezaubern,  segnen,  schützen  und  heilen.  Davon 
viele  ableitungen,  wie  swynwr,  swynydd,  zauberer, 
swynogl,  amulet,  swynawl,  bezaubernd,  schützend,  heil- 
sam u.  s.  w.  Heiliges,  gesegnetes  wasser  heifst  dwfr 
swyn. 

So  zeigt  uns  diese  wichtige  Wörtergruppe  in  den  ver- 
schiedenen ästen  des  indogermanischen  Stammes,  die  reiche 
begrifisreihe  von  opfer,  reinigung,  sühne,  segen,  zauber  und 
heUung. 


8)  Die  doppelte  bedeutung  des  arztes  als  reiniger  und 
opferer  hat  sich,  wie  mich  dünkt,  schön  erhalten  in  den  na- 
men  der  beiden  göttlichen  Srzte  Ilanav  und  Maxcttav, 
die  schon  im  Homer  auftreten*).  IJaiav  (bei  Homer 
llai7]a)v)  ist  der  arzt  der  götter  und  selbst  ein  gott;  er 
heilt  den  von  Herakles  pfeile  verwundeten  ^AtSvig^  und 
wieder,  auf  befehl  des  Zeus,  den  von  Diomed's  lanze  ge- 
troffenen Ares.  Da  naiatv  sonst  überhaupt  einen  arzt  be- 
deutet, so  wird  der  sinn  des  wertes  wohl  ein  allgemeiner 
gewesen  sein,  und  der  beiname  afLVfivDv  zutT^r?}^)  bei 
Homer  bezeichnet  :den  arzt  par  excellence.  Maxdwv 
dagegen  ist  nur  ein  halbgott,  einrJQcog,  als  söhn  des  Ascle- 
pios,  und  ist  mit  den  Griechen  vor  Troja  gezogen. 

Der  name  Ilanav  scheint  sich  am  besten  aus  der  skr. 
wrz.  pü,  reinigen,  zu  erklären;  dabei  muTs  man  aber  von 
der  homerischen  form  nan^tav  ausgehen.  Diese  nun  steht 
vermuthUch  fbr  nofirtmf^  gleich  einem  sanskr.  pavyävän. 
Dieses  findet  sich  zwar  nicht,  doch  wäre  es  ganz  regel- 
mäßig gebildet  aus  einem  femininum  pavya,  reinigung 
(aus  pü,  wie  vidyä,  Wissenschaft  aus  vid,  9ayyä,  bett, 
lager  aus  ^i)  und  dem  suffixe  van.  Das  ganz  ähnliche  vid- 
yavan  bedeutet  gelehrt,  im  besitze  der  Wissenschaft,  und 


•)  n.  IV.  218.  V.  401,   900. 


et  forach.  aber  die  älteste  arzneikunst  bei  den  Indogermaneo.         41 

SO  würde  payjr&Yan  den  arzt  bezeichnen  als  den  der  rei- 
nigutig  und  heilung  mächtigen. 

Ffir  Mdxctiüv  haben  wir  zur  hand  das  ved.  makha, 
opfer*),  worüber  Kuhn  in  dieser  zeitschr.  (IV.  9);  also 
makhavan,  der  opferer,  von  gleicher  bildung  mit  nat-^adv. 
Eine  direkte  ableitung  von  fiäxofiai  würde  sich  dem  be- 
griffe nach  weniger  rechtfertigen,  da  der  arzt  kern  kam- 
pfer  ist**). 

9)  Auch  das  griechische  fidyyavov,  arznei  und  zau- 
bermittel,  zaubertrank,  geht  von  der  idee  der  reinigung 
aus,  da  es  mit  Pott  (et.  forsch.  I.  172)  gewift  zur  skr.  wrz. 
manj,  purificare,  zu  stellen  ist.  Die  ableitungen  von 
manj  im  sanskrit  lehnen  sich  fast  sämmtlich  an  die  be- 
griffe von  Schönheit  und  glück,  ohne  anwendung  auf  arz- 
neikunst und  Zauberei.  Eine  heilpflanze  (bengal  madder) 
heifst  zwar  maiijishtha,  aber  nur  als  sehr  schöne  oder 
vortreffliche.  Die  durch  ihre  Schönheit  verführende  hure 
heilst  manjikä,  was  merkwürdig  mit  dem  litauischen 
manga  übereinstimmt. 

Mit  fidyyavov  als  Zaubermittel,  fia/yarsia^  Zau- 
berei, fiayyav€VTi]g,  Zauberer  u.  s.  w.,  scheint  mir  aber 
fidyog,  fiaysia^  fiayevrrjg  nahe  verwandt;  nicht  direkt 
zwar,  da  das  wort  persisch  ist,  aber  als  ans  derselben  quelle 
geflossen.  Im  persischen  nämlich  ist  m&jidan  (fbr  älteres 
mägidan)  auch  purificare,  und  da  die  alten  magier  feuer- 
priester  waren,  so  kam  ihnen  der  name  der  reiniger  mit 
recht  zu.  Neupersisch  heifst  der  magier  mugh,  mügh, 
gewifs  eine  verdorbene  form,  da  die  rechte  ausspräche  nicht 
nur  durch  fidyog  sondern  auch  durch  das  hebräische  mag 
(Jer.  39.  3)  gesichert  ist.  Im  armenischen  ist  mok,  Zau- 
berer, mokuthinn,  Zauberei.  Im  zend  hat  sich  das  wort 
noch  nicht  gefunden,  wird  aber  wohl  da  gewesen  sein. 


*)  Id  Nigb.  unter  den  yajüan&ip&ni. 
**)  '^S^'  jedoch  Ebel  in  dies,  zeitschr.  L  294. 


42  Pictet 

10)  Ich  gehe  nun  über  zu  einigen  Wörtern,    die  uns 
zu  neuen  begriffen  fähren. 

Im  Sanskrit  heilst  yäpana,  das  mildern  des  Schmer- 
zes, das  lindem  der  krankheit,  yäpya,  yäpaniya,  ein 
übel  das  gemildert  werden  kann.  Yäpana  bedeutet  ei- 
gentlich austreibung,  und  gehört  zur  wrz.  yä,  ire,  in  der 
causalform  yäp  (yapayati)  facere  ut  abeat,  expeUere.  Zu 
diesem  yäp  stimmt  sehr  schön  das  griechische  lanrio, 
mittere,  noch  besser  aber,  dem  sinne  nach,  ^nidaty 
'^Tti.oWf  besänftigen,  mildem  (genau  yäpayami),  ^titj- 
aaad-ai^  heilen,  ausbessem.  Von  heilmitteln  besonders 
wird  fjntog,  mild,  besänftigend  gebraucht  (s.  ijnia  (pdQ- 
fxaxa  bei  Homer.  II.  IV.  218.  XI.  830)  und  das  heihnittel 
selbst  helfst  r^nia^a.  Diese  ausdrücke  sind  gewifs  uralt, 
da  sich  die  namen  des  göttlichen  arztes  *Jaxki]7iiog  und 
seiner  gemahlin  *Hni6vi]  daran  reihen.  Ueber  die  bedeu- 
tung  von  aaxl  ist  man  noch  im  dunkeln,  wenn  man  nicht 
die  sage  von  einem  könig  *'AaxXrig  in  Epidaurus  gelten  las- 
sen will,  von  welchem  der  göttliche  arzt,  nach  glücklicher 
heilung  eines  augenübels,  den  namen  ^Aaxki^mog  erhalten 
hätte,  da  er  zuvor  nur  ijnios  hiels.  Die  wahrscheinlichste 
auslegung  scheint  mir  die  vonacrxim,  besorgen,  mit  Sorg- 
falt bereiten  u.  s.  w.  öfters  bei  Homer,  wodurch  !äaxki]7iiog 
der  besorger  des  heilmittels  wird,  was  sehr  gut  paust.  Das 
eingefilgte  l  bleibt  jedoch  dabei  unerklärt  Jedenfalls  ist 
der  name  zusammengezogen,  was  auch  die  römische  form 
aesculapiuB  anzeigt. 

Nun  fragt  es  sich  ob  man  nicht  auch  la6fia$  sammt 
laTQog^  laTiJQ,  tafia,  iaaig  u.  s.  w.  hierher,  ziehen 
könnte.  Die  bekannte  ableitung  von  laivw,  wärmen,  ist 
wenig  befriedigend,  da  der  arzt  eben  so  oft  durch  kühlung 
als  durch  wärme  die  schmerzen  lindert,  und  er  sonst  mehr 
ist  als  ein  erwärmer.  Vermuthen  könnte  man  einen  abfall 
des  causalen  ;r,  das  zuerst  zu  jr  sich  erweicht  hätte:  also 
idofiai  ftlr  lajro ^ai  und  i^anofiai^y  larQog  fdr  la^Qog 
und  iaTiTQog,  Man  findet  auch  Idcofiai  dessen  tj  ftlr  da- 
gewesenes ^  zu  sprechen  scheint.     Doch  kann  man  auch 


et  forsch,  über  die  älteste  anneikunst  bei  den  Indogennanen.         43 

annehmeD,  dals  die  wrz.  yä,  ohne  das  causale  p,  die  cau- 
sale  bedeutung  erhalten  hätte,  was  sonst  bei  manchen  wur- 
zehi  der  fall  ist.  Der  wahre  sinn  von  largo g  wäre  so- 
mit anstreiber  der  krankheit,  was  gewifs  besser  pafst  als 
erwarmer. 


11)  Vom  besiegen  der  krankheit  heifst  im  sanskrit  das 
heilmittel  jäya,  aus  wrz.  ji,  vincere  wie  jaya,  sieg..  Im 
litauischen  aber  hat  die  wurzel  selbst  die  bedeutung  von 
sanare  angenommen,  und  gyti  (gyiu,  gyn u)  ist  heilen, 
eigentlich  vincere  (morbum).  Davon  abgeleitet  sind  ga- 
jus,  heilbar,  gyimas,  heilung,  gyjoma  iol^,  heilkraut, 
gajutte,  Chelidonia  majus  als  heilsam.  Von  der  causal- 
form  gydyti  (gydau)  kommen  femer  gydytojis,  arzt, 
gydimas,  heilung  u.  s.  w. 

Im  pohlischen  findet  man  das  übereinstimmende  goi<5, 
heilen,  goiene,  heilung,  goisty,  heilsam.  In  den  andern 
slawischen  sprachen  habe  ich  das  wort  nicht  entdecken 
können,  denn  das  altsl.  gon^znati,  salvare  ist  wohl  ganz 
verschieden.  Miklosich  vergleicht  goth.  ganisan,  schwer- 
lich mit  recht,*,  man  könnte  eher  an  die  skr.  wrz.  jams, 
servare,  tueri,  denken. 

Eine  merkwürdige  analogie  mit  skr.  jäyu  bietet  aber 
noch  das  irische  gius,  die  mistel,  das  vorzüglichste  heil- 
mittel bei  den  Gelten  schon  zur  zeit  der  Druiden.  Aus 
Plinius  wissen  wir,  dals  ihr  gallischer  name  omnia  sa- 
nans  bedeutete,  und  dazu  stimmt  ganz  das  irische  uil- 
iocadh,  wie  die  mistel  auch  genannt  wird.  Das  s  in 
gius  gehört  wahrscheinlich  zu  einem  neut.  thema  jayus 
(wie  in  aes^  aos,  aetas  =  skr.  äyus).  Damit  verwandt 
scheint  geasa,  zaubermittel,  geasadoir,  geasröir,  Zau- 
berer, geasaim,  wahrsagen  (denomin.?);  womit  wiederum 
das  armenische  gius,  zauberer,  giukh,  Zauberei,  zusam- 
mentri£%. 


12)  unter  den  namen  des  heilmittels  findet  sich  im 
sanskrit  dravya,  arznei  im  allgemeinen.     Das  wort  be- 


44  Pictet 

deutet  aach  harz,  gunimi,  pflanzensaft  und  überhaupt  was 
von  bäumeo  kommt  oder  zu  den  bäumen  gehört.  Es  wäre 
somit  eine  ableitung  von  dru,  bäum;  man  kann  es  aber 
auch  mit  drava,  saft,  ausfluls,  flüssiges  u.  s.  w.  zur  wrz. 
dru,  stillare,  setzen. 

Wie  dem  auch  sei,  dieses  wort  findet  sich  wieder  mit 
praef.  und  erweitertem  sinne,  im  altsl.  z"drav",*  sanus, 
russ.  zdorovyi,  poln.  zdrowy  u,  s.  w.;  illyr.  ist  sdrav, 
heilsam,  und  osdraviti,  heilen. 

Darrus  kann  man  auf  uraltem  gebrauch  der  pflanzen- 
säfte  zur  heilkunst  schliefsen,  wie  auch  ganz  natürlich  zu 
Tcrmuthen  war. 


13)  Dafs  die  arzneikunst  sehr  früh  als  eine  Wissen- 
schaft betrachtet  wurde,  bezeugt  das  skr.  vaidya,  arzt, 
eigentlich  gelehrter,  weiser,  von  veda,  Wissenschaft,  und 
wrz.  vid,  noscere.  Der  name  kommt  schon  im  Rämslyana 
vor  (II.  IX.  9I.  9.  ed.  Gorresio.  11.  x.  ed.  Schlegel);  ob  in 
den  veden  weifs  ich  nicht.  Aus  der  angegebenen  stelle  er- 
sieht man,  dafs  die  medizin  damals  schon  mit  vieler  Sorg- 
falt betrieben  wurde,  da  der  könig  Daparatha  von  seinen 
ärzten  spricht  als,  kupalä  vaidyäh  samvibhaktä9ca 
vrttibhih,  geschickt«  heilkünstler  in  den  verschiedenen 
zweigen  ihrer  kunst  getheilt*). 

Dals  der  name  vaidya  aber  uralt  sein  mufs,  erhellt 
aus  dem  litauischen^  wo  waistas,  waikstas,  heilmittel, 
und  waistitojus,  arzt,  bedeuten.  Die  nähere  wurzel  ist 
wid,  wyd  (wysti,  sehen),  welche  in  den  ableitungen  zu 
weid,  waid,  waizd  wird.  Im  illyrischen  finde  ich  auch 
is-vidati,  sanare,  medicare,  is-vidagne,  medicatio.  In 
den  andern  slavischen  sprachen  geht  die  bedeutung  über 
zur  Zauberei  und  Wahrsagung;  so  russ.  vjedün^\  hexen- 
meister,  vjed^ma,  hexe;  poln.  wiedma,  wieszczka,  id. 

*)  Nach  Manu's  gesetzbach  scheint  aber  die  Stellung  der  ftrzte  gerade 
keine  sehr  glänzende  gewesen  zu  sein,  da  ihre  speise  ilir  die  Brahmanen  un- 
rein war  (IV.  212),  sogar  gleich  eiter  (IV.  220);  und  die  medizin  Überhaupt 
nur  von  den  ambasht^&^  (söhnen  eines  brahmanen  und  einer  vai9ya,  das 
ist  von  einer  untergeordneten  käste)  betrieben  wurde  (X.  47). 


et.  foTBch.  Über  die  ttlteete  arzneiknnst  bei  den  Indogermanen.         45 

ad  Wahrsagerin;  böhm.  wjeshtiti,  wahrsagen,  illyr. 
^jesctica,  hexe  u.  s.  w.,  sämmtlich  vom  altsl.  Tidjeti, 
ndere. 

Ebenso  im  germanischen  vom  goth.  vi  tan,  scire  u.s.w., 
(las  ags.  wita,  nord.  vitkr,  magus,  vates;  ags.  witega, 
ahd.  wizago,  id.  Dazu  die  weisen  frauen  als  hei- 
lende. Auch  im  celtischen,  ir.  faidh,  ers.  fäidhe,  vates 
^cf.  fadh,  fodh,  feath,  scientia);  ir.  fiothnaise,  Zau- 
berer; cymr.  gwiddan,  hexe(gw7ddyd,  wissen)  u.dgl. m. 

Da  die  wurzel  vid  in  aUen  diesen  sprachen  lebendig 
geblieben  ist,  so  kann  man  nicht  überall  auf  eine  ursprüng- 
liche anwendung  auf  medizin  und  Zauberei  schlieüsen;  doch 
ist  das  begegnen  des  skr.  vaidya  mit  dem  lith.  waistas 
und  dem  illyr.  is-vviditi  schwerlich  zufallig. 

Aus  demselben  begriffe  des  wissens  in  wrz.  kit  (ci- 
keti)  entspringt  in  der  desider.  form  cikitsati  die  be- 
deutong  sanare,  woher  cikitsä,  medizin  und  cikitsaka, 
arzt,  schon  im  Rämäjrana  (11.  xc.  ^.  24;  Gorres.).  Berüh- 
mngen  finde  ich  anderswo  damit  keine. 


14)  Ich  komme  nun  zur  zendwurzel  madh,  metiri, 
welche,  wie  Bumouf  zuerst  gezeigt  hat,  mit  dem  präf.  vi 
die  bedeutung  von  medicare  annimmt,  woraus  vimädha, 
medicamentum  (J.  A.  1840.  42).  Im  sanskrit  findet  man 
für  metiri  die  wrz.  mäh,  die  wohl  für  m&dh  oder  madh 
steht.  Zu  dieser  form  scheint  mir  madhya,  medius  und 
centnun,  zu  gehören,  da  die  mitte  recht  eigentlich  das  ge- 
messene ist.  Das  wort  findet  sich,  wie  bekannt,  in  allen 
indogermanischen  sprachen,  wozu  man  Diefenbach  goth. 
wörterb.  voc.  midja  nachsehen  kann.  Ich  will  nur  dabei 
bemerken,  dafs  fxiaos'^),60  wie  das  irische  meas,  mensura, 
besser  zum  skr.  mas,  metiri,  als  zu  madhya  stimmt. 

Für  das  fehlende  madh,  mädh,  bietet  uns  das  sans- 
krit die  verwandte  wurzel  midh,  medh,  intelligere,  da 
das  begreifen  als  ein  geistiges  messen  verstanden  werden 
kann.   Man  vergleiche  dazu  mßdhi,  der  pfähl  im  centrum 

♦)  Aber  ^^<r<ro«!  K. 


46  Pi<^^^ 

der  tenne,  vielleicht  aach  m^dha,  zend  maSdha,  opfer, 
als  Vermittlung.  So  scheint  mir  auch  hierher  fjiav&dvw 
(fiaö-ü))^  intelligere,  discere,  das  man  sonst  zur  wrz.  manth, 
agitare,  gestellt  hat,  zu  gehören;  wobei  man  berücksichti- 
gen mufs,  dafs  fid&f]ais,  fid&tjfia  vorzüglich  die  kennt- 
nifs  der  zahlen  und  maafse  ausdrückt.  Ein  ähnlicher  Zu- 
sammenhang zeigt  sich  zwischen  goth.  mitan,  metiri  und 
mitön,  considerare;  doch  stimmt  die  wrz.  mit  wieder 
besser  zu  skr.  mad  (f&r  mad?)  metiri,  als  zu  medh,  so 
wie  auch  fiijSofiai^  welches  Burnouf  damit  vergleicht. 
Das  ir.  meadh,  wage  und  cymr.  meidr,  maafs,  können 
so  gut  zur  einen  als  zur  anderen  form  gehören. 

Nicht  so  das  lateinische  mederi,  medicus  u.  s.  w., 
dessen  specieller  sinn,  der  sich  sonst  nirgends  erhalten  hat, 
bestimmt  auf  das  zend.  mädh  zurückweist  Es  ist  dar- 
nach zu  vermuthen,  dafs  meditari  und  modus  (eigentl. 
maafs)  gleichfalls  zu  m4dh  gestellt  werden  müssen. 

Was  ungewifs  bleibt  ist  der  eigentliche  begriff,  den 
man  mit  vimadh  als  heilen  verband.  War  es  ein  nach- 
denken über  die  krankheit,  ein  streben  nach  der  kenntnifs 
des  Übels  wie  skr.  cikits,  oder  ein  wirkliches,  materielles 
messen?  Letzteres  wäre  sehr  möglich,  da  nach  Grimm  (d. 
myth.  1116.  2i^  ausg.)  es  ein  uralter  gebrauch  ist  die 
kranken  zu  messen,  um  sie  zu  heilen.  In  diesem  falle 
würde  das  zusammentreffen  des  zends  und  lateins  diesen  son- 
derbaren gebrauch  bis  in  die  fernste  vorzeit  zurückßlhren. 

15)  Nachträglich  erwähne  ich  noch  einiger  ausdrücke 
und  gebrauche,  die  mehr  vereinzelt  dastehen,  aber  dennoch 
bemerkenswerth  sind. 

a)  Von  der  anwendung  des  gesangs  und  der  musik, 
auch  wohl  des  blofsen  lärmens  und  Schreiens,  als  heilver- 
fahren,  finde  ich  im  sanskrit  keine  spur.  Sie  scheint  be- 
sonders den  Griechen  und  Slawen  eigen  gewesen  zu  sein; 
bei  den  Römern,  Germanen  und  Gelten  hingegen  blofs  für 
Zauberei  im  gebrauch.  Der  heil-  und  zaubergesang  hiefs 
bei  den  Griechen  inaoiSi],  inrpStjy    schon    im  Homer, 


et  forsch.  Ober  die  illteste  arzneiknnst  bei  den  Indogermanen.         47 

WO  die  söhne  des  Autolykus  damit  den  blutflufs  des  ver- 
wundeten Odysseus  stillen  (Od.  XIX,  457).  Nach  Theo- 
phrast  heilte  man  die  gicht  mit  flötenspielen  über  das  kranke 
glied.  Der  schreier  aber,  yorjg^  war  nur  Zauberer,  gauk- 
1er,  betröger,  wie  marktschreier;  und  yotj  galt  ftr  ulula- 
tns  magicus  (cf.  skr.  gu,  sonare). 

Das  altsl.  balii  vereinigt  die  bedeutungen  von  incan- 
tator  und  medicus,  und  bal'stvo  ist  medicamentum.  Mi- 
klosich  stellt  es  zu  o-bavati,  incantare,  und  vergleicht 
(pdio  und  fa-ri  (man  könnte  eher  an  ßoday  denken).  Im 
poln.  ist  batuch  dumpfes  betäubendes  getöse;  im  russ.  ist 
baly,  geschwätz,  narrenspossen ,  balii  ein  possenreifser; 
femer  baläkatj,  schwatzen,  balakanie,geplauderu.s.w., 
und  so  ist  wohl  der  begriff  des  Schreiens,  lärmens  der  ur- 
sprüngliche. Vergleicht  man  nun  damit  das  lat.  balare, 
blocken,  das  ags.  bellan,  nord.  belia,  ahd.  pellan,  boare, 
latrare;  das  cymr.  ballaw,  clamare,  das  lit.  byliti,  loqui, 
auch  noch  das  pers.  bS,lah,  klage  u.  s.  w.,  so  wird  man 
wohl  zu  einer  wurzel  bhal  geführt,  die  sich  auch  im  sans- 
krit  findet,  aber  mit  der  secundären  bedeutung  von  me- 
morare,  describere  (bei  Wilson:  to  teil,  to  describe,  also 
durch  reden). 

b)  Das  ahd.  arz&t,  arzenari,  medicus,  steht  ganz 
vereinzelt  da,  und  wird  bis  jetzt  aus  artista  erklärt.  Da 
aber,  nach  Grimm's  bemerkung  (d.  myth.  1103)  es  nicht  un- 
mittelbar daraus  abzuleiten  ist,  so  kann  man  sich  wohl 
nach  einer  andern  quelle  umsehen*).  Die  wurzel  müfste  arz 
sein,  und  damit  stimmt  ganz  das  griech.  HqSslv,  facere, 
Sacra  facere,  sacrificare ;  auch  einem  etwas  anthun  im  bösen 
sinne,  'igSsiv  tivi  t£,  einen  behexen.  Dafs  (gSetv  gleich 
ÜQyBiv  sei,  wie  Benfey  als  gewifs  angibt  (griech.  wurzellex. 
L  84)  scheint  sehr  zu  bezweifeln.  Es  gehört  wahrschein- 
lich zum  v^dischen  ard,  ire  (in  Nigh.),  woraus  der  sinn 
von  facere  sich  leicht  entwickelt,  wie  in  der  wrz.  car.  Der 
arzt  wäre  somit  wieder  ein  zauberer,  und  es  ist  merkwür- 

♦)  Neuerdings  leitet  Grimm  arz&t,  gestutzt  auf  mnl.  aersatre,  aus  oQxf^*- 
T^o?,  d.  wb.  677.  K- 


4S  Pictet 

dig,    dafs  das  pers.  &rd&w  gerade  diesen  sinn  hat,   und 
ardÄ  einen  magischen  priester  bezeichnet. 

c)  Dunkle  irische  namen  des  arztes  sind  freapaire 
und  teibe.  Ersteres,  wozu  auch  freapadh,  arznei,  be- 
deutet ebenfalls  Springer  (a  bouncer),  so  wie  freapadh, 
Sprung,  lauf,  ausschlagen  mit  den  f&fsen.  Man  findet  auch 
als  verbum  preabaim,  springen,  stampfen,  und  preab, 
preabadh,  sprung,  zucken.  Ers.  ist  priobadh,  das 
zucken  der  augenlider.  Weist  dies  auf  das  tanzen  des  arz- 
tes um  den  kranken,  wie  es  bei  mehreren  wilden  yölkem 
der  brauch  ist?  Doch  könnte  man  auch  das  wort  mit  prea- 
ban,  flickstück,  und  preabanaim,  flicken,  vergleichen, 
wodurch  es  sich,  dem  sinne  nach,  zum  griech.  axBari^Q^ 
axiofjiai,  und  zum  hebr.  r&phä,  sarsit  und  sanavit,  stel- 
len würde. 

Was  teibe  betriffi;,  so  gibt  das  irische  keine  erklä- 
rung;  es  stimmt  aber  sonderbar  zum  arabischen  tabib, 
arzt,  tabibi,  heilkunst,  tabb,  tibb,  tubb,  arznei  und 
Zauberei.  Die  wurzel  ist  tabba,  etwas  mit  mufse  thun, 
medizin  ausüben.  Vom  arabischen  ist  das  wort  auch  in 
die  malayischen  sprachen  gedrungen,  mal.  tabib,  dajak. 
tabit,  arzt.  Es  finden  sich  nun  zwar  im  irischen  eine 
gewisse  anzahl  von  Wörtern,  die  sich  schwerlich  anders  als 
aus  dem  semitischen  erklären;  wie  sie  aber  hineingekom- 
men sind,  ist  noch  eine  sehr  dunkle  frage. 

d)  Das  Sanskrit  hat  viele  eigenthümliche  ausdrücke 
tdr  arzt,  heilkunst  und  heilmittel,  die  theils  neueren  Ur- 
sprungs sein  können,  theils  ungewisser  abkunfl  sind. 
Vom  leben  heifst  die  medizin  äyurveda,  Wissenschaft 
des  lebens,  und  jtvada,  lebengebend,  und  die  arznei 
jivanta,  jaivatrka.  Als  gegner  der  krankheit  heifst 
der  arzt  rögahan,  rögah&rin,  rögäntaka,  rögapan- 
taka,  der  die  krankheit  tödtet,  wegnimmt,  endet,  beschwich- 
tigt.' Von  gada^  übel,  kommt  gadäräti,  arznei  (krank- 
heitsfeind);  agada,  übellos,  heil,  heilsam,  agadakära, 
heilmacher,  arzt.  Döshajna  ist  der  krankheitkenner.  Un- 
ter daivi,  göttliche,  verstand  man  einen  besondern  zweig 


et  forsch.  Über  die  älteste  anaieiJcimst  bei  den  Indogermanen.         49 

der  medizin  durch  Zauberei.  Andere'  leicht  verständliehe 
namen  des  heilmittels  sind  päcana,  als  gekochtes,  amrta, 
todloses,  sädhana,  wirkendes,  kshetriya,  zum  körper 
gehörig,  takilä  wahrscheinlich  sustentans,  von  tak, 
ferre*).  Das  vieldeutige  tantra  erklärt  sich  wenig,  als 
arznei,  aus  tan,  tendere.  —  Dunkle  namen  des  arztes  sind 
vathara  (vielleicht  aus  vath,  valere,  sufiScere;  unbelegt) 
und  das  wunderliche  ha,  auch  vieldeutig  und  schwer  zu 
deuten. 

Diese  au£sählung  macht  keinen  anspruch  auf  Vollstän- 
digkeit und  wird  sich  leicht  vermehren  lassen. 


Blicken  wir  zurück  auf  den  durchlaufenen  weg,  so 
dürfte  die  ernte  im  ganzen  reicher  erscheinen  als  zu  er- 
warten stand.  Der  berührungspunkte  zwischen  den  ver- 
schiedenen ästen  des  grofsen  sprachstammes  sind  hier  ziem- 
lich viele,  obgleich  die  analogien  weniger  durchgreifend 
sind  als  in  andern  Wortklassen.  Sie  umfassen  aber  das 
ganze  gebiet  des  indogermanischen,  und  was  sich  hier  ver^ 
loren  hat,  findet  sich  dort  noch  erhalten.  Wörter,  die  sich 
auf  gewisse  gebrauche  und  sitten  beziehen,  verschwinden 
eher  und  leichter  im  laufe  der  zeit  mit  der  sache  selbst, 
als  diejenigen,  welche  unveränderliche  naturgegenstände  be- 
zeichnen; und  in  hinsieht  auf  die  heilkunst,  die  so  man- 
chen Wechsel  erfahren  hat,  mufs  man  noch  erstaunen  über 
die  masse  des  nach  mehreren  Jahrtausenden  zurückgeblie- 
benen. 

Was  die  begriffe  anbetrifft,  die  sich  uns,  als  zur  vor- 
historischen medizin  gehörend,  enthüllt  haben,  so  sind  sie 
im  ganzen  ziemlich  roh  und  sehr  wenig  wissenschaftlich. 
Zauberei  und  abergläubische  gebrauche  scheinen  vom  an- 


*}  Diese  bedeutung  scheint  mir  auch  die  des  griech.  (pag/iaitov  zu 
sein,  das  ich  nicht  mit  Benfey  (gr.  wurzellex.  I.  516)  zu  fiaaaa  stellen 
mochte,  als  geknetetes  {{paQ  Hlr  y^a  und  pra?),  sondern  zu  yi^w  (bhr) 
als  sustentans  (cf.  skr.  bharma  Stipendium,  bharmaka?).  Dafür  spricht 
nicht  nur  die  analogie  von  takila,  sondern  die  des  pers.  dftrü,  arznei,  von 
däshtan  (2  pers.  praes.  däri)  ferre,  tenere  d&r,  dÄrandah,  trllger  u.  s.  w. 
Cf.  skr.  dh]:,  ferre,  sustentare,  nutrire. 

V.    1.  4 


60 


Kuhn 


b^nn  gewaltet  zu  haben,  wie  sie  sich  später  unter  ver- 
schiedenen formen  fast  überall  wiederfinden.  In  diesem 
gebiete,  wie  auch  in  allen  andern,  führt  uns  die  forschung 
auf  einen  zustand  des  schlichten  naturlebcns  bei  unseren 
Ütesten  vorfahren.  Das  mag  denen  wenig  gefallen,  wie 
Kuhn  es  anderswo  bemerkt*),  die  noch  immer  von  einer 
anfänglichen  goldenen  zeit  der  Wissenschaft  träumen,  aber 
die  beweise  davon  liegen  unumstöfdich  in  den  sprachen  zu 
tage;  und  es  ist  dieses  schon  ein  wichtiges  ergebnifs  der 
vergleichenden  Sprachkunde. 

Adolphe  Pictet. 


Zusatz  des  herausgebers  über  ido/iai  und 
mederi. 

Unter  den  im  vorstehenden  aufeatz  zusammengestellten 
Wörtern  befinden  sich  auch  die  beiden  gebräuchlichsten  verba 
der  alten  sprachen  für  den  begriff  der  heilung  nämlich  läofAai 
und  mederi,  über  welche  ich  noch  noch  ein  paar  worte  hin- 
zufügen will. 

Dem  griech.  läof/ai.  entspricht  genau  das  skr.  causale 
yävayämi  der  wrz.  yu  cl.  3,  welches  wie  das  einfache  ver- 
bum  die  bedeutung  arcere,  avertere  hat;  beide  werden 
nicht  seltoi  mit  amivä  f.  plage,  drangsal,  schrecken;  drän- 
ger, plagegeist;  leiden,  krankheit  (auch  die  persönlich  ge- 
dachte Ursache  der  krankheit,  vgl.  Böhtlingk-Roth  sanskr. 
wörterb.  s.  v.)  verbunden.  So  findet  sich  das  simplex  R. 
1.  189.  3: 
&gne  tv&m  asm&d  yuyodhy  ämivä  anagniträ  abhydmanta 

krshtih  I 
„Agni,  wehre  du  von  uns  die  krankheiten;    mögen  sie  auf 
die  von  Agni  nicht  beschützten  sterblichen  fallen!^  R.  10. 
63.  12. 


*)  In  Weber's  Ind.  Studien  I.  863. 


ttber  fdoftat  und  mederi.  51 

apamtväm   apa    Ti^yäm  an&hutim  ap&rätim   dnmdatr&m 

agh&yatah  | 

are  dvesho  asmad  yuyotana  | 
Entfernt  von  uns  krankheit,  jegliche  unterlaesung  der  spen* 
fa),  die  imheUTolle  bosheit  des  sünders,  weit  von  uns  den 
üadl  ^  R.  7.  34.  13:  yuyota  Tishvag  rapas  tanün&m  haltet 
fame  ganz  und  gar  die  übel  des  leibes.  —  Vom  causale 
inde  ich  so  namentlich  den  aorist  gebraucht.  R.  7.  38.  7 
=  Väj.  9.   16: 

jambhayanto  'him   vr'kam  r&xänsi  sÄnemy  asm&d  yuya- 

Yann  4miväh  | 
^den  draefaen  Temichtend,  den  wolf,  die  Raxasen,  mögen 
sie  gänzlich  von  uns  die  dränger  (oder  die  krankheiten  nach 
Mahidhara)  fem  halten^.  Dazu  yergleiche  man  noch  die 
häufig  vorkommende  formel  yävaya  dveshas  wehre  ab  den 
feind,  sowie  £.  1.  5.  10:  yavayä  Tadham  halte  ab  die  Ver- 
letzung u.  ä.  und  es  kann  wohl  kein  zwcifel  bleiben,  dafs 
(douai  ursprünglich  dieselbe  bedeutung  hatte,  aus  der  sich 
dann,  da  die  krankheit  als  in  den  körper  einziehender  da- 
mon  betrachtet  wurde,  die  des  yertreibens  und  heilens  der- 
selben entwickelte. 

Denselben  yorstellungen  scheint  sich  auch  mederi  an- 
zureihen. Die  veden  bieten  die  wrz.  mith  oder  meth  mit 
der  bedeutung  zusammenstofsen,  schlagen,  schmähen,  wo- 
von auch  mithäs  ady.  wechselsweis,  einer  nach  der  andern, 
eig.  aneinanderstofsend ,  mithuna,  adj.  yerbunden,  geminus 
a.  a.  w.  stammen.  Von  dem  dieser  wurzel  entstammenden 
verbum  methämi  findet  sich  das  ätmanepadam  R.  1.  113.  3, 
wo  es  von  nacht  und  morgenröthe  heifst  „na  methete  na 
tasthatuh  sie  treffen  sich  nicht  und  stehn  (doch)  nicht  still^ 
(vgL  ags.  metan,  e.  to  meet,  die  aber  nur  verwandt  nicht 
identisch  zu  sein  scheinen,  da  sie  tenuis  statt  media  zeigen) ; 
femer  parasm.  R.  1.  42. 10:  na  püshanam  methamasi  süktair 
abhigrnlmasi  „nicht  schmähen  wir  den  Füshan,  mit  loblie- 
dem  preisen  wir  ihn^  und  das  ptc.  amithita  ungeschmäht, 
ungereizt  Nir.  4.  2 : 


52  Ebel 

kö  nü  maryä  amithitah  o&khk  s&kh&yam  abravtt  | 
jahi  ko  asmad  ishate  || 
^Wer  doch,  ihr  sterbÜcheD,  so  sprach  er  (Indra),  hat  ohne 
gereizt  zu  sein  als  freund  seinen  freund  ins  verderben  ge- 
bracht? wer  mufs  vor  mir  flüchten  (Roth)?**  Y&ska  erklärt 
an  dieser  stelle  methati  durch  äkro^akarma  d.  h.  schmähen. 
Zu  dieser  würze!  mith  scheint  sich  nun  auch  mederi  als 
eine  causalform  zu  stellen,  die  einmal  den  vokal  verkürzte^ 
und  zweitens,  wie  oft  geschieht,  die  bedeutung  des  simpIex 
bewahrte,  so  dals  mederi  morbo  ursprünglich  „der  krank- 
heit  fluchen^  bedeutete.  Für  die  gleichstellung  von  skr.  e 
mit  lat.  ^  sprechen  skr.  devara,  levir,  skr.  buS.  eya,  ejus, 
die  Verkürzung  zu  lat.  e  zeigen  sufp.  eya  =  eus  und  deva, 
deus,  wo  sie  aber  freilich  dem  allgemeinen  prosodischen 
gesetz  gemäfs  ist;  einen  speciellen  grund  der  Verkürzung 
für  unsem  fall  weifs  ich  nicht  anzugeben,  doch  hat  sich 
in  ganz  gleicher  weise  das  e  in  meditari,  verglichen  mit 
skr.  medhä  Weisheit,  verkürzt. 

A.  Kuhn. 


Gothisch  und  althochdeutsch*). 
Zu  IV.  266  fgd. 

Zur  lautlehre.  Reines  a  zeigt  das  ahd.  in  2pL 
praes.,  wo  das  goth.  i  angenommen  hat:  ahd.  nSmat  be- 
ruht auf  älterer  form  als  goth.  nimi]?. 

In  der  lautverschiebung  zeigt  das  ahd.  öfters  dritte 
stufe,  wo  das  goth.  auf  der  ersten  stehen  geblieben  ist. 
Neben  goth.  du,  dis-  finden  wir  ahd.  za,  zuo  (=  ags. 
to)  und  zar,  zir-;  selbst  ahd.  sl&fu  (wie  ähnliche  formen) 
schliefst  sich  nicht  an  das  dem  goth.  slSpa  zugrundelie- 
gende släpami,  dem  ein  ahd,  slAphu  entsprochen  hätte, 
sondern  setzt  ein  älteres  slftfami  voraus.    An  der  schnei- 

*)  Vergl.  auch  weiter  unten  den  aufsatz  von  Bugge. 


gothisch  und  althochdentscb.  53 

Jeren  Verschiebung  in  patar  (skr.  pitr)  und  mätar  nimmt 
es  dagegen  teil:  ahd.  fatar,  muotar  stimmen  nicht  zum 
urdeutschen  faj>ar,  m6}>ar,  sondern  zum  goth.  fadar, 
^modar. 

Nicht  beistimmen  kann  ich,  wenn  ahd.  g  älter  sein  soll 
als  goth.  h;  befremdet  hat  mich  aber,  dai's  das  bohm.  h 
statt  g  zum  beweise  angeführt  wird,  während  doch  jede 
spräche,  ja  jeder  dialect  seine  eignen  lautgesetze  hat,  die 
oft  denen  der  nächstverwandten  sprachen  geradezu  wider- 
sprechen. Skr.  s  geht  z.  b.  vor  s  in  t  über,  griech.  r  da- 
gegen vor  a  und  r  in  a,  lat.  t  zieht  sogar  nach  dem  über- 
gange in  s  den  des  folgenden  t  vielfach  nach  sich,  und 
goth.  vaist  von  vait,  selbst  ahd.  wissa  statt  wista  aus 
witta  zeigen  uns  dasselbe  gesetz. 

Zur  Wortbildung.  Die  Grimmische  ansieht,  dafs 
die  deutschen  suffixe  sämmtlich  mit  vocalen  angelautet  hät^ 
ten,  von  Pott  et.  forsch.  11.  229  bekämpft,  hat  jetzt  einen 
neuen  Vertreter  gefitnden,  indem  nach  Schleicher  ahd.  fo- 
cal,  vinkar,  wäfan  u.  a.  älter  sind  als  goth.  fugls, 
figgrs,  vSpn.  So  wenig  aber  bei  dem  jetzigen  stände 
der  Untersuchungen  über  die  Wortbildung  in  vielen  fallen 
ursprünglich  vocalischer  anlaut  der  suffixe  geleugnet  wer- 
den kann,  so  entschieden  müssen  wir  in  vielen,  ofl  in  den- 
selben fallen  eine  solche  grundform  für  das  deutsche  in  ab- 
rede stellen.  Es  ist  nicht  abzusehen,  wie  aus  einer  urform 
fugalas  das  harte  fugls  sich  entwickeln  konnte,  während 
fuglas  sich  leicht  einerseits  in  goth.  fugls,  andrerseits 
durch  focias  focls  focl  oder  durch  fugalas  focalas 
focals  in  ahd.  focal  verwandeln  konnte;  das  nhd.  mauer, 
feuer  gegen  ahd.  müra,  fiur  zeigen  sehr  deutlich,  wie 
sich  allmählich  ein  bindevocal  eingeschlichen  hat,  und  die 
beispiele  bei  Kirchhoff  (I.  39  dieser  zeitschr.)  stimmen  da- 
mit um  so  mehr  überein,  als  der  eyischub  nicht  immer 
zwischen  wurzel  und  suffix  fällt:  vergl.  z.  b.  das  lehn  wort 
churipiz  =  lat.  (cu)curbita.  Den  deutlichsten  beweis 
liefert  aber  das  ahd.  selbst  in  der  mangelnden  lautverschie- 
hung  einiger  Wörter  auf  -tar.     Bekanntlich  ist  die  laut- 


64  Ebel 

yerschiebung  nirgends  conseqaenter  durchgefthrt  als  bei 
den  dentalen,  und  doch  stehn  z.  b.  ahd.  pittar,  otar, 
hlütar,  snottar  neben  goth.  baitrs,  ags.  oter,  goth. 
hlutrs,  snutrs:  ohne  allen  ersichtlichen  grond,  wenn  die 
Urform  auf  -aras  ausging;  nach  unabänderlichem  lautge- 
setz,  wenn  auf  -ras.  Ueber  tr  konnte  die  hochdeutsche 
lautyerschiebung  nicht  hinaus:  während  ursprüngliches  tr, 
goth.  l'r,  ahd.  dr,  urspr.  dhr,  goth.  dr,  ahd.tr,  urspr. 
dhv  in  dreifacher  Verschiebung  goth.  dv,  ahd.  tw,  mhd. 
zw,  urspr.  tv  sogar  in  vierfacher  goth.  ]? v,  ahd.  dw,  mhd. 
tw,  nhd.  zw  gab,  blieb  ursprüngliches  dr  constant  auf  der 
goth.  stufe  tr  stehn.  Dafs  veir  also  ahd.  pitar  neben  pi- 
zan  finden,  beweist  zur  genüge,  dals  goth.  baitrs  der  ur- 
deutschen form  näher  geblieben,  diese  bitras  gelautet  hat; 
wäre  die  urform  bitaras  gewesen,  so  hätte  sich  ahd.  piz- 
zar  ebensowohl  daraus  entwickelt  vae  pizan  aus  bei  tan 
oder  wazar  aus  watar.  Ebenso  verhält  es  sich  mit  otar 
hlütar  snottar,  urdeutsch  utras  hlütras  snutras. 
Jedenfalls  ist  also  mit  Pott  als  urdeutsche  form  dieser  Suf- 
fixe -ra,  la,  na  anzusetzen;  in  welcher  der  beiden  oben 
angenommenen  reihen  sich  aber  fug  las  zu  focal  gestal- 
tet hat,  ist  schwer  zu  entscheiden,  doch  spricht  die  ana- 
logie  des  ahd.  wolf  neben  goth.  vulfs  mehr  für  die  erste 
reihe:  fuglas  focl(a)s  focl(s)  focal. 

Das  Suffix  -as,  das  im  ahd.  so  zu  sagen  determi- 
nativ auftritt,  im  nord.  hoens  nachzuweisen,  erscheint 
individualisirend  im  goth.  vShs,  veihs,  welches  ich 
neulich  mit  unrecht  unter  den  kritformen  aufgeführt  habe. 
Der  vocalismus  des  griech.  olxog  zeigt,  dafs  veihs  (statt 
veihas)  erst  aus  einem  vorangegangenen  veiha  =  ahd. 
wich  durch  anf&gung  des  taddhitasuff.  -as  entstanden  ist. 

Zur  conjugation.  Vom  goth.  völlig  unabhängige 
entwicklung  zeigte  in  der  starken  conj.  im  ahd.  aufser 
den  oben  erwähnten  formen  des  indicativs  -u,  amSs,  at 
auch  die  1.  pers.  cj.  praes.  auf  -e,  das  aus  dem  goth.  -an 
nicht  entstehn  konnte,  und  cj.  praet.  auf  -t,  das  eben  so 
wenig  direct  aus  goth.  -jau  stammen  kann.     Wie  im  ind. 


gothiBch  and  althochdeutsch.  55 

praes.  das  goth.  das  m  scheinbar  ohoe  ersatz  yerloren,  das 
ahd.  das  -am  in  u  verwandelt  hat,  so  hat  im  conj.  umge- 
kehrt das  gothu  m  in  Q  verwandelt,  das  ahd.  es  abfallen 
lassen.  Das  goth.  vergleicht  sich  in  dieser  hinsieht  dem 
griech.,  welches  ebenfalls  die  endung  -^t  nach  dem  binde- 
vocal  (ohne  ersatz  aulser  der  Verlängerung  -o);  Verlänge- 
rung haben  wir  aber  auch  filr  die  urform  des  goth.  anzu- 
nehmen,  da  kurzes  a  im  auslaut  geschwunden  wäre)  abge- 
worfen, -/Ei  dagegen  in  der  Schwächung  v  bewahrt  hat  (au- 
iser  nach  airirvq/a,  Hrv^pa),  Das  ahd.  erinnert  mit  dem 
m  der  1.  praes.  ind.  der  schwachen  conj.  salpöm,  ha- 
pern an  das  äolische  inaivTjfii,  dtaxifiiaiiii. 

Die  conj unctiv formen  lassen  verschiedene  deutun- 
gen  zu,  doch  kann  die  contraction  in  den  goth.  formen  der 
o-conjugation  wohl  um  so  weniger  bezweifelt  werden,  als 
selbst  in  den  ahd.  quellen  £e  ejS  und  e,  öS  öjS  und  6 
neben  einander  vorkommen.  Schwieriger  ist  die  former- 
klänmg  in  der  ai-oonjugation,  da  namentlich  wegen  der 
formen  des  ind.  -a  am  and  und  des  inf.  -an  einfache 
contraction  nicht  gut  anzunehmen  ist.  Wir  müssen  des- 
halb auf  die  eia&che,  starke  conjugation  zurückgehn,  wo 
uns  eine  ähnliche  erscheinung  begegnet. 

(Zu  n.  181  fgd.) 

Dem  goth.  conj.  liegen  nur  im  du.  und  pl.  formen 
mit  -i,  im  sing,  dagegen  solche  mit  -ja  zu  gründe,  ähn- 
lich wie  im  griech.  opt.  sg.  -oitiv  pl.  ^oifiBv  oder  im  alt- 
lat.  siem  pl.  simus,  genauer  wie  im  opt.  aor.  1  -eta  (aus 
a$afA)  '€ias  'Sib{t)  neben  aif^av  aitSy  aiBv(t)  aus 
aivT,  das  nur  durch  Verkürzung  oder  vocaleinschub  mund- 
recht wurde,  vgl.  oben  IV.  283.  Die  urform  lautete  folg- 
lich im  praet.,  also  ohne  bindevocal:  -jam  (jas  oder)  jis 
(ja]>  oder)  ji]'  eimä  ei)>a  ein(d),  woraus  mit  ausnähme 
der  ersten  person  - jau  streng  nach  dem  auslautgesetz  -eis  i 
eima  eip  eina  hervorging ;  im  praes.,  mit  bindevocal :  -aiam 
(aias,  wohl)  aiis  (aia]>,  wohl)  aii)>  aimä  aii>a  ain(d),  woraus 
wieder  mit  ausnähme  der  ersten  person  -au  streng  nach 


56  Ebel 

dem  auslautgesetz  -ais  ai  aima  ai>  aina  hervorging.  (Im 
sing,  wäre  ursprüngliches  -ais,  ai)?,  eis  in  -as,  a,  is  über- 
gegangen*), während  im  pl  die  mehrsilbigkeit  ai  und  ei 
schützte;  die  nebenform  der  3.  pers.  sg.  -ai)?,  ursprünglich 
-ai)?i,  hat  natürlich  von  vom  herein  so  wenig  ein  a  ge- 
habt als  das  griech.  -oifii.)  Wie  erklärt  sich  nun  aber  das 
-au  der  ersten  person  statt  -aiam,  also  eines  zu  erwarten- 
den -aiau?  Wir  haben  wohl  hierin  ein  eigentümliches 
lautgesetz  des  goth.  zu  erkennen,  kraft  dessen  sich  ai 
vor  a  nicht  blofs  in  aj  verwandelt,  sondern  zunächst  das  j 
verliert  wie  im  griech.  -  iw  statt  -e/oi,  bis  endlich  auch  das 
a  ausfällt  wie  im  ep.  ion.  -eai,  so  statt  -eecay  eeo.  aja  scheint 
im  goth.  gar  nicht  vorzukommen,  aia  nur  statt  äia,  wie  in 
den  reduplicirenden  verbis  der  7ten  classe  bei  Grimm  (saian 
laian  vaian)  das  prät.  saisö  und  die  analogie  der  6ten  classe 
fleka  faiflök  entstehung  aus  sä-ji^  u.  s.  w.  am  wahrschein- 
lichsten macht.  Dann  mufste  -aiau  zu  a(j)au  (a)au  wer- 
den. So  erklären  sich  auch  am  leichtesten  die  formen  der 
schwachen  conjugation,  in  denen  ai  spurlos  verschwindet: 
-a  am  and  an  au  aus  -aja  (urf.  aiami)  u.  s.  w.^  aber  -ais 
ai)>  im  ind.  aus  -ajis  aji]?,  -ais  ai  im  conj.  aus  -ajais  ajai 
(urf.  im  ind.  -aiisi,  im  conj.  -aiaiis);  denn  dafs  nicht  der 
nasal  in  diesen  formen^  wie  es  scheinen  könnte,  die  Schwä- 
chung des  ai  in  a  bewirkt  hat,  ergiebt  sich  daraus,  dafs 
mit  ausnähme  der  1.  sg.  cj.  -au  alle  diese  silben  erst  später 
nach  abfall  des  vocals  endsilben  geworden  sind.  Ist  das 
aufgestellte  lautgesetz  richtig,  so  folgt  daraus,  dafs  die  2te 
und  3te  pers.  sg.  cj.  ursprünglich  auf  -jis,  ji)>  geendigt  hat, 
weil  sonst  -ajas  und  ajaO^)  in  -as  und  -a  übergegangen 
wäre**);  dafs  wir  im  cj.  praet.  -eis  finden,  erklärt  sich  aus 


•)  Westphal  ist  inconscqucnt ,  wenn  er  II.  164  annimmt,  dafs  ai  nur 
im  ursprünglichen  auslaute  zu  a  werden  müsse.  Wenn  a  und  i  eben- 
sowohl vor  consonanten  als  im  auslaute  fortfallen,  so  kann  der  endconsonant 
auch  nicht  die  kUrzung  des  ai  in  a  aufhalten,  namentlich  nicht,  w^enn  er  in 
der  Periode,  wo  die  kürzungen  eintreten,  schon  geschwunden  ist,  wie  in  8.  sg. 
cj.  das  |>.  Somit  fallen  auch  W.'s  deutungeu  des  gen.  dat.  der  i-dcclination, 
die  Ich  IV.  152  noch  für  möglich,  aber  unwahrscheinlich  hielt. 

*"*)  Ich  hätte   daher   auch   den   gen.  der  i- stamme  entschiedener  in  der 


gothlsch  und  althochdeotsch.  57 

der  länge  der  Wurzelsilbe:  föreis,  sSteis,  bundeis,  -dddeis. 
Die  lY.  141  bemerkte  assimilation  vod  -asi  zu  -isi  hat 
also  stattgefimden,  ehe  die  endungen  der  nebentempora  sich 
durch  abfail  des  i  erleichtert  haben. —  Das  -au  der  Isten 
pers.  sg.  statt  -am  vergleicht  sich  wohl  am  besten  mit  der 
erweichung  des  m  in  v,  u,  die  das  skr.  vayam,  goth. 
veis  und  die  dualendungen  skr.  -vas,  va,  goth.  -6s,  u, 
va  zeigen.  (Dafs  im  ind.  nur  im,  wie  im  lat.  sum,  das  m 
bewahrt,  hat  wohl  seinen  grund  im  consonantischen  aus- 
gange  der  wurzel,  der  es  unmöglich  machte,  wenn  -mi  ohne 
weiteres  abfiel,  erste  und  zweite  person  zu  unterscheiden; 
oder,  was  nach  analogie  der  pron.  decl.  fast  wahrschein- 
licher ist,  dams  m  von  Im  ist  gar  nicht  allein  das  m  der 
endung,  sondern  zugleich  das  diesem  assimilirte  s  von 
Immi  statt  !smi  wie  |>amma  statt  )>asmai.) 

Im  abd.  conjunctiv  der  e-  und  6 -conjugation  entsteht 
nur  die  frage,  ob  -eje,  oje  oder  -^e,  66  die  urspr.  form 
ist.  Im  ersten  falle  stände  das  -j6  fikr  j4,  was  nach  analo- 
gie von  plintSr,  farames  nicht  unmöglich  wäre,  jedoch  durch 
die  starken  conjunctivformen  ohne  bindevocal  -i,  mit 
bindevocal  -6  höchst  unwahrscheinlich  wird.  Wir  müssen 
daher  wohl  von  der  form  -oe,  ee  ausgehn,  und  annehmen, 
dafs  der  hiatus  entweder  durch  einschub  eines  j  oder  durch 
contraction  (wie  beim  goth.  6)  getilgt  wurde  oder  offen 
blieb,  denn  alle  drei  formen  finden  sich  in  den  ahd.  quellen. 


Indem  ich  die  obigen  bemerkungen,  wozu  mich  zu- 
nächst der  von  hm.  prof.  Schleicher  ausgesprochene 
wünsch  veranlafst  hat,  wobei  natürlich  neben  bestätigun- 
gen  auch  manches  bedenken  hervorgetreten  ist,  noch  ein- 
mal überblicke,  und  mir  ein  bild  der  urform  der  goth.  con- 
jugation entwerfe,  wie  sie  sich  mir  ergeben  hat,  kann  ich 
nicht  umhin,    auf  den  imperativ  zurückzukommen,    der 


Roth.  Urform  -ajis  ansetzen  sollen,  als  dort  geschehn  ist^  den  der  u-stäinmc 
-avis,  wie  schon  die  analogie  der  cons.  decl.  verlangt. 


58  Ebel 

uns  einen  interessanten  blick  in  die  geschiebte  unseres 
spraebstammes  tbun  läTst.  Die  urform  des  gotb.  impera- 
tivs  lautet  nämlicb,  wie  scbon  Westpbal  U.  187  bemerkt 
bat,  auf  -i  aus;  das  beweist  die  i-conjugation  mit  ibrem 
sökei  wie  sökei]'  neben  sökjats,  ebenso  die  ai-conju- 
gation  mit  dem  babai  neben  babats  (statt  babaji,  baba- 
jats).  Dafs  aber  dies  i  keine  dialectiscbe  scbwäcbung  wie 
im  pl.  gibi)>  (aus  gibi)>a  statt  giba)>a)  ist,  beweist  das  ahd., 
welcbes  in  seinem  ggbat,  kSpat  das  ursprüuglicbe  a  be- 
wahrt bat,  hier  aber  in  kip  (wie  in  kipu  kipis  kipit)  deut- 
licb  zeigt,  dafs  in  ibm  kein  a  abgefallen  ist.  Ist  also  das 
i  der  gotb.  urform  organisch,  so  kann  es  nur  derselben 
assimilation  durch  das  i  der  ursprOnglicben  endung  -di 
=  skr.  dhi  sein  dasein  verdanken,  die  in  2.  3.  sg.  praes. 
-asi,  a)>i  in  -isi,  i)>i.  verwandelt  hat.  Wenn  nun  die 
abwerfung  des  -dhi,  wie  die  Übereinstimmung  des  skr., 
griech.,  lat,  deutschen  zeigt,  scbon  uralt  ist,  so  beweist 
das  deutsche  -i,  das  jedenfalls  noch  vorher  eingetreten  sein 
mufs,  wie  sehr  alt  die  assimilation  des  a  durch  und  zu  i 
im  deutschen  ist.  Das  bestätigen  denn  auch  die  oben  nach- 
gewiesenen urdeutschen  formen  der  2.3.  cj.  -jis^  ji)>,  die 
uns  auf  die  überall  verschwundenen  formen  -jasi,  jati  des 
potentialis  zurückweisen. 

Dieselbe  Imperativform  bietet  uns  aber  auch  einen  an- 
hält fbr  die  geschichte  des  abd.  vocalismus.  Zwei  assi- 
milationen  treten  im  abd.  auf,  die  des  i  und  u  durch  a  in 
e  und  o,  und  die  des  a  durch  i  in  e,  der  umlaut.  Wenn 
nun  in  der  abd.  starken  conjugation  der  imp.  und  sg.  praes. 
überall  das  i  rein  bewahrt  hat,  aber  der  pL  praes.  es  in  e 
verwandelt,  dagegen  nirgends  ein  umlaut  im  imp.  erscheint, 
far  neben  ferit,  so  beweist  das  zur  genüge,  wieviel  frü- 
her die  erste  assimilation  durchgedrungen  sein  mufs,  ehe 
auch  nur  die  ersten  anfange  des  umlauts  eingetreten  sind. 
Dafiir  sprechen  freilich  auch  formen  wie  wolf  neben  an  st, 
die  uns  ebenfalls  zeigen,  dafs  a  schon  vor  dem  abfall  der 
cndvocale  auf  den  vorletzten  vocal  eingewirkt  hat  (also 
entweder  im  abd.  die  vocale  später  abgefallen  sind  als  im 


althochdeutsch  und  gotisch.  59 

gotfa.,  oder  diese  assimilatioQ  im  ahd.  zu  einer  zeit  einge- 
treten ist,  die  über  die  uns  erhaltene  gestalt  des  goth.  hin- 
aofreicht),  der  umlaut  hingegen  erst  nach  dem  abfall  der 
urdeutschen  endvocale  angefangen  hat. 

Juni  1855.  H,  Ebel. 


Althochdeutsch  und  gotisch. 

Nach  dem  vorschlage  des  herrn  Schleicher  in  die- 
ser zeitschr.  IV,  266  versuche  ich  hier  einige  spracher- 
scheinnngen  im  althochdeutschen,  die  sich  nicht  aus  dem 
gotischen  herleiten  lassen,  zusammenzustellen.  Die  formen 
der  anderen  deutschen  hauptsprachen  füge  ich  bei,  wo- 
durch es  sich  zeigen  wird,  dafs  diese  bald  mit  dem  ahd., 
bald  mit  dem  got.  stimmen. 

Lautlehre.  Das  ahd.  hat,  theils  in  Stammsilben, 
theils  und  besonders  bei  Suffixen,  das  ursprüngliche  a  be- 
wahrt, wo  dies  im  got.  in  i  oder  u  verwandelt  ist.  So 
1)  ahd.  a  statt  got.  i:  ahd.  abah,  abuh  (altn.  afugr,  öfugr, 
alts.  avuh)  =  got.  ibuks;  ahd.  anu,  ano  (altn.  an,  alts. 
äno)  =  got.  inu;  ahd.  morgan  (altn.  morgunn,  morginn, 
myrginn,  alts.  morgan,  ags.  morgen)  =  got.  maurgins; 
ahd.  ragan-  neben  ragin-  (altn.  ragn-,  regin-,  alts.  regin-, 
ags.  regen-)  =  got.  ragin;  ahd.  opasa,  obisa  (altn.  ufs, 
ups,  ags.  efese)  =  got.  iibizva.  2)  ahd.  a  statt  got.  u: 
ahd.  mittamo,  metam  (altn.  mjöt$m  f.,  ags.  mittam,  me- 
dum,  medema)  vergl.  got.  miduma;  ahd.  hjichal  neben 
hachul  (altn.  hökull,  hakull,  ags.  hacele)  =  got.  hakuls. 
Ahd.  silabar,  silibar,  silbar  (altn.  silfr,  alts.  silubhar, 
ags.  seoifer,  sulfor)  ist  nicht  aus  got.  silubr,  sondern  aus 
der  gemeinsamen  grundform  silbr(am)  s.  in  dieser  zeit- 
jjchr.  IV,  252  entstanden. 

Ahd.  huaz  (altn.  alts.  ags.  hvat)  ist  älter  als  got.  hva. 
Ahd.  daz  (altn.  alts.  >at,  ags.  J>ät)  =  got.  J>ata,  hat  wahr- 
scheinlich nicht  einen  auslautenden  vocal  verloren,  sondern 


60  Bagge 

ist  aus  einer  älteren  form  t>at  entstanden;  was  nicht  durcii 
ez  neben  iz  =  got.  ita  widerlegt  wird,  s.  unten.  Auch 
ist  vielleicht  in  den  (altn.  )>an,  dagegen  alts.  )>ane,  ags.  )>one), 
geben  (altn.  gefi,  alts.  gibin,  ags.  gefen)  gegen  got.  )>ana, 
gibaina,  wo  ein  vocal,  wie  im  neugr.  rove  =  rdv,  &ce- 
tpave  =  Jid-axfßcePy  angefügt  ist,  der  ältere  auslaut  bewahrt. 

Ahd.  triwi,  pliwan  u.  m.  dgl.  (altn.  trür,  aber  auch 
tryggr,  alts.  triuui,  ags.  treove)  sind  wahrscheinlich  älter 
als  got.  triggvs,  bliggvan. 

Ahd.  zwei 6  (altn.  tveggja,  ags.  tvegra),  ei  (altn.  egg, 
ags.  äg)  konmien  nicht  von  got.  tvaddje,  *addi  (von 
Grimm  gewifs  richtig  vermuthet),  sondern,  wie  ich  mit 
Grimm  deutsch,  gr.  I^,  107  annehme,  von  den  grundfor- 
men  tvaj^,  aji  her,*  man  vgl.  ital.  diacere=sjacere,  mllat. 
madius  =  majus  (Diez  rom.  gr.  I,  219);  finn.  aadja,  aagja 
(grofsvater)  =  enarelapp.  aije, 

Ahd.  zer  weicht  in  betreff  des  anlauts  vom  got.  dis 
ab,  während  es  mit  dem  griech.  diä  stimmt;  vgl.  auch  ahd. 
zu  (alts.  te,  ags.  to)  gegen  got.  du. 

Wortbildung.  Ahd.  wazzar  (alts.  water,  ags.  vä- 
ter,  aber  altn.  vatn)  ist  nicht  unmittelbar  aus  got.  vato 
entstanden. 

Flexion.  Declination.  Bei  den  männlichen  und 
weiblichen  Substantiven  auf  i  (Grimms  4ter  decl.)  geht  die- 
ser vocal  in  gen.  pl.  im  ahd.  in  j  über,  fällt  dagegen  im 
got.  weg,  z.  b.  ahd.  pelcjö  =  got.  balgS  m.,  enstjo  = 
got.  anste  f.  (altn.  belgja  m.,  aber  braga  m.,  ästa  f.;  alts. 
liudjö  m.,  dädjö  f. ;  ags.  leöda  m.,  daeda  f.). 


Von  dem,  was  Schleicher  zusammengestellt  hat,  scheint 
einiges  nicht  hierher  gehörig.  Er  will  mit  Grimm  deutsch, 
gr.  I',  83  ahd.  wolf,  weg  u.  s.  w.  aus  den  grundformen 
vulfas,  vigas,  nicht  aus  vulfs,  vigs  erklären;  das  kann 
ich  nicht  billigen:  für  ahd.  sehs  z.  b.  läfst  sich  ja  keine 
grundform  sihsa,  für  der  nicht  dira  aufstellen;  auch  die 
vergleichung  anderer  deutschen  sprachen,  wie  des  altn., 
wird  diese  erklärung  widerlegen. 


althochdeutsch  and  gotisch.  61 

Ahd.  wollet  neben  wellet  geht  nicht  noth wendig 
auf  die  grundform  val  zurück;  das  o  könnte  sich  aus  e 
durch  einflufs  der  umgebenden  consonanten  entwickelt  ha- 
ben; vgl.  Grimm  deutsch,  gr.  1%  86. 

In  ahd.  focal,  achar  u.  m.  nehme  ich  a  (mit  Pott 
n,  302)  als  eingeschoben*). 

Sophus  Bugge. 


Zur  griechischen  lautlehre. 

1.    Die  Vertretung  des  kurzen  a. 

ä  und  17  wechseln  bekanntlich  im  att.  dialect  nach 
einem  bestimmten  princip,  indem  nach  q  und  den  weiblichen 
vocalen  e  und  i  das  männliche  a,  nach  den  männlichen  a 
und  o  wie  nach  v,  das  doch  auch  von  hause  aus  männlich 
gewesen  sein  muTs,  —  böot.  und  lakon.  ov  zeigen  noch  den 
alten  klang,  böot.  lov  (Ahrens  II.  519)  wie  osk.  in  und 
engl,  u  (zeitschr.  II.  59)  den, Übergang:  u  in  ü  —  das  weib- 
liche rj  eintritt,  ersatzdehnung  meist  selbst  ionisch  a  giebt 
wie  im  acc.  pl.  -äg  aus  -avg^  mit  ausnähme  des  schwan- 
kenden vocals  im  aor.  1  der  verba  liquida.  Unerkannt  sind 
bis  jetzt  die  bedingungen,  unter  denen  das  ursprüngliche 
kurze  a  bald  als  a,  bald  als  s  und  0  auftritt,  abgesehn  von 
dem  falle,  der  dem  deutschen  ab  laut  und  der  griech.  Ver- 
tretung des  guna  und  vriddhi  an  die  seite  tritt.  Ac« 
Cent,  folgende  und  vorhergehende  consonanten  oder  vocale 
mögen  eingewirkt  haben.  Einige  punkte  möchte  ich  der 
beachtnng  und  prüfiing  der  mitforscher  empfehlen. 

1)  Assimilation  tritt  uns  in  einzelnen  fällen  unver- 
kennbar entgegen,  vorwirkend  z.  b.  in  okoog  neben  xQa- 
vaog  ravaog^  vermuthlich  auch  in  äp,oaa,  vijtABQTi]g  neben 


*)  Das  seltene  ahd.  snmna  (sonne)  ist  aus  sunna  durch  diaaimilation 
entstanden,  vgl.  mllat.  bampnum  =  bannnm;  Nanmetes  =s  Nannetes.  Dies 
bemerke  ich  wegen  der  vermutlmngen  Pictcts  (in  dieser  zeitschr.  IV,  364) 
und  Diefenbachs  (got  worterb.  II,  195). 


e2  Bbel 

afiaQTava)f  rückwirkend  am  dentlichsten  in  ovrog  u.  8.  w. 
iv&evtsv  kpT€v&BV  neben  aSkrj  ii.  8.  w.,  so  in  ofAO^  neben 
äfta^  oSovg  und  oSvvfj  aus  äol.  kSovg  und  kSvva,  vtjmiti 
neben  vtjTriaag,  den  formen  von  xQaiaivw  und  mit  andern 
erscheinungen  verbunden  in  der  distraction.  Eine  rück- 
wirkende assimilation  (analog  dem  deutschen  umlaut)  dür- 
fen wir  vielleicht  auch  in  den  partikeln  kni,  nsgl,  ävi\ 
imigii),  'in  dem  avd,  nagd,  xard,  ano,  aga  gegenüber  an- 
nehmeu,  da  uns  goth.  if-,  fair,  in,  nord.  yfir  (über  goth. 
ufar  siehe  die  bemerkung  unter  hiri),  goth.  I]?  neben  ana, 
af,  selbst  lat.  per,  in,  super,  et  neben  ab,  apud  denselben 
gegensatz  zeigen;  df^(pt^  ccvrl  könnten  ebensowohl  durch 
die  doppelconsonanz  geschützt  sein  wie  lat.  ambi,  goth. 
and-  (=  dvri,  wie  ahd.  int-  zeigt,  dagegen  anda  = 
avta).  Tavl  widersprechen  scheinen  (jiBra  und  ngotl,  wo 
das  lat  consequenter  redi-  red-  re-  bietet,  doch  mag  hier 
das  ng  nicht  ohne  einflufs  geblieben  sein  (vgl.  fiiißgotov^ 
Ttgo),  oder  ngoti  sich  auf  giiech.  boden  aus  9tg6  gebildet 
haben,  den  Übergang  würden  dgi-  und  kgi-  zeigen,  wenn 
sie  zusammenhangen,  was  allerdings  nicht  erwiesen  ist. 
Consequenz  darf  man  freilich  auch  nicht  überall  erwarten, 
und  es  ist  wohl  der  Untersuchung  werth,  ob  nicht  hier  die 
ersten  spuren  einer  erbcheinung  zu  finden  sind,  die  im  ahd. 
und  nord.  sicherer  und  consequenter  durchgefQhrt  ist,  ana- 
log der  im  zend  und  im  goth.,  beidemal  aber  mit  andern 
mittein  eintretenden  assimilation,  wie  sie  z.  b.  im  zend. 
aipi,  pairi,  aiti  dem  skr.  api,  pari,  ati  gegenüber  gerade  in 
denselben  Wörtern  erscheint.  Ich  kann  mich  in  meiner 
vermuthung  täuschen,  mögen  andere  darüber  entscheiden; 
das  zusammentreffen  in  der  trübung  des  a- lautes,  welches 
wir  hier  in  vier  sprachfamilien  wahrnehmen,  kann  zufällig 
sein,  aber  dann  ist  dieser  zufall  wenigstens  höchst  merk- 
würdig. Einen  einflufs  des  folgenden  consonanten  (aufser 
dem  schützenden  der  doppelconsonanz  in  dficfj)  habe  ich 
in  den  angeführten  beispielen  nirgends  entdecken  können, 
aufser  etwa  in  ^srd,  neben  dem  jedoch  xard  steht.  Da- 
gegen könnte  man  bei  den  conjugationsendungen  -etg 


zur  griechischen  lanüehre.  63 

ans  -e<Tf,  -€i  aus  -er<  zweifeln,  ob  das  c  dem  einflusse  des 
I  wie  im  deutschen  oder  dem  des  folgenden  consonanten 
seinen  Ursprung  verdankt,  die  übrigen  formen  sprechen  in- 
dessen zu  deutiich  tdr  das  letztere,  als  dafs  man  in  die- 
sem falle  den  einfluTs  des  i  zu  hoch  anschlagen  dürfte. 

2)  Ursprüngliche  nasale  sind  im  ganzen,  nament- 
lich in  den  endungen,  dem  e  abhold,  während  später  ent» 
standene  sich  gern  damit  verbinden,  vergl.  die  conjuga- 
tionsendnngen  ^<o  statt  ofu,  -ov  aus  ofi  und  ovt,  ^ovai  = 
ovrij  -fuv  =  ofiBg.  Das  s  tritt  besonders  durchgreifend 
vor  abfallendem  oder  durch  v  i(p.  ersetzten  t-laut  auf,  am 
deutlichsten  im  perfect  und  aorist,  wo  das  -e  der  3ten  sing, 
dem  a  des  ganzen  indicativs  widerspricht;  weniger  conse- 
quent  in  dep  übrigen  formen,  wo  -eCiL^i)  -eve  -sa&B  fjiev  aus 
a€^  zwar  dem  -o  in  -rov  -a&ov  -^ofAev  ^ovri  -ov(r)  streng 
gegenüber  steht,  fester  a-  oder  e- laut  jedoch  (mit  alleiniger 
ausnähme  des  imp.  aor.  -aov)  durchweg  bleibt:  ^aafi  wird 
nicht  in  aofA,  -i6y(r)  nicht  in  *or,  -aag  nicht  in  aeg  ver- 
wandelt, einen  anlauf  dazu  scheint  die  spräche  allerdings 
in  formen  wie  l^ov  genommen  zu  haben.  Vorzüglich  aber 
begünstigt  der  wegfall  eines  nasals  das  reine  a,  wie 
in  der  dedination  der  acc.  -a  statt  a^u,  ^ag  statt  avg  (vgL 
L  291)  in  der  conjugation  die  ion.  ep.  formen  -arai,  -aro 
zeigen.  Damit  stimmt  auch  überein,  dafs  im  dor.  dialect 
(fQaai  dem  (pgevog  gegenübersteht,  im  äol.  '&a  vor  voca- 
len  zu  "äsv  wird,  dem  att,  %pexa  ein  gi/ax«i/,  dem  Bha  inena 
ein  ion.  shev  ^s$tsv  zur  seite  geht,  dem  suffix  -fiat  aus 
fAccvT  (dafs  der  nom.  -fia  auf  fiap  zurückweist,  hat  Curtius 
IV.  214  unbedingt  richtig  behauptet)  ein  -^lov  und  in  wei- 
terer Schwächung  -fisvo^  dem  ßd&og,  na&og  ein  fliv&og^ 
niv&og^  dem  ndrog  ein  novrog,  dem  dor.  BUxaUj  Siaxdnot 
und  dem  att.  ixarov  ein  TQidxovra.  Gewifs  richtig  schreibt 
also  Ahrens  ninaad-e  (§.82);  selbst  zwischen  vocalen 
zeigt  yeyacig  und  fiefiaoig  neben  yiyova  und  iikfiova  diesen 
aurfall,  und  das  dorische  ndopiai  scheint  so  mit  nivo^ai^ 
noviu)  zusammenzuhängen  (etwa  auch  noiiw?).  So  schlie- 
fsen  sich  intd,  ivvicc,  Sixa  an  lat.  Septem,  novem,  decem 


64  Bbel 

(tßSoiwq  an  das  geschwächte  septimus)  im  gegensatz  zu 
nivTB  =  quinque,  gerade  wie  im  goth.  sibun,  niun,  taihun 
neben  fimf.  So  mag  auch  das  dor.  ion.  uiyaffoq  und  das 
altdor.  arsQog  eine  hindeutung  auf  den  nasal  in  mahaut 
und  £i/  enthalten.  Eine  nachwirkung  des  nasals  mag  auch 
darin  erkannt  werden,  dafs  eixatty  ixarov^  Sicexdrioi  wohl 
zu  Bixoai,  l^xoTov,  dutxocioi,  aber  nicht  zu  tixeci  u.  s.  w. 
werden. 

3)  Das  princip  der  Schwächung,  bei  belastung  der 
Wurzel  durch  hinzutretende  endungen  läTst  sich  nur  in  ein- 
zelnen spuren  nachweisen,  am  deutlichsten  in  ^fiatf  'fiov 
(seltner  -.ciei^),  ^fAtvo^  -/avio;  doch  zeigen  dergleichen  fälle 
wenigstens  klar,  dafs  nach  analogie  des  skr.  a  u  i  auch 
hier  die  Schwächung  in  der  folge  a  o  b  vor  sich  geht,  was 
freilich  schon  die  bedeutsame  Verwendung  des  o,  wo  sonst 
wriddhi,  das  €,  wo  sonst  guna  eintritt,  bewiesen  hat.  Im 
einklang  damit  steht,  dals  a  im  auslaut  zunächst  in  o 
übergeht,  vgl.  anoy  imo  =  skr.  apa,  upa,  in  den  einailbi- 
g^i  enclitischen  formen  jedoch  in  6,  wie  rc  =  skr.  ca,  ya 
=s  ha,  yed.  gha,  o  aber  im  ursprünglichen  auslaut  in 
6,  so  im  Tocativ  der  zweiten  declination,  während  im  neu- 
trum,  wo  der  vocal  erst  durch  abfall  des  r  in  den  aus- 
laut tritt,  o  bleibt:  ro,  avro,  kxeivo  u.  s.  w.  Finden  wir 
also  a  im  attischen  dialect  am  ende,  so  ist  in  der  regel 
entweder  abfall  eines  nasals  oder  wie  im  goth.  kürzung 
eines  ursprünglichen  ä  anzunehmen.  Vom  wegfall  des 
nasals  ist  schon  Yorhin  gesprochen,  die  kürzung  des  &  fin- 
den wir  oft  auch  an-  und  inlautend,  wie  in  ä/og  =  ägas, 
fdatv  =  västu  (neben  ^et^a  ^ifApia  aus  jriapuzv  =  vas- 
man),  im  auslaut  zeigt  sie  sich  namentlich  in  Movaa^  avxa^ 
danach  müssen  wir  sie  auch  in  den  partikeln  dvd,  xaxd, 
fiBtdy  dcd  annehmen,  die  wie  nagd  =  parä  sämmtlich  ent- 
weder auf  instrumentale  dvd  =  anä  oder  neutra  plur.  zu- 
rückzuführen sind.  Ich  ziehe  daher  jetzt  meinen  einspruch 
gegen  Westphals  behauptung,  dafs  der  nom.  acc.  pl.  der 
neutra  ursprünglich  überall  auf  -ä  geendet  habe,  zu  dem 
mich  das  -i  des  gewöhnlichen  skr.  yeranlaist  hatte,  zurück. 


zur  griechificheo  laatlehre.  ^ 

Auch  das  -xa  in  airixa^  ngoxa  ist  wohl  ein  alter  instr. 
entweder  vom  pronominalstamme  ka,  oder,  was  mir  wahr* 
scbeinlicher  ist,  da  dies  x  nie  in  ;k  oder  t  übergebt,  von 
der  uns  häufig  begegnenden  wurzelform  anc,  vor  der  auch 
im  skr.  öfters  i  auftritt.  In  ^cr  könnte  zwar,  das  kurze  a 
schon  vor  der  Sprachtrennung  dagewesen  sein. 

4)  Ein  ähnlicher  unterschied  wie  zwischen  ä  nnd  17 
scheint  nämlich  bisweilen  auch  zwischen  ce  und  s  zu  wall- 
ten. Das  dor.  a  erscheint  vielfach  gerade  nach  i  und  q^ 
80  in  nid^tüy  axiagog,  iagog,  tgaveg,  rgdtpo),  atgatfiOi  rgd^aa 
{(fQaai  s.  unter  2),  im  ion.  dor.  rgdnü);  auch  in  lAgrafAig 
könnte  q  gewirkt  haben  wie  im  att.  äxQoäaofiaiy  doch  ist 
es  wohl  besser  mit  dem  dor.  ion.  rdfivu)  zu  2  zu  stellen. 
Unmöglich  wäre  es  also  nicht,  dals  ga  des  q  wegen  in  allen 
dialecten  unverändert  bliebe,  während  dem  dor.  böot.  xa  im 
äol.  ion.  X6(v)j  dem  dor.  böot  ^^a  ein  att.  ion.  y^y  dem  dor. 
-^a  der  ortsadverbien  ein  att.  ion.  '&e(v)y  dem  dor.  -xa  der 
zeitadverbien  äoL  -ra,  att.  ion.  -rc  gegenübersteht.  Indes- 
sen ist  die  entstehung  des  ga  bis  jetzt  noch  nicht  mit  Si- 
cherheit nachgewiesen.  Es  kann  aus  äga  apocopirt  sein, 
dann  entspräche  sein  -a  wahrscheinlich  einem  ursprüng- 
lichem -am,  äga  ^=  aram  (Bopp  nach  Härtung)  zeigt  ei- 
nen leichten  Übergang  der  bedeutung:  schneU,  leicht,  na- 
türlich, also;  es  kann  aber  auch  selbständig  neben  aga 
stehn,  und  sich  aus  pala,  pia  entwickelt  haben,  wie  ra;^ay 
ixay  kiya  ans  raxicc  u.  s.  w.,  und  die  bedeutung  würde 
sich  in  diesem  falle  ebenso  leicht  ergeben.  In  beiden  fäl- 
len wäre  das  -a  kein  ursprünglicher  auslaut.  —  Für  das 
verhältnifs  von  €  und  o  ist  namentlich  die  oftmalige  ent- 
stehung eines  0  (neben  v)  aus  va,  /-s  zu  berücksichtigen, 
woftir  in  dieser  Zeitschrift  oftmals  beispiele  gegeben  sind. 
Damit  mag  denn  auch  das  im  anlaut  nach  abftdl  eines  gut- 
turals  häufig  erscheinende  o  zusammenhangen,  da  gutt.  vor- 
zugsweise V  nach  sich  ziehen.  Ich  habe  schon  früher  0^0^ 
statt  yo'Qog  aus  yj:iQog  gedeutet,  wie  oxog  n.  bms  j:ixogi 
weil  das  o  dem  gewöhnlichen  a  der  neutra  widerspricht; 
dieselbe  Schwächung  aus  yj:aQ  glaube  ich  jetzt  auch  in 
V.    1.  5 


66  ^^^^ 

oQVig,  oQvvfAi^  orior*)  zu  finden,  die  wohl  derselben 
wrz.  gar  (gvar)  mit  der  grundbedeutung  erheben  ange- 
hören wie  skr.  garat  (der  hebende),  garva  =  yavQog,  yä^ag 
und  lat.  vereor,  endlich  auch  iydQOi  statt  yeysigoi  „sich  er- 
heben machen«  und  skr.  jägr  „sich  erhoben  haben«  (wie 
daridrä  nach  Benfey's  treflflicher  erklärung  „zerlumpt  8010*^ 
von  dr).  Bei  ovo^a  (stett  yovofia)  ist  wohl  assimilation 
im  spiele,  dagegen  scheint  oXXvfii  (statt  olwfii)  aus^rcA- 
pvu$  entstanden  und  zum  lat.  vulnus  zu  stimmen. 

2.     Metathesis  aspirationis. 

Von  der  allgemein  angenommenen  met.  asp.  in  &Qi^ 
gegen  rgt^xog  und  ähnlichen  filllen  sehe  ich  einstweilen  ab, 
ich  werde  später  darauf  zurückkommen  und  meine  etwas 
abweichende  ansieht  entwickeln,  hier  haben  wir  es  nur  mit 
dem  spir.  asper  zu  thun  in  fiUlen,  wo  die  verwandten 
sprachen  vocalischen  anlaut  zeigen.  Benary  IV.  50  hat 
bei  der  scharfsinnigen  erklärung  des  a/wapTcrvw  aus  aofiag- 
rdvu)  das  princip  ausgesprochen,  dals  der  spir.  asper  nie 
unorganischer  zusatz  sei.  Darin  geht  er  nun  wohl  insofern 
zu  weit,  als  anlautendes  q  und  v  sich  wenigstens  im  ge- 
wöhnlichen griech.  überall  mit  dem  asper  bekleiden,  wie- 
wohl zugestanden  werden  mufs,  dafs  anlautendes  p  häufig 
st&tijrQ  {^iqyvvfAi^  ^W^y  ^««j  ^«£«j  ^vofiai),  in  ^iat  statt 
CQ  steht,  vno  dem  lat  sub  ebenso  nahe  kömmt  als  dem 
skr.  upa.  In  einer  ziemlichen  anzahl  Wörter  und  wurzeln 
läfst  sich  aber  auch  jetzt  schon  die  Versetzung  eines  asper 
aus  der  mitte  an  den  anfang  darthun.  Am  deutlichsten 
liegt  sie  zu  tage  bei  jeder  art  von  augment  (und  redupli- 
cation)  sowohl  beim  augm.  temp.  ünofiriv^  elaa,  tjXdfiriPf 
slati^xeiv)  als  syllab.  (idXcov,  %aday  idgatv),  wo  kiaoaro^ 
BvaSov  einzeln  dastehn.  Andere  beispiele  sind  die  von 
Kuhn  II.  273  fgd.  angeführten  tpLBQoq  statt  lafUQog  (vgl. 


*)  orior,  oQvvfii  gehören,  wie  IL  896  gezeigt  ist,   unbedenklich  zu  skr. 
wrz.  p  (praes.  r^omi,  aor.  ftrta  s=  ä^roy  rdnta  =r  o^ono)»  K. 


zar  griechischen  lauüehre.  67 

das  thracische '7(T^<r(>o^),  isQog  dor.  iagos  statt  taagog  (das 
dor.  a  entscheidet  wohl  die  von  Cartius  HI.  154  aufgewor- 
fene firage  zu  gimsten  des  griech.,  zamal  das  skr.  auch 
sonst  oft  ir  statt  ar  hat,  wie  in  tiras)  ^fiat  statt  tiafiai. 
So  mag  auch  ijfASQog  statt  '^OfAegog  von  wrz.  äs  stehen, 
also  zunächst  sefshaft,  civilisirt  bedeuten,  von  menschen 
auf  tiere  und  pflanzen  übertragen  sein,  das  begriffsver- 
wandte ijavxog  stillsitzend,  sicher  zu  wrz.  äs  gehörig, 
(etwa  =  *äs-tva-ka?)  den  asper  dem  s  der  wurzel  ver- 
danken, aJfia  aus  äaifxa  entstanden  sein  (vergl.  skr.  asan, 
altlat.  assir,  asser),  tvvvfjUy  elfjia,  iccvog  nicht  das  digamma, 
sondern  das  s  durch  den  spir.  vertreten,  worauf  äarv  zu 
deuten  scheint.  Ebenso  vertritt  wohl  in  iTjfii  der  hauch 
das  j  von  ijt]fih  ^  ^vsxa  das  ^  von  Hvjrexa  (auf  diese  er- 
klärang  weisen  das  deutsche  „um  willen^  äol.  ^i^exa,  ion. 
iiVExa;  auch  scheidet  die  form  evexiv  es  wohl  von  dem 
Suffix  in  avtlxa,  ijvlxa,  ngoxä).  Den  von  Kuhn  angenom- 
menen lautwechsel  in  innog  kann  ich  dagegen  als  einen 
speciell  arischen  im  griechischen  nicht  anerkennen,  da  uns 
Tcvinv  zeigt,  dafs  das  griech.  den  Übergang  in  9p  nicht 
kennt;  die  form  widerstrebt  einstweilen  noch  einer  genauen 
analyse,  und  der  asper  erscheint  unorganisch.  —  Nament- 
lich erklären  sich  aber  durch  diese  erscheinung  einige  dop- 
pelformen, in  denen  vorzüglich  der  att.  dialect  den  as- 
per behauptet:  so  das  oben  erwähnte  äfiagt-  neben  a^ 
^for-,  die  schon  von  Kuhn  besprochenen  fjfAaig  und  vfieig 
neben  äfifisg  und  vfif^sg,  avat  und  ivo}  neben  avta  und 
et/oi.  Dadurch  erklärt  steh  femer  iwg  neben  ^^cig,  adg^ 
avatg*)^  und  Curtius  deutung  des  ijXiog  neben  tiikiog,  aiXiog, 
aßiXiog  aus  avaehog  erhält  dadurch  gröfsere  Wahrschein- 
lichkeit (wiewohl  die  vergleichung  mit  goth.  sauil  und  mit 
lat.  sol,  wenn  dies  eine  zusammenziehung  enthält,  immer 


*)  Dafs  wir  fVa  Hvq  nicht  von  einer  form  ^hfo^  oder  ßaavk%  aaszngehn 
habeni  sondern  von  ava«»?}  zeigt  anfaer  den  nebenformen  avttCt  aorora  und 
den  verwandten  avQHiv^  ^qi  (IV.  256)  auch  die  analogie  von  tx*^"*  ^^  ^^^^ 
nach  dem  ausfall  des  <r  das  v  von  ltxiv{a)a  in  ganz  gleicher  weise  zum 
halbvocal  gewandelt  und  dann  verflüchtigt  hat. 

5' 


68 


Kbel 


noch  nicht  streng  widerlegt  ist).  Die  noch  nicht  recht  er- 
klärten Wörter  äfAa^a^  afiaXog,  afiaXSvvw  werden  sich  also 
wegen  der  att.  formen  a^a|a  u.  s.  w.  wohl  auf  ähnliche 
art  deuten  lassen. 

Mai  1855.  H-  Ebel. 


II.    Anzeif^e. 


G.  Ascoli,  studj  orientali  e  linguistici,  raccolta 
periodica.    Fascicolo  primo.    Milano  1854. 

Wie  der  name  ^indogermanischer  spradistamm ^^  aufgehört 
hat,  die  äufsersten  glieder  der  sprachenkette  zu  hezeichnen,  die 
er  umfafst,  so  hat  die  vergleichende  Sprachwissenschaft,  obwohl 
hauptsächlich  von  deutschem  fleifse  und  deutscher  grfindlichkeit 
gepflegt,  doch  ihre  wurzeln  bereits  weit  über  Deutschland  hin- 
ausgetrieben. Ein  recht  erfreuliches  zeugnis  von  ihrem  gedeihn 
auch  unter  den  Völkern  romanischer  zunge  legt  das  vorliegende 
erste  heft  einer  Zeitschrift  ab,  von  der  vorläufig  drei  hefte  einen 
Jahrgang  bilden  sollen.  Die  einleitung  beginnt  mit  der  frage 
nach  dem  göttlichen  oder  menschlichen  Ursprung  der  spräche,  die 
der  verf.  nach  aufzählung  der  gründe  für  die  eine  oder  die  an- 
dere ansieht  ungefähr  dahin  beantwortet,  dafs  die  fähigkeit  der 
rede  eine  angeborene,  die  entwicklung  der  spräche  dem  mensch- 
lichen geiste  angehörig  sei:  tutto  dimostra  la  parola  divina  in 
potenza,  umanamente  tradotta  in  atto.  Wenn  der  verf.  dabei 
den  fortschritt  vom  naturlaut  zu  den  geistigeren  spracbgebilden 
zu  verfolgen  sucht,  kann  man  freilich  über  manches  mit  ihm 
rechten,  was  er  als  onomatopoetisch  darstellt.  Daran  schliefsen 
sich  betrachtungen  über  die  entwicklung  der  schrift,  den  einflufs 
der  buchstabenschrift  auf  die  fixirung  und  ausbildung  der  spräche, 
die  entstehung  i^nd  entfaltung  der  dialecte,  die  einwirkung  ver- 
schiedener sprachen  auf  einander,  den  einflufs,  den  die  berüh- 
rung  und  kreuzung  der  völker  auf  Sprachkenntnis  und  Sprachstu- 
dium gehabt,  zuletzt  ein  überblick  über  die  allmähliche  entwick- 
lung der  linguistik  bis  in   die  neueste  zeit  und   aufschlufs  über 


anzeige.  ^ 

den  sweck  der  Zeitschrift,  die  zunächst  einen  dreifachen  teser- 
kreis  im  aoge  hat:  städiosi  non  del  tatto  dediti  a  siffatte  ricerche, 
aofanger,  die  mit  den  fortschritten  der  Sprachwissenschaft  bekannt 
gemacht  werden  sollen,  und  endlich  gelehrte  von  fach.  Eine 
wuDSchenswerthe  beschrfinkung  wird  wohl  mit  der  zeit  von  selbst 
eintreten.  Auf  diese  einleitnng  folgen  nach  andeutungen  über 
die  gebraachten  Umschreibungen  des  skr.,  arab.  und  hebr.  alpha- 
bets  unter  der  Überschrift  epica  Indiana  die  fünf  ersten  ge- 
sange  des  Nala  (zehn  sind  verheifsen)  im  ortext  und  in  ital.  Über- 
setzung (zwei  gesfinge  in  prosa,  drei  in  reimlosen  Jamben)  mit 
erklärenden  anmerkungen;  voran  gebt  eine  einleitung  in  das  Ma- 
habharata  nberiiaupt  und  den  Nala  insbesondere.  Ueberall  zeigt 
sich  der  verf.  (mitglied  der  deutschen  morgenländischen  gesell- 
Schaft)  als  einen  besonnenen  und  mit  den  neuesten  forschungen 
vertrauten  Sprachforscher,  so  dafs  wir  seinem  unternehmen,  wenn 
keine  Snfsere  hlndemisse  eintreten,  einen  gedeihlichen  fortgang 
weissagen  können. 

H.  Ebel. 


III.  miscellen. 


Griechisches. 

1)  kroQ, 

Anlautendes  s  wird  bekanntlich  im  griech.  in  der  regel  durch 
8pir.  asper  vertreten,  wie  o  =  sa,  ebenso  unzweifelhaft  aber  bis- 
weilen durch  den  lenis,  teils  neben  dem  asper,  wie  aXto  neben 
aUofcoi  =:  salio,  teils  attsschliefslich  wie  in  eiQta  =  sero.  Na* 
mentlich  tritt  der  lenis  öfters  da  in  nebenformen  auf,  wo  ur- 
sprünglich SV  anlautete,  wie  dd€i9  neben  ävdavm  (würz,  svad), 
üiita  neben  idqoxa  (wrz.  svid)  und,  was  uns  hier  besonders  nahe 
angeht,  Ätotf  (=:  •svadiya  oder  *svatya?)  neben  ov  ol  i.  Somit 
erklart  sich  ohne  die  mindeste  Schwierigkeit  ix 6g  aus  dem  skr. 
svatas  „von  selbst^,  eigentlich  „aus  sich  selbst^.  Das  suffix 
-To^  =  skr.  -tas  findet  sich  in  cxroV,  ivrog  =  lat  intus  wieder, 
der  lenis  in  dem  unzweifelhaft  stammverwandten  ?5«0ff,  der  Über- 
gang der  bedeutung,  der  besonders  in  der  (vielleicht  ausschliefs- 
lich  gebrauchten)  Verbindung  ot!j<  itog  klar  hervortritt  (nicht  von 


70  £^ 

selbst,  nicht  ohne  grund,  nicht  umsonst)  in  otvtmg.  Das  di* 
gamma  fehlt  in  idi<o,  ifiBto  (==  romo,  skr.  vam)  gleichfalis,  and 
wo  eine  vcrgleichung  so  von  allen  Seiten  dnrch  die  analogie  ge- 
schützt ist,  kann  sein  fehlen  keinen  gegenbeweis  abgeben;  spuren 
des  jr  zeigen  sich  aber  anch  noch  bei  Homer  (nicht  mehr  bei 
Hesiod)  vor  irdaiog^  das  von  itog  ebenso  abgeleitet  ist  wie 
injoiog  von  hog  (stamm  ^cre^),  vermnthlidi  durch  sofBx  -tya, 
so  ansichere  sparen  zwar,  dafs  sie  für  sich  allein  gar  nichts  be- 
weisen konnten,  jedoch  neben  den  andern  gründen  immer  von 
bedeutang.  Hiatos  findet  sich  n&mlich  im  dritten  trochfiod  II.  «, 
854.  f,  407  =  X,  292.  Od.  x,  256.  273.  Theogon.  182  und 
ist  durch  tilgnng  des  p  iqf,  leicht  herzustellen  II.  /,  368.  g,  633. 
<r,  104,  auch  das  di  Od«  «o,  283  ist  entbehrlich,  da  das  dem  fuw 
entsprechende  di  im  vorigen  verse  steht;  dagegen  ist  bei  Hes. 
Op.  402.  411.  440  das  digamma  spurlos  verschwunden. 

2)v. 
V  ist  nach  Benfey  griech.  wurzellex.  I.  273  auch  von  Kuhn 
n.  133  und  Curtius  III.  76  mit  skr.  vä^  lat  ve  zusammengestellt 
worden,  die  unmittelbare  vcrgleichung  ist  jedoch  schwerlich  rich- 
tig. Abgesehen  von  dem  mangel  jeder  spur  von  digamma  und 
der  abweichung  in  der  Stellung  (vä  und  ve  wie  goth.  u  statt  va 
immer  enclitisd),  ^  niemals),  UUTst  sich  die  epische  form  iji  dann 
gar  nicht  aus  ^  erklären.  Gehen  wir  dagegen  von  ijd  aus,  so 
kommen  wir,  wie  dor.  ^  und  böot  el  zeigen,  auf  eine  grundform 
ifi;  sind  also  ije  und  vH  verwandt,  so  enthält  entweder  ifi  ein 
zusammengesetztes  «,  oder  v&  hat  apocope  erfahren.  Jedenfalls 
entspricht  entweder  ifi  dem  skr.  iva,  welches  indessen  wie  va 
enditisch  ist,  oder  es  gehört  dem  pronominalstamme  ava  an, 
dem  anch  lat  avt,  osk.  avti,  ambr.  ute,  ote  entstammt;  ist  vä 
aus  avä  gekürzt,  so  findet  dasselbe  veihältnis  statt  wie  in  odopt 
neben  skr.  da(n)t,  lat  dent,  dvdg  neben  skr.  nar,  altital.  ner;  nor 
zeichnet  sich  das  skr.  vä  durch  die  länge  vor  den  griech.  lat  goth. 
formen  aus.  Dem  lat  ant  scheint  i^te  («vre  11./,  10.  t,  386) 
unmittelbar  zu  entsprechen,  da  „wie^  und  „oder^  sich  vielfach 
berühren,  und  ^vr«  wie  Ij  auch  nach  comparativen  steht 

3)  iviou 

Von    Seiten    der   Sprachvergleichung  sind  verschiedene  deu- 
tungen  von  bvmi  versucht  worden.     Bopp  von  anya,    Pott  aus 


mUceUeD.  7I 

ini  oty  Benfej  von  bU*  Diesmal  hat  indessen  wohl  die  classi 
sehe  Philologie  recht,  wenn  sie  das  wort  für  eine  einfache  zu* 
samnienraeknng  bmb  ivi  oi  eridärt:  ,,e8  sind  einige  daran ter, 
welche*'^  dafür  spricht  die  im  atticisrnns  beliebte  Verbindung 
Mi9  ol  (selbst  iath  oSg\  und  ipw$  scheint  auch  erst  in  der  at- 
tischen Periode  aufgekommen  zu  sein. 

H.  Ebel. 


vacca. 


In  dem  vorigen  hefte  hat  unser  verehrter  mitarbeiter  dr.  Ebel 
gegen  die  von  Pott  zuerst  aufgestellte  herleitung  von  vacca  aas 
warz.  vah  piotest  erhoben,  da  die  ausschliefsliche  bezeichnung 
der  knh  als  zngthier  ebenso  unpassend  gewesen  wfire,  als  die- 
selbe bezeichnung  für  den  ochsen  (skr.  uxan,  goth.  auhso)  pas- 
send sei.  Er  selbst  sagt,  dafs  er  eine  sichere  deutung  des  Wor- 
tes nicht  zu  bieten  vermöge  und  bringt  dann  zwei  solche,  die 
allerdings  nur  nothbehelfe  wären.  Wenn  nun  aber  die  kühe  von 
den  Indem  in  ziemlicher  ausdehnung  als  zugthiere  bezeichnet 
werden,  so  wird  sich  wohl  auch  gegen  die  romische  bezeichnung 
derselben  als  solcher  kein  begründeter  einwand  erheben  lassen. 
Einer  der  gewöhnlichsten  namen  des  rindes  in  filterer  zeit  war 
anadvah,  welches  „den  wagen  ziehend^  bezeichnet,  davon  bildete 
man  die  feminina  anadvähi  und  anaduhi;  den  zweijährigen  und 
Tierjfihrigen  stier  bezeichnen  die  Wörter  dityavah  und  turyavÄh 
,)der  das  zweite  (nämlich:  jähr)  und  das  vierte  ziehende^,  wozu 
sich  abermals  die  feminina  dityauhi,  turyauhi  (T^jnrv.  Y^as:  Sanh. 
18.  26)  finden.  Daraus  geht  jedenfalls  hervor,  dafs  die  kfihe, 
wie  es  ja  noch  heute  geschieht,  vielfältig  auch  als  zugtiiiere  ge- 
braucht wurden,  und  die  spätere  aussehlielslichkeit  der  bezeich- 
nung der  kuh  durch  vacca  kann  jedenfalls  keinen  grund  gegen 
die  richtigkeit  der  etymologie  al^eben,  da  leicht  eine  einmal  all- 
gemeiner gewordene  bezeichnung,  zumal  wenn  ihre  eljmologie 
unklar  wird,  vollständig  durchdringt  und  andre  nicht  selten  bes- 
sere verdrängt.  Der  wagner  ist  bei  uns  längst  dem  nichtssagen- 
den Stellmacher  gewichen,  der  töpfer  fahrt  in  den  grofseren  Städ- 
ten schon  längst  seinen  namen  mit  unrecht  und  wird  von  dem 
ofenfabrikanten  verdrängt,  und  nun  gar  das  schöne  rofs,  goth.  aihva 
(equns),  alts.  ehu,   altn.  ior  nebst  all  den  tre£Flichen  bezeichnun- 


72  Key  j 

gen,  welche  Grimm  gesch.  d.  d.  spr.  30.  31  zusammenstellt,  ha; 
ben  dem  verstammelten,   unverstandenen  mischling  dreier  spra 
chen,  dem  pferde,  den  platz  rfiumen  müssen.    Dieselbe  bemei^ 
kang  kann  man  beim  schaf ,  der  ziege  und  anderen  thieren  m» 
chen,  wo  ebenfalls  einst  allgemeine  bezeichnungeii  fast  vollstanl 
dig  verschwanden  sind.     Mir  scheint   deshalb    am    gerathenstal 
vorlfinfig  noch  für  vacca  bei  wrz.  vah  (auch  die  obigen  bezeichnnni 
gen  ana^v^  u.  s.  w.  sind  ja  composita  damit)  und    speciell  beij 
der  Verwandtschaft  mit  uxan  (st  vaxan)  stehen  zu  bleiben,  da{ 
auch  bacca,  wie  Benfey  gr.  wU.  s.  222  und  Benary  lautl.  172  anneh«! 
men,  auf  bhax  zurückgeht,  m.  vgl.  bhaxam.  speise,  genufs  und  das! 
des  gutturab  verlustig  gewordene  goth.  basi,    ahd.  beere  (Bopp, 
gl.  8.  bhaxya,  Dief.  gotfa.  wb.  I.  288). 

A.  Kahn. 


Zur  erwiedening. 

Herr  redakteur!  i 

Es  kann  im  allgemeinen  einer  Zeitschrift  kaum  zugemnthet 
werden,  dafs  sie  entgegnungen  von  autoren  aufnehme,  deren  ar- 
beiten eine  ungünstige  kridk  von  ihr  erfahren  haben,  da  mög- 
licherweise eigenliebe  das  urtheil  des  Verfassers  befangen  macht. 
Es  sind  indefs  im  vorliegenden  falle  umstfinde  vorhanden,  die 
eine  ausnähme  vielleicht  zulassen  dürften.  Das  gröfsere  interesse, 
welches  sich  in  den  letzten  jähren  in  England  f9r  Sprachwissen- 
schaft gezeigt,  hat  den  wünsch  nach  einem  lebhafteren  verkehre 
auf  diesem  gebiete  zwischen  diesem  lande  und  Deutschland  un- 
zweideutig hervortreten  lassen,  sicherlich  wenigstens  auf  englischer 
Seite,  und  ich  zweifle  nicht,  nach  literarischen  erscheinungen  zn 
urtheilen,  dafs  die  gleiche  neigung  in  Deutschland  vorhanden  ist 
Die  hiesige  philologische  gesellschaft  z.  b. ,  deren  Verhandlungen 
von  der  betriebsamkeit  englischer  philologen,  in  wenn  auch  be- 
schrfinktem  mafse,  zeugnifs  ablegen,  die  aber  bisher  eigentlich 
nur  für  den  engeren  kreis  der  mitglieder  bestimmt  waren,  hat 
kürzlich  beschlossen  ihren  arbeiten  grofsere  öffentlichkeit  za  ge- 
ben, und  ihre  Zeitschrift  selbst  liefert  den  beweis,  dafs  sie  ge- 
neigt ist  auf  den  inhalt  derselben  bczug  zu  nehmen.  Um  so 
mehr  scheint  es  bedauemswerth ,    dafs  der  erste  Wiederbeginn, 


erwiecterung.  73 

venn  ich  so  sagen  darf,  der  linguistischen  gegenbeziehungen  von 
einer  angünstigen,  wenn  schon  keiriesweges  nnfreundlicben  benr- 
tiseilong  einer  englischen  arbeit  bezeichnet  sein  soll. 

Ans  diesem  grande  werden  sie  selbst  es  daher  wohl  für 
wünschenswerth  erachten,  dafs  mir  gelegenheit  gegeben  werde, 
die  vorwürfe,  die  herr  H.  Ebel  in  dem  letzten  hefte  ihrer  Zeit- 
schrift gegen  meine  etymologische  „methode^  und  ihre  haupt- 
sächlichen resultate  erhebt,  zu  entkräften  und  meinerseits  damit 
auch  zu  zeigen,  dafs  es  mir  um  einen  unparteiischen  und  die 
Wissenschaft  fordernden  austausch  unserer  ansichten  ernst  ist 
Vielleicht  gelingt  es  mir  sogar  darzuthun,  dafs  mein  recensent 
bei  aufmerksamerer  prSfiing  meines  Versuches  „On  the  represen- 
tatives  of  the  greek  preposition  avif!*'  einen  anderen  eindruck  ge- 
wonnen hätte  als  den  welchen  er  mittheilt,  da  ich  nicht  umhin 
kann  zu  glauben,  dafs  manches  urtheil,  welches  er  fällt,  nur  der 
eile  zuzuschreiben  ist  mit  welcher  er  meine  abhandlung  gelesen 
zu  haben  scheint  So  enthält  z.  b.  schon  der  titel  seiner  kritik 
einen  irrthum,  indem  er  von  den  Verhandlungen  der  „philos. 
Society**  statt  von  denen  der  philol.  Society  spricht  und  bald 
darauf  läfst  er  mich  „13  bedeutungen^  von  ava  entwickeln,  ob- 
wohl der  leser  sich  überzeugen  kann,  dafs  die  13  abschnitte, 
welche  die  frage  bebandeln,  höchstens  9  bedentungen  darlegen, 
von  denen  die  letzte  sogar  als  irrthümb'ch  abgewiesen  wird,  wäh- 
rend andere  nur  ihrem  hypothetischen  character  nach  betrachtet 
werden,  wie  bei  gelegenheit  der  frage  ob  es  richtiger  ist  ara- 
fiiyW'  mit  ^mix  thoroughly^  oder  mit  „mix  up^  zu  übersetzen. 

Die  bedeutungen  von  ava,  die  ich  entwickelt,  sind  nämlich 
englisch  folgende:  1.  up,  2.  back,  3.  again,  4.  reversal  (wie  das 
englische  präfix  un-  in  unbind),  5.  opening,  6.  beginning,  7.  ofF, 
away,  8.  through,  9.  thoroughly  (wenn  diese  letzte  bedeutung  nicht 
schon  unter  7.  enthalten  ist). 

Doch  ich  will  zur  hauptsache  kommen.  Mein  recensent  fin- 
det es  auffallend,  „dafs  alle  vergleichungen  ohne  hülfe  des  sans- 
krit  geschehen**;  „doch",  fährt  er  fort,  „möchte  es  drum  sein 
wenn  nur  der  vergleichung  selbst  eine  sichere  methode  zu  gründe 
läge.  Allein  gerade  diese  vermissen  wir ....  Zwei  mifsstände 
treffen  die  ganze  beweisführung  in  formeller  hinsieht:  erstlich 
wird  mit  den  beiden  Sätzen,  denen  wir  nur  im  nothfallc  be- 
schränkte anwendung  zugestehen  können,  dafs  nämlich  eine  form 
sich  in  einer  spräche  in  mehrere  spalten  und  umgekehrt  mehrere 


74  Koy 

sich  in  einer  form  wiederfinden  können,  verschwenderischer  g< 
brauch  oder  vielmehr  mifsbrauch  getrieben.  | 

Ich  will  bei  diesem  „erstlich^  anhalten  und  zunächst  behau 
ten,  dafs  allerdings  die  beispiele  dieser  art  nicht  nur  nicht 
schränkt  9  sondern  im  gegentheil  zahlreich  sind  und  namentlicl 
auf  dem  gebiete  der  untrennbaren  präfixe.  Von  gewohnliche 
werten  will  ich  nur  anfuhren,  von  lateinischen:  Providentia,  pri 
dentia  und  provintia  (provincia);  subrigo  (transit)  und  surgo  (in 
trans.);  porrigo  (trans.)  und  poigo  oder  pergo  (intrans.);  vulp 
und  lupus  (s.  zeitschr.  p.  208);  von  englischen:  faction  und  fa 
hion;  fragile  und  frail;  capital,  chattle  und  cattle;  parson  un^ 
person;  faculty  und  facility;  procurator  und  proctor;  deacon  und 
dean;  pabr,  peer  und  par;  cape,  cap  und  chief^  beam  und  boorn^ 
besom  und  broom;  bottom  und  bum;  twig  und  switch;  other  und 
or;  outer  und  utter;  over  und  upper;  later  und  latter;  latesn 
und  last;  tug  und  tow;  black  und  blue  (s.  zeitschr.  p.  179  amn.);i 
too  und  to*);  bag,  bay  und  bow.  Ferner  sind  umgekehrt  aus, 
mehreren  formen  in  eine  zusammengeflossen:  ministen  um  und 
IwcnjQia  in  „mystery*^;  z.  b.  Trade  and  mjstery  (i.  e.  altfranz. 
mestier,  ital.  mestiere)  of  aGoldsmith^;  (angry)  mood  =  mutb 
und  (subjunctive)  mood  =  lat  modus;  do  =  angelsächs.  do-n, 
und  do  =  angels.  dug-an;  cleave  =  kleben,  und  cleave  =  klie- 
ben;  one  =  ein  und  one  (in  „one  says%  „no  one^)=  man  oder 
mann;  the  =  der  und  the  =  je;  but  ==  aber  und  but  (i.  e.  be- 
out)  =:  aufser. 

Am  häufigsten  treten  diese  Wechsel  aber  bei  den  untrenn- 
baren präfixen  ein  und  zwar  gerade  deshalb,  weil  sie  untrennbar 
sind.  Der  nicht -philologe,  welcher  z.  b.  das  englische  Zeitwert 
„answer^  braucht,  denkt  gewöhnlich  nicht  daran,  dab  es  von 
dem  angelsächs.  an-swerian  kommt  und  folglich  das  präfiix  an 
enthält.  Das  präfix  an  hat  mit  anderen  werten  in  „answer^  für 
ihn  seine  Vitalität  verloren,  weil  er  in  diesem  verbnm  ihm  nicht 
mehr  als  abtrennbare  präposition  sondern  als  untrennbares  präfix 
erscheint  Der  philologe  dagegen  wird  sogleich  erkennen,  dafs 
answer  ein  gutes  analogen  zu  dem  lat  re-spondere  ist,  da  au 
(=  ava)  dem  lat  re   und  swer  (=  swear)  dem  spondere    guU- 

*)  Eb  könnte  indcfs  umgekehrt  auch  das  deutsche  zu,  velches  too  und 
to  reprttsentirt,  als  ein  beispiel  der  anderen  kategorie  von  dem  verschmelzen 
ursprünglich  verschiedener  formen  zu  einer  angefllhrt  werden;  wovon  ich  so- 
gleich sprechen  will. 


erwiedenmg.  75 

1 

j^richt,  und  dafs  die  zusammeDgesetzten  an-swer-und  re-spon» 
dere  ursprünglich  eine  gegenstipulatioD  aasdracken,  die  von  einem 
leligiöaen  bindangsmitteli  etwa  einer  libadon  oder  einem  eide, 
begleitet  war. 

Ich    soUte   vielleicht   noch   ansfahrlicher  bei  diesem  punkte 
lerweilen,  am  die  resultate  zu  vertheidigen  zu  denen  ich  gelangt 
Md,  aber  ich  will,  um  die  grenzen  die  ich  in  dieser  erwiedemng 
mir  setzen  mnfs,  nicht  zu  überschreiten,  nur  darauf  hinweisen, 
i&k  die  thatsachen,  von   denen  ich  so  eben  gesprochen,  bereits 
Ton  anderen  als  solche  anerkannt  und  mit  belegen  erhfirtet  wor- 
den sind.     So  hat  Orimm   schon    darauf  aufmerksam  gemacht, 
dafs  das   ent  in  ent-zwei  von  ganz  anderem  Ursprünge  ist  als 
das  ent-  in  ent-nehmen;   und  dafs  un  in  unwise  nichts  gemein 
hat  mit  an  in  unbind;   Leo:  dafs  das  irländische  zwei  unabh£n> 
gige  prSfixe  'do'  hat,  welche  den  englischen  from  und  to  ent- 
sprechen; Grimm:  dafs  das  angelsSchs.  prfifix  on  mit  dem  deut- 
schen ent-,  and  folglich  nicht  mit  der  engl,  prfiposition  on  iden- 
tisch ist     Herr  Ebel  selbst  scheint  zuzugeben,  daTs  per  in  per- 
joius  (=:  nct^a)  keine  beziehung  zu  dem  per  in  permagnus  (=: 
ff^<)  bat;    and  es  bedarf  keiner  bemerkung,    dafs  in  in  inire 
(=:  ev)  nichts  mit  dem  in  in  insanus  (^=  ar  priv.)  gemein  hat; 
noch  das  angels.  to  (==  zer)  mit  dem  to  (=  zu),    oder  en  in 
en-lighten  mit  en  in  en-quire.    Oder  wer  mochte  die  ersten  be- 
standtheile  von  fordo,  forget,  forlorn,  verthun,  vergessen,  verlo- 
ren (for,  ver  =  per  in  perdere)  und  von  foresee,  forestall,  for- 
"vard,  oder  von  vermuthen,  verfahren,  versehen  provide'  (hierzn 
pro  oder  prae)  identificiren,  obschon  sie  alle  im  englischen  den- 
selben laut  und  im  deutschen  sogar  dieselbe  form  haben? 

Hier  w&ren  also  neun  beispiele,  die  ich  schon  als  sicher  an- 
nehmen durfte,  bevor  ich  meine  theorie  bildete.  Und  nicht  we- 
nige davon  befinden  sich  schon  in  der  angegriffenen  abhand- 
lang;  sie  scheinen  indefs  von  herm  Ebel  unbeachtet  geblieben 
ni  sein; 

In  betreff  des  umgekehrten  falles,  daTs  dieselbe  partikel  zu- 
weilen verschiedene  formen  annimmt,  will  ich  mich  hier  nur  auf 
den  versuch  beziehen,  den  ich  in  den  proceedings  of  the  philol. 
Boc  neulich  gemacht,  die  identität  der  engl,  präpositionen  at  und 
to  nachzuweisen,  die  ich  aus  der  volleren  form  ado  oder  ato 
entstanden  glaube.  Man  ist  in  der  that  nur  zu  oft  geneigt  eine 
^rache  so  anzusehen,  als  ob  sie  aus  einem  gu£s  entstanden  und 


76  Key 

in   sich   vollkommen    homogen   sei.     Stellt   man  z.  b.  die   engl. 
Worte   «rieh,  red,  run,   rush**    neben    die    provinziellen  formen 
^hirch,  hird,  hirn,  hirsh*^,  so  hat  man  gewissermaTsen  ein  gesetz 
für  das  hoch-englisch  gegenüber  dem  dialect  von  Dorsetshire  for- 
muHrt,  und  findet  sich  getäuscht  sobald  man  horse  mit  rofs   ver- 
gleicht   Ebenso  soll  zwischen  dem  griechischen  und  lateinischen 
das  gesetz  meistens  obwalten,  dafs  n  im  ersteren  einem  c  oder 
q  im  letzteren  entspreche,  wie  in  inofiai,  XBmta^  miATttog  einer- 
seits und  seqnor  linquo,  quin(c)tns  andererseits;  doch  wir  finden 
hfyiog  gegenüber  lupus.     Ich   habe   übrigens  gründe  angegeben, 
warum  besonders  in  Bngland  eine  groise  menge  von  dialecten 
unter  dem  namen  von  angelsächsischen  vorkommt  und  warum 
daher  alle  Wörterbücher  das  deutsche  ent  in  so  vielfacher  form 
z.  b.  als  aet-,  08-,  on-  und  a-  wiedergegeben  haben.    Wie  dem 
aber  auch  sei,  ich  bin  nicht  allein  für  diese  behauptung  verant- 
wortlich.   Schon  Rask  sagt,    dafs  angels.  ot$-  gleich  deutschem 
ent,  und  Grimm  dais  angels.  on-  ebenfalls  gleich  ent-  sei.  I>ie 
bedenken,  welche  die  lautliche  Verschiedenheit  zwischen  let-  und 
en<^  einflöst  —  eine  Verschiedenheit  die  übrigens  nicht  zu  grofs 
ist  —  werden  beseitigt,  wenn  wir  die  gleichbedeutenden  a^tfieogan 
und  entfliegen,  aethleapan  und  entlaufen  und  setsacan,   entsagen, 
aetniman  und  entnehmen,   a>tsli6an  und  entgleiten,  setswjmmau 
und  entschwimmen  nebst  vielen  anderen  ähnlichen   Worten   zu- 
sammenstellen.   Das  einzige  präfix,  welches  übrig  bliebe,  wäre 
demnach  a-.    Dafs  aber  die  form  on-  (==  ent-)  zu  a-  werden 
kann,    wird  durch  die  Verwandlung  der  andern  präposition  on 
(=:  an)  bestätigt,  wie  aus  den  (s.  29)  citirten  beispielen  und  vie- 
len anderen  hervorgeht;   vei^l.  z.  b.  a-sleep,  a-jar,  a-bed,  a-wry, 
a-skew,   a-slant,   a-cross,  a-drift,    a-miss,    a-mid,  a-crjing, 
a-laughing  etc. 

Herr  Ebel  beschuldigt  mich  zweitens  ,, anerkannte  lautüber- 
gänge  zum  beweise  der  entgegengesetzten  lautwechsel^  gebraucht 
zu  haben.  Nun  habe  ich  aber  gerade  im  gegentheil  meine  leser 
auf  irrthümer  dieser  art  warnend  aufmerksam  gemacht  (vergl. 
s.  45).  Wenn  ich  daher  die  identität  von  ad  und  ava  beweisen 
wollte,  so  habe  ich  weder  dem  einen  noch  dem  anderen  Prio- 
rität zuerkannt.  Das  lateinische  ad  kann,  so  viel  ich  weifs,  eben 
so  alt  oder  vielleicht  sogar  älter  sein  als  ava»  Ich  hatte  folg- 
lich gar  nicht  zu  beweisen,  dafs  n  sich  in  d  verwandeln,  son- 
dern einfach  nur,  dafs  in  schwestersprachen  oder  in  dialecten 
ein  Übergang  von  n  in  d  und  umgekehrt  stattfinden  kann.    Da- 


ervieddroBg.  77 

äer  ist  das  beispiel  von  dant  'tooth'  und  von  saith  nant  'seven 
teeth'  nicht  ohne  kraft,  nm  die  genaue  Verwandtschaft  der  buch- 
$taben  festzastellen.  Andererseits  ist  aber  auch  die  behauptung 
mgenan,  daJjs  ich  ans  diesem  beispiel  allein  und  aus  der  ^aus- 
spräche der  nasale  beim  schnupfen^  meine  argumente  für  den 
laatwechsel  geschöpft  hatte.  Ich  kann  mich  hier  aber,  der  kürze 
wegen,  sogar  auf  die  nummer  ihrer  Zeitschrift  selbst,  in  welcher 
meine  abhandlnng  recensirt  ist,  nämlich  auf  seite  184  beziehen, 
wo  för  den  Wechsel  von  n  und  d  die  gesch.  der  deutschen  spr. 
3.355  cith-t  ist»). 

Der  scheinbar  wichtigste  einwarf  des  herrn  £bel  ist  aber 
der,  dafs  ich  auf  ^zofSllige  Übersetzungen^  zu  groCses  gewicht 
gelegt  habe.  Die  beispiele,  die  er  anfahrt,  sind  drei,  und  ich 
darf  wohl  annehmen,  dafs  sie  die  stärksten  beweise  in  seiner 
ansieht  gegen  mich  enthalten;  n&mlich:  intumesc-  ^swell  up^ 
und  incresc-  ^grow  np**,  „wo  andere  sprachen^  wie  es  heifst, 
..andere  prSpositionen  anwenden*',  endlich  drittens  agnosc-„re- 
cognize^.  Nun  wird  aber  erstlich,  was  intumescere  betrifft,  zu- 
gegeben werden  müssen,  dafs  die  gewöhnliche  folge  von  schwel- 
len ein  sich-erheben  ist,  nach  dem  natürlichen  gesetze,  dafs  aus* 
dehnung  da  stattfindet,  wo  der  widerstand  am  geringsten  ist,  also 
beim  anschwellen  nicht  nach  unten  sondern  nach  oben  hin.  Es 
ist  daher  ganz  richtig,  dafs  flugel  in  seinem  Wörterbuch  „swell^ 
s*v.  mit  „schwellen,  anschwellen,  ausschwellen,  auflaufen,  auf- 
steigen, aufragen  etc^  übersetzt.  Mit  ausnähme  des  ersten  Wor- 
tes in  dieser  Übersetzung  ist  die  analogie  mit  ava  in  dem  ersten 
theil  der  folgenden  wohl  deutlich  genug,  und  der  schlufs  scheint 
daher  nicht  ungerechtfertigt,  dafs  der  begriff,  der  in  „up^  ange- 
drückt ist,  auch  in  den  deutschen  synonymen  desselben  Wor- 
tes liegt  So  übersetzt  auch  Freund  intumescere  mit  „aufschwel- 
l^D,  anschwellen,  sich  erheben,  steigen  etc.^  Dagegen  wäre  es 
sehr  schwierig  das  in  in  intumesco  mit  der  ^gewöhnlichen  präpo- 
sition  in  zn  identificiren,  da  der  gewöhnliche  gebrauch  derselben 
durchaus  nicht  zu  dem  begriffe  von  schwellen  pafst;  während 
dieser  gebrauch  sogleich  hervortritt,  wenn  vom  umgekehrten  be- 
piffe  die  rede  ist,  wie  in  dem  zeit^orte  „einfallen^.  Vorläufig 
Qiöchte  ich  daher  intumesco  immer  noch  mit  'swell  up'  d.  h.  mit 
SOS-  oder  auf-schwellen  und  nicht  —  wenn  die  behauptung,  dafs 
T^  andere   präpositionen "    angewandt   worden,    einen  thatsäch- 

*)  Grimm  sagt  am  angeführten  orte:  ^Höchst  selten  scheinen  D  und  N 
*tt  tauschen".  d.  r. 


78  Key 

liehen  sinn  haben  soll  —  mit  dem  nicht  vorhandenen  weil  nicht 
möglichen  ^  einschwellen  ^  übersetzen. 

Der  fall  von  in  er  esc-  ist  dem  von  intumesc-  so  Shnlicb, 
dafs  ich  nur  dieselben  grfinde  anzufahren  h&tte,  um  zu  demsel- 
ben schlösse  za  gelangen.  Mit  bezug  auf  agnosc-  habe  ich  nan 
aber  zonfichst  za  bemerken,  dafs  agnosc-  ebenso  gat  als  eine 
corruption  von  an-gnosc  als  von  ad-gnosc  angesehen  werden  kann, 
da  in-gnosc-  za  ignosc-  wird.  Und  ich  kann  so  wenig  die  Vor- 
liebe anderer  sprachen  für  andere  präpositionen  bei  der  bezeicli- 
nnng  des  in  agnosc-  enthaltenen  begriffes  zugeben,  dafis  ich  im 
gegentheil  auf  die  grofse  gleichmäfsi^eit  der  form  in  dem  vor- 
liegenden falle  hinweisen  muTs.  Wir  finden  z.  b.  im  griech.  ceroe- 
yiyvoaax-^  im  breton  ana-vez-oat,  im  angels.  on-cnaw-an,  im  dent- 
sehen  an-erkennen  and  wieder-erkennen,  im  engl.  a(c)knowledge 
(und  re-cognize)  etc.  Freund  will  allerdings  agnoscere  mit  (ali- 
quid) ad  se  noscere  erklären;  aber  dies  scheint  mir  eben  so  ge- 
zwungen und  künstlich  als  wenn  Orimm  das  gothische  and-beitan 
mit  9, gegen  jemand  beissen^  übersetzt. 

„Freilich^,  fiUirt  herr  Ebel  fort,  „hSlt  man  sich  nur  an  das, 
was  und  nicht  daran,  wie  es  bezeichnet  wird,  nun  dann  kann 
man  alles  beweisen  —  oder  nichts^. 

Von  dieser  art  der  Widerlegung  kann  ich  nur  sagen,  dafs 
sie  weder  ernsthaft  noch  unparteiisch  ist  Denn,  ob  ich  nun 
recht  oder  unrecht  habe,  könnte  irgend  jemand  aus  den  oben 
angeführten  zeilen  entnehmen,  dafs  ich  mehrere  hundert 
Worte  analjsirt  habe,  bevor  ich  meine  resultate  hinstellte?  mit 
anderen  Worten,  dafs  ich  mir  die  ersichtliche  muhe  gegeben,  das 
^wie^  ausdrücklich  nachzuweisen?  Und  ich  will  hinzufügen,  dafs 
die  meisten  dieser  worte  im  allgemeinen  bisher  im  bausch  und 
bogen  behandelt  worden  sind,  und  dafs  ich  es  mit  dem  ,,wie^ 
daher  nicht  so  obenhin  genommen,  als  der  leser  aus  dem  ein- 
wnrf  des  herm  Ebel  schliefsen  möchte.  Wer  hat  z.  b.  früher 
nur  versucht,  die  eigenthfimliche  bedeutung  ,,zum  ersten  Mal 
eintauchen^  von  imbuere  und  die  bedeutung  „eine  erste 
form  geben ^  von  informare  mit  gründen  zu  erklaren?  oder 
die  bedeutung  ^^austrockn'bn^  von  adarescere  und  inter- 
arescere,  in  welchen  Worten  die  bekannten  bedeutungen  von 
ad  und  inter  ganz  unzureichend  sind.  Nur  ein  paar  bemerkun- 
gen  über  das  letztere.  Die  grofse  menge  der  bedeutongen  von 
ttpa^  die  ich  im  anfange  meines  Versuchs  über  diese  präposition 
aufgezfihlt,    scheint  meinen  späteren  schlufsfolgen  die  Sache  zu 


erwiedenmg.  79 

lacht  zn  machen.  Sie  th&te  es  wirklich,  wenn  ich  einzelne  der- 
selben willkahrlich  bei  eeite  geschoben  nnd  andere  für  meinen 
nreck  heraosgesncht  hfitte.  Doch  sie  vermehrt  im  gegentheil  die 
Schwierigkeit  für  mich,  wenn  allen  oder  doch  beinahe  allen  ge- 
oogthuang  werden  sollte.  Mit  ausnähme  von  „back^  (znrück) 
and  der  bedentang  von  „opening^  (eroffnen)  „beginning^  (an- 
fangen), die  in  der  that  nur  entfernter  dem  ava  zukommen,  sind 
Dan  alle  bedeutnngen  der  griechischen  präposition  in  den  lat. 
compositis  mit  inter  anzutreffen.  NSmlich  1.  „up*'  (auf)  z.  b.  in 
intellig-  eigentlich  „pick  up  auf-lesen,  dann  bildlich  sammeln^ 
rpTstehen;  3.  „again^  (wiederum)  z.  b.  in  interpolare,  füll  (cloth) 
agun,  ^wieder  zustutzen '^;  4.  reversal,  z.  b.  in  interjungere  unjoke, 
entjochen,  ausspannen;  7.  off  away  (ver-)  z.  b.  in  internecare  kill 
off,  vernichten  interdicere  forbid,  verbieten,  interimere  take  off, 
wegnehmen,  vernichten;  interficere,  make  awaj  with,  vernichten; 
^.  „throagh^,  z.  b.  in  interspirare,  breatfae  through  „durchath- 
men^;  interfodere,  dig  through,  „ durchgraben ^;  interfugere,  fiy 
through,  „ durchfliehen ^  etc.;  9.  thoroughly,  z.  b.,  in  inter-arescere, 
austrocknen,  interbibere,  austrinken,  in  welchen  Worten  die  ur- 
sprüngliche bedeutung  der  prSposition,  nämlich  'up*,  noch  vor- 
banden ist,  und  wir  können  sie  übersetzen  mit  diy  up,  aufbrock- 
Qen,  drink  up,  aufirinken.    * 

Deutschen  gegenüber  würde  es  mir  nicht  geziemen,  auf 
meine  erklarung  deutscher  worte  besonders  verweisen  zu  wollen, 
mir  ist  von  einigen  deutschen  gelehrten,  die  sich  in  England  be- 
finden, aber  ausdrückliche  Zustimmung  zu  theil  geworden  hin- 
sichtlich vieler  erklärungen,  die  ich  gegeben,  z.  b.  der  von  ent- 
sagen, untersagen,  entstehen,  unternehmen,  unterhalten  etc.,  und 
besonders  hinsichtlich  des  princips,  das  die  composita  mit  unter 
in  zwei  classen  theilt 

Zum  Schlüsse  noch  ein  wort  über  das  sanskrit  Vor  unge- 
nUir  25  Jahren  fing  ich  unter  der  anweisung  meines  damaligen 
coUegen,  des  betrauerten  Dr.  Friedrich  Rosen,  sanskrit  zu  studi- 
ren  an.  Umstände  verhinderten  mich  diesem  Studium  seitdem 
80  viel  zeit  zu  schenken,  als  ich  gebraucht  hätte,  um  mich  voll- 
kommen mit  der  sanskritsprache  vertraut  zu  machen.  Ich  ge- 
stehe dies  gern  ein;  aber  nach  der  Überzeugung,  die  mich  im 
gebrauche  von  sprachen  für  streng  wissenschaftliche  zwecke  lei- 
tet, and  nach  der  wenig  erfreulichen  erfahrung,  die  ich  unter  an- 
<3eren  an  meinen  eigenen  landsleuten  gemacht,  und  die  auch  sonst 
Wo  zutreffen  wird,  kann  ich  nicht  umhin  hinzuzufügen,  dab  nur 


80  Key 

eine  gründliche  und  vollkommene  kenntnifs  dieser  schwierigen 
spräche  eine  erspriefsliche  benutzung  derselben  für  comparative 
lingoistik  zu  rechtfertigen  scheint.  Wenn  ich  aber  mit  diesen 
Worten  meine  ansieht  dahin  ansdrücke,  dafs  oberflüchliche  Schrei- 
ber mit  ihrer  sogenannten  sanskrit-gelehrsamkeit,  die  sich  aus 
grammatiken  und  Wörterbüchern  zu  einem  oberflächlichen  schein 
schnell  aufputzen  läfst,  ernstlichen  schaden  der  vergleichenden 
Sprachwissenschaft  zugef^  haben,  so  muTs  ich  doch  anderseits 
auch  bemerken,  dafs  die  wirklichen  sanskrit-gelehrten  nur  zu  oft 
geneigt  sind,  einseitig  allein  nach  dem  entfernten  Indien  hinzu- 
blicken nnd  damit  nicht  selten  übersehen,  was  sie  zu  hause  ha- 
ben und  was  zu  ihren  füfsen  liegt. 

Ich  glaube  hiemit  auf  jeden  einzelnen  punkt*)  in  den  ausstel- 
lungen  des  herrn  Ebel  geantwortet  zu  haben  und  kann  daher 
die  theorie,    welche  ich  in  meinem  versuch  über  ava  entwickelt 
habe,  durch  seine  kritik  nicht  als  widerlegt  betrachten. 
4.  April  1855.    University  College,  London. 

T.  Hewitt  Key. 


Die  im  eingange  vorstehender  entgegnung  angefahrten  um- 
stände haben  mich  allerdings  bestimmt,  derselben  einen  platz  in 
der  Zeitschrift  einzuräumen  und  liefsen  es  zu  gleicher  zeit  rath- 
sam  erscheinen,  keine  weitere  erwiederung  auf  manche  der  vor- 
gebrachten punkte  folgen  zu  lassen;  wenn  herr  prof.  Key  es  sich 
aber  vorzugsweise  angelegen  sein  läfst,  seine  methode  zu  recht- 
fertigen, an  welcher  herr  dr.  Ebel  Sicherheit  vermifst  hatte,  so 
wollen  wir  in  bezug  auf  dieses  urtheil  nur  noch  auf  das  West- 
minster  Review  XIV.  p.  567  verweisen,  wo  ein  referent  über  ver- 
schiedene aufsätze  des  herrn  prof.  Key  sagt:  „The  only  fault  we 
find  with  him  is  that  he  allows  himself  sometimes  to  be  carried 
beyond  what  we  should  call  a  safe  ground  of  analogy''. 

A.  Kuhn. 


*)  üeber  die  genaue  Verwandtschaft  von  doch  und  noch  will  ich  nicht 
wiederholen,  was  ich  schon  anderweitig  gesagt  habe;  ich  will  indefs  aufser- 
dem  darauf  hinweisen,  dafs  'dennoch"*  und  'doch'  sogar  synonym  in^  gebrauch^ 
sind. 


Gedruckt  bei  A.  W.  Schade  in  Berlin,  Grünstr.  18. 


I.  Abhandloiii^eii« 


Oskische  beitrage. 

Uie  nachstehenden  untersuchuDgen  über  oskische  sprach- 
rmen  streiftm  ihrer  natur  nach  vielfach  in  gebiete  der 
ateinischen  grammatik  hinüber;  bei  dem  rein  sprachlichen 
Charakter  derselben  konnte  das  eingehen  auf  den  Zusam- 
menhang und  die  sachliche  bedeutung  der  tafel  von  Bantia 
^d  andrer  oskischer  Sprachdenkmäler  nicht  ganz  vermie- 
den werden,  da  jede  worterklärung  die  probe  bestehen 
niufs,  ob  sie  in  den  Zusammenhang  paTst. 

1)  Die  Conjunction  pruter-pam. 

Die  neusten  erklärer  der  Inschrift  von   Bantia   erklä- 
ren die  Worte  derselben  z.  4.  5.  Svae  pis  pertemust,  pruter 

pan ,   deivatud  übereinstimmend:    Si  quis  intercesserit, 

praeterquam  . . . .,  jurato  (Kirchhof,  das  stadtrecht  von  Ban- 
^^  8.  48;  Lange,  die  oskische  inschrift  der  tabula  Bantina 
P-31  f.  Kirchh.  zeitschr.  f.  vergl.  spr.  DI.  131).  Die  be- 
deutung praeterquam  für  pruter  pan  ist  schon  von 
den  früheren  erklärem  als  sicher  angenommen;  und  in  der 
^ftt  ist  die  sprachliche  möglichkeit  derselben  nicht  in  ab- 
rede zu  stellen.  Dennoch  ist  sie  nichts  weniger  als  erwie- 
sen. Die  oskischen  Zusammensetzungen  praefricus  =  prae- 
fectus,  praesentid  =  praesente  und  prumedicatud  =  pro 
^^stratu,  pruhipid  =s  prohibuerit  zeigen,  dafs  sich  die 
V-   2.  6 


82  Corssen 

pr&positionen  prae  und  pro  im  oskischen  und  lateinischeu 
im  gebrauche  genau  entsprechen.  Man  würde  also  fbr  ein 
lateinisches  praeter  ein  gleichlautendes  oskisches  erwarten. 
Aber. auch  abgesehen  davon  liegt  es  doch  nahe,  das  oski- 
sche  pru-ter  mit  dem  griechischen  7tQ6'Ta()ov  gleich- 
zusetzen und  von  der  gleichheit  der  form  auf  die  gleich- 
heit  der  bedeutung  zu  schliefsen,  und  demnach  pruter  pan 
als  prius  quam  zu  fassen.  Umbrisch  wird  der  sinn  des 
lat.  prius  durch  pre-tra  (AK.  11.  361),  des  lat.  prius  quam 
durch  pre-pa  (AK.  II.  249)  ausgedrückt;  zu  verwundem  ist 
es  daher  nicht,  wenn  auch  das  oskische  nicht  einen  dem 
lat.  prius  der  form  nach  entsprechenden  comparativform 
zeigt.  Mindestens  erhellt  also,  dafs  pruter  pan  ebenso 
gut  priusquam  als  praeterquam  bedeuten  kann,  dafs 
mithin  der  Zusammenhang  der  stellen,  wo  das  wort  vor- 
kommt, entscheiden  mufs,  welches  die  bedeutung  ist.  Wenn 
sich  nun  ergiebt,  dafs  durch  meine  erklärung  sowohl  z.  4 
als  z.  16,  wo  pruter  pan  auf  der  tafei  von  Banüa  vor- 
kommt, gerade  die  Schwierigkeiten,  an  denen  die  erklärer 
bei  ihrer  deutung  anstofs  genommen  haben,  wegfallen,  so 
ist  die  bedeutung  priusquam  die  richtige.  Was  zunächst 
die  hier  vorliegende  stelle  z.  4  betriffl;,  so  hat  K.  ganz  rich- 
tig gesehen,  dafs  hinter  pruter  pan  auf  der  tafel  ein  satz, 
d.  h.  mindestens  ein  verbum  herzustellen  ist;  L.  will  tri- 
bunus  plebis  ergänzen,  weil  zur  ergänzung  eines  Satzes  kein 
räum  vorhanden  sei.  Aber  der  ist  in  der  that  vorhanden. 
Ergänzt  man  nämlich  nach  pruter  pan  das  vorhergehende 
verbum  pertemust,  so  erweist  eine  genaue  nachmessung, 
dafs  dieses  wort  zu  ende  von  z.  4  platz  hat,  und  dafs  diese 
zeile,  wenn  man  pertemust  mit  den  buchstaben  von  Momm- 
sens  stich  hinter  pan  einzeichnet,  gerade  so  weit  reicht  vne 
z.  11,  wenn  man  eta  • .  zu  etanto,  und  wie  z.  10,  wenn  man 
min .  .  zu  minis  oder  minus  ergänzt.  Aber  auch  wenn  z.  4 
mit  der  vorgeschlagenen  ergänzung  noch  etwas  weiter  nach 
rechts  reichte  als  alle  andern  zeilen,  so  machte  das  nichts 
aus,  da  die  länge  der  zeilen  auf  der  tafel  von  Bantia 
überhaupt  ungleich  ist. 


oskiflcfae  beitrage.  83 

L.  wird  nnn  durch  seine  ergänzuDg  zu  der  sachlichen 
erklärung  gedrängt  (p.  31):  die  Qbrigen  Beamten  von  Ban- 
tia,  wenn  sie  gegen  Tolksgerichte  intercediren  wollten,  hät- 
ten erst  schworen  müssen,  daTs  sie  nur  das  Staatswohl  be- 
zweckten und  nach  majoritätsbesohlurs  des  Senats  handel- 
ten, die  tribunen  hingegen  ohne  vorgängigen  eid  interce- 
diren können.  L.  mufs  aber  selbst  gestehen,  dafs  Ton  ei- 
ner intercession  anderer  beamten  gegen  Volksgerichte  aufser 
den  tribunen  sich  im  römischen  gerichtsverfahren  kein  bei- 
spiel  findet;  noch  viel  weniger  also  findet  sich  irgend  eine 
analogie  dafHr,  dafs  ein  Staatsbeamter  vor  der  intercession 
hätte  einen  eid  leisten  müssen,  der  andere  nicht.  Eine 
sachliche  stütze  hat  also  L.'s  ansieht  gar  nicht. 

Nach   meiner   ergänzung   lautet   also   die  vorliegende 
stelle:  Svae  pis  pertemust,  pruter  pan  [pertemust]  deivatud 
=  Si  quis  intercesserit,  priusquam  intercesserit,  jurato;  der 
sinn  des  ganzen  satzes,  zu  dem  die  stelle  gehört,  ist  dem- 
nach :  Wenn  jemand  intercedirt,  so  soll  er,  bevor  er  inter- 
cedirt,  schwören,  da&  er  es  nur  im  Staatsinteresse  und  nach 
majoritätsbeschlufs    des   Senats  thue.     L.  hat   richtig  be- 
merkt, dafs  der  pis,  der  jemand,   von  dem  hier  die  rede 
ist,  nicht  der  beklagte  oder  eine  privatperson  sein  könne, 
sondern  jedenfalls  ein  Staatsbeamter  sein  müsse.     Wie  nnn 
in  Rom  in  der  that  nur  der  tribun  gegen  volksgeriohte  in- 
tercedirte,  so  mufs  man  vom  tribun  zu  Bantia  dieselbe  be- 
rechtigung  annehmen,    und  er  insbesondere  ist  mit  jenem 
pis  gemeint.     Wenn  also  meine  erklärung  sprachlich  imd 
inschrifUich  gerechtfertigt  ist,  so  hebt  sie  gerade  die  Über- 
einstimmung römischer  und  bantinischer  Volksgerichte,  auf 
die  L.  hinweisen  will,  einfach  und  entschieden  hervor,  wäh- 
rend L.  durch  seine  ergänzung  und  worterklärung  diese 
übereinatimmimg  zerreifst  und  seiner  eigenen  richtigen  an- 
sieht von  der  hauptsache  selbst  hindernd  in  den  weg  tritt. 
Das  hier  gewonnene  ergebnifs  wird  weiter  unten  durch  die 
betrachtung  der  zweiten  steDe,  wo  pertemust  vorkommt, 
z- 16  bestätigt. 

6* 


g4  Corssen 

2)  Die   unächte  präposition  amnud. 

Für  die  unächte  präposition  amnud,  die  K.  Tab. 
Bant.  6  richtig  causa  übersetzt  hat,  meint  L.  eine  sichere 
erklärung  gefunden  zu  haben,  indem  er  am-no  aus  ap-no 
entstehen  läfst,  das  von  gleichem  stamme  und  gleicher  be- 
deutnng  wie  op-us  sein  soll.  Auf  die  haltlosigkeit  dieser 
erklärung  haben  bereits  G.  Curtius  (n.  jahrb.  f.  phil.  u.  päd. 
bd.  29.  8.  96)  und  Bugge  (dies,  zeitschr.  HL  418)  hinge- 
wiesen; ich  kann  also  gleich  an  die  begründung  meiner 
erklärung  gehen.  Die  italischen  mundarten  bilden  von  prä- 
positionen  mittelst  der  anf&gung  no  örtliche  eigenschafts- 
wörter,  wie  lat.  pro-nus,  po-ne  fhr  pos-ne  oder  post-ne, 
super-nus,  infer-nus,  de-ni-que,  der  stamm  prae-no  in  dem 
Stadtnamen  Prae-n'-este  (dies,  zeitschr.  IH.  301)  umbr.  per- 
ne,  post-ne.  Nun  hat  das  oskische  in  Zusammensetzungen 
die  lateinische  präposition  ambi  (ambifariam,  ambidens), 
griech.  afi(fi  gewahrt  in  der  gestalt  amf,  weiter  verstüm- 
melt  zu  am.  Die  erste  findet  sich  Cip.  Abell.  32.  35  in 
amfr-et,  den  umbrischen  formen  ambr-etuto,  ambr-efiirent 
entsprechend,  dessen  erster  bestandtheil  amfr,  umbr.  ambr 
Ton  amf  für  amfi  gebildet  ist  mittelst  der  anfllgung  ro,  wie 
lat.  supr  f&r  super  in  supre-mus  von  sub.  Noch  mehr 
entstellt  ist  die  oskische  präposition  amfi  in  am-via-nud 
(Momms.  UD.  XXIX,  a.  b),  indem  das  f  wegen  des  heran- 
tretenden consonanten  wegfallen  mufste.  Von  derselben 
präposition  ist  mittelst  der  endung  no  das  räumliche  eigen- 
schaflswort  am.-no  gebildet,  das  „herumbefindlich''  bedeu- 
tet, wie  pro-nus,  po-ne,  super-ne  „vom-,  hinten-,  oben  be- 
findlich''.  Der  abl.  masc.  amnu-d  ist  eine  adverbialform 
wie  osk.  contru-d  vom  stamme  contro  lat  contrft,  bedeutet 
also  eigentlich  „in  circuitu,  im  umkreis  %  entspricht 
mithin  in  der  bedeutung  genau  dem  lat.  circa,  circd  (id- 
circo)  circnm.  Amnud  steht  nach  dem  worte,  das  von 
ihm  abhängt  wie  circa  und  circo  in  id-circo,  quo-drca,  es 
kommt  gerade  so  wie  diese  beiden  Wörter,  oder  wie  griech. 
itfLfpl  und  9t$Qi  von  der  bedeutung  „um^  zu  der  bedeu- 


oakiflche  beitrftge.  ^ 

tung  » wegen  %  wie  K.  sie  för  die  vorliegende  stelle  ge- 
fordert und  mit  causa  übersetzt  hat 

Es  ist  nun  die  stelle  auf  dem  stein  yon  Abella  in  be- 
tracht  zu  ziehn  z.  17,  wo  amnod  vorkommt,  die  L.  ganz 
aufser  acht  läfst.  Sie  lautet:  sakaraklom  herekleis,  slaagid 
pod  ist,  inim  teer[om]  pod  op  eisod  sakaraklod  [ist}-p^ 
anter  teremniss  eh(trad)  ist,  pai  teremenui^  nio[inikad] 
tanginod  prof[a?]tu  set  r[ehtod?]  ^iPfiod  puy  idik  sakara 
[klom]  inim  idik  terom,  moin^om]  moinikei  terei  fusid. 
Ich  übersetze:  Saoellum  fiTerimlis,  in  confinio  (?)  quod  est, 
et  terra  quae  apud  illud  sacellum  est,  quae  inter  terminos 
ex(tra)  est,  qu&  terminalia  communi  sententia  probata  sunt 
r(ecte)?  in  circuitu,  quo  hoc  sacellum  et  baec  terra  (est), 
commune  in  communi  terra  erit.  Da  es  hier  nur  darauf 
ankommt,  meine  ansieht  über  amnod  zu  rechtfertigen,  so 
verweise  ich  der  kürze  halber  f&r  die  berechtigung  zu  die- 
ser Übersetzung  auf  die  sprachlichen  nachweise  bei  IL  stadtr. 
V.  Baot  s.  8.  AK.  umbr.  sprachd.  I.  167.  IL  160.  325,  und 
bemerke  nur,  dafs  ich  pai  vor  teremennio  als  femininen  lo- 
kativ  mit  der  bed.  „wo^,  lat.  „qu&^  fasse,  wie  weiterhin 
ein  solcher  loc.  fem.  erscheint  vor  teremennio  z.  57 :  eisai 
viai  mefiai  teremennio  staiet»  in  ea  via  media  terminalia  Stent 
Das  r . .  . .  am  ende  der  verstümmelten  zeile  16  ergänzt 
Mommsen  zu  rehtod,  und  vergleicht  man  hierzu  die  um- 
brische  formel  (AK.  II.  328):  sv  e  rehte  curatu  sisssi  recte 
curatom  sit,  so  erscheint  diese  ergfinzung  sehr  ansprechend. 
Ganz  ähnlich  findet  sich  das  lat.  recte  in  den  grenzbestim- 
mungen  der  lex  Mamilia  (zeitschr.  f&r  geschichtl.  rechts- 
Wissenschaft  bd.  IX.  379  £):  qui  ager  intra  fines  eorum 
erit,  qui  termini  in  eo  agro  statuti  erunt,  quo  in  loco  ter- 
minus  non  stabit,  in  eo  loco  is,  cujus  is  ager  erit,  termi- 
num  restituendum  curato:  uti  quod  recte  factum  esse  vo- 
let  Ein  oskisches  adverbium  rehtod  oder  rehte  stände  ne- 
ben lat.  recte  wie  osk.  ehtrad  neben  lat.  extra.  Nur  läfst 
sich  leider  nicht  sicher  bestimmen,  welche  casusform  das 
vom  participialstamm  reh-to  gebildete  adverbium  gehabt 
hat,  da  das  oskische  in  contrud,  ehtrad,  amprufid,  fortis, 


99  Consen 

mais  Terschiedene  adverbialbildangen  zeigt.'    Es  fragt  sich 
nun,    ob  amnud  wirklich  an  der  vorliegenden  stelle  durch 
„in  circuitu"  oder  „circa**  richtig  übersetzt  wird.   Man  ver- 
suche einmal  es  mit  causa  zu  übersetzen;  dann  müfste  das 
mit  r  anfangende  wort,  das  vorhergeht,  ein  von  amnod  ab- 
hängiger genitiv  sein  wie  tab.  Baut.  6  cadeis  amnud  zeigt, 
könnte    also   nicht  zu  rehtod  oder   rehte  ergänzt  werden. 
Was  sollte  nun  abt^v  dieses  wort  bedeuten?  Es  müfste  ei- 
nen begriff  wie  „umgrenznug^  bezeichnen,  wie  ihn  auch  der 
folgende    mit  pur  eingeleitete  relativsats  verlangt.     Dann 
würde  einerseits  das  oskische  gesetz  die  triviale  erklämng 
enthalten,  dafs  grenzsteine  zur  Umgrenzung  dastehen,  an- 
drerseits aber  entsteht  die  un Wahrscheinlichkeit,    dals  der 
begriff  „grenze^  durch   drei  verschiedene  Wörter  in  einem 
und  demselben  aktenstücke  ausgedrückt  wäre,    durch  te- 
remniss,   durch  slaagid  und  endlich  durch  jenes  verstüm- 
melte mit  r  anlautende  wort.    Die  nothwendigkeit  fbr  am- 
nod an  unserer  stelle  eine  räumliche  bedeutung  zu  gewin- 
nen, schliefst  auch  die  erklärung  Bugge's  aus,    der  (dies, 
zeitschr.  III.  418)  das  amnud  der  tab.  Bant.  von  wrz.  am 
in  amare  herleitet  und  durch  gratia,  ;^of(>f9/  erklärt,   lieber- 
dies   ist  diese  erklärung  auch   nicht  durch  verwandte  bil- 
dungen  auf  dem  boden  der  italischen  dialekte  gestützt.  Mir 
ist  wenigstens  kein  fall  bekannt,  wo  von  einer  verbal wur^ 
zel  ein  nomen  durch  die  anfilgung  no  gebildet  und  ein  ca- 
sus desselben  als  präposition  verwandt  wäre,  während  für 
solche  bildungen  von  präpositionen,  d.  h.  von  pronominal- 
wurzeln oben  beispiele   zusammengestellt  sind.    Jedenfalls 
stehen  also  der  erklärung  causa  fär  amnod  an  der  vorlie- 
genden  stelle   sehr   wesentliche  Schwierigkeiten    entgegen. 
Man  vergleiche  damit  die  von  mir  ftkr  die  präposition  oder 
das  ortsadverbium  angenommene  grundbedeutung.  IstMomm- 
sens  sehr  einleuchtende  ergänzung  r(ehtod)  richtig,    dann 
steht  amnod  hier  als  ortsadverbium  ohne  vorhergehenden 
casus,  wie  häufig  lat.  circa  mit  der  bedeutung  „ringsum % 
und  der  einfache  sinn  der  ganzen  stelle  ist  ^das  tempel- 
grundstück,    das   zwischen   den  grenzen    (von    Noia  und 


oskische  beitrage.  87 

Abella)  ausgeschiedeD  ist,  wo  die  greozsteine  nach  gemein- 
samem bescbloGs  richtig  ringsum  festgesetzt  sind^.  Aehn- 
lieh  heifst  es  in  den  grenzbestimmungen  zwischen  den  ackern 
der  Genuaten  und  Yeturier  (Egger  lat.  serm.  vet.  rell.  186): 
ibi  termina  duo  stant  circum  viam  Postumiam.  Altlatei- 
nisch  war  die  präposition  ambi  zur  bezeichnung  von  Um- 
grenzungen in  gebrauch,  das  zeigen  sowohl  die  zusammen* 
Setzungen  amburbialis,  ambarvalis,  anterminus  (Fest.  h.  ▼.) 
als  des  älteren  Catos  Schreibweise  Macrob.  Sat.  I,  14:  Cato 
in  originibus  an  terminum,  id  est  circum  terminum.  Die 
oben  gegebene  sprachliche  erklärung  von  amnod  wird  alsa 
durch  den  völlig  passenden  und  sachgemäTsen  sinn  der 
stelle  bestätigt  Aber  auch  angenommen,  M.  hätte  das  r... 
nicht  richtig  ergänzt,  und  vor  amnod  ein  casus  eines  mit 
r  anlautenden  nomens  gestanden,  das  einen  räum  bezeich- 
nete, was^  wie  oben  gezeigt,  mindestens  unwahrscheinlich 
ist,  selbst  dann  käme  nach  meiner  ansieht  noch  ein  einfa- 
cher und  gesunder  sinn  des  relativsatzes  heraus:  „wo  die 
grenzsteine  nach  gemeinsamem  beschlufs  rings  um  den  räum 
festgesetzt  sind,  wo  u.  s,  w.^.  Somit  empfiehlt  sich  die 
oben  angestellte  erklärung,  dais  amnod  von  der  präpo* 
sition  amfi  mittelst  der  endung  no  gebildet,  dafs  es  wie 
lat.  circa,  circo,  griech.  afifpi^  tuqI  ursprünglich  „um,  rings- 
um^, dann  auch  „  wegen  ^  bedeute  durch  betrachtnng 
der  besprochenen  stelle  auf  dem  stein  von  Abella  nach  al- 
len Seiten  hin. 

3)  Die  superlatiyform  valaemom  und  die  itali- 
schen geschlechtsnamen  auf  -aijo,  -aejo,  -eijo, 
"^jöj   -Qo»   -^o,   -aio,   -aio,   -aeo,   -60,    -fo,   -fo, 

-10. 

In  dem  relativsatz  T.  B.  10:  pod  valaemom  tovticom 
tadait  ezum  handelt  es  sich  zum  Tcrständnüs  um  die  er- 
klärung der  beiden  Wörter  yalaemom  und  tadait,  die 
E.  offen  gelassen.  Mommsen  (s.  258)  hat  richtig  bereits 
Talaemom  mit  lat.  valere  zusammengestellt;  L.  erklärt  das 


^  CorSBen 

wort  f&r  ein  substantiTiun,  das  vom  verbalstamm  vala  mit 
dem  sufiSx  imo  gebildet  sein  mid  den  sinn  von  salus  haben 
soll,  ohne  fbr  diese  wieder  als  unzweifelhaft  ausgegebene 
Substantivbildung  eine  analogie  beizubringen.  Dafs  von  ver- 
bis  der  a-conjugation  substantiva  mit  der  anf&gung  mo 
und  zwischentretendem  bindevokal  e  oder  i  gebildet  wür- 
den, dafür  sucht  man  vergebens  einen  beweis.  Ich  komme 
also  mit  der  erklärung  des  wertes  nicht  so  leicht  zu 
Stande,  und  sehe  mich  genöthigt  zu  einer  begründnng 
derselben  eine  ganze  reihe  verwandter  Wortbildungen  durch- 
zugehen. 

Der  stamm  des  vorliegenden  adjektivum  ist  val-aeo 
mit  einer  endung  gebildet,  die  in  den  italischen  sprachen 
sehr  mannigfach  gestaltet  erscheint.  Ihre  vollste  und  äl- 
teste gestalt  auf  italischem  boden  ist  im  oskischen  aijo, 
skr.  6ja  in  mefit-aija-is  und  mit  der  anftlgung  ano  wei- 
ter gebildet  in  Pomp-aij'-an'-s.  Indem  das  i  desdiph- 
thonges  ai  zu  e  sank,  wie  so  oft,  entstand  die  form  aejo 
in  den  lateinischen  namen  Ann'-aeju-s,  Ann-aeja  (vgl. 
Huebner:  Quaestiones  onomat^logicae  latinae.  Bonn.  1854. 
p.  21 — 27)  und  indem  das  a  des  ursprüngUchen  diphthon- 
gen  ai  sich  zu  e  schwächte,  die  gestalt  eijo  in  den  lat. 
namen  Pomp-eija,  wozu  die  von Priscian  (1. 18.  ed.  Hertz) 
angefahrte  Schreibweise  Pomp-eiii  stimmt,  Opetr-eija, 
Sabin'-eiju-s,  wo  das  doppelte  I  der  inschriften  keines- 
wegs blofs  zur  schärfung  des  einfachen  I  steht.  Dieselbe 
bildung  zeigt  oskisch  ver-eija-i,  wo  das  doppelte  I  eben- 
sowenig mülsig  ist.  Hieran  schliefst  sich  am  nächsten  die 
im  latein.  gewöhnlichste  form  ejo  in  namen  wie  Pomp- 
eju-s,  Vell-eju-8,  Ann-eju-s  u.  a.,  die  oskisch  in 
Ver-eja-s,  Kott-eje-is,  umbrisch  in  den  völkemamen 
Mus-ej'-ate,  Kur-ej'-ate  mit  der  anf&gung  ati  weiter- 
gebildet erscheint.  In  der  mitte  zwischen  ejo  und  ijo  liegt 
die  oskische  form  i j  o ,  da  das  oskische  gestrichene  i  einen 
zu  e  hinneigenden  i-laut  bezeichnet,  wie  Aufrecht  (I.  22) 
überzeugend  dargethan  hat,  während  neuerdings  der  ver- 
such, dem  i  eine  andere  bedeutung  beizulegen  (Stier  zeitschr. 


otkiaobe  beitritge.  89 

£  alterth.  w.  1854.  p.  129),  ohne  die  guten  gründe  jenes 
gelehrten  zu  berücksichtigen,  mi&lungen  ist.    Diese  form 
findet  sich  in  kerr-ijo-i,   kerr-ija-i  und  den  andern 
auf  der    weihinschrift    von  Agnone   yorkommenden  casus 
desselben  Wortes.    Wie  in  der  form  ejo  der  e-laut  ein  fol- 
gendes i  verdr&ngte,  so  hat  in  der  umbrisehen  und  oski- 
sehen  form  ijo  der  i-laut  allein  die  geltung  behauptet.  So 
in  den   umbrisehen  namen  Kastru^-ije,  Klavern-ijo, 
Kluv-ije-r,    Veh-ije-s,    Vup-ija    (AK.  I.  24,  163). 
Ebenso  gebildet   sind   die   oskischen  namen  Adir-ii^-s, 
Babb-ii'-s,   Gav-ii'-s,  Makd-ii'-s,  Maakd-ii'-s, 
Met-ii'-s,    Muluk-ii'-s,    Niumer-ii^-s,   Paap- 
ii'-{s),  Pupd-ii'-s,  Pupid-ii'-s,  Popid-ii-s,  Tintir- 
ii^-s^  Treb-ii'-s.     In  diesen  nominativen  fiel  vor  dem  s 
des  nominativs  der  classenyokal  o  der  endung  ijo  aus  wie 
in   oskisch    Heirenni^-s,    Niumsi'-s,    degetasi'-s, 
Steni'-s,  Ohtavi'-s  (dies,  zeitschr.  m.  133),   umbrisch 
in  Trutiti'-s,  Koisi'-s,  im  provinzialen  latein  in  Bru- 
ti'-s,   Fulvi'-s,    Ventinari'-s,    Aureli'-s  (Hübner 
1«  c.  p.  28)  und  auch  sonst  in  den  italischen  sprachen  häufig. 
Vor  dem  folgenden  s  mufste  dann  natürlich  das  j  der  en- 
dung zu  i  erweicht  werden.     In  allen  bisher  besprochenei 
gestaltungen  hat  sich  das  j   der  ursprünglichen  anf&gung 
erhalten.    Eine   zweite   reihe   von   gestaltungen    desselben 
entsteht  durch  den  ausfall  dieses  j.     So  wurde  aus   aijo 
oskisch,  lateinisch  und  umbrisch  zunächst  aio;    oskisch  in 
Meliss'-ai-i,  kajusin'-aia,  mit  der  anftkgung  ano  wei- 
ter gebildet  in  Bov-ai'-ano-d;  das  provincielle  latein  der 
Osker,  Picenter,  Etrusker  u.  a.  hat  diese  form  aio  gewahrt 
in   namen    wie  An-aia,    Vibid-aius,   Pop-aio,   Ul- 
aiu-8,  An-ai^-edius,  An-ai^'-enus,  Pull-ai^-enus, 
Meliss-ai  (fUr  Meliss-ai'-i),  die  jetzt  auf  inschriften  nach- 
gewiesen sind  (Mommsen  Inscriptiones  regni  Neapolitani. 
Ind.  Hübner  1.  c.)  und  die  beweisen,  dafs  italischen  mund- 
arten  diese  form  geläufig  war.    Im  umbrisehen   erscheint 
dieselbe  endung  in  den  adjectivbildungen  pern'-aia-  f., 
pu8tn-aia-  f.,  von  den  adverbien  peme  „auf  der  vorder- 


90  Consen 

Seite  ^  und  postne  ^»auf  der  rückseite^  mit  der  anfftgung 
aio  gebildet,  vor  welcher  wie  gewöhnlich  der  vokalische 
auslaut  des  Stammes  ausfiel.  Ich  kann  nicht  mit  AK. 
(umbr.  spr.  I.  47)  annehmen,  dafs  an  jene  adverbien  nur  die 
endung  o  angetreten  wftre  und  sich  das  auslautende  6  der- 
selben wieder  in  ai  aufgelös't  hätte,  da  von  solchen  auflö- 
sungen  im  umbrischen  sonst  kein  beispiel  vorhanden  ist. 
Von  aio  ist  durch  den  oben  berührten  feinen  lautunter- 
schied des  oskiscben  i  die  oskische  form  aio  geschieden, 
die  den  Übergang  zu  aeo  bildet  und  sich  in  dem  namen 
Vesulli'-ai^-s  findet.  Die  endung  aio  trat  hier  an  den 
abgeleiteten  stamm  Veeullio,  dessen  o  vor  ihr  abfiel;  der 
nominativ  hülste  dann  regelrecht  das  o  vor  s  ein.  Mit  der 
gewohnlichen  trübung  des  i  zu  e  ward  dann  aus  aio  die 
gestalt  der  endung  aeo,  die  in  italischen  namen  häufig 
erscheint  wie  Acc-aeu-s,  Ann'-aeu-s,  App-aeu-s, 
Arc-aeu-s,  Av-aea,  Bass-aeu-s,  Februcui-aea, 
Meliss-aeu-s,  Petron-aeu-s,  Peduc-aeu-s,  Pom- 
pon-aeu-s,  Popp-aeu-s,  Serv-aeu-s,  Sexs-aea-s, 
Terr-aeu-s,  Tett-aeu-s,  Vell-aeu-s,  Vin-aea,  Vis- 
aeu-s,  Yerginn-aeu-s  (Momms.  Inscr.  R.  N.  Ind.  Hüb- 
ner 1.  c.  p.  23).  Dafs  solche  geschlechtsnamen  auf  aeo  von 
weiblichen  stammen  auf  a  gebildet  sein  können^  wie  Meliss- 
aeu-s  von  fiikiaaa,  Terr-aeus  von  terra  wird  niemand  be- 
streiten. Wer  indefs  behaupten  wollte,  daiGs  sie  immer  von 
solchen  gebildet  sein  müfsten,  hätte  den  nachweis  zu  ibh- 
ren,  dafs  römische  geschlechter  sich  auch  nach  stammmüt- 
tem,  nicht  blofs  nach  Stammvätern  nannten,  dafs  also  z.  b. 
Petronaeus  nicht  von  Petro  sondern  von  Petrona,  Pompo- 
naeus  nicht  von  Pompo  sondern  von  Pompona  gebildet 
wäre.  So  lange  dieser  beweis  fehlt,  muls  ich  das  a  in  der 
endung  aio,  aeo  von  lateinischen  geschlechtsnamen  als  ei- 
nen theil  der  anfügung,  nicht  des  wortstammes  ansehen  so 
gut  wie  in  dem  oskiscben  Bov-ai'-anod  =  lat.  Bov-i-ano 
und  -aeo  aus  -aijo  erklären.  Diesen  bildungen  schliefst 
sich  das  oskische  val-ae'-mo-m  an,  eine  superlativform 
von   dem  adjectivstamme  val-aeo.     Als  die  steigerungs- 


oskiflche  beitrüge.  91 

^dong  mo  mit  Tortretendem  bindevokal  i  an  diesen  stamm 
trat,  ward  das  auslautende  o  desselben  abgestofsen.  So 
ist  vom  stamme  maho  (skr.  wrz.  mah,  crescere)  gebildet 
ma-i-ma-6  =  maximae  mit  ausfall  des  h  wie  in  ma-i-s  = 
magis,  so  lat  bruma  ftr  brev'-u-ma,  min'*i-me,  pur'-i-me, 
dec'-i-mu-s,  sept'-i-mu-s ,  bildongen,  die  ich  bereits  früher 
besprochen  habe  (dies,  zeitschr.  III.  244  f.).  DaTs  aus  val- 
ae*-i-mo-m  val-ae'-mo-m  ward,  bedarf  keines  beweises 
mehr;  die  bedeutung  des  so  gefundenen  superlatives  ist 
yalidissimum  oder  valentissimum.  Dafs  übrigens 
dag  oskische  auch  sonst  die  form  der  anftgung  aeo  kannte, 
zeigt  der  name  Meliss-aen-s,  der  auf  pompejanischen 
Inschriften  häufig  vorkommt  (Mommsen.  U.  D.  279).  Ver- 
gleicht man  die  formen  -aeo,  -aio,  -aio  in  ihrem  zusam- 
menhange, so  wird  es  wohl  gerechtfertigt  erscheinen,,  warum 
ich  oben  in  der  endung  aio  das  i  als  vokal .  gefafst  habe, 
nicht  als  consonanten  j.  Die  endung  aeo  schmolz  nun  wei- 
ter zusammen  zu  So  in  lateinischen  namen  wie  Amm-ea, 
Ann-eu-8,  App-eu-s,  Bass-eu-s,  Brutt-eu-s, 
Duc-ea,  Pars-eu-s,  Pirm-eu-s,  Lollid-ea,  Mess- 
ea,  Mucian-ea,  Pax-eu-s,  Peduc-eu-s,  Plenin- 
eu-8,  Pomp-ea,  Pompon-eu-s,  Popp-eu-s,  Prae- 
tum-eu-8,  Serv-ea,  Terr-eus,  Tinul-eu-s,  Vell- 
eu-s  (Hübner  I.  c.  p.  24).  Diesen  bildungen  am  n&chsten 
stehen  die  oskischen  auf  io,  das  in  der  mitte  steht  zwi- 
schen lat  Äo  und  io,  wie  Piist-ia-i,  Vestiriki-lo-i, 
Viiniki-l'-s,  Juvki-io-1,  Siuti-i'-s,  Kiipi-i'-s. 
Diese  sind  also  nicht  mit  lateinischen  namen  wie  Truti- 
^jn-8,  Modi-eju-s  zusammenzustellen  (wie  Momms.  U.  D. 
229  und  Hübn.  p.  27  behaupten),  die  ja  das  j  der  endung 
gewahrt  haben;  ihnen  würden  vielmehr  lateinische  namen 
^e  Vestrici-eu-s,  Jovici-eus  entsprechen,  die  ich  aber  nir- 
gend gefunden  habe.  Dafs  das  lateinische  eine  endung  to 
IQ  geschlechtsnamen  kennt,  ans  der  durch  Verkürzung  des 
i  die  gewöhnliche  lo  entstanden,  ist  von  Ritschel  (Ind.  lect. 
liib.  1853-^54.  p.  6  f.)  trefflich  nachgewiesen.  Die  zusam- 
nieostellung  von  namen  wie  An-aeu-s,  An-eio-s,  An- 


92  Consen 

io-8,  Ann-aeo-s,  Ann-eio-s,  Ann-eo-s/Ann-io-s; 
Lucc-aeo-8,    Lucc-ejo-s,    Lucc-io^s,    Pompon- 
aeu-8,  Pompön-eo-s,  Pompon-io-s;   Popp-aeu-8, 
Popp-io-8;    Tett-aeo-8,  Tett-ejo-s,  Tett-io-s,- 
Vell-aeu-8,  Vell-ejo-8,  Vell-io-s  lassen  keinen  sswei- 
fd,   dais  in  gentilnamen  zwischen  eju-s  und  lu-s  die  Zwi- 
schenstufen So  und  to  lagen.     Das  lange  i  in  geschlechts- 
namen   und    anderwärts  wird,    wie  Bitschcl  erwiesen  hat 
(rhein.  mus.  YIII.  p.  493.     Monum.  epigr.  tria  p.  31)   auf 
Inschriften  durch  die  grölsere  höhe  des  buchstaben   oder 
durch  einen  darübergesetzten  accent  bezeichnet,  so  dafo  an 
der  ausspräche  von  namen  wie  Anton*ta,  Claud-tu-s, 
Lucil-ia-e,  Poetell-iu-s,  Pompon-tu-s,  Valer-to, 
Flav-fu-s,    Vett-!u-s,    Gav-iu-s,    Jul-ia-e,    Liv- 
tu-8,  Luc-io-m  u.  a.  nicht  mehr  gezweifelt  werden  kann. 
Diese  lateinischen  geschlechtsnamen  auf  &o  und  io  lassen 
aber  schliefsen,  dals  auch  in  den  entsprechenden  oskischen 
namen  auf  eo,  io  und  io,  die  oben  angefahrt  sind,  das  e, 
i,  i  lang  war,  und  dais  wie  im  lateinischen  sich  diese  en- 
düngen  später  durch  den  einflufs  des  folgenden  vokales  zu 
lo   kürzen  konnten.      Dais  im  lateinischen    die    endungen 
aio,  aeo,  eo,  io  wirklich  formen   desselben  Suffixes   sind, 
dafbr  führe  ich  um  einem  neuerdings  geäufserten  zweifei 
(Dietrich :  de  vocalium  quibusdam  in  lingua  latina  affectio- 
nibus.  1855.  p.  16)  zu  begegnen  noch  an,  dafs  auf  Inschrif- 
ten   der   name   der   mutter   des   Alexander  ScTerus   bald 
Juliae  Mam-aea-e  (Orelli  953),  bald  Juliae  Mam-ea-e  (Or. 
955),  bald  Juliae  Mam-ia-e  (Or.  954)  heifst,  und  dafs  der- 
selbe frauenname  Popp-aia-e  und  Popp-ea-e  (Or.  731.  733) 
geschrieben  wird.     Wenn  ich  hier  die  ansieht  ausgespro- 
chen habe,  dafs  die  endung  lo  in  lateinischen  familienna^ 
men  aus  einer  ursprünglichen  italischen  aijo  entstanden  sein 
kann  und  in  vielen  föllen  entstanden  ist,    so  folgt  daraus 
nicht,  dafs  dies  immer  der  fall  sein  mufs.   Es  ist  durchaus 
kein  grund  vorhanden,   weshalb  die   anftkgung  io  in  itali- 
schen namen  nicht  auch  der  sanskritendung  ja  entsprechen 
könnte. 


oskUche  beitrage. 


03 


Nachstehende   tabelle  veranschaulicht   die    ergebnisse 
geführten  Untersuchung: 


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94  '     Consen 

Wenn  das  oskiache  hier  10  fonnen  derselben  aoftlgang 
zeigt,  das  lateinische  8,  das  umbrische  nnr  4,  so  ist  das 
bezeichnend  fUr  die  Statistik  des  Tokalismus  in  den  drei 
dialekten.  Im  oskischen  ist  die  reichste  entfaltung  nament- 
lich der  diphthongischen  laute,  und  auch  im  jüngeren  os- 
kischen ist  nur  ein  geringes  sinken  des  vokalismus  sicht- 
bar. Das  altlateinische  kam  dem  oskischen  an  reich- 
thum  von  diphthongen  nahe;  aber  mit  dem  emporblühen 
ihrer  litteratur  trübte  und  verschmolz  die  spräche  ihre  Zwie- 
laute mehr  und  mehr  zu  eintönigen  längen.  Das  umbri- 
sche hat  schon  in  der  ältesten  gestalt,  in  der  wir  es  ken- 
nen, von  seinen  diphthoiigen  nur  wenige  reste  bewahrt,  in- 
dem es  au,  ou,  eu  in  der  regel  zu  ü  oder  ö,  ai,  oi,  ei  ge- 
wöhnlich zu  e  oder  i  eingehen  liefs.  Die  übrigen  dialekte, 
namentlich  der  sabellische  und  volskische  müssen  hier  noch 
aus  dem  spiele  bleiben,  weil  es  noch  eingehender  Vorunter- 
suchungen bedürfte,  um  von  ihrem  vokalismus  zu  reden. 

Der  nachweis,  dafs  die  ftlr  valaemom  geftindene  be- 
deutung  in  den  Zusammenhang  pafst,  ist  am  schlufs  des 
folgenden  abschnittes  gegeben. 

4)  Die    conjunctivform  tadait  und   das   vorherr- 
ischen der  a-conjugation  im  oskischen. 

Dafs  die  verbalform  tada-i-t  S.pers.  sing.  conj.  präs. 
ist  von  einem  verbum  der  a-conjugation,  wie  sta-i-t,  deiva- 
i-d,  kann  nicht  zweifelhaft  sein.  Indem  ich  stamm  und 
bedeutung  desselben  suche,  kann  ich  L.'s  einfall,  taca-i-t 
dafbr  schreiben  zu  wollen,  vor  kundigen  lesem  auf  sich 
beruhen  lassen.  Das  lat.  ten-do  ist  von  der  wrz.  tan  ge- 
bildet, die  in  skr.  tan-ömi,  gr.  rav-vw,  rc/v-w,  lat.  per-tin-et, 
os-tin-et,  was  durch  os-ten-dit  erklärt  wird  (Fest)  erscheint; 
der  zweite  theil  der  Zusammensetzung  ten-do  ist  dasselbe 
do,  das  sich  in  den  Zusammensetzungen  in-do,  con-do,  cre-do 
(Pott  I,  187)  per-do,  defen-do  u.  a.  findet,  und  wie  schon 
anderweitig  erwiesen  ist,  von  sanskr.  würz,  dhä,  griech. 
&6  stammt.  Dieselbe  Zusammensetzung  erkenne  ich  in  der 
vorliegenden  oskischen  form  tadait,   die  ich  lat.  tendat 


oskiache  beitrüge.  ^ 

gleichsetze.  Dafs  das  ursprüngliche  a  der  worzel  tan  sich 
ia  ta-dait  hielt  neben  lat.  per-tin-et,  os-tiu-et,  ten-do  kann 
nicht  befremden,  da  auch  osk.  an,  anter  neben  lat.  in,  inter 
sich  findet.  Das  n  der  wrz.  tan  fiel  im  oskischen  vor  fol* 
gendem  consonanten  weg  wie  in  amfiret  ftü:  amfrent,  cen- 
sazet  für  censazent,  set  fdr  sent,  formen  über  die  nach 
Kirchhofe  scharfsinnigen  Untersuchungen  kein  zweifei  mehr 
obwalten  kann,  ebenso  in  aragetud  filr  aragentud,  a-miri- 
catud  ftr  an-miricatud.  Auch  das  sanskrit  liefs  das  n  des- 
selben Stammes  gelegentlich  fallen  z.  b.  im  part.  ta'-ta  Tor 
folgendem  consonanten;  dasselbe  zeigen  griechische  formen 
wie  ri-ra'-xa,  Ti-ra'-ncrt,  k-ra^^&Tjv,  Das  umbrische  hat 
ein  verbum  tend-um  =  tend-ere  gewahrt  in  den  Zusam- 
mensetzungen an-tend-um,  per-tend-um,  su-tend-um  (für 
8ub-tend-um)  (AK.  I.  420);  es  läTst  aber,  sobald  eine  con- 
sonantisch  anlautende  endung  an  den  verbalstamm  tritt, 
das  d,  nachdem  es  dasselbe  zu  n  assimilirt  hat,  fallen,  bildet 
also  an-ten^-tn  =  in-tend-i-to,  us-ten'-tu  =  os-tend-i-to, 
wie  auch  in  lat.  in-ten'-tum,  os-ten'-tum,  por-ten'-tum  das 
d  schwand.  Das  umbrische  geht  dann  noch  einen  schritt 
weiter,  indem  es  auch  das  n  des  Stammes  noch  wegfallen 
lä&t  in  o8-te'-tu  =  ostendito  und  us-ti-to  =  ostentum. 
Der  erste  bestandtheil  von  ta-dait,  ta-  ist  somit  gerecht- 
fertigt. Was  den  zweiten  da-i-t  anbelangt,  so  liegt  es 
nahe,  ihn  durch  unmittelbare  anf&gung  des  modusvokals 
und  der  personalendung  von  wrz.  da,  skr.  dhä  herzuleiten, 
wie  sta^i-t  von  wrz.  sta,  skr.  sthä,  und  das  wäre  unzwei- 
felhaft richtig,  wenn  hier  eine  einfache  oskische  form  da-i-t 
vorläge.  Aber  f&r  die  Zusammensetzung  ta-da-i-t  trage  ich  be- 
denken diese  erklärung  ohne  weiteres  anzunehmen.  Im  umbr. 
und  lat.  nämlich  bleibt  in  den  entsprechenden  zusammenge- 
setzten verben  ten-d'-um  und  tend'-ere  (vgl.  tend'-o,  tend'-unt, 
tend'-am)  von  wrz.  dh4  nach  Wegfall  des  vokals  nur  das  d 
Qbrig,  ja  auch  dieses  f&llt  vor  den  mit  t  anlautenden  an- 
fQgongen  weg;  danach  müfste  man  erwarten,  dafs  auch  im 
oekischen  dieselbe  verbalwurzel  in  derselben  Zusammense- 
tzung auch  dieselbe  vokaleinbuise  erlitt,  dafs  auch  im  oski- 


96  Corssen 

sehen  das  verbum  ten-d^-um  lautete  nicht  ten-da-um,  mit- 
hin nicht  eine  conjnnctivform  t»-da-i-t  bildete,  die  nur  der 
a-conjugation  zukonunt.  Daza  ist  zu  vergleichen  dals  auch 
die  wrz.  da,  skr.  d&  in  den  italischen  dialekten,  sobald  sie 
durch  composition  oder  reduplication  vom  einen  Zuwachs 
erhält  und  somit  eine  tonschwächung  erleidet,  ihr  a  ent- 
weder zu  1,  e  sinken  oder  ganz  wegfallen  läist.  Man  ver- 
gleiche altumbr.  pur-ti-to,"  neuumbr.  pur-di-to,  altumbr.  te- 
r'-u-st,  neumbiu  di-rs'-u-st  (AK.  I.  146)  fllr  de-d'-u-st  = 
dederit,  osk.  di-d^-e-st,  eine  form,  von  der  weiterhin  noch 
die  rede  sein  wird,  und  de-d'-e-d,  volskisch  de-d^-ca. .  (auf 
der  bronze  von  Antino  Mom.  U.  D.  321)  latein.  de-d^-i, 
de-d'-o.  Es  scheint  mir  deshalb  rathsamer  anzunehmen, 
dals  auch  das  oskische  ein  dem  latein.  tend-ere,  umbr. 
tend-um  entsprechendes  verbum  tad-um  hatte,  von  dem 
erst  ein  verbum  der  a-conjugation  tada-um,  welches  durch 
die  form  tada-i-t  verlangt  wird,  abgeleitet  ward,  und  be- 
gründe diese  ansieht  folgendermaßen. 

Es  ist  eine  eigenthümlichkeit  italischer  sprachen,  dafs 
die  überwiegende  zahl  ihrer  abgeleiteten  verba,  namentlich 
der  denominativa  und  causalia  der  a-conjugation  angehört 
Für  das  lateinische  bedarf  das  keines  beweises,  auch  das 
umbrische  zeigt  eine  verhättniTsmäfsig  grofse  zahl  von  ver- 
balformen und  Wortbildungen  von  solchen  verben,  wie  aus 
einer  durchsieht  des  Wortverzeichnisses- zu  AK's  umbrischen 
Sprachdenkmälern  leicht  erhellt.  Den  reichthum  des  oski- 
schen  an  verben  der  a-conjugation,  von  denen  entweder 
tempus-  und  modusformen  oder  abgeleitete  nomina  vor- 
kommen, stelle  ich  für  den  zweck  der  vorliegenden  oski- 
schen  Untersuchungen  hier  zusammen: 

aikda-um.  Davon  afkda-fed  (Moms.  unt  dial.  V.),  wahr- 
scheinlich verschrieben  ftlr  aidka-fed,  so  dafs  das  ver- 
bum aidka-um  =  lat.  aedificare  ist. 
aa-mana-um^  wovon aa-mana-ffed (XXI.  XXII. XXVI) 

=  perficere. 
cala-um,   geschlossen  aus  dem  namen  Cala-vius  (M. 
1267)  und  zu  lat.  cala-re  stimmend. 


oakuche  beitrüge.  97 

klova-um,  aus  den  namen  Klo^d -ttai,  Clova-tius  (M. 

270)  anzunehmen,  entweder  lat  clu-ere  „hören*'  oder 

cinere  „reinigen^, 
censa-um  =  censere.      Da^on   aul'ser  dieser  infinitiv- 

fonn  (B.  20):  censa-zet  (B.  19)  censa-mur  (B.  19) 

cens'-tom-en  (B.  20)  cens'-tur  (B.  19)  cens'-tom-en 

(B.  20)  cens'-tur  (B.  18.  20.  27.  28)  kenz-sor  (bronze 

von  Pennaluce  dies,  zeitschr.  III.  133),  an-cens'-to 

(B.  p). 
deketa-um  anzunehmen  nach  degeta-si's,  deketa-siof, 

degeta-sios  (XVL  XV.  A.  5)  =  lat  dicta-re. 
deiva-um,  wovon  deiva-st,  deiva-tud,  deiva^tuns,  dei- 

vaid  (B.  3.  5.  9.  11)  =  jurare. 
embra-um  nach  der  mfinzauftchrift  embra-tur  (M.  257) 

=  imperare. 
faama-um,  wovon  faama-t  (XXIX.  AK.  L  76)  =  ha- 

bitare. 
frukta-um  geschlossen  aus  firukta-tiuf (A.  21)  dem  sinne 

nach  fiructum  capere. 
gna-um  anzunehmen  aus  den  namen  6na-e*vins  (M. 

253)  und  E-gna-tius  (M.  256)  =  lat  gna-sci. 
lama^um,  wovon  lama-tir  (B.  21),  wahrscheinlich  s= 

lat.  clama^re,  vgl.  lamentnm  f&r  clamentum. 
liga-um,  wovon  liga-toi's  (A.  6.  7)  =  lat.  legarre. 
medica-um,  geschlossen  ans  medica-tud  (B.  24)  dem 

sinne  nach  magistratum  agere. 
mirica-um,  anzunehmen  aus  a-mirica-tud  (B.22)=b 

lat.  merca-ri. 
molta-um  (B.  12.  13.  18.  26.  27)  =  lat.  multa-re. 
opsa-um,  wovon  opsa-nnam,  oi;;r(r'-ens,  upsed  (XXIV. 

XXXIX.  IV)  =  ppera-re. 
pipa-um  geschlossen  aus  Fest.  p.  212:  pipatio  da- 

mor  plorantis  lingua  Oscorum,  also  der  form  nach  s&= 

lat.  pipa-re  dem  sinne  nach  lamentari. 
preiva-um,  wovon  preiva-tud  (B.  15. 16)  =5  lat.  pri- 

va-re. 
V.    a.  7 


9g  Corsaen 

profa-um,  wovon  profa-tted  (XXI.  XXIV.  XXVI), 
profa-ttens,  prof-fed  (XVIII)  ==  lat.  proba-re. 

pukala-um,    geschlossen    aus    dem    namen    Pukalatoi 

(Ä.  4),  gebildet  von  osk.  puklum  =  lat.  poculum,  zu- 

.    nächst  pokla-um  =  pocula-ri,  dann  mit  vokaleinschub, 

wie  sakara-ter  för  sakra -ter,  pukala-nm,  davon  der 

participialstamm  pukala-to;    vgl.  lat.  toga-tus,  paluda- 

tus,  vela-tus,  hasta-tus. 

rega-um  zu  entnehmen  aus  rega-turei  (Ag,  a.^12.  b.  15) 
=  lat.  reg-ere  (nicht  =  rig-are). 

sakara-um,  wovon  sakara-ter  (Ag.  a.  21),  sakara-klod, 
s^ara-klom,  sakara-kleis  (A.  13.  11.  17.  20)  =  lat. 
sacra-re. 

sena-um,  anzunehmen  wegen  sena-teis  (A.  28.  35.  B. 
3.  6),  wie  ein  lat.  sena-re  vorauszusetzen  für  sena- 
*  tus,  dem  sinne  nach  eigentlich  senem  agere. 

sta-um,  wovon  sta-iet  (A.  58)  sta-it  (Ag.  b.  23)  sta-tos 
(Ag.  a.  1),  sta-tif  (Ag.  a.  2—15.  22  —  25),  anter-sta- 
tai  (Ag.  a.  5.  b.  6)  =  lat.  sta-re. 

teremna-um,  wovon  teremna-ttens,  teremna*tu'st  = 
lat  terminarre. 

tifa-um,  geschlossen  aus  dem  namen  des  berges  Tifa-ta 
bei  Capua,  wahrscheinlich  abgeleitet  von  einem  dem 
alüat.  teba  s=  collis  (Varro  R.  R.  III.  1,  6)  entspre- 
chenden oskischen  ti£Eb  (vgl.  Momms.  300). 

tribaraka-um,  wovon  tribaraka-vum  (A.  36),  triba- 
raka-ttins  (A.  48),  tribaraka-ttuset  (A.  39.  42),  tribara- 
kkiuf  (A.  37.  42), 

trista-um  geschlossen  aus  tristaa-mentud  (XXIV)  dem 
sinne  nach  =s  lat.  testa-ri. 

umbra-um,  zu  entnehmen  aus  umbra-teis  (B.  6). 

V  e  i  a  -  u m  geschlossen  aus  Fest.  368 :  v  e  i  a  apud  Oscos 
dicebatur  plaustrum,  unde  veia-ri  stipites  in  plau- 
stro  et  vectura  veiatura,  indem  sich  veia-tura  zu 
einem  osk.  veia-um  verhalten  würde,  wie  lat.  vectura 
zu  veh-ere.  Der  form  nach  entspricht  osk.  veia-um 
lat  viare,  wie  osk.  vio  fllr  via  =  lat.  via.    Alle  diese 


oskiflche  beitrage.  99 

bildongen  sind  natariich  aus  wi-z.  veh-  mit  wegfall 
des  h  entstanden. 

Bezeichnend  ist  es,  dafs  unter  den  31  hier  angefahr- 
ten oskischen  verben  der  a-conjugation,  unter  denen  natür- 
lieh  gna-um  und  sta-nm  nicht  abgeleitete  sind,  mindesjens 
19  aufs  genauste  lateinischen  verben  der  a-conjugation  ent- 
sprechen; das  zeigt,  wie  übereinstimmend  in  beiden  dia- 
lekten  die  neigung  zu  solchen  verbalbildungen  vorherr- 
schend war. 

Zu  diesen  gehört  auch  das  der  form  tada-it  zu  gründe 
Uzende  verbum  tada-um,  das  neben  lat.  tend-ere  steht,  wie 
osk.  yeia-um  neben  lat,  veh-ere,  osk.  rega-um  neben  lat*  reg- 
ere, wie  neben  den  altlateinischen  einfachen  verben  bo-ere 
flir  bov-ere,  lav-ere,  nex-ere,  nict-ere,  son-ere,  ton-ere,  die 
abgeleiteten  bov-are,  lav-are,  nex-are,  nict-are,  son-are, 
ton-are.  Diese  ableitung  geschah  so,  dafs  von  jenen  ein- 
fachen verben  erst  nomina  gebildet  wurden,  wie  sie  in 
nexu-m,  nexu-s,  nictu-s,  sonu-s,  tonn-s  die  spräche  noch 
erhalten  hat,  während  andere  ihr  abhanden  gekommen  sind, 
und  dafs  von  diesen  erst  die  denominativa  auf  -are  gebil- 
det sind.  So  ist  vom  stamm  des  lat.  veh-ere,  das  auch  in 
umbr.  ar-ve-i-tu,  ku-ve-i-tu  bewahrt  ist  (für  ar-veh-i-tu, 
ku-veh-i-tu,  wo  ich  nicht  mit  AK.  I.  30  eine  verl&ngerung 
des  Stammvokals  e  zu  e,  ei,  i  durch  ausfall  des  h  anneh- 
men kann,  sondern  das  i  als  bindevokal  fasse,  der  gerade 
hier,  weil  der  vorhergehende  consonant  vor  ihm  wich,  er- 
halten blieb),  das  nomen  osk.  veia,  vio,  umbr.  vea,  via,  lat. 
via  fiir  veh-ia  gebildet  (vgl.  umbr.  veh'-iies).  Von  diesem 
ist  dann  weiter  das  denominativum  osk.  vei-anm,  lat.  vi-are 
abgeleitet.  So  ist  auf  italischem  boden  von  dem  stamm 
des  einfachen  verbum  reg-ere  das  nomen  r^x  und  von  diesem 
oder  dessen  osk.  form  das  osk.  denominativum  reg-aum  ge- 
bildet. Ebenso  verhält  sich  zu  einander  lat.  wz.  leg-  oder  ITg-, 
lat.  l^x,  osk.  lig-ud  (das  ^gesprochene*  oder  „dasbmdende"), 
osk.  lig^anm,  osk.  deic-um,  lat.  dic-ere,  lat.  dic-tum,  osk. 
deket'-aum  und  lat.  dic-t^-are.  Man  muis  also  schliefsen,  dafs 
auch  osk.  klov-aum,  tad-aum  nicht   unmittelbar  aus  einfa- 

■    7* 


ID0  Consen 

chen  verben,  die  den  lat  clu-ere,  tend-ere  entsprachen,  son- 
dern erst  durch  das  mittelglied  verloren  gegangener  no- 
mina  aus  denselben  gebildet  sind,  also  denominativa  waren. 
Von  lat.  tend-ere,  umbr.  tend-um  findet  sich  im  mittelalter- 
lichen lat.  tend-a,  zeit  als  „ausgespanntes«,  das,  wie  das 
Verkleinerungswort  tend-icula,  netz  als  „ausgespanntes^ 
zeigt,  schon  ein  altitalisches  wort  war.  Diesem  tend-a 
würde  ein  osk.  tad-a  entsprechen;  von  dieser  oder  einer 
ähnlichen  form  ist  das  denominativum  tad-aum  gebildet. 
Sprachlich  ist  also  die  erklÄrung  von  tad-a -it  =  tend-at 
jedenfalls  gerechtfertigt. 

Nachdem  in  den  beiden  vorhergehenden  abschnitten 
die  wortformen  valaemom  und  tadait  sprachlich  erklärt 
sind,  so  bleibt  nur  noch  zu  zeigen,  dafs  die  so  gefundenen 
bedeutungen  in  den  Zusammenhang  des  gesetzes  von  Ban- 
tia  passen.  Die  Worte  T.  B.  10:  pod  valaemom  tovücom 
tadait  ezum  abersetze  ich  also:  quod  validissimum  publi- 
cum tendat  esse;  tovticom  steht  hier  für  egmam  tovticam 
wie  lat.  publicum  für  res  publica,  privatum  f&r  res  privata, 
viaticum  fdv  res  viatica,  divinum  facere  fbr  rem  divinam 
facere  u.  a.  Das  pod  ist  natürlich  Subjekt  des  relativsatzes 
und  weis't  auf  das  vorhergehende  idic  tangineis  =  id  sen- 
tentiae  zurück,  das  hier  von  dem  urtheil  der  geschwore- 
nen gesagt  ist.  Dann  ist  also  der  sinn  des  ganzen  satzes 
(vgl.  K.  p.  79):  Der  beamte,  der  das  volksgericht  abhält, 
hat  den  bürgern  von  Bantia,  die  auf  öffentlicher  dingstätte 
ab  geschworene  zusammentreten,  den  eid  abzuverlangen, 
dais  sie  bei  fallung  des  urtheils  lediglich  das  gemeine  wohl 
im  äuge  haben  wollen.  Dieser  eid  entspricht  denmach  dem 
oben  erwähnten  schwur  des  beamten,  der  gegen  ein  volks- 
gericht einspruch  erhebt,  dais  er  dies  zum  gemeinen  be- 
sten und  nach  beschluTs  der  mehrheit  des  stadtrathes  von 
Bantia  thue.  Der  formel  „pod  valaemom  tovticom  tadait 
ezum«  im  richtereide  von  Bantia  entspricht  also  in  der  ro- 
mischen geschäftssprache  die  wendung  „quod  e  re  publica 
ducat  esse«. 


oskische  beitrage.  f^i 

5)  Die  Präposition  pert  im  ambrischen  und 
oskischen. 
Der  sachliche  sinn  der  formel  tab.  Bant.  12,  13:  svae- 
pis  ionc  fortis  meddis  moltaum  berest,  ampert  minstreis 
aeteis  eituas  moltas  moltaum  licitud  ist  schon  yon  den  äl- 
teren erklärem  richtig  erkannt  worden,  nur  ist  die  sprach- 
liche bildung  des  wertes, ampert  noch  nicht  sicher  ge- 
stellt, und  das  bezweckt  eben  die  nachfolgende  erörtemng 
zu  leisten  durch  eine  Untersuchung  Aber  die  nmbrisch- os- 
kische Präposition  pert.  Zu  dem  zwecke  sind  zunächst 
diejenigen  stellen  italischer  Sprachdenkmäler  in  Betracht  zu 
ziehen,  wo  diese  präposition  vorkommt  Auf  umbrischen 
inschriften  ist  dies  nur  einmal  der  fall.  Dafs  nämlich  tab. 
IguT.  II.  a,  35  Petrunia-pert  ein  Schreibfehler  ist  f&r  Petru- 
nia-per,  haben  AK.  aus  der  vergleichung  von  Petrunia- 
per,  das  das.  z.  22  in  demselben  zusammenhange  steht, 
richtig  erkannt;  unangetastet  aber  mufs  pert  das.  z.  36 
bleiben:  berus  sevaknis  persnihmu  pert  spinia,  zu  welcher 
stelle  der  ganz  parallele  satz  in  betracbt  zu  ziehen  ist . 
z.  37:  veskles  snate(s)  asnates  sevaknis  spiniama(r)  per- 
snihmu. Vergleicht  man  hierzu  IL  a,  33  spinam-ar  etu  = 
ad  -am  ito,  so  ist  klar,  dafs  Spina  f&r  spinia  einen  ort  im 
räum  bezeichnet,  zu  dem  man  gehen  soll;  spin]am-a(r) 
persnihmu  heilst  also  ad  -am  precator  und  z.  39:  asaku 
vinu  sevakni  tacez  persnihmu  =  ad  aram  (eigentlich  ara- 
cum)  vino  -^i  tacitus  precator  (AK.  II.  387).  Der  satz 
persnihmu  pert  spinia  drückt  also  jedenfalls  aus,  dafs  an 
einer  stelle  gebetet  werden  soll,  deren  verhältnils  zu  dem 
durch  spinia  bezeichneten  ort  durch  das  räumliche  verhält^ 
nüswort  pert  bestimmt  wird.  Wenn  nun  die  umbr.  präpos. 
ar  ^  ad  und  cu  fbr  cum  s=s  cum  in  diesen  Sätzen  „an, 
bei^  bezeichnen,  so  ist  es  nicht  glaublich,  dafs  pert  ganz 
denselben  sinn  haben  sollte;  der  räum  pert  spinia  mufs 
vielmehr  in  einem  gegensatz  zu  spiniam-ar  gedacht  werden, 
so  dafe  zweimal  an  verschiedenen  stellen  gebetet  wird.  So 
werden  von  den  opfern  der  iguvinischen  priester,  die  veris- 
co  „bei  den  thoren*  der  Stadt  gebracht  werden,  einige  pre 


10)  Conseo 

verir  ^vor  den  thoren**,  andre  post  verir  ^hinter  den  tho- 
ren^  vollzogen.  Wenn  also  ar  »dran,  bei^  bezeichnet,  so 
mufs  pert  eine  dem  entgegengesetzte  bedeutung  haben  wie 
»abseits,  getrennt  oder  jenseits^. 

DaTs  diese  umbrische  präposition  pert  nicht  gleichbe- 
deutend mit  griech.  ngoxi^  cretisch  nogti,  skr.  prati  ist, 
l&fst  sich  auch  daraus  schliefsen,  dals  im  umbrischen  wie 
im  latdinischen  die  jenen  gleichbedeutende  präposition  porti 
gelautet  haben  mufs*).  Sie  erscheint  nämlich  in  Zusammen- 
setzungen umbrisch  zu  pur,  lat.  zu  por  abgestumpft,  wie 
ich  andern  orts  dargethan  zu  haben  glaube  (n.  jahrb.  f.  phil. 
u.  päd.  LXVni.  3,  482),  z.  b.  umbr.  pur-ditom,  pur-dovitu, 
lat.  por-'tentum.  Ist  nun  das  yerfahren  richtig  von  Ver- 
schiedenheit der  form  auf  Verschiedenheit  der  bedeutung 
zu  schliefsen,  so  bedeutet  pert  nicht  tcqotI,  wie  auch  die 
oben  behandelte  stelle  zeigte. 

Im  oskischen  findet  sich  die  präposition  pert  auf  dem 
stein  von^Äbella,  31  —  34:  ehtrad  feihoss,  pu(8)  herekleis 
fiisnam  amfret,  pert  viam  posstist,  pai  ip  ist.  Zu  dieser 
stelle  vergleiche  man  z.  44 — 46:  avt  post  feihois,  pos  fis- 
nam  amfret.  An  der  ersten  stelle  ist  posstist  verbum  zu 
einem  vorhergegangenen  Subjekt  wie  Mommsen  (s.  120) 
richtig  gesehen  hat,  gehört  also  nicht  in  den  kreis  der  hier 
in  betracht  kommenden  Wortverbindungen.  Der  ausdruck, 
auf  den  bei  der  erklärung  dieser  stelle  am  meisten  an- 
kommt, ist  fiisnam.  Aus  der  vergleichung  desselben  mit 
umbr.  fesna  (AK.  11.  344)  erhellt  so  viel  unzweifelhaft,  dafs 
dieses  beiden  dialekten  gemeinsame  wort  irgend  einen  räum 
bezeichnet,  der  einem  Gotte  heilig  ist,  auf  dem  opferhand- 
lungen  vorgenommen  werden  können.  Der  Zusammenhang 
der  ersten  stelle,  wenn  man  pert  viam  wegläfst,  ist  hier- 
nach: »Aufserhalb  der  mit  feihoss  bezeichneten  gegenstände, 
welche  die  dem  Herakles  geweihte  statte  umgeben,  soll  er- 
laubt sein,  ackerstücke  anzuweisen  (tribarakavum  likitud)**; 
im  gegensatz  dazu  ist  der  sinn  der  zweiten  stelle :  »Hinter 

•)  Doch  vgl.  das  über  red  «  prati  beigebrachte  U.  475.  UI.  156.  896. 

A.  K. 


oskischo  beitrage.  ]03 

d.  h.  innerhalb  (wie  umbr.  post  verir  „hinter  den  thoren^ 
d.  h.  „innerhalb^  derselben)  der  mit  feihois  bezeichneten 
gegenstände  sollen  weder  Abellaner  noch  Nolaner  acker- 
stücken anweisen  (tribarakattins)^.  Der  räum  „aulserhalb^ 
der  umgrenzenden  gegenstände,  ehtrad  feihoss,  und  der 
räum  „innerhalb*  derselben,  post  feihois,  ist  also  scharf  ent- 
gegengesetzt. Nun  wird  der  räum  ehtrad  fefhoss  noch  nä- 
her bestimmt  durch  den  zusatz:  pert  viam,  pai  ip  ist, 
also  lag  der  weg,  von  dem  hier  die  rede  ist,  aufserhalb 
der  Umgrenzung  durch  die  feihoss.  Demnach  liegt  in  der 
mitte  die  dem  Herakles  heilige  statte,  wie  auch  aus  fiisnu 
mefe  z.  30  erhellt,  wo  sie  durch  einen  zusatz  mit  dem  sinn 
des  lat.  medius  bezeichnet  ist;  um  diese  statte  herum  zie- 
hen sich  die  feihoss,  und  aufserhalb  zieht  sich  an  diesen 
ein  w^  hin.  Nun  nehme  man  einmal  an,  pert  bedeute 
nQoti^  dann  käme  folgender  sinn  der  Vertragsbestimmung 
heraus:  innerhalb  der  feihoss,  welche  die  statte  des  Hera- 
kles umgeben,  darf  keine  äckerauflheilung  stattfinden,  wohl 
aber  aufserhalb  derselben  „an  dem  wege*  oder  »längs  des 
w^es*,  der  aufsen  an  den  feihoss  entlang  geht.  Das  wäre 
offenbar  eine  ganz  ungenaue  rechtsbestimmung ,  denn  sie 
liefse  die  auffassung  zu,  als  könne  „nur*  längs  des  weges 
und  nicht  auch  anderwärts  aufserhalb  des  heiligen  bezirkes 
land  angewiesen  werden.  Solche  ungenauigkeiten  darf  man 
aber  der  oskischen  rechtssprache  nicht  zumuthen,  die  in 
ihren  rechtsbestimmungen  ebenso  scharf  und  umständlich 
genau  ist  wie  die  römische.  Pert  viam  muls  vielmehr 
so  viel  bedeuten  wie  „jenseits  des  weges*,  dann  ist 
die  bestimmung  des  Vertrages  klar  und  scharf:  „außerhalb 
der  feihoss,  jenseits  des  wegs,  der  daran  hinläuft,  darf 
acker  aufgetheilt  werden,  innerhalb  derselben  nicht*.  Wie 
in  dem  oskischen  grenzgesetz  pert  viam  findet  sich  in  ei- 
nem römischen  gesetz  zur  grenzbestimmung  (tab.  Genuat. 
etVitun):  inde  alter  trans  viamPostumiamterminusstat. 
Ganz  abgesehen  von  aller  etymologie  also  verlangt  der 
sinn  aller  besprochenen  stellen  ftlr  die  umbrisch-oskische 
Präposition  pert  eine  bedeutung   wie    „jenseits,    abseits*. 


104  Conseo 

Etymologisch  aber  l&ist  sich  diese  bedeutang  vollkommen 
rechtfertigen.  Von  der  wrz.  skr.  pr  „durchdringen'*  (AK. 
I.  155)  stammt  lat.  per  (das  jede  ableitungs-  oder  beu- 
gungsendong  verloren  hat)  „hindurch^  und  por-ta,  das 
thor  als  „durchdrungenes^,  durchgang;  femer  skr.  par-am 
=  ultra,  das  die  folge  des  hindurch  das  „drüber  hinaus '^ 
ausdrückt,  und  in  lat.  per en- die  „über  einen  tag  hinaus^ 
d.  h.  übermorgen  erhalten  ist  Im  oskischen  per-um  = 
sine  ist  der  begriff  des  durohdringens  als  trennung  ausge- 
prägt und  {)ep-um  bedeutet  also  „abseits,  ohne^.  Aehnlich 
bezeichnet  lat.  par-s  Ar  par-ti-s  den  theil  als  „durch- 
schnitt^, von  wrz.  par  mit  der  anftkgung  ti  gebildet  In 
skr.  para  =3=  alius  endlich  ist  das  „örtliche  getrenntsein^ 
als  „ein  wesenhaftes  getrenntsein,  ein  anderssein^  gefafst. 
So  viel  ist  klar,  dals  sich  in  diesen  Wörtern  die  wurzel- 
bedeutung  „durchdringen^  in  die  drei  bedeutungen  „hin- 
durch, jenseits  oder  drüber  hinaus^  und  „abseits  oder  ge- 
trennt^ entfaltet  hat.  Da  nun  für  pert  im  umbrischen  und 
oskischen  in  den  oben  besprochenen  stellen  die  bedeutun- 
gen „jenseits^  oder  „abseits^  durch  den  Zusammenhang 
verlangt  wurden,  so  steht  es  in  der  bedeutung  dem  lat 
peren  in  peren-die  und  dem  osk.  per-um  am  nächsten.  Was 
nun  die  bildung  von  pert  anbelangt,  so  ist  per-t  aus 
per-ti  abgestumpft,  wie  osk.  av-t  aus  av-ti,  lat.  u-t  aus 
u-ti,  umbr.  pos-t  aus  pos-ti.  Es  fragt  sich  aber,  was  die 
anf&gung  ti  ist.  Mit  dem  ü  von  osk.  av-ti,  lat.  u-ti  kann 
ich  sie  nicht  zusammenbringen,  da  in  diesen  Zusammense- 
tzungen der  erste  theil  ein  pronominalstamm  ist,  in  per-ti 
aber  ein  verbalstamm;  das  ti  ist  vielmehr  diejenige  anf&- 
gung ti,  mittelst  der  von  verbalwurzeln  nomina  gebildet 
werden  wie  men-ti-s,  pai^ti-s,  und  von  vorhandenen  nomina 
neue  abgeleitet  werden  wie  semen-ti-s.  Accusative  solcher 
substantiva  sind  bekanntlich  adverbien  wie  sta-tim,  affa- 
tim,  priva-tim,  par^tim,  viri-tim,  cana-tim,  sua-tim,  bova- 
tim  und  mit  si  f&r  ti  cae^-sim,  cur-sim,  ex-pul-sim,  spar'- 
sim,  sen^-sim  u.a.  Ablative  derselben  sind  die  adverbien 
an-tid,  pos-tid,  die  in  den  zusanunensetzungen  an-tid-ea, 


oskische  b^itrttge.  105 

an-tid-bac,  an-tid-it,  pos-tid-ea  erhalten  sind.  Die  ansieht, 
dafs  auf  dem  boden  des  altlat  anted  und  posted  als  ur- 
sprüngliche formen  anzusetzen  seien,  aus  denen  antid  und 
postid  wie  ante  und  poste  entstanden  wäre  (Ritschel  rhein. 
mus.  Vn,  575.  VIII,  479)  kann  ich  nicht  för  die  richtige 
halten,  da  auch  auf  den  ältesten  lateinischen  inschriften, 
die  Aber  den  senatsbeschlufs  gegen  die  baccanalien  hinaus- 
reichen, sich  das  i  der  i- stamme  gewahrt  findet  z.  b.  in 
parti(m)  (erzinschr.  v.  Monaco  Or.  1433)  Marti  (erzinschr.* 
V.  Spoleto  Grut.  95,  6),  Turpi-li-o  (veroneser  bronze  On 
3147)  aidi-li-s,  hi-c  (t.  Scipion.  Barbati.  f.)  forti-s,  aidi-li-s 
(L  Scipion.  Barbati),  mari-d  (col.  rostr,  restaur.).  Wenn  in 
ebenso  alten  inschriften  e  an  der  stelle  von  i  bei  i-stäm- 
men  erscheint  wie  in  Pisaurese,  militare,  Mavrte,  Marte^ 
aidile-s  (nom.  sing.),  so  ist  dies  e  aus  dem  i  der  anfbgun- 
gen  -ensi,  a-ri,  ti,  i-li  entstanden.  Wer  das  umgekehrte 
behauptet,  dafs  das  e  in  aUen  diesen  bildungen  das  ur- 
sprfingliche  sei,  muis  beweisen,  dafs  das  lateinische  ursprüng- 
lich keine  i-deklination  gehabt  hat  im  gegensatz  zu  den 
andern  italischen  dialekten,  im  gegensatz  zu  den  verwand- 
ten sprachen,  dann  aber  auch  eine  genügende  auskunft 
geben  woher  in  der  sogenannten  dritten  lateinischen  decli- 
nation  der  abl.  sing,  auf  i-,  der  nom.  plur.  neutr.  auf  i-a, 
der  gen.  plur.  auf  i-um  stammt  neben  den  endungen  der 
consonantischen  stamme  -e^  -a  und  -um,  und  woher  die  neu- 
tra  auf  e  kommen  wie  mare,  turpe,  von  denen  keine  ver- 
wandte spräche  etwas  weifs.  So  lange  das  nicht  erweis- 
lich ist,  sind  antid  und  postid  die  vollen  ursprünglichen 
formen,  die  erst  ihr  auslautendes  ablativzeichen  d  verloren, 
wie  anti-gerio,  anti-stes,  anti-cipo  zeigen,  dann  das  i  zu  e 
schwächten  in  ante  und  dem  neuerdings  nachgewiesenen 
poste,  das  sich  dann  weiter  zu  post  und  pos  abstumpfte. 
Neben  postid  eine  zweite  ursprüngliche  form  pos  anzuneh- 
men, kann  ich  durch  die  zweifelhafte  lesart  der  glosse  po- 
simerium  bei  Festus  an  einer  höchst  unklaren  und  wider- 
spruchsvollen stelle  mich  nicht  für  berechtigt  halten.  Wenn 
die  lateinische  spräche  neben  den  älteren  formen  antid- ea, 


106  Consen 

po8iid-ea,  jüngere  wie  ant^-ea,  post^-ea  gebildet  hat,  so 
stehen  diese  nebeneinander  wie  ali-cun-de  und  ali-un-de, 
yen-dere  und  venum  dare  u.  a.  Jede  spräche  scha£%  sich 
zu  Zeiten  neubildungen  und  stellt  sie  neben  die  älteren, 
ohne  dais  man  gerade  ein  zwingendes  bedarfhifs  dazu  sieht. 
Das  oskische  hat  solche  bildungen  von  nomen  auf  ti  wie 
an*tid,  pos*tid  zu  adverbien  verwandt  in  pos-ti-n,  sta-ti-f, 
for-ti-8  (dies,  zeitschr.  III,  277  f.),  das  umbrische  zeigt  die- 
selbe anfQgung  in  span-ti-m,  span-ti,  pun-ti-s,  an-ti-s,  pus-ti^ 
pos-ti  (cf.  AK.  ind.).  Allen  diesen  bildungen  schliefst  sich 
die  oskische  präpositiod  per-t  an,  die  aus  einem  accusativ, 
ablativ  oder  locativ  des  nominalstammes  per-ti  entstanden 
sein  kann.  Ich  halte  sie  indefs  aus  folgendem  gründe  für 
einen  aus  per-ti-d  abgestumpften  ablativ.  Es  findet  sich 
im  oskischen  (Cipp.  Pompej.  3,  6  bei  G.  Minervini:  inter- 
pretazione  di  una  epigrafe  Osca  ct.  Napoli  1851,  vergl. 
Kirchhof  allgem.  monatsschr.  1852.  p.  578  f.)  die  form  an-t 
für  lat.  an-te,  das  also  zunächst  aus  an-ti-  und  ursprfing- 
lieh  aus  an-ti-d  geworden  ist.  Da  nun  osk.  am-prufi-d, 
ehtra-d,  contru-d  zeigen,  dafs  ablativische  adverbien  dem 
oskischen  geläufig  waren,  so  schliefse  ich,  dafs  sich  in  stu- 
fenweiser abstumpfung  ein  ursprüngliches  per-ti-d  zu  per-ti, 
per-te,  per-t  abschwächte  wie  lat.  an-ti-d  zu  an-ti,  an-te, 
osk.  an-t.     Somit  bin  ich  zu  folgendem  ergebnifs  gelangt. 

Die  umbrisch- oskische  präposition  per-t  ist  abge- 
stumpft aus  per-ti-d,  abl.  sing,  vom  substantivum  per-ti 
„durchdringung^,  das  von  wrz.  pV  „durchdringen^  mit 
der  anftlguDg  ti  gebildet  ist;  pert  bedeutet  eigentlich  „durch- 
dringungsweise^  kann  sich  daher  zu  den  bedeutungen  „hin- 
durch, jenseits,  abseits,  theilweise^  entfalten.  An  den  be- 
sprochenen stellen  der  iguvinischen  tafeln  und  des  steines 
von  Abella  bedeutet  es  „jenseits"  und  stimmt  in  der 
bedeutung  ganz  genau  mit  lat.  tra-n-s,  umbr.  tra-f  über- 
ein (n.  Jahrb.  LXVIII.  3,  483),  das  von  wrz.  tr  „durch- 
dringen^ abgeleitet  ebenfalls  eigentlich  „durchdringungs- 
weise^  dann  „jenseits^  bezeichnet. 

Dies  ergebniis  über  die  bedeutung  des  einfachen  pert 


oskiBche  beitrage.  197 

ist  nan  anzuwenden  anf  die  Zusammensetzungen  pert-^emest, 
pert-emust,  pert-umum,  am-pert  und  petiro-pert,  in  denen 
es  auf  oskischen  Sprachdenkmälern  vorkommt.  Für  pert- 
umum  hat  L.  richtig  die  bedeutung  von  intercedere  ange-> 
setzt,  worin  auch  E.  ihm  beistimmt  (dies,  zeitschr.  III.  131) 
Stellt  aber  nach  seiner  unhaltbaren  ansieht  von  pert  ss 
nQOT^  pert-umum  dem  lateinischen  ad-imere  gleich.  Wenn 
oben  die  grundbedeutung  ^hindurch''  für  pert  richtig  nach- 
gewiesen ist,  so  entspricht  pert-umum  vielmehr  aufs  ge- 
naueste dem  lat.  per-imere,  das  sich  gerade  so  von  dem 
abbrechen  gerichtlicher  Verhandlungen  angewendet  findet: 
Cic  pro  Sext  22.  Si  causam  publicam  mea  mors  pere- 
misset.  Modestin,  pandect.  XL  VI.  3,  75:  Sicut  adceptila- 
tio  in  eum  diem  praecedentes  peremit  actiones,  ita  con- 
fusio:  —  confusio  hereditatis  peremit  petitionis  actionem. 
Dafis  adimere  in  der  gerichtssprache  so  gebraucht  würde, 
ist  nicht  nachweislich,  und  dafs  pert-umum  in  der  bedeu- 
tung von  per-imere  eine  viel  treffendere  und  näherliegende 
bezeichnung  fbr  intercedere,  für  das  abbrechen  einer 
Schwurgerichtsverhandlung  durch  den  einsprach  eines  beam- 
ten,  ist  als  mit  dem  sinn  von  ad-imere,  liegt  auf  der  band. 
L.'s  ansieht  über  die  sachliche  bedeutung  von  pertumum 
wird  also  durch  meine  erkl&rung  besser  erwiesen  als  durch 
seine  aü&tellung. 

Sind  die  bisherigen  folgerungen  richtig,  dann  erledigt 
sich  auch  G.  Curtius  vertnuthung,  dafs  das  pert  in  pert- 
umum die  bedeutung  des  lat.  re  habe  (n.  jahrb.  LXIX. 
s.  93). 

Es  ist  nun  petiro-pert  zu  erörtern,  dessen  bedeu- 
tung „viermal^  schon  die  früheren  erklärer  der  tafel  von 
Bantia  erkannt  hatten.  L.  erklärt  (s.  6)  natürlich  das  pert 
auch  hier  als  ngon  und  meint  petiro-pert  sei  eine  aus- 
drucksweise wie  xara  riaaaQsgj  äva  Sixa,  avvSvo  u.  a.; 
aber  da  diese  niemals  „viermal,  zehnmal,  zweimal^  bedeu- 
ten, können  sie  auch  nicht  beweisen,  dafs  petiro-pert  „vier- 
mal** bedeutet.  Dafs  G.  Curtius  durch  diese  aufstellung 
seine  erklärung  von  pert  in  petiro-pert  aus  skr,  wrz.  krt 


Itg  Gonaen 

(schneiden)  (vgl.  zeitschr.  fbr  alterth.  w.  1847.  s.  49.  n.  jahrb. 
LXIX.  8,  93),  nach  der  also  petiro-pert  „  vierschnittig  ^ 
oder  ^jviertheilig^  bedeutet,  nicht  widerlegt  erachtet,  war 
natOrlich.  Ein  so  besonnener  Sprachforscher  aber  wie  G. 
Curtius  wird  mit  mir  darin  einverstanden  sein,  dais  eine 
erklärung,  die  pert  an  allen  stellen,  wo  es  im  umbrischen 
oder  oskischen  vorkommt,  sei  es  einfach  oder  in  Zusam- 
mensetzungen, als  dieselbe  Wortbildung  nachweiset,  falls  sie 
lautlich  begründet  ist,  und  der  so  gewonnene  sinn  passend 
ist,  den  vorzug  verdient  vor  anderen,  die  fbr  dasselbe  pert 
an  verschiedenen  stellen  ganz  verschiedene  ableitungen  an- 
nehmen. Wenn  nun  lat.  par-ti,  wie  oben  nachgewiesen, 
eigentlich  „  durchdringung  ^  und  daher  „theil^  beifst,  so 
bedeutet  per-ti  eigentlich  „  durchdringungsweise  ^  daun  in 
der  Zusammensetzung  petiro-pert  „theilweise^.  Petiro-pert 
heifst  somit  „viertheilweise^,  entspricht  also  genau  dem 
von  Curtius  geforderten  sinne.  Auch  unsere  deutschen  be- 
Zeichnungen  desselben  begriffis  „vierftltig,  vierfach,  vier- 
mal^ bezeichnen  ja  das  nebeneinanderbestehen  von  vier 
gleichen  dingen  im  räume  oder  das  nacheinandergeschehen 
von  vier  gleichen  ereignissen  in  der  zeit  so,  dals  sie  die 
Vielheit  gleichartiger  dinge  oder  ereignisse  als  ein  und  das- 
selbe wesen,  als  ein  und  dasselbe  ereignifs  auffassen,  das 
in  vier  falten,  vier  f&cher  oder  vier  male  zerlegt  ist.  Ge- 
rade so  erhält  petiro-pert,  wenn  von  Wiederholung  dersel- 
ben handlung  in  der  zeit  die  rede  ist,  den  sinn  unseres 
„viermal'^. 

Es  bleibt  endlich  noch  am-pert  zu  besprechen.  Aus- 
gehend von  G.  Curtius  vermuthung  (zeitschr.  f.  alterth.  w. 
1847.  s.  491),  dafs  in  dem  ersten  bestandtheile  von  am-pert 
ein  Zahlwort  enthalten  sei,  sieht  L.  in  dem  am  den  grie- 
chischen stamm  af4o~  „eins^,  der  sich  in  äuvSigy  apLixtayi- 
mag,  ovSafwg  erhalten.  Vergleicht  man  indeis  diese  und 
die  verwandten  bildungen  afio-d-ei,  a^o*&i,  ccfiov,  aiAtj, 
afiw-g  mit  den  handschriftlich  verbürgten  lesarten:  äfio-d-ev 
(Hom.),  afiO'V  (attisch),  a/i^  (att.),  a/iw-g  (att),  so  muls 
man  schliefsen,  dafs  der  Spiritus  asper  in  diesem  wortstamm 


o^kitcb«  beitrage.  IM 

der  anlaat  war,  der  sich  zum  theil  sp&ter  verflüchtigte, 
wie  dies  auch  sonst  im  griechischen  dor  fiiU  ist.  Dann 
ist  also  ganz  richtig  der  stamm  dieser  Wortbildungen  anf 
das  skr.  sam  ,,zusanmien^  zurQckgefUurt  (Pott  et.  forsch. 
I.  130),  das  sich  im  lat  sem-per  erhalten  hat,  und  die  be- 
dentang  der  einheit  im  griech.  stamme  äiio^  oder  ä^o*  ans 
dem  begriff  des  Zusammenseins  entstanden.  Dais  sich  an- 
laatendes  s  im  oskischen  und  umbrischen  so  wenig  wie  im 
lateinischen  zu  h  verflüchtigte,  bedarf  fibr  leser  dieses  auf- 
Satzes  keines  beweises  mehr;  also  kann  ein  oskisches  am» 
auch  nicht  einem  skr.  sam,  lat.  sem-,  griech.  aao-  f&r  äfio^ 
entsprechen.  Die  erklärung  von  am  in  am-pert  liegt  nahe; 
es  ist  nichts  anderes  als  die  oskische  prftposition  anssin, 
die  sich  in  an-ter  rein  erhalten  hat,  während  sie  in  cen- 
8tom-en  =  in  censum  und  in  em*bratur  =  imperator  ihr 
a  schon  zu  e  getrübt  hat.  Auch  im  umbrischen  hat  die 
Präposition  die  gestalt  an  in  den  Zusammensetzungen  an- 
fehtaf,  an-etintu,  an-tentu,  an-stiplatu  und  in  an-ter.  Das 
n  von  osk.  an  muiste  sich  natürlich  in  am-pert  vor  dem 
lippenlaut  zu  m  gestalten,  wie  in  osk.  em-bratur,  umbr. 
am-pentu,  lat  im-perator,  im-pendere  u.  a.  Hat  nun  pert 
die  ursprüngliche  bedeutung  „durchdringungsweise'',  so  heifst 
am-pert  ,|hineindringend^  und  daher  „innerhalb^. 
Gerade  so  bedeutet  in  in-tra  das  tra  von  wrz.  tr  „durch- 
dringnngsweise%  also  intra  „hineindringend^  und  da- 
her „innerhalb^.  Der  gegensatz  von  am-pert  „in- 
nerhalb^ ist  also  lat.  ex-pers  „aulserhalb  befind- 
lich %  da,  wie  gezeigt,  auch  par-s  ursprünglich  „durch- 
dringung^,  dann  theil  bedeutet.  Das  lat.  denominativum 
im-pert^-ire  setzt  einen  dem  oskischen  am-pert(i)  entspre- 
chenden nominalstamm  im-perti-  voraus  und  bedeutet  ei- 
gentlich „hineindringen  machen^. 

Dals  die  so  gefundene  bedeutung  von  am-pert  =5  in- 
tra in  den  Zusammenhang  palst,  leuchtet  ein.  Die  stelle 
des  oskischen  gesetzes  tab.  Bant.  12.  13:  In  (im)  suaepis 
ionc  fortis  meddis  moltaum  herest,  am  pert  minstreis  aeteis 
eituaa  moltas  moltaum  lidtud  übersetze  ich:    Et  si  quis 


110  ConMn 

hunc  forte  magistratus  multare  volet  i'ntra  minorem  par- 
tem  familiae  multam  multare  liceto.  So  wird  auch  latein. 
intra  angewandt,  um  zu  bezeichnen  „nicht  über  eine  ge- 
wisse summe  hinaus^  oder  „unter  einer  gewissen  menge 
z.  b.  Liv.  XXXVI.  10  intra  decimum  diem  quam  Pheras 
yenerat  und  I.  43  secunda  classis  intra  centum  usqae  ad 
quinque  et  septuaginta  millium  censum  instituta.  Dafs 
am^pert  einen  partitiven  genitiv  bei  sich  hat,  gerade  wie 
lat.  ex-per-s,  wird  wohl  niemand  aufiallend  finden.  Somit 
entspricht  die  oskische  formel:  ampert  minstreis  aeteis  ei- 
tuas  moltas  moltaum  licitud  nach  der  gegebenen  erklärung 
von  am-pert  genau  der  lateinischen:  dum  minore  parte  fa- 
milias  taxat,  deren  gleiche  geltung  schon  Elenze  erkannt 
hatte. 


6)  Das  zahladverbium  pomtis  im  oskischen. 

In  dem  satze  tab.  Baut.  15.  16:  Neip  mais  pomtis  com 
preivatud  actud,  pruter  pam  medicat-inom  didest  hatte  K. 
pomtis  in  pompis  geändert  und  quinquies  fibersetzt,  jetzt 
hingegen  diese  änderung  selbst  zurückgenommen.  L.'s  än- 
derung  des  pomtis  in  tom  pis  ist  ebenso  willkührlich  wie 
sein  tacait  fbr  das  oben  besprochene  tadait.  Zwar  ist  klar, 
dafs  pomtis  nicht  dem  lat.  quinquies  entsprechen  könne; 
daraus  folgt  aber  keineswegs,  dafs  überhaupt  die  fbnf- 
zahl  nicht  in  dem  worte  enthalten  sei.  Es  ist  vielmehr 
eine  bildung  von  dem  stamm  des  oskischen  folgezahlwortes 
pom-to,  der  dem  lat.  quin-to  entspricht.  Den  lateini- 
schen adverbien,  die  mit  der  vergleichungsendung  is  ge- 
bildet sind,  wie  nim-is,  sat-is,  pot-is,  b-is  für  du-is  (vergl. 
dies,  zeitschr.  III.  279.  f.  295.  I.  122)  entsprechen  die  osk. 
ma-is  =  mag-is,  fort-is  =  forte.  Diesen  bildungen  ent- 
spricht genau  eine  adverbialbildung  pom-t'-is  vom  zahl- 
adjectivum  pom-to, gebildet,  wie  nimMs  vom  stamme  ni- 
mio-.  Wenn  von  duo  gebildet  b'-is  „zweimal^  bedeutet, 
so  heifst  von  pom-to s=  quinto  gebildet  pom-t'-is  „zum 
fünfte nmaL     Das  lateinische  bildet  von  folgezahlwörtem 


oskUche  beitrüge.  Hl 

adverbien  dieser  bedeutang  einfach  durch  den  accusativ 
des  neutnun :  primum ,  tertium ,  quartum  u.  a.  oder  durch 
den  ablativ :  primo,  tertio,  qaarto,  „das  erste-,  dritte-,  vier- 
temal^;  doch  finden  sich  auch  auf  e  auslautende  adverbien 
dieser  bedeotung,  denn  ad-prime  und  cum-prime  (Gell.  N. 
A.  VI.  7.  7.  XVII.  2.  14  ed.  Hertz)  bedeuten  eigentlich 
„zuerst",  dann  „besonders^.  Wenn  das  lateinische  so  drei 
verschiedene  weisen  der  adverbialbildung  von  folgezahlen 
zeigt,  so  wird  man  wohl  nicht  dem  oskischen  eine  derar- 
tige bildung  absprechen  wollen  mit  einer  diesem  dialekt 
sonst  geläufigen  adverbialendung  -is.  Nach  dieser  erklä- 
ruag  ist  also  die  oben  angeführte  stelle  zu  übersetzen :  Neve 
magis  quintum  cum  private  agito.  Um  aber  zu  zei- 
gen, dafs  diese  Übersetzung  in  den  Zusammenhang  des  osk. 
gesetzes  paist,  sind  zuvor  noch  einige  Schwierigkeiten  aus 
dem  wege  zu  räumen. 

7)  Das  nomen  medicatinom. 

Es  fragt  sich  nämlich  was  in  dem  unmittelbar  auf  die 
eben  besprochenen  worte  folgenden  satztheil  tab.  Baut.  16: 
pniter  pam  medicat  inom  didest  die  getrennt  geschriebenen 
buchstaben  medicat.  inom  bedeuten.  E.  sieht  in  medicat. 
eine  abkürzung,  die  der  lat.  abkürznng  magistrat.  entspricht. 
L.  leitet  i-nom  von  vnrz.  i  „gehen**  und  dies  „gehende** 
oder  „gegangene"  soll  dann  die  bedeutung  „erlaubnils"  ha- 
ben. Dieser  etymologie  zur  liebe  soll  (p.  10)  auch  lat. 
venia  „erlaubnifs*  nicht  von  wrz.  van  „wünschen**  kom- 
men, sondern  von  venire,  also  eigentlich  etwas  „kommen- 
des" oder  „  gekommenes  "*  bedeuten.  Wer  das  glaublich 
findet,  dem  will  ich  seinen  glauben  hier  nicht  anfechten. 
Bagge  (dies,  zeitschr.  HI.  42)  vergleicht  medicat.  und  den 
ablativ  medicatud  mit  dem  genitiv  senateis,  der  zeigt,  dafs 
im  oskischen  Substantivbildungen,  die  lateinischen  auf  a-tu 
wie  magistr-a-tu,  consul-a-tu,  sen-a-tu  entsprechen,  der 
o-deklination  folgten.  So  sicher  wie  vom  gen.  senateis  der 
nom.  mit  ausstofsung  des  ableitungsvokals  o  (u)  vor  dem  s 


113  ConMn 

des  nom.  aenaz  lautete,  wie  K.  erwiesen,  so  sicher  würde 
der  nom.  von  medicatud  medicaz  lauten,  unmöglich  konnte 
also  der  Steinmetz  medieat  als  eine  abkürzung  von  medi- 
caz schreiben,  da  beide  Schreibweisen  gleichviel  bnchstaben 
enthalten.  Bugge  nimmt  daher  an,  dals  im  nominatiy  jene 
Wortbildungen  wohl  nicht  der  o-deklination   sondern   der 
u-deklination  gefolgt  seien  und  somit  anch  medieat.  eine 
abk&rzung  för  medicatus  sei.     Das  ist  aber  nur  ein  noth- 
behelf ,  weil  sich  dieses  medieat.  als  abkürzung '  sonst  gar 
nicht  erkl&ren  l&Ist,  und  würde  nur  glaublich  sein,   wenn 
R  Ar  das  folgende  inom  eine  ganz  zuverlässige   erkl&rung 
böte.     Diese  aber  fehlt  eben  ganz. 

Demnach  wird  man  zu  der  annähme  gedrängt,    da(s 
medicatinom  ein  wort  ist.     Wer  mit  dem  zustand  der 
umbrischeUyOskischen,  volskischen  und  sabellischen  inschriften 
bekannt  ist,  weifs  wie  verkehrt  häufig  trennungspunkte  Ton 
den  Steinmetzen  gesetzt  und  weggelassen  werden.   So  fehlt 
der  trennungspunkt  auf  der  tafel  von  Bantia  in  paeancensto, 
ponposmom,  manimaserum,   ist  hingegen  falsch  gesetzt  in 
anget.  uzet,  so  ist  auch  das  wort  medicatinom  durcb  einen 
falschen  trennungspunkt  zerschnitten.     Es  fragt  sich   nun 
was  medicatinom  fiir  eine  Wortbildung  ist,  und  da  bieten 
sich  zwei  möglichkeiten  der  erklärung.     Entweder  es   ist 
eine  Weiterbildung  von  dem  Verbalsubstantiv  medica-tu- 
oder  von  einem  particip  medica-to-.    Für  die  erste  an- 
nähme liefse  sich  folgendes  sagen.    Die  bildungen  consul- 
a-tu-s,  magistr-a-tu-6,   sen-a-tu-s  u.  a.  sind  verbalsubstan- 
tiva  von  verben  wie  consul-are,  magistr-are,  sen-are,  wenn 
dieselben  sich  auch  im  sprachgebrauche  nicht  mehr  finden, 
und  diese  sind  denominativa  von  den  stammen  consul,  ma- 
gistro-,  sen-.    Ebenso  sind  die  oskischen  bildungen  sen-a- 
te-is,  pru-medic-a-tu-d  verbalsubstantiva  der  denominativa 
sen-a-um,  pru-medic-a-um  von  den  stammen  sen-,  pru- 
medic-.     Sen*  a- um  heifst  eigentlich  „den  alten  machen^, 
medic-a-um  „den  beamten  machen^.    Osk.  medic-a-tu,  sen- 
a-tu  drückt  also  die  amtshandlung  des  beamten,  des  alder- 
mans  in  Bantia  aus  wie  lat.  magistr-a-tu-s,  sen-a^tu-s  die 


oskische  beitrüge.  ]|3 

amtliche  handlang  des  römischen  beamten  oder  Senatoren. 
Von  medic-a-tu  konnte  nun  durch  die  anfögung  ino,  die 
sieh  auch  in  tang-ino-m  findet,  medic-a-tMno-m  gebildet 
werden^  das  also  irgend  etwas  zur  amtshandlung  des  Me- 
dix  gehöriges  bedeuten  würde,  und  da  es  sich  in  der  in- 
schrüt  von  Bantia  besonders  um  die  richterliche  befugnifs 
jenes  beamten  handelt,  so  konnte  es  irgend  einen  ausflufe 
seiner  richterlichen  befngnifs  ausdrücken.  Ich  würde  diese 
erklärung  jRlr  sicher  annehmen,  wenn  mir  aus  dem  bereiche 
der  itahschen  dialekte  ein  beispiel  bekannt  wäre,  daft  an 
ein  Verbalsubstantiv  auf  tu  die  anfögung  ino  träte.  Da 
dies  nicht  der  fall  ist,  so  ziehe  ich  ähnlicher  bildnngen 
wegen  flir  medic-a-t^-inom  die  zweite  erklärung  vor, 
dais  von  dem  verbum  medic-a-um  erst  das  particip 
medic-a-to-,  dann  von  diesem  medic-a-t'-ino-m 
gebildet  ward.  So  ist  lat  vom  stamm  atro  das  causale 
denominativum  atr-are,  das  particip  atr-a-tu-s  und  von  die- 
sem mit  der  anf&gung  ino  Atr-a-t'-inu-s  gebildet;  ebenso 
verhält  sich  zu  einander  der  stamm  libero-,  das  causale 
denominativum  liber-are,  das  particip  liber'-tu-s  fÖr  liber- 
a-tu-s,  wie  sec-tu-s,  lau-tu-s  für  seo-a-tu-s,  lav-a-tu-s,  und 
mit  der  endung  ino  weiter  gebildet  liber'-tMnu-s.  Wenn 
nun  das  rechtsprechen  eine  wesentliche  amtsbefiignifs  des 
oskischen  beamten  war,  wenn  der  medix  der  judex  war,  so 
erhielt  das  verbum  medic-a-um  leicht  vorwiegend  die 
bedeatung  judic-are  „richten**,  medic-a-tu-m  be- 
deutete also  dasselbe  wie  judic-a-tu-m  „das  geurtheilte, 
das  urtheil^.  Dann  bedeutet  medic-a-t'-inom  also 
etwas  das  zum  urtheil  gehört,  urtheilsspruch.  Wenn 
nun,  wie  oben  gezeigt,  pruterpam  =  priusquam  ist, 
so  sind  die  werte  tab.  Baut.  15.  16:  Neip  mais  pomtis 
com  preivatud  actud,  pruter  pam  medicatinom  didest 
zu  übersetzen:  Neve  magis  quintum  cum  private  agito, 
priusquam  judicatum  dabit  Ich  übersetze  didest  hier 
durch  dabit,  wie  E.  annimmt;  mir  ist^indefs  ein  redupli- 
cirtes  fut.  I  in  einer  italischen  spräche  eine  so  auffallende 
erscheinung,  dafs  es  mir  mindestens  höchst  fraglich  er- 
V.    2.  8 


114  Gonsen 

scheint,  ob  die  form  nicht  ein  ftit.  II  ist  und  dem  lat.  de- 
derit  entspricht.  Doch  davon  ein  andermal.  Der  sinn  des 
Satzes  ist  einfach  und  einleuchtend,  während  die  erklärung 
pruterpam  =  praeterquam  L.  zu  der  annähme  f&hrte,  als 
sei  in  dem  von  dieser  conjunction  abhängigen  satze  eine 
ausnahmsbestimmung  enthalten,  die  L.  durch  keine  analo- 
gie  aus  der  altrömischen  gerichtsordnung  rechtfertigen  kann. 
Bevor  ich  nun  aber  nachweise,  wie  der  hier  besprochene 
satz  in  den  Zusammenhang  des  ganzen  oskischen  gesetzes 
pafst,  bleibt  noch  eine  verbalform  zu  besprechen. 


8)  Die  verbalform  urust 

Man  vergleiche  T.  B.  14:  ne  pon  op  tovtad  petiru- 
pert  urust  und  T.  B.  16:  pon  posmom  com  preivatud  urust^ 
so  ist  klar,  dals  ne  pon  die  Verneinung  von  pon  ist  wie 
osk.  nei  svae  von  svae,  umbr.  no-sve  von  s?e,  lat.  nisi  von 
si,  ne-dum  von  dum,  und  dals  pon  „wann**  oder  „wenn**, 
ne  pon  „wann  nicht**  oder  „wenn  nicht**  bedeutet.  Die 
verbalform  ur-ust  leitet  L.  her  von  wrz.  vr  „aussuchen**, 
was  lautlich  vollkommen  gerechtfertigt  ist.  Dafs  es  aber 
geradezu  anquirere  oder  accusare  bedeute,  dagegen  spricht 
die  construction  mit  der  präposition  com.  Man  vergleiche 
T.  B.  14:  Neip  mais  pomtis  com  preivatud  actud,  und 
T.  B.  16:  pon  posmom  com  preivatud  urust,  so  erhellt, 
dals  ur-ust  eine  ähnliche  gerichtliche  handlung  bezeich- 
nen mufs  wie  ac-tud,  und  dafs  dies  eine  handlung  sein 
"mufs,  bei  der  auch  der  privatmann  oder  angeklagte  „mit 
thätig**  ist,  wie  das  com  zeigt,  nicht  blofs  sich  rein  pas- 
siv verhält  im  anklagezustand;  die  bedeutung  des  ur-ust 
muis  nicht  blofs  die  anklage,  sondern  auch  die  Verantwor- 
tung umfassen.  Die  bedeutung  „aussuchen,  wählen**,  wel- 
che fbr  wrz.  vr  überliefert  wird,  setzt  ein  „scheiden** 
und  „abgrenzen**  voraus.  Das  scheiden  und  abgrenzen 
des  streitigen  punktes  aber  ist  ja  das  wesentliche  bei  allen 
gerichtlichen  Verhandlungen.  In  der  römischen  rechtsspra- 
che  ist  jure  disceptare  cum  aliquo  ein  stehender  und 


oskisehe  beitrttge.  II5 

bezeichnender  ausdrack  filr  dieses  rechtliche  scheiden  und 
entdcheiden.  Auch  in  ur-vum,  nr-vare,  ur-bs,  ur-na,  umbr. 
ur-tas  erklärt  sich  ans  dem  begriffe  des  »abgrenzens**,  wie 
anderen  orts  genauer  besprochen  werden  soll,  die  bedeu- 
tung  dieser  Wörter.  Also  übersetze  ich  die  worte  ne  pon 
op  toutad  petiropert  urust:  nisi  apud  populum  quater 
disceptaverit,  und  die  worte:  in  (im)  pon  posmom  cum 
preivatud  urust:  et  quum  postremum  cum  private  dis- 
ceptaverit. 

Es  bleibt  nun  noch  nachzuweisen,  dafs  die  in  den 
drei  letzten  abschnitten  dieser  Untersuchung  gegebenen  wort- 
erklärungen  und  Übersetzungen  in  den  sinn  und  Zusammen- 
hang des  oskischen  gesetzes  passen.  In  einer  dankenswer- 
then  juristischen  Untersuchung  weist  L.  nach,  dafs  im  alt- 
romischen  gerichtsverfahren  alle  volksgerichte  auf  der  Vor- 
aussetzung einer  gegen  das  strafurtheil  eines  beamten  ein- 
gelegten provocation  an  das  volk  beruhen  (s.  68),  dais  der 
beamte  viermal  in  bestimmten  terminen  seine  anklage  vor 
dem  Volksgericht  erheben  mufs,  dafs  derselbe  erst  im  vier- 
ten termin  (s.  67)  ein  urtheil  gegen  den  beklagten  ausspre- 
chen darf,  dafs  dieses  strafurtheil  in  der  that  nur  ein  schein- 
urtheil,  d.  h.  ein  Strafantrag  bei  dem  Volksgerichte  ist  (s. 
65  —  69.71),  dafs  endlich  zwischen  dem  vierten  anklage- 
termin  und  dem  spruchtage  des  Volksgerichts  eine  dreüsig- 
tägige  firist  liegen  mufste.  Nach  den  von  mir  gegebenen 
erklärungen  besagt  der  abschnitt  des  oskischen  gesetzes  der 
tafel  von  Bantia,  der  z.  13  beginnt  mit  den  werten:  Suae 
pis  ct.  und  z.  17  schliefst  mit  den  werten:  ni  hipid  ct. 
(von  K.  s.  79  als  §.[3]  bezeichnet)  folgendes:  „Wer  in 
der  eigenschafl  als  richterlicher  beamter  (prumeddizud)  ei- 
nem einzelbflrger  einen  gerichtlichen  termin  stellt  (zicolom 
dienst),  mufs  viermal  mit  dem  beklagten  verhandeln 
(petiropert  urust)  vor  dem  volksgericht.  Er  darf  nicht 
weiter  zum  fünftenmale  (mais  pomtis)  mit  dem  ange- 
klagten verhandeln,  bevor  er  sein  urtheil,  oder  seinen 
Strafantrag  (medicatinom)  an  das  volksgericht  stellt, 
d.  h.  er  mufs  dies  am  vierten  gerichtstage  thun;  dann  darf 

8* 


116  Coruen 

er  erst  nach  einer  frist  von  30  tagen  den  spruchtag  des 
Yolksgerichts  ansetzen^.  Ich  befinde  mich  also  auch  hier 
in  dem  falle,  indem  ich  von  L.'s  sprachlichen  aufstellun- 
gen  ganz  abweiche,  diesem  gelehrten  gerade  f&r  seine  an- 
sieht über  die  hauptsache,  um  die  es  sich  in  dem  yor- 
liegenden  gesetze  handelt,  eine  wesentliche  stütze  bieten 
zu  können,  und  die  durch  meine  worterkl&rungen  gewon- 
nene genaue  Übereinstimmung  zwischen  dem  röm.  und  dem 
osk.  gerichtsverfahren  bei  volksgerichten,  ist  gewüs  eine  be- 
achtenswerthe  probe  für  die  richtigkeit  jener  erkl&rungen. 

9)  Bedeutung  der  form  nerum. 

Die  werte  t.  B.  29 :  pis  tacnssüm  nerum  fiist  übersetzt 
L.  (s.  27):  quis  sententiae  ferendae  fiierit.  Tacusiim  soll 
hier  in  abstammung  und  bedeutung  gleich  tanginom  sein 
und  sententia  bedeuten,  obwohl  beide  Wörter  weder  in  der 
Wurzelgestalt  noch  in  der  Wortbildung  übereinstimmen.  In 
ähnlicher  weise  leitet  L.  die  grundverschiedenen  wortfor- 
men angetuzet,  egmazum  und  acum  alle  von  einer  wurzel 
her.  Nerum  soll  ein  infinitiv  sein  und  ferre  bedeuten,  weil 
^  „möglich^  sei,  dais  in  sab.  nerio,  umbr.  nerf,  skr.  nr 
eine  wurzel  nr  stecke,  die  möglicher  weise  „tragen^  be- 
deute und  somit  in  avBQ  der  mann  als  „tragender^,  in  ner- 
vus  die  sehne  als  „tragende^  bezeichnet  werde.  Endlich 
wird  dem  oskischen  diesen  etymologien  zu  gefallen  eine 
construction  zugemuthet,  die  einer  lateinischen:  „quaestor 
quis  sententiam  ferre  fiierit^  entspräche,  dem  oskischen  das 
in  der  construction  upsannam  dedet  =  operandam  dedit 
eine  dem  lateinischen  ganz  gleiche  Verwendung  des  zusam- 
mengesetzten verbaladjectivs  zeigt  (n,  jahrb.  LXVIII.  467), 
das  lateinische  grammatiker  abgeschmackter  weise  genm- 
dium  und  gerundivum  nennen.  Es  wird  nicht  nöthig  sein, 
die  mögtichkeiten,  Unmöglichkeiten  und  unwahrscheinlich- 
keiten  weiter  zu  zergliedern,  die  hier  statt  eines  sprach- 
lichen beweises  zusammengestellt  sind.  Meiner  erklärung 
mufs  ich  aber  erst  eine  bemerkung  über  die  lesart  voraus- 
schicken.    Auf  dem   abdrucke   der   tafel    von  Bantia  bei 


otlüache  beiträg«.  117 

Mommsen  (D.  D.  zu  s.  145)  steht  nämlich  ganz  unzweifel- 
haft geschrieben  tacusiim;  statt  dessen  schreibt  M.  s.  117 
tacueim  und  ebenso  im  wortverzeichnils  s.  298,  drückt  in- 
defs  hier  seinen  zweifei  an  der  richtigkeit  dieser  lesart 
durch  ein  fragezeichen  hinter  dem  worte  aus.  Von  den 
buchstaben  p(is  tacusi)im  stehen  die  hier  eingeklammerten 
auf  dem  bruchstück  der  tafel,  von  dem  wir  nur  eine  copie 
in  minuskefai  von  Abellino  haben,  der  erste  p,  halb  weg- 
gebrochen, und  die  beiden  letzten  im  auf  dem  hauptstück 
der  tafeL  Freilich  haben  zwischen  diesen  nur  6  buchsta- 
ben der  lateinischen  majuskelschrift  in  dem  räum  des  bru- 
ches,  wie  er  bei  M.  erscheint,  platz;  aber  die  Zeichnung 
des  bruches  kann  nicht  ganz  richtig  sein,  wie  auch  daraus 
ZU  schliefsen  ist,  dafs  derselbe  nach  dem  abdrucke  der 
tafel  bei  Lepsius  (Inscr.  umbr.  et  ose.  t.  XXY )  eine  ganz 
andere  gestalt  hat.  Da  nun  zu  der  lesart  tacusi-im  nir- 
gend eine  Variante  angegeben  wird,  noch  weniger  ein  grund 
zu  der  abweichenden  Schreibart  tacusim,  so  halte  ich  diese 
f&r  ungerechtfertigt  und  behalte  jene  bei,  wie  ich  oben 
pomtis  und  tadait  gegen  willkührliche  abänderungsversuche 
in  schütz  genommen  habe. 

um  die  bildung  und  bedeutung  der  wortform  tacu- 
siim zu  finden,  ist  es  nothwendig  zuvorderst  das  vorher- 
gehende wort  nerum  zu  besprechen.  Vergleicht  man  die 
beiden  Zwischensätze  t.  B.  29 :  pis  tacusiim  nerum  fust  und 
t.  B.  19:  pis  cevs  Bantins  fust,  so  hat  man  anzunehmen, 
dafs  tacusiim  nerum  die  eigenschaftsbestimmung  ist,  die 
von  dem  pis  ausgesagt  wird,  und  mit  demselben  durch 
fiist  verknüpft  ist,  also  dasselbe  Satzglied  ist  wie  cevs  Ban- 
tins an  seiner  stelle.  Was  nun  zunächst  ner-um  anbetrifit, 
so  ist  es  zu  vergleichen  mit  dem  consonant.  stamme  ner, 
von  dem  im  umbr.  der  acc.  pL  ner-f  und  der  dat.  pl.  ner- 
us  vorkommt  (AK.  IL  156  f.)  und  von  dem  auch  die  sabin. 
Wörter  ner-io  (nerienis)  =  virtus,  fortitudo  und  ner-o 
=  fortis  strenuus,  sowie  der  name  der  altital.  göttin  Ner-ia, 
Ner-io,  Ner-i-enes,  der  gattin  des  Mars,  richtig  hergeleitet 
worden  sind  (vgl.  Gell.  XIII.  22.  Hertz.  Lyd.  de  mag.  L  23 


118  Consen 

de  mens.  IV.  42.  Sueton.  Tib.  c.  1.  Ebel  d.  zeitschr.  1, 307. 
Fleckeisen:  Zur  kritik  der  altlat.  dichterfragmente  bei  Gellius 
p.  33).  Die  herausgeber  der  U.  D.  sprechen  die  vermutbuDg 
aus,  dafs  ner-f,  ner-us  eine  ehrenbeseichnung  der  principes 
oder  nobiles  in  Igavium  sei,  und  diese  vermuthung  wird  durch 
die  vorliegende  stelle  des  osk.  gesetzes  schlagend  bestätigt. 
Auch  das  oskische  ner-um  ist  eine  form  des  italischen 
Stammes  ner,  und  zwar  kann  es  nur  der  gen.  plur.  eines 
consonantisohen  Stammes  sein.  Da  nun  kurz  vorher  in  dem 
oskischen  gesetze  der  Vorsteher  der  gemeinde  in  Bantia 
durch  die  sigle  tr.  pl.  mit  dem  römischen  namen  tribunus 
plebis  bezeichnet  ist,  so  erhellt,  dafs  es  zu  Bantia  wie  zu 
Bom  eine  gemeinde  im  gegensatz  zu  adeligen  geschlech- 
tem oder  bevorrechteten  vollbürgem  gegeben  hat  Durch 
ner-um  =  fortium  strenuorum  wird  eben  diese  bevorrech- 
tete bürgerklasse  bezeichnet  und  pis  —  nerum  fust  bedeu- 
tet quis  —  nobilium  fuerit  wie  pis  cevs  Bantins  fust  =  qui 
civis  Bantinus  fuerit.  Zu  Bantia  wie  zu  Iguvium  hie- 
fsen  also  die  geschlechter  der  altbürger  oder  voll  bürg  er 
^ner-es^  die  tapferen.  Aehnliche  ehrennamen  legen 
sich  überall  bevorrechtete  volksklassen,  alte  geschlechtsver- 
bände  oder  herrschende  volksst&mme  bei.  So  heüsen  die 
fttrstengeschlechter  der  etrurischen  städte  Luc-u-m'-on-es 
„die  leuchtenden**  vom  stamme  lue-.  An  diesen  trat  erst 
die  Steigerungsendung  mo  mit  dem  bindevokal  u  (vgl.  ploir- 
u-me),  dann  die  endung  on.  Aehnlich  gebildet  ist  Al-m^-on 
vom  stamme  al  in  alere,  nur  fehlt  der  bindevokal.  Die- 
selbe bedeutung  hat  der  name  Luc-er'-ense-s,  abgekürzt 
Luceres  Air  einen  der  drei  alten  geschlechterstämme  in 
Kom,  indem  an  den  stamm  lue-  erst  die  anlRigung  ero  trat, 
die  ten-er,  mis-er,  lac-er  zeigen,  dann  die  endung  ensi,  die 
in  volksnamen  die  herkunft  bezeichnet  Aehnlich  heifst 
bei  den  Joniern  von  Attika  eine  adelskaste  FeXeovragy  ein 
name  der  durch  la^Angol  erklärt  wird  (Hesych),  also  die 
9 glänzenden^.  Der  römische  beamtenadel  späterer  zeit 
nennt  sich  nobiles  „die  kenntlichen^  oder  optimates  „die 
hochwohlgeborenen",  der  alte  geschlechtsadel  der  Spartia- 


oakiflche  beitrage.  ]|9 

teo  xaXoi  xaya&oi  „die  guten  und  schönen^  oder  ofioMi 
„die  gleichen  oder  pairs«.  Milites  strenui  „tapfere  krie- 
ger**  ist  der  ehrentitel  des  ritterlichen  adels  in  den  Urkun- 
den des  mittelalters.  Airja  „die  starken^  nannten  sich  die 
arischen  Yolksstänune.  In  der  bedeutung  stimmen  also  die 
ehrentitel  Milites  strenui,  Airja  mit  dem  umbrisch- 
oskischen  ner-es  genau  überein. 

10)  Lateinische  und  oskische  lokative  auf  -im, 
-in,  in,  -m,  -n. 

Ist  die  bedeutung  von  ner-um  richtig  bestimmt,  so  ist 
klar,  dals  in  dem  tacusi-im,  das  vorhergeht,  irgendeine 
nähere  bestimmung  zu  ner-um  enthalten  sein  muls.  Es 
fragt  sich  nur  was  für  ein  casus  tacusi-im  ist.  DaTs  es 
ein  accusativ  wäre,  der  nach  griechischer  weise  genauer 
beschränkend  und  bestimmend  der  behauptung  zugef&gt 
wäre,  darf  man  nicht  annehmen,  da  dieser  sogenannte  grie- 
chische accusativ  auf  oskischen  denkmälem  nicht  gefiin- 
den  wird.  Auch  sehe  ich  nicht,  wie  das  doppelte  i  der 
form  tacusi-im  als  accusativ  zu  rechtfertigen  wäre.  Auch 
ein  genitiv  kann  die  form  nicht  sein,  da  der  gen.  plur.  von 
Stämmen,  die  auf  o,  i  oder  einen  consonanten  auslauten, 
immer  um  lautete,  wie  Abellan'-um,  futftegTi^v-ovfA,  Tiiaü- 
um  vom  stamm  osk.  Tiiati  oder  Tiati  (Monmisen  s.  204. 
302.  vgl.  kalati-  auf  mftnzaufschriften)  und  lat  Teate,  und 
ner-um  zeigen.  Die  oskischen  a- stamme  hingegen  haben 
die  form  a-zum,  entsprechend  der  sanskr.  ä-säm,  griech. 
a-oii/,  lat.  a-mm  z.  b.  eiza-zun-c,  egma-zum.  Zwei  auf- 
schriften  auf  jüngeren  italischen  münzen  Safin-im  und 
Aisem-im  faist  Mommsen  (s.  204)  freilich  als  gen.  plur. 
der  volksnamen,  aber  ohne  beweis;  weiterhin  wird  sich 
eine  andere  erklärung  fbr  diese  formen  finden.  Wie  vom 
stamme  Tiiati  der  gen.  plur.  Tiiati -um  lautete,  so  müfste 
vom  stamme  tacusi  derselbe  casus  tacusi-um  heüsen;  und 
angenommen  der  wortstamm  wäre  tacusio,  so  müfste  er 
gerade  ebenso  lauten,  wie  Abellan'-um  zeigt. 

Es  bleibt  daher  nichts  übrig  als  tacusi-im  fQr  eine 


120  ConaeB 

locativendung  za  halten,  und  um  das  zu  erweisen,  sind 
die  verwandten  locativformen  im  lateinischen,  oskischen  und 
in  anderen  dialekten  in  betracht  zu  ziehen.  Dals  die  latei- 
nische spräche  locativendungen  auf  -im,  -in  besitze,  war 
schon  froher  erkannt  worden  (vgl.  Hand  Tursellin.  III,  211. 
463);  es  ist  eines  der  vielen  Verdienste  neuerer  handschrif- 
tenforschung,  sichere  beispiele  solcher  locativformen  ans 
licht  gestellt  zu  haben  (Ritschi.  Rhein.  Mus.  Vm,  472. 
Lachmann  Lucrez  II,  169.  HI,  880).  Die  grofse  mehrzahl 
derselben  ist  von  o- stammen  gebildet,  nämlich  ill'-im, 
ist'-im,  oT-im  (ollo-),  utr^-im-que,  und  mit  Schwä- 
chung des  m  zu  n  wegen  des  folgenden  consonanten  h'-in-c, 
ill'-in-c,  ist'-in-c,  utr'-in-de,  utr'-in -secus, 
intr'-in-secus,  extr'-in-secus,  altr^-in-secus,  bil- 
dungen  die  alle  den  anfangspunkt,  das  woher  bezeichnen. 
DaCs  diese  locativendung  -im,  -in  aus  skr.  bhjam,  umbr. 
fem,  griech.  (piv  nach  wegfall  des  anlautenden  lippenlautes 
entstanden  ist,  hat  Aufrecht  (diese  zeitschr.  I,  83)  nach- 
gewiesen; doch  kann  ich  diesem  gelehrten  darin  nicht  bei- 
stimmen, dafs  das  i  vor  dem  auslautenden  m,  n  jener  for- 
men aus  dem  o  der  stamme  abgeschwächt  wäre  wie  das 
i  in  signi-fer,  coeli-tus  u.  a.  Ich  halte  vielmehr  das  i  der 
locativendung  -tm,  -fn  für  einen  langen  vokal,  vor  dem 
der  auslautende  vokal  des  Stammes,  an  den  sie  gefügt 
wurde,  abfiel,  um  diese  ansieht  zu  begründen,  ist  zunächst 
zu  erweisen,  in  welchem  verhältnifs  die  lateinische  endung 
bt  in  ti-bt,  si-bi,  i-bt,  u-bi^  ali-cu-bt  zum  sanskr« 
bhjam,  griech.  (piv  steht.  Dais  das  auslautende  i  jener  la^ 
teinischen  formen  ursprünglich  lang  war,  zeigen  sowohl  die 
Zusammensetzungen  i-bi-que,  u-bt-que,  utro-bi-que 
als  die  altlateinische  Schreibweise  i-bei,  u-bei,  si-bei, 
und  doch  zeigt  die  entsprechende  endung  im  griechischen 
und  Sanskrit  einen  kurzen  vokal.  Meine  früher  geäulserte 
ansieht,  da(s  das  t  der  endung  bt  sich  zum  ersatz  längte, 
als  das  schlieisende  m  abfiel  (Neue  jahrb.  LXVIII,  256) 
mufs  ich  als  irrig  verwerfen,  weil  schlechterdings  niemals 
im  lateinischen  ein  auslautender  vokal  sich  längte  nach  ab- 


oskiach«  beitrüge.  121 

£ül  eines  schlielsenden  consonanten.  Die  entstehung  des 
langen  i  von  bi  aus  ja  im  skr.  bbjam  ist  vielmehr  so  zu 
fassen,  dals  sich  das  j  wie  immer  nach  consonanten  im 
lateinischen  zu  i  auflöste  und  das  a  zu  e  sank.  So  ent- 
stand auf  italischem  boden  die  grundform  fiem,  die  sich 
zu  skr.  bhjam  verhält  wie  lat.  si^s  zu  skr.  sjäs.  Im  latei- 
nischen ward  dann  fiem  zu  bt,  indem  ie  zu  i  verschmolz 
wie  aus  sies  sis  ward,  das  f  im  inlaut  wie  gewöhulich  zu 
b  sank  und  das  auslautende  m  wie  so  h&ufig  im  altlatei- 
nischen abfiel.  Im  umbrischen  ward  fiem  zu  fem  (AK.  I, 
111)  und  mit  abfall  des  m  zu  fe  in  i-fe  ==  i-bi,  te-fe  = 
ti-bi,  indem  das  aus  j  entstandene  i  vor  dem  folgenden  e 
schveand  und  das  e  in  fem  sich  wahrscheinlich  längte,  so 
dals  auch  die  umbrischen  formen  i-fe,  te-fe  wie  die  latei- 
nischen i-bi,  ti-bt  auf  einen  langen  vokal  auslauteten.  In 
den  dativen  ti-bi,  si-bt  wie  in  den  locativen  i-bi  vom 
pronominalstamm  i  mit  seinen  compositis  in-i-bi,  inter- 
i-bi,  post-i-bt,  die  ich  für  solche  Zusammensetzungen 
halte  gegen  Ritschi  (Rhein,  mus.  VIII,  488),  weil  die  an- 
f&gung  einer  blofsen  casusendung  an  eine  präposition  mit- 
telst eines  bindevokals  unerhört  wäre,  ebenso  in  u-bl  und 
ali-cu-bi  vom  pronominalstamm  cu  (quo)  ist  also  das  i 
ein  aus  vokalverschmelzung  entstandener  langer  vokal,  und 
wo  derselbe  bei  dichtem  kurz  gemessen  erscheint,  ist  dies 
der  auiserordentlich  starken  neigung  der  lateinischen  sprä- 
che zuzuschreiben,  auslautende  vokale  zu  kürzen.  Die 
plautinischen  forschungen  von  Ritschi  und  Fleckeisen  ha- 
ben in  dieser  beziehung  überraschende  thatsachen  ans  licht 
gestellt;  der  umfang  und  die  bedeutung  der  ganzen  sprach- 
lichen erscheinuDg  verdient  eine  eingehende  erdrteruog,  fiir 
die  hier  nicht  der  ort  ist. 

Es  ist  nun  der  weg  zu  zeigen  wie  aus  jener  ursprüng- 
lich italischen  endung  fiem,  die  dem  skr.  bhjam  entsprach, 
durch  vokalverschmelzung  aber  zu  ftm,  fÜm  zusammenge- 
zogen ward,  die  locativendung  -im,  -in  geworden  ist.  Von 
der  aspirirten  media  skr.  bh,  italisch  f.  der  endung  fim, 
föm  verflüchtigte  sich  der  lippenlaut  und  es  blieb  nur  der 


122  COTSMD 

hauchlaut  h  übrig,  so  dals  nun  im  lat  mi-hi,  umbr.  me-h6 
die  enduDg  hi,  hg  lautete  (vergl.  über  diese  und  ähnliche 
Vorgänge  die  treffliche  abhandlung  von  G.  Curtius:  die  as- 
piraten  der  indogermanischen  sprachen,  diesezeitschr.il,  334). 
Auch  das  griech.  re-ip  für  T£-^iv  wflrde  sich  nicht  festste* 
hend  zweisilbig  erhalten  haben,  wenn  nicht  der  aus  ^  nach 
Wegfall  des  Iippenlautes  übrig  gebliebene  hauchlaut  die  vo« 
kale  £  und  i  getrennt  gehalten  hätte,  so  dafs  die  form  eine 
zeit  lang  rs-'iv  lautete.  Wenn  also  aus  einem  vorauszu- 
setzenden mi-f  tm  mi-ht  dann  durch  ausfall  des  h  und  vokal- 
verschmelzung  mt  geworden  ist,  so  mufs  derselbe  gang  der 
abschwächung  auch  bei  den  oben  angef&hrten  locativformen 
auf  -im,  -in  stattgefunden  haben.  Aus  den  ursprünglichen 
bildungen  wie  illo-ftm,  isto-ftm  ward  zunächst  illo-htm. 
isto-htm,  dann  illo-tm,  isto-tm  und  mit  abfall  des  auslav 
tenden  stammvokales  o  ill'-im,  ist^-tm.  So  ist  h^-in 
entstanden  aus  ho-ftm-ce  durch  die  mittelglieder  ho-hin-v 
ho-tn-c.  Ganz  ebenso  sind  die  Zusammensetzungen  alio* 
qu'-tn,  cetero-qu'-tn  vom  relativstamme  quo,  altr'- 
in-secus,  extr'-in-secus,  intr'-in-secus,  utr'-!n- 
secus  neben  utr'-im-que  von  den  stammen  altero-,  ex- 
tero-,  intero-,  utero-  zu  erklären.  Auch  long'-tn-cu-s 
setzt  eine  locativform  long' -im  „weit  her^  vom  stamme 
longo-  voraus.  Wenn  von  dieser  casusform  durch  die  an- 
fiigung  CO  ein  adjectivum  gebildet  ist,  so  ist  das  nicht  auf- 
fallender, als  wenn  von  der  ablativform  prod  durch  anfä- 
gung  der  steigerungsendung  ins  ein  gesteigertes  adjectivum 
prod-ius  gebildet  ist  (Non.  p.  33  ed.  Gerl.  vgl.  diese  zeitschr. 
in,  265).  Ich  habe  schon  anderen  orts  (Neue  jahrb. 
LXVin,  256)  darauf  hingewiesen,  dafs  auch  in  ü-n-de 
fftr  cü-n-de  und  ali-cü-n-de  das  cü-n  locativform  des 
relativstammes  cu  (quo)  ist, -und  genau  dieselbe  bildung 
erkenne  ich  jetzt  auch  in  ü-n-quam  ftir  cü-n-quam,  wie  in 
dessen  Verneinung  n'-ü-n-quam.  Aus  einer  ursprünglichen 
form  cu-fim  entstand  einerseits  u-bt  ftkr  cu-bi,  wie  ali-cu^bi 
zeigt,  andrerseits  durch  die  mittdstufen  cu-htm,  cu-im, 
cü-m  die  noch  vorhandene  cü-n.    Das  i  der  endung  wich 


oskische  beitittge.  123 

hier  dem  vorhergehenden  u  des  Stammes  wie  im  gen.  se- 
natü's  &LT  senatii-ts,  im  dat.  senatü  fCoc  senatu-i.    Ebenso 
sind  nun  auch  de-in,  ex-tm,  pro-in  locativformen  vom 
pronominalstamm  i  zusammengesetzt  mit  den  präpositionen 
de,   ex,  pro,    indem  die  ursprüngliche  form  des  locativs 
i-fim  durch  die  mittelstufen  i-htm,  i-tm.  zu  im,  in  ver- 
schmolz. Ex-im  und  de-in  haben  die  bedeutung  „von  da^, 
die  schon  im  einfachen  im,  in  lag,  durch  eine  präposition, 
die   das  ausgehen  von  einem  orte  bezeichnet,   noch  mehr 
versinnlicht ,   gerade    so   wie   ab-h'-in-c,    de-h'-in-c, 
ex-h'-in-c  im  verhältnüs  zum  einfachen  h'-in-c,  pro-in 
heilst    „fürder   von   da^.     Ueber   das   angehängte   de  in 
in-de,  de-tn-de,  per-in-de,  pro-in-de,  sub-in-de, 
,ün-de,  ali-cün-de  sei  hier  einstweilen  bemerkt,  dafsich 
^  nicht  fbr  die  pr&position  de  sondern  ftbr  den  ablativ 
ne  halte,  zu  dem  das  dem  in  tan-dem,  i-dem,  pri-dem 
4er  aecnsativ  ist     Dafs  das  i  von  die  nach  d  in  diesen 
formeil  ausfiel,    daf&r  spricht  namentlich  pri-dem   neben 
pri-die  (vgl.  minus  f&r  minius)  die  Verkürzung  des  auslau- 
t^iden  e  jener  formen  ist  wie  in  cave,  vale,  vide,  in  dem 
angeh&ngten  ne,  in  bene,  male  u.  a.    Ist  das  richtig,   so 
bedeutet  ali-cün-de  eigentlich  ,,von  irgend  einem  tag  her^, 
in -de   und  mit  noch  stärkerer  bezeichnung  der  richtung, 
woher  durch  die  vorgesetzte  präposition  de-in-de  „von  dem 
tag  her^,  pro -in -de  „fürder  von  dem  tag  an^,  per-in-de 
ijdurchgehends  von  dem  tag  an^,    daher  „sonderlich,  vor- 
nehmlich^ und  mit  folgendem  ut  oder  ac  „ganz  so-,  gerade 
80-,  ebenso-wie^.  In  sub-in-de  hat  die  präposition  sub  die 
bedeutung  wie  in  suc-cedere  u.  a.  „dicht  daran^,  also  heifst 
8ub-in-de  „dicht   daran  von  dem  tage^  also  „dicht  hinter, 
kurz  darauf^.     Die  ursprünghche  bedeutung  „tag*  in  die- 
sem  angehängten   de   ist   aber   aus   dem  bewufstsein  der 
Sprache  geschwunden  wie  in  diu,  tam-diu,  quam-diu,  diu- 
tumus  neben  nu-diu-s,  inter-diu,  diur-nus.    Ich  mufs  es 
f^T  eine  andere  gelegenheit  au&paren,  meine  ansieht  über 
das  de  in  jenen  Zusammensetzungen  abweichenden  erklä- 
Hingen  gegenüber  (vgl  Pott  etymol.  forsch.  II.  246,  Bit- 


1%A  Conmn 

8chl  rhein.  mus.  1850.  p.  475)  im  zusammenhange  mit 
einer  ganzen  anzahl  verwandter  bildungen  noch  genauer  zu 
rechtfertigen.  Endlich  finde  ich  auch  im  lateinischen  £-n 
„da!  siehe I^  eine  locaiivbildung  vom  pronominalstamme  i. 
Der  pronominalstamm  hat  hier  die  gestalt  e  wie  im  gen. 
sing,  e-jus,  dat.  sing,  e-i,  abl.  sing,  e-o,  acc.  sing,  e-um,  nom. 
plur.  e-i,  altlat.  e^is,  gen.  plur.  e-orum,  dat  plur.  e-is  u.  a.; 
im  altlat.  zeigt  er  diese  gestalt  in  e-m  =  e-um  und  e-m-e-m 
SS  eundem  (Fest)  auch  vor  consonant.  anf&gung,  und  die- 
ses e  war  ursprQngl.  lang,  weil  es  durch  vokalsteigerting 
aus  i  entstanden  ist,  wie  die  Schreibart  ae-jus,  ae-i,  ae-orum 
auf  inschriften  beweisH  (vgl.  AK.  I.  134,  n.  jahrb.  68.  252) 
und  die  messung  des  dativs  ei  bei  Plautus  Terenz  und  Liu- 
crez  (Fleckeisen  neue  jahrb.  61,  17).  So  erklärt  sich  auch 
das  S  in  £-n  und  dafs  das  i  der  abgeschwächten  locativ- 
endung  tu  nach  dem  lang^  S  schwand,  dafür  ist  diS  fllr 
di^i  eine  naheliegende  analogie.  Hiemach  heifst  also  d-n 
auf  den  ort  hinweisend  „dal^  und  erhält  die  bedeutung 
„siehe  da^  wie  im  griechischen  das  demonstrative  vij  den 
sinn  Xaßs,  Hx^  erhält;  es  besteht  genau  aus  denselben  be- 
standtheilen  wie  lat.  i-bi,  umbr.  i-fe;  aber  mit  feinem  sinne 
hat  die  spräche  die  verschiedene  gestaltung  derselben  zu 
verschiedenen  bedeutungen  verbraucht.  Es  ist  nicht  nö- 
thig,  dafs  ^n  jemals  „von  da^  bedeutet  habe,  da  die  ver- 
wandten sprachen  die  anfilgung  skr.  bhjam,  umbr.  fem,  gr. 
(piv  zur  bezeichnung  des  „woher^,  des  „wo^  und  des  „wohin^ 
verwandt  haben  (f&r  die  letzte  bedeutung  vgl.  AK.  1. 1 1 1 . 1 1 4). 
Mit  den  lateinischen  sind  nun  die  entsprechenden  es- 
kischen  lokativformen  zu  vergleichen.  Es  heilst  tab.  Baut. 
16.  f.  in  (im)  pon  posmom  con  preivatud  urust,  eisucen 
ziculud  zicolom  XXX  nesimum  comonom  ni  hipid.  Hier 
übersetzt  K.  den  demonstrativen  nachsatz:  illo  in  die  (ad) 
diem  (usque)  XXX  proximum  comitia  ne  habuerit,  falst 
also  in  der  formel  eizuc-en  ziculud  das  an  den  ablativ 
eizuc  angehängte  ^n  als  die  präposition  en  =  in  wie  in 
censtom-en  =  in  censum.  Aber  diese  erklärung  muthet 
dem  oskischen  eine  mindestens  höchst  unklare  ausdrucks- 


otkische  beitrüge.  125 

weise  zu.  So  wenig  im  deutschen  „an  jenem  tage  den 
dreifsigsten  tag^  oder  im  lateinischen  „in  illo  die  diem  tri- 
cesimnm^  bedeuten  kann  „von  jenem  tage  nach  dreifsig 
tagen^  so  wenig  darf  man  von  dem  oskischen  gesetze  eine 
solche  ausdrucksweise  glaublich  finden.  Wie  femer  im  la- 
teinischen bei  bestimmung  des  Zeitpunktes  nicht  die  präp. 
in  sondern  der  blofse  abl.  gebraucht  wird  oder  der  loc.  z.  b. 
die  crastini,  die  pristini,  die  proximi  (Gell.  II.  29,  7.  X.  24) 
die  quarte,  die  quinti,  die  septimi  (Macr.  Sat.  I.  4),  die 
septimei  (Plaut  Pers.  280.  Fleckeisen.  Zur  kritik  der  altlat. 
dichterfr.  s.  30),  wo  die  f&r  die-i  das  locativzeichen  i 
eingebüist  hat,  so  verwendet  auch  das  oskische  zur  bestim- 
mung des  Zeitpunktes  sonst  nicht  en  mit  dem  ablativ,  son- 
dern den  locativ,  wie  tab.  Bant.  8  eizei-c  zicelei  =  illo  die 
zeigt.  Dals  an  der  obigen  stelle  also  eizuc-en  zikulud 
die  bedeutung  „von  jenem  tage  an^  haben  mufs,  drftngt 
sich  mit  zwingender  nothwendigkeit  auf.  Jenes  angehängte 
en  kann  nicht  die  oskische  präposition  en  sein,  so  wenig 
wie  das  in  von  de-in,  pro-in  die  lat.  präp.  in  ist;  es  ist  viel- 
mehr dieselbe  locativform  des  pronominalstammes  i,  welche 
oben  in  lat.  £-n  wie  in  pro-i-n,  de-i-n  u.  a.  erkannt  wor- 
den ist.  Das  en  in  eizuc-en  f&r  die  bloise  einfache  loca- 
tivendung  zu  halten,  scheint  nicht  statthaft,  einmal  weil 
diese  schwerlich  hinter  das  c  der  pronominalpartikel  von 
eizu-c  angefbgt  werden  würde,  zweitens  weil  die  weiter 
hin  zu  besprechende  form  imad-en  dagegen  spricht.  Der 
pronominalstamm  i  zeigt  im  oskischen  bald  das  i  unge- 
trübt z.  b.  io-c,  id-i-c,  ion-c,  bald  ist  er  eii^  mittellaut  zwi- 
schen i  und  e  z.  b.  io-k,  is-i-dum,  id-i-k,  bald  ist  er  zu  e 
geworden,  wie  die  zusammengesetzten  pronominalformen 
e-su-f,  e-ka-k  u.  a.  zeigen.  An  diese  gestalt  e  des  prono* 
minalstammes  trat  also  die  locativendung  fim  (für  fiem), 
die  sich  durch  die  mittelstnfen  -him,  -im,  -in  zu  -n  ab- 
stumpfte, so  dais  der  locativ  nun  e-n  lautete,  genau  über- 
einstimmend mit  lat.  S-n.  Das  anlautende  f  der  anftlgung 
schwand  also  wie  in  osk.  hip-ust,  dic-ust,  per-em-ust,  fe- 
fac-ust  das  f  der  an  jene   v^rbalstämme  angeftlgten  form 


116  Consc« 

fiist,   das  auslautende  m  sank  zu  n  wie  in   osk.  pa-n  fbr 
pa-m  =s  qua-m^  po-n  fbr  po-m  =  quo-m.     Wie  das  lat 
i-n  in  de-i-n  u.  a.  bedeutet  also  osk.  e-n  in  eizuc-e-n  »von 
da^  und  es  tritt  in  eizuc-e-n  an  den  ablatir  des  Eusam- 
mengesetzten  pronominalstammes  eizo-  wie  lat.  i-n  an  den 
ablativ  pro  ftür  prod  in  pro-i-n.   Eizuc-e-n  heilst  also  ^Ton 
dem  da  her^  und  eizuc-e-n  ziculud  entspricht  genau 
dem  lateinischen:  ab  illo  inde  die.    Wie  das  lateinische 
gern  folgezahlwörter  braucht,  wo  wir  die  hauptzablen  brau- 
chen in  Wendungen  wie  post  diem  tertium,  ante  diem  quar- 
tum  ^nach  drei  tagen,  yor  vier  tagen^,  so  drückt  das  os- 
kische  zicolom  XXX  nesimum  aus   „die  nächsten  30  tage 
lang^.     Dann  ist  also  der  sinn  der  vorliegenden  stelle  des 
osk.  gesetzes:  von  dem  tage  an,  wo  er  seinen  Strafantrag 
an  die  geschworenen  gestellt  hat,  soll  der  richterliche  beaxnte 
in  Bantia  30  tage  lang  kein  volksgericht  abhalten. 

Es  ist  nun  die  form  imad-en  in  betracht  zu  ziehn. 
In  einer  inschrift  von  Pompeji  (vergl.  G.  Minervini:  inter- 
pretazione  di  una  epigrafe  osca  scavata  ultimamente  in 
Pompeji.  Napoli  1831,  von  Kirchhof  der  hauptsache  nach 
erklärt:  Allgem.  monatsschrift  1852.  p.  578  f.)  handelt  es 
sich  um  den  bau  einer  landstrafse.  Dort  erklärt  K.  die 
worte:  via ... .  medikeis  pompaiianeis ....  imaden  uup- 
sens:  viam . . .  medices  Pompejani  ab  ima  operarunt.  Das 
ab  ima  (via)  wird  als  gleichbedeutend  mit  a  fundamento 
gefaTst  Ist  diese  sehr  leichte  und  ansprechende  erklärung 
richtig,  dann  ist  auch  in  imad-en  dasselbe  e-n  wie  in 
eisuc-en  und  lat.  6n.  Dieses  trat  an  den  ablat.  imad  nvie 
an  den  ablat.  eizuc  und  wie  lat.  in  an  den  ablat.  pro-  in 
pro-in.  Diese  form  imad-en  zeigt  auch,  dafs  das  e-n  hier 
nicht  die  blofse  locativendung  ist,  da  an  die  ablativendung 
-d  nicht  unmittelbar  noch  eine  zweite  blofse  casusendung 
angeklebt  sein  würde.  Das  e-n  ist  vielmehr  locativ  des 
pronominalstammes  i,  wie  oben  gezeigt  ist,  und  somit 
imad-e-n  eine  Zusammensetzung  wie  eizuc-e-n,  de- 
i-n,  pro-i-n;  imad-e-n  (via-d)  bedeutet  hiernach  ab 
ima  inde  (via)  und  stimmt*  genau  zu  E.'s  erklärung. 


oskische  beitrttge.  127 

Das  oskische  e*n  behielt  somit  in  imad-e-n  seine  ursprüng- 
liche örtliche  bedeutung. 

Das  oskische  hat  nun  dieselbe  locativendung  noch  in 
etwas  anderer  gestalt.    Auf  der  weihinschrift  von  Agnone 
1.  2.  sind  die  worte  hortin,  kerrfiin  bereits  von  Ben- 
zen und  Aufrecht  richtig  als  locativformen  gefafst  worden 
(vgL  Aufrecht  d.  zeitschr.  I.  88).   Die  wortstämme,  an  wel- 
che die  locativendung  in  hier  antrat,  sind  horto  und  kerr- 
ijo.    DaTs   die  bereits  von  anderen  gefiindene  deutung  in 
templo  Cereali  (vergl.  Knoetel  zeitschr.  f.  alterth.  1852. 
No.  17)  richtig  ist,  daf&r  sollen  anderen  orts  gelegentlich 
nähere  sprachliche  nachweise  gegeben  werden;  hier  kommt 
es  nur   auf  die  locativendung  an.     Ich  kann  diese  locativ- 
endung -in  aber  nicht  mit  Aufrecht  ffir    entstanden  aus 
-men  ansehen,    da  eine  solche  endung  sich  im  oskischen 
und  lateinischen  gar  nicht  findet  und  auch  fClr  das  umbri- 
:  sehe  noch  sehr  fraglich  ist  (vgl.  Ebel  d.  zeitschr.  IV.  198). 
•  Sie  scheint  vielmehr  wie  die  gleichlautende  lateinische  lo- 
cativendung entstanden  aus  fim,  die  ßXr  das  oskische  durch 
;  pn-f  =  u-bi  verbürgt  ist,    wenn  auch  in  einer  anderen 
s  gestaltung.     Nach  dem  wegfall  des  anlautenden  f  der  an- 
>  fiigung,  fiel  vor  dem  vokal  der  endung  das  aaslautende  o 
der  Stämme  horto,  kerriio  ab  wie  im  lat.  ilP-im,  ist' -im, 
utr-imque   u.  a.  und  das  auslautende  m  sank  zu  n.    Die 
locativendung  in  von  hort'-in,  kerrii'-in  bedeutet  also 
den    ruheort  wie   in    lat.  alio-qu'-in,   cetero-qu'-in, 
long'-in-cus. 

Ich  ziehe  hierher  auch  die  münzau&chriften  Safin'-im 
und  Aisern '-im  (Mommsen  ü.  D.  201.  204),  die  ich  nicht 
fibr  gen.  plur.  halten  kann,  weil  die  endung  dieses  casus, 
wie  oben  gezeigt,  im  oskischen  stets  -um  oder  a-zum  ist. 
Dazu  stimmen  auch  die  älteren  oskischen  münzaufschriften 
'^vxavofjt\  * ^afAiQuvovfi ,  n^vkriunm,  alafatemum,  tiiatium 
und  die  späteren  süditalischen  münzau&cbriften  Aisemino, 
Aquino,  Cajatino,  Caleno,  Corano,  Cozano,  Ladinom  (^o;- 
^(vcov),  Paistano,  Romano,  Suesano,  Tiano  (Momms.  1.  c), 
die  zum  gröfsten  theil  das  auslautende  m  der  genitiven- 


128  Croiaen 

dang  eingebüist  haben.  Da  nan  Aisern'-im  und  Sa- 
fin'*im  nicht  gen.  plar.  sein  können,  so  müssen  sie  loca- 
tiy formen  sein.  In  Aisem'-im  finde  ich  den  oskischen 
stamm  Aisernio,  der  sich  zu  der  lat.  wortform  Aesemia 
verb&lt  wie  osk.  molto  etanto  zu  lat.  multa  tanta  d.  h.  das 
auslautende  weibliche  a  zu  o  sinken  liefs.  In  Safin^-im  ist 
der  stamm  Safinio^  entspricht  also  dem  lat.  stamm  Sam- 
nio  fiir  Sab-nio.  Da  die  endung  ino  auch  in  osk.  medicai- 
ino-m,  heruk-ina-i,  nuvkr-inu-m,  sidik-inu-d,  Sar-inu  sich 
zeigt,  und  da  der  name  des  muttervolkes  der  Samniten 
lat.  Sabini  f&r  Safini  lautete,  so  ist  Safiniom  die  einhei- 
mische namensform  des  landes  Samnium  gewesen.  Als 
an  die  stamme  Aisernio,  Samnio  die  gestalt  der  locativ- 
endung  -im  trat,  ward  wie  gewöhnlich  das  auslautende  o 
des  Stammes  abgestolsen  und  die  beiden  sich  berührenden 
i  verschmolzen  zu  einem  wie  in  tiati  neben  tiiatium.  Wie 
hort*-lh  „in  templo%  so  heilst  Aisern'-im  „in  Aeser- 
'nia,  Safin'-im"  in  Samnio.  Der  locativ  von  Ortsna- 
men findet  sich  auch  auf  oskischen  münzen  der  Frentaner 
in  frentre-i  und  auf  lateinischen  münzen  von  Larinum  in 
Ladine-i.  Locative  bedeutung  hat  auch  der  ablativ  der 
oskischen  münzaufschriften  akudunniad,  tianud,  sidikinud 
und  der  lateinischen  Beneventod,  Ladinod.  Die  beiden 
locativformen  Aisem'-im,  Safin'-im  wahrten  das  auslautende 
m  der  ursprünglichen  endung  fim,  stehen  abo  in  dieser 
hinsieht  neben  hort'-in,  kerr'-in  wie  lat.  ist'-im,  ex-i-m  ne- 
ben pro-i-n,  de-i-n. 

Jetzt  endlich  komme  ich  auf  die  bildung  tacusi-im 
zurück  und  brauche  nicht  weiter  sprachlich  nachzuweisen, 
dafs  diese  ganz  dieselbe  locativform  -im  zeigt,  wie  Aiser- 
n'-im, Safin'-im.  Es  bleibt  nun  zu  erörtern,  was  der  stamm 
tacusi  fbr  eine  Wortbildung  ist.  L.  (s.  21)  wird  mit  der 
form  leicht  fertig,  erkl&rt  €b  ftür  eine  bildung  wie  securis; 
dieses  soU  ÜLv  secusis  stehen  und  von  secare  abzuleiten 
sem,  lauter  behauptungen,  die  ich  mit  der  lateinischen  laut- 
lehre  und  wortbUdungslehre  nicht  im  einklang  finde.  Was 
zunächst  securis  anbetrifft,   so  hat  es  freilich  mit  secare 


OBkische  beitrage.  |29 

die  Wurzel  gemein,  ist  aber  nicht  von  einem  verbum  der 
a-conjugation  gebildet.  Man  vergleiche  folgende  lateini- 
sche Wortbildungen«  Von  würz,  ac:  ac-UHS,  ac^u-ere,  vom 
zusammengesetzten  stamme  tri-bu:  trib'u-s,  trib'-u-ere,  iri- 
b'-ü-li-s,  von  wrz*  arc:  arc-u-s,  arc*u-are,  von  wrz«  id: 
id-u-8,  id-u-are,  id-ü-li-s,  so  ergiebt  sich  der  gang  der  Wort- 
bildung, dafs  die  lateinische  spräche  von  verbalwurzeln 
durch  anftgnng  der  endung  u  verbalsubstantiva  bildete  und 
von  diesen  weiter  abgeleitete  verba  und  nomina*  Eine 
solche  bildung  eines  Verbalsubstantivs  sec-u  von  wrz«  sec 
setzt  auch  sec-ü-ri-s  voraus,  dessen  u  sich  längte  nach  her« 
antreten  der  endung  ri,  wie  das  u  in  trib-ü-li-s,  id-ü-li-s 
nach  herantreten  der  anfügung  li,  die  von  ri  nicht  wesent- 
lich verschieden  ist  (Pott  et.  forsch.  U.  97).  Wie  id-ü-li-s 
„zu  den  Idus  gehörig^,  trib-ü-li-s  ,,sur  Tribus  gehörig^ 
so  bedeutet  sec-ü-ri'-s  „zum  schneiden  gehörig^,  daher  ein 
Schneidewerkzeug  oder  beil.  Das  oskische  zeigt  die  anfb- 
gung  ri  in  dekkvia-ri-m,  mit  dem  si  in  tacu-si  darf  diese 
aber  nicht  zusammengeworfen  werden.  Ich  nehme  also 
an,  dals  von  einer  verbalwurzel  tac  zunächst  ein  Verbal- 
substantiv tac-u  gebildet  ward  wie  lat  ac-u,  arc-u,  id-u. 
Dais  das  oskische  solche  bildungen  kannte,  zeigt  der  gen. 
castrous  vom  stamme  castru  und  der  acc  triibum  vom 
stanuue  triibu,  umbr.  trifu,  trifo,  lat.  tribu.  Von  dem  vor- 
auszusetzenden stamme  tac-u  würde  nun  ein  verbum  tac- 
u-um  gerade  so  gebildet  werden  wie  lat.  von  tribu  trib- 
u-ere,  von  ac-u  ac-u-ere  oder  wie  von  den  stammen  der 
verbalsubstantiva  sta^tu,  me*tu  sta-tuere,  me-tu-ere. 

Eine  ähnliche  verbalbildung  wie  die  zuletzt  genannten 
sehe  ich  in  der  form  ei t uns  auf  einer  pompejanischen  in- 
schrift  (Mommsen  U.  D.  XXIX.  a.  b).  Diese  lautet:  eksuk 
amvianud  eituns  anter  tiurri  XII  ini(m)  ver(u)  sarinu,  puf 
faamat  mr.  aadiriis  v.  Hier  ist  am-via-nu-d  vom  verbum 
am-via-um,  dem  ein  lateinisches  ambi-  veh-ere  entsprechen 
würde,  mit  der  anfügung  no  gebildet,  bedeutet  also  amba* 
ges  viae,  „herumw^^,  eksuk  amvianud  heilst  demnach: 
,)auf  diesem  wege  herum^.  Anter  tiurri  XQ.  hat  M.  rich- 
V.   2.  9 


'80  Consen 


tig  gefaTst:   inter  tarrim  düodecimum.     Ver(u)  Sarinu  hat 
Bu^e  (d.  reitachr,  U.  385)  richtig  ergfazt,  und  Teiu  treJ- 
lich  aus  nmbr.  v«wn==:porta  erklÄrt.   Da  südlich  v<m  Pom- 
pqi  der  Sarnus  ine  meer  mflndet,  so  kann  man  nicht  zwei- 
feln,  daft  neben  lat.  Sama,   oak.  Sarinu  gletchbedeutewl 
steht  wie  lat.  Sam-nio  neben  osk.  Safinio,    dafs  also  ein 
sfldlichee  thor  von  Pompeji  nadj  dem  flusse  Sarnus  zu  das 
samer  thor  hieft,  wie  sich  in  allen  fluTsst&dten  solche  be- 
nennungen  finden.    Das  verbum  faamat  bat  M.  (nachAufr. 
I.  76)  aus  skr.  dhA-man  =  domicilium  erklärt  durch  ha- 
bitat,  so  dals  also  der  echlufe  der  inschrift  bedeutet:  ubi 
habitat  Mr.  Adüüs  V.  f.    Ea  bleibt  nur  noch  die  form  ei- 
tuns  zu  erklären  übrig.  M.  erklärt  sie  ganz  richtig  eunt, 
Aufrecht  (d.  zeitschr.  I.  188)  eunto.    Fragt  man,  welcher 
sinn  besser  pa&t  fllr  die  inschrift:    „hier  herum  des  wegs 
geht  man  zwischen  den  zwölften  manerthurm  und  das  sar- 
ner thor  dahin  wo  Mr.  Adlriis  wohnt«  oder  „hier  herum 
^1  man  gehn  u.  s.  w.«,   so  ist  dies  offenbar  der  erstere. 
Was  wÄre  wohl  ftlr  ein  grund.  denkbar  zu  einer  allgemei- 
nen gesetzlichen  in  imperatiTform  ausgesprochenen  verpflich- 
tang  zu  Adiriis  zu  gehn?  Die  inschrift  ist  ein  weifweiser 
fllr  die  leute^  welche  dort  hingehen  wollen,  nicht  eine  stra- 
ftenpolwediche  Verpflichtung,  da&  die  leute  dort  hingehen 
sollen.    Sie  hat  also  den  zweck  wie  etwa  bei  uns  der  an- 
sohlag  an  einer  hausthür:    „das  comptoir  von  A.  Meier 
85hne  ist  auf  dem  hofe  rechts  parterre«,  und  Adiriis  mufs 
eme  amtliche  oder  geschäftliche  Stellung  gehabt  haben,  die 
es  Ihm  wünschenswerth  machte,  dafs  die  leute  sein  haus 
mcht  verfehlten      Aber  ganz  abgesehen  von  diesem    ein- 
leuchtenden sachlichen  gründe  ist  eine  3.  pers.  plur.  imperat. 

ie  iS^.K  r^""«  ■"'  *"^  -"**»  «^gestumpft,   ohne 

m^3)  rermrft  daher  jene  erklärung,  bringt  aber  eine 
eW  wen^;  begründete;  -ns  soll  nämlich  eine  blofse  plu- 
r^be  eichnnng  sein,  die  an  die  3.  pe«.  sing,  imperat.  d-tu 
«»trat,   wie  das  aap  von  Xiyira^.aav  an  i«yir«.    Wo  ist 


oskisohe  beitrüge.  I3I 

denn  in  irgend  einer  italischen  spräche  eine  solche  plural- 
bildong  des  imperativ  zu  finden?  Monunsen  hat  der  saohe 
nach  hier  völlig  das  richtige  gesehen,  nur  die  form  ei-tu-ns 
sprachlich  nicht  ausreichend  erklärt  Vom  stamme  i,  mit 
Vokalsteigerung  ei,  ist  mit  der  anßigung  tu  das  verbalsub* 
stantiv  ei-tu  gebildet  und  von  diesem  ein  verbum  ei-tu-um 
gerade  so  wie  von  lat.  wrz.  sta  das  Substantiv  sta-tu-s  und 
das  verbum  statu -ere.  Wie  Status  ,,8tand^  und  statuere 
,,einen  stand  machen^,  so  heifst  ei-tu-s  ^»gang'^  (vergl.  lat 
circu-i-tu-<  „Umgang^)  und  das  verbum  ei-tu-um  ,, einen 
gang  machen'^,  daher  ,ygehen^.  An  das  verbalthema  ei-tu 
trat  das  gewöhnliche  zeichen  der  3.  pers.  plur.  im  oekischeB 
-Ds  filr  -nt  ohne  vermittlungsvokal.  Dieser  vokal  ist  in 
der  skr.  endung  a-nti  a,  in  der  lat  -o-nt,  n-nt  o,  u,  in  der 
griech.  o-yri  o.  Das  oskische  hat  denselben  vokal  zu  e 
erleichtert  wie  s«e-t  für  s-e-nt  =  8-u«nt  und  profatt-e-ns 
=s  probaver-u-nt  zeigen.  Da  nun  die  vokalverbindung  ne 
dem  oskischen  ganz  fremd  ist,  so  ist  begreiflich,  dafs  die 
form  ei-tu-ns  einen  vermittlungsvokal  e  nicht  zeigt  Sie 
ist  hierin  lateinischen  wie  amarut,  doce-nt  ähnlich.  Auch 
wenn  jener  vermittlungsvokal  im  oskischen  die  gestalt  u 
neben  e  gehabt  haben  sollte,  wäre  ei-tu-ns  filr  ei-tu-u-ns 
eben  so  erklärlich  wie  fiitrei  neben  fiiutrei  (Mommsen  U. 
D.  310). 

Hierdurch  erhält  auch  das  Substantiv  ei-tu-a,  ei- 
tu-o  seine  erklärung,  das  Bugge  (dies,  zeitschr.  in.  419) 
zwar  richtig  als  „fahrende  habe^  fSEÜbt  aber  unrichtig 
zergliedert,  wenn  er  eine  endung  tua,  tuo  annimmt.  Wie 
sich  nämlich  sta-tu-a  verhält  zu  sta-tu^  so  steht  ei-tu-a  zu 
ei-tn.  Von  wrz.  sta  ward  erst  das  Verbalsubstantiv  Sta- 
tuts, Ton  diesem  das  verbum  sta-tu-ere  und  davon  das  ab- 
geleitete nomen  st^-tn-a  gebildet;  so  von  wrz.  i,  ei  erst 
ei-tu,  dann  ein  verbum  ei-tu-um  und  von  diesem  ei- 
tu- a.  Wie  sta-tu-a  „die  zu  stand  gebrachte^,  bedeutet 
ei-tu-a  „die  in  gang  gebrachte  %  was  allerdings  die 
fahrende  habe  gut  bezeichnet 

Wie  nun  osk.  vom  nomen  ei-tu  das  verbum  ei-tu-um, 

9* 


13t  CoTssen 

lat.  von  acQ  acu-ere,  eo  iet  von  oak.  nominalBtamm  tacu 
Ton  wrz.  tac  ein  verbum  tacu- um  vorsuBzuBetzen  und  von 
diesem  ist  mittelst  der  anftgung  si  für  ti  das  Verbalsub- 
stantiv tacu-si-  gebildet  vne  lat.  mes^^si-  ftr  met^i,  axi 
f&r  ag-si-,  tus-si-  ftr  tud-si.  Es  bleibt  demnach  nur  noch 
die  Wurzel  tac  von  der  viel  besprochenen  form  tac-u- 
si-im  zu  erkl&ren  übrig,  und  diese  stehe  ich  nicht  an  in 
der  griech.  wrz.  ray  yon  ray-ij,  ray-og,  ray^fia^  rd^ig  fär 
täy-oig  zu  finden.  Das  c  des  osk.  tac  steht  neben  dem  y 
der  griech.  wrz.  wie  in  osk.  ac-um  neben  lat.  ag-ere,  grieeb. 
ay-HV.  Bekanntlich  bedeutet  rd^ig  und  avpra^tg  h&ufig 
eine  classe  von  Staatsbürgern  vne  lat.  ordo.  Dieselbe  be* 
deutung  finde  ich  in  oskisch  ta-cu*si,  das  von  grieeb. 
ray-'d^  in  der  formbildung  nur  durch  die  zwischenbil- 
dung  eines  verbalthemas  auf  u  verschieden  ist.  An  der 
stelle  t.  Baut.  29  heilst  also  pis  tacusiim  nerum  ftist: 
quis  in  ordine  nobilium  fiierit.  Man  betrachte  nun 
den  ganzen  vorden»atz,  dessen  glied  der  mit  pis  eingelei- 
tete relativsatz  ist,  und  den  ich  mit  einem  leichten  zusatz 
zu  Mommsens  auch  von  Kirchhof  gebilligten  ergftnzungea 
so  schreibe:  In  (im)  suaepis  pr.,  in  (im)  suae  [pis  censtur 
avti]  q.,  pis  tacusiim  nerum  fiist,  izic  post  eizuc  tr.  pl.  ni 
ftiid.  Von  den  hier  in  eckigen  klammem  stehenden  Wor- 
ten sind  von  M.  unzweifelhaft  richtig  ergänzt  pis  censtur, 
und  es  bleibt  hinter  denselben  somit  noch  räum  fQr  4  buch- 
staben.  Für  die  drei  letzten  derselben  las  M.  V  i  I9  der 
vierte  ist  weggebrochen;  sehr  leicht  ergänzt  sich  also 
AVTI,  das  sich  in  eben  der  bedeutung  des  lat.  aut  auch 
z.  24  findet.  Hinter  der  sigle  q.  vrird  das  verbum  fnst 
nicht  gesetzt,  so  wenig  wie  hinter  der  vorhergehenden  pr, 
um  die  zu  häufige  Wiederholung  des  sich  von  selbst  ver- 
stehenden Wortes  zu  vermeiden.  Die  sigle  q.  bedeutet  na- 
türlich z.  29  quaestor  yne  z.  28.  Dann  ist  also  der  sinn 
des  ganzen  oskischen  satzes:  et  si  quis  censor  aut  quae- 
stor, quis  in  ordine  nobilium  fiierit,  is  post  illa  tribunus 
plebis  ne  sit  Es  ergiebt  sich  demnach  die  gesetzliche  be- 
stimmung  der  städtischen  Verfassung  von  Bantia,  dafs  kein 


oskiflche  beitrttge. 


133 


Vollbürger  aus  den  altoi  geschlechiern  von  Bantia,  der  die 
prätur,  quästur  oder  censor  verwaltet  hat,  gemeindevorste- 
her  oder  volkstribiin  werden  kann,  wie  zu  Rom  bekannt- 
lich kein  patricier  dieses  plebejische  amt  verwalten  durfte. 
Der  folgende  satz  des  oskischen  gesetzes  ist  von  E.  unbe- 
zweifelt  richtig  so  ergftnzt  worden  (vergl.  L.  s.  29):  Suae 
pi8  [contrud  exeic  tr.  pl.  p]  ocapid  Ban8a[e  fjust,  izic  am- 
prufid  facus  estud.  Die  Übersetzung:  Si  quis  contra  hoo 
tribunus  plebis  aliquando  Bantiae  fuerit,  is  improbe  factus 
esto  zeigt,  daTs  die  oben  gegebenen  erklärungen  von  ner-um 
und  tacusi-im  genau  in  den  sinn  nnd  Zusammenhang  des 
oskischen  gesetzes  passen. 

Ich  stelle  die  erörterten  locativformen  hier  übersicht- 
lich zusammen. 


XtallBcbe  gnindform  ftem 

(sanskr.  bhjam,  griech.  qp/i/,  umbr.  fem). 

Abfall  des  anlantes: 
i  -In,  -Ifn 


iir-im 
ist'-im 
oT-im 

atr'-im-que 


-m 
ez-i-m 


ill'-in-c 
ist'-in-c 

altr'-in-secus 

utr'-in-secus 

extr-in-secus 

intr'-in-secus 

long-in-cus 

h'-in-c 

tib-h'-in-c 

de-h'-in-c 

ex-h'-in-c 

cetero-qu'-in 

alio-qa'-in 


osk.  Aisern'-im    osk.  hort'-in 
osk.  Safin'-im      osk.  kerrii'-in 
osk.  tacusi-im 


-n 
ex-i-n 
de-i-n 
pro-i-n 
i-n-de 
de-i-n-de 
ex-i-n^de 
per-i-n-de 
pro-i-n-de 
sab-i-n-de 
e-n 
osk.  eizuc-e-n 
osk.  imad-e-n 
n-n-de 
ali-cu-n-de 
a-n-qaam 
n'-a-n-quam 


134  GofSflen 

Abfall  det  aaslftntes: 

bi,  a  h%,  hi  f 

i-bi  i-f-ont 

umbr.  i-fe 
in-i-bi 
inter-i-bi 
poBt-i-bi 
i-bi-dem 


a-bi 
umbr.  ptt*fe  osk.  pu-f 

ali-cu-bi 

u-bi-qne 

u-bi-cumqne 

utro-bi-que 

ti>bi  mi-hi 

umbr.  te-fe  ambr.  me-he. 

Von  diesen  locatiyformen  bezeichnen  den  ruheort,  das 
„wo^  alle  diejenigen,  welche  nach  abfall  des  auslautenden 
m  die  locativendung  zu  fe-,  bi-,  f-,  abgestumpft  haben, 
während  von  denjenigen  formen  die  nach  abfallen  des  an- 
lautenden consonanten  die  endung  zu  -im,  -in,  -m,  -n  ab- 
schwächten die  mehrzahl  den  ausgangsort  „das  woher^  be- 
zeichnen, andere  aber  gleichfalls  die  bedeutung  des  ruhe- 
orts  haben,  nämlich  osk.  AisemMm,  Safin'-im,  tacusi-im, 
horti'-ln,  kerrii-in,  lat.  ol'-im,  lon'-g'-in-cus ,  cetero-qu'-in, 
6-n  und  auf  die  zeit  übertragen  u-n-quam  und  n^-u-n-quam. 
Im  umbrischen  tritt  dieselbe  locativbildung  auf  zur  bezeich- 
nung  des  zielortes,  des  „wohin^  und  zwar  im  pluralis  (AK. 
I.  111);  doch  erscheint  die  ursprüngliche  italische  form 
dieses  locativs  nur  einmal  in  vape-fem  (tab.  Ig.  Ib.  14), 
sonst  immer  zu  fe-  und  f-  abgestumpft. 
Pforte.  W.  Corssen. 


ia5 


Auhns. 

Bopp  stellt  in  seinem  sanskritglossariom  das  gothische 
öhn  (geschrieben  auhn),  das  in  form  und  bedeutung  un- 
serem ofen  entspricht,  zusammen  zunächst  mit  skr.  «gni, 
lat.  ignis,  lit.  ugnis,  später  mit  skr.  ushna  warm*  Die 
letzt^e  etymologie  widerlegt  sich  von  anderem  abgesehn 
schon  dadurch,  dafs  in  der  wurzel  ush,  von  welcher  ushna 
stammt,  das  sh  eine  durch  sanskritische  lautgesetze  be* 
dingte  Verwandlung  eines  gewöhnlichen  s  ist,  wie  lat.  urere 
ustum,  griech.  avw  hinlänglich  beweist.  Die  beigebrachte 
analogie  von  ashtan  zu  octo,  ahtau  ist  eine  trOgliche,  denn 
in  ashtan  ist  das  sh  wiederum  nach  bekannter  sanskriti- 
scher regel  (9  vor  t)  aus  9  hervorgegangen,  wie  der  name 
für  achtzig  a^i  darthut*).  Den  mythologen  hat  die  ver- 
gleichung  von  auhns  mit  agnis  und  ignis  besser  zugesagt, 
und  in  der  fireude  über  die  ankunft  des  sich  als  gott  an- 
kündigenden ofens  haben  sie  den  gast  nach  seiner  beglau- 
bignng  zu  fragen  vergessen.  Agnis  in  deutschem  gewande 
hätte  billiger  weise  akns  oder  ikns  oder  okns  oder  "Im« 
heüsen  müssen,  das  h,  das  er  in  seinem  namen  trägt,  stem- 
pdt  ihn  hinlänglich  zum  falschen  propheten.  Untersuchen 
wir  weiter.  Ohn  erscheint  im  gothischen  an  einer  einzi- 
gen stelle,  und  zwar  im  acc.  sing«,  weder  geschlecht  noch 
declination  lassen  sich  daher  aus  dem  gothischen  allein  be- 
stimmen. Nehmen  wir  die  jüngeren  deutschen  dialekte  zu 
rathe,  so  erscheint  allerdings  das  entsprechende  ofen  al- 
lenthalben als  masculinum,  minder  sicher  lälst  sich  der 
zweite  punkt  bestimmen.  Nur  althochdeutsch  und  altnor- 
disch können  natürlich  maisgebend  sein.  Nun  fahrt  Graft 
I,  176  den  nom.  pl.  ovana  an  und  vom  altnordischen  ofii 


*)  Deshalb  ist  auch  die  zusammenstellusg  von  sanskr.  ushas  mit  goth. 
nhtvo  (crepnscnliim),  die  noch  in  der  vergleichenden  gnuniaatik  §.  882  wie- 
derholt ist,  unrichtig,  denn  ans  nsh+tvo  konnte  goth.  nor  ustvo  werden. 
Meiner  ansieht  nach  ist  nhtvo  von  vakan  abgeleitet  und  bedeutet  zunächst 
das  erwachen,  dann  frtthzeit,  wonach,  falls  diese  deutung  richtig  ist,  nhtvo 
und  vahtvo  (vigiliae)  lautlich  zusammenfallen. 


136  Aufrecht 

kann  ich  den  gen.  ofiis,  den  dat.  ofiii,  den  acc«  plur.  ofiia, 
kein  ofiiar  oder  önar  nachweisen.  ^  Diese  Zeugnisse,  wenn 
man  sie  nicht  willkürlich  verwerfen  will,  oder  durch  stich- 
haltigere formen  umstoisen  kann,  reichen  aus  öhn-s  der 
a-ddLÜnation  einzureihen,  als  dessen  ältesten  nom.  also 
öhna-s  au£Eustellen.  Damit  schwindet  der  letzte  schein  fbr 
die  Zusammenstellung  mit  ag-ni-s. 

Das  dermalen  gefundene  öhna-s  muüste  vor  der  laut- 
verschiebung  ökna-s  lauten.  Dieses  erinnert  mich  an  das 
vedische  i^na-s  mit  seinen  verwandten  ^an,  a^dni,  kfmBn 
(vgl.  diese  Zeitschrift  11,  44  fgg«)»  welche  sämmtlich  in  der 
bedeutung  stein  vorkommen  (selbst  apani  donnerkeil  ist 
ursprünglich  sfcein).  Für  Äpna  ist  diese  bedeutung  gesi- 
chert durch  Rv.  VIII,  2,  2  =  Sv.  ü,  1,  2,  8,  2: 

Nnbhir  dhütÄh  (Sv.  dhautah)  sut6  ä^nair  ävyo  (Sv.  ävya) 

vibraih  p&ripütah  | 

A  9V0  n&  niktö  nadfshu  || 
welche  stelle  Benfey  so  übersetzt:  „Priestergewaschen,  durch 
stein*)  gepreist,  gereinigt  durch  des  widders  schweif,  gleich 
wie  ein  rols  in  den  strömen^.  Diesem  apna  glaube  ich 
entspricht  das  gothische  öhn  wie  in  form  so  in  inhalt  und 
die  ursprünglichen  Öfen  der  deutschen  waren  nichts  anderes 
als  in  den  stein  gehauene  löcher,  oder  steinerne  heerde**). 
Wem  die  va-wandelung  des  Steines  zum  ofen  härter  ei> 
scheint,  als  die  des  feuers  zur  selben  örtlichkeit,  möge  be- 
denken, dafs  Ar  die  letztere  metamorphose  keine  analogie 
beigebracht  worden  ist,  ich  den  leibhaftigen  stein  als  ofen 
ihm  vorführen  kann.  Amarasinha  II,  9,  29  gibt  als  syno- 
nyme fbr  ofen  oder  feuerheerd  folgende  Wörter  an: 

A^mantam  uddh&nam  adhi^rayant  cullir  antik&. 
A^manta  verhält  sich  zu  a^man,  dem  gewöhnlichen  wolle 
für  stein,  wie  hemanta  (winter)  zu  ;^€£^cüV,  oder  lat.  mo- 
men,  molimen  zu  momentum,  molimentum.     Man  mag  es 
zufällig  nennen,  da&  zwei  verwandte  sprachen  dieselbe  vor- 


*)  Schon  Sftya^a.  erklärt:  ofiuur  afmabhir  grftyabhi^. 
**)  Vgl.  die  gloflsen  steinofan  bei  Graff  I,  176. 


luden.  137 

Stellung  darch  gleichwnrzelige  wdrter  bezeiehneten ,  wich- 
tig allein  war  mir  nachzuweisen,  dafii  diese  Vorstellung  auf 
gleiche  weise  ausgedrückt  werden  konnte. 

Ludere. 

Der  sorgfältige  Konr.  Leop.  Schneider  hatte  schon  im 
jähre  1819  in  seiner  lateinischen  grammatik  I,  83  angege- 
ben, dafs  in  einer  lateinischen  inschrift  loidos  statt  lu- 
dos  vorkomme.  Die  kenntnifs  dieser  form  würde  Benfey, 
wurzellexioon  11,  134  und  die  einigen,  die  Schweizer  11,  363 
dieser  Zeitschrift  namenlos  läJst,  vor  der  vergleichung  mit 
skr.  hiftda  geschützt  haben.  Bopp  stellt  im  glossar  ludns 
zu  Wurzel  div,  indem  er  einen  Übergang  von  d  in  1  an- 
nimmt. Schweizer  sagt  hierüber:  „Wer  diese  ansieht  sprach- 
lich rechtfertigen  will,  wird  etwas  anders  zu  werke  gehen 
müssen  als  es  bisher  geschehen;  am  wenigsten  schwierig 
ist  dabei  der  Übergang  von  d  in  1,  der  auch  in  lacrima 
neben  SdxQV^  goth.  tagr,  in  lautia  für  dautia  u.  s.  f.  vor- 
li^.  Vielleicht  ist  vor  -dus  ein  konsonant  eingebfilst^. 
Der  gang,  den  Schweizer  einschlagen  würde,  wenn  er  bei 
der  ableitung  von  div  stehn  bliebe,  wäre,  rathe  ich  recht, 
der  folgende:  div-dus,  doi-dus,  loi-dus.  Der  gang,  den  die 
lateinische  spräche  nehmen  würde,  wenn  sie  überhaupt  ein 
nomen  bildendes  affix  do  bes&ise*),  wäre  div-i-dus,  viel- 
leicht di-i-dus  =  dt-dus,  vielleicht  li-dus.  Wozu  aber  m5g- 
lichkeiten  anfbhren,  da  ludns  nur  von  ludere,  nicht  ludere 
von  Indus  abgeleitet  ist.  Schweizer  vermuthet,  es  möge 
vor  dus  ein  konsonant  eingebüist  sein;  ich  glaube  viel- 
mehr, dafs  vor  dem  1  ein  solcher  geschwunden  sei,  und 
zwar  ein  c.  Zwar  ist  cl  im  lateinischen  anlaut  nicht  un- 
beliebt, in  einzelnen  fidlen  ist  jedoch  der  abfall  des  guttu- 
ralen unabweislich.    Vgl.  Curtius  II,  400.     Dahin  gehören 


*)  Mir  ist  kein  ableitendes  unmittelbar  an  die  vnirzel  angeschlossenes 
do  im  lateinischen  bekannt;  denn  caldns  ist  zusammenziehuig  von  calidos, 
udus  von  avidus  n.  s.  w.     Nudus  =:  naqttaths  bedarf  noch  der  erklKrang. 


138  Anfiredit 

laus  verglicheo  mit  xUog  (Benfey);  fem»  libum,  xgißavfiy 
goth.  hlaifs,  lit.  klepas  (Pott)  und  die  stAdtenamen  Cliter- 
Dum  und  Litemum*).  Auf  diese  beispiele  gestützt  wage 
ich  ludere,  loidere  auf  eine  filtere  form  cloidere  croidere 
(vgl.  cluo  =  9ru,  clunis  =  ^roni)  zurftckzufbhren,  in  wel- 
cher der  gesteigerte  vokal  zu  dem  in  der  nackten  wurzel 
did,  crid  sich  verhält  wie  in  laedere  caedere  zu  lid,  cid**), 
oder  wie  in  fraudo  frausus  im  vergleich  mit  frustra***). 
Diese  wurzel  finden  wir  in  dem  sanskr.  krtd,  von  wel- 
chem krtda,  kridana  spiel,  scherz,  abstammt.  Ertd  ist 
im  Sanskrit  das  eigentliche  verb  für  tändelndes,  kindliches 
spielen,  während  div  das  spielen  um  einen  einsatz  beaeich- 
net.  Diese  bedeutung  lä&t  schon  aus  den  Veden  häufig 
genug  sich  belegen.  Ygl.  Bv.  X,  78,6 :  ^i^ülä  n&  krtlayah, 
wie  spielende  kindlein.  X,  95,  9:  &9V&S0  na  kril&yo  d&n- 
da^an&h,  wie  muthwillige  einander  beifsende  rosse.  Av. 
Vn,  81,  1  =  Rv.X,  85,  18: 

Pürväpar&m  carato  mäy&yait&u  (ipü  krldantau  pÄri  yäto 

arnav&m  | 
I, Abwechselnd  schreiten  wundersam  die  beiden,  zwei  spie- 
lende knaben  umkreisen  sie  die  welt^.  Die  ursprüngliche 
bedeutung  des  verbs  scheint  mir  die  der  raschen  bewegimg, 
des  hin-  und  hereilens  gewesen  zusein.  Darauf  fuhrt,  dafs 
es  gern  von  den  Maruts,  den  göttern  des  Sturmes,  ausge- 
sagt vnrd.  So  wird  eine  schaar  derselben  kftdin  g^annt 
VS.  17,  85.  24,  16.  Femer  haben  vrir  im  Rv.I,  37,  1.  5: 
krfl&m  ^ardho  marutam,  die  bewegliche  macht  der  Maruts. 
Sie  heifsen  Rv.  T,  87,  3:  krfl&yo  dhünayo,  mobiles  concu- 


* )  Ich  wünsche  darüber  belehrt  zu  werden,  mit  welcher  gewähr  im  Tru- 
culentns  II,  4,  18  für  lansum,  von  dem  Pareus  (in  der  ausg.  von  1641. 
Animadrera.  p.  85)  sagt  „ita  membr.  Fall,  et  pr.  edit.  Ven.**  jetzt  allgemein, 
zuletzt  von  Fleckeisen,  lessam  geschrieben  werde. 

**)  Die  gekünstelten  erklämngen,  die  man  von  diesen  verben  gegeben 
hat,  empfehlen  sich  wenig.  Die  ttltere  wnrzel  lid  werde  ich  ein  anderes  mal 
nachweisen. 

***)  daad^re  und  plaudere  scheinen  ihren  diphthong  anderen  Ursachen 
zu  verdanken. 


nachtrag  zu  harospex  Uli  194  ffg.  139 

tientes  venti  (ähnlich  nrtava^  Rv.  VIQ,  20,  22);  und  Ry.  V, 
60,  3: 

F&rvata^  ein  m&hi  vrddhö  bibhäya  divi^  cit  bXdu  rejata 

syane  vah  | 

Y&t   krllatha   mainta   rshtim&nta    Kpa    iva    sadhryänco 

dhavadhve  || 
,,Vor  eurem  tosen  bebt  der  berge  höchster,  erzittert  bang 
des  himmels  tiefe  Wölbung,  wann  speergewafhet,  Mamts, 
durch  die  lOfte,  wie  wasserflut^i  vereint  daher  ihr  ei- 
let^. Ich  will  zuletzt  zur  best&rkung  der  gegebenen  ety- 
mologie  anfikhren,  dafs  schon  in  einem  nachvedischen  sans- 
kritworte  die  wurzel  krtd  den  anlautenden  guttural  verlo- 
ren hat,  ich  meine  lilft,  welches  Wilson  folgendermalsen 
übersetzt:  „1)  A  brauch  of  feminine  action,  proceeding  from 
love;  or  the  Imitation  of  a  lover's  manner,  speecb,  gait  etc. 
by  bis  mistress,  to  pass  the  time  in  bis  absence.  2)  Play, 
Sport,  pastime  in  general.  3)  Amorous  or  wanton  sport^. 
Dieses  IM,  glaube  ich,  ist  nichts  anderes  als  eine  Schwä- 
chung des  filteren  krtdä. 

Nachtrag  zu  haruspex  III,  194  ffg. 

Den  ausdmck  garn  Ar  eingeweide  konnte  ich  frtl- 
her  nur  im  ahd.  und  altn.  belegen,  seitdem  ist  mir  eine 
glosse  aufgestoAen,  die  das  Vorhandensein  des  wertes  auch 
im  sächsischen  verbürgt.  Evans  in  seinen  Leicestershire 
wcHrds,  phrases  and  proverbs.  London  1847  hat  p.  57  fol- 
gendes: „MIDGERUM-FAT,  s.  The  fat  of  the  intestmes. 
The  butcher  said,  *You  must  have  the  midgerum-fat^ 
i.  e.,  the  buyer  must  have  that  too^.  Die  Übereinstim- 
mung dieses  midgerum  mit  ahd*  mittigami  leuchtet  ein. 
Oxford.  Th.  Aufrecht. 


140  Mttller 

Ist  Bellerophon  Vritrahän? 

Erwiederung  auf  Profesaor  Pott's  sofsatz  im  letzten  hefte  des  vierten 
bandes  dieser  Zeitschrift,  von  Max  Müller. 

Professor  Pott  hat  mit  seinem  eigenthümlichen  Scharf- 
sinn and  seiner  überwältigenden  belesenheit  den  beweis  zu 
f&hren  gesucht,  dalis  der  griechische  Bellerophon  der 
yedische  Yritrah^n  sei.  Eine  Verwandtschaft  in  der  grund- 
idee  dieser  beiden  numina  wird  gewifs  jeder,  der  mit  dem 
solarischen  wesen  des  griechischen  Heros  und  des'  vedi- 
sehen  gottes  vertraut  ist,  zugeben«  Professor  Pott  geht 
aber  weiter  und  behauptet  einen  gemeinsamen  Ursprung  der 
nomina,  und  hier  muis  ich  gestehn,  dais  mich  die  combi- 
nation  des  sonst  so  sorgsam  scheidenden  philologen  nicht 
überzeugt  hat.  Er  hfilt  nfimlich  ßeiJLago  flir  eine  assimi- 
lation  von  ßtktsQo^  und  dies,  meint  er,  würde  die  form 
sein,  in  der  das  nomen  Vrtra  im  griechischen  erscheinen 
mülste.  Ist  aber  Übergang  von  It  in  U  zu  beglaubigen? 
Lt  ist  eine  erlaubte  und  häufige  griechische  consonanten- 
verbindung,  wie  in  /^cAriW,  fliXreQog,  ßiXnatog^  und  sie 
wird  bei  verben  auf  X  nicht  vermieden.  Professor  Pottes 
analogien  beweisen  nichts.  Mella  ist  gewiis  nicht  aus 
fiilira  al^eleitet,  wie  Überhaupt  kein  lateinisches  wort  aus 
dem  griechischen  entstanden  ist.  Beide  bildungen  sind  aber 
nicht  einmal  parallel  in  den  beiden  schwestersprachen. 
Mel,  mellis  unterscheidet  sich  von  fUh,  piÜUvogj  wie 
stips,  stifpis  von  sttpes,  sttpitis  (ich  spreche  nur  vom 
8u£Gbc),  oder  wie  hari,  hares,  von  harit,  haritas.  Pro- 
fessor Pott  kann  unmöglich  mella,  als  honigwasser  und 
fUhra  eine  dialectische  abart  von  fiikiaca  meinen.  Pol- 
luz  aber  aus  etruskischem  Pultuke  abzuleiten,  und  hier- 
aus ein  pathologisches  ^esetz  vom  Übergang  des  Ar  in  kl 
zu  abstrahiren,  ist  kühn  beim  jetzigen  zustand  unsrer  kennt- 
nifs,  i.  e.  unsrer  totalen  unkenntnils  des  etruskischen  sprach- 
organismus.  Uebergang  von  kr  in  kl  ist  also  bis  jetzt  un- 
bewiesen. Was  ist  nun  aber  Bekkigo  in  BakkeQotpovtijg? 
Dafs  es  einen  geist  der  finstemifs,  des  übels,  der  trocken- 


ist  Bellerophdn  Vfitrah^?  141 

heit  oder  des  winters  bedeute,  läfst  sich  leicht  errathen. 
Die  GriecheD  sagen*),  es  habe  ein  wort  rd  iXXsgcc  gege- 
ben, welches  rä  xaxd,  td  kx^gd  bedeute,  und  welches  Eal- 
limachos  gebraucht  habe;  siehe  Eustath.  zu  II.  p.  635,  6. 
Naeke,  Opusc.  2,  p.  167.  Ja,  Bellerophon  oder  Belle- 
rophontes  soll  auch  Ellerophontes  geheifsen  haben. 
Dafs  jedoch  die  Griechen  im  Allgemeinen  ß^lK^Qo  nicht 
mehr  in  seiner  appellativen  bedeutung  illhlten,  geht  am  be- 
sten daraus  hervor,  dafs  sie,  um  den  mythos  des  Bellero- 
phon zu  erklären,  angaben,  dafs  Bellerophon  einen  ange- 
sehenen Korinthier,  namens  Belleros,  erschlagen  habe, 
und,  um  sich  von  diesem  morde  sühnen  zu  lassen,  nach 
Argos  oder  Tiryns  zum  Proetos**)  geflohen  sei. 

Aus  dem  Wechsel  des  griechischen  anlauts  sieht  man 
leicht,  dafs  das  etymon  von  ßsXXBgo  mit  labialer  liquida, 
dem  im  griechischen  sogenannten  digamma  aeolicum,  an- 
gelautet habe. 

Es  fragt  sich  nun,  welche  lautverbindung  im  sanskrit 
dem  griechischen  IX  in  ßsXXsgo  zu  gründe  liege.  Das 
griechische  XX  ist  gewöhnlich  A,  dem  ursprünglich  ein  Si- 
bilant oder  eine  liquida  folgte;  siehe  Ahrens,  D.  D.  p.  60. 
Diefs  erklärt  z.  b.  das  einfache  X  in  noXvg,  und  das  dop- 
pel  X  in  noXXoL  IloXvg  entspricht  nämlich  skr.  pulü  (Rv. 
1,  179.  5)  oder  purü,  purös,  während  die  casus  obliqui 
einem  skr.  pürva,  pürväsya  entsprechen  würden.  Wie 
noXXoi  auf  ein  skr.  pürve;  so  weist  oXoi  auf  skr.  sirve, 
wo  ovXog^  wenn  auch  aus  anderem  gründe,  die  länge  be- 
wahrt hat.  Nach  dieser  analogie  würde  also  ßsXXego  auf 
sanskr.  varvara  ftkhren.  Diels  heifst  im  sanskr.  wollig, 
struppig,  und  zwar  hauptsächlich  in  bezag  auf  negerar- 
tige Ureinwohner  Indiens.  So  heifst  Sandelholz,  welches 
bekanntlich  nur  auf  der  Malabarküste  wächst,  und  deshalb 
malayaja  benannt  wird,  auch  varvarottha,  „was  bei 
den  barbaren  wächst^.     Kuhn   leitet   die  bedeuttmg  von 


♦)  polier)  mythologie  II,  66. 
** )  Jacobi,  mjTthol.  worterbacb,  s.  v. 


142  MttUer 

varvara,  barbar,  nicht  vom  yerwirrten,  gekräoselten  haar, 
sondern  von  der  verwirrten  ausspräche  (dem  balbutire)  die- 
ser Völker  ab.  Es  wird  schwer  sein  zu  beweisen,  welche 
bedeutnng  krvfjiwTigws  sei,  doch  spricht  barba,  wohl  sni 
gunsten  der  physischen  auffassung,  so  dafs  die  wolligen 
Völker  erst  sp&ter  zu  ßaQßaQoqxovoi  wurden.  Wie  dem 
auch  sei,  so  bleibt  es  sicher,  dafis  die  namen  f&r  wolle  von 
derselben  wurzel  abgeleitet  sind,  und  diese  wurzel  können 
wir  als  vr  oder  var  darstellen«  Sie  bedeutete  ursprOng- 
lich  bedecken,  und  hiervon  haben  wir  skr.  ura,  wolle, 
in  urabhra,  laniger,  i.  e.  bock;  im  griebhischen  igog.  Im 
Veda  haben  wir  das  fem.  ür&,  f&r  schaf,  in  8,  34,  3 : 

üram  na  dhünute  vrkah, 
„(der  stein   zerreifst  die  somapflanze,)   wie  der  wolf  das 
schaf  zerreilst  ^.     Ebenso    heilst    der   wolf  uräm&thih, 
der  schaf-schüttler. 

Mit  dem  suffix  na  haben  wir  sodann  im  skr.  ürnä, 
wolle,  namentlich  von  schafen;  ürnäyu,  ein  Ziegenbock 
und  eine  spinne,  wie  auch  ürnanäbha,  die  spinne,  i.e. 
der  woUenweber,  heilst.  Dieses  ürnft  ist  nun,  wie  Bopp 
gezeigt,  russ.  völna,  gotlu  vulla,  wo  1  aus  r,  und  11  aus 
In  entstanden.  Dieselbe  assimilation  zeigt  sich  im  lat 
villus,  villi  und  vellus,  velleris.  Im  griechischen  hat 
sich  r  erhalten,  doch  ist  hinter  r  etwas  ausgefallen,  wie 
man  aus  der  Ifinge  in  ÜQO(i  schliefsen  darf.  Denn  ü^^ 
steht  fiir  ^Qog^  wie  bei  den  Aeoliem  alle  verba  in  ^ 
noch  ia  der  usprünglichem  gestalt  «^  erscheinen,  wie 
neben  nüga  ein  ursprünglicheres  7ii(iQa  ezistirt,  und  6<peik(a 
auf  6(piU.a}  weist.  In  allen  diesen  formen  ist  eine  liquida 
hinter  r  und  1  verloren  gegangen.  Siehe  Ahrens,  D.  D.  §•  8. 
Ura  also  hieis  decke,  dann  feil,  vliefs  und  wolle; 
und  ebenso  ürnä.  Die  weitere  entwickelung  der  wurzel 
var  nach  der  Seite  von  umhüllen,  beschützen,  weh- 
ren hin,  ist  bekannt,  und  wollen  wir  sie  hier  nur  in  der 
form  uränäh  mit  dem  anlaut  ur  im  Veda  nachweisen. 

Ur&n4h  heifst  beschützer,  und  zwar  zuerst  mit  ge- 
nitiv: 


ist  Bellerophön  Yptrahän?  143 

1,  173,  7  (pada-text).  Sam&tsu  tvä  satlbn  uran&m  prapa- 

thintamam 
„Dich  in  den  schlachten  der  braven  Schützer  und  bester 
ftdirer^.     Ebenso  in  bezug  auf  die  wege: 

7,  73,  3.  ihema  yajn&m  path&n  ur4nah 
„Fördern  wir  das  opfer,  als  der  guten  wege  wahrer**. 
Zweitens  mit  dem  accusativ: 

3,  19,  2  (Agnih)  devÄt&tim  uränah 
„Agni  der  die  götter  schützt^. 

9,  109,  9.  induh  pun&nah  prajam  ur&n&h 
„Der  geläuterte  saft  der  die  menschen  schützt^. 
Drittens  ohne  ein  abhängiges  wort: 

4,  6,  4.  (Agnfh)  pradivah  urän4h 
„Agni,  der  alte  hort^. 

4,  7,  8.  DütAh  tyase  pradiyah  urän4h 
„Du  gehst  als  böte,  der  alte  hüter^. 

Ebenso  6,  63,  4.  pr&  hötä  gürt4man&h  uränäh. 
Auch  in  yftranah  liegt  wohl  eine  ähnliche  bedeutung; 
obgleich  es  zugleich  mächtig  zu  heifsen  scheint,  und  vom 
commentator  einmal  auf  den  elephanten  bezogen  wird. 

8,  66,  8*  vr  kah  cit  asya  väranAh  lu'ämdthih, 
und  8,  33,  8.  dän£  mrg&h  n&  väran&h. 

U'ranah  mit  dem  accent  auf  der  ersten  silbe  heifst 
ein  bock,   urant  ein  schaf. 

Wie  nun  die  wolle  ursprünglich  decke  hiefs,  so 
scheint  auch  färbe  in  derselben  weise  aufgefalst  zu  sein, 
und  ursprünglich  decke,  deckfarbe  geheüsen  zu  haben. 
Denn  wie  uranah  auf  varanÄh,  so  weifst  urna  auf 
yarna,  und  diefs  heifst  im  veda  färbe,  licht,  dann  kä- 
ste. Von  varna  kommt  yarni,  n.  gold,  wie  von  rüpa, 
raupya,  silber,  die  moderne  rupee.  Im  Veda  erscheint 
varna  häufig  in  allen  drei  bedeutungen,  und  zuweilen 
nimmt  es  Säyana  als  gleichbedeutend  mit  uranah,  be- 
schützer,  als  beiwort  von  Indra;  z.  b.  1,  104,  2.  varnam, 
anishtanivärakam  Indram.  Diefs  ist  jedoch  nicht 
nöthig,  wie  wir  bei  der  betrachtung  dieser  stelle  sehen 
werden. 


144  MttUer 

Zuerst  also  heilst  varna,  färbe,  hell  sowohl  als  dua- 
kel,  und  diefs  ist  bedeutend  für  die  grundconception  des 
Wortes  varna,  als  decke,  ohne  bezv^  auf  eine  bestimmte 
färbe,  oder  auf  licht. 

1,  73,  7.  krishn4m  ca  varnam  arun^  ca  s&ax  dhuh, 
„tag  und  nacht   setzten   die   dunkle   und  helle  färbe  zu- 
sammen^. 

1,  96,  5.  Naktoshiisä  v&rnam  ämemyäne 

„nacht  und  morgen  die  ihre  färbe  gegenseitig  vernichten^. 

1,  113,  2.  Djavä  v&rnam  caratah  amin&nö, 
„tag  und  nacht  gehn  ihre  färbe  zerstörend^. 

Dann  heifst  yarna  aber  besonders  das  helle  licht,  und 
zwar  zuerst  mit  adjectiven,  welche  diese  eigenschaft  be- 
stimmen. 

2,  34,  13«     Nim^ghamanäh    dtyena  pSjasä  su^chandräm 

v&rnam  dadhire  supepasam. 
„Die  Rudras  herunterregnend   auf  eilendem   rofs   schufen 
schönschimmerudes,  schönleuchtendes  licht^. 

2,  1,  12.  tdva  sp&rhe  v&rne 
„In  deinem  sprühenden  licht,  o  Agni^. 

3,  34,  5.  prä,  imam  y4rnam  atirat  ^ukram  äs&m. 
„Er,  Indra,  breitete  aus  das  helle  licht  der  morgenröthen^. 
Sehr  häufig  wird  im  neunten  mandala   die  färbe  des 
Soma  erwähnt,  und  zwar  als  h&ri,  rü^at,  $üci,  aber  auch 
als  asürya. 

10,  3,  3.  Agnih  vitlshthan  rü^adbhih  värnaih 
„Agni  weithin  sciureitend  mit  hellen  färben'^. 

Aber  auch  ohne  bestimmendes  adjectiv  heifst  v&rna 
zuweilen  helle  färbe  oder  licht. 

1,  92,  10.  samänam  varnam  abhi  piimbhamänä 
„Die   alte   Ushas,    die   sich   stets    mit    demselben  lichte 
schmückt^. 

2,  4,  5.  Upigbhyah  n&  amimtta  v&rnam 
„(Agni,  wenn  er  gepriesen  ist)  schuf  uns  dasselbe  licht  als 
(früher)  den  U^iks. 

2,  5,  5.  tah  asya  v4rnam  äyüvah  n^htur  sacanta  dhe- 

nävah 


ist  BeUerophdn.Vrtrah&i?  145 

^Diese  kühe  (morgenröthen)  folgen,  seine^  des  Neshtri  (Agni) 
licht  nehmend^. 

4,  15,  3.  kadä  nah  devlh  amr  tasya  p&tnih  stirah  v&rnena 

tatanan  ushasah. 
Diese  stelle  ist  ohne  änderung  des  accents  nicht  zu 
übersetzen;  doch  wage  ich  noch  nicht  hier  und  an  einigen 
andern  stellen  silrah  in  sürah  zu  ändern,  da  die  mss.  sfirah 
nur  als  paroxytonon  geben,  während  es  als  casus  obliquus 
Ton  svar,  oxytonon  sein  müTste. 

10,  124,  7.  t&h  asya  vÄrnam  pücayah  bharibhrati, 
„Sie  (die  morgenröthen),  die  hellen,  tragen  stets  sein  (der 
sonne)  licht''. 

Hiemach  wird  also  wohl  auch  1,  104,  2.  v&rna  als 
licht  zu  nehmen  sein,  und  nicht  als  Indra. 

Devasah  manyüm   d&asya  ^camnan  t^  nah  &  vakshan 
suvitlEya  v4rnam 
„die  götter  brachen  den  stolz  des  D&sa  (des  bösen) :  mö- 
gen sie  uns  licht  bringen  zum  opfer^. 

Drittens  heilst  aber  vÄrna  färbe  oder  stamm,  oder 
käste,  wie  ja  das  erste  gefilhl  der  befremdung,  eines  ver- 
schiedenen Ursprungs  oder  einer  heterogeneität  der  men- 
schen, wohl  ur^rünglich  von  der  farbenverschiedenheit 
ausging.  Einiges  hierauf  bezügliche  habe  ich  in  meinem 
Letter  to  Chevalier  Bunsen  on  the  Turanian  Languages 
zusammengestellt.  Der  commentator  fafst  varna  in  diesen 
stellen  geradezu  als  käste,  und  bezieht  es  auf  die  drei  ho- 
hem kästen  (traivarnika)  im  gegensatz  zur  vierten,  den 
Qüdras. 

3,  34,  9.  hatvf  d4syün  pri  Äryam  virnam  avah 
„indem  er  die  Dasyus  (die  bösen)  getödtet,  hat  Indra  die 
arische  färbe  beschützt^. 

2,  12,  14.  jSh  dIEsam  varnam  ädharam  gühä  4kar, 
„Indra,  der  die  färbe  der  Däsa  (der  bösen)  nieder  machte 
im  dunkel^. 

2,  3,  5.  v&rnam  punänÄh  yap&sam  suvüram, 
„(die  himmlischen  thore),  welche  den  ruhmvollen,  beiden, 
reichen  stamm  erleuchten^. 
V.    2.  10 


146  Müller 

Wie  68  nun  in  diesen  stellen  heifst,  dafs  der  gott  des 
lichts  die  böse  färbe  vernichten  solle,  und  zwar  so  dafs  es 
zuweilen  nicht  leicht  ist  zu  sagen,  ob  diese  böse  färbe 
wirkliche  menschen  oder  dunkle  dämonen  bedeute,  so  wird 
nun  andi  tvac,  haut,  in  demselben  sinne  und  in  ähnlichen 
Verbindungen  gebraucht 

1,  130,  8.     Indras  samatsu  yÄjamftnam  £ryam  pr&  &vat 
M4nave  ^Ksat  avratSn,  tv&cam  krshn2m  aran- 

dhayat, 
„Indra  beschützte  in  den  kämpfen  den  arischen  opfirer,  er 
züchtigte  die  zuchtlosen  Ar  Manu,  er  überkam  die  schwarze 
haut"". 

10,  87,  5.     A'gne  tv4cam  y&tudh£nasya  bindhi, 
,)Agni,  zerschneide  die  haut  des  Yätudhäna^. 

10,  68,  4.   BrhaspÄtih  uddh&ran  Äpmanah  gfih  bhtimyäh 
tv&cam  bibheda, 
„Brhaspati,  indem  er  die  kühe,  die  röthen,  aus  dem  stein 
(die  nacht)  holte,    zerschnitt  die  haut  der  erde,    i.e.  die 
dunkle  decke  die  auf  der  erde  lag". 

Ebenso  heifst  die  wölke  1,  130,8.  vr'shanam  tvä- 
cam  (sonst  fem.),  das  regnende  befruchtende  feil,  und  1, 
79,  3  scheint  tv&c  allein  wölke  zu  bedeuten. 

Es  ergiebt  sich  aus  diesen  stellen,  dafs  die  wölke  zu- 
weilen als  feil,  als  haut,  und  namentlich  als  dunkles  zot- 
tenfell  gefa&t  wurde.  Namen  der  wölke  wie  varaha,  eher, 
oder  vrshan,  bock,  zeigen  zwar  auch  den  theriomorphis- 
mus  der  wölke,  aber  das  tertium  comparationis  ist  in  bei* 
den  fallen  nicht  das  zottige  feil,  sondern  das  wühlen  und 
das  befruchten. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  ßsXi^go  zurück,  so  könnten 
wir  dessen  appellative  bedeutung  entweder  einfach  durch 
varvara,  zottig,  erschliefsen,  oder  aber  das  lat.  villus 
in  jTBlXog  übersetzen,  und  daraus  wie  {p&ovBQog  aus  tf&o^ 
vogy  ein  adjectiv  jrekkBQog  bilden,  im  sinne  von  zottiges 
ungeheuer,  i.  e.  wölke.  Der  Übergang  von  qq  in  XX  zeigt 
sich  auch  in  ^dXXogy  Schafwolle,  wo  das  ju  die  labiale  li- 
quida,  wie  in  manchen  der  von  Lobeck,    de  prosthesi  et 


ist  Bellerophön  Vrtrahlhi?  147 

aphaeresi  p.  111  seq.  angeftlhrten  Wörtern,  vertritt*).  Der 
Übergang  von  qq  zu  AA  war  sodann  in  kp^sQog  noch  durch 
kakophonie  veranlafst,  wie  dasselbe  phonetische  schönheits- 
geftkhl  xttfaXaXyia  in  xBcpaXaQyia  verwandelt. 

Bell  er  OS  wäre  also,  ein  zottiges  ungeheuer,  welches 
Bellerophontes  erlegte,  und  wovon  er  seinen  namen  erhielt. 
Die  namen  der  verschiedenen  ungeheuer,  welche  die  Son- 
nengötter oder  lichtheroen  erlegen,  sind  sehr  zahlreich  im 
Veda,  und  im  hintergmnd  von  allen  liegt  immer  entweder 
die  wölke,  oder  die  nacht  oder  die  gluthitze.  Dem  /?€A- 
X^Qog  käme  im  lat.  villosus  am  nächsten,  und  dieses  ad- 
jectiv  wird  von  römischen  dichtem  mit  verliebe  von  Un- 
geheuern, wie  die  Gorgo  oder  Cacus  gebraucht:  z.  b.  Ov. 
Met.  10,  21  nee  uti  villosa  colubris  Tema  Medusaei  vin- 
cirem  guttura  monstri.  Aen.  8,  266  vom  Cacus,  Terribiles 
oculos,  vultum,  villosaque  setis  pectora  semiferi. 

Endlich  kommt  aber  im  Veda  selbst  ein  von  Indra 
erschlagenes  ungeheuer  vor,  welches  bock  hei&t,  und  zwar 
bock  nicht  als  vrshan,  befruchtend,  sondern  als  zottig. 
U'ranah,  nämlich,  ist,  wie  wir  oben  sahen,  bock  als  la- 
niger;  und  davon  urani,  schaf.  Nun  heifst  es  2, 14, 1 — 4: 

Ihr  priester  bringt  den  Soma  her  für  Indra, 
Giefst  aus  den  schalen  ihm  die  kost  des  rausches! 
Er  liebt  ja  immer  diesen  trunk  der  starke. 
Gebt  ihn  dem  stier,  denn  diefs  ftlrwahr  begehrt  er. 

Ihr  priester,  ihm  der  einst  den  Vrtra  hinschlug, 
Den  wasserdieb,  wie  mit  dem  blitz  die  eiche. 
Bringt  ihm,  der  sie  begehrt,  die  somaspende, 
Denn  Indra  darf  von  diesem  tränke  fordern. 

Bringt  ihm  den  trank,  ihm,  der  Drbhika  hinschlug. 
Austrieb  die  kuh,  da  er  den  stall  geöffnet. 
Deckt  ihn,  dem  wind  am  himmel  gleich,  mit  Somas, 
So  wie  die  alte**)  uns  mit  kleidem  einhüllt. 


•)  Siehe  Curtius  in   dieser   Zeitschrift  III,  410:   fiaqn  ==  vfk,   fiikiwv 
*•)  jtfr,  nur  einmal  im  Veda;  wohl  y^avi;, 

10* 


148  MttUer 

Ihr  priester,  ihn,  der  Urana  erschlagen, 
Obgleich  er  neun  und  neunzig  arme  zeigte, 
Der  Arbuda  hinschmetterte  zur  erde, 
Den  Indra  holt  herbei  zur  somaspende ! 
EKer  ist  Urana  allerdings  ein  eigepname,   es  heifst 
aber  ursprünglich  bock  oder  zottiges  thier.   Urana  kommt 
sonst  im  Veda  nicht  wieder  vor. 

Wenn  wir  nun  aber  auch  den  namen  Bellerophon- 
tes  nicht  für  die  gemeinsame  arische  mythologie  in  an- 
Spruch  nehmen  können,  sondern  die  entstehung  dieses,  wie 
so  vieler  namen  der  griechischen  mythologie,  in  die  pe- 
riode  nach  der  arischen  trennung  setzen  müssen,  und  wenn 
wir  auf  der  andern  seite  kaum  erwarten  können,  den  ve- 
dischen  namen  Vrtratödter,  den  Vrtrahdn  unter  die- 
ser eigenthümlich  indischen  form,  bei  den  nördlichen  colo- 
nien  der  arischen  stamme  wieder  zu  finden,  so  ist  es  doch 
ein  natürlicher  wünsch  des  vergleichenden  mythologen,  den 
Vrtra  selbst  wo  möglich  als  eine  alte  form  der  arischen 
naturvorstellung  zu  retten.  Indra,  allerdings,  der  licht- 
gott  der  den  Vrtra  immer  wieder  bezwingt,  ist  eine  rein 
indische  ausdrucksweise,  indem  im  Veda  die  alte  götter- 
weit, an  deren  spitze  Dyaus,  Zsvg^  stand,  vor  der  neuen 
herrschafl  des  Indra  nur  zurückgetreten  ist,  und  im  Indra 
sich  des  Prometheus  prophezeiung  an  Dyaus  erftült  hat. 
Da  nun  aber  die  feinde  der  götter  die  alten  bleiben,  wenn 
auch  ein  neuer  göttermorgen  am  himmel  emporzieht,  so 
schliefst  diese  regeneration  des  indischen  götterbewufstseins 
durchaus  nicht  die  möglichkeit  aus,  dafs  die  feinde  des 
Indra  dieselben  als  die  des  Zeus,  oder  seines  heroischen 
avatäras,  des  Herkules,  Perseus,  Bellerophon  und  anderer 
solarhelden  seien.  Nun  habe  ich  schon  vor  acht  jähren 
einen  der  von  den  lichtgöttem  besiegten  dämonen  als  dem 
Veda  und  Homer  gemeinsam  nachgewiesen,  und  mein  ver- 
storbener freund,  dr.  Trithen,  hat  diese  identification  da- 
mals in  den  Transactions  der  philological  society  mitge- 
theilt,  ich  meine  den  Eerberos.  Ich  halte  nämlich,  trotz 
der  accentverschiebung,  9 ab 41a,  das  beiwort  des  saramei- 


ist  Bellerophdn  Vrtnh^?  149 

sehen  handes  des  Yama,  fllr  identisch  mit  9&rvara,  und 
sehe  in  ^ärvara  ein  wort,  welches  dunkel  bedeutet  und 
wovon  wir  ^Ärvari,  die  nacht,  haben;   z.  b.  Rv.  5, 52, 3: 

t^  syandrasah  na  uksh&nah  ati  skandanti  ^^rvarih, 
»Die  Maruts  bespringen  die  nachte  wie  befruchtende  stiere^. 

Dafs  das  r  ausfallen  kann,  sehen  wir,  wenn  wir  ^ar- 
▼ärika,  a  low,  vile  man,  mit  pavara,  a  barbarian,  ver- 
gleichen; oder  ^arvara,  mischievous,  noctumal,  mit  ^&- 
vara,  low,  vile.  Qabala  selbst  wird  im  spätem  sanskrit 
in  der  bedeutung  von  gefleckt  angegeben. 

Eerberos  ist  also  der  dunkle,  der  nachthund,  der 
den  weg  zur  unterweit  bewacht.  Im  Veda  finden  wir  zwei 
solche  hunde,  doch  haben  sie  noch  keine  namen,  und  er- 
mangeln überhaupt  noch  der  spätem  legendenartigen  indi- 
vidualisirang.  Was  wir  von  ihnen  wissen,  ist,  daCs  sie  vier 
äugen  und  breite  schnauzen  haben;  dafe  ihre  färbe  dun- 
kel oder  tief  braun  ist,  dafs  sie  den  weg  zu  Yamas  haus 
bewachen,  und  die  todten  bei  ihnen  vorbei  müssen,  ehe  sie 
zu  Yama  und  den  vätem  kommea  Sodann,  dafs  sie  als 
Yama's  boten  bei  den  menschen  umgehn,  sich  am  leben 
der  menschen  weiden,  so  dafs  Yama  gebeten  wird  den 
menschen  vor  ihnen  zu  schützen,  nein  dafs  sie  sogar,  wie 
Yama  und  Mrtyu,  angerufen  werden,  um  den  menschen 
langes  leben  zu  schenken.  Als  brut  der  Saramä,  heilsen 
sie  Särameyau,  aber  eigennamen  haben  sie  noch  nicht.  So 
kommt  denn  auch  bei  Homer  (siehe  Jacobi,  s.  v.)  der  hund 
des  Hades  in  dem  Erebos  schon  vor,  aber  ohne  dafs  sein 
name  genannt  oder  seine  gestalt  bezeichnet  würde.  He- 
siod  giebt  zuerst  namen  und  abstammung  an,  und  nennt 
ihn  bereits  fimfzigkdpfig,  erzstimmig,  furchtbar  wild.  Spä- 
ter erhält  Eerberos  drei  köpfe,  schlangenschweif,  schlan- 
genmähnen;  endlich  wird  er  hundertköpfig.  Dieser  Ker- 
beros also  wird  vom  Hercules  gepackt,  an  das  tageslicht 
gebracht,  dann  aber  wieder  in  den  Hades  zurückgeschleu- 
dert. Hercules  bändigt  aber  noch  einen  andern  hund,  und 
da  er,  wie  Eerberos,  von  Typhaon  und  Echidna  geboren, 
so  dürfen  wir  in  ihm  wohl  den  bruder  des  Kerberos  er- 


IM  HOUer 

kennen.    Er  ist  der  bund  des  Geryones,  der  zuweilen  auch 
Kerberos  genannt  wird  (Palaeph.  40);    und  wie  Hercules, 
ebe  er  den  Kerberos  bändigt,  erst  mit  Menoitios,  dem  hir- 
ten  der  rinder,  k&mpfen  mulste,  so  finden  wir  auch  bei  der 
achten  arbeit,   dafs  Hercules  mit  dem  rinderhirten  .Eury- 
tion  und  seinem  hunde  zu  kämpfen  hat,  ja  Menoitias  nimmt 
auch  hier  am  kämpfe  theil.   Dieser  zweite  hund  nunJieifst 
Orthros,  der  genaue  abdruck  von  Vrtra.    Dafs  er  so 
verschiedene  gestalt  angenommen  hat,  darf  nicht  yerwun- 
dem,  besonders  da  spuren  übrig  sind,  dafs  er  auch  in  der 
griechischen  tradition  einst  ein  älteres  ungeheuer  war.    So 
steht  er  mit  Kerberos,  bei  Hesiod.  Theog.  308  seq.,  zuerst 
unter  den  kindem  der  Echidna  und  des  Typhaon. 
il  S  imoxvaafiivri  tixBTO  XQarsQO^gova  tixva 
"Oq&qov  fiiv  TiQÜTov  xvva  yüvaxo  FfiQVov^L 
dsvregov  avrtg  hixtiv  crjUi^j^crvoy,   ovvi  fpccruov 
Ktgßegov,  wf^^ctfjv,  'AtStta  xvva  xf^lxeoipwvovj 
nBVTfjXovraxd^vov,   ävaiSia  rs  xqoteqov  re. 
Und  gleich  darauf  wird  er  sogar  (denn  statt  'Vg&og 
ist  gewiis  ^Og&Qog  zu  lesen)   als  yater  des  nemäischen  15- 
wen  genannt.    Was  aber  noch  mehr  die  ursprüngliche  be- 
deutung  des  ""OQ&Qog  als  des  mit  dem   licht  kämpfenden 
dunkeis  im  griechischen  andeutet,  ist  der  Sprachgebrauch, 
nach  welchem  im  gewöhnlichen  leben  oq&qoq  die  zeit  vor 
der  morgenröthe  heifst     So  sagt  Hesiod,  O.  D.  575,  6q^ 
&QOV  avtaxdiA^og,  des  morgens  aufetehend;  und  die  schwalbe 
heilst  oQ&Qoyori  (568),   die  früh  klagende.    Ebenso  Hom. 
hym.  Merc.  98: 

oQfjppaltj  y  knixovQog  inamro  Saifioviri  vv^, 
17  nlslmVf  Toxa  8*  og&Qog  hyiyvito  Sijfuospyog' 
eine  stelle,  wo  man  oQ&gog  vedisch  geradezu  mit  Vrtra 
übersetzen  könnte.  Ebenso  heilst  es  wieder  von  Hermes, 
V.  145:  er  komme  an  oQ&giog^  vor  der  dämmerung,  so 
heimlich  dais  nicht  einmal  die  hunde  bellen,  ovre  xuvsg  ke- 
XäxovTo. 

Haben  wir  Also  auch  den  Bellerophon  ab  Vrtra- 
hau  au%eben  müssen,  so  bleibt  uns  doch  ein  lichtheld  wie 


ist  Belleropbön  Vrtrahdn?  ]51 

.Hercules  als  wirklicher  'Ogd^QOffmv  übrig,  und  Bellerophon 
ist  uns  wenigstens  als  tödter  der  zottigen  ziege,  Chimaera, 
die  ebenfiüls  rgtadfiarog  und  TQixitpaXoq,  und  wie  Kerbe- 
ros und  Orthros,  eine  tochter  des  Typhaon  und  der  Echidna, 
verständlich  geworden.  Wollte  aber  prof.  Pott  den  namen 
des  Vrtrahin  im  griechischen  nachweisen,  so  hätte  ihm 
Xe(a(p6vTtig ,  ein  name  des  Bellerophön,  dazu  weit  bessern 
grund  gegeben.  ^€(o<p6vTfjg  ist,  wie  prof.  Pott  selbst  be- 
merkt, unmöglich  der  löwentödter,  da  dieis  X6ovToq>6vTfig 
sein  müiste.  ^emtpovTtig  ist  aber  dasyuhan,  *und  diefs 
synonym  mit  yrtrah&n,  und  name  des  Indra.  Dasyu 
wie  d&sa  ist  im  Veda  (man  sehe  die  oben  angeführten 
stellen)  ein  name  für  die  feindlichen  Völker  und  geister, 
und  somit  den  Aryas  entgegengestellt.  Im  zend  aber  heilst 
es  als  daqyu  oder  dainghu,  provinz,  gebiet  (Lassen, 
Z.  IL  M.  VI,  12)v  Der  Übergang  der  bedeutung  zeigt  sich 
sehr  klar  in  den  achaemenidischen  inschriften,  wo  sich  z.  b. 
Darius,  kshäyathiya  Pärpaiya  und  kshäyathfya  dahyunam 
nennt,  könig,  nicht  nur  von  Persien,  sondern  von  allen  er- 
oberten ländern.  Dasyavah  oder  d&säh  wären  also  Völ- 
ker die  besiegt  worden  sind,  dann  Völker  überhaupt,  im 
sinne  von  subjecti,  unterthanen.  Dieses  däsa  hat  Pott 
selbst  im  ersten  theil  des  griechischen  ä^a-nortjg  und  die* 
notva  erkannt,  so  dafs,  wie  auch  Kuhn  zeigt,  Sta-noxtig 
einem  skr.  däsa-pati,  Sia^noiva  dem  vedischen  däsi- 
patni  entspräche,  im  sinne  von  herr  der  feinde,  der  unter- 
thanen. Die  einzige  Schwierigkeit  ist  das  im  griechischen 
bewahrte  a,  welches  sonst  im  inlaut  zwischen  zwei  vokalen 
meist  ausfällt.  Däsa  würde  im  griechischen  regelmäfsig 
däog  lauten,  welches  als  name  des  sklaven  bekannt  ist,  je- 
doch andere  erklärung  zuläiet  (siehe  Niebuhr,^  kl.  Schriften 
1,  377).  Wohl  aber  kommt  von  Sdog^  das  griech.  Sd-iog, 
Si^-^ogf  z.  b.  ddioiy  die  feinde,  oder  S4oi;  sodann  Si^idha* 
rog,  kriegsgefangen.  Ich  halte  nun  käog,  Xijog,  und  att. 
XBüigj  f&r  dialectische  formen  von  8ä6g.  I  und  d,  heifst  es 
gewöhnlich,  können  wechseln.  Dieis  ist  wohl  in  dieser 
allgemeinen  fassung  nicht  richtig,  wohl  aber  läist  sich  be- 


152  MflUer 

weisen,  dafs  em  ursprOngliches  d  zu  1  herabsinkt,  wäh- 
rend ich  kein  sicheres  beispiel  Ar  den  Übergang  eines  or- 
ganischen 1  zu  d  kenne*),  was  namentlich  die  herleitung 
▼on  lingua  aus  lih  ftuiserst  problematisch  macht,  da  wohl 
dingua  zu  lingua,  nicht  aber  lingua  zu  dingua  wer- 
den konnte.  Den  herabfall  von  d  zu  A  im  griechischen 
selbst,  beweisen  Sdipvt]  und  Xatpvti,  Slaxog  und  kiaxog^  'OSva- 
aevg  und  'OXvacivg  (ülyxes),  und  somit  wäre  XBOifpovxrig 
(cf.  kBtatpoQog  und  Hom.  D.  15,  682,  käog>6vog  und  laoq>&6'- 
gog)  die  genaue  prAcisirung  des  arischen  d&sahant&,  oder 
des  vedischen  dasyuhan  und  zwar  so,  da&  in  diesem  al- 
ten, den  Griechen  und  Indem  gem^nschafUichen  götter- 
namen,  Xewg  oder  kaog  noch  wirklich  die  bedeutung  von 
däsa,  böser  geist,  noch  nicht  die  spätere  von  unterthan 
oder  Völker,  hat.  Ob  diels  wort  Xewg)6vTtjg  nicht  wieder 
licht  auf  die  tödtung  von  löwen  durch  Heracles  und  an- 
dere solarische  heroen  wirft,  die  sonst,  da  der  löwe  kein 
Symbol  der  finstemils  ist,  schwer  erklärlich,  wollen  wir  ein 
anderes  mal  besprechen ,  und  schliefslich  nur  auf  ähnliches 
treiben  der  falsch  etymologisirenden  volksmythologie  in  der 
fabel  von  den  steinen  des  Deukalion  (ist  kaag  tOr  jrXa^ag 
SS  skr.  grävan,  stein),  und  von  den  äpfeln  i.  e.  den  heer- 
den  (uijlaj  heerden  und  äpfel)  der  Hesperiden  hinweisen. 
Oxford,  Nov.  1855.  *  Max  Müller. 


* )  1)  Sanskrit  d  =  lat.  L  devan  =  levir.  dih  (nngere,  oblinere)  = 
poUingo. 

2)  Lat  d  =  griech.  X.  meditor  s=:  ft^lirdw  adepa  ss  alotqn^  (ki- 
nagoq)' 

S)  Griech.  ^  =  lat  1.  ^ditQv  =  lacnima  (dacrima,  Liv.  Andr.)  ^dyn 
SS  levir.    &dQfi^  as  lorica.    'OiviratvQ  ^  Ulyxes. 

4 )  Latein,  d  =s  latein.  1.  odor,  olfacit.  impedimenta  =  impelimenta. 
dedicare  =  delicare.  paludamenta  as  pallnlamenta.  cassida  =:  cassila.  8c- 
dere,  solium.  praesidiom  as  praeatlinm,  praesnl.  dautia  s=  lantia  (dQta?). 
dingna  (tuggö)  =  lingua.  Medicae  =  Melicae.  redivia  a=  relnvium  (wenn 
von  reduo,  wie  induviae).  Diumpais  (ose.)  =  lymphis.  Akudunnia  (osk.) 
=  Aquilonia,  unbekannter  herkunfti  aber  mit  ursprünglichem  d,  welches  in 
Lacedogna  bewahrt  ist. 

5)  Lat.  1  =  lat  d  zweifelhaft  calamitas  ss  cadamitas  (wenn  von  ca- 
lamos,  halm,  und  nicht  von  cadere).  reluvium  :s  redivia  (wenn  von  Ino, 
wie  Festns  sagt). 


der  name  der  Goten.  153 

Der  name  der  Goten. 

Der  name  der  Donaugoten,  —  so  dürfen  wir  sie  auch 
ftkr  die  älteste  zeit  schon  nennen,  indem  wir  auf  ihre  spä- 
teren Wohnsitze  rücksicht  nehmen,  wird  von  der  medicei- 
schen  handschrift  des  Tacitua  Gotones  geschrieben;  Pli- 
nius  hat  Gutonibus,  Strabo  BovrtovBg  (1.  rovTwveg)^  Spar- 
tian  Gotti.  Ebenso  das  Calendarium  Goticum,  also  eme 
heimische  quelle,  Gut]^iuda.  Danach  müssen  die  Goten  sich 
selbst  Gutans  genannt  haben.  Falsch  ist  also  die  Schreib- 
art der  Byzantiner  ror&oi^  wiewohl  schon  Ptolomaeus  ZV- 
&(ov€g  hat  und  in  der  Germania  alle  handschriften  des  Ta- 
citns  Gothones  schreiben.  Angelsächsisch  werden  die  Go- 
ten, welche  Eormenrtc  beherrschte,  stets  Gotan  gen.  Go- 
tena  genannt,  die  scandinavischen  Goten  aber  heifsen  bald 
Gotan,  bald  G^atas.  Von  der  letzteren  form  nachher. 
Altnordisch  ist  Gotar  gen.  Gotna  der  name  des  sagen- 
berühmten Volkes  Jörmunrek's.  Die  bewohner  der  skan- 
dinavischen insel  heifsen  im  Gutalag  Gutniskir  menn,  die 
insel  selbst  Gutland« 

Also  geb^i  alle  einheimischen  quellen  und  die  guten 
ausländischen  durchaus  t,  und  r&  sowie  th  in  der  neueren 
Schreibung  Gothland  ist  entschieden  falsch.  Die  Goten 
können  also  nicht  die  lautverschobnen  Geten  sein. 

Das  T  wird  ferner  gesichert  durch  eine  andere  län- 
gere diphthongische  form.  Altnordisch  heifst  ödinn  Gauta- 
tyr,  Gautland  wird  erwähnt.  Dies  „Gautar^  ist  der  name 
der  festländischen  skandinavischen  Goten,  die  freilich  schon 
im  Westgothalag,  1320  in  altschwedischer  spräche  redi- 
girt,  mit  th  geschrieben,  wie  auch  heute  üblich  ist.  Das 
t  wird  aber  auch  hier  unterstützt  durch  ags.  G^atas,  ein 
name,  der  auch  hier  von  dem  scandinavischen  stamm  ge- 
braucht wird.  Hieran  reiht  sich  der  heros  (oder  gott)  epo- 
nymos  des  Stammes  altn.  Gautr  (beiname  Odhins),  ags. 
G^at,  häufig  in  Stammtafeln,  in  denen  zugleich  seiner  ehe- 
maligen göttlichen  Verehrung  gedacht  wird,  ahd.  Göz  in 
männlichen  eigennamen  und  im  namen  der  Stadt  Gözläri, 


154  Lottner 

welches  ohne  zweifei  eine  alte  cultusst&tte  dieses  heros  ist, 
wie  der  name  ^^habitatio  Gauti^  besagt.  Dieser  Gautr  war 
übrigens  nicht  blos  der  eponymos  der  scandinavischen  Go- 
ten sondern  auch  der  im  namen  nicht  ganz  übereinkom- 
menden Donaugoten.  Denn  nicht  nur  werden  im  liede  von 
Deor,  Heodeninge  sc6p,  die  mannen  Theoderic's  „Gtotes 
firige^  genannt,  sondern  auch  die  Stammtafel  bei  Jordanes 
beginnt  mit  einem  Gaptigoth,  den  Grimm  ohne  zweifei 
richtig  in  Gautigoth  bessert 

Doch  nun  zur  erklärung  des  namens.  Die  altnord. 
form  Gotar,  Gotna  konnte  ebenso  gut  einen  nominativ  plu* 
ralis  Gotnar  zeugen,  der  meines  wissens  nicht  vorkommt, 
aber  sich  verhielte  wie  gumnar  „homines^  neben  „gumar^. 
Nun  giebt  es  ein  appellativ  gotnar  „heroes,  viri  strenui^ 
offenbar  identisch  mit  dem  volksnamen.  Dieses  gotnar  hat 
keinen  singular,  der  aber  goti  heifsen  müiste.  Ein  wort 
goti  in  der  bedeutung  „hengst^  nun  ist  nachweislich,  goti, 
kommt  von  der  wurzel  GUT  und  bedeutet  den  bespren- 
ger,  mit  derselben  bedeutungsentwicklung  wie  in  lat.  ver- 
res,  skr.  vrsha  ,,taurus^  vrshana  „testiculu8%  griech.  a(»- 
arjv  von  wrz.  vrsh,  skr.  mSha  „hircus^,  griech.  fioi^di» 
von  wrz.  mih.  Die  benennung  hengst  aber  ist  auf  streit^ 
bare  männer  übertragen,  wie  skr.  rshaba  „taurus'^  vy&ghra 
„tigris^  am  ende  von  compositen  fürst  bedeutet,  oder  wie 
im  altn.  selbst  iöfurr  „princeps^  ist,  etymologisch  =  ah  d. 
dpar.  Die  form  Gautar  ist  offenbar  erst  eine  secundäre 
bildung,  der  heros  Gautr  verdankt  sein  dasein  natürlich 
erst  dem  volke  selbst.  Auffallend  bleibt  freilich  sowohl  die 
starke  flexion  (angl.  Geatas),  als  auch  das  guna,  welche 
zeigen,  daJis  die  neue  form  unmittelbar  aus  der  wrz.  GUT 
gebildet  wurde,  mit  überspringung  der  mittelbegriffe  „held^ 
und  „hengst^. 

solus;   solidus;  got.  saljan,  sels. 

Dals  das  skr.  sarva  =  griech.  okog  otflog,  lat.  sal- 
vus,  osk.  sollus  ist,  wird  anerkannt,  auch  dafs  im  lat  sol- 


adlofl;  solidus;  got.  Baljan,  sü».  155 

lennis  sollers  composita  aus  diesem  worte  mit  annus,  ars 
seien,  nicht  minder,  dafs  soUistimus  in  dem  ansdruck  tri- 
pudium  sollistimum  ein  Superlativ  von  sollus  sei.  Da  nun 
aber  auch  sölemnis  und  sölers  vielleicht  sogar  richtiger  ge- 
schrieben v^ird,  so  dürfte  niemand  bedenken  tragen,  sölus 
filr  identisch  mit  sollus  zu  halten,  £ftlls  nur  die  bedeutong 
stimmte.  Nun  aber  muTs  solus  einst  =s  integer  gewesen 
sein,  wie  die  verba  söläri,  consöl^ri  beweisen.  Die  ge- 
wöhnliche bedeutung  allein  entwickelt  sich  ans  der  Urbe- 
deutung „ganz^  gerade  umgekehrt  wie  die  von  salvus. 
Denn  salvus  ist:  „ganz,  so  dafs  nichts  fehlt^,  solus:  „ganz, 
so  dais  nichts  hinzukommt^. 

Aber  auch  die  wurzel  zu  diesem  sol-lus  liefert  das  la- 
teinische in  söl-um  söl-idus.  Sie  bedeutet  also  „festsein^, 
davon  auch  solium,  femer  solea  =  got.  sulja,  eigentlich 
„die  befestigende^  gebildet,  wie  Halja  „die  verbergende^. 
In  got.  sulja  haben  wir  die  vrurzel  geschwächt  (cfr.  stülans 
]>ulan  etc.).  Das  a  ist  erhalten  in  altn.  sah*  =s  ahd.  sal, 
wovon  got.  saljan  „habitare^  salij^os  „domicilium%  ahd. 
salida,  alts.  selmo. 

In  diesem  zusanunenhang  f&llt  auch  licht  auf  got. 
sels  „bonus,  utilis^  uns^ls  „improbus,  inutilis^,  ahd.  s&l-ig 
säli-da,  altn.  saell  „felix^.  Die  Urbedeutung  dieser  wort- 
gruppe  ist  integer  (==  salvus,  solidus),  welche  nach  zwei 
Seiten  auseinander  fallt,  in  physischer  beziehung  „glück- 
lich^; in  ethischer  „gut^. 

Ob  auch  die  andere  bedeutung  von  got.  saljan  sacri- 
ficare  =  ahd.  sellan,  altn.  selja  „tradere,  vendere^  engl 
seil  sich  so  vermitteln  läfst,  dafs  das  wort  ursprünglich 
„an  einem  fest  machen^  bedeutet,  wird  sich  erst  durch 
vergleichung  ähnlicher  bedeutungsübergänge  entscheiden 
lassen.  C.  Lottner. 


Graf. 
Die  erklärung  des  wertes  graf  hat  mannichfache  deu- 
tungen  hervorgerufen,   von  denen  bisher  noch  keine  sich 


156  Leo  Meyer 

allgemeiner  biUigimg  erfrent  hat;  daher  darf  sich  wohl 
auch  die  hier  folgende,  ich  denke  mit  einigem  grond,  den 
bisherigen  deutungen  zur  Seite  stellen. 

Jakob  Grimm  (Rechtsalt  753)  weist  die  irrige  ablei- 
tnng  ans  grau  zurück,  und  f&hrt  dann  fort:  ,,Ich  will  eine 
andere  vermuthung  wagen,  r&vo  hiefs  ahd.  tignum,  tectum 
(gramm.  1,  136  altn.  raefr  tectum),  vielleicht  auch  domus, 
aula;  garä^o,  girävjo,  girftvo  würde  dann  comes,  socius 
bedeuten,  was  gistallo  und  gisaljo,  gisello  (gramm.  2,  736). 
Die  Tolle  wortform  läist  sich  wohl  auch  aus  den  ältesten 
Urkunden  nachweisen;  f&r  sie  streitet  das  ags.  gerSfa,  das 
in  der  bedeutung  von  socius,  comes,  praesul,  tribunus  voll- 
kommen dem  fr&nk.  grafio  entspricht,  im  engl,  aber  zu 
reefe,  rif  wird,  so  dals  die  Verkürzung  sherif  in  scire- 
gerdfa  aufgelöst  werden  mufs.  Der  Schwierigkeit,  warum 
das  ags.  wort  nicht  geraefa  lautet  (vergU  raefter,  tignum)? 
weifs  ich  nur  durch  die  annähme  zu  begegnen,  dafs  auch 
die  Angelsachsen  namen  und  würde  von  den  Franken  ent- 
lehnten und  deshalb  den  vocal  entstellten^. 

Sowohl  in  formaler,  als  in  hinsieht  auf  die  bedeutang, 
bot  diese  vermuthung  zu  grofse  Schwierigkeit,  als  dafs  sie 
nicht  früh  hätte  Widerspruch. erwecken  sollen.  Richthofen 
(Altfries.  Wörterbuch  786)  weist  sie  nebst  mehreren  andern 
erklärungen,  unter  denen  die  richtige  allerdings  fehlt,  zu- 
rück, nimmt  aber  dann  zum  griechischen  yQa(pevg^  Schrei- 
ber, seine  Zuflucht.  Auf  dieselbe  bedeutung  (mhd.  helle- 
grftve,  höllenschreiber,  teufel)  geräth  Wackemagel  (Haupts 
zeitsehr.  6,  151),  nimmt  aber  formentstellung  an  und  ver- 
bindet ahd.  grftveo  mit  ahd.  ruaba,  ruova  f.  zahl.  Müllen- 
holBT  (in  Waitz :  das  alte  recht  der  salischen  Franken,  seite 
283 — 287)  giebt  keine  neue  erklärung,  vermuthet  aber  auch 
den  fremden  Ursprung  des  wortes.  Dagegen  bemerkt  Waitz 
(seite  136)  über  den  namen  Graf:  „Ich  halte  ihn  für  sicher 
deutsch,  wenn  es  auch  nicht  gelingen  sollte  eine  bestimmte 
erklärung  dafür  zu  finden^. 

Die  älteste  form  des  Wortes,  die  in  lateinischen  denk- 
mälern  bewahrt  ist  (z.  b.  Paulus  Diacorus  5,  36;  öfters  in 


G»f.  157 

der  lex  Salica),  grafio^  auch  graphio,  graffio,  gra- 
vio  geschrieben,  steht  den  althochdeutschen  formen  bei 
Graff  (4,  312  —  314)  gravo,  orafo,  cravo,  kravo,  krauio, 
grave  so  nah,  daTs  die  letztere,  da  ja  der  althochdeutsche 
wörterscbatz  schon  umfangreich  bearbeitet  ist,  als  norm 
dienen  mufs.  Da  nun  aber  in  allen  ahd.  wortem,  die  so 
ausnahmslos,  wie  das  besprochene  (siehe  Graff  a.  a.  o.),  die 
ungetrennte  anlautsgruppe  gr  oder  kr  ohne  die  spur  eines 
zwischentretenden  vocals  haben,  der  guttural  nicht  dem 
verkflrzten  prftfix  ga,  sondern  entschieden  der  gmndform 
angehört,  so  dürfen  wir  dasselbe  auch  von  ahd.  gravo 
behaupten.  In  dem  ags.  ge-r6fa,  das  ganz  einsam  steht 
und  erst  in  Urkunden  aus  dem  beginne  des  neunten  Jahr- 
hunderts zuerst  vorkömmt  (Richthofen  786),  kann  das  e 
nur  eingeschoben  sein,  weil  man  das  wort  nicht  mehr  ver- 
stand und  so  wenigstens  das  präfix  zu  verstehen  meinte. 
Auch  das  ganz  vereinzelte  von  Waitz  (a.  a.  o.  136)  aus 
alter  handschrift  beigebrachte  garafio  kann  uns  nicht  irren, 
ebenso  wenig  als  wenn  irgendwo  etwa  fQr  ahd.  graban  ge- 
schrieben wäre  gaifaban  oder  biruodar  ftkr  bruodar  u.  dgl. 

Der  vocal  a  ist  im  ahd.  grävo  ebenso  unzweifelhaft 
lang  (Grimm  I^,  88),  als  in  dem  mhd.  gräve,  also  auch  in 
jenem  altfränkischen  gr&feo.  Wie  MOllenhoff  (bei  Waitz 
Seite  284)  von  der  länge  in  ahd.  grävo  behaupten  kann: 
„Jedenfalls  ist  sie  unorganisch '',  sehe  ich  nicht:  denn  daTs 
das  in  alten  handschriften  vorkommende  graffio  für  die 
kürze  des  a  nichts  beweist,  zeigt  ein  blick  in  Grimms  gram- 
matik  (1,  133:  wäffen,  släffe,  scäffum  ff.)  und  daTs  das 
altfränkische  lautgesetz  S  =  goth.  e,  wofür  in  den  namen 
Theudemdres,  ChlodomSres,  MacromSres  übrigens  nur  äin 
beispiel  gebracht  ist,  wenigstens  nicht  sehr  streng  ist,  wird 
eben  unser  wort  zeigen,  auf  dessen  bildung  wir  noch  etwas 
näher  einzugehen  haben. 

Das  ahd.  grft  vo  gehört  der  schwachen  oder  der  durch 
n  erweiterten  dechnation  an,  ist  daher  durch  das  einfache 
Suffix  an  gebildet,  oder,  da  bei  Graff  (a.  a.  o.)  auch  die 
formen  kravio  und  nom.  plur.  graneon  vorkommen  und  die 


158  Leo  Meyer 

altfränkische  form  stets  das  i  hat,  durch  das  sofBx  jan. 
Vielleicht  bestanden  beide  formen  neben  einander,  wie  wir 
im  gothischen  z.  b.  faura^gaggan  (gal.  4,  2)  haben,  neben 
faura-gaggjan,  Vorsteher,  Verwalter,  obcovo^og  (z.  b.  Lnk. 
16,  2,  3  ff.)  von  gaggan,  gehen;  vaurstvan  (Tim.  1,  5,  18) 
neben  vaurst^jan,  arbeiter  (Mth.  9,  37  und  oft);  ga-8in)>an 
(Kor.  2,  8,  9)  neben  ga-8in]>jan,  geführte  (Luk.  2,  44).  Wir 
dürfen  also,  der  lautverschiebung  streng  folgend,  da  dem 
inlautenden  ahd.  v  ein  goth.  f  entspricht  (Grimm  1,  134 
z.  b.  goth.  tveifla,  m.  zweifei  =&=  ahd.  zntval,  ahd.  avar,  aber, 
wieder  =  goth.  afar,  nach)  fikr  ahd.  grävo,  grävio  ein  goth. 
**grÄfan  (nom.  grSfa)  oder  **grfefjan  (nom.  gröQa)  aufstel- 
len und  daraus  können  wir  nach  Jakob  Grimms  weise  die 
zu  gründe  liegende  verbalformel  **grifa  —  graf  —  grefum  — 
grifans  bilden  oder,  was  das  folgende  als  richtiger  erge- 
ben wird  **grÄfa  —  gaigrof  —  gaigröftim  —  grSfans,  mit 
der  bedeutung? 

Obwohl  das  wort  gr&vo  sehr  frQh  in  der  bestimmt 
festgestellten  bedeutung  erscheint,  die  das  mittellateinische 
comes  gewöhnlich  hat,  so  folgt  doch  aua  den  mannigfachen 
glossen  z.  b.  praeses,  tribunus,  princeps  militiae,  procurator 
(burc-gravo,  praefectus,  praetor,  Graff  a.  a.  o.)  und  meh- 
reren Zusammensetzungen  z.  b.  mhd.  helle-gräve,  teufel,  herr 
der  höUe,  dafs  die  allgemeinere  bedeutung  „Vorsteher,  vor- 
gesetzter, gebieter,  herr  oder  dergl.'^  die  ältere  gewesen 
sein  muis  und  erst  darnach  sich  zu  der  bestimmten  bedeu- 
tung „Graf^  ausprägte:  denn  das  ist  die  geschichtliche 
entwickelung  aller  Wortbedeutungen,  dafs  sie  sich  mit  der 
zeit  verengen,  und  nicht  umgekehrt.  Jenes  zeitwort  goth. 
**girdfan  konnte  also  etwa  heifsen  „Vorsteher  sein?  gebie- 
ten? befehlen?» 

Nun  würde  sehr  erwünscht  sein,  wenn  etwa  noch  eine 
gothische  form,  an  die  sich  das  wort  anlehnte,  anzugeben 
wäre  oder  wir  etwa  gar  seinen  Zusammenhang  bis  zum 
sanskrit  zurückverfolgen  könnten  —  und  beides  ist  mög- 
lich. 

An  zwei  stellen  in  Ulfilas  bibelübersetzung  erscheint 


Graf.  159 

das  wort  ga-gr^fti  (nom.  ga-grgfts),  zuerst  Lok.  2,  1:  ur- 
rann  gagrSfts  fram  kaisara  agostau,  griech.  k^^k&sv  Soyiia 
Ttaga  xaiaaQog  JlvyovaTov,  wo  es  deutlich  dem  griechischen 
Soypia  entspricht,  also  „beschlufs,  befehl,  Verordnung^  (Lu- 
ther ,,gebot^)  bezeichnet.  An  der  andern  stelle,  wo  wir 
es  finden,  ist  es  von  den  erklärern  völlig  verkannt,  es  ist 
Kor.  2,  8,  12:  jabai  auk  vilja  in  gagreftai  ist,  griech.  ü 
fCLQ  17  TiQO&vfiia  ngoxHxai.  Hier  erklären  von  der  Gabe- 
lentz  und  Loebe  (glossar  seite  40;  nach  ihnen  auch  Schulze, 
glossar  117):  in  gagreftai  Ist  =  in  der  greif  weite  ist,  vor- 
handen ist  =  ngoxiirai,  indem  sie  o£Penbar  unser  wort  mit 
goth.  greipan ,  greifen,  zusammenbringen,  obwohl  bei  dem 
im  gothischen  sonst  allerdings  nicht  ungewöhnlichen  Wech- 
sel von  ei  und  S  gagrefti  nur  mit  &  vorkommt  und  grei- 
pan (an  etwa  funfzelm  stellen)  nur  mit  ei.  Die  bedeutung 
des  Wortes  ga-grgfti  an  der  letztgenannten  stelle  ist  aber 
keine  andere,  als  an  der  frühern  „beschlnis'^  und  jabai  vilja 
!q  gagrtöai  M  heifst  „wenn  lust  (denn  goth.  viljan  ist  mehr 
als  unser  ihm  buchstäblich  entsprechendes  willen,  es  be- 
zeichnet gewöhnlich  freudiges  wollen,  lust)  „im  beschluis 
ist^,  Luther  „so  einer  willig  ist^.  Ulfilas  umschreibt  hier 
griech.  ngo&Vfiiay  das  er  kurz  vorher  Kor.  2,  8,  11  wegen 
des  neben  stehenden  viljan  durch  muns,  eig.  das  denken, 
der  gedanke  (muns  du  viljan,  griech.  17  ngo&vfiia  rov  &e' 
lelv)  und  sonst  (Kor.  2,  8,  19.  9,  2,  wo  Luther  beide  male 
„guter  wille^  sagt)  durch  gaimein,  f.  begehr,  verlangen, 
übersetzt,  durch  vilja  In  gagreftai,  während  er  ngoxHTah 
einfach  durch  Ist  wiedergiebt. 

Gebildet  ist  gagrSfti  durch  das  dem  sanskritischen  ti 
(Benfey  gramm.  §.331.  Bopp  accentuationssystem  §.  102) 
genau  entsprechende  weibUche  abstract-sufiBx  goth«  ti,  das 
nicht  selten  ist  und  z.  b.  erscheint  in  goth.  anda-hafli,  ant- 
wort,  von  and-hafjan,  antworten;  fragifti,  gäbe,  Verleihung, 
von  fragiban,  verleihen,  gewähren;  ga-skafti,  Schöpfung,  von 
gaskapjan,  schaffen;  andanumti,  annähme,  von  and-niman, 
annehmen;  urristi,  auferstehung,  von  urreisan,  auferstehen; 
gakusti,  Prüfung,  von  gakiusan,  prüfen.    Wir  haben  jenes 


160  Leo  Meyer 

Suffix  im  gothischen  auch  einige  male,  als  di*)  z«  b.  in 
gahugdi,  gedanke,  gesinnuDg,  von  gahugjan,  denken,  glau- 
ben, und  auch  als  ^i*)  z.  b.  in  goth.  dulH>  rast,  eig.  Ver- 
ehrung, von  skr.  dar  (das  die  grammatiker  dr  nennen)  6  a, 
berücksichtigen,  verehren,  womach  nach  Jakob  Grimms 
weise  ein  gothisches  **dila-dal-delum-dulans,  verehren, 
anzusetzen  wäre. 

Da  vor  dem  genannten  suffix,  wie  schon  aus  den  ge- 
gebenen beispielen  hervorgeht,  stets  der  kürzeste  vocal*) 
der  verbalform  gesucht  wird,  so  können  wir  wegen  des  e 
in  gagrefti,  worin  das  ga  sich  leicht  als  prftfix  erkennen 
Iftfst,  als  ihm  zu  gründe  liegendes  verb  nur  ein  solches  mit 
6  und  da  aus  dem  obigen  sich  schon  das  f  ergab,  nur  die 
formel  ^'^grefa-gaigrof-gaigröfiim-grgfans  (wie  grßta-gai- 
gröt-gaigrötum-grStans,  weinen)  aufstellen,  dessen  bedeu- 
tung  sich  nun  ziemlich  sicher  als  „beschlie&en,  vorschrei- 
ben, anordnen,  gebieten^  ergiebt. 

Die  dem  gothischen  **grSfan  entsprechende  sanskriti-' 
sehe  verbalform  ist  aber  ohne  zweifei  klp  1  a,  fähig  sein, 
können,  vermögen,  die  einzige,  welche  die  indischen  gram- 
matiker mit  dem  vocalischen  1  (also  richtiger:  al)  ange- 
ben, das  nur  eine  jüngere  entartung  des  sehr  gebräuch- 
lichen skr.  r  ist.  Wenn  wir  also  von  der  nicht  guten  be- 
zeichnung  der  indischen  grammatiker  abgehn  und  statt  des 
r  das  ursprüngliche  ar  setzen,  so  dürfen  wir  die  würze! 
skr.  **karp  nennen,  deren  Umstellung  in  ^'^krap  ebenso 
wenig  auffallendes  hat,  als  z.  b.  der  infinitiv  skr.  drashtum, 
sehen,  von  skr.  darp  (drp)  Ip,  sehen,  und  viele  ähnliche 
erscheinungen  im  sanskrit. 

Das  verhältnifs  aber  von  anlautendem  goth.  gr  zu  skr. 
kr  haben  wir  noch  in  goth.  gretan,  weinen  =  skr.  krand  la, 
weinen.  Jenes  **karp  selbst  ist  aber  durch  das  in  der 
Wurzelbildung  sehr  gewöhnliche,  häufig  caussaUa  (Benfey 
§•  199)  bildende  p  gebildet  aus  dem  einfachen  sanskr.  kar 


*)  Nttheres  darüber  in  meiner  nächstens    erscheinenden   „vollständigen 
goth.  laotlehre  im  verhältnifs  znm  sanskrit". 


Graf.  161 

(kr)  8p,  machen,  bereiten  und  bezeichnet  wahrscheinlich 
zaerst  ^machen  lassen^,  das  in  „bereiten,  anordnen,  vor- 
schreiben, bestimmen^  überging  und  diese  bedeutung  fin- 
den wir  auch  in  dem  caussale  jenes  klp  (kalp,  **karp)  sehr 
gewohnlich,  wozu  wir  eine  steDe  ans  Benfeys  Chrestoma- 
thie (Seite  142)  ausheben:  mah&dyutih,  prthak  karmäni 
aka]payat;  adhyäpanam  adhyayanam,  yajanam  yäjanam 
tathä,  dänam  pratigraham  ca  Sva  brähmanänäm  akal- 
payat,  der  glanzvoDe,  besondre  (heilige)  handlungen 
schrieb  er  vor;  lesungen  und  Studien,  opfer  und  opfer- 
bestellungen  auch,  geschenke  und  annähme  von  geschenken 
ftLr  die  Brahmanen  ordnete  er  an. 

Zum  schluTs  können  wir  bemerken,  dafs  die  gothischen 
mit  ai  reduplicirenden  Zeitwörter  sämmtlich  verhältniismä- 
isig  sehr  jung  sind  und  mehrfach  alte  causalbildungen,  so 
ist  z.  b.  goth.  hvöpan  (perf.  hvaihvöp),  sich  rühmen,  prah- 
len, eig.  sich  blähen,  ursprünglich  eine  caussalform  (ss  skr. 
**9vapay&mi,  Benfey  gramm.  §.  199)  zu  skr.  pvi  Ip,  schwel- 
len, wachsen. 

Berlin,  am  3.  October  1835.  Leo  Meyer. 


Elg  fäa  tv. 

Man  hat  schon  früh  bemerkt,  dafs  die  bezeichnung 
des  ersten  zahlworts  in  den  indoeuropäischen  sprachen  kei- 
neswegs durchweg  dieselbe,  sondern  von  sehr  verschiedenen 
und  zwar  meist  pronominellen  stammen  hergenommen  ist. 

Das  sanskritische  6'ka  (nom.  sg.  d'kas  m.;  ^'k&  f.; 
6' kam  n.),  ein,  im  plural:  einige,  lautet  im  prakrit  £ka 
oder  Skka  (Lassen  inst.  ling.  prac.  318)  und  ging  dann 
auch  in  die  neuindischen  sprachen  über,  z.  b.  bengalisch 
Sk.  Auch  das  neupersische  jSk,  ein,  gehört  wohl  dazu, 
sowie  auch  Petermann  (gramm.  ling.  Arm.  130)  das  arme- 
nische jes,  ein,  dazustellt,  neben  dem  wir  aber  auch  noch 
andere  formen  weiterhin  zu  nennen  haben.  Mit  etwas  ver- 
V.    8.  11 


162  Leo  Meyer 

änderter  bedeutung  sehen  wir  es  bewahrt  im  irischen  each, 
ein  jeder;  n-each,  keiner,  und  n-eachtar,  keiner  von 
beiden,  welches  letztere  aus  skr.  na,  nicht,  und  dem  com- 
parativischen  skr.  dkatar&,  einer  von  zweien,  hervorging. 

Das  altpersische  (auf  den  keilinschriften)  aiwa,  ein, 
und  zendische  aSwa,  ein,  gehören  zu  dem  sanskritischen 
thema  ^'va  (Zeitschrift  2,  234),  woraus  die  adverbien  skr. 
%Yk  und  skr.  dv&m,  so,  auch,  wahrlich,  hervorgingen.  Ihm 
entspricht  genau  das  griech.  olo  (aus  olfo  Benfey  wzl.  1, 3), 
allein.  Auch  das  ossetische  iw,  eines,  verbindet  sich  da- 
mit. Ueber  den  Ursprung  des  afghanischen  ju  oder  juo, 
ein  (Ewald  in  zeitschn  fllr  k.  des  morgenl.  2,  285  —  312), 
wagen  wir  nicht  zu  entscheiden. 

Die  armenischen  mi,  min,  m^n,  mvöu,  ein,  h&it 
Petermaun  (a.  a.  o.)  fbr  verwandt  mit  griech.  fjtia,  ohne 
genaueres  darüber  zusagen.  Das  altslavische  jedino,  ein, 
verbindet  Bopp  (vergl.  gramm.)  mit  skr.  &di*),  der  erste. 
Das  littauische  wiena,  ein  (lettisch  weena),  scheint  aus 
mehreren  themen  verschmolzen  und  entspricht  vielleicht 
einem  skr.  Sva  +  ena. 

Das  gothische  aina,  ein  (nom.  sg.  ains,  m.,  ainaf, 
ain  oder  ainata,  n.),  und  lateinische  ünö,  alt  oinö, 
entsprechen  dem  demonstrativen  pronominalstamm  skr.  ^  n  a, 
dessen  flexion  nur  in  wenigen  casus  (acc.  sg.  und  pL,  instr. 
sg.  und  gen.  loc.  dual.),  die  sämmtlich  accentlos  sind,  be- 
wahrt ist. 


* )  Wenn  die  sky tfaische  spräche  den  indoeuropäischen  angehört^  so  kann 
dos  bekannte  arima,  eins  (ä^»^a  ydi^  iV  HaXeouai  £mv&cu,  Herodot  4,  27), 
nnr  dem  skr,  ftdimd,  der  erste,  einer  nebenform  von  skr.  Adf,  entsprechen, 
mit  dem  gar  nicht  ungewöhnlichen  Übergang  von  d  in  r  z.  b.  lat  meddies, 
mittag,  von  mediö  =  skr.  madhya,  mittler.  Vielleicht  spricht  für  eine  solche 
aafTassnng  des  skythischen  anch  der  name  'Ara/a^iq^  der,  sanskritisch  ge- 
schrieben anagharshi,  bedeuten  würde  ,, unschuldiger  weiser **  von  sanakr. 
anagha,  unsflndig,  unschuldig  (agha,  n.  sttnde)  und  dem  gerade  als  schluTs- 
glied  von  Zusammensetzungen  sehr  gebrttuchlichen  skr.  fshi,  m.  weiser  (skr. 
ddva-rshi,  göttlicher  weiser).  Es  stimmt  auf  wunderbare  weise  mit  Hero- 
dots  erzählung  (4,  76),  wie  jener  Anacharsis  aus  Skythien  in  die  fremde  zog, 
viele  Weisheit  lernte  {dnodt^afifvo^  <Toq)iriv)  und  später  von  seinen  landa- 
leuten  getödtet  wurde,  weil  er  einer  fremden  göttin  opferte. 


tU  f*fa  Fl-.  163 

Die  keltischen  formen  för  unser  zahlwort-bat  Pictet 
(De  PafiBnitö  des  langues  celtiques  avec  le  sanscrit  6.141): 
irisch  an,  aon,  ersisch  aon,  welsch  un,  bretonisch  ünan, 
komisch  un,  onen,  die  er  auch  mit  skr.  £na  identificirt, 
ohne  fiir  das  yocalverhältnifs  ein  beweisendes  beispiel  an- 
zugeben. 

Da  das  griechische  elg  fiia  'iv^  abgesehen  von  den  viel- 
leicht verwandten  armenischen  formen,  nach  unserer  an- 
sieht mit  keiner  der  genannten  bezeichnungen  übereinstimmt 
und  von  Bopp  (glossar  59,  wo  es  mit  skr.  ena  verbunden 
wird),  Benfey  (wurzellex.  1,  4—6)  und  Pott  (etym.  forsch.) 
an  den  genannten  orten  nicht  richtig  erkannt  ist,  so  wol- 
len wir  es  noch  etwas  genauer  besprechen,  wozu  hier  je- 
denfalls kein  unzweckmäfsiger  ort  ist,  sollte  der  dargelegte 
Zusammenhang  auch  vielleicht  au  einem  andern  uns  nicht 
bekannten  orte  schon  angegeben  sein. 

Elq  steht  f&r  ivg^  wie  ri&aiq  zunächst  f&r  ri&tvg  und 
das  ionische  fiBig  (=  f4i^v\  monat,  f&r  fisvg  (lat.  mensi-s), 
und  das  zu  gründe  liegende  thema,  worin  wir  zugleich  den 
singulamominativ  und  accusativ  des  neutrums  haben,  ist 
^v.  Dieses  aber  ist  mit  dem  im  auslaut  regelmäisigen  (z.  b. 
griech.  Tov  =  skr.  tarn),  aber  auch  im  inlaut  unter  man- 
chen umständen  nicht  ungewöhnlichen  Übergang  von  skr.  m 
in  griech.  v  (siehe  zeitscbr.  2,  319)  entstanden  aus  ifjt.  So 
haben  wir  ganz  ähnlich  griech.  ;^tov  (nom.  ^ftcJv),  f.  schnee, 
aus  skr.  him4  (för  ursprüngliches  skr.  **hjBmk^  Benfey  glos- 
sar 364),  n.  frost,  kälte,  schnee,  winter  =  lat.  hiem  (nom. 
hiems),  f.  winter,  kälte,  und  griech. /#o'y  (nom.  ;(fi9^ftiV),  f. 
erde,  mit  eingeschobenem  stützendem  t?*,  aus  skr.  kshamlE 
(das  auch  in  der  verkürzten  form  skr.  kshmä  gebraucht 
wird)  f.  erde,  das  wir  auch  wiederlGnden  in  dem  weniger 
verstümmelten  lat.  hümö,  f.  erde,  dem  locativischen  griech. 
Xa^aiy  auf  der  erde,  und  dem  adjectiv  griech.  jf^a^cvAo, 
niedrig  am  boden,  lat.  hiimili.  Dieser  Zusammenhang  läfst 
uns  auch  den  Ursprung  des  lat.  hömön,  m.  mann,  mensch, 
goth.  guman,  m.  mann  (nhd.  bräuti-gam),  erkennen,  aus 
skr.  kshama,    adj.  tragend,  f&hig,  stark,    von  skr.  ksham 

11* 


164  Leo  Ueyer 

la4p,  über  sich  nehmen,  aushalten,  ertri^en,  können,  ver- 
mögen. 

Für  jenes  ifi  aber  dürfen  wir,  wie  aus  dem  folgenden 
noch  sichrer  hervorgehn  wird,  ein  noch  ursprünglicheres 
ifio  ansetzen,  da  fast  alle  consonantisch  auslautenden  the- 
men  des  griechischen  und  lateinischen  (mit  ausnähme  eini- 
ger durch  consonantisch  auslautende  suffixe  gebildeten,  z.  b. 
lat.  hömön,  snff.  skr.  an;  griech.  yivog,  lat.  genus,  suff.  skr. 
as  ff.)  ursprünglich  vocalisch  auslauteten  und  im  laufe  der 
zeit  den  themaauslautenden  vocal,  gewöhnlich  a,  einbüfs- 
ten,  der  sich  in  Zusammensetzungen  vor  folgendem  conso- 
nanten  in  der  regel  erhalten  hat,  wo  man  ihn  meist  mit 
unrecht  als  eingeschobenen  bindevocal  anzusehen  pflegt. 
So  haben  wir  griech.  x^ovo^ßlijro^  mit  schnee  beworfen,  und 
Xd-ovo-xQKpigy  erdeemährt,  von  den  schon  genannten  beiden 
Wörtern  (skr.  him&,  kshamlk),  vvxTO'q>vlax,  nachtwächter, 
von  wxro  =  sanskr.  **näkta  (adv.  näktam ,  nachts),  x^^ 
ßoffxo,  gänse  f&ttemd,  von  x^"^  =  sanakr.  hansa,  m.  gans, 
ako'TQiTt,  im  Wasser  ernährt,  von  al  sss  skr.  sala,  wasser 
(Benfey  wurzellex.  1,  61);  lat  genti-  (nom.  gens),  geschlecht, 
morti-  (nom.  mors),  tod  ff.  sind  durch  das  suffix  skr.  ti  ge- 
bildet u.  s.  w. 

Der  hauchlaut  ist  im  griechischen  der  gewöhnliche 
Vertreter  des  sanskritischen  anlautenden  s,  wozu  zahlreiche 
beispiele  an  einem  andern  orte  dieser  Zeitschrift  (2,  131) 
zusammengestellt  sind;  wir  erkennen  also  im  griechischen 
ii/,  ifi,  ifÄO,  das  sanskritische  sama,  all,  ganz,  gleich, 
wieder. 

Dazu  dürfen  wir  nun  ohne  zweifei  auch  das  weibliche 
fiici  stellen,  dessen  trennnng  von  elg  und  iv  in  der  that  im 
höchsten  grade  auffallend  sein  würde.  Es  entspricht  aber 
fiia  einem  sanskritischen  durch  das  gewöhnliche  weibliche 
suffix  i  gebildeten  skr.  """sami  (statt  dessen  allerdings  8am& 
im  Sanskrit  gebräuchlich  ist),  dem  im  griechischen,  da  der 
entschieden  weibliche  Charakter  des  auslautenden  i  hier 
nicht  mehr  klar  gefQhlt  wurde,  das  a  zutrat,  wie  z.  b.  in 
dem   bekannten  notvia  =  skr.  pätnt,  f.  herrin,  gemahlin 


(zeitacbn  2,  310).  Durch  den  TorrQckenden  accent  wurde 
das  anlautende  i  in  dem  so  entstandenen  ifjiia  ganz  unter- 
drückt, wobei  wir  noch  erwähen  können,  dafs  jenes  sama 
im  Sanskrit  (Benfey  gramm.  s.  11)  ganz  accentlos,  nur  bis- 
weilen in  den  veden  oxytonirt  ist.  So  vermitteln  sich  auch 
leicht  das  griech.  fiovo  (==  skr.  samana),  allein,  das  auch 
fllr  "iv  in  allen  Zusammensetzungen  eintritt,  z.  b.  fiovo-noS, 
einflOssig,  fiov6<pQov,  einmüthig,  ff.  und  griech.  fiiv^  eig. 
erstens  (=  skr.  **saman?). 

Die  bedeutung  „ein^  aber  konnte  aus  dem  sanskriti- 
schen sama,  ganz,  gleich  (=  goth.  sama,  derselbe),  eben 
so  leicht  sich  entwickeln,  wie  wir  es  in  den  übrigen  oben 
angeführten  formen  geschehen  sehen  und  dais  sie  es  that, 
sehen  wir  noch  ganz  deutlich  in  den  auch  dazu  gehörigen 
lat.  semel,  einmal;  sim-plec-  (griech.  a-;iiloo-),  ein&ch,  und 
sin-gnlö-,  einzeln,  dessen  suffix  gulö  (fbr  culö)  gewiüs  mit 
dem  skr.  kr-t  (aus  kar)  in  skr.  sakrt,  einmal  (Benfey  wur- 
zellex.  1,  381),  übereinstimmt,  dessen  auslautendes  t  nicht 
wurzelhaft  ist  (Benfey  glossar  320).  Das  a  in  griech. 
änkoO'  ist  wahrscheinlich  nicht  aus  ar^  verstQmmelt,  son- 
dern entspricht,  wie  auch  in  griech.  ä-na^,  einmal,  dem 
einfachen  skr.  sa,  aus  dem  sama  durch  das  ursprünglich 
superlativische  sufiSx  ma  (Benfey  granma.  s.  238)  hervor- 
ging, und  das  selbst  in  mehreren  Zusammensetzungen  am 
einfachsten  durch  „ein^  übersetzt  wird  z.  b.sa-manas,  gleich- 
gesinnt, einmüthig,  eig.  einen,  denselben  sinn  habend;  sö- 
dara  (udarä,  n.  bauch),  bruder,  eigentl.  eines  mntterleib^ 
diese  bedeutung  aber  am  entschiedensten  in  dem  eben  an- 
geführten s&-krt,  einmal,  zeigt.  Siehe  Benfey  (wurzellex. 
1,  381  ff.),  der  ganz  enttprechende  Zusammensetzungen  aus 
dem  griechischen  aufführt,  z.  b.  aS^lfpo,  bruder,  eig.  eines 
mutterleibes. 

Wie  mit  dem  letztgenannten  aSsXipOy  so  sehen  wir 
auch  sonst  nicht  selten  den  anlautenden  hauch  (das  ur- 
sprüngliche s)  im  griechischen  noch  ganz  abfallen  z.  b.  in 
ovt  (a;V),  seiend  =  skr.  s&nt  (siehe  Zeitschrift  2,  131)  und 
daher  dürfen  wir  zu  den  genannten   griechischen  formen 


lee  lUnofaiirdt 

nun  auch  noch  zum  schlufs  ^yeoe  (=  skr.  "'samya)  einige, 
ävioTB^  einige  male,  bisweilen,  und  iwiaxov^  bisweilen,  hin- 
zufügen*). 

Berlin,  8.  Octbr.  1855.  Leo  Meyer. 


lieber  eine  gothische  mundart. 

Durch  die  grofse  östliche  fehde,  welche  die  felder  der 
taurischen  halbinsel  gegenwärtig  mit  blute  dQngt,  wird  der 
Deutsche  aufs  lebhafteste  an  die  tetraxitischen  Gothen  er- 
innert, deren  andenken  neuerdings  Mafsmann's  fleifs  und 
feuereifer  für  alles  vaterländische  in  zwei  längeren  aufsatzen 
(zeitschr.  f.  d.  a.  I.  345  fgg.  und  Sitzungsberichte  d.  geogr. 
gesellsch.  in  Berlin  1851  s.  14  fgg.)  erfrischt  hat.  Bala- 
clava,  Bella  Chiave,  einst  Symbolon  (Cimbalo,  Cembalo) 
bildete  die  westlichste  Stadt  der  landschaft  Gothia,  in  wel- 
cher ein  kleiner  rest  Ton  den  Gothen  des  Airmanareiks 
unter  eigenen  f&rsten  sich  bis  in  neuere  zeit  erhielt  und 
Jahrhunderte  lang  dem  andrang  mächtiger  und  wilder  töI- 
kermassen  den  heldenmütigsten  widerstand  entgegensetzte« 
Vierzig  gebirgsburgen,  unter  denen  die  vorzüglichste  Man* 
cup  zwischen  Balaclava  und  Bakschiserai  war,  boten  hin- 
reichenden schütz  zur  abwehr  der  Hunnen,  Avaren,  Grie- 
chen, Bulgaren,  Chasaren,  Petscheneger,  Kumanen,  Mon- 
golen, Tartaren;  selbst  den  Genuesem  hielten  sie  stand, 
als  diese  von  Kaffa  aus  die  Krimm  zu  erobern  trachteten, 
bis  1475  die  Türken  unter  Soliman  11.  des  landes  mäch- 
tig wurden.  Die  erstürmung  von  Mancup  und  der  tod  sei- 
ner letzten  f&rsten,  zweier  br(|4er,  mit  denen  der  gothische 
adel  ftar  immer  erlosch,  bilden  den  letzten  act  in  dem  lan- 
gen trauerspiel  gothischer  geschichte.  Einzelne  kümmer- 
liche reste  des  volkes  (800  streitbare  männer)  fristeten  noch 

*)  Doch  vergleiche  oben  b.  71;  flir  die  hier  gegebene  erklärung  läfst 
eich  noch  besonders  auf  das  von  demselben  stamme  entwickelte  goth.  sums, 
ahd.  som,  e.  some  mit  der  gleichen  bedeatuog  hinweisen.  d.  red. 


über  eine  goüusche  mondart.  167 

1563  in  abhäogigkeit  von  den  Tartaren  und  wie  diese  der 
oberherrlichkeit  der  pforte  unterworfen  mit  weinbau  ihr 
leben.  Oger  Gislen  von  Busbeck  aus  Flandern,  der  da- 
mals als  gesanter  von  Wien  nach  Constantinopel  reiste, 
hatte  gelegenheit  zwei  männer  jenes  Stammes  zu  sprechen, 
und  erwarb  sich  das  verdienst,  ein  verzeichnifs  gothischer 
Wörter  nebst  dem  anfang  eines  liedcs  nach  ihren  mittei- 
lungen  niederzuschreiben,  welche  f&r  die  deutsche  Sprach- 
forschung von  unschätzbarem  werte  sind.  Das  vocabula- 
rium  fand  bereits  öfter  beachtung,  das  Verständnis  des  lie- 
des  ist  dahinter  ganz  zurQckgeblieben,  obgleich  das  Wörter- 
verzeichnis die  mittel  zu  seiner  erklärung  an  die  band  giebt. 
Busbeck  sagt  in  seinem  vierten  reisebericht  am  schlufs  des 
vocabulars:  »Quin  etiam  cantilenam  ejus  linguae  recitabat, 
cujus  initium  erat  hujusmodi: 

Wara  wara  ingdolou 
scu  te  gira  galizu 
hoemisclep  dorbiza  ea. 
Knittel,  der  noch  wenig  gothisch  verstand,  versuchte 
von  diesem  bruchstück  den  ursprünglichen  text,  den  er  f&r 
verfälscht  hielt,  auf  sehr  kühne  und  gewaltsame  weise  wie- 
der herzustellen  (b.  Zahn  cod.  Carol.  432) : 
Vardja,  vardja  in  dalja 
scura  jera  gaUsi)>  nuh 
-hiuma  sclep   draibi>s-vega. 
Das  sollte  heifsen: 

Custos,  custos  in  foveam 
procella  tempore  congregabit 
-populus  dormit  agitatus-motum. 
Perinskjold  (annott.  in  vitam  Theodorici  nach  Jo.  Coch- 
laeus  8.  347)  gab  dagegen  die  schwedische  Übertragung: 
Wara  wara  in  dälla 
wi  sku  göra  gaUi]>ur 
hamskipts  ^orsteliga  äoch  ä  ~ 
Estote  obsequentiores, 
faciamus  incantationem 
transformamini  audactei;  in- 


168  Bfaimhardt 

MaTsmann  erUftrte  bei  gelegenheit  seiner  aosf&hrlichen 
besprechung  des  Busbeckschen  wortvorrats  (z.  für  d.  a.  I. 
365),  er  wolle  nicht  grammatisch  hernmtasten,  wo  andere 
kühneres  gewagt  hätten,  deutete  aber  mit  glück  einzelne 
formen.  Vielleicht  gelingt  es  uns  im  liede  die  folgenden 
moesgothischen  worte  in  dialektischer  Verschiedenheit  nach- 
zuweisen: 

F&rei  t?&rei  |  /ggadällu 

•   «cüta  jS'rd    I  ^älaiz^' 
AÄuhmisks  Alaifs  |  )>&urbiza  div. 
Die  Übersetzung  hätte  zu  lauten: 

Wehre,  wehre  Ingdall 

dem  dahinschusz  der  jähre  der  zaubervollen; 

die  nahrung  des  volkes  dürftiger  je  — 
Zunächst  tritt  es  deutlich  hervor,  da£s  die  beiden  er- 
sten reihen  die  häUten  einer  achtmal  gehobenen  langzeile 
ausmachen;  mit  ihnen  muTs  daher  der  satzsinn  abschlie- 
fsen.  Die  dritte  zeile  bricht  im  redeflufs  ab  und  bildet 
kein  fertiges  ganze.  Achthebige  langzeilen  waren  die  äl- 
teste bindung  deutscher  rede,  in  sie  trat  erst  später  der 
Stabreim  in  der  weise  ein,  dafs  er  wie  im  altn.  fornyrKalag 
und  der  ags.  poesie  sich  der  halbzeile  bemächtigte  und 
dieselbe  wieder  in  zwei  hälften  schied,  oder  wie  im  ahd. 
die  ganzzeile  ergrifp.  In  beiden  fällen  blieb  die  alte  gauz- 
zeile  als  unauflösliche  satzeinheit  bestehn.  Man  würde 
hiemach  der  form  des  Busbeckschen  liedes  ein  altertüm- 
liches gepräge  nicht  absprechen  können,  wenn  sich  auch 
keine  spur  der  alliteration  erhalten  hätte.  Doch  dürften 
in  wara  wara  ing  die  alliteranten  w,  w,  i  gesucht  werden, 
da  wenigstens  im  verwanten  norden  h,  j  und  v  unterein- 
ander und  mit  allen  vocalen  reimen,  und  auch  im  alts. 
H^jand  die  halbvocale  keiner  strengen  regel  unterworfen 
sind  (s.  Schmeller  abhandl.  der  baier.  akad.  1844  s.  226). 
In  g!ra  und  g41izü'  bietet  sich  g  als  liedstab;  etwas  ge- 
wagt mag  es  scheinen  hoemisk  hl^p  und  ^a  als  allitera^ 
tionsworte  zusammenzunehmen,  zumal  da  gesetzmäfsig  der 
Stab   im  nachlied  auf  die  zweite  arse  vom  schluls  fallen 


ttber  eine  gothische  mondart.  109 

sollte.  Doch  sind  verse,  wie  „^nnheilög  gofi  ok  um  ]yat 
^oeitDsk.  Yöl.  6.  9  ^ulli  ^akSan  k  gimü.  Vol.  62"",  so  sel- 
ten sie  sich  auch  finden  im  fornyrISalag  nicht  abzuleugnen. 
Es  soll  hier  indes  nichts  weiter  als  die  mögUchkeit  behaup- 
tet werden,  in  unserm  liede  innerhalb  der  langzeile  von  8 
hebungen  auch  noch  die  skandinavisch-angelsächsische  Un- 
terabteilung in  2  alliterationsverse  wiederzufinden.  Ingdölon 
und  gäliztf  (galfzü?)  als  anreimende  worte  anzusehn  ver- 
bietet Verschiedenheit  des  vokais,  wie  der  betonung.  Ueber 
die  möglichkeit  des  reims  in  späteren  gothischen  gedich- 
ten  übrigens  s.  Earajan  sitzungsber.  d.  wiener  akad.  XIII. 
1854,  s.  228.  —  Neben  der  versform  scheint  das  Busbeck- 
sche  bruchstück  noch  von  einer  anderen  seite  den  Stempel 
der  altertümlichkeit  zu  tragen.  Das  ganze  geflOge  entbehrt 
des  artikels;  die  mitteilungen  des  gelehrten  Niederländers 
vervollständigt  aber  gerade  die  bemerkung  „omnibus  vero 
dictionibus  proponebat  articulum  tho  aut  the^.  Unser  lied 
muls  sehr  alt  und  zu  einer  zeit  verfafst  sein,  als  der  ge- 
brauch des  artikels  noch  nicht  zum  durchbrach  gekom- 
men war. 

Gehen  wir  nun  zu  den  einzelnen  formen  des  Busbeck- 
schen  liedes  über,  so  ist 

1)  wara  imperativ  von  warjen  (waren?  altgoth.  waijau). 
Von  varjan  lautet  derselbe  moesog.  varei  zsgzgn.  aus  varji, 
welches  wiederum  aus  varja  entstanden  ist,  wie  die  analo- 
gie  der  formen  Xiye^  lege,  tuda  beweist  (s.  Westphal  ztschr. 
flir  vergl.  sprachk.  IL  187).  Der  Erimmdialekt  stieis  in 
varja  das  j  der  ableitung  aus;  vgl.  anö  Ar  hanjö,  henne. 
ada,  Ovum  setzt  altg.  adja  addja  voraus  (Grimm  gramm. 
I^  107))  borrotsch  voluptas  stellen  Malsmann  und  Dief- 
fenbach  mit  gabaurjödus  zusammen.  —  w  vertritt  bei  Bus- 
beck moesogoth  v.  Vgl.  wintch  =  vinds,  waghen  =  vagns, 
wingart  =  veinagards,  Schwester  =  svistar. 

2)  Ingdolou  ist  auf  den  ersten  bück  als  Zusammen- 
setzung erkennbar.  Bei  Ing  hatte  schon  Maismann  a.  a.  o. 
365  an  den  gott  gedacht.  In  dolou  zeigt  sich  ou  als 
themavocal  der  u-declination,  wenn  man  das  wort  cadariou 


170  MumhArdt 

miles  vergleicht,  welches  MaüsmanD  aus  gadauka,  gadaüra 
socius  1.  Cor.  I,  16  oder  gadraühts  miles  verderbt  sein 
liefs.  Es  ist  aber  analog  Assarjuä,  vaddjus  (altn.  veggr) 
und  stubjus  (v.  stiuban)  und  zwar  von  einem  verbum  daira 
(dar,  derum,  daürans)  gebildet,  das  ags.  ein  deran  (dar, 
daeron,  doren)  mit  der  bedeutung  rumpere  lacerare  voraus- 
setzt und  in  dem  abgeleiteten  derjan  nocere  erhalten  ist. 
Davon  kommt  ags.  dam  damnum,  daräd  telum,  hasta,  altn. 
gehört  dahin  dörr  aus  darus  hasta,  ebenso  ahd.  terian  no- 
cere, tara  laesio.  Gadariou  altgoth.  gadaijus  heifst  also 
der  verwundende,  wie  skado,  skeada,  skaSi,  xatriya  (s.  J. 
Grinmi  zeitschr.  ftlr  vergl.  spraohf.  I.  83).  Ahd.  heilst  ta- 
ralth,  tarihaft  kriegerisch  mannhaft,  lantderi  räuber  gleich 
alts.  landskatho.  Der  wurzel  dhr,  die  filr  diese  sippe  vor- 
ausgesetzt werden  mufs  (verschieden  von  dhr  tragen,  hal- 
ten (Pott  etym.  forsch.  I.  219,  Benfey  griech.  wwb.  IL  326 
=  bhr,  bhar  tragen,  Pott  I.  220.  Benfey  II.  106)  läuft 
eine  unaspirirte  form  zur  seite  von  der  sich  SiQOj  schinden, 
abhäuten,  S^Qig  schlacht,  sl.  derü  abhäuten,  russ.  dratj  bre- 
chen, schinden,  altgoth.  ga-tairan,  ags.  tSran,  ahd.  zeran 
(ziru,  zar;  nhd.  zehren  und  zerren  ableiten.  Dazu  kommt 
auch  skr.  d4ru,  griech.  dogv;  skr.  dru,  goth.  triu,  griech. 
S^g^  slaw.  d'raw  holz,  drjewo  bäum,  denen  man  noch  griech. 
SgvfAog^  skr.  druma  anreihen  kann.  Dieser  ganzen  reihe 
liegt  der  grundbegriff  des  zum  zerspalten  bestiomiten  hol- 
zes  unter  (s.  Kuhn  zeitschr.  f.  vgl.  sprachf.  IV.  84  %gO« 
Eine  dritte  wurzelform  tr,  tär  setzen  rogeiVf  TiTQfaaxuj 
voraus,  verwant  ist  wurzel  dhf  sh  (mit  &äQöog  ga-dars,  ahd. 
tarr).  Ist  hiemach  gadaijus,  ca-dariou  ein  regelrecht  ge- 
bildetes Substantiv,  in  welchem  das  nominativzeichen  abfiel 
wie  in  tag,  plüt,  stül,  salt,  rinck,  statz,  schwalth,  vaghen, 
reghen,  apel,  so  wird  auch  dolou  ein  nomen  von  gleicher 
bildung  sein.  Ich  erkenne  darin  denselben  stamm,  der  zur 
bildung  des  götternamens  Heimdallr,  Heimdöllr,  verwant 
wurde,  ags.  deall,  clarus,  superbus.  Die  namen  Tallo,  Tello 
Graff  IV.  397.  Dal  Weigand  trad.  Corbej.  273.  DalbertPol. 
Irm.  4  gehören  wol  dazu,  nebst  altn.  doli  (aus  dallus)  dea; 


aber  eine  gothische  mimdart.  171 

fem  liegen  altn.  dallr  arbor  prolifera,  ]>5ll  pinus,  dallr  di- 
stributor;  dalr  cornu,  arcus;  dalr  vallis.  Der  ursprüngliche 
a*laat  in  dalu,  dallus  wird  durch  o  yerireten,  wie  schkop, 
skop  in  kilem- schkop  ebibe  calicem  dem  ulfileischen  skap 
entspricht.  Schon  das  älteste  denkmal  germanischer  dich- 
tuDg,  die  runeninschrifl  des  tondemschen  goldhoms  weist 
dieselbe  lautveränderung  in  tavido  =  tavida  auf.  —  Ingdallu 
ist  eine  zusammengesetzte  namensform  für  den  goth.  Ing, 
altg.  IggTS,  altn.  I^ngvi  (beiname  des  Freyr,  myth^  320), 
im  sinne  übereinstimmend  mit  Ingobert.  Aehnlicherwdse 
hieis  bei  den  Angelsachsen  Vodens  gattin  Frea  auch  Frear 
lä^  Frei  erscheint  in  einer  Urkunde  von  959  als  Frigedäg 
(Kemble  die  Sachsen  in  England  übers,  t.  Brandes  1. 297). 
Das  Yom  h.  Wulfred  zerstörte  idol  der  Schweden,  welches 
Adam  von  Bremen  Torstän  d.  i.  J^orsteinn  nennt  (s.  lex 
myth.  660)  war  ein  bild Thors.  Freyja  begegnet  im  dän.  Volks- 
lied als  Fridlefsborg,  im  schwed.  als  Frojenborg.  )^örr  wird 
unter  den  namen  ]>örkar,  ]>örgubbe  verehrt  (lex.  mythol. 
911),  ]>jälfi  ist  im  anhang  zum  Gutalag  ]>ielvarr.  Neben 
Gautr  Sigautr  (Siggautr),  Sigegeät,  Yodelgeit  heilst  ^Cinn, 
Yoden  auch  Gautatyr  (Eyvinds  Eiriks  m.  1).  Aus  dem 
krautnamen  Sirildroed,  Sirildrod  schlosz  Finn  Magnussen 
auf  Syrhildr  fttr  Syr  d.  i.  Freyja  (lex.  mythol.  361).  Pö- 
rahta  heiüst  schwäbisch  und  fr&nkisch  Hildaberta  (mythol. ' 
2ö5),  in  Franken  ebenso  Eisenberta  (Panzer  II.  117  %gO* 
Alle  diese  fälle  setzen  schon  eine  gewisse  Verdunkelung  des 
alten  göttemamens  voraus,  wie  sie  bei  Ing,  Yngvi  frühe  ein- 
trat, so  dafs  man  sich  sein  wesen  durch  die  Zusammen- 
setzung Ingunnar-freyr  zu  verdeutlichen  suchte.  Vielleicht 
war  dallus  ags.  deall  ein  beiname  des  leuchtenden  Sonnen- 
gottes Fravis.  Altn.  döU  =  dallus  dea  dürfte  dann  vor- 
züglich der  Freyja  zugestanden  haben.  Sie  hieis  Mar-döU. 
Ing-dallus  wäre  auf  diese  weise  ein  goth.  analogen  zu  altn. 
^ngvi-freyr.  Einfacher  wäre  es,  könnte  man  dolou  als 
nachgestelltes  eigenschaftswort  fassen.  Aber  der  attribu- 
tive vocativ  ist  überall  nur  der  schwachen  form  fähig  (vgl. 
atta  garaihta,  atta  veiha,  laisari  )>iu>eiga,  abma  unhräinja 


172  UanidiArdt 

gram.  IV.  559).     Man  müTste  also  dolja,   dola  vermuten, 
wemi  keine  Zusammensetzung  stattfand. 

3)  Lesen  wir  scute  nicht  getrennt,  so  kommen  wir  leicht 
auf  die  moesogoth.  form  scuta.  Die  Gothen  in  der  Ejrimm 
schwächten  das  kurze  a  besonders  im  auslaut  zweisilbiger 
Wörter  vor  n  und  r  zu  e.  Daher  finden  wir  bei  Busbeck 
die  infinitive  schieten,  kommen ,  schlipen,  singhen,  lachen, 
crtten  für  moesog.  sciutan,  qiman,  sldpan,  siggvan,  hlahjan, 
grdtan  und  brüder,  Schwester  f&r  brö]>ar,  svistar.  Wenn 
man  geneigt  sein  möchte  hier  eine  Selbsttäuschung  Busbecks 
durch  die  ihm  geläufigen  hochdeutschen  formen  anzuneh- 
men, so  sind  sune  und  mtne  (=  altgoth.  sunna  mdna?)  um 
so  sicherer  echt,  als  sowol  unser  sonne  und  mond,  wie  das 
niederl.  zon  und  maan,  maand  abstehen.  Noch  unbedenk- 
licher ist  oeghene,  das  offenbar  dem  moesogoth.  augona 
entspricht,  aber  wol  auf  ein  mundartlich  verschiedenes  au- 
gana  in  der  spräche  der  Erimm  leitet.  Die  gemeinschaft- 
liche grundform  für  augona  und  augana  ist  in  aug&na  zu 
suchen  (vgl.  Westphal  a.  a.  o.  169.  173,  4.  Ebel  das.  II. 
146).-  Schwieriger  ist  die  frage,  ob  fbr  apel,  waghen,  re- 
ghen  als  ältere  formen  afls,  apls,  wagns,  rigns  oder  afals, 
vagans,  rigans  anzusetzen  sind,  mit  andern  werten,  ob  die 
dem  Krimmdialekt  zu  gründe  liegende  ältere  mundart  des 
gothischen  bereits  die  sufiSxe  al  und  an  in  n  kürzte.  West- 
phals  eng  damit  zusammenhängendes  zweites  lautgesetz, 
welches  aphärese  oder  apocope  jedes  ursprünglich  kurzen 
i  und  a  in  den  ursprünglichen  endsilben  mehrsilbiger  Wör- 
ter verlangt  (a.  a.  o.  164),  scheint  in  der  Krimm  nicht  die 
geltung  wie  im  moesogothischen  gehabt  zu  haben.  Wäh- 
rend die  frühere  regel,  zufolge  welcher  jeder  andere  aus- 
lautende consonant  als  n  und  r  abgeworfen,  oder  durch 
annähme  eines  hülfsvocals  zum  inlaut  gemacht  wurde,  die 
formen  gadeltha  (=s  gadilata)  *)  pulchrum  atochta  ma- 


*)  mhd.  getelich.  Müller  488  oberd.  g&ttlich  aptus,  conveniens.  Vgl* 
gadiliggs  alts.  gadaleng,  ahd.  gataUnc  (vetter,  av^tffio(;)  mhd.  gaten]  parem 
esse.     Dieffenbach  goth.  Wörterbuch  IL  376. 


Ub€r  eine  gothisehe  mimdart  173 

lum  (ädugata?  "^  untauglich  von  dugs,  dugan?  freilich  hat 
das  moesogoth.  nur  die  privativpartikel  un-,  vergl.  jedoch 
altn.  ö,  schwed.  o,  dän.  u,  Grimm  gram.  IL  775)  lista  pa- 
rum  (leitista  zu  leitils  s.  Mafsmann  a.  a.  o.  I,  362.  no.  35) 
hervorgerufen  hatte;  finden  sich  noch  seveno  (sibini?  si- 
bani?  sibuni?)  nyne  (niuni)  thiine  (tihini)  neben  den  moe* 
sog.  formen  sibun,  niun,  taihun,  welche  nach  jener  zwei- 
ten lautregel  aus  sibuni,  niuni,  taihuni  entstanden  sind  (vgl. 
Ebel  in  dies,  zeitschr.  IV,  141).  Scuta,  scute  ist  nun  ac- 
cusativ  von  scuta?  scute?  altg.  scuta  scutös,  oder  wahr- 
scheinlicher dativ  von  altg.  scuts ,  dahinschuls.  Vgl.  ahd. 
scuz,  ags.  scyte  ictus,  meatus,-  ütscyte  (eruptio  eiOBuxus). 
Vaijan  wird  bei  Ulfila  sowol  mit  dem  accus»,  als  dativ 
verbunden. 

4)  Gira  begegnet  dem  moesog.  jSrS.  Schon  Enittel  hatte 
mit  glücklichem  griff  auf  diesen  stamm  gerathen.  Die  aus- 
spräche des  goth.  e  kam  dem  engl,  ee  =  i  sehr  nahe 
(Grimm  gramm.  11".  57,  2.  59),  woraus  sowol  einerseits 
Übergänge  des  e  in  ei  =  ii  (z.  b.  leikeis  ==  l^keis,  veisun 
=  v^sun,  oder  i  (z.  b.  quimi  =  quemi,  svileiks  ^  sv6- 
leiks)  als  auch  andererseits  Verdichtungen  von  ei  in  6  (vShsa 
=  veihsa)  und  vertauschung  von  i  mit  e  (sSneigs  =  sineigs, 
usdrSbi  ^  usdribi)  entsprangen.  Den  stamm  mSr  schrei- 
ben lateinische  Schriftsteller  meist  mir.  Bei  Coripp  liest 
man  Hildimir  Geilamir,  während  Procop  FekifiiQ  sagt. 
Jemandes  setzt  Theodem!r,  Valemir,  Videmir,  an  einer  an- 
dern stelle  aber  Filimir;  Hugo  von  Plavigny  der  den  Jor^ 
nandes  ausschreibt  (chronic.  Virdunens.  Mon;  Germ.  X.  318). 
Theodemlr,  aber  Yidim^r.  Ammian.  Marcellin.  XX  XL  3, 3 
führt  als  nachfolger  des  Airmanareiks  ,,Vithimtris^  auf,  eine 
form,  weiche  beweist,  dafs  der  stamm  mtr  wie  ahd.  m&ri 
auch  gothisch  zum  thema  ja  hatte  und  wie  sutis  deklinirt 
wurde.     Zu  vergleichen  ist  Vandemiris  in  einer  fränki- 


*)  Eine  yenchiebong  von  d  in  t  scheinen  auch  die  wOrter  plüt  (blö^) 
wiDgart  (Teinagards),  alt  (aide)  tag  (dags)  za  beliunden,  wozu  Smaragdns 
die  parallelen  Altmir  (Aldamirß),  Watmlr  (Vadamlre)  GUtmtr  (GxldimÖw) 
bietet. 


174  Manohaidt 

sehen  Urkunde  von  690  aus  der  gegend  von  Paris  (Mabil- 
lon  de  re  diplomat  s.  256  a  —  c),  einer  landschaft,  welche 
im  7ten  und  8ten  Jahrhundert  auch  sonst  die  gothische  na- 
mensform gewährt.  Vgl.  Acmir.  Pol.  Irm.  16.  Arcemtr.  Pol. 
Irm.  204.  Bertimfr.  Pol.  Irm.  139.  Euremir.  Pol.  Irm.  217. 
Protmtr.  Pol.  Irm.  215.  261.  Gislemir  Pol.  Irm.  206  mit  den 
rein  fr&nkischen  formen  derselben  quelle.  Altmär  89.  109. 
Haltm&r  43.  Ausmar  112.  Audomar  150.  Erbemär  79.  115. 
Ercammar^  Ercamär  265.  27.  Erlemär  115.  Euremär  115. 
Geremär  25  u.  s.  w.  In  Italien  lebte  die  ostgothische  form 
lange  unter  Langobarden  fort,  in  deren  eigener  spräche 
mär  galt  (z.  b.  Hersemär  g.  d.  d.  spr.  690).  Dructemtr  hiefs 
ein  Unterkanzler  und  notar  kaiser  Lothars  in  Italien  (Ma- 
biüon  de  re  diplom.  115d).  Der  westgothische  abt  Sma- 
ragdus  schrieb  zwischeü  805 — 824  Altimir,  Giltimtr,  Rain- 
mtr,  Sichimtr,  Watmtr  (z.  f.  d.  a.  I.  389).  Die  gothische 
Urkunde  von  Neapel  bietet  von  demselben  stamm  ein  M£- 
rica  d.  i.  Mirika  neben  der  gleichbedeutenden  namensform 
M^rila  (s.  Mafsmann  goth.  Urkunden  s.  22).  Allen  diesen 
vandalischen ,  ost-  und  westgothischen  analogien  entspre- 
chend gewährt  Busbecks  Verzeichnis  schilpen,  crtten,  mycha 
(mtcha)  mine  =  altg.  slepan,  gr^tan  (greitan),  mdkeis, 
mena.  Dem  Übergang  von  j  in  g  steht  das  angelsächsi- 
sche mit  gear,  so  wie  die  analogie  eines  öfteren  Übergangs 
von  sanskr.  y  in  griechischen  guttural  zur  seite.  So  be- 
gegnen sich  auch  jer,  wga^  hora  (Ahrens  dial.  I.  p.  24. 25. 
Kuhn  zeitschr.  für  vergl.  sprachf.  11.  269).  Die  Boeoter 
sagten  yiag^  die  Slaven  iar,  gar  frühling  (gesch.  d.  d.  spr. 
73).  —  Das  auslautende  a  in  gira  rechtfertigt  sich  durch 
Verkürzung  aus  der  ursprünglichen  form  pr-ä  (jeraän,  jö- 
raäm)  vgl.  ags.  fisca,  hirda,  vorda,  fata,  rica  dseda  neben 
alts.  fiscö,  hirdjo,  word6,  fatö,  kunniö,  dädjö. 

5)  galizu  scheint  gen.  plur.  eines  adjectivs,  QSlt  das  ent- 
weder gäl,  altg.  gails,  altn.  gälr,  ags.  gäl  mit  abgeleitetem 
begri£P  wie  in  altn.  gäli,  fem.  gäla  fatuus  morio  närrisch, 
wunderlich  f  oder  gal  altg.  gals  anzusetzen  wäre.  Letzteres 
müiste  von  galan  (gala,  g61,  golum,  galans)  singen,   wie 


aber  eine  gothiscbc  mnndart.  176 

liubs,  vairj^s  von  liuban,  Tair]>an  mit  passiver  bedeatoDg 
gebildet  sein,  welche  etwa  dem  altn.  galinn,  schwed.  galen, 
dän.  gal  verzaubert,  wahnsimiig,  wütend  gleichkäme.     Vgl. 
noch  ags.  gselan  yemachlässigen,  gselnis  ekel.  —  Der  moe- 
sog* g^^  pluf-  ^  clas  nentrum  von  gails,  gab  w&re  gai- 
laize  oder  gälaizd';  galizü  führt  aber  zunächst  auf  ein  aus- 
lautendes 6,  wie  bei  den  moesogothischen  femininis.    Denn 
ü  ist  in  der  Erimm  an  die  stelle  eines  älteren  ö  getreten. 
Vgl.  brüder,  stül,  plüt,  brö^ar,  stöls,  blö^,  eine  erscheinung, 
welche  nns  bereits  in  der  gothischen  Urkunde  von  Neapel 
entgegentritt,  wo  z.  91.  129  diakün  neben  diakon  z.  95  sich 
findet.    In  der  Urkunde  von  Arezzo  begegnet  Alamüd  z. 
12.  32  f&r  Alamod,  Alam&>,  wozu  "AQtfiovd'  Proc.  b.  goth. 
4,  24.  'EßQifioi)»  ib.  1 ,  8.  <Paefiov&  (Hercules  ibid.  3,  34, 
35,  39  b.  pers.  2,  24.  Agath.  1,8)  und  OogifiovO-  neben 
Thorismödus  Procop.  b.  goth.  3 ,  11 ,  37  sich  stellen.     Es 
mufs  eine   besondere  eigenthümlichkeit  des  krimmdialects 
in  der  endung  -aizö  oder  tzö  fiir  den  gen.  plur.  masc.  und 
neutr.  gen.  bestanden  haben.     Die  differenz  des  moesogoth. 
e  und  des  krimmischen  6  löst  sich  jedoch  durch  die  alte 
endung  -&m,  -4,   aus  welcher  beide  laute  verschieden  ent- 
wickelt sind  (s.  Westphal  a.  a.  o.  II.  168,  2.    Ebel  ebend. 
IV.  151).     Der  t-laut  (galizu)  findet  sein  analogen  im  Gu- 
dilivtts   der  Bavennater   Urkunde   aas  Arezzo   z.  42    nach 
MaTsmann  (frabauhtabökos  oder  die  gothischen  Urkunden 
von  Neapel  und  Arezzo  s.  10;  18a.  24)  gleich  Gudilaibs. 
Er  erklärt  sich  durch  Verdichtung  des  aitgoth.  ai  zu  6  (vgl. 
ahd.  plintSro,  alts.  blindere,  altfr.  blindera,   ahd.  Sscdn  == 
eiscön,  alts.  fresa,  kSsur,  Sscön,  g^st,  l^stian,  mSst;   fries. 
fr^a,  w^sa,  fi^sk,  g^st;  altn.  flöstr,  mSstr)  und  darauf  un- 
organischen Übergang  von  S  in  t  (vergl.  ahd.  Girard.  Pol. 
Irmin.  86.  204  =  Geirard  Pol.  Irmin.  115.    Gerhard.  Pol. 
Irm.  79.    Kferhart.  Naug.  urk.  784.    Girfrid  Pol.  Irmin.  27. 
K^rfrid  Naug.   Girhaus  Pol.  Irm.  37  =a  G^rhaus  Pol.  Irm. 
82.  Glrulf.  Pol.  Irmin.  139  =  KSrwolf.  Meichelb.).     D*ftr 
spricht  die  nebenform  GudU^bus  z.  11.  32  ffir  obiges  Gu- 
diliv.    Oder  läge  hier  zuerst  ein  galeizö  aus  galaiz6,  dann 


176  MaimhArdt 

verdichtong  des  ei  zu  i  vor?  Daf&r  könnte  iel  d.  i.  tl  ^ 
hail  sprechen*). 

6)  boemisc  wurde  schon  durch  Mafsmann  von  I6p  ge- 
trennt, und  für  haimisk  genommen.  Der  vocal  oe  kehrt 
aber  noch  dreimal  in  Busbecks  verzeichnüs  wieder  (broe, 
hoef,  oeghene  =  brau]»,  häuf  haubi}>,  augöna)  vertritt  of- 
fenbar au  und  lautete  =  ü.  Busbeck  bediente  sich  der 
aus  seiner  niederländischen  muttersprache  ihm  geläufigen 
zeichen  zum  ausdruck  einer  leisen  Verschiedenheit  der  aus- 
spräche von  ü  in  brüder,  plüt,  stild,  und  von  ou  in  dolou, 
cadariou,  womit  er  einen  geschärften  laut  =  franz.  ou  wie- 
dergeben woUte.  Ganz  consequent  scheint  er  hievon  hüs? 
hus?  moesog.  hus  zu  scheiden,  wie  auch  ahd.  hüs  von  situ, 
firidu,  siku,  wie  ougä,  houbit  absteht.  Die  lesung  haumisc 
leitet  zu  hauhmisks  „dem  volk  entsprossen,  gehörig^.  Hauhma 
verhielte  sich  zu  dem  bei  Ulfila  bewahrten  hiuma,  hiuhma, 
wie  lauhma  (s.  lauhmuni)  zu  liuhma,  ags.  leoma,  altn.  leöma, 
alts.  liomo;  band  zu  binde,  rand  zu  rinde,  grübe  zu  grab, 
g-laube  zu  liebe.  So  möchte  goth.  sauls  gegenüber  ahd. 
sül  aus  siul  aufzufassen  sein  (s.  dagegen  gram.  I^.  101,2). 

7)  lep  =  hlaifs,  wie  Mafsmann  wahrnahm.  Das  anlau- 
tende h  ist  abgefallen,  wie  in  lachen  =  hlahjan.  Der  vo- 
calübergang  wird  durch  ahd.,  alts.,  altn.  analogien  gedeckt. 
Der  auslaut  scheint  verschoben,  wie  der  auslaut  in  plüt, 
der  inlaut  von  apel  und  der  auslaut  von  schkop  und  stap. 

8)  Dorbiza  giebt  sich  bald  als  comparativ  zu  erkennen. 
Denn  z  vertritt  bei  Busbeck  altg.  z  (vgl.  galizü).  Deut- 
lich ist  davon  tz  geschieden  als  Vertreter  eines  altgoth.  )», 
vgl.  goltz,  statz,  tzo  für  gul)?,  sta}>,  >u  (vgl.  Dieffenbach  re- 
cension  von  Haupts  zeitschr.  I.  Hall,  literaturz.  1843.  Jan. 
s.  65).  Diese  gezischte  ausspräche  des  ]>  ist  alt.  In  einer 
Urkunde  bei  Muratori  414,  4  lesen  wir  Sehudericus  für 
Theodoricus.  IHi^ag  rov&og  ccv^q  bei  Procop  de  hello 
Goth.  L  15,  16  heifst  bei  Cassiodor  5,  29  Pithia  (gesch. 
d.  d.  spr.  479).     Nach  den  Westgothen  hiefs  der  südliche 


*)  Ist  auch  ies  (fs)  ss  jains  mit  ansfall  des  n?? 


ttber  eine  gotlusche  mnndart.  177 

küstenstrich  auf  der  ostseite  der  Pyrenften  Gozia  d.  i.  60- 
thia;  bei  Socrates,  Procop  und  Agathias  beg^nen  Bovq^ 
yovvCi^VBs  sss  Burgunthjans.  Scanzia  ist  Scanthia,  Scan- 
dia. Sp&ter  wurden  nordische  pilgrime  J'or,  J^orgils  im  Rei- 
chenauer  necrolog  Zor,  Zorgils  eingetragen;  das  um  1150 
gegründete  Northuna  (Nörten)  bei  Göttingen  heifst  100 
jähre  nachher  Norzun  (gesch.  d.  d.  spr.  395).  Der  hoch- 
deutsche dialekt  verwante  z  =  th  überall  an  stelle  älterer 
t  der  gothischen  lautstufe.  Neben  dem  zischlaut  zeigte 
das  gothische  y  eine  starke  hinneigung  zum  d  (gram.  I'. 
62.  63),  woraus  brüdei:  =>  brö]>ar  deutlich  wird.  Das  letz- 
tere beispiel  berechtigt  die  media  in  dorbiza  einer  moesog. 
aspirata  gleichzustellen  und  als  positiv  entweder  ]»aürbs 
oder  l^arbs  mit  getrübtem  o  (=  skop,  dolou)  anzusehn. 

9)  ea  accusatives  adverb.  s=  moesog.  aiv,  ahd.  co,  ags.  &, 
doch  im  geschlecht  von  diesen  Wörtern  verschieden,  da  ea 
eine  weibliche  form  eva  =  aiva  voraussetzt  s=  althochd. 
ewa,  ea. 

Aufser  der  oftmaligen  kriegsgefahr  mögen  miswachs 
und  hungersnot  die  immer  enger  in  ihren  bergen  einge- 
schlossenen Gothen  nicht  selten  in  die  traurigste  läge  ver- 
setzt haben,  und  solche  zustände  waren  ganz  geeignet  bei 
ihnen  das  andenken  eines  liedes  wach  zu  erhalten,  welches 
ihre  heidnischen  vorfahren  in  gleicher  bedrängnis  gesungen 
hatten.  Ing  goth.  Iggvs  war  Freyr,  goth.  Fravis,  Frauja 
ganz  oder  nahezu  wesensgleich,  der  wie  sein  ganzes  ge- 
schlecht als  gott  des  friedens  und  des  ämtesegens  verehrt 
wurde.  Njörör  goth.  Nair}>us,  Nerthus,  Freys  vater  wal- 
tete über  dem  Wachstum  der  thiere  und  pflanzen  und  ge- 
währte den  menschen  glück  und  reichtum.  In  seinen  ta- 
gen erzählen  euhemeristische  berichte  späterer  zeit,  herrschte 
all  guter  friede  und  aller  art  erzeugungsfülle. 
(Yngltngas.  cap.  XI)  Freyr  war  freundlich  und  frucht- 
barglücklich (vtnsaell  ok  ärsaell).  Ihm  schrieben  die 
Schweden  den  Froöfrieden  zu  „da  war  fruchtbar- 
keit  (är)  durch  alle  landet  Opfer  bluteten  ihm  um 
frieden  und  reichthum.     Wenn  alljährlich  Freys  bild- 

V.    8.  12 


178  Mamihardt 

sftule  auf  einem  wagen  durchs  land  der  Schweden  geföhrt 
wurde,  strömte  das  volk  dem  wagen  entgegen  und  brachte 
Opfer.  Dann  klärte  sich  das  wetter  auf  und  alle  hoff- 
ten ein  fruchtbares  jähr  (fommannasög.  IL  73  — -  78). 
Adam  von  Bremen  nennt  Freyr  (Fricco)  ^pacem  volupta- 
temquc  largiens  hominibus^.  Als  Olaf  Trygvason  das  bild 
Freys  in  Drontheim  stürzte,  sagten  die  alten  Verehrer  des 
gottes,  er  habe  oft  mit  ihnen  geredet,  ihnen  die  zukunft 
vorhergesagt,  gute  ärnte  und  frieden  geschenkt. 
(Olafs  Trygvasonarsag.  Skalth.  IL  19—50).  Als  friede- 
gott  duldete  Freyr  in  seinem  tempel  zu  Vatnsdal  keine 
Waffen,  den  hof  zu  ]>verä  durfte  kein  mörder  oder  geäch- 
teter betreten  (Vigaglumss.  cap.  19).  Man  trank  Njar- 
6ar  ok  FreysfuU  til  ärs  ok  fri($ar.  Wie  Freyr  wird 
sein  söhn  Fiölnis  als  ärsaell  ok  fri^ssell  geschildert. 
Hatte  Ing  an  Fravis  wesen  anteil,  so  kam  es  auch  ihm 
zu  frieden  und  getraidesegen  zu  spenden.  Die  alten  Go- 
then  an  der  Maiötis  flehten  ihn  an,  dem  dahinstnrz  der 
jammervollen  gleichsam  verzauberten  kriegsjahre  zu  weh- 
ren und  den  immer  dürftiger  werdenden  ertrag  des  Feldes 
und  der  weinberge  zu  bessern.  Aber  wie  konnte  sich  ein 
heidnisches  lied  unter  griechischen  katholiken  so  lange  er- 
halten? Rühmt  doch  schon  Procop  (de  hello  Goth.  IV,  4) 
die  neigung  des  völkchens  zum  Christentum.  Anfangs  Aria- 
ner  hatten  sie  später  bischofe  aus  Constantinopel  und  noch 
Busbeck  sagt  „inter  hostes  religionem  adhuc  retinent  chri- 
stianam^.  Aber  sehr  tiefe  wurzel  mufs  das  evangelium  bei 
ihnen  nicht  geschlagen  haben.  Der  jesuit  Mondorf  kaufte 
einen  rudersclaven  aus  diesem  volk,  den  er  auf  einer  tür- 
kischen galeere  traf,  und  erfuhr  von  ihm,  dafs  der  ganze 
gottesdienst  seiner  landsleute  in  der  Verehrung  eines  alten 
baumes  bestehe  (Büsching  neue  erdkunde,  aufl.  7.  11.  2, 
1655  anno  1760).  So  gut  wie  bei  den  Litauern  lieder 
von  Perkunas,  Bangputys,  Laima,  Sillaradicis,  Zemina,  GiU 
tine,  den  sonnentöchtem  (saules  dukrytes)  den  gottessöh- 
nen  (diewo  sunelei)  dem  morgenstem  (auseklis  auszrinne) 
noch   heute  im  munde  des  volks  lebendig  sind,    oder  wie 


über  eine  goUileche  mundart.  179 

die  Ebsten  fortdauernd  Kallewi  (Kallewepoeg)  Salme,  Tur- 
ris,  Pupainas  preisen,  mochte  der  gothische  stamm,  wäh- 
rend vielleicht  in  der  Ungunst  der  zeiten  der  volksgesang 
sonst  seine  erzeugnisfahi^eit  verloren  hatte,  einige  verse 
vom  leuchtenden  gotte  Ing  bewahren.  Wie  wenn  Ingdo- 
lou  sogar,  wie  firauja  zu  einer  bezeichnung  des  christlichen 
gottes  geworden  wäre? 

So  unsichere  Vermutungen  noch  zum  teil  den  obigen 
deutnngen  zu  gründe  liegen,  soviel  wird  sich  behaupten 
lassen,  dafs  die  Busbeckschen  sprachproben  einen  bei  aller 
Übereinstimmung  vielfach  von  Ulfila's  mundart  abweichen- 
den dialekt  zu  unserer  künde  bringen,  welcher  oft  dem 
althochdeutschen  und  altsächsischen  nahe  tritt.  So  scheint 
nicht  die  moesog.  brechung  von  i  und  u  vor  h  und  r  gel- 
^luig  gehabt  zu  haben.  Denn  Busbeck  schreibt  thiine 
(tiXne,  tihini)  =:  moesog.  taihun;  thum  s=s  daur;  uburt  s 
vaurl^i.  Dagegen  trat  6&e  ahd.  brechung  oder  umlaut  von 
i  und  u  durch  nachfolgendes  a  ein.  S.  reghen  ==  rigans, 
Schwester  =  svistar,  gadeltha  =  gadilata;  fers  =  ahd. 
firahi*)  (s.  Dieffenbach  wwb.  I.  361)  stem  =  stiran,  moesog. 
staimd,  Stella  (sterula)  ä-cv^g^  stega  viginti  =  stiga,  goltz 
moesog.  gul)?,  boga  moesog.  buga.  Kor  und  dorbiza  ma- 
chen nur  scheinbare  ausnahmen,  da  ihnen  die  stamme  ku- 
rana,  J^urba  zu  gründe  liegen.  Borrotsch  greift  weiter  als 
selbst  das  ahd.,  wie  auch  schon  sggi  in  SSgimerus,  Sögi- 
mundus  bei  Tacitus  ahd.  siku  entspricht.  Im  ek  derTon- 
dernschen  runeninschrift  (welches  aus  grammatischen  grün- 
den nur  für  altgoth.  ik  ego  angesehen  werden  darf,  obwol 
zwischen  ihm  und  hleva  das  übliche  trennungszeichen  fehlt) 
hat  eben  so  das  verlorene  a  der  zweiten  silbe  (vergl.  skr. 
aham)  bereits  i  in  e  verwandelt.  —  Augenscheinliche  Ver- 
schiedenheiten weist  die  Wortbildung  beider  dialekte  auf. 
Handa    steht   moesog.  handus   g^enüber,   mycha  gladius 


*)  Wttre    der  anslant  hier  wie  in   vintch   yentns,    bonrotsdi  volanta«, 

rintsch  mons,  icltsch  \'ivn8  sive  Banns  durch  verh&rtung  eines  j  entstanden, 

80  dars  man   etwa  vindeis,  bhnijodei,  urrinni  (quod  surgit)  aailis  anÄUsetzen 
hätte? 

12* 


IgO  Mannhardt 

moesog.  m^keis.  Durch  brunna  und  boga  scheinen  diese 
Worte  der  consonantischen  declination  zugewiesen  zu  wer- 
den (vergL  moesog.  altfries.  ags.  brunna,  ahd,  alts.  bninno 
und  ags.  boga,  ahd.  poko,  altn.  bogi),  wohin  wir  auch  miera 
zählen  werden,  da  bei  insekten  männliches  geschlecht  nicht 
unerhört  ist  (vgl.  trSno,  wtso  homuz,  pr^mo,  heimo,  glfmo, 
chSvero,  wtbil)  und  miera  (aus  miora  miura)  das  ablautend 
yerwante  masc.  altn.  maur  neben  sich  hat.  Für  eine  männ- 
liche benennung  der  band  lassen  sich  alts.  ags.  folm,  goth. 
Idfa,  altn.  16fi  als  beispiele  anftQiren.  Da  in  sämmtlichen 
germanischen  dialekten,  selbst  in  den  urverwanten  sprachen 
die  namen  des  eies  neutral  sind,  wird  ada  als  entstanden 
aus  adä,  addjä,  moesogoth.  addjd  neben  dem  von  Grimm 
gemuthmafsten  addi,  gen.  addjis  zu  betrachten  sein;  woge- 
gen ano,  ringo  feminina  mit  consonantischem  thema  = 
moesog.  hanjö,  hriggö;  sune,  mine  Wörter  der  weiblichen 
ft-deklination,  abweichend  von  moesog.  sunnö  und  siinna 
(sunnins),  mena  (menins,  oder  doch  menös?)  zu  sein  schei- 
nen. Moesog.  haubi]>  begegnet  dem  unerweiterten  hoef; 
daur  dem  verstärkten  thum ;  stap  capra  stellt  sich  zu  ahd. 
scftf  Ovis,  moesog.  skSf,  zu  dem  es  sich  verhält  wie  stiban, 
staf^  stebun  zu  skiban,  skaf,  sk^bun  und  die  wurzeln  stabb, 
stambh  zu  skabh,  skambh  (s.  Kuhn  zeitschr.  für  vgl.  spr. 
I.  139).  Dieffenbach  merkt  albanes.  scap  Ziegenbock  an 
(wb.  IL  318.  no.  157). 

Vielleicht  ist  ies  noch  möglich  in  der  Krimm  ausf&hr- 
lichere  nachrichten  und  spuren  von  unsem  Gothen  zu  ent- 
decken, die  seit  der  letzten  hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts 
sich  gänzlich  unter  die  Tartaren  verloren  zu  haben  schei- 
nen. Wenigstens  versicherte  ein  Deutscher,  welcher  vor 
wenigen  jähren  den  Chersones  bereiste,  von  einem  Tarta- 
ren gehört  zu  haben,  dafs  er  und  seine  leute  fränkischen 
Ursprungs  seien.  Allen  freunden  der  vaterländischen  Wis- 
senschaft, welche  im  englisch-französischen  lager,  oder  sonst 
in  der  Krimm  geeignete  Verbindungen  besitzen,  sei  die 
nachforschung  warm  ans  herz  gelegt. 
Berlin.  Dr.  W.  Mannhardt 


zur  lateiuisdien  lautlelire.  181 

Zur  lateinischen  lautlehre. 

1)  e  und  T. 

Eine  der  schwierigsten  fragen  betri£%  das  Verhältnis 
des  kurzen  e  und  i  im  lateinischen.  Geht  e  in  i  oder  i 
in  e  über?  unter  welchen  bedingungen  wird  a  zu  e  oder 
zu  i?  Beginnen  wir  mit  der  letzten  frage,  so  steht 

1)  zwar  im  allgemeinen  fest,  dafs  a  an-  und  inlau- 
tend vor  einfachen  consonanten  mit  ausschlufs  des  r  in  i, 
vor  doppelconsonanz  und  r  in  e  überzugehn  pflegt,  vergl. 
exigo  conficio  instituo  concido  accipio  prohibeo  desilio  emi- 
nus  condimu8.(condis,  inlautendes  s  geht  in  der  regel  zu 
r  über,  daher  fehlt  hier  ein  beispiel  des  is  im  inlaut)  pe- 
peri  excerpo  aspergo  peperci  impertio  conspersus  incendo 
concentus  fefelli  condemno  defessus  incestus  impetro  con- 
secro  peregrinus  infectus  ineptus  princeps  remex;  ebenso 
lautet  der  binde vocal  in  der  conjugation  vor  einf.  cons.  -i, 
vor  r  und  dem  nt  des  part.  -e,  und  in  den  nom.  ag.  findet 
sich  meretrix  bestandig,  genetrix  wenigstens  in  besserer 
zeit  neben  genitor.  Im  einzelnen  unterliegt  aber  diese  re- 
gel gar  manchen  ausnahmen,  zu  gunsten  des  e  etwa  in 
perpetior  aggredior  defetiscor,  nerienis  Anienis  lienis  hie- 
mis,  pietas,  genetivus,  wo  das  i  dissimilirend  gewirkt  hat, 
ohne  ersichtlichen  grund  in  iUecebrae,  nur  scheinbar  in  in- 
teger wegen  integro  (perpetuus  ist  schwerlich  von  pateo 
abzuleiten),  viel  häufiger  aber  zu  gunsten  des  i.  *  Bleiben 
virir  zunächst  bei  den  Veränderungen  stehen,  die  a  erst  auf 
lateinischem  boden  erfährt,  so  erscheint  i  fiir  lat.  a  regel- 
mäfsig  vor  ng  (infringo  compingo  attingo),  ausnahmsweise 
vor  gn  (pignus)  und  vielleicht  vor  x  (prolixus?  nach  Pott 
aus  laxus),  und  wenn  wir  den  lat.  boden  verlassen,  mehren 
sich  die  beispiele  des  i  fiür  a  (unzweifelhaft  in  inguen,  ignis= 
skr.anji,  agni,  höchst  wahrscheinlich  auch  in  singuli^  tignum, 
Iignum).  Berücksichtigung  verdient  dabei,  dafs  eng  gar 
nicht,  das  analoge  ong  nur  in  longiis  (statt  dlongus  = 
altpers.  daraga,  zend  daregha  u. s.w.)  und. dem  altlat.  tongeo 


182  Ebel 

vorkommt,  beidemal  goth.  a  in  (t)lagg8  and  ]>agkjan  gegen- 
über; enc  in  juvencus  bewahrt  das  e  von  juven-is,  sonst 
läfst  das  fehlen  des  onc  neben  dem  häufigen  vorkonomen 
des  unc  (offenbar  fQr  a  z.  b.  in  uncus  =  07^x0^9  skr.  anka) 
wie  des  ung  {tnngiis  =  anoyyog,  unguentum  =  anjas)  auch 
hier  ine  erwarten,  und  wenn  sich  dies  (aufser  mit  orga- 
nischem i  wie  in  vinco)  nicht  findet,  so  ist  der  grund  wohl 
in  der  lat.  erweichung  der  tennis  zu  suchen ,  die  uns  z.  b. 
pango  dem  skr.  pa^  gegenüber  zeigt.  Vor  mb,  mp  scheint 
der  Yocal  zweifelhaft,  doch  deuten  sowohl  imber  =  skr. 
abhra  (osk.  anafri  II.  3U6)  und  simpIex  vom  skr.  sama,  als 
die  Seltenheit  des  omp  (oder  yielmehr  sein  gänzliches  feh- 
len, denn  comptus  promptus  haben  entweder  langes  oder 
erst  durch  die  position  gekürztes  o)  neben  dem  öfteren 
umb,  ump  darauf  hin,  dafs  auch  hier  lat.  a  nur  in  i,  nicht 
in  e  übergehn  würde:  exemplum,  von  Pott  zu  amplus 
gestellt,  ist  wohl  vielmehr  von  emo  abzuleiten,  so  dafs  ex- 
emplum „muster^  wie  eximius  „musterhaft^  bedeutet.  Ein- 
zeln findet  sich  i  sogar  vor  n  d  in  cicindela  neben  accendo, 
vor  nt  in  inter  (das  wir  des  osk.  anter  wegen  doch  wohl 
vom  skr.  antar,  nicht  vom  lat.  in  ableiten  müssen),  vor  nf 
in  inferi,  vor  r-verbindungen  in  virga,  Virgilius*),  vor  st 
vielleicht  in  tristis  (nach  Bopp  von  wrz.  tras),  vor  h  in 
mihi  im  Widerspruch  mit  veho  (hier  wohl  aus  älterem  mifi 
bewahrt).  Demnach  geht  lat.  a  regelmäfsig  in  i  über  vor 
einfachen  cons.  aufser  r  h  v  (vor  dem  a  überall  unverän- 
dert bleibt)  und  vor  ng,  regelmäfsig  in  e  vor  r  und  r-ver- 
bindungen, SS,  st,  ps,  X,  nt,  nd,  doppelter  muta,  doppelter 
liquida  und  muta  cum  liquida;  ursprünglichem  a  entspricht 
i  auch  in  anderen  &Ilen,  namentlich  vor  mb,  mp. 

2)  Ursprünglichem  a  steht  aber  (aufser  vor  v)  fast 
in  allen  fällen  an-  und  inlautend  auch  lat.  e  zur  seite,  so 
dafs  vielfach  in  denselben  wurzeln  und  Wörtern  flexion,  ab- 


*)  Das  i  von  firmus  ist  dagegen  vom  standpunctc  des  lateinischen  aus 
als  organisch  zu  betrachten,  vgl.  skr.  dhira,  das  i  von  vir  offenbar  aus  i 
verkürzt,   wie  skr.  vtra  zeigt 


zur  lateinUchen  lautlehre.  Ig3 

leitung  und  Zusammensetzung  e  und  i  neben  einander  zei- 
gen, und  nun  die  frage  entsteht:  welcher  von  beiden  vo- 
calen  ist  der  frühere?  In  allen  fällen,  wo  auf  lat.  boden  e 
und  i  in  der  wurzel  wechseln,  läfst  sich  dies  nur  durch  die 
annähme  erklären,  dals  für  ursprüngliches  a  zunächst  e  ein- 
getreten und  dies  dann  weiter  in  i  geschwächt  ist;  denn 
da  beim  vortreten  der  reduplication  wie  der  partikeln  überall 
das  princip  der  Schwächung  des  wurzel vocals  waltet,  aus 
jüro  z.  b.  sogar  pgero  entspringt,  so  mufs  auch  in  teneo 
ein  stärkerer  vocal  sein  als  in  contineo  und  tetini.  Wenn 
also  Yor  doppelconsonanzen  e  bleibt,  was  hier  viel  conse- 
quenter  geschieht,  als  lat.  a  gegenüber  (dem  aspicio  col- 
ligo  consideo  constiti  adimo  contineo  stehen  ohne  ausnähme 
aspectus  consessus  ademptus  contentus  aspexi  adempsi  zur 
Seite,  denen  sich  auch  exemplum  anschlieist),  so  zeigt  sich 
darin  das  bedürfrds,  den  vocal  vor  zu  grofser  schwäche 
gegen  die  consonanten  zu  schützen;  wenn  bei  der  redupli- 
cation auch  vor  einüsichen  cons.  durchweg  e  bleibt,  peperi 
pepuli  cecidi,  so  finden  wir  dem  analog  auch  in  andern 
sprachen  die  äulserste  Schwächung  in  der  redupl.  vermie- 
den, im  gothischen  sogar  den  diphthong  ai.  Wir  müssen 
also  auch  da,  wo  a  noch  auf  lat.  boden  auftritt,  vne  in  ca- 
pio  acceptum  accipio,  princeps  principis  das  e  als  erste,  i 
als  zweite  Schwächung  des  a  betrachten,  und  princeps-cipis 
schliefst  sich  somit  gevnssermafsen  dem  im  ersten  bände 
besprochenen  formwechsel  in  der  dedinatäon  an.  Diese 
reihenfolge  in  der  Schwächung  a  e  i  bestätigen  denn  auch 
teils  formen  wie  pes  pedis,  die  niemals  i  dem  e  gegenüber 
zeigen,  teils  und  ganz  besonders  altlateinische  formen 
vrie  semol,  mereta,  neben  denen  späteres  genitriz,  Virgilius 
eine  noch  in  classischer  zeit  fortdauernde  Schwächung  des 
e  in  i  zeigen.  Das  lateinische  steht  also  in  dieser  bezie- 
hung  dem  deutschen  und  slavischen,  in  denen  e  aus  i,  o 
aus  u  hervorgeht,  gerade  entgegen;  nur  darf  die  Verwand- 
lung des  e  in  i  keinesweges  als  ein  umlaut  bezeichnet  wer- 
den, wie  z.  b.  Pott  in  den  etym.  forsch,  gethan  hat,  da 
ein  folgendes  oder  vorhergehendes  i  hier  durchaus  nur  dis- 


184  £bel 

eimilirend  wirkt.  (Eher  könnte  bei  consilium,  exiliam  ge- 
gen consol,  exul  assimilation  im  spiele  sein.) 

Das  e  bleibt  übrigens  in  vielen  wurzeln,  wo  man  i 
erwarten  könnte,  durchweg  auch  vor  einfachen  conso- 
nanten,  so  nicht  blols  in  den  compositis  von  metior,  in 
denen  das  i  dissimilirend  wirken  konnte,  sondern  aach  in 
denen  von  peto  meto  edo  tego  sequor  seco  gemo  fremo 
tremo.  Demgemäfs  erscheint  auch  in  der  flexion  von  stam- 
men, deren  wurzel  e  zeigt,  mehrfach  durchweg  e  wie  in 
perpes  impes  praepes  interpres  indiges-etis,  aquilez- legis, 
foenisex-secis  (vergl.  perpetulis  impetus  pretium),  während 
wurzeln  mit  lat  a  überall  regelmälsigen  Wechsel  zeigen: 
remex-igis,  artifex-ficis,  princeps-cipis  (vergl.  auch  aQceps- 
cipitis,  wie  von  e-wurzeln  auspex-spicis,  simplex-plicis,  von 
einer  u-wurzel  caelebs-libis  *). 

3)  Eigentümlich  erscheint  das.  Verhältnis  der  beiden 
vocale  in  den  endsilben  vor  einfachen  consonanten,  na- 
mentlich s  und  n.  Vor  s  tritt  i  für  a  ein  im  gen.  der 
dritten  decL,  in  der  2.  sg.  praes.  der  dritten  conj.,  in  allen 
2.  sg.  pass.  und  2.  pl.  act.  Warum  steht  nun  neben  legis 
legis  legeris  legitis  ein  deses-sidis,*  superstes-stitis? 
Man  könnte  etwa  meinen,  das  -es  stände  wegen  der  ge- 
schlossenen silbe,  das  i  in  legis  nur  wegen  des  älteren  u 
(nominus),  in  legis  wegen  der  assimilation  (aus  le^si  le- 
gest); das  is  in  legeris  und  legitis  spricht  jedoch  dafür, 
dafs  i  in  allen  vier  formen  der  regel  gemäfs,  e  im  nom. 
durch  besondere  gründe  festgehalten  ist.  Diese  zu  finden 
wird  uns  nicht  schwer  fallen,  wenn  wir  bedenken,  dals 
auch  dem  remigis  ein  remex  u.  s.  w.  zur  seite  steht,  und 
dals  sich  desidis  zu  deses  gerade  so  verhält  wie  consideo 
zu  consessum.  Vor  dem  s  des  nom.  hat  sich  der  dental 
der  Wurzel  wie  im  perf.  (und  sup.)  in  s  verwandelt,  und 
vor  der  so  entstandenen  doppelconsonanz  mufste  e  bleiben, 


*)  Sollte  das  cae-  von  caelebs  etwa  aus  caeciu  eutstanden  sein,  so  dafs 
caecilebs  mit  etwas  derber  bezeichnoog  ^ blind,  ohne  unterschied  liebend" 
hielse? 


zur  lateixkuichen  Uutlehre.  185 

während  es  im  gen.  zu  i  herabsank;  statt  desees  superstess 
trat  aber  dann  deses  superstes  ein  wie  mel  far  os  cor  statt 
mell  farv  oss  cord.  Somit  begriffe  sich  deses -sidis  ebenso 
leicht  wie  remex-igis.  In  den  Wörtern  cuspis  lapis  cas- 
sis  ist  also  wohl  ursprüngliches  i  anzunehmen  (wenigstens 
vom  römischen  standpuncte  aus;  denn  wenn  man  weiter 
zurückgeht,  so  ist  freilich  -id  so  gut  wie  griech.  id  und 
skr.  -it  nur  eine  abschwächung  des  participialsuffixes  •a(n)t, 
8.  lY.  336  fgd.)-  Zweifelhafter  natur  ist  der  Wechsel  in 
cinis  cucumis  pulvis;  die  scheinbar  natürlichste  an- 
nähme, dafs  hier  ein  suf&x  -es  vorliege,  welches  sich  im 
nom.  zu  is  geschwächt,  in  den  cas.  obl.  in  er  verwandelt 
hätte,  wird  etwas  unwahrscheinlich  durch  Ceres  eereris, 
worin  die  sanskritische  und  griechische  regel  der  vocalver- 
längerung  auftritt,  wie  durch  Venus-eris,  das  wenigstens 
wie  homo-inis  dunkleren  (schwereren)  vocal  im  nom.  auf- 
weist; wollen  wir  also  hier  nicht  den  entgegengesetzten 
lautwechsel  annehmen,  so  bleibt  nur  die  möglichkeit  übrig, 
dais  sich  hier  wie  in  sanguis  poUis  neben  sanguinis  poUinis 
das  Suffix  im  nom.  zu  -i  geschwächt  und  abgestumpft  hat, 
wofbr  sich  noch  vomis  neben  vomer  und  die  formen  cucu- 
mim  cucumi  (vgl.  exsanguis)  anfahren  lassen  (lepus  leporis, 
welches  sich  etwa  fOr  die  erste  annähme  geltend  machen 
lie&e,  ist  insofern  nicht  ganz  analog,  als  o  und  u  in  ganz 
anderem  Verhältnisse  zu  den  folgenden  cons.  stehen  als  e 
und  i,  u  namentlich  vor  doppelten  consonanten  und  in  der 
schluissilbe  auftritt,  vgl.  homuncio,  onustus,  onus  neben  ho- 
nestus  u.  s.  w.)  —  Vor  nasalen  scheint  dagegen  e  regel 
zu  sein:  pecten  könnte  allenfalls  aus  älterem  pectenn  =» 
pectens  erklärt  werden,  diese  deutung  ist  aber  bei  neutris 
wie  gluten,  inguen  und  allen  auf  -men  unzulässig,  also  auch 
bei  pecten  oscen  nicht  recht  wahrscheinlich.  Ueberhaupt 
findet  sich  auslautendes  -in  nur  in  der  präp.  in  (älter  en*) 


*)  Dies  en  wie  griech.  irit  selbst  ilri  weisen  deutlich  anf  eine  nrform 
*ani  zurück,  von  der  wir  das  skr.  ni  um  so  eher  mit  der  bekannten  aphttr 
rese  ableiten  dürfen,  als  die  bedentnng  keinen  anstofs  giebt  (vgl.  subire  do- 
mnm),  und  nis  sich  als  geschwllchte  gen.  abL  form  trefflich  anschliefst. 


186  Ebel 

wie  im  oskischen  und  umbriachen),  in  den  partikeln  sind 
aber  stäilcere  abschwächangen  ganz  gewöhnlich,  wie  ja 
selbst  dem  griech.  osk.  umbr.  crv-,  an-  lateinisches  in-  ent- 
spricht Auch  -em  tritt  als  gewöhnliche  form  im  acc.  der 
dritten  ded.  auf  neben  dem  gen.  -is;  so  geht  auch  nam  in 
nem-pe  über,  nur  in  enim  nndecim  u.  s.  w.  erscheint  -im 
filr  organisches  -am.  Vor  1  finden  wir  e  in  semel,  i  in 
vigil  pugil  mugil,  von  denen  indessen  nicht  feststeht^  ob 
das  i  secundär  oder  organisch  ist  (letzteres  jedoch  wohl 
insofern,  als  es  schon  vor  der  abtrennung  des  lat  dagewe- 
sen zu  sein  scheint,  anders  als  in  similis  neben  simuL,  fa- 
cilis  neben  facultas?). 

4)  In  einigen  f&ilen  scheint  aber  e  aus  wurzelhaf- 
tem i  hervorzugehn,  wie  in  comes-itis,  judex-dicis,  im  pron. 
is  und  im  verbum  eo  und  mehrfach  im  auslaute.  Ehe  wir 
uns  indessen  entschliefsen,  einer  so  deutlich  und  consequ^it 
durchgefikhrten  lautveränderung  wie  der  des  e  zu  i  im  lat. 
den  entgegengesetzten  lautwechsel  in  derselben  spräche  an 
die  Seite  zu  setzen,  haben  wir  wohl  zuzusehen,  ob  gar  keine 
andere  erklärung  möglich  ist.  In  manchen  föUen  kann 
selbst  das  sanskrit  nicht  die  ursprünglichkeit  des  i  bewei- 
sen, wie  sein  pitar  neben  pater,  tiras  neben  zend.  tarö 
zeigt;  dahin  gehört  auch  der  bindevocal  i  vor  verschie- 
denen Suffixen,  wie  uns  z.  b.  janitai*  janitri  nicht  dazu  ver- 
ehren darf,  in  genitor  genetrix  das  i  ftir  älter  zu  halten, 
vielmehr  das  griech.  y^virioQ  y^vittiqa  auch  hier  auf  ur- 
sprüngliches a  deutet  und  den  lat  lautwechsel  in  der  re- 
gelm&fsigen  folge  zeigt;  dasselbe  verh&ltnis  findet  zwischen 
altlat  mereta  und  sp&terem  merita,  zwischen  tempestatebus 
und  -ibus,  zwischen  soledas  und  solidas  statt  (Die  IV.  337 
unentschieden  gelassene  frage,  ob  das  -idus  solcher  ad- 
jectiva  sich  auf  skr.  -at  oder  -it  beziehe,  würde  also  durch 
die  vorliegende  form  zu  gunsten  des  -at  beantwortet,  wenn 
nicht  die  Pottasche  erklärung  vorzuziehn  und  e^  i  als  stamm- 
vocal  anzusehn  ist.)  In  andern  fällen  liegt  eine  gunirte 
form  dem  e  zu  gründe,  so  offenbar  beim  verbum  eo,  wo 
das  e  (ei)  sich   vor  vocalen  auiser  i  und  e  verkürzt,   mit 


zur  lateinischen  Untlehre.  1B7 

letzteren  aber  in  i  zusammengezogen  hat,  so  dafs  eo  in 
den  specialtemp.  das  activam  zum  skr.  ayS  darstellt;  ebenso 
im  pron.  is,  wie  schon  Aofrecht  (umbr.  sprachd.  L  134) 
von  den  formen  eum,  ea  u.  s.  w.  angenomm^i  hat,  aber 
auch  der  acc.  em  l&Tst  sich  aus  arsprfinglichem  eim,  km 
erklären,  dessen  e  durch  den  einfluis  des  m  gekürzt  ist, 
wie  das  u  iifi  gen.  pL,  die  ursprün^che  lAnge  tritt  noch 
im  gen.  ejus  auf. 

Gar  keine  erklärung  scheint  bei  com  es  -itis  mög-  ' 
lieh.  Benfey  hat  zwar  in  den  nadi  gewöhnlicher  annähme 
mit  der  wurzel  i  zusammengesetzten  Wörtern  auf  -es,  itis 
das  Suffix  -vat  finden  wollen;  dem  widerstrebt  jedoch  von 
Seiten  der  bedeutung  nicht  blofs  pedes,  sondern  namentlich 
comes  (auch  miles  kann  nur  dann  „soldbegabt^  heilsen, 
wenn  der  ausdruck  erst  nach  einfthrung  des  truppensol- 
des  aufgekommen  isti)  und  was  die  form  betrifft,  so  ist 
eine  solche  Verkürzung,  wie  dabei  vorausgesetzt  wird,  im 
griechischen  allerdings  (Boanogog  =  BofognoQog,  ß-tongo- 
noq  =  &i07tQ6j:o7tog)^  im  lateinischen  jedoch  bis  jetzt  noch 
nicht  nachgewiesen,  denn  selbst  Benary's  erklftrung  des 
traho,  inchoo  aus  Zusammensetzungen  mit  veho  ist  noch 
keinesweges  sicher  gestellt,  und  doch  läTst  sich  dort  im 
hiatus,  den  h  nicht  aufhob,  ein  grund  der  Verkürzung  fin- 
den, der  hier  ganz  fehlt:  pedies  und  pedis  statt  pedives 
liefsen  sich  durch  zahlreiche  analogien  stützen,  pedes  nicht. 
Die  vergleichung  des  skr.  pad&ti  l&fst  eine  andere  mög- 
lichkeit  ahnen,  dafs  nämlich  alle  diese  Wörter  die  wurzel 
at  enthielten,  nur  nicht  wie  skr.  padäti  durch  ein  sufSx 
vermehrt,  was  der  lat.  gen.  pL  jedenfalls  verrathen  mu&te, 
sondern  in  reiner  gestalt,  und  wer  gar  keine  verirrungen 
des  sprachgefbhls  anerkennen  wollte,  f&r  den  wüisten  wir 
keinen  andern  ausweg;  jedoch  bleibt  es  immer  höchst  un- 
wahrscheinlich, dals  eine  wurzel,  die  sich  in  so  zahlreichen 
-compositis  erhalten  hätte,  sonst  ganz  und  gar  aus  der  sprä- 
che und  allen  nächstverwaudten  geschwunden  sein  sollte. 
Wir  werden  also  wohl  mit  Pott  et.  forsch.  I.  69  (11.  608) 
eine  verirrung  des  Sprachgefühls  annehmen  müssen. 


188  £bel 

die  hier  von  zwei  Seiten  bef5rdert  wurde,  teils  weil  -es 
itis  sehr  häufig,  -is  itis  sonst  gar  nicht  vorkam,  teils  weil 
auch  in  der  conjugation  der  wrz.  i  Wechsel  zwischen  e  und 
i  eintrat. 

Viel  weniger  Wahrscheinlichkeit  hat  diese  annähme  f&r 
index-dicis  und  seines  gleichen;  denn  hier  lagen  bei- 
spiele  genug  von  -ix,  icis  vor,  um  dem  einflusse  der  aller- 
dings bedeutenden  mehrheit  widerstand  zu  leisten.  Nach 
meiner  Überzeugung  findet  aber  in  diesen  Wörtern  auch  gar 
keine  unregelmüsigkeit  statt,  und  index  judex  u.  s.  w.  sind 
nicht  von  die,  sondern  einer  andern  gestalt  derselben  Wur- 
zel, n&mlich  dec  gebildet.  Betrachten  wir  einerseits  das 
Zahlwort  dapan  Sixa  decem,  sowie  daxina  Sb^ioq  dexter 
und  die  namen  des  fingers  SäxrvXog  digitus  ahd.  zSha, 
andererseits  das  lat.  decus  doceo  dignus  neben  skr.  ya- 
9as,  griech.  dixtj  und  do^a,  endlich  das  dem  lat.  dteo  und 
skr.  di^ämi  zur  seite  stehende  Ssixvvfjii^  dessen  ei  um  so 
weniger  als  guna  von  i  zu  fassen  ist,  als  ihm  ein  ion. 
Si^w,  ja  in  weiterer  linie  selbst  Sexofiaiy  ion.  Sixofiai*) 
und  TtQoaSoxdw,  Soxiw  sich  anreihen ;  so  können  wir  kaum 
umhin,  eine  grundform  ^dyakCdya^)  anzusetzen,  aus  der 
sich  skr.  ya^as  ebenso  leicht  entwickeln  konnte,  wie  lat. 
decus  (vgl.  yuvan  von  div,  dyu  -dudum  von  diu),  di^  aber 
sehr  natürlich  zusammenzog  wie  prch  sup  vic  aus  prach 
svap  vyac,  was  namentlich  in  der  6ten  classe  nahe  lag. 
Im  griech.  hätte  also  Seixvvfn  den  diphthong  dem  j  zu 
danken  (u  aus  ec  statt  je  wie  evve  aus  Sotb  statt  jdre),  so- 
mit die  Urform  noch  am  treusten  bewahrt,  während  j  im 
ion.  8i^(a  spurlos  verschwunden  ist,  in  ösiSsyfiai  aber 
(welches  mir  IV.  169  noGh  unklar  geblieben  war)  eine  sehr 
schöne  spur  hinterlassen  hat  (statt  Siöfeyfiai  wie  Seidia  statt 
SiSfia),    Nun  erklärt  sich  auch,   warum  dem  lat.  dicta- 


*)  Die  Ordnung  der  deutscheu  lautyerschiebung  ist  auch  wohl  in  den 
älteren  sprachen,  wo  nicht  besondere  grttnde  dagegen  sind,  im  allgemeinen 
festzuhalten,  also  dixouai  organischer  als  iix^ftcui  das  j^  scheint  auch  hier 
dem  skr.  9  analog.  Selbst  im  lateinischen  liegt  zwischen  ab  und  skr.  apa 
ein  älteres  af. 


zur  lateinischen  lantlehre.  169 

tor  ein  osk.  deketasis  zur  seite  steht;. dessen  nebenform 
degetasis  vergleicht  sich  dem  lat.  digitus,  dessen  i  wie 
das  von  dignus  und  dicarp  sowohl  auf  a  wie  auf  i  bezo- 
gen werden  kann.  Führen  wir  dicare  auf  die  wurzelform 
d(y}ak  zurück,  so  schliefsen  sich  die  Wörter  auf  -dex  sehr 
schön  daran;  jed^falls  aber  hat  ihr  e  nun  kein  bedenken 
mehr.  (Zu  diesen  comp,  gehört  übrigens  auch  wohl  pö- 
dex  statt  pos-dex,  „der  rückwärts  zeigende^?) 

Was  endlich  e  im  auslant  betrifit,  so  sind  da  sehr 
verschiedene  f&lle  zu  unterscheiden;  in  den  meisten  Ift&t 
sich  jedoch  die  entstehung  desselben  ans  langem  e  oder  ei 
nachweisen,  so  dafs  auch  hier  kein  Widerspruch  gegen  das 
allgemeine  gesetz  stattfindet.  Gar  keine  Schwierigkeit  ma- 
chen amere  neben  ameris  u.  s.  w.,  da  das  i  von  ameris, 
wie  das  u  der  3ten  personen  amatur  araantur  zeigt,  nicht 
etwa  alter  endvocal  des  activs,  sondern  reiner  bindevocal 
ist;  eb^i  so  wenig  bene  und  male  neben  benignus,  beni- 
volus,  da  die  abschwächung  jener  aus  bene  malS  jetzt  nicht 
mehr  zweifelhaft  ist.  Ebenso  erklärt  sich  aber  auch  das 
-se  oder  -re  des  infinitivs  (esse  velle  ferre)  aus  älte- 
rem -sei,  se,  mag  man  dies  nun  mit  Bopp  zum  skr.  -se 
stellen  oder,  wie  auch  Schweizer  III.  360  fgd.  will,  als  da- 
tiv  des  Suffixes  -as  fassen,  und  höchst  wahrscheinlich  ist 
uns  sogar  in  fieri  noch  eine  ältere  form  desselben  aufbe- 
wahrt, die  sich  nur  deshalb  erhalten  hat,  weil  die  bedeu- 
tung  des  verbi  verleitete,  .sie  für  passivisch  zu  halten,  was 
sie  doch  nach  allen  analogien  so  wenig  sein  kann,  wie  ir- 
gend eine  andere  form  von  fio;  wenn  wir  also  neben  amare 
im  passiv  amarier  und  amari  finden,  so  ist  im  einen  falle 
das  s  zu  r  geworden,  im  andern  abgefallen,  das  e  oder  ei 
aber  vor  dem  e  zu  i  gekürzt  und  im  zweiten  falle  ie  zu 
i  contrahirt.  Schwieriger  scheint  es,  ablativ formen  wie 
igne  neben  igni  ohne  annähme  eines  Überganges  von  i 
in  e  zu  erklären,  doch  läfst  sich,  wenn  das  ablativsuifix 
nieht  -d,  sondern  -ed  gelautet  hat,  die  doppelte  form  er- 
klären. Vergleichen  wir  diejenigen  verba  der  3ten  conju- 
gation,    die  in  den  specialtemporen  -i  annehmen,   und  die 


190  Ebel 

der  4teD,  als  deren  character  -i  auftritt,  so  stimmen  beide 
darin  überein,  dafs  sie  vor  a,  o,  u  und  vor  e  in  ursprüng- 
lich langer  silbe  das  i  (nur  mit  kürzung  des  t)  bewahren: 
capio  capiunt  capiam  capiem  wie  finio  finiunt  finiam  finiet; 
sie  unterscheiden  sich  darin,  daTs  i  vor  e  und  i  (nachdem 
es  zu  j  geworden)  ausfillt,  t  dagegen  (nach  der  auflösung 
in  ij)  mit  ihnen  zusammengezogen  wieder  i  giebt:  ci^is 
caperem,  aber  fints  finirem.  In  der  declination  der  i-st&mme 
mulste  ebenso  vor  a  und  n  das  i  bleiben:  maria  mariom*); 
vor  e  und  i  konnte  entweder  das  i  (j)  abfallen,  oder  mit 
ihnen  in  t  (ei,  ö)  contrahirt  werden.  Ersteres  war  regel 
im  gen.  und  dat.  sing,  ignis  igni  statt  igniis  ignii  (ver- 
gleiche auch  ingent  statt  ingenii),  letzteres  im  nom.  und 
acc.  pl.  naves  naveis,  navts  (den  unterschied,  der  nachher 
in  praxi  gemacht  wurde,  kenne  ich  recht  wohl,  er  betriffl; 
aber  die  entstehung  dieser  formen  nicht);  im  dat.  abl. 
plur.  konnte  entweder  -bus  ohne  weiteren  binde vocal  an- 
gehängt werden,  oder  das  i  des  Stammes  vor  den  im  latei- 
nischen heimisch  gewordenen  bindevocal  (nicht  organisches 
i,  sondern  aus  a  entstandenes  e,  i,  wie  tempestatebus  zeigt) 


*)  Wir  dttrfen  uns  ttberzeogt  halten,  dafs,  wenn  die  spradie  der  alten 
form  -na  treu  geblieben  wäre,  der  gen.  sg. -ins  lauten  mUfstei  und  derglei- 
chen formen  sind  uns  wirklich  aufbewahrt.  Man  hat  die  pronominalge- 
nitive  verschiedentlich  zu  deuten  rersncht,  aber  immer  umsonst,  weil  man 
unbegreiflicherweise  die  dative  auTser  acht  gelassen  hat;  vergleicht  man 
aber  die  gen.  auf  -!us,  jus  mit  den  dat.  auf  -!,  so  liegt  es  auf  der  hand, 
dafs  wir  hierin  formen  der  Sten  decl.  und  zwar  von  i-stftmmen  in  ihrer  älte- 
sten gestalt  vor  uns  haben.  Aus  dem  verstärkten  stamme  ei  des  pron.  is 
konnten  kaum  andre  formen  des  gen.  und  dat.  entstehen  als  6 jus  (durch  die 
einsilbigkeit  des  Stammes  vor  weiterer  kflrzung  zu  eus  geschützt)  und  ei; 
ans  den  einsilbigen  stammen  ho,  quo  mufsten  bei  Zusammensetzung  mit 
f  (ei)  die  gen.  hüjus  quöjus  cujus  (statt  huijus  oder  huejus),  die  dat.  hui-(cc) 
quoi  cui  (in  denen  voc.  ante  voc.  sich  gekürzt  hat)  entstehen;  die  mehr- 
silbigen pronominal-  und  a(^ectivstämme  schwächten  den  stammaualaut  zu 
e  (wie  ille  ipse  iste  schon  im  nom.)  und  verbanden  dies  mit  dem  angehäng- 
ten t  zu  ei,  i,  so  bildeten  sich  illius  ipsius  istius,  illf  ipsi  ist!  und  von  ndj. 
unloa  uni  u.  8.  w.,  ja  alins  liefs  sogar  im  gen.  alius  ein  i  schwinden  (wie 
in  der  composition  aliquis,  in  der  ableitung  alibi,  in  älterer  spräche  in  alis 
alid),  die  Verkürzung  der  allein  organischen  form  alterius  zu  alterius  ist 
fast  anssQhlie&Iich  durch  den  hexameter  bewirkt.  So  zeigt  uns  also  schon 
die  lateinische  spräche  das  in  seinen  anfangen,  was  die  deutsche  consequent 
durchgerührt  hat,  die  Zusammensetzung  der  adj.  und  pron.  mit  dem  pro- 
nominalstamme ja  oder  !. 


zur  lateinischen  lantlehre.  191 

treten,  daraas  entstand  dann  entweder  mit  ausfall  des  i' 
-ibus  SS  ebus  (nayebos  auf  der  colomna  rostrata)  oder  mit 
contraction  -dbus  (queibus);  im  ab  1.  sing,  war  ebenso  eine 
doppelte  form  möglich:  -ed,  e  oder  -id,  f;  wie  aber  im 
dat.  pl.  die  kurze  form  fast  ausschliefslich  vorkommt,  so 
ist  sie  auch  im  abl.  sing,  aufser  in  adj.  und  neutr.  bei  wei- 
tem die  vorherrschende,  wiewohl  sich  nebst  andern  formen 
der  i-stfimme  auch  diese  vielfach  bei  consonantischen  Stäm- 
men eingedrängt  hat;  auch  im  acc.  sg.  standen  zwei  wege 
ojBen,  wie  im  dat.  pl.  ohne  bindevocal  -im ,  mit  bindevocal 
entweder  -em  oder  contrahirt  -tm,  em,  was  sich  nachher 
doch  wieder  kürzen  mufste,  so  dafs  wir  auch  hier  in  den 
meisten  fällen  über  die  jedesmalige  entstehung  im  unklaren 
sind.  Dals  bei  der  wähl  der  form  -i  oder  e  die  ursprüng- 
liche länge  oder  kürze  des  Stammauslautes  der  erste  ent- 
scheidungsgrund  gewesen  sei,  wie  die  analogie  der  conju- 
gationsformeu  allerdings  erwarten  liefse,  können  wir  zwar 
noch  nicht  nachweisen,  doch  spricht  dafür,  dafs  auch  der 
acc.  auf  im  aufser  cucumim  nur  von  femininis  gebildet 
wird,  denen  ja  ursprünglich  langes  i  zukommt.  —  Zur  er- 
klärung  der  anscheinend  schwierigsten  form,  der  neutra 
auf  e,  kann  uns  vielleicht  die  vergleichung  der  parisyilaba 
der  3ten  auf  -es  wie  der  5ten  decl.  und  der  altlat.  formen 
suaveis,  hostis,  quisquis  verhelfen,  besonders  wenn 
wir  die  Übergänge  zwischen  3ter  imd  5ter  decl.,  die  uns 
namentlich  bei  plebes  und  fames  vorliegen,  mit  in  be- 
tracht  ziehen.  Ein  neutrum  konnte  von  den  i- stammen 
nach  dem  lateinischen  auslautsgesetz  nur  durch  abfall  des 
i  wie  facul,  calcar,  animal  gebildet  werden,  oder  der 
stamm  muTste  sich  wie  im  goth.  und  slav.,  in  einem  falle 
auch  im  griech.  geschieht  zu  -ja  oder  lat.  zu  -ji  (ei,  e) 
erweitem,  woraus  im  auslaute  natürlich  e  wurde;  suave 
ist  also  das  vollkommen  entsprechende  neutrum  zum  alten 
suaveis,  wie  im  goth.  reiki  dem  hairdeis  entspricht. 
Wenn  diese  Verstärkung  sich  auf  den  nom.  beschränkt,  so 
stimmt  das  genau  zu  formen  wie  sedes  sedis;  ob  das 
filr  suavets  jedenfalls  vorauszusetzende  'ji  sich  zu  -ja,  lat 


192  Ebel 

-Mu,  verh&lt  wie  in  imbellis  inermiB,  oder  hier  ein  wahrer 
umlaut  vorliegt,  ist  schwer  zu  entscheiden.  Mir  ist  jedoch 
ein  umlaut  wahrscheinlicher,  weil  wir  dieselbe  mittelstufe 
-ji  ftlr  den  Übergang  von  alius  zu  alis  voraussetzen  müs- 
sen, und  in  der  fünften  decl.  ein  umlaut*  ganz  offenbar 
auftritt,  und  zwar  unter  denselben  bedingungen  wie  im  alt- 
slav.  (Schleicher  s.  90)  durch  unmittelbar  vorhergehendes 
i  (j)  bewirkt.  Das  e  der  5ten  ist  n&mlich  doppelter  art, 
teils  diphthong  ss  skr.  e  oder  äi,  teils  aus  &  entstanden; 
entschieden  diphthongisch  in  res  =  skr.  räi  (das  skr.  ras 
stimmt  zu  griech.  dialectformen  wie  ßäg^  /o/g,  vaq^  TvSri^Sj 
das  lat.  res  zum  griech.  ßov(;\  entschieden  aus  a  hervor- 
gegangen in  moUities  neben  mollitia,  in  dies  (stamm  dia 
ans  divä),  wahrscheinlich  auch  in  fames  5.  neben  fames  3.; 
aus  ä  konnte  aber  e  nicht  wie  griech.  tj  entstehen,  son- 
dern nur  durch  assimilation  zum  vorhergehenden  i,  und 
wenn  dies  i  in  fames  plebes  fides  geschwunden  ist,  so 
stimmen  sie  darin  mit  dem  griech.  (xovisa  avaaaa  über- 
ein, der  grund  liegt  sicherlich  darin,  weil  hier  das  a 
(oder  e)  erst  später  dem  stamm-t  angesetzt  ist,  während 
in  mollities  und  ähnlichen  das  ä  von  hause  aus  zum  suffix 
gehörte:  mollities  und  fames  verhalten  sich  also  wie  ßaai- 
Xeia  (suff.  -yä)  und  ßaaiXtia  (suff.  -i),  fides  scheint  eben- 
falls aus  *fidia  hervorgegangen,  verhält  sich  also  wie  atti- 
sches aXi^d-iia^^vvoia,  Die  fem.  der  3ten  auf -es  sind 
entweder  ebenso  gebildet,  haben  aber  das  i  nur  im  nom. 
zu  iä,  ie,  e  erweitert,  oder  sie  haben  -is  angesetzt  und  -iis 
in  -eis,  es  contrahirt,  letztere  annähme  empfiehlt  sich  be- 
sonders för  die  masc,  doch  ist  wohl  diese  endung  dem 
masc.  ursprünglich  fremd,  und  f&r  die  fem.  eignet  sich  die 
erste  deutung  besser,  zumal  wegen  der  doppelformen  bei 
fames  plebes.  Ist  die  hier  versuchte  erklärung  richtig,  so 
stehen  hostis,  sedes,  mare  in  vollständiger  analogie; 
den  masc.  auf  -is,  eis  vergleichen  sich  dann  auch  die  osk. 
formen  auf  -iis,  neben  denen  ja  einzelne  auf  -is  ebenso 
bestehen  wie  im  lateinischen  alle  wieder  zum  einfachen  -is 
zurückgekehrt  sind.  —  In  mage  und  pote,    ante  und 


zur  lateiniBchen  Uotlehre.  193 

poste  ist  jedenfalls  ebenso  wie  in  dem  -pe  von  neiupe, 
welches  IV.  378  so  schön  auf  skr.  -pi  statt  api  bezogen 
wird  (gewifs  sind  auch  quippe  und  quispiam  aus  quispe 
jam  damit  zusammengesetzt),  auf  ältere  formen  zurückzu- 
gehn;  nach  lateinischem  auslautgesetz  konnte  aus  magi 
nur  (mag)ma  werden,  wie  wir  es  ja  in  mavolo  malo 
finden,  aus  anti  nur  ant,  aus  api  nur  ap  oder  ab,  wor- 
aus sich  ob  (osk.  up)  entwickelt  hat;  das  zeigen  uns  in 
=  ani,  per  =  pari,  et  =  ati  (grundbedeutung  „ferner^, 
also  dem  griech.  8k  sehr  nahe  liegend,  wie  namentlich  goth. 
i)?  zeigt)  red  =  prati.  0£Fenbar  geschwächte  locativform 
ist  api,  also  liegt  auch  d&ok  -pe  zunächst  ein  -pei,  pe 
zu  gründe;  in  ante  und  poste  sind  entweder  ebenfalls 
locativformen  oder  ablatiye  zu  erkennen,  so  dafs  selbst, 
wenn  man  einen  stamm  anti  annimmt,  der  durch  goth.  andi 
dem  skr.  anta  gegenüber  noch  keineswegs  bewiesen  wird, 
Ritschi  gegen  Curtius  recht  behält;  für  mage  endlich  ist 
mit  magis,  das  doch  selbst  erst  aus  magius  (oder  ma- 
gis?)  entstanden  ist,  noch  keines weges  die  moglichkeit  ab- 
geschnitten, dafs  es  sich  aus  magie  entwickelt  hat,  beide 
formen  verhalten  sich  vielmehr  wie  cape  und  capis.  —  Kurz, 
soweit  ich  sehen  kann,  ist  die  regel,  wonach  im  lat.  e  in 
i,  nicht  i  in  e  übergeht,  auch  im  auslaute  nirgend  verletzt. 
Dec.  55.  H.  Ebel. 


Etymologieen. 

1  )  läXXcD, 

Die  verschiedenen  erklärungen,  welche  lalkiiv  bis  jetzt 
erfahren  hat,  zeigen,  dafs  man  das  wort  bisher  mehr  nach 
scheinbaren  analogien  als  nach  sicher  erkannten  laut-  und 
bildungsgesetzen  unterzubringen  suchte.  Während  die  frü- 
heren erklärer  meist  auf  HtjfJii^  oder  einen  damit  in  Zusam- 
menhang stehenden  stamme  zurückgehn,  ftlhrt  Pott  (etym. 
forsch.  1,  195)  das  wort  auf  hftcu  zurück,  indem  er  sagt: 
V.    8.  13 


194  Kahn 

y,y&  (ire,  proficisci).  Dazu  verhftlt  sich  hfiat  (feetino;  nicht 
von  iTifii)  wie  tid-ef^ai  zu  dh&,  nur  ohne  reduplikation,  die 
yk  auch  nicht  hat.  Davon  IdlXuv  (gehen  machen)  wie 
atiXlsiv  von  ata;  die  ableitiing  von  tlTjfu  mufs  ich  läug- 
nen,  denn  h(pidXXHV  ist  mit  wnrz.  aX  (salire)  componirt  und 
der  Spiritus  auf  die  präposition  übertragen.  Idnxtiv  möchte 
ich  mit  der  sanskr.  causativbildnng  mittelst  p  vergleichen; 
u.  8.  w.^  Hier  bleibt  erstens  unerklärt,  warum  sich  in 
IdXXoi  das  a  des  Stammes  erhielt  und  in  Uptai  zu  e  sank, 
zumal  man  gerade  hier  nicht  6  sondern  nach  aller  analogie 
entweder  «)  sss  &  oder  mit  Verkürzung  mindestens  o  zu  er- 
warten h&tte;  denn  die  parallele  mit  ri&BfAai  hat  ihr  be- 
denken, da  Ti&sfAai  und  SiSoftai  beide  im  sanskrit  wurzeln 
mit  &  zur  seite  haben  und  mindestens  eine  von  beiden, 
wahrscheinlich  aber  beide  Schwächungen  der  wurzel  erlit* 
ten  haben,  wie  sie  in  noch  höherem  mafse  bei  sanskr.  dhä 
und  da  vorliegen,  welche  bereits  die  zweite  stufe  der  schwä* 
chnng  erreicht  haben;  während  nämlich  dadhäte  und  da- 
däte  als  ursprüngliche,  regelrechte  formen  anzusetzen  sind, 
zeigen  sich  nur  noch  dadhate  ssr  ri&Btai  und  dadate  = 
Si8oTat  und  neben  diesen  formen  stehen  bereits  dhatte  aus 
dadhte  und  datte  aus  dadte.  So  lange  ich  aber  nicht  vom 
gegentheil  belehrt  bin,  kann  ich  nicht  glauben,  dafs  €  und 
o  beliebig  eintretende  ersatzmänner  des  vorangegangenen  a 
seien,  ri&BTai  kann  daher  möglicherweise  eine  unregelmä- 
fsige  bildung  sein  und  das  müfste  dann  jfc^a^  gleichfalls 
sein.  Ein  gleiches  bedenken  tritt  wegen  des  a  in  IdXXBiv 
bei  der  parallele  mit  öHXXw  von  ata  ein,  da  nach  dieser 
UXXtiv  zu  erwarten  wäre,  endlich  bleibt  aber  das  ablei- 
tungsaffix  XX  ganz  unerklärt.  Diesem  letzteren  mangel  hat 
Benfey,  welcher  Pottes  aufttellung  im  ganzen  folgt  (griech. 
wnrzellez.  1,  14.  391),  abgeholfen,  indem  er  eine  Weiterbil- 
dung der  Wurzel  mittelst  1  und  Verkürzung  des  vorherge- 
henden langen  vokals  wie  in  skr.  sthal :  stä  und  dann  zu- 
tritt des  verbalaf&xes  ya  annimmt;  aber  auch  bei  ihm  bleibt 
die  Schwierigkeit  der  vokaldifferenz  in  der  gleichung  atiXXif} 
zu  sthal  SS  IdXXta  zu  *yal  bestehen,  die  sich  freilich  durch 


etjmologieen:  1)  iaXXtt.  191^ 

den  wnrzelvokal  von  iaraXxa  u.  s.  w.  bedeutend  vermin- 
Nichts  desto  weniger  scheint  doch  auch  Benfey  mit  seiner 
erklärong  nicht  ganz  befriedigt,  da  er  a.  a.  o,  1,  391  noch 
eine  andre  mögliche  ableitung,  die  er  jedoch  verwirft,  be- 
spricht. 

Der  formenreichthum  der  vedensprache  bietet  uns  nun 
auch  f&r  dies  verbum  eine  nach  form  und  bedeutung  si- 
chere anlehnung,  indem  sie  uns  ableitungen  der  wurzel  r 
(ar)  aufweist,  denen  sich  IdXXBiv  genau  anschliefst.  Zu 
den  bereits  früher  gefundenen  themen  (2,396.  460;  3.  326), 
die  von  dieser  wurzel  im  griechischen  ausgehen,  kommt 
daher  ein  neues,  ohne  dafs  wir  zu  bef&rchten  brauchen, 
man  werde  aus  dieser  manoichfaltigkeit  bedenken  gegen 
die  richtigkeit  der  Zusammenstellung  herleiten,  da  hier 
nicht  theoretische  bildungen  mit  wirklich  vorkommenden 
zusammengestellt  werden,  sondern  verbum  sich  zu  verbum 
gesellt  und  der  gemeinsame  Sprachgebrauch  schliefslich 
noch  den  gleichen  Ursprung  beider  aufs  deutlichste  dar- 
legt. 

Jene  früher  besprochenen  themen  waren  aber  rnoti, 
oQWfAi,  äQvvfjLaiy  rchati  Hgxof^^h  denen  ich  jetzt  ein  drittes 
skr.  verbum  zur  seite  stelle,  welches  seine  specialtempora 
aus  einem  reduplicirten  thema  bildet  und  im  praes.  iyarmi 
lautet;  es  folgt  regelrecht  der  conjugation  der  dritten  klasse 
und  hat  vielfache  beispiele  seines  gebrauchs  aufzuweisen; 
es  hat  die  folgenden  bedeutungen,  die  ich  nebst  den  stel- 
len zum  gröfseren  theil  aus  Böhtlingk-Roth's  wb.  s.  ar  ent- 
nehme. Erstens  die  intransitive  ^sich  erbeben,  aufstreben^. 
E.  1.  165.  4: 

br4hmäni  me  mitayah  (am  sutlEsa^i  (üshma  iyarti  pr&bhrto 

me  4drih 
„gebete,  lieder  und  trankspeisen  gefallen  mir,  es  ersteht 
mir  die  kraft,  der  donnerstein  wird  mir  gebracbf^.    R.  10. 
140.  2  =  S4.  IL  9.  2.  1.  2.  =  V&j.  12.  107: 

p&vakavarcah    (ukr&varcä    anünavarc&    üdiyarshi   bh&- 

nünä  I 
„mit  reinigendem,  hellem,  ungeschwächtem  glänz  strahlst 

13* 


196  Kuhn 

du  hervor  mit  deinem  licht«.     Verstärkt  wird  diese  be- 
deutuDg  noch  durch  die  pr&position  pra.     R.  7.  68.  3 : 

prÄ  v&m  ratho   mänojavä  iyarti  tir6  r&j&nsy  apvina  ^a- 

tötih  I 

asm&bhyam  süry&vasü  iy&n&h  || 
„hervor  kommt  euer  wagen  der  gedankenschnelle,  der  hül- 
fereiche, ihr  Apvinen,  durch  die  nebel,  zu  uns  sich  wendend, 
o  ihr  sonnenreichen!* 

Ungleich  zahlreicher  dagegen  findet  sich  das  wort  in 
transitiver  bedeutung  „bewegen,  aufregen,  auftreiben,  er- 
heben" (auch  von  der  stimme).     R.  10.  112.  5: 

s&  te  püramdhim  t&vishim  iyarti 
„der  regt  deinen  segen,  deine  st&rke  auf**.     R.  5.  36.  4: 

esha  jaritS  ta  indr^yarti  vKcam 
„dieser  sänger  erhebt  dir  sein  lied".     R.  10.  45.  7  =  V4j. 

18.  24: 

u^lk    p&vak6   aratfh    sumedha  m&rtyeshu  agnir  amrto 

nidhäyi  | 
iyarti  dhüm&m  arushÄm  bharibhrad  üchukr^na  ^ocishä 

dyam  üiaxan  || 
„der  liebe  reiniger,   der  weise  ordner  erschien  den  sterb- 
lichen unsterblich  Agni;  es  treibt  empor  den  rothen  rauch 
der  träger,  mit  reinem  glänze  auf  zum  himmel  strebend ''. 
R.  10.  123.  2: 

samudr&d  ürmim  udiyarti  venah 
„aus  dem  meere  treibt  der  geliebte  die  woge  auf".  R.  10. 
75.  3: 

divi  svano  yatate  bhümyopary  anantam  ^ushmam  udi- 
yarti bhftnunä  | 
„über  der  erd'  am  himmel  erhebt  sich  der  braus,  er  erregt 
unendliche  kraft  mit  seinem  strahl".  Vergl.  R.  4.  17.  12: 
yo  asya  ^ushmam  muhukair  iyarti  welcher  die  kraft  er- 
regt. 

Besonders  gern  wird  das  wort  vom  erheben  der  stimme, 
vom  anheben  der  lieder  gebraucht.  R.  2. 42. 1  (  =  Nir.  9, 4) : 
k&nikradaj  janAsham  prabruv&ni  iyarti   vacam  arit^va 

n§tvam  1 


etymologitfen:     1)  takl».  197 

^(der  vogel),  schreiend  sein  geschlecbt  (seine  art)  y^kün- 
dend,  treibt  die  stimme  hervor  -wie  der  rüderer  das  schifft. 
R-  1.  116.  1: 

stomftn  iyarmi  abhriyeva  yätah  | 
„in  liedern  stürm'  ich  wie  der  wind  in  wölken^.     Auch 
hier  erscheint  die   bedeutung  des  simples  noch  durch  die 
Präpositionen  ut  und  pra  verstärkt.     R.  1.  113.  17: 

syümanä    v&c&   Adiyarti  v&hnih  stÄvano    rebh&  ush&so 

vibhätth  I 
3,mit  der  rede  gewebe  treibt  der  priester,    der  preisende 
Sänger,  die  hellenden  morgenröthen  empor'^.  (Vgl.  za  syü* 
man  gewebe,  gewand  B.  8.  61.  4.)    Nir.  5.  2: 

sa  bhandan&  udiyarti  prajävatih  | 
„Soma  erhebt  zeugungskräftigen  (segenbringenden)  jubel^ 
(Roth).    R.6.  47.  3: 

ayam  me  pita  üdiyarti  vacam  ayäm  manisham  u^atlin 

ajigah  I 
„und  wenn  ich  ihn  trinke,    auf  treibt  er  die  worte,   auf 
weckt  er  mir  dann  das  verlangende  lied^.    R.  3.  8.  5 : 

devayäk  vipra  üdiyarti  vacam 
„es  erhebt  der  säoger  in  andacht  die  stimme^.  R.  7.  6t.  2 
(bei  B.  R.  druckt  68.  3)  : 

pr4  väm  sa  miträvarunäv  rtltvä  vipro  m4nmäni  dtrgha^ 

^rüd  iyarti  | 
„und  euch,  o  Mitra  Yaruna,  erhebt  der  sänger,   weit  be- 
rühmt, der  gute  seine  lieder  nun^.     R.  S.  19.  2: 

pra  te  agne  havishmattm  iyarmi  —  devatfttim 
„an  dich  o  Agni  richte  ich  das  opfer  von  havis  u.  s.  w.** 
R.  3.  34.  2: 

pra  iyarmi  v&cam 
„dir  bring  ich  das  lied^. 

Diese  beispiele  genügen  um  den  gebrauch  des  themas 
iyarmi,  soweit  wir  seiner  hier  bedürfen,  festzustellen;  die 
formen  der  gemeinsamen  tempora  stimmen  f&r  die  verschie- 
denen präsensthemen  der  wurzel  überein  und  wir  können 
deshalb  von  ihnen  hier  absehn.  Dagegen  wenden  wir  uns 
zu   einer  andern  Wurzel,    die  unzweifelhaft  erst  aus  dem 


198  Kuhn 

hier  nachgewiesenen  them»  entsprangen  ist,  wenn  sie  gleich 
von  den  indischen  grammatikem  und  lexikographen  als  eine 
selbständige  hingestellt  wird;  es  ist  dies  die  wurzel  tr.  Die 
möglichkeit  und  Wahrscheinlichkeit  des  lautlichen  Zusam- 
menhangs von  tr  mit  iyar  wird  jeder  zugeben,  der  sich  er- 
innert, dafs  die  wurzel  yaj  ihr  perfectum  im  par.  1.  sg.  iy^ja, 
1.  plur.  tjima,  im  &tm.  1.  sg.  tje  u.  s.  w.  oder  dafs  wrz.  vac 
und  andere  in  denselben  personen  uv&ca,  ücima,  üce  u.  s.  w. 
bilden,  allein  es  lälst  sich  in  unserem  falle  ein  voller  be- 
weis der  thatsache,  dafs  tr  aus  iyar  entstanden  sei,  fbhren 
und  ich  mufs  denselben  liefern,  ehe  ich  zu  lallü)  und  seiner 
herkunft  mich  wende. 

Zunächst  bemerke  ich,  dafs  die  wurzel  tr  als  einfaches 
verbum  fast  nur  im  ätmanepadam  gebräuchlich  ist,  wäh- 
rend iyar  nur  im  parasmaipadam  vorkommt;  da  nun  aber, 
wie  gezeigt  werden  soll,  die  bedeutungen  vollständig  iden- 
tisch sind,  so  verhält  sich  praesens  3  sg.  par.  iyarti :  praes. 
3.  sg.  ätm.  trte  wie  perf.  1.  sg.  par.  iyaja  oder  iyaja:  1.  sg. 
ätm.  tje.  Dafs  in  einigen  wenigen  fällen  tr  auch  als  para- 
maipadam  vorkommt  beweist  nur  um  so  mehr,  wie  früh- 
zeitig das  thema  iyar  sich  in  tr  zusammenzuziehn  begon- 
nen habe.  Ich  kenne  übrigens  davon  nur  folgende  bei- 
spiele  R.  4.  2.  7 : 

yäs  te  bh&räd   änniyate  cid  annam  ni^ishan  mandr&m 

atithim  üdirat  | 

&  devayür  inädhate   dürone  täsmin  rayir  dhruvo  astu 

dasvän  || 

„wer  dir,  wenn  du's  begehrst,  die  speise  bringt, 

den  erfreuenden  gast  heranführt,  wer  frommen  sinns  in  dei- 
nem tempel  dich  entzündet,  dem  ward  ein  schätz,  ein  unver- 
gänglich reicher^.  Dieser  conjunctiv  udtrat  gehört  zu  dem 
sonst  allein  noch  vorkommenden  einfachen  präteritum,  von 
dem  ich  nur  die  1.  und  3.  sg.  in  compositis  gefunden  habe. 
R.  2.  15.  8: 

bhin&d  val&m  ^ingirobhir  graai^^  vi  parvatasya  drnhit&iy 

airat  | 


efcymologyeen:    1)  icUJLw.  199 

„den  Vala  hat  er  von  Angirasen  gepriesen  gespalten,  des 
Wolkenberges  dichte  massen  zerstreut*.    B.  4.  26.  3: 
ah&m   püro   mandas&n6   yyair^m   näya  sakam  navati'h 

9&mbarasya  | 
„ich  hab'  im  rausch  die  neun  und  neunzig  bürgen  des  pam- 
bara  mit  einem  schlag  zerschmettert^.    R.  3.  55.  20: 

mahf  samairac  camva  samicf 
„hervorgebracht  hat  er  vereint  die  grofsen  schalen  beide 
(himmel  und  erde)^.  Vgl.  B.  3.  31.  15.  Zahlreich  dage- 
gen sind  die  stellen,  in  denen  sich  tr  als  ätmanepadam  fin- 
det; besonders  diejenigen,  in  welchen  es  mit  dem  pr&fix  ut 
zusammengesetzt  erscheint  Vom  praes.  des  einfachen  verbi 
habe  ich  nur  die  eine  stelle  mit  der  bedeutung  sich  erhe- 
ben, erstehen  R.  1.  52.  1 : 

ty&m  sü  mesham  mahayä  svarvidam  pat^m  y4sya  subh- 

väs  säkam  itate  || 
,jenen  widder  erhebe  hoch  den  himmelsfinder,  dem  hundert 
Sänger  zugleich  erstehen^.  Mit  dem  praef.  ut  in  sinnlicher 
bedeutung  „sich  erheben".    Sä.  11.  7.  1.  16.  3: 

ud  agne  ^ucayas  tava  ^vkxk  bhrajanta  irate  | 
tava  jyotinshy  arcayah  || 
„deine  prangenden,  glänzenden,  leuchtenden,  Agni!  steigen 
auf,  deine  strahlen,  dein  flammenkranz".  (Bf.)  Sä.  II.  7. 
2.3.  1: 

ut  te  brhanto  arcayah  samidbänasya  didivah  |  agne  ^u- 

kräsa  irate  || 
„deine,   des  angezündeten,   hehre  flammen  o  leuchtender, 
Agni!    die  reinen  steigen  auf".   (Bf.)   So  auch  mehrmals 
udirshva  „erhebe  dich,  stehe  auf".  R.  10.  18.  8;  85.  21,  22 
und  1.  113.  16: 

üd  trdhvam  jivo  äsur  na  agäd  äpa  prägät  tama  a  jyo- 

tir  eti  | 
„erhebet  euch!  die  lebenskraft  sie  naht,  hinweg  schon  zog 
das  dunkel  sich,   das  licht  ist  da".     R.  10.  15.  1  =  Väj. 
19.  49: 

üdiratäm  avara  üt  piräsa  ün  madhyamah  pitarah  som- 

yÜsah  | 


300  Ku^ 

^auf  soUeii  stdgen  nun  die  untersten,  die  obersten  und  mitt- 
leren der  somawQrdigen  ahnen^. 

Mit  der  übertragenen  bedeutung  „sich  erheben,  begin- 
nend R.  1.  83.  3  =  Sa- 1.  5.  1.  3.  6: 

y&d  udltata  &j&yo  dbrshnave  dhiyate  dhdnä  | 
„und  wenn  der  kämpf  sich  nun  erhebt,    dann  wird  dem 
tapfem  reiches  theil^.     Mit  der  bedeutung  „sich  erheben, 
von  etw.  od.  jmd.  ausgehn^.  S4. 1.  1.  2.  4.  6  =  R.  5.  25.  7: 
jkd  vähishtham  t&d  agnäye  brhdd  arca  vibh4vaso  | 
m&hishtva  ty4d  rayls  tväd  y£jä  üdlrate  || 
„das  herrlichste  dem  Agni  dar!   strahle  herrlich,  glanzrei- 
cher du!  wie  einer  büffelin  (?)  entströmt  von  dir  reichthum, 
nahrung  von  dir«.  (Bf.)  V&j.  12.  82: 

üchüshmä  öshadhinäm  gavo  goshthSd  iverate  | 
„aus  kräutern  steigen  kräfte  auf,  wie  rinder  aus  dem  stalle 
gehn«.   S&.  II.  5.  1.  5.  1: 

ut  te  ^ushmäsa  träte  sindhor  ürmer  iva  svanah  | 
„kräfte  brechen  aus  dir  hervor,  wie  brausen  aus  des  mee- 
res  gewog".  (Bf.). 

Besonders   übertragen   auf  stimme   und   rede.     R.  1. 
123.  6: 

üdtrat&m  sünr  tä  üt  pürandhih 
„liebliche  reden  und  opfer  sollen  sich  erheben«.^  S&.  L  3. 
2.  1.  9: 

udu  tye  madhumattamä  gira  stom&sa  träte 
„die  lieblichsten  der  klänge  nun,  die  lobgesänge  steigen  auf^. 
Sä.  I.  4.  i.  4.  8: 

udu  brahmäny  airata  ^ravasyendram  samarye  mahayä 

vasishtha  | 
„die  fromme  bitte  stieg  empor  um  rühm,  den  Indra  preise 
in  dem  kämpf,  Vasishtha«".     S&.  I.  5.  2.  4.  5: 

tisro  väca  udirate  gävo  mimanti  dhenavah  | 
„die  drei  worte  erheben  sich,  die  kühe  brüllen  milchende«. 
(Bf.)  SA.  n.  5.  1.  5.  2; 

prasave  ta  udtrate  tisro  väco  makhasyuvah  | 
„in  deiner  zeugung  erheben  sich  drei  worte,  opferlustige«. 
(Bf.)  Die  drei  worte   sind  die  drei  ältesten  Veden  Rik, 


e^jnuologieen:    1)  iaXXm,  201 

S&ma  und  Yajas.  —  Endlich  finde  ich  tr  noch  mit  dem 
praef.  pra,^  gleichfalls  in  der  bedeutung  ^sich  erheben,  her- 
vorkommen«.  Sa.  I.  6.  1.  5.  12: 

ap&m  ived  ürmayas  tartaränih  pra  mantshä  träte  somam 

acha  I 
„wie  wasserwogen  übereinander  stürzend,  so  roDen  lobge- 
s&nge  hin  za  Soma«.  (B£) 

So  sehen  wir  denn  das  verbum  trte  ganz  in  derselben 
bedentung  wie  iyarti  gebraucht  und  die  Verbindungen  ^ush- 
mam  udiyarti,  väcam  udiyarti,  Yäca  udiyarti,  stomän  iyarmi, 
bhandani  udiyarti,  manmäni  udiyarti  stimmen  genau  zu 
9ushm&  udirate,  stom4  udtrate,  8Ünrt&  udtrat&m,  brahmAny 
udairata,  väca  udirate,  pra  mantshä  träte.  Von  dieser  Wur- 
zel stammt  aber  das  causale  trayämi,  welches  mit  der  tran- 
sitiven bedeutung  „entsenden,  werfen,  erschallen  lassen,  her- 
vorbringen, antreiben«,  namentlich  auch  verstärkt  durch  die 
pr&fixe  ut  „heraus«  und  pra  „hervor**  nicht  allein  in  der 
vedischen  sondern  auch  in  der  sp&teren  spräche  sehr  häufig 
gebraucht  wird.  So  findet  es  sich  häufig  von  der  morgen- 
röthe,  welche  die  lieder  des  morgens  erweckt  R.  1.  113.  12: 
sünrtä  trayanü  „liebliche  reden  erweckend«  (vergl.  R.  8. 
61.  2;  1.  48.  2)  und  R.  1.  113.  8: 

vynch&fiti  jiv&m  udtr4yanti  ushi  mrtam  k&m  can&  bo- 

dh&yanti  | 
„(sie  folgt  dem  pfade  der  dahin  gegangnen,    der  wieder- 
kehrenden, der  ewgen  erste)  aufleuchtend  den  lebendigen 
erweckend  und  aUes  todte  wieder  neu  belebend«.  R.  5.  55.  5: 

üdirayatha  marutah  samudratö  yüyim  vrshtim 
„aus  dem  wolkenmeer  sendet  ihr  o  Maruts  den  regen«.  R. 
1.  168.  8: 

y&d  abhriyäm  vacam  udir&yanti 
„wenn  sie  mit  donnerstimme  reden«.     Väj.  8.  19: 
yan  fivaha  u^tö  deva  dev&as  t£n  pr^raya  svö  agne  sadhÄsthe 
„der  du  nach  wünsch  die   götter  hergeführt,    gott  Agni, 
bring  an  seine  statte  jeden«.    R.  2.  33.  8: 

pr&  babhrAve  vrshabhlkya  9vittc6  mah6  mahfin  sushtutim 


)0S|  Kalm 

^dem  —  segeDspender  —  briag  ich  erhabenen  lobgeeang^. 
Beispiele  f&r  den  Sprachgebrauch  der  sp&tern  zeit  finden 
sich  zahlreich  bei  Westergaard  und  auch  hier  ist  sowohl 
beim  simplex  als  im  compositum  mit  ud  die  Übertragung 
auf  rede  und  stimme  überaus  hftufig.  1)  werfen,  ent- 
senden« Mab«  3.  709:  sa  v&no  matsuteritah  yivy&dha  hrda- 
yam  „der  von  meinem  söhne  entsandte  pfeil,  verwundete  das 
herz"".    Mah.  3.  12173: 

arjun&rjuna  m&  bhais  tvam  vajram  astram  udtraya  | 
„Arjuna,  Aijuna  fürchte  nicht,  schleudre  den  vajra,  dein 
geschois^.  Mah.  4. 1870:  udirayantau  samare  divy&ny  astr&ni 
,yim  kämpfe  schleudernd  die  göttlichen  geschosse^.  B&m.  1. 
55. 22 :  udtry  am&nam  astram  tad . .  •  drshtv&  „das  geschleuderte 
geschois  sehend^.  R&m.  1.  56.  15:  brahm&stre  samudirite  „als 
das  Brahmageschois  geschleudert  war^.    Mah.  3.  1070: 

&tmftnam  apica  kruddhah  prerayed  yamas&danam  | 
„sich  selber  mag  der  zornige  auch  entsenden  gar  in  Yama's 
haus^.  2)  erschallen  lassen.  Mah.  1.  4565:  m&nushim 
Irayan  giram  „die  menschliche  stimme  ertönen  lassend^. 
Mab.  3.  10625:  nibodha  v&kyam  mayeryamänam  „vernimm 
die  von  mir  gesprochne  rede^.  NaL  5.  30 :  devair  vismitair 
iritah  pabdah  „die  staunenden  götter  liefsen  den  ruf  er- 
schallen^. Nal.  17.  50:  vakyam  damayantyä-tritam  „die  von 
der  D.  gesprochenen  y^orte^.  Ram.  2.  67.  3 :  ete  dvijä  vä- 
cam  udtrayan  „jene  zwiegeborenen  lielsen  die  worte  hö- 
ren^. Mah.  1.  2170:  väcas  tisro  'bhyudirayan  ^diese  drei 
worte  ihm  zurufend^.  Mah.  3.  12185:  täbhih  ^abdah  sa- 
miritah  „das  von  ihnen  erhobene  geschrei^.  3)  antrei- 
ben, aufregen.  Bhattik.  12.  6:  iryamäno  maträ  „von  der 
mutter  angetrieben^.  Ram.  2.  93.  14:  khurair  udirito  renuh 
„der  von  den  hufen  angeregte  staub^.  Räm.  2.  7.  9 :  udfrya- 
manä  harshena  dh4tri  „die  von  fireude  aufgeregte  amme^. 
Mah.  3.  5073.  7074 :  p&npavo  väyun&  samudtritah  „die  vom 
winde  angeregten  Staubwolken^.  Ragh.  4.  24:  y&trayai 
preray&mäsa  tarn  ^arat  „zum  reisen  trieb  ihn  der  herbst  an^. 
Na«;hdem  so  der  Sprachgebrauch  von  iyarmi,  ire,  tra- 
yämi  dargelegt  ist  und   wir  gesehen   haben,   dafs  ire  aus 


e^naiologye«n:    1)  idXXm.  dOS 

ijare  entstanden  sei,  so  ergiebt  sich,  dais  auch  trayftmi  auf 
ein  ursprünglicheres  iyarayftmi  zurückgehn  müsse.  Da  nun 
aber  das  indische  r  überaus  häufig  an  der  stelle  eines  1  der 
verwandten  sprachen  steht,  überdies  bei  unserer  wurzel  auch 
in  einigen  ableitungen  z.  b.  intens,  alarshi,  alarti,  fbr  ararshi, 
ararti,  alam  statt  des  früheren  aram  im  indischen  selbst  auftritt, 
so  ist  klar,  dafs  der  stamm  von  laXlw,  nämlich  iaA,  genau 
dem  Ycdischen  iyar  entspricht  und  es  bedarf  nur  noch  des 
nachweises,  dafs  auch  die  präsensthemen  von  trayftmi  aus 
lyarayämi  und  IdXXco  identisch  seien.  Unter  den  verbis  auf 
eine  liqnida  sind  nun  mehrere,  wenn  wir  namentlich  von 
denominativen  bildungen  absehn,  genau  indischen  causalien 
eYitsprechend  und  es  stellen  sich  auf  diese  weise: 

iyetQü)  zu  jägaray&mi,  erwecke 

nBigeo  zu  pärayämi,  f&hre  hinüber,  bringe  hindurch 

q>&e{Q<a  zu  x&rayämi,  mache  verschwinden 

SetQw  zu  därayämi,  zerreifse 

ndXXvi  zu  sph&rayämi  (vergl.  oben  3.  413,  4.  10)  mache 

schimmern,  schwinge 

atpäXXw  zu  skhälayämi,  mache  irren 

xiXXo)  zu  calayämi,  schüttle,  bewege,  treibe. 

Diese  sich  entsprechenden  formen  zeigen  also,  dafs  das 
griechische  zunächst  durchweg  den  ersten  vokal  a  von 
ay&mi  aufgab  und  nachdem  dies  geschehen  war,  das  y  bei 
den  verbis  auf  (>  als  i  in  die  wurzelsylbe  nahm  oder  wie 
im  äoliscfaen  dialekt  (Sip^o)^  (p&i^pa,  iyi^^of)  dem  voran- 
gehenden Q  assimilirte;  ein  Vorgang,  dem  es  auch  beim 
wurzelauslaut  auf  X  überall  folgte.  In  rücksicht  des  wur- 
zelvokals  ist  zu  bemerken,  dafs  er  mit  Wahrscheinlichkeit 
in  den  genannten  verbis  auf  g  und  k  überall  als  ursprüng- 
liches a  anzusetzen  ist,  welches  dann  dem  ä  der  indischen 
causalformen  entspricht;  dais  er  wenigstens  in  (p&stgw^ 
Se/Q(o  entschiedene  Schwächung  ans  cu  sei,  zeigen  Sifd-ag- 
uaiy  ifp&dQf]v,  kSaQTfiv  (vgl.  ixagi^v)  und  das  attische  Saigto^ 
während  xiXXdn  mit  6  gegenüber  dem  knrzen  a  von  calaykmi 
zeigt,  dais  auch  bei  ihm  das  verkürzte  a,  aus  dem  sich  « 
entwickelte,  frühzeitig  eingetreten  sei  oder,  was  auch  m(^- 


204  Knlm 

lieh  w&re,  nie  vorhanden  war,  denn  eine  groike  zahl  von 
causalformen  kann  im  aanekrit  auch  ohne  vokalverst&rkung 
der  Wurzelsilbe  gebildet  werden;  übrigens  besteht  neben 
calay&mi  noch  die  verstärkte  form  cAlay&mi.  Wenn  in 
diesen  formen  xiklu)  und  calay&mi  also  das  sanskrit  and 
griechische  wahrscheinlich  gleiche  Schwächung  erlitten  ha- 
ben, so  steht  das  griechische  mit  seinem  IdlXo)  auf  einem 
weit  älteren  Standpunkt  als  das  sanskrit,  indem  es  die  sonst 
bei  causalformen  nicht  gebräuchliche  reduplikation  der  war- 
zd  noch  neben  der  ableitungsendung  wohlerhalten  zeigt, 
während  das  sanskrit  die  reduplikations-  und  Wurzelsilbe 
contrahirt  hat  Diese  causalform  aus  einer  redupUcirten 
Wurzel  verdient  übrigens  wohl  beachtung,  da  sich  ihr  noch 
eine  zweite  griechische  xitalvta  =  tBlvia  =  skr.  tänayati 
zur  Seite  stellt  Nimmt  man  dazu,  dafs  die  causalia  im 
sanskrit  ihren  aorist  durchweg  mit  der  reduplikation  aber 
ohne  die  ableitungsendung  aya  bilden,  so  ergiebt  sich,  dafs 
zwar  in  der  regel  die  reduplikation  oder  die  ableitungssilbc 
aya  zur  entwicklung  des  causalen  begriffs  der  wurzel  die- 
nen, dafs  gelegentlich  aber  auch  beide  zugleich  als  mittel 
dazu  gebraucht  werden. 

Werfen  wir  nach  diesen  das  laut-  und  bildungsver- 
hältnüs  von  lakk<o  betreffenden  auseinandersetzungen  noch 
einen  blick  auf  die  bedeutung  desselben,  so  ist  es  von  In- 
teresse zu  sehen,  wie  hier  bei  alterthümlichkeit  der  form 
auch  die  alterthümlichkeit  der  anschauung  gewahrt  ist  Zu- 
nächst kann  es  nicht  auffallen,  dafs  mit  dem  verschwindea 
des  ein&chen  verbums  die  intransisive  bedeutung  „sich  er- 
heben^ sich  in  das  abgeleitete  hinübergerettet  hat,  wenn 
gleich  es  nur  in  einer  einzigen  stelle  Hes.  theog.  269  er- 
scheint: 

at  ^*  avifAtav  nvoi^ai  Tcal  oUavotg  afi    ^novta^ 
wxelpg  m€QvyBaü$*  fittaxQovutv  yag  takXov. 
Die  transitive  bedeutung  des  causalen  verbi  stimmt  da- 
gegen vollständig  in  den  bedeutungen  des  entsendens  und 
ertönen  lassens  in  beiden  sprachen  überein  und  jenem  astram 
udtrayati,  vAnam  udtrayati  steht  genau  H.  &.  300:   oHiTTov 


etymologieen:    1}  ttiXlv.  i96 

äno  v€V()y^iv  lakksv.  Theoer,  25,  235:  T(ß  <$'  iyat  aXXov 
o'ictov  ano  vevg^g  nQoictXXov  zur  Seite,  sowie  sich  an  vi- 
cam^  giram,  väkyam,  pabdam  trayati  die  Wendungen  vhx" 
xriv  vBxveaaiv  lalXiav,  (pnovriv^  yXfHaaav  HXXhv  anschliefsen. 
Aber  mir  will  auch  scheinen,  dafs  die  bedeutung  aufregen, 
Od.  13,  141: 

X^iXendv  3i  xbv  ettj 
nQZcßvxatov  xal  äg^arov  ärißiipatv  IdXXeiv. 
der  construction  viel  weniger  gewalt  anthut,  als  die  ge- 
wöhnliche erklärung,  die  es  ignominiis  afBcere  s.  appetere 
fafst,  wonach  man  also  aus  IdXXw  entsenden  etwa  ein  an- 
gehen, dann  anthun,  sich  entwickeln  lassen  mufs.  Jene 
bedeutung  scheint  mir  durch  das  oben  angeflihrte  udirya- 
mänä  harshena  um  so  sicherer,  als  Od.  22,  49 : 

aXX  6  fiihf  ijStj  xeitai,  og  ahiog  HnXeTO  TtdvrcDVy 
'AvTivoog*  ovTog  ydg  ItiItjXbv  tdds  'i^ya. 
„er  hat  diese  dinge  herbeigefilhrt,  angeregt^,  ja  auch  nach 
der  bisherigen  erklärung  (Schol.  Buttm.  GwiöxriaBv)  so  ge- 
fafst  wird.  —  Zum  schlufs  kann  ich  mein  bedenken  über 
Pott's  annähme,  dafs  htfidXXu)  mit  wrz.  ciX  salire  zusam- 
mengesetzt sei,  nicht  verhehlen,  es  scheint  mir  doch  na- 
türlicher es  zu  idXXit)  zu  beziehen,  und  Eusth.  sowohl,  wel- 
cher wegen  iq>idXXw  auch  idXXu)  schreiben  wollte,  als  auch 
Arcadius,  welcher  ausdrücklich  sagt  ro  IdXXw  'Artixot  Sa- 
avvovGiv  scheinen  dafür  zu  sprechen,  dafs  IdXXoa  wenigstens 
bei  Attikem  wirklich  mit  dem  Spiritus  asper  gesprochen 
wurde,  und  dieser  würde  sich  genügend  aus  dem  hinter  « 
ausgefallenen  y  und  übertritt  in  den  anlaut  erklären. 

Ich  bemerke  endlich,  dafs  sich  ahd.  ilan,  illan,  nhd. 
eilen  offenbar  den  hier  verglichenen  Wörtern  anschliefst  und 
zwar  ist  es  dem  b^riffe  nach  genau  dem  skr.  ir  ätm.  sich 
erheben,  aufstehen  entsprechend,  da  es  neben  der  bedeu- 
tung eilen  auch  noch  vielfältig  die  von  streben,  sich  be- 
mühen zeigt  (vgl.  6ra£P  I.  226);  der  form  nach  dagegen 
ist  es  gleich  dem  causale  trayati,  indem  das  im  althoch- 
deutschen noch  mehrfUtig  hervortretende  11  deutlich  aus 
assimilation  von  Ij  entstanden  ist  wie  in  goth.  viljan  =  ahd. 


)§9  Kuba 

wellan  u.  a.  Diese  anwendung  der  caosalen  form  auf  den 
iDtransiiiYbegriff  vergleicht  sich  dem  gebrauch  tod  lakha 
in  der  oben  besprochenen  hesiodischen  stelle,  wo  es  sich 
geradezu  als  ,,dahineilen^  fassen  iSTst. 

2)  aXro. 

In  dem  Torigen  aufsatze  habe  ich  gezeigt,  dafs  die 
yerbalthemen  von  trayämi  und  Idkio)  übereinstimmen,  zu- 
gleich aber  auch  nachgewiesen,  dafis  sie  auf  ein  reduplicir- 
tes  thema  der  wnrzel  r  oder  vielmehr  ar  zurflckgehen;  die 
verschiedenen  themen  der  spezialtempora,  welche  dieser 
Wurzel  angehören,  waren  bereits  früher  nachgewiesen  und 
ebenso  die  interessante  Übereinstimmung  von  wgTOf  ogovxo 
mit  skr.  irta,  arta,  aranta,  ranta.  Wir  sehen  also,  dals  in 
dem  uns  vorliegenden  zustande  des  griechischen  aus  der 
einen  wurzel  ar  sich  zwei  gebildet  haben,  deren  eine  6q 
die  andere  aX  lautet;  diesen  auseinandergehenden  lautver- 
hältnissen  muTs  aber  eine  zeit  vorangegangen  sein,  in  wel- 
cher der  Wurzelauslaut  vermöge  seiner  natur  zwischen  q 
und  X  im  schwanken  war  und  da  zu  dieser  zeit  wie  die 
Übereinstimmung  von  wqxo  mit  &rta  zeigt,  der  aorist  die- 
ser Wurzel  schon  vorhanden  war,  so  scheint  es  natürlich 
anzunehmen,  dafs  er  sich  je  nach  dem  auslaut  der  wurzel 
in  die  beiden  formen  wqto  und  alro  gespalten  habe. 

Der  aorist  akxo  wird  nun  aber  bereits  von  den  alten 
grammatikem  als  zu  äklofiai  gehörig  angesehen,  welche 
die  Verwandlung  des  spuitus  durch  die  unmittelbar  auf  k 
folgenden  consonanten  in  akao,  akrOf  äk^uvog,  imakfievog 
erklärten,  und  so  mag  es  um  so  ketzerischer  erscheinen, 
an  der  vollen  Wahrheit  dieser  Überlieferung  zu  zweifeln,  als 
Spitzner  exe.  XVI.  ad.  IL  p.  LIV  sagt:  Quo  saepiusiautem 
participia  inde  subnata,  sicut  k^dkfdBvog,  fABrdkfjiBVogy  vn%Q^ 
dkfiivog  leguntur,  eo  minus  dubitationis  de  illorum  origine 
erit  relictum.  Itaque  neminem,  qui  in  contrarium  abeat, 
fiiturum  esse  crediderim.  Nichts  desto  weniger  kann  ich 
mich  nicht  von  der  richtigkeit  jener  aufttellung  überzeu- 


etymologyeen !    2)  iXxo,  W! 

gen;  schon  Buttmaon  II.  s.  109  anm»  hatte  jenen  kanon 
als  schlecht  verworfen,  die  thatsache  aber  durch  verglei- 
chnng  Ton  a/Aagtävo)  mit  fjfißgorov  und  aflgoTti^w  zu  stüt* 
zen  gesucht  und  sich  vor  allen  daftür  erklärt,  dafs  die  form 
ohne  asper  nicht  etWa  auf  eine  grammatische  grille  zurfick- 
zuf&hren  sei,  sondern  entschieden  auf  alter  Überlieferung 
beruhe.  Die  vergleichung  mit  äfiagtavcn  wird  nun  aber, 
nachdem  was  Benary  darOber  beigebracht  hat,  fallen  müs- 
sen, da  das  lautverhältnifs  hier  ein  anderes  ist  und  auüser- 
dem  der  Verbindung  mit  äiJiofia$  hier  und  da,  wie  mir 
scheinen  will,  Schwierigkeiten  von  Seiten  der  bedeutnng 
entgegenstehn. 

Die  häufig  vorkommenden  Verbindungen  ^|  6xio»v  cvv 

aXto  ;^ajua^<  scheinen  freilich  keine  andere  erklärung  zu- 
zulassen, zumal  wenn  man  stellen  wie  IL  12,  390: 

äxfß  8*  äno  TslxBog  äkro  la&dv,  Xva  fiijug  *Axai^v 
ßhfiiAtvov  a&giqaut  — 
II.  20,  62  kx  &q6vov  aXxo  und  D.  5,  \dl  XQ^^^V  (^^^  ^  ccvkijg 
imBQ€eXfi€VOV  mit  5,  142  avrag  6  ifdfiifjiawg  fta&it^g  i^aXr 
ksrai  ccvX^g  vergleicht;  aber  in  den  meisten  übrigen  stel- 
len sowohl  des  simplex  als  der  composita,  reicht  man  mit 
der  bedeutung  springen  nicht  mehr  aus  und  hat,  um  sie 
alle  zu  vereinigen,  eine  allgemeinere  nöthig.  So  finde  ich 
namentlich  II.  1.  532: 

Tniy   i3^  ßovX^iHSavTB  Siitfiayev  tj  fjikv  ÜnBira 
üg  aXa  aXro  ßa&elav  an   alyXtjevtog  'OXv/atiov^ 
Zevg  Si  iov  ngog  Sdifia. 
schwer  mit  der  bisherigen  auffassung  zu  vereinigen;    denn 
selbst  zugegeben,  dafs  Thetis  so  ohne  weiteres  vom  Olymp 
ins   meer  springen  könnte,    soll  nun  auch  Zeus  in  seine 
Wohnung  springen?  Oder  will  man  den  Apoll  springen  las* 
sen,  hym.  in  Apoll.  448: 

iv&sy  S'  avt   km  vrja,  v6vi(a!  wg,  aXro  nixM&cu 
um  zu  dem  schiffe  zu  fliegen?  Was  hier  den  personen  upd 
zuständen  wenig  angemessen  erscheint,  zeigt  sich  geradezu 
mit  der  natur  in  widersprach.  0.  18.  616: 


9Qg  Kahn 

Ti  8\  iQV^  wgt  aXxo  xax    OvXvptnov  vup6%wog 
wo  wohl  von  einem  sich  herabstürzen,  hemiederfahren,  aber 
nicht  vom  herabspringen  die  rede  sein  sein  kann;    ebenso 
unangemessen  w&re  diese  auffassung  in  II.  4.  125  Uyl^  ßioSy 
vBVQfi  di  lAiy  taxBVy  aXto  8*  oicvog^  wie  We  auch  IL  20, 327: 
Alvdav  S^iffOBVBV  and  x^ovog  inpod  äilgag, 
n6JiXag  Sh  atlxcig  rjgcitaVy  noXXag  8k  xai  innatv 
Aivüag  vnsQäkrOf  &bov  ano  x^^Qog  oQOVöag. 
kaum  recht  passend  erscheint,   wobei  ich  noch  bemerke, 
dafs  wie  in  der  oben  angefbhrten  stelle  des  homerischen 
hymnus  vom  Apoll,   der  das  schiff  verläfst,    ogovcsv  ge- 
braucht wird,  während  aAro  dazu  verwandt  wird,  um  sei- 
nen aufbruch  zur  rückkehr  zu  bezeichnen,  ebenso  sich  beide 
verba  hier  verbunden  finden.    Es  will  mir  deshalb  schei- 
nen, als  sei  das  äkto  mindestens  an  den  herausgehobenen 
stellen  ein  anderes  als  das  in  tmegaXfievog,  aXvo  x^f*^^^ 
u.  s.  w.  und  zwar  sei  es  der  alte  aor.  2  med.  zu  IdXXo), 
welcher  zum  indischen  ärta,  ohne  augment  arta  stimme. 

Man  vergleiche  nur  das  hesiodische  fjLSvaxgoviai  yag  caA- 
Xov  mit  dem  homerischen  ij  8\  i'gij^  wg,  aXro  xav  OifXvunov 
vtfpoevTog  oder  das  homerisch  theokritische  olaxov  ano  vbxh 
g^cfiv  iaXXev  mit  dem  homerischen  aAro  8'  otaxog  und  man 
wird  zugeben  müssen,  dals  der  begriff  des  raschen  fluges, 
unser  schieisen  an  diesen  sowohl  als  an  vielen  anderen  stel- 
len passender  erscheine  als  eine  erklärung  durch  aXXofiai^ 
die  mir  in  der  stelle  des  apollinischen  hymnus  schlechter- 
dings unmöglich  scheint.  Man  erinnere  sich  femer,  dals 
adorior  von  derselben  wurzel  stammt,  dann  findet  man  auch 
wohl  aXr*  knl  ol  (xmatog  und  die  ähnlichen  stellen  von  die- 
sem Standpunkt  aus  ebenso  gut  erklärbar,  sowie  man  bei 
der  erwägnng,  dais  unser  rennen  von  eben  der  wurzel  aus- 
geht, auch  selbst  ai^y^  8*  i^  otxoio  fpiXoitiog  aXro  &VQa^B 
Od.  21.  388  nnd  H.  24.  572,  Od.  22.  2  hierherzuziehen  ge- 
neigt sein  möchte,  denn  springen  und  laufen  sind  ja  in  sol- 
chen fidlen  fast  identisch. 

Und  damit  kommen  wir  auf  die  grammatiker  zurück; 
eben   dies  ineinanderlaufen   der  bedeutungen  an  manchen 


stellen  mochte  vielleicht  auch  eine  vollstäDdige  Yerschmel* 
zung  der  fonn  herbeiführen  und  so  das  aufgeben  des  asper 
▼on  akro  bewirken.  Die  grammatiker  müssen  den  lenis 
aber  auch  schon  im  conjunctiy  äkr^rai  (aktTai?)  vorgefiin- 
den  haben,  wo  er  jetzt  unrechtmäfsiger  weise  wieder  in 
den  text  genommen  ist  (Buttmann  griech.  gramm.  U.  109), 
denn  sonst  würden  sie  nicht  auf  eine  erklärung  der  form 
aus  dem  aor.  äk^vav  verfallen  sein.  War  nämUch  ursprüng- 
liches akijTai  vorhanden,  so  war  ja  alles  in  vollständiger 
Ordnung,  da  der  kanon  nur  für  die  formen  galt,  in  welchen 
k  mit  consonanten  zusammenstiels,  waren  aber  beide  les- 
arten  vorhanden,  so  wird  man  die  schwierigere  wohl  als 
die  richtigere  ansehen  müssen,  um  so  mehr  als  auch  hier 
wieder  der  begrifi  des  springens  nicht  recht  passen  will. 
II.  21.  536: 

SBiöia  yä(}f  fAt^  ovkog  avrJQ  ig  telxog  äktjrai 
denn  die  thore  sind  offen,  und  es  scheint  natürlicher,  dafs 
Achilleus  hereinstürze,  laufe,  dringe  als  dafs  er  herein- 
springe, wozu  man  noch  II.  13.  679  vergleiche.  Nahmen 
aber  die  alten  erklärer  selbst  schon  von  einer  durchgehen- 
den erklärung  aus  äkkofiai  abstand,  sei  es  dafs  sie  in  der 
form  oder  in  der  bedeutung  Schwierigkeit  fanden,  so  wird 
es  auch  für  uns  gerechtfertigt,  an  einzelnen  stellen  eine 
andre  weise  der  erklärung  zu  versuchen. 

3)    *S^>  yiyvofjLai^,  yaivofiat. 

Ich  habe  in  einem  früheren  aufsatze  (2,  131)  i^ta  mit 
skr.  sidämi  zusammengestellt,  was  insofern  nicht  ganz  ge- 
nau ist,  als  der  wurzelauslaut  nicht  stimmt,  wenn  auch  In- 
laut und  Milaut  sich  entsprechen;  t^a>  gehört  nun  offenbar 
zu  den  in  Idkko)  und  xnaivva  nachgewiesenen  causalformen, 
die  mittelst  der  reduplikation  und  der  ableitungssilbe  aya 
gebildet  sind,  wobei  jedoch  das  erste  a  der  endung  abge- 
worfen vnirde,  es  führt  demnach  zurück  auf  ursprüngliches 
sisaday&mi  oder  sisadyämi,  während  sidämi  aus  sisadämi 
ohne  ableitungssilbe  entstand.  Die  transitive  bedeutung  von 
V.     8.  14 


210  1^^>^ 

tCo)  ist  deshalb  jedenfiBdls  als  die  arsprüDglichere  anzusehen. 
Haben  wir  somit  in  2^(u  noch  ein  neues  beispiel  fär  die 
Verwendung  beider  mittel  der  causalbildung  in  einer  form, 
so  zeigt  ein  anderes  verbnm  beide  mittel  in  verschiedenen 
formen  bei  gleicher  bedeutung. 

Die  skr.  wurzel  jan  bildet  ihr  praes.  3.  sg.  jajanti  mit 
der  bedeutung  erzengen,  gebären;  dem  entspricht  genau 
das  lat  gigno,  nur  dals  die  conjugation  ohne  bindevokal 
wie  fast  überall  im  lateinischen  der  mit  demselben  gewi- 
chen ist;  dazu  ist  nun  yiyvofjiai  die  passivform  und  wir 
haben  somit  die  neben  einanderlaufende  bildung  des  cau- 
sale  mit  der  reduplikation  in  drei  sprachen.  Neben  yiyvo- 
fiai  steht  aber  nun  das  epische  yBivofiai^  was  ein  transi- 
tives yelvw  voraussetzt  (dam  aor.  hyuvafiriv  wird  die  tran- 
sitive bedeutung  nicht  von  anfang  haben),  und  dies  schlieist 
sich  ebenso  genau  an  das  sanskrit  causale  janayami  ich 
erzeuge,  gebäre  wie  reiVcü  an  tanayämi.  Von  diesem  jana- 
yami mu&te  aber  das  regelrechte  passiv  janye  lauten,  was 
nach  einer  auch  bei  andern  wurzeln  auf  an  eintretenden 
regel  zu  jäye  wurde.  Demnach  entsprechen  sich  also  auch 
yiivoiAai  und  j&ye  aufs  genauste.  Wir  sehen  also  fdr  das 
skr.  causalthema  janay  im  griech*  ynv  auftreten,  welches 
aus  y^yj  entstanden  ist,  diesem  «elber  muls  aber  ytv^  vor- 
angegangen sein  und  diesen  stamm  haben  die  zusammen- 
gesetzten tempora  yeviiaofim  u.  s.  w.  bewahrt,  wie  auch 
das  lat.  perf.  genui  wie  von  einem  praesens  geneo  gebildet 
ist,  vgl.  teneo  =  tanayämi,  tenui. 


4)  «ig,  US,  ur,  ar,  er,  ir. 

Pott  (etym.  forsch.  II.  313)  vermuthet  in  üg^  ig  Zusam- 
mensetzung Von  iv  mit  dem  suffix  as;  da  aber  iv  offenbar 
aus  ivi  entstanden  ist,  wie  auch  Ebel  (oben  s.  185)  sanskr. 
ani  f&r  ni  voraussetzt,  so  würde  man  auf  Iviae  kommen 
und  dies  wahrscheinlich  kvie  nicht  elg  geworden  sein.  Ben- 
fey  (griech.  wurzellex.  IL  48.  232)  nimmt  Potts  erklärung 
im  ganzen  wieder  auf.    Vergleicht  man  nun  aber  iv,  ivi, 


etymologieen:  4)  th  n.  s.  w.  %\l 

lat.  in,  goth.  in,  skr.  ni,  so  spricht  doch  offenbar  alles  da- 
f&r,  dafs  die  grandform  aller  ani  war,  um  so  mehr  als  auch 
ai/a,  goth.  ana,  lat.  an  (in  anhelare  Pott  etym.  forsch.  I. 
142),  nmbr.  an  (A.  E.  umbr.  denkm.  I.  158),  skr.  anu  da- 
nebenstehn,  die  offenbar  denselben  stamm  zeigen.  Im  sans- 
krit  lassen  sich  aber  ni  hinein  und  nis  heraus  nicht  tren» 
nen,  wenn  uns  auch  der  Ursprung  des  s  dunkel  bleibt; 
ebensa  wenig  l&Tst  sich  dies  mit  kv  und  elg  thun;  gehört 
aber  ni  und  iv  zusammen,  so  scheint  dieselbe  annähme 
auch  i&r  nis  und  elg  rathsam;  elg  wird  aus  ivig  zu  elg,  ig 
zusammengezogen  sein,  was  durch  das  argivisch- kretische 
ivg  gewiis  wird  (Ahrens  diall.  ü.  104).  Die  bedeutung 
scheint  dem  freilich  schnurstracks  zu  widersprechen,  aber 
es  kommt  bei  den  präpositionen  ja  so  oft  auf  den  schliefs- 
lich  überwiegenden  Standpunkt  der  ortsbeziehung  an,  dafs 
ich  darin  kein  hindemifs  sehe.  Auch  ngog  heifst  „gegen 
hin^  ähnlich  wie  elg  hinein,  auf  hin,  hinzu,  und  doch  heifst 
es  ebenso  „von  her^^  und  unser  wider,  das  wir  nur  or* 
thograpfaisch  getrennt  haben,  drückt  in  derselben  weise 
beide  beziehungen  aus,  goth.  uf  unter,  vno  und  ahd.  oba 
supra  stellen  gleiche  gegensätze  dar  und  sind  doch  laut- 
lich identisch;  etg  hinein  und  nis  heraus  sind  also  nur  da^ 
durch  merkwürdig,  dafs  jede  von  beiden  präpositionen  nur 
eine  seite  der  ursprünglichen  bedeutung  gerettet  hat;  im 
alten  anis  werden  sie  beide  gelegen  haben. 

Vermitteln  sich  auf  diese  weise  zwei  präpositionen  des 
griechischen  mit  zweien  des  sanskrit,  Ton  denen  die  eine 
gruppe  bisher  sich  aller  vermittelung  entzog,  die  doch  beim 
anblick  des  Verhältnisses  ni :  nis  s=  iv :  elg  so  natürlich  zu 
sein  schien,  so  ergiebt  sich,  wie  ich  glaube  mit  noch  grö- 
serer  evidenz,  ein  scheinbarer  neuling  und  eindringling  eben- 
&Us  als  ein  naher  blutsverwandter,  nämlich  das  präfix  us 
im  gothischen,  ar,  ur,  ir,  er  im  althochdeutschen  u.  s.  w. 
Das  als  urform  von  ävg^  elg,  skr.  nis  sich  ergebende  präfix 
wäre  anis,  welches  nach  gothischem  lautgesetz  ans  werden 
mufste  wie  fa)>s  aus  patis  n.  a.;  nun  erscheint  aber  im  go- 
thischen statt  eines  alten  a  vor  nasalen  zuweilen  u,  so  in 

14* 


un  =3  skr.  an,  griecb.  av,  in  taihun  ==  skr.  dapan,  in  bon  =  skr. 
cana,  in  hiind  =  centam,  patam,  dron-jas,  =  skr.  dhyan-i,  zu- 
weilen ist  der  folgende  nasal  aber  anch  ganz  weggefallen  wie 
in  ju  =  lat.  jam,  dubö  =  tat.  co-lumba,  skr.  kandamba,  drus 
mina,  driusan  cadere  =s  skr.  dhvams,  cadere,  decidere,  auch 
wohl  in  hus  =  lat.  cäsa  aus  vorauszusetzendem  cansa,  vgl. 
das  altl.  cosul,  cesor  u.  &. ;  ebenso  wahrscheinlich  ist  das  n 
unursprünglich  in  fula,  wenn  wir  näkog  vergleichen,  was  auf 
ein  vorausgegangnes  pamla  schliefsen  l&fst,  wie  in  xXci&to 
:  granth,  xgci^o) :  krand,  xtatpog :  hamfs,  gröz  :  grandis,  woher 
denn  auch  wohl  die  doppelte  liquida  in  pnllus  durch  assimila- 
tion  zu  erklären  ist.  Unter  den  angeführten  beispielen  ver- 
hält sich  nun  drus  :  dhvams  genau  wie  us  zu  dem  vorausge- 
setzten ans  und  denselben  urspmng  hat  auf  indischem  boden 
die  endung  der  3.  pl.  pf.  us  aus  ans  und  älterem  ant,  griech. 
ovai  aus  ovrt^  anti.  In  den  slawischen  dialekten  erklären  sich 
bekanntlich  viele  u  aus  älterem  an,  am,  vgl.  Grimm  gesch. 
d.  d.  spr.  335.  336,  wo  auch  goth.  ]>ruts  auf  diese  weise 
erklärt  wird,  aber  dem  böhm.  hus :  ahd.  gans  noch  ndd.  gös 
und  e.  goose  hätte  beigefügt  werden  können.  Somit  ist 
denn  von  Seiten  der  form  bei  aller  scheinbaren  Verschie- 
denheit dennoch  die  lautliche  Vermittlung  zwischen  goth. 
US  und  skr.  nis  gefunden.  Die  bedeutungen  stimmen  aber 
aufs  genauste,  wie  namentlich  die  beiden  präüxen  gemeinsame 
der  bewegung  aus  dem  innem  heraus  und  der  beraubung 
-(Grimm  gr.  Ö*.  791)  beweisen.  Im  althochdeutschen  tre- 
ten nun  neben  dem  aus  us  hervorgehenden  ur  noch  die 
formen  ar^  ir,  er  auf,  welche  indefs  in  der  composition  mit 
nominibus  nicht  erscheinen.  Diese  mit  ur  lautlich  zu  iden- 
tificiren  scheint  mir  unmöglich,  ich  schlage  daher  einen 
anderen  weg  zu  ihrer  erklärung  ein.  Wie  nämlich  das 
Sanskrit  das  anlautende  a  der  grundformen  ani  und  anis 
abgeworfen  hat,  so  mufs  dies  auch  im  althochdeutschen 
zum  theil  der  fall  gewesen  sein,  wenn  auch  die  den  voka- 
lischen anlaut  bewahrende  form  in  ur  aus  us,  uns  daneben 
bestehen  blieb;  den  beweis  dafür  liefert  ahd.  nidar,  welches 
Bopp   mit  recht  aus  skr.  ni  erklärt  (vgl.  gr.  1475).     Nun 


etymologieen:  i)  «i^,  u.  a.  w.  213 

ist  aber  das  älteste  sanskrit  der  vedeu  in  der  verstOmm- 
lung  des  präfizes  zuweilen  noch  einen  schritt  weiter  ge- 
gangen, indem  es  das  anlautende  n  abgeworfen  hat,  so  in 
ishkrti  ftkr  nishkrti  und  anderen   ableitungen  von  nishkr, 
welches  euphonisch  ftkr   nis-kr  steht.      Diese  im  sanskrit 
auf  die  eine  wurzel  kr  mit  ihren  ableitungen  beschränkte 
form  iSnden  wir  aber  im  slaw.  iz\  im  lit.  isz,  im  altpr.  ia, 
alle  drei  „aus^  bedeutend,  durchgedrungen,  während  noch 
das  adv.  slaw.  niz'  unten  daneben  besteht  (Bopp  a.  a.  o.). 
Da  nun  die  deutschen  sprachen  mit  den  slawischen  in  ei- 
ner engeren  Verbindung  stehen  als  mit  den  übrigen  indo- 
germanischen, da  wie  im  slaw.  niz'  unten  das  n  auch  nur 
noch  im  ahd.  ni-dar  erhalten  ist,  so  ist  wohl  einleuchtend, 
da(s  auch  die  in  ir,  er  auftretende  form  unseres  präfizes 
auf  die  ältere  verstümmelte  gestalt  is  f.  nis  =  anis  zurück- 
zufahren seL    Ob  auch  ar  erst  aus  er  hervorgegangen  sei, 
kann  zweifelhafter  erscheinen,  doch  scheint  dafür  die  ana- 
logie  von  zir,  zer,  zar  =  lat.  dis  zu  sprechen.    Es  bleibt 
indefs  noch  ^ine  andere  möglichkeit;  Grimm  hat  (gr.  U* 
704  ff.)  die  Überstimmung  des  ahd.  alts.  ags.  präf.  ä  mit 
unseren  präfixen  nachgewiesen  und  ftlhrt  es  aÜF  eine  vor- 
gesetzte grundform  as  zurück.      Diese  wahrscheinlich    äs 
anzusetzende  grundform  ist  dann  durch  den  vollständigen 
ausfall  des  n  von  ans  zu  erklären,  ohne  dafs  sich  dasselbe 
vokalisirte,  reicht  also   augenscheinlich  in  sehr  frühe  zeit 
zurück;  die  form  entstand  also  wie  äs  (deus)  aus  ans  und 
es  spricht  nicht  etwa  dagegen,  daXs  diesem  alts.  ags.  ös 
zur  Seite  steht,  denn  wir  finden  beim  ausfall  des  n  bald 
die  vokalisirung  bald  auch  die  einfache  verlängerui^,  wie 
häf  gegen  goth.  hanfs,  säfto  (e.  soft):  ahd.  sanftx),  wie  ä8ar: 
ahd.  andar  neben  dem  doch  auch  ölSar  besteht,  wie  neben 
fä6i,  f55i  (Grimm  gr. »  239).     Geht  abo  auch  ä  auf  äs 
(r=:  ans)  zurück,  so  kann  auch  das  ahd.  ar  auf  diesem  wege 
durch  Verkürzung  (und  Übergang  von  s  in  r)  entstanden 
sein,  vrie  dieselbe  ja  auch  offenbar  in  us  eingetreten  sein 
wird,  da  die  dem  us  vorangegangene  form  wohl  zunächst 
üs  war. 


214  Kuhn 

So  erklärt  rieh  denn  auch  wohl  die  ahd.  und  neuobd. 
form  der,  dar,  welche  Grimm  (gr.  II*  819)  nicht  genügend 
zu  erklären  weifii;  sie  beruht  auf  dem  seltenen  Obergang  des 
anlautenden  n  in  d  wie  er  eich  bekanntlich  im  lit.  dewyni, 
altd.  dewjati  =  skr.  navan  (vgl.  Bopp  vgl.  gramm.  415),  lit. 
debesis  =  skr.  nabaa  (Schleicher  kslw.  formenl.  187)  findet. 

5)  Sif,  Hephaistos. 

In  dem  aufsatz  Ober  sibja  (4,  372)  hatte  ich  bereits 
darauf  aufmerksam  gemacht,  dafs  skr.  sabhya  auch  beiwort 
des  Agni  sei;  äufserliche  gründe  machten  es  unmöglich 
den  schluTs  desselben,  wie  ich  ihn  bereits  in  der  berliner 
gesellschafl;  f.  d.  spr.  mitgetheilt  hatte,  ebenfalls  abzndruk- 
ken,  was  ich  jetzt  um  so  mehr  nachhole,  als  ich  durch 
eine  briefliehe  mittheilung  Pictet's  in  meiner  vermuthung 
bestärkt  werde. 

Dem  beinamen  Agni^s  steht  genau  das  altnordische 
Sif,  der  name  der  gemahlin  Thor^s,  des  blitz-  und  feuer- 
gottes,  zar  seite,  von  welcher  Munch  (d.  nord.  germ.  toI«- 
ker  übers,  y.  Clanfsen  I.  221)  sagt,  dafs  ihr  name  und 
ihre  persönlichkeit  hinlänglich  beweisen,  dafs  sie  in  den 
ältesten  zeiten  die  eigentliche  göttin  der  liebe,  ehelicher 
Verbindung  und  firuchtbarkeit  gewesen  sei.  Wie  mit  dem 
heerde  der  grund  zum  hause  und  damit  zur  familie  gelegt 
war,  so  sehen  wir  also  diese  seite  des  feuergottes  klar  in 
dem  namen  seiner  gemahlin  ausgedrückt,  was  Mannhardt 
(Sif,  Sippia  in  Wolfs  Zeitschrift  2,  331)  ausführlicher  dar- 
gelegt hat. 

So  finden  wir  also  bei  zwei  indogermanischen  Tölkem 
eine  bildung  von  der  warzel  sabh  zur  bezeichnung  männ- 
licher und  weiblicher  gottheiten  des  feuers  verwandt  und 
deshalb  mag  es  nicht  zu  kühn  scheinen,  auch  den  griechi- 
schen Hephaistos  herbeizuziehen.  Preller  sagt  (gr.  myth« 
115)  „der  name  ist  noch  nicht  genügend  erklärt.  Entwe- 
der von  ffaWf  ffaiv(a  oder  von  demselben  Stammworte,  wel- 
cher in  a^rro»  zu  tage  tritt.  ^  Der  letzten  erklärung  schliefse 
ich  mich  an,  denn  antw  zeigt  gerade  jene  beiden  Seiten 
des  begriflb  in  denen  wir  das  wort  sabhya  kennen  lernten, 


etymologieen:  5)  Sif,  Hephaistos.  219 

die  beziebung  zam  feuer  einerseits)  den  begriff  der  festen 
Verbindung  andererseits,  nnr  dafs  er  in  äntw  ein  sinnliche- 
rer zu  sein  scheint,  möglicherweise  aber  auch  nur  scheint, 
da  auch  in  sabh&,  dessen  wurzel  vereinsamt  steht,  der  be- 
griff des  zusammengefilgten  der  erste  sein  mag.  Doch  will 
ich  nicht  verhehlen,  da&  noch  eine  andere  erkl&rung  mög- 
lich ist,  dais  n&mlich  ag>fj  das  entzQnden  und  sabh&  sich 
genau  entsprechen  und  aus  dem  begriff  des  entzündeten 
heerdfeuers  sich  der  des  hauses  entwickelt  haben  mag;  auch 
die  indischen  grammatiker  erkiftren  sabhft  aus  sa  und  bh& 
leuchten,  vielleicht  noch  mit  einem  dunklen  gef&hl  des  grund- 
hegriSß  des  worts. 

Pictet  nun  schrieb  mir:  „da  sabheya  als  ein  beihame 
des  Agni  vorkommt,  so  scheint  es  mir  auch  den  "H^faiarog 
recht  gut  zu  erkl&ren.  Ich  sehe  darin  sabheshtha,  der  im 
hause  oder  der  familie  stehende  (ganz  gebildet  wie  das  z. 
rathaestaö  =  ratheshtha),  ein  trefflicher  name  für  den  gott 
des  hauses  und  heerdes,  welche  eigenschaß;  wohl  die  älte- 
ste des  Agni  war.  Hephästos  als  werkthätiger,  schmieden- 
der feuergott  ist  gewifs  ein  späterer  begriff.^  In  der  that 
würde  eine  solche  etymologie  fär  das  griechische  "Hqxuaxoq 
fast  genau  passen,  allein  sie  hat  das  bedenkliche,  daiis  statt 
sabhA  f.  ein  sabha  m.  oder  n.  angenommen  werden  mOiste, 
das  ich  bis  jetzt  wenigstens  nicht  nachweisen  kann;  auch  das 
Heise  sich  noch  einwenden,  dais  ratheshtha  wie  das  gleichbe- 
deutende savyeshtha,  beide  wagenlenker  (ersteres  wörtlich  der 
auf  dem  wagen,  letzteres  der  zur  linken  stehende)  bedeutend, 
im  auslaut,  wie  die  deklination  ergiebt,  verstümmelt  sind  (vgl* 
4, 44),  und  man  demnach  eine  gleiche  Verstümmelung  auch  für 
das  griechische  annehmen  müfste.  Es  scheint  mir  deshalb  nicht 
gut  möglich  "HcpaMStoQ  auf  diese  weise  zu  erkiftren,  darum 
vermuthe  ich  darin  einen  Superlativ  und  zwar  von  sabheya, 
welcher  dem  sanskrit  gem&ls  sabheyishtha  oder,  da  einige 
dieser  adjectivstftmme  zugleich  vor  der  Superlativendung 
eine  vokalverstftrkung  annehmen  (vgl.  rajishtha  von  rju,  ga- 
rishtha  von  guru,  dräghishtha  von  dtrgha,  dra^hishtha  von 
drdha  u«8*w.)9  s&bheyishtba  lauten  würde;  aus  diesem 
konnte  den  griechischen  lautgesetzen  gemäfs  kaum  etwas 


216  Kahn 

anderes  als  'H^aUcroq  oder  mit  contraction  "Hcpatarog  wer- 
den. Unter  den  beiwörtem  der  indischen  gdtter  sind  nun 
aber  viele  Superlative  und  namentlich  dem  Agni  werden 
solche  wie  yavishtha  der  jüngste,  yajisbtha  der  hochheilige, 
beste  opferer  u.  a.  gegeben,  auch  von  Seiten  der  bedeutnng 
möchte  sich  daher  eine  solche  bezeichnung  wie  „der  häus- 
lichste^ oder  „der  höchste  der  sippe^  als  ein  passendes 
beiwort  f&r  den  gott  des  heerdfeuers  als  mittelpunkt  des 
hauses  und  der  familie  empfehlen. 

6)  pius,  priya. 

Ebel  hat  IV.  447  bedenken  gegen  die  vergleichung 
von  pius  mit  skr.  priya  angeregt,  indem  er  sagt:  „die  ver- 
gleichung von  pius  mit  skr.  priya,  schon  wegen  des  anlauts 
verdächtig,  kann  um  so  weniger  befriedigen  als  beide  Wör- 
ter nicht  einmal  in  der  bedentung  genau  genug  überein- 
stimmen.^ Ich  kann  diese  bedenken  nicht  theilen  und  finde 
sie  zunächst  wegen  des  anlauts  nicht  gerechtfertigt;  Ebel 
hatte  sich  zu  einer  abweisung  dieser  vergleichung  vorzugs- 
weise durch  die  lateinischen  lautgesetze  bewogen  gesehen, 
die  aufser  hr  und  sr  sonst  jede  r-verbindung  anlautend  zu- 
lassen und  selbst  frango,  firuor  dem  skr.  bhanj,  bhuj  gegen- 
über zeigen,  wo  sie  aber  das  aufgeben  des  einen  von  zwei 
verbundenen  consonanten  herbeigeführt  haben,  immer  den 
schwereren  derselben  (also  hier  das  p)  fallen  lassen  (ebd. 
445).  Wenn  es  nun  aber  bei  der  grofsen  ausdehnung  die 
das  anlautende  pr  im  lateinischen  hat,  schon  auffällig  ist, 
dafs  dessenungeachtet  das  p  vor  r  abfällt,  wie  z.  b.  in  red 
=s  skr.  prati,  was  auch  Ebel  zagiebt,  dieser  ausnahmsfall 
also  jedenfalls  nicht  mit  den  lautgesetzen  des  lateinischen 
stimmt,  so  ist  es  noch  mifslicher  fbr  solche  ausnahmsfolle 
wieder  allgemein  gültige  lautgesetze  in  anwendung  bringen 
zu  wollen.  Ist  der  abfall  des  p  ein  seltener,  so  glaube  ich 
kann  auch  ebenso  gut  in  seltenen  fällen  der  abfall  des  r 
angenommen  werden  und  wenn  ich  nicht  irre,  hat  beides 
seinen  grund  in  der  natur  des  r,  das,  und  zwar  nicht  blos 


etymologieen :   6)  pius,  priy«.  217 

dialektisoh  sondern  auch  indiyidaell ,  bald  als  ein  linguales 
bald  als  ein  gutturales  gesprochen  wird;  in  ersterem  falle 
wird  das  p,  in  letzterem  das  r  leichter  verschwinden.  Seu- 
che erscheinungen  können  in  einzelnen  dialekten  oder  gan- 
zen spritchstämmen  aUmählig  durchdringen  und  zuletzt  all- 
gemeine gesetze  herbeifahren,  aber  sie  können  auch  eben- 
sowohl in  ihrer  Vereinzelung  neben  dem  ursprflnglichen 
lautstande  bestehen  bleiben.  Im  griechischen  zeigt  sich  dies 
an  dem  dorischen  noTi\  welches,  i^geachtet  weder  das  grie- 
chische im  allgemeinen,  noch  das  dorische  im  besondem 
eine  abneigung  gegen  anlautendes  ttq  zeigt,  dennoch  das 
g  aufgegeben  hat;  auch  der  epische  dialekt  besitzt  es,  wäh- 
rend ngog  daneben  doch  auch  selbst  im  dorischen  noch 
nicht  ganz  verschwunden  ist  (vgl.  Ahrens  diall.  II.  358). 
Will  man  hier  annehmen,  dafs  das  (>  erst  durch  metathe- 
sis  geschwunden  sei  wie  in  posco,  weil  noch  nogri  dane- 
ben stehe,  so  wird  die  Schwierigkeit  dadurch  nicht  geho- 
ben, da  QV  eine  durchaus  nicht  ungewöhnliche  Verbindung 
im  griechischen  ist  und  überdies,  wenn  mau  ;iore  erst  aus 
nogri  hervorgehen  lielse,  eher  ein  no^pi  als  noxi  zu  er- 
warten wäre.  Gerade  diese  metathesis  des  g  scheint  mir 
ftlr  die  obige  annähme  der  gutturalen  verflfichtigung  des  r 
zu  sprechen,  denn  auch  in  der  von  dgitpog  statt  Si(pgog^ 
rgdcpog  statt  xdffgog,  ßdgSiatog  statt  ßgdStaxog  (Ahr.  dialL 
IL  113)  sehen  wir  sie  bei  der  Verbindung  von  labialen  mit 
g  eintreten,  nur  in  xigxog  statt  xgixog  tritt  sie  bei  einem 
guttural  ein,  erklärt  sich  aber  auch  zur  genüge,  wenn  das 
g  eben  ein  gutturales  war,  da  ein  gx  immer  bequemer  aus- 
zusprechen war,  als  ein  xg^  weshalb  auch  xäguarog  neben 
iegärnTTog  bestand;  dafs  das  g  aber  im  dorischen  dialekte 
vorzugsweise  ein  gutturales  gewesen  sein  wird,  scheint  mir 
sowohl  aus  der  ganzen  natur  des  dialekts,  der  wie  die  kehl- 
laute,  so  namentlich  ein  den  kehlvocal  a  begünstigender  ist, 
als  auch  aus  dem  lakonischen  insbesondere  hervorzugehen, 
welches  das  a  sowohl  in-  als  auslautend  in  g  verwandelt, 
und  dieser  Übergang  erklärt  sich,  wie  ich  gezeigt  zu  haben 
glaube,  nur  durch  die  vermittelung  eines  gutturalen  hauchs. 


S18  Kuhn 

wie  ihn  das  sanskrit  im  visarga  hat  (oben  IV.  31).  Nun 
sehen  wir  aber  auch  das  latehusche  ganz  in  derselben  weise 
wie  das  lakonische  in-  und  auslautende  s  in  r  verwandeln 
und  mindestens  fbr  diese  Alle  wird  deshalb  fbr  lateinisches 
r  eine  gutturale  ausspräche  anzunehmen  sein,  so  dafs  mit 
annähme  dieser  ausspräche  auch  bei  ursprünglichem  pr  dem 
ausfalle  nach  p  wie  im  griechischen  notl  nichts  entgegen«- 
steht;  denn  re-,  red  aus  prati  beweist  eben  nur,  dafs  der 
spräche  entweder  das  r  in  diesem  falle  ein  mehr  linguales 
war,  oder  dafs  sie  aus  andern  gründen  einen  andern  weg 
einschlug. 

Ich  deutete  eben  an,  dafs  in  den  fiülen,  wo  das  grie- 
chische ein  schwinden  oder  eine  metathesis  des  q  zeigt, 
diese  erscheinungen  durch  eine  Verbindung  desselb^i  mit 
labialen  oder  gutturalen  hervorgerufen  sei ;  die  von  Grimm 
gesch.  d.  d.  spr.  314  gesammelten  beispiele  von  tilgungen  des 
r  bestätigen  dies  für  die  deutschen  sprachen  durch  ahd.  hei- 
giro  neben  ags.  hr&gra,  nhd.  reiher,  ahd.  spioz  nhd.  spiefs 
neben  ags.  spreot,  nnl.  spriet  (noch  in  bugspriet),  e.  speak, 
späteres  ags.  specan  neben  älterem  ags.  sprecan,  nhd.  spre- 
chen, ahd.  waso  neben  dial.  wrase,  fräse.  Die  übrigen  dort 
verzeichneten  beispiele  erklären  sich  auiser  mnl.  daghen  pati, 
alts.  adogean  neben  ags.  adreogan  durch  assimilation.  In 
gleicher  weise  tritt  dieselbe  erscheinung  auf  in  skr.  bhanj 
neben  lat.  frango,  gr.  äyvvfiv  und  ^rjyvvfu^  goth.  brikan, 
nhd.  brechen,  in  skr.  bhuj  neben  lat.  fruor  (neben  dem  je- 
doch, was  wohl  zu  beachten  ist,  fimgor,  skr.  3  sg.  &tm. 
bhunkte  steht),  goth.  brukjan,  nhd.  brauchen,  in  und.  spat- 
teln  neben  ahd.  sprataldn,  holl.  spartelen,  in  e.  speckle  ne- 
ben Schott,  spreckled,  nhd.  gesprenkelt,  in  altn.  buna  sca- 
turire,  f.  scaturigo  neben  altn.  brunnr  fons  ahd.  bmnno,  e. 
pin  nadel,  nagel,  d.  pinne  neben  schott.  prin  dass.,  altn. 
priön  Stricknadel,  ags.  pre6n  fibula.  In  allen  diesen  fällen 
stehen  ebenso  zahlreich  wie  im  lateinischen  in  jeder  der 
betreffenden  sprachen  beispiele  von  mit  r  verbundenen  la- 
bialen daneben  und  dennoch  ist  das  r  im  je  betreffenden 
falle   ausgefallen.     Es   muis   also  jedenfalls   eine    gewisse 


etymologieen:  6)  pins  priyft.  219 

leichte  unyerträglichkeit  in  den  gattnralen  und  dem  r  sein^ 
die  hin  und  wieder  das  schwinden  des  r  hinter  dem  IshiBr 
len  herbeiführt;  dafs  dieselbe  in  der  gutturalen  natur  des 
r  liege  hatte  ich  bereits,  als  ich  den  ukermärkischen  namen 
der  Frigg,  welcher  Fuik  lautet,  in  Hauptes  zeitsch.  5.  376 
besprach,  ausgesprochen. 

Grade  dies  Fuik  f&r  Frigg  stimmt  nun  ebenfalls  zu 
skr.  priya,  aus  dessen  femininum  priy&,  die  liebliche  es  un- 
zweifelhaft hervorgegangen  ist.  Nur  die  allmählig  eintre- 
tretende  unverständlichkeit  des  worts  kann  hier  den  Wech- 
sel des  r  mit  u  erklären,  da  firiggen  freien,  frugge  frau  und 
viele  andere  Wörter  mit  fr  im  betreffenden  dialekte  dane- 
ben stehen.  Wenn  schon  alle  diese  beispiele  und  das  über 
die  natur  dieser  erscheinung  gesagte,  es  mir  wenigstens 
unbedenklich  machen  einen  solchen  ausfall  des  r  auch  f&r 
das  lateinische  anzunehmen,  so  wird  dies  noch  unbedenk- 
licher durch  die  form,  welche  priya  im  P41i  annimmt,  wo 
es  nämlich  piya  lautet.  Hier  ist  freilich  der  ausfall  des  r 
nach  consonanten  fast  durchgreifende  regel  geworden,  aber 
es  wird  eben  auch  dadurch  bewiesen,  dafs  das  r  eine  wirk- 
lich äufserst  flüchtige  natur  haben  müsse,  da  es  in  den 
meisten  f&llen  in  dieser  spräche  so  spurlos  verschwinden 
konnte.  Berücksichtigt  man  nun,  dais  auch  im  lateinischen 
pius  (natürlich  von  den  ableitungen  abgesehen)  der  wurzel 
nach  ganz  allein  steht,  so  wird  wohl  wenn  man  ihm  jenes 
piya  zur  seite  stellt,  auch  das  letzte  bedenken  über  die 
möglichkeit  eines  solchen  formwecfasels  im  lateinischen  ver- 
schwinden. 

Wenn  nun  aber  auch  die  bedeutung  bedenken  erwek- 
ken  soll,  so  scheint  mir  dies  ebenfalls  nicht  von  gewicht; 
um  den  unterschied  in  den  begriffen  Ton  priya  und  pius 
klar  hervorzuheben  und  doch  zugleich  klar  zu  machen,  wie 
sie  identisch  sein  können,  bedarf  es  kaum  eines  weiteren 
mittels  als  dafs  man  beiden  Wörtern  das  lateinische  liber 
und  liberi  zur  seite  stellt  Beide  gehören  unzweifelhaft 
zur  Wurzel  skr.  lubh,  goth.  liub,  begehren,  lieben,  wie  zum 
überfluis  das  neben  übet  noch  bestehende  lubet  zeigt:  liber 


DD  Kuhn,  e^rmologiMn:  6)  piofl,  prij«. 

frei  ist  nun  der  die  thätigkeit  der  wurzcl  übende ,  d.  h. 
seiDem  begehren,  belieben  ohne  schwanken  folgende,  wäh- 
rend liberi  die  geliebten  sind,  vgl.  tfika  rixi/a,  (pikog  viog. 
Grade  so  unterscheiden  sich  auch  pius  und  priya,  jenes  ist 
der  (götter,  altem,  recht  u.  s.  w«)  liebende,  dies  ist  der  ge- 
liebte, angenehme.  An  der  vergleichung  von  goth.  freis 
frei  mit  skr.  priya  hat  man  noch  nicht  gezweifelt,  da  glück- 
licherweise noch  frijön  lieben,  küssen  danebensteht,  und 
doch  unterscheiden  sich  beide  grade  so  wie  pius  und  priya, 
wie  über  und  liberi.  In  (plXog  endlich  sind  beide  bedeu- 
tungen,  die  active  und  die  passive,  in  einem  und  demsel- 
ben Worte  verbunden.  Die  Vermittlung  dieser  beiden  be- 
deutungen  liegt  eben  in  dem  jeweiligen  Standpunkte,  von 
welchem  die  thätigkeit  au%efaist  wird,  der  geliebte  bedingt 
nothwendig  den  liebenden  wie  der  liebende  den  geliebten, 
es  ist  dasselbe  verhältnüs,  was  wir  bei  den  präpositionen 
fKQog  und  Big  und  nis  eintreten  sahen,  die  bewegung  ist 
beim  „von  her^  und  „bin  zu^,  wie  beim  „heraus'^  und 
„hinein^  dieselbe,  nur  der  Standpunkt  des  urtheilenden 
wechselt.  Darum  können  ftlle  eintreten,  wo  beide  bedeu- 
tungen  fast  zusammenfallen,  wie  z.  b.  wenn  es  Nala  4.  7. 
heilst:  vipriyam  hy  4caran  martyo  devanam  mrtyum  ar- 
chati  „denn  wer  den  göttern  unliebes  thut  erlangt  den  tod^, 
wo  vipriyam  und  impium  sich  in  der  bedeutung  fast  decken. 
Zum  scblufs  noch  ein  paar  worte  über  (pikog.  Bopp 
hat  auch  dies,  wie  ich  glaube  mit  recht,  mit  priya  (gl.  s. 
r.  pri)  zusammengestellt,  indem  er  metathesis  aus  <pki:  (pik 
und  Wechsel  des  r  mit  k  annahm;  die  aspirata  statt  der 
tenuis  hat  vor  g  kein  bedenken,  wir  sehen  sie  in  '&qov  = 
-tram  und  in  anderen  fallen,  sie  muTs  also  eingetreten  sein 
als  das  q  noch  seine  alte  stelle  inne  hatte  und  noch  nicht 
in  k  übergegangen  war.  Die  metathesis  des  k  gewordenen  r 
hat  ihr  vollkommenes  seitenstück  in  dem  zigeunerischen  pir 
st  pri,  wohl  auch  im  bind,  pyar,  piyär  liebe  (vgl.  Diefenb. 
g.  wb.  1,  409),  bei  dessen  vei*wandlung  auch  noch  andere 
lautgesetze  gewaltet  haben.  A.  Kuhn. 


Weber  221 


Der  name  laoveg  Yavana. 

Dem  was  Lassen  I,  729  —  30.  861  —  62  bemerkt  hat, 
ist  wenig  hinzuzufügen.  Seine  grundanschauung  indefs, 
dafs  das  wort  ursprünglich  auf  die  Araber  und  Phönicier 
sich  bezogen,  halte  ich  filr  durchaus  irrig:  wir  haben  kei- 
nen einzigen  beweis  dafür,  denn  das  wort  yävana  flir 
den  aus  Arabien  kommenden  Weihrauch  ist  bis  jetzt  nur  aus 
dem  Amara  Kosha  bekannt,  einem  lexicon,  welches  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  etwa  in  das  9te,  lOte  jahrh.  p. 
Chr.  gehört,  vor  dessen  zeit  somit  der  handel  Indiens  nach 
Alexandrien,  wie  sogar  mit  den  moslemischen  Arabern  lange 
vorausliegt. 

Ueber  die  etymologie  des  wortes  wage  ich  nichts  zu 
vermuthen.  Lassen's  eigene  vermuthung  p.  730,  dafs  es 
die  jüngeren  indogermanischen  Völker  bezeichne,  ist  ge-* 
wifs  sehr  geistreich,  allein  wer  hat  ihnen  den  namen  ge- 
geben? ist  er  ihnen  schon  bei  ihrem  auszuge  von  den  zu- 
rückbleibenden gegeben  ^worden  und  haben  sie  ihn  selbst 
an-  und  —  mitgenommen?  Dies  führt  in  sehr  hohe  zeit*) 
und  scheint  mir  kaum  denkbar.  —  Oder  haben  sie  ihn  sich 
selbst  gegeben,  nachdem  sie  neue  sitze  gewonnen  hatten? 
aber  die  namensform  ist  theils  an  und  für  sich  wohl  ziem- 
lich ungriechisch  theils  müfste  sie  wenigstens  noch  in  eine 
periode  reichen,  wo  der  alte  halbvokal  y  (j)  sich  noch  nicht 
in  ^  (Z7]Ta)  umgesetzt  hatte,  wie  dies  im  griechischen  sonst 
geschieht  (zumal  wenn  man  das  wort  jung  iuvenis,  wie  ge- 
wöhnlich geschieht,  von  derwurzel  dyu,  leuchten  herleitet: 
der  ausfall  eines  solchen  d  vor  y  hat  im  griechischen  stets 
^  hervorgerufen).  Auffallend  allerdings  ist,  dafs  den  Grie- 
chen das  dem  lat.  iuvenis,  unserm  jung,  ind.  yuvan  ent- 
sprechende wort  fehlt.  —  Oder  aber  ist  ihnen  dieser  name 
von  den  firühem  ansiedlem,  der  durch  sie  besetzten  striche 

*)  Eio  rest  aiu  dieser  ist  2.  b.  das  wort  barban  skr.  stammelnd,  balb- 
Qtieiis  ßctQßoQOfi  auch  bei  den  Indem  spttter  fUr  fremdsprachige  Völker  Ter- 
wendet.     Zuerst  im  ^kpr&tifftkhja  barbaratA. 


9M  Webw 

Kleinasiens  gegeben  worden?*),  dann  müfsten  diese  ari- 
schen, iranischen?  Ursprunges  gewesen  sein,  w&hrend  Elein- 
asien  doch  wohl  recht  gerade  der  eigentliche  sitz  der  Semi- 
ten war**).  Auch  pafst  der  name  „jung^  fbr  ein  volk 
wohl  nur  dann,  wenn  bei  denen,  die  es  so  nennen,  bewufst- 
sein  der  ursprünglichen  stammeseinheit  vorhanden  ist,  ein 
umstand,  der  mich  auch  hindert  anzunehmen,  die  benen- 
nung  rfihre  von  den  in  den  alten  sitzen  zurückgebUebenen, 
später  nach  Persien  ausgewanderten  ui*sprünglichen  Stam- 
mesbrüdern her,  aus  der  zeit,  wo  sie  historisch  mit  den 
laovtg  in  berührung  kamen.  Ich  weifs  also  keine  Idsung, 
die  zufrieden  stellte.  DaTs  der  name  bei  den  Griechen 
selbst  erst  spät  aufkam,  ist  wohl  möglich  und  die  stelle 
der  Ilias,  wo  er  vorkommt,  wohl  mit  Heyne,  Knight,  Schle- 
gel als  spätere  zugäbe  zu  betrachten.  Sind  übrigens  die 
namensformen  laxog^  lag^  luv  blolse  Verstümmelungen  aus 
latavy  resp.  Weiterbildungen  davon,  oder  enthalten  sie  viel- 
leicht gar  die  ältere  form? 

Wie  dem  auch  sei,  die  Inder  haben  das  wort  jeden- 
falls entweder  durch  Vermittlung  der  Perser  oder  der  Se- 
miten zur  bezeichnung  der  Griechen  überkommen,  und 
verwenden  es  in  den  ältesten  stellen,  wo  es  vorkömmt,  nur 
zur  bezeichnung  dieser.  Lassen  vermuthet  (p.  862),  dafs 
der  rühm  Athens  und  seiner  kämpfe  mit  den  Persem  den 
rühm  ihrer  tapferkeit  bis  zu  den  Indern  verbreitet  habe 
und  bezieht  darauf  mehrere  stellen  im  MBh&rata.  Erste- 
res  ist  wenigstens  nicht  ganz  unmöglich,  wenn  ich  auch 
die  stellen  des  MBh.  bei  der  auffassung,  die  ich  von.  dem 
Zustandekommen  dieses  werkes  habe,  nicht  als  beweisgültig 
daltbr  ansehen  möchte.  An  einer  andern  stelle  übrigens 
(I,  656  —  57.  II,  344)  erkennt  Lassen  selbst,  nach  Tod's 
vorgange,  in  dem  im  MBh.  als  Zeitgenosse  und  mitstreiter 

*)  Dies  nimmt  Schlegel  an,   nnd  zwar   bezeichnet  er  die  Ljder  aU  die 
niheber  des  namens;  diese  aber  waren  Semiten. 

**)  DaTs  das  wort  laovt^  semitisch  sei,  möchte  vielleicht  auch  darin  eine 
statxe  finden,  dafo  die  Hebräer  aa£ser  den  Griechen  auch  noch  ein  volk  (nnd 
Stadt)  im  sttdlichen  Arabien  so  benennen,  vgl.  die  exegeten  (Credncr  nnd 
Hitsig)  sn  Joel  4,  6  (mit  bezng  anf  Arnos  1,  6.  9).     Ezechiel  27,   19. 


JaoM«  YAvana.  S23 

der  beiden  desselben  genannten  Yavanakönig  Datt&mitra 
den  griecbiscb-baktriscben  könig  Demetrius  (180 — 165  a. 
Cbr.),  worin  ich  ihm  um  so  mehr  beistimme,  als  uns  neuer- 
dings gefundenen  inschriften  ( J.  of  the  B.  br.  of  the  B. 
A.  S.  V,  54)  aus  dem  2ten  Jahrhundert  etwa  a.  Chr.  die 
existeoz  eines  D&tamittyaka  Yonaka  für  ihre  zeit  ver- 
bürgen. 

Bis  jetzt  faktisch  als  älteste  erwähnung  des  namens 
Yavana  nachweisbar  ist  die  stelle  in  dem  edikt  des  bud- 
dhistischen königs  Priyadar^in  (A9oka)  aus  dem  3.  Jahr- 
hundert a.  Chr.,  worin  er  sich  auf  seine  freundschaft  mit 
dem  Antiyaka  yonar&ja  d.  i.  Antiochus  dem  Griechenkö- 
nig beruft. 

Ueber  die  Verbindung  der  Griechen  mit  den  Indem 
8.  Eaeler  allg.  mon.  August  1853  p.  673  ff.,  wozu  ich  hin- 
zufüge, dals  die  angäbe  eines  scholi  asten  zu  Pänini  „^ayän^ 
bhunjate  yavan&h**  „liegend  essen  die  Y."  sich  eben  auch 
nur  auf  die  Griechen  beziehen  kann. 

Da  sich  die  Griechen  zu  Alexanders  zeit  doch  offen- 
bar bereits  lange  Ekktjveg  nannten,  so  ist  die  unbekannt- 
schaft der  Inder  mit  diesem  namen  wohl  daraus  zu  edklft- 
ren,  dafs  die  persischen  dollmetscher,  deren  sich  die  Grie- 
chen bedienen  mulsten,  dieselben  eben  mit  dem  ihnen  ge- 
läufigen namen  Yavana  benannten.  A.  Weber. 


II.    Anzeige. 


Memoire  sur  les  anciens  noms  de  lieux  dans 
la  Belgiqoe  Orientale  par  €ht  Grandgagoaget    4. 

Eztrait  du  t  XXYI.  des  m^oires  cooronn^s  etc.     Braxelles, 
M.  Hayer   1855.      In   commission  bei  Joseph    Bfir   in   Frank- 
furt a.  M. 

Der  Verfasser  hat  sich  schon  durch  mehrere  arbeiten  über  den 
Ursprung  und  die  spräche  seines  volksstammes,    des  walloni- 


224  Dittftnbach 

sehen,  als  einen  forscher  erwiesen,  dessen  fleifs,  omsicht  und 
Unparteilichkeit  deutsche  Wahlverwandtschaft  jBeigt  Uebrigens  h&lt 
er  sein  Tolk  auch  einem  guten  theile  seiner  mischung  nach  dem 
deutschen  blutsverwandt  Sein  Wörterbuch,  das  den  merkwürdi- 
gen Sprachschatz  der  Wallonen  kritisch  verarbeitet,  reift  endlich 
seiner  Vollendung  entgegen,  und  wird  dann  in  den  bucherreien 
der  sprach-  und  stammforscher  ohne  zweifei  die  gebührende  stelle 
einnehmen,  obgleich  gerade  das  so  nahe  betheiligte  Frankreich, 
das  kein  ebenbürtiges  gegenstück  zu  diesem  werke  aufzuweisen 
hat,  dessen  erschienene  theile  noch  nicht  nach  würden  zu  beach- 
ten scheint 

Das  vorliegende  werk  gehmi;  einem  zweige  der  vergleichen- 
den Völker-  und  Ifinderkunde  an,  dessen  Wichtigkeit  jetzt  immer 
mehr  anerkannt  wird  und  def  auch  in  Deutschland  fruchte  zu 
tragen  beginnt  Gleichzeitig  mit  einer  Vorarbeit  W ei gands  über 
deutsche  Ortsnamen  erschien  eine  solche  unsers  verf ,  deren  aus- 
führung  dieses  memoire  giebt,  gleichwol  aber  wiederum  als  be- 
standtheil  eines  gröfseren  Werkes  erscheint,  sofern  der  verf.  hof- 
fentlich das  gebiet  seines  Stoffes  noch  erweitern  und  seine  eth- 
nographischen Schlüsse  bestimmter  darstellen  wird.  Auch  wir 
enthalten  uns  noch  der  letzteren  und  begnügen  uns  hier,  dem 
reichen,  fleifsig  gesammelten  und  sorgfältig  gesichteten  Stoffe  die 
beachtung  deutscher  forscher  zuzuwenden,  um  so  mehr,  da  er 
auch  in  deutsche  Staatengrenzen  hineinreicht 

In  Malmedy  deuten  die  Ortsnamen  der  Umgebungen  auf  eine 
im  j.  666  vorherrschende  romanische  bevölkerung,  welche  ihre 
Sprache  nicht  erst  von  den  mönchen  erlernten,  die  bei  der  im- 
portirung  neuer  götter  noch  die  denkmale  der  alten  ^  namentlich 
Dianas,  vorfanden.  Indessen  finden  sich  hier  und  überall  frühe 
hybride  Zusammensetzungen  romanischer  und  deutscher  bestand- 
theile.  Entstanden  nun  die  letzteren  —  fragen  wir  mit  dem  verf. 
—  vor  oder  nach  dem  eindringen  römischer  bevölkerung  und 
spräche?  Der  verf.  sucht  die  kriterien  in  dem  ränge  und  der 
wahrscheinlichen  dauer  der  bestandtheile  zwiesprachiger  Zusam- 
mensetzungen, wofür  hier  einige  beispiele.  Stagnebachus  aus 
lat  stagnare  +  hd.  bach;  die  spfitere  form  Stembach  habe 
das  früher  unverstandene  und  von  den  Romanen  gleich  als  ei- 
gennamen  übernommene  stagnare  (stagnum?)  durch  stem- 
men übersetzt  Dagegen  ist  in  Jocundi-fania  der  zweite  be- 
Btandtheil  ein  ursprünglich  deutscher  gattungsname  (goth.  fani, 


amsejge.  225 

i^allon.  fagne,  vgl.  Grandg.  dict.  waUon.  I,  201.  H,  XXIH.  sq.), 
welefaen  einwandernde  Romanen  vorfanden  und  alsbald  adoptier- 
ten,   Eltae  Villa  bei  Maestricht  (p.  81  sq.)  enth&lt  einen  men- 
schennamen,  der  am^h  in  der  rheingauischen  Eltville  wieder- 
kehrt, wenn  anders  Altavilla  eine  erst  spätere  umdentung  der 
letzteren  ist  Mit  recht  macht  der  verf.  auf  das  h&ufige  n  in  den 
sufifixen  -nacum,   -niacum  u.  dgl.  neben  -acum  aufmerksam. 
Hietzteres  mag  zwiefachen  Ursprung  haben:  aus  einem  deutschen 
ijvorte,  und  aus  einem  keltischen  suffixe.    Dem  eigenthümlichen 
Aber  in  Belgien  häufigen  ortsnamensuffixe  -mala  schreibt   der 
verf.  vermuthlich  richtig  deutschen  Ursprung  zu.    -dor  wiederum 
mag  theils  aus  dem  daneben  vorkommenden  nL  -dorp  gekürzt, 
theils  dem  gallischen  -durum  u.  dgl  vergleichbar  sein.    Dunck 
u-  8.  w,  (p.  66  flF.)  möchte  der  verf.  zu  dem  frz.  donjon  stellen, 
dessen  uns  bekannte  ableitungen  uns  nicht  genügen.     Uns  erin- 
nert mindestens  Ursidongus  als  bärenhöhle  an  das  (wenn  auch 
erst  spätere)  mhd.  dune  hjpogaeum,  gynaeceum,  teztrina.    In- 
teressant ist  die  bemerkung,  dafe  die  söhne  Ludwigs  des  From- 
men den  berühmten  vertrag   in  Dugnj  bei  Verdun  schlössen, 
das  in  diplomen  Dungheih,  Dongei  heifst  Verdienstvoll  sind 
die  Zusammenstellungen  aller  erreichbaren  Übergangsformen.    So 
z.  b.  heifst  Buruncus  in   Antonius  itinerarium  später  urkund- 
lich Worunch,    Wuronc,  jetzt  Woringen;    Thenismons, 
Montistenensis  u.  s.  w.  jetzt  fläm.  Thienen  frz.  Tirlemont; 
Geldonia,   jetzt   frz.  Jodoigne   fläm.   Oeldenaken,    wobei 
der  verf.  au  eine  mögliche  frühere  lautstufe  in  Calidona  (accus.) 
Amm.  Marc  XXYII,  1  erinnert,  das  seinerseits  eher  den  Eale- 
donen  Britanniens  verwandt  ist,  als  dem  kaly donischen  eher. 
Den  in  ahd.  glossen  vorkommenden  namen  Lüttichs:  Bratua, 
Brateca,  Batheca,  hat  der  verf.  absichtlich  nicht  aufgenommen 
da  er  ihn  nicht  gesichert  hält 

Frankfurt  a.  M.  Lorenz  Diefenbach. 


V.    3.  15 


226  Htonhardt 


Dr«  Kt  Tht  Pyl  docent  für  archaologie  und  neuere 
kunstgechichte  in  Greifswald. 

Mythologische    beitrage    zu    den    wissenschaftlichen    forschangen 
über  die  religionen  des  alterthums  mit  hülfe  der  vergleichenden 
sprachwissensdiaft     1  th.    Dad  polytheistische  System  der  grie- 
chischen religion  nebst  einer  litteraturhistori sehen  einleitang. 
Greifswald.    Th.  Kanike.     1856. 

Wir  könnten  das  obige  werk  als  arbeit  eines  dilettanten  bei 
Seite  legen,  wenn  der  herr  Verfasser,  der  im  gebiet  der  kanstge- 
schichte  bewandert  sein  mag  von  philologischen  kenntnissen  aber 
kaom  die  demente  gekostet  hat,  nicht  mit  der  anmafsung  eines 
meisters  aufgetreten  w&re,  der  die  begründeten  resultate  unserer 
gewiegtesten  forscher  in  frage  stellt.  Darch  die  keckheit  seiner 
behauptangen  wird  es  ihm  leicht  den  unkundigen  zu  bestechen, 
dentl  wenn  die  Zeitungen  recht  berichten,  so  wurde  sogar  in  ei- 
ner der  letzten  Sitzungen  der  archäologischen  gesellschaft  zu  Ber- 
lin sein  buch  als  eine  bedeutende  epochemachende  arbeit  geprie- 
sen. Gegenüber  diesem  nngegründeten  lob  von  Seiten  namhafter 
autoritSten  halten  wir  es  für  pflicht  eine  warnende  Eckartstimme 
zn  erheben  und  mit  wenigen  worten  den  Charakter  der  Pyrscben 
beitrage  darzul^en. 

Nach  einer  breiten  wenig  fSrdemden  einleitnng  über  Emil 
Brauns,  Prellers,  Gerhards  und  Laners  mythologische  Standpunkte 
die  mit  einer  anerkennenswerthen  definition  des  begriffs  mythos 
schliefst,  stellt  Pyl  s.  45  als  veranlassung  seines  buohs  „die  ab- 
hülfe** des  tiefgefühlten  „bedürfnisses^  hin,  ^den  umfang 
und  die  tiefe  der  etymologischen  mythologie  im  be- 
reich  der  neueren  forschungen  zu  erhöhen^.  Zu  diesem 
ende  zeichnet  er  zunächst  „  den  weg  und  die  methode  vor ,  die 
for  eine  solche  mythologische  etymologie  gelten  mufs^.  Er  sagt 
dabei  nichts,  was  nicht  bei  erster  oberflächlicher  beschäfdgung 
mit  sprachwissenschaftlichen  Studien  sich  von  selbst  ergäbe^  noch 
auch  überall  ausreichendes  und  richtiges.  So  gilt  ihm  s.  48  Mi- 
thra  (Mitra)  der  west-  und  ostarische  gott  des  taglichts  for  semi- 
tisch. —  Wer  Emil  Braun  den  vorwarf  macht  (s.  5),  dafs  er  „bei 
seiner  griech.  götterlehre  gegen  die  anforderungen  systematischer 


«nseig«.  ^«^ 

forschang  zu  sehr  weibliche  leser,  oder  ein  aUgemeines  laienpu- 
blicum'im  nage  gehabt*'  habe,  darf  nicht  seinem  wissenschaftM- 
eben  leser  das  ABC  vorbnchstabiren.     Aber  überhaupt  gleicht 
Fyls  lange  anseinandersetzung  der  Verwunderung  eines  stadtkna* 
ben,  der  beim  ersten  ausfluge  in  die  freie  natnr  von  einer  wun- 
derbaren  weit  neuer  anschauungen  fiberwältigt,  seiner  freude  über 
die  alltäglichsten  erscheinungen    in   weitschweifiger  aber  lücken- 
hafter darstellung  des  erlebten  ohne  verstfindnifs  des  inneren  Zu- 
sammenhanges Infi;  macht  Den  neuling,  welchem  die  Unterschei- 
dung von  gut  und  böse  noch  nicht  angegangen  ist,  verrät  in  noch 
höherem  mafs  der  abschnitt  s.  52—59  ^Von  den  hölfsmitteln  för 
die  mythologische  etymologie**,  in  welchem  nicht  etwa  eine  ans- 
wahl  der  notwendigen  handbflcher  namhaft  gemacht,'  sondern  in 
buntem  gemisch  solche  werke  aufgeführt  werden,  deren  Inhalt  das 
gebiet  der  etymologie  und   mytbologie    berührt     Neben  Bopps 
sanskri^lossar,   Benfeys  wb.,  Potts  etym.  forsch.,  Potts  perso- 
nen-  und  Ortsnamen,  Höfers  z.  f.  w.  d.  spr.  u.  a.  begegnen  wir  hier 
ganz  unwissenschaftlichen  Schriften  wie  Schwenck  etymologischen 
Studien,  Norks  andeutungen  zum  System  der  mytbologie,  dessel- 
ben etym.  symb.  realwb.,  hinten  nach  werden  „als  sehr  brauch- 
bare werke*'  Adelungs  wb.  der  hochd.  spr.  und  das  wb.  zu  From- 
inans  altdeutschem  lesebuch  aufgefahrt    Alle  diese  bficher  unter- 
liegen einer  ausfuhrlichen  besprechung.    Nur  ganz  im  allgemei- 
nen, ofiFenbar  weil  er  sie  kaum  dem  titel  nach  kennt,  bezeichnet 
der  herr  Verfasser  „Grimms,  Lachmanns,  v.  d.  Hagens,  Wacker- 
nagels werke,  Graffs  ahd.  Sprachschatz  u.  a.  als  von  grofser  be- 
deutung  für  das  gebiet    der   germanischen  sprachen.**     Lobecks 
onsterbliche  grammatikalische  und  lexicalische  arbeiten  dagegen, 
welche  die  grundlage  jeder  eingehenden  Untersuchung  auf  dem 
felde  hellenischer  etymologie  bilden  müssen,  die  griechischen  gram- 
roatiken  von  Curtius  und  Ahrens,  des  ersteren  schrift  Über  die 
tempora  und  modi,  wie  die  über  die  Sprachvergleichung  im  ver- 
hältnifs  zu  den  classischen  sprachen,  des  letzteren  dialectforschun- 
gen,  Benarys  römische  lautlehre,  Schneiders  lat  grammatik,  selbst 
diese  Zeitschrift  f.  vgl.  Sprachkunde  die  seit  5  jähren  den  verei- 
nigungspunkt  der  indogermanischen  sprachvergleicher  bildete,  sind 
für  Pyl  umsonst  geschrieben,   er  hat  nicht  einmal  ihren  namen 
gehört.     Wahrscheinlich  wäre  es  ihm  mit  Bopps  vergleichender 
grammatik  ebenso  ergangen,  wenn  ihn  nicht  citate  in  den  wer- 
ken von  Pott  und  Benfey  bisweilen  darauf  aufmerksam  gemacht 

15* 


228  Maanhardt 

hätten.  Er  glaubt  indessen  darin  nicht  mehr,  ab  ,, manche  auf- 
klärong  über  yerschiedene  nnsern  zweck  betreffende  fragen^  zu 
finden  (8.  53);  er  ahnt  nicht,  dafs  jeder  sprachvergleichang  die 
genaueste  grammatisdie  kenntnis  za  gründe  liegen  mofs  und  be- 
gnügt sich  mit  einigen  nur  zu  leicht  irrefOhrenden  lautgesetzen. 
Diesem  princip  entsprechen  die  ei^ebnisse  seiner  Untersuchung. 
Schon  8.63  will  er,  von  dem  ,,  begriff  der  gottheit^  handelnd, 
gegen  J.  Grimm  gott  und  gut,  goth.  gu)>  und  gods  vereinigen. 
^Es  wird  sich  ergeben,  dafs  die  ganze  Verschiedenheit  im  Wech- 
sel zwischen  u  und  o,  zwei  sehr  nahestehenden  vocalen  besteht 
und  scheint  mir  daher,  wenn  wir  die  beiden  ältesten  formen  be- 
trachten ein  Zusammenhang  zwischen  goth  und  guth  nfiher  als 
zwischen  guth  und  quadata  zu  liegen,  besonders  da  eine  bezeich- 
nung  gottes  als  des  guten,  edlen  als  des  sittlich  erhabenen  für 
das  gerade  in  Sittlichkeit  so  hoch  gestellte  volk  der  alten  Grer- 
manen  deutlich  geeignet  isi^  Die  kenntnis  dafs  der  ursprungliche 
unterschied  der  der  vocale  u  und  &  war,  ist  von  herrn  PjL  na- 
türlich nicht  zu  erwarten.  Aus  z.  f.  vgl.  spr.  I,  159  Pott  perso- 
nennamen  151  aber  hfitte  er  ersehen  können,  wie  auf  methodi- 
schem Wege  an  die  stelle  der  ableitnng  von  qvadata  eine  andere 
zu  setzen  versucht  wird. 

In  der  begonnenen  weise  schreitet  die  Untersuchung  weiter, 
die  Gothen  (GiiJ^ans  und  Gautos),  dya&og,  Jäxaioi  and  Jäxdkeug 
=  ^xitk&ig  enthalten  für  Pyl  denselben  stamm  wie  gu)>,  gods 
und  es  ergiebt  sich  p.  66  die  identische  reihe: 

Gut.  Gott.  Gothen. 

aya&og.  jixiXUvg,  JixcuoL 

Noch  übler  ergeht  es  den  armen  Ansen.  Sie  werden  zu  Ariern, 
Ausonen  u.  s.  w.  gemacht,  wie  ihr  gegensatz  die  )>ur8en  zu  Tu- 
raniem,  Etruscem  u.  s.  w.  Das  endresultat  bilden  die  identischen 
reihen: 

Äsen  Thursen 

Aes-ares  {Aicoi)  Tyrsener  (Turan) 

Ansoner  (Aurund)  Iliuseer,  Etruscer,  Hetruscer 

Jran  Turan 

Armenien  Turkmanien 

Arier  Tartaren 

Asien  Taurien-Tauros 

Europe  Taur-opus,  Tyros,  Tyro. 

Sapienti  sat    Wir  erlauben  uns  herrn  Pyl  auf  einen  verwandten 


anzeige.  ^9 

forscher  aufmerksam  zu  machen,  der  mit  nicht  geringerer  kühn- 
heit  als  er  über  Stammverschiedenheit  indogermanischer  und  iiicfat- 
iodogermanischer  Völker*)  sich  hinwegzusetzen  versteht,  an  be- 
scheidenheit  aber  wol  ihm  als  muster  vorangestellt  zu  werden 
verdiente.  Dr.  J.  G.  Bonisch  bewies  schon  1830  in  seinen  „Göt- 
tern Deutschlands,  vorzuglich  Sachsens  und  der  Lausitz^  den  Ur- 
sprung der  Deutschen  oder  Deuter  und  ihrer  Äsen  am  Kaukasus 
(Gau-k-Asns)  und  Thaurus,  wo  das  paradeis  gelegen  (d.  i.  a  paar 
deits,  das  erste  paar  Deutsche),  dessen  urbewohner  Adam  (von 
a  dem  kindlichen  naturlaut  und  dämm  dem  ersten  trocknen  pl&tz- 
chen  der  erde)  und  Eve  (ehe  fee)  waren.  —  Auf  demselben  Stand- 
punkt steht  Pyl,  wenn  er  s.  76  fgg.,  die  mit  E,  J,  H  oder  V 
anlautenden  „keltisch-germanischen^  namen  z.  b.  Helvetia,  Herc- 
ynia,  Hermiones,  Hispania^  Hibernia,  Himera,  Hirpini,  Helium, 
Eboracum,  Ebosia,  Egara,  Elusa,  Jlerda,  Veamini,  Veca,  Vecta, 
Vegium,  Velauni,  Venami,  Verag-i,  Vei^incetorix,  Vibelli,  Vicel- 
lenses,  Viminacium,  Vindobona,  Virodurum  u.  s.  w.,  ja  sogar  die 
griediischen  Pelasger,  Pellene,  Pedasa  mit  der  fragepartikel  gr. 
nov  goth.  hvajyro  praefigirt  sein  l&ist  —  Von  s.  79  ab  bemuht 
sich  der  Verfasser  den  beweis  zu  fahren,  „dafs  die  griechi- 
sche religion  wie  alle  übrigen  religionen  der  indoger- 
manischen Völker  am  anfang  monotheistisch  war;  aus 
dem  begriffe  des  Zeus  hätten  sich  alle  übrigen  götter- 
wesen  entwickelt^  Beweise  für  diese  ansieht  suchen  wir  ver- 
geblich, nur  unrichtige  folgerungen  aus  unrichtigen  Voraussetzun- 
gen werden  in  gewohnter  breite  vorgetragen  z.  b.  s.  92  cot  und 
Wuotan  als  wurzelhait  verwandt  nebeneinandergestellt.  Ein  ein- 
ziger blick  in  die  bisherigen  resultate  der  vergleichenden  religions- 
Wissenschaft  hatte  eines  andern  belehren  müssen.  Herr  Pyl  wurde 
gefunden  haben,  dafs  bereits  in  der  ältesten  zeit  Dyäushpitä  und 
mäta  prthivi  wie  Zsvg  nat^g  yij  tB  fiijtfiQ  als  polytheistische  göt- 
tergestalten  neben  anderen  streng  davon  geschiedenen  götterwesen 
bestanden.  Die  historische  einheit  dieser  beiden  götterpaare  gewähr- 
leistet die  germanische  mythologie.  Denn  neben  Tius,  altn.  Tjr, 
der  der  spräche  und  dem  ursprunglichen  begriff  nach  mit  Dyäus 
und  Ztvg  identisch  ist,  stand  wie  bereits  Kuhn  mark.  s.  VIL  W. 


*)  Freilich  belehrt  uns  u.  a.  henr  Pyl  8.  76:  „Bekanntlich  steht  Über  den 
Ursprung  der  Etruscer  jetzt  die  meinung  fest,  dafs  sie  germanisch -keltischen 
Ursprungs  wHien." 


290  ICannhwdt  aaseige. 

Maller  Altd.  relig.  226  erkannten  eine  gottin,  welche  Oegisdr.  40 
erwähnt  Schwerlich  war  der  name  derselben  von  anfang  an 
Herce,  Erce,  denn  dieser  kann  erst  eingetreten  sein  als  T^r  selbst 
zum  schwertgott  niedersank  und  den  beinamen  Hairas,  Er  Jr  an- 
nahm. Nan  nennt  aber  derselbe  ags.  segen  (myth.  CXXIX) 
zur  fruchtbarmachung  der  ficker,  welcher  v.  27  „Erce, 
Erce,  Erce  Eor!$an  modor^  anruft,  diese  göttin  r.  59  „h&l  ves  >a 
Fol  de,  fira  modor.  Fold  begegnet  auch  in  der  altn.  Sk^den- 
poesie  für  Jör!$  und  SignrSrifamäl  4  wohnt  diesem  wort  neben 
sesir  und  ^ynjar  gewifs  persönliche  geltang  ein: 

Heilir  sßsir 

heilar  äsynjur, 

heilsj4  in  fjölnjta  Fold. 
Altnord,  fold  fahrt  auf  fuld  zurück,  wie  ags.  folde  auf  fuldä,  ahd. 
velt  auf  fild,  alle  auf  eine  grundform  fald  (faldu?),  welche  nach 
strengem  lautwechsel  indischem  Parthivi,  Pfthivi  von  ppthu   ent- 
sprechend ist. 

Im  verlauf  der  Pylschen  Untersuchung  tritt  keine  besserung 
ein.  ü.  a.  finden  wir  Tlga,  ^QfjS,  "'Egfojgy  ly^o)^,  !^Qtefug^  ovQa- 
i^og^  goth.  air]>a  ahd.  werlt  (das  er  aus  einem  älteren  selbsterfan- 
denen  vairj^a?  erklärt,  ohne  die  Zusammensetzung  zu  ahnen)  auf 
eine  wurzel  var  zurückgeführt,  die  den  begriff  des  zeugenden 
Schaffens  der  erde  enthalten  soll.  S.  148  wird  llo^eiddäw  aus 
novtog  erklärt  u.  s.  w.  Man  erlasse  uns  auf  des  verf  s  arbeit  wei- 
ter einzugehen.  Wenn  er  es  mit  der  ¥ri8senschaft  ernst  meint, 
wird  es  ihm  nicht  schwer  fallen  durch  eingehendere  und  beharr- 
liche Vorstudien  die  f&higkeit  für  vergleichende  mythenforschungen 
zu  gewinnen,  welche  ihm  jetzt  in  so  hohem  grade  abgeht  An- 
derenfalls bitten  wir  ihn  die  Verwirrung  auf  dem  gebiet  der  grie- 
chischen mythologie,  welche  schon  grofs  genug  ist,  durch  halb- 
gelehrsamkeit  nicht  noch  weiter  zu  steigern. 

W.  Mannhardt 


III.  HlMseUen. 


aigi,  airm. 

Die  Verwendung  des  ai  für  e  in  diesen  formen  des  cod.  S. 
Qalli  7tes  Jahrhundert)  hat  J.  Grimm  schlecht  und  untauglich  ge- 


Grohnuuuii  jaiacelle.  231 

nannt  ♦).  Sie  findet  sich  jedoch,  obwohl  selten,  auch  in  anderen 
denkm&lern  (aillin  Can.  9.  Stesjahrh.)  und  scheint  nur  überhaupt 
für  die  geschichte  des  deutechen  umlauts  nicht  ohne  Wichtigkeit, 

Der  deutsche  umlaut  hat  sich  bekanntlich,  wie  im  send  auf 
folgende  weise  entwickelt:  zeigte  die  ahd.  Wurzel  ursprünglich 
ein  a,  und  es  trat  unmittelbar  an  sie  ein  ableitangs-  oder  flexionB- 
soffix  mit  i,  1,  j,  so  reproducirte  das  i,  i,  j  der  ableitung  oder 
flexion  ein  kurzes  i  in  der  wurzel,  das  sich  mit  dem  a  derselben 
zu  ai  verband,  jedoch  so,  dafs  in  diesem  diphthonge  der  a-laut 
präyalirte.  Wahrend  ab^  das  zend  auf  dieser  stufe  stehen  blieb, 
verschmolz  im  ahd.  der  diphtong  in  ein  helles  e. 

Fassen  wir  nun  den  ahd.  umlaut  in  dieser  weise,  so  werden 
wir  auch  in  aigi  und  airin  nicht  fehlerhafte  formen  sondern  ar- 
chaismen  erkennen,  zumal  als  sich  das  ai  für  e  nur  in  den  &lte- 
sten  denkm&lem  und  neben  nicht  assimilirtem  a  findet 

Prag.  J.  Virgil  Grohmann. 


1)  bhri  —  forare.     poran. 

Die  neupersische  Sprache  zeigt  neben  bürden,  tragen,  auch 
ein  verbum  buridan,  schneiden,  auf.  Beide  verba  gehen  auf 
die  altbaktrische  wurzel  bere  zurück,  während  aber  dort  bere 
tragen  nach  conj.  1  abgewandelt  wird,  scheinen  die  formen  ba- 
renenti,  barenaguha,  die  auf  bere  schneiden  zurückgeführt  wer- 
den müssen,  zu  conj.  9  zu  gehören.  Für  die  ir&nischen  sprachen 
steht  diese  bedeutung  der  wurzel  bere  sicher  genug  und  auch  im 
sanskrit  läfst  sie  sich  nachweisen,  wenn  man  die  stelle  Ry.  10. 
171.  2  tväm  makhasya  dodhatah  ^iro  Va  tvaco  bhara^  mit  Kuhn 
übersetzt  „du  rissest  des  zappelnden  opferthieres  haupt  von  der 
haut^  (vgl.  zeitschr.  IV,  19).  In  den  classischen  sprachen  scheint 
mir  forare  hier  zu  gehören,  womit  J.  Orimm  im  deutschen  w5r- 
terbuche  bereits  ahd.  poran,  unser  bohren  verglichen  hat.  —  In 
den  neueren  iranischen  dialecten  hat  das  von  bere  schneiden  ab- 
geleitete brin  die  bedeutung  des  absolut  mächtigen  (es  wird  häufig 
als  epitheton  des  Schicksals  gebraucht);  liefse  sich  dieser  über- 


•)  Grimm  d.  gr.  I',  104. 


23)  Spiegel 

gang  auch  in  anderen  indogermanischen  sprachen  nachweisen, 
80  wäre  es  wol  nicht  za  kühn  auch  gr.  q>8Qratog  hieher  za 
ziehen. 

2)  vadh. 

Von  dieser  wurzel  abgeleitet  findet  sich  einige  male  im  Avesta 
vaidhi  fliefsend,  als  sahst,  flufs.  Nach  den  gewohnlichen  laut- 
fiberg&ngen  der  neueren  iranischen  sprachen  (v  =  gv,  dh=j) 
wird  daraus  huzv.  i"|3;  neup.  cS^^5  dschui,  Flufs.  Hieran  schlie- 
fsen  sich  ungesucht  skr.  uda,  vdtoQ^  unda,  vadum,  goth.  yato  und 
unser  wasser.  Der  wurzel  vadh  dürfen  wir  hiernach  die  bedeu- 
tungen  gehen,  fliefsen  zutheilen  (cf.  lat  vado).  In  dieser  bedeu- 
tung  kann  ich  zwar  bis  jetzt  innerhalb  der  iranischen  sprachen 
die  wurzel  nicht  belegen,  desto  häufiger  ist  das  causativnm  ya- 
dhay^mi,  gehen  machen,  fahren,  z.  b.  Yd.  XIX.  94  vizaresho 
daeyo  nimna  . . .  urvänem  hartem  vädhay^iti,  ib.  YIII.  42  9par 
nem  . . .  aetao  pathao  vivädhayantu  einen  hund  . . .  sollen  sie 
auf  diesen  wegen  führen.  Vom  zufuhren  zur  ehe  wird  das  wort 
gebraucht  ibd.  XIV.  66  narebyo  ashavabyo  näirithwana.  upa.  vä- 
dhayaeta  er  führe  sie  (die  Schwester  oder  tochter)  den  reinen 
männern  zur  ehe  zu.  So  wird  es  begreiflich,  wie  im  afghanischen 
noch  väda  die  heirath  bedeuten  kann.  So  hat  auch  das  littaui- 
sehe  vedu  ich  führe  noch  die  bedeutung  ich  heirathe.  Als  ein 
Vertreter  dieser  wurzel  vadh  im  sanskrit  scheint  mir  das  sahst, 
vadhü  frau  gelten  zu  müssen,  für  das  meines  wissens  noch  keine 
genügende  etymologie  aufgestellt  worden  ist  Auch  die  den  Ve- 
den  bekannte  bedeutung  vadhvab  =■  nadyab  scheint  mir  am  be- 
sten durch  das  obige  erklärt  zu  werden.  Spiegel. 


1)  Wurzel  kru. 

Die  Verbindung  dieser  drei  harten  laute  erscheint  als  der 
unwillkürliche  ausdruck  der  empfindung  von  etwas  abstofsen- 
dem,  widerwärtigem.  Aus  einem  dergl.  grundbegriff  wenig- 
stens lassen  sich  mit  leichtigkeit  alle  diesem  stamme  zugehörigen 
Wörter  herleiten. 

Als  verbum  kommt  derselbe  in  dieser  gestalt  im  sanskrit 
nicht  vor,  wohl  aber  bietet  es  uns  mehrere  nominalformen,  wel- 


miflcellen.  2SS 

che  munittelbar  auf  krn  sorackgehen.  J.  Orimm  (gesch.  der 
deatschen  spräche  p.  1010),  Nesselmann  (litth.  Wörterbuch  s. 
V.  kraujas)  und  Kuhn  (oben  11,  236)  haben  bereits  die  Wörter 
kravis,  kravya,  xgeag^  goth.  hraiva,  ahd.  hr^  „ fleisch^  mit 
craor,  craentas,  altpr.  krawja,  litth.  kranjas  ,,blat^  nebst  noch  an- 
dern slavischen  und  keltischen  Wörtern  verglichen.  Beide  bedeuton- 
gen  erklären  sich  gegenseitig  durch  den  gemeinsamen  grundbegriff 
des  rohen,  geronnenen  oder  nach  psychischer  seite  hin  des 
grausens,  granens,  vgl.  ahd.  grdison,  ags.  gi^r,  eböhm.  hmza, 
poln.  groza,  schrecken,  furcht,  skr.  krüra,  zend.  khrui.  Nessel- 
noiann  hat  auch  bereits  crudns,  crudeüs  herangezogen;  letzteres 
ist  nur  eine  Weiterbildung  des  erstem:  dieses  selbst  aber  ist  ent- 
weder aus  cruidus  entstanden,  also  ableitung  aus  cruor,  resp. 
der  wrz.  kra  selbst,  oder  man  könnte  die  ebenfalls  hiehergehö- 
rige  wrz.  krudh,  zend.  khrudh  „zürnen^  vergleichen,  was  indefs 
weniger  anspricht.  Jedenfalls  stehe  ich  nicht  an  auch  crux 
hieherzuziehen,  und  die  bedeutung  „marter^  der  des  „kreuzes^ 
voraufgehen  zu  lassen. 

Nach  der  rein  physischen  seite  hin  vertritt  die  wrz.  km  den 
begriff  des  „rauhen,  rohen^  ags.  hreov,  hreog.  Sollten  etwa 
lat.  ravis,  heiserkeit,  raucus  (für  ravicus)  mit  abfall  des  anlauts 
hieber  gehören?  und  mit  Übertragung  auf  die  färbe  lat  ravus,  ahd. 
gräw,  unser  grau?  vgl.  die  abscbwfichang  von  cradus  zu  rudis, 
welches  letztere  der  bedeutung  wegen  wohl  von  rudor,  mdere  ab- 
zutrennen ist.  Im  Sanskrit  und  zend  bedeutet  wrz.  kru9,  kbru^ 
„rafen^  eigentlich  das  rauhe  anfahren,  anschnautzen*):  kroda 
bezeichnet  den  rauhen,  zottigen  theil  der  brüst  (Mabfdh.  zu  VS. 
25,  8.  KatyÄyana  ^rauta  sütra  6,  7,  6.  8,  13),  ebenso  lat  crus 
wohl  eigentlich  den  haarigen,  rauhen  theil  des  beines.  Sollte 
etwa  auch  9roni,  clunis  hierhergehören?  Das  griechische  x^o^ 
eiskälte,  frost,  eis,  nebst  seiner  sippe  HQV/Aogy  ngviStoXkog^  cmsta 
etc.  geht  auf  denselben  begriff  des  rauchen,  geronnenen,  harten 
zurück,  ist  ja  auch  bereits  längst  mit  cmor  verglichen  worden. 

2)  Wurzel  mas. 

Die  Wörter:  mastu  molken,  mastishka  gehim,  masura  eine 
art  erbsen,   mäsara  (schäum  nach  Wilson,  nach  Mahidh.  aber 


*)  Mit  dem  rein  onomatopoietiBchen  crociare ,   krithen  etc.  hat  wrz.  Iuru9 
direkt  nichts  zu   thtm,   wenn  anch  eine  psychologische  Verbindung  zwischen 


tu  Weber 

ZU  VS.  19,  1  bexeichnet  es  heüses  reiswafiaer,  mit  verschiede- 
nen gfihrenden  Substanzen  vermischt),  m&sba  eine  art  höhnen, 
im  verein  mit  mäns,  mänsa  fleisch  fahren  uns  auf  eine  wurzel 
mas  mit  dem  grandbegriffe  des  blähenden,  nährenden,  fet- 
tigen. Die  mit  m&nsa  verwandten  Wörter  hat  bereits  J.Grimm 
(gesch.  d.  deutschen  spräche  p.  1009)  ausführlich  besprochen  und 
gewifs  mit  recht  auch  lat.  mensa  dazagezogen.  Er  verweist  zu- 
gleich auf  unser  mastan,  mästen,  und  griech.  fAaarog  (fia^og) 
brüst,  ahd.  manzo  euter,  lat.  mamma.  Auch  altn.  misa  molken 
und  die  übrigen  von  Grimm  p.  1008  gesammelten  Wörter  gehö- 
ren herzu.  Ich  ziehe  aber  ferner  heran:  lat  mas,  masculus: 
die  ableitnng  aus  wurzel  mar  „sterben^  will  mir  nicht  recht  be- 
hagen, da  die  frauen  ebenso  gut  sterben,  als  die  männer,  mas 
uberdem  nicht  mensch  bedeutet,  sondern  ganz  speciell  den  kräf- 
tigen mann  in  seiner  mascula  virtus,  den  maritus:  vielleicht 
gehört  selbst  skr.  mushka  hode  oaxos  (mit  abfall  des  anlauts) 
herzu  (vgL  muni  von  wrz.  man).  Ferner  mustus,  jung,  neu, 
frisch  (wovon  unser  „most^),  davon  mustela  wiesei  (von  der  be- 
hendigkeit?),  endlich  lioa^og  junger  schöisling,  muscus  moos 
(vgl.  masrna  zart,  weich  bei  Wilson).  Sollte  nicht  auch  in  iwg^ 
musculus  muskel  die  beziehung  auf  „maus''  etwa  vielleicht  nur 
eine  alte  Volksetymologie,  der  grundbegriff  dagegen  der  des  schwel- 
lenden, fleischigen,  kräftigen  sein? 

Eigenthümlich  ist  die  Vereinigung  der  bedeutung:  smallpox 
in  dem  worte  masura  erbsen,  und:  a  cutaneous  disease  in  mäsha 
höhne.  Naturlich  stellt  sich  dazu  unser  mas  er  mit  seiner  sippe, 
das  man  sonst  von  mase,  masche,  fleck  abzuleiten  und  mit  ma- 
cula  zu  verbinden  pflegt  Sollte  allen  diesen  Wörtern  nur  die 
von  der  gestalt  der  erbse,  bohne  entlehnte  metonymie  zu  gründe 
liegen? 

Skr.  masta,  mastaka  herz,  köpf  ist  wohl  ohne  beziehung  zu 
fMC<rfra|,  livctai  mund,  das  ja  jedenfalls  zu  ficuraofMU  kauen,  es- 
sen gehört;  ich  erkläre  masta  als  „gebläht,  schwellend,  sich  er- 
hebend (vgl.  fAaatog)j  gipfel,  spitze^,  wie  es  ja  auch  vom  gipfel 
des  baumes  gebraucht  wird  (s.  mastakäkhya  bei  Wilson).  Ist 
unser  mastbaum  (altn.  mastr)  etwa  hieherzuziehen,  vgl.  lat  mä- 


der  beideraeitigen  entstehang  allenfalls  wohl  denkbar  ist.  Auch  kru^c,  krufc« 
als  vogelname  (YS.  19,  78.  24,  22)  ist  wohl  onomatopoion :  oder  geht  es 
auf  die  angebliche  wrz.  kmpc  (curvari  tortnose  incedere  Westeigaard)  zu- 
rück? 


miBoellen.  23ft 

las,  das  in  der  bedeutong  apfelbamn  wenigstens  ebenso  wie  mA- 
lum  apfel  sich  tre£flich  auf  unsre  wrz.  mas  zurückführen  liefse. 

3)  Wurzel  pus  (push). 

Zu  dieser  wurzel  ist  skr.  pums  der  mann  zu  ziehen,  eig.  der 
kräftige  (genährte,  sich  nährende?):  die  form  pumäns  in  den 
starken  casus  betrachte  ich  als  eine  abnorme  Weiterbildung,  etwa 
ähnlich  der  silbe  na  bei  den  verben  der  siebenten  classe,  und 
während  sich  zu  pums  vortrefflich  lat.  pusus  stellt,  vergleiche  ich 
mit  pumäns  die  formen  puber  und  puer:  in  letzterem  ist  der  na- 
sal ganz  geschwunden,  in  puber  dagegen  zu  b  verhärtet.  Die 
Wörter  pus,  pusula,  pustula,  nvov  eiter  hängen  wohl  mit  wrz.  puy 
stinken,  faulen  zu^mmen  (vergl.  auch  puteo,  foetor  und  pudor): 
in  nvog  biestmilch,  ahd.  piost  dagegen  möchte  ich  wieder 
unsere  wrz.  pus  erkennen;  desgl.  in  ahd.  pior  hier:  bei  nvgop 
macht  bekanntlich  das  q  Schwierigkeit. 

4)  svasri  Schwester. 

Die  etymologie  aus  sva-stri  halte  ich  für  ganz  haltlos:  stri 
frau  ist  selbst  erst  eine  contraktion  aus  sutri,  die  gebärende;  dafs 
tri  Suffix  ist,  beweist  der  nominativ  sing.,  der  stri  lautet,  nicht 
stris,  und  für  den  ausfall  des  u  bei  einem  so  häufigen  werte  ver- 
gleicht sich  z.  b.  srabhishtha  superl.  von  surabhi  (^atap.  Br.  VI, 
8,  2,  3).  Ich  erkläre  svasar,  svastar  aus  su-astar,  von.  wrz.  as 
sein,  vergl.  svasti  Wohlsein,  also  entweder  als  die  gut  seiende, 
fireundliche,  oder  causativisch  (was  freilich  sein  bedenken  hat)  als 
die  Wohlsein  schaffende,  sorgliche.  —  Das  wort  astar  erkenne 
ich  auch  in  zend.  rathaestar,  skr.  savyashthar,  savyeshthar  (hier 
mit  aspiration  wie  in  sushthu  von  sv-astu)»  denn  die  herleitung 
von  wrz.  sthä  durch  ein  angebliches  affix  r  (Pän  8,  3,  97  värt 
Ufi.  n,  97)  will  mir,  trotz  savyashtha,  savyeshthä,  ratheshthä, 
die  ihrerseits  natürlich  auf  sth&  zurückgehen^  nicht  behagen. 

A.  Weber. 


Gothisches, 

1)  gu>. 


Zu  den  Wörtern,   deren  deutong  am  meisten  Schwierigkeit 
gemacht  hat,  gehört  das  deutsche  gott    Halten  wir  die  formen 


236  Ebel 

der  verschiedenen  dialecte  zusammen,  goth.  gad-  and  ga]>->  nord. 
gal$,  got5,  ags.  god,  ahd.  cot  (got),  so  ergiebt  sich  als  ardeutsche 
form  des  Stammes  gnda,  bestätigt  durch  die  ableitongen  im 
goth.;  die  nebenform  ga]>-  hat  die  laatverschiebung  vernachläs- 
sigt, oder  sfimmtliche  dialecte  sind  über  die  erste  lantverschie- 
bong  hinausgegangen.  Ware  letztsres  der  fall,  so  böte  sich  skr. 
huta  (nach  Bopp's  glossar  1.  sacrificatus,  2.  is  cui  sacrificatur) 
oder  huta  ^ angerufen^  sor  vergleichung  dar;  dafis  sämmtliche 
dialecte  einstimmig  über  die  gesetzmäfsige  ardeutsche  form  hin- 
ausgehn  sollten,  ist  aber  nicht  anzunehmen,  vielmehr  zeigt  z.  b. 
das  englische  father  noch  heute  die  regelrechte  form  im  gegen- 
satz  zum  gothischen  und  hochdeutschen.  Aller  analogie  nach 
haben  wir  also  in  guda  die  regelrechte  Verschiebung  der  dentalis 
zu  erkennen,  dag^en  finden  wir  häufig,  namentlich  aber  wenn 
die  Wurzel  ursprünglich  mit  einer  aspirata  schliefst,  die  anlau- 
tende media  unverschoben,  wovon  nächstens  mehr;  beispiele  sind 
dags  von  skr.  wrz.  dah,  dauhtar  =  skr,  duhitr,  wrz.  band  =  skr. 
bandh.  Die  skr.  wurzel,  der  wir  nach  diesen  analogien  unser 
wort  zuzuweisen  haben,  ist  also  gudh  (guh)  „verbergen^,  der 
ebenso  griech.  x€t;^09  entspricht,  wie  dem  bandh,  goth.  band,  das 
griech.  ney&  in  nelafia ,  neiatfJQ ,  mv&eqog.  So  hat  uns  strenge 
Verfolgung  der  durch  die  lautgesetze  gewiesenen  spur  auf  eine 
ableitung  gebracht,  die  auch  Graff  nebenher  angefahrt  hatte,  ohne 
sie  gebührend  zu  beachten.  Graff  erklärte  in  diesem  falle  gu]> 
als  den  „deckenden^,  vom  himmel  auf  den  gott  übertragen;  wir 
haben  diese  annähme  nicht  nöthig.  Ist  gu]>s  der  verborgene, 
der  unsichtbare,  so  wird  das  passende  dieser  benennung  der 
gottheit  gerade  in  deutschem  munde  einem  jeden,  denke  ich, 
einleuchten,  der  die  stelle  des  Tacitus  Germ.  9  bedenkt:  ceterum 
nee  cohibere  parietibus  deos  neque  in  ullam  humani  oris 
speciem  adsimulare  ex  magnitudine  coelestium  arbitrantur. 
Lucos  ac  nemora  consecrant,  deorumque  uominibus  adpel- 
lant  secretum  illud,  quod  sola  reverentia  vident.  Liegt 
hierin  nicht  unsere  erklärung  gewissermafsen  schon  ausge- 
sprochen? 

2)  hiri. 

Dem  gothischen  lautgesetze,  wonach  i  vor  r  in  ai  übergeht, 
scheint  hir-  in  hiri  hirjats  hirji)?  allein   zu  widersprechen.    Ver- 


misceUen.  237 

gleicht  man  aber  die  andern  pronominaladverbia  auf  -r  mit  den 
entsprechenden  formen  im  sanskrit,  so  ei^bt  sich,  dafs  dies  r 
aas  -tra  (goth.  ]>ra  oder  drah)  entstanden  ist:  so  entspricht  )>ar 
genau  dem  skr.  tatra,  hvar  dem  kutra  aus  kvatra,  aljar  dem 
anyatra,  und  ebenso  erklärt  sich  jainar,  während  ufar  (nord. 
yfir;  dem  goth.  mochte  ufair,  was  statt  ufir  eintreten  mufste,  zu 
schwer  in  der  endsilbe  sein,  daher  keine  assimilation)  dem  skr. 
upari  entspricht,  andre  formen  wie  hindar,  afar,  undar  verschie- 
dene deutung  zulassen  (locativ  -i  oder  verkürzter  instr.  -a  oder 
ebenfalls  -tra).  So  steht  nun  auch  hir  (ursprünglich  nicht  her, 
sondern  hier,  wie  man  heute  noch  im  munde  des  volks  findet: 
komm  hier)  für  hij^ra  oder  hidra,  und  daraus  erklärt  sich, 
warum  kein  hair  eingetreten  ist  Das  gesetz,  nach  welchem  i  in 
ai  überging,  war  schon  vollzogen,  als  sich  hidr  in  hir  erleich- 
terte, konnte  also  hier  nicht  mehr  einwirken.  Der  stamm  hi  ist 
übrigens,  wie  schon  andre  bemerkt  haben,  jedenfalls  derselbe  wie 
im  latcis  citra  und  im  enclitischen  -ce,  c  von  hie,  nunc,  tunc, 
sie,  illic,  istic,  ecce*);  gewifs  gehört  auch  das  goth.  -h  mancher 
pronominalzusammensetzungen  hierher,  nur  ist  es  schwer,  oft 
unmöglich,  h  =  ce  und  h  =  que  zu  scheiden,  wie  z.  b.  svah 
ebensowohl  „so  auch^  als  verstärktes  „so^  (wie  sie)  sein  könnte. 
Der  auch  von  Orimm  gesch.  d.  deutsch,  spr.  932  fgd.  wieder  be- 
haupteten Identität  mit  dem  stamme  des  lat  hi-c  können  wir  nicht 
zustimmen ,  da  dies  entschieden  mit  dem  skr.  ha  =  gha,  hi  zu- 
sammenhängt, dem  goth.  g  oder  (wegen  des  griech.  y  in  7«,  70^, 
yovv)  k  entsprechen  müTste.  Dagegen  läfst  sich  wohl  das  griech. 
i%zl  ixBiPog  Hslvog  mit  unserem  stamme  vergleichen,  da  es  auch 
in  der  demonstrativbedeutung  übereinstimmt,  und  wenn  die  Suf- 
fixe -ka  aka  ika  u.  s.  w.  nebst  den  entsprechenden  griech.  lat. 
skr.  (Schleicher  269),  goth.  (vgl.  ai-na-ha  mit  skr.  e-ka)  prono- 
minalen Ursprungs  sind,  liegen  sie  nicht  weit  ab.  Unmittelbar 
endlich  schliefst  sich  wohl  hindar  an  (vgl  ahd.  hina)  zunächst 
„von  hier  fort,  von  hier  entfernt^,  doch  ist  der  zweite  teil  des 
Wortes  nicht  vollständig  klar. 

H.  Ebel. 


*)  Auch  das  ce  von  c^do  cette? 


238  Ebel 


Oxytonining  im  lateinischen. 

Belege  für  eine  frühere  betonung  der  ersten  silbe  im  latein. 
hat  Dietrich  im  ersten  bände  dieser  Zeitschrift  beigebracht  Ei- 
nige formen  scheinen  indessen  auf  eine  ehemalige  groOsere  frei- 
heit  des  accents  zu  deuten,  und  wie  nns  berichtet  wird,  dafs  ei- 
nige Partikeln  noch  in  späterer  zeit  oxytona  waren,  so  lafot  aich 
vermuthen,  dafs  früher  noch  mehr  worter  der  barytonirung  ent- 
gangen sind.  Der  D/schen  Voraussetzung  widersprechen  wenig- 
stens punio  neben  poena,  munio  neben  moenia,  in  denen  nur 
etwa  ein  dem  griechischen  entsprechender  accent  punio  das  oe 
in  u  wandeln  konnte,  publicus  läfst  sich  ebenso  leicht  durch 
oxjtonirung  als  durch  betonung  der  ersten  silbe  aus  populicüs 
erklären  (mich  dünkt,  sogar  noch  leichter),  und  in  punicus  ne- 
ben Poenus,  wie  unus  aus  oenus  stimmt  die  annähme  ursprüng- 
licher oxjtonirung,  die  mir  hier  der  einzige  weg  zur  erklärung 
scheint,  trefflich  zum  griech.  a^;^ixo$,  (xvjog  wie  zum  skr.  dhär- 
mikas,  6näs. 

H.  Ebel. 


Lateinisches. 

1)  vitricus  —  privignus. 

Benary  rom.  lantl.  261  erklärt  vitricus  als  „fastvater^  ans 
vi  und  wrz.  tra  mit  kritsuffix  -icns,  unter  berufung  auf  skr.  vimätr 
„Stiefmutter^;  leichter  liefsen  sich  vielleicht  beide  Wörter  aas  vi 
=  dvi,  wie  es  im  lat  viginti,  skr.  virn^ati  deutlich  vorliegt,  als 
„zweiter  vater,  zweite  mutter*'  deuten.  Da  indessen  ein  kritsnff. 
-icus  (wofBr  medicus  angeführt  wird)  selten,  die  warzel  trä  aber 
im  lateinischen  bis  jetzt  noch  gar  nicht  nachgewiesen  ist,  so  wird 
es  erlaubt  sein,  eine  andre  ableitung  zu  versuchen.  Das  suf&x 
-(i)co  finden  wir  häufig  an  andre  taddhitasuffixe  angetreten,  so 
in  rus-ticus,  silva-ticus,  domesticus  (vgl.  agrestis,  das  -es  in  bei- 
den Wörtern  vielleicht  das  bekannte  us  als  taddhitasnffix  wie  im 
goth.  veihs  =  lat  vicus)  fame-licus;  somit  mag  auch  das  -tricus 
von  vitricus  ein  doppelsuffix  -tra  (i)ca  enthalten,  das  erste  sufßx 
das  comparative  -tara  sein,  das  wir  ja  auch  in  ultra,  intra  u.  s.  w. 


mitoellen.  239 

in  der  gestalt  -trs  finden.  Nehmen  wir  nun  vi  auch  hier  = 
dvi,  so  entspricht  vi  tri  cos  bis  aof  den  fehlenden  a-laat  einem 
gnech,*devTeQiH6g  (^devtegog  =  djjotBQog  mit  aasgefallnem  v), 
slav.  v^tor^^k**,  welches  uns  im  poln.  wtorek  (dienstag)  noch 
erhalten  ist;  noch  genauer  schliefsen  sich  goth.  yi)>ra  und  unser 
widrig  in  der  form  an:  yitricns  wäre  also  der  zweite  vater,  wie 
y^tor^k*'  der  zweite  tag  ist  Die  auslassung  des  Substantivs 
bei  diesem  ursprünglichen  adjectivum  wird  wohl  kein  bedenken 
erregen. 

Auch  privignus  kann  ich  nicht  wie  rom.  lautl.  294  fassen. 
Dem  skr.  prth  in  prthak  vergleicht  sich  viel  eher  lat.  part-,  wel- 
ches auch  Benfey  im  sanskritglossar  herbeizieht,  als  *prit,  was 
prith  statt  prth  voraussetzen  wurde,  und  wenn  prtvns  sich  auch 
nicht  aus  pro  entwickeln  konnte,  so  ist  doch  nicht  abzusehn, 
warum  nicht  aus  pris  für  prius  (ja  selbst  aus  prae  wäre  nicht 
unmöglich),  so  daTs  privus  wenigstens  in  unserm  worte  sich  recht 
wohl  dem  skr.  pürva  an  die  seite  stellen  kann.  Das  i  macht  vor 
gn  keine  Schwierigkeit  als  Vertreter  eines  oi^anischen  a,  wir  dür- 
fen also  gewifs  privignus  als  „söhn  erster  oder  früherer  ehe^ 
dem  vitricus  dem  „zweiten^  vater  und  der  noverca  der  „neuen^ 
rautter  gegenüberstellen. 

2)  sino. 

Wie  iaco  hat  man  auch  sino  auf  verschiedene  art  zu  deu- 
ten versucht  Mir  scheint  skr.  san  8  „geben^  nach  form  und  be- 
dentung  am  nächsten  zu  liegen;  lat  i  gegen  skr.  a  ist  nichts  sel- 
tenes, und  far  die  bedeutung  „lassen^  ist  aufser  vielem  andern 
das  homerische  dog  in  den  anrufungen  der  götter  zu  vergleichen* 
Bei  der  offenbaren  Verwandtschaft  zwischen  -nami  und  -nomi 
darf  uns  auch  das  nicht  wundem,  dafs  sino  sich  in  der  form 
dem  skr.  sanami  und  nicht  sanomi  anschliefst,  obwohl  ersteres 
„lieben,  verehren**,  letzteres  „geben ^  bedeutet,  also  in  dieser  be- 
ziehung  dem  lat.  sino  näher  liegt 

3)  simitur. 

Seitdem  es  feststeht,  dafs  das  zweite  i  in  simttur  lang  ist, 
können  die  früheren  deutungen  dieses  Wortes  nicht  genügen.  Be- 
denken wir  aber,  wie  häufig  gutturale  im  lateinischen  ausgefallen 


240  EbeL     Lottner.     Munnliardt  miscelleo. 

sind  9  so  bietet  sich  för  simitar  eine  treffliche  parallele  im  skr. 
samjak,  das  ganz  dieselbe  bedeotong  zeigt  Da  samyac  sich 
in  den  schwächsten  casus  zu  samic  zosammenziehu  mnfs,  haben 
wir  also  anzunehmen,  dafs  simitur  aus  simicitur  entstanden 
ist;  das  snffix  ist  freilich  noch  nicht  ganz  klar,  doch  mag  -tur 
wie  das  -tu  der  nebenform  simitn  aus  dem  bekannten  -tus  (in 
intus,  divinitns  u.  s.  w.)  geschwächt  sein,  vgl.  ig i tur. 
Dec.  1855.  H.  Bbel. 


1)  Wurzel  dhyan. 

Mit  recht  zieht  Bopp  zur  Wurzel  dhvan  „sonare^  das  got 
drui^us  „fragor^.  Besser  aber  noch  stimmt  altn.  dynja  „sonare, 
tonare^  imperf.  dunda  zur  sanscritform. 

2)  festi. 

Gotfastan  „observare%  ahd.  festi,  fasto  und  was  sonst  in 
den  germanischen  sprachen  sich  daran  anschüefst,  gehen  auf  ein 
hypothetisches  gotisches  „fasts^,  altn.  fastr  zurück.  Dieses  aber 
ist  an  die  lateinische  wur^el  pos  anzuknüpfen;  fasts  =  positos 
cfr.  repostus,  suppostus  etc. 

3)  'Hyaia&ai. 

'Hyelad'ai  fuhrt  notwendig  auf  eine  wurzel  i^y.  Dieser  ent- 
spricht lautlich  genau  lat.  sagus,  sagax.  Dazu  das  Ferbum  sagio 
„  forschen ,  spüren  ^,  z.  b.  vom  hunde  gebräuchlich.  Hieraus  er- 
klärt sich  die  doppelte  bedeutung  von  y^tjyela^ai^  meinen  und 
„forschend,  als  leiter,  führer  vorangehen^.   Von  ay<o  ist  es  ganz 

zu  trennen. 

Lottner. 


Zu  bettrise  bettlägerig  Grimm  WB.  I.  1738  bieten  Dan- 
ziger  Schenkungsurkunden  aus  dem  16ten  Jahrhundert  mehrere- 
male  die  richtige  länge  bettreisig.  So  besteht  bei  der  St.  Ea- 
tharinenkirche  eine  alte  Stiftung  ftir  4  bettreisige  arme. 

W.  Mannhardt. 


Gedruckt  bei  A.  W.  Schade  in  Berlin,  Grttnstr.  18. 


I«  Abliandluiigen. 


Etymologische  spähne. 

1.     (I>i.SiTia. 

in  Schömann'i^  jüngst  erschieDenem  werke,  griech.  al- 
tertb.  L  272  steht  folgende  bemerkung:  ^Den  namen  q>i8i» 
na  oder  ^iSitia  (Sitzungen)  scheinen  die  syssitien  von  der 
alten  gewohnheit  des  sitzens  [erst  später  mit  dem  liegen 
vertauscht]  beibehalten  zu  haben,  auch  nachdem  er  nicht 
mehr  paiste,  wie  es  ja  bei  dergleichen  benennungen  häufig 
der  faU  ist^.  „Diese  erklärung^,  wird  dann  weiter  in  der 
note  hinzugefügt,  „ist  freilich  neu,  aber  hoffentlich  nicht 
schlechter  als  die  früher  versuchten,  zum  th^  sehr  thö- 
richten.  Dafs  der  wortstamm,  zu  welchem  l^o^at,  üSos 
gehört,  bei  den  Lakoniem  mit  dem  ^  gesprochen  sei,  ist 
um  so  glaublicher,  da  ja  auch  das  verwandte  H&a),  H&og 
das  jr  hatte.  Der  umlaut  aus  e  in  i  findet  auch  in  i^co, 
iSQvia  statt.  Sprachen  die  Spartaner  ^tSiria^  so  konnten 
die  andern  Griechen  dies  leicht  fbr  (piSina  oder  qisiSitia 
nehmen.  Auch  das  von  Hesychius  angeführte  (peidcihov 
==  StcpQog  oder  aipiXag  ist  sicher  nichts  anderes  als  ^iSta^ 
kioVy  ^aSoiXiov^  id(aXu>v^.  Irre  ich  nicht,  so  verträgt  es 
sich  mit  der  hohen  achtung,  welche  ich  vor  dem  gelehrten 
verf.  kurz  vorher  genannten  Werkes  trage,  ganz  füglich, 
wenn  die  aus  letzterem  so  eben  ausgehobenen  worte  mei- 
nerseits mit  einigen  Zusätzen  begleitet  werden,  die  man  zur 
V.    4.  16 


242  Pott 

weiteren  etymologischen  aufhellung  des  fraglichen  aus- 
druckes  vielleicht  nicht  andienlich  findet  Philologie  und 
Sprachforschung  werden  sich  ftkr  den  gegebenen  fall  ge- 
wifs  um  so  leichter  verständigen,  als  hr.  Prof.  Schömann 
sich  nie  gegen  die  neuen  wege  verschlossen  gezeigt  hat, 
welche  die  zweite  einschlug.  Ohnehin,  was  die  hauptsache 
anbetrifft,  kann  ich  mich  der  von  Seh.  aufgestellten  deu- 
tung  des  wertes  (piSiviov  nur  zustimmend  anschliefsen. 
Blofs  in  nebenpunkten  weicht  meine  meinung  von  der  sei- 
nigem ab.  Vor  allen  dingen  muis  ich  mit  bestimmtheit  f&r 
l^ofiai  u.  s.  w.  die  anwesenheit  eines  digamma  Ifiugnen. 
Hier  hat  sich  hr.  Seh.  nicht  von  dem  unfuge  ganz  frei  er- 
halten, welchen  vormals  mit  dem  digamma  —  oft  sans  rime 
et  sans  raison,  d.  h.  ohne  historische  oder  linguistische  be- 
glaubigung  —  zu  treiben  man  wenig  scheu  zeigte.  Woher 
sollte  doch  der  wurzel  'EJ  ein  digamma  kommen,  das  auch 
gewifs  von  keinem  griechischen  grammatiker  bezeugt  wird?*) 
Weder  lat.  sedere,  noch  unser  sitzen,  noch  skr.  sad 
(et.  forsch,  no.  199)  lassen  den  gedanken  an  digamma  ir- 


*)  Das  Heranziehen  von  |^a>  bleibt  Air  {^oiicu  anbeweiaend.  Ueber 
jenes  yergl.  diese  zeitschr.  lY.  24.  165;  ^^^ea,  17^  bei  Abrens  dial.  Dor. 
p.  64.  Das  gotb.  sidus  m.  sitte,  gewohnbeit,  sidon  Oben,  fieXtravi  und 
ahd.  sitn  (habitns,  usus,  conditiOi  ritiis,  mos  u.  s.w.),  nebst  sitdn  machi- 
nari,  facere,  agere,  disponere  Graff  VI.  160  fg.  liefsen,  Air  sich  allein  genom- 
men, etwaige  rttckfOhrnng  auf  skr.  sidh  und  sftdh  (perficere)  zu.  In  verein 
jedoch  mit  f^w  u.  s.  w.  gedacht  lassen  sie  auf  sv  als  ursprIIngUehen  anlaut 
rathen,  um  so  mehr  als  sich  V,  lat.  se,  goth.  sik,  mit  skr.  svay-am  ver- 
glichen, gerade  so  zu  einander  verhalten.  Ja,  die  sache  wird  noch  weiter 
bestfttigt,  wenn  wir  recht  behalten,  in  f&otf  goth.  sidus,  ^&oq  u.  s.  w.,  so- 
gar eine,  aus  dem  reflexiv -pronom.  entstandene  bildung  suchen  zu  dürfen. 
Das  lat  suescere  sich  aneignen,  etwas  zur  altera  natura,  gleichsam  zu  dem 
seinigen  (suum),  machen  —  vg^.  lith.  ap-si-sawinu,  sich  zueignen,  Nes- 
selm.  wb.  s.  466  —  zeigt  uns,  wie  ich  glaube,  den  richtigen  weg.  Das  ^ 
in  f&w  imd  d  in  goth.  sidus  scheint  mir  der  sanskritwurzel  dh&,  griech. 
^(T^^^i),  mit  hinaberspielen  in  den  begriff  des  thuns,  welches  wort  sel- 
ber dazu  gehört,  oder  machens,  anzugehören,  und  entspreche  in  sofern  eini- 
germaf^en  dem  laL  facere  in  assuefacere.  Siehe  aufser  et.  forsch.  I.  47  noch 
mansuetus  und  /f&^oi/^ij^  Daher  auch  soleo,  vgl.  ttber  so  statt  sva  etym. 
forsch.  I.  126.  Dafs  aber  auch  solus,  eig.  „{\1t  sich**,  d.  h.  allein,  vom 
pron.  refl.  ausgehe,  ist  mir,  da  es  mit  den  gleichendenden  ullus,  ollus, 
ille  rücksichtlich  der  flexion  in  dieselbe  kategorie  gehört,  keinen  augenblick 
Bweifelhait. 


etymologische  splihne.  243 

gend  aufkommen.  Deim  mit  dem  alten,  verrotteten  glau- 
ben, als  könnten  digamma,  Spiritus  asper. (auch  zuweilen 
lenis)  und  sigma  nur  so  blindweg  mit  einander  vertauscht 
werden,  ist  es  nichts.  Will  man  also  nicht  etwa  zu  com- 
positen,  wie  skr.  ava-sad  (desidere,  tabescere)  oder  vi* 
shad  (afSigi,  pavere,  tremere)  seine  Zuflucht  nehmen,  wel- 
che begrifflich  weit  abliegen:  so  muüs  man  in  betreff  des 
€p  in  (pBiöcihov  u.  s.  w.  auf  eine  andere  erklärung  denken. 
Das  wort  ist  nun,  um  mit  diesem  den  anfang  zu  machen, 
zuverlässig  aus  einem  componirten  verbum  hervorge- 
gangen,* und  zwar  aus  i3  mit  vorgeschobenem  ^ni  (^.cpi-' 
^o^ai).  Auch  zweifele  ich  nicht,  man  werde  bei  einiger 
Überlegung  nicht  umhin  können,  das  tp  in  cpBiSwhov^  trotz 
seiner  Verstümmelung  vorn  uüd  hinten,  für  nichts  anderes, 
als,  bis  auf  die  aphärese  des  vokals,  ganz  geläufige  Um- 
wandlung der  eben  erwähnten  präposition  zu  halten.  Vgl. 
solche  aphäresen  bei  präpp.  Mehlhorn,  griech.  gramm.  s.  57. 
Die  Verstümmelung  von  ano,  skr.  apa,  in  lat.  b-ustum, 
com-buro  (vgl.  ab-sumi  urbem  flammis)  zu  blofsem  b  ist 
um  nichts  geringer,  aber  ebenso  wenig  abzuläugnen.  Maked. 
ward  der  April  S'av&txog  geheifsen,  ix  rov  iv  rip  aigv  (scr. 
ia^v)  k^av&ijaeojg ^  wie  ein  Schriftsteller  bei  DC.  (vergl. 
äv&Mog,  av&r]Ttx6g)  den  namen  erklärt.  Selbst  das  hebr. 
N  i  s  an  (Benfey  monatsn.  s.  1 6)  sollte :  blumenmonat  bedeuten. 
Vgl.  noch  Bröcker  im  Philol.  11.  249.  Aufserdem  iSgyq)  (pta^ 
lovfiev  Arist.  Pac.  432  u.  s.  w.  wegen  der  aphärese  (Schnei- 
der's  Wb.  vv.  kqxdXkio,  (fidklio).  'IdXlco  verhält  sich  näm- 
lich zu  ifjfii  ungefähr  wie  arilXio  (vgl.  deutsch  stellen) 
zu  Wurzel  ata]  woher  denn  auch  wohl  q)  durch  Übertra- 
gung der  später  in  Idkla)  erloschenen  aspiration.  'Eq^kSga 
(insessio,  aber  auch  obsidio),  td  hcphSgava  (mit  gleichem 
fiuffix  als  ISqovov^  oQyctvov)  gesäfs  und  sessel,  htfi^ouai, 
k(piatri(jii.  u.  s.  w.  sind  mehr  als  ausreichend,  um  das  sach- 
gemäise  derjenigen  Zusammensetzungsart  darzuthun,  welche 
vrir  in  cpuSdliov  suchten.  Was  dessen  sonstige  bildung 
anlangt,  so  giebt,  aufser  seinem  simplex  iSdXiov^  aiStalov 
eine  passende  analogie,  nur  wird  man  das  --lov  in  ersterem 

16* 


244  Pott 

entweder  für  deminutiv-endoDg  halten  müssen,  oder  für  zei- 
chen eines  elliptisch  gedachten  adjectivs,  mit  etwaiger  er- 
gänzmig ,  z.  b.  von  atfiXag»  Einen  kleinen  anstofs  erregt 
noch  der  diphthong  €<.  Nimmt  man  jedoch  z.  b.  ein  wort, 
wie  Biöagy  hinzu,  worin  seines  ansgehens  Ton  iSw^  skr.  ad, 
wegen  auch  nicht  der  leiseste  -anlafs  zur  diphthongenz  lag, 
so  dürfen  wir  uns  auch  wohl  hierüber  (s.  indeis  noch  wei- 
ter unten)  beruhigen. 

Dies  alles  in  betreff  von  (peiSaihov  nöthige,  wie  mich 
dünkt,  aufser  zweifei  gestellt:  haben  wir,  hoffe  ich,  gnind, 
uns  leichteren  herzens  auch  an  den  namen  der  gemein- 
schaftlichen mahlzeiten  bei  den  Spartanern  zu  wagen.  Ich 
erblicke  darin  nicht  eigentlich,  wie  hr.  Prof.  Schömann 
will,  „Sitzungen^,  sondern  „mahlzeiten  (Semva)  der  bei- 
sitz er",  d.  h.  derer,  welche,  wie  wir  uns  etwa  ausdrücken 
könnten  (nach  soldatenweise.  Lever,  soldatenleben  in  In- 
dien. Grimma  1851.  bd.  I.  s.  45),  „zu  einer  menage  ge- 
hören". Für  elliptisch  halte  ich  den  ausdruck  cpiSmor^ 
aber  auch  (pHÜTHOv  so  gut  wie  cvaair-iov,  sc.  Seinvov^ 
aus  avaat/rog  (tischgenosse).  Denn  nicht  durchaus  zutref- 
fend schiene  mir  ein  vergleich  etwa  mit  latein.  conviv- 
ium,  das  ich,  trotz  solcher  bildungen,  wie  genius,  jn- 
genium,  nicht  verbal  (aus  convivere),  sondern  no- 
minal (aus  conviva)  fasse  gleich  contubernium  (ta- 
berna),  confinium,  die  nicht  minder  als  trifinium, 
trivium,  triduum  einen  mehr  collectiven  Charakter 
an  sich  tragen.  Sonst  liefse  sich  ja  auch  bei  convivium 
möglicherweise  epulum  zur  ergänzung  herbeiziehen,  üebri- 
gens  hat  man  doch  auch  im  griechischen  z.  b.  awiSgiov, 
womit  auaaiTMv  in  strengerer  analogie  stehen  könnte,  oder 
i(p&o7t(iihov,  icp&oTtoikeJov,  Ferner  avfinoaiov  neben  iruw- 
noala  u.  s.  w.  Lobeck  ad  Phryn.  p.  517,  worin  das  zweite 
sigma  auf  früheres  r  zurückgeht.  Vgl.  &Bafio&iuov  p.519 
und  p.  521.  —  Wenn  der  accent  es  gestattet,  möchte  ich 
auch  ^YiQ-iov  bei  Homer,  der,  damit  im  widersprach,  iihya 
&f]Qiov  hat,  nicht  als  dem.  betrachten,  sondern  als  adj.  gls. 
ferinum  (vergl.  äygia  ndvTa\  unter  ergänzung  von  C^ov, 


etymologische  splihne.  245 

wie  man  lateinisch  z.  b.  bubulam  pecus  sagt.  Doch 
steht  freilich  auch  x^Q^ov  ähnlich  neben  ;fwpoff,  x^Q^*  -^Y" 
ysicfv  von  ayyoq. 

Leider  lebt  man  zur  zeit  noch  mehr,  als  billig,  der 
einbildung,  als  wäre  mit  aufweisen  der  stofflichen  be- 
standtheile  eines  wertes  dessen  etymologie  ein 'vollkomme- 
nes genüge  geschehen.  Nichts  irriger  als  das.  Wer  würde 
sich  von  einem  numismatiker  zufriedengestellt  glauben,  der 
uns  zwar  über  das  metall  der  münzen,  über  deren  gröfse, 
gewicht  u.  s.  w.  genaue  mittheilung  machte,  allein  über  das 
wichtigste  von  allem,  über  das  gepräge  auf  ihnen,  bericht 
zu  erstatten  vergäfse,  wohl  gar  fUr  unnöthig  hielte?  So  ist 
nun  bei  den  wortgebilden  die  angäbe  der  grammatischen 
form,  die  oft  sich  gleichsehr,  wie  bilder  und  schrift  der 
münzen,  verwischt  hat,  so  zu  sagen  des  stempeis,  womit 
die  Wörter  geprägt  worden,  kaum  je  weniger  wichtig,  als 
die  kenntnüs  des  jedesmaligen  Stoffes,  welcher  ihnen  zum 
gründe  li^.  Hievon  auf  das  wort  (piSinov  die  anwen- 
düng  gemacht,  wie  in  aller  weit  wäre  es  möglich,  dafs  es 
seiner  form  nach  könnte  ein  abstractes  Substantiv  sein  im 
sinne  von:  Sitzungen?  Nach  welcher  analogie  ist  das  wort 
gebildet,  das  ist  die  Vorfrage,  .ohne  deren  erledigung  wir 
nicht  darauf  zählen  können,  rücksichtlich  seiner  etymolo- 
gischen deutung  schlechthin  das  rechte  zu  treffen.  Ich  setze 
voraus,  in  iptiSixtov^  (pidluov  u.  s.  w.  stehe  nicht  etwa  das 
T  miisbräuchlich  fELr  gedoppeltes  rr,  was,  wegen  möglicher 
assimilation  (aus  et  oder  xr  in  dorischen  dialecten.  Ahrens 
p.  103)  sogleich  den  ganzen  stand  der  sache  änderte.  Dann 
sehe  ich  kein  ander  mittel,  dem  ziemlich  ungewöhnlichen 
ausgange  des  wertes  (vergL  z.  b.  dor.  nkovrlog^  ädvvaria 
u.  s.  w.  Ahrens  dial.  Dor.  p.  60.  62)  beizukommen,  als  darin 
eine,  mir  freilich  hinter  ^ittjg  nicht  erinnerliche  adjectiv- 
bildung  (unter  ergänzung  von  Sunvov)  zu  suchen  von  q>i- 
SitfiSj  mit  welchem  ausdrucke  man  eben  den  theilhaber  ei- 
ner solchen  spartanischen  tischgenossenschaft  bezeichnete. 
Wir  haben  also  vielleicht  nur  ernstlich  zu  fragen,  was  (fi^ 
öirtig   etymologisch    bedeute,    und    damit    wäre    auch   der 


246  Pou 

sprachliche  sinn  von  (piSinov  zugleich  gegeben.  Q>siSci- 
kiov^  davon  überzeugten  wir  uns,  bezeichnet  einen  schä» 
mel,  oder  dergleichen,  worauf  man  sich  setzt  Man  setzt 
sich  abefr  zu  tische,  man  sitzt  bei  tische,  oder,  nach  rö- 
mischer sitte,  man  liegt  (accumbere,  also  auch  mit  ad) 
dabei.  Das  drückt  aber  ^m',  z.  b.  in  HcpBÖQog,  d.  i.  nicht 
nur:  darauf,  sondern  auch:  dabei,  daneben  sitzend,  eben- 
falls aus.  Man  vgl.  auch  Plaut.  BaccL  3.  3.  28:  in  sella 
apud  magistrum  assideres.  Wir  gehen  also  kaum  fehl, 
wenn  wir  die  cpiSixai*)  f&r  tischgenossen  erklären,  und, 
wörtlich  gefafst,  für  assessores  oder  beisitzer,  zwar  nicht 
gerichtliche  noch  auch  solche,  die  bei  vielerlei  aufgetrage- 
nen gericbten  zu  sitzen  hätten,  wohl  aber  wenigstens  bei 
einem,  schlecht  und  recht  angerichteten  gerichte,  wie  die 
übel  berüchtigte  schwarze  suppe.  Abermals  jedoch,  was 
sagt  die  grammatische  form  des  wertes  dazu?  Vor  allem 
frommt,  wie  in  unzähligen  andern  fällen,  zu  wissen,  haben 
wir  in  (piSitfjg  eine  nominal-  oder  eine  verbal -herleitung 
(vgl.  kmardtriQ)  vor  uns?  Die  frage  ist  nicht  so  leicht  zu 
beantworten,  als  es  scheint.  Zwar  z.  b.  das  vorkommen 
von  öeinvfp  hcpi^avivtiv  II.  K\  578  läfet  keinen  zweifei  über 
die  pa&lichkeit  des  gedaiücens,  den  wir  brauchen.  Aber 
sind  verbal -derivata**)  mit  i  vor  -riyg  üblich?  Kaäiartj^ 
QiQVy  kcpBdQiCTT^Q  uud  ß-^Qtötiqq  z.  b.  liefsen  eher  auf  ein 
unnachweisliches  itplaTfjgj  dessen  ar  sich  freilich  nach  lar 
konischer  weise  hätte  in  rr  verwandeln  müssen,  als  auf  ^£- 
Sirrjg,  rathen,  und  einschieben  eines  vokals  vor  dem  ablei- 
tungs- Suffixe  rechtfertigte  sich  kaum  durch  das  streben, 
den  schluisbuchstaben  der  Wurzel  unentstellt  zu  bewahren. 
Offenbar  wenigstens  sind  die  bildungen  auf  -  iTijg  in  weit» 

*)  Ich  Bohraibe  80,  veil  das  suffix  ^£ujq  allerdings  langes  »  cn  haben 
pflegt.  Sollte  Jedoch  das  4  hier  als  kurz  nachgewiesen  werden  können,  so 
wäre  mir  das  ftafserst  lieb.  Ich  betrachtete  alsdann  dasselbe  als  dorischen 
Stellvertreter  fllr  i  (Ahrens  Dial.  Der.  p.  120),  welches  letztere  die  begrfin- 
dniig  des  wortes,  wenigstens  aU  verbal-ableitong,  ungemein  erleichterte.  Vgl. 
z*  b.  Movaayhfiq ;  lat  agitare  neben  actus. 

•♦)  Eine  ableitung,  wie  dlff^ttor^  ßolßnov  ist  doch  wohl  gar  nicht  darin 
zu  Buchen. 


etymologische  spihne.  247 

aus  überwiegender  mehrzahl  nominaler  art.  Z.  b.  idvi- 
TtiQ^  was,  in  begrifflicher  analogie  mit  „(pvlittjg  stammge- 
nofs,  von  (pvXij,  oUivtig  von  dlxog^  hau&genofB  (nicht  be- 
wohner,  Ton  olxtlv)^  sklave  (domestique)^  Buttm.  ansf&hrl. 
griech.  sprachl.  §.  119.  44,  xaz/nfri^^,  aytHarrjg  als  vicinus 
(d.i.  in  demselben  vicus  wohnend),  popularis,  tribu* 
lis,  mens  civis,  auf  leute  desselben  Volkes  geht,  und 
somit  auf  tpiSitrig  ein  gutes  licht  wQrfe,  im  fall  in  diesem 
auf  den  begriff  der  genossenschaft  das  hauptgewicht  fallen 
sollte.  Ausdrücke  indefs,  wie  idgiTtjg,  oder  kma(palitt]g^  6 
&gaviTfjg  bei  Hesych,  lehren,  dafs  man  (ptSlrai  allenfalls  auch 
lokal  (vgL  öSitijgy  d.  i.  auf  dem  wege  befindlich,  x^Q^^^S* 
noUnjg)  sich  denken  könnte,  als  solche,  die  zu  demselben 
consessus  an  einem  tische  gehören.  Viel  verschlägt  es  frei- 
lich nicht,  zu  welcher  waU  man  sich  entschliefse.  Die 
verbale  ableitung  läfst  sich,  so  scheint  es,  zur  noth  durch 
den  namen  Q^galvtig  eptschuldigen:  nur  mülste  man  sicher 
sein,  dafs  derselbe  nicht  (natürlich  dann  ironisch),  etwa 
„Muthreioh^  (Förstemann  altd.  namenb.  I.  935)  zu  über^ 
setzen,  von  einem  subst.  wie  &iQaog  statt  ^dgaog  (Ahrens, 
dial.  AeoL  p.  75)  ausgehe,  sondern,  als  „bramarbasirend^ 
und  fortem  simulans  gedacht,  vom  verbum  &aQaBiv,  — 
Die  form  (piXittov  mit  X  hat  allem  vermuthen  nach  ihren 
grund  in  nichts  als  deutelei,  und  verräth  das  eitle  bestre- 
ben, einem  in  seinem  etymon  dem  Griechen  nicht  mehr 
verständlich  gebliebenen  worte  einen  moralischen  sinn  un- 
terzulegen. Der  eintausch  von  1  statt  d,  wie  im  latein  er 
zum  öftem  vorkommt  (Schneider  lat.  gramm*  I.  255),  ist 
dem  griechischen  mindestens  nicht  sehr  geläufig  (s.  indefs 
Ahrens  dial.  Dor.  p.  85,  wo  kaqnftj  =  Sdcpvfj'  Ü^gyaloi  fast 
an  lat  laurus  erinnert,  was  allenfalls  aus  Griechenland, 
mit  dem  bäume  entlehnt  worden).  Demnach  wollte  man 
blois  durch  ein  etymologisches  kunstatück  freunde  (jcpiXoi) 
einschwärzen,  wenig  darum  bekümmert,  dafs  man  doch 
eigentlich  eines  nom.  ag.,  wie  q>iXriTrig  (was  indefs  liebha- 
ber  bedeutet),  dazu  bedurft  hätte.  Waren  aber  gleich  die 
jedesmaligen   ffiSfixai  natürlich    durch    freundschaft   enger 


248  Pott 

Terbundeo,  als  fiir  gewöhnlich  andere  Spartaner:  das  än- 
dert an  der  aache  nichts.  An  die  christlichen  liebesmahle, 
aydnaL  (convivia  fideliom)  DC,  mehr  als  flüchtig  erinnern 
wird  ohnehin  niemand,  steht  wohl  zu  erwarten.  —  Ernste 
Ucher  mistreitig  mufs  die  herleitmig  aus  q>BlSoficH  ins  äuge 
gefafst  werden,  weil  sie  doch  ein  gut  theil  schein  far  sich 
hat.  Auf  ein  ökonomisches  sparsystem  heutiger  art  frei- 
lich war  es .  ohne  zweifei  bei  den  Phiditien  entweder  gar 
nicht  abgesehen,  oder  doch  viel  weniger  als  darauf,  wie 
im  allgemeinen,  so  nicht  minder  durch  öffentliche  mahlzei- 
ten  den  sinn  ftür  das  gemeinsame  Staatsinteresse  in  den  ge- 
müthem  stets  wach  zu  erhalten  und  nebenher  dann  auch 
gewifs  keine  Üppigkeit  in  speise  und  trank  aufkommen  zu 
lassen.  Allein  darum  waren  die  (piSiria  noch  nicht  „mä- 
Isigkeitsvereine^;  und  wäre  es  nicht  unter  allen  umstän- 
den gezwungen,  (piSiTTjg,  durch  welches  doch  (piSitiov  erst 
hindurchgegangen,  im  sinne  von  „Sparer^  oder  doch  min- 
destens „parcus  cibi^  sich  vorzustellen?  Hätte  nicht  auch 
(pBtddXiov  vom  den  diphthong^  trotzdem  dals  dieses  in  kei- 
ner weise  mit  epsidaikog  etwas  zu  thun  hat,  so  verfiele  man 
leicht  darauf,  iu  betreff  der  Schreibung  (paiSiriov  den  auf 
rechnung  eines  hinschielens  nach  tpeiSofiai  zu  setzen.  So 
aber  scheinen  i  und  ei^  vom  in  unserem  worte  nur  auf  ei- 
nen Vokalwechsel,  wie  solchen  Ahrens  dial.  Dor.  p.  184 
(z.  b.  IlotlSdv  =  JIoasiS(ov)  anmerkt,  hinauszulaufen.  We- 
gen der  Priorität  des  einen  oder  anderen  jedoch  bin  ich 
in  einiger  Verlegenheit.  Zwar  sidati,  lat.  sidit,  griech. 
i^ei  entsprechen  einander  in  betreff  des  t;  allein  es  fragt 
sich,  ob  diese  im  sanskrit  nur  auf  die  haupttempora  ein- 
geschränkte gestalt  der  sonst:  sad  lautenden  wurzel  in  de- 
.rivaten  (vgl.  jedoch  iSgyco)  habe  platz  greifen  dürfen.  Auf 
der  anderen  seite  hätte  auch  ei  keine  sonderliche  berech- 
tigung.  Wünscht  man  zu  wissen,  wie  ich  mir  die  sache 
vorstelle,  so  gebe  man  besonders  aufser  ktfuxkr^g,  kTtuiXxtjg 
(incubo),  auf  kipaXXoiiai,  imdljÄBVog  acht,  deren  analogie 
uns  hoffentlich  die  besten  dienste  leisten  wird.  Nämlich 
mit  inä^Ofiaij    wie  man  noch  Jon.  statt  kcpi^ofiai  sagte, 


etjrmologiflche  spXluie,  249 

liegt  der  fall  im  wesentlichen  gleich.  "Akkofiai  nnd  %ofim 
lauteten  beide  in  einer,  über  die  uns  bekannte  periode  der 
griechischen  spräche  hinausreichenden  zeit  mit  sigma  (lat. 
salio,  sedeo)  an,  und  demgemäis  mulste  der  schlufsYO- 
kal  von  präpositionen  mit  yokalischem  auslaute  vor  dem 
consonant  anlaute  jener  verba  zunächst  und  regelrecht  sich 
unangetastet  erhalten.  Eben  der  ehemalige  beginn  von  Wör- 
tern mit  einem  consonanten  giebt  überhaupt  bei  yielen 
compositen,  nur  da(s  die  sache  noch  längst  nicht  gründ- 
lich genug  untersucht  worden*),  aufschlufs  über  beibehat- 
tung  eines  yorau%ehenden  vokales  in  der  fiige,  ohne  da(s 
der  hiatus  durch  elision  au%ehoben  wird.  Trat  nun  nach- 
mals der  asper  an  die  stelle  eines  consonantischen  anlauts: 
dann  war  es  kein  wunder,  wenn  man,  namentlich  solche 
mundarten,  welche  dem  zu  reichlichen  hiatus  abholder  wa- 
ren, letzteren  durch  ausstofsen  des  endvokals  der  präposi- 
tion  beseitigte  und  in  geeigneten  fallen  zugleich  aspirirung 
des  nun  Tor  den  anfang  des  zweiten  compositionsgliedes 


*)  Darüber  ausfuhrlicher  vielleicht  ein  ander  mal.  Hier  nur  ein  paar 
beispiele.  *Enk4yvvfu^  i(p^ifvvfn  (skr.  y ab,  lat.  ve stire).  'Eminofiai,  i(pi- 
noficu  (lat  sequi,  und  nach  Benfey  glosa.  skr.  sac).  'EnutMVoq  von  elxw, 
deutsch  weichen,  doch  s.  Ahrens  dial.  Aeol.  p.  27.  55.  'Eni,(rti<;  vom  di- 
gammirten  hoc,  vergl.  lat.  vetus,  gls.  annosus.  'Emidfitav  von  skr.  vid, 
wissen.  ^EittotvM^,  inolnoq^  von  otvoq^  vinum.  ''ETtiovifoq  Wächter,  anf- 
seher,  was  mittelbar  noch  zu  f^o^o;  stimmt.  Vergl.  deutsch  gewahr  wer- 
den, vom  ahd.  gawar  (providus,  circumapectus,  also  diese  lat.  werter  auch 
von  Verben  des  sehens,  adtentus,  vigilans)  nnd  wahrnehmen,  ahd.  wara 
neman  Graff  I.  907,  was  nicht  auf  w&r  (verus)  zu  beziehen,  sondern  wie 
„in  obacht  nehmen**  zu  fassen  ist,  aus  dem  subst.  wara  (intuitio,  conside- 
ratio,  protectio),  ags.  vare  (cautio).  —  Es- giebt  indefs  auch  einzelne  bei- 
spiele,  wo  der  anlaut  des  zweiten  gliedes  im  compositum  durchaus  nur  vo- 
kalisch nachweisbar  ist,  wie  inioydooq.  —  Der  fiül  wird  besonders  wichtig 
auch  noch  in  betreff  des  privativen  o(~  oder  uv~.  Z.  b.  der  name  des 
Hades:  'AiSaqy  ^Aiöarivqj  aber  mit  (wiU  man  ihn  nicht,  vergl.  ^i6q  und 
dSvas,  als  umgestelltes  digamma  betrachten)  sehr  unmotivirten  asper:  "Aidriq. 
Darin  sind  nilmlich  dieselben  elemcnte,  als  im  lat  invisus  (invisibilis),  ent- 
halten, weshalb  auch  a-  (nicht  av~)  vor  dem  ursprunglich  digammirten  Jota 
stehen  muTste.  Vgl.  Tartarea  tenebrica  plaga.  Es  erklärte  sich,  wenn  der 
maked.  name  AvSvtaToq  {Audfivaloq'^)  Hlr  den  Januar  (L.  Fr.  Hermann  im 
phUol.  n.  264,  PreUer  myth.  I.  496)  nach  dem  *Aiiduirtv<t  (Hades),  vergl. 
auch  den  dorischen  'A^tfiiakoqy  benannt  wäre.  Denn  in  diesem  winter- 
monate  ruht  die  natur  und  ist  insofern  ihre  ganze  kiaft  unter  der  erde,  also 
gleichsam  im  Hades,  verborgen.     Uebrigens  stände  Av  darin  statt  Or-J^t, 


250  Pott 

kommenden  consonanten  zuliels«  In  itpialrtjg  hat  rieh  die 
aspiration  des  labials  von  knl-  sogar  eingeschlichen,  onge^ 
achtet  das  i  blieb:  es  ward  dieses  von  jener  übersprungen. 
Wäre  nicht  in  q^iSixrig  das  gleiche  möglich?  Ich  wOrde 
nämlich  annehmen:  aach  sein  q>  verdanke  einer  übertrat 
gung  des  hauches  von  der  wurzd  idy  auf  die  präp.  hnl  (vgl. 
änii^ofiae)  ihren  Ursprung  und  zwar  desgleichen  mittelst 
überspringen.  (In  beiden  fällen  denke  ich  nicht  an  das  im 
griechischen  und  latein  als  präp.  unübliche  skr.  abhi,  z.b. 
imperf.  abhyashidat,  wie  verführerisch  auch  der  schein 
sein  möge.)  Das  unstreitig  lange  i  oder  ev  in  unserm  worte 
aber  sähe  ich  gern  als  contraction  an,  indem,  natürlich  vor 
der  eUsion,  zu  welcher  es  mit  dem  gewils  früh  verdunkele 
ten  ausdrucke  nie  kam,  i  der  präp.  und  b  (wohl  kaum  i) 
der  Wurzel  in  eins  zusammenflössen.  Das  wahrscheinlich 
zu  machen,  dazu  bedarfs  nicht  der  erinnerung  z.  b.  an  lat. 
mt  filt  (t  statt  ie).  Es  bietet  das  griechische  selber  be- 
lege dar,  welche  zu  dem  zwecke  vollkommen  ausreichen. 
Als  isQog,  auch  laQog  (Ahrens  dial.  Aeol.  p.  115)  und  igog^ 
Igog  (dial.  Aeol.  p.  26),  oder  iigal^y  iqyiI^  und  sogar  mit  ui 
ßeigaxsg  dial.  Dor.  p.  46.  Das  e^  übrigens  hier  als  aus 
einer  art  Umdrehung  von  le  entstanden  zu  betrachten,  mag 
nicht  gestattet  sein. 

Beiläufig:  Pape  hat  fptSiag^  <PiSoUa}g  und  als  frauenn. 
(pidlg  neben  <Pzi8iag^  0BiS(oVf  HoXvcfBiSrig  u.  s.  w.,  die 
doch  wahrscheinlich  (vgl.  (pBiSog,  (piSog)  so  viel  als  „spar- 
sam, haushälterisch^  besagen  sollen.  <l>Bt86laogf  ObiSo- 
argarog  liefsen  et«7a  die  deutung  zu:  „schonend'')  und 
sorgsam  mit  dem  volke,  dem  beere  verfahrend'^.  @€o- 
q>BiStjg  (von  Gott  Schonung  erhaltend?)  K.  Keü  philol.  I. 


*)  Geht  Parca  Überhaupt  auf  die  kürze  des  lebens  (vitae  samma  bre- 
vis),  und  bezeichnet  also,  in  gemäfsheit  mit  dem  adj.  parcus,  »die  zu 
sparsame ''i  weil  sie  dem  lebensfaden  immer  nur  eine  geringe  länge  giebt, 
oder  soll  es  euphemistisch,  wie  z.  b.  Eumeniden,  „die  verschonerin"  be- 
deuten, indem  jeder  einzelne,  der  ihrer  gedenkt,  ein  minder  knappes  maafs 
seiner  tage  von  ihr  erhofft?  Etwa,  der  Motqa  zu  liebe,  das  wort,  was  frei- 
lich nicht  geradehin  unmöglich  wiLre,  an  partiri  anzuknüpfen,  halte  ich  für 
unnothig.    Vgl.  Freund,  wb. 


etymologiscbe  spähne.  251 

555.  Alle  diese  instanzeD  scheinen  mir  entgegen.  Sonst 
trüge  ich  wenig  bedenken,  0siSmnoQ  durch  equo  insidens 
wiederzugeben,  trotzdem  dafs  die  homerischen  beiden  pfleg- 
ten zu  wagen,  nicht  als  reiter  zu  kämpfen.  Wenn  es 
sich  auch  nur  um  die  blofse  pflege*)  der  rosse  in  die- 
sem namen  handelt,  nicht  um  ein  sitzen  auf  ihnen  (übri- 
gens sdion  für  frühe  zeiten  durch  die  Centaurensage  be- 
währt): in  jedem  der  beiden  falle  ist  er  bedeutsam  genug. 
^pBiSmnoq  nämlich  war  söhn  des  Thessalus,  enkd  des 
Herakles;  und,  wer  begriffe  nun  nicht  auf  der  stelle,  mit- 
telst eines  so  benannten  mythischen  heros  werde  der 
ruf  der  unwiderstehlichkeit,  welchen  die  thessalische 
reiterei  besafis,  in  das  ferne  alterthum  zurückverlegt  und 
dadurch  gleichsam  mit  noch  höherem  glänze  umgeben? 
Ueberdem  schrieb  man  ja  den  Thessalem  „zäumung  des 
pferdes,  um  es  ins  Schlachtfeld  zu  föhren^  als  erfindung 
zu  (reise  des  Anacharsis  m.  277).  Yergl.  auch  QBoaakoq 
innog  Theoer.  XVIII.  30,  Aemonius  equus  Prop.  IL 
10.  2,  auch  Ov.  Trist.  3, 11,  28  (Achill's  rosse). 

Unser  artikel  ist  sehr  lang  gerathen,  und  solche  um- 
ständUchkeit  mag  bei  manchem  als  zu  weit  getriebene  mük- 
kensaugerei  anstofs  erregen.  Sei's  drum.  Durch  eine  ab- 
sichtlich so  nach  allen  Seiten  gekehrte  akribie,  das  sei  un- 
verholen, wollte  ich  einmal  nebenbei  unerfahrenen,  wo  es 
anginge,  praktisch  an  einem,  nicht  gerade  allzu  leichten 
beispiele  den  satz  handgreiflich  machen:  die  etymologie 
sei  nicht  nur  überhaupt  eine  kunst,  sondern  auch  eine 
schwere,  die  nicht  ohne  weiteres  jeder,  der  da  hergelaufen 
kommt,  zu  üben  ein  recht  hat,  sondern  nur,  wer  sie  zuvor 
erlernte.  Es  versteht  sich,  wollte  man  sieh  überall  und 
immer  gleicher  Weitschweifigkeit  hingeben,  das  müüste  zum 
sterben  langweilig  werden.  Unsre  Wissenschaft  aber  wird 
in  demselben  maafse,    als  sie  durch  nachweise  durchgrei- 


*)  Vgl.  MtXiiamnoq  d.  i.  cur  am  habens  eqaorum.  Mi'Tiir^nnoq  geht 
wohl  auf  die  memor  cura  (Ov.  Pont.  4,  2,  7 ),  welche  der  rosse  nicht  ver- 
girst 


252  Pott 

fenderer  beobachtangen  und  gesetze  sich  im  allgemeinen 
immer  mehr  in  die  kürze  zieht  oder  in  einen  weiteren  kreis 
von  kundigen  theihiehmem  eingef&hrt  wird,  auch  im  ein- 
zelnen, bei  sonst  präciser  darsteUnng,  eines  geringem  wort- 
aufwandes  bedürfen. 

Vor  allen  dingen  mufs  man  es  sich  recht  klar  ma« 
chen:  die  blofse  kenntnils  von  den  dementen  eines  Wor- 
tes genügt  nicht,  um  eine  voUständige  einsieht  in  seinen 
bau  und  seinen  begriBPlichen  werth  zu  gewinnen,  in  soweit 
letzterer  nicht  vom  wirklichen  sprachgebrauche  abhängig 
ist,  den  man  natürlich  nur  auf  historischem  wege  ermitteln 
kann.  Es  wäre  gerade  so,  als  gäbe  mir  jemand  zwei  oder 
noch  mehr  zahlen,  um  damit  zu  operiren,  ohne  angäbe, 
nach  welcher  der  vier  species  es  geschehen  solle.  Wie 
eine  dritte  zahl,  als  resultat  von  zwei  oder  mehr  zahlen 
je  nach  dem  verschiedenen  Verhältnisse,  worin  sie  zu  ein- 
ander gedacht  werden,  so  nicht  zu  erreichen  steht:  eben 
so  wenig  der  richtige  gesammtbegriff,  welchen  z.  b. 
die  compositionsglieder  oder  stoffliche  und  formative  ele- 
mente  zusammen  einem  werte  verleihen,  aus  ihnen  ein- 
zeln aufser  der  jeweiligen  Verbindung. 

2.     SncLQtri, 

Der  name  der  sporadischen  inseln,  in  gemeinsohaft 
mit  der  läge  Spartaks,  bringt  mich  auf  den  gedanken,  ob 
nicht  diese  stadt  eigentlich  die  umhergestreuete  (cTtagvf}, 
sc.  nolig,  wo  nicht  xcifirj)  bezeichnete.  Als  name  erfor- 
derte das  wort  Zurückziehung  des  accents,  und  es  handelte 
sich  also  lediglich  darum,  nicht  ob  unsere  deutung  sprach-, 
sondern  ob  sie  sachgemäfs  sei.  Das  glaube  ich  nun.  Vgl. 
z.  b.  Anacharsis  IV.  73.  418  fgg.  und  Schömann,  griech. 
alterth.  I.  208.  „Es  war  aber,  heifst  es  bei  letzterem, 
Sparta  von  andern  griechischen  Städten  merkwürdig  ver- 
schieden dadurch,  dals  es  nicht,  wie  diese,  zusammen- 
gebaut und  von  einer  ringmauer  umschlossen  war,  son- 
dern aus  mehreren  nahe  bei  einander  liegenden  Ortschaften 


etymologische  spähne.  253 

oder  komen  bestand,  deren  fünf  gewesen  zu  sein  scheinen, 
obgleich  wir  nur  vier  mit  Sicherheit  zu  nennen  vermögen, 
nämlich  Pitana,  Mesoa,  Limnae  oder  Limnaeon  (von  einem 
see)  und  Kynosura.  Die  fünfte  war  wohl  das  eigentlich 
sogenannte  Sparta,  dessen  name,  alä  der  ältesten  und  von 
den  Doriern  gleich  anfangs  besetzten  Ortschaft,  nachher 
auch  als  gesammtbenenhung  ftir  alle  zusammen  diente.  So 
erklärt  sich,  wie  dieselbe  Ortschaft  Limnae  theils  ein  Ttgo- 
döTBiov  theils  ein  fiigog  r^g  JSnaQxrig  heirs.en  konnte  (Strab. 
p.  363  und  364);  jenes,  wenn  Sparta  im  engern,  dieses, 
wenn  es,  Mrie  gewöhnlich,  im  weitem  sinne  genommen 
ward^.  Da  die  sache  mit  Sparta  im  engem  sinne,  als  pri- 
mitivster unter  den  fünf  Ortschaften,  mindestens  zweifel- 
haft ist,  und  sich  eben  so  gut  Sparta  als  gesammtname 
erst  umgekehrt  hätte  in  verengerter  anwendung  auf  einen 
der  hauptpunkte  des  ortes  festsetzen  können:  wäre  ich,  der 
von  nur  versuchten  etymologie  gemäCs,  für  die  zweite  mei- 
nung.  Cumae  habe  ich  anderwärts  (familienn.  s.  447)  aus 
einer  mehrheit  von  xwfiai  erklärt.  Das  verhältnifs  von 
u  zu  ft)  ist  das  gleiche,  wie  in  fÄVfiaQ,  ftvfiog  AeoL  (also 
mit  der  ausspräche  von  u)  statt  ficHfiag,  fjidifiogy  woher  auch 
afivjaatv.  Vergl.  Quadrurbem  Athenas  Attius  appellavit. 
Fest. 

3.     XdgvßSig, 

Pyl's  jüngst  herausgekommene  „mythologische  bei- 
trage^ ftihren  auf  dem  titel  auch  den  zusatz:  „mit  hülfe 
der  vergleichenden  Sprachforschung^.  Der  wille  und  die 
absieht  ist  gut;  allein  leider  liefert  dies  buch  einen  neuen 
beweis,  wie  sehr  noch  häufig  in  der  etymologie,  mit  oder 
ohne  schuld,  die  that  hinter  dem  willen  zurückbleibt  Wer 
zweifelte  daran,  von  welchem  nutzen  es  für  die  tiefere  my- 
mologische  forschung  sein  würde,  auf  etymologischem  wege 
eine  einsieht  in  den  ursprünglichen  sinn  der  namen,  d.  h. 
also  zugleich  in  die  genesis  derjenigen  dogmatischen  be- 
griffe, Persönlichkeiten  u.  s.  w.  zu  gewinnen,  welche  in  ih- 
ren bereich  fallen?    Ich  sage  nicht  ohne  Ursache:  den  ur- 


254  Pott 

sprünglichen  siim,  d.h.  diejenige  embryonische  fassuog, 
welche  man  zur  zeit  der  namengebung  mit  dieser  oder 
jener  gottheit,  oder  mit  welcher  mythischen  gestalt  sonst, 
verknüpfte,  und  in  so  weit  man  dieselbe  in  den  engen 
rahmen  eines  bloifsen  namens  mit  mehr  oder  auch  minder 
glücklicher  schärfe  zu  bannen  verstand.  Denn  freilich  ist 
jedes  wort,  und  so  auch  die  namen,  stets  nur  ein  unglaub- 
lich verkürzter  ausdmck,  welcher  die  ganze  fbUe  des 
nicht  sowohl  in  ihm  liegenden,  als  in  ihn  hineingelegten 
oder  auch  nur  im  verlaufe  der  Zeiten  äufserlich  an  ihn  an- 
geklebten sachlichen  Stoffes  zwar  —  als  schwaches  Symbol 
und  winziges  erinüerungszeichen  —  zu  bedeuten,  aber 
nicht  in  sich  zu  fassen,  und  hiemach  auch  nicht  wahrhaft 
wiederzugeben  vermag.  Man  hat  also  in  den  Wörtern  stets 
nur  den  keim,  den  ersten  ausgangs-  und  anknüpfungs- 
punkt,  das  heilst  zugleich  auch  einen  blofsen  bruchtheil 
der  begrifflichen  ansieht  über  etwas  vor  sich,  welcher  nicht 
einmal  in  dem  augenblicke,  wo  die  benennung  entstand, 
den  inhalt  des  benannten  erschöpfte,  wie  viel  weniger  sein 
ganzes  und  die  geschichte  der  nachmals,  oft  in  wandel- 
barer folge,  über  dasselbe  gehegten  vorsteUungen.  Dasselbe 
gilt  ganz  vorzüglich  auch  von  mythologischen  namen.  G-e- 
rade  sie  aber,  schon  als  namen,  die  in  der  regel  sprach- 
lich aufzuhellen  schwerer  fallt,  stellen  der  etymologischen 
deutung  von  ihnen  noch  besondere  Schwierigkeiten  in  den 
weg;  nicht  nur  wegen  der  ungewöhnlichen  flüssigkeit  des 
inhalts,  dessen  träger  sie  sind,  sondern  auch  wegen  ihrer 
oftmaligen  Verdunkelung  durch  hohes  alter,  in  folge  ihrer 
aufnähme  von  fremdher,  und  bald  unabsichtlicher  oder  gar 
absichtlicher  umdeutung  und  dgl.  Jede  etymologie  aber, 
vorab  die  von  mythologischen  gegenständen  gegebenen,  ist, 
wo  man  nicht  in  überzeugender  oder  doch  hohe  Wahr- 
scheinlichkeit fiir  sich  heischender  weise  ihrer  herr  gewor- 
den, nicht  allein  werthlos;  sie  ist  mehr,  d.  h.  weil  irrelei- 
tend, auch  positiv  schädlich,  soll  auf  sie  irgend  weiter,  als 
auf  etwas  gewisses,  gefuTst  werden.  Und  ich  meinestheils 
ziehe  daher  in  unsicheren  fUlen  eine  offene  confessio  igno- 


etymologische  spllhne.  265 

rantiae  der  prätension  zu  wissen,  was  man  wahrhaft  nicht 
weifs,  nicht  nur  als  die  klügere,  sondern  auch  als  die  ehr- 
lichere parthie  vor.  Man  soll  wenigstens  bei  hypotheti- 
schen meinungen,  die  unsere  Wissenschaft  freilich  nicht 
^anz  yermeiden  kann,  nie  den  grad  von  Wahrscheinlichkeit 
mit  anzugeben  versäumen,  den  man  ihnen  nach  gewissen- 
haftester und  allseitiger  prflftmg  der  Sachlage  zu  verleihen 
die  macht  besitzt. 

Hr.  Pyl  denkt  nicht  immer  so  streng.  Doch  das  zu 
zeigen  ist  nicht  mein  plan.  Ich  ziehe  vor  einige  mytholo- 
gische namen  zu  beleuchten,  von  denen  man  allerdings  mit 
recht  urtheilen  mag,  dafs  sie  nicht  zu  den  schwersten  ge- 
hören. 

Nun  also  Charybdis.  Passow  meint:  von  ^o$ßSiw. 
Dann  bliebe  aber,  will  man  nicht  zu  ahd.  hröfjan  (cla- 
mare),  rufen,  oder  lateinisch  crepare  greifen,  die  vor- 
dersilbe  als  ein  geheimnifsvoUes  räthsel  übrig.  Wir  wol- 
len darauf  zurückkommen.  Der  name  (von  Pyl  s.  203  be- 
sprochen) erklärt  sich  sehr  passend  aus  ahd.  h werbe  (bei 
Graff  IV.  1237  durch  vortex,  vorago,  euripus,  ja  sogar 
charybdis  wiedergegeben),  zu  dem  verbum  hwerban  (verti, 
rotari)  gehörig,  woher  auch  hwerbil  =  wirbel,  altn.  hvir- 
filvindr  (turbo)  Wirbelwind.  Es  sind  schon  etym.  forsch. 
II.  118.  206  in  pofißog^  ^vfißog^  lat.  orbis  u.  s.  w.  näsa- 
lirte  *)  parallelen  zu  den  angeftlhrten  germanischen  Wörtern 
gesucht.  Gegenwärtig  möchte  ich  glauben,  den  bis  dahin 
vermüsten  guttural,   welcher  den  Wörtern  ^ofißoq  u.  s.  w. 


*)  Vergl.  z.  b.  QOfKpsvq  schuhdrath  von  gtimw-  Oder  gofig^avw^  qvfi- 
ipiia  neben  ^072^0;=  lat  sorbeo,  ich  schlürfe;  also  mit  Unterdrückung  des 
ziachenden  anlants.  Man  beachte  darin  anch  die  ortaverUnderung  des  r,  wel- 
che eben  so  in  gofißoqt  orbis,  erfolgte.  Sollten  zu  letzteren  anch  die  xifg- 
ßtii  gehören,  weil  man  sie  gleich  den  ä^ovtq  um  eine  achse  drehen  konnte? 
Vgl.  Dittrich  im  philol.  I.  227.  —  SxitXXa  allerdings  wahrscheinlich  «ser- 
zanserin  (der  schiffe)"  von  ffxiflXiiV'  Wenn  aber  ihre  stimme  dem  gebeil  ei- 
nes jungen  hundes  verglichen  wird  (Preller  I.  884),  so  beruht  diese  angäbe 
ohne  Zweifel  auf  einem  etymologischen  spiele  mit  tfxvXet^.  Ginge  ital.  sco- 
glio,  fix.  ^cueil,  fels,  kuppe  nicht,  wie  Diez  et.  wb.  s.  SlO  angiebt,  auf 
lat.  scopulus  zurttck,  so  dächte  ich  vielleicht  rationalistisch  genug,  den 
namen  daher  zu  leiten. 


256  Pott 

abhanden  gekommen,  erwünschtermaTsen  im  namen  des  si- 
keuschen  meerung^euers  wieder  entdeckt  zu  haben.  Das 
a  in  x^Q^ß^^  "W^e  eben  so  zur  milderang  zweier  conso- 
nanten  zwischen  sie  hineingeschoben,  als  der  erste  vokal 
in  xaXvntHv  neben  xgwtTBiVy  vielleicht  selbst  (vgl.  für t im) 
xlinreiv,  clepere.  Aach  xdkvyj  et.  forsch.  I.  142.  IL  180 
hat  wahrscheinlich  a  eingeschoben,  und  überdem  gäbe;^a- 
kvßdixog  nebst  anderen  L  144  erwähnten  beispielen  von  x^ 
statt  Xi  ^^  statt  a  u.  s.  w.  zu  /3S  in  xdgvßSig.eine  passende 
analogie.  Wofern  aber  das  S  darin  nicht  rein  lautUchen 
werth  haben  sollte,  sondern  formative  geltung:  fbr  diesen 
fall  läge  der  gedanke  an  ein  herumgedrehetes  suffix  -id 
nahe;  denn  eine  dritte  entfernte  moglichkeit,  dafs  sich  die 
schluJGssilbe  an  Slvslv  (vgl.  z.  b.  asgodivijg)  lehnte,  ist  von 
Seiten  des  lautes  so  gut  wie  abgeschnitten.  'PdißSoq  und 
sein  derivat  QoißSio),  ungeachtet  dieses  Od.  12.  106  von  der 
Charybdis  gebraucht  wird,  nahmen  doch  sicherlich  einen 
ganz  andern  Ursprung,  nämlich  von  der  sanskritwurzel  ru 
(et.  forsch,  no.  52),  woher  z.  b.  rava,  Sound  in  general, 
cry,  noise  etc.  Ich  möchte  aber,  trotzdem  dafs  ^td  ge- 
wohnlich feminalsufSx  ist,  QoißSog  aus  einer  allerdings  un- 
nachweislichen form  Qoß'iS  (mit  übersetzen  des  i  in  eine 
frühere  silbe,  wie  bekanntlich  oft,  z.  b.  in  fxikaiva  statt  fÄe- 
kav-ia,  q>oiv6g,  wenn  wirklich  aus  (pov^vog  entstanden,  ;|rAa2va 
und  x^v^S  u.  s.  w.)  durch  hinzuftlgen  eines  vokales  in  die 
2.  declin.  hinübergewandert  betrachten.  Wenigstens  sol- 
cherlei fem.  auf  a,  z.  b.  cassida,  lampada  (familienn. 
s.  432)  sind  nichts  ungewöhnliches.  Das  verhältnils  von 
QolßSog  zu  Qot^ogy  die  un Wahrscheinlichkeit,  dafs  sie  blofs 
schallnachahmende  Wörter  seien  und  dagegen  Verwandt- 
schaft zwischen  ihnen  vorausgesetzt,  möchte  dieses  sein, 
dafs  die  zweite  form  schon  frühe  (denn  das  wort  hat  be- 
reits Homer)  nach  aufgeben  des  in  poißSog  als  ß  bewahr- 
ten digamma  eine  zusammenziehung  von  pojr-iS  erlitt.  Das 
gofaloi  (Strömungen)  auf  einer  korkyräischen  inschrift  (s. 
Aufrecht  d.  zeitschr.  I.  119)  beweist  nämlich,  dais,  wie  dem 
skr.  subst.  srava  m;  (the  flowing)  von  sru,  fliefsen,  poog, 


etymologische  gpähne.  257 

povg  entspricht,  und  dazu  auch  ^01}  nebst  poia  (pferde- 
schwemme),  woher  pot^o)  tnnovy  sich  stellen,  in  ganz  ähn- 
licher weise  pol^og  auf  skr.  rava  (s.  oben)  von  ru  (griech. 
W'Qvoa)  zurückgeleitet  werden  kann.  Das  C  setzt  vermuth- 
lich,  wie  in  Z%vg  =  skr.  djäus  (coelum)  u.  s.  w.,  entste- 
hen aus  Si  voraus,  und  der  ausgang  von  Qoi^oq  stände  so- 
mit, den  geschlechtsunterschied  abgerechnet,  mit  po&tov  : 
po&og  in  analogie.  Möglich  inzwischen,  das  wort  sei  nicht 
=  pojr'lS'iog,  sondern  an  ahd.  ruzjan  (stertere)  Graff  II. 
562  anzulehnen,  was  freilich,  falls  ags.  hrutan  (stertere) 
eine  consonantische  bekleidung  von  ahd.  ruzjan  fbr  eine 
vorangegangene  Sprachperiode  verlangt,  aus  der  sippe  von 
riuzan  =  skr.  rud  (flere)  als  Verlängerung  von  obigem 
ru  herausfiele.  Rud  hat  wenigstens  als  subst.,  neben  der 
speziellen  bedeutung,  auch  die  von  Sound,  noise  im  allge- 
meinen, und  in  lat.  rudere  ist  ja  gleichfalls  der  begriff 
allgemeiner  gefafst.  —  Auch  päßdog  scheint  aus  ^ani8  so 
entstanden,  dafs  ein  mask.  vokal  sich  ihm  hinten  anf&gte 
und  das  i  ausfiel,  was  die  assimilation  des  harten  labiales 
zur  folge  hatte.  Vgl.  rap,  fustis  gl.  K.  bei  Graff  IL  352. 
Daher  xQ^^^i^Q^^^'Qi  ^o?>  ^  beiwort  des  Hermes,  während 
sonst  sein  stab  pdßSog  heifst,  wie  z.  b.  IL  24.  343,  s.  Prel- 
ler Ober  den  Hermesstab  im  Philol.  L  514.  Dieser  Gott 
f&hrt  uns  durch  einen  natürlichen  Übergang  auf  den 

4.     PaSdfAavd-vg. 

Als  vollere  und  unstreitig  auch  sprachgerechtere  form 
ist  BQaSd^av&vg  von  Ahrens  dial.  Aeol.  p.  34  nachgewie- 
sen. Das  darf  nun  nicht  unberücksichtigt  bleiben ,  wo  es 
den  namen  etymologisch  aufzuklären  gilt.  Man  mufs  es 
nämlich  als  einen  selten  trügenden  grundsatz  hinstellen,  dals, 
wo  sich  lautärmere  gestalten  von  Wörtern  neben  lautrei- 
cheren vorfinden,  falls  in  letzteren  ein  formativer  werth 
zum  behufe  nachmaliger  compositioneller,  derivativer  oder 
flexiver  Weiterbildung  in  dem  buchstabenüberschusse  nicht 
glaubhaft  ist,  solches  mehr  in  weitaus  überwiegender  an- 
V.     4.  17 


258  Pott 

zahl  auf  rechnung  einer  alterthümlichen  und  unabgeschlif- 
feneren  voUlöthigkeit  gesetzt  werden  müsse  und  nur  in  un- 
gleich wenigeren  f&Uen  als  ein  jüngerer  zusatz  gelten 
könne  in  rein  phonetischem  interesse.  Die  spräche  hat  in 
der  r^el  nur  zu  verlieren  an  lautfftUe,  und  meidet  müs- 
sige, d.  h.  bedeutungslose  zus&tze,  die  nur  durch  gewisse 
vergleichsweise  seltene  lautverhältnisse  oder  sprechgewobn- 
heiten  dazu  geleitet,  der  sprachgenius  sich  erlaubt.  Des- 
halb kann  sich  kein  erklärungsversuch,  der  mit  'PaSafiav- 
&VS  angestellt  wird,  der  Verpflichtung  entziehen,  von  sei- 
nem, unstreitig  erst  spftter  abgefallenen  anfimgs  -  labiale  *) 
genügende  rechenschaft  zu  geben.  Ein  derartiger,  auch 
z.  b.  im  englischen  (wr,  worin  das  w  stumm  geworden) 
häufiger  abfall  war  auch  im  griechischen  nicht  ungewöhnlich, 
wie  unter  anderem  das  von  mir  schon  l&ngst  in  Lassen's 
Zeitschrift  besprochene  beispiel  von  ßgoSov^  qoSov^  arab. 
^^^  verd  u.  s.  w.  bewahrheiten  hilft.  Die  deutung,  welche 
durch  V.  Bohlen  in  seinem  Indien  dem  namen  gegeben 
worden,  als  sei  er  aus  dem  skr.  nominativ  vki^  vor  voka- 
len r4d  (aus  raj,  könig)  mit  kopt.  eMCltT  (occidens), 
d.  h.  zugleich,  wie  er  vermuthete,  dem,  von  den  inseln  der 
seligen  (vgl.  Pind.  Ol.  11.  127  und  136)  ihrer  läge  im  We- 
sten halber  danach  gewählten  ägyptischen  namen  der  un- 
terweit aiAiv&ng  (nach  Plut.  de  I.  et  0.  c.  29.  p.  362  in- 
defs  rov  kafißävovra  xal  diSovta**)  bezeichnend,  vgl.  Pri- 
chard,  aeg.  myth.  s.  169  fgg.)  zusammengerückt,  scheitert 
mithin,  von  allem  übrigen  abgesehen,  schon  allein  an  dem 


)  Die  fonn  B{ioidäftftv9-vq  gehört  aber,  angeachtet  das  vorkommen  von 
digamma  vor  q  als  äolisch  bezeichnet  wird,  doch  vieUeicht  der  dorischen 
mundart  der  Kreter  an.  Denn  es  galt  ja  Rhadamanthos  als  brader  des  Mi- 
nos  anf  Kreta. 

•♦)  Ob  e^rmologisch  wirklich  der  sinn  darin  stecke«  ist  mir  nicht  klar. 
Dem  begriffe  nach  wKre  das  erste  durch  das  beiwort  rerstindlich,  welches 
die  Griechen  dem  Hades   gaben,    nftmlich   noXvdfXTfi^^  weil  er   zuletzt  alle 

sterbliche   gleichwie   in   eine   herberge  aufnimmt,  das  zweite  aber  etwa 

durch  die  doppeleigenschaft  der  chthonischen  mächte,  indem  sie  das  ihnen 
anvertraute  gesäm  hundertfältig  zurttckgeben.  Daher  Ulovxwv  als  nlovtn- 
«JoTiy?,  indem  nämlich  nach  Hesychius:  /7Aoi;toc,  i}  in  twi»  ffni^ftavtay  i:n- 
Mm^nia*  Ops.    Vgl.  Heinsius  ad  Hes.  Opp.  126. 


etymologiflcfae  spKfane.  259 

umstände,  dafs  man  dem  worte  räj  unter  keinerlei  bedin- 
gung  einen  labial  auspressen  könnte.     Und  das  gilt  auch 
von  der  Fr.  Windischmann's  KZ.  IV.  90.     Dafs  'PaSd/naP" 
i9vg,   als   wirkliches  compositum  gedacht,  vollkommen  der 
weise  widerspräche,    welche  in  den  sprachen  indogermani- 
schen Stammes  gewöhnlich  ist,  wie  z.  b.  mrgaräj  (könig 
der  thiere)  vom  löwen  gesagt  wird,  könnte  übersehen  wer- 
den, indem  das  griechische  selbst  composita  hat,  die  sich 
(z.  b.  innoTtorafiog)  wenigstens  der  Wortfolge  nach  dem  se- 
mitischen Status  constructus  nähern,  oder  aber,*  weil  das 
wort    als   fremdes   keine   eigentliche    composition   zu   sein 
brauchte,  vielmehr  im  zweiten  theile  einen  genitiv  enthalten 
könnte.     Kein  mensch  aber,  der  nicht,  wie  mit  v.  Bohlen 
eine  zeit  lang  der  fall  war,  in  der  meinung  eines  lebhaften 
geistigen  Verkehres  zwischen  Indien  und  Aegypten  die  Unbe- 
fangenheit des  urtheils  verloren  hat,  würde  eine  solche  Zwit- 
terbildung aus  Wörtern  zum  einen  theile  aus  der  indischen, 
zum  andern  aus  der  ägyptischen  spräche  gut  heifsen.  Wäre, 
wie  Preller  I.  507  sich  etwas  zu  apodiktisch  ausdrückt,  der 
name  ^jedenfalls  ausländisch^,  dann  müfste  man  ihn  doch 
wenigstens,  wie  Zoega  (de  obeliscc.  p.  296  sq.,  vgl.  Creu* 
zer  symb.IV.  101)  thut,  ganz  im  ägyptische^  suchen,  nicht 
blos  nach  der  letzten  hälfte,  und  riethe  ich  filr  diesen  fall 
in  der  ersten  noch  eher  auf  das  kopt.  wort  fär  könig.  Das 
lautet  baschmurisch  cppd^^  memphitisch  orrpo^  mit  artikel 
ni  oder  t^  bekannt  genug  als  „Pharao".    Für  das  3  aber 
schafite   man  dann   etwa  noch  durch  das  kopt.  KTe  rath, 
was  als  genitivzeichen  vollkommen   an   seiner  stelle  wäre 
und  seinen  nasal  den  nachfolgenden  nasenlauten  in  BgaSd- 
^av&vg  könnte  zum  opfer  gebracht  haben.     Mir  ist  nicht 
erinnerlich,  ob  jene   ansieht,    welche  das  todtenrichteramt 
unter  dessen  drei  Inhaber  je  nach  den  drei  alten  weltthei- 
len  vcrtheilt,  gerade  dem  Khadamanthus  die  rolle  fOr  Afrika 
zufallen  läfst.  Dies  jedoch  angenommen  und  von  dem  wahr- 
scheinlich   erst  verhältnifsmäfsig  jungen   aufkommen  einer 
solchen  reflexion  abgesehen,  bliebe  immer  noch  das  wich- 
tigste von  allem  zurück;    nämlich  der  nach  weis  wirklichen 

17* 


260  I*oU 

Vorkommens  von  einem  so  benannten  todtenrichter  bei  den 
Aegyptern. 

So  lange  indefs  dieser  nachweis  nicht  beigebracht,  muis  . 
der  versuch,  auch  des  namens  Ursprung  auf  griechischem 
boden  zu  finden,  jedem  unbenommen  sein.  Wir  wollen  ims 
zuerst  der  deutung  zuwenden,  welche  Kuhn  IV.  123  mit- 
getheilt  hat.  Dieser  gelehrte  gewinnt  fbr  'PaSdfiav&vg  ei- 
nen „  gertenschwinger  ^,  indem  er  eine  kQrzere  form  von 
^dSafAVog  mit  skr.  manth  (schütteln)  zum  gründe  legt 
Mich  wundert  freilich,  dafs  in  betreff  der  herbeiziehung 
von  ahd.  ruota,  d.  i.  ruthe  (kaum  s=s  lat.  rudis),  ihm 
nicht  schon  die  inkongruenz  der  mut&  einiges  bedenken 
erregte,  weil,  wenn  schon  die  deutschen  Wörter  richtig  auf 
skr.  rdh  wachsen,  zurückgehen,  QaSafivoq  sich  seines  5 
wegen  einer  solchen  herleitung  entzöge.  Es  ist  überdies 
auch  der  labial  in  unserem  namen  unbeachtet  geblieben. 
Ueberlege  ich  mir  jedoch,  dafs  ogoSafAvog,  OQafxvog  (wahr- 
scheinlich mit  ausfall  von  d,  wie  in  lat.  rämus  neben  ra- 
dix,  Wurzel,  griech.  jedoch  qoSi^  zweig,  und  rädius  in 
ursprünglichster  bedeutung:  stab,  stecken),  nicht  leicht  auch 
ogaog^  als  mundartliche  abweichungen  von  ^dSafivog,  p6- 
öafivog  durch  ihr  o  vom  ursprüngliche  digammirung  ver- 
rathen  möchten,  wie  mit  oQv^a*)  der  fall,  so  befestigt  sich 
die  schon  an  sich  empfehlenswerthe  vermuthung,  als  stehe 
das  vielleicht  participiale  päSa/ivog  (doch  vergl.  man  die 
analogieen  dazu  bei  Lobeck,  pathol.  p.  168  sq.)  sammt  sei- 

*)  Vergl.  meine  besprechang  naturhistorischer  namen  in  LaBsen's  Zeit- 
schrift. Persisch  heifst  der  reis  biring'  t^ßy  aber  auch  \j9f\  orz,  wel- 
che ausdrücke  beide  auf  skr.  vrihi  (z  statt  h)  zurückgehen.  Der  reisbau 
dürfte  sich  erst  allmälig  von  Indien  aus  über  den  westen  verbreitet  haben 
und  so  auch  nach  Persien  gelangt  sein.  Das  scheint  wenigstens  aus  Rosen- 
mttller  bibl.  alterth.  HI.  280  zu  folgen:  „Der  reisbau  ist,  wie  Hassel - 
quist  (reise  s.  130)  vermuthet,  wahrscheinlich  erst  unter  den  Kalifen  in 
Aegypten  eingefllhrt  und  aus  Ost -Indien  dahin  gebracht  worden.  Wenig- 
stens erwllhnt  kein  alter  griechischer  oder  römischer  Schriftsteller,  dafs  reis 
in  Aegypten  gebaut  werde.  Dagegen  s.  Sonnini's  vermuth.  th.  I,  s.  143^  Bei 
DC:  Orinda  panis  genus,  et  ex  quo  conficitur,  seraen,  Aethiopiae  peculiarc  et 
sesamo  persimile  ist  ogi^Sfii;  aQjoq  (s.  Schneider  wb.),  das  man  auf  oQ^rSa 
^  oQvl^a  bezieht.  Ist  nun  6(fivda  aus  biring'  entstanden  oder  hat  man, 
wie  in  tarn  ar- in  de  (indische  palme),  darin  den  zusatz  von  pers.  hindi 
(Indus)  zu  suchen?  S.  Lassen's  zeitschr.  VII.  169. 


etymologische  sptthne.  261 

nen  genossen  mit  paStvög^  äol.  bei  der  Sappho  ßgaSivog^ 
und  ^oSavog  in  zusammenbang,  in  mir  beinabe  zur  gewifs« 
heit,  um  so  mebr  als  Homer  paSivog^  scbwank,  als  epitbet 
von  der  IfidaO^Xr}  gebraucbt.  Es  wäre  weiter  zu  unter- 
sucben,  ob  und  wie  sieb  damit  gotb.  vaurts  (radix),  ja 
vielleicbt  gar  aurts  (berba)  u.  s.  w.  Grimm  IL  62,  vergl. 
Benfey  wtb.  II.  338  vermitteln  liefsen.  Also  von  dieser 
Seite  könnten  wir  brn.  Kubn  scbon  recbt  geben.  Allein 
das  19*  stimmte  scblecbt  zu  dem  tb  in  mantb,  indem  das- 
selbe selten  anders  als  durcb  reines  r  vertreten  wird,  wie 
z.  b.  aucb  in  litb.  alus  kai  mentaTs  (dickes,  trftbes 
bier),  mente  (rübrscbaufel,  maiscbbolz,  das  untere  flacbe 
tbeil  des  ruders  und,  obne  zweifei,  erst  danacb  das  scbul- 
terblatt,  wie  firz.  6paule  aus  spatula,  spatbula  DC. 
von  spatba)  und  menturre,  der  quirl.  Nesselm.  wb. 
s.  393.  Wenn  an  einem  gertenscbwinger  festgebalten  wer- 
den soll,  dann  würde  icb  aus  gedacbtem  gründe  viel  lieber 
nocb  das  ganze  pddafivog  mit  &u(a  (vgl.  ^yx^i  Ovev  IL  11. 
180  und  das  von  Sebneider  damit  in  Verbindung  gebracbte 
Ovaaü)  bei  Hesycb.  för  (Te/w,  tivciaaoi)  in  'PaSdfiav&vg  ver- 
eint glauben.  Ünmöglicb  könnte  man  darin  das  d-Bvg  beim 
Kallimacbus  sucben;  denn  „Gott^  konnte  Rbadamantbus 
scbwerlicb  beifsen,  sondern  nur  „götteräbnlicb*  (avti&tog) 
Hom*  n.  14.  322.  Aus  allen  diesen  gründen  sagt  mir  ein 
anderer  gedanke  besser  zu,  den  icb  nun  auseinander  setzen 
will.  Allerdings  denke  aucb  icb,  wie  Kubn,  an  fiapifdvwj 
jedocb  in  seiner  gewöbnlicben  bedeutung  des  lemens,  und 
bin  aufserdem,  trotz  etwaiger  analogieen,  wie  lat.  ex  en- 
tere im  sinne  des  durcbforscbens ,  oder  agitare,  cogi- 
tare,  dies  verbum  mit  skr.  mantb  gleicbzustellen  soweit 
entfernt,  dafs  ieb  vielmebr  in  ibm  eine  erweiterung  aus 
skr.  man  (cogitare)  erblicke,  mittelst  i?,  was  (wie  im  lat. 
ten-do)  aucb  mebreren  griecbiscben  verben  (vergl.  z.  b. 
ri^i^-w,  lat.  neo)  als  neuer  bildungscbarakter  antritt.  Die 
formen  obne  nasal,  wie  fidO-og  u.  s.  f.,  sind  för.micb  daber 
nur  entstellte,  denen  v  erst  durcb  wegfall  abhanden  kam, 
und  darf  man  aus  diesem  gründe,  meine  icb,  aucb  an  dem 


202  P^" 

bleiben  desselben  in  einer  so  alten  namensform  keinen 
anstofs  nehmen,  obschon  er  in  allen  sonstigen  Wörtern  fehlt, 
die  von  ^lavtfdva)  herkommen.  Wir  wollen  nun  aber  wei- 
ter sehen.  Das  ßgccda  kann  meiner  meinung  nach  ein  adv. 
sein,  das  ebenso  wie  wxa,  rofj^a  gebildet  wäre,  nämlich  in 
genauer  analogie  mit  diesen  oder  auch  als  deren  begriff- 
licher gegensatz  aus  einem  adj.  auf  i^,  d.  h.  ßQadvg,  dessen 
gegenbild  bardus  im  latein  blofser  eindringling  sein  dürfte, 
weil  brevis,  levis,  suavis  u,  s.  w.  =  ßQaxvg,  ^la^vg, 
fjSvg  (skr.  svädus,  fem.  sv&dv-f)  sich,  ihrer  urform  ge- 
genüber, ganz  anders  benommen  haben.  Es  scheint  aber 
(anders  Buttm.  §.  115.  a.  6.  anm.  6),  diese  adverbia  seien 
eigentlich  um  ihr  6  gekommene  neutralformen  im  acc.  plur., 
während  t^Ib  (aus  rijkv)  umgekehrt  mag  schluTs-a  aufge- 
geben haben,  wie  der  dual  oaaa  (aus  skr.  axi)  sein  zwei- 
tes -€.  Eine  hauptschwierigkeit  möchte  vielleicht  in  dem 
umstände  gesucht  werden,  dais  zwar  compp.  mit  ßgaSi 
u.  8.  w.  in  gebrauch  sind,  allein  kaum  mit  derartigen  adv. 
auf-«*).  TviXb  (auch  ad,  nav^  äyav)  inzwischen  bildet 
genug  solcher  compp.,  .und  wenn  *SixBav6g**)  als  ^schnell- 
strömer"  mit  Natg,  NtjQBvgf  aivaog  u.  s.  w.  gleichen  Stam- 
mes (vdw)  ist,  wäre  sogar  in  diesem  worte  eine  noch  stren- 
gere analogie  gefunden.  Was  aber  den  sinn  von  Bgadd- 
fiav&vg  anbetrifft;,  so  scheint  mir,  unter  erinnerung  an  den 

*)  'I&üytvfiq^  poet.  i&ouyivfiq  würde  kaum  als  strenges  analogon  passen, 
auch  wenn  es  von  id-v  stammt  und  nicht,  vgl.  avO-iyivfiqy  zend  idha  (heic) 
enthiUt. 

*^)  Oder  sollte  dies  sich  durch  blofse  umdeutung  auch  ftufserlich  dem 
wahrscheinlich  rednplicirten  ^/lyvytiq  "°^  •^Z^"  C^fi»!-  t/^i/i'?)  entfremdet  ha- 
ben? Des  widerstrebens  von  Kuhn  zeitschr.  lY.  89  ungeachtet ,  möchte  Ich 
diese  Wörter  gleichwohl  an  skr.  dgha  (A  rapid  flow  of  water),  vgl.  &vaha, 
anknüpfen.  Ich  leite  nämlich  ögha,  wie  ahd.  wAg  (gurges,  pontus,  aequor, 
fretum),  d.  i.  woge^  von  vah  (vehere),  und  zwar  aus  äh  statt  vah  mittelst 
samprasaraifia  (vergl.  uxan,  ochse,  z.  b.  mit  skandhav&ha  prsh^havah) 
und  gh  statt  h.  Natürlich  stelle  ich  Omega  nicht  dem  skr.  ö  gleich,  son- 
dern betrachte  jenes  als  aus  va  (vgl.  vah&,  flufs)  oder  rk  entstanden.  So 
veifaielte  sich  auch  äol.  oi^ai'oc,  o^avo;  statt  ovf^avoq  Ahrens  dial.  Hol.  p.  93. 
101  zu  Varupa.  Eine  beziehung  de»  *Ilntav6q  zu  lat.  aqua,  die  Pyl  I.  142 
vermuthet,  dürfte  abzulehnen  sein,  weil  das  griech.  sicherlich  an  dem  ur- 
sprünglichen n  (skr.  ap)  festgehalten  hätte.  Vgl.  etwa  ^Anta  als  Pelopon- 
nes  mit  skr.  dvtpa.  Buttm.  lexU.  I.  67.  Auch  Messapi a  oskisch  wie 
Mesopotamia? 


etymologische  sptthne.  263 

sprachwortlichen  ausdruck  na&tjuara  ua&^j^ara  (durch 
schaden  wird  man  klug)  und  an  den  'Fmfitiäsvg*)^  jener 
name  den  Ebadamanthus  als  höUenrichter  insofern  charak- 
teristisch zu  bezeichnen,  als  dadurch  die  menschen  ^lang- 
sam und  spät,  oft  zu  spät,  zur  erkenntnifs  von  dem 
gebracht«  dargestellt  würden,  was  sie  in  ihrem  leben  auf 
erden  vollführten.  Natürlich  schickte  sich  ein  name  mit 
solcherlei  etymologischem  werthe  allein  för  eine  nicht  so- 
wohl geschichtlich  als  vielmehr  als  speculative  idee**)ge- 
fafste  persönlichkeit  in  ihrer  eigenschaft  als  höUenrich- 
ter; nnd  nichts  klarer  daher,  als  dafs  alles,  was  anderwei- 
tig vom  Rhadamanthus  die  sage  berichtet,  irren  wir  mit 
unserer  namensdeutung  nicht,  nothwendig  nur  als  eine  hülle 
von  nebeldunst  angesehen  werden  darf,  die  sich  um  sein 
unterirdisches  richteramt  als  den  ihm  von  frühest  zu- 
kommenden Charakter,  gleichwie  um  einen  festen  kern,  erst 
allmälig  ansammelte.  Wir  meinen  also,  dafs,  während  die 
andern  beiden  mitrichter,  Aeakus  und  Minos,  auf  einer 
ganz  verschiedenen,  nämlich  von  vornherein  ins  geschichtliche 
gezogenen  basis  fufsen  und  die,  gleichsam  als  lohn  fllr  ein  im 
leben  mit  gerechtigkeit  verwaltetes  herrscheramt,  ihnen 
zugefallene  würde  mehr  als  eine  untergeordnete  zugäbe 
und  aufserwesentlicher  schlufspunkt  erscheint,  im  gegentheil 
des  Rhadamanthus  ursprüngliche  bestimmung  für  das 
unterirdische  richteramt  schon  im  namen  bezeugt  sei  und  mit- 
hin alles,  was  man  ihn  auf  der  oberweit  gethan  haben  läfst 
(s.  z.  b.  die  hinweisungen  im  index  zum  Heyne^schen  Apoll. 
V.  Rhadamanthus),  nur  erst  später  hinzugedichtet  wäre.  Alle 
drei  todtenrichter  bei  den  Griechen  übrigens  waren  söhne 
des  Zeus,    und  zwar  von  der  Europa,    nur  Aedkos,    als 

*)  „Festinantia  Arabibus  umm  nedaxnet,  mater  poeniteotiae '^  Clodius, 
lex.  tnrc,  p.  562.  Ob  übrigens  dieser  name  mit  fjijdot;  und  nicht  mit  ^tar- 
Oäru  zusammenhange,  dafUr  möchte  ich  nicht  die  bilrgschaft  übernehmen. 

**)  So  schiene  selbst  die  fassnng  B(/aSu- fiavO-tx;  als  „späte  ein- 
sieht **  durch  zusammenrttckung  des  adj.  mit  seinem  subst.,  wie  in  Ntäno- 
At;,  nicht  geradehin  unmöglich,  da  ja  die  fem.  auf  lia  auch  kUizongen  (-ea 
Ahrens  II.  188)  unterliegen.  Man  hätte  in  diesem  falle  jedoch  die  verkörperte 
idee  gleichwohl  in  einem  manne  darstellen  müssen,  da  frauen  (tacet  mulier  in 
ecclesia)  kein  richteramt  verwalten  konnten.  Vgl.  Metanoea  Auson.  Epigr.  12. 


264 


Pott 


könig    von  Aegina,    um  deswillen  auch  von  der  Aegina, 
nach  Apollodor.     Es  ist  erklärlich,  dafs,  wenn  z.  b.   die 
Hören,  wie  Eunomia  (gesetzmfifsigkeit)  und  Dike  (recht), 
als  töchter  des  Zeus  mit  der  Themis  betrachtet  werden  (s, 
die  genealog.  tafel  Apollodor  t,  II.  p.  368),  das  richteramt 
über  die  sterblichen  nach  ihrem  tode  desgleichen  als  aus- 
flufs  des  allerhöchsten  göttlichen  willens  gilt  und  als  sol- 
cher in  dem  mythischen  gewande  genealogischer  herkunft 
seinen    ausdruck  finden  konnte.      Dies  nun  eben  möchte 
ich  wenigstens  für  den  Ehadamanthus  als  grund  ansehen, 
warum  zu   seinem  vater  der  oberste  der  Götter  gemacht 
wird.    Die  engere  beziehung  aber,  worin  die  sage  ihn  mit 
Kreta*)  und  dessen  beherrscher  Minos**)  versetzt,   wäre 
entweder  schon  durch  beider  kollegenschaft  im  Hades  zur 
genüge  gerechtfertigt,  oder  wer  weifs  ob  nicht  der  Brada- 
manthus  (s.  oben  über  diese  dialektform)  auf  einer  speciell 
von  der  insel  Kreta  ausgegangenen  mythischen  Vorstel- 
lung beruht.     Der  im  Rhadamanthus,  wie  ich  glaube,  aus- 
gesprochener maafsen  hegende  moralische  gedanke  von 
einer  späten  und  reuevollen  einsieht  dagegen,  welcher  jeden 
menschen,  der  etwas  verbrach,  wo  nicht  eher,  doch  un- 
fehlbar  bei  dem  jüngsten  (d.  h.  letzten)  gerichte  erfas- 
sen lä&t,  welches  nach  dem  jetzigen  leben  über  ihn  ver- 
hängt wird,  dieser  gedanke  ist  sonst  allgemein  und  natür- 
lich genug,  als  dafs  man  ihn  nicht  an  hundert  orten  von 
einander  unabhängig  hätte  zuerst  denken  können,  wird  nur 
die  fortdauer  des  lebens  nach  dem  tode  überhaupt  voraus- 
gesetzt.   Was  aber  seine  besondere  fassung  in  dem  namen 

*")  Dahin  gehört  z.  b.  das  angebliche  von  Rh.  an  die  Kretenser  erlassene 
verbot,  bei  den  oljrmpischen  gottem  zu  schwören,  indem  er  statt  dessen  be- 
fahl, bei  einer  gans,  einem  hunde  oder  einem  iridder  zu  schwören.  Prichard 
llg.  myth.  8.  265. 

'**)  Schwerlich  seines  langen  jota  halber  richtig,  bringt  man  den  Mrvwq 
zu  skr.  Munus  n.  s.  w.  von  man,  denken.  Vielmehr  scheint  darin  rovq 
zu  stecken.  Vergl.  Qtävw  (einer  göttin  sinn  habend)  mit  Gtoroij'  Und 
der  sinn  im  ganzen:  ausharrend  (fUftvtor^  fiiv^v)  im  vovq  (vernünftigen  den- 
ken). So  Mifiroftaxoq  =  Mtvfftaxoq,  MtvinxoXtfAta;  (den  kämpf  beste- 
hend), Mirosyif^fm  (dem  feindlichen  manne  stehend).  Auch  MfftrtQfio<;  (wahr- 
scheinlich ausharrend  beim  Hermes,  als  industrieller)  gegenüber  von  Mad^fii 
aus  "At^tii.     Etym,  forsch.  11.  69. 


etymologische  ap&hne.  265 

ßgaSd^avdvg^  gleichsam  als  sera  viodicta  (vergl.  das  nur 
anders  gewendete  oiffifia&i^g  und  oxpivoog)^  anbetrifit,  so 
kommen  meiner  erklärung  desselben  noch,  täusche  ich  mich 
nicht,  einige  dem  begriffe  nach  verwandte  mythische  Per- 
sönlichkeiten trefflich  zu  statten,  die  mit  gleichbewertheten 
epitheten  vorkommen.  So  die  Nifiaaig  (etym.  zutheile- 
rin,  nämlich  des  sunm  cuique,  daher  z.  b.  mit  dem  Symbole 
des  maafses  oder  richtscheites)  als  y^vötegonovg^  hinterher 

—  spät  —  langsam  kommend  oder  gehend.  Anal.  u.  Orph.^ 
Schneider  wb.,  trotzdem  dafs  „die  zu  Smyrna  verehrte  Ne- 
mesis flügel  hatte,  als  anspielung  auf  die  Schnelligkeit, 
womit  diese  göttin  den  übermüthigen  ereilet,  die  Rhanmu- 
sische  hatte  keine  flügel.^  Creuzer  symb.  I.  134.  2.  Ausg. 
Femer  Aesch.  Agam.  58:  y^varigoTtotvog  *E()ivpvg^  quae  So- 
phocli  vareQonovg^  Stanl.,  mag  man  dies  nun  als  »hin- 
terher (nach  der  that)  strafend^  auslegen,  oder  als  „poe- 
nas  Sero   exigens^,  wie  es  bei  Schütz  z.  a.  st.  geschieht. 

—  Sogar  ist  der  gedanke  ein  christlicher,  wie  aus  dem 
berühmten  Dies  irae  folgende  verse  beweisen: 

Judex  ergo  cum  sedebit, 
Quidquid  latet  apparebit, 
Nil  inultum  remanebit. 
Wir  nehmen  noch  einige,  nicht  allzufem  abliegende 
namen  hinzu.    Nämlich 


Pyl  (myth.  beitr.  I.  206)  erklärt  die  namen  der  Erin- 
nyen  folgendermafsen:  „Tisiphone  mordrächend,  Alekto 
unabwendbar,  Megaira  neid,  im  zusammenhange  mit 
piiyaiQUi  mifs gönnen.^  Jederman  wird  doch  glauben, 
über  etymologisch  so  durchsichtige  namen  könne  in  betreff 
ihres  sinnes  nicht  der  geringste  zweifei  obwalten.  Und 
gleichwohl  ist  dem  so.  Man  halte  mit  obigem  nur  Prel- 
ler zusammen,  welcher  myth.  I.  524  deren  sinn  so  angiebt: 
„sie  heifsen  T.  d.  i.  die  rächend  tödtende,  A.  d.  i.  die 
unermüdlich  verfolgende  und  M.  d.  i.  die  grausige. 


266  Pott 

gorgonenartige%  und  man  wird  inne,  dafs  von  den 
erklärungen  beider  Schriftsteller  auch  nicht  eine  einzige 
genau  übereinstimmt.  In  betreff  des  letzten  namens  hat 
Preller  zu  seiner  rechtfertigung  an  den  gebrauch  von  ^£- 
yaiQü)  (fascinare)  Apoll.  lUi.  IV.  1670  erinnert,  und  ver- 
dient auch  diese  deutung  wegen  des  entsetzens,  welches 
die  Erinnyen  durch  ihren  anblick  einjagen,  vielleicht  den 
Vorzug,  dürfte  man  den  ApoUodor  hier,  was  Buttm.  lexil. 
I.  261  bestreitet,  freisprechen  von  willkürlicher  anwendung 
ihm  selber  aus  dem  epos  blos  überlieferter  Wörter.  Min- 
destens „oeid^  oder  „mifsgunst^  aber  hiefse  eine  von 
ihnen  wahrscheinlich  nur  dann  mit  recht,  wenn  man  sie 
sich  vorstellte  als  dem,  welchen  sie  verfolge,  das  geringste 
an  erquicklichem  oder  auch  nur  eine  kurze  befireiung  von 
quälen  mifsgönnend  und  vergällend. 

In  betreff  der  Tlciq>6vri  erhebt  sich,  wie  oft  bei  com- 
positen,  die  Schwierigkeit,  wie  man  bei  bildung  des  Wortes 
das  verhältnifs  seiner  glieder  zu  einander  sich  gedacht 
habe,  so  klar  auch  letztere  f&r  sich,  im  einzelnen  genom- 
men, sind.  Es  muls  nämlich  die  abstracte  möglichkeit  ei- 
ner doppelten  auffassnngsweise  anerkannt  werden,  wie  an 
sich  gewifs  auch,  dais  der  ursprünglich  in  das  wort  geleg- 
ten intention  nach  und  in  wirldichkeit  nicht  mehr  als  Eine 
von  beiden  möglichkeiten  auf  selten  der  Wahrheit  zu  liegen 
kommt,  nur  dafs  es  schwer  hält,  sich  in  diesem  dilemma 
mit  bestimmtheit  über  das,  was  man  ftlr  das  wahre  hält, 
zu  entscheiden.  Augenscheinlich  ist  dies  die  frage:  hat 
der  schlufs,  wie  z.  b.  in  av3QO(p6vog  (auch  weiblich) ,  Xao- 
(povog  (volk  tödtend)  u.  s.  w. ,  die  geltung  gleichsam  eines 
activen  particips,  oder  hat  man  darin  ein  vom  voraufge- 
henden gliede  abhängiges  Substantiv,  d.  h.  hier  q>6vog^ 
zu  suchen?  Die  indischen  grammatiker  würden,  in  gemäfs- 
heit  mit  ihrer  eintheilung  der  composita  in  classen,  blofs 
fragen:  Gehört  das  wort  den  determinativen  (karma- 
dharayas)  an?  in  welchem  falle  man  es,  als  blofs  vom  er- 
sten gliede  näher  bestimmt,  mit  ^zur  sühne,  oder  um 
zu   rächen,  mordend^    allein  richtig  wiedergäbe;   oder 


etymologische  spähne.  267 

vielmehr  den  sog.  abhängigkeits-compoBiten  *)  (tat- 
puruschas}?  worin  ein  glied  vom  andern,  in  der  regel  in- 
nerhalb des  indogermanismns  das  erste  vom  zweiten  ab- 
hängig, hier  aber  umgekehrt  (,, räche  wegen  begangener 
morde  an  den  thätern  nehmend'^)  gedacht  wird.  Ich  weifs 
nicht,  in  wie  weit  es  grund  hat,  wenn  Eschenburg,  hdb. 
der  klass.  lit.  s.  423.  6.  aufl.  die  Functionen  der  Erinnyen 
unter  die  einzelnen  so  vertheilt  angiebt:  „Tisiphone,  die 
besonders  zur  erregung  ansteckender  seuchen  abgesandt 
wurde,  Alekto  deren  geschäfte  die  Verheerungen  des  krie- 
gest waren,  und  Megära,  Urheberin  der  wuth  und  des 
mordes'^.  Rückwärts  auf  die  namendeutung  zum  mindesten 
wird  sich  nicht  viel  daraus  schlieTsen  lassen.  Dazu  sind  der^ 
gleichen  geschäftsvertheilungen  gewöhnUch  erst  von  zu  jun- 
gem datum,  aus  Zeiten  einer  schon  zu  verständig  gewor- 
denen Überlegung.  Wäre  dem  aber  so,  dafs  erregung  von 
seuchen  schon  im  namen  der  Tisiphone  angedeutet  läge, 
dann  dürfte  man  wohl  nicht  daran  zweifeln,  sie  werde  ganz 
eigentlich  als  selber  mordend  vorgestellt,  indem  das  vor- 
derglied  nur  das  motiv  enthielte  (aus  räche),  warum  sie 
morde  (durch  epidemieen)  verübe.  Ein  auf  solche  weise 
vollstrecktes  Strafgericht  jedoch  ginge  fast  nothwendig  im- 
mer auf  eine  mehrheit,  und  bezöge  sich  nie  eigentlich  auf 
ein  einzelwesen.  Mir  scheint  indefs  in  der  Tiat<p6vfj  ganz 
eigentlich  die  blutrache  personificirt,  welche,  wie  im  al- 
ten Griechenland,  so  noch  heute  in  Albanien  (s.  v.  Hahn 
alban.  stud.  I.  176.  204)  brauch  ist,  und  gebe,  hauptsäch- 
lich mit  aus  diesem  gründe,  der  erklärung:  „mordes  räche- 
rin^  vor  der  anderen  den  vorzug.  Tiaaaäcu  natQog  (fo- 
vovy  des  Vaters  tod  sich  bezahlen  lassen,  rächen,  oder  mit 
dem  acc.  der  person:  itiaaxo  ^ar()o</)ov^a  (daher  der  eign. 
TiaavÖQOQy    Teiöavd(fog  Ahrens  dial.  dor.  p.  184,  wohl  = 


*)  Noch  eigentlicher  vielleicht  wUrde  man  derartige  bildangen  mit  stibst. 
auf  HTft  als  Vorderglied  den  possessiven  einordnen ,  deren  eines  glied  (vgl. 
z.  b.  itv¥oxi(fctXo<;  neben  dem  appositionellen  ^fyuXoxi(palo<;),  hier  das  letzte, 
von  andern  in  abh&ngigkeit  steht,  "während  das  compositum  in  seiner  gesammt- 
heit  zunächst  attributiven  Charakter  besitzt. 


268  Pott 

sich  rächend  an  den  männern),  u.  dgl.,  giebt  Über  die  zu- 
lässigkeit  des  sinnes  keinem  zweifei  räum,  und,  was  die  art 
der  composition  anbetriffl;,  so  ist  dieselbe  durch  unzählige 
beispiele  gleichfalls  sichergestellt.  Trotz  der  kQrze  von 
TiGig  finde  ich  in  TtOKfovri  und  in  bildungen  seines  glei- 
chen vorn  nicht  etwa  verbalformen,  ein  fut.  oder,  dem  sinne 
nach  doch  erträglicher,  sigmatische  aoriste,  nein,  wie  schon 
et.  forsch.  U.  393  bemerkt,  abstracte  subst.  auf  -<rc,  wobei 
es  nichts  verschlägt,  dafs  sich  mehrere  derselben  aaJser 
solcher  Verbindung  nicht  nachweisen  lassen.  Es  ist  genug, 
dafs  diese  compositionsweise  ursprünglich  von  derartigen 
gebilden  ihren  auslauf  nahm.  Sie  konnte  später  derglei- 
chen, im  sinne  der  analogie  voraussetzend,  zu  ihrem  be- 
hufe,  öfters  unter  vorbehält  einer  gröfseren  freiheit  in  der 
bildung,  selber  schaffen,  ohne  dafs  sie  als  simpUcia  brauch- 
ten in  der  spräche  Wirklichkeit  zu  erhalten.  So  <f>&T(Tiu' 
ßgoTog  (verderben  bringend  den  sterblichen),  cp&laiifgwv 
mit  langem  i  vom,  trotz  rpd'iGtg,  was  zudem  im  sinne  eine 
nicht  genau  zutreffende  richtung  einschlug.  \4BQainovg,  cIq- 
ainovQ  (von  äQ<ng\  aegaipovg,  woraus  ^Agaivoi]  (erhebung 
des  Sinnes  kundgebend,  hochgemuth).  'ÜQaiXoxog^  ogainov^ 
u.  s.  w.  j4lv€ai3t]fiog  und  AlvriaiSrjuog,  vgl.  Publicola 
(mit  populus  imd,  wie  ich,  trotz  Niebuhr,  nicht  zweifele, 
colere,  vgl.  agricola\  'AvtjaiSwga  (von  avitjui)  und  *Ava- 
^Mga,  Demeter,  oder  die  erde,  als  herauf bringerin  ihrer 
gaben  aus  dem  unterirdischen  dunkel  ans  licht  des  tages, 
dias  in  oras.  Lucr.,  von  avdyBiV  üg  (pdog  Hesiod.  Dagegen 
von  apdaaeip  z.  b.  der  mannsname  'Ava^iXaog  (herrschaft 
übend  über  die  Völker);  nicht,  wider  alles  recht,  vom  no- 
minativ  ava^^  sondern  von  einem  fem.  nom.  abstract.  Ei- 
^i&eog  (mit  gebet  sich  an  die  götter  wendend).  GeX^iinsia 
(bezaubernd  mit  werten)  eine  der  Sirenen.  Aaxkiav  gi^av 
(fviBVötad-ai  fielfjaifißgoTov  Pind.  Pyth.  4.  26  übersetzt 
Schneider  im  wb.  wider  die  analogie  ,)Von  menschen  ge- 
achtet,^ und  Passow,  indem  er  die  Übersetzung  durch  „was 
den  sterblichen  ein  gegenständ  der  sorge,  fbrsorge  oder 
liebe  isf*  vermittelt,  eben  so.     In  Wahrheit  kann  es  sich 


etymologische  späline.  269 

dort  nur  um  die  gründnng,  welche  ^ sorge  für  (der)  men- 
schen (obdach)  trägt  %  d.h.  um  die  anfange  schnell  zu 
volkreichen  städten  aufblühender  orte  handeln.  IZeiaixcc" 
kivog  wohl  eben  so  viel  als  nei&7]viog  dem  zügel  gehor- 
chend (nsi&ofiBvog)  j  aber,  vielleicht  nicht  einmal  mit  aus- 
nähme von  ÜHGiccva^^  die  übrigen  compp.  von  neiaig 
(Überredung)  aus  nti^o)  (überreden,  zum  gehorsame  len- 
ken) im  activ,  wie  JleiaavSQog,  TltiaiXaog^  IlaiGiaTQaTog, 
Iltiöinnog,  fleiaiöixt].  Vgl.  TtHcifißgotov  ßdxTQov.  floXv- 
nBid-Tig.  IIuaiTiXfjg  und  IJQa^itiXijg,  worin  mir,  nicht  minder 
als  in  ^AgtatoTklrig  (anders  wohl  Evtiktjg^  sparsam?),  am 
Schlüsse  nicht  sowohl  rUog  (ende,  kaum  Vollendung  =  Voll- 
kommenheit) gemeint  scheint,  als  va  rilrj,  wonach  77(>a|e- 
TUi]g  auch  noch  seine  weitere  aufklärung  durch  ra  xoiva, 
ra  rrig  TtükBOjg  n^jccTTBiv  fände.  Doch  Tekicag^og,  TeAecri- 
xodxrig^  wahrsch.  aus  tilECig^  vollenden.  TEQxptxo^t]  (freude 
habend  am  tanze).  Und  so  eine  menge  anderer.  Ob  herr 
Preller  ftlr  die  von  ihm  gewählte  erklärung  eben  so  stich« 
haltige  formationen  beizubringen  vermöge,  will  ich,  zur 
entscheidung  zu  bringen,  ihm  selbst  überlassen.  Nur  ge- 
schehe, aufser  Ttairpovog^  oder  Tiaaf^svog,  was  wohl  im 
allgemeinen  einen  bezeichnen  soU,  der,  ungerächt,  sich 
nichts  gefallen  läfst,  noch  einiger  personennamen  mit  riaig 
erwähnung,  die  in  der  frage  noth wendig  einige  berück- 
sichtigung  verlangen.  —  Man  sehe  bei  Pape:  Tiölptaxog^ 
vater  des  Tiaiag^  nach  der  von  Stanlej.  ad  Aesch.  Eum.  8, 
Lobeck  pathol.  p.  73  sq.  und  von  Reinhold  Köhler  (n. 
Jahrb.  f.  phiL  u.  päd.  bd.  LXXIQ.  heü  1.  s.  21;  belegten  sitte, 
vom  vaternamen  einen  theil  in  den  namen  der  kinder  hin- 
über zu  nehmen.  Soll  das  nun  bedeuten:  „sich  wegen  eines 
(vom  andern  angefangenen)  Streites  (fiäxt]  etwa  im  gen.  oder 
acc.  von  riaaa&ai  abhängend  genommen?)  rächend^  oder, 
als  determinativum,  „aus  rachedurst  in  den  kämpf  gehend?'^ 
Tiaagxog,  TtaixQdriig  sind  noch  dunkler,  und  gar  Ttaa^ 
yogag,  Tiöinnog  scheinen  aus  je  zwei  gliedern  zu  bestehen, 
die  eher  feindlich  auseinander  rücken  möchten,  als  zu  ei- 
nem einmüthigen  sinne  zusammenwirken.     Möglich  jedoch, 


270  Pott 

dafs  ihnen  der  begriff  von  risiv  (werthschätzen)  zum  gründe 
liegt.  Vgl.  TifiaQxog,  TijMoxpari/tf,  Tifuayogag.  Tifit^ai' 
&€og  doch  wohl:  Verehrung  den  göttem  bezeigend  (und  nicht: 
von  ihnen  empfangend),  was  also  auch  wohl  über  den 
sinn  von  TifitjffiSfjfAog^  Alvi^aidt}uog  und  Tifi^aidva^  ent- 
scheidet. 

Wir  kommen  zur  'Jlrjxroi,  auch  \4Xlf}XT(a.  Pyl'ß  er- 
klärung  ^die  unabwendbare^  dafttr,  so  viel  steht  fest, 
ist  irrig.  Die  kommt  nur  einer  der  Parzen,  ''Argonog^  zu. 
Und  zwar  mit  recht:  dem  tode  entflieht  niemand,  er  ist 
unvermeidlich.  Preller  findet  in  der  Alekto  eine  furie,  die 
(im  verfolgen)  unermüdlich.  Nun  ja,  diese  ergänzung 
wäre  ganz  schicklich,  wird  aber  von  seitei>  des  Sprachge- 
brauchs, so  weit  ich  mich  erinnere,  wenig  unterstützt. 
Schon  deshalb  halte  ich  mich  lieber  an  die  stelle  IL  9.  632, 
wo  mir  dfiucht,  &vfi6g  äkhjxtog  (;jfoAov)  nebst  X^yuv  ^okoio 
Od.  22.  63.  zeige  uns  den  richtigen  weg.  Es  wird  von 
Schneider  behauptet,  der  sinn  des  adj.  verb.  sei  dort  activ: 
nicht  aufhörend  zu  zürnen.  Eine  ungenaue  behauptung. 
Die  strengere  ansieht  erheischt  nicht  wiedergäbe  etwa  durch: 
animus  nunquam  ponens  iram,  sondern  qui  non  libera- 
tur  ira,  cujus  ira  non  sedatur.  Hienach  erblicke  ich 
in  der  WA^xrcJ,  d.  i.  implacata,  implacabilis,  die  unversöhn- 
lichkeit  und  ruhelosigkeit  eines  bösen  gewissens,  nur  dieses 
gleichsam  zur  person  (aufser  uns)  erhoben. 

Keiner  dürfte  sich  weigern,  auch  för  die  Adrastea 
einen  ähnlichen  sinn  („unentrinnbar^)  sogleich  als  an- 
gemessen einzuräumen,  dafem  nur  feststeht,  man  habe  seit 
aufkommen  dieses  namens  damit  zuerst,  wie  von  späterer 
zeit  unzweifelhaft,  die  Vorstellung  einer  höhern  gerechtig- 
keit  verbunden,  der,  früh  oder  spät,  niemand  sich  zu  ent- 
ziehen vermag.  Man  vergl.  damit  z.  b.  den  sehr  analogen 
ausdruck:  ineffugibilis  necessitas  ultionis  bei  Ap- 
pul.  de  Mundo  p.  372  Oud.  Gehen  wir  davon  aus,  dafs 
es  mythische  und  sagenhafte  etymologieen  schaarenweis 
giebt,  welche  auf  der  wagschale  einer  durch  nichts  besto- 
chenen Sprachwissenschaft  gar  keinen  werth  besitzen,  wie 


etymologische  spähne.  271 

gleifsnerisch  ihr  Schimmer  in  anderer  rücksicht  sei:  so  wird 
uns  auch  wohl  die  etymologie  nichts  anhaben,  welche  Strabp 
XIII.  p.  588  vom  Äntimachus  (Reliqq.  ap.  Schellenberg, 
fragm.  XXIIL)  aufbewahrt  hat,  der  von  der  Nemesis  be- 
hauptet, sie  verdanke  ihren  namen  'jiSgiqaTtta ,  einem  ihr 
zuerst  vom  "JlSgfjavog  gesetzten  altare.  Eine  solche  erfin- 
düng  war  wohlfeil  zu  haben  wegen  der  namensähnlichkeit 
der  Adrasteia  mit  dem  Adrastos.  *^ägdateia  hat,  wie  die 
aus  dem  masc.  ins  fem.  movirten  persönlichen  formen  pfle- 
gen, hinten  kurzes  er,  aber  wenigstens  die  adjectivform 
'yJÖQdaTBiog  liefse  im  fem.  langes  a  (vgl.  z.  b.  ßaaileia  als 
adj.  fem.  von  ßaalksi^q^  oder  ravvfjLijdeirjy  Ganymedea  adj.) 
und  vorgerückten  accent  erwarten.  Doch,  wenn  auch  hierin 
kein  unübersteigliches  hindemifs  liegen  sollte  *),  was  bedeu- 
tet der  beliebte  mannesname  "yidoaatog  selbst?  Schneider 
giebt  flir  den  activen  gebrauch  von  aSgaarog  (aus  Sgata^ 
ÖtSgdaxWy  vgl.  Sgaa^wg  die  flucht,  SgccöTf^g  =  Sganivrig) 
als  beispiel:  dvögärtodov  ädgaarov  xal  qiXoäianoTov  y  was 
also,  im  gegensatze  zum  Sganitfjg,  den  getreuen  sklavcn 
bezeichnet,  der  seinem  herren  nicht  fortläuft;  und  in  die- 
sem sinne  eignet  sich  der  name  filr  einen  sklaven,  wie 
'ASgYiarr^y  dienerin  der  Helena,  vortrefflich.  Auch  Sovlog 
dpanoSgaarog ,  ein  sklav,  der  nicht  entfliehen  kann,  ge- 
brauchte Plutarch.  Auf  helden,  und  männer,  die  etwas 
auf  sich  halten,  palst  das  nicht,  keine  frage.  Wer  sich 
aber  des  Pelides  cedere  nescius  beim  Horaz  oder  des 
analogen  ausdrucks:  vinci  nescius  armis  bei  Ovid  (vergl. 
'ASiATixog  d.  i.  unbezwungen,  indomitus,  und  Avixtjrog)  ent- 
sinnen will,  welche  besagen  wollen,  wie  der  held  „das  flie- 
hen nicht  gelernt  habe,  nicht  verstehe^,  kein  Xetnotdxjt^g 
sei,  dem  wird  sich  auch  begreiflich  machen  lassen,  dafs  der 
sinn  des  namens  "ASgaatog  **)  nicht  weit  ab  liegen  kann.    In- 

*)  ^gl-  17  'HqaxU(a  Xl&OQ  der  magnet,  aber  wenigstens  'Hf^dxlna  (sc, 
TioJLiq?),  wie  andere  stlidtenamen  *j1Xfiard(feiay  Kacffavdgttay  'ArfiS/nj', 
Sflfvxtta  von  mannsnamen  auf  oc,  und  Evfiht^a  von  Evft^vfiq.  Allein 
auch  am  analogsten  Seßäatna  =  itßaa^oTtoXiq.   St&dte  als  fraucn? 

**)  Die  flucht  des  Adrastos  ans  Theben  mit  dem  Arion  (Antim.  fragm. 
XX.  ed.  Schellenb.)  fürchte  ich  höchstens  als  einwand  zum  scherze.    Es  war 


272  ^ou 

defs  könnte  er,  unter  festhalten  an  der  passiven  form  des 
gedankens,  recht  wohl  auch,  sollte  ich  glauben,  ,, un ent- 
flieh bar  ^  bezeichnen,  und  krieger  meinen,  deren  waffen 
kein  feind  zu  entkommen  vermag.  Ich  darf  übrigens  wohl 
nicht  befahren,  es  werde  jemand  auch  selbst  mittelst  Sgäv 
(facere)  daraus  einen  unbesieglichen  herausklauben  wollen. 
Wenn  nämlich  Döderlein  gloss.  Homer,  ü.  134  ajtgiiiCTovg 
bSvvag  Od.  U.  79  und  2xvXXi]v ....  aTtgr^xrfjv  avitjv  pas8. 
mit  „unbesiegbar^  übersetzt,  so  ist  dies  zwar  im  allgemei- 
nen richtig,  aber  dem  buchstaben  nach  ungenau.  Es  sind 
schmerzen,  mit  denen  man  nicht  fertig  werden  kann, 
nicht  zu  ende  kommt,  gleichsam  unabgemacht,  fiel 
der  Skylla  etwa  aerumna  intractabilis.  Dürfen  wir  nun 
aber  anders  in  ^Adgaaruct  eine  „unvermeidlichkeit''  oder  — 
was  doch  der  lateinische  ausdruck  necessitas  eigentlich 
besagt  (vergl.  serva  oder  saeva  Necessitas  Hör.  Od.  L 
35.  17  Intpp.  und  Herder  zur  schönen  lit.  und  kunst  XIII. 
143  fg.)  —  „unausweislichkeit^  (es  bleibe  vorläufig  dahin- 
gestellt welche)  ausgedrückt  wähnen;  so  hätten  wir  darin 
nun  den  passiven  gebrauch  von  aSgaatog  (unentfiiehbar) 
vor  uns,  und  Antimachus  wäre  bis  auf  einen  gewissen 
punkt  hier  sogar  etymologisch  entschuldigt,  gleiche  wurzel- 
elemente  in  ihm  als  m^'ASQaGTog  gesehen  zu  haben.  Kanu 
aber  ^ASgaarua  abseiten  der  etymologie  von  unserer  so  eben 
gemachten  angäbe  wesentlich  verschieden  aufgefafst  wer- 
den? Meine  i\ptwort  ist:  nein;  oder  —  man  mQ&te  eine 
„unthunlichkeit''  als  passender  aufzeigen.  Dafs  diese  etwa 
um  des  langen  a  in  zweiter  sylbe,  bezeugt  durch  das  ioni- 
sche ri  statt  seiner,  willen  erfordert  werde,  das  wenigstens 
lasse  ich  mir  nicht  einreden.  In  "ASoaaTog  etwa  einen  un- 
thätigen,  einen  homo  ignavus  zu  wittern,  auf  einen  so  thö- 
richten  gedanken  könnte  doch  kein  mensch  verfallen,  der 
halbwcges  bei  sinnen  ist,  auch  angenommen,  man  treibe 
dies  zweite  äSgaaros  (von  Sgäv^  thun)  ebenfalls  in  activer 


ja  ohnehin  mehr  eine   rettung  durch  göttliche  dazwischcnkunft  zu  nennen, 
denn  feige  flucht.     Vgl.  Creozer  symb.  II.  785. 


etymologische  BpUine.  273 

bedeutnng  nach  irgendwo  auf.  Aber  auch  dieser  name 
lautet  ion.  mit  t} :  "ASgrictog.  Die  Adrastea  wird  von  grie- 
chischen Schriftstellern,  ich  weife  nicht  ob  durch  spätere  deu- 
tung  und  mifsdeutung,  jedenfiüls  nach  einer  tieferen  philo- 
sophischen speculation  mit  Zeus  und  der  Ananke  in  Verbin- 
dung gebracht.  Namentlich  galt  als  orphisch,  der  De- 
miurg  werde  von  der  Adrastea  erzogen,  beschlafe  die 
Ananke  (nothwendigkeit)  und  erzeuge  die  Heim  armen e 
(das  Schicksal).  Creuzer  symb.  11.  501  fg.  HL  305.  307. 
Vgl.  Herder,  zur  seh.  lit.  und  kunst.  Bd.  XIX.  (Nemesis) 
8.  174,  der  auch  ,,die  unentfliehbare,  eine  immer 
wirksame^  ftr  spätere  umdeutung  hält.  Herleitung  aus 
dfif ,  oder  di  (Greg.  Cor.  p.  348),  jedoch  erforderte  yom 
länge  im  worte  und  wäre  auch  sonst  trotz  SgaarBiga  etc. 
Ton  Seiten  der  form  (als  aktiv)  schlecht  beglaubigt.  Ich 
dächte,  Adrasteia  werde  auch  hiedurch  als  eine  „unver- 
meidliche^ hinlänglich  gerechtfertigt,  und  es  ist  beinahe 
überflufs,  noch  des  inevitabile  fatnm.  Curt  4,  6  erwäh- 
nung  zu  thun.  Wie  sonst  die  götter  selbst  unter  einem 
noch  höheren,  dem  Schicksal,  stehen,  so  werden  sie  hier 
mit  ihm  und  mit  verschiedenen  Wendungen  dieses  begrif- 
fes,  mindestens  in  nähere  berfihrung  gesetzt,  und,  man  sehe 
nur  von  der  etwas  wunderlichen  einkleidung  ab,  nicht  ohne 
eine  unabläugbare  Wahrheit  des  gedaukens.  Ist,  diesem 
allen  zum  trotz,  noch  jemand,  der  mit  Creuzer  II.  503  in 
der  Adrastea  an  einer  kraft  festzuhalten  lust  bezeigt,  »wel- 
che die  rathcshläge  der  menschen  rückgängig  [gleichsam 
infecta,  irrita]  oder  vergeblich  macht'^,  —  also  etwa  der 
begriff,  wie  bei  Claudian:  Dea  quae  nimiis  obstat 
Khamnusia  votis  (s.  Herder  a.  a.  o.),  —  der  finde  sich 
mit  ihm  selber  ab.  Sein  ganzes  räsonnement  in  eben  er- 
wähnter richtung  steht  nur  auf  einem  sehr  unsicheren  bo- 
den,  nämlich  auf  der  Variante  "/ri?  statt  "/äi?,  die  nach  Plut. 
sympos.  in.  9.  p.  681  Wyttenb.  aufser  der  Adrastea  zur 
amme  des  Zeus  gemacht  wird.  Was  übrigens  mit  dieser 
ammenwirthschaft  im  allgemeinen  gemeint  sei,  ersieht  man 
weiter  aus  Plutarch,  wenn  dieser  unmittelbar  darauf  ri^v 
V.    4.  18 


274  Pott 

'AXfi&Biccv  xal  tfjv  KoQvd-aXBtav  beim  Apollo  ammendieDste 
verrichten  Iftfst.  Der  gott  des  lichtes,  welcher  alles  sieht, 
ist  auch  der  gott  der  Wahrheit:  es  bleibt  yor  seinen  blicken 
nichts  verborgen  (nihil  eum  latet,  denn  aX^&€ui  bedeutet 
ja  wörtlich:  unverborgenheit),  „Es  ist  nichts  so  fein  ge- 
sponnen, es  kommt  doch  an  das  licht  der  sonnen^.  Ko- 
QV&aXia  als  beiname  der  Artemis  in  Laced&mon  Ath.  IV. 
139.  b  legt  sich  selber  aus.  Die  sonstige  Schwester  des 
gottes  wird  hier  zu  seiner  pflegerin. 

Unsere  aufgäbe,  den  namen  der  Adrastea  sprachlich 
aufzuhellen,  erscheint  hiemit,  der  hauptsache  nach,  gelöst; 
und  doch  —  eine  bagatelle,  wenn  man  will,  oder  auch  für 
den,  welcher  mit  strengster  gewissenhaftigkeit  nicht  blos 
den  etymen  der  Wörter,  sondern  auch  ihrer  grammatischen 
form  nachgeht,  in  welcher  oft  die  kleinste  nüance  zwei  sonst 
etymologisch  engest  verwandte  Wörter  ihrer  objectiven  gel- 
tung  nach  unglaublich  weit  auseinander  wirft,  keine  klei- 
nigkeit  —  hält  uns  noch  von  gänzlichem  abschlusse  der  Un- 
tersuchung zurück.  Im  fall  der  name  einfach  'ASgi^arri  lau- 
tete, wie,  sahen  wir  bereits,  der  Helena  dienerin  hiels,  dann 
wären  vrir  nun  gewils  damit  fertig,  nachdem  nur  noch  der 
passive  und  active  sinnesnnterschied  zwischen  beiden  be- 
merkt worden.  Er  lautet  aber  'ASgdattia  mit  einem  neuen, 
unter  keiner  bedingung  gleichgültigen  ausgange.  Hat  nun 
letzterer  weiter  nichts,  ds  eine  blofse  movirung  zu  leisten, 
oder  vielmehr  eine  andere  grammatische  Sinnesänderung 
mit  bezug  auf  äSgacrog  zu  vollziehen?  Das  wäre  unum- 
gänglich noch  in  erwägung  zu  nehmen.  Formen  auf  log^ 
la  und  Hog*\  tut,  aiog  u.  s.  w.  im  griechischen  scharf  aus- 


i*)  FlUle,  wo  der  diphthong  wirklich  ganz  dem  snfSxe  und  nicht  zum 
theil  auch  dem  thema  angehSrt,  bedttrftn  noch  einer  gründlichen  Untersu- 
chung. Im  thema  kann  anlafs  zu  dem  c  in  e»  z.  b.  nicht  liegen  in  ivd^eloi 
(subst.  uvdf^tla  oder  ar9qia\  ;'t;rcuxcro(,  deren  thema  conaonantisch  aus- 
geht Bei  solchen  nach  ded.  IL  mufs  der  Charakter  (o)  ganz  weichen,  aber 
doch  uYQtlo^^  ointloq  u.  B.  w.  Ahrens  dial.  Dor.  p.  198.  Das  a  in  L  ver- 
bindet sich  mit  Jota  im  suffix  am  naturgemäTsesten  zu  a»,  wie  cc^;fa*09  ^^ 
der  dor.  form  ftlr  uqxv  ('^■o  ^^^^  a~ioq),  aber  trotzdem  und  daneben  «f- 
Xt*oqf  To  a^;|fnof,  wie  Movüiiov  nnd  a^.  Movailoq.    *Ayx^^^^  ^<^  -^^ 


etymologische  spfthne.  275 

einander  zu  halten,  f&Ilt,  häufiger  contraciion  und  nicht  sel- 
ten geringer  gebrauchsverachiedenheit  wegen,  mitunter 
schwer.  Ein  solches  gesch&ft  altioris  indagiuis  liegt  hier 
aufser  unserer  absieht  Wir  wollen  uns  auf  ein  paar  winke 
beschränken  mit  engerem  bezug  auf  unseren  gegenständ. 
Vgl.  et  forsch.  L  125.  139.  11.  443  und  495  fg.  mit  nach- 
weisen, wie  sich  vielerlei  diphthongen  durch  verschmelzen 
eines  i  im  Suffixe  mit  vorangehenden  vokalen  der  themen 
(oft  erst  nach  ausstofsen  eines  consonanten,  wie  digamma 
oder  sigma)  entwickelt  haben,  z.  b.  doiolf  das  in  analo- 
gie  mit  ßivgiog  sein  suffix  mit  dvo  verschmolz,  sei  es  nun, 
dafs  in  8oioi,  Soä^to  das  o  der  endung  in  dvo,  mit  über- 
gehung des  wurzelhaften  v,  angehört,  oder  dieses  v  (ältere, 
skr.  dväu  SB  duo)  selber  ist  So  entstehen  nun  aus  suff. 
'lä  nicht  nur  abstr.,  wie  evvoux,  eiinvoia,  sondern  auch  Ev^ 
ßoia^  'AXffMißout  (die  rinder  erwerbende,  d.  h.  welche  von 
vielen  reichen  fireiem  umworben  wird),  MeXlßoia  (besor- 
gend die  rinder)  und  2&Bvißoia  (auch  mit  anderem  namen 
*'AvTnia  Lobeck  path.  p.  63)  doch  wohl  von  ßovq  (vergl. 
JSd-iv-mnoq)  und  nicht  ßoiq,  wie  x^^^oßoag.  Ferner  von 
adj.  auf  -ig  (im  masc.  und  fem.  7Jg,  wie  skr.  desgleichen 
als  commune  nom.  &8,  neutr.  as)  nach  wegfall  des  zischers 
z.  b.  a/ivBuc  von  ayBvijg,  'Ali]&Ha  (statt  äXrj&ig^ia,  also 
mit  Zurückziehung  des  accents),  aber  ion.  altj&siij.  Evatr- 
ßBia,  EvfMaQua  von  tvfiagiig,  aber  svfiaQ^icc  vielleicht  von 
einer  form  auf  o  decl.  U.  ausgehend  gedacht  *I&v(pavua. 
'YyiBia  von  vyii^g,  iog.  &Bcnikntta  von  &sam€n^g  (worin 
tautologisch  zweimal  ein  derivat  von  Blnciv  steckt),  wovon 
wir  uns  auch  seinen  adj.  gebrauch  bei  Soph.  Oed.  R.  v«  465: 
cc  &Ba7iUnBia  jBktplg  bItib  nirga  xrA.  merken  wollen.  Eben 
so  agrUnBiai  von  den  musen.  Hes.  th.  29.  Nach  Döderlein 
gloss.Hom.  1.8*  x^^^oßagijg,  x^^oßägBuc,  xcci^oßagig;  doch 


von  ayxoyti^  sonst  oio?.  Manches  hieher  gehörige  bei  Lobeck  parall.  dies. 
IV.,  allein  zum  theil  ohne  derartige  sonderong,  wie  sie  zum  etymologi- 
echen gebxanche  von  nSthen  wäre.  Aach  siehe  über  jjfalxijroc  von  x<^ti'^ 
die  lesenswerthen  erinnemngen  von  Ebel  IV.  158. 

18* 


276  Poti 

könnte  das  fem«  II.  11.  96  möglicherweise  auch  auf  ;^aP.xo- 
ßagog  zurackgehen.  Vergl.  auch  G.  Curtius  EZ.  IV.  213. 
Dann  navdxsia^  oder  navdxij  von  Ttavaxijg  (selbst  navd- 
xiiog  als  adj.  Nie.)  bezeichnet  nicht  nur:  heilmittel  fikr  al- 
les, sondern  auch  die  gleichnamige  persönlichkeit  Im 
sanskrit  haben  wir  die  wriddhirten  neutra:  s&umanas-ya 
(Enjoyment,  satisfaction)  und  d&urmanas-ya  (EtII  dispo- 
sition  or  thought).  Sie  können  wenigstens  dazu  dienen, 
wenn  man  die  Verschmelzung  von  evfiivsuXf  dvafiivHa  in  ih- 
rem ursprünglichen  hergange  zu  belauschen  wfinscht.  Es 
entsprechen  n&mlich  sumanas  und  durmanas  (im  nom. 
mf.  &s,  n.  as)  sehr  genau  den  adj.  av/ticyi/^;  *),  Svafiev^g, 
Eine  weitere  adjectivbildung  wieder:  s&umanasa  (agree- 
able,  pleasing)  nimmt  regelrecht  im  fem.  s&umanas-t 
an.  Allein,  obschon  ich  sonst  das  skr.  movirende  -t  auf 
eine  durch  Samprasarana  entstandene  kürzung  aus  -yft  als 
fem.  von  adj.  auf  -ya-s  (griech.  io-g,  lat.  iu-s,  fem.  ia) 
zurfickleite  und  deshalb  z.  b.  skr.  dev-t  (Dea,  d-ed)^  sakhi 
=  latein.  socia,  auch  die  beide  vorkommenden  formen 
kant  und  kany&  (mädchen),  rficksichtlich  der  sufiigirung 
mit  lat.  av-ia  (sc.  uxor)  und  dem  movirenden  -ia  et.  forsch. 
II.  440  vergleiche,  so  halte  ich  uns  doch  für  genöthigt, 
weibliche  namensausgSnge  auf  -«la  neben  adj.  auf  ig  (nom. 
'9IQ  mf.)  als  auisergewöhnlich,  wenigstens  in  so  fem  zu  er- 
klären, dafs,  trotz  solcher  adj.,  wie  z.  b.  tjScia  von  tidvg 
u.  s.  w.,  diesen  bei  adjectivem  gebrauche  das  griechische 
keine  feminalbildung  auf  e^uc  (statt  €<r-m)  —  s.  indefs  oben 
&Bffmineiaj  und  vgl.  Ahrens  11.  188  — ,  noch  auch  wahr- 
scheinlich das  sanskrit  je  ein  as-t  (aus  as+t,  höchstens, 
wie  in  s&umanas-i,  aus  asa+l)  gestattet.  BilduDgen 
solcher  art  sind  nun  z.  b.  'AötvxgdrBia  neben  'ActvxQdrrjg^ 
' EQfioxQavhia,  auch  Kgdrita  als  simplex  philol.  I.  551.  — 
diOfii^Siucj  rj  von  Jiofi9j3tjg,  ovg  (unter  Zeus  rathschluis^  fii}- 
-tfog,  und  fürsorge  stehend? ;.  Vielleicht  MtjSHa  ähnlich  wie  in 


)  Evft^rtjq    als  name  mit    umgestelltem  accent.     Ueber   Ev^iftM  als 


Btadt  8.  eine  frühere  notc. 


etjmologische  spähne.  277 

ahd.  Regina  (oder  iAr}do(Uvri  xaxd?).    '^pxw<fm.  '^QX^ 
ftovXog,  kommen  dem  sinne  nach  althochdeutschem  Waltrat, 
Radoaldus  und  Raginald  (i.  e,  qui  Deorum  consilio 
adjutus  gubernat,  waltet)  Pörstem.  namenb.  1025,  nahe, 
und  dem  vomamen  meines  recensenten  Reinhold  Köh- 
ler. IlokvfitjSfi  neben  IloXvfiiidjjg  =  UokvßovXog,  -^  IlaKa- 
fi^Sr^g^  als  wegen  mancher  erfindungen  berühmt,   augen- 
scheinlich aus  «aAcf/o;  (vgl.  aoq>7j  x^iQ  die  band  wegen  ih- 
rer kunstfertigkeit)   mit  ^iridog  (anschlägigkeit),  indem  die 
eine  der  sich  wiederholenden  silben  (iri  wegblieb.     Emfi^- 
äTjg,  einer  der  idäischen  daktylen,  d.  i.  aussinner,  von  im- 
fiiqSoiiai  (also  ganz  anders  als  'Emfijjßsvg).    ^Jene  idäischen 
finger  (vgl.  so  eben  naldfirjD  waren  nicht  Mos  geschickt 
erz  zu  bearbeiten,  sie  verstanden  auch  kräuter  zu  lesen,  wun- 
den zu  heilen,  arzeneien  zu  bereiten*  Creuzer  ü.  309.  Vgl. 
sxicYi  XBiQiaoffog  name  eines  bildhauers  undX€/(^a)v.  —  „Von 
den  uns  erhaltenen  dichtem  ist  Pindar  der  älteste,  welcher 
den  Ganymed  zum  geliebten  des  Zeus  macht**  sind  werte, 
die   ich    des  Prof.  M.  H.  E.  Meier  art.  Päderastie  (abdr. 
aus  der  allgem.  encycl.  S.  11)  abborge.  Ohne  dies  zeugnüs 
könnte  man  sich  wohl  verleiten  lassen,  dem  namen  Favv^ 
fi^Sr^g  einen  obscoenen  sinn  unterzulegen,  um  so  mehr  als 
die  Römer,  ihr  der  tenues  wegen  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  aus   Etrurien   überkommenes   catamitus,    welches 
daraus  entstellt  worden,  nur  derartig  verwendeten.     Dann 
hieise  raW'fitjdfjg  gaudens  (von  yävvfiai,  vgl.  ravvyXtaaaog) 
genitalibus  {^i^S^a,  fii^sa)  s.  concubitu  Jovis,  wie  man  auch 
Hes.  Th.  989  (piXofifieiSrjg  ^AtpQoSixri  (doch  s.  Schneider) 
zuweilen:   „amans  genitalium  Venus*   auslegte.     Da  nun 
aber  FavvfiijStjg  schon  bei  Hom.  vorkommt,  haben  wir  viel- 
mehr den  namen  als  „sich  erfreuend  der  besonderen  sorge 
und  gunst  (allerdings  von  seite  des  Zeus)^  vorzustellen^  in 
naher  Übereinstimmung  mit  JiofiiiSrjg.—  Avxofii^Srjg  wie  ahd. 
Wolfrat,  Ratolf,  Raginolf,  was  sich  freilich  im  deut- 
schen vom  wolfe  als  Odinsthiere  begreift  Familienn.  s.  19. 
218,  schwerer  im  griechischen,  da  meines  wissens  der  wolf 
nicht  gleich  dem  fuchse  von  Seiten  der  anschlägigkeit  be- 


278  Po** 

rufen  ist  Etwa  vom  Apollo  ^vxiog?  —  Jioyi^sta  neben 
JioyiPfjg,  aber  auch  ein  Jtoykpuog  (von  Zeus  sein  geschlecht 
herleitend).  'Itpiyivua  (von  einem  machtversehenen  ge- 
schlechte). Xgvaoyivaia^  mutter  des  Chryses  (also  zum 
theil  gleichnamig),  neben  X^vaoyhfjg.  Auch  tiQiyiveuz  mit 
oder  ohne  '-HTaJg,  wie  fiowoyiveia,  xakkiyiveia,  Persephone. 
PreUer  I.  467.  —  Dann  mehrere,  die  mit  xkkog  hinten  zu- 
sammengesetzt werden.  Als  'AfupixXtiay  EvxXuay  JioxXeia, 
0B6xi,€iaj  'IsgoxlBia,  'PoSoxksucy  0ik6xlua  neben  *AfAg>ixXijg, 
EvxX^g*),  Jioxl^g^  Oeoxkijg^  'IsQOxX^g,  ^ikoxkijg.  'Inno- 
ßotiMx  dagegen  entnimmt  seinen  e-laut  dem  97  von  innoßo- 
rrjg,  ov,  nach  decl.  I.  Der  privative,  nicht  rein  negative 
Charakter  von  a-  aber  läfst  in  ^JlSgäateia  keinesweges  er- 
klärung  aus  dgacxrig  (fiigitivus,  fugitor,  ausreüser)  zu.  Denn 
es  könnte  wahrscheinlich  mit  nichten:  quae  nunqnam  fugit 
vel  cedit  bedeuten,  sondern  nur  „welche  keine  fiüchtlinge 
hat,  ohne  sie  ist^,  wie  z.  b.  ancug  nicht  bedeutet  „nicht- 
kind^  (kein  kind  seiend),  sondern  „nicht kinder  habend''. 
So,  um  dies  durch  ein  beispiel  zu  erläutern,  geben  die  lexika 
aßovtrig  Hes.  Opp.  451  „ohne  rinder''  wieder.  Richtig  und 
um  vieles  schöner  ist  der  sinn,  welcher  nach  strenger  ety- 
mologischer Wahrheit  darin  liegt.  Es  bezeichnet  nämlich 
einen  mann,  der  keine  rinderhirten  (ßovtijg)  braucht,  weil 
er,  als  nicht  begütert,  keine  rinderheerden  besitzt.  Vgl. 
äSovkog  fbr:  arm.  Anders  steht  es  mit  dem  Dibutades 
Plin.  35.  12  (Philol.  I.  550).  Der  name  bezeichnet  seinen 
träger  als  abkömmling  von  einem,  der  so  vermögend  ist, 
dafs  er  sogar  zwei  rinderhirten  halten  mufs.  ^AiSrig^  auch 
genitiv  *Aidog^  will  P7I  I.  150  fg.  als  vom  digammirt  und 


♦)  Zend  Ha-9ravanh,  name  dea  königs  Khosru  (Chosrew),  wird  von 
Born.  Y.  p.  451  n.  als:  nC|ui  a  des  belles  oreilles,  qni  entend  bien,  obSs- 
sanf*  erklilit.  Dem  etjrmologischen  buchstaben  nach  stimmt  es  ganz  tu  Eif 
xil^c.  Allem  vermuthen  nach  auch  im  sinne,  nicht  blos  weil  ^ru  (hören)  in 
den  begriff  des  rohmes  vielfach  hinttberspielt,  sondern  weil  sogar  in  den  ve- 
den  (s.  Benfey  glossar  und  vgl.  Kuhn  IV.  400)  su^r&vas  iür  »ruhmreich*' 
wirklich  vorkommt.  Auch  die  slawischen  mannsnamen  auf  -slaw  stimmen 
ein.  —  Beiläufig:  ist  'PtoftCO-qti^  oder  'PtutfitO-iiiK  etwa  Mithras  mit  zend 
radvaf,  nom.  ra6v4o  (brillant)  Brockh.  s.  389? 


•tymologlBche  sptthne.  279 

mit  aidofiai  in  verbindimg  stehend  (gleichsam  treniendus) 
betrachten.  Falsch.  Er  ist  der  finstere  ort,  worin  man 
nichts  sieht,  oder  Tielmehr  die  unsichtbare,  dunkle 
Seite  des  alls. 

Die  nymphe  Xgvaonikua  unstreitig:  goldtaube  {nk- 
Xbux).  'SiQ€i&via  (vgl.  oiSfiari  dviov  Hes.  Th.  109)  soll  al- 
lerdings  wohl  „bergstürmerin^,  wie  Pape  will,  bezeichnen, 
und  würde  sich  natürlich  eine  -^che  benennung  treffend 
ftr  die  tochter  des  Erechtheus^-^^cken ,  indem  sie,  vom 
Boreas  entf&hrt,  ihm  Zetes  un4  Kaiais  gebar.  Bedenklicher 
wäre  die  sache  mit  der  gleichiikmigen  Nereide  II.  18, 48  (und 
daher  auch  schiffsname),  ob^eich  man  sich  dabei  etwa  auf 
die  vom  stürm  in  die  höhe  gepeitschten  wogen  berge  berufen 
könnte.  (Von  den  bergen  her?  Erinnerung  an  skr.  v&ri, 
wasser,  verschmähe  ich,  als  zu  wenig  motivirt)  Das  cn 
ist  wenigstens  auch  von  späteren  dichtem  in  toQsalSovTtog 
(wenn  so  zu  lesen)  und  wgeltQOfpog  statt  oQ^irgoyog  Anal. 
2.  p.  517  nachgeahmt.  Vgl.  auch  Ahrens  dial.  Aeol.  p.  93. 
Mehrere  compp.,  wie  ükBöixagnog^  zeigen  nicht  minder  w 
statt  o.  —  In  allen  bisherigen  formen  zwang  ans  keine  noth- 
wendigkeit  zu  der  annähme  einer  ursprünglichen  8u£Bgi- 
rung  mit  s$ay  indem  sie  -sämmtlich  aus  hinzufügen  von  blo- 
Isem  -ia  sich  erklären  lieisen.  Wie  aber  nun  z.  b.  bei 
£v7toUfM6ia  neben  Einola^og^  oder  *Inno8a(Aua  neben  'In- 
noSafiog  (equorum  domitor.  Cic.)?  'jiatvSdfAua  hat  bei 
Pape  nur  'AtnvSdfiag  (vgl.  'InnoSafAag)  neben  sich,  ^ao- 
SdfAua  und  17.  In  den  maso.  liegt  zu  dem  t  in  der  diphthon» 
genz  kein  anlafs,  und,  will  man  die  fem.  nicht  als  verirrung 
in  falsche  analogieen  betrachten,  so  bliebe  kaum  etwas  an- 
deres übrig,  als  fOr  sie,  und  eben  so  für  ^JlSgaatua^  wenn 
auf  ein  äSgaorog  bezogen,  uns  nach  einem  suff.  auf  eiog^ 
eia  mit  ursprünglichem  €t  umzusehen.  Ein  solches  z.  b. 
in  x^^^og^  «/^*),  gekürzt  /^tStreog,  iri,  ^,  lat.  aur-ens  ist 
allerdings  vorbanden,  indem  dasselbe  unzweifelhafl  auf  skr. 


*)  Die  fraaenn.  MtXhua^  MtUrtj  bezeichnen  geirifs:  honigsUTs,  melle« 
^  (melenlum)  wie  rXvni^^v^    ohne  dafs  jedoch  die  fonn  dazu  genau  zu  stim- 
men schiene. 


990  Pott 

eya,  z.  b.  m&b^ya  (terrenus),  zorfickgeht  Leider  paist 
die  bedeutimg  gar  oicbt,  man  mü&te  denn  zu  der  patro- 
nymen  geltang  seine  Zuflucht  nebmen,  die  das  nümlicbe 
sufEx  im  Sanskrit  aucb  besitzt.  Man  urtheile  nun,  ob  in 
'AdQdattiu  u.  s.  w.  gleichfalls  eine  patronyme  enthalten  sei. 
Gründe  dafilr  lieisen  sich  aus  meinen  famUienn.  s.  578  und 
Schweizer  KZ.  IV.  63  (vgl  auch  Zeuis  gramm.  celt  U.  745 
eigenn.  auf  -ejus  von,  wie  er  meint,  keltischem  Ursprünge) 
schöpfen.  Indels  Ahrens  dial.  Aeol.  §.  48  kennt  zwar  patrou. 
auf  uoq  von  formen  auf  ri^  nach  decl.  3,  z.  b.  Jio(pavuog^ 
^iKoxQdvuoqy  was  immer  nur  für  die  endnng  -log*)  be- 
weist, aber  keine  von  og,  die  vielmehr  'AvT^fiax-iog^  *JbioX- 
XoScig-iog  geben.  Allein,  abgesehen  von  der  endkfirze, 
scheint  auch  begrijfflich  ASgäcTaux  sammt  seinen  obigen 
genossen  nichts  weniger  als  patronymisch  gefaist,  und  müs- 
sen wir  meines  bedünkens  demnach  zur  annähme  einer 
synekdrome  (Mehlhom  §.  116)  allerdings  greifen,  so  näm- 
lich dals,  obschon  unberechtigt,  auch  hier  (für  fem.  von  os) 
eine  motion  gew&hlt  ward  mittelst  eux  statt  ta.  Die  m5g- 
lichkeit  aber,  dsibASgaöTBux  nicht  sowohl  „die  unentflieh- 
bare,  die  unvermeidliche^  hieise,  als  vielmehr  in  abstracter 
auffassung  „  unvermeidlichkeit  ^,  die  möglichkeit  hievon, 
sage  ich,  läist  sich  kaum  beseitigen,  indem  ja  auch  ab- 
stracte  begriflTe  wie  Spes,  Virtus,  Jixf],  Eiqtivri  u.  s.  w. 
personification  keinesweges  ausschliefsen.  Vgl.  z.  b.  dfui&ua. 
Mit  weibemamen  auf  eux,  wovon  ein  masc.  schwer 
nachweisbar,  steht  es  nicht  selten  bedenklich  genug  mit 
der  entscheidung,  zu  welcher  masculinarbildung  gehörig 
man  sie  betrachten  solle.  Z.  b.  'Afidk&tia  EZ.  IV.  427. 
Also  z.  b.  aus  6i;^  (Lobeck  Path.  p.  41.  §.  11):  ßaeileut 
(regina)  von  ßaaUivg,    aber  ßaaik^ia  vom  verbum  ßaai^ 


*)  Ebenso  z.  b.  '^o/floc  (Argiros)  von  t6  ^'Aqyo^»  ^^  adjectivum  von 
aaieÜDf,  of,  auch  aavcio,  mit  t  aua  dem  v  in  aaTV,  wie  odcA^co?,  aSiX- 
9fMC,  aötl-qiifi  {adih^o^^  ^)  wegen  ^«i^i}^ ,  nnd  dSM^oq^  wahnch.  waa 
iitPÖQo^y  oder  weil  6Mqo¥  rednpL  aua  6qv^,  Vimwf  aiu  vhvq»  —  Uebrigens 
beachte  man  noch  insbesondere  bei  Lobeck  pathol.  p.  78 :  AßqoxiUuL^  \Aßqo^  , 
riXovq  &vydTfiq  und  ^Aqunotilna  Aiistotelis  filia. 


efcymologischa  spähne.  281 

kBva*^  —  beide  mithin  ohne  das  v,  was  erst  zum  conso- 
nant  (digamma^c)  umgewandelt  and  sodann  (suc  statt  ejc-ia) 
aosgestofsen  worden.  Nun  würde  man  aber  doch  sehr  ir- 
ren, z.  b.  ödXsia  (vgl.  &aXifj**)  bei  Pape)  auf  eine  form 
mit  evgy  oder  auf  fjg  (vgl.  KcAXi&akrjg^  von  blühender  Schön- 
heit. Vielleicht  auch  QaX^g  s.  v.  a.  Florus)  zu  beziehen. 
Es  setzt  vielmehr  (wie  &i]i.9ia  von  &ij}Lvg,  rjdsia  von  tiSvg) 
ein  adj.  auf  v^  voraus,  in  analogie  mit  dem  frauennamen 
rivxBia  (rivxla\  und  bedeutet  also  wahrscheinlich  unge- 
fähr so  viel  als  die  blühende  (vergl.  QäXlovaa).  Dagegen 
'SixäXsia  (sowie  der  bach  und  flecken  des  namens '/2xaA^a, 
ep.  -ii;)  ist  doch  unstreitig  fem.  von  (bxaXiog,  17,  ov,  schnell, 
ein  epitheton,  das  sich  für  einen  bach  recht  gut  schickt.  — 
*Piaf  ep*  und  ion.  'Firj,  'Pdri,  auch  'Peia  Hes.  habe  ich  be- 
reits etymol.  forsch.  11.  178  dem  skr.  urvf  (erde)  fem.  vom 
adj.  urü  (statt  varü,  woher  noch  die  Steigerungsformen) 
gleichgesetzt,  so  dals  es  eine  kürzung  wäre  von  evQBia 
(das  €  im  zweiten  diphth.  statt  dig.  und  la  =  skr.  -t), 
mag  nun  der  anlaut  als  vokal  oder  (glaublicher)  als  con- 
sonant  (vgl.  oben  BQaSdfiav&vg)  gewichen  sein.  Mir  er- 
scheint diese  gemahlin  des  Kronos,  obgleich  tochter  des 
Uranus  und  der  Gäa,  oder  vielmehr  gerade  deshalb,  mit 
letzterer  dem  begriffe  nach  ganz  identisch,  nämlich  die 
erde  (vgl.  Pyl  I.  124).  Man  wird  diese  benennung  unse- 
res planeten  aber  um  so  natürlicher  finden,  als  die  alten, 
welchen  die  erde  mehr  als  uns  eine  unendliche  fläche  schien, 
auf  welche  überall  am  horizonte  der  himmel  aufstöist,  voU 
sind  von  epitheten,  wie  svQvoSsit}^  BVQvnsSog,  svQvavBQVog 
y^,  yaia  und  svgvidfjg  x^^^'  'Peicivt]  (Hera)  :  'P^ia  = 
Jiwytj :  Jiog  (Zevg).    Es  sind  patronyme  formen,  wie  denn 


*)  'Ayr^ia^  ayurrUay  ayxiatqtia  (aber  auch  ayiatla^  ayutunqta)^  dy- 
XiGTtCay  noXiTiia  u-  s.  w.  von  yerben  auf  ^evu. 

**)  eaXi9i  (v.  1.  "^AXCij  Hes.  Th.  248)  aU  Nereide  hat  vieUeicht  &  nur 
eines  falschen  hinblickes  nach  QaXaaaa  inregen.  Darin  eine  mundart- 
liehe  entotellnng  ana  itpdXtoq  oder  gar  einen  kostbaren  ttberrest  der  sanskr. 
präp.  adhi  (anf)  zu  suchen,  lasse  ich  mich  nicht  verleiten.  Aber  warum 
sollte  nicht  auch  eine  Nereide  wegen  ihrer  Schönheit  vom  blühen  benannt 
aein?^ 


283  Pott 

Jmv^  bei  den  Epiroten  ass^f/Joa  Strab.  VH.  329.  Aber  auch 
die  ihr  bei  ApoUodor  als  tochter  des  Uranus  und  der  Gfta 
gegebene  genealogie  setzt  sie  mit  dem  himmel  (skr.  div) 
in  beziehung.  Auf  PyFs  etwas  wilde  zusammenstellangen 
s.  123  einzugehen  habe  ich  jetzt  nicht  lust.  Es  werde  nur 
bemerkt,  dafs,  wenn  auch  die  s.  119  beigebrachten  namens- 
formen FHPA  flir  Hera  und  FHPAKAHg  statt  Herakles 
wirklich  grund  haben,  sie  darum  noch  nicht  mit  'Ptla  in 
Zusammenhang  zu  stehen  brauchen.  Vielmehr  yerharre  ich 
jetzt,  seit  nachweis  des  digamma  in  dem  worte,  um  so 
mehr  bei  meiner  erklämug  der  Here  als  luft  (aura),  als 
im  äol.  oißiqQ  statt  aiqg  und  aiiMai  statt  aelkai  (Ahrens 
dial.  Dor.  p.  36)  ein,  sei  es  nun  durch  präfi^rung  (z.  b. 
das  skr.  part.  &-vät  blowing,  griech.  aelg)  oder  metathese 
ins  innere  gebrachtes  digamma  enthalten,  was  auch  von 
der  Sanskritwurzel  v&  (wehen)  verlangt  wird,  aus  welcher 
Yayu  (gott  des  windes),  väta,  väti,  luft,  wind  u.  s.  w. 
ausgehen.  Hiedurch  würde  aber  aufs  allerbestimmteste 
eine  beziehung  zu  Xapa,  Xi^ga  (Pyl  s.  125)  oder  auch  lat. 
hera  abgeschnitten,  weil  ein  Wechsel  von  digamma  oder 
asper  mit  x  ^^d  lat.  h'  auf  der  anderen  seite  ein  reines  hirn- 
gespinnst  ist,  von  Unwissenheit  erzeugt  und  wider  alle  Wahr- 
heit fortgepflanzt.  Einen  etymologischen  Zusammenhang  von 
"Hga  mit  skr.  svar  (himmel),  woher  Sür-ya  (d.  i.  coele^ 
stis),  sonne,  möchte  ich  begrifflich  noch  nicht  schlechthin 
verreden.  In  diesem  falle,  der  dann  aber  ausgehen  des 
Wortes  von  wrz.  vä  unmöglich  machte,  müfste  der  asper, 
wie  öfters,  a^  zusammen  vertreten.  Nur  fbgt  sich  die 
übrige  form  des  namens,  insbesondere  das  lange  97,  schlecht 
dazu.  Als  von  sürya  (sol)  verschieden  weist  G.  Curtius 
das  griech.  v^og  nach  KZ.  I.  29  f.  —  Ob  die  FalaTsia, 
wie  rakijv9j,  tochter  des  Nereus  und  der  Doris,  zwar  wohl 
nicht  die  windstille,  welche  den  Seeleuten  verhafst  ist,  aber 
doch  etwa  eine  ruhige,  sturmlose  see  bezeichne,  weifs  ich 
nicht  zu  sicherer  entscheidung  zu  bringen.  (So  auch  Pyl 
6.  202,  dessen  Galathea  mit  th  mir  jedoch  unbekannt.)  Der 
name   des  arztes  FaXijvog  rührt  von  yahjpog  und  gehört 


etymologiaehe  spihne.  883 

daher  in  eine  namenreihe,  welche  rohe  und  friedeneliebe 
aihmet«  Meine  familienn.  s.  610.  Man  trage  daselbst  auch 
noch  aus  Kopitar  Hesych.  p.  37  slawisch  Tichotas  nach 
(Tacitum  Latine  dicas,  Graece  Hesyehium).  Vei^l. 
Ahrens  dial.  Dor.  p.  119.  Schneider  wb.  y^kavijg^  als  ob 
von  yBkäPy  heiter  ausseben,  das  in  ytXaaia  kurzes  a  hat, 
wie  rükatBia,  Vgl.  z.  b.  'Egavta  von  igaroq.  —  Was  die 
vermeintlichen  Verlängerungen  im  epos  anbetriffi;,  so  bin 
ich,  wenn  damit  gesagt  sein  soll,  die  epiker  hätten  der- 
gleichen rein  willkürhch,  ohne  allen  Vorgang  in  der  gang- 
baren rede,  geschaffen,  gegen  solches  vorgeben  überaus 
müstrauisch.  Nur  einige  beispiele.  '^arvoxsia  ep.  statt 
'Aatvoxv  ^OQ  *^aTvoxog.  Wafid&eia  poet.  statt  Wafid&rj, 
tochter  des  Nereus,  also  sicher,  wie  'Aftäd-eia,  vom  sande 
benannt.  *I(pifjLiSeia  neben  ^ItfifAiStjy  EifQVfiiSfj»  Aaofiidua. 
Kttcadntia  =  KaaaioTttj.  tltiv^Xonua.  'Ytpinvkua  (hoch- 
pfortig,  d.  h«  doch  wohl  in  palästen  mit  hohen  pforten  woh- 
nend) u.  8.  w.  Lobeck  Parall.  p.  321.  Kv&iQeia,  Kv&iQtjf 
Kvd-tiQTi  von  tä  Kvd-riQa.  Betrachte  ich  diese  letzte  na- 
mensform, so  werde  ich  fast  zu  dem  glauben  getrieben,  der 
name  der  Athene  rühre  als  gentile  vom  stadtnamen  Athen, 
so  dafs  man  sich  mit  aussieht  auf  erfolg  nur  in  betreff  die- 
ses zweiten  bemühen  dürfte.  Wie  wenig  nun  auch  noch 
zur  zeit  des  homerischen  epos  Athen  gegolten  habe:  die 
namensform  der  göttin  führt  auf  namensursprung  daher,  wie 
befremdend  dieser  an  sich  sein  möge,  will  man  nicht  mit 
Pyl  (wegen  'Av&igy  das  aber  kaum  mit  ß-ig^  &iv6g  etwas 
zu  thun  hat)  geradezu  dabei  an  eine  ufergöttin  denken. 
Freilich  bliebe  mögUch,  dafs  die  Athener,  eben  mit  ups 
des  anklingenden  namens  willen ,  die  Athene  gleichsam  als 
ihnen  ausschlieislich  zustehende  lokalgottheit  zu  betrach- 
ten, sich  erst  allmälig  gewöhnt  und  danach  auch  deren  na- 
men  ein  wenig  umgebogen  hätten.  A&rjvä  ist  natürlich 
aus  A&fjvda  zusammengezogen.  Wenn  man  aber  nach 
einer  schlecht  begründeten  phrase,  A&Tjvala,  'A&ijvaifjf  für 
eine  poetische  „zerdehnung"  ausgiebt,  so  bin  ich  mit  Ah- 
rens dial.  Aeol.  p.  100  vielmehr  der  umgekehrten  meinung. 


284  Pott 

es  sei  in  ^Ad-tiväa  dfts  ableitende  i  (vgl.  z.  b.  AaMSatfAov^ 
log^  V  Mtxxeäovifi  yij  Her.)  ausgefallen,  welches  sich  bei 
Wörtern.  1.  decL  mit  deren  a  zaai  (z.  b.  äyogaiog^  Alyaioq 
von  der  insel  Alyai,  *Aq>i8vaiog  aus  *'Atpidva)  verbindet.  Es 
wttrde  demnach  das  wort  mit  dem  gemiedenen  17  A&nvaia 
(von  6  'Ad-rivaiog)^  die  Athenerin,  wesentlich  identisch  sein, 
nur  etwa  mit  dem  unterschiede,  dafs  in  jenem  eine  andere 
ergänzung  (sc.  &Bd')  geboten  w&re.  Was  aber  die  formen 
ep.  und  lon.A&rivri^  dor.  A&dva*)  anlangt,  so  möchteich 
gern,  statt  sie  f&r  die  ursprünglichen  zu  halten,  vielmehr 
darin  entstellangen  durch  gänzliche  Verwischung  der  con* 
traction  erblicken.  Vergl.  nicht  nur  contr.,  wie  MBviXag 
ans  Mavilaog^  sondern,  insbesondere  aueh  noch  wegen  Zu- 
rückziehung des  accents,  das  fut.  z.  b.  rvtl^o)  statt  des  re- 
gelrechteren dor.  tvipw  statt  tyn-altoy  ^aito  et  forsch.  I.  115. 
Lobeck  ist  Parall.  p.  300  in  sofern  der  gleichen  meinung, 
dafs  auch  ihm  Ad'fjvaia  als  adj.,  aber  als  sein  primitiv 
nicht  Ad-i^vri  oder  'Adi^vai  gilt,  sondern  der  name  der  göt^ 
tin  Ad'ijpf]  (was  subst  sei)  selbst.  IlaXXäg  A&9Jvt]  (vgl. 
Pyl  s.  137)  bedeutet  demnach,  meines  bedünkens,  die  speer- 
schwingende (iyx^^'^^og)  Athenerin,  oder  auch:  die  athe- 
nische speerschwingerin.  Den  grnnd  der  benennung  von 
Axctätj  /IrifiiittiQ  Her.  5,61  als  Achiva  anzugeben  mag  schwer 
sein.  Dadurch  wird  aber  die  von  Pape  beigebrachte  er- 
kl&rung  „die  um  Persephone  klagende^  um  nichts  gebes- 
sert: vom  neutr.  äxog  könnte  regelrecht  nur  eine  form  mit 
u  (und  nicht  or/,  trotz  eines  solchen  wechseis  im  dorischen 
Ahrens  p.  185)  ausgehen.  —  Nach  Lobeck  path.  s.  76  be- 
zeichnen ^OMT,  kkala  den  bäum,  die  nicht  jotirten  Qody  kXaa 
(oliva)  dessen  fruchte.  Das  kann  seinen-  guten  grund  ha- 
ben, wiewohl  der  Sprachgebrauch  nicht  immer  streng  un- 
terschieden zu  haben  pflegt.  Die  baumnamen  sind  ableitun- 
gen,    nach  art  von  Tcgaveia,  xgaviiXy  xQavia  von  xqccvov; 


*)  Wenigsteiu  spielend,  weil  diese  g5ttin  aas  dem  hanpte  des  Zexu  so- 
gleich in  voller  rttstong  entsprang,  könnte  man  aus  ihrem  namen  den  begriff 
„die  ungesäugte''  herausdeuten.     Vgl.  a^ilo;,  yaXaO^rivoq. 


etymolosbclie  spühne.  286 

avxr^  von  ovxov  u.  8.  w.,  so  daTs  ihr  mit  dem  voraufgehen- 
den  vokal  verwachsenes  jota  eigentlich  dem  antretenden 
snffize  angehört    Vgl.  Lob.  Parall.  p.  337. 


6.     JioqxoQoi^  Jloqtcovqoi. 

Es  mag  der  treffliche  Döderlein  Gl.  Hom.  no.  757 
recht  haben,  wenn  er  in  xovQog,  xovQfj  wehrfähige  Jun- 
ker und  edelfrftulein  sehen  will  aus  dem  kriegerstande,  nicht 
schlechtweg  junge  leute  dem  alter  oder  der  kindschaft 
nach.  So  weit  er  aber  diese  meinung  auf  eine  beziehung 
jener  Wörter  mit  xogvaaeiv  im  sinne  von  ^streiten,  kftm« 
pfen^  gründen  will,  hat  er  die  etymologische  berechtigung 
hiezu  durchaus  nicht  dargethan,  und  sdieint  sie  mir  auch 
w^en  des  lautüberschusses,  der  in  dem  verbum  steckt, 
völlig  unglaubhaft,  zudem  letzteres  vermuthlich  auch  nur 
in  übertragener  bedeutung  obige  bedeutung  hat  Mit 
Vorführung  vermeintlicher  primitivformen,  die  blofse  gebilde 
unserer  mehr  oder  minder  lebhaften  einbildungskraft  sind, 
wie  eine  grofse  zahl  der  von  Döderlein  grofs  gedruckten 
sogenannten  Wörter  (ich  kann  leider  dies  gestSndniTs  nicht 
umgehen),  z.  b.  hier  xigsiv,  perf.  xixoQa^  ist  es  ohndiin 
nicht  gethan,  sondern  es  bedarf,  wo  immer  möglich,  des 
nachweises  ihrer  leibhaften  Wirklichkeit  irgendwo  oder 
irgendwann,  sei  es  im  drinnen  einer  spräche,  oder  in 
ihrem  durch  Verwandtschaft  mit  ihr  verbundenen  drau- 
fsen.  Femer,  woher  weifs  man  so  gewifs,  dafs  (s.  no.  766) 
xoQogj  der  junge  mann,  nur  als  eine  attische  Verkürzung 
von  xovQog  gelten  könne?  Wie,  wenn  der  fall  gerade  um- 
gekehrt läge?  So  scheinen,  wie  D.  148  selbst  annimmt, 
äovgog  Sovga  neben  Sogv,  yovvog  sammt  andern  formen  von 
^ovv  =  genu  mit  ov  diesen  diphth.  blolsem  übertreten  des 
V*)  vom  ende  zu  dem  o  etwa  so  zu  verdanken,  wie  häufig 


*)  Ein  höchst  beachtenswerthes  bcispiel  ähnlicher  ort  bietet  sich  nns 
vielleicht  in  folgender  wahmehmong  bei  Lobeck  parall.  p.  802  dar:  Scythiae 
regio  ailvestris,   quam  Herodotos  'YXaftiv  appellare  solet,    a  Scymno  fragm. 


296  Pott 

im  fem.  z.  b.  auf  aiva  statt  av-ia  [vgl.  Aufrecbtl.  120  d.  Z.J. 
Doch  diese  angelegenheit  kümmert  mich  bei  meinem  zwecke 
wenig.  Wichtiger  ist  fUr  mich  der  umstand,  dafs  eine  unl&ug* 
bar  indogerm.  spräche,  das  kurdische,  in  ihrem,  jedoch  blos 
männlichen  k u r u  (figlio^,  kuru  piciuk  (eig.  figlio  piccolo) 
Bambino,  infante.  Garzoni  p.  60.  97.  146.  167  einen  aus- 
druck  besitzt,  der  dem  griechischen  zum  sprechen  ähnlich, 
und  deshalb  wahrscheinlich  auch  etymologisch  gleich  ist*). 
Ich  glaube  nämlich  hiemit  Bopp's  vermuthung  (gloss.  p.  77), 
als  seien  xogog,  jcovgog  durch  wegfall  der  mittelsilbe  aus 
skr.  ku mär a  entstanden  (trotzdem  dab  fieigdxiovj  vgl.  we- 
gen des  ansganges  naXkaxioVf  einen  grofsen  schein  za  gun- 
sten  der  ableitang  erweckt),  gleichwohl  zurückweisen  zu 
müssen.  Wo  nicht  unmöglich,  doch  schlechterdings  un« 
glaublich,  dafs  zwei  sprachen,  unabhängig  von  einander, 
genau  auf  dieselbe  weise  dasselbe  wort  um  eine  stark  be- 
deutsame silbe  gebracht  hättenl  Kumära  bedeutet  nach 
Bopp  (s.  auch  Wils.)  1)  Puer  qui  ad  quintum  annum  non- 
dum  pervenit.  Das  hindert  aber  nicht  den  gebrauch  für 
2)  Princeps  juventutis,  regni  heres,  wie  der  Spanier  die 
nachgebomen  prinzen  mit  dem  ausschliefslichen  namen  In- 
fante (das  kind)  beehrt  und  die  Prinzessinnen  Infantas 


V.  105.  *'YßXa  dicitur  correpta  ultima,  id  est  vkr}.  Ist  der  schlufa  richtig 
(in  welchem  falle  auch  die  Ortschaften  "K/^Aa  anf  Sieilien,  so  gat  wie  die 
Stadt  "YXtj^  "Ylou  in  Bootien,  Waldgegenden  anzeigten),  dann  nrnfa  man  ihr  ß 
(vgl.  lat  Silva  =3  vkrj)  vom  ende  in  das  vordertheil  des  wortes  eingedrun- 
gen betrachten.  So  Nanti  (saltus).  Wie  verhält  es  sich  aber  mit  fiovroq, 
rowroq  u.  s.  w.?  Zu  orjlo(  statt  oJloQ  s:  sanskr.  sarvas  (lat.  salvns  verm. 
als  ganz,  heil,  osk.  sollus,  woher  z.  b.  solloferreum,  gr'iech.  oXoaCSriQoq. 
"Olßioq'f)  gäbe  send  haurva  ein  passendes  analogon,  nur  dafs  im  send  nicht 
blos  a  aus  u,  V  von  hinten  ttbertritt,  sonden,  da  leUteres  nicht  dabei  ver- 
loren geht,  eher  unter  die  kategorie  der  assimilation  als  metathese  fällt.  Eben 
so  griech.  novXv  :  zend  pdura  =3  noXv  :  skr.  pnrd.  Man  lernt  hierans, 
meine  ich,  dafs  Battmann  unrecht  habe,  ovXai,  oXal  von  aXehf  herzuleiten 
wegen  der  merkwürdigen  syrakusanischen  form  oXßaxötov  (oder  oXSax^u» 
▼on  xa^oi?)   statt  ovXfjxoioy  Ahrens  dial.  Aeol.  p.  61.  67   und  im  Phuologos 

VI.  650.     Denn  in  äXivqov  scheint  v  blos  ableitend,  wie  in  df^yvqoq. 

*)  Kaum  zu  xv/w,  gebären.  Skr.  kula  (familie,  stamm)  darf  wohl 
eben  so  wenig,  als  xÜmg,  söhn,  herbeigezogen  werden.  Zu  x6Qoq,  Sättigung, 
pafete  zur  noth  sanskr.  car  (to  eat),  woher  man  caru  (opfergabe)  ableitet, 
wäre  dies  verbum  selber  mehr  gesichert 


etymologiflclie  sptthne.  )87 

heifst,  nach  jener  ausdrncksweise,  welche  ,die  regierende 
familie  als  die  &milie  per  ezcellentiam  behandelt  und  da- 
her Madame  (la  fiUe  ain^  du  Roi),  Monsieur  (le  fr^e 
du  Koi),  Monseigneur  (le  Dauphin  fils  du  Roi  Louis 
XIV)  von  gewissen  personen  aus  dieser  familie  gebraucht 
Endlich  3)  ist  es  beiname  des  krieg^ottes  K&rtikeya.  Wftre 
das  griechische  wort  wirklich  dem  kumära  gleich  zu  ach- 
ten, so  folgte  auch  fthnÜchkeit,  obsohon  nicht  zugleich  noth- 
wendig  in  ihrem  wesen,  doch  in  ihrem  namen  zwischen 
der  Kogti  (Persephone),  ja  auch  Kog-ia  (d.  h.  doch  wahr- 
scheinlich ?;  nctQ&ivia^  die  jungfräuliche)  als  beiname  der 
Athene  (virgo  bellica  Ov.  SiL,  vergl.  nag&evciv)  und  Arte- 
mis (virgo  dea  Ov.  Mart.  s.  Freund),  auch  Kogog^  Kovgog 
(Jacchns)  Creuzer  lU.  368.  aufl.  2  mit  der  Kumftri  oder 
der  furchtbaren  Durg&,  wovon  das  Cap  Komorin  den 
namen  fbhrt.  Auch  Kogiwa  (vergl.  ßccaiktwa)  gehört  in 
diese  namenreihe,  wie  Virginia  und  ihr  vater  L.  Virgi- 
nius,  was  der  bildung  nach  gleich  mit  üagdiviog^  welches 
aber  vermuthlich  von  der  Athene  als  nag&ivoq  ausgeht 
Als  appellativ  bedeutet  aber  kumari  (ungleich  seinem  masc. 
in  betreff  der  zahl  der  jähre)  ein  mädchen  von  12  oder 
noch  mehr  jähren,  überhaupt  vor  ihrer  mannbarkeit  G.  Cur- 
tius  verwirft  jedoch  im  Philologus  UI.  s.  741  die  Boppi- 
sche  Zusammenstellung,  wie  ich,  als  zu  gewaltsam,  ersetzt 
sie  aber  durch  eine  anknüpfung  von  xovgog  nebst  xvgog^ 
xvgiog  an  skr.  ^üra-s  (heros),  die  ich  meinerseits  nicht 
gut  heiisen  kann.  Ich  habe  nämlich  püras,  wozu  das 
kurd.  kuru  ohnehin  nicht  pafst,  weil  hier  k  nie  für  9  ein- 
tritt, in  verdacht,  zu  den  Wörtern  zu  gehören,  welche  ein 
unrechtmäfsiges  9  (welchem  allein  griech.  x  entspräche) 
besitzen  statt  eines  s,  wie  ^vapura»,  lat  socer,  ixvgog; 
(^ush-ka,  zhush-ka,  lat.  sic-cus,  griech.  avog  (mit  Ver- 
lust beider  ziscUaute,  vgl.  pöshita),  was  daher  Döder- 
leins  herleitung  des  mons  Aventinus  daraus  (61. 1.  157)  ge- 
radeweges  zur  Unmöglichkeit  stempelt.  Was  könnte  man 
nämlich  gegen  eine  entstehung  von  ^üra  aus  su  (ev)  + 
vtra  (held,  lat.  vir)  haben,    da  vi  recht  gut  (wie  freilich 


286  Pott 

häufiger  a  aus  va)  sich  zu  ü  verdichten  mochte,  und  fikr 
ein  solches  compositum,  aufser  suvtrya  (1.  Great  vigour, 
2.  frucht  der  Jujube),  auch  s&uvtra  als  n«  Jujube,  als 
m.  pl.  säuvfr&s  name  des  Volkes  der  Suvtra  zeugt? 
Deshalb  d&chte  ich  weit  lieber  dabei  an  griech.  iJQwgf  und 
zwar  ohne  bedenken,  wftre  noch  eine  spur  von  v  in  letz- 
terem, die  aber  vielleicht  durch  contraction  (vgl.  ^vg^  gen. 
tfiog^  mit  skr.  su,  als  erstem  demente  in  ^üra,  oder  äi^g 
statt  avijQ)  früh  eingeschwunden  war.  Sonst  könnten  auch 
f&r  fJQwg  Verbindungen,  wie  skr.  sa-vrtda  schamvoll,  sa« 
9anka  furchtsam,  auf  comp,  mit  sa  (mit)  und  einem  abstr. 
(vgl.  skr.  vtrya  mannheit,  lat.  virtus)  fuhren,  das  in  dem 
räthselhaften  co  mit  versteckt  wftre. 

Die  zusammenrückung  von  dem  pl.  xovgo$  mit  ihrem  gen. 
in  JiogxovQoi  (unter  beibehaltung  nur  eines  accentes),  wie 
streitbar  man  sich  auch  dies  brüderpaar  vorstellt,  besagt 
doch  nach  dem  homer.  gebrauche,  wo  xogog,  xoQfj  auch  auf 
kinder  geht,  sicherlich  nichts  weiter  als  „des  Zeus  söhne'', 
und  zweifele  ich  überhaupt  daran,  ob  diese  Wörter  je  von 
vom  herein,  und  schon  durch  ihr  etymon,  gleichsam,  wie  Dö- 
derlein  will,  auf  junge  leute  von  adligem  stamm  beschränkt 
waren.  Die  entwickelung  der  begriffe  von  puer,  knabe, 
knapp  etc.  können  zeigen,  dafs  man  erst  nachmals  zuweilen 
von  Wörtern  in  verschiedener  richtung  anwendungen  machte, 
die  von  ihrem  etymon  keinesweges  vorgeschrieben  waren. 

Gehen  wir  jetzt  zu  der  Dioskuren  besondem  namen 
über.  Was  bedeutet  IIokv3Bvxi]g?  Dals  es  dem  jetzigen 
scheine  nach  vollkommen  sprachrichtig  „multum  habens 
dulcedinis''  —  von  dsvxog  (vielleicht  mit  «;,  wie  kretisch 
BV&Blv  statt  iX&Biv^  oder  avaog  statt  äXoog  u.  s.  w.  Ährens 
dial.  Aeol.  p.  111,  vgl.  dulcis)  statt  yXsvxog  —  übersetzt 
werden  könne,  steht  nicht  zu  bezweifeln.  Ob  aber  auch 
müsse,  hat  dies  gegen  sich,  dafs  der  name  zu  allgemein 
und  zu  wenig  charakteristisch  wäre  fEUr  seinen  träger,  was 
aber  auch  z.  b.  vom  Javxakioov  gölte  (wenn  aus  einer  ver* 
längerung  des  adj.,  wie  d)xaUog  statt  üxvg  etymol.  forsch. 
II.  589)  oder  auch  vom  lloXvfpriiiog  (famosus).     Aus  die- 


etymologische  spüline.  288 

sem  gründe  pflichte  ich  Pyl  I.  174  gern  bei,  dafs  sich  von 
selten  des  begrifis  anknüpfnng  des  namens  an  XBVxog^  lu- 
cere,  um  vieles  besser  für  die  Dioskuren  in  ihrer  eigen- 
Schaft  als  lichte  steme  (wie  Jlolvfivla  &lt  die  muse  des 
gesanges)  schickte,  und  zwar  nicht  nur,  weil  XswcmTtog 
(weifsrois)  ihnen  als  Epitheton  beigegeben  (Yalck.  Phoen.  609), 
sondern  auch  weil  Jupiter,  ihr  vater,  Lucetius  (vokativ 
Leucetie  in  Carm.  Sal.  nachBergk  philol.  111.747),  eig« 
wohl  der  blitzende,  zubenannt  wird.  Nur  auf  Polluces 
oder  Pol  lux  von  gänzlich  unlat.  gepräge  soll  man  sich  nicht 
berufen  wollen.  Ihr  11  verdanken  diese  formen  nur*  einer 
assimilation  (aus  It,  Id),  indem  den  Bomem  der  name  erst 
durch  die  Tusker  als  Pultuke  (mit  vorderem  u  und  t 
fbr  o  und  S  wegen  mangels  an  o  und  der  media)  übermit- 
telt wurde.  Der  Wechsel  von  A  und  S  inzwischen  ist  im 
griechischen  (s.  früher)  sehr  selten,  fände  aber  für  gegen- 
wärtigen fall  vielleicht  in  dem  triebe,  dem  lambdakismus 
zu  entgehen,  seine  besondere  rechtfertigung.  Dafs  sich 
kein  nominales  neutrum  auf  og  im  sinne  von  weifse,  wie 
die  compp.  auf  t^g,  ovg  es  verlangen,  vorzufinden  scheint, 
dürfte  wenig  anstofs  erregen  gegen  diese  erklärung.  Auch 
würde  sich  wohl  etymologisch  ^evxo&ia  anreihen,  sei  es 
nun,  dais  sie  vom  weifsen  schäume  des  meeres  (Creuzer 
IV.  27)  den  namen  fähre,  oder  dafs  dieser,  wie  vielleicht 
inAlbunea,  alsMatuta,  auf  die  ersten  weifsen  lichtstrei- 
fen am  horizonte  hinziele  (ital.  alba,  franz.  aube  morgen- 
dämmerung)  beim  grauen  des  tages,  lat.  al beute  coelo. 

Wir  kommen  zum  KdorwQ.  Dessen  name  ist  von 
mir  bereits  etym.  forsch.  II.  271  in  etymologische  Verbin- 
dungen gebracht,  die  wieder  aufzugeben  ich  noch  keinen 
grund  sehe.  Dafs  der  anklang  an  den  thiemamen  xäat(OQ*) 
wenigstens   mit  bezug  auf  den  Heros  eine  blofse   sinnen- 


*)  KaatoiQ^  castor  vielleicht  zu  xteititi',  oder  zu  der  fonn  für  cac- 
dere,  welche  in  castrare  (s  statt  d)  zu  stecken  scheint,  nicht  weil  der 
biber,  zufolge  der  lächerlichen  sage,  den  jttgem  zu  entgehen,  sich  des  biber- 
geils,  weshalb  sie  ihn  jagen,  selber  durch  abbeifsen  entledige,  sondern  weil 
er  holz,  gleich  dem  Zimmermann,  zu  seinen  baaten  bearbeitet. 
V.     4.  19 


190  Pott 

t&u8chang  sei  ohne  tiefere  Wahrheit,  ist  bereits  von  Lobeck 
angemerkt.  Eine  anlehnung  aber  an  aaTf]Q  entweder  unter 
(schlechthin  willkürlicher)  annähme  gutturalen  w^alls  im 
anlaute  (Pyl  I.  93)  oder  als  comp,  mit  xal<o  (Welker, 
Zo^ga  bei  dems.  s.  174;  vei^l.  auch  die  grofse  vokalver- 
schiedenheit  in  xavaxriQ)  besteht  —  in  beiderlei  weise  — 
mit  den  anforderungen  der  analogie,  dieser  für  den  Sprach- 
forscher so  hohen  göttin,  dais  er  sie  ungestraft  höchst  sel- 
ten verletzt,  mit  nichten,  und  sind  diese  erklfirungen  des- 
halb in  der  that  —  träum  und  eitel  schäum.  Obgleich 
sich  der  o-laut  hinten  in  einem  comp,  sogar  durch  die  ana- 
logie  s.  b«  von  EimdxiaQ^  ^citpgwVf  Evijvwq^  'jiyijvwg  u.  s.  w. 
stützen  lielse,  was  hülfe  es?  Crewinnt  man  daraus  eine  ar- 
dens  Stella?  Nimmermehr.  Denn,  ich  will  nachgiebig  sein, 
und  nicht  gerade  eine  participialform  (z.  b.  xiavr^  nom. 
xiag)  in  einem  solchen  karmadh&raya  (vgl.  z.  b.  MayaXo- 
nohg  statt  fuyakti  nokig)  verlangen;  aber  doch  auf  einer 
adjectivform  (von  xalo),  xdtOy  fiit.  xavato  und  daher  verm. 
mit  einem  v  als  grundelement)  müfste  ich  in  dem  comp, 
nothwendig  bestehen.  Ein  solches  adjektivum  jedoch  ist 
meines  wissens  nicht  voriianden  und  hätte  auch  unvermeid- 
lich dem  a  in  Kaarwg^  in  seiner  ihm  beigelegten  Verbin- 
dung mit  äartjQj  lange  quantit&t  mittheilen  müssen.  Es 
ist  verdriefslich,  sich  in  der  etymologie  so  oft  noch  mit 
Widerlegung  von  etymologieen  so  schlechthin  unhaltbarer 
gattung,  wie  die  genannten,  befassen  zu  müssen.  Dals  Kd- 
arwg  ein  nom.  ag.  verbalen  Ursprungs  (wie  (iif rai()  u.  s.  w.) 
sei,  und  nichts  anderes,  unterliegt  vernünftiger  weise  kei- 
nem zweifei.  Man  hat  nur  zu  fragen,  welche  bedeutung 
das  gesuchte  verbum,  und  danach  sein  derivat,  habe.  Dürfte 
man  sich  unbedingt  dem  glauben  hingeben,  zu  lat.  c an- 
dere (etwa  sammt  incendere)  u.  s.  w.  habe  auch  der 
Grieche  ein  gleichstämmiges  verbum  ohne  nasal  besessen: 
dann  griffe  man  muthig  zu  der  Übersetzung:  Glänzer,  etwa 
so  wie  der  planet  Merkur  beim  Aristoteles  de  mundo  2,  8 
-SViA/9wy,  eine  tochter  des  Helios  ^afimvirj,  heifst.  Wie 
oft   wird   doch  von  sonne,    mond  und  Sternen  candens 


etymologiflohe  spiüine.  291 

gebraucht,  und  Ennius  beim  Cicero  sang:  Aspice  hoc  su- 
blime candens,  quem  invocant  omnes  Jovem  (Prichard 
myth.  s.  21),  worunter  er  den  ganzen  leuchtenden  himmel 
=  Jovis  (skr.  dyaus  himmel,  von  div,  leuchten,  eben- 
falls) begreifen  wollte.  Auch  vom  elfenbein  (candenti  ele- 
phaoto)  gebraucht  das  gleiche  beiwort  Virg.  6.896,  was 
mit  kXi(pavTi  (paiSifiov  wfjiov  xexaSfiivov  Find.  Ol.  I.  41 
in  einvernehmen  zu  setzen  und  auf  die  elfenbeingleiche 
weüse  der  schultern  zu  bezieben,  mindestens  ftuiserst  ver- 
führerisch ist.  Das  war  nun  auch  Buttmann's  meinung  im 
verbalverz.  verb.  xalwfiai^  Kuhn  ztschr.  I.  „über  die  Wur- 
zel KAD^  s.  94  nrtheilt  anders.  Wie  gern  ich  mich  nun 
seiner  meinung  anschliefsen  möchte,  der  faden  der  bedeu- 
tung  &LT  xaS  (xaivvfiai)  spinne  sich  von  der  des  überwäl- 
tigens  oder  besiegens  zu  der  des  übertrefiens  weiter  fort: 
Eigennamen,  wie,  aufser  dem  unsrigen,  'loxdarrj  (beiHom. 
'Emxdavf]),  ^loxaaroQ*),  IIohjxdaTri^  vielleicht  nebst  IIoXv^ 
xäwv**)  (vgl.  Navaixaa  etym.  forsch.  II.  260),  üayxdattj 
oder  Jlaxdrijf  MtjSsaixdGTti  u.  s.  w.,  femer  Kaaüdnua  (vgl. 
Curtius  KZ.  I.  32)  u.  a.  m.  sind  von  ihm  leider  aufser  be- 
tracfat  gelassen.  Nun  scheint  mir  zwar  ^'Axaarogy  ij  ohne 
Schwierigkeit  als  adj.  verb.  mit  neg.  f&r:    „unübertroffen, 


*)  Sollte  darin,  waa  ich  nicht  weifs,  das  i  lang  sein,  dann  gehote  die 
analogie  eine  für  den  mann  ohnehin  schicklichere  erklttrung:  mit  p feilen 
(U^)  wohl  versehen.  Wegen  der  kürze  im  weibemamen,  wie:  Et  geni- 
trix  locasta  mihi.  Stat.  Theb.  I.  681  scheint  aber  wenigstens  dieser  nur 
„mit  Teilchen  (16^)  geschmückt*'  bezeichnen  zn  können.  Vom  hetä- 
rennamen  *l6tiTffa  (vgL  den  mannsnamen  KQwoiKi)  bin  ich  nur  darüber  wi- 
gewifs,  ob  man  dabei  an  ein  veüchenbekrilnztes  mädchen  {loar^qavoq  von 
der  Aphrodite)  denken  solle,  oder  an  eines  mit  dnnkeler  fUrbnng  des  haares 
oder  des  teints.  'iöAaoc  trotz  der  kürze  im  ersten  vokal  z.  b.  Hes.  Th.  817 
wohl  ans  ioq^  analog  mit  JogvXao^^  "wie  "loukoq:  JoQvxXoq,  AixfioxXij^ 
auch  'lodoHti  :  Alxfiodoxoq» 

**)  Oder,  trotz  des  verschiedenen  themas,  gleichen  Ursprungs  mit 'Irr  ;ro- 
x6»v,  das  B.  Köhler  n.  jahrb.  f.  philol.  1866.  s.  24  nach  Kuhn  ztschr.  IV.  158 
fUr  ungeflUir  gleichbedeutend  mit  'Innövooq  (»sich  auf  ross^  verstehend**) 
hält  Nach  Ebels  ausfÜhrungen  a.  a.  o.  eher:  cavens  equis  (pericula).  Das 
dlgamma  besafsen  zufolge  Priscian  j7jfio<ptif^i',  Aafoxo^o)v  Ahrens  dial. 
Aeol.  p.  85,  worin  das  digamma  im  ersten  gliede  (Aööc)  sich  auch  durch 
goth.  jugga-Iau]>s  (junger  mann)  Gabelentz  wtb.  s.  111  und  unser  leute 
bewährt. 

19* 


292  ^oU 

unübertrefflich^,  wo  nicht  f&r  ,, unbesieglich ^  genommen 
werden  zu  dürfen.  Allein  was  machen  wir  mit  obigen  for- 
men ohne  negation?  Mrid^Gixdan^^  was  schwerlich:  a  nul- 
lis  (jifiSiaif  wie  ovSioiv)^  a  nemine  superata,  erklärt  Passow 
passend  durch  ,,mit  klugen  rathschlfigen  (fii^Seai*^)  ge- 
schmückt^  wie  ahd.  rat  und  ragin  in  eigennamen  wu- 
chern. Yg\.  fislBalnTBQog  (mit  gesängen  versehene  flü- 
gel  besitzend)  Ton  der  Cicade.  FOr  diese  letztere  be- 
deutung  schiene  nun  aber  gewifs  von  ,,leuchten,  glSnzen^ 
der  Übergang  leichter,  und  so  kann  ich  mich  noch  nicht 
ganz  von  der,  auch  durch  G.  Curtius  (KZ.  L  32)  ani^ 
brachten  meinung  lossagen,  es  müsse  ein  verbum  mit  der- 
artiger bedeutung  bestanden  haben.  Zwar  skr.  candra 
mond,  findet  in  der  au%estellten,  aber  noch  unbelegten 
wrz.  cand  (nach  Benfey  „organ.  ^cand  =sgr.  ^ai^9>%  also 
mit  ungerechtfertigter  aspirate)  erst  eine  schwache  stütze, 
aber  tat  acc ender e  u.  s.  w.  zeigt  ein  unzweifelhaft  star- 
kes verbnm  von,  wie  es  scheint,  gleichem  stamme.  Eine 
andere  frage  ist,  ob  candeo  :  cänus  =  ardeo  :  aridus? 
Oder  ob  cAnus  als  eine  passivform,  wie  plenus  (reple- 
tus),  und  gemäfs  der  grauen  färbe  (gleichsam  cinereus), 
welche  es  eigentlich  anzeigt,  f&r  cand-nus,  cad-nus  (von 
der  einfachen  Wurzel  in  accendo)  stehe,  oder,  wie  andere 
wollen,  was  aber  anzunehmen  kaum  nöthig,  von  xäcoy  xala 
herrühre?**)  Kaivog  falst  Curtius  a.  a.  o.  als  ausgehend  von 
dem  begriffe  des  blanken  wegen  neuheit.  Er  hat  aber  da- 
bei vergessen,  dals  im  sanskrit  nicht  nur  kanyft,  kani, 
ein  junges  mädchen,  sondern  noch  m^r  die  Steigerungs- 
formen kaniyas,  kanishtha  (klein,  jung)  uns  auf  eine 
völlig  andere  förthe  bringen,  und  zwar  vermuthlich  so,  dafs 
der  diphthong  aus  übertreten  eines  i  der  endung  in  den 
Wurzelkörper  kam.  Sonst  ist  der  accent  seiner  meinung 
günstiger.  —    Noch  werde  hier  der  skr.  wrz.  9udh  (puri- 

*)  Also  der  dativ  in  instrum.  Binne.  Mannsn.  wie  XfQatSafiaq,  Eigen 
T€^Xf<TknlilJTfj^^  moenibuB  appropinqnans.  Tf»/fir»7iAt/xTi7C  ^^^  nur  „als  ein 
breeher  für  die  mauern"  ertrSglich;  denn  accusative  fassung  liefse  das  vor- 
derglied  nur  mifsbräuchlich  zu. 

**}  Ueber  canus  von  wrz.  kas  s.  Aufrecht  11.  152.  K. 


etymologische  spUnie.  293 

ficari)  etym.  fi)r8ch.  L  259  in  kürze  gedacht  Es  scheint 
nämlich  hievon  das  jetzt  durch  den  groisen  altmeister  der 
Wissenschaft  so  berühmt  gewordene  wort  xoafxog  (wie  mun- 
dus  eigentlich  auf  wohlgeordnete  Sauberkeit,  vgl.  mundus 
muliebris,  bezogen)  auszugehen.  Sein  o  aber,  wie  das  des 
böot.  xo&agoQ  neben  dem  a  von  xa&agog  (vom  keßf^g  Pind. 
OL  I.  40  als:  blank  gescheuert,  rein)  und  lat.  castus  (nur 
von  moralischer  reinheit,  nach  Döderlein  wenig  glaub- 
lich zu  candere),  dem  ich  auch  KaataXia  beizugesellen 
geneigt  bin,  erklärt  sich  meines  bedünkens  aus  einem,  frei- 
lich blos  hypothetischen  'pvadh,  aus  welchem  sich  ^udh 
ebenso  durch  samprasarana  gebildet  hätte,  als  9un  aus 
9van  =  lat.  canis  neben  xvvBg, 


7.     (Poißogy  Q)oißfj, 

Unter  no.  3.  ist  rücksichtlich  QolßSog  die  vermuthung 
ausgesprochen,  ob  sein  diphthong  nicht  durch  überspringen 
eines  b  entstanden  sei.  Hievon  könnte  man  auf  0oißog 
die  anwendung  machen.  Wirklich  ist  auch  Döderlein 
Gl.  Hom.  I.  157  auf  den  gar  nicht  übel  sich  ausnehmenden 
einfall  gerathen,  es  möge  das  wort,  in  analogie  mit  dem 
äxegcsxofifjgj  einen  caesariatus  anzeigen  aus  (poßtj  (mahne, 
jedes  lange  haar)  mit  suff.  iog.  „Denn  der  homerische 
Apollo  ist  der  schönste  jugendliche  gott^  Ganz  wohl. 
Unter  der  gewifs  glaublicheren  Voraussetzung  jedoch,  es 
sei  dies  epitheton  oder  diese  benennung  des  gottes  recht 
eigentlich  der  natur  der  sonne  nach  ihrem  physischen 
wesen  abgelauscht,  riethe  ich  noch  eher  auf  deren  gleich- 
sam mähnenartige  natur  vermöge  der  von  ihrem  haupte 
nach  allen  Seiten  ausgehenden  strahlen.  VergL  nicht  nur 
jubar  neben  juba,  sondern  auch  jubata,  crinita(auch 
crinitus  Apollo)  und  com  ans  Stella. 

Preller  myth.  L  151  beginnt  den  abschnitt  über  Apol- 
lon  mit  den  werten:  „De^  gott  der  sonne  und  des  lichtes, 
wofQr  ihn  schon  die  alten  oft  erklärt  haben  und  worauf 
auch    die   neuere  mythologie  nach  längerem  widerstreben 


294  Pott 

zarückgekommen  ist^,  und  es  ist  schon  an  sich  unwahr- 
scheinlich, daüa  die  sonne,  ein  so  wichtiger  himmelskörper, 
in  irgend  einer  heidnischen  rehgion  ganz  vorzüglicher  beach- 
tung  entgehen  konnte.  Nun  heilst  die  sonne  unter  ande- 
rem im  skr.  bhänu,  bh&su,  bh&santa,  bh&svat  (glanz- 
begabt), bhäskara  (glanzmacher)  u.  s.  w.;  lauter  Wörter 
von  bh&,  bh&s,  leuchten.  Von  gleicher  Wurzel  sind  viele 
griechische  eigennamen  von  Persönlichkeiten,  welche  mit 
dem  sonnengotte  in  Verbindung  stehen,  wie  0ai&(ap  (von 
^ai&oij  wie  0Xeyi&wv,  ßißda&w  u.  s.  w.).  EvQV(patCGa 
gem.  des  Hyperion,  m«  des  Helios  und  der  Eos,  von  dem 
lichte  so  benannt,  was  sie  nach  allen  enden  weit  in  die 
weit  hinein  entsendet  (der  bildung  nach  fem.  zu  skr.  bhfts- 
vant  Luminous,  splendent,  als  m.  aber  auch  sonne  und 
licht),  wie  avQvoTta  Ztig^  wenn  es  der  weitschauende  (nicht 
der  weithin,  im  donner,  seine  stimme  erschallen  lassende) 
himmel.  Ilaaufdri  und  üaaKpaBaaa  Lob«  path.  p.  40,  toch- 
ter  des  Helios  Preller  IL  83.  Pyl  I.  210.  Vgl.  auch  Eur. 
Med.  V.  1218  Elmsl.  nafKpatjg  axtig  'AbXIov.  fl>cogq>6Qogy  Lu- 
cifer.  Ich  dächte,  grundes  genug,  den  Phöbus  nicht  aus 
diesem  zahlreichen  kreise  zu  verbannen,  er  müiste  sich  denn 
in  ihn  etymologisch  nicht  fQgen  wollen.  Das  thut  er  aber, 
ist  meine  ansieht,  und  deshalb  hauptsächlich  verwerfe  ich 
Döderleins  herleitung.  Nur  bin  ich  darüber  noch  nicht 
völlig  im  klaren,  soll  ich  Qiolßog  als  ein  blos  derivirtes 
Simplex  {q>oßHog)  oder  als  mit  ßä  (ire)  componirt  ({poi-'ßog) 
betrachten.  Beides  scheint  möglich.  Im  ersten  falle  müfste 
das  ß  einem  digamma  gleich  gelten,  das  sich  aus  skr.  bhä 
((faivw)  heraus  entwickelt  hätte,  und  der  vokal  wäre  aus 
der  endung  mit  in  das  wort  hereingenommen.  An  sich 
sieht  man  zu  einem  solchen  digamma  in  der  natnr  des  hier 
zum  gründe  liegenden  verbums  keinen  rechten  anlafs.  Die 
falle  beschränken  sich,  wie  bekannt,  ßSa  gewöhnlich  auf 
herleitungen  von  verben  mit  v  als  wurzelhaftem  schluls- 
vokal,  wie  poog^  ^6f]^  s.  oben  no.  3  (skr.  sru);  Ttkoog  zu 
nlvv(Oj  skr.  plu;  nvoi^^  vgl.  nvevaa),  nveifta^  dän.  fnyser, 
vor  wuth  schnauben ;    x^^^^^  Z8gz.  x^^og  aus  x^  (fundo); 


etymologische  spUhne.  295 

19*00$  von  &ia),  fiit.  &evaofiai,  skr.  dh&y  und  dies  wahr- 
scheinlich aus  dhü  u.  8.  w.  Nun  scheint  aber  in  (pavco  das 
t;,  obschon  es  in  mehrere  derivata  übergeht,  blofser  bil- 
dungszusatz  und  läge  sodann  au&erhalb  der  regeL  Allein, 
was  will  man?  Das  digamma  ist  wirklich  in  einzelnen  de- 
rivaten  der  skr.  wrz.  bhä  nachweislich.  So  nicht  nur  /iij- 
fiorpofwv  *)  Ahrens  dial.  Aeol.  p.  35  ans  Prise.  I.  p.  22, 
sondern  auch  fftpäflog  pro  (pdog  Pamphylii^  Aeol.  p.  50  und 
fpixvoq  p.  38. 

Da  wir  dieser  erklärung  nur  auf  entlegeneren  fuisstei- 
gen  der  mnndarten,  nicht  auf  der  grofsen  heerstrafse  der 
spräche  selbst  habhaft  werden,  neige  ich  mehr  zu  der  zwei- 
ten annähme  hin,  indem  ich  0o2ßog  als  den  „im  lichte 
—  über  den  himmelsbogen  —  dah erwandelnden  (/9a/- 
roiv)^  gott  ansehe.  Ich  will  'Yneglav  zur  seite  lassen,  ob- 
schon dessen  langes  i  recht  wohl  könnte  durch  das  schlufs-^ 
der  pr&p.  skr.  upari  (griech.  noch  imeig  statt  des  hinten 
gekappten  imig,  also  wohl  mit  übergetretenem  schluis-jota. 
Vgl.  jedoch  auch  üeiQi&oog  statt  üeQi&oog,  durch  assim.) 
in  Verbindung  mit  dem  verbalen  i  (lat.  ire)  entstanden 
sein.  Mir  gilt,  in  anbetracht  der  gleichheit  von  ßä  (ßalvw) 
mit  skr.  gä,  die  schlulssilbe  in  (bol'ßog  hienach  vergleich- 
bar mit  der  in  k  ha -gas  (buchst&blich  s.  v.  a.  mQoßdtrig\ 
was  nicht  nur  vom  vogel  und  grashüpfer,  vom  pfeile,  vom 
winde,  sondern  auch  von  sonne  und  planeten,  ja  von  gott- 
heiten  (vgl.  coel-i-tes,  i.  e.  in  coelo  euntes)  gesagt  wird. 
Man  erhielte  damit,  indem  man  an  den  euripideischen  da- 
tiv  anknüpfte,  etwa  einen  lichtgänger  (kv  (piß  ßdg).  Vgl. 
schon  et.  f.  ü.  252.  Gelegentliche  herabsetzung  des  langen  o 
zum  kurzen  (wie  in  ipotSsg  statt  qxpSeg)  könnte  wohl  kein  all- 
zugrolses  bedenken  erregen.  Eben  so  wenig  composition  mit 
einem  obliquen  casus,  wie  im  sanskrit  z.  b.  vile-^aya 


*)  VgL  Creuzer  symb.  IV.  272,  der  daraus,  wider  die  spräche,  einen 
„volkswUrger'*  macht,  wfthrend  der  name  doch  nur  s.  v.  a.  althochdeutsch 
Folcberaht  (in  populo  splendens)  FSrstemann  namenb.  s.  489  bezeichnen 
kann,    ritfpdc&cn  hat  a,  kein  o. 


296  P<^^^ 

(mit  lokativ:  iu  der  höhle  schlafend)  neben  vila-^aya 
(mit  reinem  thema:  hdhlenscfaläfer),  waa  man  von  schlan- 
gen u.  8.  f.  gebraucht.  ^uäeQi'Oixog  (in  der  luft  seine  Woh- 
nung habend)  gehört  einer  andern  compositionsclasse, 
nämlich  der  possessiven,  an.  Im  übrigen  paiste  es  gutzn 
(potßoQy  da  aif}$y  wie  (kv)  al&iQi^  s.  Sehn.,  auch  ein  obl.  casus 
(dativ  oder,  wenn  man  lieber  will,  locativ)  sein  mufs.  Viel- 
leicht aber  thun  wir  noch  besser,  in  <Polßog  nicht  sowohl  einen 
dativ  als  ganz  eigentlich  eine  alte  locativform  zu  suchen. 
Derartige  compp.  s.  et.  forsch.  II.  252.  377  u.  Lob.  ad  Phrjn. 
p.  648,  welchen  schon  ein  richtiger  (seitdem  durch  das 
Sanskrit  bewährter)  instinct  darauf  führte,  in  derlei  bildun- 
gen  wie  oSoi^^nogog  (in  via  ambulans),  oSo^-doxog  (Wege- 
lagerer), ;^o(»o/rt;;io^'  (in  choro  pulsans  tellurem)  u.  s.  w. 
analoga  zu  erblicken  von  dem,  wie  er  es  heifst,  „dativus 
loci^:  o&oi  =  skr.  ve9S  (aber  dat.  o&^==  ve^äya),  nsdol 
8.  neSol^  'la&fioi  u.  s.  w.,  wozu  ich  auch  ivdoi  (doch  wohl 
zu  dem  kürzeren  Sü?)  und  tfjloZ  f&ge.  Da  dem  örtlichen 
wo  das  wann  fast  beständig  parallel  läuft,  rechne  ich 
eben  dahin  Zusammensetzungen  z.  b.  mit  wxrl  (zur  nacht- 
zeit),  wie  vvxu-noQog  neben  vvxtonoQog  und  vvxTo/Sccria 
(ein  -ßdttjg  voraussetzend),  vvxviq>oixog  (nachts  wandernd), 
aber  vvxTBoofponog ,  wenn  nicht  etwa  das  erste  glied  neu- 
tral (gleichsam  nocturnumsc.  tempus)  genommen,  eigent- 
lich nächtlicher,  vvxxtQogy  Wanderer.  Wenn  q>dog  dem  skr. 
neutrum  bhäs-as  Light,  lustre  (als  fem.  auch  bh&s)  gleich 
steht,  würde  der  hiatus  in  jenem  sich  durch  wegfall  des 
ersten  Zischlautes  erklären,  und  ifdu^  sogar  mit  nochma- 
ligem ausfall  des  zweiten  zischers,  sei  es  nun  dem  skr.  loc. 
bhäsas-i  oder  dat.  bhäsas-e  entsprechen.  Für  die  vor- 
dere silbe  in  ^Poiißog  schiene  ein  anschlieJGsen  an  vpowg  an- 
gemessener, mag  dies  nun  eine  blofse  wunderliche  Variante 
von  (fdog  sein,  oder,  als  von  bhä  (und  nicht  bhäs)  aus- 
gehend, eine  etwas  abweichende  form.  Möglich  selbst^ 
dafs  sich  aus  dem  o)  statt  skr.  &  (vgl.  vovg  aus  yvfay  skr. 
jna)  das  obige  digamma  in  (pdßog  entwickelte.  Ein  hin- 
blick  auf  fövere,  das,  wenn  schon  nicht  auf  das  sonnen- 


etymologische  spfthne.  997 

lioht,  doch  z.  b.  bei  Lucrez  I.  807.  1032  ausdrücklich  auf 
die  von  der  sonne  ausgehende  erwärmung  der  erde  be- 
zogen wird,  und  favilla  lassen  kaum  einen  zweifei,  dafs 
dieses  verbum  im  latein  der  Vertreter  von  skr.  bh&  (spien- 
dere)  sei.  Fötus,  fömentum  aber  enthalten,  nicht  wie 
man  es  gewohnlich,  ich  meine  indeis  falsch,  darstellt,  con- 
tractionen  mit  verlust  von  y,  sondern  den  ächten  grundlaut 
fö,  der  sich  aber  vor  vokalen,  wie  bdves  aus  bös,  ver- 
breiterte. Das  T  der  form  rcc  (püra  setzt  vielleicht  ana- 
loga  zu  ovag,  cttog,  (OTog  voraus. 

Hiebei  dfirfen  wir  uns  nun  wohl  rücksichtlich  des 
Phöbus  in  sprachhcher  rücksicht  beruhigen.  Wenn  Aeschy- 
lus  Eum.  V.  8  anzunehmen  scheint,  Phöbus  habe  von  der 
Q^olßti  den  namen,  so  hatte  zu  solchem  Schnitzer  der  dich- 
ter vollkommene  freiheit,  aber  kein  etymolog.  fPolßfj  ist 
ganz  einfach  in  umgekehrter  Ordnung  die  motion  von  ^oi- 
ßog  und  deren  Verbindung  mit  Apollo  schon  dadurch  my- 
thisch hinlänglich  gerechtfertigt,  dais  sie  mutter  derLeto 
und  Asteria  sein  soll,  also  grofsmutter  (doch  s.  Stanley 
z.  der  Aesch.  st.)  von  sonne  und  mond,  und  mutter 
der  ge Stirn e  (Aat^Qla)^  mithin  repräsentantin 'von  den 
gröüsten  lichtkörpern  (diese  zu  persönlichen  wesen  vergei- 
stigt) überhaupt.  Auch  zielt  gewifs  auf  ihre  goldenen  strah- 
len das  ihr  von  Hes.  Th.  136  gegebene  beiwort:  xQ'^^oatk- 
(pavog.  —  Nur  einem  Kanne,  der  bekanntlich,  trotz  seiner 
an  dem  erguTs  von  etymologieen  sehr  gesegneten  leibesconstx- 
tution  (das  gilt  freilich  noch  von  mehr  leuten),  von  etymo- 
logie  (im  Singular  1)  und  ihren  nothwendigen  anforderungen 
gar  keine  ahnung,  wie  viel  weniger  einen  begriff  hatte,  oder, 
bei  der  jetzigen  gelegenheit,  seinem  vordermanne  Isidor 
(Origg.  Vin.  p.  276:  quasi  ephebum),  war  es  möglich, 
an  eine  Verbindung  von  ^1)oißog  mit  rißri  (zu  skr.  yuvan, 
compar.  yaviyas)  auch  nur  einen  augenblick  ernstlich  zu 
glauben.  Die  jugendliche  Schönheit  Apollo's  berührte  zwar 
mächtig  den  punkt,  wo  es  galt,  sich  ein  künstlerisches  bild 
von  ihm  vor  seele  und  äuge  zu  f&hren;  allein  dieses  ideal 
trifft  nicht  den  mythischen  grund-  und  hauptgedanken 


298  PoU 

(sonne),  welcher  in  dem  gotie  liegt,  und  von  dem  am  na- 
tflrlidisten  entlehnte  man  auch  ursprünglich  den  benen- 
nungsgmnd,  mit  Umgebung  mehr  untergeordneter  eigen- 
schaften.  Vom  reinigen  oder  vom  wahrsagen  {q>oißd^uv) 
kann  0oißog  nicht  den  namen  haben.  Denn  das  hiefse 
den  söhn  oder  das  derivat  (obiges  verbum)  gleichsam  zum 
vater  oder  primitiv  seines  eignen  vaters  (d.  h.  des  ihm  sel- 
ber erst  zum  gründe  gelegten  primitivs)  machen,  und  was 
könnte,  so  oft  die  etymologastri  auch  dergleichen  Sinnlosig- 
keiten auf  ihren  köpf  nehmen,  —  widersinniger  seb? 
Ob  das  lat.  februus  u.  s.  w.  mit  ^>o2ßog  zusammengebracht 
werden  dürfe,  bezweifle  ich.  Mindestens  sähe  ich  dazu 
höchstens  auf  dem  wege  der  entlehnung  aus  griechischer 
quelle  eine  schwache  aussieht,  die  aber  dann  auch  noch 
durch  das  r  in  den  vermuthlich  doch  sehr  alten  lateini- 
schen Wörtern  ftufserst  getrübt  erscheint.  Um  nichts,  was 
mir  zu  meinem  thema  ersprieislich  däucht,  zu  vers&umeo, 
werde  noch  die  von  Benfey  wwtb.  U.  102  aufgestellte  mög- 
lichkeit  erwähnt,  dafs  in  fpoißog  eme  reduplikatioD 
stecke.  Darauf  f&hrte  allenfalls  das  beispiel  von  q>i/Sof4ai 
(s.  skr.  bhi)  und  deutsch  beben,  ohne  dafs  ich  jedoch 
hieraus  eine  etymologie  zu  schmieden  lust  hätte,  welche 
die  furchtbare  seite  des  gottes  hervorhöbe.  Ich  bliebe 
auch  f&r  diesen,  übrigens  mir  selber  höchst  unwahrschein- 
lichen fall  bei  skr.  bhä  (splendere)  stehen,  ohne  zu  bhü, 
91/ai,  mich  zu  versteigen,  wie  verlockend  es  sein  möchte, 
aus  letzterem  einen  gott  herauszupressen,  „der  da  alles 
wachsen  macht  auf  erden  ^.  —  Vielleicht  wünschte  zum 
Schlüsse  der  eine  oder  andere  noch  meine  meinung  über 
den  Apollo  zu  hören.  Bei  dem  grolsen  embarras  de  ri- 
chesses  (vergl.  P7I  s.  138)  inzwischen,  womit  auch  dieser 
name,  wie  so  viele  andere,  von  etymologieen  umlagert  ist, 
behält  man  klüglicherweise  sein  urtheil  zurück.  Preller's 
Zusammenordnung  mit  dem  kretischen  äßihog  (I.  152),  wie 
sehr  sich  dieselbe  sachlich  empföhle,  stehen  von  Seiten  der 
etymologie,  wie  ich  ftkrchte,  unübersteigliche  (G.  Curtius 
KZ.  L  29)  Schwierigkeiten  entgegen. 


etymologifche  spähne.  290 

Statt  dessen  werde  mit  einem  kühnen  wagstücke  ge- 
schlossen, wofür  ich  mir,  im  fall  des  mifslingens,  verzei- 
hang  erbitte,  indem  ich  meine  vermuthnng  für  nichts,  als 
einen  vielleicht  erträglichen  einfall  gebe.  Apollo^s  mutter, 
Leto,  heiÜBt  Koioyiveia^  Koucvrlg,  Koirfig  als  tochter  des 
KoJog,  nnd  dieser  selbst  gilt  für  einen  sehn  des  Uranus 
und  der  GSa.  Preller  I.  39  leitet  den  namen  von  xalw, 
und  müiste  daher  in  ihm  ungefähr  dasselbe,  als  in  Al&iqQ 
Hes.  Th.  124;  oder  ein  empyreum  erblicken.  Des  Titanen 
beziehung  zum  Uranus,  also  zum  himmel,  mfl  mir  die 
stelle  bei  Varro  L.  L.  Y.  §.^19  ins  gedfichtnifs,  wo  dieser, 
gestützt  auf  ennianische  stellen,  caelum  oder  coelum 
mit  oe  theils  um  der  Verwechslung  mit  caelum  (von  cae- 
dere,  meiisel)  und  der,  jedoch  schwerlich  richtigen  her- 
leitung aus  dem  griechischen  willen,  mit  cavus  in  Verbin- 
dung bringt.  Itaque  dicit  Andromacha  Nocti  (=:: 
Quae  Cava  coeli  signitenentibus  conficis  bigis; 

et  Ennius  item  ad  cavationem: 

coeli  ingentes  fornices. 

Möglich  demnach,  in  Koioq  liege  noch  das  derivat 
(mittelst  -(og)  von  einer  einfacheren  form  zu  xolXoQy  ent- 
sprechend dem  lat.  cavus  und  coeluin  (dies  als  Wölbung 
gedacht),  persönlich  Co  eins,  während  die  längeren  Wör- 
ter etwa  wie  nubilus,  neutr.  nubila  (von  nubes)  gebil- 
det wären.  S.  die  nominalen  ableitungen  auf  iX  Lob.  Path. 
diss.  n.  cap.  lU.  §•  1  und  zwar,  als  besonders  hieher  gehö- 
rig, p.  114  aus  Herodian.  n.  Mov.  p.  21  „ubi  xoUog  ana- 
logiae  convenientius  dicit  quam  xoikog^  quia  in  odog  nul- 
Inm  exeat  vocabulum,  plurima  vero  in  dog^.  Ungünstig 
genannter  vermuthung  ist  dies,  dafs  die  gesuchte  beziehung 
von  Koiog  zum  himmel  in  etymologischer  rücksicht  erst 
auiserhalb  Griechenlands,  in  dem  schwesterlichen  latein, 
zu  finden  wäre.  —  Ebel  (KZ.  IV.  158)  möchte  denJ^oio^ 
als  „schauender^  nehmen.  Eüegegen  habe  ich  nur  dies 
einzuwenden,  dais  man  dann  doch  vorn  einen  zusatz,  etwa 
wie  in  tvQvona  Zevg,  oder  navontr^g,  erwartete.  Wenn 
sowohl  xoikog  als  Koiog  nach  unserer  erklärungsweise  vor 


300  Pott 

dem  jota  lustiges  digamma  voraassetzen,  so  hat  das  der 
foim  nach  keine  Schwierigkeit  Trotz  den  gewöhnlich  noch 
uncontrahirten  formen  6i€,  gen.  oi'o^,  pL  oieg,  otwp^  in  wel- 
chen der  hiatos  erst  durch  ausfEdl  von  digamma  (latein. 
Ovis,  skr.  avi-s)  entstand,  finden  dich  bei  Homer  zugleich 
schon  contrahirt  die  gen.  olog  und  olwv.  Sogar  immer  Siog 
statt  des  ungebr.  äif-iog,  skr.  div-ya-s  (coelestis).  Das 
spiel  des  kaisers  Claudius  von  Coeus  mit  den  Coi  oder 
Käot>f  d.  h.  den  bewohnem  der  insel  Käg,  ep.  K6<oq  Tac. 
A.  Xn.  61,  mag  es  nun  von  ihm  herrühren  oder  er  es 
blos  wiederholen,  kann  schwerlich  etymologisch  irgend  gmnd 
haben.  Natürlich  auch  nicht  mit  dem  makedon.  xoiog*) 
für  dgid-fiog  in  dem  räthsel  Athen.  10,  21  — M'^^Q  ^'  ^^' 
aQi&fioio  naigy  worunter  Latona,  Coei  filia  verstanden 
wird. 
Jan.  1856.  Pott 


Gothische  Studien. 

1.     Das  gothische  passivum. 

Den  scheinbaren  widersprach  zwischen  den  präsens- 
formen der  ai-conjugation  versuchte  Bopp  durch  die  ein- 
Wirkung  des  nasals  zu  erklären,  wogegen  der  pronominale 
dativ  pl.  -aim  spricht,  und  ich  selbst  habe  noch  IV.  283 
wenigstens  haband  aus  habaind  in  folge  der  position  ver- 
kürzt geglaubt.  Später  hat  mich  jedoch  die  vergleichung 
der  conjunctivendung  -au  wie  der  präterita  und  participia 


*)  So  geben  die  Wörterbücher  und  Sturz  dial.  Maced.  p.  42  an,  zufolge 
Mamdov«;  6i  tov  aQt&fiov  [als  t6?3  xoIoi'  Tt^oaayoQfvovffi  beim  Athe- 
nüU8.  Wenn  es  aber  hienach  erlaubt  scheint,  das  vrort  vielmehr  als  neutnun 
zu  fassen,  so  möchte  ich  die  weitere  frage  stellen,  ob  man  den  Makedonien! 
die  entschieden  alterthUmlichere  pronominalform  xoloq  statt  noioq  zutrauen 
dttrfe.  Nach  gewöhnlichem  sprachgebrauche  erhielten  wir  dann  hieraus  ftlr 
Holor  freilich  ein  quäle  und  kein  qnantum,  was  aber  doch  nicht  gerade 
seiner  bildung  widerstrebt.  Vergl.  noch  lat  quota  (sc.  pars),  unser  quote. 
Oder  skr.  caya-s  m.  häufen,  menge,   lat.  cumulus? 


gothitche  stndien.  301 

der  schwachen  coDJugationen  auf  ein  eigentümliches  laut- 
gesetz  gefbhrt  (vergl.  V-  56),  nach  welchem  das  j  des  vor 
dem  bindevocal  in  aj  verwandelten  ai  zunächst  ausgefallen 
ist,  sodann  aber  a  sich  mit  dem  bindevocal  i  zum  diph- 
thong  ai  zusammengezogen  hat,  vor  dem  bindevocal  a  und 
▼or  o  ausgefallen  ist,  so  dais  also  das  ai,  welches  wir  in 
dieser  conjugation  finden,  einen  dreifachen  Ursprung  hat: 
ursprüngliches  ai,  conjugationscharacter,  in  habaida 
und  habai)>s  (vergl.  nasida  und  na8i]>s),  aus  aji  im  ind.  ha- 
bais  habai]>  (vergl.  nasjis  nasji]'),  aus  ajai  im  conj.  habais 
habai  (vergl.  nasjais  nasjai);  wogegen  a  hier  überall  aus 
aja  entstanden  ist,  so  auch  im  part.  habands.  Die  Ver- 
bindung aja,  deren  vorkommen  ich  damals  bezweifelte, 
habe  ich  seitdem  allerdings  wenigstens  in  einem  beispiele 
gefunden,  nämlich  in  vajamerjan;  die  Seltenheit  des  aj 
überhaupt  (mir  ist  aufser  dem  neben  armaio  vorkommen- 
den armajo  und  bajo)»^s  nur  ajukdul>s  gegenwärtig,  wo 
sich  aju  aus  aiv  entwickelt  hat,  wie  umgekehrt  avi  in  mavi 
u.  a.  aus  auj)  ist  indessen  auch  von  andern  bemerkt  (vgL 
IV.  404),  und  dafs  fikr  die  oben  besprochenen  formen  meine 
erklärung  die  allein  richtige  ist,  dafür  sprechen  mehrfache 
analogien.  Zunächst  bieten  eine  vollständige  bestätigung 
die  formen  des  gothischen  passivs,  die  uns  dieselbe  er- 
scLeinung  in  ihrem  ganzen  umfange  zeigen. 

Da  die  passivformen  sämmtlich  im  indicativ  auf  a 
(ursprünglich  ai)  enden,  so  war  hier  keine  veranlassung  zu 
einem  Wechsel  des  bindevocals;  wir  finden  daher  dem  -is 
i]>  and  (aus  -izi  i]?i  andi)  des  activs  gegenüber  ein  bestän- 
diges a  in  -aza  ada  anda.  Die  schwachen  conjugationen 
mnisten  also  -jaza  jada  janda,  -oaza  oada  oanda*),  -ajaza 
ajada  ajanda  bilden,  -oaza  wurde  wie  im  activ  in  -oza  con- 
trahirt,    -ajaza  muTste  mit  ausfall  des  j  und  sodann  auch 

*)  0  erscheint  auch  im  pTftt.  und  part,  wo  kein  bindevocal  auftritt;  ob 
aber  dahinter  ein  j  ausgefkUen  ist,  so  daTs  salbo  statt  salboja  UnTserlich  den 
skr.  rerbis  auf  -AyAmi  entsprtche,  oder  ob  o  hier  wie  mehiAich  nicht  ans 
nnprünglichem  ä,  sondern  ans  an  oder  av  entstanden,  also  dem  slav.  -ovati, 
praes.  -nj^,  griech.  -evai  zn  vergleichen  ist,  darüber  mögen  wir  nicht  ent- 
scheiden. 


302  Ebel 

des  a  zu  -aza  werden.  Im  conj.  finden  wir  die  rätbsel- 
hafte  endung  -an  (vielleicht  aus  -am  oder  -&m  entstanden, 
so  dais  sich  der  character  des  potentialis  und  die  endimg 
des  imperativs  -täm  vermischt  hfttten?  Wenigstens  ist  der 
slav.  imp.  fast  ganz  aus  dem  potent,  hervorgegangen,  und 
im  goth.  steht  der  conj.  auffallend  häufig  fbr  den  griech. 
imperativ),  davor  den  conj. -character  mit  bindevocal  ai  : 
-aizau  aidau  aindau.  Ganz  natürlich  gestalteten  sich  auch 
hier  die  formen  der  schwachen  conjugationen  :  -jaizau, 
-o(ai)zau,  -(aj)aizau  u.  s.  w.,  so  dafs  die  ai-conjugation  im 
passiv  durchweg  der  starken  gleicht. 

2.     Die  abstractsuffixe  -ni  und  -ani. 

Ein  ganz  gleiches  Verhältnis  wie  zwischen  haba  und 
habais  findet  zwischen  dem  infinitiv  der  schwachen  conju- 
gation  und  den  weiblichen  abstractis  auf  -ns  stamm  -ni 
statt:  laisjan,  la]>on,  liban  neben  laiseins,  la)»ons,  libains. 
An  und  ftir  sich  liefse  sich  freilich  auch  annehmen,  dafs 
sich  neben  den  abstracten  auf  -ti  auch  im  goth.  derglei- 
chen auf  -ni  entwickelt  hätten,  wie  es  im  skr.  und  slav. 
wirklich  der  fall  ist,  somit  diese  formen  in  demselben  Ver- 
hältnisse zu  einander  ständen  wie  die  doppelform  der  part. 
auf  -ta  und  -na.  Jedoch  ist  diese  erklärung  höchstens  fiU: 
unmittelbare  Wurzelableitungen  wie  siuni,  anabusni,  taikni 
passend,  und  deren  sind  sehr  wenige.  Mit  voller  bestinunt- 
heit  können  wir  dem  suffix  -ni  eigentlich  nur  anabusni 
(statt  anabudni)  zuweisen,  höchst  wahrscheinlich  auch 
dauni,  welches  nebst  divan,  dau)»u  wohl  besser  zu  skr. 
dabh  (11.  459)  zu  stellen  ist,  als  zu  den  U.  238  vergliche- 
nen Wörtern;  zweifelhafter  bleibt  das  sufi3bE  in  siuni*)  aus 
sihuni    (statt   sihvni    oder   sihvani?)    und    in   usbeisni, 


*)  Dafs  wir  nicht  saiviiB  finden,  zeigt  tuu,  dtSa  die  anastofsiing  des  h 
in  diesem  worte,  ebenso  wie  in  |>ius,  ]>ivi,  älter  ist  als  die  Verwandlung  des 
i,  u  vor  h,  r  in  ai,  au,  wührend  hiri  und  augo  einer  späteren  periode  ange- 
hören müssen:  hiri,  weil  dies  lautgesets  nicht  mehr  darauf  gewirkt  hat;  augo. 
weil  das  durch  h  entstandene  au  beibehalten  ist 


gothijche  Studien.  303 

taikni,  sokni,  die  eine  eigentümliche  Verlängerung  zei- 
gen, doch  deutet  das  s  in  usbeisni  auf  suff.  -ni,  nicht  ani. 
Bei  weitem  die  meisten  abstracta  dieser  art,  auch  von  star- 
ken verbis,  deren  part.  der  endung  -na  zufallen,  haben  doch 
die  form  -ti  (]>i,  di,  si);  man  vergleiche  aihti,  ansti,  mahti, 
)>aurfti,  -dedi,  -gifti,  -lusti,  brunsti,  -baur)>i,  -qvum)>i,  -vaurhti, 
-drusti,  -qvissi,  -stassi*).  Um  so  weniger  können  wir  er- 
warten, dafs  das  sujBGbc  -ni,  welches  auch  im  skr.  im  ver- 
gleich mit  der  häufigkeit  der  part.  auf  -na  nur  schwach 
vertreten  ist,  gerade  von  schwachen  verbis  so  zahlreiche 
ableitungen  gebildet  haben  sollte,  wie  sich  namentlich  von 
denen  auf  -jan  finden.  Entscheidend  tritt  aber  hier  die 
form  -eini  für  die  entstehung  aus  -ani  auf,  da  mit  -ni 
gebildet  ein  *sokini  dem  sokida  zur  seite  stehen  müiste. 
An  das  skr.  -ani,  dessen  gebrauch  freilich  etwas  beschränkt 
ist,  schlieisen  sich  diese  abstracta  ebenso  genau  wie  deir 
deutsche  infinitiv  an  das  neutrum  auf  -ana  (itan  =:  adar 
nam);  nur  ist  im  goth.  die  assimilation  des  a  zu  i  einge^ 
treten.  Die  Verschiedenheit  der  vocale  erklärt  sich  somit 
sehr  leicht.  Aus  -anam  mufste  goth.  -an  werden,  aus 
-anis  dagegen  -ins;  so  ergeben  sich  für  die  drei  schwa- 
chen conjugationen  die  formen  -oan,  ajan,  jan  für  den  inf., 
-eins,  ajins,  jins  für  das  fem.  abstr.  Bei  der  Verkürzung 
dieser  formen  mufste  zwischen  -an  und  -ains,  -jan  und 
-eins  derselbe  gegensatz  eintreten  wie  in  der  conjugation, 
während  -on  und  -ons  dieselbe  Übereinstimmung  zeigen 
wie  dort.  Auffallend  bleibt  nur,  dafs  lageins  und  goleins 
sich  nicht  wie  lagjis  und  goleis  scheiden;  doch  herrscht 
im  Wechsel  von  ei  und  ji  überhaupt  keine  rechte  conse- 
quenz  im  gothischen**). 


*)  Zwischen  qvissi  ans  qvif'ti  und  -dnuti  findet  derselbe  gegensatz  statt 
wie  im  lateinischen  zwischen  missns  und  gestus  (vgl.  IV.  28). 

*♦)  Formen  wie  freis,  veis  zeigen  ei  aus  ij  hervorgegangen,  doch 
herrscht  in  der  Verwandlung  des  i  im  hiatus  in  j  oder  ij  nicht  dasselbe  ge- 
setz  wie  im  sanskiit. 


304  Ebel 


3.     Die  starke  adjectivflezion. 

Eine  YoUst&ndig  befriedigende  erklärang  der  starken 
adjectivflexion  fehlt  bis  jetzt,  selbst  die  frage  nach  der  pro- 
nominaLzusammensetzung  derselben  ist  noch  nicht  völlig  er- 
ledigt. Grimm  in  der  gesch.  der  deutschen  spräche  und 
Westphal  über  das  goth.  anslautsgesetz  ignoriren  dieselbe 
gänzlich,  und  so  wahrscheinlich  die  Zusammensetzung  mit 
ja  durch  das  slavische  und  litauische  auch  f&r  das  deut- 
sche wird,  so  ist  doch  auf  dem  wege,  den  Bopp  einge- 
schlagen hat,  keine  vollständige  analyse  der  formen  mög- 
lich. Denn  wenn  wir  ihm  auch  zugestehn,  dafs  blindaize, 
blindaizos,  blindaizo  im  gegensatz  zu  ]>ize  ]>izos  ]>izo  den 
hauptbeweis  ftlr  die  Zusammensetzung  abgeben,  so  bleibt 
<loch,  wenn  man  blindammä  aus  blindjamma  erklärt,  wieder 
die  frage  offen,  warum  nicht  blindize  aus  blindjize  gebildet 
wurde.  Versuchen  wir  einen  andern  weg,  auf  dem  uns  die 
vergleichung  der  u-  und  i- stamme  und  das  nun  bereits 
mehrfach  nachgewiesene  lautgesetz  f&hren,  so  ist  zunächst 
klar,  dafs  gewisse  formen  der  gothischen  adjective  sich  of- 
fenbar in  nichts  von  den  entsprechenden  formen  der  subst. 
unterscheiden,  und  in  ihnen  von  Zusammensetzung  nicht 
die  rede  sein  kann.  Zu  diesen  einfachen  formen  ge- 
hören unzweifelhaft  nom.  sing.  masc.  und  fem.  und  die  kür- 
zere form  des  nom.  acc.  neutr. : 

blinds  blinda  blind 

bruks  bruks  bruk 

hardus         ]>aur8us         hardu. 

Für  blinda  dienen  bruks  und  >aursu8,  für  blind 
ebenso  bruk  und  hardu  zum  beweise  der  einfachen  bildung; 
es  ist  also  durch  nichts  gerechtfertigt,  wenn  Westphal 
n.  167  aus  allat  nach  willkür  all  und  allati^  entstehen  läüst, 
blind  ist  wie  vaurd  aus  blind  an  (blindam)  entstanden  und 
stimmt  wie  (bruk  und)  hardu  zur  Substantivflexion.  Un- 
zweifelhaft einfach  ist  femer  der  gen.  sing.  masc.  und  neutr. 


gotbiscbe  Stadien.  305 

(abgesehn  davon,  dafs  die  endung  des  gen.  der  a-stämme*) 
überhaupt  schon  zusammengesetzt  ist): 

blindis,  skeiris,  filaus. 
Einige  wenige  formen  der  a-stämme  lassen  sich,  weil 
uns  die  entsprechenden  der  u-  und  i-stämme  fehlen,  sowohl 
aus  der  pronominalen  wie  aus  der  subst.  declination  erklä- 
ren; sie  werden  unten  zur  spräche  kommen.  Andre  schlie- 
Isen  sich  entschieden  an  die  pronominaldeclination  an,  wie 
namentlich  der  gen.  sg.  fem.  und  der  gen.  pl.  aller  geschlech- 
ter; diese  sind  unzweifelhaft  zusammengesetzt  wie  im 
slayischen,  wie  die  formen  der  u- stamme  meist  durch  ihr 
u  zeigen,  nur  ist  das  princip  der  Zusammensetzung  im  deut- 
schen ein  anderes.  Während  nämlich  im  slav.  und  lit.  das 
flectirte  adjectivurn  mit  dem  flectirten  pronomen  verbunden 
wird,  gerade  wie  im  nord.  das  substantivum  mit  dem  ar- 
tikel,  die  Zusammensetzung  also  trotz  einiger  euphonischen 
Veränderungen  eine  ebenso  äufserliche  ist,  wie  die  umge- 
kehrte Verbindung  des  pron.  (artikels)  mit  dem  nomen  in 
anderen  sprachen  (altpers.  hya  magus,  tyam  magum  oder 
griech.  6  fiäyog^  rov  fidyov\  hat  im  deutschen  eine  wirk- 
liche innige  Zusammensetzung  stattgefunden;  das  pronomen 
ja  ist  mit  dem  adjectivstamme  zu  einem  worte  verwachsen. 
Setzen  wir  nun  die  declination  dieses  pronomens  nach  si- 
cheren analogien  folgendermafsen  an: 

m.  (jis)  n.  jata  f.  (ja?) 

(jis)  jizos 

jamma  jizai 

Jana  jata  ja 


♦)  Wenn  man  die  goth.  fonnen  pis,  J)izos,  ]>ize,  ])izo-tasya,  tasy&s, 
*tft8yfim  in  ihrer  strengen  conseqnenz  betrachtet,  liegt  die  vermuthung  sehr 
nahe,  dafs  die  endang  -sya  ans  ursprllnglichem  -syas  abgestumpft  sei,  also 
nicht,  wie  Schleicher  IV.  66  wollte,  das  pronominale  element  hinten  angetre> 
ten,  sondern  anch  hier  wie  sonst  vor  den  flexionsendungen.  Dafs  die  endnng 
nicht  -asya,  wie  Benfey  annimmt,  sondern  -sya  lantet,  folgere  ich  ans  amu- 
8 hya,  das  sich  zu  tasya  verhält  wie  ami  amibhyas  amish&m  (statt  amui 
u.  s.  w.)  zu  tö  tibhyas  t*sh&m;  vergl.  auch  griech.  %io  =  %Cvo(i  gegen 
T0l9  rov. 

V.     4.  20 


306 


Ebel 


D. 


(ja?) 


f.  Jos 
jizo 


pl.  jai 

jize 

jaim 

Jans  (ja?)  Jos, 

(ja  statt  jo  stimmt  zu  tva  mid  ba,  jaim  wie  l>aim  für  alle 
drei  geschlechter  im  widersprach  mit  dem  skr.  zum  slav. 
t^m",  dessen  ^  wie  das  goth.  ai  auf  die  pronominaldeclina- 
tion  beschrankt  ist);  so  erklaren  sich  daraus  sämmtliche 
adjectivformen  mit  der  grö&ten  leichtigkeit,  ohne  daCa  wir 
genöthigt  wären,  soviel  unorganische  büdungen  anzunehmen 
wie  Grimm  a,  a.  o.  918  fgd.  Bilden  wir  nämlich  die  casus 
von  den  componirten  stammen  blindaja,  hrainija,  harduja, 
so  ergeben  sich  folgende  muster: 

1)  für  die  a-stämme  mit  beachtung  des  obigen  laut- 
gesetzes: 

n.  blind(aj)ata    f.  — 


m.  — 


blind(aj)amma 
blind(aj)ana 
pl.  blind(aj)ai 
blinda(j)ize 
bUnd(aj)aim 
blind(aj)ans 


blind(aj)ata 


bluida(j)zos 

blinda(j)izai 

blind(aj)a, 

blind(aj)o8 

blinda(j)zo 

blind(aj)os. 


Die  einzige  form  in  dieser  theorie,  die  sich  in  der 
Wirklichkeit  nicht  findet,  ist  der  dat.  sg.  fem.  blindaizai,  filr 
den  hier  wie  in  allen  decl.  blindai  eingetreten  ist,  viel- 
leicht weil  die  schwere  der  endnng  lästig  war;  dafe  aber 
einmal  blindaizai  existirt  hat,  können  wir  aus  den  formen 
der  übrigen  dialecte  schliefsen:  nord.  blind ri,  ahd.p Un- 
tern u.  s.  w.  (Eine  einzelne  form  ohne  r  bietet  das  nord. 
in  hverji  =  goth.  hvarjai.)  Dafs  die  formen,  die  schein« 
bar  eine  doppelte  erklärang  zulassen,  blindai,  blinda, 
blindos,  blindans,  aus  der  pronominalen,  nicht  aus  der 
substantivdeclination  zu  erklären  sind,  zeigen  die  entspre- 
chenden aus  der  i-  und  u-decl.  (hrainjai,  faursja,  gafauijos, 
unmanvjans),   besonders  wichtig  ist  f&r  den  acc.  fem.  der 


gothische  Studien.  907 

gegensatz  im  nord.  zwischen  d.  hv5t  (i^ie  giöf,  also  !L  ans 
früherem  -u)  und  a.  hvata,  dessen  a  durch  contraction 
entstanden  sein  mufs.  Ffir  die  erklärung  von  blindamma 
und  blind aim  treten  hrainjamma  und  hrainjaim,  manvjaim 
beweisend  auf,  filr  die  von  blindana  und  blindata  ebenso 
]>aurqana  und  maurjata.  Aus  einer  vergleichung  der  bei- 
den letzten  mit  den  entsprechenden  casus  der  subst.  und 
pron.  ersehen  wir  zugleich,  dafs  die  doppelte  weise,  mifs- 
liebige  consonanten  im  auslaute  zu  vermeiden,  kei- 
nesweges,  wie  Westphal  meinte,  nach  Willkür  angewandt 
wurde,  sondern  hierbei  ein  ebenso  bestimmtes  gesetz 
herrschte  wie  fftr  die  endvocale.  Mehrsilbige  konnten 
in  beiden  ftUen  nur  die  kürzung  anwenden:  wie  fiskai  zu 
fiska,  gib&  (gibo)  zu  giba,  fiska  zu  fisk  mufste  fiskan  zu 
fisk,  gaba]»  zu  gab,  gaf  werden;  einsilbigen  standen  beide 
weisen  zu  geböte,  wie  sa,  hvas,  ]>ai,  tvai,  bai,  so,  hvo,  ]70 
bleiben,  tvft  und  b&  sich  in  tva  und  ba"^)  gekürzt  haben, 
so  erweitem  sich  ]>an  hvan  ]>at  in  )>ana  hvana  ]>ata,  wäh- 
rend hvat  sich  in  hva  abstumpft.  Wo  wir  also  in  mehr- 
silbigen formen  bewahrung  des  ursprünglichen  endvocals 
(aufser  u)  oder  erweiterung  zum  behuf  der  bewahrung  des 
endconsonanten  finden,  da  haben  wir  composition  mit  ur- 
sprünglich einsilbigen  anzunehmen:  so  in  blindai  (nom.pl.), 
blindana,  blindata  mit  dem  pron.  ja,  in  den  conj.  gibaina, 
gebeina  mit  dem  hülfsverbum  i.  —  Die  einzige  form,  de- 
ren erklärung  zweifelhaft  bleibt,  ist  der  n.  a.  pl.  neutr. 
blinda,  da  im  sing,  beide  formen  blind(an)  und  blind- 
(aj)ata  neben  einander  bestehn,  und  unhrainja  ebenso  zwei- 
deutig ist,  ein  entscheidendes  manvja  oder  hardva  (hardiva?) 
fehlt;  doch  ziehe  ich  jetzt  nach  langem  schwanken  die  deu- 
tung  aus  dem  einfachen  stamme  (also  blinda  statt  blinda) 
vor,  hauptsächlich  wegen  des  nord.  hvöt,  v^elches  dem  fem. 
hv5t  und  dem  subst.  pl.  föt  entspricht. 

2)  Bei  den  i-  und  u-stämmen  ist  zunächst  eine 
eigenthümlichkeit  des  gothischen  zu  beachten,    die  in  der 

*)  Oder  sollte  auch  hier  %i%  stamm  tvaja,  baja  anzusetzen  sein,   wie 
man  ans  tvaddje  und  bajojys  allerdings  folgern  könnte? 

20* 


306 


£b«l 


secundären  Wortbildung  hervortritt:  der  Btammvocal  a 
wird  nämlich  vor  dem  i, 'ei,  j  der  ableitungsanf- 
fixe  h&nfig,  die  stammvocale  i  und  a  fast  durch- 
weg unterdrückt,  so  namentlich  in  den  abgeleiteten 
verbis  auf  -jan,  in  den  fem.  auf  -ei  und  -ij^a  (suffix  ]»& 
=  skr.  tä  und  in  weiterer  entwioklung  lat.  «t&t,  grieäi.  -riTr, 
mit  dem  bindevocal  i),  fem.  und  neutr.  auf  -i,  ad),  -eina, 
endlich  auch  in  den  comp,  auf  -iza.  Man  vergleiche  von 
a-stämmen:  latjan,  hugjan,  sviknjan,  bairhijan,  gabUndjan, 
lausjan  u.  s.  w.  neben  den  wenigen  auf  (aj)an  wie  annan, 
veihan,  saurgan,  gahveilan,  ^vanan  (in  vanains  zu  erken- 
nen); baitrei,  braidei,  laggei,  hauhei,  bairgahei;  dic^Mj^a, 
Bvikni^a,  hauhi]»a;  andbahti,  unviti,  ]>iudaDgardi;  air]>eina, 
gul]>eina,  aiveina,  silnbreina,-  selbst  ahmeina  mit  aui^efalle- 
nem  n,  —  von  i- stammen :  brukjan,  hrainjan,  gamainjan, 
arbaidjan,  laugnjan,  stiurjan,  gaskeirjan;  hrainei,  gamainei, 
selei^  analaugnei;  unhraini]>a,  airknij^a,  airzi^a  7--  von 
u-st&mmen :  manvjan,  gahardjan,  tnlgjan,  hnggijan,  f^aurqan, 
vaifairhyjan ;  qvairrei;  manvi]>a,  tiügi^a;  manvi  und  der 
comp,  hardiza  (s.  unten),  denen  gegenüber  ufarskad- 
vjan  mit  der  bewahrung  des  u  von  skadu  fast  aufißült* 
Nach  dieser  durchgreifenden  analogie  können  wir  es  auch 
in  der  decl.  der  adj.  auf  i  und  u  kaum  anders  erwarten, 
als  dafs  beide  vocale  vor  dem  ja  ausfallen,  und  wenn  wir 
z.  b.  neben  dem  nom.  pl.  kaurjos  (2.  Cor.  10.  10)  nur  die 
ableitungen  kauijan  und  kauri]>a  finden,  so  verbietet  mchts 
den  stamm  kaum  (statt  karu  in  skr.  guru  statt  garu)  an- 
zusetzen. Demnach  erfordert  die  theorie  ftr  i-  und  u-stämme 
die  gemeinsamen  endungen: 

—  jata 


Jana 
pl.  jai 


jata 


ize  (eize?)  — 
jaim 
Jans  — 


jizos  (eizos?) 
jai  (statt  jizai) 

j» 

Jos 

jizo  (eizo?) 


Jos. 


gothUcbe  ttudieii.  900 

Damit  stimmen  demi  auch  die  vorkommenden  formen 
fast  durchweg:  hrainjamma^  hrainjai,  unhrainjana,  hrainjai, 
ga&uxjos,  hrainjaim,  unhrainjans,  wie  mauTJata,  l^aursjana, 
l^aursja,  manyjaim,  unmanyjans  enthalten  durchaus  nichts 
unorganisches,  nur  der  gen.  onhrainjaize  (Marc.  6.8)  ist 
nach  art  der  ja-stänmie  gebildet  Ein  solcher  übertritt 
konnte  aber  um  so  leichter  stattfinden,  ab  erstlich  nur  drei 
formen  davon  betroffen  wurden,  und  zweitens  sämmtliche 
übrige  casus,  die  das  pron.  ja  enthalten,  den  entsprechen- 
den formen  der  ja-st&mme  vollständig  gleichen,  nur  dafs 
diese  auf  anderem  wege  entstanden  sind,  vergl.  frij(aj)ana, 
unhrain(i))ana,  ]>aurs(u)jana.  Jedenfalls  hat  aber  diejenige 
deutung  den  vorzug,  die  möglichst  viel  formen  organisch 
orid&rt,  und  das  ist  entschieden  bei  Bopp's  deutung  der 
fall,  während  bei  Grimmas  annähme  nicht  nur  alle  hier  als 
2»ffiammengesetzt  bezeichneten  formen  unorganisch  erschein 
aen,  sondern  auch  bei  den  u -stammen  gar  keine  veranlas- 
Bimg  zum  übertritt  in  die  ja-decl.  zu  erkennen  ist;  ganz 
abgesehn  davon,  dais  ein  so  durchgreifender  Übergang  in 
die  pronominaldecUnation,  wie  ihn  namentlich  das  althoch- 
deutsche zeigt,  in  unserm  sprachstamme  wohl  ohne  beispiel 
dasteht,  also  schwerlich  anders  als  durch  wirkliche  Zusam- 
mensetzung mit  einem  pronominalstamme  zu  erklären  sein 
möchte.  ^ 


4.    Die  beiden  comparativformen. 

Als  hfiupterkennungsmittel  der  oft  unkenntlichen  ad- 
jeotivetämme  giebt  Grimm  a.  a.  o.  s.  920  mit  recht  die  ad- 
verbia  auf  -ba  an;  weniger  zustimmen  können  wir  den  dar- 
anf  folgenden  bemerkungen  über  die  formen  des  compara- 
tivs.  Wenn  sich  auch  aus  der  form  -oza  mit  ziemlicher 
Sicherheit  auf  einen  a- stamm  schlieiSsen  lassen  dürfte,  so 
darf  man  doch  deshalb  gewils  nicht  die  comp,  auf  -iza 
von  a-stämmen  ftkr  unorganisch  erklären,  am  allerwenigsten 
aber  aus  der  seltenen  form  undaraista  auf  einen  stamm 
undari  schUeisen.     Die  Sprachvergleichung  hat  längst  be- 


310  Ebel 

wiesen,  dafs  der  eigentliche  kern  der  comparativendang  das 
-is  ist,  welches  uns  in  einigen  adverbien  noch  rein  entge- 
gentritt: hauhis,  nehvis,  framis,  haldis,  airis,  mais  (statt 
magis),  in  andern  das  i  verloren  hat:  bats,  vairs,  mins 
(statt  vairsis,  minms)*),  das  -a  oder  -an  der  adjectiva  nnr 
fonnativ- flexi ver  znsatz  ist  Vergleichen  wir  nun  die  ab- 
leitung  der  verba  aus  a-stämmen:  fiskon,  arm(aj)an,  latjan, 
so  zeigt  sich  uns  eine  dreifache  möglichkeit,  den  comp, 
zu  bilden:  das  a  verlängerte  sich  entweder,  wobei  das 
i  wie  in  salbos  salbo)>  ausfallen  mulste,  so  in  blindoza,  ar- 
mosta,  oder  es  erhielt  sich  vor  dem  i  wie  in  der  einzel- 
nen form  undaraista,  oder  es  schwand  gänzlich  wie  vor 
den  oben  erwähnten  suffixen,  so  in  hauhiza,  managiza,  &- 
viza;  i  und  u  fielen  natüriich  überall  aus  wie  selbst  ja, 
vgl.  al]>iza,  spediza,  hardiza  und  das  adv.  ]»ana-sei]>s  von 
seilm.  Aber  selbst  bei  den  a-stämmen  erweist  sich  iza 
als  die  ältere  formation  sowohl  aus  der  vergleichung  an- 
derer sprachen  als  aus  dem  deutsch^i  selbst.  Im  skr.  and 
griech.  fallen  vor  dem  i,  i  der  Steigerungsstufen  nicht  nur 
die  stammvocale  (auiser  in  einsilbigen  stammen  wie  b(a)hu 
n(p)kv :  bhüyas  nX€Cf)ia)v)  sondern  auch  gewisse  su£Sxe, 
namentlich  -ra,  aus:  skr.  bhadra  würde  z.  b.,  wenn  es 
dieser  formation  folgte,  "bhadiyas,  *bhadishtha  bilden 
müssen,  genau  entsprechend  dem  goth.  batiza,  batista; 
im  lateinischen  wird  zwar  das  r  des  suff.  bewahrt,  nicht 
aber  der  stammvocal.  Besonders  lehrreich  ist  aber  hier 
wieder  die  vergleichung  des  slavischen.  Auch  im  slav. 
erscheint  eine  doppelte  comparativbildung:  ksl.  -ii  oder 
-'szi  =  poln.  -'szy,  entsprechend  dem  goth.  -iza,  und  ksl. 
-ei  oder  -^szi  =  poln.  ejszy;  und  Schleicher  ksl.  formenL 
180  fgd.  bemerkt  mit  recht,  dafs  die  ein&chere  bildung  die 
ältere  ist,  wie  sie  denn  bei  den  defectiven  comp,  die  ein- 
zige ist.  Der  zweiten  bildung  würde  ein  goth.  -aiza  genau 


*)  Entere   vergleichen   sich  dem  laU  -ios,    griech.  -loit  :  majus  (statt 
mahius,  magius),  nltlov^  letztere  den  verkürzten  formen :  magis,  pris-,  nXtiv, 


gothiflche  Studien.  3I1 

entsprechen,  dies  finden  wir  aber  nur  in  dem  einzigen  Super- 
lativ undaraista,  im  allgemeinen  hat  -oza  ganz  dieselbe  Stel- 
lung im  deutschen  wie  -Üszi  im  slavischen.  Alle  defectiven 
comparative  und  Superlative  stammen  von  der  form  -is  :  ba- 
tiza,  vairsiza,  minniza  (==  slav.  m'nii,  m'n^szi),  maiza  (statt 
magiza),  die  abgeleiteten  adjectiva  haben  gröfstentheils  comp, 
-oza  wie  handugoza  (ausgenommen  managiza  und  die  superl. 
aftumista,  auhumista,  firumista  u.  s*  w.)*  Dies  zeigt  beson- 
ders deutlich  das  ahd.,  wo  die  adjectiva  auf  bar,  lih,  sam 
u.  ä.  fast  immer  or  haben.  (Gra£P  ü.  342.)  Auch  in  dop- 
pelformen  wie  ahd.  armiro,  goth.  armoza  stimmt  das  deut- 
sche zum  slavischen.  Kurz  -iza  -ista  erscheint  auch  im 
deutschen  durchweg  als  filtere,  -oza  -osta  als  jQngere  form, 
und  beide  schlieisen  sich  mit  gleicher  leichtigkeit  an  a^ 
stamme  an. 

Was  das  zweite  comparativsuffix  -tara  betrifft, 
welches  im  sanskr.  und  griech.  das  herrschende  ist,  so 
stimmt  das  deutsche  hier  ganz  mit  dem  latein.  und  slav., 
die  dasselbe  auf  den  gebrauch  bei  pronominalstämmen  be- 
schränkt haben.  Nur  hat  es  im  vorzug  vor  dem  slav.  diQ 
duale  bedeutung  desselben  erst  in  den  jüngeren  dia- 
lecten  verloren,  während  sie  im  slav.  von  anfang  an  ge- 
schwunden ist  Wir  können  hieran  deutlich  erkennen,  wie 
der  dual  allmählich  aus  einem  gebiete  nach  dem  andern  im 
deutschen  verdrängt  ist:  zuerst  aus  der  declination,  wo 
schon  das  gothische  nur  noch  schwache  spuren  bei  den 
pron.  zeigt,  meist  neubildungen  durch  Zusammensetzung 
(nur  glaube  ich,  dafs  vit,  jut  nicht  aus  vitvai,  jutviu, 
sondern  aus  vitva,  jutva  entstanden  sind);  sodann  aus 
der  conjugation,  wo  nur  das  gothische  ihn  bei  der  er- 
sten und  zweiten  person  bewahrt  hat;  endlich  auch  bis  zu 
einem  gewissen  grade  aus  der  comparation,  wo  sich 
allmählich  an  die  stelle  des  alten  öevreQog  (selbst  slav. 
v"tor"i,  poln.  wtdry)  ein  superl.  zweite  gedrängt  hat. 
AuffSEdlend  schwach  ist  dagegen  schon  im  gotbischen  die 
bedeutung  des  zweiten  Superlativsuffixes  -tuma 
oder  -uma,  da  wir  z.  b.  f&r  auhuma,  aftuma,  fruma  meist 


312  Benary 

schon  aftomista  u«  s.  w«  finden,  ähnlich  wie  in  den  roma- 
nischen sprachen  die  alten  deminntivsuffixe  ihre  kraft  ver- 
loren haben,  agneau  z.  b.  kaum,  oiseau  gar  nicht  y^klei- 

nerunir  bezeichnet. 

^  H.  Ebel. 


Ueber  den  accent  im  lateinischen. 

Mit  rüdcsicht  auf: 

Theorie  generale  de  Taccentaatiou  latine  snivie  de  recherches 
sur  lea  inscriptions  accentu^es  et  d^ttn  examen  des  vaes  de  M.  Bopp 
aar  Thiatoire   de   Taccent  par  Henri  Weil  et  Loaia  Benloew, 
profeaaeura  de  faculte.     Berlin,  Ferdinand  Dümmler  et  Co.    Pari«, 
A.  Durand  MDCCCLV. 
Es  ist  wohl  zeitgemäfs  und  lohnt  sich  der  mühe  über 
den  accent  der  lateinischen  spräche  zu  schreiben,  voraus- 
gesetzt, dafs  man  sich  der  forderung  seiner  aufgäbe  klar 
bewufst  ist,  und  fahigkeit  besitzt,  derselben  zu  genügen. 
Und  rücksichtlich  des  letzten  punktes  kann  man  vom  vor- 
liegenden buche  von  vornherein  nur  gutes  hoffen,  denn  der 
eine  der  herren  Verfasser,  herr  Louis  Benloew,  hat  in  ei- 
nem früheren ,  einen  nah  verwandten  gegenständ  berühren- 
den, werke  bereits  treffliches  geleistet. 

Welche  forderung  aber  darf  die  Wissenschaft,  soll  sie 
wahrhaft  gefördert  werden,  nach  ihrem  jetzigen  Standpunkte 
an  ein  werk  über  lateinische  accentuation  stellen?  Sieht 
man  auf  das  was  gewöhnlich  unter  dieser  aufschrift  in  den 
Sprachlehren  dargeboten  wird,  so  scheint  der  gegenständ 
weder  absonderlich  schwierig,  noch  sehr  interessant«  Das 
ganze  gesetz  des  lateinischen  accentes  ist  in  zwei  «oge- 
naimten  hauptregeln  mit  einigen  daneben  hinlaufenden  aus- 
nahmen ziemlich  rasch  abgethan.  Abgethan;  denn  weder 
hat  jemand  bis  jetzt  sich  die  mühe  gegeben,  das  princip, 
aus  welchem  jene  gesetze  entspringen,  aufzuweisen  und  zu 
entwickeln ;  uoch  untersucht,  wie  weit  jene  äulserlichen  re- 
geln nur  einer  bestimmten  periode  angehören,  während 
früher  andere  gesetze  herrschten,  welche  aufzufinden,  sei 
CS   aus  gegebenen  historischen  daten,    sei  es  durch  folge- 


über  den  accent  im  lateiniBchen.  313 

rechten  scUofis  ans  dem  T>aa  und  dem  Charakter  der  q>rar 
che,  grammatisch  wie  sprachgeediichtlich  eme  nodiwen- 
digkeit  ist;  noch  endlich  hat  man  den  wichtigen  punkt  ins 
ange  gefaCst,  welchen  einflnis  der  accent  einmal  rom  Ur- 
sprung an  aof  die  formgestaltong  der  spräche  geOht  hat*), 
so  dafs  die  gleichheit  des  prindps  beider  znr  <m<y.liAnpng 
gekommen  wäre;  andererseits  aber  ob  und  wie  weit  er  sich 
in  den  rhythmischen  Verhältnissen  geltend  gemacht  hat, 
so  dafs  er  vehikel  dichterischer  maafse  gewesen  ist  Sidit 
naan  die  an%abe  von  dieser  seite  an,  und  man  muis  sie, 
will  man  der  Wissenschaft  gerecht  werden,  so  fassen,  imd 
rechnet  man  endlich  hinzu,  dafs  die  Untersuchung  auch 
sprachvergleichend  so  zu  fthren  ist,  dais  der  unterschied 
des  römischen  piincips  von  dem  der  verwandten  sprachen 
nachzuweisen,  und  als  eine  der  grundlagen  der  yerschiede- 
nen  formgestaltungen  au&uzeigen  ist,  so  erhält  der  gegen- 
ständ einen  umfimg  und  eine  Wichtigkeit,  der  nicht  minder 
gelehrsamkeit  als  grammatischen  schar&inn  in  combination 
und  sonderung  erfordert.  Vor  allen  kömmt  es  demnach 
darauf  an  das  princip  des  lateinischen  accentes  nachzuwei- 
sen, und  zwar  zunächst  in  der  periode  der  spräche,  in  wel- 
cher er  uns  sowohl  durch  die  Sprachdenkmale  als  durch 
die  angäbe  der  grammatiker  offen  vorliegt;  ist  dieis  ge- 
schehen, dann  wird  die  frage  leichter,  ob  diefis  princip  als 
von  jeher  in  der  spräche  geltend  zu  betrachten  seL  Was 
ist  nun  aber  princip  des  lateinischen  accentes?  Um  dieJGs 
zu  beantworten,  muTs  ich  überhaupt  zeigen,  was  accent  sei, 
und  die  weisen,  wie  er  in  den  sprachen  sich  manifestirt; 
was  ich  um  so  lieber  thue,  als  ich  mich  nicht  erinnere  den 
gegenständ  in  seiner  allgemeinheit  behandelt  gesehn  zu  haben* 
Die  lehre  vom  accent  bildet  in  der  synthetischen  be- 
handfamg  der  grammatik  den  flbei^ang  von  der  silbe  zum 
wort,  das  heilst  der  accent  ist  es,  der  das  wort  macht,  wie 
der  ictus  es  ist,  der  den  rhythmus  macht.  Der  accent  ist 
die  kraft,  die  der  einzelnen  silbe  inwohnt,  die  anderen  sil- 

*)  Dietrich  in  seiner  abhandlung  I.  543  f.  dieser  Zeitschrift  hat  dies  al- 
lerdings gethan,  ebenso  findet  sich  manches  darttber  in  Reinhardt  diss.  de 
vocia  intentione.     Berol.  1887.    K. 


814  Benaiy 

ben  an  sich  zu  BoUieCaen,  um  sie  so  zum  selbstiUidigeii  worte 
zu  gestalten;  er  ist  dem  mehrsilbigen  worte  ndthig,  damit 
die  einzehien  Silben  nicht  bloise  silben  bleiben,  sondern  ein 
wort  in  sich  und  gegenüber  den  anderen  worten  des  ge- 
daakens  werden;  er  ist  dem  einsilbigen  worte  nicht  minder 
aus  dem  letzten  gründe  ndthig. 
Zweierlei  folgt  hieraus: 

1)  dais  in  jeder  spräche,  so  lang  sie  die  Selbständig- 
keit des  Wortes  den  anderen  worten  gegenüber  wahrt,  und 
nicht  mehr  oder  minder  au%iebt,  indem  sie  die  worte  nur 
als  unselbständige  satzestheile  üSst  und  so  den  satzaccent 
statt  den  wortaccent  hinstellt,  wie  das  franz(taische  und 
das  judenmauschehi,  jedes  wort,  ein-  oder  mehrsUbig,  einen 
accent  haben  muis,  so  da(s  das  scheinbar  nicht  accentuirte 
sich  mit  dem  folgenden  oder  vorhergehenden  vereint; 

2)  dais  ein  wort  nur  einen  accent  haben  kann,  denn 
nur  scheinbar  treten  mehrere,  dem  grade  nach  verschie- 
dene, accente  in  einem  worte  auf  (feldm&rschall);  es  ist 
dann  entweder  nur  ein  accent,  oder  nicht  blols  ein  wort 
vorhanden. 

Ist  also  der  accent  die  kraft  der  einen  silbe  zur  bil- 
düng  des  wertes,  so  hat  die  spräche  dreierlei  mittel,  der 
silbe  diese  kraft  zu  geben, 

1)  durch  blofse  hervorhebung  —  (mütter), 

2)  durch  die  erhebung  (musikalische)  —  Hlsye^ 

3)  durch  die  dehnung  (prosodische)  derselben,  —  (v&ter), 
wobei  für  das  princip  es  gleichgiltig  ist,  ob  die  spräche 
durch  den  accent  die  kurze  silbe  dehnt  (neuhochdeutsch), 
oder  den  accent  der  schon  gedehnten  silbe  zuertheilt  (civi- 
tatis). Je  nachdem  eine  spräche  eines  oder  das  andere, 
oder  eines  und  das  andere  dieser  drei  mittel  wählt,  um 
den  accent  zur  erscheinung  zu  bringen,  ist  das  princip  der 
accentuation  ein  verschiedenes;  der  Grieche  ist  nur  nach 
no.  2  verfahren,  das  neuhochdeutsche  nach  no.  1  und  no.  3, 
das  polnische  nach  no.  3.  Welches  aber  ist  nun  der  Standpunkt 
des  lateinischen?  sicher  nicht  der  des  griechischen;  ich 
komme  später  darauf  zurück,  und  werde  dann  hoffentlich 
nachweisen,  dafs  rücksichtlich  der  mittel  der  bezeichnung 


ttber  den  accent  im  Uteiniachen»  Slft 

der  accentuation  das  römische  dem  nenhoohdentschen  Tid 
näher  li^  als  dem  griechischen. 

Aber  ist  so  das  mittel  oder  die  weise,  wie  der  accent 
bezeichnet  wird,  bestimmt,  so  tritt  die  firage  auf,  welche 
silbe  des  wortes  die  spräche  sich  f&r  den  accent  wählt,  die 
frage  nach  der  Stellung  des  accents.  Auch  hier  sind  drei 
weisen  möglich.  Festzuhalten  ist  zunächst,  da(s  der  accent 
zweierlei  will,  die  Vereinigung  der  silben  zum  wort  und 
die  Selbständigkeit  des  wortes  gegen  das  folgende  des  sat* 
zes.  Es  muis  der  accent  eine  stelle  haben,  wo  beides  ihm 
möglich  wird*  Da  es  in  der  natnr  des  Sprechens  liegt,  da& 
im  wort  die  silben  dem  ende  zueilen,  so  liegt  keine  Schwie- 
rigkeit darin  wie  weit  der  accent  vom  anfang  des  wortes 
entfernt  liegt;  in  avaxofnq  hat  die  endsilbe  es  leicht,  die 
drei  anfiangssilben  anzuziehen,  denn  sie  eilen  von  selbst  zu 
ihr  hin.  Anders  ist  es,  wie  weit  der  accent  vom  ende  ent- 
fernt sein  kann,  um  die  folgenden  silben  so  festzuhalten, 
dais  sie  noch  hörbar  bleiben,  und  sich  nicht  dem  folgenden 
worte  anschlieisen;  in  kxdgoxovriaav  avtov  würden  die  letz<* 
ten  silben  zu  ainov  eilen  und  zu  hx^igotov  tiüovavtov  wer- 
den. Es  hängt  aber  die  entfemung  der  accentstelle  vom 
aoslaut  von  mancherlei  individuellen  umständen  ab,  von  der 
kraft  des  accents,  dem  mittel  seiner  manifestation  und  von 
dem  grölseren  oder  geringeren  werth  der  letzten  silbe*). 
Ich  nenne  diese  erste  rücksicht  fUr  die  bestimmung  der 
stellimg  des  accents,  die  eine  rein  phonetische  ist 
1)  die  bestimmung  der  stdlung  durch  die  tragweite  dar 
kraft. 

Es  giebt  daneben  eine  zweite  rein  dem  volke  und  sei- 
nem obre  individueUe,  ich  meine  den  Wohlklang;  davon 
läfst  sich  nicht  rechenschaft  geben,  man  muIs  hier  der  sub- 
jectivität  rechnung  tragen,  so  lange  einem  tieferen  gesetze 


*)  Ich  meine  hier  nicht  etwa  den  werth,  den  die  silbe  durch  länge  nnd 
kürze  erhält,  wie  im  griechischen,  sondern  Überhaupt  den  werth,  welchen  das 
Volk  in  der  ausspräche  auf  sie  legt,  der  sich  von  ihrer  seltenen  reinen  erhal- 
tong  zur  gröfsem  oder  geripgem  euphonischen  modification,  sei  es  vocalisch 
oder  consonantisch,  durch  pause  oder  durch  das  folgende  wort,  und  dann  bis 
zur  völligen,  oft  (wie  im  französischen)  destmctiven  theilweisen  oder  gänz- 
lichen tUgOBg  denelbeii  (donnent,  avaient)  steigert. 


31i  Benaiy 

nicht  abbrach  geschieht.  So  liegt  der  stetoi  betonqi^  der 
pcDoltiiiia  im  pohiischeQ  ein  dem  volke  euphonisdi  schei- 
nendes zu  gründe,  ebenso  wie  der  römischen  betonung  der 
langen  pennltima;  ich  nenne  diese  ebenüeüls  phimetische 
rücksicht:  2)  die  bestimmung  der  rtdlung  durch  Wohlklang. 
Obwohl  indessen  der  Stellung  des  aocents  in  fast  allen 
sprachen  eine  phonetisdie  rücksicht  zu  gründe  liegt,  kann 
doch  entweder  neben  dieser  wie  im  griechischen,  oder  mit  ver- 
nachlftssigong  derselben,  wie  im  nenhochdentschen,  die  rfick* 
sieht  auf  bedeutung  maisgebend  werden.  Es  wird  die  silbe 
des  Wortes  mit  dem  accent  belegt,  die  der  bedeatung  nach 
die  wichtigste  erscheint  Hierbei  indessen  and  zwei  schon 
angedeutete  ftlle  möglich,  es  geschieht  diels  1)  in  dem 
mause  als  es  nach  den  phonetischen  gesetasen  über  die  stel* 
lung  des  accents  möglich  ist  (so  im  griechischen),  od^ 
2)  diese  phonetischen  gesetze  finden  gar  keine  berücksich- 
tigung,  wie  dieis  der  neuhochdeutsche  Standpunkt  ist  Aber 
auch  darin  zeigt  sich  die  individualität  der  Völker  verschie- 
den, dais  sie  für  das  bedeutungsvolle  einen  verschiedenen 
maisstab  haben,  bald  einseitig  bald  mit  tiefer  gedankenvol- 
ler einsieht  sondernd.  W&hrend  einerseits  1)  das  allgemeine 
als  das  wichtigere,  zu  betonende,  das  individualisirende 
ds  das  minder  bedeutende  erscheint,  kann  2)  andererseits 
gerade  diefs  als  hervorzuhebend,  jenes  als  minder  pr&gnant 
betrachtet  werden,  oder  aber  3)  bald  das  eine  bald  das 
andere  berücksichtigt  werden.  So  steht  das  neuhochd^xt- 
sehe  fast  ganz  auf  dem  ersten  Standpunkte,  nämlich  in  allen 
ableitungen  und  verschmolzenen  compositionen  (liebte, 
gdiebt,  durchlebt),  und  wendet  nur  in  den  noch  gefUilten 
compositionen  und  fremdworten,  den  individuaUsirungsac- 
Cent  an  (unrein,  durchziehen  gegen  durchziehen,  haüptr 
Stadt),  das  griechische  hingeg^  hält  sich  in  schöner  weise  in- 
nerhalb der  dritten  auffassung,  zugleich  auf  dem  boden  des 
phonetischen  gesetzes  fiifsend,  xvnTo^tv^  Xoyog  gegen  SpLOiog 
(neben  S/juSsg,  SfidSag)^  Uey^Vy  eikf](paf  äf^ovaog,  elni,  laßi  im 
gegensatz  zu  fAa&^  u.  s.  f.  Neben  diesen  beiden  punkten 
—  den  mittein  zu  seinem  ausdruck,  und  den  rücksichten, 
die  seine  Stellung  bedingen  —  liegt  ein  drittes  principielles, 


aber  den  accent  im  lateinisclieii.  S17 

in  dem  mafse  und  in  der  art  des  einflnsoes  des  accents 
1)  auf  die  bildmig  der  formen  (vi^ns,  vendns,  cögo  sscöigo 
zu  co§gi  s=s  co^gi,  pergo  ^^  pdrrigo  zu  perr^xi),  2)  auf  die 
rhythmische  behandlung  der  aecentuirten  und  accentlosen 
Silben.  Bdde  geg^istände  sind  wemg  in  den  grammatiken 
behandelt  worden,  obwohl  der  emflufs  des  letzteren  von 
der  höehsten  Wichtigkeit  ist,  namentlich  f&r  das  lateinische^ 
wie  ich  denn  später  hieraus  wichtige  erkl&rungen  f&r  den 
gegensatz  der  horazischen  ma&e  zu  den  gleichen  im  gri^ 
chischen  hernehmen  wmle. 

Sind  nun  in  dem  obigen,  so  yiel  ich  sehe,  die  orga- 
nisch^i  gestaltungen,  in  denen  sich  der  aecent  der  spra* 
eben  bewegen  kann,  angegeben;  so  hat  die  Untersuchung 
der  einzelnen  spräche  zu  sehen,  welche  derselben  in  ihr  zur 
geltnng  gekommen  sind,  wobei  der  historischen  entwicke« 
lang  —  welche  indessen,  wenn  die  spräche  sich  erst  fest 
gebildet,  nur  sehr  unwesentlich  ist  —  rechnung  zu  tragen 
ist.  Ist  dieis  geschehen,  d.  h.  sind  die  gesetze  des  accents 
der  spräche  klar  gefalst,  sein  einftufs,  seine  Wirkung  auf 
bildung  der  sprachformen,  wie  umgekehrt  deren  einflufs  auf 
ihn  erkannt,  dann  l&fst  sich  mit  Sicherheit  der  rückschluA 
auf  die  allgemeinen  principien  machen,  von  denen  aus  die 
spräche  diese  bestimmten  gestaltungen  angenommen  hat; 
dann  ist  man  aber  auch  erst  auf  den  pnnkt  gdkommen, 
sprachvergleichend  zu  verfahren ,  d.  h.  die  Verschiedenheit 
der  principien  hervorzuheben,  welche  individuell  die  ab* 
weichung,  ja  den  gegensatz  der  einzelnen  sprachen  dessel** 
ben  Stammes  motiviren*  Es  ist  der  weg,  von  der  offen  he* 
genden  Wirkung  zur  kraft  der  Ursache  zurüdusngehen,  der 
emzige  weg,  den  die  besonnene  forschung  g^enüber  dem 
wieder  auftauchenden  aprioristischen  geschwätz  mit  Sicher- 
heit einschlagen  mufs.  Auf  ihm  wflrde  sich  dann  herausstellen, 
welchen  werth  die  spräche  dem  einzelnen  wort  im  gedan<* 
ken  giebt,  d.  h.  ob  sie  seine  Selbständigkeit  den  anderen  wer- 
ten gegenüber  zur  geltung  bringt,  oder  ob  sie  die  werte  mehr 
in  die  einheit  des  gedankens  aufhebt;  im  ersten  falle  tritt 
der  aecent  in  seiner  zweifachen  bedeutung  —  Vereinigung 
der  Silben  zum  wort,  Selbständigkeit  des  wertes  den  ande- 


318  B«ntf7 

ren  worten  gegenfiber  —  auf,  im  letzten  ist  seine  zweite 
bedeutong  geschwächt,  wo  nicht  au%ehoben;  im  ersten 
falle  wird  der  erhaltnng  und  der  unveränderten  ausspräche 
des  anslautes  rechnung  getragen,  im  zweiten  kann  die  letzte 
Silbe  schwinden,  sich  verkürzen,  oder  ist  dem  euphonischen 
einflusse  des  folgenden  wertes  unterworfen;  im  ersten  falle 
hindert  nichts  dafs  der  accent  den  auslant  treffe,  im  zwei- 
ten flieht  er  denselben  so  viel  er  kann.  Es  ist  unglaub- 
lich wie  verschieden  die  accent-  und  die  formgesetze  sich 
durch  diese  verschiedenen  principien  in  den  einzdnen  spra- 
chen gestalten,  ja  nicht  in  der  einzelnen  spräche,  sondern 
in  derselben  spräche  in  deä  verschiedenen  gattungen  der  rede. 
Oder  giebt  es  etwa  in  der  verschiedenen  gestaltung  der  letz- 
ten silbe  des  wertes  in  poesie  und  prosa,  in  der  spräche  der 
dichter  im  gegensatz  zu  der  der  prosaiker,  im  griechischen 
und  römischen  einen  anderen  grund,  als  dafs  hier  die  Verstän- 
digkeit der  Überlegung  das  einzehie  —  das  wort  -«-  in  seiner 
Selbständigkeit  festhält,  dort  der  schwung  der  begeisterung  es 
zum  ganzen  hinreüst.  Aber  auf  diesem  wege  würde  sich  auch 
ergeben,  welche  gröfsere  oder  geringere  f^^üsche  kraft  die 
einzelne  spräche  in  der  wahrung,  erhaltung  und  entgegenset- 
zung  der  einzelnen  momente  bei  der  bildung  des  wertes  als 
ganzen  habe.  Von  der  plastischen  Schönheit  und  dem  reich- 
thum  des  griechischen  bis  zu  der  oft  destrucüven  armut 
des  neuhochdeutschen  liegen  unendlich  viele  stufen.  Wäh- 
rend das  griechische  in  dem  einen  werte  plastisch  das  man- 
nichfachste  zusammenfafst  —  prosodischen  unterschied,  ac- 
cent, Sinnesbedeutung,  rhythmischen  ictus  — ,  jedem  im 
sprechen  sein  recht  ertheilend,  keines  au%ebend  (erhält  es 
ja  den  accent  sogar  beim  wegfall  des  accentuirten  vocals 
des  auslautes),  schrumpft  dieser  reichthum  im  römischen 
merklich  zusammen,  ist  im  neuhochdeutschen  zur  dürftige 
keit  herabgesunken,  die  stärker  noch  im  polnischen  hervor- 
tritt. 

EndUch  aber  würde  sich  auch  herausstellen,  welche  kraft 
dem  phonetischen  gegenüber  die  spräche  der  bedeutung 
giebt  Gegensätze  bilden  hier,  und  zwar  schlagende,  das 
römische  und  neuhochdeutsche.  Jenes  gestattet  der  bedeutung 


ttber  den  acoent  ii»  lateinischen.  .  319 

weder  beim  accent  noch  mit  einigen  aasnahmen  in  der  Wortbil- 
dung irgend  einen  einflufs  (£&cit,  r^ficit,  fec^rant),  ja  zernichtet 
durch  die  macht  des  phonetischen  das  bedeutungsvolle  (pono, 
pergo,  cogo,  proea),  dieses  hält  die  bedeutung  so  fest,  dafs 
es  organisches  aus  diesem  gründe  nicht  minder  destmirt 
als  jenes*).  Anders  das  Griechische.  Hier  ist  ein  gegen- 
satz  ganz  unmöglich,  denn  das  wort  bedeutet  im  grie- 
chischen nicht,  sondern  ist  unmittelbar  indiyidualisirter  be- 
griff, in  dem  inhalt  und  form  au%ehoben  ist.  Nirgends 
also  ist  die  bedeutung  übersehen,  nirgends  aber  auch  her- 
vorgehoben. Accent  und  form  dienen  nur  zum  individua- 
lisiren,  da  bedarf  es  bald  der  hervorhebüng  des  allgemei- 
nen, bald  des  besonderen. 

Diefs  sind  meiner  ansieht  nach  die  principien,  welche 
die  sprachen  bei  regelung  des  accents  bestimmt  haben.  Es 
würden  demnach  bei  behandlung  des  römischen  accents  fol- 
gende fragen  in  betracht  kommen, 

1)  welche  mittel  hat  die  spräche  zum  ausdruck  des  accents, 

2)  welche  Stellung  im  worte  nimmt  er  ein; 

3)  welches  verhältnifs  hat  er  zu  der  formbildung, 

4)  welches  zu  den  rhythmischen  Verhältnissen  der  poeti- 
schen mafse? 

und  nach  lösung  dieser  punkte,  welche  auf  die  historische 
entwickelung  einzugehen  hätte,  folgt  dann  die  wichtige  erör- 
terung,  welche  principien  diesen  accentgesetzen  zu  gründe 
liegen;  und  in  welchem  Verhältnisse  dieselben  zu  denen  ste- 
hen, von  welchen  die  andern  indogerm.  sprachen  ausgehen. 
Nachdem  ich  diefs  festgesetzt,  werde  ich  in  einem  zwei- 
ten artikel  zeigen,  wie  dem  gegenüber  die  treffliche  arbeit 
der  herren  Verfasser  und  ihre  resultate  sich  stellen* 

A.  Benary. 

*)  Wenn  G5the  rickkehr,  Unfall  nnd  vieles  andere  der  art  im  hexame- 
ter  —  selbst  in  höherer  spräche  — >  mifst,  so  Aifst  er  freilich  auf  dem  de- 
structiven  sprachprincip ,  aber  auf  der  lebendigen  ausspräche;  nicht  er  ist  eu 
tadeln,  der  aus  diesem  lebendigen  bom  schöpfte ;  wer  tadeln  will,  der  tadle  die 
spräche,  die,  ans  dem  gefUhle  des  princips  heraus,  so  nnd  nicht  anders  ver- 
fuhrt. 


8M  SpiegBl,  oiflMlleB. 

WEM.  Hlseellen« 


1)  va*ti  —  vitis. 
Im  letarten  paragraphen  des  Yendidad  findet  sich  in  den  bei- 
den ausgaben  das  wort  va^tayo,  das  sich  in  der  HnsrArescb^ 
Übersetzung  mit  n^l  wiedergegeben  findet  Ich  habe  daa  wort 
mit  ^weide^  übersetzt,  weil  sich  dasselbe  allerdings  etymologisch 
an  das  genannte  deutsche  wort,  das  griech.  itia  und  vor  allem 
an  neup.  Ouj  anschlieist,  Vullers  im  neap.  lexikon  zieht  auch 
skr.  vetasa  herbei.  Nan  finde  ich  aber  im  Mino-khired  (p,  107 
der  pariser  handschr.)  ein  wort  bit,  das  Neriosengh  mit  phala 
wiedergiebt  and  diese  bedeutung  wurde  an  jener  genannten  stelle 
besser  zum  sinne  passen,  und  ich  glaube  auch  dafs  man  die  Ver- 
einigung der  beiden  wörter  rechtfertigen  kann;  zwar  wird  der 
altir&nische  diphthong  aS  in  den  neueren  sprachen  in  e,  nicht 
in  i  verwandelt,  doch  wird  dieses  ^  vor  schliefsendem  t  öfter 
schon  in  i  geschwächt  (z.  b.  sit  von  khsha^ta,  wie  sich  schon  im 
Mkh.  mehrfach  findet,  während  dagegen  noch  Firdosi  in  den  mir 
bekannten  reimen  stets  set  liefs).  Dann  wurde  es  am  nächsten 
liegen  das  lateinische  vitis  herbeizuziehen,  obgleich  es  mir  nicht 
wahrscheinlich  ist,  dafs  die  Weinrebe  selbst  an  jener  stelle  ge- 
meint sei.  —  Die  zweite  lesart  vaegayo,  welche  andere  hand- 
schriflen  bieten,  wurde  auf  ein  ganz  ähnliches  resultat  fuhren, 
wenn  man  dieses  wort  mit  armenisch  vign,  wicke,  vergleichen  darf. 

2)  bunda. 
Der  heransgeber  dieser  Zeitschrift  hat  bereits  bd.  IL  p.  320 
mit  dem  sanskr.  budhna  nicht  allein  griech.  m/^/ij^V,  sondern  auch 
unser  bodam  altn.  botn  verglichen,  ich  stimme  ihm  darin  bei  und 
stelle  dazu  das  im  Huzvaresch  und  Pärsi  häufig  vorkommende 
bunda,  sowie  das  schon  im  altbaktrischen  gewohnliche  buna  grund, 
Wurzel.  Es  vertritt  dieses  bunda  die  erste  silbe  in  ärmaiti,  dann 
worter  wie  Arem,  äroi  etc.  die  ich  alle  mit  skr.  aram,  alam  für 
verwandt  halte.  Auch  in  späteren  Schriften,  wie  dem  Bundehesh, 
Minokhired  etc.  findet  es  sich  noch  so  häufig,  dafs  es  weiterer 
belege  dafür  nicht  bedarf.  Neriosengh  giebt  es  gewohnlich  durch 
sampüriia  wieder.  Nach  abfall  des  schliefsenden  d  ist  damit  das 
oben  angefahrte  buna  (cf.  Yd.  XIX.  147)  identisch,  das  im  neu- 
pers.  bun,  armenisch  bnuthiun  seine  verwandten  hat    Spiegel. 

Gedruckt  bei  A.  W.  Schade  in  Berlin,  GrOnstr.  IS. 


I.  Abhandlungen. 


Die  alten  krankheitsnamen  bei  den  Indo- 
germanen. 

Meiner  abhandlung  über  die  älteste  heilkunst  (in  dieser 
eeitschr.  V.  bd.  p.  24)  lasse  ich  zur  ergänzung  eine  zweite 
folgen  über  die  krankheiten  selbst,  mit  denen  die  vorhisto- 
rische medizin  schon  vielfach  zu  kämpfen  hatte.  Yon  ei- 
ner solchen  Untersuchung  sollte  man  wenig  erwarten,  da 
in  diesem  felde  besonders  die  Wörter  beständige  Wechsel 
erfahren.  Die  gelehrte  medizin  liebt  es  neue  benennungen 
einzuführen,  welche  die  alten  volksthümlichen,  unverständ- 
lich gewordenen  namen  verdrängen,  und  den  begriff  jeder 
krankheit  geradezu  ausdrücken  sollen.  Dies  ist  schon  bei 
den  Griechen  seit  Hippokrates  der  fall  gewesen;  gewifs 
auch  in  Indien,  wo  die  heilkunst  schon  frühe  zur  wissen- 
schafl  sich  erhob.  Das  persische  hat  meist  arabische  Wör- 
ter angenommen,  und  bei  uns  neueren  hat  sich  theilweise 
eine  ganz  neue  nomenclatur  gebildet.  So  sind  gewifs  eine 
menge  alter,  ursprQoglicher  namen,  im  osten  wie  im  We- 
sten, verschwunden.  In  den  sprachen  selbst  liegt  aufser- 
dem  eine  neigung  dunkle  Wörter  durch  neue  zu  ersetzen, 
wenn  es  sich  um  auffallende  erscheinungen  handelt.  Des- 
wegen giebt  es  selten  berührungspimkte  zwischen  den  na- 
men von  krankheiten,  welche  sich  durch  ein  einziges,  stark 
hervortretendes  merkmal  unterscheiden.  Die  Schwindsucht 
V.    6.  21 


3W  Pictet 

kömmt  überall  vom  schwinden,  die  faUsucht  vom  fallen,  die 
Wassersucht  vom  wasser  u.  s.  w.  Nor  diejenigen  übel,  de- 
rep  natur  weniger  bestimmt  ist,  haben  noch  hie  und  da 
die  alten  benennungen  bewahrt  Was  übrig  geblieben  ist, 
erweist  sich  jedoch  als  aller  aufinerksamkeit  werth,  wie 
man  aus  der  folgenden  Untersuchung  ersehen  wird. 


Für  den  allgemeinen  begriff  des  krankseins  bieten  das 
sanskrit  und  die  verwandten  sprachen  mehrere  wurzeln  mit 
vielen  ableitungen  und  wechselseitigen  analogen;  es  wäre 
aber  zu  weitläoflig  sie  hier  abzuhandeln,  da  diese  arbeit 
leicht  zu  einem  lexicon  anschwellen  würde.  Dals  unsere 
ältesten  vorfahren  sich  nicht  immer  einer  ungestörten  ge- 
sundheit  erfreut  haben,  ist  kaum  zu  bezweifeln  und  bedarf 
keines  beweises.  Von  welchen  Übeln  aber  sie  schon  so 
früh  heimgesucht  wurden^  das  ist  es  was  unserer  forscfaong 
ein  näheres  interesse  geben  kann;  denn  diese  frage  ist  ftir 
die  physiologische  geschichte  unseres  Stammes  nicht  un- 
wichtig. Wir  schreiten  somit  gleich  zur  Untersuchung  der 
einzelnen  krankheitsnamen,  um  daraus,  wo  möglich,  eine 
vorhistorische  nosologie  zu  gewinnen. 

I.     Geistesstörungen. 

Dies  ist  ohne  zweifei  das  reichste  capitel  in  der  trau- 
rigen aufzählung  der  menschlichen  übel.  Nicht  nur  besit- 
zen unsere  sprachen  eine  menge  von  ausdrücken  fbr  die 
verschiedenen  arten  und  grade  von  geistesstörungen,  son- 
dern das  häufige  und  weitgreifende  zusammentreffen  dieser 
Wörter  in  allen  zweigen  des  grofsen  Stammes  beweist,  dafs 
diese  krankheiten  uralt  sind,  und  dafs  der  mensch  immer 
närrisch  genug  gewesen  ist.  Ja  es  könnte  ein  humoristi- 
ker  das  skr.  nara,  mann,  mit  dem  deutschen  narr  zu- 
sammenstellen und  eine  nahe  Verwandtschaft  beider  be- 
haupten. 

Die  grundbegriflfe,  aus  denen  dieser  reiche  schätz  von 
Wörtern  fliefst,  sind,  wie  die  geistigen  übel  selbst,   sehr 


die  alten  krankheitsnamen  bei  den  Indogermanen.  323 

verschiedener  natur.  Die  gewöhnlichsten  sind  freude,  lu- 
stigkeit,  trauer,  wuth,  verwirning,  irrthum,  stolz,  eitelkeit, 
Stumpfheit  u.  s.  w.;  und  sie  gehen  vielfach  in  einander  über. 

1)  Mehrere  dieser  bedeutungen  vereinigen  sich  in  der 
skr.  wrz.  mad  (m&dyati),  laetari,  inebriari;  madayati, 
id  aber  auch  langnescere,  lugere;  madayati  (causalform) 
stöbe  sein,  to  be  proud,  nach  Wilson.  Mit  ud  praef.  ver- 
stärkt sich  der  sinn  zu  insanire.  Davon  mada,  frende,  Inst, 
ßtolz,  trunkenheit,  toUheit;  matta,  freudig,  betrunken, 
stolz,  wüthend  u.  s.  w.  Nahe  verwandt  ist  die  wrz.  mand 
(mandate)  laetari,  gaudere,  inebriari;  und  dann  dormire 
{somno  gaudere)  languescere,  lentum  esse,  wo  man  den 
Übergang  der  bedeutungen  leicht  begreift;  davon  man  da, 
tranken,  wahnsinnig,  dumm,  träge,  krank,  eigensinnig,  ver- 
ächtlich, schlecht  u.  s.  w. 

Zu  matta  stimmt  ganz  das  lateinische  mattus,  be- 
trunken, woher  das  italiänische  matto,  narr.  Da  man 
auch  matus  findet,  wo  ein  t  eingebüfst  scheint,  so  gehört 
wohl  auch  dazu  fidraiog,  thöricht,  eitel,  prahleriseh,  fua- 
TiUy  thorheit  u.  s.  w.;  und  das  doppelte  t  kommt  wirklich 
wieder  zum  Vorschein  in  Hesych.  fAavtaßog^  neben  /tta- 
Taßog  =  fiwgog.  Daraus  erklärt  sich  die  form  fiavaog 
ßStr  fiaTaj:og*).  Ob  mattus  aus  madidus  entstanden, 
ist  sehr  zweifelhaft,  obgleich  die  bedeutung  dieselbe  ist. 
Der  zweifei  erstreckt  sich  aber  auch  auf  madeo,  dessen 
sinn  als  betrunken  sein  ganz  zum  skr.  mad  stimmt,  jedoch 
nicht  von  dem  begriffe  der  £reude,  sondern  von  dem  des 
naisseins  ausgeht.     Oder  wäre  madeo  eigentlich  sich  der 


•)  Ein  aekundäres  suffix  ßo^/o  =  skr.  taddh.  va,  in  ke^ava  und 
anderffwo,  ist  man  wohl  berechtigt  anzunehmen.  Aufser  fiäinaßoq  zeigen 
€8  ziemUch  klar  ^dvvaßo^  aus  ndvira^  xavvaßoq  aus  xat^ij,  noXoß^q 
aus  xoAoQ,  oxd-oßoq  aus  ox&oq  u.  s.  w.  Andere  ableitungen  sind  dunk- 
ler; so  xlxvßoq^  eule  (auch  xix?»^»?)  vielleicht  aus  x^xv?,  stark;  /to- 
Xcßoq^  fioXvßoq^  blei,  als  unreines  (cf.  fiokvp»  und  skr.  mala,  schmutz, 
woraus  bahn  mala,  blei,  d.i.  sehr  schmutzig);  d-ogvßnq^  l^nn  (cf.  skr. 
dhärÄ,  vox.  Nigh.  1.  11).  Wäre  xaqaßoq^  krebs,  nicht  etwa  bände 
(scheeren)  habend,  aus  skr.  kara,  band? 

21* 


334  Pictet 

nftsse  erfreuen,  wie  die  pflaDzen?  Noch  weiter  ab  liegt  a  a- 
Sdo)^  wegen  der  speziellen  bedeatang  des  kablseins,  die 
den  derivaten  ausschliefslich  zukommt. 

Viel  vollständiger  findet  sich  die  wrz.  mad  im  celti- 
schen  yertreteti,  und  zwar  nach  allen  Seiten  hin.  Im  iri- 
schen madh,  entzückend,  meadharach,  meadhrach, 
freudig,  lustig,  zeigt  sich  die  grundbedeutung;  in  maoi- 
dhim,  prahlen,  grofsthun,  die  des  eitlen  stolzes;  in  mad  ha, 
toUheit,  madhanta,  blöde,  scheu,  die  der  geistesstörung. 
Das  cymr.  meddw,  betrunken,  com.  medho,  armor.  mözö, 
scheint  aber  sammt  cymr.  medd,  ir.  meadh,  miodh, 
meth,  eher  zum  skr.  madhu,  fii&v  u.  s.  w.  zu  gehören. 
In  beiden  ästen  hingegen  findet  sich  eine  merkwürdige 
Übereinstimmung  mit  den  sanskritischen  ableitungen  durch 
ud,  unmada,  unmattatä,  tollheit,  unmatta,  toll,  ra- 
send, betrunken;  nämlich  ir.  oinmhitb,  oinmhid,  toU, 
oinmhideacht,  tollheit,  cymr.  ynfyd  (yn-myd),  ra- 
send, ynfydu,  tollsein,  ynfydedd,  raserei  u.  s.  w.  Ich 
habe  anderswo  schon  auf  das  begegnen  der  lautlichen  Ver- 
wandlung des  ursprünglichen  d  zu  n  vor  m,  aufinerksam 
gemacht*).  Da  diese  euphonische  regel  aber  sonst  im  cel- 
tischen  gar  nicht  gilt,  so  kann  man  bedenken  tragen  obige 
formen  unmittelbar  zu  vergleichen,  und  eine  bildung  der 
celtischen  Wörter  mit  dem  negativen  praef.  an,  in  (=  skr. 
ana)  vermuthen.  Dafbr  spricht  nicht  nur  die  ersische  form 
ainmhide,  toll,  sondern  das  armorische  anmid,  id.,  wo 
an  gewifs  die  negation  ausdrückt  Dagegen  aber  streitet 
wieder  das  cymr.  yn  in  ynfyd,  welches  sich  bestimmt 
vom  cymr.  negativen  an  scheidet.  Und  so  bleibt  die  sache 
dennoch  unentschieden. 

Dem  sanskritischen  matta  begegnet  noch  das  persi- 
sche mast,  betrunken,  rasend,  stolz,  begierig,  geil,  mastf, 
tmnkenheit,  begierde  u.  s.  w.  In  den  germanischen  und 
lith.  slavischen  sprachen  finde  ich  keine  sicheren  spuren 
der  wrz.  mad  in  den  obigen  bedentungen;    aber  das  altsl. 


*)  De  Faffinit^  des  langnefi  celtiqnes  avec  Ic  sanscrit  p.  79. 


die  ^ten  knmkheitwnanMm  bei  den  Indogermanen.  9*25 

moaditi,  cunctari,  m'dl",  tardus,  in"dlo8t',  socordia, 
scheinen  za  mand,  lentam  esse,  languescere,  zu  gehören. 

Aus  dem  bisher  gesagten  kann  man  schon  sehen,  dafs 
unter  unseren  urahnen  es  nicht  nur  närrische  leute,  son- 
dern audi  trunkenbolde  gab;  was  wenig  befremden  kann, 
da  der  wein  von  der  sündfluth  her  datirt  und  schon  vater 
Noah  eben  kern  erbauliches  beispid  der  mäfsigung  in  des- 
sen genusse  gegeben  hatte. 


2)  Die  skr.  wrz.  man  (mannte)  credere,  cogitare, 
scire,  magni  aestimare,  nach  der  10.  classe  flectirt  (mftna- 
yate)  nimmt  den  sinn  von  magni  se  aestimare,  superbum, 
stultum,  stupidum  esse  an;  und  es  kommt  davon  mäna,  stolz, 
anmaCsung,  einfUtiger  mensch,  barbar;  mänin,  anmaisend, 
stolz  u.  s.  w.;  auch  direkt  aus  man,  manyu,  stolz,  zorn, 
betrübnük  Es  ist  gewifs  ein  tiefer  zug  in  der  spräche, 
dafs  diese  begriffe  aus  derselben  wurzd  fliefsen,  woher  der 
mensch,  manu,  manushya,  mänava  u.  s.  w.  seinen 
namen  erhält,  und  so  gerade  das  denken  durch  übermafs 
zum  stolze  und  zur  narrheit  wird.  Zu  dieser  bedeutung 
der  wrz.  man  stimmt  fiaivofiai^  rasen,  toll  sein,  WOV09 
fiTJvtg^  zorn  und  fjLavia,  raserei  u.  s.  w.;  femer  das  iri- 
sche mainigh,  toUheit.  Im  altsL  finden  wir  ob-manuti, 
betrügen,  verblenden;  im  illyr.  aber  manen,  mahnit, 
toll,  po-mana,  mahnitos,  toUheit.  Dazu  lith.  möniti, 
verblenden,  monai,  gaukelwerk,  Zauberei  u.  s.  w. 

Der  sinn  von  manyu  als  betrübnifs  erscheint  auch 
wieder  im  nord.  mein,  dolor,  noza,  ulcus,  ags.  man, 
maene,  facinus,  nefas;  ahd.  mein,  id.  Aus  gamains 
vermuthet  Grimm  auch  goth.  main  noxa. 

Von  der  wrz.  man  kommt  mati,  verstand,  und  mit 
Verneinung  amati,  Unverstand,  als  adj.  aber  so  viel  als 
dushta,  verächtlich,  unvermögend,  schlecht.  Gleicher  bil« 
düng,  aber  ganz  lateinisch,  ist  amens  =  demens  (menti 
=  mati).  Das  irische  amad,  amadan,  narr,  amai- 
deach,  närrisch,   vergleicht  sich   dagegen  geradezu    mit 


Piotet 


amati,  da  mad  sonst  nicht  verstand  bedeutet  und  nur  in 
composition  erscheint*). 


3)  Eine  im  sanskrit  isolirte  wurzel  des  toUseins  ist 
lod,  laud,  16t,  auch  rdd,  raud,  rant,  insanire,  desi- 
pere,  ohne  eine  einzige  ableitung.  Verwandte  formen  sind 
wahrscheinlich  rut,  dolore  affici;  (10.  r&tayati,  irasci), 
rat,  vociferari,  mngire,  röt,  loqui;  femer  lud,  lul,  agi- 
tare,  perturbare;  lat,  vociferari,  puerilem  esse  r=r  rat; 
lad,  lal,  lallare  u.  s.  w.,  so  dafs  der  grundbegriff  der  des 
wilden,  unsinnigen,  verworrenen  Schreiens  und  redens  zu 
sein  scheint.  Aus  der  form  lat  allein  entspringen  lata, 
lataka,  narr,  dummer  kerl,  verächtlicher  mensch  (auch 
latta,  ladda),  l&ta,  kindisches,  tolles  reden.  Ueberall 
schwankt  die  dentalstufe. 

Zu  lata,  l&ta  oder  zu  lad  stimmt  das  persische  lä- 
dah,  narr,  einfältiger  mensch;  zur  form  lal  aber  läl, 
stumm,  und  lälä,  schwfitzer  (beide  bedeutungen  vermitteln 
sieh  durch  die  des  verworrenen  stammelns  und  redens). 
Damit  identisch  ist  das  cjmr.  llelo,  narr,  und  mit  erhalt- 
nem  dentale  ir.  ladhan^  Btumm,  Iddhna,  stummheit; 
armor.  louad  ist  aber  wieder  der  narr.  —  Im  lithauiscben 
finden  wir  letas,  blöde,  dumm,  träge,  schlecht,  letunas, 
dummer  mensch,  letummas,  einfaltigkeit  u.  s.  w.;  mit  d 
aber  ledakas,  unnütz,  faul,  verdorben.  Dazu  russisch 
Ij adasheil,  schlecht,  elend,  poln.  ladaiaki,  id.;  lada 
(indekl.)  irgend  wer  im  verächtlichen  sinne,  ladaco,  lie* 
derlich,  taugenichts.  Im  illyr.  ludjak,  wieder  narr.  — 
Zu  lut,  rut,  grundformen  von  16t,  raut,  stellt  sich  wohl 
das  altsl.  Ijut*',  saevus,  russ.  Ijutyi,  grausam,  fürchter- 
lich, und  dieses  f&hrt  uns  zu  Ivtra,  Xvcaa,  wuth,  toll- 
heit. 

Der  form  lad  gehört  goth.  lats,  ags.  lat,  laet,  nord. 
latr,  ahd.  laz,  tardus,  hebes  (cf.  Dief.  g.  w.  11.  129). 


•)  Cf.  altir.  for-met,  memoria  (Zeufa.  249);  for-aith-raet,  id.  (762); 
der-met,  oblivio  (884)  auch  der-mad  (249);  wo  met  =s  mati. 


die  alten  krankheitsiuuDen  bei  den  Indogenuanen.  327 

4)  Aus  der  wrz.  muh,  couturbari  animo,  deficere  anima, 
caus.  mohayati,  stupefiicere,  leiten  mcb  ab,  moha,  Ohn- 
macht, geistesverwirrung,  toUheit,  Unwissenheit,  betrübnüs, 
mohana,  betäubend,  verblendend,  muhira,  muhera, 
narr,  tölpel,  müdha,  id.  faullenzer,  müdhatä,  narrheit 
u.  8.  w.  Mit  muhera  haben  Pott  und  Benfey  fiwQog 
▼erglichen,  ich  glaube  mit  unrecht,  wie  es  sich  bald  zeigen 
wird«  Mit  mehr  Sicherheit  vergleicht  sich  fÄVxi'OQf  geiler 
mensch,  da  muhira,  auch  liebe,  begierde,  als  geistverwir- 
rend, und  mohana,  begattung,  bedeuten.  Zum  partic. 
müdha  stimmt  vielleicht  das  persische  mndali,  krank, 
unwohl.  Das  ahd.  möjan,  mujan,  fatigare,  affligere, 
nord.  mya,  molestare,  wenn  es  hieher  gehört,  hätte  den 
endgnttural  verloren,  und  stände  fbr  m dg j an,  sowie  m6 hl, 
mühe,  f&r  mögt;  in  mödi,  nord.  mödr,  müde,  käme  aber 
der  dental  von  müdha  wieder  zum  Vorschein.  Celtische 
Verwandtschaften  sind  ir.  muighim,  ermatten,  vergehen, 
erlöschen,  mugha,  Vertilgung,  auslöschung,  müig,  be- 
trübniis,  finsteres,  mürrisches  wesen,  muigeachd,  üble 
laune.  Dazu  noch  die  namen  des  ranchs  als  betäubendes, 
ir.  much,  cymr.  mwg,  com.  mög,  armor.  möged.  — 
Bestimmtere  anwendungen  auf  tollsein  scheinen  überall  zu 
fehlen. 


5)  Gleicher  bedeutung  mit  muh  ist  die  wrz.  murch, 
animo  contnrbari,  linqui  animo,  woraus  unter  andern  ablei- 
tungen  mürkha,  dumm,  närrisch,  unwissend.  Pott  (etym. 
forsch.  L  283)  vergleicht  treffend  das  lettische  mulkis, 
tölpel;  es  lehnt  sich  aber  zunächst  an  altsl.  mr'knuti^ 
mT^cati,  russ.  molc&tj,  verstummen,  schweigen.  Ben- 
fey's  Zusammenstellung  mit  fid^yoe  (gr.  wurzellex.  L  507) 
ist  dagegen  schwerlich  begründet.  —  Hier  bietet  uns  wie- 
der das  celtische  schöne  Übereinstimmungen  im  ir.  m Ur- 
eas, betrübnüs,  murcach,  traurig,  armor.  morchi,  be- 
trüben, morch,  morched,  betäubung,  trauer,  demüthi- 
gung,  morcheduz,  träge,  betäubt,  u.  s.  w.  Es  vergleichen 
sich  wohl  auch  das  lat.  murcidus,  träge,  und  murcus. 


338  ^'^^^ 

eigentlich  träger,  einfUtiger  kerl,   der  sich  yeretümmelte, 
um  dem  kriegsdienste  zu  entgehen. 


6)  Von  der  sanskr.  wrz.  puth,  segnem,  pigrum  esse, 
kommt  9otha,  narr,  tölpel^  faullenzer,  schelm.  Verwandt 
sind  9ant,  ^aud,  superbum  esse,  woher  ^autira,  (saun- 
dira,  stolz,  paunda,  betrunken  u.  s.  w.  —  Beide  bedeu- 
tungen  finden  sich  wieder  im  irischen  suth&n,  dummkopf^ 
schelm,  betrüger,  suthaireachd,  betrfigerei,  und  sutal, 
sotal,  stolz,  anmafsung,  sotlach,  anmafsend,  sotlaighe, 
schlecht,  nichtswerth;  soithir,  stolz  (genau  =  pautira), 
sotaire,  geck,  eitler  mensch.  Daher  gewifs  das  firanzo- 
sische  sot,  sottise.  Im  lithauischen  ist  die  wrz.  sut 
lebendig  geblieben,  und  reich  an  ableitungen,  mit  dem  sinne 
aber  des  wüthenden  tollseins,  wie  wir  manyu,  fiavia  aus 
man,  superbum  esse  hervorgehen  sahen.  Lith.  susti  (praes. 
suntu)  ist  toll,  rasend  werden;  davon  sautimas,  sutti- 
mas,  susta;  sustummas,  toUheit,  toben,  wuth,  muth- 
willen,  pa-suttis,  närrisch,  albern,  pa-suttelis,  ein  tol- 
ler mensch  u.  s.  w. 

Mit  9uth  identisch  ist  wohl  kuth,  kunth,  segnem, 
pigrum  esse,  woraus  kuntha,  kunthaka,  narr,  tölpel, 
faullenzer,  kunthita,  dumm.  Cf.  pers.  kund,  kundah, 
id.  —  Wie  wir  eben  im  lithauischen  den  begriff  des  tobens 
aus  der  wrz.  puth  sich  entwickln  sa^en,  so  finden  wir 
wieder,  gegenüber  von  kuth,  das  irische  cutha,  tollheit, 
raserei,  wuth,  cuthach,  toll,  rasend;  aber  auch,  der  ur- 
sprünglichen bedeutung  näher,  cuthail,  blöde,  schüchtern. 


7)  Der  wrz,  div  giebt  Wilson,  unter  vielen  bedeu- 
tungen,  auch  die  von  to  be  mad,  to  be  wild  or  infla- 
ted  with  pride,  passion  u.s,w.,  bei  Westergaard  aber 
findet  sich  nur,  in  diesem  sinne,  ebrium  esse,  desiderare, 
cupere.  Diese  verschiedenen  begriffe  entflieisen  wohl  aus 
der  allgemeinen  bedeutung  von  gaudere,  ludere,  jocari,  wel« 
che  der  wrz.  div  zukommt.  Das  abgeleitete  deva,  das 
zugleich  den  narr,  den  tölpel  und  das  kind  bezeichnet,  hat 


die  alten  krankheitBnamen  bei  den  IndogernumeiL  329 

mehr  den  sinn  des  einfUtigen  spielens  als  des  tobens.  Da 
der  narr  aber  auch  dev&nämpriya  und  haripriya 
heilst,  von  den  göttem  oder  von  Hari  =  Wishnu,  geliebt, 
so  könnte  man  in  deva  geradezu  den  sinn  eines  göttlicfaen, 
heiligen  wesens  suchen.  Aehnliche  vorsteUungen  finden 
sich,  wie  bekannt,  bei  vielen  Völkern.  Wie  dem  auch  sei, 
das  irisch-ersiche  daoi,  wilder,  böser  mensch,  aber  auch 
etultus,  infirmus,  impotens,  bietet  das  einzige,  mir  bekannte, 
analogon  zu  deva,  und  stimmt  gut  zur  Wilson'sohen  be- 
deutung  von  div. 


8)  Zur  wrz.  sthül  (10)  pinguescere^  crescere,  gehört 
sthüla,  grofs,  dick,  plump,  und  dann  dumm,  tölpelhaft, 
unwissend.  —  Man  erkennt  darin  leicht  das  lat.  stultus, 
stolidus;  ferner  das  nord.  stoltr,  ahd.  stolz,  superbus, 
fastus;  ags.  stolt  aber,  und  engl,  st  out,  stark,  fest,  derb, 
wie  sthüla  in  der  eigentlichen  bedeutung.  —  Hierzu  auch 
das  irische  stuirt,  trotz,  stolz,  böse  laune,  stuirteam- 
huil,  trotzig,  stolz,  mürrisch  u.  s.  w. ;  sturranta  hingegen 
ist  wieder  grofs,  dick,  derb,  wie  auch  das  lith.  st 6 ras. 


9)  Eine  im  sanskrit  ganz  unfruchtbar  gebliebene,  und 
noch  unbelegte  wurzel,  ist  sür,  pur,  im  sinne  von  immo- 
bilem esse  vel  reddere  (Westerg),  nach  Wilson  to  be  stu- 
pid, dull.  Im  irischen  aber  finden  wir  als  ableitungen  sui- 
righ,  narr,  sor,  soradh,  hemmung,  zögerung,  unschltts- 
sigkeit,  im  ersischen  auch  als  verbum  s5r,  cunctare,  hae- 
sitare.  Das  cymrische  bietet  uns  daf&r  regelrecht  die  form 
hur  in  hurt,  hurth,  dumm,  tölpelhaft,  hurtan  (hult, 
hultan),  tölpel,  hurtiaw,  betäuben,  dumm  machen  u.s.  w. 
—  Es  ist  hier  zu  bemerken,  dafs  die  celtischen  sprachen, 
öfter  als  alle  übrigen,  uralte,  im  sanskrit  selbst  unge- 
bräuchlich gewordene,  einzeln  stehende  und  deswegen  noch 
unbelegte  wurzeln  und  Wörter  bewahrt  haben;  worauf  schon 
Bopp  (Celt.  sp.  4)  aufmerksam  gemacht  hat.  Dieser  um- 
stand giebt  ihnen  eine  besondere  Wichtigkeit  f&r  die  ver- 
gleichende Sprachkunde. 


aao  Pictot 

10)  Ein  vedischer  BOfidrack  f&r  narr,  thor,  ist  mttrm, 
mit  yeroeinung  amüra,  nach  Böfatl.  vu  Roth,  irrthaznlo«. 
nach  Rosen  (R.  V.  LXXII.  2.  s.  144)  non  perturbatus;  &uch 
apramüra  (ib.  179.  2).  Beide  formen  finden  sich  vereint 
im  S&m.  V.  (prap.  1.  dap.  8,2.  ed.  Stevenson),  mürair 
amüra,  unter  thoren  kein  thor.  —  Das  wort  scheint  von 
wrz.  mü  ligare,  abzustammen,  wiemüka,  mätu8  =  miita, 
ligatus.  Für  das  übergehen  der  bedeutungen  vergleiche 
man  goth.  dumbs,  mutos  nnd  ahd.  tumb,  hebes. 

Zu  diesem  müra  nun  stelle  ich  fAwgog,  thöricht,  dumoi 
fiOiQiaf  fiwQOTfjgy  dummheit  u.  s.  w.,  mit  bessenn  recbte 
wie  es  scheint  als  zu  muhSra.  Dazu  lat  mörus,  mo- 
rio,  narr. 

11)  Das  skr.  bar  bar  a,  barvara,  varvara  ist  nicht 
nur  ein  barbar,  em  niedriger  mensch,  sondern  auch  ein 
narr,  ein  dummkopf.  Dals  das  wort  onomatopoisch  ist  und 
eigentlich,  wie  mieccha,  das  verworrene  reden  ausdrückt, 
ist  von  Lassen  gezeigt  worden  (Ind.  I.  855).  Der  sinn  von 
varvara  als  krausgelockt  ist  auch  der  des  verworrenseins, 
nämlich  der  haare.  Für  die  deutung  Lassens  sprechen, 
aufser  dem  homerischen  ßaQßaQOfpwvog  (II.  U.  867) 
noch  viele  analogien.  Schon  im  sanskrit  ist  varvara  auch 
das  getose  und  gerassei  der  waffen,  und  varvari  die  sum- 
mende biene*).  Im  persischen  ist  barbar  geschwätzig,  när- 
risch, zanksüchtig,  barbar,  dumpfer  schall,  gemurmel, 
balbalah,  kluckem  des  wassers.  (Cf.  arab.  barbarat, 
murmeln  eines  zornigen,  balbalat,  Verwirrung  der  spräche 
wie  zu  Babel,  bulbulä,  lärm  der  kameele  n.  s.  w.)  Hier 
auch  ßoQßoQv^o),  und  lith.  burbul6ti,  burbeti, 
burbti,  kluckem,  summen,  plätschern  u.  s.  w. 

Im  irischen  finden  sich  alle  bedeutungen  wieder«  Zum 
skr.  barvara,  narr,  tölpel,  pers.  barbar,  närrisch,  ge- 
schwätzig, stimmt  burr,  burraidh,  dummkopf;  (burr 
ftlr  burb  wie  borr  für  borb)  zu  barbara,  ßaQßaQog, 
borbar,  borb,  borr,  grausam,  wild,  barbarisch;  zu  den 

*)  V^  I.  881.  V.  141  f.  dieser  Zeitschrift^    K. 


die  alten  krankheitenamen  bei  den  Indogeimanen.  331 

Wörtern  des  verworrenen  tönens,  borbh&n,  gemurmel, 
borbhanaim,  murmeln  (of.  skr.  varvan4,  blaue  fliege), 
bururus,  klunkern  des  wassers,  burral,  gescfarei  des 
Schmerzes  u.  s.  w. 

12)  B&laka  ist  im  sanskrit  zugleich  narr  und  kind; 
der  ursprüngliche  sinn  ist  zweifelhaft,  vielleicht  der  des 
Schreiens  (man  vergL  s.  47  in  diesem  bände  die  auf  eine 
vnirzel  bhal  oder  bal  zurückgefthrten  Wörter,  besonders 
russ.  balii,  possenreifser,  balj,  narrenspossen,  bal&katj, 
schwatzen  u.  s.  w.).  Das  persische  bul,  narr,  könnte  so- 
wohl hierher  als  zum  arab.  balah,  albern,  einfältig,  unwis- 
send (wrz.  baliha,  stultus  fiiit)  gehören,  welches  wunderlich, 
obgleich  wohl  zuf&llig,  mit  b&laka  sich  begegnet.  Mit 
dem  persischen  bul  vergleicht  sich  aber  geradezu  das  iri- 
sche buile,  baoil,  narrheit,  bille,  narr.  Näher  noch  zu 
bälaka,  und  was  merkwürdig  ist,  in  seiner  doppelten  be- 
deutung,  stehen  ir.  balach,  narr,  und  balachan,  knabe. 
Auch  das  armor.  beulk^,  dumm,  stimmt  schön  zum  sanskrit. 


13)  Dunkler  abkunft  ist  das  skr.  pi^una,  narr,  dumm, 
verächtlich,  grausam,  denn  die  wrz.  pi^,  formare,  decorare, 
giebt  keine  erklärung.  Im  lithauischen  aber  finden  wir  eine 
wrz.  pik  mit  dem  begriffe  des  schlechten,  des  schädlichen 
und  vielen  ableitungen,  so  peikti,  verachten,  tadeln,  pik- 
tas,  böse,  schlecht,  besonders  aber  paikas,  dumm,  und 
paikuttis,  dummer  mensch,  vom  skr.  pipuna  nur  durch 
das  Suffix  unterschieden. 


14)  Mehrere  skr.  Wörter  für  narr  und  narriieit  hat  un- 
ter allen  europäischen  sprachen,  so  viel  ich  weifs,  das  iri- 
sche allein  aufbewahrt.  Da  sie  sonst  zu  wenigen  bemer- 
kungen  anlafs  geben,  so  stelle  ich  sie  hier  kurz  zusammen. 

Skr.  locaka,  narrheit,  dummheit,  vielleicht  aus  wrz. 
loc,  loqui  als  geschwätzigkeit  —  Ir.  logaidhe,  narr,  ers. 
loguid,  lüigean,  id.  Dafs  hier  g  für  c  steht,  zeigen 
ir.  loiceamhlachd,  narrheit,  aberwitz,  welches  ein  loi- 


392  Pictei 

ceamhuil,  närrisch  voraussetzt  ss=  ers.  loiceil,  loicea- 
lacfa,  delirans. 

Skr.  drapa,  narr,  donimkopf  (auch  schlämm,  koth  und 
hiinmell)  Wilson  giebt  keine  ableitung;  es  scheint  aber 
zur  wrz.  drp,  superbire,  laetari,  zu  gehören,  woraus  darpa, 
stolz,  Übermath.  —  Ir«  drabh,  narr.  —  *Die  bedeutung 
koth,  schlämm,  die  ich  damit  nicht  zu  yermitteln  weilk 
(etwa  aus  drp  im  sinne  von  vezare?)  findet  sich  auch  wie- 
der im  ir.  druaip,  unrath,  hefen,  drabhog,  id.;  drab, 
makel,  fleck,  drabhas,  koth,  drabaire,  schmatziger 
mensch  u.  s.  w.,  wo  das  p  zu  b,  bh  sich  senkt,  wie  in 
drubh*). 

Skr.amasa,  dummheit,  krankheit;  ama,  betäabong, 
schrecken,  krankheit  u.  s.  w.;  aus  wrz.  am  (caus.  amay  ati) 
beschädigen,  befallen;  krank  sein.  Wir  betrachten  hier 
diese  wurzel,  die  weiterhin  ausibhrlicher  zur  spräche  kommt, 
nur  in  ihrer  anwendung  auf  den  begriff  des  irreseins.  — 
Dazu  pers.  amäs,  betäubt;  und  dann  noch  bestimmter  ir. 
amh,  amhas,  narr,  blöder  oder  vnlder  mensch,  amha- 
sach,  närrisch,  stumpfsinnig,  amhas 6g,  närrin. 

Skr.  pämara,  narr,  dummkopf;  eigentlich  aussätziger, 
von  päman,  aussatz,  kratze.  —  Es  vei^leicht  sich  pers. 
pämas,  geisteskrank.  —  Im  irischen  scheint  camar&u, 
narr,  tölpel,  zu  entsprechen,  wenn  hier  das  c  fCbr  ursprüng- 
liches p  steht,  wie  in  cuig  =s  panca,  corcuir  spur- 
pur u.  8.  w. 

Skr.  ha,  narr  (orig.?).  Ist  lautlich  ganz  das  irische 
go  mit  demselben  sinne. 


15)  Ich  komme  nun  zu  Wörtern ,  ßXr  die  das  sanskrit 
zwar  keine  unmittelbaren  analoga  bietet,  die  aber  meist  aus 
sanskritwurzeln  oder  aus  begrifflich  verwandten  formen  sich 
erklären  lassen.  Da  finden  wir  zuerst  einen  mehreren  eu- 
ropäischen sprachen  gemeinschaftlichen  namen  des  narren 
uud  der  tollheit;    russ.  durj,  odurj,  narrheit,    durak''. 


*)  Ob  das  deutache  tropf  mit  dripa  zusammenhibigt? 


die  alten  krankheitsnamen  bei  den  Indogermanen.  333 

narr;  poln.  duren,  id.,  durny,  närrisch,  albern;  lith.  dür- 
nas,  toll,  wahnsinnig,  narr,  durnyste,  Wahnsinn,  durnü 
zole,  tollkraut  u.  8.  w.  Im  irischen  entspricht  ddr,  al- 
bern, dumm,  duire,  dummheit,  dur&in,  hartnäckiger  narr, 
durunta,  mürrisch,  finster,  starr  u.  s.  w.  Dazu  stimmt 
das  deutsche  thor,  thorheit  Auch  das  lat.  durus  im 
sinne  von  albern,  dumm,  plump,  gehört  wohl  hierher.  Es 
scheint  damit  der  begriff  des  harten,  starren,  der  auch  im 
irischen  hervortritt,  zu  gründe  zu  liegen.  Das  lat.  durus 
hat  man  zum  skr.  dhfra  (aus  wrz.  dhr)  gestellt,  dessen 
bedeutungen  fest,  streng,  eigensinnig,  faul,  träge,  gut  pas- 
sen. Noch  näher  aber  liegt  die  wrz.  dhür,  laedere,  wor- 
aus dhürta,  schädlich,  schelmisch,  tückisch,  und  schurke, 
Schalk  u.  s.  w.  Da  die  begriffe  des  harten,  bösen,  schäd- 
lichen, und  auch  des  schelms  und  des  narren,  oft  in  ein- 
ander übergehen,  so  scheint  hiergegen  nichts  einzuwenden. 


16)  Zu  stnpidus,  st iipeo  u.s.  w.  stimmt  altsl.  tu p'', 
hebes  (Dobr.  Inst.  93),  russ.  tupöi,  aus  tupiti,  obtündere. 
Es  gehört  somit  nicht  zur  skr.  wrz.  stubh,  stumbh,  stu- 
pere,  stupefacere,  noch  zu  tubh,  ferire,  sondern  zu  tup, 
tump,  id.  mit  vorgesetztem  s  wie  öfters.  Diese  formen 
können  verwandt  sein,  aber  man  mufs  sie  dennoch  sorgfal- 
tig unterscheiden.  Der  wurzel  stumbh  entspricht  ahd. 
stumm,  mhd.  stumb,  stump,  mutus;  der  würz,  tubh 
aber  nord.  thumbi,  thumbari,  dummer,  stumpfer  mensch, 
thumbaz,  indignanter  mutescere,  sammt  rvipog,  Stupidi- 
tät, stolz,  einbildung  u.  s.  w.  Verschieden  sind  wiederum 
goth.  dumb  und  daubs,  wovon  weiterhin.  Diese  Wörter 
sind  vielfach  vermengt  worden. 

17)  Das  lateinische  fatuus,  dumm,  albern,  und  be- 
geistert, weissagerisch,  lehnt  sich  zunächst  an  den  namen 
einer  art  von  kobolden,  fatui,  welche  nach  Plinius  die 
ftauenzynmer  plagte  (h.  n.  27.  12).  Fatua  war  auch  eine 
göttinn  =  Fauna,  bona  dea,  und  daraus  ist  ital.  fata, 
span.  hada,  franz.  fade,  f6e  geworden.  —  Im  altir.  ent- 
spricht baith,  stultus  (Zenfs.  C.  G.  37),   später  baoth, 


334  Pictet 

baodh,  ers.  auch  bäth,  hk.  —  Ich  vergleiche  damit  das 
sanskr.  bhata  (vielleicht  auch  bhatu?),  kobold,  aus  wrz. 
bhat,  decipere,  faUere.  —  Aehnlich  klingt  goth.  bauths, 
surdas,  mutas,  etultus,  aber  mit  stammhaftem  ü,  mid  es 
ist  merkwürdig,  dals  es  Mriederum  ganz  mit  dem  skr«  bhüta, 
kobold,  böser  geist,  b  ha  ata,  dämonisch,  geisterhaft,  zu- 
sammenstimmt. Dieser  bhüta  (eigentlich  wesen  über- 
haupt) war  besonders  in  krankheiten  geschäftig,  daher 
bhüta vikri7ä,faUsucht,  bhütakranti,  bhütasanjära, 
bhütäve^a,  besessensein.  Die  nahe  beziehung  dieser  be- 
griffe zu  allen  arten  der  geistesstörungen  liegt  am  tage. 
Ob  russ.  bui,  narr,  buistvo,  tollheit,  hierher  gehören, 
lasse  ich  dahin  gestellt.  Man  vergl.  ferner  Diefenbach 
goth.  wörterb.  I.  279  >  wo  viele  anklingende  formen  zu- 
sammengestellt sind. 

18)  Einige   mehr   vereinzelte   germanische  ausdrücke 
betrachte  ich  hier  zusammen. 

a)  Im  goth.  ist  dvals,  thöricht,  dvalitha,  thorhdt . 
ags.  dwelan,  decipere,  dwolian,  errare,  dwala^  dwo 
error,  d61,  fatuus,  stolidus;  nord.  dul,  stultitia,  arroganti 
dulinn,  inscius,  caecus;  ahdtol,  tulisc,  stultus,  tola- 
heiti,  stultitia  u.  s.  w.  Der  ursprüngliche  begriff  scheint 
der  des  irrens,  des  trugs  zu  sein,  und  es  vergleicht  sich 
regelrecht  die  skr.  wrz.  dhvr,  curvare  und  laedere,  turbare 
(cf.  adhvara,  opfer  als  das  nicht  zu  störende.  Böhtlingk 
und  Roth).  Mit  der  goth.  form  kommt  das  ir.  dualaim, 
fiUten,  flechten,  dual,  locke  als  gekrümmte,  überein. 

b)  Zwischen  goth. -dum bs  mutus  imd  daubs,  obstina- 
tus,  pertinax,  vermuthet  Diefenbach  einen  nahen  Zusammen- 
hang, und  dies  bestätigt  sich  durch  die  gleiche  bedeutung 
von  afdumbnan  und  afdobnan,  mutescere.  Aus  beiden 
formen  gehen  Wörter  hervor,  die  auf  geisteszerrüttungen 
sich  beziehen;  nord.  danfr,  stultus,  deyfa,  hebetudo, 
dofna,  torpere,  ahd.  tumb,  stultus,  mutus,  surdus,  und 
taup,  taub,  id.  töpön,  töbön,  insanire,  topaheit, 
topazunga^   deliramentum,   ftiror  u.  s.  w.    Da  auch  im 


die  alten  krankheitsnamen  bei  den  Indogermanen.  335 

a.  mhd.  eine  form  tap,  dap,  erscheint,  piteppan,  be- 
teben, betäuben  (Dief.  g.  wtb.  II.  614),  so  werden  wir 
wohl  zur  skr.  wrz.  dambh,  decipere,  fallere,  geftlhrt,  wor- 
aus dambha,  stolz,  einbildung,  trug,  heuchelei  u.  s.w. 
Das  d  ist  hier  unverschoben  wie  in  dauhtar,  und  das  u 
kann  in  der  wurzel  selbst  mit  a  gewechselt  haben,  wie 
stubh  und  stambh,  skumbh  und  skabh  u.  s.  w. 

c)  Das  goth.  vöds,  demens,  ags.  wdd,  id.  wödnes^ 
dementia;  nord.  ödr,  furens,  aedra,  fiiror;  ahd.  w6ti, 
wuoti,  amentia,  saevitia,  stellt  Diefenbach,  ich  glaube  mit 
recht,  zur  skr.  wrz.  vädh,  bädh,  badh,  perturbare,  ur- 
gere,  vexare;  im  desider.  bibatsate,  irasci. 

d)  Im  skr.  ist  n  arm  an,  spiel,  lustigkeit,  spa&,  humor, 
aus  n  r  ducere,  also  eigentlich  ein  treiben,  ein  fiähren.  Sollte 
nicht  damit  auf  irgend  eine  weise  das  nord.  narr i,  ahd. 
.larro,  zusammenhängen?  —  Wenn  dem  so  wäre,  was  frei- 
lich zweifelhaft  bleibt,  da  die  mittelglieder  fehlen,  so  be- 
stätigte sich  wirklich  der  spafs  den  menschen  und  den  nar- 

tw  aus  derselben  wurzel  abzuleiten,  denn  skr.  nara,  mann, 
.«J  führer,  kommt  von  wrz.  nr. 


19)  In  den  celtischen  sprachen  giebt  es  noch  mehrere 
worter,  die  hierher  gehören  und  mehr  oder  minder  aus  dem 
sanskrit  sich  erklären  lassen.  Hier  nur  davon  eine  ge- 
drängte Übersicht. 

Ir.  maille,  narr,  dummkopf.  Cf.  mall,  träge,  lang- 
sam, maille,  trägheit.  Dazu  stimmt  russ.  mljetj,  betäubt 
werden;  meleda,  zögerung  u.s.  w.,  vielleicht  auch  armen, 
moli,  narr.  Die  gemeinsame  wurzel  scheint  skr.  mlai, 
languescere,  marcescere,  zu  sein,  woraus  mläna,  matt, 
schwach,  hinfällig  u.  s.  w. 

Altir.  dasacht,  insania  (Zeufs.  6.  C.  771);  dasach, 
dasidh,  wild,  wüthend;  ers.  dais,  dois,  narr,  dumm- 
kopf, däsaidh,  däsannach,  wüthend,  wild,  däsachd, 
tollheit.  —  Cf  skr.  wrz.  das,  destruere,  perdere,  wovon 
dasyu,  wilder  mensch,  feind,  räuber,  barbar. —  Dazu  scheint 
sich  auch  ags.  teis,  morbus,  afflictio,  plage,  zu  stellen. 


336  Pictei 

Lr.  ers.  saobh,  n&rrisch,  toll,  dumm,  irrig,  blind  a.8.1 
Baobhaim,  bethören,  irre  machen,  bezaubern.  —  Aliz 
saib,  falsus  (Zeuls  37),  soibud,  falsatio  (768).  Cf.  sb 
savya,  links,  zuwider,  entgegengesetzt,  verkehrt;  und  In 
saevus,  saevis,  wild,  wüthend,  grausam  u.  8.^w.  —  (^ 
scaevus  und  OTcatd^  damit  identisch  sind,  scheint  mir  noei 
immer  zweifelhaft. 

Lr.  ers.  dream&n,  tollheit,  wuth,  dreamhnach,  toL 
rasend,  dreamhnaim,  aufwallen,  wüthen.  — Cf.  dreimii 
eifern,  sich  anstrengen,  klettern,  klinunen.  Ich  vergleich 
skr.  dram,  errare,  currere,  SgifÄca  u.  s.  w. 


In  den  verschiedenen  sprachen  des  Stammes  finden  s 
noch  eine  menge  von  ausdrücken  für  die  geistesstorungeL 
die  sich  theils  aus  jeder  spräche  leicht  erklären  und  thei^ 
ungewisser  abkunft  sind.  Wir  lassen  sie  f&glich  bei  seiu 
um  nicht  zu  weitläuftig  zu  werden.  Aus  dem  bereits  zu- 
sammengebrachten kann  man  schon  ersehen,  wie  grofs  ä/ 
anzahl  der  berührungen  zwischen  allen  ästen  des  stamme 
in  dieser  hinsieht  sich  erweist.  1 

n.     Hautkrankheiten. 

Nach  den  geistesstörungen  sind  es  die  bautkrankhei- 
ten,  welche  das  reichste  material  zu  vergleichungen  bieten. 
Daraus  kann  man  auf  das  hohe  alter  der  psora  schlieiseo^ 
was  den  hahnemannianem  gewils  zur  freude  gereichen  wird. 

1)  Die  kratze  heifst  im  sanskr.  khasa  (vielleicht  tos 
khash,  laedere,  occidere);  daraus  khaskhasa,  der  mobi), 
als  die  kratze  vernichtend.  Khasä  ist  auch  der  nameder 
mutter  der  kobolde,  so  dafs  mit  der  krankheit  sich  woli 
der  begriff  eines  bösen  wesens  verband.  —  Der  wrz.  khash 
oder  khas  entspricht  im  pers.  khastan,  verwunden,  ste- 
chen, k  hast  ah,  verwundet,  krank,  au%eregt,  khas,  schäd- 
lich, böse,  davon  auch  khast,  starkes  jucken  eines  kran- 
ken. Im  armen,  aber  ist  khos  geradezu  kratze.  —  Wei- 
ter gegen  westen  finden  wir  das  altsL  kaza,  in  pro-kaza» 


die  alten  krankbeitsnamen  bei  den  Indogermanen.  337 

aussatz,  gleichsam  grofse  krfltze;  russ.  id.  Das  zeitwort 
kaziti  ist  bei  Miklos.  rad.  slav.  nur  evirare;  im  poln.  ka- 
zi<5  erweitert  sich  aber  die  bedeutung  zu  verderben,  be- 
flecken, verwesen  u.  s.  w.  —  Lith.  ist  sz^szas,  schorf, 
grind,  räude,  sz^sznis,  ein  grindiger  mensch,  szÄszti, 
grindig  werden;  femer  kästi  (kkssn),  graben,  scharren, 
kassyti,  krauen,  kratzen,  striegeln  u.  s.  w.  Noch  weiter, 
und  im  fernsten  westen  begegnen  wir  dem  cymr.  cos,  cosi, 
kratze,  cosi,  kratzen,  coswr,  kratzer  u.  s.  w.*). 


2)  Im  Atharvaveda  ist  eine  hautkrankheit,  wahrscheinlich 
die  kratze**),  unter  dem  namen  takman  angerufen  (Roth, 
z.  L.  d.  V.  37)-  Ein  heilkraut  kushtha,  costus  specio- 
8US,  heifst  auch  takmanapana,  den  takman  tödtend. 
Die  Wurzel  ist  tak,  tank,  miserum  esse,  woraus  tanka, 
furcht,  und  ä tanka,  krankheit,  schmerz,  fieber.  Verwandt 
scheint  wrz.  tanc,  contrahere,  coarctare***).  Zu  takman 
stimmt,  dem  sinne  nach,  das  pers.  täkhtah,  hautausschlag, 
takhtan,  ausbrechen  (von  blättern,  finden  u.  s.  w.).  Sonst 
hat  sich  das  wort  nur  im  irischen  erhalten,  wo  die  kratze 
tachas,  tochas  heifst;  davon  tachaisim,  kratzen,  und 
tachasach,  krätzig. 

3)  Ein  andres  wort  für  kratze  ist  skr.  päman,  und 
da  der  Schwefel  p am agh na,  pämäri,  krätzevertilger  oder 
feind,  genannt  wird,  so  mufs  er  frühe  schon  als  mittel  ge- 
gen diese  krankheit  bekannt  gewesen  sein.  Es  gebort  zur 
wrz.  pä,  tueri,  wohl  vom  bedecken  der  haut.  Von  päman 
kommt  pämara,  pämana,  krätziger,  verächtlicher,  dum- 
mer mensch,  womit  ich  schon  das  irische  camarän  ver- 
glichen habe  (v.  I.  14).  Sonst  scheint  sich  der  name  nir- 
gends erhalten  zu  haben. 

*)  Diese  wunel  des  kratzen»  findet  sich  aacb  im  tUrk.  kazy  nnd  im 
mongol.  choso. 

*♦)  takman  kann  wobl  an  der  genannten  stelle  kaum  kratze  sein,  da 
pftman  (kratze)  als  brudersobn  desselben  in  v.  12  genannt  wird.     K. 

•••)  Zu  tafic  oder  tak  stellt  sich  vielleicht  taceo,  goth.  thahan  mit 
dem  begriffe  des  sich  verschliefsens  und  traurig  seinsj  taciturnns  = 
moestas. 

V.    6.  22 


338  Pictet 

4)  Vom  pers.  kharidan,  jucken,  kratzen,  kommeo 
kh&rish,  kh&rkhar,  kratze. —  Damit  stimmt  wiedenm 
das  irische  carra,  carraidha,  kratze,  schorf,  grind,  car- 
räch,  krätzig,  carraid,  plage,  ärgernifs  u.  s.  w.  Im  Sans- 
kritist khara,  kharu,  heifs,  scharf,  stechend,  hart,  grau- 
sam, wohl  verwandt  mit  wrz.  khur,  rädere,  fodere,  scb- 
dere.  Doch  ist  auch  das  hebr.  cheres,  kratze,  sammt 
arab.  kharasha,  harasha,  scabit,  scalpsit,  zu  berück- 
sichtigen. 

5)  Verschieden  von  khartdan  scheint  pers.  garl- 
dan,  kratzen,  jucken,  woraus  gar,  gari,  a-gar,  gark, 
kratze.  —  Vergleicht  man  damit  gari,  zerbrechlich,  ja^ 
rifs,  spalt,  jarad,  verwundet,  jalidan,  nagen  u.  s.  w.,  so 
wird  man  wohl  zur  skr.  wrz.  jf,  confici,  interfici,  debilitari. 
caus.  interficere,  geführt,  wovon  j  ar  4,  hinfälligkeit,  schwack- 
heit,  jarat,  jarin,  verfallen,  krank,  jarjara,  verwundet 
beschädigt,  krank.  Da  nun  jr  ftir  ursprüngliches  gr  st^b 
(cf.  die  verwandten  wrz.  gur  und  jur,  laedere,  interficere), 
so  gehört  sicherlich  dazu  gara,  krankheit,  gift  als  tod- 
tendes  (also  nicht  von  gr,  glutire,  da  gifl  eben  keio^ 
speise  ist). 

Die  wrz.  jf  ist  weit  verbreitet;  wir  müssen  uns  aber 
hier  mit  einigen  andeutungen  über  die  ableitungen,  die  sieb 
auf  krankheit  beziehen,  begnügen.  So  scheint  mir  diese 
Wurzel  im  lat.  ae-ger,  ae-gri-tudo  zu  stecken  (etwa 
ava-jr;  anders  Pott  etym.  forsch.  I.  279).  Im  gothischen 
ist  kara,  mit  gesetzlicher  lautverschiebung,  die  nagende, 
plagende  sorge,  ags.  c&ru,  ahd.  chara,  id.;  nord.  kör, 
karar,  krankenlager,  Sterbebett.  Aus  lijBL  gelti,  schmer- 
zen, stechen,  stammen  gela,  gelimas,  grimmen,  schmerz, 
und  gela,  die  rühr.  Im  irischen  aber  ist  galar,  gal- 
radh,  krankheit  überhaupt.  Mit  dieser  letzten  form  scheint 
das  armor.  gal,  franz.  gale,  kratze,  zusammenzuhängen; 
wenigstens  wüfste  ich  fttr  das  französische  wort  keine  an- 
dere abkunft  anzugeben.  Zum  pers.  gark,  kratze,  stimßii 
noch  das  ir.  gearg,  schwäre,  beule;   aber  gearb,  kratze, 


die  alten  krankheiisnamen  bei  den  Indogennanen.  338 

gearba,  blatter  (sammt  gearbaim,  verwunden,  verletzen), 
hat  ganz  ein  semitisches  aussehen,  denn  hebräisch  heibt 
die  kratze  g&r&b,  arab.  jarab,  ausjariba,  scabiosos 
fuit*). 

6)  Das  skr.  dardru,  dardrü,  dardü,  dadru,  da- 
drü  bezeichnet  generisch  die  flechten  (herpes);  daraus  dar- 
düna,  dadruna,  mit  flechten  behaftet,  dardrüghna, 
dardraghna,  dadrughna,  Cassia,  als  die  flechten  ver- 
tilgend. Die  vollständige  form  dardru  ist  eine  redupli- 
cation  der  wrz.  dr,  dirompere,  dilacerare,  vom  au&pringen 
und  schründen  der  haut.  (Cf.  dardara,  gespalten,  voll 
risse).  Dieses  wort  ist  gewifs  uralt,  nach  seiner  weiten 
Verbreitung  zu  schliefsen. 

Im  persischen  zuerst  finden  wir  dir  ad,  ringflechte, 
im  zusammenhange  mit  dirid,  dird,  zerreüsen,  dard, 
dardi,  schmerz,  krankheit,  dardman,  krank  u.s.w. 

Zur  form  dadru  stimmt  das  lith.  dederwyne,  -nas, 
hautflechte,  dederwynotas,  mit  flechten  behaftet.  Das 
einfache  deder  hat  sich  erhalten  in  dederzele,  deder- 
szpule,  ritterspom,  wohl  als  mittel  gegen  die  krankheit 

Eben  so  genau,  und  mit  regelmäTsiger  lautverschie- 
bung,  entspricht  ags.  tetr,  teter,  engl,  tetter,  tetter- 
worm,  ringflechte  (cf.  nord.  tetur,  tötr,  res  lacera); 
ahd.  zittaroch,  impetigo,  Scabies,  auch  zitdruas,  viel- 
leicht wegen  druas,  drüse  etwas  entstellt;  mhd.  zitte- 
rieh,  zittermahl*). 

Das  irische  deir  erscheint  ohne  reduplication;  es  be- 
zeichnet aber  ein  anderes  hautübel,  den  rothlauf.  Dage- 
gen finden  wir  den  alten  namen  der  flechte  wieder  im  cymr. 
darwden,  dyrwden,  armor.  darouöden,  dervo^den. 


*)  Ich  erwähne  noch  eines  celtischen  namens  der  kratze  und  des  aus- 
satzes,  ir.  clamh,  cymr.  clafar,  clefri,  armor.  klafivonr,  anssfttziger. 
Dazu  cjmr.  clafu,  krank  sein,  claf,  clwyf,  krankheit,  clefjd,  fieber; 
armor.  kiaftv,  kl  all,  krank,  kleftved,  krankheit  n.  s.  w.  —  Za  diesen  for- 
men stimmt  die  skr.  wrz.  kl  am,  defatigari,  langaescere,  woraus  klama,  kla- 
matha,  klamitira,  kl&nti,  mattigkeit,  erschopfung  u.  s.w. 

**)  Auch  nhd.  noch  zeter,  die  flechte.     K. 

22» 


340  Pietet 

Das  frz.  dartre  ist  mit  dardru  fast  identisch.  Man 
leitet  es  gewöhnlich  von  Sagt 6g,  geschunden^  ab,  doch  giebt 
es  meines  wissens  im  griechischen  keinen  namen  der  flechte 
von  8iQ<a.  Das  wort  scheint  auch  den  andern  neulateini- 
schen sprachen  fremd,  und  so  könnte  es  wohl  von  einer 
altceltischen  form  stammen. 


7)  Im  altslawischen  heüsen  die  flechten  lishai,  russ. 
id.,  poIn.liszai.  Miklositch  vergleicht  A£/;|ff7V,  möglich 
mit  recht;  noch  näher  aber  steht  skr.  rshya,  eine  art  von 
aussatz.  Da  es  von  rsh,  ire,  se  movere  (bei  Böhtl.  und 
Eoth,  bestimmter  fliefsen,  gleiten)  abstammt,  so  kann  es 
ebensowohl  die  flechten  bezeichnet  haben,^von  der  flielsen- 
den,  kriechenden,  leckenden  ausbreitung.  Daher  auch  der 
name  f^gnt^g^  und  im  skr.  visarpa,  rothlauf. 

Die  andern  namen  des  aussatzes,  deren  ich  im  sans- 
krit  ungefähr  zwanzig  finde,  weichen  sonst  alle  von  den 
europäischen  ab.  Sogar  von  den  neun  persischen,  die  ich 
kenne,  stimmt  kein  einziger  mit  Sicherheit  dazu,  und  das 
armenische  koti,  aussätziger,  kotuthiun,  aussatz,  begeg- 
net allein  dem  gleichbedeutenden  skr.  kötha.  So  scheint 
wohl  diese  fürchterliche  krankheit  den  alten  Ariern  fremd 
gewesen  zu  sein.  Die  einzige  analogie  zwischen  osten  und 
Westen  ist  das  pers.  lürt,  aussatz,  und  das  armor.  lor, 
aussätziger,  lornez,  aussatz;  sie  erweist  sich  aber  als 
trüglich,  denn  lor  ist  zusammengezogen  aus  lovr  =  ir. 
lobhar,  luibhre,  aus  lepra.  Das  persische  lüri  hin- 
gegen steht  fbr  lüshi,  wie  lüsh,  aussätziger,  bezeugt. 


8)  Der  rothlauf,  ignis  sacer,  heilst  nord.  äma,  ags. 
öma,  Oman  (homa  bei  Boxhom  ist  wohl  falsche  Schreib- 
art). —  Es  vergleichen  sich  zunächst  nord.  ama,  molesto, 
ango,  aml,  amr,  labor,  ami,  molestia;  ags.  ema,  fraus, 
om,  rubigo  (als  leiden  des  eisens?);  ahd.  amar,  mise- 
ria  u.  s.  w. 

Diese  formen  f&hren  uns  zur  skr.  wrz.  am  (caus.  äma- 
yati)  aegrotum  esse,    auch  activ.  laedere.      Davon  viele 


die  alten  krankheitonamen  bei  den  Indogermanen.  34| 

ableitiiDgeD ,  wie  ama,  äma,  &may.a,  amata,  amasa, 
amtva  u.  8.  w.  krankheit,  leiden,  tod,  schrecken  u.  s«  w. — 
Im  persischen  stimmt  dazu  am  ah,  ämü,  schwäre,  beule, 
vielleicht  auch  &mär,  &marah,  Wassersucht  (wenn  nicht 
aus  ä-mr?). —  Ama  als  krankheit  konnte  in  amu-letum 
stecken,  wenn  es  soviel  als  tod  des  unheils  bedeutet, 
wie  das  skr.  rogaha,  rogäntaka,  heilmittel.  Zum  ve» 
dischen  ama,  schrecken,  betäubung,  amavant,  schreck- 
lich, stimmen  ir.  omhan,  furcht,  omhnach,  fürchterlich, 
cymr.  ofn,  armor.  aoun,  aon,  furcht  u.  s,  w. « —  Daneben 
in  weiterem  sinne  ir.  amh,  amm,  böse,  schädlich,  amhail, 
amuil,  schaden,  amhailt,  tod,  amhnns,  Zerstörung, 
amaran,  unglück,  elend;  cymr.  afar,  schmerz,  betrübnüs, 
Sehnsucht  u.s.  w. 

Aus  dem  begriffe  des  schädlichen  entsteht  der  des  un- 
reif- und  sauerseins,  im  skr.  &ma,  roh,  unreif,  amla,  sauer. 
Es  ist  ganz  das  griech.  w/iiog^  ir.  amh,  roh,  sauer,  bitter, 
cymr.  of,  roh.  Zu  amla  lat  amarus;  vielleicht  auch, 
mit  Verhärtung  von  m  zu  b,  lith.  eble,  lab  zum  gerinnen 
der  milch. 

Da  im  sanskrit  amisha,  ämisha,  wollust,  genuis, 
begierde  ausdrückt  (auch  fleisch  als  sitz  der  begierden), 
also  gleichsam  ein  geistiges  kranksein,  so  wäre  man  leicht 
versucht  auch  das  lat  amo,  amor  u.  s.  w.  in  diesen  kreis 
herein  zu  ziehen.  Die  liebe  wird  ja  oft  genug  als  krank- 
heit vorgestellt;  und  ich  gestehe,  dalB  die  vergleichung  mit 
skr.  kam  (amor  fbr  camor)  mir  immer  nicht  recht  ein- 
leuchten will. 

9)  Der  skr.  name  der  blättern  ist  vasanta  (auch  rühr, 
durchlauf)  aus  wrz.  vas  (väsayati)  interficere  (c£  vash, 
TÜsh,  üsh,  id.),  woher  auch  vasna,  tod.  —  Diesem 
vasna  entspricht  trefflich  der  form  nach  das  ir.  faisne, 
xnasem,  fasneog,  blatter,  finne  u.  s.  w.  Die  wurzel  aber 
ist  auch  erhalten  in  fesaim,  tödten,  fasuighim,  vertil- 
gen, femer  in  basaim,  tödten,  b&s,  tod  (cf.  sanskr.  wrz. 
bash  =  vash).  —  Zu  vasna,  eher  als  zu  visha,  möchte 


342  Pictet 

ich  das  lat.  yenennm  ftr  vesnenam  stellen;  doch  kann 
visha,  sammt  seiner  wrz.  vish^  disjungere,  mit  vash  ver- 
wandt sein. 

Die  wrz.  vas  erscheint  wieder  im  ags.  wesan,  mace- 
rare,  weosnian,  wisnian,  arescere  (cf.  lith.  wysti,  id.ahd. 
wesandn,  marcescere,  flaccescere,  nhd.  verwesen;  nord. 
vaesa,  inqnietare,  vesna,  depravari,  vesla,  miseria; 
daraus  wieder  als  hautübel  vos,  Scabies,  postola,  vosugr, 
scabiosns.  —  Dazu  wahrscheinlich  auch  russ.  vosh',  pob. 
wesz,  die  schädliche,  plagende  laus. 

Zu  der  form  üsh,  welche  auch  aegrotare,  tnrbare  be- 
deutet, scheint  das  ir.  eis,  wild,  toU,  oiseach,  tolles 
weib,  ers.  öisealachd,  tollheit,  zu  gehören. 


10)  Eine  andere  benennung  der  blättern  ist  im  skr. 
masftri,  masftrikä,  von  masura,  masüra,  linse (Cicer 
lens),  womit  die  blatter  verglichen  wird.  Eine  davon  verschie- 
dene hautkrankheit,  die  aber  nicht  näher  bezeichnet  wird, 
heifst  gleicher  weise  m&sha,  welches  wort  auchbohne  be- 
deutet (Phaseolus  radiatus).  Hier  bietet  sich  nun  eine  über- 
raschende ähnlichkeit  mit  dem  ahd.  meisa,  nhd.  masern, 
engl,  measles,  auch  ahd.  misalsuht,  lepra.  Damit  ver- 
gleicht sich  zunächst  ahd.  masar,  maser,  tuber  ligni;  nord. 
mösr,  ahom  (cymr.  masarn,  id.),  dessen  holz  besonders 
maserig  ist*).  Es  fragt  sich  nun,  ob  alle  diese  Wörter 
mit  den  obigen  sanskritischen  zusammenhängen,  so  dais  die 
holzmaser  auch  ihren  namen  von  der  linsen-  oder  bohnen- 
ähnlichen gestalt  erhalten  hätte.  Mittelglieder  fehlen  leider 
um  diese  frage  au&uhellen.  Im  persischen  allein  stimmt 
mäsah,  mäsh,  mushü,  als  hülsenfrucht,  erbse,  abernl'^ht 
als  krankheit  Vielleicht  findet  sich  noch  irgendwo  eine 
bestätignng. 

Der  ursprüngliche  sinn  der  sanskritwörter  ist  nicht  recht 
klar.  Mäsha,  bohne,  könnte  zu  mash,  ferire,  gehören 
(cf.  mush,  mus,  ändere,  frangere),  vom  aufbrechen,  oder 

*)  Graff.  voc.  meisa  vergleicht  nord.  masa  ragari!  aber  BiÖm  hat 
nugari,  mas,  nugae,  ineptiae,  was  ganz  verschieden  ist. 


die  alten  krankheitsnameii  bei  den  Indogeimanen.  343 

stampfen  der  hülsenfrüchte;    und  masora  za  einer  form 
mas  derselben  wurzel. 


11)  Mehrere  hautkrankheiten  werden  sonst  noch  nach 
verschiedenen  hülsenfrüchten  und  kömem  benannt*).  So 
heifsen  im  sanskrit  die  blättern  auch  gnlt,  eigentlich  püIe, 
kügelchen,  und  vielleicht  erbse,  wie  golaka,  pers.  gulük 
gnlül.  —  Der  lith.  name  der  masem  jedrös,  gedaros, 
stimmt  zum  altsl.  jadro,  kern,  poln.  i^dra,  böhm.  g&dro 
u.  s.  w.  —  Von  der  hirse,  mUium,  erhalten  wie  bekannt  meh- 
rere feine  hautausschlSge  ihre  benennung.  Daraus  scheinen 
sich  mehrmals  dunkle  Wörter  zu  erklären,  welche  in  einer 
Sprache  die  krankheit  und  in  einer  andern  die  firucht  bezeich- 
nen. So  pers.  pös,  ptst,  kurd.  pis,  aussatz,  armen,  bisag, 
blättern,  womit  sich  skr.  pepi  (splitpease  Ws.),  lat.  pisum 
a.  s.  w.  vergleichen.  —  Das  pers.  ctcak,  blättern,  hängt 
wohl  mit  cacak,  fleck,  mal,  zusammen,  aber  auch  mit 
sisak,  siskak,  hülsenjGrucht.  In  den  slawischen  sprachen 
entspricht  der  name  der  linse,  russ.  cecevitsa,  soce- 
vitsa,  poln.  soczewica,  illyr.  socivitsa,  böhm.  soco- 
wice  und  öocka.  Das  illyr.  scesce,  blättern,  fbhrt  uns 
aber  zum  pers.  cicak  zurück.  Man  vergleiche  dazu  das 
lat.  cicer  und  das  skr.  ^äka,  legumen.  —  Merkwürdig 
treffen  auch  mss.  6spa,  poln.  ospa,  illyr.  ospize,  blät- 
tern, mit  dem  armen,  osbn,  linse,  welches  ich  sonst  nir<- 
gends  wiederfinde,  zusammen. 

Anzufahren  ist  noch  die  analogie  von  ir.  ers.  neasg, 
blaUer^  beule,  geschwür,  mit  dem  pers.  nazag,  nazg, 
kurd.  nisk,  linse.  Das  irische  wort  kann  jedoch  von  nea- 
saim,  verwunden,  stammen;  und  der  zu&ll  mag  hier,  wie 
öfters,  sein  spiel  treiben. 


12)  Hier  noch  nachträglich  einige  vergleichungen  der 
namen  von  einzelnen  hautübeln^  die  sich  in  den  vorigen 
nummem  nicht  unterbringen  liefsen. 

*)  Allgemeiner  aberglaube  ist,    dafs   wer  in  den  zwölften  hUlsenfrUcbte 
ifst,  davon  schwilren  bekommt.     K. 


944  P><^^ 

Im  Sanskrit  ist  piplu,  fleck,  muttermal  (v.  Nalos.  17«  5. 
ed.  Bopp).  Bei  Wilson  wird  es  abgeleitet  von  api-plush? 
urere,  wohl  ohne  grund.  Es  scheint  eine  reduplizirte,  un- 
regelm&isige  form  von  wrz.  pul,  magnom  fieri,  eigentlich 
sich  mehren,  zu  sein  (cf.  pr,  implere  und  puru,  multus). 
Piplu,  etwa  fllr  pipulu,  pupulu,  mag  allgemeia  ver- 
schiedene arten  von  ausschlagen,  blättern,  sprossen,  fiiesel 
u.  s.  w.  bezeichnet  haben,  als  viel  und  schnell  sich  vermeh- 
rende. Dazu  stelle  ich  nun  das  lat.  papula,  poln.  p^pel, 
p^pel,  bläschen,  russ.  pupyr',  id.  knospe;  lith.  pupüle, 
pupele,  pumpurras,  knospe  u.  s.  w.  Das  ags.  pinpel, 
engl  pimple,  hat  das  skr.  piplu  unversohoben  erhalten. 
Im  cyrnrischen  findet  man  nochpwmpl,  beule  und  armer, 
porbolen,  pustola. 

Das  skr.  vati,  pustula  (vid.  Wilson  zu  raktavati) 
aus  wrz.  vat,  circumdare,  dividere?  (cf,  vata,  kugel,  vati^ 
Bchaflaus)  ist  ganz  das  lith.  wötis,  schwäre,  blutgeschwQr, 
wotelis,  blatter,  wototas,  wotingas,  mit  geschwüren 
behaftet. 

Ein  anderes  wort  varati,  pustula  (Wilson  zu  rak- 
tavara^i)  erscheint  wieder  im  russ.  vered',  poln*  wrzod, 
Ulcus;  und  im  irischen  frith,  fleshworm,  frithir,  ge- 
schwürig u.  s.  w. 

Im  Sanskrit  bezeichnet  alasa,  geschwüre,  schrunden 
zwischen  den  fufszehen;  aläsa  eine  geschwulst  auf  der 
zunge.  Dazu  stimmt  trefflich  ir.  ailse,  krebs,  krebsar%es 
geschwür.  —  Eine  andere  bedeutung  von  alasa,  alasa, 
älasya  ist  stumpf,  träge,  matt^  und  es  ist  merkwürdig, 
dafs  dieser  zweite  sinn  sich  ebenfalls  im  ir.  aillse,  zoge- 
rung,  nachlässigkeit,  aillseach,  nachlässig,  vriiederfindet. 

m.     Fieber. 

Wie  es  der  fall  ist  bei  krankheiten,  die  sich  durch 
stark  hervortretende  erscheinungen  unterscheid^  sind  die 
benennungen  des  fiebers  mehr  auseinander  gegangen  als 
diejenigen  der  hautübel.  Es  entlehnt  meistens  seine  namen 
aus  einheimischen  Wörtern  des  brennens  und  der  hitze.  So 


die  alten  krankheitsnamen  bei  den  Indogennanen.  345 

skr.  täpaka,  pers.  t&b,  täw,  von  tap,  urere,  calefacere; 
pers.  garmish  (armen,  j  er m)  fieber  und  hitze  (cf.  sanskr. 
gharma);  gc.  nvgsrog,  Tivge^ig;  goth.  hei to,  b rinn o, 
ags.  bryne-adi  und  swoladh  (von  swelan,  urere); 
lith.  karsztis,  fieber  und  hitze  (karztas,  heifs),  und 
sziltine,  fieber  aus  sziltu,  warm  sein;  russ.  ognitsa, 
illyr.  oghniz  vom  altsl.  ogn',  feuer  =  skr.  agni  u.  s.  w. 
Selten  wird  es  von  der  kälte  benannt,  wie  im  nord.  kalda, 
köldu-syki,  fieber,  und  von  kälte  und  hitze  zugleich  in 
kalda-heit,  kalda-hitzug,  hei&es  fieber,  öfters  von 
zittern  und  schaudern;  so  griech.  azv^,  (pQixt},  eigentlich 
horror,  tremor,  ßgvx^Tog^  vom  klappern  und  knirschen 
der  Zähne;  ags.  hridh-adl  von  hridhian,  womit  sich  ir. 
crith,  oymr.  cryd,  fieber,  von  critaim,  cry du,  zittern, 
vergleichen;  russ.  trjasavitsa,  illyr.  tresaviza,  von 
trjastj,  schütteln,  zittern  (cf.  skr.  tras,  id.).  —  Armor. 
tersian,  cynur.  teirthion,  fieber,  klingen  blos  an,  da  sie 
wohl  von  tertiana  entlehnt  sind. 

Mehr  als  andere  krankheiten  wird  das  fieber  als  ein 
persönliches  wesen  betrachtet,  was  wohl  von  seinen  geheim* 
nifsvollen,  auffallenden  erscheinungen  herrührt.  Im  sanskrit 
findet  man  tripäd,  der  dreü&fsige,  und  tri^iras,  der 
dreiköpfige,  als  namen  des  fieberkobolds,  von  der  dreitägi- 
gen Wiederkehr  oder  von  den  drei  Wandlungen  des  anfalls, 
firost,  hitze,  Schweifs.  Im  Yishnupurana  (Wilson  594)  kämpft 
Krishna  mit  dem  mächtigen  Tri ^i ras,  einer  emanation 
von  Qiva;  er  vertreibt  das  ungeheuer,  indem  er  in  sich 
selbst  ein  anderes  fieber  erzeugt,  also  ganz  homöopathisch. 
Bei  den  Griechen  war  ijTtiokoe,  rjniaXogf  fieber,  aber 
7)niciXi]g,  TinioXfig,  fjniaXTfjg,  alp,  incubus,  aufsprin- 
ger, wie  ahd.  rito,  ags.  rida,  der  reitende  alp  (Grimm. 
D.  M.  637).  —  Poln.  ist  licho,  das  böse,  zugleich  epilep- 
tisches fieber  und  eine  art  gespenster;  russ.  heifst  das  fie- 
ber lichomanka,  lichorädka,  etwa  anziehung  oder 
freude  des  licho?   Das  lith.  drügis,  fieber,  fieberfrost*) 

*)  Drügis  bedeutet  auch  Schmetterling,   wie  im  griech.  finioloq  zu- 
gleich Schmetterling  und  fieber. 


346  Pietet 

erinnert  an  die  vedische  druh,  weiblicher  dämon  (cf.  Kuhn 
in  dies,  zeitschr.  I.  197),  und  an  die  drukhs,  b5se  gei- 
ster  der  zendbücher.  Kuhn  vergleicht  auch  nord.  draugr, 
gespenst,  und  man  kann  das  ir.  droch,  zwerg,  und  böse, 
dazu  stellen.  Auch  im  cymrischen  erscheint  drwg,  in 
den  bardischen  triaden,  als  eine  personification  des  bösen*). 

Aufser  den  schon  angegebenen  hat  das  sanskrit  noch 
mehrere  benennungen  des  fiebers,  ätanka,  auch  krankheit 
überhaupt  (cf.  armen,  thank,  rühr,  und  takman.  IL  3), 
mahägada,  grofses  übel,  trtayaka,  caturyaka,  drei-, 
viertägiges  fieber,  vätika,  eigentlich  wii^dig;  visürita, 
das  sehr  schädliche,  von  sür,  laedere,  occidere,  hatäujas, 
die  kraft  vernichtend  u.  s.  w.  Der  einzige  name  aber  der 
mit  europäischen  übereinstimmt  ist  jvara,  sanjvara, 
jftrti,  jürni,  aus  wrz.  jvar,  aegrotare,  wohl  verwandt 
mit  jval,  ardere.  Im  persischen  entspricht  jawäz,  mit  z 
für  r  wie  öfters,  jawzidan,  krank,  niedergeschlagen  sein; 
im  russ.  gorjacka,  poln.  gprasza,  fieber,  von  gorjeti, 
brennen  =  skr.  jvar,  jval;  im  cymr.  gwrach,  fieber  (cf. 
gwres,  gwraid,  hitze,  gwrdd,  brennend,  gwraich, 
funke  u.  s.  w.).  Im  irischen  ist  gurt  (^=^  skr.  j  Clrti)  schmerz 
und  hitze,  und  gorn  (=  skr. jürni)  die  kraft  und  Wir- 
kung des  giftes. 

Der  zend.  name  des  fiebere  ist  ya^ka,  welches  Roth 
(Comm.  z.  Nir.  78)  zur  skr.  wrz.  yas  stellt,  mit  der  bedeu- 
tung  von  sieden,  sprudeln,  sonst  adniti,  ä-yas,  afiftigi,  tor- 
queri,  ayäsa,  mühsal,  quäl,  yasatva,  tod  u.  s.  w.  Cf. 
pers.  y&s,  furcht,  schrecken.  Für  die  bedeutung,  die  Roth 
angiebt,  spricht  das  ahd.  jesan,  jeran,  gähren.  —  Mit 
dem  zend  ya^ka  aber  vergleicht  sich  geradezu  altsLjaza, 
morbus,  russ.  jazja,  id.  jazva,  pest,  wunde,  wozu  sich 
ir.  easadh,  krankheit,  aise,  eis,  ess,  tod,  noch  stellen 
mögen. 

Das  lat.  febris  ist  in  mehrere  sprachen  eingedrun- 
gen, ags.  fefor,  ahd.  fiebar,  poln.  febra,  ir.  fiabhras 

*)  Cf.  Le  mystöre  des  bardes  de  Pile  de  Bretagne,  in  der  bibl.  univers. 
de  Genöve  1868.   Novemb.  p.  21. 


die  alten  kzankheitsnameii  bei  den  Jndogermanen.  847 

u.  s.  w.  Es  scheint  mir  eigentlich  feuer  zn  bedeuten,  me 
das  skr.  babhru,  auch  braun,  lohfarbig,  wohl  von  wrz. 
bhf,  assare,  firigere,  fervere?  (sie  Westerg.).  In  febris 
hat  die  aspirata  mit  der  media  ihren  platz  vertauscht,  wie 
in  fiber  =  skr.  babhru,  ratze,  ichneumon.  Noch  näher 
zu  babhru  steht  februus,  reinigend  (wiepävaka,  feuer 
aus  pü,  reinigen);  davon  februa,  die  jährlichen  reini- 
gungsfeste im  monate  februarius,  undfebrulis,  febru- 
tis  als  beiname  der  Juno.  Ueber  babhru  als  koboldund 
beiname  des  Budra  und  seiner  söhne,  siehe  das  citat  von 
Aufrecht  in  dies,  zeitschr.  17.251,  und  Kuhn  I.  200. 

IV.    Husten. 

Hier  stehen  die  meisten  glieder  des  Sprachstammes  in 
schönstem  zusammenhange,  ein  beweis  dals  man  sich  von 
jeher  erkältet  und  viel  gehustet  hat.  Ich  stelle  die  formen 
hier  einfach  zu  einander,  da  sie  sonst  zu  wenig  bemerkun- 
gen  anlafs  geben. 

Skr.  käs,  tnssire,  ingratum  sonum  edere,  käsü,  ver- 
worrenes reden,  käsa,  käpa,  husten.  Namen  verschie- 
dener pflanzen  als  heilmittel,  käsaghna^  käsamar- 
dana  u.  s.  w. 

Pers.  kok,  kurd.  qokia,  husten  =  skr.  kä^a.  —  Ar- 
men, haz,  altsl.  kasheT,  russ.  id.  poln.  kaszel,  illyr. 
kasciagl,  lith.  kösti,  husten,  kosylys,  der  husten 
u.  s.  w. 

Ags.  hwösta,  nord.  hösti,  ahd.  huosto  u.  s.  w.  (hw 
=  k  wie  im  pronom.  stamm  hva  =  ka).  —  Doch  könnte 
es  auch  zur  skr.  wrz.  9vas,  stridere,  gehören.  Zu  käs 
aber  gewifs  ags.has,  raucus,  hasnys,  raucedo;  nord.  häs; 
ahd.  heis,  heisi. 

Ir.  casachdach,  ers.  casad,  casadaich,  der  hu- 
sten. —  CTmr.  pasu,  v.  pe8wch(s).  Armor.  pas,  paz; 
com.  päz. 

Das  lat.  tussis  hat  man  auch  verglichen.  Da  aber 
der  Qbergang  von  k  zu  t  zu  den  sehr  seltenen  gehört,  so 


346  Pictoi 

möchte  ich  es  eher  zur  sanskr.  wrz.  tus  (t6sati)  sonare, 
stellen.  Belegt  ist  sie  zwar  nicht,  doch  gesichert  durch 
das  nord.  thys,  thausn,  strepitus,  tumultus,  ags.  thys, 
procella,  ahd,  dösön,  tosen,  wofür  Grimm  III.  50  ein  goth. 
thiusan,  thaus,  thusun,  sonare,  vermuthet« 


V.    Erbrechen. 

Dies  ist  mehr  ein  Symptom  als  eine  eigentliche  krank- 
heit,  auffallend  ist  aber  das  begegnen  der  hauptglieder  des 
Stammes  in  dessen  benennungen. 

Aus  skr.  yam,  vomere,  bilden  sich  vama,  vami, 
vamathu,  yomitus,  vami,  vamana,  allgemein  morbus, 
dolor,  vamin,  vamita,  aeger.  Es  stimmen  dazu,  wie 
bekannt,  griech.  kfiito^  lat.  vomo,  lith.  w^mti,  nord. 
vaema,  nauseare,  voma,  nausea,  aegritudo  quaevis,  ags. 
woma  id.  u.  s.w. 

Interessanter  aber  als  diese  allgemeinen  analogien  sind 
die  nebenbedeutungen,  die  sich  aus  wrz.  vam  entwickeln. 
Formen  und  begriffe  spielen  hier  öfters  so  seltsam  durch- 
einander, dafs  man  sich  schwerlich  überall  zu  recht  findet 
Hier  nur  einige  andeutungen,  um  nicht  zu  sehr  abzuschwei- 
fen. Aus  dem  begriffe  des  ekels  bilden  sich  skr.  väma, 
schlecht,  verächtlich,  niedrig;  widrig,  zuwider,  entgegenge- 
setzt, krumm,  links  u.  s.  w.,  vamat^,  Verkehrtheit,  Ver- 
schlagenheit, muthwille,  bosheit;  v&mana,  niedertrachtig, 
niedrig,  zwerghaft  u.  s.  w.  Ebenso  im  lat.  vomicus,h&Is- 
lich,  schädlich  aus  vomo.  —  Im  germanischen  hängen  wie- 
derum goth.  vamm,  flecken,  gavamms,  unrein,  ags. 
wamm,  waem,  wom,  flecken;  wöm,  übel,  Sünde;  nord. 
vamm,  vömm^  dedecus,  vomr,  nequam,  ahd.  wamm, 
damna,  wemmian,  polluere  u.  s.  w.,  mit  obigem  nord.  ags. 
voma,  nausea;  vaema,  nauseare  u.  s.w.  zusammen.  Im 
irischen  stimmen  dazu  feamach,  unrein,  fuaim,  flecken, 
besudelung.     So  weit  ist  noch  alles  klar. 

Woher  kömmt  aber  zu  skr.  väma  der  entgegengesetzte 
sinn  von  schön,  lieblich,  v  am  ata,  liebenswürdigkeit;  vä- 


die  alten  kiankheitsiiainen  bei  den  Indogennanen.  349 

mila,  hübech,  schön,  stolz  etc.  Warum  ist  v&ma,  der  lie- 
besgott,  und  vämä,  dasweib?*)  Vergleicht  man  das  ags. 
weman,  seducere,  wemere,  meretrix  (ob  auch  wiman, 
wuman,  wemman,  weib?),  so  scheint  der  begriff  des 
verRlhrens  die  bedeutungen  zu  vermitteln.  Gehört  nun  das 
irische  fem,  femen,  weih  zu  yäm4,  wiman,  oder  zum 
ganz  verschiedenen  femina?  Die  entscheidung  ist  schwer, 
da  das  armorikanische  gwamm  gewils  nicht  aus  dem  la- 
teinischen entlehnt  ist,  und  merkwürdigerweise  einen  ver- 
ächtlichen sinn  hat,  wie  das  ags.  wemere^). 

Im  sanskrit  bezeichnet  vämt  weibliche  thiere  ver> 
schiedener  art,  stute,  eselin,  schakalin,  elephantin;  dapafst 
der  begriff  des  verfuhrens  wieder  schlecht,  und  das  wort 
stellt  sich  eher  zu  väma,  brüst,  zitze,  dieses  aber  zur  wrz. 
vam,  die  brüst  als  milchspeiende.  Damit  stimmt  russ. 
vymja,  poln,  wymi§,  zitze. 

Aus  vam  kommt  ferner  vamrä,  vamri,  kleine  ameise, 
ohne  zweifei  vom  speien  des  scharfen  saftes  (cf.  Kuhn  in 
der  Zeitschrift  III.  66).  Durch  valmika  für  vamrlka, 
eigentlich  ameisenhaufen,  vermittelt  Kuhn  damit  sowohl 
formica,  als  fivQfiog^  fiVQfif]i^  ßvQjLia^,jeden{aliQ  sehr 
abweichende  formen.  Man  hat  dazu  auch  nord.  maur, 
schwed.  myra,  dän,  myre  u.  s.  w.  gestellt  (Forst,  ib.  50), 
eine  weit  verbreitete  form,  pers,  mür,  mör,  mtrük,  kurd. 
meru,  armen,  mrjiun;  altsl.  mravli,  russ.  muravei^ 
poln.  mröwka,  illyr.  mrav  u.  s.  w.;  ir.  moirb,  cymr.  myr, 
morion  (pL  agg.)  myrionen,  com.  murrian,  armor. 
merionen  (cf.  finn.  myyriäinen,  kleine  rothe  ameise, 
mid  alban.  mar&Ig).  —  AUen  diesen  formen  zum  gründe 
liegt  als  die  älteste  das  zend  maoiri,  welches  bei  Brock- 
haus noch  fehlt,  aber  mir  vor  einigen  jähren  von  Burnouf 
mitgetheilt  wurde.  Dieses  maoiri  nun  müiste  fbr  mavri 
und  vamri  stehen,  wenn  es  sich  mit  dem  sanskrit  vermit- 
teln soll;  es  könnte  aber  auch  ganz  verschieden  davon  sein. 

*)  Sie  gehen  alle  auf  die  von  mir  II,  461  besprochene  wnizel  van, 
lieben  (Venus  u.  s.  w.)  zurück.     K. 

**)  Gwamm,  femme  marine;  Ü  ne  se  dit  quo  par  m^pris  ou  raillerie. 
(Dict.  de  la  VillemarquQ. 


350  Pictet 

um  nach  dieser  absohweifiing  zu  unsenn  gegenstände 
zurückzukehren,  so  bietet  uns  das  griech.  k^vyio^  igevya), 
vomere,  eructare,  eine  zweite  weit  verbreitete  wurzel  des- 
selben Sinnes  wie  vam.  Im  sanskrit  ist  ruj  aber  allge- 
mein aegrotum  esse,  anch  frangere,  vezare;  davon  ruj, 
rujä,  roga,  rugnati,  krankheit,  verderben.  Man  ver- 
gleiche skr.  vama  und  chardi,  krankheit  ans  vam,  chard, 
vomere,  und  was  die  zweite  bedeutung  betrifft,  das  deut- 
sche brechen,  erbrechen.  Zum  sinne  von  kQvyia  stim- 
men die  meisten  europäischen  sprachen;  lat.  rugo,  ructo, 
altsl.  r'*gnuti,  russ.  rygat',  poln.  rzygad;  lith.  rügti; 
ags.  roccetan,  ahd.  ruchjan  (ruminare);  ir.  rucht,  ers. 
raoichd,  ructus  u.  s.  w. 

VI.    Pest,  seuche. 

Hier  haben  wieder  die  sprachen  meist  eigene  benen- 
nungen,  die  vielfach  aus  den  abergläubischen  begriffen  flie- 
fsen,  die  man  überall  mit  dem  räthselhaften  auftreten  und 
der  Verbreitung  der  seuchen  verband,  üeber  diese  mytho- 
logie  der  pest  sehe  man  Grimm's  d.  mythol.  nach.  Im 
sanskrit  heifst  sie  krtyä,  und  dies  auch  Zauberei,  und 
name  einer  bösen  weiblichen  gottheit,  welcher  man  zauber- 
opfer  brachte.  Ein  anderer  name  ist  tikshna,  eigentlich 
schärfe,  hitze,  und  dann  gift,  tod  u.  s.  w.  Als  tödtende 
wird  die  pest  femer  maraka,  märt,  aus  wrz.  mr  ge- 
nannt, und  märt  ist  wiederum  auch  ein  name  der  bösen 
göttin  Durga. 

Aus  derselben,  &st  allen  indoeuropäischen  sprachen 
gemeinschaftlichen  wurzel  mr,  stammen  das  pers.  margä- 
ii^^^^S)  P®^9  ^^'^^^^  mor'\  pob.  mör,  böhm.  mor,  lith. 
märas,  martwe  und  das  armor.  mernent*).  Andere 
krankheitsnamen  gleicher  abstammung  sind  Utk  nu-mir- 
rulys,  epilepsie  (nu-mirti,  sterben),  griech.  /lalgay  fie- 
ber,  ir.  muir,  muireadh,  aussatz  u.  s.  w. 


*)  In  Bostrenen's  wörterb.;  es  fehlt  bei  la  VUlemarqa^. 


die  alten  krankheitsnamen  bei  den  lodogernumen.  351 

Das  ahd.paIo,  pestis,  labes,  ist  ags.  balew,  balo, 
exitium,  malum,  nord.  böl,  calamitas,  bölv,  dirae,  goth. 
balveins,  cruciatus,  balvjan,  cruciare.  Damit  verwandt 
scheint  pers.  bal&,  unglück,  Unheil.  Noch  näher  steht 
cymr.  bala,  pest,  seache  (cf.  belu,  verheeren,  zerstören, 
beli,  Verheerung,  bela,  wolf  u^s.  w.).  Im  irischen  ent- 
spricht bealaim,  sterben,  builidh,  a-bail,  tod  (cf.  altir. 
e-pil  aus  at-bil,  mors  e-peitu,  interitus,  at-bela,  in- 
terit.  Zeufs.  G.  C.  266.  840).  —  Hier  noch  altsl.  boljeti, 
doloribus  cmciari,  boljezn',  morbus,  ill.  bol  id.,  poln.  böl, 
schmerz  u.  s.  w.  —  Die  skr.  wurzel  ist  bhal,  bhall,  oc- 
cidere,  laedere,  woraus  bhalla,  der  bär,  der  also  mit  dem 
cymr.  bela,  wolf,  zusammentrijflä. 

Mit  dem  ags.  wöl,  pestis,  wael,  strages,  ahd.  wuol, 
wäl,  id.  nord.  valr,  strages  hominum,  vergleicht  sich  viel- 
leicht cymr.  gweli,  wunde,  ir.  fuil,  wunde,  schwäre,  und 
fal,  f ala,  bosheit,  feal,  böse  u.  s.  w.  —  Im  sanskrit  müTste 
man  eine  wrz.  val  erwarten,  fdr  welche  man  nur  bal,  oc- 
cidere,  ferire,  findet,  jedoch  ohne  ableitungen  und  bis  jetzt 
unbelegt*). 

Für  das  lat  pestis  haben  wir  schon  drei  verschie- 
dene erklärungen,  von  Benary  (Rom.  lautl.  I.  239)  und  Pott 
(etym.  forsch.  I.  137)  aus  Ttig&cjj  von  Benfey  (gr.  wurzel- 
lex.  L  584)  aus  nd&(Oy  patior,  und  neuerdings  vonEbel 
(in  d/zeitschr.  IV.  446)  aus  pedo  (die  stinkende).  —  Ben- 
fey glaubt  mit  recht,  dais  pestis  flQr  pettis  steht,  und 
dazu  stimmt  ganz  trefflich  das  skr.  patti,  in  ä-patti, 
elend,  Unglück,  vi-patti,  krankheit,  tod.  In  patti,  von 
wrz.  päd,  ire,  liegt  eigentlich  nur  der  begriff' des  gehens, 
wandems,  und  äpatti,  äpad,  äpada,  calamitas  ist  so 
viel  als  eventus  (cf.  irisch  apadh,  tod).  So  könnte  pe- 
stis geradezu  die  wandernde  krankheit  bezeichnet  haben. 

Im  irischen  ist  t&mh,  tom,  taom,  pest,  tod,  Ohn- 
macht, anfall.  temhe,  tod,  schwäche,  krankheit.  tamhan, 

*)  Das  ags.  codha,  pest,  krankheit  (cf.  nord.  kodna,  qvodna,  mar- 
cescere,  ahd.  quedilla,  pnstnla,  vaiix,  iat  yielleicht  ss  skr.  gada,  kraak- 
heit,  obgleich  die  dentalstnft  nicht  paAt 


35)  Pictet 

dummkopf,  tamhanta,  dumm,  tri^,  tram*ig,  t&mailt, 
mattigkeit,  schäm  u.  s.  w.,  aas  dem  zeitworte  t&maim, 
dumpf  sein,  still  sein,  ruhen.  Darin  erkennt  man  leicht  das 
skr.  tarn,  confici  moerore,  languescere  (caus.  tamayati, 
vexare,  terrere);  davon  tamas,  täma,  schmerz,  trauer, 
angst,  schrecken,  übel  u.  s.  w.  —  Cymr.  entspricht  twym, 
hitze,  twymyn,  fieber,  als  schwächendes,  ermattendes.  — 
Altsl.  ist  tomiti,  vexare,  circumagere,  rufs.  tomit\  quä- 
len, ermüden,  tomnyi,  schwach,  matt,  tomnost\  mattig- 
keit  u.  s.  w.  —  Mit  tam  verwandt  ist  skr.  tim,  ttm,  im- 
mobilem esse  (stupere)  (cf.  timira,  dunkelheit  aus  tam). 
Dazu  pers.  tim,  tim ar,  krankheit,  trauer,  ttmaw,  dumm- 
heit,  timük,  dumpf,  traurig;  und  femer  lat.  timeo,  ti- 
mor  (cf.  tamayati,  terrere),  womit  wieder  ir.  timim, 
ftirchten,  time^  furcht,  timeach,  fiirchtsam,  überein- 
kommen. 

Das  cymr.  ch waren,  pest,  seuche,  erinnert  an  russ. 
chvorat^  krank  sein,  chworyi,  poln.  chory,  krank 
u.  s.  w.  Das  zusammentreffen  ist  aber  nur  scheinbar,  da 
cymr.  chw  für  skr.  sv  steht,  welches  im  slawischen  sv 
bleibt.  Ich  stelle  deswegen  ch  waren  zur  wrz.  svr,  do- 
lore vexari,  und  vergleiche  ahd.  sueran,  dolore,  suero, 
suerado,  ulcus,  sanies,  schwäre  u.  s.  w.  —  Das  russ. 
chvorit'  hingegen  kann  zur  wrz.  hvr,  curvum  esse,  laedi, 
afiSigi,  gehören. 

Der  armorische  name  der  pest  bos,  bösen  ist  wohl 
das  skr.  vasna,  tod;  ir.  b&s,  id.;  aus  der  schon  firüher 
bei  den  hautkrankheiten  9)  abgehandelten  wrz.  vas,  inter- 
ficere. 

Vn.    Fallsucht  und  schlagflufs. 

Die  sprachen  bieten  uns  hier  nur  seltne  namensähnlich- 
keiten,  aber  einige  verwandte  begriffe  über  das  wesen  die- 
ser krankheiten,  die  von  altersher  der  Wirkung  böser  geister 
zugeschrieben  werden. 

Für  faUsucht  finden  wir  im  sanskrit  grahämaya, 
das  übel  des  Graha,  eines  bösen  kobolds,  welcher  den  kin- 


die  alten  kiankheitBoamen  bei  den  Indogennanen.  $5^ 

dern  besonders  epfleptisdie  krftmpfe  gab.  Bei  den  heid- 
nischen europäischen  Völkern  waren  ähnliche  yorstellungen 
im  gai^e  und  einiges  dayon  ist  noch  übrig  geblieben,  wie 
das  norwegische  dvergslagr  jBQr  lähmung,  und  das  böse 
wesen  Ar  fallsucht  (Grimm.  D.  M.  1110).  Mit  dem  chri* 
stenthume  sind  aber  meistens  göttliche  gewalten  an  die 
stelle  der  dämonischen  getreten.  So  im  böhm.  boij  moc, 
kraft  Gottes,  mhd.  gotes  slac,  später  gottes  gwalt  f&r 
schlagflufs.  Den  Cymren  ist  die  fallsucht  gwialen  Grist, 
Christus  ruthe,  oderclefyd  bendigaid,  gesegnete  krank- 
heit;  den  Armoricanem  drouk  sant,  heiliges  übel,  drouk 
sant  Jann,  frz.  mal  de  St.  Jean.  Ueberhaupt  stellen 
die  Armoricaner  fast  alle  krankheiten  unter  den  schütz 
der  heiligen. 

Im  Sanskrit  ist  femer  yätagrasta,  fallsüchtig,  eigent- 
lich vom  winde  gefaist;  und  yäta,  yfttaroga,  wind,  wind- 
krankheit,  vatarakta,  windblut,  yätapitta,  windgalle, 
sind  namen  der  gicht  und  des  flusses.  Diese  beziehung 
des  windes  auf  krankheiten  findet  sich  auch  im  russ.  po- 
vjetrle,  lith.  pa-wetra,  pest,  im  ags.  lyft-adl,  schlag- 
flufs u.  8.  w.*). 

Andere  indische  namen  der  fallsucht  wie  apasmära^ 
pratana,  bhramara,  erklären  sich  von  selbst,  geben 
aber  zu  keinen  yergleichungen  anlafs. 

Für  schlagflufs  finden  wir  im  sanskrit  ayashtambha, 
vishtambha,  samstambha,  aus  wrz.  stambh,  immo- 
bilem reddere,  stupefacere,  und  hier  bietet  das  lithauische 
eine  schöne  Übereinstimmung  in  st&bas,  stäb-ligga, 
schlagfluls,  aus  stabdyti,  hemmen,  hindern  u.  s.  w.  — 
Auch  das  deutsche  stäupe,  fallsucht  (cf.  ahd.  stoupan, 
turbare)  stellt  sich  hierher  oder  zur  verwandten  skr.  wrz. 
stubh. 

Eine  menge  krankheitsnamen  gehören  ausschliefslich 
den  besonderen  sprachen,  und  erklären  sich  mehr  oder  min- 

•)  Ans  skr.  dhm&,  dare,  kommt  4dhmAna,  Wassersucht.  Vielleicht 
hängt  ags.  dem,  morbus,  mit  derselben  wnizel  zusammen. 

V.    6.  23 


354  Ebel 

der  daraus.  Sehr  viele  sind  ohne  zweifei  verloren  gegan- 
gen, und  aus  ihrer  abwesenheit  kann  man  keine  schlflsse 
auf  das  nichtvorhandensein  der  krankheiien  selbst  in  älte- 
ren Zeiten  ziehen.  Manches  wird  sich  wohl  noch  aus  ve- 
dischen  quellen  ergänzen  lassen. 

Und  so  beschliefsen  wir  diese  Untersuchung,  und  neh- 
men abschied  von  allen  diesen  unheimlichen  gasten  mit 
dem  wünsche  f&r  unsere  leser  und  f&r  uns  selbst,  so  wenig 
als  möglich  von  ihnen  besucht  zu  werden. 

Adolphe  Pictet. 


Gothische  Studien. 

5.     gamaini  —  gamana. 

Mittelst  des  oben  besprochenen  lautgesetzes  mögen 
sich  noch  manche  einzelne  seltsame  gebilde  erklären.  Ver- 
suchsweise «teile  ich  hier  das  adj.  gamaini  (dessen  i-stamm 
durch  gamains,  gamain,  gamainjai,  gamainjaim  erwiesen 
wird)  und  das  neutrum  gamana  zusammen,  die  sich  in 
der  form  gerade  so  zu  einander  verhalten,  wie  die  verbalia 
auf  -aini  zu  den  infinitiven  auf  -an.  Mögen  andere  meine 
vermuthung  prüfen,  dafs  beide  von  der  nebenwurzel  zu  mä 
in  der  bedeutung  „gehen^  mi  oder  may  abgeleitet  sind, 
so  dafs  gamana  statt  gamajana  das  „zusammengehen'^,  ga- 
maini entweder  statt  gamajini  (aus  gamajani)  oder  unmit- 
telbar von  der  wurzel  mit  suffiz  -ni*)  gebildet  den  „mit- 
gehenden** bedeutete  (comes).  Alle  beachtung  verdient  we- 
nigstens, dafs  auch  im  oskischen  ein  neutrum  comono  mit 
der  bedeutung  „comitium**  dem  lat.  communis  zur  seite 
steht,  wie  dafs  lat.  mos  sich  offenbar  an  dieselbe  Wurzel 
anschliefst.  Lat.  communis  aus  commoinis  liefse  sich 
freilich  auch  (als  commovinis)  durch  moveo  mit  der  wur- 
zel mä  vermitteln,  vergl.  cura  IV.  448;    fttr  das  gothische 


*)  wie  in  skanni  von  wrz.  skav  (vgl.  skaunjai  Bom.  10,  15). 


gothUche  Studien.  355 

nvttTste  ich  indessen  kein  beispiel,  wonach  etwa  ganiaini 
und  gamana  aus  gamavini  nnd  gamavana  entstanden  sein 
könnte. 

6.    Suffix  -as. 

-as  als  krtsuf&x  findet  sich  in  der  gestalt  -is  aoiser 
den  lY.  328  zusammengestellten  Wörtern,  denen  ich  noch 
das  1.81  besprochene  ska]^is  hätte  beifbgen  sollen,  auch 
in  ]>evis  Sovlog  (Col.  3,  22.  4,  1),  in  der  declination  wie 
jene  als  a-stamm  behandelt,  im  geschlecht  dem  griech.  äv- 
SgdnoSov,  lat.  mancipium  yergleichbar,  welches  dem  ]^U8 
(stamm  J'iva)  fem.  ]>ivi  gerade  so  zur  seite  steht  wie  qvens 
dem  qyino,  fon  dem  d.  funin;  in  der  gestalt  -s  erscheint  es 
in  ahs  genau  =  lat.  acus,  -eris,  dessen  bedeutung  nur 
specieUer  modificirt  ist,  als  die  des  deutschen  wertes  (we- 
gen der  verwandten  s.  I.  353). 

Als  taddhitasuffix  haben  wir -s  in  veihs,  vehsV.  54 
geftmden,  welches  sich  dem  nord.  hoens  und  weiter  dem 
ahd.  -ir  im  plural  gewisser  Wörter  yerglich.  Dahin  ist  nun 
wohl  auch  das  -s  von  vaurts  zu  rechnen,  welches  ein 
höchst  interessantes  gegenbild  zu  den  ahd.  pluralen  auf-ir 
liefert.  Umgekehrt  wie  dort  der  sing,  rein  bleibt,  der  plu- 
ral die  erweiterung  durch  -ir  annimmt,  ist  hier  der  plural 
vom  reinen  stamme  vaurti  gebildet:  vaurteis,  vaurte, 
vaurtim,  vaurtins,  der  sing,  dagegen  durch  -s  erweitert,  hin- 
ter welchem  sich  aber  das  ursprOngliche  i  des  Stammes 
wieder  angesetzt  hat:  vaurts,  vaurtsais,  vaurtsai,  vaurts. 
Am  auffallendsten  ist,  dafs  das  wort  trotz  dieses  Zusatzes 
fem.  geblieben  ist;  doch  stimmt  dazu  das  männliche  ge- 
schlecht in  unseren  pluralen:  männer,  götter,  geister. 
Wurzelverwandt  scheint  das  slav.  koren'  (ursprünglicher 
stamm  koren),  das  sich  auch  in  der  entwicklung  der  be- 
deutungen  unserm  würz  anschUefst,  man  vgl.  poln.  korzen 
Wurzel,  pl.  korzenie  gewürz;  dann  wäre  der  lautverschie- 
bung  gemäfs  hv  der  ursprüngliche  anlaut  des  deutschen 
Wortes. 

23* 


356  ^M 

7.     skevjan. 

Das  goth.  skayjan  ist  in  dieser  Zeitschrift  mehrfach 
besprochen  worden  and  seine  Verwandtschaft  mit  skr.  skav, 
lat.  caveo,  gr.  xosoj  (statt  „herodotisch"  IV.  157  ist  ^ionisch 
dorisch^  za  lesen)  festgestellt;  das  ihm  lautverwandte 
skevjan  bedarf  noch  der  anfklämng,  da  Qrimm^s  verglei- 
chung  des  skr.  xaj  (zeitschr.  I.  83)  wenig  Wahrscheinlich- 
keit hat.  Das  eben  besprochene  ]>evis  bringt  mich  auf  den 
gedanken,  ob  nicht  auch  in  skevjan  das  e  als  nebenlaut 
des  ei  zn  fassen,  also  anf  i  zurOckznfilhren  ist  Die  wtir- 
zelform  skiv,  die  sich  uns  dann  ergäbe,  würde  vortreff- 
lich zu  der  I.  301  gemuthmafsten  nebenform  civ  zu  skr. 
wrz.  cyu  stimmen,  jedenfalls  aber  skevjan  sich  genau  an 
die  organische  form  dieser  Wurzel  *8kyu  (Benfey  gött. 
anz.  1852.  stück  55),  somit  auch  an  asvto  und  altpers. 
shiyavftmiy  anschliefseu. 

Anhang  zu  3.  das  nordische  adjectivum. 

Die  endungen  der  starken  adjectivflexion : 

-ar 


-r 

-t 

jyt 

pl.  -ir 

•8 

-rar 

-ra 

-"um 

(-"u) 

-ri 

-"nm 

-an 

-t 

-a 

-a 

-ar 
weisen  auf  folgende  ältere  form  zurück: 

-r  -ata  -u  pl.  -eir         -u         -Ar 

— f-ss  -ir&r  -ir&n 

-ammu  (?)  -irei  -amr 

-äna        -ata  -&n,  -&n  -u  -&r. 

Den  bindevocal  im  gen.  sing,  wage  ich  nicht  zu  bestim- 
men, da  dem  goth.  -is  ein  altsächs.  -as  gegenübersteht,  und 
im  nord.  selbst  zwischen  hans  (=s  hanassa)  und  ]>S88 
(as  ]^is8a)  Zwiespalt  herrscht;  ebenso  wenig  lä&t  sich  ent- 
scheiden, ob  das  u  im  dat.  auf  die  vermuthungsweise  an- 
gegebene art  (woßkr  altsächs.  -umu,  ags.  -um,  selbst  ahd. 
-Smu  angeführt  werden  könnte)  oder  durch  den  blofsen  ein- 
fiuls  des  m  entstanden  ist,  wiewohl  das  u  im  plur.  und  die 


gothiadM  stttdlen.  9&7 

alte  form  ]>eima  neben  )>eim  mehr  fQr  die  zweite  annabme 
zu  sprechen  scheinen.  Das  i  im  g.  d.  f.  und  g.  pL  wird 
durch  hennar  henni  (unsicherer  durch  ]>eirrar  ]>eirri 
)>eirra)  erwiesen,  das  ä  in  den  betreffenden  formen  durch 
die  analogie  der  substantivdeclination;  das  u  im  n.  £  sg. 
und  IL  a.  n.  pl.  für  altes  &  (im  auslaut  a)  finden  wir  erhal- 
ten im  pron..  SU,  durch  den  umlaut  nachweisbar  in  der 
declin.  der  subst  (Wenn  Bugge  oben  s.  59  zweifelt,  ob 
ahd.  -az  und  -an  einen  yocal  im  auslaut  verloren  habe,  so 
ist  im  acc.  sing.,  wenigstens  fQr  das  altn.  die  grundform 
-äna  unzweifelhaft  durch  das  bewahrte  n,  welches  im  ur- 
sprünglichen auslaut  überall  geschwunden  ist.)  In  zwei 
puncten  unterscheidet  sich  das  nordische  merklich  vom  go- 
thischen,  im  dat.  pL  durch  die  bewahrung  des  unverstärk* 
ten  a  (in  der  gestalt  u)  dem  goth.  ai  gegenüber,  worin  es 
sich  der  nebenform  des  slav.  loc.  pl.  (Schleicher  p.  246)  ver- 
gleicht, im  nom.  pl.  masc.  durch  das  r,  wodurch  das  nord« 
in  diesem  falle  alterthümlicher  erscheint  als  skr.  lat.  griech. 
goth.  slav.  Diese  treue  bewahrung  des  ursprünglichen  aus- 
lautes  ist  indessen  gewils  nur  scheinbar,  in  Wahrheit  ist 
wohl  das  r  in  eir  nur  späterer  zusatz  (gerade  wie  das  s 
im  nhd.  gen.  bruders,  das  ja  auch  älter  scheint  als  ahd. 
pruader),  aus  der  subst.-decl.  herübergenommen,  wie  in 
den  lebenden  dialecten  das  s  im  gen.  plur.  aus  dem  sing. 
Sonst  schliefsen  sich  die  nord.  formen,  abgesehen  von  der 
gewaltigen  entstellung,  die  eine  mehrfache  Veränderung  vor- 
aussetzt, ziemlich  treu  an  die  goth.  an.  Wie  im  goth.  fin- 
det auch  im  nord.  ein  gegensatz  zwischen  gen.  dat. 
masc.  und  fem.  sg.  statt,  dort  durch  a  und  ai,  hier  durch 
bewahrung  und  ausstofsung  des  vocals,  in  vorhistorischer 
gestalt  des  nord.  durch  ä  und  i  bezeichnet,  und  wie  dies 
&  durch  contraction  entstanden  sein  mufs,  also  mit  dem 
goth.  a  auf  einen  gemeinsamen  ausgangspunkt  (aja)  zurück- 
weist, so  läfet  sich  auch  das  vorauszusetzende  i  nicht  an- 
ders als  aus  ei  =  goth.  ai  (aus  aji)  erklären.  Wenn  uns 
hennar  und  henni  den  beweis  lieferten,  dafs  i  der  aus- 
gefallene   vocal   war,    so   beweisen    andererseits  hvatrar 


ZM  Ebel 

hvatra  hvatri,  dais  dieses  i  in  den  adjectiven  keinen 
Umlaut  bewirkte,  also  gleich  dem  i  des  conj.  praes.  (s.  West- 
pbal  IL  175)  aus  Älterem  ai  (nord.  ei)  hervorgegangen  war. 
Dieser  scheinbare  Widerspruch  zwischen  den  formen  des 
pron.  hann  und  denen  des  adjectivs  beruht  aber  nidit  etwa 
auf  einer  anomalie  auf  der  einen  oder  andern  seite,  son- 
dern bietet  uns  nur  einen  neuen  beweis  f&r  die  Zusammen- 
setzung des  starken  adjectivs.  Weil  nämlich  hann  seine 
formen  einfach  vom  stamme  hana  nach  der  pronominalregel 
bildete,  mufste  hier  das  i  von  ir&r,  irei  (s:  goth.  izos, 
izai)  umlaut  wirken,  und  es  entstanden  g.  henirftr  henirar, 
henrar  hennar,  d.  henirei  heniri  henri,  henni,  während  das 
aus  ei  entstandene  i  der  adjectiva  keinen  umlaut  bewirken 
konnte.  Diesen  unterschied  zwischen  pron.  und  adj.  be- 
stätigt und  durch  ihn  erklärt  sich  zugleich  der  noch  mehr 
in  die  äugen  fallende  gegensatz  im  acc«  zwischen  hann 
(ebenso  hinn)  und  hyatan,  von  denen  jenes  auf  ein  ein- 
faches hanana,  dies  auf  ein  zusammengesetztes  hvatäna 
(ss  hvatajana)  zurückweist.  Auffallend  bleibt  die  verstüm- 
melnug  der  neutralen  endung  zu  -t,  nicht  nur  im  pron. 
hitt,  itt,  wo  diese  Verkürzung  des  -ata  zu  erwarten  war, 
sondern  auch  im  adj.-  hvatt,  wo  man  doch  f&r  -äta  ans 
-ajata  höchstens  -at  erwarten  könnte;  namentlich  deshalb 
auffallend,  weil  jedes  sonstige  &  (statt  aja)  treu  bewahrt 
erscheint  Vergleichen  läfst  sich  damit  indessen  das  ahd. 
blindaz  dem  sonst  herrschenden  e  gegenüber.  Als  ein«- 
fache  casus  erscheinen  auch  im  nord.  wie  im  goth.  nom. 
masc.  und  fem.  sg.  und  gen.  m.  n.  sg.,  aufserdem  n.  a.  neutr. 
pl.,  über  die  man  im  goth.  zweifelhaft  sein  konnte,  endlich 
der  instr.  (dat.  neutr.),  als  dessen  nord.  grundform  -v! 
in  den  einsilbigen  pron.  erscheint,  dessen  entstehung  und 
verhältnifs  zum  gothischen  -e  aber  noch  nicht  hinreichend 
klar  ist. 

Nov.  55.  H.  Ebel. 


AfUrecht  359 


rJTtiog. 


Gehen  wir  auf  die  älteren  etymologien  von  ijniog  zu- 
rück, so  belehrt  uns  Eustathins,  dafs  einige  es  yon  ijäio 
abgeleitet  haben,  wogegen  der  gelehrte  bischof  bemerkt, 
dafs  damit  die  muta  in  xetrtiTuöiovTo  und  in  in£  x  i)ma 
(paQfiaxa  Tidaae  sich  nicht  vertrage.  Fol.  566,  40  (edit 
Rom.) :  xai  arifAtiwaai,  (hg  %fH?,ovTab  ro  iimov,  ou  yag  Xkyu 
xa&rjTiiotovTo,  älka  xpiXäq  xaxri7u6(ji>VTO.  Sfjkop  3*  avto  xal 
äv  ToZg  iifjg  kx  tqv  hni  v  i]nia  ^ccgfAaxa  ndaanv.  tüv  Si 
ye  fiiff  "OfifjQov  Ttpeg  köacvvov  airrOy  kx  ro  ^S(a  naQayov- 
reg.  Eine  andere,  von  den  neueren  meist  adoptirte  erklä- 
^u>^g9  gibt  das  Etymologicum  Magnum:  rjmog'  ovtfog  ngo- 
T6Q0V  ixakeiTo  6  ^AaxkTjmog'  i?  ano  tüv  tQOTuav^  t]  and 
Tfjg  tix^Tjg  xal  jrjg  rüv  x^^Q^^  7]ni6Tf}Tog*  (p  xal  yvvaixa 
TiaQadiäwaiv  'Hni6vi}v^  k^  fjg  avriß  yevsa&ai  'läaova^  Ha- 
vdxsiav'  Jaxtmv  iv  vnoptvrifiaxi,  AvxocpQOvog.  iJTiiog  ot]^ 
^aivti  xvgiiog  xov  Xoyasfwv.  Ilagd  x6  inio  x6  i,iya,  imog 
xai  r,mog,  6  kp  loyq)  ndvxa  noiäVj  xal  fir^  nd&w  kx  (ab- 
xakijipacjg  Ö6  xai  6  öid  Xoyov  ngoarjvrjg  xai  ngäog*  xal 
TJTtioixaxog,  6  iv  koyoig  ngaoxaxog  xai  tjavxog.  Wäre  diese 
ableitung  von  £11  begründet,  so  erschiene  äufserst  auffal- 
lend, dafs,  während  emelv  und  iTtog  bei  Homer  gans  un- 
bezweifelbar  ein  digamma  im  anlaute  zeigen,  ijntog  keine 
spur  davon,  im  gegentheil  sicheren  mangel  desselben  ver- 
rathe.    Man  vergleiche  nur  ^,  830: 

viC'  vSaxi  XiaQ^f  ini  3'  iJTiia  (pdgfiaxa  ndaae. 
©,  40: 

TiQotfQovi  (iv&iofAaf  iß-iXo)  3i  xov  {JTtiog  eivau 
Hätte  es  den  Griechen  nahe  gelegen  rjmog  mit  einetv 
zu  verbinden,  so  sollte  man  erwarten,  dafs,  wenn  ein  di- 
gamma von  anfang  an  da  war,  beide  Wörter  auf  gleicher 
lautlicher  stufe  erhalten  worden  wären.  Femer  glaube  ich 
nicht,  dafs  im  bewufstsein  eines  etymologischen  Zusammen- 
hanges zwischen  ijTtiog  und  sItibIv,  Homer  das  adjectiv  ^mo- 
StüQog^  oder  selbst  späte  dichter  jjmoxHo,  etwa  „mit  dessen 
bänden  sich  reden  läfst^  gebildet  hätten.  —   Benfey's  ab- 


860  AMÜnfkt 

leitang  (warzellexicon  2,  356)  von  der  wurzel  vap  schnei- 
den, scheren,  ist  yielleicht  im  geiste  Indiens  gedacht,  wo 
liebende  einander  kratzen  und  beüsen,  aas  Hellas  ist  glei- 
che liebesbeweisung  nicht  überliefert  worden.  Ebenso  we- 
nig stichhaltig  ist  die  znsammenstellang  von  ijmog  mit  lat. 
pius,  die  Ebel  in  dieser  Zeitschrift  IV,  447  gemacht  hat. 
Das  umbrische  und  volskische  bewahren  das  wort  als 
piho,  das  oskische  vollständiger  als  piihio,  das  yon  i}moc 
ziemlich  weit  abliegt*). 

Der  homerische  Sprachgebrauch  verwendet  tiniog  als 
attributvon  personen  in  der  bedeutui^:  leutselig,  freund- 
lich, gütig,    und  v<m  dingen  im  sinne  y<m:   heilsam, 
zuträglich.     Die  stellen  smd  folgende.    6,  40.  X,  184: 
&dQ6Bi,  TgiToyiveia,  (plkov  rixog'^  ov  vv  ti  &vfi^ 
nQotfQovv  fiväiofiai*  ä&ika  Si  roi  fjmog  uvai. 
„ich  will  dir  zu  willen  sein**.     V,  281: 

TOfoi;  yag  xXtog  ka&Xov  amik^cav  ^vioxoio^ 
finiovj  o  aq/w'cv  fiaka  nokXdxig  vyQov  (Katov 
Xctitdwv  xarixsvB,  Xoiaaag  vSari  kevx^. 
ß,  770: 

ixvQog  Si  navijQ  wg  ^mog  aUL 
ß,  775: 

oif  yaQ  xig  fiOi  ix   aXXog  hvl  TQoiy  svQ^tif 
ipitog  ovdi  (pikogj  ndvTBg  S6  (ab  nntp^lxaci^v. 

A47: 

naxiQ   ia&Xov  dnaikeaa^  og  nox  iv  VfiiP 
xoiaStaciv  ßaalkevs,  naxiiQ  S*  £g  ijniog  rjev. 

fi,  230.  234  =  «,  8.  12: 

§41]  Xig  iu  nQOfpQOiv  ayavog  xal  ijmog  iaxia 
Gxrinxovxog  ßaaiX^vg^  fAtjdi  ipQtaiv  aia/ia  tXddgj 


*}  Cicero  kommt  beiMommsen,  ünt  dial  p.  387,  md  Freund  lex.  B.r. 
zur  ehre  „die  Bchreibimg  plins  vorgezogen  zn  haben*.  Beide  haben  da»  citat 
auf  tren  und  glauben  aus  Forcellini  abgeschrieben,  ohne  sich  die  mtthe  za 
geben  nachzusehn,  was  denn  eigentlich  in  Quintilian  stehe.  Dieser  sagt  blofs, 
dafs  Cicero  aiio  nnd  Maiia  gesprochen  oder  geschrieben  habe.  —  Diejeni- 
gen Übrigens,  welche  pius  mit  skr.  prija  vergleichen,  mögen  zusehn,  wie  sie 
ttber  das  genannte  oskische  pifliio  hinauskommen. 


^«••c*  961 

aXJC  aUl  x^^^^og  r   äij  xai  dUfvXa  pi^oi, 

wg  ovTig  fiifMVfirai  'OSvaatjog  &Bioio 

XaaVj  oloiv  avaoas,  narrJQ  S'  wg  riniog  ^sy. 
X,  337: 

(J  KiQXfj^  Ttwg  yag  /u<  xiXtai,  aoi  ijmov  üvai* 
^dir  wUlf&hrig  za  sein^.     A,  441: 

T^  vvv  fiijnoTB  xal  av  ywaixi  mg  ipuog  eivai. 
V,  314: 

TOVTO*  y  iym  6v  6iS\  oti  fjioi  ndpog  iinlri  ^o&a 

zliag  hv  Tgoifi  nolBfjtl^ofiBV  vhg  L/jfaMiiv. 
£,  139:  ov  yotQ  h'  ällov 

i^niov  äSB  ävaxva  TUxijöOfia^  onnod  inil&Wy 

oifS*  Bt  XBV  noTQOg  xai  fAtixiQog  avtig  txwfjiai 

ohcov. 
o,  152:       17  yaQ  i/MO^yB  nar^Q  tag  riniog  ^bv. 
o,  490: 

inBi  avSgog  Sai/iAat   atpixBo  noXka  fiopjcag 

^Ttiov^  og  Sfj  TOi  nagixBi  ßgäciv  tb  noaiv  tb. 


J,  218: 

avTciQ  knBi  iäBV  ibcog^  off  i^fiBfSB  mxQog  oiavog^ 
alpi  äx/AV^ijaag  In   aQ  fjnia  (papficcxa  Bldfog 
ndcaB, 

A,  515: 

Xrixqog  yaq  avfiQ  noXkwv  ävrä^iog  äiJLiov 

[lovg  T   ixta/ivBiVy  kni  r   iJTtuc  cpaguccxa  nd(fCBiv*'] 

A,  830: 

fijjQov  3'  Ibcrafi  oIlctoVj  an  avrov  S'  alfxa  xbXcuvop 
viC  v8avi  Xueg^y  inl  d*  fjma  (pdgfiaxa  ndacB. 

2^,361: 

ol8a  ydg  &g  roi  &VfJi6g  ipt  arjj&saci'  ipiXoiCiV 
Tjnia  SijvBa  o28b. 

Man  yei^leicbe  HesiocL  Th.  236: 

airoQ  (NfiQia)  xaXiovci  yigovra 
ovPBxa  vijfiBQXijg  tb  xal  ijmogy  ovSi  ß'BfUüxionv 
Xiq&Bxaty  aXXd  Sixaia  xal  ^la  Sr^VBa  oidBV. 

V,  327: 


392  Aufrecht 

Ti]XBfiäx(p  3i  xe  fiv&ov  iy<l)  xal  fttitiQi  ipaltiv 

ijntoVf  si  C(pwiv  XQa3it]  äSoi  apKpoxiQOiiv. 
77,  73: 

xdxa  X6V  q>€uyovTeg  ivavlovg 

nXiqauav  vexvwv^  et  (aov  xfeiwv  *Ayaukfivnv 

iJTtia  elÖBU]. 
„freundlicher  gesinquiig  gegen  mich  gewesen  wäre^.    v,  405. 
o,  39: 

avrog  di  nQwxusta  cvßcittjv  slaatpixia&cu, 

og  tot  väv  iniovQog^  bfifSg  fSi  roi  rima  oldeWy 

näiSd  TB  aov  <pi^Xiet  xal  ix^tpQOva  IltiVBXomiav^ 
o,  557: 

avßfittig 

ha&Xog  itov  ivlavev,  avdxTBCiv  r^nia  Bldcig. 
Z,  251: 

*iv&a  ol  finioSoDQog  kvavrit]  tjkv&B  jMi?ri?(>. 
Der  spätere  Sprachgebrauch  weicht  nicht  ab,  verwen- 
det jedoch  ijmog  freier  ab  attribut  von  dingen.  So  Hesiod. 
op.  787: 

dlX  Igifpovg  rd^vsiv  xal  ndsa  fjn^haVj 

atjxov  i  dfAtpißaXBiv  noifiviqlov  riitiov  ^i^ctQ. 
»ein  geeigneter  tag**.     Soph.  Phil.  691: 

og  rdv  d-BQpLOxdxav  aifidäa  xr/XiOfiivav  ihciwv 

iv&ijQOV  nodog  iimoust  tpvlXoig 

xaxevvdaeuv  u.  s.  w. 

"Hmog  scheint  mir  eine  yerbalableitung  zu  sein,  gerade 
so  wie  ay^og  von  a^oi,  oQxiog  von  dqxiaiy  dandoiog  von 
aandJ^ofxai^  xXomog  von  xXinxw,  fuMx^g  von  ^Maau), 
a(fdyiög  von  <T(pd^w.  So  wie  nun  äyiog  dem  sanskritischen 
yajya,  sacrificio  colendus  gegenübersteht,  so  entspricht 
^niog  einem  skr.  äpya,  worüber  im  folgenden.  Die  Wur- 
zel beider  Wörter  ist  äp,  apisci,  das  im  sanskrit  in  dieser 
form,  im  lateinischen  als  äp  erscheint  Man  könnte  nun 
ijniog  als  erlangbar,  erreichbar  fassen,  woraus  sich 
freundlich,  gütig  entwickeln  konnte,  wie  in  et^d^o Jo^ 
oder  facilis;  ich  schlage  jedoch  einen  ganz  anderen  weg 
ein.     Apiscor  hat    zur    grundbedeutung   nicht  erlangen, 


i7»M«.  368 

sondern:  ich  binde  mir  an.  Im  frühesten  culturzustande, 
wo  vieh  (pecns  »  das  gebundene)  die  einzige  habe  bildete, 
erlangte  man,  indem  man  die  wild  lebenden  oder  erbeuteten 
thiere  unter  eigenem  dach  und  fache  sich  anband.  Diese 
bedeutung  von  apiscor  beruht  nicht  auf  eitler  trftumerei, 
sondern  auf  direkten  thatsachen.  Gang  und  gäbe  zun&chst  ist 
aptus  in  der  bedeutung  yerbunden  (apta  et  conneza,  apta 
et  cohaerentia.  Cic),  und  das  yerb.  apere,  anbinden,  ist 
Ton  Festus  und  Servius  erhalten.  Festus  apud  PauL  Diac. 
p.  16:  Apex,  qui  est  sacerdotum  insigne,  dictus  est  ab 
eo,  quod  comprehendere  antiqui  vinculo  apere  dicebant. 
Serv.  ad  Vii^.  A.  10,  270:  Apere  veteres  ritu  flaminum 
alligare  dicebant,  unde  apicem  dictum  Yolunt*).  Von  die- 
ser bedeutung  der  wurzel  ap  ausgehend,  glaube  ich,  dais 
ijniog  zunächst  verbunden,  und  zwar  durch  Verwandt- 
schaft oder  gesellschaftliches  verhältnüs  verbunden,  heiJGse 
und  hieraus  die  gangbaren  bedeutungen  sich  entwickelt 
haben. 

Zu  nicht  geringer  bestätigung  dieser  erklärung  dienen 
zwei  Wörter,  die  das  älteste  sanskrit  aufiEuweisen  hat:  äpya 
D.  Verwandtschaft  und  verwandter,  und  äpi,  verwandter. 
Beide  sind  in  den  Veden  stark  vertreten,  und  einige  stellen 
werden  hinreichen  ihre  bedeutung  ins  licht  zu  stellen. 

1)  ipya,  Verwandtschaft. 

Rv.  I,  105,  13: 

&gne  tava  tyäd  ukthyäm  dev^hv  asty  Itpyam. 
„Agnis,  deine  Verwandtschaft  mit  den  göttem  ist  preisens- 
werth«.     Rv.  Vni,  10,  3: 

yayor  &sti  pr&  nah  sakhy&m  deveshv  &dhj  Spyam. 
,,deren  freundschaft  zu  uns,   deren  Verwandtschaft  zu  den 
göttem  innig  ist**.     VIII,  27,  10: 

Ästi  hi  vah  sajätyäm  ri^ädaso  döv&so  ästy  fipyam. 
„götter,    vemichter  der  feinde,  gleicher  abstammung  seid 
ihr,  naher  Verwandtschaft^. 

*)  Hieher  gehört  auch  die  glosse  bei  Paulus  Diac.  oxc:   apo  apud  au- 
tiquoB  dicebatnr  prohibe,  compesce. 


364  Aaftwsht 

2)  ^pya,  yerwandter. 

Rv.  VII,  15,-1: 

Upas&dyäya  mtlhüsha  isji  juhat&  havih  | 
Yo  no  n^dishtham  l(pyam  || 
„dem  Agni,  der  uns  nah  verwandt,  dem  vielverehrten  Spen- 
der giefst  die  opferbutter  in  den  mund^.    VII,  32,  19: 
nahi  tv&d  any&n  maghavan  n&  äpyam  vteyo  Mi  pita 

can&. 
„denn  fireigebiger  als  du,  Maghavan,  ist  kein  anderer  ver- 
wandter, und  wär^  es  selbst  unser  vater^.     VIU,  86,  7: 
M&  na  indra  p&r&  vrinag  bhävä  nah  sadbam2dyah  | 
Tv&m   na   ütf  tv&m  in  na  Spyam  ma  na  indra  para 

vrinak  ||  *) 
„wir  rufen  dich,  nicht  weis'  uns  ab,  nimm  theil  an  unsrem 
festgelag;   denn  hülfineich  bist  du,  Indra,  bist  uns  nah  ver- 
wandt: wir  rufen  dich,  nicht  weis'  uns  ab^. 

3)  äpi,  verwandter. 
IV,  25,  6: 

niksushver  Kpir  n&  sÜshk  n&  jämir  dushprävyo  Vahant^ 

av4cah. 
„wer  ihm  nicht  opfert,    dem  ist  Indra  nicht  verwandter, 
nicht  freund,  nicht  bruder;    wer  ihn  nicht  preist,  dem  ist 
er  unnahbar  und  verderblich^.    IV,  41,  2: 

indr&  ha  yö  v&run&  cakra  &pt  devaü  m&rtah  sakhyftya 

prÄyasvän  | 
sa  hanti  vntr£  samitheshu  9&trün  avobhir  vi  mahidbhih 

s4  pr&  ^rinve  || 
„der  sterbliche,  der  Varuna  und  Indra  durch  opfergaben 
sich  erwirbt  zu  freunden,  im  kämpfe  schlägt  er  feind  und 
Widersacher   und  wird  berühmt  durch  ihren  starken  bei- 
stand«.   VI,  45,  17: 


•)  Vgl.  VIII,  8,   1:  Apir  no  bodhi  sadbam&dyo  Vfidhe. 


yö  grinatam  id  ^ithäpir  ütf  ^iv&h  8&khä  | 

s&  tv&m  na  itidra  mriiaya  || 
^wer  zn  dir  fleht,  dem  bist  du  hold,  ein  trener  freund  in 
aller  noth,  o  Indra,  sei  uns  gnadenreich^. 

Jenes  2pya,  verwandter,  entspricht  dem  i^mog 
durchaus,  und  das  neutrale  geschlecht  ist  eine  indische  ei- 
genthümlichkeit,  die  wir  z.  b.  auch  in  mitra  freund,  yri- 
tra  feind,  wiederfibden. 


äv&Qconog. 

Meine  erklärung  dieses  wertes  hat  den  beifall  Ewald's 
nicht  gefunden,  der,  an  einer  altem  festhaltend,  in  äp&go)" 
nog  ein  mannsbild  sieht,  woflQr  man  etwa  das  eddische 
manlikun  anführen  könnte.  Indessen  werde  ich  die 
meinige  weiter  begründen.  Ich  habe  seitdem  das  adver- 
bialaffix  tra  in  zwei  griechischen  bildungen  gefunden.  Zu- 
nächst in  äXkoTQiog,  das  von  einem  adv.  aXXotgo  =  skr. 
anyatra  abstammt.  Von  einem  vorausgesetzten  aXloregos 
kann  es  nicht  ftkglich  abgeleitet  sein,  da  dieses  wie  die 
übrigen  formen  auf  reQog  nur  auf  zwei  gehen  könnte.  Die 
aspirirte  form  erscheint  sodann  in  ä&gooq^  das  man,  ohne 
sich  um  bedeutung  und  accent  zu  kümmern,  als  „zusam- 
men schreiend^  erklärt  hat.  Dieses  a&gooQ  steht  f&r  a&go^ 
log  und  ist  von  einem  adv.  äd-go  abgeleitet,  dem  in  den 
veden  sa-tri,  zusammen,  gegenüber  steht.  Gewöhnlich  wird 
dieses  auf  das  vereintsein  in  der  zeit  (zusammen  =  stets) 
übertragen,  die  ursprüngliche  bedeutung  ist  jedoch  in  meh- 
reren stellen  erhalten.    Vgl.  z.  b.  Rv.  VI,  46,  7: 

yad  indra  nahushishv  am  ojo  nrimnam  ca  krishtishu  | 
yäd  v&  p4nca  kshitinam  dyumnam  &  bhara  satr£  vl9velni 

paünsyä  || 
„die  kraft  und  mannhaftigkeit,    die  die  abkömmlinge  des 
Nahusha  besitzen,  den  rühm,  der  den  f&nf  stammen  eigen, 
bringe  uns:  insgesammt  alle  manneszier^. 

Oxford.  Th.  Aufrecht. 


M6  Leo  Meyer 

Die  einsilbigen  nomina  im  griechischen  und 
lateinischen. 

Es  ist  eine  früher  viel  verbreitete,  durch  die  neaeren 
sorgfältigeren  sprachuntersuchungen  aber  schon  in  vielen 
einzelnen  punkten  erschütterte  ansieht,  dals  die  einsilbigen 
nomina  im  griechischen  und  lateinischen  als  die  kürzesten 
und  einfachsten  auch  die  ältesten  und  ursprünglichsten 
seien.  Unwahrscheinlich  wird  es  schon  dadurch,  da£s  wir 
verhältnilsmäfsig  die  meisten  im  lateinischen,  weniger  im 
griechischen,  und  im  sanskrit,  das  wir  doch  auch  zur  ver- 
gleichung  heranziehen  müssen,  die  wenigsten  finden,  also 
im  allgemeinen  in  späterer  zeit  ihre  zahl  sich  mehrt 

Wir  glauben  mit  entschiedenheit  aussprechen  zu  kön- 
nen, dafs  alle  jene  einsilbigen  nomina  unursprünglich  und 
verhältnifsmäfsig  sehr  jung  sind,  hingegen  die  ältesten  no- 
mina die  zweisilbigen,  die  aus  zwei  einfachen  dementen 
bestehen,  einem  verbalen  und  einem  pronominalen.  Der 
gesammte  wertschätz  der  indogermanischen  sprachen  zer- 
fällt nach  seinen  einfachsten  elementen  oder  wurzeln  in  zwei 
haupttheile,  in  die  sogenannten  verbalen  und  in  pronomi- 
nale wurzeln*),  durch  deren  Verbindung  fast  alle  Wörter, 
mit  ausnähme  der  verhältnifsmäfsig  nicht  sehr  zahlreichen 
reinen  pronominellen  bildungen,  gebildet  werden,  so  dais 
ein  jedes  wirkliche  wort  aus  mindestens  zwei  elementen 
bestehen  mufs. 

Die  sogenannten  verbalwurzeln  bezeichnen  begriffe,  wie 
glänzen,  tönen,  wehen,  gehen,  fliefsen,  sich  bewegen  u.  dgl., 
also  etwas  dauerndes,  gewissermafsen  unauf hörendes;  durch 
hinzutritt  des  pronominalen,  des  hinweisenden,  gewisser- 
maßen momentanen  dementes  werden  sie  gleichsam  ge- 
bunden, zu  etwas  bestimmtem  fixirt.  So  ist  skr.  päd  ge- 
hen, pada,  dessen  zweites  a  ein  pronominales  dement  ist. 


*)  Ewald  nennt  die  enteren  begriffsworzeln,    die  letzteren   ort«-  oder 
deutewnrzeln.     AuaführL  lehrb.  der  hebr.  spräche  102  a,  106  a. 


die  einsilbigen  nomina  im  griechlsclien  und  lateinischen.  367 

etwas  bestimmtes,  zu  dessen  bezeichnung  der  begriff  fixirt 
ist,  der  fufs,  gleichsam  „der  da  geht^;  skr.  sur  (eig.  svar) 
glänzen,  daher  sür-ya  etwas  bestimmtes,  an  dem  das  glän- 
zen bemerkt  wird,  die  sonne;  skr.  bah,  wachsen,  gebunden 
durch  das  pronominale  ma,  daher  goth.  bag-ma,  bäum;  skr. 
sü,  erzeugen,  daher  sü-nu,  der  erzeugt  ist,  söhn;  skr.  nad, 
rauschen,  nad-a,  flufs;  cand,  glänzen,  cand-a,  mond;  kshi, 
wohnen,  kshi-ti,  wohnung,  erde  u.  s.  w. 

Einsilbig  wnrden  viele  nomina  durch  ausstofsung  von 
lauten  im  innem ;  so  entstand,  um  zuerst  die  so  beeinträch- 
tigten sanskritischen  formen  anzugeben,  skr.  kshmä,  f. 
erde,  aus  kshamä,  das  daneben  besteht;  die  gleichbedeu- 
tenden vedischen  gmä,  f.  und  jmä  f.  aus  gamäundjamä; 
skr.  Ted.  gnä  f.  frau,  aus  ganä  =  griech.  yvvfj.  Da&  skr. 
pums,  m.  mann,  männliches,  verkürzt  ist,  zeigt  der  nom. 
puman,  voc.  puman;  Webers  ansieht  (zeitschr.V,  235),  dafs 
pums  zu  skr.  push,  nähren,  gehöre  und  der  nom.  pumäns 
abnorm  weitergebildet  sei,  scheint  bedenklich,  Benfey  (kurze 
gramm.  §.  498,  56)  nennt  die  grnndform  pumant.  In  eini- 
gen casus  und  ableitungen  tritt  für  skr.  yuvan-,  jung,  das 
verschränkte  yün  *)  ein.  Skr.  räi,  m.  vermögen,  reich- 
thum  =  lat.  rS,  nom.  res,  steht  nach  Benfey  (wurzellex. 
2,  209)  für  rahi,  rädhi**),  von  skr.  ardh  (rdh),  wachsen. 
Skr.  strf,  f.  frau,  steht  nach  allgemeiner  annähme  für  sü- 
tri,  von  skr.  sü  2  a,  gebären.  Skr.  snu,  n.  bergebene,  tritt 
in  einigen  fällen  ein  für  sänu  (Benfey,  kurze  gr.  494,  14 
und  siehe  zeitschr.  U,  462),  und  ebenso  skr.  jnu,  n.  knie, 
für  jänu,  z.  B.  in  abbi-jnu,  adv.  bis  aufs  knie.  Ganz  ähn- 
lich haben  wir  neben  skr.  dam  m.  n.  holz,  =  griech.  öoqv, 


*)  Ans  dieser  form  bildeten  sich  die  gotbischen  jugga,  jnng,  jnbiza, 
jünger,  und  jnnda,  f.  Jugend,  deren  bildung  auf  den  ersten  blick  nicht  ganz 
durchsichtig  scheint,  jon-da  enthlllt  das  weibliche  suffix  dacsskr.  tä;  jugga 
aber  ist  durch  das  suffix  skr.  ka  gebildet  (also  =  lat  juvenco),  mufste  also 
eigentlich  ^junha  lauten ;  nh  aber  ist  eine  ungothische  lautgruppe,  der  com- 
parativ  juhiza  stiefs  der  formverläogemng  wegen  den  nasal  aus,  im  positiv 
ging  nh  in  gg  (=  ng)  über,  wie  auch  sonst  oft,  z.  b.  in  gaggan,  gehen,  ne- 
ben *gahti,  f.  gang. 

**)  So  nUlt  licht  auf  goth.  nn-l#da,  arm,  eigentlich  ohne  venndgen. 


^118  Leo  Meyer 

n.  balken,  schaft,  das  verkürzte  skr.  drA,  zweig,  baimi, 
holz  =  griech.  3qv^  f.  eiche,  banm.  Im  gothischen  lau- 
ten die  entsprechenden  formen  der  letztgenannten  Wörter 
kniya,  n.  und  triva,  n. 

Das  griech.  fivä^  f.  mine,  ist  nicht  ursprünglich  grie* 
chisch,  sondern  ägyptisch  (Benfey  wurzellez.2, 368>  Griech. 
^(ü,  nom.  m.  ^wg^  lebendig,  ist  zusammengedrängt  aus  C^y 
^uifOf  wie  (TcS,  nom.  m.  cäg^  gesund,  aus  cäo  und  aoo. 
Sfici^  nom.  Sfidg^  m.  sklav,  unterjochter,  von  skr.  dam,  bin- 
den, steht  wahrscheinlich  für  Sfioto,  SfAw^o;  daher  fmn.  Sfiuij^ 
dfiotf^.  Dieselbe  entstehung  ist  zu  vermuthen  von  &ei, 
nom.  ^dig,  m.  f.  schakal^  goldwolf,  neben  i9*a»o,  und  auch 
wohl  von  XQ^^  nom.  XQ^S^  ™*  haut,  Oberfläche,  neben ;|fpA»o, 
woneben  gleichbedeutend  auch  xQoa  und  XQ^^^y  beide  ans 
XQOfUj  und  XQ^'^j  ™'  ^^™*  XQ^S»  Verengung  nach  aus- 
stofs  eines  ursprünglichen  Digamma  ist  auch  sonst  häufig, 
so  steht  nXoVf  nom.  nXovg^  m.  Schiffahrt,  ftlr  nkoo^  nkofo; 
^oVy  m.  fluls,  f&r  0qßo  =  skr. srava  von sru,  fliefsen;  nvov^ 
m.  wind,  ftr  nvopo^  zu  skr.  plu,  flieisen,  fliegen,  wehen; 
vov^  m.  sinn,  verstand,  f&r  vojro*);  ähnlich  ^Aoi7,  nom. 
fpXovg  und  q>Xi(üg^  m.  Sumpfpflanze,  rinde,  haut;  &qov^  m. 
geschrei;  ;^Aoi;,  m.  hellgrüne  färbe,  und;|fi/oi},  m.  schmutz. 
o7,  nom.  61g,  m.  f.  schaaf,  aus  ot,  of^sskr.  &yi,  lat.  övi,f. 
Das  von  Hesychios  bewahrte  xav  oder  xav  (die  letztere 
form  die  ältere),  grofs,  viel,  gehört  zu  skr.  tu,  wachsen; 
auch  von  den  fomen  ygavy  yQijv,  ygiiv,  f.  alte  frau,  ist 
die  zweisilbige  die  ältere.  nalS^  nom.  naig^  m.  f.  kind, 
aus  TtdiS,  noftS,  hängt  zusammen  mit  skr.  pu-tra,  m.  söhn 
(Benfey  wurafellex.  2,  73).  wp  {äipB^rai  D.  5,  486),  f.  gat- 
tin,  aus  oap,  ojrag  (Benfey  wurzellex.  2,  7).  Aa,  nom.  Xag^ 
m.  stein,  verkürzt  aus  käa,  nom.  Xaag  s=s  skr.  grävan,  stein 
(zeitschr.  Y,  152).  ^oir,  nom.  (pcig^  m.  mann  =  skr.  bha- 
vat,  particip  von  skr.  bhü,  sein.  /9<üx,  nom. /9w|,  m.  ein 
fisch,  aus  ßoax.   ipcix^  nom«  <fmg,  n.  (neben  (fdog^  das  Kuhn 


*)  Vielleicht  für  ureprOngÜches  wofo ;    darauf  leitet  das  goth.  ma-tni, 
adj.  klug,  weise,  aofpoq. 


die  eiüBÜbigen  nomina  im  griechischen  und  lateinischen.  389 

I  zeitschr.  I,  368  as  skr.  bhAaas  folgt;  bei  Homer  auch  (powg) 
I  licht,  yielleicht  aus  skr.  **bh&Tat  =ss  bh&vin,  glänzend,  von 
skr.  bb&  2pa,  glänzen,  woneben  auch  skr.  bbäs  lap,  glän- 
zen, leuchten.  atiJQry  nom.  ct^q,  gen.  0n?ro^,  n.  stehen- 
des fett,  talg,  aus  criag,  arefagt  und  axalxy  nom.  axalq 
(attisch  öT^\  n.  teig,  wahrscheinlich  aus  ursprünglichem 
atofax  (Benfey  wurzellex.  I,  638).  Neben  den  formen 
xavaxy  xat/i^x,  x^vx,  xäßax  (Ahrens  in  zeitschr.  m,  174)  er- 
scheint auch  das  verkürzte  xi;x,  nom.  xi;^,  f.  seemöve. 
c2i  Ax,  nom.  (JA|,  f.  forche,  bei  Homer  nur  acc.  wXxa  (D.  XVni, 
707  od.  XVni,  375),  ist  verengt  aus  wixxxj  avXax.  tzq^Vj 
m.  vorsprung,  gipfel,  bergspitze,  entstand  aus  Ttqmv^  nQtjeip; 
StfSy  nom.  difg^  £  fackd,  aus^a^^;  ^V9y  ^*  herz,  aus  xiag^ 
f&r  xiagS  (Benfey  wurzellez.  11,  155).  17p,  n.  firühling,  aus 
Ucegy  ßlr  ^saag  (Aufrecht  in  zeitschr.  I,  351)  »s  lat.  vor, 
n.  firühling,  aus  verer,  veser,  skr.  vasanti,  frühling;  ovx 
(iJr),  nouL  ot/g,  gen.  oixog^  n.  ehr,  entstand  aus  ofaax, 
afax  =  goth.  ausan,  lat.  auri.  Zu  Ujennen  ist  hier  auch 
noch  anXiqv^  m.  milz=sskr.  plihan,  m.  milz  (für  ursprüng- 
liches ^splihan),  dem  entsprechend  auch  im  latein  spl6n, 
m.  erscheint;  dafbr  aber  bei  älteren  mit  Verstümmelung 
des  anlauts  lien*)  oder  die  vollere  form  Uini.  Vielleicht 
hängt  damit  zusammen  auch  lat  rön,  m.  niere,  wofbr  alt 
auch  rien. 

Aus  dem  lateinischen  sind  hieher  zu  ziehen  auiser  den 
bereits  genannten  rd,  vor,  spldn  und  rdn  noch  aes**), 
n.  erz  =  skr.  ayas,  n.  erz,  eisen,  püs,  n.  eiter,  entstand 
durch  dasselbe  neutrakufBz  skr.,  as  aus  skr.  püy  (eig.  pü) 
la,  faul  werden,  stinken,  und  lat.  jus,  n.  recht,  altlat  jous 


*)  Mit  ausfall  des  h  ganz  wie  in  via,  f.  weg,  fda  viha,  veha  =b  goth. 
viga,  m.  weg. 

**)  Genau  entspricht  goth.  ais  und  würde  entsprechen  ein  nhd.  **%r, 
woraus  das  ac^ectiv  dren,  ehern,  sich  bildete;  hier  aber  wurde  ein  mttssiges 
E  hinzugethan:  er-z,  und  Lessing  schreibt  sogar  erzt.  Ganz  Ihnlich  wie  goth. 
aiz  entstand  ohne  zweifei  nhd.  hier  =s  goth.  **biuz  ss  litt  pi?as,  braunbier, 
eig.  getränk,  von  skr.  pfv,  pib  si  pA,  trinken,  und  wohl  goth.  diuz,  n.  thier, 
dessen  Zusammenstellung  mit  griech.  ^q  (z.  b.  zeitschr.  III,  51)  sehr  wenig 
gesichert  ist. 

V.    6.  24 


370  1^0  Meyer 

(Kuhn  in  zeitschr.  iy,374  hält  das  vediscbe  yos,  abwehr 
des  bösen,  identisch)  wohl  =  skr.  **yava8  von  skr.  yu, 
binden,  im  zäum  halten,  einschränken.  Vielleicht  sind  auch 
lal  crfts,  n.  schenke!,  und  rüs,  n.  land,  so  gebildet;  das 
letztere  deutet  Aufrecht  (zeitschr.  III,  247)  aus  **cms,  von 
skr.  karsh,  pflügen.  Dasselbe  suffix  skr.  as,  doch  männlich, 
erkennen  wir  in  flös,  m.  blume,  zu  skr.  phull,  Ip,  sich 
ausbreiten,  blühen,  vielleicht  auch  in  mos,  m.  sitte,  das 
Schweizer  (zeitschr.  11,  301)  als  „maafs^  deutet  und  mit 
skr.  mA,  messen,,  zusammenbringt.  coh<vt,  nom.  cohors  f. 
gehäge,  häufen,  menge,  scheint  erst  erweitert  zu  sein  aus 
cort,  chort,  das  im  auslaut  verstümmelt  ist.  Für  spe, 
nom.  spes,  f.  hoffiiung,  gebrauchte  noch  Ennius  das  vollere 
spere,  nom.  speres,  ganz  ähnlich  dürfen  wir  vielleicht  ne- 
ben vi,  nom.  vis,  f.  kraft,  aus  dem  pluralgenitiv  vlrium 
ein  altes  vtri  vermuthen,  das  als  abstractum  neben  vir,  m. 
mann,  steht,  wie  das  durch  anderes  suffix  gebildete  virtüt, 
manuheit,  männlichkeit,  wie  skr.  virya,  n.  baft,  neben  skr. 
vtrÄ,  m.  held.  dit,  nom.  m.  dis,  reich,  ist  jüngere  zusam- 
mengezogene nebenform  von  divet,  eig.  partieip  von  skr. 
div,  glftnzen.  Auch  praed,  nom.  praes,  m.  bürge,  scheint 
im  innem  verstümmelt.  Die  ältere  form  für  glös,  gen. 
glöris,  f.  Schwägerin,  zeigt  griech.  yaixo,  ydXow  (f&r  ya^ 
Ao<7a)?).  Auch  grü,  nom.  grus,  nebenform  (bei  Pbädrus) 
gruis,  f.  m.  kranich,  hat  wie  griech.  yigavo  ursprünglich 
einen  vocal  zwischen  g  und  r;  zu  gründe  liegt  skr.  gar, 
tönen;  Ebel  (zeitschr.  IV,  345)  hält  fikr  gemeinsame  grund- 
form  ein  skr.  ^'garvant.  Dieselbe  Verstümmelung  in  plus, 
mehr,  ftkr  ursprüngliches  **pulius,  zu  skr.  puru,  pulu,  viel. 
Ganz  ähnlich  verlor  das  adverb  clam,  heimlich^  einen  vo- 
cal zwischen  seinen  ersten  beiden  consonanten  und  dasselbe 
dürfen  wir  behaupten  von  trans,  hinüber,  jenseits,  worin 
Kuhn  (zeitschr.  II,  473)  ein  altes  partieip  von  skr.  tar,  über- 
schreiten, erkennt;  eng  damit  zusammen  gehört  skr.  tiri, 
querdurch,  querüber,  und  das  adjectiv  skr.  tiryac  =  goth. 
}>airh  =  nhd.  durch. 

Nur  in  wenigen   Wörtern   sehen   wir  die  einsilbigkeit 


die  einsilbigen  nomina  im  griechischen  und  lateinischen.  371 

entstanden  durch  abwerfting  des  anlaute,  so  wahrscheinlich 
in  skr.  nar  (nr),  woneben  auch  nara  gebräuchlich  ist,  m. 
mann  =b  griech.  ävig,  nom.  ctvfjg^  m,  mann,  und  in  skr. 
str,  Stern  (woneben  auch  t&rA,  f.  stem,  zeitschr.  I,  540) 
=  griech.  äffriQ,  nom.  aarijQj  m.  stem,  die  wahrscheinlich 
ein  anlautendes  a  einbülsten  (siehe  Beufey  wurzellex.  I,  662 ; 
Kuhn  jedoch,  zeitschr.  IV,  4,  stellt  str  und  tar&  zu  skr.  star, 
ausbreiten),  ganz  wie  z.  b.  das  particip  zu  skr.  as,  sein  : 
sat,  ftr  **a8at,  gut,  vorzüglich,  eig.  seiend,  dem  griech. 
ovT  nom.  m.  wv^  und  lat.  *sent,  nom.  m.  *sens,  entspricht 
in  ab-sent,  prae-sent,  weshalb  das  nach  Quintilian  (inst. 
VllI,  3)  von  Flavius  dem  griech.  oifala  nachgebildete  ent, 
nom.  ens,  n.  ding,  von  einem  unrichtigen  sprachgefbhl  zeugt. 
Das  vedische  vi,  m.  f.  und  vt  f.  vogel,  scheint  aus  **avi 
=  lat.  avi,  f.  vogel,  verstümmelt  und  gehört  vielleicht  nebst 
griech.  aUto  för  äjrsro  zu  skr.  **av  =  v4,  wehen,  fliegen. 
Das  skr.  danta,  m.  zahn,  wofür  in  einigen  casus  dat  ein- 
tritt =  lat.  dent,  nom.  dens,  m.  zahn,  goth.  tunjm  (aus 
**tan]>u  durch  einfluTs  des  suffixes),  ist  ursprünglich  parti* 
cip  zu  skr.  ad,  essen,  und  steht  Air  adanta,  adant,  dessen 
anlautender  vocal  bewahrt  wurde  in  griech.  öJoVr,  nom. 
ddovg^  m.  zahn.  Das  sehr  gebräuchliche  präfix  skr.  *su, 
gut,  ist  nach  Benfey  (wurzellex.  I,  303)  verstümmelt  aus 
vasu,  gut,  nach  Aufrecht  (zeitschr.  IV,  279)  aus  asu,  wie 
das  griech.  ^i/,  später  «v,  wohl,  gut,  schliefsen  läfst.  Im 
erstem  falle  dürfen  wir  goth.  mma,  adj.  weit,  geräumig, 
vergleichen,  das  bis  auf  das  zugetretene  sufiBx  ma  gewifs 
identisch  ist  mit  skr.  uru  (aus  **varo),  weit,  griech.  evgv. 
Vielleicht  ist  auch  skr.  bhrü,  f.  augenbraue,  hier  zu  nen- 
nen, dem  griech.  ötpgv  (wofiAr  in  der  bedeutung  hügel  bei 
Herodot  die  nebenform  6(pQvrj)  entspricht;  doch  behauptet 
Ahrens  (zeitschr. III, 99)  die  ursprünglichkeit  der  form  bhrü; 
dann  wäre  eine  Verstümmelung  im  anstaut  oder  im  innern 
wahrscheinlich. 

Aus  dem  griechischen  dürfen  wir  wohl  hieherziehen 
navT^  nom.  nag,  näöa,  näv,  das  nach  Benfey  (wurzellex. 
II,  167)  verstümmelt  ist  aus  anctvr^  ännccvr  ^  skr.  sa^vant, 

24* 


372  Leo  Meiner 

^a^vani,  adj.  (vedisch),  fortdauernd,  beständig;  skr.  ^a^vat 
ady.  immer.  Curtius  aber  (zeitsohr.  III,  404)  deutet  navr 
aus  dnem  skr.  **kft-vant,  wie  viele.  Noch  fllhren  wir  an 
griech.  xtid,  nom.  xrlg  £  ==:  IxviSy  nom.  hcrlg^  f.  wiesei. 
Förstemann  (zeitsebr.  I,  498)  hftit  die  znsammensteUung  bei 
Graff  (I,  238)  mit  ahd.  iUitiso,  n.  iltis,  für  wahrscheinlich 
und  vermuthet  eine  ursprüngliche  form  IXxriS;  Pott  (etym. 
forsch.  I,  203)  hingegen  hält  das  anlautende  i  für  zusatz; 
Curtius  (zeitschr.  III,  407)  nennt  die  wurzel  he,  beschädigen. 

Weit  häu6ger  ist  bei  den  einsilbigen  nominibus  die 
Verstümmelung  im  auslaut  durch  Verkürzung  oder  gänz- 
lichen abstofs  des  su£Bxes  eipgetreten.  Vielfach  erscheinen 
noch  die  volleren  formen  neben  den  verkürzten  und  beson- 
ders im  griechischen  und  lateinischen  sehen  wir  oft  die  er- 
steren  im  anfang  von  Zusammensetzungen  bewahrt,  woge- 
gen auf  der  anderen  seite  auch  bisweilen  grade  Zusammen- 
setzung formverstümmelung  veranlaTste.  Mitunter  bewahrte 
die  eine  spräche  die  vollere  form,  während  eine  verwandte 
nur  die  verstümmelte  hat,  und  da  dürfen  wir  der  i^lgemei- 
nen  lautgeschichte  nach  in  der  regel  annehmen,  dais  die 
vollere,  längere  form  die  ursprünglichere  sei:  denn  überall 
bemerken  wir,  dafs  im  laufe  der  Sprachgeschichte  formver- 
kürzungen  eintreten,  etwaige  spätere  erweiterungen  oder 
Verlängerungen  aber  nur  höchst  vereinzelt  und  selten.  Al- 
lerdings wird  sich  nicht  in  jedem  falle  mit  gleicher  ent- 
schiedenheit  fär  unsere  gekürzten  nomina  die  ältere  län- 
gere form  hinstellen  lassen,  da  viele  der  hier  zu  nennenden 
Wörter  noch  genügender  aufklärung  entbehren,  meistens 
jedoch  mit  hoher  Wahrscheinlichkeit. 

Zuerst  nennen  wir  diejenigen  einsilbigen  nomina,  ne- 
ben denen  vollere  formen  noch  vorhanden  sind;  wir  gehen 
wieder  vom  sanskrit  aus.  Neben  skr.  dös  m.  n.  arm,  tritt 
in  einigen  fällen  noch  döshan  ein  (Benfey  kurze  gramm. 
§.  498).  Skr.  dvär,  f.  thür,  vedisch  auch  dur,  m.  hat  zur 
Seite  dvära,  n.  thür;  aulserdem  griech.  &vQa  f.,  lat  föri,  f. 
goih.  daura,  n.  und  daurön  f.  skr.  nas,  f.  nase,  das  fbr 
näsikä  in  Zusammensetzung  und  einigen  casibus  eintritt,  ha- 


die  euusübigen  nomina  im  griechischen  und  lateinischen.  373 

ben  wir  unverstümmelt  in  lat.  näßu,  m.  (alt  auch  n.),  nhd. 
nase.  nip,  f.  nacht,  steht  neben  ni^i.  skr.  uau,  f.  schiff 
=  griech.  vat/,  ist  unverkürzt  in  lat.  nävi,  f.  (vergl.  Ebel 
in  der  zeitschr.  IV,  345) ;  die  verkürzte  form  erscheint  aber 
auch  im  latein  in  nau-frägd,  wie  au-cep,  Vogelfänger,  von 
ävi,  f.  vogeL  Für  skr.  g6,  m.  f.  rind;  f.  erde,  tritt  in  ei- 
nigen Zusammensetzungen  gava  ein;  im  griechischen  ent- 
spricht sowohl  ßov^  als  yijj  erde,  letzteres  zusammenge- 
schoben aus  yäjra^  das  auf  der  andern  seite  auch  zu  yala 
wurde,  im  lateinischen  böv,  nom.  bös  (aus  bovs);  alsgrund- 
form  im  gothischen  glaube  ich  kavi  ansetzen  zu  dürfen  mit 
nom.  sing,  kös  (fbr  kavs),  nom.  pl.  kaveis.  skr.  math,  m. 
rührkelle,  tritt  in  einigen  fällen  ein  Ar  mathin,  urspr.  man* 
than;  ganz  ähnlich  skr.  path,  m.  weg,  fi)r  pathin,  urspr« 
pimthan,  womit  Bopp  (glossar  s.  206)  lat.  pont,  m.  brücke, 
vergleicht.  Neben  skr.  päd,  m.  fiifs  =«  griech.  7t63  =r  lat. 
ped,  stöht  noch  pada,  n.  fufis,  und  auch  pftda;  an  das 
letztere,  doch  mit  anderem  suf&x,  lehnt  sich  unser  fufs  = 
goth.  fötu;  neben  skr.  pur,  f.  Stadt,  gleichbedeutend  pura, 
n.  und  puri,  f.  =  griech.  nok^.  skr.  vedisch  m&h,  adj. 
grofs,  erhaben,  hat  die  volleren  mäha,  maha,  mahat,  auch 
m4hi  zur  seite.  skr.  prtanä,  f.  beer,  wird  in  einigen  casibus 
zu  prt  verkürzt;  der  männliche  eigenname  püshan  zu 
püsh  (Benfey  kurze  gramm.  §.  498);  ähnlich  mänsa,  n. 
fleisch,  zu  m&ns.  Neben  skr.  mas,  m.  mond;  monat,  des- 
sen organische  form  Benfey  (a.  a.  o.)  mänt  nennt,  »=  griech. 
/UT^i/  (ionisch  nom.  jU6^^),  ist  die  vollere-  form  mäsa  (aus 
**man8a),  m.  monat,  =»  lat.  mensi.  Neben  skr.  diva,  n. 
himmel,  erscheint  das  verkürzte  weibliche,  vedisch  auch 
männliche  div,  das  einzige  auf  v  auslautende  nominalthema 
im  Sanskrit,  womit  skr.  dyu,  n.  tag,  himmel,  luft,  und  mit 
gunirtem  vocal  dy6*),  f  himmel,  identisch  sind;  demletz- 


*)  Gleichwie  skr.  gö  den  accusativ  g&m  (aus  g&vam,  Benfey  kurze  gr. 
§.  496)  bildet,  haben  wir  auch  in  den  Veden  von  dyo  den  singularaccusativ 
dyam,  dem  das  homerische  J^y  genau  entspricht,  das  einige  male,  z.  b.  U, 
14,  2 66,  den  vers  schliefst,  wo  einige  das  y  ganz  ungehörig  zum  folgenden 
verse  hinüberziehen. 


374  I«M  Meyw 

teren  entspricht  griech.  Zcv,  nom.  Z^ig^  gen.  Jiog^asslar. 
divas,  and  der  erste  theil  des  lateinUchen  Jft-piter,  als 
dessen  grundform  wohlJöv,  wegen  des  genitivs  Jövis  an- 
zusetzen ist;  ebenso  wurde  der  pluraldativ  bübus  aus  bdv- 
bus.  skr.  r&j,  m.  könig,  ss  lat  reg,  nom.  rex,  tritt  in 
Zusammensetzung  oft  ein  Ar  das  vollere  r&jan.  Neben  skr. 
y&r,  n.  wasser,  ist  gebräuchlicher  v&ri,  n.  skr.  f  van,  m. 
hund,  nom.  f yA[n]  =b  griech.  xvufVf  gen.  skr.  ^n&s  =  griech. 
xvpog,  ist  im  lateinischen  cäni,  m.  £;  gothisch  noch  voller 
hunda;  in  dem  dazu  gehörigen  medischen  8paka(n)v  xuya 
xaliovai  anäxa  Mij3o^,  Herodot  1,  HO),  dessen  grundform 
man  nicht  anäx^  nom.  <r;fa|,  nennen  sollte,  ist  o£fenbar  das 
Suffix  skr.  ka.  Neben  skr.  hrd,  n.  herz,  das  in  einigen 
casibus  fbr  hrdaya  eintritt,  haben  wir  im  griechischen  aulser 
dem  bereits  erwähnten  x^(»,  auch  xagÖia^  lat^nisch  nur 
verkürzt  cord,  nom.  cor,  doch  goth.  hairtan,  n. 

Neben  skr.  kshamä,  f.  erde,  =s  lat.  hümö,  f.  erde,,  er- 
scheint vedisch  auch  ksham,  dem  zunächst  das  griech« 
Z^oPy  nom.  x^^^9  entspricht  (s.  Zeitschrift  V,  1 63),  ja  mit 
gänzlichem  Verlust  des  m  kshä.  Dieselbe  starke  verstOm- 
melung  haben  wir  im  griechischen  Ja»,  zunächst  för  Swfjiy 
weil  fi  im  griechischen  nicht  auslauten  kann,  dann  ftkr  Sufucy 
n.  haus  (il.  I,  426:  ;|foAxo/?ari^  8w;  od.  I,  176:  nfdiBQov 
dw),  nachgeahmt  von  Ennius  im  latein.  do,  fbr  domum. 
Ganz  ähnlich  stehtxpZ  (ü. V,196.  Vm,560.  od. IV, 41. 604), 
n.  gerste,  zunächst  f&r  xq^&^  dann  f&r  XQid^r^.  Damit  ver- 
glichen wird  auch  Bopps  (glossar  s.  74)  identificirang  von 
griech.  xi  nom.  xi^,  m.  holzwurm,  komwurm,  mit  skr.  kita, 
m.  insect,  wurm,  sehr  wahrscheinlich. 

Aus  dem  griechischen  sind  auTserdem  noch  folgende 
formen  zu  nennen:  j^ijv,  m.  f .  (ans  j^i/i'o,  /ayi^o),  gans,  = 
skr.  hansa,  m.  gans;  im  latein  mit  anderem  suffix,  auTser- 
dem Verlust  im  anlaut,  anser,  m. ;  die  gothische  grundform 
wQrde  **gan8i  lauten,  griech.  (pQiv^  nom.  (fQriv^  f.  Zwerch- 
fell, dann  seele,  geist,  wird  in  der  regel  mit  skr.  präna,  m. 
bauch,  athem,  plur.  leben,  identisch  gehalten,  die  Verschie- 
denheit der  grundbedeutung  aber  macht  wohl  eher  einen 


die  einnlbigen  nomina  im  griecUschen  und  lateinischen.  373 

Zusammenhang  mit  dem  oben  beeprochenen  plihan,  m.  milz, 
wahrscheinlich.  Dem  griecL  gi'v^  nom.  ^4%  später  auch 
giv^  f.  nase,  entspricht  skr.  ghräna,  n.  nase,  von  ghrä  Ip, 
riechen,  dessen  anlautendes  gh  abfiel  und  ä  zu  t  geschwächt 
wurde,  griech.  fAvg^  gen.  iivog  (aus  fAvcog)^  m.  maus,  und 
lat.  müs,  gen.  müris  (aus  müsis),  m.  f.  entsprechen  dem 
skr.  müsha,  m.  maus,  xi^q^  £  todesgöttin,  tod,  wahrschein- 
lich ^  skr.  käla,  m.  tod,  todesgott.  qx^Q^,  m.  dieb,  und 
lat.  für,  m.  f.  dieb,  entsprechen  den  skr.  cora  =»  caura, 
m.  dieb,  von  skr.  cur  Ip  10p,  stehlen.  Neben  aA,  nom. 
aAg,  f.  meer,  m.  salz,  erscheint  im  sanskrit  noch  saras,  n. 
see,  salila,  n.  wasser;  sarit,  fluis;  sala,  wasser  (Benfey  wur- 
zellex.  I,  61);  im  lateinischen  entspricht  sal*),  nom.  säl, 
m.  n.  salz,  woneben  auch  bisweilen  sale*),  n.  erscheint, 
griech.  vt/xr,  nom.  yt;£,  f.  nacht,  und  lat  noct  (zunächst 
fllr  nocti,  daher  gen.  pL  noctium),  nom.  nox,  stützen  sich 
auf  ein  altes  skr.  nakta,  das  im  adverb  skr.  naktam,  nachts, 
bewahrt  wurde '^);  das  entsprechende  goth.  nahti,  nom. 
nahts,  f.  bildet  ausnahmsweise  noch  den  dat.  plur.  nahtam 
(Mk.  5,  5).  Das  ganz  ähnlich  wie  vmr  verstümmelte  gr. 
ovvxj  nom-  oVi;^,  m.  nagel,  =s  skr.  nakha,  m.  nagel,  wurde 
durch  vortreten  des  o  wieder  zweisilbig.  Das  griech.  ctlyy 
nom.  ai|,  mit  der  bedeutung  meereswoge,  das  Hesychius 
anf&hrt  {alyag  ol  JwQulg  xa  xvfxata,  siehe  £.  Curtius^  Die 
Jonier,  seite  50),  ist  wohl  von  aiy,  ziege,  zu  trennen  und 
scheint  identisch  mit  skr.  vSga,  m.  bewegung,  andrang,  von 
skr.  vij,  bewegen.  Die  Verbindung  aber  von  a  7/,  nom.  ai|, 
f.  ziege ,  mit  skr.  aja,  m.  Ziegenbock  (z.  b.  zeitschr.  I,  497) 
ist  der  vocale  wegen  sehr  bedenklich  (s.  Kuhn  in  zeitschr. 
111,433).  Moglicherweise  konnte  x^^9  (dat.  pl.  x^Q^h  ^^^ 


*)  Wegen  des  abfalls  des  e  lassen  sich  aufser  formen ,  wie  auimal  fttr 
animAle  (eig.  animäli,  wie  einige  casus  noch  zeigen)  und  ähnlichen  auch  die 
verkürzten  imperative  die,  dnc,  fac,  fer  vergleichen,  die  keineswegs  ursprüng- 
lich sind.  Auch  den  imperativ  i  (^  skr.  ihi  fttr  **idhi,  griech.  XS-i),  geh, 
hat  man  für  eine  uralte,  einfache  form  zu  halten  längst  aufgehört  und  eine 
Verstümmelung  darin  erkannt. 

**)  Vedisch  auch  sonst  z.  b.  naktdshasä,  nacht  und  morgen,  RV.  I, 
96,  5  (zeitschr.  V,  144). 


376  L«o  Key« 

du.  x*9^^^)j  ^'  huMl,  dem  entsprechend  bei  Lucilius  ein 
wohl  nur  entlehntes  lat.  hir  Torkömmt,  mit  skr.  kara,  m. 
band,  identisch  sein,  gewöhnlich  aber  wird  es  mit  skr.  har, 
greifen,  fassen,  zusammengestdli  Neben  &ijq  (aus  i9'€(»o), 
m.  thier,  wildes  thier,  wof&r  ftolisch  ^i^q  gesagt  wird,  ha- 
ben wir  lat.  föra,  f.  wildes  ihier;  adj.  ferö,  wild.  Dem 
griech.  avQiyyy  nom.  atgly^j  f.  zeile,  reihe;  nachtvogel, 
ohreule,  entspricht  im  lateinischen  striga,  daneben  aber  ist 
auch  strig,  nom.  strix,  £  gebrändüich.  Das  homerische 
U\  glatt,  in  der  Verbindung  Xig  nir^^  glatter,  schroffer 
fels  (Od.  XTT,  64.  79),  scheint  zunftchst  aus  iUro,  glatt,  eben 
(Benfey  wurzeUex.!!,  122),  verkürzt,  womit  kiaaOf  wohl  für 
iUrfd,  eng  zusammengehört;  auch  Xicc^  nitQij  haben  wir 
bei  Homer,  z.  b.  Od.  m,  293.  V,  412.  X,  4. 

Mehrfach  stehen  innerhalb  des  griechischen  selbst  die 
volleren  und  verkfirzten  formen  neben  einander.  Neben 
XQOxtjj  f.  einschlagfaden,  erscheinen  die  vereinzelten  xgojcay 
acc  sing,  und  xQoxag^  nom.  pl.,  die  eine  verkürzte  grund- 
form  xQox  voraussetzen.  Der  homerische  dativ  alx/,  ne- 
ben aXxij^  £  kraft,  setzt  eine  verstünmielte  grundform  äkx 
voraus.  Ganz  ähnlich  haben  wir  neben  a'ixijj  £  andrang, 
bewegung,  den  plural  äüceg,  grundform  ä'ix.  Für  nvytjj  £ 
hinterer,  ist  später  auch  »v/,  nom.  nt;£,  f.  gebräuchlich; 
fbr  nrvx^  nom.  mv^^  £  falte,  erscheint,  wenn  auch  nicht 
in  älterer  zeit,  auch  nrux'ni  ebenso  f&r  ^fiy^  nom.  (^<J^,  £ 
auch  m.  rifs,  spalt,  ein  voUeres  ^(ayi^.  Neben  ykavx^  nom. 
/Aat;^,  f.  nachteule,  werden  auch  yXavxo  und  ylaixa^  f.  an- 
geftkhrt.  xag^  in  der  Verbindung  inl  xag^  auf  den  kop^ 
kopftber,  ist  nebenform  von  xaga^  n.  kop£  Neben  cxix, 
nom.  <rr/|,  £  reihe,  steht  «rri^o,  m.  reihe,  Ordnung;  auch  ein 
atixv  wird  angegeben.  Dann  sind  zu  nennen  ngox^  nom. 
ngol^  £  seltner  m.  reh,  imd  ngoxdd^  nom.  n^xdg^  £;  Xiß^ 
nom.  Alt/;,  £  tropfen,  trankopfer  (nach  Hesych.  auch  in  der 
bedeutung  verlangen,  und  steiler  fels),  und  h^ßadj  nom.  iU- 
ßdg^  £  das  tröpfelnde,  das  nafs,  quell;  y/qp,  £  schnee,  das 
aber  nur  im  acc.  vi€pa  vorkömmt,  und  vitpdS,  nom.  vupdg^ 
£  Schneeflocke;  im  lateinischen  entspricht  niv,  nom.  nix,£ 


die  einsilbigen  nomina  im  griechischen  und  lateinischen.  377 

schnee,  im  gothischen  mit  unversehrtem  anlaut  nnd  ver- 
stärktem wmrzelvocal  snaiva,  m.  yi^dx^  ^'  Rachel  der  ähre, 
ist  nur  in  der  mebrzahl  gebräuchlich,  daneben  im  Singular 
yhoxiVy  f.  spitze.  Saivy  nom.  8a Ig^  f.  und  Salri],  f.  mahl, 
gastmahl,  gebraucht  schon  Homer  neben  einander,  arvyf 
nom.  atv^j  f.  abscheu,  hafs,  hat  ein  sächliches  crvyog,  hafs, 
zur  Seite,  (pgi'x^  nom.  tpgii^  f.  rauhe  Oberfläche,  das  kräu- 
seln, und  (pglxtjy  f.  rauhheit,  Schauder,  stehen  einander  sehr 
nah.  ^ixV'>  f*  krümchen,  bröckchen,  nennt  Hesychios  ne- 
ben ^p^x^  ^^^  ^^^9  ^'^'  ^^  nv^v^  nom.  mit  Umstellung 
nvv^  (s.  Ebel  in  zeitschr.  I,  295.  IQ,  143),  gen.  nvxvog,  f. 
Volksversammlungsplatz  in  Athen,  ist  das  v  unzweifelhaft 
ein  verstümmeltes  sufifix,  ganz  ähnlich  wie  lat.  cäron,  nom« 
cäro,  f.  fleisch,  in  der  flexion  z.  b.  gen.  camis  verstümmelt 
wird,  und  neben  agvog,  agvi^  S.  schaf,  ein  ungebräuchlicher 
nom.  agijv,  grundform  ägiv,  angefahrt  wird. 

AehnUche  Verstümmelungen  im  auslaut  finden  sich  na- 
mentlich häufig  in  adjectivischen  Zusammensetzungen,  wo- 
neben die  einfachen  adjectiva  oft  unversehrt  blieben,  so 
können  wir  nennen  a-ßXrix^  nom.  m.  aßki^g^  ungeworfen,  ne- 
ben /?Ai?ro,  geworfen;  a-/?pft5r,  nicht  verzehrt,  und  ßQwro^ 
eisbar,  eig.  gegessen;  iifAir&viqT^  halbtodt,  i9'y;;ro,  sterblich, 
eig.  gestorben;  a-^^Tfr,  ungebändigt,  einfach  nicht  ge- 
bräuchlich; ä^xfirJTj  unermüdlich,  XfxrjTO,  mit  mühe  gear- 
beitet; i'Tttcir,  nicht  fallend,  titwtoj  fallend;  ä-mijv,  nicht 
flügge,  tttfjvoy  befiedert,  und  andere. 

Aus  dem  lateinischen  sind  folgende  formen  als  im  aus- 
laut verstümmelt  anzufahren:  jus,  gen.  juris,  n.  brühe,  = 
skr.  yüsha,  m.  n.  brühe,  lat.  rös,  gen.  röris,  m.  thau,  = 
griech.  Sqoco,  f.  thau  =  skr.  rasa,  m.  saft,  flüssigkeit.  lat. 
greg,  nom.  grex,  m.  heerde,  menge,  scheint  identisch  mit 
skr.  grha,  m.  haus,  eig.  menge,  Verbindung,  womit  auch  skr. 
grama  (aus  **grahma),  m.  dorf,  menge,  zusanunenhängt.  lat. 
hiem,  f.  nom.  hiems,  £  winter,  =  skr.  hima  (aus  **hyama), 
m.  Schnee,  kälte,  wurde  trotz  der  Verstümmelung  wegen 
vocalisation  des  y  wieder  zweisilbig;  bewahrt  ist  unversehrt 
un  auslaut  die  form  in  den  adjectiven  btmö,  zweijährig,  ff. 


378  Lm  Maytr 

(Aufrecht  in  zeitschr.  IV,  415).  lat.  Ö8,  gen.  öris,  n.  gesiciit, 
sBs  skr.  Asya,  n.  gesiebt,  woneben  aber  auch  schon  in  den 
▼eden  das  verkürzte  fts,  mund,  vorkömmt,  verlor  dasselbe 
sufiix,  wie  lat.  söl,  m.  sonne,  ss  skr.  sürya  (aas  ''svärya), 
m.  sonne;  das  griechische  ^Xio  (aas  i^iXiOy  qfaiXio)  jedoch 
ist  davon  zu  trennen,   hingegen  entspricht  griech.  tfci^io, 
woneben  Hesychius  die  verkürzte  form  aaiQ  anführt  (siehe 
Curtius  in  zeitschr.  I,  31).    Die  n&ndiche  Verstümmelung 
haben  wir  wahrscheinlich  in  lat.  pic,  nom.  pix,  f.  pech,  = 
griech.  niaaa^  aus  **mxia.  nön,  alt  auch  noenum,  nönum, 
nicht,  eig.  nicht  ein,  ist  verstümmelt  aus  ne  ünum,  alt  ne 
oenum,  wie  unser  nein  aus  ne  ein.     Das  adverb  sät,  ge- 
nug,  ist  aus  gleichbedeutendem  sätis  verkürzt.     Dem  lat 
mox,  adv.  schnell,  bald,  entsprechend  erscheint  in  den  ve- 
den  ein  skr.  makshü,  adj.  schnell.    Dafs  virö,  m.  mann  =!= 
skr.  vtra,  m.  held;  goth.  vaira,  m.  manu,  den  nominativ  vir, 
nicht  virus,  bildet,  ist  weitergreifendes  lautgesetz,  womach 
z.  b.  ager  für  agerus,  agrus,  grundform  agrö  «=  skr.  ajra, 
m.  feld.    Neben  stipet,  nom.  stipes,  gen.  stipitis,  m.  stock, 
stamm,  findet  sich  bei  Petronius  sttp,  nom.  stips.    glüt, 
nom.  glüs,  f.  ist  eine  vereinzelte  nebenform  von  glüten,  n. 
leim.  Für  Dit,  nom.  Dis,  m.  Pluto,  findet  sich  auch  noch 
das  vollere  Dtti,  nom.  Ditis.    Der  ausruf  pol  ist  verstüm- 
melt aus  Pollux.     Neben  v&s,  gen.  väsis,  n.  geflKs,  er- 
scheint auch,  namentlich  in  älterer  zeit  väsö,  nom.  vftsum, 
dessen  plural  väsa,  väsorum  der  gebräuchliche  blieb,    lat. 
söpi,  saepi,  nom.  sSpes,  saepes,  f.  zäun,  verzäunung,  erscheint 
bisweilen,  auch  bei  Cicero,  verkürzt  zu  sep,  saep,  nom. 
seps,  saeps.    Auch  bei  folgenden  Wörtern  finden  wir  ältere 
volle  nebenformen:  fäc,  nom.  fax,  alt  auch  föces,  f.  fackel; 
frond,  f.  laub,  nom.  firons,  alt  auch  frondis,  daneben  wird 
auch  angegeben  fros  und  friis;    früg,  nom.  frux,  alt  auch 
frügis,  f.  frucht;    merc,  nom.  merx,  alt  auch  merces,  f. 
waare;  trab,  nom.  trabs,  alt  auch  träbes,  f.  balken;  plöb, 
nom.  plebs,  f.  volk,  alt  auch  plSbg,  nom.  plöbes.     stirp,  f. 
stamm,   hat   für  nom.  etirps  in  den  besten  handschriften 
die  nebenformen  stirpes  und  stirpis.    Das  verkürzte  *pöt. 


die  einaUbigen  nomioa  im  griechischen  und  lateinischen.  379 

neben  piHis,  vermögend,  das  meist  anflectirt  gebraucht 
wird,  findet  sich  nur  in  Zusammensetzungen,  com-pöt,  nom. 
m.  compos,  und  pos-sum  aus  pot-sum;  ebenso  das  ver- 
kürzte *cöc  nur  in  prae-cöc,  nom.  m.  prae-cox,  neben  prae- 
cöquö  und  prae-cöqui,  frühreif;  es  gehört  zu  cöquere,  ko- 
chen, =  skr.  pac,  Ipa,  kochen,  wie  hiezu  griech«  nkstov^ 
reif,  und  nhd.  reif  zu  skr.  ^ri,  9pa,  kochen. 

Bei  einigen  lateinischen  Wörtern  erweist  sich  die  un- 
ursprünglichkeit  der  einsilbigkeit  durch  die  consonanten- 
verdoppelung  in  der  flexion,  die  mit  Sicherheit  auf  ursprüng- 
lich vollere  formen  schliefsen  läfst.  So  hat  os,  gen.  ossis, 
n.knochen,  noch  die  alte  nebenform  ossö,  bisweilen  auch 
ossu,  das  durch  assimilation  aus  ostö  entsprungen  ist  und 
dem  skr.  ästhi,  n»  knochen,  entspricht,  wofür  in  einigen  car 
sibus  asthan  eintritt;  dazu  gehört  griech  ocxiov  (siehe  Kuhn 
in  zeitschr.  III,  325).  lat.  as,  gen.  assis,  m.  einheit,  verein- 
zelt auch  unverstümmelt  assi,  nom.  assis,  das  auch  in  Zu- 
sammensetzungen erscheint  wie  sem-issi  neben  semis,  bessi 
(aus  bi  +  assi)  neben  dem  gebräuchlicheren  bes,  ist  viel- 
leicht identisch  mit  skr.  akshi,  n.  =  aksha,  n.  äuge,  äuge 
im  Würfel,  Würfel,  wie  wir  auch  für  lat  axi,  m.  achse,  = 
skr.  ak|ba,  achse,  bisweilen  assi  geschrieben  finden;  die- 
selbe assimilation  in  griech.  o0<7€,  die  beiden  äugen,  fär, 
gen.  farris  (urspr.  farsis?},  n,  speit,  dinkel,  getraide,  ist 
vielleicht  identisch  mit  goth.  bans,  n.  gerste.  fei,  gen. 
fellis  (aus  felvis?),  n.  galle,  hängt  zusammen  mit  griech. 
XoXriy  £  galle,  und  skr.  harit,  gelb,  grün,  mel,  gen.  mellis, 
n.  honig,  vielleicht  ursprünglich  melli  aus  mel- vi  =:  skr. 
madhu,  n.  honig,  aus  madhva,  ist  schwerlich  unmittelbar 
mit  dem  gleichbedeutenden  griech.  ^tlix^  nom.  iiih,^  iden- 
tisch, wenn  nicht  etwa  dieses  für  ^eXfit  steht. 

Einige  lateinische  feminina,  in  deren  flexion  ein  t  her- 
vortritt (meist  mit  vorhergehendem  consonanten),  das  vor 
dem  nominativischen  s  ausfiel,  sind  ohne  zweifei  durch  das 
im  Sanskrit  sehr  gewöhnliche  abstractsuffix  ti  gebildet,  das 
wir  z.  b.  noch  in  ihrem  pluralgenitiv  ti-um  deutlich  erken- 
nen,    art,  nom.  ars,  gen.  pl.  arti-nm,  f.  kunst,  steht  nach 


380  Leo  Meyer 

Bopp  (glossar  81)  für  carti,  von  skr.  kar,  machen  (ähn- 
lich lat  ämo  =  skr.  kämayämi,  ich  liebe),  wie  auch  griech. 
tixvrjy  kunst,  zu  skr.  taksh,  bereiten,  machen,  gehört,  cöt, 
nom.  cds,  f.  Wetzstein,  =  einem  skr.  päti  von  skr.  9yd,  9yä 
(eig.  **a9-7ä),  schärfen,  dessen  passivparticip  p&ta  oder  (ita, 
scharf,  lautet,  ddt,  nom.  d6s,  f.  gäbe,  würde  im  sanskrit 
lauten  **däti,  von  skr.  da,  geben '^);  im  griechischen  ent- 
spricht das  auch  verkürzte  ^cJr,  nom.  öwg^  f.  gäbe.  Das- 
selbe suf&x  haben  wir  wahrscheinlich  auch  in  lat  quigt, 
nom.  quies,  f.  ruhe,  eig.  das  liegen,  =  skr.  **9iy4ti,  von  91, 
liegen,  gent,  nom.  gens,  gen.  pl.  gentium,  f.  geschlecht, 
zu  skr.  Jan,  erzeugen**),  fort,  nom.  fors,  f.  zufall,  Schick- 
sal. Vielleicht  enthält  auch  cort  (chort,  cöhort),  nom. 
cors,  f.  häufe,  menge,  unser  suffix.  ment,  nom.  mens,  alt 
auch  mentis,  geist,  verstand,  «=  skr.  manti,  wovon  mit  aus- 
stofs  des  nasals  skr.  mäti  und  mit  dehnungsersatz  griech. 
fAVri^  von  skr.  man,  denken,  mort,  nom.  mors,  f.  tod,  zu 
skr.  mar,  sterben,  pult,  nom.  puls,  f.  brei,  griech.  nolro^ 
m.  brei,  zu  pellere,  stofsen,  zerstofsen.  spont,  f.  eigener 
wille,  willkühr,  fast  nur  im  ablativ  sponte,  selten  im  geni- 
tiv  spontis  gebräuchlich,  sort,  nom.  sors,  alt  auch  sortis, 
verlor  vielleicht  ein  c  in  der  anlautsgruppe  und  •  könnte 
dann  zu  skr.  kr,  kar  (aus  **8kf,  **skar),  auswerfen,  aus- 
streuen, wozu  auch  griech.  xA^po,  m.loos,  gehören.  Wahr- 
scheinlich gehört  hieher  auch  lit,  nom.  Its,  f.  streit,  das 
verstümmelt  wurde  aus  älterem  stlit***)  (siehe  Quintilian 
I,  4,  16);  dies  hängt  zusammen  mit  nhd.  streiten  und  ent- 
stand wahrscheinlich  aus  stUd-ti,  wie  z.  b.  miti,  milde,  aus 
mild-ti.     front,  nom.  frons,  f.  alt  auch  m.  stim,  wird  ge- 


*)  Es  findet  sich  noch  im  Rigv.  in  compositis  z.  b.  dältivftra  (I,  167.  8; 
III,  51.  9)  havy^&ti  R.  V,  26.  4;  VI,  1.  9  und  hat  die  gleiche  bedeatung.  K. 
**  j  Es  ist  =  skr.  j4ti  f.  art,  geschlecht,  welches  fttr  janti  steht.  K. 
***)  Ganz  tiisUch  lautet  stlSco,  die  ursprüngliche  form  von  loco,  m.  ort, 
dessen  öfters  wiederholte  Zusammenstellung  mit  skr.  loka,  m.  weit,  also  ganz 
ungehörig  ist.  Es  gehört  vielmehr  wie  nhd.  stelle  =  goth.  **stalja,  zu  skr. 
sthal,  stehen,  gleichwie  aus  dem  einfacheren  skr.  sth&,  stehen,  sich  das  skr. 
sth&na,  n.  ort,  bildete.  Das  -co  aber  ist  wahrscheinlich  das  nominalsuffix 
skr.  ka. 


die  einsilbigen  nomina  im  grieduBchen  nnd  lateinischen.  381 

deutet  aus  skr.  bbrA-vant,  mit  aogenbrauen  begabt  (Benfey 
t^urzellex.  I,  100). 

Die  mascnlina  auf  nt  sind  vielleicht,  wie  dent,  zafau, 
sämmtlich  alte  früh  unkenntlicb  gewordene  präsensparticipe. 
mont,  nom.  mons,  m.  berg,  läfst  sich  vielleicht  identifici- 
ren  mit  skr.  mahant,  grofs,  eig.  wachsend,  von  skr.  mah, 
wachsen;  Bopp  jedoch  (siehe  zeitschr.  IQ,  399)  vermuthet 
Verstümmelung  ans  skr.  himavant,  m.  schneebegabt,  das  als 
bergname  vorkömmt,  fönt,  nom.  fons,  m.  quell,  verlor 
vielleicht  in  der  anlautsgruppe  ein  r  oder  1,  das  seinen  as- 
pirirenden  einfiufs  ssurücklieis  (vergl.  lat.  piö  =  skr.  priya, 
Kuhn  in  zeitschr.  Y,  216)  und  würde  rieh  dann  mit  skr. 
plu  =s  lat.  fluere,  flieisen,  verbinden,  wozu  wir  auch  griech. 
(pgiaQT  (aus  q>QifccQT)y  nom.  (pQiag^  gen.  q^giazog,  n.  brun- 
nen,  und  goth.  brunnan,  m.  quell,  glauben  stellen  zu  dür- 
fen. Kuhn  hingegen  (in  zeitschr.  III,  399)  identificirt  fönt 
mit  skr.  dhävant,  dem  particip  zu  skr.  dhäv,  laufen,  wa^ 
sehen;  Yarro  und  Festus  führen  es  auf  fimdere  zurück, 
pont,  nom.  pons,  m.  brücke,  ist  schon  öfters  (z.  b.  von 
Kuhn  in  zeitschr.  lY,  75)  mit  skr.  pathin,  f&r  ursprüngliches 
panthan,  m.  weg,  zusammengestellt.  Hier  nennen  wir  auch 
noch  das  adjectiv  sont,  nom.  m.  sons,  schädlich,  sträflich, 
das  nach  unserer  ansieht  ein  c  in  der  anlautsgruppe  ein- 
büiste  (vgl.  nhd.  soll  =  goth.  skal)  und  'ein  altes  particip 
(kshayant)  von  skr.  kshi  (f&r  ski)  10p,  zernichten,  verletzen, 
beschädigen,  ist,  womit  wir  wahrscheinlich  auch  nhd.  sünde 
SB  goth.  ''^sundja,  eig.  Verletzung,  in  Zusammenhang  brin- 
gen dürfen.  Dals  wir  neben  lat.  dent  im  sanskrit  danta 
haben,  sahen  wir  schon  oben. 

Das  lateinische  lact,  nom.  lac,  n.  (alt  auch  m.)  milch 
=  gr.  ydXaxT  (urspr.  yXdxvo^  vgL  yXaxto-q^dyo  ^  11.  XIII,  6 
und  das  homerische  ykäysg,  nom.  yXdyog^  n.  milch),  nom. 
ydlaj  scheint  ein  altes  durch  suffix  skr.  ta  gebildetes  pas- 
sivparticip  zu  sein.  Seine  Zusammenstellung  mit  skr.  marj 
(mjj,  z.  b.  Benfey  wurzellex.  11, 358),  abreiben,  nhd.  melken, 
bleibt  der  anlautenden  consonanz  wegen  sehr  bedenklich. 

Der  bei  weitem  gröfsere  theil  der  noch  zu  nennenden 


382  Leo  Meyer 

einsilbigen  nomina  im  griechischen  sowohl  ab  im  lateini- 
schen und  auch  im  sanskrit,  ist,  wie  es  auch  viele  der  be- 
reits angefahrten  sind,  weiblichen  geschlechts»    Besonders 
viele  einsilbige  nomina  im  sanskrit  sind  weibliche  abstracta, 
denen  mehrfach  gleichbedeutende  fonnen  auf  &  (bisweilen 
auch  i)  zur  seite  gehn,    die  wir  gewifs  ftlr  die  ursprüng- 
licheren halten  dürfen.     So  haben  wir  skr.  krudh,  f.  zoni, 
und  krudh&,f.  zom;  kshudh  und  kshudh&,  f.  hunger;  ruj 
und  ruj&,  f.  krankheit;  mrd  und  mrd&,  f.  erde,  thon,  koth; 
ürj,  f.  st&rke,  und  ürj£,  f.  göttin  der  stärke;    vedisch  td, 
f.  Verehrung,  opfer,  und  idä;    vedisch  kshap  und  kshapft, 
*  f.  nacht.  Neben  skr.  ruc,  f.  glänz,  dem  lat.  lue,  nom.  lux, 
f.  licht,  entspricht,  erscheint  gleichbedeutend  skr.  ruci,  f. 
Aufserdem  sind  von  weiblichen  abstracten  zu  nennen  skr.  gir, 
f.  stimme,  gesang;  tvish,  glänz,  licht;  di9,  gegend,  him- 
melsgegend;  dht,  geist,  verstand;  bh&s,  glänz,  höht;  bhf, 
furcht;   mud,  freude;  yudh,  kämpf;    rush,  zorn,  wuth; 
hrf,  schäm.     Dem  skr.  vac,  stimme,  rede,  entspricht  gr. 
071^  nom.  oipy  f.  stimme,  rede,  und  lat  vöc,  nom.  vox,  £ 
stimme,   skr. 'prat,  glauben,  erscheint  nur  in  skr.  (rad-da- 
dhämi,  ich  schenke  glauben,  =  lat.  crMo,  ich  glaube,   skr. 
^rt,  glück,  heil,  Schönheit,  anmuth;  auch  name  einer  göt- 
tin, womit  abgesehen  vom  suffix  auch  lat.  Ceres,  n<Hn.  Ce- 
rSs,  gen.  Cereris,  identisch  ist.     Yedische  sind  noch  zu 
nennen  t&n,  dehnung,  ausdehnung;  macht;  opfer;  dvish, 
hafs,  feindschaft;  bhuj,  genufs;  mrdh,  schlacht;  vid,  das 
wissen;    vrt,  Wendung,  thal;    vrdh,  wachsthum,  segen; 
vyush  (aus  vi-ush),  das  aufleuchten;  ^ubh,  glänz;  sprdh, 
kämpf.    Weitere  feminina  sind  skr.  ap,  f.  wasser,  nom.  &p, 
acc.  &pam,  das  unzusammengesetzt  fast  nur  im  plural  ge- 
bräuchlich ist,  wo  das  eintreten  eines  d  ftr  p  vor  den  bh 
anlautenden  suffixen  auffiillt,  z.  b.  instr.  pl.  ad-bhis.  skr.  rc, 
preisvers,  lobvers.     skr.  *jam,  gemahlin,  und  gleichbedeu- 
tend *dam  in  den  Zusammensetzungen  jam-patt*)=s  dam- 

*)  Ganz  fthnlich  sehen  wir  das  erste  glied  einer  Zusammensetzung  Ter- 
stammelt  in  griech.  it^nora^  m.  herr,  =s  skr.  d4sa-pati  (siehe  z.  b.  zeitschr. 
V,  161),  herr  der  feinde,  heir  der  nnterthanen,  dessen  erster  theil  im  grie- 
chischen nicht  einfach  erscheint. 


die  einsilbigen  nomina  im  griechiBchen  und.  lateinischen.  883 

patt,  firau  und  mann,  jyä,  bogensehne)  yergl.  griech. /?<o, 
m.  bogen,  sanskr.  tvac,  haut,  baumrinde;  drp,  äuge  (ve- 
disch  auch  dr^A,  m.  äuge);  dhur,  deichsei;  stim,  bist; 
bhü,  erde;  vish,  mist,  koih;  sphic,  hinterbacke,-  sraj, 
blumenkranz;  sruc,  opferlöffel.  Yedische  sind  noch 
kship,  finger;  vip,  finger;  vi^,  haus,  familie;  plur.  men- 
schen; jür,  alte  frau  (nur  einmal  im  yeda,  siehe  zeitschr. 
V,  147),  eng  verwandt  mit  gleichbedeutendem  griech.  ygccv; 
tue,  nachkommenschaft;  ja,  nachkommen,  sprois;  dru, 
wasserkufe;  van,  liebe,  Terehrung,  geliebtes?  (Benfey  Sa- 
maveda  163),  daneben  vana,  n.  Verehrung. 

Einsilbige  masculina  erscheinen  nur  sehr  wenige:  skr. 
glau,  mond;  krunc  (auch  f.),  kiebitz;  nt  (auch  f.),  fbh- 
rer.  Yedisch:  ydj,  genösse;  hrüt,  beschädiger,  feind; 
nid,  tadler,  eig.  tadel?  (Benfey  Samaveda  111).  Neutra 
sind  nur  kha,  luft,  himmel;  svar,  unfiectirt,  himmel,  wo- 
neben sftra,  m.  sonne;  vedisch  y6s,  freude,  Seligkeit  (Ben* 
fey  Samaveda);  9 am,  oder  ^a?  (Benfey  a.a.O.  180),  heil, 
glück.  Ein  paar  vedische  einsilbige  adjectiva  sind  j  ü  (meist 
in  Zusammensetzung),  eilend;  vip,  preisend;  jy6k,  adv. 
lange,  skr.  nyac  (aus  ni-ac),  kurz,  niedrig,  schlecht,  wurde 
nur  durch  liqaidining  des  i  einsilbig.  Zum  schlufs  nennen 
wir  die  Zahlwörter  dva,  zwei,  =s  griech.  dvo,  lat  duo,  goth. 
tva;  tri,  drei, :=  griech.  r^/,  lat.  tri,  goth.  ^n  und  shash 
(aus  saksh),  sechs,  s=  griech.  S|,  lat  sex,  goth.  saihs,  die 
etymologisch  sehr  dunkel  sind.  Dafs  griech.  Mvy  nom.  slg^ 
m.  filcc  f.  ^i/,  n.  aus  skr.  sama,  all,  ganz,  gleich,  entstand, 
zeigten  wir  oben  seite  163.  164.  dus^  adv.  übel,  bös,  =» 
griech.  Sug^  erscheint  nur  in  Zusammensetzungen,  skr.  ^väs, 
adv.  morgen,  =  lat.  cras;  skr.  hyas,  adv.  gestern,  =  gr. 
Xd'ig  =  lat.  heri*). 


*)  Eine  änfserBt  dankensweithe  ziiBanimenstellnng  von  wurzelwöitem,  die 
ohne  weiteres  soffix  als  nomina  gebraucht  werden,  hat  Mr.  Ad.  Regnier  in 
seinem  empfehlenswerthen  (^tude  sor  Tidiome  des  V^dos  et  les  origlnes  de  la 
langue  sanscrite.  Premiere  partie  Paris  1855)  gegeben;  ich  verweise  in  betreiF 
der  hier  ausgelassenen  (namentlich  sind  die  reich  rerseichneten  in  compositis 
vorkommenden  hier  za  wenig  berücksichtigt)  aaf  das  dortige  verzeichnifs 
p.  98  —  114.     Zugleich  wird  man  den   vom   Verfasser  dort  ausgesprochenen 


384  Leo  Meyer 

Auch  aus  dem  griechifichen  steUen  wir  von  den  noch 
übrigen  einsilbigen  nominibus  die  weiblichen  als  die  zahlrei- 
cheren voran:  ßijx^  nom./9i7|,  auch  m.  husten;  yXavx^  nom. 
ykavi^  eine  pflanze,  =  lat«  glauc,  nom.  glaux,  £  (bei  Pli- 
nius  XXVll,  9,  58);  xgix^  nom.  xgii^  ein  vogel;  tqixj  nom. 
&Qi^y  gen.  TQixog^  haar;  Ai;//,  nom.  Xvyij  schlucken,  schluch- 
zen;   ntvyy^  nom.  nrvy^^  ein  wasservogel;    nXäxy  nom. 
nka^^  flftche,  ebene,  =  latlanc,  nom.  lanx,  f.  schlÜBsel, 
Bchaale  (zeitschr.  III,  157);  ^of/,  bisweilen  ^ft»/,  nom.  pa^^ 
^ctf|,  beere;  aagx^  nom.  aag^^  nach  Kuhn  (zeitschr.  II,  236) 
nah  verwandt  mit  skr.  asrj,  n.  blut.   OTQccYy'i  nom.  argay^y 
das  ausgepreiste,  tropfen;   ix,  nom.  7|,  name  eines  schäd- 
lichen käfers  bei  Hesychios;    (ploy^  nom.  (pKo^^  flamme. 
^in,  nom.  ^tt//,  flechtwerk,  binsen ;  ^wn^  nom.  ^tp,  Strauch- 
werk, reisig;  daneben  erscheint  gleichbedeutend  ^con^aJ,  nom. 
^fonaq^  {.  aijnj  nom.  öijyjy  auch  m.  =  lat  sSp,  nom.  sßps, 
m.  f.  giftige  schlänge,  eidechse;    än^  nom.  o!^,  äuge,  ge- 
siebt; fpkißy  nom.  (fXiipy  blutader,  ader.  (p&sig^  auchm. 
laus,  gehört  zu  skr.  kshur,  kshar,  schaben,  kratzen.    tpiS, 
nom.  i/z/V,  krume;  (^iy,  nom.  ^ifv,  schaf.     &%Vy  nom.  &igy 
auch  m.  häufe,  dünen,  Strand,     t'y,  nom.  tg^  sehne,  mus- 
kel,  kraft;  Kuhn  (zeitschr.  II,  133)  stellt  es  =  lat  vi,  nom. 
vis,  und  erklärt  das  v  aus  einer  erweiterung  des  Stammes, 
wie  in  dem  pronominellen  ri,  rivog.    av^  nom.  avg  =»  v, 
nom.  VQy  f.  auch  m.  schwein,  sau,  =:  lat.  sü,  nom.  süs,  gen. 
suis,  f.  m.  schwein,  gehört  zu  skr.  sü-kara,  m.  schwein,  das 
augenscheinlich  eine  Zusammensetzung  ist  mit  einsilbigem 
ersten  gliede;    die  weiblichen  avaiva^  sau,  und  vaiva^  eig. 
sau,  dann  hjäne,  sind  gebildet  wie  aus  grundformen  avcev 


gnmdBätzen  über  die  einBilbigen  nomina  beipflichten  mllBseiii  indem  er  ihnn 
Ursprung  fUr  einen  doppelten  hält,  n&mlich  sie  einestheils  fttr  identisch  mit 
der  Wurzel,  andemtheib  durch  yerBtUmmelung  einsilbig  geworden  erklXrt. 
Wenn  unser  verehrter  mitarbeiter  auch  in  den  meisten  der  bisher  betrachteten 
fUle  recht  haben  wird,  eine  ursprünglich  zweisilbige  form  anzunehmen,  so 
können  wir  ihm  dies  doch  nicht  für  die  mit  yerbalen  wurzeln  identischen 
nomina  einrttumen.  Die  indogermanischen  sprachen  haben  ebenso  gut  einen 
zustand  der  einsUbigkeit  hinter  sich  als  sie  ihn,  wie  das  englische  am  be- 
sten zeigt,  vor  sich  haben;  das  beweist  aber,  dafs  beide  wege  zur  etymolo- 
gischen  erklttrung  einsilbiger  nomina  beschritten  werden  muTsten.  K. 


die  einsilbigen  nomina  im  griechischen  und  lateinischen.  3S5 

und  vav.  Wahrscheinlich  kommen  auch  die  vereinzelten  ho- 
merischen casus  Afr/  (II.  XVIII,  352;  XXIII,  254)  und  llxa 
(od.  1,130)  auf  ein  weibliches  Air,  nom.A/^  (gewebe?)  zurück* 

Die  meisten  noch  zu  nennenden  einsilbigen  nomina 
männlichen  geschlechts  im  griechischen  bezeichnen  thiere; 
es  sind  Av/x,  nom.  Ivyl^^  luchs,  dem  das  lat.  lync,  nom. 
lynx,  nur  entlehnt  ist;  im  ahd.  luhs,  thema  luksi,  ist  si 
su£Sx.  (Tc/>i7x,  nom.  ctpril^^  wespe;  tQfiy^  nom.  r(>ai|,  na- 
ger,  firesser,  wurm;  yvn^  nom.  yv\p^  m.  geier;  d-qtn^  nom« 
{^gltp^  wurm;  T^r,  nom.  tip^  wurm;  öxtin^  nom.  axoi^j 
eule,  kauz;  uvtn^  nom.  xvltp  =  öxvtn,  seltener  axvtq>^ 
nom.  Gxvltf)^  insect,  ameise,  knauser;  yqvu^  nom.  ygmlf^ 
greif;  neben  dem  lateinischen  gryph,  nom.  gryps,  ist  auch 
gryphö  gebräuchlich;  das  2A].yQin6  bezeichnet  gekrümmt, 
mit  gekrümmter  nase.  '^vv^  gall wespe;  ;^77^,  igel.  xpaQ 
=  tpiJQ^  staar;  das  adyxpago  bezeichnet  staargrau,  asch- 
grau; Förstemann  (zeitschr.  111,48)  hält  fbr  identisch  ahd. 
stara,  f.  nhd.  staar;  auch  darf  man  wohl  nhd.  sprehe  dazu 
stellen;  in  jenem  falle  wäre  das  verhältnifs  umgekehrt  wie 
in  sper-ling  =:  argov&o^  die  höchst  wahrscheinlich  zusam- 
menhängen (vgl.  zeitschr.  IV,  34);  ganz  entsprechend  aber 
wäre  das  verhältnils  von  nhd.  streiten,  goth.  **streidan,  mit 
dem  oben  erwähnten  vedischen  sprdh,  f.  kämpf.  A7,  nom. 
Xig  (aufserdem  bei  Homer  nur  acc.  A7v,  II.  XI,  580),  löwe, 
hängt  ohne  zweifei  eng  mit  Aäovr,  nom,  U<ov^  löwe,  zu- 
sammen; vielleicht  ist  dieses  gar  kein  fremdwort,  wie  man 
anzunehmen  pflegt  (Benfey  wurzellex.  2,  X,  hebr.  läbi),  son- 
dern, da  es  für  Xijrovr  (vergl.  mhd.  lewe)  steht,  eine  alte 
participialform  zu  skr.  lü,  reifsen,  zerreifsen.  Aufserdem 
sind  männUehgeschlechtig  xAoiv,  zweig,  schöfsling;  xriv^ 
nom.  xre/^,  kämm,  zu  skr.  kshan,  verwunden  schaben; 
cq>riVy  keil,  wahrscheinlich  =  ahd.  span,  nhd.  spahn,  spohn 
(Kuhn  in  zeitschr.  IV,  15);  &(ün^  nom.  tJ^wt/;?  Schmeichler; 
xXdn^  nom.  xXni^^  dieb;  >lf/9,  nom.  Xiy/^  südwestwind; 
nQfox^  nom.  nQ(a^^  tropfen,  und  &rit^  nom.  i^Tjg,  leibeige- 
ner, miethknecht. 

Sächlich  sind  aufser  den  oben  besprochenen  formen 
V.    6.  25 


386  ^<>  M«7w 

Ton  den  einrilbigen  nnr  axagt^  nom.  axcip^  gen.  tncarog, 
koth,  nach  Bcnfey  =  skr.  ^akrt  (ftkr  **8akrt,  **8krt),  n. 
koth,  und  nv  g^  nom.  nvQ^  feaer,  das  wahrscheinlich  za 
skr.  pü,  reinigen,  erleuchten,  gehört;  Schweizer  (zeitschr. 
IQ,  380)  setzt  es  =  einem  skr.  **pava8,  **pavar;  das  ent- 
sprechende ahd.  fior,  goth.  **fiura  macht  aber  eine  verstQm- 
melnng  im  auslaut  wahrscheinlich,  so  dafs  die  ursprüngliche 
form  vielleicht  lautete  ^pavara.  Von  einsilbigen  adjectiven 
bieten  sich  ßkdxj  nom.  m.  ßXa^y  schlaff,  dumm,  träge,  zu 
skr.  mlai  Ip,  welken,  matt  werden;  aufserdem  nrax,  nom. 
m.  ^ira|,  und  nroix,  nom.  m.  mw^^  schüchtern,  furchtsam 
(besonders  vom  hasen),  letztere  beiden  gehören  wohl  zu 
skr.  pat,  fallen,  fliegen;  alle  drei  scheinen  durch  das  suffix 
skr.  ka  gebildet,  das  seinen  yocal  verlor,  wie  öfters  im  la- 
teinischen z.  b.  in  senec,  nom.  senex,  wogegen  der  name 
8eneca  den  vocal  bewahrte;  im  griech.  yvvahc,  der  bekann- 
ten nebenform  von  ywtj^  sprang  der  vocal  zurück,  ywatx 
ftkr  yvvaxi^  w&hrend  Ahrens  (zeitschr.  III,  86)  z.  b.  den  ge- 
nitiv  ywaixog  seltsam  aus  einer  form  skr.  jan^y&s  deutet. 
Wahrscheinlich  haben  wir  eine  adverbiale  erstarrung  des- 
selben sujBSzes  skr.  ka  in  yvv^^  mit  gebogenem  knie,  von 
yow^  und  vielleicht  auch  in  tevI  (aus  nvy'Xaqi  nvyfiij  ist 
faust),  f&nstlings,  und  Aa|  (fbr  **xXd^^  Benfey  wurzellex. 
II,  316),  mit  der  ferse.  Das  homerische  Xln  (Junii)  bei 
aXeltfuVf  salben,  meist  vor  kXaltp^  doch  auch  ohne  die/s, 
z.  b.  Od.  VI,  227  gehört  ohne  zweifei  zu  skr.  lip,  salben, 
bestreichen,  ist  aber  übrigens  nicht  vöUig  klar. 

Im  lateinischen  überwiegen  unter  den  einsilbigen  no- 
minibus  die  weiblichen  wieder  sehr;  wir  haben  noch  anzu- 
fbhren  arc,  nom.  arx,  bürg;  calc,  selten  m.  nom.  calx^ 
ferse;  stein;  wahrscheinlich  hängen  damit  zusammen  skr. 
^lä,  f.  stein;  griech.  x^cXiXj  nom.  x^^^^  ™-  f-  ^deiner  stein, 
kies;  skr.  ^arka,  kiesel  (Benfey  wurzellex.  11,  176);  cruc, 
nom.  crux,  beiEnnius  m.,  kreuz;  däp,  nom.  daps,  festmahl; 
faec,  nom.  faex,  das  unreine,  hefen,  bodensatz;  falc,  nom. 
falx.  fraud,  nom.  fraus,  betrug,  eigentlich  Verletzung, 
stellt  Curtius  (zeitschr.  II,  399.  400)  zusammen  mit  griech. 


die  einsilbigen  nomina  im  griechischen  und  lateinischen.  387 

&pavaiVj  zerbrechen,  gl  and,  nom.  glans,  eiohel,  griecfa. 
ßdkavo^  f.  eichel;  laud,  nom.  laus,  f.  lob,  zu  skr.  ^ru,  hö* 
ren;  leg,  nom.  lex,  gesetz;  nee,  nom.  nex,  tod,  zu  skr« 
na^,  sterben;  nuc,  nom.  nux,  nufs;  päc,  nom.  pax,  ver- 
trag, zu  skr.  pap,  binden;  nrb,  nom.  urbs,  Stadt,  hängt 
gewifs  eng  zusammen  mit  orbi,  m.  kreis.  Noch  zieht  man 
hieher  fauc,  Schlund;  öp,  macht,  vermögen;  prec,  bitte, 
zu  skr.  prach,  fragen;  stip,  gdd,  beitrag,  und  vic,  wecb« 
sei,  von  denen  aber  die  singnlarnominative  faux,  ops,  prex, 
stips  und  vix  nicht  vorkommen;  Ops  allerdings  als  name 
einer  gottin,  wofbr  Hygin  Opis  hat. 

Männlich  sind  nur  düc,  nom.  dux,  f&hrer;  gUs,  nom. 
glis,  gen.  gliris,  bilchmaus;  lär,  nom.  lär,  nom.  pl.  lares, 
alt  läses,  schutzgott  des  hauses,  haus,  wohnung;  Itc,  nom. 
lix,  asche;  väd,  nom.  vas,  bürge,  und  die  namen  N&r, 
ein  nebenflufs  der  Tiber,  und  Hart,  nom.  Mars,  lieber 
den  letzteren  handelt  Corssen  zeitschr.  lU,  1  —  35  und  deu* 
tet  ihn  aus  mas  +  t,  der  männliche,  der  erzeugende;  die 
nahestehenden  formen  Mämert  und  Marmar  seien  durch 
reduplication  daraus  entstanden,  Mavort  aus  Mamort;  grund- 
form  sei  Mas,  da  z.  b.  an  einigen  stellen  bei  Yarro  und 
Friscian  Maspiter  für  Marspiter  stehe.  Die  deutung  von 
Mart  aus  mas-t  ist  jedenfalls  sehr  unwahrscheinlich;  mas 
selbst  aber  ist  durchaus  noch  dunkel;  Bopp  (glossar  218) 
vermuthet  Verstümmelung  aus  skr.  pdmams,  männlich,  mann; 
Benfey  (wurzellex.  II,  36)  stellt  es  nebst  skr.  manu,  mann, 
viroraus  er  auch  den  zweiten  theil  von  pümams  deutet,  zu 
skr.  man,  denken.  Vielleicht  gehört  es  zu  skr.  marsh  (mrsh) 
Ip,  benetzen,  befeuchten,  erzeugen,  das  erinnert  an  skr. 
varsh  (vrsh)  Ipa,  ausgiefsen,  benetzen,  erzeugen,  stark  sein, 
aus  welchem  letzteren  z.  b.  griech.  jrdQCeVy  ägasv^  äfgsv, 
nom.  m.  ägatjv^  ccQQtjv,  hervorging.  Vielleicht  ist  Mart  ur- 
sprünglich ein  gott  des  Sturms  und  identisch  mit  skr.  ma- 
rut,  m.  wind,  stürm,  gott  des  windes*). 


♦)  Dieselbe  ▼ermnthang   hatte  ich   bereit«  in  Haapts    «eitschr.  V,  491 
ausgesprochen.     K. 

25* 


388  1^0  Meyer 

Von  einsilbigen  nentris  eind  noch  zu  nennen  die  bei- 
den unflectirten  fas,  recht,  und  git,  gith  (nebenform  giti, 
githi),  römischer  Schwarzkümmel,  dann  stl,  gelbliche  erde, 
ocker,  und  das  dem  griechischen  &vig,  nom.  Ovog^  n.  r&uch- 
werk,  entsprechende  thüs,  auch  tüs  geschrieben,  gen. 
thüris,  türis,  Weihrauch,  zu  skr.  dhü,  dhüp,  räuchern,  wozu 
auch  nhd.  duft.  Von  adjectiven  aufser  dem  eben  bespro- 
chenen mas,  gen.'märis,  mfinnlich,  nur  triic,  nom.  trux, 
grausig,  hart  Von  sonstigen  formen  fbhren  wir  noch  an 
auiser  dem  eigenthümlichen  frit,  das  oberste  der  ähre  (bei 
Yarro),  die  adverbia  en,  §iehe;  cur,  alt  quor,  warum,  = 
skr.  ktttra,  woher;  vis,  kaum,  ursprünglich  vielleicht  Ticis 
(zeitschr.  III,  291)  und  vel,  oder;  das  letztere,  dessen  deu- 
tung  aus  Teile,  wollen,  unwahrscheinlich  klingt,  ist  viel- 
leicht ein  abgeschwächter  comparativ  zu  dem  enklitischen 
ye  =s  skr.  vä,  oder,  mit  Übergang  you  r  in  1;  höchst 
wahrscheinlich  aber  hängt  vä  zusammen  mit  dem  prono- 
minellen skr.  ava,  ab,  von,  aus  dessen  Verbindung  mit  dem 
pronominellen  ta  lat.  aut  hervorging  und  das  comparativi- 
sche  nhd.  oder  (==  skr.  "avatara?). 

Im  deutschen  giebt  es  den  behandelten  sanskritischen, 
griechischen  und  lateinischen  einsilbigen  genau  entsprechend 
gar  keine  nomina,  scheinbar  allerdings  sehr  viele,  da  nach 
einem  durchgreifenden  lautgesetz  im  gothischen  alle  the- 
men  auf  a  (aufser  den  weiblichen)  und  i  im  singulamomi- 
nativ  diese  vocale  einbüfsen,  z.  b.  akra  =  skr.  ajra,  acker, 
nom.  sing,  akrs,  dat  pl.  akram ;  fadi  =  skr.  pati,  herr,  nom. 
sing,  fads,  dat.  plur.  fadim,  und  in  späterer  zeit  diese  vo- 
calverstümmelungen  der  suffixe  noch  weiter  um  sich  grei- 
fen, z.  b«  nhd.  söhn  =  goth.  sunu  =  skr.  sünu. 
Göttingen,  den  28.  april  1856. 

Dr.  Leo  Meyer. 


anzeige. 


II.   JLnxeige. 


Das  gothisqhe  aiphabet  Vulfilas  und  das  runen- 
aiphabet. 

Eine  sprachwiMenschafUiche  untersnchung  yoq  JaliuB  Zacher.  Mit  einer 
Schrifttafel.   Leipzig,  F.  A.  Brockhaufl.  1855.  XIV.  120  b* 

Gestutct  anf  die  arbeiten  7on  W.  Grimm,  Manch,  Eirchhoff, 
y.  Liliencron  mid  Mollenhoff  unterwirft  der  Verfasser  die  bishe- 
rigen resultate  über  die  Ynlfilaschen  und  nmenalphabete  einer 
nochmaligen  prafnng  and  sodit  die  bisher  theils  zweifelhalit,  theils 
anerklärt  gebliebenen  benennnngen  der  bachstaben  und  den  nr- 
sproxig  ihrer  zeichen  weiter  aufzahellen.  Die  umsieht  und  sach- 
kenntnifs,  mit  welcher  er  dabei  2a  werke  geht,  verdient  alle  an- 
erkennang  and  man  wird  ihm  in  vielen  seiner  resultate  unbedingt 
beistimmen,  namentlich  darin,  dafs  Yulfila  einzelne  buchstaben 
nicht  unmittelbar  aas  der  lateinischen  schrift  entnommen,  son- 
dern sein  aiphabet  aus  einer  glücklichen  verbindang  griechischer 
und  runischer  alphabete  entnommen  habe.  Besonderen  dank  ver- 
dient der  verf.  für  die  mittheilang  der  runeninschrift  des  im  mu» 
seum  zu  Bukarest  aufbewahrten  goldringes,  von  dem  jetzt  wohl 
ein  gipsabdruck  in  seinen  hfinden  sein  wird,  so  da(s  auch  die 
beiden  bisher  dunklen  zeichen  vielleicht  bald  von  ihm  ihre  erklär 
rung  erhalten  werden. 

Ueber  die  erklärung  der  einzelnen  buehstabennamen,  welche 
der  verf.  liefert,  ausfohrlicher  zu  handeln,  mochte  hier  zu  weit 
führen;  ich  habe  schon  ausgesprochen,  dafe  man  derselben  meist 
zustimmen  mufs.  Nur  an  wenigen  stellen  wäre  eine  gröfsere 
strenge  zu  wünschen,  wie  z.  b.  s.  34  ff.,  wo  der  verf.,  auf  Müllen- 
hoffs  auseinandersetzung  gestützt,  eine  erklärang  des  runenna- 
mens  ear  giebt,  indem  er  denselben  aus  earh  entstellt  ansieht 
und  die  bedeutung  strahl  und  pfeil  denselben  beizulegen  sucht 
£r  lehnt  nämlich  earh  an  skr.  ark  in  arka  n.  s.  w.  und  sagt  da- 
bei: „man  fühlt  sich  versucht,  auf  diese  wurzel  ark  verschiedene 
schwierige  Wörter  zu  beziehen,  als  goth.  airknis  omogy  anairknis 
dvoaiog^  airkni)>a  ro  yn^cwv;  ahd.  erchan,  egregius,  genuinus; 
ahd.  irch,  irah,  irach,  nhd.  irch  weifs  gegerbtes  leder;  femer  den 
sagenhaften,  zu  geheiligten  zwecken  gebrauchten,  aus  kinderau-» 


Kuhn 

gen  gefertigten  iarkDasteion,  ags*  eorcanstftn  n.  s.  w.^  Einer 
strengen  prüfung  der  laatverhSItnisse  fugen  sich  diese  Wörter  in 
ihrer  Termittlong  mit  wnrzel  ark  nicht,  sondern  sie  weisen  aof 
skr.  wrz.  arj.  Diese  zeigt  (bei  Böhtlingk-Roth  wtb.  arj  no.  5) 
die  bedeatnng  f&rben,  glänzen  =  raj,  ranj,  r&j  and  za  dieser 
nicht  zu  ark,  welche  allerdings  damit  in  wurzelhafiter  Verwandt- 
schaft steht,  gehörten  von  den  obengenannten  Wörtern  ahd.  irch, 
irah,  iracb,  sowie  altn.  iarkn,  ags.  eorcan ;  die  allgemeine  bedea- 
tnng aller  ist  znnfichst  „  weiss  ^.  Mit  den  letztgenannten  beiden 
Stimmt  fiut  genau  sanskr.  arjona,  weifiB  (der  gegensatc  krshna, 
schwarz,  wird  mehrmab  damit  yerbunden),  in  weldiem  ich  den 
vokal  n  erst  als  entartung  aas  a  fasse;  iarknasteimi  ist  also  der 
weifse  stein,  and  wie  ich  Grimm  RA.  923  entnehme,  ist  er  ja  ein 
milchweillier  opal,  wozu  man  noch  halte,  dafs  aach  arjana  zor 
bezeichnang  der  milchfarbe  verwandt  wird  (B.  R.  a.  a.  o.  s.  v.  1.  a.). 
Die  Wörter  airknis,  onairknis,  airkni]^a,  ahd.  ercfaan  gehen  aber 
auf  eine  andere  worzel  arj,  nSmlich  no.  4  bei  B.  R.  mit  der  be- 
deatung  sich  strecken,  aasgreifen  (=  o^</<o,  regere,  poirigere, 
Aurgere  n.  s.  w.),  von  der  aach  skr.  |jo,  gerade,  richtig,  rechtlich, 
aufrichtig  und  mit  gleicher  metathesis  der  liquida  wie  im  grie- 
chischtti  und  lateinischen  auch  gothisch  raih-ts  stammt  Wie 
iarkn,  eorcan  auf  aijuna  zurückweisen,  so  scheint  auch  dem 
ahd.  ^t^han,  genuinus,  egregius  ein  arjona  (od^  aijana)  zur  seite 
zu  stehen,  wenigstens  findet  sich  ein  solches  bei  den  lezikograr 
phen  mit  der  bedeutung  ^der  einzige  söhn  einer  mutter^,  was 
ursprunglich  vielleicht  nur  den  rechten  söhn  im  gegensatz  za 
söhnen  desselben  vaters  von  nebenfrauen  bezeichnete  (anders  vermu- 
then  B.  R.  s.  v.) ;  mit  metathesis  schliefst  sich  an  erchan  wieder  ahd. 
reken,  rein,  unvermischt,  unverworren,  richtig,  ordentlich. 

Den  schlufs  des  kleinen  bnches  bildet  eine  Untersuchung  über 
die  mne  eolh,  die  der  verf.  selbst  nur  mehr  als  vermuthung  denn 
als  sichere  resultate  herbeifahrend  betrachtet  wissen  will.  Indem 
er  davon  ausgeht,  dafs  eolh  in  der  Zusammensetzung  mit  sand 
den  bemstein  bezeichnet  und  eich  die  bedeutung  von  elenhirsch 
hat,  weifs  er  beide  in  der  weise  zu  vermitteln,  dab  diesem  stamme 
die  bedeutung  des  sonnenglanzes  gemeinsam  gewesen  sein  müsse, 
was  er  durch  etymologische  und  mythologische  Streifzüge  auf  dem 
gebiete  der  deutschen  und  verwandten  sprachen  in  scharfsinniger 
weise  zu  stützen  sucht  Diese  bedeutung  führt  ihn  dann  zu  der 
rune  des  namens  zurück,   von  der  er  annimmt,  dafs  ihr  name 


nrspraoglieh  anders  nämlich  ag8  hvSol  nnd  hveol  gelmitet  habe 
and  ein  zeichen  f&r  hy  gewesen  and  dafo  der  name  alknfihlig, 
als  das  zeichen  überflüssig  und  seine  bedentong  yerdnnkelt  wurde, 
in  eolh  entstellt  seL  Als  bedentong  für  jenes  hveol  sacht  er  die 
▼on  rad  nachzuweisen  und  stützt  den  Übergang  zur  bedeatang 
von  eolh  durch  die  mythologische  bedentsamkeit  des  sonnenrades. 
Gewifs  hat  diese  auseinandersetzung  mancherlei  schwache  punkte, 
die  sich  auch  der  Yert  selber  am  wenigsten  verhehlt,  aber  man 
wird  sie  sicherlich  auch  mit  vergnügen  lesen  und  zugeben  mos» 
sen,  dafs  hier  wenigstens  anhal^unkte  für  die  erklfirung  des  räthh 
selhaflen  runennamens  gegeben  seien,  die  vielleicht  andere  zu 
festen  resoltaten  zu  fahren  verstehen. 

A.  Eohn. 


m.  JHIflcellen. 


Lateinisches. 

1)  auriga. 

Die  IV,  42  ausgesprochenen  zweifei  an  der  richtigkeit  der 
vergleichang  von  armentum  mit  skr.  arvant  theile  ich  um  so 
mehr,  als  dem  skr.  arvant  begrifflich  nicht  armentum  sondern 
jumentum  entspricht,  armentum  als  bezeichnung  des  rindes  nur 
zu  sehr  an  arare  erinnert  Die  beiden  virgilstellen  scheinen  mir 
ebenfalls  eher  für  als  gegen  die  filtere  etymologie  zu  sprechen. 
In  dem  „bellum  haec  armenta  minantnr^  liegt  gerade  ziem- 
lich deutlich  ausgesprochen,  dafe  pferde  eigentlich  keine  armenta 
sind;  und  wenn  Virgil  die  hirsche  armenta  nennt,  so  hat  man 
den  doppelten  gegensatz  einerseits  zwischen  taorus  and  armen^ 
tum,  andererseits  zwischen  armentum  und  pecus  za  berocksich- 
tigen,  wonach  in  der  betreffenden  stelle  das  rudel  hirsche  theils 
im  gegensatz  zu  den  tres  cervi  ductores,  theils  als  hochwild  durch 
armenta  bezeichnet  sind.  —-  Dagegen  dürfen  wir  vielleicht  in  ei- 
nem andern,  bis  jetzt  immer  noch  nicht  befriedigend  erklärten 
Worte  das  griech.  avQog  und  somit  auch  das  entsprechende  sans- 
kritwort  soeben,  nämlich  in  auriga,  welches  in  seiner  bildung 
zu  sehr  an  biga  und  qoadriga  erinnert,  als  dafs  man  nicht  ver- 


309  EM 

suchen  sollte,  es  ans  anri^jaga  £0  erklftren,  so  daCs  es  eigentlich 
den  ^  rosseanscfairrer  %  dann  erst  den  ^rosselenk«^  bedeutete, 
vergl.  Ovid's:  carras  aoriga  paterni.  Wer  an  dem  angenomme- 
nen lautttbergange  von  arr  in  aar  dem  lat  nervös  =i  ^evQ^^p  ge- 
genüber anstofs  nehmen  sollte,  der  bedenke,  dafs  ea  im  latein.  eine 
dorchaus  unbeliebte,  an  eine  gar  nicht  seltene  Verbindung  ist, 
also  sehr  wohl  erv  nnverruckt  bleiben  ond  doch  arv  in  aar  fiber- 
gehn  konnte.  Aach  erscheint  scauras  ganz  analog  aas  scarvos 
gebildet  (vergl.  CHaiQm  isxi^am  ond  die  skr.  wrz.  skal  =:  *akar, 
wozu  etwa  aoch  khara,  der  esel,  wegen  seines  schlechten  gan- 
ges gehören  mag)  und  in  plautns,  d.  L  plataos  =  nlarig^  er- 
scheint die  metathesis  sogar  neben  einer  mata;  parvoa  darf  man 
nicht  dagegen  anfahren,  da  paocos,  paallos,  goth.  favai  zeigen, 
dafs  es  mit  navqog  nichts  zu  than  hat. 

Hinsichtlich  des  xitravQog  =  gandharva  bemerke  ich 
hier  nar  vorl&ofig,  dafs  ich  erstlich  keine  Volksetymologie  im 
griechischen  worte  finden  kann,  da  der  Grieche  begriff  und 
namen  eines  rosses  wohl  noch  zu  klar  im  worte  fohlte  und  hörte, 
zweitens,  worauf  ich  noch  später  in  einem  aafsatze  fiber  die  Um- 
wandlung alter  aspiraten  zurückkommen  werde,  gar  kein  beden- 
ken trage,  xsptim  und  gandhaye  gleichzusetzen,  und  im  grie- 
chischen die  sinnliche  grandbedeutung  der  wurzel  erhalten  zu 
glanben,  so  dafs  beide  Wörter  in  jeder  hinsieht  sich  decken  und 
den  ^rossestachler^  bezeichnen  würden. 

2)  ruo. 
Man  hat  ruo  meist  sammt  gica  dem  skr.  sru  gleichgestellt; 
so  natürlich  aber ^ auch  ein  abfall  des  s  wäre,  so  weist  doch  die 
anwendung  des  lateinischen  wortes  („stürzen,  laufen,  eilend 
seltner  „fllefsen^)  auf  eine  wurzel  von  allgemeinerer  bedeutung 
hin.  Eine  solche  liegt  uns  aber  im  skr.  dru  vor,  das  den  grund- 
b^rriff  einer  raschen  bewegung  enthält  und  dabei  speciell  auch 
zur  bezdchnung  des  flielsens  verwendet  wird.  Bleiben  wir  also 
aach  für  ^«oo  bei  der  beigebrachten  ableitung  stehen,  so  werden 
wir  doch  rao  dem  skr.  dru  zuweisen,  das  ja  im  lateinischen 
seinen  ursprünglichen  anlaut  dr  in  r  schwächen  mufste. 

3)  veru. 

Einschiebung  eines  v  hinter  gutturalen,  die  nachher  den  ab- 
fall der  muta  zur  folge  hat,  so  dafs  es  den  anschein  gewinnt, 


mifceUen.  d93 

als  vertrfite  das  ▼  den  guttariül,  ist  im  lateinisdien  etwae  gans 
gewöhnliches,  vgl.  Terrnis  =  krmi,  venio  =  gam;  insofern  lafst 
sich  also  gegen  Benfey's  ableitang  des  lat.  veru  ans  der  wnrzel 
hvr  nichts  einwenden.  Die  dabei  angenommene  bedeutung  „dreh- 
spiefs*'  ist  jedoch  zn  eng  gefafst;  schon  bei  Yirgil  Aen.  1,212 
kann  man  sweifeln»  ob  venia  dort  wirklich  bratspiefse  sind,  und 
die  vollständigere  form  verata  (IV,  344)  fahrt  Gell.  X,  25  am- 
drücklich  unter  den  waffen  an.  Dies  verata  steht  aber  zu  veru 
so  ziemlich  in  demselben  Verhältnisse  wie  doQara  zn  dd^,  und 
es  fragt  sich,  ob  wir  nicht  der  fibereinstimmang  in  der  bedeu- 
tung spiefs  folgen  und  auch  eine  identit&t  des  lateinischen  und 
des  ^echischen  Wortes  annehmen  dürfen.  WSnn  sich  aus  deru 
ein  dvem  entwickelte,  was  ich  freilich  noch  mit  keinem  analogen 
beispiele  beweisen  kann,  worauf  indessen  vielleicht  das  o  des 
griech.  do^  deutet,  so  lag  die  Verstümmelung  des  anlaute  in  v 
ebenso  nahe  wie  in  viginti  u.  &.,  und  wir  dürfen  dann  folgende 
gleichung  aufstellen,  die  ich  mitforschem  zur  prüfung  übergebe: 
veru  :  do^  :  dliru  :  triu 
r=  genu  :  yowv  :  j&nu  :  kniu. 


4)  vagus. 

Die  ursprüngliche  aspirata  bleibt  bekanntlich  im  lateinischen 
Inlaut  nur  ausnahmsweise  als  solche,  namentlich  in  veho  und 
traho,  w&hrend  sie  gewöhnlich  in  media  übergeht;  es  hat  sonach 
nichts  befremdendes,  wenn  in  verschiedenen  gebilden  aus  dersel- 
ben Wurzel  aspirata  und  media  neben  einander  erscheinen.  Ein 
interessantes  beispiel  der  media  in  der  wurzel  trah  hat  Benary 
in  tragala  hingestellt,  ebenso  verhält  sich  aber  vagus  zu  veho. 
Formell  entspricht  vagus  etwa  einem  skr.  v&ha,  in  der  bedeutung 
unserm  „  fahrig  %  vagari  ist  gewissermafsen  das  med.  pass.  zu 
vexare. 

H.  Ebel. 


1)  9peregh  —  sphurj  —  asparagus. 

Im  Ya^na  X,  11. 12  (=  Ys  X,  5.  4)  heifst  es:  varedhayauyha 
ma  na  vaca ....  vi9pe9ca  paiti  fra^peregh^   vi9pe9ca   paiti  fra- 


▼ftkhfihe  d.i.  ^wadise  (o  Goome)  an  aUen  schSfaüngeii,  an  allen 
eweigen  durch  meine  rede^.  Dm  nun  mit  dem  leisten  worte  zu 
beginnen,  so  flbersetst  Neriosengh  fravakhsha  durch  mallava,  was, 
obwol  es  die  lesart  beider  handschriften  ist  die  ich  kenne,  in 
pallava  geändert  werden  mnfs,  da  auch  die  Huzvlüresch- Überset- 
zung t&k,  zweig,  hat  Die  ableitnng  des  wortes  aus  vakhah, 
wachsen,  liegt  auf  der  band,  Fra^pereghö  giebt  Nerios.  durch 
^&kha,  zweig,  was  sich  schon  dem  zusammenhange  nadi  em- 
pfiehlt und  auch  eine  weitere  bestätigung  erfa&lt  durch  neup.  a^- 
parag  (<f)  r^O  herba  flava  tingendo  inserviens  und  aq[>aragham, 
basilicum.  Demnach  wird  mit  fra^peregha  der  zartere,  mit  fhip 
▼äkhsha  aber  der  stärkere  schöfaling  bezeichnet  werden  müssen. 
Die  Wurzel  ^peregh,  auf  die  das  erstere  wort  zurückgeföhrt  wer- 
den mufs,  wird  dem  skr.  sphuij  entsprechen,  giebt  also  einen 
neuen  beleg,  dafe  skr.  ph  nach  s  einem  unaspirirten  p  in  den 
dbrigen  sprachen  entspricht.  In  den  germanischen  sprachen 
möchte  wol  engl,  sprig,  unser  spriefsen  hieher  gehören,  in  den 
classischen  aber  danoLgayoff^  asparagus,  das  aber,  wie  mir  scheint 
ein  fremdwort  ist,  welches,  nach  dem  roi^gesetzten  a  zu  schlie- 
fsen,  durch  semitische  Vermittlung  ins  abendland  kam,  denn  die 
Semiten  lieben  die  vorsetzung  eines  a,  wenn  ein  wort  mit  einer 
doppelconsonanz  anfängt,  weil  es  ihnen  schwer  fällt,  diese  aus- 
zusprechen. 


2)  ndqig  —  pere. 

Obwol  O.  Curtius  in  dieser  zeitschr.  I,  35  den  namen  UoQtg^ 
schon  richtig  von  der  wurzel  pere  abgeleitet  hat,  so  ist  es  viel- 
leicht nicht  unnütz  einige  worte  noch  hinzuzufügen»  Es  findet 
sich  diese  wurzel  namentlich  im  Vendidad  häufig,  so  steht  z.  b.  in 
Yd.  IX  fgd.  die  1.  pers.  imp.  perenäne.  Ich  halte  die  wurzel 
für  die  nämliche  wie  pere  transgredi,  es  ist  eigentiich  ausziehen 
gegen  jemand.  Abgeleitet  ist  das  subst.  pairika,  peri,  fee  im 
Avesta  bekanntlich  ein  böses  wesen.  Im  neupersischen  endlich 
ist  nabard,  krieg  hieher  zu  ziehen,  was  einem  (uns  nicht  erhalte- 
nen) älteren  nipereta  entspricht 

Spiegel. 


miaceU«!!.  805 

Griechische  ableitungen  vom  stamme  des 
relativmns, 

Griech.  i'tSQog  stellt  sich  hinsichtlich  des  sufGbces  dem  no- 
TSQog  u.  8.  w.  gleich.  Was  aber  ist  «?  Die  von  Bopp  (glossar) 
vorgeschlagene  zusammenstellang  mit  skr.  itara  befriedigt  nicht 
Eher  könnte  man  an  den  pronominalstamm  sa  denken,  aber 
auch  dieser  mofs  dem  näheren  anspräche  des  relativstamm  es 
weichen:  heQog  ist  genau  gleich  skr.  y ataras.  Sicher  wii'd  diese 
an  sich  annehmbare  Zusammenstellung  durch  vergleichung  von 
ksl.  jetor"  „quidam^,  wo  freilich  das  e  nur  zufällig  zusammen- 
trifft, indem  es  ein  durch  das  vorhergehende  j  gewirkter  amlaut 
ist  Um  die  durchaus  vom  relativum  sich  entfernende  bedeutung 
dieser  formen  zu  verstehen,  erinnere  man  sich,  dafs  gelegentlich 
im  zend,  ja  selbst  im  sanskrit  in  der  Verbindung  tja  das  rela- 
tivum auf  seine  bedeutung  verzichtet  Dasselbe  geschieht  im 
griechischen  in  den  Verbindungen  ^  d'og  aal  og  I917  und  ablei- 
tungen, wie  (Sg.  Im  lithauischen  ist  jis,  ji  reines  demonstrativum, 

ebenso  ksl.  i,  ja,  je. Zu  demselben  stamme  gehört  griech. 

hcd-reQog^  ixcb-atog.  Das  zu  gründe  liegende  ixa  (warum  aber  a?) 
vergleicht  sich  dem  ksLjak"  „qualis**  weitergebildet  jakov"  ^qua- 
lis^.  Doch  ist  die  Übereinstimmung  nicht  völlig,  denn  ksl.  a 
weist  auf  frühere  vocall&nge,  die  die  verwandten  lithauischen  for- 
men koks  „quantus"  toks  „tantus*'  aufweisen,  vgl.  ksl.  kak"  = 
kakov"  „qualis^,  tak"  =  takov"  „talis^.  Das  kirchenslawische 
ist  reich  an  diesen  Weiterbildungen  von  pronominalstammen 
durch  k.  So  hat  es  fiir  den  begriff  „talis"  noch  9ik'';  onakov" 
(s.  Schleicher,  kirchensl.  formenlehre).  In  den  übrigen  verwand- 
ten sprachen  scheint  die  bildungsweise  selten.  Aufser  dem  aller- 
dings ziemlich  verbreiteten  stamm  skr.  eka  (cfr.  ksl.  n-iek"to 
„nemo*',  lith.  n-iekas  „nullus^)  finde  ich  nur  einmal  das  altpers. 
thakati;  häufig  in  der  angäbe  von  daten  „thakata  aha  tja  tum 
accidit  ut^,  welches  Benfej  (glossar  zu  den  keilinschriften)  nur 
höchst  gezwungen  als  instrumental  eines  participiums  perfecti  der 
Wurzel  taksh,  tvaksh  deutet  Mir  scheint  es,  wie  gesagt,  tum  zu 
bedeuten,  wo  denn  das  suffiz  dem  griech.  te  in  aots  aXkot6  zu 
vergleichen  ist,  so  dafs  das  schliefsende  a,  wie  im  altpersischen 
gewöhnlich,  verlängert  worden  ist  Das  zweite  beispiel  ist  das 
osk.  eko  (worüber  Bugge  in  dieser  zeitschr.  Y,  2),  welches  man 


996  Lottaer 

nicht  mit  skr.  ^a  vergleichen  darf,  \reSl  sonst  osk.  ei  stehen 
wurde.  Es  entsteht  vielmehr  aas  einem  voraaszusetsenden  aka. 
—  Zum  pronominalstamm  ja  gehört  wohl  auch  elg*).  Doch 
dies  scheint  eine  weitere  begrundung  nöthig  zu  machen. 

Eis  und  verwandte  pronomioalbildungen. 

Wie  wir  so  eben  den  pronominalstamm  ka  in  Verbindung 
mit  anderen  stammen  gesehen  haben,  so  wird  bekanntlich  aach 
na  (isolirt  in  nf)  vielfach  componirt  mit  anderen  pronominal- 
stammen.   Die  fälle  sind  folgende: 

1)  a-na.  Skr.  anena  n.  s.  w.,  lith.  anas,  ana  „iUe^  =  ksl. 
on^'  ona  ono.  Hierher  gehören  auch  die  altitalischen  formen  osk. 
inim  „et^  =  lat  ^nim.  Ferner  der  umbrische  pronominalstamm 
eno,  wovon  z.  b.  enumek  „et%  der,  wie  die  verwandte  lateini- 
sche form  zeigt,  nichts  mit  skr.  ena  zu  thun  hat 

2)  i-na  scheint  blofs  im  deutschen  vorzukommen.  Denn  dies 
ist  offenbar  die  grundform  von  goth.  jains,  ahd.  (j)  ener,  altn. 
Snn,  inn.  Im  gothischen  ist  hier  gebrochenes  ai  anzunehmen, 
das  gelegentlich  auch  vor  anderen  consonanten  als  r  und  h  za- 
gegeben werden  mufs.  Namentlich  noch  in  vaila,  wie  altn.  vel, 
ahd.  wela  lehren.  Diphthongisches  vaila  würde  durchaas  nicht 
in  die  ablautsreihe  valjan,  viljan  (altn.  vili  auch  =  „gaudinm*') 
passen,    j  ist  also  in  jains  anorganischer  zasatz. 

3)  e-na.    Skr.  Sna-m  a.  s.  w.,  lat  oinos,  griech.  oiptf  a.  s.  w. 

4)  ta-na.  Griech.  j^-fcg^  altpreufs.  tan's  „ille^  fem.  tenna, 
nn  scheint  unorganisch. 

5)  ka-na.  Zunficbst  in  der  enclitischen  partikel  skr.  cana 
=:  lat.  cun(que),  goth.  hun.  Aber  auch  selbständige  formen  die- 
ser Verbindung  mangeln  nicht  Altn.  hann  dat  hon-um  ^is^.  Die 
abwesenheit  der  interrogativen  bedeutung  hat  nichts  befremden- 
des, da  sie  auch  in  goth.  hi  (himma  daga  u.  s.  w.,  ags.  he  hi-m) 
fehlt  Dieselbe  bedeutungswandlung  bietet  ja  auch  das  lat.  in 
(hi-c  und)  ci-tra,  ferner  auch  das  lithauische  und  slawische.  Denn 
lith.  szis,  szi  „hie''  =  ksl.  9i,  Qija,  ^e  können  nicht,  wie  bisher 
geschehen,  mit  skr.  sja  verglichen  werden,  weil  lith.  sz  immer 
auf  ursprüngliches  k  weist  (szirdis  =  cor;  neszu  „fero*  =  ifeyx; 


*)  Dem  hm.  Verfasser  war  der  aafsatz  des  hm.  dr.  Meyer,  oben  s.  161  ff., 
wie  das  datum  dieses  aufeatzes  ergiebt,  noch  nicht  bekannt;  hier  bleibt  das 
femlmnnm  ^/a  unberUclEsichtigt.  —  K. 


miaceUen.  897 

szimtas  =  centam,  auch  szcszi  =  ^sex*,  wo  freilich  aufser  dem 
lithauiBchen  nnr  das  zend.  khsvash  den  ursprünglichen  k-laut  auf- 
weist). Urform  des  lithanisch-slavischen  pronomens  ist  also  kya, 
vergl.  zend.  kya  ^quae'^,  lat.  qaia.  Um  aber  auf  die  erweitemng 
des  interrogativstammes  durch  na  zurückzukommen,  so  fehlt  sie 
ebenfalls  im  lithauischen  nicht;  denn  die  form  kieno  ,,cujus^  ist 
deutlich  ein  genitiv  eines  verlornen  nominativs  kienas.  Ob  übri- 
gens diese  form  so  vereinzelt  dasteht,  wie  man  nach  Mielcke 
glauben  müfste? 

6)  Selbst  der  schon  zusammengesetzte  stamm  aniya  ^alius^ 
findet  sich  im  altpersischen  erweitert  durch  n  a.  Wenigstens  Ififst 
der  instrumentalis  aniyan&  kaum  eine  andere  erklärung  zu,  da 
die  einschiebung  von  n  im  instrumental  dem  altpersischen,  wie 
dem  zend  fremd  ist.  Nach  so  vielen  analogieen  wird  man  wohl 
weiter  keine  bedenken  tragen 

7)  die  Verbindung  ia-na  in  IV-  zu  erkennen,  so  dafs  das  o 
des  ursprünglichen  Stammes  unterdrückt  ist.  Sonst  vergleiche  das 
oben  über  ixaatog  irsgog  gesagte. 


Lateinische  wortdeutungen. 

1)  D^mum,  d^niqne,  donec. 

Dafs  demum,  denique,  donec  zusammenh£ngen,  ist  wohl  all- 
gemein anerkannt  Auch  dafs  die  sufBxe  nique  nee  (cfr.  doni- 
cum)  mit  dem  griech.  ruia  von  ijvixay  r^vUa^  njjfUa  identisch 
sind,  ist  klar.  Das  -mum  aber  von  demum  hat  ein  schlagendes 
analogon  in  ksl.  onamo  „illuc^,  ina-mo  „m^oxrfi^^  kamo  „quo% 
jamo  ^quo^  (relatio),  wo  wir  nicht  nur  dieselbe  neutrale  form 
des  Suffixes  haben,  sondern  auch  das  a  auf  ursprungliche  länge 
des  auslautenden  stammvocales,  wie  im  lateinischen^  zurückweist 
Der  bei  den  lat.  pronominibus  zu  gründe  liegende  pronominal- 
stamm da  ist  zwar  selten,  aber  von  Bopp  in  der  vergleichenden 
grammaük  genügend  nachgewiesen. 

2)  Barba. 
Dafs  barba  mit  altn.  baH$r,  ahd.  hart,  ksl.  brada,  litb.  barzda 
verwandt  ist,  ist  klar  genug.    Doch  das  b  scheint  Schwierigkei- 
ten zu  machen.    Es  steht  aber  einfach  für  f  und  dieses  für  th, 
also  ganz  wie  in  raber,  über,  gegen  i^v&Qdg^  ov<>aQ.  ' 


998  LoMaer 

Griechische  Worterklärungen. 

1)  Wurzel  fiavS. 

Skr.  mandira  „stabalum^  ist  Ifingst  mit  fAcivd-ga  verglichen. 
Die  Wurzel  aber  scheint  dunkel.  Einiges  licht  jedoch  Mit  auf 
sie  durch  die  verwandten  worter  fiavdvg  ^eine  art  obergewand% 
fAttfSaXog  „riegel^.  Die  gmndbedeutung  der  wurzel  mnfs  also 
^  verschliefsen,  umschliefsen  ^  sein.  Im  germanischen  vergleicht 
sich  altn.  möttull,  ahd.  mantal.  Dafs  ahd.  t  geblieben  ist,  erklärt 
sich,  wie  in  bittar  gegen  goth.  baitrs,  aus  der  vorauszusetzenden 
Urform  mantls,  denn  zl  ist  ebenso  wenig  eine  hochdeutsche  lant- 
verbindnng,  als  zr. 

2)  Movaa. 

Movffa  wird  allgemein  von  fidoi  abgeleitet  Dies  ist  aber 
entschieden  falsch.  Das  richtige  lehren  von  selbst  die  griechi- 
schen dialecte.  Dor.  Mmaa,  fioL  Molaa,  att  Movaa  verhalten 
sich  ganz  wie  die  accusative  dor.  roig,  fiol.  toig^  zovg  oder  noch 
genauer,  wie  die  feminina  der  participia  praesentis  ^idcocro,  di- 
doiaa,  didovca.  Urform  ist  also  Movria^  und  dies  ist  ein  deut- 
liches femininum  zu  fiavtig,  ,, Seherin^  ist  aber  ohne  zweifei  ein 
viel  treffenderer  name  für  die  muse  als  das  farblose  und  eigent- 
lich sinnlose  ^die  strebende^. 


Deutsche  etymologieen. 

1)  Giban. 

Die  germanische  wurzel  gab  scheint  ganz  allein  zu  stehen, 
denn  die  von  Bopp  versuchte  Verbindung  mit  skr.  gph  dürfte  wohl 
niemand  einleuchten.  Verwandt  scheint  indessen  lith.  gab-enn 
^affero,  ich  bringe  herbei*  (nach  Mielcke). 

2)  Wurzel  fath,  fad. 

Die  skr.  wrz.  path  ist  aufser  in  ags.  p&dh,  engl,  path,  ahd. 
pfad,  in  denen  unregelmäfsiger  weise  die  lautverschiebung  man- 
gelt, auch  in  ihrer  organischen  form  fath  vorhanden  in  goth. 
fin]?an,  ahd.  findan,  fintan,  altn.  finna.    Die  Urbedeutung  ist  be- 


miaceUeD.  IM 

wahrt  in  ahd.  fendo  ^pedes^  (:=  einem  goth.  fan]>ia).  Aber 
auch  das  verbam  hat  sie  festgehalten  in  der  vereinzelten  altn. 
form  ^ek  fatt^  „ibam^,  zu  dem  ein  (wie  es  scheint  mangelnder 
infinitiv)  finda  sich  verhalten  wurde,  wie  binda  zu  ek  batt,  vinda 
zu  ek  vatt.  —  Für  die  entwickelung  der  bedeutung  vgl.  invenio. 
[Fundum  und  fundinn,  funt$um  und  fnntSinn  stehen  ja  nochi  ne- 
ben funnum,  funninn,   vergl.  Grimm  gramm.  I,  915.  —  K.]. 

3)  Wurzel  skal,  hal. 
Ahd.  scellan  und  hSllan,  imperfecta  mhd.  schal,  hal  —  schnl- 
len,  hüllen  weisen  auf  die  wurzeln  skall,  hall.  Diese  sind  un- 
ter einander  identisch,  das  vorgeschobene  s  hat  in  der  ersteren 
form  (wie  in  stautan  =  s.  tud)  die  lautverschiebung  gehindert 
Griechisch  vergleicht  sich  hbX  in  xeXaQv^fo,  nfXadito^  die  selbst 
denominativa  von  :iikabog  und  ungebräuchlichem  xe^o^o^  sind. 
Die  Urbedeutung  ist  also  tonen,  eine  bedeutung,  die  skr.  kal-a 
„leniter  sonans^  ebenfalls  darbietet.  Zu  derselben  wurzel  gehört 
griech.  xodeo),  lat  calo  (calumnia,  calendae),  ahd.  halon,  holon 


4)  Laian. 

Goth.  laian  „illudere^  ist  als  schwesterform  anzusehen  zu 
litt,  loti  =:  ksl.  lajati  =  lat.  latrare,  mit  denen  es  formell  genau 
stimmt,  auch  in  der  länge  des  Stammes,  wie  das  praeteritum 
lailo  lehrt.  Das  i  des  präsens  ist,  wie  im  lith.  lo-ju,  character 
der  4.  classe. 

5)  Veita. 

Altnord,  veita  „dare^  ist  deutlich  caussale  von  vita  „scire*' 
(cfr.  beita  „incitare**  von  bita  „mordere**).  Nur  scheint  die  be- 
deutung nicht  recht  zu  stimmen.  Darüber  aber  klärt  die  sans- 
kritwurzel  vid  auf,  die  aufser  ihrer  gewohnlichen  bedeutung  in 
der  form  vindami  auch  die  bedeutung  „invenio,  adipiscor**  zeigt 
Davon  auch  im  sanskrit  das  caussale  prativedayami  „tradere^ 
(s.  Bopp  glossar).  Die  beiden  wurzeln  vid  sind  übrigens  ur- 
sprunglich identisch,  nur  mufs  man  als  die  Urbedeutung  von  bei- 
den „videre^  anerkennen.  Dann  ist  die  entwickelung  der  bedeu- 
tung ähnlich  wie  in  goth.  usskavjan  sis  =  griech.  ayievaCBG^ai 
von  skavjan  „videre**. 


400  Schleicher,  miscellen. 

6)  Eine  germanische  desideraÜTform. 
Ahd.  hiosen  ist  eine  desiderativform  von  inrrz.  hin.  Qotih.  h£tten 
wir  hlodan  imperf.  hlosai-da  zu  erwarten;  wo  das  sai  auf's  ge- 
naueste der  griech.  desiderativendoDg  <sei  in  iQya-CH-tOj  yelM-ael-a, 
dga-cei-oa  u.  s.  w.  entspricht,  nur  dafs  im  griechischen  der  charac- 
ter  der  10.  classe,  der  hier  dem  sanskritischen  desiderativen  s 
▼ermnthlich  als  eine  art  vei^udgang  für  die  vorn  verloren  ge- 
gangene redoplication  angefügt  ist,  vollständiger  in  der  form  eio 
aus  ^0  bewahrt  ist.  Das  ksl.  cF'ishati  mit  gleicher  bedeatung 
entspricht  dem  deutschen  auf's  genaueste,  denn  sha  ist  assimila- 
tion  ans  ^ie  (^ia),  in  9r'i9-ie-ti  aber  vertritt  ie  (ia)  ein  früheres  ai, 
wie  stets  im  kirchenslavischen. 
Potsdam,  den  l.M&rz  1856.  C.  Lottner. 


Auhns,  a^mantam,  kamna. 

Zu  V,  136  (auhns,  ofen  =  a9nas,  stein)  vergl.  meine 
kirchensl.  grammatik  s.  97,  ksl.  kamy  (masc,  stamm  kam  an, 
kamen,  stein  =  a^man),  Böhmisch  kamna  (plur.  neutr.  ofen; 
vergl.  skr.  a9manta  neutr.).  Es  liegt  also  der  Übergang  der  be- 
deutnng  „  stein  ^  in  die  von  „ofen^  in  drei  sprachen  unseres 
Stammes  vor,  nfimlich  im  indischen,  deutschen  und  slawischen. 

Schleicher. 


perttus,  ambttuB. 

Zwei  und  mehrsilbige  worter  haben  im  lateinischen  in  der 
regel  ein  früher  auslautendes  i  abgeworfen,  so  namentlich  die 
prfipositionen  per  gegen  negi,  skr.  pari,  amb  gegen  äfitpi^  in  ge- 
gen skr.  ni  statt  ani,  red  gegen  prati;  wie  das  letztere  noch  in 
redivivus  eine  spur  des  alten  auslauts  aufweist,  so  ist  derselbe 
auch  in  betre£f  von  per  und  amb  noch  nachweisbar  in  den  bei- 
den participlen  peritus,  ambitus,  deren  langes  i  sich  nur  aus  der 
Verschmelzung  des  i  der  präposition  und  desjenigen  der  verbal- 
worzel  erklärt 

A.  Kuhn. 


Gcdrackt  bei  A.  W.  Schade  in  Berlin,  Grttnstr.  18. 


I.  Abhandlangeii. 


Altitalisches. 

1)  Zur  umbrischen  conjugation.* 

In  der  umbrischen  formenlehre  konnte  beim  ersten  ent- 
würfe die  conjugation  am  wenigsten  befriedigend  dargestellt 
werden,  teils  weil  gewisse  tempora  dem  inhalte  der  Sprach- 
denkmäler zufolge  gar  nicht,  einige  formen,  namentlich  der 
ersten  person,  sehr  selten  vorkommen  mnlsten,  teils  weil 
die  eigentQmlichkeit  der  nächstrerwandten  oskischen  con- 
jugation noch  höchst  ungenügend  erkannt  war,  so  dafs 
selbst  über  die  bildung  der  am  häufigsten  vorkommenden 
dritten  person  grofse  Unklarheit  herrschte.  Seitdem  aber 
allmählich  an  den  verschiedenen  bildungen  der  dritten  per- 
son der  im  classischen  latein  fast  gänzlich  *)  verwischte 
untarschied  voller  und  stumpfer  endungen  im  oski- 
schen nachgevdesen  ist**),   stellt  sich  auch  im  umbri- 


*)  Kur  das  -o  im  prttsens  und  im  zusammengesetzten  futurum  (-bo  und 
-ero)  zeigt  noch  einen  gegensatz  zum  am,  -im,  -em  der  pittterita  und  con- 
junctive;  eine  eigentumliche  abstumpfnng  tritt  in  der  S.  pl.  pf.  auf,  wo  ich 
vennuthe,  dafs  das  -runt  einer  späteren  periode  angehört  als  -re,  gerade  wie 
im  neuhochdeutschen  (spurweise  schon  im  mittelhochdeutschen)  bmders  statt 
bruder  im  genitiv  eingetreten  ist. 

**)  Den  stufengang  in  der  feststellung  der  formen  zeigen  diese  zeitschr. 
II.  58.     Hall,  monatsschr.  1852,  s.  821  fgd.     Kirchhoff,  stadtrecht  von  Ban- 
tia  8.  6  fgd.     Bugge  in  dieser  zeitschr.  III.  422  und  V.  6  -  8. 
V.     6.  26 


402  ^*>«' 

sehen  verbum  vieles  in  ganz  anderem  lichte  dar.  Im  os- 
kischen  tritt  ein  entschiedener  gegensatz  zwischen  dem  -t 
im  sing.,  -et  oder  -nt  im  plur.  der  ursprünglich  starken 
und  dem  -d  im  sing.,  -ns  im  plur.  der  ursprünglich  schwa- 
chen formation  hervor;  jene  formen  sind  dem  präsens  und 
den  futuren,  diese  dem  conjunctiv  und  den  präteriten  eigen. 
(Unzweifelhaft  richtig  hat  Bugge  stait  und  staiet  als  in- 
dicativformen  bestimmt,  und  eituns  wird,  so  ansprechend 
Corssen's  deutung  als  *ituunt  (V.  129)  scheinen  mag,  doch 
nie  als  indicativ  gelten  dürfen;  will  man  nicht  eben  conj. 
eituins  hinein  corrigiren,  was  durch  die  vielen  ligaturen 
der  inschrift  begünstigt  würde,  aber  dem  deicans  der  TB. 
widerspräche,  so  läfst  sich  die  form  nicht  anders  erklären, 
als  durch  die  annähme  einer  dem  oskischen  eigentümlichen 
pluralbildung  des  imperativs.)  Denselben  gegensatz  star- 
ker und  schwacher  form  haben  wir  also  auch  im  umbri- 
schen  verbum  zu  erwarten:  präsens  und  futura  müs- 
sen -t  und  -nt,  conjunctiv  und  präterita  -  und 
-ns  in  3.  sing,  und  plur.  zeigen.  Und  in  der  that 
tritt  dieser  unterschied  aUen  Verstümmelungen  zum  trotz, 
die  im  einzelnen  stattgefunden  haben,  noch  deutlich  genug 
in  den  Überresten  der  spräche  hervor. 

In  3.  sing,  sind  uns  die  vollen  formen  im  präsens 
est  und  ti^it,  im  fut  1  fust  (s.  unten),  fuiest,  forest, 
prupehast,  partes t,  habiest,  heriest,  ee$i^  im  fut.  2  ate- 
rafust  =  andersafust,  tust,  sesusi  u.  s.  w.,  in  3.  pl.  im 
präs.  sent  und  furfant^  im  fut.  1  furent,  im  fut.  2  benu- 
rent,  fakurent,  ambrefurent,  pepurkurent,  prusi- 
kurent,  dersicurent,  eiscfirent^  haburmt,  procanurent  er- 
halten, und  wenn  die  pluralform  im  fiit.  1  staheren  ver- 
stümmelt erscheint,  so  können  wir  wenigstens  nicht  zvirei- 
feln,  dafs  hier  nicht  s,  sondern  t  abgefallen  ist.  (Die  star- 
ken endungen  widersprechen  der  darstellung  der  futurbil- 
dung  in  §§.  55  und  57  der  umbrischen  formenlehre.) 

Schwache  formen  zeigen  dagegen  in  3.  sing,  die 
conj.  si,  heriiei  heriei  heri  (s.  unten),  fa^ia  feia,  tera 
dersa  dirsa,  fuia,  habia,portota^  kupifiaia,  denen  viel- 


altiUliBchcs.  403 

leicht  auch  dia  VI.  a.  20  (etwa  =  dicsi)  zuzurechnen  ist, 
und  das  perf.  rere, 

in  3.  plur.  die  conj.  sins  =  sis,  dinans  =  dirsas^  ar- 
habas  (neirhabas  etwa  aus  nei  arhabas?),  etaian$^=t 
etaiaSy  jedenfalls  also  auch  die  perf.,  wenn  gleich  wir  nicht 
wissen,  wie  die  verschiedenen  formen,  die  darauf  anspnich 
zu  machen  scheinen,  zu  bestimmen  und  zu  erklären  sind. 
Wir  können  daher  nicht  zweifeln,  dafs  wie  im  plural  das 
umbr.  -ns  dem  oskischen  (in  deicans,  fufans^  patensins) 
begegnet,  so  auch  im  Singular  rere  dem  osk.  deded,  por^ 
taia  dem  deivaid  an  die  Seite  zu  stellen,  mithin  in  allen 
diesen  formen  nicht  t,  sondern  d  abgefallen  ist,  und  zwar 
nicht  zufällig,  wie  A.  K.  I,  82  annahmen,  sondern  nach 
demselben  gesetze,  nach  welchem  der  ablativ  ohne  aus* 
nähme  das  d  verloren  hat;  trebeit  VI.  a.  8  kann  also  kein 
conjunctiv  sein.  Nur  hat  das  umbrische  im  Vorzüge  vor 
dem  oskischen  im  conj.  pr.  der  a-conjugation  das  volle -ia 
(aus  -iad)  bewahrt,  wie  portaia  gegen  deieaid  zeigt. 

Eine  grofse  Schwierigkeit  bietet  bis  jetzt  nur  der  pl. 
pf.  ind.  dar,  für  den  wir  unter  zwei  oder  gar  drei  formen 
die  wähl  haben:  1)  eitipes,  stiteteies  oder  stitiste- 
teies  (?),  2)  benuso,  covortusoj  3)  sesure  (?),  fefure. 
Nach  analogie  des  osk.  üpsens,  teremnattens  und  des 
volskischen  sistiatiens  können  wir  nur  in  eitipes  und 
dem  räthselhaften  sti(tis)teteies  eine  3.  pl.  pf.  suchen, 
und  darauf  deutet  der  Zusammenhang  von  Y.  a.  ganz  ent- 
schieden hin,  denn  eßuk  frater  Atiieriur  eitipes  oder 
frater  Atiieriur  esu  eitipes  kann  doch  nichts  anders 
heiisen  als:  fratres  Atidii  hoc  oder  haec  decreverunt;  so 
scheint  denn  auch  in  dem  kvestretie  usaie  (odernsape) 
svesuvüv9isti(tis)teteie8  am  ende  von  Lb.  und  II.  a. 
ein:  quaestura  (vgl.  uhtretie)  —  statuerunt  um  so  mehr 
anzunehmen,  als  das  schlufswort  die  auffallendste  ähnlichkeit 
mit  volsk.  sistiatiens  zeigt.  Das  picenische  sesure  ist 
zu  zweifelhaft  und  das  fefure  in  IL  a.  4  zu  undeutlich, 
um  dagegen  in  betracht  zu  kommen.  Mit  mehr  schein 
könnte  man  benuso  und  covortnso  für  perfectformen  erklfir 

26* 


404  Ebel 

reD,  wie  ebenfalls  von  A.  K.  geechehn  ist,  und  alle  Schwie- 
rigkeiten hinsichtlich  dieser  formen  vermögen  wir  allerdings 
nicht  zu  heben.     An  den  drei  stellen,  wo  dieselben  vor- 
kommen, Vl.b«  64  —  65  passen  nur  perf.  oder  fuL  ex.  in 
den  Zusammenhang,  nach  strenger  consecutio  temporum  ei- 
gentlich nur  fut.  ex.     Dafbr  halten  wir  nun  diese  formen 
um  so  lieber,    als  die  angefügte  silbe  -us   (als  rest  von 
-fus)  oskisch,  also  wahrscheinlich  auch  umbrisch,  nur  im 
fut.  2,  nicht  im  perfectum  auftritt,  und  als  ein  abfall  des 
-nt  uns  in   der  enclitica  hont  öfter  beg^net,  -ns  dage- 
gen wohl  in  -s  verstümmelt,  aber  nicht  abgefallen  erscheint, 
somit  "uso  nur  rest  einer  vollen  endung  sein  könnte,    die 
wir  im  perfect  nicht  voraussetzen  dürfen.    Gegen  die  deu- 
tnng  des  -uso  als  3.  pl.  fiit.  erregen  bedenken  nur  das  un- 
mittelbar daneben   stehende  -urent  und  der  sonst  regelmä- 
ßige Übergang  des  s  in  r  zwischen  vocalen  auf  den  denk- 
mlQem  der  späteren  periode,   der  hier  sogar  im  altumbri- 
schen  durchgedrungen  ist.    In  dieser  verzweifelten  läge  ist 
vielleicht  noch  ein  aus  weg  möglich.    Wir  wissen,  dais  die 
3.  sing.  fut.  bisweilen  in   -es,  -us  abgestumpft  erscheint, 
wenn  auch  nicht  so  häufig  als  A.  K.  angenommen  haben 
(auf  der  ersten  tafel  herrscht  durchaus  die  2.  person  vor), 
z.  b.  VI.  b.  23  ape  habina  purdinsus^  eroni  poi  habina  ptir- 
dinsu$t^  ^.pone  poplo  afero  heries;  wir  sehen  ferner,  dafs 
gerade  an  unserer  stelle  sing,  und  plur.  einigemal  plötzlich 
wechseln,  z.  b.  53  ape  Acesoniame  hebetafe  benust,  enom 
termnuco  stahituto,  vergl.  56.  62.  63;    endlich  werden  wir 
unten  sehen,  dafs  herifi  von  panta,  wozu  es  gehört,  durch 
einen  ganzen  satz  getrennt  ist.     Sollten  nun  nicht  benuso, 
coeortuso  in  benus^   covortus  (statt  benust,  covorfust)  und 
ho  (statt  hont)  zerlegt,  und  hont  als  eine  pleonastische  Wie- 
derholung des  in  sururont  und  erafont  steckenden  hont  an- 
gesehen werden  können,  so  dafs  z.  b.  erafont  tia  pora  be- 
nuso  hielse:  eadem  via  qua  venerit  item? 

Konnten  wir  in  dieser  beziehung  nicht  alle  Schwierig- 
keiten lösen,  so  vermögen  wir  dagegen  eine  form  nachzu- 
weisen,   die  man   bis  jetzt  im  umbrischen  nicht  erkannt 


altitaÜBches.  405 

hatte,  und  zwar  genau  in  der  gestalt,  die  sich  nach  ana- 
logie  des  oskischen  erwarten  liefs,  nämlich  den  conj.  perf. 
Im  oskischen  conj.  perf.  endigt  die  3.  sing,  auf -id,  die 
3.  plur.  auf  -ins,  während  das  fut.  ex.  -us  einfilgtund  die 
volleren  endungen  -t  und  -et  annimmt:  ygL  hipid^  fefudd^ 
tribarakattlns,  gegen  hipusty  fefacust,  tribarakat- 
tuset.  Im  umbrischen  conj.  pf.  können  wir  also  dem  -ust 
und  -urent  des  fut.  2  gegenüber  nur  -i  und  -ins  erwar- 
ten, wie  wir  es  in  combißangi  wirklich  finden.  Wenn  wir 
auch  das  np  in  combißangust  combißangiust  und  purdinQust 
purdingiust  (wozu  höchst  wahrscheinlich  auch  alinsust  VL  a.  7 
gehört)  nicht  zu  erklären  vermögen,  so  leuchtet  doch  ein, 
dafs  cambifiangi  und  cambifian^st  sich  genau  so  verhalten 
wie  osk.  hipid  und  hipust;  auch  pafst  VI.  b.  52  neip  am^ 
boltu  prepa  desva  combißangi  nichts  so  gut  in  den  Zusam- 
menhang als  ein  conjunctiv:  nee  ambulato,  priusquam 
-am  conspexerit.  Ob  auch  ceheß  VL  a.  20  ein  conj.  pf. 
sei,  vielleicht  mit  vuku  kukehes  oder  vukuku  kehes 
in.  21  zusammenzustellen,  mufs  vorläufig  dahin  gestellt 
bleiben.  £ine  dritte  ähnliche  form  herifi  gehört  wohl 
nicht  hierher  (s.  unten).  Dagegen  können  wir  uns,  da  das 
i  des  conj.  sicher  lang  ist,  nicht  wundem,  wenn  auf  älte- 
ren tafeln  ein  e  statt  dessen  erscheint;  ich  halte  daher  auch 
ise  Lb.  8  für  einen  conj.  pf.  von  der  wurzel  I  =  E. 

Somit  hätten  wir  den  unterschied  starker  und  schwa- 
cher endungen  wie  im  oskischen,  so  auch  im  umbrischen 
activ  wenigstens  in  der  3.  sing,  und  plur.  durchweg  wie- 
der gefunden.  Das  ursprüngliche  -ti  ward  umbr.  osk.  zu 
-t,  ursprüngliches  -nti  umbrisch  zu  -nt,  während  im  osk.  -nt 
oder  -et  (nie  -ent)  eintrat;  ursprüngliches  »t  ging  im  oski- 
schen in  -d  über  und  fiel  als  solches  im  umbrischen  ganz 
ab,  ursprüngliches  -nt  ging  oskisch  und  umbrisch  in  -ns 
über;  als  einzelne  und  regellose  Verstümmelungen  stehn  im 
umbrischen  der  abfall  des  t  (in  habet,  -st,  -nt)  und  der 
ausfall  des  n  in  ns  da.  Es  entsteht  nun  die  frage,  ob  im 
passiv  nichts  dem  analoges  gefunden  wird.  Vom  oski- 
schen passiv  sind  uns  leider  zu  dürftige  reste  erhalten, 


40tt  Ebel 

als  dafs  wir  ein  bestimmtes  urteil  fällen  könnt«);  den 
entschiedenen  indicativformen  sakarater  Ag.  21  und  ein- 
der  TB.  21  stehn  die  scheinbaren  conjunctive  sakahiter 
Ag.l9  und  lamatir  TB.  21  ohne  augenfälligen  unterschied 
zur  Seite,  comparascuiter  TB.  4  erscheint  ganz  räthselhaft, 
da  das  -us  auf  fut.  ex.  zu  deuten  scheint,  ein  solches  aber 
ohne  Umschreibung  schwerlich  in  irgend  einer  italische 
Sprache  gebildet  ist*).  Im  umbris chen  deutet  allerdings 
einiges  auf  einen  solchen  unterschied  auch  im  pasdv  hin. 
Die  3.  sing.  conj.  endigt  n&mUch  auf  -tur  (oder  -tu),  die 
3.  pL  auf -ntu(r)  jünger  -itdtt(r)  in  mugatu^  emantur, 
terkantur,  iursiandu,  und  wenn  hereitu  =  heritu  VI.  a. 
27.  37.  47.  b.  29  und  eretu  ü.  a.  4.  von  dem  vorange- 
henden pusi  neip  =  puze  neip  (ut  ne)  regiert  wird,  so 
ist  auch  darin  ein  conj.  pass.  zu  vermuthen.  Diesem  -tur 
gegenüber  erscheint  aber  ein  -tir  in  der  von  Bugge  (III.  37 
dieser  zeitsehr.)  nachgewiesenen  futurform  ostensendi,  ein 
-ter  in  herter,  das  wir  unten  als  präsensform  besprechen 
werden,  sowie  im  marsischen  ferenter  (der  bronze  von 
Rapino),  und  in  der  abgestumpften  form  wechseln  hcrte 
V.  a.,  herti  V.  b.  und  hertei.  Wollen  wir  also  nicht  einen 
regellosen  Wechsel  zwischen  u,  e  und  i  annehmen,  so  müs- 
sen'wir  e  und  i  als  der  stärkeren,  u  als  der  schwächeren 
form  eigenthümlich  ansehen;  dann  hat  sich  die  abgestumpfte 
conjunctivform  das  passiv -r  mittelst  des  bindevocals  u  ver- 
bunden, wie  es  im  lateinischen  überall  geschehn  ist,  die 
ursprüngliche  form  des  ind.  prSs.  und  fut.  dagegen  (-ti, 
<-nti)  entweder  ohne  bindevocal  oder,  da  das  nebeneinander 
bestehen  von  e,  i,  ei  auf  länge  deutet,  mit  einem  geschwäch- 
ten bindevocal  (wie  in  Fisimy  woneben  Fisei,  aus  Fisiam), 
der  dann  mit  dem  -i  der  activendung  zu  -e,  i,  ei  contra- 
hirt  wurde.  Ist  unsre  Voraussetzung  richtig,  so  stehen  sich 
also  im  passiv  das  -ter  oder  -ttr  (teir)  des  ind.  präs. 
und  fut.  und  das  -tur  des  conj.  (und  vermuthlich  des  im- 
perfects,  dessen  gestalt  wir  weder  im  activ,  noch  im  pas- 


*)  Vergl.  jodoch  lat  turbassitur,  juBsitur,  mercaaeitur. 


altitalisches.  407 

siv  keimen)  geradeso  gegenüber,  wie  im  aotiv  das  ursprüng- 
liche -ti  dem  ursprünglichen  -t;  doch  können  wir,  weil 
uns  die  analogie  des  oskischen  im  stich  läfst,  hier  nicht 
mit  derselben  Sicherheit  den  nachweis  f&hren  wie  im  actiir. 


2)  HER. 

Wir  haben  uns  oben,  um  den  gang  der  Untersuchung 
nicht  aufzuhalten,  die  besprechung  einiger  formen  der  wur- 
zeln HER  und  FU  versagen  müssen,  die  wir  jetzt  nach- 
zuholen haben;  zunächst  HER. 

So  sicher  die  bedeutuug  dieser  wurzel  =  velle,  und 
der  dem  lat.  vel  analoge  gebrauch  einiger  formen  dersel- 
ben, so  unsicher  ist  doch  grolsentheils  die  bestimmung  der 
einzelnen  formen;  namentlich  kommen  hier  heriei  =  he- 
riiei,  heris,  heri,  herter  herte  herti  hertd,  herifi 
in  betracht.  Vollständig  klar  und  unzweifelhaft  festgestellt 
ist  eigentlich  bisher  nur  die  geltung  des  her  in  pisher 
VI.  b.  41  als  3.  sing,  praes.  (statt  hert)  und  der  beiden 
futurformen  2.  sing,  heries  I.  b.  10  und  3.  smg.  heriest 
Vn.  a.  52  (in  heries  verstümmelt  VI.  b.  48  und  vielleicht 
n.b.  21). 

herter  dagegen  mufs  zwar  nach  form  und  Zusammen- 
hang eine  verbalform  sein,  was  pusme  herter  II.  a.  40 
am  schlagendsten  beweist,  esunu  fuia  herter  HI.  1  sehr 
gut  zuläist,  kann  aber  wegen  des  r  am  ende  auf  den  älte- 
ren tafeln  unmöglich  eine  2.  plur.  sein,  wie  A.  K.  wollten; 
dies  r  lälst  vielmehr  nur  eine  deutung  zu,  als  3.  sing,  praes. 
pass.,  analog  dem  osk.  f>incier  und  dem  activen  her{t).  Der 
sinn  ist  also  „es  wird  gewollt^,  =  libet,  placet,  nicht  er- 
heblich verschieden  von  dem  tipit  U.a.  17,  nur  nicht,  wie 
die  herausgeber  gethan,  mit  licet  zu  vergleichen,  zu  dem 
beide  ausdrücke  vielmehr  in  einem  gewissen  gegensatze 
stehen  als  gelinde  bezeichnungen  eines  soll:  esunu  fuia 
herter  das  opfer  soll  geschehn;  pusme  herter  ist  in 
seiner  beziehung  zum  ganzen  weniger  klar,  so  dals  wir 
nicht  wissen,    ob   der  dativ  zum  passiv  gehört  (dat.  grae- 


408  ISbel 

cus):  cui  übet  =  qui  yult,  oder  von  dem  zn  sapplirendeo 
verbum  des  hauptsatzes  abhängt.  Dazu  stimmt  nun  dem 
sinne  nach  ganz  vortrefflich  die  form  herte  V.  a«  oder 
herti  V.  b.,  einmal  auch  heriei  VII.  b.  2,  und  der  abfall  des 
r  im  passiv  hat  nach  der  analogie  von  emantu,  iursianduj 
mugatu,  ostensendi  gar  kein  bedenken,  den  vocal Wechsel, 
namentlich  das  ei,  haben  wir  oben  zu  erklären  versucht; 
wir  sehen  daher  alle  diese  formen  als  verschiedene  gestal- 
tungen  der  grundform  ^herteir  an  und  übersetzen  YH.  b. 
quum  juvencae  torreantur  placet,  V.  b.  Clavemii  dent  pla- 
cet  u.  s.  w.  Wenn  in  V.  a.  der  sinn  nicht  überall  ganz 
klar  ist,  so  liegt  der  grund  nicht  im  herte.  Wenn  wir 
nun  weder  in  her(t)  noch  in  herter  ein  i  fanden,  so  kön- 
nen wir  das  i,  welches  in  heries,  heriest  auftritt,  auch 
nicht  f&r  so  wesentlich  halten,  dafs  wir  in  heris  und 
heri,  die  zwar  conjunctionsartig  gebraucht  erscheinen, 
aber  doch  offenbar  überall  wirkliche  verbalformen,  nicht 
conjunctionen  sind,  indicativformen  erkennen  mü&ten;  das 
i  scheint  nur  vor  vocalen  zu  stehen,  vor  consonanten  der 
endung  dagegen  auszufallen,  so  dafs  die  2.  sing,  praes«  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  hers  lauten  mülste.  Wir  erken- 
nen daher  in  heris  und  heri  conjunctivformen,  analog 
dem  lat.  velis.  Die  vollständigste  form  ist  heriiei  (11.  a.  16 
heriiei  fapiu  =  velit  facere),  das  sich  zn  heriei  (VJLh.  3 
heriei  rofu  heriei  peiu  mag  er  rothe,  mag  er  schwarze  wol- 
len) verhält  wie  triiuper  zu.  trioper^  nicht  wesentlich  ver- 
schieden ist  herie  (VI.  b.  19.  20  ebenfalls  disjunctiv  ge- 
braucht). Contrahirt  erscheint  die  3.  sing,  in  heri  (iy.26 
svepis  heri  =  si  quis  velit)  heri  (disjunctiv  gebraucht 
VI.  a.  57.  b.  46,  vermuthlich  auch  11.  b.  9. 10,  wo  es  aber 
auch  2.  sing,  sein  könnte).  Die  2.  sing,  kommt  nur  con- 
trahirtvor:  heris  La. 4.  b.  6,  verstümmelt  in  heri  offen- 
bar La.  4  (heris  vinu  heri  puni),  aller  Wahrscheinlich- 
keit nach  also  auch  I.  a.  22,  wie  wir  überhaupt  auf  der  er- 
sten tafel  die  zweite  person  finden,  während  die  6te  und 
7te  die  dritte  person  gebrauchen.  Die  grundform  heriei 
vergleicht  sich  dem  altlateinischen  siem  sies  siet,  die  ver- 


altitaliflclies.  409 

stümmeluog  der  zweiten  person  finden  wir  in  sei  si  =  sir 
wieder. 

Eine  3.  sing.  conj.  praes.  pass.  haben  wir  schon  oben 
in  dem  pu$i  neip  herUu  der  gebetformehi  vermuthet,  müs- 
sen es  aber  theils  der  nebenform  pnze  neip  eretu,  theils 
des  unklaren  Zusammenhanges  wegen  unentschieden  lassen^ 
ob  dasselbe  unserer  wurzel  angehört,  etwa  als  ein  depre- 
catives  ut  ne  placeat  (tibi)  gleich  unserm:  ,,das  wolle  gott 
nicht^.     Formell  würde  sehr  gut  passen 

hert  :  hertfer  =  heri  :  heritur. 

Das  nur  einmal  vorkommende  herifi  konnte  der  form 
nach  eine  3.  sing.  conj.  perf.  sein,  doch  lä&t  der  Zusammen- 
hang in  V.  b.  panta  muta  fratru  Atiierin  mestru 
karu,  pure  ulu  benurent,  arferture  eru  pepurku- 
rent  herifi,  etantu  mutu  arferture  si  diese  deutung 
nicht  zu,  da  weder  ein  perf.  zum  fiit.  ex.  noch  die  3«  sing. 
zur  3.  plur.  in  pepurkurent  pafst;  somit  kann  herifi 
kaum  etwas  anders  sein  ab  entweder  der  ablativ  eines 
i-stammes  oder,  wofür  traheorßVlI.  a.  25  zu  sprechen  scheint, 
ein  adverbium,  dem  sich  prüfe  einigermalsen  vergleichen 
läfst.  Jedenfalls  dürfen  wir  aus  dem  pt^fter  =  quilibet  so- 
viel entnehmen,  dals  das  wort  nicht  so  gleichgiltig  fQr  den 
Zusammenhang  ist,  als  die  Übersetzung  bei  A.  K.  voraus- 
setzt, sondern  ein  nach  belieben  ausdrückt,  zunächst 
auf  panta  bezüglich,  so  dalB  wir  pantaherifi  mit  quan- 
tamvis  (im  sinne  von  quantamcunque)  zu  übersetzen  ha- 
ben: quantamcunque  multam  firatrum  Atidiorum  major  pars, 
qui  illo  venerint,  adfertori  esse  poposcerint,  tanta  multa 
adfertori  sit. 

3)  ES  und  FU. 

Oben  ist  mit  Mommsen  gegen  Kirchhoff  und  die  ge- 
wöhnliche annähme  fust  ab  fiit.  1  gefaist;  es  sollen  hier 
mehrere  formen  der  wurzel  FU  besprochen  werden,  deren 
geltung  noch  nicht  hinreichend  festgestellt  ist. 

Wie  im  lateinischen  ergänzen  sich  auch  im  oskischen 
und  umbriscben  ES  und  FU  in  der  conjugation.     üeber- 


410  Bbel 

einstimmend   bilden  alle   drei  sprachen  von  ES  den  ind. 

praes.  (osk.  lat  sum,  osk.  ambr.  lat.  est,  osk.  set^=:  umbr. 
sent  =  lat  sunt)  und  den  inf.  (osk.  ezum  =  umbr.  crom 
s=r  lat.  esse),  umbriech  und  lateinisch  den  conj.  praes. 
(umbr.  sir  si  sei  =  lat.  sies  sis,  umbr.  si  ==  lat.  siet 
Bit,  umbr.  sins  sis  =  lat.  sient  sint).  Offenbar  ausein- 
ander gehn  sie  im  imperativ  (osk.  estud  =  volsk.  es  tu 
=  lat.  esto,  umbr.  dagegen  futu,  plur.  fututo).  Bis  hier- 
her ist  alles  völlig  klar,  zweifei  können  nur  bei  den  formen 
von  Pü  eintreten. 

Nur  im  oskischen  belegt  sind  fufans  CA.  10  und 
fusld  CA.  19.  -fufans,  das  sich  durch  sein-ns  als  3.  pL 
eines  conj.  oder  prät.  kund  giebt,  kann,  da  einen  conj.  der 
Zusammenhang,  ein  perf.  das  a  der  endung  aussdüiefsi, 
nur  imperf.  oder  plusquamperf.  sein;  zwischen  diesen  bei- 
den formen  ist  aber  die  entscheidung  nicht  so  leicht,  als 
es  scheinen  könnte.  Eine  einfache  bUdung  kann  fufans 
nicht  sein,  da  eine  solche,  wenn  wir  den  mangel  eines  aug- 
ments  und  guna's  voraussetzen  wollten,  doch  nur  *fuans 
oder  ^fuvans  lauten  könnte;  ist  es  aber  eine  zusammen- 
gesetzte, so  entspricht  das  -fans  dem  lat-bant  (dessen 
entstehung  aus  -bavant  wohl  immer  noch  trotz  Curtius^ 
einwendungen  am  wahrscheinlichsten  ist),  und  dann  fehlt 
der  beweis  dafbr,  daCs  fu-fans  ein  imperfect,  wozu  *fans 
allein  ausreichen  würde,  und  nicht  vielmehr  ein  plusquam- 
perfect  sei,  selbst  wenn  man  lat.  essem  gegen  Bopp  und 
Curtius  als  Zusammensetzung  der  wurzel  ES  mit  sich  selbst 
ansehn  will.  Das  latein.  fuerant  kann  die  Sache  begreif- 
licherweise auch  nicht  entscheiden,  da  wie  im  umbr.  futu 
gegen  lat.  esto,  so  auch  hier  das  osk.  -fans  statt  des  lat. 
-erant  zur  bildung  des  plusquamperfectums  verwenden 
konnte,  und  selbst  der  sinn  der  stelle  läfst  uns  im  stich, 
denn  ligatüs  fufans  läfst  sich  auf  drei  weison  übersetzen: 
legati  (als  subst.)  erant,  (legati  als  particip,  also  =)  dele- 
gati  erant  imd  delegati  fuerant.  Da  wir  nun  weder  wis- 
sen, ob  ligatüs  hier  subst.  oder  particip  ist,  noch  in  der 
analogie  des  römischen  Sprachgebrauchs  eine  sichere  ent- 


altitolisches.  411 

Scheidung  f&r  erant  oder  fiierant  finden  können,  so  mnfs 
diese  frage  noch  als  eine  offene  betrachtet  werden,  bis  voll* 
ständigere  analeren  fbr  das  eine  oder  andere  gefiinden  sind. 

fusid  ist  von  Monunsen,  früher  auch  von  Cortius 
und  von  mir,  als  futurum  gefafst  worden,  das  im  jüngeren 
dialecte  der  TB.  zu  fust  zusammengezogen  wäre.  Seitdem 
aber  die  umbriseben  Sprachdenkmäler  erschienen  sind,  hat 
Kirchhoff  (allgem.  monatsschrift  1852,  s.  821),  so  viel  ich 
weifs,  zuerst  fusid  als  conj.  perf.  gedeutet,  da  sich  fust 
auch  im  umbriseben  als  futurum  wiederfand;  die  richtig- 
keit  dieser  formbestimmung  kann  nicht  mehr  bezweifelt 
werden,  seitdem  Bugge  den  unterschied  voller  und  stum- 
pfer formen  im  oskischen  nachgewiesen  hat.  Dadurch  wird 
zugleich  meine  II,  59  ausgesprochene  vermuthnng,  dals 
CA.  23  fuvid  zu  lesen  sei,  zweifelhaft;  ist  auch  diese  in- 
schrift  leider  so  verstümmelt,  dais  das  erste  fusid  in  sei- 
ner bedeutung  für  den  Zusammenhang  unklar  ist,  so  geht 
doch  aus  dem  tribarakattins  48.  und  patensins  51. 
so  viel  klar  hervor,  dafs  ein  fusid  mit  imperativischem 
sinne  in  zeile  23.  keinem  bedenken  unterliegt,  somit  weder 
estud  noch  fuvid  nothig  ist.  —  Dies  fusid  entspricht 
übrigens  nicht  nur  dem  lat  fuerit  einigermafsen,  sondern 
auch  noch  genauer  den  altlat.  formen  au8im,faximu.s.w.; 
zugleich  zeigt  es,  dais  bei  fufans  wenigstens  der  mangel 
der  reduplication  nicht  als  beweis  ttr  die  imperfectnatur 
gelten  darf. 

Im  umbriseben  allein  belegt  sind  fefure(?),  fuiest, 
scheinbar  auch  fuia.  —  Wäre  die  stelle,  in  der  fefure 
allein  vorkommt,  II.  a.  3.  4  verständlicher,  als  sie  uns  bis 
jetzt  ist,  so  würden  wir  darüber  urteilen  können,  ob  fe- 
fure eine  3.  conj.  perf.  von  fu  wäre,  was  die  form  aller- 
dings zuliefse;  vergleiche  umbr.  dersicu$t  mit  osk.  dicust 
und  hinsichtlich  des  wechseis  von  e  und  i  altes  her t er 
herte  mit  neuem  herti^  hertei,  wonach  fefure  osk.  fusid 
entsprechen  könnte.  Leider  ist  jedoch  nicht  einmal  klar, 
wie  nach  Ausscheidung  der  anscheinenden  abl.  abs.  karne 
speturie  Atierie  aviekate  die  worte  pere  — aiu  urtu 


412  Bbel 

fefare  zu  oonstruiren  sind;  wir  können  also  auch  nicht 
entscheiden,  ob  fefare  der  wurzel  FU  angehört  —  fuiest 
in  V.  a.  8.  9  pihaklu  pune  tribri^u  fuiest  ist  offen- 
bar  ein  fut.  1  und  als  solches  auch  von  A.  K.  gefa&t  wor- 
den; ich  kann  mich  aber  mit  der  Übersetzung  erit  nicht 
einverstanden  erklären,  sondern  sehe  fuiest  als  fut.  von 
*fuiu  =  lat.  fio  an,  welches  ich  aus  *fovio  foio  von 
FU  (wie  forem  aus  ^foverem,  da  man  doch  Übergang 
von  u  in  o  im  lateinischen  nicht  annehmen  kann,  und  wie 
bont  aus  bonoi)  entstanden  glaube*),  und  finde  in  unserer 
stelle  genau  den  sinn  des  lat  fio  als  passivs  von  facio  wie- 
der: quum  piaculum  trittys  fiet,  wenn  eine  dreizahl  als  sühn- 
opfer  geopfert  werden  wird  (vgl.  den  appositiven  gebrauch 
in  den  foimeln  auf  tafel  VI.  a,  namentlich  54.  comohota 
tribrisine  buo  peracnio  pihaclo).  Ist  das  fuiest  ein  lat 
fiet,  dann  erklärt  sich  auch  das  feste  i  hier  sowohl  wie  in 
fuia  =  fiat  als  dem  präsensstamme  angehörig  (s.  umbr. 
sprachdenkm.  II,  320). 

Umbr.  fuia  dürfen  wir  nämlich  nicht  von  osk.  fuid 
isolirt  betrachten;  sie  gehören  zusammen  wie  umbr.  und 
osk.  fast  Osk.  fuid  hat  man  bis  jetzt  freilich  immer  mit 
sit  übersetzt,  wo&r  das  scheinbare  fehlen  des  *sid  im  os- 
kischen  und  die  scheinbare  analogie  des  lat.  fiiat  zu  spre- 
chen schien.  Allein  erstlich  ist,  wenn  auf  den  uns  bekann- 
ten denkmälem  kein  sid  vorkommt,  damit  nicht  sein  nicht- 
Vorhandensein  bewiesen;  zweitens  mü&te  nach  dem,  w^as 
wir  bisher  vom  osk.  conjunctiv  wissen,  dem  lat  fuat  eher 
ein  osk.  *fuad  gegenüberstehen;  endlich  entspricht  osk. 
fuid  dem  umbr.  fuia  gerade  wie  osk.  deieaid  dem  umbr. 
poriaia.  Wenn  nun  schon  überhaupt  ES  und  Fü  sich 
nie  ganz  decken,  wie  ags.  bSo,  slav.  b^d^  als  fut  dem 
präs.  @om,  jesm'  gegenübersteht,  lat  fore  dem  esse, 
und   nur   in   einigen  formen  wie  forem  und  essem  der 


*)  Die  bedeutUDg  ich  trete  ins  sein,  d.  h.  ich  werde,  tritt  gerade 
so  im  faturbilder  -syftmi  auf,  skr.  d&sy&mi  drückt  genaa  das  83rnthetiach 
ans,  was  ich  werde  geben  analytisch. 


altitalisches.  413 

unterschied  mehr  verwischt  ist,  so  sind  wir  von  vornherein 
durch  nichts  berechtigt,  umbr.  fuia  und  si  nur  als  gleich- 
bedeutende nebenformen  anzusehen;  namentlich  aber  kön- 
nen wir  formen  wie  arhabas  gegenüber  das  i  von  fuia 
nicht  als  blofsen  conjuncüvcharacter  betrachten,  sollte  auch, 
wie  fuid  vermuthen  läfst,  präsens-  und  moduscharacter  sich 
darin  gemischt  haben.  Ich  sehe  daher  in  fuia  ebenfalls 
ein  lat.  fiat,  und  finde  dies  auch  dem  sinne  sowohl  im 
umbr.  esnnu  fuia  herter  III,  1  =  sacram  fiat  placet, 
als  im  osk.  pr.  censtur  Bansae  nipis  fuid  nei  svae  q.  fust 
u.  s.  w.  angemessener,  als  ein  sit. 

Mehr  Schwierigkeit  macht  fust.  Ist  nämlich  fuiest 
==  fiet,  so  liegt  in  der  form  allerdings  keine  ndthigung 
mehr,  fust  als  fuerit  und  nicht  als  erit  zu  fassen,  da  sich 
fust  von  der  wurzel  FU  ebenso  leicht  als  fut.  1  ableiten 
läfst,  wie  umbr.  prupehast  vom  stamme  peha-,  osk. 
censazet  von  censa-^  aufserdem  jedes  zeichen  eines  tempns 
der  Vergangenheit  fehlt,  während  dem  osk.  dicust  ein  umbr. 
dersicust  gegenübersteht,  und  osk.  dicust  selbst  vne  hipust 
sich  wenigstens  durch  vocalwechsel  vom  deic-  und  hafi- 
der  präsenszeiten  unterscheidet.  Dafs  die  abgeleiteten  verba 
ihr  fiit.  2  mit  -fust  oder  -ust  bilden,  beweist  auch  nichts 
fQr  das  einfache  fust,  da  ja  im  lat.  venero,  veneram  auch 
nur  die  endung  der  präsenszeiten  ero,  eram  erscheint  (nur 
dafs  in  den  übrigen  personen  des  iut.  der  conj.  eingetreten 
ist,  am  klarsten  in  venerint).  Auch  ist  in  den  meisten 
stellen  ein  fuerit  mindestens  überflüssig,  so  tab«  VI.  a.  7 
sve  mujeto  fust,  b.  39.  40.  41  persnis  fust,  42.  VII.  a.  45 
=  I.  b.  39.  V.  a.  19  purditom  fust,  I.  b.  7  =  VI.  b.  47  ocar 
pihos  fust,  V.  a.  22  ape  frater  ^ersnatur  furent,  in 
einigen  sogar  störend,  wie  VII.  b.  1  pisi  panupei  fratrexs 
fratrus  Atierier  fust,  V.  a.  4.  11  arfertur  pisi  pumpe 
fust,  TB.  19  pis  cevs  Bantins  fust  censamur,  22.  poet 
eizeis  fust  pae  ancensto  fust,  23.  svae  praefucus  pod  post 
exac  Bansae  fust.  Nur  im  letzten  abschnitt  der  TB.  pr. 
censtur  Bantins  nipis  fuid  nei  svae  q.  fust  giebt  man  frei- 
lich das  fuerit  ungern  auf,  und  ich  weiis  hier  kein  anderes 


414  Eb«l 

auskonftsmittel  als  den  amtstitel  f&r  bleibend  anzusehen,  so 
dafs  praetor  nicht  blofs  den  wirklichen,  sondern  auch  dra 
gewesenen,  den  vir  praetorius  bezeichnet  Wenigstens  scheint 
mir  das  immer  noch  natürlicher,  als  dem  oben  angefahrten 
beispiele  ein  faerit  aufzuzwingen  gegen  den  sinn  nnd  ge- 
gen die  analogie,  auf  die  uns  selbst  fusid  hinweist;  man 
vei^leiche  hipid  und  hipust^  tribarakattins  und  triba- 
rakattuset,  und  man  wird  gewiis  nicht  geneigt  sein,  ne- 
ben fusid  ein  fiit  2.  fust  zu  statuiren,  woi&r  sich  im  os- 
kischen  eher  ein  *fusust  oder  *fufust,  im  umbrischen 
allenfalls  auch  ein  'fefust  erwarten  liefse. 

Darf  ich  eine  vermuthung  aussprechen,  so  stelle  ich 
mir  die  zusammengesetzten  weiten  von  FU  im  oskischen 
in  folgender  gestalt  vor:  perf.  ind.  *fued  ^fuens,  conj. 
fus^id  *fusins,  plusquamperf.  *fufad  fufans,  fut.  ex. 
*fufu8t  *fufu8et.  Dafs  ein  fut.  ex.  *fufust  neben  ei- 
nem conj.  perf.  fusid  möglich  war,  zeigt  das  umbr.  ise 
L  b«  8,  das  schwerlich  etwas  anderes  als  conj.  perf.  sein 
kann,  neben  eftut  VI.  b.  47;  durch  das  s  von  ise  scheint 
aber  auch  die  möglichkeit  ausgeschlossen,  dafs  fefure  in 
der  oben  angedeuteten  weise  der  wurzel  FU  angehöre.  Es 
ist  sogar  nicht  unmöglich,  dafs  uns  im  umbr.  ""fufust  in 
der  Zusammensetzung  erhalten  ist.  Wenn  wir  nämlich  das 
compositum  aterafust  betrachten,  so  mufs  uns  auffallen, 
dafs,  fust=:fuerit  gesetzt,  die  umbr.  form  einem  lat.  *de« 
daverit  entsprechen  würde,  wogegen  sie,  wenn  man  fust 
=  erit  annimmt,  dem  lat  dederit  gerade  nicht  widerspricht. 
Von  abgeleiteten  verbis  der  a-conjugation  sind  bisher  keine 
beispiele  eines  fut  ex.  gefunden,  als  combißan^usty  welches 
einen  fremdartigen  einschub  zwischen  stamm  und  endung 
zeigt;  dagegen  erscheint  V.  a.  20  eine  wunderbare  zusam- 
menstellimg  ape  subra  spafu  fust,  wo  die  herausgeber 
spatu  vermuthen.  Das  verbum  spa-  scheint  zwischen 
activer  nnd  deponentialer  flexion  zu  schwanken,  denn  wir 
finden  subra  spahmu  VI.  b.  17  :=  subra  spahamu  VII.  a.  39 
neben  subra  spahaiu  VI.  b.  41;  bei  der  unklaren  construc- 
tion  in  unserer  steUe,   wo  das  subject  mehrfach  wechselt, 


altitalisches.  415 

liefse  sich  nnn  recht  wohl  denken,  dafs  in  diesem  satse 
der  arfertnr  wieder  subject  wäre  wie  in  ape  apelnst, 
sonach  wäre  es  nicht  finmöglich,  dafs  wir  ohne  weitre  an- 
dening  nur  spafufust  zu  verbinden  und  hierin  ein  ftit« 
ex.,  einem  lat.  -averit  entsprechend,  vor  uns  hätten.  Wo 
so  vieles  unklar  ist  wie  hier,  darf  ja  wohl  auch  die  ver- 
muthung  ihr  heil  versuchen,  sobald  sie  sich  nur  an  irgend 
welche  analogien  anlehnen  kann;  so  empfehle  ich  denn 
meine  vermuthung  der  prüfiing  der  mitforscher  auf  diesem 
gebiete. 

4)  Die  enclitica  -pid,  pct,  que. 

Das  -que,  welches  dem  fragepronomen  und  seinen 
ableitungen  im  lateinischen  angehängt  wird  (vergl.  quisque, 
uterque,  -cunque  =  älterem  -quomque,  utique,  usque,  ubi- 
que,  quoque)  scheint  auf  den  ersten  blick  vom  -que  „und*^ 
nicht  wesentlich  verschieden.  Dafs  es  aber  nothwendig  da- 
von zu  trennen  ist,  wenn  es  sich  auch  als  eine  ableitung 
desselben  pronominalstammes  kund  giebt,  darüber  kann  seit 
der  entdeckung  des  osk. -pid  (in  pütürüspid,  püterei- 
pid,  püturu[mpid],  pükkapld)  eigentiich  kein  zwei- 
fei sein,  wenngleich  die  formerklärung  dadurch  noch  kei- 
neswegs festgestellt  ist;  das  -que  „und^  erscheint  freilich 
nur  in  nep  (neip  TB.  15),  aber  diese  eine  form  reicht 
schon  hin,  um  den  unterschied  erkennen  zu  lassen.  Das 
ursprünglich  vocalisch  auslautende -que  =:  skr.  ca,  griech. 
Tc,  goth.  -h{va)  (IV,  142)  hat  im  oskischen  nach  stehen- 
dem gesetze  sein  e  verloren,  wie  pon  =  quunde,  pan  = 
quande*),  während  das  lateinische  in  der  abwerfnng  des 
e  =  a  schwankt,  atque  neque  neben  ac  nee,  das  um- 
brische  in  pune  pone^  pane  den  vocal  behalten,  in  neip 
(nep)  abgeworfen  hat.     Peter  hat  dies  -pid  dem  skr.  -cit 


•)  Ich  weiche  deshalb  auch  von  Corssen's  sonst  trefflicher  deutung  des 
osk.  -en  (V,  124)  insofern  ab,  als  ich  lieber  das  lat.  in  de  darin  finden 
möchte  mit  assimilation  und  abwurf;  auch  umbr.  eine  VI.  a.  10.  11  konnte 
hierher  gehören. 


416  £bel 

verglichen,  obwohl  die  bedentung  nicht  genau  stimmt;  das 
oskische  liefse  etwa  auch  an  das  neutrum  quid  denken; 
in  beiden  fällen  wäre  aber  nicht  abzusehen,  woher  die  lat 
form  que  ohne  endconsonanten  stammte.  Das  umbrische 
widerlegt  beide  annahmen  und  weist  uns  zugleich  auf  die 
einzig  mögliche  erklärung  hin.  Im  umbrischen  erscheint 
das  neutr.  pron.  in  der  gestalt  perd  (die  nebenformen  & 
bei  A.  K.)  mit  -e  componirt,  die  enclitica  dagegen  als  -pe 
in  pumpe  =  cunque,  putrespe  =  utrisque,  ape,  als 
-pei  in  panupei  =  quandoque,  podruhpei  =  utroque,  apei; 
die  constante  Schreibung  pei  (nur  ape  findet  sich  auch  auf 
jüngeren  tafeln)  zeigt,  dals  das  e  der  encl.  lang  ist,  wider- 
legt also  die  annähme  (sprachdenkm.  I,  30),  dais  -pe  un- 
mittelbar aus  dem  neutr«  pid  heryorgegangen  sei,  da  sich 
sonst  nie  verl&ngerung  in  folge  eines  consonantenabfalls  zeigt 
Ist  aber  umbr.  -pe  mit  osk.  -pid  und  lat.  -que  iden- 
tisch, so  mufs  im  lateinischen  eine  yerkürzung  eingetreten 
sein,  wie  wir  sie  überall  da  anzunehmen  haben,  wo  auslau- 
tendes e  nicht  aus  a  hervorgegangen  ist;  das  osk.  i  kann 
Verkürzung  erfahren  haben,  es  kann  aber  auch,  wie  ligatüs 
und  andere  falle  zeigen,  die  ursprüngliche  lange  bewahrt 
haben.  Die  grundform  ist  offenbar  queid  oder  peid,  d.h. 
der  ablativ,  der  uns  noch  im  lat.  qut  freistehend,  in 
quippe,  quin,  quidem  statt  quidam  (quodanmiodo), 
nequiquam  (nequidquam,  nequicquam)  componirt  erhalten 
ist:  im  lateinischen  ist  zunächst  abfall  des  d,  wie  nach 
langen  vocalen  stehend,  sodann  Verkürzung  des  ei  in  der 
enclise  eingetreten,  während  sich  im  freien  zustande  die 
länge  in  qut  erhalten  hat;  wir  gewinnen  also  einen  neuen 
beleg  zu  der  V,  189  fgd.  ausgesprochenen  ansieht  über 
das  lat.  e  im  auslaute;  das  umbrische  hat  wie  immer  das 
auslautende  d  abgeworfen,  das  oskische  in  seinem  -pid 
die  Urform  am  treusten  bewahrt. 

5)  pert  und  per. 

Bei  Corssen  V,  101  finde  ich  eine  ansieht  wieder,  die 
ich  vor  Jahren  in  einem  hm.  dr.  Aufrecht  zugesandten,  ver- 


altitalisches.  417 

mathlich  verloren  gegangneo  nachtrage  zu  meinem  oskischen 
im  zweiten  bände  dieser  Zeitschrift  ausgesprochen  hatte,  dafs 
nämlich  in  ampert  das  pert  des  CA.  enthalten,  pert 
viam  mit  ultra  viam  zu  übersetzen  sei;  da  ich  indessen 
nicht  in  allen  puncten  mit  0.  Übereinstimmen  kann,  andrer- 
seits aber  durch  seine  besprechung  auf  neues  gekommen 
bin,  wird  eine  nochmalige  behandlung  dieses  punctes  nicht 
ungerechtfertigt  erscheinen. 

Zunächst  sind  pert  mit  dem  accusativ  und  das  umbr. 
per,  welches  dem  ablativ  sufiSgirt  wird,  streng  zu  scheiden. 

1)  pert  mit  dem  accusativ  hängt  offenbar  mit  skr. 
param  =  osk.  perum,  mit  paratas,  paratra  und  dem 
griech.  nigav  zusammen,  sowie  mit  dem  pron.  para  „der 
andre^,  als  erste  bedeutung  ergiebt  sich  danach  entweder 
an  der  andern  seite  oder  nach  der  andern  seite, 
so  dafs  pert  viam  genau  einem  ultra,  trans  viam  ent- 
spricht. Von  der  verbalen  abstammung  des  pron.  para, 
somit  auch  unseres  pert,  kann  ich  mich  jedoch  so  wenig 
Überzeugen,  wie  von  der  Verwandtschaft  des  lat.  pars;  fbr 
skr.  para  hat  immer  noch  die  ableitung  aus  apara  viel 
itkr  sich,  und  lat.  pars  stellt  sich  offenbar  zunächst  dem 
griech.  nogelv  und  Ttengtofiivog*)  an  die  seite.  Dage- 
gen zieht  Corssen  mit  vollem  rechte  das  umbr.  pert  spi- 
nia  herbei,  das  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ebenfalls  einen 
accusativ  enthält,  von  A.  K.  aber  doch  mit  recht  in  per 
geändert  scheint:  wollen  wir  auch  auf  das  nur  einmal  vor- 
findliche  her  statt  hert  nicht  allzuviel  geben,  so  erscheint 
doch  auch  post  auf  den  altern  tafeln  beständig  zu  pus 
abgestumpft,  so  dafs  in  älterer  zeit  ein  regelmäfsiger  ab- 
fall  sich  vorbereitet  zu  haben  scheint,  dem  später  zum  teil 
wieder  einhält  gethan  wurde,  vergl.  trijuper  irioper  und 


*)  Ebenso  wie  ntitgat^iroq  zu  noqtXv  verhält  sich  ilfiagfidvij  zuf/t- 
ftoQt,  und  wenn  Benfey  (wnrzellex.  11,  40  und  gött.  anz.  1851,  stück  141) 
den  Spiritus  asper  ftlr  unorganisch  erklärt,  so  ist  vielmehr  seine  vergleichnng 
von  fitiQOfiai  und  skr.  mfsh  falsch,  und  fieCgofiai  gehört,  wie  ti'fiaQtat, 
fftfioQt,  a/ifioQoq  zeigen,  zu  skr.  smar  (smir),  hat  aber  die  sinnliche 
grundbedeutung  besser  bewahrt,  von  der  wir  auch  zur  erklärung  von  a/i- 
ßgorov  =s  fjfiaQtov  leichter  gelangen,  als  von  der  des  skr.  smr. 
V.    6.  27 


418  £bel 

das  altlat  pos,  das  jedenfalls  nicht  grandform,  sondern 
abstompfung  des  später  wieder  herrschenden  post  ist 
Vollständig  identisch  mit  osk.  pert  scheint  mir  jetzt  auch 
das  lat.  per,  welches  ich  früher  mit  pari  neQi  zusam- 
mengestellt habe,  nnd  wie  im  lateinischen  per  und  trans 
vielfach  verwechselt  werden,  so  beschränkt  sich  auch  osk. 
pert  nicht  auf  die  bedeutung  „jenseits,  über*;  vielmehr 
tritt  in  pertumum  das  »per*  völlig  so  auf  wie  in  dem  da- 
mit identischen  lat.  perimere*  Nach  meiner  ansieht  be- 
deutet also 

osk.  pert  =  umbr.  lat.  per  teils  ^nach  der  andern 
Seite*:  1)  durch,  2)  über,  teils  „an  der  andern  seite*: 
3)  jenseits;  es  erscheint  bald  als  präposition  mit  dem 
acc,  —  pert  viam,  per(t)  spinia(m),  per  pontem — , 
bald  als  präfix  —  osk.  pertumum  =  lat.  perimere,  umbr. 
pertentu  — ,  bald  als  aifix.  In  letzterer  bezieh ung  sind 
besonders  wichtig  die  zahladverbia 

osk.  petiropert  {petirupert)  „viermal*  und  umbr.  trij  u- 
per  3=  trioper  „dreimal*,  die  sich  dem  lat  parumper 
tantisper  semper  an  die  seite  stellen,  aber  bisher  noch 
von  niemand,  auch  von  Corssen  nicht,  richtig  analysirt  sind. 
Alle  erklärer  haben  übersehen,  dafs  per  hier  nicht  dem 
stamme,  sondern  dem  acc.  pl.  neutr.  angehängt  ist,  so  dafs 
petiropert  und  trijoper  die  ursprüngliche  form  ist,  also 
eigentlich  nichts  weiter  ausgedrückt  ist,  als  durch  drei, 
durch  vier,  gerade  wie  lat  semper  nichts  weiter  besagt 
als  durch  eins  (sem  =  Hv  aus  samam,  wie  in  den 
V,  165  angefahrten  formen  simples  und  singuli)  d.  h. 
in  einem  fort     Sehr  geistig  gefafst  ist  das  ultra  im 

ampert  der  TB.,  welches  ich  heute  noch  wie  früher 
als  an- pert  deute,  d.  h.  non  ultra.  Die  präposition  in 
kann  oskisch  nur  en  lauten  (vgl.  IV,  142.  V,  62.  185.210); 
das  griech.  afio  ist  offenbar  aus  dem  organischeren  auo 
geschwächt,  müfste  also  osk.  ""sam  oder  sem  werden;  das 
einzige,  was  lautlich  noch  möglich  wäre,  am  —  statt  amfi  — 
(wie. in  amvianud,  amnud)  läTst  der  sinn  nicht  zu;  also 
bleibt  nichts  übrig,    als  in  an-  das  negationspräfix ,    das 


altitalischea.  ,  419 

UDS  in  dieser  gestalt  aus  ancensfo  bekannt  ist,  wiederzu- 
finden, so  auffallend  es  erscheinen  mag,  dafs  eine  präposi- 
tion  mit  an-,  nicht  mit  ni-  zusammengesetzt  ist. 

2)  per,  dem  ablativ  sufSgirt,  ist  bis  jetzt  nur  im  um- 
brischen  nachgewiesen  und  zwar  an  allen  dem  verständnifs 
erschlossenen  stellen  mit  der  bedeutung  für;  es  kann  aber 
wohl  nicht  zweifelhaft  sein,  dafs  die  grundbedeutung,  wie 
im  lat.  pro,  dessen  stelle  es  vertritt,  vor  ist,  wie  sie  in 
den  ableitungen  perne  und  pernaio  noch  deutlich  auf- 
tritt. Im  lateinischen  und  oskischen  scheint  diese  prSr 
Position,  wie  im  umbrischen  als  präfix,  gänzlich  zu  fehlen 
—  denn  umbr.  perakni  entspricht  offenbar  lat.  perenni, 
entweder  mit  per  =  pert,  oder  vom  pronomen  para  wie 
perendie,  und  perakri,  peretom  dürften  schwerlich 
ein  „vor'*  oder  „für"  enthalten  —  dagegen  tritt  sie  merk- 
würdiger weise  auf  romanischem  Sprachgebiet  wieder  auf 
im  ital.  per,  welches  pert  und  per  in  sich  vereinigt.  Wenn 
aber  dem  ital.  per  span.  portug.  altfranz.  por,  neufr.  pour 
zur  Seite  steht,  so  entsteht  doch  die  frage,  ob  nicht  das 
vielbesprochene  lat.  por-  in  porricio  porrigo  polliceor  por- 
tendo  (II,  477;  III,  157.  250.  395)  und  das  umbr.  pur-  in 
purdiio  u.  s.  w.  nur  eine  Variation  der  umbrischen  präpo- 
sition  ist.  Als  unmittelbare  Umstellung  von  pro  können 
wir  wenigstens  por-  nicht  ansehen,  da  lat.  prdd  offenbar 
ein  ablativ,  also  schon  eine  abgeleitete  form  ist;  eherliefse 
es  sich  mit  griech.  ngo,  skr.  pra  vergleichen,  doch  sind 
wohl  auch  diese  nur  Verkürzungen  eines  volleren  Stammes, 
wie  er  uns  im  griech.  nägog^  skr.  puras  entgegentritt,  in 
weiteren  ableitungen  im  griech*  nagal^  Ttagd^  lat.  prae  ss 
umbr.  pre  und  lat.  pr6{d),  umbr.  pru-  (in  prusikurent 
u.  8.  w.).  Das  adverbium  porro  ist  gewifs  von  Corssen 
(IQ,  252)  richtig  als  comparativ  aus  ^portro  gedeutet 
worden.  —  Wir  finden  aber  auch  im  oskischen  noch  eine 
form,  die  sich  sicherlich  nur  auf  dies  per  zurückf&hren 
läTst,  nämlich  das  seinem  wesentlichen  begriffe  nach  schon 
von  Lange  bestimmte  peremusi  der  TB.,  das  somit  formell 
einem  lat.  prompserit  am  nächsten  kommt. 

27* 


4M  ,  £b«l 

Schliefslich  noch  eine  vennuthang  über  die  form  von 
pertemutt  und  peremust  Auffallend  scheint,  daüs  periumum 
assimilation  erfahren  hat,  während  die  beiden  fut.  ex  da- 
von frei  geblieben  sind;  wir  finden  aber  gerade  bei  emo 
im  lateinischen  das  perf.  £mi,  und  ebenso  entspricht  umbr. 
benust  dem  lat.  ytoerit;  sollte  nun  nicht  in  -emust  und 
benust  auch  oskisch  (und  umbrisch)  das  e  lang  sein^  und 
seiner  Iftnge  wegen  der  assimilation  widerstanden  haben? 

6)  Suffix  -ion   und  -tion. 

Den  umbrischen  stammen  natin,  tribri^in,  ferin, 
die  lateinischen  auf -ion  und  -tion  entsprechen,  hatBugge 
y,  3  sehr  sinnig  das  osk.  tangin  beigesellt,  von  dem  uns 
gen.  tangineis^  acc.  tanginom^  abl.  tanginüd  tanginud 
erhalten  sind.  Hätte  Corssen  den  aufsatz  von  Bugge  schon 
gekannt,  als  er  (Y,  111)  nachwies,  dafs  der  trennungspunct 
in  medicaU  inam  TB.  16  zu  tilgen  sei,  so  h&tte  er  gewifs 
statt  der  wenig  ansprechenden  annähme  eines  Substantivs 
auf  -tino  hierin  ebenfalls  den  acc.  eines  fem.  medicaiin 
gesucht,  das  sich  als  f&nftes  beispiel  den  oben  genannten 
an  die  seite  stellt.  Wir  dürfen  dies  um  so  sichrer  anneh- 
men, als  medicatinam  einerseits  dem  medicaiud  gegenüber- 
steht wie  lat.  actio  dem  actus,  andrerseits  dem  t anginem 
wie  lat.  lectio  dem  legio,  umbr.  natin  dem  tribri^in. 
Ein  sechstes  derartiges  wort  scheint  das  agine  derbronze 
von  Rapino  7.  Sin  jovias  agine  iafcesuc  agine  asum 
zu  bieten,  vielleicht  ein  ablativ  wie  umbr.  tribrisine.  Von 
den  lat.  formen  unterscheiden  sich  die  genannten  jedenfalls 
darin,  dafs  sie  (wie  lien  Anien  nerien)  einen  kurzen  vo- 
cal  hinter  dem  i  gehabt  haben,  denn  ein  langes  u  oder  o 
(wie  der  nom.  tribri(;iu  zeigt)  wäre  gewifs  so  wenig  ver- 
schwunden wie  im  ablativ  der  io- stamme  Fisiu,  Jtmu, 
(Auch  konnte  sich  -ti,  was  doch  d^  hauptbestandteil 
dieser  suf&xe  ist,  eben  sowohl  mit  -an  als  mit  -van  zu 
einem  neuen  suffix  verbinden.)  Wie  sind  aber  diese  ver- 
kürzten formen  entstanden?   Durch  syncope  oder  contrac- 


«lütaliBches.  421 

tion?  Für  eine  syncope  des  zweiten  vocals  (wie  im  lat. 
carnis^  oak.  cameis  neben  nmbr.  karu)  liefse  sich  der 
nominativ  der  o-declination ,  namentlich  Tratitis,  Koisis 
anfahren,  fbr  ausfall  des  ersten  i  vor  dem  zu  e  oderi  ge- 
schwächten o  oder  u  die  conjunctive  habas,  tmigaiu.  Eine 
contraction  aus  ie,  wozu  sich  io  geschwächt  h&tte  (wie 
im  loc.  Fisiem  statt  Fisiam)^  scheint  aber  doch  eher  an- 
zunehmen, da  auch  der  acc.  Fisim  wegen  der  nebenformen 
Fisei,  Grabave,  und  weil  das  o  sonst  im  acc.  mase.  und 
nom.  acc.  neutr.  nie-  (wie  im  nom.  masc,  vor  s)  ausgestolsea 
ist,  schwerlich  als  syncopirte,  vielmehr  als  contrahirte  form 
anzusehen  ist;  ich  setze  also  nation  natien  natin  als 
die  yermnthliche  entwicklungsreihe  dieser  formen  an« 

7)  Fragen  und  bedenken. 

Tab.  Ig.  VI.  a.  7  sve  mujeio  fust  ote  pisi  arsir  andere 
sesust^  disleralinsmt  enthält  offenbar  eine  bestimmung  fbr 
den  fall,  dafs  das  silentium  verletzt  wird;  zu  erwarten  ist 
eine  Vertagung  der  opferhandlung.  Sollte  nicht  in  diskr 
eine  form  von  diget  verborgen  sein,  und  dies  dem  osk.  »icel 
entsprechen,  in  alt  ein  analogon  entweder  des  rom.  aliua 
oder  des  osk.  allo  liegen,  so  dafs  die  vermuthlich  entstell- 
ten werte  ein  alio  die  bärgen?  In  IL  b.  21  sqq.  vitlu 
vufru  pune  heries  fa^u,  eruhu  ti9lu  seste  Juve- 
patre  würde  wenigstens  ein  eodem  die  nicht  gerade  wi- 
dersinnig sein,  und  in  U.  a.15  huntia  katle  tifel  sta- 
kaz  est  deutet  das  folgende  sume  ustite  u. s.  w.  auch 
auf  eine  Zeitbestimmung,  in  III,  25  tif^lu  sevakni  fei  tu, 
27  tiplu  sevakni  naratu  liefse  sich  ein  die  sollenni 
auch  wohl  erklären. 

I.  b.  20  armamu  kateramu  Ikuvinu  =  VI.  b.  56 
arsmahatno  caterahamo  Jotinur  ist  bis  jetzt  noch  ganz  un- 
klar, da  Ijotinur  nom.  oder  voc.  pl.,  arsmamo  caierdsno  l.pl. 
act.  oder  pass.  sein  kann,  und  keines  der  beiden  verba  uns 
bekannt  ist.  arstiM-  scheint  dem  lat.  armare  zu  entspre- 
chen, etwa  in  weiterem  sinne  „rüsten^,  catera^  erinnert  an 


422  £bel 

caterva;  sollte  der  aus  Weisung  der  firemdea  ein  »wir  rfi- 
steu,  wir  schaaren  uns,  Iguviner^  als  anfforderung  folgen? 

Ueber  tuder  gehen  die  herausgeber  zu  leicht  hinweg; 
todcame  tuder  VI.  a.  10. 11  deutet  auf  ein  neutrum  con- 
sonantischer  endung,  und  todceir  tuderus  widerspricht  nicht, 
dagegen  weist  handra  esto  iudero,  porsei  subra  screihtar 
sent^  z.  15  auf  ein  masc,  und  tuderor  toicar  z.  12  aufser- 
dem  (wenn  man  frater  Atiersiur  vergleicht)  auf  einen 
o-stamm.  Will  man  nicht  fehler  annehmen,  so  bleibt  nichts 
übrig,  als  zwei  Wörter,  ein  neutrum  tuder  und  ein  masc. 
tuder  (statt  tuderos)  anzuerkennen;  dann  ist  aber  auch 
noch  nicht  erwiesen,  dafs  hondra  und  subra  den  geuitiv 
regieren,  denn  man  kann  eben  sowohl  tuderof  als  tuderom 
ergänzen. 

Bei  Corssen's  behandlung  der  „locative**  auf  -im 
u.  s.  w.  (V,  119)  sind  mir  starke  bedenken  aufgestofs^i. 
Darüber,  dafs  tibi  ubi  ibi  wirklich  aus  formen  auf 
-bhyam  hervorgegangen  sind,  kann  wohl  kein  zweifei  sein, 
aber  dafs  dein  exin  proin  und  ähnliche  formen  unmitr- 
telbar  aus  -m  entstanden  wären,  widerspricht  den  lateini- 
schen Sprachgesetzen,  die  m  am  ende  bisweilen  abfallen, 
aber  nie  zu  n  werden  lassen.  Dafs  kein  in  und  un  vor- 
kommt, deutet  auch  daraufhin,  dafs  dein  proin  exin 
aus  de  in  de  u.  s.  w.  (in  folge  des  überlieferten  accents 
d^inde)  verkürzt  sind;  unquam  gehört  vollends  nicJht 
hierher,  es  ist  aus  quumquam  cunquam  wie  uter  aus 
cuter  entstanden;  und  en  darf  wohl  von  ecce  nicht  ge- 
trennt werden,  dieselbe  noch  unbekannte  grundform  scheint 
dort  mit  dem  jGragenden  -ne  (vgl.  viden  statt  videsne),  hier 
mit  dem  deiktischen  -ce  componirt;  vom  osk.  -en  habe 
ich  oben  gesprochen.  In  den  localen  ablativen  kann  fer- 
ner -de  sicher  nicht,  wie  oben  behauptet  wird,  aus  die 
entstanden  sein;  das  ist  wohl  überhaupt  unmöglich,  dafs 
Zeitbezeichnungen  auf  räumliche  anschauungen  übertragen 
werden,  während  das  umgekehrte  (inde  —  deinde,  hinc  — 
abhinc)  ungemein  häufig  ist;  ohne  eine  solche  Voraussetzung 
lä&t  sich  aber  in  diesen  partikeln  ein  dies  nicht  erklären. 


altitalisches.  423 

(Dagegen  kann  pridem  sehr  wohl  ein  diem  enthalten.) 
Endlich  scheint  es  mir  sehr  inconsequent,  den  umbr.  ziel- 
locativ  im  sing,  zu  bezweifeln  und  im  plural  festzu- 
halten, während  doch  alle  sprachen  im  plural  weit  eher 
Verwischung  der  casusunterschiede  zeigen.  Ich  bin  viel- 
mehr jetzt  zu  der  Überzeugung  gelangt,  dais  auch  der  ru- 
helocativ  im  umbr.  plural  verschwunden  und  durch  eine 
wirkliche  composition  (fesner-en,  fontlir-en,  wo  s  wie 
in  eront  in  r  übergegangen)  ersetzt  ist;  im  sing,  halte 
ich  Ijovinem,  totem,  Fisiem,  ocrem  für  die  echte  lo< 
cativform,  die  sich  dem  lat.  -im  an  die  seite  stellt,  und 
finde  in  ioteme  Ijoeinem  ein  suffigirtes  -en,  welches  der 
im  schwinden  begriffenen  form  zur  stütze  beigegeben  wurde, 
ebenso  wie  im  polnischen  und  russischen  z.  b.  der  locativ 
(präpositiv),  im  celtisohen  der  dativ  nie  ohne  präposition 
erscheint. 

April  1856.  H.  Ebel 


Denken  und  sprechen. 

1. 
Wir  nennen  ein  ding  ein  etwas,  in  welchem  eine  an- 
zahl  eigenschaften,  durch  eine  innere  beziehung  zusammen- 
gezogen, ein  sinnliches  ganzes  bilden.  Diese  beziehung  zu 
sich  selbst  als  ganzem  bildet  das  ding,  ist  das  wesen  des 
dinges  —  wo  diese  beziehung  aufhört,  hört  das  ding  auf. 
Dieses  aufsichselbstbezogensein,  dieses  insichselbstzusam- 
mengezogensein  drückt  unser  altes  Zeitwert  dingan  aus, 
was  freilich  unsere  althochdeutschen  sprachreste  nicht  mehr 
aufweisen,  wohl  aber  die  angelsächsische  mundart  in  dem 
starken  Zeitwerte  ]>ingan  (ge]>ang,  ge)>imgon,  ge]>ungen). 
Dies  bedeutet  also:  Etwas  rechtes  sein,  etwas  zu  bedeuten 
haben,  ein  ansehen,  gewicht  haben,  schwer  sein.  Das  Sub- 
stantiv )>ing  heilst  also  ursprünglich:  Jedes,  was  eine  be- 
deatung,  beziehung,  ein  ansehen,  ein  gewicht,  einen  schwer- 


424  Leo 

punkt  in  sich  hat,  nachdem  es  sich  als  ein  ganzes  zusam- 
menziefat;  es  ist  der  gegensatz  der  einfachen,  blofs  abstrac- 
ten  gedankenbildungen:  ein  ding.  Das  particip  ge)»ungen 
begegnet  auch  in  adjectivischer  Verwendung  mit  der  be- 
dentung:  beziehungsvoll,  gewichtig,  schwer,  gravis,  emeri- 
tus.    Das  Substantiv  ge]>ang  bedeutet:    ansehen,  gewicht. 
Es  begegnet  in  Salomon  and  Saturn  ed.  Kemble  p.  180, 
wo  von  den  acht  pfunden,  aus  denen  Adam  geschaffisn  sein 
soll,  die  rede  ist;    da  heiTst  es:  fifle  väs  gifepund,  )>anon 
him  väs  geseald  se  fät  and  ge]>ang  —  das  fbnfte  war  ein 
gnadenpfund,    wodurch  ihm  zugetheilt  ward  fett  und  ge- 
wicht —  oder:  schwere,  ansehen,  bedeutung.    Noch  zwei 
andere    substantiva    sind    zu    berücksichtigen  —  nämlich: 
ge]>inc9  (gewöhnlich  falsch:  gej^ynctS  geschrieben),  welches 
die  art  der  inneren  beziehung  bezeichnet,  die  schwere,  die 
würde,  den  zustand,  den  stand,  den  plan,  die  art  und  ord* 
nung  einer  sache  in  sich  selbst:    firmamentum,  ordo,  g^ra- 
dus,  initium,  propositum  —  und  sodann,  weil  es  in  der  re- 
gel  zur  Verwendung  kommt,  wo  von  einem  ausgezeichneten 
gewicht,  stand,  von  einer  hohen  Ordnung  die  rede  ist:  ho- 
nor,  culmen,  summitas.     Das  c  in  diesem  worte  ist  offen- 
bar nur  durch   die  folgende  aspirata  statt  g  herbeigeführt 
und  ward  sehr  schwach  gesprochen,    denn  öfter  begegnet 
auch  nur  die  Schreibung:   ge]>inht$,  ja!  sogar  blois  gej>ind. 
—  Das  andere  wort  ist  ge]>inc  (för  ge]>ingc  —  denn  hier 
ist  der  gutturale  auslaut  verhärtet,  weil  wahrscheinlich  in 
älterer  sprachstufe  noch  ein,  später  abgefallener,  endconso- 
nant  sich  anschlofs).    Dies  bedeutet:   das  innere  abwägen, 
das  erwägen,  ermessen,  die  berathung  —  und  dann  auch 
die  raths-  oder  gerichtsversammlung,  wo  erwogen  und  er- 
messen wird.     Dies  wort  ist  auch  althochdeutsch  vorhan- 
den und  lautet:  gading  oder  gewöhnlich  blois  ding. 

Von  dem  zuletzt  erwähnten  worte  giebt  es  im  angel- 
sächsischen zwei  denominativa;  nämlich:  gel>ingan  (prät 
ge]>ingde)  d.  h.  einem  zu  erwägen  geben,  einem  zur^eD, 
bei  einem  vermitteln,  mitigare;  das  andere  ]>ingian  (prät. 
Jyingode)  d.  h.  in  einer  erwägung,  in  einer  rathsversamm- 


denken  nnd  sprechen.  425 

luDg,  gerichtsversammlung  sprechen;  gründe,  gemcbte  zur 
erwägung  bringen.  Es  wird  mit  der  präposition  ät  ge- 
braucht, wenn  die  erwägung  fbr  einen  anderen  statt  hat: 
)>ingian  ät  sumum,  intercedere  pro  aliquo,  ftbr  jemanden  in 
einer  beratbung  oder  vor  einem  gerichte  f&rsprech  sein. 
Mit  vilS  componirt,  heifst  es :  mit  einem  anderen  eine  sache 
durch  erwägung  aufs  reine  bringen  —  Ti8]>ingian ,  mit  je- 
mandem sich  auseinandersetzen,  vertrag  scbliefsen. 

Zunächst  sei  uns  erlaubt  von  der  Wortfamilie,  so  weit 
wir  sie  übersehen,  einen  blick  rückwärts  zu  werfen,  ob  sich 
nicht  in  älteren  sprachniedersetzungen  verwandtes  finden  läist. 
Es  zeigt  sich  aber  nirgends  etwas  hierhergehdriges  als  im 
Sanskrit  das  thema  tanj,  welches  seinen  lauten  nach  in 
regelrechter  Verschiebung  den  deutschen  stamm  )»ing  er- 
giebt;  denn  sanskritisches  t  entspricht  fast  immer  deut- 
schem ]»,  neuhochdeutschem  d  z.  b.  tan  ^  ]>enian;  trsch 
=  l^yrstan;  tala  =  |>^lu;  tun  =  ]7y!nan;  tvan<5  =  ]>vingan; 
tri  =  ]>ri;  trd  =  ]>re6tan  u.s.  w.  —  ebenso  sanskritisches 
j  deutschem  g  z.  b.  buj  =  beögan;  gaj  =  cigan  u.  s.  w. 
und  dafs  das  a  des  Stammes  sich  im  deutschen  präsens  in 
der  regel  in  i  schwächt,  ist  allbekannt.  Also  tanj  ent- 
spricht lautlich  genau  deutschem  J^ing.  Tanj  bedeutet: 
contrahere,  coarctare,  und  mit  deutschen  verbalformen  las- 
sen sich  zunächst  tanakti  =  ]>inge8  und  tatanja  =  )>ang 
vergleichen.  Unser  wort  ]>ingan  wird  demnach  seine  be- 
deutung:  „ein  ansehen,  gewicht  haben^,  „etwas  wirkUches 
sein^  aus  dem  grundgedanken  ableiten:  „sich  zusammen- 
ziehen; sich  auf  sich,  in  sieb,  nach  einem  Schwerpunkte 
hin  zusammenziehen;  coarctari,  cogi. 

Das  Präteritum  von  )>ingan  lautet  )»ang  —  begegnet  in 
den  erhaltenen  sprachresten  aber  nicht,  sondern  lä/st  sich 
nur  aus  dem  participio  ge]>ungen  und  aus  dem  abgeleite- 
ten Substantive  ge|>ang  erschliefsen ;  und  wird  wohl  in  der 
regel  auch,  gleich  dem  particip,  nur  in  der  componirten 
form  (also:  ge)»ang)  verwendet  worden  sein.  Von  ihm  aber 
ist  ein  factitivum  abgeleitet,  welches  ursprünglich  |>engian 
gelautet  haben  mufs;    aber  durch  die  assimilation  des  bil- 


426  Leo 

dungs-i  ist  das  vorhergehende  g  verhärtet  und  so  lautet 
das  wort  {»encan.  Es  entspricht  in  der  form  ganz  dem 
sanskritischen  caasativ  tanjayati,  contrahendum  curat, 
contrahentem  facit  Ursprünglich  mufs  es  also  bedeuten: 
machen,  dafs  etwas  zu  sich  eine  beziehong,  daTs  es  eine 
bedeutung,  einen  inneren  Schwerpunkt,  ein  gewicht  bekömmt 
—  also:  eine  sache  in  deren  eigner  natur  und  bedeutung 
erwägen,  deren  gewicht,  deren  Schwerpunkt  feststellen  — 
mit  einem  worte,  es  ist  unser  wort:  denken.  „Denken^ 
also  steht  zu  „dingen^  in  einem  ganz  ähnlichen  inneren 
zusammenhange  des  sinnes,  wie  lateinisches  cogitare  zu 
cogere, 

2. 
Gerade  die  entgegengesetzte  vorstellungsgrundlage  hat 
unser  wort:  sprechen.  Auf  diese  grundbedeutung  des 
wertes  weist  noch  das  althochdeutsche :  spr^hhiloht,  ma- 
culosus,  mit  flecken  besprengt,  und  arsprehhilin,  macu- 
losum  fieri,  mit  flecken  wie  besprengt  werden,  hin  —  denn 
die  grundbedeutung  ist:  besprengen,  sprengen,  spargere. 
Ofienbar  geht  es  zurück  auf  das  sanskritische  thema:  spr^, 
conspergere,  attingere,  besprengen,  berühren  und  ist  mit 
lateinischem  spargere  ebenfalls  in  Urverwandtschaft.  Wenn 
auch  sonst  sanskritisches  p  meist  in  deutsches  f  übergeht, 
hält  es  sich  doch  in  der  Verbindung  sp  meist  z.  b.  spand 
=  spanan;  inlautendes  deutsches  c  oder  ch  entspricht  aber 
nicht  selten  sanskr.  p  oder  sh  z.  b.  mr^  =  meolc  (milch); 
zuweilen  auch  an-  oder  auslautendes  z.  b.  pat  =  cvidan; 
parv  =  ceorfan;  vip  =  vic  u.  s.  w.  Der  geistig  in  sich 
zusammenziehenden,  zu  Vorstellungen  und  begriffen  zusam- 
menziehenden, vereinenden  thätigkeit  des  denkens  gegen- 
über erscheint  das  sprechen  als  ein  wiederauseinanderspren- 
gen der  gedanken  in  deren  einzelne  elemente,  wie  diese 
sinnlich  als  worte  heraustreten. 

Die  angelsächsische  mundart  zeigt  unser  altes  spr^hha, 
macula,  wie  es  sich  aus  sprShhiloht  erschliefsen  läTst,  nicht 
auf —  aber  da  sie  neben  sprScan  eine  weichere  wortform 


denken  und  sprechen«  427 

besitzt,  die  das  r  ausgeworfen  hat,  also  sp&can  lautet,  so 
gehört  offenbar  zu  sprScan  das  wort:  specce,  welches  also 
unserem  worte  sprehha  entspricht,  aber  wohl  andere  be- 
deutung  hat  Es  bedeutet:  schlacke,  scoria  —  falls  nicht 
blofs  das  daneben  stehende  wort  syndran  zu  scoria  gehört 
und  spöcce  zu  dem  fast  unmittelbar  vorhergehenden:  ma- 
culis  —  denn  es  begegnet  das  wort  nur  als  gloss.  (Haupt 
IX,  421).  Doch  kann  spöcce  recht  gut  eine  schlacke  d.h. 
einen  abfall,  ein  loses  stück  (ein  sparsum)  bedeuten,  da  im 
altnordischen  sprek  ebenso  ein  holzstückcben ,  einen  lo- 
sen spahn  bedeutet.  Daneben  hat  die  altnordische  mund- 
art  auch  sprekla,  macula  —  aber  in  der  bedeutung:  spre- 
chen kein  hiehergehöriges  verbum. 

In  süddeutschen  mundarten  findet  sich  noch:  der 
sprage,  das  spregkl,  das  sprigkel,  macula.  Dürin- 
gen  kennt  noch  in  seiner  mundart  das  alte  sprehhiloht  in 
der  form:  sprickelicht,  und  auch  das  wort  sprickel, 
macula,  so  z.  b.  heifsen  die  unter  dem  namen  Sommerspros- 
sen bekannten  hautflecke  in  Düngen :  sommersprickeln. 

Mit  dem  sanskritischen  thema  spr^  ist  übrigens  wohl 
identisch  das  thema  prsh  (spargere,  efiundere,  irrigare), 
so  wie  die  themen:  sparsh  und  parsh  (madefieri);  und 
spap,  pash,  pas  (tangere,  serere),  in  welchen  letzteren 
ebenso,  wie  in  dem  angelsächsischen  specan  neben  spre- 
can,  das  r  Terschwunden  ist.  Auch  das  litauische  hat 
nur  noch  einen  rest  ohne  r  —  nämlich:  spakas,  der  tro- 
pfen, das  pünctchen,  fleckchen  —  falls  nicht  auch  szpar- 
was,  bunt,  gesprenkelt  zu  derselben  Wortfamilie  gehört. 

3. 
Zusammenziehen  im  geiste  und  auseinandergiefsen,  aus- 
sprengen mit  dem  munde,  das  sind  die  beiden  thätigkei- 
ten,  die  unsere  Wörter  dingen  und  sprechen  ausdrücken 
—  denken  aber  besagt  das  sichzusammenziehenlassen,  das 
zu  Vorstellungen  und  begriffen  der  dinge  werdenlassen.  Ich 
achte,  man  kann  nicht  sinniger  und  tiefer  das  wesentliche 
der    beiden   Wirksamkeiten  bildlich  darstellen,    als  unsere 


4M  Leo 

Sprache  wirklich  gethan  hat  Die  spräche  ist  denken  in 
dessen  äoTserlicher  Zersetzung,  es  ist  ein  sprengen  der  ge- 
danken  in  kleine  theilchen,  aus  denen  sich  ihre  darsteUong 
im  sprechen  zusammensetzen  mufs;  es  ist  ein  besprUheo 
und  besprengen  des  hörenden  im  geiste.  Der  ge danke 
dagegen  ist  wesentlich  ein  inneres  inbeziehnngsetzen  und 
zusammenziehen  der  dinge  ans  einzekien  Wahrnehmungen 
in  Vorstellungen,  aus  Vorstellungen  in  begriffe  a.8.w.,  im- 
mer aus  der  peripherie  nach  einem  Schwerpunkte  hin. 

Von  dem  präteritum  des  wertes  jnngan  (von  ]^ang)  ist 
noch  ein  substantivum  abgeleitet,  welches  ehemals  mit  ei- 
nem flexionsconsonanten  ausgelautet  haben  muls,  dessen 
abfall  doch  die  Verhärtung  des  auslautes  des  Stammes  hin- 
terlassen hat;  es  lautet  angekächsisch  ]>anc  (gothisch  noch 
]>agk-s).  Es  hat  denselben  sinn,  wie  unser  deutsches  wort 
gedanke:  d.  i.  die  innere  zusammenziehung,  beziehung,  ver- 
bindimg.  Gewöhnlicher  wird  es  in  der  componirten  form 
ge]>anc,  auch  in  der  einfachen  ]>anc  gebraucht.  In  der  ein- 
fachen form  aber  hat  es  auch  (wie  im  gothischen)  noch  die 
bedeutung  unseres  neuhochdeutschen  wertes:  dank,  gra- 
tiarnm  actio  —  also  auch:  Zurückbeziehung,  beziehung, 
zusammenziehung  mit  jemandem,  dem  man  diese  beziehung 
schuldig  ist,  dem  man  dadurch  verbunden  ist;  und  von  dem 
Worte  in  dieser  bedeutung  ist  wieder  ein  denominativum 
gebildet:  )>ancian  (prät  ]>ancode)  gratias  agere,  gratias 
habere.  Endlich  von  dem  plural  des  präteriti  des  Wortes 
)>ingan  (]>ungon,  gewöhnlicher  gej'ungon)  ist  ebenfalls  eine 
weitere  verbaiform  abgeleitet,  die  eigentlich  )>yngian  lauten 
sollte,  aber  wegen  der  assimilation  des  i  und  wegen  da- 
durch bewirkter  Verstärkung  des  den  stamm  auslautenden 
consonanten  wirklich:  (»yncan  lautet.  Ableitungen  verba- 
ler form  von  dieser  lautstufe  haben  immer  einen  intensiven 
oder  augmentativen  sinn  z.  b.  beogan  :  bogan;  biddan  : 
bflBdan;  ctdan  :  cidan;  cviCan  :  cvissan;  hnipan  :  hnaepan; 
deofan  :  dufan;  dreösan  :  drusian;  teöhan  :  tygan;  sprScan  : 
sprsecan  u.  s.  w.  u.  s.  w.  Auch  in  unserem  falle  ist  die  in- 
tensive bedeutung  sichtbar,  denn  dünken  (]>yncon)  ist  in- 


doDken  und  sprechen.  429 

tensiver  als  denken.  Wenn  einem  etwas  dflnkt,  greift 
man  mit  den  beziehongen  über  das  klar  und  einfach  vor- 
liegende hinaus  und  findet  da  noch  merkmale  f&r  das  ding, 
findet  da  noch  eine  beziehung,  zieht  noch  da  in  eine  Vor- 
stellung zusammen,  wo  die  einfachen  data,  die  zu  solcher 
susanunenziehung  wirklich  berechtigen,  fehlen  und  von  dem 
denkenden  supplirt  werden.  Das  dünken  greift  weiter  und 
die  subjective  thätigkeit  ist  darin  mächtiger  als  beim 
denken. 


Uns  sind  die  den  werten:  sprechen  und  denken  ur- 
sprünglich zu  gründe  liegenden  sinnlichen  bilder  ganz  aus 
der  Vorstellung  entschwunden,  wenn  wir  uns  der  worte  be- 
dienen. Den  gang,  der  zu  solchem  entschwinden  führt, 
können  wir  uns  versinnlichen  an  dem  worte:  begreifen. 
Dies  ist  ja  ursprünglich,  eben  wie  das  davon  abgeleitete: 
begri£P,  auch  ein  ganz  sinnliches  bild,  ein  zusammenfassen 
mit  den  fingern  der  band.  Aber  wenn  wir  das  wort  brau- 
chen, denkt  man  gewifs  höchst  selten  an  das  sinnliche  bild 
—  verschwände  aJso  das  simplex:  greifen  in  seiner  noch 
stets  sinnlichen  bedeutung  aus  der  spräche,  so  würde  bald 
jedermann  eben  so  wenig  mehr  eine  Vorstellung  haben,  dafs 
begreifen  ursprünglich  etwas  sinnliches  bedeute,  als  jetzt 
jemand  eine  Vorstellung  davon  hat,  dafs  ^dingen,  denken, 
sprechen^  ursprünglich  sinnliche  bilder  sind. 

Da  die  sanskritthemata  tanj  und  spr^  noch  keine 
geistige  beziehung  haben;  die  gothischen  sprachreste  uns 
nur  ]>agkian  {Sta?.oyiCs(T&ai^  av?*Xoyi^Ba&ai)  und  ]>agks 
(X^Q^)  bieten,  aber  nichts  von  sprikan,  mufs  die  geistige 
Verwendung  jener  sinnlichen  bilder  ziemlich  spät  eingetre- 
ten sein.  Jedes  falles  (mag  sie  noch  so  naiv  in  unbewufs- 
tem  natürlichen  tacte  vor  sich  gegangen  sein)  legt  sie  aber 
zeugnüs  ab  von  der  angebomen  tiefe  und  richtigen  auffas- 
sung  der  deutschen  Völker.  Je  genauer  man  überhaupt 
eindringen  wird  in  die  bedeutung  und  geschichte  der  ein- 
zelnen Wörter  unserer  spräche,  je  mehr  wird  man  sich  über- 


430  Leo 

zeugen,  dafs  die  deutschen  Völker  nicht  erst  mit  dem,  was 
neuerdings  civilisation  genannt  wird,  eine  tiefe  bildang  ih- 
res geistes  begonnen  haben  —  dafs  letztere  vielmehr  so 
alt  ist,  als  diese  Völker  selbst,  und  unabhängig  von  der 
fOlle  der  äuüseren  mittel  des  genusses  und  der  beqnemlich- 
keit,  welche  die  angebome  fähigkeit  eher  erschlaffen  und 
lahm  legen  als  erwecken. 

H.  Leo. 
Der  obige  au&atz  war  der  redaction  noch  vor  dem 
erscheinen  der  abhandlung  Jacob  Grimmas  über  den  Per- 
sonenwechsel in  der  rede  zugegangen,  welche  in  zwei  aus- 
laufen die  Worte  der  rede  und  des  denkens  gleichfalls  be- 
handelt und  zu  anderen  resultaten  gelangt.  Da  indeis 
Grimm  s.  61  in  betreff  des  Wortes  denken  sagt,  er  habe 
gründe  und  zweifei  mitgetheilt,  ohne  schon  entscheiden  zu 
wollen,  so  wird  es  auch  gerechtfertigt  erscheinen,  wenn 
hier  noch  einer  andern  ansieht  räum  gegeben  wird.  Wenn 
übrigens  unser  verehrter  mitarbeiter  den  begriff  denken  sich 
in,  wie  mir  scheinen  will,  etwas  zu  abstracter  weise,  die  nahe 
an  die  poetische  Vorstellung  vom  goldenen  Zeitalter  grenzt,  ent- 
wickeln läfst,  so  soll  davon  doch  keineswegs  ein  einwurf  gegen 
die  lautliche  Zusammenstellung  der  wurzel  mit  skr.  tanj  erho- 
ben werden.  Aufrecht  hatte  I,  353  j)agkjan  mit  dem  altlat. 
tongere  =  nosse  und  dem  osk.  tangino  ä=  jussus,  decretum 
zusammengestellt,  was  mir  als  sicher  erscheint;  deshalb 
möchte  die  sinnliche  bedeutung  der  wurzel  vielleicht  die 
des  ordnens  sein,  welche  im  griechischen  rdaaio  zu  tage 
liegt.  Wenn  Grimm  s.  55  über  sprechen  bemerkt,  dals  es 
zu  brechen  gehalten  werden  darf,  so  verdient  bemerkung, 
dafs  Shakespeare  to  break  noch  in  dem  sinne  von  reden  von 
etwas,  eröffnen  gebraucht,  Mach.  I,  7.  What  beast  was 
't  then,  That  made  you  break  this  enterprise  to  me?  Auch 
Halliwell  dict.  s.  v.  hat  „to  break  with  a  person,  to  open 
a  secret  to  him".  break  und  sprechen  würden  sich  also  ver- 
halten wie  bröde  zu  spröde,  briuze  zu  spriuze. 

A.  Kuhn. 


bericht  über  die  neueren  encheinmigen  auf  dem  gebiete  der  Zeitschrift  431 

Bericht  über  die  neueren  erseheinungen  auf 
dem  gebiete  der  Zeitschrift. 

Bereits  am  Schlüsse  des  vorigen  bandes  beabsichtigte 
ich  in  einem  kurzen  überblick  darzuthun,  wie  sich  in  den 
letzten  jähren  ein  erfreuliches  leben  auf  dem  gebiete  der 
vergleichenden  Sprachforschung  gezeigt  habe,  allein  andere 
arbeiten  und  die  menge  des  vorliegenden  Stoffes  fär  die 
Zeitschrift  lielsen  es  gerathen  erscheinen  den  bericht  noch 
zu  verschieben;  ich  hole  daher  jetzt  nach,  was  ich  damals 
versäumte,  indem  ich  zugleich  die  erseheinungen  des  letz- 
ten Jahres  mit  in  den  kreis  der  darstellung  ziehe.  Ehe  ich 
jedoch  zur  betrachtung  des  einzelnen  übergehe,  darf  ich 
nicht  unbemerkt  lassen,  dafs  ich  auf  Vollständigkeit  in  die- 
sem überblick  keinen  anspruch  mache  und  im  allgemeinen 
die  in  zeitschriflen  erschienenen  aufsätze  von  demselben 
ausgeschlossen  habe. 

Wenden  wir  uns  zunächst  zum  gebiet  der  germani- 
schen sprachen,  so  ist  hier  vor  allem  Jacob  und  Wil- 
helm Grimmas  deutsches  Wörterbuch  zu  nennen, 
welches  jetzt  bis  zur  vierten  lieferung  des  zweiten  bandes 
(bis  der,  die,  das)  vorgerückt  ist  Der  umfang  und  die 
tiefe  der  hier  niedergelegten  forschungen  machen  dasselbe 
zu  einem  national  werk,  das  sich  würdig  den  grofsartigen 
schöpfiiDgen  des  älteren  der  beiden  brüder  zur  seite  stellt 
und  dessen  werth  durch  die  kleinliche  mäkelei,  die  hier 
und  da  etwas  vermifst,  nicht  beeinträchtigt  werden  kann. 
Denn  so  dankenswerth  auch  viele  der  von  Sanders  im  pro- 
gramm  eines  neuen  Wörterbuchs  der  deutschen  spräche 
(Leipzig  1854)  sowie  in  einzelnen  aufsätzen  von  Herrigs 
archiv  gelieferten  nachtrage  sind,  so  wenig  gerechtfertigt 
ist  doch  die  art  und  weise,  wie  sie  vorgebracht  werden 
und  D.  Sanders  wird  erst  durch  sein  in  aussieht  gestelltes 
Wörterbuch  zu  zeigen  haben,  dafs  er  der  aufgäbe  mehr  ge- 
wachsen war.  An  das  Grimms'che  werk  schlieist  sich  Be- 
necke-Müller's  mittelhochd.  Wörterbuch,  bd.  I. 
Leipz.  1854;  bd.  IL  heft  1,  bearbeitet  von  Fr.  Zamcke,  wür- 


432  Kahn 

dig  an;    wie  jenes  zeigt  es  uns  bei  den  Stammwörtern  die 
entwickelung  der  spräche  durch  alle  germanischen  dialekte, 
wodurch  die  etymologische  forschung  eine  sichere  grund- 
lage  bei  ihren  Untersuchungen  gewinnt.     Denn  wenn  auch 
im  Grimmschen  werke   bei  der  yergleichung  der  st&mme 
mit  denen  der  verwandten  sprachen,  namentlich  mit  denen 
des  Sanskrit,  vielleicht  hie  und  da  ein  zu  kühner  griff  ge- 
than  ist,   so  hat  doch  die  Sprachwissenschaft  im  grofsen 
und  ganzen  nur  den  erheblichsten  nutzen  aus  diesen  for- 
schungen,  da  sehr  häufig  weder  die  ursprüngliche  form  noch 
der  Inhalt  eines  worts  von  dem  beschränkten  Standpunkt  ei- 
ner spräche  aus  erkannt  werden  können.  Aus  dieser  erkenn t- 
nlTs  scheint  auch  Holm boe's  (det  norske  sprogs  vae- 
sentligste  ordforraad  etc.)  versuch  einer  vergleichnng 
des  nordischen  mit  dem  sanskrit  und  den  übrigen  verwandten 
sprachen  hervorgegangen,    der  bereits  in  dieser  Zeitschrift 
(in,  222  ff.)  besprochen  wurde,  nur  ist  zu  bedauern,   dafs 
der  verf.  zu  demselben  nicht  so  gerüstet  war,  wie  es  die 
heutige  Wissenschaft  verlangen  mufs.     Andere  lexikalische 
arbeiten  auf  dem  gebiete  der  deutschen  sprachen  sind  För- 
stemann^s  altdeut.  n  amenbuch,  welches  von  Mafsmann 
lY,  227  besprochen  wurde  und  jetzt  bereits  bis  zum  schlnfs 
des  ersten  bandes  gediehen  ist;    der  verf.  arbeitet  gegen- 
wärtig an  dem  zweiten  bände,  welcher  die  Ortsnamen  ent- 
halten und  dessen  erste  lieferung  nächstens  erscheinen  wird ; 
für  die  im  westlichen  Deutschland  vorkommenden  Ortsna- 
men ist  die  von  Diefenbach  Y,  223  ff.  besprochene  abband- 
lung  Grandgagnage^s    sur    les    anciens    noms    de 
lieux    dans  la  Belgique   Orientale   von   Wichtigkeit. 
Als  eine  ungemein  dankenswerthe  arbeit  begrüfsen  wir  fer- 
ner   Kosegarten's    Wörterbuch    der    niederdeut- 
schen   Sprache,     das  Woeste    in    einem    der    nächsten 
hefte    unserer    Zeitschrift    ausftihrlicher    besprechen    wird; 
es   wird   bei   den  jähre   lang   eifrig  fortgesetzten   Studien 
des  Verfassers   eine   wesentliche   lücke   unserer  ^Jexikogra- 
phie  ausftkllen  und  dem  ungemein  reichen  Sprachstoffe,  der 
im  niederdeutschen  niedergelegt  ist,,   die  Würdigung  ver- 


bericht  ttber  die  neneren  enoheinungen  auf  dem  gebiete  der  zeitscliriil.    433 

schaffen  die  ihm  gebührt.  Einen  beitrag  znm  niederdeut- 
schen Wörterbach  enthielten  auch  die  bereits  von  Woeste 
(IV,  219)  angezeigten  niederd.  geistlichen  lieder,  her- 
ausg.  Yon  Hölscher,  Berlin  1854,  doch  wird  noch  man- 
ches darin  der  berichtigung  bedürfen.  Das  sorgfältige  glossar 
Pfeiffer's  zu  seinem  Nicolaus  von  Jeroschin  sowie 
die  grammatisch  wichtige  einleitung  desselben  über  das  mittel- 
deutsche habe  ich  (III,  447)  schon  besprochen,  ich  scUiefse 
ihm  hier  noch  Rufs wurm^s  spräche  der  Inselschwe- 
den (sonderabdruck  aus  des  Verfassers  interessantem  werke 
Eibofolke  oder  die  Schweden  an  den  küsten  Ehstlands  und 
auf  Bund),  Beval  1855  an,  welches  nebst  einem  gramma- 
tischen überblick  und  sprachproben  ein  glossar  enthält,  des- 
sen inhalt  sowohl  durch  alterthümlich  bewahrtes  als  durch 
anderswoher  entlehntes  viel  wichtiges  bietet«  Von  den  deut- 
schen lehnwörtern  handelt  eine  als  einladungsschrift  zur 
prüfiing  der  Zöglinge  des  Beheim-Schwarzbachschen  insti- 
tuts  im  jähre  1856  zu  Ostrowo  erschienene  abhandlung  un- 
seres mitarbeiters  dr.  Ebel  in  trefflicher  weise  und  liefert 
namentlich  ein  nach  dem  alter  der  entlehnung  geordnetes 
verzeichnifs  entlehnter  Wörter  vom  7.  — 12.  Jahrhundert,  Den 
schlufs  dieser  lexikalischen  arbeiten  möge  endlich  die  kleine 
filr  das  Studium  der  althochd.  dichter  sehr  lehrreiche  Schrift 
Friedr.  Pfeiffer's,  das  rofs  im  altdeutschen,  Breslau 
1855,  bilden,  in  welcher  er  nach  weise  der  indischen  lexi- 
kographen  nicht  nur  alle  ausdrücke  fbr  pferd,  sondern  auch 
alle  den  körperbau,  das  leben,  die  ausrüstung,  das  reiten, 
ziehen  u.  s.  w.  betreffenden  ausdrücke  zusammengestellt  und 
mit  zahlreichen  stellen  der  althochd.  dichter  belegt  hat. 

Yon  grammatischen  arbeiten  auf  dem  gebiete  der  deut- 
schen dialekte  sind,  aufser  Weinhold's  wichtiger  schrift 
über  die  deutsche  dialektforschung,  Wien  1853  (be- 
sprochen von  Pr.  Pfeiffer  III,  144),  die  bereits  mehrfidtig 
neuen  arbeiten  den  anstofs  gegeben  hat,  zu  nennen:  Ko- 
ber stein,  dritte  abhandlung  über  den  österreichischen 
dichter  Peter  Suchenwirt,  Naumbui^  1853.  4.,  mit 
welcher  der  die  flexion  behandelnde  theil  zum  abschlufs 
V.   6.  28 


434  Kuhn  und  EM 

gelangt.  Die  hier  bis  in  die  äofsersten-  abw^chungen  vom 
gewöhnlichen  Sprachgebrauch  eindringende  forschung  kann 
allen  arbeitem  auf  demselben  gebiete  zum  muster  dienen. 
An  diese  arbeit  schliefsen  wir  Hardt:  vokalismus  der 
Sauermundart  des  grofsherzogthums  Liuxemburg,  eine 
bereits  im  jähre  1843  erschienene  abhandlung,  deren  aorg- 
ftltige  durchfthrung  es  bedauern  läfst,  dafs  die  consonanten 
noch  nicht  in  gleicher  weise  vom  verf.  bearbeitet  sind.  Ebenso 
dankenswerth  ist  die  abhandlung  von  Pro£  L  au  eher  t: 
lautlehre  der  mundart  von  Rottweil  und  umgegend, 
Bottweil  1855,  welche  sowohl  die  vokale  als  die  consonan- 
ten umfaist.  Einen  neueren  versuch  einer  zusammenstel- 
Inng  s&nuntlicher  Schriften  über  die  mundarten  sowie  der 
in  ihnen  verfafsten  Schriften  hat  endlich  in  anerkennens- 
werther  weise  Trömel:  die  deutschen  mundarten, 
Halle  1854,  gemacht. 

In  einer  ausführlichen  abhandlung  behandelt  Jacob 
Grimm  den  Personenwechsel  in  der  rede,  Berlin 
1856,  zunächst  nur  in  betreff  der  deutschen  sprachen,  doch 
auch  vielfUtig  aus  den  verwandten  bestätigung  oder  widerspiel 
herbeiziehend,  wodurch  mehrfach  auch  zu  etymologischen 
Seitenblicken  sowohl  im  text  als  in  besonderen  ausläuGoi 
veranlassung  gegeben  wird,  von  denen  ich  bereits  oben 
8.  430  den  Ober  die  Wörter  des  denkens  und  der  rede  za 
nennen  veranlagst  war.  In  einer  inauguraldissertation  han- 
delt *Kohn,  de  verbo  germanico  tuen  et  verbo 
germanico  iddja.  Bonn  1854*)  fleifsig  und  grQndlich, 
bisweilen  etwas  weitschweifig,  doch  leider  in  ungeniefsbarem 
latein  geschrieben;  verf.  weist  gegen  verschiedene  hypothesen, 
namentlich  Grimmas,  mit  vergleichung  aller  dialectischen  for* 
men  nach:  1)  tuen  conjugirt  nirgends  schwach  und  ist 
identisch  mit  dem  hOlfsverbum  des  präf.  -da,  2)  es  ist  kein 
ablautendes,  sondern  reduplicierendes  verbum,  die  wurzel 
nicht  did,  sondern  d6  =  skr.  dhä,  das  präsens  ursprüng- 
lich ohne,  in  einigen  späteren  formen  jedoch  auch  mit  bio- 
devocal,  das  präteritum  ursprünglich  *dad6  dada,  goth. 

*)  Die   mit  einem  *  Tersehenen  theile  des  berichts  rühren  von  hm.  dr. 
Ebel  her. 


bericht  über  die  neaeren  eiBcheinmigen  auf  dem  gebiete  der  Zeitschrift    435 

*dida,  als  suffix  in  -da  verkürzt;  die  länge  im  plural  wird 
als  ersatz  des  abgefallenen  wurzelvocals  (dSdum  statt  da- 
döum),  die  2.  pers.  sing,  nicht  recht  befriedigend  erklärt; 
3)  werden  die  neuem  dialectformen  nnd  das  subst  dSds  er- 
klärt, die  vergleicfaung  von  taujan  abgewiesen;  4)  iddja 
steht  ftlr  idida  (die  reduplication  wegen  der  schwäche  der 
Wurzel  i  beibehalten),  aber  nicht  durch  metathesis,  sondern 
durch  ausstofsong  des  d,  dann  mit  nnorganischer  Verdopplung 
aus  idja,  die  pluralformen  sind  durch  falsche  analogie  des 
sing,  aus  id^dum  entstanden,  das  ags.  eode  ohne  redupli- 
cation wegen  des  stärkeren  eo.  Die  neuhochdeutsche  parti- 
kel  nicht  mit  rüchsicht  auf  die  urverwandten  n-partikeln 
einiger  schwestersprachen  behandelt  in  der  einladungs- 
Schrift  zur  300jährigen  Jubelfeier  des  gymnasiums  zu  Lissa 
Olawsky,  Lissa  1855.  Ich  bedaure  auf  den  inhalt  die- 
ser gediegenen  schrift  jetzt  nicht  weiter  eingehen  zu  kön- 
nen, da  sie  mir  erst  während  der  abfassung  dieses  berichtes 
zuging,  vielleicht  komme  ich  indefs  in  besonderer  bespre- 
chung  auf  dieselbe  zurück.  Kegel  handelt  de  syllabae 
a  ad  formanda  adverbia  substantivis  vel  adjectivis  in  Ungua 
Anglioapraefixaeorigine  ac  natura,  Gotha  1855,  indem 
er  aufser  den  zahlreichsten  föllen,  wo  das  präfix  aus  ags.  on 
entstanden  ist,  noch  eine  reihe  anderer  beispiele  nachweist, 
in  denen  das  präfix  sowohl  anderen  ags.  als  auch  franz. 
präfixen  oder  präpositionen  seinen  Ursprung  verdankt.  Die 
abhandlung  ist  ein  erfreulicher  beitrag  zur  lehre  von  der 
englischen  Wortbildung;  wie  wenig  erschöpfend  dies  a  bis 
jetzt  in  engl,  grammatiken  behandelt  wurde,  sieht  man  aus 
Goold  Brown  grammar  of  english  grammars  p.  423. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  den  klassischen  sprachen,  so 
ist  es  zunächst  erfreulich  zu  bemerken,  wie  das  verglei- 
chende Sprachstudium  in  immer  weiteren  kreisen  festen 
boden  gewinnt  und  selbst  diejenigen  sich  von  seiner  Wich- 
tigkeit zu  überzeugen  beginnen,  welche  bisher  nicht  selten 
noch  mit  vornehmer  geringschätznng  auf  seine  resultate 
herabzusehen  pflegten.  Mehrfältig  begegnet  man  in  werken 
altklassischer  philologen  eines  schüchternen  hinweises  auf 

28* 


490  Kahn  and  Ebel 

diese  oder  jene  durch  vergleichnng  gewonnene  etymologie 
und  die  zeit  wird  bald  vorüber  sein,  wo  einer  der  geist- 
reichsten Vertreter  der  neueren  ricfatung  seine  Untersuchung 
lieber  mit  den  Worten  abbrach:  Verum  etiam  haec  diffi- 
cultas  fortasse  solvi  potent.  Id  autem  cum  fieri  non  pos- 
sit,  quin  oculi  eorum,  qni  puritatem  antiquitatis  stadiomEn 
peregrinis  vocabulis  allatis  inquinari  censeant,  band  parvo 
indicorum,  slavioorum,  lituanicorum  vocabulorum  numero 
offendantur,  praesenti  tempore  omitto«  Soll  der  Unterricht 
in  den  klassischen  sprachen  in  wahrhaft  lebendiger  weise 
betrieben  werden,  so  kann  man  der  etymologie  nicht  ent- 
rathen,  so  mufs  das,  was  in  der  muttersprache  Sprachge- 
fühl ist,  in  dem  schüler  durch  entwickelung  des  bewufst- 
seins  vom  etymologischen  zusammenhange  der  Wörter  er- 
setzt werden,  denn  wenn  auch  in  jeder  spräche  sich  dunkle 
Wörter  finden  und  das  sprachgefQhl  hier  und  da  durch  fal- 
sche analogieen  irre  geleitet  worden  ist,  so  ist  doch  die 
Wortbildung  im  ganzen  und  grofsen  in  den  klassischen  spra- 
chen noch  so  durchsichtig,  dafs  dieselben  durch  weckung 
des  etymologischen  Verständnisses  in  hohem  grade  an  leben 
gewinnen  mOssen.  Mit  recht  dringt  daher  G.  Cnrtius  in 
seiner  zur  feier  des  geburtsfestes  Friedrich  VII.  im  jähre 

1854  zu  Kiel  gehaltenen  rede  darauf,  auch  in  die  schulen 
die  resultate  der  neueren  forschungen  einzuflkhren ,  und  in 
der  that  ist  es  unmöglich,  wenigstens  in  den  oberen  und 
mittelklassen  viele  erscheinungen  der  deklination  und  con- 
jugation  im  griechischen  und  lateinischen  erklärend  zu  be- 
sprechen, ohne  die  durch  die  historische  und  vergleichende 
Sprachforschung  gewonnenen  thatsachen  zu  berQcksichtigen. 
G.  Cnrtius  hat  daher  schon  im  jähre  1852  selbst  den  gelun- 
genen versuch  gemacht,  das  von  der  theorie  geforderte  prak- 
tisch ins  werk  zu  setzen  und  die  einftlhrung  seiner  griech. 
grammatik  auf  den  österreichischen  gymnasien,  deren 
Übersetzung  ins  italienische,  sowie  das  erscheinen  der  schon 

1855  nöthig  gewordenen  zweiten  aufläge  zeugen  hinläng- 
lich fbr  die  zweckmäfsigkeit  der  ausf&hrung.  Einer  von 
Curtius  Schülern  hat  jetzt  auch  den  versuch  f&r  das  latei- 


beridbt  Über  die  neaeren  ersdieinangen  auf  dem  gebiete  der  Zeitschrift.     437 

nische  unternommen,  nämlich:  Yaniöek  in  seiner  latein. 
Schulgrammatik,  th.  I.  formenlehre,  Prag  1856,  und  wir 
werden  auf  dies  buch  wegen  der  fikrs  lateinische  praktisch 
noch  viel  wichtigeren  frage  noch  einmal  zurückkommen. 
Ihm  reiht  sich  die  abhandlungvonM.  Schinnagl,  bemor- 
kungen  über  die  hauptdeclinationen  der  Latei- 
ner, an  ( Programm  des  obergymnasiums  zu  den  Schotten 
in  Wien,  1855),  welche  hauptsächlich  nach  Bopp,.  aber 
auch  mit  benutzung  von  Krüger,  Schneider  und  Härtung 
die  theorie  der  declination  in  allgemein  fafsUcher  weise  dar- 
stellt und  dieselbe  den  schülem  der  oberen  klassen  zugäng- 
lich gemacht  wissen  wilL  —  Von  diesen  mehr  auf  das  prak- 
tische gerichteten  Schriften  wende  ich  mich  zu  denen  von 
ausschlieislich  wissenschaftlichem  gehalt,  indem  ich  nament- 
lich die  bedeutendste  erscheinung  auf  dem  gebiete  der  la- 
teinischen grammatik:  Weil  undBenloew's  accentua- 
tion  latine,  Berlin  und  Paris  1855  voranstelle,  deren  be- 
sprechung  Benary  Y,  312  bereits  begonnen  hat  und  näch- 
stens fortsetzen  wird,  die  das  auch  flQr  den  rein  klassischen 
Philologen  in  mehrfacher  hinsieht  wichtige  buch  in  so  ho- 
hem mafse  verdient  Wenn  dies  buch  zu  gleicher  zeit  auch 
über  den  lateinischen  vokalismus  manches  licht  verbreitet, 
so  geschieht  dies  in  noch  höherem  maafse  durch  Dietriches 
commentatio  de  vocalium  quibusdam  in  lingua 
latina  affectionibus,  Hirschberg  1855,  welche  Corssen 
unten  s.  442  ff.  ausführlicher  gewürdigt  hat.  Die  f&r  die  ge- 
schichte  der  lateinischen  spräche  äufserst  wichtigen  unter-  . 
suchungen  RitschTs  sind  ihren  hauptresultaten  nach  von 
Schweizer  U,  350;  IV,  60  ff.  zusammengestellt,  einige  punkte 
aus  demselben  gebiet  hob  Ebel  IV,  288  hervor  aus  Fleck- 
eisen: zur  kritik  der  altlateinischen  dichterfrag- 
mente  bei  GeUius,  Leipzig  1854.  Wenn  sich  aus  Ritschl's 
abhandlungön  auch  mehrfach  wichtige  resultate  ftlr  die 
Schreibung  und  etymologie  der  eigennamen  ergeben,  so  bleibt 
es  zu  bedauern,  dais  für  eine  vollständige  Sammlung  dieses 
so  wichtigen  theils  der  spräche  noch  so  wenig  geschehen 
ist;    einen  schönen  beitrag  zu  einer  solchen  Sammlung  lie- 


438  Kuhn  und  Kbel 

ferte  Fr.  Ellendt  de  cognomine  et  agnomine  Ro- 
mano, Begimontii  Prassorum  1853.  Wie  wichtig  derar- 
tige speciakammlungen  fbr  die  geschicfate  der  spräche  seien^ 
ist  wohl  keinem  ein  zweifei  und  auch  in  anderen  zweigen 
der  Sprachwissenschaft  macht  sich  ihre  nothwendigkeit  gd- 
tend,  so  fordert  G.  Curtius  in  seinem  auf  der  phüologen- 
versammlung  zu  Hamburg  1855  gehaltenen  vertrag  andeu- 
tungen  tlber  das  yerhältnifs  der  lat.  spräche  zur 
griechischen  zu  einer  Sammlung  der  griechischen  Wörter 
der  lateinischen  spräche  auf,  indem  er  zugleich  tlber  die 
verschiedenen  kategorieen  der  lehnwörter  sowie  namentlich 
tlber  die  dem  schiflbwesen  entnommenen  sich  ausläfst  und 
durch  kurze  winke  andeuet,  dais  vieles,  was  man  bisher 
als  entlehnung  'angenommen,  sich  aus  einer  gemeinsam  grie- 
chisch-italischen Sprachperiode  erkläre.  Zur  näheren  fest^ 
Stellung  dieses  noch  vielfach  dunklen  punkts  in  der  ge- 
schichte  der  lateinischen  spräche  werden  die  forschungen 
auf  dem  gebiete  der  italischen  dialekte  mehr  und  mehr  bei- 
tragen. Einige  auf  dem  gebiete  des  oskischen  erschienenen 
Schriften  behandeln  Kirchhoff  und  Schweizer  in  dies,  zeitschr. 
m,  126. 203;  einen  neuen  bearbeiter  fanden  die  oskischen 
und  sabellischen  denkmäler  in  prof.  Huschke  (El- 
berfeld  1856),  dessen  arbeit  im  nächsten  hefte  uns.  Zeitschrift 
vonCorssen  ausftlhrHcher  besprochen  werden  wird.  Das  etrus- 
kische  betreffend  ist  uns  zugegangen:  *Lettera  d^Ario- 
danteFabretti  sopra  due  iscrizioni  etrusche  (aus 
der  Rivista  Contemporanea)  1855,  dieser  aufsatz  vermag  das 
dunkel,  das  bis  jetzt  über  der  etrusk.  spräche  liegt,  auch  nicht 
zu  erhellen;  der  hr.  verf.  giebt  zwar  einige  casus  der  2ten 
declination  an  (nom.  aule,  gen.  aules,  dat.  aulesi,  acc.  lupum), 
bleibt  aber  die  beweise  schuldig,  und  dafs  er  osk.  statüs 
noch  als  nom.  sing,  anföhrt,  erweckt  eben  kein  günstiges 
vorurtheil.  Wir  schlieJsen  diese  übersieht  von  Schriften 
auf  dem  gebiete  der  ital.  sprachen  mit  einer  kleinen  syn- 
tactischen  abhandlung:  '^Aubert,  beitrage  zur  la- 
teinischen grammatik  I.  Christiania  1856.  Sie  han- 
delt über  einige  arten  des  lateinischen  genitivs  —  1)  gen. 


bericht  über  die  neueren  encbeianngen  aaf  dem  gebiete  der  zeitsduift.     439 

qualitatis,  2)  gen.  einea  snbstantivs  mit  gerundiy  in  prft- 
dicirung  und  appowtion,  3)  gen.  definitivus  (epexegeticus) 
besonders  beim  gerundium,  4)  gen.  partium,  5)  einen  sonder- 
baren gebrauch  des  gen.  gerundii  (statt  des  infinitivs)  —  mit 
logischer  schärfe,  die  bisweilen  an  Spitzfindigkeit  grenzt. 
Auf  einige  streitige  punkte  näher  einzugehn,  yerstattet  uns 
der  räum  nicht. 

Gehen  wir  zum  griechischen  über,  so  ist  oben  bereits 
der  in  einer  neuen  aufläge  erschienenen  grammatik  von 
Curtius  gedacht,  derselbe  handelt  in  dem  lectionskatalog 
der  Kieler  Universität,  sommer  1855  de  nomine  Homeri,. 
indem  er  die  von  Holtzmann  in  dieser  Zeitschrift  I,  483  ff- 
versuchte  erklärung  des  namens  sowohl  sachlich  als  sprach- 
lich zurückweist  (was  über  X(}ai7tv6g  gesagt  wird,  ist  indels 
nicht  ausreichend  und  die  Zusammenstellung  von  xagn,  xgcen 
mit  hloufan,  krypti  ist  wegen  des  Unterschieds  der  vokale 
bedenklich);  ausführlicher  wird  die  annähme  Welckers,  daTs 
in  Homeros  ofÄOv  und  ägeiv  stecke,  erwogen,  dieselbe  aber 
ebenfalls  und  zwar  aus  sprachlichen  gründen  verworfen  und 
endlich  nach  MüUenhoffs  vorgange  die  sehr  ansprechende 
vermuthung  ausgesprochen,  dafs  die  epischen  dichter  sich, 
wie  die  mittelhochdeutschen,  geselle  und  gehelfe,  zuerst 
ofXYiQOh  genannt,  dafs  aus  diesen  dann Homeriden  und  schliefs- 
lich  ein  eponymos  Homeros  geworden  sei.  —  Dem  infi- 
nitiv  der  homer.  spräche  ist  die  inauguralschrift  unse- 
res mitarbeiters,  dr.  Leo  Meyer  (Göttingen  1856),  gewid- 
met, in  welcher  er  zuerst  die  bildung  desselben  mit  ver- 
gleichung  der  verwandten  formen  bespricht  und  dann  die 
Syntax  desselben  im  Homer  in  ausftihrlicher  darstellung  ab- 
handelt; das  hauptresultat  spricht  der  verf.  zum  schlufs 
dahin  aus,  „daüs  der  infinitiv  bei  Homer  noch  nicht  das 
ist,  was  man  später  darunter  sich  vorzustellen  gewohnt  ist, 
der  allgemeinste  ausdruck  des  verbs  ohne  alle  nebenbezie- 
hung,  sondern  dafs  ihm  noch  eine  viel  bestimmtere  und 
zwar  futurische  richtung,  die  aus  seiner  dativischen  bildung 
hervorgeht,  eigen  ist^. -*-  *Sachs,  de  digammo  ejusque 
usu  apud  Homernm  et  Hesiodum  capita  VI.  (inau- 


440  Kiilin  und  Ebel 

goraldiflsertation).  Berlin  1856.     1)  de  digammi  natura  no- 
mine signis,  2)  digamma  non  soli  Aeolicae  dialecto  tribn- 
endum  est,  3)  quid  veteres  de  digammo  statuerint?  4)  quo- 
modo  recentionibus  temporibus  de  dig.  judicatum  sit?  5)  de 
digammi    immutationibus    ejusque    eclipsi    sive    metathesi, 
6)  de  dig.  usu   apud  Homerum  Hesiodnmqne  —   enthält 
eine  fleifsige  zuBammenstellung  der  digammaspuren  in  den 
dialecten,  woran  es  namentlich  bei  Hoffinann  fehlt,  ist  aber 
weder  auf  ausreichende  Sprachstudien  basirt,  noch  mit  ge- 
höriger  berücksichtigung  der  Hoffinann'schen  forschungen 
gearbeitet,  so  dafs  cap.  5.  6.  viel  unsicheres  und  selbst  ent- 
schieden falsches  enthalten.  —  lieber  denselben  gegenständ 
handelt   noch    ein   bereits   firüh^  erschienenes  programm: 
Commentationis  philologicae  de  digammate  Ho- 
mericis  carminibus  restituendo  pars  I.  (de  universo 
digammate)  scripsit  dr.  Johannes  Carolns  Pohl,  Bres- 
lau 1854,    dessen  Verfasser  zwar   leider  das  mannichfach 
sichere   au&chlüsse   gewährende  sanskrit  weniger   berfick- 
sichtigt  hat  (ad  sanscritam  vero  rarius,  quam  par  erat,  pro 
Tocavi;  ipse  enim  huius  linguae  imperitissimus  sum,  in  alio- 
rum  autem  verba  perpctao  iurare  me  puduit),   die  frage 
aber  einer  so  gründlichen  Untersuchung  unterwirft,  dafs  wir 
auf  seine  arbeit  zurückzukommen  gelegenheit  nehmen  werden. 
Die   personalendungen    des    griech.  verbums   und 
ihre  entstehung  behandelt  dr.  Karl  Burkhard  in  einem  pro- 
gramm des  k.  k.  evangel.  gymnasiums  zu  Teschen,  1853, 
bringt  jedoch  im  ganzen  wenig  neues,  wenn  gleich  es  selb- 
ständig gefunden  sein  mag,   da  der  verf.  schliefslich  sagt, 
dafs  er  weder  Bopps  vergleichende  grammatik  noch  Cur* 
tius  sprach  vergleichende  beitrage  erhalten  konnte  (I).  Ueber 
Bopps  vergleichendes  accentuationssystem  nebst 
einer  gedrängten  darstellung  der  grammat.  Übereinstimmung 
des  sanskrit  und  griechischen,  Berlin  1854,  hat  Schweizer 
bereits  in  dieser  Zeitschrift  IV,  292  —  312  ausfbhrUch  be- 
richtet und  damit  sind  wir  am  schluls  unseres  berichts  über 
werke,  die  allgemeinere  fragen  der  griechischen  grammatik 
behandeln.    Einzelnes  betreffend,  hat  profcKey's  abhand- 


bericht  über  die  neueren  erBcheinusgen  auf  dem  gebiete  der  Zeitschrift.     441 

lang  über  die  präposition  avd  bereits  IV,  217  eine 
beurtheilung  durch  Ebel  erfahren  und  wir  mochten  dem  hm. 
Terfaeser  den  räum  zu  einer  erwiederung,  welche  V,  72  ab- 
gedruckt ist,  nicht  versagen;  seine  yergleichung  von  ävd 
mit  ad,  von  8v(a  und  vsvoo^  die  sich  besonders  auch  auf 
ähnlichen  Wechsel  der  consonanten  im  wälschen  stützte, 
ist  neuerlich  auch  von  AujQrecht  im  Journal  of  the  philol. 
Society,  London  1 856  p.  47  ff.  (übersetzt  in  den  beitragen 
I.  p.  103)  angefochten  worden.  *Van  derHaeghen,  de 
l^etymologie  du  mot  Nsikog^  Faubourg  de  Louvain 
1855,  sucht  gegen  Delatre,  der  im  Athenaeum  fran^ais  NeZ- 
kog  aus  skr.  nilas  blauschwarz  (=  hebr.  'frpw)  erklärt  hatte, 
wie  gegen  die  erklärnng^n  der  Orientalisten  aus  "iiHS  fluvius 
oder  btid  vallis,  fluvius  die  ableitung  Bock's  aus  altägypt. 
Ne-ei-log  (g  =  frz.  j)  esse,  facere,  adluere  aufrecht  zu  er- 
halten. Credatludaeus  Apellal  —  *Prench,  synonymns 
of  the  new  testament  (2.  edit.  London  1854),  stellt  die 
unterschiede,  so  weit  beobachtung  des  gebrauchs  und  ein- 
zelstudium  der  spräche  ausreichen,  meist  mit  glücklichem 
takt  fest,  entbehrt  aber  bei  gelegentlich  herbeigezogenen 
Sprachvergleichungen  eines  sicheren  halts.  In  noch  viel 
höherem  maafse  ist  das  letztere  aber  der  fall  in  Pyl's  my- 
tholog.  beitragen,  th.  1.  Grei&wald  1856,  welches  be- 
reits von  Mannhardt  V,  226  besprochen  ist;  mit  den  grie- 
chischen Inschriften  aus  vorhomerischer  zeit  (s.  46)  schei- 
nen wir  mit  diesem  buche  in  das  mythische  Zeitalter  der 
etymologie  zurückversetzt,  wenn  wir  etymologischen  Zu- 
sammenstellungen wie  segnen  mit  sanctus,  sacer,  äyiog,  yaj, 
anc  (p.38),  cultus  mit  heiligkeit  (ib.),  ritus  mit  ri  und  ire,  eifc^ 
(s.  41),  feriae  festus  mit  Ugog  (s.  41)  und  dieses  wertes  wie- 
der mit  weihen  (s.  39)  finden,  oder  wennNiobe  ohne  weiteres 
aus  vv^  und  ßaivHV  abgeleitet  wird  (s.  130)  oder  das  X  in 
'Evvahog  als  aus  a  entstanden  erklärt  wird  u.  dgl.  m.  Sa- 
pienti  sati  —  Den  bericht  Überschriften,  welche  erschei- 
nungen  mehrerer  oder  aller  sprachen  des  gebiets  behandeln 
oder  historische  resultate  aus  der  Sprachvergleichung  ziehen, 
legen  wir  aus  mangel  an  räum  fbr  das  nächste  heft  zurück. 


44^  Gomen 

II.    Anzeige. 


De  yocalium  quibusdam  in  lingua  latina 
affectionibus 

Programm  des  dir.  prof.  dr.  A.  Dietrich.    Hirsefaberg  1856. 

Der  hr.  veif.  des  vorstehenden  programmes  hat  sich  bereits 
durch  seine  früheren  kleineren  Schriften:  ^Commentationis  de 
quibasdam  consonae  v  in  lingua  latina  affectionibas 
(1843).  Commentationes  grammaticae  duae  I.  de  lite- 
rarum  in  lingua  latina  transpositione  II.  De  vocali- 
bns  latinis  subjecta  littera  affectis^  (1846)  sowie  durch 
einen  anÜBatz  in  dieser  Zeitschrift  (I,  543)  Y,zur  geschiehte 
des  lateinischen  accentes^  anerkannte  Verdienste  um  die  la- 
teinische lautlehre  erworben,  indem  er  mit  ebenso  strenger  und 
besonnener  methode  als  feiner  beobachtung  den  bestimmenden 
einflüssen  der  vokalwandelungen  in  der  lateinischen  spräche  nach- 
geforscht hat  Das  neueste  programm,  das  hier  vorliegt,  ist  als 
eine  fortsetzung  der  namentlich  in  den  beiden  ersten  schriflen 
angefangenen  forschungcn  anzusehn,  und  wird  von  allen  Sprach- 
forschern, denen  es  nicht  auf  dickleibige  bücher  sondern  auf 
stichhaltige  eigebnisse  ankommt,  gewifs  willkommen  geheifsen 
werden.  Die  schrift  handelt  zuerst  von  der  assimilation,  dann 
von  der  dissimilation  der  vocale.  In  der  behandlung  der  as* 
similation  unterscheidet  der  hr.  verf.  eine  annähernde  ansglei- 
chung  der  vocale  und  eine  vollständige  gleichsetzang« 
Als  beispiele  der  ersten  art  vergleicht  er  die  bildungen  eam,  eo, 
eum  mit  is,  id,  item,  ibi,  ita;  eo,  eunt  mit  Ire;  queo, 
queam  mit  quire;  mens,  meo,  meam  mit  mi,  mihi;  deus 
mit  divus;  Teanum,  Teate  mit  osk.  Tianud,  Tiati  und 
schliefst,  dafs  in  allen  diesen  fällen  folgendes  a  oder  o,  u  vor- 
hergehendes i  zu  e  gewandelt  habe,  dafs  nach  der  Stellung  der 
Sprachwerkzeuge  beim  aussprechen  allerdings  jenen  vocalen  när 
her  liegt  als  i.  Ich  mufs  bedenken  tragen  für  mehrere  der  hier 
angeführten  wortformen  der  ansieht  D.'s  unbedingt  beizutreten. 
Was  zunächst  die  formen  eam,  eo,  eum  anbetri£Et,  so  erscheint 
der  pronominale  stamm  i  in  der  gestalt  e  auch  in  der  ältesten 
form  des  nom.  plur.  e-eis  und  des  abl.  pl.  e-eis  auf  Inschriften 
(Sc  de  Bacc),  die  uns  überliefert  ist,  und  aus  der  die  form  eis 


anMige.  443 

des  nom.  pl.  (tab.  Bant.  1.  repetond.)  und  des  aM.  pl.  zusammen- 
gezogen 18t.    Diese  sind  freilich  aas  einer  arsprunglichen  e-ois 
entstanden  und  somit  könnte  auch  hier  das  e  des  pronominal- 
stammes  dnrch  folgendes  o  bestimmt  sein.    Aber  die  bei  Festus 
überlieferten  altlateinischen  formen  em  =  eom,  em-em=:eun- 
dem  zeigen  das  e  auch  vor  folgendem  consonanten;    das  e  ist 
also  nicht  aasschlief slich  durch  folgendes  a,  o,  u  herbeigefahrt, 
und  es  mufs.  noch  ein  anderer  gmnd  dafor  vorhanden  gewesen 
sein.    Ich  stehe  nicht  an  diesen  mit  Aufrecht  in  der  vocalsteige- 
rong  zu  finden,  die  eintrat,  wenn  der  pronominalstamm  i  dnrch 
angefagtes  a  oder  o,  u  erweitert  wurde.    Die  formen  eis  (für 
18  1.  repet),  eidem  (fSr  idem  Mil.  Popiliar.)  neben  i-dem,  i-ta, 
i-tem,  i-bi,   und   die   spondeische  messung  des  dativs  ^i  bei 
Piautas,  Terenz  und  Lucrez  (vgl.  Fleckeisen,  Jahns  jahrb.  LXI, 
17  f.)  sind  nur  so  Terständlich.  Der  hr.  verf.  bezweifelt,  wie  mir 
scheint,  mit  unrecht  die  Wirksamkeit  des  guna  im  lateinischen. 
In  folge  der  trübnng  lateinischer  diphthongen  zu  einlantigen  ISn^ 
gen  ist  die  vocalsteigerung  vielfach  schwer  nachzuweisen,   aber 
einige  schlagende  beispiele  sind  im  altlateinischen  doch  noch  vor- 
zufinden.   Wenn  gr.  wrz.  Im-  durch  vocalsteigerung  zvilein-m 
und  durch  ablautung  zu  X«-Xoi-ffa  wurde,  so  zeigt  lat  fides 
neben  di-feid-ens  (epigr.  Soran.)  und  foid-ere  (1.  Jul.  muni^ 
eip.)  denselben  hergang,  und  ich  sehe  nicht  ab,   wie  man  sonst 
fid-es,  per-fid-us  neben  con-fid-o,  in-fid-us  und  foed-ns 
erklären  will.    Auch  kann  man  doch  Louc-anom  (t  Scipion.), 
Louc-ina  (J.  R.  N.  6762.  Ritschi   de  Mil.  Fopil.  p.  4)   neben 
Leuc-esie  (carm.  Saliar.)  und  jiavx-iog  und  lüc-erna  ver- 
glichen mit  griech.  XevH-6g  und  a/iqpc-^tT^c-j/  nicht  anders  ver- 
stehen,   als  dafs  ein  ü  durch  vocalsteigerung  zu  ou  und  eu  ge- 
hoben wurde.  Es  ist  also  auch  nicht  zu  zweifeln,  dais  in  screib-o 
neben  /^aqp-oo,   deic-o  neben  in-dic-o,  ju-dic-o,  douc-o 
neben  düc-e  u.  a.  vocalsteigerung  stattfand,  und  dafs  sich  daher 
zum  grofsen  theil  der  Wechsel  der  vocallängen  in  vielen  lateini- 
schen wortstfimmen   schreibt.    Auch   die   altlateinischen  formen 
ei-tur  (tab.  Aletrin.),  ad-ei-  tur  (J.  R.  N.  3889),  ab-ei  (Or.  4848) 
und  die  oskischen  ei-tuns,  ei-tua  (d.  zeitschr.  V.  p.  129)  von 
der  Verbalwurzel  i-  stehen  doch  neben  i-tum,  wie  griech.  «7-f«i 
neben  i-iiev  d.  h.  ei  ist  durch  vocalsteigerung  aus  i  entstanden. 
Aus  diesen  gründen  pflichte  ich  auch  der  auffassung  D.'s  nicht 
bei,  dafs  deus  aus  dius  durch  assimilation  entstanden  sei.    Die 


444  Gonsen 

formen  dii,  diis  beweisen  das  nicht;  man  kann  es  als  erwiesen 
ansehen  aas  handschriften  und  inschriften,  dafs  ii  in  vorac^nstei- 
scher  zeit  überhaupt  nicht  gesprochen  und  geschrieben  ward;  also 
sind  auch  dii,  diis  spfite  formen  für  dei,  deis,  wie  ii,  üb  für 
ei,  eis  oder  iei,  ieis  und  ebenso  ist  dibus  aus  deibos  ver- 
schmolzen. Auch  bei  lat  deus  spielt  die  TOcalsteigeFong  eine 
rolle  so  gut  wie  skr.  dSvas  durch  guna  von  wrz.  div  (splen- 
dere)  entstanden  ist  Die  altlat  formen  deivo  (t  Pisaor.),  dei- 
vae  (t  Roman.))  deivinam  (dedic.  vic.  Furf.),  d^vas  (t  Bohl 
Ritschi,  fict  litt  lat  p.  26),  die  volskische  deve  =  divae,  die 
oskische  deiyai  =  divae  müssen  doch  zu  wrz.  div  in  demsel- 
ben yerhfiltnifs  gestanden  haben  wie  ei-tnr  zu  wrz.  i,  ei-dem 
zu  wrz.  1,  di-feid-ens  zu  wrz.  f  id  u.  a.  Die  wurzel  div  erlei- 
det ja  anch  in  den  italischen  sprachen,  wo  sie  in  der  gestalt  dju 
auftritt,  vocalsteigerung  des  o  zu  ou,  woraus  bei  folgendem  vo- 
cal  ov  ward  in  lat  Djovis,  Jovis,  osk.  diovei,  iovei.  Ans 
der  filtesten  lateinischen  form  d^vos  also  ist  nach  bekannten 
lautvorgfingen  deus  geworden.  Ich  weiche  also  darin  vom  verf. 
ab,  dafs  ich  in  formen  wie  eum,  deus,  eo  das  ^  aus  vocalstei- 
gerung eines  i  entstanden  erkläre;  dieses  e  muTste  sich  nach  dem 
später  zur  geltung  gelangten  lautgesetz  vor  folgendem  vocal  na- 
turlich zu  e  kürzen.  Ich  stimme  aber  D.  darin  bei,  dafs  der 
zwischen  S,  ei,  i  schwankende  ton  (vgl.  z.  b.  auf  einer  inschrift 
Veturis,  Veiturios,  Vituriorum)  des  aus  i  durch  vocalstei- 
gerung entstandenen  lautes  in  jenen  formen  anch  im  nenlateini- 
sehen  auf  e  fixirt  blieb  wegen  des  folgenden  vocals  a,  o,  o,  wäh- 
rend sich  doch  sonst  seit  der  augusteischen  zeit  für  altes  e,  et  1 
festsetzte.  Ich  wollte  nur  die  vocalsteigerung  im  lateinischen  ge- 
gen D.'s  zweifei  wahren. 

Für  meus  nimmt  der  hr.  verf.  mit  recht  die  form  mi-us 
als  diejenige  an,  von  der  man  ausgehen  müsse,  gestützt  auf  das 
zeugnifs  des  Velius  Longus  (p.  2236.  P.).  Dazu  finde  ich  einen 
beleg  in  der  form  mi-eis  (tit  Scipion.)  so  wie  in  der  umbrischen 
form  ti-om  =  te  und  in  der  oskischen  si-om  =  se,  formen 
die  darauf  hinweisen,  dafs  mi,  ti  flr  tvi  neben  tu,  si  für  svi 
neben  su  auf  italischem  boden  die  grundformen  des  Personalpro- 
nomens waren  wie  im  griech.  -fit,  -<ti,  -ti  sich  als  die  ursprüng- 
lichen personalendungen  zeigen  in  ei-jui,  8(T-<ri,  e<r-7i.  Ich  sehe 
aber  keinen  rechten  gmnd  zu  der  vermuthung,  dafs  me-us  aus 
me-iu-s  (vgl.  griech.  efie-io)  entstanden  sei,  glaube  vielmehr 


anzeige.  445 

dafs  die  possessiva  me-u-s,  ta-u-s,  su^n-s  wie  die  griecbi* 
sehen  ifiogt  aog,  og  rein  darch  anfugong  eines  o  von  den  stfim- 
men  der  personalpronomina  gebildet  worden  sind.  Durch  dieses 
o  ward  dann,  wie  D.  meint,  das  i  za  e  assimiliert,  was  um  so 
naturlicher  war,  als  die  filtesten  lateinischen  Inschriften  das  i  von 
den  i-stämmen  überhaupt  häufig  durch  e  wiedergeben.  Es  fragt 
sich  nur,  wie  sind  aas  italischen  gmndformen  mi,  ti,  si  für  das 
Personalpronomen  die  accnsative  me,  te,  se  za  erklaren  und 
wie  die  ablative  m^,  tS,  s^,  eine  frage ^  auf  die  D.  nicht  ein- 
geht Für  die  accnsative  weisen  uns  die  nmbrisch-oskischen  for- 
men ti-om,  si-om  den  weg,  die  den  schlnfs  erlauben,  dafs  es 
auch  im  lateinischen  ursprüngliche  accusativformen  me-om, 
te-om,  se-om,  durch  assimilation  aus  mi-om,  ti-om>  si*om 
entstanden,  gab;  das  schliefsende  m  dieser  formen  verklang  und 
fiel  ab  wie  nach  ausweis  der  Inschriften  so  häufig  in  der  ältesten 
wie  in  der  spätesten  lateinischen  spräche;  von  me-o,  te-o,  se-o 
schwächte  sich  das  auslautende  o  zu  e  wie  in  den  voeativformen 
der  o-stämme  Marce,  Romane  u.  a.,  und  indem  ee  zu  e  zer- 
flofs,  ward  ans  me-e,  te-e,  se-e,  mS,  te,  sd.  So  ist  die  vo- 
callänge  dieser  formen  gerechtfertigt  Die  ablativformen  m^, 
te,  se  sind  natürlich  aus  med,  tSd,  sed  entstanden,  und  diese 
formen  aus  mi-ed,  si-ed,  ti-ed  (vergl.  es-set  für  es-siet)  wie 
facilumed  aus  facilumo-ed.  Dafür  dafs  alle  lateinischen  ad- 
verbien  auf  e  von  o-stämmen  wie  docte,  probe  solche  ursprüng- 
liche ablativformen  auf  ed  sind  wie  facilumed,  will  ich  anderen 
orts  weitere  nachweise  geben. 

Der  hr.  verf.  zeigt  weiter,  dafs  in  formen  wie  aureolus, 
corneolus,  luteolus,  caseolus,  balneolum,  cereolus, 
filiolus,  viola,  patriciolus,  senariolus,  hariolus,  scio- 
lus,  violentus,  vinolentus,  sanguinolentus,  formidolo- 
^us  der  vorhergehende  hellere  vocal  e  oder  i  verhinderte,  dafs 
altlateinisches  o  sich  zu  u  verdunkelte,  was  um  so  einleuchtender 
ist,  als  sonst  1  seine  Wahlverwandtschaft;  zu  u  darin  bethätigt, 
dafs  es  vor  sich  a,  e,  i  oft  in  diesen  vocal  umwandelt,  wie  dies 
D.  schon  früher  trefflich  nachgewiesen  hat.  Der  hr.  verf.  geht 
hierauf  p.  4  zu  der  vollständigen  ausgleichung  der  vocale 
über,  die  durch  zwischen  gestellte  consonanten  getrennt  sind, 
und  bespricht  zuerst  die  umlautung  von  Stammsilben  durch 
vocalassimilation.  Diese  wird  natürlich  mit  Pott  in  nihil,  ni- 
mis,    nimirum  für  ne-hilum,   ne-mis,  ne-mirum  erkannt 


446  Oofsatn 

F8r  die  antennichang  ober  die  formen  ne,  nei,  ni  wäre  die  be- 
natcnag  von  Bitschis  nachweis  (rhein.  mns.  VIII,  483)  förderlich 
gewesen,  dafs  in  filtesten  selten  ne  vorwiegend  war,  in  der  zeit 
der  hannibalisdien  und  der  maoedonischen  kriege  nei  und  dane- 
ben ni  gebrfinchlicher  war,  spfiterbin  ne  wieder  vortrat.  D/s 
ansieht,  dafs  man  wegen  neque,  nequeo  u.a.  eine  doppdite 
form  nS  (nei,  ni)  und  n£  annehmen  müsse,  halte  ich  für  un- 
richt%,  verzichte  indefs  hier  auf  eine  begrfindung  meiner  aoaicht. 
Auch  in  mihi,  tibi,  sibi  verdankt  das  erste  i  dem  zweiten  seine 
existenz,  oder  vielmehr,  wie  ich  es  nach  dem  oben  gesagten  aus- 
drücken würde,  seine  erhaltnng  zumal  im  vergleich  mit  ombr. 
mehe,  tefe.  Fein  und  scharfsinnig  sind  hierauf  eine  anzahl  von 
wortformen  besprochen,  in  denen  Fött  unrichtig  umlantung  des 
stammvocals  durch  die  assimilirende  kraft  des  vocals  in  der  ab- 
leitungssilbe  annimmt,  und  es  ist  nachgewiesen,  wie  diese  lant- 
wechsel  anderen  Ursachen,  namentlich  dem  einflufs  folgender  con- 
sonanten  zuzuschreiben  sind  (p.  6.  7).  Viel  häufiger  ist  die  vo- 
calassimilation  in  ableitungssilben,  und  zwar  werden  von 
derselben  am  häufigsten  die  vocale  i  und  u  betroffen.    Um  diese 

zu  untersuchen,   bespricht  D.  zuerst  den  mittelton.    Zwischen 

,  .  .  _  .  i  i     '  .    i 

u  und  1  m  wortformen  wie  optumus,  maxumus,  minumas, 

monumentum,  existumat,  intubus,  mancapium  u. a.,  den 
Schneider  (I,  19  f.)  nach  den  angaben  der  grammatiker  ausführ- 
lich behandelt  und  als  verschieden  vom  griech.  v  ansieht  Der 
hr.  verf.  glaubt,  dafs  dieser  vocal  ein  mittelton  zwischen  o,  u, 
i,  e  gewesen  sei,  wie  ihn  die  englische  spräche  in  wortern  wie 
but,  diction,  doctor,  member  u.  a.  hören  läfst,  und  dafs 
sich  dieses  ganz  kurz  gesprochene  8  je  nach  umständen,  nament- 
lich je  nach  dem  folgenden  consonanten,  zu  o,  u,  e,  i  habe  aus- 
prägen können.  Eine  stütze  scheint  diese  ansieht  zu  finden  in 
den  formen  des  gerundinms,  deren  älteste  ondus  ist,  dann  un- 
d  u  s ,  daneben  aber  schon  seit  der  zeit  der  macedonischen  kriege 
endus  z.  b.  faciondam  (Orut.  95.  6),  faciundum  (J.B.N. 
3563.  a.  Ch.  106),  faciendam  (Sc.  de  Baccan.  a.  Ch.  186;  Or. 
3808.  a.  Cb.  111),  facienda  (T.  Aletrinat  a.  Ch.  140-130).  Aber 
Quintilian,  Priscian,  Velius  Longus  und  andre  grammatiker  spre- 
chen doch  zu  entschieden  und  ausdrücklich  nur  von  einem  mit- 
telton zwischen  u  und  i;  ich  kann  mich  nicht  überzeugen,  dafs 
ihnen  die  hinneigung  zu  o  und  e  entgangen  wäre,  wenn  jener 
mittelton  der  erwähnte  englische  laut  gewesen  wäre.  Ich  bestreite 


anzeige.  447 

damit  nicht,  dafB  ein  solcher  ubergangstan  o  zu  Zeiten  im  latei- 
nischen gehört  worden  sei;  man  sprach  nicht  heote  inloco  and 
morgen  illico,  hente  tempori  und  moigen  temperi;  ich  zweifle 
ebenso  wenig,  daCs  es  im  volksmunde  einmal  einen  übergangs- 
laut  a  gab  und  dafs  mittelst  dieses  aus  capio  concipio  ans 
pars  expers  ward.  Aber  diese  ubergangslaute  haben  keine 
dauernde  und  feste  existenz  in  der  spräche  gehabt,  und  die  aus- 
spräche entschied  sich  nach  kurzem  schwanken  für  einen  der  bei- 
den zunächst  liegenden  ausgeprägten  vocale.  Aber  jener  nber- 
gangslaut  zwischen  u  und  i  ist,  wie  die  Inschriften  bezeugen,  von 
der  ältesten  bis  in  die  späteste  zeit  der  lateinischen  spräche  ge- 
blieben und  hat  dauerndes  bürgerrecht  im  vocalismus  der  spräche 
genossen.  In  der  älteren  volksthümlichen  spräche  und  später  im 
munde  des  landvolkes  ist  er  dem  u  sehr  ähnlich  gewesen,  das 
bezeugen  inschriften,  handschriften  und  ausdruckliche  aussagen 
der  alten  grammatiker,  im  munde  der  gebildeten  und  der  haupt- 
städter  näherte  er  sich  in  den  letzten  Zeiten  der  republik  dem 
i  mehr,  doch  drang  Cäsars  Schreibung  i  für  den  laut  noch  nicht 
durch.  Schliefslich  ist  derselbe  aber  doch  auch  im  yolksmunde 
fast  durchgehends  zu  i  geworden;  das  zeigen  die  italienischen 
formen  ottimo,  massimo,  intimo,  libito  u.  a.;  ich  wnfste 
nur  monumento  zu  nennen,  wo  er  sich  zum  u  ausgeprägt  hat, 
wie  dies  zu  allen  zeiten  die  häufigere  form  gewesen  ist  neben 
monimento  und  monemento.  Der  unterschied  zwischen  griech. 
i;  und  diesem  übergangslaut  kann  nur  feinen  obren  hörbar  ge- 
wesen sein,  da  Marius  Victorinus  (p.  2458  P.)  diesen  geradezu 
durch  griech.  v  ausdrucken  will.  Dafs  das  griech.  v  dem  lat  u 
näher  lag  als  dem  lat.  i,  geht  daraus  hervor,  dafs  etwa  bis  zur 
zeit  der  eroberung  Galliens  auf  den  lateinischen  inschriften  gr.  v 
in  griechischen  wortern  immer  durch  lat  u ,  nie  durch  lat.  i  aus- 
gedrückt wird,  und  dafs  beiden  sprachen  gemeinsame  wortstämme, 
die  im  griechischen  v  haben,  im  lateinischen  sehr  häufig  u,  sehr 
selten  i  zeigen  z.  b.  q)vyi^  fuga,  gpvco  fuo,  jugum  ^vyovmH, 
(Schneid.  I,  41).  Der  lateinische  mittelton  i  mnfs  daher  in  alter 
zeit,  wo  er  dem  u  sehr  ähnlich  war,  dem  griech.  v  doch  wohl  im 
wesentlichen  gleich  geklungen  haben;  als  aber  um  Cäsars  zeit 
sich  derselbe  im  munde  der  gebildeten  dem  i  mehr  zuneigte,  un- 
terschied er  sich  vom  v;  darum  bezeichnete  ihn  kaiser  Claudius 
durch  einen  besonderen  buchstaben  Ir,  wie  die  form  desselben 
zeigt,  als  eine  abart  des  i,  und  es  ist  erklärlich,  wenn  Quindlian 


448  Gonsen 

(XII,  10.  27)  im  munde  seines  Tolkes  keinen  dem  grieefa.  v  ganz 
entsprechenden  vocal  klingen  horte. 

Das  stamme  n  in  bildangen  wie  pericalum,  vincolnm 
u.  a.  neben  den  in  der  filteren  rolksthfimlichen  spräche  gebrfiach- 
licheren  formen  periclam,  vinclum  (vergL  Ritschi.  t.  Aietiin. 
p.  IX.  titMummian.  p.  XIY)  die  den  ombiischen  wie  pihacio, 
katle,  vitlu,  puplo  o.  a.  entsprechen,  vergleicht  d»  verf.  treflT- 
lieh  mit  dem  hebräischen  schewa  forte.    Schlagend  ist   auch 
der  vergleich  des  oskischen  vocaleinschnbs  mit  dem  schewa. 
Wie  n&mlich  im  hebrfiischen  durch  den  vocal  der  folgenden  silbe 
bestimmt  wird,   welcher  stamme  vocal  als  schewa  gehört  wird^ 
so  wird  bei  dem  oskischen  vocaleinschub  zwischen  zwei  conso- 
nanten  durch  den  vocal  der  folgenden  silbe  bestimmt,   welcher 
stamme  vocal  zwischen  den  beiden  vorhergehenden  consonanten 
dorchlautet:  vergl.  Sakoro,  Sakarater,  zicolom,   ziculnd, 
zicelei,  comono,  comenei.    Zu  dieser  art  stummer  oder  ii^ 
rationaler  vocale  gehört  auch  das  e  in  dexterum  neben  dex- 
tram,  superi  neben  supra  n.  a.    Ebenso  fasse  ich  den  vocal- 
einschnb  eines u  in  drachnma,  Alcumena  u.a.  eines  i  in  te- 
china  mina  u.  a.    Dem  oskischen  vocaleinschub  verwandt  ist 
die  durch  ein  i  der  folgenden  silbe  veranlafste  umlautung  eines 
o  oder  u  vor  folgendem  1  zu  i,  insofern  in  beiden  ffillen  der  vo- 
calische  laut  der  vorhergehenden  silbe  assimilirt  wird.    Beispiele 
für  diese  umlautung  sind  consilium,  facilis,  familia  vergli- 
chen mit  consul,  facul,  famulus  und  zahlreiche  namen  wie 
Avilius,  Canilius,  Lucilius,  Muticilius,  Pacilius,  Pon- 
tilius,  Procilius,  Sextilius,   Tantilius,   Titilius,  Tur- 
pilius,  Venilius,  neben  verwandten  namensformen  wie  Avo- 
leius,  Canuleius,  Luculeius  u.  a.  (Bitschl  ind.  schol.  hib. 
1853.  1854.  p.  V.);    während  formen  wie  nuculeus,  aculeus 
zeigen,    dafs  e  keine  umlautende  und  assimillrende  Wirkung  auf 
ein  o,  u  der  vorhergehenden  silbe  übte.    In  bildungen  wie  len- 
tulitas,  garrulitas,  famulitium,  occulitus  hatte  nach  D. 
der   farblose   und  gleichgültige  kurze  bindevocal  ebenfalls  nicht 
umlautende  kraft;    in  aesculinus,  catulinus,  figulinus  etc. 
lautete  das  i  der  vorletzten  silbe  altlat.  ei,  d.h.  es  war  ein  mit- 
telton zwischen  i  und  e,  daher  assimilirte  es  den  vocal  der  vor- 
hergehenden silbe  nicht    Weiterhin  stellt  nun  der  verf.  in  ab- 
rede, dafs  die  bildungen  inquilinus,   sterquilinus,  Tarqui- 
nius,  Quirites  verglichen  mit  incola,  stercus,  sterculius. 


Tarehon,  Cares,  ans  diesen  fonnen  entstanden  seien,  indem 
nrsprfingliches  c  sich  za  qn  trübte  nnd  durch  das  i  der  Torlets- 
ten  Silbe  das  o  oder  n  der  drittletsten  zu  i  amgelaatet  wurde. 
Dies  geschieht  offenbar  auf  grond  der  froher  Tom  verf.  (de  qoi- 
busd.  conson.  v  in  ling.  lat  afifectionibas  p.  4)  aufgestellten  an- 
sieht vom  lat.  qu,  das  er  aberall  für  filter  hfilt  als  c,  wo  es  an 
dessen  stelle  erscheint  und  immer  entstanden  aas  einem  ar- 
sprongliehen  kv.  Dieser  ansieht  widersprechen  aber  bestimmte 
sprachliche  thatsachen.  Formen  wie  inqaola  oder  inqailat 
sterqaas  xl  a.  giebt  es  nicht,  neben  inqainare  ist  nur  coe- 
nam,  nicht  qaoenum  za  finden,  neben  Qaerqaetalanas  nor 
qaercus  nicht  qnerqaus,  die  herleitong  der  Quirites  yon 
der  sabinischen  Stadt  Gares  oder  ron  dem  sabinischen  wort  cn» 
ris  =  hasta  ist  geschichtlich  wohl  begründet  Die  Schreibart  qa 
für  ?  ist  erst  aaf  romischem  boden  entstanden,  da  das  9  aas 
dem  koppa  des  dorisch -sikalischen  alphabets  herübeigenommen 
ist,  wfihrend  kein  anderes  italisches  aiphabet  dieses  zeichen  kennt, 
kann  also  aach  nicht  die  verbindong  von  zwei  consonanten  be- 
seichnen.  Wenn  das  ombrische  ond  oskische  das  lat.  q  darch 
kv  ausdrückt  (vergl.  umbr.  kvestar,  osk.  kvaisstor,  latein. 
qaaestor),  das  griechische  durch  xov  (Kovagtivog),  xo 
(^Koivtog)  oder  blols  durch  x  (TaQXfSpiog)^  so  zeigt  sich  darin 
die  Verlegenheit  einen  laut  auszudrücken,  für  den  kein  schriftzei- 
chen vorhanden  ist  So  bezeichnet  auch  die  lateinische  schrift 
den  altumbrischen  consonanten  4  durch  rs,  weil  ihr  ein  eigenes 
zeichen  für  diesen  mittelton  fehlt.  Endlich  zeigt  das  sanskrit,  so 
viel  ich  weifs,  in  keinem  falle  kv  an  stelle  eines  lat.  q,  sondern 
k,  9,  c  oder  p,  das  griechische,  umbrische,  oskische  meist  p, 
seltner  k.  Q  ist  also  jedenfalls  ein  einiger  consonant,  und  zwar 
der  übergangslaut  zwischen  dem  kehllaut  k  und  dem  lippenlant 
p,  der  entsteht,  indem  man  zu  gleicher  zeit,  wo  man  den  ansatz 
macht,  das  k  aus  der  kehle  hervorzustoüsen,  die  lippen  wie  zur 
ausspräche  eines  u  oder  v  zusammenzieht,  dann  die  lippen  ö&et 
und  den  hauch  ausstofst  Den  so  entstandenen  labialen  hauch 
des  kehllaates  drückte  die  lateinische  schrift  durch  das  zum  q 
gesetzte  u  aus;  doch  findet  sich  daneben  auf  inschriften  und  al- 
ten handschriften  die  Schreibung  q  ohne  beisatz  eines  u,  und 
diese  ward  von  einzelnen  grammatikern  als  die  richtige  angese- 
hen. Dieses  qu  nun  ist  überall  auf  lateinischem  boden  aus  c 
entstanden,  wenn  es  sich  auch  schon  auf  sprachdenkmilem  aus 
V.    6.  29 


4S0  ConMD 

der  seit  der  paoischen  kriege  findet.  Ich  mnÜB  demnJidi  geges 
D.  annehmen,  dafs  inqnilinas,  sterquilinium,  Tarqui- 
nias,  Qairites  aus  incola,  stercus,  Tarchon,  Gares 
dnrch  die  asnmilirende  kraft  dea  i  der  ableitiingssilbe  nmgelao- 
tet  Bind. 

Solcke  nmlaatende  kraft  des  i  wird,  wie  der  verf.  weiter 
nachweist,  gehindert  dnrch  folgende  labialen  m,  b,  p,  y  In  Po- 
stnmins,  mannbiae,  ancnpinm,  VesuTius,  Lanavinm. 
Binflafs  des  vocals  der  folgenden  dlbe  auf  die  umlaatoiig  des 
▼orhergehenden  nimmt  der  verf.  aach  an,  wenn  er  die  ansichl 
aofsteUt,  daTs  quaestara  nnd  qnaesitarns  nnd  ähnlieh  gebil- 
dete formen  neben  qnaestor,  quaestores,  quaestoribus  ihr 
n  dem  schweren  Tocal  a  oder  o,  n  der  endsübe  verdanken,  da& 
▼on  volo  and  daonas  ursprüngliche  formen  velo  und  duenas 
waren,  deren  e  erst  dnrch  einfiufe  des  yoihergehendeo  ▼  zu  o 
ward;  diese  amlaatnng  aber  unterblieb  in  bene,  Telim  wegen 
des  e,  i  der  letzten  silbe.  Wortformen,  die  D.  nicht  erwähnt,  in 
denen  ich  aber  nicht  anstehe  aasimilirenden  einfla£s  dea  vocals 
der  vorletzten  silbe  auf  den  vocal  der  drittletzten  anzunehmen, 
sind  socordia  für  secordia,  solvo  für  seluo,  illecebrae 
neben  illicio,  Sispita  neben  Sospita. 

Aber  die  vocalassimilation  ist  nicht  blola  ruckwirkend,  aach 
auf  den  vocal  der  folgenden  silbe  kann  der  vocal  der  vorherge- 
henden assimiUrenden  einflufs  üben.  So  sind  nach  D.  die  snpei^ 
lative  aof  issimas  entstanden,  indem  das  i  der  drittletzten  silbe 
das  u  der  vorietzten  sich  assimilirte;  nachdem  das  i  hier  platz 
gegriffen,  ward  es  auch  in  den  superlativformen,  die  mit  dem 
snfifix  thno  oder  imo  gebildet  sind  und  die  kein  i  in  der  vorher- 
gehenden silbe  zeigen,  wie  optimus,  maximus,  pulcherri- 
mns  and  in  Wörtern  mit  ähnlichem  ansgang  üblich  wie  legiti- 
mus, existimo,  lacrimae  besonders  durch  Cäsars  einflufs. 
Indessen  da  das  i  sich  schon  aof  denkm&lern  ans  der  zeit  der 
Gracchen  und  des  Cimbernkrieges  findet,  wie  testimonium  (tab. 
Baut),  proximnm,  vadimonium  (1.  Thoria),  so  findet  der 
verf.  das  verfahren  mit  recht  bedenklich,  in  dem  text  des  Cicero 
und  anderer  Schriftsteller  fiberall  die  formen  issumus  herstellen 
zu  wollen,  wie  dies  z.  b.  Madvig  (Cic.  de  finib.)  thut.  Was  der 
verf.  hier  aus  sprachlichen  gründen  schMe&t,  bestätigt  auch  die 
neuere  handschriftenkunde,  da  die  besten  handschriften  des  Ver- 
gil,  Plinins  und  Cicero  neben  formen  wie  proxumus,  maxu- 


451 

tnuBj  minumnSy  postarnns  entweder  ansacbliefslich  odergaoc 
vorwiegend  die  formen  auf  -issimos  haben  (vgl.  Vergil.  ed.  Wag^ 
ner.  Billig.  Plin.  FmeL  LXIX.  LXXI.  Halm  Analecta  Tolliana 
Fase.  I.  p.  VI.  Zur  handscbriftenknnde  der  Giceronischen  Schrif- 
ten p.  17)9  wfihreod  für  Plautos  jetxt  überall  die  formen  auf  is- 
snmas  hergestellt  sind  (Ritsehl.  ProlL  p.  XCV.  Fleckeisen.  Epist 
Critic.  p.  ym).  Mit  dem  was  oben  aber  den  mittelton  a  gesagt 
ist,  stimmt  es  genau  fiberein,  dafe  man  za  Flautas  zeit  -issn* 
mus  (cf.  probisnma  J.  R.  N.  5820,  amantissnmai  J.  B.  N. 
1623),  za  Giceros  und  Yergils  -issimas  gesprochen.  Wie 
in  dieser  snperlativform,  ist  in  sibilns  und  sibilare  das  zweite 
i  durch  das  erste  bewirkt  (vgl.  (Tt^^ooi);  in  calamus  und  ca- 
lamitas  hat  das  erste  a  verhindert,  daüs  das  zweite  zu  i  odera 
ubeiiging,  wie  dies  sonst  der  fkll  ist  in  griechischen  Wörtern,  die 
auf  lateinischem  boden  verpflanzt  sind  wie  xQatndXti  crapnla, 
rQvravri  trntina  n.  a.;  in  obolus,  somnolentns  hat  das 
erste  o  das  zweite  verhindert,  wie  sonst  gewöhnlich  vor  1  sich 
cu  n  zu  verdankein,*  ebenso  ist  nach  verL  in  semel  neben  se- 
mol,  semal,  simul  das  zweite  e  dem  ersten  zazaschreiben  und 
das  gleiche  ist  for  segetes,  tegetes,  hebetes,  teretes,  in« 
terpretes  neben  caelites,  eqnites  a.  a.  anzunehmen. 

Der  letzte  abschnitt  der  vorliegenden  schrift  handelt  von  der 
dissimilation*  Als  eine  Wirkung  der  dissimilation  sieht  es  der 
verf.  mit  recht  an,  dafs  uu  und  vu  vor  mitte  des  letzten  Jahr- 
hunderts a.  (%•  nicht  geschrieben  und  gesprochen  wurde,  sondern 
stets  uo,  vo;  dafs  auch  ii  in  derselben  zeit  vermieden  wurde 
entweder  durch  die  Verschmelzung  zu  i  (gen.  Claudi  Terenti) 
oder  durch  die  Schreibung  und  ausspräche  iei  (municipieis) 
oder  durch  dissimilation  des  zweiten  i  zu  e  (vgl.  conieciant 
T.  Baut,  adiese,  adieeet,  adiesent  Sc.  de  Baccan.).  Den 
letzteren  weg  schlug  die  spräche  ein  in  den  bildungen  societas, 
pietas,  anxietas,  satietas,  ebrietas  neben  auctoritas, 
dignitas  u.a.;  ferner  in  arietis,  abietis  neben  limitis,  gur- 
gitis,  in  hietare,  variegare  neben  clamitare,  levigare, 
clarigare.  Die  formen  Neriene,  Nerienis  neben  Nerio, 
Anien  Anienis  neben  Anio  Anionis  (Ebel  d.  zeitscbr.  I. 
p.  307)  will  der  verf.  nicht  hierherziehen,  weil  der  nominativ 
Ani^n  mit  langem  e  gemessen  erscheint  und  weil  überdies  beide 
Wörter  sabinischen  Ursprunges  seien.  In  alienus,  lanienus, 
Avienus,  Oallienus  dissimilation  anzuerkennen,  ist  dem  verf. 

29* 


482  Conteii 

bedenklich  wegen  der  bfldangen  terrenns,  serenas,  Alfe- 
nuB,  avena,  arena,  catena,  cantilena,  venenum,  die  kea 
i  vor  e  haben.  Ich  theile  dieses  letzte  bedenken  nicht.  Ueber- 
blickt  man  die  grofse  sahl  von  namen  wie  Aienns,  Albienos. 
Allienns,  Annienos,  Anfidienus,  Avidienns,  Avienns. 
Avillienas,  Anlienus,  Betiliena,  Catienns,  Ceciena, 
Gorienas,  Gopiennius,  Didienns,  LartiennSyMamienns, 
Matienns,  Metidiena,  Massienns,  Multienas,  Passie* 
nus,  Peticienus,  Sallienns,  SalFidienas,  Satrienas, 
Septimiena,  Teltienus,  Titienns,  Trebelliena,  Veltie- 
nns,  ferner:  Aiedius,  Anaiedins,  Aatiedias,  Atiedius, 
Alfiedias,  Numiedins,  Petiedius,  Teiedia,  Vibiedias 
(vgl.  Mommsen  inscr.  regn.  Neap.),  nnd  vergleicht  damit  die  tliat- 
sache,  dafs  bildongen  auf  -iinus  oder  iidius  nie  voriLommen, 
während  die  bildmigen  inus,  inias,  idns,  idias  der  lateini- 
schen spräche  so  gelfiafig  sind,  so  mnfs  man  doch  schliefsen,  dafs 
das  vorhergehende  i  der  grand  far  die  erscheinnng  des  e  in  je- 
nen namen  ist.  Da  non  diese  namen  meist  erscheinen  anf  dem 
gebiete,  wo  einst  die  oskische  nnd  die  sabellische  spräche  lebte, 
stimme  ich  der  ansieht  Ebels  nnd  Fleckeisens  bei,  dafs  ans  Anto 
Nerio  :  Ani^nis,  Neri^nis  geworden  sei  im  gegensatz  sn  ho- 
minis Apolltnis  von  homd  Apollo,  nm  den  gleichklang  ii 
sn  vermeiden,  wie  lien  ans  demselben  gründe  lienis  bildete  (vgl. 
Fleckeisen:  znr  kritik  der  altlat  dichterfragm.  bei  Gellios  p.  33)l 
Der  vocativ  Nerien*e»s,  der  einen  gleichlautenden  nominativ 
voraassetzt,  ist  vom  verkürzten  stamm  Nerien  gebildet  dorch 
antreten  eines  e  wie  der  name  Pal-e-s  von  wnrzelpal  (hüten); 
die  nominative  Ner-ia  xmdNeQ'iptjf  die  daneben  noch  erwähnt 
werden,  sind  im  suffix  verschieden  von  Ner-io.  Ebenso  scheint 
der  nominativ  Ani^nus  im  snfBz  verschieden  von  Anio,  näm- 
lich dieselbe  adjectivbfldnng  wie  Alli^nns,  Aufidienns  n.  a. 
Diese  adjectivform  aber  ward  leicht  der  anlafs  Anidn  nnd  Anie- 
nis  za  messen  znmal  far  das  bedürfnifs  des  hexameters«  Zu 
den  beispielen  der  dissimilation  rechnet  D.  anch  ambiegnns 
f&r  ambegnus,  zasammengesetzt  ans  ambi  nnd  agnus,  das 
eigentlich  hätte  ambi-ignus  lauten  müssen.  Der  verf  geht  hier- 
bei von  der  Voraussetzung  aus,  dafs  agnus  so  gesprochen  sei,  als 
stände  das  n  vor  g  und  sei  ein  nasal  oder  ein  n-adulterinum, 
wie  es  Nigidius  Figulns  nannte.  Aber  die  alten  grammatiker 
kennen  ein  solches  nur  in  wortem,  wo  es  wirklich  vor  g,  c  oder 


aitteige.  453 

q  geschrieben  ist,  wie  anguis,  ancora,  nanqnam  o.a. (Schnei- 
der I,  317}  keiner  von  ihnen  sagt,  daCs  dasselbe  auch  in  Wörtern 
^ie  magnus,  agnus,  regnum,  Signum,  malignus,  beni- 
gnus, privignus  gesprochen  worden  sei    Dafs  aber  die  con« 
sonantenverbindnng  gn  ein  i  vor  sidb  verlangte,    mufis  idi  eben- 
falls bestreiten.    Ans  malignus,  benignus,  privignus  folgt 
das  nicht.    Privi-gnus  ist  rasammengesetzt  ans  den  stammen 
privo  und  geno  und  bedeutet  wörtlich  « eines  einzelnen  sohn% 
nfimlioh  söhn  nur  eines  von  zwei  eheleuten,  d.  h.  Stiefsohn  des 
anderen;   der  stamm  privo  hat  wie  gewöhnlich  das  auslautende 
o  durch  u  zu  i  abgeschwficht  Mali-gnus  und  beni-gnns  sind 
ganz  ebenso  gebildet;    sie  enthalten  die  adjectivst&mme  malo, 
beno,  aber  nicht  die  adverbien  male  bene  und  bedeuten  „vom 
schlechten  geboren,  vom  guten  geboren^.    Auch  dignus,  pi- 
gnus,   ignis,    lignum   haben   für  jene  behauptung  keine  be- 
weisende kraft)  dig-nns  liegt,  wie  mir  scheint,  dig-itns  nfiher 
als  dec-et  (ygl.Hom.  UQ  lös  ixet  og)  pig-nus  scheint  aUerdings 
von  pag-o  (pac-iscor)  zu  kommen;    aber  daneben  steht  auch 
pig-er;   bei  ignis  neben  skr.  agni  kann  das  i  der  endung  den 
vorhergehenden  vocal  assimilirt  haben,  so  dafs  er  zu  i  nicht  zu 
e  wurde;    die  efymologie  von  lig-num  ist  ganz  unsicher.    Ich 
finde  also  die  Schwächung  des  a  zu  e  vor  zwei  consonanten  in 
ambiegnns  und  ambegnus  ebenso  gerechtfertigt  wie  in  bien- 
ninm,  inermis  u.  a.  und  kann  hier  keine  dissimilation  sehen* 
Dissimilation  des  vor  i  stehenden  vocals  findet  D.  in  meio  aus 
migio  im  vergleich  mit  mingo  griech.  ogiix^y  in  peior  (dies, 
zeitscbr.  III,  202)  im  genit  und  dat  eins,  ei  und  in  der  bildung 
der  namen  auf  eio  wie  Pompeius  u.  a.  Von  dem  pronominal- 
stamme i   und   dessen  vocalsteigerung  zu  ^  ist  schon  oben  die 
rede  gewesen;    über  die  bildung  der   namen  auf  eio  habe  ich 
meine  von  des  veif.  abweichende  ansieht  bereits  ausgesprochen 
(d.  zeitschr.  V,  88 — 94).    Auch  in  septeiuges  neben  biiuges 
sieht  der  verf.  ein  beispiel  der  dissimilation;    in  rio-curus  und 
strio-porcus  verhinderte  das  vorhergehende  i  den  auslautenden 
stammvocal  des  ersten  bestandtheiles  der  Zusammensetzung,  wie 
sonst  gewöhnlich,  zu  i  zu  sinken;  in  unius,  utrius,  illiusu.a. 
verhinderte  das  i  das  folgende  u  vor  s  zu  i  zu  sinken,  wie  dies 
in  den  gewöhnlichen  genitiven  auf  is  der  fall  ist,  verglichen  mit 
den  iQteren  formen  Yener-us,  Castor-us,  Gerer-us,  sena- 
tn-OB. 


4M  Kuhn  misceUe. 

Mag  man  aoch  einzelnen  ansichteD  des  verf«  nicht  belpflidi- 
ten,  so  sind  doch  diese  in  schlichtem  und  anspruchslosem  ge- 
wande  auftretenden  forschnngen  über  die  pathoiogie  der  laute 
anregend  und  fruchtbar  und  gewähren  stets  einen  tieferen  ein- 
blick  in  das  leben  und  weben  der  spräche.  Man  kann  daher 
nur  wünschen,  dafs  sie  fortgesetzt  und  su  einem  gröiseren  gan- 
aen  ausammengefafst  werden.  Dazu  wollte  ich  hi^  mein  acherf- 
lein  beitragen« 
Pforte.  Corssen. 


Wa.  Miseellen. 


cella,  xaXldf  hille. 

In  dem  prooemium  zum  lectionskatalog  der  Kieler  oniverai- 
tftt,  sommersem.  1856,  hat  Curtins  die  Verwandtschaft  des  griech. 
9(aXia  mit  dem  lat  cella  besprochen  und  in  ihnen  nur  gleichheit 
der  wurzeln,  nicht  der  suffixe  angenommen,  indem  er  durch  Tei> 
glelchung  von  oXkogiai  mit  salio,  alXog  mit  aüus  zeigt,  dafs  ein 
lat.  11  nicht  aus  li ,  Ij  entstehen  könne.    Ich  möchte  darauf  noch 
nicht  allzugrofoes  gewicht  legen,   da  dergleichen  assimilationen 
nicht  immer  fiberall  in  der  spräche  durchdringen,   wie  für  das 
lateinische    wem'gstens   die   ursprüngliche   consonantengruppe  1t 
zeigt,  die  uns  bald  in  ursprünglicher  reinheit  wie  in  salvus,  «- 
yns  u.  8.  w.  entgegentritt,  bald  in  der  assimilation  wie  in  p 
pallidus  verglichen  mit  ahd.  falo,  falw,  nhd.  falb  (vgl.  ahd.  c. 
chalw  mit  lat  cahus)  oder  in  sollus  vei^lichen  mit  oiog,  ovXog^ 
skr.  sarva.    Wenn  Curtius  daher  sagt,  dafs  er  cella  wie  tabella 
von  tabula,  anellus  von  anulus  abgeleitet  halten  möchte,  so  scheint 
dem  auch  noch  cellula  entgegenzustehen,   obgleich  sich  bei  dem 
schein  einer  reinen  stammbüdung  in  ceUa  allenfalls  davon  auch 
ein  neues  deminntivum  gebildet  haben  könnte.     Ich  mag  diese 
bedenken  hier  nicht  zur  entscheidung  bringen,  da  mir  nur  daran 
liegt  auch  aus  dem  deutschen  ein  wort  desselben  Stammes  jenen 
beiden  anzureihen.    In  den  niederslichsischen  bauemh&usern  be- 
zeichnet nfimlich  die  hille  den  ort  über  den  viehställen,   wo  ge- 
sinde  und  kinder  zu  schlafen  pflegen  und  wo  zugleich  heu,  stroh, 
feurungsmaterial  u.  dgl.  aufbewahrt  werden;  es  schliefst  sich  also 
ganz  an  den  begriff  des  lat  cella  und  griech.  xaXU  als  auf bewah- 
rungsort  für  vorräthe  und  Wohnort  der  Sklaven  an.  Aber  wie  im 


Grohnuim  miscelle^  45^ 

lateinischen  ist  auch  hier  zwar  die  wnrzel  (ahd.  bel-«n,  lat  cel- 
are)  klar,  doch  die  ableitung  dunkel,  indem  neben  dem  westfal. 
hille  ein  osnabr.  hyle  (=:  hile,  soviel  mir  erinnerlich  auch  hiele 
gesprochen)  und  ein  pommersches  bilde  (vgL  D&hnert  s.  v.)  steht. 

A.  Kuhn. 


vulfas,   vigas. 

Herr  Bngge  hat  sich  in  dieser  Zeitschrift  (V,  60)  gegen  Schlei- 
chers annähme  einer  ahd.  grundform  vulfas  vigas  erklärt  und  das 
ahd.  wolf,  weg,  auf  vulfs  und  vigs  zurückgeführt  Es  müTste  so- 
dann bereits  vor  der  trennung  der  germanischen  sprachen  das 
got  lautgesetz,  wonach  ein  prim&res  a  der  endsilbe  ausfällt,  in 
geltung  gewesen  sein.  Da£s  aber  dieses  auslautsgesetz  damals 
noch  nicht  bestand,  geht  am  deutlichsten  aus  dem  nom.  Mng.  der 
masc  adjectiva  hervor,  welcher  alsdann  im  ahd.  plint,  entsprechend 
dem  got.  blind-s,  aber  nicht  plinter  gelautet  hätte. 

Die  endnng  -er  im  althochdeutschen,  gegenüber  dem  bloCsen 
-s  des  gotischen,  liefert  ein  sicheres  zeugnifs,  dafs  die  grundform  -as 
zur  zeit  der  germanischen  Sprachtrennung  wirklich  noch  vorhan- 
den war,  und  beweist  zugleich,  dafs  in  der  deutschen  Ursprache 
ein  primäres  a  der  endsilbe  noch  nicht  ausgeworfen  ward.    Dies 
gesetz  entwickelte  sich  erst  nach  der  trennung  in  den  verschie- 
''^yien  dialecten,  im  althochdeutschen  erst  dann,  nachdem  das  ur- 
-%)gliche  as  in  er  entstellt  war  und  die  assimilation  durch  fol- 
f  ^<  //des  a  (brechung)  bereits  begonnen  hatte.  £s  scheint  mir  aber 
dieses  resultat  für  die  construirung  der  deutschen  grundsprache 
von  Wichtigkeit 

Was  herr  Bugge  weiter  dagegen  anfuhrt^  dürfte  gleichfalls 
nicht  stichhaltig  sein.  Und  wenn  sich  wirklich  für  „der,  sehs^ 
keine  entsprechenden  grundformen  auffinden  liefsen,  so  waltet 
hier  eben  keine  assimilation  durch  folgendes  a,  sondern  Schwä- 
chung des  wurzelvocals.  Auch  im  altnordischen  finde  ich  nichts, 
was  der  ansieht  des  herm  prof.  Schleicher  widerspräche. 

Beifügen  will  ich  nur  noch  —  was  bisher  übersehen  ward  — 
dafs  auch  der  alte  genitiv  auf  -as  (tagas  Bib.  8.  10.  jahrh.)  sich 
nicht  aus  dem  gotischen  herleiten  lasse.  Beide  fahren  auf  eine 
gemeinsame  grundform  dag»-sja  zurück. 

J.  Virgil  Grohmann. 


I.    Sachregister. 


AbschwILchimgeii,  stlrkere  in  Parti- 
keln geir5hnlich  186. 

Acc«nt  die  kraft  der  einzelnen  ailbe 
die  andern  silben  an  sich  zu  achlie- 
fsen  818. 

AccQBfttiv  auf  kn  im  Utein.  nnr  yon 
femin.  191. 

Adjectiv;  flexion  des  altnord.  856 — 
858;  starke  flexion  dea  gothischen, 
gebildet  dnrch  suaanunenaetznng 
mit  pronomen  ja  804;  in  der  fle- 
xion werden  die  stammTocale  i 
nnd  n  fast  dvchweg  vor  i,  ei,  j 
der  ableifeangsBuffixe  nnterdrückt, 
a  oft  808. 

Aapirate  bleibt  selten  im  lateinischen 
inUut,  geht  meist  in  media  über 
898;  tritt  oft  ein  vor  ^,  iL  im 
griechischen  220. 

Assimilation  bei  orsprttngUchem  a  im 
griechischen  yorwirkend  nnd  rück- 
wirkend 61,  62. 

Anslautendes  in  im  lateinischen  nur 
in  prttpos.  in  185. 

Binderocal,  der  sogenannte,  in  grie- 
ohiflchen  und  lateinischen  Zusam- 
mensetzungen, ist  meist  ursprung- 
lich themaauslautend  164. 

Declination.  Substontivatämme  auf  i 
wandeln  ahd.  im  gen.  plur.  das  1 
in  j,  werfen  es  aber  im  goth.  ganz 
aus  60. 

Diphthongische  laute  am  reichsten 
entfaltet  im  oskischen,  weniger  im 
altlateinischen,  am  mindesten  im 
umbrischen  94. 


Doppelconsonanz.  ahd.  worter  mit 
ausnahmslos  nnzertrennter  anlanta^ 
gruppe  gr  oder  kr  enthalten  niclit 
präfix  ga  157. 

Dual,  allmihlich  yerdritngt  im  deut- 
schen, zuerst  aus  declination,  dann 
aus  conjugation,  zuletzt  auch  aus 
der  comparation  311. 

Einsilbigkeit  lat  worter  an  verdopp- 
Inng  der  consonanz  in  der  flexion 
als  unursprttnglich  zu  erkennen 
879. 

Genitiy  plnr.  von  o-,  i-  und  conso- 
nantenstämmen  im  oskischen  im- 
mer um,  von  a-stämmen  azurn  119. 

Gutturale  fallen  lat  oft  aus  240. 

Imperativ.  Urform  des  goth.  hatte 
suiflx  dhi  58. 

Kasusendungen,     in  osk.  locativ  5. 

Kausalia,  durch  reduplic.  und  aya 
gebildete  209. 

Komparativbildung  im  goth.  durch 
oza  und  iza  309;  die  letztere  al- 
ter 811. 

Konjugation  in  a  überwiegt  im  os- 
kischen 96,  auch  im  latein.  99. 

Konjugationsendangen.  Unterschied 
voller  und  stumpfer  im  osk.  8,  401 ; 
im  lat.  flut  völlig  verwischt  401; 
derselbe  gegensatz  starker  und 
schwacher  form  im  umbr.  402; 
im  osk.  bei  verben  8.  plur.  ind. 
BS  7 ;  d  in  8.  sing.  ind.  im  osk. 
8,  9,  bisweilen  dafür  t  8;  im 
sing.  ind.  praes.  wandelte  das  ahd. 
das  am  in  u,   während  goth.  das 


Sacfavegitttf. 


457 


m  abfiel  65;  in  der  Lsing.  conj. 
praes.  wandelte  goth.  das  m  in  u, 
wUirend    es    im    ahd.  abfiel  56 
griech.  fu  fiel  ab  nach  bindero- 
cal,  fi  wurde  in  r  verwandelt  55 
n&mi  und  ndmi  verwandt  289. 
KoDJnnctiy  perfecti   im  mnbr.  406 
im  goth.  liegen  im  plnr.  und  dnal 
formen  mit  i,  im  eingnlar  formen 
mit  Ja  zu  gnmde  56 ;     die  Urfor- 
men im  goth.  praeterit.  55;     im 
ahd.    der   6-   nnd    d-coi\jagation 
wurde  hiatos  durch  einaehab  von 
j  oder  contraction  getilgt  57. 
Konsonanten : 

b  lat.  inlaut.  Ar  th,  f  897. 
bh  oft  verhärtet  zu  p  altiriach  86. 
c  für  p  im  irischen  882. 
cl  anlaut.  lat  nicht  unbeliebt,  doch 

flOlt  bUweilen  c  ab  187. 
d  vor  n  wird  m  irisch  824;  vor 
j  eintretend  60;  lat  d  iHr 
griech.  X  152;  lat  d  wechselt 
mit  1  152;  Übergang  von  d  in 
r  gewöhnlich  162;  d  und  iL 
griech.  selten  vertauscht  237; 
d  vor  r  abfallend  im  anlaut  im 
Ut.  892. 
f  Übergang  in  p  selten   im  osk. 

und  umbr.  1. 
g  ans  y  221. 

^eingeschoben  nach  ;^  168;    ge- 
zischte ausspräche  des  |>  alt  176. 
h  dehnungszeichen  im  osk.  7. 
j   ttbergang  in  g  174. 
11  nicht  aus  Xr  im   griech.   140; 
XX  aus  ^^  146 ;  lat.  1  Ar  skr. 
d  152;     griech.  X   ans  S  162; 
lat  1  für  griech.  ^  162 ;   U  ahd. 
oft  aus  ]Ü  206. 
m  des  acc.  in  consonant  declinar 
tion  aus   umbr.   sprachbewuTst- 
sein  noch  nicht  geschwunden  4 ; 
fi  anlaut  bisweilen  für  v  146. 
n  anlaut  wird   bisweilen  d   214; 
r  griech.  im  auslaut  und  anlaut 
bisweilen  aus  m  entstanden  168. 
ph  nach  s  im  skr.  in  verwandten 

meist  p  894. 
r  skr.  sehr  oft  fttr  1  in  verwand- 
ten 208;    fUlt  oft  aus,  beson- 
ders neben  gutturalen  und  la- 
bialen 218. 
8  zwischen    vocalen    wird    r    im 


umbr«  404;    s   im   skr.  vor  s 
wird  t  58 ;  s  anlaut  wird  griech. 
spir.  asper  oder  lenis,   letzteres 
oft  bei  urspr.  sv  69;     lat  in- 
und  auslaut  wie  im  lakoniaohen 
wird  oft  r  218. 
st  und  sp  wechseln  im  anlant  886. 
T  griech.  vor  a  und  t  wird  a  62 ; 
t  in  lat  vor  t  wird  oft  s  und 
zieht   dann   oft    den   fibergang 
des  folgenden  t  in  s  nach  sich 
68;  th  skr.  im  griech.  fast  im- 
mer ein&ch  %  261;  abfall  von 
auslant  t   im   oak.  und  aldat 
417. 
ts  im  slav.  ftbr  urspr.  k  88. 
V  im  lat  hinter   gutturalen    ein- 
geschoben,  die  dann  selbst  ab- 
fiOlen  892. 
B  im  osk.  vertritt  einen  Zungen- 
laut und  s  10. 
Konsonantenverbindungen:    urspr.  tr 
wird  goth.  )»r,  ahd.  dr  64;    unpr. 
dhr,  goth.  dr,  ahd.  tr  54 ;     urspr. 
dhv  wird  goth.  dv,  ahd.  tw,  mhd. 
zw  54;    urspr.  tv  wird  goth.  |>v, 
ahd.  dw,  mhd.  tw,  nhd.  zw  54; 
urspr.  dr,    goth.  tr    bleibt   stehn 
auf  dieser  stufe  54 ;  aniser  hr  und 
ar  jede  r-verbindung  im  lat  an- 
lant möglich  216;  von  anlaut  pr 
ftllt  im  lat  bisweilen  p,   biswei- 
len r  ab  216;     anlautend  ng  im 
griech.  nicht  ungewöhnlich,    doch 
ftült  bisweilen  q  aus  217. 
Lautliche     anihnelung    romanischer 

Wörter  an  deutsche  14. 
Lautnmstellung    von    skr.  ar   in  ra 

160. 
Lautverschiebung   im   ahd.    oft    auf 
dritter  stufe,  wo  im  goth.  auf  er- 
ster 52;     die   Ordnung  der  deut- 
schen   auch    in    Uteren  sprachen 
festzuhalten  188. 
Locativendung  im,  in   im  lat  meist 
bei  o-stämmen  120;    oskisch  fim, 
n,  en  125;  in  127;  im  128. 
Mietathesis   der  aspiration  im  griech. 

66;  des  q  im  griech.  217,  256. 
Nasale;    ihr  einfiufs   auf  gestaltung 

von  urspr.  a  im  griech.  63. 
Nomina,    die  einsUbigen  griech.  und 
lat  nnunprünglich,    die   Utesten 
die  zweisilbigen  866 ;  werden  ein- 


458 


Sadnegistar. 


silbig  dvrcli  ansstoTsang  Ton  hui- 
ten  im  innem  867;  durch  abwer- 
AiDg  de«  anUnts  871 ;  um  hAuflg- 
sten  durch  verstttmmliing  im  aua- 
laut  872 ;  sehr  viele  einsilbige  im 
griech.,  latein.  und  sanskx.  sind 
weiblich  882. 
OxytODimng   nrsprOnglich    mehrfach 

aach  im  latein.  288. 
Passiv;  bildong  des  goth.  800. 
Pmfixe:    slir.  bhi  für  abhi,    wie  pi 

für  api  26. 
Pronomina;  weiteibildnngen  durch  k 
im  sUvischen  hKufig  896;  geni- 
tive  auf  ins  und  dative  auf  i  im 
latein.  190;  stamm  ja  oder  t  mit 
adjectir.  nnd  pronom.  sugesetst 
im  deutschen  und  Ist  190. 
RedupUcirende  verba  im   goth.  ver- 

hältnifsmlthig  jung  161. 
Spiritus  asper  im  griech.,    wo  ver- 
wandte   sprachen  vocalisehen  an- 
laut  haben  66;  bisweilen  aus  der 
mitte  in  anlaut  versetzt  66;     ge- 
wöhnliche  Vertreter   von   s    164; 
bisweilen  füllt  diefs  urspr.  s  ganz 
ab  165;  oft  ftlr  sv  282. 
St&mmei   nominale  auf  atn,  lat.  zn- 
nilchst  von  verben  auf  are  112; 
fast  alle   consonantisch  auslauten- 
den im  griech.  und  latein.  lauten 
nrspr.  vocalisch  aus  164. 
Substantiva  auf  atu  im  osk.  folgen 

der  o-decL  111. 
Suffixe.     Vor   goth.  ti,  di,  |>i  stets 
die    kflrzeste    verbalform    gesucht 
160. 
a)  gothische,  ahd.: 

an  neben  jan  158. 

ani  802. 

di,  yi  159. 

eini  808. 

h  237. 

i^&  808. 

ir  855. 

is  356. 

U  54. 

na  54. 

ni  802. 

r  287. 

ra  54. 

s  855. 

ti  158,  808. 

tnma  811. 


.  811. 
^ti  808. 

b)  griechische: 
aioq  274. 
ßoy^o  823. 

«OS,  tttt  274,  276. 

^^o  865. 

M»  274. 

td  aus  ptc.  a(n)t  gesdiwiUdit  1 8: 

»09  810. 

»oc  274,  280. 

*Ti^  24«. 

Wxa  897. 

<nl»  desideiativbildend  400. 

at  268. 

T17T  808, 

Toc  €9. 

TQo  866. 

c)  lateinische: 
aejo  88. 
aeo  90. 
aio  89. 

as,  s  869,  870. 

atu  112. 

bt  altlat.  bei  120. 

ce,  c  287. 

CO  288. 

die,  dem  123. 

do  verbal  94. 

eijo  88. 

ejo  88. 

ejus  52,  280. 

eo  91. 

6ta  10. 

eus  52,  279. 

id  aus  ptc.  a(n)t  gesdiwücht  185. 

idus  186. 

im,  in  120. 

fo,  10  91. 

i6n  4,  420. 

is  110. 

ius  810. 

li,  ri  129. 

niqne,  nee  897. 

BUS   6. 

pe  198. 

si  104. 

tat  808. 

te  104. 

ti  verstümmelt  879. 

tion  4,  480. 

tra  289. 

tricus  238. 

tut,  tu  240. 


SMhngiator. 


iS9 


d)  nmbriflche,  OBkücbe: 
aiano  89. 
ayo  88. 
aio  89. 
eijo  88. 
ejo  88. 
fe  121. 
ijo  88. 
in  420. 
ino  118. 
io  91. 
ion  4. 
mo  91. 
BO  84. 
noB  6. 
08  6. 
li  129. 
ti  106. 
tin  420. 
tion  4. 
ta  131. 

e)  sanskrit: 
as  64. 

t  276. 

dya  88,  280. 

ka,  aka,  ika  287. 

tara  811. 

tas  69. 

ti  879,  169. 

tya  69. 

tra  866,  287. 

na  142. 

ma  166. 

yA  276. 

f)  slayiflche: 
mo  897. 

Umlaut  im  deatschen  entwickelt  wie 

im  zend  281. 
Verba  cauaalia  im  sanskrit  gebildet 
durch  p  160;  mehrere  griechische 
auf  liquida  entsprechen  skr.  caa- 
salien  203. 
VerkOizungen   von  fonnen    im  lauf 
der   Sprachgeschichte  sehr   häufig 
872. 
Verstümmelung  des  auslauts  zusam- 
mengesetzter adjectiva  im  griech. 
377;  Verstümmelung  von  Suffixen 
in  veden  218. 
Vocale: 
a  anlautend  eingebtUkt  871 ;  a  und 
i   gothischer    themen    fl&llt    im 
nom.  sing,  ab  888;   a  tritt  im 
griech.  zu  femln.  I  164;  lat  a 


an-  und  mhmtend  vor  einÜEusher 
eonsonanz  aufser  r  in  i  aber- 
gehend, vor  doppelconsonanz 
und  r  in  e ;  doch  viele  ausnah- 
men 181;  a  eingeschoben  zur 
milderung  zweier  consonanten 
266;  a  im  goth.  comparativ  ver- 
längerte sich,  erhielt  sich  vor  i 
oder  wurde  zu  i  verkürzt  310; 
.  a  urspr.  oft  im  ahd.  bewahrt, 
wo  goth.  i  oder  n  eintrat  69; 
a  im  griech.  geschwächt  bei  be- 
lastung  durch  zutretende  en- 
dungen  62 ;  ausL  a  wird  griech. 
oft  o,  bisweilen  «62;  auslant. 
urspr.  ä  im  griech.  oft  verkürzt 
64;  verhältnils  vor  a  und  e 
ähnlich  wie  ver  a  und  ij  66; 
a  im  ahd.  wo  goth.  i  62. 

ad  altiranisch  wird  später  e,  bis- 
weilen diefs  vor  ^  in  i  ge- 
schwächt 820. 

ai  goth.  vor  a  wurde  ^j,  verlor 
dann  das  j  66. 

an  in  goth.  conj.  aus  am  67. 
e  lat.  an-  tmd  inlant  ftlr  urspr.  a 
182;  e  im  deutschen  und  sla- 
vischen  aus  i,  im  latein.  umge- 
kehrt 188 ;  e  lat.  in  vielen  wur- 
zeln auch  vor  einfach  cons.  nicht 
zu  i  geschwächt  184;  in  ab- 
werAing  von  esaa  schwankt 
das  latein  416;  auslaut.  e  fällt 
oskisch  ab  416;  6  lat.  aus  skr. 
6  62 ;  auch  lat.  e  aus  skr.  e  62 ; 
verhältnifs  von  griech.  «  und  o 
66;  griech.  f  und  o  nicht  be- 
liebig eintretend  für  a  194; 
ausspräche  des  goth.  6  kam  dem 
engL  ee  =s  i  sehr  nah  178 ;  ver- 
hältnifs von  e  und  i  im  latein. 
181 ;  in  endsilben  vor  einfachen 
conson.  184;  e  und  i  wechselt 
im  lat.  in  wurzeln  mit  urspr.  a 
184;  e  lat  bisweilen  aus  wur- 
zelhaftem i  186;  e  lat  auslau- 
tend meist  aus  S  oder  ei  189; 
e  lat  auslaut  wurde  i,  nicht 
i  zu  e  193;  6  in  6.  decL  lat. 
aus  ai  oder  ä  192. 

ei  goth,  aus  ij  808. 

eu  unbelebte  Verbindung  im  latein. 

892. 
i   latein.  auslant  in  mehnübigen 


Sachragiflter. 


wSriem  oft  abgeworfen  400; 
lat  i  für  a  181,  182,  289;  i 
lat  vor  1  und  S  fUlt  tau,  1  vor 
ihnen  wird  mit  ihnen  siuim- 
mengezogen  190;  i  griech.  in 
vorige  silbe  Übergesetzt  256. 

o  in  osk.  nie  aus  nrspr.  n  2 ;  o  in 
slav.  nnd  deutsch,  ans  n,  im 
lat  umgekehrt  188. 

n  verschwunden  im  altslav.  igaSO; 
goth.  u  vor  nasalen  fttr  altes  a 
211;  slav.  n  oft  aus  Klterem 
an,  am  212;  lat.  n  bisweilen 
fttr  giiech.  w  258 ;  fibertritt  von 
V  cum  o  in  vorausgehender 
Silbe  285. 
Yocalanfttgnng  nach  anslaut.  conson. 

im  goth.  und  neugriech.  60. 
Yocalassimilation  im  latein.  442  ff. 

nicht  blofs  rOckwirkend,  auch  auf 

folg.  vocal  450. 
Yocaldlssimilation  im  latein  451. 


Vocaleinschub  im  osk.  448. 

Yocalsteigerung  im  latein   4t4S. 

Yocalverstftrkung  vertritt  nasaHm. 
10. 

Wortdehnung  im  romaiÜBclieii  dw^ 
deutschen  einfluft  19. 

Wortwechsel  im  romaniachen  durc: 
deutschen  einfluTs  16. 

Wurzeln,  es  nnd  ta.  ergiases  siel 
im  oskischen  und  umbrisdieM  wi^ 
im  lateinischen  409;  zerfallen  t 
verbale  und  pronominale  366. 

Zusammensetzung;  in  ihr  oft  vollere 
formen  bewahrt  872;  oft  veras- 
laTst  sie  gerade  formveiBtlliojBe^ 
lung  872;  in  ihr  oft  scheinbs 
hiatus  im  griechischen,  wo  zwei- 
tes {^ed  mit  cons.  auslautete  249; 
viele  im  griechischen  enthalten  ak 
erstes  glied  abstracta  auf  o»  (nach 
Pott)  268. 


n.    Wortregister. 


A.    Deutsche  sprachen. 


1)  GothiBCh. 


ahs  855. 
aihva  71. 
aina  163. 
airknis  890. 
aiz  869. 
akra  888. 
aljas  239. 
anhns  400, 
ausan  869. 
bagma  867. 
balveins  851. 
bans  879. 
basi  72. 


185. 


batiza  810. 
bau]>8  884. 
binz  869. 
bliggvan  59. 
bmkjan  219. 
bmnnan  881. 
dags  286. 
daubs  884. 
dann!  802. 
dauni  872. 
dis  60,   52. 
diuz  869. 
dorbiza  176. 
driusan  212. 
drunjus  240. 


du  60,   52. 
dnb^  212. 
dul]7i  160. 
dumbs  884. 
dvals  884. 
H  177. 
fadi  888. 
fastan  240. 
favai  892. 
finj^an  898. 
fiura  886. 
fotns  878. 
fireis  220. 
frijdn  220. 
Mm  212. 


Wortragistor. 


461 


SadUiggs  172. 

gagr^fti   169. 

^aliza   176. 

gamaini  864. 

gamana  864. 

gansi   874. 

gatairan  170. 

giban  898. 

gira  178. 

gr^ftui   160. 

fpimoii   168. 

C^tans  168. 

gup  286. 

hails  27. 

hairtan  874. 

hamfiB  212. 

hi   896. 

hindar  287. 

hin  286. 

hlaifs  188. 

hlusan  400. 

hoemisc  176. 

hun  896. 

bunda  874. 

hus  212. 

hvar  287. 

hv6paii  161. 

ibuks  69. 

in  211. 

ingdallus  171. 

inu  69. 

jains  896. 

jdr  174. 

jugga  867. 

juhiza  867. 

jnnda  867. 

kam  888. 

kaum  808. 

kniva  868. 

k6s  878. 

laisan  399. 

lata  326. 

leik  84. 

leikan  88. 

leikeU,  Idkeis  82,  88. 

leiks  38. 

l£p  176. 

liabe  86. 

Inbja  86. 

labjaleisei  86. 

manrgiiu  69. 

mitan  46. 

miton  46. 

nahti  876. 


ragin  69. 
raihto  890. 
nima  871. 
sakan  27,  28. 
saljan  166. 
ÜB  176. 
sann  89. 
selB  166. 
sidns  242. 
nnni  803. 
skat^is  866. 
Bkdvjan  866. 
snaiva  877. 
BDittra  868. 
sdkjan  27. 
Btalja  880. 
streidan  886. 
sulja   166. 
siuidja  881. 
snnifl,  sunja  89. 
flunu  888. 
triggvs  60. 
triu  170. 
triva  868. 
taD|m  871. 
tvaddjd  60. 
ubizya  69. 
vfar  287. 
Qhtvd   186. 
luileda  867. 
US  211. 

usskayjan  sis  899. 
yair  878. 
ramm  848. 
vara  169. 
vatd  60. 
vaurta  866. 
yeiha,  vdha  866,  64. 
viga  869. 
vipra  289. 
vdds  886. 
volla  142. 
bagkjan  8. 

^ahan  887. 

>airh  870. 

f9T  287. 
^dria  866. 


2)  AlthochdevtsclL 

abah,  abiih  69. 
aigi  280. 
airin  280. 


840. 
anu,  ano  69. 
ar,  ur,  ir,  er  211,  212. 
axtkt  47. 
bart  397. 
chara  888. 
chnripiz  68. 
der,  daa  214. 
ding  424. 
ddsön  848. 
taer  896. 
erchan  890. 
fatar  68. 
fendo  899. 
flndan  898. 
fiur  386. 
focal  63. 
G6z  168. 
grAvo,  gravio  167. 
graw  283. 
hachal,  hachnl  69. 
haldn,  holön  399. 
heilisön  87. 
beis,  heisi  847. 
hellan  899. 
hlosdn  400. 
hiatar  64. 
hnax  69. 
huosto  847. 
hwerban  266. 
hwerbo  266. 
Uan,  Ulan  206. 
illiÜBO  872. 
irch,  irah,  irach  390. 
jesan,  jeran  846. 
kisimt  89. 
lachan  88. 
Ifthhl  82. 
laz  826. 
Inhs  886. 
Inppi  86. 
Inppdn  86. 
mantal  898. 
maaar  842. 
-mein  826. 
meisa  842. 
miealoaht  342. 
mdjan  827. 
morgan   69. 
mujan  827. 
narro  836. 
opaea,  obisa  69. 
otar  64. 
oyan  186. 


469 


Woitngister. 


palo  851. 
pellan  47. 
pior  286. 
piost  286. 
pittar  54. 
pliwan  60. 
poran  281. 
quedilla  851. 
ragSTi  ragin  59. 
reken  890. 
riuzan  257. 
ntchjan  860. 
raota  260. 
rozjaii  257. 
sAlig  166. 
scellan  899. 
sellan  155. 
ailabar  59. 
snottar  64. 
Span  886. 
Btara  885. 
stolz  829. 
stamm  383. 
snana,  suona  89. 
sneran  352. 
suero  352. 
snmna  61. 
tanp  884. 
toi  834. 

tdpdn,  t^bdn  884. 
triwi  60. 
tumb  884. 
ur  212. 
velt  230. 
w&l  851. 
wamm  848. 
wara  249. 
wazzar  60. 
wfzago  46. 
wnol  851. 
za,  zno  52. 
zar,  zir  52. 
zer  60. 
zittaroch  839. 
zweio  60. 


3)  Itttellioclideiitseli. 

l&chenaere  82. 
snone  89. 
Zitterich  889. 


4)  ABgelsichsbeb. 
EftgUscb. 

ansverian  74. 

balew,  balo  851. 

bellan  47. 

ekrü  888. 

codha  851. 

coUa  31. 

dara  170. 

dem  858. 

ddl  884. 

dngan  74. 

dweian  884. 

ema  840. 

eorcan  890. 

folde  280. 

g^atas  168. 

gebinc  424. 

gepincS  424. 

ge]>ingan  424. 

gotan  158. 

hael  87. 

baebian  87. 

has  847. 

breov  288. 

hmtan  257. 

hwösta  847. 

lacan  88. 

laeca,  Idee  81. 
laecan  83. 
laeoe  88. 
lic  88. 
lician  88. 
Uf  86. 
lyb,  lib  86. 
m&n  325. 
measles  842. 
midgemm  139. 
dma,  dman  840. 
pädh  898. 
pinpel  844. 
roccetan  850. 
sahte,  seht  27. 
sprig  894. 
Btolt  829. 
stoat  829. 
Band  89. 
teis  835. 
teter,  tetr  889. 
thys  848.* 

>ing  428. 

>ingan  428. 

>iDgian  424. 


|>3rQcan  428. 
yare  249. 

wamm,  waem  848. 
weman  849. 
wemere  849. 
weosnian  342. 
wesan  842. 
wita  45. 
witega  45. 
w61  851. 


5)  Attslchfllsch. 


ehu  71. 
lacan  88. 
selmo  155. 


6)Altnordlsoh. 

ama  840. 

Ama  840. 

barSr  897. 

belia  47. 

böl  851.  : 

buna  218.  * 

danfr  884. 

dörr  170. 

dul  884. 

dynja  240. 

enn,  inn  896. 

fatt  899. 

finna  898. 

fold  230. 

Frigg  219. 

gotar  158. 

bann  396. 

bAs  347. 

heiUa  87. 

hoens  54. 

bdsü  847. 

iarkn  890. 

iarknasteinn  890. 

iSftirr  154. 

ior.  71. 

karar  838. 

koUr  81. 

kor  888. 

laeknari  82. 

lif  86. 

lubbi  86. 

manr  849. 

mein  825. 


WortregUter. 


463 


mddr  827. 
mösr  842. 
m5ttull  398. 
mya  827. 
narri  885. 
saell  155. 
sakna  27. 
salr  155. 
B&tt  27. 
Belja  155. 
Sif  214. 
Btoltr  829. 
tetur  889. 
thnmbi  888. 
tbys  848. 
vaema  848. 
vaesa  842. 
valr  851. 
veita  899. 
vesna  842. 


vitkr  45. 
voma  348. 
vomr  848. 
.V08  842. 


7)  levhoclidevtsch. 

bier  869. 
bohren  281. 
denken  426. 
ehern  869. 
eilen  205. 
graf  155—161. 
Utis  872. 
masem  842,  284. 
mastbaum  284. 
melken  880. 
moos  284. 
nein  878. 


oder  888. 
Ofen  134. 
pfad  898. 
reif  879. 

spahn,  spohn  885. 
Sperling  885. 
sprechen  427. 
sprehe  385. 
spriefsen  894. 
staar  885. 
Staupe  858. 
stelle  880. 
streiten  880|  385. 
Sünde  881. 
thier  869. 
thor  883. 
tropf  832. 
weichen  249. 
weide  820. 
zeter  889. 


B.    Griechische  spracheiL 


877. 
V  877. 
•  862. 
64. 
^?  877. 

j^cMTTCia  271. 

'jQ  282. 
ätlla$  282. 
'A&firä  288. 
d&(f6oq  865» 
'Atdfia,  "A'^mvivi;  249, 

278. 
attToq  871. 
alua  67. 
oß  875. 
axfifi<;  877. 
*^Ai7KT«  270. 
aXXoftai^  249. 
dlloTQioq  865. 
oA?  875. 
^10  206—209. 
Ufjtn^a^  äfia^a  68. 
dfiaQTaru  66|  67. 
dra  64,  78. 
dv^Q  871. 
dv&iftfnoq  868. 
ajra£  165. 
änaq  871. 
a;iiloo  165. 


diiTfiP  877. 
aTtTioq  877. 
doa  65. 
a^i  62. 
dQtvficu  195. 
'AQa^PO^^  268. 
a^^K,  dgcfpf  887,  164. 
dtrnoQayoq  894. 
'AuxXfiTnoq  42. 
dai-^Q  871. 
daxv  64. 
avoq  287. 
avQoq  891. 
avtlua  65. 
av«,  av«  67. 
ßd^o^,  ß^p&oq  63. 
ßd^ßoQoq  880,  221. 
ßüXiQO  141. 
BiXXi(}otp6»zfl<:  147. 
ßioq  883. 


880. 


f#»V>        www. 

/9ia£  886 

ßOQßo^lfl^Oi 

ßovc  878. 
^S  868. 
T'ara  878. 
ydXn  881. 
raJlaTCia  282. 
/ariz/ii;^;  277. 
/avqoq  66. 


y^64. 

yilvofitu  210. 
T'f'ipac  66. 
^^878. 
yrv5  886. 
yoijc,  yoij  47. 
vDaTo  868,  388. 
yi/rij  867«  886. 
^OMO«,  <fif»bc  151. 
^axTviloc  188. 
itUtVfu  188. 
^((•oc  188. 
a/£a»  188. 
6(on6%fiq  882. 
dixoficu  188. 
<r^xi7  188. 
(^0$  800. 
Jt6qxov(^oi  285. 
^^«;  868. 
<fo(o^  275. 
io^a  188. 

«foov  170,  868,  398. 
Si^oaoq  877. 
Sf^Vfioq  170. 
«fovs  368,  170. 
^  874. 
d^q  880. 
F  242. 
//«^  66. 


Woitngister. 


äUoct  ^^' 

tb«  249. 
«ijuofra*  417. 
§rQm  69. 

f^C,  ic  sio. 

tU  888,  896,  897,  168. 

fnaaroq  896. 

IjtaTc^oc  896. 

ixtlj  iuilroQ  287. 

I^tf  848,  70. 

hdol  296. 

^^;^i»  896. 

JfvtMO,  67. 

M  62,  186. 

&I0«  166,  70,  71. 

IWv/H»  67. 

I)r/  2,  62. 

f^ytip  47. 
r^^eiy  47. 
1^«  62. 
Vqnti^  840. 
i(fvy»%  iQivym  860. 
fQX^fta»  196. 
^Tf^o«  896. 
Ir^ffMC  70. 
fT»  62. 
#ro$  69. 
Uoq  249. 
/r»(rioc  70. 
fl  871. 
fvxl^«  278. 
c^^«  871. 
fi;w,  cv«  67. 
VfluU«  208. 
i<p*alTiiq  260. 
F«c  67. 
Ziw:  874. 
Z^v  878. 
^,  ^/  70. 
my^loB-üu  240. 
^Aioc  878,  68. 
^fttgoq  67. 
4j^«^i'^$  877. 
finti^wf^cu  42. 
*Hni09fi  42. 
^^fto«  869,  42. 
ff}r»OM,  1771*0«  42. 
/^  869. 
"H^a  282. 
fJQmq  288* 
««rif/o«  67. 
lyvr«  70. 
"HqnuffToq  214. 
^1/17  281. 


&j^  876. 
^^^v/^o«  828. 

Umw  886. 

Icflf^iSivirc  151. 

^^C  888. 

1/ir  886. 

{<iU«  198—206,  248.  . 

liq,  8teÜ  876. 

iaüficu^  iat^oq  42,  60. 

1/«,  gewebe  885. 

*/aor<«  221. 

Uq  886. 

lamm  42. 

JlMrao«  876. 

ra«oc  69. 

Ivoca  826. 

iSui  69. 

fiayyttvop  41. 

rC«  209. 

/*ayo«,  ^a^'cAs  41 

^^''^  ^^;  ..« 

fitUpo/Mu  826. 

2^a/fnys  262. 

/eo^a  860. 

ar^o«  67. 

^r^oloc  898. 

tc  884. 

fiopifta  898. 

<Tla  820. 

ftapSvq  898. 

»ca/«  899. 

ftcnf&dpm  46,  261. 
^Tcuo«  823. 

jtflUvjrrcw  266. 

fiwiTütßoq  828. 

Kiirr«^  289. 

Ma/(£Mr  41. 

ntlroq  287. 

fiiigoftM  417. 

«Aa^o«  899. 

/ic/$  878. 

uirvavgoq  892. 

ttiJU  279. 

»«rri«!  892. 

MtUßoM  275. 

K/e/?f^oc  148,  149. 

^/ir  166. 

HMV&m  286. 

^0«  46. 

«^5  869. 

A*7*^®A'«J^*^- 

n^,9  876. 

u«X«  162. 
4  878. 

K^j  869,  874. 

niuvßoq  828. 

^ifTif  880. 

«/«  874. 

fiia  164. 

%Un%tkV  266. 

Aff«'«C  264. 

«X^DO«  880. 

^r».  868. 

kX«^»  212. 

fi6Xvßoq  828. 

Koaoc  299. 

^oro;  166. 

xolo?  299. 

fioaxoq  284. 

»<|^  287.^ 

XOOOC,   KOVDO^   286. 

JIToDtra  898. 

/«%i,5  849. 

xqiaq  288. 

fivq  876,  284. 

ji^?  874. 

^r/l<5«  827. 

KQVfioq  288. 

ftmqoq  880. 

K^vo?  283. 

iVirts  262. 

«ot/ffTcOiloc  288. 

pavq  878. 

»^«^Ci»  212. 

W/CC9K  266. 

KTC^C   886. 

r<roov  892. 

«T^«  872. 

Nnqtvq  262. 

nimp  874. 

^9«  876. 

XW90«  212. 

povq  868. 

Xaaq  162. 

W;5  876. 

lal  886. 

o^ovc  62,  871. 

Aaoc,  Umq  161. 

0^,7  896. 

Aa«  268. 

o2o  162. 

A//»  88. 

OK  868. 

XilxfiP  840. 

ollvuk  66. 

^cvxo^ia  289. 

5^*0«  62. 

Woitregiflter. 


46» 


oyofta  66. 
oi'i;|   876. 
oofyof  8^0. 
"OfyO-QOq  160. 
6<ft'i<;  66. 
öopvfii  66,   195. 
oQoq  65. 
o<r<re  879. 
no-r^ov  879. 
ovq  369. 
oryjpu?  871. 
o^o*;  66. 
oi/y   382. 

Tia^o?,  'jtip&o?  63. 
7ra»f/wy,  Acuwy  40. 
noCifi  868. 
Uakaiiridfiq  277. 
nalAecc  284. 
Ttnoftat  63. 
Tia^a  64. 
na^*S  294. 
naq  371. 

TTotro?,  it6rroq  68. 
Trat/^o?  892. 
TttlCfia  286. 

TT^TTW»»    879. 
;if^/  62. 
nfrdwvfti  6. 
7i^<r<ra  378. 
nhvrjfti  6. 
nAaxi/?  392. 
mouTuy  258. 
npvii  377. 
5ioAis  878. 
teoAto?  880. 
TloXvStvxfi^  288. 
:toW  217. 
Ttovii   878. 
TT^oxa  66. 
7IPM1'  869. 
nraj  386. 
TTTW^   886. 
jri'.e  886. 
nr'oy  285. 


niioc  285. 
7i?f^  886. 
;Ki;^or  286. 
id  65. 
^'a/9M  257. 
'PoM^a/iay^C  267. 
'Pia  281. 
^«Sk,  ^^a  65. 
^ia»  392. 
^^?  875. 
q6So¥  258. 
^Of)^^o«  256. 
^olSo«  257. 
Qooq  256,  257. 
^or?  868. 
Q0<f>4t>  255. 
(ra/17  26. 
ffd/fta  26. 
(ToxTa?  28. 
craoM  88. 
ffdg^  884. 
craTTo)  26. 
0-f^()  uiiQtoq  878. 
crct'«  856. 
S&tvißoia  275. 
«rxato;  836. 
^xvUa  255. 
<rxwo  886. 
SnaQrri  252. 
(r»;i^  869. 
(TTa^f  869. 
(TT^^  869. 
argfy^  376. 
(Tvou^a  884. 
tftn;  384. 
a^i/v  385. 
irq>fyy»   4. 
TavCt  Tai;?  868. 
ifX^fl  880. 
T^yo«  896. 
Tiatfiaxoq  269. 
Tufupovfi  266. 
TtT^wax»  170. 


Tol/o?  4. 

TO^Cftv    170. 

TVfpoq  888. 

va^i^a  884. 

vd«^  282. 

vffi^  62. 

vii  884. 

^ao«  296. 

<pdQftaxo9  49. 

4>f^^«nffO?  251. 

0ct^oAao?  250. 

q>iMJuop  248. 

f^^aTo;  282. 

(pr^Q  875. 

9^c/^  884. 

<ptdirKt  241. 

^Uo«  220. 

foij^o«  298. 

q)Qia^  881. 

9^^»  874. 

^w^  876. 

q)dq  868. 

<^ctf?  868. 

xdUi  886. 

Xdgvßdiis  253. 

;r«i^  875. 

;^i}ir  874. 

XÖ^aftcdoq  168. 

;^^/c  883. 

;^^»y  163,  874. 

Xtov  163. 

j^oÄiJ   879. 

/^9  868. 

ilroc^,  V'i/^  385. 
I  iyfiv  292. 
|'J2yiVi;c  262. 

'i2x(ayo«  262. 

äXi  869. 

(i?^oc  841. 

Sq  368. 

(uoa  1 74. 
*nQtl&vM  279. 

««$  895. 


C.    Italische  sprachen. 


1)  Utelnisch. 

acns  856. 
ndeps  152. 
adorior  208. 

aeger  888. 
aes  869. 
agnoscere  78. 
amaras  841. 
amb  1,  400. 

ambitiis  400. 
amo,  amor  341,  880 
amuldtvin  841. 
an  211. 
animal  875. 

V.     6. 

30 

Vf  oFiraguwT« 


«DMr  874. 

dit  870. 

bomon  168. 

i^H»«  868. 

Dia  878. 

hnmUis  168. 

apiflcor  862. 

diu  128. 

bnirnu  163,  874. 

snnaitiim  891. 

do  874. 

ibi  120. 

an  879. 

dooeo  188. 

ignis  181. 

M  870. 

donec  897. 

imber  182. 

»nrig»  891. 

dos  880. 

in  185,  211. 

Mit  70,  888. 

danu  888. 

increscdo  7  o.               -*•■ 

etU  871. 

en  124. 

index  188.               *>--' 

baccA  72. 

enim  896. 

ingnen  181.             iuf- 

balare  47. 

ena  871. 

intas  69.                   '  1  . 

barba  887,  142. 

ezemplnm  182. 

judex  188.                     n. 

bes  879. 

exim  128. 

Jnpiter  374. 

bo8  878. 

exsmiiifl  182. 

Jos,  nebt  869. 

bma  91. 

eTin  422. 

Jos,  biflbe  877. 

bnatam  248. 

far  879. 

lac  881. 

eaakbs  184. 

fatnns  883. 

lanx  884. 

ealo  899. 

fayflla  297. 

lar  887. 

calx  886. 

fax  878. 

latrare  899. 

canis  874. 

febris  846,  847. 

lanras  247. 

caTQB  299. 

febniiiB  847. 

Uns  887,  188. 

Ceres  882. 

fei  879. 

lego  88. 

cicer  848. 

fiber  847. 

über  219. 

€i«,  citra  287,  896. 

ficus  4. 

liberi  219. 

dam  870. 

figo  4. 

libum  138. 

dnnia  288. 

firmns  182. 

lien  869. 

coelum  299. 

flofl  870. 

ligo  88. 

cobon  870,  880. 

fODB  881. 

lis  880. 

columbo  212. 

forare  281. 

Llternnm  188. 

combnro  248. 

fonnica  349. 

locus  880. 

comes  187. 

fon  880. 

longinqnus  122. 

fötns  297. 

lorica  162. 

cor  874. 

foyere  296. 

ludere  137. 

con,  cboxt  870,  880. 

frans  886. 

lux  382. 

cos  880. 

frons,  lanb  878. 

madeo  828. 

craa  888. 

frons,  stim  880. 

mage  198. 

eredo  882. 

frnor  218. 

malus  235. 

craoT  238. 

frnx  878. 

Mars  887. 

crns  288,  870. 

ftingor  218. 

mas  887,  234. 

crasta  288. 

ftmgus  182. 

mascnluB  234. 

crox  288. 

ftir  875. 

mattos  828. 

Cumae  258. 

galea  31. 

mederi,  medicus  46,  51. 

eanque  896. 

gens  380. 

meditari  46,  52,  152. 

cor  888. 

gigno  210. 

mel  879. 

-de  128. 

glans  887. 

mens  880. 

decQfl  188. 

glanx  884. 

mensis  878. 

dein  128,  422. 

glos  870. 

merx  878. 

deinde  128. 

glns  878. 

mitis  380. 

demnni  897. 

grex  877. 

modus  46. 

denique  897. 

gras  870. 

mons  381. 

dens  871,  881. 

heri  883. 

mors  880. 

dens  444. 

hiems  877. 

morns  380. 

digitoB  188. 

hinc  122. 

mos  354,  870. 

dignns  188. 

hir  876. 

mox  878. 

murcidiiB  827. 
murciiB  827. 
miu  875. 
muscus  284. 
mustela  284. 
mustns  284. 
mutua  880. 
'»sus  878. 
isitas  272. 
quam  416. 
70. 

ia  117. 
^B  892. 

x  887. 

t  876. 
..on  878. 
noverca  289. 
nox  875. 
ob   1,  2. 
oinoB  896. 
orior  66. 
OS,  gesiebt  878. 
08,  knochen  879. 
OVIS  868- 
pandere  6. 
papula  844. 
Parca  250. 
pars   104,  289,  417. 
parvns  892. 
passus  6. 
patere  6. 
patina  6. 
paucus  892. 
pax  887. 
pedes  187. 
per  400,  418. 
-per  418. 
perenni  419. 
perinde  128. 
peritoB  400. 
perjunts  75. 
pes  878. 
pestis  851. 
pisnm  843. 
piuB  216,  860. 
pix  878. 
plautus  392. 
plebs  878. 
plus  870. 
podex   189. 
ponB  878,  881. 
por  419. 
porta  104. 
po8  878. 


Woitregiater. 

poeanm  878. 
poBt  5. 
praecox  879. 
praea  870. 
privignns  239,  453. 
privus  289. 
proin  128,  422. 
proinde  118. 
puber  285. 
PablicoU  268. 
publicufl  288. 
puber  285. 
pner  235. 
pnlfl  880. 
puB  285,  369. 
puBUB  285. 
pateo  235. 
qul  416. 
quia  897. 
quidem  416. 
quies  880. 
quin  416. 
quippe  416,  198. 
quiBpiam  193. 
radioB  260. 
ramuB  260. 
raucuB  238. 
ravis  238. 
ravoB  233. 
red  400,  193. 
regere  890. 
ren  369. 
res  192,  367. 
rex  374. 
roB  877. 
ruber  897. 
rudis  883. 
mgo,  meto  850. 
mo  392. 
rus  870. 
saevuB  886. 
sagana  29. 
Bagax  27,  240. 
aagena  27. 
sagina  27. 
sagio  27. 
aal  375. 
Banare  88. 
Baugnis  27. 
sat  878. 
Bcaevus  886. 
scauroB  892. 
BecQxiB  129. 
IsegniB  27. 


467 


semel  165. 

aemper  109. 

aenex  886. 

aena  871. 

aepa,  saeps,  zaua  878. 

aeps,  eidechse  884. 

Signum  27. 

simitur  289. 

aimplex  165. 

singulua  165. 

aino  289. 

aol  878. 

eolari  155. 

Bolea  155. 

Boleo   242. 

solna  155,  242. 

Bona  381. 

sorbeo  255. 

aors  880. 

apes,  sperea  370. 

spien  869. 

Bpona  380. 

Btipa  878. 

Btirps  378. 

Stils  880. 

stlocua  380. 

stolidua  829. 

striga,  strix  876. 

stultus  329. 

stupiduB  833. 

Bub  1. 

subinde  123. 

suescere  242. 

aus  884. 

taceo  887. 

thua  888. 

timeo  852. 

tongdre  8. 

trabs  878. 

tragula  893. 

trans  870. 

tristiB  182. 

tussis  847. 

über  397. 

ubi  i20. 

uncuB  182. 

unda  282. 

unuB  162. 

urbs  387. 

vacca  71. 

vadnm  282. 

vaguB  898. 

▼aa  378. 

ve  888. 

30* 


4C8 


Wortxvgister. 


▼el  888. 
TeUns  142. 
venennm  842. 
Tenio  893. 
Ter  888. 
vereor  66. 
Tennis  898. 
yenres  164. 
Tera  898. 
Tia  869. 
vigmti  898. 
viUus  142. 
vir  878. 
vis  870. 
Titricns  289. 
rix  888. 
vomicos  848. 
Tomo  848. 
▼ox  882. 
yhIhhs  66. 


2)  OfUiob.  8ibiil86lL 

Acum  182. 

afkdAiim  96. 

Aisemim  127. 

lunfir  1. 

amnud  84^87. 

ampeit  108,  418. 

avü  70. 

censanm  97. 

Gomono  364. 

dsketasiof  1. 

deketasis  189. 

eisod  2. 

eitoa  181. 

eitnns  129,  180,  402. 

eko  896. 

feflioss  4. 

fiructatiiif  4. 

ftifane  410. 

i^id  412. 

(Wd  411. 

Q«neto  10. 

imaden  126. 

inim  896. 

lamatun  97. 

medicatinom  111. 

miricaum  97. 

nerum  116. 

op  1,  2. 

opsA  10. 

opsaiun  97. 


pat  6. 
patensiiis  6. 
pert  101,  417,  418. 
pertamum  107. 
petiropert  107,  418. 
pid  416. 
pomtiB  110. 
postin  4,  6. 
preivanm  97. 
profaum  98. 
proterpam  81. 
pukalaum  98. 
regaiim  98. 
saahtom  10. 
sakaraum  98. 
Safinim  127. 
Sangos  29. 
slaag{  1. 
Btafet  6. 
tacosUm  119. 
tadait  94_100. 
tanginod  8. 
teremnaum  98. 
Ufa  98. 
tristaum  98. 
urnst  114. 
valaemon  87. 
veiaom  98. 
vezkef  9. 


8)  Umbrisch. 

ambr,  ampr,  amb  1. 
an  211. 
bennso  404. 
cehefi  406. 
combifianfi  406. 
covortnso  404. 
eno  896. 
enumek  396. 
feftire  411—414. 
fü  409. 
fula  412. 
fuiest  411. 
füst  418. 
her  407. 
herifi  409. 
ife  121. 
ise  414. 
pd  416. 
perakni  419. 
pert  101. 
pur  102,  419. 


pnstin  4,  6. 
stahl,  Stahl  7. 
sub  1. 
tefe  121. 
tr^juper  418. 
up  1. 
Ute,  ote  70. 


4)  FrauBsisclL 

accolnter  22. 
avaler  22. 
avenir  22. 
averon  14. 
battre  18. 
bmgnon  16. 
ohemin  19. 
compter  21. 
conter  21. 
cour  17. 
dartre  889. 
fade,  t49  888. 
feu  16. 
gale  888. 
g&ter  16. 
haut  14. 
heingre  14, 
böte,  hdtel  21. 
huppe   14. 
hurler  14. 
Jen  19. 
laisser  17. 
las  17. 
malade  28. 
mener  20. 
parole  19. 
penser  28. 
Sergeant  14. 
sot,  BOttise  828. 
tailler  18. 
voyage  19. 


5)  ItaUeBlsch.     Sp&. 

nisch.    Poitaglesisch. 

WalacUsch. 

bailar  19. 
baUare  19. 
bäte  18. 
battere  18. 
bruno  16. 
cammino  19. 


Wortregister. 


469 


fata  883. 
gritar  15. 
iufanteria  21. 


laso  17. 
lesk  17. 
malato  23. 


matto  823. 
per  412. 
rosso  18. 


D.    SanskritspracheiL 


1)  Sanskrit 

ana   896. 
anagharshi  162. 
aniya  897. 
anu   211. 
ap   382. 
api   198. 
abhicftra  85. 
abhishanga  25. 
ama  832,  841. 
amasa  832,  841. 
amisba  841. 
amla  841. 
aram  65. 
aij   890. 
arjuna  390. 
arvant  891. 
füasa  344. 

a^na  186. 

a^manta  186. 

&di,  &diina  162. 

&p{  368. 

üpja  868. 

äma  841. 

Idasa   844. 

ta  378. 

äsya  878. 

iyarmi  195« 

i4  382. 

!r  198. 

ukshan   71. 

opacära  85. 

ura  142. 

üra^a  148,   147. 

ürft  142. 

ur&9&  142. 

ürj  882. 

ürna  142. 

rju  890. 

rshya  840. 

^ka  395. 

Ina  896. 

ö(,'ha  262. 

kala  399. 
kalya  38« 


k&8  847. 

kftya  86. 

kjrtyi  850. 

k]p  160. 

kötha  840. 

kravya  288. 

kil4  138. 

kra9  288. 

krüra  238. 

krdda  238. 

klama  389. 

kflhap  882. 

ksham,  kshA  168,  874. 

kshamA  168. 

kshndh  882. 

kshmft  867. 

khara,  esel  392. 

khara,  kham,  heSTs  888. 

gandbayd  392. 

gandhaiva  392. 

gara  338. 

garat,  garva  66. 

g4li  81. 

gnli  843.  . 

gnA  367. 

gm&  867. 

grAma  877. 

gha  64. 

cana  396. 

car  85. 

cikitsft  45. 

cdra  875. 

cya  856. 

Jari  388. 

JÄgr  66. 

j&ti  880. 

jAyu  48. 

jäla  31. 

j41i  81. 

jür  146. 

jmA  867. 

takman  887. 

tanc  887. 

tanj  426. 

tantra  49. 

tamas  852. 


t&paka  845. 

tim  852. 

tiksh9&  850. 

tvac  146. 

danta  871. 

dambha  885. 

daridrä  66. 

dardru,  dardü  839. 

dasyu  151,  885. 

dati  380. 

däsa  151. 

div  878. 

dur  372. 

d^va  829. 

dös  372. 

dyu  878. 

dyö  878. 

dravya  43. 

dr&pa  882. 

dvär  372. 

na  896. 

nakta  875. 

nar  871. 

nara  335,  871. 

narman  335. 

nas  872. 

ni  211,  400. 

nif  878. 

nis  185,   211. 

nau  878. 

patti  851. 

path  878. 

päd  373. 

p&man  887. 

pämara  882,  887. 

pipln  844. 

pifima  881. 

pums  235,  867,  887. 

pur  878. 

pü  40. 

pe9i  843. 

priya  816,  219. 

plihan  869. 

barbara,barvara221, 880. 

bal  851. 

bfOaka  881. 


47§ 


WortngisUr. 


hhB\a  884. 

lang  88. 

svatas  69. 

bhal,  bhaU  S61. 

lata  326. 

syasr  235. 

bhaUa  851. 

ling  33. 

ba  64. 

bfaishaj  25. 

1Ü&  139. 

bimi  163. 

bhüta  884. 

lubh  86,  87. 

brd  374. 

bbMiaja  25. 

lubhiU  86. 

bbra  871. 

Idcaka  881. 

mai\i  41. 

Idbha  86. 

mati  880. 

ratt  844. 

maUi  878. 

Tafbara  49. 

2)  ZeBd  (Altpors. 

mad  828. 

vadb  232. 

madhya  45. 

vadha  282. 

aniyanA  897. 

manti  880. 

van  388. 

adva  162. 

mand  828. 

yamrA,  yamif  849. 

Muyaflb  897. 

maadira  898. 

varatf  344. 

ÜiakatA  895. 

maraka  850. 

varpa  148. 

p^}^  394. 

maa  288. 

yaryl  148. 

pairika  894. 

maaüra  288. 

yarvara  141,  830. 

masüif  842. 

yaaanta  841. 

bbisbajyaü  25. 

masta  284. 

yasna  341. 

frafperegba  894. 

mastu  238. 

yAma  848. 

mAdh  45. 

mab  878. 

yftmA  349. 

maddba  46. 

mänaa,  288. 

yAmana  849. 

maoiri  349. 

man  850. 

yAmi  849. 

ya9ka  846. 

m&^a  288,  842. 

yA  70. 

vaSti  820. 

mAa  878. 

yAr  874. 

vaidbi  232. 

mtoara  288. 

yAra9i  148. 

yimAdba  45. 

m6h  45. 

vi  871. 

sbiyayAmiy  356. 

mitb,  mdth  51. 

yid  899. 

spaka  (medisch)  374. 

mithas  51. 

yimAdb  46. 

midh  45. 

vUöbba  86. 

muhira  827. 

yi  871. 

miuhka  288. 

yrtra  148,  150. 

8)  levpenisdi. 

inüka  880. 

v6ga  875. 

mü4ba  827. 

yaidya  44. 

af^Anab  39. 

müia  880. 

9abala  148,  149. 

a&ün  39. 

mrd  882. 

9Anrara  149. 

amAs  382. 

mddb  45. 

9afyant,  9a9yat  372. 

ardA  48. 

medba  46. 

9Aka  843. 

Amah,  Amü  341. 

mddhi  45. 

9AÜ  880. 

AmAr  841. 

mdha  827. 

fdtha  328. 

kök  847. 

Tavana  221-228. 

9au94a  828. 

kimd  828. 

y&pana  42. 

9rat  882. 

kbarfdan  888. 

yipya  42. 

9rdni  233. 

khast  886. 

yävay&mi  50. 

fvan  374. 

kbastan  386. 

yöga  80. 

sakta  27. 

kbArish  838. 

raj,  tk}    890. 

sanga  37. 

gar,  gari,  gark  338. 

ri^  874. 

sanj  26. 

garidan  338. 

r&ji  1. 

sat  871. 

gnlAk  343. 

nie  882. 

satrA  865. 

cArah  35. 

n^  850,  882. 

sama  164. 

cicak  848. 

nij&  850. 

saya,  sayana  88. 

jawAz  846. 

r4i  867. 

sa  371. 

jAl  81. 

rdgahan  48. 

sükara  384. 

j6k  161. 

Wortregister. 


471 


täkhtah  387. 
tab  345. 
lim,  timar  852. 
ttmaw   352. 
dard  889. 
d&ra  49. 
dirad   839. 
dird   839. 
nabard  894. 
nazag,  nazg  848. 
p&mas  832. 
pisishk,  pisisk  25,  26. 
pes,  pisi  848. 
barbar  880. 
balä  351. 
balbalah  880. 
y^krhkr  880. 
-Iah  47. 
astik,  bizshik  25. 


bnfida  820. 
buridan  281. 
bürden  231. 
bul  881. 
ftuün  89. 
marg&marg  860. 
mast  824. 
m&jidan  41. 
m&Bah,  mAsh  842. 
magh  41. 
mudah  827. 
mür,  mdr  849. 
14k  82. 
l&dah  826. 
lüii  840. 
sbawidaa  89. 
shünist  89. 
Bhüyidan  89. 


4)  ArmenfaMli. 

anmid  824. 

bisag  848. 

giukh  48. 

gias  48. 

haz  847. 

iw  (ossetisch)  162. 

jerm  845. 

jez  161. 

koti  340. 

khos  886. 

mi  162. 

mok  41. 

moli  885. 

mijian  849. 

mü  162. 

osbn  848. 

pjishg  26. 

pjshgatbiun  26. 

thank  846. 


E.    Celtische  sprachen. 


1)  Irisch. 

aillse  844. 
ailse  844. 
aise  846. 
amad  825. 
amaideach  825. 
amh,  amhas  882. 
amh,  amm  841. 

amhail  841. 

an,  aon  168. 

arlnighlm  84. 

bdith,  baoth  888. 

balacb  881. 

balachan  881. 

h6s  852. 

basaim  841. 

bealaim  851. 

baie  881. 

biseach  26. 

borbar,  borr  880. 

borbbdn  881. 

biiile,*baoil  881. 

builidh  851. 

burr,  bnrraidh  880. 

biirral  381. 

bnnmis  331. 

call  88. 
caUna  89. 


camar&i  382,  887. 

carra,  carraidha  838. 

casachdach  847. 

einmal  80. 

clamh  889. 

crith  845. 

cro,  croan  86. 

cning  30. 

cutba  828. 

cnthail  828. 

daoi  829. 

dasach,  dasidh  885. 

deir  889. 

drab  832. 

dreamin  886. 

dreimim  836. 

dmaip  882. 

dnibh  882. 

dnal  83i. 

dnire  883. 

dur  838. 

danmta  338. 

each  162. 

easadh  846. 

easlnighim  84. 

eis  846. 

faidh  45. 

faisne  841. 

fal  851. 


feamach  848. 
fem,  fernen  349. 
fesaim  841. 
fiothnaise  45. 
freapaire  48. 
firith  844. 
galar,  gabradh  338. 
galiath  31. 
geallaim  81. 
gearb  888. 
gearg  888. 
geasa  48. 
geillim  81. 
gioUa  81. 
gins  43. 
go  382. 
goro  346. 
gort  846. 
ioca  30. 
iog  80. 
iogain  80. 
ladhan  826. 
leagh,  leigh  82. 
leaghadh  88. 
legi,  leighi  82. 
Ugh  83. 
lobhar  840. 
logaidbe  881. 
loiceamhlachd  831. 


472 


Woitregiater. 


Inb,  Inba  87. 
lubaim  87. 
Inbha  87. 
luibin  87. 
loibh  87. 

loighim,  lughaim  84. 
Im,  Inis  87. 
Insrög  87. 
madh  824. 
maille  335. 
mainigh  826. 
maU  385. 
maoidhim  824. 
meadfa  46,  824. 
meas  45. 
moirb  849. 
mach  827. 
mngfaa  827. 
maigfaim  827. 
muir,  mnireadh  350. 
mnrcas  327. 
neach  162. 
neasg  348. 
oinrnhid  824. 
oiB  842. 
omhan  841. 
piseog  26. 
piseogaidhe  26. 
preabaim  48. 
nicht  350. 
sabh  89. 
sagaidh  28. 
säi  28. 
saib  386. 
saobh  836. 
seagba  28. 
8^00,  s^an  89. 
sighe  28. 
sfghe  29. 
sighid  29. 
fliöghach  28. 


soighim  28. 
soiihir  828. 
sor,  soradh  829. 
aotaire  828. 
sotlach  828. 
stairt  329. 
stnrranta  829. 
Sttbha  89. 
anirigh  829. 
sntal  828. 
snthän  828. 
tachas,  tochas  387. 
tachaisim  887. 

fjunftinfi    352. 

Umh,  tom  861. 
toibe  48. 
timim  862. 
uiliocadh  48. 


2)  Kjmriseli. 

afar  341. 
aoan  841. 
arsang  29. 
baU  851. 
baUaw  47. 
b«la  851. 
chwaren  852. 
clafar  839. 
cos,  cosi  387. 
danrden  339. 
gol  31. 
gweU  851. 
gwiddan  46. 
gwrach  346. 
hurt,  hurth  829. 
lach,  iachad  80. 
Heg  88. 
Uelo  826. 
U6b  87. 


Uog  83. 
llogawd  83. 
Uw  84. 
masam  342. 
meddw   824. 
meidr  46. 
mwg  827. 
myr  849. 
of  841. 
ofh  341. 
pasu  347. 
pwmpl  344. 
sagiaw  28. 
sanga  28. 
segan  28. 
Bwyn  40. 
twym  352. 
twymyii  352. 

3)  Armorisch. 

beolk^  331. 
bos,  bösen  852. 
darou^den  339. 
gaU  31. 
gal  388. 
g61ei  81. 
gwamm  349. 
lad  30. 

Iklafio,  klafi  389. 
lor  340. 
lorbein  87. 
loaad  326. 
merionen  849. 
memeat  350. 
moged  827. 
morchi  827. 
pas,  paz  347. 
porbolen  844. 
tezsian  845. 


F.    Lettisch- slavische  sprachexL 


1)  UttbaiiiBcli. 

anas  896. 
barzda  897. 
bnrbeti,  burbti  830. 
burbuloti  380. 
byliti  47. 
czelas  88. 


czerai  35. 
d^derwyne  339. 
dederzele  889. 
düroas  833. 
eble  341. 
gabenn  898. 
gajas  48. 
g^a,  gelimas  838. 


gela  388. 
gelti  338. 
gydytojis  43. 
gyti  43. 
isz  213. 
jedr68  343. 
jis  395. 
kisti  337. 


Wortregister. 


473 


kei^ti  86. 

keryczoB  85. 

kieno  897. 

klepas  138. 

koks  895. 

kösti  847. 

kraujas  233. 

ledakas  826. 

lekorus  82. 

letas  836. 

loti  399. 

manga  41. 

mlü-as,  martwe  850. 

möniti  325. 

mulkis  827. 

neszu  396. 

paikas  881. 

pas  5. 

peikti  331. 

piktas  881. 

pivas  869. 

prisegti  28. 

papüle  844. 

nigti  350. 

sagtis  28. 

segimas  29. 

segti  28. 

sdgti  29. 

sUbaa  353. 

ßt<$ju  7. 

Bt6TB8  829. 

Busti  328. 

snt  828. 

szdszaB  837. 

Bzeszi  397. 

Bzimtas  897. 

Bzirdis  896. 

Bzis  896. 

tans  896. 

toks  895. 

waistas,  waikstas  44. 

wedu  232. 

w^mü  348. 

wid,  wyd  44. 

wiena  162. 

wötis  344. 

wysti  342. 


2)  AltdavUch. 


balii  47. 
balstvo  47. 


boljeti  851. 
brada  397. 
car  85. 
carovati  85. 
91,  9ija,  ^e  396. 
cHshati  400. 
dVaw  170. 
drjewo  170. 
gon'znati  48. 
i,  ja,  je  395. 
iga  30. 
inamo  897. 
iz'  213. 
jak"  895. 
jakoT"'  395. 
jaza  846. 
jedino  162. 
jetor"  895. 
kak"  895. 
kamy  400. 
kashel'  847. 
kaziü  887. 
koren*  855. 
lajati  399. 
lekarj  32. 
lishai  840. 
Ijek"  82. 
Ivnt"  326. 
rnnmnti  827. 
monditi  325. 
mravti  849. 
m'dl'*  825. 
niz'  218. 
obmanuti  825. 
on"  896. 
onamo  897. 
OBJazati  28. 
posagnati  28. 
prisjaga  29. 
prokaza  386. 
r"gnuti  350. 
Bjagnuti  28. 
stoja  7. 
tak",  takov" 
tometi  852. 
tsjer  38. 
tnp"  333. 
vidjeti  45. 
v'^tor^'k"  289 
z"drav"  44. 


895. 


3)  Riusisch. 

bal^katj  47. 
bfly  47. 
bnc  334. 
cecevitsa  843. 
chvorat'  862. 
dorak"  382. 
daij  382. 
goijacka  346. 
jazja  346. 
Ijadashcii  326. 
meledä  835. 
mljetj  835. 
molcÄtj  327. 
mor"  860. 
maravei  849. 
odurj  832. 
öspa  343. 
pupyr  844. 
lygat'  350. 
trjastj   845. 
ttipöl  838. 
vered*  344. 
vjedün"  44. 
vbhia  143. 
vosb'   342. 
vymja   849. 
zdorovyT  44. 

j  4)  PoliilB€lL  BBhmisch. 
myrisch. 

baluch  47. 

böl  351. 

diiren'   338. 

goic  48. 

goisty  43. 

bus  212. 

isvidati  44. 

ladaiaki  826. 

ladako  326. 

liBzai  330. 

Indjak   326. 

manen  325. 

mröwka  849. 

ospa  343. 

osdraviti  44. 

sdrav  44. 

wesz  342. 

wiedma  44. 

wjesctica  46. 
!  wtdrek  289. 
'  zdrowy  44. 


474 


Verbesserungea. 

Seite  54  zeile  2  v.  u.  au  statt  an.  s.  249  z.  6  v.  u.  K.  statt  L. 

^      64     „      7  ▼.  o.  tilge  das  komma  s.  306  im  paradigma  lies  blmda(j)iios 

hinter  tr.  und  blinda(j)izo. 

s.  54  z.  8  V.  0.  tilge  das  komma  hin-  s.  824  z.  10  v.  a.  armenisch  statt  tr- 

ter  dhr.  moriseh* 

s.  61  z.  16  u  in  tt  statt  u  in  tt.  ß,  839  z.  16  v.  o.  zetrissen  statt  zer- 
s.  62  z.  4  lies  i^mda«.  reifsen. 

8.  64  z.  16  den  statt  dafl.  s.  869  z.  1   lies  setzt  statt  folgt  nod 
8.  65  z.  16  ein  statt  im.  z.  18  a/'O'eiT  statt  o^nr. 

s.  66  z.  8  gaiut  statt  garat.  s.  878  z.  8  v.  n.  Zijv  statt  gij»>« 

8.  70  z.  18    zugesetztes   statt   zasam-  s.  884  z.  20  gifw  sUtt  ^«V. 

mengesetztes.  s.  885  z.  7  luhsi  statt  loksi. 

8.  91  z.  8  y.  n.;    s.  92  z.  8  v.  o.  und  s.  890  ist  diese  Seitenzahl  aosgefiiUeiL 

s.  105  z.  4  Ritschi  statt  J^tscheL  s.  898  z.  2  v.  n.  lies:   varedhayagoba 
s.  160  z.  3  fest  statt  rast.  mana. 

8.  161  z.  2  V.  u.  jez  statt  jes.  s.  894  z.  1  v.  o.  Haoma  statt  Gnome. 

8.  162  z.  14  mü  statt  mv^u.^  s.  408  z.  1  cns  statt  cas. 
8.  185  z.  13  Cereris  statt  eereris. 


Gedruckt  bei  A.  W.  Schade  in  Berlin,  Grünstr.  18. 


VERZEICHNISS 

VON 

WERKEN 

ADS  DEM  GEBIETE  DER 

SPRACHFORSCHUNG 

ERSCHIENKK 


in  Berlin« 


September  1867. 


BERLIN, 

I  QEDBUCKT  BKI  A.  W.  SCHADB,  OR0N8TRA88B  18. 

I  1857. 


A.   Ällgememe  Sprachwissenschaft. 


System  der  Sprachwissenschaft,  von  K.  W.  L.  Heyse. 
Nach  dessen  Tode  herausgegeben  von  Dr.  H.  Steinthal, 
Privatdoeenten  an  der  Universität  zu  Berlin.  1856.  gr.  8. 
geh.     2  Thlr.  15  Sgr. 

Darch  die  Veröffentlichung  dieseB  Werkes,  das  die  allgemeinen  Er- 
gebnisse der  neueren  Sprachwissenschaft  mit  seltener  Klarheit,  Kürze 
und  Uebersichtlichkeit  darstellt,  wird  nicht  nur  allen  Sprachforschem 
von  Fach,  zu  welcher  Richtung  sie  sich  auch  bekennen  mögen,  sondern 
überhaupt  Allen,  die  irgend  ein  Interesse  an  Sprachwissenschaft  nehmen, 
ein  nicht  geringer  Dienst  erwiesen  sein.  Ein  BeurtheUer  (Georg  Curtius) 
im  literar.  Gentralblatt  sagt  über  dieses  Werk: 

„Dies  Werk,  in  welchem  wir  eine  der  gediegensten  Arbeiten  auf  dem 
Gebiete  der  Sprachwissenschaft  zu  begrüfsen  haben,  ist  die  reife  Frucht 
eines  yorzugsweise  der  allgemeinen  Sprachforschung  gewidmeten  Lebens. 
—  Durch  den  Reichthum  des  Inhaltes  und  die  glückliche  Form  ist  es 
geeignet,  für  längere  Zeit  ein  Hauptwerk  für  alle  hier  einschlagenden 
Forschungen  zu  bleiben.  Ganz  besonders  aber  möchten  wir  es  allen 
Denen  empfehlen,  welche  an  Schule  und  Universität  Sprache  zu  lehren 
berufen  sind^'  u.  s.  w. 

üeber  den  Ursprung  der  Sprache  von  Jacob  Grimm. 
Aus  den  Abhandlungen  der  königlichen  Akademie  der  Wis- 
senschaften vom  Jahre  1851.  Dritte  Auflage.  1852.  gr.  8. 
geh.    15  Sgr. 

Es  war  vor  allem  die  Thunlichkeit  einer  Untersuchung  über  den 
Ursprung  der  Sprache  zu  erweisen.  Nachdem  hierauf  dargethan  wor- 
den, dafs  die  Sprache  dem  Menschen  weder  von  Gott  unmittelbar  aner- 
schaffen, noch  geoffenbart  sein  könne,  wird  sie  als  Erzeugnifs  freier 
menschlicher  Denkkraft  betrachtet.    Alle  Sprachen  bilden  eine  geschieht- 


Allgemeine  Sprachwissenschaft. 


liehe  Gemeinschaft  und  knüpfen  die  Welt  an  einander.  In  ihrer  Ent 
Wicklung  werden  drei  Hauptperioden  unterschieden,  welche  mit  meister- 
hafter Feinheit  und  Durchsichtigkeit  geschildert  werden. 

Der  üriprong  der  Sprache  im  Zusammenhange  mit  den 
letzten  Fragen  alles  Wissens.  Eine  Darstellung  der  An- 
sichten Wilhelm  eon  Humboldts,  verglichen  mit  denen  Her- 
ders und  Hamanns  von  Dr.  H.  Steinthal.  1851.  gr.  8. 
geh.    15  Sgr.    (Vergl.  S.S.:  Sprachwiss.  Abhandl.) 

Es  lag  denn  Verfasser  vorzQglicb  daran,  die  Gebildeten  übediaupt, 
besonders  aber  die  Metaphysiker  und  Psychologen  auf  die  hohe  Wich- 
tigkeit der  Frage  nach  dem  Ursprünge  der  Sprache  dadurch  aufmerksam 
zu  machen,  dafs  er  den  Zusammenhang  derselben  mit  dem  Verhältnifs 
Ton  Gott  und  Menschen,  Unendlichem  und  Endlichem,  Leben  und  Tod, 
Allgemeinem  und  Einzelnem  nachwies.  Aufserdem  hat  er  seine  früheren 
Arbeiten  über  W.  t.  Humboldt  hiermit  ergänzen  gewollt. 

üeber  die  Verschiedenheit  des  menschlichen  Sprachbaues 
und  ihren  EinfluTs  auf  die  geistige  Entwickelung  des  Men- 
schengeschlechts von  Wilhelm  von  Humboldt.  1836. 
gr.  4.    geh.    4  Thlr. 

In  diesem  Werke  hat  der  berühmte  Verfasser  den  Kern  seiaes 
idealen  Lebens  niedergelegt.  Wie  er  darin  eine  Anschauungsweise  der 
Sprachwissenschaft  rem  Standpunkte  der  Weltgeschichte  aus  begründet, 
eben  so  sehr  lehrt  er  darin  eine  Weltanschauung  Ton  dem  Standpunkte 
der  Sprache  ans.  Beginnend  mit  der  Betrachtung  der  die  geistige  Ent- 
wickelung des  Menschengeschlechts  hauptsächlich  bestimmenden  Momente 
($.  1  —  6)  gelangt  er  zur  Sprache,  als  einem  Torzugiichen  ErklSnmgs- 
grunde  jenes  Entwickelungsganges  ($.7).  Er  zeichnet  die  Richtung  Tor, 
welche  die  Sprsoliforsohung  zu  nehmen  hat,  um  ihren  Gegenstand  in 
dieser  Weise  zu  beurtheilen  ($.8)  und  wird  dadurch  zu  einer  tieferen 
Darlegung  des  Wesens  der  Spra<^e  geführt  (g.  9—  12).  Sodann  genauer 
auf  das  Sprachverfahren  eingehend,  stellt  er  die  allgemeinsten  und  alle 
Theile  der  Sprache  durchdringenden  Eigenthümlichkeiten  derselben  dar 
{%.  13  —  18),  nach  welchen  er  sie  classificirt  (§.  19).  Als  den  Punkt 
aber,  von  dem  die  Vollendung  der  Sprache,  ihre  EntwickelnngsfShigkeit 
und  ihr  Einflufs  auf  den  Volksgeist  abhängt,  hebt  er  die  gröfsere  oder 
geringere  Stärke  der  synthetischen  Kraft  derselben  hervor  und  führt 
den  Nachweis  sowohl  rücksichtlich  der  indoeuropäischen,  als  der  semi- 
tischen, amerikanischen  nnd  der  einsylbigen  Sprachen  (§.21  —  24).  Die 
Beantwortung  der  Frage,  ob  der  mehrsilbige  Sprachbau  aus  der  Ein- 
silbigkeit hervorgegangen  sei,  bildet  den  Schlufs  ($.  25)  dieses  grofii- 
artigen  Werkes. 


Allgemeine  Sprachwissenschaft. 


Grammatik  y  Logik  und  Piychologie,  ihre  Principieti  und 
ihr  VerhÄltnifs  zu  einander,  von  Dr.  H.  Steinthal,  Pri- 
yatdocenten  f&r  allgemeine  Sprachwissenschaft  an  der  Uni- 
versität zu  Berlin.    1855.    gr.  8.    geh.  2  Thlr.  15  Sgr. 

In  diesem  Bache  stellt  der  Verf.,  dessen  frühere  kleine  Schriften 
eine  nngewdhnliohe  Aufmerksamkeit  erregt  bähen,  seine  sprachwissen- 
schaftliche Grund  ansieht  in  erwünschter  Ansfiihrlicbkeit  dar.  Sein  Be- 
mühen ist  vorzüglich  darauf  gerichtet,  den  Begriff  der  innem  Sprachform 
zu  entwickeln,  hierdurch  der  Grammatik  einen  eigenthümlichen  Boden 
anzuweisen,  sie  besonders  scharf  von  der  Logik  abzuscheiden  und  mit 
der  Psychologie  in  enge  Verbindung  zu  bringen.  Das  Buch  zerfHUt  in 
drei  Theile.  Der  erste  weist  die  falsche  Begründung  durch  die  Logik 
zurück ;  Her  zweite  stellt  ausfabrlicb  das  YerhältniTs  zwischen  Logik  und 
Grammatik  dar,  wobei  die  wichtigsten  Punkte  dieser  beiden  Wissen- 
schaften vergleichend  zur  Sprache  kommen;  der  dritte,  der  aber  die 
H&lfte  des  Buches  umfafst,  legt  die  eigenthümlichen  Principien  der 
Grammatik  und  ihr  psychologisches  "Wesen  dar. 

Veber  den  Hatnrlaut  von  Joh.  Carl  Ed.  Buschmann. 
[Besondrer  'Abdruck  aus  den  Abhandlungen  der  Königl. 
Akademie  der  Wissenschaften  zu  Berlin  aus  dem  Jahre 
1852.]    1852.    gr.  4.    geh.    15  Sgr. 

Der  Verf.  bemüht  sich  zu  zeigen,  dafs  aus  der  Thatsache,  dafs 
für  die  Begriffe  der  nächsten  Verwandtschaftsverhältnisse  fast  in  allen 
Sprachen  ähnlich  klingende  Laute  vorhanden  sind,  kein  Schlufs  auf  eine 
rilgemeine  Verwandtschaft  der  Sprachen  gezogen  werden  dürfe.  Er  be- 
zeichaet  diese  einfachsten,  aus  dem  Monde  der  Kinder  zuerst  vernom- 
menen und  folglich  den  Kindern  geläufigsten  Laute,  die  eben  deshalb 
von  allen  Völkern  in  gleicher  Weise  auf  die  Begriffe  von  Vater,  Mutter 
u.  s.  w.  übertragen  werden,  mit  dem  Namen  Naturlaut  und  stellt  sie 
für  grofse  Reihen  von  Sprachen  in  Tabellen  auf. 

Die  Sprachwisseniohaft  Wilheim  von  HumboMü  und  die 
Hegeische  Philosophie  von  Dr.  H.  Steinthal.  1848.  gr.  8. 
geh.    20  Sgr.    (Vergl.  S.  8:    Sprachwiss.  Abhandl.) 

Es  lag  dem  Verfasser  ^nächst  und  zu  allermeist  daran,  die  Unhalt- 
barkeit  der  dialektischen  Methode  Hegels  dadurch  zu  beweisen,  dafs  er 
zu  zeigen  suchte,  wie  diese  über  sieh  selbst  hinaus  zur  genetlfichen  treibt, 
welcher  Wilhelm  v.  Humboldt  huldigt.  Hierauf  giebt  er  eine  Darst^l» 
lang  der  Grundlagen  und  des  Ziels  der  Sprachwissenschaft  Humboldt^s 
mit  beständiger  Zurückweisung  der  unberechtigten  Forderungen  und 
gehaltlosen  Leistungen  der  Dialektik. 


Allgemeine  Spnu^wissenichaft 


Die  Clasfification  der  Sprachen  dargestellt  als  die  Ent- 
wicklung der  Sprachidee  von  Dr.  H.  Steinthal.  1850. 
gr.  8.     geh.     15  Sgr. 

(Yergl.  S.  8.  Sprachwissenschaft!.  Abhandl.) 

Diese  Schrift  enthält  znerst  eine  Kritik  der  bisherigen  Sprscbclassi- 
fieationen  und  damit  der  heutigen  Sprachwissenschaft  überhaupt.  Beson- 
ders ausführlich  wird  Wilhelm  v.  Humboldt  nach  seiner  genialen,  wie 
nach  seiner  mangelhaften  Seite  dargestellt-  Darauf  giebt  der  Verfasser 
nach  einer  neuen  AufTassungs weise  des  Wesens  der  Sprache  eine  Ein- 
theilung  der  Sprachen  in  dreizehn  Classen  nach  einer  den  naturlichen 
Pflanzen-  und  Thiersjstemen  analogen  Methode. 


üeber  den  Dnalis  von  Wilhelm  von  Humboldt. 
1828.     gr.  4.     12iSgr. 

Diese  Abhandlung  durfte  ans  manchen  Gründen  Hiunboldt^s  schönste 
und  tiefste  Arbeit  genannt  werden;  auch  wirft  sie  auf  viele  wichtige 
Stellen  seines  gröfseren  Werkes  ein  sehr  erwünschtes  Licht.  Die  No(h- 
wendigkeit  solcher  Untersuchungen  über  einzelne  grammatische  Formen 
wird  vom  Verfasser  selbst  im  Eingange  dargestellt.  I^ach  der  Ueber- 
sieht  des  rSnmlichen  Umfanges  der  SprachstSmme,  in  denen  sidi  die 
Dualform  findet,  wird  die  Natur  derselben  zuerst  nach  der  Beobachtung 
der  Sprachen  selbst  bestimmt,  dann  in  tiefster  Weise  aus  allgemeinca 
Ideen  abgeleitet,  mit  Berücksichtigung  der  phantasievollen  und  rein  ver- 
ständigen Seite  der  Sprache. 

üeber  die  Verwandtschaft  der  Ortsadverbien  mit  dem 
Pronomen  in  einigen  Sprachen  von  Wilhelm  von  Hum- 
boldt.    1830.     gr.  4.     10  Sgr. 

Eine  Darstellung  des  Pronomens  selbst  leitet  diese  Abhandlung  ein^ 
in  welcher  durch  das  Beispiel  der  Pronomina  der  Sprache  der  Tonga- 
oder Freundschaftsinseln  und  anderer  malayischer  Sprachen,  ferner  der 
chinesischen,  japanischen  und  endlich  besonders  der  armenisdien  Sprache 
gezeigt  wird,  wie  die  Pronomina  aus  den  Ortsadverbien  hergenommen 
werden  können. 

De  pronomine  relative  commentatio  philosophico- philo- 
logica  cum  exeursu  de  nominativi  particula.  Scripsit 
H.  Steinthal,  Dr.  Adjecta  est  tabula  lithographica  signa 
Sinica  eontinens.  1847.  gr.  8.  geh.  20  Sgr. 

(Vergl.   S.  8.  Sprachwissenschaft!.  Abhandl.) 

per  Verfasser  sucht  die  Bedeutung  des  Pronomen  relativum  für  da^ 


Allgemeine  Sprachwissenschaft 


Satzgefüge  aufzufinden.  Die  Untersuchung  beginnt  mit  dem  einfachsten 
Satze.  Indem  nämlich  der  Verfasser  sogleich  von  Anbeginn  die  philo- 
sophische Reflexion  mit  den  Thataachen  yerbindet  und  nach  der  gegen- 
seitigen Durchdringung  beider  strebt,  zeigt  sich,  dafs  in  den  niedriger 
stehenden  Sprachen  daa  Pronomen  relatiyum  schon  zur  Bezeichnung  der 
einfachsten  SatzverhSltnisse ,  rorzüglich  aber  als  Partikel  des  Attribut« 
verwandt  wird.  Stufenweise  wird  die  weitere  Entwickelung  des  Satzes, 
die  schärfere  Absonderung  und  formelle  Ausbildung  des  Pronomen  re- 
latiyum,  wie  endlich  in  immer  steigender  Vollendung  der  Organisation 
der  Sprachen  verfolgt,  welche  drei  Punkte,  als  mit  einander  Hand  in 
Hand  gehend,  in  engerem  Zusammenhange  betrachtet  werden.  Diese 
kleine  Schrift,  die  erste  des  Verfassers,  enthält  den  Keim  zu  allen  sei- 
nen folgenden  Arbeiten  und  ist  besonders  ein  guter  Kommentar  zu  sei- 
ner Classification  der  Sprachen. 

Franennanien  am  Blumen  von  Jacob  Grimm,  vorge- 
lesen in  der  akademie  am  12.  Februar  1852.  gr.  4.  geh. 
(Vergriffen.)     12Sgr. 

Zwei  sprachvergleichende  Abhandlungen: 

1)  Ueber  die  Anordnung  und  Verwandtschaft  des 
Semitischen,  Indischen,  Aethiopischen,  Alt -Persischen  imd 
Alt-Aegyptischen  Alphabets. 

2)  Ueber  den  Ursprung  und  die  Verwandtschaft  der 
Zahlwörter  in  der  Indogermanischen,  Semitischen  und  Kop- 
tischen Sprache, 

von  Dr.  Richard  Lepsius.    1837.    gr.  8.    geh.     1  Thlr. 

Der  Verfasser  fuhrt  in  der  ersten  Abhandlung  mit  Scharfsinn  und 
Gelehrsamkeit  die  SStze  durch,  dafs  1)  die  Ordnung  der  Buchstaben  im 
alten  semitischen  Alphabete  nach  einem  organischen  Principe,  gemacht 
ist,  dafs  diese  Anordnung  aber  2)  genau  Und  vom  ersten  Buchstaben 
an  mit  der  historischen  Entwickelung  des  Sprachorganiamus  überein- 
stimmt, woraus  folgt,  dafs  3)  d^  semitische  Alphabet  sich  nur  allmählig 
und  zugleich  mit  der  Sprache  selbst  so  gebildet  habe,  wie  wir  es  vor- 
finden. Hierdurch  wird  sein  Ursprung  in  die  Anfinge  der  Geschichte, 
und  jedenfalls  vor  die  Trennung  des  semitischen,  ägyptischen  und  indo- 
europäischen Stammes  gesetzt.  Dies  fuhrt  auf  eine  Vergleichnng  des 
semitischen  Alphabeta'  mit  dem  indischen  und  den  Hieroglyphen,  und 
wird  der  gemeinschaftliche  Ursprung  dieser  drei  erhärtet.  Dasselbe 
doppelte  Interesse,  die  Verwandtschaft  jener  drei  Sprachstämme,  wie  den 
umigen  organischen  Zusammenhang  von  Sprache  und  Schrift  nachzuwej« 


8  AI]g«meme  Sprachwissenschaft. 


sen,  herrscht  auch  in  der  xweiten  Abhaadltmg.  Es  wird  demgemSAi  aoDMr 
der  Verwandtschaft  der  Sgyptisdien)  semitischeii  und  indo-enropäisciieii 
Zahlen  anch  die  Uebereinstimnituig  zwischen  der  Bildung  cter  Zahl'vrörter 
dnrch  Znsamniensetfimg  mit  dem  ägyptischen  Ziffersysteme  Ton  der  Zahl 
vier  an  bis  sehn  daigelegt.  Die  durdians  einfachen  drei  ersten  Zah- 
len aber  werden  anf  PronominalstSmme  snrüekgelftlHrt.  Der  TerlSaMier 
geht  hierauf  su  den  Sporen  des  Duodeoimaisystems  nnd  dem  De«imal- 
system  über  und  schlieft  nach  einer  Abschweifting  über  die  Büdang 
der  Ordinalia  das  Gänse  mit  einer  Nachweisnng  der  ursprünglichen 
Femininfonnen  der  Zahlwörter. 


Die  Entwicklung  der  Schrift.  Nebst  einem  offenen  Send- 
schreiben an  Herrn  Praf.  Fott  Von  Dr.  H.  Steinthal. 
1852.    gr.  8.   geh.    22J  Sgr.   ( Vergl.  das  folgende  Werk.) 

Diese  Abhandlang  serfSUt  in  einen  allgemeinen  und  einen  besondem 
Theil.  Im  erstem  wird  der  Begriff  der  Schrift  erörtert,  wobei  der  Verf. 
in  seiner  bekannten  Weise  an  W.  v.  Homboldt  anknüpft,  ihn  kritisirend, 
begründend  und  weiterfahrend.  Sein  Gesicbtspankt  ist  der  psychologi- 
sche, von  welchem  aas  im  andern  Theile  der  Abhandiang  die  verschiede- 
nen  Schriftarten  ris  die  Entwieklangsstnfen  des  Begriffes  der  Schrift  in 
folgender  Reihenfolge  dargestellt  werden:  Die  Sohriftmalesei  der  wilden 
Nordamerikaner  und  der  Mexikaner;  die  Bilderschrift  der  Chinesen  and  Ae- 
gyptec,  welche  mit  einander  TeigÜohen  werden.  Den  übrigen  bekannteren 
Schriftarten,  welche  leichter  eriedigt  werden  konnten,  wird  in  der  Ent- 
wicklaagsreihe,  die  endlich  mit  den  Raneu  schliefst,  die  ihnen  gebüh- 
rende Stelle  angewiesen.  —  Das  Sendschreiben  stdH  dM  Verf.  Yerhfilt- 
nifs  sa  Humboldt  dar  and  besprieht  die  innere  Form  nnd  die  Classi- 
fication der  Sprachen. 

Gesaaunelte  spraehwissensdiaftliche  Abhandlnngen  von 
Dr.  H.  Steinthal.    1856.    gr.  8.    geh.     1  Thlr.  15  Sgr. 

SSmmtliohe  bisher  einzeln  erschienene  Abhandlangen:  De  pEOn<^ 
mine  relative;  Die  E^raphwüsensehaft  Wilhelm  von  Hnm- 
boldti;  Die  Claifification  der  Spraohen;  Der  Ursprung  der 
Sprache;  Die  EntwicUnng  der  Schrift  (zusammen  ca.  34  Bogen, 
im  Ladenpreise  von  über  3  Thlr.),  sind  hier  anf  den  Wansch  des  Herrn 
Yer^sers  za  einem  Bande  mit  besonderem  Titel  yereinigt^ 


Indogermanische  Sprachen.    Im  Allgemeinen. 


B.   Indogermanische  Sprachen. 


Im  AllgemeineiL 

üeber  die  Hamen  dei  Dannerf.  Eine  akademische  Ab- 
haodlüDg,  vorgelesen  am  12.  Mai  1853.  Von  Jacob  Grimm. 
1855.     gr.  4.     geh.     12  Sgr. 

Diese  Abhandlung  giebt  die  Etjmolögieen  der  Ansdrücke  für  Don- 
ner in  der  deutschen  sowie  in  den  übrigen  indogermanischen  Sprachen. 
£s  werden  aber  auch  die  finnischen  (oder  uralischen)  Sprachen  zur 
Yergleichung  herbeigezogen,  wobei  sich  überraschende  Zusammenstim- 
mungen in  Laut  und  Begriff  ergeben.  Diese  erhalten  noch  tiefere  und 
umfassendere  Bedeutung  dadurch,  daCi  sie  Hand  in  Hand  mit  mytholo- 
gischen Beziehungen  gehen.  Vier  Ezcurse  dienen  zur  Ergänzung  und 
genaueren  Begründung  einzelner  Punkte.  Namentlich  zeigt  Auslauf  A, 
dafs  aufser  den  yorgefnhrten  Beziehungen  zwischen  finnischer  und  deut- 
scher Zunge  in  den  Namen  des  Donners  auch  sonst  noch  ein  Zusammen- 
treffen beider  nicht  selten  ist  und  Anslanf  C  betrachtet  die  griechische 
Motionsform  vc,  tXa, 

Ueber  den  Liebesgott  von  Jacob  Grimm.  Gelesen  in 
der  Akademie  am  6.  Januar  1851.  1851.  gr.  4.  geh. 
(Vergriffen.)    7^  Sgr. 


Veber  den  Personenwechsel  in  der  Bede,  von  Jacob 
Grimm.  Aus  den  Abhandlungen  der  König].  Akademie 
der  Wissenschaften  zu  Berlin  1856.    gr.  4.    cart.     22  Sgr. 


Vergleichende  Chrammatik  des  Sanskrit,  Send,  Armeni- 
schen, Griechischen,  Lateinischen,  Litauischen,  Altslavischen, 
Gothischen  und  Deutschen  von  Franz  Bopp.  Zweite, 
gänzlich  umgearbeitete  Ausgabe.  Erster  Band.  Erste  Hälfte. 
1856.     Zweite  Hälfte.     1857.    gr.  8.    geh.     ä  2  Thlr. 

Die  vergleichende  Grammatik,  das  Endergebnifs  der  vielseitigen 
Forschungen  des  Yerfassers,  hat  tot  allen  übrigen  Werlcen  desselben 


10  Indogermaniflche  Sprachen.    Im  AUgemeinen. 

der  Sprachvergleichung  einen  festen  Grund  und  Boden  geschaffen.  Der 
Zweck  der  darin  geführten  Untersuchungen  ist  ein  doppelter.  Wenn 
einerseits  nachgewiesen  wird,  dafs  die  indo-europSischen  Sprachen  in  den 
von  ihnen  ausgebildeten  Sprachformen  entweder  eine  vollkommene  Iden- 
tität zeigen  oder  zur  Darstellung  derselben  sich  verwandter  Mittel  be- 
dienen, ist  andererseits  das  unablässige  Streben  des  Verfassers  darauf 
gerichtet,  der  Entstehung  und  Bedeutung  dieser  Sprachformen  anf  die 
Spur  zu  kommen  und  so  den  Organismus  des  Sprachkörpers  zu  erken- 
nen. Dient  die  erstere  dieser  engverknüpfteu  Richtungen  vorzüglich 
dazu,  die  Geschichte  der  Sprache  aufzuhellen,  so  sucht  die  andere  das 
Wesen  derselben  zu  ergründen,  d.  h.  in  der  letzten  Instanz  den  Schleier 
zu  lüften, >  welcher  das  Yerhaltnifs  zwischen  dem  Gedanken  und  dem 
lautlichen  Ausdruck  desselben  bedeckt  hKlt.  — 

Diese  neue  umgearbeitete  Auflage  erscheint  in  drei  Bftnden  von 
dreifsig  bis  vierzig  Bogen  zum  Preise  von  4  Thlr.  für  den  Band,  wel- 
cher Preis  aber  nur  bis  zum  Erscheinen  des  dritten  Bandes 
gilt;  sobald  das  Werk  vollständig  geworden,  tritt  unwiderruflich  ein 
Ladenpreis  von  15  Thlr.  für  das  ganze  Werk,  und  von  5  Thlr.  für  die 
einzelnen  Bände  ein. 

In  drei  Jahren  wird  dasselbe  vollständig  erschienen  sein.  Die  erste 
Abtbeilung  des  zweiten  Bandes  wird  nächste  Oster- Messe  ausgegeben 
werden. 

Vergleichendei  Acoentaationssystem  nebst  einer  gedrängt 
ten  Darstellung  der  grammatischen  Uebereinstimmungen  des 
Sanskrit  und  Griechischen  von  Franz  Bopp.  1854.  gr.  8. 
geh,     2  Thlr. 

In  der  indo -europäischen  Sprachfamilie  lassen  in  Bezug  auf  die 
Accentuation  nur  das  Sanskrit  und  das  Griechische  eine  durchgreifende 
Vergleichung  unter  einander  zu.  Um  die  Uebereinsiimmung  beider  Spra- 
chen hinsichtlich  ihres  Accentoationsverfahrens  in  allen  Einzelnheiten 
nachzuweisen,  war  es  nothwendig  den  ganzen  Sprachorganismus  in  Be- 
trachtung zu  ziehen,  so  dafs  die  obige  Schrift  aufser  der  vergleichenden 
Aocentuationslehre,  die  ihre  eigentliche  Bestimmung  ist,  auch  die  Grund- 
züge einer  vergleichenden  Formenlehre  der  betreffenden  Sprachen  dar- 
bietet, wobei  es  nicht  vermieden  werden  konnte,  gelegentlich  auch  an- 
deren Gliedern  der  indo-europäischen  Sprachfamilie  einen  Blick  zuzu- 
wenden. Am  ausführlichsten  ist  die  Wortbildung  behandelt  worden  und. 
am  Schlüsse  eine  tabellarische  Znsammenstellung  der  gewonnenen  Re- 
sultate gegeben,  wodurch  Jeder  leicht  zu  der  Ueberzeugung  gelangen 
wird,  dafs  in  diesem  Theile  der  Grammatik  die  Jahrtausende,  welche  das 
Griechische  vom  Sanskrit  trennen,  es  nicht  vermocht  haben,  in  Bezug 
anf  Form  und  Betonung  in  der  einen  o4er  andern  der  verglichenen  Spra* 


IndogeAnamsche  Sprftchen.    Im  Allgemeinen.  11 

eben  solche  Aenderangen  heryorzubringen,  die  nar  einen  angenbUcklicben 
Zweifel  an  der  urspünglicben  Identität  derselben  veranlassen  könnten. 

üeber  einige  Demonstrativitämme  und  ihren  Zusammen- 
hang mit  verschiedenen  Präpositionen  und  Conjunctionen  im 
Sanskrit  und  den  mit  ihm  verwandten  Sprachen  von  Franz 
Bopp.     1830.    gr.  4.    7i  Sgr. 

Ueber  den  Einfluss  der  Fronomina  auf  die  Wortbildung 
im  Sanskrit  und  den  mit  ihm  verwandten  Sprachen  von 
Franz  Bopp.     1832.     gr.  4.     7^  Sgr. 

Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschnng  auf  dem 
Gebiete  des  Deutschen,  Griechischen  und  Lateinischen, 
begründet  von  Dr.  Theodor  Aufrecht,  Privatdocenten 
an  der  Universität  zu  Berlin,  und  Dr.  Adalbert  Kuhn» 
Professor  am  Cölnischen  Gymnasium  ebendaselbst,  fortge- 
führt von  letzterem.  Band  I— VI  1851—57.  cart.  ä  3J  Thlr. 
Der  Band  von  6  Heften  zum  Subscriptionspreise  von  3  Thlr. 
Band  VII  Heft  1  erscheint  noch  im  Laufe  des  Jahres  1857. 

Diese  Zeitschrift  will  durch  eine  kritische  Ergründung  der  genann^ 
ten  drei  Sprachen,  besonders  aber  des  etymologischen  Theils  derselben, 
deren  urspriingliche  Form  wiederaufbauen  und  indem  sie  auf  die  fnibe- 
sten  Perioden  derselben  zurückgeht  und  dem  Gange  der  Sprache  folgt, 
also  genetisch,  die  Bedeutung  der  ausgebildeten  Formen  erforschen.  — 
Zu  diesem  Zweck  wendet  sich  die  Untersuchung  bald  einer  der  drei 
Sprachen  unter  Berücksichtigung  ihrer  Dialekte  mehr  oder  weniger  aus- 
schliefsHch  zu,  bald  vergleicht  sie  zwei  derselben  oder  alle  drei  unter 
einander,  indem  sie,  wo  es  erforderlich  ist,  das  Sanskrit  als  die  älteste 
Schwester  dieser  drei  zu  Rathe  zieht.  Hierdurch  fSUt  nicht  selten  Licht 
auf  die  älteste  Geschichte  der  europäischen  Yolksstämme  und  namentlich 
auf  den  Znsammenhang  derselben  in  der  Periode  ihrer  Sprachbildung. 

Durch  die  Beschränkung  auf  eine  kleinere  Zahl  von  Sprachen  wird 
der  Vortheil  erreicht,  die  einzelnen  Sprachen  schärfer  zu  erfassen,  als  es 
bei  der  Ausdehnung  über  ein  gröfseres  Gebiet  möglich  wäre;  für  die 
gewählten  Sprachen  aber  entschied  man  sich,  weil  sie  unter  den  indo- 
europäischen zu  der  reichsten  Entwickelung  gelangt  sind  und  ferner  weil 
die  Werke,  die  in  denselben  niedergelegt,  fiir  unsere  Bildung  so  bedeut- 
sam sind,  dafs  ihre  Grammatik  der  gründlichen  Erforschung  wohl  vor- 
züglich würdig  ist.  Durch  Besonnenheit  der  Methode,  sowie  durch  Klar- 
heit und  Bündigkeit  der  Darstellung  wird  sich  die  Zeitschrift  jedem  Phi- 
lologen empfehlen, 


12  Indogermanische  Sprachen.     Sanskrit. 


Beitrage  nr  Tergleichenden  Spraehforschiuig  auf  dem 
Gebiete  der  arischen,  celtiscfaen  und  slawischen  Sprachen, 
herausgegeben  Ton  A.  Kuhn  nnd  A.  Schleicher.  Sup- 
plement zur  Zeitschrift  fikr  vergleichende  Sprachforschung. 
I.  Bd.,  Heft  1.   1856.  Heft  2.   1857.  gr.  8.  geh.  k  1  TUr. 

Der  Zeitochrilt  für  yeigleichende  Sprachforschm^  treten  hiermit 
Supplementhefte  an  die  Seite,  in  welchen  diejenigen  Sprachen  des  indo- 
germanischen Sprachstammes  rergleichend  behandelt  werden  sollen,  die 
bei  der  Zeitschrift  gmodsatzlich  ausgeschlossen  werden,  also  namentlich 
das  Sanskrit,  die  slawischen  nnd  ceitischen  Sprachen. 

Ans  dem  reichen  Inhalte  der  ersten  beiden  Hefte  begnügen  wir  nns 
folgende  Arbeiten  hier  anzufahren:  Schleicher,  Knrser  abrifs  der  ge- 
schichte  der  slawischen  spräche;  Spiegel,  CjmsundKurtt.  Cambjses 
und  Kamboja;  Kiepert,  Andentungen  zu  Untersuchungen  über  den  an- 
scbeB  oharacter  der  medischen  spräche;  Pott,  Ueber  die  erste  peraon 
des  imperativs:  Miclosioh,  Verbaintensiya  im  altsloyeniaehen;  Fi  et  et, 
Iren  nnd  Arier;  Aufrecht,  Celtica;  Spiegel,  Zur  altbaetrischen  sjn- 
taz;  Bugge,  Vermischtes  aus  der  spräche  der  Zigeuner;  Ebel,  Celtische 
Studien;  Whitney,  Beiträge  zur  theorie  des  sanskrit  yerbalaccents; 
Miolosich,  Das  suffix*^  (-n)  im  alfsiovenischen. 


Sanskrit. 

Olottarinm  Sanskritum  in  quo  omnes  radices  et  vocabola 
usitatissima  explicantnr  et  cum  vocabulis  Graecis,  Latinis, 
Germanicis,  Litthuanicis ,  Sclavicis,  Celticis  eomparantur  a 
Francisco  Bopp.  Fase.  tres.  1847.  gr.  4.  6ThIr.  20Sgr. 

Für  die  Leetüre  der  bis  jetzt  zugSnglichsten  und  yerbreitetsten 
Sanscritwerke  bestimmt,  hat  das  Glossar  den  Vorzug,  dafs  die  Bedeu- 
tungen derWörter  nicht  auf  frühere  Autorität  angenommen,  sondern 
fast  durchgängig  aus  den  behandelten  Schriftstellern  nachgewiesen  sind. 
Wichtig  wird  es  überdies  durch  die  Fülle^yon  Wortyergleichnngen  aus 
dem  gesammten  Bereich  der  verwandten  Sprachen  und  die  kritiscbe  Un- 
tersuchung des  Wnrzelyorrathes. 

Atharva-Yeda-Sanhita,  herausgegeben  von  R.  Roth  und 
W.D.Whitney.  Erste  Abtheilung.  1855.  hoch  4.  geh. 
8  Thlr.  Zweite  Abtheilung  (das  zwanzigste  Buch  des 
Atharva-Veda.)    1856.    hoch  4.    geh^  1  TUr.  15  Sgr. 


Indogermanische  Sprachen.    Sanskrit  13 

Hiermit  ist  der  Tc4^t  diißsea  Yeda  rollstäiidig  ausgegeben. 

Die  dritte  Abtheilung  wird  eine  Einleitung  in  den  Atharva-Veda, 
kritische  und  erklärende  Noten  und  verschiedene  andere  Beilagen  ent- 
halten. 

Tke  white  Tajweda  edited  by  Dr.  Albrecht  Weber. 
Parti.  The  Y^asaneyi-Sanhitä  in  the  M&dfayandina  and 
the  K&nva*Qäkhft  with  the  commetitary  of  Mahidhara. 
1849  —  52.     gr.  4.    cart.     21  Thb.  20  Sgr. 

Part  II.     The    Qatapatha  -  Br&hmana   in   the   M&dhy- 
andina-Q&kha  with  extracis  made  from  the  commentarieci 
of  Säjana,   Harievämin    and   Dvivedaganga.      1849  —  56.^ 
gr.  4.     cart.     24  Thlr.  20  Sgr. 

Part  III.  The  Qrautasütra  of  Kätyäyana  with  extracts 
from  the  commentaries  of  Karka  and  Yäjnikadeva.  No.l — 3. 
1856.  57.     gr.  4.     geh.     9  Thlr. 

Brahma-Vaivarta-ParAni  specimen.  Textum  e  codice  ma- 
nuscripto  bibUothecae  regiae  Berolinensis  edidit  interpreta- 
tionem  Latinam  adjecit  et  commentationem  mythologicam 
et  criticam  praemisit  Ad.  Er.  Stenzler.  1829.    4.   20  Sgr. 

Diluvium  cum  tribus  aliis  Mahä-Bharati  praestantissimis 
episodiis  primus  edidit  Franciscus  Bopp.  Fasciculus 
primus,  quo  continetur  textus  Sanscritus.  1829.  4. 
2  Thh-.  20  Sgr. 

Hierzu  die  deutsche  Uebersetzung : 

Die  Sündfluth,  nebst  drei  anderen  der  wichtigsten  Epi- 
soden des  MahÄ-BhÄrata.  Aus  der  Ursprache  übersetzt 
von  Franz  Bopp.    1839.    8.     20  Sgr. 

Ghatacarparam,  Das  zerbrochene  Gefäfs,  ein  sanskriti- 
sches Gedicht,  herausgegeben,  übersetzt,  nachgeahmt  und 
erläutert  von  G.  M.  Dursch.    1828.    4.     20  Sgr. 

K8liitt9avan9avallcharitam,  a  Chronicle  of  the  family  of 
B&ja  Krishnachandra  of  Navadvtpa,  BengaL  Edited  and 
translated  by  W.  Pertsch.    1852.    gr.  8.    geh.  2  Thlr. 

XAlaviUt  und  Agnimitra.  Ein  Drama  des  Kälidäsa  in 
flinf  Akten.  Zum  ersten  Male  aus  dem  Sanskrit  übersetzt 
von  Albrecht  Weber.    1856.    8.    geh,  1  Thlr. 


14  Indogennanische  Sprachen.    Griechisch. 

Pftraskarai  Gfrlhya-Sutra.  -^  Glückwansch  Sr.  Bxcellenz 
Herrn  Freiherm  Alexander  von  Humboldt  zum  4.  Au- 
gust 1855  dargebracht  von  Dr.  Adolph  Friedrich  Stenz- 
1er,  ord.  Prof«  der  orientalischen  Sprachen  an  der  König!. 
Universität  zu  Breslau.  Nebst  einem  Bruchstück  aus  Paras- 
karas  Darstellung  der  heiligen  Gebräuche  der  Inder.  1855. 
gr,4.     geh.     7J  Sgr. 

üpalekha  de  Eramap&tha  libellus.  Textum  Sanscritom 
recensuit,  varietatem  lectionis,  prolegomena,  versionem  La- 
tinam,  notas,  indicem  adjecit  Dr.  G.  Pertsch.  1854. 
gr.  8.   geh.  1  TUr.  10  Sgr. 

ITrvasia»  fabola  Calidasi.  Textum  Sanscritum  edidit,  in- 
terpretationem  Latinam  et  notas  illustrantes  adjecit  Ro- 
bertus  Lenz,  Dr.  Ph.     1833.    4.     geh.     4  TMr. 

T^jnavalkya's  Gesetzbuch,  Sanskrit  und  Deutsch  heraus- 
gegeben von  Dr.  Ad.  Fr.  Stenzler.  1849.  gr,  8.  geb. 
2  Tbk.  20  Sgr. 


Griechisch. 


De  nomimun  Graeoomm  formatione  linguarum  cognata- 
rum  ratione  habita  scripsit  Dr.  G.  Curtiua  1842.  gr.  4 
geh.    20  Sgr. 

Die  Wortbildung  war,  wie  sehr  auch  deren  Wichtigkeit  seit  Butt- 
mann einleuchtete,  der  Schwierigkeiten  wegen,  die  sich  bei  Beschränkung 
auf  die  eine  Sprache  überall  darboten,  in  den  Grammatiken  stiefmütter- 
lich und  überdies  stets  so  behandelt  worden,  dafs  prim&re  und  secun- 
däre  Ableitungen  zusammengeworfen  wurden.  Der  Verfasser  spricht 
sich  zuerst  über  den  Unterschied  beider  aus  und  geht  sodann,  nachdem 
die  wichtige  Yoruntersuchung  über  gewisse,  weder  zur  Yerbalwurzel, 
noch  zum  Affix  gehörige  euphonische  Laute  erledigt  ist,  zur  Darstellung 
der  griechischen  primären  Wortbildung  über.  Die  ableitenden  AfBxe 
sind  hier  nach  ihrer  formellen  Verwandtschaft  geordnet,  ihre  Entstehung 
und  ihr  Verhältnifs  zu  den  identischen  lateinischen  und  sanskritischen, 
sodann  die  mannigfachen  Umgestaltnngen  nachgewiesen,  welche  einzefaie 


Indogermanische  Sprachen.    Griechifch.  15 


im  Griechischen  erfahren  haben.  Die  Klarheit  der  Darstellung  macht 
die  Abhandlung  selbst  dem  in  der  Sprachvergleichung  minder  Geübten 
fruchtbar. 

Etymologisches  .Wörterbuch  der  griechischen  Sprache 
zur  Ueberaicht  der  Wortbildung  nach  den  Endsylben  ge- 
ordnet von  Dr.  W.  Pape.    1836.   Lex.  8.    2  TUr.  15  Sgr. 

Die  mit  vieler  Emsigkeit  und  Aufopferung  ausgeführte  Arbeit  des 
Verfassers  fuhrt  uns  gleichsam  in  den  Haushalt  der  griechischen  Sprache 
ein.  Die  nach  den  Endungen  übersichtlich  geordnete  Zusammenstellung 
der  Wörter  gereicht  zu  mannigfachem  Nutzen:  bei  dem  Nomen  und  den 
Partikeln  lernen  wir,  obgleich  eine  strenge  Sonderung  der  Einsicht  des 
Lesers  überlassen  bleibt,  die  mit  gleicher  Ableitungs-  oder  Flexions- 
endung gebUdeten  Wortstamme  kennen,  während  bei  der  Conjugation 
es  von  Wichtigkeit  ist,  den  ganzen  Yorrath  der  den  einzelnen  Classen 
anheimfallenden  Verben  übersehen  zu  können.  Aber  auch  für  die  Accent- 
lehre  ist  der  möglich  gemachte  Ueberblick  willkommen,  und  für  die 
Composition,  deren  wissenschaftliche  Bearbeitung  noch  mangelt,  besteht 
keine  ähnlich  reiche  Sammlung. 

De  coi^ugatione  in  (m  linguae  Sanscritae  ratione  habita 
scripsit  Dr.  A.  Kuhn.     1837.    8.     10  Sgr. 

Die  Conjugation  auf  /«i,  die  in  unseren  Grammatiken  noch  im- 
mer als  die  nnregehnäfsige  betrachtet  wird,  erweist  sich  durch  Ver- 
gleichung  des  verwandten  Sprachkreises  als  die  ursprüngliche  und  die- 
jenige, welche  Personalendungen  und  Eigenthümlichkeiten  der  Conjugation 
am  treuesten  bewahrt  hat.  Der  Verfasser,  welcher  sich  eine  möglichst 
erschöpfende  Behandhing  jener  Conjugation  zur  Aufgabe  gestellt  hat, 
betrachtet  zunächst  die  Personalendungen,  denen  mit  Hülfe  des  Sanskrit 
sowohl  ihre  ältere  Form,  als  (und  hierbei  namentlich  bietet  sich  eine 
Reihe  scharfsinniger  Beobachtungen  dar)  ihre  Bedeutung  nachgewiesen 
wird.  Der  zweite  Theil  des  Buches  behandelt  sodann  die  Bildung  der 
einzelnen  Zeiten  mit  durchgängiger  Hervorhebung  der  dieselben  unter- 
scheidenden MerkmaTe  und  untersuchender  Berücksichtigung  der  Dialect- 
eigenheiten. 

Grammatik  der  griechischen  Tulgarsprache  in  historischer 
Entwicklung  von  Prof.  Dr.  F.  W.  A.  MuUach.  1856. 
gr.  8.    geh.    2  TUr.  20  Sgr. 

Diese  Grammatik,  der  eine  umfassende,  aus  den  Quellen  geschöpfte 
Geschichte  der  griechischen  Sprache  von  den  ältesten  Zeiten  bis  jetzt 
als  Einleitung  in  47  §$.  (107  SS.)  vorangeht,  ist  als  eine  wichtige  £r^ 
gfinzung  der  bisherigen  griechischen  Grammatiken  zu  betrachten,  die  nur 
die  Sohriftspracfae  fu  behandeln  pflegen. 


16  Indogenuaiisdie  ßpracheo.    LateinUch  und  Altitalisch. 

Qraamitik  des  Vaiitettaiiienflielieii  Bpraehgebffmselui.  Im 
Antchluste  an  Ph«  Buttmann's  Griechische  Grammatik 
bearbeitet  von  Alex.  Buttmann.  Erste  Abtheiliiiig. 
Formenlehre.     1857.    gr.  8.    geh.     10  Sgr. 


Lateinisch  und  Altitalisch. 

Thiorie  ginirale  de  raocentnatton  latine  saivie  de  re* 
cherches  sur  les  inscriptions  accentu^es  et  d^un  examen  des 
▼ues  de  M.  Bopp  sur  Fhistoire  de  Taccent  par  Henri  Weil 
et  Louis  Benloew,  Professeurs  de  faculte.  1855.  gr.  8* 
geh.    2  Thlr.  20  Sgr. 

Der  lateinische  Accent  hat  noch  xa  wenig  die  Aufmerksamkeit  der 
Grammatiker  auf  sich  gezogen.  Einfacher  als  der  griechische,  bietet  er 
doch  der  interessanten  Erscheinungen  gar  viele  dar.  GegenwSrtige  Be- 
arbeitung desselben  darch  zwei  Philologen,  welche  Schüler  ,Böckh*8 
und  Bopp^s  zugleich  sind  und  mit  der  genauesten  Kenntnifs  des  kla«- 
zischen  Alterthums,  die  Ergebnisse,  die  Principien  und  die  Methode  der 
neuen  comparativen  Grammatik  verbinden,  dijrfle  jene  Lücke  in  der  phi- 
loleigiiQhen  Forschung  fast  ToUstüadig  ausfüllen.  Der  lateinische  Accent 
wird  hier  nicht  blos  an  sidi  und  nach  seinem  vielseitigen  Einflüsse  auf 
die  Gestalt  und  Ab&nderung  der  Wörter  betrachtet,  es  wird  ferner  hier- 
bei nicht  blos  nach  wahrhaft  geschichtlicher  Methode  seine  Entwicklung 
in  den  verschiedeneu  Epochen  des  Lebens  der  lateinischen  Sprache  ans- 
filhrlieh  dargestellt;  sondern  es  wird  auch  am  Accente  die  Stellung  nach- 
gewiesen, welche  überhaupt  die  lateinische  Sprache  in  der  Geschichte 
des  iado-europSischen  Stammes  einnimmt,  indem  sie  in  die  Mitte  tritt 
zwischen  das  alterthumlichere  Accentuationssystem  des  Sanskritischen 
und  Griechischen  einerseits  und  das  der  modernen  Sprachen  andrerseits. 


Die  ninbrischen  Sprachdenkmaler.  Ein  Versuch  zur  Deu- 
tung deraelben  von  Dr.  S.  Th.  Aufrecht  und  A.  Kirch- 
hoff. (1849  —  51.)  Zwei  Theile  in  einem  Bande,  gr.4. 
mit  10  Hth.  Tafebi.    1851,    cart.     lOThbr. 

Die  lateinische  Sprache,  welche  in  Folge  der  wenigen  literarischen 
Ausbildung,  die  ihr  in  ältester  Zeit  zu  Theii  wurde,  bis  die  Bdcannt- 
schaft  mit  der  griechischen  Literatur  ihren  Einflnfs  ausübte,  in  einem  fort- 


Indogennanische  Sprachen.     Lateinisch  und  Altitalisch.  17 

wiUirendeii  Anflösungsprocesse  begrifTen  war,  mufs  durch  die  Yerglei- 
chung  mit  den  italischen  Sprachüberresten  mannigfache  Aufklärung  erlan- 
gen, gerade  so  wie  die  einzelnen  griechischen  oder  deutschen  Mundarten 
in  dem  sie  zusammengehalten  werden,  einander  vielfach  ergänzen  und 
erläutern. 

Die  umbrischen  Sprachreste,  welche  wegen  ihres  bedeutenden  Um- 
fanges  schon  früher  Gegenstand  angestrengter  Forschung  gewesen  waren, 
gewähren  das  doppelte  Interesse,  dafs  aus  ihnen  einerseits  eine  ziemlich 
vollständige  Uebersicht  des  umbrischen  Idioms  sich  zusammenstellen 
läfst,  andererseits  ihr  Inhalt  viele  Seiten  des  römischen  religiösen  Lebens 
in  helles  Licht  setzen  kann.  Die  Lösung  dieser  zweifachen  Aufgabe  war 
der  Zweck  des  vorliegenden  Werkes.  Zunächst  kam  es  darauf  an,  eine . 
möglichst  erschöpfende  Grammatik  der  umbrischen  Sprache  zu  schaffen 
und  den  Nachweis  zu  liefern,  daf^  dieselbe  mit  der  lateinischen  in 
schwesterlichem  Verhältnisse  stehe.  Der  erste  Band  beschäftigt  sich 
nun  damit,  die  umbrische  Laut-  und  Formlehre  zu  entwickeln,  wobei 
die  Analogie  mit  den  verwandten  Sprachen  durchgängig  zu  Grunde  ge. 
legt  wurde.  Die  Lautlehre  beginnt  mit  dem  Vokalsystem,  erweist  des- 
sen Uebereinstimmung  mit  dem  lateinischen  namentlich  in  der  Abneigung 
gegen  die  Diphthonge  und  sucht  den  Ursprung  der  einzelnen  Vokale 
durch  Herbeiziehung  eines  gröfseren  Sprachkreises  zu  ergründen.  Auch 
bei  den  Konsonanten  ist  überall  deren  Entstehungsgeschichte  und  Ver- 
hältnifs  zu  einander  erforscht  worden,  so  dafs  der  noch  in  unseren  Ta- 
gen sehr  vernachlässigten  lateinischen  Lautlehre  nicht  geringer  Aufschlufs 
daraus  erwächst.  Noch  wichtiger  wird  aber  die  Formenlehre,  weil  das 
Umbrische  viele  Flexionen  besitzt,  welche  im  Lateinischen  entweder  ver- 
altet oder  verstümmelt  sind.  Die  Darstellung  begnügt  sich  aber  nicht 
mit  der  Zusammenstellung  der  ähnlichen  oder  identischen  Formen,  son- 
dern sucht  wo  möglich  deren  Ursprung  zu  ermitteln. 

Im  zweiten  Theile  werden  die  im  ersten  aufgestellten  Fonnen  aus- 
führlich begründet  und  die  sprachliche  Deutung  der  Denkmäler  so  geübt, 
dafs  die  Verfasser  sich  stets  der  Grenzen  bewufst  bleiben,  welche  durch 
die  Dunkelheit  des  Gegenstandes  gesteckt  sind  und  deren  Ueberschrei- 
tung  ihre  Vorgänger  in  sehr  sonderbare  Verirrungen  geführt  hatte.  Durch 
das  beigefügte  vollständige  Glossar  und  den  genauen  Abdruck  der  Tafeln 
sind  die  Leser  nach  allen  Seiten  in  den  Stand*  gesetzt,  sich  ein  selbst- 
ständiges UrtheU  zu  verschaffen  und  die  noch  nicht  zum  Abschlufs  ge- 
langte Forschung  weiterzuführen. 


18  Gcnnaoische  Sprachen. 


Germanische  Sprachen. 

Creseentia  ein  niderrheinisches  Gedieht  aus  dem  zwölf- 
ten Jahrhundert,  herausgegeben  von  OekarSchade.  1 8d3. 
gr.  8.    geh.    1  Thlr. 

Der  Herausgeber  hat  in  obigem  Gedicht,  das  bis  jetzt  in  der  fCaiaer- 
chronik  als  dasn  gehörig  und  davon  untrennbar  betrachtet  wurde,  ein 
aelbständiges  strophisches  Werk  von  einem  andern  Verfasser,  als  dem 
Redactor  der  Kaiserchronik,  erkannt.  In  der  Einleitung  weist  derselbe 
snm  ersten  Male  in  einigen  anderen  Gedichten  des  zwölften  Jahrhunderts 
eine  feste  Regel  des  Versbaues  und  der  Sprachform  nach.  •— 

Ue  deutschen  Ortsnamen  mit  besonderer  Berücksichti- 
gung der  ursprünglich  wendischen  in  der  Mittelmark  und 
Niederlausitz  von  AI.  Buttmann,  Professor.  1856.  8.  geh« 
17i  Sgr. 

„Wir  unsererseits  wünschen  der  kleinen  Schrift  besonders  deshalb 
eine  allgemeinere  Beachtung,  weil  sie  einige  sehr  wichtige  Pundament«!- 
s&tze  iiber  die  Entstehung  und  die  Umwandclung  von  Ortsnamen  auf 
eine  klare  und  überzeugende  Weise  zur  Anschauung  bringt,  —  Lehr- 
sätze, welche  nicht  blos  für  Deutschland,  sondern  für  alle  diejenigen 
L&nder  gelten,  in  denen  Völker  verschiedener  Zunge  gelebt  haben/* 

Zeitschrift  für  allgemeine  Erdkunde. 

üeber  die  Badeutnng  des  Namens  der  Städte  Berlin  und 
Cöln  von  C.  A.  P.  Mahn.    1848.     8.  geh.     5  Sgr. 

lieber  den  Ursprung  und  die  Bedeutung  des  Hamens 
Preussen  von  C.  A.  F.  Mahn.     1850.    8.    geh.     5  Sgr. 

Der  Verfasser  prüft  die  vor  ihm  versuchten  Erklärungen  der  Namen 
Berlin  und  Preufsen,  und  da  sie  sich  unhaltbar  zeigen,  giebt  er  neue, 
welche,  die  Schwierigkeiten,  die  den  früheren  entgegenstanden,  vermei- 
dend, auch  durch  positive  Gründe  höchst  wahrscheinlich,  um  nicht  zu 
sagen  gewifs,  gemacht  werden.  Der  Werth  der  beiden  Arbeiten  wird 
nicht  blos  durch  andere  gelegentliche  Etymologien,  sondern  auch  dadurch 
erhöht,  dafs  der  Akt  der  Namengebung  an  Völker  und  Städte  naofa  allen 
Möglichkeiten  dargelegt  wird  und  dadurch  für  alle  hierher  gehörenden 
Untersuchungen  anregende  Fingerzeige  gegeben  werden. 


Littaoiflch  -  SUvisch.  1 9 


Stymologiflche  TTntersuchungen  über  geographische  Hamen 
TOD  C.  A.  F.  Mahn,  Dr.  Erste  Lieferung.  Einleitung. 
Bedeutung -des  Flursnainens  Spree.    1856.   8.    geh.  5  Sgr. 

Aufser  der  ausfuhrlichen  Erklärung  des  Namens  der  Spree  werden 
in  der  Emieitung  und  sonst  gelegentlich  neue  und  hinlSnglich  entwickelte 
Deutungen  der  Namen  Italien,  Germanen,  Skandinavier,  Pelasger,  Sicu- 
1er,  Serben,  Skythen,  Iberer  und  des  Teltowgaus  aufgewiesen  und  ver- 
sucht» welche  die  aus  den  falsohen  und  mifslungenen  Etymologieen  ge- 
zogenen Folgerungen  und  Ergebnisse  aufheben  oder  bedeutend  modifi- 
ciren. 


Littauisch  -  Slavisch. 

üeber  die  Sprache  der  alten  Preussen  in  ihren  verwandt- 
schaftlichen Beziehungen  von  Franz  Bopp.  Gelesen  in 
der  Akademie  der  Wissenschaften  am  24.  Mai  1849,  am 
25.  Juli  1850  und  am  24.  Februar  1852.  1853.  gr.  4. 
geh.     1  Thhr. 

Utit  gewohnter  Meisterschaft  unterwirft  der  Verfasser  in  dieser  Schrift 
das  einzige  zuverlässige  altpreufsische  Sprachdenkmal,  das  uns  erhalten 
ist,  die  Uebersetznng  nämlich  des  kleinen  Lutherischen  Katechismus,  einer 
grammatischen  Sichtung,  und  zwar  hauptsächlich  diejenigen  Formen,  die 
dem  Littauischen  und  Lettischen  gegen&ber  besondere  Beachtung  ver« 
dienen,  insofern  sie  diese  mehrfach  durch  treuere  Bewahrung  des  ur- 
spriinglichen  Gepräges  übertreffen.  Somit  bildet  diese  Schrift  einen  höchst 
willkommenen  Beitrag  zu  der  „Vergleichenden  Grammatiic",  in  welcher 
nur  das  Littauische  zur  Vergleichung  mit  den  indo- germanischen  Spra- 
chen herangezogen  ist.  In  der  fiioleitung  wird  auch  die  allmähUge  Ab- 
trennung der  letzteren  von  der  asiatischen  Muttersprache  besprochen  und, 
wie  bisher,  die  Absondening  der  lettisch-slavischen  Idiome  von  derselben 
später  gesetzt,  als  die  der  klassischen,  germanischen  oder  keltischen. 

Littanische  Volkslieder,  gesammelt,  kritisch  bearbeitet 
und  metrisch  fibersetzt  von  G.  H.  F.  Nesselmann.  Mit 
einer  Musikbeilage.    1853.   Lex.  8.  geh.    SThk.lOSgr. 

Bei  der  Wichtigkeit  der  littanisohen  Sprache  für  die  vergleichende 
Erforschung  der  indo -europäischen  Sprachen  durfte  eine  Sammlung  lit- 
tanischer  Volkslieder  mit  gegenüberstehender  ^  dem  Text  möglichst 
wörtlich  sich  anschliefsender  —  Uebersetzung  von  grofsem  Interesse  für 


20  Celtisch. 

Sprachforscher  sein.  —  Der  Herausgeber  benutzte  alles  ihm  nur  ii^od 
erreichbare  gedruckte,  wie  handschriftliche  Material.  Hierdurch,  sowie 
durch  Correctheit  des  Textes  und  Genauigkeit  der  Ueberseisnng  l&fst  die 
Sammlung  alle  früheren  weit  hinter  sich.  Auch  der  strophischen  Ab- 
theilung wurde  sorgfältig  Rechnung  getragen. 


Celtisch. 
üeber   Marcellns    Bnrdigalensis    von   Jacob  Grimm. 
Gelesen  in  der  Akademie  der  Wissenschaften  am  28.  Juni 
1847.     1849.     gr.  4.    geh.     15  Sgr.     ' 

Ein  Buch  dt  medicamentis  ^  welches  von  Marcellus  mit  dem  Beina- 
men Burdigalensis  oder  Empiricus,  dem  Leibarzte  Theodosius  des  Grofsen, 
geschrieben  ist,  vom  medicinischen  Standpunkte  aus  unbedeutend,  er- 
schlofs  dem  sinnigen  Auge  des  Verfassers  nach  anderer  Seit«  hin  einen 
anziehenden  Sdiatz.  Marcellus  nämlich,  von  Geburt,  wie  der  erste  Bei- 
name ausdrückt,  ein  Gallier  (aus  Bourdeaiuc),  thcilt  hin  und  wieder  gal- 
lische Kräutemamen  mit,  welche  in  dieser  Abhandlung  den  entsprechen- 
den Wörtern  der  heutigen  keltischen  Dialekte  gegenübergestellt  werden 
und  unverkennbar  anzeigen,  dafs  die  im  4.  Jahrhundert  in  Aqnitanien 
herrschende  Sprache  sich  mehr  der  irischen  und  gälischen  Mundart,  als 
der  armorischen  anschliefst.  Dann  werden  die  abergläubischen,  von  Mar- 
cellus aus  dem  Munde  des  Volkes  erkundeten  Heilmittel,  gewifs  von 
hohem  Alterthum  und  weiter  Verbreitung,  mitgetheilt,  und  darauf  hin- 
gewiesen, wie  sie  die  alten  Zustände,  die  Poesie  und  Sitte  der  euro- 
päischen Völker  mannigfach  aufbellen.  Ganz  unmittelbar  für  die  Sprach- 
wissenschaft aber  ist  die  Erklärung  einer  bisher  unverständlichen  Formel 
wichtig,  in  welcher  nunmehr  das  überhaupt  bekannte  älteste  Denkmal 
gallischer  Sprache  aufgewiesen  wird. 

üeber  die  Marcellischen  Formeln  von  Jacob  Grimm 
und  Adolph  Pictet.  Aus  den  Abhandlungen  der  konigl. 
Akademie  der  Wissenschaften  zu  Berlin.  1855.  gr.  4. 
geh.    8  Sgr.  . 

Die  in  der  vorhergehenden  Schrift  gemachte  Entdeckung,  dafis  ein- 
zelne der  von  Marcellus  Burdigalensis,  einem  aus  Aquitanien  gebürtigen 
Gallier,  verzeichneten  abergläubischen  Heilformeln  und  Zaubersprüche 
in  keltischer  Sprache  abgefafst  seien  und  aus  ihr  gedeutet  werden  könn- 
ten, wird  weiter  verfolgt  Schon  gegebene  Erklärungen  werden  mit 
neuen  Beweisen  unterstützt,  andere  neu  dargeboten. 


Romanische  Sprachen.  21 


Bomanische  Sprachen. 

Etymologische  Untersuchungen  auf  dem  Gebiete  der  Ro- 
manischen Sprachen  von  C.  A.  F.  Mahn,  Dr.  Specimen 
I— Vin  oder  No.  t— 56/    1855.    8.     16  Sgr. 

Diese  Untersuchnngen  sind  gewissermafsen  als  eine  Fortsetzung  und 
Ergänzung  von  Diez^  etymologischem  Wörterhuch  der  Romauischen 
Sprachen  zu  betrachten,  indem  der  Verfasser  hauptsächlich  solche  roma- 
nische Wörter  einer  in  der  Regel  ausführlicheren  etymologischen  Unter- 
suchung unterwirft,  von  denen  Diez  noch  keine  Etymologie  gegeben  liat 
oder  bei  denen  er  eine  Frage  nach  der8cll>en  aufwirft  oder  bei  denen 
endlich  der  Verfasser  mehr  oder  weniger  von  Diez  abweicht. 

De  elemenüs  Germanids  potissimum  linguae  Franco- 
gallicae  scripsit  Lndovicus  Schacht,  Phil.  Dr.  1853. 
gr.  8.    geh.     12  Sgr. 

Der  Verfasser  stellt  in  einem  Glossarium  möglichst  vollständig  alle 
durch  das  Deutsche  etymologisch  erklärbaren  Wörter  der  französischen 
Sprache  zusammen.  Eiqe  vorangeschickte  allgemeine  Einleitung  setzt  die 
historischen  und  verwandtschaftlichen  Beziehungen  des  Französischen  zum 
Deutschen  wie  zu  seinen  übrigen  Bestandtheilen  auseinander. 

Syntax  der  nenfranzösischen  Sprache.  Ein  Beitrag  zur 
geschichtlich -vergleichenden  Sprachforschung  von  Dr.  Ed. 
Mätzner.     Zwei  Theile.     1843.  45.    gr.  8.     4  Thlr. 

Die  bisher  gewöhnlich  nur  auf  den  etymologischen  Theil  der  Sprach- 
wissenschaft angewandt«  vergleichende  Methode  liefert  hier  auch  in  der 
Syntax  die  schönsten  Ergebnisse.  Zur  Erklärung  der  französischen  Con- 
structionen  sucht  der  Verfasser  zunächst  in  den  verschwis^rten  roma- 
nisdien  Sprachen,  besonders  auch  im  Altfranzösischen  und  Provenzalischen 
die  analogen  Erscheinungen  auf.  Er  dehnt  aber  den  Kreis  der  Ver- 
gleichung  auch  auf  die  klassischen  Sprachen  und  endlich  selbst  auf  die 
semitischen  aus.  Dabei  besitzt  der  Verfasser  die  so  seltene  Vereinigung 
umfassender  historischer  Forschungen  mit  einem  tiefen  philosophischen 
Blick.  Von  den  beiden  Theilen  behandelt  der  erste  den  Satz,  der  andere 
das  Satzgefüge  und  die  Periode. 


22  RoüiaiuMhe  Spmches. 


Altfinuizösische  Lieder,  berichtigt  und  erläutert  mit  Be- 
zug auf  die  provenzalische,  altitalienische  und  mittelhoch- 
deutsche Liederdichtung  nebst  einem  altfranzösischen  Glossar 
von  Eduard  Mätzner.    1853.  gr.8.  geh.  2Thlr.  15  Sgr. 

Diese  Satnmlang  von  altfransösischen  Liedern  bietet  nicht  sowohl 
einen  jener  Text-Abdrucke  nach  französiscben  Handscbriften)  üe  sa  Tie» 
len  Stellen  jedes  Yerstandnifs  unmöglich  erscheinen  lassen,!  sondern  Tiel- 
mebr  eine  kritische  Bearbeitung  bereits  anderweitig  publicirter  Texte, 
durch  welche  dieselben  erst  recht  leserlich  werden.  —  Mit  dieser  kriti- 
schen Behandlung  hängt  die  Deutung  eng  zusammen.  Zur  Erläuterung, 
theilweise  selbst  zur  Wortkritik,  wurden  von^  Herausgeber  die  alütalia- 
nischen,  wie  die  provenzalischen  und  mittelhochdeutschen  Ijrischen  Dich- 
tungen herbeigezogen.  Abgesehen  von  dem  Nutzen,  den  eine  derartige 
Vergleichung  nach  dieser  Seite  hin  gewährte,  ist  es  aber  auch  an  und 
fujr  sich  interessant,  die  wesentlichen  der  mittelalterlichen  Kunstljrik  Ter- 
schiedener  Länder  gemeinsamen  Züge  zu  verfolgen,  und  auch  hierauf 
waren  die  Bemühungen  des  Herausgebers  gerichtet. 

Das  Glossarium  endlich  ist  dazu  bestimmt,  minder  Geübten  das  Stu- 
dium einer  veralteten  Sprache  zu  erleichtem,  ohne  deren  gründliche  Er- 
forschung die  Kenntnifs  des  Neu  französischen  lüdcenhaft  bleiben  mnCs. 
£s  berücksichtigt  die  Abstammung  der  Worte  und  giebt  zugleich  die 
nächst  verwandten  Wortformen  der  westromanischen  Idiome,  sowie  des 
Englischen. 


Die  Werke  der  Troubadours,  in  provenzalischer  Sprache, 
nach  Raynouard,  Rochegude^  Diez  und  nach  den  Hand- 
schriften.   Herausgegeben  von  Dr.  C.  A.  F.  Mahn. 

Lyrische  Abtheilung.  Bd.  I.  1846.  8.  geh.  2  Thlr. 
Bd.  n.  Lief.  1  u.  2.  1855.  57.  8.  geh.  ä  15  Sgr.  Bd.  IV. 
1853.   8.   geh.  2  Thlr. 

Epische  Abtheilung.  Bd.  L  Girariz  de  Roasilho, 
nach  der  Pariser  Handschrift  herausgegeben  von  Dr.  C. 
Hof  mann,  Prof.  an  der  Universität  zu  München,  Mit- 
glied der  König!.  Bayerischen  Akademie  der  Wissenschaf- 
ten.   Lief.  1  —  3.     1855  —  57.    8.    geh.  ä  15  Sgr. 

Eine  neue  Ausgahe  sämmtlicher  Werke  der  proyenzalischen  Trou- 
badours war  wegen  der  Seltenheit  und  Unyo]lständigkeit  des  bekannten 
Rajnouard''schen  Werkes  nothwendig  geworden,  besonders  auch  seitdem 
man  immer  allgemeiner  su  erkennen  anfing,  dafs  aufser  dem  historisdien 


RomaniBclie  Sprachen.  23 


und  litterarUchen  Interegse  der  provenzaliechen  Sprache  fQr  das  Studium 
der  romanUchen  Sprachen  dieselbe  Wichtigkeit  zukommt,  als  der  gothi- 
schen  für  das  der  germanischen  Sprachen. 

Der  erste  Band  der  lyrischen  Abtheilung  enthSlt  aufser  der  ausführ- 
lichen Vorrede,  in  welcher  auf  den  Nutzen  und  die  Wichtigkeit  des 
Studiums  der  proyenzalischen  Sprache  und  Litteratur  aufmerksam  ge- 
macht, und  besonders  die  Wichtigkeit  desselben  für  die  historische  und 
vergleichende  Sprachforschung  hervorgehoben  wird,  in  chronologischer 
Ordnung  277  Gedichte  vpn  20  'Troubadours  in  einem  höchst  corrccten 
Abdruck. 

Lieferung  1.  und  2.  des  zweiten  Bandes  enthalten  die  Dichter  Peiroi 
und  Guillem  von  Saint- Didier,  den  Mönch  von  Montaudon^  21  Gedichte 
von  Arnaui  Daniel,  und  etwa  14  Gedichte  (von  60)  des  Gaucelm  Faidit. 

Der  vierte  Band  umfafst  sämmtliche  gröfsere  und  kleinere  Gedichte, 
99  an  der  2ahl,  eines  der  umfangreichsten  und  bedeutendsten  Dichter, 
des  Oiraut  Riquier,  und  zwar  ganz  neu  nach  den  beiden  Pariser  Ori- 
ginalhandschriften herausgegeben. 

Die  bis  jetzt  ausgegebenen  drei  Lieferungen  des  ersten  Bandes  der 
epischen  Abtheilung  der  Werke  der  Troubadours  enthalten  den  ganzen 
Text  des  Girarix  de  Rouilho.  Die  vierte  und  letzte  Lieferung  wird  die 
Einleitung  und  die  kritischen  und  erklärenden  Anmerkungen  und  ein 
Glossar  enthalten. 

Die  Biographieen  der  Troubadours,  in  prövenzalischer 
Sprache.  Herausg^eben  von  Dr.  C.  A.  P.  Mahn.  1853. 
8.     geh.     15  Sgr. 

Eine  neue  und  besondere  Ausgabe  der  Biographieen  der  Troubadours 
in  provenzalischer  Sprache  schien  wunschenswerth,  nicht  nur  an  und 
für  sich  wegen  des  anziehenden  und  oft  sehr  merkwürdigen  litterarischen 
und  geschichtlichen  Inhalts,  sondern  auch  weil  dieselben  in  Folge  ihrer 
Leichtigkeit  und  Verständlichkeit  als  erstes  Lese-  und  Uebungsbuch  fUr 
Anfänger  dienen  können,  die  durch  dieselben  sehr  zweckmSfsig  auf  die 
Lesung  der  bei  weitem  schwierigeren  Gedichte  selbst  vorbereitet  werden. 
Einen  besonderen  Vorzug  erhfilt  diese  neue  Ausgabe  dadurch,  dafs  die 
ersten  48  Biographieen,  vermöge  einer  von  dem  Herausgeber  gemachten 
Abschrift,  treu  nach  den  Pariser  Handschriften  gegeben  werden;  die 
übrigen  sind  nach  Raynouard  abgedruckt.  Einige  kritische  Bemerkungen 
und  wörtliche  Uebersetzungen  sind  beigefügt  worden. 

Gedichte  der  Troubadours  in  provenzalischer  Sprache, 
zum  ersten  Mal  und  treu  nach  den  Handschriften  heraus- 
gegeben.   Mit  kritischen  und  erklftrenden  Anmerkungen  von 


24  Iberisch-BasIÜBch. 


Iberisch  -  Baskiscli. 

Prüfung  der  Untersnchungeii  über  die  Urbewohner  ,Hi- 
spaniens  vermittelst  der  baskischen  Sprache  von  Wilhelm 
von  Humboldt.     1821.     4.     geh.     2  Tht.  10  Sgr. 

Diese  Schrift  enthält  nicht  blos  eine  Kritik  der  früheren  so  dürflli- 
gen  und  unvollkommenen  Untersuchungen  über  die  ürbewohner  Spaniens. 
Vielmehr  wird  mit  musterhafter  Gründlichkeit  und  Klarheit  dargethan, 
dafs  die  vielen  altiberischen,  von  'Griechen  und  Römern  überlieferten 
Ortsnamen  aus  der  vaskischen  Sprache  herstammen,  und  somit  die  That- 
Sache  zur  GewiTsheit  erhoben,  dafs  die  heutige  Sprache  der  Yasken, 
natürlich  mit  den  durch  die  Zeit  hervorgebrachten  YerSnderungen,  auch 
die  der  alten  Iberer  war,  und  dafs  ferner  diese  nur  ein  Volk  mit  nur 


1 


Dr.  C.  A.  F.  Mahn.   Bd.L    Lief.  1  —  5.  1856.    8.    geh. 
2  Thlr.  15  Sgr.    Bd.  IL  Lief.  1.  2.     1856.  57.    ä  15  Sgr. 

Gegenwärtige  Ausgabe  von  Gedichten  der  Troubadours  in  proFen- 
zalischer  Sprache  ist  dazu  bestimmt,  die  kritische  Ausgabe  sämmtlicher 
Werke  der  Troubadours  mit  Vcrglcichung  aller  Handschriften  vorzabe- 
reiten,  dieselbe  einstweilen  zu  ersetzen,  und  auch  nachher  noch  einen 
urkundlich -handschridlichcn  Werth   zu  behaupten.     Die  Gedichte  sind 
daher  ganz  treu  nach  bestimmten  Handschriften  gegeben,  und  die  Be- 
sprechung und  Verbesserung  des  Textes  ist  den  kritischen  Anmerkungen 
überwiesen.    Es  sind  im  Ganzen  300  Lieder  und  gröfsere  Gedichte,  die 
hier  gröfstentheils  zum  ersten  Mal  gedruckt  erscheinen      Die  Zahl  der 
ungedruckten    verhält   sich   zu    den   bereits   gedruckten    wie   250  :  50. 
Sämmtliche  Gedichte  sind  aus  sieben  Handscliriften  der  Pariser  Kaiserl. 
Bibliothek  und  des  Arsenals,  sowie  aus  vier  englischen  Handschriflen 
gezogen,  die  durch  ein  Zusammentreffen  von  günstigen  UmsUinden  wie- 
der  neu  aufgefunden  und  zum  Theil  in  Besitz  von  Privatpersonen  and 
au  schwer  zugänglichen  Orten  in  die  Hände  des  Herausgebers  gelangten. 

Peire  Yidal's  Lieder,  herausgegeben  von  Dr.  K.  Bartscli, 
Conservator  der  Bibliothek  am  Germanischen  Museum.  8. 
geh.    1857.    2  Thlr. 

Kritisch  bearbeiteter  Text  mit  ausführlicher  Einleitung  über  des 
Dichters  Leben,  metrische  und  sprachliche  Eigenthümlichkeiten,  Reim- 
verzeichnifs,  Glossarium  u.  s  w. 


Aegyptisch.  25 

einer  yon  den  celtischen  ganz  verscliledenen  Sprache  ausmachten  und 
als  die  ursprunglichstea  Bewohner  über  die  ganze  Halbinsel  verbreitet 
waren,  nnr  mit  Gelten  untermischt  und  theil weise  zu  Celtiberem  yer- 
schmolzen;  denn  die  vereinzelten  punischen  und  griechischen  Colonieen 
können,  wie  die  römischen  Besatzungen,  nicht  in  Betracht  kommen.  * 

Denkmäler  der  baskischen  Sprache.  Herausjiregeben  von 
Dr.  C.  A.  F.  Mahn.    1857.   8.    geh.    (Unter  der  Presse). 

EntiiSlt  hauptsfichlich  seltene  unzugängliche  oder  ganz  unbekannte 
Baskische  Texte  z.  B.  aus  dem  Neuen  Testament  von  1571,  aus  Azular^s 
Gneroco  guero  von  1642,  aus  Oi'henart^s  und  Garibay^s  Sprichwörtern, 
epische  Gedichte  über  den  Cantabrischen  Krieg  und  die  'Schlacht  bei 
Roncesfalles,  Urkunden  aus  dem  6.  und  8.  Jahrhundert,  Uebersetzungen 
aus  den  klassischen  Sprachen,  ganz  besonders  bisher  unbekannte  kleinere 
Lieder 


C.    Aegyptisch. 


De  natura  et  indele  linguae  popularis  Aegyptiorum  die- 
seruit  H.  Brugsch.  (fasciculus  prior.)  1850.  gr.  8.  geh. 
15  Sgr. 


Grammaire  dimotiqne  contenant  les  principes  g6n6raux 
de  la  langue  et  de  Pecriture  populaires  des  anciens  Egyp- 
tiens  par  Henri  Brugsch,  de  Funiversitö  royale  de  Berlin. 
Avec  un  tableau  de  signes  demotiqaes  et  dix  planches  j 
annexöes.     1855.     fol.    cart.     25  Thir. 

Diese  Grammatik  enthält  eine  yollatandige  uud  wissenschaftliche 
Darstellung  desjenigen  ägyptischen  Dialectes,  welcher  zu  den  Zeiten  der 
letzten  Pharaonen,  der  Griechen  und  Römer  in  Aegypten  gesprochen  und 
geschrieben  wurde.  Nicht  nur  sind  die  grammatischen  Formen  und  ihre 
graphische  Darstellung  bis  in  die  kleinsten  Details  wiedergeftinden,  son- 
dern auch  mit  reichlichen  Beispielen  unterstützt  worden,  welche  sich 
dem  Verf.  in  allen  Mnseen  Europas  und  in  Aegypten  in  Falle  darboten. 


26  Aeitfptisch. 

Um  die  Einheit  dei  Gänsen  and  die  Braachbarkeit  für  du  Stndiam 
des  AegyptiBGhen  ca  erhöhen,  hat  der  Verf.  überall  die  etwaige  eaC» 
aprechende  hieroglyphiache  Form  (mit  steter  Hinweiaung  auf  die  Gram- 
maire  ^gyptienne  ChampoUion's  d.  j.)  in  Parallele  gestellt  nnd  naturiicsb 
als  Haapibeweiamittel  für  die  Richtigkeit  der  gewonnenen  grammatlachen 
Bedeutung  das  Koptische  herbeigezogen,  gestutzt  auf  die  Grammatiken 
Peyroii'«,  Yorzuglich  aber  Sehtüarixe'i,  Um  ein  Beispiel  für  die  Aus- 
dehnung der  gewonnenen  Formen  zu  geben,  welche  im  Vergleich  mit 
Champollion^s  eben  genannter  hierogljphischer  Grammatik  weit  über 
dieselbe  hinausgeht,  so  bemerken  wir,  dafs  vom  Verbnm  allein  achtzehn 
verschiedene  Formen  aufgefunden  worden  sind,  wahrend  deren  Zahl  in 
Hieroglyphischen  kaum  die  Hälfte  davon  übersteigt. 

Zehn  Tafeln  geben  die  genauesten  und  treneaten  Facsimiles  von 
verschiedenen  demotisohen  Insdiriflen  ans  den  Museen  von  Paris,  Ley- 
den,  Turin,  Dresden  und  aus  Aegypten. 

Die  Verlagshandlnng  hat  zu  diesem  Werke  die  ganze  demotiscbe 
Schrift  in  mehr  als  dreihundert  Haupttypen  schneiden  und  giefsen  lassen, 
worüber  das  folgende  „MAnaire*^  Auskunft  zu  geben  bestimmt  ist. 

Ximoire  sur  la  reproduction  imprim^e  des  caract^res 
de  TancieDiie  Venture  demotique  des  Egyptiens,  au  moyen 
de  types  mobiles  et  de  Pimprimerie;  par  Henry  Qrugscb, 
de  PuniversitÄ  royale  de  Berlin.    1855.    4.   geh.    7\  Sgr. 

Koptische  Grammatik  von  Dr.  M.  G.  Schwartze, 
ehem.  Pro£  der  Koptischen  Sprache  an  der  Kgl.  Friedrich 
Wilhelms -Umversität  zo  Berlin,  herausgegeben  nach  des 
Verfassers  Tode  von  Dr.  H.  Steinthal,  Docenten  an  der- 
selben Universität.     1850.    gr.  8.    cart.     5  Thb.  10  Sgr. 

Diese  GrammatiJc  liefert  die  Tbatsachen  so  vollständig  und  sorgfältig, 
wie  sie  bisher  nocli  nirgends  gefunden  worden  sind.  Dabei  erstreckt 
sie  sich  über  alle  drei  koptischen  Dialecte  in  gleicher  Weise.  Was  ihr 
aber  den  gröfsten  Vorzug  giebt,  ist  die  comparativ- genetische  Methode, 
welcher  überhaupt  die  neueste  Sprachwissenschaft  ihren  Aufschwung 
verdankt,  und  welche  hier  vom  Verfasser  mit  Scharfsinn  und  Umsicht 
angewandt  ist.  Es  ist  hier  zum  ersten  Male  eine  wissenschaftliche  Laut- 
lehre der  koptischen  Sprache  gegeben,  welche  die  sichere  Basis  für  die 
Formenlehre  bildet.  Höchst  schfitzenswerthe  Notizen  über  die  Syntax  sind 
aus  den  Papieren  des*  Verfassers  vom  Herausgeber  angehängt. 


Semitische  Sprachen.  — *  Arabisch.    Syrisch.  27 


I).   Semitische  Sprachen« 


Arabisch* 

Ibn  'Aldis  Commentar  zur  Alfijja  des  Ibn  Mälik  aus  dem 
Arabischen  zum  ersten  Male  übersetzt  von  P.  Dieterici, 
Dr.  Ph.,  a.  o.  Professor  an  der  Universität  zu  Berlin.  1852. 
gr.  8.    geh.     4  Tbk* 


Syrisch. 

Lezicon  lingnae  Syriacae.  CoIIegit  digessit  edidit  6e- 
orgius  Henricus  Bernstein.  Fascicubis  primus.  Fol. 
2  Thlr.  20  Sgr. 

S«it  einer  Reihe  von  Jahren  wurde  dem  Erscheinen  des  obigen 
Werkes  mit  Verlangen  entgegengesehen.  Es  ist  bekannt  (vgl.  Zeitschrift 
d.  deutschen  morgenl.  Gesellschaft  Bd.  III.  \Si9.  S.  385),  dafs  der  Ver- 
fasser desselben  Ifinger  als  ein  Menscbenalter  hindurch  Vorarbeiten  zu 
einem  ausführlichen  syrischen  Wörterbnche  gemacht,  zu  dem  Ende  alle 
gedruckt  rorl legenden  syrischen  Schriften  aufmerksam  durchgelesen  und 
sorgf&ltig  ezcerpirt,  Reisen  nach  England  und  Italien  zur  Benutzung  der 
dortigen  Bibliotheken  fOr  seine  Zwecke  unternommen  und  das  dem  sy- 
rischen Lexikographen  unentbehrliche  syrisch -arabische  Wörterbuch  des 
Bar-Bahlul  sich  abschriftlich  verschafft,  sowie  Auszüge  aus  dem  des 
Bar -Ali  gemacht  hat 

Nach  diesen  Vorbereitungen  wurde  ihm  durch  v.  Frfihn's  Vermit- 
telung  die  Vergünstigung  zu  Theil,  aus  Lorsbach^s  Vorarbeiten  zu  einem 
syrischen  Wörterbuche,  welche  dieser  Gelehrte  seinem  Handexemplare 
von  Castelli- Michaelis  Lezicon  beigeschrieben  und  welche  sich  in  dem 
RomSnzoiTschett  Museum  zu  St.  Petersburg  befinden,  mit  Allerhöchster 
Erlaubnifs  Sr.  Majestät  des  verewigten  Kaisers  Nikolaus  auf  knrze  Zeit 
zur  Durchsicht  und  Benutzung  zugesandt  zu  erhalten.  Zu  gleichem 
Zwecke  wurde  ihm  auch  Arnoldi'^s  Handexemplar  des  Castelli -Michael, 
syrischen  Wörterbuches,  welchem  der  Besitzer  Zusätze  und  Berichtigun- 
gen beigefügt  hat  nnd  welches  Eigentbum  der  Universit&ts- Bibliothek 
in  Marburg  geworden  ist,  durcn  die  Güte  des  Herrn  Bibliothekars  mitp 
getheilt. 


28  Finnisch -Urtarische  Sprachen. 

AU  nun  diese  reichen  Materialien  beisammen  waren  und  der  Ver- 
fasser Tor  acht  Jahren  an  die  Ausarbeitung  des  Werkes  ging,  schuf  er 
im  Verein  mit  dem  verstorbenen  schwedischen  Professor  Tallberg  and 
•einerseits  in  der  Absicht,  aie  für  das  Lexicon  zo  benutzen,  eine  n^ae 
syrische  Schrift,  mit  welcher  auch  die  Breslauer  Universität«  •  Bach- 
druckerei  durch  die  Liberalität  des  Herrn  Ministers  v.  Raumer  £xceUenz 
versehen  worden  ist  und  welche  dem  Werke  nicht  nur  zur  besooderen 
Zierde  gereicht,  sondern  auch  den  grofsen  Gewinn  gewahrt,  dafs  es  an- 
ter den  Augen  des  Verfassers  gedruckt  und  der  Druck  von  ihm  selbst 
fiberwacht  werden  kann. 

Wir  haben  die  Ausgabe  des  Werkes  in  Heften  beschlossen,  um  den 
Orientalisten  stets  möglichst  schnell  die  vollendeten  Abtheilungen  des- 
selben zur  Benutzung  zu  übergeben.  Hefte  von  18  — 20  Bogen  werden 
in  möglichst  kurzen  Zwischenräumen  dem  gegenwärtigen  folgen. 

Zum  Schlüsse  unserer  Ankündigung  erlauben  wir  uns  auf  die  Worte 
hinzuweisen,  welche  einer  der  ersten  Kenner  der  sjrischen  Sprache, 
Herr  Professor  Dr.  Rödiger  in  Halle,  nach  der  Einsicht  in  die  ersten 
Bogen  dieses  Werkes  über  dasselbe  (Zeitschrift  der  deutschen  morgenL 
Gesellschaft  Bd.  IX.  IS5ö.  S.  760)  ausgesprochen  hat: 

„Uraa  Ich  t«b  Bemsieln's  Syrischem  Leilkcn  cesehen  habe,  ent- 
„■prlcht  T^llsitodiv  den  h«hen  Erwariangeu,  4%m  wir  d«v«u  hef:tcB. 
„Es  Ist  die  reire  rrocht  Jahrelangen  tmermadllchen  FlelAes,  der  um- 
„■Ichilgsten  und  sergfllltlcaien  Benntsunc  eines  reichen  handschrlfi- 
„llchen  Materials,  der  anscedehntesten  Lectllre  ifnd  einer  muater- 
„hafVcn  Akribie,  ein  Werk,  auf  welche*  die  deutsche  WlaseDsehafl 
„Siels  sein  wird.«  * 


£•    Finnisch-taxtaxische  Sprachen. 


Ueber  die  Sprache  and  Schrift  der  tJig^en  von  Julius 
Klaproth.  Mit  einer  Kupfertafel  und  einer  Vignette. 
(Nur  in  zweihundert  Exemplaren  gedruckt.)  fol.  Vergl. 
über  dieselbe  S.  31-  unter  Verzeichnifs. 

Diese  Abhandlung  ist  von  einer  älteren  unter  demselben  Titel  er- 
schienenen desselben  Verfassers  zu  unterscheiden.  Hier  werden  aus 
einem  uigurisch- chinesischen  Vocabular,  welches  ans  dem  kaiserlichen 
UebersetKungsinstitute  zu  Peking  stammt  und  jetst  in  der  Bibliothek  xu 


Malayisch-polynesische  Sprachen.  29 


Paris  sich  befindet,  die  in  ihm  enthaltenen  achthnndert  niguriachen  Wör- 
ter mitgetheilt  und  mit  den  entsprechenden  anderer  türkisch-tartarischer 
Dialecte  zasammengestellt  AaCserdem  werden  drei  nigurische  Schreiben 
an  die  chinesischen  Kaiser  der  Dynastie  Ming  als  Sprachprobe  gegeben. 
Hierauf  folgt  die  aus  Abulgasi  und  besonders  den  chinesischen  Schrift- 
stellern geschöpfte,  theilweise  durch  europäische  Zeugniste  bestätigte 
Geschichte  der  Uignren,  welche  die.  einstige  Macht  dieses  Stammes  nnd 
übereinstimmend  mit  der  Sprache  seinen  türkischen  Ursprung  und  seine 
Verschiedenheit  von  den  Tanguten  beweist  Die  uigurischc  Schrift  ist 
eine  Tochter  der  syrischen  und  Mutter  der  mongolischen,  kalmückischen 
und  mandschurischen,  wie  sowohl  die  Form  der  Buchstaben  selbst,  als 
auch  einheimische  Schriftsteller  lehren. 

Das  Zahlwort  in  der  tschndischen  Spraohdasse,  wie 
auch  im  Türkischen,  Tungusischen  und  Mongolischen  von 
Wilhelm  Schott.  Aus  den  Abhandlungen  der  Akade- 
mie a.  d.  J.  1853.  1853.    gr.  4.    geh.     15  Sgr. 


F.    Malayisch-polynesische  Sprachen. 


Heber  die  Kawi- Sprache  auf  der  InselJava,  nebst  einer 
Einleitung  über  die  Verschiedenheit  des  menschlichen  Sprach- 
baues und  ihren  Einflufs  auf  die  geistige  Entwicklung  des 
Menschengeschlechts  von  Wi Ihelra  vonHumboIdt  Drei 
Bände.    1836.    gr.  4.    18  Thk.  15  Sgr. 

Der  erste  Band  dieses  Werkes  enth&lt  aufser  der  Einleitung,  Ton' 
der  die  oben  aufgefiihrte  Schrift  ein  besonderer  Abdruck  ist,  das  erste 
Buch :  über  die  Verbindung  zwischen  Indien  und  Java.  Da  die  Kawi- 
Sprache  das  Erzeugnifs  dieser  Verbindung  ist,  so  wird  hier  gewisser- 
mafsen  die  Entstehung  derselben  nachgewiesen.  Die  Verbreitung  des 
Buddhismus  über  Java  und  andere  Inseln  des  östlichen  Archipels  wird 
aus  den  Ueberresten  von  Tempeln  und  BUdwerken,  Inschriften  und 
Sagen,  wie  auch  aus  einzelnen  Kennzeichen  aufs  Gründlichste  darge- 
than.  —  Das  zweite  Buch  (II.  Bd.)  enthält  die  Analyse  der  Kawi-Sprache. 
I^ach  einigen  Notizen  über  die  Literatur  nnd  die  Hülfsmittel  zur  Erfor- 


äO  Malayiflch-polyiiMisclM  ^Hmehen. 

•chnng  deraelben  wird  Um  graaimaligGhe  Fonn,  wie  sie  sich  ans  der 
behatflamsteii  Betrachtmig  der  Texte  ergab,  datgesiellt,  lun  die  ^atur  der- 
selben ta  bestimmeii  und  sa  zeigen  and  mit  Beweisen  so  belegen,  wie 
sie  in  dem  Kreise  der  Sprachen,  cn  welchen  sie  zn  redinen  iBt,  daaai- 
ficirt  werden  mnfs.  —  Dies  nöthigte  den  Yeriasser  im  dritten  Bnciie 
snf  den  malsjischen  Spraohstamm  überhaupt  einzugehen.  Nach  der  ali- 
gemeinen Charaoterisinuig  und  Eintheilung  desseLben  weiden  gueiat  die 
einzelnen  Sprachen  des  westlichen  Zweiges  mit  dem  beksnnten  feinen 
Takt  des  Verfassers  för  Auffassung  eigenthümlicher  Gestaltungen  Tor^ 
geführt.  — 

Der  dritte  Band  umfafst  die  Sprachen  der  Südsee-Inseln,  den  andern 
Zweig  des  malayisdien  Stammes.  Diese  leider  ron  Humboldt  nicht  voll- 
endeto  Arbeit  hat  ihre  Ergänzung  durch  einen  jüngeren,  auf  dem  Gebiete 
der  Sprachwissenschaft  rühmlichst  bekannten  Gelehrten,  Herrn  Professor 
BuichmanUf  erhalten,  welcher  in  umfassendster  Weise  nidit  nnr  die 
Sprachen  der  Südsee-Insein  unter  sich,  sondern  auch  diese  mit  dem  oben 
erwähnten  westlichen  Zweige,  den  im  engem  Sinne  malayisch  genannten 
Sprachen,  Terglichen  hat. 

üeber  die  Verwandttehaft  der  malayisch-polynesischen 
mit  den  indisch-europäischen  Sprachen  von  Franz  Bopp. 
1841.    gr.  4.    2  Thb-.  20  Sgr. 

Der  berühmte  Verfasser  führt  in  dieser  Abhandlung  den  Beweis,  dafs 
der  maiayisch-polynesisohe  Sprachsweig  ein  Abkömmling  des  Sanskrit-Stam- 
mes ist,  dafs  er  zu  demselben  in  einem  tochterlichen  Verhältnisse  steht^  wäh- 
rend die  meisten  europäischen  Sprachklassen  dem  Sanskrit  schwesterlich 
die  Hand  reichen,  £s  wird  die  Annahme  gerechtfertigt,  dafs  das  Sans- 
krit, und  zwar  zu  einer  Zeit,  wo  es  in  noch  ursprünglicherem  Zustande, 
als  in  welchem  es  uns  bekannt  ist,  sich  befand,  und  viel  durchgreifender 
und  gewaltsamer  als  das  Lateinische  in  die  romanischen  Spradien,  in 
die  malayisch-poljrnesischen  sich  aufgelöst  habe.  Letztere  sind  nur 
Trümmer  eines  yerfallenen  Sprachorganismus,  sie  sind  aus  der  gram- 
matischen Bahn,  in  der  sich  ihre  Muttersprache  bewegt  hat,  herans- 
getreten.  Die  Untersuchung  kann  sich  darum  hier  nidkt  mit  der  Gram- 
matik beschäftigen,  sondern  es  werden  Wörter  ans  allen  Redetheiien 
mit  Sanskritwörtem  yerglichen,  und  ihre  auffallende  Aehnlichkeit  mit 
denselben  bestätigt  die  obige  Ansicht. 


Chinesisch  und  Hinterindisch.  31 


Q.    Chinesisch  und  Hinterindisch, 


Vocabalarium  Sinicnm  concinnavit  Gnilelmus  Schott« 
1844.    gr.  4.   geh.     1  TUr.  10  Sgr. 

Znr  Beorteiiimg  der  annamitisohen  Schrift  und  Sprache 
Ton  Wilhelm  Schott.  Aus  den  Abhandlungen  der  Kö- 
niglichen Akademie  der  Wissenschaften  zu  Berlin.  1855. 
gr.  4.     geh.     8  Sgr. 

Die  Abbandinng  stellt  die  Eigenthömlichkeiten  der  annamitisohen 
Schrift  und  Sprache  dar,  und  zwar  die  letstere  in  den  Lauten  der  gram* 
malischen.  Construction ,  im  Gegensatz  zur  chinesischen.  Ein  Anhang 
erklärt  die  Namen  Annam,  Tnog-Kingl  (Tonquin)  und  Gonchinchina. 

▼erseichniss  der  Chinesischen  und  Mandschuischen  Bü- 
cher und  Handschriften  der  König!.  Bibliothek  zu  Berlin. 
Verfafst  von  JuliusKlaproth.  Herausgegeben  auf  Befehl 
Seiner  Majestät  des  Königs  von  Preufsen.  Paris  1822. 
gr.  fol.  (188  pp.  u.  Vni.)  Angehängt  ist  eine  Abhand- 
lung: Ueber  die  Sprache  und  Schrift  derUiguren.  (68  pp.)' 
Mit  einer  Kupfertafel  und  einer  Vignette.  (Nur  in  zwei« 
hundert  Exemplaren  gedruckt.)  Vergl.  über  dieselbe  S.  28. 
d.  V.     fol.     IGThlr.  15  Sgr. 

Chmesische  Sprachlehre  von  Wilhelm  Schott.  Zum 
Gebrauche  bei  Vorlesungen  und  zur  Selbstunterweisung. 
1857.     gr.  4.    geh.    2  Thlr.  20  Sgr. 


32  Amerikaiiische  Sprachen. 


E.  Amerikanische  Sprachen. 


üeb«r  die  Aitekisehen  Ortsnamen  von  Job.  Carl  Ed. 
Buschmann.  Erste  Abtheilung.  [Besondrer  Abdruck  aus 
den  Abhandlungen  der  Königlichen  Akademie  der  Wissen- 
schaften zu  Berlin  aus  dem  Jahre  1852.]  1853.  gr.  4. 
geh.     2  Thlr. 

Inhalt:  I.  Einleitung.  II.  Aztlan  und  die  azCeki«che  Sprache. 
III.  Merkwürdigkeiten  der  mexikanischen  Sprache.  IV.  Hieroglyphiache 
GemÜlde.  V.  Einwanderung  tou  Norden.  VI.  Wanderungen  and  älteste 
Geschichte.  VII.  Verbreitung  aztekischer  Ortsnamen  im  Allgemeinen 
und  im  nördlichen  Mezicol  VIII.  Guatemala.  IX.  Nicaragua.  X.  Gua- 
temala (Schlnfs).     XI.  W^iederkehr  der  Ortsnamen. 

I>er  athapaakische  Sprachstamm  dargestellt  von  Joh. 
Carl  Ed.  Buschmann.  Aus  den  Abhandlungen  der 
König!.  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Berlin  1855.  1856. 
gr.  4.     cart.     2  Thlr. 

Die  Sprachen  Kizh  und  Vetela  von  Nen-Califomien  von 
Joh.  Carl  Ed.  Buschmann.  Aus  den  Abhandlungen  der 
König].    Akademie    der    Wissenschaften    zu   Berlin    1855. 

1856.  gr.  4.  geh.     12  Sgr. 

Die  Pimasprache  und  die  Sprache  der  Koloschen  von  Joh. 
Carl  Ed.  Buschmann.  Aus  den  Abhandlungen  der 
Königl.    Akademie    der    Wissenschaften   zu   Berlin    1856. 

1857.  gr,  4.     cart    1  Thhr. 


/    b  Ü  vJ         L  ^r  2